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^ HEIDELBERGER
JAHRBÜCHER
DER
LITEMTUR.
Fünfzigster Jdhtgcmg.
Hrsto HSlfto.
Januar bis Juni.
leMelberg.
Akademische Veriagshandlaog von J. C. B. Mohr.
1867.
HEIDELBERGER
JAHRBVCHER
DER
LITERATUR.
FOnfsigaler Jahrgang,
Zwdte HUfto.
Juli bis Dezember«
HeMelWrg.
Akademisdie Veritgshandlang von J. C. B. Mohr.
18ft7.
X.
Ir. L HEIDELBERGER /, 1857.
JAHRBOGHBR dir LITERATUR.
De Bodem van Nederland. De ZamensltUmg en hd orMaan der
Oronden in Nederland ien behoeve van het älgemeen Beeehrer
ven door W. C. H. Staring. Eer$U DeeL 441 pag. in 8.
Haarlem^ A. C. Kruseman, 1856,
Vor mehreren Jahren wurde eine Gommlaaion bestellt, deren
Angabe die geognoetiache Unteranchnng Hollands war, und 8ta*
ring xum Mitgliede und Schriftffihrer ernannt. Seit einiger Zeit
schon löste sich die Gonunlssion auf und Tsröffentliehte die Ergeh*
Dttse ihrer Forschungen. Unser Verfasser theilt die ihm eigenthfim*
liehen Bemerkungen mit Wir entlehnen aus dem vorliegenden ersten
Bande folgende Andeutungen.
Die Torf-Gebilde sind in solcher Weise abgehandelt, dass fiber
alle Fragen Aufschluss geboten wird, an diese Erscheinungen ideh
knfipfend, was nur gelingen konnte, indem man die niederen, unter
Wasser entstehenden Torf<Ablagemngen von den hohen nntenchied,
bei denen stets Wftlder die erste bedingende Ursache sind, sodann
sudi Ton den sumpfigen, durch Rieihgraeser erseugten Torfe. Qe-
naae Erforschung des Gehöhces , in unendlicher Menge im Torf der
l^iederlande begraben, gewSlirten Yiele bemerkenswerdie Thatsachen,
diensam zur Erklärung der Braun* und Steinkohlen -Formationen,
welche sich nach Staring ebenfalls nur erlangen lässt durch gründ-
liches Studium der Wälder heutiger Zeit.
Was eine angenommene fortdauernde Senkung des hoUändi*
sehen Bodens betrifit, so gilt solche dem Verfasser ids ginslich un-
begründete Hypothese. Die Senkung der Oberfläche ehigedammter
Landstrecken dagegen, in Folge einer Zusammenpressnng der die-
selben l^edeekenden Thonlagen, erscheint ihm als erwiesene Thatsacfae.
Noch yermisst man allerdings Beobachtungen, um daranthnn, wie
der Hergang gewesen bei sämmtlichen eingedämmten Strecken: ob
sie sich gleich anfänglich nach der Trockenlegung senkten, oder spä-
ter? ob die Senkung noch fortdauert bei jenen, deren Dämme be-
reits mehrere Jahrhunderte zählen? ob die Torischichten, welche
man aehr oft zwischen dem oberflächlichen Thon eingedämmter Strecken
ond dem stets die Unterlage ausmachenden Sand trifft, wesentlichen
Antheil haben an der Senkung? u. s. w. — Zu bedauern ist, dass
|dem Verf. die Mittel nicht geboten waren, um seine Untersuchungen
Bfai dieser Hhisicht weiter fortzusetzen und zu entscheidenden Be-
soltaten an gelangen.
Die geologische Geschichte der niedem Torf- Ablagerungen ver-
sachte Staring zu entwidkeb, und in gleicher Weise jene der
mariniaehen Alluvionen. Bei letztem sind mehrere, untereinander
sehr rerschiedene Epochen anzunehmen.
L. Jihrg. 1. Helt 1
t Grlmif Gnodsfige dw dtogsoiie«
Dem hemdMuden Okraben der Ufef-Bewohott eatg^fts, SOxxt
mifler Verf. deQ Beweis, dass der Boden der Fliiate, Äenne dei
Kheinee und der Maas, sich nicht im geringsten weiter erheben and
keineswegs 2a fürchten seil es würden einst die Dämme onzurei-
ebend werden.
Unter den beigefügten Tafeln sind besonders die ersten fünf za
beachten. Sie epthalten mlkroskepische Qner- nnd Rinde*8chnitte
unserer gewöhnlichen Holzarten — Eichen, Pappeln, Eschen, Taxos,
Birken, Eaefem, Tannen, Erlen u. s. w. — zur Vergleichnng nnd Be-
•ümmong im Torf Terkoaimender Holzarten geeignet, so wie tthnliche
Dordiseluiitte von Stücken dieser letztem selbst
In einem zweiten Bande, welcher in Aussicht gestellt wird,
spll das erratische Gebiet znr l^radie kommen, desgleichen die
wenigen vorhandenen tertiären und secandären Formationen.
OtundKÜgt der Oiognode für Bergmänner j »unächsi für die dee
öäerreiehiaehen KtUeeretaatee. Von Johann Grimm, Diree-
Ur der k. k. MonUm'Lehranstaä tmd der Bergachtde su Prsv-
hrcam. Z/weite, um dae DoppdU vermehrte und verbeseerie Auf"
läge. XXX und 360 8, in 8. Prag, 1866. In Commisnon
der J. G, Caive^echen Buchhandlung.
Keineswegs onbegründet sind die Vorwürfe, welche der Ver-
fasser, von seinem Standpunkt aus, neueren geognostischen Lehr-
büchern im Allgemeinen macht: dass die Wissensdiaft zu wenig in
der praktischen Bergleuten förderlichen Richtung aufgefasst und be-
handelt, dass namentlich den fossile Reste enthaltenden sedimentären
OesteJoen überwiegend grössere Aufmerksamkeit gewidmet worden,
während man die besonderen Lagerstätte nutzbarer Mineralien meist
mr angedeutet finde. In Auftrag des Ministeriums für Landes-
Gohur nnd Bergwesen erfolgte die Ausarbeitung vorliegender Grund-
^e der Geologie, wobei man praktische Zwecke im Auge hatte,
besonders die Vorträge in den, an mehreren Orten des Kaiserstaates
errichteten, Bergschulen. Eigene Erfahrungen und Beobachtungen
während einer langjährigen bergmännischen Laufbahn standen dem
Verfasser zu Gebot, und die ausserdem benutzten und namhaft ge-
aaehten Qnellen thun dessen Vertrautsein mit der Fach-Literatur
dar« In der Sehilderang der Gebirge -Formationen führt Grimm
ein QebUde auf, welches, der grossen Verbreitung ungeachtet, Inj
andern Lehtbfiebem nur sehr vorübergehend erwähnt, oder dessen
gar nicht gedacht wird. Es Ist dies das Gebilde des Wiener Sand-
steines und Alpenkalkes und des Karpathen^Sandsteines und Kar-
pathen-Kaikes, eine Zusanunenstellung die sich auf eigene Beobaoh-
tm^en stützt und ani Wahrnehmungen anderer Geologen, zumal auf
jene von Fartsch.
Nach T«d«if tob drei Jahren wurde sehen eine nene Anfiace
fDD QrimB's «Grandsfigen^ noihwendig, ein Beweii» ima er Ae
fchegteo Abdeblen nicht Terfehlt habe. Er fand eich Jedeeh in
TöU^;er Unarb^tnaf and weeentiiclier Vennahrang idner Schrill
bewogen, weiche nun aogleich für eioen grtaem, mehr voif ebilda*
ten Leserkreic beatlnuDi ist. 80 tiifk man dac Weeentiteha ana
den Gebiete der Vemtetaiarangs-Kaade hi gedrJtegtan Ahrieae heiga-
fügt, ttiid der bergmanniaeh prakliachen Biehtang des Bnohea ge-
nOtas, di^fessücn Beste der SteinkoUen-FonMitien am anafUirlich-
sten behandelt Femer wnrde der Lehre Ton den besonden Lagei^
stitten Btttabarer Hinendlen voraäi^che Beachtang gewidmet , wie
sohlias ans der Inhalta-Uebersicbt (S. XXVin nnd XXIX) an ent-
nehmen. Zn Bespielen geognostischer V^lLommnisse nnd bergmln-
Bisch wichtiger Erscheinungen wählte der Verl. die melsCen ans «atar^
reidiischcD Landern, darunter Tiele, die er seihst beobadilata. Dia
DarateUung der VeriiSltaisse bi mehrwen Bergrerleren BMimena, Kim-*
thena, Siebenbürgens u. s. w. enthSIt manchea Nene oder wenig Be-
kannte. — Den Schluss macht eine tabellarische UebenMiC der ehn^
rakteristischen Eigenschaften und Yerhiknisae widitigerar (i1dMl|[S
Gestefine, tf e sehn^ nnd in bequemster Weise Anftchlnas gewtttt
was weaentUehe und steHTcrtretende Bestandtheile betrifft, Sltucter,
beieichneBde Beimengungen und ElnachlOsse, UebergSaga, Lageougi
Erxiahrung u. s. w., IcigUch AnfXngmi gnta Dienste lehrtet
w* i
I>. Ludw. Imhoff: Versueh einer Einführung in da$ Süudium
der KoUopteren. 11 Thle. 19 u. JXKl, 114 u. 272 8., 26 Tfln.
Abbüd. nebsi Erklärung, in gr. 8. Baeü, 1866 , auf Kosten
des Verfassers,
WihrcBd nusere Litteratur nicht arm ist an aBgemaineren and aum
IUI BSnderaichen Werken Aber Entomelegiey an Monogra|ihle'n flbev
dnaebe Familien und Sippen wie an Untersuchungen einselner Ter*
hah^toae mid Beilehungen durch alle Abstufungen des Syatemes hhi,
iashesondere aber die Beschreibungen ausUndisdicr Reisen uns au*
jttirlich eine grosse Ausbeate einbringen, lehite ans eine wissen«
schalüidke Einleitung m das Studium der Koleopteren- Klasse als sei*
dier, md fiese ist es, die uns der Verf. intensir gehaltreieli, eoitensiv
In angemessenem Umlange und, waa die Form betiiflk, in reichBcber
V nvreekmässiger Ausstattung hier darbietet Waa che Ineekten im
Allgemeinen angeht, was die Kälsr mit den übrigen KerbtUeien
sBsammen gemein haben, das setzt er als bekannt voraus and gebt
lädit in nflicre Erklärung darmif ein; was ihnen aber als besonderer
Sasse dgea ist, das finden wir in wissenschaftlicher Weise reieb*
Wi und libenIchtUch auf kleinem Baume hier ausammengedrangt
Ba er nur eine Enifilhrang ins Studium der Koleoptecen au geben.
4 tolioff: Veranefa einer iBtatahruif etc.
beabsichtigt, so steigt er doreh die allgemeinen Glieder abwIrts nur
bis sor Aufsäfalnng der Unterfamilien und Sippen herab , ohne in
der Regel diese letzten su charakterisiren, nnd nar selten eiuEelae
Arten derselben mit aafsShlend; aber er verweiset auf die Werke,
wo diese besehrieben su finden sind. Obwohl das Werk In einen
allgemeinen nnd einen speziellen Theil zerfällt, so ist Diess doeh
nur relativ sn verstehen nnd eigentlich das Ganzen nnr als der all*
gemeine Theii der Koleopteren-Knnde zn betrachten. Doch wir
können das Gesagte nicht besser belegen, als indem wir 8em Verf.
in seinem Ideen*Gange zu folgen versuchen. Im allgemeinen Theile
ist der erste Abschnitt dem Nutzen und Schaden der Koleopteren,
ihren Beziehungen zu Menschen, Thieren und Pflanzen gewidmet
und wohl geeignet das nähere Interresse für sie zu erregen. Der
zweite Abschnitt beschreibt die äusseren Form* Verhältnisse, die in*
nere Organisation und die Lebens-Verrichtungen der Käfer in um-
fassender und anziehender Weise, in ähnlicher Welse etwa, wie das
bekannte klassische Werk von Kirby und Spence es für die Insek-
ten überhaupt thut. Ihre Sinnes-Organe, ihre Empfindungen, ihre
Instinkte, ihre Töne, ihre Nahrung und Ernährungs- Weise, ihre Re-
spiration, Blut-Absonderungen n. dgl., dann endlich Wachisthum und
Fortpflanzung sind Gegenstände belehrender und ziemlich erschöpfen-
der Darstellung in eben so vielen kürzeren Kapiteln. Ein dritter
Abschnitt endlieh betrachtet die Koleopteren als Individuen nnd
Arten, ah Gegenstände der Klassifikation.
Was den besonderen Theil betrifft, so enthält er eine umfäng-
liche Charakteristik der Ordnungen oder ihrer Sektionen, der Familien,
Unterfamilien oder Familien-Sektionen und Gruppen mit Aufzählung
und mitunter Charakteristik wenigstens eines Theils der Sippen. Er
hat die Eintheilung nach der Anzahl der Tarsal-Glieder , welche
zwar bequem aber unnatürlich ist, aufgegeben, aber die übrigen
grösseren Sekttonen von Latreille angenommen, mit solchen Ab-
änderungen in der Güederung und Ergänzungen in der Charakteri-
stik, wie neuere Forschungen sie nothwendlg gemacht haben. Wäh-
rend aber diese Darstellungen eine eben so anziehende als beleh-
rende Lektüre für jeden Naturfreund überhaupt und für den Koleop-
terologen insbesondere darbieten, schaffen ihm die vortrefflichen Ab-
bildungen die genügenden Mittel, sich mit Müsse in dieses System
einzuarbeiten und sich die einzelnen Formen durch genaues Studium
Ihres Habitus wie Ihrer Charaktere lebhaft zu vergegenwärtigen und im
Gedächtnisse aufzubewahren. Diese Abbildungen sind nur in schar-
fen Umrissen gegeben, was zum genauen Studium feinerer Theile .
zweckmässiger ist als schatdrte Bilder. Kleine Arten sind Im Gan-
zen oder ihren charakteristischen Theilen, Ihren Köpfen, Fühlern,
Tarsen, Klauen nach vergrössert, grosse Arten nur zur Hälfte dar^
gestellt^ da die zweite Hälfte nichts anders als die erste gebracht
haben würde. Von manchen ist nur der Vordertheil ohne den Hin*
teriheil gezeichneti wo dieser keine besonderen Merkmale mehr dar«
▲«der
UetaB IcMDl«; Ae Namen-ErkUraDg and Heimaths-Aii(alM iit «al
Blittani gedrackt, weiche sich den Tafeln gegenüber nnhcMngea^
8e iel ee möglich geworden, auf 25 Tafelh 660 Figuren eben so
vieler Terachiedener Unterfamilien , Gruppen und Sippen m gaben;
and um ehien näheren Masetab au bieten, führen wir an, daae die
AbtheUuDg der Staphylhiea durch die voUfltXndigen oder halbirtan
Figuren von 33 renchiedenen Sippen erllntert Ist, welche das
Stadium ausserordentlich erleichtem, da sie dem Auge deren unmit«
teibare Vergleichung möglich machen. Von dem Beichthum mehr
and weniger aar Gharakterisirung und Erörterung gelangter Grup-
pen- and Sipp«i Namen vermag man aus dem alphabelisehan Register
eiaea Maasstsb au gewinnen, welches das rasche Autfinden von
8100 Namen erleichtert So hegen wir die Ueberaeuguug, dass diese
Schrift manchen Schfiler für die Koleopteren-Knnde gewinnen, man-
chem Freund der Naturgeschichte eine angenelmie und belehrende
Lektüre bieten und manchem älteren Vertrauten dieser Thier-Eiasse
ab eine Beicapitulation der fiber sie gemachten Studien auf
aeaeeten Standpunkte der Wissenschaft willkommen sein werden
Äug der Naktr. Die neue$Un Etddeekunfen auf dem Gebiete der
Naiurwiseensehafleiu 8. Qrauiüaeken^ Qebirfe. -* Dampfe
sehen und Sprengen durch den eleeiriedien Strom. — OleUcher*
— Kaut§eht$k und QuUa Percha. — lieber die Sinne. — iKe*
chen. — Pflaneen-Oeographie. Leipeig, Yerlag von Jmbr* JbeL
2866. S. 296.
Es freut uns von dem aehten Bande dieser Sammhmg treff-
Udier AuMtae sagen au können, dass er an Vorsfiglichkeit den
vorhergehenden nicht nadisteht So leicht geschieht es bei decar-
tigen Untemehmangen, dass das Material erschöpft wird; dies ist
aber hier keineswegs der Fall. Wir finden die nämliche lebendige^
Uare Darstellong, wie in den früheren Jahrgängen.
Gleich der erste Aufsata fesselt unser Interesse in hohem Grade.
Auf einem Baam von kaum drei Bogen sind die Verhältnisse des
ffOianwaeke- Gebirges^ von den versdüedensten Standpankten aus
betrachtet mit gromer Sachkenntniss geschiidert Der Name Grau*
wacke wurde bereits von Werner und Mobs dem vorherrschenden
Gliede der ganzen Gesteins-Formation gegeben und später auf lets-
tere in ihrer Gesammtheit ausgedehnt und bis auf die neueste Zeit
bdlMdialten, obwohl einige englische Geologen viel an demselben aus-
nsetaen fanden. Der Verfasser beschreibt uns aanächst die Gesteine
der ältesten Sedimentär -Formation; die vorwaltenden: Grauwacke,
Tbonschiefer, Sandstein und Kalkstein; dann die untergeordneten,
welche — wie er treffend bemerkt — „gleichsam «hi Zienath in
« A* aar KüQl.
dem BttMogettiSoer, die Einförmigkeit nnterbrecbend wftMleo(^,Biiii*
Heb Mergel, Gyps, DolonH, Stetofals und StefnlEolile.
Die Soeoerle, der kuidseliAftfiehe Charakter der Oraawacke-
PorsMtifNi M aehr aHumig<ig; wo die Sehichtang imgestörti da
aelgett tioh einfVrmigey kahle Ebeoen. Aber Ib höheren R^gtonen,
wo beirftchtliohe Hebimgen statt hatten, da trägt Alles ein wildes,
oft sdianerliches Gepräge. Besonders im Hoefagebirge ragen die
Sehiefer^HasBen in scharf aasgesaekteo Kämmen, Graten ond Na-
dein, in sohlanken ond spitsen Pyramiden empor, die Kalksteine
thürmen steile Manern, kahle, schroffe, unersteigbare Felsensähne
nd gigantMie Kegel auf* IHe Sehweiser and Tyroler Alpen aei-
gen ans diese Scenerien des Gtanwacke- Gebirges in den hdberen
nnd fattsiBten Stnfen ihrer AusUldong, der Hars, Thörtnger Wald
md das rheinische Sohiefer-Qeblrge In ihren niederen Slofsn. Die
häehsCe fahrbave Strasse in Europa, die sehn Stonden lange Strecke
«ber das StUber Jeeh (Passhöhe 8610 Puss) ron Nanders nach
Boimlo eröffnet deaa Wanderer die bequemste Passage durch die
wildeste and schanerllcfcste Landschaft des Granwacke^Hochgeblrgee,
die das Volk auch beadchnend das Ende der Welt nennt.
Der Verfasser geht nun au der nationalökonomischen Bedeutung
der Grauwacke - Formation über. Es sind zunächst die Felsarten
selbst, die vielfache Anwendung finden ; feinkörnige und dichte Oran-
wacken nnd quarcige Sandsteine lielsm treffllebe Bsnsteine. Die
Kalksteine werden in Ihren reineren Abänderungen Tieifaek su Kunst-
werken rerarbeitet (wie s. B. in Nassau). Ein besonders geschätates
vnd wichtiges Material cur Daehdeekung sind aber die Thonsdiiefer,
detOn Oewinttvag lllr manche Gegenden (Thflrtageo, Hara) eine er-
giebige Erwerbs-Quelle. — Noch bedeutender sind jedoch die Schätae,
welche die Orauwacke-Formation in ihr^m Schosse birgt; auf Gän-
9Say Lagern und Stöcken koonnen die yeischiedenslen Ene vor.
in Dentichiand (Hars, Westpbalen, Nassau u. s. w.) treffen wir
loHipts&ekliob Eisenerae; ferner Kupfererae, wie a. B. an dem be-
rtthmten Bammdkberg bei Ooriar, wo man sehen unter Heinrieh dem
Vogelsteller Bergbau teieb. Bteierse ~ die besonders an die Kalk-
steine gebunden an sein seheinen — sind namentlich in Nordamerica
an Hiause. Die edleren Bietalie, Silber nnd Gold, treten auf Era-
gängen In Mexico und Peru in grossartigster Weise auf; gegen 500
Qrie sind dort hi nahe an 300 Gruben mit der Gewinnung beschäf-
iigL Die In Thonschiefer bauenden Gruben von Petoai Meierten
aüein Im Jahre 1804 an 400000 Pftrod SÜben
Bigenthflmiich ist das Ersdieinen gewisser £ruptiy*Gesteine, die
wk in den Tenchiedensten Gegenden — Hars, Franken, Nassau,
Westpbalen n« s. w. ^-<- im Bereiche der Grauwacke-Gruppe unter
anali^en Verhältnlssea treffen, die von mannigfachem Wissenschaft-
Hohem Interesse. Mit Recht spricht sich unser Verfasser gegen die
Ansicht jener Natarforscber aus, welche die eruptive Natur der ,,Grttn«
stefaM^ beatiekeai dodi gibt es henmtage — » so sagt derselbe <-*
Am itr HttM, 7
Vtagäi der N^toiiifoiiit in Mine DaiürliclMa GrasMA M*
riickgedriiifft, eiiiMla« Geologeo, samü bibelgläubiga, vdch« liih
gagttt ihre UebeneugBiig Ton der Waaeer-Hypotheie nieht laaaagao
woUeB. — Atteh Granite und Porphyre apielea keiae OAbedettleode
BoUe im Gebiet der Graawacke Fematioo.
lieber die orgaiiiaoheii Beate onaerer Groppe iat «sf venif ea
Sdtea daa Wiaaeoairertheate hervergebobea. Die Pflaawwelt dar
Gkanwacke-Zeit war eiM überMia dürftige, da nur eiaaelae kahle»
öde FelaeOy aUrrea und leatea Geatein iiber den Spiegel dea UreceaM
iMnrenagCen. AUmibllg erat bereiteten die Wogen einen achlamiai«
gen Boden vor, miacbten in denaelben ihre eigenen orgaateohea Q9-
eehöpfe, welche naehkommeadea Geaehleehtem Mahruagaatoflh lie-
ierten. Wo die Wellen aich zuräekaogaa and den neaea Bodea
trecken legten, da wucherte alabald eine üppigere, wean nach neÄ
einlonaige Vegetation herror, Algen nad Galinniten — jene SduMb*
lelhaim-artigen, deutlich gogliederteD Stengel, Ae daa HaaplaMileiial
I9r viele Kohleoflötie in der SteinkoUen-Formalion lieferten — aiad
aater die häufigeren Pflanxen-Beate zu rechnen. «-« In weit grdaaerer
IfaimigfaUigkelt tritt una daa Thier-Beioh der Graawacke-JEpoeha
entgegen; in buntem Gewirre dringen aich die rerachiedenatea Q^
■taken dnrdieiBander, manche in ao aonderbaren, phaataatiaehen For^
men, wie wir aie in keiner der epfiteren Formationen wieder treffiani
Ki»aUen, StrahUhiere, MoUnaceo, Würmer, Krebae und Fiachew Dater
dea Korallea verdienen aunichat die Gr^itolithen Erwftfaauag, die
einsig auf das Grauwacke-Meer beachrSnkt, für aoldiea auch in hohem
Grade bezwchnend aind. Schon den geiatreichen Liaatf baachäfUg»
tea (1736) dieae räthaelhaften Geachöpfet bauptaftchUeh ia Sehieleni
aaftretead, atellea eich hier ihre aarten Abdrücke einem SAgeblatt
oder einer Feder mit Fahne glefeh dar. Ana dem Beich der Strahl*
thiere machen sich beaondera die Gyatideen geltend; gleich den Chapi»
taÜÜiea diaracteriairen aie Torangaweiae die Grauwacke^Grappe, na^
mentfich deren tiefere Schichten in Bnaalaad und Scaadinaviea« Unter
dem groaaen Heer der Mollnaken selgen sich BracUopoden raid Oa«
phalopoden in groeaer Häufigkeit Ueber den inneren Bau der eiat^
ren ist in den lotsten Zeiten Ausserordentliches geleistet worden;
seit der TOrewigte L. r. Buch seine claaaiacbe AUiandlnng über die
Terebcateln (1834) achrieb bis auf die mit so gläasendem Erfolg
gakrfeten Forschungen des Briten DaTidson. Auch das Geschlecht
der Krebse xählt in der Epoche der Granwacke sahireiche und höchst
sonderbare Bepräsentanten: Die Trilobiten, so genannt, weil des
Körper dieser Thiere der Länge wie der Breite nach in drei Stücke
gegüedert ist Sie müssen unstreitig als die characteristischaten or-
ganischen Beste der Grauwacke-Formation betrachtet werden. Wenige
foasae Tbier-Geacfalechter haben so sehr die Anlmerksamkeit der
Naturlorseher beschäftigt; von Dalmaa an erwarben sich Ooldfosa,
Qnenstedt, Emmrich, Burmeister wesentliche Verdienste, namentUch
aber Barrande, deaaen gediegenea Prachtwerk über dio IMlobilaa
8 Auf der Matnr.
BVhmens, desseo geistvolle Beobachtungen über die MetamoipboM
der Trilobiten allenthalben die höchste Anerkennung gefunden haben.
— Dae eigenthiimliche durch die ganse Grauwacken-Aera hindurch-
gehende Gesetz: nämlich dass in dieser Utesten Sedimentär Fornaa-
tion die ersten Vertreter aus den Terschiedensten Thier-Geschlechtern
in seltsamen, fremdartigen Gestalten auftauchen, hat auch die Fische
nicht Terschont, ja es hat hier sogar seinen Culminations-Punkt er*
reicht Kein Wunder, dass daher diese wunderlichen Formen Tiel-*
fach rerkannt wurden, dass man sie für Krebse, Schildkröten, sogar
für gigantische Schwimmkäfer hielt, bis vor den Kenner -Blicken
Agassiis die Täuscbnog schwand, und die Fisch-Natur sich erwies.
Alle Versuche einer Gliederung der Grauwaoke-Formation —
deren Schichten-Sjstem in manchen Gegenden bis zu 30000 Fuss
Mächtigkeit ansteigt — waren bis zum Jahre 1839 erfolglos ge-
blieben; da erschien Murchisons Silurian- System und mit ihm be*
gann ein neuer Aufschwung. Die wichtigen Resultate zu denen der
englische Gebirgsforscher nach mehrjährigen Untersuchungen gelangte:
Dass die älteste Sedimentär-Gruppe in England in zwei Hauptab-
theilungen getrennt werden müsse, von welchen er die untere siln-
risches, die obere devonisches System nannte, mussten sich nun auch
auf die auf dem Festlande Terbreiteten Gebilde anwenden lassen.
Um sich selbst hievon zu überzeugen, durchwanderte Murchison jene
Regionen Deutschlands, in welchen die Grauwacke-Formation haupt*
sächlich entwickelt, die Rheinlande, den Harz^ Franken, Böhmen;
begftb sich alsdann nach Rossland und dem Ural, nach Scandina*
Tien. Auf diesen Reisen sammelte der unermüdliche englische
Forscher eine Fülle wichtiger Thatsachen, die er in zwei grosse*
ren Schriften yeröffentlichte. Aber auch die Geologen Deutschlands
blieben nicht unthätig; mit dem grössten Eifer ward allenthalben
die Grauwacke-Gruppe untersucht und nach wenigen Jahren erschie«
nen mehrere Werke, die an Gediegenheit jenen Murchison's keines-
wegs nachstehen. Unter den Männern, welche sich um die Kennt-
niss des „silurischen und devonischen Systems^ wesentliche Ver-
dienste erwarben, sind besonders zu nennen: Barrande, v. Dechen,
die Brüder Sandberger und Ferd. Römer.
Nachdem wir uns etwas länger bei dem ersten Aufsatze ver»
weilt, in welchem wir die Feder nicht verkannt haben, die den
trefflichen (loa vierten Band enthaltenen) Aufsatz über das Stein-
kolüen Gebirge schrieb, wollen wir die übrigen nur kurz berühren,
zumal da sie meistens dem Fache des Refer. fem liegen. Reich an
mannigfachem Detail und sehr belehrend sind die Mittheilungen über
^Dampfgeschoss und Sprengen durch den electrischen Strom^ und
über Pflanzengeographie.
Aus dem über Gletscher Gresagten geht hervor, dass dem Ver^
fasser die reichhaltige Literatur über diesen Gegenstand — von
Scheuchzer und Saussure bis zu deta neuesten Forschungen der Brü-
der ScUagintweit — nicht unbekannt und unbenutzt blieb. Der
Lodwif : D»t kobleMtvre Gm ete. 9
Zrit gefBhrte, bis war ErbitteruD(^ gestiegene Ksmpf über
die Bewegvng der Gletscher ist Ifingst beendigt und es dürfte das
rithseihafte Vorräcken jener Eiseolosse nach den Untersnchongen der
Brüder Schlagintweit anf einer durch Mächtiglteit und Druck der
Masse faerrorgebrachten , feinen capillaren Zersplitterung beruhen,
geeignet den Gletscher in den eigenthümlichen Zustand su versetsen,
der von Forbes angenommenen Halbflössigkeit entsprechend; mit
Recht kann man also den Gletscher einem Eisstrom Tergleicheni der
in das Thal herabfliesst, hier aber durch WSrme der Umgebung an
wdterem Vordringen gehindert wird. Unter den denkwürdigen Er-
scbetDungen in der Gletscher-Welt wollen wir hier nur einer |re-
deaken, weil sich Schlagintweit besonders mit derselben be*
scfalltigt hat: die sogenannten blauen BSnder. Bekanntlich besteht
das Gletschereis schichtenweise aus weissem Inftblasenreichem und
Uanem Inftblasenfreiem Eise. Gegen das Ende der GletMher wer*
den die blauen BSnder grösser und häufiger als in der Nähe der
Ffmlfaiien; in vertikaler Richtung nehmen sie etwas ab da sie in
der Tiefe oft sich keilförmig znspitsen und gans in der Nähe durch
seitliche kleine Bänder sich fächerförmig ausbreiten. An einem Längs*
durchschnitte stehen sie in der Nähe der Fimlinie vertical und bilden
▼on da abwärts immer spitzere Winkel mit der horisontal gedachten
Dnteriage des Gletschers. Es sind diese Bänder von der Schichtung
des Firns unabhängig; sie entstehen erst im Eise und swar durdh
kleine Spannungen, welche das Eis in Folge der Spannung nach
abwärts erleidet Durch die ungleiche Schmelzbarkeit des weissen
nnd blauen Eises werden an der Oberfläche der Gletscher Bogen
sichtbar, die man mit dem französchen Namen Ogiven (Spitzbogen)
besefebnet Sie sind namentlich sichere Merkmale für das allge-*
Streichen der blauen Bänder an der Oberfläche.
Das kohlenMCture Oob in den ßoohpruddn von Nauheim und £m-
ein^en und die van ihm abhängenden Erscheinungen van Ru-
dolph Ludwig, kurfürstl, hess. Salineninspeelor und Bade-
Verwalter su Nauheim ete. Mit zwei geologischen Profilgeieh-
nungen. Frankfürt a. Jlf. Verlag von Heinrieh KeUer, (Vor-
mali E, 8chmerber^sche Buchhandlung.) 1866. 8. 69.
Die schäumenden Thermal- Quellen zu Nauheim und Kissingen
haben In jüngster Zeit eine wahre Berühmtheit erlangt. Um so
zweclunässiger scheint uns die in vorliegendem Werke versuchte
Sammlung und Kritik der einzelnen über ihr Wesen aufgetauchten
Ansichten — um so mehr, da der Verf. durch seine langjährige
Erfahrong im Stande ist, manche neue, für die Erklärung über Ent-
stehung der Sprudel wichtige Thatsacben dem schon Vorhandenen
l>eizttfngen. Es haben aber die Sprudel besonders geologische Be-
iO Lndwiff? Pm koldfliMVM Gm 0IO.
deutung; Bia machen HUB aufmerksam auf gewiBfe im Sebotse der
Erde vorgeliende chemische Proeesse und geben uns sug^eich eiiMD
Wink über das Zatagetreten der Sauerbrannen.
Der unter dem Namen i^WeCterau^ bekannte Landstrich iat
durch einen ungewöhnlichen Reichthum an kohlensauren QneUen
ausgeselchnet. Dieselben treten sämmtlich -^ wie Ludwig schon
bei einer früheren Gelegenheit aelgte — in bestimmten Reihen, der
Streichungs-Lliüe der Schichten des devonischen Systemes nemllch
parallel, aus den Sand- und Gerölle-Massen der Wetterauer Tordftr-
Formatlon hervor. Es ist diese reihenweise Anordnung det Mine-
ralquellen dadurch bedingt, dass das devonische oder rheinische
Schiefer-Gebirge in Folge früher an der Erdoberfläche vorgegang^e*
ner Niveau* Veränderungen in viele parallele Fallen gelegt ist. Alle
Saoerqaellen der Wetterau sowohl als des Taunus fördern eine be-
trächtliche Menge Kohlensäure; diese ist theils an doppelt koUen-
saure Erden und Metalloxydsalze des Mineralwassers gebunden, theils
bleibt sie bei dem Austritt der Quellen in die Luft im Wasser aaf«
gel5s6t, theils entweicht sie — das Moussiren der Quellen bedingend
— in sahlloeeD Ferien. Die Atmosphäre und ihre NiederschlSge
üben einen unverkennbaren Einfluss auf die Quellen ans. Viele ver*
siegea nach anhaltend trockener Witterung gänilich, alle geben aber
reichliches Wasser nach feuchter Jahreszeit. Sämmtliche Sprudel
bei Nauheim bis auf die Gurbrunnen hinab, sind während des Vor-
sommers nach feuchtem Frühlingswetter sehr ergiebig und ihre Wafr-
ser*Menge nimmt erst im Herbste und Winter beträchtlich ab.
Die Nauheimer Salzbrunnen — seit dem Jahre 1830 grössten-
theils versiegt oder zugeworfen — waren schon in früher Zdt be-
kannt Dies beweisen unter mächtiger Lehmdeeke, welche sich im
Laufe der Zeit auf Rasen-Boden absetzte, vorhandene Begräbnisa»
Stätten bei Nauheim, dieselben stammen aus dem fünften Jahrhun-
dert; uralte Salzsiedestätten bilden die Unterlage des Todtenfeldea.
Es sind grosse, eingemauerte Thongefasse, welche — zufolge des
dabei liegenden Pfannensteins offenbar zum Kochen und Versieden
der kalkreichen Nauheimer Soole gedient haben. Zahlreiche In der
Nähe Nauheims aufgedeckte Celten-Gräber dürften die Vermuthung
unterstützen , dass jene Salzsieder celtiscben Stammes waren. —
Mit dem Abteufen von Bohrlöchern begann man schon im Jahre 1816;
aber erst 1889 war der — später von Bunsen chemisch nnd phy-
sikalisch untersuchte — Oassprudel erbohrt, welchem das Soolbad
seine Entstehung verdankt Im Anfang — so erzählt unser Ver-
fasser — erhob sich der 26^ R. warme Soolstrahl 16 F. hoch über
den Bohrkopf, wobei er Sand und kleine Steine ausschleuderte. All-
mähllg nahm die Sprunghöhe ab, die Quelle blieb ganz aus* Nach
-^^ederholtem Anpumpen zeigte sie ein intermittirendes Verhalten,
ina«i4. 4Pk Jinm ^/l Minaten zu 10 Minuten unter Brausen und Fol«
ten 12 bis 15 F. hoch sprang, dann wieder zum Niveau des Bohr-
loches zurücksank mi schwächer überlief. Erst nach einiger Zeit
Udwift Dn koUenfattf» Cat ete. !t
isgelto flidi d« AnafloiB, weldier dann anter iterker KoUesBfiure-
Batwickehmg iiiid ohne latermittenc-ErMheioiiDgeii in eiiiam swei
liii dr^ Fmt hohen Sttahle ttati iand. (Wir können hier auf da«,
vaa fiber (tte einzelnen Sprudel gesagt wird, nicht weiter eingehen^
fadem hiain die Tafel mit den Oebirgsprofil nothwendig.)
Cheaii8(Ae Analysen der Nauheimer Sprudel besitsen wir durch
Bansen, Bromeis und Avenarlus; ids Hauptbestandthelle sind nach
den GUomatrioni n nennen Chlorealchim nnd Giüonnagnesium,
koideDsaiire Kalkerde, kohlensaures Eisen« nnd Manganozydul und
Kalkerde. Sie sprechen unzweideutig für die Ansicht!
siamitUefae Quellen aus einer nnd derselben Soolschlcht ab»
md unter gleichen Umständen erzeugt wurden. Im Ail-
I ist den tiefer erborten Quellen grösserer Salz-Reichthum
eigen. Welchen chemisclien Processen die Wasser ihre Bestand-
theito an rerdanken haben, auf welchen Wegen sie ihnen zugeführt
wordeD -* dies sind schwer zu lösende Fragen; die kohlensauren
Balze ttiainit die Soole entweder in kalkigen Gesteinen anf , oder
si« weiden ihr zugeführt, indem kohlensiorehaltige meteorische Was-
ser Kaikarbonat bilden. Alle Nauhefmer Soolen treten rollkommea
klar zn Tage, setzen aber an der Lufl fortrinnend reichlich Eisen-
oxjdhydrat ab. Eine sehr wichtige RoHe spielt die KohlensSnre, sie
ist die eigentliche causa movens. Der Verfasser weist auf einer
TabeUe luich, dais reichere, wärmere Soole em geringeres Absorp**
tiona-Vermögen für Kohlensäure besitzt, als ärmere, kältere. Eine
Erklirang für die Bewegung der Sprudel und für ihre Tenchiedene
fipranghöhe gibt sieh somit, da in den Tiefen der Bohrlöcher auch
die In den oberen Oeffnungra gasförmig entweichende Kohlensäure
latent Ist, da die reicheren Soolen in den Bohrlöchern relatir mehr
Kohlensäure enthalten als die durch Kohlensäure ärmeres meteori-
sehen Wasser Terdünnten Soolen. Es werden demnach die Nauhei-
mer Sprudel durch die Entbindung ihrer Kohlensäure gehoben, welche
in der Tiefe von Ihrer Soole absorbirt gehalten ist. Jede Störung
der Kdüensänre-Entwickelnng vernichtet das Spiel der SprudeL —
Sdiliesslich wirft der Yerf. noch einen Blick auf die geologische
Bedeutung der Sprudel und sucht mit Recht die unbegründete Be-
sergniss zu beseitigen, dass durch dieselben beträchtliche Aoswa-
sdiongen und Bodensenkungen im Laufe der Zeit bedingt würden.
Die SoolBpmdel in Kissingen zeigen viele Analogieen mit denen
ven Naaheim. Auch sie sind durch Bohrungen der Erde abgewon«
nen, entspringen jedoch Im Zechstein -Dolomit Der Verf. glaubt
Uenuis einen nicht unwichtigen Schloss ziehen zu können: dass
überall, wo sich in grösserer Tiefe kohlensaure Kalk- und Magne-
siasslze nnd Kieselerde lagenweis vergesellschaftet finden. Sauer«
quellen entstehen können. Der intermittlrende Soolsprodel zu Kis-
singen wurde Im October 1822 er bohrt; die gasöse Soolouj^ di«|^.
sa Zwecken der Saline nnd des Bades ^i^uung^^'^nter einem' vo
«as nnd Knpler eenstruirten zehn Fuas^eiten Schachte wallt dM
1) Cotits Kohleii*KaHe.
Wasser siedend empor. Es setst jedoch die Qaelle zuweflen ms
und während dieses Zastandes hat in der im Bobrloebe befindlieben
Boole keine Gas-Entwickelung statt Der sogfenannte Riesenspradd
ist gewöhnlich augestopft, nur während der Knraeit lässt man aile
drei bis vier Wochen ans einem ans dem Bohrloch abgelelteteii
Springstock die Qaelle ausströmen, die dann efaien 76 Fnss hohen
Wasserstrahl in die Lüfte sendet
Die Yergleichnng der Nanheimer nnd Kissinger Quellen fttfart
Lndwig endlich za folgenden Resultaten: 1) die Kohlenslnre^nt-
Wickelung ist abhängig von dem Vorhandensein des Kalksteins in
der Tiefe; 2) die auf natürlichen Wegen zu Tage tretenden Quel-
len werden durch tief herabreichende Bohrlöcher aufgesogen; 8) tiefer
herabreichende Bohrlöcher können flacheren die Zuflüsse abschnei-
den; 4) für Jeden Punkt der Erde gibt es ein Maximum der Quel«
len-Förderung das durch Bohrloch «Ablaufen erreicht werden kann,
aber einmal erreicht, neue Bohrungen unnütz, oder die schon be-
stehenden gefahrbringend macht ; und 5) die Aufsteigungs-Bewegnni^
der gasösen Quellen wird durch Gasentbindung unterstützt, Ja selbst
gänzlich bedingt.
KoKlenrKarte, auf welcher die VerhreUunge-OAieie der KohUnfor^
mcdümen im Königreiche Scicheen dargestellt dnd. Herausge-
geben von B, Cotta. Verlag van J. O. Engelhard in Frei-
berg; 1856, Erläuterung au der KokUn-Karte von Sachsen
von B. Cotta, Professor der Oeognosie in Freiberg. Freiberg,
Verlag von J. Q, Engelhard. 1866. 8. 36.
Die hohe Bedeutung der Kohlen-Lager, welche das Erdinnere
birgt, wird von Tag zu Tag fühlbarer, zumal in Deutschland, wo
Eisenbahnen, die mancherlei Fabriken u. s. w. das Bedürfhiss immer
mehr steigern. Allenthalben entstehen Actien- Vereine, Überall sucht
nnd bohrt man auf Steinkohlen, oft an Orten, wo nur wenig ge-
gründete Aussicht, solche zu finden, vorhanden ist
Kein deutsches, überhaupt kein Land ist geologisch so gründ-
lich durchforscht, als Sachsen. Zu diesem Zweck hat die sächsische
Regierung grosse Opfer gebracht Dafür besitzt sie aber auch eine
Anzahl der vortrefflichsten geognostischen Karten, und eine Gtone-
ralkarte, welche letztere im Massstabe von einer geographischen
Meile = ^4 P^' ^^^^ ^^ ganze Oebiet mehr geologisch, als geog-
nostisch darstellt, zugleich einen sehr lehrreichen Ueberbllck über
den Bau des Erzgebirges gewährt. Schön im Jahr 1789 wurde —
auf Antrag des Oberbergamtes zu Freiberg '—- eine geognostische
Dnt^rsochAing Sachsens angeordnet, diese aber erst 1798 ernstlich
begonnen. Unter der Leitung des berühmten Schöpfers der Geog^
nosiCi unter Werner, nahm dieselbe ihren Anfang; nach nnd nach
C^ttt: loUen-Kafle. 13
eine AdmU tficbtiger Männer dabei beacbXftigt. Die Man*
gelhaftigkeit vieler topographiecher Vorlagen, daa UnauTerÜMige
naaelier ArbeUen machten in den dreiariger und an Anfang der
viendger Jahre eine nochmalige Reviaion des ganaen Gebietes notli-
wendig, welche den Professoren Naumann und Cotta übertragen und
— wie an erwarten — von diesen rühmlichst ausgeführt wurde.
Die sw51f nach dem Uassstabe von 1 : 120000 hergestellten Karten
bilden insammen die grosse Karte, deren Bänder aahlreiche Profile
und fiU&hen-Angaben enthalten. Auf derselben sind 70 Formationen
und Gesteine durch Farben unterschieden und von diesen sind die
▼erberrschenden: Gneiss mit 60 QAieilen Oberfläche, Granit mit
56, Thonschiefer mit 43, Grauwacke mit 36, Glimmerschierer mit 34,
bnater Sandstein mit 23, Qnadersandstein mit 21, Muschelkalk mit
15, Porphyr mit 15, Basalt mit 13, Rothliegendes mit 11, Grün*
stein mit 10, Weissstein mit 8; die übrigen nehmen alle nur unter
5 Quellen Oberfläche ein.
Es fragt sich nun, ob bei dem reichlich vorhandenen Material
noch eine besondere Kohlen-Karte von Sachsen nothwendig? Für
den Greologen, für den Fachmann nicht, wohl aber für den Laien,
dem solche Karten keineswegs eine sctmelle und verständliche Ueber*
meht fiber die Kohlen-Verbreitung gewähren. . Auf geognostischen
Karten werden Gesteine oder auch ganie Formationen nach ihrer
Verbreiinng auf der Erdoberfläche dargestellt Wo also a. B. Kohlen-
Lager von neueren, später gebildeten Gebirgsarten bedeckt sind,
läset sich ihr Yorliandensein in der Tiefe nicht leicht versinnlichen.
Auf den geognostischen Karten Sachsens nehmen desshalb die ver-
aehiedenen Koblen-Formationen viel geringere Verbreitungs-Bezirke
ein, als ihnen wirklich zukommt. Cotta hat daher auf vorliegender
Karte die wahrscheinlichen Ausdehnungen der verschiedenen Kohlen*
Gruppen nicht nur nach ihrer oberflächlichen Verbreitung, sondern
aneh nach ihrer Fortsetzung im Schosse der Erde — in so weit
neh annehmen lässt, dass sie noch für den Bergbau erreichbar sind
— angedeutet. Er unterscheidet vier Gebiete, je nachdem dieselben
mdir oder weniger Hoffnung gewähren, darin Kohlen-Lager aufzu-
finden; nämlich: 1) Gebiete, in welchen keinerlei begründete Hoff-
nong vorhanden ist, in nur irgend einer Tiefe Kohlen-Lager aufzu-
finden; 2) Gebiete, welche In dieser Beziehung zweifelhaft sind;
3} Gebiete, in welchen eine der Kohlen führenden Formationen in
wahrscheinlich erreichbarer Tiefe vorhanden ist, wo also Hoffnung,
Kohlen^Lager zu finden und endlich 4) Gebiete, wo bereits solche
bekannt
Fast in allen neptunischen Formationen gibt es Kohlen -Lageri
aber nach Quantität und Qualität sehr verschieden. So umschliesst
— nm nur einiger Beispiele zu gedenken, dass auch in Formatio«
nen, die man nicht speciell als kohlenführende bezdchnet, solche
vorhanden — das sogenannte Wälder-Gebilde im Scliaumburgischen
und in Bückebvrg zahlreiche KohienflStze, welche an ^üte den be*
14 C«llt: KdUen-Cim.
Bieii engliscbeii Steinkohlen nicht nachstehen. Die mittlere Jon*
Grappe enthält in vielen L&ndern Kohlen-Lager. Selbst im (Gebiete
der Kreide-Formation hat man in neuerer Zeit bauwürdige Fi^tae
von Steinkohle nachgewiesen; dies ist bei Quedlinburg nnd in
Schlesien der Fall, sumal aber in den österreichischen Alpen in den
Umgebungen Ton Orünbach. Dort liegen in einem ans Sandstein,
Mergel nnd Schiefer bestehenden (der sogen. Turon^Bildung ent»
sprechenden) Schichten-System sahlreiehe kleine Kohlen-Lager, ram
denen manche 2 bis 4 Fuss Mächtigkeit erreichen. Die Kohle aeigt
eich sehr gut und wird vielfach von den Donau-Dampfschiffen benutst
Es sollten diese wenigen Bespiele unseren Lesern nnr aeigen,
dass fast in sämmtlichen neptunischen Gestdns »Gruppen Kohlen
nachgewiesen, dass aber ihr Auftreten in manchen nur als eine im*
gewöhnliche, als eine lokale Erscheinung zu betrachten ist, die bei-
den Hauptkohlen -Formationen ausgenommen, in welchen wir in den
Terschiedensten Gegenden unter analogen Verhältnissen, Kohien-L»*
ger treffen, und welche wir als Braunkohlen- und Stehikolilen-For«
mation beseichnen. Beide sind in Sachsen entwickelt.
Die Braunkohlen-Formation — welche den verstorl>enen L. v.
Buch noch in seinen lotsten Jahren so vielfältig beschäftigte «^ ist
Im nördlichen Deutschland über beträchtliche Flachenräume ausga*
delmt und nimmt auch in Sachsen ein grosses Verbreitungs-G^liiet
ein. Sand und Thon sind die vorherrschenden (Gebilde in dersellMD.
Der erstere, gewöhnlich weiss, aus Quarz-Kömem bestehend; geht
häufig in Sandstein über, der Thon, von weisser oder grauer
Farbe, wegen seiner vielfachen Verwendung zu Töpfer-Waaren aneh
plastischer genannt, enthält selten viel Eisenoxydhydrat und unter-
scheidet sich hiedurch von dem braunen Lehm der Diluvial-Epoche.
Manchmal zeigt er sich wie gebrannt, gefrittet; dies ist zufälligen
Ereignissen, der Entzündung von Braunkoiüen-Lagem zuzuschreiben«
Selten nur finden sich in Sachsen in demselben organische Reste.
— Die Braunkohle erscheint meist erdig, sogen. Moorkohle, Alaun«
erde, oder dicht, als bituminöses Holz. Alle wahren Braunkohlen
unterscheiden sich von den Steinkohlen durch die braune Farbe des
Pulvers, wenn man sie r^bt und noch sicherer dadurch, dass sie
mit Kalklauge erhitzt, diese braun färben. Die Braunkohlen zeigen
sich natürlicher Weise in den einzelnen Gegenden was Qualität und
Mächtigkeit betrifft, sehr verschieden. Es genügt daher nicht Braun*
kohlen aufgefunden zu haben, sondern ihre Bauwürdigkeit muss erst
erwiesen sein. Die Zahl der auf einander folgenden Brauakdüen-
Lager ist in Sachsen — wie überhaupt in anderen Gegenden —
weit geringer, als in der Steinkohlen-Grube. Oft Ist nur eines von
wechselnder Mächtigkeit vorhanden. Bei Olbersdorf unfern Zwickau
bat man ein 100 Fuss mächtiges, aber durch einzelne Thonsdilch--
ten unterbrochenes Lager nachgewiesen. — Was die Heizkraft der
Braunkohle betrifft — bekanntlich viel geringer, als die der Stein«
kohle — so trifft mani Je nach ihrem erdigen oder dichten Znstand
Yanekiedenheit Gewisse ofs«iilidio Befto, die te anderw
flagODdea die Brattokohlen-Formation duracterisireD, zar Bestimintiiig
denelben dalier sehr nützlieh Bind, fehlen in Sachsen last gänalick
Die Brannkohlen -Formation gehört bekanntlich der mittleren
lettiicen, aegea. miocSnen Epoche an; wo also ältere Oesteine — wie
Qoadersandsteiney Muschelkalk o. s. w. anftreten, darf laan sie nicht
anftnehen, Uogegen da, wo obertertiftre, pliocMne und noch neaere
AUagenngen die ObeiflSehe bedecken. In vielea Theilen des nörd-
lichen Sachsens und in den angrenienden Prorinsen Freosseas diirfta
die Branakohlen-Fonnation — von Dtiavial-Bildangen, wie Lfiss»
Lehm, Sand, bedeckt — unter juemlich grossen Fllcbenräumen Tor«
banden setn, deren Besitzer kaum eine Ahnnag davon liaben. Wenn
nach ihre Gegenwart noch nicht die Existenz bauwürdiger Braun*
kohlen-Lager Terbörgt, so sollte sie jedenfalls zu weiteren Unter«
sachnngea anspornen. (Der Verf. hat daher auf vorliegender Kartet
wo die Brannkohlen Gruppe unter Diluvial-Massen dnroh Gruben»
Bohmngea, Elsenbahndurchsdmitte u. dgl. nachgewiesen oder ilire
Fortsetzung sehr wahrscheinlich ist, solches durch den blasseren
Ton der braunen Farbe angedeutet; das dunklere braun bezeichnet
hingegCB jene Regionen, in welchen Braankohlen^Lager — sie seien
haawfiidig oder i^ht — nachgewiesen wurden, denn dieser Zustand
kann sich auf kurzen Strecken sehr ändern.)
Die untere, Kohlen fiüirende Gruppe zerfallt In Sachsen in drei
Abtbeilnagen von verschiedenem Alter, deren mittlere als Repräsen-
taat der eigentlichen Steinkohlen-Formation betraditet werden muss*
Die obere, sogen. Salhäuser Kohlen-Foruiation wird als untere Ab*
thdlnng 4mi Bothliegenden angesehen. Bekanntlich liat das so un«
gemein häufige Zusammenvorkommen des Bothliegenden mit der
Steinkohlen-Gmppe in früheren Zeiten die Meinung hervorgerufen^
als sei letztere nur eine Einlagerung im Rothliegenden, als ein Glied
desadben zu betrachten. Aber — ohne der paläontologischtti Gründe
n godenken — wird diese Meinung, an welcher manche Geologen
mit grossem Starrsinn festhielten, durch die Thatsache widerlegt, dass
k Taigen der ausgedehntesten Territorien der Steii&ohlen<>Formation
noch kaine Spur von Bothliegendem beobachtet wurde. — Das 6al<*
hänser Kobien-Gebllde zeigt äbrigens in seinem Gesteins-Gharaoter
eine weit grössere Annäherung an die eigentliche Steinkoblen-For*
mation, als an jene des Rothliegenden. Die characteristischen rothen
Conglomerate des letzteren fehlen ganz. Statt deren stellen sich
grane Gonglomerate ein in Gesellschaft von Thonsteinen, Sandsteinen
und Schiefem, mit untergeordneten Einlagerungen von Schwarzkohlci
Eallcstein oder Dolomit und Homstein. Alles deutet — wie der
Verf. hervorhebt — auf einen weit ruhigeren Hergang der Bildung,
als während der Ablagerung jener oberen, mächtigen Conglomeratei
auf einen Zustand, der weit mehr dem während der eigentlichen
Steinkohlen-Bildung gleicht Es kann desshalb zweifelhaft erschei-
neui ob es zweckmässig war, diese untere Abtheilung mit der obe-
10 Ootta: Kohlen-Karte.
ren in eine Formation zu gruppiren und nicht lieber als eine obere,
selbststSndige Steinkohlen-Formation zu bezeichnen. Letzteres würde
sicher geschehen sein, hätte man recht bauwürde Kohlenlager darin
gefunden. — Die Salhäuser Formation füllt eine Mulde bei Mflgein
aus, findet sich femer bei Kehren und Rochlitz, im Plauenschen
Grunde und bei Weissig unfern Dresden.
In Tielfacher Wechsel-Lagerung setzen graue Sandsteine und
graue oder schwarze Schiefer mit untergeordneten Einlagerungen
von Steinkohle und Anthracit die eigentliche Steinkohlen-Gruppe
ausammen. Die Kohlenflötze erscheinen, was Zahl, Mächtigkeit,
Qualität betrifft an den einzelnen Orten sehr Terschiedenartig. Li
einigen Gegenden kommen nur wenige Flötze über einander vor|
wie z. B. bei Potschappel 5, bei Zwickau 9 (im Saarbrückischen kennt
man 164); die Mächtigkeit der Flötze schwankt zwischen 1 Zoll
und 30 Fuss. — Die Gesteine enthalten Pflanzen- Abdrücke in ziem-
licher Häufigkeit; es sind jene characteristische Gewächse die das
Hanptmaterial für die Kohlen-Lager selbst lieferten: Calamiten, Ly-
copodiaceen, Sigillarien, Stigmarien und Farnkräuter. —
Die Steinkohlen-Gebiete Sachsens nehmen häufig eine becken-
oder muldenförmige Lagerung ein und zeigen sich alsdann gewöhn-
lich an der Aussenseite solcher Mulden viel weniger mächtig (na-
mentlich die Kohlenflötze), wie in der Mitte, wesshalb die Aburthei«
lung über Bauwürdigkeit tou Kohlenlagern in diesem Falle Vorsicht
gebietet, indem man solche leicht unterschätzen kann. Man kennt
in Sachsen vier Ablagerungs-Gebiete, nämlich: 1) das grosse erz-
gebirgische Kohlen-Becken ; 2) jenes von Potschappel ; 3) das kleine
Gebiet von Brandau bei Olbemhau und 4) die getrennten kleinen
Gebietestheile von Zaunhaus, Schönfeld, Bärenburg und Altenburg.
Unsicher, aber nicht unmöglich ist das Vorhandensein der Kohlen«
Formation im Becken von Mügeln, bei Weissig, bei Dresden und
unweit Gera. — Was das Auftreten der Anthracit -Lager betrifft,
BO erscheinen einige bauwürdige unter sehr eigenthümlichen Lage-
rungs-Verhältnissen bei Rehfeld und Schönfeld in der vorherrschend
krystallinischen Region des Erzgebirges und in der Nähe gewisser
Quarzporphyre, woraus man schliessen muss, dass sie einem nicht
unbedeutenden Ümwandelungs-Process ausgesetzt waren.
(SMu$ folgL)
II. S. HBIDBLBBROKB Ntl.
JAHRBOGHBB DIB LITIBATDB.
Cotta: Kohlen-Karte.
Die Slteste Kohlen- oder die Halnicher Fonnation besteht lo
ihrem notersten Theile hauptsächlich ans den sogenannten Grnnd-
conglomerat, welches eine Mächtigkeit von 2000 Fuss erreicht und
Ton sehr grossen Geschieben von Thonschiefer, Fleck- und Hom-
Mendeschiefer zusammengesetst wird. Ghaoliehe Farben Mangel an
Porphyr-Geschieben unterscheiden diese Ablagerung wesentlich Tom
Eothliegenden. Nach oben gehen die Gonglomerate in Sandstein
nnd Schiefer über, welche suletst vorherrschen und gegen 5 gering
mächtige Kohlenlager enthalten. Das mächtigste ist nur 86 Zoll
£ck. Es aeigen sich die Schichten dieser Formation meist aiemlich
itark aufgerichtet, oft bis sn 50— 70<> — wss indess für den Abbau
lehwacher Kohlenlager eher von Vortheil als von Nachtheil ist Die
Pflansen-Beste sind den Geschlechtem , aber nicht den Arten nach
dieselbeni wie in der eigentlichen Steinkohlen-Formation« Ans aUem
ergibt sich, dass letstere von jüngerem Alter, und dass das Kohlen-
Gebilde von Hainichen etwa cur nJbnlichen Zeit abgelagert wurdSi
wie In England und in Belgien der Kohlen-Kalkstein, also der un-
teren Abtheilung der ganzen Formation angehört (In die nämliche
Epoche fällt wohl die unter so denkwürdigen Lagerungs- Verhält-
nissen TOrkommende Kohlen- Ablagerung bei Offenburg, welche aus
grauen, sehr quarzigen Sandsteinen, Schieferthonen und verschie-
denen Anthracit-F15taen besteht; die Schiditen sind unter sehr hohem
Winkel aufgerichtet und zeigen sich gleichsam wie eingeklemmt in
das benachbarte Urgebirge. Die kohlenfOhrenden Gebilde in den
Umgebungen von Baden dürften aber his Bereich der eigentlichen
Steinkohlen Formation gehören.)
Alle jene Begionen, in welchen weder bestimmte Gründe für,
nodi gegen die Anwesenheit von Kohlen enthaltenden Formationen
sprechen, shid auf der Karte weiss gelassen, mit rother Golorimng
aber solche bezeichnet, in welchen durchaus keine gegründete Hoff*
nong vorhanden ist, jemals in angemessener Tiefe Kohlen-Lager
anfknfinden. Dies gilt namentlich jenen Gegenden Sachsens, in wel-
ehmi der Qnadersandstein entwickelt und wo bereits seit 50 Jahren
Tiele Tergebliche Versuche gemacht wurden, bauwürdige Kohlen-
Lager aufsusehllessen, wie bei Tharand und Pirna. Die Schiefer^
thone des Quadersandstelns führen stets nur nnbauwürdige, höchstens
L. Jahrg. 1. Heft 8
18 Bock! Getchiolife der lliWfiicheH Gewinder des Hittelalten«
8 Zoll starke Eohlenschmitzen. Dass die Steinkohlen-Formation selbst
imter dem Quadersandsteln Sachsens vorhanden sd, ist sdir unwsdir*
scheinlieh, weil dieser — vielen Beohachtungen zufolge — seine
Stelle meist auf Granit, Gneiss oder Thonschiefer einnimmt.
G, lieonbard.
Oeaehiekte der liturgischen Gewänder des Mittelalters von Fr, Bock.
Mit einem Vorworte von Dr. Georg Müller, Bischof von
Münster. L Band. L Lieferung. Bonn, Verlag von Henry
und Kohen. 1866. 8. 121 8. mit XVJJI Tafein in Farbendruck.
Der Gegenstand des vorliegenden Werkes hat in der eingeben*
den und ausführlichen Behandlung, welche er hier gefunden bat,
«ieht blos für Liturgik ein bedeutendes Interesse, sondern nicht min-
der anoh für Kunst, Technologie und allgemeine Culturgeschiofafse
des MiltelsUers. Der Verfasser ist durch ein Zusammentreffen i^ün-
Btlger Umstände in den Stand gesetzt worden , zur Lösung sein«:
Aii%abe ausser den literarischen Hilfsmitteln eine besonders aua^e- 1
dehote and reichhaltige Anschauung und Untersuchung liturgiseber |
Gewänder anwenden an können. Wie wir nämlich aus der Dedi- I
cationssehrif^ an Seine Hoheit den Fürsten Karl Anton von Hoben-
BoUem-Sigmaringen sehen, welches diese erste Lieferung des Wer-
kes eröffnet, so liat nicht hlos die königl. preussische Staatsreg^e-
ruDg dem Verfasser theilweise die Mittel zu einer grossem Stadiei^
reise bewilligt, sondern der genannte Fürst hat demselben bei dessen
dreijährigen Untersuchungen und Nachforschungen eine so grossmti-
ihige Beihilfe angedeihen lassen, dass es ihm nicht blos möglich
wurde diesen Theil der Kirchen-Faramente in Deutschland, Frank-
reich und Italien allseitig erforschen zu können, sondern auch eine
Sammlung von mehr als sechs hundert verschiedenen Gewandstücken
anzulegen, wodurch sich in Originalien die Geschichte der Weberei
und Stickerei zu liturgischen Zwecken vom Vin.^XVL Jalirbon-
dert nachweisen lässt.
Auf die Dedicationsschrift folgt ein Inhaltverzeichniss des gaxt-
cen Werkes, aus welchem der Flau desselben ersichtlich ist. Dar-
nach wird das ganze Werk folgende Haupttheile umfassen: Die
Weberei von Seiden- und Goldstoffen im Mittelalter, mit besondrer
Berücksichtigung der liturgischen Gewänder (Capitel I) ; die Stickerei
im Mittelalter, insbesondere zu liturgischen Zwecken (Capitel IQ;
die Vorbedingungen im Alterthum für die liturgischen Gewänder der
ehristliohen Gewänder (priesterliche Kleidung bei den Völkern des
Alterttaums Gap, lU); der Anzug und übrige Ornat der BIscböle,
der deutschen Kaiser bei der Krönung, der übrigen geistlichen Per-
ausser den Bischöfen in der katholischen Kirche (Gap. IV. Y.
Book: tiescUflhleld« litBrfkehem Otwttader 4m WuMMmik <»
TT); die übri|:eo stoffUdieii OraameDte «iM«r den Gewlndem Im
den kitfaoUflebeii Kirchen (Gap. VII); die litnrgiidieB Gewlnder der
Gfiedbea asd Armenier (VIH); AaSehigasa^j WiederkenteUimg, Bei^
nignagi Anfbewahrnng der liftorgischen Oewinder (IX); Modificatio«-
tten In Besag «nf Farbe, Stoff und Form der lilorgiadieB Gewteder
adl ihrer EnUtehnng bis su ihrer Entstellung im aecfasehnteB Jahi^
hundert (X); Reichtham an litorgischen <^ändem bis n dem
seehsehnten Jahrhnnderti Aufsählung und BeschreilMmg einer ans*
gewählten Ansahl derselben (XI); gesebichtUeher UeberbliidK Aber
die litorgisclien Gewänder in der kathoHsehen Kirehe Ton dem aecii-
sehnten Jahrhundert bis jetat (XII). Man wird ans dieser Ueber«'
flieht des Inhaltes entnehmen, dass keiner der bei diesem Gegenstaade
in Betraehtung kommenden Punkte übersehen ist, so wie auch ge*
gen die Eintheilung aelbit sich nichts wesentliches wird einwende«
hMsen. Das hier TorÜegende Erste Heft begreift nur das Ente dar
eben aa(igesälilten OapiteL Es sclüiesst mit einem Inlialtreraeiduiss
der ersten Lieferung, wogegen es wolü sweckmttssiger sdilene, ein
Begiater am Schlüsse des ganzen Werkes an geben. Dtie dieser
Lieferaag beigegebnen nenuelm Tafeln im Farbeadruck nrit Abbii<>
dangen yob Gewandstüoken sind von einer vortrefflichen Ausfilhmtig
nd gans daxu geeignet, für das Auge wenigstens die OitghmUea
m ersetaen. Das auf dem Titel angegebene Vorwort des Hesm
Biscbdee von Münster, eines bekannten Kenners und Beförderen
der diristlichen Kunst, fehlt noch und wird später nachfolgen, ao wie
auch ein Tüei- und Dedicationsblatt in Farbendruck nachgeUefsrt
wird. Wir woUen nun nach Vorauaschickung dieser Notiaen eine
kurze Uebenicht des Inhaltes des ersten Gapitels geben , ans wet*
ehern diese ente Lieferung besteht, und daran einige Bemerknngen
anreSiett.
Der Verfasser beschränkt sich, wie er in der Einleitung sagt)
darauf, die Geschichte der Fabrication und Verbreitung der edlen
Gewandstoffe im Alterthum und in der christlichen Zeit bis anr Ei»*
fahrung der Seidenaucht unter Jostinian nur knra su berttlwen und
igäbt darüber nur einige wenige Notizen. Allerdings machen die
mnrgisciien Gewänder des Mittelalteri und nicht auch der vor«»
hergehenden Periode den Gegenstand des Werkes aus. Dennoöh
{edieist es uns es hätte wenigstens über den Zeitpunkt der Zulassung
Imd der Emfiihrung der Seidenstoffe bei dem christlichen Ckihus
nähere Nachweiflung gegeben werden sollen, besonders da hie-
eine Ansicht des sonst so gelehrten und genauen Fotschen and
imlers Francisque Michel zu berichtigen war. Dieser nämlioh in sei*
preiswürdigen Werke (Kecherches sur le commerce etc. des Stoffes
soie L p. 14. not 1), glaubt nach einer Stelle bei Anastastas
Vit roman. Pontific. n. XXXIV. Tom. I. p. 37. IL 806, Ed.
i, der Papst Silvester (314 v. Oh.) habe den Gebrauch seidner
den Priestecp bei dim Hessopte verboten: dem ist aber
90 Bodi: Gdfchiehtd der litarfiieiien Gewftnder dei Mittekltdrf.
nicht ao. Es wird nämlich an der angeführten Stelle berichtet, der
Fabat Silvester habe angeordnet : ut sacrificium altaris non in serico
neque in panno tincto oelebraretari nisi tantam in linteo ex terreno
lino procreato, sicQt corpus domini nostri Jesa Christi in sindone
lintea munda sepoltum est. Diese Worte werden aber allgemein nur
von dem auf dem Altare liegenden Tuche und von dem den Kelch
bededcenden Tuch, dem so geuannten CorporalCi verstanden. Bei
demselben Anastasius (Sect XXIV. Tom. 11. p. 212) ist anfge-
xelchnet: Pabst Stephaous (257 ▼. Gh.) habe angeordnet, dass
^Priester und Leviten ihre geweihten Kleider*' (sacratas vestes) nicht
flir gewöhnlich, sondern nur in der Kirche tragen sollen. Ueber
den Stoff wird nichts bemerkt: man wird annehmen müssen, dass
derselbe in Wolle und Leinwand bestand jedenfalls in den Zeiten
und da, wo gegen das Tragen seidner Gewänder von Seiten der
Männer, Tadel und Abmahnungen von christlichen Lehren ausge-
sprochen wurde, wie an mehreren Stellen von Clemens Alezandrinus,
Tertnllianns, Ambrosius, Hieronymus, Fredentins, geschehen ist, welche
Stellen in der reichhaltigen Sammlung von Stellen der alten Auto-
ren über die Seide bei Yates Teztrinum antiquorum L 189. 191.
217. 220. 224. mitgetheilt werden. Gegen Ende des vierten Jahr*
hunderte scheint sich aber der Gebrauch der Seide so verbreitet zu
haben, dass man auch in den Kirchen davon Gebrauch machte und
iwar in den östlichen Theilen des römischen Reiches wahrscheinlich
eher als in Italien. Wenigstens kommt die erste Erwähnung des
Gebrauches der Seide zu kirchlichen Zwecken bei einem griechi-
schen christlichen Schriftsteller vor. Bei Gregor von Nazianz findet
sich nämlich in dem Gedichte Ad Hellenium pro Monachis T. IL
p. 106. Ed. Paris. 1630 (bei Yates a. a. 0. p. 213) der folgende
Gedanke vor: „Einige bringen Gott als Geschenke dar Gold, Silber
nnd die feinen Gespinnste der Serer; Andre aber weihen
sich selbst als reines Opfer Christus und bringen als Trankopfer
ihre Thränen dar.^ Man wird also wohl jedenfalls in das fünfte
Jahrhundert den allgemeinern Gebrauch der Seidenstoffe zu Cultus-
zwecken setzen dürfen. Bei Anastasius in dem Liber pontificalis,
wo die Stiftungen und Geschenke der Fäbste, auch was kostbare
Gewänder betrifft, regelmässig aufgezählt werden, finde ich seidne
Gewänder zuerst erwähnt unter den kostbaren Geschenken, welche
der oströmische Kaiser Justinus dem Pabste Hormisdas (514 v. Ch.)
schickt (Anastas. De vit. Pontif. Tom. L p. 92. pallia olobera
blattea cum tabulis auro tectis de chlamyde vel de
Stola imperial i). Dass die Einführung der Seidenzucht aus dem
fernen Osten nach Europa unter dem Kaiser Justinian wie für den
lülgemeinen Gebrauch der Seidenstoffe, so namentlich 'auch für den Ge-
brauch derselben zu Cultusswecken eine neue Epoche begründete, be-
darf keiner wdtem Begründung. Unser Verfasser beginnt die genaurer
Abhandlung seines Gegenstandes von dieser Epoche an, und ^eilt von
B%€ki defcUckta der liCorfiiclMa Gewtoder dei WnMun. %i
di an die Z^t des MitteUten bis in dM seelwiehnte Jabrirand«!
sn feinem Zwecke in folgende drei Perioden ^n: L Periode tod
iem seelieten bis sn dem XU. Jabrbandert, als in der Mitte dessel*
ben unter K5nig Roger von Sicilien die Seidensncht nnd Beidenfa-
brication die ausser der ursprflnglichen Heimat der Seidensneht wXb*
reod dieser Periode nar von Griechen nnd Arabern geflbt wurdet
wa den lateinischen Christen Terpflanst wurde; IL Periode: ron da
in Verbreitung der Seidenfabrication nach dem fibrigen Italien (Lu-
cea, Florenz, Genua, Mailand, Venedig); III. Periode: mit dem
XV. Jahrhundert weitere Verbreitung dieser Fabrication nach Frank«
reich (Lyoiw Tours), den Niederlanden (Brügge, Gent, Mecheln) nnd
tDdre Gegenden.
Nach AuüBtellung dieser Periodisirung folgt sofort die Darslel-
loDg der ersten Periode: „I. Webereien su liturgischen Zweekea
Tom VI. bis sum XII. Jahrhundert«* (8. 4--32). Es wird in die*
tem Abschnitte gehandelt von den Terschiedenen Gattungen toii
GewandstolTen, die in dieser Zeit su Cultnszwecken rerwendet wur-
den; Ton deren Dessin und Omamentation ; von den Fabrications*
and HandelsplStzen. Zu den swei ersten der genannten drei Rn-
briken wird besonders des Anastasios Buch von den PSbsten benfitst|
und Francisqne Michels oben angeführte Recherches (I. p. S— 7S)|
wo Ton jenen Stoffen und ihren Dessins mit grosser, genauer Oe-
lehnamkeit gehandelt wird und mit grösserer Ausführlichkeit als
der Verfasser des yorliegenden Werkes nach seinem Plan dieses
thoD konnte. Unter den Seidenstoffen werden hervorgehoben: chry-
BOclaTum, fundatum, blatta oder blatthin, qoadruplum, octapulum n. a.
Wir beschränken uns darauf über den Stoff blatta (pallia blat»
tea, blattenm sericnm, sericoblatta), eine Bemerkung hier
«uufDgen aus einer in der neusten Zeit bekannt gewordnen Quellet
welche Tates (Textrinum antiquor. I. 194) und Michel (L 8) bei
ihren Darstellungen noch nicht benützen konnten. Es wird durch
die eben angeführte Benennung die mit echtem Purpur (Purpur-
Kbnecke murez) gefärbte Seide bezeichnet, welche mit Gold auf-
gewogen wurde. Ein solches Pallium, aber auch nur eines hatte
der Kaiser Aurelianus, wie man aus Vopiscus (yit. Aurelian. cap. 45)
weiss. Auf einem vor wenig Jahren bei Karystos auf Eub5a anf-
gefondenen Bruchstück einer griechischen Uebersetzung des bekann*
tea Diocletianischen Edictes De pretiis rerum yenalinm, zuerst edirt
von Mommsen in seiner Ausgabe dieses Edictes S. 81 ff. finden sich
Bon Preisbestimmungen für Rohseide und Seidengam, femer unter der
Rabrik xsgl noQipvQ^g für Purpurseide uud Purpurwolle. Purpur-
8^de kommt hier vor unter der Bezeichnung (istaaaßXatr ff (BMvxput'
INir), das Pfund zu 150,000 Denare, fünfsehnmal mehr als für weisse
Seide. Es folgte darauf die Stoffe ßkitrri und wtoßXccvtri su 50,000
Denare, welche letztere Stoffe Mommsen für Purpurwolle hält. Ueber
las Wort blatta gibt Mommsen S. 93 die Erklärung: es bedeute
%Z BooMi tiMeMcbte «ir l^MrgiMtUn dewttnder im MifCelalfM.
^IfeBtlldi deD geronnene Blatklnmpen ( — so erklärt et andi i
8ahmtfia8 zn Vopiscos — ); im spStern Sprachgebraucli trete es ao
die Btdle Ton parpur a uad beseichne genau genommen den „sckwAr-
zem Pnrpcir^, die erste Sorte von Purpur; docli sei blatta auch wie
Purpura suweilen aligemeiner Gattungsname für die versohiedeneB
Nuaneen des echten Purpurs.^ Nach der Aufzählung der mit ecbton
Purpw geübten Sorten von Seide und Wolle folgen in dem Tarif
des Dtodetianiscben Edictes die mit Surogaten des echten Meerpur-
pars geftirbten Stofife, von denen die besten Sorten nur ein Drittel
des Preises des echten tyriscben Purpurs kosten. Das gesehätsteate
Surrogat war das Goccum oder der Kermes. Jedoeh wiude das coc-
cum nicht wie die andern Surrogate unter der allgememen Benen-
waaig parpura in dem gewöhnhchen Sprachgebrauch begriffen, son-
dkm, wie aus ehier von Mommsen beigebrachten Stelle des Ulpia-
ma erhelh, wurde dasselbe immer besonders benannt und der por-
pura entgegengesetzt. Ob die Bezeichnung blatta fßr purpura,
ebenso wie letzteres Wort das coecum nicht mitbegriff, oder ob
wie die andern echten und surrogirten so auch das coecum unter
blatta begriffen wurde, lassen wir dahingeatellt. Unser Verfasser
ohnmt letzteres an ; doch chrtickt er sich jedenfalls nicht genau aas,
Indem er S. 6 sagt: „Die Purpurfarbe aus der ßXcczra, dem Ker-
mes oder der murez genommen.^
Nach der kurzen Aufzählung mehrerer Gewandstoffe, welche
▼etm VI. bis XIL Jahrhundert bei dem Cultus Torkommen, stellt
unser Verfasser etwas ausföbrijeher die auf denselben eingewobenen
Dessins dar. Hier hätten wir gewünscht, dass der Verfasser wenn
aoeh nur in der Kfirze hingewiesen hätte auf die figurenreichen
Oewänder, Umhänge und Teppiche, welche man sehen im classi-
schea Alterthum von früher Zeit an überhaupt hatte, namentüeh
aber zu Zwecken des Cultus. Die Sache ist im Allgemeinen be-
kannt genug, aber doch noch nicht gehörig im Zusammenhange be-
handelt. Offenbar gehören solche Gewaadstücke mit kunstreicherer
Ausführung in das Gebiet der Malerei, so gut wie Mosaik; und
dennoch finden wir diese Gattung malerischer Darstellung in dem
sonst so reichhaltigen Handbuche der Archäologie von E. 0. Müller
übergangen. Von dem gründKchen Werke von Yates über die
Weberei ist nur der erste Theü erschienen, der von den rohen Ma-
tefimlien zum Weben handelt; sonst hätten wir hier gewiss eine
gute Zusammenstellung erhalten. Was solche kunstreiche Gewebe
zu Zwecken des Cultus betrifft, so will ich hier nur erinnern an
den flgureareichen Peplus der Atliene, welcher am Feste der Pa-
^^^Halbenäen dargebracht wurde und an die Vorhänge und Gewand-
stUcke mit den verschiedenartigsten Vorstellungen in dem Tempel-
schätzt zn Delphi, von denen in Euripides Jon (V. 1041 ff. Aus-
gabe von Bothe) die Bede ist. Die aus alter Zeit stammende Tra-
dition dieior Kunstfertigkeit und dieses Gebrauches bei dem CuHus
— liglinhia qbA ▼•mnlaMle <• iHi«log# AvfMdMic fcmitNicfcit
GewandBtoffe in der alten chrisÜicheD Kirche, sobald eine freiere
Bewegung und grdeeere Prachl des CaltiM siek eatfalleii koanle,
Nor be« ErwfihDQBg der gestreiften Zeage geht unser Verfasser auf
das Aiterthum auraek und erinnert an die Nachrkhten bei DIodoc
und Virgil von den buntgestreiften Kleidern der alten Gelten (8. 18),
weiche in den gestreiften Zeugen der sebottischen Plaids noch übrig
sind. Im übrigen werden die Dessins jener alten au liturgischen
Gewändern verwendeten Stoffe aufgeaXhlti und zwar sueist: Tbier-
gestalten, als : Löwen, Adler, Greifen u. a. nach dem lU|(9Sten orienr
talischen Geschmack in phantastischen Formen und mit arabeskeiH
artigen Versierungen oder auch mit Versierangen in geometrischen
Formen (pallia rotata, scutellata u. dgl.) und mit Kreuaen. Daav
werden die Beweisstellen besonders aus des Anastasius Liber ponti*
ficalis, aber auch MuAerstücke von noch vorhandenen Gewandatüoken
ans dieser Periode in trefflichem Farbendruck gegeben. Der Ver-«
iaaser gibt aahlreiche Anführungen und Beispiele von solchen lAeh
vorhandenen gansen alten Gewandstficken; eine voUstlndtge Aul-
sihlung wird nicht beabsichtigt an dieser Stelle, anch Ist In des
dem Werke vorausgeschickten Inhaltsübersicht in der Angabe des
Inhaltes des XI. Capitels angeführt: „Chronologisch geordnete Auf*
Bfthiung und kurse Beschreibung der merkwürdigsten GewSoder aus
der Zelt Kaiser Kari's des Grossen bis auf Karl V. herrührend, die
sich noeh erbalten haben. ^ lieber die Zahl der noch übrigen 11*
turgischen Gewandstücke ans dieser ersten Periode (bis su dem
XIL Jahrhundert) gibt der Verfasser an einer Stelle (S. 61 Anm. 1)
die Motiz : es seyen ihm nach fünfjährigen allseitig angestellten Nach*
suchongen einige 250 — 300 Originalstoffe sn Gesicht gekommen.
Davon käme auf Frankreich etwa der sechste Theil. In Italien be-
sitae — (ausser Bom) — nur Palermo und Anagnl einige werth-
volle Ueberreste. Mehr Gewebe aus dieser Zeit hätten sich im
Domschats su Aachen, au Chur in der Schweis, in den Schatakam«
mem au Wien und Bamberg, namentlich aber im Dome au Halber*
Stadt, Danaig, Stralsund, Prag erhalten. Die eigne Privatsammlung
des Yeriassers hat aus der gedachten Periode etwa 52 Originalstücke
aufzuweisen. In je ältere Zeit solche noch vorhandenen Reste au-
rfiekgdien, desto mehr verdienen sie, wie natürlich, einaeln nahmhaft
gemacht su werden. In dieser Beeiehung ist au den von Franoisqne
Michel (Becherches I. p. 29) und von unserm Verfasser angeführ«-
ten ältesten Resten liturgischer Gewänder hinauaufügen ein solches
Stück, das in den letzten Jahren erst genauer bekannt und hescbriebea
worden ist, und welches bis in das siebente Jahrhundert aqrückge-
aatzt wird; nämlich das in der Kirche zu Maubeuge aufbewahrte
angeblich von der h. Adelgunde gefertigte Messgewand, welches in
Caumont's Bulletin monumental 1854- XX. p. 105 abgebildet und
beschrisbea ist. Das Dessin besteht aus je awei Pa|>agei^, welche
M Bock: Getehidite der litorgisclieii Gewinder dei Mitteltlleri.
mit dem Bflcken gegeneinaDdersitseiid dabei aber mit gewendetem
Halse einander ansehen, daswiachen reiche Tegetabilische Ärabeekeo.
Es wird Yon unserm Verfasser gebührend hervorgehoben (S. 153f
welchen Einfluss diese Dessins kostbarer Stoffe aus dem Orient Jahr-
hunderte lang auf den Geschmack und auf die Eunstübung im Occi-
dent ausübten. Francisqne Michel, der denselben Gegenstand be-
spricht (Recherches IL 433) macht dabei die interessante Bemer-
kung, dass die phantastische Form der heraldischen Figuren, nament-
lich der Thierbilder, aus derselben Quelle herzuleiten ist. Nach den aas
Thierbilderi^ und Arabesken bestehenden Dessins alter liturgischer
Gewinder folgt dann die Anführung solcher Dessins, welche in Dar*
Stellungen biblischer Personen und Geschichten des alten und neuen
Testamentes bestehen, und es werden auch hier als Beweise Nach-
weisungen aus Schriftstellern, namentlich aus Anastasius, und von vor-
handenen Gewandstücken Abbildungen gegeben. Für die Geschichte
der altchristlichen Kunst sind diese biblische Darstellungen auf Gewän-
dern von besonderm Interesse: sie stimmen was die Wahl der bi-
blischen Sujets betrifft mit den Darstellungen auf den ältesten christ-
lichen Sarkophagen häufig überein. Dazu kommen Bilder der Mut-
ler des Herrn, der Apostel, Märtyrer, einzelner HeUiger. Auch hier
hätte sollen unsers Erachtons genauer angegeben werden, in welchea
Zeitpunkt der Anfang dieser Sitte fällt, auf Gewandstücken biblische
Geschichten darzustellen. Diese Sitte geht, wie man durch ein aus-
drückliches Zeugniss nachweisen kann, bei den griechischen Christeii
in sehr frühe Zeit zurück. Der grichische kirchliche Schriftsteller
As t er i US, welcher in dem IV. Jahrhundert lebte, spricht in einer
seiner Predigten gegen die Kleiderpracht Dabei hält er sich auf
gegen Kleiderstoffe, auf denen wilde Thiere aller Art und seltsame
Verzierungen angebracht sind. Dann fährt er fort: „Reiche Män-
ner und Frauen, welche hierin besonnener sein wollen, geben den
Webern als auszuführende Vorstellungen die evangelische Geschichte,
nämlich Christus mit seinen Jüngern und die Wunder wirkend. Da
sieht man denn abgebildet die Hochzeit von Galiläa und die Was-
serkrüge; den Gichtbrüchigen der sein Bett auf die Schultern nimmt;
den Blinden der geheilt wird; die blutflüssige Frau, welche den
Saum berührt; die Sünderin die Jesus zu Füssen fSüt; Lazarus, der
aus dem Grabe zum Leben wiederkehrt.^ (Asterii Orationes. Ed.
Gombefis. Paris. 1648. L p. 3 und bei Michel Recherches L 20.)
Da von solchen Stoffen nur die Rede ist als zu Kleidern von welt-
lichen Personen verwendet und da auch andre Kirchenschriftsteller
des dritten und vierten Jahrhunderts, Chrysostomus und Theodoret,
sich gegen Gewänder mit künstlichen Dessins erklären (Michel a. a. 0.),
80 wird man annehmen dürfen, dass Stoffe mit solchen Dessins erst
^'''^■Spach der angegebenen Periode jener Schriftsteller, Eingang
branoL^lf^^Q fanden. Bei Anastasius, wie wir oben bemerkt ha-
^^ hie erste Erwähnung von gewebten Stoffen, welche einer
Bock: Gefchidite d«r liliirfucheB Gewioder def Milteltllerf. 25
Kirche gesebenkt wurden, im seebaten Jabrhandert onter dem Pabste
Hormisdas L Die nächstfolgenden Anführungen von iUinlicbea
Geschenken sprechen nur von kostbaren Stoffen in Seide und Gold ohne
Angabe eines Dessins. Diese finde ich bei Anastasins erst gegen Ende
des siebenten Jahrhunderts, wo im Leben Benedicts IL (684 n. Ch.)
ab ein Geschenk für die Kirche des h. Valentin angeführt wird
(lect. LXXXII. T. L p. 144, Ed. Bianchin): eoopertarittm super
oMare cum cUnris et fasteUis (aU fUteUii) et in ciretäiu palergium
(dL per largum) ekrysoclavum pretioatssimum. Und (ebendas.) in
eioer andern Kirche: „coopertorium porphyreiicum cum cruce et
gemmulis quatuor ehrysoclavis et in circuitu palergium de holose-
rko puUherHmum.^ Die erste Erwähnung eines Stoffes mit ein-
gewobenen Darstellungen aus der biblischen Geschichte kommt bei
Anastasitts erst vor um die Mitte des achten Jahrhunderts in dem
Leben des Pabstes Zacharias (748 n. Ch. Sect. XCIII. Tom« L
p. 189. $. 219.): Hie faeit vettern super altare beati Petri ex
auro textam Juibentem nativüaiem domini dei et salvatoris noetri
Jesu Christi. Wir werden unter diesen Umständen wohl annehmen
dfirfen, dass Stoffe mit Dessins von Thierblldem, Arabesken, ge-
lefaichtiichen Darstellungen, nicht vor dem sechsten, siebenten Jahr*
bondert aus dem profanen Gebrauche auch in den Gebrauch sa
Gultuszwecken fibergegangen seien. In die Anfzählung der yer*
tehiedenen Dessins auf liturgischen Gewandstoffen ist eine Digression
eiogewebt über die Gebrauchsweisen solcher Stoffe bei dem Cultus
ausser der priesterlichen Kleidung, als : zu Wandbekleidungen, Thiir«
Torhiogen; eu Umhängen um den Altar mit Säulen und Baldachin
(dboriom), zu Altardeeken und zu andern Zwecken (S. 20—22).
Diese Digression wäre vielleicht passender hier hinweggeblieben, da
weiter unten nach der dem Werke vorgesetzten Inhaltsanzeige in
einem eignen Üapitel (Gap. YII.) gehandelt werden soll: |,von der
Kelch- und Altarbekleidnng und den sonst noch bräuchlichen stoff-
lichen Ornamenten der Kirche und des Chors. ^ Bei der Aufzählung
der Dessins vermissen wir dagegen eine nähere Nachweisung über
Bolcbe Gewänder und Gewandstoffe, in welche Schrift eingewoben
war (vestes literatae), namentlich biblische Stellen und Gebetsfor-
meh. Michel handelt davon genauer (Recherches IL 111 —
131). Er weist die gleiche Sitte in dem jüdischen und dassischen
Altertbum und bei den Orientalen nach. Das älteste christliche Beispiel|
welches Michel anführt ist eine angeblich von dem heil. Martin be«
Kweoe Stola mit den eingewirkten Worten: In nomine domini
otn pro me (bei Schannat bist, episcopat. Wormat. I. 136). Dieser
Anffibrong folgen dann viele andere von dem zehnten Jahrhundert
u aus Schriftstellern und noch vorhandenen Gewandstticken. Dazu
verweist Michel in den Additions IL 464 auf ein Werk von Snar^s
De vestibus literatis. Vasione. 1652. 4. Zu Demjenigen was
Michel über die Gewandstoffe mit Schrift sagt ist noch hinzusufü-
96 Book: Gaachiclite der Utnrgifdieii «ewtoder im MUtolallttf.
gen, daw inaerhalb dea ehriBdieben KreUiei ftiisziig«h«ii wm v^u
iea Gewändern mit einselaen BochsUben bezeichnet, welche man
im vielen Figuren auf Gemälden in den Ealakomben wabrnimiDt
und ferner, dass bei der Literatur Ciampinis Abhandlung bierübec
in den Monumenta vetera su nennen war.
Nach dem Stoff and Deesin der Seidenzeuge in dieser ersten
Periode werden deren Fabrikationsorte so wie die für diesen Zweig des
Handels wichtigsten Orte betrachtet, wobei besonders eine Abband^
lung von Kr e US er (Skizze über das Ostindien der Hellenen, Rie-
mer und Byzantiner. Gymnasialprogramm Eölln. 1833) angeführt
und benutzt wird. Vieles hierüber aus dieser ersten Periode gibt
Michel Becherches I. 59ff. woher auch bei der kurzen lieber-
sieht, welche unser Verfasser gibt, noch Einiges melur anzuführen
gewesen wäre. Die urspünglichen Fabricationsorte im fernen Osten
schickten fortwährend, auch nach dem unter Justinian die Seidezudit
nach Griechenland gebracht war, ihre Fabricate nach dem Occident
Ausserdem waren die Hauptplätze für Fabrication und Handel: An-
tiochien, Damaskus, Harocco, ganz besonders Alexandrien, Byzaaz;
bei den Arabern im südlichen Spanien namentlich in Almerin schon
seit dem X. Jahrhundert (Michel H. 291). Der Handel mit Seide
aus den Innern Theilen von Asien wurde durch Caravanen auf ver-
schiedenen Wegen geführt, wobei auch Jerusalem als Zielpunkt von
Caravanen von Michel hervorgehoben wird. Aus Vorderasien und
Aegjpten besorgten syrische Kaufleute und Juden diesen Handel
nach dem Occident, aus Byzanz vornehmlich die Venetianer. Von
letzterm Platze aus ging ein grosser Verkehr nach Rom, wo besonders
von Stoffen für den Gebrauch von Kirchen immer grosse Niederlagen
gewesen zu sein scheinen. Zu demjenigen was Hr. Bock über Fa-
brication und Handel der Seidenstoffe in dieser Periode von dem
Standpunkte seines Werkes aus sagt, beschränken wir uns hier nur
auf folgende Bemerkung. Zu der Stelle im Text S. 26 »von der
Insel Goos (1. Cos) bezog man seidene Stoffe^ wird die An-
merkang hinzugefügt: „Es liegt die Insel Cos^ das Vaterland des
Hippol^ates, nicht wie bidor Lib. XIV sagt bei Attika, sondern der
kieinasiatischen Provinz Carlen gegenüber. Die Frauen der Insel
waren im Alterthum wegen Anfertigung serischer Stoffe sehr be-^
rühmt. Vergl. Plin. lib. }a, 22 und Aristot De animal. bist V,
19-.^ Nach uusrer Ansicht genügte es nach der übersichtlichen Kürze,
auf weiche sich hier der Verfasser beschränkt, einfach zu sagen:
„dass ausser den ursprünglichen Heimatländern der Seidenzucht in
dem Osten die Insel Cos einer der fiühsten und berühmtesten Plätze
für Sjsidenfabrikation war; dass diese Fabrication dort am Anfang
der r^iscben Kaiserzeit am blühendsten war wie man aus den häu-
figen Apführnngen der ^^coischen Gewänder^ bei den Schriftstellern
au« dieser Zeit schUessen kann; dass aber dabei keine Zucht des
eigentlicBfn Seidenwurmes (bombyx mori) auf der Insel stattfand.
■oeks «totcfaMte 4« UtwfiMlMB Gewttaier dM HütoltUen. 9T
data entweder dte hier geiogene Seidenranpe Ton einer an«
dam geringem Sorte war, oder (wie Yates glaubt) daaa die Goeons
i« den ianem Alien durch den Handel dorthin kamen und da<«
lellMt abfeaponnen und gewoben wurden.'' Darüber konnte dann
tof die HanpMellen bei Aristoteles und Pliains, so wie auf Yatea
Teitrinnm p. 173 — 179 yerwiesen werden, wo dieser Gegenstand
tn den Quellen und mit Genauigheit bebandelt wird. Wollte man
tber auf jenen Irrthum des Isidorus Hispalensis tiberhaupt Rück-
rieht nebmen, so war eine genauere Angabe nöthig* Statt der Insel
Cos nennt nSmlich Plinins an einer andern Stelle (IV, 20) die
Insel Oeos, als den Ort, woher delicatior vestis für Frauen käme
rad beruft sich dabei auf Varro, welcher jedoch schwerlich diese
Verwechshing «wischen Cos und Ceos begangen haben wird. Je«
MT Stelle ans PKnlos schreibt dann Isidorus XIV, 6 nach, obgleich
er an einer andern Stelle (XIX, 22), wo er von der Seide bandelt,
giaz richtig die Insel Cos nennt. Wir fügen hinzu, dass dieser
IiTthnm oder dieses Veredien bei Plinins wahrscheinlich daher rührt,
wdl, wie er an efaier andern Stelle sagt (V, 36) die Insel Cos
aodi unter dem Namen Cea vorkommt und gerade eben so auch
TOD manchen lateinischen Schriftstellern die Insel Ceos genannt
wurde (IV, 20 „Ceos, ... quam nostri quidam dixere Ceam^).
fiehiiesslich erwähnen wir hier noch einer vor Kursem erschienenen
Abbandinng über die Seidencultur und deren Verbreitung, aus ara-
bischen Quellen von CUment-Mullet (Rechercbes sur rhistoire
Bttarelle dies les Arabes. Sur le ver a sole; im Journal Asiatin
qne. Cmquieme Serie. Tom. VII. 1856. p. 496). In den Condu-
sions deiselben am Schlosse wird folgendes Resultat gegeben: Die
C^itir der Seide Ist aus ihrer ursprünglichen Heimat, dem nürdii-
dken Chfaia, auf awel Wegen welter verbreitet worden : durch die
Missionare im VI. Jahrhundert unter Justinian nach Bjians, und
aaf ehiem südlichen Wege durch Indien nach Persien, wo eine starke
Seidenfabifcation statt fand; von den Persem erhielten die Araber
die Seidencultur, beschäftigten sich eifrig mit deren Fabrication von
dem VIIL Jahrhundert an (nicht zum eignen Gebrauch, sondern als
Handelsartikel), und brachten dieselben nach Africa und Spanien.
Bei der Erwähnung der Insel Cos wird übrigens auch von Cle-
aent-Mnllet (p. 510), der sich dabei von Hardoin und Salma^«
bIss irre führen iSsst, Cos und Ceos verwechselt.
Bei der Darstellung der zweiten Periode behandelt unser
Verfasser ^den geschichtlichen Entwicklungsgang der Weberei zu
kirchlichen Zwecken vom XII.— XV. Jahrhundert „(S. 33—73).
Den Anfang dieser Periode begründet, wie eben bemerkt, das Epoche
nackende Ereigniss, dass König Roger von Sicilien bei seinem sieg*
reiehen Feldsuge in Qriechenland ausser grosser Beute aus den Städten
Athen, Korinth, Theben konstreiche Seidenarbeiter und Arbeiterinnen
«Qter den Gefangenen nach Palermo brachte (um 1147) und da*
38 Bock: Gefchichte der lUargbcfaen Gewinder dei Mitteltlftarf.
durch die Seideocaltar und Beidenfobriluition su den lateintacheii
Christen verpflanste. Anfänge dazu waren In Sicilien achon vor der
normannischen Zeit unter den arabischen Dynastien gemacht wor-
den. Namentlich war zu Palermo an dem Hofe und lum Gebrauche
des Hofes )Bine Anstalt für Seidenweberei durch Frauen, wie über-
haupt die islamitischen Dynastien im Orient und Occident solche
Anstalten (zugleich eine Zugabe des Harems hatten) unter dem Na«
men Tiraz, welches Wort dann auch die Benennung eigener Qat-
tungen von Seidenstoffen hergab. Eine ähnliche Anstalt für Seiden-
fabrlcation war in Byzanz; ja in der frühsten Zeit schon wurde an
den Höfen der Herrscher in China und in Persien die Seidenzucht
und Seidenfabrication durch Frauen betrieben. In kurzer Zeit er^
hob sich die Seidenindustrie der Christen auf Sicilien zu grosser
Blüthe. Mit ihr wetteiferte die maurische Industrie im südlichen
Spanien, ganz besonders in der Stadt Almeria. Mit der gesteiger-
ten Fabrication trat in dem zwölften, dreizehnten Jahrhundert zu-
gleich eine grosse Steigerung der Consumtion in dem Occident ein,
da der Einfluss der Ereuzzüge, der Aufschwung des Lebens, der
sich vornehmlich in den grossen Eirchenbauten und in dem Ritter-
wesen zeigte, den Gebrauch der Seidenstoffe sehr vermehrte. Die
Seidenindustrie verbreitete sich nach dem Festlande von Italien:
zuerst nach Lucca und bei Gelegenheit dort ausgebrochener bürger-
licher Unruhen im Anfange des vierzehnten Jahrhunderts von da nach
andern Städten namentlich: Florenz, Venedig, Genua. Hier war
die Seidenindustrie in diesen Jahrhunderten anfangs auf die Weberei
beschränkt und begriff nicht auch die Seidenzucht: die Rohseide
bezog man aus Griechenland und aus dem Orient. Von der da-
maligen Fabricationsweise während dieser Periode bis zu dem fünf-
zehnten Jahrhundert hebt unser Verfasser insbesondere einen, sehr
interessanten Punkt zu näherer Besprechung hervor, nämlich die
Bereitung der bei den damaligen Geweben fast verschwenderisch
angebrachten Goldfäden (S. 48). Nach der im fünfzehhten Jahr-
hundert aufgekommenen und jetzt noch gewöhnlichen Praeparation
wird nämlich der Goldfaden dadurch erzielt, dass man einen stär-
kern Seiden faden mit einem dünngezogenen leichten Silberdrähtchen
iiberspinnt, welches vorher vergoldet worden ist. In den Geweben
des frühern Mittelalters aber orientalischer wie occidentalischer Fa-
brication, bestehen die Goldfäden entweder ans glatten, riemenfor-
niigen nur auf einer Seite vergoldeten Streifchen von einer zarten
Substanz, oder diese nur auf einer Seite vergoldete Substanz Ist
um einen Leinenfaden gesponnen. Was diese Substanz sei, ob ein
natürlicher vegetabilischer Stoff, irgend ein Bast oder eine Faser,
oder eine künstlich bereitete Masse, — das hat unsre heutige Tech-
nik und Wissenschaft bis jetzt noch nicht herausgebracht, obgleich
die Lösung dieses Räthsels von einem grossen praktischen Gewinn
wäre, indem man dadurch einen wohlfeilem und schönern Goldfaden
Boefc: Ci«MUdiCe der litarfifchen Gewinder def Mittelelterf. 3d
endeleD wfirde. Den Seidenfaden selbst onmittelbar la vergolden
hat man aber bis jetzt nngeachtet hoher Preise, welche su Lyon
wiederholt ffir die Erfindung ausgesetEt wurden, gleichfalls nicht er^
flnden können.
Hinsichtlich der yerschleddnen Gattungen von Seidenstoffeui
welche man in dieser sweiten Periode (Xu.— XV. Jahrh.) fabri-
tirte (Cendal, Siglaton, Diapre u. s. w.), welche Michel
(Becherches I. 106 ff.) ausführlich behandelt, lässt sich unser Ver-
fiiser anf eine Aafzfthlung und Beschreibung derselben nicht einy
mit Ausnahme des Sammet, welchem weiter unten ein eigner Ab-
schnitt gewidmet wird; sondern er beschränkt sich auf eine knrae
Gharakterisimng im Allgemeinen (S. 56. 64). Hinsichtlich der Des*
flins unterscheidet man in dieser Periode der Seidenfabrication in Italien
zwei Abschnitte: während des zwölften und dreizehnten Jahrhunderts
herrscht die Nachahmung des frühern orientalischen Geschmackes
in Tliierfigaren vor ; von dem yierzehnte^ Jahrhundert an zeigt sich
dagegen eine grossere Selbstständigkeit des occidentalen Geschmackes
namentlich häufiger Darstellung biblischer und heiliger Geschichten,
was unser Verfasser mit dem Aufschwung der Malerei in Italien
durch Gimabue und Giotto in causale Verbindung setzt. Aus die-
sen beiden Abschnitten nnd von beiden Arten von Dessins hat sich
eine beträchtliche Anzahl von Resten liturgischer Gewänder noch
erhalten. Dabei hebt der Verfasser hervor (S. 55), wie sich in den
Kirchen zu Danzig, Stralsund, Brandenburg, Halberstadt, Braun*
ichweig eine verhältnissmässige grosse Menge interessanter Gewebe
ans dem XIII. — XIV. Jahrhundert erhalten hat, während in den
italienischen Kirchen, wo man solche Schätze besonders suchen sollte,
dorch den Wechsel des Geschmackes, besonders aber seit dem fran-
zösischen Revolutionskriege nnd der Invasion der französischen Herr*
Schaft am Anfang dieses Jahrhundertes die alten liturgischen Ge*
wimder, namentlich alle mit Gold versehenen, zu Grunde giengen
(8. 59).
Der Verfasser theilt aus seiner eignen Sammlung aus den
oben angeführten beiden Kategorien von Gewandstoffen eine Reihe
von Proben mit in Farbendruck, welche Jedermann mit dem gross-
toi Interesse nnd Vergnügen betrachten wird. Bei dem neu er-
wachten Interesse für diesen Zweig mittelalterlicher Kunst und In-
dostrie, werden immer von Zeit zu Zeit namentlich in Frankreich
neae Proben derselben aus den Schränken der Sacristeien hervor-
geiDcht und bekannt gemacht So bringt Caumonts Bulletin monu-
mental 1854. XX. mehrere Stücke, welche an die von unserm Ver-
fuser mitgetheilten oder angeführten angereiht werden können, na-
mentlich ein äusserst geschmackvolles Stück mit Pfauen und arabi-
edier Schrift ans dem Schatze der Kirche St. Serein zu Toulouse
(p. 48); ein von dem Bischöfe Thomas von Canterbnrj gebrauchtes
30 Book: G«0chidile dar JitarfiMlie» (kiwttAder dei MiltekillMi.
Measgewand, aas einer Kirche zu Toomay (p* 115); ein Stück tob
dem Mess^wande des h« Don^meus, ans Toalonse, mit Pfauoi und
Pelikaaen, dazwischen Pflanzen*- Arabesken (p. 119).
Die dritte und letzte Periode der Seidenfabrication im Mit-
telalter, namentlich In Beziehung auf Coltoszwecke, weiche das fünf-
zehnte und secbzehnte Jahrhundert begreift, behaudelt unser Ver-
fasser im dritten Abschnitte des yorliegenden Heftes (S. 73 — 98),
wobei vornehmlich folgende Punkte hervorgehoben werden. Der
natürliche Entwicklungsgang dieser Gewinn bringenden Industrie und
äussere Umstände machten dass im fünfzehnten Jahrhundert, theiU
weise aber auch schon früher sich die Seidenfabrication von Italien
aus weiter verbreitete, namentlich nach Frankreidi und FlanderD| wo
sie von den Königen Ludwig XI., Karl VIII., Franz I. überaus
beschützt und gepflegt wurde. Hauptsitz derselben im ersten Lande
wurde Lyon, neben ihm Tours und eine Zeit lang auch Orleans;
in Flandern, Brügge. Der Verbrauch seidner ßtofife nalim ungemein
cu durch den Kieiderluxus und die Prunksucht bei Festen im welt-
licfaen Leben, so wie durch den Beichthum der Kirche, mehr aber
noch durch freiwillige Gaben und Stiftungen von Seidenstoffen und
liturgischen Gewändern Ton Seiten der Gläubigen, was alles durch
sweckmässig gewählte, zum Theil sehr frappante Beispiele bewieeen
wird. Darauf schildert der Verfasser das charakteristische der Sei-
denstofl'e der liturgischen Gewänder dieser Periode, wozu ihm die
Anschauung eines reichen Materials bei den Ausstellungen alter Kir-
ebengewänder zu Grefeld (1851) und Colin (1855. 1856), so wie
seine eigne reiche Sammlung und seine Reisen die yielseittgsten
Mittel darboten. Dabei gibt er aber auch zugleich eine zusammen-
fassende kurze Uebersicht aller der drei von ihm angenommenen
Perioden der liturgischen Gewandstoffe im Mittelalter (S. 86. 95)
folgender Weise: Die erste von Justiuian bis in die Mitte des
XU. Jahrhunderts die orientalisch -byzantinische: die Seidenstoffe
sehr schwer und dicht gewebt, häufig einfarbig ohne Dessin; als
Dessins: phantastische Thierbildungen, Polygone, Kreise; die zweite
Perlode von der Mitte des XII. Jahrhunderts bis Ende des XIV.,
die arabisch*italienische: das Gewebe leichter, in der Regel vielfar-
big, die Zeichnung beweglicher, schwungvoller, meist in Gold bro*
schirt; originell stjlisirte phantastische Thtergestalten mit Pflanzen*
Ornamenten; die dritte Periode XV. und XVL Jahrhundert; die
gemanisch- romanische: Damastgewebe; Verlassen der Dessins der
frühem Perioden namentlich der Thierflguren ; geringere Manigfaltig-
keit der Dessins; Einfluss des gothischen Styles. Das in dieser ddt*
ten Periode in den Dessins vorherrschende Motiv der Ornamente
wenn auch in verschiedener Ausführung, ist der Granatapfel (pomme
d'amonr) oder eine ähnliche Frucht oder Samenkapfel umgeben von
fiosenbiättem. Der Verfasser theilt eine Anzahl schöner Master in
Bocks «Mcyehie 4&t litarffochem G«rwtader 46f Mtehillm. 8t
Thitlm mit Gegmi Ende dmer Periode tritt der Einflass
im BeBalseaBoe aaf die Deesinf ein dorch Anfnahme von antlkea
Acanthasbllttem und Palmetten, aber öfters nicht in richtiger Au^-
teraog, jedenfalls mm Nachtheii der originalen, traditioneUen and
tirehfichea Ornamentik aaf diesem Gebiete und endlich nim Unter-
gwfe derselben. Doch ist es bekannt, mit welchem Dfer man von
BiBohen Seilen her eine Restaaration des alten bessern Grescbmackes
jctst anstrebt Der Verfasser nennt mit Belriedigang mid empfehlender
Aisrkennang besonders zwei Fabriken, die sieh in der Wiederein-
flhrang solcher l>essem Seidenstoffe sa iltorgiseben Zwecken yer-
dient machen, nfimlich: Fr. Jos. Casaretto in Grefeld und
Koel Le Mire, p^re et fils zu Lyon.
Der letzte Absehnitt (IV) der Torliegenden Lieferung (8. 98 —
180) ist aosschliesdidi der Betrachtung des Seiden • Sammets (ve-
kmrs) gewidmet, welcher Stoff schon seit der zweiten Hälfte des
XIL Jahrhunderts so geistlichen und liturgischen Gewändern In An-
weadung gebracht wurde. Eine Aufzählung und Beschreibung Im
ftanebien der andern Gewandstoffe dieser dritten Perlode, deren Na-
Mo und Fabricatlon jetzt aufkommen, hielt der Verfasser nicht fOr
iMiig. Whr inden eine solche bei Michel (Recherches IL 167),
woher wenigstens efaiige der am häufigsten genannten Gattungen
▼ou Seidenstoffen, die auch bei liturgischen Gewändern in Anwen-
dang kamen, hätten angeführt werden können wie: drap d'or;
drtp d'argent; Satin; Serge; Taffetas. Die Herleitung des
Wortes Sammet (Sammit) wird gegeben von Examitus nach den
mfai Fäden, die den Einsehlag bilden (ß^ und pUtog^ nicht pJtog wie
dvdi einen Druckfehler S. 101) und dann von der Geschichte des
Stoffes gehandelt Ehi reiches Material dazu ist gegeben bei Michel
(Reofaercbes L 106 — 199) ans welchem unser Verfasser einen Aus-
^ gibt, jedoch auch manchen Beitrag hhizufügt namentlich aus
Mincr Kenntniss alter liturgischer Gewänder in Deutschland. Dieser
leiste Abschnitt schliesst mit einer Betrachtung der Beziehungen Im
Mittelalter zwischen Weberei und Stickerei der liturgischen Gewän*
der einerseits und der Malerei und Sculptur andrerseits (S. 112 —
121). Nach dem damaligen Charakter der christlichen Kunst wur-
den die Figuren der biblischen Personen und der Heiligen nicht
bloB überhaupt bekleidet dargestellt, sondern bekleidet theils mit
wirklichen liturgischen Gewändern, Üieils doch jedenfalls mit den-
selben Stoffen aus denen die liturgischen Gewänder gefertigt waren;
überdiess befleissigten sich die Maler in beiden Fällen der genaue*
iten Nachahmung der Stoffe und Gewänder. Es Ist daher klar, wie
das Yerständniss der Art des Faltenwurfes, der Farben, der Dessins
der Gewänder auf den mittelalterlichen Gemälden von der Eennt-
nin der liturgischen Gewänder jener Zeit abhängt und umgekehrt
vie viel die letztere aus der Betrachtung der lüten Gemälde ge-
32 Bock: Gecchi«b(e der litar^iehen Gerader dei Mittelalldn.
winnen kann. Es wird darüber von nnserm Yerfaaaer eine Reibe
interessanter Beispiele und Bemerkungen aus dem Kreise der alt-
italienischen und altdeutschen Malerei mitgetbeilt.
Aus dem bisher Gesagten wird hinreichend hervorgehen, wie
wichtig das bisher besprochene Werk ist, nicht blos für die Kennt-
niss des speciellen Gegenstandes, dem es sunächst gewidmet ist,
sondern auch für die Geschichte der Kunst und Industrie des Mit-
telalters und selbst für praktische Zwecke der heutigen FabricaiioD
edler Stofife und literarischen Gewänder. Der Verfasser gibt aus den
vorhandenen liturgischen Hilfsmitteln und aus seinen eignen so reich-
haltigen Anschauungen und Erfahrungen eine Fülle interessanter und
wichtiger Notizen. Gerade diese Fülle macht eine klare feste An-
ordnung, Genauigkeit und die Vermeidung von Wiederholungen bei
der Darstellung um so schwieriger, aber auch um so nothwendiger,
worauf der verdienstvolle Verfasser bei seiner im übrigen sehr gu*
ten und anziehenden Darstellungsweise seine Aufmerksamkeit zu
richten haben wird. Die am Anfange dieses ersten vorliegenden
Heftes mitgetheilte Uebersicht des Inhaltes des ganzen Werkes ver-
spricht eine grosse Reichhaltigkeit an interessanten Gegenstinden«
Der Verfasser hat schon in der vorliegenden Lieferung einen we-
sentlichen Beitrag geliefert und wird deren in den folgenden Liefe-
rungen gewiss noch mehr liefern zur Ergänzung des dassischen
Werkes von Francisque Michel, welcher gerade für Deotseh-
land in der Geschichte der Seidenstofife einen Mangel an literari-
schen Hilfsmitteln beklagt (Recherches Tom, IL p. 316). Man
kann daher der grossen Thätigkeit und umfassenden Kenntniss des
Herrn Verfassers auf diesem Gebiete, sowie der grossmüthigen und
so sehr wohl angewendeten Förderung dieses Unternehmens von
Seiten des durchlauchtigsten Fürsten, dem es gewidmet ist, nur
Dank und Anerkennung zollen, und dem Unternehmen, dessen Fort-
setzung wir mit Interesse entgegensehen, die verdiente Theilnahme
und Förderung von Seiten des Publicums auf das lebhafteste wün-
schen. Zell.
fe.t BEIDELBERflER IKt.
JIIRBOGEBR OBR IITBRATUR.
I>df iäUusüme d£ OiuraH per Ouaeppe PiaandU, Torino, 1866.
Wir begräBsen mit Freade die oben geninnte Schrift eines geist*
reichen nnd praktisciien Mannes über eine der wichtigsten Einrieb-
tongen der Gegenwart Der Verfasser ist Pisanelli, früher einer der
bedeutenden Advolcaten Neapels, Verfasser einer guten Schrift über
Todesstrafe, jetzt als Advokat in Tarin lebend. Der Verf. der eine
IiDge Zeit hindurch den Gang der StraQustia in Neapel beobachten
konnte, lebte einige Zeit in Frankreich um dort die gerichtlichen
Ülnriditongen zu studiren, und machte sich mit dem Stadium der
eogüschen Geschwornengerichte vertraut. Das Ergebnlss seiner For*
whuDgen ist das vorliegende Werk, das wir um so mehr für be-
dentend halten, als es dem Lande angehört, in welchem das Institut
der Schwurgerichte bis zur neuesten Zeit keinen Eingang fand. Un-
lere Leser erinnern sich, dass Napoleon in jener berühmten Anrede
vom 7. Junj 1805 In Mailand an den gesetzgebenden Körper den
Itiiünem erklärte, dass er nicht daran denken könnte, die Schwur-
gerichte in Italien einzuführen; selbst seinen Landsleuten, den Gor-
sikanem gab Napoleon keine Schwurgerichte; merkwürdig Ist es
aaeh, dass bedeutende SchrifUteller Italiens, z. B. Giuliani in Ma-
cerata, Carmignani in Pisa gegen die Einnihrung der Geschwomen
sich erklärten ; noch in neuester Zeit enthält die durch viele treff-
liehe AnÜBätze beachtenswürdige Zeitschrift: La Temi in Florenz,
vShreod das öffentliche mündliche Anklageverfahren gerühmt idrd,
AnfOtae, welche gegen die Jury sich erklären. Nur in Plemont
ist seit 1848 für die Entscheidung der Pressvergehen das Schwur-
gericht eingeführt und in MalU enthält seit 1855 ^e vorzügliche
iem schottischen Strafverfahren nachgebildete Strafprozessordnung
tteh die Schwurgerichte. In Piemont hat 1856 das Ministerium
den Kammern einen Gesetzesentwurf vorgelegt, nach welchem für
£e Entscheidung der schweren Verbrechen Schwurgerichte einge-
fflbrt werden sollten. Auf diese Weise erhält die Frage: ob und
onter welchen Bedingungen Schwurgerichte den Vorzug vor Staats-
richtem verdienen, für Italien eine hohe Bedeutung, und die vorlie-
gende Schrift würde schon in dieser Beziehung wichtig sefai; allein
^ ist es noch in dnem höheren Grade für alle Länder, well der
Terhsser seinen Gegenstand von einem höheren Standpunkte aus
^ ^e Weise behandelt, der das Werk für den Juristen eines je-
den Landes empfehlenswürdig macht. Wir finden in dem Verfasser
ale Eigenschaften, welche dem gebildeten Italläner eigenthümlich
sind, d^ Frische und Lebendigkeit der Auffassung, die Neuheit der
Ideoi, Scharfeüm in der Zergliederung und Klarheit der EntWicke-
L. Mrf . 1. Hefti 9
34 PiMiieUi: DeU' titttoiioid de'6i«rati.
lang Tereinigt mit der tachtigen Benützung der Quellen und Erfah-
rungen, ipnd mit praktischem Sinn, der ftei von Deklamatioaen und
Uebertreh)ttttgen In alle Einzelnheiten des Gegenstandes nnparth^iach
eingeht. Wie sehr von richtigem, logischem Geiste und dem Willen
einer umfassenden Erörterung der Verfasser geleitet ist, mag schon
die Anordumig des Werkes «eigen. Nachdem der Verf. im ersten
Kapitel von den englischen Schwurgerichten, im zweiten von der
französischen Jury gehandelt hat, und bei jeder derselben vorerst
die geschichtliche Ausbildung dargestellt, dann, den Punkt der Bil-
dung des Schwurgerichts, der Anklage und SpezialJury, die Lehre
von den Befugnissen der Jury, von der Stimmenzahl und der Revi-
sion der Urtheile erörtert hat, prüft er im Kap. III. die Natur der
Schwurgerichte und zergliedert im vierten die Vorzüge und Gebre-
chen der Schwurgerichte (überall mit Unterscheidung der wirklichen
und der imaginären Vor* und Nachtheile). Das fünfte Kapitel be*
spridht die zweckm&ssigste Einrichtung der Schwurgerichte, und zwar
1) in Bezug auf Bildung, 2) Rekusationssystem, 3) Competenz der
Juryi 4) Stimmenzahl, — Es beweist die richtige Auffassung des
Gegenstandes von Seite des Verf. wenn er den Ausgangspunkt sei-
ner Forschung in der englischen Jury sucht und nachweist, wie in
England selbst das Schwurgeridit nur allmShlig ausgebildet wurde.
Der Verf. hat für seine geschichtliche Darstellung vorzüglich das
allerdings gute Werk von Forsyth „history of the Trial by Jury*^ ge-
wählt; est ist aber zu bedauern, dass ihm, wie es scheint die eng-
lisoben Quellen selbst nicht zugänglich waren und er die vielfach
tiefergebenden Forschungen der Deutschen z. B. von Biener nicht
benützte. Das Wesen der englischen Jury kann am besten aufge-
fasst werden, wenn man sechs Perioden unterscheidet, und zwar
1) die Angelsächsische Zeit, in welcher noch kein Schwurgericht
vorkam, aber schon Einrichtungen bestanden, welche später leicht
die Ausbildung des Schwurgerichts veranlassen konnten, und zwar
ein ausgebildetes Qemeindeleben , die Theilnahme des Volkes an
den öffentlichen Angelegenheiten in den Versammlungen und Bei-
ziehung erfahrener Männer aus der Nachbarschaft bei Entscheidung
gewisser Civilstreitigkeiten ; die Periode von der normanischen Er-^
oberong bis zu Eduard III. eigenthümllch durch Einfluss nonna«|'
nischer Gerichtseinrichtungen , Hereinziehen des Zweikampfs aU-
Entscheidungsmlttels in die Gerichte; Organisirung des Instituts der
reifenden Richter, allmählige Entwicklung einer Art von Schwurge-
richten in Civilsachen, Ausbildung der Rügejury und gegen Ende der
Periode Anfänge der Schwurgerichte auch in Strafsachen, überall
aber mit dem Charakter der Jury, dass die damaligen Geschwomea
nur wie Zeugen nach eigenem Wissen ihren Wahrspruch gaben ;^
die 3. Periode von Eduard m. an bis Heinrich IV. charakterisirt
sich dadurch, dass allmähllg Verhandlungen und Beweisführung vor
den Geschwornen vorkamen, diese nicht mehr wie Zeugen, sondern,
$ia Richter nach den vorgelegten Beweisen urtheilten (wo sich s<^oa'
PiMMirix Dftt* iftftafaNM 4^'QknU. S»
fBr die PrSfuiig der e?ideBce gewtee Refeb eoibiUitai), die Ge^
«diwefMD telbflt eb verwiftworüieh geitai und TieUieheia Zweng
oed eelbet Stimfeo nnteriiegen ; in der 4. Periode encbeint de«
Schiriirgerielit (tou Karl L an bis rar RevoioUon onler Jaliob IL)
als ein Insütoft das in den ParteienUmprett (peUtisehen und religitf-
•eo) der Zeit nnter dem Einflnase unwürdiger von den Königen
fana abbangiger JEUcbter und scUechter KronanwSIte und unter
4er Einwirkung eines nur auf Erlangung der yerurtbaUung be*
leebaeten durcb Gebrauch der Folter verdorbenen Yerbbrens berab*
gewürdigt und eingesehflchtert in den politisoben Processen gebrausbft
wurde; In der 5. Periode von 1688 erbUt das Sebwurgericbt wieder
einen würdigeren Gharalcter seit die Richter unabbfiagiger geatelU,
das Yerlabren verbessert, und unter dem Einflüsse eines allsiiSbUg
bessern öffentlichen Lebens (mit Unterbrechungen wo in poUtiaehen
ProMwen der boee Geist Einflnss übte) in seinen Einsdnheiten ana-
gebildet wurde, bis in der 6. Periode von Anfang dieses Jahrhun-
derts der heutige QiaralUer des Schworgeriehts, guUUkt durch ein
immer krSitiger entwiclLeltes, öffentlidies Leben, Verbesserang des
Strafverfahrens und würAge Auffassung des Verhillnisaes von Steale-
ijcfater und Geschwornen sieh ausbildete. — Man bemerkt , dasa
dem Terf. des vorliegenden Werkes diese Ansichten, wie nur all*
mählig das engl Schwurgericht das was es jetat ist wurde, ver-
sehwebten, und man bedauert nur, da» er bei aMwehen Hanptpnak*
tea, s. B. warum gerade in England das im Sehwurgedeht lier-
gende volkstbümUehe Element (während es in andern Staaten Eure»
pa's naterghig) sich erhielt, und swar mit der Richtung, dass ab
ein Sats des common law feststand, dass zu dem Gtoriclite Stents
riehter und Greschworne gehören. Auch liätte der Vert mehr den
nichtigen üänfluss der berühmten Entaeheldung des Richters Vaughan
1670 hl dem Falle von Boshel auf die abhängige Stellung der Jury
aum Staatsriditer und auf die Bedeutung des Satsei: ad quaestienes
facti req»ondeant juratores hervor heben soUen. Von dem seimtti-
scfaen Sehwurgericbte, das vielCsch abweidiend von dem englisehfin
sieb ausbildete, spricht der Verfasser gar nicht. Bei der Gescbiehte
dar Sebwurgerichte in Frankreich hat der Verf. von Seite 46 an sehr
gut geneigt, dass die Franaoseu das Institut, das für sie ein nenes
nicht seit Jahrhunderten im Volke wuraelndes durch schwere K&mpfe
ausgebildetes war, nur mit gewissen, wUlkürlichen, dem wahren We-
sen der Juiy fremden Merkmalen in ihre Gesetsgebung brachten,
das engliadM Institut nicht verstanden, und es dnseitig unter dem
Eindrneke von 2 Irrigen Vorstellungen iortbildeten, nSmUch indem
man davon ausging, dasa die GescäwomcD nur Richter dcf ThaA
seien^ and indem man das Institut voraugsweise mit dner p^ditisdien
Beiwitaag ab Sehutawehr der Freiheit anffasste. Sehr gut ver-
weilt der Verf. p. 48 bei den Verhandlungen, welche in der Na-
tiimalvtfsammhing über die Einführung der Schwurgerichte stattfanden
vid floigt die Unklarheit der Auslebten vieler Redner, insbesondere
36 PinnelU: Dell' ütitaiione de'Ginrati.
in Beioig anf di« Trennang der Thai und der RechUfirage, und
Aber die sogenannte intime conTietion. Wenn der Verfaaeer
p. 61 indem er von Napoleon spricht in Bezug auf die Jurj be*
merkt, dass, von seiner Herrschaft an das Institut: barcollo, minae.
ciato ad an tempo dalle tradisoni dalle capidigia imperiale, dalle arer
sione della magistratura, dal desiderio di sieurezza e dl quiete, che
nelle moltitudini era succeduto all amore della libertk, so zeigt der
Verf., dass er die franaös. Jury richtig auffasste. Er hätte nur
noch mehr dabei ?erweilen sollen, dass in FraniLreich die Mehrzahl
der Gerichte dem neuen, wie man sich einbildete das Ansehen der
Staatsrichter herabwürdigenden Institute abhold waren und in einer
gewissen Eifersucht dazu kamen möglichst die Befugnisse der Ge-
schwomen einzuschränken, möglichst sie von den Gerichten abhängig
in machen, wodurch jene noch fortdauernde Opposition der Ge-
schwomen und der Staatsrichter entstand, während in England an-
erkannt wird, dass zu einem Vertrauen erweckenden Urtheile das Zu-
sammenwirken der Staatsrichter und der Geschwornen gehört Sehr
got iduldert der Verf. S. 62 ff. die Geschichte der französ. Gesetz-
gebung über die Bildung des Schwurgerichts, den Einfluss der irri-
gen Ansicht, nach welcher man das Recht Geschworner zu sein mit
dem Rechte eines Wählers zusammenstellte, und das Streben der
Iranzös* Regierung, die Jury möglichst unter dem Einflüsse abhän-
giger Regierungsbeamten zu l>esetzen. Man bedauert hier nur einige
erhebliche Lücken, und zwar in Bezug auf die französ. Gesetzge-
bung, dass der Verfl bei der Gesetzgebung von 1848 abbricht und
eben so wenig von den Erfahrungen, die man über die Gesetze
TOB 1848 machte (zwar führt er Einiges unter S. 195 an), sowie
über den Charakter der Gesetze seit 1852 spricht, wo ein reicher
Stoff zu Betrachtungen vorliegt, wie man durch die Gesetze von
1858 ül>er die (wieder unter dem Einflüsse der Präfekten bewirk*
te) Bildung der Listen, durch das Streben den Geschwornen po-
litische und Pressyergehen zu entziehen und durch das Gesetz das
mit Mehrheit yon 7 sich begnügt. Alles anwendet, um die Jury
unschädlich für die Pläne der Regierung zu machen. — Noch mehr
bedauern wir, dass der Verf. von der Entwicklung der Schwurge-
richte in Deutschland und der Schweiz seit 1848 nicht gesprochen
hat. Er würde gefunden haben, dass der wissenschaftliche Geist
in Deutschland das Streben, Grundsätze aufzusteUeUi die Sitte, die
Recfatsentwickelung aller Völker zu stndiren, bedeutende Arbeiten
zu Tage gefördert und in den Gesetzgebungen der einzelnen Staa-
ten grosse Verbesserungen eingeführt hat, an denen sich immer
mehr die Ueberzeugnng kund gibt, dass es Pflicht sei, zwar nicht
in blinder Nachahmung aber mit yerständiger Prüfung die Jury In
ilirem Mntterlande, in England zu stndiren, und manche dort und
in Schottland wohlthätig wirkenden Einrichtungen aufzunehmen;
vorzüglich würde der Verf. gefunden haben , dass in Bezug auf die
Ton ihm alz richtig erkannte Ansicht, nach welcher die Durchfilh-
PiMielli: Den* iilitatioae de'Giantf. 17
mg der Trenmuig Ton That- und Bechisfrago nicht mSglieh itt,
iniier mebr in Deotsefaluid anerkjuint wird, daas die Iransöi. An-
sicht eine Tarderblicha ist Der Verf. wfirde fleh freuen in eriah*
reo, dtas eben in den Staaten, i. B. in Baiemi Brannscfaweig, in
der Sehweis TOriäglich Zürich die Jary am betten wirkt i wo die
Geichwomen aber die ganse Schnldfrage nrtheilen nnd daher an aie
die Frage gestellt wird: ob der Angeklagte des Verbrechena des
Mordes oder Todschlags, wenn darauf die Anklage ging schuldig ist
Aach die deutschen Gesetsgebnngen leiden iwar TieUllich durch die
fehlerhafte Ansicht, nach welcher man 1848 der gerechten Forde*
rasg Geoüge gethan au haben glaubte, wenn man die (rana5sische
J07, insbesondere auch mit der Grandansicht anführt, dass die Ge*
schwonen nur Thatfragen zu entscheiden bitten. Es ist merwürdig,
dasi gersde in solchen Staaten das Schworgericht weniger allgemeine
Theiloshme bei denk Volke findet, dass ?iele Klagen über Missgriffe
da Gesehwomen vorkamen, und häufige Gassationen der Wahr-
«priicbe (dadurch grosse VeriSgerungen) durch das unpassende fran<-
loilaehe System der Fragestellung veranlasst wurden. Dennoch ist
M Thatsache, dass durch die Einführung der Schwurgerichte und
die Streoge, mit welcher die Geschworneo schuldig fanden, die Kraft
der Stra^esetae vermehrt nnd dadurch die heilsame Furcht vor Ver-
vtheilaog verstärkt wurde, so dass in manchen Gegenden die Zahl
der schweren Verbrechen so vermindert wurde, dass oft die Viertel-
jahresassisen wegfielen, weil es an Straffällen fehlte. — Dass die
Gesehwomen gerechte Urtheile (Ulten, mag sich aus der Nach-
weisuBg ergeben, dass in Preussen 1855 wo 8089 Angeklagte vor
Geriebt standen und 6773 verurtheilt wurden nur in 5 Fällen die
Gerichte von dem Rechte Gebrauch machte, den Wahrspruch für
irrig SU erklären, und ebenso in Preussen wo das Gesets wenn die
Gesehwomen nur mit 7 zu 5 schuldig fanden, die Staatsrichter zur
Eotscbeidung aufruft, in 428 Fällen die Gesehwomen nur mit 7
Summen schuldig fanden und in 378 Fällen die Staatsrichter dem
Aasspmebe der Mehrheit der Gesehwomen beitraten, also den Wahr-
sprach billigten. —
Das wicbUgste Kapitel in vorliegendem Werke ist das 14. über
^ Wesen des Schwurgerichts. Der Verf. verweilt zuerst 8. 106
bei der Frage: ob die Gesehwomen nur Richter der That sden,
nnd erklärt diese Ansicht als mit der (beschichte und der Vemunffc
im Widersprach stehend. Wir wiederholen das oben Ausgesprochene,
vir bedaoern, dass der Verf. die wichtige Entscheidung des Richters
Vaogbau nidit zergliederte wo zuerst in England die wahre Be-
deotang des Satzes: ad quaestiones factis respondeant jodices aus-
foproeben wurde. Es lässt sich nicht verkennen, dass in England
^ge Zeit die Richter von den Gesehwomen nur die Entscheidung
der Tbatfrage forderten , was sich aus der Geschichte der Jury er-
^^ die zuerst nur in Civilsachen vorkam, wo die Nachbarn über
die ihnen bekannten Thatsachen Wahrspnich gaben und später auch
3g MiftnelH: Dell' isütusione dd'Giantf.
in Straftacfaen wie Zeugen ihr eigenes Wwen anssagien. Diese
AvBicbt wirkte splter als die Cteschwomen auf Beweise nrtbeiltcn
fort nnd konnte nm so Iriditer festgehalten werden, jemehr damals
die Stra%eeetagebung sehr hart war, auf Grade der Verschuldung
keine Rücksicht genommen war und daher, wenn die Jury die Thal
als hewfesen erkannte, die Bichter nur die einfache (regelmässig
Todesstrafe) Strafe ausBUsprechen hatten. Allein an dem Satse: ad
quaeetiones f^tl reepondeant juratores hielten die Richter yorKiiglich
in dm politischen Prosessen fest, well dann die Verurtheilung ge-
sichert war, da die Qeschwornen die häufig notorische Tbatsache,
%. B. des Zerstörens der Bordelle, oder des Predigens an die Volks-
menge nicht in Abrede stellen konnten, während sie nicht so leicht
dasu «1 bestimmen waren, dass sie die Angeklagten deswegen auch
des Hochrerraths schuldig fanden. Auf diese Art quälten die Rich<
ter die OesdiwomeD nur Über die Tbatsache aussusagen, oder
ein Specialverdict zu geben, weil dann die Richter es leicht hatten,
das harte Btrafurtheil auszusprechen. Später suchten einige Richter
die in schlimmen Zeiten entstandene Ansicht auch allgemein festsu-
halten, und erst 1792 in dem bekannten Fox act musste die 6e-
setsgebnng zwar aunächst in Beziehung auf libel (Prozessvergehen)
aber eigentlich allgemein die Ansicht anerkennen, dass die Qeschwor-
nen auch Rechtsfragen in so weit dies zur Entscheidung der
Schuidfrage gehört, zu entscheiden befugt sind. Dies zeigt sich vor-
atiglich darin, dass in England und Schottland die Qeschwornen wenn
die Anklage auf Mord lautet, das Schuldig wegen Todschlags oder
bei Anklage auf Nothzucht (Rape), das Schuldig wegen einfacher
Qewaltthätigkeit aussprechen können, was daurauf deutet, dass die
Qeschwornen befugt sin^ zu prüfen, ob die In der Anklage begrif-
fene Handlung Mord oder nur Todschlag enthält. Klar liegt da-
rin ein Entscheiden von Rechtsfragen. Die Ausführung des Verf.
der Torliegenden Schrift p. 109 ist sehr scharfsinnig, wenn er zeigt,
dass die französ. Juristen von falschen Vorausetzungen ausgingen,
dass bei jedem Strafurtheil 4 Fragen unterschieden werden müssen,
und dass zur Schuldfrage nicht bloss die über das materielle Fak-
tum sondern die über die Zurechnung und die Abstufungen dersel-
ben gehören. Sehr gut zeigt dies Verf. S. 114 indem er die An-
klage wegen Mords zergliedert, und nachweist, dass die französische
Anfftwsung, nach der man sich einbildete That- und Rechtsfragen
scharf trennen zu können, auf einer Einseitigkeit und auf Missver-
ständniss beruht, dass die Trennung gar nicht durchgeführt werden
kann, nnd der Versuch mit Qewalt dennoch sie durchzuführen und
die Qeschwornen nur auf Entscheidung reiner Thatfragen anzuhalten,
zu der sonderbarsten Fragestellung führt, das Institut der Jury herab-
würdigt und das Interesse der Bürger daran yemichtet. Was würde
der Verfasser sagen, wenn er erführe, dass In einem deutschen Staate
das oberste Qericht und das Ministerium gar nicht zugeben wollen,
dass in der Frage bei Anklage über Urkundenfälschung das Wort
PisMelth Dell' Ittitntlon^ de'Ginntl. 9»
Ittimde oder Wedisel aufgenommen werden aoU, weil dlOM Worte
Beddsbegriffe enthftUen. Erfreulich ist noeh, dem der Verl erfUH
von dem rittliehen Geiet nnd dem praktitchen Sinn, der die Oe-
fdireD der Unklarlielt erkennt, gegen mandie beliebte Phrasen anf*
tritt I in welebe viele SchriftBtelier , ohne die Oefahren ihrer An-
sichten an ahnen, das Wesen der Schwurgerichte einhüllen , c B.
S. 121 gegen die Vorstellung, dass das Schwurgericht ein Genos-
sensehaftsgericht (Judicium parium) sei (ehie offenbar durch Ver-
wechslung yerschiederartiger Institute entstandene Ansicht). Der
Verf. erUXrt sieh auch 8. 129 gegen die in Frankreich verbreitete
Anaicfat von der Allmacht der Geschwornen und S. 136 gegen die
l»eUel>te M^nnng, dass die Jury der Ausdruck de la conscience du
peuple oder das judtcum partriae sei. Alle solche Ausdrücke führen
wie der Verf. zeigt, leicht die Geschwornen irre, verleiten sie zu
dem Glauben, dass sie über dem Gesetze stehen und beruhen auf
unklarer Vorstellung. Nach der Ansicht des Verf. ist das Schwur-
gericht ein Volksgericbt, die Geschwornen sind aber Richter die von
dem Staatsrichter dadurch verschieden sind, dass gegen ihre Aus-
sprüche keine Rechtsmittel sulüssig sind, wfthrend solche gegen die
der Richter Statt finden; allein deswegen dürfen die Geschwornen
Dicht glauben, dass sie durch keine Pflichten gebunden seien; jede
Oesetageboifg kennt auch gewisse Mittel, um Ae Gefahren unge-
rechter Wahrsprfiche abzuwenden. Sehr scharfsinnig ist die Aus-
luhmng des Verf. p. 131 über die Stellung der Geschwornen in
FUlen, in welchen das Strafgesetz zu ungerecht oder die nach dem
Gesetze zu erkennende Strafen unverhUtnissmfisslg hart erscheint
Hier zeigt sich der sittliche Ernst und die würdige Auffassung des
Verf. in Bezug auf die Jury, deren Anmassungen er zurückweist
nnd keine prinzipmässige Allmacht der Geschwornen anerkennt, sich
über das Gesetz hinwegzusetzen und in die Rechte des Begoadigers
einaagreifen ; aber mit Recht erinnert der Verf., dass auch die Staats-
rtchter, wenn harte dem allgemeinen Gerechtigkeitsgefühle wider-
sprechende (resetze angewendet werden sollen, bald Auswege fin-
den, das Gesetz zu umgehen. — Der Verf. p. 131 erinnert an das
Sehiekaal der harten Duellgesetze; wir erinnern an die Hexenpro*
zeese. Die Ckschwornen dürfen nie vergessen, da» sie Richter shid,
welche den Gesetzen gehorchen müssen ; allein eben als Richter bei
der Auslegung und Charakterisirung einer Handlung als Verbrechen
rind ine, da sie keine EntscheidongsgrOnde anzugeben haben, freier
and nicht gehindert das ungerechte Gesetz in einzelnen Füllen nicht
anauwenden, indem sie entweder noch strenger die Deweissfrage auf-
fiMBSti und Zweifel an der Schuld annehmen oder wenn auch der
Baehatabe des Geseises zu enge ^gefasst ist, dennoch einen Straf-
aafhebangsgrund als vorhanden annehmen oder statt des schweren
Verbrechens worauf die Anklage geht, z. B. Mord, nur schuldig des
Todschlags aussprechen oder bei dem unbestimmt gefassten Aus-
drucke dee Gesettes, z. B. bei Diebstahl^ wenn das Wort: gewinn-
40 Piianeüi: Dell' islilaiioni de'Ginnli.
süchtig oder diebisch im Gesetze gefordert wird, das« die Hand*
long nicht unter das Strafgesetz falle, z. B. wie neuerlich in Eng*
land die Geschwornen eine Köchin freisprachen, welche des Dieb*
Stahls angeklagt war weil sie die ?on der Tafel abgetragenen Spei-
sen an Arme verschenkte. Der Verf. zeigt daher p. 134 wie wichtig
in einer Gesetzgebung es sein kann, zu gestatten, dass wegen Mll-
dernngsgründen eine geringere Strafe erkannt werden muss. — Wir
empfehlen unsern Lesern eine Reihe guter Ausführungen des Verf.,
z. B. S. 138 über die Bedeutung des Satzes, dass das Schwurge-
richt Volksgericht sei und S. 139 über den Sion der Behauptung,
dass das Institut der Jury ein Palladium sei; mit Recht zeigt der
Verf., dass in einem unabhängigen, volles Vertrauen einflössenden
Richteramt (mögen Staatsrichter oder Geschworne urtheilen) eine
Schutzwehr der Freiheit liege. Sehr wahr ist was der Verf. S. 140
über die Bedingungen der guten Wirksamkeit der Jury und S. 142
darüber sagt, dass die Franzosen diese Bedingungen weder verstau«
den noch gewährten. Gern verweilt inan bei den Ausführungen des
Verf. von S. 148 an über die wirklichen und die imaginären Vor-
züge und Gebrechen der Schwurgerichte. Niemand kann in Abrede
stellen, dass die Anhänger dieser Gerichte vielfach dadurch ihnen
schadeten, dass sie als Vorzüge solche angeben, die eigentlich nur
eingebildete auf Uebertreibungen oder ausserordentlichen Voraus-
setzungen gebaute oder nur sekundäre und zufällige sind, so dass
es den Gegnern der Jury dann leicht wurde dies Institut anzugrei-
fen indem sie die Uebertreibungen in der Lobpreisung widerlegten.
Zu den wohlbegründeten Vortheilen der Schwurgerichte rechnet der
Verf. zehn, unter Andern die Unabhängigkeit der Geschwornen, ihre
Unpartheilichkeit, die dadurch, dass die Geschwornen nicht ständig
das Richteramt ausüben, bewirkte erhöhte Sorgfalt und Gewissenhaf-
tigkeit in der Prüfung der Schuld, der praktische Geist, mit welchem
die Geschwornen die Lebensverhältnisse und Umstände der Tfaat
besser beurtheilen (mit einer schönen Ausführung p. 153 über die
Frage: worin die Erkenntnissquellen der Wahrheit liegen und mit
Nachweisung der Gefahren die bei Urtheilsfallung durch ständige
Richter, welche leicht Alles auf gewisse Kategurieen und allgemeine
Regeln bringen, während Geschworne mehr den Fall individuell auf-
fassen. Der Verf. führt hier auf S. 158 zwei sehr merkwürdige
Fälle zur Erläuterung an). Andere Vorzüge der Jury findet der
Verf. S. 161 darin, dass ihre Wahrsprüche grösseres Vertrauen ein-
flössen und dadurch wirksamer sind. — Dagegen erkennt der Verf.
S. 164 als blose imaginäre Vortheile den thatsächlich ohnehin nicht
begründeten Vortheil, dass der Angeklagte von seines Gleichen ge-
richtet wird, ebenso den angeblichen Vorzug, dass die Wahrsprüche
der G^chwomen nicht Werk der Reflexion, sondern des gesunden
Menschenverstandes sind (S. 166), sowie den nur auf irrigen Voi^
aussetzungen gebauten Vortheil, der in der Trennung der That- und
Rechtsfrage liegen soll« — Als wahre Gebrechen der Schwurgerichte
PiMBelti: Dell' MtUazioM do'Ginnti. 41
Mracktal der Verf. S. 171 deo Uangel der Bürgscbafteo, dess nur
fcjenigeo nrUteilea, welche die ndthigen EigenachafteD hiesa bealUeo,
ferner deo Mangel too Entacheidangfgrtinden ; dringend empfelden
wir allen Leaern daa Studiom der hier eingeichalteten Erörterung
des Verf. (S. 174) Aber die VortheUe der Motiyirang der Urtheile.
Der Verf., der lange in Neapel, wo auf die EnUcheidangsgrttnde
groeaer Werth gelegt wird, als Vertheidiger thfitig war, gibt hier
wichtige ana langer Erfahrung geschöpfte Qriinde für den Wertb
der MotiTirung der Urtheile an. Als Gebrechen der Jury wird fer«
aer S. 176 die leicht Torkommende Partheilichkeit ihrer Wahrsprüche
angegeben (der Verf. führt die Lossprechung im Strassburger Fall,
and die Verurtheilnng des Sohnes von Victor Hngo, früher in Paris
wegen seiner Schrift über Todesstrafe an), endlich, dass die Ver*
antwortlichkeit der SUatsrichter durch die Jury geschwächt wird.
Prüfen wir die Vorschläge des Verf., wie am aweckmässigsten
Schwurgerichte eingerichtet werden sollen, Torsüglich S. 187 über
die Bildung der Schwurgerichte, so spricht sich gewiss mit Recht
der Verf. gegen die in Frankreich beliebte Zusammenstellung des
Eechta Geschwome mit dem Bechte Wähler au sein, ebenso wie
gegen daa System des Census aus, aeigt auch S. 195, dass das
iranaöeiache Geseta Ton 1848 vielfache Klagen hervorrief. Der Verf.
fordert als Bedingungen, dass ein Bürger als Geschwomer berufen
werden kann (S. 199), die geistige Fähigkeit und die Recht-
schaffenheit, in Beaug auf Erste unterscheidet er bei jedem Volke,
zwei Klassen von Personen: 1) solche die durch Unterricht und
Bildung ihre geistige Fähigkeiten entwickelten und 2) solche, welche
der Ausbildung derselben ferne stehen und ihren Geist nicht aus-
bildeten. Als ungenügende Kennzeichen, um zu erkennen, wer in
die erste Klasse gehört und auf die Geschworneliste gesetzt werden
soll erkennt der Verf. S. 204 den Census und Aufstellung sogenann-
ter Capacitätskategorieen ; durch beides werden nur trtigliche Ver-
muthnngen aufgestellt. Als fabig müssen nach dem Verf. anerkannt
werden Alle, welche wirklich in die oben bemerkte erste Klasse der
Gebildeten gerechnet werden können. In der an praktischen Be-
merkongen reichen Ausführung S. 206 kommt der Verf. zum Vor--
schlage: auf die Liste Alle zu setzen, deren geistige Fähigkeit er-
wieaen lat. Aeussere Kennzeichen, z. B. dass Jemand den Studien
sidi widmet oder wo durch Zeugnisse, Art des Berufs u. s. w. die geistige
BUdnng dargethan ist, sollen hier leiten. Wir ehren die Gründe
des Vert dem eine würdige Jury vorschwebt (S. 212 erkennt er
sn, daaa durch das Rekusationssystem die Fehler der Jury, wenn
die Urliate schon nicht gut gebildet ist, nicht geheilt werden können) ;
allein wir besorgen, dass jene Auskunftsmittel, durch welche der
Verf. herstellen will, ob Jemand die nöthige geistige Bildung be-
sitzt zu trüglichen Resultaten führen; wir haben in den verschie-
denen Ländern die Wirksamkeit der Systeme über Bildung der Jury
beohacbtet, und durch Gespräche mit praktischen Juristen und mit
43 Piflanelli: DtW istituione de'Glarttt.
Mfnnani die oft Geschwome waren nns überseagti daas mk iist
sogeDantiteii hohem Bildong alt Eigentchaffc der Gesohwomeo nidift
▼iel gewonnen ist; wir ha^n in England MKnner ans deaa Büttel*
itande gefunden, welche als Geschwome ao verstfindig über FSlle^
über welche sie au ortheilen hatten, die Gründe angaben, aus wi-
chen sie freisprachen oder yerortheilten , wir haben in DeotBchland
unter Landleuten, die wenig Bchulbildung hatten, so richtig nrthei'^
lende und fein unterscheidende Geschwome kennen gelernt, wihrend
whr Tielfach unter den sogenannten höber Gebildeten weit weniger
das gesunde die LebensTerhäitnisse würdigende Urtheü gefunden haben«
Auch kann nicht verkannt werden, dass ein verurtheilender Wahrspnich,
In welchem Geschwome aus denjenigen Volksklassen urtheilteo, die
dem Stande der Angeklagten n£her stehen, weit m^r Wirksamheit hat
als da, wo viele vornehme, mit den Verhältnissen der niedere Volks*
Uassen weniger vertraute mit Vorurtheilen gegen Geringere er*
füllte Männer als Geschwome urtheilen. Die Gestattung des Be-
kusationsrechts (mit Recht gibt er es auch dem Staatsanwälte) bfilt
der Verfasser S. 221 für notb wendig. In Beang auf die Meinung
Mancher, dass in Anklagen wegen politischer Vergehen die Ge*
0€liwomen ausgeschlossen werden sollen, ist die Ansicht des Verf.
5. 226 gewiss richtig, dass der Gesetigeber, wenn er dies unter-
nimmt, weit grössere Uebel herbeiführt, als er vermeiden will; wir
setzen hinau, dass dadurch nicht bloss das Institut der Schwurge*
richte herabgewürdigt, sondem, was noch jBchlimmer ist, dem Rieh*
teramt das Merkmal aufgedrückt wird, dass die Ueberaeagnng der
aufgestellten Richter nur durch den Willen der Machthaber bestimmt
ist und den Richtern die Rolle politischer Partheimftnner aufge-
drungen wird. In Bezug auf die Stimmenzahl zeigt der Verfasser
6. 228, dass in der Einstimmigkeit die sicherste, Vertrauen er-
weckende Bürgschaft für die Wahrheit der Wahrsprüche liegt Wir
bedauern, dass der Verf. die neue Arbeit des englischen Jarieten
Best in dem Papers read before the Juridical society, London 1856,
Heft 1. Nr. 1. nicht gekannt hat. Darin ist der Vorzug der For«
dernng der Stimmeneinhelligkeit am besten nachgewiesen.
Indem wir den Inhalt des werthvolien Werkes des Herrn Pi«
sanelli zergliedert haben und damit den neuen von dem Miniateriiun
den Kammern, 1856, vorgelegten Geeetzesentwurf vergleichen, dnrch
welchen das Schwargericht in Piemont bei allen schweren Verbre*
chen eingeführt werden soll, können wir nur lebhaft wünschen, dass
die Regierang und die Kammern durch die in der oben angezeig'^
ten Schrift entwickelten Ansichten sich leiten lassen möchten. Man
bedauert bei dem Studium des Entwurfs für Plement, dass die Ver^^
fasser desselben nur unter der Herrschaft der Vorstellongen von itm
Iranzösieohen Schwurgericht die Geschwomen als Richter der That
(tivdici di fatto) betrachtend das Schwurgericht einzuführen beab*
aie^igeo. Der Verfasser der gegenwärtigen Anzeige hat seit 48 Jah-
ren IQ alka Liüidem Europa'«, in wdcheo fichwurgerichte einge^
PifiinelK: DelP islUosione de'Ginnli. 43
Abt wareB, die Wirksamkeit derselben beobachtet and Erfahrungea
gesammeh. Am wenigsten entspricht das Institut seinem Zwecke
io Frankreich, nnd in den Staaten, welche dem frannöe. Vorbilde
folgten. Am meisten Klagen gegen dasselbe werden In dieeen Staa**
tea gehört, während Jeder, der englischen, noch mehr schottischen
Strafrerhandlnngen folgt, von der Ueberzeagnng darchdrongen wird,
dass das znletzt genannte Verfahren weit den Voreug vor dem
französischen Terdient. Wir sind überzeogt, dass die gote Wirk-
samkeit des Schwnrgerlchts durch das Dasein gewisser Voraos-
Betzungen bedingt Ist, nnd zwar L durch glückliche politische, so«
tiale und moralische ZnstSnde eines Volkes, dass insbesondere da
wo entweder das Volk von politischen Partheien erschüttert, In be*«
stSndIger Aufregung ist, ebenso wenig das Schwurgericht einen gu-
ten Boden hat, als da wo (häufig auf grosse politische Aufregung
folgend) unter den Bürgern eine politische Depression und Gleich-
ffiltigkeit in Verbindang mit einer Beschränkung der freien Sffent-
fichen Meinnng herrscht. IT. Das Schwurgericht fordert eine ein-
fädle klare auf Gerechtigkeit gebaute Strafgesetzgebung, weil sonst
wenn die Strafgesetzgebung hart ist und Vorschrifteif und Strafdrohun-
gen enthält, welche nur aus dem Abschreckungsprinzip herrorgehen,
der Rechtssinn des Geschwomen sich empört und die Bürger mit
Widerwillen als Geschwome thätig sind, wenn ihnen Gewissenszwang
Zugefügt wird, und sie unwillkürlich genöthigt werden, Auswege zu
BQchen, um das harte Gesetz umgehen zu können. Vorhersagen
könnten wir daher auch, dass wenn die Gesetzgeber Piemonts Schwnr-
gettchte einführen und das jetzige Strafgesetzbuch mit der häufigen
<f(t ungerechten Drohungen der Todesstrafe und der langen Frei-
heitsstrafe und mit der Beschränkung des richterlichen Ermessene
beibehalten wollten, Ihr Schwurgericht nicht als wohlthätig wirksam
tich bewähren wird. IIE. Unerlässlich ist eine gute Organisation
der Schwurgerichte in Bezug auf die Bildung nnd Torzügiich auch
in der Richtung, dass die unseelige französ. Vorstellung aufgegeben
wird, nach welcher die (Geschwomen nur als Richter der Tbat be-
trachtet werden. IV. Wesentlich aber muss das ganze Strafrerfah-
ren auf andern Grundlagen als sie dem französ. Code zum Grunde
liegen, gebaut werden, und zwar muss 1) schon das System der
französ. Anklageschriften aufgegeben werden, in welchen weitläufig
mit Anführung aller Beweise, mit einer kunstreichen Darstellung
to Verbrechens nach der kühnen Phantasie des Staatsanwaltes mit
mancheriei romantischen auf das Gefühl wirkenden Ausschmückun-
gen die Anklage gestellt wird und die Geschwornen wie das Pu-
blikum Irregeleitet werden können. 2) Es muss das Gesetz wie In
^land es geschieht davon ausgehen, dass die ganze Strafverhand-
hmg eine logische Operation sein soll, in welcher die Beweise für
nnd wider umsichtig ohne Leidenschaft benutzt werden nnd die
^^women verpflichtet sind nach den durch die Vernunft als die
hestea Erkenntnissquellen der Wahrheit gebotenen nnd durch die
44 PuaaelH: Dell' i»tilQiioii6 de^GiaralL
Erfahrung gebilligten Regeln des Beweiaes die vorgekommenen
Beweise sa prüfen nnd nur dann das Schuldig auajsueprechen wenn
kein vernünftiger Weise für das Gegentheil sprechender Zweifel vor-
banden ist. Es mnss darnach das anselige fransös. System, nach
welchem die Geschwornen nur nach innerer Ueberaeugung entschei-
den sollen, aufgegeben werden, weil es die (Geschwornen irrleiten
und zu dem Glauben bringen kann, dass sie ohne logische Prüfung
der Beweise nur nach dem Eindrucke ihres Gefühles zu urtheilea
hätten. In der Gonsequenz der oben bemerkten Forderung mnas
dann auch das ganze Verfahren einfach würdig nur darauf he*
rechnet, eigentliche Beweise vorzubringen geführt werden. Der
Staatsanwalt darf keine grössere Rechte haben als der Vertheidiger,
nnd Alles muss verbannt werden was nur auf Erweckung der Ge«
fühle der Geschwornen berechnet ist. Darnach wird der Staatsan-
walt nicht zu Mitteln, um die Geschwornen einzuschüchtern, ihnen
die Folgen .wenn ein so gefährlicher Mensch wie der Angeklagte
freigesprochen wird, darzustellen, Ihre Erbitterung zu erwecken, seine
Zuflucht nehmen, eben so wenig wie die Vertheidiger durch Dekla-
mationen, durch* Schilderungen die sich nicht auf die Prüfung oder
die Beweise beziehen, die Geschwornen zu bestechen suchen darf«
4) Eine Hauptsache muss die unpartheiische leidenschaftsloae
nicht durch inquisitorische Verhöre mit dem Angeklagten gestörte
Stellung des Präsidenten sein, der vorzüglich am Schlüsse nicht
wie in einem französischen leicht gefährlichen resum^, sondern in
einem der englischen Charge nachgebildeten Scblossvortrage den
Geschwornen ihr Amt dadurch erleichtert, dass er sie auf die Punkte
aufmerksam macht, auf welche sie ihre Prüfung lenken sollen, ihnen
alle einschlägigen Rechtspunkte, z. B. wie Mord und Todschlag sich
unterscheiden, klar zergliedert und ihnen die im Falle vorhandenen
Zweifel gegen die Annahme der Schuld hervorhebt 5) Am wich-
tigsten ist ein einfaches System der Befragung der Geschwornen,
in der Art, dass wie in Schottland und England keine besonderen
Fragen an die Geschwornen gestellt, sondern sie nur aufgefordert
werden, zu entscheiden, ob der Angeklagte des in der Anklage an-
gegeben Verbrechens schuldig ist, jedoch so, dass die Geschwornen,
wie in England, Schottland, in der Schweiz, in Malta berechtigt sind,
statt des höheren Verbrechens worauf die Anklage geht, den An-
geklagten schuldig eines geringem oder wenn die Anklage auf
Vollendung ging, schuldig wegen Versuchs zu finden. Will der
Gesetzgeber aber doch besondere Fragen durch den Pribiidenten
stellen lassen, so wünschen wir, dass man wenigstens dem in Baiem
und in Brannschweig gut sich bewährenden System jedoch mit dem
Zusätze folge, dass die Geschwornen, ohne dass eine besondere
Frage deswegen gestellt zu werden braucht, ermächtigt werden ihr
Schuldig statt des sAweren Verbrechens worauf Anklage geht, nur
auf das geringere stillschweigend in der Anklage enthaltene zo rich-
ten. Wir sind übezeugt, dass mit solchen Verbesserungen andere
FoBtM tttwm Autriaetran. 45
Sdnrorgeridite gate Frfi€lit« trAgeii werden, wShrend, wemi der
GtteUg^eber nur an dem fransös. Sjetem feathJÜt vielfache Klagen
über die Schworgerichte sich erbeben werden, wo aber dann die
Schuld Dicht in den Geschwomen, sondern In dem Gesetzgeber liegt
Wir empfehlen wiederholt das Werk Pisaneiii's der Aofmerlc«
umkdt eines jeden Juristen. In nächster Zeit wird yon dem näm-
liehen Verfasser eine Theorie des Strafirechts erscheinen.
mittenniiler«
Ftmtes rerum Atutriacarum. OesterreUhisehe OeBchichtsqueUen, heratis-
gegeben von der historischen Commission der Kais» Akademie der
Wissenschaften. Erste Abtheüung : Scriptores. L Band. Joh.
TiehieL 8. v. Herberstein, — - J. Cuspinian. — Q. Kirchmaier.
— Herausgegeben von Th. O. von Karajan. XXIH, 584.
gr. 8. Wien. K. K. Hof- und StaaUdruckerei. 1855.
Dolce bellnm inexpertis. — Dieser Leibsproch des berühmten
Ritten Sebastian Schärtlin von Burtenbach, welcher sein Lebelang
nv dem Waffenhandwerk oblag, hat steh neulich auf die traurigste
Weise wieder bewahrheitet. Denn verwöhnt durch die Gentisse eines
Indien, bisweilen nur von kurzen Aufstandsputschen unterbrochenen
Afedens, stürzten sich plötzlich Franzosen, Engifinder und Sardinier
aof Rassland um der bedrohten Tflrkei willen , griff selbst Oester*
reieh zur kostspieligen Gränzhut und Zwischenstellung, erschienen
ia dem parteilosen Teutschland Flug- und Hetzblfttter der s. g. Kai-
lennaeher über die nothwendige Kampfgenossenschaft mit der Ci~
viliiition und die endliche Zerstückelung des gefrässigen, barbari-
Nfaen Moskowiters als europSischen Grundtibels. Jener, gleichfalls
Bidit am Besäten berathen, nahm die Herausforderung an; Tausende
und aber Taosende fielen bald dem Schwert, bald der Krankheit
ak Todtenopfer; niemals hatte in der Skythen Zeit die Taurische
Artemis so reichliche Hekatomben gewonnen; „ein Schlachten war's
oad Iceine Schlacht.^ — Aber bald empfanden die des Kriegs Un-
gewohnten, dnrch fStelkeit, Stolz, Habgier dem gesetzlichen Frie-
^esigeleise Entrissenen die Folgen ihres Unternehmens; sie machten
nieh kaum begonnenem Krieg wieder Frieden, welcher so ziemlich
^ alten OrSnzen nngeftndert bestehen Hess , dagegen die einstwei-
Hg«n Ab- und Zuneigungen der Kabinette, wenigstens dem Aenssem
iMdi, hier und da umwandelte. Dabei begegnete wie für die An-
Undlgang der widersinnigen Fehde, so für den Abschluss ein seit»
IONS, jtiies Uebecstürzen. Die Pariser Conferenzen traten rasch
nHunmen und riefen den Frieden ans. Von ihm, welcher den leicht-
fertig durdi Blut nnd Gut bewerkstelligten Riss nothdürftig ans-
fficte, gut Hamlet's Wort — „Das Gebackne
Tom Leidienschmaus gab kalte Hochzeitschüsseln.'' — Dlesa
iit Uder vm so begrOndeteri je gedankenloser man eine Hauptre«.
45 Fontes rerum Auftriacanim«
gel des AngriffskriegeB Teraheäqmte» Diee^ unteroimml nicbt leicht
Jemand ohne Aussicht auf Erwerb sei es von Land oder Ton Geld.
Eine so geheissene Idealoffensive, etwa um eines Gedankens oder
Gefühls willen ergriffen, ist Unsinn, Yerstösst wider den Begriff and
die Geecbiehte; selbst die Kreusfahrten wollten erobern, nicht nur
das heilige Grab befreien, sondern auch Palästina und Zugehör den
Feinden des Christenthnms entretsaen. Ein Idealfeldsug, etwa fiir
die Europäische Freiheit und Ehre beschlossen und ausgeführt, ist
in unsern wahrhaftig mehr materiellen denn idealen Tagen eine
wirkliche Lächerlichkeit, mit der man nur Gimpel und auch diese
nicht für lange kirrt und betrügt. Die leeren Kassen, die sUmen
mit Staub und Asche^, reden ohne Zungen für das Gegentheil. Ist es
daher den praktischen Engländern zu verdenken, wenn sie nach dem
Sinken des idealen Nebels in Sinope ein Friedensunterpfand festhal-
ten und mit der Laterne des Diogenes nicht sowohl nach Menschen
denn nach Männern suchen ? — Hoffentlich werden auch die Oester-
reicher für die kostspielige Conservirung der hohen Pforte, dieses
difriomatischen Angapfels, die Donauprovinsen nicht sobald räumen,
soadern mindestens als ein Aequivalent für die westmäcbtliche Be-
sllinahffle des Griechischen Peiräeus und der ewigen Stadt auf un-
bestimmte Zeit behaupten.
Immerhin bleibt es daher nützlichi den Blick auf das refomaA«
torisch-revolutionäre sechszebnte Jahrhundert sa richten, in welobem
man für grondsätsliche und materielle Interessen beinahe unuater-
brechen mit Wort und Schwert Krieg führte, eine scharf ausgeprägte
Parteistellung in der Kirche und dem Staat, sogar auf dem Gebiet der
Wissenschaft und Kunst nahm und einhielt, obschon daneben bäofig
durch allerlei Redensarten vom Gegentheil zu verkleistern trachtete.
So viel auch für die Aufhellung dieser denkwürdigen Uebergang^-
epoehe, namentlich durch Bänke und Hagen, Mignet und Havemann,
geschehen ist, bleiben dennoch manche Lücken und mangelhaft be-
leuchtete Stücke übrig« Dasselbe gilt von der zweiten, ähnlich mo«*
tivirten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts, mit welcher die all^
mäUige, theilweise Ablösung vom tausendjährigen Reich des Mit-
telalters beginnt und in dem Fall Konstantinopeis durch die Türken
eisen Hauptanstoss bekommt Für beide Abschnitte der Uebergang^-.
Periode in die neuere Zeit liefert das oben bezeichnete Werk be-
deutende und zwar quellenmässige, den Zeitgenossen entlehnte Bei-
tri^ge. Man muss dieselben hoch anschlagen und der Benutzung «un
so dringender empfehlen, je mannichfaltiger und anschaulicher der
dargebotene Stoff erscheint und daneben in Folge der vom Hofmus.
geber aufgewendeten Mühe and Sorgfalt keinen modemisirendea Bei-^
geschmadc als widerwärtige Zuthat enthält.
Das erste Stück liefert in dem Tagebuch des Anstes Tichtel
von 1477 bis 1495 allerlei Beiträge zur damaligen Tages-» Sitten^
und Culturgeschichte. Der Verfasser hatte sie nicht für die Oeffent-
UcUceit besthnmt, sondern für den Hausgebrauch au^eaeiebnet, ^vrle
Aoatrkeanu». 47
lek« die fein mkl MohÜg beiehriebeuao Pergameatstreifen eine»
fiffOsafoBobanto von AviMiinik's Ciuiod beweiMn. Deon in diaMn
Autor, über welcfaeo damab Vorlesungea gebaltea wnrdeoi trog der
(Matfge, iheoreliacb und praktisch gelehrte Mann seine gelegen-
heitiieheii Beobacbtongeii und Deohwürdigkeiten eio. Leiatere haben
•bea desshalb keine feste Regel und Gliederung; sie werfen wie
•ine OUa potrida Wichtiges nnd Unwichtiges, Staats- und Haosbe**
gebenheiten sQsammen, Terbreiten sich besonders ausführlich über
Ausgaben nnd Einnahmen, Preise der Lebensmittel und Aehnliches»
ieehten aber dabei manche wichtige Begebenheiten, a. B. die Be*
lagenwg Wiens durch Matthias Corvinus, siemlich ausfQhrlieh mit
•in and geben auf diese Weise bisweilen yerdankenswerthen Stoff
lor eigentlichen Zeitgeschichte. Merkwürdig bleibt auch der kirch-
liche Eanaleistil, welchem gemäss Oott, der Heiland und die Heili«*
gen auch bei siemlich unbedeutenden Ereignissen und Zufälligkeiten
aogerefen werden. Das Jahr der Ooctorpromotion stehet daneben
als ehi fester, gieiohsam geweiheter Zeitpunkt, welchen der Betrotea
iiemahi ohne Rührung und Dank vorübergehen lässt« Wie die Qrie-
dien nach den Olympiaden lählten und die Rön»er vom Aulbau der
Stadt anagiagen, so beaeichnet der Mann Aesculaps die Doctorwürda
als seinen chronologischen Grund- und Eckstein. Und nicht ohne
Dcsache; denn mit jenem Lebensereigniss begannen Ehren und Früchte
der goldenen Praxis.^ 30 Pfund, 6 Schillinge, heisst es s. B. S. 59:
gelobt sei Jesus Christi Im Namen desselben beginnt das 17. Jahr
nefaiea Doctorats; möge es gesegnet sein! Der Herr wolle mir
goldig aean, dem armen sündigen Menschen 1 Amen! — Bisher nn
Mitte Deeembers eingenommen in der Praxis einen Ungergnldent
Yier tbeinisehe Gulden, eilf Pfund Hdler und 23 Pfennige, QelobI
aei Ciott der Herrl Amenl^ — Bisweilen überläuft dem gutmüthi-
gen Schreiber aueb für etliche Augenblicke die Galle; er wird bitter
lad spotUsch. „Am Palmsonntag (4. April 1490), heisst es s. B.»
BSich Mittag in der vierten Stunde wurde der Ungarnkünig Matthiaa
Sterbonskrank (au Wien), und er verschied jfimmerlioh an der Krank-
beit ohne Testament und Sakrament Allerlei Gerüchte über seinea
Tod. In der Nadit des grünen Donnerstags Hlhrte man, wie ver-
Isalet, den Leichnam gen Ungarn auf der Donau, und am drittea
Tage der Osterwoche hielten wir mit der leeren Bahre den Traoer-
sog. IMe KSnigin (Beatrix von Neapel) aber folgte nicht der Bahr^
aondera allein der Heraog Johann. Kein Banner, kein Trontpeter»
wie es des Landes Sitte ist, wurde da gesehen oder gehört. — »^
Gott erbarme sich unser, Amen ! (S. 52). — Wohin Leib und Seele
des Königs gekommen sind, weiss man nicht^ (S. 53). Auf naive
Wtise wird der Kaiser Friedrich XU. getadelt, weil er Wien durch
aeme Fahrlässigkeit den Ungarn überliefert habe (1485). «Wiede-
ram, heisst es (S. 84), ziehen die Bürger in der Pfingstwoche aua
imd schliessen dahin ab (23. Mai), dass die Stadt dem Könige über-
pbvk werdOi wenn der Kaiser sie nicht vor der Yigilie des Leibes
4d Fonfei reram Attitrketnini.
Christi (1. Jani) entochütte. In der zweiten Stunde dei Pfingstfestes
gehet der Vertrag an den Kaiser ab; der Brief lautet traurig und
thr&nenvoll, sagt dem Kaiser beinahe Lebewohl. — Lebe also wolil
mein Kaiser, da du allen Fürsten Oesterreichs durch deine Nach-
IXssIgkeit und Geldliebe eine starice Maekei angehängt hast! Da
hast uns mit Worten gefüttert, ohne dass die Banner nachfolg-
ten.^ — Diese üble Laune dauert aber nicht lange; die alte Au-
hinglichkeit erwacht und aeichnet auf, wie dem Kaiser am 8. Ju-
Bins 1498, früh Morgens um fünf Uhr das linke Bein abgenommen
wird, und der erlau<ihte Kranke, welcher mit heroischer Geduld die
Schmerzen erträgt und sich scherzhaft Kaiser ^Einfuss^ nennt, am
19. August in Linz verscheidet. — „Er hat regiert, bemerkt das
Tagebuch, 53 Jahre und 6 Monate. Dank dem allmächtigen Gott
für den so frommen und andächtigen Hinscheid I^ (S. 60). —
Selbst die medicinische Gerichtskunde und Casuistik be«
kommen einen merkwürdigen Fall. „Am 2. März 1492, heisst es,
Irorde Benedicts Konrad gehenkt. Als man nun den Körper auf
einem Karren in die Anatomie abführte, schien er Lebenszeichen
zu geben; die Aerzte leisteten Hülfe und der Kerl wurde wieder
gesund^ (S. 58). Diess geschah, fügt eine Note bei, durch einen
an beiden Cephalicis gemachten Aderlass und andere Mittel. '—
Aus Tichtels Stillschweigen erhellt, dass man sich fortan mit der
Sache begnügte und nicht von neuem anfing, wie es mutatis mutan*
dis dem unglücklichen Patkul aus Liefland begegnete.
Das zweite Stück, die vollständige, bisher nur lückenhaft be-
kannte Selbstbiographie Sigmunds Freiberrn von Herberatein,
die Jahre 1486 bis 1558 umfassend, ist von hohem, geschichtlichem
Werth. Sie versetzt den Leser in die Mitte der geschUderten Be-
gebenheiten, deren viele bekanntlich entscheidender Natur waren,
gibt überall ein frisches , anschauliches Bild der Dinge und Person*
lichkeiten, vertuscht und bemäntelt nichts, tbeilt häufig Urkunden
und andere Dokumente mit, zeigt den Verfasser als einen wahrheit-
liebenden, treuen und fleissigen Mann, welcher Ruhm, Auszeichnung
und Güter auf rechten Wegen sucht und gewinnt und den Abend
feines bewegten, vielseitigen Lebens der Aufzeichnung des Erfahr-
nen widmet, um hauptsächlich durch ein Hausbuch der Arbeiten und
Ehren seine Kinder und Enkel auf der Bahn des Stammhalters fest-
zuhalten, ihnen Vorbilder der Nachahmung zu hinterlassen, fern von
aller Ostentation und literarischen, an die Oeffentiiehkeit oder den
Pruck appellirenden Eitelkeit.
(Sehhm folgt.)
Ir. i HEIDELBERGER 18S7.
JAHBBOCHBR dir LITIBATOR.
Fontes rerum Anstriacamm.
(Schlaff.)
„Ich hab, beiMt es neben anderro, solch meine ReiseUi Dienste
ind Belohnangen sam Theil hievor beschrieben , d«ss mehie Nach-
kommen meines Namens nnd Geschlechts sich auch wollten in Arbeit
und Dienste und in kein Mfissiggang, übrige (Gesellschaft ergebe,
— lud dass sie sich der Titel und Standes nicht begnügen lassen {
deoD die geben nichts gen Knebel noch Keller , sondern wo nicht
ehi fleissigi emsig und arbeitsam Gemüth dabei wirdet, d. h. Werth
rerKfaaA, mehr zu Verderben und Schaden reichen n. s. w.^ —
So eoge und beschräni&t bei dem ersten Bilde diese sittlich-hlnsliche
Teodens erschehit, breitet sich der Kreis dennoch sehr weit ans«
Denn die Denkwürdigkeiten oder Familienchroniken rühren von einem
Verfasser her, welcher vielseitig und gründlich vorgebildet in Kriegs-
uid StaatsgeschäHten sein Leben zubrachte, namentlich aber unter dem
Kaiser Maximilian, dem R. König, Ersh. Ferdinand, theilweise auch
fcm Kaiser Karl V. den Reisediplomaten darstellt. Stets, so zu
■ageo, marschbereit, sitzt er plötzlich auf Befehl bei Tag und Nacht
itt Boas oder zu Schlfif, durchzieht heimische und fremde Lande,
trotzt mit Muth und Besonnenheit allen Gefahren nnd Beschwerden^
Gberaachtet, wenn es sein soll unter freiem Himmel, verkehrt mit
Teatfldien aller Stämme, mit Italienern, Franzosen, Spaniern, Dftnen,
Polen, Ungarn und Russen, selbst den gefürchteten Türken ohne
Sehea nnd Hehl, oft in den mannichfaltigen Sprachen der Völker,
veicbe er neben dem Latein erträglich erlernt hat, schauet weder
fU- noch vorwärts, sondern immer nur auf die Gegenwart oder
das übertragene, treu vollzogene Geschäft, kennt keinen Willen als
den seines Herrn , ist aber in den Mitteln, welche zum Ziel führen,
eben so erfinderisch und gewandt als, wo es Noth thnt, ritterlich
fab, kühn und tapfer, kurz ein edelmännischer Diplomat,
welcher Feder nnd Degen auf gleich tüditige Weise gebraucht, nn-
eeOhr wie Ulrich von Hütten auf seine Art. Die Sprache Ist kräf-
^ und so rein, dass sie einen wahrhaften Schatz damals noch le-
baldiger Wurzelworte nnd Wendungen fast auf jeder Seite bietet,
^Darstellung anschaulich, hier und da etwas breit, die Sorgfalt
ßr geographisch-statistische Kunde so stetig und gespannt, dass die
SMuesten Meilen- und Wegweiser gegeben werden, die ethnogra*
Fbnehe, bisweilen auch geschiehtUche Auffassung besonders entle-
SMr Völker und Gebiete so einlässlich und klar, dass man bisi
L. Jtbrg. 1. Heft 4
50 FoBle« rorvm Aiatriieir««. '
wellen an Herodot erinnert wird, das Gänse endlich von einer lie-
benswürdigen Bescheidenheit, fast Demuth, gleichsam so durchdrun-
gen, dass man nicht leicht trotz des zerstückelten, ahgerissenen Stoffes
heim Lesen ein Blatt überschhigen wird. Ja, es sind die hessteu,
Tentschen Denkwürdigkeiten aus dem sechszehnten Jahrhunderts,
welche hei weitem über Götz yon Berltchingen und Sebastian ScbSrt-
lin — und das will viel sagen — zn stehen scheinen, daher wohl
eines hesondem Abdruckes würdig.
Unter den verschiedenen Missionen, welche hier genau nach
Zweck, Mitteln und Ausgang beschrieben werden, nimmt die Reise
zu den Moskowitern oder Küssen die oberste Stelle ein. —
1517 auf Befehl Kaiser Maximilians im October das erstemal nn-
iemommen, sollte sie den Grossfürsten Wastiei Iwanowitseh, — der
Titel Zaar fehlte noch, — mit dem Polnischen König Sigmund ver»
söhaea und dadurch die schwer von den Türken in Ungarn be-
drohete Christenheit eüiigermassen erleichtern nnd sichern, daneben
Land und Leute beobachten. Herberstein, von eineoi kleinen Ge-
folge begleitet, entledigt sich seines schwierige, gefahrrollen Auf-
iragB mit gewohnter Umsicht und Entschlossenheit, machte bei rauber
Jahrzeit theils zu Boss, theils zu Schlitten durch Polen und Litt*
hauen den langen Zug auf Moskau, wo er am 18. April 1518 nach
nnsSgliehen Beschwerden und Abenteuern anlangte. Die Audienz
erfolgte etliche Tage später; sie vereinigte eine gewisse patriarcha-
lisdie Offenheit und Gastfreundschaft mit despotischer Grandeisra,
namentlich bei dem Gastmal, wo die einzelnen Getränke und Bpei-
aen den Gesandten im Namen des Herrn dargereicht und stehend
genossen wurden. „Also hat Jeder, heisst es S. 125, müssen auf-
stehen, den andern zu Ehren, dass ich ganz müde und machtlos in
Knieen bin worden. Es wahrste an vier oder fünf Stunden«^ —
Damit war die Arbeit aber noch nicht beendigt; denn nach aufge-
hobener TaSßl musste auf dem Heimweg der Botschafter den Rua-
sisehen Grossen Bescheid thun, „welche ihn gar antrinken wellten.
Ale ich ihnen sagt: ich möcht fürwahr nichts mehr, wäre ganz roU,
so yerUessen sie mich.^ — An der, den 18. Mai yeranstalteten Hof-*
nnd Hasenjagd zeigte der Gesandte keine rechte herzliche Theils
nähme; dann es kam ihm absonderlieh vor, dass man gegen die
von Natur keineswegs mnthigen Thiere wahrhaft kolossale Rtistoa-
gen getroffen nnd grosse Zottelhunde unter gewaltigem Schreien los-
gelassen hatte« Befragt, warum er denn nicht hetzte, antwortele
Herberstein: «Ich wösste das bei mehiem Herrn nicht zn vevasit*
werten, dass ich dem armen Gesellen, dem so viele Hunde nadi*
eilen, so unter Augen hetzen sollte, das sie fast lachten' (B. 127]).
— Ueber Sitten, Bräuche, Einrichtungen nnd Umfang des damali-
gen Bnsslaads werden mehrere, bemerkenswerthe Nachfichten gege-
ben. Von der Priesterehe heisst es z. B. S* 128: „Keiner wird
zum Diaeea geweiht, er hab dann eine zu Weib fürgenemmen, und
nimmt die sammt der Weihe. Wo aber die fürgenommene Baaut
pMtM rarm AwlriMarOTk 51
flieht tfna» goten Enfi ist, so gibt der Bisebof dam die nieht, mmh
darn eni andere, die ein gaten Namen bat Und dann gibt er aie
losaauneii, und weibt den.^
Nadi ein nnd dreiseig Wocben AofentbalU in Moefcan ond am
Ziel selnee dipiomatiscben Zwecke trat der Bote, reicb mit Zobeln,
Bermeiin, liöitlicben Fiacben, Rossen ond Sehlitten beschenkt, die
Rdekreise ao. Sie ging über Mojaisk, Dorogobnsch, Smolensk, Be-
reslna nach Polen a. s. w. — Die aweite Moskowiter Fahrt unter-
nahm der Gesandte 1526 auf Befehl des Eraheraogs Ferdinand mit
dem Spanischen Bevollmächtigen Kaiser EarPs V., dem Herrn von
NngarolL Diese Mission sollte, nachdem Rassland darum angehal-
ten hatte, das frühere Freuadschaftsbündniss mit Kaiser MazimiKan
fiir die b«iden Enkel und Nachfolger emenem (S. 265 ff.). Die 6^
ftbren, Beschwerden nnd Abentener waren noch grösser ond man»
Dichfaltiger als auf der ersten Reise; mehrmals mnsste man unter
freiem Himmel (Mira) (ibernachten, dichte Waldongen durehaiehen,
mit Leboisgefahr, natörlich unter Leitung heimischer Wegweieer,
iber Strome und Fnrtlien setzen, korz, einen wahrhaften Fei dang
bestehen. In Moskau: „einer Stadt, weder mit Gräben, Zinnen
oder Mauern eingefangen^ (S. 274), fehlte es auch jetzt nicht an
der beliebten ,,Hasenhatz.^ Auch der Papst hatte l>ereits eine Bot-
schaft geschickt. — Die Rückreise ging über Litthauen, namentUA
WihMi und Preuss^a u. s. w. — Ueberall sind mit Sorgfalt naeh Tent*-
sehen Meilen die Entfernungen verseicbnet und zwar so gewissenhaft,
dsss man selten einen Irrthnm finden dürfte. —
Eben ao lehrreich ist die D&nische Reise (1516), welche
Herbeiitein auf Befehl Kaiser Maximiiian's unternahm, um den bluta-
verwandten König Christian -*- er war mit Isabella, Tochter König
Phüipp'a Yon Spanien und Schwester des Erzherzogs Karl (spätem
Kaisers), yermähit — wegen seines unkeuschen Wandels und Yer*
kebrs mit einer Buhlschaft, ^dem Täobchen von Amsterdam, Schenk-
wirthatochter, zu rügen und möglichst auf bessere Wege zu leiten. Alle
Mittel der Ueberredung, des Ernstes und der Güte, blieben jedoch
frachdoe; der verliebte Fürst schickte das „Tftubchen^^, wie gefor*
dert wurde, nicht fort und begnügte sich mit der allgemeinen Zn-^
ssge^ ^er wolle sich königlich halten, wie auch sein Vater und Vor«
voidem«' (S. 93). -
Die dritte Mission, welche bald nach dem Tode Maximilians
sn den Hof König Karl's von Spanien in Barcellona abging (1519),
gibt fiber die politischen und kulturgeschichtlichen Verhiltnisse und
Zastiirie, namentlich Spaniens, vielfache, aus dem Leben gesdiöpfte
Aodnnft (S. 173 ff.). Die Reise war wiederum mit bedeutenden
defishren verbunden, indem Stürme auf der Fahrt von Genua mehr-
Bals anabradien und die Schiffe an den Abgrund des Verderbens
faraeiiten, bisweilen auch blutige Streitigkeiten mit den Etngebornen
snigfaigeD und die voUe Kraft und Besonnenheit des Gesandten in
Aaipradi nahmen, spXter bei Hofe mancherlei Bttnke und Nael»-
52 Föntet rcnun Aoatriacanin.
BteUangen störend in das Oeschäftsleben eingriffen. Der jonge FOrst,
seine Hofleate and Staatsmanner, besonders der Kanzler Marcnrinns
Gattinara, werden dabei nach dem Leben und von mancher neuen
Seite her gezeichnet. Dahin gehört z. B. die damalige Gewohnheit
Karl's, lange an schlafen oder viehnehr nach ärztlichem Bath im
Bett zu bleiben, wobei aber auf alles Wichtige geachtet, in entschei-
denden F&llen ehi eben so kluger als fester Aussprach gegeben wurde.
— ,,Darüber die Bäte vasst all zäherten (weinten?), umb das
sy, alls allt erfam und geuebte, des, so der Jung, nit haben khün-
nen finden*' (S. 198).
Die kirclüichen Wirren seiner Zeit beobachtete Herberstein sidier-
lieh mit aller Aufimerksamkeit, tritt aber in nähere Schilderungen
nicht ein. Luther wird mehrmals (z. B. S. 136) erwähnt, je-
doch nur beiläufig und ohne genauere Würdigung seiner Lduren
nnd Verhältnisse.
Als erfahrner Staats-, Kriegs- und Weltmann kannte übrigens
Herberstein das leidige Geheimniss der damaligen Kirchen- nnd
Staatspolitik recht gut Diese ruhet^ nämlich häufig auf dem
Widerspiel des Worts und der That, also emem unsittlichen Prin-
cip nnd feinem Trug. Meister solcher Künste, welche man mit
Ungrund an Macchiavelll anknüpft, war damals ein Teutscher Pre-
digermönch, Bruder Nikolaus von Schonberg aus Meissen, spftier
Ersbischof zu Capua. „Derselbe hat, wird S. 135 gemeldet, dem
nen erwählten Papst Paul IV. die Unterweisung gegeben^: Soll
rast reden, damit die Cbristenfürsten einig sein sollten, aber allen
Fleiss haben, die in Zwietracht zu erhalten. Dergleichen um
Haltung des Concils, aber kaum gestatten. Soll sich auf keine P a r-
iei setzen, so würde er ein Mittler, dann sein Sachen schaffen;
von dem würd' sein Macht und Hoheit wachsen.** (Sehr ver-
nünftig.) —
Bruder Niklas hatte sich übrigens schon frühzeitig in seine tän-
sehende Bolle hineinstudirt; bereits 1518 warnte man von Rom an«
den Kaiser Maximilian vor dem frommen, doppelsinnigen Herrn, Gber
welchen zuletzt des Reichs Oberhaupt urtheilen musste: „Der Ma-
nich ist, wie er mir zuvor aus Rom geschrieben ist worden*^
(S. 135). —
Aus dem Gesagten wird die Wichtigkeit der reichen, bis cum
Jahr 1553 fortgeführten Mittheilungen hinlänglich erhellen. Gnapi-
nians hier zuerst veröffentlichtes Tagebuch (1502—1527) ist da-
gegen dürftig und unbedeutend; es drehet sich meistens um per*
sönliche, ganz kurz aufgezeichnete Anschauungen nnd Begebnisse,
z. B. 1508. 3. Februarii. Geltes mortuus. Ego dixi funebrem.^ —
Desto reicher sind dagegen an Gehalt und Form die hier wiederum
zuerst vollständig herausgegebenen Denkwürdigkeiten George
Kirchmaiers, von 1519>-1558. Dieser, einer alten, angesehen-
nen Tirolerfamilie aus Ragen entsprossen (um 1481), hi Brizen für
die hShem Studien vorbereitet^ verwaltete Jahre lang (s. 1519) als
FoBiM renim AntlriacaniRi. 5S
Stab-Amtmann die Gfiter nnd Bechtsame da» Kloaiara Nenstift in
Bnmecken mit eben ao grosaer Treue aia Umaidit und Entaddeaaenheit
Letatere lenebtete l>eaondera bei Anlaaa dea BanernanlaUndeB (Mai
1525} benror, welclier nicht nur die Oelder nnd Vorridiai aondara
aach die ürbarialbücher nnd anderweitige Urlranden dea Ton den
HSnehen reriaaaenen Kloatera bedrohte. Die vorliegenden AnlMeh-
Bongen, nnr für den Verfasser ^anr Gedaditnuaa^ nranflnglidi be-
stimmt, nmfaasen die Zeit Maximlliana, Eraheraoga Ferdfaiand nnd
Kaiser Earla V., hanptsSchlich und zanSchst mit Beang auf Tirol
und ifie NachbaraehaTt ; sie ragen durch Sorgfalt, Unparteilichkeit
and frische FSrbang des Stoffea herror, geben namentlich Auaknnft
aber den edlen Maximilian, seine Tugenden nnd Schwichen, beson-
ders leidenschaftliche Jagdlust, seine Hanptleute nnd Staataminneri
Friedens- nnd Kriegsthaten, vorzüglich gegenüber Italien und Vene*
dig, schildem ausführlich die revolutionären Wirren während des
Zwischenreichs, besonders in Tirol, wo Jedermann den Wildbann in
Anspruch nimmt, und den schon erwähnten Bauemanfrohr unter
Michel Geiaamayer, ^einem leichten, doch listigen, argen, pSaen
Menschen^ (S. 472). Die hieher gehörigen Angaben waren biaher
meistetts unbekannt. Ein treffliches Charakterbild wird von dem
berühmten Canaler und Bischof von Ourk, Matthäus Lang, ent-
worfen nnd dabei mancbea Neue mitgethellt (S. 449. 450. 454).
;i]Sr war, heisst es neben anderm zum J. 1519, ein Bürger yon Anga*
borg, der aich aber also hielt mit seiner Weisheit, daas der ron ao
aiederm Stand in kurzen Jahren aufkam, dass der ein Kordinal und
jetzt suletct dazu Erzbischof zu Salzburg worden. Dieser Mann hat
dieser Zeit nicht minder gegolten, dann Aristoteles beim Alezander
oder Hannibal bei denen von Karthago.^ — Ueberhaupt galten
Sehreiber nnd Leute untern Standea bei dem Kaiser für die Ver-
waltung, namentlich Tirols, sehr viel. „Man soll mir, bemerkt der
Verfasser, nicht verweisen, dass ich die Schreiber nnd Secretari vor*
aetz und erst hernach die edlen Räthe. Denn es ist auch alao im
Wesen gewesen; denn Hirschen und Schreiber, Jäger, Falkner nnd
Haade haben dieser Zeit die bessten Vorstände (Aemter) und HÜf-
erseigung gehabt. — In Summa alle Pracht und alle Macht an
Got and Geld hatten die Secretary. — Denn ein jeder het ein
liaiserllchea Secret, damit sie ihren Stand erhalten möchten. Aber
Herr Leonhart Rauber waa Hofmarschalk, ein Graf von Mansfeld
Tmehsess; Bigmund von Dietrichstein Silberkammer; der Graf, Pal-
bier, Oglein, Herbst, Matheis, Palbier, waren Sr. Majestät Kamerer;
nd wiewol daa alles niederer Geburt Leut erkannt aind, haben aie
doch gross Gut, auch viel Glaubena bei Kais. Maj. gehabt, nnd raat
viel mehr denn hochgelehrt, bericht, weiss Männer u. s. w.^ —
Diese Begünstigung von eigennützigen, kriechenden Empor-
kSmmliiigen trug natürlich auch zu dem Verfall der Finanzen bei,
nimal die reichen Bankiers Mazimiliana Geldverlegenheiten auazn-
Watan ?ecatanden. ,|AIleay was Geld getragen hat | ist in diesem
54 Föntet rernm Aattriacarmn.
Land Tirol yersetst gewesen. Dann die Fugger von Angeborg balmi
das groMe Out, das aus dem Bergwerk zu Schwats jahrlich gefal-
len ist, in VersatEung weyss ine gehabt; deren sie jährlich ob 200|000
Giriden erlangt haben. Das Pfannhaus ist fast gar alles verthailt
gewesen, also dass zu Hall im Inthal nieht dan Darstreckang d«n
Kaiser gebtthrt hat. Der Zoll an Lueg, im Knntersweg und seu
Botzen ist den Provisoren gewesen; alle Herrschaften und Gwicbt
sind verpfändet gewesen n. s. w.*^ —
Trotz dieser Missbräuche und der übermässigen Waidhist hegt
der Verfasser die höchste Ehrfurcht vor dem Kaiser Maximilian.
^Aber doch, urtheilt er, ist nicht von ihm gehört, dass er wider
Ordnung ein Jongfrau ihrer Ehren entsetzt; er ist mild, keusch,
sanftmüthig, demiithig und ganz tugentlich gewesen, und ist um
nichts zorniger worden, dan allein um Wildprets willen^ (S. 442}*
Auch die Anfänge der Reformation hat Kirchmaier mit
scharfem Auge und wachsender Spannung beobachtet, ihre guten
und schlimmen Seiten erkannt und hervorgehoben. Davon zeugt
schon die Art und Weise, wie Luther 's Auftritt zum Jahr 1521
geschildert wird« (S. 452).
„In dieser Zeit, heisst es da neben anderm, erhob sich
in diesem Land ein wunderlich Geschrei von einem Mann, den
man nennt Martinus Luther, Augustiner Ordens, in einem Klo«
Bter zu Wittenberg, der da predigt wider den unfüglichen Handel
des Papstes, der Cardinal, auch der Corthesanen; auch sunst wider
viel Missbranch geistlicher und weitlicher Leut. Davon mir nit gepilrt
zu schreiben, den bemeldter Luter selbs so viel teutscher und lateini-
scher BQchl gemacht: de penitentia, de contritione, de attritione, de
confessione, de satisfactione, auch de potestate papae. Und sonder
hat er heftig wider die Indulgenzen geschrieben, dass mir nit not
ist Meldung davon zu thun. Aber das weiss ich wohl, dass hei
Pfaffen und Laien, bei Herren und bei Bauern, zu Kirchen und
Gassen, auch wo man bei einander gewesen ist, ein solch Geschrei
davon gewesen, dass Wunder davon zu schreiben wäre. Hersog
Friedrich von Sachsen hielt ihn wider den Papst auf, doch der Mei-
nung, dass der Luter solt mit der Geschrift und Wahrheit überwun*
den werden. Wo das beschäch, so solt ihm nach seinem Verdie-
nen beschehen.
Eckius, ein grosser Doktor also genannt, disputirt vast wider
ihn, ward aber bald geschweiget Und als ich durch glaublieh
Schriften bericht bin, so hat die päpstlich Helligkeit diesen Lnter
nra sein Schreiben gar vast und hoch verbannt, alles de facto. Aber
Lnter hat dch für und für zu Verhör erboten. So hat der Papst
vermeint: ;,er sey ein offener Ketzer, so sey ein offener Ketzer nicht
zu hören, sondern zu verbrennen. '^ — Da hat Herzog Friedrich und
Herzog Jörg von Sachsen wollen hören, ob Luter Recht oder un-
recht hat. Und wiewol die K. M. Kaiser Karl einestheils mit dem
P^ml war, und gern gesehen hätte, dass Luter seins Schreibens
Foatti rerain Anüriaotru«. 55
ui PrtdigeM widof den Papst war' «bgeftondon, bo hat er aoUehi
dMh Bit mogeii m wegen bringen. Und hat dieser Luter darch
Mine Beachirmer, die Herzoge von Saehaen, ao viel erlangt, dasa
äua an Hilf ein groeae BOndnias gemaebt ward. NäaUch Saehaen,
iie Mark, Land au Heaaen, Mecklenburg, Mürebem, Behem und
viel mehr. — Die begehrten des Luter'a Lehr, oder aber, sollt mit
Geschrift, Wahrheit und Lehr, und nicht mit Gewalt vindicirt wer-
den. — Fürwahr es stueade in aller Chriatenhelt g«ia übel unter
Geistilehen ond Weltliehen, und ob ich gleich gern etwaa gots sehriebe,
80 kann ich mit Wahrheit nichts anaeigen.'' —
Darauf wird eine Reihe Teutscher Gelehrten genannt, welcbe
wie Eraamoa von Rotterdam, Hütten, wider Papst Leo gesehrieben
litten und anletzt Luther's Benehmen nach dem Bann geschildert.
,Er Hess, beisst es, einen grossen Process der Pfaffheit berufen, und
het sieh des Bannes hoch und weislich entscholdigt und dabei so
SB Straf gepredigt, dase männiglich bewilligt hat, die Bücher „De*
cret, Deeretales, Ciementln u. s. w.^ und viel mehr Bücher zu ver-
bramen, als auch zu Schmach dem Papst solche Bücher verbrannt
siad.^ — Ein Gebet nm Erlösung aus diesem „Zwangt und „Er-
leuehtnag der Gelehrten^ endigt jene merkwürdige Charakteristik
der Reformationsanfange, in deren weitern Verlaul später entweder
gsr nioht oder nur kurz eingetreten wird.
Wie gut Kirchmaier die Französische Politik in Betreff der
Religion zu beurtheilen wnsste, erhellt aos seinen Bemerkungen
ober König Franz L im Jahr 1542. „Er machet, heisst es S. 513,
wider den Kaiser (Karl V.) dieweil sein Bündniss mit dem grossen
Türken noch kräftiger, praktizirt auch in Italien mit dem Papst
(Paul UI.) wider die Lutteriechen, und in Teutschland praktizirt er
bei den Lntterisohen wider den Papst. Und hielt sich ganz übel
«ad unchrisüich, verbittert' beide Theile so gar übel gegen einan-
der, dass sie beider Seite nicht wohl wussteu, wie ihrem Irrthum
iB hellen sein möchte.^ — Leider I dachten und handelten die ver-
blead^en Protestanten anders; sie schlössen über kurz oder lang
wider Kaiser und Reich Bündniss mit dem westmächtlichen Nachbar
ib, welcher dafür Metz, TouL und Verdün als erste Abschlagzahlung
empfing. Dadurch wurde der Weg zur weitern Okkupation der
WestgrSnze deutlieh genug gewiesen, die warnende Lehre der Ge-
•dUehle troU dea Geschwätzes über Nationalität und Weltbestim-
KBBg bis zu dem heutigen Tag auf die leichtfertigste Weise über
westmächtlichen Sympathieen verachtet und dennoch das Schicksal
der jenseitigen Glaubensgenossen, der s. g. Hugenotten, eher
Teisdilimmert als gebessert
Ein sorgfältiges Register der Namen macht den Schluss des
Bandes und erleichtert den (gebrauch desselben.
56 Stäbelint Der Uebortrilt Heinrich's IV.
Der üeberifiU König Heinrieh'a des Vierten von Fra$%kreich uur
römieeh'kathoUsehen Kirche, und der Einflusa dieses Fürsien
auf das Oeschiek der französischen Reformation von dem Zeür-
punkte der Bariholomäusnaeht an his sum Erlasse des Edikies
von NafUes. Eine ReformaiionsgesehiehUiehe Studie von Ernst
Stähelin. XXVUL 795. gr, 8. Basel, bei Schweighauser. 1856.
Der Verfasser, ein junger Tbeolog evangelischen BelcenntDisses
kl Basel, scheint nicht frei von streitbaren Regungen und Gedanken
zu sein. Denn obschon der s. g. Weltbrand vorüber ist, wird den-
noch in dem kurzen Vorwort stark wider die Berliner Kreuzzeltung
und das Hallische Volksblatt hauptsSchlich aus dem Grunde geeifert,
weil man hier, die Partei Russlands zu entschieden genommen habe.
Allein auch die Schweiz muss jetzt wohl einsehen, dass die bisw^-
len plumpe Vertheidigung der Türkischen CiFilisationsfahne in der
That eben so albern als ungerecht und unklug gewesen ist. Denn
stehen nicht noch jetzt Englische und Französische Rotten ohne
alle von Recht begründete Ursachen im Piräus, um ein christli-
ches, aufstrebendes Volk im Zaume zu halten? Was würde man
vor dreissig Jahren geurtheilt haben, als Franzosen, Tentsche, Schwei-
zer als Philbellenen für dieselbe gute Sache in den Orient zogen,
um an der Wiedergeburt eines zertretenen Volks zu arbeiten? Wie
daher jetzt ein Theolog mittelbar für die Pforte und den Halbmond
gegen Gbristenthum und Kreuz seine Stimme gelegenheitlich erbe*
ben könne, w8re ohne die Allmacht des ansteckenden Modetona
kaum erklärbar, zumal in einer Stadt, welche nicht allein für den
Handel mit materiellen, sondern auch geistigen und geistlichen In-
teressen von jeher begeistert war. — Ein anderer Ausfall gilt den
ultraprotestantischen Tendenzen im nördlichen (nicht auch hier und
da südlichen?) Teutschland. ;,Ein ganzer Bund, heisst es S. 16, von
Juristen und Theologen steht dort auf dem Plane und doml-
nirt die religiöse Situation. Seiner verhängnissvollen Doppelstellung
gemäss macht er es sich recht eigentlich zur Aufgabe, das Relfglöse
und Politische durch einander zu mischen; es scheint, als könne er
gar nicht mehr anders, als des corpus iuris nach der Bibel ausle-
gen und die Bibel nach dem corpus Iuris. ^ — Man begreift nicht,
wie das alles hier In einem Vorwort zusammengezogen wird, wel-
ches der Reformationsgeschichte Frankreichs die Bahn ebnen soll.
Rücksichtlich dieses Hauptgegenstandes ist mehr geschehen al» die
Ankündigung verheisst Wenn letztere Nachsicht und Milde In /An-
spruch nimmt, über Mangel an HülCsmltteln und Müsse u. L w.
klagt: so zeigt das Werk selber mehrmals das Gegentheil. Esjver-
tieft sich mit Recht und Fug in seinen Stoff, gibt glückliche ZIdch-
nungen von Charaktem, Persönlichkeiten und Verhältnissen, bAsutzt
neben den gedruckten Quellen manches Handschriftliche, kurz, «liefert
sehr verdienstvolle Beiträge zur Aufhellung jenes merkmürdlg^üen, an
Qrossthaten und Verbrechen reichen Zeitabschnittes | welobi4et an
Sttbelii: Der Uebertriu Heinrich'a IV. 57
B«Dke, »dem Stols onserer deutschen Oesefaicbtachreilrang^, Baam,
dem Biographen Besa's, um Soldan, dem Darsteller der gesamm«
IflD Hugenottenwelt, und Eheling, dem fieissigen Sammler, die
jüBgsten, trefflichen Bearheiter gefunden hat. Diesen mOgen sieh
künftig mit Grund viele StOeke der vorliegenden Monographie an-
Kfafiessen nnd hei dem Fortschritt der Jahre hier und da bald einen
neueo Baustein, hald eine schärfere Zusammenfassung des Materials
gowianen. Wegen seiner stellenweisen Frische und Lebendigkeit,
welche der gründHehen Stoffkenntnlss häufig aur Seite steht, wird
das Bach ohne Zweifel seine Leser finden.
Es ist übrigens ein ehrenwerthes Merkmal der Fransösiscben
BeformatlOD, dass ihre Anfänge meistens rein waren und verhält-
Biwmissig frei blieben von den gewaltthätigen, revolutionären Ueber«
lefareitungen nnd Eingriffen in fremdes Gut und Recht, welche spä«
ter Iner wie anderswo den Entwicklungsprocess jener grossen, sitt«
lick-religids-socialen Bewegung kennzeichnen. Der Grund dieses ge-
messenen, lediglich abwehrenden (defensiven) Benehmens liegt nicht
iHeln in dem entschiedenen Uebergewicht der Altgläubigen, von
welchen die Massen nur spärlich abfielen, sondern auch In der gleich-
Min persSnlichen Auswahl der ersten Bekenner. Diese gehör-
tes bauptsäehlieh dem Adel und Bürgerstande an, während die rohe
Bsnemschaft sich In der Regel entweder gleichgültig oder feindselig
Terkielt Erst die Nothwehr für Gewissensfreiheit, Leben und
Eigenthnm zwang die Hugenotten zu Repressalfen und verflocht
sie in eigentliche, politisch- factiöse Parteiwirren mit den
bekannten Motiven, Kräften und Folgen des religiös -bürgerlichen
Krieges. Bevor dieser leidige Durcbgangspunkt gewonnen wurde,
begnügten sich Führer und Prediger gewöhnlich mit den edlen Waf-
fen der Lehre und des Wandels, wie de la Noue, Momai du Ples*
m und Andere es auf glänzende Weise gethan haben. Diesen be-
sonnenen, aristokratischen Charakter im besseren Wortverstande, wie
ika die ersten Französischen Bekenner des gereinigten Evangeliums
hSafig zeigen, vermisst man sehr oft für die Anfänge In den
ägeatüchen Mutterlanden nnd Metropolen der Reformation, auf Ger-
manischem Grund und Boden. Zu welcher lodernden Brunst schla-
gen da nicht, weil massenhaft, der Läuterung bedürftig, das Volk
herbeiströmt, die Feuerstoffe zusammen I Mit welcher Gier greift
Bia oben und unten auf Kloster- und Elrchengut, durchläuft den
mscnlottlschen Bildersturm, befriedigt kommunistische und wledcr-
tlnferische Gelüste, lärmt und trommelt, schwelgt in Weiber-, Wein-
nad Biergenüssen , dem Ausbund der alten , angegriffenen Klerisei
'hetz nnd Wettkampf bietend I DIess alles geschieht, bis nach blu-
tigen Gewaltthaten der Sturm ausgetobt, das lautere Gewässer vom
Unrsth und Schlamm sich gelöst hat. — |,Wir sehen wohl, nrtheilte
«in berühmter Zeitgenosse, der Genfer Bonivard, den Splitter im
^sge des Nächsten , nicht den Balken im unsrigen. Wir schreien
58 SMhelln : Der Uebertritt Heinrich'a IV.
wider die PapisteOi ift«cbeii es tfber noch gdiUoinier dem aie; Fiir-^
Btes UDd Völker Bind gar «ehr verliederlich t'^ (devbordes). *)
Mftg nun auch diese herbe Ansicht des gewesenen Priors voo
8t Victor troU der Uebertreibang reelle Wahrheit enthalten, der
von dem Reformpriocip gegebene Anstoss anr weltgeschiditlicbeBi
fortschreitenden Läuterung bleibt anbeatritten. Wie Gewitter und
Stürme die Luft in der physischen Welt reinigen, so revolotionftr*
reformatorische Erschütterungen in der moralischen. Später kommen
denn die sühnenden und ausgleichenden Compromisse der feindseli-
gen Gegensätze und Parteien, von welchen jeglicher Theil Becht
und Wahrheit ausschliesslich zu besitaen glaubte.
Nicht minder zweifellos ist es femer, dass in dem grossen Pu-
rifieationsproceas des sechszehuten Jahrhunderts die InitiatiFe uod
Leitung der neuern, verjüngenden Kräfte mit ihren guten und schlim-
men Gefolgschaften und Früchten von dem Germanischen Stan^m
ausgingen. Die Romanen dagegen standen, so bedeutende Anatreo-
gongen sie auch machten, lediglich in zweiter Reihe und führten
trotz des Aufwandes an Geist, Blut und Gut die Bewegung Dur
äussert selten, z. B. in Genf und der Waadt, zum Ziel. Sie halle
und hat in dem eigentlichen Teutschland, Skandinavien und An-
gelsachsen oder England ihr Hauptquartier. Diesen kaum awei-
faBiaften Satz verkennt aber das vorliegende Buch nicht selten; es
whrft ein zu starkes Gewicht in die Wagsehalen Frankreicha nnd
räumt ihm, so zu sagen, als Ausschlag gebendes Zünglein den Vor-
derplatz ein. ,, Menschlich geredet, heisst es a. B. S. 10, war dann
(bei gewaltsamer Unterdrückung der Neuerungskräfte) der Prote-
stantismus verloren. Hätte Franz L wirklich, wie er es im Frie-
den von Gambrai versprach, vereint mit dem Kaiser seine Waffen
gegen die deutschen Protestanten gekehrt, — so wäre an einen er-
folgreichen Widerstand der Angegriffenen gar nicht zu denk^i ge*
wesen u. s. w.^ — Diese entscheidende SteUnng werde dann noeb,
ist beigefügt, durch einen Brief Beza's bestätigt, welcher das Schick-
sal zum Bessern und Schlimmem für die ganze Welt von
Frankreich abhängig mache (praesens Galliae Status, a cujus exita
pendere prorsus videtur maxima totius orbis terrarum vel
in melius vel in deterius commutatio). Allein bei achär-
ferer Prüfung tritt diese, gar nioht unwichtige und mfissige Anaichft
in den Hintergrund; das angezogene Schreiben fällt, von seinen»
immerhin subjektiven Standpunkt abgesehen, in weit spätere Zeiten
ri589?) und die historisch - politische Kritik des Gambraivertragn
^1529) gewährt durchweg abweichende Endergebnisse. Der Ver»
fasser, mit den urkundlichen Beweisen hier zurückhaltend, aoheint
sich auf Ranke, welcher übrigens nicht genannt wird, zu atütaeo«
*) Advifl et devis de la soarce de Tidolatrie etc. ptr Bonivard. 6en6ve.
1656. p. 145. Zuerst aas der Handichrift herausgegeben von Chapo^ai^re
und Revilllod. r
SittMifi: Der UebcHritI Heuricb'a IV. 59t
Dm der jedoB&lUi gehaltrelohe OewShranuum bemerkt, Kaiser iui4
Kdnig bitten sieh wider die wachsenden Ketow eien und fttr die
AiloritiU des heUigen Siubis in Gambrai rerbunden (Ges^iefaU
DeetaeUands im Zeitalter der Reformation 111, 180). Aber so all«
gemdne, spSter oft in Esropa wiederholte und gebroehene Coole-
nssartikel, weiche kein speeiCsches Factum, keinen genau formniir-
tee Fall belreffisn , sind weit entfernt von einem förmlichen , prind-
pieücn Bändniss gegen den Protestantismus, bei den Ellersilchte-
Wen der Paciscenten nichts als diplomatischer Sand, welchen man
den GiXabigen alten und neuen Schrots in die Augen wirft. Um«
itisde, 8.g. Erentualitäten, thnn dabei das Besste; der heilige Va-
ta sli weltliche H acht ist daneben dem Einen wie dem Andern
bald Feind, bald Freund und wirkt in so fern auch auf die religiös«»
kirchlichen Dinge, ohne es natürlich sn wollen, für die Beobachtung
des Sehaukelsystems surück. — Die einzelnen Verlragsstellen, so
weit sie den Glauben betreffen, lauten übrigens aiemlieh allgemein;
äe sisd dehnbar in die damalige Phraseologie eingekleidet , d. h.
Türken- nnd Ketzernoth; beide Widersacher zu bekämpfen, stehet
der Franzose gar nicht an, obscbon er bereits damals im geheimen
QBd später öffentlich den morgenländischen Eindringling, wie noch
jeUt, ohne Hehl begünstigt und unterstützt; der Kaiser handelte
dagefca bekanntlich ganz anders; Beligions* und Staatsgründe mach-
ten ihn zum Türkenfeind. — Die wesentlichsten Worte der Einlei-
tang hesagen folgendes: „Considerans les grandes errenrs et tronbles
schismatiques qni croissent et puilulent tous les jours, et les inva*
nons qae le Tarc ennemj de nostre Foy Chrestienne a faites et se
parforce faire en la Chrestient^ depuis les guerres Intestines etc.
Bei dem allen blieb und bleibt die hohe Pforte der Mignon des aller-
christlichsten Königs ond Volks. —
In dem 43. Artikel wird nun allerdings, wie auch Ranke be-
nakt, ^unser allerheüigster Vater und Stuhl*' als Gegenstand des
▼erhandln Schutzes herausgehoben, aber wiederum geschieht das
rar nach der üblichen, serfliesseaden Phraseologie des misstrauisefaen
Dipiomatenstils, „Lequel Sainct Siege, heisst es z. B., les dits Seig«
WUH Empereur et Roy maintiendront en son authorlt^ et preeminence^
Dsd dabei bleibt es, obscbon noch beigefügt wird , man wolle auch
verioren gegangene Städte und Lande dem heil. Stuhl „zurfickbrin-*
Ef^ (S. Recneii des trait^s etc. II, 178).
Wenn es nun mit dem antiprotestantischen Gambraibund zwi-
>diea Eari ond Franz keineswegs so ernsthaft gemeint war, so hat
danascb der letstere je nach Launen und Umständen bald strenger,
M geUader den Neuerungen widerstanden. Herr Stähelin irrt also,
wenn er an der erwähnten Stelle (S. 10) die passive, oder gar
wohlwollende Politik des ritterlichen, aufgeklärten Königs für deo
Heüaad der Reforokation erklärt; denn Franz verfuhr ja grausam
Sisof ; er liess mehre tugendhafte nnd gebildete Hugenotten ohne
wttei^ verbresineB und schaute mit dem gesaaunten Hofe dem
60 Tholoek: Vorfeachiehte des Rutioiiiilifmua etc.
Auto da F^ su; er handelte also weit strenger denn der Kaiser,
welcher Jahre lang einer wirklichen Mediationspolitik folgte und diese
eigentlich nicht eher aufgab, als bis sein alter Nebenbuhler mit den
Teutschen Protestanten, er, „ein Mdrder der Französischen*', gem^n-
sane Sache wider Kaiser und Beleb machte.
Es ist mithin falsch, wenn die Entscheidung der Reforoiatioii
von der Metropole in die Filiale verlegt und dadurch der historisehe
Standpunkt auf eine nicht folgenlose Weise umgedreht und gleidi-
sam modernisirt wird. Denn seit einer Eeihe von Jahren hat
allerdings Frankreich in revolutionär-reactionftren Verhältnissen des
Staats und selbst der Kultur gewissermassen die Initiative ergriflPen,
welcher die Nachbarn, auch Teutsche, entgegen dem frühem Gange
ihrer Geschichte mehr oder weniger Folge zu leisten sich abbemühen.
— Was Kaspar in der wilden Jagd vorspielt, das pfeift der Kas*
perle nach, oder, wie Luciiius sagt vom Marstanz: „Praeanl ut
amtrnat (h. e. motus edit), lüde et volgu' redamtruat oUI.^ —
Vorgeschiekie des RcUionalismtis von Dr. A. Tholuck. Er^er
Theü, Das akademische Leben des 17. Jahrhunderts» ZweUe
Abiheilung. Die akademische Geschichte der deutschen, skan-
dinavischen, niederländisehen , schweizerischen Hohen Schaden.
Halle, Eduard Anton, 1854.
Auch unter dem besondern Titel:
Das akademische Leben des 17. Jahrhunderts mü bestmderer Be-
ziehung auf die protestantisch-theologischen Fakultäten Deutsch-
lands, nach handschriftlichen Quellen von Dr. A. Tholuek.
Zweite Abtheüung. Die akademische Geschichte der deutschen,
skandinavischen, niederländischen, schweizerischen Hohen Schu-
len. Halle, Eduard Anton. 1854. X und 400 S. gr. 8.
Die erste Äbtheilung dieses fKr eine noch fehlende allgemeine
Geschichte des deutschen UniversitXtswesens wichtige Schrift haben
wir schon frfiher in diesen Blättern (Jhrg. 1854, Nr. 14. S. 314—223)
zur Anzeige gebracht, um so mehr fühlen wir uns veranlasst, auch
die zweite Abtheilung in denselben zu besprechen und anzugeben,
was dem gelehrten Publikum in ihr geboten wird.
In dieser zweiten Abtheiiung soll, wie der Herr Verfas»
ser ausdrücklich (Vorwort S. V) erklSrt, nicht eine allgemeine
Universitätsgeschichte geliefert werden, sondern insbeaondere
die innere und äussere Geschichte der protestantisch-theo-
logischen Facttltäten; nicht eine Geschichte der Theologie,
nic^t eine Gelehrten-, auch nicht eine theologische Literatur-
Geschichte: für diese letzte fehlt es nicht an Halfsmlttebi. Es soll
vlelm^ diese Schrift — wofür andere Hülfemittel bis jetzt fehlen
— Ge>fst, Entwicklungsgang und Einfluss der ver-
schiedenen Universitäten charakterisiren. Es ^werden
TM«ck: VorffeieUehle 6t§ lati«iiliMMf ole. 61
wie ich, sagt der Herr VerCuser weiter, beim Stodiam der
6esdiidi(e der Theologie dw unbehagliche' Gefühl getheili haben,
fie aaftretenden Personen gleichsam Taler-, muUer- und heimathlos
m sich Tornl>er sieben sn sehen — ohne Kenntniss ihrer Steilnng,
ibrer Schule, ihres Partetsosammenhanges und persQnlicben Charak-
tcn. Eben so die verschiedenen UniversiUUen : Wir lesen hier ein
Dstam, dort ein Datum, aber über ihren Gesammtcharafcter, ihre
Lehriffifte, Schicksale und Epochen vermisst man ein susammen«*
Werk. Die ansserdeutschen Universitäten sind hier sogar
ersten Male in den Kreis literarischer Behandlung gesogen
Was die Bearbeitung der zweiten Äbtheilung dieser Schrift be-
bift, so ist sie mit demselben Rechte, wie die erste Äblheiiung,
eise nrfcnndliche und quellenmXssige sn nennen. Die Arbeit selbst
wv, was jede Seite der Schrift beurkundet, bei dem Mangel an
Vorarbdtan flr das, was hier gegeben wird, eine mfilvame und
BiBsiviscbe. Die Data mussten sum Tbeil aus weit entlegenen,
lom Theil aus nicht gedruckten Quellen genommen werden. Die
hier gebotene innere Geschichte der theologischen Facuitäten ist
aber sngleich auch, als einer der wichtigsten Ausschnitte des kirch-
lichen Lebens des 17. Jahrhunderts, ein Beitrag cur Geschichte des
kirchlichen Lebens, weicher ein zweiter Band dieser Vorgeschichte
gewidmet sein soll.
Nach diesen allgemeinen Angaben gehen wir sn dem Inhalte
der efauelnen Theile des Bnches ül>er, welcher in vielfacher Hinsicht
die gewöhnlichen Ansichten über den Charakter des 17. Jahrhunderts
berichtigt, da das Feld, auf welchem der Herr Verfasser sich be-
wagt, bidier gewisser Massen brach gelegen, sein Verdienst dess-
halb aber auch um so grösser wird.
In der Einleitung (S. 1—15) wird unter Anderem ^die Stel-
lung der protestantischen Universitäten zu den phi-
lesophischen Systemen des Jahrhunderts in einem
Gesammtttberblick* voraus geschickt und gezeigt, wie es der
Bamistischen Philosophie vielfach gelungen, die Aristotelische zu
verdringen. Doch hatte sich die Aristotelische und auch noch die
Raadstische Pliiloaophie der Orthodoxie gefügt, aber die Gartesiani-
lehe ging schon über sie hinaus und die Spinozische nahm ihren
Standpunkt, wie Menzel bei Besprechung dieser Schrift bemerkt 9i
idion höhnisch der christlichen Wahrheit gegenüber.
Was nun die Entwickelung der Theologie betrifft, so begegnen
wir hl der Geschichte der Lutherischen Facultlten einem ziem-
lich gleichmlssigen Verhtuf : bis in die Mitte des Jahrhunderts Schul-
theologie ohne Wärme und practischen Eifer, seit dem Anfange der
swaiten Hälfte wachsendes practisches Interesse mit zunehmender
Ateanz gegen Abweichung in der Lehre, gegen Ende der Bpe«
ij» YMgL dessen Literalarblam Jahrgang 1854, Mr. 45. B. 177.
^
62 Tkdliek: Voitpeichidite d«f RadonaliMivi et«.
ner'Mhe Pietismus. Verachieden ist der Verlauf anf den Befor«
mirten Leliranstalten : nur eine unmerkliche AbscfawScbaog dm\
früheren dogmatischen Standpunktes, aber auch kein Fortschritt ifä\
praktischen Interesses, sondern vielmehr Gegensatz gegen den ?!«•
tisnras. Kaum Ifisst dieser Unterschied sich anders erklären als ebeii
daraus, dass die Relormirte Kirche von Anfang an das wenig^er ent-
behrte, was der Pietismus erstrebte, die Betonung des Praetifl^M^
Zur Bestätigung iässt sich auf die Schweiz verweisen, welche bei
ausgeprägterem dogmatischen Charakter stärkere pietistieche Bewe-
gungen erfuhr und auf die Niederländischen Universitäten, wo bei
noch rigiderem Dogmatismus gegen Ende des Jahrhunderts auch
der Pietismus desto stärkere Wurzeln schlug.
Die Schrift ist in zwei Hauptabschnitte getheilt und nmfaast:
A. Die Lutherischen Lehranstalten (S. 15—203),
und zwar:
L Die Deutsch -lutherischen Universitäten Altdorf 9) , Erfor^
Olessen, Greifswaid, Helmstädt, Jena, Kiel, Königsberg, Lfeipzfg,
Rinteln, Rostock^), Strassbnrg^), Tübingen, Wittenberg (S. 15— 147>
2) Der Hr. Verf. fuhrt hier die trefflichen Worte des Hrn. Prülaten Dr. U 1 1 ma aa
an, welche wir uns erlauben hier beizufugeo : „Gerade dieses ursprUiigliche Aa*
tionale hat die Reformirte Kirche spater vor dem in der Lutherischen Kirche
weit verbreiteten Rationatismus geschützt, wie die ursprünglich stSrkere Be-
thatiffung des sittlichen und practischen Interesses die Reformirte Kirehe fto
dem PietifBui unempfänglicher machte." Vergl. Stadien und Kritiken 1843,
S. 764.
3) Im Jahre 1526 hatte Helen chthon in dem wohlhabenden und kunst-
sinnigen Nürnberg ein Gymnasiam gestiftet, dessen Ruf sich unter Rectoren
wie Joachim Gamerarius, Eobanus Hessns, schnell verbreitete. !■
Jahre 1573 wurde es für gut gehalten, diese Schule nach Altdorf, einer Land-
stadt des NQmberi^er Gebiets, zu verlegen, und nachdem für dieselbe im Jahre
1578 die Privilegien einer Universität mit dem Rechte Baccalaureen und Ma-
gister der freien Künste zu creiren erlangt worden, wuchs die Zahl der I«-
nntriculirlen so sehr, dass sie im Jahre 1620 bis auf 221 stieg, woraus sich
eine Frequenz tob etwa 800 Studenten ergibt. Um so mehr war der Nttfi*
berger Rath darauf bedacht, für diese blühende Hohe Schale die volleo aca-
demisohen Privilegien zu erwerben und erlangte im Jahre 1622 vom Kaiser-
lichen Hofe wenigstens fUr die juristische und medicinische Facultät das
Promotionsreeht — für die theologische erst um vieles spttter, im Jahre 1696.
Daa Aueftdirlicbere aber die Universität Altdorf siehe in vorlieffender Schrift
S. 15 ff.
4) Von der Universität Rostock rühmt Herr Tholuck, dass bei deren
Mitgliedern der Pulsschlag christlichen Lebens unter dem schweren Brosthar-
nisch der Orthodoxie niemals erstorben sei. Von Anfang an, durch das ganze
17. Jahrhundert hindurch, erfreute sich diese Universität in der theelegischen
facultät einer Reihe ausgezeichneter Männer, wie Baomeister, Tarnovc^
Quistorpe, Joachim Lütkemann, Heinrich Müller u. A., so dass
sie, namentlich von Seiten practischer Frömmigkeit und theologischer Libert-
Htät, in diesem Jahrhundert die erste Stelle einnimmt. Vergl. Krabbe, Dia
Unaveraität ResUck in 15. und 16. Jahrhundert. 2 Thle., und unsere Ameife
der Schrift in diesen Jahrbüchern, Jahrgang 1856, Nr. 56 und 57. S. $91— 90t
5} Die Universität Strassburg ging i. J. 1621 aus dem unter Johaoo
Sturm in dieser Stadt gegründeten Gymnasium academicnm hervor und unter
den theologischen ProCasaeren glänsen hoehbertthmte Namen. Wir nenaea
nur Dannhauer, Spener's Lehrer, Dorsche, Sebastian Schmidt.
ThdndL: Vori;eic1iiohta des ftatioiuilismut Me. 63
IL Die De«l8A-lath«riBdieii Hoben Sdmlen ^. Za diesen ge^
Kien als die namhafteaten die Gymnasien In Hambarg (das Je*
fcanaenm), in DaMig, in Gobnrg (das CasimiTianttm) , in Stettin
fa 147— IM).
nL 1) Die DftniselieD Universitäten.
2) Die Schwedisclien Univereltäten : Upsala, Dorpat, Abe,
Und, 6rei£Bwald (S. 147--303).
B. Die Reformirten Lehranstalten (8. 204—377).
L Die Niederländiseh-reformirten UnirersUäten (8. 204— 241).
n. Die Deotscb-reformirten Universititen: Dnisbarg, Frankfurt,
Heidelberg, Marburg (S. 246-296).
m. Die Deutsch-reformirten Hohen Schulen : Bremen, Hamm,
fisrbom, Liogen, Neustadt an der Haardt^), Hanau, Steinfart
(8. 296—314).
6) ESae Zwiscfaenstafe twifclieB den ÜDiTeniUlten oad den Gyamuien
biUn wahrend de« i^aoMD 17. Jahrliundert« die Gymnafia illustri« oder
aeadeniGa« welche, ausgeftatket wie sie waren mit Lehrern der 4 Facal-
tHea, Hatrikef, Bibliothek, Siegel, Convictorien und Stipendien, l^edetlen, halb-
jihrigeo LectionaTerzeichnisse, auch mit ambolatoriflehem Redorate, einer IJni*
ntiiai in IfieiOs nachatanden als im Promotioosrechte , wiewohl Baispiele
Taikoamea, wie io Weissenfeis, dass selbst dieses geübt wurde. Veran-
iurangen la ihrer Eotstehang waren mehrfache vorhanden. Theils rief sie
die ^ringere Zahl und weite Enlfernung der Universitäten , theits die unge-
Bifende pbilosophische Vorhildnni; der Gymnasien, hAufiger aber auch die
Site&eift der F&rsteA nnd Reichsstftdie in das JOasein. Sehr interessanta nad
helthnade ans Quellen geschöpfte Nacbweisun^en Über diese Anstalten gibt
der Berr Verfasser des vorliefl^enden Werkes von S. 147—152.
7) Da der Herr Verfasser der vorliegenden Schrift , seiner Aufgabe ge-
nta, dieser Anstalt eine ansffthriicbere Behandlung nicht widmen kennte
(S.31S), so ibeilen wir ans den uns su Gebote stehenden Acten nnd Urkunden
iolgande nähere Angaben Ober dieselbe mit. Sie wurde am 29. Harz 1578
TOB dem PfaUgrafen Johann Casimir unter dem Namen „CoIIe^um Casi-
atiriaaum* errichtet. Dieser war dem Calvinismas eben so treu ergeben, als
•ein Binder, Knrfftrst Ludwig VL (Nachfolger Friedrioh's IlL), dem Ln-
Iherthum. Als nun Lndwig's Bestrebuofren, das Land und die Universität In-
theriieh zn owchen, immer sefaftrfer und bestimmter hervortraten, yerliess dar
Pfadzgraf Johann Casimir mit der verwittweten Kurfärstin die Stadt Hei*
Mheif nnd befrab steh nach Kaiserslautern, was ihm nebst Neustadt an der
Batfdi als £rblbeil zugefallen war. Die entlassenen Rttthe des verstorbenen
Ktrilrslen Friedrieh's IlL, Ebeim und Zuleger und die Prediger« na-
n«nlliah Daniel Tessaaus, folgten ihai, und sein kleines Ländchen wurde
bald der Zninebtsort aller bedrängten Reformirten. Auf den Ratb seines Kanz-
le Bhein nnd seiner Rllbe, Zuleger nnd Beuterieb und vor allen auf
des des Urs i ans eatscbless er sich, in Neustadt eine Hoefaschnle unter dem
sim sahoB angegebenen bescheidenen Namen zu gründen, nm der jungen Re-
fanrinea Lehre einen wissensebaftUcben Halt au geben and besonders dia
Anaer an derselben anzustellen, welche ihres Glaubens wagen aus Heidelberg
vndriagt werden waren. Ais Ia>eale wies er der Anstalt die sogenannte
flVeiMe Banse^ vor dem There an* Früher war es ein Nonnenkloster, von
^tm aach dnnnls noch einige Nonnen übrig waren, welche das Colleglnm er*
Uten nHMte. Die Vorlesungen wurden am 20. Mai 1578 dnrch eine Toa
Saaehias gehaltene vortreffliche Rede eröffnet. Die Anstalt erhialt bald
'mh die an derselben angestellten, von den Pfalsgrafen gut besoldeten Ken«
Mr, «iedfe Theelogen, Ursinns, Zanehins, Tossanus, Jnnins, don
Ricolans Dobhln, den Medkiner Heinrich Smetius, dia
64 Tboluck: Yori^eacbicbte des RaUonalisniii« etc.
17. Die Schweieerischen ReformirieD Hohen Schulen: Baseli
Bern, Genf, Lausanne, Zürich (S. 314—377).
Von den Bfimmüichen hier genannten Anstalten gibt der Herr
Verfasser nicht nur, soweit es der Zweck seiner Schrift erforderte,
' ihre Geschichte und die Zahl der Studirenden nach den Inscriptions-
listen oder Matrikeln, sondern auch — und das ist die Hauptauf-
gabe — eine tief eingehende, gründliche Schilderung des jeder dieser
Anstalten Eigenthümlichen, ihrer Lehrkräfte, so wie Charakteristiken der
an ihr wirkenden Lehrer grössten Theils nach eigenen Worten ans
Schriften und Briefen yon ihnen oder über sie. Auf die Geschichte
der einzelnen Universitäten oder auf die Lebensbeschreibungen der
an ihr wirkenden Lehrer, auf die theologischen Streitigkeiten, wo
oft in derselben Stadt von zwei Kathedern oder Kanzeln herab
zwei Theologen mit Drachengift sich anbliesen wegen der absurde*
Bten Behauptungen, die einer dem andern vorwarf, näher einzugehen
und ausführlichere Mittheilungen aus denselben zu machen 8), würde
den uns in diesen Blättern zugestandenen Raum weit überschreiten.
Wir mussten uns desshalb begnügen nur Einzelnes besonders her-
vorzuheben und uns auf einige nähere Angaben beschränken.
Von der oben schon gerühmten Gründlichkeit und dem uner«
müdeten Fleisse des Herrn Verfassers bei der Ausarbeitung geben
die den Hauptabschnitten beigefügten literarischen Nachweisungen und
aus Acten und Urkunden entnommene nähere Ausführungen die
sprechendsten Beweise. Beigefügt ist (S. 395—400) ein Register,
welches jedoch mehr auf Sachen, als auf Personen sich ausdehnt.
Wir schüessen die Anzeige dieser für die Geschichte des deut-
schen Universitätswesens wichtigen und verdienstvollen Schrift, bei wel-
cher auch die äussere Ausstattung zu loben ist, mit dem Wunsche,
dass es dem würdigen Herrn Verfasser möglich werde, den zweiten
Band dieses Werkes, welcher die Geschichte des kirchlichen Lebens
umfassen wird, recht bald folgen zu lassen. HaiitB.
Philofopben und Philologen Pithopöus, Witekind, Jangnits, Sinon
Steniufl (Stein), Piscator u. A., welche darch Lehre nnd Schrift den
Glans der neoen Anstalt verbreiteten, einen grofsen Ruf und wurde tahlreich
befucht. In diesem Hfrossartigen Umfange bestand das Casimirianum jedoch
nur bis su dem am 12. October 1583 erfolgten Tode des Kurfürsten Ludwig VL
Sobald Johann Casimir die Verwaltunif der Kur übernommen hatte, sog
er die Professoren wieder an die Unirersitttt Heidelberg und wies sie in ihre
frftheren Stellen ein. Nur Ursinus war am 6. Man 1583 im 49. Jahre sei-
nes Lebens gestorben und wurde in dem Chore der Stiftskirche in Neustadt
beigesetst. Das Casimirianum wurde nun in ein Pädagogium umgewindell,
dessen erster Rector Johann Nebeltau gewesen. Jetst besteht die Anttall
noch als eine Lateinische Schule.
8) Von diesen Streitigkeiten heben wir beispielsweise nur hervor, was
der Herr Verfasser (S. 134j über Thummius und Oslander anfahrt: „Voa
ihnen war jene subtile Christologie über die nsvacig Christi ausgebildet wor-
den, welche, um die Lehre der Hittheilung der gottlichen Natur Christi an die
menschliche in der vollen Consequenz durchauführen , davor nicht aurttck-
schreckte, von der verkifirten Menschheit Christi tu lehren, dass, vermöge
ihrer Theilnahme an der göttlichen Allgegenwart, sie nach „„im Sglhooite
aller Jongfraaen, j« in den Cadavem gegenwärtig lei.^^ ^
».i. HEIDELBERGER ISSt.
JiHBBOCHBR DBB LITIBATDB.
Die VneU der Erde, Ein Gedichl 9on Frant von Kohell 92 8. Mimd^em.
Lilerwrisek-arüsiische Ansiali. 1856.
Der rAhnüicbsl bewahrte Faehmann im Gebiete naturkundiffeii WisfeM
l6«ste lingst aacb als Sänger den Meisterbrief. Die VeranlassiiDg aar will-
kooimeneD Gabe, welche uns jetzt gereicht wird, ein geologisches Gedicht,
iit IBS den Einleitangs-lYorten in ersehen. Hier wird unter andern gesagt:
So kam es einst da ich gepflegt der Jagd
Im gemsereicben Berchtesgadner-Land,
Ich dachte triumend der Vergangenheit,
Wie sie geschrieben an der Felsenwand.
Und in die graae Zeit sah ich lurQck
Und das Bekannte meinem Blick Terging,
Verftudemd Alles fremd und wunderbar
Ein sauberisch' Bewegen mich umfing.
Und Bild auf Bild erschien die Erde mir
In ihrer Wandlung rftthselhaftem Gang,
Ihr grosses Leben spiegelte sich d'rinn,
Und was ich schaute kande mein Gesang,
Inaelseit — so nennt der Verfasser jene Epoche, welche begann, nach-
dem die AbknUnng der, im feuerigen Schmeliflusse befindlichen, Erde so Tor-
gesckritten war, dass ein feste Rinde gebildet worden und das Wasser in fltts-
nger Gestalt eracheinen konnte — Berg^Hebungen, Hochland und ZeratOmn-
ffen, Zeit der Riesenthiere und die Eisieit werden in f&nf Gesingen ge-
lehildert, ein sechster macht den Schluss, Blicke in die Zukunft bietend.
Wir gestatten uns einige Hittheilungen und wtthlen Stellen ans dem fftnf-
tea Gesang, wo die Rede davon ist, dass Gletscher früherer Zeiten, theils
pm Terschwnnden , theils auf yerhfiltnissmfissig kleinen Regionen, in errati*
•eben oder VITanderblOcken die Zeugen ihres einstigen Daseins erhielten. Hier
Verborgen oft ist jenes stille Thon,
Womit erfüllt das Wesen der Natur
Und manch' Geheimniss schliesst sie sorglich ein
Und führt an seinem Rttthsel keine Spur.
Doch gingen grosse Tage ttber sie,
Nicht trügend soIFs entsogen sein dem Blick,
Sie bietet ohne Hehl was daran mahnt
Und ofiTenbart ihr vielbewegt, Geschick.
Bei LUtsen, wo der SchwedenkOnig fiel.
Da liegt im Feld ein Block von Urgestein,
Ein Fremdling in der Gegend ruht er dort.
Von welchem Land mag er gekommen sein?
L Jahrg. 1. Heft.
(Tfr tfMh IKo tlisdl dn firde.
B» weken seine Zeiehea nadi dem Nord
Za SkandioaTienf Gebirg hinenf,
Ton «einen Kuppen trag die Eisfluth ihn
Und feine Stelle deatel ibren LanC
An PreiMsenf Kttste, an dem ir'scben Strand
Dieselben Zengenv magst da rings erseb'n,
Und an der Alpen Saom sind sie gehäuft
Und nnr wie durch ein Wunder scheint's gescheh'n.
Ea ist alff ob Cyktopen da geweilt
Und der Titanen riesiges Geschlecht,
Als an die Himmelsthore sie gestürmt
Im Wahne trotzend auf der Stfirke Recht
Nodk gttrten sich die GleUcher an dem Gnmd
Hit Blocken von der Gipfel Felsenkamm,
Sie gleiten wandernd nach der Tiefe hin
Und bilden dort den weitgezog'nen Damm.
Die Gttrtel solcher Steilie die dereinst
Dae Heer der alten Eisesberge trug,
Nun roh'tt im Komland sie, auf grüner Fhir
Und ferne blaut ihr heimischer Hohensug.
Denkstefne siad's vom langen grossen Kampf,
Da mit dem Chaos noch die Erde rang.
Da nur das wilde Thier auf ihr gehaust
Und noch kein Lied von Hensehenstimme klang.
Denksteine sind's raglefch des Uebernngs,
Da mttobtig sich da« Leben nen erbob
Und seinen Feind besiegend hehr und reich
In das Geschaffne seine Wunder wob.
Am Schluss des letzten Gesanges wird gesagt:
Noch tragt sich die Kunde vernichtender Flutfa
In der Volker heiligen Sagen^
Noch siehst du die ScUttnde vnlkanifchen Herds
In rauchenden Kratern ragen.
Dem Wechsel gehört das Geschaffene an,
Im Kleinen mag Jeder ihn schauen,
Im Grossen aber verbirgt ihn die Zeit,
Wenn d'rflber Jahrtausende grauen.
Und tsm im Sturme ein knospender Baum,
Wohl an den zerschmetterten Zweigen
Noch scMiessen liebliche BfQthen sich auf
Da der Stamm schon dem Tode zn eigen.
So ist das Blühende nm dich her
Nicht Borge gesicherten Lebens,
Zu finden aber der Grenze Hark
Ist alles Hohen vergebens. — ^
Wir iweiffllB niefat, dass Kebeirt Dichtnsg eines grossen Leser^Kreli«
Back: PUkMpUioka
werde; xnm YenUadelM flir fol^e, die mü Aeoriee« nd Hy*
ptAMCB der Geolegea wevifer Tertniel, iM iweckjiwliie
AÜMopliseAc F^ropädaUiL £k Leüfadm fu Varlragm an hOunm LdfMtUkAm.
Fm Dr. Jot, Beck. I. Emi>irudke Pt^hobgU ««d LugOt. P^f Airti^
Smhau Auflage. Snoigari. Verlag der J. B. MäOm^v^kt» BiaMtmikmg.
isse.
Unter dem betondeni Titel:
Gnmdriti der EmptrUehen Ftgekoiogu uad Logik Fo» tr. JoL Beel^ UrMt*
kerwoglkk Baduekim Gduimtn BofraAe. FünfU dHn%Mdl«M Äufage. Btalh
gart Vertag der J. B. MetOm^eeken BuMandkmg. 1856. ZVIilMIB. 8.
Die Torliegende ifedrfiBgte DarsteHmig^ der empiriiehett P #7 ekele*
fieved der reinen Leg^ik bat, wie der Berr terftf fer In der Venedeftl
lieii •ufprickl, snnldift die Bestimmmif n einem Leifftden kel VeiMfen tfMr
jeaeDoctrinen TOT Solchen, die in das Sindlnm der Pkllofopkle, nnd
fODit in daa wiaaenackaftlicke Denken dr^erkiupl, einc«MM
werden aofflen, n dienen. Ea aeUieaat aicb deaabalb nteb Fentf nnd Inbell
4er beliebenden Einriebtattf der meialen boberen Lebrinateltett tn, nteb
welcher mit Payebologie nnd Logik der Anfittf gemacbt tttt^ flelehaMi
der Beden bereitet wird, anf welebem welter fortanbanen lat
Die Banptanfgabe, welebe aleb der Herr Terfaaaer aetate, wnr: aeieb
eine Ana wähl dea reiebhaltifen Sloffea an treffen, nnd dieaen ntcb denje*-
«fea Geaichtapnnkten berroranheben , welche dem anm Denken er*
wachenden Jttn^inge am niebaten Hefen; aedann dnreb Anordnung ewd
Diratellnag jenea erwachende Bederfniaa an elaem ayatemaliaebeii,
d. l zu einem mit atrenger Gonaeqnena Ton Stnfe an Stttfe t&tP*
•cbreitenden Denken, woyea die Matbemalik ung ein ao ieatnietiTea
Bild fibi, au erbeben nnd an biMen« Dabei bei deraelbe die Eanptf ebre«fceu
■neber Lehrbttcber dieaer An vermieden, welche eineraeiti an vie-l enl*
kalten nnd sa viel erkUren, ao daaa dem Lehrer wenig n tfam ttMg
Ueftt, nnd nndereneito atati den BcbfUer aum Selbatdeekett ioadeiten,
fta hat mr vom Lernen einladen.
Einen weiteren Vorang dieaea Lehrbncbea teden wir beaendenr In der
Utren, dentlicben nnd dabei priciaen Daratellungaweiae dea Herrn Verfaaaera.
Sie kill aicb fem von manchen pbiloaopohiachen Schriften unaerer TagOi von
weldian der vwrdiente Dr. Sebeidler aegt, dM» aie nw«r atten^ typegii'
ikkäma Anaebeine naefa in deniacher Sprache feachaiebett aeien, von denen
■an aber aelten gainae Sdlae veralebe, wenn mM niebt in dieaea RdlhiWilacb
(wie Leibnits aokbe Fartiettlar-Terminologlen ne*nt) elngeweibl acL DfliaiMi
wir nan soch Etwaa hb AUgemeHaan ttber dieaea Lebrbneb belAlgmt» ae bat aicb
^ Herr Terfaaaer bemttht (wie er aelbst in der Vorrede S. VHI und IX aagt). In
B, bkiaiebiReh anf Inhalt^ umfang und Daralellung de» Pardwnngen
if welehe Conain an den pbiloaepbiacben VnterrlobI m 0e*
DIeaer befOhmlo FbUoaoph wid Stantameni apiiebl aldi
68 Beck: HiB(orildi-(teoirrtphiicher Atlts fttr Schule und Haiu.
aber folgender GesUlt aus: „der philoiophiiche Unterricht der CoIIepen (Ly- |
ceen) iit um so beaier, je mehr davon die rein wissenschafilichen Fragea ;
fern gehalten werden, welche in den höheren Unterricht oder in academifdie
Untersuchungen gehören. Er muss gründlich, aber eingeschrinkt,
methodisch und gedrttngt sein, fest und streng in Beaug auf
die Grundprinzipien, nüchtern in Entwickelungen, geizend
mit allen Untersuchen der Neugierde."
Was nun den eigentlichen Inhalt der vorliegenden Schrift im Einseinen
betrifft, so handelt derselbe im ersten Theile von der empirischen
Psychologie und swar in der ersten Abtheilung vom Seelenleben im
Allgemeinen; in der iweiten Abtheilung von den besonderen Aeusseron-
gen des Seelenlebens (Erkenntnissvermögen, GelQblsverroögen, Begehrungsver-
mögen}; in der dritten Abtheilung von den Zustanden des Seelenlebens
wtthrend seines Verlaufes (Lebensalter, Zustande des Wachens und des Schla-
fens, besondere Bestimmtheiten, Seelenkrankheiten). Der zweite Theil
umfaist die Logik und gibt in dem ersten Hauptabschnitte die Grund-
gesetze des Denkens, die Lehre vom Begriffe, von dem Urtheile und von dem
Schlüsse. Im zweiten Hauptabschnitte wird die Methodenlehre
(Definition, Division, Argumentation) mitgetheilt.
Dass der Herr Verfasser die Aufgabe, welche er sich gestellt, in Beziebang
auf Stoff und Form mit dem besten Erfolge gelöst, haben wir nicht nOthig
noch besonders hervorzuheben. Dieses beweisen die in einem Zeiträume von
kaum 10 Jahren nöthig gewordenen 5 Auflagen, bei welchen der Herr Ver-
fasser jedoch der Versuchung glücklich entgangen ist, durch Hinzufügen zu
vermehren statt zu bessern. Aber nicht allein im Inlande hat dieses Unter-
richtsbuch die ihm gebührende Anerkennung gefunden, sondern auch ihm Aus-
lande. Im vorigen Jahre wurde es in das Ungariiche übersetzt (Peath bei
Heckenast), und eben jetzt wird in London eine englische Uebersetzung des-
selben vorbereitet.
Noch glauben wir anfuhren zu müssen, dass der Herr Verfasser dem
vielfach ihm ausgedrückten Wunsche, diesem Grundrisse ein erläuterndes
Handbuch zur Seite zu geben, zu entsprechen gedenkt nnd wir wünschen
nnr, dass dieses recht bald geschehen möge.
Papier und Druck der Schrift sind gut und letzterer besonders correct,
was vorzüglich bei einem Buche, das in die Hand der Schüler kommt, beach-
tenswerthe Anerkennung verdient.
Hiilariich^geoffraphiu^r AtUu für Schde fmd Haus in fünf und mänsiag coh^
ririm Karlen von Dr. Joseph Beck. Zweüe AhAeUung, Das MiUeUdttr.
Freiburg im Breisgau. Herder^sche Veriagshandiung. i856.
Ui$l9riick''geograpki$cher Alku für Schule und Haue in fünf und awamig colö-
ririm Karim. Von dmsdben. Dritte Abtheilung. Die neue Zeit. Ebendoidbst.
Die\tT»ie Abtheilung dieses'i Werkes haben wir bereits in diesen
Buttern Qahrgang 1866, Nr. 20. S. 319 und 320) angezeigt und lassen der-
aelben nun eine Besprechung der zweiten und dritten Abtheilung fol-
Beck: Hutorifok-feofrnpbiiciier Atlas Ar 8eMe vmi Hanf. M
|B, irelefce beide tob der thitlfen Terlafthasdlaiig ui der mHgUcbtl kursea
&il bcforgt vad 00 ebea «nifegeben worden sind.
Dieiweite Abtheiloiif, weldie das Mittelalter vmfiiaft, beatebt
ml lad die dritte Abtheil uny, welche die neue Ze^t daratellt, aia
8 Eiftea. Wie in der eriien Abtheilunf, so haben auch die Karten der hier
TiriiefeDden iweilen and dritten Abtheilung 12Vs Zoll Breite vnd eine Hob«
Too 1 Schah.
Bei der Bearbeitung des vorliegenden Werkes ginf , wie bei der eralen
Abtheihmg, das Hanptbestreben des Herrn Verfassers dahin, die Torsllglieh-
ites lonente der historischen [Entwickelung und UmgestaHang der StaatOB
iD eiiem geographischen Gesammtbilde sn ▼eranschsulicben , nm den orga-
lisehen Zusammenhang 1 wischen Geschichte und Geographie henrorra"
Ittbea nad som Bewnsstsein sn bringen. Am meisten konnte dieses, nach
den Bsome, welchen der Herr Verfasser sich gesteckt hatte, in Besng auf
<leiyche Geschichte nnd ihren Schauplats erreicht werden, was am deutlich-
lies SOS den betreffenden Karten von der Theilung des Karolingischen Reiches
kif tnf dea Lttneriller Frieden ersichtlieb ist.
Die zweite Abtbeilung, welche das Hittelalter bis nu Anfang
ki 16. Jahrhunderts enthalt, besteht aus folgenden Karlen: Staaten und Reiche
üeh der Völkerwanderung nm 400—500; Kaiserreich KarFs des Groaaen. Reiche
kt Ktroiinger nach den Theiiongen ku Verdun 843 und au Morsen 870; Christ-
liche and Hahamedanische Staaten im Anfange des 9. Jahrhunderts ; Ueber-
acbtikarta snr Zeit der KreutzUge; DeuUchlsnd nach aeinen HersogthQmem
nad grosseren Reichsgebieten unter den sicbsischen , frtnkiscbea nnd erstaa
•ehwihischen Kaisem bis 1156 und 1180; Deotachland und das denische Kai-
serreich in der letzten Periode des Mittalalters vom Ende der bobenstaafisehen
2eit bis zum 15. Jahrhundert; Deutschland nach seinem Territoriaibestand bei»
AstgiBge des Mittelalters und im Anfange der aeneren Geschichto nebst Aa-
fabe der Kreiseintheilong von 1512.
Die dritte Abtheilung, welche die neue Zeit umfasst, gibt folgende
Ksrten: Europa und Vorderasien: Uebersichtakarte cur Geschichte der eoro-
jMiifchen Staaten im 16. Jahrhundert; Europa: Uebersichtakarte zur Geschichte
4er europäischen Staaten im 17. Jahrhundert; Europa: Uebersiehtakarte aar
Getchicbta der europaischen Staatan im 18. Jahrhundert bis auf die fraasOsi-
Khe Revolution ; Frankreich nach seiner historischen Eintheilung in Provia-
len and Landschaften vor 1789, nebst Angabe der seit 1552 fainsngekomme-
aeii Lindem; Deutschland nach seinem Territorialbestand vor der AnilOsaa|r
des Reiches in Folge des Lttneviller Friedens 1801, aebst Aagabe der seit
ISOO vom Reiche abgetrenntan Länder; Europa: Uebersichtakarte zur Ge-
sebichta der enropSischen Staaten im Zeitaltar der franzosischen Revolution
1789—1814; Buropa seit 1830, historisch-statistische Uebersichtakarta des jetai-
(ten eoropiiscben Staatensystams ; Deutachland der Gegenwart zur blstorisch-
•tatislisehen Uebersicht der deutachen Bundesstaaten.
Aas dem angegebenen reichen Inhalta dieser beiden Abtheilnagea -* ia
Beziehung auf die erste, in ihrer Art eben so reichhaltigen, Abtheilung verwelsea
wir auf oasere frühere Anzeige derselben in diesen Blattern «^ geht leicbl
l^rvor, daif dieses VfTerk eben sowohl für die Sohide, aU auch fUr gebildeto
M Popp^s fh^tf ^i4k de belk PelopoimoftiM« UM ooto.
FiHMiie 4wr ChMcliMito beiluml mui feeiffMt iit. FreJlkh UH nr aMima
WttrdigaBff deiaelben noch ein w<?>e»llidbei MoneBt» nimlick der hiftoiijehe
Teai flpd wir k4lnBeii wir den frllher MboB awtfefprocheaen Wuiitch wieder-
kolei^ d«i# m 41m Herrn Verfafser gefallen mOge» dieaen von ilun in Aot«
aifliil gßßMtm Ten reelit bald folgen an laaaen. Doch auch jeut schon heU«
iOB wk den vorliagendeo Atlas willkonunen, welcher, bei seinen inneren
Vorsttgen, jedenfalls du woUfeilsKe Werk dieser Art ist, da dasselbe im
Ganaan aar 3 & 90 kr» kostet and so die eiaselaen Karten, welche anch be-
aaadara aa Mrnlea abgegeben werden sollen, nur auf den höchst billigen
Frais voa je ••^9 kr* an stehen koaunen.
An daa Kartea der sweiten and dritten Abtheilang ist, was wir aach
sahon in Beviehang auf die der ersten Abtheilang ausgesprochen haben, Cor-
laitbeit and Dealliebkeit des Stichs, so wie Sauberkeit des Druckes au loben.
Tbacydtdts de hdio PelopoimitUico UM aefs. Ad oplimanmi fiimn adüas «e-
piawaail Ernesiu» Frid^rieu» Poppo. Vol, IV, SeeL HL tÄpnae^
mmp^m tiiypU B. 0. Tsnftasri. MDCCCLVI. VU! aad 138 S. in gr- &
Dos Ganae aaeh aater dem besondem Titel:
0a Ibtslarla f baeydidsa CemmcnfaKo. Äecedii ind$» ktsfarjciis sl ge^
grofkiem. BüdU flrnsifas Frtdsrtcas Poppo aus.
Das Bnaheinon dieses Bündchens bildet eigentlich den Schlass der achoa
Mker iaaerfaalb der Jahre 1843 bis 1851 in aaderen Verlag erschleaeaen
kleinaren Anagabe dea Thacjdides, derea Verhiltaiss sa der grösseren^ ihr vor-
aaagegaageaea, in diesen Blitlera mehrfach bei der Anseige der einselnea
Theilo aar Spraeha gekoaunaa ist. Noch fehlte aber aar YoIlstAadigkeit des
Gaasen diejenige Einleitung, die alle die allgeaMinen, den Autor and sein
Werk betrelandea Gegenstande erörtert und so erst daa Yerat&ndniss dea Eia-
aataea adbsl in gehöriger Weise anbahnt « dadarch aber allein an einer rich-
tigen AaOiuaaBg aad Wttrdignag des Autors wie seines Werkes lu fakren
Tonnag. Aa der Bereitwilligkeil des Heransgebers, diese Vervollständigung
dem sekOnen Werke m geben, fehlte es auch nicht, wohl aber an der der
Vorleger, deren VeraOgerang den Heraaageber suJetat nothigte, sich aach einem
andern Verleger anuasehen, den er auch bald in einen Manne fand, dessen
Ganaigtfceit, alch anok hier, wie in Allem, was dieser fftr die Forderung der
\ Stndlen so anenaadliok thitige, su jedem Opfer bereitwillige Verle-
I« ia dem schönsten Lichte bewOhrt hat. Oran eine so grOnd-
lieka aad gediegeae Leistaag, wie sie ans hier vorliegt, anm Druck ge-
braahl mi habOBt wird dem Verleger selbst nur Ehre bringen können.
Belnehtea wir also das Gaase als die aothige Bialeitnng, als die noth-
wendlgen Prolegomenen an der kleinen Ausgabe selbst, so ist au bemoAeo,
4aaa atta die daa Leben dea Thucydides betreffenden Punkte hier ans dem
■ataslieke« Grande anbertArl geblidien sind, weil diess schon im ersten Bande,
bei dam Abdiaek det anf aas gekommeaea Beate des Alterthums aber diesen
GefaBMand» dea aofaaaaaten fii^ Mti^XUvov fceehaliaa wwi ab^ 90 war
Fippos IkuffiUk «• btito PblepooMikkM fUnri mMW ft
VonddttiM afler MtiiehMi flOflnÜWI, 4m
des Thneydite f elieftn wenlm, m datf diai« rtii Htortta^
UtloriMlie TMI elfter Sinleitnif Mr ttglkii wtffcUM ImmMu fl« kil m
m «eie SideilM« iMvpifMfiidb mH i%m Waifce mUmI» «fiMnr
ad BüdoBf , Miaer Faafug wid MiMm Cktrakür n thim, imd wvil
die Spnehe umI der Anednidi iimif «MtaioieBhiiiffl, io In Mdee ifleieliralle
eieer ffeaaaen UalerBoekuBf uterwerfeD wetdeo, ned eoeh in dfoeer Hiaeiete
fliee Cktfeklerinili dee Tlieesrdideifohea Werket fefeben , die wie de« w
wMelberetea Sutdiem dee Werkee herrergevaateD uad aaf dleeie eiek ia AUeai
MlMd, eaf Treoe lud Wehrkeit nMkr fefraadelea Anepraek lieti «b »eaeke
MsböB ledaerieeke Phraeea, ia deaea aen eich keaügea Tage oft eo ftra f»*
Mit , lUB daeiit dea Mangel eigener , and freilick aMIkevoUer filadiea s« var*
deckea. Wae ona kier gabeln wird, kommt aae der Haad eiaea Geleknea,
weleker dem ScbriftilelJer , ttker dea er sieh eaelieet, eeia ganaee Labea ge*
wiAaet kal: Allee Irlgt dee Geprige der Gediegetfkeil aad der Sfekerkeil»
iit aae eelket da niekt Terlieet, wo eatgegeaelekende Aaeieklen» rnid »war
ml aHar UapartkeUickkeit und okae alle andere, elf die Ikateteklieke Pale-
aik roigeCraf ea werden. Endliek gleuke man aiokt, bier etwa ekeea kleeeea
AuNg aae dem la finden, wae tob dem Verfaeaer in dea emea Bkadea eef«
ler groeeeren Anagabe in nmfaagreicker Weiee über eeleke Gageaeliade er*
Arten wardca iet, die enek den lakaH der TorliegendeA Sckrfft ktfdea: im
(rtfealkeil ee iet eiae neae Anearbeitttag, die allerdinge dlqenigaa Brfebnieea
ia nek anfgeaeamiea kat and in aller BQndigkeit torlegt, wekhe darek die
Merea üaleraaekangen gewonaea waren; aber ee ihmI bier aack eile die«
JMlgea ScJbriftea berftckeiektigt, welche eeit dem Ereckeiaen der eulan Binde
ki grfteeereii Auegabe — aad ikre Zahl iel niekl gering — ttker eikmalne det
har in Frage etekenden Paukte ereckieaea eiad. Dieee gilt e. B« gleiek Ten
dea entn Abeobniit, der tob der Aalege nad dem Platte dee Werkee ba»>
idt, mit Berttckeichtigang der von Ullrich eusgeeprockenen Aaeiektea, gegaa
wdebe ^Mug9 Bedeakea und Zweifel aiekt uaterdrflekt efod. Die ttbrigitt
AhHHttf^ der ersten Abtbeilung (De hieloriae Thttcjrdideae eompoeilioaa)
gehea weiter in dea gaaaen Bau dee Werkee ein, in die Wahl and Behamd-:
kag dee BtalTe and die dabei leiteadea Priaeipien, eie Yeriweilea eiek daMi
Her die Beheaptnog dee Aatore» die Wakeheit an sagen, eber anek eie eege«
n wellea; wekei dean anek die Frage aaok der religiOfen Ueketaeagaag
kt Ikaeydidea beapreebea wird. Zu eiaer weiteren BrOrlenmg fekea die
ia 4mi Werke dee Thneydidee eaerst (weaigeUae in der Weiee, wie ee bim
gemUehe), eiücefioebteaen Reden der kaadehidea Pereonen Veranlaeenagi ee
«ifd die Fittge ron einem aUgemeinen Staadpunkl aoe bekeadelt, ee deae
ihm Beaatw«r«BBg aueb von Belang fttr aadere Schrifteteller iel, die aeek difr-
imi VergBBffe in khalicber Weiee den kandelndea Fereeaea «elcke Aedea i»
4mlmid «elegt keken; daee bei Tbaoydidee demit der b^toriecben Trena
liqeBde Eintrag feeokekea, wird adker «aehgewieeea. Wie ttbrifeae Tkuey^
dikt iiek atreng iaaerbalb der van ibm geetelltea Aufgebe gekallen, ohne Im
wiitae DigraeeioaieB eiek einaalaeeen oder aul der aadera Beile die, «ae aar
Umag diaaer Aa%abe irgendwie notkwendig erechien, m übergek^Pi wifd
«ciMr Im 9iDfm ti§fmn Ahfchaitte tm^igh wAkrend d^ (elgend« dio ehre«
72 Poppo: ThncydidiJ de bello Peloponnefiaco libri octo.
nolofiiclie Behandfainif des StolTs nach Sommer und Winter erttrtert. Bei
der Frti^e nach der hiitorischen Kunst des Thaeydides in der Behandlanf dei
Stoff*« kommt udi die Anflicht snr Erörtemnif, welche in dem Werke, wie
ee nni jetst Yorliegt, den Gan^ einer in fUnf Akten abgeflchloftenen Tragödie
in erkennen flanbt; daas lie dem Verfasser (and aus g^tem Grunde) unhalt-
bar erscheint, brauchen wir wohl kaum besonders so versichern. Wir ttber-
fehen Anderes, was in dieser ersten Abtheilung weiter bemerkt ist, um über
die andere Abtheiinng, die es znnichst mit der Form des auf uns (gekomme-
nen Werkes, mit Sprache, Ausdruck und Darstellunip zu thun hat, noch Einig^es
KU bemerken (De eloontione Thucydidis S. 53 ff.)* Hier ist Alles, was auf die
Redeweise des Thncydides und die £i|fenthQmlichkeiteu seiner Sprache, im
Unterschied yon andern Schriftstellern, Bezug hat, auf das Gründlichste behan-
delt; die Darstellung im Ganzen, wie sie sich im Bau der Rede kund gibt,
so wie der Ausdruck im Einzelnen, in dem eigenthOmlichen Gebrauch einzel-
ner Worte, ist hier in einer guten und 1Ü>ersichtlichen Weise dargelegt. Znerst
wird der Attische Dialekt des Thncydides besprochen, der, wiewohl er einige
Eigenthttmlichkeiten oder Abweichungen, wenn man es so nennen will, von
der Redeweise anderer Attischen Schriftsteller bietet, doch im Ganzen davon
nicht Yerschieden ist, wie diess hier aus den einzelnen von ihm angewende-
ten Formen, welche gut zusammengestellt sind, ersichtlich wird. Was sieb
von Formen des Jonischen oder Dorischen Dialektes vorfindet, ist weder be-
triditlich, noch fehlt es in den meisten Fallen an einem genügenden Grunde
der Anwendung solcher Formen: Einiges ist selbst verdachtig (S. 62 ff.).
Dann wird weiter gezeigt, wie es, namentlich bei den Reden mit der soge-
nannten Dunkelheit des Thncydides, der wohl kaum dieses Pridikat verdient,
sich verhilt, da gerade Thncydides aufs sorgfältigste in der Anwendung der
einzelnen, zumal der scheinbar gleichbedeutenden AusdrQcke unterscheidet. Aber
allerdings erfordert dieser Schriftsteller eine grossere Htthe und ein sorgfälti-
geres, eindringliches Studium, wenn man ihn gehörig verstehen und nach
allen Seiten hin richtig auffassen will. Darum unterschreiben wir auch gans
die Worte des Verfassers S. 58; „ — parte aliqna cum hoc scriptore familis-
ritate tenebrae eatenus certe dispelluntur , ut, si locos obscuriores diligentiui
eonsideraveris, sententias plurimorum certo perspicias. Meditatione tamen ali-
qna in multis orationum partibos, quotiescumque interjecto aliquo tempore ad
eas revertare, opus erit. Neque ideo reprehendendus est hie scriptor, qui non
temporibns snccisivls animos legentium relazare atque ezhilarare, sed a viris
pmdentibns, qui utilitatem ex historiae leetione percepturi essent, scripta sua
▼ersari Toluit.^ Eben so wird weiter gezeigt, wie der Vorwurf einer Ver-
mischung der poetischen und prosaischen Redeweise bei Thncydides, wenn
man näher prttft und nach den angeblichen Beweisen sich umsteht, unbegrttn-
det iit. Der Verfasser hat sich die Htthe genommen, die einzelnen Belege,
welche für eine solche Vermischung angeführt werden, näher durchzugehen und
damit die Grundlosigkeit des Vorwurfs überhaupt darzuthun. Wir übergehen
Dujenif e, was auf die Darstellung des Thncydides Bezug hat, weil wir glau-
ben, dus Jeder, der mit diesem SchrifUteller sich ernstlich beschäftigt, dieser
ganien Erörterung seine volle und ungetheilte Aufmerksamk«t zuzuwenden
bat. Die klare, acht römische Sprache des VerfaMors wird auch jiUigern Le-
Btaberferi Opuf cnlt Philolofiea etc. 79
fem redrt nOfsKdi aein können. Von S. 107^198 folgt ek gnter Met
et geograpbieof.
F, Bamhergeri Ojnueula PkUologica tnaximam partem ÄBtchyha eotlegii F,
G. Sehntidetcin. Praemisia est Memoria F. Bamhergeri a. Cr. T. yi,
Kmegero conscripta. Liptiae. SumpHhus ei typis B, Q. Teidmeri, MDCCCLVL
XXXV W und 269 S. in gr, 8.
Diese Simmlang sehliesat sieb an die fthnlicbe der kleinern Anfaltae nnd
Abhandhngen Strnre'a an, der in diesen BIfittern bereits gedacht worden iat
(Jakrg. 1855. p. 155 ff.), sie ist in derselben Officin erschienen nnd xeichnel
nch darcfa eine ▼onnglicbe fiussere Ausstattung gleichfalls aus; sie wird aber
lach von Seiten des Inhalts des hier Zusammengestellten eine gleiche BerUck-«
siehtigong yerdienen, da die in dieser Sammlung befindlichen, kleineren Schrif*
tci, meist GelegeDheitssehriflen , die nicht in alle Kreise der gelehrten Welt
driagen, werthyolle BeitrSge zur Kritik wie snr Erklärung alter Schriftdenk-
■ale enthalten nnd dem frtthe verstorbenen Verfasser ein bleibendes Anden-
keo auch bei der Nachwelt sichern. Vorausgestellt sind in deutscher Sprache
,JBriiineningen an Ferdinand Bamberger. An Herrn Director Ahrens su Han-
Bover* von dem Director G. T. A. KrUger, dessen „Worte der Erinnerung an
den 17. Julius 1855 zu Carlsbad verstorbenen Oberlehrer Dr. Ferdinand Barn-
^'^C'*' gesprochen in der Versammlung der Lehrer und Schüler des Braun*
Khweiger Gymnastums, an welchem der Verstorbene gewirkt hatte, am 30. Juli
1855, den schönen Schluss jener Erinnerungen bilden, welche einen Abriss
des Lebens und Wirkens des Hingeschiedenen zu geben bestimmt sind (S. I.
xxxvm.).
Die erste Stelle in vorliegender Sammlung nimmt, wie billig, die im Jahr
1832 geschriebene Inauguraldissertation: ^De carminibus Aeschyleis a parii-
bu chori cantatis" ein (S. 1—37); dann folgt die in dem Programm des
BraoDschweiger Gymnasiums von 1835 enthaltene Abhandlung: „De Aeschylt
Apmemnone^ O^i' S. 58), so wie: „In locos aliquot Aeschyli Choephorarum^
nt der Zeitochrift f. Alterth. 1836. Nr. 70; daraus (1838. Nr. 131—133.)
{ieichfans entnommen ist der folgende Aufsatz: „In fragmenta aliquot poc-
firam comicömm*' (S. 66 ff.). In ein anderes Gebiet schlügt der nfichste, in
deatscher Sprache geschriebene Aufsatz ein (S. 82 ff.): „Ueber die Entotehung
des lytbns von Aeneas Ankunft in Latium^ (aus d. Rheinisch. Museum 1839.
^L p. 82 ff.); dann kommen S. 98 ff.: „Einige Verbessernngsvorschlftge zum
Chorgesange in Euripides Helen. V. 1124*' (aus d. Zeitschr. f. Alterth. 1839.
Kr. 45 ff.; eben daraus (1839. HO ff.): Conjectaneorum in Aeschyli Supplices
Pars prior S. 107 £ und Pars altera S. 113 ff. (eben daraus 1842. p. 693 ff.).
Daran scfaliesst sich ein bisher ungedruckter Aufsatz S. 135 ff.: „Ueber
G. BermaDn's Rec. der Ausgabe der Choephoren und der Bemerkungen za
den SappHces^ ; er ist gerichtet gegen den Tadel, welchen die bemerkte Ans-*
pbe des Verfassers von Seiten G. Hermann's in den Wiener Jahrbb. 1843.
P* 162 ff. erfahren hatte und sucht die Einwürfe G. Hermann's im Einzelnen
u wideriegen. Aehnlicher Art ist der nAohste, ebenfalls bisher ungedruckto
94 Lehr« 3 Fopglllre AnbAtse aw tan AJtetIbam.
AoTmU & 14iir.: «üeber einiire SteÜM in Aftnbyli« Gk«e|riNreB*',
eine RecenBion Firnhaber'fl ^richtet und dessen enIfegefteheaA
bestreitend. Aus dem Braunschweiger Scbulprogrtmm des Jahrs 1841 wieder
abgedruckt folgen S. 148 ff.: „Coojectaneorum in poetas graecos capita dno",
von walchen das erste ebenfalls mit Aeschylus sich beschllltigt, dann S. 165 &
(ans d. Zeitschr. f. Alterthumswiss. 1841. Nr. 146): „lieber C. Fr. HecmanBi
Frefiess, Marburg. Disput, de Distributione personarnn inter histriones ia tni-
gOdiis Graecis. Marburg. 1840", worin der Verfasser einige Ton HermaBB ab-
weichende Ansichten nfiher lu begründen sucht. Die Abhandlung: „De inter-
regibns Ronanis" S. 174 ff. ist ans dem Braunsehweiger SchnlprograflUB des
Jahrs 1844 wiederholt. Die Übrigen Aufsitze sind ans dem Fhilologos wie-
der s^gedrnckt, und zwar 1. p. dl4: „Ueber Telephns und einige andere
personae Horatianae" (S. 187 ff.). „Ueber Horas. Ode HI, 3. S. 200 ff. C«»
Phil. U, p. 691 ff.). „Ueber die neuesten Aesdiylea S. 212 ff. (aus PfaiL II,
p. 306 ffl, eine Recension der Ausgaben der Enmeniden von Schomaan, der
Oresteia van Frana, des Agamemnon und der Choepheren ron Peile, der Ba*
menidea von Liawood und einiger kleineren Schriften enthaltend), und: ^Zor
Kritik und Srkllrung ven Aeschylus Agamemnon S. 239 ff. aus Philol. VII,
147 ff. Den SoUuss des Gänsen bildet der aus dem Rhein. Mos. K. F. p.5Mlt
hier S. 253 ff. wieder idigedrookte AufsaU: „lieber des Hesiodus Mythos ▼ob
den ilteatea Measehengeachleobtern*' und ein schönes griechisches Gedicht de«
Verfassers bei dem Waggange des Dr. H. W. J. Wolf nach Hamm. Ein Ver-
seiehoiss der kritisch oder exegetisch näher behandelten Stellen ist am finde
durch die Fttusoige des Herrn Direetors Krttger hinsugekommen, welcher die
durch den Tod Schneidewin's unterbrochene Ausfahrung des bereits begonaneoe«
Druckes besorgt und auch den 6ben erwAhntea Lebensabrisa des verstorbe-
nen Freundes beigefügt bat. Es kann nicht die Absicht dieser Anzeige sei!!,
auf eine Kritik dieser bereits früher bekannt gewordenen Aufsätze und Ab-
band Inngen einzugehen, wohl aber darauf aufmerksam zu machen, wie inabe-
sondere die Beiträge fttr Kritik und Erklärung des Aeschyhis auch nach Allesa
dem, was seitdem fttr diesen Dichter in beiderlei Beaiehung geleistet worden
ist, sumal in der hier gegebenen Zusammenstellung, ein dankbares Material
künftigen Bearbeitern Aeschyleischer Stücke bieten und alle Beachtung verdienenu
Fdpuläre Äufiäite aus dtn AUerAum, vonugmteue sur Ediik umd SUMgiim 4tt
Griedtm vom K, Lehr$^ Prvfuoor in KdmgAm^» Ltifug^ Druck und Vuf
lugum B, Q, TMner. 1856, YIU und 250 S. m fr. 8,
Der Veiüsser hat in dieser Schrift mehrere früher von ihm erschioBeii^,
nach Zeit und Oü zerstreute Aufsätze zu einem Ganzen vereinlgti aa 4ep|
such einige neue Abhandlnngea hinzugekommen sind. Die erste, sudi auf
dem Tit^ hervorgehobene Abtheüung trägt die Anfiichrift: „Ethik and R»*
ligion^ and enthält folgende Aufsätze: „Ueber die Darstellung der Heieaa im
den Schrütwerken der Griechen, mit Beaiehung auf Gothe's Helena"* S. 1—32,
ein bereite 1832 erschienener AufsaUi dann folgt ein anderer 1838 erschiene»
aers n Ventettoiff der GriechoB über den Neid der Gatter und die Ueber«
StoU: JbmOmk itar BcUfioB lad lljtii«l«gi« etc. n
S. d3ff., «it beMBtoer BerttckficAtifng der i» Homt's SckrillM
hmwlif n4aB Aotieliteii, and oline Bih«r«t Elnfeben ia die Herodoteifclie
iHiefcft oBd AafiiMfmifnreife. Dexa konmt &. SlfLi »Niiektnff. Die Periec
dcf Aeaebyivf. Bei Gelegeaheil der iweiten Anflehe von Droytea'« üeber«
des AescbTlnf 1843.'' Dann folgt & 71 ff. die 1B46 enchieaeBe Ab«
über die Hören, an welcbe drei neae Abhandlongen tick aareibent
£o Kympbea (Katar) & 89 ff.; Gott, Gotter nnd Dttnoaen S. 12101 Dinoa
nd Tycbe S. 151 ff. „und dadurch (schreibt der VerfaMCr) ist ei geicbebe%
daei die wicbtigstea Anacbanoagen und die eigentlichen Gmadbefriffe der
frieebiacbea Ethik und Aelifion in einer gewiaaen VoUitiadigkeit aar Spraebe
liMBaiea Mit Hobmt aad Hympben an beginnen nnd fortachreitend erat aa
itn bohea olympiacben Göttern aofzuateigen , halte ich ttbrigena in alleff
griecfaiacben Religionadantellang für die allein aweckmifaige Anordnung/ — *
Die B weite Abtbeilnng: ^Literatur nnd literariache ZuatAnde" enthllt awd
AnfaBtie : .Sceaen ana dem gelehrten Leben bei Griechen nnd Römern^ (S. 175 ff.)
aad .lieber Wahrheit und Dichtung in der griechischen Literatargeaehichte*
(8. 195 ff.). Ib dem erstea Anfaatae (der 1844 erschiea) werden besprochen
nabeaondere die Zuatlnde der Literatur au Rom unter Augnatus, die Vorle-
iaagea nnd dergleichen, ao wie die Prunkrednerei oder Sophiatik der Grie-
chen; der andere ana dem Jahre 1847 (im Rbeiniachea Mnaeum) hat die Mythe
TOB AriOB sam Gegenstände nnd sucht demselben einen etbiaehen Urapruag
hmI eiae ethiaehe Yeranlaesnag xuauweiaen, die in den Gedanken entbaltea
ist: die Dichter stehen im besondern und vorzngsweiaen Schntae der Götter.^
Ab drille Abtheilnng kann man den Anhang betrachten, welcher den 1842,
an BheiaiacheB Maaeum, wean wir nicht irren (denn der Verfaaser hat die
Angabe dea Orta nicht beigefttgt), xuerst abgedruckten Aufaata ttber die Ate
eatbill aad ilaraB knOpft: „ü. Richtige Benutzung einiger der Alteaten reli«
gidaea UrkuideB der Griechen" (S. 231 ff.)* & betrifft den Homerischen
HjBBBa aaf ApoUe, daa vielbesprochene Proömium der Heaiodeischen Theogo-
aie, aad Aikderea ana dea Gedichten dea Hesiodua. Die äoaaere Auaatattung
dea Ganaen iai ▼erattglicfa au nennen.
BtmämA der RdigUm und Mythologie der Griedten und Römer. Für Oymna^
nen eofi ffetfirtcb Wilhelm Sioll^ Omredor am GymMOtmm eu WeU"
hwrg. Mit sieOlf Tafeln Abbildungen. Dritte verbesserte und vermehrte Auf^
läge. Läpüg, Druck und Verlag von B. G. Teubner 1856. VII und BUS. in 8,
Ia iaI etne gewiaa recht erfrealiche Eracheinung, wenn Bttcber wie daa
voitiegeade, eiae immer grOaaere Verbreitung gewinnen und damit neue, ver-
nd beriebligte Auflagen berrorrafen. Die aweüe Auflage diesea
aad bereits in drei fremde Sprachen ttberaetaten Haadbuchea er-
1858. and ward nach Anlage und Auaftthrang ia diesen Jahrbttr
chem 1813. S. 306 ff. nAher besprochen. Die dritte nach wenigen Jahre«
faverdeie Auflage hat die Grundlage des Ganzen, dann die Ein-
aad Bebaadlong ana den frttheren Auflagen mit Recht beibe/halteD,
de geiaie d«te« wie überhaupt in der besonaeaeB, von allen Vermu^ihaBgea
mk fem hnHirftji und wr auf das TbaUAchiicbe ger iiditeteB Darstellang def
78 BrioicU: TlMoiie der Deltmimiiteii eto.
Tezteskriiik in eine für SdiOler bestimmte Aasgabe erflehiea nlebt ritbftob;
bei der Gestaltung des Textes selbst hielt sich der Verfasser bauftsiehlich an
die Bemer Handscbrifl, der aocb Zampt die erste Stelle zuweist (Beniensisc.):
in wiefern die Pariser Handschrift des sehnten Jahrhnnderls, von wefdier
Dttbner und Lefranc Gebrauch gemacht haben , darauf einen Einfnss Üben
kann, mag hier nnerOrtert bleiben. Auf die Angabe des Zosanraieahangs und
der Gedankenrerbindung, wie nnf die Erörterung der Satsrerbindungea und
der CoBstmktion Überhaupt, ist neben dem, was auf die eigentliche Worter-
kllrung sich besieht, eine besondere Rücksicht genommen worden. Mit der
typographischen Ausfühning hat man alle Ursache snfirieden sa sein.
Theorie der DeUrminimie» und ihre haupUächUchen ÄnMcendungen, Vom Dr, Fr,
Brioechi, ord. Prof. der ang, Math, a. d. ü. Paoia. Äut dem /ta/täni-
sc^ {AereeM, Mit einem Vontori wm Profeaor Schellbach. BerUny 1856.
Verldg von Dmicker und Bumbloi. (VU und 102 S. in 4.)
Seiner Schrift hat der Verfasser ein Motto Ton Sylvester au dem phi-
ksophical Magasine vorgesetzt, das in Kursem den Zweck der Theorie der
Determinanten auszudrucken bestimmt ist. Es lautet: „For what is the theory
of determinants? It is an algebra upon algebra; a caiculus whicb enables us to
combine and foretell the results of algebraical Operations, in the same way
as algebra itself eaables us to dispense wtth the Performance of the spedal
Operations of arithmetic." Man moss gestehen, dass diese Worte sehr deot-
Uch den Zweck, den man beim Gebrauche der Determinanten vor Angen hat,
ausdrucken. So wie die allgemeinen Zeichen der Algebra die arithmetischea
OperatioDes in der allgemeinsten Form darstellen und uns der wirklicheB
Recfanuog entheben, eben so enthebt ans die Theorie der Determinanten der
wirkliche« Ansftkhrung algebraischer Operationen und sie ist immer da nn-
nmginglich nothwe)ndig, wo wir die Untersnchung in völliger Allgemeia«
heil fuhren wollen.
Auf diese Theorie sind die Analysten wohl zuerst |durofa den bekannten
Cr am er 'sehen Lehrsatz Aber die allgemeine Anflöiung eines Systems von
n Gleichungen des ersten Grades mit n Unbekannten auibierksam gemacht
worden. Damach haben nimKch die Werthe dieser Unbekannten alle den*
seilen Nenner, der nach einer bestimmten Weise aus den n^ Grossen gd^ildet
wird, die als Coeflizienten der Unbekannten in dem Systeme vorkommen,
wfthrend die Zähler sich aus dem Nenner bilden lassen. Dass unser Buch
Bioht von diesem speziellen Falle ausgehen durfte, ist klar, und es wird da-
her die Determinante zunlchsl unabhingig von aller Anwendung definirt
Seien nlmÜcfa ai,i«ai,st ...« ai,B nGrOssen einer Reihe; at,i«ai,s'» ••« i«,i
n sofche einer zweiten Reihe; ..... endlich aii,i> aD,i> •** aB,B nGrOssen einer
tf^ Reiche, so ^rd die Determinante dieser n* Grossen in fUgender
Weise gebfldet: Man pemnittra die Elemente l,2,3,...,n in allen mOglidiett
Weisen, nnd setze dann jedes der Aggregate als erste Zeiger an a, während
ab aweite Zeiger die l,2,...,n in der Ordnang der Ziffern kommen, so bildea
diese Lj^d^B Aggregate, als Produkte aufgefasst, die Delenniiiaote, wen
Moidn: ne#rfo in DeMniiiiMai •!& 7«
jdei Ptodokt da« + oder — ZMhea hat, j« nachdem die Ziuammeiiiteaaiiff
der entei Zeiger darek eine gerade oder ungerade AbmM Verfetiangen je
iweier Elemente ana der ersten ZaaammensteUong.- 123.«n entatanden hL So
wire ibo ana den drei Reihen ai,i> ai^* ai,8; as,!« a%,r B%^t as,!* asisi a^ ^lo
DMenakantes ai,i bm 83,$ — i,t 834 n.» + «1,1 »t»t «i»! — «iii «fia «3,8
ir »Sil ^i)S >ti8 ^ *3ii Atti >i>s- Itt Betng anf die Zeichenreget kann man
Ihrigeiia aneh bemerken, data daa -|- Zeichen dann dem betreffenden Produkt
Targaaelal werde» mnas, wenn eine gerade Annahi heherer erster Zeiger vor
liederem aleht, das — Zeichen im andern Falle* Die Beseiehnmigsweise 4er
Determinanten ist verschieden ; am meisten gebrinehlich ist jetit die Ton den
aBflische» Mathowmiihem nnd mehieiB denlMhen angewendete^ womneh die
Determinante der obigen n' Grossen durch
ai,i aea •*•• tin
: :
(a)
dirf eatellt wird. Diese Beaiehnng ist swar t\kr Schrift nnd Dmck etwas weit-
llalg, sicher aber khrer, als jefc andere^ da sie eben dfo Slenente» die in
die DeCerminanfe eintreten, enthMl.
Von dieser Ollfem^io't^n) Deterraiaante , die wir durch P bezeichnen
wollen, werden nnn eine Reihe von Stttsen nachgewiesen oder wenigstens
•Df^eUhrt Znerst wird behanptet» es folge ans dem Bildongsgesetn der De-
tBrnüanie, dais man, statt die ersten Zeiger ni permntiren nnd dann die
iweilen fn der Ordnung l,2,..,n suxnfbgen, auch umgekehrt die zweiten per*
■stiren nnd die ersten in dieser Ordnung beifügen könne, ohne dass der
Venh der Determinante sich lindert. Referent muss gestehen, dass ihm die«
iddi so ohne Weiteres klar gewesen ist, und er hat sich desshalh einen Be-
«^ dafklr gesucht, den er aber hier nicht anfahren kann. Es ist, wellee
vir bei die«er Gelegenheit bemerken , das Torliegende Buch tkberbaupt sehr
^, und mass mit der Feder in der Hand, die dabei sehr viel an thnn
Wl, ündirl werden. £ben so wird als sich von seihst verstehend gesagt, das«
wenn man oberall die zweiten Zeiger r und s (beliebig) vertausche, die De*
tenninante ihr Zeichen wechsle, was auch gelte, wenn man zwei erste Zel-*
ger Tertausoht Auch dieser Satz bedarf weM eines besondem Beweises, der
keiaeswegs schwierig ist. Einige hieraus sich weiter ergebende Folgerungen
flbergahend, woHen wir die Differentialqnotienten von P näher betrachten.
dP
^ GrOaie -j^ — ist eine Determinante, die man bdiommt, wenn man oben in
CO die f» Horizontal- nnd die s*« Yertikafreihe wegstreicht. Diese Gfö§§6
eatbilt also w«der den ersten Zeiger r, noch den zweiten Zeiger s. Daran«
^ sith dan» leicht weiter anf nweite Diiferentiahiuotienten «ohliesseui wie
te ha Budie neh geaohiehl. Audi folgt gan unmitteUmr:
•.^ dP , dP , , dP dp .
-jj|^+..+«^li-^, wÄhtend
80 Briofchi: Theorie der Detenqinairten etc.
dP , dP , , dP dP , ^P I I
da,,r da-i,, da»,, da,,! aa,,2
a-n-j = 0, wo r und s beliebig, nur nicbt r = g.
dar,n
Mittelst dieser Sätze ist es dann ttusserst leicht, die Gramer 'sehe Regel
fUr die Auflösung von n Gleichungen des ersten Grades abzuleiten, wovon
weiter einifre geometrische Anwendungen gemacht werden.
Zwei Determinanten aus zwei verschiedenen Systemen Ton je n^ Grossen
gebildet, geben multiplizirt wieder eine Determinante von n* Grossen, deren
Elemente aus den 2 n' Elementen der erstem nach einem bestimmten Gesetie
ffebildet werden.
dP
Setzt man ^ = a, « und bildet aua den n^ Grossen , die man erhSit,
wenn man hier r = 1, .., n, und s = 1, 2, .., n setzt, die Determinante S, so ist
S=:Pn— 1. Diese Determinanten von Determinanten werden nun
einer eingehenden Untersuchung unterzogen und sodann die Unterdeter-
minanten betraehtet, welche man aus (a) erhält, wenn man eine Anzahl
Horizontal- und eben so viele Verticalreihen weglässt. Ist dann ar,s=~a«,r,
so entsteht die Uberschlagenc Determinante, die symmetrisch ist, wenn
nochar,r=o. Als eine besondere Gattung sind die Functionaldeter-
minanten aufgeführt, die Jacobi bekanntlich zuerst betrachtete, die aber
eben einfache Determinanten sind, wie es sich auch ähnlich mit den aus den
partiellen DiiTerentialquotienten zweiter Ordnung einer Funktion der Verin*
derlichen xi, .., Xn gebildeten Determinanten verhält, die namentlich Heise
vielfach in seinen geometrischen Untersuchungen über die hohern Kurven an-
gewendet hat, und die desshalb nach seinem Namen genannt worden sind.
Der Theorie hat der Verfasser überall Anwendungen beigefügt. Diese
jDttssen, der Natur der Sachen nach, sich überall auf die Fälle beziehen, wo
man gewisse Untersuchungen in völliger Allgemeinheit fuhren will, also na-
mentlich wenn Hnenre Gleichungen aufzulösen sind, oder aus solchen eine
Eliminationsgleichung herzustellen ist. Diese Anwendungen beziehen sich aof
rein analytische Gegenstände, auf geometrische und auf mechanische Unter-
auchnngen, und es dürften wohl die meisten derartigen seither gemachten An-
wendungen hier vereinigt sein. So ist u. A. die allgemeine Formel für die
Umformung eines nfachcn Integrals gegeben; ist weiter der allgemeine Sats
Jacobi's, der das Prinzip des letzten Multiplikators enthält, ge-
folgert; findet man das wichtige Theorem von Bfalmsten, wie man aas
n— 1 partikulären Integralen einer linearen Differentialgleichung der nt«^ Ord-
nung das fehlende herstellen kann mittelst einer einfachen Quadratur; ist die
d2F , , d2F
Gleichung ^ » ' ' ' " i — SrlT ^^ ® allgemein umgeformt n. s. w.
Referent mass sich hier mit diesen Andeutungen begnügen, da ein näheres
Eingehen auf ein Buch, das in dem Haasse gedrängt geschrieben ist, wie
das vorliegende, ein weiteres Buch fertigen hiesse, wenn man halbwegs ver-
ständlich sein sollte. Er kann nur zufügen, dass wohl die meisten Sätze von
einiger Wichtigkeit, so wie die meisten Anwendungen derselben hier zusam-
mengestellt sind, wenn freilich das Studium des Buches keineswegs durch die
ttbergrosse Gedrängtheit bedeutend leicht gemacht ist. Wie oben schon ge-
sagt, musi eben der Leser sich die Beweise fortwährend selbst konstroiren,
wodurch er aber auch mit dem Gegenstand innigst vertraut wird. Doch hätte
in manchen Fällen etwas mehr Ausführlichkeit nicht geschadet. Das vorlie-
gende Buch ist — ein kleines englisches derselben Art abgerechnet — du
einzige in der gesammten mathematischen Literatur, das die Determinanten-
theorie behandelt, und es verdient daher der Uebersetzer den Dank der deul-
ichen Leser, dass er dasselbe durch die vorliegende Ausgabe ihnen zugänglich
gemacht bat. Dr« JF« DIeiiffer«
kl HEIDELBERGBR litt
JAHRBOGHIR der IITIRATOR.
GesMehie des EuropäUehen 8iaaUmystim9 vom Zmiaäet der M^
formatian hü zur ersim Franaiön&chm R0Vo9mHom «m Dr.
Hans Heinrich Vögeli, Prof. der OtaMMe tm der oUm
Jndusirieschuie von Zürich und Privaidocent an der ümvertir*
tat Erete Abtheüung. Vom ZeiUUttr der RefbrnutHon bU mtr
SelbMerreehaft von Ludtüig XIV. (1519—1661.) XXJX. 6»,
gr. 8. Zurieh bei Mayer und Zdler. 1866.
Der Verfasser, ein Schüler Benke'e, bemerkt in dem Verweil
daas er auf Weieong seiner Obern suaftcbst ftfr die hdbere ladi^
itriescbole in Zürich die vorstehende Arbeit übernommen habe; des
tot seit Jahren eingeführte Heeren sei denn doch nicht miriir als
Lebrmitiel sweckmässig erschienen. ^Denn dasselbe seichne in Mm
Webten Umrissen nnd ergehe sich in der Charakterisiniag nnd im
Besrtheilen; die Kinder der gegenwärtigen QeschichlswisseBScbafI
dagegen schwankten nicht in der Hbhe des BSsonnements über dis
cesebichtlichen Dinge, liebten die Kondgebungen des menaoblicben
Geistes an sieh, dieses Leiblich werden der Seele des Measckesv«*
•cUedits, die Wirklichkeiten u. s. w.^ — Diese, etwas mystiseha
ttd einsauge Theorie yerstösst wider Lehre und Erfahrongi wUr»
•failieh nur die reine Anhäufung yon Thatsachen oder LeUbÜchkei*
trn das Ziel, wo bliebe dann der Geist, welcher «uns den Körper
bist«, oder der Gedanke, dessen Wirksamkeit die aerstrenten Sin*
Einheiten sammelt und ordnet, gleichsam in Reihe und Glied stellt?
— Aber auch wie viele und bedeutende Historiker müssten da Tor
oder nach dem erwähnten Grundgesetz der gegenwärtigen Qeschiehts«
Wissenschaft theils wegfallen, theils bedeutend sinken! Denn sie
bitten ja das alte Preussische, bekannte Soldaten-Sprichwort: j^Kerl,
liioiuiire er nicht !^ in den Wind geschlagen nnd wirklich, wenn
neb nur leise, ein Räsonnement von sidi gegeben. Was wäci)
I* B. aas Johannes Müller geworden, welcher doch allerlei elastrejOJle».
selbst aus Macchiavelli , dem beständigen Bekrittler des Faetischen
und Andern ? Selbst der Yerlasser stehet mit seinem objectiven
Priseip nicht selten in Widersprudi und gibt bisweilen so wsnic
Leibliches, dass Riesen in Zwerge dem Stoff nach nmgewandell
Wttden. So begnügte er sich S. 258 den Ferdinand Cortez nnd
dm Untergang Mezico's mit drei bis vier Zeilen abauiertigeni wäh-
laid doch gerade hier die wissbegierige Jugend etwas Genaueres
Svwirügen musste. Dasselbe gilt von dem Anüitand der Sganisdun
^^onummeros, welche doch für den aufiitrebenden Jüngling beach-*
^Miwerth bleiben, hier aber gans knrs abgefertigt werden (S. 8)^
vtd 4em MarUn Luther (a 9). Bei der Bewerbung Karls T« um
t Mure. 2, Heft 6
9f WtllieililiitfBB 4#« hWloritehtti Vertiiif *
die ReidisroniMhenchäft koDute man auf die schlaue und den-
noch ui^i^ Taktik seines Nebenbuhlers Fzanz hinweisen (S. 8).
Derselbe fid nSnüich bei den Fürsten und Grossen vornämlich des-
halb dmoht weil er ihnen »Buhe und Ordnung^ nach dem polizä-
lieh-militSrischen Grundton Frankreichs anbot, die Teutschen aber
*l»in elpe BeeinlrltehtigaBg ihrer Rechte und Frtfbeiten erblickteo«
So beiiditet ete Yenedatief bei Alb^ri. —
litt Uefarigea ited die einaelnen Gruppen uud Abschnitte, meisteni
BMh den TelkfthiteliehkeiteD geordnet, mit Einsicht und Anschau-
Mehkeit gemiss dem Torgesteekten Ziel behandelt worden, wie schon
ete Blkk ixd die Uebetsohriften und einaelne AnsfÜhinngen lehren
kann. Ohne die gebührende Hervorhebung der damals tonangebenden
Teutschen müssen auerst die Spanier auftreten 1519 bis 1555;
teuedi nüt flinen im Kampf die Kiederländer und Engländer; zu-
letat erscheinen die Franaosen, vom spanischen Waffenstillstand mit
der ielllttdiselieil BepubÜk bis aum Anfange der Selbethenschaft
tdH LnArfgSV. (1609^1661), nachdem ihre kirchUch-politisobes
ZerWfirMiee eine frühere Episode geschildert hat Die s. g. 6e-
g^emMomuitietten , der dreissigjährlge Krieg, Schweden, En^isofas
Reveftoflen und Hollands Blülhe fallen In diese Absdinitte. Damii
endigt der erste Band, welchem binnen JahresfHst der zweite fol*
gen soB. Bis dahin muss man auch ein vollstKndiger gefasstei
UrtheB aulsdiieben und hier nur wünschen, es möge die Fortsetsuag
*» gMMckt abgefessten Lehrbuchs nicht zu lange rückständig bM*
Mü. Leider! begegnet das heut zu Tage häufig genug; man be*
glMUt uttd erisattet anf halbem Wege. Dem durch Studium, Lebe»
dlld WiäfteMsdiaft hMttngKch gerüsteten Verfadser wlfd dieses Hiie-
gesAidt des halben Wurfes jedoch sehwerlioh begegnen.
Sßttheilun^eri des historischen Vereins für 8telerfnark. Erstes —
' H^kites HefL 1860—1855. 8. QraU. Bei Äug. Hesse.
DMe gdialiteiche Zeitschrift ist sowohl wegen des mannich-
ftM^eil ab gfÜnAidi verarbeiteteti Stoffes ekier weitem Bdutfint«
s<A«ft wetdig. Schon die ErSfliittngsrede des Yerelnsdirecters, de«
AbMe LudwH; zu Bein, ziehet wegen des Zeitpunktes und der Frei-
Modelt den Leser an; abgehalten am 31. Junius 1849 fiOit sie
jM(^|60e Staitoitage, fn welchen namentlich Oesterreich manche schwere
Bg all bestellen hatte. „Die besten Gesetze, heisst es neben
11, sind ein todter Buchstabe, aber der freie Geist des Meo*
Witke durch sie fieii oder Verderben. Das kleine Rem hAty
A et9 iKMh die Götter fftrchtete und in Sitteneinfaebheit lebte, did
HerUMkift dsr Welt Errungen, aber das weltbeheivscheade Bmi «^
rag deb Streichen barbarisdiei' VMker^ nicht weU deren so viel«
waten, Iss ee gefallen, sondern weil es an moralischer Fäulniss flleeht^
Bit dae gruM Sem eine Beute dieser YVlkerhaulte geirerdent« -^
a$ «lumgtfodiCeBi dtoMT Bat« telii mftg, icbiM to UnMwi i^k
m dem Folgenden den EinfloM j,philoeof^iMher Spekliktlen^ Aber*
lekilit und die oft Ton falacber RegierongslnnBl nnalMMitlieh
gofMerte ^materielle Armoth and Verkommenlieit^ ünleriebftint
n haben. «Nndideni, heiMt ee nlmlich , eine dorok kehe Pf^lM»
tiM getragene philoaophieche Beliale in DentaoUamd den H^rtt to
WA TOTl&ofig bereite sftenlarleirt, den Menacben aoni CMl und den
Bian&el anf die Erde herab deeretirt bat, kann ee nlebt befiMudm,
dM die Adepten dieeer Schale im Bande mit der piqviaebeil baH
der arthellaanfthigen Haofen die Theorien ibree Meiatere In WM»
Hchkeii so aelsen streben, bei welohem Wagnüse aie niebia etaaetaeBf
md wem dna Gelingen m^ieh w«re, die Befriedlgnag Ibrdr WÜn^*
Nhe m Aoaaicbt baben.^ —
Den Stoff, welchen die Zeitachrift ebne engem Znaammwibig
Maadelt, könnte man fQgHcher nnd fttr die Erlelebtemng dir Uebai^
deht in gewiaae Ordnangen oder Kategorieen etotbeilen. Di# #Me
Dim entbUt sodann das Epigraphiacbe und Arcblelegl«-
•ehe im engem Wortreretande. Jenes, die RGmlaehe Inaehrtften-
kaode, lUlt besondeni reich aas, namentHeb in Folge dee FlilMi
md Seharftinnee, welchen dafttr der Pfarrer Knabl an^ebote» hU,
Sdae Foade werden erlXatert Heft I, S4ff«, 90f., II, iSft, lilt^
m, 95 if., 155 ff., IV, d5ff. (Aber den angeblichen Dens Ohnttna)!
197 iL, V, 153 fü, VI, 125 ff. — Bei dem Umfang der asteriüebi
itei Monarchie nnd der rielfacben Besiehnng aal daa '
Witt dn Gorpoa inscriptionam Romanaram niebt ndnder
ih mpriesslieb ; die bedeutenden Vorarbeiten and Samndnngefe i
in «in eplgri^ifaiadies annäehst ron den Münaen getrenntes
■direrk weaantlieb erlelobtem, selbst die Koeten niobt abwiuwkit
Der e^enUiche Gelehrte und Kenner dfirfle sodann etat den voHeM
Mraach des bisher aeistfickelten and defestaalb oft anangtogldbeni
BMes antreten nnd dafür gerne seinen Beitrag geben. «^ Da»
Arehftologiscbe besehiägt bauptsflcblidi, obsebon aueh die W^
MweU nicht leer ausgeht, die Keltischen oder «rKritfieh #^
Uteaeti Denkmller. Dahin geboren besonders die asefkwMiigi%
idiiigst in Jndenbnrg entdeckten AltertbClmer (Heft Hi, MA
AUumihug ron Dr. Robitseh; Heft lY, 54ff. AUiandlnng rmm
Ardürar Pratobevera, vgl. V, 107ff.). Sie bieten Pferdegn«
Kkirr, Spieaae, Bronsegefässe, Helmstüeke^ Rbige, efa^n a. g. (Mt
•<« Streitmeissel, Btibchen, Helme nnd Anderes^ tot aUem aber
da» kleinen, auf rier acht^Miidiigen Rttdem ruhenden Wagen ana
Btooae Bit Schartigen nackten Gestalten, tbefls Rettern (4) asK
MM, Speer nnd iachai^taiger Kopfbedeekung (Mtttae), «heila nnsfe*
imlUDiiem und Weibern, deren Mittel4gar, den Kopf Hitnsndy
^ deai Boden einer Sonnenscbeibe an stehen nsbetat Hie On»
Mtofige dieser Brwzgnstaltan sbid rob nnd bdmUcb, dto
«Uihk and ediulebtig, fait wie bei P«ter Sehlemlbl« deas
*>e Matt«, die Gensbleobtsglieder arii bunnisiar üfppigb<t.baa*
81 MÜtheiliufMi dev hUtorbeliMi Yereinf .
v^rCehob(Hi| wte d^iin auch ein Mann, welcher das Opferbell trSgt;
des anfgerichtaten Pbalios nicht entbehrt. —
Die gelehrten Ausleger dieses wunderlichen Fundes denken ent-
weder an eine Gel tischet durch Beihülfe Tuskischer Technik darge-
stellte Hochaeiti oder an die Verherrlichung der Slavischen Liebes-
f^Sttin Lada. — Bellte aber das ganxe, merkwürdige und räthsel*
hafte Emblem nicht eher in den verhunzten, mit Römisch -Gel tischem
Bisiwerk ausgestatteten Mithrascultus k la Heliogabalus hinein-
lallen? Bai (Baal) und Mylitte (Baaltis) würden dann das Gentrum
biMen und die Tielartigen Gruditäten erkl&ren. Weder der Geltea-
poeb Slayencultns hatte, sollte man glauben, eine Richtung zu der-
artigen Lingarasauswüchsen und Obscönitäten, am wenigsten bei Tod-
tenfestllchkeiten. — Jedenfalls verdient der Fund die sorg-
OUgste Beaohtung. — Dasselbe gilt von dem gründlichen Aufsatz
des gelehrten Keltophilen, Prof. H. Schreiber zu Freiburg. £r
behandelt (Heft 5, S. 49 ff.) auf einlSssliche und fast erschöpfende
Weise eine s. g. „brennende Frage^, das Feldzeichen „der Kelten*
and setzt an den Platz des vielbesprochenen „Gallischen Hahns^,
wekher nach kurzem Krähen (1830 -1851) vor dem ernsthaftem
„A41er^ verstummen musste, den „Eber^ oder die „wilde Sau^ als
uattMiales ELauptabzeleheu der alten Kelten. Diese, meint er, hät-
ten dasselbe „als in der Katur des Landes und dem Geiste seiner
Bewehner gegründet^ (S. 52), zwar schon früher bei einzelnen Yöl*
heiai^iaften gekannt, aber als nationales Heerzeichen erst in dem
ünabhingigkeitskriege mit den welterobemden Römern aufgestellt.
Oanuch kommen nun die genauen Machweisungen auf Steindenk-
aatterni Münzen u« s. w., und zwar in geographischer Reihenfolge;
sie werden zuerst im transalpinischen Gallien, der eigentlichen
Metropole, anfgesucht, darauf in Grossbritannien, Spanien
Mi Italien, femer in Illyrien, Griechenland mit den In«
aeiiinnd Eleinaslen, zuletzt auch in Germanien verfolgt, ohne
daas nalttrlieh in der eben so gelehrten als scharfsinnigen Ebemsym»
befik ohne weiteres eui Merkmal der Stammverwandtschaft, wohl
aber des völkerschaftlichen Verkehrs und Ideenaustausches hervor-
tiettn selL — Als Motive des Emblems werden schliesslich theils
nligiöset an den vorherrschenden Kultus des weiblichen Frindps,
der Mondgöttlni geknüpfte Begriffe und Sinnbilder nachgewiesen,
tileils physikalische ökonomische Ursachen, jedoch mehr in zweiter
Beke, hervorgehoben. Diese beziehen sich auf die überwiegende
Schweinsueht im Keltenlande. Die Thiere, deren Fleisch roh uod
eingesalzen verzehrt wurde, zeichneten sich, wie schon Strabo (IV, 4)
beinetkty ^^durch Grösse, Stärke und Schnelligkeit aus. Die Gefahr,
wenn aouni ihnen nnversehens nahe kam, war so gross, wie bei W51*
fen.*^ Im Mittelalter wurden sie daher nicht selten bei wirklichem
Mensehenmord förmlich vor die bürgerlichen Gerichte geladen nnd
ah«sttrth«Ul| ein Fall» welcher von 1894 actenmissig sich drei Jahr^
law mthWMih irtoderholt. Ja, bei wilder Brunst*» und
ImfBmt lieferten eich bisweilen die „Tom Teofel beseesenen^ Be*
itien wahrhafte Mordflcblaehten und deckten mit ihren «ritterlieh
gefallenen '^ Leibern die blutige Wahlatott sam Erstaunen nndSehreeken
dar Menschen. So 1580. —
In Folge Keltischer Einwirkung ging der Eberenltus Usweile»
sogar auf das ihm nrsprOnglich fremde Oernanlen Aber. ^AJs
reinigendes Opfer, heisst es am Ende des Anbatses (8. 81), im
Dienste der Naturgöttin (Belisana Kelt. = Artemis-Astarte, lijHtta,
Lana) erscheint die Spörkelfeier im Februar auch dem heidnl*
leben Deutschland; ein Fest, dessen Stelle nochmals die Bebiignttg
der christlichen Himmelskönigin, die als Siegerin mit ihren Füssen
lofden Halbmond tritt (Maria Llchtmess, Purificatio beatae Vir-
gioifl Mariae), eingenommen hat.^ —
Uebrigens ist noch rücksichtlich der Literatur in Betreff des
GralÜsehen Eberfeldaeichens ehie kleine Schrift des sei. Prof. K. F.
Hermann in Gdttingen au Tergleichen. Sie erschien dort 1851
ODter dem Titel : „Eine gallische Unabh&ngigkeitsmüaae ans römischer
Kaiserseit Beschrieben und erklärt von K. F. Hermann.*^ Die
MüDse seigt auf der Rückseite swei Tcrschlungene HInde, wdche
iwei Aehren und zwischen diesen ein Feldaeichen mit dem Eber
IttlteD, darunter die Unterschrift Fides. Die Symbolik bedarf keiner
weitem Erklärung; der Hypothese, dieses Denkmal gehöre dem Re-
SieroDgsantritt Vespasians an, fehlt gleichfalls die WahrsdiefaiBdi'-
Wt nicht
Der Keltisch- Römischen Alterthumskunde gehört andi
eise Im sechsten Heft abgedruckte Untersuchung Schreiber^s an
(S. 63 ff.). Sie betrifft die Siegelsteine alter Augenärste überbanpl
ood den neuentdeckten Riegler^Siegelstein (Baden) insbesondere, Ter*
lolft geographisch die 59 Torhandenen Denkmäler tediniseh«*
praktischer Art und zeigt, „dass sie sich bis jetzt durch^gig in
Uadem fanden, welche entweder Ton keltischen Völkerschaften be-
w<rimt waren, oder ganz in der Nähe derselben.^ — Nor der Je»
laSaehe, durch irgend einen Zufall yerschlagene Stein bildet eine
Ansnabme. Die Inschriften, d. h. Namen der Aerzte und ihrer
Hellmittel, werden yortrefflich erläutert; weniger möchte dadurch
oetfirlieh die Augenheilkunde denn die Geschichte derselben gewtonen.
In die zweite Kategorie der Mittheilungen müsste man das
Topographische, die Ortsbeschreibung, einreihen. So werden
die Rieggersburg (H, 74ff.), der Waldstein (HI, ISlff.),
Barg Gösting (V, 177 ff.), Burg Pöttau (VI, 178«.) von Prof.
&oth, der Marktflecken Welz von dem K. E. Feldarzt Richter
(V) 127 ff.), ebenso anschaulich als lehrreich dargestellt, bisweilen
auch durch Abbildungen erläutert Gelegenheitlich kommt dabei man«
thee bisher Unbekannte vor; man erfährt z. B., dass noch um 1588
4ie Familie Windischgrätz, damals Im Besitz des Schlosses Wald-*
bMb, eifrig dem Protestantismus anhing und sich einen evangelisches
Frediger aus Sachsen hielt (III, 149 ff.)} ja, diesen so lange schirmtey
M WltMlaiiff»» 4m Uilofif dM Tei^tiii.
bi« dh Borg sack vervwaifeUer Abwehr eratOnnt» dor Pradicvr «)•
twgß Kvm Tode, diuroaeli auf dem O&adeawege su den Ckdeerea
verurtbeil( wiurde (1602). Jedoch rettete ihn auf dem Wege gen
Trieet die Flacht nach Deutschland, wo er ein Jahr spUer die Pfarrei
an Odem bekam« ^
Der dritten Kategorie möchten die Urkunden anheimfallen, welche
hier aat<irU(li nicht nUier beaeichnet* werden können. Die tttoite,
vom Archirar Wartinger herausgegebene und erläuterte Original*
Urkunde geh9rt dem Jahre 878 an; sie betrifft einen Stiftungsbrief
d«i Königs Karlmann zu Onnsten des Benedictinerklosters Ossiach
In Ob^<*KImthen (I, 8dff.)> Ihre Aechtheit ist kaum au beawei-
feln; eben so wenig ist an Alt-^Oettingen in Baiem au denken.
Zur vierten Abtheilung dürfte man das Biographische und
dabhi Qehörige rechnen» Verdienstvolle, im Leben oder in der Wis-
sensdiaft anifgeseichnete Steyerer erhalten da den gebührenden
Denkstein. Obenan stehet mit Becht der Geschichtsdireiber des
Landes, Albert yon Hnchar (geb. 1786 au Liens, gest. 1849
an Grata), ein durch Gelehrsamkeit, Wahrheitsliebe und Sittenstrenge
aasgeaeicbneter Mann, welcher als Priester, Lehrer und Geschichtafor-
scher, vor allem aber als edler Mensch hervorragte (Heft I, 13 ff.).
Diesem biographischen Umriss von Theodor Gassner folgt die
durch Carl von Pichl gelieferte Lebensskisse Josephs Ver-
schitch, Laodtischlers und Mechanikers (I, 141 ff.), welchem sich
Alois Beck vonWldmanstätten (st. 1848 in Wien), durch Hof*
mdster geschildert, ansehliesst (U, 144 ff.). Die Vorfahren Wid-
manstKttenSf dessen Haoptthtttigkeit die Direction des K. technologi-
schen Prival*Kabinets Jahre lang umfaeste, wanderten um den An*
fang des aechsaehnten Jahrhunderts aus Balem in Steiermark ein,
beluunen 1548 vom Kaiser Karl V. ein Adelspatent und 1660 von
Ferdinand VH das Privilegium der Buchdruckerei für Grata.
£in schöner Beitrag wird schliesslich zur Lebensgeschichte Jo*
sepb*e JL gegeben (I, 145), und von Herrn Harl auf Thalerhof
berichtet, wie der grosse, so oft verkannte Kaiser den bisherigen
Mnaterplatz gegen die Türken, die seit Jahrhunderten öde Ebene
Txm Leibnita in ihrer Wichtigkeit erkannt und durch agrarische Aaaig-
nation binnen knraem in ein blühendes Ackerfeld umgewandelt hat*
te (1786).
DielUnfte^man könnte aagen,kultur- und rechtsgeschiebt-
II ehe Abtfaeilung hat gleichfalls mehre sehKtzenswerthe Aufsätxe
gewonnen. Zn ilmen gehören namentlich die Abhandlung des Gapi-
tnlara Bosegger über die Dichter Steiermarks im XIL und KHL
Jahrhundert nnd ihr historisches Interesse (V, 82 ff.), das Kfirnth*
nerisch-Steiermärkische Land- nnd Lehenrecht vom Jahre
1480 im Archiv des Joannenms, vom Archivar Pratoberera
(V, 68 ff.), eine in rechtsgeschichtlicher nnd sprachlicher Rücksicht
nicht unwichtige Mittheilung, endlich die »Erbhuldigung im Her-
^ogtham SteUrnerk^'i youC^G.von Leitner (1, 98-^187),
Oa« Uhpn ikong^ WaiUnfUnt. f7
4l «ehr Ifhrreidiery dabei fokiSn gewhrieUiMr Anfiiat«, wokdber di«
Biiite SUniscbaft darcb die Wecbiel der Zeiten vom XXI. bis mm
IIX. JabrhoDdert yerfolgt, nameadicb «ach die Verkftltaiiie det
liblreieheDy mit Olaabeiuifreiheit aoagerüsteten E^aogflieeben bia
nm Conflici mit dem in logolatadt ^jemitiadi^ inbpgeneQ Erik
Ferdinand (s. 1596J erörtert. —
Ton den Schriften des historiacben Vereins für lanerSster^
reich ist bisher nur ein Heft in Grats (1846) eiseUenen. Dna*
selbe entfallt eine an weitschicbtige Abhandiang Kanbra Aber des
Plinios „Flavium Solyense^, welches in die Qegepd das bentifeo
Fleckens Leibnits verlegt wlrd| dann drei historische AaWtsa, deren
enter die Sage yon den Veriieerungsaögen der Margarathe Maid*
tesche in Kämthen behandelt CFreih. von Ankersbofen) , indfsa des
iweite der Schale Wirken nnd Leben in Kftmthena MittelaUer un^
UrsBcbt und der ietste (von Felix Edler von Benedikt) »die FSrstea
TOD Die triebet ein** schildert. Zwei biograpbiacha Skiasen ans
KraiD, betreffen den Freiherrn yon Schmidbnrg und den hiato-
TiBch-naturwissenscbaftllch gebildeten Franc Hladnike, maohen den
Schlags dieses einaigen, etwas hastig redigirten Bandes«
Am Ende seines Referats erlaobt sich der Unteraeicbnete dea
WoDsch, der so thätige Geschichtsyerein m5ge gemacb seine Sorg*
falt nicht nur den Römisch - Celtischen Dingen , sondern nncb ein*
littlicher dem Mittelalter nnd der neuen Zeit anwenden« I#etatere^
etwa seit der Thronnachfolge der Kaiserin Maria Tlieresiü begin«
Deod, bietet für Oeeterreich wie das gesammte Tenteebe Poblikum
einen reichen, bisher gar nicht, oder nur dürftig ansgebenteten Stoff*
Wie reich sind da nicht Urkunden, Persönlichkeiten, FamUiendenk-
mller nnd mündliebe Traditionen ! Da wtfre die Anawabl wahrlich
nicht schwer, auaaal die frühere GebeimnisskrSmerei anfgebVrt bat
Und noch weniger wird es am Wollen und Können fehlen ( alles
iiengt da mehr oder weniger yom Beginnen ab.
I>aB Lehen George Washingtons von Waihingion Irving. Zweir
ier Band. XIV. 410. 8. Leipaig, bd Lorck, 1866.
Die Fortsetzung des schon früher (1855. Nr, 43) naeh Gebühr
anerkannten Buchs beginnt mit der Uebemabme des Oberbefehls
(Kapitel 43) und scbliesst mit den Folgen des rettenden Treffens bei
Trenton und Umgegend (Kapitel 88). Der Verfasser beobachtet auch
hier seine ruhige, bei allem Frelbelts- und Yaterlandseifer nnpar-
teüsche Haltung, meidet lobredaeriscben Pomp und FImiss, schildert
ifie Charaktere der Handelnden und Ihrer Thaten nicht naob dem
Hohlspiegel eines eiteln Nationalstolzes, sondern dem Geseta der
Wahrheits- nnd HumanitiUeliebe, eben desshalb treu nnd analehend.
Aach Ist er beflissen gewesen, hier und da einen Usher entweder
^ekMnten odw uvx mutt b^orgebebenen Zug nus bnndMhcUtll*
88 Mnndt: Die Gefdiiehle der GefeJIfditft de
dien, freilich spSrnch flleMenden Qoellen beizufügen. DaUn gehS«»
ren I. B. die Tagebücher eines Heseiechen Officiers und Heeeischeii
Gorporab, Joh. Renber, Aber die Trentoner Affaire (S. 374). Da-
gegen hat der Amerikaner andere, schon gedrudcte Hülfsmittel, na-
mentlich in Schlöser's Briefwechsel, weder gekannt noch benatit
— Ueber die weiteren Begebenheiten, besonders am Hudson, wer-
den ihm die nunmehr durch Max tou Eelking yeröffentlichten, aosserst
lehrreichen Memoiren des Braunschweigischen Generals you Rie-
desel mannichfaltigen Aufschlnss geben und manche Lücke füllen.
Uebrigens ist es bei dem Fluss und charakterlosen Wesen der neuesten
Enrop&lschen Dinge um so n5thlger, sich bisweilen durch Erinnerang
an standhafte und zähe Männer wie Verhältnisse au trösten und zu
stärken. Ein derartiges Beispiel gewährt aber gerade Washington;
im gefährlidisten Augenblicke seiner Sache (Dec. 1776) verlor er
niemals den Muth; Unglück hob ihn sogar, wie das auch bei Wil-
helm Ton Oranien, Friedrich d. G. und wenigen andern Lieblingen
des Schicksals geschehen ist ^In dieser düstern Zeit, sagt der Ver-
lasser (S. 354), blieb Washington fest und unerschüttert. Er warf
seine Blicke um sich, um einen Zufluchtsort zu suchen, von wo er
einen verzweifelten Widerstand für die Freiheit seines Landes leisten
könne, und seine Gedanken wendeten sich den Gebirgsgegenden sei-
ner ersten Feldzüge zu. General Mercier, der seine Gefahren in
diesen Gebirgen gethellt hatte, war in der Nähe, und seine Anwe-
senheit hat vielleicht dazu beigetragen, sie ihm in den Sinn zu ru-
fen.^ Was denken Sie? ^sagte Washfaigton. Würden uns die Penn-
sylvanier unterstützen, wenn wir uns in den hintern Theil des Lan-
des zurückzügen?^
„Wenn sich die untern Grafschaften ergeben, so werden die
obem das Gleiche thun^, lautete die entmuthlgende Antwort.
„Dann müssen wir uns nach der Grafschaft Augusta in Virgi-
nien zurückziehen'^, sagte Washington. j^Eine Menge von Leuten
wird uns zuströmen, um Zuflucht bei uns zu suchen, und wir wer-
den einen Parteigängerkrieg versuchen. Werden wir überwältigt
so musi es über das Alleghnygebirg gehen. ^
„So unerschütterlich, unter Schwierigkeiten emporstrebend, und
selbst im schwärzesten Moment elastisch, war der Muth, der unsere
sturmumbrauste Sache am Scheitern hinderte.^
Gehe hin nnd spiegele dich Grossmaulzeit I —
Die Oesehichte der OestUschaft in ihren neuem Entwicklungen und
Problemen, Von Theodor Mundt ZtoeUe Auflage. IV,
404. 8. Leipzig, bei Voigt und Günther. 1856,
Es ist wahr, durch Vernunft und Geschichte beglaubigt, dass
Volks* und Menschenthum^ Staat und Gesellschaft, Nationalität und
Humanität sich in mannichfaltigen Wahlverwandtschaften und wie-
MoBdl: Die GeieUckto der CetelliclMJI ele. 69
dran einander abstoesenden, ja, feindseligen Geg^eneitien bewegen.
Ebi Hanpthebel der Geschichte oder ihrer Bewegungen liegt gerade
Ib diesem uralten, Proteus ähnlichem Doppelgänger, welcher seit der
Stiftung dM Christenthums als der Menschheitsreligion in schärfet
losgeprägten Zügen herrortritt und die schwierigste, noch ungelöste
Aufgabe ankündigt, die Aussöhnung der Tolksthiimlichen und mensch*
keitHchen Kräfte und Ziele in der Art zu Tersuchen und durchzu-
füliren, dass jeglichem Theil Kecht widerfährt, und ein höheres Me-
diom lierrortritt mit hinlänglicher Stärke für genügende Ausgleichung.
Wie und wenn diese letzte Insumme der ächten Staats Weisheit
enebetnen werde? — diese Frage lässt sich eher aufwerfen denn
besotworten ; aber dass es geschehen müsse und werde, dafür spricht
sdon das laute Zeugniss der Vergangenheit und Gegenwart Auch
dsrfiber darf man schwerlich streiten, dass der antike, d. h. Griechisch-
Römische Staat, thells den Gegensatz nicht fühlte, thells ignorirte
oder durch brutale Gewalt damiederschlug , die christliche Religion
und Gemeinde dagegen früh empfand und auf Terschiedene , wenn
audi nicht immer erfolgreiche Weise zu befriedigen, mindestens aus*
ngleichen trachtete. An Irrthümern und MissgrifTen konnte es hier
un so weniger felilen, je neuer die Sache war und je stärker heid**
niiche Begriffe und Gewohnheiten, bald Ton Seiten der Griechen-
Bomer, bald der Germanen auf die christlich -menschheitliche Ge-
fletzestafel zurückgriffen und sie durch das Dictat Ihrer plumpen,
despotischen Faust Terunreinlgten. —
So durchzieht denn die rielleicht wichtigste Frage unbeantwortet
imd bisweilen ToUer Widersprüche die fernsten und nahesten Räume
der Weltgeschichte ; sie tritt wie das ungelöste Räthsel der Sphinx
Verderben drohend den Fürsten und Völkern, bald Tor den Palast
des Reichen, bald die Hütte des Armen, kehrt, augenblicklich rer-
sdieueht, plötzlich wie ein wüster Traum oder nagender Gewissensruf
inruck Ui das Gedächtniss und die Einbildungskraft der alltäglichen,
nur mit sich selber beschäftigten Gegenwart und verstrickt dieselbe
bier in bodenlose Schrecknisse , dort gaukelnde Hoffnungen , zeigt
übet bei dem allen ihren reellen Boden, Ihr handgreifliches
Dasein. Den Beweis dafür liefern ja die weit rerzwelgten, s. g.
ainateriellen Interessen^, welche den pochenden Mahner für einst-
weilen abfinden sollen, die Sklayenzüchter im Süden der freien, yer-
^lügten Staaten und anderswo, die erste Sorgfalt aufgeklärter Re-
gerungen für Armen- und Verbrechernoth, die tausendfältig geglie-
derte Richtung der Literatur auf bald klar, bald dunkel erkannte
Gegenstände und Zielpunkte dieser Lebensfrage, z. B. Socialpolitik,
Kommunismus, Arbeit, Proletariat und Genossen. In der neuern
Zeit steigt dafür mit dem Wachsthum der Erwerbskunst auch das
Interesse. Seitdem Kant mit Fug die Würde des Menschen be-
tonte, welcher niemals allein staatliches Werkzeug werden, sondern
Hn Selbstxwecfc verharren müsse, hat sich auch thatsächlich im Gange
te Begebenheiten die EoUlssion des Stoats und der Gesellschaft,
fQ HuodI; Di« GMchicbta der (f«feDi«li«ft et«.
4es Volkfli- QQd MenscbenthumB, der Nationalität und HiimmitSit
yielfach kund gegeben, — Den denkenden Köpfen aber, welcb#
darüber schrieben und experimentirten, gehört, was nur selten her*
Torgehoben wird, besonders Pestalozzi an. Sein Büchlein: „Nach-
forschungen über den Entwicklungsgang des Menschengesdilechts
(um 1794)^ enthält einen Schatz von scharfen Geistesblitzen uni
dichterischen Oemüthsahndungen , welche zwar das Räthsel nicht
lösen, aber ihm doch näher kommen. Die praktischen Versu^o
des edlen Mannes auf dem Gebiet der Erziehung und Armenpflege
haben ihren eigentlichen Kern- und Angelpunkt in der s. g. socialea
Frage. Auch Emanuel von Fellenberg in Hofwyl grübelte
darüber theoretisch wie praktisch, nicht minder Pater Girard zu
Freiburg im Uechtland, Escher und die Linth-Gesellschaft, Püarrer
Overbeck im Elsassischen Stein thal, andere, weniger her?ortretende
Persönlichkeiten nicht zu erwähnen.
Das vorliegende, wohl dem gebildeten Publikum bestimmitQ
Buch, erörtert den wichtigen, nach seiner Schwere bezeichneten Ge^
genstand auf eine im Ganzen zweckmässige und anziehende Weiae.
Es' erklärt die wesentlichsten Begriffe, führt die wichtigsten, that-
ßächlicben Erscheinungen derselben übersichtlich in klarer Sprache
aus, beurtheilt die Licht- und Schattenseiten, die Fortschritte, Mängel
und Widersprüche der für die Socialfragen angestellten Versudbe,
ohne dabei in lieb- und masslose Büge oder Lobrednerei hineinzu-
fallen, und gelangt dergestalt mit dem Knäuel in der Hand toü
dem grauen Alterthum bis zu der lichten und dennoch räthselhaften
Gegenwart. Dass dabei manches z. B. im Betreff des Mittelaltera,
anders aufgefasst und charakterisirt werden kann, versteht sieb wohl
von selbst; ebenso unbestritten bleibt es, dass etliche Erscheinungen
der neuem Zeit, z. B. die erwähnten Versuche in der Schweiz, theOa
zum Schaden des Ganzen übergangen (ignorirt), theils unvoIlatäD-
dig aufgefasst und geschildert wurden. Letzteres gilt auch von
Robert Owen. Dieser wirkliche Utopienmann, welchen der Un-
terzeichnete persönlich gekannt, d. h. gesehen und gehört hat, fasate,
um nur einen Fall anzuziehen, die Psychologie ganz materiell auf.
Er trug zu diesem Behuf eine fein gearbeitete Metallplatte ia der
Tasche, deren lockere, bald vor-, bald zurückgeschobene Stäbchen
auf der einen Seite sechs Mängel, auf der andern sechs Tugenden
des vollen, ächten Menschen symbolisch ausdrücken, die Seelen- und
Geisteskunde also wahrhaft ad oculos demonstriren soUtep. Seine
Gesinnung war übrigens edel und uneigennützig, wie schon des
Ruin seines, den social -philanthropischen Träumereien gewidmeten
Vermögens andeutet
Von den 31 Kapiteln oder Ueberschriften des Werks verdienen
besondere Aufmerksamkeit 1—3. „Begriff der Gesellschaft, Idee
der Persönlichkeit, Familie, Arbeit und Eigenthum (sociale Trias),
die deutsche Reformation und die französische Revolution H; der
Socialismns und die Philosophie 23 j der Utopismus 24 (wob^ Plar?
Wiiiwucballilehfe, 91
t^ii SB kors und oberfllcUidi wegkommt); die todalon ZutSodo
in Romland 30 (ümI ra weitochweifig und ohne Benatsag der ia
Kolatschek'i deatacher Honataechrift gegebenen Beitraige), und
ia wirthachaftlicha Befoim der untern YolkaUasaen in Dentaebland. — •
Du WisBinsehaftiUhrc von Ou$iav Biedermann. Erüer TJuiL
Die Lehre vom BewtueUein* Leiptig. Druck und Commis-
giomverlag von B. 0. Teubner, 1866. XVIJ u. 280 8. gr. 8,
Der Herr Yerfaaaer nennt aicb S. YI «einen Jfinger Hegela^,
ttfi jedocb bei, daaa er, «wie der Zeit, ao aucb der Wiaaenacbaft
aaeii fiter, ala jener sei^ (aic). Er will S. YI darum ,,auf eigenen
Ffiawn stdien.^ Er glaubt, data es nur „auf aeinem Standpunkte^,
m ,anf dieaem Wege'', nach „diesem Ziele<^ hin «möglich^ aeli
,di8 Wort seiner Zeit in Wissenacbaft, Kunst und Leben ausau^
q)redian.^ Er unterscheidet nach der beliebten dialektischen Trilo-
gie in dem Systeme der Wissenacbaft S. 14 ,,die swei Th^ile«' und
«las sie eigenthümlich vermittelnde Ganae.' Da die «Philosophie'^
»die Wiasenachafk überhaupt'' iat, so sind diese awei Theile, well
las Object des Alls im Oegensatae sich als Natur und Geist
danteilt, „Naturwissenschaft" und „Wissenschaft dea
Geistes.' Das Leben vereinet beide Gegensütae der Natur
Qod des Geistes. Daher ist Lebensweisheit der dritte, die
Mden ersten Theile ala Ganaea einende und vermittelnde Theil.
Die „Wiisenachaft dea Geistes" nennt der Hr. Yerf. (S. 15)
aodk «Wiaaensehaftalehre, weil der Geist „daa Wissen schafft und
hbrt*' Sie muaa der „ Naturwissenschaft " und ^Lebenswelaheit" vor-
anigahen. Der Geist muaa «sich selbst wissen, ehe er sich in einem
«riem cum Begriffe bringen kann.''
Die Wissensohaftslehre ala der erste Theil des Systems
diaser Philosophie aerfKllt wieder In drei Abschnitte: 1) ^»die Lehre
▼cm BewQsataein", 2) die „Lehre dea Geistes" (sie) und
3) die «Seelenlehre."
Das vorliegende Buch, «die Lehre vom Bewusstseln" betitelt,
tuftUt alao eigentlich nur den ersten Abschnitt des ersten Theila
te gansen Systemes; denn, waa der Hr. Yerf. Wissenschafts-
lelire nennt, ist nicht seine ganze Philosophie, sondern nur das
State Stfick derselben, wozu noch die Geistes- und Seelenlehre
ala erginiende Stücke gehören, die nach der Anlage des Werkes
kama behandelt werden können.
Wir haben es also nur mit einem Fragmente zu thun, und doch
will dieses Fragment eine grosse Aufgabe lösen. Es soll die ganze
Gasdüdite dea Selbatbewuastseins dargestellt, es soll gezeigt werden,
^ der Mensch durch den ganzen Yerlauf seiner Entwicklung dazu
kommti vom Bewusstsein au gelangen, Bewusatsein von sich selbst
i2 Biedermann; Wigflensdialtglelire.
und VOD den Gegenständen ausserbalb seiner zu erhalten. So ken-
nen wir unsere Schrift, weil die Lehre yom Beyrusstsein gaus vor
uns liegt, auch als eine selbständige, für sich bestehende Unter-
suchung betrachten. Unsere Abhandlung hat nach der überall vor-
springenden Heg er sehen Trilogie 3 Abschnitte: 1) die Lehre
von d^r SinnlichlEeit (S. 19 — 172), 2) von der Uebersinn-
lichkeit (S. 172—256), 3) von dem beide zusammenhaltenden!
einenden und als Ganzes vermittelnden Bewusst8ein(S. 256— 280).
Der Hr. Verf. fangt S. 21 mit dem „Sinn^^ an, durch welchen
^der Mensch zur Welt kommt^, und stellt diesem die Dinge, oder,
wie er die Welt auch nennt, das Ding gegenüber. Beide wirken
Auf einander durch Bewegung, und in ihrer Wechselwirkung äussert
sich diejenige Entwicklung des Geistes, welche man als Sinnlich-
keit bezeichnet.
Er hat also kein Prius, als den Sinn und das Ding. Es
wird nicht weiter gefragt: Woher kommt der Sinn? Woher das
Ding? Die Frage bezieht sich einzig und allein darauf: Wie ent-
steht Sinnlichkeit, Uebersinnlichkeit durch das Zusam-
menwirken von Sinn und Ding? Offenbar wird nach seinem, für die
Thatsache der Entwicklung des Selbstbewusstseins angenommenen
Prinzip derselbe Fehler begangen, welcher „von ihm seinem Lehrer
Hegel (S. 9) vorgeworfen wird: „Die Mängel des HegeTschen
Verfahrens sind von namhaften Schülern des Meisters aufgedeckt
worden. Zuerst: Das Denken nimmt einen Begriff vor^ dessen
Inhalt es zum Ausdrucke bringen will. Aber woher nimmt das Den-
ken diesen Begriff?^
Auch hier geht die Philosophie vom Unterschiede des Sinnes
und Dinges aus, ohne zu zeigen, woher der Sinn, woher das Ding
komme. Sie setzt eine Zweiheit fest, ohne die Einheit zu haben.
Denn durch das Bewusstsein kann diese Zweiheit nicht aufgehoben
werden, da ja das Bewusstsein eben dadurch Bewusstsein ist, dass
es sich in semem Unterschiede als durch den Sinn entstandene Tha-
tigkeit von dem Dinge festhält.
Die Sinnlichkeit äussert sich als Empfindung, Wahrneh-
mung und Erfahrung.
Sinne und Dinge sind „zusammen.^ So sind die Sinne ^^be-
dingte Sinne^ und die Dinge ;,al9 die Sinne bedingend^ und „vor
den Sinnen gedacht^ die „vorhandenen Dioge^ (S. 24). Die »vor-
handenen^ Dinge „mit den Sinnen zusammengefallen und diesen
auch verfallen^ sind das ^^Sinnfällige. ^
Der „Sinneseindruck, an dem Sinufälligen ausgedrückt, ist
Empfindung^' (S. 25).
Sinn und Ding „treten zusammen^, und „kommen wieder aus*
einander.^ Durch das „Auseinandertreten^ wird zuletzt das Ding
„der Empfindung nach gleichgültig^ und der Sinn dem Dinge ge-
genüber „ empfindungslos. '^
Das ;,der Empfindung nach gleichgültig gewordene Ding, un-
BiadenMmi: WlneucbaftaUhre. 03
gMchtet lUer Empfindmigsloaigkeit der Sinne diesen gegenüber be-
Kehend, ist der Gegenstand.^ Auf den Gegenstand besieht sich
dis «Ge wahr wer den' (S. 35). Wenn man unterschiedene Ge*
lensObide als zusammenhängend nnd einander gleichend gewahr
wild, entsteht „die Vergleichung der Gegenstände^ (S. 42).
Dag^en ist das Gewahrwerden der von einander geschiedenen
md onterschiedenen Gegenstände »die Unterscheidung'' (8. 39).
Das Gewahrwerden der Gegenstände in ihrem Unterschiede nnd
unsrer Vergleichung ist die »Wahr nehmung' (S. 44).
Die Gegenstände werden neben einander wahr genommen und
die Tbeile der Gegenstände wechselseitig auf einander bezogen. Durch
diese Thätigkeit enUteht die Betrachtung (S. 48).
Baum nnd Zeit erscheinen uns durch die Beobachtung nnd
Betrschtnng ^ als das Mittel, in dem die Gegenstände bestehen, ent-
stehen und vergehen^ (S. 60).
Der Hr. Verf. yerwandelt nun den »Gegenstand' in die »Sache^
und diese «in die Thatsache^, die beliebte HegeTsdie Trilogie
herauszubringen, und setzt dieser eine* neue Trilogie (8. 72), »Auf-
fassung von Thatsachen', »die Ueberzeugung' oder »die
Bethätigung der Sinne bei Auffassung der Thatsachen' (8. 77) und
die Erfahrung, welche Auffassung und Ueberzeugung zusammen-
lasen soll, entgegen. »Thatsachen eigenthümlich aufgefasst zu
haben, und tou eigener Thätigkeit als in der That überzeugt tu
sein, ist Erfahrung^ (8. 78).
So bilden »Empfindung', »Wahrnehmung' und »Er-
fahrung' (S. 80) die »Sinnlichkeit.''
Eine ganz besondere Vorstellung von der »U eb ersinn lich-
l^eit^ wird im zweiten Abschnitte 8. 83ff. durch die trilogi-»
sehe Dialektik zu Stande gebracht.
Die Gegenstände yergehen und entstehen wieder für uns. Eben
80 rerhält es sich mit ihren Erscheinungen. Diese Thatsache ist
,die Wandel bar keif" der Gegenstände (8. 94). Trotz dem,
dass die Gegenstände vergehen, kann man sie dennoch festhalten,
auch dann bewahren, wenn sie nicht mehr für uns vorhanden sind«
Dieses ist das »Innewerden^ der Gegenstände (8. 101). Der
ihissere Gegenstand ist vergangen. So »verliert die Sinnlichkeit all-
m&hlig allen Grund und Boden.' Die »Sinne haben keine Empfin-
diag, die Gegenstände sind verlassen, und dennoch bleibt der Ge-
genstand in uns, er hat seinen letzten Haltpunkt im Gehirne.' Es
üt dieses Innewerden »kein Innewerden der Gegenstände der Sinne,
kein Innewerden der Sinne', es ist »ein sinnliches Vergehen', weil
der Gegenstand nicht mehr ist; es ist, was wir durch das Innewer-
den des Gegenstandes festhalten, ein nicht durch den Sinn unmittel-
bar entstandenes, ein »nicht sinnlich Entstandenes, I^ichtsinnliches.'
Dieses Innewerden ist also »NichtSinnlichkeit, Unsinnlichkeit', etwas
SV in uns Vorhandenes, »Innerlichkeit' (S. 103). Der Herr
'94 BMemiaiiii: Wisgeiifclitflilelite.
Verfasser nennt dieses Innewerden des nieiit voriiandenen, odtf,
wie er sich aasdrflckt, vergangenen Gegenstandes ^Nicbtsinti^
lichkeit.^ Ist aber das Erinnern an einen allein durch die Sinne
ericannten Gegenstand nicht auch sinnliches Erkennen? Ef tfemit
dieses Erinnern ein ^sfainlich nicht entstandenes«^ MttM nfeht
Euerst der Gegenstand anf die Sinne gewirkt haben, damit num sieh
des dnreh die Sinne entstandenen Gegenstandes erinnern kStme? bt
also nicht diese sogenannte ^Nichtslnnlichkeit* oder „Ünsfatnlich-
fceit' des Verf. eist durch das entstanden, was von demselben ^Shtii-
lichkeit** genannt wird? Sagt er doch selbst S. 104, das» dto «Un-
einnlichkeit^ durch die „Sinnlichkeit^ begründet werde. Kann nmn
ein solches Erinnern an vergangene GegenstMnde „Nicfatrinnlichkeft*
nennen? Es ist und bleibt Slnnlidikeit, nur ist die durdi dett vor-
handenen äusseren Gegenstand entstandene eine unmittelbare, die
durch Erinnerung hervorgehende eine mittelbare Sinnlichkeit Weüli
bnn diese ^^sinnlich vergangenen Gegenstände" von mis „vefffeg^ii*
wärtigt werden', wie wenn sie vor unsem Sinnen wären, erft^lgt
das „Merken*' (S. 105). Es sind Gegenstände vor uns, £e wit
merken, und andere, die von uns gegenwärtig nicht gemerkt werden.
„Sinnlich vergangene Gegenstände als Bilder gemerkt haben utd
'der ungeraerkten gewärtig sein*, ist „Erinnerung'^ (S. 108). Die
„Erinnerung, Gegenstände gemerkt au haben, ist Vergessenheit''
(8. 114). Wenn „in Vergessenheit gerathene Erinnerung^ wtedtor
gefunden wird, zeigt sich „Rückerinnerung^ (B. 118). IMe
Bilder der Erinnerung werden zu allgemeinen Bildern vereitii 8o
zeigt sich „Einbildung« (S. 127). Für die Bilder werden Zel->
eben gesucht und gefunden. So entsteh die Bezeichnung (S. 135).
Das „bedeutungsvolle Zeichen« für das Bild Ist die ^Vorstellung^
(S. 140). Das Zeichen, in wiefern es die ausserhalb dessdben vor«
gestellt gewesenen Bilder als in demselben enthalten vofstelh, iat
^der Inhalt der Vorstellung' (S. 146). Hit dem Inhalte derTot^
Stellung entsteht ihre Gestalt; sie ist das Aeussere des Inhalln;
Die Ciestalt der Vorstellung, durch weldie ihr Inhalt ansgesprodieia
wird, ist die Sprache (8. 15JS). Die Sache erhält ihren Namte.
„Die Sache mittelst des Niunens kemien« ist ErkenntnisiB. Offenbar
ist der CSrkel hier nicht zu verkennen, da das Erkennen dittcbr
das Kennen erklärt wird.
Wenn man eich aber zur Beseitigung dieses Vorwurfs auf am
Unterschied zwischen Kennen und Erkennen beruft, so liegt
immer noch darin der Mangel, dass man das zu Erklärende durch
das zu Erklärende» also gar nicht eiidärt.
Die drei entwickelten Momente der Erinnerung, VorateK
lung und Erkenntniss, durch die Sprache vermhielt, bilden
und erfiiUen ^den Kreis der Uobersinnllchkeit' (S. 172).
So wfard die ^UnsinnlichkeH« oder „NIchtsinnllchkelt'' des Hm.
Bte^emaiiii : Wlflieiueliaftf lehre. 95
Tal, die nidits Anderes, als mit yergangeneti Gegenständen sich be-
seUfllgende Sinnlichkeit, ist, in Uebersinnlichkeit verwandelt.
£ine solche uebersinnlichkeit ist, über den Kreis des Materia«
finnis hinaosankemmen, nicht hn Stande. Den Uebergang cum Be-
wvsstseln M\ nun da^ Gefühl bieten. Wenn das Empfinden
hx Skme sich yom Empfnndenwerden der Dinge unterscheidet , so
iit dieses Unterachelden das ^GeftthP (S. 182}. Die Dinge wer-
den DÜmlich empfunden, sie erleiden Empfindung, sie empfinden aber
^dit, die Empfindung selbst haben sie nicht. Man empfindet durch
mefl Unterschied die Dinge als von uns empfunden und den Sinn
öad Witt ihm doi Körper selbst als die Dinge empfindend. So wird
ms der Körper fühlbar. ^Den eigenen Körper fühlen (sie) ist
G^eftihl.« Dieser OIrkel kann als keine Definition des Gefühls gel-
lea. hk Shnlicher Weise wird, Indem das Fühlen immer wieder
Airdi das Fühlen in der Definition erklärt wird, S. 195 „das Ge**
fflkl des Unwohlseins* und S. 191 das ^Gefühl des Wohl-
Seins*' definirt. Das Gefühl zu sein ist das „Gemeingefühl<<.
Fiaden läset sieh nur das, was Gegenstand der Erfahrung ist. Bei
demNiehtsumlichen, oder, was dem Hm. Verf. dasselbe Ist, bei dem
Debersimiliehen ist keine Empfindlichkeit der Sinne gegenüber dem
Gegenstand, welcher rergangen ist, vorhanden. Es kann also auch
TOB keinem Gefühl dieses Nichtsinnlichen die Rede sein. Und doch
ist man noch trots dieser Gefühllosigkeit bei Sinnen, „da man sich
IflwtsinnBch bethätigt«' »Ungeaditet« aller Gefühllosigkeit nicht nur
bei Shmen^ vielmehr auch übersinnlich bethätigt au sein ;,lst Be<*
Binnung* (S. 226).
Erschehiungen, die mit der EInathmung des Chloroforms verbun-
den smd, sollen beweisen, dass man ohne alles Gefühl bei Sinnen
lein kann. Die Bethätigung dessen , was hier „nichtsinnlich^ odef
ȟbersinnlith'' genannt wird, ist aber ebenfalls, wie schon gezeigt
wurde, sinnlich, und eine solche ist ohne alles Gefühl, bei gänzli*
Aer Gefühllosigkeit, nicht zu denken. Soli etwa die Aeusserungf
^hMS diloroformirten, bejahrten Mannes während einer Knochenaus*
sigung, dass er „die Säge wohl spüre', aber „keine Wefathat habe'^
(rfe) das Vorliandentfein von Besinnung ohne alles Gefühl be-
weisen? Wenn eine andere cbioroformirte Frae zuletzt „kein Zeichen
mehr hatte, der Sinne irgend wie mächtig zu sein^ (S. 281), kann
mit solchen Thatsachen bewiesen werden, dass man ohne alles Ge-
fSÜ bei Sinnen sein kann?
Wenn „Gefühl, Sinnlichkeit und Uebersinnlichkeit vergangen
sind*, entsteht ^^Besinnungslosigkeit^ (S. 2dS> Schlaf ist
«ne solche theilweise Besinnungslosigkeit, Ohnmacht ist die „volle
Besinnungslosigkeit des Körpers.^ Die dem „Körper eigenthümliche
Wirksamkeit^ besteht nämlich noch fort. Erst, wenn auch diese
BtUie steht, tritt der Tod ein, und entsteht Verwesung.
Der Besinnung Jeder Zeit mächtig zu sein, ist ^yBesonnen-
96 BiedermaBD: Winenacbaftololkre.
heit^' (S. 239). Wenn Sinnlichkeit oder Uebersinnllcbkeit, GefiiU
oder Besinnung sich thataächlich bewiesen haben, entsteht „dieGe-
wissheit^ derselben (S. 251). Von dieser Gewissheit wird nun
zur Bestimmung des Begriffs desBewnsstseins aosgegangen, wel-
ches nichts Anderes ist, als das Gewisssein j^sowohl des Vor-
handenseins der Dinge, als auch des eigenen Daseins^ £ufolge „der
Sinnlichkeit und Uebersinnlichkeit , des Gefühles und der Besin-
nung«' (S. 256).
Das Bewusstsein äussert sich als ,)Sinnliches^ und „übersinn-
liches^. Jenes entwickelt sich stufenweise als ;, Empfindung^, „Wahr-
nehmung'' und „Erfahrung'', dieses als „Erinnerung^, Vorstellung'^
und „Erkenntniss'' (S. 267). Mit der Annahme des sinnlichen und
übersinnlichen Bewusstseins ist der ganze Inhalt des Bewnsstseins
noch nicht erschöpft. Es hat noch die Stufen „des Gefühls' und
der „Besinnung" zu durchlaufen, um zum Selbst bewusstsein
zu gelangen (S. 273). Erst, wenn durch das Gefühl und die Be-
sinnung das Bewusstsein sich zu dem Bewusstsein gestaltet, be-
wusstlos gewesen und seiner selbst, wie eines Andern, bewusst ge*
worden zu sein, zeigt sich das „Selbstbewusstsein" (S. 278).
So benutzt der Hr. Verf. überall, so hart sein Urtheil gegen
Hegel ausfällt, die Methode der trilogischen Hegerschen Dialek-
tik, und gelangt auf diesem Wege offenbar zu demselben Resultate,
wie Feuerbach, den er übrigens nirgends erwähnt, zum Materia-
lismus. Alles wird zuletzt auf Ding, Sinn und Bewegung
zurückgeführt. Das Bewusstsein entsteht zuletzt durch das Zusam^
mentreten des Dinges und des Sinnes vermittelst der Bewegung.
Daraus entsteht zuerst die Sinnlichkeit, so fort aus dieser die Ueber-
sinnlichkeit, welche nach dem Hrn. Verf. nichts Anderes ist, als die
Erinnerung, Vorstellung und Erkenntniss dessen, was nach Yergan-
genen, zu Gegenständen der Sinnlichkeit gewordenen Dingen noch
als Rest der Wirksamkeit des Dinges im Gehirn haften bleibt, und,
wenn wir das Gefühl unseres Sinnes von dem empfundenen Dinge
undxdem von ihm in uns zurückgelassenen Reste seiner Wirksam-
keit unterscheiden, das Besinnen und Bewusstsein. Im Schlafe ist
die Besinnung theilweise aufgehoben, in der Ohnmacht ganz, nur,
dass noch die „Wirksamkeit des Körpers" bleibt. Hört auch diese
auf, ist der Tod da.
Bei der Besinnungslosigkeit „vergehen Gefühl, Sinnlichkeit nnd
Uebersinnlichkeit'' (S. 233). In der Ohnmacht, wo gänzliche Be-
sinnungslosigkeit herrscht, sind nun Sinnlichkeit, Uebersinnlichkeit
und Gefühl vergangen; nur die „dem Körper eigenthümliehe Wirk-
samkeit" (S. 236) bleibt bestehen.
(Schlus$ folgt,)
j^ ^ BEIDBLBIRGER I
/^ViHBÜGHlR OBR LITBBATl
IBiedennann: Wissenschaflalelire.
(ScUoif.)
Es kann also von einer weitern Fortdauer dei SeeÜA
^eOB andi diese Wirkflamiceit aafhört, keine Rede sein,
dem SliiDe, dem Dinge und der Bewegung beider gemeinBcbafi
^abfltrmt kann aber nur in der Materie erJ^annt werden, und I
Qad Zelt alnd ja ^das Mittel', in welchem ^alle Dinge entst
bestehen und vergehen.^
IMe Porm unseres Buches leidet an schwer Terständlicher
elnandexgekeilten Sfitsen, so, dass Perioden vorkommen, welche j
Seiten ffOllen, an grammatischen Härten, Fehlem und ünverstän«
keiten. So wird S.65 „ausserhalb dem Thore^ construirt. S. 73 lesei
«Ohne atller Yermitüung^ S. 74: „Ohne aller Zuthat% S. 77: „
a\ler Tkfttigkeit', S. 89: „Ohne weiterer Erfahrung^, S.
«Es liatte Dicht minder auch schon in dieser die Verwandlung
wie dann die Versinnlichung der Gegenstände, begonnen geha
S. 97 : yDer durch die den Sinnen verfallenen Dinge bem
ßndmck*, S. 211: „Es hatte doch einer, wie der andern, ein
fieseibe Bewegung zu Grunde gelegen gehabt^, S. 216: »<
gleiclizeitiger Zugrundelegung % S. 218: |,Es hatte Ueber
Behk^t noch nicht diese Vermittlung durchgemacht gehabt^, 8.
»Innerhalb dem Gefühle^, S. 224: „Es hatte somit Uebersini:
ieit hei weitem nicht immer gefühllos stattgefunden geha
S. 224 : „So hatte doch Erkenntniss die Stelle des Gefühls ei
nommen und Sinnlichkeit zum Gegenstande behalten haben
Ben^, S« 230: „Ohne aller Sinnlichkeit und Uebersinnlichl
S. 232: „Dagegen musste das Gefühl vergehen, damit Besini
habe sa Stande kommen können<<, S. 233: „Das Gefühl d
^ßx nicht heftig geworden sein, damit Besinnung habe entst
0k5nnen% S. 233: „Ohne aller Uebersinnlichkeit', S. 255:
war d^n Gemeingefühle überhaupt nur um die Gewissheit vor
^en zn sein zu tfiun'^, S. 277: „Ohne vielem Bemühen, S.
^^ean, nicht nur hatte der Sinn lüles mitgemacht und theilweis
^ar c^ethan, was thatsächlich geschehen war, nicht nur hatt
dte I>hige empfunden und die Gegenstände wahrgenommen,
ebenao er es diesen angethan, dieselben zufolge der Beti
ton^ nnd Beobachtung in Baum und Zeit vermittelt und
verSnderlleh gewordenen ab Thatsacheit aufge£asst zu babeo, v
L» Jiikrf . ^ Heft. '7
M Rdders BttMold, Ben. n nrh|M » Odriiidi n. mn^t r. O^Mt
mehr aneh sehon das AufEuaeii als Thon den Thatsaclien gp*
tmVbm^ eb^di saerst noch gans unmittelbar, Torhanden ge-
wesen ist* (Kt) 0. s. w.
BerkUM der Bärtige, ergUr Henog von Zäringen. 1000—1077. Feeir
gäbe zu Fder des 20, September 1856. Dargebracht von C
B. A. Fiekler. Mannheim 1866. 8. 8. IIL
Odalrieh IL, Oraf von DiUngen-Kiburg , Bischof von Comtatve,
1110—1127. Von C. B. Ä. Fickltr. Mannheim 1856. 8.
Torstehende beide Schriften geben ein Bild Yon zwei südteut-
sdien Fürsten, deren Wirkungkreis und Lebenszeit sie in innigen
Znsammenhang mit der teutschen Reichsgeschichte brachte. Der
enrtere daYon Ist ober der bedeutendsten weltlichen Fürsten im
Süden und der andere ein geistlicher. Der eine stirbt mittea im
Kampfe der Auflehnung der Herzoge gegen die ungesetzliche HacbC
Heinridi'B IT., der andere spielt im Streite zwischen Papstthum und
Heinrich T. eine rermittlende Bolle und erlebt die Tersöhnnng mit
Stinem Oberhaupte. Es ist überflüssig von dem Terdienst des Ver-
fassers zu reden, der in so gut gewählten LebensbllderD die interes-
santesten Perioden der teutschen Geschichte anschaulich zu machen
sucht Die erste Schrift ward, wie schon der Titel sagt, als Featr
gäbe zum 20. September publicht. Die Beziehung des ersten Her-
zogs von Z^lngeui des Stammraters der regierenden Familie in Baden
zu jener Feier ist shinig und bedeutsam. Hier aber muss nicht sowolil
diese Biographie, als die des Ahnherrn eines regierenden Hauaee,
sondern yielmelir ihrem wissenschaftlichen Werthe nach ins Auge
gefisst werden. Die Stellung des Herzogs Berhtold zu Kaiser und
Beich ist mithm zunSchst zu besprechen. Der rein wissenschafUidi
gelialtene Ton der liistorischen Forschung und die yielen interesoaii-
ten Gesichtspunkte und Fragen, welche der Terfassei darin anrogti
geben Teranlassnng diese Monographie vom Standpunkt der Wia-
senscbaft allein zu betrachten«
Folgendes sind die einzeben Abschnitte in der Biographie Berli-
told's des BSrtigen : — Zeitverhältnisse beim ersten Auftreten Berl^
told's als Graf im Breisgau. Berhtold's erste Ehe mit BichwsM
zweite Ehe mit Beatrix yon Housson. Seine Kinder« Markgrill
Hermann ist sein Erstgeborner. Herzog Berhtold's Wirken in sei-
ner Zeit Andeutungen über Herzog Berhtold's Terfahren. Gate^
besitz der ZSringer. Das heutige Badische Wappen ist der alti
ZftriDger Schild. Am Schlüsse findet sich eine Stammtafel des Z&
ringischen Hauses.
Es ergibt sich immer mehr durch die «Alreichen Monograpbiei
IkUar: BtriMi, Ben. ▼. UiiigM i. OMifai IL KmM «. CMt I»
iflri Lofad-StadicB rar teirtMh«n QmUA^ tei die bUi«||t B4-
JbMDui: deiielbeB ab elaheitliclie BeichsgMcUdite, denn ICmi
ponkt die hemchende Königsdjnaatie ist^ einseitif und wnwiTdriiMJ
UU. Ifan ttofs die teoteeha Qeechiehta faieea ab GeMMmheU der
Eetwieklmg dar ainialoao Hanogthilmer, bioehöflichen ud Adeto»
Territerien ond dar batreffandeii Dynaetien.
Ee war der Partikniaiinniia allgemein iam Leitende In Jader
poKUKhan Gestaltang aelbet in dar GaltiirantwieUnng bei den T^m^*
idbeBi nidU dae Hoflaben dar Könige. Einer aeMian Bahendinng
d« taalM^en Geechlchta lat darcb Special -Werke nnd lokale Fer»
iduugen aebon viel Torgaarbaitet nnd jeder Baitraf , der dieae nena
Aefineang ftrdert, wUlkomman, wann auch leider Ua jeaC dto
Aaaffibmng einee eolchen Pianea feUl. DIimo AenaMmng beaieht
deh lonScbat aaf die „Gesehicbte der daotechen Kaiaeraeit von Ola*
Mkreeht*' Dar Inbalt diesee Baehee^ würde mit deai TKel über»
«iDatinunan, waan diaear lautete: „Geachidite der dentaeben KMga*
Dena et gab keine teotechen Kaiser und die Zeit od«r ZeitvarUb*
Mm In socialer, politischer und cnltnrhistoriadier Hinsieht aind hier
Mdit berficicsiehtigt Hr. Fkkler gibt nun in deai eisten AhachnHte
«iae selehe fibarsicbtlicha aber Ueffenda Skisca, wie die poIWadM
Lne in Sudtantschland, sur Zelt als Conrad IL Ton Bpeier Kaiset
wir, sieb darstellt Alle politischen Basiehnngen dissea Hansea in
tai siidtentschen DjDasten knüpfen sich an ▼erwandsehaftliebe Banden
Dsreh die Töchter das Heraogs Hermann H., der 100t starb, wet»
te YersohwigeruDgan dar bedeutendsten Fürsten sngehahnti welahe
h der ganxan Geschichte der salisdian Djnastfe Ten groassr Eni-
idMidang wurden. In diese Verwandschaft tritt Berhteid der Bli-
% durch seine erste Gemahlin Richware, der Toditer Heraoff Her*
naaa's IL ron Alamannien, wie der Verf* im zweiten Abaehnltl»
& 34. 35 nachgewiesen hat Die Beweise für diese Ehe shid nnn
te Ansprüchen der Zärloger in Folge obiger Verbindung auf dae
HerNgthom Klinten mit der Mark Verona, auf Alamannien aelba^
w den Beaiehungen au Bnrguad und der Steilnng Besht<dd'a an
User Konrad EL, «i dem Heraoge Ton Kftmten, dem Ton Ak-
«ttinien, ala seinen Schwägern, entnommen. Es ergibt sieh alee nnoil
nekler's geiatreicher Gombination, daas die erste Gnttln Bediiold'a
^ ZSringen die Schwester der Kaiaerln Gisela gewesen ist. Eteea
Mm Grad tou Wahfseheinllehkelt, Ich möchte sagen Ton Gewiss*
hdt, «rhilt diese Vermuthnng, wenn man den Umatand, den te
Vttf. Biit Recht herTorhebt, würdigt, dass nümlleh der KltsaU Sohn
Beriitold's Hermann nach seinem mütterlidien Grossvater diesen Her
Ml trag. Für eine solche Namengebnng in diesem Verwandaduilte-
gnuls Ismen sich aahlreieha Analogien anführen.
ErfreuUdi nnd erhebend Ist swar daa Bild der poütlachen Be«
>Mmngen bei den grossen teutscban Dynasten, woan Berbleld ao
4U«i ist, hl jener Zeit keines Wege.
iöO Fiekler: Berbtold, Hen. t. ZUringon u. Odalrich II. Bbchof r. CoBft
Es treten die trübsten Schattenseiten der teutschen BeichsYer-
fassnng hervor. Ein Jagen nach Länderbesits , Lehen, Erbschaften
mid Titeln sind die Motive bei den Handlungen der Dynasten, selbst
die regierende Königslamilie macht Iceine Ansnahme. Die ThStigksit
der Reichsfürsten hängt von ihren Ansprüchen, die sie verwirklidieQ
wollen, oder getäuschten Hoflnungen ab. In diesem Getriebe des
Egoismns der Dynasten, die jede Staatseinheit und auch den Schatten
eines KÖnigthums ohne Macht zerstörten , sieht man wol leicht ein,
dass die Absichten und Plane der Reichsfürsten das leitende in der
teutsdien Geschichte sein müssen, nicht die Ideen, die Politiic und
das Streben der Könige. Wie sich die staatliche Entwicklnng
nnd die Machtentfaltung der Herzoge ausbildete, darnach haben die
Könige die Herzogthüm^r behandeln müssen. Je nachdem sich die
Dynastien befestigten nnd die staatlichen Verhältnisse bei den ein*
zelnen Nationalitäten sich consolidirten , darnach musste sich die
Stellung des Königs zu den nationalen Herzogthümem richten. Ter*
folgt man die Specialgeschichte in den handelnden Personen, so
begreift man, wie wichtig Yerwandschaften der bedeutendsten Dyna-
sten in einer Gegend, wie etwa in Alamannien zur Zeit Berhtold^s
von Zädngen waren. Die ganze Energie der Könige aus dem Sa-
Kscben Hause brach an den Persönlichkeiten der Reichsfürsten. Der
Verf. geht S. il auf die Parteistellung in Teutschland vor dem
Kampfe Heinrich 's IV. mit dem Papstthum über. Der gemehi-
same Zug bei den Herrschern aus der Salischen Dynastie war eine
gewisse Gewaltthätigkeit, die sich gegenüber den Fürsten der ein-
zelnen Stämme schrofif äusserte. Auf der andern Seite aber war
das Bewusstsein der Macht nnd Selbständigkeit der Herzoge, die
staadiche Entwicklung ihrer national geschiedenen Länder soweit
gediehen, dass fast keine Scheidewand sie von der Souveränität
mehr trennte. War es auf Seite der Salischen Kaiser oder auf der
Seite der Herzoge ein Ueberschreiten ihrer Stellung und rechtmässi-
gen Macht, wodurch das Königthum in dem entscheidenden Moment
stürzte? Das kann schwerlich ohne Einseitigkeit gegen die wohlmei-
nenden Ideen der salischen Könige oder die hergestammten Rechte
der Herzoge entschieden werden. Jedenfalls aber erkennt man das
Gewagte des Unternehmens Heinrichs IV., bei so unsicherer Stel-
lung des Königsthums die Trennung des Staates von der Kirche
zu versuchen* In dem ganzen Benehmen seiner Gegner besonders
bei Rndolf von Rheinfelden und Berhtold von Zäringen zeigt sich
ein tieferer politischer Blick als in dem Auftreten Heinrich's IV.
Dieser verfolgte zwei Ideen zugleich und schuf sich dadurch
zwei Gegner. Die ersteren waren conservativ auf der einen Seite,
egoistisch auf der andern. Wenn auch, was Berhtold und Rndolf
von Rheinfelden unbewusst anstrebten, damals mislang und jener
gebengt durch Gram mitten Im beginnenden Sturme aus der Welt
schied; so bat doch die Folge sein Streben und seinQ An«icht
Pidder : Berlilold, Hart. ▼. Ziringen u. OMtith IL Bif cM T. CttMt 101
fliinnd gveebtfertigt. In dem «weiten Abschnitte Seite 37 häi
im YerfMser'B den unzweifelhaft richtigen Beweis mit groeaem
Scharfsinn nnd umsichtiger Kritik geführt, dass Marlcgnf Her-
■ton L Ton Verona — der heilige, weil er später canonisirt wurde»
der Slteste Sohn Berhtold's ist. Der Beweis ist indirekt dadurch ge-
fdben, daas Berhtold 11., den man bisher für den ältesten 8^
fierhtold's des Bärtigen hielt, nach der herkömmlichen Ansicht ein
nngewShiiljch hohes Alter erreicht haben müsste, wovon keia
Cbronist etwas sagt Die ganze chronologische Deduction, welch«
kr Verfasser gibt, zeigt auf Hermann I. als den zuerst gebomes
Sohn Berhtold^s hin. Die Lebensbeschreibung dieses Mannes wfirda
wie über andere Verhältnisse so auch namentlich darüber Auf-*
schlius geben, wenn sie wieder aufgefunden würde. Der Verf. er*
wäimt S.41 und 45 in den Noten diese Vita Hermanni, welche oId
gewisser Odalrich, Canonicus in Regensburg verfasst hat leb
glaobe, daas es nicht unerheblich ist über diese leider verlorene
Qoelle für Hermann's I. Leben und über ihren Verfasser etwas
Diberes miizutheilen. Als Hermann L, Markgraf von Verona und
Graf von Baden als Laienbruder unerkannt in Clngny starb, scheini
68 bat nur der Mönch Odalrich die Abstammung und Stellung des
irommen Klosterbruders gekannt. Jener Odalrich war aus einem
lodteatschen Geschlecht von hoher Abkunft und die Vermuthnng
Üsgt nahe, dass er aus einem baierischen Adelsgeschlechte war» Ana
dem Umstände, dass gerade jener Mönch Odalrich das Leben seines
Landsmannes Hermann beschrieb, folgt auch, dass beide sieb ala
Freonde näher gestanden, und vielleicht die Conversion des ersteren
auf dto leztoren £inflas8 hatte. Diese Lebensbeschreibung ist un-
gificklicher Weise bis jezt noch nicht aufgefunden, sie wäre eine
interessante Quelle für die Geschichte seiner Zeit und vor allem für
die Geschichte des badischen Hauses. Ich will versuchen nach«
ioweisen, ob sich dieselbe noch vollständig oder Auszüge und Be-
arl»eitangen ans derselben auffinden liessen. Hermann L ist nach
des Verfassers Angabe c. 1030 geboren und in einem Alter
▼en 44 Jahren, etwa 1070-— 80 in Clngny gestorben, um diese Zeit
alao ist auch sein Leben von Odalrich beschrieben worden* Diese
Vita ward wol schon in Clngny selbst von Odalrich verfasst unci
war aoch dort ohne Zweifel in einer Abschrift zurückgeblieben, nach-*
dem ihr Verfasser Odalrich als Canonicus nach Regensburg kam.
Die nach Teutschland verbrachte Lebensbeschreibung sah, wie Fick«
1er L d. S. 45 bemerkt, noch um 1113 ein Mönch des Klosters
Melk in Nieder-Oesterreich. Dieser Mönch wird, da sein Namen
>och nicht aufgefunden ist, gewöhnlich Anonymus Melllcensis ge*
saant nnd ist als einer der wichtigsten Quellenschriftsteller bekaimt
Wie es nun gekommen, dass Ihm die Lebensbeschreibung Hermann'«
Yoa Baden bekannt wurde, kann man aus folgendem mit einiger
Wahrscheinlichkeit darthnn. — Es war ein dem Sueton nadi*
m PiAbr t Barhiold, ITenb t. Zirl^M «. O^alricli IL KMhoffr. Cöut
gtSOdMer Bnach des MitteUIteni, dass man die Literatur« nnd Eir-
chang^achlchte biographiacli behandelt hat Man aohlosa sidi an die
Schrift des Hieronymus: de Tirte Ulostribos (enthUt 135 Biographien,
TSttesst L J. 392) nnd an dessen Fortsetsang von Gennadins, mit
gleichem Titel, an. Gennadins gibt 100 Lebensbesdirelbung«n, die
«m 496 TcrQffentlicht wurden. Audi Gennadius fand in I^oras
e. 630 und dieser wieder in Ildefonsus c. 660 einen Fortsetser. Also gans
kl der Art der Annalen und Chroniken reihte man auf dem Gebiete
der Literaturgeschichte Biographien an die vorhandenen Sammel-
werke von Lebensbeschreibungen der in der Wissenschaft und Kirche
verdienten Minner. Im 11. und Anfang des 12. Jahrhundorts auch
noch spiter ward diese Art von biographischen Literatur- nnd Kir*
ehtngesehiditen an etaiselne Mittelpunkte des wissenschaftlichea und
kircUlchen Lebens, das heisst an gewisse Klöster, Kirchen oder
Orden geknüpft. Ein solches biographisches Handbuch der Litera*
turgeschichte schrieb Sigebertns Gemblacensis c. 1100. Noch im IS.
Jahrhundert befolgte ein Mönch Petrus iron Monte Casino in Besag
auf die Schriftsteller und berühmten Männer aus diesem Stift die-
selbe Art der Darstellung. Für Teutschland war ein solcher literfi-
rischer Mittelpunkt, der auch zugleich ein Brennpunkt des kirchli-
ehen Lebens war, das Kloster Hirsau. An dieses Kloster lehnt sich
daher tfne solche biographische Literaturgeschichte in zwei £me&-
datlonstt an. Die eine derselben stammt von dem oben angeführten
Mönch von Melk« Derselbe war dahin von Hirsau gekommen nnd
ein Schüler des heil. Wilhelm. Seine Schrift ist das bekannte Werk
des AneuTmus MelUcensis. Er beginnt seine Literaturgeschichte hi
Lebensbeschreibungen da, wo Gennadius schliesst und hat sie bis
1120 geführt. An der Spitze steht die Vita S. Wilhelmi. Die andere
Abschrift oder besser Recension des ursprünglich Hirsauer Werkes:
de seriptoribus ecclesiasticis befindet sich im Kloster Admont in
Stelennark. In dem Aufsatze von Muchar |,Handschriften des Stiftes
Admont^ im 6. Band des Archivs vpn Pertz S. 175—181 ist jener
Codex nicht aufgeftihrt So viel ich weiss, ist er auch noch nicht
mit dem Anonymus MelUcensis eingehender verglichen und nach
den Quellen beurtheilt worden, daher ich von dieser Admonter
Handschrift hier rede, um zu zeigen, wie der Hhrsauer Verfasser des
Weriies de seriptoribus ecclesiasticis zu der Lebensbeschreibung des
hdllgen Hermann kam. Der Admonter Codex ist gleichzeitig mit
dem Anfang des 12. Jahrhunderts, bis wohin die Biographien rei-
dien. Er ist aber älter als die Handschrift von Melk. Es geht
nnswelfelhaft ans dieser Admonter Handschrift hervor, dass der Ver-
ÜMser in Begensburg lebte, da er besonders den Ordensleuten von
St Emmeran Anfbierksamkeit widmet. Mithin weist das angeblich aus
Melk stammende Werk in seiner Entstehung auf Hirsau und Regens-
borg svttek. Somit ist es erklärlich, dass der Verfasser oder Fortsetier,
des einige Zeit in Begensburg lebte, die Vita Hermanni des Odal-
fkkkn fcrtteU, Bm.T.llffliftBi.0iilfMILlteMT.6Mii M
lieh) wddittr in B«geii0biirg nm 1090 Cteonictts war, koBMii Imte.
Mer kam nuui auch die HoAiimg hegen, dais mter den Begena-
\/Bpg Haadiehriften die VUa dea beUlgen Hermann eich noA Snde.
Aieh aof den unprünglichen Verfaaaer dea Werkes Ton Melk wM
toA die Admonter Handechrift Licht geworfen. Oewiea wiie
m ula erwilnaeht, wenn einer der BJbide «der Quellen nnd EiSr-
tflnagen anr baieriaehen and dentachen Geachichte^, Ae Jaat In
WkaAm gedruckt werden, diese Biographie des heiligen Hermam
T« Baden heichte. Eine GoUation der Stelle Aber fieniann Ton
Baden ans dem Admonter Codex und der Aasgabe des Anonymoa
MsiliciMis ist swar achon gemadit, aber noch nicht verMTentlldit wor*
des. Es ist noch eine andere Qaelle nnantetsncht, welche Ober dieaa
ffisfri^hle Aubchloaa geben könnte. Ea haben Tiellelcht aadi in
Oagny Seqnensen auf den heiligen Lalenbruder Hermann von Ba-
den existirt, welche in mancher Hinsicht die noch nicht anlgeAindeBo
Ftta ersetsen mögen. Aber die Handachriften der Ohgnyacenaer aind
Nhr lentreat und ylele verloren. Felix Clemens hat etailge Hynmen
im Mittelalters heranagegeben ond die Arbeiten von L^on Ganthler
Tvqirechen, daas dieser junge Mann bei adnem Eifer für mlttelalter-
fiehe Literatur die reichen handschriftlichen ScUttae von Paria auch
ftk die Hynmologie ausbeuten werde.
Der fünfte Abschnitt in vorliegender Schrift handell von dem
(Htterbesits der Ziringer. Die kurae und gute Auseinandersetinng
der Yermögensverhlitnisse dieser wichtigen Djnaaten erkllrt die
Slettang, welche aie einnahmen. Zugleich aber ist auch damit die
in der Folge eingetretene Zersplitterung des Besitaea tai die venchie-
denen Linien nadi Erbschaften einselner Allode und Lehen erkllrt
In dem folgenden Abschnitte wird nachgewiesen, daas daa heu-
tige badische Wappen daa der alten Zflringer iat« Dieae Ansicht
bat vom Standpunkte der Heraldik manches für sich, und man
man ihr desshalb einigesQewicht beilegen. Die Xltesten Wappen rind
bekanntlich die einfachsten. Die Wappenfignren ^d in dem 11.
nd 12. Jahrhundert meist von Reichsldien oder Aemtem entlehnt
Der Löwe, der einige Zeit in dem badisch*sSringischen ScUMe ab
beiaidisdie Figur war, Ist ein Anspruchsbild auf Bnrgund. Der
Adler war wegen der Reichalehen angenommen oder dem Oralen-
Ant Die Städte der Zäringer nahnsen von diesem Wappen ihrer
Iisadesherrn den Kopf des Adlers an, so Freibnrg, dessen Wappen-
bfld man irrig als Babenkopf deutete, und Verona, daa dieselbe Ilgur,
wie des klte Freiburger Schild, einige Zeit fährte. DieSS könnte efaien
Beweis geben, daas die Ansprttche auf die Mark Verona dodi
such einmal wenn gleich nur kune Zeit gemacht wurden. Ich ver-
weise bei dieaem Abschnitte über daa badiach-zärhigische Wappen
auf die demnüAst hierüber erachefaiende Monographie von Fr. Zell
ia Karlsruhe. Die beigegebene Stammtafel erläutert beaonders den
Absebnitt vier: ^AndentUDgeii über Henog Berhtold's Vorfahren.«
104 Fieklef : BdriitoM» Her», y. Ziriafen ti. Odalrieli 11. BbelMf t. CobM.
Eb verdient dieae game Schri/t das einstiminige Lob derer,
welche schwierige historische ForsehuDgen su würdigen wisaeo.
Sie ist der Anhäoglichiceit an den Fürsten und der Wissenschaft zu-
gleich geweiht.
Die zweite der oben genannten Schriften ward als wisaen-
scbaftUche Beigabe znm Mannheimer Lyceams-Progranini von 1856
herausgegeben. Gegentiber von so manchen werthlosen Programm-
arbeiten hat der Verf. der vorliegenden Schrift bisher stets verdienst-
liche historische Forschungen in seinen wissenschaftlichen Beilagen
zu den Programmen niedergelegt, ich erinnere nur die zweckmis*
sige Herausgabe des Kelcrologs vom Kloster ^'eidingen. In der
nun zu besprechenden Programmbeigabe bietet der Verfasser ein
Fragment oder vielmehr Specimen der Regesten der Bischöfe von
GoBstanz, an welcher Arbeit er schon seit längerer Zeit sammelt,
wozu auch im Oeschichtsfreand (Einsideln 1847) Bd. 4, 159. Bei-
träge von 1200 bis 1500 gegeben sind.
Nach der wichtigen Stellung, welche in der südteutschen 6e*
schichte das grosse Bisthum Constanz eingenommen hat, ist seine Ge-
schichte, wie der Verl. des Odalrich II. in dem Vorworte ganz treffend
hervorhebt, zu wenig bis jezt bearbeitet worden. Den Anfang zu den
historischen Forschungen über das Gonstanzer Bisthum machte Nen*
gart Es erschien aber nur der erste Band seiner historia episcop.
Gonstantiensis, der bis ins 11. Jahrhundert geht, der zweite, welcher
bis 1300 reicht, wird nächstens durch den Draclc veröffentlicht. Schon
öfters haben indessen suwol andere Historiker als Flckler selbst
das Neugart'sche Manuscript benüzt. In Bezug auf dessen Vor-
rede ist zu bemerken, dass ich mich der Herausgabe des zweiten
Theils der historia episcopatus Gonstantiensis nicht unterzogen habe.
Die Schwierigkeiten schienen mir zu bedeutend, als dass ich den an-
gebotenen Auftrag übernehmen könnte. Denn eine Kritik des Neu-
gart'achen Manuscrlptes schien nothwendig durch die seit 1806, von
welchem Jahre die Vorrede Neugarts datirt ist, publicirten zahlreichen
Quellen über die Geschichte von Goustonz. In Rücksicht auf die
Quellen, welche Fickler für seinen ;,Berhtold* benüzte, wie für die
vorliegende Schrift, ist hervorzuheben, dass ihm ungedrucktes Quel-
lenmaterial aus dem Schaflfhauser Staatsarchive zu Gebote sUnd. Er
hat zuerst interessante Urkunden der Zäringer in jenem ArchiFe
aufgefunden und gibt nun sogleich die Resultate, welche sich ans
diesem glücklichen und wichtigen Funde ergeben. Es sind freilich
hier nur kurze Gitote aus jenen Schaffhauser Urkunden zu finden
und es wird auf ihre baldige Publikation verwiesen. Diese soll unter
dem Titel: ^QueUen und Forschungen zur Geschichte Alamanniena«
demnächst erfolgen. Wir werden weiter unten bei dem Bamberrer
FürstenUge von 1120 auf diese jezt zum ersten Male durch Fickler
benüzten Quellen zurück kommen und gehen desshalb nun an den
emzehien TheUen der vorliegenden Schrift selbst über- Im eivten
ricUw: ImMU, Hm. Y. XiiisgMi «. Odalrieh II. Bifdbof t. Cesfi. KMI
JUfduritte findet man »die Zeitverhäitnine bei dem Tode des Bischöfe
Gebhard ni. and die ErneDOung Odalrich'B von Kiburg^ ercXhlt
Der zweite ist den Grafen von Kiburg gewidmet Damit ist
eine Geschlechtstafel der Dilingen — • Kibnrger Dynastie — ver-
bunden. Das dritte Kapitel schildert Odalrieh's Wirksamkeit ab
Bischot Den Sdünss bildet ein Anhang von Kegesten über Odal«
rieh und eine Stelle ans einer unedirten ConsUnxer Chronik. Es
befindet sich nSmlich ein Städt-ArehiT von Constanz, eine Hand*
schrill des 16. Jahrhunderts, welche die „Chronica des Bistnmbs
Constana^ Ton Schultheis enthält Daraus liat Fickler nun snm
«Sien Male die Stelle, welche Ton Bischof Odalricb IL handelt, ab^
draeken lassen.
Bevor wir von den einseinen Forschungen der Toriiegeodea
Schrift reden, ist die gute Wahl ansuerkennen , welche der Ver-
fssser getroffen hat Dass er einen geistlichen Fürsten wählte,
der durch seine Stellung zum Kaiser hervorragte und desshalb mit
Nachdruck Im Investitnrstreit gegen den Papst stehen konnte, der
aber doch die b^den Gewalten, welche in einen teutschen Bischof
vereinigt waren, gewissenhaft trennte. Ein Bild der politischen und
kirchlidien Zustände in Teutschland geben unter Heinrich IV. und
seinem Sohne vorsüglich diejenigen Persdnlichkeiten, welche veri-
mittelnd zwisdien beiden Schwertern der Christenheit, dem Imperium
und sacerdotium standen. Der Vorgänger Odalrich's 11. von Gon*
stanz im bischöflichen Amte seigt, wie gefährlich und nur mit der
grössten Aufopferung durchführbar die Stellung der vermittelnden
Bischöfe war. Jener Constanser Oberhirt war Bischof Gebhard IIL
von Zftringen. Er war eine Stütse der päpstlichen Partei, und musste
es sein, da der ganse Süden von Teutschland für die Ideen Gre*
gor's Vn. Partei ergriff. Es genügt einen kurzen Blick auf die da*
mslige Parteistellung in Teutschland zu werfen, um Odalrich's II. Stel-
ling anschaulich zu machen. Constanz, besonders die dortige Dom-»
sdiule, von 1040 — 1100 unter Adelbert, Bernard, Bernold zeichnete
ach ans durch ihren Elfer gegen das Schisma der Heinrieianer«
Ebenso die Klöster Reichenau unter Abt Ekkehard, an den Gregor VIL
Briefe schrieb, Petershausen, Marbach im Elsass, wo Manegoldus
lebte und vorzüglich Hirsau, wo die Schule des h. Wilhelms blüthe.
Dia Stellang der einzelnen Klöster in jener Zelt gegenüber dem
Kaiser ist schon ersichtlich ans ihren Annalen. Zur Slritik des lez*
teren ist die Kenntniss der Anschauung und Paiteistellung in den
eiaaehien Conventen erheblich und bisher zu wenig beachtet wer«
den. Dia Beichenauer Geschichtschreiher gehören vor allen Dingen
Ideher, sie sind päpstlich gesinnt Die Klosterchroniken im Süden
waren nach dem Muster der casus monasterii S. Galli verfasst und
fahrten auch meist denselben Titel, so die Chronik von Schaffhan-
lea, die leider verloren ist, und die von Petershausen. Hirsau war
der Mittelpankt der strengkirchlichen Sichtung. Von dort kamen
IM Plektoff: ieAiold, Ben. t. KäriafM i. Malriek IL Biidiof r. C^st
Aebte mi Mfeche nach RegeDsborg, Admoiit, Bt Paul, sdbet Mi
Bach der Krain. Diesem pSpstlich gesinnten Mitteipaolit gegenfiber
war daa Kloster Slegburg bei Bonn der Herd filr die kaiserlich ge-
sinnte Partei, von dort Terpflanste man antipttpstilche Aebte nach
SOdteutschland, wie a. B. nach Sinsheim. In dieser allgemeiDsn
Strömung in Südteatschland an Gunsten der Kirche sehloss sieli
Sebhard dieser Richtung an. Er spielte eine wichtige Rolle, sah
die Demfltbigung Heinrich's lY., und war fQr die Wahl Heinricfa's Y«
mit Erfolg thfttig. Es trat bald eine ErkSItuog des YerhältnisflC«
zwischen Qebhard und dem römischen Curie ein. Die Oriinde
davon bat Fl okier nicht erschöpfend angegeben. Jene Spannong
dauerte fort bis an sein Lebensende 1110. Odalrich folgte ihai,
«Mannt Tom Kaiser. Natürlich hatte er in seinem Sprengel schon
wegen seiner Beförderung durch königlichen Maohtspruch riele
Widersacher, doch er trat mit MSssigung und YersÖhnlich auf. Diess
bat der Verf. sehr treffend nachgewiesen. Odalrich führte nur die
Regierang als weltlicher Ffirst, Hess sich in den oberhirtlicben Fubc-
tionen von seinen benachbarten Bischöfen vertreten, bis er endlich
mit Rom sich aussöhnte. Bis diese Aussöhnung erlolgte, fanden
V. 1114 — 1116 Verhandlungen awischen der päpstlichen Curie und
Odalrich IT. staitt, wortiber Fickler fleissig die wenigen QueHen an*
sammenstellte. Odalrich mied allmälig die Zusammenkunft mit dem
Kaiser. So verliess er t>ei der Gelegenheit als Heinrich V. nach der
Reichenau kam, Constana. Die Vermitthmgsrolle awischen dem Bi-
achof und Rom übernahmen päpstlich gesinnte Aebte und Klöster,
wahrscheinlich Petershausen und Hirsau. Man darf diess aus den
Rücksichten schliessen, die der Bisehof auf diese Convente genom-
men hat. Das wichtigste in dieser Schrift ist unstreitig die Nach-
Weisung, dass 1120 in Bamberg ein Hoftag stattfand, der einen in-
nen Frieden in Teutschland bezwecken sollte. Der Verf. führt den Be-
weis aus einer Scbaflhauser Urkunde, die er entdeckte. Auf jenem
Fürstentag, der auf Betrieb Otto's von Bamberg au Stande kam,
war awar Odalrich niebt selbst anwesend, ohne Zweifel aber war
er mit der ganaea versöhnenden Richtung desselben einverstanden.
Bs waren damals in Bambwg versammelt von Bischöfen ausser Otto
von Bamberg, Rüdiger von Magdeburg, Regtahard von Halbentadt,
Odalrich von Elchstfitt, Oebhard von Wiraburg. Auffalleader Weise
lauter PrSlatea von weniger bedeutenden Bischofsitaen, diesen scheint
eine Ausgleichung am dringendsten aothwendfg gewesen au sein.
Von anwesenden weltlichen Fürsten- werden dort nachgewiesea der
Hersog Fridrich von Schwaben, Hefarich von Balera, die Markgra-
fen von Vohbarg and Istrien und die Pfalagrafen von Wittelabaoh
mMl Calw.
Die ganae Monographie Ist analehead und klar gesehrleblii, so
dass BMHi bei ihrer Be^thetlung das Lob der guten Darstettoag
aidtt übergebea darf. Wr. M^na»
OiJMtn. Wt
BShemmuehe Oudheden. Bens hijdrage M de oltiwikMin§9pt$ehM^
derns der vroegsU Europesehe volken, Doar Dr. L. T. #*«
Janssen^ etmserpotor hy ket mmeum van tmdkidm ie hty^
dm, Md X plaUn. T6 Arnhem, Hj J«. An, Ni)h9ffm Zoom
1S6S. — yjll und 90 8eUen in gr. 4.
und ab Nachtrag daia:
HUverswnsche Oudheden, Leyden, dm 24, Juli} 1856, L* J. F,
Janssen. (Overgmomen uit den Algemeenen KonH-m Letter^
hode, Nr. 39 van hei jaar 1856.) Nur 8 Seitm in kl. 8. mü
der osteologischen Untersuchung der Oebeine in dm Umm eines
Todtenhügels.
Die Hilrersum'flcben Alterthümer gehören an dem ISgentbBm-
liebsten nnd Merkwürdigsten , was sich bisher den Forsdhem anf
dem weiten Gebiete der Altertbomskande dargeboten hat Anch
ans haben sie sogleich sehr interessirt Wir haben uns anch über
dieselben schon in den Heidelberger Jahrbüchern (1854f Nr. 37»
S. 582 ff.) aasgesprochen; und wenn Herr Janssen fürs erste die«
selben nur in einem kurzem Aufsätze in seinen Yerbandlingen en
Mededeelingen bekannt und die Gelehrten auf dieselben aufmerk-
sam gemacht hat; so gibt er nun eine sehr gelehrte nnd gründlich-
▼ortreffliche Abhandlung Aber diese HilTersum'schen Alterthümer.
Denn die Ausgrabungen bei Hilversum sind zwar noch lange nicht
beendigt; allein die grosse Merkwürdigkeit des bis jetzt Entdeckten
macht Anspruch auf schnelle und ausgedehnte Bekanntmachung, nnd
zwar nm so mehr, damit wissenschaftlichen Männern aus aller Welt
Gdeganheit gegeben wird, ihr Drtheil Aber dieselben auszusprechen,
und kund zu thun, ob nicht auch sie schon auf solche nnd ibn-
fiche Erscheinungen der Vorzeit gestossen sind. Einzelne Alter-
thumslnindige hat Herr Janssen sogar schon schriftlich nm Aus-
kunft angegangen: den Hrn. J. J. A. Worsaft in Eoppenhagen, den
Hrn. O. 0. Fried r. Lisch In Schwerin, den Hrn. Baron G. 0. C.
Ton Estorffzu Schloss Jägersburg und auch uns. Ja Herr Jans-
sen adoptirt allein bloss unsre Ansicht grossen Theils, d. h. der
Hauptsache nach ; und wir haben ihm versprochen, die ganze Sache
mdglichst nochmals in die Hand zu nehmen, wenn seine ausführUcha
Abbandinng Aber die Hilrersum'schen Alterthümer erschienen wMre»
Wir lOsen unser Versprechen hiermit, indem wir tiefer, als bis jetzt
▼on uns geschehen ist und geschehen konntOi in die HÜYersnm'schen
Alterthümer eingehen.
Herr Janssen gibt nSmlich 1) ehie Geschichte der Entdeckung
und Beschreibung der entdeckten Herdstätten und der in denselben
gefundenen Geräthe, vergleicht 2) dieselbe mit anderwärts gemach-
ten Entdeckungen, und spricht sich 3) über Zweck, Bearbeitung,
Abkunft und Alter dieser Herdstätten und Geräthschaften aus« Wir
nehmen alla diese Punkte durch, indem wir unsre Ansiditen und
IM JaniiMi: mnunrnftch^ (MUAml
Bemerkmigiiny wie auch noch andere Verglelchnngen an dieaelben
anknüpfen.
Der Plata, an welchem man diese Alterthttmer entdeckte, ist
45 Minuten SSOlich von dem Dorfe Hilversum anfem Utrecht und
ward ehemals, als mit den herrlichsten Buchen bedeckt, der Gori-
Bche Wald genannt Jetzt ist er jedoch, mit Ausnahme einer Strecke,
die, besonders seit 1837, von Privaten angebaut worden ist, eine
kahle Strauchheide mit einer zahllosen Menge kleiner und grosser
Kiesel aller Art, welche sich bald auf der Oberfläche, bald seicht
unter dem Heidegronde, bald ziemlich tiefer, bald in Lagern oder
Schichten zeigen. Und unter diesen Steinen befinden sich allerlei
Arten von Granit und Quarz, auch Feuersteine, dann rother, grauer
und gelber Sandstein, Schiefer, Thon, Kalk und selbst vereinzelte
Stücke Tuffstein. Eben um dieser zu mancherlei Gebrauch dienen*
den Steine willen worden seit Jahren die Hilversnm'schen Heiden-
felder aufgegraben. Die erste Entdeckung verschiedener mit Holz-
kohlen versehenen Herdstatten geschah jedoch erst in dem Winter
1852 durch einen Arbeiter, welcher davon dem Grundbesitzer, dem
Herrn van Hengst, und dem Bürgermeister seines Wohnortes, dem
Herrn Eyk van Zuilichem, die Anzeige machte. Bald darauf fand
auch der Sohn dieses Arbeiters einige bearbeitete steinernen Werk-
zeuge; und Herr Eyk setzte hiervon den Herrn Janssen in Kennt-
niss. Dieser verfügte sich ohne Verzug auf den Entdeckungsplatz
und begann schon an dem 2. Februar 1853 die Ausgrabungen,
welche den März, April, Mai, Juni und August 1853 fortdauerten.
Denn Herr van Hengst gab nicht nur die Erlaubniss zu denselben,
sondern auch Herr A Perk zu Hilversum stand während derselben
dem Herrn Janssen beständig zur Seite, und die beiden Mahler
J. de Byk, der Vater und sein Sohn, skizzirten die Herdstätten,
wie eine «ach der andern gefunden wurde, und zeichneten sie ge-
nau. So sind auch die schönen zehn Tafeln- Abbildungen entstanden.
Und was entdeckten jene Herren? — Sie selbst fanden eilf
Herdstätten oder vielmehr heilige Opferstätten, welche 80^', 100^',
meistens eine Elle, ja eine Ruthe tief unter dem lleidegrunde ver-
steckt waren. Diese Herdstätten selbst aber bestanden in einer ent-
weder länglich -viereckigen oder halbkreisförmigen Pflasterung, von
rohen ohne allen Kalk oder Gement zusammengefügten Kiesel-,
Sand- und Granitsteinen, von 1 Elle, 50^', 60", 70" ja 78" Länge
und 1 Elle, 36", 42", 50", 62" und 66" Breite, welche Pflasterung
auf drei Seiten von einer eben so kunstlosen, aus gleich rohen Stei-
nen und nur selten aus grossem Steinblöcken ohne alles Cement
aufgesetzten , 20", 28", 40", 50", 60", ja 70" hohen und 15",
20", 25", ja 40" dicken Mauer umgeben war und nur an der vier«
ten SeitCi am häufigsten gegen Süden zu, eine Oeffnung oder einen
Eingang hatte. An dem linken Ende, oder meistens dicht an den
Wdeo Eoden ies letstera lag ein platter nmder SteiD rom W^ M«
95^ DnrehmeBser. Die Pflasterangeii zeigten, als wahre Fenentlt-
teo, die deotlidiaten und Biehertten Spuren, daaa auf denaelbeii Feoer
febrtant hatten, nnd sie waren mit Äsche, öfters mit gani festen
Aseheolagen, Holalcohlen, namentlich von Elaenhols nnd der Wal^
fiehte, and mit schwaner hamusartigen Erde bedeckt, nnd darunter
befuiden sich gSnzHch verbrannte höchst /ragmentartoche Knochen.
Von menschlichen Gebeinen zeigte sich jedoch keine Spur; grfind-
lidie Untersuchungen stellten vielmehr heraus, dass die graten Je*
ttsr Knochenstückchen von Kälbern , Rindern , Schafen , Ziegen und
Böcken, so wie auch von Bibern und Hunden herrührten. Was
man alier in diesen Herdstätten fand, das waren: ein kleines leicht
gebranntes Gefäss von brauner ziemlich feiner mit Kieseigries ve^-
meiigten Erde, welches recht gut mit der Hand geformt und an
dem Bauche mit eingekratzten ganz einfachen Zickzacken verziert
wsr,' — eine einzige an ihrer flachen Seite stark von dem Feuer
togegriffene Pfeilspitze von Knochen, — und äusserst zahlreiche
Geräthe von Stein. In den erif von Herrn Janssen geöffneten
Herdstätten allein, ohne die Herdstätten, welche die Arbeiter fanden
QBd öflneten, — gewann man 356 dieser Geräthe. Und zwar wah-
ren es; 1) Keile und Beile, meistens aus Quarz, auch aus Schie^
fer, Probirstein, Feuerstein und Granit, gewöhnlich von 2'' bis 7^,
soch bis 12'^ 13^', ja 19'^ Länge, selbst ein viel gebrauchter kolos-
nler 30^ langer, 18^' breiter und 11^' dicker Kell von Gneis; ~
i) ovale oder länglich viereckige und nur an einem Ende spitzige
Lanzen- nnd Pfeilspitzen von eigenthilmlicher Form, besonders aus
Qoarz, aber auch aus Kieselschiefer, rothem Sandsteine, Feuerstein
tmd Thonstein, von 2^ bis 6^, aber auch 8^, 9^', ja 1273^^ Länge,
^ 3) Messerchen von der einfachsten Art, besonders aus Feuer-
stein, auch aus Quarz, Schiefer und Granit, von nur 2^2 ^^ ^^
Linge, — 4) Bälle aus Quarz oder Granit, auch aus Sienit und
Toflstein, von 4^' bis 5^, ja 16^' Durchmesser, — und 5) Schleif*
iteize, die andern, steinernen Geräthe darauf zu schleifen, mehrere,
jedoch bestimmt nur Ein langeckiger durch das Feuer sehr geschwärs*
ter und durch den Gebrauch sehr abgenutzter tragbarer aus Hica-
Khiefer von 8V2^ Länge.
Aue diese Geräthe bestehen aus Steinen, deren ursprüngliche '
Gtstalt der Form, die sie nun haben, schon durch ihre Natur nahe
kim, und denen man nur durch geschicktes Schlagen und durch
Schleifen auf grössern Steinen, besonders Sandsteinen, zu ihrer jetzi-
gen Form verhelfen, die man also eigentlich nur fagonnirt hat. Der
weichere Stein ward überhaupt durch einen härtern gespalten, z.B.
ier Sandstein durch den Quarz; der härtere auf einem weichem ge-
Khliffen, z. B. der Quarz auf dem Sandsteine. Kehi einziges Stein-
gttith trägt BpveQ an sich, daM es mit Metall bearbeitet oder über-
aiMCet 0^1 keift tSmagBB iai mit einem LMiMa oder eiüei Od^
noDg Teraeheb. Keioe Spur der Anweadimg eines hoblea metaUe-
nett Cjrlittderfl oder Stohlbohrers sei^ eicb. Dieee Steiagerfithe lind
ohM allee Metall xabereltet Hanehe Keile und BftUe eiad noch
Aeila rohe, theito wenig sageschliffene Kiesel. Ein Kell aus Feaei^
stein, an dem man besonders gute Bearbeitongi Schleifung und Po-
litoff wahrnimmt, bat dagegen eine sehr sebarfe Schneide. Ein Hes-
serchen aus Feuerstein ist an einer Seite lein aosgesackt, wie eine
Säge. (Man vergl. B Uschi ng von Nordischen Alterthümem S.9ff.
und Karl Pre.usker, Blicke in die ▼aterländische Vomit, entei
BSadchen 8. 160 ff.)
Und diese SteingerSthe lagen theils auf den Pflasterungen, öfters
awlsdien den Steinen derselben, tbells und zwar haupts&chlich aa
den Enden der Mauern unter den platten rund^ Steinen bei deor
eelbea« Unter diesen Steinen befanden sich n&nllch nadi unten
triebterfSrmig anlaufende mit Ascbci Holslcohlen und verbrannten Ge-
beinen angefüllte runde bis &0" tiefe Gruben tou ungefiUir 20''
Durchmesser, in welche jene GerMthe von Stein mit Absicht und
Verstand nicht bloss in kleiner, sondern öfters auch in grosser Zahl
niedergelegt waren. So fand man e. B. unter einem solchen Deck-
atehie 7 Bälle , unter einem andern 5 grosse und 5 kleine Keile,
imter einem dritten 40 Geräthe geordnet neben einander, und un-*
4er ebem vierten Deckstaine 39 Geräthe in einem runden Kreise
nahe an einander gefüget. Unter einem fünften waren 9 Bälle in
elaem runden Binge gans nahe bei einander gelegt, und diese um-
flchloesen 50 Geräthe, welche in 2 Lagen oder Schichten über ein-
ander ruheten.
Das sind die Hilyersum'schen Herdstfittea. Wir lassen, indem
wir nns sogleich zu ihrer Herkunft, ihrem Alter und ihrer Bestim-
mung wenden, von der gegebenen Vergleichang derselben mit an-
dern in den Niederlanden, ia den Provinzen Geldern und Drenthe,
gemachten Entdeckungen, weil die Bestimmung der dortigen mit
▼Men Eidienkohlen angefüllten Gruben sehr ungewlss ist und selbst
audi die in denselben gefundenen, gut bearbeiteten und scharf schnei-
deaden steinernen Keile höchst wahrscheinlich späterer Zeit ange-
hören. Wir gehen vielmehr zu dem besondern Umstände über, dasa
noch vor einigen Jahren in der Nähe der HUversum'schen Herd-
slätten bei dem Dorfis de Vuursche einige Hünengräber waren, und
selbst Jetat noch ein solches Hünengrab daselbst bestehet. Und wir
verweisen hier auf eine vortreffliche kleine Schrift, auf die Opfer-
und GrabaUerthümer zu Waldbausen (unfern Lübeck) von K. Klug,
welche das erste Heft der Beiträge zur Nordischen Alterthumskunde
von dem Vereine für Lübeokische Geschichte bildet. Man schlage
hier auf die schöne Lithographie Bl. H, and wir haben vor uns
ToUkoBUBieq im Grossen , was unsere Herdstättea im Kleinen uns
OMMü. ttt
darbieten: den ein Fnu Mm und dnrübef mit nerbitchenen Fener-
iteinen gleichsnm g^»B«iterten OTalen Reden (die PfleeUrnng), die
Maoer ans 10 groesen Orenitblöcken an dreien Seiten nm dieieibei
fai Kingnng an der Nordeetaeite and an deaeelben die beiden De^
ateine nnd in derselben bleu sehwarse irdne nmenartige Oettne
ohne alle Vendenrag, Steinlteile ond meeeerartige Feoereleinaplittei.
Ja afidwestlich yon diesem Hünenbette befand aidi selbst eine Brandr
ititte, eäi KoUeoberd mit betrichUidien Ueberbleibseln ron Eiskeni*
holskeUen und Asche; und es ist nur m bedaoem, dass der leta^
tere nna nidit nSher beschrieben wird* — Wir Terweisen nicht min*
der auf Dr. Friedr. Kruse's AuÜNits über den SneFenhdek bei Ske-
pia anweit Merseburg in dessen ,|Deutsehe Alterthttmer* Band I,
Heft 1| Seite 73 ff., weicher jedoch gewiss weit spUer erriehtola
Hfigel einen last abgekürzten Kegel bildete mit einer kralerförml*
gen Oeffnang, sa welcher an der Südseite ein Aof* and Eingang
fuhrt, der aodi bei Opfern und Todtenverbrennuagen diente« Unsia
Hilversnm'schen Herdstätten gehören i^enbar der Zeit jener Hünem
grSber nnd einem noch uncultivirten namenlosen vorchristlieken Volke
an, welches y auf einer sehr geringen Stufe der Guitur stehend» den
Gebnaach der Metalle noch nicht kanntOi auch sich des Aekerbanea
noch nicht befliss, sondern von Jagd und Fischerei lel>te. .Sein
flfinuntliches Geräth für das Haas» für die Jagd ond den Krieg und
für die religiösen Verrichtungen waren noch ans Stein und Thier»
knocben und seine Gefflsse aus gebranntem Thon. Dieses Volk
wohnte in den allerSltesten Zeiteoi wenigstens schon rot 8000 Jah»
ren, in dem westlichen und nördlichen Europai an den Kflatesi der
Nordäee nnd Ostsee, und ging durch die Einwanderung spiteiec
macbtigerer Völker su Grunde. Was jedoch das für ein Volk war,
Tsnnag Niemand zu sagen. Nur das thut Herr Worsal mit ent-
schiedener Klarheit dar, dass dieses Volk keine Finnen oder l4ip«
pen und eben so wenig Kelten waren (The antiquities ef Irelend
und Denmark, S. 11 und 12; und cur Alterthomskunde des Ner*
dens S. 53 bis 56). Und indem wir dem Herrn Worsai gims
bttatinuneni können wir der Ansicht des Herrn Janssen nkfat bei*
pflidhten, dass unsere Hilversum'schen Herdstfttten erst Ton eiaeaa
barbarischen Volksstamme aus der Bömerieit herrühren, nnd awac
nicht Ilter als Drusus und nicht jünger als Tadtus seien , ahM> erst
ans dem ersten Jahrhunderte unsrer christlichen Zdtrechnung her-
stammen sollen.
Unsre Stelngerüthe wurden gewiss nur mit Stehlen ia(onnirt
nnd waren so nur höchst unyollkommen ; enge Löcher iür Stiele
dnrdi Sterne an bohren, war unmögliclL Erst wie die Metalle hi
Gebranch kamen, wurden auch die Stehigerlthe weit schöner nnd
mannigfaltiger. Denn damit, dass man nun dieselben OerSthe weit
Toükenunner ai^ch aus Metall hatte, hörten die steinernen ketaiea
112 Janiira: HOremm'iclie Oa^heden.
Weges ganz auf. Ihre weit grössere Wohlfeilheit, die alte Gewohn-
heit ihres Gebrauches, die besondere Beschaffenheit des Erdbodens,
welcher die geeigneten Steine zu diesen Werkzeugen darboth, und
alter religiöser Ritus, bei gewissen heiligen Verrichtungen nur ein
steinernes Werzeug zu gebrauchen, erhielten die steinernen GerSthe
Auch selbst neben denen aus Erz und Eisen bis in die späte Zeit
In Gebrauch. So fanden wir, um nur ein Beispiel zu geben, neben
einer grossen Menge yon Gegenständen ans Erz und Eisen auch
solche Ton Stein in unsern Sinsheimem Todtenhügeln der drei Buckel.
(Vergl. die Beschreibung derselben S. 165 und 166.)
Die Menschen, welche die Hilversum'schen Herdstätten errich-
teten, hatten aber noch keine andern, als Steingeräthe. Um so
mannigfaltiger war bei diesen die Anwendung derselben, und gewiss
auch zu religiösem gottesdienstlichem Gebrauche. Aber haben die
in den Herdstätten gefundenen steinernen Werkzeuge alle, z. B.
auch die Bälle, nur zu diesem gedient? — Wer könnte das mit
Sicherheit behaupten oder auch verneinen? — Wie und welches
war überhaupt der Gottesdienst dieser Menschen? — Auch das ist
Gebeimniss. —
Dass er in Thieropfern bestand, das allein beweisen die Reste
der verbrannten Thiere. So war einst schon unter Salomo und
dann in Juda und Israel besonders der unlevitische Höben-Gultos,
bei dem man opferte und räucherte. Auch mögen die runden plat-
ten Steine, die an den Eingängen der Herdstätte lagen, za Opfer-
altären (Opfersteinen) gedient haben, die man aus Erde oder aus
rohen unbehauenen noch von keinem Metalle berührten Steinen er-
bauete. Auf diesen Opfersteinen schlachtete man das Opferthier ab,
und auf den Herden brannten Feuer, oft aus einer Menge Holz, in
denen man die Theile der Thiere, — allerdings gewiss wohl die
edlem, ja die aller edelsten: Haupt, Leber, Herz, Zunge (s. Jacob
Grimmas deutsche Mythologie, zweite Ausgabe S. 50), — welche
man den Göttern darbrachte, verbrannte. War das Opfer vollbracht,
so legte man die Opfergeräthe in die Opferherde, und zumal in jene
trichterförmigen Gruben an dem Eingange derselben, in die man
vielleicht auch das Blut der Opferthiere hinab rinnen Hess, nieder
nnd deckte rie mit den Steinplatten zu. —
(Sehhus folgt.)
tt HEIDELBERGER US1.
JiHRBOCHBH DBB LITBBATDB.
Janssen: Hilversum'sche Oudheden.
(ScUuM.)
Aber wosa legte man sie nieder? — Als Weiheopfer? —
UgU man bloss die Opferwerkzeuge oder aach noch andere stei*
oeraen Gerithe den Göttern zu Geschenken nieder? — Wer legte
rie nieder? Die ganze kleine Volksgenossenschaft oder nur eine einzelne
Familie? — Waren diese Herde Volks-, oder Familien-Herde? —
Dod war so ein Herd- oder eigentlich OpferstStte gebraucht, so wurde
rie mit Sand ausgefüllt und somit zugedeckt und yersteckt. Das
Nheint ausgemacht zu sein. — Aber Hess man sie für immer yer-
deckt, — oder yerdeckte man sie nur nach dem Opferfeste , das
eio Jabresfest war, und öffnete man sie wieder*) und opferte man
Wieder, wenn, bei dem Kreislaufe der Zelt, das Jahresfest wieder
kehrte? — Das sind RSthsel, welche weder wir selbst zu lösen
vermögen, noch uns Herr Janssen gelöset bat; Fragen welche
kttne Geschichte der Urzeit, der ältesten Vorzeit der Völker am
Nleder-Rheine, uns beantwortet; Aufgaben, um deren richtige und
fugende Erörterung wir die Alterthumsfreunde bitten.
Seine Untersuchung über die Hilversnm'sche Herdstätten schliesst
Herr Janssen mit der Anzeige von andern merkwürdigen Ueber-
rssten der Vorzeit, welche man an andern Plätzen der Gemeinde
Hihrersum entdeckt hat. Weil auch ein so genannter Streitmeissel
gefunden wurde, lässt Herr Janssen sich besonders ausführlich
über diese Meissel Ton Erz und Eisen aus, über welche schon so
viel geschrieben und gestritten worden ist. Er zählt aUe auf, die
man, gleich wie sie in ganz Europa zu Tage kommen, also auch
in den Niederlanden gefunden hat; erinnert an unsere Darlegung
[Heidelberger Jahrbücher, Jahrgang 1840, Nr. 85, S. 556 u. 657),
dase man sie sehr unrichtig Gelte nennt, weil der Name der Kelten
in gar keiner Beziehung mit diesen Werkzeugen steht. Er stimmt
auch uns bei, dass diese sogenannten Streitmeissel überhaupt tech-
Aisehe Werkzeuge, Meissel mit mancherlei Verschiedenheiten ihrer
Form und von mehr oder minder artistischer Vollkommenheit wa-
ren, welche zu den yerschiedenaten Verrichtungen des Lebens an«
gewendet wurden, selbst auch im Kriege gebraucht worden sein
mögen, wenn man keine anderen besseren Waffen hatte.
*) Alio hier nur eine Alternative und kein l^iderfprucb, wie Herr Jani'*
i en unsere Erklärung anflEaflst in den Heidelberger iahrbachern, Jahrgang 1854^
Kr. 37, S. 585.
U Jaluf . 2. Heft 8
114 JansMüt Hilrarfttn'Mhe Oadbeäen.
Und dem Ganzen fügt der bo gelehrte, nnerrnndlich forschende
Herr Janiien noch vier höchst interessante Beilagen b^. Znent
widerlegt er Westendorf's Behauptung, dass die Franken sich
aiieh steinerner Waffen bedient httttm. Denn wenn in den Walthar-
Hede die Waffe des Guntharis (als aus der Mistel verfertigt) Mistel-
tein d. i. Tein-Teen^ oder Zweig der Mistel, genannt wird, so lies't
Westendorf Mistelstein, und macht er so, sehr irrend, des Gnntbarfs
Waffe sa einer Steinwaffe. — Sodann erinnert Herr Janssen da-
ran, dass Ernst Kirchner in seiner Schrift: „Thor's DonnericeiP und
Dr. Gastay Klemm in seinem Handbache der Germanischen Alter-
thumskonde irrig gewisse kleine bronzenen Bilder für Thora- Bilder
angesehen, die vielmehr von Kandelabern herrühren, den so genannten
Wildemann vorstellen und dem 14«, 15. und 16. Jahrhunderte an-
gehören. — Zum Dritten kämpft er gegen das von Professor Holz»
mann zu Heidelberg in seiner Schrift: j,Kelten und Germanen^ aaff
gestellte Paradoxon, dass zwischen den Kelten und Germanen keine
Volksverschiedenheit Statt finde, sondern die Germanen zu den Kel«
ten zu rechnen seien. (Vergl. Zeitschrift des historischen Verei»
für das wlrtembergische Franken, Band IV, Heft 1, S. 79ff.) -*
Endlich erstattet er einen Bericht über die, am 25. Octaber 185(
geschehene Entdeckung und höchst sorgfältige Aufgrabung eioei
merkwürdigen kleinen Todtenhügela in der Gemarkung von Hüve^
Bum durch Herrn A. Pork. Dieser Todtenhügel war nämlich einet
jener so genannten Heidenkirchhöfe, wie solche in NorddeotscUand
viel gefunden werden, und zeichnete sich durch die grosse Menge
seiner Urnen aus. Sie waren aus ziemlich feiner mit Kieeel- and
Quarzstelnchen untermischten Erde mit der Hand geformt, aossea
glatt gestrichen, vor dem Brennen mit einer Lehmbrühe überstrkshea
und an dem Feuer schwach gebrannt, so wie von Farbe brana
und im Bruche grau, und ohne alle Verzierung. Nur drei haben
ganz kleine Henkelchen. Ihre Zahl betrug 32, und in zweien der*-
selben befand sieb noch ein andres kleines Gefäss, nämlich hi der
einen grossen Urne ein kleines becherförmiges Gefäss und in einer
kleinen Urne ein ganz kleines Gefässchen, das kleinste, das der
Hügel enthielt, ein ovales löffeiförmiges Näpfchen, Die Urnen staa-*
den alle in der gleichen Tiefe von 2 bis 4 Palmen von dem er-
höhten Boden an und enthielten Gebeine, Kohlen und Asche, weiche
ausserhalb der Urnen gar nicht in dem Hügel vorkamen. Nur einige
der Urnen waren zerbrochen und lagen in Scherben da; und nafae
bei diesen allein befanden sich kupferne und bronzene Schmucksa*
eben, die wohl erst später zu denselben gelegt wurden als eine Lie-
besgabe, 2 vollständige getrennte Armringe mit SchlnsslLnöpfen, ein
ganzer und ein in zwei Stücke zerbrochener, und Fragmente eines
dritten, eine Haarnadel, ein sehr beschädigter Spiral-Fingerring von
sechs Windungen und ein Bruchstück eines dreiseitigen (prismaü*
sehen) Stäbchen^. Herr Perk hat die Urnen hi ihrem natürlichen
Zustande, wie sie mit den Knochen und Erde angefüUt waren, aoi
IHmforlMrieU Mi IMm, 115
Boden lialHv gßmommmj und die eokr herften, oft m
Zmimä grioienden Eeochen «us jedeK Unie beeonden ein*-
gepndtt und den Prelesior W. Yrolik nr Untenochang nnek
ABsterdam gmtMAt Doch die Enedien der meiiten Urnen waren
m tagmenterisch and nnr die ans eilf Urnen konnten niiier l>e^
werden« Sieken denelbea enUdelten Qebeine yon ans-
Meuelieni mnuil eoldie yon einem Icriftigen Manne;
Urne die von ekier jonf en noeli nieht aasgewaebsenen Per-
ion yon 18 bis 20 Jabren, swei die Ton Kindern in der Periode
des Zabnweehsels nnd eine die Ton einem Kinde in der Periode
des Absahnens. Und wir haben hier die Bestädgnng, dass aadi
Kinder seliist yor der Zeil des ZalmweeliselSy d. b. in einem Alter
von eedis Jahren, yerbrannt nnd deren lotste Ueberreste in Urnen
m die TodtenhOgel neben den Urnen der Alten beigesetat worden.
Dieser Todtenhügei war offsnbar eine Famifiengmft. Aber dass die
Bestatteten alle «emlich gleichseitig i etwa an einer herrschenden
SBsteekenden Krankheit, gestorben nnd schnell nach einander beer-
digt worden seien; darin können wir dem Herrn Janssen nidü
beistimmen. Diese Famüienhngel mit einer Lage Urnen sind yiel-
mshr aehr hKaig, nnd man setste die Todten der Beibe nach, wie
die Memehen starben, oft erst nach langen Zwischenrtomen, In
diese Hfigol bei; indem man snletst den Erdaufwnrf über die Urnen
snOanete. Herr Janssen hält dafär, dass dieser Urnenhfigel ein
ritgermanischer nnd ans der Zeit ist, da die Germanen noch in ge-
linger Berflhmng mit den BIhnem standen, yielleieht ans dem eisten
Jahrhaaderte nnserer christlichen Zeitrechnnng: nnd nach Hm. Jans-
sen fielen also jene HerdBtXtten bloss noch mit Steingerühen und
dieaer Todtenhfigel mit seinen yielen Urnen nnd mit setoen erzenen
flegenarilnden in dieselbe Zeit; was kaum möglich ist
Kmrl Wilhelmt.
Literatarbericiil ans Italien«
L
Unter den zahlreichen Werken über die letzten Schicksale
mdit eine ganz yor kurzem erschienene Oeschidite Italiens
yon 1814 bis 1850 yon einem Ungenannten*} die allgemeine
Aaffflerksamkeit bedeutend an. Im allgemefaien werden hier zwar
Ae bereits bekannten Thatsachen yorgetragen; doch besteht das
Hanpiyerdienst dieses Werkes besonders darin, dass es ganz Italien
aaltest und darthnt, wie die Wiederherstellung der weltlichen Macht
des Papstes, die Hauptursache der Unzufriedenheit der ItaliSner seit
dem Fd3e Napoleons gewesen, und dass diese durch die nordische^
^ Storis d'Ikalia dtW 1814 äl 1850. VoL n. IlaUt. 1856,
111 LStenlurberidit «10 lliiM.
Barbaren geschaffene weltliehe Macht , wddie mMA aogar die
Bdmisch-Deatschen Kaiser unterwarf, nur durch die Fremden in
Italien hie jetst hat aufrecht gehalten werden können.
In gans entgegengeBetstem Sinne ist andernfalls ein mit dem
Druokorte ^Italia^ erschienenes Wwk über die letiten Ereignisse Ita-
liens, zu Mailand (wie man weiss, in der Erzbischöflieben Druckerei),
abgefasst. Es ffihrt den Titel: Historisch -politische Merkwürdigkei-
ten von Lucarelli.*) Der Verfasser weicht iron dem den Italifiaera
sonst gewöhnlichen Anstände ab, und behandelt die Personen, wel«
ehe die Bewegung von 1848 befürworten, mit einem hier nicht ge-
kannten Gynismus. Wir wollen nur auf die Aeusserungen über die
Fürstin Belgiojoso aufmerksam machen, welche selbst von der
Oesterreichischen Regierung mit Machsicht behandelt worden, indem
sie die Erlaubniss cur Rückkehr erhalten hat.
So wie in Deutschland die ersten AnOnge unserer Muttersprache
herrorgesncht werden, so geschieht dies auch besonders in der Lom*
bardei, wo man den verschiedenen Dialecten viele Aufinerksanik«t
schenkt. Herr BiondelU hat sich das Verdienst erworben, eine Samm-
lang**) alter Gedichte in Italiftnischer Sprache aus dem 13. Jahr-
hundert heranssugeben , die er aufgefunden hat Dieser Gelehrte
ist Vorsteher des Müna- Gabinets der Brera, dem Pallaste dai
wissenschaftlichen Institutes au Mailand, welches nach Aufliebiiog
des Jesuiter-Ordens Erbe des grossen Pallastes geworden, den dieier
in Mailand besessen. Obwohl Mailand keine Universität besitst,
werden dennoch die in der Brera befindlichen wissenschaftlichen und
künstlerischen Schätze auf erfreuliche Weise benutst. So hält on-«
ter anderm Herr Biondelli seine Vorträge über Alterthumsknnde, die
nicht sowohl von Leuten besucht werden, die für eine Prüfung sta-
diren, sondern weil es ihr Vergnügen ist Derselbe Biondelli wird
nächstens ein Werk in der alt Mexicanischen Sprache herauBgeben,
eine Uebersetzung der Evangelien und Episteln aus der Vulgats,
welche 1530 daselbst von einem Geistlichen gefertigt worden, die
von Beltrami, einem Reisenden aus Bergamo mitgebracht worden,
welcher in seinem Werke „La Mexique^ davon Erwähnung thut
Wenn man Gelegenheit gehabt hat in dem Salon der Gräfin Maffei,
der Gemahlin des Uebersetzers unseres Schiller, die Gesellschaft der
Literaten in Mailand kennen zu lernen, muss man gestehen, dass
sich die Wissensohaflft hi guter Gesellschaft befindet.
Ein Beweis hieFOn gibt das Archiv zu Mailand, in welchem
eine Palaeographische Lehranstalt eingerichtet worden. Der Lehrer
an derselben, Herr L. Ferrario hat eine geachtete Schrifit***) über
PaliD^pseste herausgegeben, worin er zur Geschichte derselben er-
*) Curiosita storico politicbe. Leggenda di Giuieppe Luctrelli. Italia. 1856.
**) Poesie Lombarde inedite dal Secolo XIII. publicate ed illnstrate di
B. Biondelli. Milano. 1856. mit fac simile.
***) Memoria intemo arPalimstati di Luigi Ferrario. Hilano. Tip.
Bemandani.
Lilmlnrb«rieki mm haikm. M
«ilBty der da« Bchon Catall toh solehen getedet, fbid dan dch ^gyp*
üMbe PApynis mit dergleidieii BOdi TOifiadeo, Dar VarfiMMr er-
«ihiit die YerdieBSte tod Nlebnhr, and toh dem Rittor Ptyron in Tarfn,
ien Gnrdinal Mai nennt er den Colambes der Bibliotheken, well
deneUie dergleieken iiterarieehe Entdecknngen gemacht hat. Damit
MdA wo viele alte Werke Terdorben würden, yerbaten die Kaiser
in 14^ Jahrhundert die Benntanng deraelben, am einen neuen Text
dariber sn achreiben. Bei Erwihnnng der bedeatondsten Codices
leBcripti Terfehlt der Verfasser nicht der Verdienste unserer gelehr-
ten Forscher Massmann und TIsdiendorf au gedenken; die Kunst*
stitten von Smonides waren aber bei dem Erscheinen dieses Buches
aech Dicht an Tage gefördert worden.
Der sehr geschfttato Dichter, Oraf Sanritale ans Parma, wel*
eher aber Magnetism sehr ansgedehnte Stadien gemacht hat, ist
mit einam grSaBem Crcdicht fiber die magnetischen Erscheinungen
beschfitlgt , welches spltter unter dem Titel: das ewige Licht erscheinen
wiffd. Vorlinfig hat ^ner seiner Verehrer Herr Oallardi eine Epi-
sode muM demselben in Gknua herausgegeben, welche den Fall von
Serastopel behandelt, das von den Tataren der weine Felsen ge-
Bannt wird; daher der Titol*) dieses Brachstückes von SauTito«
ie's Lehrgedichten, anf welche man sehr gespannt ist, obwohl in Ita-
lien, im Lande der Dichtkunst man sich jetzt ebenfalls mehr der
PhMa snwendet, man Tcrlangt nicht mehr schöne Worte alleia,
sondern Thatsaehen, wie es der Ernst der Zeit erfordert.
Neben Sanvitale erscheint in Italien jetzt der Ritter Prati als
der bedeutendste Dichter, von dem wir schon Gelegenheit hatten
SU sprechen. Seine letato Arbeit ist die Jungfrau von Kent, die
Uebe einer eifrigen Katholikin au einem Protestanten unter der Be-
giemog Heinridi VIII. von Enghmd , welche er ab Text au einer
Oper gedichtet hat, welche von einem Advokaten in Torin componirt
worden ist In Italien lassen sich die Kunstliebhaber ihr Ver-
läufigen etwas koston. Der Gomponist Hess diese Oper auf seine
Kosten in Bcene seta^, was man anderwftrts höchstens bei einem
FSrsten findet, allein die Musik hat nicht gefallen, und der Geschmak
der Musik wird dem italifinischen Publikum nicht bestritten. Man
kann sich daher nicht wandern, dass die Musik dem Dichter ein!*-
germassen Sehaden gethan hat. Doch erfreut sieh bei den Lesern
des Libretto der Jungfrau von Kent**) diese Dichtung nicht unbe*
deutenden Beifalls. Der Gomponist, Namens Villani hat sich übri-
gens schon früher mit 2 andern Opern versucht, es scheint aber
als wenn die Componisten aus dem südlichen ItaUen mehr Beifall
finden, als die aus den den Alpen näher gelegenen. Gegenden
Das Erxbisch5fliche Archiv zu Mailand ist in der neuesten Zeit
*] La rocca bianca, del eonte Jac. SaoTitale, edito da £orico Gallardi
Gancra. 1850. Tip. LavagniBC.
^) U Yirgiae di Kent, del G. Prati. Torino. 1850.
ild LHentnrberielt aus UtUeii.
zQgftogilebar gewoideo, daher der Ganonicai Sola daselbst sich das
Verdienst erworben hat, eine Bamnilang von Urknnden aas den
12. bis 14. Jahrhundert*) heraassageben , die meist Ton ioealem
Interesse sind.
Aas der Italittnischen Schweitx haben wir eines ebenfalls ge-^
schichtliehen Werkes zu erwShnen, nemUch Forschungen über die Vor«
seit der Stadt LocamOi welche hi dem Ganton Tessin am rediten
Ufer des Lago Maggiore, oder Langen -Sees liegt Der Advocat
Nissi hat daselbst die Geschichte dieser Stadt**} herausgegeben, welche
Ton den Gelten gegrtindet, dann in eine römische Müitttr Golonie ver-
wandelt und später ein Lehn der Kaiser ans dem fränkischen Stamme
wurde. Diese Stadt blieb den Kaisern treu, wShrend die andern
von den Päpsten zu Rebellen und Ouelfen gemacht wurden. Allein
der Ritter Simon von Muralt, als Bandenführer, Simon von Locamo
genannt, wurde dem Kaiser Friedrich II. untreu und vertheidigte
Mailand lange gegen Eniio, den Sohn des Kaisers; endlich konnte
sich Luochino Visconti Locamo's bemächtigen, bis diese Stadt, nach
der Schlacht von Mavignano, als Bezahlung der Hilfstruppen an die
Schweitzer EidgenossenschafI abgetreten wurde.
Von dem Langen «See gehen wir sum Gomer*See, an desss»
Ausflttss die gegen 15000 Einwohner zählende Stadt Lecco liegt;
sie ist bedeutend durch die von hier auf die Märkte Europas ge-
brächte Seide und die Eisenwerke der Nachbarschaft. Diese von
den Fremden ihrer herrlichen Lage wegen gern besndite Stadt hat
ihren Geschfchtschreiber an einem Herrn Apostolo***) gefunden. Nach
Ihm war sie vor den Römern von den Oroblem bewohnt, im Mittri-
alter vertheidigte sie sich gegen das germanische Lehnwesen dvrch
starke Thürme und Mauern, und die Tapfericeit der Bürger die, vor
der Einführung der stehenden Heere ihren eigenen Heerd so tapfar
au vertheidigen wnssten, bis Matheo Visconti, Herr der Ouelflschen
Stadt Mailand, auch Lecco überwältigte« Hierauf bemächtigte sich
Oiocomo Medici dieser Stadt, bis die Spanier sidi In Italien fest-
setzten, worauf diese Stadt den Schicksalen der Lombardei folgte.
Die Archive Italiens werden Immer mehr zugänglich , und ihre
Schätze bekannter, so hat Herr Olivleri, welcher eine Anstellnng
bei der Cniversitäta^Bibliothek In Genua hatte, einen Gatalog der auf
derselben befindlichen Handschriften nebst deren Beschreibung und
Erläuterung herausgegeben, f) Die Reihe der wichtigsten Handschrif-
ten, welche auf die Geschichte Genuas Bezug haben, eröffnet die
*)^ Docamenti per ja sloria dellaHilano , pablicati dal Canonico Ari-
M Awoeata Gioy. Guparo
alide Sola, Archiviata. Hilano. 1855. Tip. Afrnelli
**) Hemorie storiche di Locarno fiao al 1660 <
Neafi. Locarno. 1855. Tip. Rueca,
***) Lecco e il sno territorio, Memoria del G. C. Andrea Lnigi Apostolo.
Lecco. 1855. Tip. Gorti.
t) Garte e cronache Rianoscritie per 1a storia Genovese, nella biblioteca
dell B. U. Ligare, illuatr. per Afostiao OliTieri. Genom. 1855.
UieralBrb«ri€lt n$ Mkn« 11«
b«diflile Chronik toh Cjmsmo Tom Jak 1000 uif«ag«iid bis HO»
wti BAdilMr TOB mahroroQ anderen fortgeführt Ms 1180. Das
Of^iul ist in Paris, die liier befindUehe Absehrift ist aber aot Be-
fehl des Degen Gambleho im Jahr 1792 mit dem Original Ter«
gliehen und beseheinigt worden. OrSsstentheÜs nnedbi befindet sieh
hier die Chronik von Oenoa yon de Voragine ron 1998 bis 1997.
HieriB finden sich unter anderm aneh gote Lehren über die Wahl
einer Gattin, s. B. ^e reiche Fran will den Mann beherrseheni
eine gate darf nicht bewacht, eine schlechte aber kann gar nicht
hewackt werden n. s. w. Sehr communistisch klingt folgender
Grundsats: Reicbthüm hat nie gute Sitte gebracht Von Gappel-
loni befindet sich hier die Beschreibung Ton B Versehwürungen in
Genun aus dem 16. Jahrhundert, die des Fiesco Ist noch unedirt
Ebenso eine Oeschichte Ton Corsica bis sum K9nlg Theodor Ton
Acdnelli im Jahr 1746 yerfasst. Für die Geschichte der Erdbe-
schreibung ist besonders wichtig das hier befindliche Itlnerarium
AntOBü usus marls Januensis ron 1455, welches 1809 von Graberg
de Hemsoe illustrirt worden; worin besonders die Reise su dem
Preebyter Johann in Aethiopien im Jahr 1981 bei den jetxigen Er-
scheinungen Im Innern yon Africa sehr wichtig ist
Wir sind in Deutschland gewöhnt, yon unserm germanischen
Stidtawesen gern su glauben, dass es rein germanischer Natur ist;
es ist hier nicht der Ort darauf aufinerksam su machen, welch
grosse Werke und Tbaten die Städte Italiens schon heryorgebracht
hatten, als so manche deutsche Stadt erst begründet wurde; dage-
gen wollen wir auf den Verwaltungs-Bericht der Stadt Genua yom
letalen Jahr aufmerksam machen, welcher daselbst eben erschienen
ist*} Genua ist swar jetst nicht mehr der michtige Freistaat, allein
noch die bltthende swelte Stadt des Königreichs Sardinien, die durch
ihren Handel stets an Wichtigkeit sunimmt, besonders seit die Eisen-
balm yon hier durch die Apennfnen; den IKngsten Tunnel in Europa,
mmittelbar an den Fuss der Alpen, an den Lago maggiore ftthrt.
Der yorli^ende Bericht ist yon dem gewählten Oberhaupte der Stadt
eistattet, der hier den Titel Syndaco führt, und Clena heisst Be-
sonders wichtig ist der Abschnitt, welcher yon den öffentlichen Bäum-
ten handelt, die hier wirklich ausserordentlichen Aufschwung nehmen.
Osnae Strassen entstehen, mit Häusern yon 7 Stockwerken ; doch ist
das Basen solcher meist sehr prächtigen Häuser das Wenigste;
schwieriger Ist es hier an den steilen Felsenwänden und Schluchten
douRaum dafür su finden. Doch neben diesen Prachtbauten, wozu
aseh Bwei neue grosse Theater auf Actien gehören, geschieht auch
yid fflr die ärmere Klasse. Eine Gesellschaft hat sich gebildet, Hlr
tee gesfindere Wohnungen zu bauen, und der Stadtrath hat dafür
Ae Sicherstellung yon 4. yom Hundert an Zinsen für die Unter-
*) Relüxione M Sindaco di Consiglio conmnnale di Genova, leita all
opcftnra della ioniala dAstonae, 1855. Geaoya. in 4.
laO Litttftlorberiekt auf Ibüieii.
nehmer übernommen. Die Stadt besltst, unabhängige TOtt der Uni-
versität, eine sehr reiohe Bibliothek, und ein schätzbares ArchiF,
beide werden fleissig benutst, und ergibt sieh die Theilnahme daran
schon daraoSi dass der reiche Markgraf Durazso der Stadt eine der
prachtToUsten Handschriften auf Tiolettem Pergamente mit 1600 111-
niaturen yermacht hat An ihm hat die Stadt vor kursem eineia
sehr verdienstvollen Bürger verloren; er hatte nemlich sein ganses
Leben der gewissenhaften Verwaltung des grossen Krankenhauses
Panunatore gewidmet, statt seine Zeit auf Bällen, Spiel und Jagd
SU zersplittern. Hier findet sich noch BUrgertngend; denn der Stadt
ist Selbstverwaltung überlassen, jeder hat Freude daran, da kein
Beamter darein zu reden hat. Die Staatsbehörde bekümmert sich ledig-
lich um die Aufsicht auf die Fremden und die Verbrecher, welche
die Ordnung stören, so dass man hier in der Polizei nur wohlthä-
tigen Schutz sucht; alle städtische Verwaltung ist dem Bürger
selbst überlassen.
In Genua sind die Bibliotheken keinesweges zur blossen Parade
bestimmt, sondern sie werden auch benutzt, so dass in der städti-
schen Bibliothek die Einrichtung getroffen worden, dass sie von 9 Uhr
Morgens bis Abends 9 Uhr geöffnet bleibt Dem Einsender sind
kuf seinen Reisen wenig Städte vorgekommen, wo ausser diesem
Bedürfniss sich auch solches liberales Entgegenkommen der Behörden
findet Dass in dieser Handelsstadt aber auch wissenschaftlicher
Sinn herrscht, kann man aus den literarischen Erscheinungen sehen,
von denen gelegentlich In diesen Blättern Berichte erstattet worden.
Die hier von dem Grafen Mamiani gestiftete Academie der italiäni-
schen Philosophie hat vor Kurzem den zweiten Band ihrer Druck-
schriften herausgegeben , *) welcher grösstentbeils Abhandlungen von
Mamiani selbst enthält, der, obwohl vom Papste selbst zum Minister
ernannt^ dennoch jetzt zu Genua als Ausgewanderter leben musa.
Doch hat er vor Kurzem das Bürgerrecht des Königreichs Sardinien
erhalten, und ist von der Stadt Genua zum Mitgliede der Kammer
der Abgeordneten gewählt worden, wo er bei der, der constitutionei-
len Monarchie abholden Parthei viele Widersacher fand. Der vor-
liegende Band philosophischer Abhandlungen enthält: Inder Abthei-
lung der reinen Vernunft eine Abhandlung von Mamiani über die
Unmöglichkeit einer absoluten Wissenschaft : femer eine Abhandlung
überdas Mora^rincip von dem Markgrafen Cavour, Bruder des Pre-
mierministers Sardiniens u. s. w. in der Abtheilung der angewandten
Vernunft Bemerkungen über den Zustand der Exstase von dem bekann-
ten Naturforscher Grafen Sanvitale; femer von Mamiani eine Abhandlung
über die Anwendung der Metaphysik auf die Naturwissenschaften u. a. m.
Von demselben ist auch der Abschnitt über die RechtsphUosophie,
namentlich über Eigentbum und Souveraenität. Besonders wichtig
*) Sasrgi di filosofia civile, toUi deglt alti dell' Academia dl filofofia
luliana. Genoya. 1855. Tip. de' Sordi mali.
LIHrtlpiNiidbl •«• iMiUiiu 111
!it Uer seine AbhandloDg über die Menaehenrechte. Er ist der
MdooDf^y dass es nicht yortheilbaft ist, wenn man yeraucbte, die
fcwffailBigea OmndslUe einer Verfassong oder einem Oeeetsboche
Toraossnsehi^oiy da sich die Gelehrten bei Feststellung nnd For«
mnlirnng derselben selten einigen. Ifamiani zeigt, welche Schwie*
rigkeiten das in Frankreich and Dentschland hatte. Wir haben dies
im Parlamente sa Frankfurt erlebt, nnd so kommt man anf den
klassischen Grundsati Enrilck, dass gute Sitten mehr Werth sind als gute
OsBeiie. Gute Sitten aber können nur durch das Beispiel der ersten
Schichten der Gesellschaft verbreitet werden. Den Schluss machen
einige Abhandlungen über sociale und politische Philosophie, s. B«
Aber Sodallsmns Ton Gonfanti, wobei wir bemerken, dass in Italien
rieh keine Spur ron Communismus findet, da hier die Vornehmen und
Beichen geliebt werden, was bei ihrem Betragen nicht lu verwun»
dem ist. Den Schluss macht eine Betrachtung Mamiani's über den
Ebifluss des Glaubens und Zufalls auf das Geschick grosser MKnner.
Nachdem Rosmini gestorben, wird Mamiani für den ersten
Philosophen Italiens gehalten. Letsterer hielt eine Rede lum Ge-
dSchtniss des ersten, um ihm ein Denkmal zu errichten.
Ein sehr fleissiger Schriftsteller in Genua, bekannt unter
dem Kamen Antonio Francbi, dessen Name aber Buonovino ist,
hat in diesen Tagen eine razionelle Theologie herausgegeben.**)
Man glaube aber nicht, dass dies einer der Versuche ist, die Got«
tesfurcht aus dem Volksbewusstsein zu entfernen, sondern diese
Arbeit Ist aus tiefem religiösem Gefühl hervorgegangen. Der Ver*
lasser beweiset, dass die geistige wie die physische Welt gewissen,
QBwaudeltNtfen Gesetzen unterworfen ist Die materielle Weltord-
oong geht ihren Gang, wie die moralische. Der Materialismus ist
nicht im Stande, die ideale Welt zu unterdrücken, so wie der grösste
Mystizismus nicht die Sinnlichkeit« Er zeigt, wie die Geschichte
überall unter der Herrschaft der Ascetik nnd des Pietismus die gross-
ten Laster im Gefolge gehabt hat; und um so geffihriicher, da sie
mit Heuchelei verbunden waren; so wie während des grössten
Seepticism grosse Tugenden stattfanden. Von demselben Verfasser
eischien im Jahr 1853 ^die Religion des 19. Jahrhunderts*'; früher
«die Philosophie der italiänischen Schulen^, und im Jahr 1854 „Phi**
losophisch-Religiöse Studien^.
Von einem gelehrten sardinischen OflTizier, dem Baron Rigb-.^
di S. Georgio können wir eine Schrift zum Unterricht in der Tr? ^'
nometrie erwSbnen.***)
.. • legend
?\ Doch
1 1^ Difcorso proemiale leUa nel Academia della filosofia Italiana dc.t,^„^
"^nle Tcreoiio Mamiani. Genova. 1855. Bcnwo«
••) 11 razionalifroo del popolo, per Antonio Franchi. Genova. 18?1®*"®'^
^**) Corao elementare di Trigonometria rettilineare. Dal Baronei, nicht
di S. Georgio. Torino. 1856. Tip. Cosaone. d werde
' zu Utt«
iU Uttttloriberidit aui lullen«
behilflich wären, oder welche aus Geburtsstolz den Uotersehied der
Stände verewigen wollten.
Ein bedeutendes Werk über die Staatswirthechaft ist ebenfails
in Florenz von Herrn Marescotti erschienen:
Sidla economia polUiea sociale, dUcorsi di Angela Marescottu Firense.
1856. Tip. Barhera,
Der erste Theil, kritischen Inhalts, handelt von der Nothwen-
digkeit, diese Angelegenheit wissenschaftlich zu behandeln, nnd gibt
Nachricht über die alten Schriftsteller Italiens, welche sich damit
beschäftigt haben, bis zu denen der Gegenwart, mit Auseinander^
Setzung des Unterachtedes der gegenwärtigen und früheren Lehren
über diesen Gegenstand. Der. wissenschaftliche Theil enthält Unter-
suchungen über den Erwerb nnd die Vertbeilung des Reichthnms.
Der dritte, der praktische Theil, handelt von der staatswirthsehi^*
liehen Rechtswissenschaft.
Auch ein in Wien vor Kurzem erschienenes Buch gehört der
italiänischen Literatur an, nemtich über die Freundschaft:
Pensieri sulV amicisia, di Augtisto Tebaldi, Yienna. 1866. Tip.
dei Mechiiarisii,
Man kann diese Gedanken eine Ilias post Hemerum nennen,
besonders da schon der heilige Themas von Aquino die Freund-
schaft vom christlichen Standpunkt so trefflich behandelt hat
Eine sehr leicbte Arbeit ist von Herrn Perugini in Trient
herausgegeben worden:
Discorsi popolari ed un raceonto sim'ico del dotL Giovanni Perur
gini. Trenio, 1850. Tip, Perini.
obwohl sie Vorlesungen enthält, welche derselbe in der Academie
zu Roveredo gehalten hat. Es sind dies keinesweges, wie man
nach dem Titel glauben sollte, Im Volkstone gehaltene Vorträge,
sondern hauptsächlich Warnungen gegen die in die Wissenschaft
sich einschleichende Charlatanerie. Dass der Verfasser den wür-
digen Priesnitz von Gräfenberg dabei mit erwähnt, werden ihm
Manche sehr übel nehmen. Auch hat sich in dieser Beziehung der
berühmte Leibarzt des Kaiser Franz ganz anders benommen. Als
nemlich der Brodneid der Aerzte, welche vor Hanemann's Einfluss
Recepte schrieben, welche wie oft gehörig mit Medicamenten zusam-
mengesetzt waren, vielfache Beschwerden gegen Priesnitz erhob,
war der Baron v. Stift, dta Kaisers Leibarzt , nach Gräfenberg ge-
schickt worden, und eratattete dem Kaiser seinen Bericht dahin: Ew.
Migestät sind oin Kaiser von Gottesgnaden, Priesnitz aber ist ein Arzt
von Gottesgnaden. Man dürfte zweifelhaft sein, wem das Urtheil
mehr Ehre micht, dem Priesnitz oder dem Stift?
Von ein n- Gesellschaft italiänischer Gelehrten wird jetzt In Mai-
land ein umfi^endes Werk über die Gründung und Geschichte der
Lit«ritiiib«riehl mu ItaKes. 125
LenkiiiiMli-VMetiaiilfldMii Städte, GemeindeD und StUöMtr mH
iniebteo, Bildern n. s. w. herausgegeben, von welehem das erste
Heft aiacliienen Jet:
Grande ülusirasione dd Lomhardo^Ytutio , da tma socUiä di let^
ierati üaliani per ü conie Ämato di Brennen Milano. 1866^
Presse la soeietä editrice.
Das erste Heft geht yo» der ersten Niederlassung der Gallier
n Mailand bis anr Kalseraeit und aelgt durch die auf dieses Werk
Terwendeten Kosten, dass die Yomehme Gesellschaft In Italien die
Beiehiftignng mit der Wissenschaft und Literatur nicht für so Igno-
M hält, wie kl andern Gegenden, und dass die reichen Leute solche
kostbare Werke kaufen. Den diessfalsigen Unterschied hatte der
Eosender aehon vor mehreren Jahren Gelegenheit au bemer«
kea. In einer Buchhandlung au Malland antwortete ein deutscher
Qehilfe, auf die Frage: wer die hier aufgestellten deutschen Bücher
QBd die kostbaren wissenschaftlichen Werke in andern Sprachen
kaufe? die erstem, die Oesterreichischen Offisiere, die letatem der
kiesige Adel. Graf Brenna, der an der Spitae dieses Unternehmens,
du für die Geschichte der SU&dte in Oberitalleü so wichtig ist, steht,
ist ein Freund der Wissenschaft; so wie auch der gelehrte Graf Pom*
peo Litta in Mailand war, welcher das kostbare Werk über die
«Faniglie illustre Itallane^ herausgegeben hat In Italien ist die
eilte Klasse der Gesellschaft gewöhnlich die gebildetste, und be-
loadcrs in Turin ist die Gelehrsamkeit das Erbthett der Vornehmsten.
Seit dem September 1856 kommt In Mailand ein seiir gut re-
digirtes WochenUatt von 2 Bogen In 4. über Yerwaltungs-Gegen««
itiode im weitesten Umfange heraus:
^e^latore amministraiivo ^ Qiomale teoi'icO'praiico d*ammimsira'-
ssiont polüica, communalej privata etc.
Diese, Gesetae, Wissenschaft und Literatur von Ihrer praktischen
Seite umfassende Zeitschrift ist den lombardlsch*venetianischen Ge«*
meinden gewidmet Man wird am besten eine Ansicht von diesem
▼erdienstlichen Wochenblatt erhalten, wenn man dem Inhalte einiger
der bisher herausgekommenen Blfitter folgt. Unter dem Abschnitte:
Weatlidie Verwaltung, wird eine Gritik der bestehenden Gesetage*
boDg über die Forstverwaltung gegeben, besonders über Industrie!«*
k, topographische und commercielle Verhältnisse der Wälder in
den lombardlsch-venetianischen Königreiche. Ein anderer Aufsats,
der ebenfalls durch mehrere Nummern fortgeht, macht Vorschläge
über die Agrar^Gesetsgebnng. Uebcr Erziehung, besonders mit Be-
zog auf Landwirthsehaft und technischen Unterricht^ werden Vor-
Khlige gemacht und technologische Gegenstände verhandelt Ein
besonderer Abschnitt gibt Nachricht von den erschienenen betreffen-
de gesetzUchen Bestimmungen und amtlichen Verordnungen, ein
«ri«rer Ahha«dlaDgea übet Gesetagebung, Ferner enthält jedes
lae LitentarbMiolil au ItaHea.
Blmtt Proviiuiftl^CorrespoDdenzen, i. B. am Verou Üb«r dte StaU*
fltik der dortigen Schalen, aus Venedig über die Ereigoisee auf der
Börse, aas Bergamo über die Resaltate des Seideabaiies, aiiaMan-
tna über die dortige Ackerbau-Schale. Auch werden auf die Staats -
wirthschaft Bezug habende neue Schriften besprochen. Den Schluss
machen die Börsen-Course und Marktpreise.
Eine andere bereits seit 7 Jahren bestehende Wochenschrift,
die Dttmmerung,
II crepuscolo, Müano, 1856, Tip, YaUiübiu
ist die jetzt in Italien am meisten yerbreitete politisch* literarische
Zeitung, die von einem ausgezeichneten Gelehrten, Herrn Carl Tenca
herausgegeben wird, dessen Wochenschau von eben so vteier sorg-
faltigen Aufmerksamkeit auf die stattfindenden Ereignisse, als deren
nnbefangenen Beurtheilung Kunde gibt. Die politische Gorrespondeni
aus Paris, Tarin und Berlin ist sehr gediegen, besonders finden die
Italiäner, dass sie Deutschland hieraus ganz anders kennen lemeo,
als es ihnen bisher vorkam. Aus Florenz und Turin werden sehr
schätzbare literarische Correspondenzen mitgetheilt, so wie von der
deotschen Grenze, welche die neuesten Erscheinungen in anserm
Yaterlande mit eben so vieler Aufmerksamkeit and Anerkennang
behandeln. Der Beschloss madit eis Bericht über die wichtigsten
literarischen Erscheinungen In Italien. Obwohl diese treflfllche Zeit-
schriit in Neapel and Rom nicht zugelassen wird, hat sie doch mehr
Leser als jede andere italiänische Zeitschrift und wird jetzt für das
beste Blatt dieses Landes gehalten, welches dnreh seine MSssIgung
in der Darstellung oft Sacheo sagt, die man in Mailand sonst f&
unmöglich halten sollte. Das madit der Qewandheit des Redaetem
eben so viel Ehre als dem würdigen Civil* Gouverneur der Lombar*
dei, welcher die Redaktion mit allen kleinlichen Plackereien ver-
schont, die sich sonst manche Behörden gegen Zeitschriften erlau-
ben, die wenn auch nicht gegen, doch nicht stets in ihrem Sfame
sehreiben, wovon wir Beispiele genug auch ans LXnd^n anfüiuen
könnten, die auf der Spitze der Civilisation zu stehen vermelneD.
Auch finden äch in dieser trefflichen Zeitschrift keine Artikel, die
von amtlichen Pass-Bureaus den Redaotionen aufgedrungen werden,
welche sie aufzunehmen dem moralischen Zwange unterworfen sind,
um nicht gemassregelt zu werden.
Von der Insel Sardinien erfahren wir wenig, und dennoch haben
wir von dort ebenfalls von einer ähnlichen Zeitschrift zu beriehteo,
die wöchentlich dreimal in Cagliari erecheint:
Lo statuto, giomale ufficicUe, Tip. di Timon.
Ausser den amtlichen Bekanntmachungen gibt diese Zeitung
Nadirichten über die auf der Insel vorfallenden Begebenheiten, so-
dann die gewöhnlichen politischen Nachrichten , besonders aber einen
wissenschaftlichen Anhang, welcher zeigt, welche Fortschritte die
üMraiiirbtrichl aof Itali«ii. i27
lud S«idiiii«n s^t der EiofiUirttiig der OonstitaUo» geaaeht bat;
dato auch diese Zeitong dayon den Namen j^Lo atatnto^ angenon«
neo bat In diesem Anhange sind besonders sa beachten die
Artikel des gelehrten Canoniens Spane über die Fortschritte, welche
die Geschichtsforschung dieser Insel In der neuesten Zeit gemacht
JiaL Besonders sind es mehrere Fergaaeote, welche in einem
Kioster au Oristana gefanden worden waren , und sa einer frfiher
genachten Sammlung gehört hatten. Die Heraasgabe derselben war
in einielnea Heften von dem Ober-Bibliothecar der Universität sa
Gagliariy Ritter Martini bewirkt worden, von dem wir eine treifliehe
nd sehr Ireimüthige Kirchengeschichte dieser Insel und eine 6e*
Khichte der neaesten Zeit besitsen. (S. Sardinien von J. F. Nei<*
gebiar, IL Anflg., 1856, Dyck'sehe Bochhandlung in Leipaig«) Der
gelehrte Canonicus Spano besitst selbst eine sehr rdche Sammlung
TOB ia Sardinien gefundenen Alterthümer und ist der Verfasser des
BuUtiino areheologico Sardo^ - in ogni genert, del Cananico Giovanni
8pano, Preside deU eollegio Conviito, Anno L Cagüari, 1855.
Tip. Timon. 8.
von dem aUe Monat ein Bogen mit vielen Abbildungen herauskommt
DnersehSpflich ist besonders die Umgegend von dem alten TharroS)
aa der Westküste der Insel, wo die Necropole eine grosse Meng«
beseadera egyptischer Alterthflmer geliefert hat Die Yerbindnng
nrischen dem Orient und Sardinien muss in der frühesten Zeit sehr
lebendig gewesen sein; noch findet man hauptsächlich phdnJsische
Maosen; ans dem Mittelalter sehr wenig» Ueberhaupt ist die Oe-
lehichie dieser Insel seit Gregor dem Grossen, der für die Bjsantini-
sehen Kaiser grossen Einfluss auf die Verwaltung derselben hatte, dunkel
Iris sar Z^t der Herrschaft der Pisaner. Darum sind Ittr jene dunkel
Zeit die ohen erwähnten Pergamente von Arborea, wie sie von dem
Herau^eber Martini genannt werden, sehr wichtig, von dem der
gelehrte Spano in seinem Statnto Nachricht gegeben hat Das wieb-
tigste dieser Handschriften Ist das Gedicht über den König Ihaletusi
welches bisher anbekannte Thatsachen ans jener dunklen Zeit mit-
tbeilt (S. Ihaletus, Sardiniae Res« carmen ineonte seeuk) VIIL
esBiposItam a. P. Martini, CaraUbus publieatuni, repetendum enru'^
▼HJ. F. l^eigebaur, Vratlslaviae, 1852, apod. T. £. Leuckhart)
Debr^ens ist dies derselbe Bitter Spano, welchem wir das Tollstän->
4ge Worterbneh der sardialsohen Dialecte Terdanken. Von diesen
nt der ansgebildelste der von Logodoru, in welchem auch mdirere
Werke erschienen sind; er hat von dem alt Bömischen am meisten
beibehidten.
Von den italiänischen Dialecten ist übrigens der am meisten
▼erbreiteie der Mailändische, in welchem auch die meisten Werke
gedruckt erschienen sind; so wie auch keiner sich so fleissiger Be*
vbeiter sa erfreaen gehabt hat Einen Beweis davon gibt das grosse
I2d Lfteraturb«rkfat aof Italien.
Wdrterbucb für diesen Dialect von Cherabini, von welcbem ebeo
der 5. Band erscbienen Ist.
Vocabulario Müanesi: ItäliaJio di Franceseo Cherubini, Volume V.
Müano eocieta dd Classici ItcUiani, 1856.
Hierin befindet sieb ein Anhang, betreffend: philologische
Maehrichten über den Mailänder Dialect, und beeondera über den
von Brianzolo, eine Abart des Mailfinder Dialects. Cherabini hatte
sein ganzes Leben dem Stadium dieser Sprache gewidmet und treff-
liche Handschriften über italiSnische Linguistik hinterlassen, die sich
auf der Ambrosianischen Bibliothek befinden. Das bedeutendste
seiner Werke ist die 'Dialettologia.
Einen neuen Beweis davon, wie verständig jetzt in Ober-Italien
die Angelegenheiten der Presse und das öffentliche Wohl der Ein-
wohner behandelt wird, gibt eine eben zu Yicenza erschienene Schrift
über Armuth und Arbeit.
OK Indigmti e gli OperaJ, pensieri di Francesco Doli, Formentoru
Vicensa. 1850. Tip. Paroni.
In einer Zeit, wo von manchen Selten Stimmen laut werden,
um die Oleichheit vor dem Gesetze zu beschränken und die Massen
unter Vormundschaft und Unwissenheit zu erhalten, ist es verdienst-
lieh von dem Verfasser, sich der leidenden Menschheit anzunehmen.
Uebrigens ist das Verhältniss der Armen zu den Reichen in Italien
ein ganz anderes, als diesseits der Alpen. In Italien ist der Vor-
nehme von dem Volke geliebt und geachtet, wie es nicht überall der
Fall ist; denn der Italiäner behandelt den Menschen als Mensch!
In Italien wird der Vornehme aber nicht nur geliebt, sondern auch
geachtet; denn meist ist, wie schon oben gesagt, dort der Vornehmste
auch der Gebildetste. In Italien gibt es keinen Gelehrten -Stand,
der nicht überall der reichste ist, sondern die Gelehrtesten sind ge-
wöhnlich die Vornehmsten. Denn die bekannten Balbo, Sdopis,
Vesme, Sanvitale, Sauli, Mamiani, Marmora, Alfieri, Manzoni u.
A. m. sind nicht bloss bekannte Gelehrte und Schriftsteller , sondera
zugleich reiche Grafen, der gelehrte Salazzo Markgraf, Theano, der
grosse Kenner der Dante-Literatur ist nebenbei Fürst, und Serradi-*
falco und Butera sind Herzoge. Wir sind diesseits der Alpen ge«
wohnt, dass der junge Mann etwas lernt, um davon zu leben, und
sehr gelehrte Männer haben dennoch sehr wenig zu leben und die
Gesellschaft beachtet den Gelehrten in Deutschland oft sehr wenig,
Indem andere oft sehr zufällige oder äusserliche Vorzüge höher ge-
achtet werden. Darum ist in Deutschland die Achtung vor dem
Gebildeten nicht so gross wie in Italien, wo reiche Gelehrten ihre
Bücher auf ihre Kosten drucken lassen, und sie dann verschenken«
■r. i. HEIDÜlBBReEtt UKI,
MHRBOGHBR DBB LITBRATDH.
Die PküoeophU der OrUchen in ihrer gesehichUiehen Enknekehmjf,
dargeMU von Dr. Eduard Zeller. Enter TheU. JUge^
meine Einleitung. VareokrcUisehe Phüoeaphie. Zweite vöUig
umgearbeiieU Auflage* Tübingen. Druck u. Verlag ven iMdie^
Ffiedr. Fues. 1856. 8. VW. 680.
Zeiler iat eioem wahren Bedürfniflae ^Dtgegengekommen, iDdem
;r nun aoch die AnfSoge der griechischen Philosophie eachUch dar»
int^t, und anit aeinem bekannten Fleisae und seiner eigenthttndl*
chsD Klarheit ausgeführt hat* Wir gedenken hier keine Angabe
Küier Gesammtanschauung von der Torsokratischen Speknlation an
(eben; wir werden uns auch nicht darauf einlassen, sehie Ansiehf*
teo iiber daa Verhältniss der einzelnen Systeme vx einander an be-
i|)rechen; noch weniger kennen wir auf Tiele besondere Parthie«
te Werkes kritisch eingehen, und dies und jenes daran beriehtigeft
•der erg£nacn. Wir beschränken uns darauf, ehien efaiaigen Punkt
henouDgreifen, indem wir Tersnchen, seine Auffassung der pytha-
gorekefaen Zahlentheorie au widerlegen.
Die Ansichten der Torzüglichsten Historiker über diese dunkelst«
ibei interessanteste Lehre der alten Philosophie sind sehr getheilt
vd unklar ; und die Darstellungen des pythagoreischen Systemes
leUren zu den unbefriedigendsten und schwächsten Theilen ihrer
tecbiehUwerke. Der Grund davon ist sonder Zweifel in den man*
Selhaften nnd oft sich widersprechenden Nachrichten über diese Pe*
Me zu suchen. Noch bei weitem mehr aber hat der Auffassung
der pythagoreischen Philosophie, wie ich glaube, das Bestreben ge*
idiadet, alle aufbewahrten Aussprüche und Bruchstücke you Lehren
nd Werken unter einen gemeinsamen Gesichtspunkt bringen au
Schon Reinhold jedoch fand, dass es «Torauszusetaen und aua
Spuren erkennbar sei, dass eine so ausgedehnte Schule im
^erluif ihrer Fortbüdung bis zum Zeitalter des Plato und des Ari-
verschiedene, in manchen damals für wichtig gehalteneo
^Men von einander abweichende Fraktionen enthdten. habe*
I^nrstatten uns, wie er meint, die Nachrichten hierüber nur
^Uaie und nngewisse Blicke in die Bedeutung der hi^r yorhanden
lewMien Differenzpunkte'' (Gesch. d. Phil. $. 88). Reinhold führt
*^ die Differenzen nicht weiter durch, sondern zeichnet die Lehrea
^^M merkwürdigen Schule nach den Fragmenten des Phllolaos.
Aadere Fon^er dagegen folgen Ritter und geben zuy i^dasg
^^gs terschiedene Richtungen in der Philosophie der Pythagoreer
■^Uar sden, jedoch koiaosweg« 00 entgegengesotate» da« wir
^l«hr|.2.Hclt 9
199 * ZeHdf : Fliiloi#plto*te Mecheo.
lücht im Stande sein sollten, sie anf eine gemelnflaoie Grondanaidit
zortickzoführen« fGeBch. d. Phil. Bd. I. p. 381). Dieser Ansicht
Eitter*8 stimmt Zeller bei, ohne jedoch dessen Äaflfassong von dem
ZaUenprincipe m theilen«
Brandts endlich In seiner interessanten Abhandlung j,über die
ZaUenldure der Pythagimer und Platoniket^ im Rheinischen Mosenm
Ar PhiloL nnd Oesch. 1828. p. 308 £ sachte die Annahme sor
Uebersengoag sn erheben, dass j^entweder die Lehren der Pytha-
goreer nldit klar anfgebsst, oder dass In der pythagoreischen Schule
▼erschiedene Grundansichten hervorgetreten seien. ^ £r entdeckt ma-
terialistische Principien unter ihren Ansichten; er sieht eine von
diesen verschiedene dualistische Bichtung, ,,von deren Mothwendig-
keit doriMningen Philolaos sein Buch beginne.^ Es entgeht Brau«
«Hs niehti dass sich bei den Pythagoreem noch wahrnehmbare Aiy-
knüptaigspunkte an die Lehren der jonischen Naturphilosopfaen üi*
den, so gewaltig auch übrigens die Differenzen dieser beiden Sehn«
Im sein mögen.
Trots der geistreichen Apercus von Brandts ist In der Dar'*
«idlnag dieser geheimnissvoUen Lehre jedoch noch unendlich viel
in tfann, wfo man um so deutlicher erkennen wird, je tiefer man
in die erhaltenen Nachrichten einzudringen versucht. Soll jedoch in
dieses Oiaos von Meinungen eine gestaltende Idee und ein produk*
tives YerstSndniss kommen; sollen whr begreifen können, wie die
minderbare Zahlentheorie sich lu einer eigenthfimlichen Welten-
eebannng e^nen konnte: so werden wir diesen verschiedenen Auf«
fassnagen sorgfltttigst nachgehen, und vor allen Dhigen das yomr**
theil schwinden lassen müssen, alle In eine einheitliche Auffassung
▼ereinigen EU können. Zeller hat sich durch dies Bestreben seine
ganze Ansicht von der psythagoreischen Zahlenlehre verdorben. Bei
aeiner Ausführung stossen Ihm immer wieder die kaum zurüdcge«
wieeenen, widersprechenden Meinungen auf; er versucht sie aber
und mbtfmids durdi die scharfsinnigsten Interpretationen zu beseiti«
gen, und veiechweadet die Ihm zu Gebote stehende reiche Gelehr«
samkeit, um alle die unbesiegbaren, ewig aufdringlichen Widersprfiehe
Ib eine einzige gemeinsame Anschauungsweise zusammenzufassen;
fibeisieht aber gerade durch diese so löblichen, und im Grunde so wis-
Benschaftllehen Bestrebongen die interessantesten Thatsachen, welche
dnen überraschenden AuümUms über viele der dunkelsten Problenie
geben. Wie einlach würde sich Ihm die Sache gestaltet habei^
wenn er die verschiedenen Auslohten festgehalten hätte, wenn et;
dieser Yerschiedenh^t der Anfhssung bei den dnaeinen ProUeoM« i
nachgegangen wire, und sich die iFrage ganz besttanmt gesteltt
bfttte, welche Anhebt wohl diejenige gewesen sehi mag, ans der
die Gfundansehauung des Systems hervorgegangen ist, aus der sich !
Ae Anschauungen der elnzehen Probleme in Ihrem eigenthfimlichen i
Charakter natürlich gestaltet haben.
ISnclien wir imemt Oe Zeller'scbe AuIasiuBg der pftbagoiei«
mIni Lehre gmmu m erfanen, und ihre Doteradieldnic tw an»
den DarateUu^en in bestimmen , ehe wk mitergiielieoi wie ddi
die fenehiedeoen Amlebteii über die Pythagoreer sa der Uatoil*
Nkn Entwidclimg dieser Schule selbst rerhalten mögeo.
L Die Zeller'sche Aoffassong der Lehre und Ihr
nnterschled von andern ähnlichen Darstellangen.
J}i» allgemeBie Unterscheidungslehre der pythagoreischen Phi*
loiopbie — sagt Zeller p. 246 — Hegt in der Behaoptang, dass
die Zahl das Wesen aller Dhige, dass Alles seinem Wesen nach
Zahl Bci.^ Bo grosse Uebereinstimmnng aber aach Aber diese Be-
imptiiDg bei allen Forschem lierrseht; so Terschieden Ist die An«
lieht, wie man jene eigenthümlichen Zahlen in denken habe, weidho
te Wesen der Dinge sein sollen.
Zeller macht bei Bestimmung der Zahl eine eigenthümliche Anf-
hmiif geltend, wdche sich am charakteristischsten in folgenden
Woiteo ausspricht: ^Dies also ist der Sinn der pythagorelschett
GroDdlehre: Alles ist Zahl, d. h. Alles besteht ans Zahlen, die Zahl
ist Dicht bloss die Form, dnreh welche die Zusammensetaung der
Bisge bestiamt wird, sondern auA die Sabstans nnd der Stoff,
wiraiis sie bestehen, nnd eben das gehört sv den wesentlichen
Bgoithfiaillchkeiten des pythagoreischen Standpunktes, dass die ün-
tenebeidnng von Stoff und Form noch nicht TorgenommeUj dass in
te Zahlen, worin wir freilich nur einen Ausdruck für das Yer«^
UttaisB der Stoffe zu sehen wissen, unmittribar das Wesen nnd die
Sshstans des Wirklichen gesucht wird<^ (p. 351). „"Es ist das eine
TsnteUuttgBweise, die uns fremdartig genug anspricht; bedenken wir
ahor, welchen Eindruck die erste Wahrnehmung einer durdigreifen*
dea und unabinderlicfaen mathematischen OesetsmSsslgkeit in den
£iicheinnngen auf den empfänglichen Geist machen musste, so wer-
tet wir es begreifen, wenn die Zahl als die Ursache aller Ordnung
ud Bestimmtheit, als der Grund alier Erkenntniss, als die weltbe*
iMmcheade g5ttiidie Macht verehrt, nnd von einem Denken, das
M überhaupt nicht in abstrakten Begriffen, sondern in Anschauun-
g«B lu bewegen gewohnt war, an dem Wesen aller Dinge hjposta-
liit wurde'' (p. 252).
Diese Stellen yerlangen eine nShere Auslegung ; es geht daraus
nech nicht klar hervor, als was das Wesen der Zdil und der Dingo
geischt werden mttsse. Man kann nämlich die Zahl 1) als eincf
m sfaier Terschiedenen Menge gMeber materieller Atome cusam*
Bwagesetate reale Grösse denken; man kann 2) diesen Atomen nur
^Me Bedeutung geben; man kann ferner 8) die Harmonie r'^^^
Mkt anfiassen nnd der Materie gegenüber stellen; nnd dlese^^^S
«ttifcte Ordnung kann man endlich 4) entweder als Ideelle ^° ^^^
oisr als ideeUen Begriff, oder als IdeeUe Zahl denken. Wel' ^ j;^°
dlfliea Bedeutungen giebt ZeUer den Zdden? nnd weldie /•«» ^^^^
^fm wohl die Pjrthagoieer tob dea ZaUen ele dem ^ ^^t ^^
I>iDgo gehabt haben? ^
tau Zelldr: PhilAfophit d«r GriecheB.
Zeller ist für die letsfte AuffascniDg; er behauptet, das pytha*-
goreiacbe System faabe einen abstrakt arithmetiBchen Charakter ge-
bäht ijDiese Annahme, die Grandbestimmnng des gansen Systems,
sagt er p. 281, Ist nnr dann zu erklären, wenn es von der Betrach-
tang der Zahlenverh<nisse beherrscht wurde, wenn seine ursprüngliche
Bichtung nicht dahin ging, die Zahlen als Körper, sondern umge-
kehrt dahin, die Körper als Zahlen zu fassen.«' Zeller scheint dem-
nach die Zahlen, die das Wesen der Dinge bilden sollen, als abstrakt-
arithmetische Potenzen gefasst, und ähnlich wie die Platonischen Ideen,
xwar nicht als transscendente , sondern nur als immanente gedacht
SU haben. Man muss dies desswegen annehmen, weil er sowohl
gegen die dualistische mathematische Auffassung, wie sie z. B. Bran-
dis und Beinhold lehren, als gegen die Bitter'sche arithmetisch-ma«
thematische, welche den Atomen ideelle Bedeutung giebt, und end-
lich auch gegen die arithmetisch • physikalische , welche die Atome
als materielle Homoiomerien begreift, polemisirt Die Zeller'sche
Auffassung ist aber diejenige, welche die ideelle und die mathema-
tische Zahl identisch setzt, und welche Aristoteles Mat. XIII, 8, 14
die allerschlechteste nennt. Diese Ansicht findet sich Torsüglich bei
den pythagoreisirenden Piatonikern Xenokrates und Speusippus; sie
setzt die Platonische Ideenlebre voraus, da vor derselben die ab*
Btrakten Zahlen und Wesen der Dinge nicht identificirt worden wa-
ren. Vor Plato dachte man sich die Dinge nur nach Analogie der
Zahlen, d. h. ihre Substanzen in mathematische und arithmetische
Verhältnisse geordnet. Zeller musste desshalb, von seinem Stand-
punkte aus, diese letzte Ansicht als nicht pythagoreisch verwerfen.
1. Zeller setzt sichln Widerspruchmit sich selbst
und mit der allgemeinen, besonders scharf von Bein-
faold ausgesprochenen Ansicht, dass das pythagorei-
sche Princip nicht die abstrakt-arithmetische Zahl,
sondern nur ein ihr analoges Produkt sei. Zeller seiner-
aeits meint, es mfisse als ein Widerspruch angesehen werden, dass
dnmal Alles ans Zahlen bestehen, und das andere Mal AUes nnr
äem Muster der Zahlen nach gebildet sein solle (p. 248). Nach
seiner Auffassung muss der Widerspruch sogar unlöslich erscheinen.
Er glaubt denselben zwar dennoch ausgeglichen zu haben, wenn er
iiachweisty dass Aristoteles ausdrücklich gesagt habe, die Zahlen
dürften bei den Pythagoreem nicht wie die Platonischen Ideen ia
transscendenter, sondern nur in immanenter Bedeutung genommen
werden. Desshalb dürften beide Aussprüche sich nicht ausschliessen.
Aber es bleibt immer ein Widerspruch, wenn man die Zahlen bald
hIm Wesen der Dinge nennt, bald dieses nur nach Analogie jener
liätte','!^^ Bein lässt. Nach der Zeller'schen Ansicht, — d. h. fasst man
die Gfi2>l heide Mal als abstrakt arithmetische Zahl, — lässt sieh
die Aniiisen Anstand gar nicht binüberkoDunen. Begreifen aber wird
Charakter *9 ^ich scheinbar widerstreitenden Ausdrücke, wenn man die
|9ttebfB*iteUt| dass hier unter Zahlen nicht beide Male dasselbe
fOMfait mL Wenn die Pjthagoreer die Dinge nach Analogie der
ZibJen f elrildet sein lawen, so denken sie hier nar an die absMk*
ien arithmetisdien Zahlen. Wenn sie dagegen das Wesen der Dinge
virkllch ans Zahlen bestehen lassen, so meinen sie unter diesen
Zahlen die nach gewissen ZahlenverhSItnissen geordneten Atome.
Hier Hegt allerdings eine Ungenanigkeit des Ansdmeks vor; und
Zeller hat sich durch dieselbe verleiten lassen, das Wesen der Dhige
sb abstrakt-arithmetisehe Zahlen m denken.
Der technische Ansdrock für jene verschiedenen Zahlen ist der
ilfi^ltog fiopadutog nnd ^pwftMog, von denen der erstere die ab-
itrikt-arithmetischei der aweite die conkret-phjslsche Zahl (d. h.
das nach gewissen Zahlenverhftltnissen geordnete Wesen der Dinge)
bedeatet Zeller giebt also eine Identitit des agidjidg fMPodiMog
»d ipwfixog für die wahre pythagoreische Ansidit aus. Dass es
aber gans ansdriicklich heisst, der ä^i^iiog gjvifixog nicht der ftth'
ißttdutog sei die Zahl der Pythagoreer, werden wir nachher ausffihr-
fich beweisen.
Durch diese Identificlrung der abstrakt-arithmetischen und der
eonkret-physischen Zahl setst sich Zeller den grössten Irrthttmem
ans, und IXsst sich bis lu der Behauptung fortrelssen; „wenn swei
die Meinung, vier die Gerechtigkeit, flinf die Ehe, sieben die gele-
geoe Zeit n. s. w. genannt werde; so sei es hiebe! keineswegs
nur auf eine Vergleiehung beider abgesehen, sondern die Meinung
Mi in dem einen wie in dem andern Falle die, dass die betreffende
Zahl das, womit sie verglichen werde, unmittelbar nnd im eigentli*
dien Sinn sein solle. Esseleine Verwechslung von Symbol
und Begriff, eine Vermischung des Accidentellen und Substan*
tisllen, die wir nicht auflösen dürfen, wenn wir nicht die innerste
BgenUiümllchkeit der pythagoreischen Denkweise verkennen wol-
lett* (p. 279). — Er bemerkt jedoch selbst p. 288 sehr richtig,
daas j,der gleiche Gegenstand oder Begriff bald durch diese,
bald durch jene Zahl bezeichnet worden sei.^ Wenn aber Sym-
bol oder Zahl und Begriff oder Wesen nach Zeller als identisch ge-
dacht werden sollen : so mössen demnach verchiedene Dinge, welche
durch ehie und dieselbe Zahl beaeichnet werden, diese wirklich, und
abo gleich sein; oder dieselbe Zahl könnte sich nicht selbst gleich
icin. Will mau diese Unmöglichkeit nicht zugeben , so darf man
tncb nicht behaupten, dass die Pythagoreer das Wesen der Dinge als
Zahlen, sondern muss zugestehen, dass sie es nur gleich wie Zahlen
S^daeht haben, nnd dass somit Symbol oder Zahl und Begriff oder
Wesm In der guten Zeit nicht verwechselt worden sein könneui
wie Zeller, den Entartungen des Systemes folgend, annimmt. Wie
wiOkiiilich es freilich oft bei Auffindung einer Ueberelnstimmung
swiscfaen Symbol nnd dem vergleichsweise bezeichneten Wesen der
Dbge hergegangen ist, berichtet uns schon Aristoteles in der von
ZeDar angeffihrten Stelle Met L 5, 4: ,;Was sie nur In den Zablen
mid Harmonien als überelnsUmmend aufzeigen konnten mit dem
itM Zdler : Phaotophie «er Grieetaeit
GesagteOy denTheUen und der gesammten OrdoQng des HiihiDelfl,
das stellten und paaaten de Easammeni und wenn ee irgendwo fehlte,
flo roöbten sie durch Nachhülfe Zoeammenhang und Ueber^netim-
Binng in ihre Theorie in bringen.^ Dass daher wirklich Tiel Aben*
theuerlichee gefabelt worden ist, wissen wir; aber ebenso gewiss ist
•8, dass s(ddie Ansichten nur als Ausartungen und nicht als die
iiiqi^nd^oh- genetischen gedacht werden dürfen. Und es handelt
sich doch yor allem darum, diejenige Anschauungsweise an finden
und dogmatisch und historisch au erklären, w^che einer gansen
Weltanschauung ihre Entstehung gegeben haben konnte.
Zeller selbst stellt die Ausdrücke der Pythagoreer p. 248, Anm.2
asnsammen, welche die von ihm bestrittene Ansicht beweisen. Er
bringt auerst das bekannte fUfitiicsi täv ä^td-fuiv. Er sagt, dsss
die Dinge Ofioiciiiccea der Zahlen genannt worden seien. Er fobrt
an, dass den Pythagoreern das atpoiiOioiHfd'ai augesdiriebeii werde
und erinnert an das oft^fMi Si ts xavr iTcioixsv. Ja es ent-
schlüpft ihm p. 344, im Widerspruch mit seiner übrigen Auffassung,
die gana riditige Bemerkung, dass sie ihre Zablentheorie dessbalb
aufgestellt hätten, „weil sie zwischen den Dingen und den Zahlea
eine durchgreifende Aehnlichkeit au entdecken glaubten.'^ Wir
stimmen daher vollständig Reinhold bei, wenn er §. 34 diese Theorie
also auffaost: „Die Dinge bestehen nach pythagorwscher Yorstel*
lungsweise dorch Nachahmung der Zahlen, das heisst, was die We-
aesäelt der Zdblen ausmacht, macht nach dieser Betraehtungsirt
glelohfalls die Wesenheit der Dinge aus.*'
2. Zeller versetzt sich in Widerspruch mit sich
nnd mit Brandis, indem er behauptet, „die Zahl als
solche sei nicht bloss für die Form, sondern auch für
den Stoff des Körperlichen gehalten worden^ (p. 278].
Wie Beinhold so tritt auch Brandis hiergegen auf und aeigt, dass
neben dem ideellen Principe der Harmonie noch ein materielles exi-
stirt habe. Er sagt (a. a. O. rhein. Mus. p. 219): „Eigenthümli-
eher war ihnen die Einsicht, dem Unendlichen oder Bestimmbaren
müsse ein aweites Princip, als das Bestimmende, vom ersten ge-
sondert, hinsttkommen. Diese dualistiBche Sonderung, von deren
Nothwendlgkeit durchdrungen Philolaos sein Buch beginnt, wollen
wir als eigenthümlich pythagoreisch recht ausdrücklich anerkennen.^
Dieser Anschauungsweise ganz und gar entsprechend, beginnt
bei Philolaos die pythagoreische TaheUe mit den Gegensätzen : „die
Grenze und das Unbegrenzte^; darauf erst kommt: „die ungerade
Zahl und die gerade Zahl«^ (vergL Ritter, Gesch. d. Phil. Bd. L
p. 892). Auch gegen diese Ansicht musste Zeller natürlich von
aehiem Standpunkte aus polemisiren. Die beiden Principlen der
Form und des Stoffes wurden ja identificirt, wie er glaubt. Er sudit
daher p. 282 und 283 au beweisen, dass die Pythagoreer nicht von
dem Räumlichen und den Figuren zu den Zahlen übergegangen
wäreui sondenii dass sie den umgekehrten Gang eingeschlagen hat-
Zeltet PUtoü^ to GriadM« IM
im; wefl sonii fliatt dea Aritbrnetitcben das Geottetriidie ta flmm
Bpim» hätte fiberwiegeoi ttott der Zahl die Ficur fOr das Wesen
der Dinge hitte erUürt werden mOsseiL Dies« Einwarf bat schein^
bar sehr viel Wahrscheinlichkeit fttr sich ; und man könnte sich sehr
geoeigt finden lassen , Zeller gegen Brandis und die ansdrflckUdben
Nadiriditett des Philolaos beizostimmen , wenn man nicht schirler
anf die ZeUer'sche Argumentation eingeht Wenn man unter de«
Arithmetischen den «fftOyco^ qnföutog yerstehen ktentCi SP wire aichln
gsgen diese Ansieht einsnwenden. Es seheint sieh wirklieh die dnar
listiseh-mathematische Anschaonng das Bjstems ans einer arithsm-
tiaehen heraus entwickelt an haben; wie ans der sehr treffenden
BcBMrfcnng ZeUer's henrorgeht, dass sonst die Pythagereer nicht die
ZaU| sondern die FlSchen snm Wesen der Dinge gemacht haben
mfiaaten. Wir werden desshalb eine Xitere physisch -arithmetische
Aoffannng naehsnweisen suchen, deren Qrnndanachannng die spä*
teren Mathematiker Archytas and Philolaos angenommen hiäeni wih«
md sie dem Systeme den dualistischen Charakter aoMrflckteny der
aoa den Bmchstficken des PhUolaos und ans den meisten Machiich«
ten des Aristoteles hervorgeht.
Dennoch können wir Zeller nicht beistimmeni weil er nicht die
pbjBlsch-^ffithmetiscbe, sondern die abstraktrarithmetische Anschanong
will, ans der er die mathematische erklirea an können gknbt Er
meint den Gegensata des Qeraden nnd des Ungeraden dem der Grenae
imd des Unbegrensten yorsetsen an mfisaen, weil die madiematischea
Oröaaen ans arithmetischen Zahlen, der Punkt ans der Einaahl, die
Linie aas der Zweisahl, die Fliehe aus der Dreiaabl, der Körper
asa der Yieriahl abgeleitet werde (p. 890 nnd 291). Doch auch
bier haben wir Zeller wieder den Vorwurf au machen, dass er sidi
an die späteren Symbolisirungen anlehnt, wo beide wohl als glelcii
gaaetst worden sein mögen. Das SJtere Verfahren war jedodi efai ande-'
raa, welches wir sogleich naher betrachten werden. — Hier wollen wir
mr nodi den Widerspruch anffihroni in welchen sich Zeller yersetst
Efaerseits nlmlich meint er, die Pythagoreer hätten das Dnbegrenate
Didit fOr den unendlichen Weltenstoff nehmen können, sondern diese
Bedeutung müsse daaselbe erst abgeleiteter Weise in seiner Anwendung
aaf das Weltgebäude erhalten haben (p. 282). Andererseits dage-
gas behauptet er und sucht ausführlich p. 340 und 841 an bewei-
m, dass die Pythagoreer tou einer physischen Orundanschavung
>^S«8angeB seien. Demnach mosste er die kosmischen Principlen
dar Qrenae und des Unbegrenaten, nnd nicht die nur abstrakt-arlth*
nstiachen der geraden und ungeraden Zahl als die firOheren betraehteii.
3. Zeller setat sich ferner in Widerspruch milt
lieh und augleich mit Bitter, indem er behauptet: an
isi unrichtig, den Körper aus Ideellen Punkten und
nicht aus ideellen Zahlen ableiten an wollen (p. 280).
Bitter yereucht als Lehre der Pythagoreer ehie andere Theorie nach-
«weiaan, und awar etaio IdesUe MonadologlOi welche tr (QssA. d.^
J30 Zellert Fhi1ofoplii6 der Griechen*
Fb&. I. p. 40S'-412) mit grosser Frische und Bestimmtheit dareh-*
führt und za begründen sucht Er giebt dieser ideellen Monadologie
einen pbysikaliachen oder, wenn man lieber will, einen koamologi*
sehen Charakter. Er sieht nämlich das Begrenste, den mathema*-
tischen Punkt, als ideelles Weltatom und das Unbegrenzte ab das
Leere I den Zwischenraum an. Und dies sucht Ritter p. 408 sehr
anschaulich zu beweisen, indem er sagt: „An «ich nämlich sind
ihnen ihre Ehiheiten wahre geometrische Pankte, also unkörperlicb,
und wenn man zwei solcher Einheiten zusammensetzen wollte, so
würde daraus auch nicht ein Körper, m'cht einmal eine Linie entstdien,
weil aua der Zusammensetzung des Nicht •Ausgedehnten an sich
keine Ausdehnung entstehen kann. Man sieht, wie hier nothwen-
dig das zweite Princip der Pythagoreer in das Mittel oder recht
eigentlich in die Mitte treten muss, um den nach drei Maassen aas-
gedehnten Körper zu erzengen. Denn wenn die Einheiten, die
Punkte, Anfang und Ende oder die Grenzen bilden, das Unbegrenzte
aber die Mitte, so wird eben durch das Inmittetreten des Unbe-
grenzten erst die Ausdehnung, und zwar die geometrische Ausdeh*
nnng nach drei Maassen.^
Diese Ansicht bekämpft aber Zeller. ^^Da die geometrischen
Figuren, sagt er p. 282., von den Pythagoreem aus den Zahlen
abgeleitet werden, so müssen auch die Elemente der Figur, der
Punkt und der Zwischenraum (wie Ritter die kosmischen Principien
laset) später sein, als die Elemente der Zahl.<^ Und nun sucht Zeller
mit Tergeblicher Mühe die Gegensätze des Punktes und des Zwf*
Bchenraumes oder der Grenze und des Unbegrenzten aus denen des
Geraden und des Ungeraden, also die kosmjschen Principien aas
den arithmetischen abzuleiten. Wie aus der geraden und der un-
geraden Zahl die Welt und alle die mannigfachen Erschein ungon in
derselben entstehen konnten, das hat uns Zeller weder gezeigt, noch
hat er uns Bruchstücke vorgewiesen, in welchen die Alten dies ge-
lehrt haben. Aber selbst wenn man diese wunderliche Kosmogomie
sngeben wollte, so wäre damit noch nichts erklärt; denn es wäre
nicht abzusehen, warum die gerade und ungerade Zahl die geneli-
Bchen Principien selbst nur der Zahlen sein sollten. Die Grundbe*
dingung aller Zahlen ist weder die gerade, noch die ungerade Zahl,
noch beide zusammen, sondern die verschiedenfache Zusammen-
setzung einer gleichen Grundeinheit. So versteht es auch Ritter,
wenn er die mathematischen Punlcte oder ideellen Atome als phy-
sikalische oder kosmische Wesen, und so als den Grund aller Dinge
betrachtet. — Die Zusammsetzung ans einer gleichen Grundeinheit
ist also die^ Ursache, warum das Wesen der Dipge als fu/ti^<f»
tmv oifid'iiciv, als lebendige Zahlen angesehen worden sind.
Ahi Beweis für diese Ansicht führt Ritter die charakteristische
Stelle Met. Vn. 2. an: „öoxet äd tia^^ tä tov öcifwtos niffcctOj
mt iiimov ?J ro 0ä(m ml ro (Sxbqbov. Cf. Ib. III. 5; XIV. 3;
Zeller! Phflotoi^liie der Grleehett. 13t
d« eoelo I, 1 * (Ritter, Oescb. d. Pb. Bd. I. p. 404. Anm. 2.) Aber
der lebaHsinnige Forseber ging cu weit, wenn er glaubte, diete An*
MhiaiiDg als die eiosige geltend macben xu können. Es tritt iu
winer Darstellung daber die dualistiscbe Anscbauung des Pbilolaos
n sehr in den Hintergrund. Die Slteste Anscbauung dagegen, nach
welcher, wie ich nacbber su aeigen sucben werde, das Atom als
Dtterielle Homoiomerie anfgefasst worden Ist, will Ritter, wie Zeller,
fins Yttbannt wissen. Und doeb ist sie es, welche das EigentbOm«
licfae der pythagoreischen Denkweise hervorgerufen bat Ritter fin«
det selbst, dass das Unbegrenate, der Zwischenraum, oft auch als
Hasch oder luftartig, als feinster Aether gedacht worden sei, und
meint diese Ansicht schon surtickgewiesen au haben, wenn sich
henuMBteHt , dass die Pythagoreer die Luft als einen bestimmten
KQrper betrachtet haben (p. 411). Wir benntsen dies anders, und
sQchen daraus gegen Zeller und gegen Ritter au beweisen, dass die
guse Theorie auch noch anders aufgefasst worden sein muss, und
iwtr der Punkt als materielles Atom.
4. Zeller yerwickeit sich in Widersprüche mit
sich selbst und mit Aristoteles, indem er au widerle«
gen sucht, dass die pythagoreischen Zahlen weder
eine körperliche noch eine geometrische Bedeutung,
gehabt haben, und dass sie nicht rSumlich gefasst wer-
den dürfen (p. 275—284). Obgleich Zeller recht gut weiss,
diu Aristoteles die pythagoreischen Zahlen „ebensowohl zu den
nateriellen als an den formellen Gründen^ gerechnet bat p. 247;
glaobt er sich dennoch „gegen die Ansicht erklSren an müssen, dass
rieh dieselben zunSchst auf räumliche Verbältnisse bezieben und
Beben dem Arithmetischen und statt desselben ursprünglich schon
etwas Geometrisches oder gar etwas Körperliches bezeichnen^ (p. 275),
Zeller hat hier aber das unzweideutige Zeugniss des Aristoteles
ganz gegen sich, dessen Nachrichten er doch selbst als die höchste
Attoiität anerkennt; da es von „den späteren Schriftstellern bekannt
QDd unleugbar sei, dass sie das Frühere yon dem Spätem, das Py-
thagoreische von dem Platonischen und Nenpythagoreischen über^
tuopt nicht zu unterscheiden wissen^ (p. 251). Zeller muss also
die gewiditigsten Gründe haben, wenn er dennoch jener höchsten
Aatorität widersprechen zu müssen glaubt. Er wirft Aristoteles ge-
radezu vor, dass dessen Auflfassung ein Irrtbum sei, welcher sich
▼OD seinem Standpunkte ans eingeschlichen habe, indem er seine
eigene auf die pythagoreische Denkwelse übertragen habe, wenn er
Körperliches und Unkörperliches unterscheide, was den Pytiiagoreem
^d gewesen sei.
Man muss gestehen, gerade die Art und Weise, wie Zeller d!ese§
liMist schwierige Thema zu beweisen sucht, macht seinem Scharf-
rinn alle Ehre. £r sieht, dass er sich dem Schlüsse nicht entziehen
^*>Qt „die Zahlen müssen etwas körperliches sein, weil sie sonst
nickt Bestaadiheile der Körper sein könnten. «^ Er giebt dies daher
138 Siernberif: Nene FoHcliiaseii tüier d. hoekdeiticbe Lantlebre.
zu ; sagt aber, dass damit nichts gegen die Unräumlichkeit der leftttea
Gründe gesagt sei. ^Bei den Körpern, sagt er p. 279, wnrde an
das gedacht, was sich in der sinnlichen Wahrnehmung, bei den Zahlen
an das, was sich dem mathematischen Denicen darbietet, und Beides
wurde unmittelbar identisch gesetzt, ohne dass man die Unsulässlg-
keit dieses Verfahrens bemerlcte.^ Allein Zeller selbst findet we er
den Charakter der pyth. Philosophie im Allgemeinen schliessUeh
flchlidert, dass dieselbe nicht yon der Frage nach den Bedingungen
des Erkennens ausgegangen sei (p. 343), nnd dass man noch durch»
aus keinen Einfluss der Eleaten auf ihre Denkweise nachweisen
könne. Daher werden auch wohl die Pythagoreer noch keine so
complicirte erkenntniss-theoretische Dialektik geltend gemacht haben,
aondern von kosmischen Processen ausgegangen sein. Desswegen
wird auch der uQi/d'fiog qnjöutog und nicht der fMPadtxog die py-
ihagoreische Zahl gewesen sein.
Wir haben nun schon die verschiedensten Auffassungen von
dem pythagoreischen Systeme vor uns, mit welchen allen sich 2Mlsr
auf gleiche Weise in Widerspruch befindet, weil er eine abstrakt-
arithmetische Auffassung der Zahl adoptirt, welche erst in den ent*
artetsten Verbindungen des Systemes lu finden ist; wfthrend sieh
, Beinhold, Brandis u. A. mehr an die Auffassung des Philolaos nad
Archytas hielten, und Ritter eine in Aristoteles sich vorfindende An-
sicht besonders hervorhob. — Es fragt sich nun, in welchem Ve^
hSltnisse diese Ansichten stehen. Wir glauben, dass diese Frage
einfach zu lösen ist, wenn man eUie Ansicht für um so Slter hllt,
je mehr sie materialistisch oder realistisch ist, nnd für um so jün-
ger, je abstrakter idealistisch sie aussieht Diese Anschauung ergiebt
sich aus einer Gesammtansicht von der Entwickelung der griechischen
Philosophie, und erklärt die Entwickelung Innerhalb des pythago-
reischen Systemes ganz besonders leicht, wo wir die merkwiircBge
Entstehung des Idealismus am besten verfolgen können.
(Fortf etsnng folgt)
Neue Farsehungen über die hochdeuieche Lauüehre und Prüfling der
hochdeutschen Sehreiblehre. Mit Bezug auf die Ansichten von
Grimm, Becker u. A. von P. Chr. Sternberg. Erstes BefL
Die Stimmlatde und Schmelelaute. Trier, 1868. Verlag der
Braun'sehen Buchhandlung. Preis 10 Sgr. 8. 89 SeUen.
Es ist schwer, sich mit dem Verfasser zu veratlndigen , denn
er handelt von Lauten, ohne dass er zuvor den Leser ticher darüber
ins Klare gesetzt hat, was er unter den einseinen Buchstaben Ar
Laute memt, mit andern Worten, ehe eine gemeinsame LaatbeisUi-
nnng verabredet ist Der Verfasser geht, wie es scheint, vom Wsnr
Dialekt aus; allein dieses entlegene und wenig bekannte Idiom weicht
so mannichfach vom allgemeinen Gebrauche ab, dass durdi die An-
Stenberg: Mmm Fondnifei tlb«r d. fcMlideilielie LiOÜekr«. 139
kkiHuig daran mit der LanibesoicLnang fOr Auawirtiga nar Ver-
wirrang anUrtehen man. Waan 8« 11 ff. dar Laal daa franaWBcben
iiü M fUi ideniiach arklSrt wird mit dem deataeben e in wdiiau,
keUen, atehlan, gabaot laean, BaeeUf jetst, so ist la bamarkaoi dass
der franaosiaehe 4 - iaut von allen diesen Wdrtarn nnr dem weil«-
lea aad jetat gebührt , wihrend die übrigen das ana i entatendene
f, also mit dem Laute ft baben, wie denn auch noch in den meisten
Gegenden Deotsehlands richtig unterschieden wird. Nicht an reimen
weiss ich sodann mit jener Aufstellung, dass 8. 31 das e hi jetat
dodi als e (nicht e = S) l>eaeichnet wird.
Ein Uebelstand mag es immerhin genannt werden, dass in der
ipitem Sprache Laote ausammenfalien , welche ursprünglich unter-
Nbieden waren, nnd dass a. B. lassen (legerent) jetzt gana gleich
lautet mit lesen (legere). Ob aber gestattet ist, aus der noch jetat
beide FSlle unterscheidenden Schreibung auch eine Unterscheidung
im Laata abxuleiten, wie 8. 12 ff. rersncht an werden scheint, ist
aehr zweifelhaft Die Aussprache, d. h. die eigentliche wahre leben-
dige Sprache wird sich nie nach der Bdireibung bequemen und be-
<piemen dürfen, denn diese ist nur ein Wiedergeben des Lauts und
hst Umi an dienen, nicht umgekehrt Eine fthnliche Unterscheidung
zweier Lante aus der Schrift scheint, wenn S. 22 ff. Leid, Ei und
Kaiser, Mai als Terschieden anfgestellt wird, w&hrend doch, einen
kWnen Btrich Oberdentschlands ausgenommen, überall diesen yier
Wörtern ahne Unterschied der gleiche Diphthong gegeben wird. Die
fi. 18 bekftmpfte Aenssemng J. Orjmm's über das aus a umgelan«
tele H und a ist gewiss richtig und wird auch noch durch die Aus-
sprache in Schwaben allgemein bcstfitigt.
Hinsiehtlich ehier andern Annahme örimm's S. 15 scbehit ein
MisBrerstXndniss obanwalten: laegen als praes. conj. hat allerdings
isBgee S, legen als Infin. aber hat e (=fra. f), und mit Recht,
dean es ist aus a (lagjan) entstanden. Mit dem Worte glege (plnr.
Yoa glac) hat es freilich seine besondere Bewandniss, da ihm ur«
iptüaglich e gebührt, was auch noch in einigen Gegenden Süd-
deetsehlanda richtig erhalten ist, während schon mhd. Reime in
diesem Worte das anomale e constatieren.
Der S. 16 aufgestellte Satz, dass kuraes a nur in kurzes fl
soianten könne und nie in einen Laut, der gleich oder ähnlich 9
ist, d. h. wohl ein in e = franz. 4, bedarf noch sehr des Beweises,
denn bis jetat widerstreiten ihm die mittelhochdeutschen Reime und
die nnaweideutige Regel der ol>erdentschen Volkssprache, welche e
ud S fast überall historisch richtig trennt
Der Varlissaer hat unzweifelhaft ein feines Ohr für Beobachtung
^ LaatTerhiltnissen und Unterschieden, welche dem gewöhnlichen
B>oin an entgalien pflegen, und Mutb zum selbstständigen Beobach-
te aad Fortsclireiten. Aber es wäre sehr zu wünschen, dass der
Pertsdiritt etwaa gemessener erfolgte, so dass andere Schritt für
^^^ folgen können, nnd dass durch eingehende Erläuterungen,
140 Pomaiaef-Gu^riiit Tr^r d« vloerie.
vor allem darch eine unsweifelhafte und conseqa^nt feetgehaltene Lant-
beaeichnuDg ein sicherer Boden fUr die gemeinaame Verständignog
gelegt würde. Ancli die 8. 10 aufgestellte Tafel der Klangreihen
Ist iceineswegs so klar und über allen Zweifel erhaben, daaa man
dem Verfasser recht geben wird, wenn er behauptet: Es hlesse
Zeit und Mühe für uns and unsere Leser Terschwenden, wollten wfar
die Richtigkeit dieser Elangreihen beweisen.
Am ▼• Keller»
TrAor de vhurie, eomposi Van M, CCO. LXXXX. IV. par Har-
douinj seigneur dt Fointaints-Quirin, et publik pour la
premüre fois par M. H. Michelant Metz, 1856. 8. XVI und
134 Seiten.
Nach der Einleitung des Herausgebers Ist unter den altfransS-
flischen Denkmälern, welche der Belehrung über das Jagdwesen ge-
widmet sind, wol das älteste l'Art de v^nerie, verfasst von Gull-
laume de Twici, der dem 13. Jahrhunderte angehört und sich Ve-
nour le roy d'Engleterre nennt. Nicht weniger als ein Jahrhundert
liegt Ewischen jenem Gedichte und der Arbeit — wir dürfen diese
Bezeichnung wol gebrauchen — mit welcher Hardouin die langen
Stunden seiner Gefangenschaft auf dem Schlosse M^rargues zn kür-
zen suchte. Es ist also keineswegs ein hohes Alter, was seiner
Schrift ein besonderes Interesse ^verleiht, ebenso wenig ist sie durch
Originalität ausgezeichnet; denn Hardouin folgt unverkennbar dem
Werke des Gaston de Foix. Den Werth des Gedichtes hat man in
einer andern Richtung zu suchen, wie dies der Herausgeber her-
vorhebt, indem er sagt: „Le po^me offre quelques tralts curleoz
pour rarchtfologie et Thlstoire de la v%nerie, et c'est le seul ouvrage
qui traite i fond d'une partie importante de la chasse; nous vou-
lons parier des sonneries, sur lesquelles, malgrd leur importanee,
les autres trait^s ne nous ont transmis que des donn^es tout It fait
incompl^tes. ... Enfin nous ne devons päs omettre quelques d^tails
Int^ressants que nous chercherions vainement aillenrs : la mani^re de
trottsser le cerf, moins pittoresque, mais plus reelle que celle qoe
nous offrent les peintres; Tnsage de faire la cur^e sur place, par-
faitement motiv^ et plus rationnel que celul qui est adopt^ aujourd'hni;
IMnum^ration des for^ts les plus importantes de l'Anjou et du Maine,
Celle des ehasseurs les plus fameuz de T^poque de Hardonin, soot
autant de faits pr^cieux pour Tantiquaire, Thistorien ou Tartiste;
ajoutons-y quelques curlenz traits de moeurs, comme par exempte
le reproche adress€ ä certains nobles qui sollidtent le privil^ge de ;
chasser dans les fordts royales, uniquement pour trafiquer du gibier \
pris ... Yoilä ce qui donne de Tattrait et une eertaine valeur an
Tr^or de Y^nerie. ...^ Für die Literaturgeschichte, um diess den
Worten des Herausgebers noch hinzuzusetzen, bringt der Trdsor de
DubsMl: ElteenU de Ctleiil infiBiOtiinal. 141
ihaen» swei ntehl «i übersehende Ansinelongeo, die eine auf Per-
ttrai, die andere auf die Legende Tom h. Euetachiue. — Bei dem
Gegenstände, den Hardouin behandelt muss es auffallen, dass bis
jeUt nur eine einzige alte, auf der grossen Pariser Bibliothek unter
Nr. 64, Cang^, jeUt 7664, anc- fond. frang., befindliche Handschrift
seines Gedichtes bekannt geworden ist. Aendernngen hat sich unter
dieien Umständen der Herausgeber nicht erlauben m(>gon, wol aber
hat er durch- sorgßiltige Interpunktioui sehr sch&tsbare Anmerkungen,
ein Wörterbuch und eine ausführliche Einleitung das Yerstlndniss
des Textes in jeder Weise su erleichtem gesucht und so den Yer-
dienaten, die er sich schon früher durch Herausgabe des altfransösi-
Beben Gedichtes über Alexander und des Gedenkbuches Ton Philippe
Ton Vignenlle erworben, ein neues hinzugefügt. Die Ausstattung
des Baches, welches auch die in der Handschrift enthaltenen Mfaiia*
tnren widergibt, darf als musterhaft bezeichnet werden.
ToblDgen, 24. Janiur 18^7.
IVUhelm liudwiff nollandU
BUnmU de Cakul infiniUnmaly par M, Duhamel, Membre de VlneüM, tome
Premier. Paris, MaUei-Backelier. 1856. (XX und 586 5. tn 8., mii
sechs Tafein.)
Es ift in der letxten Zeit ein wahrer ReformatioDseifer in einen Tlieil
4er mathematiachen Schriftsteller gefahren, naiDentlicb waa die Differential-
rechnmif betriffl. Da will Einer nicht mehr gelten lassen, dass die Differen-
tisle unendlich klein seien; im Gegentheil will er sie ganz „handgreiflich**
Bachen, und ficht, wie der tapfere Ritter von der Hancha, gegen die Wind-^
nnUen. Trotz seiner Tapferkeit ist aber durch ihn die Sache um kein Haar
besser geworden und wenn er auch nach Marktschreier-Art die armen Men*
sehen bedauert, die das Licht, das er der Welt aufgesteckt hat, nicht haben
sehen können und sein Anathem gegen die schleudert, die es nicht sehen
wollen, so ergeht es ihm ehen, wie es Leuten seiner Profession lu ergehen
FÜegt: man lacht über sie. Zwei Andere haben, nach dem heutzutage zum
leitend gewordenen Grundsatze der Gesellschaftung in Compagnie ein refor-
■atorischea Büchlein Aber die Irrlehren der hohem Mathematik geschrieben
and sich dabei speziell vorbehalten, ihren (Jnsinn spater in Lehrbüchern des
Weitem und Breitem darzulegen. Ihnen wäre , wie gar vielen dieser refor-
■ationssOehtigen Helden, anzurathen, erst ein wenig höhere Mathematik — so
wie sie iil — zu studiren nnd inskünftig erst daran zu denken, wie etwa
Ibachea noch verbessert werden konnte. Auch die Philosophie hat sich wie--
der nehrfnch an die Verbesserung der hOhern Mathematik gemacht. Darüber
werden wir aber wohl weggehen dürfen, da das, was unsere grossen Philo-
sophen eher Mathematik gesagt haben, ihren Bemf dazu wohl hinlänglich do«
fanientirt, ao dass ihren Schülern nicht viel mehr nachzuholen bleibt.
Auch du Torllegendo Buch hat sich eine Art Reformation der hohem
im Ziele gei teckt, beiUch in ganz anderer Weise, als diejenigen,
143 Daliäiiiel: El^aieiilt de Galeiil iiiftBit^imtl.
die iclioii tl0 Verbe^ierer der WiMeniehaft aoftreteo woileo, ntihde» lAe
km« erst den ¥u§b Ober die Schwelte ihre« HeiligtbiiiiM guttu haben. Der
Name Dahamel's iat ein in der Wisaeaichaft hochgeaehteter; Dnhanel iü
kein Anfkn^r mehr, aondem kenni die Wisfenachaft bia in ihren hOehrten
Rohen, er iai alao berechtigt, an dar Verbefaemng deraelben an wirken, ae
wie er aeither an ihrer Erweiternng ffewiikt hat. — Seine Refonnatien iit
aber eine gana eigene. Er will nttmlich wieder an denjenigen leilanden Ge-
danken anrttckkehren, die die Entdeckung der Differentialrechnung herbeige»
führt haben, dasjenige dabei, daa etwa nicht gana klar iat, Ton dem beate
errungenen Standpunkte ana, nur klarer, beleuchtend. Er itellt aich alao wie-
der auf den Leibnitsiachen Standpunkt der Differentialrechnung, indem er da-
bei mittelst der Gränzenmethode die Fundamentalatttae mit der gehörigen
Schürfe erweist. Wie dies bei einem mathematischen Denker, wie Duhamel,
auch nicht anders zu erwarten war, ist der yorliegende erste Band seines
Werkes in einer Weise rerfasst, die sein Studium zn einem sehr lehrreichen
macht, und die Menge neuer Gesichtspunkte und Darstellungsweisen empfeh-
len ihn jedem, dem es um wahre Wissenschaft zu thun ist. Wir wollen dess-
halb auf den Inhalt etwas naher eingehen.
Nachdem das Buch sich Über den Begriff der Zahl, der Summe, des Ver-
hältnisses u. s. w. ausgesprochen, geht es auf den ersten Grundbegriff der
gesammten hohern Mathematik ein — den der Grftnse. Diesen Begriff haben
die Neuem eingeführt, indem sie aus der Methode der Reduction auf das
Absurde, welche die Alten anwandten, das heraus nahmen, was ihr eigent-
liches Wesen ausmacht Eine Grause nun nennt unser Buch eine konstante
Grosse, der sich eine veränderliche Grosse immer mehr ntthert, ohne dieselbe
je zu erreichen. Wir glauben, dass der letste Znsatz nicht gerade nothwan-
dig ist. Allerdings wird wohl meistens dieses Erreichen nicht stattfinden,
allein es ist wohl nicht nothwendig, dies geradezu zur Bedingung zu machen.
Als Fundamentalsatz fUr die Granzen wird sodann der Satz aofgestellt, dus
wenn zwei verilnderliche Grossen immer gleich sind, und beide gegen eine
Gränze gehen, diese zwei Gränzen gleich sein mUssen. Dieser Satz ist wohl
an und für sich klar, und ein eigentlicher Beweis desselben nicht nothwen-
dig, obwohl er in dem Buche eriftutert ist. Die Gränzen der Summen, Pro-
dukte, Quotienten und Potenzen werden sodann leicht aus den Gränzen der
in ihnen vorkommenden Veränderlichen bestimmt. — Unendlich klein
beisst unser Buch jede Grosse , welche Null zur Gränze hat Hier ist nnn
allerdings ein Punkt des Anstoues. Die Erklärung ist freilich gestattet und
es wird gegen sie auch später nicht gefehlt; aber man verbindet mit dem
Worte unendlich-41ein gewöhnlich eine etwas andere Bedeutung, ao daaa es
sicher nicht gut ist, dieses Wort hier in dem genannten Sinne ananwenden.
Wenn man nnn eine Beziehung zwischen GrOuen suchen will, die nicht
leieht zu vergleichen sind, so kann man dieselben als Gränzen von veränder*
liehen Grossen einfacherer Art betrachten, und wenn man dann Beziehungen
zwischen diesen veränderlichen Grossen aufstellen kann, so wird nun sofort
Beziehungen zwischen den erstem erhalten, wenn man die veränderlichen
Grossen einfach durch ihre Gränzen ersetzt Bei der Willktthriichkeit, die
ff» oft in der Wahl der veränderlichen GrOuen bleibt« ist daduch die B^
MmmIs ElteMlf 46 Catoal laanitfibiaL f43
itMf sehr trlekhCeri. 6« i. B. wwui ■•■ iu VeriMaiit d«r
iwcier Ircbe von den HalbneMera B, r haben will, kau mn dieae
Rldboi ala Crtasao der Flfteben eiofeacbriebener refelmlaaifer PolygoM aa«
Mkea, dareB SeileuaU fortwibreDd wicbtt. Sind P, p dieae PoirfealUcheBy
P RS
N lit aber, wie aun leicbt beweial:'^- » -pp; «iae iat aucb die Griaae
P R» •
v« — fleicb --fy da ietolere GrOiae, ala konatant, aicb nicbt ändert. Dem«*
S R'
Mch iat -p 8= -j^, wenn 8, a die Fliehen der Kreiae aind. Garn Ibnlidi
wird der Beweia der Sfilie, dasa awei Pyramiden von ipleichen Grandfittcben
od Hoben gleich aind, und daaa ein Kegel gleich ist dem dritten Theil dea
Frodnku der Gmndfltcbe in die Hohe, geführt.
Nich einer kursen Abaehweifnng ttber das unendlich Groaae nnd deaaen
pff oft miaabrttachlicbe Anwendung, Ober die incommenanrablen GrOaaen nnd
fie matbematiache Gleichheit (Aeqnivalens) wendet sich daa Buch wieder
n den Terachaedenen Weisen, die Grossen als Grttnzen TerOnderlicher Grossen
aatoiehen, alao in dem Wesen der Ifethode selbst. Alle diese Betrachtungen
uid fortwibrend an Beispielen, die meist der Geometrie entlehnt sind, er-
liiteii So werden aunichat Grossen ala GrOnien von Reihen anfgefaaat und
diu an der dreiaeitigen Pyramide erlSutert, die man nach dem 3. Satie dea
Xn. Bacha von Euclids Elementen lerlegt. In ähnlicher Welse wird die
Fliehe eines parabolischen Segments nnd des Kreises ermittelt.
Von grosser Wichtigkeit fOr die Anwendungen ist die Betrachtung ron
Grössen ala Grftnxen von Summen unendlich kleiner Grossen. Da die unendlich
Ueiaen GrOaaen eine grosse Unbestimmtheit haben, so ist eben dadurch der Rech-
wag ein weiter Spielraum gewährt. Es Ittsat sich nfimlich leicht nachweisen, dasa
dieGränae der Somme nnendlich kleiner Grossen nicht geändert wird, wenn diese
GrAssen durch andere eraetst werden, deren Verhältnisse au jenen je die Einheit aur
Gitase haben. Sind «i, «s« •••» ^'a nnendlich kleine Grossen : ßx, ft, .., ^n dessglei-
CU flu
eben nnd werden die Werthe -ß^, ..., 'S' mehr nnd mehr gleich 1, so wird
^"'^ fit 4" -fiT ^^^^^^^^ awischen dem grOsaten nnd kleinsten
d« Toiberg ehenden Brftefae enthalten aein, alao 1 aur Gränae haben, was dio
Behasptong beweiat — Ersetat man ttberhaopt eine nnendliek kleine GrOsae
dvcb eine mdere, deren Veiblltniaa an ihr die Einheit nur Gränae bat, ao
liMen sieb leiehl ähnliche Sitae anfatellen. Eine einfache Anwendung dleaea
Sites gibt die Quadratur der Kurven, wovon nun einif e beaondere Fälle er*
l«di|t sind. So erhält man auch die Volumina von RotationakOrpem nnd die
Scfawerpinkte.
Die GrOaaen können aber auch ala Gränaen von Verhältnisaen nnendlich
Uciaer Grossen angeaeben werden, was unmittelbar an dem Problem der
^ngenten fahrt, nnd dann aur Theorie der derivirten Funktionen CDifferen-
*üiq«otiant). Ehe aber daa Buch hierauf näher eingeht, werden eine Reiba
'PMWei Falk fitar du Tangentenproblem nnterittcbt, ao wie Untenacbunffen
144 Duhamel: Eltaento de Calcol infiniMfiniar.
ttber Bectifikation u. a. w. folgeo. Eben so wird immer ali Eiiüeitong aar
eigentlichen DifferentialrechnnDg , die Beüimmung^ der Gefchwindigkeit bei
beliebiger Bewefnng, die KrUmmaog der Kurven, die Theorie der abgewic*
ketten Kurven, der einhüllenden Kurven und einige verwandte Gegenitände
behandelt, wobei eine Reibe von Untersuchungen ttber Verhttltnisse unendlich
kleiner Grössen bei Kurven gef&hrt werden mussten.
Nachdem so ausführlich (bis S. 229) geaeigt worden, was man unter
Grftnse zu verstehen habe, und wie man Grossen als Gränzen anderer auf-'
fassen könne, folgt nun erst die eigentliche Differentialrechnung. Die ist nun
nicht wesentlich verschieden von dem, was man seither getrieben. Indem
von den Sätzen, die im Frühem begründet wurden, Gebrauch gemacht wird,
ergeben sich die hieher gehörigen Lehren von selbst. Im Wesentlichen ist
der Gang derselbe, den Duhamel in seinem frühem Werke über Differential-
und Integralrechnung eingehalten, nur dass eben hier nur der erste Theil, der
mit den Anwendungen der Integralrechnung auf Quadratur u. s. f. schliefst,
vorliegt. Wir haben also über diesen Theil uns hier nicht weiter zu verbrei-
ten, wenn wir nicht schon hundertmal Gesagtes wiederholen wollen. — Sol-
len wir aber zum Schlüsse unsere Meinung über vorliegenden Theil nochmali
aussprechen, so müssen wir vorerst wiederholen, was wir zu Eingang dieser
Anzeige gesagt, dass die Darstellung des Verfassers eine so klare und um-
fassende ist, dass" deren Studium nur entschieden empfohlen werden kana.
Die Menge Fälle von Gränzbetrachtungen , die vielen mehr oder minder
allgemeinen Gesichtspunkte, unter die diese Betrachtungen gebracht sind, du
Licht, das eben dadurch auf den Begriff der .Grfinze fällt, sind wesentliche
Vorzüge des Buches und sind ihm eigenthümlich. Dass dann in der Differen-
tialrechnung, wenigstens was ihre Bezeichnung anbelangt, die frühern An-
schauungen wiederholt werden, lag eben in der Absicht ihres Verfassers. —
Aber eine andere Frage ist nun freilich, ob die Wissenschaft hiedurch eine
neue Gestalt gewonnen habe. Referent hält es hier mit der Verneinung. Die
Literatur ist um ein geistreich geschriebenes Buch reicher geworden; wir
sehen das, was uns nicht unbekannt war, von andern, oder doch mehrem
Seiten an •— * das mag genügen, um die Berechtigung des Werkes, als eines
wissenschaftlichen , festzustellen. Die . Wissenschaft selbst scheint in ihren
Grundlagen festgestellt, und wird wohl daran nicht mehr viel zu ändern sein;
ja es wäre vielleicht gerathener, rein nur den Begriff des Differentlalquotien-
ten festzuhalten, und den des Differentials ganz wegzulassen. Das wäre noa
freilich weder ein Vor- noch ein Rückschritt, aber es wäre wohl eine Ver-
einfachung des Ganzen und das ist immerhin ein Forschritt der Methode.
t. HL HEIDELBBRGBR lH7.
JIIIBOGHER dir LITERATUR.
Sammbmg von BeUpielm und Aufgaben au$ der allgememen ÄriAmM, und itl-
gAra, In sgtlenuUiscker Folge hearheii für Qymnanen, Mkere Bürgtrtdmlm
mtd GtneerUchuUn van Dr, Eduard fle ii, Prof. der MaA, und Atirom,
M der k. Akademie au MünHer, SUbenie, verbe$$erU und vermdurU Auflage,
Köln, 1856. Dü-Mont-SckmAerg. (380 8. in 8.)
Aofgabenbttcher ttber niedere Al|(ebra sind nicht |pir feiten , aber f nie
fieser Art sind eben ineh nicht hinfif . Dtjs dtf vorlie^nde sn letitem fe-
tort, beweist wohl schon die seit seinem ersten Erscheinen (1837) nothwen»
fif gewordene siebente Aoflsge. Es ist dieses Anfgabenbueh aber auch in
der That ein sehr yolbiindiges und zweckmässig geordnetes, und jeder Lekrer
der Mathematik weiss recht wohl, was das sn bedeuten hat.
Nach einigen einleitenden Aafgaben ttber Begriff nnd Anwendung der
Addition, Subtraktion, Multiplikation, Dirision nnd Potensimng, sowie ttber
Gebraach der Klammem, werden im ersten Abschnitte Aufgaben inr Anwes-
d«Bg der Sitae ttber Summen und Differenaen gegeben, während der swelle
Abschnitt solche ttber Produkte, Quotienten und Brttche, Theilbarkeit der Zah-
IcB, Deaimalbrttche , Verhältnisse und Proportionen enthält. Namentlich ist
Inebei auch auf die abgekorsten Reehnungsweisen Rttcksioht genommen. Der
dritte Abschnitt enthält Aufgaben ttber Potensen, Wuneln und Logarithmen
mit einer dem Gegenstand angemessenen Ausführlichkeit ; im vierten Abschnitte
werden Gleichungen vom ersten und sweiten Grade mit einer und mehren
unbekannten Grössen, sowie unbestimmte Gleichungen des ersten Grades Tor*
gelegt Hier sind jeweils die Resultate (also die Auflösungen) der Aufgaben
leUiesslich angegeben, was bei den frtthem Aufgaben in der Reget nicht dar
Fall war. — Der fünfte Abschnitt enthält Aufgaben ttber Progressionen und
deren Anwendung auf Zinsesxins- und Rentenrechnung, ttber Kettenbrttche
aad Theilbrnchreihen. Im sechsten Abschnitte werden die Combinationen n.
>n der binomische Sats, die figurirten Zahlen und Einiges aus der Wah^
iebeiniichkeilsrechnung behandelt; der siebente Abschnitt gibt Aufgaben ttber
Oeichnngen ron hebern Graden und transsendente Gleichungen , während im
ichten und leuten Abschnitte Aufgaben ttber Anwendung der Algebra an!
Geonetrie, Physik und Chemie enthalten sind.
Man ersieht aus dieser kurzen Inhaltsanseige, dass das rorliegende Auf*
gäbeabneh mit roUem Rechte ein sehr reichhaltiges genannt wurde. Dabei
•iad die Aufgaben aus allen Gebieten der Anwendung gewählt nnd so xweck«
nissig stufenweis geordnet, dass die siebente Auflage des Buches sich sicher
^ttielbe Grast erwerben wird, wie ihre Vorgänger.
ür* Jr* Dlenir w«
V Jdirg. % Holt 10
ÜB Htrtmtiiii: Airitti AaabMi». — Vltraviu. rec. Lorenteen.
ArrUmt ÄMab^m. Fihr SeMar sum »ffmiliehm mnd FnutiffAnattk hnmMg§'
§Am wm Dr. H. HarimanHf ObirUkrer am Fünüiehen Qffmmuwm m
SonJerihmum. I. Bändeken: l-UL Bui^, IL Bd. IV-VL fiwdL Jena.
Fr. Maake. 8. brock. PreU ä 12 Sgr.
Wir haben in diesen Blättern seiner Zeit Herrn Hartmann'f alsPron^mm
enehienene Probe einea Commentara au Arriana Anabaaia anf ezeigt und g lao-
ben nnn, nachdem das Werk vollendet yor nna liegt, um lo mehr anf die
Ausführung aufmerksam machen zu müssen, als dieselbe die durch jene Probe
erregten Erwartungen nicht nur erfüllt, sondern theils durch die Berttcksidi-
lignng der von mehreren Seiten ausgesprochenen Wünsche« theils durch des
Hrn. Verfs. eigene Bemühung ttbertroffen hat. Die von uns damals hervor-
gehobenen und, wie wir sehen, durch andere Beurtheilungen bestätigten Vor-
attge, nämlich daa richtige Maass in grammatischen, sprachlichen und sa^-
lichen Erklärungen, die sweckmäasige Vergleichung des griechischen Aus-
drucks mit dem entsprechenden Lateinischen — wovon im sweiten Btndchen
noch reichlichere Beispiele als im ersten vorkommen -^ die geschickte Art,
des Schülers Nachdenken anauregen und in Anspruch au nehmen, werden viel
daiu beitragen, dass Arrians Anabaaia als willkommene Abwechslung mit der
Xeoophontischen mehr und mehr in Schulen Eingang findet und beaondefs,
wie es auch der Titel ausspridit, von reiferen Schülern cursorisch gelesen
wird. Dieae Berücksichtigung verdient Arrians Schrift auch in der Thal durdi
ihren anaiehenden Inhalt und durch die richtige Auffassung ihres Helden, wo-
Tim sich Jeder überaeugt, der die Geschichte des grossen Königs aus den
Quellen atodirt Herr Hartmann selbst hat diese Seite des Schriflstellers in
der Binleltang richtig gewürdigt; Indess wünschten wir, dass er bei einer
■enen Auflage manche individuelle Züge Alexanders, die Arrian als nttditer-
ner Gesehiditsefareiber einfach anführt oder nur andeutet, in den Anmerkungen
hervorheben und dem jugendlichen Leser nahe legen mOge. Durch dieae Be-
lebung^ der oft trockenen oder gar in ruhigen Eraählung wird er des Schll-
loM Theilnahme fesseln und erhöhen. Ausserdem erlauben wir una noch den
weiteren WoMch, dasa, woCem das Buch nicht dadurch vertheuert werdeu
sollte, eine Karte über Alexander a Feldaüge beigegeben werden möge« wie
•ie B\A bei der Sohulaiagabe des Cortiua von Zumpt findet.
K. Fr« Mpfle« .
Harel Viiruvii ToUionii de mehUeelttra UM deeent. E» M iOrsrnm
scriptorum reeensmi alque emendanU ef tu Oermdnicmn eemummn varfir
Dr. Carolui Lorentten. YoImnuiU I. Far$ frior. QoAae. SumiUms
Hugonii SeketAe. MDCCCLVII. 217 8. in gr. 8.
Es kann nicht In Abrede gestellt werden, dasa eine neue Auagabe des
Vitruvius als ein wahres Bedürfniss erscheint, und zwar eine aolche, die vor
Allem den Text kritiach fesUlellt und damit augleich eine aichere Unterlage
SU allen den Untersuchungen bildet, lu welchen der Inhalt des Werkea eo
Tielfaefa Teranlassung gibt, ja au welchen er nnwillkttrlick anffQrdeit. Und
>
fiM|»po: WeteiTiMb« Btkaktimu tIT
•och jtUft ▼«■ Widiti^Mit sela, wo alb «cUMkto«
DMikmal«, die luw da» RoaifclM Volk UolorlaMOB ha»» rigwilMi
einer anenofCen «od mf leicb sorfftitifonn Vonthamg f ewordi« piad. IMo
Torliegwdo Aojgabo «oll noii Torem eine« krllifcb beriehligtea Teit Uefim;
ü wie weU dieee io dem yorlieg enden erüea Hefte» (oachekea let, wird abet
•d»B OB dee Uaiflandee wiUea« ickwar aasugeben ieia« ab ■■§ bier
vie der blofe Text gefeben wird, obae irf end elae Kialoitaay (walebe i
kowaea aoU) Ober die baadscbriftlicbeo Qaelleot die deboi xa Ratho
oder u Gnuide yeleft wordea, uad obae Anffabe der abwoiebeodea Leeartea,
4ie in eiaem oif eaen Bande, dem aweiteiit ab «briliaeher Cemmeatar'' orffel»
lea mU. Da jede Vorrede oder Aadevtaoff Ober die krilieabea PriaeipieB dee
Benifgebers nnd die Bebaadluaf der Kritik felbat feblt, eo
mier Urtbeil, wena wir niefat aagereobi »eia wollen« bi« dabia
im kebea. Demelbe auf voa Allem dem aaeh ffekeBi woi die Penon dee
Aotoiv, und die fanse Anlage ieinee Werkee betrifll, worOber wir ebeafalle
tflieren AafecblQmen in den folgenden Tbeilea dee Werkei
imud da bier eebr coatroverse Puakte jedeafallf am
■Onea. Dagegen bat der HeraMgeber dem latetaiacben Texte (
dmtMbe Ueberfetonag gestellt» nad damift dee lotereeee der aabbeiabeB AreU*
uklen nnd KOneller bertkkfiebtigt , welebe den Vilmvtaf in dem Uilexlo an
Im» aiefal im Stande find, aber doeb mit einem fbr eie eo wiebtigen Anter
lieb Biber bekannt auicben wollen. Dieee Uebenetaaag iel anf der einen
Seite iebr genan nad an den lateinieeben Text ficb aneehlieeimid: aber eia
liest sich dabei ganx gat, bewegt sieb in einem lUeeeenden Dentieb and wriH
fo den bemeriJen AnsprOcben wobl genügen können. Ein weiterer (dritter)
Bttid seil die eacblicben Srltaterangen , mit eiogedmektea Hoixiebnitten, «in
(vierter) Band ein Glosstriom VitrnTiannm eatbalteni beides war ran Dr.
£sil Brenn xogesicbert worden: wir wollen beibn» daas sein Ted Ider
keine Stockung des Untemebmens berboigeflüirt bat, «id jedenfalis ee Viel ane
wiaen Papieren vorliegt, am diese Tbeile des Gease» ia befriedigender Weien
iea Publikum Torxnlegea: mag der kenntnissreiebe Heransgeber dee flan«
lea das Feblende oder UnToUkommene daan ergftnsen und Terrellstindigen*
Die iassere Anmtattnng in Druck (ans der Tenbner'seben Officin) nnd Papier
ist sebr befriedigend qnd kann dem verdienstlicbon Vntemebnton nur eer
Kaplcblang gereicben.
Vfmnerisebe SMlndm «en Htrmann Sauppe. Weimar. Bermtmn B4h*
iaa. i8S$. §33 a.m9r, 8.
Die VerOffentlicbang dieser Reden, die meist das Weifc niebl Iftngerer
Verbereytnng, woU aber der Ausdruck der Geilble und Empflndangen aiad,
die den Redner bewegten, soll ein Andenken, ein Zeieben der Erinnerung
sein an die eilüjibnge Wiiksamkeit dee Verfassers an dem Gymnasfnm in
Weimar» Ton dessen Leitang er vor Karxem in einem bobem Wirkangekreise
n die Dniveniilil 6«ttitgmi abbcmfon waidL Den Anfang maebt die latel-
«M ibtibsHn AvUilimde» bei Debemitee der Diiaetien am M OtM»
148 Leu: Zoologie der Griechen n. Reimer.
de« Jahref 1845, et reihen sieh daran die in den folgenden Jahren bif tun
Jahr 1656 gdialtenen Anfprachen dea Yerfasa ers an die Abiturienten bei ihrer
Entlaaiang snr UniTenittt (IL III. lY. V. VI. IX. X. XU. XIV. XV. XVL): es
atnd Reden, geeignet, einen bleibenden Eindnick in hinterlassen, wSrdig ge-
halten in der Form wie nach ihrem Inhalt, und bestimmt die Aufgabe und das
Ziel der MTissenscfaaft, die in dem Studium der alten Schriftdenkmftler der
Grieehen und Römer ihren Grund und ihre Wurzel hat, den auf die Unirer-
sität abgehenden Jttnglingen Torsubalten , so wie überhaupt sie ansoregen za
einem edeln Streben, das die ernste Pflege der Wissenschaft steU verfolgt.
Weiter sind in diese Sammlung aafgenommen: die bei der Bnthtlllung des
Herderdenkmales gehaltene Rede (VII), die am Grabe eines Oberaecundanen
(Heydenreich) gesprochenen Worte (XI)» nnd die bei der Feier des fOnf und
iwansigjtthrigen Regierangsjubileums des Grossheraogs Karl Friedrich am 16. Juni
1853 gehaltene Rede (Xm); die zur Feier des Geburtstages desselben Fttrstea
am 3. Febr. 1851 gehaltene Rede wird auch aus einem anderen Grunde unsere
volle Aufmerksamkeit ansprechen, indem sie ein Bild des berühmten Johann
Mathias Gesner yorfUhrt, der, ehe er nach Gottigen berufen ward, in den
Jahren 1715—1729 als Conrector an dem Gymnasium zur Weimar thfttig war.
Der Verfasser, indem er uns die ganie gelehrte und wissenschaftliche, mit der
Lehrthätigkeit in schönstem Bunde stehende Thatigkeit des Hannes schildert,
der um die Mitte des vorigen Jahrhunderts wesentlich dazu beitrug, die ge-
lihmten und erschlafften Studien der Philologie wieder zu neuem Leben ia
Deutschland emponubringen, konnte damals wohl nicht ahnen , dasa es ihm
bestimmt sei, nach einem Jahrhundert den Lehrstuhl Gesner's einzunehmen
nod der würdige Nachfolger eines Hannes zu werden, der für die Alterthuau-
ftndien so Vieles in seiner Zeit geleistet hat. Wir empfehlen diese Rede nicht
minder, wie die anderen vorher erwähnten: wir empfehlen dieselben ins-
besondere aueh jüngeren Lesern, die in ihnen die reine und würdigste An-
regung finden werden zu einem wahrhaft idealen Streben, das durch die ha-
nansiscfaen Richtungen der Gegenwart sich nicht von der wahren Bahn ab-
i^Qotogii dir aitin Qriechen und RSmer^ deuUch in Äuuügen aus deren Sckrif-
tenj fie&sl AnmerJamgen wm Dr, Harold Othmar Lens^ Lehrer an der
Erziehungtamtali zu Schnepfenihal. Gotiui. Becker'sche BuMandlung. 1856.
XXIV und 656 8. in gr. 8.
Der Verfasser dieses Buches hat sich, wie er uns S. VII der Vorrede
versichert, seit seiner Kindheit vorzugsweise mit Philologie und Naturwissen-
schaften besdiaftigt und bei dem Studium der Griechischen wie der Römischen
Schriftwerke stets auf das Rücksicht genommen, was bei denselben über Ge-
genstände, die in das Gebiet der Naturwissenschaften einschlagen, vorkommt; er hat
feit dem vienehnten Jahre die betreifenden Stellen sich ausgesogen und so mit
der Zeit einen Stoif sich gesammelt, der au einer grossen Masse angeschwol-
len, die Grundlage des vorliegenden Werkes bildet, dem, da es die Thierkunde
mnMchUenUch nun Gegenitinde hat, ein «hnliober Venroch ttber die Betanlk
Um: Zool«tie 4«r föieekeB i. Ktfner: 149
wd Ibenlofie der CSriechea asd Römer in Bilde naehfelgeB telL Wr er-
Uta also hier ein bei der Leelttre der Altea Ton dem YeHaifer geeaa*
■efica MaCerlai aber die Zooloirie der Alten, in der Weiae maammenfealelll
md feordnek, dan die einaelnen Thiere hier nach den beireffenden Ordann*
gea raffefühn and dann bei jedem derteiben die betreffenden Stellen der
illen SdirifUteller, welebe Scbildemngen oder Erwibnnnfen dieaer Tbiera
eathaltea, in efaronologbcber Fol^e, nacb der denuchen Uebertelannf , wört-
lich BilfeAeilt werden, wfthrend die Ordnung selbft , naeb welcber die ein-
lelaen Tbiere bier auf einander folfea, licb nacb dem in dea Verf. NatarfO-
lebidte befolften System richtet Manefae Tbiere werden daher, je nachdeai
ia den Schriften der Alten mehr oder weniger darttber aieh anfe^ben indeti
Md aosfllbriicber, bald auch kttrser oder aocb gana kon behandelt, bei man^
chea werden aneh die Namen, welche die Thiere nacb dem jetsif en Syatena
ÜArea, angef eben nnd selbst anderweitige daran sieb knOpfeade Brdrtemngeii
nd Bemerkongen beigefügt, die man an andern Orten wieder scbmeraUek
rennisst, wie denn ttberbanpt solche, wie wir glanben« kaum an nmgebende
Bemerfcongeii noch vielfach bitten erweitert nnd ausgedehnt werden können,
wean ftberhaapt ein bestimmter Plan dem gansen Unternehmen an Grond ge*
legt worden wire, das, wie es jeUt Torliegt, Nichts welter im Oanaen bringt, als
cne Sammlnig oder Znsammenstellang einzelner Thierbesebreibnngen oder dar
Richrichten, welebe in den alten Sehriftsteliem Ober die Tbierwelt Toikom-
■ea, auf jede weiter gehende Leistung aber yersicbtet hat. Daher die
Schriftsteller selbst, aus welchen die einseinen Exeerpte entnonraien sind»
fibt die Vorrede (S. IX— XX) einige Notixen; ein Register der In dem Werke
lalirefthrten Tbiere (S. XXI— XXIV) folgt darauf unmittelbar. Der erste Ab-
Khaitt: „das Weltall, die Erde<* bitte unbeschadet des CSanaen, fUglieb weg-
Meiben können, da er niebu weiter enthilt als einige, die pantheistlsebe
Ansiebt des Plinius aussprechende Stellen (denen noch manche andere
ihalicber Art sich anreihen lassen) nnd eine kaum bieber au reebnende
Stelle des Seneca, aus welchem Schriftsteller wohl noch gana Anderea
lieh bitte anführen lassen. Dasselbe mag auch von dem iweiten AbsehnitI
gelten : „Der Mensch^, obwohl derselbe ungleich umfangreicher ausgefallen ist
(8. 3—35); wir haben hier eben so wenig den leitenden Gedanken herana-
uiaden Tcrmocht, der diese Zusammenstellung yon Exeerpten bestimmt hat
In dritten Abschnitt (S. 35—76): „Allgemeines von den Thieren^ finden wir
eine grosse Anzahl Ton Excerpten, welche auf Heilmittel, wie sie die Tbier-
welt bietet, sich beliehen , meist aus Plinius entnommen , eben so auch Hau-
chet, auf die Krankheiten der Thiere selbst bezügliche, was, wenn es ttber-
lunipt in diese Sammlung gehörte, aus den Sehriftsteliem ttber die Veterinir-
kaade wohl noch vielfach vermehrt werden konnte: obwohl es sich immer-
bia wird fragen lassen, ob Gegenstinde der Art in eine Zoologie ttberhaupt
gehiren. Mit dem vierten Abschnitte kommen wir au den einzelnen Thieren,
nad zwar zuerst zu den Siugethieren , unter welchen die Affen den Anfang
"M^n; den Schluss machen die Fischsiugethiere, darunter auch der Delphin.
In filnflen Abschnitt kommen die Vogel an die Reibe; nacb einigen Excerp-
tea aUgemeiner Art kommen zuerst Raubvogel, dann Singvogel, HttbnervOgel,
Mivifd, ScbwiniTOgel.
ISO LiMi U9ht^ iitt CMMhe* i. Rtfaet.
1N6 fo%tti4Mi Abfdnhie uMvn in Ihidaditr Wtiie raiaBmem die Bx-
e«ipto dor AmplibiM (luer udh tm den Sdilmfra, jedoeli olne vMbtn
(Ndnuif }« d«r Fifoli«, dw Kttbthiertt nid der Wttrmer. Dasn felgi eis A^
«ehaüt ttbar die TUerhetten, der ttil einer Seile erledift in; ein Aunv eu
don Cerpw jetif JonlAiani aaf swei Seilen, luid ein ScUnMebfchnätl, der
wrter der Anüiehrift «die Allegerie'* anfeblich Baeh Winkelnwnn'a WerkeB,
eine ZuiemwanileMeBg der aUef eriecheB BedentiiBir fibi, in der einselne TUere
bei den Allen geneounen werden* Ob aber die hier gegebene ZvaanmieB*
eleUnnf befriedigea wird, mag wehl beiireifell werden; ae heiaal ee i. B.
S. M7t die Bwigkeil bildet der Vogel Plieoix auf einer griecUaeben Iflnie
dea laiaeti Amonlna Piu. Der ElephanI auf MOnaen bedeatet die Ewigkeit
wegen aeinea langen Lebena nnd der HirtA aua eben dem Gmnde n. a. w.,
wibrend dann wieder der Elephant die Farebtaamkeit malen aoU nnd dergL
Wir begnttgen nna aut dieaer Probe, die kaum weitere Beraerknngen netbig
maehi; wir nnlerlaaaen ea aneh aoa den anderen Theilen dea Werkea tbniicbe
PMben Tonnlegen oder Bemerkongen daran aa knttpfen, an denen ea an Stoff
nickt mangeln kann bei einem aoa ao vielen einielnen Bealandtheilen anaam-
mengeaetnten Werke; wir haben aneh nicht die Abaicht Bericfatignngen oder
Bcginanngea oder Naektrige aelbat ana aebr gelesenen Autoren an liefern^ woaa
ea an Stoff in der Tknl niekt mangelt, denn aelbat bei aoichen Anikdn, die
nttl reioUiakeni Eiwerpten bedaekt aind, wird man nook Hanebea wiaaen, wie
n. B. kei den Ainden» bei den Roaaen (wo die Pferde der Haaaagelen er-
Wiknt werden, aber der berllbmten Nia«iacken Roaae nickt gedacht iat), bei
dam Delphin, für welchen in der Sage von Arion nnd Allem dem, waa in
nlier nnd nener Mt darOber geaagt werden, ein ao reicher, beacktenawerlbar
Stoff Terlag; dagegen aefaen wir eigentUek kehien Grand ein, waram bei den
fiinien die Sehraibefedem angebreobt werden, wie aie weder bei iSriecfaen noch
bei Mmem Yorkommen) ea konnten daker die beiden Gedichte dea AMhei-
mna (ao heiaat er, nieht Allheknua) nnd dea Alcnin (der hier gar nnm «Eak*
miniaief Earla dea Groaaen** gemeefat wird !) anf eine Schreibfeder hier eben
ae gnt wegffaMen, wie die daran geknepflen dürftigen Bemerkungen Aber dai
tum Sehfeiben engewendete Rohr, oder eher Sehwanenfedern n, dergL Uad
waan bei dem Vogel Ibia unter Citirnng dea Harodotua, deaaen Beachreibaag
•Uardinga eine Banptquelle bildet, die Bemerkung gemacht wird, daaa bei
Froaaikertt man atela iptg finde, wäkrend dieaea Wort eigentlick den Cireum«
Sex kaken mllaae, nack einer Stelle dea Atkenäua Vn, p. 800 A. ao war
dieae Bemerkung wokl aua dem Grunde nickt nöthig, da ein Bück in die
neneaten Auagabcn dea Herodotua, Strebe, Pauaaniaa n. A. aeigen konnte, 4aii
dort dnrckweg ^Jßi9 aiok gedrackt findet* Wir unterlaaaen noch manche aa*
dere Bemeiknngen der Art, die wir bei mehr ala einer Stelle gemacht hattea;
wir wellen auch weiter nicht in den unwillkakrliek aich aufdringenden Wuaadi
eteer beaaem Sichtung nnd Ordnung der geaammellen Excerpte (falla maa
nemlieh an eine Zoologie der Alten keine andere Anforderung stellt, ala die eiaar
Ueaaen Znaanunenatellnng oder Excerptenaammlung der Berichte der Altaa)
immerhin liegt in dieaem Werke ein bedeutendea Material aaga*
'or, du den Weg an weiteren Foraehnngen anf einem Gebiete an*
bahnen kanui dai i der HekneU unforer Philologen fremd, deck mn Vw-
iBMkMti Jhh4^u «« Hitoire m«M U FMMp« tSi
409 all^ii ScIwiArteller «MBtbebriMb iil iib4 gewiit In
raiM 4eii Beweia lieton kau, ail walcker 8«rgfiill, Tmm tt4
fiewick<it bei der BeaehreÜNUif eiDielaer Thlere Mhoo die Altes m Werke
|igae(ee find, und welcke (eneue Beebaektonfigabe iie aacb bier eatwickutt
kWa. Die Tbierbetobreibaagen de« Herodotoa, oder, vm einen Mann der
Küarwiitenaebaft aa nennen, dea Ariitolelei tind Ton der Art, daai wir den
Allen ancb in dieaer Beaiebnag nur anaere voUe Aneriienamf an aoUen Ter*
AmBottt 011 Awfotra uerHt de Ju$imim tradmie de Froeope neae naiiea mr
Fmdeur d nalet fkiloiogiqMei et kietonques, Fat M, leamherU Fremiirt
ftarlie^ comfrenami NcUce $ur tmdatTy TMe ehronologique et Notee pktieiegi»
fuee, Detixieme ParHe, eompreiumi la Geographie du TL tÜeie^ In rietjtafi
de U mtmimuaique JFaprie la Ihre de JuiOmem^ le$ proporOeme du metmt»
ei dee mAei$ttmce$j et quäbre teAlee. Pitrie, Fkmin DUoi, Fr. KKiiehieek
i856. 967 5. tu gr. 8.
Dieae Bearbeitang einea der wiebtifalen Werke einea der beaaeren bj-
nmiaiaeben Scbriftaleller, deaaen Bebandlnngaweiae wie deaaen Spracbe nn4
Aüdmckaweiae nna WeUbch an die fnto Zeil der ilfieren belleniacben Hiale*
riapai^bie erinnern fcaan, deren Naebklinfe ttberaU nna entfegentreten, iat
vm aiaeni andern Slandpnnkt nntemoaunen, ala diea bei den BMialeii BekannI«
naekaafen dieaer Art namendiob in OenlacUand an feacbeben plegl: ea
wdtei bier niebl aeweU der kriliaeb-pbilelofiaebe ala der biateriache Stand*
pakx Ter; darauf iat renragaweiae Rttekakbl fendauaen, in Allem 4eai^ waa
n daai grieebiaeben Texte md der gegenttbetatebenden IranaMaeben Ueber*
NiMag in den beigefilgten ErkUürnngen binaagekoaunen iaU Wir veranefcen
Mar aaaem Leaem einen getrenen Beriokt aber den Inball and Cbarakler
teer Bearbeitnng der Anekdote vennlegen, anr riebtigen Würdigung dea
vaa de« beaMrkten Standpnnkte einaig nad allein ana anteraommenen Weikea.
Du Canae beginnt asit einer Netioe anr lea ecrita et aar Faiitaritd de Pro-
cape, eiaer knrxen Aagabe deaaen, waa wir von dem Leben dieaea Anter'a
«inen, wie von aeinen Scbriften, inabeaondere von der bier beranagegebenen
Sebifk, die ala ein Yon Proeopiaa wirklick abgefaaatea Werk, mit Widerlegung
te dawider erbobenen Zweifel, naebgewieaea wird. In eine weitere kritt-
le Sroitemng Aber den Inbalt dea Werkea im Allgemeinen, Ober aeine 8tel-
luf «ad Bedentang, ao wie Aber die Glanbwflrdigkeit der darin entbaltenen
Rmbricbten gebt dieae Notice nicbt ein: einaelne dabin einacbligige Pankle
oder Stellen werden in den „Notea'' beaprocben. Dann folgt dea laballaver-
mkaiff der einaelnen Abacbnitte der Anekdote (Sommairea dea okapitrea)
md eiae table ckronelogiqae , die mit der Gebart Jaatinian'a im Jabre 468
h C^. beginnt und bia anm Jabr 565 reicht, mit der Krdnuag Joatinian'a IL
■BUieieeBd; einige Addenda an den aaf Text und Ueberaetanng folgenden Noten
l^iUea Ten 8. U— LYI den Scblnaa der Binleitnng. Dem nun abgedrneklen
PMiaoben Text gegentkber atebt aaf jeder Seite die InnaOaiacbe lieber»
'^^i die wir im GaniM eorract und tren gelondM babea« Wu den
ib% Ifttbert: ApM^ta «u Bttöire leerMe de Proedpei
griediifclMii Text betriflk, fo gehören dara die S. 360—407 denselbeii enge-
reibteii Notef philologiqaef. Allerdingi ward dieier Text einer Reviaion un-
terworfen and hier die Beihttlfe einea dentachen Philologen, dea Herrn Dob-
ner in Anaprach genommen; neue bandachriftliche HttIfamiUel yon Belang
wurden nichl an Rathe geaogen, indem die in Mailand and Paris befindlichen
Handachriften ana gana neuer Zeit atammen and su den Vatieaniachen Hand-
aohriflen, aua welchen die eraie gedruckte Auagabe von Alemanni im Jahre
1623 heryorgegangen iat, kaum elwaa Neaea oder Beachlenawerthea binxafti-
gen, auch die noch immer vorhandenen LQcken nicht auafullen, wie dieaa
doch ao wUnachenawerth wäre. Weiter wurden die nach der bemerkten Edilio
prineepa eraehienenen Ausgaben bis auf die neueate von Dindorf (in dem Bon-
ner Corpua Scriptorr. Byaantt.) au Rathe gesogen , die letatere, insofern sie den
grOaseren Theil dea früheren gelehrten Apparats bietet, in ihrem Werthe an-
erkannt, in Beang auf die Gestaltung dea Textea aber in Vielem verlassen,
namentlich wegen der vielen darin in den Text aufgenommenen Verbeaaenm-
gen Reiake'a, die dem franaüsischen Bearbeiter der Anecdota allxu kohn („le-
merairea*') und darum unnOthig erachienen; auch wird aber die in dieser
Auagabe veratttmmelte , d. h. allauabgekttrzte Interpunktion Beachwerde ge-
führt mit Rttckaicht auf den beaonderen Charakter der bysantioiachen Schrift-
ateller, deren Styl nicht so einfach und klar, wie der einea Xeaopben aei, in
Gegentheil „ce atyle est tonrment6 et ohargd d'incidents. La multipIicatioB
dea aignea de la ponetuation est donc une neceaaitö; et ai on lea retrancbe,
on rend lenr text obacur et quelquefoia inintelligible^ (S. 36). Wir wollen
den firtther allan aehr gehäuften Interpunktionaxeichen nieht gerade das Wort
reden, aber die Art und Weise, wie jetit in Deutschland die Interpunktion
in manchen Auagaben alter Texte behandelt wird, indem oft mehrere Zeilen
ohne ein aolehea Unteracheidungaaeichen fortlaufen, will una doch auch, na«
mentlich bei Schnlauagaben, nicht recht luaagen. Denn eine gute Interpunk-
tion iat eine halbe Interpretation und ein auf dieae Weiae durch die Inter-
punktion dem Schfller wie dem Leaer überhaupt gegebener Wink beaser als
eine lange erklärende Note, die in denlacber oder lateinischer Sprache hinxn-
gefltgt iat. Eine Zuaammenatellang der vrichtigeren Varianten, welche Haad-
achrüten und Auagaben bieten, iat in diesen philologiacben Noten, wie sie
der Hennageber beaeichnet, gegeben, aie aoUen xugleioh eine Rechenscfaafks'
abläge bilden, aua der man eraehen aoll, wie das Yerhiltnias dieses Textes
in der Dindorf sehen Ausgabe und lu den froheren Auagaben sich gestaltet;
in die eigentliche Erklärung, die aprachliche oder grammatische, lassen sidi
dieselben nur wenig und gelegentlich ein, da dieae Seite der Bearbeitnaf
auaaer dem Plane dieaer Auagabe gelegen au haben acheint; weashalb aacb
alle die Sprache und die Daratellung des Procopiua betreifenden ErOrtenmireB
nnd damit augleich alle Würdigung seines Werkes von atylischem Sundponkt
ana weggefallen ist Als eine äuaaerst schlttabare kritische Zugabe mass ana
jedoch die am Schluas des ersten Bandes S. 534—542 gedruckten: »qoelqne^
Remarques aur le text par H. N. Piccoloa^, welcher aich die darauf beattT
liehen Bemerkungen dea Yerfaaaera S. 543^548 und 931 & anreihen, betracb*
tens ea iat eine nahmhafte Zahl von acharfainnigen und dabei aehr aaspre«
chenden und geftUigea Yerbeüerongen dea rerdorbenen nnd entateUten Ttf<^
d» Mh inr AafiiBliiDe empfehlen. Von S. 409 an beginnen die „Kolet histo-*
rifiei'* nut dem Znsats „Sommairea**, welelie am Anfang noch einmal die
Fnire nach der Autorschaft des Procopina , und nach dem Titel dea Werkea
(jbfwiQxu) behandeln; daa Ganae bildet eine Beihe von hiatoriachen Bemer-
kngea nnd ErOrtemngen , welche Ober einaehie, liiatoriache , geographiacho
o^r iBti^ariache Gegenaiinde, die in den Anecdotia bettthrt werden , sich
Tcrbreiten, anf Grundlage Deaaen, waa von dem eraten Heranagelier Alemanni
vie von aeinen Nachfolgern in dieaer Beiiehnng bereit» bemerkt worden war.
El kian hier nicht nnaere Anfgalie aein, in daa Binseine dieaer ErOrternngeii
vtiter einaogehen, dieaelben an TerTollaiindigen oder in erweitern, woau bei
dvartigen Gegenatlnden ea an Gelegenheit ntchl fehlen kann, oder da, wo
wir aaderer Anaicht lind, dieae gegen die Behauptung dea Yerfaaaera geltend
it aadien ; ea mag genttgen, auf Charakter nnd Umfang deraelben im AUge-
■eiaea Ungewieaen lu haben, da aie für die geschichtliche Behandlung der
Aaeedola Manchea bieten und achitsbare Beitrige lur ntheren Kenntniaa
Bad richtigen Würdigung der von Procopius in diesem wichtigen Werke ge-*
nachten Hittheiinngen liefern. Am Schluase dea ersten Bandes finden sieh
loch drei „Notes^, d. h. kleine Excurse, von welchen der erste, Ton Martitt,
neh Ober eine Stelle ana dem Bell. Goth. I, 11. p. 57 ed. Dindorf Terbreitety
der sweite anf die Topographie Bom'a im Zettalter dea Procopina sich be-
lieht, der dritte anf die Geographie Ton Unterlgypten , mit Besug auf eine
SieOa dea Werkes De aedifie. VI, 1; mit den hier herauagegebenen Anecdo-
tii stehen dieselben also nur in einer entfernteren Beaiehung. Dieae „Notes*
wwden nun in dem swelten Bande, und awar mit fortlaufender Seitenzahl
forlgesetst, und bilden in ihrem Zoaammenhang das, waa anf dem Titel dieaea
KiBdes ala „Geographie du VI Si^cle" beseichnet ist; d. h. fortlaufende Er^
titenmgen ttber die einaelnen an Prokop'a Zeiten bekannten und in seinen
Schriften berttekaichtigten oder erwthnten Lttnder und Stidte der Erde, nnd
iben damali^n Zustand wie ihre BeschalTenheit ; es ist eine geographische
Vehereieht dea ganaen Reiches Jostinian's, welche der Verfasser hier au ge-
hen beabsichtigt hat : dass eine aolche, in das Einaelne eingehende Darstellung
vaa Wichtigkeit iat, nnd zwar nicht bloss für die Schriften des Procopina,
Mndem auch fbr die andern Schriftsteller jenes Zeitalters und unsere ganae
Kanda dieaer Zeit, bedarf wohl kaum einer beaonderen ErwShnung. An dieae
Geagraph^e dea aechsten Jahrhunderte schliessen sich von S. 812 an weitere
Brtrtemngen, welche in daa Gebiet der Numismatik, wie der Lehre von den
IiMien nnd Gewichten fallen, inabesondere ttber die Tcrschiedenen , in dem
beaeikten Zeitalter Torkommenden Httnzen, ihren Werth u.dgl. sich yerbrei-
Ifli und so dieae geographiach-hiatorische Darstellung der Zeit des Procopius oder
dei Sadisten Jahrhunderte nach Chr. auch yon dieser Seite abzuschliessen oder
a ergänzen suchen. — Umfassende Register, eine Table alphab^tique dea
Mas de peiaonnes, eine Table geographique nnd eine Table alphab^tique dea
choses machen den Beachluas. Noch haben wir an bemerken, dass auch drei
Tafehi hinzugekommen sind, welche bildliche Darstellungen des Justinian, der
^Wodora und 6it% Juatlnian II., so wie Abbildungen von Gold- und Silber-
^Ktaaen enthalten « deagleichen awei Landkarten, von welchen die eine daa
l»ie Reich Jaatlnian'a darstellt, die andere eine gute Uobera ieht dea entop&i«
iH Aeiae: iUiM wn 4ie Wio mdk Japui,
fehen Dardanimt enthiU. Dit iiuiere Aii»tattiiii( des Gutw naob Druck
und Papier üt befriedif end anifefallen.
Reue lon die Erde nach Japan an B&rd der EwpedUkmi^E$eadre unter Comine-
dare M, C. Perry in den Jakren 1853, 1554 und 1855, maenmmen tn
Auftrage der Regierung der Veremiglen Staaten, Deutfche OrigmakmsgAe
von WHkelm Heine, Enter Band. Mit fimf vorn Terfaseer ludk ier
fiatur aufgenommenen Ansichten in Tendr%iek, auegeptiirt tu HoUkkmtt wm
Eduard Kretmar, XVI und 32i 8. Zweiter Band. Mit fihtf vom Ver-
fasser nach der Natur aufgenommenen Ansichten «. i . w, Vlli und 375 8,
in gr, 8, LHpwig hei Costendtie, New-York hei €lünther. 1856.
Vfir kennen die beiden in Engliaeher Spraehe Ober dieielbe Eipeditiea
abfefiMten, an New« York*) nnd in London**) eraehienenen Werke nickt aaf
eigener Aneohauang, glauben aber naek den darüber nna angekoaunenen Kit*
Ibeüungen, daai daa Oeatacke Werk, daa wir bier anaeigen« denen • wekfae
weniger die pelitiscben oder oommercieilen Verhllltniafe der Linder, welche
daa Ziel dieser Expedition waren, ina Auge fuaen, als anxiebende landiehafl-
lieke Bilder und trene Sckildemngen der Bewokner dieaer CiegendcB, ikiar
{litten tt* a. w. gewinnen wollen , beaaere Dienate leisten wird ab diese bei
den beiden erwAbnten Werken der Fall ist, deren Yerfaasert too gana aa«
dem Standpunkten «nagehend, ibre Bericbte abgefaast beben.
Die ganae Expedition » an welober der Verfaaaer dea deutscken Weikss
Antbeil nabm, war auf Befebl des Präsidenten der Vereinigten Staaten Koid«
anerika's, unter der obersten Leitung des Conmiodore Perry, unteraoauMa
worden, in der Absiebt, Japan, daa so lange yeraefalosaene Rekk« dea» Ver*
kekre m Offnen, oommercielle Beaiekungen mit diesem Lande «nankittpfea
nnd dadurck dem Handelsverkebr neue Babnen an Offnen; es waren also an-
nAcbst die Interessen des Ameriknniscken Weltbandeis, weleke die Absendaaf
dieser Expedition veranlaasten , die daher auch auf solche Gegenatilnde ver-
xngaweise ihr Augenmerk riobten musste. Der deulsobe Verfaaaer hat die
gnnse Expeditton, so wie fast sfimmtUche einaelne Exoursionen, wie sie bisr
nnd dort Ton der SchifbmannschafI unternommen wnrden« mitgenmoht, sein
Bliek ist hanpUioblicb auf das Landschaftliche geriehter: er schildert uns
banptsAchlieh die Natur und knüpft daran Bilder dea Lebena und den Treibens
der Bewohner dieser, fernen nns grossentbeils noch wenig bekannten Linder
und Gegenden; nnd alle diese Bilder tragen ein so frisches, lebendiges Co-
lorit, daaa man gerne debei yerweilen und unwillkOrliok davon akk nngeae«
*) Narrative of the Expedition of an American Squadron to the Chiaa
Seaa and Japan, perforroed in the years 1852, 1853, 1854 under the eoaunand
of Conmodore M« C Perry etc. Compiled from the original notea nnd joar*
nals of Commodore Perry and bis Officers, at bis reijueat and under bis sn-
penrision by Francis L. Hawks. New-York 1856.
**) The Japan Expedition. Japan and around the world. An Acconiit
of three rieiu to the Japanese Empire. With Sketches etc. By J. W. Späh
aUf. London i85e.
Bdie: lelM ■» die Brdft mA liain iSi
f II ttte wird. Dct ent« Basd Mu% um,
fti der £ipedilieii, der EinrieMmif auf den Schiffe v. s. w. bekmal |
mit laerrt nach Aideira, Ton da nach Sl. Helena and der CapiUdls aber
Iwilia« finf die Fahr! nach Ceylon, Sinfapore and anlelit nadi Hoagkonf ,
IM wa ana eis Anaing nach Cantoa geaMchl wird , daa hier näher in einer
nhr ialereiaanCen Wciae heachrieben wird. Ueherhanpt werden hei dieaer
YcnnlMwiBf antlaheade Skisien dea Chiacaiacben Lebena in Canlon, Hong^
kMf aad laaae feliefert Von hier hefinnt nun die eif entliche ThitigkeU
ki Bipedilion, deren nichatea Ziel die Erforachnnf der Lin-Iin-Inaeln war;
di« iappelte Landang anf denadben gab dem Verfaaaer Veranlaaanaf an efaier
■Ihwca Schüderanf dieaer ao wenig gebannten Eilande« wie der Bcnia^Ei«
faade; ein ciaaehMr Ahachnitt aehildert den feierlichen Beanch dea Connno*
kn Pany bei dem Herracher Ton Lin-Kin. Von hier wendete man aich nach
ha JipaBiacben loaein: der erate Aafentbah in der Bay Ton Jeddo nnd die
mit den Japaniachen Commiaaaren gab aoch hier wieder an
Schildemngen Gelegenheit Die Bttchkehr nach Lia-KiUi der
nUge AafenthaH an Maeao, nnd eine dritte Landung an Lin-Kia Dkhren aam
Mm def eraten Bandea. Der aweite Band erOlhet eine Beihe Ton Skiaaen
ikr häiö and daa Japaniache Beioh , welche mit einer karaen Betrachtaag,
1 dmr Art Tan Beanmdo Ober daajenige lehHeaaen, waa dnrch die ganae Bzpe»
Mm fibeihanpt erreicht worden war. Und dieaea Mit allordinga an Gnnatea
dtniaen, wie ihrea oberaten Fahrera, dea Conunodore Perry ana; wir laaaem
& wichtige Stelle aelbat hier wUrtlich folgen (II. p. 80E):
aCoamodore Perry, einer der anageieichnetiten Fahrer, wefche Amerikaa
ntOea jaania beaeiaen, wird von der Begiernng der Vereinigten Staaten an
teSpiteo einer achlonggebielendon Kriegamacht nach Japan geaendel, na
■Herrn SehiffM, im Fall einea UngiOcha an dieaen gelihrllchen Kflaten, Schata
ni Haifa an Toraüehera; andern, wekhe Waaaer, Hob, Kohlen nnd ProTiaion
Miff haben, dieae Bedttrfhiaae an Tertchaffcn und womöglich einen Hafen
saiMhan Califonilen nnd China aa erlangen, in welchem wir ein Kohlendepol
lir mere DampfiidiiffB errichten können. Conunodore Perry langt an, llber-
(Ml teine Creditire nnd den Brief dea Präsidenten anöden Kaiaer Ton Japan»
»B^t darch aeine Featigkeit und gleichaeitige Mamignag einea der bia dahin
t*BiClaglichateB Volker dieaer Brde in Unterhandlungen mit ihm ao treten,
«i aiiaagt, ohne an irgend einer Gewaltamaaregel an achreüen , mehr ala
M^ aaaere kObnaten Erwartungen gehofft hatten: Unaeren achiffbrachigen
Mmten wird Schata nnd Ralfe, auf welchen Punkt dea japaniachen Beichea
da lach geworfen werden; die Hafen yon Simoda, Hakotade, Napa-kiang,
^ aaeh ein Tierter, welchen an wählen, una ein Jahr Friat veratatlet, aind
■■•dhaniichen Schiffen geöffnet; japaniache Lootgen bringen aie gegen miaaigo
ytiiMa^ aicher vor Anker; Hola, Waaaer, Lebenamittel aller Art, und Kohlen
u ceaftgeader llenge werden gegen Beaablung in Geld, oder in Waaren, tot-
*Uilgt, and in einem Umkreiae Yon 10 Seemeilen von jeder der genannten
Mt«, können aich Amerikaner in der Umgegend ergehen. Wir haben onaero
^•Aea nach chriülichem Gebrauche begraben, und buddbiatiache Prioater Ter-*
^NltM ihre Gebete mit den uasrigen; unaere Biaenbahn, der Telegraph nnd
*^ IhaaUm aliad auf japaaiaphem Graid «id Bodait ia XhMigkail j
IM Beine: Reiie um die Erde ntcb Japan.
worden, haben Beifall und Bewundeninf erregl, and in diesem Augfenblick
bfeschäfli^ sich der kaiferliche Staatarath damit, ein Geseti in erlassen, wel-
ches den Amerilcanern gestattet, die Japaner in der Anwendung dieser nfiti-
liohen Erfindungen su unterrichten. Reiche Gegengeschenke befrachten eines
unserer Transportschiffe, welches dieselben kaum alle fassen kann, und ach-
tungsvolle Briefe sind bereits an den Präsidenten der Vereinigten Staaten, ali
Antwort auf dessen Schreiben an den Kaiser, abgesendet worden.^
Die folgenden Abschnitte führen das noch einmal besuchte Lin-Kiu vor, und
schildern weiter die auf der Heimreise besuchten Sandwichsinseln, dann Saa
Francisco nnd Valparaiso, die Magelhaensstrasse , Port Famine und Rio de
Janeiro. Wenn auch die suletit genannten Punkte allerdings nicht als solche
itt beseichnen sind, welche uns ebenso fremd und unbekannt wtren, wie an-
dere der hier geschilderten Gegenden, da sie in neuerer Zeit von nicht We-
nigen besucht und geschildert sind, so wird man doch die hier gegehenea
Schilderungen mit dem gleichen Interesse aufnehmen, wie dasjenige, was nni
von andern gttnslich unbekannten Gegenden in diesen lebensvollen Bilden
nnd Scenen vorgeführt wird. Dem Lande Japan und seinen Bewohnern iit
noch ein eigener ausführlicher Abschnitt (S. 249— 288) gewidmet; das Urtheü
nber die letiteren ist ein im Garnen günstiges : der Verfasser fand sie „einficli
in ihren Sitten, freundlieh und leutselig, intelligent, patriotisch bis lum Sloli
nnd offen fllr Belehrung** ; der Verfasser xollt ihren Tugenden die gebflhrende
Anerkennung, misskennt aber dabei auch nicht ihre Fehler, die oft aus enterea
hervorgehen ; die gttniliche Abgeschlossenheit von der ttbrigen Welt hat nach
dem Verfasset nicht sowohl in einer Missachtung gegen fremde Volker ihren
Grund, als in der Befflrchtuog, durch fremde Einfl&sse ihre einfachen Sittea
nnd ihren glncklichen Zustand gestört au sehen. Ob dieser Zustand sich für
die Folgen erhalten werde, nachdem durch diese Expedition die Pforten des
Landes dem Amerikanischen Handelsverkehr geöffnet sind, ist freilich eios
andere Frage, die nur die nächste Zukunft lu beantworten vermag. Eias
werthvolle Beigabe des Werkes bilden die in einer deutschen UebersetsuB|
wortgetreu mitgetheilten Dokumente, Aktenstücke, Correspondenxen etc. be*
sttglieh der gansen nach Japan unternommenen Expedition (S. 287— 357); die
oflRciellen Berichte des Commodore Perry und seine amtliche Correspondeai,
die von ihm abgeschlossenen VertrUge nnd Anderes der Art finden sich hier
abgedruckt. Den Beschluss macht ein aus den amtlichen Rapporten xusaoi'
nengestellter nautischer Wegweiser für die verschiedenen, von dem Geschwa-
der der Vereinigten Staaten besuchten H&fen auf Lin-Kin, den Bonin-Eflandea
und Japan.
Noch haben wir mit einem Worte der voraflglichen Äusseren AusstattoBf
in gedenken, in welcher diese lesenswerthen Schilderungen uns entgegentre-
ten; es ist hier Alles geleistet, was Druck und Papier su leisten vermag: die
lehn dem Werke beigegebenen, vom Verfasser nach der Natur In Tondroek
aofgenommenen Ansichten, wie sie hier in Holsschnitt ausgeführt erscheinea,
verdienen alle Anerkennung, es sind Ansichten verschiedener Punkte vea
LIn-Kin, der Fischmarkt su Canton, die Gruppe japanischer Soldaten, die Coa*
ferenx des Commodore Perry mit den japanischen Commissären, ein von He-
nolnla anf den fendwichs insoln gegebenes Bild, eine Ansieht der Hagelhieas-
AadrM: GaitraNAMfik«. IST
iUmn: haler di«iiio gelBBgeod Bilder, wie du uiköü AifgefUwIe TileMatl
da enten Bande«.
i. IKe SlMles «0« Central^ Amerika mdetandere HimAira$^ San Sahadar
muf die MoskiUAüile, Fon £. 0. Squier^ duwuüigtn GeMckäfUträger der
ferthnfUn Siaalen v. Nordamerika bei den cehirtdamerikaniedten Staaten, in
dtalicher Bearheihmg htraatgetfeiben wm Karl Andree. Leifnig. Vertagt^
hMandUtng um Cari B, Lorck. iS5€, XLVUl uad 275 S. in B. (Bau$^
mietkek für Länder wid Völkerkunde. Heraiugegeben von Karl Andree.
Nemiler Band.)
l Buenos Afßree und die Arffentinisehen Frovinun. Nach den neuesten Quellen*
Herausgegeben von Karl Andree. Leipüg. VerlagAuckhaniBung ton Carl
B.Lerek. 1856. XXu.426S. in 8. (HauM,liothek u.s.te. Zehnter Band.)
Beide Werke luben die BefchreiboDg and Sebildeninf Ton Lindern sum
ficfWitande, welche in nnsem Tagen mil Recht die allgemeine Anfmerkfan-
keil iBmer mehr auf sich liehen, da beiden eine grosse nnd sichere Znknnfl
bevonteht. Mit solchen Lindem sich niher bekannt su machen, ihre Ver«
Utaisie richtig anfinfassen und darnach auch richtig an wftrdigen, hat ein
uttrliches Interesse, selbst abgesehen von der praktischen Bedentang, welche
JCM Linder fl&r den steigenden Handelsverkehr und die darauf beattglichen
hteressen, fflr die Answanderang n. dgU m. ansprechen. Auf die Staaten von
Ceatralanerika sind jetst alle Blicke gerichtet: sie sind es, die das Verhin-
ingiflied xwiachen xwei Weltmeeren bilden, und damit an einem „Weltpas-
Qfelsiide" bestimmt sind; dabei begünstigt von der Natur in hohem Gradep
■it treffliehen Häfen von beiden Oceanen ausgestattet und dadurch xum Welt-
verkehr, wie wenige Theile der Erde geeignet. Noch sind freilich dort die
üttdiehen Verhiltnijse nicht in Allem geordnet: noch Ist der Schienenweg,
itt beide Meere mit einander verbinden soll, von Puerto Caballos in schnür*
lender Linie nach der Fonsecabei durch Honduras (s. das letste Cap. diesee
Werkes S. 243 ff.)» i>>eht vollendet: seine Vollendung und die damit verknApfla
Bentellang geordneter politischer Zustände wird diesem Lande bald eine gans
■ädere Stellnnf und Bedeutung geben. Die beste Schilderung, die vrir davoB
keiitien, hat Herr Squier, der als Gesandter der Vereinigten Stuten längere
Zeit in diesen Ländern verweilte nnd dadurch in der Lage war. Aber Allee
& genanesten nnd verlissigsten Nachrichten einsaxiehen, im Jahre 1858 eü
Kaw-Teik herausgegeben: nach ihr ist die hier gegebene deutsche Bearbei^
laag geliefert, die uns den wesentlichen Inhalt des englischen Werkes in
«iaer aniiehenden Darstellung bringt und dieser Schilderung ttberdem eine
fialeitong vorangestellt hat, welche einen guten Ueberblick der bis anf die
■eaeite Zeit darchgefihrten Geschichte der centralamerikanischen Hepubliken
ttMhilt, wie er allerdings nothwendig war, um die Leser in die nun folgende
Beschreibung des Landes selbst einsuführen, die eben so die geographischa
«d tepegraphische Gestaltung des Landes, die Ströme, Seen, Buchten, Häfen,
^ Klinn, die Eneognisse des Bodens oder den Ninerahreiehthnm, die Er*
leaiaisse der Pflauenwelt nnd des Thierreieha, sum Gegenstände hat, win
& Imaekev» welche ab die Bewehner dieeer Länder eneheiaeii, die peli-
156 Aiidrie: BMMM-Ayref.
Üfchea wi« die kirehlichM Zuttünde and was dtran weiter sieb knOpft AHm
deneo, welche über diese wichiigen Laodstriche sich ntther belehre« wellsB,
mtig diese aus den besten Quellen geschöpfte , genaue Darstellung bestem
empfohlen sein.
Eine ähnliche Darstellung über einen wichtigen, ebenfalls einer grossen
Zukunft entgegensehenden Landstrich Sudamerka's gibt das unter Nr. 2 auf-
geführte Werk, in welchem Buenos Ayres, die Stadt, wie der Staat» und die
argentinischen Provinsen nach ihrem gegenwärtigen Zustande dargestellt sind;
ein geschichtlicher Ueberblick geht auch hier voraus, der von der ersten
Entdeckung dieser Lttnder seinen Ausgang nimmt und die Schicksale deriel-
ben bis auf die neueste Zeit vorfuhrt. Das ganse erste Buch hat die En^
deckung und Eroberung der La Flata-Regionen durch die Spanier cum Ge-
genstande, das sweite ftellt die argentinischen Lfinder cur Zeit der spanischen
Colonlalherrschaft dar, das dritte beschreibt die Entdeckungsreisen der Spanier
im Süden und Norden, das vierte schildert die Pampas-Indianer, das fimfte
die Region im Süden des La Platastromes, das sechste den Gaucho, oder den
■rgeoUnischen Panapasbewohner; das siebente geht dann su der DarstaUunf
der politischen VerhftUnisse der argentinischen Provinxen, seit sie sieh ihre
Unabhängigkeit erkämpft, ttber; das achte beschreibt das Stromgebiet des La
Pinta und knüpft daran die Darstellung des Handelsverkehrs und der freies
Schifffahrt; das neunte und sehnte Buch haben Buenos Ayres, die Stadt wie
den Staat, und die Provinsen der argentinischen ConfOderation nnm Gegen-
stand nnd liefern ein vollständiges Bild ihrer staatlichen Verhältnisae wie ihrer
politischen Zustände. In diesem Ramen bewegt sich die Darstellmig; Vergan-
genheit nnd Gegenwart dieser Länder dem deutschen Leser vorznftthren, ibi
mit der Geschichte, der Verfassung, den Hilfsquellen dieser Länder bekaaat
an machen, den Charakter nnd die Eigentbamlichkeiten seiner Bewohner aa
Mhildem -— das war nach S. XV das Bestreben des Verfassers, dar hier nkht
den Vertheil hatte, irgend ein bestimmtes, englisches, spanisches oder fransä-
alickes Werk seiner Darstellung au Grunde legen au können; er hat viehnchr
feinen Stoff ans veischiedenen Schriften, Reisewerken, Staatsschriften n. dgl
enlnonmen; das im Jahre 1852 an London erschienene Werk von Wordbiaa
Pafisfc, der mehrere Jahre su Buenos Ayres als eaglisdier Gesandter sieh
anOttolt (Bnenos Ayres and tbe provinces of the Rio de In Plata u. a. w.),
bildet allerdings eino Hanptquette» nnd xwnr eine um so verlässigere, d4 es
aif der nnmittelbarsten Anschaunng und den an Ort nnd Stello gemächtea
NacUorichmgen hemht; vollständig dasselbe in die dentacke DarsteOang anf-
mnehmen, machte der Charakter des gana anf englische Leser beredmetaa
Bndiei niehl räthlieh. Und so hat dann der Verfiuser daraus , wie ans an*
dem (in dem Vorwort angeführten) Schriften, den Stoff nnd das Material eaft-
aewMeBt das er an einem wohl abgerundeten Ganaen in dieset Schrift ver-
nrbeitet hat, welche sieh sehr gnt liest md die Sorgfalt, mit der Alles be-
haadoU ist, nirgends verkennen lässt, dem dentaehen Publikum aber ein eben
io omlasseBdes wie ansiehendes Bild der f)kr die alte Welt immer wiehtigir
«erdenden Regieaen Sttdanerika'a liefert , weldie UMore Anlmeiksamkeit ia
immer itelgniideM Grade verdienen.
Vor 4«r i« tewrifcoit Verief eMheiienlei hUlerieeli»« iMibi-
ffcMü! MMw itßt UM«r- Uli ▼•IktrfamiaL 18t
MUtIek iMben wir swei mm Auflafei, eiM vierte ud eiM dritle«
m iwei scIieB frther endiieneiieii und TielfeleieneD Werkei aeiueif ei»
ia llr ein frOMeree PnblikiuB eilerdiogs doreli FeMug md Darüelluif neb
vm^pweije eifMD:
fineVck« Fri€dricy$ des Grossen von Fran* KugUr. VierU vetto-
strk Awfia^, Leipüg. VerlagshiehhmMmg von Carl B. Lorck. VI tmd
m S. m a (Buiarisehe Bmulriblwlhek Bd. L
GodMlc des Kaisers Napoleon von P. M. Lanreni. DriiU verheuerte Auf-
^c le^t^ U.S.W. Xwsd^92 8, mS. (Bisioriseke Bansbiblioikek Bd. IlL)
IMitdk der ErAestkretbang, m naUurUehir Verhmdtmg mU Weܧesehidiie, Na*
ürgesehiekte ynd Tedmologie für dm Sehid- und FrwahmUrridU. Von A.
Zaekarid. IL Theü. Bilder aus der Länder- und Völkerkundo,
Bsatititol und kerausgegtbon won Louis Thomas^ ordend. Lüurer «» d&r
dnOm Bmgerschmle w Lespeig, Leipsig. Verlag 9m Ernst Fleischerne Buck^
haadbmg iRmdOph Benisd^) i856. VI md 390 S. in gr. 8,
IKeie Selirift mag als ein iifltoliehea Leaebvch, aucli neben andern feo-
fnphiicben Lekrbttehem ab dem» wosa et santtcbit all iweiter Tbeil gebOrt,
Cebraacht und der Jagend cur PrivatleklQre eropfoblen werden, wie sie den
leognphiscben Unterricbt begleiten und weiter fordern soll. Die Bilder aus
dtt Linder- und Volkerkunde, die in dieser Scbrift enthalten sind , besteben
ueiuelnen interessanten Scbilderungen und Beschreibungen einzelner merk-
würdigen Punkte des Brdballs, oder des Natarreicbes, oder sie verbreiten sieb
fiber aerkwUrdige Gebrftncbe und Sitten der verscbiedensten Volker der Erde,
üd daher auch in flQnf Abtheilungen naeh den fünf Welttbeilen geordnet, von
vdeben die dritte Abtheilung, welche Bilder aus Europa Torfflhrt, den mei-
nen Banm, wie billig, einnimmt (Nr. 46—104 oder S. 135—342), im Uebri-
|n aber eine grosse Abwechslung nnd Hannigfaltigkeit bietet. Die Quellen,
m welchen die einzelnen Sehildemngeo entnommen sind, finden sich am
ScUaise jedesmal angegeben.
Zur Geschichte der böhmischen Poesie.
KrommsdmsMmssehmJHdtiergartm, 9m Joseph W§H%ig. leiftf^, IfM
a. TVm und 315 Seitm.
Wir haben eebos ftther €elegiedMit gehabt, in dkam BÜttwi Toa dm
^«raitnstett m spreehen, welche der k. k. Sehnlmtk JL Weuig ia Preg nick
^ die SinfUmmg bakmiseker Poesie in Deutschland' erwerben, ud so dürfte
^ d«m Hanekem willkommen sein, Ton einigen neueren Leistung^ desselk^
^^Ishrten tu Tcmehmen, dnrck welche unsere Kenntniss jenes slaTischea
l^>miiiiweiges abennalige Erweiterung erfuhrt. Den „Krftnien" muss ef
voaTenekeieiB aw Empfehloag dienen, dasa in ihnen Eiaeugnifse aweier
160 Wensig: Krtnse u. s. w. und Stadien Ikber StitD6.
Pichter wiederfegeben werdeo, für welche sich schon Gttthe in „Kanst und
AUerlhuni^ interesiine, und die, wie der UeberseUer sagt, nicht nnr dorch
das polygloUe Oesterreich, sondern auch dadurch Deutschland mit ancehereo,
dass der eine su Jena studierte, der andere in Breslau lehrte. Die beiden
Poeten sind Johann Bollar, geb. 1793 in Ungarn, gest. 1852 in Wien, und
Frans Ladislaw Celakowsky, geb. 1797 in Böhmen, gest. zu Prag 1852. lieber
die Lebensverhältnisse und den schriftstellerischen Charakter der beiden her^
vorragenden Männer hat Herr Wenzig in der Vorrede die nOthigen Bemerkun-
gen gegeben. Was nun die Dichtungen angeht, die in dem vorliegenden
Buche uns näher gerUckt werden, so bereitet uns Herr Wencig den Genusi,
einen Theil aus BoUars Hauptwerke: „Die Tochter der Slawa** uns aneignen
zu können, von Celakowsky dagegen erhalten wir StUcke aus dem Nachhall
böhmischer Volkslieder, aus der hundertblättrigen Rose, aus dem Nachhall
russischer Volkslieder, aus den vermischten Gedichten, aus den Epigrammen
und Gnomen. Etwas weiteres Über den Werth der „Kränse" su sagen, mag
nnterbleiben, da Herrn Wenzig's Talent schon längst die gebohrende Schätzung
gefnnden hat. Darf diese dichterische Gabe einem weitesten Kreise empfoh-
len werden, so werden dagegen in dem der Gelehrten erwünscht sein die
Siudie» über Ritter Thomas von Stitnit ein Beitrag utr europäischen Culfnrge-
schichU^ «Oft Joseph Wemig. Leipsig, 1856, 8. 133 Seiien.
lieber Stitny äussert sich Palacky in seiner Geschichte Bohmenn folgen-
dennassen: „Dieser ausgezeichnete böhmische Edelmann besass nicht nur
alle Bildung, die sein Zeitalter gewähren konnte, sondern auch die Gabe, sie
in anziehender, klarer und körniger Sprache dem Volke mitzutheilen. In allen
seinen umfangreichen Schriften herrscht die religiöse Tendenz vor; doch hin-
derte ihn dies nicht, eine Menge gelehrter und populärphilosophischer Fragen
gelegentlich zu erörtern, und er liess sich in diesem Geschäfte auch durch
den häufig ausgesprochenen Unmuth der Schulgelehrten, die da glaubten, dais
solche Untersuchungen nicht vor das Volk gehörten, nicht stören. Seine be-
wundernswerthe Meisterschaft in der Handhabung aller der reichen Formen
der böhmischen Sprache gestaltete dieselbe bald zu einem brauchbaren Organe
fta noch so gelehrte Erörterungen, sowie auch das böhmische Volk, das seine
Werke mit Beifall und Nutzen las, sich durch ihn gewöhnte, selbst einem
IftngjDm Gang abstracter Gedanken zu folgen." — Man sieht leicht, dass ei
sich hier um eine Persönlichkeit handelt, die neben Hus und Comenius gar
wol die Aufmerksamkeit der Forscher verdient, die ihr bisher nicht in go-
nttgender Weise zu Theil geworden zu sein scheint. Eine richtige Würdigung
des Mannes anzubahnen dürfte aber Herrn Wenzig*s Schrift um so mehr ge-
eignet sein, als sie ausser einer Biographie und orientierenden Abhandlung
aneh reichliche Proben aus Stitny's Werken liefert^ welche Herr Wenzig auch
Boeh in den Jahresberichten der k. k. böhmischen Oberrealschule zu Prag
fikr das Schuljahr 1855 und für das Schuljahr 1856 zum Gegenstande seiner
UBterinehoBgen gewählt hat
k. a BElDELBBRflER im.
JIHRBOGHIR DIB LITIBATOl
Brkfe des Qrosshertogs Carl Augmt und Qoethes an Dotbtremer.
Herausgegeben von Oskar Schade. 147 8. in 8. Weimap
bd K. Böklau. 1866.
MlUheUaogen tod Briefen hoübgottellter, berahmter MlUuieri
toen Inhalt ein wissenschaftlicher, welche gesehrieben wardeoi obna
fe M5glichkeit einer spätem Veröffentlichang lu ahnen , gewUhrea
•tets Interesse in mehr als einer Hinsicht VoUkommeo bestätigt
fanden wir diese in yorliegendem Buche; es gilt uns als erfreoUche
ODd keineswegs unwichtige Gabe.
Wie befreundet Goethe gewesen mit den ▼erschiedenartigsteo
Zweigen der Naturkunde , weiss die gebildete Lesewelt Weniger
bekannt, aumal was gewisse EinxelnheiteB betrifft, war das Verhttt-
Bi« des Grosshersogs Carl August an jenem Wissen. Seine
Zosehriflen an Doeberelner erlangen besondere Bedeutung da-
duch, dass sie den rastlos wohltbätigen Sinn des seltenen Fürsten für
^ öffentliche Wohl darthun. ^Cm boden* und landwirthschaft-
Bde Cultur und Productionen aller Art war er rationell, mit Hülfe
der Wissenschafik, unaufhörlich bemüht, auch selbst eingreifend und
experimentirend , so dass man oft eher einen thätigen Landwirth,
eioen grossen unternehmenden Industriellen su hören glaubt, als Je-
ttoi )iochgebildeten , kunstliebenden Fürsten, um den die grösstea
Dichter wie Sterne standen.^ — Schade belegt diesen seinen Aus*
Vmch durch eine Beibe beweisender Beispiele, meist entnommen
«08 frühern Zeiten.
Achtundzwanzig Briefe des Grossherzogs an den bewährten Fach-
sanDy den berühmten Lehrer der Chemie in Jena gerichtet, enthalt
ten Tide Fragen, aus denen sich die Verdienste des Fürsten um Pflega
fa Natur- Wissenschaft ergeben, so wie dessen stete Sorge für sela
I'ttd durch Ausbeutung dieser und jener Wahrnehmungen und neuen
Entdeckungen. Nicht wenige der Zuschriften sind von eigener Hand.
Wir können uns nicht versagen, aus einigen der letzten Bruchstücke
n entnehmen. So heisst es im siebenten Briefe:
«Mein Luft-Electrometer hat sich bei dem gestrigen Gewitter
Mhr empfindlich gezeigt und bis 25^ marqnirt Bei jeder Torbei*
siebenden oder detournirenden Wolke bewegte es sich anders. —
Diesen Herbst lasse ich den Teich bei Berka fischen, um der Haupt-
qaeUe näher zu kommen, die vermuthlich in selbigem befindlich Ist,
weilzD gewissen Zeiten ein weisses milchiges Wasser dorten qufllt, das
sehr sdiwefelartig riecht und die Fische absterben macht — In
'^Morth werde idi mich auf eine Runkel- und Eartoffel*Branntweln*
Bieuierei einschränken, out odei eine SchwefeteSve; das wird sieb
L. Jaltfg. 3. Heft 11
^S Briefe dei GroMhertags Carl Aii|iiit ud Goediei an Doebereiner.
naeh fiadeiu -* SoUAea denn iit im Mattttedter KoUenwerk« i»
hkaflf sich findenden Schwefelkiea-Qraupen nicht sn einer YittioieU-
fabrik sich anwenden lasaen?^
In 94. Biitte idrd geeist:
^Für die Beantwortung meiner Frage danke ich aufs verbind-
Oebete; Ich studira sie mir ein, nm davon Gebraach an madieSi
wenn meine bestellte Instmmente fertig sein werden, ich habe nim-
lich Körnern aufgetragen zwei Calorimeter lu machen, einen nach
der Reaumnr'sGben , den andern nach der Montgolfier'schen Anwei-
sung. -^ Ueber die mikroskopischen Versuche den Fflaniensaft clr-
«ttllren zn sehen, habe ich fortgesetzte Nachrichten ans Berlin; sie
besitcen doiten ein Mikroskop, welches ganz bewnndeningewardlge
Vergrüssemngen zeigt.'
Die letzte der veröffentlichten Zuschriften, aus dem Jahre 1827)
ist folgenden Inhalts:
9 Durch einen Reisenden, der das Bad zu Pfeffers in der. Schweif
mit grossem Erfolg gebraucht hat, ist mir zu Ohren gekommen, dass
das Wasser dieses Bades rein elementarisch, das heisst, ohne
alle fremde Vermischung sein soll und dem ohngeachtet grosse Wi^
Icnng auf den menschlichen Körper hervorbringe. Indessen soU
Maerlieh ein Chimist entdeckt haben, dass dieses Wasser Jodine
entiialte. Da nun bei der Ruhl im Eisenachischen eine kalte Quelle
vMhanden ist (Sie haben etwas Wasser daraus schon einmal unter-
sucht) es sind nun zwei Jahre her), so habe ich aus dieser Quelle
beikommende zwei Krüge füllen lassen und sende sie Ihnen mit der
BHte, dieses Wasser noch einmal zu untersuchen und hauptsächlich
kk Rficksicht ganz feiner Beimischungen, wie Jodine z. B. sein
mtfohte, zu prtifen.'^
Aus den ^ebeaundfünfzig Briefen von Goethe mögen folgende
Brachstücke hier eine Stelle finden. Unter dem 10. December 1819
sebffieb er:
^Sie haben mir durch die tibersendete gründliche und geist-
reiobe Darstellmig Ihrer diessJShrigen ThStigkeit ein grosses Ver-
gntigen gemacht, indem ich dadurch sowohl in den Stand gesetzt
Mn, das was Sie geleistet habra, entschiedener zu schStzen, als ancb
angereigt werde, an Ihrer herrlichen Wissenschaft innigen Antlieü
ta nehmen.^
^Möge die Heiterheit, mit der Sie selbst wirken und an dem
Wirken sinderer TheU nehmen, Sie immerfort begleiten. Der Froh«
sinn ist so wie im Leben, also auch in Kunst und Wissenscheff
der heste Schutz- und Hülfspatron. <^
Im Briefe vom 2. Juli 1814 wird gesagt:
„Hein siebenwöchentlicher Aufenthalt in Berka hat nnsere früher«
Ueberzeugungen gleichfalls bei mir bestätigt, nnd ich habe leider
wir allzuoft bedauern müssen, dass die Ghrundsätze, nach denen das'
Bad angelegt werde ^ keineswegs mit der Natur übereinstimmen, no
diM» mau «kh.ein« weitere Aasteeitwig und Bcnotvong ebicr 99
VeisMti: Dm orfiniioli-MtalliilMie SfiMm d. FMMOplite: Itt
■rttiiQlgiiB NaUir«Bkig« «»«hau» «radm^rty wo n\fM i;«r «iftiSf^
^Da mao B«hr Tietoti Oyps ifi dar N<ho teC, soHie «8 MAl^
ii« teh schon atntnal vorfiicKlu^, rStblieli safa^ dati«aMg«fl gettaMan
ttf te Oberfläche der Wieeea aater dem Varw^ada, ate warn nhaa
de Eneagang daa IClaei befördern wallt^) au^saetreoett ( QjpimuM
würde akdaan erzeugt, das sidi, nach Ihren e^b^M Ertehraflg«a^
vtalMdit e^eetete and den Schwefelgehalt de» Sobicbtwaeeara rar-
mbrte. ^ Daae ein elektriftch^chemiscber PreceM fortwfcbvdad wt^
gebe, am diese Scfawefelwaseer unter der OberflSche an araettgaa^
M Meh daraus ersichtKeh, dass die atmospbttrisehen Vanadenoigte
PHMn EInflass auf den Gehalt haben« Bei atidn>faead«in QawHt«f^
ttd also beim Fallen des Quecksilbers ist d^r Gehttit vlal stirkart
tt eiMm sohdien Morgen konnten es die Laute vo^ Salrw«faIg«roeli
in der Küche kaum aushaken, aoch mir war eS itn Bad^ sAr aaf"
Uhsl«
Am 18. Februar 1821 meldeto Goethe:
fifüx daa letete gebaHiaf^he Bditeiben «um varblndllciistdk dan-
itttd, kann rarfliobem^ dass es mich aufs erfre(nlichste aag«r«gl bM)
Her diese wichtige) so nahe verwandte Erscbelnangefi aa dettkan«
hh wfbisebe daher bald über die Fruchtbarkelt Ihrat Ansieht, daitt
pbytiiebe Wirkung Eugleich auch chemische hervorbringen könnaj
mAidttdi daa Weitere au verhandeln« Inswilohen bemerke i iass
•Na waM auf gleiche Weise sagen dürfe, dass mschaniseb nad
f^ppkA auch nahe genug mit einander verwandt sol, und dass man
M iiiter friedliehen Ansiebt der Natur nicht auf einer stellen sohma^
itt Lilter, aandem auf einem gelinden und breiten Planum Indinar*
tom iaf- und niedersteigt ^
* Am Sahlnsse d^ Einleitung liefert der Hefausgeber Ohio um«*
ibieoda Darstellung von Doebereiner's Leben nad Wirken.
Ebie schätsbara Zugabe, die Mandies entbSlt, was bis dahin niaht
bikMQt gewesen.
bds ürganUeh-ideaKstUche Syäem der PkÜosöphU T^on Carl Weiit^
hoUz. Ldpsig, T. 0. Wägd^ 1858. 148 8. gr. 8.
Dio ganfee ßchrift aerflOlt in drei Abschnitte. Dor orftte Ab-
behandoh ,jOrund, Stellung, Benennung und E*l-«
ttekuag des organischen Ideallsmus* (8. 1^13), der
<^elle j,Grnndeüge der Ent Wickelung des organisthen
Msslifitaua« (8. l^--89), ^er dritte die Eintheflung des-
«»Ibon (8. 8«— 148).
DsrHr. Y^f. geht In dem ersteh Abschnltto von dem
* liA gina rl^AUgen Gedanken aus, dass die mensehlldie EntwMEa^
ki| d«r sMai^en ThStigkeiMit nUt dorn FühUn^ begin&Oi an« r
IM WebiMÜi: Dw argnifde-idailwtiiciM Syslm d. PliUoMfye;
die «nlen Anfinge unserer spätern ErkennüüttbUdong Empfiadongee
seien; er führt ebenso richtig die Entwicklung der geistigen Thitir-
keiten, welche wir mit dem Namen des Fühlens, Denkens, WoUens
nnd in ihrer Oflenbnriing des Sprechens und Handebs beseidmeDi
«nf swei Fnctoren snrück, eine ErregnngsfXhigkeit Im Innern des
Organismus und eine tou Aussen auf diese wiricende und die Es*
regelt cur Folge habende Erregung.
Allein, wenn auch diese beiden sidi in der Oeffihlsthfttig^tit
neigenden Factoren richtig unterschieden werden; so ist damit f8r
die Thatsache des Fühlens nichts, dasselbe vom Leben an sich spe-
elfisch Unterscheidendes gewonnen. Denn auch das Leben selbst^
abgesehen von dem Gefühle, das in sich selbst gefühislose Lebca
der Fflanie setst, cur Entwicklung au kommen, ErregungsfXhi^ett
im Innern des Organismus und Erregung von Aussen vorans, ist,
wie das Fühlen, nur in anderer Weise, Erregtheit
Den spedfischen Charalcter des Lebens, das wir Fühlen neu*
neu, will nun der Herr Verfasser in folgender Welse gewinnen.
Die Erregung beim Fühlen Ist nach demselben S. 2 „ein Zu-
stand, der durch eine Störung des vorhergehenden, persdnlidien Zn-
standes veranlasst wird, oder sich auf eine solche Störung beneht
Die Erregung hat den Keim der Entgegnung und Widersetsung ia
ridb, in weldie die Erregung übergeht, wenn ihre Ursadie sieh er-
hUt, und wenn nicht durch Abwendung der Person von dem Ge-
genstand oder durch andere Hülfe die Erregung beseitigt wird. Die
durch Inneres entstandene, den Innern Organismus des Menschen
betreffende Erregung besieht sich auf Hemmung und Störung orga*
nischer Thätigkeiten, oder auf Verletsnng, Bedrüdiung, Uebemitsnsf
und Erschlaffung der Organe, Indem eine solche eben, wie die sich
auf andere Erregung besiehende Störung, als Unangenehmes empfon-
den wird^ ••.... „Das Unangenehme ist Mittel snr Erweiterung und
Entwickelung persönlicher Zustände und VerhUtnisse, Indem es die
Thätlgkeit erregt sur Wiederherstellung des Angenehmen, das fiber^
haupt jur Lebenserlialtung des Menschen nothwendig ist, und das
insbesondere mit seiner Wiederherstellung zugleich einen Fortgang
SU gewähren vermag^ ...... „Die mit der Aufhebung der Erregung
geschehende Hervorbringung eines angenehmen Zustandes veranlssit
die Beachtung des die Störung und Erregung bewirkenden, wie
desjenigen, wodurch dieselbe aufgehoben wird.^
Man findet in dieser Anschauung Anklänge der Her hart 'sehen
Lehre von den Vorstellungen als Selbsterhaltungen der Seele gegen«
über ihren Störungen oder Hemmungen. Erregung ist keine Ueno
Störung, sie wird nicht Immer als Unangenehmes empfunden, sie ;
muss nicht immer aufgehoben werden, um eine angenehme EnoffiiH
düng In uns hervorsurnfen. Die Erregung kann, je nadi dem sie an :
sich und in ihrer Beziehung zu dem erregungsfähigen Orgaaltvias
betrachtet wfard, angenehm und unangenehm sein. Sie idrd es ent
iiinns wd nidit dudi Auibebimg des Va^pmgt nwkm dardi
lUribrflit tu mpadMMiMXMtdk6 SyMeu I. PUaMplife: IM
ie Imgdiait des Organtomos lelbsti welche entweder eine dnreh
AEkiegwig yermehrte, erweiterte, gehobene, oder eine dardi dieselbe
vermiiiderte, sieh Eonmmensiehendei senkende Lebensstloimünf im
ittlcnden Organismas Ist Nie Ist aber die Erregung nur StUrang,
vn Unangenehmes. Eben so wenig Ilsst sich die Aofbebnng des
Beises oder der Erregung als Angenehmes beseldmen. Mit der
Erregung muss femer ein ErregungsOhiges, ein Etwas, das erregt
wird, geseilt werden. Was Ist nun der Zustand dessen, das erregt
lird, Tor der Erregung? Das Angenehme entsteht, wie der Herr
Verl wm, dnreh die Ueberwindung der Erregung, des Unangeneh-
MD. Niehts kann nicht erregt werden. Was Ist nun das, wd«
chai erregt wird, vor der Erregung, da es nach dem H. Verf. weder
ia einem angenehmen Znstande, weil dieser die Aufhebung oder
DelMrwfaidnng der Erregung oder Stdrung, noch In ehiem unange-
adimen Zustande sein kann, da der letste nur, wie der Hr. Verf. will,
asB der Erregung hervorgeht? Was ist mit einem Worte das Bub-
itrat der Erregung? Damit muss die Untersuchung begonnen wer-
ta, wenn sie zu einem Resultate führen soll.
Die Aufgabe, die sich der Hr. Verf. bei der Grundlegung sehies
Sjitems setBt, ist, su sdgen, wie „das Begreifen nur durch die Welsen
d« Ftlhlens überhaupt und insbesondere durch die Weisen des den
Bgerthtimlichkeiten der fünf Sinne gemlss entwickelten FflUens mit
Hfllfe der Sprachlaute und Wörter beschafft (sie) wird<* (S. 4). Er
viU mit dieser Aufgabe einen ganz neuen Weg ffir die Wissenschaft
teieiefanen, Indem er zugleich ein verdammendes Urthell Aber die
Merige Wissenschaft ausspricht Er sagt von dieser 8. 4 : „Sie
taidiaffte (sie) durch unklare Behandlung der äussern Erschefaiung
nr inseitiges Wissen, und machte iiberhaopt durch Ihre blosse be*
friffliche Behandlung der Qegenstlnde eine Innere Verbindung des
WiMcns mit dem Leben unmöglich.^ Ein so hartes Urthell ver-
hagt efaie nShere Begründung, welche m unserer Schrift gSnalich
Mit Hat die Wissenschaft bisher die Susseren Erscheinungen un«
Uir bdiandelt? Zeichnet sich nicht gerade unsere Zeit vor allen
Mhem durch klare und umfassende Behandlung aller lussem Erscli^-
BUgen im Gebiete der Wissenschaft ans? Führt nicht gerade diese
nr tieferen Erforschung der Innern Erscheinungen? Ist femer eine
Verbindung des Wissens mit dem Leben bei einer blossen begriff-
lidua Behandlung unmügilch? Können wir überhaupt etwas, auch
KT ekle Süssere Erscheinung der Natur, ohne BegriiT wissen, kön-
Ha wir diese anders, als begrifflich, behandeln? Ist das Begriffliehe
te Erfahrung entgegengesetzt? Zeigt uns die begriffliche Behand-
Ing nicht im Oegentheile überall das Wesenhafte und Richtige der
StUmmg? Der Hr. Verf. beruft sich ferner auf „das Ergebnisi
iermatesendsten, physiologischen Untersuchungen unserer Zeit, dass
*• Sinne keine objecdre Erkenntnlss gewfthren, dass wir nicht die
^Inge erkennen und begreifen, sondern nur Empfindungen
▼«1 den Dingen als Erkenntnisse von denselben haben«« (S. 5>
m^ will d«mU di^ „NoIhwMdiglMlt €ia«r ideftliatbdi«n BichtaiMI^ 1|
d#r Philosoph!« darthuo» und erklärt die «empiriiebeii imd lueton-
sdiea WiM9MbesUfbangea^ als j^uoticher.^
Daraus, daaa wir nach den pbysiologiacheB UnterBaekaBgea ud«
ierer Zeit nicht die Dtage, aondem aar die Evpfindungea der Diage
•la ErkeDotniiae von danaelben haben, folgt die Nothwendigkeit einer
ideaUatiacben Kichtung nicht; deiw von der neaern Phyaiologie wird
sieht die Exiatena nnd Realität der Dinge, sondern nur eine aixdecef
ala eine subjective Empändong derselben, In Abrede gestellt
Der Hr. Verf. beruft eich zum Nachweise der Unsicherheit der
Eopiriamns auf die Aussprüche berühmter neuerer Phyalologea
(& 133) des Johannes Müller, C. Q. Carua, Q. Valentia,
Emil Harlesa und Bud. Herrn. Lotse. Es sind nämlich nickt
die Dinge an sich, aondem nur die Zustände des Gefühls in unseni
Nerven und Sinneswerkceugen, die subjectiven Empfindungen, welche
ans der Einwirkung der ausserhalb unser ezistirenden Dinge hervor-
gehen, daiyenige, waa man gewöhnlieh die Dinge nennt. Alleia
daraus folgt eben so wenig die Nichtigkeit der Dinge, als di«
Unauverläsaigkeit nnd Uosicberbeit der empirischen und histori-
schen Erkenntniss. Eziatirten die Dinge nicht ausser uns, sie
konnten nicht von Aussen nach Innen auf uns wirken, nicht die
£mpfind^ngea in nns hervorrufen, welche wir die Dinge in der £r«
acheinung nennen, an welche wir uns halten müssen, und die für uns
allein vorhanden sind, da wir das DU^g an sieb nicht erkennea.
Die empirischen und historischen Erkenntnisse sind eben Erkennt^
nisse der Dinge in der Erscheinung. Auch unser eigenes und du
fremde Ich können wir nur vermittelst unserer subjectiven Orgaae
in seiner Thätigkeit empfinden. Und, wie die äussere Welt uns io*
nerlich erscbehit, nnd für uns die subjective Färbung annimmt, so
auch die. Empfindung and Erkenntnisa der Zustände des Ichs. Weuo
also die Snbjeclivität der Emi^ndung und Erkenntniaa das his(oii9che
nnd empirische Wissen unsicher madben soll, so mdsste es sich eben
an mit dem idealen Wissen verhalten. Allein dasjenige, woröbsr
daa Empfinden^und Erkennen aller und jeder subjectiven Vemünf'-
tigkeit fibereinstimmt, ist für uns elyectiv. Es gibt also entweder
gar keine Erkenntniss, oder die übereinstimmende subjectiv veraüaf-
UgA Erkenntniss, damit auch die empiruche und historische bum
als baltbar und aaverlässlg angenommen werden.
Es ist daher nicht abzusehen, wie der lir. Verf. durch seinen
»organischen Idealismus^ als ein neues Sjstem eine bessere
FbUosophie» «Is „die bisharige'' gewinnen wilL Er will durch di^pa
aeine neue Methode daa Wahre des Empirismus und Positi*
vismus mit dem Wabren des Idealismus vereinigen und den
Einseitige beider Anschauungen vecm^den. Er will aus dem 6e-
iühle heraus durch die SpriuAe daa Begreifen, Urthailen, SeUieffeo^
WoUen iMbd Handelur ableken. Es soU geneigt werden, wie ans def
£aeg«9g uMd d« rm lonvi heiauik.9«iMid«i (Jebei iriikdvi« «de»
y^thMt^i Dm MfftKiicUdeilMMke BpUm d. Wim^^Um MV
kAAmg d«r Erregimg dareh SprAche und WorÜMl» die B^iUfe
nd Bit ibneii alle ErkemUniase innerhalb der GefäUsaqg^tDe ge-
bildet werden, also die eo genannten organischen nad idealen TU«
tigkeiten sieh durchaus entsprechend in nnd mU einander bilden»
Da alie idealen Thätigkeiten nach ihm nur verschiedene „Weisen
im Fohlens^ sind, das Gefühl aber innerhalb der Geflihlsorgane stal^
fiodeti so entwickeln sich diejenigen Thtttigkeiteui welche die nide*-
IsB^ genannt werden, innerhalb der j, organischen.^ Daher nennt
der Hr. Verf. sein neues System mit Rücksicht auf diese Anschauung
aach das oxganisch-idealistisehe. Weil alles Leben, so auch
ist Gelühl, sich als Process, Verlauf, Entwicklung darstellt, so kann,
wie er sich S. 6 ausdrückt, |,der Anfangt seines Sjstemes i^nicbta
Estvickeltes nnd als solches begrifflich Bestimmtes'' sein. Er sucht
«iae Grundlage für diejenige Entwicklung, welche er das Gefühl
samt, eine Grundlage, wie man sie für die Pflanaenwelt im ,Pflan-
i0DUBien% für die Thierwelt „im thierischen Ei^ erkennt. Doch
Bisht die Grundlage seines Systemes, da es sich um den „Entwich*
luigigfund^ des Gefühls handelt, „dem Thätigkeitsgmnde des ge-<
bonen Thiares, wenn dabei von der Entwicklungsbesdirlinkung durch,
te Instinct abgesehen wird, näher ^ (S. 6). Per Ausgangspunkt
•eines Systems ist ihm „die gefühlte, allmählig mehr nnd mehr be-
wuste Richtung der ThStigkeit des Menschen auf Bestehen und
Fortgehen desselben.^ Da es sich in semem Systeme um die Ent-
vieklnng aller idealen Thätigkeiten des Menschen ans dem Gefühle
iumdelt, ist der Ausgang seiner Wissenschaft „das gebome Eind^
(lic, S. 8). Das Fühlen stellt sich nun in ihm als «eine dem Er-
psifsn und Denken vorangehende Bewegung und als eine für beides
kfldcutsame» innere Tbätigkeitsweise des Menschen^ (S. S) dar. Er
kat diese seine Anschauungsweise schon in frühern Schriften aoge-
deatet, nnd gUnbt, dass ihnen die „bestimmte Herausstellung iw
idealistischen Richtung'' (sie) fehle. Die empirische Richtung sei-
sei frühern Schriften , wie diese von verschiedenen Seiten her ihm .
nun Vorwurfe gemacht wurde, soll, wie der Hr. Verf. meint, ver-
Khwinden, wenn man „die innere Haltung'' aller seiner Schriften,
Baaiendich nach der gegenwfirtigea Darstellung, susammemümmt.
Er führt in diesem sogenannten neuen Systeme Alles auf das
Gefühl der menschUchen Subjectivität aurück. Diese Ansicht ist nicht
fiel, und hat nicht aum Idealismus, wie der Hr. Verf. in seinem
%itsne will, sondern zum Sensualismus und selbst zum Ma-
Urialismus geführt. Nach Locke ist der Anfang unseres Er-
Iteimsas die Empfindung (sensation). Nach Gondillae sind alle
ioesre Erkenntnisse entweder unmittelbare Empfindungen (sensations),
^ durch innere Tbätigkeit umgewandelte Empfindungen (transfor*
ftatioBs des sensations). So sind auch bei nnserm Hrn. Verf« «nn-
>«e Begriffe, wie bei Gondillae, nur verschiedene Weisen einer
iiod derselben Substanz, des Fühlens. Nach Hume haben wir keine
Erfcenntnissei ab unmiUelbAre Eindrücke der Sinne (Impres-
M Weinlraltet Ifct orfaliifcii-idetlblisolie Syttem d. PhnoMplnetf
Btons) und Ideen (ideas). Die ktetern sind nicbts Anderes, als blosse
Gopieen der Eindrttcl^e. Die Ideen yerbalten sich in den Eindrüeken,
wie das Porträt zam Original. Diese unterscheiden sich von den Ideen
dadurch, dass die ietstern weniger einseine, besondere Qualitäten,
weniger besondere Farben haben. Die Ideen sind daher zuletzt nach
Hnme's Ansicht auch nur Eindrücke der Sinne, aber schwächer,
als die unmittelbaren SinneseindrOcke. Das Princip Ist offenbar
dasselbe. Und hier stimmt der Hr. Verf., so idealistisch er auch sefai
will, mit dem Sensualismus überein, und es ist gewiss wichtig,
was er selbst eingesteht, dass zwischen seinem Systeme und dem
neuen Sensualismus Czolbe's Uebereinstimmungspunkte Torhanden
sind. Wenn der Ausgangspunkt das „gebpme Kind^ isf, und in ihoi
die vor dem Begreifen Yorhandene Bewegung, welche durch die Er-
regung als Gefühl erscheint, so ist auch hier nicht abzusehen, wie
man über den Sensualismus hinaus gelangen könnte. Diese Er-
regung durch die Sinne ist es, aus welcher sich alles Geistige eut-
wickelt Blosse Bewegung der Materie im neu gebomen Kinde ist
aber nicht das, was die Wissenschaft Geistigkeit oder Geist
nennt. Wenn der Hr. Verf. Verstand und Vernunft in der Anlage
und Seele als nichts Ursprüngliches annimmt, sondern einzig und allein
den Keim des Füiilens, aus weichem heraus diese als eme blosse
Modifikation des letztern erscheinen, so ist nicht abzusehen, warum
der Ausgangspunkt seines Systems nicht das Thier statt des Men<
sehen ist, da ja im Thiere das Fühlen sich eben so sehr als Ursprünge
lichkeit, als Keim für alle seine spätere Entwicklung darstellt. WiU
der Hr. Verf. sein in der Anlage sensualistisches System durch
die Behauptung in ein idealistisches umwandeln, dass nicht die
Dinge an sich, sondern nur die Empfindungen es sind, die wir er-
kennen, dass also unsere Empfindung nur ein Inneres und keia
Aeusseres ist, so ist dieses eine Behauptung, die längst von den älte-
ren Sensualisten aufgestellt worden ist, ohne dass es diesen damit
einfiel, ihren Sensualismois für Idealismus auszugeben. Es
ist ganz gleichgültig für die Frage, ob ein System Sensualismus
oder Idealismus sei, wenn die Empfindungen in uns die Dinge
so darstellen, wie sie An sich sind, oder, wenn die Erkenntniss der
Dinge weiter nichts ist, als die Erkenntniss der Empfindungen der
Dinge. In jedem Falle ist ohne die Dinge keine Erkenntniss vor-
handen. Diese aber werden von uns als Materie empfunden. Ein
Ausgehen vom Fühlen des neugebomen Kindes kann aber unmi^g-
lich ein genügender Ausgangspunkt für die Wissenschaft sein. Denn
ab ein weiter zurückliegendes Princip erscheint das thierische Ei,
und noch weiter zurück liegt der Pflanzenkeim. Fühlen ist nur
eine Art von Leben, aber nicht das Leben selbst. Ja, vom Orga-
nischen müssen wir zuletzt zurück bis auf das Unorganische gclan-
gen, das die ersten und letzten^ Entwicklungskeime für das Organi-
sche bietet, bis auf die ersten tellurischen und kosmischen Elemente.
Im zweiten Abschnitte geht unsere Schrift^ zu den Grand*
WeislMflz: Dn orfantfcMdealistifche System d. Philoioplfe. IM
lüg» der EotirlcklaBg des organfselien IdeallauDs'^ über.
DfeiRBCe Frage, mit welcher begonnen wird, ist: 9,Wie nnd wo-
direh entstdien onsere Begriffe nnd der Inhalt derselben* (8. 14)?
Dffl diese Frage in beantworten, soll, wie S. 14 angedeutet wird,
,die EotwieUnngsweise des Fohlens und die Bedeutung desselbeUi
äaoQ die Bedeutung der Sinne^ und endlich die |,Bedeu(ung des
Bep^fens, Sprechens und Denkens^ dargestellt werden. Der Hr.
Verf. fiiogt mit der ,,Geburt^ an, well mit Ihr „die ersten und ein-
hdtften Geffihlsäusserungen des Menschen erscheinen. << Das Föh-
ko alwr nnd die ersten GefQhlsentwickiungen werden nur durch das
Bernnstsein erkannt, und so kommt der wahre Idealismus, wie
ndi hier, immer wieder auf das Bewusstsein lurück. Der Mensch
kann unmöglich im Denken auf sich „als gebomes Kind^ zurück«
loDmen, weil in jenen Zuständen kein Bewusstsein und eben da-
ron andi kein Erkennen derselben, also auch keine Erinnerung an
it im spSteren Alter statt finden. Er kann höchstens von den Er*
KbeiBimgen im gebomen Kinde, wie er diese im Aenssem Anderer
hdet, spredien. In diesem Falle aber fehlt die Unmittelbarkeit, die
n eiaem Prhiclp der Wissenschaft erfordert wird.
Der Süssere Gegenstand (zunScbst die Atmosphäre) wirkt auf
iai neugeborae Kind. Die Luft veranlasst, als fremder Gegenstand
k die Lunge dringend , wie der Hr. Verf. sagt , ein unangenehmes
Befllbl. Dieser Zustand muss überwunden und der frühere unge-
Mlrte Zustand wieder hergestellt werden, was durch das Ausstossen
hr «'Dgeathmeten und innerlich verarbeiteten Luft statt findet. So
iitiiaeh ihm „die Erregung^ von Aussen „Störung'', „unangeneh-
■erZostand^ Ae „Ueberwindung*^ oder „Aufhebung*^ der Erregung
(StöniDg oder Hemmung) der wieder hergestellte ungestörte, ange-
Mlmie Zustand. Der ungestörte Zustand „war vor dem gestörten.^
I^er angenehme Zustand mfisste also nach des Ilrn. Verf. Meinung
vor dem unangenehmen im neugebomen Kinde gewesen sein , und
fcehlSngtdesDeugebomen lebenden Kindes erste Aeusserong des Ge-
All erst mit der Erregung der Luft an. Erst durch diese Erregung
k<Knmt es sum OefBhle ; denn nach dem Hm. Verf. soll das neu-
S^borae Kind „keine Kunde von seinem Fühlen geben.*' Der ^^be-
ndiigte Zustand^' wird ;,Gefühl<', der gestörte „Empfindung'^ genannt.
Offesbar ist diese Benennung des Hrn. Verf. nicht nach dem Sprach-
Stäche und nur willkürlich. Denn, wenn auch „Empfinden^ nach
^ ßprachgebrauche ein ,;In- sich- Finden '^ ist, so folgt daraus,
te man das „In-sich-Flnden' auch auf den gestörten „Zustand^
^ehen kann, ge^ss nicht die Richtigkeit der Bezeichnung des
SttfSrten Zustandes durch „Empfindung^. Kann man ja eben so
i^^S auch die Bealehnng des In-sich-Findens auf einen ungestör-
ten oder angenehmen Zustand eine Empfindung nennen. Der Hr.
Verf. beseichnet eben so willkürlich den angenehmen oder ungestör-
ten Zoatand als „Gefühl^, da doch dieses eben so richtig einen un-
ageoduBea oder gestörten Zustand bezeichnet, und man mit glei^
t70 WeinMH; Pm prfniibcIi-Meali^lifclie System d. PUlosopUe.
qhem Reehto tob eiaem angenebinen, wie von efoem imiigeneliiMa:
Gefühle sprecben kann. Nach dem Sprachgebrancbe irod dec ur-
sprüBgliohen Bedeotung der Worte beaiehen sieh die Auadrüeke:
Oefühl uad Empfindung gewiss gleich richtig auf angeneboMi
wie auf anangenehme Zustfinde, nur mit dem Unteracfalede, daai
4as Gefühl eine universelle, die Empfindung eine specielle Be*
griffsbexeichnnng ist Eben so unrichtig ist es, wie schon oben aa-
gedeutet wurde, jede Erregung als Störung zu betrachten , also in
Ihr nur den unangenehmen Geföhlszustand an erblicken, oder ia je-
dem angenehmen Gefühle eine Aufhebung oder Ueberwindung der
Erregung anzunehmen. Sehr oft entsteht gerade unmittelbar dorek
die Erregung ein angenehmes Gefühl, während die Aufhebong dtf
Erregung ein unangenehmes veranlasst
Das Fühlen bewegt „den ganzen Menschen^, eben so auch
„besondere Theile desselben^ (S. 20). Die besondern Gerühisso-
stttnde finden durch die Erregung der Sinne statt Aus dieser Er«
regung der Sinne entwickeln sich vermöge der Sprachlaute die
Begriffe.
Der grösste Raum der Schrift ist für die UntersQchung dei
Sprach laute und ihren Einfluss auf die Biidong der Begriffe
verwendet (S, 25 ff.). In dieser findet sich neben manchem Ua-
richtigen und Unhaltbaren auch manche scharfsinnige, interessaot«
Bemerkung, die als Beitrag zu einer Philosophie der Sprache, wdchfl
mit Herder ihren Anfang nahm, nähere Berückaichtigung ve^
dient Von den Yocalen und Gonsonanten soll die Bedeutung ii
der Mitte, am Anfange und Ende des Wortes und in der Verbiii'
duig der Buchstaben unter einander nachgewiesen werden; der Ba^
Stabe im Anfange ist nach des Hrn. Verf. von Grimm entlehntem Au»
drucke Anlaut, in der Mitte Inlaut, am Ende Auslaut, Offen;
bar geht diese Buchi^abenphilosophie so weit, dass die Phaotaaie ein
Menge von Vorstellungen in die Buchstaben überträgt, und natiidiel
das selbst Hineingetragene darin auch wieder findet Wir wollen hie
nur einige Beispiele zum Belege geben. Das ^inlantende I^ d* li
das I in der Mitte eines Wortes kann nach dem Hrn. Verl. 8« 3(
,^die äuaserste Richtung oder Bewegung eines Stoffes oder eine
Dinges andeuten und vorwaltend das Aeussere vorstellen (sie)» das
insofern es über die angenehme Mitte weit hinausgeht, gleichsaa
verletzt (1), oder eine starke Empfindung, Unruhe und Entgege»
Setzung veranlasst.^ Die mit der Einbildung hineingetragene Vor
Stellung dieser Buchstabenbedeutung wird schwerlich mit den viei
& 81 angeführten Worten «Spitz, IBIHz, Wind» List^ bewiesen sein
Nicht der Budistabe gibt hier diese Bedeutung, sondern der Begcii
der mit dem Worte verbunden ist Zum Belege lieBB9 sich eil
Dutzend Wörter anführen, in denen der Buchstabe ia entgegeogefletc'
tem Sinne genommen werden müsste. S. 31 will der Hr. Verl
schon aus dem Buchstaben o in dem Worte j»soff^ von gaaiifen*
beweisen, dass in dem o als einem j^zusammeagezogenen und ver
Wel»kalis: Dm 4»f«tiiKli*-iiletUftbc|ie Sy«l#m 4. PUlQfopUft IT|
dicbiBten' au «die Aodeotang der au/gehobenen Bewegoag Toa Avß
wh auf die Gegenwart beziebenden Laut a (I) au dem eicb auf
Uateree beateheDden Laot u'', Bomit ^der Uebergang des Oegeawär*
tlgea sa eloem Yergangenen (1)| das die Mitte awiecben de» Ge^
geairftrtigeii nod dem YöIiig-^Yergaogenen bftit^, iiege. Der Bueh-<
Habe £ erecbeiot, wie der Hr. Verf. S. 32 eicb aoedrüclLt, „hUiaig
gWcbaam ecbwSoblicb^ (I), „eine Bewegung andeutend (sie), wenig
üaltiiog gewährend (!!} und kaum eine stoffliche Beaiehang (sie}
darbietend.^ Dieser Buchstabe soll überhaupt ^lur Andeatang dea
Flüchtigeni Vorübergehenden, Innerlich-Unhaltbaren passen«^ S. 41
heisat ee; ^Das auslautende m erscheint als Andeutung eines schwachen
Gestaltungsabschlusses (I), das anlautende m dagegen deutet einen
Geataltnngsauischluss oder ein Herausgehen des Gestaltigen (I Q an.''
Es ist iclar, dass die Kenntniss der Bedeutung der Worte es
leicht macht, je nach der Bedeutung des Wortes diesen oder jenen
Sinn mit dea Buchstaben au verbinden, und dass die Combinalion
dar Worte in der Sprache kein Ende nimmt, indem nach dem ia
mehreren Worten aü übereinstimmend aufgefundenen Sinne immer
wieder Stoff aur Vergleichung mit andern Worten gefunden wird;
Es iat femer bekannt, dass für einen und denselben Begriff jede
Sprache ein anderes Wort hat, und dass beinahe alle Buchatabeo
in einem solchen Worte immer wieder andere Buchstaben sind, ala
die des Wortes in einer andern Sprache. £a ist klar, dass blosse
Laute, wie Consonanten, die ohne den Vocal keine Selbststfindig«»
keit haben, unmöglich, da sie kdne Begriffueichen sind, Begriffe
beseldiBen k()onen, und dass Alles, was der Hr. VerL in diese Buch«-
staben hineinlegt, Begriffe ToraasseUt, die erst hintennach mit den
Bnciistaben verbunden werden. So gelangt er selbst in eine be«
giilDiche Behandlung hinein, während er, diese vermeiden wollendf
aBea Geistige nur als Metamorphose dea Gefühls darzustellen h€t*
müht iat
Je mehr nim, wird von S. 46 an weiter entwickelt, das Füh«^
len die Erregung, welche nach dem Hrn. Verf. eine St&rung ist, mt^
hebt, desto mehr gewinnt es an Stärke und Kraft, desto mÄr an
Dichtigkeit Das Fühlen wird gleichsam durch diese Entwickhmg
«verdichtet^ (sie). „Indem das Fühlen, helsst es S. 46, sich auf
selche Weise mehrfach entwickelt, nimmt auch die Grundlage oder
der Keim desselben zn an Kraft und Umfang, so dass wir den Ent^
wkklnBgsMand des Fühlens aU einen befestigten und verdichte«<
ten (sie) erachten können.^ Hieraus soll nun durch die immer
weitere Entwicklung des Fühlens „das Begreifen nnd Denken^, „daa
Begehren und Wellen^ erklärt werden. Dies wiH man darch die
{ntwickluag der $inne und die mit ihnen suaammeahängende Sprech«
büdoQg daietclleiL Auch hier seigt sich wieder hinsichtlidi dfi^
letztera das Bestreben^ verschiedenes, durch das bekannte Wort ua^^
Uopit Offenbare in die Bedeulang der das Wort bUdenden Bu^h*
atl^^ hindiwtrageii mid aus ihnen sodann wieder bermsaolesen«
in Weinbohi: Das orfiniseh-iclealfflfictie Syilem d. Philofopbfe«
So lesen wir S. 62: ^Baum gewSbrt ein dem Gegenstände ent-
sprechendes Fühlen, das durch B eine leichte, nach Anssen gerich-
tete Bindung (!) andeutet, welche durch a offen, durch a vertieft
(sie) und durch m in flüssiger Gebundenheit (I!) erscheint; so dass
durch die Laute eine rundlich feste Gebundenheit (sie) angedeutet
bt^ So wird von „Hut^ S. 63 gesagt: ^Das VerhSltniss des H
Eum n deutet allerdings etwas sich nach Unten Bewegendes (!!)
an, und t schliesst diese Bewegung ab (I), was jener Vorstellung
entspricht.^ Erst durch die Verbindung der Laute eu einer Dnhett
des Wortes entsteht der Begriff, so dass also ohne Wort, wie der
Hr. Verf. meint, Icein Begriff da ist. „Der Begriff ist als Wort ein
Ganzes von gelauteten Fühlweisen, welche in ihm in einer Einheit
sind, die nur mit dem Wort besteht, und erneuert werden kann.'
Blosse Fühlweisen machen noch kein Wort, so wenig, als blosse
Laute. Aber das „Ganze von Fühlweisen^ ist ein Begriff? Der Be-
griff setzt Gefühl voraus, ist aber dessbalb kein Gefühl. Wir er^
kennen die Gefühle, wir machen sie zum Gegenstande innerer Be-
trachtung. Wir erkennen die Empfindung durch die Vorstellung.
Erst durch das Vergleichen, Trennen und Verbinden der Vorstellun-
gen, durch das zum Bewusstsein bringen der Einheit in einer Reibe
von Vorstellungen entsteht der Begriff. Ein Wort Ist noch kein Be-
griff; sonst müsste eine Reihe auswendig gelernter Worte eine Summe
von Begriffen sein, und doch sind diese Worte, wenn sie richtig,
aber ohne Kenntniss ihrer Bedeutung ausgesprochen werden, Worte,
aber keine Begriffe. Ein Begriff kann vorhanden sein, und doch fehlt
das Wort zu seiner Bezeichnung. Wie oft kommt es dem GedScht-
Bisse vor, dass ihm ein Wort entschwindet, und doch schwebt dem
Verstände der durch das Wort bezeichnete Begriff deutlich vor ! Nnr,
weil der Mensch Begriffe bildet, schafft er sich Worte. Die Sprache
ist die Offenbarung der Vernunft. Der Hr. Verf. hält sich nun anck
bei der Entwicklung sittlicher, rechtlicher und religiöser Begriffe zu-
nichst an die Worte, welche verwandte sinnliche Begriffe bezeich-
nen, wie „gut, recht, schön. ^ Natürlich lassen sich über die Sinn-
Kehkeit hinausgehende Gefühle und Erkenntnisse von einem Stand-
punkte nicht entwickeln, oder genügend erklSren, welcher keine an-
dern Erkenntnisse, als die verschiedenen Weisen des durch die Sinne
sich entwickelnden angenehmen oder unangenehmen Gefühles annimmt
Von dem Begriffe der Heiligkeit wird deshalb S. 83 gesagt, er
bestehe für uns nur oberflächlich durch die unbestimmte Vorstellung
des uns Fehlenden. Aus dem Wunsche, diesen Mangel aufzuheben,
wird der religiöse Glaube abgeleitet.
Im dritten Abschnitte(S. 89 ff.), welcher dieEintheilung
des organischen Idealismus enthält, wird die Philosophie
1^ in die allgemeine Entwicklungslehre des Menschen,
2) in die besonderen Entwicklungslehren des Men-
schen, 3) in die aligemeine Wissens- und Seinslehre
elngetheilt Die besonderen Entwlcklangslehren des Menschen sind
Weisholli: Oit ofgaaiidl-idMlitUiohe Syrttn d. PUlotoi^. 179
die Sprach», Denk* iwd Handelntlehre. Die leteiere
iHrt Sittliches, Rechtliches, Kunstiges (sie), Steati-
gss (sie).
P&dagogik (8. 104) und segar Aesthetilc (& 104ff.)
will der Hr. Verf. tod der Philosophie ausgeschlossen wisseoi
di er das Kanstige (sie) unter die Handelnslehre irrthttnalich
isist, und darum das Schöne nur insofern vom Philosophischen be-
liandeit wissen will, als es sich auf die Handlungen der Menschen
besieht. Die Wissens- und Seinslehre (S. 109) soll die »geg-
nerischen Darstellungen der Psychologie^, die ^frähern Lehren tooi
Urspmiige der Sprache'^, die ^frühem Logiken^ (sie), die bisherigen
philosophischen Rechts* und Sittenlehren, StaaUleiiren, Knnstschdn*
helts- und Religionslehren* umfassen.
S. 115 geht der Hr. Verf. sum Ich über, und definirt dieses
slse: ,Das Ich des einaeben Menschen ist das aus dem penönUchen
Seihsterlialtungstriebe und seiner Befriedigung hervorgegangene, all-
gemeine — su einer geistigen Einheit Terdicbtete Gefühl seines Da*
seins lur sich, das alle bisherigen Entwickelungen und Bildungsstu-
fen der Person Terbindet und umfasst.* Wenn das Wesen des Ichs
mir im Gefühle des eigenen Daseins besteht, so mfisste auch das
TUer ein Ich sein, was eine reüie Unmöglichkeit ist, da ihm der
Begriff der Persönlichkeit, des Sichselbstsetzens durchaus abgeht.
Wenn der Hr. Verf. das Ich als menschUches dadurch darstellen
will, dasB er den Ausdruck der Person in die Begriflb Verbindung
aafiiimmt, so ist noch immer su fragen, worin denn das Wesen der
Person bestehe. j^Gewiss wird der von demselben S. 116 venror*
fcne Ausdruck ,»Selbstbewu88tseüi^ das Wesen des Ichs richtigeff
besdchnen. Das Selbstbewusstsein kommt nur dem Menschen wOf
und macht die Persönlichkeit aus, während es dem Thiere fehlt, wel-
ches nur Selbstempfindung hat Das Selbstbewusstseiende , das
Seibstbewusste ist das Ich. Es ist offenbar unrichtig, wenn der Hr.
Verf. das Selbstbewusstsein als die unrichtige Beseichnung des Ichs
erklärt, weil es sich nur auf das Wissen und «nicht auf die anderen
Krftfte und Entwicklungssustinde (sie) der Person^ besiehe; alieia
dss Selbstbewusstsein ist ein Wissen vom Sein des Selbst, und be«
liebt sich nicht nur auf das Wissen, sondern auf das Sein Alles
dessen, was sum Selbst gehört Da Alles aus dem Fühlen abge*
leitet wird, können „Verstand und Vernunft^ nur als «entwickelte
Erifto^ (S. 125) betrachtet werden; sie sind also nach des Hrn.
Verl Ansicht keine ursprünglichen, im menschlichen Seelenkeime
liegenden Anlagen. Und doiä wird aus blossem Gefühle, wenn es
auch in den verschiedensten Weisen aufgefasst wird, weder Verstand,
nodi Vernunft. Allerdings sind diese beiden Vermögen nicht auf
einmal da; sie entwickeln sich, und sind insofeme entwickelte Ejrilfte;
aber der Verstmid und die Vernunft sind etwas vom blossen Füh--
lea Verschiedenes, und setsen eine ursprüngliche Verstandes« und
VmanftMingQ nto K^ TOiMfi 9luie dw «ie aicb Picht entiriekehi.
174 Seybt: Richard Heber Wri^faffion, descli. ä. netren Italfen«.
kennen. Ohne die Annfthme einer menffcblichen Sede, welehe d^
menseblieher L^bens^and von der thierisehen weseiitlicb TerBcbiedett
ist, wird die Einheit für die verschiedenen Radien der geistigem
ThStigkeit nicht gefanden, nnd, da der Ür. Verf. sich auch gegen
diese Annahme erklärt, und über das innerhalb der Organe sid
entwickelnde Fühlen nicht hinausgeht, so ist es von seitaem SUnd«'
punkte aus consequent, wenn sein Sjstem weder „eine Wissenschaft«
liehe Darstellung des Religiösen gewährt^, noch eine „Religlons-
Philosophie anerkennt^, die „mehr sein soll, als eine Erwägung und
Verfaältnisi^bedtimmung der verschiedenen positiven Religionen zu den
verschiedenen Bildnngserscheinungen dör Menschen und Staaten.'
Ebenso schliesst derselbe auch die durch dieSchelling-Hegel 'sehe
Identitätslehre in Schwung gekommene „Philosophie der G^chichte"
ans dem Kreise seines Systemes aus. Die Geringschätzung, mü
welcher bei Gelegenheit „der bisherigen Logik*' Aristoteles und
Hege 1*8 logisches System behandelt wird, kann nicht gebilligt
werden.
V« Retrhlln SEeldenr*
Üichard Heher M^rightsorij Geschichte des neuern Italiens, Von d&
ersten fran&ösischen Revolution bis sunt Jahr 1850. Aus dem
Englischen tlbersetst von J. Seybt, Ldpsng^ 1856, (Bildä
den 39. Band von Bülat/s histor, Hausbibliothek.)
Der Verfasser sagt in seiner Vorrede, er habe nicht eine ans-'
fOhrliche Geschichte Italiens im letzten halben Jahrhundert, sondern
■nr eine gedrängte Skizze der Vorftlle geben wollen, welche dAtf
Geschick der Halbinsel enlschieden und den Grund zu der ^^tif*
wSrtigen Lage gelegt haben. Er will nur den Leser in den Stand
aetzen, die Hoffnungen und Wahrscheinlichkeiten der Zukunft sv
würdigen, aber auch vor der Einmischung ausländischer „Freunde'
Sn allen Fragen warnen, die nur das Volk selbst lOsen kann. Votf
Selten eines Engländers ist das Letztere gewiss ein sehr wohMroetr^
des BekenntnisB.
Das erste Kapitel d^ Werkes beschäftigt sich mit der Gescbiehte
der geheimen Gesellschaften, die schon Foscolo als das HauptttiK
demiss des nationalen Gedeihens ansah , von der Entstehung dar
Garbonarf an bis zu der nnsinn^en Expedition der Brüder Bandi^ra.
Der Verf. hat Recht, dass er die von den Italienern gern angestellte}
aber müiBsigen Untersuchungen über das graue Alter der Carbonari^
Verbindung ganz weglässt und sie einfkch von den Republikaaem
ableitet, die sich 1799 vor der christlichen neapolitanischen Restau-
ration in die Gebirge flüchten mussten. Die Restauration war in
Italien so wenig wie in andern Ländern geeignet die Völker zu-
tHedenzustellen, und so wuchsen die Garbonari an Macht und Aus-
debavng. Dl« Regterwgen von Sem und Keape)) die rie loa wer'*
UyUt ItdMird Heber Wrigtitoon, Getcb. d. aeaen Ilalienf. 17S
te velkeO) Terfielen aaf daB onglttcklidiflle Mittel , da« jen«o nur
Utaifere Dauer und grossem Eifer gab. So wie sie gefUhrliche Rä»-
kerbiaden doreh andere Riaber oder auch dorch Besoldangen besieg-
tes, so «eCsfteB sie gegen die Carbenari die scheüssllehen Verbiadungett
der Galderari «nd Sanfedisti ein. Die letztem hatten besonders die
Ven»fllehtttog, die röoilech-katholische Religion and das Papstthnm
a Tsrtbeidlgen. ^Wehe den Regierangen, sagt hier der Verfasser,
«riebe sieh herablassen Ihre Autorität durch ein BQndniss mit den
isreraatwortltchen Organen geheimer Gesellschaften an stütsen. Die
Msehthaber in Rom und Neapel waren riel au schwach, nm dieee
geflhrliehen Verbüodeten eu leiten oder in Schranken ed halten, und
11^ spätere unpolitische und ungerechte Massregeln lassen sich dem
fisiMt oder der sich jeder Controle entEiehenden Wirksamkeift der
Sssfedisti und Galderari auschreiben. Der Ewischen den feindlleheik
Pvthelen bestehende Hass machte sie wenig bedenklich bei der
WaU ihrer Mitglieder oder der Mittel, die sie anwendeten. So wie
eissMl der Krieg der Clubs begonnen hatte, drftngten sich die rtr*
hürnensten und verwegendsten Charaktere in die Reihen beidef
Pntheien, und Niemand dachte daran sie Eurücksuweisen, damit sie
tiebt etwa die Zahl der Gegner Termehrten. Meuchelmord galt
bom ittr ein Verbrechen, Hass und Rache vernichteten den stillett
IMen des Lebens und lerrissen die Bande der Gesellschaft**
Wenn die geheimen Clubs von 1815 noch nicht bestanden hät*^
ten, wie sie In der Tfaat auch von keiner grossen Bedeutung wa-
ren, so wären aie als gans nothwendige Folge von dem AugenhUek
n als Ausdruck der allgemeinen Unaufriedenheit entstanden, we
eise gans widersinnige Politik die Italiener in allen ihren Hoffnun-^
giB and Rechten aufs Tiefste verletEte. Ein Sjstem des Mfsstrauens,
der Esgfaersigkeit, Furcht und Unentschlossenheit war auf die glilek«
Uen Zelten unter Jos^h und Leopold gefolgt, und durch Bajo«'
Bitts und geheime Poliaei sollte ein Zustand erhalten werden ^ aa
iemn Zweckmässigkeit und Daner doch keiner der Urheber den re^
litgitstt Glauben hatte. Das B^iel Oesterreiehs wurde von den
UiUism karasichtigen Regierungen nur zu gut nachgeahmt. Matt
Mekte, verbot, verjagte, die Zahl der Märtyrer wuchs mit jedem
Uf) und die verawelfeltst^i Unternehmungen der Clubs fanden bei
*BtB, die «och nicht au ihnen gehörten , Thellnahme und Unter«
MOfannig und selbst bei andern Nationen Anregung und Hülfe. 8«
tilgt die Gesehlchte Itaiiens in den leuten 40 Jahren nur ein«
Inntlge Abweehslnng von Unterdrilekang and Abwehr, von Auf«
Ui|<S8 und Wegwerfen verfaaaster und lebensunfähiger lastltnte»
«inen letn negativen Zustand, wob^ das Volk in seiner polUlschea
and socialen Entwicklung auch nicht einen Schritt vorwärts gekom-
^ ist Wenn in diesen Zuständen von Seiten der Lenker italle*
i^er Geschicke keine grosse Weisheit au entdecken ist, so erregt
nock mehr Furcht vor der Zukunft die Ueberaeugung, dass jene
Weieheit allem Anecbein nach, U9ta aUeo Congresseui nur in Folge
i76 Seybt: Ricbard Heber WrighUoB» Geach. d. nettes Italien«;
äueserery der Sache ganz fremder zwingender Ereignisse uod Yei
wiclclaDgen darchbrecben wird.
Der gefährlichste Theil Italiens , besonders geflibrlich fiir dl*
answftriigeii Staaten, die mit Italien in irgend einer Beziehung stehet
oder denen die Störung des allgemeinen Gleichgewichts Besorgnis»
einflössen muss, ist der Kirchenstaat, der grosse Brennpunkt alle
Unordnung. So lange es die Mächte für nothwendig halten , dei
Papst in seiner isolirten und unnatürlichen Stellung zu erhalten
kann die Anwesenheit fremder Bayonette in Mittelitalien schwerlid
entbehrt werden. Die Erfahrung scheint bewiesen zu haben , das
kein Papst die Schwierigkeiten überwinden kann, die er als weltli
eher Herrscher auf seinem Pfad findet. Während andere geistiiehi
Fürstenthümer längst säkularisirt sind, ist dieses übrig geblieben, eii
i^ereinzelter Rest einer andern Zeit und einer veralteten Staatsforn
Aber die weltliche Herrschaft des Papstes verdankt ihr Fortbesteha
nicht sowohl einem Glauben, dass sie der Beligion Dienste leista
könnte, sondern einer Furcht vor den Schwierigkeiten und Eifersücli'
teleien, welche ihre Abschaffung zur Folge haben könnte. Doler
dessen werden die Interessen von 3 Millionen Menschen hingeopfert
Italien wird in beständiger Gährung erhalten und Oesterreich er*
wirbt sich nicht nur üble Nachreden, sondern seine UnabhSngigkei
und Würde leidet auch durch den kritischen Stand seiner Angele-
genheiten jenseits der Alpen.
Während der Franzosenherrschaft waren alle Partden in da
Schuld des Unglücks gewesen, und die Yoranssetsung, dass sie etwai
Ton ihm gelernt haben würden, war sehr natürlich, und doch ganz irrig
Während Consalvi in Wien mit der Vertheidigung der territorial«
Ansprüche des Papstes beschäftigt war, wäre seine Anwesenhel
nnd seine Autorität in Rom sehr nothwendig gewesen, am der wie
dereingesetzten Regierung Mässigung einzuflössen. Damab wän
es ihm gelungen dem Eifer der Reaktionäre einen Zaum anzulegei
und eine fanatische Partei niederzuhalten, die er später nicht meh
beherrschen konnte. Aber die finstern Fanatiker wurden in Boa
die Herrn, der Papst ihr Diener, und Consalvi ihr Feind. Obgleid
es in jener Zeit in dem Collegium der Kardinäle nnd unter dei
Geistlichen überhaupt Männer von ausgezeichnetem Werth und ge
mässigten Grundsätzen gab, welche die Ansichten Gonsalvi's unter
atfltzten, so wirkte auch eine vorurtheilsvolle Minorität allen A»
■trengungen derselben entgegen und liess Nichts aufkommen, wai
mit dem Fortschritt der Zeit übereingestimmt und den vernünftigei
Theil des Volks befriedigt hätte. Mit den zunehmenden Jahren dei
Papstes vermehrten sich die Schwierigkeiten der Ri^erung.
(SMu$$ folßQ
k. a. HEIDELBERGER llir.
JAHRBOGHER der LITERATUR.
Seybt: Richard Heber Wrightons, Geschichte des
neuem Italiens.
(Schlaff.)
Als 1820 QDd 21 in Italiea der Btirgerkrieg wtttbete, fand aller-
dings im Kirchenstaat kein wirklicher Ausbrach statt, aber die Lei-
denschaft der streitenden Parteien machte sich in politischen Menchel«
norden Luft, und yiele der Theilnahme an der Unternehmung des
Grafen Gonfalonieri TcrdSchtige Personen wurden an Oesterrdch anf
dessen Verlangen aasgeiiefert oder in die Verbannung getrieben. Ab
Pios VIL 1823 starb, waren die Legationen und Born selbst too^
Psrt^wttth aerrissen und die päpstliche Regierung weder im Inland
beliebt noch im Ausland geachtet.
Das Böte und das Gute, das die Begierung seines Nachfolgers
Leo's XIL bezeichnete, entsprach seinem CSiarakter und seinen An-
Bebten, welche die eines aufrichtigen und eifrigen aber vorurthetls-
Tollen und engherzigen Priesters waren. Obgleich ein Feind der
herrschenden Corruptlon, hasste er doch alle neuen Ideen, und sein
Toroehmstes Ziel war die Aufrechthaltung der Herrschaft der Oelstr-
hchkeit und die Wiederherstellung der alten Disciplin. In der welt-
lichen Verwaltung sachte er mit anerkennenswerthem Eifer Verbes*
aeruogea einzuführen, das schandliche Netz der corrupten Beamten-
weit zu zerreissen, eine strengere Aufsicht im Interesse der Moral
«ad Ehrlichkeit einzuitihren und manche Missbräuche abzuschaffen«
Aber diese verdienstTollen Arbeiten wurden durdi die Aufmunterang
weit fil>erwogen, welche man der Gewaltthätigkeit und Ungerechtig-
keit der Sanfedistenpartei angedeihen liees. Die Juden wurden ge-
svongen all Ihr Eigenthum zu Teräussern und wieder in den Ghetto
ciagesdüossen, und Yiele veraltete Gebräuche des römischen Hofs
traten wieder ins Leben. Man griff zu den härtesten und willkür-
lichsten Massregeln, um die Carbonari zu unterdrücken, und das
sdiäadllche Gewerbe der geheimen Ankläger upd Spione fand Auf-
nmntwung. Verurtheilungen in Bausch und Bogen, welche die der
Unzninedenheit Angeklagten mit Mördern und Verbrechern der ge-
meinsten Art in eine Classe stellten, verniehteten alle Achtung vor
den Gerichten. So fehlte nur noch die kurze aber höchst traurige
Jesuitenregierung unter Plus VIIL, und der Kirchenstaat war reif
für die Bevolutionen, welche sich von 1881 an fast ununterbrochen
folgten.
Gregor Xin. war aueh noch nicht einmal gewählt, als sich der
KiiAenstaat schon in allgemeinem Aufetand befind, und fremde
L. ^«iiTg. 3, Heft, 12
119 Seybt: Riebard Heber WrigbMiii» Getdi. d. ntntsk Italiem.
EittmiichaDgen einen geflHirlichen Krieg in erwecken drohteo. Man
Mh nnn den politischen Fehler ehi, der auf dem Wiener Congress
gemacht worden war, und die Grossmächte itihlten die Nothwendig-
keit| Vorsorge gegen die Wiederkehr der Kriegsgefahr zu treffen,
die ans fortdauernden Störangen in Mittelitalien hervorgeben könnte.
Sie einigten sich zu dem bedeutsamen und wichtigen Schritt, der
römischen Curie eine Denkschrift zu überreichen, die wohl das wich-
tigste Aktenstück in der neuesten Geschichte des Kirchenstaats ist.
Es ist wichtig, nicht sowohl wegen des darin ausgesprochenen Willens
der Mächte ernstlich zu reformiren, denn die Kraft dieses Willens
hielt nicht einmal ein ganzes Jahr an, und die hie» geoffenbarten
Vorsätze nnd Gesinnungen wurden später in Gaeta gäozlich ver»
Magnet; sondern es ist wichtig durch den Nutzen, den das Volk
daraus ziehen kann, es ist eine formelle Anerkennung der öffentli-
chen Meinung, dass eine ausschliesslich priesterliche Herrschaft nichts
iaogt| es verwandelt sich zugleich in eine Anklage gegen diejenige,
^wefche gegen ihre eigne Ueberzeugung eine solche Priesterherrschaft
einem Volk mit Gewalt aufzwingen. Das Memorandum bespradi
die Zulassung von Laien zu Verwaltnngs- und richterlichen Funktio-
nen. Es deutete auf die gegebenen aber nicht erfüllten Verepre-
chingen einer bessern Einrichtung der Gerichtshöfe hin und empfahl
ihre BrCaUang. Es rieth die Bildung von gewählten Gemeindebe-
hörden nnd ProTinaialräthen an, um die Statthalter in ihrer Ver-
waltung zn unterstützen; femer Reform und Oeffentb'chkelt in der
Finanzverwaltung und für den gesammten Kirchenstaat, die Ein-
stttnng einer herathenden Consulta, zusammengesetzt aus Mit^^»e-
deniy die ans der Mitte der Gemeindebehörden gewählt werden sollten.
Der Staatssekretär Bemetti erklärte sich mit der den Staats-
männern des helligen Oollegiums eignen schlauen Klugheit mit den
gegebenen RathschlKgen einverstanden, und einige ostensible Mass**
regeln wurden ergriffen, um einer scheinbaren Beistimmung den An-
sehein der AulHcbtigkeit zu geben. Aber es ist wenig Grund m
der VeraussetEung vorhanden, dass die römische Curie ernstlieh be-
absMiUgt hätte, ihre weHlicben Angelegenheiten Laien anzuvertrauen
eder den Berathnngen einer Consulta irgend welchen Einfluss za
gestatten. Trotzdem ist die Ueberreichung dieser Vorstellung dureh
die fOnf Mädite als eine historlsehe Thatsaehe von grösster Wich-
tigkeit zn betrauten. Das päpstliche System erhielt dadurdi eine-
Odadenfirist, und wären der Papst und das Cardinaleollegium Mdg
gewesen eine richtige Ansicht von dem, was ihre Interessen ver-
langten, an gewinnen, so hätte sich vielleieht der Verfall der weit--
lldien Herrschaft der römischen Cnrie aufhalten lassen. Hätten sie
den Ansichten der fünf Mächte nachgehandelt, so darf man anndi*
men, dass eine überwiegende Mehrheit des Volks sich befriedigt ge-
fühlt hätte und die Bemühungen der Aufwiegler vereitelt worden
Affären. Die AusfiOehte, zu welchen damals die päpstUehe Begierung
|M| lassen siek nioht durch die Furcht vor weitwgehenden For*
&ybt: Ricfa«r4 Helwr Writklq^i, Qffch« ^ «tieft MitM« 119
deraqeen bMokänigta. Die Hfichte, wdche bei diwer Gel4(«vM^
Mrf fiefonneo drangen, boten eine genügeiide Bürgs^baft gegen re«
ToktionSre Uebergriffe oder gegen den Druck unversUUidiger For-
dffBogen. Aber die Wahrheit iet, dMe die rötniache Curie Refor-
men beastf nnd deas naa pereönlicbe und PartbeUnterepeen die Ober-^f
band gewinnen lieaa. /
So konnte es nicbt fehlen, daaa die Unrohen und AulatKnd^
iBMier häufiger, die Forderungen von Seformen immer driiigeiij)|^
die reaktionären Sanfediaten fanatischer und grausamer wqrden^])!^
SeUrreichischen Truppen erschienen sogar in manchen StVdten al| £0^.
tsr gegen die Sehandtbaten der klerikalen Farthei. Das l^eUtCe be-
reitete aber auch den Sture Bernetti*s Tor. Er basste das dsterreio^^li^
Uebergewicbt im Kirohenstaat und suchte die FranaoseUt welche ii^^j^*
Üch Ancona besetzt hatten, als Oegengewicht an benuiien. £r n^edia
iber nach einer Reibe von Intrigoen seine Stelle dem unbeugsaa«.||
Rsktionären Lambrusebini überlassen, unter dem der Kircbenstaiit
n TiHfiger Anarchie und Haltlosigkeit gebracht und dan Wühlereien
av llasiinieten preisgegeben wurde.
Eine Wohltbat jedoch eraeugte fUr Italien das Memoraskduia
ud die darin ausgesprochenen Anaiehiea der fUof Mächte« Es er-
Wb sich bald nach dieser Zelt zwischen den sieh kämpfenden eoLtre*
nen Parteien eine Gesellschaft der gemäsaigtea liberalen und wehren
PoitachrittsoEiänner, welche durch das Memorandum ihre moialisehe
Kraft erhielten. Diese Ftihrersehaft der geistigen Bewegung, düese
Uaoner yon Charakter und überlegenem Talent, welche in hosaera
2d'^ Mailand besessen hatte, lieferte jetzt Fiemont, das yor Alfteft
ham für kalieniscb gegolten hatte, das jedoch für die Zukunft allein
betifen scheint Italien zu retten. Die hauptaäcUichiten Führer dieser
Partei sind Gioberti, Balbo, Azeglio, Dnrando, zu weleben der Ter*
faflttr nicht mit Unrecht noch die Geachichtscbiieiber Farini, Gual*
teilo, €k>lletta nnd Pahmeri zählt Die Partei hatte noch k^in ber*
rtiniat üusge^irochenes Programm und keinen Führer für eine toi-
ber^ete That, die sich allerdings auch nicbt mit einer gemässigten
UheraUtät verträgt. Im Gegentheil, die Meinungen d0l bekannten
Sduiflsteller gingen ziemlich weit auseinander; aber an ihren Ter*
Khiedenen Prüflingen r^te sich das Urtheil der Menge nnd WSfde
«Hetzt aueh der Yentand der höchststebenden gehUdel. flie weil*
teinicfat umstürzen, sondern an das Alte, längst bestebend^ ^Ar-
bsHend anknüpfen, obgleich sie, wie das bei der Beformation im
1«. Jahrhonderts auch der FaU war, durch den hartnäckigen Wider-
Httd und das fanatlsobe Festhalten der reaktionäreB Partei au der
Ccberaeugong gebracht wurden, dass das Alte jeder Entwicklung
oad Yeibeesening widerstrebe nnd der Lebensfähigkeit entbehre.
Qioberti, der zuetat mit seinem Primate auftrat, stellte darin, gegen
^ Ueberzengnngen und Esfahmngen der Italiener, den Satz auf,
^ Nichts gegen den Pnpst oder ohne den Papst geschehen dürfe»
<« es lasse sich nichts wahrhaft Gates durchführen, wenn ea niebt
iM Seybt: fticliard tfeber Wrightouf, Geieh. d. neaen luUeas.
fermittelst des Papstthoms geschehe. Mit grosser Beredsamkeit er«
mahnte er die Italiener, die eben unter Gregor XVL und Lambrus-
chhii seufzten, die päpstliche Autorität als das grosse Werliseug so-
cialer und politischer Wiedergeburt zu betrachten, als eine wohlthi-
"^ge und Eintracht stiftende Macht, welche die Freiheit heiligen und
^n Uebermuth im Zaum halten sollte. Durch die Aussöhnung da
fiOrsten und des Volks sollte ein starker Bund gestiftet werden,
desl^ Oberhaupt der Papst seüi sollte. Wenn dieses Werk 6io^
feerü ä ^^'i^^^ *Q <Jw Zeit, worin er es schrieb, mehr Aehnlichkel
tnU Ult^^S^" Träumen als mit einem auf genaue und klare Beobadir
tung ^^g^^^^^^^^ System hat, so hat er doch zuerst die öffentlicbi
Melou^^ £11 der Ueberzeugung zu bringen gesucht, dass gewaltsam
^^^l^onäre Veränderungen in sich den Keim der Hinfälligkeit tra
.^„ ^nd daBs die Unabhängigkeit nur durch eine einheitliche An
glf^guDg^ zu der alle vorhandenen Interessen sich aussöhnen un
>4iiaiiimenwirkeD, errungen werden kann.
Der Graf Balbo stimmte dem ^grossen Gedanken^ Gioberü!
Wj eioen Staatenbund als die Grundlage aller künftigen Verbessi
Hingen zu halten, und bezeichnete auch die Aussöhnung der Inti
ressen der Fürsten und des Volks und die Bildung eines politisclis
und Handelsbundes als das Mittel, durch welches das Gedeihen un
die Würde der Nation wieder hergestellt werden könnte. Aber <
wich in dem Gedanken einer päpstlichen Hegemonie schon weit yo
demselben ab und bestritt ihn. Die folgenden Schriftsteller ginge
noch weiter und griffen die weltliche Regierung des Papstes in ein<
Weise an, dass der Gedanke einer Leitung der politischen und sc
cialen Geschicke Italiens durch den Papst immer unhaltbarer wurd(
Auch Gioberti sah seinen Irrthum ein, wie aus seinen spätem Schril
ten hervorgeht.
Die meiste und beste Wirkung machte Azeglio's Casi di tU
magna. £r schildert mit Wahrheit und Mässigung die Beschwerde
und Leiden der Bewohner des Kirchenstaats, die Täuschungen uo
die immer drückendere Verschlimmerung der geistlich-weltlichen Mist
regierung, die von den fünf Mächten empfohlenen Beformen no
die Ausflüchte und Zögerungen, durch welche dieses. Einschreite
fruchtlos wurde. £r beklagt die fortwährende Ausschliessung de
Laien von der Verwaltung der weltlichen Angelegenheiten, die Vei
folgungen aus Parteigeist durch Hülfe einer corrupten Polizei , o^
▼iler Gerichte und einer feilen und zuchtlosen Soldateska, die 4^
wahren Ursachen häufiger Aufstände sind. Die massvolle Haltuij^
dieses Werkchens, wdches keinen revolutionären Geist atbmelj
keine bestehende Regierung bedrohte und keine Verletzung von Vei
trägen forderte, sondern an die von den Grossmächten Europa's -df
römischen Curie ertheilten Rathschläge erinnerte und Abhülfe gegei
Missstände forderte, deren Vorhandensein allgemdn anerkannt wai
braclite einen tiefen Eindruck hervor. Alle Liberale sehaarten sid
«m den berühmten Führer and bearbeiteten in seinem Sinn die Ideei
Seybi: Ucted Reb«r Wrikkloili, BUfk. L BMei Italku. tm,
rmMBMgv Befonn«o. Diese Ideen dra&geo ao|r«r la die KttAa,
md eia gHlckUchefl Oeacbick fOgte es, daes einer der wlmgten
Verehrer ron Reformen, der das offenste Hers für alles Gute and
Grosse und för das Glück seines Volkes hatte, Papst Pias IX. wurde.
Wie Pias IX. regierte nnd kämpfte, swiscfaen dem kirchlichen
oad weltlichen Interesse stand und das Mittel der Aussöhnung bei-
ier vergebens soehte, wie er dem starren Mönchthom sa Tiel nach-
gab nnd dann darin unterging, ist der Inhalt der zweiten Hälfte des
Werks. Diese Jahre von 1846—50 scheinen mir nicht nach ihrer
Jansen Wichtigkeit gewürdigt, noch das daraos au Lernende genug
kerrorgehoben an sein. Die Regierungsgeschichte Pins IX. beweist
Hei mehr als die der vorhergehenden Päpste in unserm Jahrhundert
ile unabweisbare Nothwendigkelt, das weltliche Regiment gana nnd
Rlr Immer von dem kirchlichen su trennen. Wenn weltliche Fürsten
ron schlechten oder unfähigen Ministem berathen werden, oder seihet
nicht die wohlwollendsten Absichten oder die nöthige Einsicht in
Betreff ihrer Pflichten haben, so können Fehler, Unordnungen, selbst
Verbrechen geschehen, die ihren Grund In einseinen Persönlichkeit
ten haben, mit ihnen verschwinden, oder durch eine geringe Ao*-
Mrengnog beseitigt werden. Wenn aber der beste, mildeste und
Mgeklärteste Fürst gehindert wird, seinem Volk eine vernünftige
bd gerechte Staatsverfassung zu geben, bloss weil er an ein Prin-
lip gekettet ist, das jedes freie Streben, jeden geistigen Fortschritt,
Me unabhängige Blüthe rein menschlicher Thätigkeiten verbietet
md unterdrückt, so lässt sich nur sweierlei gewärtigen, was auch
m dem jetsigen Stadium, für Italiens Glück vielleicht viel au spät,
riagetreten ist: die öffentliche Meinung in ganz Europa verdammt
Be falsche Anwendung dieses Princips auf das Staatsleben nnd be-
Umpft sie, vorerst in Congressen und durch Memoranden, wdl sie
He allgemeine Ordnung stört, und im Innern Italiens bereitet sich
ÜB noch viel verderblicherer Kampf gegen das Princlp selbst vor,
wobei Religion und Sittlidikeit in die grösste Gefahr kommen.
Das Misslingen der Mission Plus IX. ist nicht in seiner Regie-
nngsweise zu suchen, sondern in der seiner Vorgänger seit 1814,
toter welchen der Ultramontanismus und Jesuitismus sein altes An-
Mhen wieder erlangt und seine Macht scheinbar für die Ewigkeit
festgestellt hatte. In dieser Hinsicht scheint mir die Uebersicht des
Verfassers zuweilen zu gedrängt. Besonders die lange nnd unselige
Regierung Gregor's XVL, unter welcher alle Keime zu dem nach*
uallgen Unglück Italiens üppig aufgingen, ist auf 10 Selten abge-
nacht, während der Verfasser fast 3 Seiten verwendet, um das Be-
'.ehmen der englischen Regierung in Betreff SIciliens 1814 zu ver«-
Aei^en. Er geht femer in viele Ereignisse zu wenig ein, um den
Zusammenhang mit spätem anschaulich zu machen. Man wird nicht
fiberzeugt von der nothwendigen Erscheinung und dem Ursprung
BBsncher Thatsachen aus Plus IX. Regierung; am wenigsten aber
wM diejdnig^ EMte des Innern Yolkriebens klar, in ifrddiet der
lettto Princlpienktnipf wurzelt. K. Iftutli.
Luigi Carlo Farini, la Diplomasda e la Quistione itüliana.
Lettera al Sign/or GugL Qladsione. Torino 1856.
Seit den drelaiger Jahren beschäftigen sich die gebildeten Ita-
liener, unabhängig neben den tiberspannten Ansichten nnd denirie-
derholten VersehwOrungen der Sekten, mit der Lösung der Frage,
wie auf IHedliohem Wege die politischen Zustände ihres Landes rer-
bessert werden kOnnten. Die Werke über diese Frage sind sdion
SU einer ansehnlichen Bibliothek herangewachsen; wir erinnern nur
beiläufig an die Namen Gioberti, Balbo, Aaeglio, Dnrando, Mamiani,
Oaleotti, Capponi« Die Frage wird immer dringender und, je länger
hinausgeschoben, desto gefährlicher. Sie ist in der letzten Zeit in
ein neues Stadium getreten, denn sie ist ror das Forum der öffent-
lichen Meinung in ganz Europa gezogen worden, nnd weicher
Umschwung der Ideen in den dreissig letzten Jahren vor sich ge-
gangen ist, beweist die Sprache in der Aprilsitzung der letzten Pa-
riser Conferenzen im Vergleich zu der Sprache auf dem Laibacher
Congress. Wenn man früher hauptsächlich eine mangelhafte Gon-
stitution in Italien verlangte, so ist man jetzt tiefer gegangen und
sucht den Grund des Uebels in dem überwiegenden. Alles hemmen-
den Einfluss Oesterreichs. Unabhängigkeit von diesem gefährlich-
Bten Feind Italiens ist die Losung bei jedem Aufstand, das Endilel
aller politischen Betrachtungen. Sie ist es auch bei der gegenwar-
tfgen Schrift, die natürlich von allen Blättern österreichischer uod
ultramontaner Partei schlecht empfangen worden ist
Nach der letzten Revolution seufzten die italienischen Y51ker
wieder sieben Jahre unter dem Druck derselben Fürsten und Re-
gerungen, die sie gerade hatten abschütteln wollen. Es schien bet-
nahe alle Hoffhung zu Reformen verloren, als plötzlich die weet-
mächtlichejn Diplomaten ihre Ansicht von Italien änderten und er-
kannten, „dass die Italiener eben so gut wie die Türken ein Recht
hätten christlich regiert zu werden.^ Dies schien dem Verfasser die
Gelegenheit die Wahrheit Aber die Lage Italiens zu sagen, um dne^
selts allen trüglichen Schilderungen derer zu begegnen, die von der
Reaktion Gewinn ziehen, andrerseits diejenigen zur Besonnenheit ca
«rmahnen, die in ihrer übertriebenen Hoffnung auf die Hülfe der
Westmädito bei der ersten Enttäuschung wieder zu verzweifeltes
Mitteln greifen könnten. Det Verf. fürchtet indessen die Gelegen-
heit mödite wieder fruchtlos verloren gehen, denn die westmächt-
nAe Diplomatie scheine ihm in den Kampf getreten zu sein ohne
klare Absicht und ohne den festen Entschluss «in vorher überiegtei
Ziel zu erreichen,
W^BÜewski hatte im Congress gesagt, der Kirchenstaat befinde
sich in anormalem Zustand, da er, um sich zu halteui fremde Trup*
Ftrhi: li DfplMiah 6 k Qobli«» MinA ||f
pM iiSdiig liäUe, wotu Clarendon zufügte » das VermUia(«i|fr
lim dea rtoiaehen Staate kdoae Oelahrea biiofeii, die der CQ^gteee
beBeitigen möeee, wenn er niebt für die fiereliitioii arbeiten woltar
Eeiiier der andern Gesandten Uagnete die Uebel, Gefahren, die
Notbwendigkeit au heilen, keiner Übernahm die Vertbeiditonir i^
geisüichen Regimente, selbst der österreiehisehe nicht Was die G«t
Bsndten des Ck>Bgre8ees über Rom sagten, dasn kamen sie auf nar
tfirtichem Weg durch die fremde BesaUrong. Für ihren Ausflpruch
über Neapel nnd Ihren Vorschlag einer Ermahnung an die dortige
Regierang oder gar einer InterTcntion hatten sie aber keinen Be^
wfggrund, der auf die Traktate gegründet wäre.
Durch ihren Ausspruch erregten sie aber die grdsste Erwartungi
Furcht und Hoffnung. Man erwartete, dass sie auch die Mittel be^
wx hätten ihren Ermahnungen Nachdruck au geben nnd ihre rero^
iQüODsfeindlichen Absichten zu erreichen. Man konnte nicht denr
ken, dsss sie eine Regierung ihren alten Gang geben Hessen, die
Mcb ihrem Ausspruch vom rechten Weg verirrt war, Unruhen Ter*
snlasite und die Demagogie begünstigte. Man konnte nicht glao*
beo, dass die Westm&chte durch die blose Aensserung ihrer wolil*
wollenden Absichten und durch ihren herben Tadel gegen die nea«>
|»olitsnische Regierung allein das Volk zur Rhhe au bringen hoffiten.
Jetst nach dem Verlauf yon mehreren Monaten sieht man keine
einzige gute Wirkung einer so ungewöhnlichen Sprache. Diese wird
iu Gegentheil immer gem&ssigter, nnd die Hartnickigkeit der An«-
geUagten ist gleichsam eine Beleidigung gegen die Würde der Aa-
Uäger, and die Völker Italiens glauben sich wieder von England
«nd Frankreich betrogen zu Gunsten Oesterreichs.
In Neapel sind drei furchtbar« Regierungssjsteme mit Meineid^
Hsbeuchi, Bestechlichkeit und Grausamkeit auf einander gefolgt.
Die Diplomatie verlangt jetzt weiter nichts als die Befrtinng Poerlo's
«od einiger andern Ehrenmänner und einige Milde im Justizwesen.
Ist dies eine Genngthuung für die tansend andern Unschuldigen?
Warom verlangt man nicht Einrichtungen, in denen EhrepmSnner
übtthaupt ezistiren können? Warum spricht man nicht von den
öieaehi in den Gefängnissen und Galeeren, von dem Schandfleck
i«t Gorruption von oben bis unten? Und wenn man alle GeOngr
Bitte und Galeeren von den politischen Eingekerkerten leerte, so
k'teu keiner mehr ehrlich in dem Lande leben. Diejenigen irren
zberaueh, welche glauben, mit der Constitution von 1848 wäre
geiiotfen. Denn zum ruhigen Zusammenleben von Regierung und
Volk gdiört Vertrauen. Hier wäre aber sofort überall der Verdacht
^M tags und Trugs und der Gewaltthätigkeit lebendig. Die frühem
Henker mit ihren irunknen Lazzareni, Angebern, Stelleojiigeam bX«
nea gleich wieder zum Vorschein. Aecht constitutionelle Minister
i^den bsid wieder im Kerker sitzen, und die alte Anarchie und der
I^^ipotismus herrschen. Und wenn es schon schwer wäre einen Fer«
<aüd zu eber bessern Bcfl^erung nu bekehren i so wäre ea noch
IM Parinl: M Dipfomtik 6 U Qalition« ittlfiiia.
Tiel schwerer sein Volk von seiner wirklichen Bekehrnng m über^
sengen. Denn Neapel nnd noch mehr SIcilien hat Grand genug
königlichen Versprediangen nnd Eiden nicht zu trauen.
Wenn also die erste Arbeit der Westmächte in Neapel wSre,
eine ehrliche nnd vertrauenswürdige Regierung zu schaffen, so wäre
das nächstwichtigste, dass in Neapel nnd Sardinien ein System der
Nationalpolitik hergestellt würde. Neapel war bisher von Italien
gleichsam getrennt, und dies war der Orund der österreichen Prä-
potenx, die jetzt den Westmächten zu denken gibt, weil sie das
italienische und auch das europäische Gleichgewicht bedroht. Diese
Präpotenz wäre nicht möglich, wenn die zwei grössten Mächte Ita-
liens den Schutz der Unabhängigkeit der kleinem übernähmen. 80
würde nach dem Verf. Italien ein starker Bund werden, der nicht
der einen oder andern Macht anheimfiele, „sondern bei einem euro-
päischen Krieg den Ausschlag geben könnte.^
Es wird Niemand in Zweifel stellen, dass diese Pläne, wenn
sie je einmal ins Leben treten werden, ein grosses Hindemiss der
glücklichen Entwicklung des italienischen Volks wegräumen würden.
Eine gute, offne, ehrliche Regierung in Neapel und ein nationales
Bündniss zwischen Neapel und Piemont zu Bewahrung der Unab-
hängigkeit Italiens und zum Schutz der kleinem Staaten gegen alle
schlimmen Einflüsse wären zwei Tortreffliche Dinge. Aber der Vor-
schlag leidet an demselben Gebrechen wie fast alle übrigen, die seit
1880 von allen Doktrinären gemacht wurden. Farini erwartet auch
alles Heil vom Ausland. Er verlangt, dass die auswärtigen Mächte
die Mittel zur Herbeiführang besserer Zustände in Italien ins Werk
setzen sollen. Italien hat bei allen solclien Versuchen, wobei die
Fremden ihre Interessen und ihre Kräfte einsetzten, über Treulosig-
keit, Verrath und Betrug derselben geklagt, während eigentlich die
Fremden von dem italienischen Volk, von dessen Verständniss, Kraft
und Einigkeit sie sich eine irrige Vorstellung machten, sich getäuscht
nnd betrogen sahen. Wie soll man eine ehrliche Regierung einem
Volk aufpfropfen, das sich seit undenklichen Zeiten geistliche und
weltliche Tyrannei, Lug und Trug, Spionirerei, Grausamkeit nnd
Schlechtigkeiten aller Art in seiner grossen Mehrheit ruhig gefallen
lässt nnd das, wenn es seine politische Erniedrigung erkennt, nur
noch tiefer zum Ränberleben und zur Auflösung aller Sitten und
Gesetze herabsinkt. Die Regierungsorgane müssten doch aus dem*
selben Volk genommen werden, das immer in solcher Auflösung
geschildert wird; es müsste sich also immer dasselbe Resultat wie»
derholen. Wenn man aber die sämmtlichen Verbesserungsvorschläge
der Italiener durchgeht, so findet man, dass von den wenigsten die
Grundlage aller Reformen erkannt wird, dass das Volk erst besser
werden muss. Und wie dies nach und nach zu erreichen sei, durch
welche Mittel die Denk- und moralische Kraft, die Thätigkeit des
Geistes nach allen Seiten hin und ohne Beschränkung, die Befrei-
ung der Gewissen aus der stumpfen Trägheit mit Erfolg vorzabe*-
Ftriiili ia DSplomiiia e la Qvbtione italiava. 165
reiteD seien, kdooten die Italiener doch einstweilen Ton PiemonI
In Bemg anf den Kirchenstaat ist aber die Diplomatie bisher
gm in einem Labyrinth von Fehlem herumgeirrt Es beweist kdne
grosie Weisheiti immer die nSmIichen Aoskunftsmittel Torsaschlagenj
mit denen man schon mehrmals schlecht gefahren ist, wenn man
doeh die Ueberseagnng hat, dass man snletst andere Wege ein-
Bchlagen mosa. Die Diplomaten sagen, die Regierung des Papstei
bedorre Reformen, die Klerisei sagt entweder es sei nicht wahr, oder
sie kSane sie nicht vertragen. Man hat seit 1814 mehrmals Re-
foimea dringend Torgeschlagen, aber die Sache immer nur mit dem
Kleras abgemacht, für das Volk geschah nie etwas.
Die seitlicbe Herrschaft des Papstes kann, nach dem Ausspruch
der JesaiCen, sich nicht mit den neuen Lebensformen yersöhnen,
ofaoe der getetUchen su schaden. Der Verf. meint, demnach müsse
^ Logik lehren, dass jene aufhören müsse, wenn es wahr Ist, dasi
die Regierungen der Völker wegen da sind und nicht umgekehrt Im
Gegentheil aber behaupte Rom, dass die geistliche Herrschaft nichl
frei sein könnte ohne den Schutz und die Zierde der weltlichen, und so
miMe für das geistliche Wohl sämmtlicher Katholiken 3 Millionen
ItaiieDer das zeitliche Uebel ertragen. Aber die Oeschicbte wirf(
auch jene Behauptung um. Die Kirche stand fest auch nach dem
Vertrag von Tolentino, und der grösate Eroberer beruhigte sich nicht
^r als bis er vom Papst gekrönt war. Viele andere noch kleinere
Staaten als der römische erhalten sich auch, denn diese erhält und
▼ertbeidigt das öffentliche Recht, nicht aber die Gewalt, die übrigens
in Rom nicht einmal Torhanden ist. Es scheint aber vielmehr, dass
je kleiner der seitliche Staat der Kirche wäre, sie um so freier und
sidierer wäre. Selbst der Trost den man den römischen Untertha-
nen gibt, dass sie zum Besten der Religion die Opfer der politischen
Freikeit und eines geordneten Zustandes brhigen sollten, macht we-
nig Wirksamkeit; denn nirgends ist der Unglaube grösser und weiter
▼erbreitet als im Staat der Kirche.
Niemand mehr als die Jesuiten hält Verbesserungen in Rom
far UDoöthig und den Kirchenstaat für gana glücklich. Sie sagen
Mich das ganze Land sei verdorben, voll Raub- und Mordthaten
VBd schlechter Sitten , aber dies sei ja eben die Frucht der neuen
Doktrinen, nicht der kirchlichen Intitute. Sie bedenken nicht, dass
die Geistlichkeit von jeher die religiöse, bürgerliche, politische und
Eniehnngsgewalt besitat, dass die Laien nichts sind, die Oeistlichen
Alles, Apostel und Liktoren, Erzieher und Beichtväter, Regierer und
Inquisitoren, Lehrer und Richter, Censoren und Sergeanten, dass sie
du Inquisitions- und hundert andere Tribunale, eigne und fremde
Soldaten haben, dass sie also gans allein verantwortlich für die
jetzigen Zustände sind. Der Verf. führt die ganse traurige Wirth*
"f^ an emer Reihe von Beispielen, Fakten und Dokumenten auf,
die Jedem, der einen gesetslichen Zustand gewohnt ist, die Haare
ittabea machen, worin wir ihm aber hier nicht folgen können.
186 Farini: la Dipfomtiia e Tu OuiatioiM iialiana.
Farini ist mit der neuen Geschichte des Kirchenstaate TOllkonH-
men vertraut , das beweist sein vortreilliches Werk: La Stato ro*
mano. Er bekleidete als Prälat hohe Posten in der Regierung, war
eine Zeitlang Sekret&r des Ministeriums des Innern, und Ton Pius mit
einer wichtigen Sendung nach Turin betraut worden. £r kennt alle
Fäden des Netzes, womit die reaktionäre Partei alle Yersttche aa
einem vernünftigen Leben hinabdrückt und lähmt; er kennt die Per-
sonen dieser Partei selbst, weiss, was sie versucht, was sie vermaR
und auf was sie sich stützt. Er ist gana auf dem rechten We^,
wenn er behauptet, dass mit irgend geringfügigen Mitteln
die Ordnung in Rom hergestellt und erhalten werden könne,
ehe man an die Erweiterung der Regiernngsinstitute in den Gemeixi-
den und Provinxen denkt, man doch endlich erkennen sollte, dasa
im römischen Staat sogar die Elemente des bürgerlichen Leben«
fehlen, und dass die fehlerhafte Einrichtung des geistlichen Regi-
ments nicht mit Palliativmittehi gebessert wird. Die Westmächto
reden von Reformen in den Gesetzbüchern. Wenn sie aber nicht
das Inquisitionsgericht, die bischöflichen Gerichte, die priviiegirten Ge-
richte, die Bruderschaften, die Immunitäten und die hundert Ana-
nahmsgerichte vertilgen, und die ersten Bedingungen des Staatale^
bens, Gewissensfreiheit, Gleichheit vor dem Gesetz und Sicherheit
schaffen können^ so lange ist alles Gerede von Reformen ein un-
nützer Zeitvertreib. Dem Laien ist jeder Weg zu Ehren und Wür-
den und Aemtern verschlossen; er kann sich, und wenn er das
grösste Genie ist, höchstens in den untern Anstellungen hernmtrei-
ben, die wissenschaftliche Beschäftigung aber wird ihm von der Tiel-
köpfigen Gensur gründlich vertrieben. Man sagt freüicfa dem Kla-
genden, er könne ja Priester werden, spricht aber damit gerade das
Verdammungsurtheil über das ganze klerikale System aus; denn
dieses Privilegium verletzt die Gerechtigkeit, die Moral, die Literes-
sen der Familien und des Staats, thut dem Beruf Gewalt an, näfait
die Heuchelei und die Unzufriedenheit. Auf was soll sich der
Ehrgeiz der Jugend richten, wenn er gerade nicht versucht ist, die
priesterlichen Ehren und Gewinnste zu theilen? Das Gegenatück
dieser Privilegien sind Sekten und Verschwörungen.
Die Westmächte haben schon öfters Reformen verhingt; die
Staatssekretäre gingen in Zelten der Bedrängniss darauf ein, aüeia
die Dekrete waren so abgefasst, dass die ganze Verbesserung eine
Täuschung war, und sie wurden im ersten freien Augenblick unter
dem Schutz fremder Bigonette wieder umgestossen. Der Verfasser
achliesst daraus ganz richtig, dass es nur eine kindische Beschäfti-
gung ist, eine mehr oder weniger weite Gesetsforai über die Ge-
meinden und Provinzen, das Finanzwesen oder den Staatsrath faeravs-
Buspekuliren, wenn man nicht vorher das Mittel gefinden hat, den
Völkern die bürgerliche Toleranz, die bürgerliche Gleichheit, die
öffentliche Sicherheit und die Befähigung Aller, s^n sie Laien eder
Geistliche, zu allen Aemtern des Staats an garantirea. Sefemiei
Eefler: Pfatloiophie 4er Griecft««. 187
ifl dm kleinen! Staaten , sa^t der Verf., sei^n wohl lelebt eu be*-
wtifateliigen. Weon die WestmSchte dafür sorgten, dase die Re*
gieraogen keine Unterstützang ron Oesterreich mehr au hoffen hätteoi
N wfirde daa schon geniigen sie nachgiebiger an machen. Und so
kommt er am Scfalnss noch einmal auf sein eigentlidies Thema, den
verderblichen Einflass des österreichischen Uebergewichts anf die
Gestaltnng dss staatlichen Lebens in Italien. Er geht die Hand-
Inogeti der verschiedenen Staatsmänner, die Traktate, die Verhand-
hngen, die schlan benntsten ZallÜle und Gelegenheiten seit 1815
doreh, nm zu aeigen, dass durch Englands und Frankreichs Ver-
Qidilfissignng nnd Gleichgültigkeit Oesterreich jetzt der Gebieter von
int ganz Italien geworden ist. Ueberall wo es siegte, wurden die
liberalen Institutionen in aller Eile abgeschafft und seine Herrschaft
Ton neuem gesichert, freilich nur über die Regierungen, nicht über
die Völker. Die Zustände der letztem sind ganz wieder dieselben,
▼elehe schon so Tiele unglückliche Aufstände veranlasst haben. In-
dem der Verf. schliesslich im Namen Piemonts die Erklärung gibt,
dan dieses, dnrch seine freie Verfassung Innerlich stark, sich nie*
mafa in einen leichtsinnigen Krieg mit dem mächtigen Feind bege-
ben wird, bezeichnet er den Westmächten, wenn sie sich doch mit
dem Schicksal Italiens beschäftigen wollen, als die dringendste Auf«
gäbe, den Ssterreichischen Einfluss zu brechen, damit die Regierun*
gen freiere Institutionen geben können, und, es mag In Italien ge-
ichehen was woUe, jede Intervention zu verbieten.
Die Philosophie der Griechen in ihrer geschichtlichen Entvnckelung,
dargestellt von Dr. Eduard Zell er. Erster TheiL Allge-
meine Einleitung. Vorsokrafische Philosophie. Ztreite völlig
umgearbeitete Auflage. Tübingen, Druck u. Verlag von Ludfc.
Friedr. Fues. 1856. 8. VIIL 560.
(Fortsetzung dei Aufsatzes Nr. 9.)
IL Widerlegung der Gründe Zeller's, warum dem
Zableaprincipe eine materialistische oder mathema-
tische Bedeutung nicht gegeben werden dürfe,
während Aristoteles dies offenbar verlangt
1« Die pythagoreische Zahl nicht aQiQ'iiog (lovccSixos.
ZeUer sathi eine realistische AulSsssung der Zahl, um sein«
MeaSatlsehe Auffassung derselben als eines abstrakten arithmetischen
Prtadpes zn recbtflertigen, zwar mit aller Anstrengung zurückzawei*
att; allein dieselbe ist in ihrsm historischen Dasein so aufdringlieh,
te sie sMi nirgends ganz abwdsen lässt, ZeUern, der sie bekämpft,
^ iUi saÜMt in Widersprüche verwickelt wie wir gesehen habesi
188 ZeHer: Pbflofopbie dor GrieoliMi.
und ihn die Thatsache verkennen llisst, dass die pythagoreische
Weltanechanung in ihrer wahien Bedeatang nur Yon einem mate-
rialistischen oder realistischen Standpunkt aas erkannt werden kann.
Zeller nimmt p. 249 den Aussprach des Aristoteles zu wörtlich, dass
ein Theil der Pythagoreer die Welt aus Zahlen erklärt hahe. Er
▼er wechselt hier den apiS^fiog [lovadixog mit dem grvCixog, und
sacht ausdrücklich die Ansicht durchsuführen , als bestehe die Welt
nach pythagoreischer Meinung aus idealistischen Zahlenmonaden.
Wir werden daher bei den Seiten 275 und 276 auf die Ge-
nesis der falschen Zeller'schen Ansicht eingehen. Voran stellt Zeller,
in vollkommen richtiger Würdigung der Zeugnisse, das des Aristo-
teles. Dieser ist aber leider nicht seiner Ansicht über die Prind-
pien der Pythagoreer; denn er behauptet, gegen die idealistische
Auffassung Zeller's, eine durchaus realistische. „Aristoteles sagt, die
Pythagoreer haben die Zahlen als Raumgrössen behandelt^ Diese
Ansieht wird jedoch von Zeller nur angeführt, um sie tu widerle-
gen. Aber wenn wir die angeführte Stelle aus der Aristotelischen
Metaphysik genau ansehen, werden wir uns nicht wenig wundem,
zu erfahren, dass Aristoteles selbst die Zeller'sche Ansicht geradem
als eine falsche, nicht pythagoreische abweist, „rov yuQ oXov ovga--
vov xataöxsva^ovötv i^ aQiS'iuivj nXriv ov fiovaäixävy aUu
rag (wvääag VTto^fißdvoxHJiv ix^tv iifysd-og, on<og dh z6 jCQmtov
hf awdötrj i%ov (isyed'og^ ano^slv ioCnaötv^^ sagt Aristoteles in
der von Zeller angeführten Stelle aus dessen Metaphysik XUI, 6,
13. (Dazu mag man die in Schwegler's Ausgabe der Arist Met
Bd. IV, p. 314 angeführten Parallelstellen vorgleichen. Arist. Met
8, 16 ff. und de coelo 300, a, 15.)
In dieser Stelle sagt Aristoteles klar und deutlich ^ dass die
Pythagoreer Welt und Himmel aus Zahlen bestehen lassen (ß^ oqi^-
fiäv Tckriv ov fiovadvxfüv), und diesen Principien Grösse zuschreiben.
Zeller sucht im Folgenden dagegen diese Auffassung zu widerlegen,
und die Auffassung der Zahl als ägid'iwg (wvadixog geltend zu
machen, welche Aristoteles in dieser Stelle so nachdrücklich aos-
schliesst Dass dies aber geradezu als falsch bezeichnet werden
muss, geht unzweideutig aus dem ganzen sechsten Kapitel des drei-
zehnten Buches der Metaphysik hervor, welches fast als gegen diese
falsche Aaffassung der Zahlen geschrieben bezeichnet werden kann.
Aristoteles will daselbst, wie er im ersten Sätzchen sagt, „untersu-
chen, was hinsichtlich der Zahlen denen begegnet, welche behaup-
ten, sie seien getrennt ezistirende Substanzen und erste Ursachen
des Seienden.*^ Dies ist aber die Auffassung des Plato und der
pythgoreisirenden Platoniker, wie aus dem Ganzen hervorgeht; und
sie zu widerlegen ist eben das sechste Kapitel bestimmt In der
ebenfalls von Zeller citirten Stelle, XIII, 6, 16. wird wiederholt
ausgesprochen, dass diese einer idealistischen Auffassung der Zahlen
angehangen haben, (lovadixovg dh tovg aQtd'fuyug slvui xdvtsg
ti^inat^ nkriv t<ov IJvdayoQeimvy o<ro« ro Ih ötol^^^ ^
Zeller: Philotopbie der Grieelieii. 1B9
ifjnif %>aaiv alvM täv ovr&v, — ixBlvo^ d' Ixovxa iiiyi^
^Bs^ na^muQ sllfvitcu xqizsQOv.*^ Wie ist ea nun sa erkiSren,
dm Zeller, trotz dieser gans uoEweideotigen Ansicht des Aristote-
H über diesen Ponkt, dennoch gerade die entgegengesetste gegen
ihn SU vertbeidigen sucht? Wie ist es möglich, mttssen wir fragen,
dafls Zeller den Pythagoreem die Zahlenprincipe als oQi^iKws (lo-
vttdix&ißg soschreiben konnte, Ton welchen Ansichten Aristoteles an
beiden Stellen die Pythagoreer so gans ausdrücklich ausnimmt?
Wenn man auf die Aristotelischen Quellen also einigermasson
Gewidit legt, darf man sich nicht, wie Zeller p. 275, gegen die An-
lieht erklären, dass sich die pythagoreischen Grundbegriffe sunfichst
«loi rinmliche Verhältnisse beziehen, und neben dem Arithmetischen^
oder statt desselben, ursprünglich schon etwas Geometrisches oder gar
etvas Körperliches bezeichnen.^ Gerade gegen diese Ansicht ope*
riit Aristoteles; gerade von dieser Ansicht nimmt er die Pythagoreer
sesdrücklich aus; dagegen sagt er mit nackten Worten in der von
Zeller angeführten Stelle: „Auch die Pythagoreer wissen nur von
Einer Zahl, der mathematischen, doch lassen sie dieselbe nicht ge-
trennt sein, sondern sie lassen ▼ielmebr ans ihnen die sinnlichen
Sobstansen bestehen.^ Diesen Anfang der Stelle dtirt zwar Zeller
Sicht; aber es ist unmöglich zu denken, dass er ihn unterdrückt
habe, weil er seiner Auffassung widerspricht; denn er ist sogar so
ehriieh gewesen, die widersprechende Ansicht in den Text aufzuneh-
uen, um sie zu widerlegen. Ein solcher Verdacht würde um so
BBflimiiger sein, da, wie wir gesehen haben, gerade der Verlauf der
SteUe, den er anführt, seine eigene Ansicht Ton der pythagoreischen
Zahl als falsch erklärt. Aristoteles sagt aufdrücklieb yon den Zah-
ho, ans welchen Himmel und Erde zosammengesetst sein sollen,
wif£ itovaSccg V7CokBi^aviyv6iv ixuv (idya^og. Die pythagoreischen
Zahlenprincipien haben also Grösse, müssen als mathematisch, ja,
wie wir weiter sehen werden, sogar als körperlich, als materiell ge-
dseht werden. Dass der aQi^itog (wvaÖLXOg ganz yon den An«*
ächten der eigentlichen Pythagoreer ausgeschlossen werden muss»
haben wir hinlänglich gehört, die Dinge bestehen i^ OQvd'i/bäv^ n^i(iß
fni ^üovwSixäv. Von dem uQi^iios (wvccdixog sagt aber Schweglec
in Bemer Anmerkung zu diesen Stellen (Bd. IV, p. 814), dass er
den Gegessatz bilde zu dem aQi^iios fpuöiMog (oder öioiuctcxogi
XI7, 5, 15, 16) der materiellen und mit der Eigenschaft yer-^
waehsenen Zahl; und die letztere Ist die pythagoreische Zahl.
S. Die pythagoreische Zahl als agi^fiog qyv6i,x6g.
„Der entscheidendste Grund gegen die bisher besprochenen An«
»eilten liegt, wie Zeller p. 281 sagt, im Ganzen des pythago-
rsiichen Systems, dessen arithmetischer Charakter nur dann zu be*
Steifen ist, wenn die Anschauung der Zahl als solcher s^nen Aus«
S»V¥UBki gebildet hat WXre 00 «tatt dewea die Betrachtung des
190 Zeller: Philofopbie der driechen/
unbegreiuBteii Stoffes und der kleinsten MaßseUf tod denen es au-
ging; 80 müBSte sich hieraus eine mechanische Physik^ nach Art der
atomlstischen , entwickelt haben, wie sie sich im ächten Pythägo-
reismas nicht findet^ u. s. w.
Allerdings mass auch die pythagoreische Weltanschauung einsn
physischen Charakter geliabt haben, wenn man das Grundprincip
derselben b\b aQi^(juog tpvöixog aufiasst; das heisst sie muss sieh
an die physischen Principien der jonischen Naturphiloaophen ange^
lehnt haben, welche der Theorie der Homoiomerien aiÄingen und
dieselben nur bald aus diesem, bald aus jenem materiellen Stoffe
bestehen Hessen, bald aus Wasser, Luft, Feuer, Aether, bald aus
unbestimmten materiellen Theilchen. Und im „ächten Pythagoreis*
mus^, d. h. in den dem Pythagoras und seiner eigenüiümlichen
Weltanschauung nächstliegenden Ansichten, war letztere Ansicht wi^-
Itch die herrschende. Ich brauche die Zeller'scfae Auffassung nidit
selbst hier zu widerlegen; ich habe als Widerlegung seines „ent*
scheidendsten Grundes^ gegen die Aristotelische Auffassung der py-
thagoreischen Zahlenlehre nur die Anmerkung Schwegler's so Arigt.
Met. XIII, 8, 18. Bd. IV, p. 325 herzusetzen; wo es hräst: —
jyGegen die atofia fisyddi] der Atomiker streitet Arist. de coelo.
S08, a, 21. de gener. et corr. 315, b, 33. Es verdient bemerkt
zu werden, dass Aristoteles in der ersteren Stelle die Atomistik mit
der pythagoreischen Zahlenlehre identificirt: tqonov tivä^ sagt er,
xal mtoh (Demokrit und Leukipp) navta ra ovta xovov0lv ci(u^'
(lovs xccl ^§ cc^id^fi4QV' xaX yaQ el ^rj öaQ<og dtjXoikjtv^ o^img roiko
ßovXovrtu Xdystv, 303, a, 8. Ebenso de anim. 409, a, 10: do-
I^Si€ f äv ov^iv Siaipi^Biv (i(yi/aSag Isyetv ij öcofidtta fuxifou
Ein Beweis, wie nahe es ihm liegen musste, die pythagoreiscben
Zahlen umgekehrt auf die Atome zurückzuführen, nnd für Grössen
{fiiye^g i^ovtag) auszugeben.'^
Freilich meint auch Sehwegler, wie Zeller und Ritter in ahn*
Hohen Fällen, „dass die letztere Angabe nur eine von Aristoteles
gezogene Consequenz sei; dies gehe auob aus unserer Stelle, na-
mentlioh aus §.17 hervor.^ In diesem Punkte kann ich jedoch
dem scharfsinnigen Kenner der Aristotelischen Metaphysik nicht bei-
sthnmen. Er meint, „Aristoteles konnte sich das Bestehen der Dinge
ans Zahlen nicht anders rorstellen, als unter der VoranssetBung,
dass die Letztern Grösse haben. Hätten aber die Pythagoreer dies
selbst ausdrücklich gesagt, so wäre es unerklärlieh, dass Aristoteles
nur einen Augenblick lang darüber im Zweifel sein konnte, ob ihre
Zahlen mg iv vkr^g stdsi zu stellen seien, oder nicht ^ AU^o
sollte Aristoteles selbst darüber irgend ein Bedenken gehabt haben,
ob er die pythagoreischen Zahlenprlncipien mg iv vXtig eidsc neh-
men solle, — was ich übrigens nicht anzunehmen geneigt bin; —
so könnte dies nur daher rühren, dass er, wie die späteren Bericht
erstatter, nicht genau die Tersehiedenen Richtungen anter den Py*
thagoreern unterschieden hätte. Wir kennen indessen gerade dies«
2eHer: PbiloM^e d«r driadra. 191
Metaphyaik io genau , daas man ikm aelbst woU kaom
•is lolcfaes Schwanken in seinen Ansichten über einen Gegenstand
smdireiben darf, mit weichem er sieh so soigIlUtig beschäftigt hat.
— Femer ist es ebenso wenig richtig, wenn Schwegler meint, Ali"»
iliteles hXtte sich die pythagoreische Zahl nicht anders als ana
•ioer Qrössenausdehnnng bestellend denken können« Im Gegentheiia
kan msn behaupten, dass diese Ansicht um so mehr wirklich den
Pytbsgereeni zogesclirieben werden mnss, als Aristoteles es gerade
at, weicher dieselbe nicht titeiit, welcher sie sogar an widerlegeo
ndit, welciier also diese auch nicht ans seiner eignen Theorie aui
die ihrige übertragen haben konnte, wie Zelier und Ritter anneh-i
mm. Wie ans Schwegler oben selbst die Stellen angefQhrt hat, in
waidMtt Aristoteles gegen die atona fuyi^ kämpft; so werden
wir aseh sehen, dass derselbe gerade in der ren Schwegler beigem
so^esen Stelle, nnd zwar ganz besonders in dem specieli dtirtea
Paragraphen, auch gegen die Zahlentheoria der Pytbagoreer ana
dem gsaz gleichen Gesichtspunkte poiemisirt.
Gerade aus der Met. XIII, 8, §. 17 u. 18, welche Schwegiev
isfokrt, geht nnwiderleglich klar hervor, dass sich Aristoteles sell»|
tiö letzten Gründe nicht als materiell denken konnte, and dass en
«« eben diesem Grunde auch die Pytbagoreer] zu widerlegen suchta
md zwar gerade desswegen, weil er der Meinung war, dass sia
teeh ihre materiellen und mathematischen Principien die Bewegung
iiekt zu erklären vermöchten. Dies weist Schwegler selbst vortreff«
fieh ia den Noten zu Arist. Met XII, 10, 19 und zu I, 9, 23 naeh.
Also schwankte Aristoteles duicbaus nicht, ob die Zahlen der Py-:
i^reer tog iv vlrjg sHöh zu nehmen seien, oder nicht. Er kanm
Mber gar keinen Zweifel gehabt haben, nnd liat auch iLeinen da-^
röber gehabt, wie aus allen Stellen der Ifetaphysik, wo er die Py-.
ll^oreer erwähnt, deutlich zu ersehen ist. Wenn es aber den Neuereii
10 gsichienen hat; wenn die heutigen Geschichtsohreiber über diesen
t^v&kt angewias sind, so ist das sehr leicht daraus zu erklären, daaa
»6 die venchiedenen Bichtongen unter den Pythagoreem nicht ge-»
Mft geschieden, und dass sie anch die Ansicht des Plato und der
PTihagoreisircnden Platoniker, welche Aristoteles mit den Ansiehtea
^ Pytbagoreer zusammen betrachtet, nicht eoiuirf genug von deu
l^^itoni gesondert haben.
Da aber gerade in dieser ffinsicht die von Schwegler ange^
^Sivte Stelle sehr entscheidend und nicht weniger lehrreich ist, so
vsrde ich Aeselbe nach der Schwegler'schen Uebersetznng Bd. U,
P* 288 hier wiedergeben. In ^ 14 nämlich hat Aristoteles die
Ansichten der pythagoreisirenden Platoniker kritisirt, und meint da*.
^ha gerade, dass es die allerschlecbteste Auffassung der Zahlen
>®i) die Ideelle und die mathematische Zahl als identisch zu setzen.
Dies ist aber die Ansicht, welche Zeller den Pythagoreem zuschrei^
beu möchte, welche aber, wie wir hier sehen, nur die pythago*
teiakenden Platoniker haben , und welche man in einer Darstel-
193 Zellers Philosophie der Griechen.
long der pythagoreischen Lehre gar nicht braachea kann. Nadi-
dem Aristoteles, zarüclcgehend, diese Ansicht gegen diejenige Piato's
abgewogen, hält er sie, noch weiter zurückgreifend, auch mit den-
jenigen der Pythagoreer zusammen. Und dies sind die uns hier
interessirenden Stellen, in welchen es folgendermassen heisst §. 16:
„Die Lehrweise der Pythagoreer hat in der einen Hinsicht iwar
geringere Schwierigkeiten, als die obenangeführten Ansichten, in der
andern jedoch neue ihr eigenthümliche, §. 17. Dadurch, dass sie
die Zafail nicht getrennt setzen, fallen viele Anst5sse weg (dadurch
nämlich, dass sie den Zahlen keine transcendente Bedeutung sa«
schreiben, wie Plato und die pythagoreisirenden Platoniker, welche
Aristoteles ebenfalls in der Metaphysik bekämpft); allein, dass die
Körper aus Zahlen bestehen, und dass diese Zahlen mathematisch
sind, ist unmöglich (d. h. von dem Aristotelischen Standpunkt aus.
In der Materialität des pythagoreischen Principes treten eben die
angedeuteten neuen Schwierigkeiten hinzu, welche Aristoteles nun
zu widerlegen sucht, indem er also fortfährt) §. 18. Untheilbare
Grössen giebt es überhaupt nicht (nach Aristoteles) und gesetzt auch, es
gäbe solche, so haben doch die Einheiten keine Grösse (nach A,
wäbürend die Pythagoreer dies gerade annehmen). Wie ist es möglich,
dass eine Grösse aus Untheilbarem besteht? Und doch ist diearith*
metische Zahl einheitlich ((lovadtxog^ d. h. nach A.) §.19. Jene
aber (die Pythagoreer) nennen das Seiende Zahl, wenigstens sucheo
sie ihre Spekulationen den Körpern anzupassen, als würen dieselbeQ
aus Genannten, aus Zahlen.^ — Den Pythagoreem legt also Ari-
stoteles ganz offenbar den a(fi^(i6g <pv0Lx6g zu, obgleich er den-
zelben zu widerlegen sucht, und zwar ganz von demselben Stand-
punkte aus, welchen uns Schwegler oben angeführt hat, wo sich
Aristoteles gegen die ato^uc [i&yedTi erklärt und ihre Einseitigkdten
nachzuweisen bemüht ist
Allem bisher Gesagten zufolge legt nicht, wie Schwegler meint,
Aristoteles den Pythagoreem ein materielles und mathematisches
Princip unter, sondern er bekämpft diese Ansicht, als die der Py-
thagoreer, Ton einem entgegengesetsten Standpunkte aus. Eine
schärfere Widerlegung lässt sich nicht leicht auffinden; und den-
noch wollen wir uns hierbei noch nicht zufrieden geben, sondern
auch die Gegengründe des gelehrten Ritter zu widerlegen suchen,
auf welchen sich Zeller als auf die Stütze seiner Ansichten beruft.
Erst wenn wir Ritter's Ansichten^ d. h. seine idealistische AulTss-
Bung der pythagoreischen Zahl widerlegt haben, glauben wir mit
Fug und Recht die Materialität der pythagoreischen Zahl behaup-
ten zu dürfen.
(Schluii folgt.)
ft. II HEIDELBERGEB IMT.
JAHRBOCHER der LITERATUR.
ZeQer: Philosophie der GriecheitL
(SehloM.)
3. Der oQt^fidg qyvcucog sIb materielle Homoiomerie.
Zeller, der sich hier eowobl, als ia den angefiihrten Stellen aft
Sitter hält, meint die materielle Aoffassnng der Zahl gans verwerfen la
mäaeo. Da er hiebe! auf Ritter's Ausführung Bd. I, p. i05— 407
verweist, müssen wir auf dieselbe näher eingehen. Hier bringt der
gelehrte Forscher fünf Gründe vor, warum Aristoteles da, wo er
▼ou einer materiellen Deutung der Zahl rede, mehr seine eigene
Deatang des Problemes auf dieselbe Ansichten der Pythagoreer über»
trige, als diese rein und unverfKischt wiedergebe. Wir sehen , es
ist ganz dieselbe Auffassung, welche Zeller sich au eigen gemacht
H ond welche wir, wie wir glauben, oben an einem sehr cbarak*
t^tiflchen Beispiele widerlegt haben. Nur wenn diese materlali*
ttiMhe Auffassung gana beseitigt wurde, konnten Ritter, Herrmamii
Steinhart, Zeller u. s. w. ihre idealistische Auffassung des pjthago-*
retBcben Zahlenprincips retten. Ein solcher Machweis musste idsa
ait derjenigen Ausführlichlteit geliefert werden , welche ihm Ritter
widmeL
s. Ritter kann sich nicht verhehlen, dass Aristoteles den Pj«
ibsgoreern wohl eine körperliche und eine mathematische Auffassung
üaer Priocipien zuschreibt. Er kann seine Auffassung nur dadurch
T^ahren, dass er behauptet, «die Sätze enthielten eine Reihe von
Sehliissen des Aristoteles, welche derselbe im Sinne der Pythagoreer
BB^he^, die aber natürlich alle nach der Ansicht Ritters falsch sind,
vie er zu zeigen bemüht ist. Diese Schlüsse gehen aber — wie
^ a. a. 0. p. 406. Anm. weiter helsst — von dem Satze ans,
4att der Himmel (die Welt) aus Zahlen zusammengesetzt sei| und
^ sei der einzige Satz, welcher in der ganzen Reihe der «aage-
^rten Sätze den Pythagoreern selbst angehöre: — ein bitterer
Vorwurf gegen die Aristotelische Darstellung, ihre historische Treae
lind philosophische Unbefangenheit. Durchaus falsch soll der Aristo*
^^^e Schluss sein, „dass die Zahl der Pythagoreer nicht abstrakt
mL^ Dieses sollen die Pythagoreer „gewiss nicht gesagt haben,
veil der Gegensatz zwischen nichtabstrakter oder mathematischer,
«Ad Mschen abstrakter oder idealer Zahl zu ihrer Zett noch nicht
gehnden war.'
^ J«hrg. 3. Heft. 13
AM Zder: FhflofOpMe der Qrieeben.
Id dieser BcharbiniilgeD Argamentation müflsen wir Ritter aller«
dlngs voUkomueii beistimmen. Die Pythagoreer köonen aus dem
angeführten Grande nicht so gesagt haben. Aber wenn sie auch
Dicht so sich aasgedrückt , so können sie dennoch so gedacht
haben; and dies möchten wir behaupten. Eine solche Unterscheid
dang kommt freilich erst in der Platonischen Philosophie zum Be-
wusstsein. Plato glaubt, nach Arfst. Met. YII, 8, 81, „sowohl das
Sinnliche als die Principien desselben seien Zahlen: allein er unter-
scheidet zwischen Idealaahl und sinnlichen Zahlen, und nur die ersten
macht er za Principien.^ Aristoteles konnte daher, eben weil er
diese Unterscheidung kannte, von den Pythagoreem . wohl sagen,
Bie nehmen ihre Prlnaipien nicht als Idealzahlen, sondern als sibd-
liche Zahlen; ohne dass die Pythagoreer, denen diese Unterschei-
düng noch fremd war, sich so ausgedrückt haben mochten« Aber
dennoch haben sie den Unterschied faktisch, nnbewusst anerkannt,
indem sie neben der abstrakten arithmetischen Zahl, dem a(fi^pid$
)MV(x6w6g noch den aQi^fwg (pvöixog annahmen. Und gerade das
halte Ich für das Eigenthümliche ihrer Anschauungsweise. PytbSf*
goras mag ylelleicht keine feste Lehren über diesen Unterschied
anfgestellt haben ; denn gerade die spftteren Pythagoreer, wohl eben
MS dem Grande, well sie den Unterschied nicht kannten und nicht
weitet nntersnchten, brachten die pythagoreische Philosophie dadurch
mof Abwege, dass sie den a^ftd-fiog iKyi/adtacig von dem ^pvöixog
nleht antenchleden, endlich beide aogar identificirten, — Shnllch wie
die Hegel'sahe Philosophie, Begriff and Wesen, oder abstrakte und
coaerete Idee, — und eo In die phantastischsten Abentheuerh'cbkee
tea sieh verloren.
b. Ebenfalls soU es nar ein verkehrter, auf die Ansichten der
Pythagoreer übertragener Schluss gewesen sein, dass Aristoteles sie
Bi^n Ittsst, „die sinnlichen Wesen beständen aus Zahlen, welches
Bfe nach Ritter aach nicht sagen konnten, weil zu ihrer Zeit der
Unterschied zwischen cctödnjvov und vorftov noch keine Bezeichnung
gefonden hatte.^ Auch diesen Grund müssen wir vollständig gelten
lassen und wegen des angewandten Scharfsinnes rühmen.
Wir müssen zugeben, dass die Pythagoreer aller Wahrschein-»
Uchkeit nach eine scharfe Scheidung zwischen aüfdTjrov und vw/tip
9der zwischen dem mundus sensibilis Phaenomenon und dem mundoff
Ibtelligibllis Moonmenon noch nicht vorgenommen haben werden. D. L
nie werden keine bewnsste Reflexionen über diesen Gegenstand an-
gestellt haben. Allein nnbewnsst mnssten sie dennoch einen solchen
Unterschied machen, wie alle die natnrphllosophischen Systeme der
Jonier. Diese, wie die AtomiBten, ilessen die Dinge ans den Ho«
moiomerieen zusammengesetzt sein, aber nar ehier philosophlsehen
^pekniatloii zufolge, während sie eine solche Ansicht ebenso*
wenig Mehwelaen konnten, wie die Pythagoreer ihre ähnliche Hy-
pothese, dasa alle Dinge fufiijcu täp «qi^i^Sp seien. Darüber
lehrte sie die sinnlicho Wahrnebmong nichts. Wena iri« Üiro Ab-
Mkm weher durchdacht hXtten, so hätten eie die riuiUche Wahr^
Mhnang der Oegeeetiode scheiden müssen von der Art nnd Welse^
wie wir sie ans vorstellen ; ein Problem, welches bekenntUeh nielH
heraaeh in der Philosophie auftritt nnd die (Geister lebhaft beachlft^
AJlein, wie Zeller bemerkt, haben die Ansichten der Eleaten nock
kdoca Einfluss anf das pythagoreische System aosgeflbt.
Während Ritter so den Unterschied des voritov und des atad^
Toy nicht anf die Pythagoreer angewandt wissen wlU| flbertflgl
ZtUer merkwärdiger Weise gerade denselben anf diese, um so selM
IMisüscfae Hypothese mit der Aristotellsdien, dass die Körper aua
Zaiilen bestehen, in Einklang au bringen. Denn nur so wird es
ihm möglich, die sinnlich wahrnehmbare Materie aus nur abstrakten
ideellen Zahlen bestehen zn lassen.
c Ferner meint Ritter, die Pythagoreer hätten gewiss nldit
sagotsoden, dass die Zahlen nicht einheitlieh seien. Hiermit wlO
aber Sitter nicht gesagt haben , dass die Zahlen im Sinne Zeller'a
al»Btral[(e Einheiten gewesen seien; sonst hätte Zeller Rltter's An«*
sieht nicht Terwerfen können, wie er es thut. Ritter meint nicht,
tei der OQid'inog fLovaiotog als Princip der Pythagoreer betracbtet
worden sei ; sondero nur, dass den Bestandtheilen der Zahlen keine
Biamüehkeit nnd keine Materialität angeschrieben werden dürfe.
Daher dieser Ornnd gegen Aristoteles mit den unter d) und e) gdteni
gcmsditen Grfinden susammenlällt , ans denen Ritter auch noch s«
viderlegten sucht, ^^dass die Zahlen Grösse haben (eins und dasselbe
wä dem Satse, dass sie nicht einheitlich, s. Met. XUI, 8), uni
te ebenso das erste Eins Grösse habe, natürlich, weil ans Om
alle Grössen hervorgehen sollen.^
Doch kann Ich Ritter dnrchans nicht beistimmen, wenn er mehit,
Aristoteles habe ^»diesen Ponkt nicht für wesentlich gehalten«, haba
ftheiaen besondern Werth hteranf gelegt« ; und „nicht immer so go«
KfahMsea«; denn: ,»de anima I, 4 sage er doj^ßu if av w6hf duC"
fpifiip ^uovudaq liysiv ^ öafuitut luxQcc (ei. de coelo HI, 4, wo
« von den Atomisten faeisse: ro6nov ya(f tiva xal ovto^ itavta ri
ovta KOWV6IV aif4/&(wvg xtd ig aQv&iuiv), Ich meine gerade all«
^isae Stellen seigten im Gegentheile recht dentlich, dass die pytha^
Svieisdien Znblenprincipe Grösse gehabt haben, ja dass sie als reale
^^Bbatamen gedacht worden sind, ähnlich wie die Homolomerien«
Bitter gesteht selbst zu, dass sie öfter mit denen der Atomisten ron
Aiiatoteles Busammenstellt würden; nnd dies wäre geradesu nnmög*
fcb geweaen, wenn Aristoteles deren Frineiplen nicht für XhnUcii
«gesehen hätte. Es ist um so weniger möglich ansunehmen, dase
Aitetoteles hier seine Ansichten anf diese Richtung der niilosophfe
Verträgen habe, da er sie, wie bereits bemerkt, überall an wider-
ten sacht
e. Die übrigen Gründe wollen mir ebensowenig Oberseugentf
emheinen; denn wenn Ritter ehie Stelle de coelo m, 1 anführt,
m g^en die Pythagoreer aU beweisen, im sie die physisAe»
IM ZeUer: Phnoiophie der Griechon.
Zahlen monadisch, und nicht als aus materiellen Atomen bestehend
gedacht hätten ; se ist snerst za bemerken, dass Aristoteles nur von
vcSi/ Ih)^. xiyig spricht. Es wäre also zuerst au sehen, welche er
bier meint, ob nicht gar die pythagoreisirenden Platoniker. Und
wenn Ritter diejenige Anschauungsweise der Pythagoreer anfährt und
für sich geltend macht, nach welcher Einige die Körper aus Flächen,
die Flächen aus Linien, die Linien ans Punkten haben bestehen und
entstehen lassen; so müsste man sich eher genöthigt sehen , anza^
nehmen, jene Pythagoreer hätten diese Punkte für materielle Atome
angesehen, wie es an zaUreichen Stellen der Methaphysik auch
deutlich heisst.
Wenn endlich dem Aristoteles Schwanken vorgeworfen wird,
so möchte ich dieses Schwanken eher aus der Verlegenheit der In-
terpreten erklären, welche bei Aristoteles die verschiedenen Richtun-
gen unter den Pythagoreern nicht scheiden, sondern alle Stellen in
eine gemeinsame Anschauung vereinigen wollen, was ein onmögli«
ches Beginnen ist.
4. Der ägi^iAog (pv^vKog als mathematische r Punkt
Während die materielle Homoiomerientheorie von Aristotelei
als die Ansicht der jonischen Naturphilosophen geschildert wird;
sagt er ausdrücklich von den Pythagoreern Met. I, 8, 25, dass sie
lieben hierauf (auf den Himmel und seine Theile und die wech-
Mlnde Gestaltungen des Alls) auch ihre Principien und Gründe an-
wendeten, als stimmten sie mit den andern Naturphilosophen gans
darin überein, dass das Seiende nur das Sinnliche sei, was die Welt
in Hich befasse.^' Und nach I, 8, 5. wird daher auch diesen sowohl
wie jenen dasjenige „als das am meisten Elementarische erschieaea
sein, woraus, als aus dem Primitiven, Alles durch Verbindung wird :
solcher Art aber ist wohl der Kleintheiligste und Feinste unter
den Körpern.^ Letzterer wurde zuerst auf die verschiedenste
Weise zu bestimmen gesucht, bis er als unendlich kleine, unbestimm*
bare Masse festgetzt wurde, aus der Alles im Himmel und auf Erden,
das heisst Alles in dem AU-Einen, dem ewigen göttlichen Prindpo
ansammengesetzt gedacht wurde. Diese anfänglich in ganz Orie«
chenland verbreitete Weltanschauung theilten auch die Pythagoreer«
Mit dieser Anschauung stimmt ganz und gar die spätere Dar*
Stellung der Pythagoreer im XUI. und XIV. Buche überein. Aach
hier Met. XUI, 6, 13. heisst es: „Die Pythagoreer wissen nur von
einer Zahl, der mathematischen; doch lassen sie dieselbe nicht ge^
trennt sein, sondern vielmehr aus ihr die sinnlichen Substanzen be-
stehen: den ganzen Himmel construiren sie aus Zahlen, jedoch nicht
aus einheitlichen (ov yiM/aSixäv)^ sondern von den EioJieiten neh«<
men sie an, dass sie Grösse haben. Wie jedoch das erste
Eins ein ansgedehntes geworden ist^ darüber sohei?
ASB sie ivk AniUndo » soln.^
MHwi PUbfopUe dbr Gitoelaik MT
Da« Adlerauge des Arietoteies entdeekt also hier das eigent*
Jieh Entscheidende der Frage; mit bewondemswOrdiger Schärfe ittbrt
er DOS in das Gentrnm der Differensen, nnd wir müssen annehmen,
im nnter den Systemen der Pythagoreer die Differena der ?er«
sdiiedenen Richtangen anfltnglich selbst verborgen gptOieben sef^
md sich wohl erst in den Weiterbildungen als wahrer Gegensats
ffdtend gemacht haben werde. Wir haben Aehnliches in unserer
eigenen Zeit, a. B. an der Entwicklung und Spaltung der Hegerschen
Schule erlebt, um diesen Vorgang vollstJbidig begreifen au können.
Wir werden dessbalb anerst aeigen, wie die Umbildung der
nsteriellen in die ideelle Homoiomerie sich unvermerkt vollaieben
konnte, so dass man sie erst an der Umbildung der physikalischen
Amcbsaungsweise in die mathematische gewahr werden mochte.
Die pliysikalische Grundanschauung des Pythagoreischen Systemen
g9b keine Ursache , das materielle Princip der Homoiomerien oder
Zahlen in ein ideelles zu verwandeln; denn selbst die Seele dachte
man sieb, wie bei den übrigen Griechen, als aus einem feinsten Aether*
Stoffe bestehend. Aus der Anschauung von der ganaen Weltbildung
kSonen wir ebenfalls sehen, dass die Homoiomerien anfange als
aaterieil gedacht wurden, und dass man sie auf eine höchst natür-
liche Weise erst aus der allgemeinen noch ungeformten Weltmassa
nalyt'uch bildete, ehe man aus ihnen synthetisch die versehiedenen
Gebilde des Weltalls hervorbringen Hess.
Dieselbe Ansicht wird auch zuerst unter den Mathematikeni
geherrscht haben; sie blickt noch an vielen Stellen der Methaphysik
^orch, ganz besonders auch in dem interessanten cap. 2 des Buches
XIII, wo Aristoteles untersucht, ob das Mathematische sich ala
Princip fassen lasse, und darauf in cap. 3 setaie Kritik dieser An«
sichten giebt Allein es scheint hierüber keine ganz fixirte Anschanungt*
vetse geherrscht zu haben. Die analytische Ansicht musste den
Körper als Princip betrachten , da aus ihm die Flächen , ans diesem
die Linien, und aus letzteren wieder die Punkte entstehen. Nach einer
aokhen analytischen Auffassung musste auch selbst der Punkt
noch für eine materielle Grösse gelten, da er sich als Theil einer
solchen erwies.
Der analytischen Methode tritt jedoch in dem abstrakten Zab-
leaiysteme eine bloss synthetische gegenüber. Sie ist desswegen
blott lynthetisch, weil sie zu der Grundeinheit immer gleiche neue
Grondeinheiten binzubringt, ohne sich darum zu bekümmern, woher
lie solche nimmt; während die frühere materialistische Richtung der
Pjthsgoreer die Homoiomerien, oder Zahlenprincipe, aus denen die
virkliehen Dinge zusammengesetzt sein sollen, erst durch dnen kos^
niicben Process werden liess, wie wir nachher sehen werden. Bei
dem entgegengesetzten Verfahren kann man jedoch bemerken, wie-
durch Ablösung von der Wirklichkeit, d. h. durch das Verfahren
te bloss abstrakten Denkens, die reine Synthese entstehen musste.
Vü welchem Glücke dieses Verfahren in der reinen Mathematifc.
Md daa AUtinherrsobende wurde, ist bekuiDt. DaHdbe ttkUrt
Bau nicht don Körper, sondern den Punkt wm Princ^» d* iua Den-
ken aus ihm alle Dinge gebildet werden. So wird der Punkt luia
Princip der Linie, die Linie stun Princip der Fläche, und diese «in
Princip des Körpers. Nnn brauchte nur noch die Anschauung ab»
sirakter Linien und Fittchen dazusukommen, wie sie bei den Mathe-
matikem sich einschleichen musste; und es wird leicht erkIärliei^
wie man auch den Punkt als ideell auffassen konnte.
Dies ist die Auffassungsweise, welche Ritter mit eben so viel
Schärfe als Gelehrsamkeit entwickelt hat, und welche bei Aristoteles
an aahlreichen Stellen sich findet. Jedoch wird diese Theorie we*
niger als kosmisches Princip, denn als Erklärungsversuch, die nun
thematischen Figuren au bilden, angewandt. Ja die Polemik dei
Aristoteles ist beständig gegen dieselbe gerichtet, um von ihr lu
aeigen, dass sie au einem kosmischen Principe untauglich sei, ds
ea ihr nicht möglich werde au beweisen, wie aus einem grösselosen
Punkte Grössen, ans ausdebnungsloser Immaterialität die ausgedehnte
Materie werden könne. Da aber, — wie Zeller sehr richtig be-
merkt, «^ sogar das pythagoreische System einen kosmischen Cha-
rakter hatte; so kann ich auch diese Anschauungsweise nicht als
die frühere, weil nicht als kosmogone, betrachten.
Hieran bestimmen mich noch mehrere Gründe, welche alle aas
der Ueberseugung herrühren, dass alle diejenigen Ansichten die
früheren sind, welche die kosmischen Vorgänge aus den Zahlen-
principien au erklären suchen. Darum mussten wir uns aach ge^
gen Zeller erklären, wenn er dem arithmetischen Gegensata der
geraden und der ungeraden Zahl den Vorzug der Priorität vor dem
kosmischen Gegensata des Begrenzenden und des Uoendiichen (Dn*
begrenaten) glebt, ungeachtet Philolaos ganz ausdrücklich mit Letste-
sem die Tafel seiner Gegensätze beginnt. Sitter suchte mit s^nem
feineB historischen Takte die Gegensätze des Begrenzenden und des
Unbegrenzten als die wahren genetischen Ursachen der ferneren
Zahlenprincipe darzustellen. Allein sein Scharfsinn Torwickelt ihn
Uer dennoch in einen Widerspruch, und wir werden gerade durch
Aufdeckung desselben die Gründe erhalten, um zu beweisen, dsss
aelne Anschauungsweise nicht diejenige war, welche die Weltan«
aehaunng der Pythagoreer schaffen konnte. Wir erinnern uns näm^
Uch, dass er das Begrenzende für den mathematischen Punkt nnd
daa Unbegrenate für den Zwischenraum (ro xsvov) genommen bat
Er läast nun auf scharfrinnige Webe aus diesen beiden Fak-
toren Linien^ Flächen und Körper entstehen. Allein dabei versetet
er sich mit seiner früheren Erklärungsweise in Widerspruch, indem
er jetzt dem ouvov die Funktion des Begrenzenden zuertheüt, da
nur durdi den Zwischenraum die Grössen geschieden, und Ausdeh-
nmg gebildet werde; und indem er ferner dem früher Begrenaen-
deo, dem mathematischen Punkte, jetzt die Bedeutung des UnendU-
€h«i| der Sobstana gfebt, da diese dnrdi ihre Begrenzung nun den
XAr: nOiMiUa im GtMm, tH
ÜmD« Stoff iw KOrper bild^ Von leUterem behanptet aber Art-
iMaiei, daflf er nie dar materiell« Körper werden köoae. — Der
gtWirte Foracber aetal aich an dieaen Paakte aber aach mit be»
HloiailiD Naebriehteo ia Widersprocb, wie wir aui der achoo an*
{•fÜlirteD Seite 412 eraehen; deaa während er darch Ariat. Pby«.
IV, 6. aeine Ansicht so belegen aocht, führt er »eibat die diefei
10 aabeliegende Stelle der Pbjs. IV, 7. an, wo ee beisst: dio ^ptf^
tivi^ (Ivtu to luvov t^ %mv S0^¥itmv vlffv; auf welche Ansicbt
Braodia seine entgegeagesetate Anacbaoongsweise gründet.
Bitten ErklUrongsweise der pytbagoreiseheti Zahlen ist sowohl
TM der früheren kosmischen Anschauung , welche eiue vorwiegend
materislistische ist, als von der sp&teren dualistischen der Mathema*
tiker Archytas und Philolaos Torscbieden; denn diese lassen Allee
ans Stoff und Form bestehen, welchen Dualismus Viele als' die
ertlich Pythagoreische Philosophie betrachten. Sie haben in ge*
wiiier Weise Becht, denn es ist diejenige, durch welche die Pytba«»
goieer den bedeutendsten Einfluss auf die Entwicklungsgeschtohte
der Philosophie ausfibten, indem sie gerade dadurch die Vorgänger
PIsto's und Aristoteles' wurden, welche den Dualismus derselben
betteben Hessen, ihn nur in eigenthfimlicher Weise umbildend.
Wenn wir die ideelle Monadentheorie Ritter's nun mit diesem Du»-
liniQs susammenhalten, so stossen wir aoch hier auf Sebwierlgkei-
tes; denn aas dieser IHieorie werden wir nie den Doalismus abM«
te& können. Wir kommen durch dieselbe nie au einem ideellen.
Formpriacipe, da sie den gansen Körper aus ideellen Principen be*-
Btehen Übst Die Abstraktion der ideellen Form halten wir fSr ein
Predokt der Beschäftigung mit der Mathematik, die ja hauptsäehUeb
Bit abstrakten Formen operirt Durch Anwendung derselben auf
^ realen Grössen musste jeuer Dualismus entstehen, da es unmör*
Ui war, aus ideellen Punkten und Formen eine reale materielle Grösse
»I iprodaciren. Die Materie musste also nun als Princip neben der
Fora gelten; und dieser Gegensata oder Dualismus wurde die Ur«
BBche aller weiteren Gegensätse, ja einer dualistischen, d, h. dureb
des aegensaiz von Form und Materie in sich serspalietoi Welun-
schaaaog. Dar dualistische Mathematiker Philolaos setcte daher 4m
Gegeoeata xiifccg und äxsiifw an die Spitae seiner Tab<dle 4er.
Gegensätae.
Es wurde zwar dennoch der Versuch gemacht, alles ans ideeh.
Itt Paukten oder Atomen an eitläien, hkkm man aus denselben die
I«i«n, ans diesen die Flädien und endlich aus leftateren die Kör*
per SB bilden anebte. Diese Ericlämngsweise bringt es aber aicM
SBi Erklärung des Körpeia; sie wurde daher auch nur ven Einigen
Idtesd gemacht, wie wir gerade aus der von Bitter für sich an«
g«fihrten Stelle Met. VII, 2. ersehen, wo es heiesi: f,iwcd 9d t^öu^
I>Mii vermochte auch der monistische Idealismus den DualissMw
Nit bistoriscb au besiegen , da letalerer durch die grossen Geistes
««flf Plate and Ariatot^ f ertgebadet wiufle. leb ^kew dieae reto
AM Zelter; l*biTo0opliie 4er Xarieohen^
idealistisebe Theorie daher nor von untergeordneter Bedentnng h$X^
ten; ich kann mir nnr denken, dass sie erst aus jenem Duah'smoa
entstanden ist, den sein ideelles Formprinclp snr Annahme von ideel«»
len Punkten und eu dem Versuch, aus diesen auch den K5rper so
erklären, führen konnte. Ich halte diese Richtung daher nur ffir
ein vorObergehendes Gebilde. Die materielle Auffassung der Zab«
len erscheint mir als die frühere, weil kosmogone; die dualfstfsche
als die spätere. Sie ist swar nicht von kosmischen Vorgängen ab*
strabirt, findet sich aber überall auf die Hauptprobleme tibertragen«
Wir werden nun sehen ob es gelingt, diese swei verschiedenen An-
sichten an allen wesentlichsten Problemen des pythagoreischen Sj«
Sternes, über die Zahl, über die göttliche Monade, über die Welt-
schi^pfung und über das Princip der Seele nachzuweisen.
in. Kurse parallele Durchführung einer materlali«
stisehen und einer idealistischen Auffassung der
Probleme bei den Pythagoreern.
1. Bei dem Principe der Zahl.
Die Haupstelle hierüber ist Met. I, 5, 8. wo es heisst: ^Ffir
Elemente der Zahl halten sie das Gerade und Ungerade (ro re a^vov
Tud to niQvtxov) und dieses für begrenzt (TtsnEQaöfidvov) , jenes
für unbegrenzt {aieBtfov), Das Eins aber lassen sie aus beiden
bestehen und zugleich gerade und ungerade sein. Die Zahl aber
aus dem Eins; und aus den Zahlen, wie gesagt, den ganzen Htm-
mtL^ Diese Uebersetzung Schwegler's scheint mir etwas deutlicher
gegeben werden zu müssen und für ro ^Vy welches er mit „dieses^
ibersetzt, verständlicher „das Erste^^ zu setzen, und für ro di wel«
ehe» er mit „jenes^ giebt, deutlicher „das Zweite* zu sagen. Denn
das &(fTiov wird als das nenBQaöiUvov gedacht, das nB^vctov als
daa aneiQov.
Für diesen Gegensatz findet sich nun eine doppelte Erklänmg,
•ine materialistische, — die frühere; — und eine andere Idealbti-
MShe oder dualistische, — die spätere. —
a) Der Eingang der von Aristoteles angeführten Stelle sagt:
«Offenbar nun sehen die Pythagoreer die Zahl als Princip an, und
üwar gleichfalls als materielles Princip des Seienden, in
der Art, dass sie aus den Bestimmtheiten und Verhältnissen der
Zahl die Bestimmtheiten und Verhältnisse des Seienden ableiten.'
Wenn man nun von dieser realistischen Auffassung der Dinge aus-
geht, dann bedeutet ro aqftiov das Gefügte (von £(kd) ungefähr
dasselbe Y was %6 nmsQMiiivw bedeutet, welches das Begrenzte
tagen will. Dies heisst in der Weltonschauung der Pythagoreer also
die IQ Homoiomerien geformte Materie, welche so erst die Substana
der DiQge wlrd^ die tm dieseoi ähnUch wie Zahlen, lusammeiig^
Zellers PhilofopUe 4w Grieehenl HÖf
iiWiiiHl. Dm imtxirllchen kosmischen Gegeosat« dasa bäd«t da«
g^mov^ das was rings um das Gefügte, nm den Kosmos» herunw
Kflgt als noch angeformte Materie, welche hald wie auch von Aaaxi-
Baader, axuqov^ hald xo xevw genannt wird, was dasselbe sagen
IUI, nnd nicht das Nichts, sondern nur das Nichtgebildetsdn he-
daatstt wiU.
b) Doch können wir ans den Bmchstücken des Phllolaos eine
ädere Bedeutung nachweisen. Hier bilden aqtvov und sc^pittov,
Bidit mehr kosmische, bloss formale, sondern pilncipielle Oegensätae,
veiche sich an jedem Dinge wiederfinden, aqrtov^ nsxsqaaaio^
wird nsn als abstrakte Grenze gedacht, nnd nsQitrov oder &re(-
dw n. B. w. als die Materie an den Dingen. Alle Dinge sind aber
aoa Form nnd Materie ansammengesetst, a^io ^dpitrav; und der
idealistiache Dnalismas ist fertig. Keinen andern Sinn hat die merk-
wordige Stelle des^ Philo!, b. Stob. Ecl. Ph. p. 456 (vor %. 1) Böckb.
8. 58 o ya pLUV aQi^uog fxH ovo lih/ iduc ddri^ JteQUfitw xal
tprcov, Tp^rot' di an anworiQcav lux^ivroru^ aqrtumiQUS6ov.
imi^ Sh rä Btdtog nolXal (ioptpai^ ag ixMtov av tavto iri-^
juuni. Und nnn weist Philolaos nach, dass Nichts weder nor be**
Sraost, d. h. formell, noch nar onbegrenat, d. h. materiell sein könne,
Nsdem ans beiden aosammengesetzt sei. (Vergl. hiesu Zeller I,
P«S60.) Hier ist die frflhere Anschauungsweise yoUstSadig nm*
geiadert.
Als äusseres Zeichen dieser Umänderung blieb uns noch die
Umbildang in dem Worte sichtbar und dieso würde, sollten auch
tUe Nachrichten verloren sein, dem tieferdringenden Forscher noch
^s Spuren des stattgefundenen Umbildungsprocesses andeuten. Wäli*
'«ad Dämlich früher dem ajui^ov das nsxifaöfidvov entgegenge-
•eUt ist, beisst in der späteren Tabelle der Gegensätze der erste,
3C^ xal Sa€i4fov^ Form und Materie (Brandts Bd. I, p. 504).
^ geformte Materie, im Gegensats aur unendlichen, ungeformteu,
^M BUQ aur Grenae oder Form; das X£jes(fa6iidvav wird aur nifag^
die grammatische Umbildung ist Symbol der sachlichen Veränderung*
^ realistische Anschauung ist in Idealismus übergegangen, welcher
te BDaÜsmus in seinem Gefolge nach sich sieht
2. Bei der Monas, der Gottheit.
ffier finden wir wiederum überall die Spuren nnd Nachrichten
von Terechiedenen Ansichten, ohne dass dieselben hinlänglich geord-
M niren, geschweige denn, dass wir in die philosophische Genesis
^ ProUemes eingeführt würden. „Das Meiste von dem, was uns
fiber die pythagoreische Gotteslehre berichtet wird, hängt — wie
^^^ p. 267 sagt, — gerade an den Bestimmungen über die Ein-»
heituid die Zwelheit, den Geist und die Materie: sie sollen die
Öettheit theils als das erste Glied dieses Gegensatzes, theils au*
tbUi als die liohere Einheit gtfasst haben, welche dem GegensaU
Wt MIert PhiloMj^Ue der GrMkeii.
vorangehend die «DtgegengeselsteD Elemente als aoldM erMOge «ni
ihre Verknttpfang vermittle.^
a) Als die ältere Form dee pythagorelaebeo fiotteabegrlflee mfiiMa
wir diejenige Ansicht anerkennen, welche die Oottheit mit der Wek
identiflcirty nnd welche als offtUMcdifittw ^ als das die Gregensltai
Einschliessende gedacht wird. In dieser Besiehung mnss ich Brsndis
beistimmen, welcher Band I, p. 483, Anm. d. nachweist, dass Pbl-
lolans, and fthnlich andere Pythagoreer gelehrt haben sollen, Gott
habe die Grense and das Unbegrenzte gesetst; nnd ebenso derBe*
merkong Böckh's Philol. 148, dass ohne die Annahme einer höheren
Einheit über dem Begrensten and Unbegrenaten in dem System der
höchst religiösen Pythagoreer keine Spar der Oottheit wfire. DiM
scheint mir sehr treffend, und ich hegreife nicht recht, warum Zell«
meint, ein philosophisches System wie das pythagoreische habe dieia
Vorstellung mehr als unbedingte Voraussetsong ans der Volksreli«
gion aafgenommen, als dieselbe zu einem wissenschafdiehen Pro*
bleme ausgebildet. Der (%arakter der gansen froheren griechischen
Philosophie, welchen auch noch die frflheren Pythagoreer getheüt
haben werden, ist der, die Oottheit and die Welt gans und gar ss
identificiren, daher das pythagoreische System ebenso wohl Panthei»*
mus gewesen sein wird, als die übrigen. Aber ebenso gut kssi
man diese Lehre der Pythagoreer Monotheismus nennen, da ibnes
die Welt ein einiges, geistiges und gegliedertes Wesen war, wel-
clies sich beständig fortentwickelte. Ich kann daher die Orfinde
Zeller's auch durchaus nicht als bindend ansehen, wenn er p. 373
meint: „Um so weniger können wir der Annahme beitreten, ds«
die Pythagoreer eine Entwickelung Oottes in der Welt gelehrt he-
ben, dnrch die er allmälig T<m der Unvollkommenheit zur Yollkos^
roenbeit gelange.^ — Wenn wir Gott und Welt gleich setaen, ao
müssen wir dennoch der ron ihm aariickgewiesenen Ansieht sein;
und dies stimmt auch mit dem, was Aristoteles ron den Pythsgo«
reem berichtet. Zeller meint aber, das sei nicht möglich, da die
Gottheit weder als das beide Gegensätse Einschliessende, noch als
die eine Seite des Gegensataes au nehmen sei. Was das Erste aal
dessen Unmöglichkeit betrifft, so verweist Zeller anf p. 270; ßM
jedoch hier in der Note selbst die von Ritter geltend gemachte
Stelle aus dem Aristotdes an, nach welcher das Gerade und Do*
gerade aus dem Einen, aus der Gottheit, aus dem iv xcci nav werdeoi
nach welcher also das Eine das die Gegeasätae Umschliessends
sohl muss. Den Sinn dieser Stelle rerwirrt sich Zeller wieder durch
die Eigenihiimiichkeit der Pythagoreer, dass auch die eine Sdte der
Gegensätse Einheit genannt wird, was natürlich als ein Widersprach
erseheinen mnsste, und worauf wir sogleich sarflckkommen. Weoa
er sich aber darauf besieht, dass Ritter, der fiie Einheit und Ootl*
hek identificirt, nnd als diese nnd durch diese die Welt eotwkkela i
lässt, Yon Brandis widerlegt u^ (p. 273, Anm. 8), so ist dies nsf
sehr bedingt wahr. Brl^ndis hat, wie loh allerdiaea gtambe, p« 4St
Mlert PUbMi^ aiMtSrlailM; Mt
Bl<M7, Aam. M. die AoBldit Bitteres licbUg widerlegt, dtas die
W«k MS ^ner abetrakten Zahl enUtonden eei, vnd dafegen die
KaterUliUU des Sxiiifop und xevov geltend gemeeht Nicht aber
wUedegt er die Aneicht, welche Zelier an Bitter bekSmpfea will;
im atolich die Pjthagoieer des Schönste nod Beete errt ab ein
hodekt der Entwickelong betrachtet haben, z« welcher Ansicht
Brandif sieh geradeso p, 484, h. bekennt. Dagegen spricht er sich
^gen dss idealistische Zahlenprincip bei Bitter ans, welchem Zeller
gcrtde anhängt
b) Andererseits hören wir aber auch, dass wirklich das Eins
sidit als iv mu nav^ sondern als fiovv:^ oder als Harmonie ge-
fwt worden, nnd so so einem Theil des Oegensaties herabgesnn-
kea itt. Zeller selbst fuhrt nach Sextos Empirikns p. 260 ans,
dsis jea Pjrthagoreem die Weit aos Form ond Stoff besUnden habe,
nod dssB sie diese Gegensfitce noch als Männlich nnd W^bUch, als
Gerade (le^cov) ond Ungerade {nsf^irtw) als Geordnetes nnd Un-
geordnetes p« 261, Ann. 1, ja sogar als Gott ond Welt, als Ein-
keb oad Zweiheit beseichnet bitten. So soll das Göttliche, als
Ams bestimmte Seite des Gegensatses^ Monas, als die Oegensitae
eiaieUjessende Sobstans, iSns genannt werden. In einer höchst
Mrkwitrdigen Stelle p. 250, Anm. 2. sagt nns aber Zeller selbst:
id^jiüxtig ih xal ^lokuog adujapofüng' ro iv xal ^toviSa xa-
^OMTt xffl r^ i»4>vada iv; woraos wir erfahren, dass die Mathe-
Wiker gerade diese Verwechslong der Worte begonnen haben, was
not sogleich den Verdacht erregt, dass anch die Yorstellnngen Ter-
vkrt oder nmgebildet worden seien. Zeller sieht non dennoch diese
Verwechslong des Monas mit der Gottheit nnr als spätere Aoffas-
mg ond Anslegong an, p. 269. Dagegen erklärt sich jedoch Bein-
kold, Gesch. d. Phil. Bd. I, §. 36, ond Bitter Bd. I, p. 390, wo
sie Lehre des Philolaos angegeben wird, dass die Zahl das herr-
echende ond selbst erseogte Band des ewigen Beharrens der weit«
Heben Dinge sei (Böckh Nr. 17). — Als Beweis ftir diese doppelte
ioCmong des Eins, des iv oder der iiovag^ als der Gottheit mös-
len wir nnn ihre Stellong in der gansen Weltanschaoong der P7*
tkigoreer rergleicfaen; sehen, welche Bedeotong in ihr Demjenigen
keigtlegt wird, was Monas genannt, nnd roraogsweise als göttliche
Thltiglceit beseichnet wird; ond nachforschen, ob sich noch hier-
Sker iiae doppelte Aoffassong findet So erst werden wir Aber
die pantheistische Yorstellongsweise des äfi^fiog fpvctmg den wah**
len Aafuhloss erhalten.
3. Bei der Weltbildong.
Diese WeltbiUnng wird wohl gerade in dem Sinne so nehmen
eeia, welchen, wie Zdler p. 299 meint, Niemand den Pythagoreem
Mdielbt; so dass der Stoff der Welt „ewig ond onyergSogUcb,
*iArt dagegen tinm beiUbidigea Wechsel ron Eatstehnag md
9Q4 ' Zellers Phifofopliie der Oriecben*
Untergang us^erworfen sel.^ Fasst doch u. A. Brandte die Welt^
biiduDg gerade bo, und betrachtet dieselbe als VenrollkommDUOg
und beständige Entwicklang und Ausbildung der Welt
a) Bei der wunderbarlichen Vorstellung der Pythagoreer tob
der Weltbildung finden wir aber wieder zuerst eine materialistisdie
Auffassung, welche auch hier die Xltere Lehre sein musa, da sie
das eigentliche Grundgerippe bildet, an welches sich erst als spätere
Umbildung die idealistische Deutung anlehnt.
Das Ali -Eine lassen nämlich die Pythagoreer aus dem aiu^
pov oder X€v6v und dem X£JtsQcc(S[idvov oder der bildenden Monas
bestehen. Diese denicen sie sich als Weltgeist mitten im Himmel
stehend; sie sieht in Athemzfigen jenen ungeformten feinsten Stoff
ein, was nach Arist. Pfays. IV, 6. anBiQov nvsvfux , nach Stob. ed.
L p. 380 jcvori genannt wird; sie bildet aus demselben zuerst
die Homoiomerien und aus diesen die Dinge (ßlvai ^ Sq>a6av xal
ot Uxj^ayoQBioi ocsvov^ xal insuSuvai avto roJ ä^ava ix xov
aneiQOV nvev(iatos^ dg av ivanvsovti. xal xo xevov, o Su>Q{lßi tag
q>v06tg, Phys. IV, 6). Damit stimmt volllcommen die ebenfalls von
Ritter citirte Stelle, Stob. ecl. I, p. 10 tiberein. Und zum Ueber-
fluss citirt uns Ritter, trotz seiner idealistischen Auffassung der
Pythagoreer, p. 412 zugleich die schon angeführte Stelle Aristoteles
Phys. IV, 7, in welcher behauptet wird, einige Pythagoreer seien
der Ansicht, dass dieses xsvov als materieller Urgrund der Dings
zti denken sei. (dco q>a6C rivsg slvav to xsvov trpf räv iSmuatmv
vkrfv^ of nBQ xal tonov ro ravto ovto kdyovteg.)
b) Dass dies die Grundanschauung der Pythagoreer gewesen
sein muss, geht daraus hervor, dass sie noch immer beibehalten
wurde, als man das Wesen der Monas und ihrer weltentwickelndea
Thätigkeit schon verändert auffasste, wie z. B. Philolaos. Das höchst
roerkwQrdige elfte Bruchsttick in Böckh's Philolaos vervollständifl^t
unsere Anschauung; es zeigt uns, wie die pythagoreische Ansicht
der mythologischen Vorstellungsweise anbequemt worden Ist Es
wird uns nämlich darin gesagt, dass Philolaos mitten um das Cen-
trum der Welt ein Feuer angenommen habe (als Weltseele), welches
er Heerd des Weltalls, Zeus Wohnung und Mutter der Götter ge-
nannt habe. Hiebei ist auffallend, dass in dieser Vorstellungsweise
die Bezeichnung Gottes schon auf den einen Theil des Gegensatzes,
auf die Seele, zurückgezogen wird, indem Monade und Heu Identificirt
werden. Diese Umbildung der Anschauung von dem göttlichen
Princip ist aber aufs merkwürdigste übereinstimmend mit der Um«
bildung, welche sich in dem Zahlenprincipe und seiner Auffassung
II, 4. geltend machte. Auch diese Seele, dieses Feuer, diese Mo-
nade bekommt nun eine andere Bedeutung als früher, eine idealistische
oder formelle, und wird „Zusammenhalt, Mass der Natur^ genannt
Demgemäss hören wir von Philolaos weiter in der bereits angeführten
Stelle, dass er alle Dinge aus einem formellen und einem materiel-
len Elemente msanunensetzti nnd so in den Dualismus gerätb, welchea
2aner: Pkilofopkie der GrieckeM. 20»
wir iD den Systemen des Plato und Ariitotelee ansgebfldet finden,
welcher so gans den froheren realistischen allgemein verbreiteten An-
sebnoDgen der l^aturphilosophen widerspricht, und dessen Genesis
10 der mathematischen Anschauungsweise der späteren Pythagoreer
10 fachen ist.
Dsss aber neben dieser Idealistischen Auffassung von der Welt«
leele wirklich auch eine realistische existirt habe geht ferner aus
des mit diesen beiden verschiedenen Ansichten correspondirenden
Aoffiusongen von der menschlichen Seele hervor , welche uns noch
beide fiberliefert sind, und so die dargelegte Meinung üher die ver-
achiedenen Richtungen unter den Pythagoreern bestfitigen und fast
fiber allen Zweifel erheben. Meistens heisst es sogar ot fici/, ot d«;
oder ivuH.; oder tcveg zäv Dvd'. n. s. w., wel schon Brandts in
der AogeHihrten Abhandlung des rhein. Mus. p. 211 scharfsinnig
braerkt hat. £s handelt sich also nur darumi diesen Andeutungen
geoaa nachaugehen.
4. Bei der menschlichen Seele.
Unser Gesichtspunkt macht sich an allen Orten so überein-*
Btimmend und gleichmSssig geltendi dass es kaum l>egreiflich wftre,
wie die verschiedenen Richtungen unter den Pjrthagoreem über*
lehen werden konnten; wenn man nicht an die Macht einer vor-
Seüttsten Meinung glauben müsste, welche durch die sonst so lÖb*
lidie Absicht, Uebereinstimmung in die Meinungen zu bringen, hier
Mf einen Irrihum geführt hat. Dazu mussten die mannigfadmten
CmsUnde zusammenwirken, um die Meinungen und Nachrichten über
die Pytbagoreer immer verwirrter erscheinen an lassen. Wie man
lieh aber von einer schlichten Anschauung der Probleme leiten lässt,
und SU ergründen sucht, in wiefern eine specielle Ansicht aus der
gesammten Weltanschauung hervorgegangen, wie diese durch jene,
Qsd jene wieder durch diese gestützt worden sein kann; und mit einem
lolehen Maassstabe an die Quellen herantritt; so kommt mit einem
kUle Licht, Klarheit und Zusammenhang in die sonst so dunkehl
Q&d eich widersprechenden Nachrichten.
a) Sogar von dem Wesen der Seele müssen wir eine materialisti*
lebe Anschauung finden , wenn unsere Auffassung sich rechtfertigen
8olL So eigen uns jetzt eine solche Voraussetzung klingen mag ; so wird
Qiuiere Verwunderung über eine materielle Seele dennoch wegfalleni
wenn wir daran denken , dass sie die übereinstimmende Ansicht der
früheren griechischen Naturphilosophen gewesen ist Sie Hessen die»
1^ aus den feinsten materiellen Theilen bestehen, bald aus Feueh«*
tem, bald aus Luft, bald aus Feuer oder Aether oder den feinsten
Homoiomerien, je nachdem sie eine verschiedene Ansicht von doE
sbflolnten Substanz oder der Weltseele hatten.
Diese materialistische Ansicht der Pythagoreer von dem Weseo
^ Sede findw wie dem Mcb dchtig yon Adstotelos in seinem
{MM Mler: Phaosopble der Grlaehea.
Bache de anima rerseicbnet, wo er im sweiten Kapitel die Ansleb*
ten der früheren , also der Natarphilosophen berichtet Hier stellt
er die Ansichten der Pythagoreer geradeau mit denen des Demokrit
zusammen und sagt ganz ausdrücklich , dass sie mit diesen eiae
gewisse Verwandtschaft hfitten. Also auch hier, wie an andern Orteo,
stellt sich wifcklich eine Aehnlichkelt mit den Atomisten heraus;
und da gerade die Ansicht über das Wesen der Seele für eine ma*
terialistische Weltanschauung die Lebensfrage ist, so kennen wir an
der materialistischen Richtung unter den Pythagoreem nicht Ifinger
zweifeln. Diese materialistische Auflfassung bestand aber darin, dass sie
die Seele aus dem feinsten Stoffe , dem luvov oder dem Aether be«
stdien Hessen und die Seele des Menschen für einen Splitter von
der allgemeinen Weltseele ansahen. Zeller selbst führt uns p. 3S2,
Anm. b. die entscheidende Stelle aus dem aristotelischen Buche tod
der Seele an. Daselbst helsst es: j,loixs dh xal ro nccfic rcoiy
IIvd'ayoQeiiov kBy6(Uvov tt^v ccvtfjv ixatv diavoucv lipacav yiü
tivag avtäv xr^v tlwjrpf elvcci ta iv rc5 adgc l^vöfiarcc^ ot i\
ro tavta xivoiiv.^
b) In dieser charakteristischen Stelle sehen wir nicht nur die
materialistische Auffassung; sondern auch die idealistische von Ari*
stoteles auf den kürzesten Ausdruck gebracht, dicht neben diesdba
gestellt, und dennoch so präcise von ihr unterschieden. Auch hier
trennt wiederum Aristoteles mit seiner bekannten Geistesschärfe nv^
uvtmv^ von den ot öi; und selbst der ungeübteste Forscher, weaa
er nur frei von dem Vorurtheile Ist, bloss eine einzige Richtung
unter den Pythagoreem finden zu dürfen, wird leicht unter der
Ansicht der Ersteren eine materialistische, unter der der Letzterea
eine idealistische herausfinden können.
Diese idealistische Auffassung, welche unter den Mathematiken,
oder den pythagoreischen Dualisten die allgemein yerbreltete Ansicht
war, welche durch die Systeme des Plato und Aristoteles weiter
gebildet wnrde und durch dieselben einen so gewaltigen Elnflnsi
auf die Anschauungsweise der Menschheit erhielt, geht aus sSamt-
lichen von Zeller in den Paragraphen citirten Stellen henror,
so wie aus denen der Anmerkungen zu p. 323. Nach dieses
wird die Seele als Harmonie betrachtet, und zugMch als das
t6 t€cvta (d. b. die materiellen Bestandtheile des Körpers, deren
Ideeile Harmonie, deren übersinnliches Rand sie Ist) iuvovp. b
Böckh's PhUolaos p. 177 de etat. an. H, 7. helsst es: „anfana
kiditur eorpori per numerum et immortalem convenientian.^ Hier*
bei berichtet uns Zeller mit seiner bekannten Gelehrsamkeit aueh
die Stelle ans dem Phädo Plato's, in welchem dieser jene An**
sieht Ton einem Schüler des Philolaos vortragen lässt. Wir sehen
also anch hier, dass sich die idealistische Umbildung der Anschauung
von dem Wesen der Seele, wie übereinstimmend auch bei derjeni*
gen der übrigen Probleme, an die Namen der Mathematiker und
Mirer Schüler anknüpft. ^ Mit Leichtigkeit lassen sich — nachdem
BiMi>lheM «riealalU Spraiif eruui«. Mt
UUft BJebtDDgan festg«iteUt liDd, — die exegellMhei, kiatoriadiM
nid dogmaUscheii Gründe ugebeo, warum die reelieüeehe oder m»-
teiiüsb'sdie Anfheeimg der Zahl die filtere, und eben deMwegen
aneh diejenige geweeen sein muae, welehe aie die genetische Ursache
der PTthagereischen Zahlenlehre sn betrachten ist
CmsülL
Bibliotheca orientalis Sprengeriana.
A Ckäälogue &f ihe bibHciheea orientalU 8prengeriana. Oiessen.
KeOer. 1857. VII und 110 p. in 8,
Herr Dr. Sprenger, ein gebomer Tiroler, welcher dreisehn Jahre
in Uorgenlande, grSestentheils in Indien angebracht, hat sowohl
fttrend sefaiea AoTentbaltes in letsterm Lande ak auf seinen Rei-
M dnreh Syrien , Egypten , Arabien und Persien, es sich snr be«
•osdera Aufgabe gemacht, die literarischen SchStse des mnselmän-
iNbea Ostens an nntersnchen nnd das beste was sich ihm darbot,
entweder käoffich an erwerben, oder dnroh sorgffihige Absehriftea
■ck sozoeignen und so vor dem Untergange an bewahren, der,
U nmehmender Unwissenheit der Mohammedaner, ihre gediegensten
Werke bedroht, wenn sie nicht etwa in das Gebiet der Jurisprudena
md Theologie gehören. Nicht immer werden aber derartige Be«
nilHmgen ron günstigem Erfolge gekrönt, nur eine den Fanatismus
M«k fibertreSsnde Habsucht kann hier dem EuropSer als Djianr
oder Kafir an statten kommen, sonst lassen Muselmänner von echtem
Scbrot lieber ihre Handschriften verschimmeln und Ton Motten Ter«
nhren, eis von unreinen Ghristenhinden berfihren. Mit den gedie«
8«mten bibliographischen Kenntnissen nnd der bestausgestatteten
Utse allein reicht man noch nicht aus, aur Erwerbung werth voller
meksainiedanisch* orientalischer Handschriften. Man muss viele Jahre
uier den Mobammedanem gelebt, sich ihre Sitten und ihre Sprache
ttSceignet haben, um Freunde unter ihnen au gewinnen, durch die
>ia Zutritt au öffentlichen nnd Privatbibliotheken erlangt, oder durch
'«n Vermittlnng der Ankauf oder das Abschreiben von Handschrif«
üi ermöglicht wird. Dass Herr Dr. Sprenger alle Eigenschaften,
wekke einem Sammler orientalischer Handschriften noth thun, in
koliea Grade besitst, beweist der kostbare Literatnrsehata dessea
Veneichniss uns vorliegt Bet kann mit voller Sachkenntniss Vor«
ittsden öffeDtlicher Bibliothekoi , die etwa diese Handschriften an«
nbofen gesonnen wären, die Versidierung geben, dass nicht nar
biiiicr kein Europäer eine so werthvoUe Sammlung aus dem Ostea
nrfiekgebracht, sondern dass auf keiner europäischen öffentlichen
BiUiothek, die Oxforder, Pariser, Leydener und Gothaer nicht aus-
gcsommen , des ausgesuchteste der arabischen, persischen und hin*
206 . Bibliötheea orientalis Sprenferiaiia»
doBUDischdn Literator sich so yereioigt fioddt, wie hier. Jeder
Zweig der mobammedaniechen Wiseenschaft ist In dieser Sammloog
durcli die hervorragendsten Werke vertreten , in einzelnen F&chen
aber Ist sie reicher und vollständiger als Irgend eine andere In
Europa. Der Catalog besteht aus 1972 Nummern und zerfiüit in
folgende Abtheilungen: 1) Geographie und Geschichte. 2) Genea-
logie und Biographien. 3) Commentare zum Coran. 4) Traditioni-
kunde und Traditionssammlungen. 5) Theologie und Jurispradenz.
6) Sufismus und Ethik. 7 und 8) Arabische Philologie und Poesie.
9 und 10) Persische Poesie und Philologie. 11) Werke in Djig-
hatai-Sprache. 12) Persische Werke aus dem Sanskrit oder Hin-
dnstani übersetzt. 13) Hindustani-Literatur. 14) Theoretische Phi-
losophie. 15) Mathematik und Astronomie. 16) Medicin, Chemie etc.
17) Encyklopädien und Collectaneen.
Wir müssten nahezu die Hälfte des Gatalogs hier abschr^beoi
wollten wir auf alles Werthvolle und Seltene aufmerksam maeben,
das darin enthalten ist, doch können wir nicht umhin die kostbar-
sten Handschriften besonders hervorzuheben. Unter denen der eisten
AbthelluDgy welche 245 Nummern zählt, nennen wir: (Nr. 5.) die
Geographie von Mohammed Ihn Ahmed Mukaddesi, welche den
Titel Ahsan Attakasim führt. (Nr. 7.) Das grosse geogr. WaEte^
buch von Jaknt. (Nr. 30.) Das älteste arabische Geschiehtswerk
von Jal^ja Ihn Mohammed Munaddjim, aus der ersten Hälfte des
zweiten Jahrhunderts der Hidjrah. (Nr. 31.) Die Eroberung Syriens
von Abu Ismall j einem Autor aus dem dritten Jahrhundert d. H.
(Nr. 40— -42.) Drei Bände der Chronik des Tabarl, im Urtexte, von
denen der eine das Leben Mohammeds und die beiden andern die
Geschichte der Jahre 32 — 60 enthalten. (Nr. 51.) Ihn DJanzi's
Universalgeschichte, welche bis zum Jahre 597 d. H. reicht Ferner
(Nr. 57—61.) zwei vollständige Exemplare der Geschichte des Islams
von Jafiii bis zum Jahr 750 und ein Exemplar des grossem Werkes von
Ibn Kethir, das die Jahre 42—731 umfasst. Von dem Sirat Ihn
Hischam, der besten Quelle für die Biographie Mohammeds, be«
ßiizi Herr Sprenger (Nr. 93—102) zwei Abschriften von der ersten
BälftOi mit Anmerkungen des Ibn Hischam selbst. Eine derselbeii
ist die schönste nnd correkteste Handschrift die er je gesehen. Auch
}äef.| dem er sie gezeigt, erinnert sich nicht eine zierlichere arabi^
ache Handschrift vor Augen gehabt zu haben. Auch von derzwefc^
ten Hälfte besitzt er zwei Abschriften und mehrere Fragmente eiflf»
zehier Theile; femer die zweite Hälfte mit dem aus Sohelli avsge»
zogenen Commentare des Ibn Hoddja, zwei Abschriften eines abjj
gekürzten Ibn Hischam, einen TheU von Soheili'a Commentar zi
Ibn Hischam und endlich Dsahabi's Auszug aus Sohelli's CommenUMi
(Schluis folgt.) I
k.l4 HBIDELBERGEB IUI.
JAHRBOGHBR DIB LITIRATDL
BBBiS^SiBHBBBBi^HBBBSBBHHBiBBHBBSBHBHHHIBHHHMHilMMHiBBHBIHI
Bibliotheca Orientalin Sprengeriana.
(ScyiiM.)
Ata wrftee wichtige Werke Kr die Lebenibeschrdbang Mo*
bimnede nennen wir (103) den ereten Band der Tabakat AI-
keblr ron Ibn Siad, einem Zeitgenoaaen Ibn Hischams, Tirmed-
Bi's Schnmail (N. 107--113) mit Tersclüedenen Commentareo.
xwd Abecbriften des Ujnn Alathr (Nr. 122 — 125) von Mobamttea
Ibn Sejjid Alna«, mit einem Commentare von Borban Eddin Halebf|
dfei Abeehriften des Mawahib Alladanijeh, (Nr. 138—141.) ron
Kaslnlaniy das Cbamis (Nr. 143.) Ton DijarbekriOi das Insan
Alojan (N. 148—149.) von Halebi. Unter andern historischen
Werken nennen wir noch swei (Nr. 174—176.) der SUdt Mekka,
eine von Fasi, nnd eine andere von einem Unbekannten , zwei der
Stadt Medina (Mr. 178. 179. 181.) ron Samhndi nnd Abd Alhakk.,
eine Geschichte des Schah Abbas nnd seiner Vorgänger (N. 202 —
203.) Ton Iskander Munschi, eine Geschichte Timnrs Q^r. 218.)
Tm Ali Jeidi, mehrere Werke über die Geschichte Indiens (St. 220 ~
824.) so wie fiber die einzeben Dynastien , Prorhixen oder Sttdte
dieses Landes (Nr. 227—245.).
An genealogischen nnd biographischen Werken iShlt nnser Ca*
tdog 125 Nnmmem. Besondere Erwähnung rerdienen Nr. 246 nnd
847 fiber die Genealogie der arabischen Stämme, von Ealkaschendli
t) Dies« Werk beendet tich aach tvf der Heragl. Gothtifchen Bibliotliek
nad ik Ton Bei xa feinem Leben Mohammed't benntit worden. Der Ver-
IsMer, welcher ioi sehnten Jabrhnnden d. H. fohrieb, nennt in der Vorrede
die TOB ihm lieanttleB Werke, beinahe alle, wenigstem die bedeulendatea
fimdilienssamnüiuigen and Biographien Mohammed'a, die vor ihm TerfaMl
worden. Ref. mniste alio tchon aus dieser Vorrede allein von den meisten
and besten Qaellen nber Mohammed Kenntniss haben, wenn er anch nnr Wo*
nife derselben m seiner Verfügung hatte. Daran woUen wir den Beriehter*
stattcr den Sprenger'schen CaUlogi in der Angab, allgem. Zeitnng (BeiL s.
tu Fcftf. 1857) erinnem, der am Schlosse seines Anfsatzes schreibt: „Die
ibendlindisdien Biographen des Propheten, Washington Irring nnd an-
lera, haben die wenigsten dieser asiatischen Quellen gekannt oder be*
Mteea kennen.^ Wenn der Berichterstatter freilich anter „abendländischen
ficvraphen* amerikaniscbe Belletristen vom Schlage Washington Irvings Tor-
slality die, wie dieser, ans Unkenntniss der orientalischen Sprachen , nnr ans
abendllDdischen Quellen schöpfen können, so mag er recht haben, sonst glaubt
Bef. behaupten su können, dass nicht nnr ihm selbst, sondern auch Hammer«
FugstaD, dem Verfasser der Literaturgeschichte der Araber nnd H. Gaussin de
Perceml, welche noch im ieben Mohammeds geschrieben, die meisten dieser
fiadea bebaut waren. »
k Jtivg. d. Heft n
210 BiUiMli6cft «iiflilalii Sprioffttiaiia.
unter dtt Uographi8che& Nr. 953, Ton Hnsa Iba Ajjab 258, tob
MohMnmed Amin Mnhibbt, eine Reibe Ton Biograpbien der Trndi«
tiondehrer (Nr. 267 — 285), der gelehrten Sehafliten Q^r. 295 und
296), der Hanefiten (Nr. 300—302), der Hanbaliten (Nr. 303), der
Malekiten (Nr.. 804) and der Schiiten (Su 805^810), daran reibea
Bich dann minder bedeutende und unvollstSndige Biographien der
Äflchariten, der Aerjste, der Belletristen, der Grammatiker und der
arabiachen Dichter. Höchst wertbiroll nnd reicher ist die Sammlung
der Biograpbien persischer Dichter Q7r. 318 — 342), so wie die der
fßnduBtanischen (Nr. 345—351). Den Schloss dieser Abtheilung
(Nr. 352—870) bilden Biographien von Suflten und andern Heiligen«
Zur Exegese des Korans besitzt Herr Sprenger 96 Werke
CSr. 871—466). Wx heben be^nders herrors (Nr. 885) ebeff
Commentar ?on Abu Schamah Q^r. 404), ein Fragment eines Conunen-
iars Ton tbn Abbas (Nr. 405j, desgleichen von Tabari (Nr. 406),
ein sdiiitischec Commentar von Ali Ibn Ibrahim QHr. 418—4183,
Wahidis Asbab Alnusul ftiber die Veranlassung aur Offenba-^
rang der ebcelnen Verse) und dessen Commentar Alwasit, acht
B&ide des grossen Commentars von Hakim Abu Saad ßeihakf,
mehrere Abschriften von Samachschari's Kaschschaf (Nr, 426 — ^
432) I ein Fragment eines mystischen Commentars zum Eorad
(Nr. 440—441) von Chazin und TNr. 242—248) Safakasis gram-
matikalische und lexikographische Analysis des Korans.
Sehr vollständig und unübertroffen ist die Sammlung an Wer^
ken über die Tradition (Kr. 467—568), worunter mehr als zwanzig
{iber die auf die Ueberlieferung anzuwendende historische SÜritik von
besondecm Werthe sind (Nr. 467 -488). Ausser den Traditions-
aammlungen selbst von Bucbari, Mosllm, Tirmedsi, Abu Daud, nn^
Kesai, besitzt Herr Sprenget auch mehrere Commentare zu dental«
ben QXt. 499— 502, 505—7, 509 und 514, 518-19, 521, 523,^
638—84). J
An fieligions- und Oesetzesbuchem bietet diese Bibliofhelk g^
mg, dasi Dicht nur Europäer, aondem MuselmICaner, die sich bi«
zum Scheich Elislam emporschwingen wollen, sieh daran ausbUdafi
können. Nr. 569—895 enthalten Schriften über die I>ogmen d«
Xslanii, 596—610 Werke über die Quellen und Grundlagen de4
Oeeetiee (assnl elfikh). Hieranf folgen Gesetzbücher nach deq*
einzelnen Schulen: Hanefiten, Hanbaliten, Schafilten und Malikll
1— von denen nur Letztere schwach vertreten sind — endlich not&
Schiititiflohe Jurisprodenz. Auf die allgemeinen Lehrbücher folgf
eine Beihe kleinerer Sdirlften über einzahle Gesetze und Dogmen,
Diese AbAeOung umfasst nahezu 200 Nummern (569-^740> "^
sondere ErwShnung verdienen unter Andern: zwei Commentare
Hidajeh nnd snr Wikajeh (Nr. 616—620), Hawerdl's Ada
Alkndhat (Nr, 684), Nasafis Werk Über die Verschiedenheit
vier Schulen (Nr. 650—651), Ahn Josnf'i Briaf an Harun A
aehid über, die Constitatton des mobiunmedknif<^ Beichs und fiber]
teTSlkertecliti Ktdawaii's Bahr Alnadiftblb (tfbdr dto Y«r*
MkMenen lUligionen), ein« ReloUtlon der Reliclon der Hiodyi
(Xr. 715) eis Werk Aber des Verhalleo bei der PeeCy ib wie weil
MÜA YontcbtemaiBreKelii geiUttet ilnd (Nr. 797), «ber de« T*^
kiksgeeiiM (Nn 728) u. g. w.
Ib der folgenden Abtheünag, über Sttfienitte md t:tMk| ^rlrd
•dBch dae Material herbeigeechalftt ans welebeu elM beeMe öttd
fttiaere Eenntaies der mnsebnfinntoeben Theoeophle geseb9pft wer^
te kaan ab biaher, uets maneber sebitsbaren Vorarbeiten^ In Eeropa
ivbreiiet war. Wir finden bier, aneier den Werken Gbaaaalie,
(Hr. 749--765, 772^789, 786—787, 867--80«) dia Syiteni
te Sofiimna Ton KalabadS, mit einem Oeatmentare (Nr« 74S}, dae
m Kdeeheki (Nr. 744—747), yen JaUabI (Nr. 748) ye« BlibMH
waiA (766—770 und 828), dann die b^ten Sebriften über den
SofiaBM Ten Ibn Arabi mit Gommentaren, Aasstlgen, Apelo|^ nnA
BdbUtionen (Nr. 772— 792| 851—854, 860—867), femer die my-
tÜBdien Werke DJill'e (Nr. 801—808), Scbarani's (Nr. 816-^818)^
fa Abd Alkadir DjUani (Nr. 880), Ghardmeebi (N. 8S9) n. A«
MAreie myatisebe Gommentare aum Koran (Nr. 864 — 866), BamuH
lagea ron Homelien und mystiechen Vorieenngen (Nr. 878—877^
902— 909) and endUcb eine Reibe von Behilften Aber Elhlk uM
Aicettdemna. Dleee AbtheUong eatbiüt 245 Nammorn (741— 746)i
unter den aur arabischen Pbilologie im engem Sinne gdbik'ed^
im Bandaebriften der siebenten, ans 154 Nnmmem bMebende«
AUbeiimig, madien wir auf folgende anfmerksam: Djanbärrs WGf-'
tnrimeh (^r. 947—949), eine persisebe Uebersetaong und Beerbet^
tmg des Kasoass von FiracabadI (Nr. 952 — 955, und 957— 968)|
»«irrere WörterbtIeher über den Koran (Nr. 965—970), flber die
TnuBtiensworke (Nr. d71— 975\ «ber teehntsehe Ausdrücke M ja-«
fidiidieH Werken (Nr. 983—986), in Werken über Snflenms (Mr. 990
-4»S) imd fiber Mediein (Nr. 994—995. Unter den granfmaflkall^
vkm Werken aeiebnen sich aus ; ^ Gommentar an Bibaweih (Nr. 1 004)
md SB Ibn Dareid's Makssorab (Nr. 1006), Djor^ani's Kftab
Aldjttmal, eine Grammatik von Samachschari, (Nr. 1010) mehrere
Onmientare cum Alfijah (Nr. 1088—1089) und Sujutls Sebawähid
AIsHiglml QiT. 1040).
Za dM seltenen oder besonders werthtoBetf Schriften der ate<«
MMJwa Belletrisdk, besonders Poesie, alhlent die Qedicbte des Ibil
Aisbi (Nr. 1108), Boslri's Bamsleb, mit awd Oolnlneniarett
(}k. 1115— lll6)t der Diva« des Hassan IbD Thnbff, der des Um
'vidh und der Chansa (Nr. 1120—1121, 11^8), Wahldi's Com-
amiar an Motenebbi ^r. 1181)) der Ditan des Abu Tamam
{jb. 1185), Mubarrads Kamll (Nr. 1144), arabische Sprichwörter
rm Kasias Ibn Mohammed ftakarQ, ein Gommentar aur Hamas«
Tsn Ahn Ali, dae Kitab Alaghani (Nr. 1175-1180), eine Refber
^en AaAologfen und zwei Eiemplare von Antar's Roman, das dne
b <2 and dae andere in 43 Btodeii» Die aes«nm«MiU der Htm*
912^ Bibliotheea orieAUUi Sprea^riaiia.
meni dieser Äbtheilimg beträgt 167. Nicht geringer ist die Zabl
der Sehriften, welclie die persische Poesie zam Gegenstände haben.
Hier fehlt nicht nur keiner der bekannten Giassiker, sondern auch
manche neuere Dichter finden sich darunter, so wie auch mehrere
▼orzOgliche und minder bekannte Gommentare. Wir nennen nur
JBe Werke des Assafi, Anwari, Djalal Asir, Awhadi, Ajsrakii Fig-
hani, Hatifi, Djami, Chakani, Chosrew, Latifi, Schebischteri, DJeUL
Eddin Bund, MnAjis, Ni'mat Allah, Nisami, Orfi, Suseni, Surnri etc.
Ueber die Werke persischer Philologen, die sich fai dieser Samm«
long befinden, haben wir wenig au erinnern, da der grösste Theil
denielben aus Impressen besteht und wir hier nur auf handschrifh
liehe BaritKten aufinerksam machen wollen. Herr Sprenger hat es
sich nKmlidi auch angelegen sein lassen, Bücher, welche im Orient
▼on Mnselmlinner gedruckt oder lithographirt worden sind, sorgflQtig
n sammeln, weil sie zum Theil in Europa so selten sind als grute
Handschriften. Unser Gatalog beweist, dass auch in dieser Be-
siehung er seinen Zweck eneicht hat Wir begnügen uns mit dieser
Bemerkung und setzen nur noch liinzu, dass wenn man bei unsrer
Aufzählung Ton dassischen Werken dieser Bibliothek das eine oder
das andere vermisst, man daraus schliessen kann, dass es unter den
im Osten edirten sieh befindet. So z. B. Motenebbi unter den ara-
bischen, Firdusi, Hafis und Sadl unter den persischen Dichtem, das
Hidajah unter den juridischen Werken, der Eamoss unter den
arabischen Wdrterbüehem u. dgl. mehr. Unter den Handschrift
ten der persisch philologischen Abtheilung nennen wir nur ehi Wör-
terbuch Ton Mahmud (Nr. 1546), und mehrere ErzShluugen, Anek^
doten und Sprichwörter (Nr. 1017, 1628—30, 1685, 1641—43)«
Die zehn folgenden Nummern (1645—54) enthalten, mit Aoa^
nähme eines einzigen in Calkutta gedruckten Werkes, DjaghatiOachef
handschriftliche Sprachlehren, Wörterbücher und Gedichte, auch ein
Methaawi in ottomanischer Sprache. Hieran reihen sich (Nr. 1655-^
1667) Uebersetaungen aus dem Sanskrit oder Hindustani ins Per*
sische, dann (Nr. 1668—1774) die Hindustani Literatur^ die natür*
lieh, da ja der Sammler im Lande der Hindu lebte, sowohl an Im«
pressen als Handschriften gut bestellt ist. Die folgende Abtheilung
(Logik und dialektische Philosophie) bietet wieder mehr Druckschrift
ten als Manuscripte und besteht aus 58 Nummern (1765 — 1823).
Von den Letztern nennen wir Samarkandis Adab Albahth mit
mehreren Gommentaren (Nr. 1793—96), Eatibis Hikmat Alein
mit Gommentaren (Nr. 1804—1810) und eUi philosophisches Weri^
Ton Farjabi (Nr. 1818).
Auch die mathemadsch*astronomische Abtheilung, (Nr. 1824—«
1879) so wie die medidnisch-chemische, (Nr. 1880—1943) enthfilt
manche Druckwerke, die bisher nicht nach Europa gelangt sindi
doch auch Handschriften, die nicht ohne Werth sind, wie Ueb«^
Setzungen des PtolomKus, eine Sammlung von Traditionen über
Astronomie ud Meteorologie (Nr« 1886—40)} Abu Maschar'a JEHn^
Wn^t Torlainff»» tter ik fteorfo eM. IIS
ytmg nur AstroBomie (Nr. 1841), Turins ElüBttite d«r AalroiiottiM
nk äößm CommeDUf« (Nr. 1844), Tabellen inr Verwaadliui^ kop*
üKfaer Daten in Data der Hidjrah a. a. m. Unter den medlelnlMb»
MmriasenechalUichen findet sich anefa wieder eine Sammlung rou
IMitionen fiber Medidn, ein Werk über den Zoetand der Medleia
ie Mekka (Nr. 1880—81). Medidniiche Tabellen ron Honein Ibn
Uiik, mehrere Werke mit dem Titel System der Mediein (1886—
1889, 1894—1895, letster« in VerMn), mehrere ehemlMhe WeAe
(1915-16), über reneriecfae Krankheiten (1919^20), eta Uterü
Werk fiber Naturgeschichte der Thiere (1933}, über Edelsteine (1998),
ober Physlognomil^, Oneiromantik n. dgl. m. (1930—34). Die letite
Abtbeflang, EncyklopSdien nnd GoUeetaneen, enthält anch noch einig«
Handschriften die bei andern Sammlungen besondere Erwlhnong
Teidtonten, wir aber übergehen, um sum Schlüsse so gelangen, dem
wir mir nodi den Wunsch beifügen wollen , diese reiche nnd kosl-
btr« Ssmmlung möge recht bald für eine grössere Bibliothek Deutsch-
lasds — ehe uns das Ausland curorkommt — angekauft werden*
Nach anserm Daftirhalten wäre sie, roransgesetxt, dass sie Terelnigt
Ueibt nnd dem jetzigen Besitier, so wie andern, genügende Oaran*
Im leistenden Orientalisten, cur Benutsung überlassen wird, lu einem
Preise zu haben, der in gar keinem Verhältnisse m fhnm innera
Werthe steht 'We9i.
Ywlesungm über die Theorie des deuUchen gemeinen MrgerKeken
Prozesses, gehalten auf den Universitäten »u OdUingettj Hei--
däberg und Jena, von Dr. Christoph Martin, Qrossherz,
Saehsen-Wdmar^ sehen Geheimen Justiaraihe, u. «. tr. HerattS'
gegeben unter dessen Mitwirkung von seinem Sohne Dr. Theo^
dor Martin, Qrossherx. Sachs, Justizamtmann zu Creuzburg.
Zweiter Band. Leipzig, F. A. Brockhaus, 1857. 607 S. 8.
Deber den ersten Band dieser Vorlesungen ist in diesen Jahrb.
Jalirgg. 1856. S. 161 ff. berichtet worden. S. 1—113 des «weiten
Bandes handeln ron den Prosesshandlungen in ihrer Verbindung
untereinander. Feststellung der Streitfrage und Qrundsätse des Be*
veiaes bilden den Hauptinhalt Der letztere Punkt hat eine aus«
iSkHdiere Erörterung erhalten, als der erstere. In Ansehung des
letzten finden sich nur kurze Andentungen über das Anbringen der
Klage. Der Stoff der Klage ist nun auch allerdings da^enige, des-
M Schicksal über den Ausfall des Rechtsstreits entschddet Daraui
aber, dass der Verf. allein ihn hier in Betracht zieht, Ist das noch
iMit zu entnehmen, und am allerwenigsten ist daraus zu ersehen,
vie dies zugeht, wenn Einreden, Repliken u. s. w. weitem Stoff in
iea Streit hineintragen. Ohne eine Darstellung der Art und Welse
te Qegenwirkens und beziehungsweise Zusammenwirkens dieser rer-
■ddeden^ ProjMesmittel wird sich Indess ehi innerer Znsammenhang
der Pr9M(tiBb«ddliMigM Qidit diurvtallon UMen. K«di A»r AiflEMwmg
dw Vert i«t wdeas der Zwock de« Proseisea nur die ErlaDgniisg
d#( £ii0catip» (S. 1)| aber ea iBt eaoh dami ein Bechtsatreit ror«
bimdeo seweeen, wem der Kllger ohne irgend eine TheilnshnM
dee Bf^egten ebsewieaen worden (S. 6). Bei dieser Znrückfübroiic
def Beebtflstreite anf eine blosae Prftparation der Esecation wird die
Bedentupg deeselben ala eine« Mitude den streitigen Pankt imtM
den Partbeien mr Gewiwheit zu bringen und die Verfolgung irgend
(^ea poeitiven Zweckes von Seiten des Beklagten, Jedea Intereaao
^ea üetistern bei einer Fortsetzung desselben, aua demselben entfernt.
Dieae Aaffassong, durch wdcbe der Beditsstreit einen eztrajudiciel--
hxa Ghnraeter im Sinne des canonisehen Bechts empfängt, mag es
verwlMit baben, dass der Verf. jenen Elementen der innem £ot-
wiekelnng desselben an diesem Orte keine weitere Berücksichtigung
«I TheU werden lassen.
Die Gestalt, wdcbe der Verf. dem Klagegrunde gibt (die«e
Jahrb. a, a. 0. S. 173 ff«) führt dahin bei der Eigenthumsklage
das £igentbum an sich , von der Zuständigkeit desselben, welche den
Kläger in Anspruch nimmt (S. 120 ff.), su unterscheiden. Nach den
Beaeicbnungen des Vert führt diese Spaltung au folgender Gliederung
eines Sigentbomsklage: 1) entfernter Klagegrund: es besteht das In-
stitut d<Üa fiigenthums; 2) näherer Klagegrund: den angesprochenen
Gegenstand , welcher a. im Besitze des Beklagten sich befindet, ist b.
von den Wirkungen dieses Instituts ergriffen; 3) mittelbarer Kla-
gegrund: dem Kläger sind diese Wirkungen zuständig. Wenn nun
ein Beweis des Klagegrundes gefordert würde, so hiesse das nach
der berrsfibenden Auffassungs weise: der Kläger hat zu beweisen die
Thetsaohen, welche Zif. 3 und ZU. 2a. begründen. Zif. 1 verbliebe
dann dem Gebiete des objectiven Bechts, und Zif. 2a. ISsete sich
TOP selber durch Zif. 3. Es bildeten dann Zif. 3 und 2a. den Un-
tersatz, anf den nach dem Verf. regelmässig ein solcher Beweis za
richten ist. Da nun nach dem Verf. der nähere Klagegrund der
Pnteraata Ist, so entsteht bei der Eigenthumsklage die Ausnahme,
dess ein Stück dieses Untersatzes: dass der Gegenstand vom Eigen**
ihume ergriffen sei, fn einen besondern Beweis yerwiesen wird, des
sieb der legitimatio ad causam parallel stellt Der mittelbare Klage-«
gvnsd, und somit denn auch diese Zerspaltung und Ausnahme, sott
M persönlichen Klagen dessbalb hinwegfallen, weil das Obligationär
T^^ältniss zugleich die alleinige Art andeute, wie dasselbe enstan-
dei^ sein k)>nne, indem es eine ganz andere Art der Klage wäre,,
wente eine ähnliche Obligation aus einem andern Verpflichtungsgraade
b«rg0l^eitet würde (S. 123). Aliein es beruht diee auf einer Täun
eebnngu Zergliedert man so, wie Torhin geschehen, auch bei der
perfK>nlft'hen Klage, so stellt sich die Sache so: 1) entfernter Kla-
gegnvid -es besteht das Institut der Obligation; 2) näherer Klage««
grnnd; die angesprochene Handlung ist a. eine Handlung des Be«
Ig^gtiM» ml k TOQ den Wirkungen dieses Instituts ergriffen; S) mifci
■Htk: YMfiWgM «w «• TImmU Mt. %U
Kbgogniiid: dtm KU^ siad dlata mifanfeB Biülliidlf.
fe wie 4«r Verf. M der Elgeoibornfklage die Frage, wie der KUh
ißt in dem Eifeiitiiiiin fekommeDy «leo b. B. ob dura Kmi^ Taoieh,
Meakmig, luich 2UL 3 Terweieel, so fiÜU udi die Fnge; wie er
n der ObHfatton oder Forderoog cekommeo, c & ob dnreb Km^
Taeeefai Sefaenkiiiigi unter Zif. 8. Deii beim Eigeatham dieee rm^
idiiedeiieii Erwerbertoo in deneelben Oogeaetend leeemmeptrefoQ,
M der Obligatioa eber aef HendlQBfea reriebiedeeer Art geridilel
lind, kum in Aneebeng der MebraeU der Klagen, aber nicbl Ja
Aaiehang der Itebneabl der Klagegrfinde eine Verscbiedeobeil b^
«iii«L Und wenn, wie der Vert tHll (8. 123), ee jetat Zwanga-
pffidii iet, in der dinglichen Klage das wae n ZiL 3 gebort, nicbt
hitweginlaaaen; nnd dies bei der penriinlichen Klage nater Zii^ 9
mt, so schwindet jeder Scheiagmnd einer Veiscbiedengeetaltigkett
dff Eintheilang des Klagegmndes, Der Umstand, dass bei der ^g-
Helm Klage eine Anerkennong des Becbts des KUgers gefordert
wild, weil es nicht, wie die ObligaUon, im Gebiaache der Klage sich
endi^ft, kaan yielmebr nur den Einfln« ttben, dam derselbe
Dsfegrnnd werscbiedene Fonctioaen trKgt Bei der Behandlang Ton
OrSoden ist es aber ein sehr wesentUcfaer Unterschied, ob derselbe
oder yerschledene Gründe rerschiedene Verrichtungen haben. Es
irt femer ein sehr wesentlicher Unterschied, ob nur die Substans
von Gründen, die ia rechtlidien Wirkungen, oder causae, bestehen,
gouumt SU werdea braucht, so dass damit keine causa, welche aar
Bflgriindung des VerUQtnlsses führen kSnnea, ausgeschlossen ist,
oto ob bMtimmte cansae, auf welche diese Begründung besdirlnkt
^rird, genaant sein müssen. Dass letiteres bei der dinglichen Klage
erforderlich sei, hat Ref. (Zeitschr. f. Ci?ilr. und Pros. XL S. 254)
bestritten. Nach dem Veri (S. 122 Not 12) soll er aber ersteres
Iresidtten haben.
Sehr bedenklich scheint die Ansicht des Terf. TS. 146), dam
de t. g. exceptiones litis finitae noch jetst ron oer erentuellen
Eblsttung befreieten, weil deren Vornahme neben dilatorischen Ein-
reden nach den J. R. A. $. 37. 38. 48 (rect 40) vom Ermessen
te Bichters abhänge, und dieses Ermeuen sich nach dem oanoni-
•diea Rechte richten werde. Denn abgesehen Ton der Zweifelhaft
tigkeit dieser letstera Folgerung ist der Gegenstand des richterlidiea
Srnessens der, ob dem Beklagten, der im ersten Termin dilatorl«-
Nhe Einreden vorbringt, noch ein weiterer Termin aar eventuel*
IsB Eaapthandhmg lu rerstatten seL Das Verstatten eines solebea
Teraiins ist aber gana etwas anderes, als die giüudiche Beseitignag
elsdr Vornahme der Haopthandlnng in erentum durch dae Ve»-
Hebung der Haupthandluog nach der Entscheidung über die dila^
toriBchen Einreden, die schon nach dem R. A. r. 1570. f. 89. nicht
Bdir suUssig war. Dass die Liqeitltlt einer Einrede das riohterliehe
Ennemen au einer solchen Versehiobung veranlassen dürfe (8* 148),
yiki dadorA ebenfaDa unhaltbar«
tifi Beitrlfe *. Staiffllk t, Hmem Yerw«1imi|r ^« GiNnOxtgOL Btdea.
Zq den MiBsbrSuchen der Praiis zSblt der Verf. (B. 348) JM
Treturnng des possessoricmi summariom rom po8s. ordinariom, indem
bei jenem ea sieh nur am eine proriaariache YerfOgung für die
Daoer des Rechtastreita handle, die nicht rechtskrSftig werde, and
atets aua Gründen aarüekgenommen werden k^nne. Indeas geht
doch dieVorachrift der K. 6. 0. n. 21. % S. dahin: za erkennen,
weldiem Theil ... an inhibiren aei, eich der posa. j^bis an end-
lichem Aaatrag dea endlichen Rechtens, in posaeseorio
oder petitorio an enthalten.^ Damit acheint denn doch eine Ver*
nrtheilang aam Abstehen von Besitzbandlungen bis aam Er*
gangenaein einea Erkenntnisses, welches res jadicata über dem
Besitz oder daa Recht herstellt, gemeint zu sein, welche dem
andern Theil einen anentziehbaren Ansprach auf aasschliessliche Be*
aitzhandlnng gegen den Yerartheilten bis za jenem Aussprache ge-
wlhrt. Und wenn diese Verurtheilang auch an der Beweislast nichta
findert, so scheint das Verfahren darüber doch immer als ein be-
Bonderer Prozeaa betrachtet werden za dürfen, und eine Obliegenheit
deqenigen, der diese Verurtheilang erlangt hat, zur Fortsetzung dea
Besitzprozessea , sich nicht mit dem Verf. annehmen lassen, wenn
dne bloss aaf eine solche Verurtheilung gerichtete Klage ange*
atellt war.
Unter Uebergehung von Bemerkungen, welche einer weiteren
Aaaführung bedürfen würden, als sie hier am Orte wäre, bescfarfinkt
Bef. sich darauf, es hervorzuheben, dass dieser Band eine Darstel*
Inng enthUt, die eine richtige ProzessfQbrang zu fVrdem in vielen
Beziehungen sehr geeignet ist
Brftekeülioefflti
BeUrage zur Statistik der itmem VervxiUung des Grossherzoffthwna
Baden, herausgegeben von dem Ministerium des Innern, Carla*
ruhe, Chr. Fr. MüUer'sche Hoßuchhandlung. 1855 — 1857. Vier
Hefte. 4.
Der Freiherr von Reden in der Einleitung zu seinem statiatt-
adien Handbuche (Deutschland und das übrige Europa. Wiesbaden
1854), in welcher er den Stand und die Fortschritte der Statiatlk
in Deutschland darstellt, sagt hinsichtlich der Stotistik dea Oroaa-
heriogthuma Baden: ea fehle zwar nicht an Darstellungen des Groaa-
kerzogthnma, ao wie einzelner Theile und VerhSltnisse desselben,
wie die verdlenatliche „Literatur über daa Groasherzogdiam Baden
von Dr. A Bingner, Carlsmhe 1854^ beweise; aber die neuaten
Oeaammtbeachreibungen durch Privatpersonen z. B. von Heunisch
aeien veraltet, und von der Regierung sei für die Sammlung nnd
Bearbeitung des reichhaltigen Sto£fes wenig geschehen; nur seien
im Jahr 185S von dem grosah. Ministerium des Innern Vorberei«
tongen zur Einrichtung einea statiatiacfaea Bureau getroffen. Dabei
BtMf« B. Slalittik i. imeni Yerw»Hmf 4. QrMähsflh. B«d«ii. 319
ymim jedoeh die vt>rtrefnkli6n Arbeiten eiosdoer Dfenslswaige ber^
rwphohvDf wie die von dem JiulisiiiiDfateriaBi regelmiasig rw^
MBDtfiehteD „UebeniehteD der Stral^ecbtapflege (wotod In dieeeo
T^^en der neoeete Thell von dem Jahre 1858 erBchlenen iet) ond
der bfirgerilehen Rechtspflege^; femer die von dem FinAnsmlnleteriiiat
kenotgegebnen „Amtlichen BeltrSge zur Statiitik der Stnataflnanxen
(Carlimhe 1851)^ nnd die ▼erschiedenen „finansleUen Vorlagen*
bei den Stlnde-Vereammlongen, eo wie endlich die von dem General«»
Qnartiermeleter-Stab herausgegebenen zwei „statlstisch-topograpbi«
eehen Tabellen (1844).<^ Die Statietik des Orossherzogthums hat
e^f jeaen Bemerkungen des Herrn ron Beden weeentliche Fortschritte
genacht nnd das verdienstliche Werk von Dr. A. Bingner, von dem
wir periodische Fortsetzongen nnd ErgSnznngen wünschen nnd hof-
fen, konnte jetzt mehrere erfreallche Erscheinungen auf diesem 6e-*
biete einregistriren. Denn was zuerst Privatarbeiten betrifft, so hat
der Qoermildllch thStige, um die badische Landeskunde so verdiente
Herr Heunisch inzwischen ein ganz neues Werk erscheinen lassen
und dazu die Mitwirkung des durch grflndliche Forschung nnd gute
Dirstellung gleich ausgezeichneten badischen Historikers, des Archiv-
rathes Dr. J. Bader gewonnen*); was aber die Tbitigkeit der B#«
gienmgsbehörden betriflft, so ist das im Jahr 1858 erst vorbereitete
stttietische Bfireau bei dem Ministerium des Innern nunmehr schon
lingere Zeit In volle Tbfitigkelt getreten unter der thätigen nnd ein*
ncfatsvoUen Leitung des Ministerialralhes DIetz, und es liegen ab
Fracht dieser Tbitigkeit jetzt vor diese „BeitrSge zur Statistik der
ionern Verwaltung des Gressherzogthums Baden'', welche sich an die
Htatisdschen Fnblicationen der andern Ministerien ihrem Innern Werthe
saeh so wie nach ihrer zweckmSssigen nnd schönen äussern Aus-
stattung wfirdig anschliessen. Eine dem ersten Hefte auf einem
beeendem Blatte beigegebene „vorlKuflge Notiz* gibt von dem gan«
zen ÜBtemehmen Nachricht. Damach sollen an dieses erste Heft,
Ae weitern Mlttheilnngen in diesen „Beiträgen zur Statistik der
ionem Verwaltung des Grossherzogthnms^ in tbunlich nnunterbro-
ebener Aufeinanderfolge angereiht und so fortgeführt werden, dass
lie sehüesslich das gesammte Gebiet der Innern Verwaltung, so weit
solche den Gesdiäftskreis des grossbzgl. Ministeriums des Iimern be-
lehrt, umfassen. Die Mittheilungen werden nicht in einer systema-
tisdieu Ordnung, sondern so wie das Material der einzelnen Abthel-
langen bearbeitet werden kann, erscheinen ; im Laufe derselben wird
lodoeh eine Uebersicht darüber, wie sich die einzelnen Hefte an
slBsader anschliessen, ausgegeben werden. Jedem einzelnen Hefte
weiden eine Einleitung und erläuternde Notizen beigefügt, welche
^ Du GreMhersofftiiiiBii Baden, hlttoriieh-feograpbiwhritatistisdi-topo*«
Mpiüach beacbrieben von A. J. Y. Henniscli mit Beigaben von Dr. J.
^K^er. Httdelberz. Verlag der Juliui Groos'fchen Universitälabuchhandlung,
<M, bii jeiit 4 Heile, das 5. and letzte wird erwartet.
•U Bdiirlfe I. telMk d. innwtk Varwaltag d. flioMluigllu Btdfla^
die b«treff«oden Eioriohtaogen und Auitalten so wie die eiiimUe»
gende Gesetagebang i& kurven tibeiBicbtlichen UmrteeQ ecbildeni.
Auch wird in etaem beBondem Hefte eine allgemetne DareteUoeg
der verechiedenen Versoche and Unternehmongen aar Erseloog der
liODdeieteüetik, der jetat dabei geetellten Aufgabe so wie dee dabei
angewendeten Verfahrens geliefert werden* Die Hefifce können aa€h
eiaaetn dnrcli den Buebhandel beaogen werden« Wir antemebmen es,
einen übersiebtliohen Blick auf die bisher erschienenen vier Hefte
au werfen und ehiige Notiaen von allgemeinem Interesse aus dem
Inhalte derselben mitaatheilen.
Das erste Heft enthält: „Die Gemeinden des Grossheraogthoms
Baden, deren Bestandtheile und Bevölkerung.^ Das Orosshersog-
thum enthUti wie die Einleitung angibt, in seinen vier Regierungt*
kreisen mit deren vier und siebenaig Amtsbeairken 1583 Gemein«
den, woau noch gegen awei hundert Colonien und abgesonderts
Höfe kommen. Zwischen den einzelnen Arten von Gemeinden besteht
im Wesentlichen kein gesetalicher Unterschied, so verschieden auch
die Benennung derselben im gewöhnlichen Leben ist, als: StSdto,
Flecken, Dörfer u. dgl. Als Bewohner einer Gemeinde unterscheidet
das Geseta: GemeindebUrger, staatsbürgerliche Einwohner und In-
eassea. Nachdem diese und einige andre Hauptverhftltnisse der Ge*
ineindeverfassong mit Verweisung auf die betreffenden Gesetae kori
angegeben sind, wird in dieser Einleftnng ferner auseinandergesetst,
nach welchen Grunds&taen und Vorschriften in Verabredung mit
den übrigen Zollverein-Staaten die Volksaählung alle drei Jahre vo^
genommen wird, nnd nach welchen auch die damals neueste von
1862, welchen den Tabellen dieses Heftes au Grunde liegt, voigS"
nommen worden ist. Darauf wird eine Uebersicht der Gesammti'
personenaahl dieser Volksaählung gegeben nach den Bubrlken dei
Beligionsbekenntnisses; des Geschlechtes; des Alters über und unter
yieraebn Jahren; der Ortsbürger, Bürgers witt wen, Geschäftsgehülfea
und Dienstboten; der Fremden. Wir werden auf die Besultate dieser
VolksaShlung aurückkommen unten bei Besprechung des vierten Hef*
(es, welches die Besultate der neusten Volksafthlung yom Schlüsse
des Jahres 1855 enthält. Nach dieser Einleitung folgen dann drei
Tabellen. Die erste Tabelle (S. 9—204) gibt die BevölkerongssaU
einer jeden einaelnen Gemeinde nach den oben angegebenen Bo^
briken. Die aweite Tabelle gibt ein Veraeichniss sämmtUcher Städte
des Grossheraogthums und ihrer Einwohneraahl nach der VolksaSb-
long von 1852. Als Qesammtergebnias stellt sich darnach beraa«)
^asa in den 114 Städten des Grossheraogthums ausammen 380,071
Pnwobner geaählt werden, und dass bei der damaligen Gesammt-
bevölkerung des Grossheraogthums au 1,357, 208, die Bevölkerung
der Landgemeinden 1,027,137 Seelen betrug.
Das aweite Heft der statistischen Beiträge Ist noch nidit e^
achlenen ; es wird die kirchliche Statistik begreifen. Das dritte Heft
tl856) hat zum lobaltQ die ^StaUstä der Fors^ioliistf- mi OmtlQ-
Mmtntwtitai^.^ Um eliian TolkUbidjg^B Ueb«rUick te Udt-
pdMi Fortfc-'Sutiilik «o fewimieD nnas ma» mit dioiem von des
MaUedea des Innern heraosgegebnaii Hefte die euttotiechen «ch«
veifBDgeii über die Yerwjütimg der ForstdoiDttnen Terbindeo, welob«
ik yAmÜiebeD Beltrige nr StaUttik der StMtsfinanxeB des Greee*
kflnogtham Baden^ 8. 63-^68 enthalten. Das Torliegeade Heft
pbi eine DanteUoDg ieinee Oegenatandee in seeha Abedudttesi aiif
Organiaatioa der Forstbehördeo im Allgemeinen; dia WaMflädiea}
die Helapreiae; daa Waldeig^tbom der Gemeinden nnd Körper^
Bchaftea; Nataralertrag der Gemeinde- und KSrpenebaßf waldangen;
Kulturarbeiten in diesen Waldungen. Die Forstbehörden sind: 110
Bearkslorsteieo, von denen 2 dem grosshigl. Hofei 92 dem Staate^
14 den Geneiadea and 2 Körpersehaftea fden Kirchenärarien der
beidea Coafeesionea uad müden Stiftungen) angehören. Die Ba-
sirkaiSfster haben in den Domlnenwaldungen die Wirthaebaft» di«
ttoBomiscba Verwaltung aad die Forstpoliiei ausautiben; in den
Gemeinden and Körpersehaftswaldungeo die WIrthsehallt nnd Forst«
poIljEei; in den Fri^atwaltungen , au welchen auch die Waldungen
der Staadea- nnd Grnndherren gehören , die Forstpoliaei ; in aUea
Waldungen ohne Unterschied in Gemeinschaft mit den Beairhsim-F
ton die Gerichtsbarkeit. Die Becirksforsteien stehen nnter der Di"*
leetfon der Forstdomineni Berg- und Hüttenwerke. Zwischen dieser
Cflttirsistelle and den Beairksforsteien stehen acht Forstinspectorea
ib Auflichts* nnd Controlorgane. Die Waldflftchen werden naeh
den Stande von dem 1. Januar 1856 nach den Yier Kreisen and
dm darin enthaltenen alphabetisch geordneten Beairksforsteien aa*
gegeben. Die Btaatsgemeinde- und Eörperschafts Waldungen (au«
MBunen 3/4 der gesammten Waldfiäche) sind in den letaten swan«
lig Jahren (1835 — 1855) nen und genau vermessen worden; von
dia FriTatwaltnagea ist nicht gana der vierte Theil genau yermesr
wu) bei den übrigen ist das Maass nach alten Vermessangen nnd
aadi den Bteueraeddeln angegeben. Von der ganaen Oberflftohe dea
Srossheraogthums nimmt die Walddäche ohagefähr den dritten TheU
^ Naoh den EigenthumsverhJÜtaissen gehören davon fast die HUita
dm Gemeindeai 17 Prozent dem Domfinenirar, 2 Proaent denEör-'
poscbaften und 30 Proaent den Privaten. Im ganaen DurcbschnitI
kommt okngeßhr eia Morgen Wald auf je einen Einwohner des
Lsndm« HinaichtUch der Bewirthschaftnng sind ohngetthr 82 Pro->
lent der Waldungen in einer regelmlssigen, guten Bewirthscbaftuagi
4iifefiair 11 Proaent, welche im Beaitae vermöglicher Privaten sind,
dieglelchea oder doch annifihemd so ; der Best aber, ohngefiihr 5 Pro-»
mst, sind hn Besita kleiner Privaten, sehr paraellirt und daher ia
MUechter Wirthsdiaft. Die Holapreise werden nach einem sechs^^
jäuSfen Dnrchsehnitt von 1845 an gerechnet, nach den Bul»rlken9
Hotcfaela, Banhola, Sebeithola geschieden, ohne Zurichtungs- und
Tnasportkoaten, von jeder ehuelnen Beairksforstei angegeben. Dia
BidveiH aa^h dea veisehiedeBen Qegeadea dea Landes liad aehv
MO BekriK« f. Statlftik d. iuieni VennItiiBg d. Groi tlngai. Baden,
versebieden. Die hSchsien Preise hat das Bheintbal yeo Baael Ui
MftDDheim, s. B* das Klafter BucfaeoBoheitholE m 13—15 Golden,
wSbrend dasselbe In dem südlichen Scbwarswald und der Donange-
trend auf 8—4 Gnlden zu stehen kommt. Das Waldeigenthnm der
Gemeinden und Körperschaften ist unter ihnen sehr ungleich ver-
theilt. Der vierte Theil derselben hat einen Waldbesits von nur
ftinfzig Morgen; der dritte Theil hat zwischen 100 und 500 Mon
gen; 268 unter den Gemeinden und Körperschaften haben bis sa
1000 Morgen, 122 bis zu 2000 Morgen; 41 haben über 2000 und
bis zu 12000 Morgen. Zu den grSssten Waldbesitzem unter den
Gemeinden and Körperschaften gehören : Heidelberg mit 5000 Mor-
gen, das evangelische KirchenSrar mit 7000 Morgen; Eberbach mit
9000 Morgen, Villingen und Freibnrg mit 10,000; Baden mit 12000
Morgen. Unter den Privaten hat ausser den Standes- und Grond-
herrn, die Murgschiffer« Gesellschaft den grössten Waldbesitz mit
80,000 Morgen. Was den Naturalertrag der Gemeinde- und Eör-
perscbaftswaldungen betrifft, so bat sich derselbe von 1842 bisjetst
•tändig vermindert, jedoch nur um ohngeföhr 3 Prozent ; diese Von
minderung beruht theils auf der Berichtigung alter Vermessungen,
thells auf Ansstokungen. Der durchschnittliche Ertrag der Gemein-
dewaldungen nach einem Durchschnitt für das ganze Land beträgt
für den Morgen und das Jahr 0,65 Klafter, was eines der höchsten
Erträgnisse in Deutschland ist. Wenn man dieses Erträgniss in Geld
berechnet und dafür nach dem Stand Preise im Jahr 1854 das
Masseklafter durchschnittlich zu 8 fl. 42 kr. annimmt, so würde eine
Summe von jährlich vier Millionen Gulden herauskommen. Nimmt
man aber das reine Erträgniss nur zu drei Millionen Gulden an,
so würde dadurch je nach einem Zinsfuss von 4 oder 3 Prozent
ein Kapitalwerth der Gemeinde- und Körperschaflswaldungen von
75 oder 100 Millionen Gulden repräsentirt Die Uebersicht der
Kulturarbeiten in den genannten Waldungen wird nach den zwSlf
Wirthschailsjahren von 1842—1853 gegeben, nicht nach den ein-
zelnen Bezirksforsteien sondern summarisch nach den Kreisen, durch
Angabe der Saat und Pflanzung nach Morgen, der Schonungs- und
Abzugsgräben nach Ruthen und der neuen Weganlagen desgldcheo
nach Ruthen. Man ersieht aus dieser tabellarischen uebersicht, da«
für alle diese Kulturarbeiten eine grosse Thätigkeit angewendet wor-
den ist; in der neuesten Zeit wird den neuen Weganlagen eme gans
besondere Aufmerksamkeit gewidmet
Das vierte Heft der Beiträge enthält : „Die Volkszählung ip
Grossherzogthnm Baden vom December 1855.' Diese neueste Volks*
Zählung zeigt in Vergleichung mit der Zählung von 1852 eine Ab-
nahme von im Ganzen etwas mehr als 42,000 Seelen, indem di6
oben mitgetheilte Gesammtzahl der Gesammtbevölkerung des Jahres
1852 sich auf die Zahl von 1,257,208 vermindert hat Diese Ver-
minderung erstreckt sich in einem Verhältniss von 3 bis 6 Prozent
durch alle Eabriken der Beyölkemngsliste mit alleiniger Ausnidmia
BeÜrife s. Statblik i. iamttu VerwiItODg d. GroüliH;*. Bad««. tti
ihr ^enoniten und DiaridcDton^, welche von 1999 auf SISS f^
tüegm nnd, midiln niD etwa seehs Proient lugenonuneD habeik
Diese Abnahme der BeTdlkernng beruht nicht aaf einem Uebersehotti
der Gestorbenen Aber die Oebomeit, da yielmehr die Zahl der Oe-
borten in den drei Jahren die Zahl der Oestorbenen nm etwa 14000
ÜMrtriflt Der Ornnd dieser Abnahm'e der GesammtbeTQlherong liegt
in der Aoswanderung und in dem Aufenthalt einer grossem AnsaU
TOB Badnem im Ausland. Es sind nSmlich In den drei Jahre«
1853—1855 aber B7000 Individoen ausgewandert und seit der im
Jake 1854 erfolgten Aufhebung dea Yerbotes fär die Oewerbsge^
Boeien oi der Schweia au wandern sind viel mehr Angehörige des
Oronherxogthnms als früher ausser Landes gewesen. Bei dieses
Abnshme der Gesammtberölkerung des Orossheraogthums um etwaa
mehr als 3 Proient , aeigt sich eine Vermehrung der Bevöikerung
IS den Städten Ton 3 bis 17 Proaent, eine ähnliche Erscheihnng
wie sich dieselbe bekanntlich in der neuesten Zelt auch in unserm
Nachbarlande Frankreich geaelgt hat. Mit jener Abnahme der 6^
lanimtbeTblkerung hat jedoch, wie die den Tabellen der Volkssäh«
hmg Torausgeschickte Einleitung auselnandersetat, augieich eine Yerr
kttemng der Yolkswohlfahrt stattgefunden. Als Beweise dafOr wer^
den ausser dem Termehrten Personen- und GfiterTerkehr, dem Blei*?
geo der Ofiterpreise und der Sparkasseneinlagen und der Abnahme
des Bettels noch besonders hervorgehoben: die Abnahme det Aus«
waademngy die Zunahme der geschlossenen Ehen, die Zunahme dec
Gesehäftsgehülfen und Dienstboten (um mehr als 7000 gegen 1862),
Ce Abnahme der (Syilprosesse und der Oante (letstere fielen von
neb als 1300 im Jahre 1852 auf 690 im Jahre 1855); so wie
der Yerfarechen (von weldien vor die Schwurgerichte kamen im
J. 1852 205 FäUe und im J. 1855 nur 97 FäUe> Dass eine Bes^
Mnuig in Yergleidi mit den unmittelbar vorhergegangenen Jahren
la dieser neuesten Periode eingetreten ist, unterliegt wohl keinem
ZweifeL Diess schUesst aber nicht aus, dass ein grosser Theil der
Bevölkerung durch den gesteigerten Preis der Lebensbedfirfnisse in
einer sehr bedrängten Lage ist, während freilich dieselben Yerhält^
itee wieder einem Thell der Produzenten som Yortheil gereichen«
Deberdless ist bei der In dem Jahre 1855 gegen 1854 so sehr ver*
ndnderten Auswanderung (von 21,000 auf 8000) nicht au über'»
Mhen, dasa dieselbe nicht etwa nur durch die gebesserten Yerhält*
Bise in dw Hdmat , sondern nicht minder durch die damals ua^
gÜBstigere Yerbältnisse In Nordamerika bewirkt wurde. Die Ehen
haben awar gegen die unmittelbar vorhergehende Periode etwas an-«
geaoBunen (7267: 7005); aber wenn man auf eine Reihe noch
früherer Jahre aurttckbllckt und diese mit der Gegenwart in Yer<«
gleiehong deht, so kann man nicht ohne Beunruhigung die auffal«.
leode Abnahme der geschlossenen Ehen wahrnehmen. Ohngefähc
te so viel Ehen ab in dem Jahre 1855 wurden in dem Jahre
IKil twUmvh obgleich damala die BevSlkemng dea Laodei nm
tiS B«Mfe 1. 8litSittk i. innani YerwaltaDg d. Ckoiski^th. Bad««.
ohngeffibt 800,000 Seelen gerioger war. Diese 2alil stieg im Jahre
2829 anf mehr als 8000, im Jahre 1882 aaf mehr als 9000, idr
Jahre 1884 bei einer am 100^000 geringem Bevölkernng als die
jetrige, aaf mehr als 10,000. Fast eben so hoch war diese Zahl
kans Tor dem badisehen Aufstände In den Jahren 1844 — 1846, wo
auch die Oesammtbevölkerong Ae höchste Ziffer erreichte. Yob
da an fiel die Zahl der Ehen Imd erreichte im Jahre 1852 ntcbt
dAmal gans 7000 (s. Heanisch, das Orossbersogtham Baden S. 248).
Die Abnahme der Qanten kann, in Beaiehnng wenigstens anf di4
Orandbesitsser, nnr bedingangsweise als ein Beweis des yerb^ssertea
Wohlstandes gelten. Diese Abnahme eeigt, was die Orandberitser
betrifft canSchst nur an, dass weniger Eigendmmsveränderangen doreb
Oante rorgegangen sind. Diese Erscheinnng kann aber eben so
gnt daraaf hiüdenten, dass der Prozess der Depossedirnng der klei-
nem Ornndeigenthümer durch die Wohlhabenderen non sein Maxi-*
innm erreicht hat, als dass der allgemeine Wohlstand zagenom*
men hat.
Das fanfte nnd neueste Hefl dieser Beiträge (1857) gibt «ine
;,Ueber8icht über die Aaswanderang im Gr ossherzogthum Baden in
den Jahren 1840 bis mit 1855.' Die betreffenden gesetzlichen Be^
Stimmungen in Baden unterscheiden zwischen Wegzug und Am-'
Wanderung. Unter ersterm wird die Ablegung des bfäiscben Vs-
teräianenrechtes verstanden, welche nach Erlangung der sfchern Zu*'
eage des Unterthanenrechtes in einem fremden Staate gescbJeht, wo^
gegen die Auswanderung in der Absicht geschieht, um die Aufnafamä
IB einem fremden Lande ohne eine solche vorgSngige Zusage erst
M sueheti. Hier Ist überall nur ron der Auswauderong in diesem
engem Sinn die Rede. Die Einleitung dieses Heftes gibt die g^
setiAchen Bestimmungen an, welche bei der Auswanderung stattfia«
den, namentlich die FflUe in denen die obrigkeitliche Eriaubaifs
dazn rerweigert werden muss, wie a. fi. einem Ehemann, der aoiH
Wandern will, wenn dessen Eäiefrau nicht einverstanden ist; den
Gonscriptionspflicbtigen, welche nicht vor dem 1. Januar des der
Gonscription vorhergdienden Jahres die Erlaubnis» der Auswande^
rung nachsuchen oder andern Falls ihrer Conscriptionsptteht nicht
genügt haben, und so noch eüilge andere Fälle. Seit dem Jahz^
184d steht das Auswandin^ngswesen unter der besondem Uebei^
wachung und Leitung des Ministeriums des Innem, welches dabei
durch den seit 1849 gegrthideten Auswanderungsvereio (einen frdeii
Privatverein} unterstützt wird. In der angegebenen Periode (1840
bte 1855) wurden 18000 Auswanderer von den Gemeinde» als aal
Affswandernng geeignet bezeichnet und s^uf öffemficbd Kosten aos
dem Lande befördert In dem ersten Abschnitte der angegebenen
Periode, nSralidi In den Jahren 1840—49 betrug die OesammtsaU
der Auswanderer obngeOhr 29,000, dagegen in dem zweiten Ab^
•dmlue 1850—55 über 62,000. Die meisten Auswanderer^ cAn«
geAhr die HStfte der Geaammtsnaime gehVrea der Aek^bMi trel^
bulen Kliwe •&, nkl fast alle (81,000) waoderteD naeh Nori»
iBflrika aoai «in kleiaer Thdi (2000) nach Algerl«D, Bodi weaigir
(1500) nadi andern überaeetoehen Läodern, und am wenigsten (661)
wk oetenropiiaeben LSndem. Die groaae Zonalme der auf öffent»
Ue Eealen ansgewanderten in den Jahren nach 1850 in Vergleidi
Bit den Terhergehenden Jahren leigi sieh in der Snmme der Un*
tcntfitungen, welche in den Jahren 1840—49 ohngefttr 177,000
Golden beCmg, nnd in den Jahren 1850—66 laat aaf daa aeha*
hebe eti^j io wie in den Darehtehnütainnimen dea anig^führtea
TenanSgena, welche in jenem firahem Abschnitte 246 Qolden ant
die Person betrag nnd in dem sweiten Abschnitte nur 146 Golden«
Dir Abflnaa des ausgeführten Vermögens (In den fiia(sehn Jahreift
über iünfaehn Millionen Gulden) worde zum grossen Theile wie*
der enetst durch das Vermögen, welches Ausl&nder, die das Indi«
genat erhielten, in das Grosdiersogthum brachten, was som z, B.
im Jahre 1855 Ton 90 solcher Personen die Summe von beilftofig
350,000 Gulden betrug. Die Unterstützung der Auswanderer wurde
gitetentheila Ton den (Gemeinden bestritten, ein Theil davon durch
Ae Staatskasse. Wann ehie grössere Ansahl von solchen Auswnn^
teem Eosammen befördert wurde, so betrugen die Kosten des Trans*
Portes im Durchschnitt für die Person 92 Gulden, worunter nod
11 Oulden Ausrüstungskosten mir Reise und eben ik> viel aur Un«
lentfitcuttg In Amerika begrifen sind. Für einaelne Autwanderet
betrag der Aufwand im Ganten 100 bis 125 Gulden. Aus Hord^
ttwrika iMten die Macfarichten über das Leos der Auswanderer im
Chmaen günetig; in Algerien ist eine grosse Zahl der Auswanderet
tUtlchen Krankhdten erlegen. Die allgemeine Verbesserung def
Lage der Arbeiter im Grosshersogthum durch deren Verminderung
Termittdst der Auswanderung geht hervor aus der bedeutenden Ab4
Balune der nöthigen Armenunterstützung aus öffentlichen Mitteln, so
wie aus den flbr^en in dem vierten Hefte angeführten Thatsacheni
ssf denen man glaubt auf eine Verbesserung der Wohlstandsver-
mtniaee des Landes scbliessen lu können. Nur ist freilich, wenn
■ach die Nachfrage nach Arbeiten gestiegen ist, darum nodi nicht
auch der Arbeitslohn in genügendem Verhältniss ta den jetsigeii
Fteisen der Lebensbedürfnisse gestiegen. Von dem Jahre 1854 att
wurde die Auswanderung der Armen ki grossem Parthien aus Uit4
tefak der Gemeinden und des Staates völlig eingestellt, nachdem di^
Sonune solcher Auswanderer beUSutig die Summe erreicht hatte;
<eren Auswanderung als im öffentlichen Interesse liegend anges^hefl
werden konnte. In dem Jahre 1855 ist die Summe aOer Auswan-^
ierer gegen das Jahr 1854, wie schon bemerkt, von beilSuflg 21,000
^abgesunken auf etwas mehr als 3000. In dem Jahre 1856 wat
Ae Auswanderung noch weniger erheblich, und sie wird nun in det
Hauptsache für geschlossen betrachtet werden können für so langa
^ & jetzt angetretene Besserung der volkswirthschaftlichen 2u-
lühde im Grossheraogtbom fortdauert Nach der lanleitung diesei
2M ?!■(: Geiebidile def Feldxaci in der Krim.
Heftes, welcher wir das bisher MitgetheUie entnommen habeiii folgt
dann eine Beihe von Tabellen, welche die Auswanderung nach den
einzelnen Kreisen und Aemtem des Grosshercogthnms darstellt von
1850 bis mit 1855 nach den Rubriken: OesammtbeTÖllcernng, ZaU
der Ausgewanderten (getrennt nach Familienhänptem, deren Ange-
hörigen, ledigen selbständigen Auswanderern); Gewerbe und Lebens-
benif; Land wohin ausgewandert wurde; ausgeführtes Vermögen;
Betrag der UnterstOtaungen. An diese Tabellen schliesst sich eine
viehr summarische Uebersicht der Auswandemng in den Jahren 1840
bis mit 1855. XelU
GeidudUe des FtUamp m der Krim wuk MiUkeihmgen mu dem Tagduche eme$
deuUchen Ar*ie$ m ruisischen Diensim, Berauigegeben van Ferdinand
Tftug, Mii emer Karte der Krim, PUmen wm Sewastopol^ Balakknen vnd
der SdUadU an der Ahna, Zwei TheiU in einem Bande* Dritte Außa^
Benzin. Verlag ton Ludwig Rauch. iS2 und 190 8, in ü. 8.
Diese Miltheilnngen find in der Fonn eines Tagebacliei gelialleB, ia wel-
cbei die täglichen Erlebniife aufgeieichnel wurden, fie tragen daher slle die
Frifche und LebendiglLeit an iich, die mit allen iolchen unniitten»ar genncb-
ten Anfseicbnungen verbunden ist und empfehlen sich dadurch einem Leier*
kreise, der mitten in die Ereignisse gerfickt, diese aus der unmittelbarsten
Anschauung su ttberblicken rermag, abgesehen, dass sie lu einer genauen und
Tollstindigen Erkenntniss des grossen Drama's einen Beitrag liefern, der bei
flem Wenigen, was uns bis jetit darüber ▼ob russischer Seite lugekoni*«
men, um so mehr Beachtung Terdienen wird. Diese ist auch der Schrift acbon
in iwei früheren Auflagen su Tbeil geworden und wird ihr auch in dieser
neuen dritten Aullage in gleichem Grade in Theil werden » da sie dieselbe
gewiss Terdient
KänigHdm Martgränm, Geeehiekte der Oefangenedtafl der K&nigin Mark Ämtei^
nette, dee Kikugs Ludwig XViL^ der Daupkme Maria fAsrefttf. Von Qtorf
Beeekiel. Berlin, 1856. Verlag oon Ludwig Rauch. VIu.1378. in Hein S.
Diese kleine, aber recht lesenswerthe Schrift fuhrt ein edles, ja erhe-
bendes Bild einer unglücklichen KOnigsfamilie vor, wihrend sie ingleicb um
(irlaelscenen in das GedSchtniss lurCckruft^ die cur Ehre der Menschheit auf
immer vergessen bleiben sollten, wenn es nicht nothig wSre, von Zeit sn
Zeit daran erinnern und damit der blinden Vorliebe fOr Alles fremd ländiscba^
^e ihre Blicke so gern anderswohin richtet, lu entgegnen. Wenn die schon
Ausführung allerdings ein Werk des Verfassers ist, so ist der Stoff den
erkannt besten Werke, das die Literatur Frankreichs über diesen Gegenstan
anfsuweiien hat, dem Werke des Herrn von Beauchesne entnommen, welc
auf authentischen Aktenstücken eben so sehr wie auf die Mittheilnngen an^j
Aussagen noch lebender Zeugen gebaut ist (Louis XVL, sa vie, son agonie^
sa mort etc.)* Man wird demnach hier kein blosses Gemilde der Phantasie
sondern ein wahrheitsgetreues Bild finden, das um so mehr Beifall findet
Wird.
ft. a HEIDELBERGER 1187.
jihbbOghir der litiratdb.
ümüdUe ier GrosAenoglick Baducken ÄmisMiatU Sintkeim wm Jok, David
Karl Wilkelmi, RiUer des Ordau v. Zäknmg. Löwtn^ ev.pnUiL DtkoM
tmd Siadipfarrtr su Sinsheim h. s. ir. SinsMm, Gidmekt Ui Gtarg Mokr
t» Heidelberg 1856. (VieruktUer Jakresbericki an die Mi^Ueder der iSifM-
uk ton Karl Wilhelmi, u. s, ir.) VI und 215 S. in gr. 8,
Nachdem der Yerfaiser früher schon eine Gefchichte der Siniheim nahe
gdegenen und in früheren Zeiten mit Sinsheim in vielen Beziehungen ftehenden
Bmf SieiBsberg, und ebenso eine Geschichte der vor der Stadt Sinsheim ge-
legoiea alten Benedictioer Abtei gegeben, bietet er nna in Torliegender Schrift
eise Geschichte der Stadt selbst, wodurch diese früheren Forschungen ihren
AMlnss und ihre Vollendung gewissermassen erhalten haben. Und dus in
eiaer solchen geschichtlichen Darstellung Kiemand mehr berufen war, wie der
Verfasser, der an seinem ein und siebeniigsten Geburtstage die Ergebniae
^jtiiriger und unermüdlicher Forschungen dem Publikum vorlegt, bedarf
voU kaum f&r die, welche seinen gründlichen und gediegenen Forschungen
nf dem Gebiete unserer vaterlftodischen Geschichte gefolgt sind, einer beson-
toErwfthnnng; dass es sich aber bei der vorliegenden Darstellung nicht
^ am die Geschichte eines kleinen Landstidtchens von nicht gani dreitan*
Mad Einwohnern (so viele alhlt das jetzige Sinsheim) handelt, und um Be-
l^aisse, welche höchstens für die Bewohner des Ortes selbst oder die nach-
Hea Üfligebangen ein Interesse ansprechen können, das kann der ganze Inhalt
^Mier geschichtlichen Monographie am besten selbst zeigen. Und dämm glän-
^ wir aach ein grösseres Publikum auf diese mit der ganzen Geschichto
^ Pfalz und damit hinwiederum des deutschen Reichs in den innigsten
vad TidlachateB Berührungen stehende Gefchichte Sinsheims insbesondere anf-
nerkssM machen zu müssen. Abgesehen von den Spuren heidnischer Nieder*
Ixsnagen in uralten Grabes- und Todtenhttgeln, die in die vorchristliche Zeit
Uaaofreichen, Ilsst sich die erste Anlage des Orts bis in die ersten Zeiten
to larolinger verfolgen; schon im Jahre 770 kommt vor das Helm oder der
heiler des Suno, denn das ist das auf so vielfach verschiedene Weise,
wie die Zusammenstellung S. 13 der Schreibart vom Jahre 770 bis 1645 zeigt,
ia alten Urkunden n. dgl. geschriebene Snnnisheim oder Sonnesheim;
■dum unter Karl dem Grossen wie unter seinem Sohne Lndwig dem From-
>MD, war es kein unbedeutender Ort, sondern vielmehr der Hittelpunkt und
Hniptoft eines ganzen Gaues, der nach dem vorbeifliessenden Bache den
Kaattn des Eljenzgaues führt und, wie das S. 7 mitgetheilte Yerzeichniss dar^
Ihac, eine ganze Reihe von Ortschaften in jener frühem Periode nachweist.
Ton dieser firtthen Zeit an hat der Verfasser nun die Geschichte des Ortea
Mpnommen und bis anf die neueste Zeit herabgeführt: er zeigt uns Sini-
koiai unter den Grafen des Elsenzganes und dem Bisdiofe von Speier, dann
ib eiM knijeriiche Reichsstadt (von 1108—1362), darauf unter den Churfilr^
U Jihfg. 3. Heft. 15
M0 Rndhari! Tticlieiibueli Ite die vieitorllUidbche Geschichte.
•ten und Pfalxgrafen bei Rhein (von 1362—1802); der letxte AbschniU be-
handelt die jüngste Zeit, in welcher der mit feinen ntrhen Umi^ebui^en den
Fürsten von LeiniBifen zugfefallene Ort (1802), dann dem 6rof8faerso|;tham
fiadea (1806) Mnverieibt ward. Am urafangreichaten lat natfirlich dar dritte
Abschnitt ausgefallen, welcher das pfälzische Sinsheim behandelt (S. 31— 172):
es fallen in diese Periode die Starme des Bauernkriegs, die Reformation, der
dreissigjafarige Krieg, der Orleans'sche Krieg, in welchem Sinsheim gleich den
meisten Städten der Pfsls ein Raub der Flammen ward, und andere nicht
'minder wichtige Ereignisse, die uns die Bedeutung des Ortes im Znsammea-
liang mit der ganzen politischen Geschichte der Pfalz wie des ganzen Deutsch-
lands erkennen lassen. Alles diess gibt der Darstellung auch ein weiteres
Interesse, zumal der Verfasser stets bestrebt war, diesen Zusammenhang mit
dem Ganzen nachzuweisen, ohne jedoch von der allgemeinen deotschen oder
pfillzischen Geschichte ein Hehreres hereinzuziehen, als es durchaus notbwea-
dtg war. Fragen wir nun aber nach den Quellen, aus welchen der hier be-
handelte Stoff geflossen, so brauchen wir wohl nicht besonders zu bemerken,
dass die gedruckten Quellen und Httifsmiltel der sorgfaltigsten Beachtung sich
erfreueten ; aber diese konnten hier nicht ausreichen , daher wurden hand-
schriftliche Quellen, so weit sie nur aufzubringen waren, mit gleicher Sorg-
falt aufgesucht und benutzt; dahin gehört alles Dasjenige, was das städtische
Archiv von Sinsheim noch aufbewahrt, so weit es nicht der Zerstörung unter-
legen ist, ferner sind hier zu nennen die Registraturen der reformirten Inspection
und Pfarrei, dann die Akten und EopialbUcher in dem Grossherzoglichen Lao-
des-Archive u. s. w. Jedoch nur die Resultate der mühevollen, diesen hand-
schriftlichen Quellen gewidmeten Forschung sind in die Darstellung aufge-
nommen, die einen schönen Beitrag zup vaterländischen Geschichte bietet onA
durch ihren gediegenen Inhalt wie durch die ganze erschöpfende Behandlungs-
weise und Darstellung die vollste Anerkennung verdient.
Ta9chtnhuch für die vaierländUche Geschichte. Gegründet und herau$geg^
wm Joseph Freiherm von Hormayr und nach dessen Tode fortgesettt «oa
Dr. Georg Thomas Rudhart^ Vorstand des h, h» Reichsarchites, XLlh
Jahrgang der gesammten, XXIV. der newcn, IV, der neuesten Folge. 1856.
i85U MümAen. J)ruck und Verlag von Georg Franst. 1856. Vlli und
292 S. in klein 8.
Auch dieses Bttudchen enthält gleich seinen nächsten Vorgängern eiac
Reihe von werthvollen und eben so anziehenden Mittheilungen aus dem Be«
reiche deutscher Geschichte wie deutscher Sitte der Vorzeit; auf das Letzten
ist besondere Rücksicht genommen, was man schon aus dem Grunde wir4
billigen müssen, als bisher überhaupt den Sitten und Einrichtungen, Gebräu«
eben u. d(^., in denen sieh doch das ganze Leben und Treiben unserer deut«
-sehen Vorzeit in treuem Bilde abspiegelt, nicht alle die Aufmerksamkeit voi
den Geschichtschreijiem unserer Nation zugewendet worden ist, die sie docl
mr riehtigen Würdigung der vergangenen Zeiten verdienen, indem man tot
«ngsweiie der politischen Geschichte sieh xawendtte und dadurch eine in g»
BodJiarl: Tcfctaibock für di« ratorMMiM^ GifcU^te. Ml
wifsar Hinsicht felbftt einBeiti^e politiicbe Geschickle gewtaa. Wenn
naa lof beidei hier die verdiente Rücksicht genommen, ae flanbea wir
ti iasbeiondere henrorbeben und als einen besonderen Vonnf der hier
g^beaen Mittheilangen betrachten in müsse«, dass sie tum grOsaesten
Tfceile ans handschriftlichen, bis dato unbekannt gebliebenen Qoellen entnoa^
laca sind, nnd eben dadurch ein besonderes Verdienst ansprechen, indem aio
nr Srginiong wie auch sur Berichtigong mancher dnrch die Getchiehtsbttcher
md Gempendien verbreiteten Nachrichten dienen können. Es mag diess i. B.
gleich von den beiden ersten Aufsfttsen gelten, besonders von dem iweiten»
Der erste Aufsatz nemlicb bringt aus einer Handschrift der 2. HttJfte des
XYH. Jahrhunderts, die im mark^ftflich-ansbacbischen Archive aufbewahrt war«
die Beschreibung des Bauernaufstandes im Lande ob der Ena im Jahre 1626,
TOB der Hand eines gleichzeitigen, in dem Lande selbst lebenden, Ostorreichi-
Kben ProtesUnten, der als Augenzeuge berichtet, und, wie mit Recht von
den Herausgeber bemerkt wird, im Ganzen seine Darstellung rnhig nnd ge-
■issi|t gehalten hat. Diesen Eindruck hat auch in uns die ganze Schilde*
nag hinterlassen, welche nicht bloss das, was Kurz nnd Koch Über diese
Begebnisse veröiTentlicht haben, vielfach yervollstindigt und erweitert, son-
dern Qberhaupt einen beachtenswerthen Beitrag zu dem grossen Drama des
deutschen Bauernkrieges liefert, der, aus urkundlichen Quellen wenigstens,
Bis jetzt noch nicht die umfassende und unparteiische Darstellung gefunden
lut, die er verdient. Und doch ist durch einzelne Monographien, denen auch
diese Beschreibung jetzt zuzuzählen ist, in Vielem gut vorgearbeitet worden.
Wer will aber solche mühevolle Forschungen von unserer Feder- nnd schrei-
belastigen Zeit erwarten, die mit ihrem Urtheil und ihren Ansichten so leicht
fertig wird nnd dazu des Forschens und Suchens nach gleichzeitigen und nr-
kandlichen Quellen und deren Studium nicht bedarf!
Der zweite Aufsatz: ^KOnig Gustav Adolph und Friedrich v. d. Pfals In
lüBchen i. J. 1632** verdient in mehr als einer Beziehung unsere Anf-
merksamkeit. Es ist, auch abgesehen von Anderem, was hier zur Spradio
koaut, ein gediegener, grossentheils aus bisher unbekannten, archivalischen
One&en geschöpfter Beitrag zur Geschichte des dreissigjihrigen Krieges, die,
wen auf diese Weise fortgefahren wird, und die Archive aller Orten sich
offnen, bald eine ganz andere Gestalt annehmen mnss , als die hedLOmmliche,
um Theil bereits freilich schon durch urkundliche Forschungen wesentlich
verUnderte. Der SchwedenkOnig hatte vor seinem Einzug in die bairische
Hauptstadt neben Anderem auch insbesondere die Sicherheit des Privateigen-
thons nnd der Personen aller Klassen zugesagt. Und was das Letztere be-
trifft, so lassen die Nachrichten über die gute Mannszucht der mit dem König
angezogenen Truppen an der Erfüllung des Versprechens kaum zweifeln«
Aocfa wird das Benehmen des Königs seibat als musterhaft gepriesen. Allein
vie verhielt sich mit den schon damals in München befindlichen Kunstsamm-
hrogen, die als Eigenthom des Kurfürsten die gleiche Berücksichtigung er-
wvten konnten, die dem Privateigenthumvertragsmässig gesichert war? Nach
den biaher Terbreiteten Angaben , selbst ron lYestenrieder, sollte man gUa-
bcn, dasa nicht das Geringste angetastet worden: allein die hier nrknndlidien
bei||tbnMiiile& Belege erweisen du Gegentheil, lo daai hinfiyiro kein Zweifel
228 Radhftrt: Tafchenbucb für di« yaterlttndiiche Gefchichte.
mehr darüber obwalten kann» dass nicht nur aus der Bibliothek (s. S. 79)
Einseines weggenommen, sondern insbesondere aus der schon damals so be-
rühmten Knnstkammer des Kurfürsten, Gemälde und andere werthvolle Kanst-
gegenstXnde weggebracht worden; sie wurden nach des Königs Befehl ein-
gepackt und über Augsburg nach Schweden entsendet, wo die Königin, nach
schwedischen Berichten, sie mit der grossesten Achtung empfing (S. 84). Das
Gleiche wird von dem Pfaligrafen Friedrich V., der mit Gustav Adolph ein-
gesogen war, berichtet; die von ihm weggenommenen Gegenstande wurden
nach Mains gebracht und gelangten nach seinem Tod in den Besits seiner
Gattin Elisabeth; was weiter daraus geworden und wo sie hingekommen,
weiss man nicht. Endlich wird noch weiter nachgewiesen, wie die Wei-
marischen HersOge Wilhelm und Bernhard das Gleiche gethan (S. 89 IT.}, abge-
sehen von dem, was einselne Schwedische Generale (z, B. der Feldmarschall
Hörn), Officiere und Beamten in dieser Hinsicht sich erlaubt haben. Und so
konnte der Verfasser seinen mit dem Abdruck von fünf und zwanxig urkund-
lichen Documenten, die auf den fraglichen Gegenstand sich beziehen und selbst
Verzeichnisse der weggenommenen Gegenstände enthalten (zu Nr. VI), be-
gleiteten Aufsatz mit den Worten schliessen: „Und so Hessen sich die Lo-
beserhebungen, welche dem Wohlverhalten des Schwedenkonigs während seines
Aufenthalts zu München gespendet worden, so ziemlich auf ihr rechtes Maass
inrückfohren'' (S. 94).
Auf den dritten Aufsatz, welcher „biographische Notizen über Simon
Mayr, Kapellmeister zu Bergamo", wo er als zwei und achtzigjähriger Greis
am 2. December 1845 starb, enthält, mitgetheilt von dem Herrn Hofkapell-
meister Kaspar v. Aiblinger (S. 144—160), folgen in vierter Reihe Mittheilan-
gen zur Geschichte der Sitten und Gebräuche der Vorzeit, aus denen wir
wenigstens auf Einiges aufmerksam machen wollen. Die erste Mittheilnng
bringt Einiges, auch Genealogisches, über die „schone und gelehrte Hersogin
Hedwig^, die Tochter des Herzog's Heinrich I. von Bayern und die zweite
Gemahlin des Herzog's Burchard von Alamannien (f 994): dann folgt: der
griechische Kaiser Alexios Komnenos und der fränkische Graf Robert Ton
Paris; Einiges Über das Aoifinden der heiligen Lanze aus der Geschichte der
Kreuzzüge,* Bruchstücke ous dem von Aventin zuerst herausgegebenen Tng'e-
buch des Domdekans Tageno zu Passau, aus dem dritten Kreuzzug, hier in
deutsche Sprache übertragen, reihen sich daran. Dann folgen mehrere kttr-
xere, aber interessante Mittheilungen, unter denen wir nur an die ans des
Erasmus Golloquien entnommene, hier ins Deutsche übertragene Schilderung
der deuUchen Gasthofe in der ersten Hälfte des XVL Jahrhunderts (S. 224 ff.)
erinnern wollen, die im Ganzen wenigstens der Wirklichkeit entsprechen mag,
auch wenn im Einzelnen hier und dort die Farben nach des Erasmns be-
kannter Weise Etwas zu stark aufgetragen sein sollten, wie es der Zweck
des pikanten Gemäldes, das der witzige Mann aufstellen wollte, erheischte.
Ebenso interessant wie ergötzlich sind die Mittheilungen, welche S. 238 ff«
ans einer, jetzt ziemlich vergessenen, zur Zeit ihres Erscheinens aber sebr
verbreiteten Schrift des baierischen Rathsekretairs Aegidius Albertinus (1560 —
1620), welche tu München 1602 unter dem Titel: „Hauspolizei^ erschien,
entnommen sind, und iwar der Abschnitt vom Ehestande; sie verbreiteii
Wonkcli: BibUofrtpMicli-tlaliftbcbA U^benldit d. Llteritar. M»
lidlber die VTaU eioer Gattin, Ober jungfriiüichef wie brlnäiehee Leben
vai 4erfleicheii und behamdeln in einem eigenen Abscbnill die Conirorene:
,obf erlaubt aeye einander in werender Brantacbaift in kfkaaeut lu bertien oder
gv xafamneniakriechen" : daa Ganxe ein merkwürdiges Sittengemftlde jener
UiL Den Sebildemngen dentaeben UnireraiCilalebena dea aiebenxebnten Jabr-
kadertff, wie f ie Thoink und Andere nna in der neuesten Zeit geliefert beben,
leät sich die , einem gleichieitigen Scbreiben ana Jena entnommene Scbll-
teng einea Stndentenkravall'a xn Jena in dem Jabre 1660 an (S. 268 ff.)»
ier polttiscben Gesobiebte gebort die ebenfalls einem gleichseitigen Scbreiben
eHaoBBiene Daratelinng von dem Falle Strassbnrga oder vielmehr der Besiti-
naluBe dieser freien dentaeben Reichsstadt dureb die Franxoaen im Jabre 1681 ;
S. 280it — Möchten wir auch im nicbsten Jabre nna ihnÜcher, intereasan«
lea nid belehrenden Mittbeiinngen ana der Hand dea gelehrten Heraoageberf
«firem darfen !
Wiögrßflhuek-sbUUiisdte Uebtnieki der lAierahw de» dsfsrreicbwcis» Kmar^
Uätäes vom f. Jänner hi$ 31, December 1853. Erster Bericht, ersiattet im
koken Auftrage Sr, Ex, de» Em, Mimeier» de» Innern Alexander^ Freikerm
eon fitfdk, von Dr. Contiani. Wunhaeh vo» Tannenher g, Varetand
Jer admhäetraiieen BihlioAek de» k. k. Mini»i. de» Innern. Mit 42 Tabellen.
Zweite venn^rte Aufage. Wien. Druck und Verlag wm Friedrich Man»^
1856. VIU und 214 8. in gr, 8,
Wir haben in dem verflossenen Jahrgg. S. 477 ff. den x weiten Berieht an«
Soeift, wir leigen hier nacbtrlglich den ersten an, der in einer i weiten
Adi^ erst nach jenem erschienen ist, im Uebrigen aber, waa die Anlage,
& Sinricbtnng und Abtheilung dea Ganzen betrifft, in ftbniicher Weise gebalten
iat, lach dnrch dieselbe vorxttgliche typographische Ausführung sich empfiehlt.
AHm, WM in den verachiedenen Ländern des Österreichischen Kaiserstaatee
in Drack erachienen , und als ges etaliches Freiexemplar abgeliefert worden,
i<k in diesen Bericht aufgenommen ; die bei answftrtigen Yerlegem erschie-
MBM Werke Österreichischer Gelehrten sind davon, ausgeschlossen, wie diese
ii der Natur der Sache lag. Mit dem sichtbaren Steigen der Presse und der
HeboDg des bucbblndlerischen Verkehrs ttberbaupt wird auch diess immer
nebr abnehmen, und gediegene, grOndliche Werke Österreichischer Verfasser
werden dann im Lande selbst ihren Verleger und Drucker schon finden. Ver-
^eichl Bum nun den Umfang dieses ersten Berichtes mit dem zweiten , der
die Literatur dea folgenden Jahres enthält, so ergibt sich schon hinreichend
eine Zonabme auf diesem Gebiete, die in stetem Wachsen begriffen ist. Alle
die einzelnen Erscheinungen der Druckerpresse sind nach den einschlägigen
löchern zusammengestellt, die im Ganzen denen des zweiten Berichtes gleich
lind und keine bedeutenden Abweichungen erkennen lassen. So folgt hier
laf die Theologie und auf die Erbauungsliteratur sogleich die Staats- und
Bechtswissenschaft und was daran sich knttpft (was wir billigen), dann Me-
diän und Naturwissenschaften, Philosophie, Erziebungswesen u. s. w., Sprach-
wisfenschaft, Geographie, Mathematik, Kriegswissenschaft, HandeU- und Ge-
SM Weilers Index Psendonymonin.
werbeweieii, Bauweien, Fentweseiif HaQs- und' Landwirtkschaft, sdiOne
Literatur u. s. w. Die am Schloaae bei^fefttgten Tabellen llerem Ueberileh-*
ten der literariscben Prodakte nach den einaelnen Kronlindern, und ancb hiev
wieder nach den einEelaen Fachern geordnet, so dass aof diese Weiae dem
Stittatiker ein vollatändiger und bequemer Ueberblick gegeben ist, der dnrdi
die am Schlüsse beigefflgten Register noch erleichtert wird. Das Gaate trigt
den Stempel musterhafter Genauigkeit, mit der alles Einzelne behandelt ist:
Was ven dem zweiten Berichte am o. a. 0. rühmend hervorgehoben worden,
wird ebenso auch von diesem gelten; beide werden die gleiche Beachtung
•Bipreehen können, und an der Fortführung eines so verdienstlichen Unter-
Behroens dftrfen wir wohl kaum xweifeln.
Inde» Pieudouymorum. Wörterbuch der PeeudimymeH oder Fsrsddbnass
dUer Autoren f die sieh faltcker Namen bedienten. Von Emil Well er.
Lnpug. Verlag wm Falcke und Röesler, 1856, X und 282 S. in. grau
8 FormaL (Auch mit dem weiteren Titel):
Die maskirte Literatur der älteren und neueren Sfraehen, Bearbeitet und hereau-
gegeben von Emil Well er, L Index Pgeudonymorttm, Leipüg v. s. sc.
Bis in die zweite Hälfte des siebenzehnten Jahrhunderts rOckwarts lassen
sieh die Bemihungen verfolgen, die Verfasser von solchen Schriften zu ermit-
teln, welche entweder ohne Namen des Verfassers oder mit einem offenbar
fingirten oder gefftlschten Namen herausgekommen sind; den ersten derarti-
gen Versuchen, die zu Hamburg und Leipzig erschienen, reihen sich bald an-
dere an, und ei ist dieser für die Bibliographie wie far die gesammte Biblio-
lliekswisBenschafi so wichtige Gegenstand seitdem nicht bloss in Deutschland,
•endern auch insbesondere in Frankreich und selbst in Italien zum Gegen-
rtaade anfassender Forschungen gemacht worden, wie unter Anderm ooeh
der eHAe im Jahre 1855 erschienene Band von Querard's France literaire,
welcher die „Supercheries" enthalt, beweisen kann. Aber ein vollständiges
mnd umfassendes Verzeichniss , in welchem alle Pseudonymen, d. h. alle die
unter falschem Namen in der Literatur vorkommenden Verfasser von Drock-
schriften, zugleich mit Angabe ihres wahren Namens aufgeführt waren, bat
die deutsche Literatur bis jetzt nicht aufzuweisen; das vorliegende, alle Na-
tionen Buropa's oder vielmehr die gesammte gelehrte Welt, umfassende Werk
ist der erste, anerkennenswerthe Versuch der Art, der freilich, wie diese in
der Natur der Sache liegt, nicht als abgeschlossen wird betrachtet werden
können, zumal da fUr die Englische, Skandinavische und Hollandische Litera-
tur, um nur diese zu nennen, es an den gehörigen Vorarbeiten fehlt, die
einem Unternehmen, wie das vorliegende, die nothige Grundlage erst geben
nttssen. Wie mfthevoll gerade bei diesem Zweige der Literatur die For-
schung war, bedarf kaum d^r weiteren Anführung , indessen auch die flbri-
gen Theile erforderten eine ebenso mObevoüe Durchsicht, und ein Studium,
das auf lauter Einzelnheiten beruhend , nur Derjenige in seinem vollen Um-
fange zu würdigen vermag, welcher selbst sich darin versucht und die zaU-
reichen Schwierigkeiten , die auf jedem Schritte entgegentreten , aus eigener
Erfahnmg kennen gelernt hat.
Weller: hdex PsevAmymoniin« SSi
Uefcer den BefrHT, in welebem der YeTfkfter dai Wort Pf emdovym
nod nach welchem aach fein Verzeichniff sich richtet, fpricht a ich
S. IX der Torrede in folfender Weife ans : Alle nnbealimmten Benennnnfen,
dlei, waf nicht reiner Name war, mnaate meiner Anficht nach wegfallen;
dia allef Adjecttren AehnKche, alle nnbestimmten Ortf- nnd Amtabezeichnmi*
fea, aOe, die mit Bin, Eine, Un, Une ete. anfangen. Eben fo wenig konn-
tea blosse Bocfaf laben an den Pfeadonymen aihlen. fm Allgemeinen wurden
ferner die untergeschobenen Autoren nicht aufgenommen; dasfelbe gefchah
lach meistentheilf mit den blossen lateinisdien Namena-Ueberaetzungen u. f. w*
So ist I. B. S. 147 Tiliobroga aufgenommen, waa doch kein Pseudonym»
foadem eine absichtlich, nach der Sitte ao maneher Golehrten, gewihlto la-
teiaiiche Ueberaetiung def Nanien Undenbrug ist. Eher werden wir una s.B.
•ebom Namen, wie Artopaens-Becker gefallon laasen.
Die Einrichtung des Werkes Ist der Art, dass in der ersten Abthellong,
ireJebe die Aulschrift trägt: „BnthOlUe Pseudonymen" nach dar Ordnung des
Alpbabetea alle diejenigen erdichteten oder gefilfchten NauMn aufgeführt wer-
den, welche in der Literatur, so weit der Verfasser es ausfindig machen
koaate, überhaupt rorkommen, mit Hininfilgung ihrea wirkliehen Namens,
wu in doppelten Columnen auf jeder Seite geschieht nnd auch füglich ge-
fcbehen konnte, da alle weiteren Angaben oder Belege weggefallen sind« »Ich
tolle natürlich fOr jeden Namen meine Gewihraminner anHÜiren könneo md
■an würde daraus auf die ungeheure Menge der von mir benutzten QueUen,
NachweisoBgen, Cataloge geschlossen haben, aber diese Citate bitten meinem
Weike wenigstens den doppelten Umfang ▼erliehen.*' Das hat allerdings seine
Biditigkeit und mag auch in dem Zwecke des Ganzen, das zum Nachschlagen
kfliihnmt, kurz nnd gedrüngt die notbige Auskunft bieten soll, so wie in dem
Bestreben des Verfassers, möglichst einfach zu aein, seine Entschuldigung
liden; der Mann des Fachs wird ^dier diese Belege nur ungern vernussen,
maul da doch Fülle vorkommen, wo der wirkliehe Namen des Verfaasera»
der hier dem fingirten beigesetzt ist, noch nicht über allen Zweifel erhaben
iit So ist es z. B. noch nicht völlig ausgemacht, ob der durch die Herana*-
Sabe eines angeblich vierten Buches von Cicero de Natura Deorum bekannt
fewordene P. Seraphinus wirklich Friedrich Bnchhollz heisat, wie
Vier 8. 136 steht, da Einige auch einen Prediger Cludius dafür ansehen,
Andere wieder andere denken. In solchen Fällen den Beweif oder Belegt
der den Verfasser bestimmt, in irgend einer Nachweisung (wie sie hier ver-
■isit wird) beigesetzt zu finden , wird dem Gelehrten nicht gleichgültig sein
künaea.
Die zweite Abtheilnng (S. 161—262) enthält die nicht enthüllten Pseu-
deayaien, ebenfalls in alphabelifcher Reihenfolge der fingirten Yerfaffer, mit
Aagabe der Werke selbst, die unter diesem Namen erschienen sind (was hier
t^viss nothlg war), wesshalb auch hier keine doppelten Columnen auf jeder
Seile angebracht werden konnten, da die Angabe des Namens und des Werkes
ia der Hegel eine volle Zeile des breiten Formats, ja oft Zeilen einnimmt.
I^ die bloss signirten Schriften, ebenso wie die Artikel in Journalen und
SoMahingen nicht anfigenommen sind, wird Niemand befremdlich finden. Am
äcUiffl siad einige Nüchtrige als Supptomentom in beiden Abtheilnngen bei-
3Sa« Sacbe: Handwörterbacb deoUeher Synonymeii etc.
gefttfL Nachtrftge der Art werden auch in der Folge nicht eiubleilien ken-
nen ; ef liegt die«s, wie f chon oben bemerkt, in der Natur der Sache, die hier
0teto nur eine relative Yollitändigkeit erreichen lä«ft: und das« eine aolc&e
hier erreicht ist, durfte wohl nicht in bestreiten sein. Da die Schrift einen
doppelten Titel führt, wie wir auch oben ihn angegeben haben, so fügen wir
hier die Bemerkung bei, dass die ttbrigen Binde nach der Angabe des Ver-
fassers enthalten sollen: die falschen Druckorte. Repertorium der seit dem
ftthniehnten Jahrhundert bis auf die neueste Zeit unter fingirter Fimui er-
schienenen Schriften in deutscher, franxOsischer und lateinischer Sprache.
HtfNApAier&Hch deuiseher Synonymen smn GArauehe für SckuUundBmu,
Von F, Sach$e^ Dr. der Philosophie, Zweite völlig umgearbeiieie und
9€rmekrie Auflage ton Abdmann's Synonymik. Leipitg, Verlag e. £. Weng-
Ur. 1856. IV und 332 S. in hl. 8.
Ein gedringtes synonymisches Wörterbuch, das die Unterschiede der
Worter scharf und pricis henrorhebt und bestimmt, ohne in weitere, umfai-
sendere, sprachliche Erörterungen einsngehen, ist immerhin ein ntttEliches
Httlfsmittel xnr Forderung eines guten Styls und einer richtigen Ausdrucks-
weise im schriftliehen wie mündlichen Vortrag; ja es kann selbst ein für
Schnle und Haus nothwendiges Httlfsbueh werden , wenn es durchweg so
angewendet wird, wie es angewendet werden soll, in so fem es dann daxn
beitragen kann, die deutsche Sprache in ihrer Reinheit an erhalten und vor
der llberall eindringenden Vermengung, wie sie namentlich durch schlechte
Zeitnngiehreiberei mehrfach genihrt wird, in bewahren. In England wie in
Frankreich würde man selbst in den tSglich unter das Volk dringenden Schrif-
ten diese Hachlissigkeit und Gemeinheit des Ausdruckes, die auf mangelnder
Kenntniss der Sprache selbst beruht, nicht dulden; in Deutschland ist man
tolerant genug, das Schlechteste und Uncorrectcste sich von jedem nnfühigen
Literaten gefallen au lassen. Es ist wahrhaftig an der Zeit, einem solchen
Zustande ein Ende an machen; Schriften, wie das vorliegende Handwörter-
buch, können dacu das Ihrige beitragen, wenn sie in immer weitere Kreise
dringen. Und dieses mag man dem vorliegenden Wörterbuch wQnschen, da
es sich durch genaue und scharfe Bezeichnung der Unterschiede und eine bOn-
dige, correcte Fassung empfiehlt, und seinem Zwecke entsprechend eingerich-
tet ist.
i. Plolini Opera recognotit Adolphut Kirchhoff. Volumen IL lApnao^ Mump*
tibui el iypii B. G. Tadmen. MDCCCLVI. XVI und 435 S. in 8.
2. Jotffifits Siohaei Florüegium reeognoi9it Augusiue Meineke. VoL IIL
JUfMMe M. s. u>. XLill und 264 S. in 8.
3. M. Tullii CieeroniB Scripta quae manseruni omiiMi. RecoynooU ilstiH
hol4n§ Khtf^ t0r$ F. commem Indien. Uptiat u, s. «9* 457 S. im 8.
Plotbi, Slobaeli Cieenmlf Opp. 2d3
l ]l$9nm T§$iMmenium Gräeee, Ad fidmn poHuimmn eöüeU VtaiemU
I. neemmij naruu hdimu» eodieii B,, Uxttis r^eepH^ tdühmm Qrigdaehüf
lariwiiiiHi , TUekmdtrfn i$U€grü$ fl^/erjl Fhilippmt Buiimann. lip«
tmu. 9. w. VU umd 5i3 8, in 8.
Die hier ttfeieigteii Binde sind weitere ForUetnafek der Bibliotbect
SeriptoroB Graecorun et Romtnorum Teubneritna, einea ebeofo
iweduOiatifeii wie rttbnliebeii Uateniehneiifl , dem aaeh in dieaen Blltleni
iteti die cebttbrende, wobi verdiente Anerkennong gesollt worden iat. Und
dt iie pue Einriebtnng dteaea im Geiate dea edlen BefrOndera ancb nach
toea Tode fortfreaeuten Untemebmena in den frttbern Anseigen anafUirlich
dngdegt nnd beaprocben worden iat, ao kann bei dieaen Fortaetsongen nm
M attfar anf die früheren Anseigen Terwieaen werden, ala die AnafUimng
iick gleich geblieben nnd die änaaere Anaitatlnng dea Gänsen, wie die atrengo
Comktheit der Texte der Tollaten Anerkennung wQrdi|^ iat.
Der sweite Band dea Plotinua enibftlt den noch Übrigen Theil der
Eiaeaden, nach dea Verfauera Anordnung die Abhandinngen oder Schriften
IXVIQ bia XLYIIIaeq.; da, wie achon früher bei der Anseige dea eraten
Budes (f. dieae Jahrbb. 1856. S. 549) bemerkt ward, der Heranageber die
heikömnüiche Anordnung der llteren Auagaben Tcrluaen und die einseinen
Schriften Plottn'a nach der von Porphyriua angegebenen Reihefolge geord«
let hat, ao iai am Schloaae dea Bandea eine vergleichende Tabelle beigefttgt,
uch welcher die einseinen Abhandlungen leicht und bequem aubufinden aind;
ebeaio folgt ein kurser Index Auctornm d. L ein Yerseichniia der in Plotin'a
Weihen citirten Schriftatelier. Ueber die Recenaion dea Textea, der nun in
eiaer bequemen nnd billigen Handanagabe auch einem groaaeren Leaer-
kreife suginglid gemacht iat, iat achon frtther am o. a. 0. daa Nothige be-
■crkt worden; die in dem Texte aelbat von dem Herauageber vorgenommenen
Aaaderuogen werden in der Praefatio kurx angefiüirt. Daaaelbe iat auch aul
fTOfser Sorgfalt bei dem vorliegenden dritten Bande dea Florileginm'a dea
Stobäna geachehen; die dem Texte vorangehende „Ditcrepantia lec^onia a
tcxta Gaiafordi^ verbindet aber auch mit dieaen Anfbbrungen noch weiter
eiae R^ibe der werthvollaten kritiachen Bemerkungen, vielfache Verbeaaernngs-
ToncUige n. dgl. m., wie man aie von dem Herauageber su erwarten ge-
wohnt iat Dem nichaten Bande, der den Schluaa dea Florilegiuma bringen
wird, werden dann auch die su dem Gebrauche dea Gänsen so nothwendigen
Indices beisufllgen sein. Bei der Ausgabe dea Cicero füllen die Regiater
die oben angeseigle Pars Y; wir finden nemlich darin suerat ein Muaserst
feuaues Register aller Eigennamen, welchea ala „Index Nominum'' fut den
SiBiea Band einnimmt, und hier allea Sachliche, was an Eigennahmen, aeien
M Ortsbeseichnungen oder Personen u. dgl. geknüpft ist, überall mit genauen
Verweisungen snsammengeatellt hat; daas das Geographiache von dem Histo-
rischen oder Literftrischen nicht getrennt ist, kann nur unaem Beifall ver-
dienen. Mit beaonderer Aufmerksamkeit ist auch hier Cicero (unter Tulliaa)
hehandelt, indem alle sein Leben und die gesammte politische wie literarische
Thitigkeit betreffenden Notisen, welche in seinen Schriften vorkommen, Jahr
m Jahr» aUo in streng chronologischer Folge hier aneinandergereiht aind»
IM Donueiifeii: De «rtieulo apnd €hraeeo«.
und io eile Uebenicht fleines ganxen L^ens und Wirkeni auf aeineii eige^ '
uen Schriften Bosammenfef teilt bieten. Eine genaue Inhaksangabe 'deaaen,
wai in jeder der vier Partea der ganaen nun ▼oRendeten Ausgabe der Werke
Cicero'i enthalten ist (besonders von Be)|i^ für die dritte Abiheilung von
Pars IV, welche die Fragmente und die unüi^hem oder gefälschten Schriften
enthalt) ist noch vireiter als Index scriptorum Tullianorum beigefttgt. So bildet
dieser Band mit seinen Registern eine sehr brauchbare und ntttzliche Zugabe
in dieser Oesammtausgabe der Werke Cicero's, die hier in durchweg berich-
tigtem Texte erseheinen, wie er als das Ergebniss der bisherigen kritisclien
Forschung, so weit sie zu einem sichern Abschlnss gelangt ist, anzusehen ist.
Der Ausgabe des Neuen Testamentes ist ganz die Vaticanisefae finnd-
aehrift C^r. 1209), als die Siteste und werthvollste unter allen, zu Grunde g^
legt; in dem engen Anschlass an diese Handschrift gibt sich der Unterschied
dieser Ausgabe von den bisherigen gedruckten Texten zunächst kund, und ftoMeri
fich der Herausg. selb« darüber folgendermassen : — „verba Vaticani ubiqne
in textu retinui ita, ut ne sumroo quidem omnium alionim teatium conaenau
deterritna sim, quominus hoc facerem: litis tantum locis, quibua aliae caanae,
quam ex sola auetoritate codicam ortae, lectionem Vaticani sine dubio falsam
t»8t docerent, Vaticanum rejeci.*' Die Lesearten dieser Handschrift, ao wie
der von ihr abweichenden des Vulgärtextes ^ der Ausgaben von Griesbach,
Lachmann und Tischendorf finden sich kurz unter dem Texte selbst, angefahrt,
wodurch die Vergleichung wie die Würdigung nicht' wenig erleichtert ^rd.
Was die Valicanische Handschrift selbst betrifft, so gedenkt der Herausgebe?
darüber eine eigene Schrift erscheinen zu lassen, welche den Charakter der»
gelben näher auseinandersetzt und damit auch zugleich eine nähere BegrUn-
dung oder Rechtfertigung des Vorzuges bringt, der ihr in dieser Ausgabe xn
Theil geworden ist. Bekanntlich reicht dieselbe nur bis zum Hebrierbrief
IX, 14: was von da an weiter folgt, fehlt, so wie die Briefe an Timotbeos,
Titus, Philemon und die Apokalypse: bei diesen Stücken ward die Alexandri-
■iaebe Handschrift dem Texte zu Grunde gelegt. Bei diesem strengen An-
schlusa an -die älteste handschriftliche Ueberlteferung konnten Conjecturea im
Texte selbst keine Aufnahme finden | nur an Einer Stelle (H. Petr. HI, 10,
wo ta in £ verändert ward) versichert der Herausgeber eine, wie er glaobl,
nothwendige Ausnahme davon gemacht zu haben. So mag auch diese neue
Ausgabe dea Textes des Neuen Testamentes der Beachtung bestens empfohlen
fein.
ifef Oymnaiiim U Amsterdam, Verslag van den. CWsus iS55''iS56, Dorn^
seiffen, gymn, fMraec, De artiado apud Qraecos ejusque tisti in praeüeaio
Amsterdam. Seijffardfs Boekhand^. 1856. 32 8. in gr. 8.
Die deutsehe Sitte, den jähriichen Berichten der Gymnasien, und deren
Einladung zu den Prüfnngs- und Entlassnngsfeierlichkeiten auch eine wisseo-
achaftliche Arbeit eines der Lehrer der Anstalt gleichsam als einen Beweia
und als ein Zeichen dea unter den Lehrern der Anstalt herrschenden, wiasen-
iohaftUoheii Geiatea beizufügen, ist seit einiger Zeit auch nach Holland,
Koeli; M. Tallli Cieeroiiii Taieulioarum ete. 235
dKi MnfterlaBde der Pbiloloffie, ttberf^ei^aiigeii , and hat dort bereit! eine
IcAe (^ie^ner und tOchti^er Abband langen aas den Terfchiedenen Zweigen
Aet gelehrten Stndiumf der claifischen LUeratar benrorgerufen. Auch die
Toritegende Abhandlung Über den griechischen Artikel und deaaen Gebrauch
iai Prtdieat rerdankt dieaer Sitte ihre Entatebnng ; bei der eifrigen Pflege der
{miantischen Stadien in Deulachland wird man dieae Abbandlang acbon da*
nai n beachten haben, weil der Verfaaaer mit den aaf aeinen ficgenatand
bexOglichen Feraehongen der Gelehrten Deotachlanda wohl bekannt iat» und
djcadben in der vorliegenden Schrift einer weiteren Unterauchung unterwor^
fea hat. Dae Ergebniaa aeiner beaondera auf Stellen dea Platu, Thncydidea,
Xenophon a. A. geattttiten Forachnng lantet am Schloiae der Schrift S. 31
Mfenderanaaen :
yPkaedicato mnqnam articnloa additnr, nial quam penttna cognitum vel
defiaitam tanqiim par anbjecto opponitnr*
Si aabjectnm articnio caret, caret eo etiam praedicatom. Exceptio eat,
li aot fobjectam tali Tocabulo ezpreaaum eat, qaod per se aine artieolo cog-
litam eaae poteat, aut ai praedleatum tali Toeabulo expreaanm eat, quod nial
eaai articulo poatnlatam aignificationem non habet.
itaqne eidem bnic excepttoni loco dato, ai alterutrom membmm articolaa
hibet, id anbjectom eaae atatuere poaaumaa^.
If.ru/ni Ciceronj« Tusculanarum Disputationwn Ltbri quingut. Erläutert
9on Dr, Georg Aenolkeus Koch^ driiiem ordentl. ColUgen an dem
Gymnasium tu Sl ThomA, RiUer des ft. ^'ech. Erlöser-Ordens, Xsteiles
Heft. Üb. ni—V. Hannoter iS57. Hahn'scke Uo/bucJükindlung. 150 S.
in fr. 8.
Das erate Heft dieaer Bearbeitung der Tuaculanen, welcbea die beide»
cntea Bacher enthfilt, crachien bereita in dem Jahre 1854 und wurde In die-
len lahrbochem Jahrgg. 1854 S. 630 besprochen: daa awelte, die drei ttbri-
^ Bacher enthaltende Heft ist In der Anlage wie in der Auafttbrnng dem
cntea gleichmflaaig bearbeitet und empfiehlt sich daher auch inabeaondere filr
4u PriTatatadiam , und xwar Torzagsweiae vor andern und aelbst Ihnlichen
Bearbeitungen der Tuscolanen, welche nicht in dieaer Weiae behandelt aind.
Von Allem dem , waa für diese Schrift dea Cicero bia auf die neneate Zeil
herab geleistet worden iat, es aei in kritischer wie in exegetiacher Hinaicbt,
ist der sorgfftitigste Gebrauch gemacht worden, ao weit ea den Zwecken dieser
Bearbeitung angemeaaen. erschien, welche auch Allea das, waa aura aachlichoM
▼errtindniaa der von Cicero behandelten Gegenstinde und deren richtigen
Würdigung ftthfl, in gleich befriedigender Weise behandelt und so den Leser
ia den Inhalt der Schrift aelbat und deren volles VersISndoiss einsnfllbren
vermag. Die sorgßlltige und scharfe Beobachtang des Sprachgebraochea,
^ sie alletn aar Erreichung dieses Zieles au führen vermag, wird sugleich
den angebenden Philologen, oder dem Scbüler der obern Claase, der die Tus-
edanen nach dieaer Ausgabe liest, vielfachen Nutzen zur Erweiterung und
Befestigung aeiner apraehlichtn Kenntniase bringen; aus dieaen Grttnden wttn-
S36 Cnuin«': Wtfrterbaeh m den Werkdii äe» Jalim Gi«tr,
sehen wir dor nun vollendeten Bearbeitung der Taiculanen, die licli durch
guten nnd reinen Druck bei sehr billig gestelltem Preise empfiehlt, allgemeine
Verbreitung und Anerkennung.
VolUiändigei WäriiHfuek mu dm Werken dee Julius Cäs^r^ vom (r. Chr.
Cmsttts, weil. RecUir m Hannover. Fünfte, durchaus herickligie ii«»-
giAe. Bannoeer, Bahn'seke Boßuekkandlung, 1857. 253 8. m gr, 8.
Ein schon in der fanften Auflage yorliegendes Wörterbuch wird keiner
besondem Empfehlung bedürfen, lumal wenn diese verschiedenen Auflagen in
so kurier Zeitfrist auf einander folgen, wie diess bei dem vorliegenden Buche
in der That der Fall ist. Die i weite Auflage des Jahres 1845 war n€>ch
von dem Verfasser selbst, der das Ganze einer sorgfältigen Durchsicht unter-
worfen hatte, vor das Publikum gebracht worden: die nachfolgenden Aunga-
ben, die dritte vom Jahre 1849, die vierte von dem Jahr 1853 und die vor-
liegende fttnfte verdanken wir der Sorge eines befreundeten Gollegen (C. L.
Grotefend), der nach dem Tode des Verfassers sich dieser Arbeit unterzog
und in seinem Geiste das Werk in eine immer voUkommnere Gestalt zu brin-
gen suchte, daher demselben eine wiederholte Durchsicht widmete, die insbe-
sondere auch auf Berichtigung falscher Citate gerichtet war, so wie auf sorg-
fKltige Beachtung dessen, was in den neuesten Ausgaben CSsars in kritischer
wie exegetischer Hinsicht Beachtenswerthes für ein Buch, das den gansen
SpBchschats Cftsar's aof das genaueste vorlegen soll, geleistet worden ist; Herr
Dr. Georges hat wie frtther, so auch bei dieser neuesten Auflage, durch manche
Hittheilungen den Heransgeber unterstatzt. Und so wird das Ganze in dieaer
neuen Gestalt auf die verdiente Anerkennung zihlen und einer immer grOsaern
Verbreitung auf den Anstalten, wo Cftsar gelesen wird, so wie selbst fbr den
Privatgebrauch, sich erfreuen können« Druck und Papier werden gewiss be*-
friedigen.
Die Diferenlial- und InUgralreeiknung und deren Amtendung auf die Geonuirie
der Ebene. Von Dr. Edmund Külp, Professor der Physik und MadL em
der h^ Geu>erUehule tu Darmsladi. Mü 6 Ulkographirien Tafeln. Darmstadi.
Druck und Verlag v. C. W. Leske. i856. (XVI u. 678 S. in 8.)
Bereits im Jahrgang 1854 dieser Blfttter haben wir den ersten Theil dieses
Buches — die Differentialrechnung enthaltend — angezeigt, und wollen also
nur noch Qber den Rest, die Integralrechnung und die Anwendungen auf Geo*
metrle enthaltend, Bericht erstatten, indem wir auf unsere frtthere Anseige
verweisen und bemerken, dass der angezeigte erste Theil sich von S. 1—160
erstreckt
Hit Recht stellt der Verfasser gleich zum Voraus als Erklftrung der Inte-
gralrechnung auf, sie sei das Umgekehrte der Differentialrechnung; nur über
die Bedeutung der willkttrlichen Konstante geht er etwas zu rasch weg. Sie
bleibt nftmlich nur in so ferne wirklieh konstant, als die Funktion nnter dem
Kftip: Dlffereatial- and Inle^lrecKniiiig. %S7
bl^nlsetcbai ttelif bleibt; •ndenifalli kann iie ibren Wertb, «Uerdliics piOU-
Hd d. h. nntetig, «ndern. Von der Begierde» die Wabl dei Zeicbeu I sa
eiUiren, getrieben, acfaeint denn doch die Erklärung dei bestimnlen In*
t^fiilf gleich nnittittelbar darauf etwas su früh. Ist auch gegen die Erkli-
mg lelbft nichts Besonderes einiuwenden, so erscheint sie eben hier schon
ilf etwas Gelegentliches, wihrend doch die Theorie der bestimaiten Integrale
licht eine blosse gelegentlich absnfertigende Parthie der hohem Halheaiatik
Mdet Der Sati, dass |d(u + v + ..) = u + y + ^= |dn+ jdv + ..,
rd(u + v + ..) = u + Y + .= rdn+ Tdr
Nbeint mir for einen Anfftnger nicht verständlich, da derselbe eben doch nnr
Fraktionen einer einzigen nnabhängigen Veränderlichen im Auge haben soll»
wibread dien hier gana aus dem Gesichte gerttckt su sein scheint Viel na-
ttitiefcer wäre es, an schreiben: ^^^5-+ 1±:0 j, =3 . + y + .., da hier
kein Anstand wäre, man aber freilich sogleich sehen würde, dass man hiebe!
anr die Definition des Integrals wiederholt. Noch unklarer scheint uns der
Sau der Integration durch Substitution bewiesen an sein. Um f(x)
dx zu iategriren , sagt das Bueh , setze man z s= ^(t) und erhalte dann f(0)
7(t) dt, wo nun — wenn man diesen Ausdruck integriren kann — schliess-
lieh f&r t wieder sein Werth In x zu setzen sei. Referent glaubt nicht, dass
dies demjenigen Terständlich sei, der zum ersten Haie Integralrechnung
trabt Allerdings stellen die BQcher die Sache meistens so dar, aber damit
iitdoch wohl noch nicht gesagt, dass das gerade desshalb klar sein missOi
Wean nun aber in unserm Falle sagt , man wolle für z die neue Veränder*-
Uehe t einführen, dann setzt |f(x) dz==X, beachtet, dass J~L =. ^^
^ (S. 23, $. 14) 5= I(x3-^, da ^^ =f(x), und sicher findet X = (f(x)
dt ""•'"' '' ..^-.v-vj^, j^
^-dt, wo in f(x)-^ die Grosse z durch t su ersetzen ist, so hat der Sats
dt dt
waU keinen Anstand, da man sich auf lauter klar bewiesene nnd verständ-
Kcke Sätze atfitst Die ganze Unklarheit kommt von der leidigen Betraditung
der Differentiale her, Ton der man sich nicht losmachen will, obwohl die
Dmtellong der Differentialrechnung doch eine ganz andere geworden ist.
^htM man aber den Begriff und die Bezeichnung des Differentials in der ge-
nanaten hohem Hathematik nicht braucht, ist leicht einzusehen, und Referent
Mt dies thatachlich zu beweisen, indem er davon nie Gebranch machen und
doch die gesaromte Differential- und Integralrechnung darzustellen gedenkt —
Aehttliches kann von dem Satze der th eilweisen Integration gesagt
werden, Die Integration durch Reihen, die der Verf» sogleich auf
diese ersten Sätze folgen lässt, pflegt sonst gewöhnlich mehr an's Ende ge-*
rtdtt fu werden, da dieselbe doch wohl nur dann angewendet wird, wenn
■an sich sonst nicht mehr zu helfen weiss. Der Beweis» dus eine unend-
Bdw Reih0 gui wie eine Sammo eiaidner Theile integriri werden konaoi
938 Kttip: DUTerenlial- und IntegrlilrecfaBUf-
wenn nvr di« entstehende Reihe konvergirt, der hier mittelM bettimmter In«
teipvle geführt ist, möchte wohl nicht gans am Platze sein, da er doch gar
Eo kUnftlich für eine so einfache Sache ist. Der Uebergang von bestimmten
Integralen zu unbestimmten verwirrt die Sache; ohnehin begreifen wir die
Gleichnng i ydx = i ydx — | ydx (S.169) nicht (ist ein Drackfehlerrorfattt-
den, fo wSre diese Gleichnng immerhin nicht an ihrem Platze).
Die nun folgenden Integrationimethoden (S. 180—227) aind die nUher*
gebrachten für rationale Brüche, binomische Integrale u. s. w., die in jedem
Lehrbuche aich finden nnd finden müssen, so dass wir darüber nichts Weiteres
sagen wollen, höchstens, dass durchweg nur von unbestimmten Integrationen
die Rede ist. Zum Schlüsse werden noch einige „transeendente Ezponeoiial-
integrale" betrachtet. Das erste davon ist das Integral I e dx, oder genauer
genommen, dass bestimmte Integrale I e dx. Dass dasselbe also nicht ganz
il I e dx,
hieher gehört, ist klar, auch musste von dem Satze, dass I e dx = } yn
ist, Gebrauch gemacht werden, ehe er überhaupt bewiesen war, ehe überhaupt
davon die Rede war, was eine unendlich grosse Grttnze bei einem bestimm-
len Integrale zu bedeuten habe. Aehnliches gilt von den übrigen behandel-
ten Integralen dieser Art. Diese Betrachtungen wiren immer noch spftter
•m rechten Orte gewesen, nachdem über die bestimmten Integrale, als solche,
jiühere Aufschlüsse gegeben worden, wozu sich das Werk von S. 239 an anschickt.
Aus der bereits früher angeführten, hier nochmals wiederholten Definition
des bestimmten Integrals werden einige der einfachsten Eigenschaften abge-
leitet. Wenn aber dort gesagt wird , man wolle von der Gleichnng I fCx) dx =
I f(x) dx-i-i ((x) dx + ••• + 1 f(x) ^ ausgehen, so haben wir Yer-
t/ a t7 ai tf an
geblich nachgesehen, wo denn diese Gleichung bewiesen ist. Ob man ait
«Is von selbst verstindlich durchgeben lassen kann, müssen wir um so mehr
bezweifeln, da sie nicht unbedingt angewendet werden darf. Die mitgetheil'-
ten Methoden zur nilherungsweison Berechnung bestimmter Integrale ermangdn
Iheilweise der GrUnsbestimmung für den begangenen Fehler, ohne welche
dieselben nicht besonders viel werth sind.
Bei der Ansmittlung der Werthe bestimmter Integrale kommen wir aodi
nnf die Untersuchung, was denn zu thun sei, wenn die Grösse f(x) innerhalb
der Integrationsgränzen (für 1 f(x) dx) unendlich werde. Dabei begegnen
wir dem bekannten von Mo ig no ausführlich erliluterten Kunststücke von den
fltnptwerthen der bestimmten Integrale nnd was dergleichen Dinge mehr
•ind. Referent kann nicht begreifen, dass man immer noch dieses leere Stroh
drischt, nnd nicht lüngst merkt, dass ja diese scharfsinnigen Künsteleien Re-
ffen dio allererste SrUSrusg Verstössen, woniadi die Grösse f(x} innerhalb
lAlp: DifferttOkl- und hlergnJiediiinf. 238
dir blegntiovifTinieii fteiig (mindesleDi eadllch) Min nutii. Wenn man
IM ab« irafi, WM mit dorn berihrteD Fallo aasafaHfOD «ei» ao antworten
wir: gar Niebia; denn in einen folchen Falle kann von dem beallmmten In-
tefrale keine Rede mehr sein , und Allea , was man hier acfalieuen wolllo,
kna eben ao wohl Calacb ala wahr aein. Daaa dabei oft faat bandgreiflicher
üamu erac^int, lieft in der Natur der Sache | ao etwa in naaerm Bocke
dieBehan^tang (S. 2W) der Wertk Ton p^-i^ aoi««lttre=:0. StaH
icaer Terwirrenden und noek daxu fani irrigen Künsteleien wllre t§ woki
beMer geweaen, wenn daa Buch aich etwas i^enaner Ober die Umformung
bcitiauttter (einfacher) Integrale eiagelaaaen bitte, da dabei gar manche Dinge
vsikaaaMn können, die nicht im Handumkekren au erledigen aind* Wenn
bei der Differentiation unter dem Integralieichen bia zur Betrachtung des swel»
tea Bifferentiniquotienten gegangen wird, ao iat dies dea Guten an viel Cond
weaa audi Schlomilch dies achon früher gethan).
Wenn bei den doppelt beatimmten Integralen gleich wieder der Fall
koaait, wo die GrOaae unter den Integralxeicheu unendlich wird, wo alao,
wie man hOcbat geistreicher Weise au sagen pflegt, die Aenderung der Ord-
Baag der Integration verschiedene Resultate gibt, was namentlich durch daa
Tiel misshandelta Integral I I -^jLlZL--. dx dy bewiesen werden soll,
J-iJ-i (x»+y«)'
M kana Referent nur, wie jüngst Grunert in seinem Archiv, allerdings mit
der heflichen Entschuldigung, man werde ihn nicht roissverstehen, sagen, daa
lei Unsinn. Die Theorie der Umformung vielfacher bestimmter Integrale
feblt gans in nnserm Buche, wflhrend doch mehrfach von ihr Gebrauch ge-
■Kbt wird. Ucberhaupt ist hier bei der Behandlung bestimmter Integrale»
wv mochten aagen, fast unverantwortlicher "Weise zu Werke gegangen wor-
dea, wenn auch allerdings wieder gute Parthieen sich finden. Es fehlt eben
iB genaner FeaUtellung der Fondaraentalsfitze. Daftkr kann dann nicht ent-
«Aidigen, daaa die Theorie der Fourierachen Beihen und der elliptischen I»-
tcfnle aiemiick anafQhrlick aulgenomaaeB worden, obgleich diea nur au loben iat.
Nachdem ao ein bedeutender Theil der Integralrechnung abgehandelt wor-
den, folgen CS. 385—496) die Anwendungen auf die Geometrie der Ebene,
IB ao ferne dieaelbe eben die Differential- und Integralrechnung in Anaprnch
■iBuift. Sie nmfaaaen alao die Theorie der Tangenten und Normalen, Aaymp-
Ma, Bemhmngen (in Cauchya Weiae); die Unterancfaungen ttber Con<-
ytiaXkl und Concavitllt ebener Kurven und der beaondern Punkte; die Rekti-
fi^BtioB der Kurven; die Theorie der Krümmung deraelben (ebenfalla mit Zu-
flnuddegnng der Ansichten von Cauchy), der Evoluten und Brennlinien;
wdam der Quadratur ebener Flilcheii, und der nMherungaweiaen Quadratur —
ARea durch zahlreiche Beispiele erlftutert. Da alle diese Dinge schon vielfach
behaodeU worden, so können wir hier darüber weggehen, indem wir nur
oueUen, dass die Behandlungaweiae meist tadelloe ist.
Bin wichtiger Abschnitt der Integralrechnung, die Integration der Diffe-
reatialgleicbungen mit einer unabhflngig Yerflnderlichen , folgt diesen in daa
^iet der Geonetrie gehörenden Anwendungen. — Die DarsteUang iat au-
240 Kttip: Differeiitial- und lDtegralr6cfaiiiiii|^.
nSchst die hergebrachte mit den Differentialen, obgleich bei jedem nfthem Ein-
gehen immer die Differentialquotienten zn betrachten waren. So mag e« sieh
erklären, wie man die „Differentialfonktion^ Hdx Hr ^^Y > ^'^^ ^o<^^ «* ^^^^
BW ei unabhängig Veränderliche enthält, hier betrachtet. Die Riccatisohe
Gleichung Ist nach Moigno behandelt. Auch bei den DifferentialgleichuDgen
höherer Ordnung sind im Wesentlichen dieselben Wege eingeschlagen worden,
die dieser Schriftsteller schon früher gewandelt ist, wie denn die gewählten
Beispiele lebhaft an ihn erinnern. Cauchys symbolische Integrationsmethode
(S. 565—570) scheint Referent nicht besonders fruchtbar in sein. Referent
vermisst hiebei ein genaueres Eingehen auf die Methode der Integration mittelst
bestimmter Integrale, die nur so gelegentlich bertthrt wird (S. 605^-608), ob-
gleich sie bei dem heutigen Stande der Wissenschaft von grosser Wichtigkeit
ist; er vermisst femer vollständig die Aufstellung der allgemeinen Bedingung
der Integralität einer Differentialfunktion hohem Grades, so wie Andeutungen
über das Verfahren fiulers, mittelst bestimmter Integrale Differentialgleichun-
ges au integriren.
Die Theorie der besondern Auflösungen (singulären Integrale, wie sie hier
genannt werden) ist zunächst auf rein analytischem Wege gegeben, der be-
greiflicher Weise zulässig ist; allein die geometrische Darstellung hat den we-
sentlichen Vortheil grosser Klarheit, und konnten hier um so mehr gewihlt
werden, da ja von analytischer Geometrie ohnehin viel die Rede war. Daher
rtthrt es auch, dass die Darstellung der Art, wie das singulare Integral aus
der Differentialgleichung herzustellen ist, etwas schwierig ausgefallen ist.
Den Schluss machen geometrische Anwendungen, welche die Integration
Ton Differentialgleichungen erfordern. Hier nun erscheinen die Umhttl-
lungslinien, welche bei der geometrischen Theorie der besondern AuflO*
saugen betrachtet werden, sodann die Trajectorien ebener Kurven, nebtt
einigen Aufgaben, die meist in ganz ähnlicher Weise in der bekannten Samm-
lung TOD Magnus sich befinden.
Da das vorliegende Werk, wie der Verfasser im Vorwort sagt, einem
grOssern Theile nach seiner Bearbeitung des Frau coeur' sehen Werkes ent-
lehnt ist, so mag das, was sich in ihm Mangelhaftes findet, dem letztem theil-
weise zuzuschreiben sein; nur mochte die Bemerkung nicht unnothig sein,
dass heute das Francoeur'sche Werk als einer vergangenen Zeit angehö-
rend zu betrachten ist. Wir stehen heute auf dem Standpunkte einer scharfen
Sichtung des Wahren und Halbwahren, namentlich auch der genauen Feststel-
lung der fundamentalen Grundsätze ; ob nun dieser in dem vorliegenden Buche
ttbenll gebührend eingehalten ist , mag nach dem Vorstehenden bezweifelt
werden. Wir sind weit entfernt, läugnen zu wollen, dass nicht viel Gutes
sich in demselben befindet, ja dass in manchen Beziehungen dasselbe viel
Tollständiger ist, als andere Lehrbücher; aber es will Referenten bedanken,
es entspreche dasselbe nicht ganz dem Maassstabe , mit dem man heutzutage
ein gutes Handbuch der Differential- und Integralrechnung messen muss.
Schlechte und mittelmässige Bttchcr haben wir schon genug; die guten sind
aber noch immer dünn gesäet. Bestimmtheit und Klarheit in den ersten Be-
griffen; genaues Festhalten und folgerichtige Durchbildung derselben bis zu
den obersten Sätzen der Wissenschaft, ohne Rückfall in die alte, bequeme
Methode des ungefähr Richtigen; Ausscheidung derjenigen Betrachtungen, die
durch eine falsche Auffassung der Grundsätze, oder geradezu durch Ansser-
achtlassung derselben sich in die Wissenschaft eingeschlichen und dort Ver-
wirrung verursacht haben: das sind Punkte, deren genaue und der Wissen-
schaft würdige Erledigung man jetzt von einem neuen derartigen Werke un-
bedingt verlangen muss. Geschieht es nicht, so legt die Kritik den rechten
Maasistab nicht an, und ntttat der Wissenschaft riichts.
nr. S. Dient er*
k. II HEIDELBERGER IKT.
JillBOCHBR DBB LITIRATOl
YeriundluDgen des naturhislorisch-medisinischep Vereina zu
Heidelberg.
NMhdam bereits im Sommer des Jahres 1856 die elideitenden
Schritte gemacht worden waren, erfolgte am 24. Oktober die wirk-
liebe CoDstitairong des natarbietorisch-medisiniachen Yereinea la
HdUbergi weichem sofort acht imd yiersig Mitglieder ans Heidel*
bei]? nnd ans beoachbarteo Orten beitraten. — Die Namen der
Gr^der des Vereines sind folgende:
Alt, pract. Arst (in Mannheim); Arnetfa, A. Dr. nnd Pro-
teor; Arnold, F^ Dr., Professor n. OekHohrath; Arnold, W.,
Dr^ Professor n. pract. Arst; Blam, R., Dr. u. Professor; Born-*
trlger, A. F., Dr. n. PriFat-Docent ; Bronn, H. O., Dr., Pro*
fasorn. Hofrath; Bansen, R. W., Dr., Professor n. Hofrath; Can-
lor, M.,Dr. u. Privat-Docent ; Carlas, O. L., Dr. n. Prirat-Docent;
iClialias, sen., Dr., Professor n. Oeheimrath; Chelins, jnn.. F.,
iDr. 0. Professor; Gantz, A., Dr. a. pract Arst; Dachek, Dr.
ii Professor; Dosch, t., Dr. o. Professor; Eisenlohr, F., Dr.
Ii. Frirat-Docent; Eisenmenger, F., pract Arst; Erlenmayer,
t, Dr. u. Privat-Docent; Herth, O., Dr. u. PriFat-Docent; Kapp,
iDr.,Prof.u. Hofrath; KekuH, Dr. u. Privat-Docent; Kirchhoff,
Dr. Q. Professor ; Kleinschmidt, Dr. u. pract Arst; Knapp,
Dr. IL Pri vat-Docent ; K a s s m a a 1 , Dr. a. Prirat-Docent ; Lange»
Dr., Professor n. Geh. Hofrath; Leonhard, O., Dr. n. Privat-
iDoost; Lawinstein, Dr.; Lommel, J., MIneralog; Mesger,
Ohramts-Physlkas; Michaglls, Dr. a. pract Arst; Mittermaier,
CfDr. o. pract Arst; Moos, Dr. a. pract Arst; Neil, Dr. a.
Mrat-Docent (Mannhelm); Nnhn, Dr. nnd Professor; Oppen-
ktimer, Dr. nnd Prlvat-Docent; Pagenstecher, sen., Dr.;
Psgens techer, H. A., jun«, Dr. a. Priyat-Docent; Posselt, Dr.
«.Professor; Pachelt, Dr. n. Privat -Docent; Rammer, Prof.
vnd Director; Scfametser, Pfarrer (Ziegelhaasen) ; Schmidt|
Dr. und Professor; Stein, £., Dr. n. pract Arzt; Walz, Dr. u.
PiiTst-Docent; Weydnng, pract Arst; Wolff, F., pract. Arzt.;
Wandt, Dr. und Privat-Docent
Wahrend des nachfolgenden Winterhalbjahres worden femer in
'es Verein aufgenommen:
Bergt, Physlkns (Neekargemünd); Ehmann, pract Arzt;
Bieking, Dr. a. Apotheker; Buch, Apotheker; Holle, v., Dr«
L. Jthrg. 4. Bcli 16
240 Kidp: Differential- nnd Intepralrechnniig.
iritefcrt die herrebniekte nit den Differentialen, obf leich bei jedem » ^V'
gehen muMr die Differentialqaotienten so betrachten waren. So t
eiUlnn, wie nan die ^DiflerenUalfunktion" Mdx + Ndy, die dod>
xwei uabliiiifig Yerinderlicbe entliält, hier betrachtet Die Rw/ f^*.,
Gleichnng ist nach Hoigno behandelt. Auch bei den DifferentS:
boberer Ordnung sind im Wesentlichen dieselben Wege eingesu
die dieser SchriftsteUer schon früher gewandelt ist, wie denn
Beispiele lebhaft an ihn erinnern. Cauchys symbolische Inte^
(S. 565—570) scheint Beferent nicht besonders fruchtbar an
Tennisst hiebei ein genaueres Eingeben auf die Methode der In
b«*"»»^' In*«ffnile, die nur so gelegentlich berührt wird (S
gleich sie bei dem heutigen SUnde der Wissenschaft von gr
ut; er vennisst femer vollständig die Aufstellung der allgc
der btegralitSt einer Differentialfnnktion hohern Grades, so
•ber das Verfahren £ulers, mittelst bestimmter Integrale I
gen au integriren.
Die Theorie der besondern Auflösungen (singulfiren In
genannt werden) ist lunächst auf rein analytischem Weg
greiflicher Weise sulftssig ist; allein die geometrische Dar
sentlichen Yortheil grosser Klarheit, nnd konnten hier >
werden, da ja von analytischer Geometrie ohnehin viel
rtthrt es auch, dass die Darstellung der Art, wie das
der Differentialgleichung herzustellen ist, etwas schwic
Den Schlnss machen geometrische Anwendungen,
Ton Differentialgleichungen erfordern. Hier nun er
lungslinien, welche bei der geometrischen Theorl
anngen betrachtet werden, sodann die Trajectorie
einigen Aufgaben, die meist in ganz ähnlicher Weis(
lang TOD Magnus sich befinden.
Da das vorliegende Werk, wie der Verfasser
ffrössern Theile nach seiner Bearbeitung des Frant
lehnt ist, so mag das, was sich in ihm Mangelhaft«
weise nnxusdireiben sein; nur möchte die Beme
dais heute das Francoeur'sche Werk als einer
rend lu betrachten ist. Wir stehen heute auf dc>
Sichtung des Wahren und Halbwahren, namentli«
Inng der fundamentalen Grundsätze ; ob nun die5
Hbenill gebahrend eingehalten ist, mag nach
werden. Wir sind weit entfernt, längnen sn '
ficb in demselben befindet, ja dass in mancb
vollständiger ist, als andere Lehrbücher; aber
es entspreche dasselbe nicht ganz dem Maasss'
ein gutes Handbuch der Differential- und
Schlechte und mittelmässige Bücher haben w
nber noch immer dünn gesäet Bestimmtheit
griffen; genaues Festhalten und folgerichtige
den obersten SäUen der Wissenschaft, ohn«
Methode des ungefähr Hichtigen; Anssdieid-
toch eine falsche Anff^usnng der Grandsät
•«hUnasaBf derselben sich in die Wissens
wirmng verorsacht haben: das sind Punkt
•chifl würdige Erledigung man jetzt von
hedingl Teriangen mnss. Geschieht es n'u
" — ■ ' Bichl Uy nnd nttW d« Wifteu
.iCrM
jenen
ilentl
uliche i
.inamiger
kommen b
r, die neb
Zähne,
luppea ve
rabsinken kan%
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. ;el lanfende Yen
•»ümmemngi seiehaeil
,a'er Ansah] yo
erentari sondem ancb y
3J2I Toduundenen aber
Jrpab. DieserSaUl
-*"*- Ofgtn«
Terliandloogen des mtariuftorisch-mediiiDlfclieii Vereinei. »243
Snilirang dardig^efQhrt werden, l&sst sich aber ganz !n gleicher
Welw aach hei den Fortpflanznngs-, Bewegnngs- nnd Empfindung«*
Organen dniehführen , wenn man auch nicht erwarten darf, durch
du ganze System hindurch gleichmässig abnehmende Zahlenreihen
n erhalten, sondern flem von dem Gesetze überall vorgefundenen
Hateriale entsprechend nur Stilckreihen, von welchen jedoch die im
OBtera Theile des Sjstemes vorhandenen immer grösser sind und
gegen den obem Theil hin immer kleiner werden. —
2. Vorstellung eines Kranken mit Lfthmung des nerv«
abducens durch Herrn Dr. Eussmaul|
am 21. Nov. 1856.
Herr Dr. Kussmaul zeigte einen Kranken vor, an welchem
nach während des Sommers erlittener Misshandlung, bei welcher
besonders SchSdel und Auge getroffen war, zuerst etwas Gesichts-
ttiiwaehe des rechten Auges mit Pupillarerweiterung und Schwie-
n^kelt, das rechte einwärts gekehrte Auge nach Aussen zu führen,
eingetreten war. Später und noch jetzt zeigte sich der nerv, ab-
deeens ganz gelähmt Der Kranke ist bei gewissen Stellungen
der Angäpfel doppelsichtig, er vermag den rechten nur bis in die
Mitte der Spalte zu stellen und es erweitert sich bei diesen Bestre*
Inngen stets die Pupille; das SehvermCgen ist gegenwärtig kaum
geschwächt. Herr Fhysikus Mezger macht auf das gerichtsärzt-
Me Interesse des Falles aufmerksam. —
l Vortrag des Herrn Prof. v. Dusch über eine wahr-
Bcheinlich erworbene Communikation zwischen den
beiden Herzventrikeln, am 21. Nov. 1856.
Der Vortrag betraf das Herz eines jungen Mannes, der nach
einjähriger Kraniiheit erlag, nachdem er, ohne je zuvor krank ge-
wesen za sein, sich einer heftigen Erkältung ausgesetzt hatte. Die
iniptBächlichsten Symptome waren während des Lebens Dyspnoe,
Ascites, Oedema der untern Extremitäten, Albuminurie mit Fibrin-
geriottseln, ungeheurer, fast bis zur Symphyse reichender, MOztumor.
D«B Herz zeigte sich vergrössert, mit verstärktem und weitverbrei-
tetem Cfaoc. In der Gegend des zweiten linken Interkostalraumes
leigte sich eine Vibration des Thorax; die Auskultation ergab an
Aeser Stelle, der art. pulmonalis entsprechend, ein schwirrendes,
systolisch verstärktes Geräusch, ohne alle Töne ; in der aorta waren
Wide Töne, im linken Ventrikel nur der erste und statt des zweiten
ein Geräasch, im rechten gar keine Töne und dabei das schwir-
Knde Geräusch bei Systole und Diastole zu hören. Der Kranke
eriag einer Pneumonie. Die Sektion ergab Serum-Erguss in beide
Heora Höhlen, massige frische Pericarditis, chronische Brightsche
Ifttvtttng beider Nieren, sehr grossen akuten Milz-Tumor mit Fibrin*
34^ YerhtndlattgeB dM natarhblorifeli^iiioduiBif clieii Vereiiief.
Infarkt nnd Ascites. Das Herz war bedeutend vergrössert, der redite
Ventrikel übertraf den linken um das doppelte In der Masknlaiiir.
Im Septum der Ventrikel, in dem obersten Theile desselben, unter
der hintern halbmondförmigen Klappe der Aorta war eine Oeffnung
von 4 — b'" Durchmesser mit schwieligen anra Theil kalkig entarte-
ten Bändern, welche beide coni arteriosi verband. Deutliche Spuren
von Endocarditis an der valvula mitralis und den Aortenklappen,
am bedeutendsten jedoch In der Umgebung der Oeffnung, sowie im
Conus arteriosus und um die Klappen der arteria pulmonalis, deren
ostium durch bedeutende Fibrinauflagerungen verengt war. In der
Nähe der anomalen Oeffnung lag in der Wand des rechten Ventri-
kels ein sogenanntes partielles Aneurysma. Der rechte Vorhof war
weit, der linke sehr eng, das foramen ovale geschlossen, auch k^no
andere Abnormitäten erster Bildung am Herzen. Ausser dem selte-
nen Befunde einer Stenosis ostii arteriae pulmonalis bietet die Com-
munikation der Ventrikel durch die Frage bedeutendes InteressOi ob
dieselbe angeboren oder erworben sei. Für das Angebortfisein
sprechen :
1. Der Ort der Communikation, an welchem die angeborenm
Perforationen am häufigsten vorkommen, wie sich aus der Entwick-
lung des Septum ergibt.
2. Die gUtten Bänder der Communikationsöffiaung. —
Für das Erworbensein sprechen:
1. Die frühere vollkommene Gesundheit des betroffenen Indi-
viduum, selbst unter ungünstigen äusseren Verhältnissen.
2. Die Häufigkeit des Vorkommens der Myocarditis an der
Stelle der Communikation (nach Dittrich) und die beträchtlichea
entzündlichen Ueberreste in der Umgebung derselben.
3. Der Mangel sonstiger Bildungsfehler, die meist bei ange-
borner Communikation vorhanden sind.
4. Das ganz in der Nähe der Oeffnung vorgefundene Aneu-
rysma. —
Bei Abwägung der Gründe pro et contra scheint es dem Herra
Prof. V. Dusch wahrscheinlicher, dass die Communikation erworben
sei. In Betreff der Erscheinungen während des Lebens macht der-
selbe noch darauf aufmerksam, dass die cyanotischen Erscheinungeii
durchaus nicht bedeutender waren, als bei sonstigen Fehlem am
Elappenapparate, obgleich die überwiegende Kraft des rechten Vm«
trikels eine nicht unbedeutende Beimischung des venösen Bluts suna
arteriellen bedingen musste. —
Bei der Diskussion über diesen Gegenstand iheilte Herr Prof«
Lange bezüglich der Genese und der Symptome einen Fall mit,
in welchem die Cyanose im Allgemeinen gering und nur in Parozys—
men schlimmer war und dennodi die Sektion des mit 13 Monatei^
verstorbenen Kindes vollständigen Mangel des septum ventriculonun
ergab. Die Lage der Communikation möge bei dem Patienten des
Herrn v. Dusch dio Blutvermiscbung geringer gomäcbt Imbw^
Terehef. 249
Db ibnenbOdonf Mi Damenülch bei der Escloearditifl der WSeh*
Bnuea nichts seUoet. Die ron LSscIiner mitfl^etheüten, von Hm.
Dr. Moos sar Sprache gebraehteo, FSlle bei Kindern kann Herr
Y. Doseh nicht sweifellos für erworben halten. Herr Dr. Knss-
■ail hilt den demonstrirten Fall fBr angeboren , erstens wegen
kt Sdteaheit Ton Erkrankung der Pnlmonalarteriei ausser dnrdi
inmnitfsche Veranlassnng, was deshalb hier rar Eridimng dorch
iigeborenseln drSnge. Das foramen orale habe sich nm so leidi-
ter Bschtrigiich schBessen kISnnen , als die Cirknlationsstömng he*
ntts dordi die Commanikation der Kammern ansgeglichen war. Femer
wegen der mangelnden Hypertrophie des linken Herzens bei vor-*
kaodeiier Hypertrophie des rechten. Das partielle Aneurysma end«
Ml in eonns arteriosns polmonalis konnte sehr leicht entsteheni
wwD an jener, bei der Stenose der pulmonalis einem rerstlrkten
Bmdrock ausgesetsten, Stelle selbst nur eine kleine Leiste als Best
fa foeialen endokarditischen Prozesses geblieben war. .
Degegen hftlt Herr Prof. r. Dnsch anch die Stenose fflr nen
ud hebt nochmals die pI5tsllch darch schwere krankmachende Mo*
■CBte onterbrochene, bis dahin so vollkommene, Gesundheit, sowie die
ÜBglichkeit der raschen Volnmranahme der Henmnsknlatnr im All«
gmeiiien heryor. Herr Dr. Pagenstecher glaubt, dass fflr einen
Zosammenhang beider Prosesse, von denen doch der in der pulmo*
natii entschieden sum Theil neu sei, der unmittelbare Zusammen-
ksg der lokalen Residuen spreche. Da jedoch dieselbe Stelle auch
viederfaolt Ton Erkrankung getroffen werden konnte i so ist auch
iuies Kriterium kdn absolutes. —
i Vortrag des Herrn Dr. Gantor ,|flber Porismen^,
am 21. Nov. 185 6.
Diese mathematisch-historische Untersuchung sollte bauptsäch*
Bck xeigen , wie alle Divinatoren der Porismen des Euclid immer
Uff den Inhalt in ihnen vermutheten, mit dem sie selbst sich mei'»
ite beschSItigten. Diesen Nachweis su führen, wurden auerst die
SteUea des Pappns, Diophant, Prodns mitgetheilt, auf die jene Di-
Stören sich stfltsten und dann eine kritische Znsammenstellung
te Hauptansichten gegeben. Den Schlnss bildete die Conjectur,
tt dorfte ein besseres Verständniss der Porismen erzielt werden, wenn
■an die Interpretation nicht vom geometrischen Standpunkte, son-
fae von dem der Analysls aus versuche. Dann aber lasse sich
Wfende Analogie neuerer und SIterer Untersuchungen behaupten:
Bsenechaften einer Funktion finden, gibt das Theorem an , Wertha
kt Fuiktion bei gegebenem Argumente leitet das Problem ab;
«Bffidi ans Eigenschaften auf die Art der Funktion schliessen, lehrt
tePoiisma. —
IM& VerhandkingeE dei naturbuiterUcli-medlzinbcbea Ttseiaet.
5. Mittkeilang des Herra Prof. Chelias überr die Am-
putatiau im Fus9geleQke nach Syme, am 5. Dez. 1846.
Prof. C bei las jun. hob als besonderen Vortheil dieser Ope«
ration^ wodurch dieselbe auch über alle anderen Methoden der Am-
putatioa des Fusses den Sieg daFon getragen habe, hervor, dass
der Stumpf mit Weichtheiiea bedeckt werde, welche von der Natur
zum Gehen und Tragen der Last des Körpers bestimmt und beim
Gebrauch des Stumpfes mittelst eines künstlichen Fusses nicht allen
den störenden und schmerzhaften Veränderungen der Haut bei statt-
findendem Drucke ausgesetzt sind. — Von den zahlreichen Modi-
fieationen dieser Operation betrachtet Ch. die von Priogoff als die
einzige von Bedeutung, und zeigte den Gypsabguss eines von iluu
nach diesem Verfahren Operirten, in welchem Falle die Heilung
sehr schön und in kurzer Zeit erfolgte. Trotz dieses günstigen
Resultates sprach Ch. sein Bedenken aus, ob der Operirte durch
den etwas längeren und festeren Stumpf^ wie nach der ursprüngli-
chen Angabe von Syme, einen zum Gehen tauglicheren Stumpf be-
kommen werde, da die Basis des Stumpfes nicht so breit, derselbe
nicht vollständig von der dicken Haut, wie die Ferse, bedeckt werde,
und die Achillessehne an ihrer Insertion, sowie der in ihrer Nähe
sich befindliche Schleimbeutel durch den fortdauernden Druck beiai
Gehea leicht nachtheiligen Folgen ausgesetzt sein könnten.
6. Vortrag des Herrn Prof. Cheliius „über die opera-
tiven Methoden zur Heilung des Kropfes überhaupt
und ein neues von ihm in Anwendung gebrachtes
Verfahren im Besondern^, am 5. Dezember 1856.
Hr. Ch. jun. besprach die Operationen, welche bei den ver-
schiedenen Arten des Kropfes in Anwendung gebracht werden, und
theilte ein neues Verfahren mit, welches derselbe bei Struma cystica
In 11 Fällen und bei Struma parenchymatosa in 2 Fällen mit glück-
lichem Erfolge ausgeführt hat. — Das Verfahren bei Struma cystica
besteht in der Incision der Kyste und Anheftung derselben an die
Wundränder der äusseren Haut Die Operation wird in folgender
Weise verrichtet Man schneide die Haut, den breiten Halsmtiskel
und das unterliegende Zellgewebe ein , so dass die Kyste in gehö-
riger. Länge biosgelegt wird, und lasse die Weichtheile mittelst
stumpfer Haken nach beiden Seiten abziehen. Alsdann führe man-
mittelst einer gekrümmten Nadel auf beiden Seiten, einige Linien
von der Mittellinie entfernt, zwei Ligaturen durch die Wandungen
der Kyfite, und befestige, nachdem das eine Fadenende der Ligatur
durch die äussere Haut geführt worden, durch Zusammenziehen der
Fadenenden die äusseren Wundränder an die Oberfläche der Kyste.
Nach der theilweisen Befestigung der Kyste an die äussere Haut
schneide mm dieselbe in dem Zwischenräume der angelegten Nähte
daf aa»pfctolorlKfc^iHdiitoyclwn TtrdMi. 147
nä eiMii ipitsen Bistnirl dD, aad fUbre tai Mgeflsgir ter lldMn
Bnd in die gemachte Oeffiaong, am das Anaflletsen de» FltiMgkell
u rerhäten , ehe die Wandmf en der Kysle noeh weiter mk tf e
ioMre Hant durch Mühte befestigt siad. Die Anlegung der dritten
md Yierten Naht aof beiden Seiten geschieht durch iänftthrnng der
Nidal and Durchstechang der Kyste auf der Yolarfläche dee Zeige-
üogen. Sind auf beiden Seiten vier Nähte angelegt, so schneidet
an die Ejste awischen den angelegten NXhten mit einer Scheere
■seh oben nnd unten wi und entleert die Flüssigkeit siri^ll^st
JasgiaoL Mach gehöriger Einschneidang der Kyste wird dieselbe^
n dem oberen und unteren Wundwinkel hervorgesogen am die
j Binder derselben in ihrem gansen Umfange mit den WmidrSndem
I der Sosseren Haut durch Knopfnähte su Tereinigen« Grössere Arte-
\ lien und Venen am Bande der Kyste werden unterbunden oder ms-
Btodien. Als Yortheile dieses Verfahrens gibt Gh. aa:
1) Geringere Gefahr bei eintretender Blutung aus der EystOi
da nach Befestigung derselben an die äussere Haut die blatstnien-
den Mittel leichler und sicherer angewendet werden können.
2) Durch die lineare Anheftung der Kyste an die iDssere
Hant und ToUständige Vereinigung der gemachten' Wunde erfolgt
leine entzündliche Anschwellung der Weichtheile des Halses in der
Umgebung der Kyste.
3) £s ist keine Eitenenknng au beftfrchten, da eine yolbtändlge
AbschUessung bewirkt ist und der Eiter frei aus der Kyste ab-
fliemen kann.
4) Die Heilung erfolgt in riel kttrserer Zeit, wie nach der
gewöhnlichen Ineision.
In Folge der glücklichen Resultate hat Gh. dieses Verfahren
aodi bd Kysten an anderen Stellen angewandt: bei einem Atheroma
colli, Im! einem Hygroma sternale, ischiadicum, patellare, bei tfner
Kyste aaf der Parotis, selbst auch bei zwei Fällen von Hydrocde
tun. rag. testis, und würde es auch im vorkommettden Falle bei
einer Kyste des Orarinm ▼ersuchen.
Bei Struma parenchymatosa besteht das Verfahren in der An-
wendung des Aetzmittels, weldier jedoch eine ähnliche Operation
vorangehen muss, wie die Inoision der Struma cystlca mit A'nhef-
tnng. — Man mache zuerst einen Schnitt durch die WeichlheUe bis
aof ^e Schilddrüse, cKese wird alsdann an die äassere Haut durdi
Nähte befestigt und nach der Beltotigung ein Einschnitt in' dieselbe
gemacht Bei einem solchen Einschnitt findet immer eine starke
Blutung statt, welche durch Einlegen eines mit Lösuttg von feirrtitn
Boiiaticum befeuchteten Schwatnmes gestillt wird. Durdi Einlegen
dieses Schwammes werden die Wunden von efnander entfernt nnd'
die gebildete Wunde in eine Höhle umgewanddt. Ist in dieser
Hdhle Eiterung eingetreten, und dieselbe mit der äusseren Haut
verwachsen, so wird mit der Cauterisation, und zwar mit lapis cäustdus^'
begODiien and dieselbe in Zwischenräomen Sfter« wiederholt. ^ Da
iAS VeriiandlaDf eu it$ iittQrhitlorijdi-niedixiiiiiolien Tireindii
bisher nur swai FUle nach diesem Verfabrea operirt warden, t^
sprach Cb, der Gesellschaft später noch weitere Mitthellmig über
die Besoltate dieser Operation zu machen.
7. Mittheilangen des Herrn Prof. Blom über Verän-
derungen unorganischer Körper, am 5. Dez. 1856.
Herr Prof. Blum sprach über Veränderungen, die bei unor-
ganischen Körpern vorkommen und wie dieselben nicht so selten
wären, als man im Allgemeinen zu glauben geneigt sei. Diese
wären nur schwerer nachzuweisen, als im organischen Reiche, denn
man könne dies nur mit Erfolg an Krystallen thun. Derselbe fährt
ein Beispiel der Art in der Umwandlung des Granats zu Epidot an,
indem er solche an Stücken von Anerbach an der Bergstrasse und
Lolen im Magisthaie in der Schweitz stufenweise nachwies. —
8. Vortrag des Herrn Dr. Kussmaul „über den Central-
heerd der fallsuchtartigen Anfälle, welche die rasche
Verblutung bei Säugethieren und Menschen
begleiten^, am 5. Dez. 1856.
Es ist eine alte Erfahrung, dass zahlreiche Säugethicre und der
Mensch selbst in allgemeine Zuckungen verfallen, wenn sie grosse
und rasche Blutverluste erleiden, namentlich, wenn diese zum Tode
fähren. Marschall Hall hat auf die grosse Aehnlichkeit dieser
Zuckungen mit den bei Fallsucht eintretenden aufmerksam gemacht
und die Frage aufgeworfen, ob sie vom Gehirn oder vom Rücken-
mark ausgehen. In Gemeinschaft mit Herrn Tenner stellte Herr
Dr. Kussmaul zahlreiche experimentelle und kritisch historische
Untersuchungen zu ihrer Lösung an, woraus folgende Hauptergeb-
nisse hervorgingen:
1} Die Gompression und Unterbindung der Carotiden und Schltls-
selbeinschlagadem bedingte bei mehr als 60 gesonden Kaninchen
verschiedenen Alters und Geschlechts dieselben Zuckungen, wie sie
die Verblutung bei diesen Thieren hervorzurufen pflegt.
2) Diese Zuckungen entspringen aus der arteriellen Gehirn-
anämie, welche am lebenden Thiere durch eine luftdicht dem Schädel
elügefügte Glasplatte mit Sicherheit beobachtet wurde.
\ 8) Auch beim Hunde ruft die arterielle Gehirnanämie Bewusst-
losi|[keit und aUgemeine Zuckungen hervor, wie ein Versuch A.
)r's schliessen läset.
Die Gompression oder Unterbindung der Carotiden bewirkt
beim Menschen, namentlich bei blutarmen Personen, zuweflen fall-
suchtarnge Anfälle.
5} yie Unterbindung beider Schlüsselbeinschlagadem und der
Aorta anN^er Abgangsstelle der linken Schlüsselbeinschlagader be-
dingte bei H2 Kaninchen niemals die heftigen Zuckungen des Rumpfs
VirfctiidloBiren dei Batorhiiton'feh-iiieditiiiifelieii Yerelaef. 349
mil dor OliedüMMMiii wie sie die Unterbindong der Kopfarterien sur
F«(gehat Nor Y eitotanzartige Bewegangen mit theilweiger Lllimnng
dar Vorderbeine und keine oder ecbwache, irfttemde Bewegungen mit
nach nachfolgender yoUkoniinener Lähmang der Hinterbeine traten ein.
6) Worden nach Unterbindong der Aorta ond beider Schlflsael-
beimohlagadeni Ae Carotiden in den nächsten Minoten komprimirt,
10 entstanden trota der LShmong der GliedmaMon raach allgemeine
Zuckungen; wurde die Compression der Carotiden dagegen splter
Torgenommea, ao erfolgten keine allgemdnen Zockongen, selbst
wenn die Compression bis som Tode fortgesetst worde.
7) Die fallsochtartigen Anfälle nach grossen und raschen Blot-
Tsriosten gehen somit beim Kaninchen und höchst wahrscheinlich
asch beim Menschen ron einem motorischen Centralheerd ans, wel**
eher seinen Sita im Oehirn und nicht im Rückenmark hat —
9. Vortrag des Herrn Dr. Wundt ,,aber die ElastizitSt
der thierischen Oewebe^, am 19. Des. 1856.
Es wurde ausgegangen ron der Untersuchung der ElastiritXt
der thierischen Gewebe im unverlnderten Zustand , da erst hieran
die physiologisch wichtigere Frage nach den Veränderungen, welche
gewisse Gewebe unter verschiedenen Umständen erleiden, sich an-
Inipfen lässt. — Die erste Aufgabe ist somit die, das Gesetz fest-
nstellen, nach welchem in jenem Normzustaod die durch äussere
Kiifte bewirkten Formänderungen erfolgen. Hier muss man die nach
eiier sehr kunsen Zeit erfolgte Verlängerung ron derjenigen unter-
ad^den, bei weicher der untersuchte Körper seine vollständige Gleich-
gewichtslage erreicht hat. Beide sind proportional den belastenden
Gewichten. Das Gesetz der Dehnungen lässt sich also darstellen
durch eine grade Linie, nicht durch eine Hyperbel» wie dies Wert**
keim gefunden fcatte. Das Resultat des Letztem erklärt sich aus
der Nichtbeachtung der elastischen Nachwirkung. Denn diese be-
dbgt es, dass nur dann ein sicherer Schlass aus den beobachteten
Ungeveränderungen möglich ist^ wenn man die ganze Grösse der
Dehnang misst» oder wenn man nur von einer und derselben Gleich-
gewichtslage aus beobachtet.
Als ein Beispiel für die physiologische Verwerthung dieser ün-
tersuehungsmethode worde noch eine Uebersicht gegeben über die
Veränderungen, welche das Muskelgewebe während seines Todes
und seiner Fäulniss erleidet
Der Eintritt dieser Veränderungen ist nicht gebunden an did
Zerstörung der Centralorgane des Nervensystems und an die Durch-
ichneidong der Nerven. Hieraus folgt:
1) Dass im Bohezustand auf den Muskel kehl Einfluss vom
Mervensystem ausgeht, der irgendwie die Elastizität modifizirt, und
i) dass das Leben des Muskels unabhängig ist vom Nerven-
Tstem. — Die Todtenstarre beginnt dagegen sogleich nach der
aSO VerhudlaiigeB def natsrhistoriidi-medisiBifclieii Vtmme»:
Unterbindung der Geflisse; es Ist somit der Blutmangel die einsige
Ursaobe de» Todes. Während der Ffinlniss wird die Elestintät im-
mer OByelUcommener nnd das verfaulte Gewebe Ist su einem daroh*-
ans nneiastischen Aggregate geworden, -^
10. Vortrag des Herrn Prof. Bronn ^über das Meteor-
eisen von Atacama% am 19. bez. 1856.
Dieser Vortrag bezog sich auf das Heteorelsen von Ataeama
in Chili, von welchem Herr Professor Bronn durch Mitheilungen
von Professor Philip pi in Santiago in den Stand gesetzt war,
Proben vorzuzeigen. Unter Bezugnahme auf dasjenige, was schon
früher seit 1828 darüber bekannt geworden und von Philippi
(im Jahrbuch der Mineralogie u. s. w. 1855. p. Iff.) darüber ver-
öffentlicht worden war, bemerkte Herr Prof. Bronn, dass seit der
ui^enügenden Analyse von Tdrner, welcher 0,11 Nickel und
0,01 Kobalt darin angegeben, eine Zerlegung nicht mehr vorge-
nommen worden sei, dass jener hohe Nickelgehalt der angegebenen
S^nschwere von 6,90 bis 7,66 wenig entspreche und eine nene
Analyse sehr zu wünschen sei, welche auch Herr Prof. Buns^
zugesagt nnd unternommen habe. WidmannstStter'sche/'^igi
ren konnten nicht daran gefunden werden, wohl aber zeigte c
Behandlung ang'egriffener Stellen mit verdünter Salzsäure, dass aus«
den weiten mit Olivin erfüllten Räumen, noch unregelmässig u^
abgerundet zackige Stellen, welche von Säure angegriffen werdVi,*
mitten zwischen der unangreifbaren, grauweisslichen HauptmaiQ^
vorhanden sind nnd durch einen sehr schmalen noch helleren San^,
voii dieser letzten getrennt werden. — r^.
11. Reisebericht des Herrn Dr. Schiel (als Gast in der
Sitzung anwesend) am 19. Dez. 1856.
Herr Schiel war im Juni 1853 als Mitglied eines der von
der Vereinlgten-Staaten-Regierung ausgerüsteten Ezplorationskorps,
welche verschiedene, zur Erbauung einer Eisenbahn vom Missier'^t
zum stillen Meer geeignete Linien untersuchen sollten, von Westport
in Missouri, dem berüchtigten Hauptquartier der s. g. boMerruffians
(Grenzstrolche) abgereist. Die Reise ging westlieh zwischen K^i:ba6
nnd Arcansas durch die Prairie auf der Santa Fe Strass^ jer O^
Bents Fort, von da über die Rocky mountains durch de4'«:tfiigre
de Christo Paas nach dem San Luis valley, von da über den Coc^r
cbatopa Pass (Sierra San Juan), der früher von Fremont beattcht
worden war, nach dem Rio Colorado. Von letzterem Fluss ging
die Reise durch die Wahsatch Gebirge nach dem Jordanthale^ d. h.
nach Great salt lake city, wo das Corps überwinterte. Nach einem
vlerwöcfaenüichen Ausflug behufis einer Untersuchung der Gegend
westlich des Forts Laramie setzte daa Corps seine Unteraucliimg»*
VertatMllDDfeB de» natarhiftorisoh-niddiiiiiSfeiteii VereiiMa. 251
reiit westwärts fort durch die Saliwttste, die HambeMt-OebiiiSe
ud die Sierra NeFada nach dem Norden CaUfomiens, wo die Quel-
Jflo yerschiedener Flilsse, des Sacramento^ Feather liver u. s^ w.
noteraacht worden.
Von den verschiedenen hdchst interessanten Hesnltaten, di»
durch diese Untersuchungsreise gewonnen wurden, wollen wir hier
oor folgende anführen. Geographische Irrthümer wurden berich-
tigt: der Lauf des Haerfaao Flusses, eines NebenflusMS des
Aieansas, des Festher river und Pitt river in CalilornieD und
Tieler anderer gr&sserer oder kleinerer Flüsse, die auf der Roate
lagen. Die Geologie wurde bereichert durch Nachweisung der Kohlen«
nnd Slreide^Formatioa auf diesem Tbeii der Prairie und westlieh der
Roclcy moontaios, wo Lager vortrefflicher Kohlen gefunden wurden.
Die Rockj moontains nnd Sierra San Juan bestehen vorsiiglich aus
plotOQischen Felsarten, doch finden sich auch noch beträchtliche
Seste geschichteter Gebirgsarten , die durch die ersteren gehoben
und häufig in auffallender Weise zerrissen wurden. Das Land awi-
8chen der Sierra San Juan und Sierra Madre einerseits nnd den
Wahsatsch Gebirgen andrerseit ist nicht eine grosse Ebene, wie die
' Töhnlichen Landkarten von Nordamerika angeben, sondern von
^hir.'^ohen Gebirgsketten durchzogen, so dass das flache Land nie-
I Is eine bedeutende Ausdehnung erreicht« Die Juraformation, welche
'3rr Marcoux in dieser Gegend gefunden haben will, fand Schiel
^bt, wohl aber einen Kalkstein, der Abdrücke von Ammoniten
^(lält, die denen aus der Juraformation allerdings etwas ähnlieh
".3n. Mit ihnen kommt jedoch die Grjphea Fitcheri vor, was
'zweifelhaft beweist, dass dieser Kalkstein der E^eide angehört
S^ossartig sind in dieser Gegend die Yerwaschungen ganzer geo-
logischer Formationen, die man um so leichter — Schritt für Schritt
— verfolgen kann, als das ganze wüste Land von fast gar keiner
Vegetation bedeckt ist Einen höobsfc erfrischenden Contrast zu die-
sem wüsten Lande bilden die herrlichen Pinuswälder Californieas,
welche das Corps hunderte von Meilen in der Richtung von Nord
nach Süd durchzog. Am Fusse der zum ersten Male durchforschten
Htnboldt-Gebirge fand man einige 40 heisse, schwach salzig schwef*
lid«e Quellen in einem Umkreis von etwa 40 Schritt Durchmesser
durch den Granit brechend.
^^Der Tedner knüpft an diese Mittheilungen ethnographische Be-
JH^^ ' über die Indianer der Prairien und der Gebirge und sehr
aaziKS!^Ue Schilderungen der Zustände der Mormonen-Niederlassun-
gen im Utah-Territorium.
Schliesslich erwähnt er noch einer pathologischen Beobachtung
M dem obenerwähnten Auszug nach der Gegend von Fort Lara«
mie. Der grösste Tbeil der Reisenden wurde bei dem fast vier«
wöchentlichen. Reisen über den Schnee von der so häufig beschrie-
beoeo Augenentzüudung, alle aber ohne Ausnahme von einer Bla-
senbildnngi die sich über das ganze Gesiebt erstreckte and anletit
252 VerbandldBirdii def natorhislorisch-medizioifclieii Vereine«.
mit Yersehorfung und AbscbSIiing endete, befallen. Die KrankbeU
zeigte sich erst nach einigen Tagen heiteren Wetten, war abo offen«
bar durch das reflektirte Sonnenlicht verarsaoht.
12. Vortrag des Herrn Dr. Eekul^ j^über die Consti«
tntion des Knallqnecksilbers^ am 9. Jan. 1857.
Nachdem im Eingang die Utern Ansichten über die Constitnttön
der Enallsäure znsammengestellt und auf das Unbefriedigende der
durch sie gegebenen Erklärungen aufmerksam gemacht worden, ging
der Redner zur Begründung einer yun ihm aufgestellten Ansiebt
über; welche, gestützt auf die explosive Natur und das Auftreten
von Cyanverbindungen bei fast allen Zersetzungen der knallsauren
Salze, die Hälfte des Stickstoffs als Nitrogruppe, die andere in Ver-
bindung mit der Hälfte des Kohlenstoffs als Cyan im Ejiallqueck-
silber annimmt: eine Ansicht, durch welche die Enallsäure in nächste
Beziehung zu einer Reihe bekannter Eörper gebracht wird, zu denen
z. B. die folgenden Substanzen gehören:
Chloroform . . . . Gj H Cl Gl Cl.
Chlorpikrin . . . . Cj (NO4) Cl Cl Cl.
Acetonitril . . . . Cj H H H (CjN).
Hypothetische Enallsäure G, (NO4) H H (Cj^n. >
Enallquecksilber . . C^ (NO4) Hg Hg (CjNj.
Als Stütze dieser Ansicht betrachtet EekuU das Verhalts
des Enallquecksilbers gegen Chlor, wobei, wie voraus erwarfrii,
Chlorcyan, Quecksilberchlorid und Chlorpikrin erzeugt werden, ottie
dass dabei Eohlensäure auftritt ; so dass die Zersetzung wahrscheiir
lieh nach dem Schema erfolgt:
C2(N04)CC2N)Hgj + 3Cl2 = C2(N04)Cl3 + (C2N)Cl+2Hga
Da indess das durch Einwirkung des gasförmigen Chlors auf Enall-
quecksilber erhaltene Chlorpikrin von den beigemengten sekundären
Zersetzungsprodukten nicht völlig gereinigt werden konnte, wurde
statt des Chlors Bleichkalk angewandt und so völlig reines Chlorpikrin
erhalten.
Eine weitere Stütze seiner Ansicht findet Dr. EekuK in der
Zersetzung des Enallquecksilbers durch Schwefelwasserstoff und lös-
liche Schwefelmetalle; wobei stets Eohlensäure oder kohlensaure
Salze gebildet und, wie schon Gay-Lussac und Liebig dargetban
haben ^ nur halb so viel Schwefelcyan erzeugt wird als der 6e-
sammtmenge des im Enallquecksilber enthaltenen Eohlenstoffs ent-
spricht, während, selbst bei Anwendung von Schwefelwasserstoff
sillein, Ammoniak gebildet wird; eine Zersetzung die am einfachsten
durch das folgende Schema ausgedrückt Wird:
C, (NOO (CaN) Ha + H,S, = Ca04+^jS,
EekuU verspricht weitere Mittheilungen über diesen Gegen-
stand und bemerkt sdiliesslich: die Bildung der Isocyanursäure aus
TeAaBdlöageB dM Bttariilftoriidi'nieduiBiicheii V^rebat« 35S
KiaDtfnre könne nach der von ihm yorgetchlageneo rationellea
Fomel 80 gedacht werden: dau iwei Moleküle KnallaSnre tich
mUer Aufnahme von Waaser und Anstritt von Eohlenaäore und
Ammoniak vereinigen; etwa:
2Cj(N04)(C,N)H, + H,03 = C2 (NO4) (C,N), H3 0, + Cj O4 +
NH,. Die Bildung des Enallquecksiibers ans Alkohol dagegen er-
leheine in vieler Beziehnng analog mit der des Ghloroformes ; eine
Ansieht, die dnrch das Entstehen von Chlorpikrin bei Einwirkung
TOD SalpetersSure und Kochsala auf Alkohol noch an Wahrschein-
lichkeit gewinnen. —
13. Vortrag des Herrn Dr. Kussmaul ^über den Gen-*
tralheerd der fallsuchtartigen Anfttlle, weiche die
rasche Verblutung bei SXugethieren und Menschen
begleiten^ am 9. Jan. 1857.
(Zweite AblheilaDf.)
Zuerst wurden zur Besttttigung der frfiher aufgestellten Be-
hioptung, dass rasche Verblutung oder Unterbindung der grossen
Schlsgadem des Kopfes bei den Sttugethieren iallsuchtartige Zuckun-
Sm veranlassen y mehrere seitdem in Erfahrung gebradite fremde
Beobachtungen und Versuche an verschiedenen SXugethieren nach«
friglich erzShlt und wahrscheinlich gemacht, dass dies Geseti für
Warmblüter überhaupt, also auch für V6gel und nicht für Stnge«.
düere allein gültig sei.
Hierauf ging der Vortragende über au der Mittheilnng einer
andern Reihe von Versuchen an Sjtninchen, welche er mit Herrn
Tenner in der Absicht: die Bedeutung der einaelnen Gehimbe-
tirke für das Zustandekommen jener fallsuchtartigen Zuckungen au
enuttehi, angestellt hatte. Zu dem Ende wurden die Erfolge der
Oompression der grossen Schlagadern des Halses vor und nach der
Aoflschneidung einxelner Gehirntheile mit einander verglichen, nach-
dem durch Vorversuche der Einflnss der operativen Nebenehigriffe
auf die StSrke und den Eintritt der Zuckungen überhaupt besthnmt
worden war.
Bs ergab sich, dass weder die Bloslegong des Gehirns noch
die Entleerung von Oerebrospinalflüssigkeit, noch solche Blutverluste»
wie sie bei Beobachtung gewisser Vordchtsmassregeln mit der An»-
idmtidung von Gehimtheilen verbunden zu sein pflegen, noch endlich
«ine beträchtliche Abkühlung des Gehirns im Stande sind, das Er-
Mfaelnen allgemeiner Zuckungen in Folge der Ck>mpression der Arterient
n verlündem oder in den meisten Fällen ihre Kraft zu schwächen.
Hefamen somit nach Abtragung eines Gehimbezirkes die allgemeineii,
Zuckungen, welche der Oompression der HalsgefKsse folgen, an.
StSrke nicht ab, fallen sie nicht schwächer aus, als vor der Abtra-
gung, 80 enthält der ausgeschnittene Gehimtheil die motorische Kraft-^
254 Ver1iftiidluog«ii des natttritistorfsebMiiedisiDiseheii Vereinei. '
quelle, welche ea jenen Zuckungen Veranlasfung gibt, nicbt. Er-
fiebeinen die Zuckungen aber scbwäcber, ist dies VerbSltnlss bei
wiederholten Compressionsrersuchen an demselben Thiere und bei
Wiederholung des Yersuebs an mehreren Tbieren ein regelmässig
wiederkehrendes, so darf mit grosser Wahrscheinlichkeit angenom-
men werden, dass die betreffende Gehimprovinz einen Theii jener
Kraftquelle erzeuge.
Die AusschneidungSTorsuche ergaben:
1) Der Heerd der Zuckungen bei der raschen Verblutung ist
keinesfalls zu suchen in den Halbkugeln des Grosshims, im Balkeo,
der vordem Commissur, dem Gewölbe, den gestreiften Hügeln, der
Zirbeldrüae oder der glandula pituitarla.
2) Die Stärke der Zuckungen pflegt erst dann abzunehmen,
wenn man mit schichtweisem Abtragen tiefer in die Sehbiigel ein
und bis an oder in die excitabeln Gehirntheile vordringt.
3) Auch nach dem Abtragen excitabler Gehirnbezirke bis zu den
hintern Vlerhügeln und der Brücke hin, nach vollständiger Entfer-
nung des Grosshims, der Sehhügel, der vorderen Vierhügel und der
Grosshiraschenkel , können durch Gompression der Halsschlagadern
noch schwache allgemeine Zuckungen oder doch theilweise des
Hfnterkörpers hervorgerafen werden. —
Schliesslich wird bemerkt, dass die Aetberisation, wenn sie zur
Bewusstlosigkeit und Anästhesie führt, die Thiere zugleich der Fähig-
keit beraubt, durch Verblutung oder Unterbindung der Halsschlag-
adora in Zuckungen zu verfallen. —
14. Vortrag des Herrn Garde-Lieutenant Schisch-
ko ff aus Petersburg (eines Gastes des Verein es) ^^über
die Constitution des Knallquecksilbers^,
am 23. Januar 1857.*)
Herr Schischkoff sah sich durch seine letzten Untersuchun-
gen über das Knallquecksilber veranlasst, die frühere Formel dieses
Körpers zu verdoppeln, so dass die neuere 8 Kohlenstoffaquivalente
enthält. In der That scheinen sowohl die chemischen Reaktionen
als auch die Eigenschaften der Isocyanursäure und der Knallsäare
sn beweisen, dass man in der Zusammensetzung dieser letzteren
zweimal die Grappe Cjansänre neben der Mono -nitro -acetonitrll-
Orappe anzunehmen hat. Schischkoff hat diese Cj^ansäuregrop-
fea nachgewiesen:
1) durch die Leichtigkeit, mit welcher sich cjansanre Salze
auf Kosten der Knall- und Isocyanursäure bilden, und
2) durdi die Zerlegung der Knallsäure in Cyansäure und Iso-
tyannrsäure.
*) Dieser Vortrag musste wegen einer Reise des Herrn Schischkoff
von d«r vorigen Sitzang auf diese verschoben werden.
dei MilwUflorlidi-«MdiBuuMiM« Verabef . 355
Wmm die Mono» nitro -acetonitril-Groppe betaifty oo hat ELtn
SckiBchkoff snent die Katnr der laocyanors&iire alt Nkcokörper
beirieien nnd lodaan den neuen Körperi Tri*nitro-acetonitril, darane
ibgcieitet Letzterer Körper nebst den ans der Knallsftore erhalto*
aeo cjansanreB Salzen sind so za sa^^en materielle Beweise, <tfe filr
£e Biehtigkeifc der Ansicht Bchischkoff's über die Zusamme»-
KtzoBg der KnallsSore sprechen. Ansaerdem ist die Polymerie der
Kaailsiare und Cyansftore gans zafäUi|;, dann würde die Knallsänre
SHtatt des Mono-nitro-acetonitrils die Bi- oder Trinitro-acetonkrilr
Cnppe enthalten, so wSre die laomerie gfinzlich aufgehoben.
Herr Schisehkoff vergleicht die KnaUsäure mit dem BInret
und der Trigensäare und erklärt ihre Entstehung auf eine der Bil«
daag dieser letzteren analoge Weise: nämlich durch gleichzeitige
Entstehung der Mononitroessigsäure und der Cjansäure und Wechsel«
wirkoDg eines Aeqnivalentes der ersteren auf die Aequivalente der
letsteren.
Das Trinitroacetril besitzt grosse Verwandechaften zu verscUe-
deoen Körpern, so dass man aus demselben eine grosse Zahl neuer
Körper ableiten kann, die sich demnach der Essigsäure anreihen. -«-
15. Tortag des Herrn Prof. Blum «über die hohlen Oe-*
schiebe von Lauretta im Leithagebirge%
am 23. Januar 1857.
Dieselben wurden zuerst Ton Haidinger 1841 beobachtet,
Disser fand sie in einem Conglomerat von 4 Zoll Dicke, das zwi-
schen dichtem L^tha-Kalk liegt Die in diesem Conglomerat vor-
kommenden gelblichen Geschiebe lassen keine Veränderangen wahr-
schfflen, wälirend die schwärzlichgrauen meistens eine Zersetzung
▼OB ihrem innersten Kerne aus zeigen, so dass häufig nur eine dünna
Schale übrig geblieben ist Manchmal verschwand auch wohl daa
Geschiebe gänzlich. Dass nur die schwärzlichgrauen Geschiehe an-
(igriSsn wurden, scheint in dem feinkörnigen Gefüge und besondem
k der Beimengung von kohlensaurer Talkerde zu beruhen. Die
Aushöhlung vom Innern nach Aussen sucht Haidinger durch daa
Eiadringen von Kohlensäure haltender Gebirgsfeuehtigkeit za er-
Ulren, welche auf den Kern des Geschiebes leichter, als auf ditf
Soasere Schidite desselben hätte einwirken können, da die letzr-
tere durch Druck, der sich nicht nach Innen fortpflanze, sich in
Sptanung befunden und aoniit jener Einwirkung länger widerstan*-
tehabe.
Herr Prof. Blum glaubt, dass Druck hier zur Erklärung nicht
lothwendig sei, indem er nur der Feuchtigkeit, die im Innern den
Qescbiebes sich anhäufte, jene Wirkung der Aushöhlung zuschreibt
Dabei stützt er sich auf Orthoklas-krystalle, die im Porphyr dea
Münsterthales vorkommen und nur im Innern verändert sind, wäh-
256 Verhandlanfea det balarhiBtoriieh-mediiioiicheii Vereinet
read die äassere Binde noch vollkommen reine Feldflpatfa-Utsse ist
Hier würde diese Veränderung kanm anf andere Weise za erkifiren sein.
Herr Prof. Bunsen machte darauf aufmerksam, dass die be-
obachtete Erscheinung eine Erklärung in der Thatsache finden könne,
dass der Punkt, bei welchem sich Körper aus Lösungen absetseo,
nicht von der Temperatur allein, sondern auch von der substanciel-
len Natur des Körpers abhängt, auf welchen die Ausscheidung er-
folgt Ist die Wasserdurchtränkung der Conglomeratschichte mit Koh-
lensäure, deren Quelle in dem bituminösen Kalk selbst liegen kann,
imprägnirt, so entsteht eine gesättigte Lösung von kohlensaurem
Kidk. Ist die Krystallisationstendenz an den bituminösen Kalk^-
mengungen geringer als an den nicht bituminösen, so wird die Lö-
sung nur an diesen letzteren den Kalk absetzen. Dadurch wird
wieder Lösungsmittel frei, welches mithin*nur die bitominösen nicht die
andern Einschlüsse corrodiren kann, und so muss in demselben Koh-
lensäure-Medium der bituminöse Kalk einen stetigen Substanzver-
lust erleiden, während an den übrigen Einschlüssen ein stetiger
Sttbstanzabsatz erfolgt. Dass die Geschiebe ausgehöhlt erscheinen,
dürfte aus der sehr gewöhnlichen Erscheinung erklärlich sein, dass
die Schnelligkeit der Lösung von den geringfügigsten Modificationen
des Aggregatzustandes abhängt, und dass zufällig die Bedingungen
der Löslichkeit im Innern der Geschiebe grösser waren, als nach
der Oberfläche hin, wie man derartige locale Verschiedenheiten bei
fast allen corrodirten Kalksteinen beobachten kann.
16. Vortrag des Herrn Dr. Herth „über den Einfluss
der Ammoniak- und Salpetersauren Salze auf die
Vegetation^ am 6. Februar 1857.
Derselbe gab eine kurze Uebersicht der Forschungen über die
atmosphärische Stickstoffquelle der Pflanzen, soweit sie im Wesent-
lichen zur Lösung dieser Frage beitragen, und zog daraus den Schluss:
^Der atmosphärische Stickstoff trägt nicht direkt zur Pflansen-
emährung bei, wohl aber indirekt dadurch, dass er unter gewissen,
in unsern Bodenarten gegeben Bedingungen zur Bildung von Am-
moniaksalzen und Nitraten befähigt werden kann.^
Die Gegenwart dieser letzteren in der atmosphärischen Luft und
in dem Ackerboden, die Anwesenheit derselben in so vielen saft-
reichen Pflanzen, so wie der mächtige Einfluss, den sie, in der ge-
ringsten Menge der Luft oder dem Boden beigemengt, In so über-
raschend kurzer Zeit auf die Vegetation ausüben, musste nothw^n-
dig zu der Annahme führen, dass es nur diese Stickstoffverbindungen
sein können, welche als bis jetzt bekannte Stickstoffquellen der Pflan-
zen zu betrachten sind. Worin dieser Einfluss* der Ammoniak- nnd
Salpetersauren Salze auf die Vegetation bestehe, suchte Hecth durch
komparative Vegetations-Versuche zu entscheiden.
(SMutt folgt.)
h 17. HEIDELBERGER IUI.
jihrbOcher dir iiterator.
Verhandlungen des naturhistorisch-medizinischen Vereines.
(SchluM.)
Die bereits gekelmteD Samen der gewöhnlichen Fatterwicke,
ricia saüva, wurden in eine Aniahl Blumentöpfe , die mit ansge*
glflhtem Sande und etwas Pflansenasche venehen waren , einaeln
i^fianzt und die Töpfe an einem vor Regen und Thau geschüti^
ten Orte aufgestellt Die anr Anwendung gekommenen Ammoniak-
imd Salpelersanren Salxe waren in solcher Dosis abgewogen, dass die
»Dem Topfe einverleibte Menge ein gleiches Quantum 0,218 gim,
Stiebtoff enthielt, welches, in 4 Littres destillirten Wassers gelöst,
w2farend der Versuchsseit allmXlig snm Begiessen der Pfianaen rer-
wandelt wurde. Mit Ausnahme des Topfes A, der, mit unvermisch*
lern Wasser begossen, nur sehr däritig vegetirte, war die Vegeta*
üon aller GewSchse während der gansen Vegetationsperiode eine
lehr üppige. Die Ernte der schön und krIfUg entwickelten Pflan-
wk fiel in die Mitte August, als sich schon S^oten gebildet hatten
und es ergab die Analyse folgende Resultate: In
A. „Ohne Zusatz^ war das Trockengewicht der gansen Pflanse
15ma], der Stickstofifgehalt 3mal grösser als der des Samens.
B. „Mit kohlensaurem Ammoniak^ war das Trockengewicht der gan-
len Pflanze 66mal, der Stickstoffgehalt 41nud grösser als der
des Samens.
C. „Mit schwefelsaurem Ammoniak^ war das Trockengewicht der
gaoaen Pflanae 70mal, der Stickstoffgehalt 46mal grösser als
der des Samens.
D. ,,Mit Chlor -Ammonium^ war das Trockengewicht der gaaien
Pflanze 58mal, der Stickstoffgehalt SSmal grösser als der des
Samens.
E. j,&üt salpetersaurem Ammoniak^ war das Trockengewicht der
ganzen Pflanze 76mal, der Stickstoffgehalt Glmal grösser hls
der des Samens.
F. yMit Eali-Salpeter^ war das Trockengewicht der ganzen Pflanze
78mal, der Stickstoffgehalt 64mal grösser als der des Samens.
6. „Mit Natron-Salpeter^ war das Trockengewicht der ganzen Pflanze
72mal, der Stickstoffgehalt 46mal grösser als der des Samens.
Aus diesen Ergebnissen geht hervor:
1) Dass sowohl die Ammoniak« als Salpetersäuren Salze nicht
aßän von der Pflanze absorbirt, sondern auch zur PflanzenemKhrung
verwandt werden.
2} Dta die salpetersauren Salze die Vegetation, wenn nicht
mehr, doch eben so viel begünstigen als die Ammoniak Salze.
L. Jdirg. 4. Heft. 17
258 VerhAndlmifeii lt$ iMtiirliiatttifcli-'iMdiliBitclMa Yertinef.
3) Die gerkige Stickstoffiniiiahme t<mi A., ohne ZoBiliy dit
noeh ohne dies auf Beehnang des ans den «ndern TSpüBB yecdiui*
steten Ammoniaks kommen mag, scheint ebenfaUs gegen eine Asid-
milation des atmospbSriscben Stickstoffs za sprecben. —
In der folgenden Diskussion erklKrte Herr Dr. Herth ferner,
dasB, obwohl Liebig allen Stickstoff als Ammoniak in Rechnung bringe,
nach den Versuchen von Wolf nur ein Drittel In dieser Form an-
wesend sei, däss aber dieses Drittel für Jahrhunderte reiche, und
dass die Cultnr die andern Drittheile durch Aussetsen des Bodens
an die Luft, Zusats Ton Kalk und dergleichen resorbirbar maeben
und in freies Ammoniak überführen müsse. Eisenozyd und Tbon«
erde absorUren Ammoniak und halten es mit Kraft surück; so gibt
darehgeftthrtes, Ammoniak haltendes, Wasser an Ackererde sdn Abi-
monlak voUstSndIg ab. Die Düngung hat ihren Hauptwerth lür die
erste Entwicklung der Pflanse. — Was die giftige Einwirkung sa
kottcentrlrter AmmonlakUlsungM betrifft, so scheinen sieh die Pflan-
zen nicht gMeh au Terbalten, doch glaubt Herth nach sehMO Ye^
suchen annehmen m dürfen, dass etwa Viooo Ammoniak In Wasser
die eingeweichten Samen keimungsunflhlg mache. Hr. Dr. Walt
hält ^e Tabaksamen ftir weniger eBspfindlieh; Herth glaubt dtea
Nacbthenen dnreh Anwendung d«r Salpetersalaci die nebenbei nieU
flüeinlg 8lnd| au entgehen. —
17. Vortrag des Herrn Dr. BorntrSger „über einige
Bestandtheile des Fliegenschwamms',
am 6. Februar 1857.
Unterwirft man Fliegenschwamm (Agaricus muscariua Lina.,
Amanita mascaria Fries.) mit Wasser der Destillation, so erhSit
man ein (iirbloies, wasserhelles und schwach sauer reagirendea De-
stillat von dem unangenehmen Geruch dieses Schwammes. Durch
SSttIgen dieses Liquidum's mit Baiytwasser und AbdampfMi erhfilt
man concentrisd strahlige, dem Wavellit lülinllche Krystalle, die
durch Umkrystallisiren vollkommen farblos erhalten werden. Wegen
ungenügender Menge dieser Substana konnte keine Elementarmnaiyse
gemacht werden. Die Slure wurde aus dem Barytsala durah De-
stillation mit einer berechneten Menge Schwefelsäure ausgeschieden.
Sie aelgt einen penetranten, den flüchtigen Fettsänren ähaUeheai
aber doch auch davon verschiedenen Oeruch und wirkte sohon sa
ehiem Tropfen tüdtUch auf ein Kaninchen. Demnadi scheint in der
Anwesenheit dieser Sänre die Giftigkeit des FlIegenschwamBia n
beruhen.
Destiflirt man den so erschöpften Fliegenschwamm mit schwe-
felsäurehaltigem Wasser, so geht eine neue Säure über, wdehe Pro-
pionsäure ist. Das Destillat gleichfalls mit Barytwasser geaSttigt
und abgedampft, gibt farblose, prismatische Krystalle, dA bei 100^:
6,2 Proeeat Wasser verlieren. Nach der Formel des lufttroekneo
iBuyim: BnO, C<BS03+Aq Uracbnat, frtMtft man
ifi ?mmi Wm9^. PUB bfi 1000 getrocknito BvytMl« gnb in
im BmmUnMtiy^;
Ba 0 — 63.80
C ^ 35,30
H — 8,79
O — 17,16
100,00.
Ke BerecbnoQg nach der Formel Ba 0, C* H' 0^ hiogegen gibt.
Ba 0 — 64,10
C — 35,43
H — 3,53
0 - 16,95
100,00,
Die freie Sinre riecbt nach Battentare und Akijieliiiie n-
gieieh, wie ee früher tw deon Eatdeoker der Proiiioaritare ang^ge*
ha wurde.
Der BOekstand loi DeetlDfrgeÜbni mit KaUlaage fibentttigt mid
tbemiala deetOHrt gab eine ilttailgkeit, die neben Ammoniak nodi
0Jiie andere Baae enthielt Beide Baien, In eehwefeieaara Satae yer-
waadeii nad mit abeolntem Alkohol eraeh6pfend aqageaogen nnd
^gedampft, lielsrten ein in gttnsenden BUttehen kryitaUMmdet,
iwfiieeBlIchefl Bals, das, mit etwas Kalllange destUUrt, den bekann»
tcD Gemeh nach Hirtaigslaoke entwi^elte nnd demnach Trimediyl«
anun oder Propjlamfai Ist So gab auch das sohwefelsawe Sala
dieser Baals mit sdiwefelsaurer Thonerde gemlseht nnd abgedampft^
grone OfctaSder ren Trimetbylaminaiann. »-
Herr Dr. Knssmanl versuchte die toxikologisehe
Verwerthnng dieser Analyse nnd theUte dem Terehm Uar-
tber folgendes mit:
Trots der Yermutbung Schlossberger's, dass das Trime-
tbjhmin in den verdorbenen Würsten als giftiges Prindp anftrete,
hl ehie grosse Giftigkeit desselben doch sehr nnwahrscheinUch. Nach
den Versuchen von Orfila d. j. nnd Bnchheim d. j. wirkt es
sor wie Ammoniak nnd es ist Immer ein grösseres Quantum nöthig,
na TergÜtnngseiicheinungen hervorsamlsn. Zwei Gran, in Wasser
gclBst, acbadeten nach einem Venndie Enssraanl's dem Kanin»
ckcB nicfats. üeberdles mnss es, da es Im FHegensehwamm lischst
wahncheinlieh an eine Sänre gebunden Ist, nooh sobwicher wirken,
wsB sich die Trimetbylamfaisake nach den Tersnchen Bnehheim*s
den Aramoniaksalsen analog verhalten, (Alortrlmediylamfai wie SaW
nisk. Die Wirkungen des Fllegenschwamms aber sind adir heftigi
des AUeeken brachte, wie Oaltier berichtet, bei efaiem Hunde,
das bJoeae Kauen eines Stüd^ehens, bM einer Person fartensive Zn»
ttüe hervor. Auch die Propionsäure kann nldit Schuld hieran sein;
die verwandten BnttersKure nad BaUIrlaaslure schadeten an gr. 10
200 Verhimdlaogen des iifttiirUstorifch<-medlsiiiiflch«B Vereinef.
dem Kaninchen nichts. Yenuche mit der PropionsSore sdbft soDen
noch gemacht werden. Ein einziger Yeraach dagegen sdidnt auf
das Bestimmteste durch die heftigen, denen nach Filegenschwamm
eintretenden durdiaus gleichen, Erscheinungen dafür zu sprechen,
dass die flüchtige freie S&are Bornträger's das giftige Prindp
sei. Beim Kaninchen experimentirte Knssmaal vor zwei Jahren
zuerst mit Fliegenschwamm, um sich üher die Angabe Maschka's,
dass nach solcher Vergiftung die Todtenstarre fehle, aufzakllren.
Nach zwei Stunden anscheinenden Wohlbefindens traten bei dem
Thiere die ersten Krämpfe und sofort der Tod ein. Nach zwei Mi-
nuten war das Thier starr mit Ausnahme der Iris und der Gesichts-
muskel. Nach SVa Stunden war die Starre des Körpers gelöst,
während die Iris noch auf elektrischen Reiz reagirte. Kohlenoxjd-
gas theilt vielleicht diese Wirkung. So muss Maschka su spSt
beobachtet haben* Auf gleiche Weise nun erfolgte der Tod erst
nadi 2 Stunden und plötsüch unter (Konvulsionen nach etwa gr. IV2
der flüchtigen Säure Bornträger' s. Die Starre begann nach
6 Minuten und war nach 15 Minuten mit denselben Ausnahmea
komplet. Nach 4 Stunden war die Starre der Hhiterbeine völlig,
die der Vorderbeine grossentheils gewichen, während die Iris nodi
roagirte. Die Sektion ergab eine frische, höchst akute Peiiearditis.
Interessant ist, gesetzt, die Säure sei das giftige Princip des FUe*
genschwamms, dass dieses eine Säure ist, dass die Wirkung Stunden
lang auf sich warten lässt, dass das Muskelleben so rasch der Starre .
weicht, dass diese so rasch wieder verschwindet, und dass die Beii-
barkeit der Iris die Starre der Gliedmassen überdauert —
Herr Dr. Bornträger zeigt die betreffenden Präparate der
Versammlung vor, während Herr Dr. Walz gleichfalls erkllUt, dasi
einer seiner Schüler gefunden habe, dass das wässrige Destillat des
FÜegenschwammes beim Sjininchen giftig, das alkalische unwirlcsam
sei. Es sind diese Arbeiten jedoch unvollendet geblieben.
18* Pharmakologische Mitheilungen des Herrn Dr.
Walz, am 6. Februar 1857.
Herr Dr. Walz sprach über eine neuerdhigs im Handel vor-
kommende fklsche Senna. Es stammen diese Blätter von Olobular
ria Aiypum Linn., einem Strauch des südlidien Frankreichs. Sie
wurden als Senne sauvage, folia Coluteae und folia Sennae gallicae
AUS Ntlmes bezogen. Neben den verschiedenen Sennasorten shid
sie leicht zu unterscheiden, können aber vom Publikum wohl für
Seht angesehen werden. Sie zeichnen sich durch einen stark bittem
Geschmack aus, werden von einigen Autoren als sehr giftig bezeich-
aet, von andern den ächten Sennablätter an Wirkung fast gleich
gestellt, sogar als Ersatzmittel der Senna empfohlen. Die Früd^te
waren schon in alter Zelt im Gebraach.
de§ MtoUflotiidMMdlsIalidiCtt Vminef. 261
Dia HanptbesUnddieile sind: ein Bitterstoff, Alypin, der sich
all Sadurofen erwieaeii, ein gelber Farbetoff aad yiel Gerbstoff. -^
Die VeiModaiv der Bltttter ging besonders nach Norddeotschluid.
Daneben seigte Herr Dr. Wals eine ans Böhmen besogene
Idsche rsd. SapoMriae vor; dieselbe ist mit Ansnahme des Kernes
▼on rother Farbe» Ihnllch dem Exvpp nnd nnterseheidet sich chemisch
dordi den Gehalt eines FarlMtoffes nnd eines Elsen-bllnenden Gerb-
itoffesy eothUt hingegen kein Saponin. Wahrscheinlich stammt die-
selbe Ton einer Rdiiacee.
Auch einige Exemplare des jüngst empfohlenen Bandwnnnmit-
teh| der Panna, oder rad. Uncomocomo zeigte er vor. Es ist dies
der Wnrsebtock eines Aspidlum athamanticnm (Knnze) nnd schon
1851 fiber Hamburg in den Handel gekommen. Nach den ange-
sieUtflo Versnoben Ist diese Wnrael nicht viel von unserer rad. Fi-
licii verschieden. —
19. Vortrag des Herrn Prof. Bronn «tiber das Pflan-
len* nnd Thiersjstem nach ihren gestaltenden Fak»
toren'', am 20. Februar und 6. Mlrs 1857.
Die Grundformen aller morphologisch ausgebildeten Mineralien
lind Prismoide; die allervollkommensten, entwickelten Pflanzen Ooide
aad insbesondere Strobfloide; die morphologisch vollkommensten
Tluere Hemisphenoide. Die zwei leisten Formen sfaid das Produkt
der eigenthfimllchen Wachsthnmsweise der Pflanzen und der Thiere
und ihrer Beziehung zur Aussenwelt Am unteren Anfange beider
Beiche jedoch stehen Gruppen von Wesen, bei welchen eine feste
Form noch nicht zur Geltung gelangt ist. Man kann diese bei den
Pflanzen Amorphophyten nennen. Die normalen Pflanzenformen aber
beruhen auf dem unbeweglichen Verhältnisse der Pflanzen zu Boden
und Sonne und ihrer successiven Entwickelung; daher nur eine
feste senkrechte Achse mit differentem oberen und unteren Pole, wie
im stehenden Eie, in Ihnen vorbanden ist und die Kusseren Theiie
sich successiv in spiraler Ordnung, wie die Schuppen des Kiefern-
upfens ^bedingungsweise auch in successiven Quirlen) daran ent-
wickehL
Die Wachsthumsweise der Thiere ist simultan; ihre Beziehun-
gen zur Aussenwelt erfordern ein Organ zur Stoffaufnahme und eine
vorwärts gerichtete Lokomotion auf oder über einem festen Boden;
daher sich an die noch formlosen Thiere, oder Amorphozoen, von
wdehen oben die Rede war, eine zweite abnorme Gruppe reiht, bei
weicher die Vorwärtsbewegung des Thieres in der Architektur noch
nicht oder erst unvollkommen vorgesehen ist: deren Grundform des-
halb ebenfalls auf ein Ooid, aber semer simultanen Entwickelung
vegen mil radialer Stellung der Organe, mithin ein Aktinoid Ist;
das sich nur allmälig der Hemisphenoiden*fForm nähert Dies sind die
Akünozoen.
)t6i XethwBiÜvmg^ dei ««HutiitoiMMBedblBifübeii Vereinei.
Alle tt>llkommn6reii Thiere aber sfüd, wie ehi Hdbkelli Auf
tiel tti9gR^e, tectttwittkUeh gekteuete ktbiUA imrfickflEbiMry waMt
weidken die LSogen« und die fltfheti-'Aclieeii aogleichpeHgi die Quer-
AOMä gleidipoiig Aiftd, irt^ In einem fanlMrten Keil, ier Mf wage-
tedkt«r DttidifOhttitteflaelie nJiet. Die FAkterMi des areUMklefil-
sdicin banee dei^ iPilanisto und Mt Thiere im beeonderdn genom-
men, Mnd Jedodi von dfeieitel Attt
A« Die Ötnndiypen.
B. Die Anpassong an die ttosseren EzlMenzbedingnn^, liirf
C. bie Gidäetise {»rogteflsiter Entwicklung.
BMr int jModi nüY ton den Thieren aBein die tlede:
A. Den Begriff der Gfundtypen oder Uiaterreiche bat GoiHer
Meret m d« System der Thiere eingeführt. Dieselben beruhen aaf
einer YerseUedenheit des Ornndrisses, nach welchem die rerachie*
denen Theile des Thieres gegen einander geordnet sind, and oft anf
einer Verschiedenheit der Grundzahlen homotyper Organe. Im Thier-
feieke sind fünf itflcher OmndiTpen Torhanden: Die zwei ontertton
bfldMi die schon erwähnten Aikiocphofloett und Adtikkoaoen. Drei
höhere And aus Mit bemispheneiden TUeren wiammengesetzt! Die
Malakozoen ohne Skelet; die Entomozoen mit Süsserem Skelet, und
die lE^ndylotoen IM inn^etn Skelete. Diese fSnf Grundty^en oder
Untetr^<&b6 dcMl fhierayirtemee sind ebenso scharf hi der Form Am
Kerrftnsystemeii tersehieden. Sie zeigen nSmlidi:
1. Kein bekimnteB Nertensystem.
&. Einen wagrediten Nenrenschlundrtng mit ^f merlAanalea
Stfitegen.
5. Einen vorderen senkrechten Nerrensehfamdring mit zwei
settlidien Strängen.
4. Einen eben solchen mit doppeltem Bauchmark.
6. Ein rorderes Ckhim mit etofadiem Rückenmark.
B. Die Anpiassung an die äasseren Existenz-Bedingungen ist
beiiondere Aufgabe des Emährungs- und des Bewegnngs^Systems.
Die wichtigsten dieser Existenzbedingungen sind das Wohnelement
und die socialen Beziehungen. Das Wohnelement ist Wasser oder
Lrit| demgemäsB das Athmungsorgan Kieme oder Lunge. In bei*-
den Elementen ist das Bewegungsorgan zum Fortkommen entweder
Bttf fester Chmndlage oder zum Schwimmen (Fliegen) eingerichtet
JMe Aesnr Lokomotionsweisen lässt aber noch mehrere Unterarten
My insbesondere I Je nachdem die eigentlichen Lokomotionnorgane
gähzUdi mangeln (Sdilängeln n. dgl.), entliehen oder eigentfaümli-
eher Art, nnd so mehr tfhid. Manche Thiere wadisen fest, nach-
dettt die hftMt mittetet Flfmnierbewegung ihren Ortwechsel batten,
lüsen sidi auch ättweüen tüedet ron der Befestignng ab, um sieh
snn dntiA ändtt« Mlltel zu bewegen. Zu den sodiden Beziehun-
gen geh9rt die Emähmng der lliiere entweder von anderen Thie-
ren oder von Pflanzen; denn sie selbst können Iseinen organischen
Stoff bereiten sondern sind genSthigti von Pflanzen oder anderen
TcftbM. 16t
lUenB Im Mahnnig lo «ntoduMo. Ei ataid daher die Aaiimilar
tiov-OigaM der HerbiTonn in der Begei TellkoaiaieDer ale die der
CtfBiToreii; die Banbthiere jedocli jenen gairölmlioh an körpetiicher
md fetflÜKer Kraft übvkgm. Madi der Nahrung seheinen in den
•hm« Thierkia«en wenigitena die Oainiroraii FiuglFeren nnd
Gfauhwen die bSehaten Stellen m beanaproehen. Die erwähnte
Venchledenh^t dea Athmnngaorfanea iat Rlr ganae Thierkreiae nnd
yiimen, Ae der Bewegnngaorgane für Klaaaen mid Ordnungen, die
der Ndunng fiir Ordnungen und FanriUen ein bleibender Charakter.
Ein etgentbüBtiiehea WohneleuMit bei eigentfaimlicfaer Emähmaga-
weise geniea«i noch die pararitlachen Thierey welAe rerichiedeMn
Kreiaen angehören ; sie haben gewi^hnlich gar kein Athmnngsorgani
abeAanpl nnyollkonimene Aaahnilatioaa-WerkieQgei kein Bewegongt-
OTgaa und faat kekie Sinnea-Apparate.
Thierfinppen Yeraclüedener Unterreiche kennen eich den äuaaeren
Kiiitenabedingungen in analoger Weiae anpaaaen. Sie bilden dann
aaalege oder parallele Reilieni aber keine YerwandBchaften«
C. Die Geaetae pregreaalver Entvrickdnng benAen aof der
Thataacbe, daas alle Organe An&nga nur 'm einem radimentiren
Zaitande «ulkreCen und eich nümtiig an der VollatXndigkeit und
SeibiIrtiBdigkeit anabiiden, wie wir ale Ui den obeiaten ThierUasaen
wahrnehmen. Yenchiedene Organe halten aber in Yerschiedenen
Tliiergmppen ungleWien Sehritt, die iSntwickelnng deiaelben erfolgt
deich dM ganae auflrteigende TUerayatem htndureh nach gewiaaen
6eietBai, welche in allen Unterreiclieii die nimlichen sind, aber auch
in jedem sieh nach dem.yorgefdndenen Grundplane und den noth*
wendigen Anpaaaunga-ESariditungen lügen mflaaen. Dabei iat ea
fmer Tliataache, daaa jedea Organ, ao oft ea aus einem Unterreiche
in daa nlehat-hiihere Qbergeht, nicht auf gleicher Stufe fortadireitet,
nmdem faat immer mit einem geringeren Grade ron AusUldung
wieder beginnen muaa, als ea zUTor schon ereicht hatte. Da dies
BUB in der Begel bei allen Organen geschieht, so ist die Folge,
dasB die am tiefsten atehenden Thiere des nSchst höheren Unterrei-*
dies gewöhnlich unvollkommener sind, ala es die voBkommensten in
dsBi vorigen waren.
Die Geaetae progressiver Entwickdung afaid:
1. Die immer weitere Differenairnng der Punktionen und ihrer
Oigane; die fortachreiiende Theilung der Arbeit unter letzteren
(Übe Edwarde).
% Diefortachreitende Vermindemng der Zahl homogener Organe
Im etamefaien Thiere bei aunehmender Vollkommeidieit und SelbstSn-
digkdt derselben, bia aum möglidien Minimum jeder Organ-Zahl;
cia UAer noch nidit hervorgehobenea Gesetz von grosser Ausdeh-
^mg. (Man vergleiche den früheren Vortrag desselben Redners.)
d. Die fortadureüende Coneentrimng der einzelnen Funktionen
«d der ttnen eiHapreehenden Organe auf cinzdne Gegenden des
Öipe«.
364 TeriiAiidliiiigehi dei ii»tarhbioriBeli.«-mediiiiiiso1i«i VeftineiC
4. Die zunehmende Centralisirung der OrganenrSyiteme {jhA
EreifllaufliyBtemes im Hersen, des Athmnngsystemes in der Lni^
des Nenrensystemes im Qehim).
5. Die ZorückziebaDg äusserlich gelegener Organe ins Innerei
sofern ihre Bestimmung solches gestattet, entweder, weil sie hier
eine geschütztere Lage (Athmnngsorgan, Angen, Gehör), oder eins
kräftigere Wirksamkdt (Skelet) finden.
6. Die räumliche Vergrösserung überhaupt, da manche Oigaae
Im Verhältnisse ihrer zunehmenden Grösse auch vollkommener wer-
den; weshalb denn auch die Thiere aller Unterreiche durchschnittlich
hm so grösser sind, je höher das Unterreich im Systeme steht —
20. Vortrag des Herrn Prof. Nuhn ;,über die Bildung
der Absonderungsflüssigkeiten überhaupt und der
Galle insbesondere^ (I. Abtheilnng), am 6. März 1857.
Durch die noch sehr lückenhaften Kenntnisse sowohl von der
Anordnung der secemirenden Theile der Leber, als wie auch vom
Hergange der Galleaabsonderung, sah sich Herr Professor Kuhn
veranlasst, dieses Organ zum Gegenstande seiner besonderen Nachfor^
schungen zu machen« Wenn gleichwohl auch seinen mehrjährigen
BoDfihungen es nicht gelang, darin zu einem völligen Abschlüsse
m kommen, so hält er doch die von ihm erlangten Resultate fiir
geeignet, über manches Fragliche mehr Aufhellung zu geben. Um
indessen diejenigen Gesichtspunkte leichter aufzufinden, von denen
aus ein leichteres Verständniss der Anordnung der secemirenden Theile
der Leber, sowie des Vorgangs der Gallenabsonderung möglich wird,
schickte der Redner eine Betrachtung „über die Bildung der Ab-
sonderungsflüssigkeiten überhaupt^ voraus. —
Zu den Absonderungsflüssigkeiten zählt Nuhü:
1. Die Parenchymsäfte.
2. Die Flüssigkeiten, welche die serösen und synovialen Häute be-
feuchten, die Gentralorgane des Nervensystemes umspülen u. s. w», und
8. die eigentlich so genannten Drüsensekrete.
Nach kurzer Darlegung der wesentlichen Theile, aus denen die
zur Absonderung dieser verschiedenen Flüssigkeiten dienenden Appa-
rate zusammengesetzt sind, wendete sich der Redner zur Prüfung
der Fragen, ob die Bildung der Absonderungsflüssigkeiten auf dem
Wege der Transsndation, oder nach den Gesetzen der Diffu-
sion, oder endlich durch Umwandlung und schliessliche
Auflösung bestimmter morphologischer Elemente der
Absonderungsorgane zu Stande komme.
Für Transsudate erklärt Herr Prof. Nuhn nur die Parenchym-
säfte; die Absonderungen der serösen Häute glaubt er jedoch, der
allgemeinen Annahme entgegen, der Transsndation nicht beii^len
zu dürfen, theils weil ihre chemische Zusammensetzung in mancher
Binsicht von der des Blutes abweicht, besonders aber deshi^b, weil
r.
TMtBdIaiif«!! dei MCurliislOTlieh-uedisinifelieB Vereinei. M9
rie W Bonnalen Verhältnissen aal ein so sehr geringes Qaantnm
iNnbrinkfc bleiben, nngeeehtet die Absondernngsfllche einen Rnom
S8 nfflgrinsen pflegt, der des Handertfache und mehr aafsonehmea
Tsmiag, sonach Ton einem dem Blutdrücke entgegenwirkenden Ge«
seedrecke, dem diese Besehrinkong der Absonderang sososchreiben
«Ire, nicht die Rede sein kann. Bei den eigentlichen Drfisense-
kretan ist es, dem Rednw sn Folge, endlich noch nnwahrscheinli-
eher, daas die Sekretbildong auf dem Wege der Transsadatiott la
Stande komme, weil:
1. ihre chemische Zosammensetaung am wenigsten mit der des
Bhites flbereinstimmt;
2. es auch dann, wenn man die Prftfonnation der Sekretbe*
stoadtheile im Blot ab aosgemacht angeben würde, noch unerklärt
Uellit, dasa jede Drüse stets nor das grade ihr eigenthflmHche 8e^
kret bereite ;
3. bei vielen Drüsen nachweislich das Sekret durch Umwand-
big ond sdiliessliche Auflösung bestimmter morphologischer Drüsen««
demente so Stande kommt;
4. die Absonderung gewisser Drüsen noch enter Umständen
eh^eleitet werden kann, wo die Annahme einer Transsndatlon des
Blates nicht mehr anlässig erscheint; und endlich:
4. Abänderungen der Beschaffenheit des Blutes kefaie Abände«
»Igen der Bescbaflbnfaeit gewisser Absondemngsflüssigkeiten unnüt«
teUmr snr Folge haben.
Da Herr Professor Nuhn durch seine Betrachtungen sn dem
Schlosse gelangt, dass von allen Absonderungsflüssigkeiten nur die
Pirenchymsäfle auf dem Wege der einfachen Transsudation gebildet
werden, so wendet er sich hierauf zur Prüfung der weiteren Frage:
ob die Bildung der Sekrete etwa in die Klasse der
Diffnsionserscheinungen gehöre, also dadurch zu Stande
komme, dass durch Anziehung zwischen gewissen Stoffen des Blutes
mid anderen ausserhalb der Blutgefässe dem Blute die zur Bildung
te Sekrete erforderlichen Bestandtheile entzogen und auf endosmo-
tüchem Wege zur Absonderungsfläche geführt werden. Die An-
nahme dieser Bildungsweise für eine Anzahl Ton Absonderungen
tSi zulässig erklärend, glaubt der Bedner die Kraft, welche an-
ndiend auf gewisse Blutbestandtheile einwirkt, besonders in die.
kenhaltigen Zellen, mit denen die Absonderungsmembran bedeckt
ist, rerlegen und der differenten Natur dieser Zellen es zuschreiben
xa müssen, dass die verschiedenen Absonderungsoigane so verschie*
tee TheUe des Blutes zum Behnfe der Bildung ihres Sekretes an«
liehen. Bezüglich der Frage, ob die wesentlichen Bestandtheile
«■MT Absondemngsflüssigkeit schon fertig aus dem Blute angezogen,
oder ob dieselben in dem Absonderungsorgan aus den vom Blute
gelieferten Stoffen erst gebildet werden, gibt Nuhn das Erstere für
^e Abaonderong des Harnes und der serösen Flüssigkeiten, das
l4tsl«0 dagegfm für die Sekretion des Speichels, der Tbränenfeach-i
M6 Bontrirds Adrif et 4eTU ete«
iigkeü und des Sehwelflses xoi and bei der weiter afch eifebesdeB
Frag«, ob dieie Unwandlong der BlotbeetaBdüieHe in die eigea-
thChriloiieii SekretetofliB daroh die Drüflenselleo oder doreh ander-
weitife EiiifläflBe, wie doreh Einwirkung der Herren | Tenoilasit
werde, httlt Herr Pref. Nohn die Amiahine dea «rrteren Falles,
nngeaehtet der aweite bereite durch Verauche ron Ludwig fOr die
Speichelaekretlon erwiesen ist, doch audi für gereehcfertigi; ja kilt
ea selbst fOr wahrscheinlich, dass beide snm TbeU nelMiieinaader
bestehen. Zo den Absonderangen , welche durch Nerrenerregong
herrorgemfen werden, acheinen dem Redner niCchat der dea Spei-
chels auch noch die der ThrSnenfeuchtigkeit und yielleicht auch des
Bchwdsses geredwet werden au müssen; Abaoadernngen , die das
mit einander gemein haben, dass sie zeitweise sehr gestdgert aa^
treten,ohne jedoch zu den andern Zeiten gftnalich an&uhören. Schliess-
)ich hebt Nuhn noch hervor, dass sowohl die Sekrete, welche auf
dem Wege der Transsudation, als auch diejenigen, welche aul dem
der Diffossion, sei es ohne oder mit Hülfe elektrischer Nerrener*
regung gebildet werden, darin übereinstimmea, daaa sie eine dflaa-
flüssige, wSssrige, meistens ganz klare BeachaffeiAeit haben, wJBireod
alle übrigen Sekrete, welche in diese beiden Kaleg«rien nicht unter*
zubringen sind, sich durch eine gewisse Dickflüaaigkeit, oottceatrir«
tere Beschaffenheit, trübes oder sonst ferschiedenfarbiges Aussehea
und meistens auch durch Qehalt an besonderen Formdementen sieh
auszeichnen.
Bezüglich der Frage, ob diese Flüssigkdten etwa dardi Um-
wandlung und schliessliche Auflösung besonderer morfrfiologisdker
Drüsenelemente, der Drüsenzellen, gebildet werden, sowie über die
Absonderung in der Leber, wird Herr Prof. Nuhn in der nidistea
Sitzung wdtere Mittheilungen machen. —
Adüis et devis de la eouree de Tidolatrie et tyremtne papaHe, per
queüe practiqtie et finesse les papes sont en si haxtt degre numtea^^
suivis des difformes Reformaieursy de Vadvis et devia de fnen»
eonge et des fatdz miraclea du temps present, Par Franeois
Bonivard, ancien prieur de 6t. Victor, XIV. 189. Qenhs,
1856, Chez Jtdes Ouülaume Fiek, Imprimeur ä la tue da
helles-ßle$. gr. 8.
Zu den feurigsten, geistrollsten und geldirteaten Vorboten und
VorkMupfern der Reformation, hier und da wohl auch Diffonnatie%
gehören awd Eddleote, bei den Tentsehen der Fränkische RÜtsr
Ulrich Ton Hütten, bei den Wttlschen der Savoyer-Gkmfer Ftm$
Ton Bonivard. Trotz mancher Abweichongen las CSharakter ual
Ldben^ang atimmen sie dahin überein, dass die erkannten oder üd
gefühlten Oebrechen des kirchlichen und wdtlichen Gemeinwesens
Ton ihnen mit Wort, Feder und Schwert beatritten, Gefdiren vtA
B«iiIt»H: AdTk et ^if ete. MT
BidiC towohl beachtet denn reraehtei, FenSnUdikeiteft
üri Ztutibide ediennngilog, wem es eein s<dl| olne beio'Bdere Ans»
vdd der Bdinld und Unechnld angetastet and nadi Kiftften lertre*
tn, Freunde und Feinde nidit edten fcharf getadelt nnd beleidigt,
Oartiaiipt Ae jeweiligen UrtfieHe und Partelen ao wenig berfidnlA»
figt werden, daaa die Ffihrer und SchlldtrKger laletst yereinamnt
HAen, theila faHen, theila In dem Haufen ihrer trimaphirenden Oe-
MNnan belndie iporlee renehwlnden. Das erste Looa trük den
gitaem Teataehen, welcher gelchtet anf der Ztiridierischen See*
iRsel üffsnan ttlrfot, das iwelte, glücklichere den AltF-Prtor ron St
Victor, dessen Sache in der iweiten Vaterstadt für immer nicht nor
Boden, sondern auch, k9nnte man sagen, wdthlstorischen Mittel«-
oder Gentralponkt gewinnt Beide Minner gleichen einander fibri«
goBs in Betreff der abenteuerlichen Unrohe und siedenden Heissblü-
%l»it, der lautem Wissbegier und emporstrebenden Wahrheitsliebei
der gründMdien, mannichfaltigen Kenntnisse, insonderheit philologiscli-
teteriseher Art, der lebhaften, schwungrollen EinbUdnngskraft nnd
pseischen Begabung, auf der andern Seite des scharfen UrthellsTe^-
iriigens, prosalsdien Erkennens und Darsteüens. Audi darin seigen
irie, Anderes an Aergehen, Wahlrerwandtschafl, dass sie Frdhett
iQid Leben für ihre Ueberseugnng, wenn auch nicbt ohne Mingd
nad FehlgrHfb, etosetsten, bei den Zeitgenossen zwar thellweise
Brinn und Anerkennung, im Gänsen jedoch Oleichgültigkeit und
Undank emdteten, bei den Nsdikömmlingen endlich für riele Men*
tckoialter in Vergessenheit geriethen und dem altmodischen Gerithe
g&hen, welches der fein aufgestutzte, comfortable Erbe und Haus*
herr der Rumpelkammer zuweist und erst spit nach seinem toU-
wiehtigen Werth abschfttzt Jahrhunderte lang strichen die Winde '
fiber Hutten's Grab hinweg, beror es dem abgeschiedenen M ü n c h
g[dsng, eine nolhdfirfUg ausgestattete Sammlung der kleinem und
gT5asera Schriften dem gebildeten Publikum abzupressen. Ja,
tfdit einmal ein Denkstein, viel weniger stattliches Denkmal he*
leiehnete, wenigstens noch 1827, die Todesstfttte des edlen, Unglück*
BAen Bitters; der Cultur-Germane beschäftigte sich lieber mit den
CsUBchen Alterthümem und (ühinesisehen Gonfutiusdenkmalen als
mit den rerfalltnissmässig nahe gelegenen Früchten des dgenen Flei-
adies und Blutes. —
AefanUch erging es eigentlich dem SaToyer-Genferlschen Mit-
kinpfer. Man sprach und schrieb so lange nichts von ihm, bis
Lord Byron, bei allen Blassen ein fleht Brittlscher Herr alten
MirolB nnd Korns, den Gefangenen ron ChlHon aus dem Grabe
«wedrte nnd für die Lesewelt mundgerecht machte. Diese lobnte
dsrdi rauschenden Beifdl; der Dichter, bald der gefeierte Sdiüpfer
isB Child Harald, wurde mit dem Helden berühmt Letzterer, wie
gew5hnlidi rom magischen Zauber - und Zwielicht der Poesie und
Sige verkllrt, trat erst nach Jahren ab historische Persönlichkeit
tidie gebOureüden Rechte ein. Ghaponi%re prüfte in den Denk«
Md Bonlrard: AdTiJ et derb eic.
Schriften der historischen Gesellschaft die schwänkendeD, Terscholle-
jien Lel^ensnachrichten , Dünant veröffentlichte die Genfer Chro*
nlkf Valliemin gab in seinem Chillon einen eben so grOndlichen
als geistvollen Ueberblick biographisch-literarischer Art, welchen oft
AusjBÜge nnd Probestellen lehrreich begleiteten. (S. Heidelberger
Jahrbücher 1851. Nr. 56.)
Franz von Bonivard, geboren sn Seyssel in Savoyen
(1493), für philosophisch- jnridische Stadien anfangs in Turin, dar-
auf zu Freiburg im Breisgau unter dem berühmten Zasius vorbe-
reitet (1513), wandte frühzeitig dem engem Vaterlande nnd Staate
den Rücken ; er siedelte sich in Genf, fortan seiner bleibenden Hei*
math an, bekam durch den Einfluss des Oheims die wohl ausge-
Btattete Stelle eines Priors von St Victor, verlor aber durch List
und Gewalt das einträgliche Amt, warf sich bei steigender Gähroog
der neuen Vaterstadt mit allem Feuer in die Arme der Unabhängig-
keits- und Reformationspartei, verlor, darob vom Hofe des Herzogs
Karl IIL mit tödtlichem Hass belegt, durch wortbrüchigen Ueber*
fall auf einer leichtfertig in die Waadt unternommenen Reise die
Freiheit, wanderte für neun volle Jahre in das berüchtigte Staati-
gefSngniss von Chillon, stählte durch Einsamkeit und Nachdenken
seinen Glauben an dieJhöchsten Güter des Menschengeschlechts, bür-
gerliche und religiöse Freiheit, wandte, durch den Heerzug der Ber-
Der dem Licht und gesellschaftlichen Verkehr zurückgegeben (1536),
den Abend seines Lebens den Wissenschaften und kirchiich-sittlicheD
Mahnungen zu, dergestalt ein Mann des Worts, der Schrift und
That. — „Ein Gemisch, urtheilt VuUiemin, von Gläubigkeit und
Zweifelsucht, von Hingebung und Gleichgültigkeit, von Hass und
Schadenfreude auf der einen, Gutherzigkeit und Frohsinn auf der
andern Seite, schien Bonivard alle Gegensätze in sich zu vereinigen.
Inmitten der Menschen meistens einsam, belebte und bevölkerte er
heimgekehrt an seinen Herd alles, was ihn umgab. Da fand er
seine Bibel, seinen Horaz und die Alten, da den Stoff, welchen er
für die Genfer Geschichte angesammelt hatte. Da begegneten sich
die Erinnerungen eines treuen Gedächtnisses, die Harmonieen und
Farben einer fruchtbaren Einbildungskraft Das war die ihm ange-
hörige Welt, die Welt alter und neuer Abenteuer, oft geistreicher
Träume, oft auch edler und reiner Tröstungen.
Bonivard hatte viel gelesen. Es waren ihm nicht allein die
Alten vertraut, sondern er verstand auch das Teutsche und Italie-
niscbe. Sein Genius hatte den verschieden sprechenden Genius der
Völker begriffen. Sein Scharfsinn gefiel sich darin, in den alten
Sprachen die Anfänge unserer neuem zu entdecken, und bei solchen
Forschungen zeigt er tiefere Gelehrsamkeit als irgend ein Zeitge»
nosse. Bei allen Gegenständen stieg er gerne mit Lust sa den
Ursachen der Dinge empor und that es mit seltener Einsicht. Bald
wirft er die Frage über wahre und falsche Wunder auf, bald j^üü
er die Quellen der Papstgewalt An einem Tage beschäftigt ihn
BoBirtrd: Adrli et devii etc. 209
d« bbdhafte üriprang des Hauses Sayoyen, an einem andern trägt
era'di, wie sieh Adel und UnterthKnigkeit, die ständische Drefheit
der Houardiie, Aristokratie und Demokratie gebildet haben ; dabei
«Uigt sich sein gesundes Urtbeil durch witzige Einfülle, Spisse
«od Harlekinspossen giflcklich hindurch. A echte Dichtematnr ist
BoDirard am glücklichsten, wenn er singt oder erzShlt Dann IXsst
er sich gehen (il s'epanche) ; er übersprudelt ron eigenthfimlichen
VcnduDgen, kraftvollen Ausdrücken nnd Zflgen, welche das Feuer
(rerre) seines Worts gleichsam rerjOngt. Mit Mühe hält er inne,
veno Ton ihm die Rede ist, oder mehr noch von Genf. Alles übrige,
I. B. Ehikommen und Gut, kümmert ihn nicht; Gott und Genf wer-
den aushelfen.'' (Chillon p. 133.)
Gerade wegen dieser Durchdringung des poetisch-historischen
oiid tittfich-spekulatiyen Elements eignete sich der Prior von 8t.
Victor bei seinem ritterlich -abenteuerliehen, unruhigen Wesen su
einem Organ und Agitator des tief erschütterten, bald vernichten*»
den, bald sehdpferischen Zeitalters. Er erscheint als der bestfindige *
Mnger und Mahner; durch keine Partei befriedigt, mit dem Alten
nid Neuen gespannt, dennoch dem entschiedenen Fortschritt in dem
Staat nnd der Kirche geneigt, hXlt er wie ein strenger Sittenrichter
QBd kartnickiger Munkopf jeder Seite den Spiegel vor und IXsst
Mek in Aeser rigoristischen GensorroUe weder durch Glimpf noch
Dnglimpf stören ; an seinem beweglichen und dennoch wieder starren
Ghtfakter prallen alle Pfeile des Lobes und Tadels, des Glücks und
IfisigeschickB ab; er bleibt ein liberaler, sittenreiner Mönchsrft«
ter, auch nachdem sich lange hinter ihm die Klosterpforten ge«
iperrt haben, ungefihr wie Hütten niemals den Edelmann und
Lnther den Zellenbruder ganz verläugnet haben. Eine moderne,
SMchsam abgerundete nnd geglSttete Methode der Denk* und Le«
bensdoktrin fdilt diesen und andern vorleuchtenden Persönlichkeiten
fa ebenso reformatorischen als revolutionären Jahrhunderts, in wel*
diem das tansendjfihrige Mittelalter stellenweise begraben und
ebenso eine neue Zeit mit noch unbegränzter Femsicht angebahnt
«sd efaigeleitet wird. Die Nachwehen dauern mindestens zwei volle
Jahfannderte lang, ja, eine Art Regenerationsprocess greift in bei-
ta Biditnngen auf die laufende Gegenwart hhiüber«
Für Bonivard's angedeutete Charakteristik legt auch dia vor«
Hegende, bisher ungedruekte Schrift ein glKnzendes Zeugniss ab. Sie
bewshriieitet den Verfasser nach seinen Tugenden und SchwScheni
seigt ihn aber vor allem, man möchte sagen, als philosophischen
Seiehichtabetrachter und Kritiker der s. g. „brennenden Zeitfragen.^
*- Eine rahige, gleichsam objektive Darstellung derselben will und
bnn er nicht geben; dafür fehlt es ihm am leidenden Gehorsam
fa sammebuden Sitzfleisehes und kaltblütig richtenden Urtheils, sei-
aer idealen Natur entsprechen die WirUichkeiten des konkreten Le«
beni aidit; sie bSumt sich und wirft den gemüthlichen Frohsinn ab;*
^ Berg«lt und verdammt, eben weil ihr fast ttberaU mehr Verzerr
370 Baalmrd: Ad?ii et derli etc.
rangen denn Urbilder des Wahren nnd Fraton entgegemaMen
•cheinen. —
Die Heraoflgeber, Gnitav BeTÜliodi welchem man xatr
Ungit die CbronilL Fromments (Jahrbficber 1855. Nr. 21) rer-
dankte, und Dr. J. Chaponi^re haben sich dadurch Ton oeoem
den Dank geschichtskundiger Leser erworben, dass sie gerade aof
die AuswaU der klein ern, vermischten Sdiriften des origineileQ
Alt-Priors den Ton legten nnd mit der gewissenhaftasten Treae den
bisher ersten Abdruck besorgten. Derselbe spiegele auch an dem
Aeassem, d. h. dem Papier, den Lettern und YerziemngeB, die Mitte
des sechszehnten Jahrhunderts ab und macht in typograpUsoher HhH>
Sicht der Presse des Herrn Fick in Genf alle Ehre. Man musi
in dieser ftussem Nachbildung der Vergangenheit um so mehr einen
Fortschritt erblicken, je gewissenloser der Hodegeschmack nicht sei*
ten DMteriell wie formell um der Bequemlichkeit willen das Frähera
SU modemisiren trachtet Der berechtigte Qegensohlag ist dean
auch für den Habitus und die Kleidung gewissermassen das An*
tiquarisiren, welches freilich gr^issere Auslagen an Fl^ss und
Genauigkeit fordert und eben desshalb die gewöhnlichen Presshem
lur Nachfolge nicht besonders einladen icann.
Hatte übrigens Bonivard in den bisher reröffentlicbten Ge-
schichten (Chronik) nnd dem Aufsats über die alte und neue Staats-
verwaltung hauptsächlich dem Antrieb und Stoss der Genferiscben
Obrigkeit gefolgt, so litost er sich in den vorliegenden, kMnen
Schriften mehr von seinen persönlichen Neigungen leiten. Xn einen
schon vorgerückten Alter abgefasst, „wider Feind und Freund mit
Stoss und Hieb gerichtet^, hatten sie, lautet die wahrscheinlidM
Muthmassung, wohl auch den Zweck, ohne weiteres vor die Leie-
welt au treten, blieben aber in Folge von unbekannten ZufUligk^
ten und Zwischenfällen dennoch ungedruckt Den oft derben, bis«
weilen schmutaigen Ausdruck fuhren die gelehrten Hwausgeber auf
den damals herrschenden Ton des Gallischen Spotts und UebermasM
(la fougue et la raillerie gauloise) anrück, wie sicli das nach des
acUechten und guten Eigenschaften bei einem Babelais, üarot, Bran-
tdme, Henri Estienne, Montaigne etc. heransstelle. Es war aber
überhaupt diese Mischung des Fehlen und Ungeschlachten, des Gelsisi
nnd Fleüiches, mehr oder weniger auch bei den voraügUehaten Sdutf-
ten der Teutschen herkömmlich nnd landlftuftg gewordtfi, wie a. B
Hütten nnd selbst Luther bewiesen. Daran sollte man sieb als«
jetat um so weniger stossen, je bereitwilliger die verdockte Ob*
acönitSt betrieben und angehört wird. —
Der erste, umfangreichste AnCwta advis et devis etc. d. b. etwa
Wege und Abwege in Betreff der Quelle des Götsenthums und
Papstr^gimeats, seigt eine nicht gewöhnliche Belesenheit des Ver»
iMMem; er citfart den Manetho, Berosns, Moschus, Estius ans Syrien?»
Josephas, Hesiodus, Titas Livius, den Koran und Talmud, die Bibsl
nnd Eircben?Ktor, um die Entstehung des giöboro nnd feineni Psn*
B. ▼. GöftMBfhinMi MchaaweiMD. In dia jiwaiUg« An-
und Denkweise der Zeiten and Völker verrnng er sich
jedoch nickt htneinsa^eiietsen ; an ihm erscheint keine Spni der
■jtkoiogiieh-qrBiboliacben Aoffieenng. Ebenso nngennu ist er im
Geknneh der angemrenen Bdiriftitelleri wie s. B. dem Llvine nnf-
gebiiidel wird, nach ihm habe Bomolna einmal dgenhSndig 6000
Fiiade gelMlat —
OieMlbe unkritische Gelehrsamkeit tritt noch schSrfer bei den
Betaehtnacen Aber die mittelalterliche Hierarchie dar PXpste her«
ver; Ce darauf beaüglichen Verordnangen werden ohne allen nxsSch«
liehen Zaeammenhang meistens aas dem liber decret heraosgerissen
■ad mit etlichen Spottnoten begleitet; ron einem auch nur dOrfti«
gm Vesauche, die Sache organisdi oder geschichtlich darsostellen,
wi nirgeada die Bede. Dagegen belebl sich dieses dilrroi dogmatisch^
thesntisebe Geripp und nknmt Fleisch an, sobald der Verüassery seine
BStm durch Betopiele an erUntem, der eigenen Zeit näher tritt
lad die Oeschichte der angehörigea Pftpsie beleuchtet, ron Aiexaik-
dv TL an bis auf Pins lY. (1491— 1565). An chien unparteü«
ichtt, etwa auch dia politisch-nationale Stellung der Kirchen^
hiaptiiuge berfteksichUgenden Standpunkt darf man jedoch nicht
denken; die chronique scandaleuset an welcher freilich Stoff genug
mhanden war, gibt lediglich Ton und Sichtung au; die ScUeoseu
d« Aargomisses und Witses sfaid aufgethan) fippig sprudeln Ihre
(Iwrlmer und fSrdem manchen, bisher unbekannten Zog pikanter
Art lu Tage. Es ist wie wenn man ein modernes Feuilletmi grosser
HsupistSdta Mest oder in den Mjaterlen von Paris k la Sae blättert
nd aidi hier und da die Nase Tor den aulsteigenden Ausdünstnn-
pat der Mephitts snlwlten muss. Allein was ist da au tbnn? die
SsAen waren einmal bisweilen nicht anders , und es gab und gibt
kflnstlaiiacha Käue genugi welche an den Stoffen eines grobkömi*
gea Tenier grössere Lust fanden und finden als an den Gegenständ
den sfaMS reifclärenden Baphael. —
Bisweilen tauchen aber auch aus dem Hoor- und Stei^engrund
dv Yetbreidken, Laster und Liederlichkeitett einidne Oasen auf,
weichen das Auge sich gerne anwendet Dahin gehfirt a. B. die
idylienmissig enOUilte und aus dem Leben gegriffene Begegnung
Leo'a X. «id der Bdmiachen Krüppel Letatere stellten sichi mel*
dst der Yerlmser, bei einem Spasiergaag des helL Yateis wie ge»
wahslich In Beih und Glied anf , und empfingen Mann ittr Haan
als Almosen einen Bigokko; nur eb Blinder erhielt, weU der Papst
saiber ans einem Auge gar nicht, aus dem andern nur schlecht sah>
kl Foigu natflrlicher HltUdenschaft einen Dukaten. Darob wurden
die Gefljhrten neidisch und rerdrossen; sie warfen sich bei der Biick-
kshr des beiiigen Yaters auf die Knie, baten um ein reidheres Qe»
irhsnk und erklärten, nach ihrem Wunsch m5ge ekist ein gleiche
gearteter, d. h. krfippelhafter Nachfolger auf den Stuhl des Apost^
Unten kommen» j,Kratat euch die Augen aas, antwortete Leo, und
werdet blind wio ich; dann sollt Ar oineo Dukaten bekommenl^
af72 BoDirärd! Advii et devit etc.
(S. 68 wo das (xesprSch wie an Ort und Stelle Itallenboh abge*-
halten wird^ —
Dea berächtigten Ablasshaodel und ersten Auftritt Luther' s
erzählt der Verfasser, theils auf Zeugen, theils damals omlaufende
Broschüren gestützt, vielfach abweichend von der herk5mmlicben
Ueberlieferung. Nach seinem Bericht war man anfangs in Tentsch-
land und namentlich Sachsen der üblichen Abgabe gar nicht so sehr
feindselig, und hatte überhaupt alle Ehrfurcht vor dem heU. Stuhl;
Fürsten und Völker huldigten ihm hier wie anderswo; die geschei-
terten Gondle und Aehnliches hatten seit Jahren eine ziemliche Ab-
spannung herbeigeführt; einzelne oppositionelle Stimmen verhallten
spurlos. — ^AUe Vorgänger Leo's' heisst es S. 80, hatten die Teut-
schen immerdar für Vieh gehalten; Julius VI. benamsete sie
Cffentlich pecora campi, und mit Becht. Denn sie Hessen sich schla-
fen und reiten wie rechte Grauschimmel (comme beaux asnes),
droheten ihnen entweder mit den Stockschlägen des Kirchenbanns
oder lockten sie heran, um ihnen die Disteln des Sündenerlasses zu
verabreichen ; sie Hessen die Leute zur Mühle traben und Mehl holen,
so viel man gerade wollte. Der Papst Leo jedoch drückte und be-
lud das geduldige Thier zu stark; da bäumte es sich und warf die
izu schwere Last ab. Dieser Granschimmel hiess Martin wie man
alle Grauschimmel heisst, und nach seinem Zunamen Luther,
welches so viel bedeutet als hell (dair). Wie das hauptsächlich
in Folge des Missbrauchs der Indulgenzen geschah , hat weitläufig
81 ei d an erzählt. Jedoch hat er eine Thatsache, vielleicht aas
Schamgefühl übergangen, welche mir in einem Teutsch geschriebenen,
gedruckten Büchlein anfstiess. — AUe Welt, heisst es darin, be-
zeugte den Ablassspendern die möglichste Achtung und Ehre; man
wetteiferte einander durch Zweck- und Festessen zu überbieten.
Vorzüglich aber begegnete das zu Wittenberg, der Hauptstadt des
Ghurffirsten von Sachsen. Da hielt man Gastgebote und Ind die
schönsten Frauen dazu ein. Solches gefiel den Herrn ausnehmend
wohl; denn in Italien hatten sie sich an derartige Vertraulichkeit
(privautez) nicht gewöhnt Nun wiest ihr, wie es bei doi Tent*
sehen, insonderheit den Sachsen Sitte ist, bunte Beihen von Män-
nern und Frauen zu bilden. Demnaeh hatte auch der Prindpal des
Indnlgenzansschusses die schönste Dame zur Seite, konnte sich aber
aas Mangel der Sprachkenntniss mit ihr nicht unterhalten und wurde
xuletzt auf heimliche Art handgreiflich. Die Frau gab durch Zeieben
und Gebärden ihre Entrüstung zu verstehen und gestand zu Hanse
dem Manne, welcher von den Gästen alldn den Auftritt geseh«i
hatte, nach langem Sträuben die Zudringlichkeit des ItaUeness. Als
nun neben andern Leuten der Luther von dem Skandal hörte > so
fing er an in das Hom zu stossen. Bald schrie jedermann: „der
Wolf, der Wolf I^ und aus einem Funken entstand die Feuerbrumty
welebe in der ganaen Welt umläuft und Hussens vor hundert Jahren
geschehene Propheae&ung erfüllt u. s. w.^ (S. 80—82.)
(Schlm folgt.)
b. II, HEIDBLBEReEB I8IT.
JiHRBOCHBR DBB IITBRATDII
Bonivard: Advis et devis etc.
(ScUnsi.)
In die jeweilige, durch aasdrackeroUe Eapferportritt iUostrirte
Ptpgtgeichichte bat der Verfasser oft weitlKufige, cum Theil ge*
halt- nod lehrreiche Episoden politisch -historischen Inhalts einge-
flochtsn. Mit KritilL benntet, bieten sie mehrmals branchbaren Stoff
und fallen sogar hier und da eine Lücke aus. ^-
Der cweite AnüBatz: «advis et deyis des difformes re*
formateurz^ d. h. Wege und Abwege der missgestalteten Refor-
aatören — liefert das Gegenstück sn den PSpsten und weiset i&
oft Boeh stärkerer Sprache die Auswüchse und Gebrechen der Be-
formirenden nach. Man könne, nrtheilt das Vorwort, leichter das
SeUeehte zerstören als das Gute aufbauen; schwer sei es, die ge-
nebte Mitte su finden ; denn die Welt sei wie der Rücken einet
Esels; wolle man da die überwiegende Last zurechtlegen, so falle
^ leicht Ton der einen Seite auf die andere. Man dürfe mit Ci-
cero sagen : ^quem fugiam scio, ad quem fugiam nescio'^ oder Frau-
loiiidi: „Bien scay qul doibz fnir eslire
Mais yers qui, ie ne scaurole dlre^ (S. 184). — ^
Id diesem Wort des Alt-Priors liegt, gUube ich, der eigentilch«
MdOasel seines thatsächlichen und sdiriftstellerischen Benehmens;
Matt irgendwie für oder dawider auf dem Posten zu bleiben oder
gar lacht an Flucht zu denken , fiel er in grübelnde Zweifelsucht
(Seeptidsmas) und yerlor über dem steten Nergeln und MKkeln den
Aogenblick eines entschiedenen Handeln sei es für oder wider
te Alte. Nichtsdestoweniger bleibt aber sein Urtheil über Per*
><Uidik<^ten und ZustSnde beachtenswerth und vielfach lehrreich.
Aach darf man nicht yergessen , dass jene wie diese häufig durch
«aeeitige und parteiische Darstellung in ein zu ideales Licht gestellt
worden, welchem Natur und Wahrheit fehlen« Dagegen mag auch
<er Alt-Prior von St. Victor die Realität oder Wirklichkeit mit
«iiiein übertrieben starken, bisweilen sogar plumpen Pinsel ausge*
Bttit haben. Nichtsdestoweniger bldben seine Darstellungen und
Charakteristiken beachtenswerth; sie können wie bei der Papstge«
wUehte gerade durch ihren Zog zum Ausserordentlichen, man möchte
lig» selbst Phantastischen in so fern auf den richtigen Weg füh-
ren, als rie der rein idealisirenden Ueberlieferung Zügel und Masa
«d^ mithin dem «cht geacUchtlichen Standpunkt näher führen.5
L Jahrg. 4 Heft. 18
174 Boiifud: Adiii et 4evii etc.
— «Was hat| fragt er abo (B. 134), Luther nach so langem
Arbeiten eigentlich ausgerichtet? Die Tyrannei de» Papstes und
seiner Gehülfen wurde von ihm zwar gebrochen, aber statt der-
selben eine Anarchie gestiftet , in welcher es so viele Gewaltberm
als ESpfe gibt und daneben noch zahllose Wirren und blutige Auf-
stände. — Nur Wenige sind aus innerm Wahrheitsdrang, Viele
aus Nebenabsichten der Reform beigetreten. Auf Etliche wirkte der
Hass gegen das Papstthum mit den früher geschilderten Auswüchsen
und Missethaten, aul Andere die Fleischeslust, indem sie bald nach
den rerbotenen Speisen, bald nach den für unerlaubt erklärten Ehen
4»egehrten ; die Dritten, insonderheit Fürsten und Hochgestellte, war-
fen aus Habgier ihr Auge auf beweg^ches und unbewegliches KIp-
diengut; die Uaterthanen hofften dabei der Zehnten, Primizen und
anderer OefiUIe ledig zu werden, fanden sich jedoch darin biU« ge-
täuscht; denn was früher die Priester, beziehen jetzt die Fürsten.
Kurz, man hat mit beiden Händen angenommen, was vom Evan-
HpeUum erlaubt wurde, aber nicht gleiches in Betreff des Verboteneii
gethaa.* — Darauf folgt eine scharfe, sittenricfaterllche Kritik eTaa^
gelischer Orossen und Höfe, namentlich des Landgrafen Philipp tos
Hessen wegen nn keuschen Wandels, des Königs Heinrich VIII. tob
England ob unlauterer Matire zur Relormation, des GrossmeiBtem
Albreciit roa Brandenburg ob gleicher Schwäche, des Grafen WU^
hehn tob Fürstenberg wegen Trunkenheit u. s. w. — Besoodara
strenge wird auch die lockere Sitte und Art in der Residenz Wit-
tenberg geragt, wo keineswegs das Wort den Thaten entspreche.
Man wetteifere hier nach glaubwürdigem Zeugaiss mit Frankreich
rflcksichtlich des Spidens, Trinkens, Tansens und Llebäugelna; ea
gdie ärger her wie in den Tagen des Papstthums (S. 145). Darüber
dürfe man sieh jedoch nicht wundem, weil leider I viele Predigor
dort nad anderswo den Gläubigen kein Beispiel der Erbauung und
ehristKcten Zucht gewährten. — Ueberhaupt herrsche in dem Lag«!
der Papisten und Eyaogellsehea dieselbe Heuchelei; dort wie hiei
wollten Fürsten und Völker für Christus streiten, hätten aber am
sieh sdber ror Augen ; „sie kämpften mit einander unter dem Fddr
gesehr^ und Banner des Heilandes, wie es einst In Spanien ^B«
Söhne von etwas und die Bürger (los villanos) (los ijos d'Arg^oa 1
noU heissen: h^os d'algo p. 160) thaten, welche trotz des K$ai^
mit ehiandw blutige Fehden führten und dabei riefen: „Es lebe dei
König 1^ — So streiten wir mit einand<» entgegen dem Willen Ca»iat
md schreien beide Theile: »Es lebe Christus!^ Wer uns aber im
Hera schaut, wird finden, dass der Heiland swar den Anlasa, aieda
eber die Ursache des Streit's gibt, sondern dass diese in dem &od
des Erlösers liegt ; darum haben wir das Evangelium angenommen.^
Die beiden lotsten Aufsäüte, welche hier das erste Mal -reit
SSentUeht werden, aind tfberachileben: ,»adTis et devis du meneoa^^«
(Wog« und Abwege der Lüge) und ^YiM ot doviSi desquoli «msi
i: PriM Alf OH M» Stvtyei. gif
IfliviiTioa lei faox mindei (von den wahran und lalMbM Won*
fkn). — Aach hier fiQdot man reicfalich die «Dgedeotete Miachopf
im Eioites vad Schersea, der hisftoriacben und apekalativen Apho*
iMoea. So witzig und gelehrt nun auch üi diesen merkwürdigen
&bnft8tu€ken Bonivard erscheint und die Gmndaätae, Hebel und
Dio|[e seiner Zeit vielfach enthöllti — das Gänse macht doch nur
dm heri>en, störenden Eindruck eines nicht lum vollen Selbstbe-
WBtttsein des Lebois gelangten Mannes. Dieser kann desshalb in
fai Tagen einer nngeheuereo Krisis trota seiner Talente und Kennt«
B«e swar Aufmerluamkeit erwecken, aber keinen Piata unter den
toosogebenden Persönlichkeiten gewinnen, wie es a* B. in Genf dem
ChSQTin oder Calvin us gelungen ist Es fehlte nämlich dafür
tei geistvollen Ritter und Prior von St Victor die erste, unerUss-
Üdie Bedingung; ^ein opferbereiter Charakter, welcher Glauben und
Tliatkiift besitat.'' —
Es llMt sich dieser Mangel an reformatorischer Bestimmung
iucb ein swar populäres, aber sprechendes Gleichniss sttmmarls(i
TeraoBcbaulichen. Luther sah den Teufel und warf ihm sein
Dioteafass nach, Bonivard gebrauchte weder Weihwasser noeh
maMbenden Bannfluch; er schnitt dem Bösen nur Grimassen und
Hieb unschlüssig swischen dem Alten und Neuen als kritischer Be-
oiMdUer und sittenrichterlioher Nergeler stehen. Solches gilt wenig-
Meos von seinem vorgerückten Alter und namentlich den hier be-
iprachenen vermischten Anbätsen und Abhandlungen. —
Pm» Eugen von Sav¥. V. J. H, Hennii. 8. 26. 4. Müimr,
Diese kMnd Gelegenheitsschrift, bei ihrem gedrungenen, allge*
MUessenen Wesen leicht übersichtlich und daher keines Ansauge
Moiftlg, liefert auf geringem Baum einen treffenden Umrfss des
loUatiadien und feldherrlichen Charakterbildes. Denn nur auf diese
^ und die Süssem Lebensgeschicke beschrXnkt sie sich hanpt-
fhhUch und siebet demnach ab von dem Innern Gedankenkreise
IMb berühmten, auch als Staatsmann und Mensch ausgeaeidbneten,
«Ust in literarischen DenkmSlem vielfach verewigten Herrführera.
l)ersdi»e hat auf etaie aeltene, eigeothümliche Weise die Nationali-
^ des Itatieners, Fraasosen und Teutschen, wekben er bekannfti-
U^ durch Abstammung und Leben angehörte, in sieh verdnigt und
^kg^iegelt, selbst hervorstehende Merkmale verschiedener Zeiten»
«tiiden und Biidongsstulen gMchnküssig ausgedrückt Die höhere
Bnh^ aber, welcher sich die sonst dem Charakter gniäbrlichen
Biednngen nnd Einflüsse mehrer Volksthüacilichkeiten und OaMnr*
^Viiiea gleiduHUB von vomehesein «nter werfen mnssten, fuket auf
'«ftxeligiöa^aittliehen Fdnoip ala bestinupieMtor Grund ^«ni
ilB Heanei: Prins En^ii toii SAvoyea.
LebenswarzeL Ans dieser entsprang denn vomSmlich die nnerschflt-
lerliche Pflicht- nnd Diensttrene auf der einen, die cfaristliehe,
keineswegs aber unduldsame Begeisterung auf der andern Seite,
swei praktische Eigenschaften, welche den ^^edien Bitter^ hauptsScli-
lieh zum unyerbrüchlichen Anhänger des schwer bedroheten Habs-
burgischen Kaiserhauses und straffen, stets schlagfertigen VorkSmpen
der zerrissenen, zwieträcbtigen Cliristenheit gegen das TürlLen-
und Franzosenthnm stempelten. Denn leider! waren die bei-
den letzten Faktoren seit Jahren in einer unnatürlichen Alltanz be^
griffen, welche sich vorzägllch auf Teutschland dort von Osten, hier
▼on Westen her abzuladen trachtete.
Der Verfasser hat das bewegte und dennoch einbeitsvolle Krie-
gerleben des Prinzen in bündiger, die Hauptsachen zusammenfassen-
der Kürze gut und oft nach den Worten der Quellenberichte ge-
schildert, die entscheidenden Kämpfe z. B. bei Blindheim, ausführ«
lieher hervorgehoben, die biographischen Ab- und Einschnitte des
Helden endlich in neun Paragraphen recht zweckmässig gruppirt
imd zusammengezogen. Das wird schon aus den Ueberschrifleii
erhellen. §. 1. behandelt Herkunft, Erziehung, Abreise
nach Deutschland-, §. 2. Petronel, Wien, Ofen,Mohac8,
Belgrad (1683 — 1688); §. 3. die Sendung nach Turin,
Staffarda, Einfall in dieDauphin^, Marsaglia, Rüclt-
kehr aus Italien (1689—1696); §.4. der Sieg bei Zents,
Frieden von Karlowitz (1697—1699); §. 5. die Feldzüge
in Italien 1701 u. 1702; Alpenübergang, Garpi, Ghiari,
Gremona, Luzzara; §. 6. der Sieg bei Höchstädt 1704
^- Es wird dabei mit Recht auch auf Marlborough und seiii
stattliches Heer von Engländern und Holländern das gebührende
Gewicht gelegt, dabei manches Gbarakteristische gleichzeitigen Quel-
len* entlehnt und eingeschaltet. So heisst es im Wiener Diarium
▼om 14. Junlus: ^^Es ist nicht zu sagen, was für treffliche Lents
diese Britten sind, sowohl von Person als schöner Montur ; sie habei
B5cke von feinem Karmesin-Tuch, jedes Begiment durch die Farbe
der KamisOler und Aufschläge unterschieden. Die Reiterei ist nichl
nur stattlich beritten, sondern noch so, dass ein Regiment blosi
Schimmel, das andere Braune, das dritte Rappen hat. Ihr Maxadi
geht zum Verwundem rasch, ungeachtet sie eine schwere und kost«
bare Artillerie, von 2500 Pferden gezogen, mit sich führen«^ —
lieber den Prinzen urtheilt Marlborough nach persönlicher Bekannt«
•ehaft sehr günstig. ^Sein Umgang, heisst es in einem Brief ai
die G^malin, seine Art sich auszudrücken, hat ungemein viel Aeh»
Uches mit den Manieren des Lord Schrewsbury, mit dem Vormg«
jedoch, dass er viel offenherziger auftritt. Er war besonders frei
mfithig gegen mich, als er mir die Schilderung des Markgrafei
(Ludwig) entwarf, aus der hervorgeht, dass ich viel mehr auf mel
mc Hat sota mossi ala wenn ich mit ihm zu thun hStte.^ JBoiA
H«HeB UielMii fortan Zeitlebeiif Fremide, wofOr iroU aainfliilllch
ihr bald gemeiosasi erraDgene Haoptsieg bei Blindheim odar H5ch*
stidt (13. Aa|ost) gewirkt hat Der Verfasser könnte für die sonsl
^te Schilderung desselben auch eine Brlefstelle Eugens benntsen»
»Der Widerstand des Feindes, laotet sie, und besonders des Cliar-
lofBtea (Maximilian) von Baiem war ttber alle Erwartung ; ohne den
groben Fehler des Tallard würde dieser Tag für Teutschland, für
unsere Monarchie, vielleicht für gans Europa entscheidend gewesen
m.^ (Hinterlassene polit. Schriften, 1. Abth. Brief 100. 108. bei
Pf ist er, Uebersicht der Geschichte Sehwabens S. 253.)
§. 7. behandelt die Ereignisse bei Gassano, Turin und
Toulon (1705—1707); % 8. diejenigen bei Oudenarde, Lille^
Ihipiaquet, Denain (1708—1710); S* 9« schildert die übor den
Tfirkea gewonnenen Siege bei Peterwardein und Belgrad
(1716—1717); S. lO.jlie letzte Lebensseit im Polnischen Erb-
Mgebieg. „Anfangs April 1736, heisst es am 8chluss,*ward der
Prüis sehr krank ; ward wieder hergestellt ; so schien es wenigstens.
Ab 20. April fuhr er Nachmittags (in Wien) zu seiner Freundin,
Grifin Batthyany; ass nichts sn Nacht, als er nach Hauae kam.
Bohig lag er da, als am andern Morgen der Bediente in sein ZIm*
ner trat Nach einer Stunde kam dieser wieder. Regungslos war
« noch immer. Er lebte nicht mehr.' — Die Betrachtungen wer»
ka wohlweislich dem Leser überlassen. —
Erinnerungen und Eindrucke aus Griechenland von Wilhelm Vir
9 eher, Prof. an der UnivereUat su Boid. X 70L gr. 8.
Basel hei Schweighauser, 1857.
Der Verfasser, auf dem Felde der klassischen Alterthumskunde
iShaliehst bekannt, unternahm 1853 von Italien aus eine mehimo»
natildie Reise nach Griechenland. Die Endergebnisse derselben, be*
nüs in Vorlesungen vor einem gemischten Publikum niedergelegt,
vwden, vielfach ergänzt und ausgedehnt, durch das vorliegende,
mfangrelche Buch nunmehr auch einem grossem Kreise mitgetheilt.
Disn gesehieht meistens auf eine ebenso gründliche und gelehrte
ait anschanliche und lebendige Weise. Denn nicht nur bekonunen
die gefeierten Oertlichkeiten, StSdte und Landschaften In der Periegese
oder Umschau ihre gebührende, cinlässliche Schilderung, sondern es
weiden auch die jeweiligen Hauptereignisse der Vorzeit gelegentlich
eiogeschaltet, endlich, was man besonders In den laufenden Tagen
dts Misstrauens und Wankelmuths hoch anschlagen muss, Sitte,
Denkweise und Bildungsgang der heutigen Griechen mit Sorgfalt
md Unparteilichkeit beobachtet und beschrieben. Das ganze Ge-
ailde, welches sich vor den Augen des Lesers aufrollt, wird In vier
Belleabschnitte abgesondert, von welchen der erste von Rom nach
tfi' VtM&^ffs Hdtmwtngm au« CMecba&hiiid.
Athen gehet (1—30), der cweite Athen nnd Attika nnupaant (26-
216), der dritte den Peloponnee behandelt (217—614) und der Tieite
sich dem nördlichen Griechenland zuwendet (515 — 684). Der Scblass
enthUt die Rackkehr über Eonstantinopel und eine treffliche Zu-
sammenfassung der charakteristischen Merkmale des neuem Oriecben
(685 — 701). Indem dergestalt Land, Leute und Geschichte im un-
unterbrochenen, natürlich yerschieden abgestuften Zusammenbang
rerbleiben, gewinnt der Reisende den Yortheil, dass er den Anfor-
derungen wie des Touristen vom bessern Schlage, so des Archäo-
logen gleichmässig nachgeben und meistens genügen kann. Denn
während die unvergänglichen Naturschönheiten 2. B. von Athen, den
Thermopylen, Delphi, den Arkadisch-LaEedämonisch-Messenischen Qe-
birgen, ihr Recht erhalten, werden auch die jeweiligen Denkmäler der
Kunst an schicklichen Stellen genau beschrieben, die weltgeschicht-
lichen Kampfstätten von Marathon, Salamis, Platää, Sellasia, Chäronaea
mit Theilnahme und Sachkenntniss durchwandert und gemustert, hier
und da auch Inschriften und architektonische Trümmer zur Abrundnng
des Bildes, gewöhnlich In den Noten, herangesogen und besprochen,
neuere Oertlichkeiten für die Erklärung der alten zweckmässig be-
nutzt, wie z. B. der Sanct Salvadorsberg auf Eorfu gegenüber dem
Istone bei Thukydides (S..19). Dagegen kann man wiederum den
einen oder andern antiquarisch-historischen Punkt, wie ihn der Rei-
sende auff'asst, trotz mangelnder Autopsie nicht annehmen. So ist
es doch sehr gewagt, die Stiftung Nauplia's in der vortrojanischen
oder Achäischen Zeit mit Herrn Curtius bereits den Joniem zu-
zuschreiben (S. 301. Anm.) und dadurch diesen im Peloponues ver-
hältttissmässig jungen Yölkerstamm ungebührlich In der Zeit hinauf-
zuschrauben; noch weniger mag die unbedingte Apologie des mo-
narchisch-socialistischen Reformers von Sparta gefallen, des dritten
Kleomenes, j, welchem, meint Herr Vischer^, nur ein eingefleischt
ter Aehäerfreund die Zerstörung und Plünderung von Megalopolis
schwer anrechnen dürfe^ (S. 308). — Probirts. einmal in Basel
oder der Schweiz! — Ein achtes Bürgerthum stehet doch am Ende
über dem confusen, waghalsigen Socialismus, wie es auch in Grie-
chenland nach dem ewigen Erlöschen des aufflackernden Neusparter-
feuers die vaterländische Nationalfahne noch Menschenalter lang auf-
recht hielt und erst im Tode sinken Hess. Damit soll des Aratos
heillose Fremdpolitik jedoch nicht gerechtfertigt werden; denn jedes
Yolk , insonderheit republikanischer Natur, welches seine Streitigkei-
ten dem Aus lande überträgt, ist von vorne herein übertölpelt
und verloren ; man muss sich dawider mit Händen und Füssen wehren
und lieber das Aeusserste versuchen, d. h. seine Innern Zänkereien
mit Selbstüberwindung vertragen.
Besonders angezogen wird sich der Leser fühlen, wenn dei
Reisende in ruhiger, obschon warmer Sprache die Eindrücke dei
Gegenwart^ ihrer Gebrechen und YorzOge, Ihrer Freuden und
LMm, BemgniiM uid HolMBt« adiiltei Im Ckuma ftHt mIb
Ufthefl eotociüedeii sa Gansten d«r Net^OriedieD ans; er beniArkt
kibiiehe und geistige SpeaBkrefti eia reQgiSs-velkithflmlieliee Be*
wmlaeui and Setbetgefühl, ohne welches je oichl leicht etwas Tttcb-
tiges geschieht, tot aUen aber Lern- and BUdangstriebi deaen
lüngel jedweder Natien treU militlrisch-technischer Fertigkeit war
Barbarei, also auch fiber kors oder lang aom Untergang , aei ei
Inrch Finlniss oder äossere Gewalt, Terortheilt «Das abgdegeae
Bsrgdörlehen Gravli (in Phocis), heisst es S. 621, hat Tor kniaem
sine Scfanle erhalten, wo bei meiner Anwesenheit efai Janger dMger
Lehrer Ae neadorische Jogend eben nnterrichtete. Unter kleinen
Joageii bemerkte ich einen faet erwachsenen Barschen, der ilch
lucht acbeote, in einer Elementarschnle die frtther Tersiamten Kennte
nisse nachaaholen, eine Erscheinung die in Griechealand nicht selten
ist nnd f&r die Lembegierde des Volks kein schlimmes Zeognlsa
abl^^ — Es hat swar nicht an Stimmen gefehlt, wdche derartige
Wissbegier yerortheilten, aber sie gehörten knltiyirten NachtrSgÄ
sa; diese befinden sich in der Dankelheit and dem Dämmerlicht am
liebsten and woblsten; selbst bescheidener Anfang gilt ihnen ftlr
aittenTerderbliche Ueberverfeinerang. — Freilich liebt der Grieche,
wie auch hier eingestanden wird, Geld und Gewinn, aber im Grande
nicht mehr als andere, machtToUere Völker. Aach schneidet er bis«
weQen aaf, dichtet und lügt, aber, wie der Reisende sagt, bei laa*
(enden Gelegenheiten nicht mehr und nicht weniger denn die West«
linder. Wie oft müssen das nicht die Touristen in Teutschland,
der Schweiz, fai Frankreich und Italien erfahren I Man glaubt ihnen
durch «Aufbinden^ einen Dienst zu erweisen und flunkert daher
ohne Scheu in das Blaue hinein. Diess geschieht nicht nur im Orient,
sondern auch im Occident «Als ich, eriühlt der Verfasser, auf
einer Beiee über den berühmten Pass Gemmi (im Remischen) mei-
nen Tortreffiichen Bergführer nach dem Monte Rosa fragte, erwie-
derte er, den könne man Tom Wege aus nicht sehen, man müsse
eme halbe Stunde seitwärto gehen, setzte aber ganz naiy bei, den
Engländern freilich pflege er einen andern Berg als Monte Bosa
n zeigen, denn die wollten ihn durchaus sehen und so sei nichts
anderes m machen^ (8. 56). Aehnliches begegne auch in Grie-
chenland, ohne dass dadurch gerade der Kern des Mationalcha«-
xaktera angegriffen werde. Durchschnittlich sei rielmehr der Be«
wekner in seiner Weise streng religiös, gastfrei, geflUlig nnd in
Tiden Beziehungen tren nnd ehrlich, taste kein auTertrautes Eigen*
Ihum an, zeige aber dagegen im Handel allerdings grosse Ge«
wmnaacht nnd häufig UnzuverlSssigkeit. Zur See könne er mit
allen Völkern die Gonkurrenz bestehen, als freier Grundbesitzer —
obedion m den wenigsten Fällen — den Pflichten und Mühen des
Tiandmanns willig obliegen, in den grössern Städten aber dem Hang
znm Herumschlendern, Bammehi und Schwatzen nicht widerstehen.
M^ SdaaSÄU Etnde rar Herder.
SeiD angebomer Stok dnlde nicht leieht den Bettel; bei anor G6-'
winosucht und flimmernden EitellLelt sei er freigebig und wotiltbätig,
nöthigenfalls, wie der Freiheitsiirieg bewiesen habe, der aosserordent-
lichsten Opfer mit Blat und Gut fähig, also wohl einer bessern Zu-
kunft würdig. Cm so mehr mässe man sich über den halb närri-
schen, halb unsittlichen Umschlag des Europäischen Urtheils su God-
sten des natürlichen Oriechenfeindes, des Türken, verwunderD. Denn
dieser sei kaum einer Regeneration im alten Welttheil Wiig, auch
wenn ihn die westmächtlichen CiFilisatoren durch Geld, Soldaten und
Schiffe auf das Freigebigste gegen innere und äussere Feinde nnter-
stütsten. £8 gleiche das alles dem entrollenden Stein des Slsyplios,
bringe nur yerlorne Arbeit und Ruhe, jage die Christen mit broder-
mörderischen Waffen in unabsehbare Verwicklungen und Fehden.
So ungeßbr der Reisende, wenn auch mit andern Worten in seiDem
Yortrefflichen Schlusskapitel. Die gelehrte Welt wird wie das gebil-
dete Publikum sein Buch mit Nutzen und Vergnügen lesen können.
Auch die Ausstattung ist recht schön.
Eiude 9ur Herder eanrider^ comme crüi^e litt^aire preced^e ^unt
inirodu€H(m mr sa vie et ses Berits, Par Henri Schmidt,
prof, de langue aUemande au lycie de Strasbourg. S, 84. 8.
Strasbourg, Silbermann, 1855.
Herder ist vor allen neuem Klassikern der Teutschen geeignet,
das literarische Band und Vermittlungsglied der Nationen darsustel-
len. Dafür befähigen ihn die eigenthümliche Universalität und Hu-
manität, wie sich beide Eigenschaften, mit Gründlichkeit verbunden,
kaum anderswo in gleichem Grade finden möchten. Dazu tritt dann
eine edle, klare, im bessern Wortverstande populäre Sprache, welche
dennoch für den jeweiligen Stoff die angemessene Abstufung der
Form und des Tons zu gebrauchen weiss. Und das alles ohne
Zwang und Ziererei. Denn er hat den Gratien geopfert, mit feinem
Ohr die leisesten und stärksten Schwingungen der Aeolsbarfe ver-
nommen, welche aus den Gräbern der Jahrhunderte und Völker er-
klingt, kurz, als Dichter, Philosoph^ Theolog, Sprach- und Geschichts-
kundiger die fernste Vergangenheit, wenn auch nur aphoristisch, der
laufenden Gegenwart anzunähern, d. h. ihr Verständniss zu fördern
getrachtet Daher ist er, wie gesagt, gerade wegen des weltbfir*
gerlichen und dennoch national ausgedrückten Elements von vorne
herein berufen, auch dem Ausland als Brücke und Abbild des Teut-
schen Sprach- und Schriftenthums zu dienen. Diess möchte nament-
lich von dem westlichen Nachbars volk gelten, welches für den er-
wähnten Gegenstand keinen besseren Lehrer und literarischen Halt-
pnnkt finden dürfte als eben den züchtigen, vielseitigen und dennoch
geschlossenen Herder.
SdMM: KlUto m Heri«r. »t
Die TorBegADde Stodie Aber dauelben macht ihrMB wahnchelii»
M noch jangen Verlasser alle Ehre ; sie aeigt tüchtige Sprach* und
SiehkeDoteiss , warmeo Eifer für den gew&hlten Meister und eine
sweekinissige Gliederong des Stoffes. Derselbe wird nach einer ge-
diingten Lebensskisae in eilf Abschnitte seriegt, zuerst (1 — 3) Be*
griff QDd Charakterisülc des Kritikers mit besonderem Beiug auf
Herder bestimmt, daranf die Frage nach dem Ideal desselben nn*
tmoelit (4) nnd dnrch die Aesthetik näber bestimmt (6), in den
folgenden Abschnitten (6 —9) der poetische Gattungsbegriff auf dem
loschen, epischen, dramatischen und didaktischen Gebiet verfolgt,
mietet die Prosa des Schriftstellers beleuchtet (10), schliesslich die
BfickwirkuBg der Herder'schen Kritik auf sein Zeitalter und Volle
in sebarfeo Umrissen dargestellt. — Dabei tritt überall nicht nur
die literarische Kenntniss, sondern auch das löbliche Streben hervor,
jedes Urtheil von Belang möglichst durch Quelienzengnisse oder Hin«
veJseanf den Autor an erhärten. Nur einmal, S. 11 in der Biogra-
phie wird dieser verdankenswerthe Brauch dahin umgangen, dass statt
der Belegstelle eine weniger beseichnende Umschreibung des Sinnes,
Sutt findet. ^G'est presque, heisst es da, avec T^ioquence de Pitt
(Lord Gbatham) qu'il (Herder) stigmatise ees miserables petits prin-
ces d'AUemagne qui vendaient et exp^dialent leurs sujets pour les
boocheriee d'un prince dtranger^ (im nordamerikanischen Kriege).
Die hieher gehörige Stelle Herder's (Werke XXXV. S. 334 der
oenesten Ausgabe 1853) ist aber weit ausdrucksvoller und dennoch
ineht injuriös; üe lautet:
»Und doch sind sie (die Deutschen) In ihrer Herren Dienst
So hflDdiscIi treu! — Sie lassen willig sich
Z«m Missisippi und Ohiostroni,
Kicfa Caadia and nach dem Mohren fe 1s (Vorgebirge der guten Hoffnung?)
VerlLasfen. SUrbt der Sklave, streicht der Herr
Den Sold JDdess, und seine Wittwe darbt;
Die Waisen ziehen den Pflug und hungern. — Doch
Das schadet nicht; der Herr braucht einen Schats.^ —
So konnte Herder, schon seit Jahren dem Weimarischen Dienst
ttgehorlg^ in den s. g. Idealen urtheilen, weil man in der heftigen
Parteiname für die transatlantischen Kolonieen die übliche Natur der
Geld- und Soldatenkapitulationen übersah und nicht bedachte , dass
diese von jeher weniger auf die Sache denn auf die Rentibilitfit
blickten. Da diese, oder die materielle Interessenwelt sich später
vollkommener entwickelt hat, so befremdete auch das SGldnerwesen
n Gunsten fremder Zwecke nicht mehr. Man trug daher im letz*
teil orientalischen Krieg von Seiten der s. g. Givilisation kein Be-
denken, in Frankreich Schweizer- und Fremdenlegion, iu Grossbri*
tsimien Teutsche und anderweitige Legion, In der Türkei sogar
Polnische Freiiabnlein u. s. w. wider ein christliches Volk zu wer-
ben, nach abgeschlossenem Frieden aber meistens eben so schnell
282 Keller: DrMgMle ffiMia'f im 3(Qlkrike&*,Krief.
und mit armsdigem Lohn in «DÜasien, oder Tidmdir oft in das
Elend surüekKietOflseoi welchem Viele dieser Freischärler unter der
CiTilisationsfahne zu entfliehen hofften. Weil die Sache also hents
alt nnd eingeübt ist, so befremdet sie eigentlieh Niemanden mehr,
In den Slebenzlgem des 18. Jahrhunderts aber war sie neu und
elementarisch, eben desshalb anstitesig und ärgerlich. In Betreff des
Rechts- nnd Vaterlandsgefiihls mochte übrigens kein bedenteoder
Unterschied Statt finden. — Diess der natürliche Yerlaof einer oft
besprochenen und sohief benrthellten Angelegenheit
Die Drangsäle des Naesatnschen Volkea und der angrSnxenden Uaehr
barländer in den Zeiten dee dreiesigjährigen Krieges, seine Hd'
den, Staatsmänner und andere berühmte ZeUgenossen. Ein Bei-
trag zur innem Geschichte jener Zdt, nach arcMvcUisehen und
andern Quellen, bearbeitet van E. F. Keller, Her». Nassam'
sehem Dekane, Schulinspektor und ersten evangelischen Pfarrer
m Idstein. XIX. 480. 8. Gotha bei Perthes, 1854.
Einen nothdürftigen Abschlnss und kurzen Waffenstillstand hat
bekanntlich der reformatorisch-revolutionären Bewegung des sechs-
zehnten Jahrhunderts für Teutschland und die Nachbarsstaaten der
Augsburger Beligionsfrieden gebracht Jedoch bald brachen dienor
scheinbar versöhnten Gegensätze, mit anderweitigen, nnheimlicheo
Kräften verbunden, im neuen, neben Scandinavien den grössten Thd
Sudwest-Europa's durchziehenden Kämpfen hervor. Sie sind ihrer
wesentlichsten Signatur nach anfangs für und wider Glaubens- und
Gewissensfreiheit gerichtet, schaaren sich aber gemach um verschie-
den gefärbte Banner der Politik nnd Partelfaktion. So erhalten sie
in den Niederlanden neben der religiös-geistigen Hauptaufgabe die
Beschirmung der hart bedroheten nationalen und ständischen
Unabhängigkeit, in Frankreich des aristokratisch-korporati-
ven Principe wider die absolute Krongewalt, welche aber abgesehen
von ihren manichfaltigen Uebergriffen für die Reichseinheit streitet,
in Qrossbritannien des parlamentarischen Rechts wider die mehr
oder weniger unumschränkte Monarchie, in Teutschland endlich des
vielfach unterhöhlten und aus den Fugen geworfenen Kaiserthnms
gegen die überschwängliche, nach Selbstherrlichkeit strebende Für-
stenmacht, und bei wachsender Zerrüttung durch den Anfiruf
aller Faktionskräfte Kaifipf des nationalen Prindps wider iea
Einbruch der Fremden, welche bald das katholische, bald das
protestantische Feldzeichen für die materiellen Begierden der Erobe-
mng. Beute und Sinnenlust, aufsteckt und nichtsdestoweniger ihre
Partdgenossen findet Der Ruin des immerhin bei dem Eintrat der
Krise noch starken Reichs und VoUcs ist die schliessliche Fmcht
dieses beispiellosen Glaubens-^ Bürger- und Eigenthnms-
leRer: DrtafMle NaüiQ'f Im M}ilirl|ea Iri«f. 188
krUges, bei weldieai nui ileh mir darilber Ttrwndsni lc«mi|
da« 6r überhaupt noch einen Orundstoek des atten VolkUhonif
Mdete und gewiseermaeaen schweigend fttr die UnTerwüsÜlebkeit
denelben Zeogniss ablegte. —
Dieser ^wflste, dreissigjfthrige Walpurgistraum*, einst leider I
tackte Wirklichkeit, bietet auch fttr die geschfehtlldie Erinnerung
eigenthSmlidie Schwierigkelten dar. Dabin gehOren namentlich der
ilamlicbe Umfang, die Verflechtung der vielartigsten Partei-, Standes-
ind Ortsinteressen, die dämonische Tiefe und List einselner, in Hand«
long begriffenen Pers5nlichkeiten, Charaktere und Sippschaften oder
geistlidber and weltlicher Orden, vor allem aber der treibenden, in
dem Staat, der Diplomatie und Kirche, dem Feldlager nnd Hansa
wirksamen Kräfte und Hebel, von welchen viele klnbmlsslg und ge*
keimiiissvoll theils die Oeffentlichkeit scheuen, theils absichtlich tin-
sehen und betrugen, endlich nicht selten der Mangel an Akten nnl
Briefschaften, so viele auch hier und da bisher aufgefunden wurden.
Welcher menschliche Geist Ist Oberhaupt fähig, nach Ablauf von
xwei vollen Jahrhunderten den wahrhaft dämonischen Kampf awf»
sdien Licht und Nacht, Engel und Satan, mit ungestörter Oemfliths-
mhe nnd strenger Unparteilichkeit au betrachten und au schildern I —
FQr die Lösung dieser Aufgabe, welche sich einst der selige
Ludwig Jahn, Turnvater, setzte, liefert das oben erwähnte Buch
dnen sehr verdankenswerthen , meistens aus archivallsehen
Naefariehten hervorgegangenen Beitrag. Ohne das Oanse aus den
Augen ZQ verlieren, will es die verschiedenen Phas^ nnd Rttck«
schlage des Kampfes an einem geringen Stück nachweisen und das
Kleine als Spiegelbild des Grossen darstellen. Für die Ausführung
eines derartigen literarischen Gedankens eignen sich aber besonders
Oränz- und Neutralgebiete. Jene ziehen allerlei betheiligtes
Yolk an, diese reizen jedwede Partei zum Bruch des Friedensprivi«
leglums and zwar lediglich aus Neid; denn die im Hader Befindti*
eben missgönnen, wie schon Thucydi des bemerkte, einem Dritten
fie gewünschte Ruhe und dulden daher keine Part^losigkeit, ja, sie
itrafen den Anspruch darauf gleichsam wetteifernd mit Lasten und
Drangsalen. — Das alles gilt nun buchstäblich von dem Nassau i->
sehen Landesbezirk, dessen Schicksale urkundlich dargestellt und
gleichsam In einem engem Rahmen zusammengefasst „ein Gemälde
d« ganzen Zeitbewegung liefern.^ „Denn so, heisst es mit Recht
im Vorwort, ist es dem Verfasser vergönnt, einen Beitrag zur Innern
Geschichte jener verhängnissvollen Zelt zu liefern und den Helden
In seinem Kampfe, den Staatsmann In seinen Verhandlungen, den
Gefangenen in seinem Verwahrsam, den Fürsten in seiner Verban-
nung, die Kirchen« und Staatsdiener auf ihrer Flucht und den Bürger
nnd Landmann in dem vollen Jammer jener unglücklichen Zeit tren
und der Wirklichkeit gemäss darzustellen. '^ —
Das mannigfaltig abgestufte Uebel entbehrt dabei einer gewissen
384 Keller: DrM^Mtle NaMitt'i tm 30ifthrlf e& Krfef.
BegehDäflsfgkeift im Bedrücken und Plagen nicht; hier kommen die
Katholischen mit ihren Jesuiten, Einlagerem (Dragonaden) , Brand-
steuern, Kloster- uud Kircbenrestaurationen, dort die Eyangelischen
mit ihren oft fanatischen Gotteswortmännern und gleichartigen Wie-
derherstellungskräften des frühem Kult- und Schulwesens, wobei die
Soldateske nach dem Tode des grossen, zügelnden Schwedenkönigs
in der Regel auch alles für erlaubt hält und gewöhnlich an dem
etwa rückfällig gewordenen Bewohner ihr Müthchen kühlt, ohne
jedoch gerade den Glaubensgenossen zu verschonen. Dabei breitet
sich eine wahrhafte Völkerwanderung aus; um den Kaiser und
das alte Bekenntniss schaaren sich nicht nur Teutsche, sondern auch
Böhmen, Ungarn, Polen, Kroaten, Pandureu, Italiener, Spanier, Fran-
zosen, Abenteurer aus Schott- und Irland, selbst der Türkei. Aiw
dererseits strömen dem protestantischen Banner zu : Teutsche, Briten,
Nordländer, Dänen, Schweden, Finnen, sogar die kleinen, in Renn-
tbierfelle gekleideten, mit Pfeil und Bogen bewaffneten Lappen. —
So lange Oustay Adolf schaltete, herrschte ziemliche Mannszucht;
nach seinem Tode wurden gemach auch die Schweden zur wahren
Landplage, das „Wort Gottes^ galt ihnen nicht selten wie dem
Wallenstein und TUIj als Aushängeschild für Schinden und Kauben;
um das Uebel voll zu machen, kamen zuletzt gar die Franzosen
als Beschirmer der Teutschen Reichs- und Glaubensfreiheit —
Alle diese und noch andere Völker fielen wie hungrige Raben be-
sonders auf die kleinen, neutralen Länder, welche einem offenen
Thor glichen, Freunden und Feinden preisgegeben. Theuening,
Hunger und Pest wetteiferten dabei neben den tosenden Menschen
mit einander in der Vernichtnngskunst; Heuchelei, Lüge, Verrath
und Lasterhaftigkeit arbeiteten an dem sittlichen Untergang der
Ueberlebenden. — Ein staatsrechtliches Gut wurde dennoch am
Ende der überall ähnlichen Drangsale gewonnen, die gleichmässige
Duldung und Berechtigung der hadernden Religionspar-
teien; verbrieft und beschworen schloss sie, zum Theil durch schwere
Gebietseinbussen, den Schlund des nimmer satten Fanatismus und
beendigte für viele Menschenalter den Reformationsprocess. —
„Friedliches Nebeneinanderwohnen, heisst es mit Recht am Endo
(S. 479), ist gegenwärtig die grosse, unabweisbare Aufgabe, die
eine jede Kirche in Beziehung auf die andere erzielen muss und
Wärme des religiösen Glaubens und die Innigkeit des christlichen
Lebens wird dadurch keineswegs vermindert, sondern im Gegentheil
erhöht« —
Aus den vielen Landschafts- und Ortsleiden, deren Znsammen-
hang mit dem Ganzen geschickt festgehalten wird, mögen hier für
die Charakteristik des Buchs drei Punkte genügen, ohne dass na-
türlich dieselben vollständig ausgeführt werden. Die erste Scene ist
politisch-kirchlicher Natur; sie betrifft die genau nach den
Akten erzählte Conversion des evangelischen Grafen Johann Lud-
EiOmt DriBfMle Niinm*« im 30|i«lirifei Kri«f. 985
wlf TOD Ha da mar und die sodann tod demselben ei^i: nnter-
flüMy namentlich Ton den Jesuiten bewerkstelligte Katbolisimng
ler sngebörigen Dnterthanen (S. 107 -125). Nicht sowohl 6e-
vinensdrang ab Sorge um das seit Jahren schwer bedräclLte Volk
bringt den allerdings etwas romantisch gesinnten, zu theologischen
Grflbeleien und Gontroversen neigenden Laodesherm in den Schooss
der Mutterkirche zurück und yerscliafft ihm dadurch wie die ToUe
Gunst des Kaisers Ferdinand IL, so die Erleichterung des hart
Tom Kriegsvoik bedrängten, beinahe ausgesogenen Lindchens. Die
eiBte Rolle bei der in Wien mit gllnaendem Erfolg an dem guten,
hier und da zweifelsüchtigen Grafen versuchten Bekehrung spielte
der berühmte Beichtvater Lämmermann, welchem der Reisende
dotch den Jesuiten Ziegler, Beichtvater des Trierischen Churfürsten,
dringend empfohlen war. Durch geschickt angesponnene Controver*
sea letzte man, besonders an der kaiserlichen Tafel, den gern theo-
loginrenden Grafen in Spannung und Verlegenheit; ein feierliches
Hochamt vollendete dann nach siebentägigem Aufenthalt im Profess-
lisose den durch Ascetik, Grübeln und Gespräch vorbereiteten Um*
Sturz des gräflichen Bekenntnisses. „Ich fühlte, gestand derselbe,
den in der Messe gegenwärtigen Gott gleichsam mit Händen, wurde
vsrm und im Innern von Licht durchflössen^ (S. 111). —
Am folgenden Tage (7. September 1629) empfing der Kaiser
den wieder gewonnenen Sohn der Kirche mit den höchsten Ehre»-
bezengnngen; alle Gesandte der katholischen Höfe, viele Magnaten
des Reidis und der päpstliche Legat wünschten ihm Glück ; in Be-
traff der Einquartierung und anderweitigen Plackerei wurde allee
Molche gewährt und vollzogen. Dagegen schritt aber auch die
Co^enion rasch vorwärts; der Graf, heimgekehrt und von den
Seittigen kalt empfangen, Hess sich nicht abschrecken, gab den evan*
Sifischen Predigern und Schullehrern ohne weitere Entschädigung
ihren Abschied, nöthigte die weltlichen Beamten gleichmässig entwe»
der zur Annahme des alten Glaubens oder zur Verzichtleistung auf
ihre Stellen und bewirkte mit Beihülfe der Jesuiten und vielfadien
Bsteriellen Nutzniessungen binnen etlichen Monaten ohne besondere
Mfihe die Bückkehr der meisten Unterthanen zur Mutterkirche. Selbst
SB Mirakeln fehlte es nach dem Wiederaufblühen der Mönchs- ttnd
Honae&klöster bald nicht; ,)S0 sprudelte, heisst es, zwischen Elz und
Hsdamar eine Quelle hervor, zu der Tausende zusammenströmten
md ^ Blinde, Lahme und Presshafte aller Art geheilt verliessen^
(8. 124> —
Das zweite, anziehende Charakterbild sittlich-religiöser
Art bietet die Gräfin Ursula von Nassau-Hadamar aus dem
Haue Lippe. Während der Gemahl Johann Ludwig übertritt, bleibt
äe, oline gerade mit ihm zu brechen, dem evangelischen Bekennt-
vm tren, trotzt allen Schwierigkelten, Gefahren und Anfechtungen
aud schlägt selbst auf dem Sterbebette (1688) den Anlauf welchen
jm Keller: Drtiifiald MaiiMi'i im SOjAlurlfeii Krieg«
4i«i JaaoiienTäter mH Elngheit u&d Feaer ODteroabmeii, tifgrddi
zmfkk (S. S31). Das wahrhaft edl«, mildthätige und Btaadhafte
Wesen der Fraa Ferfebite nicht, auf die eifrigsten Oiaubensfeinde deo
wohlthätigsten Eindruck zu machen. Sie gestanden bewundernd eiO)
^dass man bei aller Frömmigkeit, ja beinahe Heiligkeit des Lebeai
bei der Gräfin nichts anderes vermisst habe, als dass der bohe
Schmuck ihrer Tagenden von dem Fundamente des Olanbens ver-
lassen gewesen sei^ (S. 833). —
Das leiblichei sittliche und geistige Elend, welchen
bei den häufigen Umscbllgen und dauernden Eingrifien des Eriegef
über die Nassauischen Lande einbrach, bildet einen dritten, aosie-
banden Wendepunkt der Schrift. Wäre nicht alles strenge beglaobigt,
•0 könnte man gegenüber dem einen oder andern Jammer Zweifel
erbeben und wegen der namenlosen Höhe das Greschehene wo nicht
für unmögUch, doch übertrieben halten. So rasten als Folge dea
Drucks, Aberglaubens und Hasses, der Hungersnoth und Pest mdire
Jahre lang Hezenprocesse und brachten Hunderte von alten ood
Jüngern Sdilachtopfern so lange auf den Scheiterhaufen (1628—1632),
bis die Ankunft der Schweden und Teutschen Protestanten der Mo-
deraserei allmählig die Wurzel abschnitt Der Verfasser hat ia
dem achten Ei4)itel diese dämonische Erscheinung, den Terrorismiu
des Wabnglaubens, nmständiich erörtert und psychologisch aufsa-
Uären getrachtet Wie leicht konnte z. B. nicht ein yerführtes
Ifädehen die Schuld von dem ,)bebnschten^ oder j^unbebuscbten*
Krieger dem Teufel zuschieben! Wurde doch dieser herkönunlidi
jdfl i^elehrter Herr mit Federhnt und Degen aufgefasst und gesebll*
4ertl Das geschah zwar nicht wie jetzt auf der prachtvoll znge-
etiUzten Theaterbühne, idber desto häufiger und eindringlicher ia
•ehanerlichen Erzählungen und Märdien. — Mit diesem Sitten- und
Oeistesverfall hielt das leibliche Elend gleichen Schritt; nach der
Nördlingersehlacht (1634) erreichte es in den Main- und Bheiage*
gegendea einen £ast nnghiaUieben Grad; Krankheit, Hunger, Banb,
ficand, Nothzncht wutheten wetteifernd in jenen gesegneten Landen,
wobei kein Volk hinter dem andern zaruckblieb; bei Tarken und
Helden verfuhr man sogar gelinder als hier unter den Christen.
Gcas, Krinter nnd Wurzeln, Hunde, Hatten und Katzen galten oft
ab Leckerbissen. „Um das Pferdefleisch, sagt Khevenhiller
(Xn, 2978), haben zieh die Menschen gernpft, geschlagen und gsr
gemordet, in summa war eine solche Noth, dass auch kehi Mensdi,
so zu sagen, des andern verschont, sondern mit Vortheil todtschla«
gen und verzehrten. — Die Gottesäcker haben sie dorchsueht, die
GrSber aufgebrochen, die Hochgerichte erstiegen und die Todten
ZOT Speise genommen. Ein Bruder hat die todte Schwester, efaie
Tochter die todte Mutter angewendet nnd davon verzehrt, also daas
weder die Samarische, und die Hierosolymitanische , noch Sagundi-
•che BnogennoUi gegen dieselbe etwas gewesen iat^ —
OtMkidM« 4m Biifftttikip M7
DieM Gfftaiidikeit wird tob eisea Naaaaiicheii PfarroTy Ple»
ba^Qs (Völker) aiu Miahlani io dem Boeh handsduriftlidi Torhaii*
denaa Tafebttch YoUkommeD im Eiuelaan bestüigt fjn meineaii
ffiafibargdieo, heiMl es da S. 268, bio leb aocb nach Eadliehbolen
komscDi darimeo nicht ein lebendiger Blenach gewesen, allein
iw^ starke Hnnde ror Micbelgras Hans angeCroireni weiche mich
griHlidi angesehen I worüber ich mir die Gedanken gemacht, es
wirden tedte Menschen in diesen Hans liegen, bin hinein, jededi
Bit Fnrcht gegangen, da ich gleich Tomen im Hanse einen Men-
icheB gelon^n, drai der Hals, Achseln, Arme n« s. w. abgefressen
wares, auch der Kopf nicht sn finden gewesen. In der Stube har
hen etliche Bficher aof der Erde, alte Kleider, Lampen, derKleidien
anch etliche Bein nnd Knochen Ton Kindern gelegen. Und sollen
in diesem Hanse drei Kinder von den Hunden sein gefressen wor^
dea; sind also in diesem D$rilein acht Menschen in ihr bestialisches
Gediraa begraben worden. — Im Dorfe Rappertshofen hat die
Kniiblrtin Ton ihrem todten Mann gerissen nnd gesdmltten, solches
gekocht nnd mit Ihren Kindern gegessen, anch ihrem Vater die
Scheokel abgehanen, gewaschen, gekocht, dergleichen den Kopf anf-
gedian, gesotten nnd gefressen.^ In den terstörten DMem haasten
Hasen, Füchse nnd andere wilde Thiere. „Meister Femets, berichtet
Flebnaas, schoss in dem 5den Nastitten einen Hasen tob der Batli^
haasstiege herab, wurde aber darüber in der Einsamkeit tob so
grosser Fnrdit angewandelt, dass er sich Ton dannen gemacht hat^
(a 275). —
i3ne grftnlicfae SchreckeBSScene erlebte anch WiesbadoB,
als es 1644 tob den Baiem bcsetat nnd Stunden kng gemisshan*
ddt wurde. »Es sei kein Wunder, äusserte später der Ohnrmahud-
sehe Gesandte, wenn man gegen solche barbarische Truppen nicht
etira Franaosen, sondern selbst Türken und Tataren au HBfe m<i*
(8. 409). —
Diese Züge werden hinreicben, um den geschichtUchen Werth
des grOsstentheäs ans archiTaBschen Quellen henrorgegangeneB Bnchs
au besdchnen. Seine stillschweigende Hauptlehre gehet natüiHch
wider Olaubenszwietracht und bürgerlichen Unfrieden.
Jenem kann man am Besten durdi Duldsamkeit, Aesem durch cweck«
Fortschritt begegnen. —
GtkhichU des gromtn BauemkriegB. Na€h den Urkunden und Augef^
seugen von JDr. Wilh, Zimmermann, Neue ganz umge-
arbeUde Auflage. Erster Band^ XVIll, 516. Zweiter Band
610. 8. Stuttgart, Rieger^ache Buchhandlung. 1856.
Mit Becht darf der Verfasser diese aweite Bearbeitung seines
"Wsttss eine TiaUach umgewandelte nennen; sie hat eben so sehr
388 2immeniiann: defchichte d«s Banernkrieipi.
an Einheit und Zasammenfassong ab klarem, besonnenem tFrthd
ülier den Zweclc, die Mittel und den Ausgang jener gewaltigen,
wirren nnd mannigfach abgestuften Bewegung gewonnen, welche
man nach dem handelnden Uaupttheii den Bauernlirieg nennt. Was
demselben in der ersten, vor etwa fünfzehn Jahren erschienenäi
Darstellung als zu weit rückwärts führendes Proöm beigegebeo war,
ist jetzt weggefallen; statt des übersichtlichen und doch nur flfidir
tigen Blicks auf die vorangegangenen Freiheitskämpfe des Mittel-
alters wird die unmittelbare Zeitlage des sechszehnten Jahrhunderts
geschildert und dadurch der Hauptgegenstand zweckmässig vorbe-
reitet. Letzterer hat überdless durch einzelne Zusätze, z. B. in Be-
treff des Weinsberger Ereignisses und des Münzerschen Handels oder
Wirrwarrs, neue Beleuchtung erhalten; auch manche zu ideale An-
sicht der einen oder andern Persönlichkeit und Thatsache mag hier
und da auf ihr gehöriges Mass zurückgeführt worden sein. Selbst
die eigenen Beobachtungen und Erlebnisse auf dem Frankfurter
Beichsparlament, welche in dem Vorwort angedeutet werden (S. 13),
dürften für die alte Vergangenheit nicht ganz unfruchtbar bleiben;
„ich habe auch daraus, heisst es. Manches gelernt. '^ — Der Unter-
zeichnete hat in der neuen Jenaischen Literaturzeitung (Jahr 1845.
Nr. 197 und 198) ein ziemlich eingehendes Gutachten über das
vorstehende Werk abgegeben und daher keinen Beruf gefunden, die
dortigen MittheUungen hier theils zu wiederholen, theils zu ergän*
zen. Denn wem daran gelegen ist, der findet ja leicht den Weg
zum Nachschlagen. Es möge daher genügen zu bemerken, dass die
xweite Auflage den bezeichneten Blossen der ersten fem bleibt und
alle Vorzüge derselben nicht minder beibehält denn steigert. Jene
bestehen aber in der fleissigen, namentlich auch ans ungedruckten
Nachrichten schöpfenden Forschung, dem geschickten Anordnen und
Gruppiren des Stoffes, der gewandten Gharakterzeichnung sowohl
einzelner Personen als Verhältnisse, der anschaulich und klar ge-
haltenen Sprache, welche besonders durch die Aufnahme nrkundii-
eher Stellen den Leser fest hält und belehrt. Kurz, Herr Zimmer«
mann hat sich materiell und formell als tüchtigen Historiker ausge«
wiesen, weicher keinem Angehörigen der neuen, gleichsam Schwa-
bisch-Fränkischen Schule nachsteht; letztere aber macht bekanntlieh
der Preussisch - Sächsichen gewissermassen rühmlichst ConkurreDS
und deutet, so jung auch beide Richtungen unter gefeierten Altmei-
stern und, so zu sagen, Gallerie-Inspectoren sind, auf eine schöne
Zukunft der Teutschen Geschichtswissenschaft hin. —
■r. lt. HEIDELBERGER lUT.
JAHRBOGHBR der LITERATUR.
DU drei Kriegsjahre 1756 ^ 1757, 1758 in Deutschland. Aus dem
Nachlasse Joh, Ferd. Huschber^s, geir, BaieriscJien Offisiers,
Regierungsrathts und Archivars, Mit Ergänsungen herausge-
geben von Heinrich Wuttke, Nach bisher unbenutzten
Archiven. XCVII. 723. Leipzig bei Hinrichs. 8. 1856.
In lilerariseher Besiebung encbeint bei dem ersten An-
blick der siebenjährige Krieg als ein breit getretener, Tollkommen
abgenatzter Gegenstand, welchen man nach gerade auf sich sollte
beroben lassen. Bei genauerer Betrachtang aber treten die Sachen
doch etwas anders hervor. Denn so populär und lebendig aoch
die handelnden Persönlichkeiten, vor allen der grosse König, durch
Schrift und Ueberlieferung geworden sind, hemmt dennoch bisweilen
das dicke Gestripp des Parteigeistes und der Einseitigkeit den freien
BKek der nüchternen Wahrheit und des unbestechlichen Urtheils.
Die Gegenseite nämlich wird mehr oder weniger in den Darstellun-
gen zurückgeschoben, der Oesterreicher dem Preussen untergeordnet,
somal jener im Ganzen literarisch etwas spröde nnd fahrlässig blieb»
dieser überaus eifrig die Berichterstattung aufgriff und in den ver-
schiedensten Formen bis an den heutigen Tag niederlegte. Denn
Tom trockenen Schlacbtrapport an bis zur kunstreichen, pragmatl-
aeben Schilderung, ja, seit etlichen Jahren sogar unterhsJtenden Bo-
ttinpoesie aufwärts laufen die schriftstellerischen Denkmäler des er-
Khfittemden Kampfes; alle Stände haben sich an ihm wie früher
thatsächlich, so später schriftstellerisch gewissermassen betheiligt —
Dem gekrönten, genievollen Historiker, welcher einst als Handeln-
der den Hauptstoff gab, folgen auch auf dem friedlichen Felde der
Wiisenscbaft Generale, Adjutanten, Aerzte, Prediger und Staatsmän-
ner in bald kürzern , bald langem Denkwürdigkeiten oder Zeug-
nisBen dea Erlebten, Gehörten und Gesehenen. Dabei wetteifert der
Kosel mit dem Grabstichel, der Tonkünstler mit dem Dichter, der
li^rzgnse mit dem Bauwerk. — Weil ferner eine gewaltige Gentral-
figor in der Mitte stehet, so bekommt der ganze mannidifaltig ge-
iBederte und abgestufte Dom des Geschichts- und Sagenkreises
«piiche Abrundung und Einheit; leicht vererbt sie sich von Ge-
icUecht auf Geschlecht, selbst in der abgeschlossenen, unstäten Ge-
genwart nicht völlig hinweggespült und nlvellirt —
Wie schweigsam, fast unbekümmert um das historische Dasein
vnd gldchgültig gegen die ehrenhaften Mittel und Handhaben des-
Miben verhalten sich andererseits nicht die Habsburger! — Die
Akten liegen unter Schloss und Siegel, viele Briefe und Denkschrlf-
I i. iihif. 4. Hoft 19
aOO WttUke: Die drei Kriegsjahre 1756, 1757, 1758.
ten der EaiBerln-Eönigin und ihres grossen, tragischen Sohns schla-
fen In den ArchiFcn den Schlaf des Gerechten. —
Es Ist also literarisch betrachtet der siebenjährige Krieg noch
nicht einfürallemal abgeschlossen und beendigt; er bleibt eine s. g.
ofifene Frage ; diese mag man bei dem Reichthum und Interesse des
Gegenstandes immerhin von neuem und bei Nebenstücken mit Erfolg
behandeln dürfen; denn die eigentlichen Kernpunkte sind wohl für
immer erledigt| namentlich in Bezug auf Taktik und Strategie durch
das Werk ihres Meisters für überflüssig erklärt.
Auch der poiitisch-^sittliche Standpunkt vergönnt eine
bescheidene Revision jenes merkwürdigen, folgenschweren Ereigniaaes.
Kein Vernünftiger denkt nämlich ernsthaft an eine praktische Wie-
derbelebung des bekannten dualistischen Gegensatzes; bittere Erfah-
rungen haben ihn ausgeglichen und werden es gegenüber der Fremde
noch fernerhin thun. Nicht Laune und Ehrgeiz der einen oder an-
dern Seite, sondern die Macht nnd Wucht der Dinge haben nach
langem Gähren und Krefsen zu Gunsten der polarischen Gegen-
atellnng entschieden. — Dass sie nicht umschlage in Hass, sondern
Freundschaft, fordert die Erfahrung, um nicht zu sagen, die Ver-
nunft. — Unendlich überlegen ist die Gegenwart der s. g. Zopf-
und Schwertzeit an technischen und wissenschaftlichen
Mitteln. Ob aber auch an Genie, Ausdauer, Opferwilligkeit? —
Habsbnrg, bei dem schnöden Erbfolgekrieg von allen Seiten her
überfallen und gedrängt rettete dennoch mit Ausnahme eines massi-
gen Gebietstheils den schwer bedrohten Begriff der Integrität;
es Wurde nicht zerstückelt, wie es die nächtlich angezettelte Ver-
schwörung der Feinde wollte ; der Staatsstreich missglückte. Frensaen,
von einem ähnlichen Gegenschlag sechszehn Jahr später getroffen,
nahm nach dem Kampf mit halb Europa denselben Ausgang; es
rettete seinen vertragsmässig erweiterten Territorialbestand und trat
dadardi in die Reihe der tonangebenden Gtossmächte ein. —
Dergestalt konnte Teutsctiland , obschon im schicksalvolbteni
halb verschnldeten Bürgerkriege, die Selbstbestimmung oder Spon-
taneität des Handelns gegenüber dem Auslande trotz der Zwietracht
behaupten und durchführen ; denn man vertiefte sich nicht sentimen-
tal in den Gedanken der nun einmal „wirklichen^ Zerrissenheit, son-
dern suchte derselben durch werkthätiges Verfahren den bittern
Beigeschmack des dumpfen Hinbrütens und elegischen LamentireDS
gründlich zu benehmen. — Was hilft überhaupt eine Million Bajo-
nette, wenn sie müssig bleibt? Sicherlich ist man jetzt im Rat heu
überlegen, aber rücksichtlich des Thatens kann die siebenjährige
Eriegszeit stärker begründete Ansprüche erheben, so roh und unge-
schlacht sie auch sein möge.
Somit stehen weder wissenschaftliche noch politische Grund«
einer neuen Besprechung des jedenfalls grossartigen und für beide
Theile ehrenhaften Ereignisses entgegen. Schädlich allein würdi
dM tinseitige und bochmUthlge Ftunkea nnd BKsonniren wizket
WuHke: Die ilrei Kriefsjahre 1756, 1757, 1758. 391
oder die ewige, marklose Klage über Zerrinenbeit und Zwietracht
mit den eben so lächerlichen als lähmenden VertrÖstangen anf die
Zokiinft DeoD begangene Fehlgriffe erkennen nnd bessern, Kräfte
ud Mittel der Gegenwart anfsndien und anwenden, — das nnd
Bichts anderes bleibt aach f(ir Teutschland die ächte ,,ZukQnfto-
Politik.« —
Ist dergestalt eine frische Prflfung des kleinen, aber that« und
folgenreichen Abschnittes nach allen Seiten hin gerechtfertigt, so
verdient die Art und Weise der Ausführung trota des Fiagmmitarl«-
sdien ToHe, beachtende Aufmerksamkeit der geschichtskondigeii Le-
Mwelt. Es handelt sich nämlich nicht um flüchtige und leicht aus*
italTirte Bilder und Erzählungen, sondern um m5glicb8t queUenmässig
erforechte, unparteiisch dargestellte Begebenheiten und ZurflcklObrung
denelben auf ihre diplomatisch-politischen Ursachen und Hebel. Der
ffir die Wissenschaft zu früh in Würzbnrg veratorbene (20. August
2852} Archivar Huschberg drückt sich in seinem Vorwort (8. XIX)
darüber kurz also aus: ^Bel der Stellung des Ostens und Westeaa
fegen Deutschland ist künftig der erste Schuss von Deutsehen ge^
gen Deutsche das Signal ihres nationeilen Falls und Untergangs.
In der Bearbeitung spezieller Kriege handelt es sich namentlich
um das gehörige Detail, denn ohne dieses bleiben die grl^sere Er-
eignisse, die ihre Quelle und ihren Ursprung häufiger aus weniger
bedeutenden haben, unerklärt und daukel.
Die Tendenz, nur sogenannte grossartige Bilder und Uebereich-
ten zu liefern, Wesentliches zu verkürzen und zu beschneiden und
dagegen die Reflexion sich in unbegründeten Betrachtungen, Folge«
niogen und Schlüssen nach Herzenslust ergehen zu lassen, ist des
Verfassers Sache nicht. Er überlässt dieses Feld den s. g. berfthm-
ten Historikern.« —
Für die Abfassung des Buches wurden, wie der Heransgeber
Bsehweist, hauptsächlich von Druckschriften benutzt die amtlichen
Veröffentlichungen beider Theile, sowohl diplomatische als militäri-
ttbe, femer an Handschriften die Im Würzburger Archiv niederge-
legten, reichhaltigen Sammlungen des Fürstbischofs Adam Friedrich
(st 1779), welcher mit Eifer und Umsicht den Gang der Begeben-
Üeiten verfolgte, überall, namentlich im Oesterreichischen, Berichter-
statter und Agenten hielt, von ihnen natürlich manche, nicht für die
Oeffentlichkeit bestimmte und dennoch wichtige Nachrichten empfing,
endlich auch viele Briefe und Berichte hochgestellter, mithandelnder
PersöttHcbkeiten zur Einsicht erhielt. Mehr oder weniger flössen
sko die handschriftlichen Hülfsmittel aus Oesterreichischer
Qtielle, welche bisher, wenige Ausnahmen abgerechnet, für die 6e-
Khicfate des Kriegs ziemlich unbenutzt blieb, also auch manches
Abweichende, ja, Neue liefern musste. Mit der Schlacht bei
Krefeld — 23. Junius 1758 -^ bricht aber leider! die Arbeit des
Verfass^s ab, und mit dem Schluss des Jahres endigt auch die
{"ortietaung des Herausgebers (S. 612— 728), Dieser liefert dann-
792 Wattke: Die drei Kriefsjahre 1756, 1757, 1758.
ben in einer Reihe von fortlaufenden Noten sehr verdankenswerdia
und lehrreiche Ergänzungen, welche sich häufig auf handschrift-
liche, bisher unbenutste Quellen stützen. Letzteren gehöret nament-
lich der im Belgischen Staatsarchiv niedergelegte Briefwechsel des
Oesterreichischen Ministers, Grafen von Cobenzl an. Dieser Staats-
mann, „bei dem Beginne des Kriegs in manche Begebenheiten ver-
flochten und mit den angesehensten Männern- in Verkehr^ kann ge»
wisa als ein beachtenswerther und gewichtvoller Zeuge gelten. Das-
selbe Yerhältniss haben in Betreff der dem Kriege zunächst Toran-
gegangenen Dinge mehre in dem Pariser Archire befindliche, von
dem 0. R. Schlosser in Heidelberg dem Heransgeber mitgetheilte
Aktenstücke , welche besonders den Gang der Französischen und
Oesterreichischen Politik erläutern, auch auf die „berüchtigte Allianz^
bdder Höfe (i'alliance monstrueuse) hier und da ein Streiflicht wer-
fen. Diese Hülfsmittel, den zahlreichen Druckschriften vereinigt,
befähigten den Verfasser, manche bisherige Lücke zu ergänzen und
das Dunkel geheimer Verhandlungen aufzuhellen, ein Umstand, wel-
cher namentlich von dem bezeichneten Wechsel der Politik gilt. Da
er üherdiess bereits in seinem trefflichen Werk über „die Besitzer-
greifung Schlesiens durch Friedrich d. G.^ (s. darüber die Reo. in
der Neuen Jenaer Zeit. 1846. Nr. 58 und 59.) seine volle Befähigung
für den Gegenstand gezeigt hat, so kann der Leser mit Recht von
den „Ergänzungen^ etwas Tüchtiges erwarten. In der That klären
8ie auch manchen schwierigen oder zweifelhaften Punkt auf, vervoll-
ständigen das von Huschberg benutzte, hauptsächlich Oesterreichische
Material durch Herbeiziehen und kritische Sichtung anderweitiger,
besonders Preussischer Nachrichten, beleuchten endlich in dem gründ-
lichen, durch Gehalt und Sprache ausgezeichneten Vorwort (I— XGVI)
theils die Persönlichkeit und das wissenschaftliche Streben des hin-
geschiedenen Historikers, theils die Entstehung, den Charakter und
arorückgreifenden Einfluss des siebenjährigen Krieges auf die bethei*
ligten, namentlich Teutschen Staaten und Völker. —
Wenn also die Geschichtskenntniss jener denkwürdigen und
folgenreichen Kämpfe sowohl durch den Bayerischen als Sächsischen
Historiker wesentlich gewonnen hat, so ist nur dringend zu wön-
sehen, dass der letztere die Arbeit des Vorgängers völlig zum Ab-
schluss und Ziel führen möge. Denn obschon wir in einem eigent-
lichen Friedenszeitalter leben, welches nur selten und stossweiae zu den
Waffen gedrängt wird, bleibt der Rückblick auf lange Kriegesjahre
ebenso anziehend als hei dem Schiffer die Erinnerung an Sturm und
Ungewitter. Dazu kommt, dass der siebenjährige Kampf trotz der
spätem Revolutions-, Ejuser- und Freüieitsfehden sein eigenthümli-
ches Interesse nie verloren hat und auf beiden Seiten einen seltenen
Grad und Umschlag der Anstrengungen und Glückswechsel aulstellL
Die von dem Herausgeber und Fortsetzer Huschberg's angedeutete
Gleichgültigkeit des Publikums (S. XXVU) wäre daher rücksichtlicb
der in Aussieht gesteliten Weiterführung schwerlieh sa ftirebten;
imiM: Vttbilfirfii der UlMi ib4
1 10 boeh aneh hier and da die Aktien ^pder hlstoriidiett So-
und romanhaften Historien*' bei der Literaten- nnd Lese-
weit stehen ni5gen, behauptet dennoch die strenge^ nttehteme Ge-
Mhichtschreibang aaf die Länge hin den ihr allein gebührenden
Ehreoplats und Vorrang. Man darf daher den Abschlnss des so
ieh5Q begonnenen Werkes dareh H. Wattke nm so eher botfen, ala
lieh die in den Binden desselben befindlichen Anssflge Haschberg'a
big zoin Ende des Kriegs erstrecken. ^
L Da$ tihnoirraphUehe VerhäUniss der Kelten und Oemumen, naeh
den AnaiekUn der AUen und den epraehUehen üeberreeten, dar^
fldegt von Dr, Brandes, PrivcUdoeeni der Oesehiehte an der
UmversUat Ldptig, Läpzig, Voigt und Günther^ 1867,
2, De txdenÜU de Raee des Oaüloia et des Qermainsj par le
Genial RMard. Bruxelles 1856.
Als im Jahr 1855 meine Schrift, Kelten und Oermanen erschien,
worde man in sahireichen Recensionen gewarnt, sich dem Eindmclc
aeiner Beweise hinsngebeo, denn ich habe als AdFocat nur einige
Zeognisse, die meiner Ansicht günstig seien, angeführt, die sdUref-
eben, schlagenden Stellen aber, auf welche die herrschende Ansicht
fot gegründet sei, absichtlich verschwiegen. Obwohl ich mir be»
wosst war, die Quellen sämmtlich gelesen, nnd nichts übergangen
n haben, was für die herrschende Ansicht günstig ausgelegt wer-
den könnte, so mosste doch eine so vielfach erhobene Anschddignng
Ton Wirkung sein; und obwohl alle jene Recensenten in der EU«
nicht für nöthig fanden, eine jener vielen schlagenden Stelien, die
ich verschwiegen habe, anzuführen, so konnten doch die Leser nielit
nreifeln, dass sie solche Stellen liätten anführen können. So war
ich widerlegt durch eine Anschuldigung, gegen welche es keine
Vertheidigung gab. Denn wie hätte ich seigen sollen, dass die An-
Nfaoldigung falsch ist? Man liätte meiner Versicherung immer wie-
der die Versicherung der Recensenten entgegengehalten. Daher mnsa
ich ib ein groBew Glück ansehen, dass einer der Recensenten , die
jene Anschuldigung erhoben, Dr. Brandes sich entschlossen hat,
mieh umständlich zu widerlegen, nnd die Anschuldigung mit An«
^nng der Zeugnisse zu erhärten. Die Gegenprobe ist nun ge-
Bseht, und die Sache ist spruchreif. Die Entscheidung aber schebit
BchÜmm für mich auszufallen; denn noch in der Vorrede seiner
Schrift wiederholt Hr. Brandes die Anschuldigung: „bei dieser Be*
hindlnngsart pflegte man sich mit unvollständigem Qnellenmaterial
m begnügen, absichtslos oder absichtiich werthvoUe Zeugnisse an
fibergehen, und nicht selten in dne Stelle einen Sinn hinehizuinter*
Pleuren, der bei vorurtheilsfreier Beurtheiiung nicht darin liegt^
H darf wohl diese Stelle ohne Unbescheidenheit auf mich beiielieni
}t4 BrandMs Verhältniss der Kelten und Germuien,
obgleich der Verfs^ser so menschenfreundlich ist, keinen Namen za
nennen. Pie wertbvpllen Zeugaisse also, welche die herrschende
Ansicht stutzen } und welche ich absichtlich oder absichtslos über-
gangen habe, wir werden sie endlich l&ennen lernen.
Was die Zeugnisse vor Caesar betriffti so ist Hr. Brandes ganz
mit ofkir einverstanden, dass die Griechen vor dieser Zeit die Ger-
manen nicht gekannt haben. Zwar ist er nirgends mit mir aufrie-
den, und hat überall an meinen Worten etwas an tadein, da er aber
am Ende in der Hauptsache mir beistimmt, dass ein Zeugniss für
einen von den Kelten Terschledenen germanischen Volksstamm aos
den Zelten vor Cäsar nicht beigebracht werden könne, so wollen
wir nqs dabei beruhigen. Nur sei mir erlaubt eine Stelle, in wel-
cher mir absichtliche Verdrehung der Wahrheit vorgeworfen wird,
nicht gans mit Stillschweigen zu übergehen, sie lautet : ^^ Wenn man
auch annehmen muss, dass Polyblos die Germanen als besondem
Völkerstamm nicht gekannt haben wird, so sieht es doch fast als
eine beabsichtigte Verdrehung der Wahrheit aus, wenn H. schreibt,
Polyblos, der selbst in Iberien und im Lande der Kelten Heisen ge-
macht hat, scheint nichts erfahren zu haben von einem von den
Kelten verschiedenen Vollce jenseits des Rheines.^ Ich sage doch,
wie mir scheint, ganz dasselbe, wie Hr. Brandes; worin soll deao
die Verdrehung der Wahrheit besteben? Hr. Brandes ist der An-
ficht, dass Polyblos, wenn er die Völker jenseits des Rheins ge-
kannt hätte, sie auch von den Galliern unterschieden haben würde.
Dass ich nur einfach bei dem Thatsächlichen stehen bleibe, und
nicht auch die Schlussfolgerung des Hm. Brandes, dass Polybio«,
wdl er die Germanen nicht als ein verschiedenes Volk darstelle,
von diesen gar keine Kunde gehabt haben könne, als erwiesen an-
nehme, darin sieht Hr. Brandes fast eine beabsiditigte Entstelloog
der Wahrheit I
Hr. Brandes untersncht nun, ob die Britten Kelten seien; ich
hatte behauptet, es lasse sich dafür kein Zeugniss der Alten anfüh-
ren, als jene bekannte Meinung des Tacitus „in Universum tarnen
aestimanti^, welche von Tacitus selbst hinreichend als eine unge-
naue, oberflächliche bezeichnet ist. Hr. Brandes hat nun fleissig
die ßchlagenden Zeugnisse gesucht, die ich absichtlich oder absichts-
jos übergangen habe, und — hat kein einziges gefunden. Dagegen
■acht er die Zeugnisse für die entgegengesetzte Ansicht zu entkräf-
ten. Caesar sei doch nicht eigentlich ein Zeuge für die Stammver-
■cbiedenheit der Gallier und *der Britten. Das ist er aber allerdings,
wenn er sagt „ii, quos natos in insula ipsi memoria proditnm dicnnt^
Darin ist bestimmt ausgesprochen, dass Caesar die Britten für ein
von den Galliern stammverschiedenes Volk hielt, und dass die Brit-
ten selbst ebenfalls nichts davon wnssten, dass sie Gallier seiea
Ebenso wenn Diodor sagt, die Britten seien ein eingebomes Volk,
so solle das nur besagen, meint Hr. Brandes, dass er von gewalt-
in Britannien eingedrungenen Scharen nichts erfahren habe.
BrftBdeis VerhftlUiiii d«r RdtdB mid GeniMeB. MS
Aber nichts desto weniger könnten die Briiton ein gallischer Volks*
stamm gewesen sein, dessen Einwanderung in vorhistorische Zeit
^efailea sei. Diese Möglichkeit kann allerdings mit dem Zeognlss
des Diodor nicht bestritten werden, aber Diodor selbst kouile dieser
Ansicht nicht sein ; Diodor hielt die BrUten für ein von den Galliern
renciuedenes Volk; sonst hätte er nicht sagen können» sie seien
Aatoehthoaen. Zeugnisse also hat Hr. Brandes keine neoen vor-
nbriogen; dagegen sncht er sa entkräften, was ich ans Veisehie-
taheit der LeibesbescbaffenheH nnd der Sitten gegen die hemehendn
Asiidit voi^ebracht habe. Ich glaube nicht» dass es nöthig sein
wird, hierauf etwas au erwiedem. Dass s. B. die Britten nach dem
ZeogDisB des Tacitus, das durch die Wirklichkeit hestlUigt wird, durch
dunkle Hautfarbe (colorati vultus) und krause Haare sich von den
Galliern unterschieden, ist Hr. Brandes ohne alle Wichtigkelti denn
«Bemalnng des Gesichts und Kräuselung der Haare liegen in der
ViJJktibr jedes Volkes.^ Die Weibergemeinschaft der Britten ist
ebenfalls nicht erheblich, denn auch bei den Kelten kamen Laster
Tor. Die Hauptsache bleibt aber die Religion, und hier ist nun der
Ort, wo Hr. Brandes so glücklich ist, ein von mir verschwiegenes
Zengniss anführen zu können, ein Zeugniss, das mir auch von dem
Hrn. van den Bergh triumpfierend entgegengehalten wird. Dieser
Hr. van den Bergb, der mich in den Verslagen en Mededeelingen
der Eoninklyke Akademie van Wetenschappen, widerlegt, hat wirk*
Üch grossartige Vorstellungen von meiner Unwissenheit; er findet
tiefa nnter Anderm veranlasst, mich an belehren, dass es einen ge-
wissen Herodot gebe, den ich nicht kenne, da ich ihn mrgends er-
wibnel Die Stelle nun, die sowohl Hr. van den Bergh als nucli
Hr. Brandes au nseiner Widerlegung anführen — ich lumn nicht
nskia an gestehen, dass sie mir sehr wohl b^annt war; und ea ist
slso deutlich, dass ich sie absichtlich übergangen habe. Werde leb
durch dieses offene Geständaiss nicht meine Sache gänellch verder-
bet? Wird man mir noch Gehör schenken, wenn es erwiesen ist
rad zugestanden , dass ich solche schlagende Stellen, wie sie meine
Gegner mit Siegesfreude su meiner Beschämung vorbringen, wissent-
Üefa und absichtlich g.eheim gehalten habe? Es wird alles darauf
ttkoBunen, wie schlagend, wie beweisend dieses Zeugniss ist. Ich
bitte behauptet, dass ausser der von mir angefochtenen Stelle des
Tacitus über die Eroberung der Insisl Mona durchaus kein Zeugniss
& brittische Druiden beigebracht werden könne. Man wird mir
vohl glauben, dass es Thorheit gewesen wäre, eine solche Behaup-
Inig ansausprechen, wenn ich nicht glaubte des Stoffes vollkommen
nichtig an sein und alle betreffenden Stellen gelesen zu haben*
San aber bringen meine Gegner ein zweites Zeugniss für brittische
Dnudea baL £s Ut folgende Stelle des Plinius 30, 3. GaUias uäque
fonedit, et qnidem ad nostram mamorjam. Mamque Tiberil Ca4ssaria
priatipatna anatulit Dmidas eorumi et hee genus vatum medicomnip
foe. Bed quid ego haeo conunamMem in arte Oceanum quoqnn
tvvilKeBsn et ad natorae inane pervecta? Britannia hodieque eam
906 Brande«! VerhftUni^a der Kelten und Germanen.
attonite celebrat tantis cerimoDüs , ut dedisse Persis Tideri possit.
Hr. Brandes sagt: Plinias bezeugt hier, dass das Drnidenthum mit
den Menschenopfern in Britannien mit so vielem Ritual umgeben und
ausgebildet gewesen sei, dass man diese Insel als Ausgangspunkt
dieses Aberglaubens anzusehen geneigt sein könnte! Vielmehr sagt
Plhtiins das nicht Er spricht von der ars magica; sie sei zu Haus
bei den Persem, sei aber auch bei den Griechen gepflegt worden;
Spuren finde man bei den italischen Völlcern) in Gallien habe sie
geherrscht und zwar bis auf unsere Zeiten, denn erst unter Tiberins
seien die Druiden entfernt worden; aber noch jetzt werde sie in
Britannien ausgeäbt. Dass aber die Druiden in Britannien zu Haas
seien, sagt er mit keinem Wort. Wenn Plinius hier von brittischen
Druiden spricht, so spricht er auch von persischen, römischen und
griechischen. Ich habe also diese mir wohlbekannte Stelle nicht
angeführt I weil es mir nicht einfallen konnte, dass man sie als ein
Zeugniss für brittische Druiden geltend machen würde. Es bleibt
also dabei, dass ausser jener Stelle des Tacitus keine Stelle die
alten brittischen Druiden bezeugt.
Die mangelnden Zeugnisse sollen die angeblichen Barden des
sechsten Jahrhunderts und sprachliche Beweise ersetzen. Was die
letzten betrifft, so zeigt Brandes, dass viele Namen brittischer Städte
sich in Gallien wieder finden. Das ist richtig. Aber jene brittischen
Stfidte wurden erst in der Zeit der RömerherrBchaft gegründet; sie
erhielten ihre Namen von den gallischen Soldaten des römischen
Heers nnd den gallischen Ansiedlem, die von den Römern auf brit-
tischen Boden verpflanzt wurden, z. B. Camulodunum unter Claudius,
Tacit. Ann. 12, 32.
Wie es aber Hrn. Brandes nicht gelang, neue Zeugnisse für
die Stammeeeinheit der Britten und Gallier zu fiilden, ebenso wenig
konnte er die herrschende Ansicht von der Stammesverschiedenheit
der Kelten nnd (Germanen mit andern Stellen als den von mir an-
geführten des Caesar, Tacitus und Sueton begründen. Es ist also
gänzlich unwahr, dass ich wichtige Zeugnisse übergangen habe.
Brandes freilich findet überall Zeugnisse für die herrschende Ansicht,
z. B. bei Sallust. Dieser nennt die Kimbern, die man schon als
Germanen kannte, Gallier, rechnet also unbedenklich Germanen zu
den Galliern; indem er erzählt, dass omnis Gallia eis Rhenum den
Römern unterworfen worden sei, gibt er deutlich zu verstehen, dass
er auch die jenseits des Rheins wohnenden Germanen für Gallier
hahe; und ausdrücklich sagt er es sogar, dass er Gallier und Ger-
manen zu ein und demselben Volksstamm rechne in den Worten
bei Kritz 259, crizo et gentis eiusdem Gallis atque Germanis. Hr.
Brandes nun lässt ihn in der ersten Stelle gegen besseres Wissen
einem alten Sprachgebrauch folgen, in der zweiten nur die Grenze
bestimmen, und in der dritten Stelle, in welcher er die unbequemen
Worte eiusdem gentis unterdrückt, findet er ein bedeutsames Zeng-
nissy dass der Name Germani schon zu den Jahren 71 — 73 vor-
komme« Daraus folgt nun, dass Sallust zu denjenigen SchriftsteUero
Brtttdei: VeriillltaiM der Kelten md Germanefe. 397
gedhlt werden mtisa, welche die Germanen von den OtUiern ethno-
gnpliieeh trennten I Bessere Zeugen als Sailust weiss Brandes für
seine Ansicht nicht Tonabrin^en. Wenn irgendwo Germanl et Galü
lieht, so ist ihm das immer ein schlagender Beweis, dass der Schrift-
iteller die beiden Völker so trenne, wie es die herrschende Ansicht
Tsriangt, and einen überseugenderen Beweis hat er nie. Als einen
dar gewichtigsten Zeagen führt er den Stephanos an, dieser nSmlich
biiQche Öfter das Wort Fegiutvot und FegpuicvCa; und obgleich er wenig
Vertraoen yerdiene, und z. B. mit Besiehung auf Strabo, die Insel
Borchaniss die dieser an Germanien rechne, eine irqöog iv ty xtXtiotg
senne, so seugen doch weder diese Stellen noch andere dafür, dasa
er die Germanen an den Kelten gerechnet habe; folglich könne er
als ein gut unterrichteter Schriftsteller gelten, welcher die Germa-
nen richtig von den Kelten scheide, und sein Zeugniss könne dem
aiisdrficklichen des Suidas für die falsche Ansicht als Gegengewicht
gegenübergestellt werden. Es ist gewiss nach diesen Proben über«
flüssig, die einseinen Zeugnisse, die Brandes anführt, zu prüfen.
Kann Brandes keine neuen Stellen zum Beweis der herrschenden
Ansichten nachweisen, so ist er dagegen unermüdlich, die Ton mir
für meine Ansicht vorgebrachten Zeugnisse zu entkräften und für
ädi zu gewinnen. Z. B. Diodor und Dionjs, die in den nnzwel*
deatigsten Ausdrücken die Germanen dem keltischen oder galatischen
Volksstamme zutheilen, führt er als seine GewShrsmänner an.
Das wichtigste in dieser Beziehung ist seine Auffassung der Stellen
des Strabo. Dieser Schriftsteller hat das Glück uns beiden, dem
Hm. Brandes und mir gleich wohl zu gefallen. Ich behaupte, Strabo
trage ganz unzweideutig die Ansicht vor, die ich für die richtige
balte, Brandes dagegen sieht in Strabo die Hauptstütze der herr-
teilenden Ansicht Eben well mir die Sache Tollkommen deutlich
n sein scheint, halte ich es für überflüssig, die Stellen noch ein-
mal zu erklären; der Leser wird ja, wenn es ihm Ernst ist, seinen
Strabo selbst zur Hand nehmen, und es wird nicht lange zweifel-
haft bleiben können , auf welcher Seite die richtige Auffassung ist
Ebenso wenig finde ich mich veranlasst, das was Ich über Caesar
m meinem Buch gesagt habe, durch die Gegenschrift für ernstlich
bedroht zu halten, und es aufs neue zu vertheidigen. Aber eine
Bemerkung kann ich nicht unterdrücken. Der gallische Krieg Gae-
iais wird in allen Schulen gelesen, und ist in unzähligen Ausgaben
Sedmckt Da sollte man glauben, habe gewiss die Kritik ihre Auf-
gabe schon längst vollendet Das ist aber durchaus nicht der Fall.
Von den Handschriften der zweiten Klasse ist noch nicht eine
«nizige vollständig verglichen ; es ist also ein Urtheil über den Werth
dieser Handschriften, die man vorläufig die schlechteren und inter-
polierten nennt noch nicht möglich; und der Einwurf, dass die von
>ür vorgezogene Lesart diesen Handschriften entnommen sei, Ist
okae alles Gewicht
Zuletzt will Hr. Brandes noch nachweisen, dass die Bretonen
lieht alle aus Brlttanien eingewandert| sondern zum Theil die Nach-
298 Branden: VerhttKoljf der Kelten und Gernianen*
kommen der Gallier sind. Er will es nachweisen, aber er tbut es
uiclit. Zwar sagt er iu der Vorrede, dass Zeugnisse vorliegen, welche
sie als eigentliche Nachkommenschaft der alten Gallier ausweisen.
Wenn es solche Zeugnisse gibt, so bringe er sie doch bei; in dem
betreffenden Abschnitt seines Buches hat er nicht e i n solches Zeug-
niss beigebracht. Die Bretagner sind nach allen Zeugnissen nicht
Nachkommen der alten Gallier, sondern aus Brittannien eingewan-
dert HierQber verweise ich noch auf eine nenere Schrift: de Tiden-
iM de race des Gaulois et dea Oermains par le G^n^ral Benard,
Broxellea 1856. In dem ersten Abschnitt dieser lehrreichen Schrift
ist die Frage über die Herkunft der Bretagner gründlich beantwortet
Der schwächste Theil des Buches des Hrn. Brandes ist der
linguistische. £r will nachweisen, dass ein grosser Theil des Wort-
vorraths der französischen Sprache keltisch, d. h. brittisch sei. Er
entnimmt seine Nach Weisungen hauptsächlich folgenden Werken:
Edwards, recherches sur les langues celtiques, Ghevallet, origine de
la langue fran^aise, Dleffenbach Celtica. In den meisten Fällen ge-
nügt es auf Dlez zu verweisen, wo der Leser finden wird, dass das
Wort, das aus den brittischen Sprachen erklärt werden soll, latei-
nischen oder deutschen Ursprungs ist. Es war überhaupt für Hrn.
Brandes misslich, dass er sich nicht auf Diez berufen durfte, der
nun einmal fürs Romanische unsere grösste Autorität ist. Diez läugnet
aufs entschiedenste, dass die sogenannten keltischen Sprachen einen
erheblichen Anthoil an der Bildung der romanischen hätten, und in
der neuen Auflage des ersten Bandes der Grammatik enthält er sich
sogar der Benennung keltisch für die brittischen Sprachen, zum
deutlichen Zeichen, dass er die Iren und Schotten, die Waliser nnd
Bretagner nicht für Kelten hält
Zum Sebluss muss ich noch an einem Beispiel aeigan, dass
Hr. Brandes mich znwßilen anf erstaunliche Weise missveratanden
hat Ich sage in meinem BQch S. 53: in Gallien war schon vor
Caesar römische Sitte und Sprache bis weit in die nördlichen Theile
vorgedrungen, wie die Rede Gicero's pro Fontejo 69 n. Chr. beweist
Niemand wird das anders verstehen, als dass die Kenntniss der la-
teinischen Sprache schon vor Caesar's Kriegen selbst in den nörd-
lichen Theilen Galliens verbreitet gewesen sei. Hr. Brandes lässt
mich S. 111 sagen, „dass Gallien bis weit nach Norden schon za
Gicero's Zeit seine eigentbümliche Sprache mit der Lateinischen ver-
tauscht habe^, und geht nun wirklich frisch daran, mit Zeognissen
nachzuweisen, dass man zur Zeit, als Caesar noch nicht in Gallien
vorgedrungen war, in Gallien noch gallisch gesprochen habe! Die
Mühe hätte er sich sparen können ; daas aber Cicero nicht von der
Provinz apricht, wie Brandes behauptet, aondern vom unabhängigen
Gallien I bedarf keines Beweises für jeden, der die Bede gele*
sen )iat
Als meine Schrift erschien, begnügte man aicb» wie ich vorMis
geaagt hatte, sein Erstaunen nnd sein Misstri^uen anszusprechen;
eine Menge Becenaionen erschienen, die aUe nidit« enthielten als
Deltist: Hat^rianx de eonstrnelioii. 309
den Ansdrnck der ungläubigen Verwanderang. Aach an lächeriichen
Ergosseo des gelehrten Dünkeld foliUe es nicht, wie 2. B. von Seiten
des Uro. G. Waiz in den Göttinger gelehrten Anseigen. Diejeni*
geo Gelehrten, deren Zorn und Ungnade ich mir durch mein Auf-
treten 10 der Nibelungenfrage sugezogen hatte, waren natürlich eifrig
beBfiht, den Erfolg meines Buchs mit besten Kräften sa verhindern.
Die Keltisten, wie wir sie höflicher nennen woUen , fanden sieh ia
üireo Liebhabereien empfindlich gestört, und machten ihrem Aerger
Lsft. An andern Orten waren es andere Motive , die eine nnbe-
fangene Erwigung meiner SAtae und Beweise mimöglich machten.
Aber bei all dem konnte der Eindruck, den das Bach machte, nicht
rerwiscbt werden. An einigen Orten, besonders in Belgien und den
Niederlanden erfolgte freudige Zustimmang.
Dorch die Gegenschrift des Hrn. Brandes ist nun die Sache
um einen Schritt weiter gediehen. Die Acten sind nun, was die
Zeagoisse betrifft, spruchreif. Doch versteht es sich von selbst, dass
die Macht einer lan;^jährigen Gewohnheit nicht plötzlich überwunden
wird« Mit Sicherheit stellt sich vorerst heraus, dass die Beschuldi-
gong, die von mehreren Seiten gegen mich erhoben wurde, dass ich
widiüge Zeugnisse, die meiner Ansicht hinderlich wären, absichtlich
oder aus Unwissenheit nicht erwähnt habe, völlig unbegründet ist.
A. lIolfzmaiaM«
Mat&iatix de constrticiion de Vexposifion universelle de 1855. Par
A. Delessej Ingenieur des Mines, Professeur honoraire de
GMogie ä la faculte des sciences de Besan^on, 8/cr/iaire de
la classe XIV du Jury international. In 8, XV et 420 pag.
Paris, V. Dalmont^ Müeur, 1856,
Die vollständigste, merkwürdigste Sammlung mineralischer Bau-
Uatttialien sämmtlicher Welt Gegenden , welche man bhi jetzt za
flehen Gelegenheit hatte, war jene der Pariser allumfassend^ Aus-
■teüang ina Jahre 1855; eine Schilderung derselben liefert das zu
l)eq»rechende Werk. Der Verfasser — dem erfolgreiche Forschun-
gea im Gebiete der Geologie, namentlich was die chemische Kennt-
siM von Felsarten betrifft, wohl verdienten Ruf erworben — wurde,
^ Schriftführer der XIV. Klasse des „Jury international^, mit
Abfassung des Berichtes über die Mineral Substanzen in der he«
frsgten Sammlang beauftragt. Hier konnten nur die Erzeugnisse zur
Spreche kommen, deren Einsender Preise erhielten, in vorliegender
Sdirift aber findet man sämmtliche Bau-Materialien aus dem Mine«
nkeiGh geschildert, die bei der allgemeinen Ausstellung aufgelegt
vtren, auch imterliess Delesse nicht sehr viele Nadiweisungen
keiiafügeo über Lagerangs- VerfaältniMe der für bauliche Zwecke
teendeD Gesteine, so wie über deren, durch angestellte Versache
ttfsisditay chemische Zusammensetsang und ihre anderen Eigen«
lehaften; Bemerkungen, was deren Gewinnung, Zubereitung und
PMse btiiiffi vermisst man keineswegs. Die Form des amtlicbea
300 Deleisa: Hat^rknx de eüiutraetion.
Berichtes wurde beibehalteo^ Register über EinseDder und G^en-
stlCnde erleichtem Alien den Gebrauch, welchen diese und jene Ein-
zelnheiten besonderes Interesse gewähren.
In zwei grosse Klassen zerfallen die befragten Ban-MaterialieOi
je nachdem sie natürliche oder künstliche sind. Ohne die uns in
diesen Blättern gesetzten Schranken aus dem Auge zu yerliaeni
wollen wir das Wichtigste und Interessanteste in wissenschaftUeher
und technischer Hinsicht hervorheben und andeuten.
Unter den zur Ausstellung eingesendeten feldspathigen Feb-
arten befanden sich besonders Granite, Syenite, Porphyre, Diorite,
Melaphyre, Trachyte, Laven u. s. w. Der Schwierigkeiten unge-
achtet, womit die zuerst genannten Gesteine zu bearbeiten sind,
dienen solche dennoch in gewissen Gegenden Frankreichs, In Schott-
land und Canada ziemlich allgemein beim Hansbau, geschätzt wer-
den dieselben, abgesehen von ihrer Politur-Fähigkeit, für Denkmale
bestimmt lange Jahre zu überdauern ; eine Eigenschaft die von den
Römern, ja schon von den alten Aegyptern gekannt war und ge-
würdigt wurde, zu Prachtsäulen, Sphinxen, Tempeln holten sie das
Material aus weiter Ferne und wussten es in wahrhaft merkwürdi-
ger Weise zu behandeln. Heutiges Tages werden Granite mit sel-
tener Yollkommenheit zu Aberdeen in Schottland bearbeitet; wie
die Achate zu Oberstein dienen sie zu den verschiedensten, sell)st
kleinsten Schmuckwaaren. — Unter den Anstalten, wo man beson-
ders harte Gesteine fiir die vielartigste Zwecke verarbeltet| vorztig^
lieh Quarzführende Porphyre, nehmen jene zu Florenz und' zu Eli-
dalen in Dalekarlien die ersten Stellen ein. [Aus der Kaiserlichen
Schleiferei zu Kolywan im Altai-Gebirge, die hier zu erwähnen ge-
wesen wäre, scheinen keine Musterstücke nach Paris gelangt za
sein. Wir erinnern u. a. an das kolosale Prachtgefäss aus Porphyr,
an die grösste aller Vasen von der Eolywan'schen Schleiferei ge-
liefert Des Gigantischen wegen, um der Kunst und des Geschmackes
willen,^erdient das in seiner Art einzige Werk Bewunderung. Zwei-
hundert Pferde waren zum Fortschaffen der gewaltigen Last nach
St. Petersburg erforderlich.] — In Frankreich benutzt man seit eini«
gen Jahren die unfern Bahia in Brasilien entdeckten schwarzen Dia-
manten zur Bearbeitung harter Felsarten. — Unter den Zusendun-
gen des Vicekönigs von Aegypten zeichneten sich Blöcke der
Brhche universelle aus (die Breeda verde cPEgüto der Italiener).
Die Steinbrüche, welche dieses von den Alten hochgeschätzte Trüm-
mer-Gebilde lieferten, wurden durch die Mineralogen der FranzSsH
sehen Expedition in der Nähe des Cosseir-Thales aufgefunden. —
Ostwärts vom Berge Zabarah gewann man in früher Zeit Smaragde
und benutzte sie zu Zierathen. Mnsterstücke erwiesen Glimmer«
schiefer als die jene Edelsteine führende Felsart; die Krystalle, noi
von einigen Ceotimetem Länge, sind durchsichtig und von schönstei;
grüner Farbe. Auch aus dem Staate Guatemala lagen Smaragdfl
▼or, auf welche die Indianer einst eine Art Bergbau betrieben. SM
haben ebenfalls ihren Sitz in Glimmerschiefer, und die bearbeltetei
Delefia: VaMrianx de eonatnicliott. 901
6«geBftXnde, Thlere, Zaober-OeheDke u. s. w. aus Quars mit Sma-
ragd dorchdruDgeo, sind Meiaterwerke der Wilden.
Heatigea Tagea werden Granite im sfidweatlichen Frankreich, an
den Kosten der Normandie nnd Bretagne in grossartiger Weise ge-
woBoen. ZwGlfhnndert Arbeiter sind in den Brüchen besch&ftigt
imd der Jahres-Ertrag steigerte sich bis sa 650,000 Franken.
Bei dem was über die Tom In- nnd Aasland eingesendeten
Mosterstficke von Tbonschiefer , Serpentin, Chlorit- nnd Talkschie-
fem gesagt wird, ist hier nicht au rerweilen ; nur die eigenthfimliche
ÄDweDdong Tom auerst genannten Gestein in Algier gemacht, bleibe
nicht anerwShnt: Thonschiefer-Platten dienen nSmlicb an Maiereien.
Alles was die Ennst betriffr, den körnigen Kalk, den Marmor,
in bearbeiten, findet sich sehr umfassend abgehandelt, wegen der
Entwiekelong, welche dieser Zweig des Gewerbfleisses in jüngster
Zeit erlangte. Die Einsendungen, au nicht wenigen beachtungswer-
fken Interessanten Mittheilungen Anlass bietend, waren überaus sahi-
reich, so daas man die Vorkommnisse in allen Welt - Gegenden als
Tertreten ansehen konnte. Nur unvollständig seig(en sich dagegen
die gewöhnlichen, die dichten Kalksteine, diese am häufigsten und
in yielartigster Weise angewendeten Bau-Materialien. Ueber die
TortiieUe einer, in neuester Zeit erfnndeuen Maschine Röhren aus
Kalkstein an bohren, müssen erst Versuche entscheiden. [Wir be-
liehen uns auf die AnnaUi des Mines; im VIII. Theil der fünften
Serie finden sich Bemerkungen, auch ist eine Abbildung beigegeben.]
Was den Gyps betrifft, so sei der höchst dünnen, Tollkommen durch-
ächtigen Platten von Tekali In Mexiko gedacht, den alten Einwoh«
nem selbst Spaniern dienten solche an Fensterscheiben. Das Is^re-
Departement lieferte fürs Innere einer Kirche Säulen aus Anhydrit
TOD iSnf Metern Länge u. s. w.
So weit die erste Abtheilung, in der zweiten beschäftigt sich
OBier Verfasser mit den künstlichen Bau-Materialien, da*
läiEalk, Mörtel, im Allgemeinen die verschiedenen Bindemittel.
Die grosse Zahl der Einsendungen von solchen Erzeugnissen ergab
die Wichtigkeit, welche gegenwärtig dem Aufsuchen und der An-
vendang jener Materialien gewidmet Ist und betrieben wird. Zur
Aborthellang über die Eigenschaften der Stoffe, auch um ein An-
halten wegen den Preis-Erkennungen zu erlangen, reichte die Be-
ichaanng derselben allein nicht hin, ebenbürtige Fachmänner nah«
nen deshalb sorgsame Prüfungen vor hinsichtlich der chemischen
Zusammensetzung, der Eigenschwere, der Volumen- Aenderungenu.8.w.
Mit besonderer Ausnihrlichkeit findet man die hydraulischen Kalke
httprochen, so wie die Erdharze.
Was die mannigfaltigen Back-, Ziegel- und Mauersteine be*
tiit, das Holz und die metallischen Substanzen für Bauzwecke dle-
oesd, so kommen solche im Werke, das uns beschäftigt, nicht zur
Bpmche. Es gehörten diese Gegenstände nicht zur Aufgabe, welche
Reless • gebellt worden; ein anderes Mitglied des f, Jury internem
<>iMl* hatte die B«gatachtung übernommen. wt
302 A. Schnid: Die Grappen der Ciaasilien.
Leipzig bei Hermann Costenobh: Die kritisehen Gruppen der Euro-
päisclien Clausilien von Adolph Schmidt. L AbiheÜung fi
und 63 8. mit 11 lithographirten Tafeln,
Schwerlich gibt es im ganzen Natorsysteme ein ande' "*" * '
das so natürlich, aus so zahlreichen und dabei auf dent"^^^°^f!^
einander so ähnlichen Spezies zusammengesetzt wäre, al8'<^^|."°.^?^/
silien unter unseren gewöhnlichen Landschnecken. Die Gt' '^* ^ ^^
Oberflächen-Beschaffenheit und Mündung; einige Lamell<* **" ^^*^
chen In deren Kähe, das Schliess-Kläppchen im Innern sim^^ '^' ^
hundert Arten einander ähnlich; alle diese Arten smd kaW ^ ^' ^. ^j*
Zoll lang, kaum 1—2 Linien dick; alle Abweichungen ^ ^to d '
in einem geringen Mehr und Weniger, und wenn auch di^° ^ '^l
eines dieser Merkmale einer grösseren Veränderlichkeit \ . .
wenn z. B. eine Lamelle mehr oder weniger auftritt, "O^'^"
gewiss nicht an Mittelstufenbildenden Arten, wo dieselbe ' .^'
sich in schwachen Anfängen zeigt oder in allmählicher Yr ..
rung verschwindet. Dabei mangelt es denn auch an Varietit ' . l
welche oft viel augenfälliger als die einander nahestehenden ^ ^^' ,
schieden sind. In solchen Verhältnissen genügt die Spr'^ ' .
mehr, um die Verschiedenheiten und die Grade der Verscbicv ^\ * '
bezeichnen, mit deren Hilfe sich die einzelnen Arten von einano^^ ^
nen lassen ; das Bild ist eben so unvermeidlich noth wendig. C^?*??j ^
nun schon andere gute Bilderwerke zu diesem Zwecke besr^^ ^ . ^
welchen namentlich Rossmässler's Iconographie zu erwähn/^ ^L ^
Verf. doch für nützlich erachtet, den Clausilien ein eignes We ^"f g '^
men, in welchem von ihm selbst die Umrisse der Schaale aller i^^ .u ..^
wichtigeren Varietäten in dreifacher, die Mundöflnungen dersetbeii ^^
allen ihren Einzelnheiten oft in verschiedenen Ansichten in 5 — 70 .
Linear-VergTössemng nach dem Faden ihrer Verwandtschaft geordi^
und vergleichend neben einander gestellt wurden. Von diesem W<j^^^
erscheint nun hier das erste Heft, den zwei Gruppen der mit Gl. r^^
tricosa und Gl. gracilis verwandten Arten gewidmet und ein für di'^
abgeschlossenes Ganzes bildend. In der Einleitung schien es de^
Verf. jedoch nothwendig sich zuerst über seine Ansicht von Art
nnd Varietät auszusprechen. Er erldärt die erste für etwas Fest-
stehendes, in der Natur stetig Begründetes, nicht für einen blossen
Begriff, den der menschliche Geist willkürlich aber zn seine: ""^
quemlichkeit in die Natur gelegt habe; sie beruhet oft auf du
kleinen, aber eben dann nicht selten scharfen Charakteren ; das bes^
Kriterium der Verschiedenheit zweier Arten ergibt sich nach Mom^i
für den Systematiker dann, wenn er sie wiederholt an verschied ^^^g^
Orten beisammenlebend findet, ohne Uebergänge und Verschtnei^j^g^
gen wahrzunehmen. Wir sind mit dem Verf. einverstanden, ^^^
ea in zweifelhaften Fällen immer besser ist, verwandte Formon
sehr in Arten zu spalten, als sie zn sehr zusammenzuwerfen, wenn
wir aueli gestehen müssen, seine Freude nicht theilen zu k(kui€b|
4io et immer m empfinden rersichert ;,wenn neu «nftaaohende IM
Dankwirdt: NationaYökonomie ond Jarif prüdem 903
haber unserer Wissenficbaft anf gut Glück taufen and wohlfeilen
Kaufs ihre Nameu in die Jahrbücher der Wissenschaft bringen',
indem wir ihnen yielmehr rathen möchten, mit dem Taufen so lange
• -' •*^'j»'^cn, bis sie sich so weit in der Wissenschaft eingerichtet
1 Tiiut ^ 2^ wissen, dass sie die Existenz ihrer Täuflinge anch zu
GerlaS^^^S^^ und sich nicht mehr leichtsinnig der Gefahr aus*
md 3. Bi^ Durchschleppung der wissenschaftlichen Gemeinde auf*
—286 u ^'^^ dürften wohl später selbst wenig Freude daran ha-
2. irii/tf^^^e Weise ihren Namen in der Wissenschaft fortgepflanzt
(er ibr
3. Gaim^' erste Abtheilung des Werkes bringt uns die Beschreibung
B, j^.iidung in 28 Arten in nahezu 60 Varietäten mit 222 Fi-
U. 9^ verschiedenen Ansichten, woraus hervorgeht, dass aller-
i Comch ein ansehnlicher Theil der Arbeit späteren Abtheilungen
^ f en bleiben musste. Mag nun auch ein Anderer da und
5. ?Hft/.V diese oder jene Art eine andre Meinung haben, mögen die
jcAr^dersetzungen des Verf.'s auch ohne Noth mitunter etwas
Gestk ausfallen: immerhin wird das Werk in Betracht der Nütz-
6. Fkän^es Unternehmens an sich der thätlichen Unterstützung des
Dr. / Aschen Publikums um so mehr zu empfehlen sein, als sich
7. Bome*^ ^' wieder ein Autor dieser Aufgabe unterziehen möchte,
ner'^o viel Eifer und Erfahrung wie der Verf. verbände mit
^'hen 80 reichen Materiale namentlich an Original-Ezempla-
8. Sopif. Arten, die man sich später nicht mehr aus der Hand der
klärt c2t noch lebenden Begründer derselben wird verschaffen kön-
SfMitf mit der Fähigkeit mit wissenschaftlichem Auge technisch
9. ^''.ebnete Abbildungen selbst anzufertigen. Gewiss werden viele
eanae dieses Zweiges der Makokologie dem Verf. für diese Gabe
• Jichen Dank wissen. H. tt. Bronu,
iL
■^MdohmomU tmd Juruftrudeni. Von H, Dankwardi^ Advocakn mu JZo-
Hock. L Begriffe ProducHon , Umlauf der Güier, Eigmtiuim des Produeen-
ten am Producl in der Agrieuliur»^ Manufactur- und Bandelt^ Industrie,
Rostock. Q. B. LeopoUCs Ünitersitäts-Buchhandlung (Ernst Kuhn). i857,
55 S. 8.
[^ Diese Sclirift geht von dem Gedanken uus: die Meinungsverschiedenheit
fzwistiien den römischen Juristen beruhe in manchen Partien des Rechts darauf,
l^ss ein Theil derselben vom Standpunkte des Rechtsbegrififes , der andere
«^ il vom Standpunkte der Nationalökonomie ausgegangen, in dieser letztern
. ieoschaft aber schwach gewesen , und dann eine armselige Miltelansicbt
^^, gebildet habe; und die Nationalökonomie ber&hige dazu, die Irrthümer zu
Ivanen, welche auf diesem Wege Im römischen Rechte Wurzel gefasst hät-
^(S. 8, 9). Als Fälle dieser Art werden genannt: der Streit über den
Kauf ohne Geldiiblnng (S. 23 ff.), and der Streit über den Erwerb des Eigen-
thons dareh Specification (S. 28 ff.)* Die Sache ist hier die. Betrachtet man
h\«a Gegeoitaad 4ߧ Eigenthimif als ein Stock, so als einen Körper abge-
304 Dankwardl: Nationalökonomie und Jurifprudeni.
aehen von seiner Eigenschaft aU Stoff d. b. als Träger natzengewflhreader
Kraft, so hatten die Recht, welche behaupteten, dass der Specificant kein
Elgenthnm erwerbe, und dass ein Kauf ohne Geld unmöglich sei ; letateres nem-
lieh weil man bei einem Auswecbsel von Dingen ohne Geld bei jener Auffas-
iung Gleiches gegen Gleiches, Stttck gegen Stück gibt. Betrachtet mao aber
als den Gegenstand des Eigenthums den Stoff, so war die entgegengesetste
Meinung in Besiehung auf die Specification , der die Proculejaaer anhingen
(L. 7. $. 7. D. de adq. rer. dorn. 41. 1. $ 25. J. de rer. divis. 2. 1.)) richtig,
wenn man an der Wirkung festhielt, welche die Specification au^ das Eigen-
thnm am Stocke geübt haben würde wenn sie StQckverilnderung wire; ge-
genüber der Meinung der Sabinianer (L. 7. $. 7. D. cit) und dev des Ubeo
(L. 26. $. 3. D. eod.), die richtig war, wenn man an der Wirkunf festhielt,
welche die Specification auf das Eigenthum am Stücke geübt habm wQrde,
wenn sie nur Stoffverfinderung gewesen wftre. In Beziehung auf den Kauf
musste aber die Ansicht, dass das Geld nur ein Stück vom Verm<M; i sei and
die Verbindlichkeit für die Eviction zu haften, die dagegen ausge»^ :ht wird
(Arch. f. deuUch. Wechselr. IL Nr. V. S- 3. Not.) ebenfalls nur ^ solches
YermOgensstück (eine nexi obligatio: Arch. f. civ. Prax. XXXIII. 8. 4($ff0
sei, 11} der Ansicht führen, dass der Kauf eben nur ein Stücktausch sei, auch
wenn der Gegenstand des Eigenthums der Stoff sei, und zu der .4P>icht der
Sabinianer, dass man auch ohne Geldpreis kaufen könne (L. 1. j. 1. D. de
contrah. emt. 18. 1). Die Auffassung dahingegen, dass der Kauf^Ha« Eigen-
schaft der Begründung einer Evictionsverhaftung für einen Eigenthunsgegen-
stand behalten habe, tilgte die Idee des Stücktausches im Kaufe, lobald der
Stoff als Gegenstand des Eigenthums aufgefasst würde, und führte fa der An-
sicht der Proculejaner, dass man ohne Geldpreis nicht kaufen k^npe (L 1.
f. 1. D. cit.). Fasste man dann den Gegenstand des Eigenthums als cin^tfd^
Stoffes auf, so konnte man in Beziehung auf die Specification zu einer IS^
telmeinung kommen (L. 7. $. 7. D. cit. L. 5. $. 1. D. eod.)» und wenn r»
anf die Absicht der Contrahenten sah, so konnte sie auch beim Kaufe ^
stehen (L. 1. C. de rer. permut. 4. 64.). Sonach handelt es sich hier um di
Gegensatz iwischen der Stückauffassnng des alten auf dem Umsätze von Stüa^
der pecunia beruhenden commercium der ROmer (Arch. f. civ. Prax. a. a. 0.)i
und der davon abweichenden jüngeren Auffassung, die auch die Stoffverschie-
denheit in Betracht lieht. Allein sie benutzt die Stoffverschiedenheit nur all
ein Unterscheidungsmerkmal der Identität des Gegenstandes (L. 24. 26. D. de
adqair. rer. dom.) und nicht als eine Verschiedenheit in Ansehung der Be-
deutung des Stoffes für die Abhülfe der Bedürfnisse und seines von derselben
abhftngigcn Werthes. Sollten nun die römischen Juristen geglaubt haben, wk^
dieser Berücksichtigung der Stoffverschiedenheit das Gebiet der Nationalökc
nomie tu betreten, so dürften sie allerdings In dieser Wissenschaft nur schw^
gewesen sein. Nach der Ansicht des Verfassers hatten sie indess die AbsiM
durch Zuwenden des Eigenthums an den Specificanten die Industrie zu he)<'D,
sie wichen damit von der Consequenz des Eigenthnmsbegriffes ab, und grün-
deten eine Singularität, die nur dem zu Statten kommen darf, der im gatcn
Glauben apecificirt (S. 38—41). Brafkenlaoeft« '^
f
fcn, HEIDELBERGER' IWI.
JAHRBOCHEI der LITERATUR.
1 TifMi Liviui RamUcke Geackickie. Dtuisck 90% Frant Dorotheus
Geriachj Profeuor an der UnittrtUdi wu Basd, Zweiiet Bdndeken. 2.
wnd 3. Blick SMi^iy Hoglkann*$cke Vtrta^BmMumdhmg, i856. 8. 9i
-286 tu ki. 8,
2. Arisiopkanet'Lm»UjiMey9erdeia$cktv<mJ0kanneiMimekwit$. Zwct»
fer Btmd. Da$ Frieäaufest. SiuUgari ii. «. v. 1856. 107 8. in ki. 8.
3. Gaiut Juliui Cdiar's Mtmoirtn über den GaiU$eken Krieg. Denisekton
H. Köckly und W. Aiiffoir. ShUtgari «. s. ir. 1856. IV und 214 8.
U. 8.
1 Cerneiiui Nepoe^ 9erdettfseki v<m Dr. Jokannes Siebeiis. Slutf-
gmi u. ». V. 1856. 162 8. ki. 8.
5. ?«6/jiif Virgiliui Maro's Werke. Deuitek in der Venwei$e der Ur^
ickri/t von Dr. Wiikelfn Binder. Zweites Bändeken, Aeneis 1—6.
Gesang v. t. ir. 1857. 154 8. in M. 8.
B. Fkädrus, des Freigelassenen des Augusius aesopiscke Fabeln. Verdeutseki vorn
Dr. Jokannes Biebelis. Shiiigari u. s. w. Xll vmd 66 8. in kl. 8.
7. Bomer's Werke. Dentsck in der Versart der ürsckrift von J. F. C. Don-
ner. Erster Tkeil. Die Elias. Zweiter Band. 13—24. Gesang. Slliff-
gart u. s. w. 26i 8. in ki. 8.
B. Sopkokles* Werke, verdeuiscki m den Veramassen der Vrsehrift und er-
klärt DOM Adolpk Scköll. Zweites Bdndcken. Oedipus auf Kohnos.
Stuttgart u. s. w. 1851. 162 8.
9. Strabo's Erdbesekreibung, libersetu und durck Anmerkungen erläutert von
Dr. A. Forbiger, Conrector am Gymnasium au St. Nicolai m Leipssg.
Zweites Bändeken. Bück 3—5. Stuttgart u. s. w. 1857. 193 8.
10. Plato's ausgewäklie Werke. DeuUck von K. Prantl. Vierter Band.
Der Staat. Erste Hälfte. Stuttgart u. s. w. 1857. 256 8.
it. Sueton* s Kttiserbiograpkieny verdeutsckt von Adolpk Stakr, Erstes Band-
ckesi. Stuttgart u. s. w. 1857. 224 8.
(Mer: „Tieueste Sammlung ausgewakller Qrieckiscker und Rämiseker Classiker,
verdeutsckt von den berufensten Uebersettem.'* Lieferung 39—49 ind. Stutt-
gart. Bolfmann*scke Verlagsbuckkandlung. 1856—1857.
Von den bifher enchienenen Theilen dieier Sammlang von Ueberieisim-
ta der ronttglichtlen Schriftsteller des alten Griechenlands nnd Rom ist be-
its in dieaen Blättern die Rede gewesen; die Anlage wie die Ausführnng
he ganzen Uatemehmens ist ntther besprochen , und das Game mit gntem
&Qnde der Aofmerksamkeit Aller derer empfohlen worden, die, ohne im Stande
n lein, die alten Schriftsteller im Original in lesen nnd sa rerstehen , doch
Mit ihnen bekannt la werden wttnschen oder die frflher gewonnene Bekannt-
Mhift in spiteren Jahren auf diese Welse darch wohlgelongene Uebersetaiin-
I sea emeaeni wolleB. Die hier aofgefldurten Forts etiungen reihen sich gleich-
*MiMig den frttheren Bindchen an.
L Mhif. i. Heft. 20
306 Sammhmir von ÜebeMefsmif e« n. s. w.
Von der Vebenetiiiiig des LiTiat haben wir fchon frtther bei dem Ei
gefaeinen des ersten Bandes eine Probe in diesen Blältem (Jabrgif. IS54
S. 312. 313.) miigetbeilt; so dass es nicht nothwendig^ erscheinen kann, noc
weitere Proben des wohlj^elongenen Werkes hier mitsutbeilen , das frahet
Vemche jedenfalls hinter sich zurUckj^elassen hat durch die lebendige tut
fliessende Spraofae, die anch im deutschen Gewand die ,,taotea ubertaa" d<
Römers wieder erkennen Itfsst, ebne der dtontscben Sprache irgendwie Gc
walt anznthun. Die am Schlüsse des Bündchens (S. 259—286) beifeflks^
AnmeAungen betreffen einselne historische, der Erörterung bedOrftige Pnnkl
oder verbreiten sich ttber die, in neuerer Zeit bekanntlich bis zum Eztärei
getriebene VerdSchlignog der una hanptsttcblicb duroh Lirius ttberliefertei
nrktfndKehen Gesohlchte des Alteren Rem, und iwar von den, wie bekanai
streng conserrativen Grundsätzen des Verfassers ans. Nachdem wir gceeiie
haben, wie noch in der neneaten Zeit die römische Geschichte mit gftoaKcbi
Hintansetzung der urkundlichen Ueberliefening und aller gesunden Krilik k
Simie des vnlgflren Liberalismus behandelt oder vielmehr misshandeU nn
verMrrt worden iat, so werden die in diesen Anmerkungen enthaltenen Ei
örtemngen, welche fQr die bestrittene Goltigkeit der frttberen Geschichte Ron
eintreten, um so mehr an ihrem Platze sein und hier auch auf unbeftmge»
Leser ihren Eindruck nicht verfehlen.
Die Uebenetzung der Eirene des Arlstophanes ist in demselben Geial
gehalten« wie die der Vögel im ersten Bftndchen, von welcher frtther bereu
die Rede war. Die schwierige Aufgabe ist hier in einer so befriedigendei
Weise gelöst, wie man es von einem so gewandten Uebevseizer nicht andev
erwarten konnte* V^as Cftsar betriflt, so versichern die Verfasser, die Ueber
Setzungen des Herodotus von Lange, des Taoitus von Gntmann — und beide
sind allerdings Heiaterwerke — sich zum Muster genommen au haben. „Wi
bähen uns, so lautet ihre Erklärung, daher bemüht, den CAsar in CharakC«
und Fflibung des Stils so wiederzugeben, wie ein militärischer Schriftatdie
aeiner Individualität in unserer Sprache schreiben wtirde. Wir haben uns bt
mttht, in Begriff und Ausdruck Nichts wegzulassen. Nichts zuzusetzen, abe
we irgend Woitgebrauch und Satzbau des Lateinischen mit Gesetz und Geii
der deutschen Sprache in Widerspruch gerietli, haben wir die wörtliche Trew
der stilistischen aufgeopfert." Diesen Grundsätzen gemäss haben die Ueber
setaer allerdings eine Uebersetzung geliefert, die sich sehr gut liest nnd ii
einer geläufigen, ja fliessenden Sprache sich bewegt; ob sie aber die Schwie
rigkeiten der Auffassung bei manchen einzelnen Schilderungen u. dgl. aa
diesem Wege flberwunden haben, und demgemäss durch eine allgemeinere Fas*
snng den wahren Sinn der Stelle richtig gegeben haben, ist eine andere Fsag«
"welche nur durch die Prttfung einzelner, dahin einschlägigen SteUen, wisrf
gehörig beantwortet werden können, wozu hier nicht der Ort sein kana
Einzelne Anmerkungen oder Erklärungen sind nicht beigeftigt; eben so we*
nig geht eiue Einleitung voraus; eine Einleitung in das Verständniss diesei
Memoiren vom liistorischen und militärischen Standpunkte aus soll dcninächsl
als eine besondere Schrift erscheinen, der wir allerdings verlangend ea^'
gensehen. Dagegen hat Cornelius Nepos eine Elnleiluag erhalten, djs
Über Leben und Schriflen deiselben lich \tAn\Mi ^w VöidiemtdMMiift-
StnuilaBg von U«b«fieliiiiig«» «« «• w. 807
■Idicn henrorhebt md daher ««ck die Maioherlei IrrthAner ud Unfenaiiif-
kiilai n erkliren aad «■ eoucfavldif ea cnclrt, welche in den TorhendeDeD Bio-
gnpyen alierdinfi vorkomneD, und nech luuereiri BnaeMen, tu eineoi Bshni-
kftei Theile dea Verbhrea suMfohreiben lind, dM Aemiliui Frobu« bei
in Redectioo der nnprOnglioben Viue in die gefcnwürtige Gealell Mvewen-
ki hid» fehwerlich aber, wie der Verfacfer neiDl, den unvollkoomieDeii tur
Hülle iBMfchreibeii siad, in de» die Geechichifcbreibiinf Ron*« zur Zeit def
Aidreteat dee Coffaeliuj Nepof sich beCMid, deaaea Bio|^pbien deai Verüaaaer
ib dar erala Verasch eiaea popolftrea GeachichtweAea in Aom eraeheinen,
Wi deiiea loblicfaer Abaioht eiaaelae Htogel der Arbeit wohl ttberaehen wer^
öea därflea, nm dem Ganaen die voUe Aaerkennnnf nicht an Teraagen. Wir
komifeb ea aehr, ob and welche Beweiae für aolche BehaaiiCiipfCB heif e-
kMht wecdea kOaaea , da wahrhallig au der Zeil, io welche du Ckacheinea
üeiar Biographien fallen dürfte, die rOmiache Geachichtachreibaag Aicht mehr
ia ihren enlea Stadien befangen war« nnd achwerlich Coraclina Mepoa ala
ür arüe angeaehen werden darf, der die Geachichte ia popnlArer Weiae für
«euere Ireiao an behandeln Teranoht hat. Wir branchea aar aa die ia der
YMÜegeadea Sammlaag (Lieferang 18 in Jahre 1855) eraohienene Daratellnng
4er rOniadlen Geachichlachreiber au erinnern , in welcher von der groeaea
lldtigkeit, die aich anf den Gebiete der GeachichtacbreibDag achon vor den
Aiftrelen dea Cornelina Nepos kund gibt, ein ao achOnea und nmfaaaeadea
Bild entworfen iat. Waa nun endlich die Frage nach der Antorfchafk der
Titte betriffi, so spricht aich der Verfaaaer unbedingt für Comeliua Nepos aus,
^ die urkundliche Ueberlieferung, welche die Vitae den Aemilioa Probua
kilegt, nicht kennt. Ebenao entbehrt in seinen Augen die Vermuthung, daaa
die Viiae nur ein von Aeniliua Probua gemachter Ansang aua den grosseren
Werke dea Nepoa aeien, ,Jeder Begründung," Daa iat denn doch wohl au
Tiel geaagi, ao wenig wir selbst die vorhandenen Vitae für einen Auszug bal-
tea, in dem Sinne, in dem man dieses Wort bei uns gewöhnlich ninnt. Aber
M wenig Aemiliua Probua der Verfaaaer der vorhandenen Vitae sein kann, die
biaeswegs in dem Styl der Zeit eines Theodoaius abgefaaat sind, eben so
wenig kann die gegenwärtige Fassung der Vitae als daa wirkliche unverttn-
derle Original, wie ea aua der Feder des Cornelius Nepos hervorging, ange-
itkeB werden.
Waa die Uebersetzuug selbst betrifft, so ist diese ganz befriedigend
aaigefallen, sie liest sich recht gut, bewegt sich selbst in einem gewissen
ilsss der Rede, welche das Abgerissene in dem Periodenbau und in der Ver-
hiadang eiaaelner SAtae, waa in der Darstellung des Cornelius Nepos eben
•Is aatirliche Folge der erwilhnten Redaction durch Aemiliua Probus anau-
sehen iat, kaum verkeanen lAsaU Wir wollen ala Probe nur das erste Capitel
des AIcibiades hier mittbcilen, als Beleg unseres Urtbeils :
£s folgt der Athener AIcibiades, des Clinlas Sohn. An ihm scheint die
Nslnr versucht au haben, waa zu schaffen io ihrer Macht atehe. I>enn unter
Allen, die über ihn berichtet haben, ateht es fest, dass Niemand, aei ea In
Mlera oder Tugenden, aoageaeichneter geweaen aei als ar. Geboren in einem
eehr aagoaehenen Staate, ans edelstem Geaohlecht, unter allen seinen Altera-
wmmm hol waUemdar SchDidlOi In jete Sache fewuidt and «as«esstklug
908 SuDBÜimg von UebenelcuB^n a. 0« w.
(denn er war sn Wasser und zn Lande ein trefflicher Feldherr); von eiaer
Beredtsamkeit , die den grOssten Einfluss aosttbte, da sein Organ nnd seine
Worte so viel Einnehmendes besessen, dass ihm kein anderer Redner die
Spitie bieten konnte; reich; wo es die Umstllnde forderten, thitig nnd ans-
dauernd; freigebig, prachtliebend in den Bedürfnissen sowohl als in der gan-
sen Weise seines Lebens, leutselig, nie schmeichelnd, den Zeitrerhflltnissen
sehr schlau Rechnung tragend: leigte sich eben dieser Mann, sobald er sich
gehen Hess, und kein Anlass vorhanden war, sich geistiger Anspannung in
nnteriiehen, schwelgerisch, ausschweifend, woUttstig und unmässig, ao dass
Alle staunten, wie in ein nnd demselben Manne sich solche Unflhnlicbkelt nnd
so widersprechende Eigenschaften finden konnten.
Von der Verdeutschung des Virgilius ist schon früher die Rede ge-
wesen; dem Torliegenden aweiten, die erste HAlfte der Aeneis enthaltendea
Bllndchen dürfte noch ein drittes folgen, welches mit der andern Halfie der
Aeneis sämmtliche Dichtungen Virgils sum Abschlnss bringt. Die Uehersetanng
der Fabeln des Phädrus, Ton demselben Gelehrten besorgt, der aueb den
Comelins Nepos ttbersetxt hat, empfiehlt sich durch die gleichen Eigenschaf-
len, welche der Uebersetsung des Cornelius Nepos cur Empfehlung gereichen,
wir erlauben uns daher auch hier eine Probe aus dem Prolog des CweitOD Bo-
ches Toraulegen, in welchem Phädrus sich über seine Fabeldichtung also
ansliist:
Beispiele sind's, worin Aesop uns dichtet.
Und keinen andern Zweck verfolgt die Fabel,
Als dass der Menschen Irrthum sie verbessre
Und ihre Thätigkeit und Umsicht schiffe.
Sei's darum dieser oder jener Scherz,
Freut er das Ohr nur und bleibt seinem Ziel treu,
Empfiehlt er selbst sich, sann ihn aus, wer wilL
Ich wahre nun mit Fleiss des Alten Art;
Doch wo mir's gut deucht etwas einzuschalten,
Dass das Gemttth am Wechsel sich ergötze,
Hag freundlich mir's der gttt'ge Leser deuten.
Vergelt ich nur durch Kürze seine Gunst.
Um die nun nicht weitschweifig zu empfehlen.
So hOr, warum man Gierigen nichts geben.
Bescheidnen bieten soll, was sie nicht fordern.
Die Uebersetzung erstreckt sich auf die filtere Sammlung der Fabeln ia
fünf Büchern; die sogenannten Fabeln des Perottus, die im Jahr 1809 erst-
mals an das Licht getreten und dann gar als sechstes Buch der filteren Samm-
lung angereiht worden sind, wurden weggelassen, indem der Verfasser aicliere
Beweise der Aechtheit vermisst; obwohl er sonst an der Aechtheit der alte-
ren Fabelsammlnng, so wie an der Person des Phfidrus durchaus keinen Zveei-
fel hegt, vielmehr in einer Einleitung mit aller Sorgfalt alle die das Leben
und die Person des Dichters betreffenden Notizen, die sich ans den noch vor-
liandenen Fabeln und ihren Prologen entnehmen lassen, zusammengeslelli»
auch daran ein gani richtiges Urtheil Über den Fabeldichter und seine Lei-
stungen anf diesem Gebiete der Dichtkunst gereiht hat. Hier erscheint Phft-
^rw, Mich dorn Urthoil iu YoifuMn, «U ein eifriger Freund der Kmut mA
temmfattff VM üeberMMBfMi v. 0. w. d09
IHMMehaft, wacher telbfl fern tob «neu den Biedern LeidenicliafleB , die
dM laben der Menachen beunrnbif en , aach Andere durch heitere Belehnmc
T0B Fehlem und Thorheiken lurfickiumfen sich bemüht, und sich selbst in
•eiaen Leben ebenfaUa nicht andere feseigt hat (s. paf. XII); danun flanbl
er auch in den Worten des Martialia („improbi joeoa Phaedri**) keinen Tadel
über den Charakter des Phttdrua erblieken an können, sondern nur eine schen-
bfte Beaeiehnnnf eines schelmischen Menschen , der Andere bespöttelt nnd
iiher im Scherxe selbst als „f ottlos" beieichnet wird.
Weiter maf auch auf die mit dem oben anfeaeiften [Bindehen ToUendete
üebersetsoBf der Homeriseben Iliaa anftnerksam gemacht werden, wie
diese swar anch schon frflher in diesen Blttttem (Jahrgf. 1850. S. 908 ff.) bei
iem Erscheinen des ersten Theiles dieser Ueberaetinng geschehen ist; das
dstt bereits ansgesprochene Urtheil mag auch von diesem Theile gelten, das
Geaxe aber Allen denen empfohlen werden, die den Vater der hellenischen
Poesie anch in einem seiner würdigen deutschen Gewände nAher kennen ler^
aea and Yon der Einfachheit nnd Natttriichkeit dieses ältesten Epos der helle-
Bschen Welt einen angemessenen Begriff gewinnen wollen: dass beides aber
weder durch gereimte Jamben noch durch griechisch-deutsche Verse, die an
ihreai VersCAndniss uns oh nöthigen, anf das griechische Original surttcksn-
lehea, erreicht werden kann, dass weder allan freie Behandlung des Textes
loch allan wortgetreue Uebertragung au diesem Ziele fahren kann, durfte
waU jetat ao aiemlich allgemein anerkannt sein ; der richtige Weg , der hier
eiataschlagen ist, wird eben nur derjenige sein, welchen der Verfasser dieser
Ueberaetanng audi wirklich eingeschlagen nnd in anerkennenswerther Weise
darcbgeftahit hat. Der frtther achon mitgetbeilten Probe mag ea erlaubt sein
aocb die folgenden anzureihen, und awar auYOrderst die nicht leichte Stelle
von der Verwundung des Hektor durch Ajas im vieraehnten Gesänge:
Aber den Fliehenden traf der gewaltige Held mit dem Feldstein,
TeltBons Sohn; (viel Steine, die hurtigen Schiffe zu'sttttaen,
Lsffen gerolH zo den Fassen der Kttmpfenden;) diesen erhebend,
Traf er die Brust an dem Rande des Schild's in der Nlihe des Halses,
Dese er, getroffen vom Wurf, rundum wie ein Kreisel sich drehte.
Wie Yon dem schmetternden Schlage des Zeus ein entwnrselter Eiehbaum
SOrzt in den Staub, und vom Stamme die furchtbaren Dttnste des Schwefels
Qualmen empor, dass Alle betSnbt steh'n, die in der Nlihe
WeüeBd ea aeh'n; denn die Blitze des machtigen Zeus sind grannvoll:
&• sank jahlinga zur Erd' in den Staub der gewaltige Hektor.
Aber die Hand Hess sinken den Speer; ihm folgte der Schild nach.
Folgte der Helm: rings klirrte die Wehr, buntscbimmernd von Erze.
Sie nun stürmten heran mit jubelndem Ruf, die Achfler,
Höften hinweg ihn zu zieh'n, und schleuderten Lanzen in Menge.
l^och aie vermochten ihn weder mit Stoss noch Wurf au verwunden,
Weil um den Hirten der Volker zuvor sich stellten die Besten,
Glankos, der treffliche Held, mit dem LykierfUrsten Sarpedon,
Held Agenor, der edle, Polydamas auch und Aeneias.
Aneh yon den Anderen Keiner versllumt' ihn; Alle sie hielten
Ibai die gerundeten Schilde zur Abwehr vor. Die Genossen
Kabaien ihn auf, und trugen vom Kampf ihn hinweg zu den Rossen,
l>ie, sein schnelles Gespann, im Racken der Schlacht und des Kampfes
Staaden, vom Lenker gehemmt an dem kunstreichprangenden Wagen;
Slidtwtrta trugen ihn dieae, den schweraafstohnenden Hektor,
310 StiDmlMf TOB 17el»eni6lcii^f6A u. 0. w.
Alf Bit darauf sn der Fnrdi an den iebtfnliiawogeBden Xaathe«
KameDy den wirbelnden Strom, den Zeus der ansterbliche zeuirte;
Hoben sie sanft ihn vom Wagen zur Erd' und sprengten das Wasser
lieber ihn her; bald athmef er auf und blickte cum Himmel,
Kanerte dann in die Kniee und spie rotfasehtunendea Bkrt aus.
Doch baUt sank er cur Erde inrttek, und die Augen ninhont' ihm
Finstere Nacht; noeh Iflhmte der Steinwurf ihm die Besinnung.
Oder im sechsiehnten Gesang, die Stelle you dem Kampfe des PatroUai
und Hektor V. 818 ff.:
Kaum sah Priamos' Sohn, wie der rontbige Kampfer Patroklos,
Ah ihn <fie spitzige Lanze verwundete, wieder aurflekwich,
Schriet er auf ihn in den Reihen heran und bohrte den Warfspeer
Ihm in die untersten Weichen; die mordende Spitze durchdrang ihn;
Tosend stürzte der Held : tief trauerten da die Achller.
Sowie den zornigen Eber ein Leu im Kampfe bewftltigt.
Wenn sie mit trotzigem Math auf hohem Gebirg sich bekimpfen
Am schwaehrinnenden Borne, wohin sie beide der Durst trieb;
Doch wie mttchtig er schnaubt, der gewaltige Lowe bezwingt ihn:
So nahm Priamos Sohn des Menötios tapferem Sohne,
Der so Viele gemordet, mit stürmender Lanze das Leben.
Hektor jubelte laut und sprach die geflügelten Worte:
Unsere Stadt, 0 Patroklos, gedachtest du wohl zu Terwaaten,
Hofflest den troischen Frauen der Freiheit Tage zu rauben,
Und sie hinweg in den Schiffen zum Heimatlande zu führen!
ThOrichter! Sie zu beschirmen im Kampf, sind noch in gestrecktem
Laufe die Rosse des Hektor; Ich selbst, kampflustiger Troer
HeerfUrst, schwinge die Lanze Toran, und wehre der Knechtschaft
Schrecklichen Tag: du moderst, ein Mahl für die Geier, im Staub hier!
Elender, ha! Nichts half dir, so tapfer er ist, der Pelide,
Der wohl, als du von ihm wegzogst, dich dringend ermahnte:
„Kehre mir ja nicht eher zurück zu den rftumigen Schiffen,
Reisiger Kllmpfer Patroklos, bevor du den blutigen Panzer
Rings um die Brost ihm zerrissen, dem männervertilgenden Hektor!*^
mit der wir die entsprechende Stelle des zwei und zwanzigsten Gesanges
Vers 306 ff. vom Kampfe de§ Hektor und Achilles noch verbinden:
So rief Priamos' Sohn und zog die geschliffene Klinge,
Die ihm neben der Hüfte herabbing, gross und gediegen.
Bog sich zusammen und stürmte heran, wie der Adler der Lüfte,
Der durch finstere Wolken herab in die Eb'ne sich stürzend.
Gierig den zitternden Hasen hinweg hascht oder ein Milchlamm :
So schoss Hektor heran und schwang die geschliffene Klinge.
Dort auch kam der Pelide gestürmt: von grimmigem Muthe
Schwoll ihm daa Herz; vorn deckte die Brust des gewaltigen Schildes
Kunstreich prangender Schmuck, und der Helm, vierkupplig und glanzvoll,
Nickte vom Haupt; rings wogten die goldenen Hfthnen hernieder,
Welche Hephttstos reichlich gesenkt in den Bügel des Helmes.
Hell wie der Stern hinwandelt zur Nachtzeit unter den Sternen,
Hesperos, welcher, das schönste Gestirn, am Himmel heraufsteigt:
Also strahlte der Speer, der geschliffene, den in der Rechten
Schwann der Pelid, Unheil dem erhabenen Hektor ersinnend,
Sptthend am stattlichen Leib, wo die sicherste Blosse sich fünde.
Rings umschloss ihm die Glieder das Erz der gepriesenen Rüstung,
Die er geraubt, nachdem er enchlog den beherzten Patroklos;
SünnloBf Ton üobefiMnuffen n. s. W. Sli
K« m Sehnlleni iiad IbJj an den SchhiMbein obcün lick schttden,
Zdfte die Kehlo sich bloM, die genihrlich«te Stelle des Lebens;
Dort darchfllach ihn der Speer des Achilleus, als er hertndraiig,
Disf ihm die SpHie gerade den blähenden Necken hindnrehfnhr.
Bech niefai voUiff Mnehnitt der gedieiron« Speet ihn die Cuq^
DiM er i» Wechselfesprioha nul ihm noch mochte verkehren.
Haktor sank in den SUuh; da rief frohlockend Achilleus n. s. w.
nd ans demselben Gesang Vers 477 ff. die Klage der Andromache, naehdem
ne Hektor's Tod vernommen:
Ikktor, o vreh mir Armen f Wir swei denn kamen lu gfeiehem
JesmMSfcackick in die Well, dn kier ha des PriaaMS Ibnae,
Ich an dorn Hange des Plakoa, des waldnmkrftnxUa» in ThebA,
Dort in Eelions Burg; der nflhrte mich auf in der Kindheit,
Selbst unselig, anm Jammer: o vrilr' ich ihm nimmer geboren!
Jetst in des ATdes Haus, in die finsteren Tiefen der Erde,
Gehst da hinab, nnd Ussest in tranrigem JamoMr als WiHwo
lieh im Palaste snrOck mit dem gans anmUndigen Sahnlein,
Dem wir das Leben gegeben, wir Elenden! Nimmer, o Hektor,
Wirst du dem Armen ein Schutz, noch er dir, nun du dahin gingst!
Denn aneh wenn er entrönne dem traurigen Krieg der Aohier,
Karrt doch ewige Noth und Drangsal seiner in Zukunft;
Denn bald werden ihm Fremde die Mark an den Feldern verkitnen.
Alle Gespielen entfernt der verwaisende Tag von dem Kinde;
Allxeit senkt es anr Erde den Blick, mit ThrSnen im Antlits.
Und dann wandelt es darbend umher an den Freunden des Täters,
Fassl an dem Rocke den Einen und faaal am Manlel den Andern;
Einer erbarmt sieh vielleicht, und reicht ihm ein wenig den Becher,
Dass er dem Kinde die Lippen, und nicht ihm den Gaumen befeuchtet.
Oft auch stOsst es vom Mahle der Sohn noch blühender Eltern,
Der mit den Fllusten es schtigt und mit hohnenden Worten es anlisst:
nlebe dick weg; dein Vater ist hier nicht unter den Gasten!"
Von der Uebersetsnng des Strabo kann nur das wiederkolt werden,
was hei der Anaeige des ersten Btndehen ttber die ungemeine Sorglhlt und
iScnanigkeit bemerkt worden, durch welche diesea Unternehmen sieh rühm-
liehat anaaeichnet. Bei den grossen kritischen Schwierigkeiten, welchen die
Gastaltnng des Textes dieses Schriftstellers nnterliegt» treten dem Uebersetier,
der sein Werk mit aller Gewissenhaftigkeit nnd Treue fortfikhren wiK, Hemm-
nisse jeder Art auf jedem Schritte entgegen, nnd wenn nach manche deraelben
doick die kritische Forschung der neueren Zeit gehoben oder beseitigt wor-
den sind, so bleiben doch gar manche flbrig, in welchen der Uebersetier,
wenn er einen Sinn in die Stelle bringen soll, lu irgend einer möglichst leich-
ten und ansprechenden Aenderung oder selbst firgSnanng des Textes «ich ge-
BOthigt sieht. Oieas hat daher auch unser Verfasser stets gethan lad damit
seinem Werke, in welchem von den Leistungen der neuesten Heransgeber
üheraU Gehranch gemacht worden» einen gewissemasaen selhttständigen Werth
auch in den Angen derjenigen verliehen, welche nieht bloas den ernten Geo-
graphen der alten Welt im dentschen Gewände nllher kennen lernen wollen,
sondern auch durch gelehrte Forschungen auf diesen Schriftsteller aurttck-
gefikhrt sind. Ueber das Alles geben die dem Texte nntergesetatoB Noten Re-
dmudiafl^ die ebonso anofa die ntfthigeii Anhattspirnkte ftUr die neiere Gco«
312 Samnüanir tob Ueberfetswif en u. f. w.
mraphle n. dgl. darcbwegr bieten; selbst die Seiteoiabten der CaMiiboii*scbea
Ausgabe (weil nach dieser i^ewöhulich citirt wird) siod am Rande angemerkt.
Die Uebersetzung selbst liest sich gut, sie ist in einem einfachen Tone ge-
halten und sogar fliessend geschrieben. Kurs, wir können uns freuen, die
schwierige Aufgabe hier in einer so befriedigenden Weise getOst zu sehen
und fagen als Probe noch eine kleine Stelle aus dem vierten, mit der Be-
schreibung Gallien's angefüllten Buche bei, welche von den Barden und
Druiden handelt:
Bei Allen ohne Ausnahme aber finden sieh drei Klassen vorzüglich ge-
ehrter Mttnner, die Barden, die Wahrsager und die Druiden. Die Barden sind
Hymnensänger und Dichter, die Wahrsager Opferpriester und Naturknodige,
die Druiden aber beschäftigen sich ausser mit der Naturkunde auch mit der
Moralphilosophie. Sie werden fQr die gerechtesten Männer gehalten und des-
halb vertraut man ihnen sowohl die besondem als allgemeinen Rechtshändei
an, so dass sie früher selbst Kriege beilegten und Heere, die im Begriff wa-
ren einander feindlich entgegen zu treten, besänftigten; auch über die Blut-
schulden zu richten, war vorzüglich ihnen übertragen; und wo sie in Menge
sich fänden, da glaubte man, gebe es auch Früchte des Landes in Menge.
Sowohl diese als die Andern lehren, die Seelen und die Welt seien unver-
gänglich, einst aber würden Feuer und Wasser die Oberhand gewinnen.
Endlieh haben wir noch der Bearbeitung der Kaiserbiographien dos S a e-
tonius zu gedenken, von welchen die eine Hälfte mit den Biographien df»
Cäsar, Augustus, Tiberius und dem Anfang des Caligula in diesem ersten
Bändchen vorliegt, dem noch ein zweites mit dem Reste der Biographien
folgen soll. Dieselbe ist eingeleitet durch eine Darstellung der ganzen Per-
sttnlichkeit des Suetonius, so wie seiper Leistungen auf dem Gebiete der Li-
teratur, welche hier einer eben so gerechten als treffenden und anziehenden
Würdigung unterstellt sind. Ein Hauptmoment dabei bildet allerdings die Stel-
lung des Suetonius am kaiserlichen Hofe, an dem er unter Hadrian die SteUe
eines Kabinetssecretärs (Magister Epistolarum) bekleidete, und sonach in der
Lage war, den Stoff und das Material seiner Kaiser -Biographien susammen-
xnbringen, während die übrigen dem Suetonius beigelegten Schriften in ihm
uns mehr einen gelehrten Grammatiker und antiquarischen Forscher erkennen
lassen, dessen Schriften das gemeinsame Gepräge des sich für Alles interessi-
renden Grammatikers, des Sammlers von Merkwürdigkeiten, des Antiquar*«
und Polyhistor's, der minutiöse Specialuntersuchungen über alles Mögliche nm
ihrer selbst willen liebt, an sich tragen. Daher wir auch in den noch erhalte-
nen Kaiser-Biographien keine eigentlichen historischen Kunstwerke vor nns
haben, sondern vielmehr eine Sammlung von Colleetaneen , Anekdoten nnd
dergleichen, die hier, ohne ein bestimmtes, tiefer gehendes Princip, zusammen-
gestellt, und weder nach dem Inhalt ungeachtet der Vit. August. 9 gegebenen
Versicherung, noch nach der Zeitfolge an einander gereiht sind, auch gar
keinen weiteren Anspruch machen, als den eine Uebersicht des Hof und Pri-
vatlehens der Kaiser, wie es aus solchen Einzelnheiten zu gewinnen stekt,
nnd fttr die Zeitgenossen interessant war, zu geben; wie wohl der tiefere
psychologische Blick und die moralische Würdigung bei allen diesen Einsei-
heiten, die uns liier vorgeführt werden^ vermisst wird. Wenn wir also dieie
Heüeiibery: Mlaenlo^lieB NoUmh. 313
bohereo Anfprttebe «nch bei Seite lefen rottssen, to werden wir damai nicbt
■Mer den bistoriscben Werth verkennen wollen, den diefe Dantellungen
far ans Qberbanpl besitsen.
Die Ueberaetsnnf snebt den Cbarakler des Originals in trener nnd fliessen-
der Naebbiidonf wiedersnfeben , sie kann als eine wokl|peIunf ene nnd dabei
fBlrene beieichnet werden: erklärende Anmerkungen, welebe bei einem Autnr
dieses Inbalts nickt wobl entbehrt werden können, wenn es sich um das ganse
■nd volle Verstindniss handelt, sind in Noten nnter dem Text beigefügt, aneh
hier nnd dort mit weiteren Naehweisnngen begleitet. Clur« MUur»
Mineralogische iVolisen. Von Friedrick Hettenherg, 8. 3i. Tn-
fel V—VIL (Aus den Schriften der SenkenUrgischen Gesellschaft in Frankfurt.)
Der Verfasser, welcher im Gebiet der Krystallographie schon Ausgeseich-
netes geleistet, gibt uns in vorliegendem Anfsats eine Reihe wichtiger und
mteressanter H ittheiinngen. Wir erwilhnen sun Hebst die Untersachnngen, welche
Herr Hessenberg an einer Anzahl Oiigoklas-Krystallen von Arendal anstellte,
an für deren Form seibststiindige, sichere MassTerhlltnisse so gewinnen. Der
OKgoklas seigt keine specifisck eigenthUmliche FlAcben, sondern nur die sra
Albit und Periklin auftretenden, wie er denn Überhaupt in seinem gansen Ha-
bitus iwischen diesen beiden Mineralien schwankt Auch die Zwillingsbil-
dung ist sowohl die des Albit (Znsammensetzung parallel der brachy diagona-
len EndilAcbe mit vielfacher Reifung auf der Basis) als anch die beim Peri-
kUa gewöhnliche, parallel der basischen Fläche. Die Beschaffenheit der meist
gewölbten, gereiften, zerfressenen Flllchen liest keine genauen Messungen zu ;
die besten kommen indess den Maassen des Albit sehr nahe. Hieraus und aus
dem seifenartigen , stets trttben Ansehen des Minerals schliesst der Verfasser,
dass der Oligoklas gar keine ihm eigenthttmliche Krystall-Gestalt besitse, son-
dern lediglich ein verllnderter Albit oder Periklin sei, deren Form er mehr
oder weniger gut erhalten darstellt. Diese Ansicht wird — vergleicht man
die bekannten Analysen von Oligoklas und Albit — von chemischer Seite
mterstatzt; ihre schwankenden Resultate deuten auf die VerAnderlichkeit
beider Sobstansen hin. Nicht allein von krystallographischem , sondern auch
von geologischem Interesse ist die Angabe Ober das Vorkommen von Albit in
Kalkstein. Der Verf. beobachtete solches selbst am Col du Bonhomme am
Ibntblanc, der wie bekannt 7520 Fuss über dem Heere liegt, und dessen
ganae Umgebung keine primitiven Gebilde, sondern Kalke und andere Fels-
maasen aufzuweisen hat, die Studer zu seinen „grauen Schiefem^ rechnet
Hier finden sich in Kalkstein — wie in einem Porphyr-Teig eingewachsen -—
zahlreiche zierliche und frische Albit-Krystalle, nach den verschiedensten Ricb-
tnagen, so dass der Hanptbruch des Gesteins theils die brachydiagonale , theils
die baaisehe Endfläche entbltfsst hat Die Krystalle zeigen Feldspatb-HArte,
Schmelzbarkeit und die wohlbekannten, fUr die Zwillings-Bildung des Albit
so characteristischen ein- und ansspringenden Kanten. Der Habitus der klei-
noi Krystalle ist tafelartig und gestreckt nach dem Brachypinakoid und nach
der Hanptaze sehr verharzt Der Kalkstein erscheint schieferig mit wenig
314 Retfrauberf : Mineralogifche Nottsenu
splitlerigem Brach, ab«r so voRkommen dichr, dass mao felbtt «rter der Lonpe
niehlf Kryatallinitches wabrnimmt, und dais das Gestein deaihalb bei aeiner
blasif^elben Farbe dem Solenbofer Htbograpbiscben Schiefer flhatfeh sieht»
Hferan reibt sich die Kitlbeilonf über eine merkwürdige firscbeiaung an
einem Bergkrystall. Er ist von Bsrena — so bericfaCet unser Veifasaep -^
wo ich ihn mit aehdnen Feldspathen und anderen Sachen von einen der mbt-
reiehen Arbeiter wm dem ffroasen Steinbnioh erworbea, Le«te» deren ab^
schreckend finstere Kitten oft die interessantesten minoralogisehea Vorfconun-
nisse diesea berühmten, paradiesisch foleifenen Fundortes berf en» Unaer uf-
sprttnglich im Granit aufgewachsener, nun abgebrochener Krystall ist 5 Hill,
dick, innerlich wasserhell, aussen aber stellenweise mit sehr feinen, frischen,
grünen Epidot- und schneewcissen Desmin-Nädelchen besetzt. Das Interes-
santeste ist jedoch die Beschaffenheit der einen Seite der Pyramide. Hier
aeigt der Krystall ein parasitisches Haufwerk vollkommen wasserheller Hyalith-
Tropfen, einige mit fast vollendeter Kugel- Gestalt, andere nierenfOrniig aich
drängend, mit breiter Basis dem KOrper des Quarz-Krystalls aufsitzend. Uoter
der Loupe sieht man deutlich, wie diese glasähnlichen Körper keineanrega
etwa mit scharf eingeschnittenen Rindern , als von Aussen her angeaiedetee
Fremdlinge am Bergkrystall abschneiden; man sieht sie im Gegentheil in ihn
verlaufen, gleichsam schwimmen im Quarz, des Letzteren Antheil sich an den
HyaHth-Kügelcben erheben, wie eine einem eingetauchten Körper adharirende
Flüssigkeit. Zum Beweise, dass der Quarz-Krystall selbst die Substana zu 4en
KttgeTchen hergeKeben, setzt sieh dieses allnählige Verlaufen nach der Mitte
der Flachen so fori, dass diese ein wenig concav erscheinen. Alle Kantoai
dagegen haben sich scharf und gerade erbalten. Wie soll — so fahrt der
Verf. fort — man sich nun dieses seltsame Vorkommen erkJären? Ist dieser
Zustand ein Brzeugniss des ersten Bildungs- Actes oder haben spatere Kin*
flOsse den fertigen Krystall so alterirt? Aber woher und durch welches Agrens
ein solcher Angriff auf eine Substanz, onschnelzbar im gewöhnlichen Smme
und unveränderlich in der Kalte gegen die stärksten chemischen Agenlien —
ausgenommen die Flusssäure! Leitet der Ideengang hier von selbst auf di^ae
letztere, und sieht man sich nach einer etwaigen Quelle für ihre Erzeagi^»^
am, so findet man allerdings im Granite von Baveno ziemlich häufig Plaea«-
spath und mag dann, in Ermangelung einer besseren Erklärung unseren PkH*
nomens einstweilen Act von dieser Thatsache nehmen und an eine mügUohe
Entbindung von Flusssäure ans diesem Mineral durch Schwefeltaure denkon«
Der übrige Theil von Hessenberg's werthvoller Schrift enthalt kryslallo*
graphische Beobachtungen (von trefflichen Abbildungen begleitet) über mwei—
azigen Glimmer vom Vesuv, Realgar aus dem Binnenthal und von Beresoifrsk,
über Diopsid vom Vesuv und von Mossa; der Verf. hat sich endlich beeo«—
ders mit zwei Mineralien beschäftigt, deren kryslallographische Verhalf^a^e
zu den fchwierigeren gehören, nämlich Epidot und Titanit
Ueader filr dem Beff- tind HttttemMnn. 9l5
K^ieader für dm Btrf- und Hüttenmann auf das Jahr 1857. JaMtuk der For$-
jdbrüte «m GMtie de$ gtsammien Berg^ nnd Hüttmmum». Vadamtemn und
fradUek^ Bül/i- tmd NotiatmA für Ber^- und UüHmieute und dUy wM^
es wtrden woüen, für Bergittrhbuitier, Freunde de$ Berittene und Tech^
Nflbr m ABgemeinen. Fl. Jahrgang. Leifüg^ Veflag von Om Spamer,
1957. 8. 196.
Kt jedem MripiBf siad die bedeetenden Fdriicbritte in Verbewenmf
md TeiTollflCiadiftmig i« vorli«ireBdeB lalender sieht ni Tefkennen. Be-
foederf reicbbelti^ leifft tiek dem Jahrbedi der ErfahraBfon uod Forlicfariile
OD Gebiete de* Berf- nd Hattenweiee«. Hier werden eine Menge gnter und
•fl febr seltener Quellen mit Tielev Sacbkenntnim benaut; alle Verbeaaeraa^
gen an r fedrinftem Ranne mOflicbat genau betebrieben. Namentlich ntsiea
wir anf die Bemerkongen Aber die wichtigsten Gegenstände ans dem Bereiebe
des Berg- und Hmtenwesens, welche auf der grossartigen Pariser Weitaus^
Stellung vorbanden waren, aufmerksam machen.
In gleicher Vollstündigkeit wie in den frflheren Jahrgingen ist eine lieber-
rieht der Literatur des Berg- und ÜQttenwesens von der Mitte 1855 bis Mitte
1856 gegeben. I>er Anhang endlieb enthllt eine Aufsiblung der Bergwerks^
bebflrden in verschiedenen deutschen Lllndem so wie Mittheilungen Über die
Bergwerks-Prodttction in Oesterreicb, in Preussen und in Grossbritannien. Es
Airfle vielleicht für manchen unserer Leser von Interesse sein, Einiges tber
die grossartige Production in letiterem Staate zu hOren, in welchem die Mi-
■eral-lMhistrie auf so hoher Stufe steht. Brennmaterial, dies unentbebriiebe
Agens bei Behandlung der Ene, dies mSchtige Element sur Erzeugung der
Triebkrafl ist sehr verbreüet in verschiedenen Gegenden des britischen Insel-
reiekea; in England, Schottland und Irland seigt sich die Steinkohlen-Forma-
tion entwickelt und ihr Werth wird noch erhobt dureh die hauig in Ihrem
Gebiete TOfkoromenden Eisenerae, se dass mehrere dieser Kohlenbecken gleieli-
sam die Central-Punkte grosser Huttendistricte bilden, in denen sahlreidie
Werke Eisen aller Art au so wohlfeilen Preisen prodnciren, wie es sonst in
beinern anderen Lande der Erde möglich ist. Dabei sind die Transportmittel
fo ausgedehnt und niginglich, wie sonst nirgend. Von der betricbtlieben
Zanabme der Production eriangt man einen Begriff, wenn man die in den
Uren 1841 und 1854 beschäftigte Arbeiter-Zahl betrachtet; sie belief sieh
nimlick beim Steinkohlen- Bergbau im Jahr 1841 auf 118,233 und 1854 auf
219,995; beim Eisenstein-Bergbau im Jahr 1841 auf 10,949 und 1854 anf
2i,100, so dass die Zunahme von einem Jahre zum anderen beim Kohlen-
Bergbau 94, beim Eisenstein-Bergbau 139 Procent betrftgt. Die gesammte
Steinkoblen-Prodaction im Jahr 1854 war: 64,661,401 Tonnen (zu 20 engl.s=
19,75 preuas. Centner). Im Jahr 1855 wurden 9,953,741 Tonnen Eisenerz ge-
wonnen, welche in England 311, in Wales 156 und in Schottland 122 Hoh-
ifen verschmolzen, woraus 3,218,154 Tonnen Koheisen erzeugt wurden, die
etaen Gesammt-Werth von 13,510,266 Pf. Sterl. haben.
816 Naamanii t Elemente der theoretifeheii Kryftallofnphie.
Elemente der theoretischen Kryslallofjraphie von Dr. Carl Fritd-^
rieh Naumann^ Profestor an der UninertUät Leipüg, Mit 86 Boluduni^
fefi. Leipiig, Verlag wm Wilhelm Engelmann, 1856, S. 383.
VorliegeDdei Werk reiht sich unmittelhar an die, io aweiter Auflage im
Jahr 1854 ersehienenen ,,ADfang8grttnde der KrystailogT'apbie** Naumano's; beide
Bttcher sollen sich gegenfeitig ergfinien nnd den Schiller gleichaam dnrch
Ewei Abtbeilttof^en seiner Studien geleiten. Eine aUfemeine Bekanntschaft
mit den Krystallformen wird natttriich voransgesetit. Das Gänse aerffiltl in
Ewei Hauptabschnitte; im ersten sind die wichtigsten Lehren der analytisohea
Geometrie rorgetragen, um eine genttgende Grundlage fttr die weiteren Pro-
bleme, fbr ein tieferes Verstindniss der Krystallformen an bieten. Daa ente
Kapitel enthalt die analytische Planimetrie, das sweite die analytische Stereo-
metrie, das dritte die allgemeine Zonenlehre, im rierten und fflnflen werden
die Transformation der Axen und die Theorie der Zwillings-Krystalle bespro-
chen. Der zweite Theil umfasst den eigentlichen Gegenstand, die theoretiselie
Krystallograpbie. Vieles ist mit grosser Klarheit nnd saehgemlsser Ansführ-
lichkeit abgehandelt, was der Verfasser in seinen trefflichen AnfangsgraDden
der Krystallograpbie nur kurz berühren konnte oder ganz unberttoksichtigt
lassen rousste; dies gilt vorzugsweise von jenen Capiteln, welche sich mit
den Lehren der Hemiedrie und Tetartoedrie befassen. Hier halt es Eiunal
dem Anfänger oft schwer, sich surecht zu finden, ein Uinderniss, das der Verf.
durch die in den Text eingedruckten Holzschnitte, welche das Verstindnias
ungemein erleichtern zu beseitigen gesucht hat; wir verweisen besonders auf
das S. 199^-221 über trapesoedrische, rhomboedrische, pyramidale und trigo-
notype Hemiedrie, über rhomboedrische, trigonotype oder trapezoedrische Te-
tartoedrie Gesagte. — Bei der hohen Bedeutung einer methodischen Benen-
Bnng der verschiedenen Arten von Formen hat auch die Nomenklatur der
Krystalle in vorliegendem Werke eine Erweiterung erfahren, was namentlich
bei den einaxigen Systemen zu billigen, da gerade hier die namentliche Be-
zeichnung der Formen vernachlässigt war. Dabei hat sich aber der Verfnaser
bemüht, Nomenklatur und Bezeichnung in Einklang zu bringen, sie so zu bU-
den, daas sie in jede Sprache Eingang finden.
Die grossen VorzQge der Naumann'schen Methode haben sich lingat er-
probt. Mit Recht bemerkt H. Kopp — welcher in seiner „Einleitung in die
Krystallograpbie*' sieh Naumann's Bezeichnungsweise angeschlossen und nieht
wenig dazu beigetragen hat, auch in weiteren Kreisen das Interesse für Kry^
stallographie zu erregen — dass die Handhabung der Naumann'schen Formeln
gerade zu ein treffliches Hulfsmittel für den Unterricht des Anfangers ist, in-
dem diese Formeln kurz genug sind um als wirkliches Zeichen Anerkennung
zu finden, nnd doch der Anblick und Gebrauch jeder Formel eine bestimmte
Vorstellung ttber die Lage der damit bezeichneten Flachen hervorruft oder
voraussetzt. — Nicht allein in Deutschland, sondern auch in England und in
Nordamerika ~ hier durch Dana, dort durch James Nicol -* hat Naumann's
Methode sich zahlreiche Anhanger erworben.
ThMMf s Venekknifa der nenen Glai^KryftaU-Modelle. 317
ferteiehnia der neuen GlnB-'Kryiiüll^Modellet wdeke iMidk den
Auffeten de$ Wredore der hietigen lUtfl-Sdbfle, Dr, Schnnhel und dee
OttriekrerB Kyeatm tmgeferUgi werden, von F, Thomne in Siegen^ königi.
fraat, Avvtiu Wetipkakn, — Siegen, Druck der Vorländer^echen Buch*
drw^^ereL 1857.
Seit der bertthmte BefrQnder der Kryttailofrapliie im Jahre 1784 durch
nia »eaiai d'one th^orie rar la stmctare des crittaox'' fttr dieaeo wichtigen
Zweif der Miaeralofie eine neue Riefatvnf einfchlof , hat man reriucht, das
Stadium jener WiaaenachafI durch Nachbildangen wirklicher Kryatalle, darch
Kryatall-Modelle an erleichtern nnd in ferdern. Ea wurden aolche — ao viel
■at bekannt — saent in Freiberf und Gttttingen aua Hols gefertigt, hatten
■ker eine filr den Unterricht beaonden nicht geeignete, geringe Groaae. Auch
die bedeutenderen Suiten von Modellen ^ ttber 600 — die von Beloeuf in
ia Paria verkauft wurden, waren von Hola. Später führte man solche aua
Tkon, Gypa, Porcellan-liaaae , aua Eiaen, hauptaftchlich aber aua Pappe aua.
Letitere verdienen unter dieaen allen den Vomg und iwar aua mannigfachen
Grinden. Der groaaeren Wohlfeilheit nicht au gedenken, laaaen aich aolefae
Bit muthematiacher Genauigkeit nach beatimmten Grundriaaen anfertigen , ja
gnade daa Entwerfen aolcber Grundriaae oder Kryatallnetxe iat ein nicht ge-
riagea Fordemnga^Mittel beim Studium der Kryatallographie. Dem ungeachtet
haben aie dennoch gewiaae Schattenaeiten , welche aie ttbrigena mit den Mo-
deUen aua Hols oder Gypa theilen: aie gewahren dem Anfilnger durchana kein
Bild von den ao inaaerat wichtigen Axen-Yerhaltniaaen nnd mancben anderen
Bncheinnngen. Dieaem Mangel helfen nun die neuen Glaa-Modelle vollkom-
Bwn ab, und ea hat aich Director Schnabel — dem die Wiaaenachaft achon
80 umneken acbMtabaren Beitrag verdankt — fUr den Unterricht in der Kry-
•taUographie weacntlicbe Verdienate erworben. Unterattttat von einem tttchti-
gm Mathematiker, Oberlehrer Kyaaeoa, hat derselbe eine Reihe von Modellen
entworfen, die in hohem Grade geeignet aind, alle Hindemiase an beaeitigen,
welche aich den Jttngem jener Wissenschaft von Anfang entgegenstellen.
Dteae trefflichen Modelle sind viererlei Art. Zunftchat die aua Glu ge-
fertigten VoUflftcbener oder Holoeder aeigen im Innern genau eingeapunnte
Fiden» welche die Axen repräaentiren, nnd somit auf aehr ainnreiche Weise,
Tetadiiedenbeit, Linge, Neigung der Axen anachaulich macheu. Wo die Azen
giatch — wie im regulären System — haben die eingeapannten Seiden-Faden
gleiche Farbe, verschiedene aber, wo — wie in den ttbrigen Systemen dies
nicht der Fall. Auch der Unteracbied awiacben Pyramiden erster und sweiter
Ordnung tritt durch die Faden acharff hervor. Femer sind bei diesen Holoe-
dern die Knuten mit feinen Leisten buntfarbigen Papiere eingefaast, die Far-
ben der Symmetrie der Kanten entaprechend, so dasa alao, wo Kanten von
versdiiedenem Werth vorbanden — wie a. B. bei dem Hexakisoktaeder —
deren Lage und VerUieilung, mithin ihre Bedeutung recht klar wird. Die
Grosse der Modelle wechselt zwischen fünf bis acht Zoll, ist demnach selbst
lar Demonstration vor einem grösseren Kreis geeignet.
Die zweite Abtheilung der Modelle, die Halb- und Viertelflächer (Hemie-
te wd I«tvtQoder) b«ir«hrm rieh gleichMli bedontend keim Vnlenricfate.
318 Sdiioeiiitinii OjBserlatiö de Apolline cuüCMle AihnuuniiiL
"Eb siod nämlkh die Flftchen der aiM feinem €»rloii gefertifteo Holoeder nril
den nof ihnen — durch abwechselndes Verschwinden und Wachsen der FIft-
dien — entstehenden glKsemen Hemiedern und Tetartoedem überißt, and
xwar so, dass die wachsenden Flüchen durch farbiges, die verschwindendeii
durch weisses Papier angedeutet sind. Die Gesetze der Hemiedrie (wie das
Tetraeder ans dem Octaeder sich bildet u. s. w.) werden anf diese Weise
ungemein anschaulich und fasslich.
Die dritte Art Ton Modellen umfasst die Combinati«nen ; sie aeigt uns
die Hodificationen, welche bei den Kryslallen an Ecken und Knnten eintreften.
Der aus Carton (oder Glas) bestehende, abgeänderte Krystnll ist nof den Com-
binations-^llchen mit Glas*Tafeln bedeckt, die erweiten sind bis snr Vervoll-
ständigung des abindemden Krystalls. (Das vorliegende Verseiehniss bielet
namentlich aus den vielen Combinationen des regulären Systemes eine reiche
und passende Auswahl)
JSndlich die Zwillings-Krystalle aus Glas enlhalten im Innern die Azen
und sind — wo dies ntftbig, wie bei den Hemitropieen , um das GeaeU der
Drehung um eine bestimmte Axe xu aeigen — xnm drehen eingerichtet. Die
Zahl der in dem Verseiehniss aufgeführten Modelle beträgt 143; ausserdem
werden aber für jede andere krystallisirte Substans und selbst fttr vecwiekellore
Combinationen Modelle gefertigt Der Preis ist bei der ausgeneichnelen, ma-
aterbaften Arbeit, die Hr. Thomas liefert, ein verfaältnissmässig geringer.
Bereits auf mehreren Hochschulen haben sich Lebver der Chemie und Mi-
neralogie dieser irelFlioben Modelle bedient und sich ron ihrer Brancbbavkeit
fibervengt; selbst jenseits des Oceans haben sie schon fiingang gefunden, denn
die aur grossen indastrie-Ausstellung nach Paris gesendeten Muster-Stücke
wurden vom Handels-Minister von Canada erkauft.
G, T, Schoemanni Dissertatio de Apolline custode Atkenarum. (Programm wm
Greifwalde 1856.) 35 S, in 4.
Man bat früher so viele Klagen über das unkritische Verfabren in der
Behandlung der Mythologie und dea religiösen Glaubens der alten -Hellenen
vorgebracht; J. H« Voss und Alle, die ihm seiner Zeit nachbeteten, »haben
diesen Vorwurf insbesondere gegen diejenigen erhoben, die in den alten My-
then und Symbolen Etwas mehr finden wollten, als blosse Gemeinheiten und
Priesterbetrug, und darum als solche beieichnet wurden, die das Spiel der
eigenen Phantasie in die Anschauung des Alterthums hineintragen. Dieter
Richtung entgegen ward die Kritik in die Behandlung der Mythen eingeffthrt:
sie hat es allerdings theilweise dahin gebracht, dass man vor lauter Kritik
ganz unkritisch geworden , und in Folge dessen , wenn man besUmnite
Resultate gewinnen oder doch, als Ergebniss dieser kritischen Forschung, nnf-
stellen will, in die reinste Wiilkttrlichkeit verfällt, die aller sicheren Grttnd-
läge (die man sich durch die Kritik hinweggenommen) entbehrt und in Ihrer
-NOobtemheit noch unter das Niveau jenes geistreichen Spieles der Phantasie
•hiBähiiukty dfts man den Gegnern vorwkfft, du aber neitt dooh mit einer
Diifeitatio de Apolliie cailoae AtWBanim. 319
M0m hjuebtmaag det Gamea Terkattpfi ttt. BiiMii Inwifen Belef daii
liefert die Toivlekeode AbhandloDg, die eiaeo tief in dea relifiAiei Glenbea
der ikea Alkeaer eiafieifendea «ad eelbtl mit dea SUeUleben veriinttpflen
fixggBitMd Mk snr Bekendloef feaeoMien hat. £• i*t bekuat, aod insbe-
leedere dvch eine Stelle PIhod's bewMirl, daft die Athener dea Apollo
iibgieMdeie ala «avpoo^ Terehitea, and daher dieaea Pridikat keiaeni andern
Gene ertbeOlen, weraaa die besiimarte Benehanf nnd Bedentnng dieaes Pri-
Iftalei auf den Tonniffweiae damit beehrten Gott hervorgeht; wenn man
Ha biiher ia dieaem Pridikale die natOrliehe Beaeicfanunf ^tB Vatera , dea
Abahaffn dei attiachea Volkea aeibal an erkennen nnd eben darin anch den
hee»dein Ciund aeiner Verehmng an finden flauble, ao wird, mit Uttlfe der
Mik dieaa beaeitift nnd der fieffriff dea «ax^og dahin verfittebtift, daaa ea
der Gott aein toll, deafen Verehmnf die Athener von ihren Vlltem ttberkom-
■ea; WMait alao, bei der Allyemeinheit dieaea Befriffe, der anf faatalle Göt-
ter, die in Athen rerehrt wurden, Anwendung finden dttrfte, gerade dasjenige,
vae dw Weaeatliche und Charakteriatiache dea Gettea nnd aeiner Verehrung
laemacht, wegftlk. Und während getade darin anch die Beaiehnng dea Gottea nnd
feines Cnllua auf daa ganae Volk der Athener nnd den Staat herrortritt, aoll
der Gute 4ieaea nat^og^ wie ttberhanpt aller mit dieaen Beinamen verehrten
iiottheiteii, bloaa ein Privateolt geweaen, den „eacria privatia, aive ea domea^
tiei fnerint aire gentilicia** allein angehören, nnd wenn von einer Verehrung
dareh ein Volk die Bede iat, ao aoll dieaa in anderm Sinne genommen werden:
qaia omltiun ejna nnlla non domua aut familia aat gena obaervabat, non tarnen
fablicia 9^d privatia tantum aacria. Nam publica ea demum dioenda aunt, quae
peblico avnptn finnt et ab omnibua aimnl celebrantor, qualia aaera »arp^ov
Apollfana non faiaae certum eat (?)": eine Auflaaaung, die achon Iftngat von
C flemman (GottaadienatL Alterthttmer $. 7. not 5) verworfen war, auch
kann eine VTiderlegung bedürfen wird«
üaebdem anf dieae Weiae die natürliche Grundlage hinweggenommen,
mf weleher allein die Foraehnng weitergeführt werden konnte, iat ea nicht
la verwundern, wenn der Verfaaaer aelbat nicht recht weiaa, wu er mit dem
Apollo ntniftßog anfangen, und wie er üin ala beaondem Gott anffaaaen aoll.
Bean die Verbindung, in wekhe dieaer Apollo mit Vulkan und Mineisva gebracht
iit, wird , da aie anf orientaliache , ftgyptiache Lehren aurttekgeht, aehon von
^enie weg verworfen, da ja die neuere Kritik Nicbta aagelegentlicherea an
ttsu hat, ab die durch gewichtige Zeugniaae der Alten bekräftigte Beaiehung
firieehenlaiida anf den Orient und die dieaem entatammendan Eiaflnaae an ver-
werfen, nnbekttmmert darum, daaa aie, die ver Allem auf poaitive Zeugniaae
der Alten aich atütaen will, mit dieaen in den atrengaten Wideiaproch aieh
aetit nnd ao ihr eigenea Princip verkehrt. Aber anch die andere Anaicht, die
dieaen Apollo anm Sohn dea Vulkan und der Minerva von Denjenigen machen
liiat, welche auf dieaem Wege den erat apäter in den atliachen Cult aufge-
BOBuienen Gott mit den älteren Göttern in Verbindung zu bringen auchten,
wird ungenügend befunden, und nach einer längeren Erörterung, die auch
aber den Pythiachen Apollo aich erstreckt, mit dieaem der Apollo nccT(ftßos
identtficirt, dieaer aber uraprttnglich in dem Erichthonina, dem man ja auch
Yolkwi und Hiaerva i« Eltern gegeben, gefunden» aomal da diesem Getto
320 Schoemanni Dissertatio de ApoHino ciutode AtheiMnim.
dieadbe Bedeulunfr und Kriift, wie dem Apollo zu Grande liefl^e, einer wie
der andere der Golt «ei, „qui caloris salabrt iemperatione terram fovet fecan-
datque (S. 34). Talis igiUir fait etiam antiquus ille Athenarum narffmog id-
eoqne Erichthonius dici nee diversui ab ApoUiae haberi poUiit (?).*' Uad
daran wird nun noch die weitere Folferang gekna|)rt, die den SchluM der
gancen Untersuchan^f bildet, und darum hier noch eine Stelle finden mag:
y,Sed postea quam Erichthonius ille propter vetustas quasdam fabulas, qua-
mm veram aententiam posteriores ignorarent, ettam veteribas Atticae regibos
adnumerari et mortalis haberi coeptus est, factum est, nt vera et n^enuina ejus
significatio prorsus in oblivionem abiret ex onoque duo fierent, alter mortalis
et antiquus res, coi nomen Erichthonii proprium baesit, aller immortalis, qaem
nt cnstodem Athenarum patriumque suum Apollinem Atbeniensea adorabaat'
(S. 34).
Einen Beweis für alle diese Annahmen und Behauptungen wird man frei-
lich nicht erwarten dürfen, eben weil jede Grundlage m diesen Behauptongea
fehlt. Bei einem solchen Verfahren wird man allerdings aus der Hytholofie
der Hellenen machen können, was man will und jedem Gott jede beliebige
Bedeutung geben können, insofern man an die positive Grundlage, d. h. aa
die vorliegenden Zeugnisse der Alten selbst sich nicht httlt, und sich so dea
sichern Boden entzieht, auf welchem man allein mit Erfolg fortschreiten nad
an Ergebnissen gelangen kann, die nicht von blosser WillkUhr eingegeb<*a
sind, gegen welche eine gesunde Kritik vor Allem in Anwendung zu brlagea
ist. Und diese wird gerade bei der Behandlung mythologischer Gegenstände
um so nothwendiger sein, damit jeder Willk&hr der Combination, so wie je-
dem Spiel der Phantasie vorgebeugt werde, und die Forschung selbst in der
richtigen Bahn erhalten werde. Allerdings ist diess der schwierige Weg, aber
auch der allein sichere. Noch manches Andere, was die Verehrung des Apollo
betrifft, wird man in dieser allerdings gelehrten, aber nicht gerade durch die
Klarheit der Darstellung ansprechenden Erörterung finden; eben so auch die
früher schon in einer andern Schrift (in dem Index zu den Vorlesungen des
Sommerhalbjahr 1856) niedergelegten Ansichten des Verfassers über die Jonier,
welche zu den Pelasgem gezfthlt und als die Ältesten Bewohner Attica's aa*
gesehen werden sollen, hier wieder finden, in so weit sie zum Zwecke der
Torltegenden Untersuchung dem Verfasser dienlieh erschienen. Im Allgemei-
nen schliesst sich der Verfasser, was die Bedeutung des Apollo in den helle-
nischen Cttlten betrifft, mit allem Grund an Dasjenige an, was Preller and
Gerhard darttber ermittelt haben ; die Anwendung freilich , die dann aal den
Apollo natffiSog gemacht wird, ist, wie wir oben gesehen haben, eine gsu
andere geworden.
k. IL BEIDELBERGJSR Wl.
JAHRBOGHIR dir LITERATUR.
DU QtBchichUqudlm des Bisthunu Münster. Drüier Bernd. Die
Mufuierischen Chroniken von Röehell^ Steuermann und Corfey.
Herausgegeben von Dr. Joh. Janssen, Prof. der Oesehiehie
m FrarJcfuH a. M. Münster 1855. 8.
Annalen des historischen Vereines für den Niederrhein, insbesondere
die alte Ergdioeese Köln, Herausgegeben von dem tnssenschaft"
liehen Ausschüsse des Vereins. Erster Jahrgang, Köln 1866,
zweiter, erstes Heft 1866. 8.
In dieaaD ÄSDaioD für den Niederrhein hat Janssen «ach seine
Foisefaongen fiber die Kölnischen Oeschiehtsqaellen niedergelegt
Daher habe ich beide oben abgegebenen Werlte unter dem gemein»
ichafdichen Titel sosammengelasst: «Joh. Janssen's historische Schrif-
ten Ober Münster nnd Köin-^" Die Münsterischen Chroniken bUden
den dritten Band eines Werltesi dessen erste TheUe, heransgegeben
Ton Ficker und ComelioSi anter dem Titel: „Die Münsterischen
Chroniken des Mittelalters^ und „Berichte der Aagenaengen über
des MÜDsterische Wiedertlaferreich'' , 1851 und 1863 erschienen.
Es reiht sich also an dieselben in chronologischer Ordnung der
Mfinsterischen Quellensammlung die Ausgabe obiger drei Chroniken
des 16. nnd 17. Jahrhunderts an.
Westphalen, im engeren Sinne als die jetsige preussische Pro-
fina, hat äusserUch keine bedeutende historische Rolle gespielt, was
seinen Mangel an historischen Aufseichnungen erklärt. Es seigt sich
in den schwachen Anilbigen einer Historiographie das westphllischa
Stillleben auch auf dem Gebiete des Geistes. Erhard gesteht diess
10 der Vorrede su seinen Regesta Historiae Westphallae ein, indem
er angibt, dass alles, was das Sächsische Volk überhaupt betrifft,
hereingezogen werden musste, um die Lücken der westph&lischen
Geschichte aussufüUen und die Bruchstücke derselben yerbinden su
Ukmen. Im Mittelalter hat daher auch Münster, das Gebiet des
BSsttinms und die nah' gelegenen Territorien keinen bedeutenden
Geschichtsschreiber oder Chronisten aufsuweisen, obschon man nach
der groesen 2«ahl, dem Reichthum und Alter der dortigen Stifte und
KUSster solche Quellenschriften erwarten sollte. Weder Tom Dom-
iUfte, noch dem Stift St. Mauritius oder dem Kloster Ueberwasser
in Münster sind Annalen vorhanden, die mit denen von Strassbarg,
Celmar oder St Gallen und Reichenau verglichen werden könnten.
Dem ungeachtet ist in neuerer Zeit ein reger Sinn lür Lokalge-
schiebte gerade in Münster bemerkbar geworden. Die frühere lokale
Geschichtsforschung wurde von dortigen Jesuiten, Minoriten nnd
WeltgetatUchen gepflegt, die wie gewohnlich die Träger der histori«
lAen Wiasenschaften im 17. und 18. Jahrhundert waioo* l>ie ältere
L Jahrg. 6. Beft. 81
313 Jansfen's historijobe SebcStcli ttlltr Soiiter und Köln.
Litemtor dei wealpliMliaehtD Oeediciite findet man auMBiaeBgesteUt
in dtf Voried« vMi Ediaid's Begetten und D. ?om Steiaea'a
Versuch einer westpbälischen Geschichte von 1748 — 74. Niesert,
Pfarrer zu Yelen gab 1823 j, Beiträge zu einem Münsterischen ürbun-
dcnbucha^ und 182i6 aekie drei BlKodfi Münaterisdie Urkuadenaanun-
iBBg heraiMU IM* Regesta Hiatoriae Waatphalfiae mit codex diplo-
matiett» tnoi^ Arcfatrar Dr* H. A. Erhard, zwei Bände 1847—51,
habe ich schon erwähnt» Von Saltbert Seibertz iat ein west-
phäliachea Urkaadenbuch in dr^ Bänden, femei eise I^aadea* aad
ReefatageacUehte dea Herzogthniaa Weatphalen , mit besonderes Be-
ziehung aof Dynaatan und Adel bebaont. Der Verfasser aagt in
der Vorrede dazu: i, Unsere Dynasten bieten wenig herrooragende
Persönlicblceiten.^ Von seinen „Quellen der westpbälischen 6e-
acMdite** ist bereite das erste Heft erschienen. Sehätzbaia Arbei-
ten eatbäit die „Zeilaehrift für Taterländiecbe (beschichte mid Aker-
tfaumeknikte*, herausgegeben von dem Verein für Oescbidite and
Altferthomakunde Westphalens durch dessen Direktoren COeiabarg
«d W. B. Griefera. Nene Folge 1—7. Band. Sehoa früh»
Mes» der weatjdiälfache AHerthnaisvereia eine „Mtinateriscke Zatt«>
achrill I8r rateriändische Oesohichte aad Ahertiiuinskaade^ erachei-
aen; Von C% Geisberg wurde in de» letztea Band 1866 eia rar-
trefflkiber Beitrag über: „den Handel Westphalens mit England ioL
MfCtelailer* gegeben, der andern Vereinen als Muster za empfeiileii
tat Ffeiligratb'a Baeh über Weetpbalea gehört mehr ia cBa
Literatur der Reisebeschreibungen. Bart hold und Tki ersah ha-
ben dorch Ifonogfa^eD sich um die Geschichte Weatpbalana ver-
dient gemacht.
leh kehre zum dritten Bande obiger öeachichtsqueUea zurfiak,
irelehef drei Ohrenisten über Bieeböfe von Münster im 16 — 18. Jahi»-
haadert enthält. Voran geht RöchelPa selbständige Chronik voa 1553
Mb H1<9, dann folgt Stevermann'» Chronik von 1612— 1650, den
Sd^Iusa bildea Corfey'a selbstfindige Jahrbücher ?on 1650—1718.
Der erste aad leete dieser Ctoonistea haben auch Zusätze za lÖta«
ren Annalea geaehrfeben , welche Jansaen ebenfaüa als Anhang an
den beCreftnden Chroaiken herauagab. lieber daa Leben und dia
Schriften dteaer Chronisten gibt die Vorrede Nachricht. Röchell aod
Stevermann waren Gtoistliehe, Oorkj ein Ingenieur-Offizier, der alah
aas Liebhabeid für GenealogieD, Wappen nnd Münzen eine Cfana*
nik zuaammenachrieb. Rdehdl, der bedeuteadate diesw BebriftataUee
wmr Domcaetor in Münater , rerräth aber durch sein Werk s^bat^
daas er ausser alier Beziehung mit den regierenden Häuptern daa
biach9flfchett Staate» lebte. Er hatte fast keiae Verbindungen, keioa
Correspondenz, die ihn von ferneren Orten her aber Variüle be*
Mbrt hätte, und kein Bewuastsein, waa in eine Gesehiohte gah5ra.
Was am ihn hervargfaig, schrieb er auf, mehr für sein Gedfiobtaiaa,
als um damit andere za belehren. Aber sein Gaschicbtswerh ist
ala Quelle denaocb- wichtig, wall er ffi» «e TOlkawIrthadiaftlioba
hifltoriKbe Sciritai Aber MüMot tnd K(Ail SIS
ncbageacUchtii«^ mi colterhiatoriiclie FoncboDf wIcbtigM Detail
^bt Er hat KeraBentroIck'B AofiMiiclNiuBgeii über ie& Wiedertte-
fermnlBUuid benüxt und Janssen kniipit dwan den Wnnscb, es möehfee
aneh Kerssenbroiek's Werk in die Sammlong Milnslerisoher Oe-
sehiditsqiieUeD anfgenommeii werden. Bei den YerhandkiBgen des
Kalbes mit Kerssenbroiek wegen seines OeseUehlswerkes 1574,
8. 59 ff. gibt Böchell eu Terstehen, dass er lugegeo war. Jene
Uaterdrtickung Ton Eersseabroick's Geschichte der WledertSnfer im
Münster hat grosse Aehnlicbkelt mit dem Benehmen dee Bathes an
Genf gegen das Oeschichtswerk ron Berenger. Röcbeü eralUilt die
Begelmbeiten in Münster nach der Regierung der eineeinen Biscböfe.
Dnter der Regierang Wilhekn Ketteler's 1553 — 1557, spricht er
S. 3 TOB der Reform der Stadtrerfassuog von 1554, wodurch aber
selbst mit den beigefügten Paraileistellen keine klare VorsteHang
¥0B dem, was die Zünfte wollten, erlangt wird. In Münster konn-
ten niaüeh die Zünfte nicht aufkommen wie in ^n anderen Städ»
ten, weil der Adel, die Geistlicblceit und die Raths^Gesohlechter an
miefatig waren. Doeh hatten sie aoeh einige Goocessionen am Ende
des 14. Jabrbnnderts erlangt, denn diese bat Bischof Frans 1583«—
1553 erneuert, woraaf sie sich beriefen. Diese Privilegien der ZMIe
wurden nach dem Bauernkrieg zu Gunsten der Geschlechter und
de« Landesberm eingeschränkt. Doch um die lütte jes 16. Jahr«*
boBilerts verlangte der Gewerbstand in Münster seine frühere Stel*
lang mit eigener Wabl der Vorstinde. — Der Rath halte gegenüber
dem Domcapitel eine freie Stellung. Die gegenseittgen Recbtie hol*
ten sieb In einigen Gompetenzcoeflikten festgestellt, so gibt Rdchell
den Streit zwischen dem Rathe nnd Domcapitel wegen Exemtion des
Qerns in Crimlnalsachen S. 6. Dieser war dadnrch veranlasst woi^
den, dass der Rath Geistliche wegen Verbrechen gerichtlich verfiolgie.
S. 13 ist eine wichtige Urkunde von 1558 eingefügt, weleb» diese
VofaAltnJsse regelt Darin ist festgesetzt, der Ratb der Stadt sötte
den Geistlichen der ein Verbrechen begangen, dessen Okigiceit an*
zeigen; folge darauf keine Strafe, so dürfe der Rath den betreffen*
den CleHker festnehmen lassen. Wie man diese Verordnung tUm^
seitig auslegte zeigt der Fall S. 18. Es werfen die dabei gegebe*
nen Details S. 6, 7 sowie die Kachricbten S. 8 über Bischof Frans
von Waldeck und S. 18 kehi günstigem Licht auf die MoraHtftt der
damaligen westphäliscben Geistlichkeit. Es waren die gMchen Uebel«-
stinde daher auch die gleichen Folgen wie aniderwärts vorhanden.
Vergleicht man aber die Zahl solcher Scandalgescbichten , wie sie
in äderen Jahrbüchern jener Z^t viel häufiger erzählt werden, so
möchte man (ast glauben Röchell und Corfey hätten manches derArt aln
sichtUeh übergangen. Sehr schätzbar sind R.'s Nachrichten S. 8 über
den damaligen Zustand der geistlichen Gerichte und ihre Reformen
nater Wilhelm Eetteler. In Givilsachen hatten die geistlichen Ge-
richte eine grosse Ausdehnung gewonnen, wobei die grössten Mis«
briache der kircUlchen Censaren entstanden. So wird der kleinere
334 J«DB0en's historische Schriftoii ttber Mttnster und Köln.
und grössere Bann für den Yerurtbeilteo und seine acht nKchsten
Nachbarn, das loterdilct u. s. w. verhängt. Wilhelm Ketteier schaffte
diesen Gang des Processes und die Abschreckungstheorie darch
Bann und Interdikt ab. Dieses Gericht fand nach S. 9 im Paradiese
des Doms d. h. in der Vorhalle desselben statt, wo auch die Prü-
fungen der Geistlichen öffentlich vorgenommen wurden. An anderen
Kathedralen wurde dieses Gericht an einer Seitenthüre gehalten, wie
in Wirzburg, Bamberg u. a. 0., gewöhnlich die rothe Tbüre ge-
nannt. Ich verweise auf die treffliche Zusammenstellung Böhmer'a:
^die rothe Thüre zu Frankfurt a. M.^ Archiv für Frankfurts Ge-
schichte und Kunst. 3. Heft. 1844. S. 11 4 ff. Eigenthfimlich ist
an dem Gerichtsportal des Bamberger Domes, gegen die königliche
Pfalz gerichtet, ein zum Tod verurtheilter Verbrecher mit dem Strick
um den Hals daran in Stein ausgehauen. — Auch enthält jene An-
gabe von Röchell eine Notiz über die Kosten eines Unheiles des
geistlichen Gerichtes, ein Beitrag zur praktischen Diplomatik, wie
hoch sich die Kosten für die Ausfertigung von Urkunden belief^,
über welche Fiscalität eine Zusammenstellung zu wünschen wäre.
Röchell sagt: „Wenn man sich vor einen solchen geistlichen Ge-
richte mit der Partei vertrug und sie bezahlte, musste der Schuldige
gleichwol noch von dem Siegeler sich absolviren lassen, das ein
grosses Geld kostete.^ Solche Uebelstände nöthigten zur Errichtung des
Hofgerichtes 1^69. Röchell lässt es ganz unbestimmt, warum Ketteier
als Bischof von Münster zurücktreten wollte und wirklich resignirt
hat £s zeigt sich hierin wieder, wie wenig Quellen und Documente
dem R. zu Gebote standen, der nur allgemein bemerkt, ^er war aller-
dings nicht durchaus catholicus.^ Ketteier lebte in einer Zeit, wo man
eine Trennung der bischöflichen und landesherrlichen Gewalt für nötbig
erachtet und ihre Durchführung hie und da wie in Köln versucht
hat. Interessant sind für die Rechte des Bischofs die Verhandlnn*
gen wegen des Geleites des Landesherrn in die Stadt S. 20* Unter
dem Bischof Bernhardt von Raesfelt gab es Streit wegen der Rit-
termässigkeit der Domherrn zwischen dem Capitel Münster und der
römischen Curie, welchen R. S. 24 erzählt. Dieser stellt sich dabei
auf die Seite des Domcapitels. Der Streit dauerte von 1575 — 96
und die Frage drehte sich darum, ob ein Patrizier also der städti-
sche Adel ein Dignitar des Domstiftes werden könne? Rom hatte
in Münster gerade eine Präbende zu vergeben und wählte dazu
einen Patrizier. Denn es war ein Streben der römischen Curie un-
adelige oder Patrizier in die Domcapitel zu bringen, seitdem vom
14. Jahrhundert an die Domstatuten so verändert wurden, dass man
nur Landadel zuliess, um dem Aufstreben der Zünfte entgegen zu
wirken. Doch sind noch im 15. Jahrhundert Bürgerliche im Capitel,
denn in den „Zusätzen Corfey's zu früheren Chroniken^ S. 320 gibt
Corfey zum Jahr 1465 an: es sei damals noch ein Domprobst
gewesen in Paderborn, der nicht vom Adel war, aber utrinsque
juris doctor. Der Streit erreichte dadurch sein Ende^ dass der be-
JanifM'i hislorbche Schriften Ober Mttnf ler nnd Kttfo. 325
trdTeode Patriiier Tenlumte seine Bitte am Verleihang der PriKbende
Jb Rom sa erneaera. Der Bischof Johann von der Hola gibt einen Be-
i^, wie nacfatheilig die Vereinigung mehrerer Bistümer in einer Per-
ion des regierenden Fürsten wurde. Er war Bischof au Münster,
Ossnabrück und Administrator zu Paderborn. Unter ihm ward das
Hofgericbt in Münster 1569 errichtet, es sollte diesem unterworfen
fein der ganse Staat Münster, aber die Städte sollten Ihre j, Gerech*
tigkeit* behalten wie Emsland und Borkelo. Dieses Hof- oder Land-
gericht bestand aus 6 Procuratoren, 2 Assessoren, 3 Notaren, 1 Pro-
tonotar, 2 Cursoren. Bestätigt ward es vom Kaiser 1570. Ohne
Zweifel haben die westphällschen Freistühle das Anlkommen von lan-
desherrlichen Hofgerichten in Westphalen längere Zeit verhindert Cor*
fey gibt das J. 1516 an, in welchem das Vehmgericht Im Münsterischen
sofgehoben wurde, weil bei einer Hochzeit die Schöffen ein Todes«
ortheli vollzogen haben sollen. Es wird auch S. 71 vom Jahr 1576
ein Fall erzählt, der auf die Thätigkeit dieses neuen Hofgerichtes
in Münster kehi günstiges Liebt wirft Der Stadtrath Hess einen
Dieb verurtheilen und henken. Obschon die bischöfliche Regierung
AoCichnb verlangte, weil gerade der Vorstand des Hofgerichtes
gestorben war. Ueber die Vollstreckung steht S. 77 vom Jahre 1586
die Angabe, dass der Bischof einen adeligen Dieb zwischen zwei
Kerzen kniend hinrichten Hess. Diess erinnert an die Hinrichtung Peter
Hagenbach's in Breisach 1476 bei Fackelschein. Eigenthümlich ist, dass
der Rath in Münster die Verwandten des Ermordeten zur Klage und zur
Mittheilung über denselben aufforderte. Das peinliche Verhör begann
um 4 Uhr morgens (S. 117), ward den zweiten Tag fortgesetzt und
der Delinquent fünf Tage nachher vor Gericht gestellt Man läutete
dreimal beim Beginne des Gerichtes, das um 10 Uhr anfing, als bis
fünf Uhr Abend kein Urtheil erfolgte, ward den andern Morgen der
Prooess weiter geführt, worauf das Urtheil erfolgte. Competenzstreite
eigener Art kommen mehrere vor, S. 173 ist ein solcher erzählt
£hi Zunftgenosse wurde von seinem Zunftmeister wegen Verbalin-
jnrie bestraft und „durch die Tonne gejagt^ Der Rath forderte
den bestraften auch vor sein Gericht, die Zunft verbot ihm aber,
dort za erscheinen und vertrat jezt den Zunftgenossen gegenüber
dem Gericht des Rathes. Um die Streitigkeiten zwischen der Ge-
richtsbarkeit der Drosten und Amtleute und der Sittenpolizei des
Archldiaconats beizulegen, kam ein Vergleich zwischen der Regie-
rung und dem Domcapitel 1576 unter dem Bischöfe Ernst von Baiem
IQ SUnde. Röcheil theilt den Vertrag ausführlich mit. Der erste
Artikel besagt : Die Archidiaconi seien oculi episcopi, desshalb steht
ihnen cnltus .ecclesiae et eins disciplina zu. Daraus wird ihre Sitten-
polizei über Geistliche abgeleitet, aber sie waren sehr wenig ihres
Amtes eingedenk, denn der Verfall des Archldiaconats ging mit je-
nem des Klerus gleichen Schritt Man sehe nur S. 171.
Die drei Chronisten geben auch Andeutungen über den Antheil,
welchen die Stadt und das Land an der Regierung des bischöflichen
916 JviisMi'« hbloilpclie Sciffiften aber MttoMer und Kote.
SüMtefl nabmen. Eb wimt wI« in allan btochöfliebeii StKdtea in Mttn-
0ter die Uschöflfche Residenz und der Dom in einem besonderen
StadUbeU. Datwelbe Uess pomerium episcopi, Biediofahof eder die
ImwBDitUi weil dieser Theil exemt war Ton der stttdiiechen Ge
richtobarkeit. Gorfey gibt S. 306 zum Jabr 1310 an, auf einer
.^aode in Münster sei beschlossen worden, dass vom weltlichen Qe-
idchi alle eximirt würden, welche in der & g. Eirchenfreiheit wobn-
len. Wie In Speier und Brixen so hat auch in Münster ein fons
saUens die Grenze zwischen Stadt und Immunitttt gebildet, wie S. 314
in der <%ronik von Coriej angegfeben ist. Bei der Regentschaft des
Herzogs Johann Wilhelm von Cleve and Bischof zu Münster, welche
vfihrend dessen Minorität eingesezt wurde, zeigt sich der Antheil,
weleher den Stünden bei der Regierang eingeräumt war. Der Heraas-
geber hat sehr zweckmässig in einer Note diese zusammengestellt:
es waren awei vom Domcapitel, zwei aus der Ritterschaft, zwei
yiom Stadtrathe, welche mit dem Kanzler das CoUegium der Regent-
schaft bildeten, an deren Spitze Conrad v. Westerholdt stand. Als
Johann Wilhelm reägnirte und sich laisiren ISess, um seine Erblande
Jüllch-Gleve zu regiereo, mischte sich der Rath Ton Münster in die
Btachofswahl S. 87 ff. 1585. Vor dem zur Wahl versammelten Dom-
capitel bat der Stadtrath um Berücksichtigung foigender Punkte bei
der Wahl« Mao sollte einen solchen zum Bischof und Landesför-
«ten wählen, der keine Feinde habe, damit der Staat in Frieden
leben kdone, ferner möchte man die Wahl auf keinen unmündigen
lenken. Das Domcapitel versprach auch einen zu wählen, der so
mächtig sei, dass er das ganze Stift vertheidigen und schützen könnte.
Man flieht hieraus, dass die Unterüianen der fürstbischöflichen Län-
der erkannten, dass ihre Staaten und die Regenten derselben zu
aehwach waren den nöthigsten Schutz den Staatsangehörigen zu ver-
schaffen. Der Bauernaufstand, die Kriege im 16. und 17. Jahrhun-
dert haben die Unmöglichkeit, solche Staaten ohne Schutz unter
den damaligen Verhältnissen bestehen zu lassen, hinlänglich gezeigt.
Kein Wunder also wenn sie so rasch zusammeastürsoten am Ende
des 18. Jahrlumderts bei manchen Vorzügen innerer Verwaltung.
Dass auch Bestechungen bei BischoCswahlen in Münster vorkamen,
deutet Röchell S. 90 damit an, dass der Domdechant Gerhard von
Baesfdt desswegen die Wahl anf den Herzog Ernst von Baiem,
Erzbischof von Köln lenkte, weil dieser ihm noch Geld schuldig
war und er darch dessen Erhebung zum Bischof von Münster die
Zahlung seines Darlehens hoffte. Auch gibt R. den Grund an, wa-
rum man den neugewählten Bischof nicht in sein Bistum einführte,
weil er nämlich noch mit dem Domstift Köln Krieg führt. Es blieb
also die Regentschaft, bis der Neugewählte „allen Krieg, den er hatte
abgemacht und geschlichtet hätte und wieder Friede wäre.*^ In
hohem Grade anziehend sind die kurzen Angaben Corfey's S. 260—
26i über die Widersetzlichkeiten der Stadt Münster und des Dom*
dechabten v4Mi Mallingkrott gegen den Bisohof Christoph Bernhard
• htftorifehd (SdiriftM «ber MttMUr und Xttla. 337
1650— 1«78. Sehom bei der WabI sncbU lUlii«kffOlt dto Eib»-
baog Cbdgtepli Bernhard's von Galen sum Biechof ju bintartreibeiii
in Jahre 1665 wollte sich General fob Nagel der fliadt IfUniter
^emfiehtigeD. Bald tral die Stadt au dem Gegner daa Biicbob Ober
1Ü60 nnd ward 9 Monate belagert, moaate aleh ergeben und Mal-
liagkrott ward gefangen. Er starb wie Corfey S. 362 angibt m
Ottenetein im Gefäagniea. Die Gründe dieser ganaen Bewegnag
lind nicbt gaas klar, C. sagt nur, et sei ein Misverständniss geweaea,
ik Stadt habe das jus praesidis et claTinm nnd den Eintritt dem
Bisebof Terweigert Der Bischof Christoph Bernhard war mehr ehi
Soldat als Priester, Corfey deutet seine Begierangsweise S. 262 an^
sk feindsebg dem Adel, Ferschwenderiscfa and büreaukratiseh. &i
den Zusätsen Böcheli's su fräherea Chroniken findet sich eine Zo^
Bsamenetelluag der wichtigsten Aemter im Fürstenthnme Mänstec
Der Ylathnm (Vicedominos) beisst es S. 182, wird nnter den vier
Pfilaten, welche bei der Bischofswahl mitwirken nnd eigenen Stif-
ten Torsteheo, für den untersten geachtet. Der Domkeller, cellerar
lios, erhält Yom Capitel awei Beisitier und hat die Erbp&chter, Leib*
«geneo o. s. w. des DoastiOes unter sich. Was von SterbCaV, Frei-
kanfen, Erbschaften und Tausch dem Stifte aufiült, hat er einauneh*>
isen. Diese Einnahme gibt Böcheil in seinen Zosätaen au früheren
Qtronisten S. 182 auf etliche tausend Gulden an, sie wurden jähr»
lieh unter die Canonici vertheilt. Daneben aber liatte jeder dersel-
ben für sich noch Frohnden von den Leibeigenen des Stiftes pri-
vatim anausprechen. Für die politische Geschichte von Münster ist
H.'s Chronik besondtfs wegen der chronologischen Genauigkeit sehr
Btttslidi, auch kann sie an Tielea Stellen für die Kriege in den Nie*
derlaaden gebraucht werden.
Die Einführung des Jesuitenordens fand auch in Münster Wl-
dentand. Es ist diess weniger auCallend als der Umstand, dass die
Bisehöfe von Münster sie in ihrer Stadt aufnahmen. Beicanndich
beben die teutschen FürstUbchöfe im 16. Jahrhundert nur hi den
Stfidten ihres Landes diesen Orden augelassen, wo gemischte Be*
vüikernng war, wirend sie in g ^z katholischen Orten ^on der Er-
liebtung der JesuiteocoUegien im 16. und 17. Jahrhundert Umgang
mhsMB. So wurde z. B. in Speier, das grössten Tfaeils protestan*
tisch war, schon 1572 ein Jesuitenhaus eingericfatet, dagegen keines
Bk BnKteal der bischl^fliclien Besidens, weil sie gaoa katholisch ge^
blieben. Ebenso Terhielt es sich mit Constanz uml Meersbuig. Bö*
ebfdl gibt S. 118 die Notie, dass man 1590 die Jesnitenkirohe in
Mänater gerundet hat unter dem Bischof Ernst von Baiern. Jans-
lea besMrkt in einer Note S. 92, dass schon Bischof Johann Wil-
beim 1588 die Einfährung der Jesuiten in Munster wünschte, und
desäialb an die Bürgermeister und den Bath schrieb. Doch der
SCidtrath nnd die Gemeinde waren daau nicht geneigt, sagt Böcbell
& 92. Unter den Domherrn war der gelehrte Gerhard Baesfelt,
der Stifter der BibUothek im Dom 1586, auch für diesen Orden.
^ÜB JanMen'i hiftorifch» Schriften über Mttniler und Kdlo,
Im Jahr 1588 kamen zwei Jesuiten nach Münster, ans welchen
der Domprediger gewShlt ward. Bei dieser Gelegenheit verr&th sich
Röchell aki Gegner der Jesuiten, was man für die Kritik des Chro-
nisten beachten muss. Auch Steverman R.'8 Fortsetzer sagt in sei-
nen Zusätzen S. 250: die Jesuiten hätten sich mit List in die
Predigtstühle eingedrängt, und würden auch nach seinem Tode den
Predigtstuhl ganz an sich bringen n. s. w. Steverman steht also
auch bei den Berichten über diesen Orden als Parteimann da. Die
Jesuiten hatten schon 1593 ein neues Schnlgebäude in Münster
S. 121. Näheres über die Lehrer an diesem Gymnasium Paalinnm,
so hiess die Schule der Jesuiten, ist aber nicht angegeben ausser
S. 182, so dass für die Gelehrten Geschichte von Münster wenig
aus den drei Chroniken zu schöpfen ist. Auffallend wenig Notizen
von Bücherlegaten und Bibliotheken finden sich in den angegebenen
Chronisten. Ein Schluss auf das geistige Leben eines Volkes, einer
Stadt oder eines Klosters ist aus diesen Zeughäusern des Geistes im-
mer gestattet. Es stimmt das Urtheil darin mit dem überein, was
ich am Eingang über das Stillleben Westphalens auch in dem gei-
stigen Leben gesagt habe. Die Bibliothek auf dem Paradiesse im Dom
verbrannte 1530 ganz, S. 326, was sie enthielt, gibt Corfey kurz
an. Damach war sie schon alt und desshalb wichtig, 1534 war
schon wieder eine Bibliothek dort, welche die Wiedertäufer zer-
störten, Bd. 1. S. 333. Endlich stiftete Gordt von Baesfelt 1556
eine neue Bibliothek in den Dum. Es wäre zu wünschen, dass ein
alter Catalog dieser 3 Büchersammlungen sich vorfände und ge-
druckt würde. Will man eine Zeit recht verstehen, muss man wis-
sen, welche Bücher man las und schrieb, und aus welchen Quellen
die Leute ihr Wissen geschöpft haben. Für die Geschichte der bil-
denden Künste liefern die drei Chronisten manche brauchbare Notis.
Die mittelalterlichen Bauwerke Westphalens sind am vollkommensten
und ausführlichsten beschrieben von Lübke, und zwar mehr, als
diess bis jezt in anderen Länder geschah mit Ausnahme von Wir-
temberg. Den Glanzpunkt westphälischer Gothik, die aber nicht über
das 14. Jahrhundert zurückgeht, bildet die Lambertikirche in Münster.
Der allgemeine Charakter der mittelalterlichen Kunst in Westphalen
ist eine gewisse Nüchternheit und ein Festhalten an den schmuck-
losen, einfachen Anfängen. Da es immer mehr Bedürfniss wird,
dass die Kunstarchäologie des Mittelalters nicht allein an die erhal-
tenen Denkmale sich anschliesse, sondern auch auf die geschriebe-
nen Quellen zurückgehe, so wird es nicht überflüssig sein, auf einige
An gaben der Münsterischen Chroniken aufmerksam zu machen: S. 323
gibt Corfey in seinen Nachträgen an, dass 1516 der Bischof Erich
am Portal der Domkirche die Darstellung der 10 Jungfrauen mit
einer Ins chrift anbringen Hess. Diese Darstellung mahnt zur Wach-
samkeit für den Eingang in die Kirche, d. i. das Reich Gottes,
man findet sie auch an der Sebaldnskirche in Nürnberg und am
Strassbnrger Münster. Von kunstvollen Metallarbeiten ist S. 199
Janffes'i hiftorifche Schriflen Aber Mttniter und Kdtn. 320
Ton 1139 die Rede, und S. 327 wird ein Kelch toq 1397 be*
aehrieben. Aach werden Glocken und deren Inschriften S. 124 nnd
337 erwShnt
Die Chronik Ton StOTerman ist knrz, sie umfasst nur 38 Jahre.
Deber die Ereignisse im dreissigjihrigen Kriege ist SteTormann viel
Itfirzer als die Tagebücher, weiche man an andern Orten darüber
hat Ausser einigen Trnppeneügen und Vorfftllen in nächster Um-
hegend weiss er wenig von Interesse zu berichten. Es wSre indess
wichtig ZQ erfahren, ob sich denn in Münster oder den benachbar-
ten Klöstern gar keine Tagebücher (Diaria) oder Briefbücher ans
dem 17. Jahrhundert finden. Der Mangel an solchen Privatarbeiten
wurde wieder beweisen wie wenig Antheil an der allgemeinen teut-
Behen Geschichte die Bewohner von Münster im 17. Jahrhundert
nahmen. Steverman gibt 8. 254 auch an, dass der traurige B9h-
raenkönig Friedrich von der Pfalz 1 632 bei Münster war. Von In-
teresse für die mittelalterliche Geschichte ist seine Angabe 8. 253,
dass die Steinhauer Gilde ihren Vorstand am 23. November am Cle-
menstage wählte. Wahrscheinlich galt dieser Heilige als Patron der
Zunft Die Wahltage für die Magistrate nnd Rathsmitglieder waren in
Münster gewöhnlich zu Anfang des Jahres oder am Ende, wenn man
das Jahr mit dem Januar beginnen lässt, wie jest allgemein. Man
hatte hierin ganz die rdmische Einrichtung beibehalten. 8o gibt Bd-
chell in seinen Zusätzen zu früheren Chroniken 8. 182 die Zeit und
den Modus der Rathswahl an. 8te fand statt Dienstag vor Anto-
niustag d. h. vor dem 17. Januar. 8. 128 zum Jahre 1596 wird
die Rathswahl auf den 22. Januar angegeben, nnd acht Tage nach-
her pflegte die Wahl der Alterieute 8tatt zu finden. Es ist auffal-
lend, wie genau man bei der Uebemahme und Nachahmung des rö-
mischen Municipalwesens auch selbst die Termine beibehielt
Der drifte und lezte Chronist, dessen Aufzeichnungen in die-
lem Bande Janssen herausgegeben, ist Corfey. Ich habe schon an-
ticipirend einiges von seinen Annalen hervorgehoben. Corfey war
General* Major und Kommandant der Artillerie in Kdlnischen und
Mfinsterischen Diensten, zeichnete sich als Ingenieur-Offizier bei Bel-
grad ans und schrieb sich im Alter aus Liebhaberei eine Chronik
zusammen. Es interessirte ihn zunächst nur Militärisches. Da er
aber auch, wie sich diess bei militärischen Charakteren häufig ver-
einigt findet, einen regen Katholicismus hatte, so nahm er auch auf
den Znstand der Kirche Rücksicht. Er hat, um nur diess anzu<-
fGQiren, die Dominikanerkirche in Münster gebaut, in welcher er be-
graben liegt Sein Epitaphium, das Janssen 8. XIII mittheilt, hat
er sich selbst verfertigt. Es spricht sich darin religiöses Gefühl und
warmer Olaube aus, den er mit vielen Kriegshelden seiner Zeit
fiieilte und der ungekünstelter war, als das, was in neuester Zeit
hierin affektirt wird. Corfey ist übrigens über die kirchengeschicht-
ächen Thatsachen, welche er gibt nicht immer richtig belehrt Es
▼enith aich dabei der Mangel an direkten Quellen.
330 Jtmatm'0 lubtorische Scbriftea über Mttwter uid K«Id.
Die Zustttze Corfey's zn früheren Chronisten geben mitunter
«cbätshares Material. Mao sieht, wie sich der GeschichtediletitaDt
in manche Quellen hineingearbeitet hat, und wie ihm btewetten
lehrreiche Hilfsmittel zu Gebote standen. Sa tfaeilt er die statiMlschen
Tabelle für das ReichscontingeiU des westphUisohen Kreises S. 324 If.
mit. Aus dem 14. Jahrhundert gibt er S. 309 über die Bünd-
nisse der geistlichen Fürsten gegen den Adel zum Jahre 1372 einige
Nachricht Er erzShlt zuerst die Entstehung des Bündnisses der Stern*
träger (stelligeri), dann das der Bischdfe von Köln, Paderbeni,
Münster und Osnabrück. Diesem lezteren Bunde traten bei die
Städte: Münster, Dortmund, Osnabrück und Soest Das spStere
Bündniss zum Rosenkranz von 1393 ist S. 312 erwähnt lieber
das Aufhören des Mortuariums bei den Greistlichen um 1355 findet
sich S. 307 eine Angabe, welche Würdigung verdient Dss Mar-
tuariam von OLerikern, bestehend in Kleidern und anderer Verlassen-
Bcfaaft, zog der Archidiaconus an sich, dagegen aber gab er alles
Geistlichen seines Arcbidiaconats jährlich eine Gasterei. Lestere
acbaffte der Bischof Ludwig ab und befreite auf der anderen Seite
die Kleriker vom Mortnarium.
Die Sprache in Röchell's Chronik ist eine Mischnng edsr
ein Uebergang zwischen dem westphälischen Dialekt und im
AnfSogen des Hochteutschen. Bei den beiden folgenden Schrift-
etellern herrscht die allgemeine Schriftsprache der Zeit mehr vor
als die provinziellen Eigenheiten. Der Herausgeber konnte das
jSprachiiche unberücksichtigt lassen, da dem ersten Bande des geasea
Werkes, den Ficker besorgte, ein Wörterbuch: „Erklärung der Nie-
derdeutschen Wörter^, angehängt ist. Man muss bei Herausgabe
teutseher Quellenschriften allerdings einen breiten philologischen Gom-
mentar, vermeiden. Es finden sich aber doch interessante Worte
nnd Redensarten, wie auch in Röchell's Chronik, die ohne in dai
grammaticalische Detail sich zu verlieren hervorgehoben zu werdei
verdienen, insofern sie für die Anschauungsweise des Volkes und
der Zeit charakteristisch smd. Ein Nachtrag za Ficker's Glossar
wäre immerhin willkommen gewesen, da jenes sich nur auf die in
ersten Theile vorkommenden Wörter bezieht Ich hebe einige Wort-
formen und Redensarten in dieser Rücksicht hervor: die Aegester
ehr huffen (die Elfter üir Zurückspringen) nicht lassen, sprich*
wörtlich: für ein Mensch fällt immer in seine alte Gewohnheit zu-
rück, S. 7. Die verschiedensten Formen für Thier kommen gleich-
zeitig bei einem Schriftsteller (Röchell) vor: bestie, beister,
bieste. Für Sterbekleid, Todtenhemd findet sich S. 210 der Ans--
druck Henne-Klede S. 2, für hohl holde, für Graben sloet
(Schlucht) $.5, für Fastnacht Vastelabent, für Grab Bnie
S. 128 u. s* w. Die Redensarten : „Die kleinen Diebe hängt man,
die grossen steckt man in die Tasche^, und „die Lunge hängt ihm
nach etwas^ d. h. Verlangen nach etwas haben, sind auch charak-
teristisch für ein Land mit grossen Jagden, denn lestere ist «ffsfi-
« UMriwlM ScktiflM ab«ff MikMlw iBd Eüa. 931
bar TM einom lechsenden Hand« entlehnt Eb«D0o die RedaoMrt
& 128 kein Hand darna bleclien, (Ür kein Hahn darnach
luihen. Hiermit ▼«riaiee leh die Beeprechun; der MünateriadMin
Ghromken, welche Janasen mit rielem Verdienat and Umaicht heraaa-
gageben hat.
Die Anaalen dea hiatoriacben Vereina für den Nie-
lerrhein inabeaondere die alte EridiöceaeKöln, heraaa-
gageben tob dem wiaaenachafdichen Aaaadinaae dea Vereine » aind
Mit 1855 in swei JahrgiDge» eracfaienen. Anaaer den ^Stadien
iber die kölniacben Oeachiehtsqaellen Ten Dr. Jek.
Janaaen^, die ich jest beapreche, aind in den beiden Jahrgängen
Aofaitae von Dr. Eckertz, ^daa fränkiache Ripuarland^ und «Bei-
ttigh tm Geaehichte der Abtei Gladbach^ von Smeddinck «die
OoDBUntiaBbriicke in Eöln% von Dederich «fiber die h. Irmfar-
di«', Ton Bär 8 eh in Coblena „über Prämooatratenaer Klöater am
lUiein nnd in Weatphalen^ yeröffentllcht Ferner worden eSnadne
Diianden Ton Janaaen, Eckerta (Weiathümer) and Mooren darin
mitgetheilt In dem 9. Bändehen finden aich Aalaätie von Ennen
«territoriale Eotwicklang ond Befestigung der 8tadt KSln^', toh
Sehneider and Mooren «über einige chriattiche Denkmäler am
Niederrhein^, Ton Dr. Brenn „aar Geaehichte der Stadt Selileiden.^
ZoBi Schloaae haben yon Mering and Eckerts Urkunden rer*
öfentUcht. £a iat aehr erfreulich, daaa so viele tüchtige Kräfte ge^
Bonaehaftlich aur Edbrachung raterländladier Geaehichte am Nie-
derrheine thätig aind. Man kann dieaa überall als ein empfehlena»
werthea Beiaplel den hiatoriachen Vereinen in Teutacbland empfeh-
iea. Möchten aich auch dieae verdienstvollen Foracher der Kolni-
idhan Geaehichte dahin vereinigen, einen codex diplomaticua jener
fitadt ind dea Ersbisthnma oder Regeaten davon au bearbeiten.
El würde eine aolche Arbeit lür die geaammte tentache Geaehichte-
bahandinng von dem höchaten Intereaae aein. Doch ea bedarf wol
ban der AafmonterDng au einer Heranagabe der Fontes rerum
Gi^enaiam oder einea codex diplomaticua oolonienaia, aar die
gn)aaen Sehwierigkeiten and die lange Vorbereitung au einem aol*
dMa Werke haben dieaa, wie ich glaube biaher veraögert. Aber den
vertinigtan Kräften iat ea gewiaa möglich, dieaa auszuführen. Eine
iciiStabare Grondlage dafiir bietet einstweilen die Arbeit von Janaaen:
«Studien über die kölniachen Geachichtsquellen im
Mittelalter.^ Zuerat handelt der Verfasser darin von der Seriea
c|iaooponMB, dann von den Catalogi der Eral>lacböfe, von den Chro-
niken in Proaa and endlich von den vitae Sanetorum. Zu den drei
mgegebenen Nomenciataren der Erzbiadiöfe könnten noch angeführt
Verden die Wiener Handachriften , Pertz Archiv 10, 567 und 568,
vorin eine Seriea bia 1463 fortgeführt iat. Eigenthümlieh iat, daaa
fa drei Aufzählungen der Erzhiachöfe, weiche man hat, doch niclit
«ttf eine eiaaige nraprüngliche Arbeit aich zurückfahren laaaen. Dieaa
Hrtvonuia, daaa jede daraelben nnabhängig von der andern ent«
33!l JaoMOn*! hittorUche Schriften Aber MOiMter nid Köln.
standen sei. Ebenso sind im Laufe der Zeit diese MomenclaittreQ
der Bischöfe selbständig und ohne Beziehung zu einander ron ein-
zelnen Bearbeitern za Icnrzen Gatalogen erweitert worden. Der Zweek
dieser historischen ThStigkeit, kurze Ghrimiken zusammen zustellen,
gibt Levold von Northof im 14. Jahrb. dahin an, dass seine Land-
leute libenter multa et diversa degustant legendo. Nebenbei hatten
jene series und catalogi praesulum auch Vie mir scheint einen prak-
tischen Zweck, den man nicht unbeachtet lassen darf. Es waren
Hilfsmittel für die praktische Diplomatik jener Zeit, um bei Streitig-
keiten oder der Kritik über flehte und gefälschte Urkunden u. s. w.
entscheiden zu können, lieber die noch ungedruckten Chroniken der
Bischöfe Ton Köln ist Janssen, wie sie es verdienen etwas ausführ*
lieber. Er gibt die einzelnen Handschriften genau an. Dered sind
ihm 6 bekannt und 3 , welche Fortsetzungen jener Chroniken ent-
halten. Die zuerst angeführte Trierer Handschrift ist auch im
11. Bande des oben citirten Archiv's S. 394 erwähnt. Aber es ist
noch in demselben Archiv I. d. S. 395 eine weitere Handschrift
einer Kölner Chronik in Trier genannt, welche J. nicht mittheilte.
Sie stammt aus dem 14. Jahrhundert und beginnt: „In den iaren
unseres herren 1087 ver braute de Kyrche zu sente apostolen zu Collen.
Dagegen wird die von Janssen unter f. aufgeführte Handschrift in
Köln wol dieselbe sein, welche im Archive 11^ S. 394 genannt
ist Somit wäre die Zahl der codd. mss. von Kölner Chroniken mit
den Fortsetzungen auf 10 fesfgestellt Ausführlich ist der Verf. bei
der Beschreibung der Kölnischen Chronik, welche im Besitze von
Böhmer ist Er stellt mit eingehender Kritik die historischen Werke
zusammen, welche der Verfasser jener Chronik benüzt hatte. Für
die Geschichte der teutschen Historiographie ist diese Zusammen-
stellung nicht unerheblich. In dem vierten Paragraphen bespriebt
Janssen die Lebensbeschreibungen der Erzbischöfe. Es sind diem
die vitae der heilig gesprochenen Vorsteher des Kölner Ersstiftes,
Bruno, Heribert, Anno und Engelbert. An die vita s. Annonis will
ich nun zunächst anknüpfen. Diese Vita stammt von einem Mönch«
des Klosters Siegburg und zwar ungefähr aus dem Jahr 1105. Del
Abt jenes Klosters Reginhard 1075 — 1105 hat dem Biographen dni
Material dazu gegeben. Siegburg war im Streite des Imperium mit
dem Sacerdotium kaiserlich gesinnt. Von Siegburg gingen desshalb
gleichgesinnte Filialconvente aus, so nach Iburg in Westphalen nnd
nach Sinzheim in der Pfalz. Es entsteht somit die Frage, wie ver«
hielt sich der Abt Reginhard von Siegburg und der Biograph dtf
Anno zu den Parteien am Ende des 11. und Anfang des 12. Jahr-
hunderts? Nach allem, was er als Quelle benüzte, nach seiner Um-
gebung und gleichzeitigen Schriften hätte seine Vita des Erzbisehofi
Anno einen polemischen oder apologetischen Charakter annehmsn
müssen, hätte er nicht in weiser Vorsieht und im Oeiste seiner Zeit
eine Erbauungsgeschichte daraus gemacht So bleibt also, wie Jans-
sen ganz richtig bemerkt, eine Lebensbeschreibung vom heiligen
i'f hulorudie SehrifteB flb«r MttaMr UBd Kdh. 38S
Auo iMidi seioer SteUang cam Reiche and sur Stadt Köln nodi
iD erwarteo. Ich mache desshalb hier den Verf. auf eine ZaBammenatel«
ioo|[ der K5in. Quellen aufmerkaam, welche ein Pariaer Codex enthälti
der im 11. Bande des Archi?'s Ton Perts 8. 277 angegeben wird.
Nadi dieser vita 8. Annoni geht Janssen auf das bekannte alt^teotsche
Aanolied über. Aach dieses stammt aiis dem Kloster Siegbnrg und
bleibt eine wichtige Quelle, wenn es auch erst nm 1183 entstanden
et Es beruht auf der oben angegebenen siegburger Lebensbeschrei-
bsDg des h. Anno. Wenn man bei dem Studium der historischen
Quellen auch die poetischen Bearbeitungen historischer Thatsachen
wie es gans lu billigen ist beachtet, mit vielem Verdienst der
Verfasser gethan hat, so dürfen, auch die Hymnen auf die Hei-
lig nicht übergangen werden. Ohne Zweifel sind über die cano-
aiairtea Bischöfe Ton Köln auch Hymnen aus dem Mittelalter Tor*
inoden gewesen. Diese an sammeln wäre eine schöne und lohnende
Aofgabe für den historischen Verein der Ersdiöcese Köln. Wie
reicfa s. B. die hymnologische Literatur an Liedern auf die heiL
Diiala, deren Heimath Köln, ist, das seigen Mono 's Hymnen, Bd. 8,
8. 5S6. Dort findet sich die beigeschriebene historische Notla, die wol
iiif Köhi bezogen werden darf, dass Clemacius ex voto die Kirche
der h. Ursula gebaut habe. Zulezt ist von der vita S. Engelberti
te GaesarSuB von Heisterbach die Rede. £s sind hierüber schäta*
bare Vorarbeiten gemacht. Alexander Kaufmannes Caesarius von
Heisterbach und Ficker's Engelbert der heilige, Ersbischof von Köln,
welche beide Schriften Janssen rühmlich erwähnt. In dem aweiten
Abschnitte sind die Quellen angegeben, welche den Charakter von
gleichzeitigen Aufzeichnungen für jedes Jahr tragen. Es sind die
Neerologien, Annalen, so genannte Königschronik, Klosterfundatio-
sea, Abtscataloge. Janssen nennt im ganzen 6 auf die Geschichte
voD Köln bezügliche Mecrologien: Das Kalendarium Necrologicum
ecdeslae migoris Goloniensis, das von Martin, das von Maria ad gra-
du, das vom Kloster Gladbach, von Werden und das von Xanten.
Der Verf. sagt, es seien die Namen „verdienter und verehrter Per-
«meD in den Neerologien bei ihrem Todestage eingetragen worden.^^
El waren vorzüglich drei Motive zur Aufzeichnung in jene Bücher,
mtweder wurden Stifter oder die Angehörige der Gonvente und
der Collegialkirchen, oder die durch Confratemität verbündeten Vor*
itorbenen in die Neerologien eingeschrieben. Es ist somit von der
Beortheilong eines Necrologiums die Besprechung der Confratemität
des betreffenden Stiftes unzertrennlich. So weit hat sich der Verf.
i& seiner Untersuchung nicht ausdehnen können. Es muss bei der
kritischen Benützung und Veröffentlichung der Neerologien die Zn-
lammenstellung der Confraternitätsbündnisse, welche zwischen dem
betreffenden Stiften und andern Conventen bestanden, vorausgehen.
Da diese Confraiernitäten successive eingegangen wurden, so hat
man auch einen, wenn auch schwachen, chronologischen Anhaltspunkt
Ar die einzehien Einträge. Benediktinerklöster traten z. B. schon
Irühe mit Domkirch^p vd^r CoUegiatoUften in Confratemität, wärend
384 JflMMn'« kiflotiflche SohriiMn über Ktnater «nd lOb.
sie bisweilen erst im 15. Jahthundert auf Ang^stinery Piüneiuira-
teneer and Cisterzienfler die nnaDimitas precoin attsdehaeD. Zb
solchen Vorstudien können benüzt werden: Die Arbeit Zappert's
Ober die Confraternität , das VerbrQderangsbuch des Benediktiner
Stiftes St. Peter in Salzburg, welches Kara}an herausgegeben hat,
und der Aufsatz: ,,Ueber di^ Confraternität des Klosters Correy im
Mflnster'schen Archive. Es ist ein eigenthümlicher Zug des Mittel-
alters, dass die Association, dieser gewaltige Hebel in der Oesell-
Schaft, sich immer an religiöse Momente anscbloss. So die Confra-
tematas und Unanimitas precum, die Brüderschaften in den Städten,
die Bündnisse des Adels n. s. w. Man hat die Ursachen und Wir-
kungen jener Associationen für Verbreitung von Ideen und &wei-'
terang des Gesichtskreises bisher zu wenig beachtet Man glaubt
zwar gewöhnlich, es habe die Idee der Association ganz gefehlt
Aber man beurtheiit in dieser Hinsicht das Mittelalter falsch. Die-
jenigen, welche an der Bildung ihrer Zeit Antheil nahmen, hatten
einen ausgedehnten geistigen Verkehr (Correspondenzen) and mach-
ten viele und weite Reisen. Es trug diess wesentlich dazu bei, dass
eine rasche Entwicklung in den socialen und politischen VerhältniB-
Ben eintrat -- Der Verfasser gibt sodann eine Aufzählung der ein-
Mhlägigen Annalen von Köln, es sind im ganzen neun, wovon sechs
in Köln entstanden, die drei andern sich an die Klöster Bniuweiler,
Aachen und Neuss anschliessen. In dem folgenden Paragraphen
wird von der sogenannten Kölner Reichschroaik — 1288 gehandelt
Znm Schlüsse werden die Grtindungsiegenden und Geschichten von
Brauweiler und G4adbach aufgeführt und auf die Senes Abbatum
zweier Stifte in Köln aufmerksam gemacht. Man kann aua dieser
Uebersicht der ältesten prosaischen Quellen für die Kölner Geschichte
entnehmen, dass hinlänglich Stoff vorhanden ist, wenn man die Urkun-
den zu Hilfe nimmt, die Vergangenheit in ihrer Entwicklung zu re-
construiren. In keinem Lande und bei keiner Culturgesehichte fSehlea
die Quellen ganz und gar, aber wie mangelhaft ist ihre Benützung
und Bearbeitung bisher gewesen! Weil meistens den Histoiikem
des Mittelalters die Vielseitigkeit fehlt, welche nötbig ist, um eine
Zeit nach allen Richtungen zu verstehen und zu leconstruiraa* So
ist es gestattet hier die Hoffnung auszusprechen, dass bei der Dar-
stellung der Kölnischen Geschichte auch vielseitig diese schätzbaren
Quellen einst benüzt werden mögen.
In dem zweiten Aufsatze über die Kölnischen Geschiditsquellea
hat Janssen die Reimchroniken einer eingehenden Kritik unterwor-
fen« Es ist bekannt, dass diese poetischen Quellen der Geschichte,
entsprechend den griechischen Logographen, mit einer strengen Kri-
tik benüzt, reiches Material für die Geschichte enthalten. Ganz rich-
tig bemerkt daher der Verf.: „war doch in der epischen Erzählung
damals nicht Erdichtung das Ziel, sondern Wiedergabe der sagen-
haften Ueberlieferungen in der wahrsten und reichsten Form.^ Er
hebt S. 197 femer mit Recht hervor, dass die Verfasser der Reim-
chronlken ^nie In ebe moralistrende Audcbattttttgfiweise verfallen nucl
hmtt^m hiHMWIe SAtHm fA$t Wmum tad Mn. B9S
IM jedem fobjakthreo Eisniscbeii, wekbes di« GegfMliiide wfo
rm fte IgyptiicfaeB Todtengeritht sieht und UDt eben dadureh ra
ktner ruhigen Asffaasiuig gelange» liest, entfernt waren> Wer
dw Doralisiremle GeMfancbteehrelbiing oneerer Zeit kennt, wird
fiblen, gegen wen dieeer Tadel fieh rid)tet und wie wahr nod ge-
ledit er iti. Die moraJieh'enden Geechicbtscbreiber haben dae Unheil
dar Leser bestochen und den klaren Blick in die Vergangenheit ge*
tribt, sie sind daher Verfälseber der Geschichte. Man ist glücklicher
Weise aber jeit soweit gekommen, dass nicht mehr die subjekthrw
Aaäcbt eines fleissigen aber beschränkten klannes, der dem Leben
gais fem steht, oder dao moralische nnd politische Urtbell eines
Gdsbrlen in seinem Studierzimmer für das höchste Ziel der Ge-*
idbichte gdmlten wird. Janssen gdiört der nenen Richtung an, wel-
die fern vom Meralishren, die erste Aufgabe des Historikers nur im
Sidtfen und der Kritik der Quellen^ das heisst in d%t Forschung, erkemit.
Seine Schriften smd desshalb Ton weit höherem Interesse und blei-
beiderem Werthe als das, was die moralisirende Schule her?orge*-
bnebt hat Zuerst ist Ton Gotfried Hagen's Reimchronik die
Rede. Janssen hat das Verdienet ^ Chronologie derselben ge^üfl
mä fiesigiestellt ao haben. £s ist diess eine miibevoUe Arbeit, scr
«sicher grosse Detailkenntniss der Geschichte gehört. Nachdem über
di» Aisgaba von Hageo's Chronik und den Handschriften gehandelt
vurde, geht der Verf. auf die Kritik G. Hagen *s selbst über. Hageo
itsbt b^ der Eraihlung der demokratischen Bewegung in Köln auf
dw S^te der Geschlechter und der städtischen Unabhängigkeit ge«
^eaiiber den Zünften und dem bischöflichen Regiment. Was er
fibrigcns den Gewerben su» Vorwurfe macht, sind Aeusserlichhei«
tsn. Der innere Grund der Unruhe in den Städten war TOlkswirth*
sdiiaftlieher Mator. Die Geschlechter in den Städten haben die klei^
BSB Gewerbe nnd den Kleinhandel gehemmt, sollte sich die Macht,
do Reiehthum und die Arbeitsfähigkeit der teutschen Bürger nach
ihran gtinatigen Verhältnissen entfalten, so konnte das Regtaient der
fatriaier nicht mehr bestehen. Janssen deutet daher gans richtig*
aa, dasa Hagen Tieles verschwiegen habe. Wenn auch hierüber
Ua Beweis für einselne Fälle geführt werden kann, so liegt es doch
gaas nahe, sich diese Uebelstände in der Verfassung der Städte ift
dar snten Hälfte des 13. Jahrhunderts au Tergegenwärtigen. In
fliasm Handelastaat wie Köln, wo viele Klagen der Handwerker ge^
fsa die reichen Kaufherrn und gegen die Geistlichkeit immer vor*
hoHimen mussten, waren die Gerichte aasschliesslicb in den Händen
der Geschlechter 1 In einzelnen AbsätJEsn hat der Verf. den Inhalt
Tsn Hagen's Chronik mit der geschichtlichen Eraähiung angegeben.
Beim Tode Friedrich IL wärend des s. g. Interregnums begann die
ÖIhrang der Zünfte gegen die Geschlechter und gleichseitig der Versuch
dfs Bisehofii die landesherrlichen Rechte über die SUdt su behaupten.
Hast kann also zunächst nur von der ersten demokratischen Be»
wegung in Köln am Ende des 13. Jahrhunderts die Rede sein. Die
Streitigkeiten des Erzbis^hofs mit der Stadt wegen der Unabhängig*
336 Janaien's hulorlfohe Sehriften aber Mttntter und Kola.
keift fibergehe ich hier. Im Spätjahr 1257 brach der Krieg wieder
aoB, und am 4. April 1258 folgte der Frieden. Wichtiger ist die
folgende Verwicklung, als das demokratische Element in der Stadt
erwachte. Die Sache ist so interessant für die teutsche Stftdtegeschichte,
dass eine Beleuchtung des Herganges in Köln nicht überflüssig sein
kann. Besonders da Arnold in seiner Verfassungsgeschichte der
deutschen Freistädte auf die Entstehung der Städtebevölkerong und
ihrer Beschäftigung zu wenig eingeht. Es handelt sich aunächst nur
um den Sturz der Oligarchie, der Richerzecheit, und die Bevölke-
rung, die neben ihr aufkam. Arnold sagt S. 400: „das politische
Leben von Köln stimme mit dem in anderen tentschen Städten nicht
überein.^ Es ist diess zu bezweifeln. Irrig ist aber, wenn man
wie viele thun, in den Städten eine Urdemokratie yoraussezt Es
waren in den bischöflichen Städten am Rheine so zu sagen zwei
Staaten vereinigt. Der eine ist die Fortsetzung und vererbte Nach-
ahmung der römischen Stadt, d. h. des ailmälig germanisirten rö*
mischen Municipiums« In Köln hiess die Regierungsbehörde dieses
traditionell oligarchischen Staates Richerzecheit. Der Name ist herzu-
leiten von Zecca die Münzstätte und weil diese Oligarchie aus den Rei*
eben bestand und diese das Münzen von der römischen Zeit her besorgten.
Der andere Staat daneben waren die eingewanderten Hörigen ans der
Umgegend, also besonders aus den adeligen Territorien, es waren die
Unterthanen des Bischofs. Der Beweis dafür wird leicht gefObrt
Das erstere ist bekannt, das ieztere lässt sich an den 6ewerb«i
und dem Entstehen der Zünfte nachweisen. Im 10 — 12. Jahrhun-
dert sind in den Urkunden selbst in der Nähe von solchen Städten
Gewerbe als Lehenslasten erwähnt, welche dann vom 12. Jahrhundert
an hauptsächlich innerhalb der Städte vorkommen. Auf dem Lande
aber werden sie selten. Es hängt diess mit der Zunnahme der Be-
völkerung zusammen. Im 9. 10. und IL Jahrhundert war diese
gering, denn sehr häufig wird angegeben, dass nicht die volle Zahl
der Colonen auf den Erblehen war, wie sie nach der Grösse des
Gutes gewünscht wurde. Vom 12. Jahrhundert an hört diess auf
und im 13. war die Bevölkerung in Teutschland sehr gestiegen.
So kamen also zwei verschiedene Gemeinden am Ende des 12. und
Anfang des 13. Jahrhunderts in die Städte. Die Nachkommen des
alten Munidpiams standen unter dem Kaiser, die Eingewanderten
waren ohne politischen Rechte in der Stadt, aber die Ansprüche
über sie gab ihr früherer Landesherr nicht auf. Als der Kaiser die
Gerichtsbarkeit über die ganze Stadt dem Domstifte übergab, war
das historische Recht der Patrizier beschränkt und eine Gleichstel-
lung beider Gemeinden angebahnt. Diese verschiedenen Gemeinden
in einer Stadt im 11. theilweise noch 12. Jahrhundert hat für
Botzen Mathias Koch in seinen Beiträgen zur Gesch. v. Botzen
s.ehr schön auseinander gesezt. Ich mache auf dieser treffliche Ab-
handlung und auf Ran: die Regiments Verfassung von Speier , eine
ganz vorzügliche Forschung, hier aufmerksam.
(ScUuiB folgt.)
fr. 22. HEIDELBERGER IH7.
JAHRBOGHBR OBR LITERATUR.
Janssen^s historische Schriften über Münster und Köln.
(SeUnss.)
Die übliche Form der Verwaltung behielt man iwar bei der
gewaltsamen EinigoDg in Köln bei, nur stand jest an der SpiUe
defselbeo ein Burggraf aud ein Scholtheiss. Der Znstand bis
xor Mitte des 13. Jahrhunderts war ganz aristokratisch in den
Städten« Von einem Misbrauch der Wahlen (Wahlcolleginm)
kann also keine Rede sein, sondern die aristokratische Regierung
Biit Auflschlnss der freien Wahl, woran auch die Gemeinde Antheil
genommen hätte, war das Ursprüngliche. Die s. g. populäres oder
Ifitgiieder der Handwerksinnungen hatten bis dahin gar keine poli-
tische Stellung in der Stadt Die Stellen, welche Arnold L d.
& 406 — 407 anführt, beweisen gerade, dass der vnlgus in der Stadt
mr als Zenge nnd Beweis der Oeffentlichkeit im 12. Jahrhundert
Ins 1236 genannt wird. Wann den Innungen Antheil an der städ-
tischen Verwaltungen zum ersten Male eingeräumt wurde, ist nur
darch Schlnssfolgerungen ans einxelnen Thatsachen zu entnehmen.
Janssen hat das Verdienst S. 215 nachgewiesen su haben, dass
m Kein von 1262 an eine Vertretung der Innungen beim Rathe,
als Obrigkeit neben dem Schöffencolleginm stattfand. Aus Hagen's
Aeossening nämlich, dass die Patrizier d. h. die Richerzecheit 1262
den Vorstehern der Innungsbmderschaften erklärten: ^^sie seien jezt
mit ihnen gleiche Herren^, darf man allerdings jenen Schluss idehen.
Es seien erstens die Vorsteher der Innungen keine Patrizier als Pa-
traoi mehr gewesen, sondern die Zunftmeister seien aus der Innung
lelbst gewählt worden. Zweitens, dass diesen aus den Innungen
kerT<Hrgegangenen Vorstehern in irgend einer Weise Antheil am
Badie eingeräumt war. Das erstere war bekanntlich eine der For«
dsrangen, welche Conrad von Hochstaden schon früher an die Schöf*
f» und die Bürgermeister richtete, s. Arnold S. 426. Durchgesezt
»d aber diese Wahl aus den Innungen selbst wahrscheinlidh erst
1859. Die Zünfte waren also auch autonom geworden als Conrad
v«n Hochstaden die 24 neue Schöffen aus den ihm ergebenen Pa-
Irisiem -und den Innungen d. h. den populäres einsezte. Auch bei
der Wahl der Schöffen sollten die Innungsbruderschaften Tertreten
däiL Arnold, der bei diesem revolutionären Eingreifen des Erzbi-
in die natnrgemäss entwickelte Verfassung von Köln dem
listen Hagen beistimmt, hat die Parteilichkeit desselben hierin
wenig im Auge gehabt Leute unfreier Herkunft konnten diese
L. Jakif. 5. Heft, 82
a38 Jinffen'f hutpfifflM ScbfiAen Hbff WHifler and Köln.
neu eroannten Schöffen wol sein, aber der Bischof hatte sie in den-
se8)«i| Stand efhobeo, in dem die Patriaier waren. Die Trennung
der zwei Gemeinden innerhalb der Stadt ward durch jenen Eingriff
aufgehoben. Wie gewaltsam auch diese Verfassungsreform geschll*
dert wird, so viel bleibt gewiss, eine innere Begründung d. h. Noth-
wendigkeit fehlte ihr nicht. Das aeigt sich an den Einrichtungen,
welche auch nach der aristokratischen Reaction von 1262 bestehen
blieben. Diess genau zu ermitteln ist schwer. Der alte verwickelte
Zustand ward nicht vollständig wieder hergestellt, als 1262
der Friede von 1258 zwischen Bischof und Stadt erneuert worden
war. Aber gewiss wurden ZusXtze zu Gunsten der Gemeinde ge-
maottt Dean es wäre wirklich unbegreiflich wie die Innangen in
Köln gegcDüber den Geschlechtern sich bis 136S ruhig verkieken,
wärend in Speier 1830, in Strassburg 1332 und 1368 in Zürich,
}n Kütnberg^ 1349, in Oenstanz 136^ diese Bewegungen der Zünfte
gegen die Patrizier sohon heftig und Jilegreich auftraten. Spurlos
siikt also, wie Arnold 1. d. S. 439 meint, die Eingriffe Conrads von
HoehstadoB n}cht vorüber gegangen, sondern es kamen mit den Zs«
Sätzen und nähere Bestimmungen von 1263, 1264, 1265 znm Frie-
den und zur Yeilassupg von 1262 auch Goncessionen füf die In-
nungen hhnz«. Als Resultat muss man annehmen, dase nicht allein
des Batii als Obrigkeit anerkannt ward, sondern auch, wie Janssen
gam richtig angibt S. 216, die Gewerbe Vertretung und Antbeil
am Bathe bekamen. Zunächet nur die bedeutendste Innung die der
Weber^ Dass aber die Innungen ihre Vorsteher aus ihrer Bütte von
jezt an wählten und diese sie vor Geriebt vertraten, seheint nach
Allem eine ausgemachte Thatsaehe zu sein. Sehr anziehend Ist die
detaUrte Erzählung den weiteren Verlaufes der Köteer Gesehickts
nach Hagea bie 1271« Sodann geht Janssen auf die Reimehronik
den JohtfiB van Heelu eder Jan ven Leeuwe über. Die Schladit
bei Woringeii uod die Ergänaungen dazu nach Ottekar's Reimcbro-
Dik bUdes hier den Mittelpunkt In dem dritten Absokoltt sind £s
Webeiunnihen d. b. die Revehiüen der Wollweberzunfl 1369— 19T2
Mieli der gereimten Erzählung darüber dargestellt. Die Ursachen
dieser Revolution sind fireilleli nicht bekannt Dass sie so pl»tsliel
kam waä wuurum sie gerade von der genannte» Znnft aosging, iit|
noch nieht klar. Es ist nämKeb die Quelle dafihr — die gereimte
Enäbiimg der Webersehlaoht ^ nur ein Bruchstück von 4M Ve^
aea -^ welche der Frankfurter Handschrift von G. Hegend ChronÜ
angehängt ist In der Ausgabe ven Groete S. 214. Der Scbiofl
lehit etfenbfMS denn es bricht mitten i» der Sehüderaog der Seklacb
ah. Der Anfang ist aber, wie es scheint erhalten, denn es beginnti
WoMe mirs Gol gehengen
dal ich aoishto volbrenfoD,
90 wokle JAh baginaon
van saiclieD, die en bjonen
Coelne der gueder stede
gesclieit liat.
JuMien'f hiüorU eh« SeWftMi über Mntter und Köln. 3M
BiiVen 11 achekil der Anbog der gansen C9iroftik so gehts, d«rt
jit dann der Ahiatz für die WeberschUcht Aehnlicbe Vene wie
11 kdiren in Y. 98. 221. 311. 3d5 wieder. Ee ieft abo nur der
Anbog der ganzen Reimehronik und die Episode der Weberschlacht
eriialteo. Kaeh allem scheint zwar der Inhalt des epwoiieo Gedieh-
tss, die Unruhen der Weber zu schildern, der Zweds des Dichters
gewesen za sein. Doch ist dann unerklärlich, weashalb der Dichter
die Ursachen jener Rerointion nicht gibt Diese sind tot Y. 11
«Dsgelnllen. Dort nehme ich eine Lücke an. Als ehi zweites Bmeh-
itfick derselben Chronik ▼ennatbet Janssen mit Recht die 40 Yerse^
welche in der Chronica ron Köln, gedruckt 1499, enthalten sind,
Groote S. 230. In dem folgenden Paragraphen ist die Reimehro-
nik des Christian Wierstraat über die Belagerung von Neuss durch
Karl den Kähnen 1474 besprochen. Sie ist für die Geschichte Ton
Köln nicht unerheblich. Am Schlosse werden die Reime rom Kölner
Aufstand Ton 1513 noch angegeben. Der Uebergang von einer ge*
rehnten Erzfthlong einer Begebenheit zum «histerlschen Yolksliede
üegt nahe. So würde man also auch hier eine Zusammenstellung
ead kritiscfae Behaodlung der historischen YolksUeder aas Köln er-
warten. Doch dieser Zweig der niederteutschen Literatur scheint
oocfa wenig cnltivirt zu sein. Janssen gibt kt der Anmerkung aUi daes
ihm nur ein Köhiisches Yolkslied, und zwar ein ganz neues bekannt
ssi. Dabei wird Soltau's Sammlung abgeführt Da indessen
ausser der Sammlung ron Wackemagel fttr die GescfaSehte des teuf»
sdien Yolksiiedes gegenwärtig riel gearbeitet wird , so darf man
hoffen, es werde auch dabei für die Yeraeit Ton Köln sich ein er^
hebüches Resultat noch ergeben^ Eine Frage wird hier dann erörtert
werden müssen, nämlich, welche Anspieinngen auf daa Erzstiit und
die Stadt Köln sich in den Torschiedenen Bearbeitungen des Reiaeeke
Fuchs finden? Diese Usst sich zunächst mit den Yottsiiedern in
Zusammenhang bringen. Die Nachschrift dieses Ansatzes enthält
das von Pertz 1855 bekannt gemachte Fragment einer geleimten
lateinischen Kölner Chronik des 13. Jahrhunderts. Wie alle diese
Chroniken und ihre Rmch8tüdi:e zusammenhängen ist schwer dasza-»
Üion, da noch keine rollkommene Ueberaicht möglich ist Dass man
kl der Yolkssprache cKe lateinischen, in leoninnchen Verse» gesdufe-
benen, epischen Dichtungen in den Reimehfoiuken zam Yerbttde
nahm und nadiahmte, ist sehr wahfschehilicb und lässt sich hi ¥i»*
Itn Fällen nadiweisen.
Es wäre zu wünschen, dass man Ten jedem Lande eine so
Mtikt fiberschaniiche Zusammenstellung der Oesehichtsquellen hätte,
wie sie Janssen für Köln so Terdienstyoll geliefert hat
Fr« Hoae«
340 Scbtttt: Balder'f Tod.
BaldeTB Tod» Episches Gedicht in drei Gesängen von Dr. Ä. Schüti
(Verfasser der Psyche). Karlsruhe. In Commission der G.
Braun'sehen HoßuchhancUung. 1857. 90 8. 8.
Die skandinavische Mythologie, aus welcher der durch mehrere
aasgezeichnete Dichtungen rühmlich bekannte Herr Verfasser, Dr.
Schutt, Oberamtmann in Bruchsal, den Stoff zn vorstehendem
Epos genommen hat, geht zwar zunächst, wie der griechisch-römi-
sche Mythos, von Natur- und Menschenvergötterung aus, da der
Naturmensch, was er in sich selbst und in der Natur findet, in die
Vorstellung seiner Götter überträgt ; allein, so verschieden der skan-
dinavisch-germanische Charakter von dem des griechisch-römischeo
im innern und äussern Leben ist, so verschieden sind auch die
mythologischen Vorstellungen dieser beiden Völkerstämme. Der skao-
dinavische Mythos stellt gleich dem Zendavesta der Parsen die ganse
Geschichte der Natur als ein grosses Drama dar, in welchem sich
die bösen und guten Kräfte bekämpfen. Der edelste der göttlidieo
Heroen unterliegt, und gelangt mit dem Untergange des jetztgea
Weltganzen, der Menschen und Götter in einer neuen, unvergäng^
liehen Welt zu göttlicher, unsterblicher Verklärung. So ist dio
ganze mythologisdbe Weltvorstellung der Skandinavier eine in sich
abgeschlossene, die von Anfang bis zu Ende ein untrennbares Ganzss
in allen ihren Theilen bildet. Es wirken in diesem Drama gleich der
Anschauung des Zendavesta nicht nur die erhaltenden und zerstören-
den Kräfte der Natur, sondern die sittlich guten und sittlich ver-
worfenen Elemente, welche sich bekämpfen, und nach der Niederlage
des Endlichen, selbst des Gottmenschlichen (im Untergange der
Äsen) zum Siege des Ewigen und wahrhaft Göttlichen führen. Ueber
der Zweiheit der einander in Natur, Menschen und Menschengöttem
bekämpfenden guten oder erhaltenden und bösen oder zerstörenden
Kräfte steht die Einheit des Alfadur gleich Zervane Akerene
(der in Ewigkeit verschlungenen Urzeit) des Zendavesta. Denn
Ormuzd der Lichtgott und Ahriman, der Finsternissgott, weiche
diese Zweiheit nach der Parsenvorstellung darstellen, bekämpfen sich
nicht ewig. Ihr Kampf geht mit dem Weltdrama zu Ende, ond
Alles geht zu Zervane Akerene zurück. Nur ist Alfador
bezeichnender, das Göttliche vom Irdischen unterscheidend und
merkwürdige Uebereinstimmungspunkte mit dem Ghristenthume bie-
tend. Die sittlich - religiöse Tendenz ist im skandinavisch-germa-
nischen Mythos mit der Vergöttlichung der Natur- und Menschen*
kraft verbunden. Auch astronomische Beziehung hat diese Mytho-
logie gleich der ägyptischen, und sehr viel Nationeiles ist aas
den Sitten und Gebräuchen und aus der Geschichte der nordischen
Völker in das Leben und die Geschichte ihrer Äsen überge-
gangen. So ist auch hier wieder in der religiösen Vorstellung, wie
in den religiösen Anschauungsweisen anderer Völker, das Jenseits
eine mit den durch die Phantasie verschönerten oder verunstalteteq
Schau : BaMer't Tod. 341
Gei^MiiUbideii des Diesseits erfttllte Welt. Der SinD für Ehrenbaf-
t^keit, Tapferkeit y yaterländische Genossenschaft, Ebrlicblceit nnd
Treue, die Verachtung yerritherischer nnd feiger C^innnng, die dem
Yaterlande und der Kraft des Tapfem geweihte Dichtkonst, die Jung-
liloJichkeit nnd keusche, trene Liebe sind ans dem Hersen der skan-
iBsnsch-germanischen Völker in die Vorstellungen Ton dem Aufent-
Ute ihrer Äsen nnd alles dessen übergegangen, was sie mit dem
Namen des Jenseits bezeichnen. Darum ist ihnen auch die Vor-
itellang tod Walhalla, den Walkyren, den Einberiar
durchaus eigentbümlich. Die Sage von Bai der (Bai du r), welche
itei Stoff des vorstehenden Gedichtes bildet, ist ein integrirender,
Iveientlicher Theil der ganzen skandinaTischen Weltanschauung.
Die Welt als Universum ist nach ihr ein Inbegriff von mehreren
I Wetten, welche scheibenförmig über einander liegen, und durch Luft-,
lAether-, Feuer-, Dunst- und Nebelschichten von einander getrennt
[mmL In der Mitte des Universums ist unser Planet, die Erdscheibe,
|vom Ocean umgeben und von Flüssen durchschnitten. Im Innern
\in Erdscheibe sind die Zwerge oder Schwarzelfen, MetallkünsÜer,
tenie Vorstellung, welche von der Magie des Mittelalters bekanntlieh
|iebr sosgebildet worden Ist Noch andere Naturgeister wohnen auf
Ito Erde, wie die Elfen, Trollen, Geister der Elemente des Erdkör-
Fvi u. s. w. gleich den Schwarzelfen, Berg- oder Erdgeistern.
Geistig um den Menschen schwebende Götter, uns an die Ferner
fa Zendavesta erinnernd, sind die Schutzgeister, Todesgenien, Ge-
hirtsgöttinnen, u. s. w. Jenseits des unsere Erdscheibe umgeben-
den Oceans ist das Land der Joten oder Riesen, vom Gotte Aegir
MJer Hier beherrscht. Er zeugte mit seiner Gattin, Rana, die
W«ilenmädchen, die den Schiflfbrüchtgen zu Hülfe kommen. Ueber
da Erde und zwar über den über ihr gelagerten Wolken ist God-
beim (die Götterweit). Auch dieser Welt scheinen, wie der unseren,
die 8onne und der Mond. Bifröst oder der Regenbogen ist die
Brücke, welche diese Welt mit der Erde verbindet In dieser Göt-
terwelt ist Asgard, die Götterstadt. Hier hausen die Äsen in
I^tlXsten von Gold und Silber. Die Äsen sind männlichen und
Teibliehen Gkschlechtes, zeugen Kinder, führen Kriege, haben Tu-
genden nnd Fehler der Menschen, nur im vergrösserten Msassstabe
der Heroenkraft. Prächtige Haine umgeben Asgard, und gleich
den slten deutschen Völkern halten die Äsen ihre Volksversamm-
kag, Ueber der Götterwelt nnd den Sternen ist die Aetherwelt,
Oimle, der zukünftige Ort der Seligen. Ganz oben über allen
Veiten schwebend nnd nnr durch den weltblauen Himmel der Licht-
elfen von Gimle geschieden ist Muspelheim, der Flammen-
ffimmel, die Behausung Surturs, des Unbegreiflichen, Alfadurs,
des einsigen, ewigen, Alles überdauerndem und zu neuem, verklär-
^) besserm Dasein führenden Urgottes. Der Ocean , welcher die
Scheibe nmfliesst, ist vom Lande der Joten oder Riesen umge-
^ und an den änssersten Gränzen desselben beginnt Hei he im,
942 SohttU: Bdder's Tod.
dfeg fintiere Qebiet der Todesgöttin Heia. In Hela's gdianriger
Halle sind alle Verstorbenen, die nicht im Kriege fielen, Tersammelt,
während die im Kriege Umgekommenen sich in der gSttlfchen Wal-
halla Yersammehi. Da, wo es nach Hei heim geht, herrscht
Niflheim oder die Nebel weit. Wenn die Äsen im Kampf gegen
die Bewohner der Nebelwelt und die Riesen fallen and Alles durch
den Weltbrand zu Grunde geht, wird Alfadur Alles für den neuen
Oötterhimmel yerklären, oder für den ewig dauernden Himmel der
ßeligen (Gimle), während die Verdammten für immer Hei heim
sagewiesen werden.
Wenn auch die Äsen über den Menschen stehen, so kämpfen,
glauben, hoflfen und fürchten sie, wie Menschen und, wenn sie anch
das Leben der Menschen überdauern , so müssen sie zuletzt doch,
wie Mensehen, zu Grunde gehen, und, wie Menschmi, im Sjunpfe
mit den zerstörenden Mächten der Natur fallen, nm zu einem neaen,
▼erklärten Leben zu erwachen, das alle Zerstörung und Zeitlichkeit
überdauert Sie sind also Halbgötter, Gottmenschen, Heroen. Dsher
kommt es auch, dass die Lehre von Christus in der Form des
Arianismus bei den germanischen Völkern mehr Anklang fand, ab
die Vorstellung dieses Dogmas nach der Anschauung der orientaliseb-
neoplatonischen Metaphysik.
Es ist im Asenuntergange die Endlichkeit und Vergänglichkeit
alles, auch des Schönsten und Herrlichsten, was der Wirklichkeit
der Welt, angehört, veranschaulicht. Den Naclistellungen der ser-
störenden, bösen Mächte entgeht selbst die Asenwelt nicht, und doch
unterliegt das Gute nicht für immer. Das Ewige, vollkommen Gött-
liche überdauert alle Zeit, und führt das wahrhaft Gute im Menschen
und in den über dem Menschen stehenden Äsen, den Gottmenschen,
mr läuternden, beseligenden Verklärung. Diese Lehre ist in dem
schönsten Mythos von Balder's Tode veranschaulicht.
Das Haupt der Äsen ist Odin. Er herrscht über alle anden
Äsen, wie ein Vater über die Kinder, alle ihre Kräfte und Eigen-
schaften erkennend. Ihm dienen Himmel und Erde, und Alles, was
der Mensch besitzt, kommt von ihm, Sieg im Kampfe, Madit des
Besitzthums und Geistes, Tapferkeit und Kunst Die Krieger wen-
den sich zu ihm, und begehren seine Hülfe in der Schlacht. Dieses
Oötterkönigs Eigenthum ist der in der Schlacht Gefallene. In sei-
nem Paleste, welcher der schönste in Asgard ist, versammelt er die
Äsen und die Seelen der im Kampfe gefallenen Krieger, die tsn-
send Einheriar um sich. Er ist, natursymbolisch aufgefasst, der
Luft* und Himmelsgott. Seine einzige Gemahlin ist Frigga, als
Symbol der JSrde auch Jörd (d. i. Hertha).
Ein Sohn Odins und Friggas ist Haider (Baldur, Baidor
hhi Oode, Baldur, der Gute, Ha-Bolder, auf angelsächsischen Stein-
tafehi Baltur). Er ist unter den Äsen, was Apollo unter den
griechischen Göttern war. Seme Sehönheit war so gross, dass Gisos
von ihm ausstrahlte , die symbolische DivsteUung der Sonne. &
Sdiöti: Uder^i T«^ m$
iit dM BUd der Güte und mtonliehen Sohäohett, der
hmlB unter dea Äsen. lo Island heiMt ein trefflieher Haan etat
ManiHBelldr. Daher atellen die Meetit aerstörenden MIchte ihtt
imafter naob. Mit ieioem Tode beglnot der Untergaiilr der Aaen«-
welL Wie der klare, atrahiende Himtnel der Soanei gUfaiai Bai«-
dar'a Bnrf, Breidablik. Hier wohnt er mit aeitier geUebMl,
treaen Gattin, Nanna. Sein Sohn htiaat Forsete (Forseti), nnd
ist ein Gott der GerechUgkeit Allein selbst im Aseasitae, der er-
haben über den Dingen der Erde thront, geht das Schöne und Heif-
liehe, das der jetaigen Welt angehört, an Grabe. Damm ist aoeh
sein Tod der Haaptwendepankt im Untergange der Aaenwelt, der
Ton Mensehen jetzt verehrten, göttlichen Heroenwelt Die Aaenwelt
Ist so ein Spiegelbild der eigenen Mensohengeschiehte.
Nach der jüngeren Edda (Mythos 49), nach Karl Simroek's
Ueberaetanng der Edda (S. 880 £f.) wird Bai der 's Tod, der StoflT
an nnaerem Gedichte, also erzählt:
Baidur, der Gute, träumte schwere Träume, die seineai Le-
ben Gefahr drohten. Als er dieses den Äsen eraählte, hielten sie
eine RathsFersammlong, und beschlossen, ihn yor allen Gefahren an
schfltxen. Frigga, Odins Gemahlin, nahm Eide von Feuer «od
Waaaer, Eisen und allen Eraen, Steinen und Erden, yOn Bäumedi
Krankheiten und Giften, dazu von allen vierfflssigen Thieren, Yögehi
und Würmern, dass sie Baldurs schonen wollten« Als das ge>
scheben und allen bekannt war, knrzweilten sich die Äsen mü
Baidnru, dass er sich mitten in den Kreis stellte, und einige naoh
Ihm achossen, andere nach ihm hieben, und noch andere mit Stei-
nen warfen. Und, was sie auch thaten, es schadete ihm nicht; däi
denebte sie alle ein grosser YorthelL Aber, als Loki, Lanfeyas
Sohn, das sah, da gefiel es ihm Übel, dass den Baldnr nichta
Tcrleuen sollte. Loki (Loke, Legi, Loge, Lohe) dentet nach dem
Namensnrsprnnge die Feuergottheit an. Da man efai aüterirdischeSi
▼nlkanisehes und ein himmlisches Feuer unterschied, spaltete die
Mythologie den Loke in zwei Wesen. Der Loke, welcher die Per«*
Bonifikation des unterirdischen Feuers wurde, hatte seinen Sita In
der nordischen Unterwelt, Utgard, und war Utgard-Loke; der
andere, die Personifikation des himmlischen Feuers, kam anter die
Äsen, und war, was Satan unter den Kindern GottCi. Er war
eiae Art Bindeglied zwischen HImmd und Hölle. Zuerst tritt er
als Freund, dann als Yerderber der Götter auf. Wenn Joten
(Biesen), die zerstörenden Natnrkräfte, und Äsen (die erhaltenden
und segnenden) unter einander kämpfen, ist er das Werkzeug der
Nomen oder Schicksalsgöttinnen, dtti Untergang des Asenthonk«
herbeiznführen. 0
Da ging er (Loki) — so fährt die Erzählung der jungem
Edda fort — zu Frigga nach Fensal (Friggas himmlischem
Paläsie) m Gestalt eines alten Weibes. Da fragte Frigga die
Fraa^ ob sie wfisste» was die Äsen in ihrer Teraammlong vomäh-
344 Sehtttk: Balder's Tod.
men. Die Frau antwortete, sie schöBsen alle nach Baldar; ihm
aber schadete nichts. Da sprach Frigga: Weder Waffen, noch
Bftnme mögen Baldar schaden; ich habe Ton Allen Eide ge-
nommen. Da fragte das Weib: Haben alle Dinge Eide geschwo-
ren, Baldars zu schonen? Frigga antwortete: Oestlich von
Walhall (Walhalla) wächst eine Stande, Mistiltein (Mistel)
genannt; die schien mir eu jnng, sie In Eid zu nehmen. Darauf
ging die Fraa fort; Loki nahm den Mistiltein, riss ihn aus,
und ging cur Versammlung (der Äsen, die im Kreise um Bal-
dur standen, und mit ihm durch Hauen, Schiessen und Werfen
nach seinem unverwundbaren Körper kurzweilten). Hödur (Odins
und Frigga*s Sohn, Baldur's Bruder, stark, aber blind und
darum Sinnbild der Finsterniss und verstandesloser, blinder Gewalt)
stand EU äusserst im Kreise der Männer; denn er war blind. Da
sprach Loki zu ihm: Warum schiessest du nicht nach Baldar?
Er antwortete: Weil ich nicht sehe, wo Baidur steht; zum An*
dem habe ich auch keine Waffen. Da sprach Loki: Thu* doch,
wie andere Männer, und biete Baldurn Ehre, wie Alle thun. Ich
will dich dahin weisen, wo er steht: so schiesse nach ihm mit die-
sem Reisl Hödur nahm den Mistelzweig, und schoss nach Bai-
dur nach Loki*s Anweisung. Der Schuss flog, und durchbohrte
ihn^ dass er todt zur Erde fiel, und das war das grösste Unglfick,
das Menschen und Götter betraf. Als Baidur gefallen war, stan-
den die Äsen alle, wie sprachlos .... Als sie .die Sprache wieder
erlangten, da war das Erste, dass sie so heftig zu weinen anfingen,
dass keiner mit Worten dem Andern seinen Harm sagen mochte.
Und Odin nahm sich den Schaden um so mehr zu Herzen, als
Niemand so gut wusste, als er, zu wie grossem Verlust und Verfall
den Äsen B a 1 d u r ' s Ende gereichte. Als nun die Äsen sich erholt
hatten, da sprach Frigga, und fragte, wer unter den Äsen ihre
Gunst und Huld gewinnen und den Hei weg (den Weg nach Hei-
heim, wo Heia, Utgard-Loke's Tochter, die Göttin der Fin-
sterniss und des Todes wohnt) reiten wolle, um zu yersuchen, oh
er da Baldurn fände, und der Hei (Heia) Lösegeld zu bieten,
dass sie Baldurn heimfahren Hessen gen' Asgard (der Haupt-
stodt von Godheim, dem Götterlande der Äsen). Und er (der
sich zum Heiritte anbot) hiess Hermodur (Hermod, der Götter-
bote, Odin 's Sohn, Hüter von Walhalla). Dieser schnelle Sohn
Odin 's unternahm diese Fahrt. Da ward Sleipnir (achtfUssigefl
Pferd des Asenhauptes) Od in 's Hengst genommen und vorgeführt,
Hermodur bestieg ihn, und stob davon. Da nahmen die Äsen
Baldur's Leiche und brachten sie zur See Da ward Bai-
d||r's Leiche hinaus auf das Schiff getragen, und, 'als sein Weib»
Nep's Tochter, Nanna das sah, da zersprang sie vor Jammer nnd
starb. Da ward sie auf den Scheiterhaufen gebracht und Feoer
darunter gezündet .... Und diesem Leichenbrande wohnten vielerlei
Gäste bei. Zuerst ist Odin zu nennen und mit ihm Frigga u.b.w<
ScbQU: Btlder's Tod. 345
.«. Baldor'fl Hengst ward mit allem Geechirr cum Scheiterhaufen
geffihrt. Von Hermodur aber ist £u sagen, dass er neun Nächte
tiefe dankle ThSIer durchritt, so dass er nichts sah, bis er snm
GifillfliUBe kam, und über die GiOllbrUcke ritt, die mit glänsendem
Golde belegt ist. Modgndur heisst die Jungfrau, welche die Gi51l-
hrncke bewacht; diese fragte ihn nach Namen und Geschlecht, und
sagte, gestern seien fünf Haufen todter Männer über die Brücke ge-
ritten, „und nicht donnert sie jetzt nieder unter dir allein, und nicht
hast da die Farbe todter Männer: warum r<Mtest du den Helweg*^?
Er antwortete: Ich soll eu Hei (Heia) reiten, Baidur eu suchen.
Hast du vielleicht Bai dum auf dem Heiweg gesehen? Da sagte
rie, Baidur sei über die Giöllbrücke geritten; „aber nördlich geht
der Weg herab sn Hei.' Da ritt Hermodur dahin, bis er an das
Helgitter kam, sprang vom Pferde, und gürtete es fester, stieg
wieder auf, und gab ihm die Sporen: nun setzte der Hengst so
mächtig: über das Gitter, dass er es nirgends berührte. Jetzt ritt
Hermodur auf die Halle (Todtenhalle der Hei, deren Palast
Elend heisst, deren Tisch der Hunger, deren Messer das Aufzehren,
deren Knecht das Spätkommen, deren Zofe Langsam, deren Schwelle
der eiofallende Sturz und deren Bett Kümmemiss und langwierige
Seuche ist, und die ein aus den Farben des Lebens und der
Verwesung zusammengesetztes Gesicht hat), stieg vom Pferde, und
trat in die Halle. Da sah er seinen Bruder Baldnr auf dem
Ehrenplatze sitzen. Hermodur blieb dort die Nacht Ober. Aber
am Morgen yerlangte Hermodur von Hei, dass Baidur mit
ihm heim reiten sollte, und sagte, welche Trauer um ihn bei den
Äsen sei. Aber Hei sagte, das solle sich nun erproben, ob Bai-
dur so allgemein geliebt werde, als man sage. ,)Und, wenn alle
Dhige In der Welt, lebendige sowohl, als todte, ihn beweinen, so
soll er zurück zu den Äsen fahren; aber bei Hei bleiben, wenn
Eins widerspricht, und nicht weinen will.^ Hernach stand Hermodur
auf, und Baidur geleitete ihn aus der Halle, und er und Nanna,
seine Gattin, sandten den Äsen Ringe und Ueberwurf zum Auge*
denken. Da ritt Hermodur seines Weges zurück, und kam nach
Asgard, und sagte alle Zeitungen, die er gehört und gesehen hatte.
Damach sandten die Äsen Boten in alle Welt, und geboten,
Baidorn aus Hei 's Gewalt zu weinen. Alle thaten das, Men-
schen und Thiere, Erde, Steine, Bäume und alle Erze, wie du
schon gesehen haben wirst, dass diese Dinge weinen, wenn sie aus
dem Frost in die Wärme kommen. Als die Gesandten heimfuhren,
und ihr Gewerbe wohl vollbraoht hatten, fanden sie in einer Höhle
ein Rieeenweib sitzen, das Thöck genannt war. Die baten sie
auch, den Bai du r aus Hel's Gewalt zu weinen. Sie antwortete :
»Thöck muss weinen mit trockenen Augen über Baldurs Ende.
Nidit Im Leben, noch im Tod hatt' ich Nutzen tou Ihm. Behalte
Hei, was sie hat!"^ Man meint, dass dies Loki, Laufeya's
Sohoi gewesen sei, der den Äsen so viel Leid zugefügt hatte.
346 Schtttt: Balder'f Tod.
Damit sehliesat die ErtShlung im 49. Mythos der jUngcni Edda.
Aber Bai dar, der VortrefflichBte der Äsen, darf nicht für iminer
ontergeheD; er muae neo ond verklärt mit seiner g;eilebteii Nanaa
erstehen. Dies ersählt die jüfigere Edda, nachdem sie den Stars
aller Dinge und selbst der göttlichen Äsen dargestellt hat, im 52. My«
thos also: ,,Was geschieht hernach, wenn Himmel and Erde tsf*
brannt sind und alle Welt nnd die Oötter alle todt sind und alle
Einheriar (Seelen der in Walhalla versammelten, im Kampfe
gefallenen Elrieger) und alles Mensehenvolk ? .... Leben denn daan
noch Götter, and gibt es noch eine Erde nnd einen Himmel? ...
Die Erde taucht aus der See auf (neue Erde), grün und schön, und
Korn wächst darauf ungesäet Widar (der surke, schweigsame
Gott mit dem mächtigen, AUes zermalmenden Eisenschuh, Symbol
der Wettersäule, Typbon der Aegypter nnd Griechen) nnd Wall
(Frühlingsgott, Sinnbild des wachsenden Tageslichts, Sohn Od in 's
und der Frigga als Rinda des Himmels und der kalten, winter-
lichen Erde) leben noch; weder die See, noch Surturs (des Un-
begreiflichen, des im Flammenhimmel über allen Welten thronenden
Alfadur) Lohe hatte ihnen geschadet Sie wohnen auf dem Idt-
feld (neuer Himmel), wo zuvor Asgard (die alte Grötterborg) ge-
standen« Auch Thors (des Donnergottes) Söhne, Modi (Math)
nnd Magni (Macht) stellen sich ein, und bringen den Miöllnir
(Thor 's Hammer mit kurzem Stiele zum Schleudern, Symbol des
Blitzes) mit. Darnach kommen Baidur und Hödur ans dem
Reiche Hels, da sitzen sie alle beisammen, und besprechen sieh,
und gedenken ihrer Heimlichkeiten, und sprechen von Zeitungen,
die vordem sich ereignet .... Auch die im Anfange der Zeiten ve^
loren gegangenen Goldtafeln der Äsen finden die neuen Götter wie*
der ... Während Surturs Lohe aber verbargen sich zwei Mensches,
Lif (Mann) und Lifthrasir (Weib), und nährten sich vom Mor-
genthau. Von diesen beiden stammt ein so grosses Geschlecht
neuer Menschen, dass es die ganze Welt bewohnen wird. So fiihrt
der Weltbrand zu einer nenen Erde und neuem Himmel, aa neuen
Menschen nnd neuen Göttern. Lok es Nachstellungen hören daan
für immer aof.^
Das hellige Mährchen von Bai der 's Tode, wie es in den an-
geführten Stellen der jungem Edda im einfachen nnd naiven Tone
ersählt und auch von Saxo Grammaticus mitgethellt wird, ge-
hört zu den schönsten Theilen der skandinavischen Mythologie.
.Dieser Mythos hat zuerst eine natursymbolische BedMtnag«
Baidur ist die glänaende nnd erwärmende SommerBonne, die Zeit
der Sonnenwerde, von welcher an es abwärts geht. Wenn die Sonne
für ans die Kraft ihres Lichtes und Ihrer Wärme verliert, stirbt
Baidur für uns, bis er im neuen Sonnenglanse im Frtthlinge einer
neuen Erde und eines neuen Himmels ersteht Doch andi eitie
universellere, philosophische Bedeutung liegt im Baidermythos, det
Sage vom Tode des schönsten und besten Aaen. £s isi in ihm dis
r
SdUkU: Balder'f toi. 847
Vergiagliehkeii alles, auch des Schönsten nnd Trefflichsteni welches
die Zeiüichkeit hat, ausgesprochen. Bai der ist der Reprisentant
eioer Unseholdswelty eines goldenen Zeitalters, das ftir uns verloren
gsgaDfen ist, und ssit einer LSutemng alier Dinge in einer neoea
Erde und In mnem neuen Himmel wiederkehrt Zugleich wird Im
Kampfe des den Äsen und ihm nachstellenden und seinen Tod her-
l>eif uhrenden Loke die Macht der zerstörenden Kräfte im Reiche
der Zeitlichkeit, selbst im Gebiete ihrer schönsten und trefflichsten
Erscheinungen, anschaulieh gemacht, aber endlich über der Zeitlioh*-
keit im Reiche des Ewigen dem Terderbenden und zerstörenden Ein-
flüsse des Bösen für immer eine Gränze gesetzt Keiner, auch Bai-
der nicht ausgenommen, ist in der Welt der Wirklichkeit vor der
yemichtenden Waffe des Bösen sicher. Keiner, Bald er nicht aus-
genommen, nimmt die Thränen Ailer bei seinem Ende mit sich. Das
Böse rerfolgt in der Erinnerung auch den Edelsten noch nach dem
Tode. Nur inSurturs, des Unbegreiflichen, Reiche, im Reiche
des Ewigen, Göttlichen ist weder physische, noch moralische Zer-
störung, weil hier keine VergSnglichkeit ist Bai der 's Tod bietet
darum der Po6sie gewiss interessante Momente.
Die Dänen, welchen der skandinavische Diohterstoff näher
liegt, haben sich zuerst dichterisch In dem Gebiete des Baldurmy-
thos Tersncht.
Der Däne Ewald schrieb ein heroisches Trauerspiel in drei
Aufzügen: Balder's Tod, der berühmte Oehlenschläger
ein mythologisches Trauerspiel: Balder, der Gute. Der letzte
wollte In diesem Trauerspiele den ewigen Sieg des bösen Princips
über alles Gute veranschaulichen. Eine Idee, die gewiss mit Recht
«b ein Missgriff bezeichnet worden Ist, weil eine solche weder einer
philosophischen Weltanschauung, noch dem skandinavischen Mythos
leibst, welcher zuletzt mit Balder's neuer Verklärung endigt, ent*
spricht Oehlenschläger's Stück ist in Adam Oehlenschlä-
ger's nordiske DIgte, Koppenhagen, 1807, enthalten. Nicht nur
die falsch aufgegriffene Idee des BsJdermythos, sondern ▼ielleicht
noch mehr die Umwandlung des Stoffes in ein Drama schadete dem
Effecte der dichterischen Bearbeitung der beiden Dänen. Das Mähr-
chen von Balder bietet keinen dramatischen, sondern einen
epischen Stoff. Die Erzählung vom Tode eines göttlichen Hel-
den, des trefflichsten der Äsen, ist in allen ihren Theilen so rein
episch, dass sie zum Dramatischen sich gewiss wenig eignet, zumal,
da hier alle handelnden und sprechenden Personen Götter des Götter-
himmels oder der Unterwelt sind. Die Asengeschichte Ist hier Spie-
Sslbild der Menschengesehichte , und wird zum Epos, welches das
Herrlichste nad Schönste der Asenwelt In Leben, Tod und Wieder-
verherrlichnng feiert Episch ist unseres Wissens dieser Stoff noch
nie beiiandelt worden, so wie auch unser durch sein treffliches Ge-
dicht ,pPsyehe<' fai der literarischen Welt auf das Yortheilhaf teste
350 Schtttt: Mder's Toi,
Trauer ifl in Afftrd'i Hainen,
Die der holde Lenz belaubt,
Bäume aelbat uBd Felsen weinen,
Blumen neigen weick ikr Hanpt.
Frigga ruht mit ban^pen Sorgen«
Bebend apricht sie und verwirrt,
Bitter weinend, bis am Morgen
Freyr seine Rosse schirrt.
Der zweite Gesang von S. 23 — 48 hat 70 Strophen.
Alles in der ganzen Natur soll den Eid schweren, Bai der
nicht zu Terletzen. Frigga reist zu den Lichtelfen, Schwarzelfen
und Riesen zu diesem Zwecke. In der Edda wird blos erzShlt,
das« Frigga von Feuer und Wasser, Eisen und allen Erzen, Stei-
nen und Erden, von Bäumen, Krankheiten und Giften, dazu von
allen vierfüssigen Thieren, Vögeln und Würmern einen Eid, Balder
zu schonen, verlangt habe. Der Hr. Verf. lässt die Göttin zu die-
sem Zwecke die Reise zn den Licht- und Schwarzelfen und ins
Land der Joten machen. Diese Reise ist von demselben im zwei-
ten Gesänge des Epos bis zu Loke's Auftreten als eigene dich-
terische Erfindung zweckmässig eingeschoben.
Frigga besucht zuerst die Lichtelfen.
„Und sie httpfeo, tarnen, springen,
Haienglocken auf dem Haupt,
Summend gleich den Schmetterlingen,
Wenn der Wald sich frisch belaubt.
Lustig schwingen ihre Hüte
ElfenmSnnchen, nett und schlank,
Trinken aus der Sommerbhlkthe
Honigkelch den süssen Trank** (S. 28).
Die Elfen sind zu jeder Hülfe für Balder bereit
Auf dem Meere fahrt Frigga zum Lande der Schwar^elfen
oder Berggeister. Das Treiben der Berggeister wiid S. 34 beschrieben.
Und es praiselt, kocht und siedet
In des Berges gltth'ndei» Bauch
Wird das Eisen heiss geschmiedet.
Aus den Schluchten dringt der Rauch;
Mitten ans dem Feuerheerde
Fliegen Steine weit ins Heer,
Dass ea aufscbäiuut, und die Erde
Bebt und sittert rings umber.
Die vor der Höhle, welche zum Lande der Schwarzelfen führt,
liegenden Drachen besänftiget die Göttin durob ihren Zauberstak
Sie betritt den Saal des unterirdiachen Bdierrschers der Berggeister
S. 35.
Wie der Hoigenthan im Tbale
Zittert an der Blathen Rand,
Schimmern in dem weiten Saale
Stalaktitea an der Wand;
Schutt: BaMer'i T<mI. 95f
Nil doB winderbanlMi Dinfe«
' Gllul in nie feieb'ncr Pracht
Jeder Raun, und Zwerge bringen
Gold und Silber «ui dem Scbacht.
Der AlfenfiirBt schwört, Bai der la schonen, und Frigga
sebilft nim Lande der Joten oder Riesen. Sie löst die Rttthsel,
welche der Rlesenftirst ihr au lösen gibt (S. 43), und dieser schwört
ihr, ihren Wonach an erfüllen (8. 46). Alle Wesen schworen den
m (& 47). Nor die zarte Mistiltein (der kleine Mistelaweig)
«arde von Frigga hei der Beeidigong alier Natnrwesen übersehen
(8. 48>
Als snietst im Abendfcbeine
Frigga eine Mittel sah.
Welche sich in Wingolfs Haine
Um den Stamm der Eiche wand,
Lless die Gottin sich bethören ;
Denn die aarte Mistiltein
Schien ihr, um den Eid su schworen,
Viel au schmichtig und su klein.
fön Jotenweib trat Ihr bei diesem ooseligen Uebersehen ent-
gegen.
JLocke war es, der Verstockte,
Der in weiblichem Gewand'
Das Geheimniss ihr entlockte,
Wo die Mistel sich befand.
Damit ist durch die awei erateo Gesänge der Knoten ge*
Bchurat, der sich im dritten Gesänge durch Balder's Tod und
aeioe spätere Gottverherrlichong löste. Der dritte Gesang (S. 49
bis 80) vollendet das Ganze mit 88 Strophen.
Die Äsen frohlocken auf Frigga's Nachricht Alle Gefahr
f9r Beider scheint vorüber. Hermode, der GStterbote, eilt nach
Breidabliky ond theilt die frohe Botschaft dem kranken Helden
mit. Wieder genesen verlSast er das Schmersenslager, an welches
ihn die unseligen Träume von seinem baldigea Tode fesselten. N a n n a,
die liebende Gattin, begkitet ihn nach V7 alba IIa, dem Versamm*
loDgsorte der Götter. Odin, der Vater ^ ihdet den geliebten, ge-
nesenen Sohn wieder. Alles ist in der Versammlung von Freude
Um der Elteva Glück ergriffen. Auf der Wiese grüneia Plane übt
man sich zur Feier von Bald er 's Wiedergenesung in muntecn
EaiQflspielen, Bai der stellt sich in den Kreis der Äsen, inver*
Wfindbar, weil AUes in der Natur auf Frigga' s Verlaogen ihm
Freiheit von Beschädigung schwur. Ohne Helm und Schild fangt
er die Geschosse der die Mordwafien nach ihm schlendecnden Göfttec
Nichts vermag ihn sa verwanden
Im Bereiche der Natur;
Alle Weaen sind gebunden,
Welche leisteten den jSchwnr (S. 55).
352 Sch&lk: Balder's Tod.
Aber der aaf Rache sinnende Loke, in der Versammlang der
Götter weilend, eilt hinaus in den Hain, wo er die' gestern noch so
schwache, jetzt schnell erstarkte Mistiitein fällt. Er sieht den blin-
den, aberstarken Hödur, Odin's Sohn, Balder's Bruder, ein-
sam stehen, und ermuntert ihn, den geliebten, unverwundbaren Bru-
der im unschuldigen Waffenspiele zu necken. Loke weist Bäl-
de r das Ziel, und drückt ihm die Mistiitein in die Hand. Der von
ihm nach Balder's Herzen geschleuderte Mistelzweig tödtet den
edelsten der Äsen (S. 57). Der trauernde Odin, auf dem Rich-
terstuhle sitzend und die Götter um sich versammelnd, erkennt in
Loke den tükischen Verderber, und verbannt ihn aus dem Asen-
reiche. Balder's Leiche ist im Trauersaale aufgestellt. Ueberali her
kommen Götter, Dämonen und Riesen, Balder's Leichenmafal zu
verherrlichen. Nanna tödtet der Schmerz über den Verlust des
geliebten Gatten. Balder's und Naunas Leichen werden in fest-
lichem Zuge von den Göltern zum Meere gebracht, und auf dem
Ringhorn. Balder's goldenem Schiffe, verbrannt (S. 68). Frigga,
Odin 's Gattin, sie, die durch ihre Unvorsichtigkeit Balder's, des
geliebten Kindes, Tod herbeiführte, ruft den Heldengöttern zu, ob
keiner unter ihnen zur Befreiung des geliebten, todten Sohnes den
Weg zum kalten, starren Schattenreiche der Heia zu betreten den
Muth habe. Alle ihre Schätze bietet sie dem Kühnen. Da erhebt
sich Her mode (Hermod) zum verwegenen Ritte auf dem Heiwege.
Nach sieben Tagen gelangt er auf Odin 's Rosse, Sleipner,
zum Gjallstrome, einem der zwei und dreissig Höllenflusse,
welcher die Gränze zwischen der Ober- und Unterwelt bildet. Ueber
ihn führt die goldene Gjallerbrücke. Modgudur, die Höllenjung-
frau, welche an der Brücke Wache hält, weist ihm den Weg nach
Hela's Reich. Sie ruft ihm S. 73 zu:
Gestern ritt der schOne Ase
Langsam, traurig, ernst und bleich
Auf der breiten Todtenstrasse
In der Schrecken grauses Reich.
Wenn Entsetzen nicht und Grauen
Dich, o Fremdling, dort erfasst,
Magst du Balder's Antlitz schauen
Von des Todes Hauch erblasst.
Er setzt mit seinem Pferde über die Thore Ton Hei wed, dem
Aufenthalte der Heia, der Königin der Schatten. Hermode fin-
det Haider und Nanna starr, unbeweglich, ohne Leben im Reiche
der Todten. Es war durchaus passend, in einer vom Mythos ab-
weichenden Gestalt Bai der und Nanna im Schattenreiche starr,
unbeweglich, ohne Leben vorzustellen. An ihrer Stelle unterhandelt
Hermode mit Heia, der Herrscherin des Schattenreiches.
(Schiuu fdgQ
fr. 23. HEIDELBERGER 1857.
jahrbOcher der litbratdr.
Schutt: Balder's Tod.
(Schtatt.)
Bai der yerUtet in der DichtoDg den ihm ingewlesenen Ehren-
citi in der Unterwelt, so lange er ihr angehören soll, nicht, wfthrend
Dach der jungem Edda bei Simrok S. 282. Balder den Her-
rn o d a r aus der Todtenhalie geleitet, und Odin den Ring D r a u p n i r
loni Andenken sendet, und Nanna der Frigga einen Ueberwurf
und noch andere Gaben, so wie der Fulla, einen Ring schickt
Dies passt wohl mehr für ein kindlich naives Mfthrchen, als für ein
Epos, und ist daher Ton dem Hrn. Verf. mit Recht dadurch be-
aeitigt worden, dass er Bai der und Nanna im Schattenreiche
j dem lebenden Hermod gegenüber bleich, kalt und starr darstellt
i £l>en so war es dem Ernste des epischen Charakters gemSsser, dass
Dach dem Hrn. Verf. Odin's Ring, Draupnir (Draupner), so ge-
nannt, weil in jeder neunten Nacht acht gleich grosse Goldringe
TOD ihm träufelten, nicht von Balder Hermode im Todienreiche über-
geben, sondern, dass er S. 69 von Odin bei der Todtenfeier der
geliebten Kinder auf den Holastoss des brennenden Schiffes gelegt,
«D Morgen nach der Nacht des Leichenbrandes, auf des Meeres Grund
geborgen, schimmernd, hell und unversehrt liegt
Nur Eines soll nach Hela's Ausspruche Balder dem Leben
nrück geben, wenn alle Wesen ohne Ausnahme seinen Tod be-
weinen. Ueberall hin eilen Götterboten, die Stimmung aller Wesen
der Natur über den verlorenen Geliebten au erforschen. Glückver-
hdssend scheint diese Stimmung au sein.
Seinen frühen Tod beweinen
Alle Wenen der Natur. '
Still ist*8 in den Wildem, Hainen,
In den Triften, auf der Flur.
Bäume neifpen ihre Wipfel;
Welpen Bai der 's hartem Loos
FlieMen von der Berge Gipfel
Thrlnen in des Heeres Schooss
Ein Jotenweib, Töck, unter deren riesiger Gestalt sich der
b5se Loke verbirgt, klagt um den Todten nicht
„FQr den schönen Balder trauert
TOck, die gute Alte, nicht**
Es war gewiss zweckmässig, dass der Hr. Verf. das schöne
Gedicht nicht mit Balder* s Vernichtung schloss. In Strophe 85
L Mhrff. 5. Beft S8
354 Scbtttt: BaMw'f Tod.
bifl 88 wird der auf Bai der 's Tod erfolgte Untergang der Äsen
und seine, Nannas und der Äsen Verklärung Im neuen ewigen
Götterleben geschildert.
Bai der sitzt schweigend und im Frieden mit dem bleichen,
ernsten Antlitze im Schattenreiche:
Bis dereinst die HidgardsschlaDge
Erde, Luft and Meer nmschlingt,
Bis der Ruf vom Untergänge
Asgard's zu den Todten dringt;
Dann schmOckt frisches GrOn die Hatten,
Und inm Leben selinell erwacht
Steigt mit ihrem achdnen tiattea
Nanna aus der Grabesnacht.
Bald er vereint sich mit Hödur, dem geliebten Bruder, der
ohne bösen Willen durch Lok es Tücke ihn tödtete. Nanna, die
geliebte Oattin, ist an seiner Seite.
Wie die Ros' in jenen Thale,
Wo des Lichtes Quelle fliesst,
Aufgeküsst vom Sonnenstrahle,
Duftend ihren Kelch erschliesst,
Blüht, befreit von ihrer Hülle,
Mit dem iltherfeinen Leib
Jetat in frischer LebensfttUe
Nanna, Balder's edles Weib.
Mit der Schilderung des Lebens und Wirkens der wieder er-
standenen Äsen in Strophe 88 schliesst das Gedicht.
Dem Gedichte sind Anmerkungen zur Erklärung der mytho-
logischen Gegenstände in den drei Gesängen S. 83 — 90 beigefügt.
Gewiss sind dieselben zum Verständnisse des Ganzen ftir solche,
welche die skandinavische Mythologie nicht kennen, sehr branchbar;
nur dürften sie gerade für solche Leser etwas weniger spärlich sein,
da sie sich gewöhnlich nur auf wenige Worte beschränken, und
manche, mehr bekannte Gegenstände aus diesem Gebiete nicht er-
klärt sind. Ein acht deutscher Stoff aus der Religion unserer nordger-
manischen Vorfahren ist in dieser Dichtung dem Inhalte und der
Form nach in würdigster Weise behandelt, in einer Dichtung, weiche
nach altskandinavischer Weltanschauung eine religiös-sittliche Wahr-
heit, einen philosophischen Gedanken von der Vergänglichkeit auch
des Schönsten und Trefflichsten unter den Formen der Endlichkeit,
vom Fortbestande alles Lebens im Reiche der ewigen, unendlichen
Verklärung der Götter, von der Macht des Bösen und dem endlichen
Siege des Guten über dasselbe im Farbenreichthume schöner Bilder
und in durchdachtem, logischem Zusammenhange entwickelt.
T« Relelillii Hilden«
Amiiiaira de ta foc^ areMolof iqiie de ConiUmtlne. 8Si
JMmaire de Ja SoeiiU areJi^ologique de ia prcvifue de OamUmUne.
Ann4e 1858, Constantine, F, Ouende^ libraüre Place du Fc^
lais. Paris, A. Ldeux, librairej Rue de$ Poiievim, ü. MDCCCLUl.
8. 142 pp. und XVJJJ lUhograph. Tafeln,
DasB man von dem franzötischen Mntterlande her den Restea
dee Alterthoms in Algerlen die verdiente Animerkeamkeit sehenkti
itm beweisen die beiden gröeeern litererisoben Untemebmimgen, die
ExpioreMon sdenäftgue de FAlgerie and Leon Reniers £ueHp^
Hans romamee de FAlgSrie. In der oben angegebenen Dnicksehrilt
Hegt nnn aber aoch eine Sammlung von Arbeiten über denselben
G^Senataiid ans Algerien selbst vor. Es hat sieh nflmlieb an Coo-
itantine eine arcbSologische Gesellschaft gebildet, deren Statuten das
vorliegende Annuaire eröffnen. Ilir Zweck ist: die historischen nnd
arehSologischen Denkmftler der Provioa Constantlne so sammein, sa
erhalten nnd au beschreiben. Die aus ungeClhr 30 Mitgliedern he*
stehende Liste dieses ersten Jahres ihrer Gründung entliAlt Milit&r-
penonen, namentlich aus dem Geniecorpe, Geistliche, Angestellte des
Civils, Äerate, meistens zu ConstanUne selbst, aber auch an andern
Orten der Provinz wohnhaft Es ist unverkennbar, von welclien
Vortheil solche Localvereine zur Auffindung, Eihaitnng und Erfor*
BchoDg^ der Denkmfiler sind. Die Bemühong der Autoritfiten und
einzehier reisender sachverständiger Gelehrten reichen bei allem EHer
zu dem angegebenen Zwecke nicht aus. Diese Bemühung konnte
Biebt verhindern, dass eine Menge Inschriften aus Ol^chglitigkeit
und Unwissenheit zerstört worden, oder von ihrem Fandorte ent*
iMt nch in Privatsammlungen verloren (Annuaire p. 20). Diesem
Miwtande wird durch ehien Verein, wie der zu Constantlne gebildete
ist, entgegengewirkt Nidit minder werden dadurch manche Notizen
über den frühem Znstand der Localitäten und Denkmäler, welche jetzt
verindert oder verloren gegangen sind, erhalten. Ein Beispiel dar*
von geben die von dem Genie-Commandanten Foy raltgetheiiten No*
tiaen über die römische Strasse von Rasicade (Philippville) nadi
Oita (Constantlne), welche er aus den Jahren 1888, 1889 nach
schien Erinnerungen mittheilt, aas einer Zeit, als dort noch mandbe
Reste nnd Spuren sichtbar waren, welclie inzwischen durch Cultnr-
und Befestigungaarbeiten verschwunden sind. Als Präsident der Ge«
seUsohaft ist Herr C reu 11 7 unterzeichnet, Oberst (jetzt General)
des Qenieoorps und als Secretär: Hr. Cherbonneau, Professor
der aralrisdien Sprache und Literatur zu Constantlne. Von diesen
beiden rfihrt auch grössteatfaeils der Inhalt des vorliegenden Heftes
her. Der Eingang des ersten Aufsatzes: Coup^cToeil sur le$ anU*
qmUt de la Ptovince de Ckm/Biantine (p. 13 — 20), welcher zugleich
als Vorwort des ganzen Heftes gelten kann, äussert sich in folgen*
der liescheidnen und angemessnen Weiie: La crtetion d'une sociAtf
scieatlique dans un pays k peine ouvert aus conqu^tes de la elvi*
lisation est une entreprise qui peut sembler tdmtfraire. Aussi n'est
3M ADBU«irQ de la 00c. arehöologiqve de CoDStantÜMi
ce poiDt nne acadtoie qae hodb avons prAeoda fonder. Mous im
sominesi la plupart, ni des drodits, ni m^me sealement des geos de
loisir, deuz espbces ä peu pr^s ioconnues sor cette terra d'Afirique,
0% chacon est par ^tat toot entier aax afifaires, soft publiques soit
priytfes. Mais dans le cercle restreint, que nous sommes trac^ et
qol est defini par ces mots: recaeiUir, conserTer, decrire la bonne
▼olontj ponrra sappltfer au defaut de savoir. Le manque de teins
sera compensj par les fadlitä que procure a plosiears d'entre qous
Texercice des fonctions publiques.^ Man würde sich jedoch irreo,
wenn man in diesen Blättern nur einfache Zusammenstellungen iiod
Beschreibungen erwartete ; bei allem Mangel an Müsse und an literari-
schen Hilfsmitteln haben hier Kenntniss des Gegenstandes, Liebe
sor Sache, unmittelbare Anschauung und Beobachtungsgabe sich
vereinigt, um sehr schätzbare, interessante Beiträge zur Kenntmas
der Alterthümer jener Gegend und der Alterthumskunde überhaupt
zu liefern, wie aus dem folgenden Bericht über das vorliegende
Werk hervorgehen wird.
Der erste Aufsatz mit der oben angegebenen Ueberschrrift wirft
efaien allgemeinen geschichtlichen und archäologischen Blick auf die
heutige Provinz Gonstantine, welche aus dem alten Numidien und
einem Theil von Mauretanien besteht. Hier finden sich die zahl-
reichsten und bedeutendsten Denkmäler aus der römischen Zeit;
ausserdem aber Denkmäler phönizischen und eines einheimischen
libyschen Ursprunges. Zu den letztern gehören die zahlreichen, in
der ProvinE Gonstantine zu Tage gekommenen Grabsteine mit euier
von dem Phönidschen ganz abweichenden Schrift, von welchen meh-
rere Proben mitgetheilt werden ; so wie femer Dolmensteine, ähnlich
denen in Nordfrankreich« Darauf werden die in archäologischer Be-
ziehung wichtigsten Orte der Provinz nach ihren alten und jetzigen
Namen aufgezählt und die dort noch vorhandenen Reste und Denk-
mäler kurz angedeutet. Zu Gonstantine waren bei der Eroberung
durch die Franzosen bedeutende römische Ruinen übrig, welche in-
zwischen der Cultur und der militärischen Befestigung weichen muss-
ten. Am bedeutendsten von noch vorhandenen Denkmälern sind die
Inschriften. Von den drei andern mit Gonstantine verbundenen rö*
mischen Colonien, Rnsicade (Philippville) , Milevis und GhuUn, ist
nur die erste in archäologischer Beziehung etwas genauer bekannt
und untersucht Auch hier ist vieles seit der französischen Erobe-
rung verloren gegangen; doch sind viele interessante Denkmäler,
namentlich Inschriften, übrig. Unter vielen andern genannten Orten
werden besonders Tebessa (das alte Theveste); Tifunhe, nach der
gewöhnlichen Annahme das alte Tipasa, mit vielem phönicischen
und libyschen Inschriften, und vor allem cUe grossen Reste von Lan-
besis hervorgehoben.
Darauf folgt eine nähere Betrachtung der Localität, Denkmäler,
Baureste und Strassenzüge der römischen Colonie Busicade und Um-
AmiMire de la soe. treh^olofiqiie de Covfleiitiae. S57
gegmä in dem Anfsatse: 2) NoUee aur U$ vetHgea de foeeupoHan
romame dam Je eerele de Philippville (p. 30—38).
Die nSehste AbhandlaDg : 3) InseripUaiude ConstatUine (p. 89 —
80), TOD dem Genie-Oeneral Creully, wie man aus Renier'a
Inseriptiam de FAlgSrie erfährt (die Abhandlung In dem Annualre
ist ohne Angabe eines Verfassers) ist ein werthvoUer Beitrag aar
rGmiseben Epigraphik, da hier eine Anzahl römischer Inschriften anm
eistenmal, oder In verbesserter Gestalt mitgethellt wird. Aber auch
amgekehrt werden einige wenige der hier mitgetheilten Insofariften
durch die spätere Poblieatlon Renier's berichtigt (Inscr. Alg.
Cah. 6 et 7). Greully gibt 85 Inschriften von Constantine; in-
zwischen hat sich seit 1853 durch neue Funde die Zahl derselben
•of 349 Termehrt: denn so viele gibt Renier in der sechsten und
siebenten Lieferung seines Werkes unter der Rubrik Girta. Aber
•Qeh von diesen später hinzugekommenen Inschriften verdankt der
seuste Herausgeber viele der Mittheilung der Herrn Creully und
Cherbonneau, wie jedesmal angemerkt ist. Die Abhandlung in
dem Annnaire gibt von Jenen 85 Inschriften den Text gedruckt und
in lithographirten Fac-simile , tbeilweise mit Anmerkungen , welche
zwar keinen gelehrten Apparat enthalten, aber Sachkenntniss nnd
epigraphische Praxis auf eine für die Erklärung der Denkmäler sehr
fSfderllcbe Weise bewähren. Unter jenen 85 Inschriften befinden
sieh mehrere Dedications- Aufschriften mit Namen von Gottheiten,
ein paar Aufschriften von Brflcken und Meilenseigem ; die bei wei-
tem gr5s8te Zahl bilden wie gewöhnlich Aufschriften von Eliren-
bildsäulen und Grabsteine; endlich auch ein Fragment einer poeti-
schen Inschrift in einigen sehr lieblichen Versen. Zu allen diesen
Deokmälem haben wir in dem schönen Werke von Renier (Inscrip-
tiODs de TAIg^rie) bei seiner weitern Fortsetzung die Erklärung an
enrarten. Wir beschränken uns darauf hier diejenigen Inschriften
hervorzuheben, weiche sich auf eine politische Vereinigung von vier
rihuischen C!oIonien und auf das Gemeindeamt des Triumvirates in
der Stadt Cirta beziehen.
Dass die römischen Provinzen in der Kaiserzeit ausser den Ge-
riebtssprengeln (conventus) häufig noch andre politisch-administrative
Abtheilungen unter sich begriffen, Landschaften oder Kreise (com*
mmila xoiva), welche meistens auf alten ethnographischen und po-
litischen Verhältnissen beruhten, durch gemeinschaftliche Feste und
Opfer vereinigt waren und ihre damit verbundene Land- und Kreis-
tage (condlia) hatten, ist im Allgemeinen eine bekannte Sache, ob-
gleich hier im Einzelnen noch Vieles näher zu erforschen und dar-
zustellen ist. Eine Uebersicht des bis jetzt dazu vorhandenen Ma-
terials gibt Marquardt in Becker's Handbuch der röm. Alterthümer
m, 1. 8. 267—375. In diese Kategorie von politischen Einrlcb-
toagen gehört nun auch die hier in Frage stehende Vereinigung von
^r römischen Colonlalstädten In Numidien, wovon wir nur durch
968 Anrnuke de k ioc archMogiqoe de CositaitiM.
die ia jener Gegend anfgefaodenen Ineehrlfteii Kenntnies etbalteB
haben und worüber wir die ans diesen Denkmttlem gewonnenen
MoCisen hier nnMmmenBtellen wollen. Die besagte Einnng begriff
die Tier Golonlaletädte Cirta, Euskade, Milevü und (yiuüu, welche
unter der Bezeichnung: quatuor coUmiae oder auch coUmiae Cifr-
iOMCB (Annuaire n. XXVI. p. 53. Renler, Inecr. deTAlg^rie n. 1868)
vorkommen. Die Art und Weise, in welcher die Veremigung der
vier Colonien stattfand, ISsst sich ans den bis jetat vortiandenea
Denkmälern nicht genauer darstellen; aber es verlohnt sich doeh
der Mühe, nach den Spuren zu suchen, welche sich auf dieses Ver-
hiÜtniBs besiehen. Dazu rechnen wir folgende Notizen. Wo bei
Einwohnern dieser vier Colonien der Name einer römischen Tribos
angegeben wird, ist es immer für Alle die Quirina. Die vier StSdte
hatten zusammen gemeinschaftliche Patronen. So finden wir P. Poi^
tumeku Clemens genannt als Patromu quatuor eoUmiarum (Annuaire
p. 42. V. Realer Inscr. 1812J; desgleichen TUua CaeaerrUus, einer
der Legaten der Provinz Africa (An. 50. n, XVIII. Renier n. 1817).
Ein gemeinsames religiöses Fest oder eine solche gemeinsame Feier-
lichkeit der vier Colonien wird nicht erwähnt. Doch kommen mehrere
Flamines vor auf Steinen von Cirta und RusUade^ eine Flammiea
zu Busicade, ein Sacerdos utbis, ein PonÜfex (Renier 2175) von
höherer Bedeutung, indem der Inhaber dieser Würde einf ^umma bo-
noraria von 55,000 Sesterzen bezahlte, da doch für die höchsten
Gemeindeämter in den vier Städten nur 20,000 Sesterzen gegeben
wurden. Ferner werden erwähnt hidi FloräUs (Renier 1875), welche
Festlichkeit vielleicht zu den gemeinschaftlich gefeierten gehörte.
Deutlicher sind die Spuren der Gemeinsamkeit in den politischen
Einrichtungen. So wird zu Rusicade genannt ein Decurio quatuor
eoloniarum (Renier 2175. Exploration de VAlgMe. Atchiol pL
XXIX, 4.), wornach es einen gemeinschaftlichen Oemeinderath Hir
die vier Colonien gegeben haben muss, oder doch eine Kategorie
von Decurionen, welche mit dem Decurionat in einer der vier
Städte zugleich das Decurionat in den übrigen erhielten, in dem
letztern Falle wohl eine Ehrenauszeichnung, so wie man ja auch
jetzt Ehrenbürger in mehreren Städten sein kann. Ferner finden
wir sowohl zu Cirta als zu Rusicade dieselben Namen der höchsten
Gemeindeämter, nämlich : Aedilis und Triumvir (zu Cirta : Annusire
53. n. XXVI. Renier 1868. Ann. 56. n. XXXI. Renier 1835.
Ann. 68. n. XLIV. Renier. n. 1832. Renier 1875. zu Rusicade:
Henzen bei Orelli n. 6956 aus der Exploration de TAlg^rie, aber
vollständiger bei Renier n. 2169). Bemerkenswerth ist überdlstf,
dasB gleichwie Cirta als Hauptort erscheint schon durch die Be-
zeichnung Coloniae Cirtenses, welche neben Coloniae quatuor ver-
kommt, so auf dasselbe Verhältniss der Umstand hinweist, dass nnr
von den drei Orten ausser Cirta, nicht ^on Cirta selbst, Praefeed
iuri dicundo auf den Inschriften vorkommen : Annuaire p. 51. XXXI.
Aamnire de k loc. arditelofiqve de CeniUBliDe. 899
Beiler 1835. Caecilm$ ... Pmef. €oloniai%im Miüeväanae, iiuiiea-
ämtii ei ChuUüanae. Anuuaire 8G. Kealer 2323. SitUuM Faustut
M. Pracf, L D. coL Veneriae Btaieade et eoL Sam. MiUv, et cot
Mmerviae Chuüu. Reoier 1375. IIonor€Uu8 Badnanus ebentOi wo
jedoch wegen Beschädigiing des Steines nar noch die Namen Jhi*
tieadensü, ChuManae übrig sind; Ann. €3. XLIV. Renier 1833.
BiUktt Flavianu» ... Praefeetus coloniarum ohne Beifügung ron Na*
men ist gewiss gleichfalls von den drei Colonien zu verstehen. Dem*
Bich scheint es, dass von dem Haupt- oder Vor*Orte Ciria aas In
die drei andern Colonien Praefeeli L D. geschickt wurden. Was
Dim aber das Gemeindeamt des Triumvir In den genannten vier
Colonien betrifft, so erscheint es auf so rielen Steinschrilten der»
selben, dass es ausser allem Zweifel steht. Bekanntlich kommen
•naser den Duoviri und Quahiorviri als Mnnicipalobrlgkeiten auf
Inscbriften auch Triunwiri als solche Obrigkeiten Tor. Orelll stellt
ci4>. XVL ^. 7. n. 3828 fif. eine Anzahl von Inschriften, welche solche
Muaicipal-Triumvire enthalten, zusammen. Henzen In der Fort*
letznng von Orelli. Vol. III. p. 418. bestreitet mehrere der von
Orelll gegebenen Beispiele. Allein es bleibt immer noch eine
Anzahl anbestreitbarer Beispiele des Vorkommens solcher Municlpal«
Triumviro übrig; zu diesen gehören nun auch die Triumvim der
Cirtensischen Colonien. Man sieht daher auch keinen hinreichenden
Grand, warum inan mit Henzen (Orell. 69563 ^^^ ^^^^^ Inschrift
TOD Rusicade, wo dem Namen des C. C(ueiUus Q albus unter andern
Amtstiteln auch beigeschrieben ist: PRAEF. PRO m VIR. mi
(Praefeetus pro Triumviro qiiater) U VIR oder Uli VIR emendl-
rea solL Renier (Inscr. Alg. 2169), welcher die Inschrifl selbst
eopirte und sie vollstSndiger gibt als die frühem Herausgeber, hat
gleichfalls PRO III VIR. In den Gemelndeordnungen von Salpensa
und Malaga heissen die Stellvertreter der Duoviri, welche bei der
Abwesenheit df letztern von ihnen ernannt werden, Praefectu In
gleicher Weise haben wir hier einen Mann, welchem viermal das
Zutrauen geschenkt wurde, dass er für einen Triumvir als Stellver«
tieler inngirte. Mommsen in einer Note zu der angeführten In-
schrift bei Orelli hält lU VIR aufrecht, versteht aber unter dem
m vir hier einen Triumvir monetalis und theilt die AmtsprXdicato
des CaeeHita GaUuf in der Weise ab: Juxbens equum publieumß
Aedilii habens iuriscUetionem , Quaestoris pro praetore Prctefectue
pro III viro quater und nicht wie die Uebrigen abthellen: AediU$
habetie iurisdiaionem Quae$tori$ pro praetore, Praefectui etc. Nach
dieser Vermuthung Mommsen's soll CaeciHua Oaüus gewesen sein:
PraefeeiuM an der Stelle eines Triumvir monetalis bei einem Quaes^
tor pro praetore. Diese Erklärung scheint etwas zu gesucht, je-
denfalls sehr unsicher. Was das Verhältniss des Triumvirates zur
Adilität ui diesen Colonien betrifft, so könnte man auf den Gedan-
ken kommen, dass daselbst jedesmal drei Äedilen als die höchste
360 AnnQaire de !• soc. arcböologique de Constantine.
Obrigkeit an der Spitze der Gemeinde standen, wie dieses zu Arpi-
nnm, zu Formiä und zu Fundi der Fall war (Orell. Henzen 7033
bis 7037). Wenn diess auch sich so verhielt, so sind jedenfalls die
Triumviri Yon den drei Aedilen unterschieden. Wohl aber darf man
vielleicht annehmen, dass die Triumvirn in ihrer dreizahl mit den
drei Ptaefecti L D. der drei ColonialstSdte ausser dem Vororte
Girta, im Zusammenhang stehen. Es ist femer denkbar, dass das
Triumvirat mit der Einung der drei Golonien mit und unter Girta in
Verbindung steht und erst dadurch eingeführt wurde. Wenigstens fin-
det sich ein Grabstein zu Girta eines P. Sütius Dento Aedüis, II
vir und zwar mit besonders schönen Schriftzügen und darum wohl
aus früherer Zeit, wo die Vereinigung der vier Golonien noch nicht
geschehen war und das sonst in Golonien gewöhnliche Dnovirat auch
hier bestand. Zu den vier Girtensischen Golonien muss zu einer
gewissen Zeit auch die Golonie Cuiculum, das heutige DjimUa, in
einem nähern Verhältnisse gestanden sein. In einer dort gefunde-
nen Inschrift, welche Henzen bei Orelli 6592 aus der Exph-
roHon sdentif. de VAlgSrie, ArchiöL pl. 107, 4 mittheilt wird ein
jfC, Julius Creacens genannt omnibus honoribus in V coUmüs fvnC'
tus'' und vorher FL. P.P. (flamen perpetuus) Uli viRi ET CVIC.
PONT, (et Cuiculitanorum Pontifex) wo Henzen emendirt: IIL
VIB. I. D. (Quatuorvir iuri cUcundoJ, Mommsen dagegen liest:
im GIRT. ET. GVIG. PONT, (quatuor artensium et CkUeuU Pon-
tifex), wobei die Auslassung von coloniarum vor Girtensium auffallen
kann^ aber die Vermuthung im übrigen durch die gleich daraaf
folgende Anführung von fünf Golonien unterstützt wird.
Unter den Inschriften von Gonstantine, welche das Annnaire
gibt, befindet sich ausser den bisher angeführten unter andern eine
Inschrift, welche auch Henzen zu Orelli gibt, nach einer Ab-
schrift von Herrn von Grabow, mitgetheilt von Prof. Gerhard so
Berlin, wobei man nur bedauern kann, dass der Herausgeber nicht
dazu vielmehr dieses Annuaire benützte oder benützen konnte.
Henzen konnte nämlich aus seiner Quelle die Inschrift nur gun
verstümmelt und lückenhaft aufnehmen, so dass man sich wundert,
wie er sie überhaupt nur aufnehmen konnte (Orelli Vol. IIL p. 439.
n. 7162). Der Stein ist auch wirklich sehr beschädigt, wie man
aus dem in dem Annuaire mitgetheilten Fac simile ersieht (P. I^*
n. VI). Ungeachtet dessen hat der französische Offizier die ver-
witterten Schriftzüge, welche der gelehrte deutsche Reisende nicht
lesen. Iconnte, ganz richtig erkannt und ergänzt (Ann. p. 42. VL);
seine Abschrift wurde später von Renier mit dem Original ver-
glichen und ganz richtig befunden (Inscr. Alger. n. 1870). Da
manchen Besitzern der Fortsetzung der Orelli'schen Sammlung die
eben genannten Quellen nicht zu Gebote stehen, die Inschrift selbst
aber zu den interessantem gehört, so ist es vielleicht nicht nngd-
eignet, die Abschrift und Ergänzung Greully's hier mitzutbeilen:
Annisire de )• mc. •rch^oloffqne de CoDstaDline. 301
GENIO POPVLI II M ROCCIVS FELIX || M PIL QVIR EQ
PVßLilin Vm SAG Vltß^FL DIVI II MANTONINI STATVA^
QVAMJjOB HONOREM lü VIRATV8 PR0MI8IT jj EX HS VI
MIL NSVAPECVNIA || POSVTT AD CVIVS DEDICATI ONEM ||
SPOßTVLAS DENARIOS SINGVLOS Jl SECVNDVM MATRICEM
PVBLICAM II CIVIBDS DE SVO DEDIT ITEMQVE || LVDOS
SCAENICOS CVM MISSILIBVS.
Geoio populi M. Rocciuj Felix ll(arci) fil(ius), Qnir(ina tribn), eq(no)
Rabl(ieo), triuiDvir, Mc(erdof) Urb(tt), fl(ameo) divi M(«rcO AntODiai, fUtuam,
^B ob hoDore Dl triumviratii« pronifit, ex aestertium sex mil(libut) D(anniuin)
na pecnnia pofQi't, ad cuiui dedicationem aportolaa denarioa finfrolof, s«can-
doBi Datricem pttblicam, civibua de aoo dedit, itemqae ladoa acaenicoa cum
■biiltbai.
Nach der Mittheilang der Iiiflcbriften von ConsUDÜoe gibt dM
AoDQaire noch folgeode AufsStze:
4) Note 8ur de» objets antiquea trouvi» ä FhUvppevilU (p. 81 —
83). Die Gegenstände, um die es sich hier handelt, sind Antica-
güeo von Blei, geformt gans wie Metallknöpfe, wie wir sie jetzt
•0 uQsern Kleidern tragen, mit einer kleinen runden Scheibe worauf
io roher Arbeit allerhand Figuren sind, und mit einem durchlöchere
toi Fuss um damit durch Drath oder Zwirn irgendwo befestigt wer-
dtt zu können. Der Zweck derselben ist unbekannt.
5j Deux viües Numido-rornaines (p. 84 — 90) (von General
Creolly). Diese beiden Städte sind: die Ruinen in der Nähe von
Gonstantine, welche den Namen Ehaney führen und früher von
Manchen für das alte Cirta gehalten wurden, und Oucfjel bei Con-
Btaatlne. Die erste Localität wird aus einer dort gefundenen In-
Bcbrift als die alte Stadt TicUüs erkannt (res publica Tidditanorum)
^d die andere als die alte UseUi (res publica Uzelitanorum). Von
beiden Orten werden einige Inschriften mitgetheilt, darunter auch
die Inschrift au Ehren des Q. Lollius, Legaten von Germania
inferior, welche Hensen bei Orelli n. 6500 nach einer von Ger-
bard mitgetheilten Abschrift des Herrn von Grabe w gibt Diese
Abschrift ist aber so fehlerhaft, dass Renier, welcher dieselbe In-
Kbrift nach der Copie Greully's und nach eigner Ansicht gibt
(Inscr. Alger, n. 2319), sagt, die Abschrift des H. von Grabow
könne nicht von dem Denkmal selbst genommen sein, sondern sei
wahrscheinlich nach einer handschriftlichen Sammlung von africani-
Bchen Inschriften copirt, wie es deren mehrere von Offizieren redi-
g;irt gebe; die Inschrift sei ganz gut erbalten und für den sachver-
ständigen Leser kein Buchstabe zweifelhaft. Wir glauben auch diese
Inschrift mit ihrem wahren Texte hier mittheilen zu sollen.
303 Annuaire de la soe. arch^olopiqae de Couta&tuia.
C. LOLLIO. M. FIL || QVIR. VRBICO. COS || LEG. AVG.
riiOVINC. GERM II INFERIORIS. FETIALL LEGATO || IMF.
HADRIANL IN. EXPEDITION || IVDAICA. QVA. DONATÜS.
EST II HASTA. PVRA. CORONA. AVREA. LEG || LEG. X GE-
MINAE. PRAET. CANDIDAT || CAES. TRIB. PLEB, CANDIDAT.
CAES. LEG II PROCOS. ASIAE. QVAEST. VRBIS. TMB || LAU-
CLAVIO. LEG. XXII. PRIMIGENIAE || IUI VIRO. VIARVBL
CVRAND II PATRONO || D.D. P.P.
6) Indication de la route de Tuggurt ä Tombouctou et aus
tnonts de la Lune; document iraduit de VArabe (p. 91—101), von
dem Secreträr des Vereioes, Hr. Prof. Cberbonneau. Ein in-
teressaDter kurzer Reisebericht eines Theilnehmers einer Caravane^
ans unbekannter Zeit. Das Verdienst dieses Journales besteht darin,
dass man daraus ohngefahr zwanzig neue Namen ron Stationen
zwischen Tuggurt und Tombuctu kennen ]ernt, und dass darin nenn
grosse bevölkerte Plätze von Tombuctu zu den Mondsbergen vor-
kommen.
1) Constantine et sea antiquitis (p. 102 — 131) von Cherbon-
neau. Diese anziehend geschriebene übersichtliche Darstellung der
Geschichte und Alterthümer Constantines hat den doppelten beson-
dem Werth, dass sie auf eigner Anschauung beruht, und dass da-
bei ausser den Stellen aus römischen Schriftstellern auch arabische
Quellen benutzt werden. Bekanntlich sind von vielen und grossen
öffentlichen Bauten, welche das alte Cirta, wie jede grössere antike
Stadt hatte, nur ganz wenige Trümmer übrig, welche hier aufge-
zählt und beschrieben werden. Nachdem von den Resten, welche
die Oberfläche des Bodens zeigt, die Rede war, spricht unser Ver-
fasser von den Bauten unter der Oberfläche ; denn^ wie er sich aofl-
drfickt: II y a une Constantine vmble et une Constantine tncon-
nue. Unter der ganzen Stadt sind nämlich die ausgedehntesten
Substructionen, welche jedoch wegen der Schwierigkeit der Sache
noch nicht untersucht sind. Nach der Meinung des Verfassers ist
das Ganze ein System von Abzngskanälen. Auch in diesem Aufeatce
werden mehrere Inschriften mitgetheilt und besprochen, ron welchen
wir uns nicht versagen können zwei hier hervorzuheben. Die erstere
derselben ist eine Inschrift zn Ehren christlicher Märtyrer, eingehauen
in einen Felsen in der Nähe der Stadt. Dieses Denkmal ist sonst
schon bekannt (Renier Inscr. Alg. 2145); das vorliegende Annuotre
gibt aber davon eine Copie mit genauer Nachbildung der Schriftzfige
(pl. XVII. p. 79. LXXXV). Die hier genannten Märtyrer Marta-
nuSj Jacobus u. a. Gärtner (Hortenses) aus Cirta oder der Umge-
gend erlitten, wie man annimmt, 259 den Martertod. Hr. Cberbon-
neau macht bei dieser Gelegenheit (p. 109) die, die wie uns sdieint
beachtungswerthe Bemerkung, man möge doch zum Schutze dieses
Ammtke de li mc« «reUolcf i^«e de CenitaDttoe . S63
dmdi Aiter niid Inhalt ehrwürdigen Schriftdenkmalee durch den An-
bin einer Kapelle aa den Felsen oder sonst sorgen und daduich
wagkkk den Ringebomen leigen, dam das Cbrlstentbinn vor dem
hkm SU Constautine herrschte, und dass die Christen ihre Märtyrer
Bsd Heiligen nicht weniger ehren als die Eingebornen ihre Marabnt.
Die andre Inschrift, welche wir hier herTorheben, ist das Fragment
eines Gedichtes, welches den rerlomen Theil sehr bedanern ISsst.
Im Nordwesten Ton Constantine ist hi der Nähe der Stadt ein einzeln
tteheoder Hügel mit frischen Quellen und schattigen Bäumen ver-
isbeo. In dieser Umgebung legte ein früherer türkischer Sutthalter
Salah-Bey TOr ohngefähr sechsig Jahren einen Park an. Aber schon
ein Bewohner des alten Girta moss dort durch den Reis des Ortes
bewogen einen ähnilchen Landsits gehabt haben, wie man aus fol-
gendem Fragmente einer Inschrift ersieht (Annuaire p. 129. p. 76.
LXXIX. Reaier Inner. Alg. 2133):
(Deqoe) mei» tonuli» avis Aui€« parvula venit
El futiata tbymo ftillaDtia mella relinquit
Mi Tolucrei hie duice canuot viridantibua antrif.
Hie Tiridat tamulia lauroa prope Delia noatris,
Et auro aimilet pendent in vitibus uvae.
S) Note sur ie$ poteriea de» condmtes cPeau romaine» ä Oon-
9tmtme. In der Umgebung von Constantine findet man.viele irdne
Leitungsrohren der dortigen römischen Wasserleitung, welche sur
Beseicbnung ihres FabrilLortes die Namen TidiUani, UzeUtani^ Au-
iurmsts und Cemellenses trngen. Das Interessanteste bei diesen
Boliren ist aber nicht ein antiquarisches, sondern ein technologisches
Factam. Die Znsammenfügungen dieser in einander gestecicten
Bohrern sind nämlich mit Mörtel bestrichen und auf diesem Mörtel
imd häufig noch Spuren von Leinwand, so dass man daraus ersieht,
i»m dieser Mörtel mit Stücken Leinwand umwiclielt war. Wie nun
te Verfaaser des vorliegenden Aufsataos nachweist wendeten damit
die Römer ein Verfahren an , welches in der neuesten Zeit , ohne
dsss man davon Etwas wusste cum sweitenmal erfunden werden
aosite. Es gibt nämlich für die Anwendung bei Bereitung des
Mdrtels aweieriei Kalk: den hydraulischen, welcher im Wasser er-
blrtet und den gewöhnlichen Kalk, welcher im Wasser zerfliesst.
Veranlasst durch die Untersuchungen eines französischen Ingenieurs,
Hm. Vicat über den hydraulischen Kalk, kam ein anderer Inge-
nieur, Hr. Ghanoine, auf den Gedanken, gewöhnlichen Kalk in
einem Säekchen von Leinwand versuchsweise in das Wasser zu legen,
uui er fand nach einer gewissen Zeit, dass sich der so durch Leinwand
gesehntste Kalk wie hydraulischer Kalk verhärtet hatte. Offenbar um-
wickelten die Römer den Mörtel der Leitungsröhren zu gleichem Zwecke
mit Leinwand und sie thaten dieses aus einem sehr guten Orunde.
Nsfih unserm jetzigen Verfahren nimmt man gewöhnlich zur Bedeckung
der Zttsammenffigung solcher leitenden Röhren den besten hydrau-
lisctien Kalk, den man finden kann. Aber dabei tritt der doppelte
^fisstand ein, dass dieser schnell verhärtete Mörtel auf den Zusam-
364 Annuaire de 1a aoc. arch^olof ique de ConatavliD«.
menfügungea bei dem Einsinken einzelner Stellen des Bodens, das
nicht aasbleibt, und bei der dadurch erzeugten Unebenheit des Bodens,
auf dem die Röhren liegen, bricht und das Wasser darchlSsst; fe^
ncr dass Theiie dieses hydraulichen Kalkes in die Röhren selbst
eindringen, sich dort sofort verhärten und den Abfluss des Wassen
bindern. Beide Missstände werden durch Mörtel aus gewöhnlicbon
Kalk mit der Leinwandbedecknng vermieden.
9) De quelques inseripHona tumulairei recueUUes en AlgSrie
et des lumih'es qt/eües peuverU foumir sur la durie- de la vie
moyenne des Romains dans ce pays (p. 137 — 142). Der Verfas-
ser, der nicht genasnt ist, bat au seinem Zwecke 500 Grabscbrif*
ten aus Lambesis und der Umgegend verglichen, anter welchen
470 das Alter der Gestorbenen anaeigen. Er hat nach dem ge-
wöhnlichen arithmetischen Verfahren zur Auffindung von Durch-
schnittszahlen, die Gesammtsumme der Lebensjahre auf allen diesen
Grabschriften mit der Zahl der Gestorbenen (470) dividlrt und als
mittlere Lebensdauer gefunden 437i2 Jahre; eine Zahl, welche sieh
nicht viel entfernt von dem durchschnittlichen Lebensalter von 48
Jahren, welches man jetzt für Frankreich annimmt Der Verf. madit
seibat darauf aufmerksam, dass jenes Rechnungsresultat nar als un-
gefähr und ohne sichere Bestimmtheit geltend anzusehen ist, da die
zahlreichen Sklaven und Armen der damaligen Bevölkerung, welch«
keine abgesonderte Grabstätte hatten, nicht in den Calcul aufgenom-
men sind. Eine besondere Eigenthümlichkeit ist aus der hier ge-
gebenen Zusammenstellung der Gestorbenen mit gleichem Lebens-
alter ersichtlich; nämlich: dass von dem zehnten Lebensjahre aa
die Altersstufen von fünf zu fünf Jahren (15, 30, 25, 30 u. s. w.)
unverhältnissmfissig zahlreich vertreten sind. Man hat sich diese
Erscheinung dadurch zu erklären, dass in sehr vielen Fällen dal
Lebensalter nicht genau, sondern nur ungelllhr und dann nach den
oben bezeichneten Altersstufen auf den Grabsteinen angegeben wor-
den ist. Das höchste Alter, das bei dieser Znsammenstellung vo^
kommt, ist bei einem Gestorbenen das Alter von 110 Jahren.
Unter den Grabschriften von Gonstantine aber kommt eine Frau vor,
CreptaUisa, mit 120 Jahren (Annuaire p. 60. n. XXX VII. Renier
Inscr. Alg. 1970).
Man ist den Männern gewiss Dank und Anerkennung schuldig,
welche bei ihren übrigen Geschäften und Berufsarbeiten in der Ge-
genwart, den Denkmälern der Vergangenheit eine so eifrige und
einsichtsvolle Theilnabme widmen. Wir wünschen daher auch der
archäologischen Gesellschaft zu Gonstantine und ihren Pnblicatiooeii
das beste Gedeihen und den besten Fortgang.*) aEell.
*) Nachdem diese Anieige dem Drucke überifeben war kam dem Ver-
fatier dertelben durcli gOtige MittheilaDg das folgende Heft des AnniMiro
lu fer 1854—1855. 184 pp. mit 20 lithographischen Tafeln , worüber dev
nächst Bericht erstattet werden soll.
PaTn: TrMiUeMMiii de terra tn 1856. M5
Mänoire mr U$ tremblemenla de terre resaetUtB en 1866, par Ä.
Favre Profeeuur ä VAeademU de Qmh)t, Txr€ de la BMio^
tMque unwenelle de Qenh)e. 69 pag. in 8. Avee une Carte
de fetpaee ihraviU par le iremblement de terre du 26 JvHUi
^ 1866, Qenive, Imprimerie Rambox et Sehuchardt^ 1866.
VttgleiGht man die Zahl der Erdbeben, woTon Sagen und Ge*
KhiehtfbQcher reden mit den Ereigniaaen in jüngster Zeit, so er*
gibt sich, daaa aolcher im Jahre 1855 ongewöbnlich viele stattge-
fnidaD. Nach einer Zuaammenatellang der, durch Historiker Ter*
«idmeten Boden Erschütterungen sind deren in Europa und Syrien
ntti Jahre 306 bis snm Jahre 1800 neunhundertsiebenundachtaig
Maont; nach dem Berichte unseres Verfassers wurden 1855 an
«iBbaadertdreiondsiebenaig Tagen Bebungen wahrgenommen, auch
IS gewissen Tagen dreissig St5sse gesihlt, und diese chronologische
Äolklblang ist, wie Favre gesteht, nicht als ganz vollständige su
brachten, ungeachtet der sorgsamsten Benutsung sämmtlicher Denk-
itbrifteo und Abhandlungen und nicht weniger aus achtbaren Quellen
im aogekommenen Privat-Mittheilungen. Bis jetzt galt das XVin.
Jahifattodert als besonders reich an Katastrophen wie die beiragten,
Bod dennoch waren, in diesem langen Zeitverlauf, nicht mehr als
Minnderl und sechs eingetreten.
Oeffentliche Blätter brachten Kunde über die Ereignisse im
Mire 1855, demungeachtet finden wir es geeignet, bei einigen vom
Verfuser erwähnten Thatsadien zu verweilen ; es sind Einzelnheiten,
iD dieser oder jener Hinsicht bedeutend, unseres Wissens auch we-
slior zur allgemeinen Kentniss gelangt. Die Bemerkung sei voraus-
glBdückt, dass bis zur JahreshWte das Morgenland mehr heimge-
BBdit wurde, später war die Schweiz Mittelpunkt der Erdbeben.
Am 23. Januar 1855 Erschütterung eines Gebietes von über-
gnaer Ausdehnung in Neu^Seeland. Unfern Wellington erhob sich
iiBs Landstrecke von 4600 Quadratmetern um 9 Fuss; in der Rieh-
toag von Norden nach Süden konnte man 90 Meilen weit das steile
QAioge dieser Ebene verfolgen. Nach der Katastrophe stieg die
Radi nicht mehr im Huttstrom an, sondern drang im Wiürau aufwärts.
Am 28. Februar, Nachmittags gegen 3 Uhr, heftige Erschütte«
nng der weit gedehnten Flächen von Adrianopel, Smyma u. s. w. ;
ib ging sehr starkes Brausen und Toben voran. Ein gewaltiger
8idost-Wind legte sich plötzlich. Die Richtung der Schwankungen
war aus SOdwest in Nordost. Bei jedem Schritt zitterte der Boden
ttitsr den Füssen. In Konstantinopel stürzten drei Minarets znsam-
nen. Der Mittelpunkt des furchtbaren Natur-Erelgnisfles schien Brussa.
Hier waren die senkrechten Stösse so gewaltig, dass Menschen, in
Strasstti sich bewegend, umgeworfen wurden oder emporgeschleudert
in die Luft. Viele Quellen verschwanden ; das Erdreich bekam Risse
v4 schmikelte während vierundzwanzig Stunden wie das Verdeck
tBies Fahrzeuges: in Zwischenzeiten von fünfzehn zu fünfzehn Mi«
366 Favre': TienbleniBts de terre'en 1655.
nuten veniahm man unterirdiache Detonnlionen. Bli com sf. Mftn
nicbt ein Tag ohne fünf oder sechs Bebnngen. — Unermesslichen
Schaden litt Brussa durch die Erschötterong am 28. Februar. Achtsig
Minarets und Moscheen starteten nieder, mehrere öffentliche Her-
bergen wurden gänsUch zerstört. Leichte Hols-Banwerke widentan-^
den besser, als die aus Steinen aufgeführten. Ungeheuere Fela-
Blöcke fielen von den Höhen ins Stadt-Viertel Bolouk Basar, aach
brach hier Feuer aus. Die Bewohner flohen und lagerteD anter
Zelten in der Umgegend. Bemerkenswerth ist, dass von nahen IKSr*
fern einige völlig unbeschädigt blieben.
Den 11. Mars um 7 Uhr 40 Minuten Abends bebte das ganae
Küstenland des Archipels heftig. In Brussa dauerte ein senkredMer
Stoss ungefähr (ünfundzwanaig Secunden; ihm ging starkes unter-
irdisches Getöse voran. Jetzt litten auch Holz-Gebäude mehr oder
weniger, bis dahin verschoot gebliebene Minarets und Mosebeea
brachen zusammen. Die Bebungen reihten sieh so sdmell an ein*
ander, dass man während fünfzehn Stunden deren etwa einbnadert«
undfünfzig zählte. Sämmtliche Quellen der Stadt versiegteo, nur
Thermen und Schwefelwasser zeigten sich ergiebiger. — In Smynia
hielt die Erschütterung lange an ; ihre Richtung war eine westlicbei
Zu Nasildi, Provinz Ai'dai, verspürte man binnen wenigen Stundea
sechs oder sieben Bebungen ; in Metelin und Adrianopel folgte deo-
selben plötzlich Südwind; zu Konstantinopel war der, etwa acht
Secunden dauernde, erste Stoss weniger stark, als jener am 28. Fe-
bruar; Mauern und Hausgeräthe knarrten und krachten; Ab^ids
noch zwei Erschütterungen.
Am 29. Juni wiederholte Bebungen zu Tiflis und zn Fraacaü;
letztere wurden theils selbst in Rom wahrgenommen, jedoch, aea-
derbar genug, nur auf dem linken Tiber^Ufer.
Den 10. Juli mehrere Erschüttemngen zu Georgetown in Ca*
lifornien in Zwischenzeiten ron zwei bis drei Secunden. An ym*
schiedenen Orten wurde der Boden gespalten und gemauerte Hllnasr
sehr beschädigt.
Den 25. Juli, gegen 1 Uhr Mittags, ein heftiges ^ weit anage-
dehntes Erdbeben; es betraf einen grossen Theil des mittlem Eace|»a
und suchte am schwersten das Walliserland heim. In der Nähe too
Visp, etwas südwärts von diesem Dorfe nach Stalden zu, acbeiot
der Mittelpunkt gewesen zu sein. Starke Detonationen begleiteten die
Bebungen, welche, mit viertelstündigen Fristen, bis zum felgaadea
Tage anhielten. Visp, St. Nicolas und Stalden wurden beinahe m»^
stört. Auf Bergeshöhen war die Wirkung der Stösse nicht weniger
bedeutend, als in der Ebene. Mehrere tiefe Spalten entstanden In
den Wäldern zwischen Stalden und St. Nicolas; eine derselben iuUle
einen Kilometer Länge. — In Cknf, Lausanne, Yverdon, Vevej,
Neudiatel, Bern, Lucern und in vielen andern Scbweizer-Orten Üeaa
sich das Erdbeben verspüren ; zu Genf war der erste Stoss stärker,
als irgend einer dessen man sich erinnerte. In SteinkoUen^Graban
FfliTre; Tftmbltaentt da tarn tm 185&. 807
an Mifdosan in Sarojen empfanden Bec^eote Bebongen ; die FiMe
einar Strecke spaltete sieb. — Ueber Ereignisse , welche so Tonn,
Maiiaad, Domo d'Ossolm, Lugano, Gomo, MaDtol^ Grenoble, Lyon,
LoB»-le-8aoBier, Besannen, Nancy, Strasburg und an Tielen andern
Orteo dso 26. Juli sUttgef nnden , fehlen die Angaben nicht Zn
mandien beaehtungswertlien Wahmehmongen boten diese Eielg-
liM Stoff.
Den 36. Juli in Visp, desgleichen sa St Nicolas und Stnlden
Detonationen wie am vorfaergebenden Tage, Ton Viertelstunde an
Viertelstunde, später in Zwischenaeiten von ungefähr fünf Minuten;
«me besonders heftige wurde im ganzen Walliserlande verspürt, in
einem Tiieiie der Schweiz, au Lyon u. s. w.
Am 27. Juli aählte man au Visp von Mitternacht bis 10 Uhr
Morgens aiebenundawanaig schwache Bebungen, gegen 2 Uhr Mach«
mittags begannen wieder Detonationen, tbeils durch Stösse begleitet,
welche, von fünf au fünf Minuten eintretend und an Stärike stets
nmehmend, bis nach Mitternacht dauerten.
y'mp blieb an jedem der folgenden Tage, wenige ausgenom^
mee, bia gegen Ende des Jahres Schauplatz ähnlicher Ereignisse,
darunter manche von besonderer Heftiglieit; am 27. November ein-
ooddretssig Bebungen.
Wir verweilen nicht bei Erschütterungen an andern Orten in
der Sdiweia, in nachbarlichen Gegenden, so wie im Auslande, nur
jeuor sei gedadit, die am 28. Juli, 20. und 21. August, 9. Oeto*
ber, 14., 15. und 16. Deoember abermals Brussa betroffen.
Unter gleichzeitigen vulkanischen Ausbrüchen verdient der dee
Moana-Loa auf den Sandwich Inseln Erwähnung.
Nachträglich gedenlit unser Berichterstatter einiger Erdbeben
im Jahre 1856; die Angaben, wohl mancher Ergänzungen und Be**
riehtigungen bedürfend, reichen bis in den September^Monat Den
6. FelM'uar zitterte au Visp der Boden ohne Unterlass, am 9. folgte
ein heftiger Stoss und in der ersten März« Woche fanden täglich Er*
adiötterungen im nahen Thale sUtt, die stärkste den 9. März im
Orte selbst. Ihr ging eine so gewaltige Detonation voran, daas
■anehe Bewohner ein Abfeuern schweren Geschützes zu hören vei^
meinte, weUenförmige Boden-Schwingungen Hessen indessen keinen
Zweifel.
Man hat bemerkt, dass seit dem Anfang des Phänomens die
Biehtung der Schwingungen stets die nämliche geblieben, vom Wetoa-
hom ausgehend gegen Nordost und sieh erstreckend bis in die Nähe
von Interlaken Im Bemer Oberland. Das Dorf Toerbel dtlrfte Mit-
telpunkt der Oscillationen gewesen sein und Visp jener der Detona«
tinien. Zur rechten und linken Seite dieser Richtung nahmen die
Stfisse an Stärke ab. Am 11. September noch vier Erschütterun-
gen ZQ Visp, die letzte im Jahre 1856.
Von hierher gehörenden Ereigniasen in fernen Ländern ist der
^ CaUfevnian slattgefnndenen zu gedenken ; genauere Nachriditen
368 GMammeite Schriftoii des J. N. t. Fiichf.
•
fehlen noch. — Auf der Insel Sanguir am 2. und 17. liSrs ge-
waltige vulkaniache Aasbrüche.
Eine Theorie der Erdbeben sa geben, lag nicht in anseres Ver-
fassers Absicht. Er scbliesst mit den allgemeinen Bemerkungen, dass
örtliche Erschütternngen , und theils sehr heftige, hlufig sind, dass
jedoch anch grosse Strecken der Erdoberfläche in demselben Augen-
blicke Stösse erleiden. Nicht selten beobachtet man ein sonderbares
Zusammentreffen zweier Bebungen an von ehiander weit entlegenen
Stellen, öfter ist eine Coincidens der Art nicht wahrsEunehmen.
Oesammdte Schriften des Johann Nepomuk von Fuchs. Zum
ehrenden Andenken herausgegeben von dem Central-YertoaUungs-
Ausschusse des polytechnischen Vereifis für das Königreich Bayern.
Redigirt und mit einem Nekrologe versehen von seinem. Schüler
und vormaligen Assistenten an der Universität Landshut, dem
königl. bayer. ordentL UniversUäts- Professor Dr. Cajetan
Georg Kaiser. XXVJIJ und 297 S. in QuaH. (MU dm
Bildnisse sammt Fac Simile und einer Abbildung des Geburts-
hauses des Verewigten.) München 1856. In Commission der
Literarisch-artistischen Anstalt.
Eine Vielen ohne Zweifel willkommene Gabe ist diese Samm-
lung der Schriften eines Mannes, welcher sich gerechten Ruf er^
werben und verdient gemacht durch chemische, mineralogische oud
geologische Forschungen, so wie durch sehr werthyoUe LeistungeD
im Gebiete der Technik.
Mit Interesse nimmt man Kenntniss von der durch Kaiser
verfassten ausführlichen Lebensbeschreibung. Die gesammelten grös-
seren und kleineren Abhandlungen und AuMtxe — ihre Zahl be-
lauft sich auf vierzig — waren bis jetst zerstreut in den Denlcschrif-
ten der königlichen Wissenschafts - Akademie zu München und in
verschiedenen Journalen. Sie wurden geordnet nach den beiden
Orten, wo Fuchs geweilt und gewirkt: Landshut (1805 bis 1833)
und München (1823 bis 1866). Ohne in Einzelnheiten eingehen
zu können, sei hier nur der wichtigen Erfindungen des Wasserglases
und der hydraulischen Mörtel gedacht. Von jenem bewährten Schuts-
" mittel gegen Feuer, zuerst beim neuen königlichen Hoftheater io
München angewendet, handelt die Abhandlung: „über ein neues
Produkt aus Kieselerde und Kalk^' (S. 80 ff.), in Verfolg kommen:
jyBeveitung, Eigenflchaften und Nutz - Anwendung des Wasserglsses
mit JKinschluss der Stereochromie^ besonders zur Sprache (S. 260 ff.)«
Der Abhandlung „über Kalk und Mörtel*^ (S. 97 ff.) reihte sieb
schon nach Jahresfrist die „über Eigenschaften, Bestandtheile und
chemische Verbindung der hydraulischen Mörtel^ an (S. 132 ff.)*
eine von der holländibichen Gesellschaft der Wissenschaften zu Haar-
lern gekrönte Preisschrift ^
fe,H, BBIDELBERGER m.
JAHRBOCIBR DBB IITBIATUB.
Da$ dadache SUofnm^uUBysUm nach Meinem Vreprunge und mnem
Ytrlaufe, wm Dr. Ludtoig ZimmerU. Tübingen 1857.
Ein tiefer, eingeothttmlicber Zug des älteren deutschen Beehts
«t die hohe Bedeotang des Orundeigenthums ond dessen Inniger
ZoMunmenhsng mit dem gesammten Erb- und Familienrechte. Das
lasse Becfatsleben des deutschen Mittelalters Ist von diesem PrUicip
dsrehaogeo, wenn es aach an ▼erschiedenen 2Mten und bei ver*
lehMeiieQ Stimmen in abweichender Form auftritt. Mit dem Ende
des Mittelalters verliert dieses Frindp an Kraft und Bedeutung und
fmchwindet alimälig aus dem gemeinen deutschen Rechtssystem.
lAan gibt die Zerstörung dieses Prindps oft lediglich dem rö-
Rechte Schuld. Allefai wire das ältere deutsche RedH,
den Orundbesits in innigste Beaiehung aur Familie bradite,
■ech in roller ungeschwächter Kraft gewesen , so würde eine Re-
eeptiott der widersprechenden römischen Gmndsätse unmöglich ge-
wesen sein; aber die Entwicft:elung des deutschen Rechts neigte be-
Kits TOD selbst aur Lösung des Orundbesitses yon dem Familien-
▼erbande bin, es strebte nach Oleichsetaung der Liegenschaften mit
der Fabrniss, ein Entwicklungsgang, welcher die Folge jedes gestei-
gerten städtischen Vericehrs ist. Die Sudtrechte des 14. und 15.
Jahrhunderts beschränken oder beseitigen die Rechte des nächsten
Erben an dem Orundbesitse ond aiehen denselben immer mehr in
den freien Verkehr. Das römische Recht beförderte nur seit seiner
Aofnahme diese bereits selbstständige angestrebte Umbildung des
deutschen Rechts.
Diese so vom römischen Rechte beförderten modernen Ver-
kehrsprincipien kamen in Deutsehland im allgemeinen überall
nun Siege, nur in einaelnen Rechtsinstitoten singulärer Natur blie-
beu noeh Spuren des altgermanischen Rechtsprincips stehen, welche
gewissennassen wie Ruinen des Blittelalters ans unserm modernen
Bechtsleben emporragen — so hisbesondere der Retraot, das bür*
gerliche Erbgut u. s. w.
Anf wunderbare Weise sind endlieh die altgermanischen Prin-
dpien von der Doctrin des 17. Jahrhunderts an ehiem modernen
Bechtsinstitute, dem Familienfideicommiss, umgearbeitet und
wenigstens äosserlich in ein römisches Gewand eingekiddet worden.
Das Familienfideicommiss, als modernes Rechtsinstitut, ist nicht
aar thepretisch eines der interessantesten Probleme für die Wissen-
idiaft, sondern auch noch für die Gegenwart Ton bober practischer
Bedeutung. Während alle andern Ueberreste des deutschen Stamm-
gutspiindpsy wie s. B. der Retraot, das bürgerliche Erbgut, im Ab«:
L Jahrg. 5. Hefk. 2i
•V0 Ziamerto: D01
sterben begriifen Bind, steht das Familienfideicommiss noch als ein
maobtroBes und eiafluaireiches Bechtsinstitat da.
Dennodi fehh es in der juristischen Literatur aa einer tiefer
eindringenden Monograpliie. Die wichtigste Voranssetsung so ^ner
wissenschaftlichen Begreifang dieses Rechtsinstituts ist aber eine
klare rechtsgeaehiebtUche fintwidcelung sefaier Entstehnng. Woid
Icanm bei Irgend einem andern Institute laufen die Fäden so weit
in die Vergangenheit aurtidc und so wunderbar durcheinander. Ob-
gleich das Famiiienfideleommlss in seiner jetaigen Gestalt ein mo-
idernes Gebftude der Doctrla Ist, so haben doch die Architecten Bai»-
steine dam Terwendet, welche sich bereits In den Sltesten gefUMUii-
achen Volhsrecbten rorianden.
Der Verfasser der vorilegeaden Schrift hat das Stammgata-
«yatem aa seinem Gegenstände gewIUilt, und vemteht darunter alle
(d^fenigcB BwhtsaoraMn, welche die Erhaltung des Grundeigenthama
iB der FamiBe beeweel^en.
In der Einleitong 8. 1—38 erörtert er die politische Be-
destmig des Grundeigenthamsi als Orandlage des StammgatssystooMi.
Mit fWsaiger Benotaung 4er nenesten wlsseosehaltlicbea Fonehim^
gen von Waita, Sjbeli Both u. s. w. gibt er einen Ueberblkk der
germanischen UrTerlissuag und weist nach, «dass die Deutschen aekoa
Ib der ältesten Zeit Sonderelgenthiim gekannt haben, und daas
4er BeeitE eines freien Hofes innerhalb der Hundertschaft die
Voranasetamig aur Theibiahme an dem politischen Verbände
Der Verfasser verwirft mit Recht jene unklare Vorstellung von
elnesa Gesammtelgentbum der Familie; er führt als juristischen Grand
für die Rechte des nächsten Erben das Interesse an, welches die
gesammte Familie an der Erhaltung des Grundbesitzes hat. Seine
Ansicht gründet sich auf die aliein richtige Erklärung, welche
her bereiU im Jahre 1847 In aelnen Meditationes ad locum
sazonid ausgesprochen bat, nämlich dass das sog. Stammgutaprindi
lediglich auf dem Gedanken bemhei dass eine Familie, um als aol<
mit voller öffentlicher Berechtigung In der Volksgenossensehaft
gelten, nodiwendlg eine gemeinsame heimatbliche Stätte, einen Stami
aiti haben müsse. Der Bechlssats. hai demnach seinen Uiaprn]
in der politischen Bedeutnag der Familie, der jedessudige
her des Guts Ist »ar allein Eigenthttmer, nicht die Familie;
ohne Eigenthttmer au sein, haben die auwartendcB Erben
«■mitteibnr gegenwärtige Vortheile von dem Grundeigenthnaie , dis
in der Hand eines Familienglledes vereinigt Ist, und diese au achfitaei
dient das Einspnichsrecdit
Nachdem der Vertisser hi der Einleitung den allgemeineo G*
alehtspunkt üestgestellt hat, geht er zu der eigentlichen geechichtll«
dien Darstellung des Stammgutssystems über; er aerlegt des
Entwicklnngsgang in drei Perioden:
A. Aelteste gennaniache Zelt
B, Mitdere Zdt-
391
a N«ia0t0 Ztit
Vit groaser Klurbeit geht dir VerfiMier in dar erateo Parioda alle
«ütteUageoden StelleD der Volksrechte durch; wen «och eise ba-
ithunte GoDftruelioii des Bechtsiostitats nicht möglich ist, so läset
iicii doch so viat mit Gewissheit erkennea, dass <bui daotsche Recht
idion cor Zeit der Leges die Berechtigung des nfichsten Erben
kannte, bei Verftosserongan tod Orondstücken aIs sostimmend oder
widersprechend mitxuwirken ond dadorch den Eigenthümer in seiner
freien Disposition su beschränken. Allerdings fehlt mehreren Volks*
reehten jede Andeatung eines solchen Einspruchsrechtes das nächsten
Erben, s. B. den westgothischeni bnrgundlschen und loogobardiacheo
fiechten, während dasselbe in der lex Saxonnm besonders deutlich
kerrortriu. Es ist aber falsch, darin eine besondere EigenlhümÜch-
keit des sächsischen Bechts finden zu wollen; es ist ein allgemeines
deolschaa Rechtsprindp, welches sich nur bei detgeoigen Völkern
Terloreo oder wenigstens abgeatumpft hat, walohe dam Einflüsse des
Aknarthoms am meisten ansgesetst waren.
Den qnellenmässigen Uebergang von den Volksrachten der ersten
Periode in den mittelaUerlichsB Bechtsbüchem der sweiten Perfode
bilden die Urkunden, in denen regelmässig die Znstimmnng oder
venigstena die Anwesenheit der Erben im Gericht erwähnt wird;
mä dem Einspruchsrechte der Erben hing die Nothwendigkeit dar
Auflassung im Volksgerichte eng ausammen, denn nur im Volksg^
lichte fand der nächste Erbe die sichere Gelegenheit sur Ausübung
seines Bechtes.
Die altgermaniache Freiheit ging mit der Gauyerfassung unter,
es entstanden AbbängIgkeitsTerhältnisse Freier gegen Freie; ein Theil
der Freien stieg zu dem bevorrechteten Stoade des Adels empor,
wihrend ein anderer Theil in die Hörigkeit herabsank; doch aeigt
lieb noch im Sachsenspiegeli welcher mit grosser Zähigkeit an dem
Altbergebrachten festhält, die rechtliche Bedeutung des Grandbo-
äties als VorausseUung des Standes, indem der Sachsenspiegel nach
der Berechtigung an Grund und Boden zwischen Landsasaen, Pfleg-
heften nnd Schöffenbaren unterscheidet LeUtere sind die VoU»
heieny welche sich auch ihr freies Eigen bewahrt haben ; aus ihnen
können allein die Schöffen im Grafengericht genommen werden, sie
haben ihr Waffenrecht und ihre SteUung im Heerscfaild behauptet
Üicht bloss das einzelne besiteende Individuum, sondern die ganze
Familie hat durch die Anwartschaft auf solches voUfreies Eigenthum
eine höhere, vornehmere Stellung. Schon die blosse Beziehung an
einem Stammgute, dem sog. handgemal, gibt einer Person dieSteJ*
Inag eines Sdböffenbaren (nicht eines Schöffen), wie Stobbe i^.
grfindlich in seinem Aufsatze über die Stände des SAchaenspic ^^1^
nachgewiesen hat; es liegt dessbalb im Interesse der Familie ^
Grundbesitz zu erbalten. Demshalb besteht in den B^chtsb^
das Eänsprucbsrecbt des nächsten Erben in voller Kraft ^^^u^neih'
Erbe hat ein dingliches Becht an den Grundstücken des ^^ yfeies
37i 2imm«rl6: Du deutMlie StammgalMyilom.
Erblassera, yermöge dessen er jede, ohne seine Zostlmmang erfolg
Veräasserang anfechten ond das Grundstück als sein Eigenthom ans
der Hand des Erwerben revoeiren kann. Nor der Erbe, welcher
aar Zeit der Verftasserung der nächste ist, kann das Einsprucbsrecbt
haben. In der Regel steht ihm das Einspruchsrecht bei jeder Ver-
äusserung von Liegenschaften zu; die Rechtsbticher unterscheiden
noch nicht swischen gewonnenem und Erbgute. Erat in den Stadt-
rechten, welche das Stammgutssystem immer mehr beschränlLteii,
wurde das Einspruchsrecht bloss bei Erbgütern augelassen. I^ur in
Fällen ächter Noth beschränkte sich das Einspruchsrecht auf einen
Verkauf nach vorausgegangener Anerbietung; das Einspruchsrecht
endet durch ausdrückliche Entsagung, Verjährung und Austritt ans
dem Erbenverbältniss.
Die Klage, durch welche das Einspruchsrecht ausgeübt wird,
•tüUst sich auf die Annahme, dass der unrechtmässige Veräusserer
in Bezug auf den veräusserten Grundbesitz gestorben sei (FictJon
eines erfolgten Erbgangs). Die Klage ist die Vindication ererbter
Immobilien; zum Schadensersatz ist der Veräusserer, nicht der vin-
didrende Erbe verpflichtet, die Klage verjährt binnen Jahr und Tag
von Zeit der Auflassung,
Dieses Stammgutsprincip steht mit den übrigen Rechtsinstitotea
des mittelalterlichen Landrechts in engster Verbindung , so mit der
blossen Gütereinheit des Eherechts (mit Gütergemeinschaft ist
es nnTorträglich), mit der Nicbthaftung der Immobilien für die Schnl-
den, mit dem unmittelbaren Vermögensübergange ohne Antretang
(„der Todte erbet den Lebendigen^), mit dem Ausschluss der Te-
stamente, Je mehr nun das deutsche Recht von diesen Grundlagen
abging, je mehr die Stadtrechte eine Aenderung dieser älteren ger-
manischen Rechtsprincipien durchsetzten und so dem römischen Rechte
▼erarbeiteten, um so mehr musste auch das Stammgutsprincip er-
schüttert werden.
Da sich die Territorien immer mehr zu Staaten abschlössen,
da sich der in den Städten entwickelte Begriff des Staatsbürgerthams
verallgemeinerte und sich von jeder nothwendigen Beziehung zum
Grundbesitze losagte, so wurde das Stammgutssjstem völlig ge-
brochen.
In der dritten Periode, der neuesten Zeit, S. 263 — 392, be-
spridit der Verfasser die Ueberreste des Stammgutsprincips, welche
sich in vereinzelten Rechtsinstituten erhalten haben; hierher gehört
besonders der Retract, der als Familienretract in unmittelbarem Za-
'^mmenhange mit dem alten Einspruchsrechte steht, und das bür-
gerliche Erbgut, wie es sich in den norddeutschen Stadtrechten ent-
wickelt, hie und da, ganz anomaler Weise, sich sogar auf Mobillen
ausgedehnt hat
Dagegen ist das adelige Stammgut ein Erzeugniss des neuem
Adelsrechts, indem das Princip der ausschliesslichen Saccee-
slon des Mannesstammes dem altem deutschen Rechte fremd waTi
Zinmflrle; Dm dtntidM Staaagrtwygta«. ftTS
wddhes nur efaie Berorsoganf doi MannacitaiiinM kannte. Ali
te saaere Redit immar mehr eina GlaicfaiCallong dar Söhne und
TMitar anbahnta, bildeta lich Im Oagansats dasu ain alganthttouli»
eh« Adalaraehty walehas daaa diente, die naoera Bacbtaentwicklang
TOD dleaem Stande abmhalten. Leider hat hier der Yerfaiaar den
ZoiamnieBliang dea öiTeDtlichen Rechte mit dem PriTatraehte dea
hoben Adele völlig anbeachtet gelaesen. Die Entotehang dieeaa
efgenthfimlichen Standetrechti lat nur im Zusammenhange mit der
Gtichlchta der Territorialbildung and der Landeahohelt richtig wk
rentehen. Der grenaenloae Unfug der Landattheilongen und der
dimit verbnndene Roin der reicheatfindischen Hinter war nach unearar
Aniicbt das wichtigste Motir cur Abfassung der filteren Hausgesetea
ond cur Ausbildung einea eigenen Rechtea des reichsstlndischen AdelsL
Den ganaen Einfluss der goldenen Bulle auf das gesammte
Haosrecht des hohen Adels (auch der nicht churfQrstllchen EUuser)
liat der Verfasser nicht beachtet, ebenso die grosse Menge von Un-
theilbarlLeitsverordnungen, welche bereits seit dem Anfange des Wer-
nkoten Jahrhunderts beginnen. Ein Blicic in unsere Schrift über
das Recht der Erstgeburt (1851) bStte ihm zeigen mtissen, wie eng
£e Stammgutsentwicklung beim hohen Ade! mit seiner Regenten«
Stellung ausammenhängt.
Ebenso wenig halten wir es fUr gerechtfertigt, wenn der Yer-
ÜMSer behauptet S. 971:
^Ais seit dem Sturse der deutschen Gtorichtsverfassung in der
I iweUen Hftlfte des 15. Jahrhunderts das römische Recht sich fest-
{ letzte, war die Bildung dieses Adelsrechts schon vollendet^
I Allerdings waren schon Keime cur Entstehung eines solchen
I Aldelsrechta Torhanden, besonders in jenen Untheilbarl^eitsverordnan-
gen des 14. Jahrhunderts; aber die Ausbildung und Vollendang dieses
j ei^tbümlichen Standesrechts erfolgte erst später und allmSlig, und
I svar hn bewussten Gegensatse zum römischen Recht, dessen un-
passende Satzungen eine halsstarrige Doctrin auch auf den reichs-*
Btlodischen Adel durchzusetzen versuchte. Wer die Hausgeschichta
erlaoehter Familien studirt hat, weiss, welchen schweren Kampf in
mlen HSusem die Entwicklung dieses Hausrechts selbst noch im
16. und 17. Jahrhundert mit den falsch angewendeten romanistl-
sehen Principien durchzumachen hatte, bis eine unantastbare Fest-
stellung desselben erfolgte. Vereinigte sich doch oft genug mit dem
doctrinSren Eifer der Juristen der Egoismus von nachgebomen Söhnen,
▼on Gognaten, von unebenbürtigen Descendenten u. a. w.
Femer können wir dem Verfasser nicht b^pfllcfaten, wenn er
te Hausgesetzen des Adels die rechtserzeugende Kraft völlig ab-
spricht und dieselben bloss als Rechtsgeschfifte behandelt
(B. 274). IHe Form des Vertrags darf nicht dazu verleiten, auch
dem Inhalte nach nur Vertragsgeschttfte in den Haasgesetzen zn
Hhea. Allerdings hat man In früherer Zeit zwischen Rechtserzeo-
Snng Qod Rechtsanwendung nicht streng unterschiede und vlelea
9174 biWf : FlaTtai DoBÜkniu.
ia den HaotgeBetsen gehGrl nur der letsteren an ; aber Tidfaeh wu*
den darin auch neue Rechtsnormen geschaffen. Wie kOnnten die
Hanaatatoten wirlLÜehe ProfaibitirgeBetze Terletaen, wenn flmen nicht
dM lecfatieraeogende Kraft inne wohnte? Wie könnte ein bloss
vertragnnissigea RechtsgeschBft nicht nur die Gontrahentett, sondern
«idi deren entfernte Nachkomesea auf Jahrhunderte recfadich ver-
Mnden?
Zum Bchluaee wirft der Verfaaaer noch einen Blick auf die
Entstehung dea FamilienfideicoaftmiBses ; wir halten hier seine Ai-
dentungen für sehr gelungen und bedauern nur, dass er sie so sliii-
Benhaft gehalten hat. Eine auBfOhrliche und durchgearbeitete Eat-
wicklQttgsgesdtichte des Fideicommisses wSre gewlssermassen der
Absehlusa dieser rechtshistorischen Monographie gewesen. Ehie widi-
tige Vorarbeit für die Geschichte des Familienfideicommiases hat der
Terlasser jedenfalls durch seine gegenwärtige Schrift geliefert, weldie
aidi nicht bless durch gelehrtes Quellenatudium, sondern auch durdi
khu« Sichtong des Stoffes und Uebereichtlichkeit der Darstellung aos-
xeichnet
J^na. Prof. II*ra«iiii SehulsKe.
T. Flavius Damüianus. Ein Beitrag ster CtesehiMe dir rämü^m
KaneneU. Nach din QueUm darpestdU v^ Dr. Albert Jtn-
ho f. HaOe, WaUemhaw 1857. VI und 144 8. y^ Thäier.
Verliegende Sdirift schliesst aicfa an ähnliehe ArbeHea von
Franoke^ Gregorevius^ Barckhardt n. A. an. Sie macht dnen woiü-
thoewlen Eiikbruck, da de mit seltener Ansprucblosigkeit auftritt
und gieichwohl durchgehende den Stempel eines tächtigen, eindrin-
genden Studiums trägt In der That erforderte eine befriedigende
Regierangsgeschicbte des Domitianus bei dem Verluste der besflg*
lidMtt Thdle des Taeitus und bei der Dürftigkeit der Exceriyte aos
Dio Gaaslus ungemein vid Aufmerksamkeit und Combination. SdM
Münxen und Inschriften mossten sorgsam au Rathe gesogen werden.
Eine Tolbtändige Darstellung jener Zeit ist aber in manchem Be*
tradH, namentlich auch für die Litteratuigeschicbte , dn dringendes
Bedfirfiiiss. Herr Imhof bat dieses BedQrfniss auf eine sehr gdon-
gene Weise befriedigt Mit grosser VoUständigkdt und doch mit
Vermeidung aUes gdefartea Baliastes ist in seinem Schriftchen aas
den aUea Quellen nnd den neoen Bearbdtungen der Stoff gessm-
melt, zweckmässig geordnet und in einfacher, Hohtvolier DarsIdlaBg
TOfgefiihrt
Besonder» aBeri[ennen8wertb ist es, dass sich der Verfssser
dnrch die WaU seines Gegenstandes nicht hat Terieiten lassen,
seinen Hidden mit hdiem Farben au malen, als demselben seiner
Wellgeschichtlieben SteHong nach zukommen. Er lässt den dästerO)
PMMlKMitfanf« IVS
Ckaneter denelbeB fibwmll io adMr gtiiMo BcbrwUieh-
kail banrortietea. Ohne alle Polemik ist das darchaos verfeblte Bili
beriebü^ wdehea Nfebolir in tehiaB Vorleaangan tm DomitlawMi
nd Minar Zeit entworfen hatte.
Den Stoff Tertheilt der YerTaaier in 14 Gapfte!, too wekhen
efstge Uographiaeh-biatoriaeh behandelt sind, andere Ober Krie(0|
Se^erangnystem , Oeeetsgebang , Glnrietenthuni , Litteratnr n. a. f.
Deberaichten gewibren. Den Schlnis leidet ein NamensTerneiehiyaii
den auch eine chronologlsehe Tafel bitte beigegeben werden aoUeo.
Im Einaelnen findet sich Ref. an folgenden Bemerkungen nnd
Bericbtigongen veranlasst.
Ib dem Abschnitte Aber die Familiengeschichte des Flarbchen
Oeiehledites heisst es 8. 14 andeatlieh, der iUtere Pllnlns habe die
Regierongsgeschichte des Vespasianas hi 31 BOchem besehrieben.
31 Elidier zfihlte das ganae Werk, das A fine Anfldii Bassi über-
Khrieben war; aber es nmfasste auch die vorhergeiienden Regle-
nmgen, wahrscheinlich von Tiberios an. Pfir Galigola ist die Stelle
da Soetonius in C. Cal. 8 beweisend. Allein, dass Plinins noch die
Zeit des TIberins behandelte, scheint ans M. Seneca Boasor. p. 89.
42 Bip. gefolgert werden an mOssen. NSroÜch noch anter TiberivSi
um d. J. 34, hatte M. Seneca das Werk des Anfidiae Bassna schon
gelesen. Dasselbe wird also woU nur bis aam Todeijahre des
Aogustos herabgegangen sein.
Von einer zweimaligen Bekanntschaft Vespaslans mit seiner
Gattin DomiHüa 8. 15 wissen die Schriftsteller Nichts; die Inmng
▼enwlasste der nachfolgende Sats Aber GInis. Die erste Oemah*
Kd des Titas hiess^ wie wir jetst ans einer Inschrift bei Orelli-Hen-
len DO. 5429 wissen, nicht Arricidia, sondern Arrecina Tertnlla.
Zwei Irrthümer sind 8. 128 in Betreff der Kaiserin Domltia,
der Gattin Domitians, an berichtigen. Einen Sohn , der bald starb|
gebar sie ihrem Gatten nicht im aweiten Jahre seiner Regiemng
d. i. im Jahre 82, sondern in secnndo sno consnlatn d. L im
Jahre 78. Spltter scheint sie nicht mehr geboren an haben; we-
Bigsteas enthalten alle angeführten Stellen, wie Martialis 6, 8, nur
fronme Wünsche fSr fernere Nachkommenschaft, und die Gonseer»*
tfoDsrnflncen mit der Inschrift Divns Gaesar Imp. Domitiani f. be-
lieiiett sich eben nachtriglich aof jenen frflhverstorbenen Sohn. IMe
Steile des Saetonins in Dom. 8 ist allerdings Ifickenhaft, aber erst
kiater tulerat. Dort mosste angegeben sein, wie lanaisch der Kaiaer
Niae Gattin an Anlang seiner Regiemng behandelte. Der andere
Intfamn beaieht sich aaf Domitia's Lebensdaner, die riel an weit
Ms gegen d. J. 140 erstreckt wird. In der Inschrift bei OrriU
no. 775 ist nicht gesagt, dass Domitia erat kürslich Terstorben sel|
vielaehr heisst es im Gegentheil von dem Stifter: qni iam pridem
extroxisset templnm in honorem ac memoriam Domitiae. Einen ana-
McUichen Beweis aber, dass sie an Saetonins Zeit, d. h. im Jahre
MO, tedt war, liefert die Stelle des Saetonins in Dl?o Tito 10 extr.
S76 Imbof: Flavioi Domitiftiiiii.
Nicht richtig kaon es seiiii wenn 8. 19 von Titas gesagt wird,
er habe gleicbseitig mU seinem Vater i. J. 61 in Britannien gedient;
dies steht auch mit S. 18 im Widersprach, wo gesagt ist, Vesper
sianiis habe seit d. J. 43 längere Zeit in Britannien verweilt Da»
Vespasianns von 43 bis 47 in Britannien stand and anch sein S5bn-
chen Titos bei sich hatte, geht aas Dio Gassins 60, 30 herror. Hin-
gegen als Kriegstribnn kann Titas Alters halben nicht Tor d. J. 60,
jedenfalls erst nach d. J. 56, vgl. Saetonius in Divo Tito 8, Dienste
genommen and in Germanien and Britannien gestanden liaben. Eine
nähere Angabe würde in den Worten des Plinius N. H. praef. 3
liegen, wo von dem castrense contuberniam des Jünglings bei PH-
nins die Rede ist, wenn wir nur über den Aufenthalt des Plinios
in Germanien genauer unterrichtet wären. Die gewöhnliche, aber
so viel ich sehe unbegründete, Annahme setst denselben awischen
45 und 52. Allein aus N. H. 83. §. 63. gebt nicht hervor, dass
Plinius i. J. 52 dem Kriegsdienst entsagt hatte. Er konnte damals
auf Urlaub in Italien sein, und es ist unglaublich, dass Plinius swi-
schen 52 und 67 ohne Anstellung gewesen sein sollte. Sicher ist
jedenfalls, dass Vespasianus i. J. 60 ff. nicht in Germanien und Bri*
tannien stand, sondern Statthalter von Africa war.
In dem Abschnitte über die auswärtigen Kriege spricht sich
Herr Imbof S. 49 auch über Domitian's Verhältniss au den Agri
decumates aus. Ich glaube schon i. J. 1838 als ein sicheres histo*
risches Resultat festgestellt au haben, dass Domitianus i. J. 84 bei
GMegenheit seines Feldsugs gegen die Gatthen Schwaben zum r5ffii-
sehen Reiche schlug. Der Beweis kam damals freUich nur auf dem
Wege der Combination au Stande, wobei als das Schlagendste die
Benennung Arae Flaviae für das jetzige Rottweil hervorgehoben
wurde. Erst i. J. 1840 fand ich dann bei Frontinus Strat 1, 3, 10
die bisher von Niemand l>eachtete Beweisstelle, welche die Combi-
nation zur geschichtlichen Thatsache erhebt. Durch briefliche Hit-
theilung setzte ich von dem Funde mehrere Gelehrte in Kenntnisfl,
so dass zuerst der sei. Pauly in der Realencydopädie 2, 1201, dson
Stalin in der Wirtembergischen Geschichte 1, 14 die Provincialisi*
rung Schwabens durch Domitianus als historisches Factum anerkann-
ten. Die Stelle des Frontinus ist entscheidend. Die dort erwähn-
ten limites per 120 M. P. acti, also 50 Stunden lange Gränzwftlie,
durch welche der römische Boden gegen die feindlichen UeberiXUe
der Germanen gesichert und zugleich unterworfen wurde (snl)iedt
ditioni suae), können nur von der s. g. Teufelsmauer und dem
Pfahlhag verstanden werden. Durch diese Stelle ist also erwieseOf
dass dieser Sinus imperii, vgl. Tacitus Grerm. 29, durch Domitianns
und zwar i. J. 84 zum Reiche geschlagen und den beiden angris-
zenden Provinzen einverleibt wurde. Eben dieser Erwerbung wegen
legte sich der Kaiser den Beinamen Germauicus bei.
Die Einwendungen, welche Herr Imbof gegen diese „Hypotheie'
erhebt, sind durchaus nichtig. Domitianus habe mit den Agri de«
hilior: FhTiai Doaiitlmii«. 377
tsmäM vUktB so tboii gehabt, Mft «r angesichts der Beneii-
Bi^ Arme FbiTiae und des 50 StundeD langen Grlnswalls. Li«
■itibni sei swetfeihafte Lesart fOr miUtibus, meint er, als ob die
Werte milites per 120 M. P. acti lateinisch ond Tersttodlidi wären,
(Den handsdirifiüichen Scropel mag Oodendorp sn Fronthias 1, 6,
10 oniTeni a limite lösen.) Gar sonderbar endlich ist es, wenn in
Jer Stelie des Snetonius in Dom, 6 ein Gegeoargoment liegen soll
teer Statthalter hatte ja eben Schwaben ond die Schwarswaldge-
gcnden preisgegeben, nnd gerade in Folge daron i^onnten die Bar*
bim an den Rhein gelangen. Für den Krieg Domitian's i. J. 84
lind besonders die Stellen des Frontinus I, 1, 8. 3, 10. II, 8, 93.
11, 7. ra benntien. Zweimal nennt er als Feinde allgemein Ger*
Bsol, einmal werden cormpt fines cobioram oder copioram erwShnt
(nsB hat Ubiomm oder Usipiorom vorgeschlagen, aber auch Saebo-
nim liegt nicht weiter ab), and einmal nennt er die Feinde CatthL
Ebenso nennt nun anch Suetonias jenen Erleg einen Eroberungskrieg
gsgea die Catthen, sponte expeditionem suscepit in Gatthoi; auch
Mirtialis 2, 2. leitet Domitlans Beinamen Germanicus ausdrücklich
Tso einem Kriege gegen die Catthen ab. Nun aber nennt ja Ta*
dtQi Germ. 30 ausdrücklich gerade die Catthen unmittelbare Oräna*
Bidibam der Agri decumates. Es ist also Alles im schönsten Ein*
Usag, und die Stelle des Frontinus 1, 3, 10 wird wohl auch fer-
seihfo dem Domitianos die Ehre der ProTindallsIrung Schwabens
ud der Anlage des Gränswalls sichern.
Uebrigens hStte Herr Imhof nicht wiederholen sollen, dass in
der taciteischen Stelle Decumates von agros getrennt und als Nomi*
satiT gefasst werden müsse. Es gibt nach römischen Begriffen keine
hemines decumani im Sinne von Zehntpflichtigen , wohl aber agrl
decumani oder decumates.
Hinsichtlich der Dacier erscheint Domitianus in gans merklicher
Weise kleinlaut. Auf seinen Münzen gedenkt er ihrer nicht; weder
ImebrifteD noch Schriftsteller, mit einsiger Ausnahme des Schmeichlers
Hsrüalis in der Vorrede seines achten Buchs, kennen den Beinar-
men Dadcus. Erst Trajanus nahm diesen Titel i. J. 103 an, päd
dssBcn Goldfüchse meint JuTcnalis 6, 204.
Für den sarmatlschen Krieg an der Unterdonau konnten die
bschriften bei Orelli-Henzen no. 3049. 5439. 6766. 6912. ange*
ftlirt werden. Aus ihnen erfahren wir wenigstens die offidelle Be*
ssnnung des Feldsugs; dieselbe war Bellum suebicnm et sarmaticum.
Den Namen des Feldherrn, welcher den L. Antonius besiegte,
hst nerst BorghesI sull' ea di Giovenale p. 7 festgestellt. Die
Sdiriftsteller schwanken darüber eigentlich nidit, sie itihren ihn nur
immer fragmentirt an. Er lautete FolIstSndig L. Appius Maximus
Norbanus. In zwei Inschriften, bei Orelli no. 772 und in Cäsar's
Zeltschrift für die AW. 1854, p. 513, wird dieser Feldzug Bellum
Clemiauicum genannt; yielleicht gehört auch die Ezpeditio Germa-
nica bei OreUi no. 3569 hierher.
978 Iinhof: Flarins Donitinv».
Das Epigramm des Eaennt, toh welchem S. 99 die Bede iaC,
wurde niebt In verSuderter Form, sondern b^chstfiblick te Umlaiif
gesetsf. Wenigstens wird man eher mir betpffiehten, wem leh in
dem handschriftlichen cotKctp^a das dol tgiyB wieder erkenne i ab
dem PolfClanne, welcher KeUffecpc darana machte.
Auffallender Weise ist 8. 120 gesagt, Suetonius erwfinie nichCs
▼on einer Bethelllgnng der Kaiserin Domitia am Morde ihres Q«-
mahls. Nnn heisst es aber doch cap. 14 ausdrücklich: Oppressos
est amicoram libertorumqae Intimorum conspiratlone, slmnl et nxo-
ris. Als Todestag Ist S. 116 darch einen Druckfehler der 15. statt
des 18. Septembers angegeben.
Besondere Erwähnung verdient der Abschnitt 8. 130 ff. über
die Autorschaft der Aratea des GermanIcas GSsar. Hier wird ge-
gen die, snletat von Bemhardy vertretene, Abfassung des Gedichts
durch Domitianus besonders auf zwei Punkte Gewicht gelegt Etor'
mal wird bewiesen, dass Domitianus den Namen Caesar Germaniene
gar nie, den Namen Augustus Germanicus aber erst seit d. J. 88
führte. So die Münzen und Inschriften und Schriftsteller, z. B.
IVontinus 2, 11, 7. Martialls 2, 2. Suetonius In Dom. 13 eztr. Gatts
aus der Luft gegriffen ist die von Vielen wiederholte Behauptung,
dass er diesen Beinamen schon seit dem J. 70 getragen habe; nlan
lieh es hätte eben das Gedicht eine Jugendarbeit Domitians sein
soRen. Zweitens macht der Verfasser ^auf auftnerlisam, dass
Quintilianus 10, 1, 55 unmögBch hStte so kühl über Aratns nrtbef-
len kOnnen: AratI materia motu caret, ut In qua nulla rarietas,
nullus affectus, nulla persona, nulla cuiusquam sIt oratio; saffieit
tarnen operi, cui se parem credidit, wenn sein Gebieter und Gönner
Aesen Dichter einer so speciellen Beachtung gewürdigt hStte. Von
den poetischen Talenten des Domitianus machen freilich die Sdirift-
steller jener Zeit (von Pllnius an Nat. bist praef. $. 5 bis auf Sta*
tlus und Quintilianus herab) viele Worte, aber nirgends wird etwas
Positives angeführt, so dass es wohl bei Sueton's Urtheil Simnlavit
etiam poeticae Studium u. s. w. sein Verbleiben haben wird* Hiemlt
shid nun freilich nicht alle Bedenken hinsichtlich des Auters gelM^*
ben ; auffallend bleibt namentlich das Schwanken der Ueberllefenragy
indem neben den Scfariftstellern , welche Germanicus Caesar oder
Caesar oder Julius Caesar anführen, auch noch die Handschriften,
wenigstens codd. Basiliensis, Bemensis und Puteaneos Par. 788^
den Claudius Caesar auf dem Titel der Aratea nennen.
Kleinere Versehen sind 8. 15 Mutter und Tochter statt Ghttia
und Tochter, S. 29 Vespasianer statt Flavianer, 8. 81 Prudena statt
Pudens, S. 94 Varonllla statt Varronilla, S. 95 popäisch statt pep-
pXisch, S. 138 Aruntius statt Arruntfns.
Bafel. K. li. Ro«ll.
IO«khr mi RM8w: SfaiMaBff m Ctav'i CoMwnlvm. 179
BUüihmg zu C. JuHu$ Cäsar^M (hmmenianm über dm gaM^
$chen Krieg. Yen H, Köchly und W. Rü%iOi». Ocfha.
TeHmg wm Hugo Schaibe. ld&7. VI tmd 159 8. in gr. B.
Die Verfiumr dieser Schrift iMbeo nollogsi Cltoat*f Commeo*
iare über &m fallisdieii Krieg In einer dentodienf für ein gebOdelee
Lasepalrtikiini l>erecbneCen UeiierseUnng ertdieimii iMten ond statt der
dort feUenden Einleitang aof die (besondere Behrift verwiesen, weldie
As aDg^eneinenf In einer Einleiten^ m verhandelnden Gegenstinde \m
gr6sserer AosfÜhrllchkelt darstellen werde. 8. d. Jahrbb. S. 306. Diese
Schrift liegt onter dem oben angeführten Titel jetst vor uns: sie wird
US mehr als einem Grunde die Beachtung Aller derer verdienen, die mit
Charts Schriften sidi beschftftigen nnd über diese, wie selbst über die
PeisOaliehlteit GSsar's, insbesondere über seine politische Stellung
osd Bedeotong sn einem Urtheil gelangen wollen. Sie Ist dabei
ta einem so frischen und lebendigen , Icrfiftlgen nnd entschiedene«
Tone gehalten, dass man gern bei derselben verweilen wird, aacb
wsnn man nicht hi allen einzelnen Urtheilen, namentlich was die
Istwickelnng der politischen VeriOlItnisse in dem Leben GSsar's be-
trill, mü den Verfassern geben und eben so unbedingt hier mif
iteen fttr CIsar Partei nehmen, als In die herl>en und wegwerfen*
<SB, nach misem Ermessen selbst ungerechten Urtheile einstimmen
wird, die über manche der (Jegner G8sar*8, namentlich über einen
Fampejne, über einen Gicero gettUt werden : wie dless jetst der von
isB neuesten Bearbeiter der römischen Geschichte angestimmte Ton
alt sich SU bringen scheint, der durch einen, dem modernen Lib^
nüsmus unserer Tage entstammenden Hass gegen die aristoltrati*
ichea Institutionen Roms und deren Vertreter, anm Verth^diger eines
mülttrlschen Absolutismus und Despotismus, mit allen seinen Grlu-
flin geworden ist. Wenn also in diesem mehr gescbicfatlichen Theile
te Bnleitnng die Verfasser schwerlich auf unbedingten Beifall rech-
■en k5niien, so wird ihnen dieser um so weniger in allem Demje-
Bigen anableiben können, was die mehr llterSrische Seite ihrer Lei*
itang betrifft, Ihre durchaus richtige und wohlbegründete Ansicht
fiber GSsar's Werk selbst, und die gerechte Würdigung desselben
Sieh seinen verschiedenen Selten; das Ganze ist freilich nicht so*
woU berechnet für Schüler, als für Gelehrte, für gebildete, urtbeils-
Bhlge Leser, oder auch für Lehrer, die zu einer richtigen Einsicht
oad Auffassung des Ganzen wie selbst des EInzehien gelangen wol*
Isn. Mit allem Recht werden Cüsar's Gommentare über die von
gsMirten Kriege an den vorzüglichsten Erzeugnissen der rümi-
Literatur gezShlt, die aber „eigentlich nur eine Lecttfre für
dn im öffentlichen Leben durchgearbeiteten Mann, für den denken-*
^ Fslitiker, Ott den gebildeten MUhär' abgegeben, wShrend sie
j«tst „leider vorzugsweise eine Lectüre der Schulmeister und Schul-*
beben geworden; man übt an ihnen Formenlehre und Sjntax, Etj-
odogie und Synonymik, Phraseolo^e und Styl und verdirbt so den
380 Ktfchly und Rttitow: Einleitnnf Sit CUai^t Coinneittreil,
MefBten der aaf solche Weise durch sie Gedrillten auf immer die
Lust, als gereifte MSnner sii ilmen zurück zulcehreo.' Wer wollte
In Abrede stellen, das« in diesem harten Urthell (das hier anf eigene
Erfahrang gestützt aasgesprocben wird), eine Wahrheit liegt, die wir
uns nicht verhehlen können and wollen, eine Wahrheit, die aber auch
eben sehr auf andere der anf anseren Schalen gelesenen Schrift-
steller Anwendung findet und eben zeigen kann, wie der so ▼iei-'
fach in unsem Tagen zar Klage gekommene Mangel an Sinn für
die alte klassische Literatur und an Liebe für eine gedeihliche Pflege
derselben ihren Grund mit in der Art und Weise hat, in welcher
diese Studien auf unseren Schulen betrieben werden, die statt Liebe
und Sinn für diese Literatur zu erwecken, nur Widerwillen und Ab*
neigung in der Seele des Jünglings hervorrufen, der statt in den
Geist der alten Literatur eingeführt zu werden, mit philologischen
Grillen nnd Düfteleien geplagt wird, die ihm am Ende Alles zuwider
machen. Es haben nun die Verfasser dieser Schrift mit detselbeD
den Zweck verbunden: „einem jeden Gebildeten, welcher CSsar*!
Gommentarien im Originale oder in der Uebersetzung liest, eine
fasslicbe Anleitung zu diesem lebendigen Yerständniss za geben/
So mag dieselbe allerdings efaie nützliche Zugabe, ein wahres Sup-
plement zu jeder Ausgabe, wie zu jeder Uebersetzung des Cfisar bilden.
Es beginnt die Einleitung mit einer Betrachtung des WerlceB
selbst, seiner Veranlassung wie seiner Veröffentlichung und den dieser
zu Grunde liegenden Tendenzen, indem dadurch allein eine rieh«
tige Würdigung des Ganzen, nach seiner Ausführung, wie nach
seiner Anlage, erzielt werden kann. Zuerst machen die Verfasser
auf den Titel des Werkes (Commentarii) und dessen Sinn und
Bedeutung aufmerksam. Es sind eben „ErzShlungen von Selbstge-
sehenem, Selbsterlebtem, Selbstgethanem, welche einfach und schmuck-
los eben nur die Erfahrungen des Verfassers als Material für eines
eigentlichen Geschichtschreiber geben sollen^ (S. 2); eben dadureb,
dass sie nur Thatsächliches, für dessen Wahrheit die Persönlichkeit
des Verfassers einsteht^ geben sollen, unterscheiden sie sich von
derjenigen Thätigkeit der Alten, die wir In das Gebiet der politi-
schen Tagesbrochüre verlegen würden, wie sie in manchen Reden
und ähnlichen Productionen uns entgegentritt, ebenso wie von der
vollendeten Form eines Geschicbtwerkes , das zugleich ein Kunst-
werk sein und seinen rein objectiven Charakter In Allem kund ge-
ben soll, während hier gerade der mehr subjective Standpunkt sidi
geltend macht und ins Auge gefasst werden soll. Dass aber Cässr
keineswegs In Rom der erste war, der mit derartigen Memoiren
hervortrat, zeigt die ganze Reihe Derjenigen, die vor ihm dieses
Feld in ähnlicher Weise und selbst zu ähnlichen Zwecken betretes
haben; die Verfasser weisen auf diese Vorgänger hin, um zu zei-
gen, „wie schon seit einem Jahrhunderte diese selbstbiograpbiscbe
Schriftstellerei zu Wehr und Waffe^ in dem alten Rom geworden,
und knüpfen daran eine Darstellung des ganzen Lebensganges dei
Idddy md Rttttow: BialeitaBf n Citer^a CwuMttutm. 381
Okmtj iiMbeBOiidere der von ihm seit den Jahren dee ersten Aa^
treCaoB befolgten politisehen Hmndlongsweieei die allerdings nur aof
Ein Ziel gerichtet war, nur dieses In Auge gefasst hatte and nur
durch das, was sur Erreichung desselben förderlich schien, sich in
AJlem bestimmen Hess. Eben aus dieser gansen Darstellung, wel-
che mit einer Betrachtung der Verhältnisse Galliens au Rom und
emem Blick auf die Entwickelung der politischen Parteikimpfe
Roms scfaliesst, soll es deutlich werden, wie eben die Veröffent-
fiehung der Commentare über den gallischen Krieg durch einen
poütischen Zweck hervorgerufen war, und zwar durch denselben,
den Cisar in seiner gansen vorausgegangenen politischen wie mi«-
litSrischen Thfitigkeit stets vor Augen gehabt und mit seltener Aus-
daner wie Klugheit verfolgt hatte; dieser Zweck aber war anerkann«
termassen dodb kein anderer, als der sich zum Oberhaupte des welt-
beherrschenden Staates zu machen; ein Zweck, zu dessen Erreichung
nicht bloss rohe Waffengewalt, also militärische Mittel, sondern
eben so gut politische Mittel dienen mussten ; wie denn Cäsar beides
geschickt mit einander zu vereinigen wusste. Wie Cäsar, sagt der
Verfasser, durch die Eroberung Galliens sich die militärischen und
pecuniären Mittel erwarb, um mit Waffengewalt den Kampf mit«
leben politischen Gegnern zu führen und diese darniederzuwerfen,
10 sollte die Erzählung davon gleichsam der moralische Hebel sein,
nm die Herzen der Bürger Rom's noch vor dem ausbrechenden,
Dothwendig gewordenen Kampfe selbst zu gewinnen ; es sollte diese
Erzählung, als ein Rechenschaftsbericht dessen, was er selbst gethan,
die öffentliche Stimme für sich gewinnen and die Gegner, mit allen
ihren schweren Anklagen wider Cäsar, als Feinde des Vaterlandea
brandmarken: am Vorabend eines schweren Bürgerkrieges galt es
ihm, eine thatsäcbliche Rechenschaft über seine ganze amtliche Thä-
tigkeit nnd über die grossen, von ihm zur Verherrlichung wie zur
TergrOsserung der römischen Macht vollbrachten Thaten abzulegen ;
mit dieser unmittelbar an das Volk sich zu wenden und dadurch
dieses für sich und seine Zwecke zu gewinnen (Vgl. S. 7 ff. 51. 85).
Im Sommer des Jahres 52 vor Chr. ward der letzte Versuch der
Gallier niedergeschlagen; in dem Winter 51 — 52 schrieb er die
Commentarien über die sieben verflossenen Jahre nieder und publi-
eirte sie wahrscheinlich schon im Frühlinge des Jahres 51 vor Chr.
(8o die Verfasser; gegen eine spätere Abfassung, etwa erst um 49
vor Chr. scheinen nns ebenfalls gar manche ernste Bedenken vor*
sollegen). Es fällt also die Veröffentlichung dieser Commentare un-
mittelbar in die Zeit, wo der drohende Bruch mit Pompejus Nie*
mind mehr verborgen bleiben konnte, und die Stunde der Entschei-
dong, also auch die Rüstung zum offenen Kampfe, die mit dem
Outergange des einen der beiden Häupter der römischen Welt enden
mnaste, bevorstand; die Veröffentlichung ist aber bestimmt für das
römische Volk selbst, an welches Caesar mit seiner Darstellung
dch wendet| die einfach und schmucklosi durch die blosse Darlegung
383 KMrir «ad RMawx Bbrieilimff so Cifar'i
4er TbatMcheo, ibm sei^n soUi was CSäaar gaUum, w«f er toBt
bracht, ihoi also einen riduigen Begriff der ganien Wirktainkeit
GXsar'e geben, nnd damit auch den richtigen MaaBaatab der Würdi-
gung dieser Thaten in die Hand geben soll Wenn in so fem also
diese Gommentaren ,,mit Bewosstsein vom rein subjectiFen Stand-
punkt aus geschrieben sind^, so ist doch ihre ganae Fassung und
Haltung eine so rein objective, dass sie uns eine gerechte Bewun-
derung abnöthigen kann , da Cäsar fiberali nur die Thatsachen selbst
sprechen lässt, nur diese berichtet, bald mit mehr, bald mit minder
Ausführlichkeit, wie diess bei der ziemlich kurzen Zeit, in welcher
die Aufzeichnung geschah, wohl kaum anders zu erwarten stand,
indem kaum ein fester, in Allem gleichmfissig durchgeführter Plan
der Arbeit vorliegen konnte: Cäsar's Person tritt freilich oft mehr
aeheinbar als wirklich in den Hintergrund; eben so kommen nur
wenige Stellen vor, wo Cüsar auf die NoUiwendigkeit geführt ist,
«ich selbst ausdrücklich zu rechtfertigen. Bei dieser Objectivitftt dar
DarstelluBg, in der sich eben Cfisar's grosse Kunst der DaratelluQg,
«eine auagezeichnete Redergabe, wie die grosae Gewandheit des
Oeiatea kund gibt, und die Leiclitigkeit, nait der er Allea zu behand-
len Feratand, treten freilich andere Forderungen, die man an eineo
Oeaehiehtachreiber zu atellen wohl berechtigt aein mag, in den Hin-
iergrund: daa gltnzliche Schweigen über die tiefer liegenden, innerea
Beweggründe der handelnden Pm^onen, über die Innern Verhältnisse,
kurz über die letzten Uraachen der Dinge, die una hier in ihrem
thataächlichen Verlauf geachildert werden; wir glauben aber, daas
Cäaar abaichtlich dieaa unterlieaa: er woUte eben nichta weiter als
daa Thataächliche liefern, die Thataachen aelbat sollten reden nnd
lür ihn ein Zeugniaa ablegen, aprechender ala alle und jede andere
Begründung deraelben, durch auaführliche Entwicklung und Ausehi-
deraetzung der ihnen zu Grunde liegenden Motive. Und konnten
am Ende dieae aelbat in aller ihrer Nacktheit dargelegt werden?
wir bezweifeln es und finden es daher von seinem Standpunkt ans
gewiss zuträglicher, dass er sich bloss auf das Thataächliche be-
schränkt, und dieaea, wie wir ebenfalla glauben, auch im Ganzen
der Wahrheit gemäaa daratellt; daaa er Einzelnea mit mehr^ Aoa-
IQhr)ichkeit, Anderea aber kürzer una achüdert, lag wolil eben ao
aebr in der Natur der Verhältnisse wie in der Individoalität das
Schreibenden, der auf das Eine mehr Werth legte, als auf das An-
dere, der bei der Erzählung des Einen länger verweilen und diese
Thatsache mehr hervorheben zu müssen glaubte, als jene, der auch
vielleicht selbst, bei der im Ganzen schnell auf einander, in kurzer
2«eitfriat erfolgenden Aufzeichnung, manchmal darch den Zufall
beatimmt wurde, ao dass die in dieser Beziehung allerdings hervor-
tretende Ungleichheit uns nicht allzusehr befremden kann. Und was
den von Aainina PoUio dem Cäaar gemachten Vorwurf der Entatel-
Inng der Thataachen, oder mancherlei Ungenanigkeit und Nacfaiis-
•igkeit in der Erzählnng betrifft, ao fehlen alle näheren Beweise,
lilillrlMbe Ktife ifapck ^ Mmm. TUW «lt. 388
in des CommenUraa über deo galliseben Kriagi um
itaar aolchen Behaoplong Baan so gtlMi. Aocb die Dntersachoiif
Im VariMM (8. 93—102) h«! dien nur aub Neue beeÜUigt Die
AnahoMi dm Clear noch beeoodere Tagebficher (Epbemeridee)
fefttrt Qod TeröffeDtliehl, wird tod den VerfMeera gleicbfalls and
■k galem Oronde Terworfen, soletit noeh die Autorschaft dee achten
Bildet m Ounflten dee Hirtiue entachieden (S. 104 ff.)» ihm auch
iu Bach über den alezandriniscben Krieg beigelegt, wihrond die
SdiUderoag des africaniachen Krieges dem OppioSi die des spani-
fehen Krieges einem anbel^aanten Verfasser beigelegt wird (S. 108).
Dsmit soblieast der erste Theil der Einleitong.
Der aweite Theil [8. 101—152) gibt eine gute Ueberaicht
Jer einaeinen Feldaäge und der einaelnen luriegerischea Operationen,
via sie in diesen Commentaren geschildert werden » mit besonderer
Bsrficksichtigong der geographischen nnd strategischen Verhältnisse,
welcbe lüer in Betracht lEomaen; sie mag als eine gute Anleitung
nr richtigen Auffassung und mm klaren Verständniss dieser Feld-
ifigs dienen, nnd wird in dieser Beaiehuog dem gebildeten Laien,
der sich eine nShere Kenatniss dieser kriegerischen Unternehmung
§ßtk Tersebaffiaa will, eben so nütalich sein können, wie dem Lehrer,
der mit sdnen SchiUem CMsar's Commentarien liest und vor Allem
doch auch daran an denken hat, neben dem sprachlichen Verständ-
siis noch einen richtigen Blick In die ganse Kriegsfiihrung des Ca-
aar, und daanit in die beschriebenen Ereignisse selbst bei seinen
SdiEllem hervorannilen. Denn wir hoffen und wünschen, dass auch
hmer noch Cäsar's Commentare auf unsem Schulen gelesen werden,
ds sie niclit leicht durch irgend etwas Anderes ersetat werden könn-
te; aber wir hoffen and wünschen auch, dass diese Leetüre Ton
der Art sei, dass sie dem Schüler das ganse und volle Verständniss
bilQge, nicht bloss auf einaelnes Grammalische sich beschränkei^Jasa
«e vielmehr in der Seele des Schülers ein richUges Bild der Thf
Ügkeit eines der grossesten Geister hervorruCe, die hi der alten Wtit
tt^Setateo sind. €Mw.
Militärisehe Rase durch die Europäische Türkei, die
Krim und an den öeüiehen Ufern dee eeheoar»en Meeree. Mü
BtraUffißchen Bemerkungen über den Sehauplaia der Operationen
der verbündeten ExpedUiensarmee. Aus dem Englisehen dee
Generalmajors Ä. F. Macintosh. Mü Karten, Riga tmd
Läp9ig 1855. Fr. v. Bötticher^s Verlag. 1851. XI u. 404 8. iu 8.
Der Krieg in dem Orient ist zwar beendigt: aber das Interesse
aa den Gegenden, welche der Sdiauplata dieses Kampfes waren, ist
darum nick minder auch noch jetat rege, und swar eben so sehr
884 Macintoih: MflitirUehe Reue dnrch die Eorop. Tttiket ete.
im Hinblick auf eben diese Vergangenheit, wie auf die nSchste Zu-
kunft Dieses Interesse kann und wird am besten durch die ge-
nauesten Schilderungen dieser Gegenden, in denen noch grosse Er-
eignisse für die Zukunft sich vorbereiten, befriedigt werden, wena
anders diese Schiiderungen von Männern ausgeben, welche Alles an
Ort und Stelle selbst erforscht und untersucht haben, und dazu eban
so sehr die nöthigen Kenntnisse und die nöthige wissenschaftliche
Bildung, wie den gesunden, richtigen Blick mit bringen, der sich
in keiner Weise beirren Ifisst. Der Verfasser der vorliegenden ^mi-
litärischen Reise^ gehört jedenfals unter diese Classe, und dieser
Umstand gibt seinem Werke einen besondern Werth, selbst soi
richtigen Würdigung der ganzen, nun beendigten KriegsführuDg.
Es ist dasselbe durchaus nicht auf blosse Unterhaltung berechnet,
wie wohl sich Alles gut liest und in einer Weise dargestellt ist, der
auch der Laie su folgen vermag; es ist vielmehr auf eine getreoe
Darstellung der einseinen, wichtigen Lokalitäten und Gregenden,
insbesondere von dem militärischen Standpunkt aus, abgesehen, nnd
daran knüpfen sich Bemerkungen, welche über die Art und Weise
sich verbreiten, in welcher diese Gegenden für militärische Opera-
tionen überhaupt benutzt werden können. In dieser Beziehung wen-
det sich das Werk an die Zukunft, während es auch der nächsten
Vergangenheit in so weit angehört, als es von denjenigen Gegenden,
welche den Kriegsschauplatz zum Theil bildeten, ein Idares und ge-
treues Bild gibt, wie es eben nöthig ist, um die daselbst vorgefal-
lenen Ereignisse richtig zu erfassen und zu beurtbeilen. Die Dar-
danellen und Gonstanlinopel mit den Umgebungen, die ganze
Route von hier ans nordwärts zum Balkan und über denselben bis
zur Donau, so wie der untere Lauf dieses Flusses selbst mit den
daselbst gelegenen Städten und Festungen, wird in sieben Abschnitten
Ton dem bemerkten, militärischen Standpunkt aus dargestellt, in den
übrigen fünfzehn folgen Sinope, Trapezunt und die landeinwärts ge-
legenen Strecken Armeniens bis zu den Persern bin, mit besonderer ^
Berücksichtigung der Kurden, darauf die kaukasischen Länder, die
Krim und Sebastopol. Eine grosse aber nicht ganz deutliche Karte
des an dem schwarzen Meere sich liinziehenden Theils der europäi-
schen Türkei mit Einschluss der Donauländer, eine gleiche Karte
der kaukasischen Länder und eine dritte der Halbinsel Krim, dann
ehie Skizze der Dardanellen und eine andere über die zum Schutze
Gonstantinopels anf der europäischen Seite anzulegenden Vertheidl-
gungslinien bilden brauchbare Zugaben.
k. B. HEIDEIBERGBB IK7.
aiRBOGHER DIR LITERATUR.
Literaturberichte aus Italien.
Daf KOoifreicli Sardiniea dttrft« jetii deijtaife Staat Italieaf leio, der
!■ neiateii die Aufmerksankeit auf fich lieht. In Italien apricht man ebea
■ehr Ton Piemont ala von Sardinien , da dieaer Theil dieaea KOnigreiehea nieht
aar der bedentendate, aoodem auch der in der Bildung am owiaten rorf e-
•chrittene iat Daher hat auch der neneate Geaehichtachreiber dieaea Landea,
Gallerga, aein Buch:
M Fimmmte dm fnm iempi äl SO Mono 1856 di Antonio GaUerga^ Tth-
18Sß.
4ie Geacbichte ron Pienont genannt Sie nmfaaat, nach romnafeachickter
korxer geof raphiacher Ueberaieht, die Geachichte deaaelben, von den frOheatea
Zeiten bia anm Frieden von Paria in der morgenlindiachen Aagelefenheit.
Der Yerfnaaer hatte daa Werk snerat in London in englischer Sprache herauf
fegeben, wo ea aehr geftel, er hat ea daher jetat ftkr aeine Landalente nnige-
trheitet Der Verfaaaer hat in der lettten Zeit eine für ihn aehr achmera-
Ifehe Celebritit erlangt Alf junger Menach gehörte er nemlich an den gehei-
Ben Verbindnngen in Italien, welche durch Silvio Pellico und andere allge-
aietne Theilnahme erregt haben. Damala war Gallerga von Maaaini anaer-
wlhlt ^rorden, den Konig Carlo Alberto, den treueaten der Verbündeten von
Don Carlof, au ermorden. Don Carloa war damala daa Banner dei Abaolu-
tiam, nod der Miniater von Carlo Alberto, Graf Solar della Margharitta hat in
aeinen Memoiren alle die Monarchen aufgeaUhlt, welche dieaen Pritendenten
anl an^eheuren Summen unteratfttzten, woher man aich die unerwartete Ver-
mehmiig' der Staata-Schnlden mancher Staaten im tiefen Frieden erklilren kann,
■an aieht dabei au gleicher Zeit, wie wenig auf die Veraehwiegenheit der
Dtplomaten au rechnen iit; denn der gedachte Miniater dea Anawirtigen er-
BiMr ^ns offenhenig, daai der Geiandte Graf fff ihn gebeten habe, nicht
weiter sn ersShlen, wie viele Millionen an Don Carloa geaandt worden. Der
iaaanb rerabredete KOnigamord wurde durch Verwickelung der UmatAnde
rerluBdefft. Gallerga ging nach England, achrieb dort daa auch in daa Deut«
lehe TOD Seiht lo gut aberaetste Werk „Italien und die Italiiner" unter dem
lanen Mariotti, und verheirathete fich dort, ao daaa er erat nach beinah
lineai Viertbeil Jahrhundert nach Italien aurttckkehrte. Er wurde bald ala
ftif fied dea Parlamenta dea Konigreicha Sardinien gewtthlt und aeichnete aich
lerch aeine Mftffigung und feine monarchiach oonftitotionellen Geainnungen
fl^meiii auf. Ueberall gibt ea Leule, welche nur die Uebertreibung lieben,
iersleichen befinden fich auch in Italien ; f o wie in Deutschland Mttnner, welche
hr Leben daran gewandt haben, den Fortschritt au befordern, seit 1848 ala
(eadionaiire verschrieen wurden, weil sie nur das Mögliche wollten, und die
'ttnten onangetaatet lieaaen, indem dieae viel weniger achadan konnten, ala eine
U i«teg. 6b Heft 8»
Partei, welche fich denelben bemiehtigt Scbon die HeriOf^ tm N^veft
f^^: „i^li Hi^H dd^ Beipfti^ deiyi 4b bewel^ iin« vo« der OUfaiobie dei
Pendalweiens.'* Diese Freisinnigen sahen jeiit auch unsem Gallerga
ib «iB#ft MrtfUBBigf* m , wid dia Pmei Kauwl'« aaadUe , «■ sieh ai
ihm in rftchen, bekannt, dapf Gallenp. damal^ %nfa ^Onifsmorde entocbloisea
gewesen wftre. So wurde auch Gallerga von seinen ehemaligen Verbttndelen
als Hochverrttther nnd KonigsmOrder (|er OelTentlicbkeit Preis gegeben. Mit
grossartiger OiTenheit gestand Gallerga seinen damaligen jagendlichen Irrthnm
ein, und obwohl seine seitdem bewiesene politische Haitang seine Reue hia-
reichend bekundete, erklärte er doch dieselbe Öffentlich, legte sein Amt sIj
Abgeordneter anr sweiten Kammer nieder, nnd erklärte dem Könige, da» er
sich ttat unwürdig erachten mftsse, seinen Orden fernerhin su tragen. Der
KUnig TOB SnrdinieB, Victor Bmanuel H., ein wahrhaft constitutioneller Konif,
eröffnete ihm, dass sein Vater, Carlo Alberto , allen Feinden yersiehei, et
Iffin^. if)m> rtl ffP.»eR Wmi. «WT AUf« dea VergeasÄph(Pit ttbw^eben. Mash
dieser Nachricht Ikber den Verfasser bemerken wir über das vorllB^endo W«k,
dass der Verfasser die Laf:e des Landes dem Leser al| ein wal|rea Gesfild«
Torgelegt hat, indem er ina Hittelpunfc^te <)ess<^lben, ti^t dem sich ttbi^r Toiiii
erhebenden Berge, wo die Superga die I(Oniffs|jrttber entbttlt^ eine klar^ Uel^
sieht nebst Angaben der physischen Beschaffenheit gibt Ueber die ürlii^TA^
kemng dieses Landes beruft sich der Verfass.er auf fiiebubr, wornach tif> U-
gnrer, ein rohes Volk^ waren, welche ^ich aber d^e Alp^n und Apei^^iii^
bis an der Bbene des Po ausdehnt<;n, ao4 dass aupl^ die Allobfoger au Ün^jNl
gehorten. Die Hetrurier waren bis su|n Ticin und Ph^ien vorgedniog<}ni^ tߧ
die Gallier ttber die Rhone und den Simplen vordrangen. Den Einfall voq
Bannibal halt der Verfasser nach Ukert fOr wahrscheinlich ttber den IMq^
Ctonis. Nach der Eroberung dieses Ifguri^cben Landes eröffneten sie die n«
Ligustica ttber den Col di Tenda , oder längst des Meeres , auch via Donieii
genannt, wodurch es dem Marius möglich wurde, die Teutonen bei Ai^^ und diq
Cimbern bei Vercelli, oder Verona zu schlagen. Den Zweifel ttl>er diese bei4c.a
Orte leitet der Verfasser von der Verwechselung der Flüsse Athesis CXicino) ud^
Atison (Tosa), her. Unter der Römerherrschaft hatte sich das Königreich dai
Cottier, daher der Namen der Cot^ischen Alpep, swischen dem Monte Vifft
und dem M. Cenis erhalte^. Der KOnig mit Augustu^ sur Zeit der Schl^cbl
von Actium verbunden, litBs in seiner Resident Siusa den noch dort vqrhaa-
denen Trinm^fbogen errichten. Der Verfasser nennt dies, di^ erstp Pipmpv^
sische Dynastie. Unter Claudius war hier Juliys Cottius KOnig; Nero b.estlD|Stffi»
dass dies abgesonderte Reich aufboren soll^p. Dennoch behielt^^ 4^e Ug^fK
den Ruf, dass der schwächste ders^lb^n es mit den) stärksten Qa^Mqit aiMlIff)^
men kOnne, dass die Frauei^ hier Mttnnpr wUren, di^ Mt^nn.e^ abj^r. r^tsfin^^
Thiere. Bald aber nahmen auch di^ Ligurer die Sit^n der Qo.q^r a^, V^lpki
das Stadtleben vorzogen, und das Landleben der rohen Leben^irt ^leichac^
teten; an die Stelle des Pennnischen Gottei^ war Jupiter mit: seinem Gefel|ft^
getreten, bis das Christenthum hier eingeführt wurde, woran sich die Si^e vot
der Thebanischen Legion knttpft, welche von Maximifui lu Agaunp,^ dem i^tfjr
gen S. Mauritius in VTallis, geopfert wurde. Piemont geborte, in der Er^^iO^c^
Mailand, die von dem Apostel Barrabas g;estiftet worden sein soUi oofl «A
ln|t VMü Fteptl «Babhtofiff «rU^k; ^^ WülNni von TorUM (lleiiltoiMi> mB
mIm i« Jskr TS ro« 4cm MlifMi Maearkw f«illft«t fPorJbD ««io; flew
■■4 Cfaerw (Nim) im 1 Jabrh«ii4«rt, TdHb onler ilem beillf an Ylolor 91^
Am »5, AHm Ml AnHiBf 4ei rierteD Jtbrima^ertf. Bald Mftm U«r
«f *e Gallien dia Lanfabarden asd Bwfindar, dnm dfa FNmlen. Bai
ümaa farmaaifcbaii V«llif ro war das Geffaii«bail dar kalilnar, dia In SCBdte«
labten, ftwObaKcb, nad ibr Simi war ao weniir dam Scaat^-iaban aqfawaedt,
dma ibra Konifr« eiganllieb nnr laarfbbrar im Krieifa waren; dabar dia Brb*
iebbail nicbl natbwandifr war. Den Gemeindan wurde ibre 9atfaalrerwahmig
fffiaaaen, nnd nnr die Viaal rafii voHzoiren die Befeble der Anftlbaat dieaat
^amebratiaeban Bande«. Bald macblen aie aiefa la nnabbftnglf, daaa van 6m
30 Haraagan ader Grafen, wekbe daa Lonfabardanaeieb a» revwnltett battaa,
4ar Henof Ton BentTenl heinem andern Maaaraben mebr gebombte ; aieb
larengnr von PriaDi, Guido und Lambert Ton Spalata, Berengnr nnd Albert
van irren, beaondera aber neeb ibnen Ardnin folgten demaelben Beiapiel«.
Senneb beben die germanif eben EinwaBdenmgen den Grand in der SpaHnng daa
AMambenncbell in hauen gegeben, nnd nnr die Bornmider wäre» naeb dena
▼eriaaaor diaienigen^ welebe am BMiiten fcr ein ataatKebea Lebea geeignet
mmn, da aie akb gwne in Sitdten (Btargen) niadeaKeaaen , mid daher mmb
ftran Hmnen eriüelton. Dia Buignndar nabmen daber aucb bald die aomi»
laben Geaelaa an, nnd babnndelten die nnterw^ene» Volker menacbliebery ala
üa enden nerdiaehen Barberan, beaonden die Franken^ Deabalk wir dia
tiwiianhiMg mit dem romaniacben EleaMnt bei den Bargnodem aobad «all*
•Mndig ina Leben getreten, ala die Pranben nnter Chlndewig aieb ¥Mitcv atA»
beb nnadebnten; beaondera aber iJtaat der Yerflaaaev den Gelben mrter Tbna«»
daiieb im Vergleicb mit den Pranben Gerecbtigkeit widerfbbren{ ao daaa et
Mbeiat, ala wenn die arianiacbe Lebre mebr auf die Hbmonilt gewirkt
tetia, nie die rOmiacbe, welcber die wüden mid robea Prenben. bald na«
Anfang folgten. Die Longobarden hatten ibr Reieb in Anatria, gega« Morgan^
lanalrin, gegen Weaten, nnd Tnacia, gegen Soden getbeUt Piemont gabOMa
»a Nenatrien, und war in feigende HemegtbttnMr getbeilt) Maibind, PaTi%
Oita, Tortn, Aati, ivrea, Lomello, Veaeeltt, Aqui^ Alba, Bredulo und Anriete«
Macb dem Tode der verebnen Königin Tbeadelinde kam die eiaeitte Uro«»
im Le«tobarden an ibre nirbiten Verwandten» die Hersoge Agilalf «ad Afflo«>
vald To» Tnain. Daa von Carl dem Groaaan gestiftete Beleb gjtog bnM nebe«
Lebnaweaem unter, daa aeinen denMeratiicbe« üwpmng' «lebt
bonnl«, ao dna» die Vorwal longabennten daa Kaiaeaa^ die ttaiftgra-
fr« VD« Jvrea nnter Ardni« die Kaone von Jtellen. aieb- anmamen konntem Um
da« ■■rhHgen Lebnabearen^ entgegen in treten, linmian die deutaebe« Biiaar
DiaelMtfen k ibre« S|irengeln nneb and naeb dio Beehte dea Venwaltnng»^
aim, nnd a» erbiali Ualien nebe« dem Leboweaen ein iweilea' gor*
amniaelMa Gesebenk, die weltacbe Macbt der Oeiatliebkeit. Die Deutaebe«
baben die Hierarebie groaa geaogen, dieas können die itniiener den DenUcben
niebt vorgcaaen. Ardnin war der KOaig der Volker, Kaiaer Heinncb wurde
dar Heilige apottweiae genannt, da er «eb auf die Geistlicbkeit atotate, bin
AffdUfto freiwillig 1014 abdanbte. Die Lebnabarren bioitan bald mH dem einen,
bntd Mi» dorn, nndesa^ die denlaobe HitteiiBetto bat aiefa. daiier i« Halio« oba«
8M Lilentarberieto «Hi Ilalii^
keinen lehr ebrenvolleo Namen genaclit, nnd der Bbcbof ron Hiilind hatte
ieben 90 riel Machl erlanfrt, daaa er fegen den Willen der Hebrheit Con-
rad II. den Salier inm KOaif e Ton Italien anarief. Die Bttrfer yoa Pavia Maf-
ien ihre Anhftnf liehkeit fftr den KOnig Arduin ans den Piemonleaiaehen dadurch,
daaa sie Conrad II. ihren Thron Terachloaaen, und den Pallaat Heinrich's IL iM^
atOrlen. Aber die clericale Parlei siegte und die Fremdherrachaft braebte teil
d^B 11. Jahrhundert vollkommene Finatemiaa nach dem claaaiachen Italiea.
Daa germaniaehe Lehnweaen und die gerühmte Tapferkeit der ungefeUachtea
Ritter, die nicht acbrelben gelernt hatten, hinderte nicht', daaa die Saraiea«
daa Piemonteaiache Paradiea nngeatraft plündern konnten, und die Alpen Aber-
atiegen, und aelbat bia nach Graubttndten Tordringen konnten. Eben so we-
nig konnten aie aich der Ungarn erwehren, die bia Meraebnrg und an die
Grftnie Ton Sehwaben vorgedrungen waren, und ebenfalla Streifxllge bii nach
Pienont machten. In dieser Zeit wuchs die Macht der Kirche und die des
Kaiaera sank, so daaa aie Lehnaleute dea Papates worden. Der Verfaaser er-
kennt die durch dieaen Uebermnth herbeigeführte Verderbnias der Geistlich-
keit an; allein er neigt, daaa die Schuld an dem germantachen Leha-
weaen lag, denn die Italiiner aind, wie der Verfasser auch nach Sil-
Bondi beweiat, viel weniger aberglfluhig als die germaniaoken Volker,
danm hatte auch Italien auaaer der vom deutachen Kaiaer begrtndetea
weltttchen Herrachaft des Papatea keinen einaigen geistlichen Monarchen,
wikrend Dentachland deren so viele, von den geistlichen Knrfllraten an, ar-
kieh. Der Verfaaaer weist nach , daaa die Rettung ana der Finatemiaa des
Mittelalters lediglich dem Gemeindewesen au danken iat. Er halt daa 6e-
meindeweaen keineswegs fttr germanischen Ursprungs, sondern für das alt
rOmiache Municipalweaen , das sich unter der Monarchie frei entwickelte.
Damm ist auch daa Bftrgerthom aeinem Wesen nach die Stutze der Monarchie;
denn die Borger werden zur Vereinigung unter einem Oberhaupt getrieben,
wihrend das Feudalweaen nach Unabbttngigkeit strebt, welche am Ende dea
Stnatenverband auflöst. Denn die naturgeinllsse Gliederang der Geaellachaft
iat: Familie, Gemeinde, Staat, wenn auch deutsche gelehrte Theoreti-
ker nachweisen wollen, daaa dieae Gliederung^ in Volk, Adel und Staat
beateht Der Verfasser weist nach, daas vom IL bis 14. Jahrhundert daa Ge-
owindeweaen in Italien dem Feudalweaen ein finde machte, und die Mo^cb-
kelt kerbeifithrte, dieaes Land wieder der Cultur aogfinglich au machen« die
nicht von den Borgen, aondera von den Handelaatidten anagegangen irt, wenn
auch Manche darüber anders denken. Ans diesem Wirwarr dti Mittelalten konunt
der Verfuaer endlich auf die Geachichte von Piemont aurttck. Unter Con-
rad IL waren die bedeutendsten Lehnsherrn dieaes Landes Odalrich Mnafrel
Graf von Turin und Humbert von Maorienne und Savoien , beidea Theile von
Bnrgnnd, welches dem Namen nach unter dem rOmiseh-deulachen Kaiaer ntmd.
Der Sohn HnmberU, Odelo, heirathete die Toditer dea Manfred nm dna Jnki
1044, und so wurde die Dynastie von Savoien »begründet. Der Verfaaaer neigt
nun aehr nasatOndlicb, wie dieaea Haus sich nach und nach vergrOsserte , nnd
seine Herrachaft im 13. Jahrhundert über die Schweita und einen greaaem
Theil dea südlichen Frankreichs auabreitete, vrMhrend die Macht der deotadien
Kaiaer im Lehnweaen und der Hiemrehie dermaaaen unterging, daaa Dentpchlni^
Lltoraturberidite tu luKen. MI
!■ $0 viele kleine nnd frOtsere SouTertoiCftten rerfleL Der VerfiiMer liai mekr
eiM Geechlelite de« FortachriUeB des Volkes, alc eine bleise Refenten - und
Eriegffeecbiclile fefeben, daher er auch aaf die Sefaiekaale der Waldenaer
fceaa und anparleiifeh einfcht, welche dem Urehriatentbume treu wie eine
Seele aBgehOrt haben, daher auch ihre Verfolganf erat la Anfang dei 13. Jahr*
hnderla anfing; anch Tericbweigt der Verfaaier nicht die treue Anbtnglieb-
leit der Waldenser an die Monarchie, obwohl sie einer freieren reKfiOaea
liehtung folgten. So führt der Verfaffer die Geschichte dieses Landes bis In
die neneate Zeit fort, wo besonders die Zeit der geheimen Verbindnngen in
kalien sehr wichtig ist, in welcher der König Carlo Alberto sagte, dass er
ebenso von dem Dolche der Carbonari, als Ton der Chocolade der Jeaaitea
Mroht werde. Hier erHlhrt man die Stiftung des geheimen Bundes des jun-
gen Italiens, und den Versuch diesen KOnig au ermorden, wosn der Verfasser»
later dem Namen Mariotti, bestimmt worden war. Dies oifene Gestlndniss hat
dem Verfasser die oben erwUhnten Erlebnisse sngexogen, welcher natttrlich
nah jetsl ans sehr natürUchem Schamgeftthl gant von dem offentliehen Sehau-
Halae sarQcfcgeaogen hat.
Genoa, freilidi vor allem Handelsstadt, bat dennoch seit diesem Jahre ein
recht gvles literarisches Wochenblatt erhalten. Dieses erscheint unter dem Titel:
JUfMta iiffyre. in 4.
aaier der Redaction von Enrico Gaillardi. Man wird sich tob dem guten
hhalt dieser Zeitschrift ttbeneugen können, wenn wir eine Uebersichl der lotsten
Tarli^genden Blätter geben. Herr Guido Cinelli hat aus ungedruckten Briefen
des Cardinal Alberoni sehr denkwQrdige Mittheilungen ttber die Zeit des Spn«
Bisehen Successionskrieges gegeben. Von Erman Salluani ist die Lebensbe-
schreibung des Harkgrafen Riccardo Toppati, welcher als Soldat, Verwaltungs-
heamter, Chemiker und Mathematiker ansgeaeichnet , in die Revolution von
1S21 verwickelt, endlich im Irrenhause au A versa starb, lieber Eleetricitll
haben R. Pareto und Ober geschichtliche Volkerkunde Constantin Mini gedie-
gene AofsStse geliefert. Ausserdem sind Gedichte, Theater -Naehrichten und
I luBst^Notizen beigefügte
Ein bei den jetzigen Nespolitanischen Verhttltnissen sehr wichtiges Werk
▼erdanken wir dem jetat zu Turin lebenden, früheren Neapolitanischen Staats-
: naane Leopardi:
UmrtuiUmi tUnidie di IWst/veifro LwpardL formo, 1856,
[ welcher seit der Regierung des Königs Murat an den Ereignissen dieses Lan«
I des thitigen Antheil genommen hat. Murat war so lange nicht geliebt, ala
1 er unter den Befehlen von Napoleon stand , während die Sieilianisehe Con-
' Milntion von 1818 dort eine freiere Entwickelung dea Staatslebens erlaubte.
I Man war wohl anfriedeUf dass Murat sieb im Jahr 181 4 von Napoleon ge-
trennt hatte; allein höchst unsnfrieden, dass er sich mit Oesterreieh verband.
El entstand daher eine Verschwörung in den Abmsien, um Murat su nöthi-
fen, eine Constitution su geben, und alle Fremden aus Italien au vertreiben,
Üarestan Pepe wusste darum, Murat schickte ihn von Rologna nach Tera-
■e, wo er diese Bewegung damit stillte, dass er sie nicht für unerlaubt, son-
dern für onxeitig erklärte. Doch Munt verstand im Jshre 1815 dieselbe nicht
IM UMnliuteriohlA tit Ilt&iM.
Ml beMlseD, wortn bisonden die b&idMi friniOfiicheii Generito» Hoaticnr
tnd Hanlter tciald inrM, ab Hur«l sich wieder gb§tü Oeslerreieb erklilite;
M«li Madile KöDJir F«r4iaaiid Bourbon von SicilleB im VerapreeliMffeB einer
ibaMrbn« GaosUMiUon mi» den Worlea: Ibr eolll die Geeetee «»oben» ich
wMpde «le «lisitthtet. Auf daeie Weüe wurde er ^lA em^fimren » Mcbdea
Itorat ftW^eben Meeettte und Teieatiae YOt de« Oeeterreiebeni weiftben neMle.
Md6r selcie der Kentf Ferdimind dee tod der Königin Caroline und den CardiMl
Rtffie geeibaflbiie Syatom forkDer Mlnieter Fttnt Canof a und der OaleCTeiebifdM
Qaneval NugeMt tteiKerlen die UnanfiriedeDlieit, den Freunden der ConatiUitiM
nnd der Unnbbilnf if keit Itallena, welobe sieh in der (geheimen GeaelUcbaft dar
CnrboBtri attaanmen fanden, ward die geheime Genellaehaft der Calderaji, Keitel-
flkkJDr, von der Ref ierunf ent^egengeaetat, bia aie von dem Papi te Pins YIL di«
Esoomnuinicaiian der Carbonari erwirkte, wobei deraelbe Papit aagte : es sind
denniMsb gnle and religiöse Italiener. Nnn brach die Revolution von 1830 aast
•o wonif halte der Baanatrabl geholfen ; mit dem bloasen Marache der Brigade
den General Wilhelm Pepe nach Neapel war aie unblutig vollendet. Die Zu-
friedenheit mit der von dem Könige gegebenen Conatitution wnr so greis,
dnia der ala aehr conservativ bekannte noch lebende damalige Geaandte Ssr-
dlnievsf Graf Solar della Margnarittn an seinen Hof berichtete, dasa Allea einen
so guten Fortgang habe, daaa man aich dea besten Erfolges vergewiasert hsl-
ten dürfe, wenn die Leitung gut bliebe. Doch daran scheiterte Alles. Der
Bönig verliess nach einiger Zeit das Land mit den besten Versprechungea,
und tless seinen Thronfolger als Stellvertreter zurück. Dieser gab dem Nea-
politanischen Heere solche Befehle, dass das gana abgesonderte Corps dei
General Pepe bei Rieti preisgegeben wurde. Europa lachte damals über die
feige Flucbt der Neapolitaner; hier seigt der Verfasser, dass es nicht anderi
kommen konnte, da der Sohn die Befehle gegen den mit dem Oesterreichischea
Iteere vorrufenden Vater zu geben hatte. Obwohl der Verfasser nicht übertll
den General Wilhelm Pepe vertheidigt; so stimmt er hierin doch gans mit
den Memoiren des General Pepe überein, welche diese Angelegenheit vom
militftrischen Standpunkten behandeln. Der Verfasser theilt in diesem Werke
viele nngedruckte Urkunden mit, und schildert den Nachfolger Ferdinand'«,
Franz L, aber nicht als einen besondem Character. Sein Nachfolger, der
jetzige König Ferdinand tl. war Anfangs bereit eine conatitationelle Regierang
anzufangen; und die von dem auch im Auslande bekannten Publicisten Biaa-
chini herauagegebene 2eitachrilt: il progresso, lieas einen andern Weg der
Regierung offen; aber auf einmal wurde nach dem Jahre 1830 auawftrliger
Sinfluaa thAtig. Das frühere Syatem der Konigin Caroline und des Caidiaal
Rttffo wurde wieder angenommen, nnd ao die Uniufriedenheit gan&hrt, wekha
ai^ in den gehnimea Verbindungen Luft machte. Nunmehr konnten die vea
dem Verfnaaer nia nnyeratftndige Utopien erklärten Umtriebe von Haasini,
ein^n Genoveaer« sich geltend mneben. Dicae führten unter dem MüMf
deir^rretto im Jahr 1833 aahlloae Verhaftungen herbei, in welch« anch dar
Verfna^r nnd der Mark|rraf Dragttnelli verwickelt worden. Seit dem bat»
aich de\Verfaaaer nach Paria anrückgenogeh , indem er mit den repuMikani-
aehen Awchten Maaaini's nicht einveratnnden wnr, und gab dort aeine Espd«
rnncea de\^Italie, 1844 bertua, indem er mit Chateaubriand, Hontniambert,
\. i
LiMMteiMridble mk ttoliea. 39i
tiNpr^tüto Attit Ata^rA beiadnl 'wtfitf, tott dort au beobachtete er den dlabf
kt tMghiUt Ih ttilieo, bia Piug IX. aeine ReTormen anfiiif , welebe die Hotf-
aaaf gaben, daaa die Italiener ih\r VkteVTand Tön Iremdem fefnilnaae frei aehen
«ttrdeA. El Wa^ den daa Gefühl jj^eweckt Worden, wie 181$ in Dentachünd.
IHe TOB denk toni|^ Ton Neapel aita 10. Februar 184d (alao Tor der Pariaer
ftetohitfon) fl^iwiMig fegebehe Constitution rief Aen Verfaaaer in aein Tt-
terürnd zarttck, welcher am 1^4. April Tom Könige cum Gesandten in tnrin
ttter der Gefenieichnung TOn Dragonetti ernannt wurde; sugleich erhielt er
dieaelbe Sendung an die Schweitaeriache Eidgenosaenaehah. Ein ao TÖrbe-
reitaler Verfeaater iat dntter wtthl im Sloiid^ üb Breignina« ItMlena tei JnW
1848 lu beachreiben ; daher diea Werk wohl Terdiente in Deutaohland bekann-
ter xs werden.
Von einem geachichtlichen Werke gehen wir tu einem Romane flt>er,
abet- einem ebenfalls ilaliädisfch-Tätet'lttndfachen, trefflichen ftomane:'
il Doüor itiUania, rmceonlo ddl Autors äi Lorttuo Benont. Omofta iSSS, Tifk
FrmtM Farrando.
Der Verfaaaer heisst 6, l^uffini und dttrfte dieaer Roman nnatreitif einer
der besten der Gegenwart aein, den die italiSniscbe Literatur aufiuweiaen hak
Die Geschichte ist gani einfach folgende: ein stolaer Lord reiaat mit aeiner
Tochter ihrer schwachen Gesundheit wegen nach Nisaa, wo in der Umgehend
sein Waffeta mngeWorfbn wird« und aeine Tochter Mn Rdn briehti Bta M*
fiHbg Torbeigehender Arzt iSsat sie in ein benaehbkrtea WirttMkhni brihfen,
wo er sie heilt. Mit der treueaten Wahrheit wird hier daa hochmilthige We-
lek dea aonal ^defe iM4a geaehild«^ und Wab^ft Idylltach fit \äi6 gegeiaei-
Mge N^ignnf dar sehr g^blMet^il l^hgliilderin fcH dei^ Tun edtd^ Tht^rlaltdiif'
liebe beaeelten Artte, einem aehr gesitteten Mann, geschildert. Der GhanrctMr
leider Volker et«di^m im aehbtüMii Ltehte, uttd daher aneh fttidel aich die
il den italitniachen Romanen gewöhnliche Zartheit, mit der die Liebe behaA-
lundeit iat, ao dnsa die Trennung erfolgt, ohne daaa beide aieh darttber anagoapro»
eben haben. Unterdess nimmt der Arzt an den Bewegungen in Italien Theii;
<ü Jahr 1848 findet ihn leicht Torwundet in Palermo. Die Engländerin kann
der iaOge onterdrOekten Neiguilir nicht wid^rsteheh; Me kMirt nach dem
Tode ibrea atolzeb Tateba nach Itelfen lurttck, Httdet ihren FTedikd in ]fei)>el
neh 8 ialH^n wieder, ala die Revolution dOH stdHftind und sHtbt, bdrküM
roB Dr. Antonio. Dier Arat hatte die unobtor^iiidlicbe Akhtoijgbrig dei biölaUl
Kag Mridera besonders atai der ^«legdMIiiih^A Aeuisening wiihtnehnihti köhneü,
te er aeine Tochter feelb^t dett beMbmttfki R*fae! nicht gd|t^bM hStt^ Br
wandte daher alle seine Liebe dem Vaterlands ku, ir^it «r Töti ätt ibd Ii«(»^iid6th
Eadlin4nrto gtWsA^t Wnir. Dor Vbrfaa^er hat Tbratatideh dielte VM^Ialidihebo
Bit der IcbendigMen rarb^ to adiitdOm, itän ai^itt BHideT #*f ita M VM^
ichwOrung der Carbonari gegen Carlo Alberto verwickelt f^dWolöii M^
baue, um niiAt den Todt dto HOekverriiftbra to alerMi, $i6h in dem Oe^
ftngiüss an Genua den Hals durchschnitten. Mdft kann dieHO RooMn der
Gegenwart mit unserm deutschen Romane „Soll und Haben" von Frei«
tltf t^rirl^ichtin , der §rmb 2eit kennt, unit mit der figlaniine von
der PrfüMiBin y. Hoiiteiü, V^tth^ehd die ihfeisteh deutochen Romanschriftsteller
39% Literttvberidile aof Italien,
entweder eine Theorie darchfflhren wollen , oder dai ebgedroiehene Cnpitri
des Schimpfens anf die reichen Leute bearbeiten, weil sie selbst arm sind;
Infeliz paupertas, quia ridicnlos miseros facit.
In dem constitutionellen Staate von Sardinien beschifUgt man sich anter
dem Ministerinm des Grafen Cavoor, der die englischen Yerhftltnisse genas
kennt, yiel mit der StaatswissenschafI, aber auch sogar in Neapel, wo der
jetnge Hinister der Polisei Bitter Bianchini den vonttglichsten Bof in die-
sem Fache beaittt. Wir erwähnen eine hieranf Besog habende Schrift voa
Baron Gallotti unter dem Titel:
IM tibas» M uUort permutabUe d€Ü oro, pel B. G, GtMottL HopoU 18^,
welcher ttber die Folgen der Entwerthung des Goldes sehr acbtungswertbe
Bemerknngen macht.
Dass die Kunst in Italien stets grosse Verehrer hat, kann man ans fol-
gender Schrift sehen:
AiH Mla reale Academia Albertina di belle arti di Torino^ 1856,
Die Kunst und die Wissenschaft ist in dem Königreiche Sardinien dif
Lioblings-BeschilftigUDg der Vornehmen, dies kann man aus der Schrift dff
Grafen Poniiglione, Deputirten des Parlsments lu Turin ersehen, welche ia
diesen Tagen nntar dem Titel erschienen ist:
I.'animiwiifiiBMOiig del pnft/too uuegnamenio del etmie H. Ferrtro Bnuijfiea»
Tarwo^ iS56. Tip. Baeeo.
Hier wird das Ton dem Minister Lnnsa vorgelegte Geseto Ober den Offeat*
liehen Unterricht vom 23. Nov. 1855 nach seinen Gmndsitien nnd Folg»
benrtheilt.
Italien ist besonders reich an Lebensbeschreibungen; eine der neusten iit
die des General Colli:
VHa del Marehese ViUorio CM <li Falissana, scrifta di Gi&rgio Briano. Tarif«,
1856. Lib. Marieiii.
Colli war der Sohn eines tapfem Generals der Piemontesischen Annte«
er worde unter Massena, nachdem Alessandria, seine Vaterstadt, unter die Herr-
schaft von Napoleon gekonunen war, Offiaier des fransösischen Heeres, fochl
bei Eylan nnd Friedland, in Spanien u. s. w. Aber im Piemontesischen sisd
die Soldaten augleich sehr gebildete Leute , und so hat dieser Colli spilter iai
Parlamente an Turin eine bedeutende Bolle gespielt, worttber diese Schrift
ebenfalls erwünschte Nachricht gibt.
Eine Arbeit des rühmlichst bekannten Geschichtschreibers Hercules Ri-
cotti, das Leben des berühmten Caesar Balbo enthaltend, verdient besonder«
AuAnerksamkeit:
Della Mta e degli serifte del eotUe Cümre Hafte, rÜMmbrmue di EreoU Bie&tA,
I^Sranse, i8i6. Tip, k Mmmier.
Der Verfasser ist bekannt, besonders durch die Herausgabe der Urknndea-
Sammlung der Kepublick Genua Qibtr Jurium) nnd andere Forschungen ftbar
Liioraterberidoe iof Italiei« SM
£• Oaidbichle ItaÜMM, tiMMr teineii •Ufemeb fMcUehtlidM Werkm;
I ud Cuu Balbo ww kein R«v«lalioDair, kcio Freifeift, wi« ■•> g«w«hDlicb
{ ^ lÜBBer 4«f Fortocbritl«! neBDt, sondeni eio wshrliaft edler Mwuch » •»
b«aealeB<ler Gelehrter mid ein Mim dei ForUchritiei. Die Fanilie dee Gre-
foi Btlbo fUBiml an« Chiert, tod wo 50 aeinea Naaaena f efen Friedrick de«
ladibart ie der Schlackt Ton Lefnaoo fochteo, ala das deetache Lehnweaen
Idee deiD Papate »ehr folfte ala deoi laiaer. Der Vater aoaeree Grafe«
Bilke war Rector der UiiiTeraitit xe Terin, denn ie Pienoet reckeea aick
fie VoniehaiateB rar Ehre, bb der Spitie der Gelehrten x« ateken. Unaer
Bilbo werde nater der Herraeheft Napoleona ib Florens, Leiback und Paria
ab Aaditor und Referendar dea Staataratkea beackifiifl« und mit Depeachea
ib ika wikread der Scklacht von Leipiif f^eaeadt. Er kam bia Beck FbMb
md kekrte oack Paria anrück, wo er den Wankelmutk der Pranaoaen kennea
n lernen Geloffeakeit katte, indem damela die Gedichte tob Beraager Mode
wiren, welche Napoleoa lächerlich machtea. Uaaer Balbo aah dea Eiaxaf
^r Verbfladetea ia Paria, aad ^nf , da aeia Vater uaterdeea Mitf lied der pro-
niorifckea Verwaltuag in Tnria (^ewordea war, ia aeia Vaterlaad aarttek*
Deck Back dem Falle Napoleona flnf anck ia Iteliea die Rerolatioo «a, aua
vollte aack kier aickta feleraet aad aicku rerfeaaen kabea, der Vater trat
im PriTatleboB aarttck, and nnaer Ciaar trat ala Offisler ia die Garde; deaa
■■aaiekr bofana eiae aadere Zeit. Uaaer Cflaer Balbo kam ala Ce-
pitiio Back dea bei Greaoble beataadeaea Gefechtea fefoa die Na-
paleeiiischeB Trappea im Jahr 1815 aarttck, dea Kriegadieaat im Frie-
iea Ueh er aber aicht ftkr aehr ehroBToll, er lebte daher der Wiaaeaackaft,
vid ichrieb mekrere Draaiea , uater andera laea de Caatro , beaoadera aber
widmete er aick der Geackickte aelaea Vaterlandea, aad war ea ronttfliek
'er Kampf der dentackea Kaiaer ge^a die Städte Italieaa, weicker aeiae For-
KhoB^n ia Ansprack nakm; darnm koante er aick ale mit dem fermaaiackea
Idewefea befreunden, and aack ihm konnte Italien unter der Herrackaft der
Knaiden nie flOcklich aein. Balbo befleitete die Geaandtachaft nach Spanien
^ ak lajar aad dort schrieb er eia Werk Über den Krieg der Spanier gegen
^ ÜDterdrQckaag Napoleooa. Dock anaaer dieaem militäriachea Werke ackrieb
ar anck ein enderea Ober die apaaiache Coaatitatioa von 1812, aad blieb
^rt all GeachäfUträger , währead aein Vater dea Geaaadtachaflapoatea aaf-
,, xegebea hatte. Bei der ReToIntioa im Piemoateaiaehea im Jahr 1820 war
Saibo Gberat-Lieoteaaat aad maaate aeia Vaterlaad ala Aahäager voa Carlo
t Alberto Terlaaaea. Unaer Balbo wurde Hiaiater aad Präaideat. Seiae Werke
] aiad bekaaat, die vor aad währead aeiaer maaaigfiehea amtlichen Wirkaam-
, 1^ «ackieaea aiad. Seine «Hoffnangen der Italiäner'* kaben viel tu der Be*
vcgaag im Jakre 1848 beigetragen. Ueberhaupt iat man aehr im Irrthna^
weaa man glaubt, daaa die Bewegungen in Italien, wie diesaeita der Alpen de-
■Mratiacher Ifatnr waren; im Gegentheil aie alnd von der eraten Claaae der
Geaellaehaft aaagegaagea. Daa bodenteade Staata-Lezieoa Italieaa hat dea
^fea Vilaao di Portale aum Verfaaaer (dixiooario di diritto e di economia
Pelitica iadaatriale e commerciale), nad daa erate Werk über die Eiaeabahaea
^ Italien ward tob dem Grafea A. Piola heranagegebeo (delle strade ferrate
« deOa loro futara iaflneBxa ia Europa). Der danulige Hiaiater aagte Ober
SM Litortlarberiehte tmi ftalieA.
Km Bucht df«t feidd Viniirei|iliiite! uttd ein bedeatenAet Sliitittittiitk nuA
SchrifÜMItoh' ^Oftt StaalnvlMenichart Graf Petiti Ifcchte ftbMr diM WeHL Altoli
MMiHi tkh pnkr SAtth *«bH^b «r leTbit efn tebf a&rf»li|tlr«fcbeii W»rk ttb^t ^
Ndlbweiidigkeil ^el* Kiaenbtihiieii. draf Phria bat daher erfahren , wu Msj^o-
tetan fe Ami «ehtieb: Gebe der ZeH voran, aie wird dir to\f^ehl
l4i IkaUea ^trerden jelst terhUUniinnliilf wenig Bomane (? eaehrieben , da
man aicb mehr mit d«r Pblitik beicblfliitt. Um aber den Maufj^l an leidkker
LeeMne an ersetfeen, ^bl Herr Giro d'At'ce in Tarin alle Woche ein Heft vdn I
Beten in klein 8. unter dtom Tittol i6iner Chronik: J\ «roniita, ToHno 1856.
Nv q* Madontta defli Angeli* herava, welche halbjlthrlich nur 12Vi ^' hbitei,
mitbin nodi nicht 4 Tbir. Da die iulilniaehen Damen gern Bücher in die Haod
nebmenf ao sieht man diese kleinen säubern BXndchen beinah in allen fifinseni.
Der Inhalt ist aber ebenhlls mehr ernster Natur, als die fi^wohnlicbo Romanea-
L^etnre, da #ehr bedeutende Krtfte dabei belheilift sind. So findet sieh im
16. Heft dat Leben des General Collegno, der seine Laufbahn unter ttapolaon
bei Moaean anflnf^ und in der Krita starb ; von demselben bocbireachteten Stub-
■mnn liest mftn im 24. Hefte, Leidenden nnd Erinnerungen ans dem itafifini-
adMn Leben; im 17. Hefte eine Reihe Berichte ans Hapten von dem Grafen
TidtaS) dessen Lebensbeschreibung Graf Balbo beransfegeben bat. Yon dem
Herausgeber selbst ist ein Aufsatz über die colossale Bildsttole des Cartd
Borromeo, nnd bei si» mannigfachem Inhalt schliesst jedes Bfindcheb mit (Attt
kwrtten literarischen, geschichtlichen nnd Wissenschaftlichen (Tebersicht.
Die Schrifton von dem bekannten Pietm GioHahi sind in vieifacbea Attt-
lagen erschienen; snletfct ita 1 Bttndon, in Hailand. A. Gnskalli hat jetit aüd
die bisheir ungedrucklen Werke desselben folgen laisen, deren Anfang d^a
a Band der ganten iSnnimlattg enthalt.
Script edUi e postumi d» Pietro Qiordani puUiciffi da ilnlonto Gu$$täii, Jfilansi
1856. Tip, Borroni. Vol. /.
n.
Der schönen Sitte, in Oberitalien ali Hochieitgeschenk in der efaten fie-
sellsfebaft ein Buch, oder auch nur eine Abhandlung drucken tu Hissen, nia
sie mit dem Namen der Brtutleute vertiert, dem Kreise der Bekannten la
verschenken, verdanken wir manche seltene, gewöhnlich sehr reich autgestat-
teio Monographie, fein solches Hochteitgeschenk ist eine Sammlung von Brie-
fen, welche berühmte Itniilner tu Anfang dieies Jnfathttnderu an die tsAbeih
Tnoiochi Atbritti gerichtet haben.
Alcuni teuere di Uiutiri Itaiiani ad Itebella teoiochi AlirrmL Firen»^ U Me-
nier, 1856.
DiHe hochirebildete Frau stand mit vielen bedeutenden Mftnnem In VerbllH
düng, OS erscheinen daher hier tum erstenmAle Briefe von Foscolo, Canon,
Barbierl, Bertola, Beltinelü u. a. m., welche über jene Zeit des Uebergaüff
des alten Freistaates Venedig Nachricht geben, und Aufschlüsse bringen, weMha
bisher unbekannt waren. Besonders Ist es Herr Nlccoio Barotai, Welcher siek ttia
liMMtDrb«ricftle ais llaÜM. IM
JfeHmMfftlrafolfllmMnlreatoaffeiebtehtlichMDMAMlerBdKaM Vm
fan SM 4iBfw HoohieiliireflehenkeB am bemen dato Unteraakiad 4ar QafWi»bie
Wiea «Ort nad ia DaaUcklalid abaaliaMa. Wir habaB aoldba Raduailiffa*
Mhaaka faaakaa, walcba deai Bekamila« der Braal CMa^aAeü «abam «Saa
aiaaa Odebnaa, frricba ar aiaht druckaa laMen kaaale, phMÜvaH
am flaebsaitaiara in ala paar HaadeH EzampUraa sa ttbarraiiliaa,
«afeba fiaUaicbt aati^aariiche Uatarataebaagaa aber aiaa alte faia^llrill adaf
fiiaa IfanfniHia antbieltan.
Der latsla Iriaf bal beraüa BM^rera Galaffaabeiliaebriflea raraalaaai; abna
Irttoiera ZuiamaieBBtalluof dar diaaftilttigen Braiffnifae Ui ia diaaaa Tafaa att
Teaedif baraaagekoaimaB.
£a qtüttione d^Orienit, ttotia coHümp&nmm tU. VauAa, Tip, GaiieL i856.
IKaaa ebronolofifcbe ZuaammaBiteiKiBf aller der ib dea Miacbriftea aiH-
felbeOtaB Tbataaeba% giebi eine aapaitbeiiicba Uaberaiebl oad wird daher
Yidea aebr willlLommeB sein.
Eia EleaieBtar-Btteb aar EriemuBf der physikaKscbea WiMeaicbaflea raa
AabraaoU arfreat aich aiemlicbea Beifailf dar Sacbkeaaer.
htme noäone di finea^ etposH da Giuseppt AmbraaoH. JfiJafia. Ttp. ^alhmdi. 1^5»
Ein Zweif dar LileraCar ia Italiea wird ricllafiabt Beisiif er bearbaüei, ab in
■aaabea aMdera Liadeni, nimliab dar der Krieyikaaat Hier gebart aimliabdar
Ottuaratabd keiaar baaaBderen Klatae aa, aondera ia allea Italiealaehaa StaMea
ladei, salbtl wana aaefa keiae ffanaticha Prttfatog staMfladet, aBi OfBaiar ti
wardea, dacb ia der Refel die weitere Beforderuaf lu dea baberaa Gradai
aach dem Verdiaaate atatt, welches im Friedea aaturlioh aar ia der Bildoaf
lad Wiaaeaiebafl bettebea kaaa. Oaaa kommt, dati ia Italien die felebrtea
Waffen atcb eiaea n^aai beaandern Voraaga erfreoea, nnd die yaraebmatea
jaafea Le«tc eine Anateilung ia der Artillerie a. 8. w. fachen; in Italien aber
■au BUB geatehea, daaa die erstea Kiasfen der Gejellfohafl auch am meiatea
■at wiifeaicbaftliche Bilduag haltea. Welchen ungahenren Relchthum tan
Wefkmi über die Kriegakasal die Italienische Litaratar aufiaweiaen bat, kann
Bisa am beatcB aas der Tan d'Ayala herausgegebenen MilitaifBibliographie
Miografia mUiUart^ltalitma amtica e moderna^ di Mariano iAytdOy Tortaa dMt
Oamptria reale. 1855, XXXIL und 450 S. gr. 8,
Daaa dieser gelehrte Oflbier, der erst in dem Neapolttanischea Haare
diente» dar aber ton dem Graasbenoge Yoa Taseaaa im Jahire 1S48 aoM
MnefBJniaier ernannt warde, wohl beAblgt au einer solchen Arbeit ist, kann
■an darani entnehnMB, dasa er 1844 au Neapel das Leben der beftthmtesiefe
FaUbarran und Soldaten jenes Königreichs heraosgab; sodann erschien ton
ihat ebandasalbst eia Lehrbuch mr den Italienisoben Soldaten im Jahre 1845,
ihaüah dem trefiichan Lehrboche des Carallerie - Offixiers der Sardini*
rnhea Armee, GMan Biancho, welcfaea vor ein paar lahren tu Toria er-
■ahieB, n*d bereits ins Deaucbe abersetat worden ist. Yoo Ayata erschien
tenar ein Italianiscb-franaOsisches MlHtair^Lezikon sa Neapel 1837 ia 49^ das
SM Literaliirberieiite ans ItsKen.
hn Jahre 1S53 fu Genua bereiti eine tweite Aafla|;e erlebte; ferner eine Ab«
bandlnng Aber National - Bewaffhoog 1850 au Florenx; daa mililairiaebe
Neapel 1847 nnd mehrere andere; aowie er auch in mehreren fetohichtliehen
vnd politiaehen Zeitachriften aehr gediegene AufaXtae geaehichtiichen nnd bio-
graphiachen Inhalta geliefert bat Beaoadera aber Terdient aeine Geaehichte
der Kriegaknnat in Italien aeit der Wiederheratellang der Wiaaenaebaflen, welche
1851 SU Florent heranakam, alle Anfmerkaamkeit. Er hat darin naehgewieten,
daaa es die Italiener waren, welche, nachdem aich die Art der KriegffthniBg
durch die Anwendung dea Schieaapulvera dnrehana geändert hatte, die Werke
dea Xenophon, Polybiua, Frontin and Vegetina wieder hervorauchten , die
unter der Barbarei dea germaniachen Lehnweiens gana in Vergeaaenbeit ge-
kommen waren, welches seine Rittertreue yon dem Ausspruche dea Papstes
abhängig machte. Die Italiener hatten den ersten Militair- Schriftsteller der
Neuseit, den Romer Egidio Golonna, welcher Lehrer von Philipp dem SehOnen
geweaea war. Ihm folgten bald andere, selbst eine gelej^rte Frau, eine Vene-
tianerin, Christina de Piasaro, im 14 Jahrhundert, deren Werk Aber den Krieg
nnd daa Hilitair-Recht 1488 su Paris gedruckt wurde ; auch ein Moneh, Fried-
rich von Padua schrieb ttber Kriegswissenschaft, ein anderer Coraai Ton ür-
bino obenfalla 1342, ttber den Land- und Seekrieg und die Belagerungani
Damals gab ea noch keinen Soldatenstand, sondern wehrhaft war Jeder nad
die Fähigkeit entaehied. Damals standen in Italien die Bandenfikhrer anf, die
Unternehmer ron Kriegsschaaren, die Condottieri, die Capitani di Verteaa,
ttber welche der Profeasor Ricotti su Turin ein so auageseichnetea Werk ge-
aehrieben hat Einer der ersten war Alberic von Barbiano, Graf von Cnneo,
welcher ein Heer von 12000 Reitern suaammenbrachte, und suerat die Pferde
mit Harnischen bedeckte. Von ihm stammt die Gräfin Balbiano (S. dio Heiralh
dea Markgrafen Carl von Brandenburg mit der Harkgräfin Catharina von Bal-
biano von J. F. Neigebaur, Breslau bei Kern. 1855). Nach ihm wurde Frans
Sforsa der Schopfer des Italienischen Fassvolkes. Orso OrainI, ein tapferer
Heerführer und geschickter Kriegs-Baumeister, war eben so ausgeaeichnet als
SchrifUteller ttber das Heerwesen im Jahre 1447. Hit der Verbreitung der
Bnchdruekerei in' Italien wurde 1487 Vegetius au Rom gedruckt, die erate Ue-
beraetsung deaaelben ward von Bono Giamboni, einem Florentiner, gemacht;
Popoleachi ttbersetate den Cäsar. Der berühmte Baumeister Palladio gnb Be-
trachtungen ober den Polybiua heraus, Xenophon ward von Jacob Braoeiolini
ttbersetst, und Frans Durantino von Urbino ttbersetate den Frontin. Der Ruhm
des Johann von Medici, genannt von der schwanen Bande, ist bekannt, und
ebenao, daas Maccbiavelli auch als Militair-Schrifksteller ausgeaeichnet iat; audi
ein Jeanit Bombiai Heas 1586 su Neapel ein militairiachea Werk drnckea. Der
In Ungarn sich ala Soldat bewährte Cino Spontoni von Bologna hinterlieaa ein
Werk unter dem Titel Guerriero novello. Aber vor allen glänat der Meiater
in der Kriegakunsf, Nonteenccnli, während wir dieaaeita der Alpen noch wenig
aufiiaweiaen hatten; denn auch die Erfindung der Minen iat ein Werk der
Italiener; unter mehreren, denen man dieaelbe suachreibt, nennt man denLnigi
di Capua, welcher aich derselben bei der Einnahme des Castel Nuove au
Neapel bediente. Die Befeatigungaknnat aber ist ea besonders, wodurch sich
die Italiener auszeichneten. Wilhelm Embriaco zu Genua, Jacob DegliAlberti
LHtral«rb«rkkt6 «w MiM. 89V
n fktWM, PoHto dt Cleaeato la Reeenati« 4er PloimltMr Giorfio Mtli0^
Jeeob, Braadleeehi Pift, Loparelli >«n Cortooa ud BartolooM* GeRffi er-
knlM dto Vette Valette auf der Inael Malta, Zitolo die Stadt Padua. DerVer-
faiier blh aueb die Erriehtmif tob Battioaea Hlr eine italilaifehe Eriodonf
k» 15. Jahrhaaderttf obwoM bei Salona steh derfleichea befioden, welebe
nch Carara auf deai 5. Jahrbamlert herrttbrea aellea. Wenifateaa find die
■eiitea aaaerer bei dem Featanfibaa fewiblten Beaeichnaofen italieoiaelie
Warte, alf Citadella, parapetta, caMoiatta, palliisaia, baBobetta, coatretearpa
I. •. w. Der frcaae Michel Aa^elo erbaote die Baitioaen von S. Miniato«
l^ ItalteniaeheB Stidte hattea die BurgeB der Ritter febrocbea aad er-
kantea ftarke Bellwerke, am sich vor dea deutschea LaBdikaecbtea aa acho-
tiea, weiche bei dem Kampfe der Spaaier aad PraBaotea am diese Halb-
imel Terweadet wardeB. Nbb erachieaea ia Italiea sahlreiehe Werke Itber
Iflhair-WiaieBacbafI, tob deaea wir aar die voa Tortaf lia, Zaachi Caatriotto,
l4fi, BolliBO aaa dem 16. Jahrboadert erwibaea wollea. Im 17. Jahrhaa-
iert war Giolio Pariipi Lehrer der Kriefsbaukanat ia Floreai, tiaerriai war
eia ebea §o tapferer Held aU iBgeaiear, tob Neapolitaaera wollea wir aar
dia deirAflitlo Beaaea. Aach die Artillerie aad FeaerwerkakaBat hatte im
hfiea die entea ScbrifUteller, weaa auch ihre Werke aich aoch aafedrBckl
iidaa reieheB Biblietbekea der Riecardiaaa, Maflibeeciaaa a. a. ib Floreaa a. a. w«
Madea, welche der fleiaiife Verfasaer dea vorliefeadea bibliofraphiacheBWerkea
ibeiall aoffeaucht aad veraeicbaet hat. Die KriefakoBst ward aber aaeh aaaaer-
blb Italiea tob Italieaera feiehrt nad fettbt. Baailio della Scale wirkte filr
im VertheidlfaBfr tob Rhodos 1520, Bellarmoti d'Ippolito baute für Fraoa L
HtTTe, Scale Valeaeieaaefl oad Geat. Paciotto baote aater Alba die Citadelle
▼aa Aatwerpea, aad machte des Plaa in S. Juaa d'Ulloa ia Amerika, Caatri*
•tte baote S. Qaiotia uod Calaia, SomauiriBO Boalofae, Soaaacebi worde ia
Svigofia Terweadet. Nachdem Wilhelm tob Nafaao die Freiheit der Nieder-
Rader, ala GoataT Adolph die der Protestaatea an Tertheidifea aafefaBipeB
^tte, wordea FloriaBi aod Pieroai aach Wiea berufeB, am dort die Befe-.
■UgaafMrbeiteB aa leitea. AlesaaBdro del Rocco leitete die Belageraof tob
Sicttio aad Refeaaborf, sowie die Vertbeidigaag too Prof. Fraas ABtooelU
wnde aaa Ober-lafeBiear der aogarischeB Festaagea eraaaBt, aad Spada
Wertifte MaiBs. Die Trefflichkeit der Italiiaischea Waffea ist bekaaBt und
anehe habea aierliche Master tob dea grOsstea Kttastlem, als Celliai o. a.
>afcaweiaea, aad es fehlt aiebt aa Werkea für die BtIchseBmacher« wekhd
•leh aosaerbalb Raliea bekaaBt wardea. Auch fllr die Mariae warea die Ita-
li«er die Maslor fftr gaas Eoropa, welche tob Amalfi, Geaaa, Tracai, Pisa,
l^eaedif aad dea SieiliaBlscbea Hftfea aosfiafea; deaa daaials warea dio
taftaea Sdnffer aad Kaafherrea aach tapfere SeebeldoB, aagleich aber fiadea
wir aach bei ihaea die erstea Qaellea des Seerechts. Gialio Cdsare Falco
lims achoB 1554 eia Werk ttber dea Krieg aar See drackea; ihm folgtea bald
Ijtdaao, Pifafetta, SaTorgaro u. m. a. Ia der TbleraraBeikoade ist schoo aas
te 13. iafarhaadert der Calabrese Giordaao Ruffo bekaaat, dessea Werke
iBHBt ia Veaedig gedrackt wardea, Pier dl Gresceaso schrieb schOB
var 1909 ttber das Marstallwesea , aad Eastachio d'Afütto trat eboa*
fols ab S^rifksleUer ttber diesea Gegeastaad auf» welcher Tiele reiche Pferde
SM himmatk^ritakm mü. MkA
UftbhaherWi vidi« BMito ZbH bBnif Wdlttlliff« h§k. So eMcyiii yos lomen
■iMattaod Aar perfetto cftTsliero twi Looatelli, •» Werk voll Gelehnaoikoilwil
praebtToIl ausgcftattot. Dort tind die Dohlen Ptflsioneo mit Gdohit»aiLeil «14
wifienfcilafllioher Bildung vorboadan. Doch habon die Ualieaer nicht alida nai
llbar den Krieff (^eaehriabon, wi* daa Torliegando bibliograpbiacba WeA vaa
d'Ayala, aondani anah von jeber tapfer gefocbten. Wilhelm von Genua leitaCe fli
die Ereuifahrer die Belehrung von Jef uaalen. Paaii ani Ploreni und Rkoccki
eratief an loars» die Mauern der heiligen Sladi, Bonagiuao 1208 die Mauern tob
Damiette, wo er nach 2jllhriger Belagerung die Fahne der Freiatadt Ftoreni
anfpflanite. Caatruecio, Spare, Monelli machten aich durch ihre Tapferfctit
in Vaterlande und auawttrta bertthmt fibeaao im 16. Jahrhundert auMar
dem Johann Medici, dem Anftthrex der aohwaraan Bande, welcher idaa«
Sohn CoaoMis den Weg sum Throne bahnta, Benrtivoglio , Proapero wk
Sieihno, CoJonna, Sanaeverino, Carafa, Galeni der Calabreaer, weichet aU ger-
langenai Student bei den Türken unter dem Namen OccbiaU ein bertthart«
Coriar wurde. Wir konnten noch mehreren Helden Namen aua Italien aoMi-
v&m, beacbrinken nna aber nur auf die von Piccolemini, Ganaagn, PallaviciaH
Melai, Trivulaio, Galaaao und Sanvitale, ferner die VcAatuuier Moroaini» Oal(*
loom und del Monte; wer kennt nicht de» Doria aua Spinola, wetohei OMr
endo eroberte, beaondera aber den Prinsen Bugan von Savoien, den a^en
Bitter, welche eben ao tapfer ala gelehrt waren. Ueberbaupl behielten im
BaKeniaehen Heroen ateU eine Beminiacena der olaaaiaohen Huaaaitilit bei. Dar
tapfere und gelehrte Monteouculi aagt: der Krieg iat eine Landplage, man moM
daranf atudiren, ihn gut au führeak, um ihn achnall au beenden. Onaa die Itar
Hener in der Neuseit nicht autUckgekomraen, darüber kann man aioh auf dal
Urtheil einea Sachveratflndigen berufen« den Schlachtealeiter der Nenaeiti Ha-
poleon L, welcher überall den Italieniachen Soldatea Gereohtigkeat widerfahiaa.
llaat. Wir haben nach dem Congreaae von Laibaoh und Verona einen achlech-
tan Begriff von der Italieniachen Tapferkeit erhalten, weil der conatiUitionelle
Geneeal Pepe bei Bieti keinen Wideratand au biaten vermochte. Allein die
Berichte darüber, welche jetat erat haben bekannt weiden dürfen, aeigen, wie
die Militairbefehlshaber damala von den Peraoaen gemiaabraucht worden aindi
welehe aie fUr ehriiehe Leute hielten. Die Kttmpfer aua der Gegenwart haha»
eine Yortbeidigung von Born, einer von keinem Soldaten fOr eine Featung ge-
haltenen Stadt, und von Venedig aufauweiaen, welche der früheren Zeit
nicht nachateht Seibat die Frauen aeigten wahre Todeaverachlung, Venedig
mflinate aein Siibeiv und fiel endlich durch Hunger nnd die Choleaa.
Die voaliegende mililirisohe Bibliographie beweiat aber hanptaftcUiaiw
daaa die halianev Aber der Tapferkeit die Wissenachafi nieh^ vergaaaen. D«
Verlaaaer befindet aich in der glttcklichon Lage in den li&erariach^aulitairia^haa
Sehiltaen aelbat lo leben, fir iat jetat nttmiioh Bibliothekar der reichen Bttghar*
aammlung dea- Heraoga von Genua, ttber welche der ^naender in; No. U dai
Snrtpenm 1856 Nachricht gegeben hat. Unaer gelehrter Herr d'Ayah hat da^
her Gelegenheit, daaa ihm viele aonat aohwer au benotaende Werke augingttch
aiiid; aneh hat er die Handachriften in dea reichen Bibliothekea von Floraaa
und die bedeutenden militaiviaohen Bibliotheken von Heapd au benutnen Gtr
legtnheit gehabt Br ha» dna vorliegende Weik in 7 Ahaahnülfi gotheilt^ md
ii j«^ die VortMM? dm iwgtftilyfn Weri^ idplwteivMh geoidiiit, dia an«»
IfBfiil ScMI^B «^«c J^MOBdcn Mfclikfl. WeM eis« frofM Mwif y«»
KlitnifffcrillRtellefii We»ToHL<iiB«ieo, üvimiwib daniu»aalMliiD««f daMdMtV^t«-
btbcbe Yenmluiuit der Nun« denelbeii Si^eafffedradkle groeee 0elev«6eiiM
mipqM^ wel/riiet «iif leicb dee 4a(tnelMii aelir erleMterl. I>er Veiftifeer aeliital
«Ms»« Qwere deMcbea ScMftfteller über die KriefiwiMesecbell, vor
tto taderii die Werke dee EraiMnoce Gert to» OeelerrekK von den er
aoidietkÜck erwibvl» deu er in Italie» feborea i«*» ew Sob» dea tSretiher-
l«|i von Tofceae. Aeieerden beeuUte der Verfaeter danebe» die Litentar
4er Krie^wieaeaaebafi too Rempf ud andere ibiUicbe Werke tther dav-»
Nlbee, Gegeaataed. Aaeb lind die Werke deuyeher Sebrilttleller» weWba
\m Italieniacbe ttber^eUt werden, anffeMrt, i. B. Heeker ond Blanarik
b der Vorrede bemerkt unaer bumaner Yerfaaaer, daaa bei vioien leerea
cia Plord, eine Uniform heber anffefobleffan wird ala ein floldnl, dean jene
Mea Geld« woffegen laea denRekraten HMeml ball RerVerfnaaer «Mt am
Mbime aeiner Vorrede Naebricbt von den btdanteadalea miiileiMaoben mMor^
tbekea nnd ifiebt den Ratb, daraaf an wirken, daae der Soldal, «oa obe» bia
miea, aUtt in den Kaffeebiaaere ao liefen, f icb eiil Bttcbem betcblflife, dean
■nreiir iai kein Yerdlenit, fondem PflicbU ^la FleUa, Ordnung o. a. w., da-
■it er liei dem Aaatritt ana dem Heere ein nttlalicber Borger sein kOnne.
Pk ecwlb^len 7 AbUieJlnafea dea Werkea nmlaaaeii O ^ Kriegawiaaenacbaft
\m AJDfemeiiiea, %) dm Kriefabwiknnali 3} daa Oeaebou/vaeaen, 4) dai Kriena^
Seeweiea, 5) die HeÜkande» die Reit- ond Peobiknaai aod Gyntnaalib, 6) die
Ujaetator aber die Krjegawiaaenaebaft aad Ifria^tseaebieble« 7> die Geaol»««
lebaec Verwaltaof, Verordnnnfen «nd Einvlehlwifen daa Heerweaena bo^
tiefend, Uebrigea« enibili diene Biblioffrapbie niebft Uoa eiM bk»aae Infrah
bof der Bttcber-Titel, aondem bei den meiaten bedentenderen finde» aieb
^ffliebe Anmerkoaf aa dea Verfaaaera dieiea niebt geang aa rObmenden Wea*
km dea «nageaeicbBetaten Fleimea.
Bodlieb können wir too einer aebr geinagenen Satyrn Naebriebi gaben*
4im iat allerdinga eine Art der Literatar« welebe aebr acbwer iat, de aio niaia
mr genaae Kenatniu dea Gegenatandes erfordert, aondam ancb nife der gnttMtea
Feinbeil bebaadelt aein will, wen» aie niebt der Gmneinbeit rerftdlen wW«
«der aicb ala Paa^nill gegen euiaelae Peraonen daratellt Die TorliefMd»
htgfre iat geg ea den jetaigen Baraenaebwiadoi geriebM;
I« Atrso, fiwee tefmeiM ^iinoftaMO Bmuemo. Mihmc 1856. Tif, RedneüL
■it Tielem Geiate nnd in einer lehr gefalligen Spraebe iat bler allca ge-
tagt, waa aicb gegen die jetaige Bibel der Welt, den Conra-Zettel, aagen
IlMt. Bei einer Satyre iat die Hauptfrage, ob ea wirklieb ein Gebrecben der
Zeit iat, welebea gegeiaaelt wird ? und darttber wird manwobimit dem geiat-
reieben Verfamer einig aein. Aoeb iit ron der Wirkung dieaer Satyre in Ite-
li« nicbta an fBrebten, da dort der Reiehe, der Vomebme niebt ao geharnt
wild ala in Deutacbland. Aucb in Frankreicb Iat dieaer Harn niebt ao benror-
iteebend, deabalb aagen aucb franiösiaehe Staataaüinner, dam awar ibre Theo-
retiker den Commnniam gepredigt haben, dam ea aber die deutaehen Hand-
weikabmcben aiadi welche des Franaoaaa den Gommoniam praktiach bei*
400 LlteralQi1»erieh«e ms Itolien.
bringen. Wahr iil 6f , daif diMa den Haaa iregfen die Reichen ood VornehMen
aoj Dentaehtaad mitbrinpeD; denn in keinen Lande hört man 00 Tiel auf die
Rothachilde, die Geldaflcke, die Krimeraeelen n. s. w. tchimpfen, ala in Dentich-
land, wo man den Kaufmann beneidet, der es in Manchem Andern aavorthnn kann.
Mit dieser Masse stimmt ttberein die frosse Zahl der ebenfalls »eist armen
Gelehrten, welche noch den Geldstols für den allerunleidlichtten halten. Dies
sieht man in andern Lttndern nicht, denn der Geldstola ist am leichtesten in
feine Schranken surUcksnweisen. Jeder kann reicher werden, wie der Be-
neidete und dieser wird dann bald seinen Stols gegen den jetst Reicheren ab-
legen. Darum hat Italien nichts von Cummunism in fttrchten, dort wird der
Reiche, der Vornehme geliebt und geachtet, auch ist dort die Wissenschaft ia
den ersten Classen der Gesellschaft mehr heimisch als anderswo, nnd tob
derselben geachtet.
Welchen guten Gebrauch die reichen Leute in Italien durch BefOrderaag
Ton gemeinntttsigen Anstalten machen, kann man aus dem jetst erschienenes
Berichte des Herrn Possenti, ttber den gedeihlichen Fortschritt der Ackerbaa-
Sehale auf dem grossen Gute Corte Palosio entnehmen.
AnaUti dtUa ftroposla per VAssociaUone agricoU Lombardü di Corie dd PalsM%
' de< In^egnere Carlo Po$$tnii. Mitane i856. Tip. Salw,
Solche gemeinntttiige Anstalten kommen in Italien sehr leicht nur Au-
fllhning, da dort dar Gemeindewesen nicht durch das Beamtenweseo erstickt
wird. Man wird nicht behaupten wollen, dass die Regierung in der Lom-
bardei Ton revolutionären Grundsfltien ausgeht, allein sie llisst der Gemeinde-
Verwaltung freien Lauf. Die Polixei hat es nur mit den Pflssen nnd den Ge*
aetnes-Uebertretungen au thun; alles andere ist der freien Gemeinde-Verwal-
Inng ttberlassen. Darum nehmen an derselben die vornehmsten und reichsten
Einwohner der Gemeinde Theil, die daxu durch die Wahl ihrer Mitbürger be-
rufen werden. Darum kommt es hliufig vor, dass der Markgraf A..., der
reiche Aret B..., der reiche Professor G..., der reiche Graf D... sich nul
aller Anstrengung den Geschllften eines unbesoldeten Stadtrathes, einen Borger*
»eisters (Gonfaloniere) unterwerfen nnd es sieh oft Tausende kosten lassen, vm
ihrer Stadt Ehre an machen. Dieselben wohlmeinenden Gemeinde-Mitglieder
würden sofort davon abgeschreckt werden, wenn ein besoldeter Beamter sieb
in diese Angelegenheiten mischen wollte, a. B. wie die Farbe eines Gebindes
fein soll. In Italien — mag man noch so viel an tadeln finden — besteht
die wahre Gliederung der Gesellschaft, in Familie, Gemeinde und Staat
Ir. M, HEIDELBERGER IK}.
JAHRBOGHER der LITERATUR.
Die Actio des römisehen CivUreehta, vom Standpunkte des heutigen
Rechts, Von Dr, Bernhard Windseheid, ord. Prof, an
der Umv, zu Grtifswald. Düsseldorf. Verlagshandltmg von
Julius Buddaus. 1856, IV. und 238 S. S.;
in Verbindung mit:
Die ObHgaÜon und die Singularsueeession des römischen und heuti-
gen Rechtes. Eine eknlistische Studie, Von Dr, Johannes
Emil Kuntze, Advoeat und PrivaJtdocent der Rechte an der
Ufdversiiät zu Leipzig, Leipzig, Hermann Mendelssohn, 1866,
XVI und 433 S. 8,
Das enta dieser Bücher ist das jüngere. Es iiihrt aber xum
sweiteo hin, und wird deshalb als der Hauptgegenstand dieser Re-
lation snerst ins Auge gefasst. In der Mitte dieses Baches wird
man davon onterrlchtet, dass es von der Uebertragbarkeit der For-
derung haiidle. Um cu erkennen, wie dies geschieht, muss man
iDdess daran sich erinnern, dass das Wesen der Uebertragung eines
Rechts davon abhängt: dass derjenige, welcher das über-
tragene Recht erworben, der A, eben dasselbe Recht
bat, was der Uebertragende, der B, vor der Ueber-
tragung gehabt hat Man wird es dann auch im Auge behal-
ten, dass die subjective Seite einer solchen Uebertragung ein Per-
lonenwechsel ist Der Verf. sagt nun darüber (S. 157): es
verstehe sich von selber, dass das Recht des A nicht das Recht des
B sei; es gehe nur derselbe Rechtsstoff über. Darüber sei man
aneh einig. Es handle sich nur darum: ob es der richtige Aus-
druck sei, au sagen: dass das Recht des Auctors auf den Kaeh-
folger übergehe, oder nicht Darin wird die Differens gefunden
iwischeo der Ansicht des Verf.*s, welcher den Rechtsstoff übergehen
Hast, und der Ansicht Kuntse (a. a. 0.), der vom Rechtsstoffe
einen Vermögensstoff untersch^et, und nur den letctern über-
sehen iXsst (S« 60. 138 ff.). Demnach scheint die Differens nicht
bloss den Ausdruck cu betreffen. Denn K. unterscheidet, was
W. nicht unterscheidet K. versteht unter Rechtsstuff die Rechts-
vorschrift, und das rechtliche Band, welches sie swischen den Per-
sonen knüpft (a. a. O.), unter Vermögensstoff den Werth oder
Nutsen, den dieses Band dem Berechtigten aneignet W. verwirft
diese Unterscheidung. Um aber dessen ungeachtet die Uebertrag-
barkeit (S. 172 ff.) zu vermitteln, hält er sich an die Uebertragbar-
keit der Actio, der Berechtigung die Forderung gerichtlich su ver-
folgen, die das römische Recht anerkennt; und wandelt sie in eine
U lakrf. 6. flsft 86
40S Windscheid: Die Attio de* rOnifl^heB CiWIreditf etc.
Uebertragbarkeit des Rechts» oder des RechtsverbSltnisses, der Obli-
gatiOD, indem er sagt: es stehe die Actio an der Stelle des An-
spruches oder des Rechts und sie sei nur ein Ausdruck, niclit
ein Ausfluss, des letztern (S. 3. 5 ff.); und zwar £el dies der Fall,
wo das Recht die Obligation sei (S. 5). Während demnach K. die
Obligation bei dem Auetor Ifisst, knüpft W. sie an die Actio, welche
der Erwerber empfängt. Wenn nun die Obligation das Recht ist,
so wird man, wenn man der Auffassung von W. folgt, sich gaoi
richtig dahin ausdrücken : der Erwerber A hat das Recht des Aacton
B. W. verläugnet also seine eigne Ansicht, wenn er diese Auf-
fassung verwirft, und den Differenzpunkt zwischen ihm und anderen
bloss im Ausdrucke findet Aber im Resultate trifft er allerdiagi
mit K. zusammen. Denn letzterer identificirt (vermittelst dee ^Schwung-
brettes^ ?) den Yermögensstoff mk dem Inhalte der Obligation, also
mit dem, was zwischen dem Berechtigten und dem Verpflichte-
ten ist, dem rechtlichen Bande, der Obligation (denn nur da kann
der Inhalt sein; und es ist da nicht mehr als dies, weil allei
übrige eist durch die künftige Handlung erzeugt werden soll), sei-
nem Rechtastoffe , so dass dieser , in jenem Inhalte , ebenfalto vm
Uebergehen genöthigt werden würde. W. nimmt an: K. meine:
die Obligatton des Gessionara gehe auf eine andere Handlung, als
die des Gedenten. Allein E. sagt zwar: es sei die Handlung Objeefc
der Forderungsberechtigung und von dieser untrennbar (S. 73 ff.).
Er meint aber das nicht. Denn das Object der Obligation mufli
die eine Seite ihres Rahmens sein. Er verlegt die Handlung aber
in dem Rahmen hinein (S. 73), in den Inhalt; eben dahin wo der
Yermögensstoff nach ihm liegt. Und da sie in der Verwirklichung
des Vermögensstoffes untergeht, so ist sie nicht, sobald der Ve^
mögensstoff da ist, sondern wird nur als in ihm verwandelt
gedacht; und wenn K. dem Gessionar denselben Vermögensstoff so*
achreibi, den der Gedent gehabt (S. 329 ff. und 138 ff.) und dieses
Stoff als civilistisch indifferent zur Individualität der Handlung b**
trachtet (6. 143), so besteht anch keine Differenz der Handlung
mehr, und das Object der Obligation ist, wie W. (S. 178) es wil\
nieht «ine bestimmte Handlung, sondern eine Handhing von eiaea
bestimmten Inhalte. Man muss also W. darin beitreten, dass dw
Streit zwischen ihm und K bloss den Ausdruck betrifft, obgleich «
ihn als einen Streit über die Sache auffast. Nach ihm sind als«
seine Ansichten und die von E. gleich; seien sie nun richtig oder
unrichtig. Es wir indess das zweifelhaft, ob er in der That zu er-
kennen vermögt, ob der Streit den Ausdruck oder die Sache betreffe.
Die Weise, wie W. diesen Bruderzwist führt, ist die, dass er
S. 1 — 119 Abscbälungen von der Actio, der Litiscontestatio und
dem Urtheild vorlegt, darauf vom Uebergange der Actio handelt,
und, nach einer Einleitung, S. 119 — 120, zuerst von der Cessiony
S. 120—194, dann vom gesetzlichen Uebergange, S. 194—202,
darauf vom Schuldübergange, S. 202—214^ und endlich vom Ueber
WlDdMb«i4 : Die Actio 4e§ römifchen CirilreeliCfl ete. 408
gang« d«r actid io rem, S. 214-— 221, worao sich S. 921—238 ein
SehloM hingt. Dabei fallen denn mehrlach Differeospunkte swischen
dem Verfaseer ond anderen, von der angegebenen Beschaffenheit ein.
Durch Herrorheben einselner derselben wird die Bedeutung dieses
Bncbeg, and daneben audi die einiger anderer Bücher, einige Er-
keoDQDgsmerlcmale gewinnen.
Die Rechtskraft eines richterlichen Urtheils tiat die Folge: 1. dass
eio anderes Urtheil über dasselbe Rechtsverh<niss (swischen den-
ielben Personen) nichtig; nnd 2. dass ein wiederholter Rechts-
streit Aber dasselbe Rechtsverbältniss durch ein Berufen aof das
Drtheil abwendbar ist. In der ersten Verrichtung schliesst der In-
halt des Urtheils den entgegenstehenden Inhalt eines andern Urtheils
durch seinen Widerspruch von der Rechtskraft ans , und ent-
liebt dem übereinstimmenden Urtheile die selbständige Rechtskraft.
Inder Bweiten Verrichtung schliesst das Dasein des Urtheils das
nkfioftige Dasein eines Urtheils über dasselbe RechUverhfiltniss
dttin ans, wenn das Berufen auf sein Dasein dem Einleiten eines
Bechtastreits über dasselbe entgegengesetzt wird. Die erste Verrich-
tag legt den Grund für die zweite , beide sind Aeusserungen der-
Mben Verrichtungskrailt, und somit nur zwei verschiedene Weisen
Inielben Verrichtung. Jenachdem ein neuer Rechtsstreit in's Da»
Md getreten , beziehungsweise durch ein Urtheil beendigt worden,
tder Dicht ; kommt die erste oder die zweite zur Anwendung. In
fo sweiten, die mit der exceptio rei judicatae geltend gemacht wird,
bmint der Factor der erstem, der lobalt des Urtheils, dann zur Er-
idieinung, wenn ein Kläger diesen Inhalt zur Grundlage einer Kla-
(Stellung nimmt, um von dem bevorstehenden Rechtsstreite dasje*
^t Stück abzuscheiden, welches durch jenen Inhalt bereits ent*
schieden ist. Und es kommt dann dieser Inhalt nicht bloss zur
Brscheinung als ein Merkmal der Identität dieses Stückes mit dem
^eits Entschiedenen, sondern als der Factor eines positiven Mo-
^ots, einer Gewissheit des entschiedenen Rechtsverhältnisses. Wenn
in) Keller, wie bekannt, eine positive und eine negative Func-
^ der exceptio rei judicatae unterschied, so stellte jene als die
Wirkung des Inhalts, diese als die Wirkung des Daseins des Ur-
^«ils ^ch dar. Im altern römischen Prozesse, wo dilatorische Ein-
^n nach der Litiscontestation gleich peremtorischen wirkten,
^ die Möglichkeit gegeben , dass das Dasein eines Urtheils
^ea Rechtsstreit ausschloss, ohne dass das Urtheil eine Gewiss-
^ aussprach über das Verhältniss, welches in dem beabsichtige
^ Rechtsstreite wieder bestritten werden sollte. Der Umstand, dass
lieser Fall der negativen Function nicht mehr eintrat, gab zi>-
'Hcbat die Veranlassung diese Function ganz zu längneo, und die
^<^ze88nali8ehe Consumtion gleichzeitig zu bestreiten (v. Vangerow:
•Arb. d. Pand. §. 173. Anro. III.). Auf diesen Schritt folgte ein
'^terer, neuilich der, die Verrichtung des PräJudiciums als einen
^weis zu behandeln: Plank: Mehrheit der Rechtsstreitigkeitdn
404 Wiailfdieid: Die Aelio 4ef röMiMhen Cirilreditf ete.
S. 185 ff. ; oder das Bedeoken einzuwerfen , daas die res jadicaU
nicht zar Begründung klagbarer Rechte beBtimmt sei: Pfeiffer:
Arch. f. c. P. XXXVU. S. 95 ff. 245 ff. 251. Endlich wurde die
Folge der positiven Function: bis de eadem re ne sit actio, an die
Spitze gestellt, und die Function selber mittelst eines ausführlichen
Buches geiäugnet : B e k k e r : d. prozessual. Gonsumt. S. 6 ff. ; dessen
Verf. (S. 110 ff.) die Ansicht aussprach, dass der £id keine consu-
mirende Kraft habe, weil nicht der Umstand tilge, dass geschwo-
ren, sondern dasjenige getilgt sei, was geschworen ; aber eine Fietion
der Wahrheit des Beschwornen, wie des durch gerichtliches 6e-
ständniss anerkannten, aufstellte. Unser Verf. (S. 110 ff.) tritt der
Beweiswirkung bei, indem er mit ihr die Eideswirkung in Parallele
gestellt findet, der jene Wirkung, Nichtigkeit eines spätem Urtheils
hervorzurufen, nicht beigelegt ist; bei welcher also der Inhalt nur
als ein Merkmal der Identität des dem fernem Rechtsstreite
entzogenen Punkts hervortreten kann. Dennoch aber vertheidigt er
eine positive Function der res judicata (S. 104), muss also ober
das Wesen dieser Function in Unkunde sein.
Ein Berechtigter kann im Kreise seiner Berechtigung seine
Thfttigkeit und deren Erfolg einem Andern tiberlassen, obgleich er
die Berechtigung von seiner Person nicht trennen kann. Zuweilen
hat für die Berechtigung, welche der Träger der Ausübung dadnrcb*
erlangt, sich eine besondere Benennung gebildet, z. B. Emphyteuse,
Pfandrecht. Fehlt eine solche Benennung, so Isann man nur sagen:
er habe die Ausübung der Berechtigung. Bereits Hasse: Revis.
d. Theorie von der ehel. Gütergemeinschaft $. 16. S. 35ff. ; hat ein-
mal gesagt: wer die Ausübung eines Rechts habe, der habe andi
das Recht. Uns. Verf. ist gleicher Ansicht (S. 173 ff.)» scheint al>er
von anderer Seite her dazu angeregt zu sein. Bei der Forde^uDg^
berechtigung haben wir für die Ausübung, nemlich für das Fordern,
die Benennung: Forderung. Delbrück: die Uebernahme fremder
Schulden S. 5 ff., hat gesagt: im deutschen R. trete der Begriff der
Obligation im Sinne eines persönlichen Verhältnisses völlig zurück;
die Forderung werde Bestandtheil der Haabe, Sache, und — eben-
falls die Schuld. Das erstere ist auch römisch. Aber der For-
derung correspondirt nicht die Schuld, sondern die Zahlung. Man
fordert auf^den Grund der durch die Obligation begründeten Schuld
die Zahlung. Die Klageforderung geht auf Zahlung, und die Ver^
urtheilung ebenfalls. Gegen D. opponirt Kuntze a. a. 0. S. 98ff.;
aber indem auch er fest darauf hält, dass der Forderung die Schuld
correspondire, läset er auch die Forderung von der Obligation nicht
ablösen, und fabricirt statt dessen seinen Vermögensstoff, den er
von seinem Rechtsstoff ablöset; worauf nun unser Verf. für seine
actio = obligatio den Platz geräumt verlangt. Er sagt: der Gessionsr
sei für das Gericht Forderungsberechtigter geworden, sobald denon«
ciirt oder liscontestirt worden, indem es dann dem Gendenten die
Actio wei{;ere; er stehe in dem Verhältnisse desjeni^^en^ dem die
Windf^eid: Die Actio def rdmlfchMi aTflredito «le. 40$
Aosfibong eines Nleesbranches ttbertragen sei, doch mit dem Unter-
adiiede, deas bei dieser Uebertra^ung der Uebertragende forlwShrend
der Berechtigte bleibe (S. 190 ff. 185 AT. 140 ff.). Jene Weigerung
wird Indess doch wohl nar In Folge des Oebraaches einer Ezceptieii
efaitreten (^praeferendns non est dominus in litem morendam^: L. 56«
D. de proeor. 3. 3); also auch ffir das Gericht, eben so wie Ar
andere Leute, die mit dem bekannt sind, was Rechtens ist, das Becbt
selber noch bei dem Cedenten sein. Dass deijenige, dem die Ans-*
Übung des Niessbranchs übertragen ist, die confessoria actio gar
aidit einmal hat, kann dann gleichgfiltig sein. Wie kommt aber
unser Verf. dasu, Ihn einem Cessionar gleichanstellen? So, dass er
sich auf Zeugnisse beruft, welche den, dem ein Niessbraueh durch
eine FIdeicommiss Yon einem Legatar hinterlassen worden, als den
Nutsnlesser ansehen, den Legatar aber als den Trttger der Nuts-
niessung, jedoch so, dass der Prätor den in der Person des letstem
eintretenden Untergangsgründen keinen Einfloss auf die Berechtigung
des erstem gestattet und ihm eine utilts actio ansteht (8. 138 ff.).
Diese Zeugnisse meint er nun, können cur Unterstötsung seiner An-
sicht dienen, dass der Cessionar das Recht des Cedenten habe
(S. 140). Diese Meinung scheint daraus entsprungen, dass auch
der eine utills actio hat, der einen Anspruch auf die Ausfibung
der Forderungsberechtigung erworben, ohne eine Cession empfangen
zu haben; worin der Verf. den Ausdruck findet, dass der Cessionar
Dicht GiSobIger sei (S. 147), also wohl nicht: Träger der Obligation.
Ist er aber dies nicht, so sehen wir wieder, dass die Opposition des
Verf/s gegen K. ein blosser Streit um den Ausdruck Ist. Auch
stellt sich dasselbe heraus, wenn swischen jenem fideicommissarischen
Usufructuar und dem Cessionar eine solche Aehnlichkeit gedacht wer-
den soll, dass das Verhältniss des erstem eine UnterstOtsung der
Ansicht nnsers Verf.'s über den Cessionar sein kann. Denn soll
diess der Fall sein, so müssen doch wenigstens die Berechtigungen
beider gleichartig, beide Berechtigungen zum Ziehen eines Nutzens
sein. Darauf lauft aber grade die Auffassung von K. hinaus, dass
der Cessionar den Nutzen des Forderungsverhältnisses zu ziehen
hat. Das Ergebniss davon ist eben nichts weiter, als ein von der
Dauer der Person des Berechtigten unabhängiger Niessbraueh an
einer zukünftigen fremden Handlung. Dass K. diesen Niessbraueh
in dem Inhalte der Obligation versteckt, ändert nichts. Ein solches
Zurückwerfen des Erfüllungsstoffes in die Obligation hat sich schon
bei anderen in der Behandlung der Compensation gezeigt. Indem
die geschuldete Handlung diesem Stoffe als Mittel dient, und sn-
gieich als Mittel den Schuldner zu befreien Ihn zum Inhalte empfingt,
wird Aese Handlung nnnöthig, wenn ohne sie der ErfüHungsstoff
in seiner Individualität in's Dasein getreten ist, nemlich als ein Aus*
gleichungsmittel des Zustandes des Unberichtigt seine, weichen das
Schuidverhältniss zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner bildet
Es tritt diese Unnöthigkeit ein, wenn zwei gleiche Oegenforderun-
4M WindM^Md: Die Actio des rOmiMken CivilrechU et«.
gen einander gegenüberstehen. Die Tilgung durch Gompensationi
welche von selber (ipso jurej eintritt, ergreift aber allerdinga niu
die ObUgationgzustände oder Verhaftungen im Gegensätze der obli-
gatorischen Rechtsverhältnisse, die gar nicht compensirt, sondern nur
solvict werden können, und in Folge der Gompensation als ipso
jure solvirt angesehen werden (L. 4. C. de comp. 4, 31). Ihr Gelr
tendmacben konnte aber ausgeschlossen sein, durch eine Einseitig-
keit des Stre&tverhältnisses über den Stoff einer Zahlung, über eine
peeunia data, die mit der certi condictio gefordert wurde (Zeitschr.
f. Civilr. und Praz. N. F. IX. S. 122. not. 15. S. 144. not. 68).
Hier bedurfte es der Hülfe durch eine exceptio doli (§. SO. J. de
aetioA. 4. 6). Dass sie aber geltend gemacht werden (facto homi-
nis, wie man sagte, geschehen) musste, um soUiren zu könDen,
▼ersteht sich ebenfalls von selber, weil die Gegenrechnungen sich
Bwaf von selber ausgleichen, aber nicht aufheben. Indess
hat bekanntlich das ipso jure neben dem ope exceptionis hier viele
Anstände hervorgerufen (Brinz: d. Compens. S. 4. 9. 82 ff.).*)
Christiansen stellte in seiner Wissenschaft der römischen Rechts*
gesohichte eine Gruppe von Zeichengestaltnngen auf; nominelle Va-
luten ohne Deckung, jedes Zeichen von anderer Valuta; und in
schwächeren Potenzen in seinen Institutionen. Forderung aus dem
Kauf, und Forderung aus dem Dar lehn, waren zwei verschiedenar-
tige Valuten, die nicht im Prozesse compensirt werden konnten
(S. 475 der Institut.). — Es war das wahr und unwahr zugleich.
Aber es war nur in einem unwahren Sinne, und dann auch nor
Lttlb wahr. Hätte zum Zwecke der Gompensation in jenem Falle
eine les judicata unmittelbar über das Kaufverhältniss und über das
Darlehnsverhältniss in demselben Prozesse ergehen müssen, so wäre
sie allerdings nicht möglich gewesen. Denn jedes Rechtsverhähniss
hätte einer andern Prozessart angehört ; und endlich kann man auch
die Rechtsverhältnisse selber nicht miteinander compensiren. Die
Verwirklichung der Handlung, welche Gegenstand einer Obligation
ist, kann an sich nicht mit der einen oder andern compensirt werden;
wohl aber die restituirende Seite der Erfüllung der Obligation, welche
das Erzeugniss jener Verwirklichung dem Gläubiger zuwendet, da-
durch, dass diese Zuwendung durch das Dasein einer andern Obli-
gation bereits vermittelt ist. Dass eine solche Seite in einer ge-
schuldeten Handlung sich findet, folgt schon aus ihrer Natur. Es
nachzuweisen, wie sie in der römischen Obligation hervortritt, ist
*) Neuerdings sagt Brins, iti d. Jahrb. d. gern, deutsch R. v. Bekker
und Mut her I. S. 33 ff.: et wird ipso jure compensirt, d. h. die Forde*
Fangen wS^en sich tuf, aber es wird nicht ipso jure f^e tilgt. — Das hiesss
also: „sie bieten sieb ipso jure Schach, werden aber facto hominis getilgt.'
Ginge aber die Sache diesen Gan^;, so mUsste es umgekehrt heissen: sie bie-
ten sich ipso fucto Schach, werden aber jure hominis getilgt. Denn
das Tilgende muss doch im jus wohnen. Die Sache wird sich also nicht
anders auffassen lassen, wie oben geschehen.
Wlndtcheid: Die Aelio dei rOmitclien Civilreehto etc. 407
hiff lueht der Ort. Hier mnes Nachfolgendes genügen. Jedes
Beehisfttrhältniss ist seinem Träger, dem Berechtigten! ansscbliess»
lieb angeeignet, und kann so wenig von ilKn einem andern als ihm
TOB einem Verpflichteten als Zahlung angerechnet werden. Die Za-
itiode aber, welche aus dem Dasein der Rechtsverhältnisse entsprin-
ges, stehen im Gebiete des Rechtsverkehrs ; nnd der römische Pro-
iMi bat Mittel f^efunden, weiche die Benutsung solcher ZustKsde
auch in dem Prosesse gestatten, dessen Kiagegestaltnng unter der
Herrschaft des RechtsYerhaltnisses steht (Arcb. f. c. Prax. XXXV.
S. 101). Cbristiansen's Satz war also unwahr. Dass Paulus
R. S. II. 5. §. 3; eine besondere Belehrung darüber gibt, dass
aach ex causa dispari compensirt werden könne, erklärt sich aus
dem Gesagten, ohne jenen Satz zu unterstützen. Dernburg: die
Compensation nach röm. R. S. 19; erklärte jenen Satz für unrich-
tig, gab aber der Compensation eine so anomale Gestaltung, dass
»e noch beschränkter würde, als jener Satz sie einzuschränken ver-
möchte, indem er sie als eine Anomalie bebandelte. Demnach fand
er die Ansicht, dass die Compensation im stricti juris Judicium sich
anders gestaltet habe, als im bonae fidei Judicium (Hasse: Ardiiy.
t e. P. VII. S. 16ff.; Bethm. Hollweg: Rhein. Mus. I. S. 360;
Brinz a. a. 0. S. 31; Schenre: Beitr. S. 151) im Widersprudi
Bit der geschichtlichen Entwickeiung des römischen Rechts; und
tteiote, dass die Compensation ipso jure eintrete; heisse nur, dass
aie nicht von besonderen Umständen abhängig sei (S. 67 ff. 179.
313). Der Unterschied zwischen Dernburg's und Knntze's
Auffassung ist bloss der, dass letzterer den Inhalt des Recbtsver-
lAitnisses statt des Rechtsverhältnisses setzt, und damit den Einfluss
^ Gestaltung des Rechtsverhältnisses beseitigt. Die Erfolge davon
lisd aber allerdings verschieden. Dernburg wird von der Aus*
Bchliesslichkeit des Angeeignetseins des Rechteverhältnisses an den
Berechtigten, genirt. K. hat von diesem Hindernisse durch die Ein-
ftttaltigkeit des Vermögensstoffes sich frei gemacht. Dadurch hat
er den Vortbeil errungen, ganz unbefangen die Auffassung als nn-
gCDägend bezeichen zu können : dass die Correalobligation eine ein-
zige Obligation mit mehrfacher subjectiver Beziehung sei (a. a. 0.
S. 118 ff.), um als Vervollkommnung die Fassung an deren Stelle
zu setzen: Eorrealität ist Einheit des Inhalts bei einer simul-
Uoeo Mehrheit von Obligationen (a. a. 0. S. 147); und der wei-
tere Vortheil, den, der die Zahlung einer fremden Schuld übernimmt,
all den Uebernehmer dieser Schuld , und auch noch überdiess als
eiaen Correus des ersten Schuldners (a. a. 0. S. 332 ff.) aufstellen
ZQ können. Denn der Inhalt der Obligation ist ihm verschieden
m der Obligation, der Schuldsustand, der der Obligation anhängt,
ist ihm der Sitz des Vermögensstoffes der zur Erfüllung dient ; aus
te der Gläubiger ihn fordert, wo er ihn findet Wenn man ein-
wendet, er habe durch die Uebernabme der Schuld aufgehört, bei
desi ernten J5chuiduer zu sein; so kann er entgegnen: nein, er ist
408 Windfeheid: Die Actio des römifehen CiTilrechlf «te.
anch noch hier, denn Correalitfit ist ja Einheit des Inhalts; and
wendet man ein : wie kommt denn der Olänbiger, der nnr Kne Obli-
gation contrahirt hat, dasn, aus mehreren Schnldnersitsen fordern n
können; so darf er entgegnen: Correalitttt ist Mehrheit der OkM-
gationen. Sagt man ihm femer: aber es soll doch diese Mehrheit
eine simultane sein, und hier tritt der Uebemehmer ja erst spitsr
hinsu, die Gleichseitigkeit ist also eine bloss factische ZnfUigkdt,
und nicht, wie bei der Gorrealobligation eine rechtliche Wesenheit;
so kann er wiederum entgegnen : das ist doch wohl klar, dass solche
Unterschiede mich nicht angeben ; ich habe ja schon den Stoff der
Erfüllung mit dem Inhalte, und die Zahlung mit der Schuld ver-
tauscht. Dass dann doch in der Tbat die Obligation nicht ezistire,
wagt man schon nicht mehr eu sagen, nachdem man so abgefertigt
worden ist. Die Vertauscbung hat aber immer durch Identifidrung
▼on Zahlung und Schuld die Obligation getilgt, den Stoff dem Gläu-
biger zugeeignet, und den Schuldner zu einem Stuck loskäoflichen
Leibeignen, zum Geisseimanne, gestaltet. Man könnte zwar das
Verhältniss auch anders ausdrücken. Allein das, was darin liegt,
würde, wenn es verstanden worden, nicht in einem so vielfach ge-
falteten Gewände versteckt worden sei, wie es bei K. ausgebreitet
wird. Es ist immer nicht die Obligation des Justinianischen Rechts,
▼on der K. die Unübertragbarkeit herüberniromt; für die, bei dem
eben bemerkten Ergebnisse, gar kein Grund vorbanden wSre. Da-
hingegen müsste der Uebergang der passiven Seite entweder aos-
geschloBsen oder mit Befreiung des ersten Schuldners verbunden sein;
jenachdem man den Sitz des Stoffes als von dessen Person unzer-
trennlich betrachtete, oder nicht Nur im letztern Falle könnte von
einer Succession die Rede sein. Denn ein Nachfolger kann nnr dt
sein, wo ein VorgKnger hinweggefallen ist. Eine Succession, wie
K. sie aufstellt, bei der ein Nachfolger neben dem Vorgänger steht,
ist keine Succession. Und obgleich er dieses Verhältniss mit dem
Gorrealverhältniss identificirt, so will er doch auch die Succession
retten, und verwirft, vom Standpunkte der Succession aus, das £r^
forderniss der Zustimmung des Gläubigers (S, 324 ff. 384). Allein
warum muss denn hier eine Succession sein? und hat denn E. es
überall zu einer Succession gebracht? Es bleibt für ihn ja der
Rechtsstoff bei dem Vorgänger hängen. Und wenn dies der Fall
ist, ist dann der Personenwechsel auch eine Succession? Kehren
wir nun zu unserm Verf. W. zurück, so meint er seinerseits : wenn
eine Uebertragung der Schuld stattfinde, so müsse auch der Ueber-
tragende frei werden (S. 214), man müsse aber die Einwilligung
des Gläubigers dazu fordern, und dürfe es, weil dadurch der Be-
griff der Succession nicht aufgehoben werde (S. 208). Man sei
berechtigt, vom römischen Rechte zu erwarten, dass es die freiwil-
lige Uebeirtragung der Schuld ausgesprochen, man finde sich aber
in dieser Erwartung getäuscht (S. 203). Also, Succession um jeden
Preis I Dass wenn sie stattfindet, der Uebertragende befreit wer-
Windicbeid: Die Actio des römischen Civilrecbls etc. 409
dei muis, ist riebtig, und daM der Consent des Berechtigten deren
Erfordemiee sein kann, ohne sie sufsubeben, ist dann richtig, wenn
.Miieh nicht am eine Obligation, sondern am ein Eontiesches
Ersengniss handelt. Ist die Forderang eine Berecbtigang dinglicher
Art, so l^ann der Wechsel der Inhaber des Stoffes, welche durch
dtssen lanebaben dem Berechtigten dienstbar werden, ron dessen
BnwilHgong abhängig sein, ohne dass der Wechsel die Eigenschaft
der Snccewion yerllert Ist aber die Forderang persönlicher Art,
10 bedarf ein Gegenstand derselben immer des Eraeagens dorch
eine Fordernngsbegründang, und kann nar eine cuklinftige ThXtig*
keit der Person sein , welche durch Forderongsbegrfindung ihre Tbl-
tigkeit cum Gegenstände des Forderoogsrechts gestaltet hat. Hier
kann eine Einwilligung des Gläubigers als solche Rlr das Auf-
treten eines andern Schuldners von gar keiner Wirksamkeit sein,
aondem nur dann, wenn sie einen Forderungserwerb begründet, eine
Wirksamkeit solcher Art äussern. Und da das röro. Recht das For-
derungSYerbältniss als ein persönliches ansieht, bat W. sich in seiner
Erwartung Yon demselben getäuscht gesehen.
Er meint nun zwar, dass die Frage von der Schuldübemahme,
wenn man „strenge^ sein wolle, ^eigentlich'' mit dem Rechte der
Aetio in keinem Zusammenhange stehe, aber so nahe (wem?) Hege,
nd eine so brennende Frage des Tages sei, dass deren Umgehen
Khier Schrift tum Vorwurf gemacht werden könne (S. 208). Dass
der Verf. etwas umgangen haben sollte, was gar nicht su seinem
Gegenstände gehörte, db'rfte doch wohl nur ihm eingefallen setai.
Da wo die Frage brennt, ist es aber jedenfalls nicht Tag, und so
wird es denn su erklären sein, dass die Frage der Schrift des Verf.
sähe liege. Dass nemlich ein Schuldner sich nicht dadurch von der
Schnid befreien könne, dass ein anderer sich ihm verpflichte, seine
Schnld so tilgen, und dass nur dann, wenn er dies könne, eine Sin*
fehrsuccession in eine Schuld ermöglicht sei; das kann zu einer
Frage nur im Zustande der ersten Regung der unerweckten Rechts-
aMefaaoung sich gestalten. Sie wird aber dann allerdings nicht bei
Gelegenheit des Erscheinens der Actio, sondern bei Gelegenheit des
Eneheinens der Obligatio sich anfwerfen. Wenn nun, wie bei dem
VerU, die Actio eben nur der Ausdruck der Obligatio ist, so hört
^ Frage ja aber doch snm Rechte der Actio. Jenes Bedenken
IM also, vom Gesichtspunkte des Verf. ans , unbegründet Diesen
Aasdmck will er indess aus der Gegenwart verbannt, und in die
Beditsgeschichte verwiesen wissen, weil die heutige (wessen ?) Rechts-
ttsdiauung es nicht erfassen könne, dass eine Klage auch ein An-
Vmeh sei, also dass es auf eine Verschiedenheit der Klage an-
koouBe, wenn man überhaupt nur eine Klage habe, was dann von
te Rechte abhänge (S. 938 ff.); und weil das Klagerecht sich erst
^veh die Weigerung gestalte eine Leistung zu macheu, oder eine
Verletsnng wieder aufsubeben (S. 222). Ob eine Anschauung die
iHcht erfasse, dass: wenn man eine Klage, oder wie der Verf. will:
410 Windfcheid: Die Actio des rdmiacfaen Civilrechti etc.
einen Ansprach, habe, es nicht ^leich^ültif? sei, wi« man klag«;
eine Recbtsanschauung sei, und wer sie habe; kann dahin gesteUt
bleiben. Sie würde ToraosseUen, dass man nicht «i sehen yermogte,
wie eine Absonderung der Klage Tom Ansprache, und die daraus
entspringende Selbständigkeit der Klage, den gesammten übrigea
Inhalt des Rechts aal die Verrichtung eines Mittels für das Gestal-
ten der Klage zurückfOhren miisste ; und dass jene Weigerung nicht
das Klagerecht gestalte, sondern nur die Qaantit&t des Gegenstandes
desselben und sein Dasein su bestimmen und su begründen ver-
möge. Der Verf. beruft sich indess für seinen Gesichtspunkt auch
darauf, dass man eine Actio haben könne, ohne ein Recht an ha-
ben, and bemerkt, die Actio sei nicht da, durch das Recht, sondern
darch die ThStigkeit des Magistrats, der dabei, wenn auch nicht
willkürlich, doch nicht geradezu nach den Vorschriften des Rechts,
sondern in Anericennung einer Ordnung der Dinge verfahre, welche
er durch seine Thätigkeit sur Rechtsordnung mache (S. 4 ff.), und
sagt ferner, dass wenn die Römer auch aus der Verletzung eines
dinglichen Rechts eine Actio entstehen Hessen, dies eben nur da-
her rühre, weil, sie überhaupt von Gericht sprächen, wo wir (?)
^Recht^ sagten (S. 922ff.> Der Verf. will nun nach dem Titel
des Buches die Actio des röm. R. vom Standpunkte des heuti*
gen Rechts darstellen. Diese Selbständigkeit der Actio, die ans
diesen Bemerkungen hervortritt, soll aber doch wohl römischer Stand-
punkt sein. Sie ist aber ebenfalls vom Standpunkte des beutigoo
Rechts des Verf. vorhanden. Hat demnach der Verf. in der That
eine Verschiedenheit der Standpunkte aufgefunden? Der Kern
seiner Meinung wird der sein: der Inhalt der römischen Rechtsaof-
Zeichnungen, den wir als Rechtsregeln ansehen, hat seine Gestaltung,
sei es nun ganz oder theilweise, durch das römische Actionenrecht
empfangen. Weil wir nun angegebenermassen die Sache ansehen,
sollen wir statt von Actionen, von den Wirkungen ihres Daseins,
als von Rechten reden. Abgesehen nun davon, inwiefern dies der
Sache nach schon lange geschehen sein möchte, stellt diese Moti-
virung das Verlangen des Verf. als ein lediglich auf die Ausdrucks-
weise gerichtetes dar. Der Verf. will aber auf den Uebergang der
Actio den Uebergang des Rechts gründen oder doch wenigsten je-
nen und diesen, oder jene und dieses, ohne dass ein anderer Zweck
dafür hervortritt, mit einander identificiren (S. 146 ff.). Ist nos
dieses Recht die Wirkung der concreten Actio, die aus der Weige-
rung der Leistung oder der Wiederaufhebung einer Verletzung ent-
springt, und vom römischen Magistrat gestattet wurde; so ist jener
Uebergang unzweifelhaft. Allein die Wirkung des Daseins der Actio-
nen ist nur 1. die Möglichkeit der Wirkungen der concreten Actio-
nen. Nach ihr kommt 2. die Verwirklichung dieser Möglichkeit
fBeides im Rechtstoffe Kuntze's enthalten.) Dann kommt 3. die
Actio, und endlich 4. die Wirkung der Actio (der Vermögensstoff
Kuntze's), werde sie nun hervorgerufen durch die MögUchkett
Wiadicheid: Die Aclio def rOmiicken CivilreehU etc. 411
des Gebraaeba der Actio oder durch die Wirklichkeit des Oebraaches.
Uentifieirt man noa 2 ood 4, die Obligation and den Stoff den die
Actio mit ihr verbindet, so wird in Verbindang mit dem Satae dei
VerC^ daes die uülie actio des Cessionars dessen eigne sei (S. 126 iL);
dieseno, mit 4, aach 2, die Obligation, angewendet, und, wenn die
Actio kl die Rechtsgeschicbte verwiesen ist, so kann sie dem nicht
mehr entgegenstehen. Für die Gegenwart steht sie nicht mehr swi-
sehen 2 nnd 4, trennt also auch beide nicht von einander. Es soll
aber der Cessionar das Recht eines solchen erst durch Ergreifung
des Besitzes der actio erwerben (S. 135 ff. 141 ff.). Wird er das
SQch können, wenn die actio in der Rechtsgeschichte ist? Und
wenn das nicht gebt, wie soll man dann noch cediren? Das geht
dann off'enbar nicht mehr. Man muss dann die Forderung alieniren,
wenn ein anderer sie haben soU. Auf diesem Standpunkte stand
die Praxis vor Möblenbruch. Sie cedirte so gut dingliche Rechte
als Forderungen, weil sie unter: Cedireo, eben nichts anders ver*
stand, als das Alieniren. Ist dann das, was alienirt wird, das Rechts-
rerhSltniss der Obligation, so muss es auch dem Schuldner alienirt
werden können, ohne dass es untergeht Abgesehen davon nnn^
dass das, was bei der römischen Obligation durch die Zahlung alle«
Hirt wurde und dabei durch Confusion unterging, aunächst etwas
anderes war, als jenes ReciUsverbältniss; so würde das wiederum
au einer Ueberstimmung führen mit der Auffassung von K., dass
jene Confusion eine ^^mehr oder minder willkürliche^ ... „nationeil-
doetrinaire Anschauungsweise' der Römer sei (S. 336). Von jenem
Standpunkte der Praxis jener Zeit aus, ist aber der, welcher eine
Qtilis actio hat, also durch Zif. 1, die Rechtordnung, eine solche
empföngt, gar kein Cessionar mehr, sondern ein Urgläubiger. Jene
atilis actio kann also auch kein Argument mehr dafür sein, dass
der Cessionar eine eigne actio habe. Er kann dann keine andern
haben, als die des Cedenten. Er ist dann wieder blosser Mandatar,
wenn er nicht das Recht des Cedenten hat; und dieses soll er
nach der Auffassung des Verf. nicht haben, sondern mit eigner Actio
eignes Recht. Wenn nun dies der Standpunkt des heutigen Rechts
Bein soll, von dem aus der Verf. die römische Actio betrachtet haben
will, 80 ist ihr Wesen der Cession ganz fremd, weil sie es nicht
ist, was eedirt ist. Und wenn nun auch vielleicht der VerL die
Beiähigang besitzt auf diesem Standpunkte su stehen, nnd zugleich
die römische Actio zu sehen; so muss doch von diesem Standpunkte
die Actio eine andere Gestaltung haben als die römische. Sie soU
^r vom römischen Standpunkte aus, der Ausdruck des Rechts und
anstatt desselben gewesen sein (S. 3), und das muss sie auch noch
vom Standpunkte des heutigen Reclits aus sein , wenn eben darauf
^ade der Uebergang des Rechts de^ Cedenten auf den Cessionar
öeruhen soIL Dieser Uebergang scheint ja doch dem Verf. von
beiden Standpunkten aus derselbe zu sein. Demnach ist der Stand-
punkt des heutigen Rechts wiederum der des römischen. Und dür-
4iO Windicbeid: Die Actio des rOmucfaen Civilrechts ete.
einen Ansprach, habe, es nicht ^leich<rültig sei, wie man kiagi
eine Rechtsanschauung sei, und wer sie habe; kann dahin gestal
bieibea. 8ie würde voraasseUen, dass man nicht xu aeheo yerm^gt
wie eine Absonderung der Klage vom Ansprüche, und die daia
entspringende Selbständigkeit der E^age, den gesammten übri^
Inhalt des Rechts auf die Verricbtong eines Mittels fSr das Geiti
tan der Klage znrückfOhren müsste; und dass jene Weigeraognic
das Kiagereoht gestalte, sondern nur die Qaantit&t des Gegenstand
desselben und sein Dasein zu bestimmen und au begründen t
mög^ Der Verf. beruft sich indess für seinen Gesichtspunkt
darauf, dass man eine Actio haben könne, ohne ein Redit loj
ben, und bemerkt, die Actio sei nicht da, durch das Recht, bod
dureh die ThMtigkeit des Magistrats, der dabei, wenn aucb
willktirlicb, doch nicht geradezu nach den Vorschriften des
sondern in Anerkennung einer Ordnung der Dinge verfahre,
er durch seine Thätigkeit zur Rechtsordnung mache (S. 4£),^
sagt ferner, dass wenn die Römer auch aus der Verletzung
dinglichen Rechts eine Actio entstehen Hessen, dies eben
her rühre, weil sie überhaupt von Gericht sprächen , wo
^Recht^ sagten (S. 222 ff.). Der Verf. will nun nach dem
des Buches die Actio des röm. R. vom Standpunkte des hs|
gen Rechts darstellen. Diese Selbständigkeit der Actio,
diesen Bemerkungen hervortritt, soll aber doch wohl römischer Si
pnnkt sein. Sie ist aber ebenfalls vom Standpunkte des beü
Rechts des Verf. vorhanden. Hat demnach der Verf. in dw
eine Verschiedenheit der Standpunkte aufgefunden? Der j
seiner Meinung wird der sein: der Inhalt der römischen Recht
seichnungen, den wir als Rechtsregeln ansehen, hat seine Gestal
sei es nun ganz oder theUweise, durch das römische Actionea
empfangen. Weil wir nun angegebenermassen die Sache ani
sollen wir statt von Actionen, von den Wirkungen ihres Dai
als von Rechten reden. Abgesehen nun davon, inwiefern diei
Sache nach schon lange geschehen sein möchte, stellt diese f
virung das Verlangen des Verf. als ein lediglich auf die Ausd
weise gerichtetes dar. Der Verf. will aber auf den Ueberg
Actio den Uebergang des Rechts gründen oder doch wenigste
nen und diesen, oder jene und dieses, ohne dass ein anderer ZI
dafür hervortritt, mit einander identificiren (S. 146 ff.)* ^M
dieses Recht die Wirkung der concreten Actio, die aus der W|
rung der Leistung oder der Wiederaufhebung einer Verletzoog | , '':
springt, und vom römischen Magistrat gestattet wurde; so 1^1;*^
U«bergang unzweifelhaft. Allein die Wirkung des Daseins der M «>
nen ist nur 1. die Möglichkeit der Wirkungen der concreten Ai V
neo. Mach ihr kommt 2. die Verwirklichung dieser Mögliehl 11
fBeides im Rechtotoffe Kuntse's enthalten.) Dann kommt 3..i -^^
Actio, und endlich 4. die Wirkung der Actio (der Vermögeoii %
Knntze's), werde sie nun hervorgerufen durch die M(iglica<vj^
WJBdfcfcei4 : Die Acito des rOoMfchen Ctvilrecbt« ele.
^ Mraudw der Actio oder durch die Wirklichkeit des Gebr«
man nm 2 and 4, die Obligation und den Stoff d
1 jDJt Ifar Terbindety so wird In Verbindang mit den Selj
aus die atilie actio des Cessionars dessen eigne eei (S. 1'
B, mit 4, auch 2, die Obligation, zugewendet, und, wei
iß die Bechtsgasehlcbta verwiesen ist, so kann sie dem
entgegeastehea. Für die Gegenwart steht sie nicht meh
2 nnd 4, trennt also aach beide nicht von einander. I
der Ceeaionar das Recht eines solchen erst durch Ergn
|fiesitxes der actio erwerben (S. 135 ff. 141 ff.). Wird c
können, wenn die actio in der Recbtsgeschichte ist?
^^ das nicht geht, wie solt man dann noch cediren? Das
^ j^^ft offenbar nicht mehr. Man muss dann die Forderung alie
j^ i^^^ ein anderer sie haben soU. Auf diesem Standpunkte
vor Möhlenbrnch. Sie cedirte so gut dingliche fi
Forderungen, weil sie unter: Cediren, eben nichts anders
als das Alieniren. Ist dann das, was alienirt wird, das Ri
Itniss der Obligation, so moss es auch dem Schuldner a
können, ohne dass es untergeht Abgesehen davon
\ das, was bei der römischen Obligation durch die ZaUuni
iisd dBbei durch Confusion unterging, snnSchst <
w»/; sIb jenes Rechts verbäitniss; so würde das wied
Ueberstimmung führen mit der Auffassung von K.,
ifasion eine „mehr oder minder willkürliche^ ... ,,nati«
Anschauungsweise' der Römer sei (S. 336). Von j
ikte der Praxis jener Zeit aus, ist aber der, welcher
Fnctio hat, also durch Zif. 1, die Rechtordnung, eine s
t, gar kein Cessionar mehr, sondern ein UrglSubiger.
io kann also auch Icein Argument mehr dafür sein,
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' Recht. Wenn nun dies der Standpunkt des heutigen R
von dem aus der Verf. die römische Actio Leu achtet li
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^!!!iv^ der des römischen, t
s des heutigen Beeb» ^
414 WIndbcheM; Die htiw iIm rOmiieheD Civflredils etc.
SO hat er allerdings Recht, wcdd er sagt, dass die Actio nicht ren-
j^ren könne, dass man statt Verjährung der Klage sagen müsse:
Verjährung des Anspruches (S. 27 ff.)« Allein wir haben gesehen,
dass der Verf. es geläugnet hat, dass die Actio Ausfluss eines
Rechts sei. Bei dem Uebergange der Actlonen auf die Erben aber
sagt er: Actionen die nicht Ausfluss eines Rechts seien, seien die,
denen der Uebergang auf die Erben versagt sei, und diese seien
keine Actionen in seinem Sinne (S. 27 ff.). Dann gibt es ja aber
gar keine Actionen in seinem Sinne. Und wenn die Actio so
selbständig ist, wie der Verf. sie in jener Trennung behandelt, wie
kann denn ein Uebergang auf die Erben erforderlich sein? Jeder-
mann hat ja jede beliebige Klage. Und wozu braucht denn eine
Klage cedirt zu werden, warum muss sie sogar Gegenstand einer
Besitzergreifung des Cessionars werden, damit dieser sie erwerbe?
Und welche Klage soll es denn sein, die mit der Obligation, und
ohne dass es einer Verletzung bedarf entsteht (S. 2 ff. 41 ff.)? Je»
»er selbständige Ausdruck doch unmöglich. Und wenn dieser Aus-
druck den Römern ein Körperhaftes war (S. 229), woher empfing
denn dieser Ausdruck in jener Abtrennung die Körperhaftigkeit.
Diese Zerklüftungen in den Ausführungen uns. Verf. stellen es
in Frage, wie sich ein Interesse daran knüpfen kann, überall auf
sie erazugehen. In der gegebenen Zusammenhaltnng mit anderen
Aasführungen, ist dieses Interesse dieses, dass sie als eine Extre*
mität des Bruches erflcheinen, der in mehreren Schriften, über die
theilweise in dies. Jahrb. berichtet worden, sowohl den Rechtszeug-
nissen gegenüber, als auch, und insbesondere, im Verhältnisse m
dem Leben des Rechts in der gesellschaftlichen Bewegung, sich be-
merklich macht. Das ohnehin mangelhafte Band zwischen der Theorie
und jenem Leben des Rechts, wird in ihnen gradezu zerrissen. Das>
jenige, was in jener Bewegung dem Rechte ein Dasein gibt, besteht
in der Kraft der Anschauungen, welche sie hervorruft, den Rechts*
gestaltungen eine Wirksamkeit beizulegen, eine Kraft die mit dem,
was man Staat und Gesetzgebung nennt, sich verbinden muss, wenn
diese überhaupt ein Dasein haben sollen. Unabhängigkeit des Rechts
von dieser Kraft ist der Standpunkt den Gerber (s. dies. Jahrbb.
Jgg. 1853. S. 180 ff.) und Ihering (s. dies. Jahrb. Jgg. 1852.
S. 842 ff.) in verschiedener Weise eingenommen liaben. Schmidt
(s. dies. Jahrb. Jgg. 1853. S. 180ff.) -itiachte einen Seitensprung
zur Sittlichkeit Wenn Windscheid (S. 161) meint: die Quellen
kennten zwar ein Vermögen, aber keine vermögensrechtliche Per-
sönlichkeit; so hat er ein leeres Gewand ohne einen Träger. Das
ist nun nichts besser, als das Rechtssubject Ihering's, das ohne
R^efalsnorm die es schafft, und ohne die Bekleidung die die Aner-
kennung <ler Gesellschaft ihm mittheilt, als blosses Skelett da steht
I>a8selbt'' findet sich in dem engern Kreise einzelner Institute in den
"vorhin b^erührten Schriften, die durch deren Entkräftung eine Bahn
^ek brecU^i>7 ^^^ ^^ °^° durch Entfernen oder durqb Zerstückela
WiBiMheM: Die Actio dM rdidMhra CiTilraehü ele. 415
dar fcraittrageoien' El«meste. Im Gebiete der e. g. proiewoaliedbeD
CewoiDtioii, stellt der Hergang davon in dem vorliin Gesagten sich
bereits in seiner gansen Einfachheit heraus. Im Gebiete der Oblir
iraftien lässt er sich in gleicher Einfachheit erfassen, hat indess hier
das Unterscheidende, dass cum Theil der Gedanke hervortritt, als
eb die römische Obligation und die deutsche Forderung dieselbe
Natur mit einander theilten. Dass der römischen Obligation, als
dem Angeeignetseiu einer fremden sukünftigen Handlung, eine Zu-
stSndlichkeit com Gmnpre liege, die dieser Idee eine Wirklichkeit
verleihe, folgt aus der Beschaffenheit dieser Idee, so lange man ihre
Wirkliehkeil nicht in Abrede stellen kann. Denn sie vermag diese
aur durch eine solche Zuständlichkeit lu empfangen. Gang abge-
sehen nun davon, dass das Dasein dieser Idee in den römisclien
Rechtflieugnissen sich ausgesprochen (Zeitschr. f. Givilr. u. Pros. N.
F. IX. S. 124 ff.), und in der Gestaltung des Formelprozesses ihren
Aasdraek findet (Archiv für civ. Praxis XXXV. 8. 101 ff.), so wie
ebenfialls davon, dass in der Gestaltung des Vermögens der Person
als pecunia, der vermögensrechtliehen Persönlichkeit, und der Vei^
liaftung derselben durch das nexum, sich die stoffhaltige ZnstJted-
liebkeit seigt, welche jene Obligations*Idee verwirklicht (Arch. f.
elf. Praxis XXXV. S. 406 ff.); so hätte schon allein der Dualis^
mus, der in der Compensation , in der Ausgleichung der Stoffseite,
die ipso jure, und in der Solution des Rechtsverhältnisses der Obli-
gation, die, wie es ausgedrückt wird, facto hominis geschieht, sich
seigt; es berausfltellen müssen, welche Verknüpfung in dem römi-
icben Fordeningsverhältnisse wohnt. Auf einem Ueberseben dieses
Dualismus beruht es, dass Brinz krit. Blätter Nr. 2. (1853) S. 3ff.;
die Obligation von der in ihr liegenden Macht unterschied, und darin
einen Grund fand, es zu bestreiten, dass sie eine künftige Ilandiung
■am Gegenstande habe. Knntze trat ihm darin entgegen (S 4 ff.).
Indem er aber, wie erwähnt, die Obligation in Rechtsstoff und Ver-
mogensstoff zerschlug, und diese Stücke in umgekehrter Ordnung
wieder zusammenfügte, fiel ihm die Handlung auf die Seite. So
ftnd er kein Hinderniss mehr, die passive Korrealobligation als eine
Embett aufzufassen, ohne die Mehrheit der Obligationen zu beseiti-
gea, bei der Novation den Stoff einer alten Obligation in eine neue
Mnübergefaen zu lassen, ohne beide Obligationen als identisch an-
zusehen, und eine Uebernahme einer fremden Schuld ohne ein Con-
trahiren mit dem Gläubiger zu vertheitigen (S. 147. 242 ff. 332 ff.).
Darin fand er, wie es scheint, ein ^Schwungbrett^ zu der lieber-
tragbarkeit einer Forderung deren Uebung den Cessionar zum Cor-
realgläubiger neben dem Cedenten macht (S. 331). Zu einer glei-
chen Uebertragbarkeit der Schuld ohne Zustimmung des Gläubigers,
war der Schwung zu schwach (S. 333). Kr reichte nur so weit,
der Schuld desjenigen, der sie von dem Urschuldner über-
nommen, eine solche Uebertragbarkeit beizulegen (S. 337). Man
sollte nun denken: wenn die Forderung übertragbar wäre, so könnte
416 WMfchetd: Die Actio des rttmisehen Ciyilrediti ete.
nicht auch sogleich die Schuld tibertragbar seiu. Denn wenn die
Personen der Schuldner eben so wechseln können, wie die der GlSa-
biger ; so gebt die Forderung überall gegen keinen bestimmteo Schuld-
ner; und der, dem die Forderung übertragen wird, bekommt nichti
weiter, als eine Anweisung auf einen Schuldner, die nur so lange
Werth hat, als sich noch jemand findet, der sich dazu bequemt
Schuldner geworden und geblieben zusein; also gar keine For-
derung. Denn wenn die Schuld übertragbar ist, so wird mit der
Schuld auch die Berechtigung des Schuldners, sie zu übertragen,
existent. Und das führt zu dem obigen Resultat, sei nun beides,
nemlich Schuld und Berechtigung des Schuldners, getrennt oder un-
zertrennlich. Im erstem Falle sagt der Schuldner zur Verfallseit:
ich kann nicht beklagt werden, weil ich Zeit haben moss um meine
Berechtigung auszuüben, statt der Zahlung einen andern Schuldner
zu stellen, ohne dass dagegen etwas eingewendet werden kann. Im
letztem kann ihm zwar dagegen eingewendet werden: dass mit
dem Verfall die Berechtigung erloschen. Dann hat aber der Schuld-
ner die Antwort: ist dies, so ist auch die unzertrennlich mit ibr
verbundene Schuld untergegangen. Wenn nun diese Berechtigung
die Schuld wäre, so könnte man freilich mit Delbrück a. a. 0.
.S. 71. 117, auch die Schuld als ein besonderes Stück für sich und
das Passivvermögen auch als ein Vermögen betrachten, und Ge-
schäfte, die ohne selbständige Schuldübertragung nicht gemacht wer-
den könnten (ebendas. S. 27), wären dann solche, bei denen der
Schuldner als ein Berechtigter gegen einen dritten Gläubiger, den
geschuldeten Stoff mit einem andern verwechselte. Dann verhielte
es sich aber mit Delbrück's Schuld und Forderung grade eben
so, wie mit Windscbeid's heutiger Klage. Alles wäre nur Schat-
ten; was auch Gegenstand der Gession wäre, es würde immer nnr
ein Schatten cedirt, und die Haftung des Cedenten de nomine vero,
wäre eine Haftung für einen wahren Schatten. Die Forderungen
wären dann sammt und sonders gleich Papiergeld ohne Deckung der
Valuta, es sei denn, dass der Cedent schlechthin Schuldner für den
Betrag der cedirten Forderung würde, für den Fall, dass kein an-
derer bereit wäre sie zu zahlen. Durch diese Zuthat gelangte man
aber gradezu zum Werthpapier in der Gestalt des Wechsels (Arch.
f. deutsches Wecbselrecht I. Nr. IX.), und wenn man sich der Form
des schriftlichen Wechsels nicht bediente, zu einer Verbürgnng fOr
eine eigne Schuld, die im Gebiete der römischen Obligation keine
Wurzel zu finden vermag, weil die Bürgschaft hier Intercesaion für
die Schuld anderer ist.
(Schluu folgt,}
Ir. n. BEIDELBERGER MSI.
jahhbOgheb der literator.
Windscheid: Die Actio des römischen Civilrechts etc.
(Schlaff.)
Di6M Zuthat fehlt aber nicht allein, sondern auch die Haftung
des Cedenten de nomine vero muss bei der Knnt feschen Cession
hinwegfalleo, weil unter Correalgläubigem eine solche Haftung nicht
besteht Die Kuntsescbe Schnldüberweisung , oder s. g. pauivo
Ceasion, weicht indess der Wechselgestaltung durch die Schöpfung
einer derivatiTen Correalobligation aus, welche die Einreden und
Aecessionen der Urcorrealobligation bei der derivirten Correalobliga-
fion erbSit (S. 330); aber nachdem ihm die Urschuld untergegan-
gen und, wie bereits bemerlLt, an deren Stelle ein Oeisselverhältniss
gesetzt ist. Während er so ein altgermanisches Schuldverhiltniss In
die nenrömische Obligation hineinbringt, macht er die Annahme eines
Wechselbriefes sn einer Novation, und die Novation zu einer Tll-
gvng (S. 256 ff.). Wenn nun ein VerkSufer um den Betrag des
Kaufpreises einzuziehen, von dem Käufer eine Tratte nimmt, so
bst er sich ein Mittel geben lassen um seinen Kaufpreis zu bekom-
SMo ; woraus folgt, dass er seine Forderung aus dem Kaufe behalten
htt, sie aber so lange nicht geltend machen kann als er noch den
llbernommenen Gebrauch jenes Mittels auszuführen hat. Dass dies
min eine Novation des Kaafverhältnisses genannt werden kann, dass
n sogar znm Begriffe einer Novation gehört, dass das novirte Ver-
bikniss fortbestehe, well das, was untergegangen, nicht er-
»encrt ist (s. Archiv f. clv. Prax. XXXIV. S. 39. not. 2; Zeit-
Mteit f. Civilr. u. Proz. N. F. IX. S. 140 ff.), folgt aus dem Sinne
des Ausdruckes. Justinian hat zwar den Ausdruck in einem
mdern Sinne genommen, aber seinen Sinn aufrecht erhalten, in*
dem er vorschreibt: Veränderungen In den Vertragsbestimmungen
|toUen den alten Vertrag nicht tilgen, es sei denn, dass diese Tilgung
aosdrfleklich verabredet worden wäre; und indem er diese Tilgung
lorch novatio bezeichnet (L. 8. G. de novatt 8. 42). Dass die
einer Tilgung an solche Veränderungen des Zustandes der
igation sich nur dadurch knüpfen können, dass dieser Zus nd
le Gestaltung von der Handlung empüng, welche den Oegen-
' des Rechtsverhältnisses der Obligation bildete, und dass diese
iandlung durch die Veränderung jenes Zustandes eine andere wurde;
selgt sich darin, dass nicht die Entstehung eines zweiten Rechts-
'ttiiältnisses der Obligation (so des der Naturalobligation eines Sda-
^) die Tilgung bewirkte: Oaj. J. m. 176; sondern alt Veräo-
L. JiWf. 6. Heft, 17
^S Windfchei4: Pie Actio ,d^ rüip^icj^^ Civilreditf elc.
derang des Obligationscastandes, wenn auch gar dftf RechtsverhUt-
niss de^ Obli^tion nicht eDtslasd, so: wenn gar keine Handliug
des neaen Paciscenten versprochen war, weil sie erst nach seinem
Tode geschehen sollte, oder weil sie von einem VermSgensträger
versprochen war, der zwar das aotonomische commercium, aber
seinp Qfi^dlQDg nfcbt zam Gegeastande fremder Appigoung goipacht
hatte, weil die nach der Bechtsnorm dazu erforderliche tiitöns aue-
toritas gefehlt: Gaj. J. IH. 176; L. 1. §. 1. f. D. de novation.
46. 2; und wenn sie eine suspensiv bedingte Obligation L. 8. 14.
pr. D. de novation; also nur als Zustand wirksam, wenn auch als
Re,cht8verbäkni8s wirl^llch: ZeiUc^r. f. Civ. R. u. P. H. f. IX.
3. US ff. 138; und daher Veranlassung z^ verschiedßner Meinuf^g
far: Gaj. J. III. 179. Piese Verbindung ist aber, wie ausge-
führt; in djsr Behandlung ]^ nutze 's gebrochen. Er kann daher,
auch abgesehen von Justin ian's Vorschrift, in der Novation keii^e
Tilgung Qnden. Da er sie dennoch darin findet, mnss er bei seiner
jJeriyirteQ Gorrealobligation, die durch Gession entsteht, die Novation
^}xf die zigreite Cessjon beschräpfcen (S. 332. 337), um ^ie Stamsi-
Obligation und ein GorrealverbSltniss zu reiUpn. Upi ifiir diese Ver-
schiedenheit einen Unterschied zu gewinnen, bezeicjmpt er 61ß ^en-
virte dorrealobligation als eine Zweigobligaition, die er der römischen
l^tio f(djectitiae qualitatls gleichstellt (S. 330. 239 ^.), und b^trac^et
als eine solche auch 4i|3 Obligatipi) des Pripßipals aas dem Ge8ch4fte
des iÜanda^rS; während er d||3 Stampiobligation dps letztein apf
äen Grund eines pewplinheitsrechts ^l9 eine unwirksame anaiefit
(S. 289. 291). Br conßtruir^ daß Ver|)ältnis9 so: die Stl^nI^oblI-
gatipn ist pnzj^rtrennlicfi von der Person des Stellvertreteirs. Sojien
derep fVirkun^en sjch auf d^p Priucipfil erstrecken, so musa \^t eine
Z^eigolilig^tion ^beifcesellt*' werden, ^s kipp ibrp plntstehung picht
j)lqs9 durch Vertrag (Ces^ion^gpspl^äftjj sondern auch durch «pQsl-
tiyen Becfits^atz^ Verpiittelt pnd durch Entkri&flung der ap sich fort-
^l^uerndep Stanimpbligatiop ^verselbständigte werden (S. 290); i^nd
er niipipt, lyenn picjits anderes verabredet wordpn, diese Veiselbstfi«-
c(ignng und eine ^gesetzliche'^ Zyreigobligation an (S. 291 ff.) D^
Gesetz feblt. Die Gewohnheit ist da. Eß handelt sich aber dfMnm
die Rechtsidee zii erklären, dip in dpr Gewohnheit ihren Sitz hf/L
Dabei muss das Di^ein der Gewohnl^ei^ obpe Einflpss bleihen. Es
trägt sich alsQ, w^p ohne diesen Eiufluss jenes ]ßeigesellpp. be-
wirkt wird. Qa ups E^untze darüber keine Apfklärung gibt, so l^leil^t
nichts tiorig als eine Fictiop, wip siV Buchka angenommen |^^
Diese Annahme wird ipcless von Euntze yerworfen, mit der For-
mel: dass keine Rechtswirkungen sondern nur Thatsachen fingirt
würden (S. 276 ff.). Da man abier die Thatsachen fingirt um Recfi^
Wirkungen hervorzubringen, so kann man diesem Einwände dadivndi
begegnen, dass man fingirt: in der Person des Vertreters sei durch
dessen rechtliche Thätigkeit thatsächlicb der Vc^etene thät|g
gewesen, Di^nn braucht d|e Obli^atiyn nic^it i^us der Peraop d^
WiBdMk«id: Die Aette 4u rOobtiien CbflNoMi lile. 419
btetem beartbeilt m wmleB, wogegen der YerUhr üoh «tilhiben
mJI (S. 27 7 ff.). Uad erst dann wird die Fiction f«n thatsMUich
geküteui nicht wenn man fingiit, ea aei der Vertretene in Mlner
leehtiichen Eigenaeliaft thitlg gewesen, in weldMai Falle die ReehH-
wirkoi^ ja grade bei ihm anßnge, alao eben Gegenstand 4er Fiecieii
wOrde. Grade dann, wenn doroh einen nnncine confvahirt wird, itt
dw Bechtewirkong es, was fingirt wird; weil das Ausrichten einer
Betschaft an sich kein Gontrabiren ist. Eine andere Gedankenver^
teuschang bei Kuntse ist die, dass er sagt: in Eraniigehing einer
za noTirenden Obligation sei die MovmtionsstipnlatiOB niditig gewe-
sen (S. 357 ff.); sUtt: sie sei dann keine Novation gewesen. WKre
«isteres richtig, wie hfitte dann die LitisconteBtation an einem rechts-
kräftigen Urtheil fahren können? Der Nachweis, dass der Vernr^
tbeilte nichts geschoidet, bitte dann - ja immer die Litiscontestation
all nngtUtig und cüe Verartheilung als nnkräftig dargestelit. In
dieser Weise bringt er eine Verschiedenheit swisohen der römischen
Stipulation und dem Wechselvertrage heraus (8. S57), die nidit be-
itebt ; wihread die Verschiedenheit, welche besteht, die ist, dass der
WediselTertrag eine tilgende Novation deshalb nicht bewirkt,
weil er eben nur in der Schöpfung eines umsetabaren WertheS b^
Hebt, der von Verhaftungen getragen wird, die allein als Mittel die-
ser Schöpfung dienen. In der Darstellung von Kuntse erscheinen
die Wirkungen dieser Mittel als Wunder geheimer KrilAe (S. 265 it),
uad die Obligationen als dürre Stöcke, die beliebig cerbtochen und
sneinander gereiht, und als StUmme und Zweige getauft werden.
Denn dass eine Obligation, die eben nur als Mittel des Andgnens
besteht, kein Stamm sein kann, der Zweige treibt, ist Idar, weil
ein Mittel fremden Kräften dient, und keine eigne Kraft hat. Und
eine Zweigobligation miisste, als solche, doch den Reohtstoff der
Stammobligation theilen, der nach den Worten von K. bei dem
Trfiger der letztem bleibt, weshalb W. es nicht bloss, wie er g^
than, bezweifeln können, ob K. den Bechtsstoff und den Vermögens^
Stoff unterschieden, sondern auch das Gegentbell nachweisen können,
wenn w die Zusammensetsungen der Darstellung von K. sergliedert
hStte. Zu den gedörrten Obligationen Kuntze's hat WindscbOid
gedörrte Actionen hhizugefügt. In so weit bandeln beide einträdi-
tig. Die Berechtigung auf den Stoff der künftigen Handlung aber
ist dem letztem von der Obligation untrennbar, aber trennbar von
dereo Sobjecte (S. 173 ff.), während der Vermögensstoff der ObU^
gatioa dem erstem durch die Zweigobligation trennbar von der
Stammobiigatton werden könnte, wenn er tiberall mit der Obligation
noch Stoff verbunden hätte. Er findet seine Zweige biigatlon tn der
aelio adjectitiae qnalitatis (S. 249), und dass derjenige, gegen den
eine solche actio gerichtet werden konnte, sieh im ObKgatioos aus-
stände befand, einer honoraria obligatio anterworfen war: L. 1.
pr. $. 24. D. de ex»c act. 14. 1. L. 1. pr. D. de inst act. 14.
4; L. 1. L. 2. pr. D. quod COm eo fui 14. 5; L, 91. %. 5. D. dQ
420 Windioheid: Die Aelio dei rOMifcheo Civilreohtf eie.
V. 0. 45. 1; dass also die obligirenda Handlang einer Person eine
andere aus einem besondern Grunde in diesen Zustand Yersetzen
konnte, nemlicfa dann, wenn diese so angesehen wurde, als ob sie
jene statt ihrer handeln lasse, leidet Iceinen Zweifel. Dass aber eine
obligirende Handlung des Glfinbigers, wie die Gession, den Schuldner
in einen solchen Zustand versetzen könne, folgt daraus nicht, son-
dern nur, dass eine Person eine andere an ihrer Stelle bandeln
lassen kann; folglich auch der Gläubiger als solcher, sofern er den
Vertreter dazu in den Stand setzt, indem er ihn ermfichtigt gegen
die Entgegennahme der Handlang des Schuldners diesen zu liberi-
ren; und dass, wenn ein Anspruch auf eine solche Ermächtigung
gegen den Gläubiger begründet ist, der Träger dieses Anspruches
so angesehen werden kann, als ob er diese Ermächtigung erlangt
habe. Wenn nun jenes Handeln des Gläubigers eine Ausübung sei-
ne r Berechtigung ist, so muss auch das Handeln des Stellyertreten,
obgleich es dessen Handeln ist, eine Ausübung der Berechtigung des
Gläubigers sein. Der Name: Zweigobligation; kann darin nichts ändern.
Wenn es aber eine^solche Ausübung nicht sein kann, so muss der Vertre-
ter freilich die Obligation des Gläubigers haben, um jene Berechtigung
ausüben zu können. Und er muss sie haben, ehe er sie ausübt.
Er kann sie also nicht erst durch eine in der Ausübung durch KU-
genstellung oder dieselbe vertretende Denunciation liegende einsei-
tige Besitzergreifung erwerben, wie W. es will. Und wenn er dies
muss, 80 kann er vor derselben nur einen Anspruch auf die Aus-
übung haben, und durch jene einseitige Handlung gegen den Schuld-
ner sich eine Obligation des Gläubigers nicht aneignen. Um dies
zu vermitteln musste er einen Anspruch auf die Obligation haben.
Wer einen Anspruch auf ein Recht hat, der hat die Berechtigung
es sich anzueignen, und zwar mit rechtlicher Wirkung. Rechtliches
Aneignen einer Obligation geschieht durch den Gebrauch der Klage.
Dieser Gebrauch ist wieder Ausübung der Obligation. Anspruch auf
die Obligation ist also eben nur ein unbestimmter und daher unja-
ridischer Ausdruck für Obligation und Ausübung der Obligation zu-
gleich. Der Anspruch als Ausdruck der Obligation oder des Rechts
von W., und die Zweigobligation von K., sind also beide ganz das-
selbe, nemlich: unrichtige Ausdrücke für die Ausübung des Rechts.
Der Eigenthumsansprucb, den W. dem zuschreibt, dem eine Eigen-
thumsklage cedirt ist (S. 220), oder sie utiliter hat, ist nichu an-
deres und nichts besseres. Jeder Cessionar hat die Klage als ein
Mittel um den Gegenstand des persönlichen oder dinglichen Rechts
sich rechtlich anzueignen. Der erste Schritt dazu ist ein Fordern,
das Ihn in den Zustand des ausschliesslichen Aneignens setzt. Es
ist das Klagen oder Denunciiren. Sofern indess eine dingliche Klage
cedirt ist, kann die Denunciation diesen Zustand in Ansehung dee
Gegenstandes selber nicht begründen, sondern nur bewirken,
dass der Denunciat, wenn er dolo sich des Besitzes entäussert, oder
l^uf di« Klage des Cedenten dolo sich einlässt, dem Cessionar ab
Edurdt: Eriimenmcmi la Sdiiller*! Weflm. 42f
6111 Boleher ▼erhaftet wird, qoi dolo desüt possid^re. Dan in diMem
Falle die Dennndation eben so wirke, wie bei der persönlichen Klage,
wie es nach W. (S. 230) der Fall sein soll, ist unrichtig. Ehe
dieser Schritt geschehen, kann der Cedent dessen Aneignen noch
dorch seinseitiges Aneignen vereiteln, aber nicht dadurch,
dsss er sich desselben gegen einen andern begibt oder die Cession
widerruft, wie W. (S. 191. 920) will. BraeUeülioefft.
Erläuterungen »u den deutsehen KlaaMem. Dritte AbiheUung. Erläu-
terungen zu Schiller^ $ Werken von Dr. EekardU Schüler' §
Odeteagang. Die Räuber. Jena, Carl EoehhauHn's Verlag.
1856, 195 8. 12.
Der Idealismus der Philosophie und PoSsie ist durch die Rie-
wofortschritte des Realismus der Naturwissenschaft immer mehr in
den Hintergrund getreten. Es fehlt eben so sehr an neuen philo-
lophischen Weltanschauungen, als an genial produktiver Dichtkunst
Denn unsere Dichter, selbst die besten, sind im Vergleiche mit
Gotbe und Schiller und Anderen der klassischen Zeit immer
oar Dichter des zweiten Ranges su nennen. Ein unverkennbares
Zeichen der Abnahme der Poesie zeigt sich in der Zunahme von
Bearbeitungen, Erklärungen und Untersuchungen der klassischen
Dichter und einzelner klassischer Dichtungen. Die Literatur über
Göthe'a Faust ist allein zu einer ganzen Bibliothek herange*
wachsen. Man zehrt von der Vergangenheit, wenn die Gegenwart
nichts Bedeutendes bietet. Immerhin sind solche Untersuchungen,
weon sie mit Geist und Sachkenntniss geführt werden, gewiss dan-
keoswerth, und tragen zum Verständnisse einer Zeit bei, welche den
HShenpunkt in der poetischen Nationalliteratur Deutschlands bezeichnet
Nor dürfen solche Erläuterungen nicht in förmliche Schollen aus«
arten, wie v^ir sie über die alten Klassiker besitzen. Noch lebt ja
das deutsche Volk, und die Werke eines lebendigen Volkes dürfen
nicht, wie die in todten Sprachen abgefassten Schriften des Alter-
Ihams, behandelt werden. In dieser Hinsicht ist z. B. Düntzer
in seinem vollständigen Commentar zu Göthe's Faust, ohne dass
wir seinen sonstigen Verdiensten um diesen Gegenstand zu nahe
treten wollen, viel zu weit gegangen. Der Verfasser wiU nicht allein
die Dichtung, er will jeden einzelnen Satz, ja selbst die einzelnen
Worte, grammatikalische und syntaktische Wendungen u. s. w. er-
örtern.
Wir finden hier eine Masse von Dingen erklärt, die selbstver-
ständlich sind, und sehr Vieles in die allzubreite Untersuchung auf-
genommen, was nicht zum Gegenstande gehört. So erklärt Dün-
tser die Stelle im Göthe'schen Faust:
„Fttr einen Leichnam bin {eh nicht sn Raus;
Mir geht ea , wie der Katie mit der Maoa.*
4Mi Edwwtf; fiiÜtolMngeB m Sehilter*! M^iImk
dofob den g^mim. aMMdiifen BeiMte: ^Die Katse nacht steh nicbfc
a» lodte Mi&oae) Modern aa lebendige, die sie sich seihst (Sngt^
(Bd. L S* 163.)
Wenn Fausfr di» ^Bfüste der Natur^ und die „Qaellen des
I^ebens«" fisssen will, wird dazn (11 a. a. 0. S. 174) sehr überflüssig
bemeriO^ dass hier ^an kein handgreMiches Fassen (sie) zn denken
seij^ Za dec Stella» wo Mephistopheles als Podel am Penta-
gramm der Tbürschwelle „heramschnopert^, werden die Formen:
jySchnopern, schnobern, schnoppern, schnuppem, schnoben^ und„ schnau-
ben^ cur Yergjeichung neben einander g.estellt (a. a. 0. S. 212)
Z^ ,^aa3te^ wird, beigefugt, dass diese Anrede ^^^dle VokatlvXorm
des lateinischen Fauatus^ sei. Mit dem Verse:
„Hat Para^aphos wolil einstudirt*^
wird eine Untersuchung über den Ursprung „der Paragraphseichen
in, den, Lehrbüchern^ (a« a. 0. S^ 246) verbunden. Wenn Fan st
Gxetcbßu ,^eine. liebe Pnppe^ nennt, wirdbeigesetst: »Puppe ist ein
Kosewort für kleine Kinder'^ (a. a. 0» S. 266) u« s. w. Von einer
solchen Art von Erklärung selbstverständlicher oder nicht hergehöriger
Dinge, haben sich die Erläuterungen unseres Herrn Verfassers, der
sich bereita durch seine Untersuchungen über Shakespeare' s
B.amlet und über Oöthe's Tasso um die ästhetische Literatur
sßhr verdient gemacht hat, durchaus fem gehalten. Seine Erläute-
ruQgßn sind keine Gommentare, die jeden Satz und jeden Ausdruck
erklären wollen, und durch die Breite der Paraphrase ermüden, son-
dern zweckmässige, mit den nöthigen Sachanmerkungen versehene,
psychologisch-ästhetische Analysen.
Die vorliegende Schrift ist die dritte Abtheilung eines grösseren
Werkes: ,; Erläuterungen zu den deutschen Elassiborn;^ Die erste
A.btheilung enthält Göthe's Hermann und Dorothea,
Werther's Leiden, Wilhelm Meister's Lehrjahre, die
zweite Wieland.'s Oberon. Die gegenwärtige dritte um-
faflst, Schiller's Geistesgang (besser Geiatesratwickelung)
uod die Räuber. Der erste Theil: Schiller's Geistesgang
enthält meist schon Bekanntes, da dieser Gegenstand schon genü-
gend behandelt worden ist> bisweilen auch Behauptungen, welche
ebeia nur subjektive Absichten des Herrn Verf. sind, und sich nach
i^ Refer. Meinung, nicht hinreichend begründen lassen.
So möchte er mit dem Herrn Verf. (S. 6) nicht nur zwei Män-
ner nennen, deren Ideen S ch i 1 1 e r' s Genluf^ weckten und. kräftigten,
„Bouaseau in Frankreieh'' und |,KAnt in Deutschland.^ Einmai
hat der Dichter Kant erst kennen gelernt, nachdem er bereits als
Dichter aufg^reten war, und auch später hat Kant mehr anf
Schiller's ästhetische Theorie und seine Leistungen in diesem Felde,,
als auf seinen längst vor Kant's Einfluss zur Entwickelung. gekom-
menen Dichtergenius gewirkt. Erst im Jahre 1791 achrieb S c h i 1 1 e r aa
Körner: „Du erräthst wohl nicht, was ich jetzt lese? Nichts Schlech-
teres, als Kant. Seine Kritik der Urtheilskraft reisstmich hin durch
EcfttrA: KittiiteniDfea tn SMRe^i Werken. M
ilireB oeiieD, llehtvoUen nnd gfeTstreichen lohalt, and bat mir du
gitete Verlangen beig^racht, mich nach nod nach in seine Philo-
sophie hfnei^Knarbeiten. Ich ahne, dass Kant für mich kein so
nnfibersteiglicher Berg ist, nnd ich werde mich gewiss noch genaner
mit ihm einlassen,^ und im Jahre 1793: ^Meine Vorlesungen über
Aestbetik haben mich aiemlich tief in diese verwickelte Materie (das
Verstehen der Kant'schen Philosophie) hineingeführt und mich ge-
nStbigt, mit Kant*s Theorie so genau bekannt au werden, als man
61 sein mnss, um nicht mehr Mos Nachbeter an sein.^
Keiner hat aber einen grösseren Einflnss auf Oöthe^s, wie auf
Schiller's, Dicfatergenius geäussert, als der nnsterblicfae Dichter-
geist des grossen Briten Shakespeare. Wieland hatte schon
1764 — 1766 seine Uebersetzung ron 22 Shakespeare*scheil Stücken
Toliendet Diese Debersetzung war es, die aunSchst auf die beiden
jongen Dichter wirkte. Sehr richtig ist, was ülrici Über diesen
Elnflns» in Shakespeare's dramatischer Kunst (2. Au£
8. 803 ff.) sagt.
Die Darstellung des Entwickelungsganges eines bedeutenden
Dichters iSsst sich leicht vom Streben nach historischem' Pragma-
fismus zu einer einseitigen Auffassung hinreissen, welche darthun
will, wie der Dichter geworden ist Das Dichten lässt sich nicht
machen, nicht anlernen, so wenig als das Philosophiren. Es' musi
im Geiste liegen, im Innern vorhandener Funke des Genius sein.
Gewiss sieht man dem Gewordenen nnd Gemachten, und, wenn die
Einflüsse von Aussen noch so günstig sind, die MlttelmSsslgkeit an,
£e ihm eigenthümlich ist. Nicht Kant und Rousseau, nicht
Lessing, Herder oder Göthe haben Schiller zum Dichter
gemacht. Der Hr. Verf. macht allerdings bei der Darstellung von
Schill er 's Geistesgange auch auf das in dem Dichter ursprünglich
Liegende, das zum Werden desselben gehören soll, aufmerksam. Er
spricht S. 13 von Götbe^s „Überströmender Empfindung^ nnd von
Schi 11 er* 8 „Ideenfülle, die beide zum Dichten trieben.^' Allein
mOgen alle die von dem Hm. Verf. bezeichneten Sussem Einflüsse
auf eine „überströmende Empfindung^ einwirken ; es wird deshalb
aas ihr noch lange kein Güthe, so wenig, als sich ans „Idöen-
fülle* bei solchen Einflüssen etwa ein Schiller entwickialn' lilrd.
Dnreh „überströmende Empfindung^ und „Ideenfülle^ wird das cha-
rakteristisch Uniersdieidende der Anhige in SchiUer^s und 6Ö-
tfae's Dfchtergenius nicht bezeichnet werden können. Deiin man'
wird eben so gewisss auch in Göthe „Ideenfü]le% als in Schil-
ler „überströmende Empfindung*^ als inneres, auf des Dichters Ent-
wicklung wirkendes Element annehmen können. Audi darin wird
ildi schwerüch der Unterschied als wesenhaft nachweisen lassep,
diss man, wie auf S. 36, in Schiller die „männliche* und in
Götbe die ..wcfiblidie'' Richtung erkennt. So sagt der Hr. Verf.
daseibat: ^Dti mUnnliche Scbiller greift nach dem Buche der Ge^
\j md' erketmt^ iir ihr die mit eiserner BeharrUchkdt fbrt-
424 Eckardt: ErlttaUrangen sn Schiller'f Werkei.
icbreitende Entwicklung eines Weltplans; Göthe siebt — wie das
Weib — in der Geschichte nur eine Reibe schöner undsüsalicher (?)
Vorgänge, ohne Innern Zusammenhang zu erkennen.^ Gewiss wird
man aus Göthe's Werken nachweisen können, dass auch er nach
dem Buche der Geschichte greift und in dieser eine fortschreitende
Entwicklung des Weltplanes erkennt Der Herr Verfasser nennt,
weil ^Göthe's Held der Mensch, Schi II er *s Held die Mensch-
heit sei^, die ^Menschheit aber höher stehe, als der einzelne Mensch^,
Schiller S. 40 den „dem Stoffe nach (sie) grösten, deuUchen
Dichter.^ Gewiss aber macht nicht allein der Stoff, sondern dei
Gedanke, die Art und Weise, wie der Stoff ergriffen nnd behandelt
wird, womit der Hr. Verf. selbst einverstanden ist, die Grösse des
Dichters. Und selbst, wenn der Stoff als Maassstab gilt, wird Göthe
gewiss nicht zu seinem Nachtheile die Vergleichung mit Schiller
bestehen. Der Held soll bei Schiller die Menschheit, bei Göthe
der einzelne Mensch nnd darnm der Stoff des ersten erhabener, als
der des zweiten sein. Ist aber nicht gerade bei Göthe vorzugs-
weise in seinem grössten Gedichte des Lebens und Wirkens der
Menschheit, in Faust die Menschheit der Held?
Der zweite grössere Abschnitt dieser Abtheilung, welcher
Schiller's Käuber behandelt, ist der am meisten gelungene.
Die psychologische Entwickelung der Charaktere, des Karl und Frans
Moor, der Amalia, des alten Moor und aller übrigen Personen des
Stückes ist durchaus richtig; nicht minder gelungen ist die Ent-
wickelung des Aesthetischen in dieser Dichtung und die philosophi-
sche Begründung der dem Ganzen zu Grunde liegenden Hauptidee.
Mit ästhetischem Geschmacke weist der Hr. Verf. nach, dass man
in den Räubern nicht, wie Manche noch jetzt irrthtimlich meinen,
eine excentrische Missgeburt, sondern den ersten, aus Schiller's
Sturm- und Drangperiode hervorgegangen, grossartigen und wahrhaft
genialen Aufflug seiner reichen und feuerigen Phantasie zu erblicken
habe. In dieser Hinsicht ist sein Urtheil über die Räuber, das
überall gehörig belegt wird, richtiger und eindringender, als das
vieler bedeutender Vorgänger. Nur möchte Referent mit demselben
den Mangel dieser Dichtung, in der allerdings eine gewisse Maass-
losigkeit unverkennbar ist, nicht in der Form finden, weil die Räu-
ber nicht metrisch gedichtet sind. Eine Dichtung, fessellos, wie
diese, könnte sich nicht in den Fesseln der gebundenen Rede be-
wegen, und nicht nur in den Gedanken, sondern auch im Ausdruck
der Sprache, als der diesem Stoffe angemessensten Form, zeigt sich
das Geniale der Dichtung, mit welcher der Genius des grossen
Dichters die Reihe seiner unsterblichen dramatischen Schöpfungen
begann. Mögen die Fortsetzungen dieser verdienstvollen Erläuterun»
gen der deutschen Klassiker recht bald erscheinen 1 Die nächste
Abtheilung soll Göthe's Wilhelm Meisters Wanderjahre
von Dr. Düntzer und Schiller's Fiesco von Dr. Eckardt
enthalten. w. ReleUln n^Men»
Roth ▼. Schrackeiialeia! Das PitrUial in den dMtMhen Städte«. 435
Da$ Pairuiial in den deutschen Stadien, he^onders Reiehstiädien, aln
Beitrag zur Oeeehichte der deutschen Städte und de» deutschen
Ädd^. Von C. H, Freiherm Roth von Schreckenstein.
Tübingen 1656. Verlag der H. Laupp'aehen Buchhandlung. —
Laupp und Siebeck. — XII und 620 8. 8.
Der Verfasser vorliegenden Werkes, er selbst einer der ältesten
Patriiierfamilien Deutschlands angehörend, die den ganzen Ent*
wieklongsgang des Patriziats von ehrsamen Städtebürgern bis zum
Hermelin deutschen Präiatenthums und den höchsten Holämtern, bis
siira Edelsize neudeutscher Grundherrschaft durchgemacht hat, tritt
mit demselben zum erstenmal als Schriftsteller vor die Lesewelt.
Fragen wir demnach, zu den Vorbedingungen eines solchen
Werkes und seiner Billigung übergehend, ob dasselbe 1) einen an-
Behenden Stoff behandle, ob 2) dasselbe nicht durch frühere er-
acfaöpfende Arbeiten überflüssig gemacht sei und ob 3) der Verfasser
für eine to tief in die Verhältnisse der deutschen Volksentwicklnng
eingehende Schilderung durchaus befähigt scheine.
Zu unserm grossen Vergnügen können wir sämmtliche Vorfra*
gen befriedigend beantworten.
War es, um auf die erste einzugehen, schon lange ein Unse*
gen deutscher Qeschichtschreibung , dieselbe von irgend einem ein-
beitlichen Punkte aus, etwa wie die weströmische oder byzantinische
Hofgeschichte abzuthun, so macht gerade in unserer Zeit
rückkommen von dieser Behandlungsart eine eingängtgrl^rchfor-
flchung anderer Faktoren deutscher Historiographie nothwendig. Solche
aber sind wohl unbestritten für die 3 ersten Jahrhunderte nach der
Losreissung Deutschlands von der karoüngischen Westmonarchie in
Europa, die Geschichte der Volksstämme und Volksherzoge, für die
3 folgenden die Geschichte der deutschen Städte und ihrer Entwicklung.
Nun ist zwar, um zur zweiten Frage überzugehen, für diese
letztere nicht Unerhebliches geschehen und sogar in Monographien
geschehen, welche diesem Gegenstande besonders gewidmet waren,
allein „eine, allen billigen Anforderungen Genüge leistende Geschichte
des deutschen Adels, oder des deutschen Bürgerthums kennt der
Verlasser nicht" (Vorrede S. V).
Ob er sellMt nun eine solche des deutschen Patriziats gegeben
habe, ob er dazu ausgerüstet gewesen, darüber bekennt der Ver-
fasser (a. a. 0.) in aller Bescheidenheit, dass er keinen Anspruch
darauf mache, „das unerschöpflich reiche Material der deutschen
StSdtegeschichte in erschöpfender Weise benützt zu haben." Es wird
sich also zunächst darum handeln, ob der Verfasser befähigt war, durch
neue Gesichtspunkte einen wesentlichen Beitrag zu dem mehrfach
^on Andern Begonnenen beizubringen, ob sein Buch demnach eine
nothwendige und erspriessliche Bereicherung des ohnedies fast über-
führten Büchermarktes gewesen sei.
Und auch diese Frage zu bejahen, gibt uns der Fleiss und die
ieltene Ausdauer, mit welcher der Verfasser sidi aller Hilfsmittel zu
42^ RoA ▼. iSchreckeilftein: Das Patritiat in den denUchen Stidten.
seiDem gescbichtlicheti Werke bcmSchtigt hat, gibt ans die klare ein-
driogende Schärfe seines Urtbeils, gibt uns endlich der durchaus
entschiedene StiEindpankt desselben als Edelmann nnd Katholik volle
Berechtigung. Denn' mit dlem Verf. ist anch Ref. überzeugt, dass
eine solche fest ausgeprägte Sonderstellung, wenn sie nicht diirch
unbedingte Hingabe an das Schiboleth einer Parthei gerade die
charakteryolle Selbstständigkeit aufgibt und sich zum Echo anilerer
Ansichten und Pläne macht, eben so wenig der historischen Treue,
oder der schriftstellerischen Würde zu nahe trete, als wenn Hero^t
ganz Hellene, Thukydides ganz Athener ist
Nur das eine hätten wir von vornherein anders angelegt wüit**
sehen mögen, nemlich dass die ursprünglichen Quellen seines histo-
rischen Stöflfes klarer zu Tage getreten wären, dass die Bearbeitung
und Beftaützüng derselben durch Andere weniger eingängige Berück-
sichtigung ifeftmden hätte. Dann wäre, dessen sind wir überzeugt,
der Polemik, und bei eben den oben geschilderten autonomischen
Vorzügen des Verfassers manchmal recht scharf ausgeprägten Po-
lemik manche Stelle entzogen worden, die ohne Schaden für dss
Ganze wohl hätte wegbleiben mögen.
Fragen wir nun nach dieser etwas langen Einleitung nach dem,
was der Verfasser gegeben hat, so zerfällt sein Werk in zwei Theile:
I. die eigentliche Geschichte des Patriziats, ü. in VI Ezcurse, gt^
eignet erstere zu stützen und in klareres Licht zu setzen.
-Det^ erste Abschnitt zerfällt in drei Hauptstücke: 1. Die
Altbürger. 2. Die Geschlechter. 3. Die Patrizier.
In dem ersten Hauptstücke wird bei den römischen Städten
am Bheine begonnen, zu dem besondern Charakter der Städte unter
den Karolingern fortgeschritten (S. 1 — 22), der Städtebau Hein-
richs I. einer sorgfältigen Prüfung unterworfen (S. 23—85), das
Wachsthum der Städte unter den Saliern erörtert (S. 36—47), di^
Verfassung der Städte in der sächsischen Periode hauptsächlldi im
Hinblicke auf die Stendesnnterschiede dargestellt (S. 47—59), die
ältesten Spuren des Patriziats aufgesucht (S. 59—76), und die Le-
bensverhältnisse der Altbürger entwickelt (S. 77—88).
Im zweiten Hauptstflcke wird das Verbältnissr der Salier zu den
Städten und deren innere Gestaltung während dieser Periode dargMellt
(S. 8d— 139), die Stellung der äohenstaufen ztt den Städten in'dss
richtige Licht gesetzt (S. l!29-'160), die Früchtef des Iht^rre^nfeBi»
gezeigt, König Rudolfs nnd seiner ersten Nachfolger Politik den
Städten gegenüber entwickelt, endlich sittengeschichtliche und soeiäi*
politische Ergebnisse gezogen (S. 160—236).
Das dritte Hauptstüek endlich behandelt die Folgen der Kai-
serkämpfe unter Ludwig dem Baier, den Kampf der Geschlecbtef
und der Zünfte, den Fürstenbund und sein Auftreten gegen die Städte
(S. 237 — 354) , endlich die Kirchenneuerung und ihre Folgen- fS^
die Städte (S. 354—417), die Folgen des' aNgtaeinen Verfalls des
Reiches für die städtische Entwicklung und die Geburt des Jmd[fi^
thottis in Oäm SchoOBse (8. 417-509).
Rolli T. StthradMMtoiA: D» PalriiiH in den dralicfaei Stldleii. 4ggT
Sind diese Richtpunkte der ünteranchnnp: nach des Ref. Rracht4>n
öberhaopt gelungen vx nennen, so zeigen eie Eugleich Mich den
gremn Reickthn» dessen , was die Benrtbeiiung und die künftige
Fonofanog in dienen HanpUheiie der Unteienchung lu suchen and
m finden hat ; — einen Rekhtbnni frailich, dessen genmiere Darlegmftg
die Grensen unserer Anseia:e überschreiten wiirde, auf welchen wir
daher die Leser au «eibststandiger Einsichtsnabmo verweisen mlissep.
Der iweHe Theil gibt seehs wi*nigstens eben so interessante nnd
trefflieh angelegte E^ienrae : L üeber die Stellung der Patrialef aonr
Landadel, IL fie Patrizier als Orossbfindler, m. ihre Stellung su
Wlasensehaft nnd Kunst, IV. das Patriaiat und Kriegswesen, V. die
Patriaier als Mngistratspersonen und endlich VI. Einiges aus der
QeacMecliter-Geechichte»
Und hier ist denn der Verfasser, ein tüchtiger deutscher ArehM*-
log»9 durch Anisätze in diesen Einzelgebieteo schon rühmlich IH^
kanot, so redit in seinem Felde und es wird' kaum ein Leser des'
Boches sein, der nicht seine Forschungen in den Hauptergebnissen
m unterschreiben geneigt wäre, im Einzelnen Manches Belehreode*
daraos geschöpft zu haben gerne bekennen würde.
Und se könnten wir denn unsere Anzeige mit der gerne g»-
zollten Anerkennung schiiessen, dass von dem Verfasser sehr Er«
bebliches geleistet worden sei, dass sein Buch die Berücksichtigung
Aller verdiene, weiche die deutsche Geschiebte nicht bloss auf ihrer
Oberfläche berühren, sondern in das Innere ihres Wesens, in die:
tiefer liegenden Gründe ihrer Entwicklung eindringen wollen.
Doch möchten wir auch noch unsere Achtung vor des Verfas-
sers Forschung dadurch bezeigen, dass wir zu einem, oder dem an-
dern Punkte seiner Ausfuhrung aus dem Bereiche unserer Stadien
einen Nachtrag, oder eine Bestätigung der von ihm aufgestellten
Sätze beibringen. Wir wählen biezu einen Punkt aus der Ge-
schichte von Constanz, der zugleich die Ergänzung dessen bietet,
was wir gelegentlich der Anzeige von Stälin's Wirtembergischer Ge-
schichte (IIL Bd.) in diesen Jahrbb. (1856 S. 746) niedergelegt haben.
Zum Theil als ergänzend zu dem Verzeichnisse, welches der*
Verf;, die Nachrichten in der von Mone edirten Chronik vervollstän-
digend S. 617 über die Patrisier-Geschiecbter zu Constanz gibt,
zum Theil zum Belege, welche A^ndenrngen im Stadtregiment der
S. 207 berührte Aufrohr der Zünfte auf längere Dauer hinterlassen«
hat^ dann als ehi Bild jener Ansprüche, welche das Bisthum, be-
sonders seit der Bisehof Heinrich von Brandis 1352 sich einen Maebt-
brief von König Karl IV. hierüber erworben, an die Rechte der
Stadt machte, möge der Best der Prozessschrift gegen den Bischof
dienen, dessen Einleitung folgende ist:
Nos Johannes in der: Bund advocatus, Ulricus de Rogwile^ Mi*
nistor, Ulricus Haiaricos, Conradus dicti in der B»nd fratres^ Hein-
rieus et BCathias de Sobafhasa fratres, Jobannes de Scbafhnta eiusi-
dsok. Heinriei. dn Sch^ fiUuS) Waltherus de Hol^ senior, Jobannes
Heinricus et Walterus dicti Schwarzen fkatresy Ruodoliibns die-
428 Roth V. SehreckeDstein : Das Patriiiat in den denteohen Stidten.
tUB Linde, Albertus dictus Blaror, Ulricus de Tetikoven, Heiiu'cas
patruas suus, Goiiradas Pfefferbart, Dietbelmus patruuB soj», Jo-
hannes S t r 0 1 i , Jacob, et Job. dicti de Ueberlingen fratres, Ulrieos
Hugo et Johannes dicti Schneweis fratresi Conradus de CrenzlIngoDy
Conrad, et Ulricus Betminger fratres, Ulricus et Walterias dicti in
der Bund fratres^ Johannes Tagwas, Hugo Tugwas, Uiricoa
et Hainricas ipsorum patrui, Johannes et Gonr. de Hof fratres, Wal-
tefus de Hof iunior ipsorum patruus, Hainricus im Tum, Johannes
Augsbarger, Heinr. dict. Harzer, Hugo Schmerii, Rudolf. Rahe,
Radolf. Engelli, Ulric. Raming, Ripo hinder sant Johann, Johannes
sen. et Joh. jun. dicti Schwarzen, Ulric. Dnderschopf, Heinric
Tumenbach, Heinr. Spiser, Rudolph, am Hörn, Nico!. Frei, Jacob.
Apothegarius , Burch. Spezi, Conrad. Mangold, Joh. S umbrin-
ger, Joh. Nordewetn, Ulric. im Stainhans, Petrus Ricken-
bach, Joh. Hutter, Jak. de Ulma, Conr. Egeli, Jacob Huober,
Joh. Zainler et Joh. am Buhel consuies, Friederic Ober bo-
fer, Wilh. Appenzeller, Conr. Murner, Joh. Schwertfnr-
bei, Nie. Sigmaringer, Joh. Hag, Heinr. de Nu wille, Steph.
Schulder, Heinr. Oraf, Conrad. Schaden et Conr. Luitsch,
Scabini, Judices, rectores et gubernatores civitatis Constantiensis ...
ermSchtigen den discretum virum Johannem dict. Richenthal nota-
rinm predicte civitatis Constant. ^hre Sache zu fähren gegen^ den
Bischof Heinrich v. Brandis AoT dnT 1368 Pontif. Urbani Yao VI
ind. VI mense febr. die vicesim. V hora primarum, praes. honorab.
et perito Magistro Petro Betmingaro S. Felic et Regnle Thoric
et Heinrico Livini S. Maurit. Zoving. ecclesiar. Gonst. didces. cano-
nicis nee non discretis viris Conrado dicto Sumbringer et Völkino
dict. Phister laicis testibb. ad premissa vocatis.
Wir ersehen aus diesem Verzeichnisse, dessen unterstrichene
Namen in der Liste der Patrizier bei Eiselein (Gesch. u. Beschrei-
bung von Constanz S. 20—21) fehlen, dass der Rath (Consuies),
die administrative und ftlr Privatforderungen auch richterliche Be^
hörde aus siebenzig Mitgliedern bestand — die wenigen an der
Zahl fehlenden mochten durch ELrankbeit, oder auswärtige GeschSfte
verhindert sein bei dieser Susserst wichtigen Verhandlung zu erschei-
nen. Vergleichen wir die Namen mit den Zeugenunterschriften der
bischöflichen Urkunden des XH — XHI. Jahrhunderts, so finden wir
in dieser Behörde sowohl altbischöfliche Ministerialen, als Altbürger
vertreten ; die letzten Namen mögen von einer den Zünften bleibend
gemachten Concession ihren Platz im Rathe her datiren. Von eben
diesen Geschlechtem sind der (Reichs-) Vogt (advocatus) und (der
bischöfliche) Schuldheiss (minister). Nach ihnen aber finden wir
zwölf (der eine fehlende mag aus oben angeführtem Grunde weg-
geblieben sein) Beisitzer und Verwalter des Gerichts (Scabini et
judices) ; diese nach den Namen zu schliessen, zumeist aus den Zonft-
angehörigen genommen. Beide Collegien, das administrative und
das richterliche, bilden die städtische Gesammtverwaltung (reciores
et gobematorei civitatia).
Bolh ▼. StfhreckearteiD: Da« Patriiiat in i%n deutochen Städten. 419
Die Amalgamirung beider getrennter Stoffe städtischer Beröl«
kerang hatte also ein Vierteljahrbandert nach deo ersten Zunfllan-
roben in Constans wobl begonnen, war aber nocb nicht so weit
vorgeschritten, dass nicht beide Factoren noch genau erkannt wer-
den konnten. Nur die Verwaltung des Vermögens, die Administra-
tion hatte das Patrisiat gerettet, die Verwaltung des Rechts aber
an seine Nebenbuhler um Regierungsrechte, die Zünftigen abtreten
mflssen, denen es nur im Vogte den Vorsitsenden in Rechtsachen
gab. In allen allgemein-städtischen, 7on beiden Factoren su ord-
nenden Angelegenheiten gab ihm, wenn nicht der Ehrgeis Aposta-
ten schuf, wie gerade 1342 den Bartholomä sum Burgthor, das
Zablenirerhältniss der beiden CoUegien das Uebergewicht
Aber auch die Punkte selbst, welche wir in der oben berühr-
ten Anzeige nur angedeutet hatten, scheinen uns für die vom Ver-
fasser berührten und behandelten Materien so belangreich, dass wir
die noch rückständigen ausführlich hier niederlegen wollen. Sie han-
deln über das Münsrecht, über das Verhältniss einer ehemaligen Bi-
schofstadt zum Bischöfe, über Zoll, Gerichtsbarkeit des Bischofs und
das Verhältniss seines Clerns zur städtischen Obrigkeit und lauten:
Et primo ad hoc quod ipse dom. Episcopus asserit quod ad
ipsum et Episcopos Gonstantienses pertineat monetam fabricare, sie
respondet, quod hoc est verum, hoc tamen adhibito moderamine,
quod moneta non fiat nee cudatur nisi sub antiquo pondere consi-
stat, videlicet quod una Marcha argenti valeat IL libras cum duo-
bos solidis vel ad maius IL libras cum 32 denar. Gonstantiensis monete
et sie est ab antiquo servatum, sie etiam quod denaril sie fabricati et
iterato in rüdem massam argenti conflati faciant unam Marcbam puri
argenti (et massa tale pondus habeat unius Marche argenti J. Et
olim antequam sedes episcopalis esset in Civitate Gonstantiensi col-
loeata Jos fabricandi monetam in dicta civitate pertinuit dominis Go-
mitibus de Rordorf, qui etiam eo tempore monetam sub ipsorum
armomm signis fabricabant ad pondus tale, quäle superius est ex-
pressum, de qua moneta plures Gives Gonstantienses adhuc viventes
denarios habuerunt et viderunt, nee est verum quod Gonsules um-
qaam ullo tempore Episcopos Gonstantienses in monete fabricatione
qnovls modo impediverint vel impedient, dum tamen dom. Epus mo-
dernus monetam velit antiquo pondere preexpresso fabricare. dicunt
etiam quod ipse dom. Epus monetarinm in Givitate Gonst. instituit
videlicet Gonradum Betminger civem Gonst. sibique officium fabri-
candi monetam pro 10 Marcis argenti obligavit tali addito pacto,
quod fructus oflßcii non commutentur in sortem principalem, qui
etiam eidem dom. Epo Juramentum prestitit, Jus monete sub anti-
qua eonsuetudine conservare, quod similiter ipsi Gonsules in Juribus
ad monetam pertinentem (tibus) non perturbabant, ymo in hiis, a
quibuB « Jure ipsius monete per inadvertentiam monetariorum de*
vidatnm existit, ipsum coadiuvant et iuvarunt.
Diese für das Münzwesen der Stadt bedeutsame Stelle i mit
welcher r. Berstett's badische Münzgeschichte zu vergleichen ist,
gibt eben kein |;UUuEondoi Zen^fnlss von historischoD Studien | oder
430 Aoth f. JSelindMiMtttut Ou f«lrintt in den dMl0db«ii BVk%UK^
gesdiichdicheni Bewuiatseiii der Väter von GoMUns. Denn bevor
das Biethiivi von Windisch nach Constans verlegt wurde, gab et
natürlich noch keine Grafen von Rordorf. Den letzten aber diesei
Geschlechtes, den Grafen Manegold treffen m\\ allerdinge am 1200
AB einer eigenthömliehen Stellung zu Constanz. Er erbaut dort die
Bheinbrücke und Ittsst es sich, nach einer vesi Ref. in den Quellen
und Forschungen zur Gesch. Alemanniens herauszugebenden Urkunde,
iM^hwere Opfer kosten, dass der Bischof auf die Fähre (pontonium)
bei Constanz verzichte. Dieses Verhältniss, zusammengehalten mit
unserer Stelle lässt sieh kaum anders erklären, als wenn man an-
nimmt, dass der Graf das kaiserliche Vogtamt zu Constanz und das
Recht, im Namen des Herzogthums Schwaben Mfinze zu schlagen,
von König Philipp erhalten habe, welch' letzteres Recht auch die
Bischöfe schon früher hatten (die Moneta Constantiensis wird in der
Urkunde Otto UI. für Villingen 999 erwähnt) und von Kaiser Fried-
rich IL aufs Neue bestätigt erhielten.
Secundo ad hoc quod ipse dom. Epos Civitatem Constantiam
asserit esse suam, iidem domini Consulee sie respondent, quod prout
Consules ab antiquioribus suis diel semper nee eins contrarium nm-
qnam audierunt, locus ubi civitas eadem adhuc est situata fuft sicot
etiam est die hodierna fortis et quasi inexpugnabilis et insignis et
ideo sedes Episcopalis ibidem fuerat coliocata et de ioco qui dicitDr
Wlndlsch a civitate Constantia ad unam dictam comunem distante
tunc fnit translata et quia de more est antiquitus observatum quod
prindpes spfrituales sicut sunt Epi et similes In tribus prerogativis
per quos principes pre ceteris magnutibus honorantur insignantnr et
extoUuntur videlicet moneta, Thelonio et silvis, in quibus jus ve-
nandi sibi eompetere debet, ratione principatus Episcopatus, que pro
tempore translationis sedis episcopalis possidebat. In dicta civitate
Constantia moneta et Thelonio et extra civitatem prope ipsam sllfa
prope Weiden insigniis prinoipalibus et nomine principatus compe-
tentibus suo et successorum suorum nomine fuerat inslgnitus. qoe
tarnen fundum ipsius Civitatis ad ipsum episcopum non arguunt per>
tinere, cum multi nobiles extra civitatem ipsam demorantes ac fpsins
Civitatis cives areas seu curtes in ipsa civitate in feudum concedere
solent ac conoedunt, quod non facerent, si fundus ipse Episcopis
pertineret. Homines quoque et incole seu habitatores Civitatis pre-
dlcte, in quantum Cives existunt, Imperatori, sub cuius potestate et
advocatia degunt, servida facere tenebantur et tenentur ab antiqao.
Immo taliter sacro Imperio sunt adstricti, quod ipsi in quantum Civee
Conatantienses Imperatori thalias vel alias stenras exhibere, solvere
atque dare et contra dom. Epüm Constantiensem , qui est vel erit
pre tempore, pro ipso Imperio vel alias ad mandatum Imperatoron
«rmata manu resistere tenentur, mandato Epi in contrarium faeto
aon obstante.
Auch diese freilich wunderliche historische Deduction der bK
adiöfliehea Regalien ist gleichwohl zur Kenntniss der Gmndeigen-
thumsveddUtnisse in der Stadt und der Bestandtkeile der freien Be-
Tölkenmg weseptlicfa. Dm VerhältnJM su K»i«er und Bitich büUe
ireilicb viel eiofacher durch Citation der kaiBerlicbeo Privilegieo diM**
geitellt werden können.
Ter ei 0. Quod idem dorn. Epos asseriti quamvis ooinQS vere,
Qvee Constaotienses ipeum Thelonio impedire, respondfnt (Soc-
iales, qaod dorn. Heinricus £p. Gonet regimini Cpnat E^deaie ifon
XI fere aois prefuit et in primordio bmi adventna et intr4>itui ^d
pFitftjteip Copet. Thelonium quod ad ipsum pertinet coneuUl^ue eUain
ioeopspltis nee eis quomodolibet resisientibus , quondam Johani de
jCnriik elvi CoQsj^. pro certa quantitate ad 8 aiios vendidit, qoapi
etiam pecunle qaantitatem dictus quondam Johanes eidem dorn. Epo
complere persolvit, ipseque Jobanes Thelonium per eum sie emptam
per 8 anos postea succesaive lenavit, quibus quidem 8 anis eÜuzis
idem dorn. £p. emolumeota Tbelonii predicti similiter Givibus Irre-
quiaitis vendidit, ipsis etiam nuUatenus resisteotibus , cuidam Civi
Const qui dictus Loper nuncupatur, qui etiam emolumenta predlcta
pro teztu emptionis et venditionis buiusmodi leuavit et adhuc leniit
Vernmtamen certa quantitas Tbelonii ab antiquo est lenari consueta
q^od dorn. Ep. pro suo libito cum aliter ius Tbelonii non acceperit
i^ec etiam ipse ^c eins predecessores aliter usi fuerunt, augmootitfi
oop debet, ex quibus evidenter apparet, assercionem ipsius dorn, ßpi
ip hac etiam parte non esse veritate subnixam.
Qnarto: ad id quod dorn Epus asserit, utramque Jurisdjctio-
9em in homines dicte Civitatis exercere sibl competere, responde^t
domipi Consules quod dorn. Epus hoc habet et habuit ab aptiqoD,
qnpd ipse ponere potest in Givitate Ministrum, qui alibi 3c^Ue(»8
solet appellari, qui duntaxat Jurisdictionem exercet et exercere dob^t
in cauaa pecuni^rum, ex aliqua causa solvi debitarum. non dicuipt
in restitutione debitarnm sicut est in actione commodati, depositi ^t
similioin. quia de biis ad ipsos Gonsules etiam pertinet iudicare ab
^i^tiquo. etiam in buiusmodi iurisdictionis exercitio ipse n^iq}|i(er
Dumquam ullo tempore de quo fit mepioria homiuum fuerat quopiQ-
^opbet ab ipsis consulibus impeditus, immp dorn. Epus jap judi-
eandi hqiusmodi et iurisdictionem ipsius ministri Ulrico de {tpgwile
civi Const pro CGG Marcis argenti alienavjt civibus irrpquisiMa m
qui scilicet Ulricus de Rogwile si ofTicium iqdicandi don^, Epo npn
dimittit, in hoc ipsi cives omnimodo ioculpabiles ^unt pt immunes,
iipputat quidem sifii, quod iudicinm idem, sicut et alia bona ^t
emolumenta Ecclesie Gonstantiensis alienavit. Similiter iurisdictionem
«piritoalem fUctus dom. Epus et eins oflficiales in causis, que nd 9QB
de iore vel consuetudine pertinent, libere sine quovis obstacqlQ ^er-
c^eraDt et exercent.
V.: ad id, quod dom. Episcop. memoratus asserit, quamvis
minna vere, quod Gonsules contra libertatem eeclesiasticani clerum
Gonstantieps^ exiictiope vexent, quamvis ab huiusmodi tballUi ah
antiqoo fueiit preservatus, respondent ... quod ipsis clerieif CoQ$t
nnllo ifflytwa tempore collectas quaslibet sive steur^ iipposnerint|
Tel receperint ab eisdemi nisi ut subscribitur. pro quo est sciendum|
482 Roth ▼. Scbreckenstein: Du l^atrisiat in den deuUclieii Städten.
quod olini domini canonici ecciie Const. et aHi clerici domos soas
et CQiias Canonicas interdum honestos eacerdotee, Interim etiam pe^
sonas alias laicales liberamente sine aliqua pensione sinebant. Item
qaod domini Canonici predicti nee non aliarum eccliarum dicte Ci-
vitatis Const. Capellani et Clerici alii frumentum, vinum, panos et
alias merces nt carius distraherent non emerunt nee mercimonia con«
traxerant In eisdem et cum eisdem. Nunc vero dorn. Canonici ecciie
Cathedralis et alii Canonici et clerici civitatis Const. cubilia seo cs-
meras in domibus eorum pro anua pensione locent personis etiam
secularibus et vilibus, ac etiam frumentum, vinum et panos et slias
merces, ut carius distrahant, comparant et postea vendunt et nego-
tiantur, et quod deterius est, vendunt ut amplius quam tunc valeant,
certo tempore recipiant pro eisdem et etiam alios contractus asoa-
rios invcrecunde coinittunt et ineunt et quia Cierus Constantiensis
predictus in aliis oneribus et muneribus, exactionibus et talliis ad
quod cives tunc pro custodia Civitatis tum etiam aliis dicte Givitati
incnmbentibus oneribus sunt astricti, (fuit et est anuus census durcl)-
strichen) dicti Consules ab ipsis Clericis, sie ut premittitor nego-
ciantibus, pro negociatione dumtaxat coUectas recipiunt in ea quan-
titate, qua hanc ab aliis civibus et forensibus recipere solent. et sie
est ab antiquo observatum. et si cierus ab huiusmodi negotiatiODi-
bus desisteret a sturis earum negotiationum nomine sicut cuDCtis
aliis muneribus talliis et collectis forent imunes et liberi sicut isti
Clerici, qui negotiationes huiusmodi non exercent, nee etiam dicti eives
seu consules propter usurarias coUectas imponunt nee aliqnoTis
modo, quam superlus est expressuni. Et sie est ab antiquo servs-
tum, Epis qui erant pro tempore et presenti Episcopo hodierno haiofl-
modi observantiam et omnes alias consuetudines et observantias
dicte Civitatis approbantibus et confirmanlibus.
Der Rest der Vertheidigungsschrift, die Ermordung des Bischofs
Johannes Windlock betreffend, hat Ref. bei der Anzeige des von
Stftlin'schen Werlces gegeben. —
Von ähnlichen Zwistiglieiten zwischen Bischöfen und ihren Städ-
ten handelt auch der Verf. S. 175 ff. und an andern Orten. Es
dürfte ihm daher nicht unwillkommen sein, in den angeführten Stei-
len ein in alle Einzeinheiten angeführtes Bild der nächsten Beweg-
gründe solcher Streitigkeiten, die im XIV. Jahrhundert, durch eine
missbräuchliche Handlungsweise des Cierus auch in nichtbischöüicbeo
Städten, wie Zürich u. A. häufig vorkommen, zusammengestellt so
finden. Wir aber schliessen unsere Anzeige mit dem Wunsche, dass
es dem Verfasser recht bald gefallen möge, mit seiner Energie der
Forschung sich der gleichzeitigen Quellen eines andern Abschnittes
der mittelalterlichen Geschichte zu bemächtigen und das Ergebniss
seiner Forschung durch den Druck zum Gemeingnte Aller zu ma-
chen, die in solchen Studien etwas mehr erblicken, als eine anti-
quarische Marotte.
Mannheim. FIfkler«
hü. HBIDELBEROBR IKT.
jahbbOchbr der literatdb.
Utber die iheologiBehe Grundlage dUer phüoaophisehen Syeteme, Var^
getragen »um AntrUte de$ RtctoraJU v. <. w. wm Ernet von
LaaaulZj d. Z. Rectcr. München 1866. Uierarieeh-aHuar'
8che Amtaä der J. Q. CoUa'$chen BuehhandUmg. 27 8.ingr.4.
In einer allem Idealen mehr als abgewendeten Zeit, in weleher
■an auf die Erfindung des Düngers mehr Werth legt als anf die
Erl^enntaiss des ewigen Wesens aller Dinge, in einer Zeit, in wd-
eher selbst die Philosophie sich verrannt nnd, weil sie Yon der
ridiern Grundlage, aof der sie allein gedeihen kann, abgewichen,
den Stadien der Jugend immer fremder geworden ist, mag es wohl
an der Zeit seto, anf diese Grundlage anrückauweisen , und so die
Jugend selbst wieder an der idealen Richtung anrücksuftthren , die
ia den Musterwerken der alten t^hilosophie der Hellenen ihren
Gtand und Boden für alle Zeiten gefunden liat Denn alles wahre
pbiloflophisehe Studium ruht auf diesem Grund und Boden: und dar
rom hat es sich der Verfasser cur Aufgabe gestellt, diesen Grand
VBd Boden uns auls neue vorsuführen und in einer vorzüglichen
l>anteUung su zeigen, wie nur auf ihm ein Studium gedeihen kann,
das sich die Erkenntniss der höchsten Gegenstände mensehUchen
WiMens überhaupt cur Aufgabe gemacht hat
Der Verfasser nimmt seinen Ausgangspunkt von Pythagoras
nid seiner Schule: er zeigt, in welchem Sinne hier zuerst das hier
nm erstenmal uns entgegen tretende Wort Philosophie genom*
man ward; es ist, wie der Verf. S. S sich ausdrückt, hiernach die
Philosophie ursprünglich nichts Anderes als die Bethätignng der
Freiheit des menschlichen Geistes und seüier ersten Liebe zur Eiv
kenntniss, seiner reinen Freude am Wissen ; so bezeichnet der Ehren-
Bttue ^piloöoipog „den wahren Gentleman, der mit freier liebender
Seele die Weit und das Leben betrachtet, und ihr inneres Wesen
SU erforschen sucht ^ Aber, wird richtig hinzugefügt, der Glaube
an Gott und ein anderes Leben wird dabei vorausgesetzt, eben so
wie die Freäieit des menschlichen Geistes, sein Streben nach Erkennt-
lias und die Möglichkeit, das ewige Wesen der Dinge, das Unver*
gingliche in dem Vergänglichen zu erkennen. So erscheint also
bier als Vorbedingung zum ächten Philosophiren Dasjenige, was
Vi^ heutigentags erst von der Philosophie bewiesen haben wollen ;
und es ist dne weitere, gewiss richtige Bemerkung des Verfassers,
wie eben anf dieser Grundlage alle die grossen Denker des Altern
thoms philosophirten , von ihr, als von Etwas feststehendem, den
Ausgangspunkt ihrer Forschung entnahmen. Diese Grundlage findet
iieh selbst bei Heraklttus vor, zu dessen Lehre sich der Verfasser
L. Jsluf. t. Heft 88
«i B. ▼. LiMnlz: GMlälätß «er tUUm^t^mk^n SyiteM.
nun wendet: die Erkenntniss Gottes und dessen, was in der Nator
and itn Leben des Mensclien gottlich ist, tritt auch kiet, als dis
Atifgäbd der philosopfalscben Forschung hervor (S. 3); noch mehr
abar tritt diasa Alias bai Plata harrar, daasaii Lehre aaah wk mt
dem Verfasser als die vollkommenste Gestalt der hellenischen Phi-
loaofphia beirAcht^ ; mit gutem Gmnde verweilt daher auch der Ver-
teaer länger hei der Erörterung derselben, nach ihren Haaptpank-
tan^ so wie mit Sückaiaht aaf die in dem VerhSItniaB dar msosch-
Kcbao ßeele au Gott nad der richtigen Auffassung desselben der
philosophischen Forschung gegebene Grundlage. ^Reinigung der
SabiiB von den Leidensehaften, Loslösnng von den Banden des Lei-
h^ Und allem IrdiacheA ist darum die nothwettdige Vorb^dtagang
IMes ächten Philosophirena« Denn nur mit reiner Baele ki^nnen wir
ias Aeine^ Widire, Ewige berühren) nur dann mit der Seele selbst
daa wahre ewige Weaeti der Dinge sdianen und erkennen u.s.w.*
(Gk 9). Auf Gott und das GbtUlche im Weltall ist daher alles Dieb*
lefe nnd Trachten das ächten Philosophen gerichtet (8. 12> Nach-
dem der Verfasser in diesem Sinne den idealistischen Charakter dieser
PhÜasophia und die theologische Grundlage^ auf der sie rnht, nach*
gewiesen und daraus ihr Verhältniss cum Christenthum, wie es sich
hi d4n christlichen Kirchenvätern au erkennen gibt, welche die be-
Üan Elemente des Platonismus in die eigene theologische SpecaU*;
tieit aufgenommen^ erklärt hat, geht er au ArtstoCelea Ober, am ta !
laigeb) wie auch bei diesem nüchternen and gelehrtesten aller Phi*
loa^phto des Aiterthums dieselbe idealistische Riehtnng hervartrkt,
wie auch seine Lehre aaf gl eleher Grundlage nnd anf gleicher V(n^
avaietaling bernht (B. 14 ff.): er wirft znletst noch einen Bück auf
Dahte md die neuere Pblleaophie, und gelangt auch hier tu deio
Basnltate, Wie aber d!« letaten Gründe des Daseins and iber dl«
haehaten Problelne des Lebens^ bei näherer Betrachtung, «awiseben
allen grossen PUoaophen aller Zeiten und Völker eine wd
giduere Uebelelastfanmung herrscht, als diejenigen ahnen, welcbe
alattt eine falsche Philosophie durch die wahre su widerlegen, is
dein seltsamen Wahne stehen, sie hätten dann die wahrsy wenn «e
gar k««ne iiaban'' (S. 84). Und wie selbst in der Methode des Pbl*
liaeopbirena der Unterschied awischen allen Philosophen ersten Baogci
viel geringer sei, ala die Nichtphiiosophen Rauben, wkd weiter dar-
gaAaa. Wir sdiltessen nnsem Bericht, indem wir die schönen, be-
hemigiings#erthen Worte, mit welchen der Verfasser auch seiaf
Erörternhg geschlössen hat, beifügen:
Es besteht anf Erden ein grosser Zusammenhang des LebeoSf
elM Tradükm dar GeUtesbildang unter allen culturfähigen VÖlkent
jade apäMe Generation «herkommt das Erbe ihrer Varfahresii m
ea aU ein ewiges Fidaieommiss, nicht verschlechtert sondern verbef
aert» dar teehMgenden Generation zu fiberliefern. Der gröaste Thel
deteeH, was wir heutige Menschen besitaeni ist ein solahea haitig«i
Yermächtniaa der Vorwelt, dessen wir uns erfrenen, und weiden
4a»
irir btfddbart «oeh mf die Naehwelt bringen foUen. Diesei grotMD
Zonnmenhanget der menfchlichen Bildimg aof Erden nne bewnnt
M seiA, mit Selbeibewuisttein lagleich und mit Weltbewnsstma
uch die Pflieliten so erfülien, welche die Tergengeoheit, die Zu*
kaaft ond die Gegenwart nna aoferlegen ; uns klar lo werden über
UM leibet und unter VerhftltniM an allen tichtbaren und unsiclitb»»
na MIebten des Lebens: dies allein ist der innere Vonug, welchen
fe mehr Gebildeten vor den weniger Gebildeten ▼orans hab^
Der mehr Gebildete, der diesen Pflichten sich entaiehti und statt
▼OB der echten Philosophie vor allem Einfachheit und Lauterkeit
ÜM OemOthes, Reinheit und reiigiöse Strenge des Denkens zu 1er-
Mo, sich einer frivolen und frechen Sinnesart hingibt,, der steht der
Valirheit und dem Weltgeiste viel femer als ein weniger gebildeter
«ber sittlich besserer Mensch| auch wenn der ein Tagelöhner wBre.
Plutarehi De Mtaiea [Hbrum?] edidU Rieardua Volekmann.
IdpMtj mmpHbuB et typis B. O. Teubneri. MDCCCLVl XXJV
und 171 8. in gr. 8.
Die Schrift Plutarch's, welche hier in einer neuen, mit der h*
trinischen Uebersetmng und einem umfassenden Commentar ausge*
Mteten Ausgabe erscheint, hat sdion aus dem Grande für uns
eise besondere Wichtigkeit, weil sie fast das Einaige ist, was über
£e mosftalisdien Bestrebungen der alten Griechen sich erhalten hat,
vir also in den die alte Musik der Griechen, ihre ersten Anfinge
wie ihre weitere Ausbildung betreffenden Fragen auf sie lunlchst
nrückgewiesen sind. In diesem geschichtliehen Werthe liegt daher
neh für uns die Hauptbedeutung dieser Schrift, die, wie die meisten
tesitigen Schriften und Abhandlungen Plutarch's, ^e aus ver*
Bchiedenen und selbst verschiedenartigen Quellen entnommene Zusam-
ONusteOung liefert, welche hinwiederum dadurdd einen um so grOsse-
^ Werth gewinnt, als diese Quellen verloren gegangen sind. Zwar
werden diese Quellen, wie dies auch In den ttidern Sdiriften Plutarch's,
ramal bei den Biographien der Fall ist, nicht immer angegeben: im
Gregentheil in dieeer Schrift erscheinen derartige Anfahrnngen fast kärg-
^kbtTj als anderwärts, da sich kaum mehr als vier bestimmte An-
Ssben von Schriftsteilem vorfinden, die Plutarch nicht bloss im
Allgemeinen benutzt, sondern vielmehr in den einseinen Theilen
Beines Werkes fast wörtlich (wenn wir nSmlich nach andern seiner
Behfiftea einen Schluss machen dürfen) ausgeschrieben haben mag;
Hefuklidea Ponticus, Glancus Italus, Alexander Poljiiistor und Ari*
■tozenue von Tarent sind die von Plutarch namentlich aufgeführten
Qoeüen, denen er aber auch nach seiner Bitte da folgt, wo er sie
nkht anadrücUich nennt, wie es denn z. B. eine gewiss richtige
Yinnmhnm des Herausgebers ist (S. XII), dass aus dem luletst
430 Vol«lnaai: Ptoiwrdi. t^
geiuuiDt«! Schriftsteller Alles genommen sei, was Ton dem 15. Qh
pitel an ttber die Theorie der Musik vorgebracht wird. Wie den
nan auch sei, die Masse der in dieser Piatarcheischen Schrift ent-
haltenen Nachrichten und geschichtlichen Notisen über die Musik,
erfordert eine nähere Untersuchung, Prüfung und Würdignag: so-
aal da so Viel mit Sicherheit angenommen werden kann, dass Plst-
areh Nichts davon ersonnen oder in irgend einer böswilligen Abdefal
erdichtet, sundem aus irgend einer Quelle entnommen, selbst westf
wir denelben nicht alle Glaubwürdigkeit auerkennen wollten: «
war also au einer näheren Untersuchung dieses Gegenstandes hio-
reicfaender Grund für einen Bearbeiter und Erklärer dieser Schrift,
welche, wie gesagt, jetst für uns selbst die Grundlage unserer For-
schungen über die alte Musik der Griechen zum Theile bilden muii.
Der Herausgeber hat daher diesen Punkt bei dem Gommentar, mit
welchem er diese Schrift ausgestattet hat, insbesondere ins Auge
gefasst, und hier wohl Nichts übersehen, was zur Aufklärung der
Schrift und zum besseren Verständniss derselben in ihren einzelnen
Theilen dienen kann. Er legt uns zuerst den griechischen Text in
einem correcten Abdruck mit der darunter stehenden lateinischen
Uebersetzung vor; handschriftliche Hilfsmittel standen demselben
nicht zu Gebote, er wollte auch nach seiner ausdrückUchen Ver-
sicherung (p. XIV) gar keine neue Becension des Textes Üefem;
er zog es daher vor, einen Abdruck des Textes nach der neuesten
Pariser Ausgabe von Dübner zu liefern, benutzte Jedoch dabei die
von einem Freunde mitgetheilte Collation der Vaticaniscben Hand-
schrift GXGU, welche Franz gemacht hatte; es bat dieselbe aller-
Aags Einfluss gehabt auf eine Anzahl von Stellen, welche nach die-
ser Handschrift geändert worden sind (s. die Zusammenstellung
p. XIV seq.)- Wo anderweitige Aenderungen in dem mehrfach sehr
entstellt auf uns gekommenen Texte stattfanden, wird man in den
Gommentar den nöthigen Aufschluss so wie die weitere Begründung
finden, die auch da nicht fehlt, wo Einzelnes dem Verdachte der
Interpolation unterliegt und desshalb nicht ausgeworfen , sondern in
eckige Klammem eingeschlossen ward. Uebrigens ist bei Aufnahme
solcher Verbesserungen, zumal wenn sie auf keine handschriftliche
Antorität zurückgehen, mit grosser Vorsicht und Behutsamkeit ver-
fahren worden. Die dem Text untergesetzte lateinische Uebersetzung
Ist die von Wyttenbach, hier und dort, wo es nöthlg schien, gein-
dort oder berichtigt; ein früherer Plan, auch die französische Ueber-
setzung von Amyot beizugeben, ward später aufgegeben, wir gbui-
ben, nicht ohne Grund, da für Gelehrte, für welche doch zunächst
diese Ausgabe bestimmt ist, dieselbe nicht den Werth besitsty den
man in andern Beziehungen dieser Uebersetzung gern beilegen wird.
Das Hauptaugenmerk des Herausgebers war, wie bemerkt, auf die
Erklärung der Schrift, und zwar in sachlicher Beziehung geriditet,
ohne dass jedoch darüber die eigentlich sprachliche Erklämng und
to (Udurcb l)ediBgtQ riohtiye Vmttadnw iv Spbjrift y^rMamt Yl9t\
m
im wir«. In Betog auf diese Mchllche ErkllniDf^ elod «He HllUb-
BÜtely wdcbe die gelehrte Forsehuni^ bietet, beiifitst, nanient*
Keh aneh Alles dai, was der gelehrte Barette in deo Abbaiid-
hmfeo der Pariser Akademie bereits in der ersten Hälfte des yori-
pnk Jahrhunderts tur ErkllroniT dieser Sehrift beigestevert hatte;
disB freitteh sdt dieser Zelt, namentlich In der jiingsten Periode ond
issbesoadere für Alles das, was die literlr-hlstorisdie Seite des Oan*
na betviliity noch manches Andere geleistet worden ist, weiss Jeder,
te aof diesem Gebiete sich nur einigermassen umgesehen hat; Alles
dieses hat der Herausgeber an Rathe gesogen bei der Abfassung
des Gommmtar's, und Einiges von ihm frtther Debersehene noch
■schtrigiidi am Schlnss der Praefatio S. XVII ff. mitgetheilt: man
wird aber die literirisch-hlstorische Seite dieses Commentar's als
iejenigo an betrachten haben, die mit besonderer Aufmerksamkeit
Md fai befriedigender Weise behandelt worden ist Besondere Be»
Iige dieser Behauptung ansufOhren, dfirfte um so weniger nothwen-
di^ erschefaien, als Jeder, der das Buch nachschlägt und gebranchti
Ml leicht davon flbersengen kenn, und schwerlich hier Etwas be*
londeres au ergänsen oder nachzutragen sein wird. Auch das Spraeii*
liehe und selbst Grammatische ward berücksichtigt, wie diess, um
daen Beleg ansnfabren, die cap. IL über die Weglassung der Be-
dsplication des Augments bei dem Plusquamperfect gemachte Be-
nerkung seigen kann, wiewohl diese Weglassung bei Plutarch nicht
etwa Torsugsweise das Plusquamperfect des PasslTum's betrifft, wie
der Verf. annehmen su wollen scheint, sondern auch eben so sehr
des Acut, was a. B. Stellen, wie Flamin. 21. Pyrrh. 18. PericI. 7.
hinreichend erweisen können, so dass also auch bierin Plutarch dem
Beispiel der älteren Schriftsteller, wie Herodotus, Thucydides,
Xenophon, um nur diese su nennen, sich anschliesst. Eine gute
Zossrnmenstellnng der Peripatetiker, welche über Musik geschrieben,
ist SU cap. 3. gegeben; Erörterungen ähnlicher Art werden über
die nnaeinen Musiker und Dichter der älteren Zeit, welche bei Plu*
tsreh erwähnt werden, so wie über alle die In der Musik der Alten
verkommenden Ausdrücke, die eine bestimmte Bedeutung in An«
Spruch nehmen, gegeben, und daran weitere Bemerkungen geknüpft,
wie denn, um auch einen Beleg der Art aniuführen, der Verfasser
8. 83 lu der Ansicht von swei in der ältesten Zelt hervortretenden
Schulen der Musik, aus denen die vollendete Musik der Griechen
''^vorgegangen, gelangt; die eine derselben erscheint ihm als die
Thracischef an die Namen eines Orpheus und Amphlon geknüpft,
ehie Citharödenschule ; die andere eine Phrygische, an des Olympus
Mimen geknüpft, und swar eine auletische: aus der Vereinigung
beider und deren Erweiterung sei die Lesbische Schule des Terpan«
der hervorgegangen, von dieser die ganse Entwicklung der dorischen
ÜBsik im Peloponnes absuleiten. Bei dem innigen Zusammen-
haag, in welchem Musik und Poesie bei den alten Griechen stehen,
«SB VolekiuMft : PlMifeL D%
ergeben sich daraas für die let£tere allerdings FolgeroAgen, die flr
die geschichtliche Entwicklung derselben nicht genog beabbtet wqp^
den können. Wenn aber in emer Bemerkung an cap. XIV. p. 99,
wo Yon den Hyperboreern die Rede ist, diese nach dem Vorgang
von Niebahr für Pelasger gelten sollen, und die Herodoteiache An-
gabe von den Spenden derselben nach Dolos auf die älteste Ver-
bindung Pelasgischer und Griechischer Rdigionen sich besiehen aoll,
so wird damit wohl kaum ein nSberes Licht über diesen allerdings don-
kein Gegenstand, der aber mit den Pelasgern schwerlich lusammen-
hjiogt» gebracht sein. Wir übergehen Anderes, was bei einem so
Umfangreichen Stoffe Veranlassung su irgend einer Bemerkung oder
Urörtemng geben könnte: das Gesagte mag hinreichen, den Lesern
einen Begriff voo dem zu geben, was in dieser Ausgabe wirkHeii
gellBistet worden ist In dieser Besiehung haben wir noch weKer
01 gedenken der dem Gommentar beigegebenen Abhandlung: ^De
organIs sive instrumentis reterum musids Epimetrum*^ eine gute
Ztsammenstellung aller der einseinen Instrumente, welche in der
Musik der Griechen vorkommen, der Schlag-, der Saiten- und der
Btas-Instmmente. Die einaelnen in diese drei Abtheilongen fallen*
den Instromente werden aufgeführt, ond nSher beschrieben unter
Betugnahme auf die betreffenden Stellen der Alten ; dabei auch die
Ausdrücke selbst, welche von diesen Instramenten vorkommen, erlln-
tert. Bei der mit dem Namen ^potvtl^ beaeichneten Art der Ljra
(S 10) war auch die hier übersehene Stelle des Herodotus IV, 199
attsnführen.
Was endlich die von Manchen besweifelte Autorschaft des Ha-
tarchus betrifft, so hat der Verfasser auch diese Frage in der Prae«
fatio*p. IX seqq. berücksichtigt. Er kann aber diese Zweifei niclit
theilen; Und wir glauben mit Recht. Abgesehen selbst von dem
Inhalt der Sefarift^ welcher für einen Plutarch nicht ungeeignet und
anpassend erscheint, ist die ganse Ausführung der Art, dass sie kei-
nen näheren und bestimmten Grund des Zweifels Demjenigen bieten
wird, der fiberhaupt mit Plutarch's Schriften, seiner Darstellunga-
und Redeweise sich näher bekannt gemacht hat; es ist durchaus
kein solcher Abstand von den übrigen derartigen Ausführungen Plo*
tarch's wahzunehmen, welcher uns nöthigen könnte, an irgend einen
andern Verfasser za denken als den, welchen die urkundliche üeber-
lieferung angibt; dass die Schrift aber von Plutarch in jüngeren
Jahren abgefasst worden, hat der Verfasser wahrscheinlich gemacht
Die nöthigen Indices aum bequemen Gebrauch des Ganzen fdileo
nicht: die äussere Ausstattung ist in jeder Hbsicht vorzüglich zu
nennen.
Das
Erklk
ohne «.
daa dadL
I Demo$ihene$ und nine Zeit. Von Arnold Sehäfer ph.
Dr^ Frofe$$or an d. k, säehs, LandesBchule »u Orimma, Leip-
»ig^ Druck und Vorlag von B. O. Teubner. 1856 in gr, 8.
Ertier Band. XVI und 478 8. ZweUer Band. X und 684 8.
1 /^flfao64^ipovg at /JfififffOifüu. DemoBtheni» Oontiones guae
eireumferuniur cum Liöanii vUa Dem. et ArgumenHi Oraeee
et LaUne. ReeensuU cum appctratu erüico eopioeissimo, Pro-
legomenis grammatieU et nütitia eodieum ed^dU Dr. J, Th.
VoemeliuB. Hali» Baxoman, in Ubraria Orphanotrophei
MDCCCLVL XXVJII und 908 8. in gr. 8.
Wir eteilen beide Werke sasamiiieB, weil sie aof einen und
denselben grossen Redner der helienisehen Welt sich beiiefaeni des-
sen Stndfnm allerdings aaf eine Weise nnn gefördert worden Ist,
welebe die gerechteste Anerkennung erheischt. Beide Werke sind
die Fmeht rieljfthrlger , umfassender und gründMeher Stadien, die
lieh scbon vor dem Erscheinen dieser Werke in der Behandivng
afaisefaier Tbeile und Gegenstände des grossen Gänsen fruchtbar
erwiesen: das eine dersriben mag selbst als der Bcblussstein Tiel-
fscher dem Texte der noch erhaltenen Reden sugewendeten Be*
aabnagen gelten, die hier sn einem gewissen Abschloss gebradit
efscheinen. Darauf hinsuweisen ist der Zweck dieser Anselge, weldie
ät Freunde der alten Literatur auf diese gediegenen Leistungen
aafmerksam machen seli, durch welche Demosthenes uns so nahe
gerttckt, sein Stadium dem Freunde des Alterthums wesenttlch er-
leicbtert ist, weit er nnn sichere Föhrer findet in Allem dem, was
die tossere Form der Uel>erlieferung, den Text des Redners, wie In
dem, was den Inhalt sehier Reden, «nd die politischen BezieiMHigen
derselben, das Verhältniss su der Zeit, in welche sie fallen^ u. s. w.
betrifft Darum wird auch Niemand, welcher die Reden des Demoa-
Aenes lesen und Terstehen, damit aber auch die ganse denkwürcHge
Perlode, fai welche diese Reden fallen, nSher kennen lernen und
richtig würdigen will, des Studiums dieser ihm unentliehrllchen Werke
sieh entacblagen können.
Das an erster Stelle oben aufgeführte Werk, ausgeseiöhnet auch
▼on Seiten der gansen typograpbischen Ausführung in Draek und
Papier, soll ein umfassendes und voUstlndiges Bild des Lebens und
Wirkens des Demoetfaenes rorMiren: es soll ein Bild der geistigen
wie der ^Utischen Tbtttigkelt eines Mannes geben, der in die Ge-
schicke der Mlenischen Welt leitend und bestimmend eingegftfen,
Bttd die letite Periode der hellenlscben Selbstüodlgkeit in seiner
Person darstellt, und es soH damit auA eine richtige Blnsicfat In
alle die durch ihn mit bestimmten Ereignisse, e«ne richtige WOrdl-
Smg seiner Leistongen, sowohl im Gebiete der Politik, wie des
GeiMs und der Literatur eralek werden.
Diese In der That iricbt geringe, lieloMfar mk grossen Sehwie-
440 Sehifer: DemoftheaM.
rigkeften in der Ausführang verknflpfte Aufgabe bat der Terianei
in einer wobl befriedigenden Weise in den beiden vorliegenden Bin-
den SU lösen unternommen; er selbst ging freilieb aucb lücht nn-
vorbereitet an ein solches Unternehmen; er ward vielmehr durch
die früher diesem Kreise der alten Literatur überhaupt zugewende-
ten Forschungen au dieser besonderen Arbeit geführt, bei welcher
auch Alles das berücksichtigt ward, was von Andern auf diesem
Gebiete geleistet worden | das allerdings manche schätabare Vora^
beiten im Einseinen aufzuweisen hat, aber darum doch gar Vieles
an seinem völligen Ausbau erfordert Der Verfasser, indem er dsi
von Andern Geleistete nicht unberücksichtigt Hess, hat aber Tor
Allem den Quellen selbst sich zuwenden zu müssen geglaubt, ans
den Schriften des Demosthenes und der ganzen auf uns gekomme-
nen hellenischen Literatur hat er den Inhalt seines Werkes absa-
leiten und darauf zu stützen versucht: und da diese Quellen übersU
in den betreffenden Noten unter dem Text angeführt werden, so ist
Jeder In Stand gesetzt zu prüfen, da, wo in ihm ein Zweifel über
die Behauptungen des Verfassers auftauchen sollte. Und dass bei
Aufführung dieser Quellen nicht leicht Etwas übersehen, oder un-
berücksichtigt geblieben, wird wohl kaum noch einer besbndem Er-
wähnung bedürfen: dabei Ist die Darstellung klar und bestimmt, sie
lässt die gewonnenen Resultate bequem überschauen.
Jeder der beiden BSnde enthält zwei Bücher des Ganzen; der
erste Band, etwas später, und erst nach dem Erscheinen des zwei-
ten ausgegeben, befasst in den beiden ersten Büchern die Vorgän-
ger des Demosthenes in seiner rednerischen und poUtisehen Lauf-
bahn, und dann die Jugend des Demosthenes und seine politischeo
Anfänge. Eine Einleitung, welche das erste Capitel des ersten Buches
bildet, entwirft ein Bild der politischen Lage Athens und ssiner
ganzen Stellung eben zu der Zeit, in welche das erste Auftreten
des Demosthenes fällt: sie führt damit in die weitere Darstellonc;
ein, welche in den vier folgenden Abschnitten die nächsten Vor-
gänger des Demosthenes und die mit ihrer politischen Wirksamkeit
zusammenhängenden Ereignisse Athens schildert; Eallistratos , Ari-
stophon, Eubulos und Aeschines werden uns vorgeführt, ihre ganie
politische Thätigkeit in der Entwicklung der attischen Verhältnisse
dargestellt: was der Verfasser früher über diese Gegenstände in
Schneidewin's Philologus veröffentlicht hat, erscheint hier in einer
gänzlich umgearbeiteten, dabei mehrfach erweiterten Fassung. Dss
zweite Buch enthält im ersten Capitel die Herkunft des Demosthe*
nes, seine Erziehung, seine Vermögensverhältnisse wie die Familien-
verhältnisse überhaupt, wobei auch die Vormundschaft und die da-
durch herbeigeftihrten Processe näher besprochen werden; das fol-
gende Capitel befasst sich mit der rednerischen Ausbildung des De-
mosthenes, seinen Studien, seinen Uebnngen, seinem Verbältniss so
älteren Vorbildern, namentlich zu Thucydides, Plato und Isokrates;
441
W60D DemotdieBeB keineswegs der Schaler der beiden letztem ge-
wesen ist oder rieimehr gewesen sein luinn, so haben doch beide
auf die ganie innere Entwickiang des grossen Redners in dessen
Jagend einen grossen Einfloss ausgeübt (vgl. S. 284 AT.). Die niehsten
Alwchnitte fahren in die sachwaiterische ThIÜgkeit des Demosthe*
lies ein, naehdem er als Rechtsanwalt einmal aofgetreten war; es
werden die versdiiedenen in diese Sphäre fallenden Reden, insbe-
•ondere im vierten Gapitel die gegen Leptines, im fanften die ge-
gen Aristokraies , niher besprochen ond der Charakter dieser ge-
richtlichen Reden entwickelt (vgl. S. 312 ff.); das Ganae schliesst
mit einem schdneo ROckblick aof diese gesammte Thitigkeit des
Demostbenes (S. 405 ff.). Es wird hervorgehoben, wie in allen den
hierher gehörigen Reden eine volle Herrschaft aber den Gegenstand
und eine erschöpfende Behandlung desselben sich kund gibt, wie der
Sachwalter mit scharfen Waffen dem Gegner su Leibe geht ond
jede SchotBwehr desselben niederschlägt; es wird auf die umfassende
Gesetaesknnde hingewiesen, auf die Geschicklichkeit und Gewand-
heit in Auslegung der Gesetae und ihrer Benutsong far die vorlie-
gende Frage; auf das Bestreben, überall in die Sadie selbst einin-
diingen and so die gewünschte Entscheidung herbeisuführen. y»So fesselt
OBS sagt der Verf. S. 406, Demosthenes durch übersichtliche Gliederung,
Ichlagende Beweisführung, durch tief eindringende und umfassende Ent-
wickelang, endlich durch die lebendige Frische ond den Rhythmus
aäner Rede. Zu allen diesen Eigenschaften aber, welche Vonüge des
Anwalts and des Redners bilden, kommen endlich solche, welche
dem Charakter des Staatsmannes angehören und diesen Reden erst
efaien unvergänglichen Ehrenschmuck verleihen. Es gilt in ihnen
allen mit dem positiven Rechte sugleich nach Pflicht und Gewissen
die Wohlfahrt des Staates gegenüber den Machthabem des Tages so
wahren ond die athenische Bürgerschaft heraossureiasen aus der Willkür
und Leichtfertigkeit, mit der sie die Finansen des Staates verwahr-
losen Hess und um einer kläglichen Aushilfe willen bereit war Tren
und Glaoben au brechen oder leichtverblendet in Betreff der aus-
wärtigen Verhältnisse Beschlüsse der bedenklichsten Tragweite ge-
nehmigte. So handelt es sich um einen Kampf für die höhere
Staatsmoral wider die Günstlinge des Tages. Nie hat Demosthenes
aeine Stimme dasn geboten im Dienste der Leidenschaft das Recht
so beugen, nie des Beifalls der Menge halber Processe angestellt
and den Ankläger gemacht Das hat selbst der missgflnstige Theo-
pomp unverholen anerkannt^
Das folgende, sechste Capitel führt uns in die Anfänge der
aUatsmännischen Wirksamkeit ein, wobei zunächst die Rede von
den Symmorien näher besprochen wird; das siebente Capitel
aetst diesen Abschnitt fort und schliesst gleichfalls mit einem
Rückblick, welcher über die politischen Ansichten nnd Grnnd-
lätse des Demosthenes sich verbreitet, S. 472 ff. Bei so man-
dien, auch in der neuesten Zeit laut gewordenen oder viehnehr
44S SdUferi
kek hingeworfeDen und bei näherer Retraehtong durelunie gnindie»
ecn Urth^a über den grossen Redner empfehlen wir diesen Büdt*
Uiek insbesoBdere: er iet darchans mMg nnd besonnen, ohne alls
Uebertreibang, dagegen in allen seinen Theilen durch die Qaellsa
belogt; er leigt die edlen Absichten und das edle Streben eines Pa-
trioten, der mit seiner Zeit nnd deren Vomrdieilen nnd Leidsa-
Schäften in einem steten nnd rücksichtslosen Kample steht, und selbsl
durch die vergeblichen Erfolge seiner Bemflhnngen sieh nicht vea
dem abbringen ifisst, wodurch er allein den Freistaat und
Selbständigkeit erhalten und gegen äussere wie innere Feinde i
lu können f^aubt In dem ganzen zweiten Bande wird diese Dar^
stdlung bis zur Schlacht von Ghäronea weiter foitgeführt; die Ver«
bältnisse Athens zu Macedonien und dessen König Philifip, wooa
die ganze politisdie nnd rednerische Thätigkeit des Domesthensi
sich anschliesst, bilden den Inhalt und geben uns in der sorgfältigen
Erärtomng dieser Gegenstände ein Bild des ganzen, lOr die Ea^
wicktmig der macedonischen Macht wie für die Geltung der hefls*
nischen Verhältnisse so wichtigen Zeit. Das dritte Buch führt As
Ereignisse bis zu dem Frieden des Philokrates; die Anlange dsr
maeedenischen Macht, die unmittelbaren Vorgänger des König's Phi-
lipp und dessen Thronbesteigung, dessen Einmischung in die helle-
nischen Verhältnisse, wie sie die Aufmerksamkeit des Demosthenas
erregten und zu der ersten Pbilippischen Rede nähere Veranlassung
gaben, das Alles, und was daran im Einzelnen weiter sich anknüpft,
wird in den beiden ersten Abschnitten dargestellt, dann folgt dsr
onböisdie Krieg und hier auch der Streit des Demosthenes mit Msi-
dias im dritten Abschnitt, dann im vierten der olynthisohe Krieg,
wobei die oljnthischen Reden näher besprodien und nach üiresi
Inhak, wie nach Ihren politischen Beziehungen gewürdigt weiden $
die Bemühungen, den Frieden zu gewinnen, und die darüber gepie-
genen Veriiandlungen, die darüber entstandenen Streitigkeiten «.8.W.
bis cu dem AbecUuss des Friedens nach dem von Fhilokrates ver-
gelegten Entwurf am 16. April des Jahres 846 vor Chr. O.
Das vierte Buch (8. 221 ff.) hat den siebenjährigen Friedsa
und den zweiten Krieg der Athener mit dem Küoig Philipp an sei"
nem Gegenstände. Es mag daraus auch die Wichtigkeit dieses Thsh
los bemessen und der grössere Umfang dieses die Geschichte bis
au dem oben bemerkten Zeitpunkt der Sohlacht von Chäronea dnrdi-
fülirenden Abschnittes gewürdigt werden, zuomü da in dieser Periode
die politische Thätigkeit des Demosthenes sich in einer Wöse ent-
faltet, die freilich ohne eine nähere Darstellung der Ereignisse selbst
und swar im Einaehiett, nicht vollständig erkannt werden kann. la
dieses Einzelne hier näher einzugehen. Hegt nicht in der Pestin-
amng dieser Anzeige, die bloss im Allgemeinen anf das in dieseai
Werloe geleistete aufmerksam machen nnd damit auf das Studium
desselben hinweisen soll, eben darum auch Maaehes übergeht, wsi
Mifer:
!
die Bahandliiiig eiiiEeliier Punkte betrifft. DaUn gebort t. B.
aneb die ediöne Vergleicbung, wekhe S. 287 iwischeD Perikles
mi Demoetbeoei angestellt wird, mid wabrbaftig Biebt aom
Naehtbeil des letstarn aualiUlt. So wird diese Sebrift aneb dorcb
die omfasseDde Bebaadlang der äussern , mit dem Leben and
dar redneriscfaen wie politiscben ThKtigkeit ausammenbäogendeo
Ereignisse, ein recbt ntitslicbes Hüllsmittri bieten sn einem
nXberen, den Reden des Demostbenes selbst and ibrem allsei-
tigen Verstindniss gewidmeten Stadium. Za eine» solcben Stn^
dinai aber ist aucb weiter erforderlicb ein gereinigter, feblerfreier
Text; and dies mag uns lur Besprecbang des andern oben
aogeaeigtea Werkes fObren, welches Torsugsweise diesen Zwecke
bestimmt ist, und, wie der Titel besagt, vor Allem den Text der
Staaisreden des Demostbenes In mögliebster Reinheit vorlegen seU,
aber damit aneb eine lateinische Debersetsong , so wie eine nmbiH
ssnde Torlage des kritisoben Apparates, an den noch manehe an-
I dere Bemerkongen kritischer, granunatlseber und spracblkher Art,
mm besseren Verst&ndniss dos Einaelnen sieh knüpfen, yerbindet,
nnd dorcb eben so nmfassende Prolegomenen , welche aneb für
dfe kritische imd grammatische Behandlung anderer Schriftsteller
Vides enthalten, das Oanae in angemessener Weise einlotet
Der Herausgeber ist su diesem UnternehmeD wahrhafüg nicht
als Neuling geschritten: fast sein ganaes Leben war dem Btodiom
des SchriAstellers gewidmet, dessen Text er hier vorlegt: da-
von gibt Zeugniss eben so sehr die Bearbeitung einielner Beden,
wie sie mit umfangreichen Sache nnd Sprache gleichmXssig behan*
delnden Goasmentaren ausgestattet, schon vor fast dreissig Jahren
endilenen sind, als die Herausgabe des ganaen Demostbenes in der
Pariser Ausgabe 1843 und 1S45, von der anob in diesen BUttern
die Rede gewesen ist (s. Jahrgg. 1844. S. 393 ff., 1846. S. 940 ff.);
dMron geben aber auch Zeugniss so viele einaehae gelehrte Unter*
scchnagen, dse meist in Programmen niedergelegt, welche die amt*
liebe Stellung des Verfassers hervorrief, meist auf Demostbenes sich
besieben und mit diesem Schriftsteller in näherer oder entfernterer
Beniehong stehen. So iritt uns hier die gereiflte Frucht eines Men-
schenlebens entgegen; in Ihr erscheint allerdings auch die Textes*
kiüik zu einem gewissen Abschluss gebracht, wie diess bei nur we-
nigen Scfarlftetellem dtf Fall sein dürfte, wenn anders noch der
urkundlichen Ueberliefernng der Werth belassen werden seü, den
eine verstftndlge £ritik ihr wohl lassen wird, da sie in ihr ihre ein«
aige sficfaere Grundlage findet, die sie ohne Gefahr nicht verlassen
kiuin. Dass damit aber fQr den Text eines Scbrlfistellers nichts
Serfnges eruelt ist, wird Niemand in Abrede stellen wollen. Wir
hAen aber eben darum noch nSher ansngeben, aaf weldbem Wege
und dorcb welche Mittel dieses Ziel au erreicben dem Herausgeber
geln^^ Ist
444 DamoftheDli ConHonei ed. Vdnel.
Seit dem ErBcheioen der Pariser Auegabe dee Demosthene«
(1843 — 1845) war der Herausgeber unablässig bemüht, nicht bloss
sein kritisches Material zu vervollständigen, sondern aneh dareh
eigene Einsicht der Pariser, für Demosthenes so berühmt geworde-
nen Handschrift (27), so wie der ihr zunächst stehenden Brüsseler
Handschrift (A) , und durch die sorgfäitigste Vergleicbong beider
sich ein durchaus sicheres Fundament für die kritische Behandlung
des Textes zu verschaffen. Reisen, nach Paris und Brüssel unter-
nommen, wo es dem Herausgeber gelang, die seit ihrer Rückkehr
von Paris verschollene und für verioren gehaltene Handschrift (ßi)
wieder aufzufinden und sich später durch eigene Einsicht and sorg>
lllltige Yergleichung von dem Verhältniss dieser Handschrift zu der
Pariser zu überzeugen, führten zur Erreichung dieses Zweckes. Von
der Pariser Handschrift ward die sorgfältigste, auch nicht die ge-
ringsten und scheinbar unbedeutendsten Punkte übersehende Golla*
tion gewonnen, womit denn natüriich eine Reihe von Fragen, welche
mit der Benutzung dieser Handschrift nnd der Bestimmung ihres
Einflusses auf den Text zusammenhängen, Erledigung fand. Dss
Schwanken, welches noch in Bekker's neuester Ausgabe (bei Tauch-
nitz) in der Einführung mancher Lesarten dieser Handschrift be-
merkbar ist, wird jetzt aufhören, und wird man dem Grondsatze
des Herausgebers volle Billigung zuerkennen müssen, wenn er als
Resultat der eigenen nun gewonnenen Einsicht sich dahin aasspricht:
j, — ita pensitabam, ut £ codicis anctoritatem summam gravissi-
roamque sequerer, nisi ubi ratio vetaret vel suspicionis causa mani-
festa esset. ^ Und darin liegt auch mit ein Hauptunterscfaied des
Textes dieser Ausgabe von den noch kurz zuvor erschienenen Aus-
gaben des Demosthenes, die zwar auch die Autorität jener Hand-
schrift anerkennen, aber in der Durchführung nicht die Consequens
erkennen lassen, die eigentlich nur als eine nothwendige Folge je-
ner Anerkennung sich heraus stellt. Jedenfalls ist damit für die
Kritik des Demosthenes Viel gewonnen, ein sicherer Grund festge-
stellt, und, wie schon oben bemerkt worden, ein Abschluss in der
kritischen Behandlung erzielt worden. Der hier gegebene Text der
Staatsreden des Demosthenes wird die Grundlage eines jeden wei-
teren Textesabdruckes bilden müssen. Wenn nun damit freilich noefa
nicht alle Kritik des Textes erledigt ist, wenn noch eine Menge
von kritischen, grammatischen und sprachlichen Punkten übrig blei-
ben, über die man sich auf der durch die Pariser Handschrift ge-
gebenen Basis zu verständigen hat, so hat der Herausgeber auch
zur Erledigung dieses Gegenstandes sein Möglichstes gethan und dabri
den Weg eingeschlagen, der zu siebern und festen Ergebnissen füh-
ren kann. Er hat nämlich dem Ganzen „Prolegomena grammatiea'
vorausgeschickt und auf circa hundert sechzig Seiten alle die ein-
zelnen grammatischen Punkte, mit Anführung der betreffenden Stei-
len, behandelt, welche insbesondere bei Demosthenes In Betracht
•4. Y«mL 449
luid für die fomaUe Behandloog d«MeU>6o ron f rtoerer
oder geffipfeter Wichtifkeil sind, eben daniany mögen lie ooo aJe
Bgenthflmlichfceitep der DenosUieiiischeD Rede eogeeeheo werden
oder nicht, jedenfmlis eine FestiteUnog erfordern, die logieieh Ittr
4ie Kritik eine Norm in der Gestaltung des Textet bildet, dm hier
dae granunntiecbe ond das kritische Element an einander streifen
and mit einander snaammeniiXngen« Dahin gehören alle die Fragen
iber Hiatus, Apostroph, Crasis, Synalöphe, Aphftresis n. dgl, ober
das am Ende der Worte aageseute v oder tf, nicht bloss da,
wo diess auch bei andern Schriftstellern statt findet^ sondern auch
bei einer Ansahl Wörter wie X(f6g^9v und x^fog^e^ ^^^V^tv und
^J^^vffii^ tavto ond tivrovy touwto und towwav^ ovrm ond
wtmg o. s. w., über Jota subscriptum ond dessen Anwendung in
siaxehien Worten, üt>er gewisse Adverbialformen (in y) und veral-
tete Dativformen^ über die Anwendung des Accentes bei gewissen
Wörtern, dann einxelne Formen der Declination wie des Verbum'Si
lasbeaondere auch die Frage nach der Anwendung des Augmentes,
sumal der Bedupiication und manches Andere, was noch welter geht
■ad die Constroction der einaelnen Modi und Tempora berührt: alle
diese GegenstSnde werden hier erörtert Eine Reihe von einaehieu
Wörtern, aum Theil auch Eigennamen, welche in Beaug auf Schreib*
«it und Gebrauch ein gewisses Schwanken erkennen lassen, folgt
•bbald nach: ein genaues Verselcbniss (S. XVII seq.) führt aur
bequemen Uebersicht des Ganaen alle die einseinen Punkte auf,
die in diesen Frolegomenis aur Sprache gebracht und, in Beaug
auf Demosthenes, gewissermassen erledigt sind. Welche Folgerun-
C«n aber daraus auch für andere Schriftsteller derselben, oder doch
aiaer nahe liegenden Zeit sich ergeben, mag hier nur im Allgemein
aen angedeutet werden, da wir uns auch hier nicht näher in das
Ehuelne einlassen können.
Eben so erschöpfend in der That ist die kritische Einleitung
(Prolegomena critica S. 161 — 298) ausgefallen, wie dIess schon aoa
der blossen Angabe der Seltenaahl entnommen werden kann* Man
findet hier eine eben so genaue, wie vollständige Zusammenstellung
aller bis jetst bekannt gewordenen Handschriften des Demosthenes,
geordnet nach Classen und Familien, soweit nemlich dies mit eini-
ger Sicherheit au bestimmen überhaupt möglich ist; dabei haben
auch die Handschriften, nach welchen die ersten gedruckten Texte
des Demosthenes erschienen sind, und die sogenannten Editionea
priaclpes selbst die gebührende Berücksichtigung gefunden; sie wer-
den anerst aufgefQhrt bis auf Morel (1570) und die von ihm he*
autsten acht Pariser Handschriften, an deren Aufaählung sich dann
die Veraeichnisse der von H. Wolf ond den nachfolgenden Heraus-
gebern Ua anl Bekker und die ihm folgenden Bearbeiter des De-
mosthenes, den Heransgeber selbst mit eingeschlossen, gekannten
und l^oUten Hands^iften aoschliesseni mit aller der Sorgfalt
440 tif inHnitii CmMm« «4. YAaet
QDd Oeoauifkeit Tenmataltet, die wir durohweg auch bei den ttbii*
gen Theilen dieses Werkes angewendet gefunden haben. Eine eigene,
»an kann wohl sagen, erschöpfende Erörterung ist, wie in enrar-
ten war, den schon oben erwähnten beiden Handschriften 27 und U
gewidmet (§. 72. S. 219 ff. und $. 88. p. 243 ff.), namentlieb der
ersteren, und wollen wir darauf besonders die Freunde der De*
mosthenischen Kritik aufmerksam gemacht haben. Zurörderst wird
diese Pariser Handschrift, auf die der Text des Demoethenes sidi
Yorsugsweise stdtzt, näher nach ihrer äusseren Beschaffenheit und
ihren Schriftsügen beschrieben, und unter Zustimmung tod Hsse,
aus paläographisehen Orüttden dem sehnten Jahrhundert vindiclrt;
dann wird die Stichometrie besprochen, und daran schliesst ridi eine
weitere, gana ins Einselne gehende Erörterung eben so sehr der Vor-
zfige dieser Handschrift, wie auch der Fehler im Einseinen, welche an
derselben wahrgenommen werden. Die andere Brüsseler Handschrift
wird als dieselbe erkannt, die nach ihrem früheren Besitaer Panti-
nus als Pantinianische gewöhnlich bezeichnet wird ; sie gehört in den
Anfang des yierzehnten Jahrhunderts. Mit dieser vollständigen An-
gabe der bisher bekannt gewordenen Handschriften hat sich der
Herausgeber indessen nicht begnügt: er gibt weiter ein gesaus
Yereeidiniss der von Theodor Heyse in den verschiedenen Biblio-
theken Rom's eingesehenen Handschriften und knüpft daran ein wä^
teres Veraeichniss aller der andern, an andern Orten Eur<^a's be-
findlichen, noch nicht verglichenen Handschriften, von welchem ihm
irgend eine Nachricht augekommen war : so möchte in der That der
Gegenstand erledigt sein und einer weiteren Nachforschung nach
Handschriften des Demosthenes wohl kaum mehr Etwas zu tboo
übrig gelassen sein. Es folgt nun (S. 275 ff.) die schwierige Be-
stimmung ifft Glassen oder Familien, nach welchen die bisher be-
kannt gewordenen Handschriften zu ordnen sind; die verscbiedeneB
darüber in der neuesten Zeit aufgestellten Anstiften werden ange-
führt und besprochen, als Ergebnlss aber der ganzen Untersnchung
eine vierfache Familie der Handschriften aufgefunden (S. 288) ; die
erste bildet die oben erwähnte, vorzügliche Handschrift Ij\ die zweite
hat an der Spitze die Venetianer Handschrift (F), der audi die
Aldiner Ausgabe grossentheils gefolgt ist; bei den HandsclirifteD
dieser Olasse werden die wenigsten fremdartigen Einschiebsel gefun-
den, wenn auch gleich kein vollkommen reiner Text vorliegt; an
der Spitze der dritten, welche durch gelehrte wie ungelehrte HSode
mehrfach verdorben worden ist, steht der Aug. I., dem Relske le
seiner Ausgabe besonders folgte; die vierte Classe ist eine Mittd-
cAasse, zwischen den beiden vorhergehenden in der Mitte stehende,
hidem sie bald mehr der einen, bald der andern Richtung sidi an-
schliesst; ihre beiden Hauptvertreter ^ jede freilich in venchiedener
Bicfatung, sind die Pariser Handschrift, die mit T bezeichnet wird,
und die oben erwähnte Brüsseler. Es folgt nun noch am BchloM
dL ViML 44T
fi* fBMoe Angab« im doBaliieD twi dMB Herwuigsber fttr jed«
im im ditMBii Band «olbalunen (tiebenaehD) Reden beoüUteD Hand-
ickriftai. Nean, dem Werke beigegebene Tafeln enlbaltm die
Faeiimile's der benutsten Handscbriften und setien dadurch auch
Andere in den Stand, die Besebreibang der Handecbriften nad daa
ttar ihren Werth geUUlto Urtheil an prflfen.
Was nan den in dieeer Aoagabe vorliegenden Text betrifft, so
witderhelen wir hier die schon oben gemachte Bemerkung, daü d«f
msentliehe Dntersehied doMelben, sowohl Ton der früher ron dem*
•oiben Gelehrten besorgten Ausgabe, wie von der Bekker'selien und
iaderen darin au soeben ist, dass derselbe sieh mehr an die Pariser
Hsndsehrift 1, ansehUesst, und deren Autorität voraugsweise folgt:
woaa allerdings die nihere Untersuchang berechtigen konnte, welche
über diese Handschrift, so wie über die übrigen, neben ihr in Be*
tiaeht kommenden, hier geführt und nach ihren Hauptergebnissen von
ons hier mitgetheiU worden ist £s begleitet dsn Teit die iateinh*
ttke Deberseizuag dee Hieroajmus Wolf, natärlich an alien den
Stellen berichtigt, wo sie sn der jeut hn Texte befindlichen Lesart
nkht mehr passen würde, und so dem Texte völlig entsprechend |
oatsr dem Texte befindet sich der kritische Apparat oder die Zm-
laonnensteUong der Varietas Lectionis aus den vom Herausgeber
beaatsten handsdiriftlichen Quellen; es kommen aber noch manche
mdere, die Sprache des Demosthenes und die firklärnng, also die
ndnigs Auffassung nicht weniger Stellen, wo xum Theii die Lesart
lohwankt, betreiende Bemerkungen des Herausgebers hinau, durch
welche diese kritische Zasammenstelloag, denn diess ist nad soll sie
naSchst sehi, an mandien Orten die Stelle eines Coaunentar's ver^
Uat« kann. Der mit seinem Schriftsteller, wie Wenige, vertraate
Hsmusgeber hat dabei von dem, was anders Gelelirte, es sei in ihren
Besrbeitongen DemostiMnischer Reden, oder an andern Orten und
Mhr gelagentlich fttr das Yentfindniss einaehMr Stellen and Ans**
Mcke geleistet haben, sorgfiütig benntst und dadurch den Werth
leiaer Leistung gewiss erhöhet, auch dssshalb ein eigenes Register
Mgifügt (& 889. 908), welches die Beuntanng erleichtert Die
in der Aasgabe selbst, ausser dem Leben des Demosthenes von Li*
biaiai, mit weichem das Gänse beginnt, enthaltenen Reden sind
felgeiide: anerst die drei Olynthischen , dann die erste Phil^pische,
dis Rede XBfl tijg sl^f^vtig^ die aweite Philippische, die Rede über
HatoaaesoS) die Ghersonitisöhe , die dritte und vierte Philippisehe,
die Rede wider den Brief des Philipp, der Brief des Philipp, die
Bede aaifl #Mm(|fiSi^, über die Symmorien, über die Freiheit der
Bhodier, für die MegalopoUten, über den Vertrag mit Alexander,
€lftr.
448 HofiMMii: Bkttfcaa tpanielier P^^iie.
BUUhen spanischer Poesie, mdriseh übertragen wm Friedrieh
Wilhelm Hoffmann. Dritte, stark vermehrte Auflage,
Magdeburg, 1866. 8. XVIII und 472 8.
Die erste Auflage dieses Buehes ist im Jahre 1841 erecbSenen;
drei Jahre später Ist die zweite gefolgt und nun ist eine dritte mög-
lich geworden, Beweises genug, welch anerkennende Aufnahme die
Leistungen des Herausgebers schon gefunden haben. Zu den fisr
und fünfsig, von acht Dichtem herrührenden, Stücken, welche die
erste Auflage enthielt, kamen In der zweiten noch fünf tou Her-
mando de Herrera; in der nun Yoriiegenden , ihrer M^festSt Donna
Maria Isabel IL von Spanien gewidmeten dritten sind wieder df
weitere Dichter yertreten, und die Sammlung enthält jetzt hundert,
mit wenigen Ausnahmen, zum ersten Male in das Deutsche Aber-
tragene, grössere und kleinere Gedichte von zwanzig VerCusem
und bildet so ein Florileglum, dem unsere Literatur kein anderes
von gleichem Umfange an die Seite zu stellen hat Ihrer Blüthe-
zeit nach gehören, den einzigen Juan Melendez Valdes abgerechoat,
die Dichter, welche Hoffmann bei uns einfahrt, dem 16. und 17.
Jahrhundert an. Dass über die Lebensverhältnisse von allen sorg-
flUtige, auf den besten Hilfsmitteln beruhende, Nachrichten gegeben
werden, verdient besonderes Lob. Was Inhalt und Form der mlt-
getheilten Dichtungen angeht, so ist die ausserordentUche Manighl*
tigkeit rühmend hervorzuheben, auf welche nach beiden Richtungen
hin der Uebersetzer bedacht gewesen ist: Ernst und Sehers, die
religiöse Begeisterung, sinniges Versunkensein In die Natur, die Wonne
und der Schmerz der Liebe, die weise Lebensbetrachtung, der pa-
triotische Aufschwung des Spaniers, das alles tönt uns in Ottavea,
Sonetten, Madrigalen, Canzonen, Oden, Episteln und Romanzen ent*
gegen. Ich sage, das alles tönt uns entgegen; denn, in der Thtt,
die grosse Sorgfalt, mit welcher der bescheidene Herausgeber, der
ohne Bedenken In einer Reihe mit unseren besten Uebersetzem ge-
nannt werden darf, seine Originallen nmzudichten gesucht hat, wird
auch den des Spanischen unkundigen Leser etwas von der Fraekt
jener südlichen Sprache ahnen lassen. Möchten diese wenigen Worte
dazu beitragen, den spanischen Dichtem neue Freunde in Deutsch-
land zuzuführen. Möchten auch die Gebildeten in Spanien, denen
an der Verbreitung ihres literarischen Ruhmes im Auslande gelegen
sein muss, auf das seltene Talent und die Verdienste des üebe^
aetaers aufmerksam werden I
Tttblngen. IT. Mä. WämUmaUL
b. n. aaiDELBBRess im.
jahrbOchir dir litirator.
DU neuesten reehUwiaeemehafUichen Leutungen in Italien in Besug
auf Hypotkekenrecht
L SabaHni: eistema ipoteeario toaeano. U vol. Piea 1S87.
2. La Temi, Oiomale de legislanane di giuriaprudenafa (unter der
Redaclion des Advokaten PtmatUmL Firente seit i849--18tS7)
und die darin enJthdlUnen Aufeätite über Hypothekenweaen voL
L p. m. U. p. 102. 212. 264. 286. 3S2. 718. Ul. p. 671 IV.
p. 6&6.
3. Magri: Raeeolta ddle leggiy decreti e Regolamenii relativi cl 9i$t&'
ma ipoteeario publieati dell anno 1846 al 1848, eronologiear*
mente ordonati coli anTwtationL Bologna II voL 1868-^186^
4. Qiovanardi: il Hglema ipoteeario eeposto in 100 diBBertoMioni.
hnola 1866.
k Chieei: ii eietema ipoteeario illuHrato. Firen»e 1869*^6. III voL
6. Zanella: euUo stato delle ipoteche in Dalmatia dai iempi an*
Uehi al PresenU. Veneaia 1860.
7. Diigo Orlando: md eistema ipoteeario del Codice franeeee. Pa^
lermo 1864.
^. L. Boreari: GiurUprudennra ipotecaria di vari ektH d^MtoHa eke
eomprende le Uffielagioni della stato pontifteioj del Regno lon^^
iHirdo Venelo ete. Ferrara 1866.
9. Ä Ce^aheUi: ü diritto ipoUeario vigente nel Regno Lombardo ¥•»
neto trataUo in Relaaiont aK univereeUe giurisprudenMO. Mi^
lano II vol. 1866—67.
10. L'Imerio. Oiomale de legieUunone di giurieprudenMa eompil dml
Caigarini. Bologna 1866. AufeäUe im Februarheft p. 66 und
oHobre 1866 p. 228.
Keine GeeeUgebuog hat im Hypothekoirecbt mui die QeB^ii«
gAmigeii ftüderer Staaten von Eoropa einen eo g roasen Einflnss ge«
äiMert alfl die franaesiacbe. In FraniLreidi sind aber die Venudhe^
im grossen Mftngein dieser GreseUgebong abaubelfen, seit einer
ReSw Ton Jabren gemacbtf iiostbare Vorarbeiten für jede Gesetxge-
bong nm die Erfabrungen Franlureicha au sammeln liegen in dem
Gatacbten der Gerichtshöfe, wekhe in dem Werke: documens rela^^
üfs an regime bypotheqoaire et aux r^formes propos^es« Paris 1S44«
ToL III. gesamm.elt sind. Die immer vermehrten Klagen über die
geringe Sicherheit, welche die französ. HypoÜiekengesetagelNing bie^
tet, in den deutschen Bbeinprovinsen veranlassten in Eheinbaiem
oad in Bbeinpreusaen belehrende Vorarbeiten für die Gesetigebung.
Im Jabr 1849 dnrlte man hoffen, dass die Verhandlungen in der
üansSe. Nalionalveffsammlnng an dem Ziele fuhren würden, eine
den Bedfirfnissen entsprechende H^potbekeagesetagebiuig an begiüar.
L iskrg. 6. Heft 89
4f9 IKa naoMtea t0c|t«iHif«if|li|fU. Müpiiea in IteüMi «ce.
im] die palitiMban Zuitibide and die PTttienkRippfc Ivnderten du
Werk, Die neae Regieruig Frankreichs Uelt es für Dothwendig^
frühere Arbeiten wieder aa£^^Behmen, man sachte (freilich sehr ein-
seitig) im Zusammenhange mit den begünstigten Associationen des
eredil (weißt einigen Fehlern der Gesetagebong abaoheUen, bii
endlich das Gesetc über die Transkription wenigstena einigennasseB
eine bessere Grimdlaga dem Hypothekenkredite stöberte. Das Heil,
welches man von den Associationen für den Grundkredit erwartste,
eBNUen oiehti denn Alles scheitert an dem onseelifen die Mora-
UtlU natergrabenden Specnlationsgeisti nach weichem die anf Aktien
gegründeten iDutemehmongen snm grossen Theile nur die Mittel
darbieten , damit die schlauen Unterneluner durch Vermehrang des
Aktteaschwindels und durch tttuscheade Vorspieglungen gewin-
naat unbAümsiert darüber, ob demjenigen , für welche Dich
den angepriessenen edlen Gesinnungen die Association wirken soll,
waMiaft geholflBn whd. — Nur die Gesetcgebnng eines Staste»
Belgien hat mit kräftiger Hand, wShrend sie den gnien Ebh
riehtimgen der Iranaösiseben Gesetsgebung treu biiebi den vielfacbei
Gebrechen abhelfen wollen, und das belgische Geseta vom 16. Do&
1851 wenn es auch noch Manches au wünschen übrig lüsat, ist ein
wegen der eoneefuenten Durchführung der awei Hwptsätaei der
PnbUdtät und Spedalität bedeutendes Vorbild für jede neue Ge*
setsgebMg geworden. In den Eanunerverhandlimgen lie^ kostbe^
ies liatmiaL Es ist doppelt iateressanti die Erfahrungen in Belgien
(worüber die gute Zeitschrift: Belgique jndiciaire manche sehr be*
aehtenawürdige Nachrichten liefert) und die Beehtsübung In Belgiea
imch dae fltndinm der Aussprüche der Grertchtshöfe jenes Lfiä»
und die wissenschaftlichen Leistungen belgischer Juristen an verfol-
gen; in der kinten Beaiehung machen wir wiederholt auf dasscbia
Mher von uns angeaeigte Werk von Martou des privilegeSi et hj-
poth^ques Gommentaire de la loi du 16. Dee. 1861 par In reiisioB
du reghne hypotheq. Bruxelles 1855 — 1857. IIL vol. aufmerkssm.
Der eben erschienene dritte Band ist reich an trefflichen ErMemn-
gen, die um eo bedeutender sind, je selbetatftndiger der Verfasitf
die Fragen, häufig abweichend von den Ansichten der franaösischea
SchrtftsteHer, und ebenso freimütibig neu ergangene Rechtssprüehe
belgischer Goricbte prüft Zu den beaditangswürdigen Erörterungen
rechnen wir die vol. ni. p. 57 enthaltene über das Wesen der Bf-
pothek eis ^ne Vwlusserung , p. 94 über die Bedeutung und die
Wfaknngen des Gmndsataes der Speeiaiität, p. 111 über die Zuilss^
Mt von Bedingungen bei Gewllwung der Hypothek, p. 117 über
die Frage: wie weit Hypothek für Summen aus dem conto conente
bestellt werden kann, p. 168 über die wichtige Frage in wie fene
die Oataster als Grundlage der Hypotheken*£inschreibQngen genom-
men werden soll (bekanntlich wurde hi Belgfen ein darauf beatigU-
cher VorseUag verworfen), p. 905 über Emeuerang der BEypothelcsa-
BttNhreibnugen (nOt guter Entwiektlttaf der Gründe Ar onl wider;
oMm Erübxwmg tlümml mü im mgeg^brnm Chrtodio «bcv 4kl
Kadubeiley wenn dM G«mu k^a Eineoemng forderti mtbt überete)!
p. 242 über die LöMbiuig der Hypetbeken. Jeder, welcher grönd«'
lieh mit dem Hjpolhekenweeen und der sweekmiesigMo Einriekh
tag deieelbea eich befreundeB will, darf die Fortbildatg dea iamat
taiägticIieB Rechts ta Italien nicbt onbeaehlel lasaea; nad eimt
iB vierfadber Hineicht, nfimiieh 1) der gesohicbdicben AuMdu«
d« Hypothekeoweeeiie in ItaÜen, 2} der GUsetigebni^ in den vet*
whiedenen Staaten, 3) der Bechtiöbeng, 4) d« wiieenecheftliehnn
Ldetangen der ital. Jurieten. In Besag anf die Gescbiehte bUt ee
ia Italien liemtioh an Bearbeitungen , wie ühorhaopt die Bechtage*
nhiobte Italieas yemacUäeeigt iat« und da wo etwas geleistet wurden
Aes mehr anf die Inssere Geecbiebte insbesendore der Rechts^aeUnn,
ud weniger anf die Geschichte der aUmihiigen Aosbildasi^ einnel*
aar lastltnte sich besieht Insbesondere mose man es bedaaesD^
dMs dae Studiom der germanischen Becbtagesohiohte in Italien alobt
gehörig betrieben wird. Das lengebardiscbe Bechti was sich bis
ipit in ItaUen erhielt, hat ebenso wie die Gesetae und Gewehnhetr
tsa der deatscben Sttome in Deoischland anch nach der VerbseUang
dm röBsisehen Beehts sewen Einflnss auf das Aetht geftussert, Ibeils
indem sieh germanische Instttote erhieUen, tbeils germanieehe fieehte^
idsen efine Modification des röaaischeii Inatitnis oder römische Grande
Mitae bewirkten, s. B. in dem Erbrachte. Aach in Besag anf 4as
HypothetCMacht ISsst sieh dies naehweisMi; es ist awar rkh%, 4Mm
ia Italien weit mehr eis in Dentsehland das römische Secht siegle^
weil die aaf den iteL Universitäten wirkenden grossen Juristen nur
ifmiaches Becht kanntea, and so mir röm. Ansichten in die Prasis
dmngaii^ so finden sich t. B. die stillschweigenden HypothetEen na
(kmstcaa ^er Ebefmuen und Papillen früh in den Ital. Steinten; laafi
fcrmehrte sogar in saanchen Statatcn die Zahl der gesetdiehen BiMd»
nebte; hi manchen Orten z. B. in Florens war die yorhenttcbende
Bifktang der Gesetageboag aal Begünstigmig des Handels genehtel^
Sr welchen der Bealkredit keine Bedeutaag hatte. Man würde nh«f
eehr irsen, wenn man gUabte, dass in den Itaiiäaischen SMUulen
sieht auch Beweiee vorkommen, dass germanische Becbtsideen itt
Besag auf Hypethekeorecht aieh eihielien oder Veranlassung aa
Eimidttnngen gaben, welche die späteren Gtundeätse veranlasitMi»
auf weichen das medeme HTpothekenrecht f aht Dies beruht we*
•entlieh auf der Pabiioität, so dass ketaie Hirpotbek als solche an**
erkannt wird, welche nicht in öffentllefaen daau bestimmten Büehsra
eingetragen ist; in dieser Einrichtang ruht die Idee der Garantie
des öientiiGhen Bealkredits*
Wir freuen aas aasspcechmi na dihrfen, dass weaigsteBS ia
aenerea italienischen Weriten der Anfang damü gemaebt ist, daü
ifiehtige Schriftsteller die Bedeutnng der geschiehtlieben f^emchang
über Hjpothefceareeht in ItaUen aneckennen. Eine wiobtige Sebrift
ist an dieaer Beaiebnng die aalet Hr. 6 oben MgeOhste. Der .¥e^
451 Die aeiMitei reekltwiftenfloMkL Uutiittf«i in llaliwi «le.
Umet ist AppellationsrAth in Dalmatien und gibt genaoa Naehrick*
teo über den Inhalt der Terschiedenen Statuten in Dalmatian ia
Bezug auf Hypotheken. Man erfährt, dass in den einaelnen Lan*
destheilen sehr abweichende Statute, darunter viele sehr alte vor»
kommen, z. B. (pag. 151) in der Republik Raguea, wo schon 1373
ein Statut und 1309 die Reformation desselben bestand und aus
den Rechtssprüchen der Gonsuln ehi Buch ; Praxis judiciaria gesam*
melt wurde; es ergibt sich, dass schon früh in so ferne die Publi-
citftt eingeführt, war als alle Rechtsgeschftfle, In denen Hypothekeo
bestellt waren, vor einem Notar errichtet werden mussten, dass aa
einigen Orten auch die Eintragung in öflfentiiche Bücher verordnel
und überall, wo ein Landestheil dem venetianischen Grebiete einvei^
leibt wurde, sogleich sein seit dem XIII. Jahrhundert in Uebuag
bestehendes System eidgeführt wurde, nach welchem alle Hypothe-
ken In die öffentlichen Bücher eingeschrieben werden mussten. Das
Werk von Zanella liefert noch merkwürdige NachrichteD über die
einseinen Hypothekengesetze, die in diesen Gebieten erlassen wur-
den und über den Einfluss der spftter eingeführten französiscbea
OesetBgebung. — Erfreulich ist es zu bemerken, dass auch in den
neuesten wlssenschafllichen Arbeiten über Hypotheken die Bear-
beiter die Wichtigkeit anerkennen, zu zeigen, wie die Idee der Po*
blioltlt in den Statuten der ital. Städte sich geltend machte; die
merkwürdigste Oesetsgebung ist in dieser Hinsicht die Venetiaiit-
«ehe, die (nach den Sututen von 1343) schon die Bedeutung e^
kennt, die Rechte dritter Personen gegen heimliche Veriusaserungsa
zu sichern und daher eigene Beamte (Esaminatori genannt) anord-
nete, welche nach vorgängiger feierlicher Proclamation in der Kireha
und auf Strassen die Hypothekeneinschreibung besorgen. Sehr g«t
haben Borsari in dem oben Nr. 8 angeführten Werke p. 123—134
und Carabelll in dem unter Nr. 9 genannten Werke p. 81 seqq. die
geschichtlichen Nachrichten benützt und die Anfänge der Publizitit
in den Statuten Italiens gezeigt. Wir bedauern dabei nur, das^ dieie
Nachrichten nicht vollständiger sind, und eine Reihe der wichtigsten
Ital. Statuten, die das frühere Vorkommen der Publlcität zeigen, nicht
benutzt wurden, z. B. in den alten Statuten von Sassari, wo die
alte germanische Einrichtung geschildert ist, dass vor der Gemeinde
In feierlicher Versammlung die Veräusseruugen von Liegenschaftes
und daher auch Verpfändungen verkündet wurden, s. CMIiee deUs
repnblica dl Sassari edito ed illustrato dal Cav. Pasquale Tola. 0>*
gliarl 1850. p. 47 u. 185. Nicht weniger bedauert man, dass auch
die guten Ital. Schriftsteller noch immer, wenn sie von den im Mi^'
telalter vorkommenden Gewohnheiten sprechen, sich von der liei
vielen französ. Rechtshistorikem beliebten Sitte leiten lassen, die
Einrichtungen, welche offenbar ans dem germanischen Recht stam-
men, mit dem Feudalismus in Zusammenhang zu stellen , statt so
erkennen, dass diese Institote nur Entwickelungen des germanlsebes |
Beohtslebens sind. Würde man in Italien die interessanten deutteh-
raeWksbaa FimdiimgeD Aber die GMcbichte des PfaodqrsleaM ilo*
•0 wfirdeo rfele BehaapCan^n in den ital. Werken aaders
Die Kemitiiin des itel. Hjrpotiiekeiirechts Uü «ber aoeb Mr
I aoslindiadieii Joriaten wichtig, in ao ferne In den IUI. Staaten
fgeirtfafimliehe Hypotbekengesetae rorkonmen ; iwar batten die po-
ZoBtinde Italieoa bewirkt, daaa die franaöe. Hypotbekeng»«
mg einen überwiegenden EInflnaa anf die Hjpothekengeaetae
eittflelneQ itaL Staaten erblelt, nnd aelbat nacbdem die frani9i.
in Italien untergegangen war, die Geaetageber nnd die
ler, welche auf die legislatiTen Arbeiten in einielnen Staaten
loai haben von der Herrschaft der flraniöe. Ideen sich nicht loa«
en konnten nnd den franads. Schriftatellem folgten ; allein den-
Terdieoen diese ital. Hypotbekengesetae grosse Beachtung, nicht
well in dem Königreiche Italien ron 1806^1814 awar die
laSa. Gesetigebnng eingeführt wnrde, aber doch mit manchen
ifimlichkeiten, aondem auch weil in der seit 1815 erlassenen
enordnang von Toskana, in dem Kirchenstaat, Parma, Neapel,
iedena doch manche wesentliche Verbesserungen der franatfsischen
bung vorkommen, s. B. vorsügiicb wegen der besseren
rchfQhrang der Pablidtfit; insbesondere aber verdient die Fort*
ong der Oesetsgebung im iombardisch^venetianischen Königreiche
Beachtung. Ein sehr willkommenes Werk ist daher das unter Nr. 8
angeführte Werk von Magri (einem geachteten Advokaten in Bo-
logna), dessen Sammlung nicht bloss die in den einzelnen Ital. Staar*
ten verkündeten Ujpothekengesetae, sondern auch die einseinen Aus-
führungaverordnungen und Eriftnterungsdekrete mittheilt Werth*
voll ist die mit dem Hefte von 1856 gelieferte ausftIhrliGhe Vorrede,
welche den Bechtsaostand des Hypothekenrechts vor der tranaüs. Herr*
Schaft achildert nnd eine gute Geschichte der Hypothekengesetagebung
der elnaelnen Staaten liefert Die Bedeutung der Hypotbekengeseta-
gebuQg wie sie in der Lombardei und im Venetianischen besteht,
eigibt sich, daas nacbdem jene Staaten an die Krone Oesterreleh
fielen, auch die üsterreichische Gesetzgebung ihren Einfluss übte, nnd
srfaebliebe Verbesserungen eingeführt wurden. Insbesondere durch die
Verordnung von 1834, über Vormerkungen und durch Verordnung
voflD 19. Juli 1826, wodurch auch die Einschreibung der gesetalichen
Plaodrechte und die Specialisirung der generellen Hypotheken vor-
geschrieben wurden, und dadurch erst einem Grundfehler des fran-
süaischen Systems abgeholfen wurde, während die Durchführung einea
Syatema der Transkription aller Veränderungen des Grundeigenthums
vorerat an den örtlichen Verhältnissen scheiterte; eine sehr schöne
Entwickelnng der Fortbildung des lombardischen Hypothekenreohts
durch die österreichische Gesetagebung findet sich in dem oben unter
Nr. 9 angeführten Werke von Carabeili voL I. p. 61—86, wo der
Verfaaser auch mit Freimüthigkeit die beatehendeo Mängel achil-
dert
ÜB Roto : IfoUr 4ie heleroaiorplieo Zumode 4«r koU«BMV«n lidkatde.
EeooeeicheD für derartige ZuatJiade. Diese beetehen 1) in ihrer
Httrte. AragODil Ist härter als Kalkspath. Eia Merkmal, d«i iodev
bei faserigen Aggrctgateo mit Vorsicht angewendet werden miuB,
wenn nicht polirte and geschliffene Flächen yorhanden siad« 3) Du
Verhalten in höherer Temperatar : Kalkspath über der Spiritas*Lanipc
bis cum Bothgliihea erhitst, bleibt unverändert , während Aragonit
sich aufbläht und au Pulver aerfftllt, oder doch wenigstens stark rissig
wird. 3) Das specifisohe Gewidit Wie an Härte, so ttberbetriffi
Aragonit den Kalkspath auch an Eigenschwere. Um dieselbe aber
recht genau au ermitteln, ist es nöthig die zu iintersuehende P»>be
vorher au pulvern ; namentlich bei faserigen Abänderangen. 4) D10
Verlialten unter dem Microscop koadmt besonders bei erdigen Ag»
gregaten des kohlensauren Kalkes in Betraclit| indem sich häufig
die für beide Mineralien characteristische Structur deutlich aeigt
5) Das Verhaltwi gegen Säuren. Eine Reihe von Versudien, welche
der Verfasser aber das Verhalten des Kalkspathes und Ar^oaiti
gegen GtlorwasserstofiGiäure, Essigsäure und andere Aufl^ungs-Mittel
anstaute, führten au dem Resultat, dass der Kalkspath durch soldM
in weit höherem Grade angegriffen wird.
Mit Recht hat man — vom chemischen und geologischen Stand-
punkte aus — in neuerer Zeit der Art und Weise des Vorkommeos
von Mineralien in der Natur als bedeutend für deren Entstehung
grössere Aufmerksamkeit geschenkt. Der Verfasser verfolgt naii
diesen wichtigen Gegenstand in Beaug auf des Auftreten der koh-
lensauren Kalkerde mit der ihm eigenthümlichen GriiadUchkeit und
gibt uns aunäokuit eine ttöchst interessante Uebersictit von dem Vor-
kommen des Aragonits in der anorganischen Natur. Letaterem steht
— im Vergleich cum Kidkspath — eine weit geringere Verbreitung
an. Während dieser in seinen körnigen und dichten Abänderungen
ganiee Gebii^aiige bildet, tritt Aragon nie als Fsisait und in grösse-
ren Massen «uL Als verschiedene Arten des Vorkottsseae amd ke*
sonders an nntersclieiden : 1) £r findet sich &a eingewachseBen Kff-
stallen in Thon mit Gyps und Quara au Bastenes, Depart. des Jjsn»
des in Frankreich und bei Molina in Aragonien und bei MiagraaÜla
in Valencia in Spanien. Es sind dies die bekannten, sedisseitigeo
Prismen ähnlichen Zwillingikrjrstalle. S) Der Ari^onk erscheint
lemer in Spalten und Höhlungen des Eiseaspaths, Delomits und
Braanspaths; ao in dem ersteren — der stets mehr oder weniger so
Brauneisenera umgewandelt — au Iberg am Hars, Httttenberg in
KänitiMa, Kamsdorf nnd SaalMd in Thüringen, Werfen im Si^
borgiechen, Aiston Moor in Devonshire u« a. a. 0. Auf Gängen
in Dolondt trifft man recht schön krystallisirten Aragon au Leogang
im Salaburgischen, noch ausgeseichaeter au Herrengnind. 3} Unter*
geordnet ist das Vorkommen des Aragonit auf den fichwelelgnibea
wn Sicüien (Girgenti) and von Caltanisetta unfern Palermo und
ebenso 4) auf Gängen im Serpentin au Baomgartea in Sehietfea,
m Aandteere in Piemont und m den Umgebungea des Monte Besät
r
Hom: UAf 4im helewwwpli»» tnMmit der kebtoawrf Kdkapde. 4M
[El diirAt udi noeh ab Ftudort die shelliirfiscbe Iimi Datt n
enrihntB solii, wo krystallisirter Aragon aiit Bnidt in Serpentin fe-
trelBB wird.] 6) Der Aragonit iet jedoch vorsagsweiBe in Spallen
nd anf KMftea neuerer valkaaiecher Gesteine oad beeondera dea
Bagahea an Hanse. Hier rerdient snerst daa Mkmisclie Mittelge-
birge genannt an werden, wo die schönsten, einfaciien und ZwUlinga»
KiyslaUe in den Spalten des Basaltes Torkosimen, ferner die An«
vergne nnd die blane Kuppe bei Esekwege. Aneh in Htfblnngen
Md in Biasenrininen ▼nlkaaischer Gesteine, annial des Basalt, er^
Nkefait AragonU, theils mit Sphlrosiderit, theils mit Zeolitiien; «nf
«fitere Weise a. B. im Siebengebirge, im Westerwald, im Leneit-
•pfayr am Vesuv, anf die andere im Basalt und Phonolitk des \Mt*
arischen Mittelgebirges und im Basalt des Puy Marmaat bei Glermont.
6) Von Bedeutung ist femer das Vorkommen des Aragonit ala
IBrmliche Sinter-Blldnng in den ELlOften des Eisenspathes, Dolomite,
ia den Höhlen des Kalksteins, und auf Stellen nnd Strecken ron
Gruben. Hier aeigt er sich häuig in Gesellschaft yon KalkspaSh,
sog« in förmlicher Wedisellagening mit demselben, wie solches a.
B. bei Waiiitein in der Ofoerpfala der Fall, so wie an der Poita
Weaipbalica bei Minden. Hierher gehören denn auch die merkwür-
digen, unter dem Namen iSisenblädie bekannten, fistigen und koral«
isaforasigen Geetaiten — deren schon r. Paats nnd Atal in ihrer
»Beadireibung der Torsiiglichen Berg* und Httttenwerke des Her«
logtlmms St^eroMTk«' (1814) gedenken — von Httttenberg in Kär»-
ttoi und Eisenera fai Steyermark. Der Aragonit findet sich an den
genannten Orten in Klfiften und Höhlungen des Eisenspatties , aus
dessen Zeraetanng er ohne Zweifel hervorgegangen. Beachteaswerth
irt der Umstand, dass diese sonderbaren Aragonite, nicht wie die
gewMmlichen etalactitischen Bildangen dem Gravitatfons-GeseUe M*
gea, aondem in die Höhe steigen nnd nach den mannigCachstett
Bid^ngen sich veraweigen. — Wahre Tropfsteine von Aragonit
fiaden Mtk in den Kalksttin-Höhlen von Antiparos. Die einen bis
mehrere Zoll langen Individuen bestehen aus stfingeligen Znsam*
mensetasnga^Stücken, nnd enthalten als Axe einen kleinen AiagonÜ-
KiyatalL
7) Ala Abeats aus heissen Quellen ist endUch Aragonit keine
seltene Eracheinnng, und sein ansgeaeichnetestes und bekanntestes
Torkommen — von welchem in den meisten Mineralien -Sammhin*
gen Probestücke vorhanden ~ jenes au Garlsbad. Bfan trifft hier
den Aragonit in grosser Micbtigkdt, nicht allein in den Umgebnn-
gen des Spmdels und der übrigen Quellen, sondem auch unter der
gamen Stadt, wenn man nur hinreichend tief in den Boden gribt
Er lelgt sich in faserigen, flachnierenförmigen gewöhnlich so feel
verbundenen Parthleen, dass sie eine verschleifbare Masse bilden,
die in Osrisbad vielfach verarbeitet wird (sogen. Sprudeistem). Ehie
sigentbümliche Abänderung desselben ist der Erbsenstein, aus erb-
464 Rose : lieber die heleromorphen ZuBtäsde der kohleiiMuirMi KilkevdA.
•engroflsen Körnern bestehend, die wieder aas concentritchen Lfagea
sneaumengeeeUt sind. Der Garisbader Sprudelstein über der Spiri-
tus «Lampe erhitzt, wird schneeweiss, verliert alle Festigkeit und ISsst
sich zu Pulver zerdrücken. An diesem Verhalten erkannte Berie-
lius zuerst die wahre Natur des Minerals, denn wie überhaupt alle
Absätze heisser Quellen, so hatte man namentlich den Garbbader
Sprudelstein — der wegen seiner Schönheit und Verbreituug schon
frühe Aufmerksamkeit erregte — für Kalkspath gehalten [Göthe,
der in dem durch grossartige Natur und interessante geologische^
Verhältnisse ausgezeichneten Umgebungen des böhmischen Badeortes
gerne weilte, beschäftigte sich schon zu Anfang dieses Jahrhunderts
mit dem Vorkommen und der Bildung des Sprudelsteins; er sagt io
letzterer Beziehung von ihm: „dass sich solcher noch gegenwärtig
im Tiefsten der heissen Bäumen erzeugt, bleibt höchst wahrscheio-
lich, da hier die Natur auf eine einfache und gleiche Weise immer
fortwirkt^ Vergl. Sammlung zur Kenntnias der Gebirge von und
um Garlsbad, erläutert v. Göthe io Leonhard's Taschenbuch für Mi-
neralogie U. (1808) S. 19]. ^ Auf Veranlassung des Verfassers
wurde eine neue Analyse des Garlsbader Sinters vorgenommen, deren
unmittelbares Resultat ergab: Kalkerde 53,217; Kohlensäure 41,064;
Eisenoxyd und Phosphorsäure 1,503; Fluor und Schwefelsäure 0,661;
Wasser 3,555. Mit Becht hebt der Verf. als bemerkenswerth den
Umstand hervor, dass der Aragonit kein kohlensaures Eisenoxydol
enthält, und glaubt, als Grund hiefür, dass kohlensaures Eisenoxydol
in der Form des Aragonits sich vielleicht nur unter ungewöhnlicfaeo
Umständen bUden kann.
8) Pseudomorphosen , zu denen Aragonit Veranlassung gibt,
oder die er bildet« Erstere sind viel häufiger; sie bestehen stets
ans Kalkspath nach Aragonit und man hat solche an mehreren Orten
beobachtet. Das ausgezeichnete Beispiel einer Pseudomorpfaoae vod
Aragonit nach Gyps bietet der sogen. Schaumkalk aus dem Mans-
feldischen, wie der Verf. in einer früheren Abhandlung gezeigt hat
9) Bergmilch. Der Verf. stellte endlich eine Reihe von Unter-
suchungen mit jenen lockeren, erdigen, scbueeweissen Massen koh-
lensaurer Kalkerde an, die unter dem Namen Bergmilch oder Mont-
milch gewöhnlich für eine erdige Abänderung des Kalkspaths galten
nnd auf Klüften und in Höhlen des dichten Kalksteins der vcrscbie*
densten Formationen zu Hause sind. Es scheint, dass ein grosser
Theil der sogen. Bergmilch Aragonit sei in mehr oder weniger vcU*
ständiger Umwandlung in Kreide begriffen.
Die vier Kupfertafeln enthalten lehrreiche und treffüch ausge-
führte Abbildungen von Aragonit- und Kalkspath- Tropfsteinen, so
wie von erdigen und feinfaserigen Absätzen beider Mineralien bei
360maliger Vergrösserung.
fe. Nl HEIDELBERGER Utt,
JAHRBOCHIR der LITERAT DR.
isndmSritrhmek der imieiniteken Sprmekß. Vmkr Mitmkrkßm§ mm
Ar. Fr. Lühker, QjfmHMmIdirmmt' m Fmrtkim^ wU Dt. W. F. Umde»
»«•«9 Cmu^eHrmLmr^ ktnm§$tpkmmom Dr. ti€ink0id KUiA^ «iteA
RftfuBfr dtr cfatfifoftcn P%Uoioti$ ^n d€r I/niMnitfl mi JLfllpcM Drw^^m
■ hiiif. J>nidl imrf Kcrlgy mr fiiwy tfüfümaw. iai7. Br$ter Bm^
Ä-^B. UV mmd i7ia 8. ImtiUr Bmd. i—T. iSOO & m fr. A
Wir kabea hier ein Werk Tor udi, daf ror fait lehn Jahren befonaea^
■■▼erdroMen durch alle Stürme der Zeil fortfeaeUt, nnn beinahe an aeiner
Tolleadnnf feianft iat, da ao den Töllif en Abfchlnai dea Ganaea nar aoeh
eia kleiner Tbeil fehlt*), der in Koraem nachfolgen dttrfle; jedeafaila aber
kaaa daa, waa bereita Torliegi, an einer richtif en Wllrdlgunf and eineai alchem
Urtbeil Aber daa Ganae una berechtigen. Bald nach den Bracheinea der eralea
Lieferang , ward dieae, lo wie auch die nachfolgenden bia in den aweitea
Band hinein, anaführlich in dieaen Jahrbttchern beaprochen; ea galt damab, dea
Pitt ind die Anlage dea Werfcei, aeine ganae Einrichtang daranlegen, and
teil anch den Nachweia au geben , in wie fem die Zwecke , die daa gerne
Uateraehnen beatinmten, auch wirklich erreicht werden aind: ea knttpflea
nck an dieae Darlegung manche einaelne Bemerkungen, Beriehtigungea nad
Kachlrlge, wie aie bei einem Leiieon nie auableiben werden nnd eben ae
wähl in der Natnr einea aolchen Werkea, ala in den aobjectiTen Aaaichtea
nd Anachanangen der Bearbeiter deaaelben ttber daa dabei einanhaltende
Imm, ihren Grand haben.^) Nachdem auf dieae Webe die Iritik ihre Aa^■
fibe im Eanaelnen erfttllt hat, mag ea wohl yergOnnt aein, noehmnla einen
Rikckbliek auf das Ganae, wie ea jetat vorliegt, au werfen nnd den Tetaleia-
^k aa beaeichnen, den eine unbefangene Prüfung dea Ganaen anf naa ge-
llt aller Befriedigung kann der Herauageber, dem aich im Laufe der Zell
■och mehrere andere gelehrte Hitarbeiter aur achneileren Durchführung dea
Guten angeaellt haben, auf daa wirklich in dieaem Werke Geleiatele aa-
rllckhlickea i bestimmt von Anfang an ein Mittelglied gewiaaermaaaen an bil-
4m iwisehea den grossen unbehttiflichen , schwer augttngUchen Theaaaren
lad den aahlreichen für den Bedarf der Schule gearbeiteten und bloaa daraar
berechneten Wörterbüchern, die für ein fortgeaeutea und gelehrtea Studium
iieht anareicben, hat dieaea Handwörterbuch allerdinga eine wesentliche Ltteke
*) Nur die, unter der Preaae befindliebe, aiebenaehnte and letote Liefe-
niaf, welche, von dem Worte tignariua an den Rest des Ganaen entbAll,
Wt noch.
^) S. dieae Jahrbücher Jabrgg. 184a S. 947 ff. S41ff. B78ff. Jahrgg. 1849.
^m9. Hhrgg. 185a. S. 908 ff. Hhrfg. 1863. S.5?»ft Jahrfg. 18M. S.78tft
fin sehwerea Augenleiden hat dem verehrten VerCasaer dieaer Aaaeifen Cor.
Keeter Ho aer aa Ulm) eiae weitere FortaeUung dieser Berichte nicht ver-
L Jahrg. 8. Hell. 80
41^ noti: B^frftfMrftf^ f«^ hlfii^MM Sprache.
aofgefllllt, and eben fo tdir darch den Reiclithnm and die FttHe def 8toff^
itff l^ci| di^ Gepmiifi^t un|l Sofgfrit In der Behandlang def Einselnen eiA
M einem UnentbehrHehen Hutfcminel Ibr ein grttndliehef Stodinm der latohil^
•cbOA Sim^bfi. teninf ebildjt ; und wenn es anf der einen Seite allei Da^Jenife
bietet, waf der Schüler, zumal in den hohem Clasfen einer Mittelaehnle' be-
darf, wird ea auf der andern Seite dem aafebenden Philolafen, dem Leham
wi* «elbü dem belehrten diejenige Betehvoof bielen, die er aogar in dea
nwaaare» oft verffebHch aocht^ die ihm aber die kleinen Soholwdr-
her Im keine» Weiae bieten können»
\ Sie VortOgedea Weikoa liegen olao attTftrdeyrat in der V« I la tft ndig k eit,
mit weleher Wer der geaammte Spraohaehatn veneiehnei iai, welchen die la-
teinische Literati\r, so weit sie uns bekannt ist, auf den noch zaijAnglichea
Schriften aufsuweisen hat, und swar ohne Bevorzugung der einen Seite dieaer
Literatur und Benachtbeiligung der andern. Also nicht bloss die Schririatel-
ler der sogenannten clasaischen Zeit, oder des goldenen Zeitalters, wie Cfisar,
äalli^t, Cicero u. s. w., zu welcheii mehr oder minder gute SpecinlwOrter-
bucher vorhanden sind, die als nützliche Vorarbeiten fär ein solchea grOaeeres
Wörterbuch benutzt werden kennen, aondern auch die Schriftsteller der yorctaa-
aisfhe^ Zeit, die dahin gehörigen Diehterreste insbesondere, wie die Schrift-
steller der nachclassischen Zeit, von Seneca und Plinius an bis zu Anaonloi
und den panegyrischen Bednern herab, kurz bis zu den Zeiten dea fifcnftea
Jahrhun^erta, wo mit dem nahenden Ende der römischen HerrschafI im Abend-
lande, auch Sprache und Literatur in dasjenige Studium des Verfalls eintrat,
wetcfc^a den Uebergang zu dem Latein des Mittelalters bildet, sind fbr dieaef
Wörterbuch benutz! und durchgearbeitet worden; so dass es nicht zo Viel
gesagt ist, wenn wir behaupten, daaa der ganze eigentlich-lateinische Sprach-
schatz, so weit ihn die noch vorhandenen Denkmale dieser Sprache, elwa
mit Auspahme der Inschriften, bieten, in dieses Handwörterbuch aufgenoaunen
ist: aind^ doch selbst die Ausdrücke der römischen Bechtsquellen, so weil sie
noch in <|ie gute Zeit fallen, berflcksichtigt, eben so alle mehr technischen, ein-
zelnen bestimmten Fächern angehörigen Ausdrucke ; endlich auch alle Blgen-
aiimen nnd Ortsnamen, diese in angemessener Kürze, und ohne weiter gebende
Erklärungen., die man in einer Bealencyclopädie, wie wir deren ja jetzt mehrere
besitzen, a])er nicht in einem Handwörterbuch, welchea der Sprache znnöchst
bestimmt ist, zu suchen hat. Waa die Inschriften betrifft, so haben grOaaere
nnd bekapnter^ (wie z. B. daa sogenannte Monnmentum Ancyranuv) in dem,
was fie PXr die Lezicographie Bemerkenswerthes enthalten, zwar anch hier
Bertikekaichtigung gefunden: dass übrigens auf diesem Gebiete, in Folge der
grossen in der jüngsten Zeit gemachten Entdeckungen, noch manche Erwei-
terung des lateinischen Sprachschatzes zu erwarten steht, theitweiae nach
schon eingetreten ist (wie z. B. in den Tausenden von Inschriften ans Nord-
d^^a, welche jetzt TeröffentNcht werden), Ist unleugbar: der Bearbeitet einea
lateinischen Wörterbuches wird aber dann erst davon den gehörigen GebrojBck
m^tktn Maneii, it^n« d^ue |iMicbnft<)n simmllich in f elueuen Copien Ter-
öAMliiehtaind «ad ie gröaaeren Werken Tereiaigl, kiec nach mil des o^lU*
gen IndM» versetzen, tu einem Geuieiagul der Wiaaenaeknft gewordoa niaA
t nMiiimiiMli ta»lrtti
Al«r Mdi swftil6Bt in BMtif mI 4i» ,
rakhM 8toA wird ■«! dm ia dieatH ■«■dwdrtcftedi tieWiüeto« «• flcM*
AvortMHMM aichl ■« Tertaffea Uhom. Bier wM nmi iMi b«Medi|t iodM
•km #• aehr in der Featotelhuif der nnprOiiKHckeB Bedevtanf eine« jeden
•ieielneB Wertes, wie lie enf detnen AbelaniHMNif and Ablcüanf begiUndel
•b in der Emwlekelnnf der eoe dieter Gmod^edentnif wefcer her-
Bedenlnnffen in flrenir lefiicber Folfe« •» wie der didnieh
■it kedinf ten Simcinr cinee jeden Wertes. Inr riektigen nnd siekem Pee»»
iltlinnt der Cnudbedentunfr wni allerdinf^ die Blymaiofie herantneUen,
•ken so wie wm weheren Entwicklonir der Bedenlnnuen die Synenynitk,
dann nber eneli die Grsnnalik nnr Anfabe der Simelnr, wie selche sieii
te Spmefafebranebe bei jedeai einaelnen Worie festveslelll hei; es Isl dlestn
diel Fonklen eHn Reebnnng felrafen, MTttrdersi alien den die
•nd den Ursfrunf eder die Wuttel eines Wortes beteelTenden
wsbei jedeeh mil «rosser Versiobl, aber statt aiH fedrinfler Angabe der
dariber auffssteilten Ansiekten, yerfakren worden ist; in diesem stynlafl
siben Tbeile konnten nur sieliere Ergebnisse, wie sie bereits gewonnen wnp»
dan sind, benutst und dann anck dnr weiteren BröMetang sn Grunds gslaft
werden; jedes kohne Spiel der Phantasie moiste hier entfernt bleiben, wo
itbon der besehrinkto iUuni eine natllrlieke Sekranke geseint kak War akor
\ die nasprBnglleke Bedeutung des Westes dnrek seine Bnrieftkng fsi^
so warsn die weitet daraas kerrorgekenden Bedevtnnfon^ in ikreni
Qtfeasokied an andern, Wftrtern ibniichen Sinnes nnd Sehlagee, mit mehr Sinkofi*
hau Win in einer bessern Ordnung lu entwiekeki und alle die Verseiiloden^
beüsn, wie sie die Synonymik ansngeben nnd fsstanstellen Iml, genanek
hsrrersobeben, um so das Genie desto fmcbtkarev so maeken. Wenn en^*
Ksk sar Feststellang der yerschiedenen Formen eines jeden Wortes, wie im
Anwandnng derselben im Sprschgebraueb aneb das grnmmntisebe Blathem
Uasngeaogen werden amssle, so ist diess dock mit deijenigen Umsiekl nad
■it dtarjenigen Besebrlnknng geschehf n, die in der Natnr eines Wdiferbnnks
Ksgt, das keine Grammatik sngleich sein soll, wohl aber denk die veisekie«*
dsnen tassereo Formea wie die rersebiedenen Stmcturen, die bei jedem Worte
im Gekraneh demelben vorkommen and sngleick auf loine Bedenteng ron Vn^
lam sfad, mit aller Sorgfalt und Geoanigkcit angeben soB. Bier ist null nHe^
diags in üesem Werke mekr geleiste» worden, als in irgend einem iknUekek
Wsrko unserer Zeit; sorgftUiger als in irgend einete aedem Werke dM* Atft
laden wir den Gebranok nnd die Anwendung eines jeden Wortes in dan TOf«
lehiedcnen Zeitaltem der Spracke wie naek den veMOkiedenon , Uer in B^
kaeht konnnenden ScfariCiMellern untersekieden , nnd genau alle Untnnekiadn
der Stvnctni, die dsranf sich beaiehen, angegeben. Demit hingt rasamatek
die Anlkbmng von BelegsteUen, wie sie hier mit gromer VoUstkudigkeit and
den veinebiedenen Schriftolellem, aber auch aiit gleieher Genairigkeit nod
leigiik in Betttg auf den Text selbst, bei jedem Werte stnttfeftHidaa
hM nnd uns damit den Gebrauck jedes Wortee nnd seine Anwendunf
teeh den versekfttdenen Bedeutungen und Struetttren keqnmn ikersekanaa
Ukstf nnek kier wird maa ein Hekreres geleistet inden, als bei andern dof-
der FaU ist, dn seken der firnift dnr BekfiBiteH«^ wnlekarkeft
4flS KiMi» HMdfittrterihich der hmUbAm SpnOm.
ditoMi YfiMoAMk barttckiMtift Ward«, eia MBgedelniterer itt, wie wir dien
•Imh Iber6ito aofeirebeii haben; die Scbriftiieller des filberaen Zeilaliert ond
der denn »ich weiter reihenden apftterea Zeit bU su dem oben bemeritteii
Zeitraom find noch in keinem andern Werke auf eine aelohe Weite neben den
Sehriftatellern des goldenen Zeitalter» benuut worden, und dabei der Unfer-
aeUed dea Gebraneha von den lelilern ao fonau aller Orten herrorfebobea
weiden: ao daaa wir auch darin wohl einen boaondem Vonof dioaea Hand-
wArterbnoha anerkennen nllaiea, dea man ihm nieht leicht atreitif machen kaan,
80 wird anch jetat, nach dem Eracheioen dca faat Tollendeten Werkai,
nar Diejenige wiederholt werden können, waa aehon im labre 1852 die frühere
Krilik bei den JEracheinen der aechaten Lieferung dea eraten Bandoa aaa"
aprach, wenn aie veraicherte, Mdieaelben Vorauf e der Gründlichkeit, der lief
eingehenden Foracbung, der richtigen Anordnong in Aufatellüng der Beden*
tangen, der Wahl der Beiapiele, aua deren Stellung achon gleichaam die Ge*
aohiehte dea Gebraneha der Wörter und in den Artikeln, wo dieaa mOgliflh
and aasabriagaa war, anch die Entwieklang der Wortbildang nnd Oflhogra-
phio herrorgeht, kura Allea daa gefunden an haben, waa in frttheren Anaei«
gen ala der Charakter dea Werkea dargeatellt worden war" (a. dieae Jahibb.
Jahrgg. 1858. 8. 004).
Wer die groaaeren, ja kaum an bewiltigenden Schwierigkeiten kennt, die
mit der Anaführong etnea aolchen Werkea ▼erknttpfl alnd, der wird wahrinf*
tig fühlen, waa er den Mlnnern an danken hat, die ein aolchea Untemehawa
bogOBBen nnd seiner Vollendung nahe gebracht haben. Um die mttbefolle
Anfgnbe doato achneller an ihrem Ende au fahren, ao weit ea ohne Nachtheil
dar Grttndtichkeit nnd Sorgfalt geachehen konnte, fSand der Herausgeber aehea
in dem enrten Theile dea Werkes, bei der Bearbeitung einaelner Artikel das
Bttchatabeaa C freuadlicbe Uaterttfitanng an den Herrn Dr. Geier nnd Hiser
fta Halle; die von ihnen bearbeiteten Artikel sind mit deren NninenacUfta
teraehen: in auagedehnterem Grade aber fand der Herausgeber dieae Unter-
attttanng bei den beiden anch auf dem Titel des Werkes genannten Gelehrten,
dem Herrn Rector Lttbker au Parchim und dem Herrn Conrector Hude*
mann an Leer; ihrer tbatigea Mitwirkung verdanken wir die raschere
Vellendong dea Ganaen, wie dieaa die anhlreich von ihnen gefertigten,
ebenfalla mit ihrer Namenschiifre versehenen Artikel in den spitteren Theilea
dea Werkea erkennen laaaen ; waa der Herausgeber selber, abgeaeben von der
ihm aileia augefallenen Durchsicht des gesammten Materiala, der Leitung, An*
Ordnung nnd Ueberwachong des Ganaen, im Einzelnen geliefert hat, iat daraa
ebonialla mit daasen Chiffre beaeichnet worden. Aber anch der Verleger hat
aoinerseiu Alles gethan, um die typographische Ausführung in einer die Be-
dürfnisse derer, far welche das Werk bestimmt ist möglichst betriedigendea
Weise an geatalten. Ea ist ihm gelungen, bei dem grosseren Format uud dea
doppeltea ColomncB auf jeder Seite, erstaunlich Vielea auf einen verhiltniaa*
artaaig geringen Raum ansammensudrilBgen, unbeschadet der Deutlichkeit nad
dar bequemen Ueberaichtlichkeit, wie man sie bei einem Lexicon mit guteai
Grande verianfen kann ; Druck und Papier entsprechen billigen Aniordema-
gen; die deutschen, scharfen Lettern erleichtern den Ueberblick nicht wenig,
•o dnaa wir aal bald and leicht aller Orten an orientiren vormügea, worauf
WM0AMI ttber
Mb mA bei oiMM sm MtdueUagw keüfanmlen Werke eiaif ei Gewid*
n lefee iet.
lieble immtn iletee eene HMftieriltel, die wir alt eine wibre Ferderneff
tiaei frtedlichen StedieiM der leleieiacbeB Sprache belraehlee, in die Hin-
4b reebt Tieier felanfee and eeiiien Nolsea bewf breo | ffrlledlicber «ad üb-
fmreicber^ alt die naeb kleinereas Maaealeb fefeatlen fewobniieben Scbal-
neneibbcber wird ea de« weiter Strebendes ancb Dasjenige bieten, waa
j«ae friaaeren Tbeaavren nnr in beaebrlnktem Haaae sn bieten rennefen,
wlbrend aie in der Anordnnnf nnd Bebandlanff dea Binidnen bei Wetten
itr Bcmtridm^ mit iUttr AdcJbicM auf die Er^vienmg des kätuiickm^ re^
KfiSim, paHH$cken und krUgerucken TMMkmdes dea heroUehm Zeiialiefi, mbii
Brkiänmg der sehttiengtien Steile» und aller mgÜiologischeH Mid geograpk^' ,
icken Eigennamen. ZmUlek$t ßr den Sckulgebraaeh auegearbeitet von O,
Ck. Cru$iug, ireil. Rtctor am Lyceum %m Hannover, Fünfta^ netAear^
bettete Anfiage von Dr, E. E, Seiler, Leifug 1859, Bahn*»che Verlage^
BmMumdhtng, XIl und 514 S, m gr, 8,
Daa Werterbncb, daa bier in einer fünften Auflage vor una lieft, hat
ia den rier Toranafefanfenen Auflagen eine aolche Verbreitung, aber ancb
eine aelche Anerkennung gefunden, daaa ea wobi kaum nOtbig aein dürfte,
Biber in eine Würdigung deaaellien einaugehen , wie aie den früheren Aufla-
ien nach ihrem Eraeheinen in dieaen Blutern (a. inletit Jahrgg. 1849. S. 197 if.)
ancb an Theil geworden tat, wenn niclil die, man kann wohl aagen, weaent-
Ucbe UaBarbeilnng, welche daa Werk durch den neuen Bearbeiter deaaelben
BTÜMeD bat, dann unwillkübrlioh anffforderte. Die Aufgabe, die ihm g»-
fteHt war, ging dahin: „daa Werk einer durchgreifenden Prüfung und nach
Beladen einer tbeilweiaen oder aucb ginalieben Unmrbeitnng an unterwerfen,
doch ebne Im Weaentliehen von dem uraprünglicben Plane und der nraprüng^
beben Kinricbtang abiugeben und demaelben eine dem heutigen Standpunkt
dar bemeriacben Exegeae und Kritik moglicbat entaprechende Geatalt au ge-
ben.* Wenn man ea gewiai nur billigen kann, daaa die uraprünglicbe
Anlage dea Genien unverllndert bleiben aellte, ao waren doch auf der andern
Seite im Einseinen, d. h. in der Bearbeitung einzelner Artikel manche Miaa-
ttinde berrorgetreten , deren Beaeitigung nnr durch eine genaue Durch*
aiebt und aelbal ginxliche Umarbeitang einaelner Artikel au eraielen war^
ahgeaeben davon, daaa für die Kritik wie für die Sprache der hemeriaeheo
Gedichte aeit dem Tode dea Verfaaaera ao Manchea gdeiatet worden, überhaupt
in Vielem die Brkllmng dieaer Gedichte in neue Bahnen eingetreten iat, eine
Beriekaiebtignng Allei deaaen aber für dieaea Würterbaeh eine Notbwendig«
keit war, wenn ea aeinem Zwecke entaprechen nnd mit gleichem Erfolg auf
Sebnlea inabeeoadere benntal werden adlte.
Der Bearbeiter dea Werkea bat nun aeiner Seite AHea aollgeboten, dieaen
AnfiorderuBf en bei der BeaorfUBg der nenen Auflage in entaprechen, die, wie
479 <;wiiwH>paw> (Bfi«UNhp4>MiMk6» WiiMitedi ttb«r Mum tMi
Dommeii hat, wie die ihr vorautireheDdeii, tod denen sie sieh wcfeAtUchi und
m ihyem nicfal feringen VorlheU unlentheLtoC: Im jedeai Wort ift «ttf Er-
mitfttlnDf des Urapni9fi nnd der d«r««s hervDr|t^e»den Grundbedentainf , eise
auf da« £(y»ol«gische| unter Benntsuf der Srgebnisse neuerer Ponchu|,
beaendere Rttcksieht feaeaunen; die eidfeinen Fortteli aind mit mehr Genaaif
\tlX und grosaeier Vellüftadickeit anfgeflkhri, dabei ancb das Didektiadw
iPrgfUliffer beachtet wprden ; dann snhiiesat sieh die aoryAMgere Untencher*
dang der tfedeatanffea» wie sie aoa der Gnindbedentanit aicih eutirickelBf se
wie die Angabe des Gebranehs, ¥rie s. B. namentlich bei den Partikehi md
Pripoaitionen; in Allen dem wird man einen grossen Unterschied mit dea
frttberen Anlagen wahrnehmen, und bald erkennen, wie Manches hier umge-
firbeitet, mm Theil selbst gai^ neu gestaltet worden ist. Dafs bei allen Aa-
fllhrnngen die neuesten Recensionen des homerischen Textes, wie sie durch
Bekker und Dindorf gegeben sind, beachtet wurden, wird man wohl eben se
begreiilch finden, als die Benutsung dessen, was fUr die eigentüche Brkli-
mng des Dichters, in sprachlicher wie sachlicher Hinsicht in den verschiede-
nen neuesten Werken Über Homer beigebracht worden ist: und da die rich-
tige AttlTassung jedes Wortes von dessen Ableitung mit abhtngti ao wird mu
die grosse Sorgfalt nicht misskennen, welche der Bearbeiter diesem Theile
seiner Arbeit angewendet bat, die uns lugleicb die Summe dessen bringt, was
in dei| Schriften der Gelehrten in der jQngsten Zeit darüber ermitldlt werdea
ist; es werden daher auch die Terschiedonen Angaben, so wie die darauf
geatotaten ErklArnngen, stets» und swar mit der aOthigen Vorwelsanf auf die
betreffenden Schriften angeführt, so dass auch der Lehrer, der daaBncli gebraucht,
nicht geringOD Vortheil aus demselben sieben kann; wie denn ttberhaopt
dieses Wörterbuch jetst als eins der wesentlichsten HidCsmittel bei der LedAre
4or l^omerisehen Gedichte xu deren richtigen VerstSadnisa und AuflhaevBg an-
geaebeu werden vnaa, daher auch Boi^eiugen, denen 4ie ganxe (hier benviBte)
(iteratnr der Ober Homer erschienenea Schriften nicht au Gebote siehl, un»
entbebriich ist Wir wollen daher aneh keine Belege dea Bimteliei
«aftthren, da Jeder, der daa Baob in die iknd nimmt, diese leicht «irf jeder
Seite desaelben finden und sich dann auch tob dem Gesagte« abetfaengen
kann; wir wollen aneh nicht einaeJae Artikel vornehmen utad duröbanetefu,
um eben Dieses oder lenea bincnanftlf en , waa wm übersehen schiefi, oder
wu nach unaerer Ansicht in eine andere Fassung m bringen war; dnau wird
hei einem Wortefbuoh, daa ans Tauaenden von einaelnen, gewiaaermasscB
seJbstindigen Artikel besteht, stets sich Gelegenheit finden, da hier nie ein
völliger Abschluas erreicht werden kann, wenn auch gleich das Streben nach
einem solchen nie ans den Angen gelassen werden darf. Dass der neae Be-
arbeiter in dieser Hinsiebt sein Kogliehstes gethan, dieses Zeogniss wird ihm
Nienand vesaagen können; wir haben rielmehr alle Ursache, dankbar daa Ge-
leistete aaBoorkMuen und oaa an freuen der weaentlieh verbesaerten Geatal*
tiing wie der grOsaere» VoUaUndigkeit, welche du nMaiiche Werk in aeiaer
fttaften Auflage erhalten hat. Der Droek iat awar aebr gedringt, aber deefc
aebr deutlich und eomet «nageiattan.
IStitn Hyp«ridis Oratio. '^i
^Tgt^'^9v itfh^ Bvfnr^flnrdv doayyMa^ anoXoyia nffig tloXvitnit^. tfy-
ff rillt« 9rmlari$ Attiei fro EtixaUppo in Poiyeuetmn arüiio. llec^^Novil,
üffwr^tmn criHeum adSdii Caroius Guilitimut Linder, Üptatias
Qrpw ^Mcnjpnl reg, Aeaiemia§ iypograpku§, MDCCCLVL i7 S. tu ^. Ü.
Tm den beides. In aeaetter Seil iin« A^in^ptii4;1ieb Pa|(fhiü w!t*der üUm
Ueht gebraditeB Redan det Ryperidea (0. dieae Jalfbb. 1853. ^, etllt), 6r^
•cbeial bier dia eine, iwd twar dlejanifä, welehe TOiriUlBdiir e^baltaiA iit, tb
eiaeai Abdracli, dar fchon daram unaere Bliebe auf aicb' siebea ma|^, ab \A
aas dem faraea Nofdea aianml, mid ^enigacaiia ael^n kdäa-, welebea Ab-
tkeil aMB aacb dort an Atteitt dett ninhiit, Was «ar Forderung der clasai-
fdwa Studien dea AllertbtifBf in nteetter Zeil du 8k* Tagteliobt gebraebl
werden tat. Ka yerdieat ttbrig^ns dieser Abdruck aucb aus andern Gründen
uasere AnfBerkaamkeiL Was aelt der Zeit der ersten Veroffentlicbunf dieaer
lade Ton Teiacbiedenen Seiten her fttr die Kritik dieaer neu aufgefundenen
lade beigeatenort worden iat, das Allea bat der Heransgaber borikib-
•iehtigt nnd Uemach einen Text an geben gaaaaht, in weicbon alfc» die-
jenigen Verbeaaemngen der Gelehrten» die mit diofon BruebntOek aicb be-
ichiftigt babea, Aufnahme gefunden babon, in ao weit sie dam Vaifaasar
wiiklicb ala Verbeaseningea des feblerbaften Textes nnd darum nothwendig
enebienen, nm das Gänse in eine lesbare, der nrsprttugliell^n GcAftlih sieb
darcbans annlbenide Form an bringen. So entfbrtit sich der gegebene 'teSt
sHerdlngs mehrfach von dem in Deutschland erschienenen Abdruck C^öVtfngeik
1853), der ton manchen, hier glttcklieh beseitigt^ Fehlem nicht fl'et Ist,
Iberhaupt sieh meist an den Papyrus enge anschHesst und so auch desseh
▼erderbniaao meist wieder (^bt. Aber bei diesen Aenderungen oder lrei1»ei^
lerangen iat die Vorsfcbl beobachtet, die nur da, wo es wirkHtb noihig Ist;
eiaaebreltot, wo also ein WiikHcbes Verderbüiis, ein iHratirMr tMer TMiegt;
daher manche Terbeasemngtrorseblige eines scharlfeinnlgen bolllndiscbM Itri-^
Aers (Cobei) keine Aufnihme gefunden haben, (!bbn wtoll sto nil^HI liötte-
•andlg eraeki^nen. Unter dem Texte abet Ist die gante Varf^ti* LectiOndoi,
wie sie sich bereits durch die Berntthungen der Gelehrleik, die Ihre TUtlgk'^
^ser Bodo angewendet haben, gebildet bat, aofgefilbn: ihanebe BitoerKnil-
gan krfHacber An nnd aelbat TerbesaerudgsTorAcMage dei kerauaii^bera bi-
haa hier Hne Stelle gefanden: die gelehrte nkd kritisch« Behkhdian|r h4t di^
«B eine Grundlage erhalten, anf der üe non weiter forlacbfeiten kann.
Ton deasaelboa Heransgeber sind nock wailOr ananieifbni
Cara/i Guiiielmi Lindtri üpuUitntis CamUna LaiUuL üptMUf iffi$
txacripseruni WahUirotm ei toe. MDCCCLV. 54 S. in 8.
In dieaer Sammlung erscheinen luerst mehrere lateinische Bear()eitungea
griechischer Poesien, und zwar in einer freieren Weise, die von der Ge-
u^dheit des Üebersetsers in dieser Kunst der Üebertragüng ein rühmliches
Zengnias ablegen kann; es sind die Plegien des tyrtäus, Callinus und Selon
(fit'Tno^fixri tlg avxov). Daran reihen sieb Carmina varii argumenti:
iigene Vtoucbe anf dem Gebiete def laieiniscbea Poesie, und awar Toiiebio*
€CI BrandM t Aoiiaf dwdi.4. Silskaaifieqpl n. QaMia stob Tenedif .
daner Art ud ancli in veneliiedeiiein Meknin; »te bofiMen «it etoem ui
üftmen der UniveniCit iib|fefiissleii Gedicht auf die Vermihlonir dei kdniKlt-
chen Brbprioaen Carl mit der Princessiii Laiae von den Niederlanden ; ea fal-
fen daaa swei weitere Gedichte auf daa Gedftchknisa dea Ertbiachofi Cari
Friedrich von Wingard, Proeanilera der Univeri ikit Upaala und dea beirfihmtea
BeneUna« ao wie eine wohl felanfcene, dem Oridina nachgebildete Epiatola
ConjvftU ad Naaoneai Exaalem; einige kleinere Gedichte, inbeaondera
•nek mehrere Bpigramme, bilden den Schhiaa. Wir laaaen ala Probe eiae»
detaelbe» folgen:
Qnid nive frigidioa, quid habea fbnrenlina igne,
Dnrioa avt aaxo» iumine nobiliua?
Mona hoainia nive frigidlor, ferreatior igne,
Dnrior eat aaxo, flumine vobilior.
Amßitf ibirek doi StMammtrifvi imd dk Gmiiem naek Vmedi§ im Sammv
f8$6^ «an Dr. ff. K. Brandes, Fr^umr md JleftJor des Gymmtuimu m
Lemgo, Mit etner Karte, Lemgo und Deimold. Meifer*$che Boßmekhaad'
kmg. i657. IV und HO S. en 8.
Dieee Reiaoachildemng eaipfiehlt aich durch die gleiehen Eigenachaflea,
welche an dea firOher erachienenen ihnlichea Daratellungen dea Verliüen,
den Aoaflügen aaoh den PyrenMea, nach Schottland and England (a. anlelal
dieae Jahrbb, 1856, p. 75), mit gutem Grunde hervorgehoben worden liad;
aie bilden eine angenehm nnterbaltende Lectttre durch die Art und Weiae der
OarateUaag, in der wir gern dem Verfaaaer aelbat da folgen, wo er Bekaantei
ana enihlt oder ana die Begebniaae aeiner Wanderungen achildert, diadiaicf
Mal einer aadarea Bicbtnag aich aogeweadet hattea. Von Regeaabnrg am
etile der Verfaaaer aaf der Donau aach Lina, von da nach laehl and in dai
Salakaauaergnt, voa da nach Salsborg und Gaatein , dann aber die Taneia ia
daa Kirnthaerlaad , aber Klageafurth und Laibaob nach Trieat aad Venedif«
welcbea dea «naaeratea Punkt der Reiae bildet. Die Raekreiae erfolgte glf^ich-
fklla aber Trieat, von da railtelat der Eiaeababn aber Wien, Prag u. a. w. dar
Heimath an. Ref. kennt die meiaten dieier Punkte aua eigener Anachanuagi
er liai aie ebenfalla aad aum Theil au Fuaa durchatreift: und doch hat ar
gera bei der lebeadigen and frtachen Enfthlung dea Verfaaaera verweilt, die Ur
dem, der in gleichem Falle war, eine angenehme Erinnerung bereiten, Andere
aber, die dieae herrlichen Gegenden aoch nicht kennen (um nicht von dem
au reden, waa die groaaen Städte bieten), aufmuntern mag, in ähnlicher Weii^
wie der Terfaaaer dahin au wandern und dea schAnen und groiaartigen Bilto
der Natur aich an erfreuen. Und kann ea, fragen wir, einen erhebenderea,
höheren Gennaa geben ? Vier Wochen halte die ganae Reiae gedauert -* je-
denfalla eine der achOnaten, die man in dieaer Zeit unternehmen kann. Ich
aah, ao achlieaat der Verfaaaer aeinen Auaflog, herrliche Stromthiler, daa Be-
aauthal mit der Walhalla, daa Saliathal mit den merkwardigen Oefen, aah daf
Salakammergut mit aeinen freundlichen und romantlachen Seen, aeinea Felaaa
nad grttnnea Hattea, aah daa Hochgebirge mit den Schneealpea and ewigaa
i HiQgo Parket Jlabiea i» AMka. 499
eaflUo^gni» b«WMKleito den TravaCill» de« Collingfall «id di« bniMratai
FUfo dtr Gaflamer Achc , «tief in die Salibeift und in die wonderrolle Grotte
TM Adelabeqp, schaute die |n^>M«rtifen Umgebungen ron licU und de« Wild-
bade Gaftein und Stidie, die durch ihre malerisohe Leffe oder ihre GrOeao
oder Wichtigkeit oder Gofchiehlo fohenewerth find, Regenebuiig, Peif an, Lina,
Salshorf, Laibaeh, Trieft, Tenedif, Wien, Prag. Hein freundlicher Leser, ich
nge IHr LobewohL Und wenn Da vioh frtfen woUtest« wohin eoU fidi rei-
lea? sonrfeichQirsn: wanderexnm Tranaseo und aber dioBorff«,
lad wenn nicht bis Rom, doch an dem Sl Marcasplata und aal*
aeai Dom! UehUn, figan wir hiaaa, diesem Ruf raafal Viela falgan!
Mungo Fmrk*i Roiitn im Afriktk Von der YFetMffs wmn Niger. Neu &s-
orMfef aoM Dr. Friedrich Steger. Leipug. VerUtgtbMchhtmdbmg wm
Curi B. Lorek. Leipug 1856. XVI und 322 S. tu B. (Auch mit dem
weiteren Titel: IKUSiofheft itf lerer Bdieen. HenmsgogAen 9on Friedrich
Steger, Erster Band u. g. w.)
Uli dieaam Bande ist der Anfang oinaa Unteraehmans gemaeht, welchea
die ?arsebiadenan ilteren Reisen, die als wahrhaft Kpoehe machend angcaahen
weiden können und den Weg gebahnt haben an den grossen and mnbsaen»
den Satdeckaagen neuester Zeit auf dem Gebiete der Linder und Volker*
kande, in geeigneter Bearbeitung einem Leserkreise ronnlegen, dem es um
siae angenehme und ntttaliehe Belehrung in thun ist Hit Hungo Park «nd
seinen der Erforaehnng des damals noch gar nicht gekannten Innern AMka^
mgewendeteii Reisen wird jler Anfang gemacht, weil aaf ihn eine Reihe Ton
waiterea Versuchea gefolgt ist, dia, snm Theil mit mehr GiBck nntemommen
aad ausgeführt, jedenfalla das Inaere' Afrika's, wenn auch aieht TOllig er»
seUessen, so doch ungleich nSher uns gebracht haben: wesahaib wir es
aaeh gana sweekmttssig inden, dass der Bearbeiter des Ganaen S. 150—
W hialar dem seehsxehnten Kapital eine ttbersichtUohe DarsteHuag da
MimU^ hat, was seit Hungo Park ftlr die Bereianng das Niger und diel
de der lligerlinder geschehen ist. Von den beiden Reisen, welche Mungo
Pwk in diese Gegenden unternommen, wird die erste, wie sie es auch schon
um ihrea wissenschaftlichen Werthes willen Tordieote , ausftthrlich nach der
von Hnngo Park salbst gegebenen Beschreibung hier mitgetheilt, die iweite
Reise nur im Ansang nach dem Tagebuche, welches niher anssuarbeiten dem
aaglackliflhen Reisenden nicht mehr rergOnnt war. Was dessen trauriges Ende
hetriil, so hat dar Verfasser die verschiedeaen , darOber eingehenden Nach-
richten in den Ictaten Abschnitt seines Werkes aufgenommen, das der all-
gemeinen Theilnahme und BerOcksichtigung mit allem Grunde empfohlen wer-
daa kann.
474 Gertticker: WttdiftraifeiA io Aottrallen ud VuidioMBilttid.
Wandenmgen ik Äütinäim md fähJkmenstani. Nad^ G. C. Mmä^. ttuM
hearhtiUi Mn TriedricX Gerstäcktr, Ltipüg. Vet iagthmkhandkat^
•PH Cari B, LorcL 1856, Xll und 271 S, in 8. (Auch mit dem weite-
ren Titel: ttauMUoAdi für Länder^ und VMethmde, Wmisyejfiucii •••
Karl Ändree, Eilfttr Band u, i. wj
ftei dem nfchea aad nugfeiieitoett Aaffcfawnnit, welchen die antnillfeheB
UliderlfttiBBgen {■ anf ereti Tagen genommen haben, bef der von Tag tn Ta|
■telfenden Bedemnng, welche dfetelben auch fOr Dentschland nnd die dent-
icho Atti#andening einnehmen, die jetat immer mehr dorthin sich tu #eHdM
beginnt, wird die hier gegebene Darttellong dieaea Landea ein doppeltet h-
tereaae gewinnen mttaaen. Sie beruht auf einem engliachen Werke*), welchei
in drei Binden au London erachienen ift nnd alabald eine groaae Verbreitnaf
fand, welche in Kuraem mehrere Anflagen nach einander herrorrief, eben weil
dieaea Werk am besten und treneaten daa Ten Europtem jetil eolonisifk
Attstrafien nach seinem gegenwirtigen Zustande achildeii, und ein naaprechea-
dtB Büd des Gänsen vorführt, von seinen eraten Anfingen an bia an dem
gegenwärtigen Standpunkt, anch damit eine Reihe von Bemerkungen verbin-
det, welche fbr solche, die sich dort ansiedeln wollen , eben ao wichtig sind,
wier Oberhaupt fOr Alle diejenigen, welche dieses Land und seine fortsehrei-
mnde EntWiekhing nSher kennen lernen wollen. Dass die Frage nach def
DefMirtation, dnrrh welche die ersten Niederbssungen hervorgerufen wurden,
Uer niehrfaeh berahrt', und nach ihren Folgen gewürdigt wird, konnte nntt
ohn^in erwarten. Eine genaue Beachreibung von Sldney und aeinen UaK
gehangen, von dem dortigen Verkehr, Handel und Wandet, bia an den gesell-
iohnfttiehen Verhiltnissen herab, bat der Verfasser gegeben und damit auch
die SehiHorung einer in das Innere des Landes gemachten Eieuraion verbonden ;
ein weiter Mch Vandiemeosland gemaehter Ausflug gibt die Vemniaianng,
anofa dieaea Lahd näher au beschreiben. Den Sehluaa dea eben ao interessan-
ten wie belehrenden Boehleins bildet daa Gold in Anatmlten, dna GoMftebar
nnd ein Anaflng naeh den Minen.
Btr denyobe Bearbeiter hat Vielea, was bloa ftlr EngUnder, nnd seM
bei diesen nnr fftr engere Kreise ein Interesse haben konnte, ^e^geliasee,
nnd gewüa daran woM gethan, im UebHgen aber uns eine gute Bekfb^Mttg
d%§ engliacben Original's geliefert.
JVmjps MNi ssjn OsMm. IL An*f^ef8fs MiuMhngm 4b$r üb neüiiftn Amtfhh
htm^ m Muopttmmim ean Dr. HBrmnnn Jak. Chr. If eiftsofiftarni
Prtf. mm L Gpnnn$him m BrfKrL Mit avai Utkofftnpklrtm Titfitn, Erfm
1856. MmMmendmek oo« qtrhmrdt md «ckreifrsr. 3i B. in fr. 4.
Wir erhalten hier eine Fortaetanng der achon im Jahre 1851 unter dear
selben Titel erschienenen Schrift, welche auch in diesen Jahrbb. Jabrgg. 185 L^
*) Es ffthrt daaaelbe den Titel: Onr Antipodes, or residenee and^
rambiea in the Australien Colonies, with a glimpae to the gold ftelds by Lt.3
Colonel Godfrey Charles Handy.
& Tttf. Mkar letfroebM Wtr4. IM« teifdem iDf dem Bodeli des ilten Ri-
wft flMIff MtiteD MkchgiiibliM^f B und Nuchrorg chungeB , ibsbesoildere durch
Ltjrifd, boten tneh anserm TerfiMcr reichen ^tolT sa einer weiteren Fort-
Nlsnf der in lehr 1851 ufeirebeneB UebcrMcht. Wiis feildeni in EnffliicheB,
FirmCeiiriM« and Detttfchen Blitteni über dleffB Ge^fenstand ertehien^n iit,
wtrd ditB TOB den Terfiisier, dem nicht leicht Etwas entpnfen sein durfte,
für die TOrfteiteBde ZüMmmensteltuhf benutst, die nns bequem Alles das über-
Midei liast, was durch die yerschiedenen an Ort und Stelle angestellten üb-
ttMaehuBfCB yewonBen wordes ist, und zu weldien Ergebnissen diesi)
feMirt habe«. Wer dann weitiir die Sache verfolgen will, der findet U der
reidklidi ittfeMrten Liieratnr die Httlfsmittel durchweg bezeichnat. Euerft
tM ti dio grOMiB Entdechongen Layard'i bei seinem sweitfed Besochd Vi-
iMi^ weMe der Verfasser bespricht; wir gfanben diese um so ^her liier
Ibargehett so kennen, als daron in diesed Jahrbb. 185S. S. 487 ff. bot Be-
ifteehoBg des ron Layard selbst darOber heraniigcgebenen Werkes (DiscoTeries
ii iie mfM of Nineveh and Babylon etc.) die Rede war. An tweiter Stelle
bttprieht dann der Terfasse r die von dem frantosiscben Consul Place lu
Kharsabad seitdem veranstalteten Auiigrabongen nach dem, was darOber durch
IfcvtHehe BtStter bfs jetzt zu unserer Kunde gelangt ist; der Terfasser gibt
tan Allem hierher Gehörigen eine gute Obersichtlicfae ZuaammenstellBBg; auch
dM Aasaiht Abbildungen, meist aus Layard entnommen, sind auf einer Tafel
Wif^tMgt. Möchte dem Terfasser Gelegenheit gegeben werden, uns recht bald
■It einer weiteren Portsetzung dieser notzllchen Uebersicbten zu erfrenen;
««na auf di*m Boden der alten Niuosstadt die Forschungen und Nachgrabun-
|ct seitdem aosgeaetzt, oder doch nicht mit dem gleichen Eifer, wie fWkher,
hilgesetaC erti^heinen, so treten dagegen andere, nicht minder wichtige Punkte
jetzt in neuem Lichte hervor; insbesondere gehört dahin, was über das alte ^usa
darth Loftna (Travels and Researches in Chaldaea and Susiana etc. London
18i7) verolTentlicht worden ist, nber mehr als eine Anregung au weiteren
lA arid Wnehfrabungen ober dieae alte HaopCattdi des Pemerroinboi
weedrB kann, aus dor uns fortgesetzte ITntersachaBgeB gewiss
weh BMBckea Neve und Wichtijte ai den Tag bringen.
Auswmhi m$ der DsN/jcJken Dichtung «on isr äiiuim 7^ hu muf iU
Gtgemwart m ekronologitcker Anorimtng , mtl ibirsefi Biofrafkim isr ilirfo-
rea wmd Anfßknmg ihrer wnmehm$t€n Werke^ wum mrtim ünleniekU tu isr
Ottehirhie der Mchomem LUertUnr dm- Deufichen, Vom Cmri Oitrogge.
LSmämrg 1857. Hbrvld msd WMgl^'tehe Bmhkimdku^ Ul md 5i4 8.
m gr, 8. (Aach mit dem aadeten Titel: Hetilsdbet Leuhud^ JVavs At»'
maUL Vm Carl OUnggt. Driümr Thnk, EnU AMhmUmg.)
Bio Terachiedenen, von demselben Gelehrten herausgegebenen dentschev
Usebteher haben wie andetwliriz. so auch in diesen Blittem steU die ver-
diente Aoeikennung gefunden, die sich auch in der Einführung derselben in
* vMe» Schalen bewahrt hat. Ifft Aemsclbenr Rechte und aus gleichem Gmnda
Wir Boeh die vorffegVBdo ABswahl empfehlen ; sie soll nicht blosa nlr
lonnfcwA dfenmi. ioiftdor« den ITiilerrlchr ia dor Geaehtchte der dei4idMm
Literatur Hif ein Htlftbvch begleüen, da« die eiaielnen Didter» wekbe die
Gcichichte Torführt, nHher kennen lernen llist, nnd in einer iweckmiitife«
Aaewahl einxelner Prodakfte Jedem den p^erechten MasMtab der Würdifanff
derselben in die Hand \tgU Sclion ans diesem Gmnde maaato die \otwaU
aelbst und die Anordnung dea Ganien der cbronolofiaclien Ordnung feigen,
ohne aaf den Inhalt der eiaaelnen Gedichte nfthere Rücfcaiehl an nehaMn; aoi
dem gleiehen Grande konnte aie sich nicht aaf einaelne, inabeaonderi herror-
rag^nde Dichter, die ans der Zeit naeh nilber liegen und daher auch nehr
interesairen, beaehriüiken , aondem aie muaate taa jeder Zeitperiode Binaeh
nea Torlegen nnd doch allerdings auf daajenige Rttckaicht nehmen« was eben
in dieser Periode als besonders herrorragend erscheint So beginnt der Ver-
fasser mit dem (nach Simrocks Uebersetsnng mitgetbeiltenj Hildebrandsliedc^
geht dann sum Heiland über, theilt ans einselne Stücke aas dem Pardval,
den Nibelungen, der Gndrnm n. s. w. mit, geht dann com Mittelnlter nnd der
darauf folgenden Entwicklung der Poesie ttber, welche bia in die neneite
Zeit herab gefabrt iai. Von etwa hundert und dreisaig Dichtem, den henror-
ragendsten eines jeden Zeitraums, werden einselne LesestQcke und Gedichte
als Proben mltgetbeilt, die mit sorgfältiger Auswahl, den Zwecken des Gsa«
sen angemeaaen, getrolfen sind. Ueber die Persönlichkeit der einielBea
Dichter, von welchen etwaa aufgenommen ist, sowie Qber ihre Hanptweike
giebt die dem Abdrucke rorausgebende Uebersicht (S. XI. — LII.) die nothigea
Notiaen. So vereinigen sich hier die beiden oben bemerkten Zwecke eiam
reichhaltigen Lesebuchea nnd einea brauchbaren Hflifsbnches bei dem Unter-
richl in der Geschichte der deutschen Literatur, sumal der poetiachen. Fttr
die Geschichte der proaaischen Literatur soll eine ibnilcbe Auswahl demnldiit
eracheinen, die nach gleichen Grundsfltaen und au gleichem Zwecke ange-
legt iat.
JNsyrnpUtdbst LwikoH im Kaitwüimu Oeiisrraidk,
Jsr denkwürdigem PtrtameH, welche i750 hit i850 im KmeereUuHe mdim
den KroMndem gelebi haheH, Von Dr. ConeUmi. e. Wunheiek. BrOw
TkeÜ, A.—BlwnenOuU, Wien, 1856. Verlag der ümversitätfBMchdmdurm
9on L. C. Zarinski (eormaU J. F. Sollinger) XIV. und 482 S. in $,
Auch mit dem weiteren Titel : Der grosse Österreichische BaussckaU. BSm
NaHonaUnblioihek ßar alle Stande, Zweiter Band. Biographisdies Lenem
des Kaiserthums Oesterreich, 1. Theil.
Mit diesem Werke soll eine allerdings fbhibare Lttcke ausgefüllt und eiaeai
Mangel abgeholfen werden , den Jeder empfunden bat , der In der Lage wsr,
ober Peritfnlichkeiten des österreichischen Katserstaatea nähere Erkundigungea
einaiehen su müssen, namentlich was die gelehrte und künstlerische Welt
und deren Leistungen betrifft; auch daa natürliche vaterländische Interene
knüpft sich an ein aolches Werk, das die Bedeutung erkennen lAsst, die sack
auf dem Gebiete des Geistes ein Land ansprechen kann, das durch ein frttbsr
nur au lange über sich aelbst beobachtetea Schweigen nur sich selbst Nseh-
tbeil gebracht hat. In diesem biographischen Lexikon sollen nun alle tSaAfßf
H^efer: Noavelle Biofnpbie f^atole etc. 477
mMM denkwttHi|t«D Perioaeo des gei rntttM Ktiterreleliei, tlfo einet jeJen
letner Linder and aui nlleB SMnden und Schichten der Getelltchnfl , weiche
m irgend einer Weise thicif fe wirkt heben, eine Stelle finden, die Hanpf^
to ihref Lebens sollen ffenau anfefeben, ihre Letstangen reneichnet, and
Ar di^enlfen, welche das Einzelne weiter Terfotgen wollen, soll dnreh
Hb Nachweis der Qnellea nnd HAirsnuttel , welche sie dato benfiUen kOnnea ,
wHIer fesorgt werden. Dass diese Aufgebe keine geringe ist, dase sie, ra*
Ml was 6h Tollstiadigkeit in den Personen, sowie nnd noch aehr, was die
fieasaigkeil der einxelnen Angeben betriSI, grossen Schwierigkeiten in dar
Aiffbhrang nnierliegt, weiss Jeder, der Aehnliches Tersucht hat, abwohl dae
ferner steheade Pablikun den Umfang dieser Schwierigkeiten ofl nicht gesvf
n #ttrdigen and ansaerkennen im Staade ist. Der Verfasser des Torliege»-
den LezikoBs hat diesen Schwierigkeiten alle Rechnung getragen nnd keine
lihe, kein Opfer gescheut, dieselben auch xa ikberwladen, was dankbare
Anerkennung erheischt nnd denVerffisser tnfinnntem mag, siit gleicher Ans*'
teaer da« begonnene Werk fortinsctf en , das in diesem ersten Bande dett
Baehstaben A and einen Tbeit too B. befasst. Wir empfehlen daher dasselbe
eioer gtnstigen Aufnahme nnd wttnschen baldige Portsetanng. Druck und
Papier sind sehr befriedigend: darch die doppelten Cehimnen aaf jeder Seile
iit wesentlich an Rtara gewonnen worden.
KmnelU BiögntfkU §iKdrmU depmt Iss lauf s Us fhu rtaUh pupfä net j§mr§
eeec Ut rmnlfmemenii hihiiograpkiqtiet 9i TmJßemHon du umrces ä omum^erp
pMide for MM. Virmin Diioi frk'u $au» U Dirtetion de Mr. U Dr.
Bosfer. P<arts, firmln Didot fth-ei, 4dUetnr$ efc, ms Jacob iß. Tema
fdsjdms 9928,^ Tome dix iepHime 960 S. Tomo dis kMhiu 960 8, mfr.8.
Diese weiteren Portsetsungen geben Zeugniss Ton dem raschen Portgaag
•iaes Unternehmens, dsa unter tüchtiger Leitung begonnen ist und in einer Weise
CmtgeiAhrt wird, die nach eine dereinstige Tollendang des Gänsen mit aMhr
Kchcfheit uns voraassehen liest, als dies bei so manchen Unternehmungen
ihuKehnr An der Pall ist. Der Charakter des Werkes, das mOgiiehate Vel^
itiadigkeift auf der einen Seite erstrebt, auf der andern aber auch die An-
ipriehe der Genauigkeit in den einseinen Angaben wie der guten Ordnung
n befriedigen sich bemOht, iat in den Anseigen der früheren Binde*) ange*
gehen worden; die hier ansuxeigenden Binde, welche von Emmet Mf
Fryxell reichen, halten sich durchaus an die in den früheren eingehaltene
Morm und lassen eine nHlgiichst gleichmissige Behandlung in den einaelnen
Artikeln erkennen, die wie in den früheren, so aach in diesen Binden thaila
felbistindig ron nahmhsften Gelehrten Prankreicbs bearbeitet, theils vom
Herausgeber nach andern Qaellen und Uülfsmitteln geliefert sind, nnd in An-*
lege wie in AusfUhrung den Zwecken des Gänsen angepasst sind, das bei
Ulf eheaeren Ansdeknung allerdings einen Verein Ton Xriften erforderte,
*) 8. diese Jahrbb. Jahrg. 1853, p. 816 ff. 966 ff., Jahrg. 1865 p. 719 ft,
18Ü6 ^ 476 ft
478 Neif«b»iir: Ueber dM Zuiand der Uter^tor i» BrasiliM.
dorch den ftlleln die Aqfffllireiiff lelVrt enpaf lichl werden kern. Wir Vdvm
eiM»er dieser «llgemeinen Verstcherani; einer gleichmHififeii FoiteeUeng, le-
weU waa den Stoff selbsl aU die sorgfäUige Bebudlong und Anordmmf de»-
•elben betrifft, aacli hier ohne besondere Mühe aof eine Anuhl berrorrageir
der Artiliel verweisen, die dem Gänsen eur Zierde gereicben; wir bescbrln*
kea aas auf wenige, die lich lUirigens leicbt vermebren Ueesen, wenn«
darsnl anktme, weitere Belege dessen sn geben, was aber die woU gebn*
fepe, grOodlAche Ausführung im Eiaselnen bemerkt warden ist. Wirieehaea
dihip die Artikel Eresme (von Hefer}, £rigena (van Hanrefm), Bschyls
£reii Artend), Bstienqe und awar eben so sehr Henri Bstieane wie Ro*
bei"^ Estienne und die andern dieses Namens (in vorsüglicber Weise bearbei-
tet von A. F. Didot) Enripide (von Artaud), Fauriel (von Lee Jeaheii)
F4i|elon (von A. R.) die verschiedenen Franoeis und Pr6ddrie (res
versebiedenen Verfassern), Fröret (v. Leo Jonbeit) , Froissard (von dflM*
seU^n), Franklin, der Amerikaner (hsaptsichlich nach Hignet) Fraakli«,
der barüHmte Nordppifahrer (von Alfred de Lacane> Mage es der rsitlosei
Thi^liikeit des umsichtigen Herausgebers gelingen, das Werk in gleicher WtiM
bis aa seinem Abscblusa hindurchsufübren ; es wird ihm dann kein ihntiehei
ia der literarischen Welt an die Seite gestellt werden kennen.
Ueber den Zustand der Literatur in Brasilien.
Dieser amerikanische Staat von 5 llillionen Einwohnern , enf einer vnfe-
Wren Ausdehnung aerstreut, bat in aller Stille bedeutende Fortschritte fs-
mao|it, seit dort das constitotionelle Leben Worsel gescblageo bat, welcbei
%eit hatte, ^cb während der lengen vormundschaftlicbea Regiemqg ni^cb der
Abdankung des Kaisers Pedro L d. d. April 1831 bis snm 28. Jnli 1840, n
enivickela.
8o ist aaoh der junge Kaiser der Constitution steU tre« gebllebea «il
daraelkea ergaben; daher das Volk Vertrauen ao ihm hat, und er ihm ver*
mal» Aach hat der Kaiser eine so gute Eraiehung erhalten , dass er M
faiewabiend evnsthafk beachgftigl, statt Spielereien oder andern PassiaaH
naehsngeben. So prilsidift er gern selbst in den SUsungen des geecbieUKeb*
gaagraphischen histitus von Ria de Jaaeira, das »einen Sita im kaiserHebrt
Schlosse het^ Diese gelehrte Gesellschaft giebt eine ZeiCsehrift uaeer dea
TMelt Revista THmestral de Institute Historico'^geograiica de DreiH, foadtla
aa Rio di Jaaero beraas , welche sich besonden mit vaterNlBdiscben fiegea-
sMadea beschenigt Damm verleibt auch der Kaiser gera Titel mit NaaM
aas der (ieschiebte des Laades. Wir machen auf eine Abbaadlong ober eiae
ia der Provins Maranho stattgefundene Revolution auftnerksem, wafllr kf
Prafeasor, der Ritter t. Nagelhaeas, von diesem Institute dea Preis erhielt
Seit der EiaAlbraag der CansülutioB Ise sehr viel für dea effenlliehai
Uataniehl ia Brasilien gesebehen, abwabl elae Universität, dem Namen aaeh,
nicht besteht, weil man die Centralisation vermeiden und mehreren Prona-
aaa geistige VortheOe lawenden wol)te. Qabar beiladet sieh eiae hebe
Schnle für die ReehtfwIssensehtft au Rio di Janeiro, eineandeve laPeraMi*
Raif ohatr: üeber den Zottind 4er Lü«ra«pr ii Brwili«n, 479
Um, efB6 |lo4ieiB*Ma]e la Rio und eine aBdere iti Baliia, wo dio Doo-
tonrnde ertheilt werden. Bine MiltCair-Aciidemie befindet »\eh in Rio» wor
Mlbfl auch eine NaTifationa-Srhale errichtet tat. In den 18 Provinsen aind
aberall lilitairachulen ein^ferichtet, welche unter der Refierang atehen; die
Geiitlichen werden in den hiaehoflichen Seminarien auafebild^t, doch atndi-
rea fehr riele auf leich auf den obenerwähnten Acadeniien. Die Coliefien
ertheUen den Grad der Baccalanreata nach ttberatandener Prttffnnf.
Anaaer der Staatawiaaenachaft, welche in dieaem conatitotionellen Staate
VI nothwendifaten iat, und der die Hunaniora Torherfeiien mtlaaen, iet ea bo^
laadera die Pichtkunat, womit aich die febildeten Braailianer in Ihrer Moai«
betchlftifen. Kben jetst iat ein Heldenffedicht eraohienen, welchea ao aehc
felfellt, daaa ea der Kaiaer in einer Pracbtauafabe an Geachenkon ha| drnehen
tuten, welchea angleich aeigt, daaa nan in Rio aehr wohl reiateht, def
Bachdmckerkonat alle Ehre an machen. Der Titel dieaea Werkea iat: Jh
eaaftderacno da Tamoyoa, poema per domingo Joae Goncalea de Magel*
hiena. Rio di Janero 1856. fr. 4. S. 340.*
Dieaea Heldengedieht fleht noa Veranlaaaunf , snerat von den Dichtem
Bmilieoa an aprcchen. Sehr fcachita werden die lyrtachen Dtehtanfea to«
Genenlea Diaa, ferner Porto Allef rl, der anfleich fnter Maler lal» te*
ur Doctoa Macedo, welcher aiigleieh Romane feaehrieben hal. Odeai«A
landea «beraetate <lie Ae^eide in Verae» und mehaere Tranenaplele ¥0>
Tehaire. Von alle» brnNUaniachen Dichtern aber dürfte jetat 4er hedeBtaadati
dar oheneiwAhme Dr. ▼• Maf elhaena aeln, weleher aich jetst ab braaiUnit
aiidier GeaehiftatrifOf in Tnrin belndet Schon 1836 gäh er in Pwia eAao
SaaualiiBf Gedichte unter dem Titel: Suaphroa poeticoa e aandadea hmmne^
aacböem »^ü» Bnlllnfe lyriacher Gedichle an Rio nnter dem Tilel : Poeaion
1833 ofadhienen waren. Zorn Beweiac, daaa in Rraaitien die GciatlicUwIt
keinen der hialoriaohen Wahrheit Tcrderbliehen Binioaa ibi, fiÜirMi wir ola
von demaolben Dichter im Jahr 1839 an Rio heranafefebenoa Tmaenapiel a%
daaaett Held ei« von der In4|niaition verbrannter Dichter war: ,, Antonio Joac^
e $00lfi e l'lD^i^ao. Im Jahr 1843 erachien von ihm eine UeboaaalBnBf 4ea
Othello Ton Docia. Ein anderea Tranerapiel in 5 Acten halte er kara vorbei
neuer denn Titel: OJfiato ebcRfaJIa an Rio drucken laaaen, dcaaen Gefeaatand
aäie wahre Thaliacbe ana der Mailendiaehen Oeaehichte aoa der Zeit der
Remebnil der Sforan vom Jahr 1476 iat
Von Geaehichtaehreibem haben aich anafoseichnet: Sanaa, dareb aeine
omfaaaeado Geecbicbte Rraaillena; eine fleicbe iai Ton Caramara herana»
gefaben worden, welche ancb Ina franadaiaehe ftberaetat iat; aoeb Baailio
da Gnm« und Caldaa aind an erwibnen; Liaboa fleht anale de Rio di
Janero borana, von denen acbon 7 Bande erachienen aind.
in der Hedicin haben aich einen Namen femacht, Silva, Paula Can-
dida, Valladane, Pimentelli und Correr Homera.
Ala Botaniker iatFreirAIIemanno bereita nnaerem berttbmta^i Hum-
boldt bekannte
Beaondera iat ea, wie feaaft, die Staatawiaaenachaft, welche wefen der
rerbandlniven Viele beaehiftlft; unter den nnafoaeickneten Rednern
48Ö Nöiirebtdr: Ueber den Zu»Uind der Literatur ia BrafOien.
nennen wir den Vicomte D'Umf ai, den Meiose da Camera, Ferrai und
den Markgrafen von Abrantes.
In den militairischen Wisseniebaften bat sieb beionders der Markgraf
de Caxis aas^eseicbnet, welcber Kriegs-Hinister und Prttaident des Minifter-
raths ist.
Rio besiiit eine Academie der scbtfneu Konste, deren Vorstand der obea-
erwihnte Minister und Dichter Porto Allegri ist.
Die Tagesliteratur ist b'ei dem bier stattfindenden offentlicben Leben lehr
reich. Die bedeutendste Zeitung von der Grösse der Times und den andera
^Ossten Zeitungen ist das täglich erscheinende „Journal di Comercio aRio*,
eine andere Zeitung ist „le Mercaiitil**, ferner „Diario di Rio** und das «Jonr-
ntl da Tardi*, eine Abendseitung, nebst mehreren andern. Aaeb in dea
ProvinzialstSdten fehlt es nicht an Zeitungen, und Eiseobabnen befördern die
Verbindung im Innern. Nach Hamburg geben mehr Schiffe aus Rrasitiea ab
ans Nordamerika und aucb mit Genua steht Rio in unmittelbarer Verbindnaf,
wosu 30 Tage hinreichen.
Die Rechts-Pflege ist gehörig geordnet, die Richter mOasen vor ihrer Aa-
steHmig Prüfungen ablegen. Die unterste Instana findet bei den Priedens-Ge-
richten statt, ttber ihnen stehen Tribunale erster Instana, von denen die Be-
rnfang an Apellhofe geht, die unter dem höchsten Gerieht, als Cassa*
Moashof sieben. AHes wird öffeatlicb verhandelt und in Strafsnehen erfsigt
die Bntscheldmig ttber die Schuld durch Geschworne. Seit der ConaHtaHaa
hat Brasilien gute GesetsbQcher erhalten; denn sie moasten alle ne« gesehaf*
loa werden. Gesetslich sind die Adels-Titel nicht erblich , sondern der Kaiser
fierieiht aio nach dem Verdienste; daher auch alle Stellen für Alle lugia^
Mdi sind. Die Pressfreiheit und OefSentlichkeit in allen Zweigen der Verwa^*
Inaff maohtf daas die Beamten unter der Aufsicht des Publikums stehen nad
die Gesetse gehandhabt werden. Darum halte Montesquieu Reebl, welehe^
sagte, ieh frage nie, welche Gesetie in einem Lande gelten, sondern wie sie
gehandhabi werden. Dabei hat in Brasilien die Geisilicbkeil keinen vorwies
genden Bininss , da sie ebenfalls die OeffentUchkeit au scheuen hat and unter
deoa Geaeue steht.
ffnr ein Ueberreat der schlechten alten Zeit, die man hier Dicht, wii
ndefwtrts, die gute alte Zeit nennt, ist feblieben: die Sklaverei» welche
leider das Christentbum keineswegs, wie manehe behaupten, abgeachafll kM^
Bf hat die freisinnige oonstitutionelle Regierung swar den Sklavenhandel ab*
geschafft, aber die Sklaven beibehalten, deren Kinder auch zur Sklaverei ver
dämmt sind. Man ist noch jetat dergestalt an den Untersohied der Menschen-
Ba9en gewöhnt , dass ein Schwaraer nicht einmal in einem Omnibus fahren darf*
Bin Freigelassener oder Mulatte kann nie eine bttri^erliche Stellung erhalten, die
ihn den andern gleichstellt! nur Arst darf er werden und auch Geistliche
sieht man, die Neger sind. Dagegen schadet die Verbindung mit den Einger
hörnen nicht, weil dies freie Menschen sind, im Gegentheil, man hält es fU
eine Ehre, von den Ureinwohnern abzustammen, und es giebt mehrere Gra-
fen nnd Markgrafen mit ihrem ursprünglichen Namen. ]¥el|^elMaiir«
t. 3L HEIDELBERGER MST.
JAHRBOCHIR dir LITERATUR.
Aneedota saera et profana ex Oriente et oecidente allata sive No-
tiUa codieum graeeorumy arabieorumj »yriaearum, coptieorwn,
hehraiconnn, ciethiopieorum , latinorum, cum ezcerptia multis
mcLtimam partem graecis et triginta quinque aeripturarum an-
tiqinsnmarum apeeiminibus, Edidit Aenoth. Frid, ConsL Tt-
sehendorf. Lipnae, E. OraüL 1855. XVI m. 216 8. gr. 4.
(n. 8 Thlr)
Alexaoder von Humboldt sammelt in hohem Greisenalter , am
Spitabende seiDes Lebens, wie er es selbst so nennen liebt, die
Ergebnisse einer langen and frUcbtereichen Thätigkelt in seinem
Haoptwerke, dem Kosmos, und sieht so selbst gleichsam das Faclt
oder die Summe seines der Wissenschaft geweihten Lebens. Einen
loldien Rechenschaftsbericht enthält auch das uns Torllegende Werk
eines in seinem Fache nicht minder wirksamen und anerkannteni
Bdt Humboldt innig befreundeten Gelehrten, welcher aber noch nicht
die Hfilfte der Jahre jenes Nestor erreicht hat, und dessen Lebens*
lonne, nach menschlichen Berechnungen und Hoffiiungen cu urthei-
len, erst dem Zenithe ihres Laufes zustrebt und darum noch zahl-
r^he und köstliche Früchte sur Reife bringen wird. Humboldt|
der durch seine warme Theilnahme an wissenschaftlichen Bestre-
bongen jeder Art beinahe zu einem Mittelpunkte der deutschen Ge-
lehrtenwelt geworden ist, hat sich selbst durch Annahme der Wid-
mung dieses Werkes nicht weniger geehrt, als sein allverehrter Name
dem Buche zur Zierde gereichen kann. Professor Tischendorf be-
lidtet In den Aneedota sacra et profana über die Erfolge seiner
Reisen, die er nach den Klöstern des Morgenlandes und den Blblio*
theken des Abendlandes gemacht hat zum Zwecke der Auffindung
bisher unbekannter Handschriftenschätze. Und fürwahr, die Aus-
beute Ist nicht gering; denn es werden uns MittheUungen gemacht
fiber eine sehr beträchtliche Anzahl von kostbaren Handschrifteni
welche zum Theile vollständig, meist aber nur in grösseren oder
kleineren Bruchstücken vorhanden sind. Die meisten griechischen
darunter sind in der alten Uncialschrift geschrieben, und viele, darun-
ter namentlich auch die zahlreichen P^impfeste, zeichnen sich durch
hohes Alter aus, ja einige reichen bis in das fünfte und vierte Jahr-
knndert hinauf. Während Humboldt in seinem Werke die neuesten
Sesultate der Forschungen vieler Gelehrten benutzt, welche ihm
«am TheUe erst bandschriftUch mitgetheilt worden sind, geben viele
|d« Tisehendorfschen Manuscripte, z. B. die zahbreichen georgischen,
femer die arabischen, syrischen, koptischen, abyssinischen , drusi-
~ien, hebräischen, slavonischen, den Kennern dieser Sprachen Ge-.
L. Jakif. 7. Heft 31
4B% Tifchendorf: \B6cdota sacni el profsna.
legeDheit zn eigenen Bearbeitungen, wie sie schon von Minnen,
wto Fietocher, GüdemeisteT , Tndi, Seyffarth, Petennann, JelUnd,
FCksl, iMgowien worden sind. Alle hier besprodienen Handschrif-
ten werden genau beschrieben nach Material, Grösse und Anzalil
der Blätter, Alter der Schriftsüge; auch wird bei den allermeisteD,
nur di^enigen ausgenommen, welche noch nicht haben gelesen wer-
den können oder noch nicht genauer untersucht sind, der Inhalt
sorgfältig angegeben. Vollständige Text«-Abdröclce oder wenigstens
mitgetheilte Text-Proben dienen als Inhalt für die Beortheiiung des
Werthes der Manuscripte; auch sind Stellen aus den wichtigsten
derselben auf vier Steindrucl^tafeln im Facsimlle mitgetheilt, womit
zugleich eine gute Gelegenheit zur Uebung im Lesen der alten Sdirif-
ten und in der Unterscheidung derselben nach den verschiedenen
Zeitaltern geboten wird.
Das Ganze zerfällt in drei Theile. Der erste Theil behan-
delt diejenigen Handschriften, welche Prof. Tischendorf von 8<un«
zweiten orientalischen Reise im Originale mitgebracht hat und soffl
Theile noch selbst besitzt, zum andern Theile aber an das britiadiie
Museum und an die Bodley'sche Bibliothek zu Oxford abgegeben
hat. £s befinden sich hierunter mehrere, meist in georgischer Sprache
überschriebene, Palimpseste. Einige derselben, von denen hier Pro-
ben mitgetheilt werden, hat Tischendorf unterdessen vollständig
herausgegeben in seinen Monumenta sacra inedita, Nova CoUeeüo,
im VoU I. Sie enthalten die griechische Uebersetzung der LXZ
vom vierten Buche des Mose ziemlich vollständig, sowie BnichatüdLe
vom zweiten und dritten Buche der Könige und von Jeaaia, ta^
ner aus dem neuen Testamente Fragmente der Evangelien, der Ap(h
Stelgeschichte und der Briefe des Paulus. Bei dem einen dieser
Palimpseste ist auch die zweite noch in Uncialen verfasste grieehi-
sehe Schrift bemerkenswerth , welche eine Lebensbeschreibung der
ägyptischen Maria, eine Homilie des Johannes von Damascus auf
das Geburtsfest der Maria und die Lebensbeschreibung eines Xenophoa
und ehier Maria und deren Söhne Arkadius und Johannes enthält
Unter den übrigen Palimpsesten sind mehrere, die sogar drtt Mal
beschrieben sind, z. B. zwei Mal griechisch und dann slavoniseiH
oder zuerst griechisch, dann syrisch, dann georgisch, oder syrisch
und dann zwei Mal georgisch. Ein Palimpsest von 52 Quartblätt^
aus dem 5. Jahrhunderte bietet eine bisher unbekannte syrische
Uebersetzung der Evangelien dar, welche sich dadurch von der Pe-
schiftho unterscheidet, dass sie sich dem griechischen Urtexte viel
strenger anschliesst, wesshalb sie kritisch von höchster Bedeutimg
ist Ein anderer Palimpsest enthält in seiner ersten Schrift ans de*
5. Jahrhunderte nach Tischendorfs Vermuthung eine noch unbe-
kannte Homilie auf einen Heiligen. Von den hieraus mitgatfaettta
Bruchstücken lautet das erste so: tijv t^iMav xad^tQöw ^uc^oiQSM
Bv tcj lOQdavy 0 (lovoe Hcc&ccQog tuu. oM/^^fcctos (Ki^oe/ (es ist ss
corrigiren ayucioiyi/) rjiiag km zu väecta X4u tag 9t&fMAag %ov Sfth
TiiebMdorf : AneodoU Mcra U |w«fui». 4Bi
imtm^ ifwtQißmv sni rov vdatoq. Wir finden bler die mium M
I|piitiii8, im Briefe an die Epheeer Kap. 18 su Ende, TorkommeBde
Voffstellang wieder, daaa Cbristua durch seine Taufe dae Waaeei
geheiligt habe, nämlich snm Zwecke nneerer Taufe, was ohne Zwei«^
fei der Sinn dieaer Vorstellung ist — Die übrigen griechischen Per*
gamentcodices geben mehr oder minder voUetändig die vier ETaiip
gelien, die Apostelgeschichte, die alezandrioiscbe UeberseUmg der
Genesis, des Baches Josua, des Buches der Richter und des Boches
Roth, auch ein Fragment aas den Psalmen; ferner Fragmente TOO
Efangelistarien ond dergleichen, auch siemlich YoUatändig zwei
Schriften Cassian's in griechischem Texte. Ferner befindet sieh
daranter ein Fragment aus der Genesis, welches su dem von Ti-
lehendorf im Jahre 1844 aufgefundenen und 1846 unter dem N*»
men des Codex Friderico- Augustanas herausgegebenen Manascripte
der LXX gehört Bekanntlich ist diese lür die griechische Litera»
tir das älteste handscbriftliche Denkmal auf Pergament, walchee
man kennt Eine arabische Handschrift von 75 grossen Blättern
ans dem 8. Jahrhunderte enthält Brnchstiicke einer bisher onbar
kannten arabisclien Uebersetcung der paulinischea Briefe; eine an»
dere in derselben Sprache enthält eine Erzählung aus dem iweileft
Theile des Evangeliums des Nikodemus und den Anfang einer Streir
tigkek, welche aur Zeit Basilius des Grossen die Christen aa Sehaate
Bit ihrem Bischöfe Petrus hatten^ der in einer, wenngleich jung«»
friolichen, Ehe lebte. (Irrthiimlidi ist su Ende von Nr. XVL gtf*
druckt: oMtrimonii specie iuncti statt iunoto.) Den Sehlnss dieser
Abtheilong i>iidet die Beschreibung verschiedener talmudiscber und
karaitischer Handschriften, welche Commentare biblischer Bücher
imd andere poetische, liturgische, homiletisebe und ähnliobe Schrift
ten enthalten, grösstentheils noch unbekannt, aber von grossem
Interesse.
Der zweite Theil des Werkes enthält das Verseichniss von
55 Handschriften, welche sich unter dem Namen der Tischendorfsehen
Maauscripte in der Universitäts-Bibliotbek zu LeiiMdg befinden , so»
wie acht anderer, die anm Theile ebendaselbst, zum Tlieilo in .der
königiieheD Bibliothek zu Dresden aufbewalurt werden, nachdem ala
von den Gelehrten Ciot-Bey und Roth als Geschenk für die sfteh*
liKhen Bibliotheken in Tischendorfs Hände übergeben worden wa*
rsn. Wir finden in der Tischendorfsehen Sammlung nicht nur griechi-
sche, sondern auch syrische, koptische, arabische, georgische, karai*
ÜBche, abjssinische und drusische Handschriften. Zuerst werden ans
den griechischen Handschriften ausführlichere Mittheilungea ge*
macht. Ausser manchen liturgischen, homiletischen und selbst ma*
aikaiischen Sadien, einem umfangreichen Palimpseste ans dem 9. oder
10. Jahrhunderte mit einem Evangelistarium als erstem tmd einem
griechischen Psalter als zweitem Texte, Anthologieen aus dassischei^
kiUisdheo and kirchliehen Schriftstellern, verschiedenem kirchenge*
scfaichtUehen Maieriale, patristischen Stücken und mauoheriei ahn*
4d4 fifchendorf: Anecdota iacm et profanA.
liehen Diogen, s. B. der Berechoang der Kosten einee ETangelioi^
Codex — ausser diesen finden wir hier Handschriften für die alexan-
drinische Uebersetzung der Psalmen, für die HomiJien des Gregor
▼on Nazians, für die Biographie desselben vom Presbyter Gregor,
für Terschiedene Schriften des Aristides, Plutarch, Libanius, Nioe-
phorus Oregoras aufgezählt Aus den meisten derselben werden die
Varianten zu den Lesarten der betreffenden Ausgaben angeführt
So auch bei den meist die Beschreibung und Erklärung von Stand-
bildern betreffenden Ueberresten von Johannes Lydus, mit denen
sowohl die Bekker'sche Ausgabe der Fragmente dieses Schriftstel-
lers, als die bezüglichen Excerpte, die sich bei Suidas und in des
Godinus Schrift über die constantinopolitanischen Alterthümer finden,
vollständig verglichen werden. Ganz mitgetheilt wird ein Decret
Justfaiians in Bezug auf das Kloster des Sinai, mit Vergleichang
einer Dresdener Handschrift. Zwei Handschriften, ein Fragment des
Matthäus und eins der LXX zum 4. und 5. Buch des Mose, zom
Buche Josua und zum Buche der Richter, hat Tischendorf nach
ihrem ganzen Umfange im ersten Bande seiner Monumenta at)drucken
lassen. Von besonderem Interesse durch seine Reichhaltigkeit ist
der 360 Blätter umfassende Minuskel-Codex Nr. IV, den Tiscben-
dorf dem 10. Jahrhunderte zuschreibt. Sein Inhalt ist folgender:
1) Ein Katalog kirchlicher Vorlesungen, ödßßccra und TCVQuauäy
mit Zugrundelegung der alten HBtpaXaia, 2) Ein Menologium mit
auffallend wenigen Festtagen. Hier begegnen wir -auch in den Wor-
ten ano to a öaßß,^ ano x6 naa%a^ der Construction der Präpo-
sition ino mit dem Accusative, welche sich in dem neuerdings anf-
gefundenen griechischen Texte des Hermas — den der berähmte
Oikonomus'*£'AAi^a ts tuu fi^^ '^EXXrjva genannt — wiederholt findet
3) Ein Abschnitt aus dem Chroniken des Hippolyt von Theben
„über die Genealogie der heiligen Gottesgebärerin.'^ Tischendorf
^eilt denselben vollständig mit, weil der Text von den bekannten
Handschriften und Ausgaben nicht unbedeutend abweicht. Es ist
zunächst eine Chronologie von Christus' Leben, mit einigen will-
kürlichen, d. h. nicht neutestamentlichen. Hinzufügungen, wie z. B.:
der Stern sei vor der Geburt den Magiern in Persien erschie-
nen, wie Aphroditianos ( Aphrodisianos ?) sage; in Aegypten habe
Christus mit Joseph und Maria in Heliopoüs gewohnt; Archelaoa
sei in Judäa zu derselben Zeit, wie Augustus in Rom, und zwar
26 Jahre nach Christus' Geburt gestorben (von seiner Verbannung
wird Nichts erwähnt). Von Maria selbst wird berichtet, sie sei 59
Jahre alt geworden und zur Zeit der Bekehrung des Paulus ge-
storben; 15 Jahre 1 Monat alt habe sie Jesus geboren; sie habe
14 Jahre im Tempel und 4 Monate im Hause des gerechten Joseph
gelebt, als der Erzengel Gabriel mit der Verkündigung zu ihr ge-
kommen sei. In einem Abschnitte, der beinahe gänzlich in den
andern Handschriften fehlt, wird nach Sophronius, Patriarch von
Jerq«alem im 7, Jahrhunderte^ erzählt^ Salome, Joh^es des Theo-
TischeDdorf; Anecdota nen et profraa. 465
logen Matter, sei eind Tochter Joseph'«, des Verlobten der llarhs
TOD seiner ersten, wirklichen Gattin Salome gewesen. Diese näm-
lich war die Tochter des Haggai, des Broders des Priesters Zacfaa*
rias, Vaters Johannes des Täufers, Sohnes Barachias', des Sohnes
des Priesters Abias. Von dieser Salome habe Joseph vier Söhne,
Jacobas, Simon, Judas, Jose, and drei Töchter, Esther, Martha, Sa*
lome, gehabt. Jene seien die sogenannten Brüder des Herrn. Die
Stelle Joh. 18, 15, wo gesagt wird, der Apostel Johannes sei dem
Hohenpriester beliannt gewesen, wird so erlilärt, dass er nach dem
Tode seines Vaters sein Erbtheil in Galiläa verlassen and sich in
Jerusalem auf Zion ansässig gemacht habe, aber nach dem Tode
{xoiiiT^ig) und der Himmelfahrt ((urdöraöig) der Maria, die auf
Christus' Befehl bei ihm gewesen, habe er in Ephesus das Wort
verkündigt und sei dort hinweggenommen worden (ai/eAif^'&i}), was
Cod. Paris, so ausführt : er sei entschlafen, und sein Leib sei im Grab*
male nicht gefunden worden. In jenem Hause des Johannes aof
dem Berge Zion, wohin die Apostel aus Furcht vor den Juden ge*
flohen seien, habe auch Jesus' Erscheinungen bei verschlossenen
Thüren stattgefunden. Von Christus' Himmelfahrt wird Nichts er-
wähnt, sondern erzählt, dass auf dem Oeiberge, in dem jifQ(fCov
FB^i(jLavfj die Apostel das erste „Mysterium^ voUbracht hätten,
indem sie vor Allen Eum Bischof erwählten Jacobus, den Bruder
des Herrn. Auch wird gefabelt, Christus selbst habe den Petrus
getauft, dieser Andreas, dieser Jacobus und Johannes, und diese die
fibrigen Apostel; Maria sei von Petras und Johannes getauft wor-
den. Nicht minder wird ernsthaft bemerkt, wie Johannes wirklich
drei Mütter auf Erden gehabt habe: Salome, den Donner und die
Maria, letztere beide gemäss den Aussprüchen des Herrn. — Auch
dieser Auszug aus Hippolyt zeigt sprachliche Singularitäten, die uns
wiederum an den griechischen Hermas-Text erinnern, namentlich die
zur Manier ausgeartete Construction von Verben der Ruhe mit Prä-
positionen der Bewegung, z. B. i^rjösv yag r^ avd'QCDnorrjti ^
TUtvayCa d-fotoxog hrj vO*'' elg fihv xov vadv hr] vS^ elg di tov
olxov TOV SixaCov *I(oo^(p fifjvag S^ — ItV^^ ^'^ ^^ (ladiftcctg
ilg tov olxov tov ayCov ccTtoötoXov xal evayyshötov ^Imawov
toxi ^soXoyov hi] im — i^Bvsv iv 'leQOöolvfioig eis ^^'^ Xeyofii^
vrjfv aylav Ukdv tjJi/ tSv ixxXriöL^v fititi^a. Dagegen werden
Verba der Bewegung mit Präpositionen der Ruhe verbunden : rik^sv
iv 'Eg)i0CDj womit Luk. 23,42 nicht verglichen werden darf. Anderes
findet sich schon in der Sprache des neuen Testamentes, wie die
Construction des Superlatives mit dem Genitive in comparativischem
Sinne, ngtotog tov TIbxqov riXd'sVj und der Gebrauch von X(^f^*
ti^Siv in der Bedeutung : heissen, genannt werden, hier jedoch über-
diess mit Hinzufiigung einer Präposition, ßQOvtijg vtog ijuQiriiMetifSBV
TtocQcc tov xvqIov. — Unsoro Handschrift enthält ferner 4) den Brief
des Ettsebius an Earpianus. Hieraus werden die Varianten zu den
Aasgaben angeführt 5) j^Ein Programm zu dem heiligen Evange-
486 TifoheHdorf: Aneedota twcra et profu«.
liam^, irelohes Mebreres umfasst. Zuerst die ZahlaDgabe der titloi
und ouipaliua der vier Evangelien. Diese Zahlen können wir nicht
cafttroliren, aber die folgende Angabe der Abfassungsseit der Eran-
gelien, das 8., 10., 15. und 32. Jahr {xQovog) nach Christus' Him-
melfahrt (gleichwohl ist bei Johannes die widersprechende Notii
hinzugefügt, dieses Evangelium sei unter Domitian geschrieben),
atimmt mit der Angabe der Codices S, E, vgl. 6, in Ttschendorfi
Ausgabe des neuen Testamentes. Es wird ferner eine Erlclfiranf
dea Namens Evang^ium gegeben : ^Evangelium wird dieses göttliche
Buch genannt, weil es Aufhebung des Gerichtes und Lösung dei
Sünden and Gerechtigkeit und Heiligung und Erlösung und Kind-
Bchaft und Erbe des Himmels Allen verkündiget^, sowie eine Aus-
einandersetzung der verschiedenen Namen, welche Christus beige-
legt werden: „Christus wurde er genannt, sofern er Fleisch an-
nahm ; Jesus wurde er genannt mit dem Namen des Fleisches ; Lo-
gos, sofern er von Jemand herstammte; Sohn, sofern ans dem
Vater; ehigeboren, sofern Einer aus Einem; Gott, sofern Schöpfer
und schauend das AlL^*^ Ein Bericht des Mönches Maximus ubei
Christus' Kleidung, welcher sich hieranreiht, ist leider uns nicht mit-
getheilt. Auf die Canones des Eusebius, über die wir keine aus-
führlichen Mittheilungen erhalten, weil sie genugsam bekannt sind,
folgen in der Handschrift 6) die vier Evangelien. Einem jeden gehen
voraus die titXoi^ griechische Gedichte auf den betreffenden Evan-
gelisten und das Bildniss desselben ; am Schlüsse werden die Stichen,
übereinstimmend mit den Codices S, G, vgl. K, sowie die Zeit der
Abfassung angegeben. Die Titelzahl für Matthäus finden wir nicht
angegeben, aber die für Lukas und Johannes weicht von den oben
anter Nr. 5 erwähnten Angaben ab, und nur bei Markus stimmen
beide überein. Der Gedichte sind je zwei, eines in sechsfüssigem
jambischen Versmasse, das andere in Hexametern. Da die letzteren
Verse schon von Matthäi aus einem moskauer und von Tischendorf
selbst km einem Codex zu Kairo herausgegeben sind, so werden
nur die wenigen Varianten dazu verzeichnet; die jambischen Verse
dagegen werden vollständig mitgetheilt, und sie sind so wohlgelun-
gen, dass sie des Lesens werth scheinen. Sie lauten in deutscher
Uebertragong:
Der wunderbare Gottesredner, Zöllner jüngst,
Zum ersten der Evangelisten auserwählt,
Verliess er ird'scber Sciifitze schädlichen Gewinn
Und er gewann dadurch lebendig Gottes-Wort,
Traun schöner Zoll — der Seelen Seligkeit.
Hatthftns ist es, welcher schreibend lehrt.
Und wie lum Nets im gottgefalteten Buch
Verwebt des Wortes GottessprQche, das sich selbst
EtttKoBsert und von einer Jungfrau Fleisch annimmt,
Und darch sein seelennfthrendes lebendiges Wort
Lockt er das menfchJiche Geschlecht cur Frömmigkeit.
Tlfclendorr: AneGdota ftcrt «t profani. 497 '
Die Gnade Gottet macht Harkua lu Petrui' Sohn
Und aetsi ihn ein ala xweiten anverrttckten Fels
Und ala der Kirche Grundatein «nd Veraief einof ,
Ala a weilen GoUearedner und KTanfeUati
Weshalb er, woblvertraut den gotteawttrdtfaten
Groaathaten Jesu, auf das Buch in seiner Hand
Hinachant, Christus als Gottea Sohn von Anfang an
GÜOBend erwelaend Mid reneichnend welaheitovoM.
Das Brod dea Lebens, Chriatna, ward ffewilrdiirt er
Zu eaaen, welches dreier Tafre Nacht durchatrahlt.
Der dritte der Evanirelislen, Lokaa iat'a,
Dem Panloa, in der UimaMl drillen aelhal entrtdKt,
lo jener ObermenachlicheB Brkennlnlaa, die
Von oben er Temommen, Unlerweianng fibt;
Durch aolcher hoben Lehrer Unterriebt beglückt
Schöpft Lnkaa seine Kund' aus reinstem Qoell,
Berichtet gottlich Götilicbea, mit Fenerhanch
£in ichler GoUearedner, hehrer WeiaheU voll.
Seht da den jQngling, der den ird'schen Vater llsat
Und ala den wahren Vater nur Gott aelbat erwirbt.
Denn einer Jungfrau gleich will er au Cbristoa bin.
Der den Verwandten ruft, aelbai einer Jungfrau Sobn.
Seitdem an dessen Brust herxinnig angeschmiegt
Schlürft er dort der Erkenntnisa unermessenen Born
In vollem Zug und spendet für die ganae Well
Geheimnisse, die selbst den Engeln unbekannt.
Johannea, unter den Evangeliaten awar
Der Vierte, ist doch seiner Lehre Hohheit nach
Der Erste, GrOsste, Gipfel, Anfang und Beschlnaa.
Die friecbiflchen Verse sind sehr regelmissig gebanti nur dase
mehrere Male auch in der sweiten Hälfte der Jambiachen Dipodieen
eine \amge itatt der gesetamäMigm kurzen Silbe eraeb^nt (8. 37.
18t im 5. der den Markus betreffenden Verse fivtfi'dg irrthtlmllcb ftir
fiin^clff gedruckt.) — Die Beschaffenheit des sclir beaohtenswertheo
Efangelientextes selbst wird durch sahlreiobe Naobweisangen darge-
thaa. Wir wollen nur das Eine hervorheben, dass aaeh diese Handschrift
die bekannte Partie des Evangeiinms des Johannes 7, 58 — 8, 11 als
ipSteren Znsatz kennzeichnet, indem das ganae Stück erst am Ende
des Evangeliums hinzugefügt ist, und zwar der AbsebnMt 8, 3 — II,
der 10. Titolns (S. 27 im letzten Absatz ist gedruckt: neg). i,
wohl minder richtig), Ton erster, der Abschnitt 7, 53 — 8, 2 ron zweiter
Hand. — Den Beschluss dieser höchst interessanten Handschrift
macht eine angeblich von Epiphanias herrObrende Angabe des Ver-
fassers, des Ortes der Abfassung und des 8lnnt>ildes (Cherob, Stier,
Löwe, Adler) eines jeden der Eyang^en. — EadKcfa müssen wir
noch aus dieser Classe der Tlschendorfschen OodSces derjenigeA
Handschrift des 14. oder 15. Jahrhunderts gedenke«, welche ausser
einigen schon oben mit berührten weniger widitigen Sachen die
griechischen Acten der Synode enthftlt, die 1841 im Angnat au
CoastaatiBopei gehalten wurde, um B«rlaam und Mtum Schüler Aetan
4B8 Tischendorf: AnecdoU Mcra et profana.
dynas, die Odgner der Hesychasten, za verartheileD. Für diese
ziemlich nmfSngliche Verhandlung waren schon mehrere Handschrif-
ten bekannt, aber sie waren noch nicht veröffentlicht, wesshalb es
erfreulich ist, dass wir hier einen vollständigen Abdruck erhalten.
Es dürfte nicht unwillkommen sein, wenn wir daraus das Wichtigste
über diese noch wenig bekannte Angelegenheit berichten. Ausge-
gangen wird von einem Lobe der Demuth, welche zum Frieden
mit Oott und Menscheti und zur ewigen Ruhe führe und, die e?ri-
gen Gränzen der Väter achtend, den königlichen Mittelweg geben
lehre, der unbeirrt und sicher zum Himmel und zu Gott hin leite.
Diese Demuth habe der Mönch Barlaam aus Calabrien nicht besessen,
welcher, ans thörichtem Eigenwillen sich in das Meer der Meinun-
gen stürzend, sich mit der Eenntniss äusseriicher Philosophie gebrüstet
habe und gegen die Lehre des Geistes eine psychische und falsche
PhUosophie, die das Geistliche zu fassen gänzlich unfähig sei, in's
Feld geführt habe. Unter dem Scheine der Wissbegier habe er sich
listig an die Mönche gemacht, welche, das ruhige Leben erwähleod,
alles Uebrige aufgebend, auf Gott harrten, und zwar nicht an die
ausgezeichneteren anter ihnen, sondern absichtlich an die einfälti-
geren, um nicht selbst widerlegt zu werden ; sodann habe er schrift-
lich ihre Meinung angegriffen, nachdem er sie selbst erst verdreht
Denn wenn Jene gesagt, sie hätten es als Ueberlieferung der heili-
gen Väter erhalten, dass Diejenigen, welche durch die Gebote Gottes
ihre Herzen gereinigt, göttliche Erleuchtungen (^ikXafiiff£cg) auf ge-
heimnissvolle und unsagbare Weise empfingen, so klage er sie an,
als ob sie sagten, Gottes Wesen selbst werde mitgetheilt; wenn sie
aber dagegen angeführt, sie meinten nicht das Wesen, sondern die
ungeschaffene und ewige und gottgemachte Gnade des Geistes, so
habe er gesucht, ihnen den Vorwurf des Dltheismus anzuhängen.
Aber auch in die Kirche Gottes sei er eingedrungen, ihre massvolle
Rohe QfiSTQiotfig) mit seiner Sache störend; namentlich habe er
den geehrtesten unter den heiligen Mönchen, den Herrn Gregorios
Palamas verklagt, und sich bemüht, dass auch jene zu der heiligen
und göttlichen Synode der Kirche berufen würden ; jedoch, als diess
geschehen, sei Barlaam selbst entwichen und habe den Mönchen,
die er verklagt, nicht Rede gestanden; als Vorwand für seine Flucht
habe er die damalige Abwesenheit des Kaisers (ßaötksvs) angeführt,
in Wahrheit aber habe er selbst seine Verurtheilung gefürchtet
Hierauf sei eine Synode in der Sophienkirche {iv rcS tcequovviu^
vcc^ f^g Tov d'ßov koyov 0oq)iag) gehalten worden in Gegenwart
des berühmten und seligen Kaisers (gern eint ist Andronikos UI, der
1328 — 41 regierte) und vieler Archimandriten und Beamten. Da
nun habe Barlaam, aufgefordert seine Anklage vorzubringen, die
Hauptsache zu umgehen gesucht and dogmatische Fragen und Schwie-
rigkeiten berührt, indem er trotz wiederholter Erinnerung hartnäckig
jede nähere Begründung seiner Anklage verweigert habe, bis ihm
Antwort und IMmg jener Fragen geworden sei. Da habe es die
r
Titcheiidorf: ABeedola i«crt et profaaa. 489
Hia^^nng (futgiorfig) der Leiter der Synode geschehen laseen, dAas
die Ganones öffentlich yerlesen würden, welche verbieten, daet Je-
mand dogmatische Fragen anrege oder Andere zur Verantwortung
darüber nöthige, oder auch über kirchliche Satsungen eigene Mei^
Dungen lehrhaft ausspreche; denn die Gnade von oben habe diess
allein den Hohenpriestern Gottes verliehen. Nun wird der 64. Ca-
non der 6. Synode angeführt, welcher im Anschluss an Aussprüche
des Gregor von Naaianz« hinweisend auf die verschiedenen Gal>en
usd Aemter verbietet, dass Laien dogmatische Lehren aufstellen;
sowie der 19. cbalcedonische Canon, welcher verbietet, dass von
den von den Vätern abgesteckten Gränsen abgewichen werde. Hierauf
Hien die Beschuldigungen, die Barlaam früher den Mönchen ge*
macht habe, vorgetragen worden, worauf sich der heilige Mönch
Bsrr Gregorios Palamas, als vornehmlich betheiligt, zur Vertheidi-
ignog angeschickt Derselbe habe auch dargethan, wie der zwischen
lihm und Barlaam entstandene Streit von letzterem begonnen wor-
den sei, und er seibat sich nur gegen ihn verantwortet habe. Hierauf
id die Schrift Barlaams gebracht worden, der er, um zu täuschen,
die Aufschrift »Gegen die Masalianer'^ gegeben habe, worin er auch
über das unnahbare (^ujCQ60irog) Licht der Verwandlung des Herrn
mid über die erwählten Jünger, welche gewürdigt worden seien,
dieses Licht zu schauen, spreche. Seine Worte lauten so : „das anf
i Thabor strahlende Licht war nicht unnahbar ; weder war es in Wahr-
}ttai Licht der Gottheit, noch durchaus heiliger oder göttlicher als
lie Engel, sondern sogar geringer und niedriger noch als selbst
QQter Denken. Denn alle Gedanken und alles Gedachte ist ehr-
würdiger als jenes Licht, das dem Blicke durch die Luft zufällt
;Uid der Kraft der Empündung unterliegt und nur das sinnlich Wahr-
nehmbare den Schauenden zeigt, indem es stofflich ist und der Ge-
staltung unterworfen und im Räume und in der Zeit erscheint und
die Luft färbt, und jetzt besteht und scheint, jetzt aber sich auflöst
ond in das Licht verschwindet, als ein Ding der Vorstellung, theil-
bar und endlich. Desshalb ward es auch gesehen von Denen, die
eioe Beraubung der Thätigkeit des Verstandes erfuhren, oder viel-
mehr noch nicht diese ganz besassen und noch nicht geläutert wa-
ren, sondern unvollkommen und während jenes Gesichtes auf dem
Berge selbst gleichsam noch nicht gewürdigt des Schauens der gott-
gestalteten Gedanken. Wir werden aber von einem solchen Lichte
SU Gedanken und Erkenntnissen hingeführt, welche unvergleichlich
besser sUid als jenes Licht. Nämlich die es übervemünftig und
wahrhaftig und unnahbar und dergleichen nennen, sind ganz und
gar beirrt nnd nichts Höheres kennend als das erscheinende Schöne,
ond desshalb unfromm und sehr verderbliche Lehren in die Kirche
einführe nd.^ So Barlaam, fügen die Acten hinzu, offenbar heterodox
und entgegen Dem, was über dieses göttliche Licht von den Heili-
gen gesagt ist; denn die Mönche versichern mit ihren AussprücheUi
die sie auch anführten, übereinstimmend zu denken und zu reden«
490 Tifdendorf : Aii«cdoti mcra et prvftui.
Am aücn dieeen Stellen des Johannee von Damaekiit, DIonyrf«!,
Andreas von Kreta, Oregor von Nazianz, Maximus, Bastilns, Atha-
nasiuB, Gregor von Njssa wollen wir als Instar omnium nnr gleich
die erste, von Johannes^ entnehmen. ,>Heute strahlet den Apostefai
unnahbaren Lichtes Unermesslichkeit , heute göttlichen Glanzes un-
begrenzte Ergiessung auf dem Berge Tbabor. Jetzt ward geschaut
das den menschlichen Augen Unsichtbare; irdischer Leib strahlt
göttlichen Glanz aus; sterblicher Leib Iftsst Herrlichkeit der Gott-
heit entquellen. Denn das Wort ward Fleisch, und das Fleisch
Wort, ohne dass aber eines der beiden aus seiner eigenen Natir
heraustrat 0 des Wunders! Nicht von aussen kam die Herrlidh
keit an den Leib heran, sondern von innen, ans der durch ansns-
sprechliches Wort mit ihm vereinten nach Wesenheit Gottes dei
Wortes übergöttlichen Gottheit. Denn worauf an ihm die Engel
den Blick unverwandt nicht heften können , darin schauen die Er-
wählten unter den Aposteln den durch die Herrlichkeit seiner Ko-
nigBwiirde Leuchtenden. Von da an nimmt er die Häupter der
Apostel an als Zeugen seiner eigenen Herrlichkeit und Gottheit; er
enthülit ihnen aber seine eigentbiimliche Gottheit^ — Als Barisaa
wiederholt auf die Furcht der Jünger hingewiesen habe als auf eis
Zeichen, dass sie selbst unvollkommen und jenes Licht irdisch ge-
wesen, habe der Kaiser selbst, von jenem Lichte ganz erieuditet
in seinen Gedanken, das Wort ergriffen, um nachzuweisen, wie ei
auch eine Furcht der Vollkommenen gebe, und eine solche bei des
Aposteln stattgefunden habe, die ja nicht geflohen seien, senden
dem Fortgange des Wunders beizuwohnen begehrten. Ferner wird
angeführt, Barlaam habe in seiner Schrift auch Denjenigen, welcher
das namentlich bei „den an die Ruhe Gewöhnten^ gebräuchliche;
Gebet: „Herr Jesus Christus, Sohn Gottes, erbarme dich mebil'
eingeführt, der Irrlehre der Bogomilen beschuldigt, well er iwsr,
um sich nicht zu verrathen, nicht das „Vater unser ^, dessen die
Bogomilen sich ganz vorzugsweise bedienen, zu beten verordneti
aber in jenem kurzen Gebete, durch welches er alle anderen Gebete
zu verdrängen beabsichtigt, statt des allgemeinen „unser Gott* ge-
setzt habe „Sohn Gottes.^ Hiergegen werden nun die Schriltstde
Matth. 16, 16 ff. sowie Aussprüche von Ghrysostomus und Diadocbsi
angeführt, um jenes Gebet zu rechtfertigen. Weitere Aasföhrunges
der Mönche schneidet der Kaiser ab, indem er wiederum als Ge-
salbter des Herrn für Den, der ihn gesalbt, Christus, das Woit
nimmt, um die sehr richtige Bemerkung zu machen, dass der Mtv-
brauch, den Andere mit jenem Gebete treiben, nicht von desMS
Anwendung abhalten dürfe, denn auch Abraham, welcher Gott neoae
„Gott des Himmels^, sei darum nicht zu tadeln, obwohl auch die
Perser dieselbe Benennung gebrauchten; ebenso werde trotz der
Griechen, die Gott für eine weltschaffende Vernunft erkUirs^
Gott doch richtig Schöpfer der Welt genannt; nnd dadurch, dan
die Masalianer und Bogomilen das Gebet des Herrn geh
sbraufihtesü
TiMbeadorf : Aneedola ücra H pnfaaa. 491
dtrfe man sich nicht hMtimmen laMen, dasselbe ihnen preissugeben
und sieh desaen su enthalten. — Hierdurch nun habe man Barlaam
fottesifisterlieher Irrlehre ond falscher Anklage gegen die Mönche
/3r fiberlührt eraohtel; die Mönche aber seien als im Einklänge
mit den Ueberliefemngen der Väter erkannt worden« Dem Verur-
tbeilten habe man auf sein Bitten Verzeihung gewährt , wenn er
aafrichtige Busse thne und sich bessere; im entgegengesetsten Falle
aber und über Jeden, der ähnliche Irrtümer vorbringe i habe man
die Excommunication aus Christus heiliger katholischer und Aposto-
lischer Kirche und dem rechtgläubigen Lehrgebäude der Christen ausge-
sprochen. Zugleich wird das Verbot jeder Berührung dogmatischer
Punkte, wodurch nur Unruhen entständen, wiederholt. Endlidi folgen
die Unterschriften der angesehensten Kirchenhäupter. — Wir sehen ans
diesem Berichte, der noch daau von einer Partei herstammt , «rie
such hier der Verurtheilte, obschon er selbst der angreifende Theil
war und sich manche Uebertrelbungen mochte haben su Schulden
kommen lassen, doch von der Synode Unrecht erlitt, indem man
feinen dogmatischen Einwendungen, zu deren genügender Begrün-
dung und Naehweisung durch die nöthigen Vordersätse man ihm
nicht einmal Zeit Hess, rednerische Ueberschwenglichkeiten gegenüber
atellte, die in gar keiner genauen Beziehung zu der schwebenden
Streitfrage standen ; einen regsamen Geist, dem Gedanken des Geistes
mehr galten als AfTectionen der Sinne und träumerisches Brüten,
suchte man nicht von seinem Irrthume zu überzeugen, sondern nur
itumm SU machen, damit nur ja lieine Bewegung entstände und
das Hergebrachte und „Mittelmässige^ unangetastet bliebe.
Doch wir kehren zur Musterung unseres Werkes zurück, und
zwar, nachdem wir die griechischen Codices der zweiten Abtheilung
betrachtet haben, zu den syrischen. Sie sind grösstentheils 11*
turgischea und homiletischen oder sonst patristischen Inhaltes. Z. B.
enthält eine Handschrift von 8 Blättern nestorianische Hymnen;
andere enthalten Stücke der Peschit'tho aus Genesis, Exodus, Mar-
kos. Namentlich ist in dieser Klasse ein um das Jahr 1000 ge*
Bcfariebenes Manuscript von 130 Blättern bemerkenswerth , welches
die syrische Uebersetzung der Evangelien des Markus und Lukas
vollständig und deren des Matthäus und Lukas zum Theil enthält
mit danebenstehender Uebertragung in das Arabische. Endlich ge-
hört hierher eine Uebersetzung der Kategorteen des Aristoteles, wo-
von nur die zehnte Kategorie fehlt. Die koptischen Codices, meist
von sehr bedeutendem Umfange, bieten martyrologiscbe , liturgische,
homiletische und ascetische Schriften dar. Die arabischen Hand«
Schriften hat zum Theil Prof. Fleischer genauer untersucht Neben ver-
sehiedenenMartyrien, Biographieen, sowie homiletischen und liturgischen
Schriften sind folgende besonders hervorzuheben. Der Cod. Tisch. XXXT,
dessen ausserordentliche Alterthümlichkeit aufs 9. Jahrhundert zu-
rückführt, besteht aus 4 Qnartblättera, von denen Je zwei zusam*
ttengiMiefc Die enten beiden eathalten ein Bruchetück einer bisher
492 Tiicbendorf: AneedoU nera et profani.
unbekannten EirangelienübersetEung in arabischer Ynlgärspracbey imd
zwar aus Matthäus; die andern beiden aber, von anderer Hand he^
rührend, geben einleitende Bemerkungen zu den Evangelien, nSm-
lieh 1) den zweiten Theil eines Kapitelverzeichnisses des MatthSos;
die Kapitel weichen von den unsrigen ab, obwohl sie nngefSbr deo-
selben Umfang haben; 2) apokryphische Traditionen über Markos.
Er sei ein Levit, und zwar aus Aarons Geschlecht gewesen; nadi
seiner Bekehrung zum Christenthume habe er sich den rechten Dau-
men abgeschnitten, um nicht mehr zum Tempeldienste tauglich so
sein. Auch wird von einer Logoslehre gesprochen, die sich in sei-
nem Evangelium finden soll. Endlich folgt 8) ein Kapitelverzeichniss
dieses Evangeliums, von welchem dasselbe gilt, wie von dem ol>en
erwähnten zu Matthäus. Der Cod. Tisch. XXXII., ans 204 Qaart-
blättern bestehend, enthält Biographieen der Apostel, welche noA
nicht eingehender untersucht, auch noch nicht mit den bekaooten
apokrjphischen Apostelacten verglichen sind. Interessant ist andi
der Cod. XXXVII., in 17 Blättern Seidenpapier aus dem 13. Jahr-
hunderte, mit einem zweitheiligen, Text und Commentar enthalten-
den biblischen Werke ; jeder Theil ist besonders numerirt. Der Text
enthält Bruchstücke aus den Briefen des Petrus, den ersten beiden
des Johannes, denen des Paulus an die Corinther und an die Epbe-
ser. Weil aber zwischen den katholischen und den paulinischen
Briefen 68 Blätter fehlen, die nicht durch den Römerbrief und du
yom ersten Corintherbriefe Fehlende ausgefüllt worden sein könneo,
so vermuthet Prof. Tischendorf, dass die Apostelgeschichte dazwi-
schen gestanden habe. Indessen spricht er selbst noch seinen Zweifel
darüber aus, und in der That zeigt uns eine ungefähre Berech-
nung, dass nur etwa die grössere Hälfte der Acten hätte Platz fin-
den können, wenigstens nach gleicher Schreibweise mit den anderen
Theflen der Handschrift. Der Commentar erstreckt sich über Stellen
ans dem Briefe an die Römer, dem zweiten an die Corinther und
dem an die Galater. Nach jedesmal vorausgeschickten einleitenden
Bemerkungen (die zum Galaterbriefe sind noch vorhanden) werden
dann schwierige Stellen des betreffenden Briefes in einfach erklS*
render Weise erläutert. Die Noten, deren Hauptinhalt uns der
Herausgeber mittheilt, sind nicht Übel, obwohl sie einer wissenschaft-
lichen Exegese nicht Stand halten. Sie sind übrigens nicht sehr
zahlreich; im ersten Kapitel des Römerbriefes sind es sechs, im
zweiten zwei, im dritten drei. Die Kapiteleintheilung weicht von
der unsrigen ab. In der Einleitung zum Galaterbriefe werden 293
qrquaxa angegeben, welche Zahl mit der der gewöhnlichen Stichen
zusammentrifft, wesshalb man wohl auch zu den (übersetzten) We^
ten : Numerus capitum huins epistulae Coptice est , wo die Zif-
fer fehlt, die gewöhnliche Zahl der xBq>alaia^ 12, ergänzen darf.
Aus jenen Worten könnte man leicht vermuthen, diese arabische
Uebersetzung der apostolischen Briefe sei aus dem Koptischen ge-
flossen, wenn nicht der Heraoageber ausdrücklich (nach Gildemeister)
TiM^eodorf: Aaeedota Miera et probn«. 49S
«nmarktei der Text sei in den paaliniacheo Briefen derselbe) wie
in der Aasgabe des Erpenius, also aus dem Syrischen stammend|
dagegen in den Icatholischen Briefen seien erst die Varianten eines
mit dem erpentscben gleicben Textes von einem Späteren als Oloi^
sen hinsu^efügt Um eine Probe von der Besehaffenbeit des Gom-
mentars zu geben, so deuten wir an, wie die früher verbreitetste
üeinong, der Galaterbrief sei von Rom ans geschrieben and dnrch
TUus nach Gaiatten gebracht worden, sich auch hier findet. Femer
sacht der Verfasser im sweiten Kapitel zu zeigen, dass in dem Aus-
dmcke ol doxovwsg bIvcU rt, „die Apostel die das Ansehen hatten^,
kein Tadel liegen solle, auch bestreitet er, dass Petras in Antiochien
eine eigentliche Zarechtweisung von Paulus erfahren habe. — En^
iich ist noch zu erwähnen der Cod. XXXVIII., 8 Blätter Seiden-
IMipier ans dem 13. Jalirhanderte, enthaltend Fragmente einer bis*
her anbekannten aus dem Koptischen geflossenen Uebersetzang der
paolinischen Briefe, und zwar sind es Stücke aus dem zweiten Briefe
tn die Corinther, dem an die Epheser, dem an die Philipper, der
Brief an die Colosser ganz, und ein Stück aas dem ersten Thessa-
lonicherbriefe. Die von Gildemeist^r besorgte Vergleichung des Go-
ioeserbriefes mit unserem griechischen Texte wird in dem uns vor*
liegenden Werke vollständig mitgetheiit; die Handschrift stimmt
meist, jedoch nicht constant, mit den Lesarten, welche jetzt für die
besten gelten. Die Zahlangabe, 312 Stichen und 6 Kapitel, weicht
TOQ der gewöhnlichen gänzlich ab, indess ist sie vielleicht nur ein
Imhum, da sie mit der für den Epheserbrief auffälliger Weise ganz
fleichlaatet. Die Untersclirift stimmt in den Worten iyQaqni utco
A^ip/wv mit der koptischen Uebersetzang, weicht aber im Folgen-
den, dia TvxiTiov xal ^Ovrfiliuyo wxl Ma(fxov^ in der Hinzufügung
dieses dritten Namens von allen bisher bekannten Handschriften ab.
Die Unterschrift des Philipperbriefes, wo keine Eintheilangen ange-
geben sind, stimmt ebenfalls mit der koptischen; ebenso die des
Briefes an die Epheser. — Noch haben wir kurz die übrigen Hand-
schriften zu erwähnen. Die georgischen sind martyrologischen
lud liturgischen Inhaltes. Die karaitischen, in arabischer Sprache,
aber mit hebräischen Buchstaben geschrieben, betreffen ausser der
einen, die eine apokryphische Qeschichte des Mose enthält, das ka-
raitische Ritual. Mehrere Papyrasblätter enthalten koptische,
hieroglyphische, hieratische und griechische Schriftzüge. Was end-
lich die durch Tischendorfs Vermittelung an die sächsischen Biblio-
theken geschenkten Manuscripte anlangt, so sind sie theils abyssi-
nisch, theils arabisch-drusisch. Die ersteren, worunter eines mit
zahlreichen Gemälden geschmückt ist, enthalten Heiligenlegendeni
Lobpreisangen und Gebete au liturgischen Zwecken, biblische Lec^
tionen und Anderes; auch befindet sich darunter ein Amnlet gegen
böse Geister. Die zweite Klasse dieser Codices betrifft die drusische
Religion. Ihr Inhalt berührt sich näher mit Handschriften^ welche
404 TiifiheDdorf : Aseedola aacra et proftuia.
Silrestre de Sacy in seinem berühmten Expos^ de )a rdUn^oo d«
Droees genau beschrieben hat.
Den dritten Theil, den nmfangreichsten des ganzen Wer»
kes, bilden Auszüge aus verschiedenen Handschriften europäischer
und orientalischer Bibliotheken. Wir finden hier vollständige Ab-
drücke eines Fragmentes einer lateinischen Uebersetanng des Römer»
brlefes, welche in dem wolfenbüttler Ulfilaspalimpseste der gothlschen
UebersetjBung desselben beigegeben ist; eines umfänglichen Frag-
mentes des Hebräerbriefes nach dem Uffenbach'schen Unöaloodex
zn Hamburg, sowie einer zahlreiche Fragmente der beiden Corin*
tberbriefe enthaltenden londoner Handschrift, weiche wahrscheinlich
q^it dem oben erwähnten Codex ein Ganzes ausgemacht hat; end-
lieh der Lobgesänge der Maria und des Zacharias nach Lukas 1.
aus einer wolfenbütteler Handschrift; ferner vollständige Varianten-
angaben aus dem im ersten Theile beschriebenen, jetzt im britiachen
Museum befindlichen ausgezeichneten Codex der Apostelgeschichte;
sodann Frohen von Lesarten aus einem Evangelistarium des 9. Jahr-
hunderts zu Carpentras; aus den im oben erwähnten wolfenbütteler
Palimpseste enthaltenen uralten Fragmenten der lateinischen Ueber-
setzung des Hieronymus vom Boche Hieb und vom Buche der Rich-
ter; aus einem lateinischen Lectionarium des 5. Jahrhunderts in
einem anderen wolfenbütteler Palimpseste ; aus einem bisher nur sehr
fragmentarisch benutzten griechischen Evangeliencodex zu Wolfoi-
büttel. Endlich betrifft noch das neue Testament eine ausführliche
Vergleichung der noch wenig bekannten zugleich griechischea und
lateinischen Handschrift der paiüinischen Briefe, des Codex Augiensis
zu Cambridge mit dem Börner'schen Codex zu Dresden ; es wird da-
durch nachgewiesen, dass jedenfalls beide ans einer Quelle geflosaea
sind. — Hierzu kommen aber noch Mittheilungen aus ausserbiblir
sehen Schriftstellern. Wir besprechen zunächst die kirchlichen oder
theologischen unter ihnen. 41 Sentenzen Philo*s, einer sehr altea
cairiner Handschrift entnommen , werden vollständig gegeben unter
Beifügung der Varianten der Mangey'schen Ausgabe, soweit jene
Sätze hier zu finden waren. Wir erhalten ferner aus einem Cois-
lin'schen Manuscrjpte Varianten zu dem in Petau's Ausgabe der
Werke des Epiphanius befindlichen Aufsatze über den Diamantea,
den der jüdische Hohepriester getragen habe, was bekanntlich den
Nachrichten des alten Testamentes widerspricht; sodann aus dem
fünften Buche des Irenäus gegen die Ketzereien ein Fragment, des-
aen Hauptinhalt ein Auszug aus dem 2L Kapitel der Offenbarang
dea Johannes ist. Aus einer koptischen Papyrus-Handschrift wer*
den die Interessantesten Partieen des Fragmentes einer nicht mehr
vorhandenen Predigt des Erzbischofs Theophilus in Peyron's lateiai-
aoher Uebersetzung mitgetheilt. Es wird darin mit rhetorischer
Abnndanz die Situation behandelt, wo Christus mit den Schachern
am Ereuxe hängt, besonders das BLreuzesholz wird in überschwenr
lieber Weise gepriesen, sowie auch Christus geradezu Schöpfer und
TiaihaiitTf; AnM^ota men et pralwi. 486
Gott gmuküi wird. — WiehUger ist Folgeodes: Für die olemeDü-
niieheD Homillen waren belcaonÜiGb bisher nur zwei Handschriften
beksBDty die pariser und die Ton Dressel aufgefundene ottoboni'sche
10 der vaticanischen Bibliothek. Tischendorf aber hat noch awel
Mbr wichllge Codices enideciit, einen in Italien und einen im Oriente^
Zur Probe werden die sechs ersten Paragraphen der ersten Homilie
(S. 79, Zeile 1 sind nach $1 dh ydyovsv^ inthilmlich die Worte wd
kü&i^iSeTiUy ansgeCallen) und einselne andere Stellen mitgetheilt nnter
Vsrgleichnng der früherenAusgabeni sowie der sogenannten Epitooia
Von dieser selbst wird femer ein nmflingliches Fragment aus einem
pariser Codex mitgetheilt , welcher die merkwürdige Eigenthiimlich-*
keit' darbietet, dass die mit den Homllieen gemeinsamen StellsD
sidit sowohl der bisher bekannten Epitome, als viehDohr den Ho-
nilieen selbst entsprechen, dagegen die aus den Recognitionen ge-
Bommenen Stücke mehr als Cotelier's Text sich der Rufin'schen la*
tofaiischen Uebersetzung cu nähern scheinen. Sodann werden die
SOS einer Handschrift des Sinai geschöpften Varianten ni den apo-
stolischen Constitutionen, Buch 8, Ki4)itel 32—34 und 42—46 an-
gegeben. — VoUstfindig mitgetheilt wird aus einer venetiaaischen
Handschrift des 8. oder 9. Jahrhunderts eine ,,kurse Abhandlung
aber die Propheten^ in griechischer Sprache. Es ist eine Angabe
des Hauptinhaltes der eincehien prophetischen Schriften. Jeder Pro-
phet wird in AtMchnitte getbeüt, die mit unseren Kapiteln Nichts
gsmein haben. Die Anfangs- und Endworte eines jeden solchen
Abschnittes, welche angeführt werden, stimmen mit Handschriften
der LXX. gegen die recipirten Lesarten. Im Arnos, der die eiste
Stelle einnimmt, werden die Stellen 1, 1—4, 5; 5, 4—8, 7; 8,
13—9, 7 gans übergangen ; doch ist daraus nicht zu schliessen, der
Verfasser habe diese Stücke nicht gelcannt, sondern es ist nur eine
gewisse NachlSssigkeit, die schon beim nächsten Propheten in ein
freieres Verfahren tibergeht, indem nicht mehr Anlang und Ende
eises jeden Abschnittes wörtlich angeführt, sondern nur einzelne
herForragende Aussprüche namhaft gemacht werden. Amos hat 6
Abschnitte, Joel 4, 0ba4ja 1, Jona 1, Micha 6, Nahum 1, Habe-
kak 2, Zephanja 2, Haggai 2, Sacharja 14, Maleaohi, der auCUli«-
ger Weise Malachiel genannt wird, 3, Daniel 4. Die übrigen Pro^
pheten, Hosea, Jesaia, Jeremia, Ezediiel fehlen. Die Weissague
gen werden hier und da christologiscb gedeutet, aber stets wird auf
die geistige Bedeutung der Orakel hingewiesen, oft auch die noeb
sieht eingetretene Erfüllung der Propheaeihungen ausdrücklich her-
▼orgehoben. — Auch einige Curiosa ans dem Gebiete der apob^
phischen Literatur finden sich hier. Am meisten haben noch den
Anstrich des Geschichtlichen die Partieen aus dem griechischen Chro-
niken des im 9. Jahrhunderte lebenden Mönches Georgios Hamar-
tolos, welche aus zwei pariser Handschriften mitgetheilt werden,
deren Miteste dem 10. Jahrhunderte angehört Besonders sind solche
Stücke ausgewXhlty die aus den clementinischen Honuliecn geschöpft
466 Tischenddrf: Anecdota fftcra et profana.
und wiederam durch Gedrenus aus unserem ChroDikon entlehnt sini
Der Verfasser beruft sich aber auch auf die apostolischen Ckinsti-
tutionen und auf die Kirchengeschichte des Sokrates. Den Inhalt
bilden unter Anderem das Zusammentreffen des Petrus mit Si-
mon dem Magier in Rom, wo sich beide durch Wunder zq
überbieten suchen, aber doch der Apostel den Sieg davon trSgt
Da er den Tod Simonis veranlasste, habe fhn der Kaiser Nero
asum Ereueestode verurtheilt; Petrus aber habe sich den Kop(>
nach unten gerichtet kreuzigen lassen , um sich nicht dem
Herrn gleich zu stellen. Nach Vorgang des Eusebius wird unter
Bezugnahme auf 2 Timoth. 4, 16 von des Paulus erster V«thei-
digang, im zweiten Jahre nach Petrus' Tode, und sodann von efaier
zweiten Gefangenschaft gesprochen. Am 29. Juni, dem Jahrestage
der Kreuzigung des Petrus, Markus, Lukas und Jacobns des Gottes-
bruders, sei Paulus durch das Schwert gestorben. Von Lukas wird
erzählt, er sei, da man kein trockenes Holz fand, an einem frucht-
tragenden Oelbaume gekreuzigt worden. Ausführlicher ist der Be-
richt über Jacobus. Rein aus seiner Mutter Leibe kommend habe
er keine geistigen Getränke genossen, nichts Lebendiges (d. h. kein
Fleisch) gegessen, nicht gebadet; seine Kniee seien von fortwähren-
dem Beten hart wie die eines Kameeies gewesen; daher sei er ge-
nannt worden der Gerechte und oßlücg (die andere Handschrift hat
oßkCag), welches Wort durch tcsqiox^ tov laov xcd dacaio6wq
erklärt wird. Einst sei ihm der Teufel erschienen in Gestalt des
Behemoth, der Hieb 40. 41 beschrieben wird, aus welchen Kapiteln
bedeutende Stücke ausgeschrieben werden in einem Texte, der och
dem vaticanischen sehr nähert. Endlich wird des Jacobus Tod er-
zählt. Die Juden stürzten ihn von den Zinnen des Tempels; unten
angekommen habe er auf den Knieen für sie gebetet, bis ihn ein
Tuchwalker mit einem Stücke Holz auf den Kopf geschlagen and
so getödtet habe. Hierauf sei sofort die Belagerung Jerusaiems er-
folgt. Den Schluss macht die von Cedrenus etwas abweichende
Erzählung von der Begünstigung des Christenthumes durch den Kaiser
Tiberius, und der Briefwechsel des Königs Abgarus mit Christus.
— Noch weit deutlicher aber tragen das Gepräge des apokiyphi-
schen Ursprungs zwei andere mit phantastischer Willkür ausgestattete
Schriften. Die erste ist die pseudoepipbanische Schrift über die
Lebensgeschichten der Propheten, welche wir hier nach zwei pariser
Handschriften des 10. Jahrhunderts vollständig abgedruckt finden,
da sie sowohl unter sich, als auch von der Ausgabe Petau's In den
Werken des Epiphanius beträchtlich abweichen.
(Sckhm folgt.)
Ir. n. HBIDELBER6BR . VKI.
jahrbOghir der litiratdr.
Tischendorf: Anecdota sacra et profana. .
(ScUhm.)
Diese Lebeosbesehreibangen der Propheten enthalten meist nor
Notisen fiber Ihre (vermeintliche) Herkonft und den (sng^bllehea)
Ort ihres Begräbnisses, bei etlichen Terknüpft mit einigen anderen
ugenhaften *Ersählangen ans ihrem Leben. Nach den 16 Prophe-
ten, welche die eine Handschrift in der gewöhnlichen, die andere
ia abweichender Ordnung aufführt, fügt die erstere noch Elias und
Elisa hinan, die letatere aber, mit nen beginnender ZShlnng, fol*
sende: Nathan, Ahia, Joab unter Jerobeam (? es kann wohl kaum
Mdo, 2 Chron. 12, 15; 13, 12 gemeint sein), Asarja (2 Gbron.
16, 1), Elias, Elisa, Sacharja (2 Chron. 24, 20), jedoch sind Uer
ngenhafte Lebensumstinde des Propheten gleichen Namens elnge-
niecht, von welchem wir Orakel im Canon haben, Jadok (?) anter
Josias Ton Jude, andere ungenannte Propheten, Simon Klopas' Sohn
ond Vetter des Herrn. Am Schlüsse fordert der Verfasser die Leser
•af, um der Mühe willen, die er gehabt, für ihn su beten, indem
er mit seinem Schriftchen grossen Nutzen gestiftet au haben meint,
woria wir ihm allerdings nicht beistimmen können. — Noch seltsa*
meren Inhaltes ist ein Auszug „ans des Römers Elpins (Helvios?)
Archäologie kirchlicher Geschichte, über leibliche Charaktere^, des*
len Abenteuerlichkeit sich selbst in der Sprache su erkennen gibt,
welche nicht nur durch gana ungewöhnliche Zusammensetzungen,
Bondem auch durch ganz unerhörte, wenn nicht unerklärliche Wörter
aoflfUlt Es sind Beschreibungen des Aussehens zuerst Adams und
der Propheten; letztere sind die 16 canonischen, nur steht statt
Arnos der Name Baruch, die Reihenfolge aber ist eine willkürliche.
Die Angaben sind kurz und geschehen meist mit Hülfe Ton Adjec-
tiven. Eine Hauptrolle spielen die Barte; die meisten Propheten
haben runde Barte, was mit ötQoyyvXoyivstog bezeichnet wird.
Sehr ausfuhrlich Ist die über Christus mitgetheilte Nachricht; sie
lautet so: „Ueber das herrschergleiche Aussehen unseres Herrn
Jesus Christus, was über ihn die alten Historiker {tötoffritaC) ge-
sehrieben haben. (Die folgenden Angabeu sind nun Adjective im
Accasative«) Von schönem Wüchse, mit zussammengezogenen Au-
genbrauen, schönen Augen, grosser Nase, krausen Haaren, gekrümm«
ter Haltong, gesundem Aussehen, schwarzem Barte, gelbbrännlicher
Farbe, an Gestalt seiner Mutter ähnlich, mit schlanken Fingern,
idiöner Stimme, lieblicher Sprache, sehr sanft, ruhig, langmüthig,
L Jakrg. 7. Heft. 82
^ Tifclifindorf : Anecdota «um et profan«.
Unrecbt duldend und mit ähnlicheo Vorzügen der Togend geschmückt
la diesen Eigensdiaften stellt sich sein gottmeDscbüchee Wort dsr,
dass nicht ein Schatten des Wandels oder eine Veränderung des
XTefibafila in der göttlichen Vermenschllchung des Logoa enthaiteo
sei, wie die Manichäer schwatzen^ u. s. w. Von Petms heisst es,
er habe ein doppeltes Aussehen gehabt, sein Vorderkopf sei kahl,
sein Hinterkopf aber bis in den Nacken mit Haaren bedeckt gewe-
sen (r^ eidia difioiQcctog, avatpakag^ xov66%-q(J^, er habe weis
nnd blass ausgesehen, habe dupkle Augen gehabt, ganz graues Haapt-
und Barthaar, ainen starken Bart, eine lange Nase, ernsten Blick,
mfrechltt Haltung (? «faxa^/Mf o^), er sei einsichtsvoll, jähzornig,
leicht Yeräiiderlieh, feig gewesen und habe auf Antrieb des heiligen
Qeistea geredet Der Apostel Paulus aber war von GestaU xov*
i^täfiS (?)» kleiner Statur, ohne Augenbrauen, kahlen Kopfes, kmmm-
beinig {iyyvlBiXog zaXq Kviifucig')^ mit graugemischteBi Kopf* und
B«fthaare, breitschulterig, vscoylavxog (?), ernsthaft, weisser
Hautfarbe, blühenden Gesichtes, starken Bartes, kräftig, heiterer
Mi«ne, klug, herzlich (Cod. '^iKog^ wohl i)0-txo$); gesellig, ange-
nehm, voll Liebenswürdigkeit, vom helUgen Geiste begeistert Da
Bohluss macht die Schilderung mehrerer Kirchenväter. -^ Ans einem
der beiden ohen erwähnten pariser Mannscripte, welche die pseii»
doepipitiaiisebe Schrift über die Propheten enthalten,' werden noch
folgende Stücke- vollständig mitgetheilt Erstens eine „Erkläroog
hebräischer Namen, die in der Apostelgeschichte vorkommen, In
•ipbaJbetisoher (ungenauer) Ordnung.^ Es sind aber andere, nidit»
hebräische Wörter darunter, die jedoch ebenfalls in ziemlich seltsa*
iser Weise aus dem Hebräischen erklärt werden. Dieses Wortei*
imeh lat derselben Art wie Fragmente eines angeblich origenisdisa i
LexiQOBfl in Hieronymus' Weiken. Der Geist und Werth des Ganzen |
wird ans folgenden wenigen Beispielen erhellen. ^AliptOog (>C]^)^)
wird erklärt: iiadTjöigy also durch das Wort h^J<, lernen; *Avccvia$:
Xagig uvqüw ^ xagig aitävy also durch TJp|, gnädig sein, nnd|
^T=^jj^"!; jdiQßri: luKfftri' fj Xccha^ also durch •l^'^, reden;
Hierauf folgt zweitens eine „Erklärung der Namen der Propheten'
in ähnlicher Weise. Die Propheten stehen mit Ausnahme des Je-
aala, der hier die letzte Stelle einnimmt, in derselben Ordnung,
welche dieselbe Handschrift in den oben erwähnten Biographien der
Propheten befolgt Nur Habakuk fehlt; vielleicht gehört aber die
nicht recht passende Erklärung des Namens Naovfi : nariiQ dysigtov
vielmehr jenem Propheten zu, vgl. !^^/3axoi;f» mit 2X ^^^ Dip*
Hieran schlleseen sieh eine Erklärung hebräischer Namen in dir
Offenbarung, die Angabe der Farbe und des Aussehens der im 21. Ka-
pitel der Offenbarung erwähnten Edelsteine, und eine Erklärung der
Namen der vier Ströme des Paradieses.
KkwU•lHl^ €6ielii«bte dm Goll0iMel«iii.
Sehttesslich haben wir oocb eine sehr heachteo9«rerthe
tiADisehe Handschrift su erwihnen. Sie enthfiit die Schrift des Pia--
tonikers Theon aus Smyma über die Astfonomie, war jed<KA den
enten Herausgeber dieses Werices, Martin, der tu seiner AnsgalM
▼om Jahre 1849 nur eine pariser Handschrift benntcte, unbekannt
geblieben. Es werden daraus mehrere Varianten mitgetbeilt, sowie
anch die berfifamten Verse des Alexander Aetolns tiber die Plane*
tea, letztere lugleich unter Benutzung eines zweiten sehr TorzÜgll*
eben ▼enetianiscben Manuscriptes. —
Ueberblicicen wir nun am Ende die sfimmtlichen dargebetenen
Sehltse, deren Werth allerdings ein sehr verschiedener ist^ se haben
wir wohl Grund, dem Terehrten Herrn Herausgeber Glilelc zu wfin->
sehen zu dem reichen Erfolge seiner Bemühungen. Wir haben bei
onserer Besprechung unser Augenmerk vorzugsweise auf die ausser**
biUiscben Docnmeate gerichtet; aber ihre Entdeckung und Mitthel-
lang ist nur ein mehr nebensächlicher Gewinn gewesen, den die
Verfolgung des grossen und wichtigen Hauptzieles abgeworfen hat,
im Zieles nimlich, Handschriften zu sammeln zur Hersteilung eines
rdchhaitigen kritischen Apparates für den griechischen Bibeltext,
▼orzigllch des neuen Testamentes. Den hierauf beaügllehen Urknn«
den, welche das uns vorliegende Werk enthält, hoffen wir recht bald
vieder za begegnen, indem wir sie verarbeitet finden werden in dee
Heransgebers neuester, siebenter, Auflage des neuen Testamentes,
welche bereits angefangen hat in Lieferungen zu erscheinen, nnd
ibsitimint ist, die vergriffene zweite leipziger Ausgabe, bisher daa
beste teztkritische Werk, welches über das neue Testament vorhanden
irar, zu ersetzen und durch ReicbhaitigiLeit der Hülfsmittel weit zu
dbertreffen. Das Werk, dessen Besprechung wir hiermit vollenden,
itt allerdings nicht bestimmt für den gewöhnlichen Handgebrauch,
smnal ea in mehreren Stücken nnr erst die Keime künftiger PubK-
cationen in sich schliesst; aber wir hoffen durch unsere Darlegung
gezeigt zu haben, dass es für die über die nächsten Bedürfnisse
hbuusblickenden gelehrten Theologen und Philologen des Interessant
len gar Vieles bietet, wodurch es geeignet ist, jede grössere and
reichere Bibliothek zu zieren. Hierauf ist denn auch das sehr statt-
liche Aeussere des Buches berechnet.
l^mimhLoUL
Oachiehte des OoUesfriedens von Dr, A. Kluckhohn, Leipsdg hei
Hahn 1857. 8. X. 150 S,
Der Verfasser dieser Schrift war mit der Forschung über die
Laadfriedensbündnisse und Landfriedensgesetze in Teutschland be-
schäftigt, als er durch jene Untersuchung veranlasst ward, zuvor
tbeils den Begriff der treuga Dei thells ihre Geschichte zu erörtern.
Ich unterscheide nämlich Landenfriedensbündnisse, ausge-
990 Kluckhohn: GoMdiicIite dea 6ottMfiri«dai«.
h«nd voD dnzelnen Beichsatänden, und LandfriedensgesetEe
ausgehend vom König. Somit ist vorliegende Schrift als Einleitung
eo einem folgenden Werke über die Geschichte der Landfriedens-
bändnisse za betrachten. Die Aufgabe des Verf. ist darnach auch
die gewesen, den Unterschied zwischen dem Gottesfrieden und den
späteren Landfriedensbündnissen in ihrer Entstehung und chronologi-
schen Ausbildung festzustellen. Damit im Zusammenhange sucht
er eine queJlenmSssige Geschichte der treuga Dei zu geben. In der
Vorrede S. IV spricht er seinen Zweck dahin aus: ,,ich fühlte mich
zu dem Versuche aufgefordert, die Geschichte des Gottesfriedens
darzustellen und zwar in dem Sinne, dass ich die ihm zu Grunde
liegende Idee aus den politisch-socialen Verhältnissen und den sittlich-
religiösen Zuständen jener Zeit zu erklären suchte u.s. w.^ Er mnsste
der herrschenden Ansicht, dass die Landfriedensconföderationen ans
der treuga Dei entstanden seien, entgegentreten. Vielleicht hätte
die Definition in seinem ganz richtigen Resultate, etwa so znsam-
mengefasst werden können. Im Gottesfrieden lag durchaus nicht
die Idee eines christlichen Conföderativstaates, welche dann durch
den Landfrieden etwa verweltlicht worden wäre. Der Unterschied,
vom Verf. mit Recht hervorgehoben gegenüber der Ansicht der Jo*
rieten, liegt im Wesentlichen darin, dass die treuga Dei eine £Sn-
ricbtung kirchlicher Disciplin ist, der Landfrieden als ein politisches
Substitut den fehlenden Staatsschutz gewähren sollte. Der Gottes-
firiede geht aus kirchlichen Vorschriften hervor, die eben gerade in
einer Zeit erneuert oder ausgesprochen wurden, wo sie durdi die ge-
gesellschaftlichen und politischen Zustände geboten schien. Der Land*
friede dagegen hat nur eine politische Nothwendigkeit zur Veran-
lassung. Mithin hat die treuga Dei mit einer politischen Gonfödera-
tion, wie sie den Landfriedensbündnissen zn Grunde lag, gar nichts
gemein. Beide sind verschieden in ihrer Ursache, beide verschiedeo
in ihrem Zwecke. Diess ist im ganzen das Resultat der sorgfillti-
gen, mit Fleiss und genauen Kenntniss der Quellen geführten Un-
tersuchung des Verf.'s. Die bisher aufgestellten Definitionen von
treuga Dei muss ich alle verwerfen und auch die des Verf.'s als
za enge beanstanden. Die nominal Definition von treuga hat bis-
her alle Geschichtsforscher irre geleitet Die treuga Dei ist eine
kirchliche Disciplinarvorschrift, anfänglich uur von Bischöfen erlassen,
welche an das Individuum eine Gewissenforderung stellt. Ueber
den Vollzug dieser Vorschrift verlangte die Kirche vom Individuum
einen Eidschwur, wie er bei allen Sakramenten der katholischen
Kirche geleistet wird, z. B. bei der Taufe, eidlich dem Teufel su
entsagen, bei der ersten Communion, Ehe, Priesterweihe u. s. w.
Dieser Eid bringt das Individuum in ein specielles Bündniss, treugs,
zu seiner kirchlichen Behörde. Er wurde gewöhnlich im 14. Jahre
abgelegt Man hat also, um die Wichtigkeit der Vorschrift einsa-
sdiärfen, ihr die Aeusserlichkeit des Sakramentes gegeben. Das ist
das Wesen der treuga Del. Der specielle Inhalt der klroUi^^o
KlMkholiB! Getduchte det GottMfriedeo«. 501
Yoradirift kommt erat in zweiter Linie in Betracht Da» sich der
Spraehgebranch im Mittelalter daiiin feetstellte, nur die wichtigsten
deser kirchlichen Gelöbnisse, einzelne Zeiten durch Waffenruhe zu
achten, und Torsöglich diese Vorschriften und Gelöbnisse treuga Dei,
Gottesfriede zu nennen, hat seinen Grund darin, dass man die Na-
men des Allgemeinen auf den wichtigsten speciellen Fall anwendet
Ich folge nun den Forschungen des Verf., wie er sie in der Schrift
dem Publikum vorlegt.
In der Einleitung, welche von den Innern Znst&nden Frank*
reichs im 10. und 11. Jahrhundert handelt, sucht der Verfasser ein
Bild Ton der staatlichen Auflösung beim Untergang der Karolinger
Dynastie zu geben. Er war freilich dabei allzusehr auf Kfirze an-
gewiesen. Diese Schilderung der verwirrten Zustände jener Zeit
Tcrritb indessen eine gründliche Quelienkenntniss. Er benüzte da-
f3r die Briefe Fulbert's von Ghartres, Gregorys VII., einzelne Vitae
bei Bouquet und die Concilienbeschliisse* Doch sind noch andere
Quellen vorhanden, ans denen die Kenntniss der Zustände im 10.
und 11. Jahrhundert geschöpft werden kann. Ich führe hier nur
sn, dass für den Verfall der Geistlichkeit auch die Schriften des
Ratherins 920 -974, gedruckt bei d'Achery specilegium hätten her-
beigezogen werden können. Sie sind besonders auch gegen den
Klerus von Anstrasien gerichtet Von andern Quellen, die für die
Reconstruiction jener Zeit wichtig sind, will ich unten sprechen. Die
Ursachen, welche die staatliche Auflösung, die Misachtung jeder po-
iitischen Autorität, die sittliche Verwilderung und die Abnahme der
Literatur herbeiführten, lassen sich aus der Earolingischen Zeit selbst
erklären. Die ganze Universalmonarchie Karl des Grossen und die
erwachte Kultur seiner Zeit war gekünstelt und hing nur von Per-
sönlichkeiten ab. Sobald diese fehlten waren die gekünstelten Zu-
stände nicht mehr haltbar und die Nationalitäten regten sich im
Staate wie auf dem Gebiete der Sprache und Literatur. Es lässt
sich indess nicht läugnen, dass noch Umstände hinzutraten, welche
den begonnenen Auflösnngsprocess beschleunigten und jenen Zerfall
herbeiführten, der im 10. und 11. Jahrhundert die Wiege eines
nationalen Lebens in Europa ward. Die Ereignisse, welche den
Verwesungsprocess der Karolingischen Universalmonarchie förderten
waren : Die Einfälle und Ansiedinngen der Normannen und die da-
durch herbeigefQhrte Unsicherheit im Besitz und Verkehr; die be-
ständigen Kriege im Innern des Landes; der Mangel eines Rechts-
Schutzes, höchsten Gerichtshofes, einer Executivgewalt und damit die
herbeigeführte Nothwendigkeit des Einzelnen, sich selbst Recht zu
nehmen. Es ist in der Natur der Sache begründet, dass ein Lehn-
Staat eine einheitliche Spitze haben moss , d. h. einen obersten mit
der nöthigen Macht ausgestatteten Lehnsherrn. Fehlt dieses Ober-
haupt, so ist die Existenz des Lehnstaates im Innern bedroht Ein
solcher Zustand war nach der Theihing der fränkischen Universal-
moaarcfaie eingetreten. Da der einheitliche Staat keinen Schuts mehr
504 KlndÜiokii: GcMUchle dei GottetfirMeni.
sfilnea Bisehdfen in ihrem Sprengeln von 989 bis sum Condl t(A
Limoges 1031 noch l^eine treuga Dei, in dem Sinne waren, gewitse
Zeiten heilig zu halten darch Waffenruhe. Es waren diese Beatim-
mungen nur getroffen zum Schutse der Kirche und ihrer Dimer.
Nach meiner Definition fehlt ihnen das wesentliche Kriterium« der
Schwur des IndiFiduums an seine kirchliche Obrigkeit. Jene Frie-
densgebote erklärt der Verf. S. 18 ganz riditig so: ^^um der her^
sehenden Raublust und der allgemeinen Unsicherheit die nothdfirltig-
sten Schranken zu setzen, gab es kein anderes Mittel als die geistige
Strafgewalt ^ Den Grund da?on kann man sogleich beifügen, weil
ausser der kirchlichen Autorität gar keine andere mehr galL Garn
passend scliliesst er dieses Kapitel: „Nur wer gewohnt ist, die £^
scheinungen der Vergangenheit nach yorgefasster Meinung einseitig
zu betrachten, kann in diesen Massregeln der Kirche zum Schntie
des Friedens eine auf den Vortheil der Kirche berechnete Erfindung
sehen. ^ Diese vereinzelten lokalen Bestrebungen der Kirche durdt
Bischöfe und Synoden mit Androhung der geistlichen Censoren die
rohe Haublust im 10. und 11. Jahrhundert zu zügeln und die Sitten
zu verbessern, waren weder Friedensvereinigungen noch Gottesfrie-
den, weil kein Eid den einzelnen band. Es kommen vielmehr
solche vereinzelte Gebote, wie diese von 989 — lOSl, auch in an-
dern Ländern vor und neben dem Gottesfrieden vor. Das Concil
zu Seligenstadt v. J. 1022 verordnet z. B. in seinem 8. Kapitel:
ut nemo gladium in eccIesi^Mu portet. (Würdtwein, Elenchus conciL
Magunt)
Auch in den Friedensvereinigungen, von welchen der Verf. im
zweiten Kapitel handelt, erkennt er nicht den Begriff und das We-
sen des Gottesfriedens an. Es waren diese Friedensvereinigungen
von 1000 — 1041 eher die AnfUnge der Landfriedensbündnisse als
der treuga Dei. Sie gingen aus von weltlichen und geistlichen
Grossen als Inhaber der Territorialgewalt des Reiches, die sich ge-
genseitig das Versprechen gaben bei ausgebrochenen Streitigkeiten
den Weg der Justiz nicht den der Gewalt zu betreten. Dabei war
weder die Autorität der Kirche betheiligt oder ein Eid des Indi*
viduums an die Idrchliche Behörde geleistet, noch vielweniger aber
die Autorität des Königs die Veranlassung. Solche freiwillige Ver-
einigungen zur Förderung des Friedens weist der Verf. nach: zwi-
schen den Amiensem und Gorbejensern 1021, in Burgund 1023 und
im nördlichen Frankreich als Nachahmung der burgundischen Gon-
föderation. Die Quelle für die leztgenannte Friedensvereinigung ist
Balderici chronicon cameracense et atrebatense, dessen beste Aus-
gabe, von Le Glay, Paris 1834 besorgt, wol verdient hätte von dem
Verf. dem Abdruck in den Monumenta vorgezogen zu werden. Es
haben sich diese Friedensvereinigungen, weil sie nur vorübergehend
eingegangen wurden, in den folgenden Jahren als Erneuerungen wie-
derholt. Die Bedeutendste derselben, die von 1034, welcher der
Verf. das dritte Kapitel seiner Abhandlung gewidmet hat, zeigt in-
KImUoIib: Geiehicht« dei Gottafriedens. 50S
deneo nach meinem Daffirbalten «Ilerdings «chon ein Merkmal der
treoga Dei| weil tie ein Gelöbniss enthielt die Friedensgebote der
Kirche sn achten. Zuerst gibt er die Veranlassung dieser grossen
FriedensTerbrtIderung von 1034 nach dem Berichterstatter Rodalpbas
Glaber. Sie dehnte sich aas über Aquitanien Arles, Lyon, Burgund
ood fast gans Frankreich. Es war ein freiwilliges 6el5bniss auf je
iSnf Jahre die Gebote der Kirche gegen jede Störung des Friedens
itt halten. Der Verf. hat daher wol Recht, wenn er sagt, es ent-
halte diese Friedensrereinigung nichts neues. Wenn er ihr aber
den Ansprach auf den Namen treaga Oei S. 33 nimmt, so bin ich
nach meiner obigen Definition von treaga anderer Ansicht Es liegt
hier allerdings ein (Jelöbniss, ein Eid des einseinen vor. In folgenden
Abschnitten handelt er yon dem ersten Auftreten der treuga Del,
welches er abo ins Jahr 1041 sest Er gibt die Urkunde darüber
Toa den Bischöfen von Arles, Avignon und Nissa und des Abtes
Odile von Glagny, wie sie bei Mansl und Bouqnet steht, im latei-
nischen Texte nnd in der Uebersetaung. Hier h&tte man wol er^
wartet etwas über die genannten Persönlichkeiten su erfahren, welche
an der Spitze der ganzen Bewegung standen. Besonders htftte Odilo
von Clngny diess verdient. Der Verf. hebt selbst S. 45 hervor,
dsM gerade jener als vorzüglicher Urheber der treuga Del von Hugo
Flaviniacensis bezeichnet werde. Welchen Antheil aber an der Ver-
breitung der neuen Idee eines Gottesfriedens die Gongregation von
Glagny hatte? Ist aus den Quellen nicht nachzuweisen. Der Verf.
möchte S. 46 nicht ohne Orund die Verbreitung auf ein Gondl an
der spanischen Grenze anter Mitwirkung Odilo's um jene Zeit zu*
riickföhren. Man könnte auch vermuthen, dass die religiösen Ideen
von Glagny auch die Boten der treuga Del gewesen seien. Dieser
Gesichtspankt, wie die Verbreitung geschah, tritt besonders im fünf-
ten Kapitel, worin von der Weiterbildung der treuga Dei in Frank-
reicfa die Rede ist, hervor und muss beachtet werden. Das folgende
bespricht die Einführung derselben in Deatschland. Der Verf. weist
in dem Anfange dieses Kapitels nach, dass die Entstehung des 6ot-
tesMedens in Frankreich nicht zuföllig war. Es ist aus zahlreichen
Beispielen bekannt, dass jede grossartige Idee aus Frankreich stammte,
im Mittelalter, wie noch heute. Dass Köln aber gerade die Brücke
war, über welche die treuga Dei in Deutschland ihren Einzug hielt,
ist allerdings auch kein Zufall. Jene Stadt war immer, wie Strass-
borg im Süden, Vermittlerin der französischen nnd deutschen Gul-
tar. Die frühere Annahme, dass Konrad II. den Gottesfrieden in
Dentschland eingeführt habe, und die von Stenzel, wornach Hein-
rich IIL diess gethan habe, werden mit Recht widerlegt. Der Verf.
weist ganz richtig nach, dass die Rede Heinrich IE. in Gonstanz,
wo er sor Eintracht ermahnte, keine Promulgation des Gottesfirie-
dens war, sondern eigentlich eine Art Aufforderung zu einem Land-
frledensbündnlss, 8. 69 ff. bis 63. Diese Kritik des vermeintlichen
506> KlaeUiohii: Gefchiolile dei GotteifriedoBB»
Gotteafriedeiis von Heinrich IIL hat der Verl schUgend und traf*
fend gegen Stenzel darchgeftihrt.
Die erste als sicher nachgewiesene Einführung des Gottesfri^
dens in Deutschland ist die von 1083 in der Grsdiöcese Köln. Die
Urkunde darüber ist erhalten und ausser der Monumenta haben sie
auch Erhard in seine Regesten von Westphalen und Seibertz in
aein Urkondenbuch aufgenommen. Die Form dieses Aktenstück«
ist für die Veröffentlichung einer Kirchendisciplin freilich hoeint
sonderbar, es ist ein Brief, kein Synodalbeschluss«. Der Vorgängtr
des Erzbischofs von Köln glaubt der Verf. sei hierin Bisdiof Heia-
rich von Lüttich gewesen , der in seinem Sprengel die treuga Dei
1081 einführte. Davon wird S. 63—67 gehandelt Ein eidüches
Qelöbniss der Einseinen an den Bischof, als kirchliche BeblMs^
kommt nicht darin vor, ich bezweifle es also, ob jene Urkunde voa
1081 nur als treuga bezeichnet werden darf. Sie scheint xagleieii
eine Friedensvereinigung zu sein. Daher sie denn auch Kaiser
Heinrich IV. bestätigt hat als literae pacis zwischen Cöln und M&i-
•ter. Jene Urkunde, welche für Köln den Gottesfrieden proklaairt,
ist in die Form eines Friedens- Briefes des Erzbischofs Slgiwin an
den Bischof von Münster eingeicieidet. Die Urkunde und ihr reich«
Inhalt ist hier nun ausführlich besprochen. Ob ähnliche Inatitnte
vorher in Köln waren, was man daraus schliessen möchte, weil das
vorliegende Instrument so ausführlich ist, das bleibt unbestimmt we-
gen der Mangelhaftigkeit der Quellen. Den siebenten Abschnitt hat
der Verf. „das Verbältniss von Gottes- und Landfrieden^ bettelt
Darin wird der wichtigste Punkt erörtert und die Unrichtigkeit der
bisherigen Annahmen bewiesen. Man bat nähmüch aus der Ver-
breitung der treuga Dei und gestüzt auf einige miSFerstandeae
Zeugnisse angenommen Heinrich IV. habe den Gottesfrieden mm
Reiohsgesetze erhoben. Man hat sogar In einem unlogischen Schlosse,
weil Bestimmungen der treuga Dei in die Statuten der Landfriedeas-
bündnisse aufgenommen wurden, die lezteren für Fortsetzungen des
Gottesfriedens gehalten. Auf der Synode In Mainz 1085 haben die
Bischöfe von Deutschland den Kölner Gottesfrieden von 1083 fir
ihre Diöceaen angenommen. Die Abweichungen beider uns erhalte«
nen Instrumente sind unwesentlich. Man hat für die Mainzer Urkunde
den Namen Coastitutio Heinrici IV. imperatoris bisher angenommea
und beibehalten, obwol es kein Reichsgesetz »t und auch nicht Ton
dem Kaiser, in der Eigenschaft als deutscher König, erlassen ist
Der Verf. weist S. 76 in einer Note sehr treffend darauf bin, dass
banno nostro in jener Constitution sich nur auf die richterliche 6«^
wak der Bischöfe bezieht. Der Eingang der Urkunde, was der
Verf. mit Recht anführt, widerlegt ganz entschieden die Ansieht,
als sei jene Constitution ein vom Kaiser erlassenes Reichsgesetz, er
lautet: Deo mediante clero et populo consentientibas constitutum^
Es fragt sich, welches Recht liegt in der Benennung Constitntio in*
peratoris. Der Kaiser, als oberster Schirmherr der Kirche, war tor
MM ab die BiiohQfe toq DeoUchland eine kirchliche DiacipHnar*
Tarordnaog entwarfeiL Er war also dabei insofern beiheiligt, ala
die Kirche eine Masaregel za ihrem Schutze machte und er diesen
als Inhaber des imperiams auch za gewähren hatte. Seine Zuatim-
Doog war nicht nöthig, da und so weit es nur eine rein kirchliche
Disdpiinarsacbe war, aber es rerstand sich von selbst, dass der
Kaiser ala Katholik sich dem kirchlicben Beschluss der Bischöfe b»*
tsrwart Eine aosdriiekliche Bestlitigung oder Betheiligung , wie ea
der Verf. S. 77 erwarten zu können glaubt, lag gar nicht in der
Vollmacht eines weltlichen Fürsten, da es eine kirchliche Discipli«
•arsache war. Man könnte mithin jene Urkunde Gonstitutio Hein''
nä rV. nennen, in dem Sinne, als sie nicht von ihm, aber während
aeioer Regierung, und danach datirt und unter ihm erlassen wurde.
Gans ifchdg erklärt auch der Verf. die Erneuerung der treuga Del
sa Nordhansen 1105 für eine von Heinrich V. ganz unabhängige
Diseiplinverordnung. Je mehr sich in dem Zeiträume von 1072-—
1124 die Kirche vom Staate trennte, um so weniger war bei dem
Gottesfrieden an ein Eingreifen der weltlichen Macht in die Kir-
cbendiBCiplin zu denken. Der Verf. geht S. 78 auf die Friedena*
doigungen weltlicher Fürsten in Deutschland über. Daraus entstaa«
den die Landfriedensconföderationen im 13. und 14. Jahr-
hundert und endlich die Reichsgesetze darüber. Unter dem Namen
die Landfrleden vermengt man gewöhnlich die Bündnisse und G^
•etze deaaelben. Es sind aber in ihrem Ursprünge und der Zeit
oacb, wie ich glaube, verschiedene Inatitotionen. Die ersten Anfänge
loleher freiwilligen Friedenseinigungen, welcbe Ihrer Natur
oich, da sie noch keine Reichsgesetze sind, gewöhnlich nicht vom
Oberhanpte des Reiches, sondern von den Schutz bedürftigten Reiche*
itänden ausgingen, weist der Verf. schon In früher Zeit nach. Er
irlaubt den Anfang dieser Friedensvereinbarungen der Reichsstände,
Djoaaten und des Adels darin finden zu dürfen, dass Heinrich IL
in Zürich auf einem Landtage 1004 und zu Merseburg 1011 aaf
5 Jahre um Frieden bei dem mächtigen Dynasten so zu sagen ge-
bettelt hat. Ich sehe darin nur ein offenes Geständniss der Schwäche
Heinrich's IL, worin er nicht al8 Inhaber der höchsten Macht auf-
trat, sondern eine vertragsmässige Einigung durch einen g^enseiti«-
gen Eidach wur wie jedes andere Mitglied der Reichsstände bean«
tragte. Es war diesa also kein vom Kaiaer durch Befehl aus-
gehendes Landfrieden g es etz, wie bisher die Ansicht darüber war,
sondern nur Anregung zur einer Einigung. Die Landfriedens btt nd-
nisse waren das erste, sie beruhen auf den literae pads, denen
als Gegensatz die Fehdebriefe entsprechen, nicht auf autorisirten
Gesetzen. Der Kaiser liatte dazu die Macht nicht, er machte wol
m späterer Zeit die Landfriedengesetze, wie sie durch die Landfrieden-
bondniaae zuvor faktisch ins Leben getreten waren, zu Reichsgesetzen*
£a liegt mithin in jenem Auftreten Heinrich's II. mehr die damals noch
vorilbergehmde Schwäche des deutschen Köalgthums^ ala eine frei-
SOS noekholiB: Geidiiehlo des GotlMfriedens.
willige Frledenseinfgang, welche aus dem Bedürfnlss der Dynasten
herForgegangen wäre. Die Nachfolger Heinrich'a 11. nSmlidi Oon-
rad n. und Heinrich III. haben, wie der Verf. richtig bemerkt, dareh
Gesetzgebung und Vollzug der richterlichen Gewalt die Friedens-
einigungen der Reichsstände ganz überflüssig gemacht. Die erste
Friedensconföderation fällt unter Heinrich IV. 1093. Dieselbe ging
Ton Alamannien aus S. 80. Stalins Ansicht darüber als Gottes-
friede ist irrig. Aber man könnte Bemold's Worte, dieser ist nSm-
tteh die Quelle, eingehender interpretiren. Der Verf. gibt sie fA
der Note an, sie lauten: den Frieden haben sich gegenseitig gt-
rantirt: duces, comites, maiores, minores, das sind die Herzoge und
Grafen, beides ursprünglich Reichsbeamte, dann der hohe und nie-
dere Adel, der kein Reichsamt hatte. Dieser Umstand Ist sehr zu
würdigen. Das war ein gewaltiges Zeichen für den Wendepunkt
der teutschen Geschichte, dass die Reichsbeamten zuerst anfingen,
daran zu zweifeln, ob das Reich noch Schutz und Frieden gewäh-
ren könne? Dadurch bekam die Friedeneinigung auch eine gewisse
Autorität, weil Reichsbeamte daran Theil nahmen. Bemoid sagt, diese
Oonit^deration der Dynasten zum Schutze des Friedens habe sich
über Baiern, Ungarn, Franken und Elsass verbreitet, und habe am
meisten in Alamannien geblüht, weil die Fürsten nicht aufgehört
hatten, die Gerichtsbarkeit zu üben. Hier hätte es aber den Verf.
zu weit von seinem Thema abgeführt, wenn er sich In die Lokalge-
schichte Alamanniens eingelassen hätte. Es handelt sich nämlich nm
den Beweis, dass gerade die mächtigsten Dynasten, mit bedeuten-
dem Allodialvermögen, die Inhaber der richterlichen und vollziehen-
den Reichsgewalt in Alamannien waren, also Grafen, Herzoge,
Pfalzgrafen, Vögte, wodurch also noch eine Execotivgewalt da war.
Der Verf. hat hierauf erklärt, wie es kam, dass der König an die
Spitze solcher Friedensvereine trat und den Landfrieden wie Hein-
rich IV. 1097 und 1103 zu Reichsgesetzen erhob. Es war dss
Oeständniss, dass die Gentralgewalt des Reiches keinen Schutz mehr
gewähren könnte. In dem öffentlichen Frieden Heinrich's IV. von
1097 und 1108 liegt durchaus kein legislativer Akt. Es scheint
mir kein Reichsgesetz, sondern ein Zugeständniss der Schwäche wie
der Verf. ganz richtig hervorhebt, also wie bei Heinrich H. gewe-
sen zu sein. Wären es Reichsgesetze gewesen, wozu sollten daon
gleichzeitig in Gonstanz und Schwaben 1103 provinzial LandfirledeD
errichtet werden? Das S. 84 aus Pertz Archiv Bd. VH. S. 796
mitgetheilte Fragment von 1121 (der Ansicht des Verf.'s gegen Pertx,
der 1122 annimmt, muss Ich beistimmen), betrifft auch wol einen
öffentlichen Frieden. Der Kaiser Heinrich V. befindet sich selbst
unter denen, welche diesen beschwören.
Pertz sezt jenes Fragment in das Jahr 1122 und erkennt da-
rin einen Beschluss der Reichsversammlung zu Speyer vor dem Ab-
schinss des Calixtinischen Goncordates. Klnckhohn sezt es in das
Jahr 1131 naeh Whrzburg gestüzt auf einer Angabe von Eökehsrd
nackhoho: GMchickt« de« GotMbiU^u. 500
id hoc ftnnuiD, in welcher es heiist: Ad haec praedones ftireeque
edktis imperialiba« persequendos sive legiboe ADtiqnitas constitatie
eoercendos, unaniml coojuraüone coDfirmatum est. Es hat diese mehr
Wahrscheinlichkeit als die Perta'sche Hypothese fär sich. Ich glaube
aber, dass es gestattet sei, jenes Fragment in das Jahr 1120 auf
den Färstentag su Bamberg hinaufcnrücken. Fickler hat in se)nem
Odalrich II , Bischof Ton ConsUni 8. 87 diesen bisher nicht be-
kannten Fürstentag ans Schaffhauser Urkunden erwiesen. Es waren
tngegen Kaiser Heinrich Y., Otto, Bisch, ron Bamberg, Rüdiger,
Bisch« von Magdeburg, Reginhard, Bisch, von Halberstadt, Odalrich,
Bisch, von Eichstädt, Gebhard, Bisch, von Wirabnrg, ferner die Her-
floge Friedrich von Schwaben, Heinrich von Baiem, die Markgrafen
Diepald von Voheburg und Engelbert von Calw und Oraf Bemgar
von Sulzburg und Andere. Dortbin möchte ich jenes Fragment ver^
legen, da gerade damals in Bamberg die meisten Bischöfe wareoi
und die Lage des Kaisers so, dass er sich diese Bischöfe sweiten
Banges zu Freunden machen musste.
Zum Schlüsse dieses Kapitels gibt der Verf. ein Resam^ über
Beine bisherige Forschung. Das folgende handelt von der Einfüh*
rang des Gottesfriedens in Italien, Spanien und England. Der Verf.
ist in seiner Untersuchung nun da angelangt, wo die Päpste diese
Disdplinarverordnungen einzelner Diöcesen wegen des Friedens zu
einem allgemeinen Kirchengebot erhoben haben. Der Verf. handelt
davon im neunten Kapitel: „Der Oottesfriede als allgeroemes Ge»
bot der Kirche.^ Es ist dieser Abschnitt vom Verf. mit besonderer
Sorgfalt ausgearbeitet. Anziehend ist der kurze Rückblick auf die
Geschichte des Papstthums vom' 9% bis 12. Jahrhundert. Die Nach-
richt das Gregor VII. den Gottesfrieden auf einer Synode in Rom
verkündet habe, zieht der Verf. S. 95, wie ich glaube nicht mit
Uorecht, in Zweifel. Dass auf dem Goncil von Glermont Urban II.
die Kreuzfahrer unter den Schutz der Kirche stellte, ist ein natür-
licher Schluss aus den ältesten Vorschriften der Kirche, dass Wall-
fahrer unter dem Schutz der Kirche stehen. Mit grosser Gründ-
lichkeit sind die einzelnen Bestimmungen der treuga in ihrer weitem
Ausbildung von S. 99 — 107 nachgewiesen. Daran schliesst sich das
folgende : «Schicksale des Gottesfriedens in Frankreich seit dem Gon-
cil zu Glermont^ Gewöhnlich würdigen die Geschichtschreiber des
MiUelalters die treuga Dei nach dem Goncil von Glermont 1095
keiner weiteren Forschung, um so verdienstlicher ist die, welche der
Verf. hier veröffentlicht. Er verfolgt die Schicksale der treuga Dei
auf den Synoden und Goncllien zu Trojes 1107 und Rheims 1119.
Eise schätzbare Urkunde für die Gestaltung des Gottesfriedens im
12. Jahrhundert gibt der Verf. S. 115. Es ist ein Dekret des Erz-
bischofs von Auch um 1140 die treuga Dei betreffend. Daraus
geht hervor, dass der Gottesfriede von der Geistlichkeit stets ab
^e lürchliche Dipllnarverordnung angesehen wurde, was er auch
war und ab was er von den Zeitgenossen geachtet wurde. Im
51d Kloökhotm: Getdiiolite dei Ciott«ifri«4eiM.
elften Eaphel f8t von den Friedensinetitaten in Frankreich neben
und nach dem Oottesfrieden die Rede. Hierin hat der Verf. we-
sentlich neues gegeben, indem er nachwies, wie die treuga Del
im Gegensatz zu andern Institutionen für den öfifentlichen Fried«
erscheint und von diesen ailmälig verdrängt ward im politisobea
Leben. Diess Ist besonders wichtig und interessant Die Fortdaoer
der Icirchlichen Verbote gegen die Fehde und die Erhaltung der
Vorschriften über die Heilighaltung gewisser Zeiten, fn den folgen-
den Jahrhunderten Ifisst sich zwar nicht läugnen , doch hatten jene
Vorschriften an das Individuum Iceine Folge mehr für das staatliebe
Leben, daher der Verf. mit Recht hier die Grenze seiner Aufgabe
sieht, wo der Gottesfrieden alimäiig abicommt
Aus der Betrachtung über das folgende Kapitel ergibt sich, da»
die icirchlichen Disciplinargesetze in die Kirche zurücictraten. Eb
sind hier die späteren Nachrichten über den Gottesfrieden in des
«ndern Ländern besonders in Deutschland zusammengestellt. Frei-
lich sind nicht viele Quellen aus diesem Zeiträume vorhanden, wel-
che direlct von der treoga Dei im 13. und 14. Jahrhundert haadelo. ^
Nur noch Vorschriften einzelnen Diöcesen und anderes erinnert aa
die frühere Ausdehnung und politische Wichtigiceit der beschwöre^
nen Disciplinarverordnung de pace. Verordnungen der Kirche nah-
men von einzelnen Bestimmungen des Gottesfriedens manches, was
noch praktischen Werth hatte, auf. Es sind diess die Diöcesensta-
tuten. Ich will hier die Literatur über diesen Gegenstand, der eine
Beachtung verdient, hervorheben. Obschon ich ausdrücklich bemerke,
dasB sie einer Zeit angehören, wo kirchliche Disciplinargesetze allein
Dicht mehr den fehlenden Staatsscbuta gewährten. Die Kirchenv^rord-
nungen der Bistümer sind selten in autorisirten Sammlungen vorbanden,
nur Speier hat eine solche, welche von 1397--<1720 reicht. Aeltere
Handschriften von dergleichen Statuten scheinen zu fehlen. Ferner
sind einzelne Diöcesanstatuten publicirt von Würdtwein, nov. subsidia.
8. 8. 294. 12. S. 196. Mone, Zeitschrift 3. S. 129 ff. 4. S. 257 ff.
Auch sind einzelne Ausgaben von Constanzer und Mainzer Verord*
nungen von 1568, 1549, 1701 vorhanden. Auch das grosse Werk
von Bchannat und Harzheim nahm solche Statuten auf. Von den
bei Mone publicirten Diöcesanstatuten enthalten z. B. das Mainier
von 1288 im Artikel 10—13 und die andere Verbote wegen Ver-
geben gegen den Frieden. Ebenso wichtig sind das Strassburger
von 1251, die von Mainz und Gonstanz von 1248, 1256, 1257 lud
1261 wegen der gleichen Bestimmungen. Es ist aber durchaus
falsch, die darin enthaltenen Kirchengebote de pace auf den Land-
. frieden zu beziehen. Der leztere ist eine weltliche Institution,
woriiber\die Kirche sich nie angemasst hat, ihren Gläubigen Gewis^
Sensvorschriften zu machen. Man darf sie also nur auf die treuga
Del beziehen. Wenn ich hierin von der Ansicht anderer auch ab-
weiche, so kann mich diess nicht abhalten, noch ein anderes Bechts-
institut des Mittelalters mit der treuga Dei in Yerbifidung n bila^
▼. MOMad-Httrcker: HomusmUi Zo11enB& Sil
gm* Die AnsdeiiDUiig und Widitigkeit, welebe die beidiwonien
DiBcipiiiiargeietse der Kirche über die Befriedigung gewiner Tage
erliielten, machten eine Ueberwachung derselben, einen Gerichtshof
vegen ihrer Uebertretangen, nöthig. Ein solches geistliches Richter-
eoUegiam reicht z. B. in Speier bis ins 13. Jahrhundert, sein Name
ist: Die Geschwornen zur Gottes Ehe (das isttentach, was
treoga Dei lateinisch sagt) anch ad legem dei jnrati genannt. Das
Coileginm bestand ans 13 Mitgliedern, der Dompropst steht an der
fipitsa desselben. Später zog dieses CoUegiom auch weltliche Dinge
Tor sein Fonun, das ursprfinglich nur Uebertretnngen der beschwomen
Kirebengesetze bestrafen sollte. Sein Strafmittel blieb aber immer
^e Excommnnicatio minor nnd maior.
Ich schliesse diese Anzeige mit dem Ansdrack der vollsten Aih
erkeanimg der eingehenden Forschung des Verl.'s. Wo so manche
dhliehen Vorortheile, Terscbiedene Ansichten über eine Materie be-
liehen, wie über die treoga Dei, ist es sehr rerdienstlich die genaue
Feststellung des Begriffes zu erörtern und den ganzen historischen
Verlanf jenes Instituts quellenmitssig darzustellen. Da er das leztere
mit so Tiel Qoellenkenntniss , Kritik und Umsicht dorchgoführt hat|
so ist man' berechtigt in der folgenden Forschung über die Land<-
eine erschöpfende und erwünschte Arbeit zn erwarten.
Mimumenta ZoUerema. Urkunden-Buch mtr Otschichte des Henises
HohensoUertu Herausgegeben von Rudolph Freiherrn von
Stillfried tmd Dr. Traugott Mär eher. Zweiter Band.
Urkunden der fränkischen Linie, 1235 — 1382. Berlin, In
Commission bei Ernst und Korn, (Oroptut^sehe Buch- und
Kunsthandlung.) 1856. VllI und 450 S. gr. 4.
Ref. hat in einem frühem Jahrgange dieser Jahrbücher den
eisten Band des oben angeführten, in mehr als einem Sinne könig-
lichen Werkes bei seinem Erscheinen begrüsst; wir können nna
daher bei der Anzeige des zweiten Bandes schon kürzer fassen, da
in der höchsten Veranlassung des Werkes, in den Sanunlern und
BearbeiterB, in der Art der Ausführung «idlich keinerlei VerXnde«
rang eingetreten ist.
S. M. der König von Preossen hatte vor mehr als einem De-
eeaninm den Entschluss gefasst, den Ahnherrn seines Hauses in einer
Weise, wie sie seit dem vorigen Jahrhundert hi Deutschland in Ve^*
gdSKnfaeit gerathen war, ein Denkmai zu setzen, ein Denkmal, anf
welchem nicht nar der künstlerische Blick mit Wohlgefallen ruhen,
sondern auch die Wissenschaft der deutschen Geschichte reiche Ent-
wicklungen als auf festem Grunde fortbauen könnte. Durch jahre-
lange Forschungsreisen in deutschen und ausserdeutschen Archiven
hatten die beiden Herausgeber ein Material zusammengebracht, wel-
512 V. Slillfried-Mllrcker: Moiitimeiita Zollertiia.
cbes, wenn je bei dieser Forachang der Rahm der Vollständigkeit
angesprochen werden kann, auf denselben die gerechtesten Ansprä-
che hat. Sie hatten mit einer ausnehmenden Sorgfalt für richtigai
Text, mit jener besonnenen Auswahl des sur Erklärung nothwendi-
gen Stoffes, auf die bei so weit ausgedehntem geographischen Baume
der Fom Schauplatze der dargestellten Verhältnisse mehr oder we-
niger fem stehende Bearbeiter sich beschränken mnss, um nicht
Vermuthangen für Wahrheit sa geben, die Herausgabe geleitet
AU' diese günstigen Verhältnisse haben auf die Entstehung des
Forliegeuden zweiten Bandes in gleichem Maasse eingewirkt, wie bei
dem ersten und namentlich erfreulich ist es, dass wir dem Nameo
des erstgenannten der beiden Herausgeber, welcher zu diesen hobeo-
zoUerschen Forschungen den ersten Anstoss gegeben, auf dem 'Rtel
auch dieses Bandes als gleich thätigen Forscher der Vergangenheit
wieder finden, obgleich der anstrengende Wirkungskreis eines dtf
höchsten Hofämter seine Zeit und Kräfte für die Gegenwart mannig-
fach in Ansprach nehmen muss.
Zu diesen erfreulichen Verhältnissen ist für den gegenwärtigen
Band noch die weitere Gunst getreten , dass „seit Beginn des ISr-
sdieinens dieses Urkundenwerks nicht nur auf dem Gebiete deut*
scher Quellenforschung überhaupt, sondern auch insbesondere aol
Bnrggräflichem Gebiete ausserordentliche Fortschritte gemacht wor-
den sind«* (S. V).
Es hat dazu die ungewöhnliche, durch das Germanisohe Ma-
seum mannigfach angeregte Thätigkeit der deutschen, zumal frloki-
schen Geschichts- und Alterthums Vereine, die Quellenförderung ood
Heransgabe der Gentralarchive zu Wien und München, es haben die
▼erdienstTollen Beiträge Riedels zum hohenzollerschen Stammbaume
im Schoosse der Akademie zu Berlin sich in dieser Beziehung die
gerechtesten Ansprüche auf Dank erworben.
Auch für geringere Beiträge aus gedruckten Werken, in wel-
chen die Burggrafen als Zeugen auftreten, fanden die Herausgeber
Veranlassung der gefälligen Beihilfe v. Stalins zu erwähnen, dessen
Name der des Ref. wohl mehr in freundlicher Anerkennung seines
guten Willens, als der Ergiebigkeit seiner Beiträge, beigelügt ist
Der grösste Thell des bis jetzt unedirten Materials aber ist dem
unermüdeten Forscherfleisse der beiden Herrn Herausgeber alldn in
verdanken, von denen geh. Archivrath Dr. Märcker durch Reisen
zu den für die burggräfliche Geschichte überaas reichen Schätzen
des Königl. Baierschen Reichsarchives, zu den Archiven der ehmali*
gen Fürstbischöfe, Klöster und theil weise Dynasten des Franken-
landes einen Reichthum von Urkunden zusammenbrachte, welcher
durch folgende Uebersicht klar vor Augen treten wird.
(Schlu$$ foUft)
k.3S. HBIDBIBERGER WT.
JAHBBOCHEB dir IITBRATDB.
y. Stillfned-Marcker: Monumenla ZoUerana«
(SeUaiflO
Eb sind fflr die Zeit von 1285 (Bar|:grar Conrad I.) Ue 188S
(Barggral Friedrieh IV.), aleo für einen Zeitraom Ton 98 Jahren
im Ganaea €81 Urkunden nnd Regesten im yoriiegenden Bande ent-
halten. Diese lerfallen in 845 Regesten und 886 vollBtSndlge Ur*
knnden Auch die Regesten sind — dieses sei gleleh hier bemerlrt
ia ndgliehster VoUstSndigkeit gegeben, d. h. nicht nur mit erschöpfen-
der Angabe des Inhalts, Datums, sondern auch mit AnfiShlnng aller
Zeugen nnd Beaelehnungen der Werke, aus welchen sie geschöpft
wurden, wenn sie nicht etwa Tom Originale entnommen sind.
Unter den 886 ToUstSndIg geS^ebenen Urkunden sind S pipet-
Kdhe Ballen, 56 Kaiser-Urkonden, wovon nur 21 schon anderwirts
fsaien, oder theUweisen Abdrudc, oder regestenmissige Behend«
Isog erhalten haben. Die fibrigen sind yon den bischöflichen Gans-
Men SU Bamberg, Wirsburg und EichstXdt, von dem deutsdien
Orden, von den Abteien des Frankenlandes ausgegangen, oder es
sind Wlllehriefe deutscher Ghurfiirsten an kaiserlichen Hnldbeseugun-
Sen, oder sie gehören endlich den Burggrafen selbst an.
Schon diese AuMhlung mag hinISnglich darthun, dass nicht
bloss die Gescbldite des erlauchten Königdianses von Preussen,
ssndem die deutsche (leschichie überhaupt einen Gewinn auch aus
diesem Bande der Urkunden-Sammlung au sieben angewiesen ist,
welche die Munifiaena Seiner Majestät, des jetzt regierenden Königs
durch eben so kräftige als beharrliche Unterstützung in's Leben ge-
rufen hat nnd der Vollendung entgegenführt.
Doch wollen wir den gleichen Satz noch dadurch darthun, dass
wir beispielsweise das urkundliche Material erwähnen^ welches sich
aal den Burggrafen Friedrich IV. besieht
Am Schlüsse des XIII. Jahrhunderts finden wir ihn (Nr. 480)
noch minderjährig unter Vormundschaft seines Bruders Johann, mit
dem Beginne des XIV. (15. Mai 1800) ertheilt König Albrecht ihm
die Belohnung mit der Burggrafschaft und der Burg su Nürnberg,
die Bewachung des neben der Burg gelegenen Thores, das Provln-
zialgerlcht au Nürnberg mit dem Vorsitze an Kaisers Statt, den mit
dem Schultheiss von N. gemeinsamen Vorsitz bei städtischen Fällen
dnrdi einen BcToDmächtigten und zwei Dritthelle der Strafsätze, das
Etaikommen eines Solidus von jeder Werkstätte und Hofstattzins von
dem jenseiu der Brücke gelegenen Stadtheil , zur fimdtezeit einen
U Jahrg. 7. Heft. 88
Schnitter, das 3. Stack Wildpret, den 3. Baum im Forst and aUes
n||lfe«'lS| dil Forslgereeht^keit Jenseits der Brü<&6, dte Orte Weid
mid •Budh, 'den befestigten Ort Bwant, das Sebloss Krenssen nnd
die Kloster- Yogtei zu Stein. Zu diesem kleinen Besitse kommen
^4463 der Pfaudbesitz von Erbendorf und das Albrecht Rinckmaul'sche
Burgleben (437) durch den König, die Wolfsberf'acben Stiftsleben
bei Baireufh durch Bisclior Andreas von Wirzburg (457), die Veste
Berg mit Gütern zu Zirndorf dnreh Kauf von den Herrn y. Berg
(1306. Nr. 465), ebenfalls durch Kauf von den Vörtschim von
Thurnau die gleichnamige Herrschaft (466), die richtige Verleihoog
iriinimtliciber epiöflb^ten Speier^scber Leben in Frunken dwcb fifscbof
SU^oto (1310. Nr. 476) qnd die Bestütignog «immUiiher Lehen
diotfch KJ^ig Beinrich im gleichen Jahre (475), der Kauf einiger
Höfe zu Leuckerabeim vom Kloster Heilsbronn (1313. Kn 496).
]Ei kam jetzt die Nachricht vom Tode des Kaisers naeh Deatach-
ii^ip -^ der Arm eines tapfero und mächtigen Oefirn» wie Fried-
liches war .gesucht ; die Zeit «u Erwerbungen gtinsUg. Sehen im
P«t(Q^er 1313 vHurspjricht er seiiye Hilfe dar Sladt Seg«DstMiig in
einer IkUssbeUjgkeit mit Nürnberg (4d8)| xugLeich aber achlieeit er
Bioen en^en Bund mit Nürithei^ (49 9), verbandet sieb zun Sehntie
4#9 Bandeis nut (den benacbbarten edetn Herrn (500) « TfliBpriekt
UolMbnTg Beinen SfiUiuta (501), nobifesst eineo Bu«d mit Friednch
den^ Gebissenen von Meissen ^^en den Vogt fnoa «Gern (1314
Jiu &06) und verschreibt sich dem König Lwdwig «i KriegsdiemC
»nsser Lands auf ein Vi^rteljehr njA hundert Helmen t(13i6. Si. 611).
Dto JBi^tsohftdjgmi; fiii diese Dienste int nicht AusgeMektt mag
aber beträchtlich geni^ gewesest sein, da der Burggraf um 36 Mark
Silbers zwei Jabr^ spftter i^m HelmUeini^d das Bracfcenhanptae von
Lüthold von BegaastMBCg zu erkaufen überflüssiges ^Md haite (521.
523). Die £rw]arbung der Kirchenpaitroaate zu Wasser^Mungeaan
und Windsbach vom Bischöfe von EichatUdt ist wohl nur Enischi-
digung für den aufgegebenen Besitz von Lehrherg (525. Ii26). Die
Belehnonjp des Vogts von Weida nüt Hof und Bfegnitdaad (530—
31) sühnte alten Streit und gewann deva Borggraibn einen sireil-
hanen Lehensmann; der Schutz der Begensburgar KaafieHte (532)
sicheres Zolleinkommen und aar einen Monat später (17. JniS 1313.
Nr. 534) erfolgt um 6200 Pfund Heller der Ejuif von Oekabsfg
ppcl LoHtersbaaseP von den Grafen v^on Tmhending^n. Der Kaiser
verwandelt (536i) dieselbe aus baierscben in Beicbslehen und ret-
fprtcht die Einwilligung seines Bruders Budolph hiefür zu bewiifcea
(537). Als Leben trjigt der Nüinbarger Patrizier Conrad der Gm^
von WjoUiberg, eaifi Eigen zu Neusftss wd Hohensehw&ra 4em Bor^
gf^^ietk auf; ebenso im gleichen Jahre 1820 Haawart van Tmstsat*
barg andere Güter (544—46). Im folgenden Jahre erkanft er mit
den Landgrafen von Leucbtenbarg Wunaiedel (550) und Graf Be^
mann von Castel verspricht ihm mit dar Borg Castel zu dienen «ad
verpfändet ihm dieselbe für die Bürgschaft der Kosten mm itaSt*
Haerftsng (561. 656); iet KircbonMte ta Ommb wifi w-
M0 Mittel Nichte in gnMiniMilgvr EAIsekSdIfitag lUr Mm
OiBliflte unä die vor Dadiait eriilleo«ii V«rhitl6 der Kifeif^fcia Borg«-
«nte IS IMG M. 8. wofür Lauf and der doitige Zoll nifiteM
wird (U8> in 700 PC Heller^ auf die Judöiietetier au Wii«*arg
angewieseDY in der Judeneteuer zu Mümkerg auf «elti Jahr f 569«-^
660), dar YarpAidaiif des dehtiHbeisBeMiDtee (571), den Mrgre-
pd aaf aeinen HerradMltan (674), »H der Belehnvag mit StadI»
am Her (576) iiaedi«ck]ieb angeknöpft an aeitie MWgr^MMnelea
Dteneta in dar KOaigadblaelrt bei Anrpfing. Die Erawei%e sa Ptai*
«nbarg (680), die Reidhealeaer aa Kttraberg aaf 3 Jahr^ mit M06«;
and die von Nöidtegen mit 200 Pf. Heller, das Pfand von SHs-
teoh tmd dm HUIte dar Judenatnner an Winbarg für 1^00 PfL
Oelkr (676^79), die TerpfHndong anderer G««er am aOO Pf., end-
lich 5560 PL TOD der Löaong dee Gefangenen, Dietrich PWiehder^
fers (597) und 1600 Pf. auf Windaheim; SmHDen die immerhin a6
{»traehlliah wann, dam nach Abang der vom BarggmÜBO inawlechen
fmnnthtan Beaöge der König 6. September IBM noch 19600 PI.
Arn aehnldig blieb, woaa wettere 1000 Pf. kommen aeilten, wemi
dv Bmggimf daa Sehuitheiisenamt von Nfimberg le^g gibe. AH
Mmd kikben ihm Windheim tmd Weiwenbarg (601) nnd «dia WM^
lekiMe der dharläiaten warden m diesen Abtretung« v^mpro^ben
(60«>
Die Bestätignng idi* dieser BegnadigangM und Erwerbnngea
dmcfa gnidene Ballen des Kaisers (6M«-^39. 641^^46), die beson-
dere Bestätigung sämmtlicher Reiehapftuidsdmften (664) and «hateU
nir Ijafaen (669—66), waren lohnende Anerkennang für den R6-
marsng, welchen der Burggraf, jetet des Kaisers Q^heSmmtli, aoft
demselban geaaaeit liatte*
Dass diese betrachtliehe Beloknimg treoer Dienste, aomat da
sie aMist aar in baarem Geide erth^H wnrde, nnr dann einen blei-
benden Kataen f6r das borggraflidie Hans haben konnte, wenn Me
sogleich aar Erwerbung von Grundbeslta, oder der BefMEgnng usfd
fiisheraiig des siihon eiiiaitenen rerwendeC wmde, ist klar.
Es geben aber noch eben so klar die vorKegendOb ürkandMf
den Seblüsae) aar Erkttmng der gesebichtliehen Erseh^immg, äuä
von den Dynnateii Deatschlands neben Wirtemb^rg behiahe iia¥
allehi die Bmrggrafen von NUrnbeig aus den beiHesen KSmpita doa
XIV. Jahrhunderts nnverletat, ja gestärkt imd gemehrt hetvorgtng«n>
wahrend die ttbrigen, welobe bei gleicher politiseher Haittmg ihre
Bienstgelder in Saus und Braus aufgehen Itessen oder in PrfvWh
fehden aersplitterten, mrfir und mehr verarmten nnd die Beate ihrer
Kaalibam wurden.
So übemieunt der Burggraf f6r Whvborg am 500 Pf. die Burg^
knt von Sehwamberg (577—78), erkauft €Krfindlach u. A. von Matg.
von Briumeck (608), 16set venrotaie B^iehnmtertfMmen von Offen-
haosen an sich (611), erkauft um 1150 Pf. Oüter vom Stifte aa
AM V. fitUlfrio^llinkert HmMMiM Mlenu.
f^ushtirMg (&17\ «ndlieh um SdOOO PL die Barg Dombetg imi
Stodt Onolsbaeh (671). Dabei bleibt ihm immer noeh die Gesfige
fibvig, 1500 Mark Silbers seiner Tochter Margaretba bei der Ehe-
beredong mit Adolph voo Nassau aar Ehesteuer sa bestimmen
(666) und mit seiner Gemahlin dem Kloster Heilsbronn 1000 Pf.
aa ihrem Seelgerette aa stiften.
Gana aasgezeichnet aber und beaeichneod iät den politischen
n»d öconomisdien Scharfblick des Bnrggralen ist die VeileihaBg
•YOii Stadtreehten, welche er seinen Orten ertheüte. So an Kirchen*
iauniU Wuosiedler Sudtrecht (582), Eger'sches Stadtreeht an Wnn-
iMM selbst (609). Die Befestigung und Ertheilung von Markt*
raehlten durch den Kaiser hfingt auf das Innigste mit dieser Poütik
siisammen. So der Wiederaufbau von Stauf (647), die Ertheiinng
▼on Befestigungi Blutbann, MSrkten und Nürnberger Stadtrecbt aa
Gitindiacb (648), Kaiendorf (649), Marktbergei (650), Müssen (651),
SosestaU (652), Wonsees (653), Wonsiedei (654).
Dieses war die Politik, durch welche aweihundert Jahre frOher
die Zftringer gross geworden waren und den Grund au einem Beieii-
ttuime an Geld und Kriegsmacht gelegt hatten, der erst dann sich
aerspliuerte, als theils die angreifende Ebnd der Hohenstaufen diese
jungen Blüthen für sich abbrachen, theUs die ZSringischmi Erben
«attot nur das Flittergold von Bergresten und Lehensieuten behiel-
ten, die Ptt'len der aufblühenden Städte aber, wie Bern, die beiden
Fceiborg, VUliagen n. A. fast unachtsam wegwarfen. —
Doch eine weitere Ausführung dieser Verbilttiisee imd Ihrer
Folgen liegt ausser unserer Aufgabe.
. Diese war nur anaudeuten, wie beredete Zeugen von den all-
feipeinen Zeitverhfiltnissen sowol, als von der Kräftigung der dy-
nastischen Interessen des Jetzt königlichen Greschlechtes aneh ikr
Torliegende Band der Monumenta Zollerana darbiete.
Was die Bearbeitung und Ausstattung betriflft, so wurde in
derselben Weise fortgefahren, wie im ersten Bande begonnen nnd
an demselben au rühmen war.
Die diplomatischen Quellen wurden in einem kritisch geUoter-
ten Texte wieder gegeben; die Schärfe des Dmdies, die Zierlich-
keit der Lettern, der Grad der Schwärze ist dem Auge eben so
wohlthuend, als mit der Reichhaltigkeit des freien Baumes, der Fein-
heit, Helligkeit und dem Glänze des Papiers verbunden, dn Zeng-
niss, dass wir ein königliches Werk vor uns haben.
Die in den Urkunden selbst erscheinenden geographischen und
statistischen Vorkommnisse haben theils in den Ueberschriften, theilB
in Anmerkungen unter den Urkunden ihre Erledigung gefunden.
Ein Begister der Sachen, Personen und Ortsnamen wird slclier-
lich zum Abschlüsse des Werkes beigegeben werden und so hat
denn auch der vorliegende S. Band Alles in sich, was an den
grossen Urkundenwerken des vorigen Jahrhunderts wünschenswerth
Vir« Er ha/t Am andi «ädere Venfige, weMie jenen onbefamnt
geMJshen waien.
Wir reduen biesa Tonril^ieh die Abblldann^ der Siegel, welche
M aller Sebönbeil der Anafllhrun)^ von einer diplomatiecben Treue
ikid, die ebanaowol bei dem ersten Anblicke, als bei genauerer Be*
tcMbtoog in Eretannen setsen mues.
Wir schlieisett untere Anieige mit dem Danl^e, weldten die
Winenecbaft den Heraoegebem Mr ihre Anedaner nnd deren echOne
EiMge in reteimn Maaeee edraldet und hoffen, dam ona recht bald
(Be Preode werde, etnen weitem Band ihree Werkes lu begrüssen.
Die KMglielie Mnniflceni aber, welche dasselbe hervorgerofen, wird
Blsitt nnr an nnd fBr sieh, sendem anch doreh das mit Erfolg An-
dern gegebene Beispiel Ansprach daraof machen können, dass die
Geschichte der gnnaen Nation Akt davon nehme.
The «fß of PetroniuB Arbiter, By Charles Beck, [From fhe
Mem&ir$ of ihe American Academy of Arts and Sciences, New
Series, VoL VIJ Cambridge: Metcälf and Compagnyt Prin-
ters to ihe University. 1856. 158 8, in gr. 4.
Eme emenerte Dntersachang Ober den Verfasser des Satiricon
war schon durch den Widerstrelt der Ansichten, welche in neuester
Zelt Aber die Abfassung dieses Werkes geltend gemacht worden
sind, inabeeondere tber die Zelt, in welche dieselbe, so wie dann
aaeh der Verfssser selbst su verlegen ist, winschenswerth nnd ge-
boten; dass diese Untersuchung aus der neuen Welt au uns gelan-
gen werde, war kaum su erwarten: noch weniger aber au erwar-
tstt, dass dieselbe in einer so umfassenden Welse uns vorgelegt
weide, welche die genaueste Bekanntschaft mit dem (Gegenstände
selbst, so wie mit der gesummten EuropSIschen Literatur darüber
erkennen USsst, fiberdem durch eine klare, die Ergebnisse fest prX-
cisirende Darstellung sich ansaeichnet, der man bei dem ruhigen
und besonnenen Gange der Forschung allwegs gerne an folgen be-
reit ist.
Da die Schrift selbst, einem grösseren Oansen akademischer
AbhaDdlungen gemischten Inhalts entnommen, unter uns weniger
verbreitet sein dürfte, so mag es wohl erlaubt sein, den Inhalt der-
selben, so wie die Resultate der darin geführten Forschung in der
Kllrae unseren Lesern vorsulegen. Mögen sie su einer weiteren
Behandlung des Gkgenstandes anregen, der noch nicht nach allen
SeÜen hin als völlig erledigt und abgeschlossen ansusehen Ist.
Der eiste, einleitende Abschnitt, überschrieben: „Contents and
Valae ol the Satyrieon of Petronlus'', verbreitet sich über den Cha-
rakter und Werth, den das Satiricon eben so wohl in sprachlicher,
s^UsHseher Hinricht, wie in Beang auf andere, seinen Inhalt be-
Mt AMkfti / IM. ifl»»!»^ Pt«iwifa«r AMm
U/^Miß PaakU awupfecbeD hat, (kir4b wekihe daveihi «b
der wichtigsten Denkmale der römischen Literatur n
i«tt;. dass der Verfasser ein Mann Foa Talent wtar, ersehein* nn^estreit*
h^, die SrsSblong ist einfach und klar, 4m Interesse des Lessie
aii9fgeo4f die Besehreibung der Sitten, beeendest der mlttLaMD
dessen der römischen Gesellschaft, ist für dea Alterthomnfoffeshsr
noacIvKtihar und USsst ihn den Werth de» Gawsen nieht heob ge-
nog: stellen; dabei aeigt sieh eiae yerattgliohe Gbarakteriaftik dir
bi^r auftretenden Personen, voU Leben und Bewegnng. So der
yei;f» S. a, dessen Ansieht nidhb keicht eineos begründeten fiinsprudi
qptgegenaehen dMtßt er hat daran noeb weiter gekmipfl eine H»-
samnoMteDung des verschiedenilieh über dienen Punkt anegeqprotle*
neu Ansichten neneiser Gelehrten^ und geht dann über & 7 an den,
was er als „ExtemaL bistoiy of the Satyrieen*^ beaeicbBst.
Bek^iiVtliAh ist ans nur noch ein verhältnissmSssig geringer
Theil des ganzen Werkes erhalten, nach unserm Verfasser kaum der
sehnte Theil — und dieser Verlust auch durch die 1662 zu Traan
gemachte. Entdeckung eines weitesen Brachstückes (der Goenai T^
malchionis) nicht gehoben worden ;. da Johannes von Salisbojry Stel-
len aus dem Satiricon anführt, die in dem uns erlnütenen TheU nicht
Torkommen, so möchte der Veifasser den Verlust dea Ganaea iwi-
sehen das zwölfte und fünfsehnte Jahrhundert setzen: einer nftbem
Uotecsodmne der Handschriften der noeb yorbandenen Tfaeile^ ins-
besondere deiyenigen Handschriften, nadi vmlcben die Editio prin*
ceiw,. so wie die Antwerpner ¥on 1566, die Lekbier von 15i75 mt
djie Pacter von. 1577 , angeWieb dnah Pithöns venneteltet wen-
den slAd, dürftA vor AUom nothwendtg sein, wen» wir über dies»
PwjUe anfs Reine kommen wollen» Die Editio prineeps Mit. eher
nieb(, wie. hier angenommen wird, in das Jaha 1476 ^ sondei» um.
daa Jabj: lia2, wo der noch, sehr mangelhafte Tex* des BnUrieon
des Ausgabe» der Panegyrici ¥0a Fvanz Pnteolanua beigefügt, n»
ersten Mal im Druck ereeUenen ist. Der Umstand, dass Erneute
Exemplar dia JabresiEahl MCCCOLXXVI spiUer hinzngednickt bietet,
mag wohl den Irrthum veranlasst haben (s. Schweigen HaDdbneb
d. dasa. Bibliographie II, %. pag. 720 und 13II> An der Aech**
heit des erwähnten Trauner Fragments, das bald nach seinenr Br-
sdieinen so «ielfaobe Streiligk^ten hervorgerufen, werftber ans hier
eine auslüb^Uche Darlegw« milgetheilt wird, hegt des Veiteser
seibat keinep Zweiiel: wir könnea ihm dwin nur beiitinmeny mri
helten dieee ganze' Streitfrage übeiibaupt für erledigt.
Nach dieeen mehr einleitenden Bemerknngea- wendet' doh um
der Verjas9er zur. Beantwortung der Hanytlrage, derem Lfiesqg dv
übrige TheU seiner Schrift gewidmet ist, zu der Fsag^ nneh dv
Zelt des, Petrepius. mid der Abfassung seines Werkes. «^Wbefr did
PetPoniw live avd wrilte?^ so lautet die Frage, derea BeantwsrMg
mit der AAfiihfung der faslEMinten Steile- dea Tacitos AnnaU. Xfl»
17.£ t^oi^nii^ i9MK)fom man im denv hier gasckildecten Peneriü
W&At UM «t6 #f refmfM Ariiltefj Sft
ivdb deft Veithmat des SatMeon^s gvAind^o eu haMn glaubte, (mA
hünacft aiicli desien LebeturseVt (unter Nero, bis zum Jahre 67 pj
Ov. dem Todesjahr) «bpeeCitnmte. I« der Besiehong' dieser Stdie
des TaoMas aaf den Verftifner des Satiriton't treten aber mannicfa-
faehe Sdiwierigkeiten und Bedenken hervor, dre wir nidit fa Ab-
rede stellen wetten, auch w^nn wir nfeht mit Wrflaner (In deir
Jahrbb. für PbHol. ond PSda^rog. Buppl. Bd. X. S. 197 ff.)' so weit
geben mOcbten, an bebaa|)ten, dass von Allem dem, was über Petronins'
Tkdtna eralblt, auch nicht dae Gierhvgste für denselben, ab Verfasser
der SatiHco» spreebe, fiberhaopt Nicht» anf d^n leti:tem passe. Unsei*
Ve»faa»er ist im Gänsen- derselben AnmeAt, hictom er eine Bestebung
der Stiele des Tadtns und des darin geschtiderten Petronins auf den
VerfaiMr des SaCMeon, entschieden in Abreder stellt; er führt dann
w^ter die yerBcbfedent^lr In der neneren nnd" neuesten Zeit aber
das Lebensalter des Petronins und die AbfassongasBerH des Sattricov
saag«spmchenen Ansichten (S. 25 ff.) bis auf Bemhanty herab an,
desDcn Ansieht, wie sie in der aweiten und jetet auch in der dilt^
ten Bearbeitung^ seines Grundrisses der Hiniischen Literatur 8. 5B^
▼SfHe^t, allerdings, wie die Sache jetzt steht, massgebend sein-
dMte, In so fem, auch bei aller üngewissbefV über die Person des'
YerfaaseM, doch die Abfassung des Satiricon in dem enrten Jafat^
hindert der Kalaeneit sicher stehen dürfte; aber der Terfesser bleibt
M dem negativen, ans der Stelle des Tacftus gewonnenen Ergeb-
oiui nrfebt stehen, sondern sucht dann auch ein positives Resultat
IQ gewinnen, Indem er au diesem Zwecke in ehie^ aweifache Er5r-
tem^ sieb einifisst, welche an dem gleichen Ziele fübrtl Die erstto,
geBdilclitlleb--antiigfnariecher Art, oder wie «r es nennt , „fa ts t o r i c a 1-
evideace^ (8. 49—108) führt au dem Resultat, dass die Abfas*
sMig des Satiricon zwischen die Jahre 6 — 84 nach Chr. falle, bSbo
faiaetfialb dea Zeitraum's^ den die acht loteten Regferungsjiihre des
Aufostua und die ersten ein und awanaig Jahre der Regfernng des*
Tiberf 09 befassen : ja es möchte unser Verfasser sieb, wenn er einem
natflrMien Gefttbl des Ehidrucks M^e, den Inhalt und* Fassung des'
Saürfeen auf Ihn gemacht, noch lieber fthr die Zeft des Angoetus,
wie Mr die Zeit des Tiberius entscheiden. Diesem Ergebniss widet^
sprfchC nun aJI>erdings nicht die Aber die Sprache dbs Satirfton , im
Gängen wie isii Einaelnen eingeleitete Untisnuchung', welche von-
8; 104 an bla an dem SehiHsse des Ganzen als ^lingulstic evi-
d^nef^ji fortgeführt ist. Allerdings wird, eben bei dem Schwan-
kia nnd d^r Ungewisshefit über die Person des Verfassers, auf den
q^raichlieben Beweis, als den somit allein möglichen, ein weseirtii-
diea Gewfdft au legen sein; aber auch hfer treten uns Scbwi^ig^
MSsa gaaa elgentbfitenchey Art entgcfgen, die itt der FRftur des
hiiPlertassdifea WeriM selbst txt etnem grossen Theil« ibten- Gnmd
haben« Daa Satirieoa steht als' ein in seiner Art eibzig^s
Werk in disf gtseamsitea, uns noch* erhaltenen römischen Literatur
daif wir habsK Mm AnhBlCspunkte der Vergfelchunr br Werken
»0 BmAls The «§• of Pelr^Miiiii Arytor^
timUcber Art, wie denn die Metamorphosen des Appukiiw le vMHf
▼erscbieden sind, daw sie hier gar nicht in Betraeht konunen köo*
nen; and daza kommt die Verschiedenheit und Mannigfaitigkeit des
Inhalts selbst und der in dem Satiricon auftretenden Personen, welche
natürUch auch ihren Einfluss auf die Sprache äussert, die diesen
Personen in den Mund gelegt und durch die diarakterseiehnaBig,
die wir hier in vorsuglicher Weise durchgeführt finden, bestlaMnt
ist Der Verfasser hat diese Schwierigkeiten keineswegs verkannt:
sie sind ihm vielmehr bei seinem Bemühen, die ganxe schwierige
Frage auf diesem Wege cur Entscheidung au bringen, in ilirem ganien
Umfang vor die Seele getreten ; er hat auch darum diesem Geg^istaade
eine besondere Aufmerksamkeit angewendet, und, ahgesdhaa von
dem näclisten Zweclc, dem die ganse Untersuchung dienen soU,
durch die gani in das Einselne gehende Erörterung der Sprache des
Satiricon mit allen formalen und stylistischen EigenthümUchkeiteB,
einen äusserst schfttxbaren Beitrag für einen bisher von diesem Stand»
punkte aus noch wenig, beachteten Gegenstand geliefen. Was aber
das ans dieser gansen sprachlichen Erörterung gewonnene Endei^
gebniss betrifft, so ist und konnte dasselbe auch kaum anders, als
mehr negativ denn positiv ausfallen; es ist von der Art, dsss
es dem auf historischem Wege gewonnenen Resultat nicht wider-
spricht, wohl aber dasu dienen kann, dasselbe mehrfach zu bekril-
tigen, in so fern man im Allgemeinen die Zeit des ersten Jahr-
hunderts nach Chr., sonächst dessen erste Hälfte, als diejenige Periode
nun SU betrachten hat, welcher das Satiricon nach seiner Sprache,
nach Styl und Ausdruck angehören dürfte. Um su diesem Ziele su
gelangen, gibt der Verfasser auerst (S. 106 ff.) eine Zusammenstelr
lung von einseinen auffiallenden grammatischen Formen, oder viel*
mehr Irregularitäten, welche in der Sprache der niedern Personen
des Satiricon vorkommen, wie s. B. coelns für coelum, ma*
lus fatus für malum fatum u. dgl. m., (gerade wie s. B. auf
pompejanischen Inschriften und selbst bei Quadrigarius intus für
lutum vorkommt); mag auch Einzelnes darunter als Soiöcismus and
Vulgarismus, wie sich der Verfasser ausdrückt, erscheinen, Einaebief
aber auch selbst absichtlich von dem Verfasser des Satiricon ange*
wendet worden sein; die Mehrzahl dieser Abweichungen von der
gewöhnlichen Schriftsprache, wie sie aus den noch vorhandenes
Sprachdenkmalen bekannt ist, wird sich bei näherer Untersuchung sls
Archaismen herausstellen, die in früherer Zeit im Gebrauch, dann in
der Periode, in welcher die Sprache zu ihrer völligen Ausbildong
gelangte, ausser Gebrauch gesetzt wurden, aber darum einselweiss
bei Dichtem und sonst noch sich erhielten, ja in manchen FäUeo,
wie es scheint, schon in dem Zeitalter des Augustns und noch mehr
in der darauf folgenden Periode wieder hervorgesogen and absieht-
lieh angewendet wurden; es fehlt daher nicht an Belegen aus so-
dem uns noch erhaltenen Resten der römischen Literatur für solche
in dem Satiricon vorkommenden Formen und Ansdrücke; der Ve^
Btckc n$ 9^ nf fHtmhu Aiifttar. SSt
hai mk «Uer SorgttM sieb bemabt, «ese B«l6f« beisobriagMi ;
ind aachdem er «af diese Weise Alles das Ein^enthaailiebe, was
die Sprache dar aiederen Personen, die in dem Satlricon yorkom*
»sai bietet, BUMmmengesteHt und untersncbt hat, ohne darin einen
Widersprach mit der von ihm aofgesiellten Ansicht gü finden, wäh-
rend Tielraehr manche Belege im Einzelnen daraas genommen wer-
dsn, geht er aa der Sprache fiber, welche Encolpias nnd die ihm
gleich stebendenf gebildeten Personen, die im Satirioon voriiommeBt
ßihren (3. 134 — 151). Er aelgt an einer nahmbaften, hier gesam'*-
■eben Aniahl tob Ansdrflcken, Wendnngen nnd Phrasen, dass diese
M aeoslich darcb die Autorität der besten and anerkannt elassiseheii
ScbriftateUer sicher gestellt sind, mithin auch von dieser Seite dem
froher gewoonenen Resoltate keinen Eintrag thnn können, er ver-
bindet damit noch die Besprechong einer Anzahl von grammatisdiep
ßgenthfimllchkeiten (S. 151—157), die aber aach sa keinem an*
d«rn Endergebniss führen. Bei jedem Schriftstelleff werden gewisse
Eigentbflmlichkeiten des Aasdrocks und der Sprache vorkommen,
die andern Schriftstellern fremd bleiben, und eben so weaig wird
daraus, dass wir su einem nur bei Einem Schriftsteller vorkommen-
den Aosdrock keine Belege bei Andern finden, gegen diesen Ans--
dreck sofort eine Einsprache erhoben werden dürfen, die bei den
verhlltnissmässlg schwachen Besten, welche wir von der römi*
sehen Literatur im VerbfiJtniss lu ihrer Aosdehnnng besitien, im-
BMrhin sehr bedenidich erscheinen dOrfte.
Wir beschränken ans aaf diese Mittheilangen , ohne weiter in
das Einaelne dieser sprachlichen Erörterungen und Beweise efaisa«-
gshen, die» wie man auch über die Abfassung des Satiricon, dessen
Cbaiakter nnd Verfasser denken mag, diesem merkwürdigen Best
der rtadschen Literatur immerhin seine Stelle in der ernten Hälfte
des essten Jahrhunderts unserer Zettreehnnng anweisen, und uns
keinesfalls diese Lhile übersehreiten lassen, weder vorwärts noch
rückwärts. Von einer Abfassung dides Werkes unter den Antoni«
nen oder unter Alexander Severus oder gar noch später, wird In
ksiaam Falle mehr die Rede sein können; diess nachgewiesen au
haben, ist ebenfalls eines der Verdienste, welches sich der gelehrte
Verfasser dieser Schrift durch seine gründliche Erörterung erworben
hat, die wenigstens die ganse Frage so weit geführt hat, als sie
ans den uns noch sugänglicben Quellen des römischen Alterthums
und ohne neue Funde, überhaupt mit Sicherheit wird geführt wer*
den können*
CommmUniorum Seminarii pKQologiei OUsensis Speevmm primum
edidiU Friderietts Osannun^ Seminarii director, tifCsioe.
MDCCCLVL ti^ B. D. Br&hU l. typogr. Acad. W 8. epe^
eimm secundum ibid, 15 8. Speeimm tertiunu iMi
MDÜCCLVIL 20 8i in 4.
Mm wird das Bniehelnen dieser MlttheHangen nur mit Vmt^
d«D begrttssen köaneiif nieht Mosse Versuche, ron eelehen anite-
Bt/BÜkr die erst noch in die Alterthumewiesensdlaft und deren Be-
bMNkfig eiasrefübrt werden solienv also keine unreifen Prüofate eiiM
eoMt aaerkemieiiswerthen Strebene sind es, die üib hier ifebetetf
werden, sondern eine Anvwaiil Dessen, was innerhalb der Üebnnfs»
de» philologlsehen Seminäriume auter der Leieong des Meieiwrs ver^
bandeüt^ f^m ihnr selbst mit aller Sovgffalt überarbeitet, afieh> lOr wei-
tete Kreise ansprechend und anaiehead sein dürfte. „Hormaf eom-
meDtarloraai', schreibt Derselbe, tametsi ea ratio esse debeat, et
nMDBtnHi et priaeifiali» laboris pars mea s(t omniaqae, qaae alieoe
dourtni «on adscribaiPtttr , mea pntanda sint: tatnen qnldcenque üi
iis exhibebituf , puta xa scholAs ipsis traeeatnm secondisque eni<i>r
pesthae recractatom esse ita, nt qaod eoram sodalibns saepe inchoaif
magis quam absoiri licnerat, nunc eatenus prodeat perfectnin, qua*
teMU per me fteri potait*^ Und gerade darin liegt der Weith dieaer
Mlltheünngev, die sich nach yerschiedenen Richtiingen und Seitev
erstrecken und dem gelehrten Forseher des Alterthums nicht mindisr
werthvoU' w^den, als sie ein freundliches Andenken für die einzel-
nen^ €Hietfer sifld, die an diesen Uebongen Tbeil genomme» tabea^
ananl' wenn^ wie wfr es geine wttnsdien, den» hier aos^esprocheiMfla
Plate gemKss, an» Schlüsse eines jeden Semestera ein seichea Heft
amgebeD kann, welches mit den kritisehen Ergebnissen* bekaiMfl-
mmoht, an welchen die wibrend d^s Semesteni veninetaHeten Uebon^
gm geführt iNifoen. Wir wollen, aom Beleg dei' Gesagten, aiaf Bitof'
ges:, was in den hier ^erliegenden drei Heften Torkommt, ntter
aofioerksam machem
ht den Specimea primum wird der VirgilieAe Vera Aea.
VI, 242 (ande leeum Oraji dixerunt nomine Aoivotf) gegen die iesbe*
sondere Ton Wagner behauptete UnfichAheit desselben ic Schutä ge^
DommeB, namendfch auch ans palttographischen Grifodea, und bsi
dieser Gelegeiriieit auch sAif der Schreibart Vergilfus für Yfrglliw
bestanden, die man «war neuerdfnge wiedler hi Sciuta au niAmoea
gesucht hat, während das St Galler Palimpsest, welche« deeb d»
der älteste Rest der handschriftlichen Deberliefernng Yirglls ange^
aehen werden muss, die Schreibart Vergilius bestätigt Eine kriti-
sche Behandlung des neun und dreissigsten Gedichtes von Gatnl-
lus, beziehungsweise ein Versuch, den Text desselben wieder her-
zustellen, und damit also eine neue Recension des Textes selbst za
liefern, schliesst sich an und füllt das erste Spedmen. In dem Spe-
cimen secundnm finden wir noch eine andere MIttheiiung (IV. De
Ottmni CmimhImM mhI«. pUMif . Mt
Gikilil po«Ue immdIm) deiMelbe» Dtehtor fewidoie^ mid' tmat
Y«n»nMD dMselbeiiy der swiscban Gaji» und Quintiii fldiwankl;
wann di« EntMkeidoiiff für d«n «rttoreo VonMunen ansiaUt, md da**
b« auf die Zeagaiiae dea Appuleju» (De Mag. 10) wie des Hiero-'
aymas (ia der Chronik) sich stttUsty so wird dagegea sebwerlidi'
da begründeter Eiawand sieh erbeten latfen, eben so wenig wiq
gegen die bei dieser Gelegnnheii aasgesprochene, an einem andta»
Orte weiter su begriindeade Yemiuthaag, ipelehe bereits in Anininai
PoUio einen Erklärer der Gediciite dea GaUUlns erkennt; Bnapt hat
ia dem Index Leett Berolian. irwaa Sommer lft65 eeebenfalis glanbr*.
fish an maeben gesoehi, wie Asinius PoUio sich mit Gataüns be»**
aMftigl and an ihm wie an einem SaUastias, LiTias und aadetm
dnaelne Aasdrüeke getadelt, und dadareh vietteicbt aül beigetnigeDy^
da» ai^ar in dem Zeitalter des Angnstaa die Oediohte dea GatoUn»
weniger Leser fanden, eis andere Dichinngen der früheren Zeit £e>
fiadel aich überfaanpt hi dem Leben, des Gntellos noch ae MancheS|.
was einer weüerea AafklSrang ond selbst Beriehtigung bedarf,
Issa eine neue Untersachong seiner Lebensverhältnisse, wie der dar«*
ndt aaaammeahängenden dichterisehen ThätigkeM sehr wfinsebens^
westb sein dttrfte^ doi sie gew4se auf manebe Stellen seiner Dkfa*
tangen ein neues Lieht werfen, und manohe SteUea in ihrem räch««
ten Lichte zeigen nnd ihren richtigen Sinn uns ei^ennett lassem
würde. Selbst das, was die hnndsehrtftliebe Ueberiielerung befriffik,
llsst noch manche AufsefaUisse waasebea , namentüeh in Bemg «af
die; dem vieizehnten Jahrhundest vorausgehende dunUe Periodei
etwa bis an das sehnte Jahrhondert sorüek, aus welcheai Spurenr
einer Kenntniss der Gedichte des GatuUus, also auch ihres Vorhang
dsnseina uns noeb entgegentieten^ Jb dem dritten Spechnen findet,
sieh au GatuU noch< ein wekever kif tiseher Beksag, welcher das Gb^'
dicht LXI, 46 ff. betrifft; es knüpfen sich daran weitere Btoierkunge».
Den gröseeren Thetl des Speeimen aeeundnm föUefi kri«*
tische BemerkoagcB an einer Anaahl von Stellen aus dem ersten;
Boche des. Herodotns, mit besonderer Rücksicht auf Interpolationen,
wie sie bei diesem Schriftsteller allerdings vorkommen, «nd awM
eben so wohl absiohtslos, von gelehrten wie aogelehrten Händen
veianstnket, wie absichtliche; die letztern werden aUerdings auf eine
fräbere Zeit aurüokgeben, da sie mit dea Bestrebungen der Granun»«
tiker, die nnt Herodot und dessen Sprache sich beschäftigten, diese aaeh
dialektisch behandelten, aasamaaeobängen» Es werden nun hier an-
diesen beiden Arten der Interpolation Beiträge aue eimEelnen Steilen-
dea ersten Buchea geliefert, und wenden wiBt^iese um so höher an^
zaaehlat^ haheuj ale sie innerfaaiht der sicheren Sdwinken sieh hal-
ten, weldie durch die Art and W^se der urkt^adlichen, handschiiftH
liebeu' Uebeslieferangiaeihst gesetat sind, und von da ihren AusgangBf '
ponkt nehmen, ohne irgend wie einem Verfahren Raum ni gebe%
das ähesallt wo irgend ein Weriy irgend dne Phrase, des näheren
EiUäffsag odea Enöcteaung: «efeni. aam. bMensn Vstaiändni<!. von.
594 Ombu; CoMindnttrtt feaitt. pMlokif.
dem Schriftrteller hlnzagttUgt worden Ist, ohne streng genonm«
notbwendig su sein, so fort eine Interpolation, ein Einschiebsd freoh
der Hand wittert, was 8u beseitigen wäre; wobei denn frelRdi der
Charakter des Schriftstellers, der nicht in der gedrungenen wortksN
gen Weise, wie ein Thucydides, schreibt, sondern sich eher in ein«
gewissen Breite gefSIlt, die seinem ganaen Wesen so wohl ansteht,
▼erkannt wird. Diese Richtung, die sich in einigen sonst beadi'
tanswerthen kritischen BeitrSgen bollSndfscher Philologen, welche
die Zeitschrift Mnemosyne gebracht hat, kund gibt, tritt fast noch
mehr In einsehien Versuchen deutscher Kritiker herrori die ohne
nUiere Bekanntschaft mit dem Schriftsteller selbst und dessen gas*
aar Darstellnngs- und Ausdrucksweise gemacht sind und dabei ^es
Ormid und Boden, den die handschriftliche Ueberlieferong bietet,
gaoa verlassen haben, darum auch auf die Bessergestaltnng des rer^
dorbenen Textes keinen Einflnss da üben können, wo noch Besoo-
nenhelt genug yorhanden ist, um nicht ron jeder Wlllkfihr subjee-
tiver Anschauungen sich bestimmen und fortreissen an lassen. la-
dem whr yon allen solchen Versuchen fOglich abseben, wenden
wir uns lieber au den hier gegebenen BeitrSgen , In denen wir die
OrundsStae einer gesunden Kritik nirgends yermfssen, die yor AUem
die handschriftliche Autorität berücksichtigt wissen will und yon dieser
ihren Ausgangspunkt nimmt. Freilich treten uns auch hier wieder
bei HerodotUB Schwierigkeiten eigenthilmlicher Art entgegen ; die hand-
schriftliche Ueberlieferung ist im Oansen schwach au nennen, aoch
gar nicht yollstflndig bekannt, einzelne Handschriften, wie z. B. die
medieeische, sind noch nicht mit der Oenanigkeit untersucht und Te^
glichen, die yor Allem yon der Kritik yerlangt wird, um Ober die
Stellung und den Werth einer Handschrill, im VerhSItnIsa lu an-
dern Handschriften, ein sicheres Urtheil abaugeben; und ^rde da*
her der yerehrte Heransgeber dieser Gommentarii, welcher selbst
'einer (sonst nicht bekannten) Handschrift des Herodotus gedenkt,
die er In Rom eingesehen, durch eine nfihere Mittheilung €ber diese
Handschrift sich ein grosses Verdienst erwerben, aumal da dieselbe
yon ihm bezeichnet wird, als ;,cognltorum nuUi neque aetate neqne
praestantia cedens.^ Daraus erhellt aber auch, wie schwierig, ja bei
dem jetzigen Stand der Sache, fast rein unmöglich es erschefaien
muss, die Handschriften des Herodotus nach bestimmten Oassen sn
ordnen, und hiernach dann auch ihren Werth und Ihren Einflnss auf
die Gestaltung des Textes selbst zu bestimmen. Wer freilich diese
Schwierigkeiten gar nicht kennt, wie diess z. B. bei dem jungen
Manne der Fall au selp^- scheint, der unlingst Im Philologus (X
p. 711) mit einem solclien Versuche über die Glaaaificlmng der
Handschriften des Herodotus aufgetreten Ist, der mag sich die Sache
nach Belieben einrichten und zuschneiden ; gewonnen al>er ist damit
gar Nichts.
Gehen wir nun in das Einzelne der hier gelieferten Beitriige In der
zwieiadieny oben bezeichneten Richtung näher ein, so hnt der Sdisrf-
äu det VerCuiert einige eolcher laterpolatiooeo recht ÜberaengeiMl
in das Lieht gestellt, wie e. B. Herod. I, IS das Wort Ikiivmtfiß
k deo pareDthetisch eiogeechobenen Worten: Iktivitt^s yof ovtog
xtd 0 tav xoIb^lov ^ öwmiHiSj wo mit dem Verfesser so leeen
annog yag mit Auswerfung von JSailvarrfig^ eben so I. 2S in den
Worten : Ktna ^ %av nffog Milrfiiovg t$ xaL 0QMvfiovJiow m6^
h^iov ^Akvaxt'Q äds i6%Bj wird mit Recht an dem in dieser Ver*
bindong wohl liaum sonst Yorlcommenden Dativ Anstosi genommen,
mmal da ovro ia%B auch an awei andern Stellen (I| 70. 91) in
ihnlicber Weise ohne einen solchen hinangesetiten Dativ vorkooMH.
Da niia in dem Codex S (Sancrofti) *Akvm7^ sich findet, so wiird
daraus auf ein am Rand ursprünglich bemerktes Glossem geschlos-
fSB, das dann in den Text kam und hier in den Dativ vertatet ward.
Von besonderem Belang erscheint die über l, 7 geführte Un-
tsisuehung, in so fem hier ein Beispiel einer mehr gelehrten,
aber absichtlich gemachten Interpolation vorliegen soll, mit welker
die Absicht verbunden gewesen, den Assyrischen Ursprung der Ly-
discben Köuigsdyaastie durch Einmischung einiger Namen in die
Genealogie derselben, au beglaubigen. An einem positiven Grunde
la einer solchen Annahme fehlt es in so fem nicht, als die Worte,
die hier als das Ergebniss einer solchen gelehrten Interpolation be*
trachtet und demnach ausgeworfen werden sollen: 6 Nivav %ov
JB^Xav rov ^Alxaiov in einer Reihe von Blandschriften, freilich ge«
riaigeren Werthes, fehlen, in dem oben erwiihnten Codex SsyneroOi
am Bande gesdirieben stehen, aber in den besseren Handschriften
(der Florentiner, Mediceer) im Texte selbst sich finden; woraus aber
encb vermuthet werden kann, dass die bemerkten Worte in dem
CJodex S. darum am Rande beigeschrieben wurden, weil sie im Texte
rermisst wurden, wie die Vergleichnng mit bessern Handschriften
iehrte, welche diese Worte enthalten, auch überdem die Sorgfalt
Ukd Genauigkeit au berücksichtigen ist, mit welcher Herodot
weh sonst bei Angaben ähnlicher Art an verfahren pflegt: so dass
wir noch allerdings einiges Bedenken gegen eine mit Abrichte
wie hier angenonounen wird, gemachte Interpolation hegen. Aber
m bieten sich in dieser Stelle auch noch andere kritische BchwSe»
igkeiten dar, welche ebenfalls in den Kreis der Untersuchung geio-
p0D sind; man wird dem Verfssser beistimmen können, wenn er in
ien Worten xoifa zovtov ^HQOKXadai inix^ip^ivtsg i6%ov ttpf
Iffxn^ *^ ^^^ Codex S. und der von ihm eingesehenen römischen
£uidsehr]ft das In den übrigen Handschriften fehlende ii nach noQa
:avT€9v eingeschaltet wissen will, obwolil nach des Ret Ermessen
«ne absolute Möthigong dasu nidit vorliegt, auch dieses dd selbst
J» ein absichtlich eingeschobenes Glossen angesehen werden könnte:
ajui wird weiter auch in den folgenden Worten OQ^ccvtag f»hf ini
fvo t€ xcd sbcoöi ysvsas avÖQäv^ hsa jUvtb %b Tud xbvtomo»
r£gtj Male mofa wxzfos ixdBxoiupog t^ ^^9XV^ ». r. A. das nacb
l^ifionse dngefügte ^dv nliAt recht pass^ flndeui und danua
ttS OyMM: OottmeDtarir Mintti. pbüotof.
fftneigt sein, es auf 4ie Atttoritlt der beiden eben scannten Hrntt-
Bobfiileii biD, ebenlulls aussuaebeiden, obwohl eine streng N^tÜiguBg
*daEO «Boti btar «HB Hiebt voreuliegen sebeint; gerechteren Anstott
(iiebBieo wir mvt dem Verfasser an "der ntm ielgentfen Bereebtiinf,
w«lcbe 22 fsvBai (deren drei 2=^ hundert Jahre maehen) 2« SM
•jMiren veebnet» 'I>er Verfasser nimmt Qberhaapt Antrtoss an ehieai
«oleben , die Zahl der Lebensalter mit der «ntspreefaenden Zahl Tai
Jahren erkllrenden Euc»tz, und entnimmt gerade aas der Art, vis
in efiner andern Stelle (il, 143) eine solche Erklfeung gegeben H
JtUmwn Verda<jbt gegen diesen Znsats an dieser ^elle, den wir je»
idoch nicht g«na theüen) da gerade in dieseiii Theile des Werket^
«m Anfang der £rsäbking, es gewissermassen notfawendig war, dar
4Rim eratenmai hier eingeschlagenen Berechnung nach LebensaltM'
-aueh die betreffende daraus resuitirende Zahl Fen Jahren beizufügea»
«m den Leser nicbt in Dngewissheit su lassen, in welcbem DmA^t
«ine yevsa von dem Schriftsteller genommen werde. Aber der VeiC
^ftnbt umgekehrt, eben desshalb ein fremdartiges, absicbtiich g^
macktes Einschiebsel in den Worten Stsa Tthrs ts xcA ^tevtaxoM
XU erkennen, die, einmal ans dem Texte geschieden, dann mnA ddl
fierodot von ^inem offenbaren Rechanngsfehler befreien, den er dotflj
wohl kaum begangen haben dürfte, der anch wohl kaum dermjeulft
gen «sgesQhrieben werden darf, welcher^ wenn wir der bler m
stellten Annahme folgen, diesen erkürenden 'Zusatz verfäiaal
welcher in dem Text selbst seinen Platz geftmden hat Eben
halb 4mgen wir anob Bedenken, diese Worte wirklich fClr ein
Einsdiiebsel an halten, und möchten, unter Befbebaltung und
kenniMig derselben, lieber in den vorausgefaenden Worten (^srl
tB Kul ^txjoiOi yevsttg) der von Laroher gemncbten Aendening
fehlen, Indem wir mit Demselben lesen: Sid nevtsHaid^ni
yBvsag^ wodurch zugleich der Bble Recbnongsfebler beseitigt
dann aber auch der Anstand gehoben wird, der in der Verbind
«weier einfachen Zahlen durch die Partikeln ta xat^ statt des
fechen xcci gefunden wird; in den Zahlen nivts XBxal neirn
wo dieselbe Verbindungsweise hervortritt, mag tb allerdings
ehier Wiederholimg der Endsylbe des vorausgegangenen Wortes enl^
standen sein, vorausgesetzt, dass wh-klich in dieser Verbindung ved
Kahlen die doppelte Partikel in der That unsulSssfg Ist HWe
üMgena diese ganae Stelle den Sinn, weicfaen JaAo (in dem M
unserer Ausgabe angeführten Programm) in dieselbe legt, so w6rdd
rotk einem Becbnungsfebler eben so wenig wie von einer Interpol
latien die Rede sein können ; wir hStten dann die Stelle so m vor»
stehen: „nach den Nachkommen des Lydos herrschten die Heradh
den in Lydien 505 Jahre, nachdem sie schon (anderwärts) 22 Ge*
soUeobter gehensebt hatten^, so dass diess anderwärts von As*
i^en svnSelist au versleben wäre, dessen Könige nach dem GanoB
dea Enaebias t2M ^ahre In Allem regierten^ wOrend die 29 Q^
aeUechter des Hepodeti eder 788^3 Jahre, und die B05 Jahre Hki
BiMUs Die HMbtoag aiA MctamgiHWw «•!«. m
&mmt, \t» 1S38V3 Jubrea gebea, wmbU a1«o «iae fewisa« IJ«hiiw
ajutfinamiing der b«i4ersaitigeB Angaben ersieJt wäre, die wir jedocb
fchon juis dem (rronde nicht siitiageben TermSge», weü im« gpgfm
«fine Botebe AuÜMeung der Herodoteiechen Worte weseDllicbe giaBi-
fluuiacbe oiid qiüraobUche Bedenl^eD entgegenireten* Wir könne»
übcigen« oor onsem Wiiwch iriederbolen, noob öfters eolche geAe*
§«M Beiträge für die Kritik eines Sobriftstellers su erhelten» dM>f9
IiBxt Docb keineswegs derjenigen sieberen Onmdlnge sich erfrwtt
weiche andern Scbriftstellern dorch die Semilboagen anserer Zspt m
Theii geworden ist.
In dem dritten Specimen, das sugieicb als Dedicatioae*
«hilft sa dem Jubilenm Böckh's erschienen ist, findet aiebf aasser
dem oben sehop genannten Beitrag au Gatulhis, noch Gioiges m
^ Gediefaten des Claudianus, deren VemichlBsejgong aiDbt
ohne Grund beklagt wird, wesshalb die sar BessersteUnag des TeiUes
hier gegebenen Mittbeilongen dankbar anaunetunen sind; auch wird
sof eine werthvolle Pariser Handschrift des IX. JsficbuiDdetts bi»«
l^eeen; ob aber aus dem Anticlaadianus des Alanas ab Insnlis
etwaa für den Text des Claudianus selbst au gewinnen ist, möch-
ten wir bezweifeln, da dieses Gedicht des Alain de Lille, der nichl
m das eilfte Jahrbundert, sondern in das zwölfte und Tielleicbt noch
h das dreizehnte gehört (er starb um 1202), eine Art von Ency-
depädie bildet, welche insbesondere den Nachweis der göttlichea
Tirsehung liefern und den Weg zeigen aoll, auf dem ein neuer
^Jtensch berForgebracht wird (daher auch der Titel: Anticlaudianu$
^we de officio viri boni et perfeeti), mit Claudiaaus aber, dessen
JSweifel Qber die göttliche Fürsebung, im Anlang des Gedichtes in
Bnfinum hier widerlegt werden sollen, nur wenig zu schaffen bat;
TgL die Hist liter. de la France T. XVI. p. 405 ff. — Den Scbluse
ftfldet die kritische Besprechung eines Aescbjleischen Chorliedes
ans dem Agamemnon Vs. 749—776 ed. Herm.
Chr« Bftbr.
Die Rechnung mit Riehtunga»ahlen oder geometriache Be-
hamdhmg imaginärer Grössen, Van Dr. Fr. Rieche^
Obergtudienrath und Professor der Mathematik an der tand^
tmd forstwMhsehaftlichen Akademie in Hohenhdm. Stuttgart»
Verlang der J. B. Met9let^schen BtidihandXung 1856.
Mit Recht häU der Verf. die geometrische Denttmg der ima-
^infiren oder complexen Zahlen für einen der beachtenswerthe«
eleu Fortschritte, welche die Halheasatik in der neusten Zeit ge-
macht hat — und die Thatsache: dass, ungeachtet Gauss schon
1831 sich dafür ausgesprochen, es noch jetzt viele Mathematiker
gebe, denen diese Lehre unbekannt sei, oder welche dieselbe noch ala
picbt hinreichend begründet betrachten — hat dem Verf. znr Bearbei'«
"»" ^
Itt Riack«: Die Reebttuif all RiehtaDgiuMen ete.
inng des Yorttei^nden Werkcfaeiu Teranleset, um die neue hAn
allgemeiner zu verbreiten, ihr eine mSglicbst einfache
eelbständige Form en geben, Ihre Anwendbarkeit an einer
gHtosem Anaabt von Beispielen zu zeigen, und endlich die dagegen
erhobenen Einwürfe zu beleuchten. — Eine erschöpfende Bearbeitung
des fraglichen Oegenstandes lag nicht in dem Plane des Verf.'s und
er Ist schon ganz befriedigt, wenn sein Schriftchen den Erfolg hat,
Andere zur Besehftftigung mit demselben anzuregen und so an
weitem Fortschritten Veranlassung gibt. —
Nach der Meinung des Yerf.'s soll das Zfihlen urspriingHch
die Vorstellung einer geraden Linie und ein Fortschreiten
In derselben nach gleichen Abstilnden voraussetzen — und er
betrachtet deshalb jede Zahl als eine nach einer bestimmten
Einheit gemessene gerade Linie, welche verschiedene Richtun-
gen haben kann, so dass auch die Zahlen verschiedene Richtun-
gen haben sollen, und deshalb Richtungszahlen genannt wer-
den. — Diese Richtung der Zahlen, oder vielmehr der sie dar-
stellenden geraden Linien, deutet der Verf. dadurch an: dass er | BAC|
AC setzt, wo BAC der Winkel ist, welchen die betrachtete Zahl oder
Linie AC mit der festen Richtung AB macht — oder Indem er die
Linien mit kleinen Buchstaben bezeichnet und bloss ac setzt —
Das Verfahren des Verf/s besteht nun darin : dass er die nur
ifbr absolute reelle Zahlen unmittelbr evidenten Definitionen der
Addition, Subtraction, Multiplication , etc. ohne Weiteres auf «seine
Richtungszahlen ausdehnt — und dabei als Grundsatz an-
nimmt: ^dass jede zwei gerade Linien, welche gleiche LSnge und
gleiche Richtung nach demselben Sinne haben, als Zahlen betrachtet,
völlig gleich bedeutend sind, so dass die eine für die andere geseüt
werden kann^ — obgleich sie ganz verschiedene Lagen in der Figtf
haben. Die zuaddirenden Linien werden in ihren resp. Rich-
tungen aneinander gesetzt, so dass der Abstand zwischen den bei
den Endpunkten der so gebildeten gebrochenen Linie die gesucht
Summe darstellt — Die Multiplication der beiden Richtnogf
zahlen | a | m, | ß \ n wird dargestellt durch:
\a\m.\ß\n =\a + ß\m. n,
d. h« man muss den Multiplicand m In seiner Richtung nmal neil
men und die so enthaltene Linie noch um den Winkel ß drehen.
Bpeclelle Fftlle hievon sind;
I g I m Xp= I « I ™D, I g I m. | — a | n = mn,
I a I m. I — « I m = m«, I a I m. I — « j iS = 1.
b. M. HKIDELBER6ER USt.
JAHRBOGHER dir LITERATUR.
Riecke: Die Rechnung: mit Richtungszahlen etc.
(ScUiui.)
Für die Division Eweier RichtUDgaeahlen hat man demnach:
|«|m:»Tiü=r«H»Tr'
lör das Potensiren derselben ;
C I a I m)' = I oa I m',
UDd nmgekebrt für die Wurzelaussiehung:
'v^Tim = \f\ Vi: ^
Als besoDders wichtiger specieller Fall hieroo wird noch bemerkt:
v^T^ = r^M 1 = v^^=i,
ond der Verf« fügt hiosa: „Man hat den Beweis dieses wichtigen
Satzes ans der Proportion:
+ l:y'i:i = V'=T:~l f«)
ableiten wollen ; aber man sieht leicht ein, wie gegen diesen Beweis
mit Recht eingewandt werden kann, dass hier ein Satz, der nur fDr
absolute Längen bewiesen worden ist, ohne Berechtigung auf
Linien ausgedehnt wird, deren Richtungen durch Vorzeichen unter-
schieden ist.^ — Der Verfasser ist hierin aber noch viel w^ter ge-
gangen; denn er hat, wie schon bemerkt, die nur für absolute
Zahlen evidenten Begriffsbestimmungen der arithmetischen Grund««
Operationen auf seine Richtungszahlen ohne Weiteres erstreckt I —
Allerdings ist i = y^ZTi eine mittlere Proportionalgr5sse
zwischen 4- 1 Qn<i — 1; denn die Relation oder der Uebergang
von -f- 1 «u V^ — 1 i»t offenbar ganz derselbe, als der von y^ — 1 zn
— 1. Hiervon muss man ausgehen, um zu dem Begriffe der
complexen Zahl a~|~b y^— 1 zu gelangen und es ist alsdann
ganz nnnötbig, in den Begriff der Zahl den der Richtung mit
aufzunehmen, woran Gauss nicht im Entferntesten gedacht hat;
denn-«: sagt ausdrücklich: „Positive und negative Zahlen können
nur da eine Anwendung finden, wo das Gezählte ein Entgegenge-
aetztes hat, was mit ihm vereinigt gedacht der Vernichtung gldch-
soatellen ist. Genau besehen, findet diese Voraussetzung nur da
Btatt, wo nicht Substanzen (für sich denbare Gegenstände), sondern
Relationen zwischen je zwei Gegenständen das Gezählte sind.
Postulirt wird dabei^ dass diese Gegenstände aof eine bestimmte Art
In eine Reihe geordnet sind, z. B. A, B, C, D, ... und dass die
Belation des A zu B als der des B zu G, u. s. w. gleicbbetrachtet
1- Jahrg. 7. Heft 84
$30 Riecke: Die Reehnang mit Ricbtungssahien etc.
werden kann. .Hier gehört nun zu dem Begriff der EntgegenaeUung
nlchta weiter, als der Umtaasch der Glieder der Reihe, so das«
wenn die Relation (oder der üebergang) von A «u B als -j- 1
gilt, die Relation von B zu A durch — 1 dargestellt werden miuc
Sind aber die Gegenstände von solcher Art, dass sie nicht in eine,
wenn gleich unbegrenzte Reihe geordnet werden können, sondern
sich nur in Reihen von Reihen ordnen lassen, oder, was dasselbe
ist, bilden sie eine Mannigfaltigkeit von zwei Dimensionen, ver*
hält es sich dann mit den Relationen einer Reihe zu einer andern
oder mit den Uebergängen , aus einer in die andere auf eine ähnliche
Welse, wie vorhin mit den Uebergängen von einem Gliede einer
Reihe zu einem andern Gliede derselben Reihe; so bedarf es
zur Abmessung des Ueberganges von einem Gliede des Sjstemes
zu einem andern ausser den vorigen Einheiten ~f- 1 und — 1 noch
zweier andern, unter sich auch entgegengesetzter -|- i und — i.
Offenbar muss aber dabei noch postulirt werden, dass die Einheit
i allemal den Üebergang von einem gegeben Gliede einer Reihe za
einem bestimmten Gliede der unmittelbar angrenzenden Reihe
bezeichnet. Auf diese Weise wird also das System auf eine dop-
pelte Art in Reihen von Reihen geordnet werden können.^ —
„Der Mathematiker abstrahirt gänzlich von der Beschaffeih
h e i t der Gegenstände und dem Inhalte ihrer Relationen ; er bat
es bloss mit der Abzahlung und Vergleiehung der RelationeD
unter sich zu thun. — Zur Anschauung lassen sich diese Verhält-
nisse nur durch eine Darstellung im Räume bringen, und der ein-
fachste Fall ist der, wo kein Grund vorhanden ist, die Symbole der
Gegenstände anders als quadratisch anzuordnen, indem man eins
nabegrenzte Ebene durch zwei Systeme von Parallellinien, die ein*
ander rechtwinklig durchkreuzen, in Quadrate zertheilt und die Durch-
Bchniltspunkte zu den Symbolen wählt. Jeder solcher Punkt hst
hier vier Nachbarn, und wenn man die Relation desselben zu einen
benachbarten Punkte durch -[- 1 bezeichnet, so ist die durch — l
zu bezeichnende von selbst bestimmt, während man, welche der bei*
den andern man will, für -|- 1 wählen oder den sich auf ~|- ^ ^
ziehenden Punkt nach Gefallen oben oder unten nehmen kann.
Dieser Unterschied zwischen oben und unten ist, sobald nun
vorwärts und rückwärts in der Ebene und rechts und linki
in Beziehung auf die beiden Selten der Ebene einmal (nach Gefal-
len) festgesetzt hat, in sich völlig bestimmt, wenn wir gleich. unsere
Anschauung dieses Unterschiedes Andern nur durch Nachweisimg
an wirklich vorhandenen materiellen Dingen mittheilen können. Weaa
man aber auch über letzteres sich entschieden hat, sieht man, diM
es doch von unserer Willkühr abhing, welche von den beiden »i
in einem Punkte durchkreuzenden Reihen wir als Haaptieihe, toi
welche Richtung in ihr wir ala auf positive Zahlen sich beEiebea<
ansehen wollen. Man sieht ferner, dass, wenn man die vorhin ab
-j- 1 behandelte Relation für -f- 1 nehmen will, man nolhweadif
Riecke: Die Rechnutig mit Ridhtang^iahleii et«. 531
die früher als — 1 bezeichnete filt -\- i nebmen muss. Das heisst
aber In der Spraclie der Mathematiker: -f- i ist eine mittlere
Proportionalgrösse zwischen -{- 1 und — 1 oder entspricht
dem Zeichen y^ — 1. Hier ist also die Nachweisbarkeit einer an-
sehanlichen Bedeutung von y^ — 1 vollkommen gerechtfertigti
und mehr bedarf es nicht, um dieseßrösse in das Qe*
biet der Gegenstände der Arithmetik zuzulassen. Bei
dieser Darstellung wird die Ausführung der arithmetischen Opera-
tionen in Beziehung auf die complexen Grössen einer Versinnlidiung
fihigy die nichts zu wünschen übrig lässt.^ —
Aus diesen wenigen Worten von Gauss erhellet hinreichend,
wie sehr seine Ansicht der Sache von der geometrischen unseres
Verf.'fl und der ähnlichen von Andern verschieden ist — Was
iBMer Verf. weiter gegen die Zulässigkeit der Proportion (a) vor-
I bringt, ist noch grundloser; denn der Uebergang von AB zu AN
iist nicht derselbe, als der von AN zu A£, und folglich ist auch
nicht AN= V"— 1. —
i Und in §. 57 stellt ja der Verf. selbst die Proportion:
jTTa: ll^ a = llTf a = |1«T a
oder: ab : ac = ac : bc, (Fig. 87)
aaf! —
Hierauf ist vom natürlichen Potenziren und Loga-
rithodisiren die Rede, wobei der Verfasser seine Betrachtungen
so die logarithmische Linie knüpft — und unter andern auch
die Relation:
log. nat. fl +— J ==— für n = 00 (ß)
ableitet, weil er dieselbe bei Ableitung der wichtigen Relation:
q) I r = e . r
Döthig bat, wobei aber zu erinnern ist, dass der Verf. die Relation
{ß) ohne Weiteres auch auf Imaginäre Werthe von— erstreckt
hat, ohne es zu bemerken, was daher zu rühren scheint: dass er
atatt AD= AB-{-BD v^— 1 nach seiner frühem Convention ad»
ab -f- bd schreibt, was offenbar unstatthaft ist I — Auch ist zu be-
merken: dass die Constructionen des Verf.'s in Bezug auf das
Potenziren, Extrahiren, und Logarithmisiren seiner Richtung^s*
sabien bloss mechanische, d. h. nicht mit Lineal und Zirkel
ausführbar sind. —
Der zweite Abschnitt enthält Anwendungen der Rechnung
mit Ricbtungszahlen, und zwar 1) in der Arithmetik. Hier meint
der Verf. die Rechnung mit imaginären oder complexen
Zahlen finde In der mit seinen Rieh tu ngs zahlen ihre natür-
liche Begründung (?) und will in der That die Richtigkeit der
Kesnltate:
$Zi Eiacket Die Eecluaiig mit Uehftiingiiahleo elc
(m -|- ni) + ("* — "^O •= ^™ »
(m -4- ni) X («» — °0 = n»^ +.n^ >
(m + ni) X (o + pO = (mo — np) -f (mp + no)i
etc. etc.
geometrisch beweisen, ja sogar: dass aus m-f-ni = o-f pi
folgt: m =^ 0, n = p, als ob dies aus der vorhin mitgetheiiten
Oauss'schen Auffassung nicht unmittelbar folgte! ^
Die ganze Beweisführung ist aber offenbar illosoriscb;
denn der Verf. hat ja, wie schon bemerkt /die nur für absolote
Zahlen unmittelbar einleuchtenden Definitionen der arithmetischen
Grundoperationen ohne Weiteres auf seine Rieht ungszalilen aus-
gedehnt! —
Auch die ad II mitgetheiiten Beweise einiger geometrischer
Sfitse haben offenbar keine ursprüngliche demonstrative Kraft
— Um s. B. den Pythagoräischen Lehrsatz zu beweisen, constroirt
der Verf. zu dem in B rechtwinkligen Dreiecke ABC unter AB ab
reelle Richtung ein gleiches Dreieck ABD und setzt statt:
AC = AB + BC v^— 1, AD ^ AB — BC y^— 1
wieder in kleinen Buchstaben:
ac = ab -f- hc, ad = ab -|- bd,
also: ac . ad = ib* + ^^ • *^^ + *^ (P^ + **<*)
d. h.: AC* = Äb2 + Bc2.
Aehniich yerhält es sich in den übrigen Beispielen. •
Die unter IV mitgetheiiten Anwendungen der Richtungszahleo
In der analytischen Geometrie (die algebraischen Anwen-
dungen unter III übergehen wir der Kürze wegen) sind noch man-
gelhafter. — Der Verf. meint: man müsse in der Gleichung des
Kreises :
x2 ^ y2 = ri oder y — + Vr»— x» (y)
y V^ — 1 statt y setzen, um die Richtung der Ordinaten In Bezn;
auf die reelle Abscissenrichtung auszudrücken, wodurch man er-
hfilt: x^ — y3 = r^, welche Gleichung aber gar keinen Kreis, son-
dern eine gleichseitige oder rechtwinklige Hyperbel
ausdrückt! —
Wenn in der Gleichung (y) die Abscisse x >» r, also die
Ordinate y=± v^xa^r2y^ imaginär wird; so drückt diese
Gleichung ohne \^—i eine Hyperbel aus, welche in der durtk
die Abscissenaxe gelegten, auf der ursprünglichen Ebene sen kr eck-
ten £bene liegt, wie man später näher sehen wird. —
Auch andere Schriftsteller haben sich hierbei getäuscht •— So
£. B. meint Scheffler: die Länge v^x^— r* müsse für x^r vom
Endpunkte der Abscisse rechtwinklig gegen die Ordinatenriehtung,
also längs der Abscissenlinie gemessen werden (?\ (lieber
das Verhältniss der Arithmetik zur Geometrie etc. S. 221}. —
Der dritte und letzte Abschnitt enthält allgemeine Be-
trachtungen über die Rechnung mit Richtungszahlen.
•^ Zunächst sucht der Verf. seine Definition der Zahl: als einer
Hiecfcd! Dia Recbttimf der HfdrtiiBfiiahlea •!«. SSS
aaeb einer bestiminteD Einheit gemefsenen geraden
Linie (?) xn rechtfertigen. NaTnentlicb die Betrachtang der ne«
gatiTen ond imaginiren Zahlen soll darauf nothwendig führen!
- Er sagt: ^Es Hegt etwas Uniclares in der Aufgabe, eine snb*
tractive Zahl mit einer sabtractiven Zahl so multipliciren.^ — Daas
— 4X — 3 = 4-12 ist, erheilet aber noch nicht durch ein biossei
Vor- und Rückwärtsschreiten in der Zahlenlinie des Verf/s und darf
ebenso wenig durch eine dem Anfltnger wie aus der Luft gegriffen
erscheinende allgemeine Definition der Multiplication erzwnn-
(Cen werden! — Es muss vielmehr erst bewiesen, aus Bekann-
tem deducirt werden : dass -|~*X — b = — ^^j — ^X^^^^
-j-Bh ist, und alsdann kann man bemerken, dass die frühere nn*
mittelbar evidente Definition der Multiplication absoluter Zahlen auch
sof diese Fülle erstreckt werden darf! — Bei jeder Definition muss
das darin Ausgesprochene als etwas Mögliches und Adäquates
anmittelbar klar sein — und nichts ist für eine richtige und
strenge Behandlang der Mathematik nachtheiliger, als willkür-
liche, nicht motirirte Definitionen! — Von einer Begründung
durch Definitionen kann offenbar gar keine Rede sein! — Der
Verf. hat sich desshalb sehr getSnscht, wenn er glaubt, dass seine
{[eometrischen Constructionen „wirkliche Beweise' der arithmetischen
SStze sind, bloss in Folge seiner Definitionen der Zahl und der
arithmetisdien Grundoperationen! —
Dass bei der arithmetischen oder analytischen Unter«
tQchung stetiger Grössen (Linien, Fl&chen, etc.) auch die ihnen
entsprechenden Zahlen als stetig verSnderlich betrachtet werden
müssen, liegt auf der Hand — und ebenso, dass man nur den durch
Zahlen ausgedrückten Linien einer Figur, aber nicht diesen Zah*
len selbst eine Richtung suschreiben kann! —
Der Verf. kommt nun nochmals auf die Beseichnung der
Richtungssahlen und die arithmetischen Operationen mit denselbeui
so dass das hier Gesagte gleichsam als eine Vervollständigung und
Verbesserung des Frühern erscheint —
Von der Beseichnung r (cos q> -f- 0in g>» y^ — 1) sagt der Verf.
^ßoe solche Bezeichnung gleich Anfangs neben der Definition einer
Richtungszahl einzuführen, würde wohl mit Recht ein Verstoss (?)
gegen die Methode genannt werden müsse. ^ Dieser Ausdruck einer
Richtongszabl ist aber offenbar viel besser, als der | 9» | r des
Verf/s. - Denn bei Anwendung jener Ausdrücke der Richtungs-
sahlen wird man erst auf die für die Grundoperationen von dem
VerL gegebenen Definitionen oder Constructionsregeln geführt,
wSbrend sie bei dem Verfahren des Verf.'s als will kürliche ,
Dicht motivirte Verailgemeinerungen der bei reellen Zahlen er-
sebeinen. — Die Bezeichnung des Verf. 's durch kleine Buchsta-
ben ohne das Zeichen \<'~\ ist noch untauglicher, weil das Setzen
des Zeichens v^HT gerade das Charakteristische in dieser
Lehre ist — und In der That hat sich der Verf. dadurch zuweilen
^i RiecKe t Die Ri»cb«uiig mit RIcbMuifffKahleii eta
get<aUct>t> so diM er Sätse für eomplexe Zahlen bevieeep le
htilb^n meint, während dies nur für reelle Zahlen geschehen ist ^
Hier gesteht der Verf. auch die Mangelhaftigkeit des be^
reits oben erwähnten Grundsatzes selbst offen ein, indem er
ßagt: „Mögen zwei gleichlange und in demselben Sinns
gleichgerichtete Linien auch in der Arithmetik, womanbloa
ihre Länge und Richtung (?) in Rechnung zu nehmen hat,
ganz identisch sein, — in Bezug auf die geometrische Figu-
ren, die sie bilden, kommt es aber auch auf den Ort an, wo sie
sich befinden^ — und zeigt dies an einem Beispiele. —
Auch auf das Potenziren, Extrahiren und Logaritb-
misiren der complexen oder Richtungszahlen kommt der Verf.
hier nochmals zurück. — Unsere frühere Bemerkung ist aber sock
hier anwendbar; d. h. der Verf. hat auch hier nur das für reells
Zahlen Gültige auf imaginäre erstreckt. — Eine ina Detail ge-
bende Kritik des hier Gegebenen gestattet der Raum nicht —
Hierauf spricht der Verf. im Ganzen treffend über „den Wertb
der Rechnung mit Richtungszahlen ^ — und sucht diess auch noch
im mehreren Beispielen zu zeigen. —
Wenn aber der Verf. hier sagt: „Endlich verdient noch ber
▼oigehoben zu werden, dass die Richtungszahien in vielen Fäileo
fmch da zum Beweise geometrischer Sätze mit Vortbeil (?) g^
braucht werden können, wo es sich nur um reelle Grössen bau«
delt und von imaginären Zahlen gar nicht die Rede ist^ — «o
muss Ref. offen gestehen: dass er diese Anwendungen gr^uteü-
tbeiis nur für abusive halten kann — und dass auch von anders
Schriftstellern auf diesem Felde von den imaginären Grosses
viel Missbranch gemacht ist. — Der eigentliche Zweck und Ge-
genstand dieser Lehre ist vorzugsweise dieser: „Wenn bei Unter*
auchungen über reelle Grösssen (Punkte, Linien, etc.) unter gewis-
sen Bedingungen die analytischen Ausdrücke derselben imagioir
werden, zu wissen, welche o b j e c t i v e (geometrische) Bedeutung diM
imaginären Ausdrücke haben — d. h. welche Lage dieia
Punkte, Linien, etc. haben.^ — An etwas anderes hat Gauss n
der That auch nicht gedacht; am allerwenigsten an Zahlen mit
Richtungen (?), wie aus seinen oben angeführten eigenen Wi»^
ten klar genug erhellet. —
Endlich spricht der Verf. auch noch kurz über Richtungs-
zahien im Räume —.wobei er aber noch sehr im Unklaren zu
sein scheint — denn er sagt ausdrücklich: „Die Anwendung der
bisherigen Sätze auf Richtungszahlen im Räume führt auf Wi<ier-
spräche (?), weil man denselben analytischen Ausdruck für die au^
der Grundebene senkrecht stehenden Linien erhlät, wie früher für d>«
in der Grundebene auf der Grundrichtung senkrecht stehenden.*^ — Dss
wäre ja aber ganz richtig, und stimmt ganz mit dem von Gauss
Gesagten: ^Dassdie Relationen zwischen Dingen, die eine Manoii^f^'
tigkeU von mehr als zwei Dimensionen darbieten, nicht noch sodere}
EiedKe: Die Reetaiinf mit IMclitaBgsxalileii ete. 535
lider «ngemeiBea Arithmeük zulässige Artett ron Orltoseii liefern k9ii-
neo*' ^- Qberein I — In der That, wenn man sich zu der Qrundebene
Aber und anter derselben anendlich viele, ebenso wie sie durch zwei
Systeme von Parallelen eingetheilte parallele unbegrenzte Ebenen dentt,
80 dass die DurchschntCtspunkte dieser Parallelen senkrecht tiber
fihiander liegen nnd der Abstand der Ebenen dem der Paralleleii
gleich ist^ also der unendliche Raum in lauter gleiche Würfel
getheilt wird, deren Ecken zu den Symbolen genommen werden —
osd die Grundebene die reellen Werthe vom x und y enthXlt,
welche z. B. die Coordinaten einer Linie bedeuten mögen, etwa die
des Kreises y2-f-x2 = r2 oder y= + yr»-x«; so leuchtet auf
\ 4er Stelle ein : dass die x >>r entsprechenden imaglnSren Werthe
iTOD y= + v/'ia — r«. V*^j d. h. die Längen + y x» — r» reep.
Iber und unter der Qrundebene senkrecht auf derselben ge-
nommen werden müssen — nnd die Gleichung: x^ — x^ = r^ drückt
jeiBe gleichseitige Hyperbel aus, welche in der durch die Axe der
|X gehenden und auf der Grondebene senicrechten Ebene liegt. —
I Wenn man die Gleichung für x auflös% so ergibt eich ein äha-
I liebes Resultat, und man sieht: dass die Gleichung y3-|~x2=:r3
nicht bloss einen Kreis, sondern noch zwei gleichseitige
Hyperbeln aosdrückt, wenn x und y alle Werthe tob o bis + oo
umehmen. —
Es bedarf also keines neuen Zeichens ausser y^— -i, wenn man
tos der Zahlenebene in den Zahlenraum übergehen mnssl -^
Desgleichen, wenn man z. B, für die Tangente des Winkels a,
welchen eine Gerade mit der Axe der x bildet, einen imaginä-*
iren Werth tang a:=av^~l findet, so bedeutet dies weiter niehts,
i lis dess diese Gerade in der durch die Axe der x gehenden , auf
Ider Grundebene senkrechten Ebene liegt, und mit dieser Axe
einen Winkel bildet, dessen feigonometriscfae Tangentn = a ist. *- u. s. w.
Wir haben im Vorhergehenden bloss die wesentlichsten
Mangel der Bearbeitung des fraglichen, hochwichtigen Gegenstandes
durch unsern Verf. kurz berührt; nicht um ihn zu tadeln, sondern
lediglieh in rein objectir wissenschaftlichem Interesse; theils
w^ die Gauss'sche Theorie der compleceu oder imaginfir^
ren Zahlen, selbst bei namhaften Mathematikern, wie Plücker,
Clitsles, etc. noch keine gebührende Anerkennung gefunden «—nnd
theils weil von Andern mehr oder weniger abusiTe Anwendungen
dsToa gemacht sind, gegen welche wieder Ton Andern mit Recht
Bedenken erhoben sind. — Die Literatur dieses Gegenstandes, welche
der Verf. in einem Anhange noch mittheilt, zeigt, dass die Idee von
der reellen Bedeutung der imaginären Zahlen schon seit einem
Jahrhundert aufgetaucht -- und doch noch nicht zur völltgen Klar»
heit und allgemeinen Anerkennung gelangt ist ^ obgleich Gauss
die wahre Metaphysik derselben, zwar kurz; aber mit einer Tiefe
und Klarheit schon 1831 angegeben hat, die nichts zu wünschen
übrig läset •-< wogegen die Auffassungen und DarsCellniigea der
536 BamUller: We^if^t^Mehit.
frftl^liehen Lehre dvreh Andere sehr weit sariickstehen» wesshalb wir
uns erlaubt haben, seine eigenen Worte oben knrz ansnföhren. —
Jedenfalls wird das vorliegende Werkchen dam beitragen: den
alten Wahn von der bloss symbolischen Bedeutung, oder gar
Unmöglichkeit des v/'-T auch in weitern Kreisen m beseiti-
gen, nnd wir empfehlen dasselbe angehenden Mathematikem nnd
Lehrern der Mathematik, ungeachtet der gemachten Ausstellungen,
weil es besonders in Becug auf die geometrische Construc-
tionder imagin&ren Grössen manches dem Verf. Eigenthflm-
liche enthält — und überall sehr klar und leichtfasslich geschriebeo
ist. — Auch die Ausstattung ist sehr gut. —
Dr. Selmuse.
Die Wdtgeschichie, Ein Lehrbuch für MUteUckulen und zum Selbst-
unterricht, von Dr. Johannes Bumüller. Vierte verbes-
serte Auflage. Erster TheiL Geschichte des Alterihums, Frd-
• bürg, Herder, 1857.
Unter den zahlreichen Handbticbem, Gonpendien und Umrissen
der Geschichte, welche seit einigen Jahren zu Tage gefördert wur-
den, steht das von Bumüiler unbestreitbar in vorderster Reihe. Es
land bei seinem ersten Erscheinen warme Aufnahme und in Folge
davon jedes Jahr eine neue Auflage.
Referent beabsichtigt gelegentlich der 4. Auflage des Buches
einen Theil nach dem andern eingänglicher zur Sprache zu bring<^n.
Bedürfte er einer Rechtfertigung für sein Unternehmen, so würde
er sich erlauben, auf seine practischen Erfahrungen hinzuweisen, in-
dem er das Werk in einer Mittelschule als Grundlage des geschicht-
lichen Unterrichts zu benützen Gelegenheit hatte. Das Ganze zer-
fällt in drei Theile, deren 1. die Geschichte der alten Welt bis zum
völligen Untergange des weströmischen Reiches, deren 2. das Mit-
telalter, deren 3. endlich die Zeit von Luther's Auftreten bis aaf
die Gegenwart behandelt. Bevor wir daran gehen, die vor uns
liegende 4. Auflage des ersten Theiles zu beurtheilen, mögen einige
Bemerkungen über Greschichtsnnterricht , geschichtliche Lehrbücher
überhaupt und das Bumüller'sche Gesammtwerk hier Platz finden.
Warum wird in Mittelschulen Geschichte gelehrt? Wohl nicht da-
mit die angehenden Jünglinge Namen und Jahreszahlen auswendig
lernen und vielleicht behalten, sondern dass sie den Gang der Welt-
geschichte d. h. die Schicksale des menschlichen Geschlechts über-
sichtlich kennen lernen. Diese Uebersichtlichkeit wird nicht ver
langti wenn die Masse der vorgeführten Einzelheiten so gross ist,
dass eine die andere wieder aus dem Gedächtnisse verdrängt, wohl
aber durch eine klare und lebendige Darstellung derjenigen Begeben-
heiten und Persönlichkeiten, welche auf die verschiedenartige Ge-
staltung der Schicksale der Völker den meisten Einfluss ausübten.
Bvnaller: WellffMehleht«. 589
Hierfiber tet mra wohl einig, damit aber auch über den ethischen
HaopCsweclc des Geschichtonterrichtes ; dieser soll wesentlich den
Charakter des jungen Menschen bilden helfen und thut es, indem er
ihm das Walten der göttlichen Vorsehung und Gerechtigkeit in der
Weltgeschichte nachweist, ihm Liebe 20m Vateriande, Achtung vor
Obrigkeit nnd Gesets einprSgt und den Wahn ferne hSlt, als ob
je etwas Dauerndes nnd flrspriessliches geschaflfen wurde, das nicht
sof das Bestehende gebaut war.
Der geschichtliche Unterricht ist ein mündlicher, als Hilf smit*
tel gibt der Lehrer den Schülern eine Tabelle oder ein Buch in die
Hand. Methodisch theilen sich die geschichtlichen Handbücher in
S Klassen ; die einen geben in Paragraphen, kurzen S&tzen, Andeu-
tungen nnd Schlagwörtern möglichst viele Daten, die andern ersfth-
len znaammenhfingend, stellen gleichsam in Rahmen geschichtliche
Gemälde auf.
Die Bücher der ersten Klasse werden manchmal als diejenigen
empfohlen, denen die prägnante Form des Schulbuches allein zu-
komme. Das BnmüUer'sche Lehrbuch der Weltgeschichte gehört
aber zur zweiten, folglich könnte Jhm der Vorwurf gemacht werden,
seine Form tauge nicht für ein Schulbuch. Dieser Vorwurf verlöre
sber schon desshalb sein Gewicht, weil die geschichtlichen Handbü-
eher der ersten Klasse denen der zweiten entschieden nachstehen.
Jn England ist man längst zu dieser Ueberzeugung gekommen;
hat Herr Bumüller dieselbe wohl aus eigenen Erfahrungen geschöpft,
•0 ist es ihm gerade wie uns ergangen und wie es practischen Schul-
männern, falls sie nicht etwa selber Verfasser von Handbüchern der
ersten Klasse sind, oder beim geschichtlichen Unterricht Nebenzwecke
verfolgen, wohl in den meisten Fällen ergehen wird. Bücher, wel-
che nur möglichst viele Para^fraphen, kurze Sätze, Schlagwörter nnd
dergleichen geben, setzen beim Lehrer voraus, dass er sich an je-
des ihrer Worte halte und durch mündliche Erzählung selbst ein
geschichtliches Gemälde bilde — oder neben dem Handbuch im La-
pidarstyl ein grösseres Geschichtswerk recitire; aus unserer eigenen
Schulzeit her wissen wir, dass z. B. neben dem geschichtlichen Leit-
faden von Dr. J. Beck, Becker's und Leo's Werke von Lehrern
wie Schülern mühsam auswendig gelernt wurden. Verschweigt aber
der Lehrer den Schülern die Quelle seiner mündlichen Vorträge, so
muss der Schüler entweder den Vortrag des Lehrers seinem Ge-
dächtnisse unmittelbar einprägen, oder er muss nachschreiben, we-
nigstens viele Notizen machen. Einen halbstündigen oder auch stun-
denlangen Vortrag unmittelbar im Gedächtnisse behalten, ist für die
Schüler mit höchst seltenen Ausnahmen unmöglich. Das Dictiren
des Lehrers würde jedes Hilfsmittel des Unterrichts entbehrlich ma-
chen, d'>ch in ein paar Stunden wöchentlich lässt sich kein histori-
sches Werk dictiren, geschweige dem Gedächtnisse einprägen; das
Nachschreiben oder Notizenmachen ist in Mittelschulen die Sache
d« Mehrzahl der Schüler ebenfalls nicht, sind ja Hochschüler in den
1^88 Bomldler: Weitf^eidiieMt.
meisteu FfiUen nicht im Stande, das Wesentliohe aus freien Vor-
trägen unmittelbar herauszufinden und nachzuschreiben. Solche That-
Sachen liegen allzusehr aul der flachen Hand, als dass sie einer
weltern Erörterung bedürften.
Handbücher der zweiten Klasse hingegen, welche znsammen-
hängend erzählen und geschichtliche Gemälde liefern, hindern den
freien Vortrag des Lehrers keineswegs ; kein Bnch gibt so vollstän-
dige Darstellungen, dass an denselben nichts mehr zu ergänzen, sa
erweitern, zu verdeutlichen und zu erläutern wäre. Für den Schü-
ler hat aber ein derartiges Handbuch den grossen Vorthei), dass er
darin fast alles, oder gar alles findet, was er zu merken hat, und
hinsichtlich des Bumüller'schen Lehrbuches findet er dies in einer
Form, welche ihn niemals abstösst, sondern im Oegentheil Immer
mehr anzieht. Bumüller's Werk ist von vornherein nicht nur zam
Schulbuche, sondern auch zum Selbstunterrichte bestimmt; es
ist bereits zum Volksbuche geworden und würdig, dies immer
mehr zu werden, auf dass beim Bürger geweckt, gehegt und ge-
pflegt werde, was zu wecken, zu hegen und zu pflegen im höchsten
Interesse des Staates wie der Kirche liegt — historischer Sinn.
Der Verfasser hat die richtige Behandlung des Stoffes getrof-
fen; er versteht es, das Passende herauszufinden und mit wenigen
markigen Zügen trefflich zu characterlsireo, fernliegende Rechts-, Staats-
nnd Volkszustände in seltener Weise anschaulich zu machen, den
Znaammenhang festzuhalten und einen sichern Ueberbiick zu ermit-
teln. Aus dem Ganzen weht uns jene Wärme an, die nur im über*
zeugungsfesten Herzen des weit- und menschenkundigen Patrioten
und Christen wohnt.
Die in 4. Auflage vor uns liegende Geschichte des Alter-
thums umfasst die 4 ersten Bücher des Bumüller'schen Werkes;
das Ganze zerfällt in 10 Bücher, deren jedes einen wesentlieben
Entwicklungszeitraum der Weltgeschichte erzählt, jedes Bnch ist ab-
getheilt in Kapitel, das Kapitel durch Aufschriften wieder in Unter-
abtheilungen geschieden. Ein Bück auf den Inhalt gewährt wolil
auf dem kürzesten Wege Einsicht in die Art und die Weise, wie
der Verfasser seinen Stoff vertheilt und behandelt. Das 1. Boeb
enthält in 7 Kapiteln die Geschichte der ältesten Völker bis sor
Gründung der Persermonarchie dnrch Cyrus (Bumüiier schreibt Ej-
rus, huldigt überhaupt bei vielen Eigennamen einer Schreibart, de*
ren Gründe oder Nothwendigkeit wir nicht einsehen), also die Urge-
schichte. Die 2 ersten Kapitel reden von der Erde als Wohnplati
des Menschengeschlechtes, von der Schöpfung der Erde und des
Menschen, vom Sündenfall, von Abel und Kain, von der Ausbrei-
tung und Verderbniss des Menschengeschlechtes, Sündfluth, Zer-
streuung und Verwilderung der Menschen. Dass die Bibel den lei-
tenden Faden aus dem Labyrinthe der Urgeschichte hergibt, braaebt
wohl kaum bemerkt zu werden. Die Kapitel 3 — 6 behandehi In-
dien, China, Babylonlen, Assyrien, Medien, Phönicien und Aegypteo;
j
Bvmaner: WeU|r«Mlilelile. 689
die Geogrftpbie dieser Linder ist su eSnselnen Be8chreibong:eii und
Schi]deroQgen ausgearbeitet, die Geschichte der Inder und Ghinest^n
wird bis auf die Gegenwart fortgeführt, die neuern und neuesten
Ausgritbungen uod Entdeckungen sind nicht vergessen. Mit practi*
sehem Biicl^e belasste sich der Verfasser nicht mit detaiilirten Aus-
einandersetsungen der indischen Götterlehre, dafür aber mit der wich*
tigsten Folgerung aus derselben, nfimlich mit der Kasteneintbeilung,
fibnlicb bei China vorzugsweise mit der Regierungsform. Wer er-
fahren will, wie sehr es ßumüller versteht, das graueste Aiterthum
dem Verstände und Herisen unserer Jugend und unseres Volkes
nahe zu bringen, der lese die Beschreibung des Lebens und Trei*
bens, der Städte und Kunstfertigkeit der Babylonier, vom Handel
und der den menschlichen Hochmuth tief beugenden Religion der
Pfaönicier. Ist etwas geeignet, Achtung und Ebrfurcht vor den Re^
iigionen der vorchristlichen Völker einzupflanzen, so ist es die Ge-
Mhicbte Aegyptens, seiner Kunst, Wissenschaft und riesigen Tempel-*
ruinen. Die Geschiebte des alten Aegypten bildet die naturgemässe
Brücke zur Geschichte eines Volkes, das in weitaus den meisten
geschichtlichen Handbüchern zu dürftig behandelt wird. Freilich hat
dieses Volk keine grosse welthistorische Bedeutung, wenn umfassende
Eroberungen, wichtige industrielle Erfindungen und Unternehmungen,
Leistungen in Künsten und Wissenschaften einzig und allein den
Uaassstab für die Grösse eines Volkes hergeben; aber dieses Volk
steht hoch über allen vorchristlichen Völkern, Griechen und Römer
nicht ausgenommen, durch seine provldentielle Bestimmung, den
Glauben an den Einen und persönlichen Gott zu bewahren, Träger
der Verheissungen Gottes an das Menschengeschlecht zu sein, allen
Zeiten thatsächiicb zu zeigen, was das treue Festhalten am geoffen-
barten Gotte uod was der bewusste Abfall von diesem für Früchte
trägt. Die Geschichte des Volkes, des israelitischen nämlich,
stiefmütterlich behandeln, heisst genau betrachtet destructiv wir-
ken; jedenfalls wird der Schüler durch den auffallenden Wider-
spruch verwirrt, der darin liegt, wenn er im Religionsunterrichte sehr
viel von der Bedeutung, im Geschichtsunterrichte wenig oder nichts
von der Geschichte der Israeliten erfährt; es heisst aber auch nn-
historisch sein ; denn die israelitische Geschichte ist so originell und
zugleich in Bezug auf die Quellen so sicher wie die keines andern
Volkes der alten Welt;; dass in Schulen von den jedenfalls unsichern
and schwer bekämpften Ergebnissen der modernen rationalistischen
Bibelkritik Notiz genommen werde, wird wohl nicht verlangt wer*
den. Zudem leben die Israeliten heute noch, mitten unter uns, wäh-
rend entartete Slaven den Raub der alten Hellenen zertreten und
die heutigen Italiener mit den alten Römern wenig zu schaffen ha-
ben. Wir betrachten es wohl als einen Vorzug des Bumüller'schen
Lehrbuches, dass es die Geschichte Israels verhältnissmässig, umfas-
send gibt (VU. Kapitel: Israel, die Zeit der Wanderungen, Israel
in Palästina, seine Verfassung, die Richter von Josua bis Sani, dai
540 BamOller: Weltffetehichte.
Königtbum: Saal, David, Salomo, Roboem und die Theilong dm
Reiches, Reich Israel, Reich Juda, das babyloniacbe Exil).
Das 2. Bach behandelt die Perser und Griechen, den 8ieg
Enropas über Asien, das 3. die Geschichte der Römer bis auf Aa*
l^stas. Diese Partie des Werices hat grosse Anerkennang gefan-
den und verdient sie in vollem MaAsse. Es ist dem Verfasser ge-
lungen, das classische Alterthum würdig, sachkundig uud geistreich
darzustellen; er hält das richtige Maass zwischen der Vergötternni^
der alten Hellenen und Römer einerseits, ihrer Verketzernng an-
derseits, desshalb hat sein Werk, weil ihm die antike Weltanschauung
vollkommen klar, die christlich positive vollkommen wahr ist —
einen Vorzug, der leider nur gar zu selten angetroffen wird. Der
politischen und namentlich der Oulturgeschichte der beiden dassischea
Völker ist grosse Sorgfalt gewidmet, der Wechselwirkung in dv
Wirklichkeit entsprechend, werden beide Seiten der historischen Be-
trachtung hSufig ineinander verwoben. Die in Thatsachen fortlau-
fende Darstellung der gesellschaftlichen Znst&nde der alten Welt
setzt besser als jedes Raisonnement in Stand , die Licht* und Schatten-
seiten, den wachsenden Zerfall und das Elend der tüchtigsten und
genialsten Repräsentanten unseres Geschlechtes vor der Offenbarung
durch Christus richtig zu würdigen. —
Das bekannte Geständniss des Livius vom Elende seiner Zeit
Ist die triftigste Antwort auf jene humanistischen Behauptungen, die
als gescheid, gut und bewundernswürdig nur gelten lassen, was dem
heidnischen Athen oder Rom angehört.
Die 4 ersten Kapitel des zweiten Buches behandeln die Stif-
tung des Perserreichs durch Cyrus, das Ende des Krösus, die Un-
terwerfung der kleinasiatischen Griechen, Babylons Sturz, die Heim-
kehr der Juden, Cyrus Ende, die Eroberung Ae^yptens, Darios Hy-
staspis und die Ordnung seines Reiches sowie Zoroasters Lichtreli-
gion mit ihrem wohlthätigen Einflüsse auf den Landbau, menschliche
Krfegsführung u. s. w. Wie fast bei jeder Gelegenheit wird auch
hinsichtlich der Pelasger, der Heroen u. s. w. den Ergebnissen der
neuesten Forschungen Rechnung getragen, Vater Homer als Hel-
denbuch und Reiigionslehrer seines Volkes selbst dem minderbegab-
ten Schüler interensant und verständlich gemacht; was über die grie-
chische Nationalität, die Götter und deren Feste, die Orakel und My-
sterien, die ältesten Dichter und Philosophen der Hellenen hier aof
5 Seiten (91 — 96) gesagt wird, schlägt laut der vielfältig erprobten
Ueberzeugnng des Referenten besser an als die Leetüre manches
dickleibigen Werkes.
Wir beschränken uns daran/, noch einige in der That ebenso
allgemein verständliche als interessante Schilderungen zu bezeichnen:
Verfassung des Lykurg (S. 97— 102), Gesetzgebung des Selon (105
«-110), Athen, die erste Stadt Griechenlands, Zeitalter des Perikles
(127 — 140), die griechischen Philosophen und Sophisten (163— 172),
das ganze 15. und 16. Kapitel, die Geschichte Philipps von Malce-
donien und Alexander d G. enthaltend (172 — 190).
BoMttller: Weltgeiciüehte. 541
In der römischen Geechichle bat der Verfasser noch mehr als in
der griechischen Gelegenheit gehabt, sein aussergewöhnlicbes Talent su
leigeo, längst entschwundene und fremdartige Zustände jedem Schüler
begreiflich au machen und au vergegenwärtigen; und er hat diese
Gelegenheit trefflich benutzt. Die Entwiciclung der römischen Ver-
isssung, ihr lebendiger Zusammenhang mit der äussern Geschichte
ist hier besser als irgendwo dargestellt; die Heldengestalten Hanni-
hals nnd der Scipionen sind mit eben so viel Verstand als Liebe
gezeichnet (S. 153 ff.), die Schilderung der Zustände zur Zeit der
Gracchen (272 — 280) befriedigt in jeder Hinsicht, ebenso die der
eatilinariscben Verschwörung (293— 296), beide könnten als Mustei^
Stücke gelten, wie dies dem Abschnitte „die Erfüllung der Zeit''
(323—334) schon mehrfach widerfuhr. Letzterer gehört bereits
dem 4. Buche an. Dieses beginnt mit der Schilderung des Umfan-
ges des römischen Reiches zur Zeit des Augustus, der Gewalt der
Cäsar Augnstus, redet vom Senate, dem Volke und der Weltstadt Rom|
vom Kriegs- und Finanzwesen, von den Provinzen und den verschie-
denen Nationalitäten, endlich vom goldenen Zeitalter der römischen
Literatur. Christus wird als Mittelpunkt der Universalgeschichte an«
erkannt, der Ausbreitung des Ghristenthums und der Herrschaft der
Cäsaren ist der ganze Rest des 1. Bandes gewidmet; Welt- nnd
Kirchengeschichte erscheinen uns hier jedoch zu wenig verbunden,
die Kirche findet vorherrschend nur als emporwachsende politische
Macht Beachtung, die Geschichte der Cäsaren ist überhaupt etwas
flüchtig abgethan, doch Kapitel wie über die Christenverfolgungen,
Machblüthe der römischen Literatur, Julianus apostata versöhnen
mit jenem immerhin noch zu verbessernden Missstande. Mit dem
Nachweise, dass Rom keineswegs durch einen Nationalkrieg der
Deutschen in Trümmer ging, stehen wir am interessanten Schlüsse
des Buches, das als ein wirklich vortreffliches sich bereits Bahn
gebrochen hat und noch mehr brechen wird, obwohl es so wenig
als irgend ein anderes Buch der Welt von jeder Archillesferse frei
ist, oder je. frei zu werden vermag.
GeäcMehte der Baukunst und Bildhauerei Venedigs von Oscar
Mothes, Architekt. Ztrei Lieferungen, Mit zahlreichen (bis
jetst 47) Holzschnitten und Radirungen, Leipzig, Friedrich
\oigt. 1857, 96 8, in gr. 8.
Das Unternehmen, dessen erste Lieferungen uns hier vorliegen,
erscheint als ein eben so wichtiges, wie nützliches; bei der Bedeu*
tong, welche Venedig auf dem Gebiete der Kunst einnimmt, bai
dem reichen Schatz von Kunstwerken, die es in sich schliesst, nnd
dem grossen Umfang seiner Bauwerke, die hier sich länger erlialten
haben, als an andern Orten nnd ein Zeugniss ablegen können der
Terschiedenen Formen, in welchen die Baukunst hier das ganze
Mittelalter hindorch sieb versacht bat| wird die (feschichtUche Dm^
642 Mothes: Geschiebte der Baukunst Venedi||f*s.
stelloDg der io diese Gebiete fallenden Werke, eine wesentliche Lücke
in der Geschichte der Kunst ausfüllen können, zumal wenn, wie die»
hier der Fall ist, ein erfahrener nnd wissenschaftlich gebildeter Ka&st-
1er, der Alles an Ort nnd Stelle in Folge eines längeren Aufent-
haltes untersucht und abgezeichnet hat, einer solchen Arbeit sidi
unterzieht, die natürlich auch mit den nöthigen bildlichen Darstel-
lungen versehen sein muss. Auf zwei Bände ist das Ganze be-
rechnet; die vorliegenden beiden Lieferungen bringen ausser der Ein*
Jeitung, die einen geographischen Ueberblick der Lokalitäten enthält,
den ersten Abschnitt, der die ältere Kunst behandelt, von den ersteo
Anfängen Yenedig's an bis zu dem Jahre 864 p. Chr. n. und einen
TheSl des zweiten, der die mittelalterliche Kunst bis in die Mitte
des fünfzehnten Jahrhunderts darstellen soll; der zweite Band wird
in vier Abschnitten die Zeit der Renaissance, der Cinquecentisten,
den Verfall und das Sinken der mittelalterlichen Kunst, so wie die
moderne Kunst (von 1750 — 1844) darstellen. Die bildlichen Dar-
stellungen sind, wie man aus diesen ersten Lieferungen ersieht, als
Holzschnitte dem Werke eingedruckt, zur Erläuterung des im Texte
Gegebenen: ihre Ausführung kann als vorzüglich bezeichnet werden;
es sind eben so wohl Pläne einzelner Bauwerke und deren Theile,
als Abbildungen dieser Werke selbst, wie einzelne Theile, je nach-
dem der Raum diess verstattete. In dem bemerkten ersten Ab*
schnitte ist es also die ältere christliche Kunst, welche hier, zamal
in dem Bau dör Kirchen, vorgeführt wird und ist hier besondere
Rücksicht auf die Bauten des nahen Ravenna , welche in diese Zdt
fallen, genommen, so wie auf die Basiliken, als die älteste Form
der christliche Kirche in jenen frühern Jahrhunderten: unter andern
ein genauer Plan und eine Beschreibung der grossen Basilica San
Apoliinare in Classe, drei Miglien von Ravenna gegeben, eben weil
dieses nm 534 fallende Bauwerk den voUändigsten lateinischen Ba-
silikentjpus darstellt. Der Verfasser geht dann weiter über auf das,
was die Lagunenstadt selbst, seit sie ihre völlige Freiheit und Un-
abhängigkeit erlangt hatte, von Werken dieser Art bietet, insbeson-
dere auf die erste Anlange der St. ^{arcuskirche , und was sonst
noch in diese erste Periode der venetianischen Kunst fallen dürfte.
Dahin gehören die Kirche S. Giacomo di Rialto, Santa Fosca
auf Torcello um 970, der Dom von Murano, der schon in einem
Documente des Jahres 999 vorkommt, aber seitdem so mancherlei
Restaurationen erlitten, dass von dem ursprünglichen Bau wenig mehr
erhalten ist, als die Disposition und die dem Hauptcanal zugekehrte
Aussenseite des Ghorbaues: es ist von dieser Aussenseite eine Ab-
bildung (auf Tab. IL) beigegeben, die obwohl nicht in Farben —
d^n die Farbenwirkung dieses Baues soll nach der hier gegebtfieD
Versicherung eine ausserordentliche sein — doch in der That g^
nügt, nm einen grossen Eindruck hervorzubringen. Der Verfasser
geht dann in eine nähere Beschreibung der Einzelheiten ein und
adgt, wie nns Manches davon eben so sehr an die Mosdiemt tob
Toloun m Kairo, wie an die saracenisch^normannisehen BMt<o Si-
Motbes: Geaduehte der Bankonst Veoedit'f. S48
eiliaD's so erinnern vermag, und wie es überhaupt gekomaaeD, daes
der spSt romanische Styl auf den reoetianisefaen Inseln eine gewisse
orientalische Färbung angenommen und dadurch einen ganz andern
Entwicklungsgang eingeschlagen, als auf dem Festlande Italiens : die
Art und Weise, in welcher su Venedig die Rundbogenform allmähiig
in den Spitsbogen überging, kann dazu einen Beweis liefern (S. 54).
Neben den kirchlichen Bauten werden aber auch die wenigen
Beste ausserkirchlicher Gebäude in Betracht gezogen, welche Vene*
dig aus jenen Zeiten aufauweisen hat, insbesondere der Fondaeo di
Turcfai und mehrere Paläste und Privatgebäude, welche sämmtlich
mehr oder minder Zeugniss geben von dem grossen Einfluss orien-
tslischer Formen auf die Kunst Venedig's; dann aber geht der Ver-
fasser über SU dem Hauptdenkmal venetianischer Baukunst, dem
Dom zu S. Mar^o (S. 68 ff.), dessen genaue und detailiirte Beschrei-
bung in den vorliegenden Tb eilen des Ganzen noch nicht volleüdet
erscheint« Die erste Anlage dieses Baues knüpft sich an die Ueber-
bringung des Leichnams des h. Marcus nach Venedig (828 oder
831), mag auch auf demselben Platze bereits (532 oder 553) schon
ein« Kirche (San Teodoro) gestanden haben oder nicht; nachdem
in diesem Juhriiundert auch der Bau vollendet, brannte im folgen-
den (976) das Ganze, das wahrscheinlich von Holz aufgeführt war^
ab , um dann in grösserer Pracht und Solidität von Neuem
alsbald wieder aufgeführt zu werden. Die Vollendung des neuen
Baues scheint aber, der Hauptsache nach wenigstens^ erst um 1071
ni fallen, unter den Dogen Silvio oder Seivo, der zur Ausschmückung
der Kirche Alles zusammenbringen liess, von nahe und ferne, was
dazu dienen konnte: Werke der antiken, wie der darauffolgenden
christlichen Zeit, Gegenstände heidnischer Tempel, altchristlicher Kir-
chen und muhamedanischer Bauten. ^So wurde, sagt der Verfasser
(S. 69 f.) in den Details der Marcuskirche ein buntes Durcheinan-
der TOB griechischen, römischen, altchristlichen, byzantinischen, ara*
bischen und selbst vorciassisch asiatischen Formen erzeugt, welches
vereint mit der Mischung der frühromanischen und byzantinischen
Elemente in der Anordnung der Hauptmassen dem Ganzen ein eigen-
thümlich fremdartiges Gepräge gibt. Trotz dieses Vermengens so
heterogener Elemente ist aber doch durch die grossartige einfache
Klarheit der Hauptanlage, durch die Verwendung gleichartig präch-
tigen Materials, durch geschickte Vertheilung der fertig zufliessen-
den TheilCf durch fein gefühlte Abwägung der Farbenwirkung, durch
kluge Verwendung des Goldes am gehörigen Orte und endlich durch
die gleichmässige Einwirkung der Zeit auf die Farben und Formen
dieses Baues seine Wirkung eine solche, daas man sie durchaus nicht
unharmonisch nennen kann ; auf den unbefangenen, nicht analysiren-
den, krittehiden Beschaaer macht der Anblick dieser Kirche einen
überwältigenden, zauberhaft ergreifenden und hinreissenden Eindruck
und auf den ersten Anblick glaubt man den Bau in einem gana
besondem, vorher nicht gekannten Styl ausgeführt, während bei
näherer Betrachtung die Elemente der einzelnen, darin yertreteneo
544 Mothe«: Gefchiebte der Baukaiitt Venedif's.
Style allmählig sich sondern und die Entstehnngsweise dieses Ban«
ahnen lassen.'' Wer wird nicht gern dieses Urtheil onterschrdbeo,
und, wenn er anders ja die Schwelle dieses Domes betreten, den
gewaltigen Eindruck gefühlt haben, den dieses grussartige Denkmal
in der Seele eines Jeden erregen muss.
Der Verfasser bat, bevor er zu der Beschreibung dieses Domes
nach seinen Eincelnheiten übergeht, auch die Frage nach dem Mei-
ster, der dieses Werk aufgeführt, einer näheren Untersuchung unter-
worfen, die auch ihn als einen entschiedenen Gegner der Ansicht
betrachten lasst, welche den Architecten von S. Marco aus Gonstan*
tinopel verschrieben werden lässt; er seigt an einer Reihe tob
Gründen die Unhaltbarkeit dieser Ansicht, er weist vielmehr nach,
wie wir hier mit dem Werke eines Mannes su thun haben, welcher
sein Talent in Venedig selbst gebildet hatte, ^^auf den der damalige
Zustand byzantinischer Kunst weniger Einfluss übte, als der um an-
derthalb Jahrhunderte früher, aus dessen Influirung, vereint mit an-
dern Einflüssen, auf die früheren Bauten Venedig's jene Vermischnng
romanischer und byzantinischer Formen hervorgegangen war, die
zwischen der spätromanisehen und byzantinischen stehend, doch von
beiden wesentlich unterschieden ist durch die bloss In Venedig mög^
liehe, aber dort auch unvermeidliche Umgestaltung nach den eigen-
thümlichen nationalen und lokalen Verhältnissen der Lagunenstadt '^
So der Verfasser S. 72, dessen Ansicht über einen so wichtigen Punkt
wir lieber mit dessen eigenen Worten hier mitthellen wollten.
Der Verfasser gibt nun zuerst den genauen Grundriss der
Kirche, und geht nach den darauf bezüglichen Erörterungen, dann
zu der Beschreibung des Baues selbst über, zuerst der Aussenseite,
dann der Vorhalle, und darauf des Innern der Kirche, des Haupl-
altars, des Stuhles von Marcus, den er nach Technik und Zeichnung
als ein Werk des X. — XI. Jahihunderts betrachtet, das, wenn mao
vom Material und den dadurch bedingten Modificationen der Formen
absehe, sehr viel Aehnliches von den alten hölzernen Biscbefsstob-
len in den Holzkirchen Norwegens habe; was nun freilich gar nicht
zu denjenigen Ergebnissen stimmt, zu welchen Pater Secchi in sei-
nem umfassenden 1853 zu Venedig erschienenen Werke über diesen
Stuhl gelangt ist, wornach wir hier ein Denkmal vor uns haben,
das bis in die älteste Zeit der Christenheit hinaufreicht, der aocb
die an diesem Stuhl angebrachte Inschrift zuzuweisen ist, so daas
in keinem Fall von einer so späten Zeit, des zehnten oder eilAen
Jahrhunderts, hier die Rede sein kann.
Wir wünschen dem Unternehmen, das sich eine so schöne Aof-
gäbe gestellt, und diese in einer so befriedigenden Welse in den
vorliegenden Heften auch durchgeführt hat, einen raschen Fortgang
und eine günstige Aufnahme von Seiten des Publikums, weil es
dieselbe in der That rerdient Der mehrfach in der ersten Lieferang
vorkommende- Schreibfehler BizanZ| bizantinisch wird zu beriditigen
sein.
Ir. K. REIDElBEReBK IM.
JAHRBOGHBR dir LITERATUR.
Literaturberichte ans Italien.
Ea wird auffalleD, d«M unser Bericht sich mit einem Msdehen yod kaum
12 Jahren beichfiftift, einer Dichterin, Marianne Costa di Prato ^), welche Yon
bedentendem Talent Zeuffoiss gibt; achon froher erregte in Neapel eine nicht
Ütere GioTannina Milli grosse Bewunderung, wobei man an den ISjihrigen
Yalerini Pndens erinnert wird, der lur Zeit Trajans bei den OTympischen
Spielen den Preis als Dichter erhielt.
Eine Wochenscifrift für Wissenschaft, Kunst und Industrie, das Echo tob
Europa*), hat schon ihr «weites Jahr erreicht, was in Florens selten vor-
kommt; dort leben so viele Fremde im Rausche der VergnOgungen, dass die
Wissenschaften sich mehr surücksiehen aber mitunter sehr Ernstes leisten.
Eine mehr den Thaten gewidmete Zeitung, welche 2 Mal die Woche in
Tnrio erscheint, wird von einem recht tüchtigen Literaten, Herrn PaggialH,
redlgirt und giebt ausser literarischen und Kunst-Nachrichten hauptsSchlich ~
Biographien von ansgeseichneten Künstlern und Künstlerinnen, von den Lei-
stungen der verschiedenen Theater in Italien und dem Auslande, und hat den
Titel Trovatore angenommen «O*
Die grosse Yonu-Bibllothek, welche die Buchhandlung Pomba in Turin
vor ein paar Jahren angefangen, ist jetzt schon bis su 120 Bänden fortge-
schritten*). Der Preis ist so niedrig, dass der Druckbogen nur 5 Pfennige
betrigt, wobei die Ausstattang sehr gut und die Auswahl ebenfalls befriedi-
gend ist. Das letzte Werk ist die Literaturgeschichte seit der Wiederherstet-
Inng der Wissenschaften von Corniant, fortgesetzt von Predari*). Von Ue-
berseiaungen aus dem Deutschen befinden sich in dieser Sammlung K1opstock*8
Messias, Schiller's historische Schriften und Duller's Deutschland.
Dieselbe Buchhandlung giebt jetzt bereits die 8. Ausgabe der Universal-
Gesehichte von Cesare Cantu heraus ^, Die früheren Ausgaben in 10 Bandes
kosteten 102 Franken (wieder ein Beweis, dass die vornehmen und reichen
Italiener Bttcfaer kaufen), die jetzige wird 12 Bände enthalten.
Eine Gesellschaft von Rechts-Gelehrten, an deren Spitze die beiden Nea-
politaner Mancini und Scialoja stehen, geben einen Commentar zu der nenen
^) Poesie di Marianna Costa di Prato. Catanea 185Ö.
S) L'Eeo d'Europa. Firense. 1855.
') II Trovatore, giornale artistico letterario. Torino. 1855. Anno 11«, mit
Porlraita und satirischen Darstellungen.
*) Nnova Bibliotheca popolare. Vol. CXX. 1855. Tip. Pomba.
^ Comiani, i secoli della letteratnra Italiana doppo il suo risorgimento,
continoata per cura di F. Predari. YoL V. Tip. Pomba, jetzt unter der Firma
rUnione tipografica. Editrice Torinese. 1855.
^ Storia universale decavaliere Cesare Cantu; ottava edizlone 1» piu eco-
nomica. Torino. 1855, ibid. Die Seite wird zu 1 Pfennig berechnut, derBogc^n
also nur iVa Sgr.
L. Jahrg. 7. Heu, 99
ffHt IttertttrUHtlile ai| Ildien.
SardiniicheD Proieif-Ordnung heraus» welcher in mehreren Bftnden betteliead
25 Thir. kostet^). Von den Tnriner Reehtsfrelehrten ist es besonders Pisnseli,
welcher Bei diesem anerkanDt flfrUndlichen Werke bethei1i|;t ist.
AnMevaeni wim Ten flenaelneB uelebfieB eme snmvnni^ ws cFO^b^
Formularen herausgegeben ^),
Eine Monatsschrffl encyelopSdischett ItthaICs wird Yon Giaseppe 1a Farina
in Turin herausfregeben ^« Hiebei bemerken wir, dass auf den unglttcklichen
Umstand des Weglassens eines Saties in Nr. 126 des Magasin d^ L» d. Aus-
landes eine Verwechselung mit dem Statistiker Ferrara Torgefallen iet, welehtr
die grosse Bibliothek der Oeconomisten herausgiebt.
Ein wissensehafklich technisches Lehrbuch des Ackerbaues yon Berti-Pichal
in 6 grossen BAnden, mit 1800 eingedruckten Abbildungen, erscheüal in der-
selben thfttigen Buchhandlung^).
Der geschickte Professor der Chemie an der Univ<ersitüt in Turyn, de
Selmi, giebt die Vorlesungen über die Ackerbau-Chemie von Halaguti heraus^).
Eine Fortsetiung dieser Vorlesungen des Malaguti, Professer sn Renueiy
giebt der Professor Carlevaris in italienischer Uebersetiung heraus^).
Eine kurae Einleitung in die Ackerbau-Chemie hat der obengenannte Pro-
fessor Selmi herausgegeben. Man sieht, dass die hiesigen Gutsbesitzer, obwoU
sie gewöhnlich ihre Güter in einseinen Hofen Terpacbten, doeh mit der Ver-
besserung des Ackerbaues beschftftigt sind ; es werden daher die PacbtrertrSga
gewöhnlich so gestellt, dass der Pachter sich nach den Anweisnngen des Var-
pflchters lu richten habe^.
Derselbe Professor Selmi hat eine Mineral-Chemie ''J und auch eine Org»'
nische Chemie^ herausgegeben; und in Gemeinschaft mit dem Profenaor Ai^
pesani die Elementar-Chemie von Reynault ttberaetit'). Ein Hendbach der Cheak
auf die Künste angewandt hat Ascan Sobrero in 4 Banden mit vielen Abbil-
dungen herausgegeben ^^'j und Vegessi RnccaUa eine Uebersetsung doa Kate-
chismus der Geologie und Agrar-Chemie von B. Johnston ^K Endlich die An-
fangsgründe der praktischen und theoretiachen Geologie des Prof* Collegno ^
0 Gommentario del codice de procedura civile per i stati Sardi. Toriao.
iaS5. T^. Ponba.
*) Formulario agli atti di procedura dvtle. ib.
^ Rivista encyclopedica Italiana, di Giuseppe la Farina. Toriao. ib. 18(i&
^) Instituaioni di Agricoltura, di C. Berti-Pichat. 1855. ib.
*) Lezioni di chimica agraria di Faustino Malaguti. ediaione Itatiana dd
Pr« Selon. Torino. 186».
^ Nuove lesioni ect. versione di Prospero. Carlevaris. ib.
>) Principii elemenCari di chimica agraria per Antonio Selmi. ib.
'} Principii elementari di chimica minerale per Franeeeco Scrfmi. fidit.
Pwba. 185^
^ Principii elementari di chimicd* organica per Fr. Selmi. id. Beide wlt
vielen Abbildaagen.
*) Corso di chimica elementare dt M. V. Reynault, tradusione ttaliaaa dd
^r. Sfimi. id. mit 1700 Abbildungen. 20 Franken.
^^J Manuale di Chimica applicata alle arti di A. Sobroro. IV. Vol. id.
^^) Catechismn di Geologie e di chimica agraria di J. Johnaton* Tradotto
da G. Vegeui-Raccalla. id.
^) Elementi di Geologie pratica e teorica dall Prof. Giacinto CoOegne. ii
LitenitfirWiclite tas Italleii. 54t
Me UnivenHit cn Törin halte BielB gute Latinisten, ent Bocheron ond
feinen SeKöler, Tomnoto YelHrari. Dieser hat ins von Anton Basiarini an-
fefcofene und Yon Bemard Bellini fortfi^efetzte lateinisch italienische IfOrter-
bnck neu durcbfeaehen herausfrej^ben ^). *
Ein sehr (rrOndliches Werk ttber die Reform des Gefangrnisswesens ist
Ton dem Director des Straffrefftni^nisses soOnefrlia, dem Advoeaten MinghelliO
iwranafef^eben worden. Er hat seine Erfabronf^en mit den darüber früher er-
ffUeneoen Sehriflen sorfrftltij; verglichen, nnd in diesen beiden Bttnden eine
»Irr beaehlentwertbe Arbeit {^liefert. Er wiTf alle Strafen in Preiheits-Be-
raybonf verwandelt wissen, und dabei alle infamirenden Strafen abschaflTen,
Br hitt es fkr nothwendi|r, die Verbrecher abzusondern, httit aber das Isoliren
derselben, nicht für das einsiire, noch für das beste Mittel daiu. Der Verfasser
hat 'in 10 fp'oasen Kupfer-Tafeln vorfresehlagen, wie ein Geffln^iss sweek-'
■Isai^ einzoriehten ist, und in sefnero Werke (fanz genaue Anweisunji^en für dip
YerwaltunfT solcher Gefünj^nisse fregfeben. Besonders beachtenswerth sind
seine VorschlS^re darüber, wie das Publicum, besonders die Gemeinden, %u
dem Endsweck der Bessern ngsbttuser mitwirken können, wobei freilich von
dem Verfasser Linder vorausfresetzt werden, wo überall Gemeinden ezistiren
und ein ifemeinsames Interesse aller Orts-Einwohner stattfinden kann. Aul
diesen guten Willen Aller rechnend, giebt er Mittel an, wie durch die Er-
ziehung, durch Aufsicht auf Unbeschäftigte, auf Verdilchtige, Verbrechen vor-
gebeugt werden kann, nnd endlich wie durch Aufsicht und ünterstOtiung der
entltssenen Sträflinge auf ihre Besserung eingewirkt werden kann, indem
ihnen die Veranlassung genommen wird, durch Elend wieder auf schlechte Wege
EU gerathen« Der Verfasser setzt hier nicht Beamte, sondern Staatsbürger
voran«, die gleichea Interesse am Wohl Aller haben können.
Sin sehr lesenswerthes Werk ist in diesen Tagen von dem berühmten
Venettnner Niceolo Tommaseo ttber einen Crhninalfall in Corfu herausgegeben
worden. Er, einer der Hiupter der Revolution in Venedig im Jahre 1848,
war dorthin ausgewandert, und befand sich daselbst, als im Jahre 1853 von
Errichtung einer firemden Legion auf den Sieben Inseln die Rede war. Die
Bewohner dieaes griechischen Freistaats, die gern mit dem Königreich Grie-
chenland verbunden wfiren, welches stets die HolTnung nährte, sich noch
Weiter ausdehnen lu können, sind durchaus Russenfreundlich und standen
stets mit den Agitatoren gegen die Türken in Verbindung, welche anch die be-
kannte Maassregel wegen Paeifieo veranlassten, als England erfuhr, dass da-
nnrlf sekon eine Revolution gegen die türkische Regierung angebahnt worden
war. Bei dieser Stimmung der Corfioteo gab es mit den auf jenen sieben
Inseln lebenden Italienern, die sich als Nachbarn dort aufhielten, um so piehr
starke Reibungen, da diese eben nicht sehr russisch gesinnt sind, auch die
Vericiriedenheit der Religion dieser Insel die Griechen mehr zu Russland hinzieht.
Bei einem solchen Wortwechsel wurde ein Grieche erstochen, und ein Ita-
^} Vocabnlario Universale latino italiano e italiano latino, riveduto per
Cavaliere Tommaso Vallauri. Torino. 1855» Edit. Pomba.
^ Sulla riforma delle careeri e l'assistenia publica, saggio Hell' avvo-
eato Giovinni Mingfaelli, Direttore del penitenzionnrio d'Oneglia. Torino, presjo
Ginseppe Bocca* II. Voll.
m Literfttarbericbte auf tulieo,
liener defhalb lum Tode verurtheilt. Der gelehrte TommMeo hat aieh dei
Hing^erichteten nach ieinem Tode anjpeDooiBiieD, und in der DarstelUing dei
ProzeMoa geffen diesen ieinen Landamann 0 die Ungerechtigkeit dieaea Er-
kenntniaaea daraathun gesucht £in wahrhaft edlea Unternehmen fOr einen Hin-
gerichteten, der aich nicht einmal dafür bedanken kann.
Ein grOaseres Werk von dem Botaniker Franz Ambroai — Flora del Ti-
rolo meridionale, Padova. Vol. L 1856 — aoll noch einen zweiten Band er-
halten. Der gelehrte Herr Verfasaer hat hierin beaondera anf die Flora Ita-
liana von Pariatone und auf die deutsche und schweizeriache tob Koch Benf
genommen, und faaat zugleich ttberaichtlich die gesammte Flora von dem Adiia-
tiacben Meere bia zum Liguriscben Meerbusen Ober-Italiena. Von Grasart»
allein aind 100 Speciea angeführt.
Ueber die in der Provinz Friaul wild wachaenden Pflanzen hat sckoa
A. G. Pirona zum Behuf dea Gymnaaii zu Udine eine Botanik unter dem Titel:
Florae Forumjnliensis Syllabus, zu Udine 1856 herausgegeben.
Ein anderer rühmlich bekannter Botaniker Italiena, Herr Mnaanlongo, kat
eine Monographie der Lichen-Arten beaondera in der Gegend von Yeraai
unter dem Titel: Simmicta Lichcnum novorum vel minua cognitornm, Veroai.
1856, und eine andere Monographie Über fossile Nereiden ebendaaelbst er-
scheinen lassen (Monografie delle Nereidi fossili del M. Boica, mit 6 Kapfer'
tafeln), welche aich auf dem Berge BoIca finden»
Im Ganzen acheinen in Italien weniger Romane geachrieben zn werden,
als in Deutschland; es scheint, als wenn der Italiener zu emathaft fbr so
leichte Waare sei. Allerdings mögen in Italien weniger gelehrte Werke er-
scheinen, allein im Ganzen herrscht mehr Würde, wenigatena mehr Anataad;
man befindet sich stets in guter Geaellachaft. Man mag manchmal nnseia
Kraft Genies dort vermissen, dafür findet man aber nie einen bnrachikosea
Auadruck, der in Deutachland manchmal mit unter läuft. Dieae Gedaakei
fielen uns ein, ala wir einen neuen Roman, die Denkwürdigkeiten eines Laad-
mannes, von einer Schriftatellerin in die Hand nahmen; er ist zu Veoedif
unter dem Titel „Le memorie di un Contadino, scene domestiche di Loifh
Codemo-Gerstenbrandt, tip. Antonelli 1856^ erschienen. Wer nicht z« hahs
Forderungen an die Schilderung einea Familienlebena macht, wird das Back
recht gern lesen. Uebrigens fangen die Frauen in Italien an, aich jetzt aishr
als sonst zu beschäftigen. Wir wollen nur die Dichterin Laura Mancini-OUn
erwähnen, deren Inea für ein klassisches Stück gehalten wird, die Oliaipii
Savio-Roaai und Frau Colombini, welche aämmtlich in Turin sich einen aickt
unbedeutenden Namen gemacht haben. Daselbst können wir auch ala Liah-
haberinnen der Maler-Kunst erwähnen die Gräfin Antoana, Fräulein Gerrasaai
und Frau Melchioni-Tagliacarne. Die Müsse zu solcher ausdauernden Beschiß
tigung mit den Künsten finden die Italienischen Damen hauptaächlich ia dar
Art ihres Landlebens. Der Italiener ist vor Allem Stadtbewohner, dort ist «r
zu Hause und geniesst das gesellige Leben. Auf das Land zieht er sich n^
rück, um einige Monate von dem Geränache der Welt auazurnhen; dort fia<M
^) H supplizio d'nn Italiano in Corfu, eaposizione e diacuaaionO di Niocel*
Tommaseo, Pirenze. 1855. Tip. Barbera«
Ul^rMorberfehle tot llall^tt. M9
ck« bMi ^m feiolKfre Üben wie in deo Undhiotern Ea^aods, Poletti und
selbH DeoUehland« stell, sondero man lebt dann fraoz fttr sieb, gani fOr die
Fanilie, selbst um fbr den Winter Ersparnisse su maehen. Weniger ist es hier
aneh Sitte, im Sommer die Po*Bider zu besacheo, obwobi dasu in Italien Gele-
^enbeil fonng ist, denn die Seebider abferechnet, hat besonders Ober-Italien
die aosfeaeiehneUten Heilquellen, wir dürfen nur Aix les bains, Courmajenr
and Aqai erwihnen, nebH der auf Grafenber^er Art eingerichteten Abtei
Pesio bei Mondori unter dem Col di Tenda. Daher fehlt es euch nicht an
balneofraphischen Schriften in Italien.
Bine solche ist die Beschreibunf des Bades tu Valdieri von dem Dr. 6a-
reHi (Valdieri e le sne aquo per Giovanni Garelli. Torino. Tip. Pranco. 1856]
Diese Heilquellen von 64 Grad Hitse nach Reanmnr liegen unter den Heer-
Alpea, welche Plemont von der Provence scheiden, in dem Thfile von Gesso,
dessen Gewisser in die Stura fallen. Man ipelanitt hierher mit der Eisenbahn
nach Cnneo, und von dort aber Borge di 8. Dalraaiio. Die Umgegend ist
reisend und die Anstalten für die Besuchenden hinreichend. In einem herr-
Kcben Tbale ist das Grabmal Merlins, freilich nicht des berühmten Zauberers ans
Schottland von Arthurs Tafelrunde, sondern nach einer trefflichen Romanze
war es- ein von den Barbaresfcen bei ihren Landungen an den KUsten Italiens
weggefahrter srmer Banernknabe. Dieser führte sich als ScTave so gut auf,
dass er, nach der wahrhaft patriarchalischen Art der Huhamedaner, welche
ausser dem Kampfe mit ihren Peinden die grOsste Menschlichkeit zeigen, von
seinem Herrn nach einigen Jahren freigelassen und in der Magie unterrichtet
wurde. Die Wohlthfltigkeit des ungiftubigen Herrn ging so weit, dsss
sie diesem Fremdlinge Mittel zur ROckkehr in die Heimath gab. Hier nahm
er den Namen Merlins an, naeh dem dritten Gesänge des rasenden Roland,
and gewann durch seine Vorhersagungen das Vertrauen von Galeazzo Vis-
conti, bis derselbe in der Stephans Kirche zu Mailand ermordet wurde. Nach-
her stand er in giefcher Gunst bei dem Herzoge Amedens IX. dem Heiligen,
and zog sich in diese reizende Einsamkeit vor seinem Tode zurttck.
Satiren sind in Italien selten; daher wir einer eben erschienenen er-
wihnen mUssen. Der Titel dieser literarischen Seltenheit ist: Le odierne
Magie. J Taonulloni. Sermoni di Anastasio Bonsenso* Milano. 1856. Tip.
Raetaelli. Die erste dieser Abhandlungen geisselt den Glauben an die in den
Tischen wohnenden Geister, welche in Deutschland und Nordamerica schon
ganze Binde dictirt haben. In Italien hat es damit keine Noth, dort ist nicht
das Land der Gespenster, der Kobolde, der Geistererscheinangen und Hexe-
reien. Die Italiener beschuldigen uns, dass die nordischen Barbaren solchen
Aberglauben in die Religion gebracht haben, welche zuerst lehrte, die Gesetze
der Kaiser zu achten, bis die Kirche die Kaiser sich unterwarf, nachdem die
Religion in der Kirche aufgegangen war. Das Drehen der Tische in Italien
beschiftigt nur wenig und dürfte bald vergessen sein, wenn nicht Beobachter
des Magnetism, wie Graf Sanvitale in Genua, und der Canonicns dei Gonsoni
in- Florenz sich veranlasst ftthlen sollten, darüber Forschungen anzu-
stellen. Die zweite Abhandlung macht sich über die reichen Lombarden lustig,
welche ohne Zweck leben, um nichts zu thun, als um gut zn leben, d. h. den
Sardanapal zn spielen. Da die andern Italiener den Lombarden Bequemlichkeit
IfiO Ljiemtorbendkte mm iMüik«.
und Genuwsneht vorwerfen, nug diese Satire nicht olinn Ceg><at«tid Hf
Ef itt aber der Zweck der Satire, einen nicht nnbedeuteadftii GogtnMn
snm Vorwurf su nehmen.
Eine ^allade von Ghiaoni, „Maria Avefno, Ballata di Antonio Gkisei
Pavia 1856. Tip» Fusi** i^efttlJt, da der Dichter sich von den Ueberireibnnfi
freigehalten hat, welche man an den Nachahmern von Prati tadelk
Eine poetiache Novelle von Rifhi behandelt die Versehw6nui|f, in Fol|
deren der Hersog Gaieaazo Maria Sforaa an der Schwelle der Stefans Kird
ermordet wurde, unter dem Titel: „Bice Olgiata, oanti ^oatro di fitftore Se
pione Ri|^hi. Yerona 1855. Tip. Antonelli^, man findet die Spraehe mitanU
etwas vernaoblilssigt.
Ein Gedicht von Bnono „La Donna, carme di Michele B«oao« Triecli
1856. Tip. del Loyd^, seift den Einfluss der Frauen im bftnalichen «ad Fi
milien-Leben, so wie in der Geschichte.
Ein geschichtlicher Roman von Venesta, „Corrado o il castello 4i Teglii
di Feiice Venesta. Milauo. 1856. Tip. Bononi", findet keinen besonderen Beifal
Dagegen erfreuen wir uns einer neuen Gabe des gelehrten Bibliotheksi
Thomas Gar, welcher aus der Geschichte des Fttrstenthums Trient einen deiA
würdigen Abschnitt mittheilt. Der Verfasser ist nflmlieh mit der Geschicbi
dieses FUrstentbums beschäftigt, wosu ihn die Stadt Trient beauftragt ha
welche eine reiche Bibliothek, das Fllrstenthum betreffend, besitst, worin ss
gleich die Werke der Trientiner Verfasser aolbewahrt werden. Nicht viel
Stttdte in Deutschland durften sich einer solchen Anstalt su erfreuen habca
aber dort war der Bürger stets bei der Verwaltung seiner Stadt betheiligl
wahrend besonders im Norden von Deutschland alle Theilnahme in Beamtet
wesen untergegangen ist. In diesem Werke „Episodio del medio evo Trea
tincs narrata da Tommaso Gar. Trento. 1856. Tip. Bononi,** aeigt der Yar
fassef, wie das Schloss Pergine im Tbale von Fersina von dem Kaiser Coniw
von Schwaben dem Bischof von Trient lur Verwaltung ttbertragen wordes
dass es aber bald darauf in die Gewalt eines Baierischen Ritters gekomoMi
welcher die Bewohner dieses Thaies au seinen Unterthanen gemacht habe, o«
sie dermassen bedrückte, dass sie sich zu befreien sachten, als 1166 der da
malige Feudal-Herr Gundibald von Friedridi dem Rothbart an dem Römer
Zuge aufgefordert worden war. Die armen Unterdrückten suchten bei da
Stadt Vicensa Hülfe, wie monarchisch aber damals noch das Volk war, seif
sich in dem dessfallsigen Vertrage, nach welchem man sich ansbedung, nisli
gegen den Kaiser zu kämpfen. Anf diese Weise hat der gelehrte Herr Ver
fasser gezeigt, wie feindselig das deutsche Lehnweaen nach unten, und wi
wenig zuverlässig es nach oben war; auch der Bischof von Trient macbK
sieh endlich zu einem der weltlichen ReichsCUrsten, welche zoletzt die kaiser*
liehe Gewalt ganz vernichteten.
Sehr willkommen für die Linguistik ist ein eben erschienenes Werk vm
Peter Monti, vormals Professor in Mailand; seine Forschungen über die Cel*
tische Sprache nnd deren Verwandtschaft mit dem Sansorit und dem Lembsr*
dischen Dialecte sind jetat unter folgendem litel erschienen : tSaggio di voct-
bularie della Gallia Cisal|Mna e Celticai e appendice al vocnbukria del dia-
letto di Cono, 4i Piairo MontL MUano. 1856. Tip. dd Clafaini.
LÜCMliiiteMki MM Mim. BSt
Anck in Mkm fiebt et aoMe tttiilicbe DMilarlbge, wi« ^vir ato <■•
babM, 4ie des VOf leM leere Worte ableoselMii asi tbr« blMpm
•bne Ciertdi eit Coldfobaltt 4r«cäeii laMea; eiB soteber üicbter iü
fr Ii«Bsa, von dem »Affetto e eeolo, poeate di Merco Lenuu VeaoMu 18M«
li^ Aotonelli'' erMhien*
Aaoli »yüiecbe Dicbler Irelen ia Jtaliett aaC; wesD tkt eaeb ■iobi io ba*>
ferdert werde«, wie bei «m ; wir erwAbaea daber aar 4ea foaMaliaoh-*frOBaaea
iCeMBf : Die Hitteraacbl tob BarMaao. «Meuanotte, eaalo di Aolonio Ao^e-
bal-Bafbiani. Veneaia. 1956. Tip. NaraldTiale.*'
lieber dea Unpmair der Florealiaiaehea Repablik bat Herr Vaaaaeai eiae
feadUltita Sebrift beraaegegebea. „I primi lea^yi Mla lapabliea ftoreaÜMi»
di Otto Vaaaaeei. Fireaae. 1856. Ti^ Le Moaaier, .
Fttr die Literator-Geacfaicbte iit folf eade« oacbffelaaaene Warb tob Ufoai
iebr wicbUf, da ea aieb mit der aweilea Hiifte dea 18. Jahrbaaderti beadbif-
tigt: ^della lelteratara Jcaliaaa nelta aecoada aieta del aeeolö XVyi, di Carlo
Uffoai. Milaao. 1856. Tip. Benardcai.''
Der aaa Aacoli febttriife Capitaia Anfotto Vecchi hal die Revebüo« ib
baliea ia dea Jabreo 1648 oad 1849 aiit vielem Gebt beaehriebea. „Lllalia,
Moria di doe aani 1848 e 49« aerilta da C. Aaffoüo Veoobi, 11 Edüioii. Toriaa.
1856. II Vol. Tip. Fraoeo,^ mit aebr ipitea Zeicbnaair en. Vooobt, kaia' Freaad
der Herracbaft ia Born, belle skeCa auf beiaere Zeitea, iadem ar viele Beiaen
■achte; a1« er licb Terbeiratbete, alellte er «eiaer reicben Braat die Bodin*
fBBff, daaa sie «teb f efallea laaaaa nOaae, iba die Waffen ergreifiaB lo laaaeBt
waan ea In Italiea a« eiaem Anfitande kommen aetite. Aoeb trat er ab
gUkeklicber Famtllenvaterv ab tapferer Vertbeidif er der Maaern ftoam ffafea die
Fraaaoiea auf. Die lebeadigo BeacbreibuDf dieser Zeit bU a« dem abea«
teaeriicben Zage Garibaldi'« maobt dea lahalt dieaei Bacboi aaa, arelcbea
an die dentacbe Beit im Jahre 1813 erinaert
Der aebaaderbafk Proieaa der nnglflcklicben Ceaei bat wieder etaam
Sabrillateller Veraalassoog gegeben, eine Schrift über 4enaelbeB der Oetea^
Kebkeit an Abergebea. Dies bat Herr Scolari getbaa, welcher auf der Marcaa
Bibiioibek dain die Berichte der Veaetiaaiachen GeaandUcbaft ab neoe Qnelleo
beaatat bat Leider bt er aber an dieae Arbeit aaü dem WUbn gegaagmi,
naehsaweben, daaa dieae von ihrem eigenen Vater gomliibrauchte Tochter
Bit Recht aum Tode verdammt worden ; daher diese Arbeit nur ab eine Par«
«bebebrift, beaondeni gegen Goerrazsi aogeaebeo werden kaan. Haa iber^
Koagl sieh imaMr mebr, dasa 4ie Ubgittokliebe bei ailea HaHern 4tr Feber
den Tod dem Gestllndnbs der Schande vorgCKOgen hat. Der Titel dieses
Baches ist: Beatrice Cenci» causa celebre criminale de! secolo XVI. memoria
•terica di Filip^ Scolari MBano. 1856. Tip. Borroai.
IL
Zu den geschichtlichen Erinnerangen an das Auftreten der Germanischen
Broberer in Italien, welche ea erklären, dass die Italiener eben keine grpsse
Neigung an den Dentscben haben künneo, gebort avob das Verfiahmn des von
^ dem Groaaen in Breacia angeatellten VorwaItangs«>Boa»teii, 42nfen !•«
56^ Litenttrberiishce am ItoK«».
iMn^ welcher der Tafend der «diOnen Scomborf«, der Tochter Dirvd^noi,
üMfaftellte, welche nur dadurch vor dem Gewnlthaber ifefchattt werde« kenie,
daia aie ihr Vater aelbft entach. Dieaen Geifenattnd bat Marlelli im eieen
Tranerapiel benutit and den tchwerf^lliften LoiiKobarditHien Namen Scembmft
in den wohlklingenden „Romilda von Brescia** 0 Terwandelt. Eine befonden
gute Meinunf kann man aber schon desabalb von dem Verfanaer nicht babea,
da er den frinkiacben Grafen aU frantOiiachen General beieiebnef.
Turin iat auch in dem verganfenen Jahre wieder aehr reich ao Velka-
Kalendem von allen Farben gewesen, der National-Almanach *) für die Freunde
dea Fortaohrittes enthalt Lebenabeacfareibunfen der in der Krim gebliebeaea
Generale della Mamora ond Antonini; eine illuatrirte Beadirelboug der wiik-
lich iprosaartigen Eisenbahn, von Genua nach Turin und dem Lage maggiore;
verschiedene Dichtungen a. s. w.
Daa Geirenatttck lu diesem Kalender iat der Ton einem Priester bersat-
gegebene Parlamentarische Almanacb'} anter dem Titel „daa GeschwllE*, weria
sich die grtfsste Abneigung gegen die constitntionelle Monarehie von Seiten dar
Prieaterparthei ausspricht.
Dagegen tritt der Almanaeh des Fisehietto mit scharfer Satire auf, weria
die Sohwichen der geistlichen Herren aofgedeekt werden^.
In sehr woblwollendetai und versöhnlichem Sinne ist der Hausfreund*),
der Almanaeh der Waldenser, geschrieben, ond kann fUr einen Volkakal ender
angesehen werden, wie wir sie in DeuUchland haben.
Herr Armand hat eine kritische Lebensbeschreibung von Shakespeare ber-
auagegeben, ond den Italienern die Forschungen von Schlegel bis Guisot sa*
ginglieh gemacht '). Dieser Arbeit ist ein Gedicht ttber die Themse beife*
fbgt, doch behmiptet man, dass demaelben wahrer poetischer Schwang fehlt
In Florenx gab Herr Marcucci eine in dem doKigen Archiv aofgefcndeae
Sammlung von Briefen des weit gereiaten Sassetti heraus. Dieser wir 1540
tu Florens geboren worden, hatte in Pisa studirt, und widmete sich spSter
dem Hsaadei, der ihn nach Spanien nnd Ostindien führte. Ein Theil seiner ia
die Heimath geschriebenen Briefe ist fOr die Geschichte seiner Zeit sehr
wichtig, noch mehr aber derjenige Theil derselben, welchen ein so gebildeter
Reiseoder in jener Zeit Ober die fernen Linder geschrieben hat, die er be-
suchte. Auf diese Weise bat der Herausgeber der Reise*Literatur einen groMea
Dienst geleistet 0.
Nachdem unser gelehrter Bopp, Leo, Holtimann, Steub u. s. w. über die
Romanischen nnd Celtischen Sprachen so bedeutende Arbeiten geliefert haben,
0 Romilda da Brescia, tragedin di Enrico Hartelli. Präto. 1855. Tip.
Giacchetti.
Almanacco nazionale. Anno 7. Torino. 1855. Tip. della Gasetta del popolo.
La ciarla, del G. Hongibello. per 1856.
Strenna del Fisehietto. per 1856.
L'Amico di casa. HI Jahrgang fttr 1856*
Shakespeare. Saggio biografico critico di Giuseppe Armand. H Tamigi,
carme dello stesso. Milano. 1855. Tip. Arzione.
J) Lettere inedite di Fitippo Sassetti, raccolte ed anaotate da Ettore Mar
cneeu Pirease* 18&&. Tip. Lemonier.
?
LUertior^riehte im TtaKett. 559
Meer tn Triett «eine Fortchaniren Aber i\t Roranniiclien Dlatefte*)
benof^afcbeB , welcher sich haaptsAfhIich mit Etymolofifie nnd selbat eot«
femlen Ann1o|H«n heMblflifrt.
Das Buch Tom Fürsten von dem berahmten Florentiner Staatsmann Mfac«
chiaYelK bat sehon so manehe Erkiftrer ipefunden; auch der Professor Frap-
porti hat dies in seinem Werke Ober das YerstSndnIss dieses Buches *) aufs
Nene versoebt Doch scheint er damit nicht so ((locklicb irewesen in sein,
wie der avch in Deotichland rUhmllchst bekannte Professor Haneinl in seinen
Voriesnnfen Ober das Volkerrecht, Ober welche die Kritische Zeitschrift fOr
die Hechts Wissenschaft des Auslandes in Heidelberit in dem von dem Unter«
nMinetee mitfetheilten Berichte Nachricht ifiobt.
Die Stadt Trient im italienischen Tirol zeichnet sich durch ein sehr rühm-
liebes wliseaachaftKches Streben ans. In Oesterrelch haben die StSdte stets
eine aehr freie Autonomie ^abt, so dasa die Poliiei sich ledii^lich om die
Pisae M bekOmmern hat, die fcsammte VernraUoni; aber der Stadtfremeinde '
selbal oberlassen blieb. Ohne solche fremde Einmischonir hat auch Trient
eine eicno Bibliothek Yon Werken über ihre Geschichte und von Arbeiten
ihrer MitbOrirer fr^stiftet, der sie den oben irenannten Gelehrten T. Gar
zom Bibliothekar Torgesetit bat, welcher sich loirleich mit der Bearbeitunff
einer Geschichte der Stadt nnd des Bisthums Trient llescbi flirrt. YorlOuflg bat
er die Schriften einea an Anfsogf dieses Jahrhunderts Yerstorbenen IfitbQrgers
dieser Stadt, des Grafen Carl Martini 3), mit Nachrichten über sein Leben her-
ansirafroben, welcher sich mit der Geschichte und den Alterthflmem der Reste
Hetniriscber Zeit im sttdiichen Tirol und der Colonia Trentina besehflfiifte,
dessen Arbeiten aber ifr^^astentheils noch onbekannt waren. Auf diese Weise
bat sieh der liebenswttrdiffe Gelehrte T. Gas ein besonderes Verdienst um die
Geaehlehte des allen RhOliens erworben.
Bei dieser GelcKenkeit mOssen wir noch eines (gelehrten Werkes Ober
diese Gcfend Yon dem Herrn Telani in RoTcredo erwflhnen^).
In dem Krioipe iwiachen Venedig und Mailand wurde Brescia von dem
bekannten Bandenführer Piccinino, im Solde des Mailündischen Visconti, im
Jahre 1436 belai^ert. Die Bttri^er der Stadt Ycrthelditten ihre Mauern so tapfer,
dasa, nachdem das schwere Geschfltz die Mauern darnieder}(eworfen hatte,
20,000 Mann Sturm liefen ; allein die Bttrf|rer wankten nicht, selbst die Frauen,
Ton der Brif^da von Aroifadro angeführt (ron deren Familie noch jettt Ab-
kömmlinge vorhanden sind), setzten einen so tapfern Widerstand entgegen,
dass 7000 feindliche Soldner auf dem Platze blieben. Diese ruhmvolle Be-
0 Dell orifine e della natura dei dialetti commvnemente chiamati ro-
manici del Profeas. D. Gioaeppe Giorgio Sulzer. Trento. 1855.
') Sngli intendiroenti di Niccolo Maccbiavelli nello scrivere il Principe, del
Prof. G. Frapporti. Vicenaa. 1855.
*) Scritti di storia e d'ArcheoIogia del conte Carlo MaKini, ordinati da
Tomauso Gar, con nn discorao intomo alla' vita ed alle opere deir antore.
Trento. Tip. Ilonauni. 1855.
*) Intorno ad alcnne opinioal dei ^re illostrateri del monumento a C. V*
Mariano: diacorse doe. Baasano. 1855. Tip. Baseggio.
IM Iiler«liirberkht« au Italieii.
lafenuf der Stadi Breicia <) hat Fr. Odorici bMchrieboa» waUer Mit im
Awarbeitiuig einer aofführlieben Geschichte dieser Stadt besebifkigi ial.
Hit der Gedfenwart beschfifli|^ sich Herr Heneffhini« welcher V«rseU|fe
macht, dem Abfabeweseo eine i^na andere Gestalt lu feben').
Auch der Pseudonym Ausonio Franohi hat aeine aiemlich ntofiisliseh«
Ideen ittber Staats- Verfassung bekannt gemacht*).
Von dem Herrn Garcaro ist eine Uebersetaang von Beinridi VOL voa
Shakespeare erschienen , welche sehr geftllt» da schon die Araber ecachieaoaa
Uebersetaong von Richard UI. durah denselben Uebersetser den Beruf dm
Ueberaetsen bewihrt hat; auch l«sat man dem diehterisehen Talent deasalbaa
▼olle Gerechtigkeit widerfahren, welches er bei seinen UeberselMingen ge-
seigt bat«).
Ueber psychische Annei-Kande müssen wir ein sehr geaeht«tes Veik
von Frana Booucci erwähnen*), welcher besonders Idler, Bnrdaeh ond Hsia-
roth folgt, dessen Beurtheilnng wir aber den Sachveiatändigen nberlaaaen mOsrnn.
Von allgemeinem Interesse ist ein geschichtliches Schauspiel von Chimo-
lini, wekhes in die Zeit der Longobarden-Herrsehaft in Italien ffellt, wo die
rohe Gewalt herrschta, die sioh spiter in Deutschland das Faostreeht neoam
Hess. König Ariport war so unvorsichtig gewesen, das Longebarden-Heidi
in seinem letzten Willen untar seine SObne Godobert und Bertarit an theUea.
Dies benutste der Heraog Grimoald von Benevent, sich zum Herrn des Longa-
barden-Reiches nach Vertreibung beider Brilder zu machen. Diesen Gegen-
stand hat der Verfasser zum Gegenstand eines Dramas unter dem Titelt Gri-
moald von Benevent auf dem Lougobardischen Throne') gemacht, wobei er
Gelegenheit genommen hat, die germanische Barbarey mit der dassisehm
Civilisation und die Gränel des Lehnwesens mit dem alten Gemeindewesea n
vergleichen, das sich in den Nunicipien unter hartem Druck zu erhalten anehtSb
Endlich haben wir Gelegenheit, einmal eines Buches aus dem VeltÜn ii
erwähnen, das von Reisenden selten besucht wird, da die Strasse ther du
Stilfser Joch die höchste in Europa ist und den Oesteireichischen Straasea-
Banmeistam alle Ehre macht* In Sondrio ist nSmlieb ein statiatiscbea Jahr-
bach herausgekommen 7), welches ttber das Wenigen bekannte Thal der Addi
schätabare BeUrSge zur Erdbeschreibung und Kande dortiger auageaeiehaeler
FersOnlkbkeitan gieht«
Auch eines in Wien eben erschienenen Werkes mOasen wir ab der ilt'
0 L'assedio di Brescia del 1438, di Federico Odorici. Brescia. 1855.
*) I bilanci e la riforma delle imposte del Andrea Meneghini. Toriso.
1855. Tip. Favale.
^ n nasionalismo del popolo per Ausonio Franohi. Ginevra. 18(6.
*) Arrigö VIH. tragedia di GuiMmo Shakespeare, tradisiooe di Ginllo Csr-
coro* Milane. 1855. Tip. Pirola.
^} Fisiologia e patologia dell' anima umana per Francesco Bonnoei. Fireaie
1855. n. Vol. Tip. Bencini.
') Grimoaldo duca di Benevento al trono dei Longobardi. Dramma storieo
in 5 Atte, di G. Chizzolini. Milsoo. 1855. Tip. Ventini.
0 Cenni statiatici e netizie patrie Valtellinesi, Strenne per amm 1856.
Sondrio. Tip.
Ulemufli^ialrte «m IteUon. WS
li0awcliea Literatnv mgthörlg hier erwfthnen, oMmlieh 4tM T«g«l»«€h der B««
IiS«nuif TOB CoBiUoiinopel von 1453, vom Niccolo Barbvro^). DiM Tagebiioli
iu Balaffening von CoatUntinopel frord durch die Beatthunfen de« 9m Ve-«
lodi^ Gescbiclile jo verdienten Cicogoa fttr die dortige Bibliothek de« heilig en
Bereu erworben, welcher der alle Fremden ao gern imteratatsende Biblio*«
thekar ValeirtineUi vorateht^ Der vormalige Bibliothekar au Padna, Todum«9
Gar, lieaa dieae Abachrift von der Uncbrifk fertigen, welche der in Venedif
feborene Coroet, obwohl von fraoadaischer Abatammung« jetat aum araten
Male veröffeatKcht. £r hat wichtige Urkunden aua andern Archiven beh-
fefttgty auch achon früher Berichte dea Jeaapbat Barbero bekannt gemacht»
w«lehe dieaer ala Geaandter in Peraien im Jahre 1473 an den Seoat an Ve-
nedig erstattete.
Von den Novellen aua der (segenwart von Beraeaio ') iat jetat der 2. Theil
Bo TariB eraohienen. Der er«te Theil war in dem Sinne der neuen frana^H
•Mohen Bomane gehalten, der vorliegende aber, mit dem Titel: die FaaHli«»
uit wieder zu der italienischen Beinheit zurückgekehrt, nach welcher man aioh
ia den italieniichen Bomanea gewöhnlich in guter Geaellaehaft befindet, wäh-
rend man dort den Deutschen manchmal burschikose oder niedrige Ankllng*
Schuld giebt.
Herr Tallachini hat eine Uebersetaung der Iphigenia von Bacine hertna*-
gegeben 0« nachdem von ihm sehen eine der Phadra im vorigen labre er^
schienen war.
Herr Majocchi bat auf die Notbwendigkeit aufmerkaam geamieht, vater*
Üindiscbe Altertbfimer nicht ausser Lands geben au lassen^), zu welchem Behnf
er vorschlugt, eine Gesellschaft cur Erhaltung deraelben zu grOoden.
Von einem militärischen Schriftsteller, dem Hauptauinn Bertoni, habe«
wir die Anüangsgrttnde der Geograpbie mi4 einem Atlas au erwähnen^).
Unerschöpflich ist der Schaiz der Urkunden, welche in ItaBen fortwährend
veröffentlicht werden. Eine solche Sammlung hat vor Kurzem der Archivar
Salal^J herauagefeben.
Nach den hier Ober die Geachichte des Erzbistbnins von Mailand gege-
benen Nachrichten befand sich schon im 5. Jahrhundert unter andern au Be-
doro auf dem Berge Bedole eine Kirche. Besonders wichtig sind viele dieser-
Urkunden fttr die Geschichte der Sprache und der Hierarchie. In einer hier
ntilgetheilten Predigt aua dem 13. Jahrhundert kommt folgende Stelle vor: So
wie die Seele wichtiger ist, als der Körper, so steht auch der Geiatliehe Ober
dem Kaiser.
*) fiiornala del assepdio di Coastaatinopoli 1453, di Niecolo Barbaro« oerre-
dito di note e documenti per Enrico Cornet. Yienna. 1856. Tip. Tendier.
') U Noveiliero oontemporaneo di Vittorio Beraeaio. Torino. 1856. Tip.
Ceeaoni.
^ Ifigenia, Tragedia di Giovanni Bacine, tradizione di Lucio Tallachini*
Milano. 1855. Tip. ManiaL
4) Del dover di vietare l'esportaaione della antichiia, etc. di Domenico
Majoeehi. Milano. 1866. Tip. Colombi*
^) filementt di Geografia illnstraii da incisioni e oarte geografiohe per
uao delle scuole primarie, dal cap. BertonL 1855. Torino. 1855. Tip. Benedetto.
*) Documenti per la storia della dioceai di Milano pubblicali dal canonico
Ariaiide Sala. Milano. 1855. Tip. Agrelli*
SM Literabrbericbte au futimi.
In Florem hat Herr StaDislao« Morell! ein geschiditliebei Drama heraas*
fefeben, welehea darch Erfind anfr, Anordaunj^ und Spruche sehr fronen Bei*
ftill findet. Die Handlanflr füllt in die Jahre 1352 bi« 54, in die Zeit imi
Cola Rienii nnd hat Eom Helden den wilden IValther von HontreaM), dea
Provenialiichen Bandenftthrer der sogenannten gössen Compajpiie; alleia der
Terfaaaer hat den Geist jener Zeit nicht (fehOrtf beachtet , ao daaa er nit-
nnter jene Leute ao reden Iftaat, wie Politiker der Getrenwart.
Nene Lnstapiele sind in Italien selten, man sacht daher die alten hervor,
und so ist jetzt in Florem eine Sammlung aller dramatischen Werke yod dsn
Lustspiel-Dichter Cecchi aus dem 16. Jahrhundert herans^geben wordea*),
nachdem knn vorher 4 bisher ungedruckte Lustspiele desselben Dichters her*
aus|[[egeben worden waren 3).
Auch ein In einer deotschen Stadt gedrucktes italienisehea Bneh man
hier erwähnt werden, denn Triest gehört su Deutschland. Dies sind die
IVoiie eines Unwissenden an die Gelehrten. Dieser Unwissende ist H. Zel*
mann^).
Der Uebersetser der Odyssee, Herr Maspero, hat jetst eine SammhiBf
poetischer Uebersetsungen ^) herausgegeben, nttmlich Hero nnd Leander tob
Mosaeus, swei Trauerspiele von Racine und eine Satire von Boileaa; Kenaer
loben die Verse des gewandten Uebersetsers.
Zu den neu aofgefundenen Sprachproben des jetzigen Italienischen ge-
hört ein Codex, welchen der Abt Rossi in Perugia bekannt machen will, der
14 verschiedene Abhandinngen enthalt, die wenigstens aus der ersten Hftike
des 13. Jahrhunderts herrühren nnd theils in Originalen, theils in Uebene-
tiungen bestehen« Er hat von diesem literarischen Funde ^) nicht nur Naeh*
rfcht gegeben, sondern auch verschiedene Proben mitgetheilt.
Auch Tirol hat sein gesehiebtiiches Jahrbuch fttr 1856 aufanweisen, indeia
au Udine zum Besten der Waisenkinder ein solches herausgegeben wordea
ist^). Es hat zwar nur lokalen Zweck, enthalt aber auch, wie gewöhnlich
die anderen, schätzbare Nachrichten über die Geschichte der Stadt und Proviat.
Herr Saochi hat zu Mailand eine wohlgemeinte Jugendschrift heraasgegebea,
die 2 Brzahlongen moralischen Inhalts enthalt, die Zwillinge und eine Thrilne^)i
welche zum Vortheil einer Erziehungs-Anstalt gedruckt worden ist.
Ao Gedichten fehlt es in Italien niemals, daher wir noch die Gedicht-
Sammlung des Professorz Liveriero kurz erwtfhaen müssen ®), welche an Bidls,
^) Fra Unreale dramma storico di Stanislaus Morelli. Firenze. 1856. Tip*
Morionl.
*) Le opere draromatiche del Giovani Maria Cecchi. Firenze. 1856. Tip.
Le Monnier.
^ Quatro comedie inedite di 6. Cecchi. Firenze. 1855. Tip. Barbera.
*) Le parole di un ignorante ai dotti di S« V. Zelmann. Trieste. 1855. Tip.
del Loyd.
') Tradizioni poetiche del dottore Paolo Maspero. Milsno. 1855. Tip. BedaeE
9) Una noviM letteraria. Perugia. 1855. Tip. Bartelli.
?Strenoa Frinlana a beneficio dei orfanelli. Udine. 1856. Tip. Trombet^.
I due gemein — Una lagrlma, Racconti morali di Giuseppe Sacchi. 1>-
lano. 1856. Tip. Berrardau.
®) Emilio Liveriero, Versi, con prefasione di Giacomo Bertini. BioUi*
1856. Tip« Amesso.
Lilentorb^ridble aoi tialieiL Sit
eiMr kletDen Stadt » Pieiiiolit«fUcbe% gedrocki worden ift* Hier hat bei-*
oalie jede Stadt eine Buchdruckerei, und nAckatens wird auch eine fiifeDbahn
▼OB Tarin hierher führen, da diea Land wie Belfien ganx eit EiionhahaeD
4arclischi|itten ist
In Torin kommt eine Sammlung politischer Bio|praphien heran«» welche
mit dem Miniater Carl Albert'«, dem Grafen Giemen« Solar della Margheritt«
aallnft, de««en claaaiache Bildung seigt, wie «orgAltig die Ertiehang der Vor-
nehmen im Piemonteatachen i«t. Darum inden «ich auch unter den Schrift
itellem in diesem Lande die bedeutendaten Namen, Ton denen wir nur die
Grafen Portale und Aragadro nennen wellen. Der leiste hat ein «ehr g<e~
lehrte« Werk in 4 starken Quart-Binden über die gewichtloaen Körper ge-
schrieben, weshalb ihn die Kaiserl. Leopoldino Carolinische Academie der
Naturforscher in ihrem Mitgliede ernannte. Der erstere hat ein sehr umfange
reichea AYOrterbueh Ober Staats-Hauahalt gesehrieben; er war Staatarath und
hat in diesem Werke, welches dem von Hartleben an die Seite su stellen ist,
sich ala ein kenntnissretcher Xann geaeigt. Wenn die Wissenschaft in solchen
Binden ist, steht sie auch in der Gesellschaft höher. Auch Graf della Marg-
heritta 0 kat mehrere Schriften über die Verwaltungageschlchte des Königreich«
Sardinien herausgegeben, worin besonders merkwürdige Aufschlösse Ober das
Verhiltaiss des heiligen Alliance au Don Carlos vorkommen.
Die Geschichte kann nicht so viel Gutes von der Aristokratie der ehe-
amligen Republik Genua sagen, welche durch die Intriguen derselben von ihrer
Grösse herabfiel. Dieaes Trauer-Gemilde hat der Dr. Bargellini in seiner Ge**
schichte von Genua von dem Ursprünge dieser Stadt bis auf unsere ZeltO
TorgefOhrt, von welcher bis jetst 30 Hefte erschienen sind, und welche «idi
haoptsichlich mit den innem Unmhen und Partheiungen besehiftigi.
Der gelehrte General Graf Alberto della Marmore su Turin, welchem
wir da« beste Werk ttber Sardinien verdanken, der dort General-Gouvemenr
10 wie sein Vater Vicekönig war, hat über die Bedeutung des Durchschnittea
der Landenge von Sues fUr diese Insel in Verbindung mit dem unterseeischen
Telegraphen') eine sehr beachtenswerthe Schrift herausgegeben. Bine bei-^
gegebene Telegraphenkarte von Europa seigt, wie wichtig jetzt fllr die Scbiff-
fahrt der in der Mitte des Mtttelmeeres gelegene Hafen von Cagliari ist, der bereit«
mit allen Hauptstidten Europas in ein paar Stunden in Verbindung steht. ^Eine
Gesellschaft, wosu der unternehmende Graf Beltrami gehört, macht Vorberei-
Inng sur Anlegung grossartiger Colonien in Sardinien.
Die Vorzeit dieser Insel, vom 6. bis 9. Jahrhundert sehr dunkel, welohe dem
gelehrten Herrn Martini so viel verdankt, ist von demselben durch seine ge-
schichtlichen Studien über Sardinien aufgehellt worden 4). Es findet sich dabii
ein Fncsimile des Rhythmus über deuKönig Ihaletus v. Sardinien, de««en Aeehl*
0 Galleria di ritratti italiani. (Solar della Margheritta) per M. Saredo«
Torino. 1SÖ6. Tip« de Georgia*
^ Storia popolare di Genova dalla aua origine fino ai noatri giorni, del
dottore Mariano Bargellioi. Genova. 1856. Tip. HonnL
O L'istmo di Sues, la stasione telegrafico elettrica di Cagliari, ragiona-
mento del T, G. Alberto della Marmora. Torino. 1856.
*) Studi storici sulla Sardegna per P« Martini. Torino. 1856. Stimp.*Real«^
5Sd Uteniturt»6rielif« an» Mim.
heit dl Deittochland aiiffefocbteii worden, dessen Uriclirlft aber Ton der Ae»-
demie rwn Tarin nach dem hfer voHienr^nden Bericht aich bewihrt hat. Du
merkwllrdff^ Gedieht wurde noph fn Berlin gedrnckt^.
Der berühmte Professor des Völkerrechts Ritter Mancini hielt dieses Jihr
in Turin Yor1esun|(en Aber das Seerecbl. Der Ton ihm bekannt femtcht«
Leitfaden darüber sei^t dte Reichhfftti(|r|teft dieses Gegenstandes*).
Die Herzogin von Genua hat die BibHothek ihres yerstorbenen Genahli
-^ eines sehr irelehrten Artillerie-Offiziers — der OeffentKchkeit bestimmt;
fie bat zum Bibliothekar den als Militair-Schriftsteller rtthmlicbst bekamrtca
eBemalifpen Grossherzogi. Toscanischen Kriegs-Ninisler Mariano d'Ayala er-
nannt, von dessen Schriften wir hier nur seine Geschichte der Kriegskunst ii
Italien*) erwfthnen, worin er beweist, dass besonders nach dem Wiederssf*
loben der Wissenschaften Italien in der Kriegskunst die Lehrerin der anden
Volker wnrde. Das Germanische Feadalwescn , demokratischen Urspruaft,
hatte die Monarchie nm allen Halt gebracht, es wurde von den italientscbes
StHdten gebrochen, welche so lange dem Kaiser tren blieben, bis die Psbste
gie mm Aufstand brachten* Da waren es die Bürger von Brescia, welche als
Anhinger des Pabstes sich zum ersten Male der Erfindung des Schiesspohen
bedienten, nm dem Kaiser Heinrich dem Ltttzelborger Widerstand zn leisten.
Auch die Bürger von Florenz, wo aus den reichen Handelsherren die Mediceer
hervorgingen, die dnrch Heirath bald in Verbindung mit den grOssten Mo-
Harehen Enropas kamen, hatten 1326 bereits Kanonen, die von Perugia be-
dienten sieh schon der kleinen Pistolen neben grobem Geschütz im Jahre 1351
lind die von Piadna beschossen Mestre 1379 mit Racketten. Die classischea
Werke von Poiybitts und Vegez waren unter der Herrschaft der nordischen
Barbaren ganz vergessen worden, da war Egidio Colonna aus Rom, Professor
des Staatsrechts in Paris, Erzieher PhiKpps des Schonen, der erste, welcher
M»er Kriegskunst schrieb, und der Markgraf von Montferrat folgte ihm 1330
nach. So führt unser gelehrter Ayala fort, die Kriegskunst in Italien und ihre
Literatur bekamt zu machen, nachdem wir ihm schon mehrere Werke über
feine Wissenschafl verdanken^).
Ein treffliches Werk ist von Stephan Jacini über den Grundbesitz und die
Bevölkerung der Lombardei^) zu Mailand herausgegeben worden, welches über
die Frage des getbeilten Eigenthums sehr wichtige Aufschlüsse glebt. Wir
erwftlmen hieraus nur, dass die Lombardei ntchst Belgien die meisten Grusd*
besitser hat« Dort ist der 7. Mensch Grundbesitzer, in der Lombardei der 8.,
dn man hier 345,000 Grundbesitzer zählt; werden hiervon die HansbesUzcr
^) Ibaletus Sardiniae Rez, carmen inceunte seculo VOI compositum, a 6*
Mai^ni pnbllcatum, repetendum cnravit J. F. Neigebaur. Vratislaviae. 1352.
apnd F. E. G. Lenckart.
') Introduzione alla studio del diritto publice maritime dal G. S. Msa-
ctei« Teritto* Tip. Fenrero.
p Della arte militare in Italia di M. d'Ayala. Firenze. Tip. Le Monnier.
*) Le vite de piu celebri capitani e soldati Neapolitani«
Lottere del soldato Italiano«
Degli esaerciti nationaü.
») La proprieu fondiaria e le popolazioni «ffrieoU delU Lombardh, d
Stefano laelni« Milno« 1856. Tip. CivellS. '
•bfiiafeii, 00 btoflieB «loeb n«oh 28S,0(N> Besilnr llndHeher GnmflgtftdEe,
nf jedes keenei Doeh ober 3 Hectaren Land, und eine durcbtefanittHche
reite Einnahme von 438 Livree. Hier iet der Garten Bnropaa, ttfcerall die Ge*
■cinde^Tevwaltnnf in beeter Ordnnnit, ao data kein Henach verbongert, Au
Alf die Aman aelbat Aente beaoldet werben, denn für WoblCbfltifkeita^An«
Halten verwenden die Lombardiaeben Gemeinden jfthrlich 2,000,000 Thaler.
Der bekannte philoaophiaebe Schamacber von Florens, Gelli, der bei
Cosmo di Mediei in yroaaer Gunat atand, bat an Agenore Gelli einen nenen
Hertnafeber gefunden, der deaaen Schriften ^aammelt hat, von denen bereitt
van 1590 an fransOalache, apaniache und lateiniache Ueberaetiunipen erachienen^).
Der Tnriner Geachichtacbreiber Carutti, bekannt durch sein Werk ttber
die Gmndattse einer freiainniiten Re^erunip, hat jettt die Geacbichte den
Koa{|;s Victor Amedena IL herauagcfreben ^3, welcher den Kampf fegen die
Debermacht Ludwig XIV. wagte, und aieh daiu mit England und Preuaaen
verband, welche demselben unter dem Markgrafen Carl ein Uulfaheer znaandte.
Beionderi merkwürdig ist die Geacbichte der letiten Lebenajahre dieaea KOnig%
welcher die Krone niederlegte, seine frühere Geliebte Cumiana, Markgrifin
von Spigno, helrathete, den Thron wieder beateigen wollte und im Gefilnf*
Bisse starb, wo aein Sohn ihn eingeaperrt hatte.
Vallauri hat eine kune Geschichte dea Königreioha Sardinien lateiniach
beraasgegeben 3), welche Sprache er mit vorsügliohem Geschmack schreibt»
Auch der treffliche Pietro Hartini hat seine geschichtJicben Studien anli
aeae benutzt, und ein Compendiam der Geacbichte der Insel Sardinien berana-
fegeben. Der Name dieses Gelehrten reicht hin, dies Werk sa empfehlen ^)i
Der gelehrte Advocat Achill Gennarelli aua Rom, welcher aeit der Revo««
lation von 1848 in Florens lebt, bat ein Werk von ungeheurem Umfange an-
gefangen, nimlich die Herauagabe einer Sammlung von gedruckten und un*
gedruckten Urkunden und Gescbichlachreibern Italiens, von dem 6. bia inm
16. Jahrhundert*). Da diese Sammlung nach Jahrhunderten und nach den
verschiedenen Ländern abgesondert erscheinen aoU, so hat er sieh bei der
Herauagabe nicht gebunden, aondern mit dem Tagebuche dea Johann Burcard,
Ceremonienmeiaters am pftbatlicben Hofe^) angefangen, welcbea die Regier
rangen von Innocens VIIL, Alezander VL und Pius IIL umfaast. Der Tbeil,
welcher Alezander VL betriffi, war achon früher von Leibnitz und spftter vo»
Eckard t bekannt gemacht worden*
Eine der vielen in Italien heranakommenden Stftdiebescbreibungen verdient
0 Opere di Giovanni Battista Gelli, publicate per cura di Agenore Gelli»
Pirenze. 1855. Tip. Le Monnier.
*) Storia del regno di Vittorio Amedeo 11. di Doroenico CaruttL Torino.
1856. Tip. Paravia.
') Epitome hiatoriae patriae auctore Thoma Vallaurio, Augustae Taurinoruro*
1856. Tip. reale.
0 Compendio della atoria di Sardegna, del Gar. Pietro Martini. Cagliari»
1855. Tip. Simoni.
*} Glt aeritteri e i monoaMnU della atoria Italiana, editi e inedtti dal
aeato eet. Firenze. 1856.
^ DitH» di Giovtmii BnicirdiK Flreiie. 1616.
560 Mteratiu^nebie •tu ItalM.
beachlat sn werden, weil fie die Wenig«« bekannte Stadt Milaiio inSiciUca^
betrifft un«! sich beaonders mit den Sitten und Gebriuchen der Einwehner dieicr
Stadt nod Umgegend befchttfligi.
Wegen der trefHicben Schreibart ist die Beschreibung der Stadt Tedi, im
alten Tader, von LeonüO au empfehlen.
Handwörterbuch der lateinischen Sprache, Unter Mihrirkimg von Dr. Fr» LühktTi
Gymnasialdireclor «u Pm'chim, und Dr. F. F. Hudemann ^ ComtOn m
Leer^ herautge$eben von Dr, Reinhold Kloi!^, ordentl, Profestor der d»- 1
sischen Philoh^ an der üniverntät au Leipüg. Zieeiler Band, SiAmr
tehnte Lieferung, Braunschußeig, Druck und Verlag von George Ifeikr*
mann, 1851, gr, 8,
Noch früher als wir erwartet hatten, sind wir in der Lage, die gfiniliclM
VollenduDg dieses in Nr. 30 S. 465 ff. naher besprochenen Werkes ansueigei
mit dem Erscheinen der letiten, siebensehnten, die sechsaehn letzten Bogea
(101—116) deA zweiten Bandes enthaltenden Lieferung, welche von dem Ver-
leger, der, wie schon früher bemerkt. Alles aufgeboten hat, um auch seiner-
f eita durch eine vorzügliche typographische Ausführung, und einen so billig, tU
möglich gestellten Preis, dem gründlichen und nützlichen Werke Eingang and
Verbreitung aller Orten zu sichern, gratis den Abnehmern zugestellt werdet
Ist Es reicht diese letzte Lieferung von dem Worte tignulum bis Zythna
(S. 1601— 1B44), bearbeitet ist sie in Allem durchaus gleichförmig den flrt-
heren Theilen, ebeg so wie die llussere Einrichtung natürlich dieselbe gebliebeB
ist : die beiden auf dem Titel genannten Gelehrten haben bei der Bearbeitnnf
der einzelnen Artikel dieser Lieferung insbesonders hülfreiche Hand geleistet)
und in den namhaften und wichtigen Artikeln mit dem Herausgeber des Ganiei
sich getheilt; wie dieser, um ein Beispiel anzuführen, Wörter, wie uter,
nt u. f* bearbeitet hat, so hat Herr Lübker ähnliche Artikel, wie tum, oi-
q u e , Herr4.Hudemann vel, venio, verbum, versus u. s. w. bearbeitei
Das wohl vollendete Ganze liegt nun vor uns, entsprechend den Anforde-
mngei>, die an ein solches Unternehmen unsere Zeit zu stellen hat; möge die
Theilnabme des Publikums den Bemühungen der Hftnner, die ein für die Förde*
rang der classischcn Studien so erspriessliches, aber auch so höchst mOke-
volles und schwieriges Werk zu jStande gebracht, die gebührende Aneiker
nung zollen und diesem Handwörterbuch Eingang und Verbreitung an allfli
den Orten, wo dasselbe noch minder bekannt sein sollte, namentlich auf va-
seni gelehrten Schulen und Univeraitftten, zuwenden.
0 Ulnstrazione di Hilazzo e atudi aalle monle e costüme dei vilkai ptf
Gioseppe Piaggio. Firenze. 1856.
*) llemorio steriche di Todi« per Lorenso Leonii. Firenso^ 1S56,
h. M. HEIDELBERGER NM.
jahrbOgheh dbr litebatdr.
Verhandlungen des naturhistorisch-medudnischen Vereins n
Heidelberg.
IL
tl. Mittheilnng des Herrn Prof. von Dasch ^tlber ei-
nen Fall ron Sehimmelbildang In der menschlichen
Lnnge^ am 1. Mal 1857.
Es reiht sich dieser Fall an die von Slnyter, Hasse, Welckeri
Virchow und Friedreich beschrlebnen von AspergUlas-BIldang In der
Lunge an.
In einem nmscbriebenen, oberflichllcb gelegenen Brandheerde ein«
in Toberknlose des Uro-6enitalapparates nnd der Longen rerstor*
benen Fran ron 69 Jabren, fand sich an einer mehr trocknen Stelle
die Verschimmlnng schon äasserlich für das Aage erkennbar. Die
▼on Dr. Fagenstecher nnd dem Redner vergenonmene Untersochong
lieatltigt im Allgemeinen die von Virchow (Archiv, Bd. IX.) gelle*
ferte Beschreibung voilständig. Der Pilz bildet schon an feuchteren
Stellen pIn Oewirre, weiches aus dem Mjcelium (Worsellager) be-
steht; an den trocknem Orten erheben sich lange Fruchtstiele, welche
die Köpfchen, Receptacnla, tragen, mit den dicht gedrXngt aufsitzen-
den Basidlen und 8porenk5mern. Die gehäuften Fruchtstiele nnd
Kopfchen bilden hier die grau grOnlichen Basen.
Herrorsuheben ist, dass die beiden Untersuchendeii die Tön
Andern beschrlebnen Sdieldewände an dem Halse des KöpHohena
nur für Knickungsfalten, besonders an etwas welken Stielen erklä-
ren müssen, durch welche überhaupt mancherlei efgentbümlldie Fi-
goren schein bar im Innern von oben gesehener Köpfchen erschei-
nen. Die Basidlen stehen mit einer sechseckigen Basis auf dem
reeeptaeulum auf, was ans der Untersuchung mit Hebung and Sen-
kung des focus und bei starker Vergrösserung klar wird.
Im Allgemeinen zeigt dieser Fall eine grosse Ueberelnstimmung
But den früheren Beobachtungen, da, mit Ausnahme eines einzigen
FaUes Ton Virchow, In welchem der Pilz In den Bronchien sass,
die Sehlmmelbildung sich In circumsk'ripten , oberflächlichen Braad-
heerden entwickelte, welche ans hämorrhagischen Infarkten entstan-
den waren. Für eine solche Entstehungsweise der Brandheerde spricht
in diesem Falle die neben dem Brandheerde in einem andern Thelie
desselben Lungenlappens vorgefundne frische sekundSre Thrombose
in Folge eines Embolus. Für die Bedingungen, unter welchen sich
dieser immer noch seltene Pilz entwickelt| mag herrorgehoben wer*
MI YeriumdhiDgen dci iiat«rlriilorlifii<i«i«4i»Uicheii TereiBf.
den, daas die Entwlcklnng yod Brandgaseo dem Pike achldlieh «i
M0n icMnti inSeBi er biAer nur in FlÜlen von gerochlosem Brande
gefunden wmrde. Auch irar eine Weiterentwickhing desselben uf
dem aufbewahrten, faulenden Lungenotückchen nicht su bemerken.
Ist dies der Fall, so würde hieraus sich die Seltenheit des Yorkom-
mens ertitfreo.
(Eine ausfahrlichere Besebrelhaag des Falles ist vorbehalten.)
Herr Dr. Moos erwähnt cur Unterstütcung der Theorie über
etwaige Entwicklnngsbedingungen des Pilzes einen Fall, in welchem
bei Lungenbrand weder in den sehr stinkenden sputis, noch bei der
Sektion kn Heerde selbst eine <Spur von Pilsen gefunden werden
konnte. Herr Dr. Pagenstecher zeigte der Versammlung die Piks
in mikroskopischen -Präparaten und theilte mit, dass nach einer Pri-
vatmittheilung Herr Dr. Fresenius in Frankfurt a. M. fflr dieselben
iUq Kiwen Aspergillus lussigatus viorschlage.
3%. Gebertshaiflicbe Mlttheilangen des Herjrn Prot
Lange, be,gKeitet von epikritiscben Bejnerknngen am
l&. Mal 1857.
1) .^lieber eiann seltnen Gebnrtsfall mit Vorfall einer Hand
lies Kindes durch den After der Gebacendeo.^
8) «UebsT einen gleicbfalls seltnen. Fall von voUstSndlgrer Hefr*
lui^ einer ziemlkh nmfluigroiohen, nach einer acbwietiffen
EtttUednng mit dar Ziaog« entstandnen BAeiden^Hamblar
senhelefiateL«'
Der *rsle Feil .betrs/ eine 18 J. alte, krSftige, gesunde Erst-
yebMweede mit gerSumigem, aber sehr wenig geneigtem Becken «nd
bnsüem llittelfleische, bei welcher nach schleichend erfolgtem Ab-
flüsse idcB Fruchtwassers ond nach geschehener Erweiterung des Mnt*
teraifmdea bis aum Umfange eines Thalers die HaRang and Btel*
Inog des ^rorllegenden , noch anf dem Beckeneingange stehenden
Kopfes insofern als eine ungewöhaliche erkannt wurde, ala den
eigentlich viorUegenden Theil des SehidelgewOlbes nicht, wie gt-
wohnlich, die >hinlere, eondero die vordere Scheitelgegend und die
Süro, /reriu^swelse die Letatere, bildete. Man ffihke nfimlicli, und
airer deis Verlaufe des reeht'en aohsfigen Durebmessers des Be-
ekenelaganges entsprechend, die Stimnebt, welohe den sie naoh redda
binien vefffioigenden Finger «n tdie grosse» etwas hinter der Müsa
des iJmfangs des Beekeneinganges std^ende Fontanelle führte, eine
dass es jedoch m€iglich war, die genannte Naht nach vom links Us
an die üasenwncael eu verfolgen. Man hatte es hier demgemisi
mit -einer Lage au thnn, bei welcher der Kopf aus seiner gewSbt*
Uehen Haltnog gerathen, nämllchy anstatt mOk vom mtt deas Knni
4m aitaihiiioiJMh-MdUifaiiidM Itette MI
m «6 BrMt, UMMB, je*>di siebt im so bobm Grade, wie bei 4«
Gericfatslege, aach rückwftrtg gebeogt wer, mit einer Lage eoeecl^
welebe, swischeB der Scheitei- und Geeiehttlege gerade in der Jtfitte
flteheod, die Uebeigaiigaioroi voy der eipen lar andern bildend, eine
Sllrnlage im eigentliobeten Sinne des WortM genannt werden
iuuyit uod «war eine Sürnlage mit nach vorn (links) gekehrtem
Oeiichte. Diese anomale Hahnng eowohl, ale die lobrige Stellong
aaeb in den tieferen Beckeaabschnitten beibehaltend, war der Kopf
nach endiieh la Stande gekommener vollkommener Vorbereitung des
lioUermandes durch die allmUig immer krüfUger sieb entwickebde
Wehenthit^keit bis in den Bsckenansgsog herebgetrieben worden,
ja er kam sogar sehen in's Einsebneiden, ohne jedoch auffallcttder*
wciaa noch die Drehung mit der Stirn, beciehangsweise mit dess
Gesichte, nach hinten gemacht zu haben, welche im Mecbanismas
alier Kopflagen mit der Bichtung der Stirn und des Gesiebtes nach
vom (links oder rechts) Oberhaupt die Norm bildet, and durch welche
eben das den Austritt des Kopfes aus dem Beckenausgange er-
schwerende, in der nach vom gerichteten Stirn gelegene Moment
beseitiget wird, als die Bcene in einer Weise sich linderte, wfe m
wekJ Niemand erwartet h&tte. P15tsllch nSmIich, wShfead einer «ehr
iLTifitigen Wehe, kam die rechte Hand des Kindes durch
den After der Gebärenden bis aum Handwaraelgelenke
inm Vorschein. Glücklicherweise gelang die aolort vorgenom^
mene Zurtckführung derselben in den Msstdarm und aus diesem
durch den geschehenen Seheiden-Mastdarm-Biss in die Vagina gleich
beim eisten Versuche vollkommen, und schon w&hrend der nJMisten
Wehe schnitt der Kopf unter sehr starlcer Ansdehnang das vocaüg*
lieh gegen > seine Mitte hin sehr verdännten Mittelfleiscbes dpr^i,
wobei die linke HUfte der Stirn in den Schambogsn su liegen kam*
Das Kind, aasgetragen und von mittlerer Grösse, kam schein-
todt BOT Welt, konnte jedoch nicht cum vollen Leben gebracht wer-
den, obgleich sein Hersschlag noch längere Zeit wahrnehmbar blieb.
An der Stirn, namentlich an der linken Hälfte derselben, aeigte
dssselbe eine ziemlich beträchtliche Anschwellung von blanrotlier
Farbe. Die nach Abgang der Nachgebort vorgenommene Untersu-
chung ergab eine bis in den Mastdarm dringende Durchr
reisaung der hinteren Wand der Vagina, welche eine
sweifaehe Bichtung hatte. Etwa V2 ^^^ oberhalb des Scheideaeia-
gangea nämlich bildete sie einen Quer-, so aiemlich von der Mitte
dieses Qaerrisses ans dagegea einen etwa 2 Zoll langwi Längsriss
mit saekigen, jedoch nur selir wenig blutenden Bändern. Das Mit*
tilfleifleh seigte ausser einer höchstens 2 Linien tiefen Anreissnng
seines vorderen Randes keine Verletzung. Die Schliessrauskehi des
Afters waren gleichfalls unverletzt. Sofort wurde zwar cnr Verei«
nigmig der Wandränder mittelst der Knopfnaht geschritten und
es gebmg die Anlegung der Letzteren Uotz der nicht geringen mit
Sw verbundenen Schwierigkeiten gaas gut MichtadestoMniger ^
M4 VerhftBdlanffeii Ae§ natarlibtorMeb-iiiedisiiiifolieB VeretBi«
doch und allen Bemflhangen sam Trotze, durch fleissige reioigende
iDJectieneo in die Vagina snm Zwecke der Wegspülong des Lochial-
secrets bei andauernd eingehaltener Seitenlage und durch ISogere
Hintanhaltung der ersten Stnhlentleerung mittelst wiederholter Ver-
abreichung von Opium in kleinen Gaben möglichst günstige BediD«
gungen für die Heilung des Risses herbeizuführen, kam dieselbe
nicht zu Stande, w&hrend eine am 2. Tage hinzugetretene Baacli-
fellentziindung mit nachweisbarem Exsudat bald eine solebe
Abnahme zeigte, dass diessfalls eine günstige Pragnose gestellt wer-
den konnte. Ueberraschend war es daher, dass nur bei den erBten
4, am 10., 12., 14. und 16. Tage erfolgenden, durch Oelklystiere
bewirkten und erleichterten Stuhlentlehrungen ein geringer Theii dei
Darminhaltes durch die Vagina abging, noch überraschender aber,
dass nach ^Ablauf von 4 Wochen der Riss vollständig ge-
heilt sich zeigte, ungeachtet man denselben einstweilen ganz sick
selbst überlassen hatte, weil man sich, so lange der Wochenbettsn-
stand dauerte, weder von einer Wiederholung der Naht, noch tob
der zwar versuchten, aber nur zweimal angewandten, Aetsoog
der Rissränder mit Höllenstein Erfolg versprach. Die Stuhleutiee-
rungen erfolgten vom 18. Tage an von selbst ohne jede Behinde-
rung. Die an der hinteren Wand der Vagina deutlich zu ffihieade
Narbe bildete 2 Abtheilungen: eine kürzere quere, etwa V^ ^^
oberhalb des Scheideneingangs, und eine bedeutend längere, welebe,
Ton jener ausgehend^ ein wenig nach rechts von der Mittellinie der
hinteren. Vaginal wand in gerader Linie von unten nach oben verlief.
In den an die Geschichtserzählung dieses auf der hiesigen ge-
burtshülilichen Klinik vorgekommenen Geburtsfalles geknöpften Be^
merkungen sprach der Vortragende, den Mechanismus desselben an
einem Becken mit der Phantompuppe demonstrirend, zunächst seine
Ansicht aus über die Entstehungsweise dieser grossartigen, ohne jede
manuale oder instrumentale Einwirkung entstandenen, einzig und
allein durch den Durchgang des Kindes bewirkten, somit ganz spon-
tan geschehenen Zerreissung einer gesunden, von jenen Anomalien
ganz freien Vagina, welche eine besondere Disposition dieses Organi
zur Berstung begründen. Er fand die veranlassenden Momente in
der angegebenen anomalen Haltung des Kopfes, in der nicht erfolg-
ten Drehung desselben mit dem Gesichte nach rückwärts, in der
während der Geburt nicht zu erkennen gewesenen Anlagerung des
rechten Anns an den hinteren Theil der rechten Seite des Kopfes,
wodurch eben jene Drehung des Letzteren unmöglich gemacht wo^
den sei, endlich in der geringen Neigung des Beckens, beziehungs-
weise in der grossen Breite des Mittelfleisches, und entwickelte dis
Gründe für diese Annahme in weiterer, umständlicher Ausführonig.
Er wies ferner nach, dass unter den gegebenen besonderen UmstJbi-
den leicht auch ein Centralriss des Mittelfleisches hätte entstehen
können, unterzog die Frage einer Betrachtung, was wohl geschehen
yder notkwendig gewordeq sein würde, wenn die Reposition def
TarbandliiiifeB def Bataryftorifek-medhtiBifefaoii Terelal 665
doith den After der GebSrenden TorgefaHenen Armee 'mmiiBftlhrbtf
geweeeo wSre, hob das seltone Vorkommen yon Scheidenrieseni
welche, ohne mit voüstlndiger Dnrchreiasang dee Mittelfleisches oom»
piicirt 80 sein, bis in den Mastdarm dringen, im Allgemeinen, daa
ohne Zweifel noch viel seltenere von spontaner vollstlndiger Hei«*
lang so ausgedehnter Yerletanngen dieser Art insbesondere berror
Dod sprach schliesslich seine Ueberiengung dahin ans, dass das
haoptskchlichste Moment, durch welches es der Natur, nach frucht-
los gebliebener Unterstfltsnng von Seite der Kunst, ermöglicht wurde»
einen so grossen Schaden überhaupt und in so kurzer Zeit insbei*
sondere wieder gut tu machen, in der puerperalen Rückbildung der
Vagina gesucht werden müsse. —
Der zweite, gleichfalls auf der hiesigen Gebärklinik beobach«
tete, Fall ereignete sich bei einer 20 und etliche Jahre alten, g^
Bonden Erstgebärenden mit rhachitischem Becken, dessen Co^jngata
auf 3V2'' geschätzt wurde. Der Kopf, in erster Hinterhaoptslage
eingetreten, wurde im Beckeneingange eingeklemmt und, als die
Anschwellung desselben zunahm und die Kreissende, vorzügfich wäh^
reod jeder Wehe, über einen fixen Schmerz hinter der Schoossfnge
immer lautere Klagen erhob, ohne Zögern nicht ohne bedeutende
Hohe mit der Zange zu Tage gefördert. Das ausgetragene mit«
telgrosee Kind war während der Operation abgestorben und zeigte
sm linken Seitenwandbeine einen ziemlich tiefen, vom Promontoriun
bewirkten Eindruck. Schon am nächsten Tage entwickelte sich an
den äusseren Schamtheilen unter Hinzutritt von Fiebererscheinungen
ein entzündliches, später steilenweise gangräoescirendes Oedem, wel-
ches rasch so zunahm, dass es eine Untersuchung durch die Vagina
unzuliasig machte. Zugleich trat Harnverhaltung ein, wesshalb der
Harn mit dem Katheter entleert werden musste, dessen Einführung
mit bedeutender Schmerzhaftigkeit , vorzüglich gegen den Hambla-
senhala hin, verbunden war. Als die Geschwulst der äusseren Gre*
nitalien unter der Anwendung von erweichenden Umschlägen so
weit sich gemindert hatte, dass nun per vaginam, in welche fleissig
lauwarme Einspritzungen gemacht wurden, ezpjorirt werden konnte,
und mittlerweile der Ausfluss aus den Geschlechtstheilen sehr reich-
lich geworden war, überdiess zuerst eine eiterformige , dann eine
mehr jauchige Beschafifenheit mit sehr üblem Gerüche angenom*
men hatte und kleine Partieen brandig zerstörten Gewebes mit ihm
ausgeführt wurden, entdeckte man am obersten Theile der vorderen
Wand der Vagina einen Brandschorf etwa von der Grösse eines
Silbersechsers, nach dessen bald darauf erfolgter Abstossung der
Urin ununterbrochen durch die Scheide abfloss und die nun jvieder
vorgenommene Untersuchung an dieser Stelle eine C^hel^^n-
Harnblasenhals-Fistel von solcher Umfänglichkeit ergab^^ass
der Zeigefinger bequem durch dieselbe geführt werden konnte. -Unter
von Dun an angeordnetem Liegenlassen eines metallenen ^jSiatMters
in der Harnblase und fortgesetztem Gebrauche i^nigender Injectii^
566 VtAanilongtoB dfei natuAiHoriMk^MdlifaiiMhatt VwtfliK
Miki fll a^ 8cbeM«f fing die FisteKSitaiig balfl ah iicb n ireAkI*
neitt nnd ]A denuelbeD YerhSUnisBe , als sie sich oMhf ud «ehr
BUMimneiiflOgy wurde der Scheidentheil dea Ulems i^er md ifiitr
ao die Tdrdere VaginalwaDd herangesogen, bis er endlich mit ilir
veifWtieha mid so den durch die Fistel gesetaten SobstaiisTerliist er-
setaen half.
Als es 80 weit gekommen and eine Oeffheng nicht mxia so
flildea war, 'wurde der Katheter weggelassen und man hielt die Fi-
aftet nm so mehr für geschlossen, als die Kranke, wahrscheinlich
aoa Furcht ror der Wiedereinlegung des Katheters, den sie, weil
er ihr listig war, iräher öfter heimlich herausgesogen hatte, Teni-
cherte, nunmehr wieder willkürlich and auf gehörigem Wege nrioh
ren au können. Nach mehreren Tagen jedoch machte man die selir
miwillkommene Entdeckung, dass Urin noch immer dnreh die Yagios
abging und bald fand man die Erklärung dieser Erschehiong is
einar flbrig gebliebenen, schwer au entdeckenden, sehr feinen spatt-
fitrmlgen Oeffnung in der Torderen Vaginalwaad dicht untertialb
der an die Letstere angelötheten Vaginalportien. Sofort wurde mr
Einftthrung des Katheters mit dem Yorsatse geschritten, denselben
abermals liegen und die unfolgsame Patientin strenge überwachea
au lassen. Eine neue nichts weniger als angenehme Ueberraschong!
Etwa 1" oberhalb ihrer Mündong zeigte sich nun die Harnröhre
nnditfcbgttngig. Der Katheter stiess hier nämlich auf ein niebt n
umgehendes, jedoch weiches, elastisches Hindernisse ohne Zweifel
bedingt durch eine durch plastisches Exsudat bewirkte Yerklebong
der Hamröhrenwände mit einander, die jedoch glückli^herweiae nocii
frisch genug war, um mit dem Katheter durch wiederholtes, allmüig
kühneres Andrängen desselben, wenn auch nur unter heftigem Schmeri
für die Patientin und unter Abgang von etwas Blut, durchbrochen
werden au können. Während von nun an der Katheter von Neuem
liegen gelassen wurde, erfolgte die endliche vollständige Schliesaung
der Fistel bald und 11 Wochen nach ihrer Entbindung wurde Fat
mit wieder erlangter Fähigkeit, den Urin willkürlich auf natürlichem
Wege zu entleeren, entlassen.
Dieser Geschichtserzählung liess Prof. Lange zuvörderst die
Bemerkung folgen, dass er diesen Fall vorzügli(;h desshalb dem
Ersteren angereiht habe, weil er insofern ein Seitenstück au dem-
selben bilde, als die Natur auch hier die Heilung einer, wenn audi
auf eine andere Weise zu Stande gekommenen, so doch gMchfalli
sehr erheblichen, Yerletaung der Yagina und eines ihr benachbarteo
Organs, zwar nicht ganz ohne fremde Unterstützung, aber doch unter
ehier jyir jghr einfachen künstlichen Nachhülfe, glücklich zu Stande
gebjJmt flj^, eine Heilung, zu deren Herbeiführung die Kunst nicht
seltffi fruchtlos nach einander und wiederholt alle ihr zu Gebote
stebteden Mittel in Anwendung ziehe. Er erklärte sich femer Ar
übdKugC dasa die Heilung auch in diesem Falle durch die pner-
l^rale Kaokbilduqf der Yagina ganz vorzüglich begünstiget werdea
■mrtiüniiiiili ■iHlhiiliiito Ifibnäm 9W
mtf wi60 ma den 4aM M$Hg9lUnimkmj eben so Hikmm A
WM<iJ»i tai nwmw Zek «uch scboo von der Kunst dnMfc NfluAh
ämomg deeeelkeo MNgebe«le(eO| Vorgang hin, bei iretehaai di^ Mi^
im nir Seblieseoog eoicher Fisteln die naebbarliehe VaglnalperHoir
mk Terwendet, npd deutete cum Schlüsse i&e arge TeslegenMc mti
welche dieser Fall bewirtet bfttl^, wena es, was Batilriftb nichl aus-
febliebeo sein wfirde, so einer fSrmllehen Verwachsung der EaatH
rdhre geiKosaaien wAre, ehe man die Versicherang der Fat, nui^
wieder gehörig nriairen su liSnnen, als eine falsche erkannte, spMer
alimilig aber auch, was wenigstens geschehen bitte Ictenen, die
Doeh Torhandene kleine FisteJöffnung sich gänalich gescbioasen eder
wenigstens noch weiter so verengt hätte, dass sie dem Barne weif
einen tfaeilweisen, nicht aber einen genügenden Abfioss sn gewfihreei
las Stande gewesen wire. —
23. Mittheilungen des Herrn Dr. H. A. Pagensteeker
jun, ans der geburtshfllflichen. Praxis. «Ueb^eir Ver*
letiungen der Scheide bei deii Oeburtealfite^
am 11^. Mal 1857.
Der Redner knüpfte diese Mittheihmgen innftehst an die be^
littfige Bemerkung des Herrn Prof. Lange an, dass ami sieb ver-
woadem müsse, dass die Scheide, in ihrem gewöhnlichen Zustande
von so geringem himen, eine solche Ausdehnung ertrage, wie der
Gebnrtsakt es Teriange. Herr Dr. Pagenstecher ist qua der Ansicht^
dass allerdings die Scheide wohl öfter wiUirend diese» Aktes be«
sch&digt werde, dass dies aber iii vielen Fttllen nicht entdeckt weide
und eben dtuA jene giüekUche Disposition des Wochenbettes im
raschen BückbildmigsproBesse die Schiden verschwinden. So entH
deckte derselbe in drei F&llea theils die VerieUungeD selbst, theila
ihre q)ftterea Felgen, rein aal&llig.
1) I» ersten Falle wurde er sugesogen, als bei einer Uhk
terendlage darch die Hebamme die Geburt so weit v>ol}eDdee war,
dMS aar die Extraktion des Kopfes übrig blieb. Das Kind war ib
der verstricbnen Frist zu Orundii gegangen. Der Kepf konnte nicht-
mit L^ch^keit mit den Händen herausgeführt werden, folgte aber
der Zange ohne alle Schwierigkeit Oleich hinter ihm stürme die
Nachgeburt hervor. Sie war aicht etwa darcb die Nabelsdinur von*
geaerrt worden i sondesa der be& sofortiger Exploratioa veUsUndlg
koatrahirt gefnndoe Muttermund bewies, dass sie mit dem Kopf k»
der Sckeide gelegen hatte. War es nna diese überaiSssige Ans«>
dehauag oder ein anderes Moment gewesen, welches die ScIibM
trug : es fand sich ehi Riss quer über die vordre Scbsydenwand £ohi
am Halse des nterus, durch welchen mai^ mit mebteren Fingern be^
quem an die vordere Wand des Körpers der Gebärasutter hinaafgeha
koantew Die Rinder der Wunde waren dünn und aackig» Es wttr#e
568. V«rk«B41iiH«n <1m ottiurkiMriicIi^aediuBiicIieii YeraiM
cUesaB EreigDiia lue au» Mineii Folgen erkannt worden aeia, deai
am vierten Tage war die Wunde kaum noch seehaergroas; nack
Ablaof der ergten Woche war die Heilnng voUaUüidig. Ee wer
allerdinga keine Verletzung der Blase eingetreten und hierdorch dne
traurige GompUkation erspart
2) Das vollständige Gegenstück an diesem Fall bot ein awei-
ter, an einer altem Frau beobachteter. Diese, an wiederholtee
Anfallen von Osteomalacie leidend, hatte schon das ietate Mal dareb
den Bedner mühsam mit der Zange entbunden werden müssen. Es
war damals gelungen, das Kind wieder aus dem Scheintode in'i
Leben snrücksuführen. So begnügte man sich auch dies Mal mit
Anwendung der Zange, obwohl ihr Gebrauch durch die Unllhigkeit
der Patientin die Schenkel nur irgend erheblich im Hüftgelenk su
bewegen sehr erschwert wurde. Die Operation dauerte länger di
gewöhnlich und lieferte ein todtes Kind. Die Nachgeburt folgte
nicht und als sie mit der Hand aufgesucht werden sollte, fand sich
hinter d6r Gebärmutter ein Scheidenriss, durch welchen man leicht
in den Donglas'scben Baum eindringen und sogar Darmsehlbgeo
berühren konnte. Der Muttermund setzte der Einführung der Hand
einige Schwierigkeit entgegen, doch wurde die Placenta entfernt und
gleichzeitig der uterus in das kleine Becken möglichst herab gezo-
gen, um den Biss zu schliessen und eine Verlöthung leichter zu
machen. Trotz der grossen Schwäche dieser Frau trat auch nicht
die geringste nachtheilige Folge dieses Ereignisses ein. Auch hier
war Dr. Pagenstecher erst zur Hülfe gerufen worden, als die Fran
schon über 24 Stunden in dem Geburtsakte zugebracht hatte. Um
so weniger Ursache ist zu glauben, dass die mit aller Buhe ange-
legte Zange den Bis^ verursacht habe.
8) Ein dritter Fall verrieth nach zwei Jahren, dass, wemi
auch keine eigentliche Zerreissung der Scheide stattgefunden hatte^
doch eine Quetschung oder Beschädigung derselben vorhanden war,
welche zu einer eigenthümlichen Narbenbildnng führte. Der Vortra*
gende hatte mit grosser Anstrengung eine Frau mit der Zange
entbunden nnd ihr darauf gerathen, vorkommenden Falles durch
frühzeitige Meldung die künstliche Frühgebart ' möglich zu macbea.
Dieser Bath wurde nicht beachtet und nach zwei Jahren kam der
Ehemann mit der Bitte, ihm von der Hebamme gewünschte Pulrer
zur Unterstützung der Wehen für seine gebärende Ehefrau zu ver-
ordnen. Da er der frühern Entbindung gar nicht gedachte, aocii
die Hebamme als pflichttreu bekannt war, wurde ihm willfahrt Er
kam nicht wieder und Pagenstecher glaubte, die Sache sei erledigt
Da erscheint der Mann, mirabile dictui genau vier Wochen nach
jenem Tag mit der Botschaft, seine Frau sei immer noch nicht ent-
bunden. Die vierte Hebamme war bereits vergeblich in Ansprach
genommen worden. Die Wehen, sonst fortwährend mit Pausen wie«
derkehrend, hatten seit 24 Stunden ganz aufgehört; die Frau sei
ansserordentlich matt. Die Untersuchung ergab, dass bei ganz sdüsf
▼«rhtdllnfMi te naliiHiiiloriach-iiedtsiiiifcbeo Yerefu. 569
km O60«Medit8th«l1en sich ein fast fingerdicker ond an iwei Zoll
langer lellgewebiger Strang von der hintern Scheidenwand nahe der
Comminnr aar vordem Mattermundlippe erstreckte und straff änge-
spaoat den Uterus in einer tiefen Lage fixirte. Er wurde auf dem
Zeigefinger mit einem Bistouri mit höchst unbedeutender Blutung
durchsebnitten. Es aeigte sicii nun der Uterinmund wie eine Tasse
gross geöffnet, in ihm eine schlaffe Blase, in dieser ein Arm des
Kindes. Die nähere Ueberlegung machte es wahrscheinlich, dass
die Zerrung an der Uteriniippe einerseits eine Ursache gegeben habe
lar Her?orrnfung Toraeitiger Wehen, da das Kind entschieden noch
la klein erschien, um ausgetragen au sein, dass sie femer aber die
gehörige Ausdehnung des Muttermundes gehindert habe. Ein direktes
Gebortshindemiss hatte der Balken nicht abgegeben, der Kopf oder
Körper war noch nicht eigentlich gegen ihn angedrängt worden. In
Anbetracht, dass das Kind noch lebte, dass es eine unrichtige Lage
hatte, und dass bei dem erschö|ften Zustand der Frau nicht leicht
ordentliche Wehen su erwarten standen, wurde die Wendung ge-
macht und das Kind entfernt. Nur das stark vorragende Promon-
torium machte einige Schwierigkeit. Die Nachgeburt folgte leicht,
doTcb eme kalte Injektion in den Uterus wurde dieser aur Contrak«
tion angeregt und eine eintretende leichte Blutung gestillt. Das
Kind erwies sich als Tolle sieben Monate alt, es starb nach 6 Wo-
chen, wohl an mangelhafter Pflege. Der zellgewebige Strang war
bei der ersten Entbindung nicht vorhanden; er war wahrscheinlich
eine Folge einer ausgebreiteten Ulceration der Scheidenschleimhaut,
herTorgerufeu durch die Quetschungen oder gar Zerreissungen wäh-
rend einer angestrengten Zangenoperation. Hier hatte die Heilkraft
der Natur des Guten au viel gethan; die vordere Muttermundiippe
war an den unrechten Fleck angelötbet.
24. Vortrag des Herrn Dr. von Holle. „Ueber den Zel-
lenkörper der Lebermoose** am 29. Mai 1857.
Diese Mittheilungen betreffen ein den Lebermoosen eigenthOm-
llches, in anatomischer und chemischer Hinsicht noch wenig unter-
suchtes, von Oottsche „Zellenkörper^ genanntes histologiches Element
Die Zellenkörper bilden einen Theil des festen in den Zellen
der Blätter, peripherischen Stengeltheile und Blüthenhiillen mancher,
insbesondere der beblätterten Arten der Lebermoose enthaltenen
Gontentums.
Sie zeigen sich gewöhnlich in den meisten, seltner nur in ein-
seinen Zellen der genannten Theile. Nicht gar selten trifft man
Individuen, in denen sich keine Spur der Körperchen entdecken lässt
Sie entwickeln sich in einer für die Zellen gleicher Grösse bei
jeder Art constanten Durchschnittszahl: z. B. in den lüeinem Blatt-
na VMiMindliinf e» ^m aüailiifUfkA^MdiallilMbMk TwAtfi
adr«!! der Sca[Minia namorofa Nees. am HKafifrtaa ia.4, bi dai
groasern meist zu 6.
FSrbiiftR. — Die Farbe der KOrperchen ist geblick^weinf
aoch heller oder daokler brauiL Bei den eificeineD Arten pflegjt
vorherrschend die eine oder die andere dieser Farben versokettHiMu
Grösse. — Ihre Grösse im Verhältniss tar Zelle, in welcher
sie sieh befinden, ist, je nach den Arten ^ osgemein verachiedtt.
Sehr grosse traf ich u. A. in den Blattselien der Radala complaDsU
Domort^ deren >Lumina einaelne sie fast bot Hälfte erfüllende Z«l-
lenkörper enthalten. Sehr kleine bemerkte ich bei Jangermsoma
bicuspidata L., Ptilidium ciliare N. ab £. etc.
Form. — Betreffend ihre Form, so erscheinen sie meist all
ctrciunscripte , längliche (seltner rnnde), bisweilen an xwei Seitei
abgeflachte Massen.
Stractur. — In Wasser beobachtet, erscheinen manche stnic-
turlos; andere scheinen ans mehrern nach einer bestimmten Nsna
verehiigten, nur durch schattenartige Streifen und seichte latersls
Einkerbnngen getrennten Stücken zu bestehen ; bei noch andern be-
merkt man einen gelblichen Inhalt, der, halb^ oder ganzfiiiasig, tob
^aer weissen stellenweis sehr deatlicben Membran umschleesen wiii
(Mtttigobrynm 3 lobatum Nees); endlich kommen auch köiuig^
maichttal in der Mitte mit einem oder mehrern Tropfen Yersebese
Zellenkörper vor.
Gequetscht, erhalten die Körper unter dem Microscop das An-
sehen ölartiger, vollkommen structurloser, balbflnssiger Maaaen; wo-
von niur die körnigen Zellenkörper, welche sich in Kömer auflöaeii)
eine Ausnahme machen. — Sowohl hieraus, wie aus dem micros*
copischen Bilde der unverletzten Körper ^ so wie endlieh ans den
Formen *) derselben ergibt sich die feste Beschaffenheit der aussen,
die ganz- oder halbflüssige der inneren Theile der Zellenkörper;, ab-
gesehen von solchen, die ganz aus einem körnigen Stoff bestehen.
Im Alkohol scheinen die Körper rasch und vollständig gelSsl
zu werden. Dies zeigte sich an etwa 30 in dieser Beziehung voo
mir geprüften Arten, welche der hiesigen' Flora angehören. Eb
scheint hiernach, bei diesen Arten wenigstens, der Zellenkörper gani
aus ein«m oder mehrem im Alkohol löslichen Stoffen zusammenge-
setzt zu sein. Doch glaubt man bisweilen, ausser diesem Stoffa)
noeb eine im Spiritus nicht gelöste Membran, die erst nach der
Reaction sichtbar geworden, zu bemerken. Diese Membran tritt an
so hänfiger auf, je energischer der Alkohol auf die Zellen wirkt:
wie sie denn besonders leicht in den Randzellen der Blätter, in
welche der Spiritus von drei Seiten zugleich gelangt, wahrgeness-
raen wird. Die Membran ist ein durchsichtiges, rollkommeii färb-
*) Die laiifrlichen circumscriQ^en Formen, die erat bei ziemHck ataikea
Druck veriliidert werden, setzen wohl ohne Zweifel eine feste Peripherie dar
Zelliiikorper vonos.
▼erknAiMgini 4m «iliirliiiloritelb-flieiififBiMAM VereliM. 171
hH$ BISftebefi, tit von einer, manchnial auch von swel Kontoaren
begrioBt, und etwa von denn 2 -Sfachen Volumen des betreffenden
K^frpersY ^ deeaen Stelle sie encbeint. Gtottscbe blieb im Zireifel
fiber diese Bliacben: er wuaste niebt, ob er sie fttr ebien Theil der
Körper baltcin solle, oder nicbt*) Neaere Untersocboogeo , diesen
Ponkt betreflhnd, fehlten bislan«:. — Mr sebeint die^ erwibnte
Membran niebt vorgebildet so sein, sondern sich ans dem gümmj^
nnd proteinhaltigen Zelleneontentum su erseugen, während die be-
treffenden Körper im Spiritus gelöst werden, and indem sugleich die
erwähnten Stoffe im Alkohol gerionen. Letstere eondensiren sich
in Form einer Blase in der Umgebung des vorhin durch die ersteren
ansgefOllten Raumes, der weder Oummj noch Protein (oder doch
Bor Meine Mengen dieser Stoffe), sondern nur die im Alkohol ge-
löste Substans des Körpers enthalten kann. Für diese Ansicht
sprechen :
1) Die bräunlich- gelbe Färbung der Bläschen durch Jodtink-
tur. Sie färben sich durch dieses Reagens den proteinartigen Stof-
fen gleich; beständen sie aus Jnulin, so müssten sie geI6 gefärbt
werden.
2} Der Umstand, dass, wenn man das geronnene Protaplasma
der Zelle durch die Einwirkung eines andern Reagens abermals nm-
gMaltet, die Bläschen diese Verwandlung theilen. Wenn man
s. B. Jodlösang (wässrige) oder einfach Wasser dem durch Alkohol
verdichteten Zelleninhalt Eusetzt, so treten statt der frOher erblick-
fen KSmchen, Ballen etc. neue Verdichtungsmassen auf, während
iuglefcb die Bläschen zertheilt und mit den neu entstandenen Con-
cretionen verschmolzen werden.**) — Wenn die Bläschen eine or-
ganisirfe Membran wären, so würden sie bei Anwendung von Rea-
gentien (ausgenommen etwa concentr. Schwefelsäure, Kali und andere
heftig wirkende Substanzen) in ihrer Form nicht sogleich wesentlicb
verändert, oder sie würden doch durch dieselben nicht ganz und
gar zertheilt werden. Betreffend die beiden vorhin erwälraten Rea-
gentien, so werden die Bläschen durch dieselben nicht etwa bloss
unsichtbar gemacht: denn letztere erscheinen nicht wieder, sobald
man erstere entfernt, und Alkohol von Neuem zusetzt (mit Aus*
nähme der in der Bemerkung erwähnten Bläschen).
3) Die Tliatsache, dass es nicht gelingt, die fragliche Membran
in einem andern Mittel darzustellen, als im Spiritus. So sieht man
keine Spur derselben bei der Behandlung mit Schwefelsäure, Kidi,
Terpentin- und Mandelöl, bei directer Anwendung von Jodlösung
auf die Körper, beim Schmelzen der letzteren in Wasser etc.
^ Veritl. Gottsclie's anatom. phys. Unters, über Haplomitriam Hoockeri etc.
In H. A. V. XX. P. I. p. 28Ä.
**) AatfeBommeo einEelne, weiche sich hier ond da erhalten. Sie find
in Wasaer Canni zu sehen, erscheinen bei Zusati von Alkohol deutlicher nm-
grinit, and verschwinden endlich bei nochmaligem Einwirken lueral von
Waner und dann von Akohol.
579 V«riiaDd1aofeii dei Diitnrh{«(oriielMBe^isiB{fe1ieB Yer^ba.
Chemisches. — Die chemischen EigenschafteD der Zenk5^
per waren bisher in noch geringerem Grade, als die anatomischen,
erkannt worden. Was mir über dieselben ans der Literatur be-
kannt geworden Ist, beschränkt sich auf Vermuthungen. Nach Gott-
sche (a. a. 0.) sind die Körper ein Hars oder Wachs: da rie im
Alkohol sich auflösen. Schacht dagegen *) meint, dass sie in ihreo
allgemeinen Verhalten dem Inulin entsprechen; an welcher Ansieht
er vielleicht durch die Reaction derselben gegen Jodtinctnr Yeras-
lasst wurde.
Erwägt man die Löslichkeit der Körper im Alkohol, die Erfail-
tung ihres Volumens im kochenden Kali, das Schmelaeo derselben
im gelind erwärmten Wasser, so wie den penetranten Geruch, den
fast alle Lebermoose (im angefeuchteten Zustand) entwickeln, m
darf man wohl vermuthen, dass Harz und aetherische Oele die con-
stitnirenden Elemente der Zellenkörper sind.
Berichtigung und Nachtrag sudenMittheilnngen über
den Zellenkörper der Lebermoose.
Der in dem Vortrage vom 29. Mai d. J. vorgekommene Aot-
spruch : dass die an der Stelle der mit Alkohol behandelten Zellen-
körper sich zeigende Membran, die man siemlich oft bemerke, nicht
vorgebildet zu sein, sondern durch das Gerinnen des Plasmas der
Zelle sich zu bilden scheine — diese Ansicht widerlegt sich bei der
Untersuchung der im Wasser faulenden Zellenkörper einer der klein-
sten Jungermannienspecies. Diese Art, welche ich erst vor Kurzem
kennen lernte (leider ist sie unbestimmbar, da ihr die Früchte feh-
len), überzeugte mich von dem Vorhandensein einer dem ZelleDk6^
per selbst angehörigen Membran, Schon früher hatte ich versucht,
über das Vorkommen oder das Fehlen einer solchen Membran be-
ddmmte Aufschlüsse mittelst des Fäulnissprocesses zu erhalten ; aodi
hatte ich an verschiednen Arten der Lebermoose, welche ich absieht-
lieh der Fäulniss unterwarf, keine Spur der erwähnten Haut beole^
ken können. Dass diese dennoch vorhanden ist, sah ich dageg^
wie gesagt, an faulenden Zellkörpem der später untersuchten Art
— Die Membran lässt sich an den betreffenden Körpern nicht nseh*
weisen, so lange diese frisch sind; letztere scheinen vor der Zer*
Setzung aus einem körnigen compacten harzähnlichen Stoffe zu be-
stehen. Wenn man dagegen das Moos, nachdem es einige Ta|e
im Wasser gelegen, in Hinsicht auf die Zellenkörper untersucht, eo
erscheint die Substanz derselben aufgelockert, die Kömchen haben
sogar stellenweis ihren Zusammenhang verloren, und hier und dt
bemerkt man, wie sie mit lebhafter Molecularbewegung im Laves
einer hyalinen, äusserst zarten, ein wenig aufgequollenen Hembru
*) Vgl. Schacht, Anst. und ?hjB. S. 60.
I
VertiaD^liiMteii det natorhiiloriicbHBediiiDiicIiMi Yereiof . 578
sidi hin oBd her bewegen. Jodtioctur ertheilt der Membran eine
bräanlicbgelbe Firbnng; Chloriink-JodlOsung, Schwefeli&are nnd
Kali machen sie rersehwinden ; daaseibe gilt von kochendem Wet-
ter; dagegen erhillt sie sich im Alkohol, der sie verdichtet und
mit schfirferen Goniouren erscheinen IXsst
Ich habe mich durch anhaltende Beobachtung von der Identitit
dieser Membran mit derjenigen, weiche man bei der Behandlung
frischer Körper mit Alkohol bemerkt , vollkommen fiberseugti und
trage kein Bedenken, diese Membran nicht nur bei der erwfthnten
Art, sondern auch bei allen übrigen von mir beobachteten Leber-
moosen, denen ein Zellenkörper sukommt, aniunebmen. Ist die
Membran bei einer Art vorgebildet, so wird dasselbe bei den übri-
gen der Fall sein, da bei allen die Zellenkörper in ihrem Bau sich
im Weeentlicben analog sind.
Demnach bestehen die Zellenkörper nicht in ihrer ganaen Masse
aus einer in Alkohol löslichen Substans, sondern sie enthalten diese
nur in ihrem Lumen, wogegen die Membran aus einem gans an-
dern Stoff, der sich im Alkohol condensirt, susammengesetit erscheint
Von welcher Art derselbe sei, kann durch microscopisehe Beobach*
tnngen nicht ermittelt werden; wenn auch die angeführten Reaetio*
Ben eine Verwandtschaft dieses Stoffes mit dem Inulin*) vermu*
tben lassen.
S5. Vortrag des Herrn Prof. Nuhn. „Ueber die Bil*
düng der Absonderungsflfisslgkeiten überhaupt und
der Galle insbesondere' (II. Abtheilung) am 29. Mai
und 14. Juni 1857.
Prof. Nnhn wendet sich in seinem heutigen Vortrage an die Be-
trachtung der noch Übrigen Absonderungen, welche weder in die
Kategorie einfacher Transsudate., noch in die der Diffusionserschei-'
nungen untergebracht werden können, und untersieht besonders das
Secret der Talgdrüsen, der Milchdrüsen, der Hoden, der Magensaft-
drfisen, der Schleimdrüsen u. a. einer nShern Betrachtung, welche
lehrte, dass die meisten dieser Secrete unzweifelhaft durch U mwand-
lang und schliesslich e Auflösung der Drüsenzellen
SQ Stande kommen. Bezüglich der Beantwortung der Frage, auf
welche Weise die durch Auflösung zur Bildung des Secretes ver-
wendeten ZeUen ergänzt würden, statuirt der Redner sowohl eine
Zellenvermehrung durch Theilung als auch eine freie Zellenbil-
^) Zwar wird dat Inalin dorcli JodlOfung gelb, die Membran gelbbrinn«
lieh gefferbt; doch ein fo fiferinger UDlericliied in der FlrbanK fcbeinl mir
weoif ia Betracht aa kommen, seit ich kttnlich mit dem Amylam and Jonlin
frans offenbar verwandten, durch JodlOsung felbbraan gefUrbten Körpern, die
in den Btattsellen der Vallisaeria apirslii vorkommeui bekaniil wurde«
5^ VadwiidliuigflB ^ BtturliiftQruoh-mediBiiiMheD Veidsf«
.duog. Hio^icbtlich letsterer gibt er xwar so, dau ao Tielen Orten,
wo man früher eine freie ZelleDfoüduDg aDgenommen hatte, die
jK>lohe Bimachweislich sei und wahrsoheiolicb mir eine Zelleavermeih
•ruBg durch Theüung statt habe. AUeiD das Vorkommea freier Zsl*
lenbilduQg gänsiich leugnen au wollen, wie dies von einigen Neae-
flOQ gescbsbe, daau scheint ihm der Stand unserer gegen wSrtigsD
£riahrungen noch nicht zu berechtigen. Dem Sedner liegen wenig»
«tons Beobachtungen vor, welche sich nicht gehörig deuten lasflea,
•wenn man die freie ZeUenbildung leugnet —
Hierauf wendet sich Prof. M. an die Beantwortung der Frage, Ib
welche der vorgetragenen drei Kategorien das Secret der Leber, die
Galie, gehöre? Da man über den Bau der secernirenden Theileerstim
JBJaren sein muss , wenn man derartige Fragen über die Thfitigkeil
einer Drüse erledigen will, der Bau der Leber aber in vielen Be-
siehungen noch uniclar und dunkel ist, so geht der Redner vorerst in eioe
genaue Erörterung der Anordnung des secernirenden Theiit
der Lebex ein, wie sich dieselbe theils aus der Untersuohung Aar
.derer, theiis aus eigenen l^achforaohungen ergibt. Nachdem Pirol N.
4as Bekannte des Baues der Leherlfippchen, der Anordnung der Le>
l>eraeU0i, der Blutgefltese und der s^r Abiuhr der Galle dienendes
Ksjifiichen, der GallenglfaBge , so wie endlich des in den Ba« dir
Leber mehr oder weniger eingehenden Bindegewebes kurs angedeu-
tet, und die Unrichtigkeit der Behauptung mancher Forscher, der ca
Folge die Interlobularzweige der Pfortader miteinander anastomo-
diren solKen, so dass sie die Läppchen ringförmig umfassten, darge*
than hatte, — so' wirft er sich die Frage auf, wie verhalten täA
diese verschiedenen Tbeile zu einander beim Vorgange der Gallen*
absonderung? Dass die Lefoerzellen die Werkstätte der Gallenbil-
dung seien, dass ferner das in den Pfortadercapillaren fliessende Blut
den Leberzellen das Material dazu liefere, und dass endlich die v<m
den* Leberläppchen abgehenden Gallengänge die fertige GaUe wog-
leiten, betrachtet der Redner als eine ausgemachte Sache. Es er^
geben sich demnach, wenn man von dem Wie? der GaUenbildfmi
innerhalb der Leberzellen vorläufig noch absieht, zunäeliet nacbiel-
gende Fragen: nämlich wie wird die Galle an ihrer Bildungestttli
frei, um in die Gallengänge zu gelangen, d. h. dringen die im b*
nern der Lefoeraellen gebildeten Gallenbestandtheiie durch die etvt
porösen Wandungen der unversehrt bleibenden Zellen heraus, edu
wird der Zelleninhalt dadurdi frei , dass die Zellen sich .auflösen?
Und wenn das Ehie oder Andere der Fall wäre, — wie gelangt dii
tetige Galle in die Abfuhrswege, die Galleng&ige, d. h. wie var»
halten sich die Leberzellen zu den Anfängen der Gallengänge?
Liegen diese Drüsenzellen auch, wie die Secretzellen der andern Diff-
sen, auf der Innenfläche einer Membran, welche, einen bläadben^ oder
kanalförmigen Hohlraum nmschliessend, in ihrer Fortsetzung dirstt
in die Wandung der Ausführungsgänge übergeht, oder ist die Leber
in dieser Begehung in einer von den andern Drüsen «bweicbeatai
VofliaHdlnfM aM Ml«rlü«tortMli««e4faDBMMi Vmmm. i9S
Art feiaal? Der Bedoer gebt lunichal Mf die Er^vteniog der leU^
ttren Frage ein.
Die Meisten, welebe sldi mit der Erforeeiumg des Baues der
Leker Wesehlftigtenf kennten sich nickt Ton der gew^hnlteben Ani^
isMMigsweise des Drfleenbaass trennen nnd naliHMn dein ni Folge
sine Membran an, weldie die DrfisenseUen der Leber in der
einen oder andern Weise umgebe und schliesiltch in die Wandung
der wegleisenden Gnilenginge übergehe. Nnr Wenige steUten eiae
mMbt Membran in Abrede und betrachteten die Leber als eine Dirüse
eigener Art
Frei. Kuhn gibt nun eine kurae MittlieilHng der Tsmchiedenen
Aasiebten, die ober die Anordnung des secernirenden TheUs der Leber
bestehen nnd stellte dieselben in folgender Weise «usammen.
1) Die Leber ist gebaut naoh Art der tranbenförmigen Drüsen
(J. MliUer, Krause).
i) Die Leber ist naeh Art der röhrigen Drüsen gebaut.
n} Annahme von oetsförmig verbundenen, ans einer structnrlo*
San Membran gebildeten, Kanälen, welche die reftenförmig gelagert
fesa Lebersellen umschliessen und die Maschen des Blutgefüssnetees
dnrekalricken (Kieman, Schroeder van d. Kolk nnd Bäcker, Betsins,
Knikenberg, Theile, Weja n. A.).
b) Annahme eines gUterförmig Terschlangenen Netses darmäbn*
Kch gewundener Kanftle, an deren Innenllfiehe die Lebenelien naoh
Alt ekMS Epithels gelagert sind (Arnold).
c) Annahme eines Netzes von Gallenkaniiohen , welche nicht
von einer die Zellen umfassenden Membrana propria, sondern da*
durch gebildet sind, dass die relhenformig mit elaander in Verbin-
dung ntebenden Zellen an ihren Berührungsflächen mit einander vci^
wadieen und durch Schwund der Zwischenwände in einander sidi
SAietan und dadurch die Zellenreihen au Kanälchen wurden (£•
B. Weber, Lambron).
8) Die Leberläppchen sind von einem Gallengangnetze durch-
sogen, das im Innern der Läppchen aus Intercellulargängen, -*- im
.peripherischen oder Bindentheile dersdben aber ans Kanäichen ge-
bildet wird, welche mit selbstständigen Wandungen versehen sind
(Henle, 6eriach>
4) Das Leberzellennetz und das Blutcapillamets bilden die
einsigen, die Leberiäppchen zusammensetsenden Bestandtheile. Die
QADengänge beginnen erst an der äussern Seite der Läppchen blind
(KeeUiker nnd grössten Theils H. Jones).
5) Der Lelier liegt ein bindegewebiges Gerüst zu Grunde, das
ein eavernösee Fäcberwerk bildet, dessen grössere und klemere F9r
«lierrftume die Leberiäppchen, die Zelleoreihen und Balken des Zel'»
enthaken und an der Peripherie der Läppdhen in die weg-
Oaliengänge übergehen (Hyrtl, Leydig).
Der Bednar unterwarf nun diese verschiedenen Aneichten einer
Belencbtung und stfgte, wie keine desfelb^D fons Tiohtig
176 Verhandkafen def nalariiiftoriicli-iBediiiiiifdien Tereiai.
oder haltbar sei, und wies darauf hin, wie die meisten Foisdicr
überliaupt sicli bemClbten, den Bau der Leber in m5|;licbaten Eia-
klang mit dem anderer DrOsen so bringen, om so den 8ebw{eH^
keiten ausauweichenf welche sonst bei der Lösong so mancher daraof
beaüglicber Fragen sich entgegenstellen. Ueberdiess bemerkt Prof. N.,
dass in Erfahrungswissenschaften, wie der unserigeni man leider oft
die Wahrnehmung mache, dass bei der Lösong wichtiger Frages
vorgefasste ^ und lieb gewonnene Metnungen man h&ofig an sehr
da mitspredien lasse, wo eigentlich nur die Erfahrung, die mdiere
Beobachtung und unzweifelhafte Thatsache entscheiden solle.
Der Redner weist ferner darauf hin, wie überhaupt eine Auf*
fassungsweise gewisser BanverhäUnisse, wenn sie an einer allgemeio
herrschenden geworden^ stets mächtigen, bald fördernden, bald hem
menden Einfluss auf die Forschungen und Fortschritte der Wissen^
Schaft übe, je nachdem erstere richtig oder unrichtig sei. So ge-
denkt er beispielsweise der üblichen Auflfassung und Deutung der
unter dem Namen ^Epithelien^ belcannten Zellenlager auf grössers
bindegewebigen, hftutigen Ausbreitungen. Wenn man auch der Uebsr»
aeugung sich hingeben könne, dass die Zeit nicht mehr fem llegi^
wo diese Zellenlager nicht mehr bloss als schütaende Uebenögs
dieser Häute gelten werden, — so sei dies eben doch gegenwärtig
noch die allgemein herrschende Ansicht, und habe als solche bii
jetat auf fast jede darauf beaüglicbe Forschung einen mehr oder we-
niger befangenhaltenden oder trübenden Einfluss geübt. — Oleichai
gelte auch von der allgemein üblichen Auffassungsweise des Drfi-
senbaues, eine Auffassung, welche aus einer Zeit stammt, in der
man die feinem Elemente der Drüsen noch nicht oder doch nicht so,
wie jetat, kannte, und welcher gemäss man als wesentlichstea
Bestandtheil einer Drüse eine Membran (s. g. Drüsenmembrao)
betrachtet, an deren einen Fläche Blutgefässe liegen und deren an-
dere einen mikroskopischen, bläschen- oder röhrenförmigen Hoblraoa
umgrenat, der durch einen Ausfübrungsgang irgend wohin aus-
mündet. Der Zellen auf der Innen- oder Höhlenfläche dieser Drfl-
senmembran gedenkt man dabei mehr in aweiter Reihe und be-
trachtet sie mehr als eine Art Epithelauskleidung der Drfisenbläi-
eben oder Drüsenschläuche. Allein Prof. N. kann nicht diese Drüsen-
membran, sondern nach dem Resultate seiner Erfahrungen vielmehr
die an der Innenfläche jener liegenden Drüsenzellen für die wiclh
tigsten und wesentlichsten Theile einer Drüse halten. Dw
Red. führt es nun weiter aus, wie die Membran nur mechanische Zwecks
nnd Bedeutung für die Drüsen habe, indem sie nor ein stütaendei
Qerüsty eine tragende Unterlage für die Drüsenzellen, wie auch eines
Träger für. Blutgefässe und Nerven abgebe, somit auch da febka
oder, statt in Form einer Membran, in einer andern Form aof-
treten könne, — wo die Lagerung der Zellen und die Anordnung dir
Blutgefässe eine solche ist, dass diese Stütze entbehrlich wird oder
doch die Gestalt einer membranösen Ausbreitung nicht in hatal
braucht (SeUua folgi,)
k. n. BEIDELBER6EB Mtl.
JAHBBOCHER dir LITISATOB.
Veriumdlongen des natnrhistorisch-medizinischen Vereiofl m
Heidelberg.
Vortrag des Herrn Prof. Nahn. „üeber dU Bildung
der Absonderangtflüssigkeiten überhaupt nod der
Galle insbesondere' (IL Abtheilung).
(Seliliiii.)
Um den Drüsenbau richtig aufzufassen, darf man daher, dem
Redner zu Folge, denselben nicht nach Maassgabe der Anordnong
der fl. g. Drüsenmembran, sondern nach der Anordnung der
Drüsenzelien beurtbeilen. Von diesem Gesiehtspuncte ausgehend,
untencheidet Prof. N. die Absonderungsorgane in 2 Klassen, nimiich:
L Absonderongsorgane mit flächenförmiger Lagerung der
Secretsellen auf einer, aus Bindesubstanz gebildeten mem*
branösen Unterlage.
1. Die Zellen umlagern einen grossem (macroscopischen)
Hohlraum und werden von einer geilss- und nerrenfüh*
renden Blndegewebshaut getragen und gestützt (Schleim*
hiute, seröse Häute, Synovialhlute etc.).
9. Die Zellen umlagern kleinere (microscopische) bald blüs-
chen-, bald kanal- oder schlauchförmige Hohlräume und
werden von einer, meistens structurlosen Bindesubstana*
membran getragen (eigentliche Drüsen).
IL Absonderungsorgane, bei welchen die Secretzellen eine
lineare Lagerung haben und keinen Hohlraum umlagern,
sondern solide, netzförmig verbundene Zellenreihen bilden, weiche
von keiner Membran umschlossen , sondern von einem gelässe-
haltigen Bindegewebsgerüst getragen werden, das in Form
eines Netswerkes das Zellennetz durchwebet.
Dies sind die Gesichtspunkte, welche den Redner bei der Er-
forschung des Drüsenbaues überhaupt und bei seinen Untersuchun*
gen über die Anordnung der secernirenden Tbeile der Leber insbe*
sondere leiteten, und durch welche er bezüglich des Baues der letz*
teren Drüse zu folgendem Ergebnisse gelangte:
Die Leberzellen bilden mit den Blutcapillaren die wesentlichsten
BestandtbeUe der Leberläppchen und haben, statt einer flächenför-
migen, eine lineare Lagerung, wodurch sie, statt microscopi*
sehe Hohlräume zu umgeben, solide ZeUenreihen bilden, die durch
Danchüaltige Verbindungen unter einander ein Zellennetz erzeugen,
deaaeD Maschenräume von den Blutcapillaren ausgefüllt werden^
1^ Jahrg. 8. Heft. 87
i^ VerhandhiiigeA iei iätinr^latbAiAl^beditiniidieii Terefait.
Die ZeH«nreib«ii and die Masehen des vm ibneB g^Udelea Neties
faftbed eine radtäre, votai Genttüm nach der PeripHefrie der Ll^pth«
gehende Richtang, und nur in der Nähe der letzteren wird die La-
gvi'uug nnd Rrciitung etwas nnregelosäsitg. i^w öefÄ#t| wu^ flw
einer membranösen Unterlage, die tragende Stütze für die Zellen niid
Am S^H^nnet^ abi^ibtj Wird hier von einem, die Bltatg^ftftO begüilMi-
den und in seiner Form dessbaib mit dem Blutcapiilarnetze susammefi-
fallenden, aus Bindegewebe bestehenden Netswerke gebildet
Das Bindegewebe, in welches die Blutcapillare gleichsam eingebettet
Und, ist) wo es in geringer Menge rorhanden, m^istene mehr hom«-
l(ell und desthdlb schwierig wahrnehmbar, wo es aber etwas mftchti|er
wird, erscheint es ibriilftr. In den Zwischeinraamea awiscben Le-
berlftppchen findet sich etwas mehr Bindegewebe vor; allein immer-
hin ist seine Menge noch sehr unbedeutend und nur so reicbliefa,
als nothwbndig, um die InteriobulargefÜsse und die mit dieseta rer-
läutbiiden Oallengltnge zu utngeben nnd zu begleiten. Dieses kk-
tedobulare Bindegewebe kann indess auch mächtiger Werden und
daiitt (Wit^ normal bei der Leber des Schweins) ansehnliche BiSfcta
bild^, welfehe die Läppchen von einander Scheiden und dtsrA Ihte
YJBrblndüügen unter einander «in Fäeherwerk (in de« Sittoe ton
Hytil und Leydig) zusammeneetzen , dessen Fächer <Me Leberllpp-
chen enthalten. Diese Lobularfäcber bilden aber nicht noeh m
secundäres MotB Fächerwerk aur Aufnahme der LebenEellenreiheii,
ilbhdeni es gehen von der Innenfläche dieser grossen Lobularf&eher
Hfit ^aht tette bindegewebige Ansttufer ab, welche die in die Läpp-
chen eindringenden Blutgefässe begleite». -*- Die 1 uteri ob ularea
6 all eng äuge empfangen ihre Wurzeln (Ducti lobuktte) aus dem
Umfftttge der sie umgebenden Leberläppchen. Dieselben beginnen aber
nicht an der Aussenseite der Läppehen, sondern in ofer Substanz dei
peripherischen Thidäs demselben und bilden durch zahlreiche Anasto«
toosen dütin ein Netz. Diese feinsten Lobulargalleagfingte endb,
tbrschieden tief In die Umftingsschichte der Läppchen eindribgead,
blind, indem sie an die peripherischen £nden der Zellenreiben c
stossen.
Nbch Darlegung dieser Bau Verhältnisse der Leber, wendet stdi
Prof. N. an die Erörterung der Frage ^ wie die Gallenabscmdenrag
2a Stände komme, ^ ob auf dem Wege der Diffusskm oder dnrth Auf-
lösung der Seeretzellen und Uebergang des Inhaltes dieser in dei
Abfahrswe^e — und wie die auf die eine oder andere Weise ge-
bildete Galle rn die Gallengänge gelange? Der Redner erdrtcrti
zunächst alles, was für oder gegen die Dtffosionstheorie der Gidlü*;
ttb«t>ndernng geltend gemacht werden konnte und berührte hierbei]
auch die Frage der Zuckerbilduug, ob dieselbe nämlich in den h^\
berzellen oder im Blute vor sich gehe. Besonders deutete er dabeli
auch an» wie der Umstand, dass der Zucker erst im Leberveoenbltili^'
ttieht aber schon im Pfort&derblute sich vorfinde) — ao wie dwi
M Thierea^ denen die Leber ausgeschnitten wurde^ der ZufJnr !■
UwnrMenUvte dau aocii feUto, ^ wenig b«w«lM^ daM 4«r Znokar
la dea Lebersellaa g«bikl«c werdt, da m aacb denkbar wiro, daas
er sich im Blute selbst bilde, indem da« darch die LeiberlMppelieii
atromende Blut etwa nach Abgabe der zur Gallenbiidung dienenden
Stoffe aar Zuekerbildung disponirt werde, dieae BefXhigimg aker
so laage fehle, als das PfaruderUnt die, die Zuckerhildong idso
hindernden Bestandtheile noch nicht abgegeben habe, und in den
FXUen sie gar nicht erlange, wo, wie bei ausgeschnittener Leber,
es snr OallenbUdung gar nicht Icommt. —
Nach allseitiger PrGfung aller auf die Gallenabsonderang be-
sflglldien Verhältnisse kommt Prof. N. zu dem Resultate, dass swar
die Dtffusionstheorie nicht geradesu widerlegt werden k5nne, aber
doch in so hohem Grade unwahrscheinlich sich erweise, dass man
an der Vermuthung gleichsam gedrängt werde, die GaJlenabsonde-
rung komme durch Auflösung der Leberaellen zu Stande«
Der Redner sucht nun weiter darzuthun, wie hiermit die Anordnung
der secemtrenden Theile und der ganze Bau der LeberlSppchen Im
Bnklang stehe. Die Auflösung der Leberzellen könne indess nur
an den peripherischen, an die Wurzeln der Gallengfinge unmittelbar
anstoeeenden Enden der Leberzellen reiben vor sich gehen. Es müsse
daher, um an die Stelle der aufgelösten Zeilen wieder andere ge-
langen zu lassen, in den LeberlSppchen ein fortwährendes Geschiebe
der Zellen in der Richtung von den Centren der Läppchen nach deren
Peripherie, ähnlich, wie auch anderwärts dies vorkommt, statt haben,
wo ebenfalls die Zellen in zahlreichen Lagen über einander liegen und
die tieferen in dem Maasse zur Oberfläche stets nachrücken, als die
oherflichiieh gelegenen durch Auflösung u. dgl. abgängig geworden
sind. Der Redner sieht bierin auch den Grund, warum die Leberzellen
m Reihen stehen und diese in radiärer Richtung verlaufen , da ohne
diese Einrichtung es nicht möglich wäre, dass die vorrückenden
ZeDen stets wieder genau an die Stelle der aufgelösten gelangten.
Bezüglich der Frage, wie die zur Gallenbiidung verwendeten Zellen
wieder ersetzt werden, ob durch freie Zellenbildung oder durch Thei-
Inng, entschied sich Prof. N. für letztere, wofür auch das häufige
Vorkommen von Zellen mit doppelten Kernen spreche. Dass in
der Galle nicht ähnlich, wie in andern auf gleiche Welse sich bildenden
Secreten, häufiger losgestossene Leberzellen oder doch Reste von
In Auflösung begriff^enen Zellen sich finden, erlilärt steh Prof. N.
aus der auflösenden Wirkung, welche die Galle, den Tersuchen v.
Dnach's zu Folge, auf die Leberzellen übt Ob die Gallenbii-
dung d. h. die Auflösung der Leberzellen unter Einwirkung von
Nerven vor sich gebe oder auch nur beschleunigt werden könne,
vermag der Red. nicht zu entscheiden; doch möchte er letzteres
v^fmutlKn, da bei efaiem Hunde , bei dem er die Lebernerven einige
Zeit etark galvanislrte, tüe Lebergänge In den Lappen, deren Ner-
ven vorzugsweise erregt Wurden, auffallend viel Galle enthielten,
web diw^lbe Fettküfeichen umd ieine Körnchen| die ganz mit denen
Mfi VethaiidlaAgea ddt iialafytldHiek*'liMdldaiieliM V«reüy.
des Inhaltes der Lebersellen übereinstimmteo, in reichlicheitin Masm
sefgte, als in den Lebergftngen der andern Lappen, deren Mervea
nicht djrect erregt wurden.
26. Mittheilungen desHerrn Prof.G. Leonhard. «Ueber
einige ausgezeichnete Mineralien unserer Gegend''
am 26. Juni 1857.
Herr Prof. G. Leonhard legt eine Anzahl Mineralien aus der
Umgegend Heidelbergs vor (theils aus seiner Sammlung, tbeiis au
jener des Hrn. Professor Blum}, begleitet von einigen Bemerkangen
über das Vorkommen derselben.
Bei Auerbach an der Bergstrasse erscheint, wie bekannt, k5T^
niger Kalk als Ausfüllung einer Gangspalte, mit Gneiss, Granit ood
Syenit in Berührung tretend und längs der Grenze gegen diese Ge-
steine eine grosse Anzahl von Mineralien enthaltend. Es sind na-
mentlich einige Silicate, die sich hier ausgezeichnet finden: Granat,
derb und krystallisirt, von brauner, rother, geblicher und weiiser
Farbe; Idokras, Epidot, Woliastonit, Grammatit, Kockolith, Apo-
phyllit. Ferner metallische Substanzen, die sich theils als Anflog,
theils eingesprengt im körnigen Kalk zeigen: Bleiglanz, Kupferkies,
Eisenkies, Magnetkies^ Fahlerz, Kupferlasur, Malachit, Buntk^pfe^
erz und Kupfergrün. Besonders bemerkenswerth ist aber das Vor-
kommen der Kobaltbiüthe in kleinen, wohl ausgebildeten Krystalleo.
— Der Granit, welcher in der Nähe des Kalkes meist in einen
schönen Schriftgranit übergeht, enthält kleine Krystalle von Tiiamt
und von Zirkon, so wie Körner von Ortbit
Nachdem Leonhard einige Exemplare des von ihm im Jak
1853 bei Weinheim aufgefundenen Orthits zur Einsicht vorgelegt
hatte, machte er auf die mannigfachen Mineralien aufmerksam, welcbe |
im Gebiete der Muschelkalk- Formation unserer Gegend vorkommes. |
Es ist namentlich der Muschelkalk-Dolomit bei Ubstadt, welcher anfi
Klüften und in Drusenräumen folgende Substanzen enthält: Baryt-
spath in tafeiartigen Krystallen und kammförmigen Massen; Blei-i
glänz, meist in krystallinischen Parthien im Dolomit eingewachsen,
seltener in Octaedern in Drusen; Blende, krystallynische Parttiioo, .
die dodekaedrische Spaltbarkeit sehr deutlich zeigend ; Bleivitriol in i
kleinen Krystallen; Kupferlasur und Malachit als Anflug; endlleb !
Asphalt. — Vor kurzer Zeit ist im oberen, dichten Muschelkalk bd i
Wiesloch Schwefelarsenik aufgefunden worden ; Realgar, kleine, kry-
stallynische, nadeiförmige Parihien und Auripigment in kleinen Kug«tn
von strahliger Zusammensetzung.
27. Vortrag des Herrn Dr. H. A. Pagensteefaer, Jon.
„Ueber Milben, besonders die Gattung PhytoptnsS
am 26. Juni 1857.
Der Vortragende setzte zuerst die Schwierigkeiten üuserDänder,
welghe die anatomische Untersuchung der Milben bietet^ und welcb9
i9» iiliirUil0rMe«iodisiBiietai Verebt. 561
* geMgmißa Beschreibiing^ und Boologisefaen Eintheflnng im Wege
Von besonderm Interesse sind dieselben da, wo sie aas
den yerSndeningen entspringen, welebe die einselne Art nach
dem Alter und Geschlecht erleidet, und diese Verschiedenbetten sind
nicht darch hinlinglich sahireiche Untersuchungen festgestellt.
Das Verdienst in sechsfüssigeii Milben die Larven achtfüssiger
erkannt zu haben gebührt Dugtfs und Burmeister, aber mit ihnen
wQrde man zu weit gehen, zu sagen, dass alle erwachsenen Milben
Tier Fusspaare besSssen. Es hielt nämlich Dug^ speziell die vier-
fussigen Milben, welche zuerst R^aumur, dann Turpin in besondem
Gallen der Lindenblätter, andre Forscher in den Gallen andrer Blät-
ter fanden, fQr Larven, vermuthlich eines Tetranychus. Und noch
in diesem Jahre glaubt Scheuten*) zu solchen vermeintlichen Lar-
ven die erwachsnen Zustände gefunden zu haben. Die von Dujar-
dhn schon 1851 gebrachte Widerlegung dieser Ansicht scheint nicht
fSr ausreichend erachtet worden zu sein, wie sie auch in der That
keine breiten Grundlagen hat.**} Die vom Redner in der Absicht,
die Berechtigung der von Dojardin mit dem Namen Pbytoptus be-
zeichneten Gattung zu prüfen, vorgenommenen Untersuchungen, be-
stätigten die Ansicht jenes Forschers vollkommen. Die vierbeinigen
Milben dieser Gattung wachsen nicht zu achtbeinigen heran, sie
sind in sich abgeschlossen.
Die Aufmerksamkeit musste sich auf drei Punkte richten:
1. Auf die Erkrankungen der Blätter, an denen sich die Mil-
ben finden, Es müssen nämlich nicht allein die nagelformigen Gal-
len der Linden, und äbnlicbe oder mebr rundliche der Pappeln, Wei-
den, des Faulbaums, als Wohnsitz der Milben mit zwei Fusspaaren
betrachtet werden, sondern auch die Flecken an der Unterseite der
Blätter, welche von verscbiednen Arten der Gattung Erineum, Per-
soon, gebildet werden. Solche Flecken kommen an Blättern vor,
welche Gallen besitzen und auch an gallenfreien Blättern derselben
Bäume, aber gleichfalls an Pflttnzen, welebe nirgends solche Gallen
haben, so am Weinlaub. Ausserdem finden sich die Milben mit
4 Fasspaaren, wie schon Scheuten nachwies, an den schwarzen
Brandflecken kranker Birnblätter, vermuthlich aber auch unter an-
dern ähnlichen Verhältnissen. Da an den letztgenannten schwarzen
Flecken das abgestorbene Gewebe mit zahlreichen Pilzsporen und
Fäden bestreut ist, so würde es für die Verbältnisse, unter denen
die Milben leben, eine schöne Analogie sein, wenn in der That die
mit dem Namen Erineum bezeichneten Bildungen auch als Fnngen
betrachtet werden könnten.
*) Troscheri Arehiy 1857. i
**) Die VerhaodluDireo der schlesischeD Gesellscitaft, in welelieD v« Sie-
bold 1850 eine Hittheifunff sowolt] über das so geoaoDte Erioeam brachte»
als auch über kleine Milben, welche er für die Ursache dieser Krankheit der
Blauer hiell, standen dem Redner nicht su Gebote. Ans dem Bericht von
Ctms ersieht man nicht ob dies vierbeinige Hilben waren.
Betracbten wir jedoch diese BilduDgea, loetet ein byrnsartigei
Gewirr von Fäden, genauer und vergleichen wir sie mit den Haaren,
welche auf Stielen und an Blättern deraelbea nod andarer Pflanian
normal gefunden werden, so finden wir die gri^sste Aebniichkeit mit
diesen, wir finden vielleicht k^a Eigenschaft an krankhalteo Veg^
tationen, die sich nicht auch hier oder da an gesnnden Haaren
nachweisen Uesse. Zum Vergleiche unter einander lehrte der Redmr
Abbildungen normaler Haare von verschiedenen Pflanseo sowie dte-
jenigeu der krankhaften Produktionen auf den Blättern der Linde,
des Weinlaubs, des Faulbaums und der wahren Schimmel Vegetatio-
nen von kranken Birnblättern vor, seigte auch die Gallen und die
sogenannten Erineum-Arten an den Blättern selbst. Die Fädeo von
den kranken Flecken an der Unterseite der Lindenblätter sind iden-
tisch mit denen, welche die spitzen Gallen dieser Blätter auskleiden;
durchaus ähnlich, vielleicht nur mehr in die Länge gezogen, ia
Vergleich mit denen, welche man gewöhnlich in den Qalien der
Blätter des Faulbaums findet. Von einer Breite von 0,03 mm. und
mehr, und von sehr verschiedener Länge bilden die meisten Fädoi
einen hohlen Cylinder mit schwacher Wand, ohne Scheidewände, sie
enthalten oft bei Wasserzusatz Luftblasen, die altern ertheilea durch
eine röthiiche Färbung zuweilen ganzen Abtheilungen des Flecks ein
feuriges Ansehn. Die kleinern, jungem wurzeln immer noch mit
breiter Basis auf den Blattzellen und haben einen krümlichen Inhalt,
eingeschlossen von dickeren Wandungen. Alle sind am freien Ende
geschlossen, gröblich zugespitzt oder abgerundet Nie eine Spur von
Fruktifikation, überhaupt die Verwandschaft mit den Haaren an den
Blattrippenwinkeln der Linde nicht zu verkennen.
Mehrere Abweichungen bei entschiedener Aehnllchkeit im aUge*
meinen Verhalten zeigen die Vegetationen, welche die schmutzig
Weissen Flecken an der Unterseite des Weinlaubs znsarnmensetzen.
Die Breite ist ähnlich, bewegt sich nur in weiteren Gränzen. Die
Fäden bilden jedoch in Zwischenräumen von 0,3 — 0,4 mnu Absätze,
an welchen sie knospenförmige Hervorragungen treiben, oder nach
kolbiger Anschwellung umbiegen. Mit gleichen Anschwellungen war^
zeln die Fäden in den Blattzellen, vielleicht findet man efaizeUie,
welche ohne verletzt zu erscheinen, an diesem kolbigen Worzelende
ohne Zusammenhang mit dem Blatte sind. Scheidewände sind in
den Fäden nicht selten. Die Jüngern haben auch hier einen blassen,
feinkörnigen Inhalt, die altern sind hohl und werden braun. Sie
enthalten oft zahlreiche Krystalle von verschiedenen Formen, welche
die Ursache des sandigen Anfühlens der Flecken sind. Man findet
häufig Zellen mit scharfem Rande und Kernen in dem Inhalt jun^
Fäden eingebettet, man findet deren auch frei zwischen den Fäden.
Sie erscheinen oval, oder keulenförmig, haben einen doppelten Con-
tour, die Kerne sind einfach oder mehrfach, glatt oder granolirt
Man findet welche, die mehr nach einer Richtung bin zu einem
blassen Hofe, wie durch Abhebung der Zellenwaad ausgewaebsso
I
mcUiaett, Die WcovgirtDer w^teo dieie Erkrankv^ig iwt W«iil*
]«obe8 woit zahlreicher dort gefunden baben, wo mit künstlicheDi
Guano gedüngt worden war» wai sieb nicht beetStigt^,
Die Vegetationen von der Unterseite der Blätter des Fanlb^n*
mea aind orsprünglich aucb von cjUndrlscher Gestalt, etwas weit^
und knrz, handscbnhfingerartig und yorn abgerundet. Sie wacbseq
daoD i^r nicht In die Lunge voran, sondern das freie Ende bliUit
sieb auf, bildet Blasen oder Höcker nach den verschiedensten Rieh«
tungeo, die alle bohl sind und in oder an welchen zuweilen aucb
kleine ovale Körner liegen, Sporen vergleichbar. Im Alter werden
aie ebenfalls gelblicbbraun.
Während es zulässig erscheint, in diesen Vegetationen nur krank-
haft veränderte Zellen der Wohnpflanze selbst au aehen, welche
gleich den Haaren frei answachsen und die vorfindlioben Sporen,
falla die erwähnten Körperchen deren in der Tbat sein sollten, für
eine zufällige Beimischung zu halten, sind die Sporen und heran«
wachsenden Pilze das Wesentliche an den kranken Birnblättem.
Auf den schwarzen Flecken, ebenfalls vop der Unterseite dieser
Blätter ausgebend, finden sich Vegetationen jenen Byssusf&den ver-
gleichbar durchaus nicht Dagegen finden wir spindelförmige oder
ovale Sporen in allen Stadien des Auswachsens zu PilzfSden.
Die spitzen Gallen selbst münden sowohl an der l4inde wie am
Faulbaume mit einem engen Kanäle auf der Unterseite des Blattes.
Sie sind beim Faulbaum viel weicher als bei der Linde und sitzen
mehr mit einem Stiele nicht mit breiter Basis auf. Die blasig auf-
getriebenen Vegetationen von den Flecken findet n^an seltner in den
Gallen des Faulbaumes selbst. Neben den spitzen Gallen der Blätter
fioden sich bei der Linde rundliche Gallen der Blüthensliele, besetzt
mit Cynips-Larven. Klein, rund und weich und von rother Farbe
waren einige wenige Gallen, die sich an den Blättern einer Weiden«»
art fanden, und auch Exemplare von Phytoptus bargen. —
2. Alle diese Gallen enthielten ausschliesslich Milben mit zwei
Fasspaaren und deren Brut. Dieselben fanden fleh gleichfalls an
allen erwähnten Flecken, auf welchen dann neben ihnen einzeln
und vorübergehend sich auch andre Milben und Aphiden bewegten.
Ana dem Safte der zarten jungen Fäden oder dem reichlichen De-
tritus zwischen denselben können die Milben gut ihre Nahrung
ziehen. Da die Zahl der Milben nicht mit d^m Umfange der Er-
krankung Im Veihältniss stand, so muss man, falls der giftige Biss
der Milben auch ursprünglich Veranlassung zur Erkrankung geben
sollte, doch später ein selbstständiges Fortwucbern der pflanzlichen
Vegetation annehmen. Die charakteristischen Eigenschaften dieser
Milben, also der Gattung Phytoptus, sind folgende:
Die erwachsenen Thiere messen 0,101—0,245 mm. an Länge
und 0,033 — 0,060 mm. an grösster Breite. Sie verschmälern sieb
rsscher nach vorn, langsamer nach hinten und sind fast so hoch,
ala breit Der Körper zeigt in der Epidermis über hundert quer-
584 Verbudliisgeii doi natoriiiftorit^imdisiiiiKheB Jtnäm.
überiaufende Binge und ISsat meist durch sefne dunkle Ffirbung üe
innre Organisation nur mangelhaft erkenoen. Die Mundtheile alehcD
über den Rand des Körpers vor, sie sind nach unten und Tom ge-
richtet, zu einem Kegel verschmolzen. Angedeutet sind seitlich die
unbeweglichen falces, vielleicht (möglicherweise nur bei den Mlnn«
eben) an der Unterseite zwei feine Taster, welche aber di« andern
Theile nirgends überragen. Die Beine sind in den obern Ofieden
stärker, sie gehen ans von einem Panzerbruststück, das nach hintai
beiderseits ausgebogen in der Mitte sich zu einem Spiesse (wenig-
stens bei dem Phytoptus Rhamni) verlängert. Die Segmentimng
der Beine ist undeutlich, wahrscheinlich sind nur sechs Segmente
vorhanden. Beide Fusspaare sind gleich. Das letzte Glied endet
in eine fast gerade Kralle, neben welcher zwei einfache Borsten
und wenigstens zuweilen eine gefiederte stehn. Das vorletzte Glied'
trägt eine längere Borste. Die Beine sitzen ganz vorn, nie fiadtt
sich, auch nicht etwa weiter nach hinten gerüciit eine Spur von
unentwickelten oder verkümmerten hinteren Fusspaaren. Der K$i^
per ist in grossen Abständen, besonders dicht vor dem HintM-ende,
mit spärlichen langen Haaren besetzt, welche auf einem Knöpfcban
aufsitzen. Das Hinterende verbreitert sich wieder, uni dann mebr
rundlich oder grade abgeschnitten zu enden. Indem hier die ober»
und die untere Fläche des Körpers in je eine Lippe auslaufen, enk-
stebt eine horizontale Spalte, in welcher Darm und wohl auch Ge-
schlechtsorgane münden. Der Verdauungsapparat beginnt mit einem
ovalen oder halbkugligen Magen und besteht weiterhin aus einem
leicht gescblängelten Darm. Feinkörnige, drüsenähnlich gnippirte
Massen, umgeben dieses System. Was die geschlechtliche Organi*
sation betrifft, so findet man allerdings Tbiere, welche in sehr ge-
ringer Zahl die ovalen Körper enthalten, in welchen schon Dujardin
Eier erkannte. Aber während in diesen ein weiterer Einblick ge-
hindert ist, findet man in andern Exemplaren einen grossen ovalea
mit kernhaltigen Zellen gefüllten Körper, einen Eierstock, einen aas-
führenden gewundnen Schlauch, den Eibälter, der in eine mit seit*
lieber Ausstülpung, der Samentasebe, versehne Vagina übergebt
Eine Samentasche erscheint allerdiugs um so nöthiger, als nur eins
geringe Zahl von Eiern gleichzeitig reift und doch die grosse An-
zahl von Eizellen und beträchtliche Menge von Eiern, die man
in Reihen oder Haufen zusammenfindet, wie von einem Thier her-
rührend, auf eine grosse Produktivität schliessen lassen. Schlanker
gebaute, heller gefärbte Tbiere können wohl als Männchen gedeutet
werden. lu ihnen liegt ein gleichfalls unpaarer, kleinerer und run-
der Körper, der Hoden; aus ihm führt ein Ausführungsgang, der
nur durch eine Anschwellung eine Samenblase bildet.
Das Tracheensystem ist höchstens in schwachen Andeatunges
zu erkennen.
Was die Lebensweise des Phytoptus betrifft, so benutzt er zu-
nächst seine beiden Fusspaare fast gar nicht zur Bewegung dm
fMitAiBfem dot utnrUitoriielMBediiialfclMi Yeretsi. M5
Kiipcn, sondern nnr mit ^ossem Geschick sar Heranfllhnins Ton
Nfthning cum Mnnde. Dagej;en bewegt sidi der lange Leib inebr
wvmaitig, er krümmt sich zuweilen so ein, dass das Hintertheii daa
Vordertheil berührt Eine Begattung wurde nicht mit Sicherheit be-
obachtet, einmal hafteten swei Thtere der Art an einander, daea der
Vordertheil eines jeden an dem hintern Ende des andern befestigt
war. Sollte yielleicht vorher an die Taster gebrachtes Sperma auf
sokbe Weise eingeführt werden? Unter den ByssnsfSden und an
dieselbeB geheftet liegen nun in grosser Zahl die Eier von kreis-
förmigem Querschnitt und ovalem Längsschnitt, 0,088—0,05 mm.
lang, 0,034 — 0,04 mm. breit, selbst bei derselben Art etwas schwan«
kend in der Grösse. In ihnen sieht man Anfangs, von doppeltem
Contour uoMchlossen, einen Haufen kleinster Zellen, von welchem
dsDD ein grösserer Theil cum Gephalothorax , ein kleinerer lum
abdomen umgewandelt wird. An jenem bilden sich aus rundlichen
Höckern Mundkegel und Füsse, an diesem erkennt man bald die
Spalte am Hinterende, während das Innere mit einem Haufen klarer
Zellen gefüllt erscheint. Das kleine Thierchen liegt ausammenge-
rollt im Ei, es sprengt die Schale, indem es sich streckt, ist dann
0,067 mm. lang und 0,02 — 0,087 mm. breit und f^isst lunächst die
in den Eihüllen etwa enthaltenen Reste. Beide Fusspaare sind ge*
bildet, aber kürser und noch undeutlicher gegliedert als Im er*
wachsnen Zustande. Schon bei einer Länge von 0,08 mm. kommt
die erste Häutung. Es scheint ausser der sichern sweiten noch
einer dritten Häutung zur Erreichung der Geschlechtsreife zu be-
dfirfen. Während der Häutung liegen die Thlere still, die Beinchen
angelogen. Zunächst sieht sieh der Hinterleib von der Oberhaut
sortick, so dass diese wie ein heller Saum übersteht, dann verlassen
die Befaie die alten Hüllen. Sieht man die Thierchen so, so kann
aUerdIngs der verkürzte Leib und die Anwesenheit der alten Hüllen
der Beine neben den eben frei gewordnen Beinen selbst den Irrthum
hervorrufen, dass nun eine In Form und Zahl der Beine den andern
reifen Milben gleiche Entwicklungsstufe vorliege.
Indem so das gleichzeitige Vorkommen aller Entwicklungsstufen
des Fhytoptus, der Einblick gewissermassen In den ganzen Lebens-
laof der Thlere es nicht länger zweifelhaft erschehien lassen, dass
die Gattung als solche feststeht, bleibt es noch zu untersuchen, ob
und welche Artverschiedenheiten diese Gattung bietet. Schon das
Vorkommen an so verschiednen Gewächsen macht die Artverpchle-
denheit wahrscheinlich und es können in der That Differenzen nicht
verkannt werden, wenn sie auch zum Theil minutiös sind und viel-
leicht noch von denen gereinigt werden müssen, welche die ver-
schiednen Lebenspertoden und Geschlechtsverschiedenheiten derselben
Art mit sich bringen.
Der Fhytoptus pyri, welchen Dr. Pagenstecher fand, ist
die seltnere Form von Scheuten, ausgezeichnet durch dunkle, schwärz-
liche Färbung und seine vor Allen am stärksten doppeltkonische
UN Yoite^Jnwfim da« tt»mtot9tiioli-«M>dig|iiiinhfin ITi^c«^
GcMtalt. Der Pbytoptiis pTri ist aelbit der kickte und Int di«
kleiDsteo Eier.
Bei Phytoptue vitis «teben die Mandtheile betr&chüich wei*
ter vor ab bei allen andern Arten; er ist am wenigsten geiXrbt|
voA mittlerer Grösse und bat am zweiten Fasspaare die Federboiste
am deutlichsten«
Etwas grösser ist der so häufige Pbytoptns tiliae, welcher
den Untersuchungen am meisten unterworfen wurde, er ist gdbgrün-
lich bis bräunlich, die letsten Fussgiieder sind steiaenartig dünn.
Der Phytoptus Ebamni ist am braunsten und der grösste.
Seine Beine sind stark und lang, die letzten Glieder etwa^ breiter.
Diese vier Arten, ihre Eier und ihre Entwicklung wurden doreb
Abbildungen veranscbaulicht.
3. Es wurde endlich den auf den erwähpten Pflanzen, besonr
ders Linde, Birnbaum, Faulbaum frei schwärmenden, achtbeinigea
Milben nachgeforscht, um zu sehen, wie bei diesen die EntwicUo^g
verlaufe. Es wäre eine gar angenehme Hypothese und es würd.e
manche Analogie in der Naturgeschichte der Milben finden, anzu-
nehmen, dass die jungen Milben, eingebettet in reichliche Nahraog
und unter dem Schutze, sei es der Gallen, sei es der dichtverfilsten
Basen von Fäden, weder um Speise zu suchen noch um Feinde«
zu entgehen leicht beweglicher, zahlreicher Füsae bedürften, uiii 1
erst später diese Füsse, entwickeltere Press ^ und Fangwerkzeogei
vielleicht Augen bekämen, um nun die Verbreitung der Art an nen^ ,
Orte sicher zu stellen. Aber auch bei den Nachforschungen aber '
die Entwicklung jener achtbeinigen Milben fand diese Annahme k^r
nen Halt. Von allen Milben , welche auf den erwähnten Blätteiii j
leben, sind die Eier grösser, ajs jene, aus welchen ein junger Phy- 1
toptus ausschlüpft und dort, wo Embryonen in ihnen bemerkt wi|r<>
den hatten sie sechs Füsse. Bei der Milbe, welche Scheuten all ,
Flexipalpus tiliae aufführt, und von der es bei der Mangelhaftigkeit
älterer Beschreibungen und Abbildungen nicht möglich ist, zu sagen
ob sie wirklich neu ist, sind oft die Eier, selbst bis zu 0,14 mm. 1
Länge und von ovaler Gestalt, in grosser Zahl im Leibe zu sehen. ^
In einzelnen Eiern erkennt man dann bereits im Mutterleibe die
Mundtbeile und sechs Füsse des nicht aufgerollt liegenden Embryo.
Aasgekrochen, 0,125 mm. lang, ist dann das Junge der Mutter sehr
ähnlich und gleich sehr rasch in seinen Bewegungen. Der Kednsi^
konnte hier eine Vermuthung nicht ganz unterdrücken, an ds
Entscheidung erst umfassendere Untersuchungen über die Geschlecbtsi
eigenthümlichkeiten der Milben zu machen sind, Milben, dem I^^
phlodromus pyri. Scheuten, gleich oder nur ähnlich, finden sich
dem Birnbaum, der Linde, dem Faulbaum, der Heselnussstaodei
Während die grössern Flexipalpus, die sich auch auf diesen Höliera
fanden, alle voll Eier waren, enthielten die so gen^u^nten Typb]<H
dromus nur einen oder zwei ovale mit Zellen gefüllte grössere Kk*\
per, die von hellem Rand umschlossen recht wohl für unpaare Hodsa|
irit odtr «tee SaneaUase gebaitM werden konateo and di# mit
•i&ein kleinen nach voru gerichteten Kegel in Verbindang slandeui
der an der BaocbOttcbe dee Tbiere Moe enge Spalte niaeeUaee* Di<^
•tm Kegel eotspraeb bei Flexipalpue genau in der Lage ein langer
SebDia umgaben Yon Falten, rosetteagleich geordnet, weteber wohl
xemgoet war, die groeeen Eier durcbsulaesen. Weiter sarüek lag
bei beiden Thieran der After. Die Dnteracbiede beider Thiere lind
alebl 00 groee, vonngsweiaa sind die bei TTpblodrommi atele mit
Scbeeren aoegerüeteten falees bei Flexipalpue abgeetumpft, verkümr
nerty die Taeter hier statt in fünf nur in drei aber längere Glieder
getbeiit» die Sangacheiben der Fiiaee gane schwach, die Krallen
ilirfcer entwickelt, die bei Tjphlodromai nur angedeutet sind. Bau
der^GUeder, Lebenaweiae, Farbe ist jedoch aebr Uuilich und a»an
ftidet die Thiere ganz untereinander gemiacht
Obwohl der Redner dnrcbana aich noch nicht berechtigt hSU a«
behaupten Typblodromna aeien nur Männchen, wahracbeinUch au Fle-
xipalpua, und ea kämen veracbiedne Unterarten dieaer Art vor, an
ii^gt er dodi nameatlich am Sareoptea der Maua, welcher Anfangs
ir der Haut In Neatern, reif aber an den Haaren aeines Wohnthtera
lebt, wie rerachieden junge und alte Individuen, Männchen und
Weibchen deraeiben Milbenart aein können. Nachdem die Jungen
dieaea Sareoptea aoent daa vierte Fuaapaar nachträglich erhalten
haben, geataiten aich h>^>' t^«>m Männchen die awei hintern Fuaa«
paare au atarken Kletterfuaaen um, während beim Weibchen die
vordersten Füaae sa gans kurzen mit achweren Krallen bewaffneten
GkablteBen werden. So bewegt aich jenes bebende an den Haaren
auf md nieder, dieaea vermag die Eier in die Haut einaubetten.
Auch für dienen Theil dea Vortraga wurden einige Tafeln mit
Abhfldongen cur Erläuterung beigebracht
Tkwrie der Holw^ und Ei$enkonstrükHonm mit bßstmderer Rüek^
mM auf da$ Batntesen. Von Georg Rebhann, Ingenieur
im k. t, ögUrr, Min. für Handel «. «. w. Wien. Verlag und
Druck wn Carl Gerold'a Sohn. 1856. (X und 602 8. in 8.)
Daa una vorliegende Werk ist ein neuer und wichtiger Beitrag
anr Ldure vom Gleichgewicht der festen elastischen Körper. Ea
kann oattiriieh hier nicht Aufgabe des Referenten sein, über deige-*
nigen Theil des Werkes sieh au verbreiten, der voraugsweise auf
die Anwendung Rücksicht nimmt, da der wissenschaftliche Tbell ihn
fast auaachlieaslich zu beschäftigen hat, und von diesem Geaicbta*«
punkte aua wird er auch über das vorliegende Werk Bericht erstatten^
Die matheroatiscbe Theorie des Gleichgewichts und der Be«
wegung dastischer Körper ist im Wesentlichen von Mavier be-
gründet worden, und dieser gelehrte Praktiker ist es auch geweaeui
der die bis heute im Allgemeinen befolgten Methoden der näh^
SM Rebhaniis Theori« der Holx* nad fiseidtoiulraklln «le.
ropgsweise wichtlfcen Rechnung In setnem klMBtoeheo „B^samtf im
le^ons 8ur 1' Application de la M^canique ä rEtablissement des Mi*
chines^ anfgestellt bat Poisson nnd Gauch 7 haben ihreneMi
die rein mathematische (genauere) Theorie yerfolgt und auf einige
leichtere Fälle angewendet, wSbrend eine Anwendung der etreageni
Theorie auf die wichtigern Probleme der Praxis noch nicht eiorail
versncht worden Ist, wenn wir nicht etwa das auch bereits In die*
sen Blättern besprochene Werk von L a m tf hieyon ausnehmen wot*
len. Ich habe absichtlich gesagt, es sei die Art und Weise der
Betrachtung, wie sie seither fast immer ist angewendet worden oii
auch im vorliegenden Buche angewendet wird, bloss die einer nibe-
rungsweise richtigen Rechnung. Denn diese Methode geht ks^
neswegs auf den innem und eigentlichen Orund der Erscheinung«!^
die gegenseitigen Einwirkungen der Atome, ein, sondern sucht sich
diese Erscheinungen in einer mehr oder minder annehmbar ersdisi-
nenden Weise klar zu machen, Indem sie dieselben als von Kriftel
hervorgebracht ansieht, deren Wirlcungsweise sie siemlich wälkOriiA 1
feststellt. Auf diese Kräfte wendet sie nun die (resetse der Me- 1
chanik an, und sucht die Bedingungen auf, unter welchen dieselbea !
im Gleichgewichte sein können. Sie gelangt aber bei dieser Be* |
trachtungsweise zu keinerlei Kenntniss über die Art der Wirksam^ '
keit der elastischen Kräfte in den einzelnen Punkten des K5rpen, i
noch nimmt sie Rücksicht auf die besondere Bedingungen, denSi
die freie Oberfläche des Körpers unterworfen Ist. Dass dabei eftii
genaues Resultat sich herausstellen kann, Ist nicht abzusehen. ÜB-I
glücklicherweise Ist die genauere Theorie mit solchen analjtisdien |
Schwierigkeiten umgeben, dass bis jetzt noch nicht viele erheblieksi
Resultate für die Praxis daraus erhalten worden. Dass aber sie ^
allein etwas wahrhaft Richtiges liefern kann, ist wohl unbestreitbar. '
Dass das vorliegende Werk von dieser genauem Theorie nidil
ausgehen konnte, ist aus diesen Andeutungen wohl klar; dass m
aber derselben mit keinem Worte Erwähnung thut, ist nicht woki
SU rechtfertigen. Denn alle diese halbwegs richtige und halbwegi
unrichtige Methode der Ermittlung der Gleichgewichtszustände ela-
stischer Körper kann ihre endgUtige Bestätigung, wenn dieselbe
möglich ist, nur aus der genauem Theorie erhalten, und bis dafaii
Ist sie der Kontroverse unterworfen, wie denn ja auch unser Bad
sich der Theorie Navlers gegenübergestellt. Neben Naviernenil
dasselbe vorzugsweise Redtenbacher, von dessen Theorie m
spricht, so wie sie (wohl) den in den „Resultaten für den Masd^
nenbau* angegebenen Bestimmungen zu Grunde liegt; denn soMt
Ist unsers Wissens von Redtenbacher ein eigentliches Werk
hierüber nicht veröffentlicht, wenn freilich dessen zahlreiche Schüler
seine Lehren weithin verbreitet haben.
Worin nun dieser Gegensatz bestehe^ und was also in wisseo-
schaftlicher Beziehung Neues hier gegeben wurde, wollen wir bei
der nachfolgenden Uebersicht in möglichster Kürze anzugeben sucheo.
btbkMi: ThMTM 4er Bob« mA BimkMMlraklioB Ht. S69
Kmth eiDigen aUgemeiDen Erläaterungi» betraditet uDMr Bach
ii€D WidMStand fesUr, elasUacher Körper gegen Aasdehaung
Süd Zneammeodrückong. Wird ein prismatiacfaer Körper einer
im Sinne seiner LSnge wirkenden epannenden oder pressenden Kraft
aiMgeseUt» so entslehen Lftngenveränderungen in demselben, und in
Feige dieser Aenderungen werden Kr&fte in ihm erregt » die äch
dsnetten entgegenseUeni mit ihnen sunehmen und also diesen Aen-
teoBigen im Allgemeinen ein Ziel setzen. Was nnn diese Aende-
rnngen seilet anbelangt, so sind dieselben entweder bleibend (per-
manent), oder sie hören auf mit der Einwirkung der fremden Kräfte,
ja welehem Falle sie elastische Veränderungen heiasen. Von
aika diesen Aenderungen wird nun im vorliegenden Falle ange-
Msunen, sie seien der Länge des Prismas proportional und von der
auf die Flächeneinheit seiner Grundfläche wirkenden Kraft abhängig,
•0 dass wenn ^^1«, ^ die permanente und die elastische Längen*
.Inderang, 1 die Länge des Prismas, k die auf die Flächeneinheit
wirkende Kraft ist, man hat: ^1^ = 1 f^^ (k), ^l, = 1 f, (k), wo i^,
i^ awei noch unbekannte Funktionen sind. Beseichnet man die
Quotienten ron ^1| und ^ig durch 1 mit V| und v^i *® *^^ ^^^^
Qfössea die Verlängerung der Längeneinheit, und man hat T| ss
Betrachtet man die Werthe von k als Abscissen einer Kurve
und die aogehörigen Werthe von r^ oder v, '^^ Ordinaten, so kann
msn den Zusammenhang swischen diesen Grössen sich durch ^ne
Figur klarer vor Augen stellen, wie dies denn von nnserm Buche
in kk^er und höchst lobenswerther Weise geschieht Unter Zuhilfe-
nahme von Erfahrungsresultaten und andern mehr oder minder au*
liasigen Annahmen gelangt dasselbe dadurch su dem Resultate, dass
Imi Ueinen Aenderungen man die Funktion f(k) der Grösse k pro-
portional annehmen könne, so dass etwa v^ = — u, s. w. su setzen
wäre, wobei m den sogenannten Modulns der Elastisität dar-
stellt Dies ist nnn auch die allbekannte Annahme. Dabei ist dieser
Modulns derselbe für Ausdehnung und Zusammendrückung (entge-
gen gewissen sonst schon aufgetauchten Annahmen). Ist dann a
die grösstmöglicbe noch sulässige Spannung (auf die Flächeneinheit
bezogen), und r die grösstmöglicbe sulässige Pressung, damit keine
permanenten Längenveränderungen eintreten, so sind die äussersten
Werthe von Vo: — und -
'mm
Derjenige Querschnitt, In dem diese äussersten zulässigen Werthe
suerst erreicht werden, bildet den gefährlichen Querschnitt,
dessen Ermittlung eine der ersten Aufgaben der Theorie ist Die
Berücksichtigung des eigenen Gewichts des Prismas ändert kaum
Etwas an der angegebenen Betrachtungsweise (§. 27), ^ also nicht
iri)l7eicht ton der Behbörigen, wena t^ lükirAngs 8«hr klar «tardH
gefühtt ist, «Bd frellldi die Betrftchtfinf twefer venehMteber Grfto^
seil fitr AQBdebnQDg tind Znsammendräekang aiiliiiiDitit
Die ErmiHluiig der Fem fiir Körper von glekhem WideMude
gegen Aasd^nuttg und Zotatti&ieAdi^kBtig g^bt ebeftfäUa In der
bekanfiten Weise ror sieh. t)ie (JfiMrsachtitig der Wlfkangs-
grosse („ttfechiniisches Moment^ hi tinberta BvMlie), die twaiiw»-
dig ist, Btt eteen prittnaftiscbeii Kötper sa streekea oder sneaadeb-
men, ist ganz zwecktaissrg aafgefioiBiBea, vad am ao wiehtifeTf da
sie ebieig and allein in {9(and setirt, die Witrkang ven Stönea anf
Körper £U ermessen. Sie fehlt fti den Lehitiiichem hOo^ (iddit
aber etwa in den ren Scheffler Cibersetaten ^^mediaolsdian Ma*
aipien der Ingeniearkanst «nd Arebftektnr^ ron M oaelisyv einem
vortrefiflichen Wetke), ist aber aneh namentlidb von B-edtenba-
cher in Seinen „Resaltaten^ dtfrebgeführt irerden.
Nach der Untersacbrng über Ansdebnnng und ZuaemmeadrOetai^
wendet sieh das Baeh nun au der über die Bieg nag ^eeter» «k-
BtSscber Körper. Die Voraussetzungen , die gemaeht ifwdea, and
die folgenden «weit 1) Dit Fasern des Priemas aindaueb«MCh der
Biegung unter sieh paraile), und bilden ebene Kurven hi der RtalU— g
der einwirkenden Kräfte (die senkrecht gegen die LäageMxe nad ia ^ner
Ebene wirken}; 2) die Querecbfnitte des Prismas «leben ^rer ond nach
der Blegttng senkteeht anf den Fasern, und werden ta d^sr firttee med
Form nidit verändert. ^- Diese Veransseumgea Ifegea den aeAt-
lierigen Annäfaenings^Theorien HnmeT aa Grunde, wem sie aoth
yAdttt hnmer in dieser Bestimmtheit ron vern herela ansgasyaechep
Vrorden sftid. Ein Anderes rreükh Ist die Frage Mob dem itaekte,
anf das diese Annahmen sieh etOteen. Unser Bad^ galit datftber
tlemKch leiebt hinweg. „Eine nlOiere aMlytieehe Dotersoebaig Mrt
zwar, dass dieselben im Allgemeinen keineswegs genau vorhanden
seien*^, meint dasselbe, aber wo diese Untersuchung gefijhrt worden,
ist aieht angegeben« Gauciiy hat nachgewiasen (£xwcicaa de
'Mathtoat^pies), dass w^n ein aebr dünner Körper eine Ueiae Fona-
ändernng erleidet, eine Linie, die vor der Foriaäaderani^ aeak-
reebC anf der beiden begränaendea Oberdiehen stund, auoh nach
detsel^ea noch auf den nenen Oberflächen senkrecht siebt. Daraus
n«i allerdings kaiia mit einigem Rechte auf die Richtigkeit obiger
Aanabmen geaehlossen werden; bewiesen sind sie aber dadarah aiebt
Wir müssen uns hier eben mit unserm Buche trösten, es veranlasse
die Benutzung der angeregten Hypothesen in der Regel keinen we-
sentilcbeB Irrthum — ein Trost, der schon in vielen Fällen hat aos-
reieben müssen , «ad den ^praktischem Schriftsteller bekanntlich In
.gebübiendem Quantum aar Hand haben.
Diese Voraassatanagen zagegeben, werden also awei Quer-
aebnilk^ die arsf rünglich parallel waren und sich in nnmittelbaier
Kähe von einander befanden, nach der Biegung eine gegenseitige
H^tig aiitretioiiiiii«& baben, und hn AHg^meitoen wird «ia TMl
#er Fiserii «isgedehnt, ein a&derer Theil zusammetigedrOekt mIii.
Df«j«nig«tt PaMTO, in deiMn weder dae £lM, nodi das Andere slatt-
la#ely bilden die nentralen Faaem; verbindet man ^ neatnden
Ftttem deeielbeii Qoervchnitte, 00 wird man eine gerade Linie er-
bidtw, und idle eoicbe gerade Linien aller QnerBcbAitte bilden die
b^wlrale Schiebte.
Geietat nan, der prismatiaehe Körper aei nnter dem Etefioaee,
iet iHe angegeben wlrltenden ioesere Krilte gebogen Worden nnd
habe einen Gleicbgewichtssastand erlangt, ao mues ein jeder Theil
fleaaeiben auch flir sKsh Im Gleichgefdcbte sein, wenn man die an
Am wiffceaden eiasllachen KrXfte mit in Betracht aiebt Denkt man
alao hl einem Qnereebnitt den Körper getrennt, so mnss ein Jedes
der swei Stücke im Gleichgewichte sein. Sei nun R die Besulti-
rende aller auf das eine wirkenden fremden Kritfte, 99 der Winkel,
das ihre Richtung mit dem Querschnitte macht; D die elastische
Kraft, die parallel mit dem Querschnitte wirkt; S die Resultirende
der apannenden, P der pressenden elastischen Kräfte im Querschnitte;
n, T die Entfernungen der Angriffspunkte dieser Resnltirenden von
4er nnntoalsn Lhiie fti diesem Querschnitte, so Ist D s=z R cos % S «-
P =z R sin 9?, RZ = 8u 4* ^^i wenn Z die Entfernung des Angriffs-
pttnktas der Kraft R von dem Querschnitte (gemessen durch eine
Senkrechte von der neutralen Linie auf die Richtung von R) Ist.
Die erste dieser Gleichungen wird In der Regel keiner besondera
Betrachtung unteraogen, da eine Verschiebung der Querschnitte über
«InMder säten m besorgen ist, vnd dieselbe ndthhi tteistena ak
erfüttt angesehen werden kann; in gewissen besondern Fällen träte
jedeeh die Berücksichtigung deiselben in den Vordergrund, wenn
Dämlich dM Länge des Prismas klein wäre im Verhältniss cu den
Querschnittsdimensionen. Die zweite Gleichung gibt Auskunft über
die Lage der neutralen Fasern, vielmehr der neutralen Linie, in je-
deni Querschnitte.
Denken wir «ns awel sehr nahe Querschnitte) und Set in dem
Körperelemeate daswlscheo z die Entferming einer Faser Von der
•entralen Faser, k die Spannung (oder Preasung) in derselben , ao
wird man (nach dem Frühem) annehmen dürfen, es sei — die Ver»
lingemng der Faser, wenn Ihre urspriingllche Länge ^=: 1 gewesen
Ware. Ist aber a dio Länge der neutralen Faser awisciMn den
Querschnitten , a -}- a' die der betrachteten Faser , so Ist — die so
cc
eben angegebene Grösse, also = — , d. b. man hat: k = — a',
m cc
und da — konstant Ist, so Ist k geradesu proportional der Verlan«
992 Rebbanni Theorie der Hols^ und SisenkoDPtmktioii «le.
genxng a^ Für swei Fasera sind aber die VwIJüigeroDgeD propof-
tional dem Abstände tod der neutralen Faser, so dasS| wenn \
und bj die grösaten Entfernungen der Fasern diesseits und jenseito
der neutralen Fasern, s und p die dort herrschenden Spannungea
und Pressungen sind, man hat : k : x = s : h^ ^=: p : b^, woiaus k ab
Funktion von z folgt. Dieselbe hat die Form ex, wo e eine Kon-
stante ist für denselben Querschnitt. Daraus ergibt sich nan leiefat^
daas wenn man den Querschnitt durch parallele iJnlen (mit der
neutralen Linie) in unendlich kleine Rechtecke abtheilt , die Grosn
» — <^lx9dx, P = c Ix9dx ist, wo 9 die Länge dieser Linien in
der Entfernung x ist. Ist nun f die Fläche des Querschnitts, e die
Entfernung des Schwerpunkts von der neutralen Linie, so ist 8 —
Pbi Plit
P = c I x^dx — c I X9)dx = cfe, so dass cfe r= Rsing). Daraus folgt,
SS
dass die neutrale Faser nur dann durch den Schwerpunkt geht,
entweder R oder 9 Null ist. Sie ist also im Allgemeinen von dem«
selben entfernt, und swar gegen die gepressten Fasern hin. Femer
jSt nach bekannten Sätzen: Su = c I x^^dx, Py = c I x^dx,
dass wenn T das Trägheitsmoment der Fläche des Querschnitts
in Bezug auf die neutrale Linie vorstellt, man hat: RZ = cT.
Was nun die Eonstante c anbelangt, so sei q der Krümmungs-
halbmesser der neutralen Faser, also 9 4~^i ^^^ ^™ meisten ge-
spannten Faser, so ist die Verlängemng derselben -=• — ^, und da
s cbj c 1 m
dieselbe auch = — a -= — 3^ a, so ist — - = — , c = — , woraus
m tn m q' p '
auch RZ = — .
9
Auf diese Resultate gestützt, wird in dem Buche eine Unter-
suchung über die Lage der neutralen Schichte in einem prismatl->
sehen Körper geführt, deren Ergebnisse allerdings bedeutend abwei-
oben von dem, was man sonst anzugeben pflegt Wir wollen hier
nur auf eines der interessantesten dieser Resultate aufmerksam ma>
eben, wornach im Allgemeinen die Neutralität der Fasern nicht durch
die ganze Länge des Prismas in einer und derselben Faserschichte
vorhanden ist, sondern von einer zur andern übergeht, so dass die
neutrale Schichte nicht mit der Längenaxe des Prismas parallel ist
(Sehluu folgt.)
■r.3t. BEIbELBERGER tttl
JAHRBOGHER der LITERATUR.
Rebhann: Theorie der Holz- und Eisenkonstruktionen etc.
(Sehlaif.)
mT
D- b««. ^ «p„b-. B-dW EZ = - l-U. »-».
telbar cur BestimmoDg der Biegung des Prisinas. Ist nämlich in dem-
selben Querschnitt, fiir den o gilt, q* der Erfimmungshalbmesser der
Llogenaxe, so ist (»' = (» 4~®} ^ femer t das Trflgheitsmoment
des Querschnitts in Bezug auf eine durch den Schwerpunkt mit der
nentraien Linie parallelgehende Axe, so hat man (yergl. Poisson, *
Mechanik %. 374) T = t -f e^f. FSlIt man nun vom Schwerpunkte
des Querschnitts auf die Richtung von B eine Senkrechte, and ist
. .. , ^ Bsinco Bsino» Ttfnm
s deren LSnge, so hat maa e =s — ^—^ = ^ ^ p = — ;=-2- ,
* ' fo fm ^ iZ '
and da Z = s4-esfaio, so ist also ef=v_ •"— -^ — 2 woraoi
unmittelbar folgt 6 = ^1^ und mithin Ii|2. = i^Ta==tZ,
' mt mt . , mt tsina> , mt t /"mf ,
•in 9> J. Nun wird immer -^ fiberwiegend gross gegen sin 9
sein, so dass man setzen kann : o' =: -=7-. Dies ist nun die Glel-
^ Ba
ehang, von der auch Kavier (a. a. 0. 1. Artide 111, 79) ausgeht,
so dass von da an die Theorie nun dieselbe ist, wie Mber schon
bei dem angeführten Schriftsteller. Die Grosse t ilsst sich für die
verschiedenen Querschnittsformen mittelst der Integralrechnung leicht
bestimmen, wie denn auch unser Buch für mehrere solcher Figuren
dieselbe ermittelt und einige einfache Ffilie der Biegung betrachtet,
wenn nSmlich das Prisma an einem Ende horisontal festgehalten
nnd an andern belastet ist, oder wenn eine gleichförmige Belastung
fiber dasselbe vertheilt ist, oder wenn es an beiden Enden unter-
attitit und in der Mitte belastet ist, so wie wenn in letzterem Falle
eine gleichförmige Belastung über dasselbe vertheilt ist — Da wenn
X and j die Koordinaten eines Punktes der (gebogenen) Längenaze
shkd, bezogen auf ein rechtwinkliches Koordinatensystem, in dem die
L. Jahrg. 6. Helt 38
VU[«lKl|^« LXpgjnii^^ Az6 der z ia^ nuui hat ^ = L^ "^GkJ J >
'^ -
dx>
dy -^
^ 'S»
dy *
~^ setien und hat dann cur Bestimmung von e dieGleicbong: efiss
dy
tj^y wonon der Differentialquotient ans der gefundenen Gloiehnng
der Biegnngsku^e so rateelnMi let 8m btsHiMit diu nnaen Buch ,
4{e Lugo der neutralen Fa«er in den oben, genannten Fällen , eine
BeaUmnmogi die in dieser Weise wohl noch nichl; durchgeführt wurdet
Jjieben ^ Bestimmung der Biegung ist die für die Präzis eb^
n^ ip^tigjS Folg«! au. bebandelui in welcner Weise das Material d^
g/^bog^en- pQ^mas in Anspruch genommen wird, also namentlich wo dh
am. i^eist^ii gc^apnten oder gepresstan Fasera FQrJu>mmen| da.dqij|i
ehen.4ie geüibriichateq Stellen sind. Bebalten wir die oben gebranpbi^
^l^a^lyAungen bei, 40 sind fgr einep bestimmten Querschnitt s und p A
grösste Spannung nnd Pressung und man hat-r^=-^r=e=: — =:s
hj ha if
- = -^aadas^aIso.= ^- P= V' I»* ««^ *« »^
die Entfernung "der im meisten, gtepannten Faoea (de». betreff«dsn
Quersclinitto) vom SchwerpunlLt, h'' dieselbe Grösse für die am mei«
Sien gepresyte, so i^ hf + 0.= hi, hf^— ^as b^^ und da ^ = -^r^
._^ h'Rz , Rsinm h'^Ez Rsin© „ ^ .
lö ist »sa— ? H--~# > *^^""t — "^ ' r *• *"^«w*^
PftPg dj^er Grössen, muss: man die Gestalt der Biegungskurve ken-
dy
non, nmd BfiUt dann sin y> =^ ^; zugleich kann man bemerken, d
die Kraft' Rsifry ak naieb der Längeax# wirkandl kann angesehsi
RsiM
wvdßUi, und in den n^isten Fällen wird man von dem Gliede — r-^
absehen l^önnen, wodurch natürlich die Reehnimg sieh sehr
fiMhti. Wie wir oben geseh^Ui ist uqgefHbr: ?'^=g'9 ^^ ^'^ ^
seinen ^össt^n Werth erlangt, wenn ^ am kleinsten ist In Ae-*
sem Querschnitte werden also auch s und p die möglichst grossesl
Werthe erlangen, d« h. derselbe ist der gefährliche Querschnltil
BestiiQiQt man nun diesen, und ermittelt für ihn Rs^ so darf dlSM
letztere Grösse nicht so gross sein, dass dadurch die £lastljsitit9*!
gränzen in den meist gespannten oder gepressten Fasern übeiscM^H
BthlMMi lhMU# dfer ttib« «i^JSUtyBan«niktini #ii M6
i. k if«n viMte n ona T die Mkm^ BMäatmff ktti
ln% M. 4tBf Bi nklm gtöiftet MiB, al» dfc kldMM öcv ntti Cb5iMa
rr; pj. In dieter Poppelbeatimmun^ liegt mn eine Abweiebun^
fcp in uMem Bodle dardigeflllMieii HedN^de töh der gewölknUcheiii
dte -^ wie etwa bei Navier — nur eine einige BMimmimg bat
bieae I>op|^60liiiiiiiwig aber Ist eAnbar der Natur A»r Baelie an*
feneeeeB, und der Verftuner madit Tielfaeh darauf auftnerlLsanr, daaa
aar dadurch eine Reilie ven Erscheitiiiii^ii, die bei Versoeiieii im
ttraasett angetreten aind^ BMt erlÜSren fassen. Die CMtase Rts beissC
hier das Tragmontent, das also hdcbstens einer der genamiten
Gtoseen gl^eb sein darf. Für HoIe sei, sagt d^ Verfesseri die
tWeMe, täf Gnsseisen die erstere die kleinere der «wei.
Bk lassen sidi^ wenn man diese GFmndlrStfee festüUt, eine Reibe
bitoeasanter Polgerangea atis denselben- aiefaeiK 8a naraentliüh die
9ittg«' fi%er Ae Wiitong^ der ünAebrung dto Qnersthnitfir ir. s. w*.
Sben se Ist es lelebt, die gi^sste Belastung zu ermitteln, die mail
«l^n Airf, nm Üe Granzen der Elastizität nirgends ztf Aersdirel*
IM) indicm dies auf Ae Bestimttrang TOn Rz itir den gjSiArtTchen
^raebnitt bfnansKaft. Wir wollen für diese üntersncbtingen auf
das Buch selbst Tetweisen, da- es zlemlielr einfatb fcf, dieselben zu
Fragt' man nnn noch naeb der Gestalt deijenigen' E9f|ifer„ die
ier Btegong In jedem Qoersebnltte denselben Widerstand entgegen-
Mzeo, so lieisst dies die Form desjenigen Körpers sncMen, der iil
Folge der Biegung in allen seinen Qnerschnitten zngMcb die Blasti'*
sitfttagrKnzen erreleht Die wiiilicbe Brmitthmg wird dbm Wesen
bmIi in derselben Weise gefQbrt, wie dies ancfa schon' fröber ge«
lebelien, wie denn auch die Resultate analoge sind, so dass wir
liier darflber weggehen kennen.
SebliessHch wird noch die WirkungsgrCsse (Atbeft, mecbaniscfaes
H'oment) berechnet, üe nothwendig iist, um einen prismatischen Kör-
^ za biegen. Diese Untersuchung ist wieder nothwendig, um die
Ifitftimg ermessen zu kennen, die ein Stoss auf ein efastifeches Prisma
inaznüben im Stande ist. Damit sebfiesst der eigentiicbe dleoreti*
lebe TM\ (S. 1-*170), da das Uebrige fm Wesentlichen eine An^
irendung der aufgestellten Grundsätze ist Was diese letztem nun
letstfl, so haben wir im Yoretehenden die wiebtigst^n derselben,
plUeftdet jeder Zuthat, dargestellt, Indem wir, so tiei mdglidr dem
BodaDlcengang des Verfassers folgten, bt nun die Theorie, wie
ie kier avfgesteUt wird, immerhin nur eine AtfnSherangstheerie, und
•saidift sie auch nicht häufig wesentlieb von dem Seidierfgen ab,
I» ist doch die Darstellung und EDtwickinag der Prinzipien eine
iare und musterhalte^ und sind eine Menge mehr oder minder all-^
faaasiner Erscheinungen in einer Weise erklärt oder veranschaalicht,
fo wolti vor Brseheta>en des Werkes in dieser Weise noch nicht
ntasauria worden sind. Es muss demnach das TorBegende Werir,
leben dem berühmten Werke von Kavier, das wir oben schon
8M Bflkliuui} tbMri« der tttli- iM JiuMkMMlniktiMi «Id
aifettiirt habtDt alt ein fnndamantalas «ifesohtti irardao^ m
dem der Larnbagifliife sieh Tolbttedig AnfechioiB über A« EndM»
nangeo an den elastiachen Körpern, in so weit sie in den Betrack
tongekreis des Boches gesogen sind, Terachaffen kann.
Der sweite Tbell (sweitee Hanpiatück) beeoUUtigt sich mit tei
Anwendungen der aufgestellten Tiieorie bei Beurtheiiung der Hob»
und EisenkouBtroktionen. Beferent wird sich aiso bei demselben aof
eine mehr übersichtliche Inhaitsanaeiga lu beschränken haben , ol^
wohl damit nicht gesagt sein soll, es enthalte derselbe nicht ascb
der rein wissenschaftlichen Parthieen genug, die sein Studium ssdi
für den blossen Theoretiker interessant machen«
Zunächst werden eine Reihe Terschiedener Querschnitte bemdh
tet, wie sie in der Anwendung so mannigfaltig vorkommeni und <f
TOn der Querschnittsform abhängenden Grössen (t bei dar DnterMK
chung über Biegung) berechnet, so wie die yenichiedenen Besottsfel
mit einander vergUchen« Besonders betrachtet werden dann 0
Querschnittsformen, die Axen der Symmetrie enthalten, in den ▼•(
schiedenen Lagen, namentlich also das Trägheitsmoment in Bestt
auf eine beliebige Gerade berechnet Eine grosse Ansahl praköw
wichtiger Untersochnngen knüpft sich hier gana unmittelbar aa, oll
sind besonders auch die Eisenbahnschienen berücksichtigt.
Genauere und ergänaende Untersuchungen über die Lage dft
gefXhrlichen Querschnitts bei gebogenen Prismen folgen diesen, ul
werden besonders auch durch graphische Darstellung deutlich gemadi^
wie denn überhaupt im vorliegenden Buche von solcher ErUuterom
häufig Gebrauch gemacht wird.
Von praktisch grosser Bedeutung ist (He folgende Untersuchmi
über die ewecknrässigsten Querschnittsformen. Dsb^
muss auerst auf den su erreichenden Zweck Rücksicht genommal
werden; ob nämlich die Biegung möglichst klein, oder das Trac^
vermögen möglichst gross, oder aber die au einer bestimmten W
gung nothwendige Wirkungsgrösse die grösstmögliche sein soll. Eii^i
nach aerfäUt die Untersuchung in drei einzelne Untersuchungen. U^
Biegung nun wird im Allgemeinen dann möglichst klein ausfsOaV
wenn das Trägheitsmoment des Querschnitts möglichst gross ist, «i(
ans der Gleichung q == — auch sofort erhellt Um dann die Qoei^
schnittsform zu ermitteln, muss man sich über die Höhe H denitt
ben vor Allem verständigen. Wird dieselbe sehr gross genomaM
so wird die Breite au lüein, und es ist ein seitliches Ausbiegea 4l|
Körpers au befürchten ; auch kann es sich ereignen, dass regelmäsrilil
Polygone am sweckmässigsten sind, wenn, wie etwa bei einer rol
renden Welle, jede Dimension cur Höhe werden kann. Hat m
sich aber einmal über die Höhe des Querschnitts verständigt,
wird die Form desto besser sein, je weiter die einzelnen Querschnitt
theile von der neutralen Linie (oder auch von der durch den Schire
punkt mit ihr parallelgehenden) entfernt sind, und je mehr der gasi
Rebhaim: A^orfa iw U»» ufed Bbeak^MlniktioB etc. S9V
QMiehnltt durch diese in swel gleiche llieile gethellt wird. So
nlerMicht nno das Torllegende Boch eine grosse Ansshl einzelner
Qssnchnittsforaieii, namentlicfa anch die des cannelirten Blechs. —
h Besog auf das TragrermOgeii erscheint eine Querschnittsform als
dato besser y je grösser bei ihr der kleinere der zwei Werthe -rjf
it r , aT rT^ ^^
wenn wir die früher angegebenen Beseich*
amgen beibehalten. Dieselben Einzelnheiten, wie im vorigen Falle,
erscheinen hier abermals. Dass der dritte Theil der Untersuchung
io Ihalicber Weise zu erledigen war, ist nun leicht abzusehen.
^ In den seitherigen Untersuchungen sind meist nur die einfachem
FUle der Belastung eines elastischen Prismas untersucht worden;
Be mehr zusammengesetztem (mehrfache Unterstützung und Bela-
llnng u. s. w.) werden nun ebenfalls einer sehr einlässlichen Unter-
bcfaung (S. 304—418) unterworfen, und an jedem betrachteten
IPalle die Anwendung der früher aufgestellten Sätze gezeigt Wenn
Selch sehr lehrreich» bieten diese Resultate theoretisch natürlich
pichts besonders zu Erw&bnendes. Die einwirkenden Kräfte sind
Jabei immer noch normal zur Längenaxe des Prismas gerichtet.
. Der allgemeinere Fall, dass die fremden Kräfte, welche die
piegnng hervorrufen, nicht normal zur Längenaxe gerichtet sind|
lehliesst sich an den vorhergehenden unmittelbar an (S. 417— 458).
Ist die Verbindung der einzelnen Theile eines prismatischen
Prägers nicht eine ununterbrochene, wie bei Holzverbindungen, Ver-
Metongen u. s. w., so beurtheilt man das Ganze wie einen nnunter-
^ebenen Körper, dessen Stoff jedoch von minderer Qualität ist
30 werden eine Reihe einzelner Fälle betrachtet
In ähnlicher Weise werden die allgemeinen Sätze auf die ver-
idiiedenen Arten von Brücken angewendet, in so ferne hiebei die
Siegnng der einzelnen Brückentheile in Betracht kommt Die Unter-
luchung der Kettenbrücken, die in aller Vollständigkeit geführt
rird (8. 553—602) schliesst diesen der Anwendung gewidmeten
iweiten Theil, der jedoch, wie schon bemerkt, des theoretisch Wich-
igen noch genug enthält
Es zeugt dieses Buch von der hohen reinwissenschaftlichen Aus-
lOdnng seines, den praktischen Wissenschaften gewidmeten Verfas-
Ih, und mag die Nothwendigkeit einer gründlichen theoretischen
iDdung, zumal in den mathematischen Wissenschaften, aufs Neue
kr vor Augen stellen. Ueber die Bedeutung der gefundenen Re-
Idtate für die ausübenden Künste hat Referent kein Urtheil abzu-
eben, da seine Aufgabe nur sein konnte, den wÜsenscbaftlichen
!heil des inhaltreichen Werkes näher zu betrachten; eine Aufgabe,
eren Lösung Ihm fortwährend angenehmer wurde, je mehr er der
rasterhaften und gründlichen Darstellung des Verfassers gefolgt ist
mnlaOmtgii^tifl aar i. jmdffIMniMm ßehak in «Mg^d 4»-4tf
Mier *t BdmHi$IMu Sr. MäjeMt des KMjs WükOm Ml
m[HUmd9r9 mtf dtn 27. 8$pi. 1856, MU ntm^ Ahhammtfl$
Mi€t dOs VerOuütmg ria i^rucki Im /jiiKffl rines Körp&n vm
Prof. Dr. Carl Holt »mann (18 8. in 4.).
Die vorliegendd kleine Gele^eDheftsschrift behandett eine fedm
ttrehtfafcti in Angriff gettotimiene Aufgabe, die oamentlieli Caa^lj
und Poiflaon behandelt haben. Ist ein Körper nnter dem £iB*
flusse äusserer Kräfte im Gleichgewichte, so muss jedes £Ueae■ta^
iheilchen desselben in seinem Innern yermöge der thfitig gewerds-
nen (elastischen) Kräfte im Oleichgewicht sein. Nimmt man nos
an, der K(>rper sei eine stetige Masse, so ist leichti die BediogoB^
gen des Gleichgewichts dieser Kräfte aolzastellen, d. h. die Besiehiu*
gen, die awiscben diesen KräCten obwalten. Dies geschieht dana
auch zunächst in der vorliegenden Schrift, mit wenig Abweichnqgea
in derselben Weissi wie in dem yon uns früher angeaeigten Weä*
▼on Lam^ über die mathematische Theorie der elastischen Kiipei;
Eben so wird das sogenannte Pressungs-EUipsoid konstruirt in eiisr
Weise, die gleichfalls von Lam€ nicht wesentlich abweichen koaatc
Diese Sätxe sind also nicht neu , sollten «s aber wohi auek nieht
sein, da sie der nachfolgenden Anwendungen wegen aufgeführt ward«.
Diese Anwendungen sind nun zuerst eine kurze Andentmgi
dass die Grundformeln der Hydrostatik ganz unmittelbar aus dei^
hier aulgestellten Grandgleichungen fiiessen, wenn man anmouB^
dass bei einer vollkommen verschiebbaren Flüssigkeit Gleiehgew<d4
nur bestehen kann, wenn die Kräfte normal auf die Begränzungsfll«!
eben eines Elementes wirken. (Vgl. Poisson, Mechanik, II. §.481.1
Die zweite Anwendung ist eine bedeutend aosföhrllcbere an^
den Druck einer gleichartigen schweren Erdmaisc
' Eine solche Masse ist nun freilich kein stetiger Körper, so dass
Resultate, die man erhält, auch nur bedingungsweise wahr sind,
so ferne man so grosse Theile der Masse betrachtet, dass man
die UnStetigkeit der einzelnen Theilchen nicht zu achten braachil
Dabei wird die Erdmasse als oben und unten horizontal begrioili
und nach allen horizontalen Bichtungen in*8 Unbegränzte ausgedehnl;
angesehen.
Die dritte Auwendung endlich ist eine Untersuchung über dii,
Vertheiiung des Drucks im Innern eines (sehr wenig) gebogenfli
elastischen Balkens, der an beiden Enden aufgestützt, in der Hilil
durch ein Gewicht, and über seine obere Fläche weg durch elaft:
stetig vertheilte Last belastet ist. Die Untersachung wird ^MM
so geführt, als wenn der Balken gerade geblieben wäre, so dass A|
Resultate auch nur anter dieser Bedingung gelten können. Soltatt
sie auf einen wirklidhen Fall angewendet werden wollen, so gek
dies eben desshalb nicht an, und es sind also die schönen Resultats
fast unbrauchbar. Man kann allerdings entgegnen, es seien dieseU^es
Bran» Ae'iiiille. nblMlb^ Sit
liBiermiggwetee wate. AIhtn ireldbes ist flet Chmd lle^ !{MMnhi|(u
Bei Aesen überlianpt Behr klefnen FormSnd^rangren macht eliie kleine
TenmchlSffiang schoti Vieles aas. Will man dai Problem freHich
icbSrfer l^sen, bo hat man ongeheare analytlache Bchwterfgkeiteit
TOT sich, w!e Refereot aas fieiner eigetreo Erfafat-ufig weHis, da er
sich auch sehr viel schon mit diesen Problemen beschäftigt hat, die
m den interessantesten Anwendungen der h5hem Mathematik ge«
bSren. — Dann aber ist Immer noch ein anderes Bedenken. Wetfn
nnter dem Einflnsse Sasserer KrSfte der elastische Balken ron einem
ffleichgewichtsznstande in einen andern tibergeht, so geschieht dies
einsig dadurch, dass seine einzelnen Moleküle (im Aligemeinen) ihre
früfaere Lage verändern and sich in einer neuen Weise grnppiren.
Diese Aenderung des Ortes der ehiselnen Eörperpnnkte muss ^be*
etfnnnt sein, wenn die Aufgabe soll gelöst sein, und so lange dieH
nfebt der Fall ist, kann eben nichts ZuverlSssiges ansgesproehen
werden. Biese Verschiebungen sind die fundamentalen Gk^sen
der Betrachtung, und die Pressungen, Drucke n. dgl. hangen ven
Haien ab, und ergeben sich sofort, wenn man jene kennt. In dieser
Beefimmung aber liegt die Schwierigkeit der Auflösung. Die in der
Iffer angezeigten Schrift erhaltenen Resuittfte mögen ziemlich anbehm«
bar sein; ob sie richtig sind oder nicht, bleibt unentschieden. Die
Aufgabe ist nicht geKist, wenn man Krkfte aufgefunden hat, die den
aül^emeinen Bedingungen des Oleicbgewichls genOgen; sie ist es
erst, wenn gezeigt ist, dass in Folge der gewaltsamen Biegung Ver*
Schiebungen eingetreten, welche jene Krfifte in Thätigkeft riefen.
Davon ist aber in unserer Schrift keine Rede; sie hfttte auch sonst
anf ganz andere Grundlage gestellt werden müssen. Lam^, wenn
er auch den CiCnchj-Poisson 'sehen Weg nicht eingeschlagen,
hat sich gehütet, in diesen Fehler zu verfallen, woher es denn auch
rflfart, dass er ähnliclie Aufgaben gar nicht löst. Sie sind etwas
Bcbwieriger, als es aus der uns vorliegenden Schrift scheinen mag.
Immerhin ist dieselbe aber ein schätzenswerther Beitrag zur Lösung
der Aufgabe, und wenn anch die letztere nicht voHstSndig gelöst
iaty BO Hegt dies eben in der Schwierigkeit der Sache selbst.
Heinriei Brunnii de Audorum indicibus Ptinianis disptdatio
üagogiea, Bonnae, 1856, 4,
Es war me^ Absiebt diese Dissertation in einer anderen BehHll, In
welcher meine Potechungen über Plinius «nd dessen naterallft historla
eiedielDen werden, ea beartbellen. Der Wertb Voiüegenier BchrMk
erferdert jedoch eine efogebendere Bespreebang, ^ dieis an jenem
Ofle möiglieh wtre. Zugleich mag es passend «ein, hier die Re^
eeoslon ra berücksiebtlgen, wdche Herr Jm tÜMr Brnnn's A^hasd-
kang in den MfiDcbner Gelehrten Anaelgen gegeben hm^ Itieo*
im deraelbe mir a. a. O. 8. Ml voraugsweise die Sj^^die vor-
600 Bnuui; i» uidie. PHvitib.
wirfti iraleha ich gogenfiber toh aelner Plinius ABSgabat ««teer B«ie
in Hamburg und seiner Beoension über den Pliniuspalimiwesteii ga^^
führt habe. Einem jüngeren Manne, meint er, etünda dieaa nicht
an. Das gehört aber nicht «a der Sache, aondern der Streit drehte
sich nm folgende Punkte. Jan beaweifelte die Geechichte des Codex
reacriptua, sein Alter, hat manches misrerstanden nnd anderes darin
unbenüet gelassen. So glaubte ich im Interesse der Plinius Kritik
seine Bemerkungen nicht unbeantwortet lassen au können , weil ja
der pal&ographische Theil die wichtigste Frage bei der Ausgabe des
Palimpsesten aunächst war. Da nun aber Jan die Kriterien dar
Schrift des 4» und 6. Jahrhunderts nicht unterscbeiden will, die Exi-
stena einer langobardischen Schrift im 7. und 8. Jahrhundert l&o^
net, und dazu meine lateinischen Worte irrig übersezte, so fa£tts
ich freilich ihn als incompetenten Richter hierin ignoriren könneai
wenn nicht seine anderweitigen Verdienste um Plinius mich sa
einigen Bemerkungen veranlassen müssten. Was nun weiter dsn
Tadel eines andern Kritiker's betriflft , welcher die von mir ge-
brauchte Form Ecclesiasticns in Ecclesiastes verwandelt sehen wiBi
so bemerke ich folgendes: Es gibt zwei solcher Schriften, wd-
che Ecclesiasticns und Ecclesiastes heissen, die erstere wird
Jesu Sirach zugeschrieben, sie enthält 51 Kapitel, die andere
heisst auch Coheleth und hat nur 12 Capita; von dieser lezterea
ist gar nicht die Rede. Anders verhält es sich damit, waa Jao
über die Geschichte des Codex als Bedenklichkeiten erhoben hat,
wo für ihm gar keine Beweise ziä Gebote standen. Er hat bezwei*
feit, dass der Palimpsest von Verona stamme, konnte aber keine
andere Geschichte geben. So ward ich genöthigt zu einem lang^
Beweis für mein Resultat, das auch vorher vollkommen fest stand,
zu geben, um Allen, die sich als unberufene Richter hierin aufwer-
fen konnten zu begegnen. Die strenge Beweisführung von meiner
Seite kann desshalb Niemand beklagen. Etwas anderes ist die Aus-
setzung an Jan's Ausgabe, wie er meinen Palimpsesten benuzte und
in seine Ausgabe aufnahm. Wenn er sich bisweilen Lesarten wählte^
die Andere unwahrscheinlich fanden oder bei den offenbar entstell-
ten stehen bleibt, nun so kann man nichts dagegen einwenden, es
beruht dless auf subjektiver Ansicht Ich bin aber nicht der einsige,
der in Jan s Ausgabe eine höchst parteiische Auswalil der Emea-
dationen gefunden hat.
Endlich fühlt sich Herr Jan durch mich beleidigt, weil ich be-
merkt habe, er lasse den Leser seiner Ausgabe ganz im Unklaren,
in Betreff der Ansicht, welche der Herausgeber über die Eatstehuag
des Pllnius'schen Werkes, besonders des I. Buches habe. Nun ick
glaube, dass man heute an jede neue Ausgabe des Niebelungenlie*
des die Anforderung stellen darf, dass in der Vorrede oder Einlel*
tung der Standpunkt des Herausgebers ausgesprochen sei, ob er
Lachmannianer oder Gegner von Lachmann sei ? Bekanntlich iit
aber die Kritik über des Plinius naturalis historia und über ihfes
Verfasser noch viel complicirter als die über der Niebelungen Not
IkttUi: id küc. ndmäi. IM
Ol» aiteyalto hisloriii ist der Sehacht, am waldram TMsnMr te
Lüeratargetekichte aweier CultorTÖlker beraotsfearbeiiet wwdea. Dia
▼aracUadanalaD Hjpothesen staben sich tfber dieses Work gegeoiibar.
Was isl also natOrlkber, als dass der Herausgeber eines solcbeo
Astors sogleich seine Ansicht am Eingang aosspriebt, damit der
Leaar nicht nach langen Vermathnngen sich endlich fragen moss,
bat der Herausgeber eine Ansicht oder nicht und welclie hat er?
Dasa ich soldie Forderungen an eine Ausgabe des Piinius stellCei
wird ausser Herrn Jan Niemand «einen Vorwurf in nicht sehr aar*
ter Welse^ oder «eine Beschuldigung^ nennen.
Die Dissertation von Bronn seigt, wie wenig die Kritik über
PHnius und besonders sein erstes Buch als abgeschlossen betrachtet
werden darf. Je mehr sich die Forschung dem Werke zuwendet,
um so mehr Biösen entdeckt man an der hergebrachten Ansicht
darfiber. Der Verf., Heinrich Brunn hat desshalb ein grosses
Verdienst um die Kritik des Plinins, dass er einen und vielleicht
den wkhtlgslen Punkt einer eingehenden Untersuchung unterworfen
hat. Aber durch seine Arbeit sind nur wieder neue Fragen aufge-
teadit, weiche ihrer Lösung entgegensehen. Gerade der Anfang
der Plinianischen Realencjklopädie bietet die grössten Schwierigkei-
teil ffir die Kritik. Die yorausgehende Dedikation an Vespasian hat
eioen Stil, wie er einem Römer dem Kaiser gegenüber gewiss nicht
anstand. Sie ist ein aus Fragmenten von Piinius eigenen Worten
anaammengeschraubter Brief, mit versteckter Polemik, voller Anspie-
loDgen und mit den interessantesten Andeutungen für die römische
Literaturgeschichte. Das s. g. erste Boch oder die indices, die epop-
aia des gansen Werkes enthält die Anfsählung der Artikel und die
Verfasser derselben. Mithin einen Realindex und ein Schriftsteller
(Mitarbeiter) Verseichoiss. Hierüber sind aber verschiedene Fra*
gen lu beantworten. Sind die Indices von dem Verfasser oder dem
Herausgeber des Werkes? Was war ihr Zweck, -sollten sie das Sy-
stem der Encjklopftdie geben? Sind sie nur ein Entwurf für den
ersten Ausarbeiter gewesen? Oder sind sie das lahaltsverseichniss,
daa nach Realien geordnete Register? Sie konnten auch swei Zwecken
aagleich diraen, für die Artikel das System, für die Autoren das
Itthaltsverseicbniss sein. Endlich kommt die Frage in Betracht, ist
das Verseichniss der Autoren ein Renomierstücicchen des Piinius,
oder ist es ein Abriss Literärgeschichte, nicht nach Chronologie, oder
Wissenschaften geordnet, sondern nach dem materiellen Inhalte? Da
im Texte der naturalis historia die einselnen Gitate nicht immer mit
den Autoren, aus welchen sie entlehnt sind, angegeben werden, so
ist die Untersuchung, was Piinius aus dieser oder jener Quelle ge*
schöpft habe, sehr erschwert. Es haben sich daher über das erste
Bueh^ das die Quellen und das System oder den Inhalt des gansen
Werkes nennt, mit der Zeit folgende Ansichten gebildet: 1) Die
ältere des gelehrten Jesuiten Harduin, das erste Buch und die De*
dikation sind unächt 2) Die spätere Ansicht desselben, das erste
Bifth tat ▼WReidit Hieb« «ellbflt dra Plinitev mm ¥«
I) Die ^twiSiinlicho AMieht, der «ich Jan
YMwd« «Bd «rates Bach stod lebt mid das ieatere, wi6 ü der fie>
dflurtioa steht» tw Pliidu selbst bet^eOgt. Aber PUniiis wv ete
M t>beriichllcber Se«mlery dass seto Werk «nd Jene TbeBe hSehsl
tfltt^el massig ansfislea. 4) Brann's Ansiebt , die ich jeat niber
bespreebeo iHU, gtkki dabin, beide Tbetle sied ton Plfaifau seihst,
aiar lanss man die Manier kennen, in der er arbeitete^ um sie
riditig m beurtbeilea. 5) Bergk «babt das Werk and die ladwss
waren y oll endet and erschieiien, aber PÜnnis arbeitete an einer
B weiten Ausgrabe, schrieb sich in sein Exemplar Nachtrige, welche
dann eine veae Edition nach seinem Tode cur Folge hatten. Dieie
Edition ist mislnngen and liegt ans Tor. 6) Meine Ansicht^
PlInhiB starb während er an seiner natnralis bisteiia arbeitete,
^man gab seine Arbeit heraas nnd hat mir ein quid pro qno davass
gemacht^ Eine «adgttltige Lösang dieser Fragen wird Teraos*
slebMsh noch nicht so bald eintreten. Sobald die Kritik einen
PtiiAt glanbt ins Reine gebracht zu haben, so wartet sebott ^ae
nene Frage ihrer Lösoog, so ist es aach dem Tert voiiiegsadsr
Bdirlft gegangen. Seine Untersnchnng hat die ZweiM an der Ui^
herigsn Annahme, die Ich miter drei a«ifgelUut liabe, noch vsr^
mehrt, so dass »an geneigter ist, Bronn beiaastlmmen als an der
bisher herrsclienden Mehiang festsnlmlten.
O. Malier hat In der Bede cur Gdttinger Säkakrlbier 1M4
sich dahin geänssert: Piinios benflste die Schriftsteller, weldie er
in den Indices nennt, in folf^ender Weise: I) einEelne Werke der-
selben, 3) Sammelwerke, Pandekten, wie sie jest noch von den
Geoponikern, Meebanikem und Physiognomikern bekannt sind. DesB*
halb, glaubt er, sei es nicht schwer diess im Catalog der Antoren
noch EU erkennen und stellt den Satz auf. Die ein sein benfisteo
Antoren nennt PL nach ihrem Werthe, nach der Ohroneio-
gie oder in der Reihenfolge, wie er sie in seinem Werke
excerpirte. Ferner aShlt er bei den Sammelwerken in alphabe-
tischer Ordnung die Aoloren aal. Wie 0. Müller aa dieser An-
sicht kam, erhellt aus der Betrachtung über das IL Capilel ▼ocKe*
gender Schrift. Brunn knüpft seine Abhandloag an diese Aeosse-
rang von Müller. Er will im L Capitel die Untersuchung nach der
zweiten Andeutung Mttlhir's führen. -^ Die Reibenlolge der Antores
stimme mit dem Werthe «ad der Zeitfolge der Autoren oder der
Reihenfolge der Exoe^te. *-- Die Andentang MüUer's wegen der
Sammelwerke ist im li. Capitel behandelt. Ich wende mich soent
dem {. Capitel von Brunnes Forschung au.
Sefa Resultat, das er gieieh fan Eingang mitthelit, stimmt mit
Müilmr's Ansicht nidit tibereiB. Brunn ist nimKch dahin gelsoft,
dass er sagt: „Plinhis hat nur in der Reihenfolge die l^aman der
Antoren in den Indlees aagegelMQ, wie er Are Eicerpte nach eis*
In seil W«rk eingereiht hat Natürileh Utoat aich dieaw Be*
tl» teile. MünfiL m
MMt 4rtcM %te Im Mlfaste DeitaH geiMrallfllreii «md dta^biffi ffigt
d«r Y^vf. flofk^h selbst die »«ibigeti Einsehrlnlmiige» M. D«tBtt
tMi s«itieii ao%este)lteii Bäte nicht rnfsverstehe, gfibt er p. 2 einige
Ariq>iele^ die mm YenMndufss der gmiwk Sdirift wmeiilitch sIb^
Wdesbiüb idi ste liier nvlederhole: Wenn
Itn tndet Im Tnt
M. Varrofie I S- ^ I S* 1^*
üebti so bat Plitiins schon hei der ersten Anlaufe yon $.9 an den
VstTO ezcerpirt. Wenn eich aber das VerhSitniss so gestaHet,
im Index im Text
M. Varrone | ? | §. 18
so hat PIiDi«8 vor §. 16 den Varro schon exiftrpirt ohne seinen
Namen sn nennen. Ist aber dfe Reihenfolge im Indei nnd Text
Ten der Art, dass
im Index fm Text
M. Varrone §. 9 | $. 18 | folgg. %%.
yerkemmt, so hat Plinius bei seiner ersten Bearbeitung
tM f. 18 die Varro Exeerpte eingeführt, „bei der xweiten Reoeft«
«IM hat sich aber noch vor •dein $.18 befm f. 9 eine Stelle deii
Vasto eingedrängt.^ Gestaltet sieh das Terhältniss der Indices anm
Vexte aof diese Art:
im Index im Text
M. Varrone I — I §• ^^
eo hat PHnias bei der ersten Recension den Varro gar nicht
bentlst, erst in der zweiten eine Stelle von ihm bei §. 18 ein-
Urefeehalte^t. Es folgt also ans der Brunn'schen Forschnng, „dass
Plinitts sein Weric geschrieben nnd nachtrSglich noch ZusStse ge-
macht habe* (Bergk'sche Ansicht). Brunn gibt selbst die Vermn-
thmsgen, welche er über das Entstehen des ganzen Werkes hat.
Er sagt: „t>as Plinius'sche Werk konnte seiner Natnr nach und ist
auch wirklieh nicht aof einen Worf vollendet worden. Daher man
^iSpnren eiber Eweitea Redaktion darin findet. Bei der Umarbeitung
hat Plinius nicht nur verbessert^ verändert, sondern aach Kapitel
verseat und sogar Bücher nea abgeCh^ll.^ Bei dieser Ansicht des
Verf. über das ganze Werk des PHnins scheint Ausarbeiten nnd
Hel-aiiegabe verwechselt zu sehi. Zudem „ist es nicht bewiesen,
tfast Plinins tefbst Jene zweite Redaktion vornahm.^ Hierin ist
Branti's Ansteht nnr Hypothese. Er kehrt nnn nach der Annahme
der aweHen Redaktien durch Plinhis selbst zn dem I. Buch zurück.
Plinius habe, glanbt er, auch hier Autoren beigefügt, die er später
exccrpin und als Randglossen seinem Exemplare angereiht habe.
Di^sse seien, über nicht mehr in üebereinstlmmung mit seinem
IBcirema gebracht worden nnd eben so wie sie sich vorfanden in
die zweite Beiirbeitung übergegangen. Es ist diess wieder im Grunde
«ie BergVsche Hypothese.
Nachdem Brunn so den Leser vorbereitet hat, eröffnet er die
Kritik der Antoren^Verz^ichnlsse vom IIb. n — XXXVI. Ich folge
Ihm Buch für Bach.
r de Mie. PtttlMin
Madi to B«mi8nhraD« des Verf.'t bitte «bo «1» IL Bach
PHahis naebtrlglich benttst: den Fabianos, die Pythagorid, Anaxi-
maaderi Aristoteles nod Tbeopomp. Dass er dagegen die am Ende
der rdmlsohen Autoren genannten: Caecina bis Seigins gar aicht
benüst habe, unterliegt keinem Zweifel, wie der Verf. gani richtig
beoierl[t. Dasselbe findet sich auch in den andern Indices mit Aus-
nahme von Hb. XIX. W08U aber die Autoren, die Pi. nicht gele-
sen liat, genannt werden, ist nioht klar. -^ War es, nm so prab-
len^ geschah es aus Polemik^ war es im Entwurf, sie noch su lesen
und hat der Tod die Arbeit unterbrochen, oder sind sie als Kotis
ftir die Literärgeschicbte genannt? Der Verf. hat sich darauf nicht
angelassen. Dagegen gibt er eine schXtsbare Andeutung p. '4; wo
er sicher nachweist, welche Notia aus Tubero oder Tullios Uro ent-
lehnt ist. Ich glaube man kann wol weiter gehen und mit Bestimmt-
heit sagen, dass die Worte: lib. IL $. 186: In Gatilinariis —
icttts est, der „Lebensgeschichte Gicero's von Tnllins Tiro' ent-
nommen sind. Nach Brunn's Zusammenstellung wSren folgende Au-
toren nachträglich benüst worden im III. Buche vielleicht Mueianofl,
L. Piso, Gellian und Valerian, im IV. Isidor, im V. Mncianus und
Timosthenes. Gerade der Umstand, dass ein Schriftsteller in awei
oder mehreren Büchern nachträglich benüst war, wie Fabian und
Mucian, gibt der Ansicht von Brunn eine Bestätigung. Um noch-
mals auf das IV. Buch zurückzukommen, muss ich Brunn's Angabe
in einem Punkte berichtigen. Plinius benüzte den Agrippa schon ^
für §. 28, nicht erst von §. 45 an. Femer ist es gans auffallend,
dass PI. den Livius für die teutschen Stämme nicht excerpirte, was
war der Grund? Nebenbei erlaube ich mir eine Bemerkung gegen
Jan's Ausgabe. Jan hat p. 177 die alte Lesart mit Unrecht beibe-
halten: Istiaones, quorumCimbri. Es muss beissen: Istiaeo-
nes, quorum Gambri vi, wie schon Zeuss, die teutschen Stämme^
nachgewiesen hat. Das Verschwinden der Silbe vi ist aus den pro-
legomena p. XXIV m. PI. Ausgabe erwiesen, dass c für g sidi
findet aus p. XXIL p. 94, 9. 240, 1 ibid. bekannt
Das VI. Buch stimmt ganz zu Brunn's Ansicht Im VTL ist
aus Callimachus, im VIII. aus Varro und Ktbesias Ergänzung ge*
geben, im IX. aus Fabianus, Mucfanus und Sebosus. Um das Re-
sultat des Verf.'8 ganz sicher zu stellen, mussten zwei Punkte unter-
sucht werden : 1) dass es für mehrere Bücher immer dieselben Au-
toren sind, welche nachträglich benüzt wurden, also einer für meh-
rere Bücher, bei der Nachlese ausgebeutet worden; 2) dass diese
sp'äteren Einschiebsel im Texte nicht in das System (die
logische Ordnung) der Realien passen, wie die Indices sie ent-
halten. Das leztere ist noch nicht durchgehends bewiesen. Bein
XX. Buch hat der Verf. dafür mit vielem Scharfsinn ein Beispiel
gegeben. Auf p. 15 bei dem XL Index gibt der Verf. dem Plinita
Schuld an der Tautologie Attalo rege und Philometore rege oder
medico. Das kann ich nicht billigen, hier muss die Schuld an einem
finukn : de in^c. t^linianii« M
0plM6ik Abidureibtr liegen. Wie diaee Tautologie entetandeii) Utost
äiA aue der BecoMtrnktlon dee Archetypon Ideht ^weisen. Der
Terf. gibt p. 19 selbst die Brücke. Dass Br. Aristophane lnOlesio
p. 15 für Mailote sebreibt, Ist UDmotivlri Es waren viele GMechea
oacb swel Orten benannt, dem der Geburt und woher die FamiUe
stammte. Eine Notbwendigkeit der VerSnderung sehe ich also nicht
ein. Der Index des XIII. Buches glaubt der Verf. mit Recht, sei
eine Wiederholung des XIL, weil beide Bücher In der Anlage nur
eines sein sollten. Eben so Tortreflnich ist die gleiche Nachweisung
Tom XIV. Buch und vom XV. p. 33 — 27. Indessen kann ich p. 21
dem Verf. nicht beistimmen, Fabio Froculo fallen xu lassen, wenn
ich auch die Unmöglichkeit der Urlichs'schen Argumentation einsehe«
Es ist doch wahrscheinlicher, dass es einen älteren Fabius Proeulus
gegeben habe, den Flinius hier meint, als dass er den Flavius Pro*
eilius im Auge gehabt hat. Dass der Verf. p. 28 und SO ohne
alle Begründung und gegen den Palimpsesten der RItschl'schen Hj-
pothese mit dem Maccius Plautus in blindem Vorurtheiie huldigt, ist
kaum 8U entschuldigen. Im folgenden beweist er beim XVI. Bach
die nachtrigliche Benützung des Cremutius, Sextius Niger und Ho-
mer, im XVUL des Cato. Bei lib. XIX kann ich dem Verf. nicht
beistimmen, dass er einen Castritius aufführt Dabei mnse Ich au-*
gleich auch seine Sclilttssbemerkung p. 60 verwerfen. Plinlus hat
alierdings itia Apicius benüct, wie der Verf. p. 60 angibt, und ee
lag aooh dem Plinios ein anderer Text des Apicius vor, als wir ihn
jest haben, aber Plinlus verschwelgt nicht den Apicius unter
seinen Autoren im XIX. Buch. Denn Gastritioitem ist nach
der vortrefflichen Emendatlon von Ronlin in Paria C. Apitio.
Wm man palXographisch die Corruptel Gastritio nachweisen, so ist
sie ans G. Appftio entstanden. Wo der Verf. p. 31 von den Bfl^
ehern XX— XXVII spricht, äussert er ganz richtig: Im XX. Buch
hat PI. den Celsus und Antonios Gastor bei der ersten Textrecension
nicht angewendet, diese muss man aus der Disposition der Excerpte
In dem Texte und dem Index schliessen. Er erklärt diese treffend
so ; die Brauchbarkeit des Gelsus erkannte PI. beim Ausarbeiten des
XXI Buches und hat ihn dann nachträglich für das XX. benüst.
Es hat diess viel Wahrscheinlichkeit für sich. In diesen Büchern
seines Werkes scheint PI. Gollektivaosgaben von Orpheus und Py-
tbag oras d. h. Schriften, welche diesen jEUgeschrieben wurden, und-
Homer, Hesiod und Musaeus aniudeuten. Denn jene Namen folgen
mehrmals auf einander. Diese Sammelwerke, von denen, das eine
den Orpheus und Pjthagoras, das andere Homer, Hesiod und Mu-
saeos enthielt, sind wol unter dem in der Vorrede als exquisiti auo*
tores centnm angeführten verstanden.
Was der Verf. p. 38 vom XXX. und XXXI. Buch sagt Ist
mit seiner Hypothese nicht so ganz vereinbar. Er selbst hat nicht
visrkannt, dass nach dem XXIX. Buch die Unordnung in dem Indices
grösser wird, so dass eine leitende Xdee kaum m^ nachau weisen
Mftü Vmm^ umi 9lB Qmwi Anton: qmA Ptttf« tfi^mlt^ MlH»
g«i4ior Fideinv v«r«iUiis eflOA, ich wAcbk^ iar^ii ntfi ^ f»>niiht
yoJLin4et#» £0 werden iia Texte Aniiveai wie Ceto,. mit I^otm
dtirt und in lode^^ übergangen. &o micb Seneea nnd Vecgily d^p
gegen 0?id i« Indei lib, ZXIX genannt^ aber im Texl^ linft in
XXX* Bufili* So aeheint es aUerdingf, d«M der Index XXIX BMki
gemftiiht ilt) nm eben wie für die andern BCcber «Uien Index im
babeo, ab- nadi einer inoern Nothwendigkeit. Gana irolead oiackt
Br. aber auch anl den unterbrocbeaen Zu8an^.menbaag id diesen
^cbe eeUmt anfmerkaam« Na^ii mejnei; Hypotfceae erkMrt aiofe dien
leicbi und ioh beaweifle, ob eine andere Annabaie «um Sdilüesel
gabnden werde,. daiDit dieea offenbat planlose ZaeammeaaMiuag
FUnianifcber E^cecpie dinrcl) dritte Band erklärt weiHle. So yerfaih
n» «ich Aoeb he» üb. XXXIV, wire der Verf. 8. 48 eagti einaab*
gekfirei» naohltfielgiB WiederJioluAg von indaiL XXXUL Btfmiecfce
nnA grtaehiiche Autoren eind nii^hA mehr genAiedeo» fto kontfit
denn der Verf. pw 45 seUMii an dem fiorolut,: UUioaa eiyna FÜntaai
eiperlB pam omni eU edita poet ipeiua mortem» petAnant^eerte^indiefii
qwiqea^ boram llbreram peat mortem eaee eonleeti«. Dnria «liin«!
Br. miit meiner acbon früher anagaflpiQebenea.H7PQthmi9 nberein, neu
da«8 ich den Tod des Plinina nach dem Brecheioen daa Uk finebü
annehme». Noah nuiea ieh bemerken, daan gerade da» Anterenim^
aeicimjaa. von lib. XXXVn. die Annalnne voa Br. beetlüg». Man
ißU daher an dem Soblnaaei gentthi^ daaa beim Tode dee PL aiafa
dea leate Bneb aitt Indei acbon gana oder anm gtöartan Theil ani^
see^beit^t varfand. Ieh gehe nm xu dem II. OeptteLdac Snhfift ibaa»
Diaaes) bandelt von den Sammelwerken, welche fU hanünia»
Müller nennt ale Fandecten. Der Name Oneim, den Etemijwna
iüx dioke Bündn gebraucht, w£re TielleMil geeigneter für Jena ge«
wiaa uncpitiacbe Anagaben von viel geleaenen Aot^en^ Meeh dar
Vorrede nur hiat aat aebeinen sie aber den Titel gefiifariao kabent
a^cfoiaiti' antoiaea eantnm. Alao eine Gentena, die vieUeieht! in! 2>ar
ks^m ab^beilt war. 0. MüJler'a Aeneaeaong^ voa dec Brunn aua*
ging, iat niebta weiter ala die Umaehreifonng jener Stelle de« Vpi*
rede^ Qer Verl. dea Briefea an Veapaaian sagt, wenn man eobN
Wofte kriUaeb behandelt, felgnades: 1) Er habe 2QfiOQ Aütihel
(jrea dignae eora) in aeine £iu;yklopädie au^enommen; V) dien»
3(^000 Artikel aalen ana 2000 Bünden entlehnt, w«khe* aber wc«en
der enttarnter Ucüendan Oegenatiiade nur wenigen der aa geamm»
im. G«bildiGiten unter die Hftnde kommen (atqdioai attingantXf S) ee
habe den Kanon oder die Auewabl,. Blttlhenleae oder Paadeoten^ wie
Müller übwaaat, der 100 Xlaaaiker in 86 Bücher exaerpirt. £x.qu^
aiti auctorea ceutom ist ein Kauen von 100 anflgawlEhltnA, ver^ig'
Üebop Scbrtfiatellem. Dieaea. Sammelwerk führte vSelleiebt wie ich
oben geengt habe gerade dieaen Titel $ 4) au dornen BacerpAan^ Mi
den .2000 Büehean and aua der 100 ABtorenaammhmg tet er ooeb
eigene. Artikel gnmadii^ «naa priorea ignorayernnU MfiUet oaMobaeiM
de Mo. PUaMttti^ Mf
ikm Mcimchm Agiritaton el mioQMMm kioci» ini« eMerpHi
4iipOiBh; 5) euUiob ha* er Mch beigtfnfft scdobft Artikfll» «Mü
jMloii imreneral ^Ita, d. k v«lcke nach dem EribheiiMn des 109
kalUgen Kaaott aicil aoeh vo» Wiekti^eit io dw neoealcvi lilerUr
lieclkiii Emheimmgtti faaden. Er bat abo Elf ibimigeiiefte gtoielk-
Muii ^ür Jens Kmnonee gemacht. Maeh dieaer AoAsühloog ta der
Torrede miuB aian die Aulorenveraaicluiieae des. PUaiiia Hb. L be^
Man kaaa die Rohbell, womit die Römer Ulf GooTeraatioan-
leadkoD machtea , sieht ignodreiu 8le gingen gana. mUitliriach- aa
IBerke» Zaerat «dfd nor geaähk, wi« riete A^ttibal,. dawn au« wie
lUL Binde» anaaaDmengeaehleppt, dann eine gewiaa aebr Alf daa
gsosan PnUiknm berechnete AutOBenaaminlmg aaagenrhrinbent nod
endlioli Naditrige dami gemaebt Daa erimMrt riet an jene Hand^
achriflea^yerpnebttng mid Traaspeit von Moakau nach Petembnrg,
fueloben man eteer Abtbeilnng Koaahen übertet«. B» läUten die
SSaten mil EandachriAeDy. wie man befohlen, wo^ ateh dann wKh
ein JdeiBea Flitaehen fand^ Teracbnitten ale die Cbdieea, um mit den
TtUmmeiB ea geaa« anaaniüllen. 80 iat PUniis mü seinen CiMen
nun Thaii m Weit gegangen. Er Iml seine Aitikel nlck^ gewogM^
aondem geaäUt Dabei hat er nber dooh daa Yerdienal. seines Zfejt
etwna Bnatea geboten an haben, wArend seine Zeilgeneaaen artt
4er giieehisehen Fem, der Phikringie, ihre HnbäsHlli na verdecken
anclitea Man ktaMe attsrdinga anf den ernten Anblieb jene» SteU»
newnntben <-« exquinti andorea oentnm -^ ea würden sieb nwr
MO Antoseanamenin den Indleea finden, doch Brnnn aagfe miliReeh^
ea- sind nieht mehr als 400 aagegebeii. Dock ist diess. gana icjcbt
mü den Worten des Vorrede an Tereuiigett, wo 3.000 and dann; die
100 haitige Bammhing erwähnt wird. Oliae Zweifel aber kSwaen
noch aoa den Autoren veraeiehniBsen die Kamen jener 100 Aoloceo
sieh nasammenetellen lassen« Br. weist anerat nach^ dasa die Ter«
matlrang Mttiler'e nur anf das. Snouneiwerk der Qeopomei pnaie
p« 46. £r gibt sodann p. 47 den gewiaarichfcigen Soblüaael nam
VerstindttiSB jener Antorenlisten. Er sagt: man kommt, au dem
Resultat, Piioina habe aoa Prahlerei die Hamen der Antonan ans
Vnnm in seine Indioes eingereiht, ebaehon. er die Bücher selbt* wkkt
einmal ttehtig nur gesehen hattn Bnmn bttlt aber doeb dieses £f^
gebnkn för an bar« nnd weniger wahr. Er stellt den gewiss: ricbi»
tigen Ornndsata aal« Plhiiiis hat hti jedem Qegenstaod, der etwa
in einem Bocb abgesMoht werden konnte sich winftohat an. einen
v9misehen Schriftsteller als Leitfaden gahaltenp Von diesen
römischen Antoren aus. hat er dann auch OciScben nnd andere in
aeiae Qnellenlese bereiagesegen. Der Verf.. stellt nun die Materie
nnd ^ den PlioioS' dabei leitenden AuSsren sosammen. Dabei «eih
rStb sieb eine gründliche Kritik und zweckoiKHigea. Stndium des
Piinies. Es faStte also für Bieneazncbt Pliniaa den Hfgioi
nam Fttirer gehabt, (ät die Medici iba. Pompejaa.It^enAnani
606 BnniMI d« k^Ac PMMk.
für damedlciiils ez aniaiftlfbag donNifidim, Ar de h•^
bi0 den Saztius Niger, für d« rebtte Alexaiidri:dei 9e«
bo8ii8, ftltOeogra^pheadenlfiieläDa-s, V^vr^md Agcipf«,
endikh für die Kunst, de pyramidibne, lei er dem Apion ah
Leitfaden gefblgt Bei Pompejos Leaaeoe gibt er den Gnmd an,
wie Piiniofl mit so leichter Mähe medicinlsehe Sehriftsteller citint
konnte ohne einen einsigen davon in kennen. Pomp. Lenaeos hatte
nämlich bei den Excerpten schon die Namen der Autoren gegebio.
Es findet dagegen aus dem, was Br. aber Nigidius and Sezdus Ni-
ger sagt, das Verbältniss des PI. in Scribonlus Ton Bbodns, de
eomposittone medicamentomm keine entsprechende Eriü&rnng. Mi
führe hier die Ansicht eines Mannes an, der sich mit den medidnlBcbeB
Schriftoteltem riü befasst hat, aber leider dorch den Tod an der Heniuh
gäbe des Apldus und Scribonlus gehindert ward. Mein Terstorbener
Freund Prof. Sc buch schrieb mir über das VerhftHziiss des Plinisi
aa den schriftstellemden Aeraten folgendes: „Plinius hat die WsAe
«einer jüngeren Zeltgenossen benust ohne sie anauführen. Er M
ein Zeitgenosse des Scribonlus und dieser diente ihm als Qoelia
Aber Plinius nennt den Scribonlus so wenig, ak den Dioakorldes
«md andere junge Autoren, was unclihlige SteUoi beweisen, weiche
ich unter dem Texte aufsählen werde.^ Es ist also erwiesen, da«
Blelien des Scribonlus im Plinius alch finden, diese können nldit
ans den Sammelwerken des Nigidius oder Lenaeus sein, beide skri
Slter ahi Scribonlus. Es bleibt ahio nur die Annahme einer geoMia»
sebaftUehen Quelle, oder man mnss die Ansicht Schuch's als beaUh
tigt hinnehmen. Für Geographie und y()lkerkunde hat Plinius nar
mentUch an Varro und Agrippa sich gehalten. Was in der nat
bist, über den Teutschen gesagt ist, kann nur aus Agripj^ sein.
Denn zur Zeit Varro's war Germanien noch zu wenig bekannt Der
Verf. hätte daber gut gethan die Stelle bei Tacitus Germania mit
der betreffenden von Plinius über die teutschen Stämme au yergl^
ehen, um au prülen, wem PUnius dort folge. Es scheint, dass Tar.
eltus an jener Stelle gerade den Plinius und Agrippa widerlegei
wollte. Dureh die Benützung des Apion wird Schuch's Ansicht vom
Vevhiitniss des Plinius zu seinen Zeitgenossen allerdings auf dil .
medicinlsehe Literatur beschränkt. Aber die Benutzung des Apioft |
zeigt auch auf der andern Seite, nach dem, was in der Vorrede fSr
sagt ist, dass Plinius auch die gewöhnliche Modelektüre, über welche ;
er sogar spottet, nicht von seiner Excerptensammlang. ausschlosa.
Das HL Gapitel Ist für die Art, wie Plinius ezcerpirte, lehrreich. .
Der Verf. stellt den VitruT und Plinius Tezt neben einander. Den '
Schluss der Schrift habe ich schon oben bei Apicius erwähnt, westr
halb ich hier mit einem Resum^ schliesse. Der Veri. hat sich dureh
diese Schrift nicht allein um die Plinius Kritik, sondern ganz be*
sonders um die griechische und römische Literaturgeschichte blei-
bende Verdienste erworben. In dieser Hinsicht wäre es sehr at -
irünadien, dass er sich auch femerlün dem Pliniua-Studium anwende
Fr* Hone«
Rr. n. HEIDELBERGER US7.
jahrbOchir dir litiratdr.
Der Preusgiache Civüprozas nach den Qtsttzen, Verordnungen, Mir-
msierialverfügungen, Entscheidungen des Königl, OberirümncUsj
und mit Beruckaiehtigung der legislatorischen Materialien^ dar-
gestellt und erläulert von Adolf Frants. Ein Handbuch für
Juristen, auch jeden Beamten und Bürger. Magdeburg 1855.
1856. Verlag von E. Fabricius. 796 S.
Dieses Werk ist erschienen in 9 Heften, von denen 8 und 9
ein Doppelheft bilden. Die Umschläge der Hefte, von dem des
3. an, enthalten bereits günstige Beurtheilungen der Arbeit aus ver-
schiedenen Zeitungen Preussens. Die Drangsale, weiche aus Ver-
•chiedengestaitigiceit und Zerstreuetheit der Gesetzes Vorschriften ent-
springen, erzeugen eine Nütziichlceit solcher Arbeiten, die ihnen die
Verdienstlichlceit sichert, sofern sie Treue und Voliständiglieit er-
relehen. Inwiefern diese Eigenschaften erreicht sind, wird indess,
M einer aus so gestalteter Quelle geschöpften Stoffaggregation, bei
der ersten Durchsicht fast nur zufällig erkennbar, und es wird ein
Drtheil darüber hier umgangen. Die Einleitung (S. 1 — 53) geht,
nach einer kurzen Skizze des Geschichtlichen des preuss. Givilpro-
zetsrechts und des Rechtsgebietes desselben (S. 1 — 8), zur Justiz-
Verfassung und Verwaltung (S. 3—21) über, und schliesst mit der
Competenz der Gerichte (S. 21—53). Der Inhalt ist durchweg
ron particulair rechtsstatistischer Natur. Der zuletzt genannte Ab-
schnitt bandelt zuerst von der Ausschliessung des civilen Rechtsweges
in allen Sachen, die nicht privatrechtlicher Natur sind. Sie wird
gestützt darauf, dass die Proz.-O. in allen Sachen solcher Art jenen
Rechtsweg gebiete einerseits, und auf eine Reihe von Ausschlies-
sungsbestimmungen in Ansehung einzelner Sachen andererseits. Einen
Versuch, in diesen einzelnen Sachen das Dasein der Gesaiumtheit aller
der privatrechtl. Natur entkleideten Rechtsachen nachzuweisen, wird der
Verf. dem Zwecke des Werkes nicht entsprechend gehalten haben. Es
dürfte indess angemessen gewesen sein, von den Sachen, in denen jener
Rechtsweg ausgeschlossen, weil sie der Erledigung anderer Behörden
Eogewiesen sind, diejenigen Privat Verhältnisse auszuscheiden, denen
die Klagbarkeit entzogen ist, wie sie S. 37. 38 unter Zif. 11. 18 —
16 sieh finden. Der erste oder allgemeine Theil (S. 54—320),
itellt die Bestimmungen über das regelmässige Verfahren zusammen.
Der Verf. findet mit anderen in der Preuss. Proz.-0. die Unter-
mchungsmaxime herrschend, und meint, dass sie auch noch im ge-
genwärtigen Preuss. Proz. Anwendung erleide, sofern sie der Even-
loal- und der Verhandlungsmazime nicht widerstreite (S. 54). Dass
iber eine Dntersuchun^smaximey die ia 4er That diese Eigenschaft
L. Jahrg. 8. Hell. 89
ItO Fraata: D«r preoiskoto Chrflproseti.
bftti irgendwie wlt der VerhaadlungBinaxiine verdnbarlich sd, wird
aieh InißBB echwerlieh naebwdsetw laMen, Entweder iit keine i^bre
Untereacbungsmazime herracheDd gewesen, oder sie mass durch die
VMftBdiuifeiiiaziflM , aofem eie hemcbead gewiMden iat| verdiisft
sein. Die Veränderung, welche die ietstere der erstem gegenSber
gestellt haben soll, findet der Verf. in der Aofbebong einer Be^OT-
tnundang der Partheien, die darin bestanden haben soll, dass früher
der Richter ffir die Hersteüang der Wahrheit der partbellichen Be-
hauptungen thXtig gewesen, er jetst aber In dieser Besfehnng nch
darauf beschränke, die Beweisaufnahme zu yerftigen (S. 55}. Um
indess In jener frühem Thätigkeit des Richters eine BeTormoodang
finden au können , miisste das ZugestSndniss , von der Geltung ib
Prämisse abgesehen, wirkungslos sein, was auch Im älteren Preusf.
Pro2. (S. 119) ja keinesweges der Fall war. Jene s. g. üntens*
chiingsmazime hat neben dem Suchen des Richters demnach »M
in Beziehung auf den Beweis, noch ein gutes Stück Verhaudlmip-
tnaxime übrig gelassen, und es dürfte ein Suchen des Richters um
Beweisgründen für eine Wahrheit, welche von einer Parthd W
liauptet ist, der Verhandinngsmaxime gar keinen Eintrag thmi, 1^
bald diese Beweisgründe nur mit dem Willen dieser Parthei In |lhi|
Stoff der Verhandlungen hinübergezogen sind. Der Verf. sdiiN
auch die Mitwirkung des Richters in der Gestaltung von Oppo^
neUi die der von der partbellichen Thätigkeit dargebrachte Stoff Sfl
rechtlichen Beurtheilung darbietet, nicht vereinbarllch mit der jH»
Sern Prozessgestaltung zu halten , wiewohl er deren Fortdauer t
erselben zugibt (S. 101. 102). Ob eine solche partheUfche W
tigkeit der Stellung des Richters entsprechend sei, das ist äUerSn^
eine FragCi aber eine andere. Es ist also jene Unterscheidung der Vä
tersuchungs und Verhandlungsmaxime keinesweges eine passende di
Zeichnung für dasjenige, was sie ausdrücken soll. Sie scheint $M^
auf die Zusammenstellung des Verf. keinen Elnfiuss geübt zu hat
der alsbald (S. 59) zum Gerlcbststande sich wendet, dann (S.
zur Partheifähigkeit, (S. 77) zur Parthei Vertretung mit Einsc^
der Thätigkeit der Anwälte, (S. 90) zu den mit grosser Kürze
gestellten Partbeistellungen, und endlich (S. 93) zur InstroctioB)
Prozesses. Klage, Einreden, Repliken,' Dupllken, Beweismittel, ^
handlung, Protokollaufnahme, Decrete, Requisitionen und Edic
tatlonen finden hier ihren Platz. Dann folgen (S. 216 — 320} '
kenntniss und Rechtsmittel nebst Execntion. Der zweite oder '
«ondere Theii wird eingeleitet mit der Anführung, dass der or
liehe Prozess der allgemeinen Gerichtsordnung v. 6. Juli 1793 i
die Verordnungen v. 1. Juni 1833 und 21. Juli 1846 sefnen'1
tergang gefunden, indem der In jener Gerichtsordnung entha
summarische Prozess an die Stelle des ordentlichen Ih^ozesäes';
setzt, dass derselbe nebst dem Bagatellprozesse und dem Ma
Prozesse den gemeinen (preuss.) Prozessarten angehöre, ea au
dem aber auch noch ein schleuniges Verfahren und endlieh
ffkni: Der pMmtlf oh« CSTUpvoMfi. 4tti
d«r» ProMUttteB gebe (S. 821---dSS). NaebAm dae VerhlltniM
der ▼enofaiedeoen gemeinen Proseeearten lu einaiider dargeeiellt ist
(8. Mdf.), folgt die Darstellung der BeftlrnnrangeD Ober dieeelben
(S. 384), und darauf die der Voreehrifoen Über das scUeunige Ver-
fahren (S. 825—402), als: Wechsel - Proeese, Klagen ausHandbii*
lets nnd kaafmänniscben Assignationen, Ezecutivprozess, Arrestver«
fahren^ Merkantilsachen, Besitsstreitigkelten, Bausaeben, Mfetbstrei-
tigkehea. Die Reihe der besonderen Proiessarten ist nicht ktintef.
£s folgen nach einander: Diffamations- und ProTocationsprosesB
(8. 403 — 408), Aufnahme des Beweises mm ewigen Gediebtniee
(S. 408—410), Injorien-Process (S. 410- 417), flsealisebe ProKeeee
und Untersnebangen (6. 417 — 418), Gonfiseationsprosess (0, 418),
Todeserklürangen (8. 418—438), Blöd- und WafaMinnlgfeeitseikl»-
mögen (8. 423—426), Prodigalitütserklttrang (8. 427*^489), iror-
I mundsebaftliche Prosesse (8. 481—484), Sponsaiien und Eheeaobea
(8. 484^481), Gemeinheitstheilnngen, Ablösungen, Regniirting gat»-
fherrlleh^bänerlicher Verhftkni8se(6.4dl--456), Untertbanen^PfoneMe
XB. 466 f.> Oreni- und Bausachen (8. 457 f.), Paabt- nnd Mietiie«-
atreitigkeiten (8. 458—462), Rechanngssaeben (ßk 4881), SitM^
|deningeny Auseinandersetenngen zwischen Erben, IfiCeigeiithdbevii,
I Caafleoten (8. 464—466) , nnd daran sehlieesen sich öflanttiebe
I Anfgeboie mid Vorladungen verechiedener An (& 466*-4M) und
^«ndHoh das SubhastaHomYerfabren (8. 486—628). Der Verf. ImC
I hd dieser Eintbeilnng sich an die Proeessordniuig ren 1798 giAaK
^len, was bei einigen Gegenständen dabin geführt bat, dass nnr die
[•Bemerkung, dass sie hinfällig geworden oder dem gemeinen Verfafa*
y nn ssgewiesen seien, nebst einigen Nadiwefsungen geaetzlieher Be-
^etimoiungen , Plats gefunden bat. Es folgt darauf der Text der
i Goneareordnnng v. 8. Mai 1855 mit hinangefOgten Anmerkungen
i(8. 528—704). Der dritte Theil (8. 706-751) handelt von dem
I Kosten*, Gebühren- und 8tempdwesen des Oivitpresesses, der rierte
[•TheB (8. 758—770) enthält einen Abdruck eines PrezessgesetzeB
yt. 24. Juli 1849 resp. 30. April 1851, welches einigen vereinzek
r^ebaheaen Landesstüoken bestimmt ist. Des Ganze bietet eine grosse
ilfannigfaltigkeit von Imld umrissartigen, bald abgerissenen Prosessbe*
^Stimmungen dar, denen zuweilen Bestimmungen hincugeffigt sind,
^ie wn Gestaltung der Rechtsverhältnisse gehören, a. B. wann dem
i Abwesenden ein Vormund oder Corator su bestehen, wann der An-
^4rag aof Todeserklärung nnd von wem er gestelh werden kann
l(8. 418 fl) n. dgl., wann die Aufbebnng einer ProdigaTitätserklärang
perwklct werden kann (8. 480) n. s. w. Entwlekelungen der Be-
fÄentnag der prosessuaiiechen Mittel nnd Wkkangen werden nur
^ärllcb gefunden, und treten in nacbhülfebedürftiger Gestalt auf.
So wird a. B. die eigentliche Litispendenz in eine Prävention ein-
Md^det, nnd dahingegen die Begründung der Fortdauer dei' Znstän-
Jfgkeit des Gerichtee die Litispendenz genannt (8. 78. 199).
61t Coraelkui: UeWr di« BiMwf ^er
Dr. 0. T. OorneliuB: üeber die Bildung dtr MalUm mm ibl
einfache EUtnmten. Oder das Problem der MaUrie imi
ihren chemischen und physikalisehen Beeiehungen mü Buekm
auf die sogenannten ImpondercUnlien. Leipzig. Verlag M
OUo Wigand. 1856.
Die Atomuilik, die fast so alt ist wie die philoBopbiscIie Fl
sciiiing überhaupt, ist nicht nur trota aller Weiterachreitnngeo
philosophiachen Speiculation von manchen Philosophen der
Zeit ernstlich wieder aufgenommen und vertheidigt worden,
sie hat lidi auch für die empirische Maturforschung als eine
bare Hypothese erwiesen, von der zur Erlclärung des Details dl
Maturerscheinungen bis auf diesen Tag die vielfältigsten Anwendifl
gen gemacht werden. Hieraus Icann man Beweisgründe dafSr m
nehmen, dass sie eine Vorstellungsweise ist, auf welche die Tli
saehen der Erfahrung sunXchst hindrängen, und welche
gewisser Gkänaen auch dem wirklichen Sachverhalt entsprechen
Nichtsdestoweniger würde man zu weit gehn, wenn man ein
Zttgestftndniss fcnrser Hand dahin ausdehnte, als ob damit allen
die Atomenlehre hinausgehenden spekulativen Versuchen der
gebrochen wäre« Im GegentheU der Begriff des Atoms ist
nnr eine Abschlagszahlung an das Denken, dem man auf Qm
der in der Erfahrung vorkommenden Theilungen des KörpeiMl
zwar aufgibt die Materie bis auf ihre letzten Bestandtheile an ik
len, dem man dabei auch nicht wehrt die Gränzen der
Wahrnehmung und der mecbanich-möglichen Theilung zu fil
ten, dem man aber doch nicht gestatten will bis an das letale
reeller Theilbarkeit zu dem absolut Einfachen, Unausgedehnten,
tuellen vorzudringen, weU man fürchtet oder gar gewiss glaubt,
solches besfisse keine RealitSt, sei geradezu Nichts, und weil
die Verlegenheit vermeiden will, in die man sogleich verwickelt
wenn man aus unausgedehnten raomlosen Wesen die aosg
raumerfüUende Materie rekonstruiren sollte. Gleichwol ist die
lltät, wie befremdlich es auch dem von räumUchen Anschani
stets umdrängten und damit beschäftigten Menschen zuerst vorköiil
men mag, von der Ausdehnung gänzlich unabhängig* Niemaadd
wird es bei näherer Ueberlegung einfallen, die Bealität eines KSrpuj
nach der Grösse des Saumes zu schätzen, den er einnimmt. MM
mand wird anstehn einen Körper, der den zehntausendmiUioostej
Thell eines EubikzoUes einnimmt, für ebenso real zu halten, lÜ
einen andern, welcher einen zehntausendmilllonen Mal grossem Bsni
füllt Nur für das sinnliche Anschauen und Vorstellen macht siii
das am meisten Massenhafte am stärksten geltend, und erscfaeU
das kleiner Werdende als ein mehr und mehr Verschwindende
Djirfte man nun in der Erforschung und Bestimmung des wahikal
Realen das Gebiet des Anschanbaren nicht verlassen, so wäre asd
nicht emmal von Atemen zu reden ^ die so klein sein sollen, i$H
GnmilfMS Ctber die BiMang der MiMi^. 613
i viciit wahrgoioiDiiieD werden kdnnen. Liegt dag^egen eliM 118-
tgang vor, die letzten Bestandtheile der Materie and das wahrhaft
«de fifoerhanpt jenseits der Wahmehmnng an soeben, so bat man
ih auch dem einmal angefangenen Denken konseqnest an üb«r-
Ben, wenn anders man den Weg exakter Forscbnng geho will,
id dies führt schliesslich auf gänzlich unaosgedehnte , pnnktaelle
Fesen: nur diese sind wirklich einfache Elemente und im strengen
kme Untheilbarey Atome. Diese Konsequenz ist schon Iftngst ge*
igen worden, z. B. von Leibniz, der sich dabei anf den einleucb-
pden Gedanken stützt, dass das Zasammengesetzte , als welches
P jedes gegebene materielle Ding darstellt , das Einfache yorans-
Rke. Herbart hat sie in anderer Weise begründet und ihre Folgen
Mckelt. Nach ihm ist nämlich die Realität oder das Sein im
itogmetaphjsischen Sinne nichts anderes, als absolate Setzung
les Was. Würde man ein solches Was als dnrcb den Raum hin
gegossen, als ausgedehnt denken, also dem Qoale des Seienden
Btität beilegen wollen, so wäre das nicht nur ein ganz fremd-
Gedanke, sondern sogar ein solcher, der sich mit der abso-
D, unbedingten Setzung gar nicht verträgt. Denn das Aosge«^
ste, wie unendlich klein es auch gefasst würde, ist ein Vieles,
[jedoch in diesem Falle ein stetiges Ganze, ein Atom sein soll,
den Theilchen desselben würde keiner ohne den andern sein
n, und das Ganze wäre eine Einheit, die ihre Theilchen in sich
nnd sich auf diese vielen bezieht. Man denkt also nur etwas
tiTes and keinen Gegenstand einer absoluten Setzung. Desshalb
idss Seiende im strengen Sinne nichts Ausgedehntes, kein Atom
demokritischer Vorstellungsweise. Bweits haben sich selbst
i[e anerkannte Physiker, wie unser Verf. S. VI berichtet, mit
Gedanken wahrhaft einfacher ausdehnungsloser Elemente be-
Ddet, nur dass die weitere Verbeitung und Anwendung desselben
durch die Meinung aufgebalten wird, als Hesse sich die Ma-
nur aus selbst ausgedehnten Atomen konstruiren. Jedoch längst
Üben wendet man zu diesem Bebufe nicht die nakten Atome in
JMr ursprünglichen Fassong an. Sie könnten nur Sandhaufen ohne
k Kohärenz ergeben. Die wirkliche Materie ist aber mehr , als
k Anelnanderliegen von Theilen ; diese müssen aufeinander warten.
Nn hat sieh desshalb genötbigt gesehen den kleinsten Theilen der
M^e, Bohin auch den Atomen Ansiehungs- und Abstossungskraft
knscbrelben. Ja, diese sind in der naturwissenschaftlichen Be-
■ehtang so sehr zur Hauptsache geworden, dass man die soliden
Rme der Atome zu gar nichts Weiterm braucht, als dass die Kräfte,
pman nicht für etwas Selbständiges gelten lassen mag, nicht In
b Luft schwe1>en, sondern an jenen ihre reellen Stützpunkte, ihre
ihtantiellen Träger haben. Debrigens werden die Eigenschaften
Hr Materie, namentlicb auch ihre Undorchdringlichkeit, auf die Wirk-
Mceit jener Kräfte zurückgeführt Desshalb konnten sogar Kant*s
n
«M CMtttMi IMier dte BU4«flff dei
djMstfMhcrrLfltetf rai der Mfttort« «itte Zett lang BeMunoifif rm
Snüfti if r Katefloraeber erlaogea
*Nm iw>l4l Weo» es oa«h dar gavöbalipbea Denkweise ae^
oMBlIich UAler den Nalurforechern keine SohwiengkeU hat för die
deiaokrilieebeQ (neeh aiMgedehotea) Atome gewiaae RraftTefhältniata
aaauiiehaken» aue denen man efgeatlich allein jetat die EncbeiDung *
dee aMierMleii Daeeina ableitet, ao übertrage man doch -diese Vor^
BteUimgaireise auf die wahrhaft einfaehen anr&amliobea Elemente:
damit vermeidei man den Widerspruch und die petitio prineipii, die
in dem alten Begriffe der Atome Uegen, and behSlt die Mittel in
der Hand, die raumfüliende Materie zu konatruiren. Von vornherein '
betrachtet, kann ein solcher Versudi um so weniger Anstand haben,
als jene Kraftverbältnisae , welche der Wechselwirkung der Atome
au Grunde gelegt werden, nicht ursprünglich durch die Ausdebnuiig
det Atome bedingt sind. Man setae also abaolnt einfhche EZemente,
ttnanagedebote Atome, die anziehend und abstosseod zugleich aaf-
einaader wirken: diesem gegenseitigen Einflüsse gemäss werdea aie
sich' ii> besC&mmtea Absti&nden voneinander au erbalten aneben, nnd
aus den Funkten, worin sie sich befinden, nur durch Ueberwiadaa^
einea bestimmtep Wideititandes vordringt werden können. Sie ww*
dea so eia Glanaes darstellen, das den Raum koatinab-lich erfüllt^
freilich nicht mit absoluter KontlnuitSt, üie ins unendliche theiibar
irttMi welcher Begriff ohnehin der wirklichen Materie nicht entaptielil.
Das sind die Grundgedanken, mittelst deren in vorliegender SchiUI
eine im Weaeatlicben neue Lösung des Problems der Materie var»
suoht ist«
Zuvörderst kann man diese Ansicht als eine physikalisehe Hy*
potbese ansehn und gebrauchen, was §. 0 besprochen ist. Der Ver- i
fasser, obwol selbst Physiker, geht indessen noch ein guten Stüek
weiter. Er suoht die Hypothese auch zu bewahrheitea als nothwasi»
diges Gedankeaerzeugnias, das aus dem Boden der Thataachea
hervorwächst. Wie wichtig bei der Bildung neuer Körper die Var-
schiedenheit der Qualität der sieh verbindenden Bestandtheile ist, m^
dass die quantitativen Verhältnisse davon abhängig zu sein Bchei»«9|
das lehren die chemischen Thatsachen deutlich und bestimmt gaimg^ |
um die denkende Betrachtung von diesem Punkte ausgehn lasaa»;
zu können. Demaufolge wird hier das Entstehen der Kräfte nach;
Herbart'e Vorgang zurückgeführt auf das Verbalten von qaaliudir:
entgegengesetzten einfachen Elementen, die zusammen d. h. üieiü*
ander sind« Dann nämlich werden sie, weil ihre Qualia deakeml;
betrachtet sich gegenseitig vereinen, doch aber ab absolut greaetsAa
oder seiende in Wirklichkeit nicht aufgehoben oder umgewaisdMl
werden können, nicht gleichgültig ineinander verharren, aondam te
Konflikt geratben und dergestalt au gegenseitiger Reaktion r^nOt-
lassen, daas sie sich nun jedes in seiner Qualität wider daa «ndeaai
behaupten, und zugleich, weil jedes durch die Gegenwart des andei»
zur Wirksamkeit herausgefordert ist, ineinander zu halten streben, falla
Coim^iw: UtW dift BIMII0C dir Ibltrif^ fW
Bit ah« tecb irgind «ine UnMh» g^aOlhlgl wSmr nuMliMlidffr
btiautitttreten, eine Tendeas sur Bewognng «o eioaDd« hki, karmai
gegoMoitife Anaiebangikraft habtn. Dergieiebafi Benktio»«»
dar EleiMDte gegeDOtnaodar aisd jedacb selbatventäadtich kataer Stai*^
gerang loa Uneodliebe fSblg, aoodara aia kaban ihr noänrandigaa
Mass, das nicht übersehrittan wardan kaait bt nun dar Gaganaats
zwelar Elamenia A and B geganseitig glaioh, so daas im Fallai
dass sia eosammea aind, jadaa vom andern cum Maximon aataar
Reaktion erregt wird, so würde darch awai A, die mit B aaaamfl»an
wiren, dem letstern eine doppelt so atarke Reaktion sugamutbat ala
es leisten kann. Daher werden die beiden A, indem sich jedes ge^
gen das andere im B an behaupten sucht , gageneinander drängen
uod nach entgegengesetzten Richtungen aua B hinaus verdrängen»
so daaa B oder auch die beiden A gegeneinander eine Repulsion
ausüben. Nach einer solchen Expnlsion mnss indessen die Attrak-
tifkraft swischen den dreien vorzugsweise oder auascbUasslieh wia^
der zar Wirksamkeit kommen: die A werden sich wieder naeh B
zorflckbewegen ; in dem Momente der Vereinigung daseibat aanaa
abermals Repnision eintreten, der wiederum Attraktion folgt u. a. f.|
so daas die beiden A eine oazillatorlsobe Bewegung volU
zieheDi die ihr Zusammen mit B abwechselnd aufhabt und wieder
herstellt. Ist hingegen der Gegensata unter den Elementen sehr
ungleich, so daas eine grössere Vielheit von Elementen ^aar und
derselben Beschaffenheit a erforderlich ist, um ein einaiges B zum
Maximum der Reaktion gegen sie zu bringen, so wird B von den
vielen a umhüllt werden in Form einer Kugel, die sich bald mehr
zusammenzieht, bald mehr ausdehnt, jenachdem die Attraktion oder
die Repulsion das Uebergewicht gewinnt. Diese nmhtillendea Eie*
mente bilden das, was die Naturforscher Aether nennen. Wenn
nun in der angegebenen Weise diejenigen einfachen Elemente, welche
zu einander in starkem, aber gleichen oder doch nicht sehr nnglel**
chen Gegensatze stehn, die Kernpunkte von Aethersphären bilden,
so können deren wiederum mehrere theiiweise ineinander eingreifen,
sich anziehend und abstossend, bis sich ein gewisses Glelehgewioht
des Drängens von aussen und innen hergestellt hat, bei welchem
dann wenigstens die kernbildenden Elemente In bestimmten Abstän-
den voneinander verharren, und so materielle Moleküle oder kleinste
Masaentbeilchen von bestimmter Gestaltung gebildet sind.
Hinsichtlich der genauem Begründung und ausführlichem Ent-
wicklung dieser Hauptsätze muss auf die Schrift seihat verwieaen
werden. Hier mag nur noch bemerkt werden, daaa dar H. Verf.
durch seine Lehre von der osziUatorisoben Bewegung der einfaobaa
Elemente in Folge der Kraftverhältnisse, welche aus ihrem ersten
ZuBammensein hervorgehn, in der Konstruktion der Materie von
Herbart abweicht Dieser lässt sie nämlich aus einer theilweisen
Durchdringung, einem unvollkommnen Zusammen der Elemente ent-
stehen, ein Gedanke, über dessen Widerspruch gar Mancher nicht
616 Natorgafcyehte T»!! Cftebel» BoAiaiui «i
bat kinwegkommen kSnaeo. Allerdlogs tet auch daa fon mnrtii
Yerf. SU Grunde gelegte Prinzip der oszUlatoriBcheD Bewagaag ba-
reits yoti Herbart in der Scbrifi Theoriae de attractione alaai««ta-
rdm principia meUphysica $. 37 (sämmtlicbe Werke IV, 568) be^
rührt worden, aber ohne Benützong zur Seite liegen gelassen. H.
Corneüu« hat es selbständig gefunden, wie es scheint; es gebfibrt
ihm jedenfalls das Verdienst es angewendet und entwickelt, und so
einen Weg gezeigt zu haben, die Bildung der Materie aus einfach«
Elementen ohne die intrikate Vorstellung ihrer theilweisen Dareh-
dringung zu begreifen. Freilich finden wir die Sache noch leichtir
hingestellt, als sie ist Einmai nämlich wird für die Elemente der
leere Raum yorausgesetzt , ohne ein Wort der Rechtfertigang fit
dieses seiende Nichtseiende. Sodann kann man eine eigentliche na*
thematische Entwicklung der neuen Theorie fordern. Gar maaAe
Leser werden freilich dem H. Verf. das Eine oder das Andere gera
schenken, und wahrscheinlich hat er selbst Beides absichtlich tsb
Plane seiner Schrift ausgeschlossen, um den Lesern nicht za nd
zuzumuthen, und ihre Aufmerksamkeit vorerst für die nur begrifflich
entwickelten Grundgedanken zu gewinnen. In dieser Absicht mnsiitt
er auch viel mehr darauf bedacht sein zu zeigen, dass seine 1%eerie
fruchtbare Anwendungen gestattet. Damit beschäftigen sich die spi-
tern Parthien der Schrift. Wir finden da erklärende Bespreobangea
verschiedener chemischer und mechanischer Verhältnisse, des Im«
morphismns und der Isomene, der Elastizität, der verschiednen Aggre-
gatzustände der Materie und vor Allem der Imponderabilien, te
Wirkung in die Ferne sammt der Gravitation. Es Ist unmüglick
hier darüber zu referiren ; nur das muss bemerkt werden, daaa siok
die aufgestellte Theorie überraschend leicht und eng an die Resid»
täte der exakten Naturwissenschaften anschiiesst, ein Umstand, dsi^
wenn irgend einer, geeignet ist, die Theoretiker, die das Gewiehl
der Thatsachen, wie die Empiriker, die das Licht der Theorie ridillg
schätzen, auf diesen Versuch über die Bildung der Materie ans eia»
fachen Elementen hinzuweisen, um ihn einer weitem Untersachasg
und Prüfung zu unterwerfen. SchlUiagk
Darmstadt hei Diehl: Zum Gebrauche beim Unterricht ir.
Schulen und höhern Lehr- Anstalten :
C. 0' Giebel: Lehrbuch der Zoologie {2328. mit 124 exngtdrvA'
ten Holzschnitten).
Herrn. Hoffmann: Lehrbuch der Botanik (251 8. mit 92 JMk
schnitten).
A, Kenngott: Lehrbuch der Mineralogie (184 8. mit 55 naU(9ehmtti&^
Vor uns liegt ein neues Lehrbuch der Natnrgesdiichte , m
ihren drei Haupttheilen gegliedert und für Schulen und höhere Ld^
PaloffMoldohM Ton' GiehtY, Bolbiim a. Keui^tt. 617
AMiftitei bestiiDiDt, eine neue Vermebrang der grossen Zahl dfesem
Zwecke gewidmeter Schriften. Ob es diesem Zwecke besser entspre-
(Slwii wird, ale die andern ? ob dessen Erscheinen mithin gerechtfertigt
Mie? Diess sind Fragen, deren Beantwortang sunScbst von dem
Staadponkte abhängt, weichen man dieser Wissenschaft an den ge-
nannten Lehranstalten catheilt, und über welchen die Ansichten fast
eben so mancbfaltig sind, als die Lehrer, weichen den Unterricht er-
theilen, oder als diese Anstalten selbst. Denn in keinem Lande besteht
unseres Wissens eine allgemeine die Lehranstalten desselben nach
ihrer Terschiedenartigkelt berücksichtigende Vorschrift. Sehr viele
Lehrer haben leider noch immer selbst nie einen naturgeschicfatlichen
Dntwricht nach seinen verschiedenen Verzweigungen, ausser auf
dem Lyceum oder Gjmnasinm, genossen, nie sich selbst-arbeitend,
beobachtend und forschend in der Natur und der Naturgeschichte
umgesehen ; sie ertheilen diesen Unterricht, wenn ihnen derselbe von
der Direktion der Lehranstalt übertragen wird, nach dem nächsten
besten Lehrbuche, das sie auswendig lernen lassen, oder aus wel-
ehern sie Einzelnhciten ausheben und allenfialls in der Schule dikti-
. reo. Diese können keine Liebe su ihrem Lehr-Gegenstande haben
. aod mithin auch keine für denselben beim Schüler erwecken, der
Tieimebr davon abgeschreckt werden muss. Diesen Lehrern ist auch
; durch kein Lehrbuch su helfen. Andere tragen das Heft vor, das
, sie von der Universität mitgebracht haben, und ertheilen mithin einen
' akademischen Unterricht in der Schule, der es an Hilfsmitteln, und
, an Schüler, welchen es an Reife dasu gebricht. Ihr Verfahren ist
, nicht weniger unglücklich, als das der vorigen. Noch andere gehen
' weiter und führen den Schüler in irgend ein wissenschaftliches System
^n, welcher indessen dabei von alle dem nichts lernt, was er im
Leben braucht, obwohl er vieles brauchte, das er nicht lernt I Das
l dringendste aber, was dem Schüler in der Schule noth thut, ist nach
. unserer Meinung 1) beobachten lernen, 2) mit den allgemeinen na-
torgeschichtlichen Erscheinungen im Leben vertraut werden und sie
^ vorkommenden Falls richtig beurtheilen, — wenn die Zelt dazu aus-
^ reldit, auch solche des Auslandes, auf welche man beim Lesen je-
der geographischen und Reise- Beschreibung stösst, und 3) die Na-
turgeschichte und Kennzeichen der fürs praktische Leben wichtigsten
Arten von Naturkörpem. Alles Weitere gehört entweder In Fach-
^ schulen oder auf die Universität. Die Forstschulen , die Landwirth-
sehaftsschulen, die Gewerbs- und die Handels-Schulen, die Bergschu»
len, alle haben besondere Wege der Naturgeschichte weiter zu ver-
* folgen, zu deren allseitig genügender Ausführung die gewöhnliche
Anaahl von Unterrichtsstunden weder an Lyceen und Gymnasien
' noch an Universitäten ausreichen würde. Der ersten jener obigen
Forderungen zu entsprechen, dazu genügt kein Lehrbuch, mag es
^ in seiner Art auch noch so vortrefflich sein ; dazu gehört ein vor-
gebildeter Lehrer, der mit Liebe an seiner Wissenschaft arbeitet, und
" nnaosgesetzt damit fortschreitet, mithin auch nicht mit su vielen
I
6tB NtaifMihigte» rqm Giebel» Bpft»«» ». EtMftlft.
fr#tt4«rtlgen LehrOcheni tUMrbftiift »efa darL Für di« swei
Aufgaben kömitea daua freilich gute I^elirbücber vieioe leiiteni anh
bald ftir alM gewisee AnaaU von SohidaD aiaa gleich« Auahi Tea
LahrflUodea, ein gleicher Iiehrpiao uod eia gleichaa Lebrsel fei^
gaeetst wäce. So lange Oieaa aber der Fall nicht iat und daa Lehr*
buch entweder nur die Ansicht de» Ver/aeaers in dieser Besiehaiig
aoadrüekty oder aber gana verschiedenen Lehranstalten augleieh lu«
sagen soU oder muss, da ist auch in dieser Bedehnng wenig sa
hoffen» iails sieh nicht der Lehrer selbst an hellen und für das Be-
därihiss seiner Anstalt ausreichend au sorgen weiss. Daher komnl
esi daaa die meiaten Lehrbücher — wenn auch des Guten — sa
Tiel geben, indem theils der Verfasser, wenn er nicht selbst Lehrer
an einer entsprechenden Lehranstalt ist, nicht das rechte Maasa i&i
die verfügbare Lehrzeit besitst, theils auch noch beabaicfatigt eis
Werk au liefern» welches über die Schulaeit hinaosraichen uod
somit eigentlich ein aum Nachschlagen und Nachlesen dieneodea
Ebuidbuch werden soll, — ein Zweck, der indessen doch wieder
nur da erreicht wird, wo der Lehrer das Interesse seiner Schüler
ffir den Gegenstand an gewinnen verstanden bat, wo er nlmlich
selbst etwas davon versteht. Derjenige Lehrer, welcher sieh daini
derartiger Lehrbücher bedienen will, muss ausserdem die richtige
Auswahl der Materie ans dem Buche selbst an treffen im Standfi
sein* So sind denn auch die Anforderungen der Lehrer, die Ver-
langen derselben in Besug auf Einrichtung und Umfang der Leh^
bücher überall verschieden, und es ist immerhin gut, wenn eine
grössere Ansahl und Mancbfaltigkeit solcher Schriften zur AnswaU
für die Lehrer vorliegt, mögen sie nun auch nicht alle für all«
passend erscheinen.
Was nun die drei vor uns liegenden Lehrbücher betrifft, so
ist an ihnen empfehlend, dass sie aUe von tüchtigen, mit ihrem Ge-
genstände vollkommen vertrauten, selbstforschenden FacbgelelirteD
herrühren, die auf der Höbe der Wissenschaft stehen, sie vollstfindif
überblicken und sich frei darin bewegen, wenn gleich es vielleicht noch
besser wäre, dass diese Gelehrten alle damit auch die Erfahrung vos
praktischen Schulm£nnern zu verbinden vermöchten« Sie zeicbneo
sich durch einen gleichmässigen Plan und eine klare übersichtliche
und nicht allzu weitläufige Bearbeitung aus, die gerne das Allge-
meinere neben dem Speziellen hervorhebt Sie sind zur ErlSuteronf
des Inhaltes, da wo daa blosse Wort nicht ausreicht, mit einer zweck-
massigen Auswahl vortrefflich ausgeführter Abbildungen zwischen
dem Texte selber versehen. Alle haben ein voUsU&ndiges und reiches
Begister, mit dessen Hilfe der Leser sich alsbald in den Stand ge-
setzt sieht, über eine Menge von Naturkörpem nachzuschlagen und
vorkommenden Falles darüber Belehrung zu suchen. Ihr Preis ift
endlich, wie es bei Schulbüchern nöthig, äusserst billig im Yerbäit-
nisse zu der Ausstattung. In kleineren Einzelnheiten ist ihre Aus^
fUhrung ungleich, wie wir z. B. für zweckmässig eraghtet haben
wirdtli, dait die Aksentnirvig der fremdaD NsnMn üborall tmg^g^F»'
bea «ordra w&ra, dass lOMtclie luis fremdso Spradieti entiehme
KimaftMndriMt (ood dabei Sehreibfebler, wie «Boeefsteak^) ver*
mieden oder dorob deatscbe erseUt wmrden ufftreo, nnd daea sieh
vor alleo eiBe qrsteiDaiiicbe üebereiobi dee Inbalts bettade. In
mancbe Einaelabeiten greitai sie viel weher ein, aia ffir den Bcbul«
Gebraucb anwendbar isl; — dieee mag der Lehrer der apSleren Pd«
valbentitzong Torbehalten.
In eine genane Analyse einaageben dürfte naeb dem im Eiof*
gange Gesagten nutaloe sein, da au vielerlei Aasichteo, voa ver^
schiedenen Standpunkten aus mit gleiehem Recbte, über die £ki»
riciituog geltend gemacbt werden können. Jedenfislls dürfen wir
aber diese Lehrbücher den Lelirern aur Beachtung bei der von ihnen
au treffenden Wahl angelegeatliob empfehlen. Ohne Demonstration
iat freilich kein anregender Unterricht mögUcb, und wir hören Dless
oft als EnCschnldigung oder Einwand von Seiten der Lehrer vor-
bringen. Aber diejenigen Gegenstände, welche am dringeadsten
daau notfa wendig sind, pflegen weder selten noch theuer zu sein}
der Lehrer, welcher sie kennt and auf Exkursionen au beachten
weiss, kann sie sieh meistens leicht verschaffen, und selbst wo kleine
Geldmittel erforderlich, lisst sich leicht so viel ausammenbringen,
um allmiGblich eine passende Sammlung anaulegen. Wir haben mehr«
mais SU sehen Gelegenheit gehabt , dass die Schüler mit Freuden
ia jedem Sebul-Semester einen kleinen Beitrag leisten, wenn es sieb
darum liandelt, ein von dem Lehrer einmal angeregtes Interesse au
befriedigen und net>en dem GedKchtniss auch das Ange zu besekif-
tigen nnd das erste durch das letzte zu erleichtem. Wir zweiflen
daher nicht, dass diese Bücher bei angemessener Benfitaung von
Seiten der Lehrer ihrem Zwecke ganz entsprechen und eine dank«
bare Aufnahme finden werden. H« Cl. Braun«
Xenophon^s Anahasis, wüh ßxplanatory notes, for the uae of
SehooU and Colleges in the nnited statea by James R. Boise,
Professor of Oreek in ihe umversity of Miekigan, WUh Kie-
perts Mapf shomng ihe enlire rouU of the ten thousand and
an iniroducHon io the Anabasis, translaUd from HeriUin. New^
York: D, Appl^Um and Company 346 et 848 Broadway 185f.
XXI und S98 8. in 8.
Wir sweifeln nicht i dass es deufscben Lesern von Interesse
eehi werde, Kenntniss au erhalten von einer Ausgabe der Xeno*
phontei'schen Anabasie, die aus dem fernen Westen, aus Michigan,
efnem der westlieben Staaten Nordamerikas, noch hunderte von
Meilen hinter New- York and der Küste, zu uns gelangt, und
jedenfalls zeigen »kann, wie die classische Bildung, die von Deutsch-
land aus bauptsichlicb stach dem neuen Erdtheile vei|iflanat| dort
020 XeMphoM*i AMkMb by J. BalM.
imaier fesUra» Fom gswlnnt und mnf den d«rt «llerwUi 9kh ar*
hebenden BUdongsanstalien mit allem Eifer und alier SergfaÜ ge*
pflegt wird. Der Herausgeber, Professor der grlecfalechen Spndis
und Literatur an der Universitttt ron Michigan, auf deotaehen Oni*
▼ersitäten selbst gebildet, seigt eine gründUehe, philologische BUdunir»
so wie die genaue Beltanntschaft mit Allem dem, was anf dem Ge-
biete der cÜMsisohen Philologie, und speciell was ttber Xenoplioa
und dessen Anabasis in Deutschland geleistet worden ist; er baU
davon einen Oelnraoch gemacht, wie er den Studien seiner Land**
lente nach der dort üblichen Behandlungsweise der alten Aotorea
erspriesslich und förderlich ist Unter den verschiedenen BeariMtum-
gen der Anabasis ist es insbesondere die sweite Ausgabe von Hert-
lein, die ihm bei der seinigen vorschwebte: und da dieser aweitea
die neueste spftter erschienene Ausgabe Dindorfs (su Oxford 1U53,
namentlich im Texte, sich sehr annMhert, so kann man wohl sagen,
dass der amerikanische Herausgeber, welcher In dem Text, den er
gibt, wesentlich dem von Hertlein in der sweiten Ausgabe (s. diese
Jahrbb. 1856. S. 795) gelieferten folgt, auf die neueste OesUltang
des Textes diejenige Rficksicht genommen, die von einem neaen
Herausgeber dieser Schrift nur immer verlangt werden konnte; a«!
einigen dem Texte folgenden BlSttem sind sogar die Abwelchnngea
dieses (Hertlein'schen) Textes von dem Dindorf sehen (in der Teub-
ner'schen Ausgabe 1851) sorgfältig verseichnet und so ist gewiss
Alles gethan, was man für die Kritik des Textes von einem am^i^
kanischen Herausgeber erwarten konnte, dem keine neuen kritisehen
Hilfsmittel zu Oebote standen, der daher gewiss am besten tbai,
skA an diejenige Recension ansuschliessen , welche als die relativ
beste jetst erscheinen kann. Auch musste Derselbe auf sein ameri-
kanisches Publilcum Rücksicht nehmen, das auf kurse, bestimmt und
mit alier Priicision gefasste Erklärungen des Textes, der emaelnen
Worte sowohl wie der Sachen, mehr Werth legt, als auf kritische
Erörterungen. Dem Texte geht voraus die ins Englische übersetste
Einleitung anr Anabasis aus Hertlein's Ausgabe: der Herausgeber
hatte sich wohl auch überseogt, dass Dasjenige, was überhaupt amr
Einleitung in die Leetüre der Anabasis dem Schüler au wissen nötihi^
ist, nicht, leicht in einer bessern und die Hauptmomente gnt er-
fassenden Darstellung gesagt werden konnte : es liegt darin aueh an-
gleich eine gerechte Anerkennung der Verdienste des deutschen
Herausgebers. Auch die Karte von Kiepert^ welche der Hertlein'sclien
Ausgabe hinzugefügt ist, ward hier in einem säubern Nachstich ge-
liefert Auf den Text und das oben erwähnte Verzeichniss der ^ab-
weichenden Lesearten folgen die „Notes'' S. 227—398. EHese sind
eingerichtet nach dem Bedürftiisse des amerikanischen Unterrichts
und der in den dortigen Schulen üblichen Behandlungsweise der aUen
Autoren. Es sind meist kurze, aber ganz bestimmt und prScis gefasste
Erklttrungen von einzelnen Worten oder SStzen, sie helfen durch An-
gabe der Verbindung und Besiehung der einzelnen Worte zu
XenopliOA'i Awibatfk by J. Böfae. 6»
dar, äbo düMB, wm wir die Straeter des BalMi und den Bau der
Perioden nennen, dem YentSndniBe nach, geben selbst grammatisebe
ErkUUnngen, aber in aller Kurse und mit entsprechender Verwel**
snng anf Köhner's grieehiscbe GrammatilE, d. b. auf die englisdie,
sa Mew-Tofk erscbienene Uebersetanng dieser Grammatik, die sieb
ia den Hftnden aller Scbiiler nnd Studierenden befindet: weitere
Verweisungen auf andere Grammatiken oder Werke Sbnlidber Art
■ad eben so weggefallen, wie alle die Gltate aof grössere Werke,
die doch nielit in den Blinden Deijenigen sich befinden, welche die
Attsgabe gebrauchen and für die sie zunächst bestnnmt ist; nur
eiaaelne Verweisungen auf Stellen des Xenophon, selten auch anf
aadere Schriftsteller wie a. B. Herodot, kommen hier und dort vor.
Aach die sachlichen Punkte, die einer Erklärung bedürfen, die ge*
sehichtlichen wie insbesondere die geographischen, werden eben so
befriedigend lerörtert: der Herausgeber hielt sich insbesondere an
das, was Hertlein's Ausgabe durch Kiepert's Mitwirkung bietet: er
spricht sich in dieser Hinsicht geradeau dahin aus: „thus we have
in Hertlein's edition unqnestionabljr the most complete and accurate
geegr^hical eommentary, which has ever been published with a
sekeol edition of the Anabasis. ^ Ueberhanpt hat der Herausgeber
auch m den übrigen Theiien der Erklärung von dem, was seine
Voigäiiger bieten, denjenigen Gebrauch gemacht, den seine Zwecke
snnächst mit sich brachten; er ist übrigens hier mit derjenigen
Seibstlodigkeit und Freiheit Terfahreu, die ohne die fremde Quelle
ia Abrede zu stellen, doch in der Art und Weise der Benutzung
derselben sich bald erkeunen und würdigen Ifisst, eben weil sie auf
eigenen gründlichen Studien und einen darauf gestützten sichern Takt
in der Behandlung des Einzelnen beruht ; nur Eines fand der Heraus-
geber in dieser Hinsicht zu bemerken für nöthig: dass nemlich die
classiseben Schulen seines Vaterlandes noch in Manchem den Schu-
len Deutschlands nachstehen^ daher manche Erklärungen mehr ele-
mentarischer Art oftmals nöthig geworden sind in einem für ameri-
kanisdie Schulen bestimmten Werke: er bittet diesen Gesichtspunkt
nicht ans den Augen zu verlieren bei der Beurtheilung seiner AuB^
gäbe, lunächst der Anmerkungen, wie wir diess auch schon oben
bemerkt haben ; zunäcltst mochte der Verfasser hier an manche Be*-
me^ungen denken, welche sich auf die Bestimmung einzelner gram-
matiscber Formeln oder Regeln beziehen, üebrigens ist man auch
in Deutschland in diesem Punkte zum Theil anderer Ansicht; man
hat den frühem Standpunkt, der für die Schule und deren Gebrauch
nur blosse Texte yerlangte, verlassen und will jetzt Ausgaben mit
Noten, die für diesen Zweck eingerichtet sind und dem Lehrer sein
Amt erldclitem, den Schüler aber zugleich weiter fördern. Ob aber
dieser Zweck wirklich erreicht wird, wollen wir dahin gestellt Sein
lassen; wir wollen nur darauf aufmerksam madien, wie schwer es
sein wird, hier das richtige Maass zu treffen oder den richtigen
Mneasslab, in Besu^ auf das zp Viel oder an W^jf eben so sehr
m UtoitmbtrfahN mit
wfo in Beug auf A» Fimg« wm In dan NoftaB hihiiiiilf werin
woüj and was niebt, ansnlagaai dam aobjaatiraB EimaMen -^ den
fieMf an Takt dai Haraaagebara wird man liier am Ende doeh dai
Jffaisto ID Hberlamen haben: aiaa naIiirUehe Folge davon kt dann
iraillcb eine ftwiaee Ungleichbeit, wie eie aleb dann aoeh in derer*
iiC^n, in Deatsehland veraostaltelen Unteniehmangen knnd gibt In
diesen ameilkanieehen Sehalanegaben^ die dnreh die Nothwendigkeü
dea Bedarfee beryorgenifen sind, ttellc eicb die Baebe anden: bler
liegen bestimmtere Oeeiebtspnnkte vor, die ein gescliiekter Heraaa-
geber au beaebten bat nnd, wie wir diem von der vorliegeBdan
Aasgabe wobl sagen dürfen, aucb an beaebten verstanden bat, «m
nein Werk an einem nätalleheDy den elassiscben Unterriebt nnd die dna<>
siscben Stadien seines Vaterlandes wabrbaft fördernden, wie wir diaee
hoffen und wünschen, aa machen. Zwednnfissig sind auch die kör-
nen, jedem Bneb nnd jedem Capital in den Noten vorgesetsten üa-
baltsangaben, weil sie die Ueberslebt des Qaaaen wesentlich erleiab*
ien. Die typographische Anaüttbrung ist voraügücb an neimnB^
mid gibt den besten deutaeben Abdrüeken l^iabts naefa; die griechi**
achan bei dem Texte angewendeten Lettern aind awar nicht
gveas, aber desto deutUeher nnd das Anga nngemein
die Lettern in den Anmorkongen aind noch kleiner , aber sin
steh dach ao gnt und sind so dentlieh nnd coirect,
fem bei der Leetüre verwelit
Literntarberichte aru9 Italien«
Die €ei«hicbte dea Lombardifchen Mdte^^aades, dicfSi Cbr Deabddaad
«e widitigea Zeit«lMohniMe#, iil von einem Gdehrtsn in Savona eut etno «elw :
beaehteMwerthe Weise dargeüelll worden, nämlieii von dem ifflri|tr|riirtigrfcna
SiasdiHinkle« wn^ biiker in iltUeniseJier fi^reebe selten der Fall war; w«W
■ngleich die Gründung der Siadi Alemandria und deren Sokiekaale in Yeriar-
grand geslellft werdea sind*
AUisandria e ta lega Lomharäa, di l^iccoh Ceuwe Üarofu. Tarino 1856,
CasuMtako,
Ea iat dieses Bach ein Zeichen der Seit in Icaiiett nnd anob ftkr
laad nicbl onbedeatend. Wai abar besonders die GiUadnng der 8la4l
seadria betriifl, an deren besserer Vertheidifnng hi dem Kdnfgfeiehe Sarifaisa
jetzt vea dlea gelten Italiens Beitrage eiaffeben, so können wir ein naehasoas
enehBiaendes VTark ankttadigeD, weiebea diese Stadt betrifft. Die Gceellsehidt
rar fleransgabe TateriSadisefaer GesobicbtsqBeUea des Keaigreiebs Saidhden fisis
iMiillMi «!«• Cbr^nik ^m Atotsimdrii iMmiM, -wvleh« der itelekrie Graf fmi-
it9f1ioiie, 4tt SecTDlafr dieser GeseÜMlitflt, eisleitet Onf Gerrere dl PdAtt-
fKoB« I« TvrfD iü elser der refclifleii Yemelimeii dfewr Stade, w«le1ie fttr
die Wisienscfaaft leben, Hiebt Ten denelben; tondem ihr freiee Opfer brhi|^, ^....^
wit die Herenegtbe def Urkanden-Scbtliea fai der LebewbetehreibuBf einei \.
seiner Vorfsbren beweist: \
DsÜn ttl0 e dsi Umipi di Mmngnor Cr. Ftrrtro^FmiaiflUom^ di G, AdriamL T»-
fMO 1856, Tip. RiboUa, foL
Von der Art, wie der jetsige Graf Ponsiglione die Jateiniscbe Spnebe xq be-
bandeltt rerstebt, sei|(t seine Biofraphie des felebrten Grafen Cisar Salosso,
des ebemaligen Prüstdenten der oben erwAbnIen GesellscbafI der raterUnd^
adien Gescbicbtdcnnde:
He Cdiore SahtHo commmiarmM VmeeniU Perreri PonmUom, eomUU Bmrgi
JJmm», Au§, TfwrtNor. iSSß. tat öffiema regio.
Dieser gelebrle GonTemear der Tnriner Milttair-Acadeniie, ans dem vAeb*
tigen Gescbleebte der Markgrafen reo Salnno, Sobn eines eben se gelebrtep
Taten, verdiente einen Biograpben su finden, der die lateiniscbe Spraebe mit
solcher Slegann nn sebreibeo rerstebft, ak der niebi minder gelehrte Verfasaer,
welcher sich als Secretair der Gesellschaft xnr Hennsgabe der raterlAndischen
Gescfaichtsquellen Terdient macht, deren PrAsident der Mafigraf Salnsse war»
dessen Leben hier Torliegt, nach dessen im Jahre 1863 erfolgten Tod der
dnrch seine Gesddchte des ROm. Rechts bis aof die neue Zeit und andere ge-
schichtliche Arbeiten rühmlichst bekannte Graf Sclopis diese Stelle einnahm.
Die bbher nngedrockten Schritten Yon MaeebiaTelli sind jettt an Ftoreni
erschienen, welche den Ar die Geschichte jener Stadt so wichtigen Zeitab*
■dmftt Ton 1499 bis 1513 umfassen.
Seriell inedili di Niccolo MacckiatelUf riiguardtmH la Uoria e la iwlma da (7tu*
Seppe Canettrdli, Firenu 1857, freuQ Barhera.
XacrtiarelK war damals Secretair der Zehn-MAnner, welche die UnabbAnglg»
keit dieses Freistaata rertheidigten ; die ▼oifiegenden ActansMeke sind dem
Stants^Archire entnommen, welches sich bekanntlich in Terlreffliehem Stande
befindet Der Henmsgeber Crescentias hat eine sehr veidienslvoHe geiehlebl»
liebe fiSnleitnng nnd viele erlAnterade Anmeilningen beigefügt» Bier finden
sich znvorderst 38 Briefe und Befehle an die UnterbehOrden nnd BeAeblshüir
in dem Kriege, welchen Plorens, von wo Peter von Medici vertrieben worden
^'^^i K^g^^ ^^n Heraog von Valentino, den Sohn des Pabstes Alezander VI.
an fähren hatte. In den Ausgaben von den Werken Maccbiavelli's Boden sich
nnr BmehstttckA diener Correspondens nntar dem Tüei: Commismoon a Aresso«
weiche Stadt damals nehst dem Vol dl Chiana gegen Floreos im Aafstnnde be>-
griifen war. Bben so vervoIlstAndigt dsr Absehnilt Aber die Sxpeditio» Mbpb
Pisa von 1490 nnd 1504—5 die bisher bekannten Briefe in den Cesammt»
ausgii1>en von VacchiavellTs Schriften. Die andern ftal. StAdte beklagten die
damaligen Verhiiltnisse Italiens, wo die mAchtigen Borghias, die Fran-
zosen nnd Spanier, einzelne Fttnten nnd Lehnsherren, so wie die verschie*
eU XiMnlurbariditd tOi Ittlieii.
deiieQ Bandanftkhrer, Condottieri, otpiUtni di rtntvn, IhUm
du« FloresE sicli lelbft Teriheidiife« nranle. Datier d(e hier nili^elhetke Or-
Ctniaation de« Florendniiehen Heeres «ehr wiektiif i«t, und beweusi, wie en
ISHter Soldat MaecbiaTelli und jeder «einer Mitbllrifer war.
Die Kirchenfefchichte i«t durch eine Geachiehte de« Biathoma Ton Niiia
bereichert worden:
£tf 8tde «etcDai/e di Num, il capiioh^ la eatudraie^ noütie siorieke d/d JVaR^i
EM§mio fifiMMUie/. Nivta 1856. Tip. (kuitm.
Nach dem Verfasser ist der erste bekannte Bischof su Nizta der heilige Basie
im Jahre 250 gewesen, obwohl Godena ia seinem Werke Ober die Cathedralen
Enropas von einem hiesigen Bischöfe aus dem Jahre 170 spricht. Der Pab«l
hat sechs hiesigen Bischöfen Altftre su errichten verstattet. Der erste ist der
erwithnte heilige Basso, femer der heilige Ponsio im Jahre 260, Valerio 433»
Valeriano 443, Duterio 490 und Siagrio 777, welcher Heilige fUr eiaen Vetter
von Carl dem Grossen gehalten wird, welcher übrigens auch seinen Aller
als Heiliger hat. Die Bischöfe von Nizza fahren den Titel: Grafen voa
Droppo, da ihnen 1073 diese Grafschaft geschenkt wurde. Die Dosherrea
waren von 1137 an MOnche vom Augustiner Orden, denen Innocenz II. nsch
einer vom Verfasser mitgetheilten Urkunde besondere Vorrechte verlieh.
Ein treffliches Vl^erk ist das Handbuch des ersten Jahrhunderte der ita-
lienischen Literatur:
Mmuale della UUeratura del ffritno iecdo deUa lingua JtalimM dai IVo/ess. Fm-
seiuo Nammcci IL VoU. Firenn i856. Tip. Barbara.
Die Zeit unsere« grossen Hohenstaufen und «eine« Hofe« bezeichnet den An*
faiig dieser Sprache und Literatur mit Ciullo d' Alcamo und Pier delle Vignc,
und schliesst dies Werk mit Divo Gompagni, indem von allen hier anfo-
führten Dichtem AuszUge mitgetheilt werden. Diese Arbeit erfreut sich einei
bedeutenden Rufes in Italien, und ist dies schon die zweite Auflage.
So selten die Franzosen deutsche Werke einer Uebersetzung wtkrdigen,
obwohl ihre Gelehrten sie zu würdigen wissen, so hftullg werden in Italtea
dentsche Werke übersetzt. Während der bekannte Uebersetzer von Dnller's
Deutscher Geschiehte, Herr Sandrini, mit der Uebersetzung von MoauBsoa'a Rfl*
mi«eher Geechichte in Turin beechäftigt i«t, erscheint bereits der Anfang dei
Zimmermann'schen Werkes*) über die Erde vor der Erschaffung des Hen«chea
lurter dem Titel:
li Mondo primo della creatione ddT UomOf dd celebrc sctetUKUo DoUort Zmumr'
numn. Torino 1857, Stamp. deUa Gatella di popolo.
Die« Werk «oll in 82 Lieferangen mit 230 Abbildungen fortgeeetol werdea.
Aneh da« Ertenen der deut«chen Sprache nimmt in Turin dergeatalt zn, da«
«ich die dentoche Buchhandhing de« Herrn Hohmana erhalten kann.
*) Eine« übrigen« wenig empfehlen«werthen Buche«, mit dem die dentfche
Wissenschaft keinen Ruhm in Italien einerndten wird.
C8Mm$ fdgt.)
Ir. 40l HEIDELBERGER lOT.
JAHRBOGHBR der. LITERAT OL
Literaturberichte aus Italien.
(ScUussO
Der gelehrt« Ant RiUer Trompee su Tarin, Mitglied der Academie der
Nttarfortcber su Breslan, hat in diesen Taigen eine Abhandlung ttber die Noth-
wendtfkeit, den lopoin^phischen Einfloss auf den GesnndheiUinatand in er*
feraefaen, heransgegeben«
Sa^ suW uHlUä degli shtdi ddle cosUtiuiam medicke, Toritio 1857. preao
FavaLt,
Der Verfaifer hat die« hanptsAchlich aoä den VerhAltnifaen der Prorins Biella
oachgewieaen, wo er empfiehlt, auf die achldliche Bewüsaernng der Reisfelder
und auf die Nothwendigkeit Bäume su pflanten, ca wirken, indem er bemerkt,
daas Rom nach Plinius (XX) Jahre lang ohne Aerste, aber nieht ohne Gesetie
war, welche auf den Gesundheitssnstand Rücksicht nahmen.
Es ist wohl eine seltene Erscheinung, dass ein Minisler-Prftsident sngleich
bedeutender Schriftsteller im Fache der Staats- Wissenschaften ist Dies ist der
Fall mit dem Grafen Cavour im Königreiche Sardinien. In dem rierten jettt
eben erschienenen Theile seiner
O^ere po/Mco-economtche deil Conu CamiUo Bmto M Caooiir, Vol. IV, Cmteo
i856. Tip. GolimberH
befinden sich mehrere seiner im Parlamente ttber die betreffenden Gegenstfinde
gehaltenen Reden, s. B. ttber Straf- Gesetsgebung, aber den Handelsvertrag mit
Frankreich, ttber eine transatlantische SchilFrahrt-Geiellscbaft u. s. w. Er ist
ein wahrhaft constitutioneller Minister.
Eine der sorgftlltigsten Monographien, welche die Liebe sur Wissenschaft
den reichen Verehrern derselben verdankt, ist die Geschichte der kleinen Stadt
Castiglione, unfern des Garda-Sees:
Sloria di Coiiiglione delle JUviere toUo il dmninio dei Oanaaga^ da Bariohm,
Arrighi. MatUora 1856. Ttp. TiegrelU. 11 Vol.
Diese Local-Gescbichte entbftlt sngleich Forschungen ttber die Familie der
Gonzaga, die der Verfasser nach Peter Diaconus Ton dem Longobarden-Konige
Agilmnnd aus dem Geschlechte der Gonginger herleitet, das sich in Mantna
festseUte.
Der Generalstab des Königreichs Sardinien hat fttr die Gesammt-^Verwal-
tang ein sehr nttttliehes Werk herausgegeben, nimlieh ein genaues Entfern
nongs-Veraeichniss aller Gemeinden, Cantone, Prorinsen und Abtheilungs-
Banptorte von einander, unter dem Titel:
lüaerorto generaU degU Haii di S. M. Sarda^ ad U90 degli amminithxuiotiii ei-
9iÜ s mUiiari. Torino 1857. pr. 4. 509 S.
L. Jahrg. 8. Heft. 40
00 litenlDrbeiichte «w Italfon.
Dies mit Tielen Karten und Tabellen Terschene Werk enthtlt die genaue
Vermeasunn^'der Entfernungen, welehe die Verwaltunifs-Behörden in allen ani-
Hchen VerbSltnissen nOthig haben, wozu ^ auch die Harsch- Etappen des Hill-
tMff falMipeB. Daa leate Land dieaea KoniffreMlia ia4 in 39 Provinsea ge-
theilt, welche 4,308,975 Einwohner Kühlen, von denen die fpröaste, Törin,
411,000, Genua 285,000, die roeiaten tkber 100,000, manche aber auch weniger
Einwohner zählen, z. B. die in den Hochalpen gelegenen Promaen bia
35,000 herab. Die Insel Sardinien zählte nach den neuesten Ermittelungen
647,112 und die Inael Capraja 750 Etnw« Zugleich findet man hier den Fort-
gaag d«r Eiaenbahnen, welche ungeachtet der grOsaten Schwierigkeiten dies
tteflniche Land durchachneiden. Die grOsate Linie ist die von Tarin «ach
Genua, von 20 Heilen Lftnge, mit dem grOssten Tunnel in Europa, we die
Apenninen | Heile lang durchbrochen wurden, so dass man jetzt vom Hitlel-
meer an den Lago Uaggiore in 6 Stunden gelaugt, indem man. Torin links
lassend, von Alessandria nach Arona gelangt, wo sich bereits die am Bodea-
see durch die Schweia geführte Eisenbahn ftber Cbur nfthert. Die Ge-
nauigkeit dieses Werkes wird sehr gerühmt, so wie überhaupt die Genend-
Slabs-Offiziere des Sardinisehen Heeres sehr geachtet werden. Ea gehOraa
dazu die beiden gelehrten Professoren Menabrea und Ricotti, ersterer nia Är-
chitect und Hathematiker, der andere als Historiker rObmliohst hekanni.
Unter den vielfaehen Schriften, welche die gegen w Artigen Verhftltnijw
Italiens behandein, verdient eine beaondere Aufmerksamkeit daa nsebgeUineac
Werk von Livie Hariani, welcher einer der Triomvirn der Römischen RepsblOt
war, welche die Revolution von 1848 hervorrieft
Hkdia pombile^ eonsiderawme storieth-foUliei di Lteta MurianL Torino 1857.
Tip. Biancardi.
Mach dpm langeq Widerstände, welchen die Rümer auf eine Uberrascheada
Weise den^ franzüsischen Heere entgegensetzten, dem sie natürlich unterlieget
mussten, wanderte der Verfasser nach Athen aus, von wo sein Freund Mor-
andi nach dem am 22. Juli 1855 erfolgten Tode dea Verfassers die Handsdirift
an den Neapolitanischen Gelehrten Giuseppe del Re schickte, welcher dea
Draek beaufsichtigte, indem auch er als Verbannter in Turin lebt« Ea iat dies
derselbe, dem wir die trelTliche Reise von Neapel nach Castellamare rer-
danken, in welcher beinahe bei jedem Schritte auf die Erinnerungen an das
claasische Alterthum auftnerksam gemacht wird, mit dem er nach den überall
angeführten Stellen in hohem Grade vertraut ist. Der Verfasser diesea Werkes,
heurtheilt die verschiedenen Verhältnisse, unter denen das Schicksal Italiens
eine befriedigende Lüsung finden kann, nnd seigt^die Fehler, die in dieaer
Beaiehung vor Allem gemacht worden.
Wie sehr der Canal von Suez für Italien wichtig ist, kann man aas der
sehr rälah ausgestatteten Uebersetaung des Lessepschen Werkes Über dieaea
Gegenstand entaehment
Aperhtra e canaliiMiione delV htmo di Sue% deU Ferd. de Lesseps, traätaionm M
Prof. ügo Calindri. Torino 1856. Stamperia deU tmione tipagraf. 508 Se
mit Plänen.
Lileratorbericbte aoB Italioii. 6^7
Die lUiHener ahnen, daia die unmittelbare Verbindan; des Mttteliiieerea
mit Ostindien fUr ihr Vaterland von höchster Wichtigkeit ist« Die Italiener
waren unsere Lehrer in der SchiflTahrtskunde ; ihre Seefahrer, ihre Kaufleute
waren Helden, Gelehrte, Erfinder, Entdecker. Wenn erst dieser Weg geOffnel
srin wird, dann werden die Hafen Italiens aufs neue au boheoi Glans kommen,
der jetzt schon durch die von dem strebsamen Geiste der Genueser eröffnete
onniittelbare Verbindung mit Brasilien sich in den letzten Jahren sehr gehoben
hat und noch mehr zunehmen wird, wenn erst die Eiaenbahn vom Bodenaee
nach Chur beendet sein wird; denn dann wird Genua alle andere Häfep
des Mittelmeeres überragen, da das Herz von Deutschland auf dem kürzesten
Wege erreicht wird. Selbst Hamburg hat zu - fürchten ; denn Vs ^^^ Jahres
beiaahe ist dort die Schifffahrt gehemmt.
Diese Verbindung deB Mittelländischen Meeres mit dem Rothen Meere hat
10 dem Königreiche Sardinien einen so bedeutenden Anklang gefunden, dasa
diesem Unternehmen eine eigne Zeitschrift gewidmet ist:
BolUiino del hhno di Sua. Torino 1856 Vol. /., 1857 Vd. IL Tip. dell uniane.
Seit dem Juli 1856 bis zum Februar 1857 sind bereits 14 Hefte dieses mit
vielen Planen reich auagestatteten Werkes erschienen, das Ton dem Herrn
Hugo Calindri hernnsgegeben wird, wozu ihn der geistreiche Reisende, ge-
lehrte Professor, Ritter Baruffi zu Turin aufgefordert hat, der mit den aegyp-
tischen Verhältnissen wohl bekannt, sich für alles Gemeinn&tzliche lebhaft be-
getsterU Hier findet man den Firmen des Vice-Konigs von Aegypten, welcher
dieses Unternehmen bestätigt, Vorschlage zur Verbessernng der Hafen im
Adriatischen Meere zur bessern Benutzung der Verbindung mit Egypten, von
dem Minister der Staatsbauten, Paleocopa zu Turin, die Verfügung zur Aus-
baunng des Hafens von Genua durch den Ministerpräsidenten Graf Cavoor
veranlasst; die Berichte und Verhandlungen der Pariser Commission zum Behuf
dieses Canals, die dieserhalb gemachten Forschungen der englisehen, hollän-
dischen nnd andern Regierungen. Hierher einschlagende Aufsätze von Scara«
helli, Boccarda, Harkgraf v. Brlgnole, Pareto und viele andere. Besonders beach-
tenswerth ist die Rede, welche der obenerwähnte Baruffi über diesen Gegenstand
gehalten am 3. September 1856 in dem wissenschaftlichen Congresse, der für
Prankreich zu Rochelle abgehalten wurde, ferner die Bemerkungen des ge-
lehrten Generals Grafen della Marmore, der in Deutschland durch seine treff-
liehen Arbeiten über Sardinien rühmlichst bekannt ist; ferner über die Eisen-
bahnen im Piemontesischen von Intendonata ; endlich sehr viele Abhandlungen
Über die Zustände Aegyptens, über die Handels-Verbältnisse und die Meinungen
anderer Volker über dieses Unternehmen.
Die Theilnahme des Königreichs Sardinien an dem letzten Kriege gegen
Rossland hat ein grosseres Werk von einem Ungenannten hervorgerufen,
Welches naeh den Zeitungsberichten diese Zeit nicht vollständig dargestellt
hat, ohne gerade auf einen hohern Werth Anspruch zu machen.
U PiemorUe nella lega Occidenttde commeniarü. Torino 1856, Tip.
Den Anfang dieses Werkes macht die Sendung des Fürsten Menscbifcoff im J. 1853»
nnd so schreitet der erste Band bis zu den Ereignissen im h 1854 im schwar-
ten Meere und in der Ostsee fort* Erfreulich iat ea fikr nna Devischei daai
t26 Literatarberichte mu tulieii.
in diesem Werke des Preosseii Brück aoi Elberfeld mit aller AnerkemiiiBf
Ifedacht wird, welcher aeinem Vaterlande aohohe Ehre macht, aber aach der
Oeiterreichiachen Regierung, welche es y erstanden hat, einen aoleben hock-
begabten Mann auf die rechte Stelle su setten, was in manchem andern Lande
fBr unmöglich gehalten worden wire.
Auch tu einer sehr wichtigen rechtlichen Erörterung hat dieser Kricf
Yeranlassnng gegeben, worüber der bekannte Rechtsgelehrte Maneini in Taria
•ine sehr gelehrte Abhandlung herausgegeben hat:
Raggionamenio pei Süftiori Frateüi Ro$d di Gmota amlra il CapUamo mmiuimt
ÄugusHno Maggiolo, ManU in woprtma Corte di Cossafiofie. Tortao i8SI.
Tip, Fwöole, in 4.
Der Fall war folgender: Das Haus Rossi in Genua miethete daa Schiff
des Haggiolo, um in Kertach eine Ladung Getreide einzunehmeD, um sie aich
Genua au bringen. Als der letzte im schwarzen Heere ankommt, findet er
den Krieg ausgebrochen und die Ladung unmöglich; er verlangt daher die
Fracht von Rossi* Dergleichen Prozesse waren bisher in Livorao, Neapel aad
Marseille verschieden abgeurtheilt worden.
IL
Einer der vornehmen Liebhaber der Gelehrsamkeit in Italieo, der Fttit
Baldassare Boncampagni entdeckte in der Bibliotheca Ambrosiana tu Hailaad
angedruckte Werke des berühmten Mathematikers Leonardo Pisano ans des
13. Jahrhundert, welche er bekannt gemacht hat, und wovon eben die I
Auflage erschienen ist:
Ojpvsco/t a Leonardo Pitano, publicaH da BaUassare Boneampof/ni secondä k
leaione di un codice deiia inblioleca AmbroMiana di Miiano, Firetne i856'
Tip, CMmU,
Der Herausgeber hat dabei über die vorhandeoen anderweitigen Handschriftea
dieses in der Algebra sehr erfahrenen Gelehrten Nachricht gegeben und nach-
gewiesen, dass ein Theil dieser Schriften dem Kaiser Friedrich H. gewidnel
worden, als sich derselbe in Pisa aufhielt. Mit vieler Sorgfalt hat der Henut-
geber das Jahr festgestellt, wo dies der Fall war, und Nachricht über des
Leben und die anderweitigen Schriften dieses Pisaners gegeben, dessen Lebei
von Filippo Villani beschrieben worden, wovon eine Handschrift in der Ber-
berinischen Bibliothek zu Rom sich befindet. Hierbei bat der gelehrte Herasf-
geber eine Menge Nachrichten über die Geschichte der Arithmetik und der
Algebra gesammelt und es ist zu bewundern, welche Menge von Bibliotbekea,
Handschriften und Werken der verschiedenen Zeiten er dazu zu benutzeu ge-
wusst hat; so ist das grössere Werk desselben Fürsten Boncampagni, wdcbei
er über diesen Mathematiker noch besonders herausgegeben bat, den Gelehrtea
gewiss willkommen: „Intorno ad alcune opere di Leonardo Pisano, lat-
tematico del secolo dezimoterzo, Notitie raccolti da B. BoncampagnL Roatt
1854. con facsimile. 8. VUl und 409 Seiten.
Ein sehr gelehrtes Werk, freilich nur für ein kleines Publikum, wolfoa
Wir nur kurz erwfthnon, nftmlich eine Grammatik der Sanscrit-Spnche;
Llterttarb«riehl0 am Ttalien, 639
OrmmuUiea Santeriia di QUmanni flecekitL Torino 1856, frtuo MorieU.
Herr Flecchia bat diese Sprache beaondert nach den deuUchen Kennem der-
telben (^'ündlich erlernt, und sein Werk erfreut sich des Beifalls der wenif^en
Kenner dieser Sprache. Er ist in Turin als Professor des Sanscrit anirestellt,
nchdem Herr Gorresio, der bekannte Professor der orientalischen Sprache, von
dort nach Paris übergesiedelt ist, um das berühmte Gedicht Ramayana auf
Kosten der Sardinischen Rei^ierung herauszugeben« Der Text in der Ursprache
omfasst 5 Bände, unter dem Titel:
Aamayafuf, poema indkmo di Vaimici, per 0. Gorresio. ParigL
Die Uebersetxun(p in 4 Bttnden ist bereits bis zum 3. ausgegeben.
Ein merkwürdiges geschichtlich-geographisches Worterbnch ist vor kurzem
io Turin erschienen; nimlich ein alphabetisches Verzeiehniss aller Gemeinden
io Italien:
Vnionario generale dei cotnuni ^Ilalia, per G. MartoroA, Torino 1856.
Dies kleine und sehr enggedruckte Wörterbuch verdient eine besondere Er-
Ilatemng. Es soll dasselbe keins der gewöhnlichen Stidte- nnd Dorfer-Ver-
leichnisse sein, welche man in allen Lflndem findet, sondern ein Verzeiehniss
tiler Orte, welche ein selbststündiges Gemetndewesen besitzen. Wir sind in
einem grossen Theile von Deutschland auch gar nicht daran gewohnt, jedes
Dorf als eine Gemeinde, oder zu einer Gemeinde gehörig anzusehen, sondern
stnil cum Theil mit dem Gedanken daran aufgewachsen, dass jedes Dorf seinen
leidigen Herrn hat, und der Patrimonialherr die Gemeinde ist, wie Ludwig XIV.
sagte: La France c*est moi ! Der Italiener erklärt das Wesen dieses Buehec
folgendermassen : Die classischen Volker waren vorzugsweise Städte-Bewohner,
welche sich als ein Monicipium selbst verwalteten; die Umgebungen der Städte
waren mit Zubehör desselben Gemeindewesens, das seine Gonsnin, Proconsnin,
Prätoren, Adilen, Decnrionen n. s, w. beibehielt, als die nordischen Barbaren
das Romische Reich zerstört hatten. Wenn diese auch auf den festen Burgen
ticb gegen das eroberte Volk schützten und in ihren Umgebungen die soge-
nannten Rechte des Lehnwesens ausübten, welche oft viel drückender waren,
als es die heidnische Sciaverei gewesen, so wurden doch bald die Staut-Ge-
aieinden so mächtig, dass deren tapfere Bürger die RaubscblOsser brachen nnd
mitunter die stolzen Burgherren zwangen, Bürger zu werden, wie dies die
Geschichte der Stadt Cherasco beweisst, und der Hnth einer Bäuerin, welche
ihre Unschuld mit dem Dolche vertheidigte. Wo im Laufe der Zeit eine
Anzahl Häuser entstanden war, bildeten sich neue Gemeinden, ohne Unter*
schied, ob Stadt- oder Land-Gemeinden, und die nicht zerstörten Burgen
wurden dazu gezogen, da nur wenige der kaiserlichen Beamten in Italien sich
zu Landesherren machen konnten, während dies in Deutschland sich anders
gestaltete. Auf diese Weise ist ganz Italien in selbstständige Gemeindewesen
vertheilt, die hier namentlich aufgeführt sind. Selbst dergleichen von 300 Ein-
wohnern bestehen als solche; die zn einer Gemeinde gehörenden kleinem
Dorfer heissen Borgate«
tJO Literathriiericit« «ni Italien.
Die Gemeinde-Ordnung, gewöhnlich Stataten genannt, nach denen
Vorfahren ihr Gemeindewesen ordneten, sind grOsstentheils in dem Streben
des Generalisircns unterg^egangen, welches eu den Codificationen der Neuzeit
führte. Darnach haben diese Statuten einen bedeutenden geschichtlichen Werth
und die Gesellschaft zur Heraus|;abe der vaterlandischen Geschlchts-Quellea
für das Königreich Sardinien hat einen Band der Monumenta historiae patriae
einer aolchen Sammlung von Stadtrechten gewidmet, damit aber nicht fort-
gefahren, weil man fand, dass viele derselben ziemlich gleichen Inhalts waren.
Doch hat man andererseits den hohen Werth solcher Urkunden fttr die Ge-
schichte anerkannt und Professor Bonaioi in Pisa bat sich einen bedeulenilen
Rnf durch die Heransgabe der Statuten jener Stadt erworben, so wie Herr
Angelo Pezzana durch die von Parma und Piazenza. Es ist daher ein iriUck*
Heber Gedanke des Herrn Advocaten Boilati, Secretair des Staata-Rallis za
Turin, dass er sich mit mehreren Rechtsgelehrten verbunden hat, die Statuten
der Gemeinden des Königreichs Sardinien einzeln abdrucken zu lassen, und
mit den unedirten anzufangen, wodurch zugleich ein grosseres Werk entstebt,
welches den Titel fuhrt:
Momunenii Ugali del Regno Sardo dal Secoio XU. at XV. raccolH ed aUusfraii
per cura di una societa di GiureeonsulU, Fascicolo L ^i tMuU di Aiie. X»-
Tino i856, Tip. BoUa.
Jedes Statut soll ein Ganzes bilden, wie das vorliegende Heft von der Stadt
Aglie. Wenn durch diese einzelnen Hefte der Vorrath der bekannten Snrdi-
nischen Statuten erschöpft sein wird, von denen Herr Boilati bereits eine
grosse Menge gesammelt hat, da ihm zugleich die Bibliothek des Staatsrat hes
in Diensten steht, deren verdienstvoller Bibliothekar er ist; dann wird dct^
selbe eine geschichtliche Zusammenstellung derselben geben, die zeigen wird,
wie die Gemeinden hier nach und nach sich des germanischen Lehnwesena zu er-
wehren vermochten, dem die Gemeinden in Deutschland und Frankreich der-
gestalt unterlagen, dass es dort Grundsatz wurde : nulle terre sans seiirnenr!
Unser gelehrter Savigni hat bedauert, dass bisher diese Quelle der Rechtsffe-
schichte im Mittelalter nicht genug bearbeitet worden. Herr Boilati wird da-
her diese Lücke für diesen bedeutenden Theil Italiens ausfüllen, wo die Ita-
lienischen Könige Berengar und Arduin, in Ivrea, heimisch waren, die sich
sowohl vor der kaiserlichen Macht schützten, als auch hier lange die Frei-
heiten der Ambrosianischen Kirche zu Mailand vor dem Einflüsse des Pabat-
thums bewahrt hatten. Die vorliegenden Statuten der Stadt Aglie sind übr]«fenB
im Jahre 1448 in lateinischer Sprache verfasst. Dieser Ort ist sehr unbedeu-
tend, war aber ebenfalls sonst der Sitz eines möchtigen Feudalherrn, dessen Nach-
kommen noch jetzt den Grafen-Titel davon führen, aber ebenfalls nicht ver-
hindern konnten, dass sich auch dort das Gemeindewesen vollständig ausbildetet
wahrend ihre Herrschaft in der des Hauses Savoien unterging, der sich auch
die grössern Städte AstI, Chieri u. s, w. unterworfen hatten.
Ein Genosse des in Deutschland hochverehrten Silvio Pellico, dessen
engelgleiche Geduld die Leiden seines Gefängnisses überstehen Hess, und dessen
Werk mit dazu beitrug, manche Vorurtheile gegen die Italiener in Deutsch-
Literaturberidtte bq# Ilali^a. 631
laid IQ beieiliffen, hat jetzt dieselbe Zeit seiner Gefanfreascbart bescbiieben«
Dies ist der Markf^raf Geor^ rallavicino-Trivulzio ans Mailand, ge{|^enwärtif
Abgeordneter der zweiten Kammer zu Turin.
SpUlberqo e Gradisea, scene dtl carcere duro in AuUria di Giorgio Paliamcino.
Torino 1856, Sutmpmia dell nnione Tipogr,
Der Verfasser weibt uns hier in die Geheimnisse der Carbonari ein, welche
in Jahre 1820 mit der französischen (geheimen Gesellschaft der AdeYfia in Ver*
binduni^ standen. Am 10. März 1821 kam in Alessandria im PtMnonteaiscbea
diese Verschwörung zum Ausbruch, wttbrend der Graf Gonfaloniere in Mailand
aa der Spitze der Verbündeten in der Lombardei stand, tu denen auch der
Verfasser gehörte. Der Harkgraf St. Marsano, den ersten Familien Piemont«
angehOrin^, brach mit seinem Regimente von Alessandrla auf und schüchtert«
den General de la Tour in dem festen Novara dergestalt ein, dass dieser sich
ergab. Gonfaloniere schickto auf diese Nachricht sofort den Pallavicino dort«
bin, um zu bitten sich nach der Lombardei zu wenden ; allein die Piemontesen
hatten genug mit sich selbst zu thun« Carlo Alberto, damals Prinz von Ca-
rignan, fand mehr Anhänger des alten Fendalwesens als er geglaubt hatte und
konnte nicht helfen. Dennoch musste die Polizei in Mailand von dieser Mis-
sion Nachricht erhalten haben, der Verfasser wurde einige Monate darauf im
Theater sn Mailand verhaftet, welches auch dem Gonfaloniere widerfuhr. Beide
mit mehreren andern wurden zum Tode verurtheilt, doch die Strafe wurde in
SOjfihrige Festungsstrafe verwandelt.
Die Frafre über die Freiheit des offen tKchen Unterrichts hat bei den Ver*
handlungen des Sardinischen Parlaments im Anfange des Jahres 1857 Viele
sehr lebhaft beschäftigt. £iner der Abgeordneten, Graf Ponziglione« Verfasser
der oben erwähnten sehr fut geschriebenen Biographie des Markgrafen Caesar
Salozzo, hat seine Meinung über diesen Gegenstand in einer besonderen
Sehrift ausgesprochen:
Vamminiitrazione superiore dtU puhlico inse^amento, ottervasioni del ConU Fer^
rero Ponüglume. Torino 1857, pre$$o Bocco,
Er weist nach, dass schon der König Victor Amedeus IL zu Anfang des vor,
Jahrhunderts befohlen hatte, wie kein Lehrer im Lande eher Unterrichtzu ertheilen
befugt sei, bis er seine Fähigkeit dazu dem Staate nachgewiesen, dass Kaiser
Joseph IL denselben Grundsatz befolgte, ebenso wie Kaiser Napoleon I. ; dennoch
behauptete Lamenais, dass vor Napoleon kein Monarch diese Tyrannei ausgeübt
habe. Der Verfasser erklärt sich im Sinne der katholischen Kirche für die grösste
Freiheit. Er sagt, der Mensch war früher als der Staat, der Mensch gehört
zuerst der Familie, nur diese hat die Erziehung zu leiten; die Spartaner hatten
den Grundsatz auf die Spitze gestellt, dass die Kinder dem Staate gehörten;
aber dieser Staat hatte auch keine Lebensdauer. Wie der damalige Bischof,
■achheriger Diplomat, Fürst Talleyrand, in der constituirenden Versammlung
des Jahres 1791 darauf antrug, Jedem die Freiheit zu geben, sich zu unter*
lichten, wie e^ i^olle, und sodann ebenfalla Unterricht zu ertheilen; so ver-
langt der Verfasser auch diese Freiheit für die religiösen Körperschaften,
633 Limalarberi^te au Ilaliea.
welcbe Unterricht ertheilen wollen. Der VerfiMer ist ein so febiUeter iia4
ein so rechtlicher Mann, dass man bei ihm die Ueberzeagung Toratiseelxe«
moss, wie er auch verlangt» dass diese religiösen Körperschaften ihre Pfliclit
so gewissenhaft erfüllen werden, wie der Stifter des Christentbnms beabsiclr-
tigte, als er das Sittengesets zum ersten Gesetz der neuen Lehre erhob*
Das Drainieren macht auch in Italien Fortschritte, woTon ein
schienenes Werk Zeugniss giebt:
Mmmale dil fogtuUoref la ^pruiiiea M dreitäggio^ di Carlo BerH PiduU, T«
1856. preuo Pomba.
Der Verfasser ist im Fache der Landwirthschaft schon vortheilhafl dor^
seine Istitntioni d'Agricoltara bekannt. Wenn auch in Italien keine so grosse
Landwirthschaften betrieben werden, wie in Deutschland, so versteht bwb
doch sein Eigenthum gut zu benutzen ; und es fehlt hier weder an rationelien
noch an gelehrten Landwirthen.
Der gelehrte Canonicus Ritter Spano, in Cagliari, hat wieder einen
neuen Beweis seines unermQdlichen Fleisses in Erforschung seiner ralerlin-
dischen AlterthUmer gegeben, indem er eine Geschichte und Beschreibang des
Domes zu Cagliari mit mehreren sehr dankenswerthen Abbildungen veröffent-
licht hat:
Quida M Duomo di CagUari^ dd Canonico Q, Spano, Ca^ßiari i856, prcsj»
Timon,
Der Verfasser, bekannt durch das erste vollstMndige Wörterbuch der Ssr-
dinischen Sprache und sein Bulletin der Sardinischen AlterthOmer, ist Vorstand des
Nationalgymnasii, das an die Stelle des Jesuitencollegü zu Cagliari getreten ist,
welches leider auf die Insel, wo {sich das Feudalwesen so lange erhalten hatte,
nicht den besten Einfluss gehabt hat, bis die Glieder in Folge der von Carlo Alberto
gegebenen Constitution vertrieben wurden. In den Httnden eines so nnterrichtetea
und anfgeklttrten Mannes, wie Ritter Spano, wird die Erziehung der Jagend io
der Hauptstadt dieser Insel die besten FrUchte tragen. Auch verspricht derselbe
einen Wegweiser für Cagliari und die Umgegend zu bearbeiten, da darober noch
sehr wenig in das Einzelne Eingehende vorhanden ist*) Die von H. Spano be-
schriebene Cathedrale wurde unter der Herrschaft der Pisaner im Jahre 1312 er-
baut, der byzantinische Styl derselben erlitt mannigfache Abänderungen in der Zeit
des gesunkenen Geschmackes im Anfange des 18. Jahrhunderts; doch blieben die
schonen Marmor- und Granit-Saulen, welche den zerstörten antiken Tempeln
entnommen worden waren. Die Verzierungen an den Kapellen, Altären nad
Tabernakeln, zeigen von ausserordentlicher Pracht, wfibrend das im tiefsten
Drucke der Lehnsherren lebende Volk in bitterer Armuth schmachtete, so dass
man hier viel Spuren von Frömmigkeit, aber wenig von Menschlichkeil findet.
Hier ist auch das Grabmal des Königs Martin IL, welcher mit einem starken
Heere ans Spanien hierher gekommen war, seine Mitbewerber besiegte, aber
*) Die Insel Sardinien Ton J. F. Neigebaur. Leipzig 1856. IL Auflage
Dyk'sche Buchhandinng.
Litentarberiohte am Italien« 639
■K CD reichlich frenotfenen Lebensfreuden starb. Betondera wird hier eine
Madonna mit dem Leichnam Christi bewundert, welche der Franzose Valery t\\r
ein Meisterstück aus der Schule Rafaels halt, das aber weit älter ist* Auch
hier finden sich classische Bildwerke, welche in Bebaltnisse von Reliquien
Terwandelt wurden. Unter andern sieht man hier eine Urne mit einem Relief,
daa eine Men|[;e verschiedener musikalischer Instrumente darstellt, und viele Ge-
nien, die ein Opfer befrleiten, im schon verderbten Geachmacke des 3. Jahr-
handerts. Ein anderer Sarcopha^ war für einen Redner bestimmt, jetzt be-
finden sich darin . die Gebeine von Heiligen. Von diesen finden wir hier be-
sonders den heilifren Saturnin, so wie den heiligen Lucifer, welcher einer der
ersten Erzbischofe in Sardinien war.
in.
Vornehmlich ist es die Politik, die in den Theilen Italiens, wo darüber
irg^end etwas gedruckt werden darf, welche die Literatur in Anspruch nimmt.
Eine solche Erscheinung ist die Schrift des bekannten Geschichtachreibera
Farini über die italienische Frage in einem Schreiben an den englischen Mi-
nister Gladstone in Folge der Verhandlungen auf dem letzten Friedens-Con-
gresae von Paris:
La dipiomatia e la quesHane Italiana^ kttera dei Luigi Carlo Farini al ii^nor Gu-
glielmo Giadstone, Torino t856, Tip. Scoloiiica,
Der Verfasser hat durch sein grosseres Werk, die Geschichte Italiens von
1814 bis auf unsere Tage, dessen erster Band zu Turin im Jahre 1854 heraus-
kam, seinen Beruf dargethan, über die Verhaltnisse Italiens das Wort zu
nehmen; besonders aber durch die Geschichte des Kaiserstaats von 1815 bis
1850, Vrovoo der 4. Band im Jahre 1853 zu Turin herauskam. In der vor-
liegenden Schrift erwähnt der Verfasser des grossen Verdienstes, welches sich
Gladstone dadurch erworben, dass er die Mängel der Regierung von Neapel
vor den Augen des gesammteo Europas dargelegt hat; er macht aber auch
auf die Mängel der andern Regierungen in Italien aufmerksam. Dabei lAsst
er dem guten Willen der verwittwetcn Herzogin von Parma alle Gerechtigkeit
widerfahren.
Von der Jetztzeit wenden wir uns der Vergangenheit zu, welche ohner-
aehtet des Dranges der Gegenwart in Italien viele Gelehrte beschäftigt, und
die Literatur mit so maochen schätzbaren Monographieen bereichert. Eine
solche ist die Geschichte der alten Herren von Sarmatorio, besonders der Fa-
milie Operti di Tossano.
Hapfi anlieft Signori di Sarmatorio, Mansano e Monfahone, ifüU de^i OperH
Tosumesi, memorie tlorico genealogiehe per 0, B. Adriani. Torino i855.
Dies ist aber keine der kleinen Monographieen, wie man sie gewöhnt ist, son-
dern ein Band von 566 S. im grOssten Quart-Format. Besonders wichtig ist die
geschichtliche Forschung für die Gründung des Stammschlosses Sarmatorio, jetzt
Salmona, im Piemonteaischen, an der Stora in der sonst Sarmatia genannten
Landschaft, von dem unter Arcadius und Honorioa hier hausenden Präfecten
Sarmatorom gentilicium in Liguria PoUentia. (S. die Heün|th dea Markgrafen von
Ad4 Literaturberichte tos Italien.
Brandenburg mit der Markgrilfln Balbiano, Ton J. F. Neigebaar. Breilaa bei
Kern. 1855, wo ein anderer Ursprung dieses Nameos erwähnt wird). Der
Verfasser fOhrt die Geschichte dieses Schlosses bis aum Jahre 901 urkundlich
zurück.
Ein Prachtwerk ron demselben Verfasser ist in diesen Tagen in Turin
erschienen, welches der Buchdrnckerkunst nicht blos in Italien, sondern Oberall
Ehre machen muss; dessen reiche Ausstattung ein Beweis ist, dass hier die
ersten Blassen der Gesellschaft die Wissenschaft achten und derselben ein
Opfer zu bringen geneigt sind. Da das Werk nur in 200 Exemplaren gednidtt
worden, ist natarlich von Gewinn nicht die Rede, sondern es ist hauptsichlich
zu Geschenken bestimmt, so dass es nur selten in Bibliotheken zu sehen sein
wird, dabei ist es mit Kupfern und Facsimilen ausgestattet« Obwohl dies Werk
nur als eine Biographie erscheint, ist es doch ein Buch, welches den Stoff
zu mehreren BUcbern enthalt, der in den gründlichen Anmerkungen zu den
vielen meist ungedrnckten, hier zum erstenmale bekannt gemachten Urkunden
enthalten ist« Der Titel dieaer Pracht-Ausgabe ist:
Memorie della viia e det iempi cfi Monsignor Gio» Secondo Femro^PonUgGone^
da GiamhaHMta Ädriani, Torino 1856» ffreuo Ribotta, gr, 4. pag, 702,
Der Inhalt ist das Leben und die Zeit des Haus-Geistlichen des Pabstes Un-
ban VIII., Geheimen Rathes des Cardinais Moritz von Savoien. Die Abstanr»
raung dieses damals bedeutenden Mannes giebt dem gründlichen Forscher der
Geschichte des Mittelalters Gelegenheit, bis in die Zeit zurückzugehen, iro
Kaiser Otto I. noch in Italien mfichtig war. Allein die kaiserliche Macht wnr
bereits in dem germanischen Lehnwesen untergegangen. Die Diener Kainer
Carls des Grossen, seine Bamten, waren unter seinen Nachfolgern Landesherren
geworden und jeder Ritter anf seiner Burg machte den Despoten Ober seine
Nachbarn. So waren auch in Ober-Italien damals schon die VerhSltnisse g^e«-
staltet; die Kaiser suchten damit Aushülfe zu schaffen, dass sie zn Verwaltung-
Beamten hfiufig Bischöfe einsetzten, weil diese wenigstens ihre Herrschaft nicht
auf ihre Kinder vererben konnten. Das vorliegende Werk enthalt für die Zeit des
Kampfes der Stfidte gegen das Feudalwesen bOchst merkwürdige Mittheilungeai.
In dem fruchtbaren Thal des obern Po, voll von festen Burgen der germaniachen
Feudalherren, die, wenn auch dem Lande selbst mitunter angehOrig, diese fremde
Einrichtung angenommen hatten, war die gerühmte Tapferkeit der Bitter
nicht im Stande, das Land ror den Verwüstungen der Sarazenen zn schlitzen;
von diesen so hoch gepriesenen Rittern unangefochten, streiften diese kühnen
Seefahrer bis in die Thaler der Alpen. Aus alter Zeit hatten sich die Stidte
Turin und Asti bei ihrem früheren Municipalwesen erhalten, und auch jetsi
besitzen sie noch ein von der Stadt gewähltes Collegium der Aedilen, und
hatten ihre Selbst-Verwaltung nicht verloren, wie dies in Deutschland der Fall
gewesen war, wo noch jetzt in manchen Staaten das Gemeinde wesen zieh der
Bureancratie nicht erwehren kann. Unser Verfasser nimmt von der Abatan»-
mung der Familie Ferrero Veranlasaung, von ihrer Burg oberhalb der jetsigem
Stadt Cherasco, am Tanaro, zu sprechen, welche von der Stadt Alba, die
«nterdess eine machtige Gemeinde gebildet hatte, dahin gebracht wurde,
der Schloaaherr am id. Februar 1199 Bürger werden mvaate* Spiter
Lftentarberichte ans Italien. 035
lie fich zar BOrifertreue i^eiren dfe in der Nfthe enUtindeoe neue Stndt Che-
rasco verpflichten. Doch scheint der BUr^ereid des Ritters nicht von I&ii-
leerer Dauer ifewesen zu sein, als seine Rittertreue für den Kaiser (rewesen
war; denn die Bur(; Hansano wurde im Jahre 1246 von den tapfem, damnis
stets wehrhaften Burf^ern terstort, und batd gfewöhnten sich die ehemaligen
wilden Ritter an die Ordnnn}; de^ Gemeindewesens, dass schon nach einiiren
Jahren ein Ferrero aus diesem Stammschlosse zu den 7 Gemeinde-Aeltesten
(Sa vi), also zu deren 7 Weisen gehörte, und spater zwei dieser Familie im
Jahre 1294 mit 10 anderen Vätern der Stadt gewShU wurden, um die Statuten
von Cherasco auszuarbeiten. So treibt der Geist des Burgerthums dasselbe
zur Unterordnnnfir unter das Gesetz, wilhrend das Ritterwesen nach Unabhän-
gigkeit strebt, welche zuletzt das Staatsleben untergrübt. Darum blieben
dieae BUrfrer auch dem Kaiser treu, wie eine Urkunde vom 12. Novbr. 1243
beweist, nach welcher Unterthanen der Herren von Bra nach Cherasco zogen,
weil der Fendaldruck zu hart auf ihnen lastete: propter injnrias, quaa eis in-
jnste inferebant, und weil sie dem Kaiser untreu wfiren, qnia inimici Domini
imperatoris, onde noientes esat rebelles Domno Imperatori, sed fideles. Es
beisst darin weiter: ad honorem et laudem et gloriam Domini Imperatoris
villam constrnere ceperant et eam ad utilllatcm Domini Imperatoris consiruxe-
rant sub custodia et protectione Domini Imperatoris. Leider wurde aber bald
die Hierarchie so mächtig, diiss sie die Unterthanen des Kaisers von ihrem
Eide freisprach, und die deutsche Treue ihre Kaiser, aus Furcht vor dem
Pabste, so schlecht unterstützte, dass die italienischen Stfidte endlich auch von
der Treue gegen den Kaiser abwendig gemacht wurden. Doch wurde in Ita-
lien das Lehnwesen damals schon gründlich gebrochen, wflhrend in Deutsch-
land die durch den Feudnldruck zu den sogenannten Bauernkriegen gebrachten
Unterthanen der Ritter als Rebellen behandelt wurden, obwohl sie dem Kaiser
nie untreu werden wollten. Den schlechtesten Namen unter den in Italien
eingefallenen Barbaren haben sich die Franken gemacht, welche besonderi
in den fruchtbaren Thälern unter dem Col dl Tenda und an der Stura ihre
Schlosser hatten, wo sie das Lehnwesen systematisch ausübten, und reiche
Klöster stifteten, dabei aber, wie gesagt, das Land so wenig gegen die
Sarazenen vertheidigten , dass Konig Hugo den Kaiser von Byzanz bitten
musste, mit einer Flotte und griochischeni Feuer zu Hülfe zu kommen» um
die sich hier so fest eingcnistelcn Sarazenen zu vertreiben, dass sie von allen
aus Frankreich nach Italien Reisenden Zoll erhoben. Dies geschah zu Ende
des 10. Jahrhunderts, während die deutsche Ritter, die vom Stegereif
lebten, noch mehrere hundert Jahre später die Kaufleute auf den Heer-
atrassen ausraubten. Alle diese Verhältnisse beförderten die Entstehung der
meisten Städte im Piemontesischen, und den Fall des Lehnwesens, worüber
in dem anliegenden Werke des Prof. Adriani die schätzbarsten urkundlichen
Nachrichten mitgetheilt werden. Er hat dabei mit seiner Ansicht über unsere
deutschen Verhältnisse nicht zurückgehalten; indem er unter den Mitgliedern
der alten Familie Ferrero-Ponziglione, Aerzte, Syndici, und Bürgermeister auf-
führt, sagt er: der Piemontesische Adel hat es atets für ehrenvoll gehalten,
•ich durch Wisaenaobaft anazuaeicbnen, und dnrch Handel im Groaaen ihre
Familie im Wohlstande zu erhalte«; aömit war er weit von dem jeMeitt der Alpen
1
98$ Literatiirberichie •» llaliea.
bettebondon Vorortbeile eotfernt, wornacb Nicbtilbao edler iei alt D&tilidie
Beichiftiftan^ , ond dass der Kriegsdienst, selbst im Frieden, der einxige
Beruf des Adels sei. Tapferkeit des Soldaten, besonders des Offisiers, ist kein
Verdienst, sondern eine Pflicht!
Ansser der Lebensgescfaichte dieses Staatsmannes aus dem 17. Jahrhandeit
und den geschichtlichen Anmerkungen, aus denen wir das Vorhergehende ent-
nommen haben, enthttit dies gelehrte Werk eine Menge nngedruckter Urkunden
und Briefe, welche in Besiehung auf diese Thatsachen aus den Familien- und
öffentlichen Archiven entnommen sind* Dasu gehört unter andern ein Brief
des Kaiser Carl V., aus Burgos, vom 20. April 1524, in spanischer Sprache,
worin er einen Ponziglione dem Costa Herrn von Bene und Carru empieUt
Dies in einer Pracht- Ausgabe von so wenig Exemplaren gedruckte Werk eal-
hlllt ausserdem Abbildungen von dem Grafen Ponsiglione, den dies Werk be-
trifft und von dem jetzt lebenden Mitgliede dieser Familie, welcher die Kosten
lu dieser typographischen Seltenheit hergegeben hat, so wie von einigen Fa-
milien-Grabmfllern. Der gelehrte Herr Verfasser ist jettt besehiftigt, die Ge-
schichte des Cardinal Moriti von Savoien cu schreiben, wozu er als Mitglied
der Gesellschaft snr Herausgabe der vaterlttndiscben Geschicbtsquellen die
beste Gelegenheit hat, indem ihm das trefflich geordnete Staats-Archiv zu
Turin geöffnet ist.
Auch von einer italienischen Schriftstellerin können wir wieder einmal
etwas erwilhnen, nümlich eine Gesebichte der italienischen Literatur der erste«
vier Jahrhunderte derselben, vom 13. bis zum 16. Jahrhundert einschliesslich:
I pnmi qwUro secoli diUa hftertUura llaliana da Catarina Ferrucci, Firtnu
1856, iL Voll presso BianchL
Die Verfasserin, Franceschi-Ferrucci, hat sieh bereits durch mehrere schrili-
stellerische Arbeiten einen guten Nemen gemacht; sie ist die Gemahlin des
ebenfalls geachteten Prof. Ferrucci in Pisa. Sie hatte eine sehr gefchatste
weibliche Erziehungs-Anstalt in Florenz errichtet, wo sie anfing, ihre Zög-
linge auch in der Muttersprache zu unterrichten. Denn in Italien wurden bis-
her, besonders aber in Piemont und Toscana, die jungen Damen nur in der
französischen Sprache ausgebildet. Dies kam von dem Einflüsse der Höfe,
denen, wie in Deutschland, die Muttersprache missfiel; daher die Ersiehnng
den französischen Nonnen vom heiligen Herzen anvertraut wurde, welche
nur adelige Zöglinge aufzunehmen pflegten, so wie dies auch in den Jesuiten*
Convicteu der Fall war. Jetzt sind in Piemont dagegen National-Collegiea
errichtet worden, wo auch weltliche Lehrer angestellt sind, und der Zutritt
Alien gestattet ist. Auch fur das weibliche Geschlecht ist jetzt gesorgt worden.
Namentlich hat die Harkgräfin Therese Doria, geb. Durazzo, in Genua, eine
Pensions-Anstalt gegründet, welche zum Zweck hat, gute Italienische Frauen
SU erziehen.
Ein junger Neapolitanischer Gelehrter, Bonghi, hat in einer eben jetil
erschienenen Schrift nachgewiesen, warum die italienische Literatur in Italien
selbst nicht volksthttmlich ist:
I'Clfere crtlicike di Rugqiero Bangki^ perche la Utterahwu lUüama nm sm ptf^
lare in iuUia, Miiano iS50. presso Mombo,
Literatarberlehte aai Italien. 037
Dieser ffelehrte Schriftsteller, von welchen wir Uebersetsun^en griechi-
scher Tragiker kennen, ist einer von den zahlreichen Beweisen, dass die Ita-
liener die Wissenschaft aus reinem Eifer betreiben, nicht des Brod-Erwerbes
wegen. Freund der Philosophie, sog er den Aufenthalt in dem kleinen Städt-
chen Stresa, am Lago Maggiore, dem in Paris nnd Turin Tor, wo ihn der
Einsender abwechselnd fand, weil dort Rosmini lebte, in dessen Umgang er
lieh sein philosophisches System aneignen wollte.
Fflr Liebhaber von Volksliedern erwähnen wir
CmH popolari Tosctmi, raecolU da Gfiiiscppe 7i^ Ftrsnae iS5S. frt$to Btoitdkt.
Far GeacbäftsmäDner ein Buch Qber das Rechnungswesen in Kanfmanns-
nd andern Geachftflen, das bereit« die 6. Aufl. erlebte:
Comfendio di ariimeficti-i^tica da GiambatHsia ScoUi, Tonno 1857, preuo Franco.
Der Verfasser ist Professor am Natlonal-CoHeginm zu Genua, wo man stets
sehr wohl zu rechnen verstanden hat
Von Uebersetzangen ist zu erwähnen das vom Professor an der katholi-
schen Universität zu Dublin, Newman, herausgegebene Erbauungsbuch „Ge-
winn und Verlust eines Bekehrten".
PerdUa e guadagno di un ContertUOf Ad R, E. IVetrman, tradoito ddU A. S. Mi"
loMO. i857. presso Viepoto.
denn die Presse ist auch von Seiten der Geistliehkeit nicht mttssig, in ihrem
Sinne zn wirken.
Einer der bedeutendsten SchrifUteller der Jesuiten dürfte jetzt woU der
Pater Ludwig Tapparelli sein. Er ist der Bruder des als einer der Vorkäm-
pfer der italienischen freisinnigen Bewegung rühmlichst bekannten ehemaligen
Ministers Hassimo d'AzegÜo, aus der alten reichen Familie der Markgrafen
Azeglio im Piemontesischen. Von diesem Jesuiten Tapparelli ist jetzt der 2.
Band aeines Naturrechts erschienen:
Saggio ieorico di diritto naiuraU applicaio sul faUo, daU Lvigi Tapparelli, Roma
i855, IL Vol. in der Druckerei der Civilla catlolica.
Von welchem Geiste dieses Naturrecht ausgeht, kann man ans dem Werke
daaaelben Verfassers über die constitutionellen Regierungen entnehmen:
Esame criüco degU ardim repreienkUivi nella iocieta modema, per Luigi Taippa^
rein, Roma i854, 11 Vol. Tip, d, Civ, caiU
Auch fehlt es in Italien jetzt unter den Katholiken nicht an Werken,
welche die Missbräuche der Kirche ungescheut aufdecken, seit in den katho-
lischen Staaten des wahrhaft constitutionellen Königs von Sardinien Press-
freiheit herrscht; wir machen nur aufmerksam auf die Schrecken der In-
quisition von Latty, welcher Uebersetzungen aus den bekanntesten spa-
nischen und französischen Werken, mit bedeutenden Zusätzen vermehrt^ her*
ausgegeben hat:
GU arrüri delT InqmsUime e h arH ddla corfe Romana^ per Giu$efpe LaUy^
Tarmo iSSO, pretMo Perrm^ mit vielen Abbildungen«
638 titeritfarb«ricfate auf Italien.
In Italien genieMen beaonders die Neapolitanischen Recbtsgelehiten eiaen
bedeutenden Ruf, welche an Vico ein berühmtes Vorbild haben. Hehrere der-
selben, durch die Revolution von 1848 aus ihrem Vaterlande vertriebeo, bal^n
sich jetzt in Turin niedergelassen, von denen Scialoja, sonst Hinister des Hair
dels in Neapel, jetzt mit Arbeiten im Fache der Gesetzgebung bei dem Sar-
dinischen Hinisterium beschäftigt ist. Mancini ist als Professor bei der Turiacr
Universität angestellt, und seine Vorlesungen Über Volker- und Seerecht ge-
niessen grossen Beifall, ausserdem ist er aber auch ein sehr beschifli(^
Advocat. Arbarolla de d'Afflitto wurde mit dem ehemaligen römischen Geist-
lichen, de Sanctis, Stifter mehrerer italienischer evangelischer Gemeinden in
Piemontesischen. Das von dem ersteren verfasste Glanbeosbekenntniss wnrde
bei G. Bähnisch in Leipzig 1856 von J. F. Neigebaur herausgegeben. Auch dar
Advocat Tosano ist in Turin als beliebter Sachwalter eingebürgert. Besondeis
aber müssen wir auch den Advocatcn Pisanelli erwähnen, da er in dieses
Tagen ein Werk über die Elnfttbmng der Geschwornen-Gerichte herauige-
geben hat:
Dell' hUhmone d$* GiuraU per Vavvocalo Giuseppe PisaneUi, Torino 1856. preu»
Fomba.
Man beabsichtigt nämlich in dem Königreiche Sardinien die Geschwornen all-
gemein einzuführen, und ist es auffallend, dass in Italien, dem Vaterlands
Beccarias, bisher das Bedürfniss dieser Einrichtung nie gefühlt worden ist.
Bei allen Bewegungen für den Portschritt ist in keinem Theile Italiens daaa
der Versuch gemacht worden, selbst nicht in dem Königreiche Neapel, wo die
Napoleonische Gesetzgebung nicht nur eingeführt, sondern auch beibehalten
worden ist Auch im Königreiche Italien wurden die Geschwornen unter Na-
poleon nicht eingeführt. Was aber am meisten auffallen rauss, fit, dass in
dem Piemontesischen, welches einen Theil von dem Kaiserreiche unmklelbar
bildete, in dieser Beziehung eine Ausnahme gemacht worden war, obneraebtat
Napoleon sonst auf Gleichheit in seinem weiten Reiche hielt. Wenn man nach
der Ursache dieser auffallenden Erscheinung fragt, erhält man zur Antwort,
dass die italienischen Juristen nie dafür gewesen, und gestehen muas man,
dass auch in Deutschland die Geschwornen unter den Rechtsgelehrten die
meisten Gegner fanden. Pisanelli spricht sich für die Einführung der Ge-
schwornen aus. Uebrigens giebt derselbe mit den genannten Herren Mancini
und Scialoja den Comentar zur Sardinischen Gerichts-Ordnung heraus,
Commentario dd codice di procedura civiU per gli staii Sardi. Torino 1856, presto
Fomba,
wovon bis jetzt 21 Lieferungen erschienen sind.
Auch ein bedeutender Rechtsgelehrter aus Sicilien, Herr Fr. Ferrara, ist bei
der Universität zu Turin als Professor der Staats Wissenschaft angestellt; er
giebt eine Sammlung der bedeutendsten Werke über diesen Gegenstand, die
ausländischen in italienischer Uebersetzung, unter dem Gesammt-Titel: Biblio-
teca dell Bconomista, heraus:
ScOiä coüeüone däfe piu mporituUi produHOm dl §co»omia polkica. fork» 18$f.
preuo Fomba,
Literatarberichte auf Italien* 630
Von diesem groaaeq Werke lind bereits 13 Binde erachienen»
Von der Geschichte der italienischen Literatur von Corniani, mit den Zu-
sltxen Ton U|^oni und Ticozzi ist jetxt der 8. und letzte Band erschienen:
/ Secoli della Letieratura Italiana dopfto il tuo risorgimenio di Giambattisfa Cor-
nianif eaniutuaia di T. Prtdaru Tortiio 1856. presto Pomba.
Herr Predari hat einen bedeutenden literarischen Ruf, und gab sonst in Turin
eine Literatur-Zeitung heraus. Jetzt widmet er sich ganz der Herausgabe
des grossen italienischen Con versa tions-Lexikons, welches der onternehmende
Buchhändler, Ritter Pomba, in Turin gegründet und wovon jetzt die 4. Aofl«
erscheint, welche um mehrere Tausend Artikel bereichert ist:
fiuova Enciciope^Ua popolare Italiana owero duiönario ^meraie di scisims^ /el-
Icre, orA^ sioria^ elc Torino iS57. preuo Pouiba.
Dies, von den bedeutendsten Kräften Italiens ausgestattete Werk enthält Tau->
sende von Illustrationen , die in den Text eingedruckt sind , und werden 5
Personen allein mit der Redaetion beschäftigt, an deren Spitze Herr Predari
steht, dem eine ganze Bibliothek von ähnlichen Werken angewiesen ist. Hier
findet man das Conversations-Lezikon von Pierer, Brockhaus u. a. m., aus
allen Sprachen. Der erste fertige Band, im grOssten Lezikon-Fermat, reichte
noch nicht fQr den Buchstaben A aus, und das Ganze wird 24 Bände um-
fassen, und da jeder Band 20 Franken kostet, auf 480 Franken au stehen
kommen ; so dass dies Werk mit dem Einbände einen Aufwand von 150 Thir.
erfordern wird. Man sieht, dass die italienischen Bochhändler auf Käufer
unter den reichen Leuten rechnen k(»nnen. Dies ist natürlich, denn in Ita-
lien alnd im Allgeineinen die Vornehmsten ancb die Gebildetsten und ip den
ersten Klassen der Gesellschaft findet man die grössten Gelehrten, und ein
Professor von bedeutendem Rufe wird in den ersten Zirkeln gesehen und
geachtet. Hier hört man nie, wie der Einsender in Deutschland horte, als
von Briefen eines Verstorbenen die Rede war, über den Verfasser, den Für-
sten Pockler, sagen t Schade, dass ein so vornehmer Herr sieh mit Schreibe-
reien abgiebt! Seine Standes-Genossen hielten dies für ein Herabaieigen von
seiner Würde, wogegen dies in Italien für eine grosse Ehre gerechnet wird.
Aber auch für wohlfeile Ausgaben wird in Italien gesorgt, an welchem
Ende die genannte Buchhandlung eine „Biblioteea popolare** gestiftet hat,
deren letzten Bände eine Uebersetzung der englischen Geschichte von Macau-
Uiy enthalten.
Storia d^InghÜterra^ di J, ßaUnglon Macauly^ versione di E. E. NicoU, Torino
1856. presto Pomba.
Diese bedeutende Bachhandlung hat jetzt die Firma des Turiner Verlagsver-
eins angenommen; Unione Tipografica - Editrice Torinese. Eine Tochter des
würdigen Begründers dieses verdienstvollen Unternehmens ist jetzt in Con-
stantinopel als die Gemahlin des Sardinischen Gesandten an der Hohen
Pferte, des General Durando.
Wir müssen noch eines grösseren Werkes ans dieser Anstalt, 4m Lehre
▼«HB AakflffbaB im weitesten Umfange erwähnen, welches in 6 Bänden erseheint^
▼on denen bereits 61 Lieferungen avsgegeben worden sind«
640 Literatarberichle ant Italien.
/jfttostOfit tcienlifiche e iecuiche ogsia corso di AgricoUitra Übri 30,^ di CWio
Berti-Pickai. Torino 1857. presto Pomba.
Aach diesei Werk iat mit 1800 in den Text einipednickten Holaachaitteo
veriehen.
Von dem Handbuche fttr Gewerbe-Chemie von dem Ritter Sobrero
Manuale di Chimiea appUoata aUe arti dal Profenore Ageanio Sobrero. ib.
und von den Anfangsgründen der Mineral-Chemie von dem gelehrten Pro-
feaaor Selmi lu Turin
PrincipU eUmeniari di Chimioa minerale per Franoeeeo Selmi. ib,
iit eine zweite vermehrte Auflage erachieoen.
Von der allgemeinen Weltgeachichte von C. Cantn ift die 8. Aoflage in
demaelben Verlage in Arbeit:
Storia univereaU di Ceeare Caniü. ib,
wovon bereit« 3 Bflode eraehienen find; das Ganze wird 16 Binde umfafiea,
die dazu gehörigen Urkunden und Belege in 9 Bänden.
DocumenH aUa ttoHa uni»er$ale di Ceeare CanUu ib^
haben bereitf in der 8. Aufl. zu erscheinen angefangen, und von dem neaea
Werke desielben Verfassers, die italienische Geschichte,
JStoria degli Italiani di Ceeare CanHi. ib,
welches 6 starke Bande umfassen wird, sind bereits 4 Bfinde ausgegeben.
Von dem grossen Lateinisch-Italienischen Wörterbuch zum Schulgebraad
Vooabtdario tmivereale Latino-ltaUano e ItaUano-Latino da A, BazMorüU e B,
BeUini riveduto dal C, T, Vallauri, ib,
sind bereits 50 Lieferungen ersehienen. Ritter Vallauri, Professor der kteh
nischen Beredsamkeit an der UniversitHt zu Turin, hat als Latinist einen sslff
bedeutenden Ruf.
Ein 9 grosse Bflnde umfassendes Werk, die Geschichte von Polybioa, nacfc
dem griechischen Text von Schweighiuser, von Dr. Koben zu Triest ins Ita-
lienische Übersetzt, ist bereits bis zum 8. Bande fortgeschritten:
Storie di PoUbio da MegalopoU, volgarizzaia dal Dr, J. Koken, ib.
Beigefügt sind neue Fragmente, welche zum erstenmale von dem Profesior
Domenico Capellina übersetzt worden sind.
Von dem verlorenen Paradiese von Hilton, von Bellati übersetzt, erseUci
die 2. Auflage:
n Paradieo perduto di O, MiUon, iraduHone di A, BeUati, ib.
mit dem Leben Miltons von dem Uebersetzer.
Aueh erschien in einer neuen Aufl. das Leben Dante's, von dem trefllichea
Guar Balbo.
Tita di Dante, eorUta da C. Balbo. ib. ]VeiselMl«r#
h. 4L HEIDELBERGER IWI.
JAHRBOGHER der LITERATUR.
i. Ddacroix: AleHa (d^couverU d'Alesia)^ extrcM des mem. de
la BOcUU d^emtdaiion du dep. du Douhe, Besannen 1866, ÖS 8.
gr, 8. mU Plan und Karte,
2. Victor ReüiUaut: Etudes critiques mr la dieouverte d'Alesia*
Besan^on 1866, 84 S. 8.
8, D&y: AleHa, Auxerre 1866, 68 S. 8.
4. Rosngnol: Alüej etudes sur une campagne de JitUa-C^ar, Dijon
ei Paris 1866, 122 8. 4. mü Plänen und Karten.
6. Victor Revülout: Ahme, AHse, m ^un ni V andre ne peut Üre
AUsiGj itudee criiique$ cPhistoire et de topograpkU, Paris, 1866,
71 8. 8.
Die Frage über das durch Julius Cäsar's Eriegafahrong in Gal«
Aen 80 berübnit gewordeue Alesia hat in jOngster Zelt die Altern
thumafoncher und Gescbichtafreunde Frankreichs emstlith beschäftigt,
eine Anzahl Denicschriften und Zeitungsartikel hervorgerafen und
gewiss auch jenseits des Rheins Anklang gefunden. Schon früher
auf Shnlicho Stadien geleitet*), wollen wir uns jetst bemühen, den
Stand des neuen gelehrten und patriotischen Streites nach Massgabe
der wichtigsten oben verzeichneten Schriften übersichtlich darzulegeni
ohne unsre eigne Ueberzougung, wie sie sich ans der Prüfung des.
Für und Wider festgestellt, zu verschweigen.
Als Mittelpunkt der letzten Kämpfe zwischen Cäsar und Ver-
ielagetorix und jener kühnen CircumTallation, welche dem römischen
Imi^rator seinen edelsten und gefährlichsten Feind in die Hände
beferte, galt allgemein bis auf dieses Jahr der s. g. Berg Auzois in
der Bourgogne, ein angebautes Ifingliches, scharf abgekantetes Plateau
roa 100 Hektaren Flächeninhalt, an dessen westlichen schmalen Ab-
hänge, dicht unter der Spitze, der Flecken Alise oder St. Reine auf einer
Höhe von 150 Metern die Ebene übersieht, in welcher sich die zwei
Bäche, Ose und Oserain, mit der von Süden kommenden Brenne
rereinigen, und die sich weiterhin als Thal der Brenne bis Mont-
iMird, sodann des Armanden und der Yonne fortsetzt. Ose und
Dserain haben nördlich und südlich tiefe Thäler an den Längensei-^
ten des genannten Plateaus durchlaufen, das, so völlig isoliert, an
»einem schmälsten östlichen Ende nur durch einen sehr niedern Hals
Dit dem dahinter gelagerten Berg Plevenel zusammenhäpgt. Dieser
>Udet mit einigen andern Anhöhen einen fast geschlossenen Ring um
leo Berg Auxois, so dass nur die Westseite mit der bezeichneten
*) Vertf. m. Abliandlong ttber Gergovia, Leipng 1855.
L. Jahrg. 9. Hefi. 41
eiir ^ S«hfltei.iib0rAl«lib
Ebene offen bleibt B&nmdiche Anhöhen sind antar eich niid mil
dem PlateaQ der Mitte von ungefShr gleidier Erhebung. Am Zt»
sammenfluss der Ose und Brenne, eine kleine Stunde von St. Beine^
liegt der Weiler les LaumeSi jet£t eine Station der Ljoner Eisenbahn,
58 Kilometer yon Dijon in der Richtung von Paris; die Eisenbahn
geht duroh daa Osetbal und hat an dessen oberem Ende oiehrere
Tuiuiel in passieren, jenseits deren sich das Saonegebiet eroflhet
Eine bald zweitausendjährige Ttadition knüpft an diese Cregend
die im VII« Buche de b« GalL cap. 68—89 eraftblten Begebenhei-
ten« Selbst zu den Römerzeiten war Alesia nicht vom Boden ver-
schwunden, und obgleich Florus in seiner hastig- rheiorischen Weise
die EinSscberuDg dieser Stadt in diesem Feldzuge meldet — eis
Zeugniss das, aHaser dem StiUschweigen Cäaar'Sy sdion dadurch aa
Erhebllcbkeit verliert, weil Florns Avaricum and Alesia in einen Athesi
nennt, «ad mit sonderbarer Begrift Verwirrung daa um Aleaia Ge-
schehene auf Gergovia bezieht ^~ so erhellt doch aus asdein Er-
wähnungen, bei Strabo, Diodor, Plinius, aus Spuren von hier sich
kienzendeii Staatsstrassen, aus Bautrümmern, Andkaglien und Mfin-
zea, dass wenigstens bis In die Zeiten des Theodeaius heiab eil
Aleaia auf dieaem Berge bestand nnd ein Sita gallisch- rteischsi
Kultur war. Auch das Mittelalter blieb nicht stumm. Unter des
Karolingern besingt ein lat Dichter Herrloh im Leben dea heil. Qm
num V* Anaerre die Gäsar'a Lagern verhängnissvoll gewesene FeslM
Te quoque Caesareis fatalis Alesia eastris, •
am Eingange des Aeduergebietea gelegen,
Te fines Heduos et iimina summa tuenlemi .-|
von welcher er noch die Ruinen sah: .|
Nunc lestant veterls tantum vestigia caatri.
Wir übergehen andre Stellen in Biographien, Chroniken,
ten, in denen der Name der Stadt auf den ganzen Bezirk -*
Alisiensis, Alsensis, Auzois — übergetragen ist, und heben
die Legende der heil. Regina hervor, deren in's 11. Jahrh. reicht
Abfassung ganz bestimmt Cäsar's Kämpfe an dem Leidensorte
Märtyrin ina Gedächtniss ruft« Dieae Heilte, deren Gebeine a«
mäls in daa nahe Fiavigny verbracht wurden, wird noch in der
gend verehrt nnd ihr Namoe (St. Beine) hat sich dem alten N
Alise beigesellt. Dieselbe Ueberzengung von der Identität
Orte ward von den Gelehrten der Renaissanceaeit festgehalten,
um 1741 glaubte Bellejr, der Verfasser der unter d'Anville's Ai
eien heransgegebnen Eclaircissements gtegr« sur l'ancienne
die Sadie durch umständliches Studium der topographischen Mi
für immer gesichert zu haben. Hier folgen seine eignen Wi
8« 438 der angeführten Schrift: J'esp^ie faire voir dans cet
que totttea les circonstances qui sont si bien d^erites dans les
mentaires se retrouvent encore sur le territoire d' Alise; et par
comparaison on sera convaiacu que C^ar est aussi ezact daas
relaUons q[u'll fut grand g^ndral, et qu'on ne peut
ilt^rer Im faiti qu']] expoee. t>'Aii?file 86lb«t hili «ich Ans Br»^
gfIMBB dfeser Untersaobung voüstSndig an^eef^et und Itt ieltl^
Notioe de la Oanle p. 49 aofgenomtnen. Ders^lbett Afraicfat blieb
Napoleon in seiDem Abrisse der Feldstfge GSsar's ^etreb, nwS
um 1889, bei Gelegenheit der Lattdesrermessungi suchten die Qe-*
neralstabsofficiere die Spur der römischen Belagerangslmfeii auf dettt
Terrani. Herr Major Du Mesnll lie^s demiiufolge elneti Anfeat« ttt
den gpectatenr railitolre, Bd. XXVII, p. 681—680 nebst Kaite
etnriieken. Obgleich von Casar's Arbeiten, aussei 2 titibedentendei!
uad sweiffelhaften Anseichen (einer eirkelruttden Senkung, vfeli^fcfat
ThurmimtersatB, too 8 Metern innerem Dnrchmeiteef iiuf dem Berg
Plerenel, und einem 16 Meter Inreiten Querschnlitt durch cffnen F^lsetf
io der Nahe), nichts mehr ersiditlich ist, so erkentit döctif diesem
irfindüch nrthellende Officier ans der Vergleichung detf T^ti^ und
der OertliehkeU die Oenanigkeit von Cätfar's Beschreibung titid dered
T5Hige Anwendbarkeit auf die Lage dei* Oegetid. S^iue BeititIbuAg,
die LinSeiA in der dem Bodden gtinstigstefi Weide ttt teköttstrüfren,
bHngt flm zn dem Schlüsse, dase Cäsar wohl 2116 Toheu turiel
Ar die innere Linie, ttnd 1588 Tdisen zuviel fti^ die äussere Liftid
ki?lchte angegeben haben. Ehie DetailansfOhfung diesem Kalkufä
toangelf und es war uns nnmöglleh, denselben durch eijfhe Medemn^
IQ kontroliren. Wir glauben aber, dass es Just 11000 uhd 14000
Sehritte, wie Cäsar sagt, sein müssen (denn, was Fusb für Ftrsif
msgegraben ward, musste dem Feldberm auch dem Masse nach b^
irannt sein und konnte von ihm, bei detn Daseid so vieler Zeogeti,
lieht willkürlich erhöht werden), und dass hiemach eher die graphi-^
iche Restitution zu ändern ist, was bei der Unbödeuteudheit des
Jntersebieds gewiss wenig Mühe macht. Audserdem Wagt Hr. Du
iesnil das Bedenken, es möchte die Zahl der zu Alesia eingdschlos-
enen Krieger, 80000 nach Cäsar, Übertrieben sein: eiü Punkt, aUf
len wir später zurückkommen werden.
So standen die Bachen, als im verflossenen Jähre ein Arcliltekt
B Besannen, Präsident eluer Art litterarischen' GelierKcbaft (Soci^td
VaiQlation du d^pt du Doubs) es unternahm, die gätte bish^rfge'
irfahf nng umzustossen und ein neues in den Scfaluchteti des Jura aufg-
estöbertes Alesia der gelehrten Welt und seinen Landsleuteu anzu-
let^n. Fünfundzwanzig Kilometer südlich ton Besangob, in der
fShe^ der Quelle des Lison und der Berge von Salinid, liegt die Gegend
m Alaise, eine fast unzugängliche Felsmasse. Biet dind zwischen
h^eheuem Wäldern die Weiler Alaise und Safraz verborgen. Ün-
säelrfet der Nähe von Nans-sous-St. Anne, Wohin die Freunde der
Kti^neir l^afur aus Franche-comttf und Bntgnnd zu ihrem Tetgnü*
«a reise», wagt sich selten einer, Alaise zu besuchen, er niüsste
rott Fiskalbeamter oder WilAscfaweinsjäger sein. So sehr ist äei
^t vereinsamt. Dennoch sind die Einwohner weit entfernt, ihrö'
^mat gering zu achten. Sie bewahren die Erinnerung, dads Alaiäe
Mt eine Stadt, eine Zuflucht in aehweten Zeitläuften ^ewesdU
M tichrüle» i^ AM«.
d«i8 «ioe Meiic« VoUb in dtoaer WIIdniM sicfa Mlgthaken; \mim
verbindeo Vorstellungen voo Hongersnotb mit denen eines früheres
GlMises. 80 beginnt Hr. Delacroiz » VerCssser der Schiift ür. 1,
seine firsäbiung, wie er, einst in dieser Gegend beschäftigt, bü sor
fUliger Lesnng Ton CHsar's Commenterien, auf den Gedanken g«*
kömnien sei, es möchte bier das berühmte Alesia der Msndobkr
gestanden haben. Um diesen Widerspruch gegen die herköoimliche
Ansieht an sttttaen, sammelt er sorgflütig alle Anklänge aas Volks-
sagen und Ortsnamen, und versucht sogleich Cäsar's Text auf Mis
Terrain ananwenden. Was die erstem betrifft, so ist es semlidi
geringfügig und rechtfertigt durchaus keine bestimmte Deutung svf
die Ereignisse um Alesia, wenn man den Leuten von Alsiie in
Dialekte des Landes nachsagt: ceux qu'miugent las bermeodiii
(Schmaizbutterfresser). Nicht glücklicher sind die Erklärungen da
Ortsnamen, in welchen Hr. D. vielen Wita und Schsrisinn aufwis*
det und dabei celtiscbe, römiache, deutsche Wuraeki, heutiges Fns»
aösisch und Patois der Freigrafochait bunt durcheinander wirft Si.
sollen die Handubier die Mannen des Dubis, Doubs sein; an Piiius,
die den Mamen Ile de Bataille, Camp de Guerre, Gsmp de la Vis"
toire tragen, findet er Beaiebungen auf Cäsar's Kämpfe; einePIsill
unter einem Berggipfel, le Plan genannt, wird als die Planitiss, il
vor der Feste lag, beseichnet; ein Abbang Gharfoinge ist ihm clissv
lbuie*en*gey, ctuür enfouie dans la röche, von dem Gemetsel 1»
Beitergefecht; eine Stelle, le Gonat kömmt von Conatus, derleUt«
verzweifelten Anstrengung der Belagerten, die Linien zu durchl»e'
eben ; Montfordes und Mouriots sind Reste von Fortifikationen onl
Munitionen; in einem engen Tbale, la Foye = la foule, wsr 4i»
vertriebne Volksmenge der Mandubier eingesperrt; Camp de Mi8%
Camp Gassar, sind Gastra Munita Gaesaris, u. dgl. In dieser Wein
wird auch beiläufig der Name Besannen als B^ze-anse-on , p\i ^
dans l'anse de la rlvibre erklärt.
Wichtiger ist der andere Theil der Beweisführung, welche is
folgender Form sich darstellt. Hr. D. lässt unten auf jeder Mtk
die authenüscfae Erzählung Wort für Wort abdrucken , und gibt ii
seinem Texte nicht etwa eine einfache Uebersetzung des Lateish
sehen, sondern eine Art Uebersetzung zweiter Potenz , welche Ofr
sar's Berichte zugleich der vorgelegten Oertlichkeit anpassen wü
So z. B. lesen wir über die leUte grosse Schlacht bei Gäsar (VI^
85): Gaesar Idoneum locum nactus, quid quaque in parte geist^
cognoscit; bei Hr. D. S. 36: G^sar monte au ch^teau du Mse|r
Mahoux, d'oii l'oeil plane sar tont le pays, et ne s'arrSte qa'sMf;
Alpes, auz Vosges, auz montagnes des Lingons et des Edoens. Dioiji
Art Uebersetzung Ist sehr verführerisch und nimmt bei der ersttl
Lesuug den Besonnensten gefangen: auch können wir nicht umbi%
der ausnehmenden Einbildungskraft des Hrn. D., die sich in d«
ganzen Ausführung zeigt, unsre ungeheucbelte Bewunderung zu zob
len. Allein bei näherer Besichtigung der Karte zeigt sich: Erhebof
Mrifleft flt»0r Atetfr. M
An Camp de Mine 610 Meter, f>hebQiig des Schlosses Ment-Maboüt
SM Meter, Unterschied 920 M(»ter, horisontale Entferoung 4 Ktto*
meter. Diese Ziffern sind noch beredter als Hm. D.'s hinrelssender
Yortrag, nnd beweisen, dass in jenem kritischen Augenblicke, wo
<Aie Minute Vertag alles verderben konnte, dtoar keine Zelt %ni
Erstelgnng solcher Aussichtspunkte hatte. Eine gleiche Prüfung des
weiteren Gremäldes wird noch manchen Zug des anmuthigen Romans
ftrstOren. Doch begütigen wir uns vorerst, die Hauptpunkte der
senen Theorie objectir darzulegen.
Hr. D. geht von dem Satze aus: Nach dem Abfalle der Aeduer,
Hfigs von Feinden bedringt, mnsste Cäsar eine feste vertheidlgende
Stellung einnehmen, in welcher es Ihm möglich war, die Hilfstrnp-
pen aus Germanien lu erwarten oder anoh schnell den Rttckaug
fber Genf nach Italien zu bewerkstelligen. Eine solche Stellung
war ihm von der Natur in den Stufen des Juragebirges vorzüglich
auf dem linken Saoneufer, und um den Doubs angezeigt Der Ein-
fang dieser Erdfeste ist für Hrn. D. schon durch das vielbespro-
chene Amagetobria (Berge von Broye, am Einfluss des Ognon in
die Saone) gestempelt, wo Ariovist unangreifbar den vereinigten
Balliem getrotzt hatte. Kurz, nur das Sequanerland , die heutige
VraDchecornttf biete solche natürliche Bollwerke, wie sie CSsar in
seiner kritischen Lage bedurfte. Hier ward er, wie Dio Cassiaa
deatlich sage, in Sequanien, von Vercingetonx angegriffen, der ihm
tu gleicher Zeit zwei Rückzugsstrassen, die eine sOdöstlich über
Besan^on, die andre südlich über Salins sperrte. Ruffey also, auf
f^ner steilen Anhöhe am Ognon gelegen, sei der Punkt, den der
gallische Feldherr besetzte, und auf dem nördlich davon sich deh*
iienden Hügellande ward die erste Schlacht dieses sequanischen Krieges
geliefert, welche zum Nachtheile der Galller ausschlug. Ihren Rück-
sag könne man nun unmöglich nach dem 90 — 100 Kilometer ent-
fernten Alise im Auxois wenden; derselbe ging nach Süden, wo
wir in der halben Entfernung auf Alaise bei Salins treffen. Die
Verfolgung erreichte am selben Abend noch den Doubs : Tags darauf,
als V^cingetorix bereits in Alaise sich festgesetzt hatte, gewann
(Xsar das für ihn viel vortbeilhaftere Plateau von Amancey, östlich
von Alaise, den Schwerpunkt seiner weitern Operationen.
Um diese nach dem Sinne des Hm. D. zu verstehen, müssen
wir ans die Oertlichkeit vergegenwärtigen. Das Plateau von Aman-
sey ist im Grundplane ein ungeheures Kreissegment mit 20 Kllo-
ttetera Sehne und 10 Kilometern grösstem Abstand vom Bogen.
Als Sehne bildet die Kette der Mayot- oder Mahaut-Berge die süd-
kehe Begrenzung. Der Bogen ist grösstentheils durch den Lauf der
tioue, eines Nebenflusses des Doubs, bezeichnet, der aus den tief
angeschnittenen Abflllen dieses Plateaus zahlreiche QnellbSche anf-
fiimmt. Der bedeutendste dieser QuellbSche, der Llson, entspringt
im westlichen Ende des Plateaus und trennt dasselbe von dem viel
kletnem Plateau von Alaise , welches sonach als ein Anschnh der
ff»WB»a|(W» «wb^t »Seide FblA^ux, «igt Br* )>- & l^.ffimm^
g^ UBi 300—400 Meter deo Spiegel der uniAlröioeiadeQ Bicbf, «ad
«isid «elbfllt durob die Bergketten ihier Sttdgreyise üherrnft, den»
iQipfel Ki^ einer Höbe von 525—550 Meiern über den Waaewstro-
men ewftnteigeii. Von diesen Gipfeln geeebeni ecbeinen dif Gbii*
fw Hügel TQn Alaine und Amaooey eine kaum roa^e Ebaaean
liildoQ«^ Aof diese DoebeaheiUn des Terraias» weicbe sieh aof bei*
deiQ Flatoaux ]a gleichen Proportionen wiederholen i beatehi Hc IX
den Ausdruck Cisar's, dass der Hügel Alesiaa von gleich hohen
HügelQ umgeben sei. Die Qeutung ist etwas elastisch. Ana der
gansen Anlage des Hrn. Del. ergibt sich aber eine Grimdvarachie*
denheity nämlich dass jetst nicht mehr die Circumvallation Aleeias
sämmtiiehe Arbeiten Cfisar's allein ia sich fasst, sondern dass seii^
Befestigung auf dem Plateaa von Aniancey die Hauptsache und äia
Circumvallation der feindlichen Stadt nur ein verhältnisamäaaig ge-
ringfügiger Anbang au seinen sonstigen Werken ist. Wirklich eoll
CäsAT dieses Plateau fast in seiner ganzen Ausdehnung besetaen nnd
durch 23 Kastelle (Forts), deren Spuren wieder in den Ortsnamea
nufgesucht werden, die weite Fläche vertheidigen. Auf dia Nord-
spitze dieses Plateaus und nicht auf ein in der Doppeliinie liegendes
Lager soll auch der letate vereweifelnde Angriff der GaUier gericbtil
sein» Die Entfernung dieses Punktes von Alaise betriigt 11 Sile-
ineter und von dem angeblichen äussern Lager der Galijar 15 KilopiaUK.
Was naa das Plateau von Alaise selbst angeht, so ist daaaeUie
von allen Seiten scharf begrenst Ein Trapea oder abgestumpftes
Dreieck, wird es im Osten und Norden durch die liefe und enge
Schlucht des Lison von dem Plateau von Amancey abgeachoUtaD
und fallt 30 gleichsam eine Kerbe dieser weiten Fläche aus. Die
südliche B(^is von 4 Kilometern Längenentwicklung fällt auf eins
Seitenschlucht des Lisas, Vaux mourants genannt, ab und hängt
nur am südwestl. Winkel durch einen schmalen Rücken mit dar
höher ansteigenden Bergkette der Mayot zusammen. An dieser Stalle
soll Vercing. die Reiter vor der völligen Einpferchung entlaseea
haben* Der Abstand dieser Basis von der Nordspitse ist 5 Kilo-
meter. Am westlichen Abhang schlängelt sich ein schwacher äi
Sommer vertrocknender Bach, der -Todeure, und wirft sich am nourd-
Westlichen Winkel des Plateaua in den Lison. Diese Westseite bietet
auf ^ner geringen Strecke (Charfoinga und gegenüber Le Pi^
etwea sanftere Abdachungen, in welchen Hr. D. die 3000 Do|ipal-
schritte lange Ebene vor der Festung erblkkt. Tiefet breite roe
Süden nach Norden ziehende Forchen im Felsgestein werden ifi
Spuren tteils von Cäsar's Gräben, theils von Vercingetorix' Y#f
schanzungen gedeutet. Ob nun gleich die Circumvailation des Pia*
teaus von Alaise nur ein Nebenwerk ist, so überschreitet doch Hnk
D.'s Zeichnung die von Cäsar gegebenen Masse um ein Beträdiük
Uches, während die fragliche Ebene, in welcher erfolgreiche £ämpl%
bedeutende Reiterevolutionen statt hatten, bei ihm in nichts
SdnMeB Iftet UMit. SM
MBfldiiiniipfl* B6i dfoBoni WMcTSpraohd kann 60 nfcate holfeüi sich
wf eio aaderei von pes und passos ▼enehiedenes Mast zn berofett,
weidies eIgMtHoh greMot, MüitSrachrttly g^eheissea ^haba und vos
deo Sdiriftstillera hiaflg «nter beiden entern Ausdrucken fwetanden
mL Dieee BegrUbrerwtrmng , einem so geotaen Aator wie CSsir
ntr BdisM gelegt, klingt iesserst sonderbar: noch sonderbarer abe^
Witt es ans bedflnken, wenn Hr. D. (S. 10) meint, Ton der Messnng
der Qtadelle Ton Besannen diesen neuen Fass abnehmen und auf 0|77
Meter (über das doppelte des gewöhni. r6m. Fasses) bestimmen en
können. Mit diesem grösseren Fasse werden denn auch die Spuren
der Orttben, die sonst zu breit wSren, gemessen. Bekanntiieh ist
die Breite des BergbalseSi auf welchem die Gitadelie Ton Besan^on
Hebt, jenes Berghalses, der den nm die Stadt geschlungenen Doubs
Tcn seinem obern Laufe scheidet, von Jal. C^ar (de b. gall. I, 88)
mit 600 Fass zu schwach angegeben. Dieselbe betrSgt 878 Meter
oder 1227 röm. Fuss. Ist nun die Textesstelle verderbt oder hat
sich CSsar im Vorübereilen mit einer sehr oberflächlichen Schätzung
i>egnügt ? Dies ist wohl die einzige Altematiye. Wem aber möchte
SS ehifallen, aus dieser zweifelhaften Grösse den unverrOckbaren
Etalon römischer Längenmasse zu machen, der, wie die Pariser Meter
im Otieervatoriom, Revolotionen und Katakiysmen überdauern soll,
wogegon die Wertbe pes und passus längst nach den siehern Auf-
gaben der MÜiiarien auf der appischen Strasse u. s. w. mit relativ
hoher Genauigkeit bestimmt sind! (S. D'Anville Eclalrofssements
g€ogr. sur Fancienne Oaule, Paris 1741, Im Vorwort.)
Von dem Plateao von Alaise gibt nun Hr. D. (S. 16 u. 17)
eme aosfährllche, ins Einzelne gehende Beschreibung. Gerade dies
hindert uns aber, die so kurz und klar von Cäsar geschilderte Lage
Aiesias hier zu erkennen. Vom Todeure anfangend bildet eine Reihe
von Erhebungen und Senkungen mehrere Vertheidigungslinien , bis
denn Alaise selbst von Schluchten, Felsen und Anhöhen umgeben
ersefaeiot und hinter demselben Ghataillon, der östliche Theil des
Üateans, an den Lison gelehnt, wo Vercing. sein verschanztes La-
gehabt haben soll. Cäsar sagt einfach ; ipsum erat oppidum in colle
summo, admodum edfto loco, und es ist unmöglich diese so scharf
hervortretende Lage an einem 'untergeordneten Platze in diesem
umfaaaenden Systeme von Bergfläche, Thal und Kuppen wiederzu^
tnden. Was aber noch schlimmer ist, die voran- und umhergela-
gerten Hügel shid fast sämmtfich höher als die mit Alesla bezeich-
nete Stelle selbst, und weder von hier, noch von ChaUttlon vermag
der Blick westlich hi das Thal des Todeure und drüber hinauszn-
dringen. Dies Ist aber eine conditio sine qua non. Denn von dieser
Seite kam, wie Hr. D. selbst ausfahrt, die gallische Bntsatzarmee;
dieselbe ward von Alesia aus gesehen und entflammte die Belager-
ten zn neuem Iduthe (Caes. bw g. VII, 79): erat ex oppido Alesfa
iespeetus in campum. Conenrritur, bis auxiliis visis : fit gratulatio inter
aas atqae omnlum animi ad laetitiam excitantnr.
IM Sdwtfte« ihM AlMii,
Pia Oeididdcall ist die Beel« des BeweiM. Wi4m|ifkkl 4b-
telbe ineiirereD oder nur einer wesentlichen Bedingung des Tez^
•Q wird die neue £ntdeekunf Uebst Terdiohüg, oftd «Uer Aiiiwand
Yon Seberfelnn/ das UnverträgUcbe lu idiBeni ei« dbertiiariges Spiel
des Witees. Wir übergehen duher die gerne mit anbeetreltlMiT«B
Telente ausgemalte ScbUdernng der KMmpl^ die auf diesem Terrain
aiattgefttndeo haben soUeo, und berMhreo nur noeh einige Nebea^
Bttitaeo der neoea Theorie. Gross sei der Widerhall der Ereignism
um Alaise gewesen: das freilieh verlorene Gedieht des Varro AUr
oiDUS de hello Seqaanico habe unstreitig deren Yerherrlichnog «m
Zwecke gehabt: die Bedeutung yon Alaise habe in der Rfimerwdt
fortgedauert und sei durch Strassenailge und Ortsnamen bestltigt:
in einer Relseschildernng des Augonius, in seiner Idylle ron der Hess!
werden die wichtigsten PlStse des sequanischen Kriegstheaten er-
wähnt: die Nava,
Aequarit Latias ubi quondam GalHa Cannes,
aei der Nans oder Lison ; Dumniesus die Tenise, ein Nebenfinss der
Saono, an welchem die feindlichen Armeen aum ersten Mal sneaia-
meng«;sto8sen ; Novomagum, das Ziel jener Reise, sei Neufdiatean
in den Yogesen: der Name des Ortes sei in einem Scerbreginlv
▼. Salins a. 1272 noch Alesia geschrieben, und nur in Besang
aei derselbe gegen Alasia vertauscht: die heutige Form Alaise enft
spr^ehe auch besser der griechischen Schreibang "j^Xtfita bei Plutardi,
Dio Gass. etc. (wir würden lieber zugeben ^Alcuala^ wie Peljla
Vni, 23, wenn überliaupt darauf so Tiel ankäme)^ an Monumentsn
sei erst von der Zeit eiue befriedigende Ausbeute su erwarten ; doch
seien schon viele Waffenfragmente um Amancey gefunden worden:
Todteohtigcl , Reste von Steinwällen, Druidensteine werden in der
ganzen Gegend angetroffen.
So ist es dann mit der Entdeckung Alesias durch Hm. Dela-
croix bewandt Es ist leicht zu begreifen, mit welchem Jubel die-
selbe von den Geschichtsdilettanten der Franchecomt^ aufgenommen
ward, die hier eine ungeahnte Verherrlichung ihrer Provinz begrfist-
ten. Doch auch zwei Stimmen aus höheren Kreisen lieseen aish
rasch für die neue Theorie gewinnen und verschafften derselben eine
ephemere Geltung In der eigentlich gelehrten Welt. Hr. J. Qoiche-
rat) Director der Ecole des Chartes zu Paris, jener hShera AiiBtaifl^
welche junge Antiquare und Archivisten bildet, widmete der ArMt
des Hrn. DeU einen empfehlenden Artikel im französ. Athoiäam
vom 10. Mai 1856, den das Journal general de l'Instr. pubL vom
21. Mai 1856 wiederholte. Durchdrungen von zartem Interesse I8r
diese unglilcklichen Waldbauern, die seit Jahrhunderten angstveü
den Gelehrten das Räthsel ihrer dunkeln Lokalsagen abfragten, prdst
er sie, endlich den Oedipus ihrer Geschichte bekommen m haben,
und sieht in der Darstellung des Hrn. D. so viele Beweise der
Wahrheit, dass man darauf verzichten müsse, dieselbe auf anderem
Wege zu finden. Und warum vermochte Hr. Qu. diese nidit sa
Sehriften «ber Aleiia. AM
\
Albe in Burgnnd so sehen? Unter seinen ZweiMn fiel ans einer
auf, d«ss nttmliefa dort eine Circumrallatfon zu leidites Spiel wäre
wbA des Aafhebens, das man daron gemacht habe, nieht würdig
•il? Wir lassen Unberufenen des Altwthnms and der Nenceit die
Mtihe, Aoflieben in machen von Begebenheiten, welche Gftsar etn«
lach nnd nngeschminkt nnd mit dem Aceente der Wahrheit eralhlt.
Gewiss aber, wenn wir Posaunenstdssen begegnen, wie bei Vellejos
Fat n, 47: Circa Alesiam vero tantae res gestae, qoantas andere
?fa[ hominis , perficere paene nullius , nisi Dei fuerit ; werden diese
nicht auf anser Urtheil vom Sachverhalt einwirken. War es die
phantastische Ausschmückung, weiche Hr. Qu. bestach, so mag viel-
leicht der Reiz der Neuheit die andere Zustimmung erklSren, die
von Hm. Desjardins in der Revue de Tlnstr. pnbl. vom 19. Juni 1856
abgegeben ward. Hr. E. Desj., Prof. am Lyc^e Bonap. zu Paris, rühm-
lichst bekannt durch topographische und antiquarische Forsdiungen
(G^ogr. de Latium, De tabulis alimentariis) , und seit kureem von
^er officiellen Sendung nach Italien zurückgekehrt*), machte be«
sonders auf die neue Ansicht aufmerksam, die aus Hrn. Del.'s Ent*
decknng über den ganzen siebten Feldzug Gäsar's gewonnen werde.
Beruht aber gerade diese ganze Ansicht nicht auf einer petitio prin«
ciptt? Wie Ittsst sich auch darthun, dass Cäsar durchaus gentt-
tbigt gewesen sei, sich in die Bergstöcke des Jura zu seiner Yer*-
AeidignDg zu flüchten? Der hohe Gefangene von St. Helena be-
spricht bei dem Angriffe des Ambiorix auf Q. Oicero's verschanztes
Lager (Prfcis des gu. de J. C. p. 79 ff. Paris. Ausg. v. 18M) den
schneidenden Kontrast der alten nnd der modernen Eriegsführung
hl Beang auf Lagerung, Positionsnahme, Angriff nnd Vertfaeidigung.
),Ehi römisches Lager, sagt er S. 27, ward ebne Rücksicht auf die
TerrainverhSltnisse aufgeschlagen: jede Lokalitftt war brauchbar fflr
Armeen, deren Stärke allein auf der blanken Waffe beruhte; es be-
durfte weder Scharfblick noch Feldherrngenie, um gut zu lagern:
wogegen die Wahl der Positionen, die Art und Weise solche zu
besetzen und die verschiedenen Waffen mit Benutzung der Terrain*
verfaXltnisse aufzustellen, eine Kunst ist, welche einen Tbeil des
Genies des modernen Feldherrn ausmacht.' Bei diesem Aussprache .-
des Genies können wir uns bescheiden, ohne für CÄssinrtrirtSgrsart'''*'***«*»
Opemtionen sucl>en zu wollen, an die er nie gedacht und zu den*
ken Dicht Noth hatte.
Wir wenden uns nun zu den Widersachern des Hrn. Del., die
ehiem Unternehmen, das sich als Revolution aller bisherigen Rechte
askfisdfgte, natürlich nicht fehlen konnten, und deren gründlich ein-
gebctide Kritik uns einer persönlichen Schätzung fast überhebt. Auf
diesem Wege begegnen wir zuerst einem jungen Mitbürger des angebli-
ehen Entdeckers v. Alesia, Herrn V. Revillout. Weder von Lokaltnte-
*3 S. bereit« einen Bericht über dessen Untersacbungen zu Yelela in der
Hevae de 1' Instr. pabl. vom 11. Dee. 1856.
m SoIrllleB aber Akffai.
nafen verfflbrt, a6di von den reiMDdeii Gtiwaftde iet Bonn ThcKh
rie oder der Autorität ihrer Verfechter geblendet, nur von jagendlK»
diem Dnrtle nach Wabrliek getrieben, eilte Hr« iUv. oaeh Alidn,
studierte die Frage an Ort und Stelle, and Teröfflnitlicbte das kleine
aber bemerkenswerthe Sehriftehen Nr. 2. Das ErgebnieB seiner Uth
teranchaDg tot, dam die Lage Ton Alaiie der Idee, die wir nm a
priori ron den Kriegeereignissen nm Aleeia machen, nicht entspri^
daaa ein Blokos in der von Hrn. Del geschilderten Weise daeribst
unBiügllch war, dass die Vergleichong des Textes mit der Darstel-
lang des Hm. Del. auf sahllose Widersprüche stösst, dass endüch alle
ftasseren Sparen ron dem Dasein einer gallisch- römischen Stadt mii
ehemaliger Belagerongswerke anf dem Plateau von Alaise mangehk
Was nttmllch Hrn. Del. als alte LaufgrSben erschienen, sind FmdMB
im Gesteine, s. g. Komben, durch die langsame Wirkung dw Zsit
und des Begens ausgehöhlt , oder Bisse von Felsschichten , wie sie
sich häufig im Gebirge (auch um Besan^on) finden, Vorboten oft
gefährlicher Bergstfirse. Sehr unsicher sind auch die übrigen Me-
numente. Bausteine sind um Alaise gar keine zu finden, die Strassen
führten in grösserer oder geringerer Entfernung vorbei , and es ist
eher lu vermntben, dass eu den Bömerseiten alles hier dichte WaK
düng war (p, 10). Die Annahme eines Blokus in dieser Ghsgend
widerspricht aller vernünftigen Strategik. Alles war der VerdMl»
dignng der Bömer entgegen und begünstigte einen Angriff der Gat-
lier (p. 13). Hr. Bev. hebt besonders swei Stellen hervor, die abei
vollkommen beweisend sind, nämlich die südliche Linie der Oirem»-
vaUation und das Lager bei Amancey. Jene ist nach der Zeicbnang
des Hrn. Del. in der engen fast eine Stunde langen Thalklinge der
Vaux Mourants eingesperrt, und wird von beiden Seiten, nördBch
vom Plateau von Alaise, südlich von der Fortsetsung der Mahaut-
berge so gründlich beherrscht, dass wenige Menschen auf den An-
höhen genügen, eine ganze Armee in dieser Tiefe su vernichten. Ei
ist unl>egreiflieb, wie römische Soldaten in diesen Pass eindringes
und unter Vercingetorix' Augen Belagerungsarbeiten ausführen konn-
ten; unbegreiflich, wie sie sich hier selbst in Yerschansung^n be-
haupteten und nicht einem ersten Aasfalle der Belagerten unteria-
gen; unbegreiflich, dass die äussere Armee der Gallier mit ihrsr
Uebermacht nidit von Süden gestürmt und die schwache Linie dorcb-
brechen hätte. Mit einigen Felsstücken und Baumstämme», auf
diesen steilen Abhängen hinabgewälet , war ein Wallgraben «usge*
fflUt, eine Mau^r eertrümmert, und der Ein- und Aussng frei. ^Diei
aUein, schliesst Hr. Bev. p. 14, möchte hinreichen, jeden GMankso
einer Belagerung von Alaise au zerstören: das Dasein einer atoa-
denlangen Linie, welche die röm. Soldaten nicht behaupten konn-
ten, und welche Vercingetorix freien Ausgang oder der HHIiarmee
freien Eingang verstattete. ^ Ebensoviel lässt sich gegen Gäsar's
Stellung auf dem Plateau von Amancey einwenden. Abgesehen von
der ungeheuren Ausdehnung der Arbeiten und der Auseinandezlag«
der F«rli| di« iioh in «iiiAni KuoMDkriege wohl denken Utart, mber
bei der geringen Tragweite der alten Waffen keinen Nutoeo gewährte,
bitte CttMii naeh Hrn. Del-, gerade den 7on Nator festeetea Pinikty
die N<»depitae| am gewaltigsteo versehanati nnd die Sfldeelley weiebe
ainem Angriffe von deo Mabantbergeo anegeeettt war, rWig Mos
gelamen^ Von hier ans konnte die überlegene Menge der Koaaeni
Veiiide leicht das Piauaa von Amancey überacbwemaMn, die vor*
eiaaeiten Forte abaebneiden luad das GeatTttm der röm. Positionen
nüt £rfelg bestürmen* I>nrcb die Vaax moorants setale man lidi
angleieh in Verbindung mit den Belagerten. Was aber noch wnn*
derüeber ist, auch die Gallier der Entsatsarmee hSiten diese SchwSehe
der röm. Stellang gans übersehen, und sieh versteift von Norden
anaugreifen, wo man übrigens die von Cäsar ang^ebene absebtts*
sige und seinen Leuten ungünstige Lage des Terrains vergebens
sucht, wo vielmehr oben alles flach ist, das Aufsteigen hingegen durch
die engen und verwinckelten Thalsebhichten, die nach der Loue su-
laafea, unüberwindliche Schwierigkeiten bietet. ,)An diese nniU"*
gänglicben Oerter also, ruft Hr. Rev. aus p. 16, welche nur eine
9«hr enge und wohl bewachte Angriftlinie aufwiesen, hätten die
galUsQhen Häuptlinge die Blüte ihrer Mannschaft gesandt, vermuthf*
lieh um des grösseren Ruhmes willen, wenn sie sich gegen alle
Wahrscheinlichkeit eines solchen Postens bemächtigten. Und geseAat
sie hätteu endlich mit Anfreibopg ihrer Kräfte eine von Gäsar's
Schancen über den Haufen geworfen und sich Amaneey genttiert,
so war es ihnen damit nicht gelungen, wie aal der Südseite^ die
Tcnppen Cäsar's von einander su trennen, das Plateau mit einer
siegenden Stärke von 250000 Mann zu besetsen und alle jene klai*
nen Garnisonen zur Ohnmacht zu bringen: nein sie kamen in
geringen Haufen, ermüdet, erschöpft, durch einen unnützen An«
griff decimiert, vor das Lager Cäsar's hu das Centrum seiner
Armee, mitten unter frische Truppen, welche Zeit gehabt hätten aus
den entlegensten Schanzen herbei zu eilen.^ — Nur, wenn man
dem Texte Gäsar's die grösste Gewalt anthut, vermöclite man sich
in das Terrain von Alaise au schicken. Dies zeigt Hr. Rev. unter
anderm an der Position, die Hr. Del. dem Lager des Vercingetorix
neben Alesia angewiesen halte. Da dasselbe nach Oäsar's aosdrückM-
chen Worten auf der Ostseite liegen- musste, so kam es bei Alaise an
den nnangänglichsteu Theil des Plateaus, wo es, durch die tiefe
Felaenschiucht des Lison im Osten vor den Römern gesehtitst, sich
eigentlich nur gegen die Stadt selbst zu vertbeidigen hatte in dem
Kckwer au denkenden Falle, dass die .von Cäsar selbst unüberwind-
lich geheissene Feste beim ersten Angriffe den Römern in die Hände
gefallen wäre. Dieser Angriff ward von Westen aus der s. g. Ebene
oder dem Todeuretbale geführt, und während dessen entfaltete Cäsar
seine Hauptmacht auf dem über eine Stunde östlich hinter Alaise
gelegenen grossen Plateau, um die seinigen zu ermnthigen, die nichts
davon sehen konnten, und um Veocingetorbc in seinem Lager zu
schrecken, der durch die Natur des Ortes hinlänglich gesichert war«
p. 96 IT. -— Kaehdem Hr. Rot. bo die ftaffaU«nd«teii 0Crat6f^ltelieii md
antiquarischen VerBtösse bekSmpff, stellt er saletzC ancb dfe riditige
Ansicht Ton den s. g. Kastellen wieder her, wo uns das GmndfiM
des Delacroix'schen 83rBtenis sn liegen seheint. Tor jeder Verwlr-
mng mit heutigen Kriegshegriffen (forts d€tach&, fen croistf n. dgt.)
warnend, fragt er schliesslich p. 82 : ,,Was waren denn die 98 Ka*
stelle, Ton denen GKsar spricht? Es waren einfach eine Art Wadn
stoben, in passenden Zwischenräumen im Innern seiner Wei^e er*
richtet, in welchen Nacht- und Tagwachen den BelagerungsarbeifeSB
Schnts verliehen und einen ersten Stoss des Feindes aoshaltend des
flbrigen Truppen Zeit Hessen sur Vertheidigung berbelEukommen.
Dies ist wohl die einsige yernOnftige Manier CSsar's Ersählnng is
▼erstehen.^ Dies ist, setzen wir hineu, gewiss auch die Ansicht
die sich jeder Unbefangene bei der blossen Lesung der Gommenta-
rien gebildet bat.
Wenn nun schon im eignen Lande die Schenkung des Hrn. Del.
mit Vorbehalt des Inventars und gründlichem Protest aufgenommsi
ward, 80 Hess sich natürlich nicht erwarten, dass Bnrgund raUg
bleiben würde, und sich seines köstlichen Otites so leicht begelmi
m^^obte. Wirklich erhob sich auch suerst Herr De^ su Aozerre,
Verf. von Nr. 8, mit Nachdruck gegen die willkürliche Neuermg
eines wohlbegründeten Besltsstandes. Nachdem er in einem 1. Kapilri
das strategische System des Hrn. Del. auseinandergesetst, bespridit
er im 2. den ersten Zusammenstoss der beiden feindlichen Herre.
Wo sollte dieser stattfinden? Nach Hrn. Del. bitte sich GXsar, nach
der Vereinigung mit Lablenus, gegen Genf über Langres, die obere
Saone, Mantoche, Alaise und Mores gewandt? Warum diesen Weg?
Um schneller ansukommen? Er ist der weiteste. Um die deutscbea
Reiter au erwarten? In Mantoche war Cäsar weiter von ihnen ent*
femt und in Feindesland. Wegen der Richtung der Strassen? Diese
war eine andre. War es GSsam um eine feste Position zu thun?
Er sagt selbst^ dass er der Provins Hilfe bringen wollte. War dies
wirklich seine Ansicht, so begreift man wahrlich nicht, wie er die»
sen Weg einschlagen konnte, wo ihm besonders, wenn die Schluch-
ten des Lison besetst waren, durchsadringen unmöglich gewesea
wäre. Dabei sind vor allem die historischen Zeugnisse in Anschfaig
au bringen, und wenn auch Cäsar als ehrgeiziger Feldherr ms
manchmal ein kopfschütteindes Zweifeln erregt, so ist er dodi als
Geograph ein glaubwürdiger Gewährsmann. Cäsar sagt aber deut«
lidi: (Vn, 66) quum Caesar in Seqnanos per extremes Lingonnn
flnes iter faceret, als er nach Sequanien durch das Grenzgebiet iHt
LIngonen biniog; und wenn Dio Cassius dafür iv Ihjxovavo^ (In
Sequanien, Francbecomttf) gibt, so hat dies gegen die aothentiiMira
Eraählung kein Gewicht. Es ist bekannt, wie unzuverlässig oft die
Angaben des griechischen Eompilators sind, und wir haben ihn, bei
der Belagerung von Gergovia, in einem ähnlichen Widerspruche mit
der römischen Quelle gefunden. Die hieher bezügliche Stelle Plntareb's
SdvülMi «b«r Alma. 68f
(Vit Cii. eip. 26) achdai swiseheii beiden Beriobtea su Bchvrankeii luid
ist such von Hrn. DeL für seine Theorie ausgebeutet worden. Hr. Dejr
«eigt alMT durch TolÜLommen logische Auslegung des Wörtchens
ifftav^a^ dess Plutarch mit Gttser übereinstimmt, nämlich hrvav^Oy
welches als Ortspartikel xweideutig wäre, ist als Zeitpartikel lu las-
sen, und heisst: damals, als er nach Seqoanien weiter sieben wollte.
Cäaar war also nicht in der Fraochecomttf, in welcher alle Opera*
tionen des Herrn Delocroix stattfinden. Die Gitate aus Aosonius
fuhrt Hr. Dey auf ihr richtiges Verständniss surück : es ist daselbst
darchaus nicht von diesen Begebenheiten und diesen Oertern die
Bede, sondern die Mava ist die Mähe, Dunmissns die Stadt Denssen,
und MoTomagum Neomagen, wie die Peutinger'sche Tafel beweist
Was nun die Station an Mantoehe betri£ft, so stellt Hr. Dey S. 61
die verschiedenen Meinungen über die Lage von Amagetobria (Ma**
getobria?) in einer lelirreichen Anmerkung lusammen, die wir nne
aieht versagen können hier ansauschreiben, da dieselbe einer küaf«
tigen Untersuchung über diesen Gegenstand sur Grundlage dienen
dürfte. ,|Amagetobria soll sein 1. am Ufer des Bheins nach Gilbert
Cansin (GÜberti Gognati brevis ac dilucida Burgnndiae soperioria
dascdptao. Baslleaeap. Oporln. 1652. 8.). 2. au Mantoehe und Amanga
nach Gbüflet (J. J. Chffleti Yesontio civitas in4>eriali8 libera. Lug«*
dnni Giayne 1618. 4. Dunod de Chamage, Histoire des S^qnanais
et du comt^ de Bourgogne. Dijon et Besannen 1735—40. 4. Gra-*
vier M^moires de TAcad^mie de Besan^on 1843. 8.). 3. zu Poren-
truy nach Dunod (Lettres h l'abb€ B. sur les decouvertes qu'on a
üaites sur le Rhein 1716. 12.). 4. zu Montbeliard nach Romain
Joly (La Franche-eomtd ancienne et moderne. Paris 1779. 12.).
5. an Broye nach Bergier (Dissertation sur ceite question: quelles
^taient les princlpales valles de la S^quanie. Lons-le*Saulnier , An-
nuaire du Jura 1839. 8.). — Vergl. M^moires sur divers objets
d'antiquit^ trouv^ k Mantoehe pr^s de Gray, par Marnote, dans les
Aetea de rAcad^mie de Besan^on, Besangen de St. Agathe 1847. &
M&noires sur la langue celtlqae par Bullet Besangen, Daclin 1754 fol.
T. L Rapport de Mr. de Golbtfry sur un memoire reiatif k l'empla-
cement d'Amag^tobrie par Mr. Gravier dans les M<$moires de l'Ao»-*
d<mie de Besangon 1843.^ Man sieht^ schliesst Hr. Dey, wie miss*
lach es ist^ einen so vielfach bestrittenen und äusserst zweifelhaften
Punkt zur nothwendigen Basis strategischer Operationen für Julius
Cäaar au machen, und aus dem Grunde, weil derselbe schon Ariovist
cor Vertheidignng gedient hatte, dessen Zwecke gar nicht dieselben
waren; denn Ariovist wollte die Verbindung mit dem Oberrhehie
aieh offen halten, Clsar die Rhone gewinnen. Ausserdem wäre es
hikhst befremdend, dass Cäsar die Saone, die er auf diesem Wege
so tiberschreiten hatte, nicht mit einem Worte erwähnte, und noch
Hiefar, dass Vercingetorix sich dem Uebergange nicht an den Ufern
des Flusses widersetzt hätte. — £in drittes Kapitel des Hrn. Dey
iat Ubeischrieben: Topographie et si^e d'A16na. Die näehste Frage
baferilk hier die ICmdttbier: weMta fiteste gebarten ele eü« €«i
Aedueru oder den Lingonen, mit andero Worten, den Emptirten oder
den R&merfreandiichen? Der beiläufige Satt; qni eoa reeeperast,
will Hni. Dey andeuten, dasa eie oicbt {an Bande waren, ud daM
Vercfngetorix ibnen nicbte an befohlen hatte. Decb möchte hier
den Verf. sein Scharfsinn an weit geführt haben. Ans iolch Tti^
einaelter AeQaaeniog ist nicht an Tiel sv scblieasen, und die ganie
Darstellnng GSsar's gibt ca erkennen, dass er den gallischen Airf-
aland mehr als ein Werk des Terrorismas als freiwüljg fiatriotiaeher
Eihebang ansah. Jener Sata möchte also nichts als ein SchlaKÜcfat
weiter sehi, nm den heldenmüthigen Führer v^n gehXsaiger SsM
so aetgen. Es erhelit aas andern Gründen, dass die Maadohte eta
Scbotavolk der Aedner auf der Orenae gegen die Llngonea woran
Ein aweitor Ponkt, die Unteienchvng des Temtina, ist Hm« Dey
besser gelangen. Mit grosser Bchärfe werden die drei Hanptmetfc*
nude in OXsar's Texte herrerg^^ben: 1. die beiden Fliaee, die
den Fuss des Berges bespülen, 9. die Ebene, die sich auf ehier
Seite «ffnet, 8. die Umalonang dutch Berge gleicher Höhe. Wen»
ann die beiden ersten aar Noth um Alaise wieder gefandeti werdstf
mögen (nnd wir könnea dies kelaeewegs in Beaog anf die Ebene
lagebeD), so fehlt das dritte Merkmal der Gegend utd Alaiee gian*
Mob. Hr. Dey Tcrgiekht die Erhebung der vOrattgliohsten Punkte
Aber die umgebenden WassedSafe, wie tolgt:
Für Allse.
Mont Aokois 155 Meter.
„ R^ 166 «
^ PMvenel 158 »
« Grdsigny 181 „
„ dcFlavigny 183 „
Aeuaserete Differena 27 •
Für Alaise.
Alaise 186 Mden
Ba^tbereaux 158 ^
Mont de Uslne 205 „
Le Fori 274 «
Camp Baron 281 „
„ de Mine 285 «
Diese Zahlen sprechen von selbet* Ueber die Lagenmg beider Th^
um Alisa Forweist Hr. D. auf den oben angeßthrten Bericht du
Hm. Da Mesail fan Spectateur miUtaire. Die Besdiaffenbett dct
Terrains rechtfertigt vollkommen die Vertbddigungsanataiten des geh
liacheu Feldherm: denn die östliche Seite des Mont Auxols ist affl
leichtesten augSnglieh; hier waren also improvisirte Grftben und
Manem, wie sie Cäsar beschreibt, dorchans nothwendig. GXsar^
Arbeiten selbst lassen sich ner auf dem Terrain um Alise rersteiietf'
Hier gibt Hr. D. die Möglichkeit au, dass die Wahrheit etwas unter
der Beschreibung geblieben sei; unmöglich aber könne man, wie
Hr. DeL tt^at, über Cäsar hinausgehen und solch ungeheure Arbei-
ten träumen, au welcheü dem römischen Imperator Zeit und Mittel
fohlten. Um dies noch treffender ^u erweisen, Hess sich Hr. D. von
Ikii. Architekten Lorin an Auxerre einen Kostenfibenching der De»
fltkrfftai ««lAltiiik IM
lacffois'fldMn Werte anfetügen, d«n et in der Note 34 ¥01111110««
mittbeilt Es waren, naeh Hm Lorin, 7,660000 Kubikmeter atUh
flograben; dam braacben 63760 Mann 40 Tage bei 10 Stunden
tftglieluMr Arbeit CSear aber lag nor 30 Tage vor Aleeia, hatte nur
60,000 Mann, und konnte sie nieht alle aur Schaniarbeit Terwen«-
deo. — - In einem 4. Kapitel entwickelt Hr. Dej die SeiiidcBale Ale«*
Sias nach der Belagerung, und stellt ausführlich nach SehriftsteUem^
Urkunden und Denkmälern die traditionellen Reclite des bu^andl*
sehen Alise wieder her. — Eine anmuthige Zugabe, gleichsam ein
Satyrdram nach der ersten Trilogie der Beweise, Ist sein 6r Kapitel:
AMsia daus les Ceyennes. Im Jahre 1716 hatte nämlich ein An*
tiqnar aus Languedoc, Ours de Mand^jor, eine höchst wundetUdM
Schrift Iteransgegeben : Eclaircissements sur la dispute dAlyse en
Bonrgogne et de la Tille d'Alea dans ies Bevennes en Laagued»e^
an anjet de la famevse Alesia aasi^^ par Cäiar: wo mit Vetkeh«'
mag aller Topograi^e Aleäa nach Alais bei Nismes Fersetat wkrdi
Daicfa diese PaittUele mit einer ältetn Meinung, die einet emstha^
teo Widerlegung nicht bedarf, wird die neue £ntdeck«ig von Alesia*
▲laise mit Lächerlichkeit iiberschüttet und um ein Mal mehr ge?
Mlgty wie weit es der übertriebene Ortspatriotismus bringen kann^
wenn er die soliden Führer verlässt and die ansichem Zeugnisse
•chlecht unterrichteter Spätlinge anabeatet Seinen Sehlnss formst
liert Hr. D. in diese Worte: C'est k Alise qu'il fant appliquer oes
parolea de Mr. Quieherat: II faudrait renoncer h chercher la väritd
s^ n'^tait pas permis de dire qn'on la poss^de lorsqu'on a reeueiUi
tani de eignes manifestes de sa pr^sence.^
Wir kommen zu dem ausführlichsten, grüncHlchsten Werke, das
sich mit dieser Frage beschäftigt, die Delacroix'sehe Theorie vollf*
ständig widerlegt und die Rechte des bnrgundischeii AJSiBe endgiltig
rettet Hr* Bossignol, Archiyar zu Dijon, hat unter den Anspiden
der dortigen Akademie und der antiq. Kommission ebendaselbst die
Denkschrift Nr. 4 erscheinen lassen^ welche ein Muster besonnen
ferscfaender Methode und gesunder lebhafter Polemik ist Es ist
alelit unsre Absicht, unsre Landsleote jenseits des Bheias der Le*
BODg dieser gediegenen und klassisch geschriebenen Abbandluqg n
«beigeben, überzeugt, dass dieselben, wie wir, nicht aar willkooBi«
mnne Belehrung, sendiern aneb wahres Vergnügen hier finden wer«
den. Die topographischen Zugehen, mit welchen sia aasgesialtet
ist, machen sie tib^us dem Stadium dieses ganzen Feldaaga wm^
entbehrlich. Dean ausser der genauen Aufnahme des Terrains von
Alise begrelfeD diese eine Uebersichtskarte der strategischen Opera^
ttenen und einen Plan der kurz Tor der Betagerung gelieferten
Schlacht. Lassen wir denn zunächst nur die Ueberschriften der Ka^
pitel folgen. I. Exposition. IL De la valeur des documents. UI. Jules^
C^sar arrive de Tltalie. Ses premi^res Operations. lY. Marcheiid
C^sar apr^s la lev^e da si^ge de Gergovie. V. Marche de V^den
gAorix apris la lev^e du si^e de Qergovie. VL C^sar seerung«
MO ScIurilkeB «ber Aleiku
Ott üMTche BftiB 9LV0k puBi rVoone* Sa difection. VIL CMsar et
VarciDgftoriz se reocontrent en avant de Montbard; reirdte des
Oaalois sur Alise. YIIL Du som d'Alise et des Mandubiene; tra*
ditioQ DOD interrompDe qui les Signale. IX. Description comparfe
de la sitaation d'AIise avec les textes de C^ar. De ses eoars d'eau,
de ses plaines et du camp de Yercing^torix. X. Camps des Ro-
mains; redoutes, lignes de circonvallation. XI. Camps des Gaalois
de l'arm^e ext^rieure. XIL Soumission des Edaens; autorit^ de
Yarron et d'Ausone dans la question d'Alise. XIII. Ruines d* Alisa
XIY. R^capitulation. Man sieht die Reichhaltigkeit des Stoffes.
Oenüge es, einige Punkte, die durch Hrn. R.'s Ausführung beson-
deres Licht gewonnen, hervorsuheben. Yortrefflich ist die Eotwick-
long der strategischen Momente. Denn da die Belagerung und die
vorausgegangene Schlacht sich wechselseitig bestimmen , so ftsgl
Hr. R. suerst nach dem Schauplats der letztem. „Um ein Schlacht
feU zu finden, sagt er S. 6, gibt es ein sehr einiaohes Mittel: msi
folge dem Marsche beider Armeen Schritt für Schritt, mit gutes
Fiärern und mit Prüfung des Terrains. Wo beide Linien sidi be-
nignen, da ttittss gewiss das Schlachtfeld sdn.^ Dieses Programa
wfard gewissenhaft ausgefüllt und zuerst mit siegender Logik darge-
than, dass Cäsar, auch nach dem Abzüge von Gergovia und den
Abfalle der Aeduer, nimmermehr daran gedacht habe CentralgaUiea
au verlassen. Er selbst erklärte dies für eine Infamie (B. 6. YHi
56). Napoleon hat es ebenso verstanden. „Es war, sagt dieser, nur
BWischen zwei Dingen die Wahl: mit Kühnheit bezahlen oder in
die römische Provinz sich zurückziehen. Doch hiermit war allei
verloren.^ Cäsar bezahlte also mit Kühnheit Unter den Augen
des Feindes bewirkte er den schwierigen Uebergang über die Loire
(bei Nevers), rückte weiter nordwärts, und vollzog seine Yereiniguag
mit dem von Paris kommenden Labienus. Er blieb nun an de«
Ufern der Yonne und des Armangon liegeiii wo er an den befreun-
deten Lingonen und Remem einen Rückhalt hatte, sich reichlich
verproviantieren und den Zuzug germanischer Reiter von Trier her
erwarten konnte* Diese Stellung war ihm aber auch aus efaneni
andern Grunde sehr vortheilhaft. Yon hier aus beobachtete er das
nahe Aeduerland, wo nun die aufständische Armee ihr Hauptquartier
aufgeschlagen und bereits Zeichen von Eifersucht und Zwist sich
kund gegeben hatten« Denn Yercingetorix war von neuem zu Bi^
brakte als Oberhaupt des Nationalaufstandes bestätigt worden und
die äduischen Edlen unterwarfen sich unwillig dem Befehle des
Aiverners (YII, 63). Welch günstige Aussicht für Cäsar, wenn es
ihm gelang, durch Emissäre Misstrauen zu säen und den ^^alten Freon**'
i den des römischen Yolks^ die Rückkehr zum früheren Bündniss an*
Biiehmbar zu machen I
S.;«. ^^«"" ^"^'-^
Ikii. Afi
■r. 41 BEIDELBKRGER IHt.
JAHRBOCHSR der LITERATUR.
Schriften Aber Alesia.
(SehluM.)
Welch wichtiger Grand in der Nähe bu verharren, aod wer
möchte ihn non noch in den Schluchten des Jura suchen , wo er
mindestens verhungert wäre I Indessen beschliesst Vercingetorix zwei
Diversionen nach der römischen Provins, die eine gegen die Heivier
Jenseits der Gevennen, die andere gegen die Allobroger, die sich
durch die Rhone schützten, aber die er der Verführung zug&nglich
zu finden hoffte (VII, 64). Gegen solche Angriffe hatte Cäsar
82 Kohorten in der Provinz gelassen: es schien ihm zweckmässigi
mit der Hauptarmee sich derselben zn nähern, um ihren Vertheidi-
gern leichter die Hand zu bieten. Es handelte sich also wieder
nicht um Flacht, wie Vercingetorix in Gallien aussprengte und die
Hro. Delacroix, Qnicherat und Deq'ardins ihm zu leicht geglaubt
haben I sondern nm eine einfache Positionsveränderong, wie auch
Napoleon richtig gesehen hatte. Und so gross war die Ktthnheil
des römischen Feldherrn; in seiner MarschrichtuQg streifte er das
Land der Aeduer und wollte so zu sagen unte* den Augen des
Feindes vorüber defilieren, um in das Saonegebiet seine Quartiere
zu verlegen. Anders kann die Hauptstelle des Textes: quum Caesar
;in Sequanos per extremes Lingonum fines iter faceret, quo facilins
Bobsidiom provinciae ferri posset (VII, 66), nicht genommen wer-
den. Wo sind diese extremi fines Lingonum? Sie sind durch das
ganze Mittelalter in der Diöcesaneintheilung fest gebalten worden:
bei Montbard scheiden sich die Diöcesen von Autun und Langres,
und hier geben, wie anderwärts, Dörfer des Namens Fins (Fins-Iez*
Montbard und Fins-lez-Moutiers) Zeugniss von der alteiT Abgren*
zung. Hier also wird Vercingetorix sich dem Durchzug der Le*
gionen widersetzen und hier kömrot es zu der Kap. 67 beschriebe-
nen Schiacht. Es ist zu vermuthen, dass der gallische Obergeneral,
als kluger Mann, seine Stellung absichtlich in der MiUie einer Fe-
stung gewählt habe, in welche er sich nach dem unglücklichen
Ausgange der Schlacht wirft. Diese Festung ist Alise, ein Schatz-
ort der Aeduer, also der Konföderation unterthan: nicht 100, nicht
50 Kilometer, sondern 4 Stunden bloss vom Schlachtfeld. Denn
Vercingetorix erreicht sie noch am selben Abend, nach heissem und
gewiss langwierigem Kampfe, und Cäsar lagert sich am folgenden
Tage vor ihren Manern. So weit die Vorgänge vor d^ Belagerang.
L, Jahrg. 9. Heft 42
Wie kUr» wie natörlicfa verkettet eich alles ! Mit inethemetiecto
Sieherheit wird man auf Ali«e hiDgefOhrt, and von allea lepogrt»
phischen und antiquarischen Beweisen abgesehen, könnten die stra-
tegischen Gründe allein hinreichen, den Plats zu bestimmen. In
dieser Weise hat sich uns in einer gründlichen Besprechung Herr
Ouigniaut geäussert, von dessen bekannter Autorität wir so glud^
lieh sind, hier Gebrauch machen au dürfen. — Ebenso umsichtig
verfasst als angenehm zu lesen ist die topographische Ausführung.
S. 46 gibt in grossen Umrissen ein gelungenes Bild von der Ge-
gend. „Cäsar's Beschreibung passt in allen Stücken auf das T«-
rain, wo eine ununterbrochene Ueberlieferung immer Alesia erkannt
bat. Das längliche Plateau, auf welchem die Feste ruhte, ist von
Katur, wie nach den Commentarien, durch 4 Stücke begrenzt: xw4
Flüsse, die Ose und den Oseraln, eine Ebene davor, ante id oppl-
dum planities; — Berge dahinter. Man blicke auf die Karte : dieser
vereinzelte Hügel stellt ehi grosses Kriegsschiff dar, welches sidi
von einer Flotte abgelöst und in das Bett der Brenne eintreten wüL
Es stützt sich rechts nnd links auf zwei Wasserlänfe, die Cäsar
Flumlna nennt. Sein Vordertheil strebt über die schöne Ebene von
les Laumes, die sich vor ihm eröffnet und es zu erwarten scheint:
ante id planities patebat. Sein Hintertheil lässt wellenförmige HQgd
turück, gleicbsam die Wogen, die es auf seinem Wege aufgerührt;
reliquis ex partibus colles.^ Es ist uns unmöglich in aHe Eind-
holten ehizufehen: wir verweisen daher auf das schöne Werk des
Bm. R. selbst, in weldiem bis ins kleinste die Uebereinstimmong
des lateinischen Textes mit dem Terrain voq Alise, so wie die Du-
Statthaftigkeit der Delacroix'schen Belagerung, zuweilen mit de»
herberen Schlägen einer ereiferten Wahrheitsliebe, dargethan vrird.
In der Schilderung des letzten entscheidenden Kampfes schliesst sich
Hr. R. mit Recht ganz an den Bericht des Hrn. Du Mesnil im
Spectateur militaire an, dessen Aufnahmskarte und eigene Worte
wiederholt sind. In der That tritt der äusserste Hügel nördtick
von Alise etwas weiter als die übrigen von dem Centrum der Ope*
lationen zurück, und man begreift, wie Cäsar, um seine Linien nicht i
zu sehr auszudehnen , sich hier mit einer unvollkommenen Befestt«
gnng begnügte (YII, 83). Die Spitze des Hügels blieb also von
der Circumvallation ausgeschlossen, und dies Versehen brachte die
römischen Legionen an den Rand des Verderbens. Denn hierher
rückte in der Nacht, von den Feinden ungesehen, die auserlesene
galYische Maomschaft unter den Befehlen des Vercassivellaunus, und
bestürmte mit aller Macht von oben das am Abhänge befindUcho
Lager des Aatistius Reginus und Caninius Rebilns. Versprach null
dieser Angriffsplan einen günstigen Erfolg, so ist auch die Thätig^
kelt und Gewandheit, mit der Cäsar seinen Fehler verbesserte, an-
zuerkennen. Er sandte Verstärkung auf Verstärkung nach dem be«
drohten Punkte, er erschien in eigner Person auf dem Felde dw
Gefahr; was »her den. Ausschlag gab, war eine geschickte Reiter-'
Mkriflen ttber Atealt. UMI
bewegQDg durch das Tbal des lUhtfSi. Dieses Thal, in das Ose-
tbal mandend, macht nämlich eine fiefe Forche zwischen dem be-
seichoeten Hügel and der weitern um Alesia gelagerten Reihe: es
verbarg den Theil der cisarianischen Reiter, der aus den Verschan-
songen hervorbrach und den Oaliiem in den Rücken fiel (VII, 87
and 88). Der Anblick des Terrains stellt diese Bewegung, für
welche Cäsar nur zwei Worte hat, in das glänzendste Licht und
liefert, wie s<^ oft, den bündigsten Kommentar zu dem kurz abge-
brochenen Texte. — Nach der Uebergabe Alesia's ist erst wieder
von den Sequanere die Rede; T. Labienus wird mit 2' Legronen
nnd der Reiterei beordert, seine Winterquartiere da zu nehmen.
Wem möchte es also einfallen, Alesia in Sequanlen (Fraocfae-eomt^Q
zu suchen? und was hat es nun mit dem Gedichte des Varro Ton
Atax de hello Seqaanico, dessen unbekannten Inhalt Hr. Del. hieber
bezieht, für ehse Bewandniss? Ein Krieg in Sequanien ward mit
ArtoTfSt, nicht aber mit Vercingetorix geführt: ein Krieg gewiss
ebenso würdig des epischen Gesanges durch seioe^ grossartfgen Per-
sOdltchkeiten und bedeutenden Ereignisse, der einzige in Cäsar^
Siegesläufe, der unter diesem Namen einen Varro begeistern konnte.
In gleicher Art wh-d auch die verkehrte Deotung Ton Ansons Jdylle,
die wir schon besprochen, abgewiesen. — Ein sehr ausfOhrliehes
Kapitel ist den späteren Sehicksalen A leslas und den antiquarischen
Funden gewMmet. Ob die Btadt, wie Florns behauptet, von OBsat
niedergebrannt ward, mag zweifelhaft bleiben : Plinius sah sie blühend
nnd gewerbthätfg (H. N. XXXIV, 17). Die yersehiedene Lage der
Mfinsen, deren noch heute in Masse aufgegraben werden, läset auf
zwei spätere Einäscherungen der Stadt scfaliessen. In der ^ Puss
tiefen Erdkruste nämlich, welche antiquarische Ausbeate liefert, an»
terscfaeiden sich drei Schichten. In der untersten finden sieh aasser
sehr seltenen Münzen Ton JuHus Cäsar unzählige Kaisermünzeo, die
meisten von Tiber, dann von Nero, Vespasian, Trajan, Antonio.
Alle diese Münzen sind mit einer Aschen^ und Kohienlage bedeckt:
es mag also unter dem letzteren Kaiser eine Feuersbnmst stattge**
fmideB haben. Eine neue Folge Ton Münzen reicht bis Theedos,
weraof wieder eine Aschenschichte ausgebreitet Ist. In der obersten
Schichte worden noch Münzen der merovinglschen Könige entdeckti
unter andern ein Goldsous mit dem Namen Aiisia, der auf einer
der tepographtschen Beigaben abgebildet ist (S. 107). Selbst elgent-
Kth eehlsche Reste mangein nicht (S. 110). Ausser den Spuren
der Staatsstrassen, Gebäude, Antikagüen aNer Art, wird mit Recht
anf die zu Alise gefundenen Inschriften Torzügllches Gewicht gelegt
Mehrere werden beschrieben und commentiert. Besonderes Interesse
erregt eine noch unerklärte, vermuthlich celtlsche, die im Jahr 1839
entdeckt ward und von der ein Facsimile in den Text gedruckt ist.
Wenigstens ist das Aherthum der Aussprache AliBia statt Alesf«
durch sie bewiesen. Hier folgt sie:
MARTIALIB.DANN7li
lEVRV . VCVETE . SOSN
CELICNON ETIC
GOBEDBI . DVCIIoNT-Io
YCVETIN
IN ALISnA
Aogesichts dieser Beweise und der fast sweiUiiBendjShrigei
Tradition, deren Urkunden er alle geprüft bat, glaubt Hr. R. dss
Ergebniss seiner Untersucbung gesicbert, und empfieblt es in einesi
warmen Schlussworte der Behersigung seiner Leser. Was branelrt
es mebr? ruft er aus (S. 122). Cfisar und Napoleon, das Fd4-
herrngenie und die Dichter, die Geographen und die Historiker, der
Scepter und der Altar, die Völker und alle Jahrhunderte, die Rui-
nen selbst haben gesprochen. Es gibt meines Wissens kein feier-
licheres, kein einmtithigeres Zeugniss: ja, Cäsar's Alesia ist Alise in
dem Lande Auxois. Wir stimmen mit ToUer Ueberceugung be^
und haben nach allem den von Hrn. Delacroiz angeregten Streit
nicht EU bedauern, da derselbe eine so treffliche und beredte für
alle Folge genügende Vertheidigung der alten Wahrheit herrorge*
rufen hat Wir hStten nur einen Wunsch, nämlich den, daas die
Aufnahmskarte von Alise, selbst auf die Gefahr den Masssiab wm
verkleinern, etwas mehr Terrain umfasst und die Termuthiichen Be-
lagerungslinien deutlicher beaeichnet hätte.
Hiemach übergehen wir die verzweifelten Versuche, die in der
Franchecomt^ gemacht wurden und noch gemacht werden, um das
System des Hrn. Delacroix ^u retten , können aber von der suleUt
erschienenen Schrift Nr. 5 nicht schweigen. Die erste Hälfte der-
selben ist ein Wiederabdruck der bereits besprochenen Schrift Nr. S
desselben Verfassers. In der aweiten Hälfte nimmt Hr. Rev. den
eigentbümiichen Standpunkt, auch gegen Hm. Ross. und die Ansprüche
des burgundischen Alise die verneinende Kritik su kehren, die er
mit Glück gegen Hrn. Del. und das juranische Alaise geltend ge»
macht hatte, und somit einem aut-ant ein doppeltes neque entgegen
SU setzen. Schade, dass durch diesen zweiten unberechtigten An*
griff die Kraft der zuerst mit Erfolg geführten Waffen abgeschwäcM
wird und an der ganzen kritischen Thätigkeit des Verf. ein so ua»
befriedigendes Endresultat zurückbleibt I Denn was shsd die Gründe^
die Hr. Rev. gegen Alise vorzubringen vermag? Ein Hügel, res
zwei Wasaerströmen bestrichen, ist nicht sehr beweisend ; man finde!
dies überall, n^ng sein, wenn man bloss auf allgemeine Umriean
sieht, und Hr. Del. hat etwas Aebniicbes in den Schluchten des
Jura aufgewiesen. Wo aber in dieser scharfen Individualität, oül
allen Nebeomerkmalen, wie in Cäsar's Text verglichen mit dem Tei^
rain von Alise? Der Beweis ist noch zu liefern.« — Die Hügel um
Alise, die durchaus nicht tiefgründig sind, widerstreben jeder Sehens-
arbeit. „Hier wird also für zu schwer erklärt, was Hr. Qulchent
Mirinen über Aletla« M
EU leicht Torkam. Wir bleiben in der richtigen Mitte» nnd wenn
Hr. Rev. sich auf seinen eignen Augenschein und mehrtägige Un-
tersnchnng beruft, so haben wir für uns die Officiere des General-
stabs, die an mehr als einem Ort Ihre Messstangen aufgesteckt und
die volle Anwendbarkeit der authentischen Urkunde auf dieses Ter-
rain behauptet haben. Dies technische Gutachten hat, meinen wir,
doch seinen Werth. Und sagt Cfisar nicht selbst, dass an mehreren
Orteo, wegen der Beschaffenheit des Bodens, seine Befestigung un-
volistSndig geblieben und nur in den Niederungen, wo er auch den
nassen Graben ausführte, in allen Theilen vollendet gewesen sei?
(Vn, 84: quae minime visa pars firma est, huc concurritur, yergl.
86: interiores desperatis campestribus locis propter magnitudinem
munitionum loca praerupta ex ascensu temptant, und 72.)^ —
Die 3000 Schritte lange Ebene vor der Stadt wird bei Alise ver-
gebens gesucht: hier ist ein endloses Thal, in welchem man je nach
der Richtung der Linien ebenso gut 4000, 5000, 6000 etc. Schritte
messen kann. „Hr. Kev. verschweigt, dass gerade im Angesicht
Ton Alise, wo Ose und Oserain in die Brenne fallen, dieses Thal
sich answeitet. Diese weitere Tbalöffnung allein ist es, die Cisar
vernünftiger Weise unter dem Worte planities begreifen konnte, und
ihre Linge, nach dem Wasserzuge der beiden Fitisschen bestimmt|
betrügt wirklich 3000 Schritte. Sie wird gerade westlich, Alise ge-
genüber, von den Hügeln begrenzt, auf welchen die gallische Ent-
satzarmee sich lagerte. Herrn Rev's Einwürfe gleichen hier einer
wahren Schikane.^ — Die Ebene vor der Stadt muss auf derselben
Seite liegen, wo Vercingetorix sein Lager befestigte : dies war aber
naeh GSsar's deutlicher Angabe auf der östlichen Seite: die Thal-
5ffDung vor Alise ist dagegen auf der westlichen. „In Cfisar's Teite
lat nichts, was zu solchem Postulate berechtigt : wenn Hr. Rev. sieh
es so einbildet, so möge er seine Phantasien nicht zum gemeingll-
tigen Gesetze machen. Man lese Kap. 69. Vor der Stadt, ohne
Angabe der Himmelsrichtung, lag die Ebene; vor der Stadt, das
faeiest doch wohl auf der Seite, von welcher CKsar herannahte d. i.
Ton Westen. Wenn nun Cäsar weiterhin die Stelle des gallischen
Lagers mit den Worten sub muro, quae pars collis ad orientem
aolem spectabat, näher bezeichnet, so macht dies eher den Eindruck,
dass er eine von der erstem verschiedene Lage habe bestimmen .
wollen. So ist es bei Alise, wo übrigens der sanftere Abhang der
Oatseite und ihre grössere ZugSnglichlceit ganz die Vorsichtsroass-
regeln des gallischen Feldherrn erlilärt. Cäsar hat aller Wahrschein-
lichkeit nach sein erstes Lager auf der Südseite, welche die beste
Position bot, bei Flavigny aufgeschlagen. Um diese Position zu
behaupten und auszudehnen, fand das im Kapitel 70 beschriebene
Reitertreffen statt, welches sich längs dem Oserain das Thal hinauf
unter den Augen der römischen Legionen bis zu den bezeichneten
Verschanzungen der Gallier fortsetzte. — „Der Flächenraum auf
dem Berge Auxoia ist zu klein um 80000 Mann in herbergen, zu
klelo für die vrabre Absicht und Bedeatunf des Torchigttoilxisdisn
Ysitbeidiguagsplanes.^' Schon Napoleon, schon Turpin de Criuee
hatten die Frage aofgeworfen : Wenn Vercingetorixi ausser der Rei*
terei» noch 80000 Mann Fussvolk hatte, warum hält er nicht du
Feld| warum Ifisst er sich mit dieser bedeutenden Truppenzahl ein-
scbilessen? Hrn. Be^.'s Antwort ist ebenso scliarfsinnigi als ehrend
für den heldenmüthigen Verfechter der gallischen Nationalsacbe. Ver-
cingetorix wagte seinen Kopf und die Freiheit der erlesensten Krie-
ger aus allen Stämmen Galliens, um die feindliche Hauptmadit so
einer Stelle festxabalten : die Gefahr dieser 80000 sollte dea Land-
sturm von gana Gallien herbeiaiehen und mit dieser Macl&t heifte
er Cäsarn eu erdrüclien und den ganzen Krieg mit einem Schlage
au beendigen. Wenig fehlte, so hätte der Erfolg diesem Plaoe
Recht gegF^ben. Hätte er besser gethan, die Versammlung des Land-
flftnrmes in Person su betreiben ? Seine Befehle wären ohne Zweifel
basser ausgeführt worden, als es in Wahrheit der Fall war (s. Ka-
pitel 75). Aber wfs ward inzwischen Alesia? Unstreitig hielt Vercinge-
toriz seine Gegenwart in der Feste für nothwendig. Hier war die
härtere Aufgabe: die Gedult, die Ausdauer der Besatzung durch
sein persönliches Beispiel zu wahren, ja sie gegen den Muth der
Verzweiflung im Interesse der allgemeinen Sache zu sichern. Wai
mag es dem jungen Helden an Kämpfen, an Ueberredungskuost,
an moralischer Kraftaustrengung gekostet haben , da die Noth bis
zu dem kannibalischen Vorschlage eines Gritognatus gestiegen warl
Wodurch missgliickte der so klug erdachte und so heroisch verfolgte
Plan? War es nichts als plötzliche Entmuthigung nach dem ver-
eitelten Angriff auf das nördliche Lager, was die noch immer zahl-
reiche und d«n Römern überlegene Entsatzarmee zum Ausreissea
veranlasste? Hr. Rev. denkt an Verrath, und in der That, mao
kann sich dieses Gedankens nicht erwehren, wenn man sich ans
denik ganzen Verlauf der Geschichte erinnert, wie sehr die einzelnen
gallischen Staaten in Parteien zerspaltet waren, welchen Theil der
Terrorismus an Vercingetorix' Verfahren iiatte, wie bei den Aeduem,
ja bei seinem eignen Volke des arvernischen Häuptlings Anaehea
keineswegs unbedingt fest stand, so dass nach der Uebergabe der
Sieger es vorzog, Aeduer und Arverner durch Massregeln der Oe-
Ibidigkeit und Gnade zu gewinnen, statt sie sanunt und sonders ais
Empörer zu strafen. Diese Ausführung ist ohne Zweifel der gelaa-
genste und anerkennenswertheate Theil an Hrn. Rev.'s kritischer
Studie. Wir finden aber darin kein einziges Moment, das nicht aaf
das Terrain von Alise zu beziehen wäre. Der verbältnissmässlg
enge Raum auf dem Berg Auxois ist allerdiogs der scheinbarste
Einwand gegen die Identität von Alise-Alesia. Schon Hr. Major
Du Mesnil wollte deswegen eine Uebertreibung in der Zahl 8OO00
vermuthen* Cäsar specificiert diese Zahl zu genau, als dass wir in
diese Vermuthung einzustimmen vermöchten. Er behielt davon 2OOO0
(Aeduer und Arverner) «urück, und vertheilte die äbrigen Mann for
S«lurifKMi nier AIomi^ W
MMm an seine Soldaten, deren Zahl doch wenigstene aoeb auf €0000
(10 Le^onen und Hilfsvölker) angenomoieQ werden mues. Wir
haben alao den streitigen Punkt einer neuen Berechnung unterwor-
fen und gefunden, dass 80000 Mann auf dem Berg Auxois nicbft
mehr beengt waren, als, nach Napoleons Ausetnandersetaung , eine
römische Legion in ihrem Lager. Wir haben selbst den Zwischen«
raam swischen den Befestigungslinien Gäsar's berechnet, und sind
nngeffthr auf dasselbe Ranmverhältniss gestossen.
Dies genüge über den letzten Versuch, das bargundische Alise
ans seinem Besitsrecht zu verdrfingen, Ueberhaupt, war es mit
einer blossen Verneinung getban? Alesia kann nicht ausser der
Welt, nicht ausser Gallien, nicht ausser einem bestimmten Bezirke
Galliens, den Cfisar's Heerfahrt berühren musste, liegen. Ebenso
leicht wäre es zu behaupten, dass Gallien nicht existiert habe, oder
das« Cäsar nie nach Gallien gekommen sei. Man zeige ans also
eia besseres Alesia; wo nicht, so lasse man sich gesagt sein, was
Qr. Rossignoi am Schlüsse seinen Gegnern zuruft:
Si quid novisti rectius istis,
Candldus imperti; si non, bis utere mecom*
Orleans 1857. 1ü. A« nseher.
Nachschrift.
Im Augenblicke, da wir diesen Bericht absenden wollen, erhal-
ten wir eine neue Aeusserung des Herrn De^rdins in der Reyue
de rinstr. publ. vom 26. März 1857. Wir ersehen daraus mit
Vergnügen, dass dieser Gelehrte von seiner vorschnell gefassten und
Hrn. Delacroix allzu günstigen Meinung umkehrt und sich mit eini-
gen Behutsamkeitsformeln den gewichtigen Gründen des Hrn. Ros-
eignol ergibt, dessen strategischen Betrachtungen er besonders volle
Anerkennung widerfahren lässt. Aus Hm. Desjardins Artikel, der
dea Bericht des Hrn. Alfred Maury an die geograph. Gesellscbafik
über die Arbeiten des Jahres 1857 bespricht, vervollständigen wir
xQ^leich die Litteratur dieses Streites. Für Hrn. Delacroix und ge-
gen Hrn. Hossignol kämpfte noch Hr. Emm. Bousson de Mairet, Da
la Position reelle de i'Al&ia de Jules G^sar. Arbois 1857, 18. Für
Aiise-St. Reine erklärten sich Hr. Jomard im Bulletin der geograph.
Gesellschaft Nr. 68 et 69, August und September 1656, Herr R.
Coynart, Major im Generalstab: Etüde historique, topographique et
miUiaire sur la cit^ gauloise d'Al^sia im Spectateur militaire 3. Serie,
T. XVI, 2. Liefrg. vom 15. Nov. endlich ein ungedrucktes Memoire
dea Generals Duiour, welches von Hrn, Jomard in der Akademie
der Inschriften am 6. März d. J. gelesen wurde. Diese zwei Stim-
men von Sachverständigen haben vorzüglichen Wertb. Wir erfah-
ren zugleich, dass die SoctAtf d'^mulation des Donbsdepartamea^
64S GroBOvtt Uctt TnlL
0feh eifrig mit der antfqnariscben Erforscbong der (3e;end von Ahdse
besebfiftigt Zu unsrem grossen Bedauern worden wir yon Beean^n
abberufen, eben als wir an die Untersucbung der Denkmiler yon
Alaise gehen wollten. Möglich, dass diese Denkmäler snr Entdeekang
interessanter historiflcher Fakten aus einer andern Reihe Fon Bege*
benbeiten fähren : was aber Aiesia und seine RSmpfe betrifft, so ist
es nirgends anders als auf dem Berg Anxois in Burgond an finden,
und wir empfehlen den Geschicbtsfreundeu , die im künftigen Som*
mer awischen Paris und Lyon reisen, den kurzen Halt an der Sta-
tion les Laumes so machen und das nahe gelegene Alise au besn-
chen. Sie begegnen daselbst, ausser anmuthtgen Landschaftsbllden,
ehfier frischen naturkräftigen Bevölkerung, welche das Andenken
ihrer historischen Weihe treu bewahrt und energisch Fertheldigt, und
unter dem Bauemkittel unterrichtete nnd gediegene Antiquare auf-
weist. Wir bitten insbesondere nach Herrn Callabre au fragen, 6et
•ine hübsche Sammlung Antikaglien ans seinen Grundstücken auf-
gegraben hat nnd sich mit grosser Gefälligkeit den Fremden aar
Verfügang stellt.
Johannit Frederiei Oronovii Ledionum TüUianarum Par-
tieuki. Totiua operis moz edendi Prohudo. Addita prfufa-
Hone edUioni$ curam geasU W, H. D. Suringar HtL DocL
reetar gymnasii Lädensis. Leidtu, Ex typographeo J. 0. La
Lau. 1866. VIII und 28 8. in gr. 4.
Die hier aunächst als Probe und Anbang eines grossen G^ansen
erstmals yeröffentlichten Lectiones Tullianae des Johannes Fried-
rich Grononlus, des feinsten Kenners der Latinität, den die
ältere holländische Schule der Philologie anfzoweisen hat, haben antii
jetzt noch, nach zwei Jahrhunderten, ihren Werth nnd werden daher
auch die Beachtung verdienen, die man mit Recht Allem dem an-
zuwenden hat, was yon diesem grossen Meister und Kenner der
ciassischen Literatur ausgegangen ist ; man wird eben desshalb dem
Herausgeber dieser Lectiones sich zu allem Danke verpfliditet fülfr-
len und nur wünschen können, dass es ihm möglich werde, das,
wovon er hier nur einen Theil, als Probe, vorgelegt hat, vollständig
der gelehrten Welt mitzutheilen, da, auch nach Allem dem, was ta
den letzten Zeiten für die Kritik wie für die Erklärung des GicerOt
namentlich auch in sprachlicher Hinsicht geschehen ist, doch immer
noch Manches zu thun übrig bleibt, namentlich in den mit diesen
Lectiones Tullianae zunächst bedachten Briefen, deren handscbrift«
liebe Grundlage, wie bekannt, so schwach ist, eben desshalb, selbst
für die Herstellung des Textes die genaueste Kenntniss der Sprache
nnd der ganzen Ausdrncksweise , auch ganz abgesehen von alien
den Beziehungen zur richtigen Auffassung und zum richtigen Ver*
ständniss des Inhalts, von so grosser Wichtigkeit Ist Diesen nnd
droBOYÜ Ledt TqU. 949
kdneii andern Btandpankt hatte auch der grosse Kritiker ond Spraeh-
kenner, dessen Bemerkungen zu den zehn Episteln des ersten Bachs
der sogenannten Briefe ad Familiäres, und zwar kritische wie sprach«
liehe und grammatische, uns hier in einem correctea Ahdrucko vor*
gelegt werden. Sie sind offenbar dem, was wir ein Goliegheft nen-
nen würden, entnommen nnd haben darum einen ähnlichen Charak-
ter, wie die aus einer ähnlichen Quelle abgeleiteten nnd durch den
Druck in neuerer Zeit bekannt gewordenen Bemerkungen des Kuhn-
ken zu Terentius und andern Autoren, nur dass sie zum Tbeil aus-
führlicher gehalten sind, eben dadurch aber ein um so grösseres
Interesse gewinnen. Ein glücklicher Kauf war es, durch welchen der
Heransgeber in den Besitz zweier Manuscripte gelangte, welche die
von dem Lehrer den Schülern während des Vertrags dictirten Be*
merkungen zu Cicero's Briefen ad Familiäres enthielten, und bald
als eine Aufzeichnung von Dictaten des Johann Friedrich Gronovius
erkannt wurden; das eine dieser Manuscripte enthielt fortlaufende,
anf die Kritik und Erklärung der genannten Briefe bezügliche, aber
kurz gehaltene Bemerkungen, wie der Herausgeber vermuthet, für
die neu eingetretenen Schüler in öffentlichen Vorträgen bestimmt;
in dem andern finden sich der Zahl nach zwar weniger, dem Umfang
nach aber weit ausführlicher gehaltene Bemerkungen, für die schon
vorgerückteren Schüler und den Privatunterricht, wie der Verfasser
vermuthet, bestimmt. Nur weniges war von diesen Dictaten bisher
in die Oeffentlichkeit gelangt; sowohl In der Ausgabe des Orävius,
wie in der des Verbürg finden wir nur an wenig Orten auf diese
in des Gronovius Vaterland handschriftlich verbreiteten Dictate Rück-
sicht genommen; was bei Orelli vorkommt, erscheint hinwiederum
diesen beiden entnommen. So konnte wohl in dem Herausgeber
der Wunsch rege werden, einer Veröffentlichung dieser Dictate sich
zu unterziehen, die wir mit um so grösserem Dank anzunehmen
haben^ als, wie schon oben angedeutet worden, für die Kritik nnd
Auslegung der Ciceronischen Briefe jeder neue Beitrag, zumal der
eines so ausgezeichneten Kenners der lateinischen Sprache, erwünscht
sem Biuss. Bei dieser Veröffentlichung hat nun der Herausgeber
das folgende, gewiss beifallswürdige Verfahren eingeschlagen : er hat
den Inhalt der beiden ihm vorliegenden Manuscripte oder Colleghefte
mit einander in dem Drucke zu vereinigen gesucht, d. h. er hat
das eine derselben, welches die ausführlicheren Bemerkungen ent-
hält, seiner Veröffentlichung zu Grunde gelegt und daraus fast Alles
aufgenommen; ans dem andern Hefte aber Alles das, was zur Er-
gänzung oder Vervollständigung und Erweiterung dienen konnte,
beigefügt, mit Wegfall dessen, was in dem andern Hefte sich gleich-
falls findet und daraas in den Druck aufgenommen war; er hat dann
weiter bei diesem Geschäfte noch z^vei andere Hefte dieser Dictate,
die sich in dem Besitze des Hrn. Huüeman befinden, benutzt und
sorgfältig verglichen, obwohl diese, so schön und nett sie auch ge-
schrieben waren, doch nicht so vollständig erschieneni wie dto bei-
6Ö0 Orosovii Leell. TalL
den ob«Q erwUmten IdAnaseripto in dem Betitle des Heraosgebers
selbst, daher auch nicht diese Ausbeute lieferten. Ferner ward voa
dem Herausgeber das, was an mehreren Orten aerstreut sich fand
und doch seinem Inhalte nach auf einen uod denselben Gegenstand
sich besog, zusammengestellti um unnütze Wiederholung la Fermei-
den. Einzelnes auch, was unpassend oder ungeeignet erschien, weg-
gelassen; insbesondere aber wurden alle Citate genau nacbgeseheo
und entweder berichtigt oder doch genau nach dem Buch und Ca-
£itel und Vers oder Paragraph angegeben, eine gewiss sehr dank-
are Nachhilfe, die den Werth der Mittheilung allerdings erhöbet
bat. Diese selbst aber kann uns nur den Wunsch wiederholen las-
sen, auch die übrigen Tbeile dieser Dictate oder Bemerkungen des
Gronovius zu Cicero's Briefen ad Familiäres, in gleicher Wdse be-
handelt, veröffentlicht zu sehen. Um übrigens unsern Lesern einen
Begriff von Fassung und Inhalt dieser Bemerkungen zu geben, wol-
len wir nur einiges Wenige daraus anführen. Zu Brief I, 1. ^ 1
Cd^H^^ causa, si qui sunt, qui velint^ etc.) werden Erörlerungeii
und Belegstellen über die Phrase volle alicujus causa, deren
8inn und Bedeutung gegeben, eben so über voluntas, ferner im
Verfolg über die hier vorkommenden Ausdrücke calumnia und de^
cernere. Weiter wird §. 3 in der Stelle, die nach der gewohn-
lichen Lesart lautet: «quod commodo rei publicae facere poasis^
▼•rbessert: ,,quod commodo rem facere possis*^ (wie bekanntlieh
auch die Mediceiscbe , dem Gronovius wie es scheint, nicht niher
bekannte I Handschrift hat), und der Gebrauch von quod (i. q.
qnoad, quantum, qnatenus) wie von commodo aus Cicero
und andern Schriftstellern erläutert. Ein ähnlicher Fall ist §. 4 wo
das fehlerbaite «praesentisque tui^^ in praesentes tui verbessert
wird; dieses hat aber Orelli bereits ans der Mediceischen Hand-
schrift aufgenommen.
Aehnlicher Art sind weiter die beiden von Gronovius in dem
zweiten Briefe vorgeschlagenen Verbesserungen „cui rei jam obsisti
non poterat^ für cnique rei etc. uod omni mea cura für omnia
mea cura; beide sind von Orelii bereits aufgenommen: wir würden
daher bei der weiteren Veröffentlichung dieser Bemerkungen und
Verbesseruagsvorschläge Gronov's es erspriesslich finden, wenn von
dem Herausgeber in einer Note oder sonstwie kurz angegeben würden
da wo diese Verbesserung mit der Mediceischen Handschrift oder
mit den neuesten Texten von Orelli und Klotz zusammentrifft und
in unsere Texte Aufnahme gefunden hat. Die Mehrzahl der Bemer-
kungen Gronov's sind sprachlicher Art oder sie beziehen sich auf
die Erklärung schwieriger oder dunkler Stellen; wir unterlassen es
weitere Belege anzuführen, das Gesagte mag hinreichen, die Freunde
des Cicero und die Forscher der lateinischen Sprache auf diese Be*
kannntmachung aufmerksam zu machen, und die weitere Veröffentli»
chung des Ganzen durch einen so umsichtigen und sorgsamen Herans-
geber zu veranlassen.
RiBkefl el Bool: De Cl^eroBis orat. I in CatiL 654
L Diaput&tio phäoloffica inaugurälü de oratione prima in Caü'
liimm a Cicerone abjudicanda j quam — publico ac solemni
ezcanim submütet Simko Heerts Rinkes, Joura-Frisiite*
Lugduni Batavorum, apud E. J. Brülj MDCCCLVL L und
66 S. in gr. 8.
2. Oratio prima in L. CatUinam, RecensuU et a, Af. TüUio Ci-
eerone male abjudicari demonstravü J, 0. O, Boot. Ämsle-
lodami in libraria Seyffardiiana, anno MDGCCLYIL XX und
78 8. in gr. 8.
Die conservative Kritik, wie sie in der älteren hoUändischea
Schule der Philologie, nameDtllch von den Coryphäen derselben,
;:eäbt worden ist, hat in der neuesten Zeit in die entgegengesetzte
Eicbiung umgeschlagen, und in dieser Besiehung selbst staunens-
werthe Producte geliefert; wie diess so manche der Unächtheits- und
Verdächtigungsericläruogen zeigen können, wie sie bald gegen ganze
Schriftsteller und deren Werke, oder einzelne Theile derselben er-
lioben worden sind, um nicht von der stets wachsenden Masse von
Interpolationen und Glossemen zu reden, die, wenn wir den Wort-
führern dieser Kritik und ihren Adepten Glauben schenken wollen,
bei faat allen Schriftstellern des Alterthums jetzt erst zum Vorschein
kommen, nachdem sie dem Stumpfsinn so mancher Jahrhunderte ver-
borgen geblieben; die Conjeoturalkritik nimmt in gleichem Masse an
bisher nicht gekannter Ausdehnung lu, da sie nicht bloss allein da
angewendet wird, wo sie bisher vorzugsweise angewendet ward oder
(loch angewendet werden sollte, wo nemlich die urkundlichen Quel-
len der lieber lieferung uns völlig im Stiche lassen, und wir genö-
ihigt sind, um die Stelle lesbar und verständlich zu machen, an
irgend eine Verbesserung zu denken, die aber doch den Grund und
Boden der positiven Ueberlieferung nicht verlassen darf, ja von ibm
zunächst ihren Ausgang nehmen soll, sondern auch an allen Orten,
wo uMin überhaupt glaubt, der alte Autor hätte sich besser so oder
so auslassen, dieses oder jenes Wort, das nicht streng noth wendig
ist, eher weglassen können, und in dieser subjectiven Ansicht ge-
nug Grund zur Vornahme eines Streiches und angeblichen Glossems
oder Interpolation oder doch einer Aenderung, die eine Verbesserung
heiasen soll, gefunden zu haben meint Wir könnten manche Be-
lege des Gesagten, aus dem, was auf diesem Wege in neuester Zeit
zn Tage gefördert worden ist, anfuhren, wir beschränken uns jetzt
auf die oben erwähnte Sehrift des Herrn Rinkes, die wir wohl als
ein Product dieser kritischen Richtung betrachten dürfen, zu welchem
einer der Führer dieser Richtung, Herr Bake, die Veranlassung
gegeben haben mag; denn das Verdammungsurtheil, das hier über
die erste Catilinarische Rede des Cicero ausgesprochen wird , erscheint
nur als eine nähere Ausführung eines von dem Meister hingewor-
fenen Gedankens, der somit also eigentlich die Verantwortung tüx
dieses Verdammungsurtheil i und vielleicht selbst für die zur Be«
(^53 Elnkei et Boot: De Ciceronis ont I in CatS.
grOnduogf deeselben aafgetotenea oder doch Tersncbten Beweise ei
tragen hat Von diesem Lehrer des Verfassers, der in der Vorrede
ihm seine dankbare Anerkennang ausspricht, heisst es dann weiter
bei dieser Gelegenheit: „Amplius enim trienniom est, ex quo signi-
fioasti, primam orationem in Catilinam Cicerone indignam tibi videri;
postea lectionlbus academicis cui ita censeres, nobis erpliciiistt mihi-
que, quam te de dissertationis argumento consulebam, non solom
veniam dedisti, ut id, quod tu inrenisses, ac si mea Inventio esiet
öderem in publicum, Terum etiam ut egregiis Ulis subsldiis, qaae
tu nobis suppeditaveras, pro libitu uterer.^ Wobei wir freilich aoi
wundern, dass der Scharfsinn des Meisters keine besseren and schU'
genderen Gründe aufzufinden rermocht hat, sondern mit solchen sidi
begnügt hat, die fär den, welcher mit wahrem Ernst und Gewisses-
haftigkeit an die Behandlung solcher Fragen schreitet, nimmeriBeiir
bestimmend oder entscheidend ausfallen därften. Für die fraglich«
Rede des Cicero fehlt es wahrhaftig nicht an Zeugnissen dw Alte^
thums; Cicero selbst hat in einer Stelle der Briefe an Atticas eis
solches Zeugniss niedergelegt — darum muss diess anScht sein und
die Stelle als fremdartiges Einschiebsel — ohne weiteren Gmod
— ausfallen. Nicht besser ergeht es dann auch einem Ascooiiif
Pedlanus, der, wenn wir den Verfasser h5ren, sich hat täusches
lassen durch ein falsches, unter Cicero's Namen gehendes Prodact,
nicht anderes wie Quintilian, dem in dieser Beziehung ein langet
SQndenregister vorgehalten wird, um zu beweisen, dass auch er, wo
er Stellen aus der vorhandenen Rede unter Cicero's Namen anführt,
Im Irrthum gewesen und ein rhetorisches, später entstandenes Pro-
dact für ciceronianisch angesehen, d. h. dass er verkehrt genug ge-
wesen, die noch vorhandene Rede für die von Cicero wirklich ge*
baltene und auch herausgegebene zu halten, welche Sallustius sk
eine oratio luculenta atque utilis rei publicae bezeichnet, was nach
der Ansicht des Verfassers doch nimmermehr von der vorhandeoes
Rede gelten könne , die nichts als eine „inepta et ridicnla decla« \
matio^ (S. iV) sei, demnach später entstanden und an die SteKi I
der wirklichen, aber verlorengegangenen, gesetzt sein müsse. Demi j
dass jene „oratio luculenta atque utilis reipublicae*^ nimmermehr ii |
der vQfhandenen Rede erkannt werden könne, dass sie demnach-^
müsse für verloren gehalten werden, steht dem Verfasser von vort* |
herein eben so ausser allem Zweifel, als die ihm daraus resultirenda ;
Noth wendigkeit, die vorhandene Rede, als ein elendes Machwerl^,
als einen armseligen Betrug, der späteren Zeit eines Augnstua oder |
Tiberius zuzuweisen. Auf eine solche Weise und bei einem solches |
Verfahren wird kein Zeugniss des Alterthums seine Geltung behaltea'
können ; auch das für Cicero's Rede vorliegende Zeugniss des Msf^
tialls (IX, 70), auf das wir noch zurückkommen werden, kann daflt
keine Geltung ansprechen. Die subjective Willkühr kann dann ma-
chen, was sie will, selbst wenn sie nicht den geringsten pcaitivea
Grund hat. Darum können wir die ganze ausführliche Darsteilmiff
Riaket el Boot: De Cieeronif orat t in Catil. 663
welche die für die Äothendcitttt der Bede eprechenden Zeogen des
AJterthums beseitigen soll, Dur als eine gens verfehlte betrachten,
and vermögen auch keine andere Ansicht zu gewinnen, wenn sich
der Verfasser weiter bemüht, sumal in den dem Text der Rede un*
tergestellten Bemerkungen, diese Rede, als das Machmerk eines arm*
Heiigen Literaten aus der Zeit des Aagustus oder Tiberius (vergl.
8. IV) darxustellen , insofern in den einzelnen Theilen der Rede
kein Zusammenhang herrsche, sogar Widersprüche sich vorffinden,
Abweichungen von dem Sprachgebrauche und der Redeweise des
Cicero, trotz aller der versuchten Nachbildung, ja manches ab-
gesebmackte Zeug, das nicht einmal Lateinisch sei*3^ ^^ ^^^^
in der Tbat sind doch selbst Diejenigen nicht gegangen, die in
ihrem Bestreben, den Cicero herabzusetzen, auch an dieser Rede
allerlei gemSkelt haben, die sie „ein Meisterstück der rhetorischen
Koaet^ — „aber eben durch die Vernachlässigung alier rhetorischen
Regeln^ (weicher Widerspruch I) genannt, oder ihr die sittliche Würde,
die Innere Haltung u. dgi. absprechen, aber doch immer anerkannt
haben, dass der Redner seine Zwecke erreicht habe. Diese Rede
aber für nnächt zu halten, für ein Machwerk einer nachciceroni-
sdien Zeit ist selbst diesen Kritikern nicht eingefallen, deren Vor-
wQrfe noch unlängst eine so umfassende, genaue und gründliche
Widerlegung in dem Programme des Heilbronner Gymnasiums vom
Jahre 1855**) erfahren haben, dass man wahrhaftig doch glauben
aaUte, dieses und ähnlichen Geredes für die Zukunft enthoben za
sein. Denn es ist darin so schlagend und überzeugend nachgewie-
aen, wie diese Vorwürfe aus der Luft gegriflfen sind, wie Cicero ge-
rade in dieser Rede eben so sehr männlichen Muth, wie edle Hai-
lang zeigt, wie er durch wahre Thatsachen seine Angaben zu be-
gründen weiss, und die Erfolge erzielt, die der Verschwörung den
ersten entscheidenden Schlag beibringen, indem Catilina's Umtriebe
offen aufgedeckt und er selbst aus der Stadt zu fliehen genötbigt ist,
kurs wie in Allem der Ausspruch des Sallustius sich bewährt, dass
Cicero eine oratio luculenta atque utilis rei publicae gehalten. Diess
aind die Ergebnisse einer mit aller Schärfe geführten Untersuchung,
die nur die Vertheidigung des Werthes der catilinarischen Rede ge-
gen neidische Verkleinerung bezweckte, und die Aechtheit der.Rede
für unangefochten hielt, weil man eben es nicht für möglich hielt, auch
*) Wir wollen, zum Beweise, datswir nicht zu viel gesagt, die Worte
dee Verfassers S. XLIX selbst beifügen: ^rationem quam inii, ut osteuderem,
>ratiooem primam esse Cicerone indignam, baec est, conatus sum demonstrar«,
nnguU» oralionis partes nequaquam inter ae cohaerere, immo saepius decla-
Bsfeorem sibi obloqui : seDteotias atque verba plorima Inveniri a Ciceronis usa
ibborrenlia, multa prave insuiseqne enuntiata, immo ne Latina
|uidem tB»t.*^
**^ Abhandlung über den rednerischen und staatsraSnnischen Werth der
»rvten catilinarischen Rede von Prof. Adam, Ephorus des k. Penaionats 1855.
t7 8. in 4u
654 llinkei et Boot: De Cleermüf onl. I in Catfl.
nor einfgermasten Grdnde ffft die Dnithtfieit bMsobringeii. Dm
aber dem nicht so ist, kann diese die Idee dea Herrn Bake weiter
aasführende Abhandlung seigen, in der wir freilich keine Grünäe,
wohl aber absprechendes Urthei), keck hingeworfene, bei Lieht nSher
betrachtet , grundlose Behauptungen erhalten , in welehe n&her ekh
sngehen, schon aus eben dem Grunde tiberflüssfg sein dörfle, wol
aller Grund und Boden fehlt Es gehört in der That kein besoniefK
Scharfsinn dasu, um auf solche Weise eine jede Red« des Gicsre
au TerdSchtigen oder als onächt darzustellen ; das Resultat wird itt-
mer dasselbe bleiben. In dem Abdruck des Textes der Rede seÜMt,
den der Verfasser folgen IKsst, schliesst er sich an Madrfg's sweile
Recension (vom Jahr 1848) an; die Abweichnngen voi» Halm lisi
unter dem Texte angegeben. Wenn er in Bezug auf diese Sede,
die in der neuesten Zeit allerdings nach der Mehraak) der SiMNi
Bandschriften aufgenommenen Aufschrift: Invectira in CatiHoaS)
nicht billigt, so kann Referent darin nur beistimmen^ auch KM
hat in der neuesten (Tenbner'scfaen) Ausgabe diesen Titel mit Back
vermieden ; denn dieser Ausdruck ist erst nach Cicero in Umlaof ge-
kommen, und ist den Grammatfirem und Kritikern einer spStCfei
Zeit zuzuweisen; von Cicero aber Hibrt er gewiss nichfe her. Dil
zum Theil sehr umfassenden Anmerkungen unter dem Texte be*
ziehen sich, wie wir schon angedeutet, ihrem Inhalt nach mehr ote
minder auf den vom Verfasser versuchten Nachweis der DnäebtM
dieser Rede; aus einzelnen Stellen und Aeossernngen, ans elnceloet
schlecht angewendeten oder gar unlateinischen Worten soll die Ud-
ächtheit dieses dem Cicero fälschlich beigelegten Machwerkes hfl^
vorgehen. Wir haben schon oben unsere Ansicht über diese Alt
und Weise der Verdächtigung ausgesprochen, mid wollen diess Uit
nicht wiederholen; dass wir, wenn wir z. B. bei den Worten d»
ersten Capitels: „o tempora, o mores^ die Bemerkung lesen: „notti**
sima est haec exclamatio, nostro loco inepte et tnsnlse posfiH^i
und darauf die Stelle des Martialis angeführt finden, der dieee WefHl
(IX, 70) ausdrücklich anführt, in unserer Ansicht nicht irre werihf |
konnten, da solche Bemerkungen zur Widerlegung von bestimiBtel|
Zeugnissen des Alterthums doch nicht werden ausreichen k^nsa^j
wird keiner weiteren Erörterung bedürfen; wer wird, wer kafl^j
selbst abgesehen von diesem Zeugniss des Martialis, glaubeo-, diiir
Worte seien inepte et'insulse hier gesetzt? eher möchte msi^:
diess auf der Bemerkung des Verfassers anwenden; nicht andsd^j
können wir urtheilen, wenn es in demselben Capitel zu den Worteaf
jyVives sed vives (so schreibt der Verfasser mit Madvig atatt ii
Tives) iia nt vivis^ heisst: „inelegans repetitio^, um auch daiatt^
ihren ft-emdartigen Ursprung aus dem Kopfe eines Rhetor'a iuh^
zutbun ; oder wenn es bei den Eingangsworten des vierten Capitebs
5irecogiiosce tandem^ heisst: ,ytandem Inepte h. L ponltnr prs
deniqne^f und die dann weiter folgenden Worte: »dico te priors
nppte venisse inter falcarios etc.**, wi« überhaupt das gai»#
Rinke« et Boot: De Cleeronii ont I in Cttll. 655
Oapitel aus Cicero'B Rede pro Sjlla 18, §. &2 EüsammengeatoppeK
sein soll: „ — totum Dempe eap. 4 eonflatam est ex oratfoDe lauda«
ta.^ Oder wenn es z. B. cap. XII am Ende bei den Worten:
^nanc intelllg^o, si iste, qiio intendlte, In MalHana castra perve-
Derit* etc. heisst: ^tn Malliana castra. Haec verba sunt super-
yacna et Snsolse interposlta^ ; von dem eap. XIIT, dem Schlasscapt»
tel der ganzen Rede heisst est: ^totum enfm caput languet^; die
efDselnen Ausdrücke und Wendungen des Redners werden natürlich
bald Mcfaerlich, bald verkehrt und unpassend angebracht gefunden,
imd dem Verfasser dieser Rede, sogar dumme Lüge Forgewer-
fen: j^imprudenter mentitur personatus Cicero^ (S. 48) oder
Absurdität, wie sie namentlich in den am Schlüsse der Rede ge-
brauchten Ausdrücken sich finden soll: ^aeternis suppliciis rivos mor«>
toosque mactabis^ (S. 50). Die dem „personatus Cicero^ hier ge-
machten Vorwürfe werden also auf den wirklichen Cicero zurück-
fiillen! So Hesse sich noch Manches aus diesen Bemerkungen ao-
filhren; sie können in den Augen eines jeden Unbefangenen nur so
Viel beweisen, dass man mit derartigen Aussprüchen oder Beweisen
Alles auf der Weit, eben darum auch Nichts wird beweisen kön-
nen ; jeder Verständige aber wird wünschen müssen, dass man dock
fernerhin von einem solchen in der That leichtsinnigen Verfahren
(mn keinen stärkeren Ausdruck zu gebrauchen) zur Ehre der Wis-
senschaft ablasse, und nicht den Namen und die Würde der Kritik
In einer solchen Weise missbranche.
Als ein Anhang erscheinen die beiden (S. Bl — 68) aus einer
Leidner Handschrift erstmals abgedruckten Reden: „Inveetiva Gl-
eeronis in Catilinam^ und „Inveetiva CatiHnae in Giceronem^ als
Antwort auf ' den vorausgegangenen , im Senat gemachten Angriff.
Beide Reden sind von geringem Umfang; die zweite an Fassong
und Inhalt der ersten weit nachstehend; die erste wird jedenfalls
EU den vorzüglicheren Productionen römischer Rhetorik zu zählen
lein, verdiente daher auch eine Bekanntraachnng. Zum Schlüsse
bigen 8. 59 — 66 sieben und fünfzig Theses, welche zum grossen
Fheile Verbesserungs vorschlage zu einzelnen Stellen griechischer Red-
ler (des Ljsias, Andocides, Aeschines, Demosthenes u. A.) und
Bteinischer Schriftsteller, namentlich des Gicero, enthalten; manche
larunter erscheinen ansprechend, manche aber auch unnüthig, man-
he sogar sehr bedenklich und selbst gewaltsam, wie z. B. wenn
lei Virgiüus Aen. II, 281 ff. die Worte: „ut te post mnlta tuorum
>*anera, post vartos bominumqne urbisque labores Defessi adspi-
imus^ ohne Weiteres herausgeworfen werden sollen I Wir meinten,
ftch Allem dem, was über ähnliche Versuche eines andern hotUfan-
isebett Kritikers bei Virgiüus und Horatius geschrieben und nach-
ewresen worden, wäre es jetzt wohl an der Zeit, diese Baha nidtt
OD Neuem wieder einzuschlagen.
Die Schrift des Herrn Boot, welche eine Widerlegung der von
[ra. Rinkes wider die Aechtheit der cIceronischen Rede erhobenen
Aflchuldigungen enthält, bat ebeofalla damit einen Abdruck des Textes
«ftS äiakes el Bo«t: De CitenrntB «nt I in Cctfl.
rerbunden, was um so notfa wendiger erecbeinen mnaete, ils ohM
oteteo Bückblick auf den Text selbet die ganse Streitfrage ülw-
hanpt nicht wohl verhandelt oder erledigt werden konnte. Die Wi-
derlegung selbst, welche in einem an den befreundeten Gegner ge*
richteten Schreiben zunächst enthalten ist, geht dem Abdruck der
Bede voraus: es müssen damit aber auch dann weiter verbundeo
werden die auf den Abdruck des Textes folgenden Bemerkonges
(S, 21 — 70), welche sich die Aufgabe gestellt haben, das, ww io
den der Bede untergesetzten Bemerkungen des Gegners (von wel-
chen wir oben Belege mitgetheilt haben) gegen einzelne Ausdrfieke
and Wendungen vorgebracht war, in einfacher und gedrängter JSpraebe
XU widerlegen, und die Grundlosigkeit der Beanstandung oder Vi^
dächtigung nachzuweisen. In dem erwähnten, vorausgestellten Sekret
ben sind es zunächst die für Cioero's Bede und deren Autealbii
sprechenden Zeugnisse der Alten, welche hier besprochen, in Schott
genommen, und gegen die leichtsinnig und unüberlegt („negligeotir
et imprudenter^ S. X) erhobenen Einwürfe vertbeidigt werden; der
Verfasser schliesst mit den Worten: „vix uUam Cieeronis orationea
Invenies, quae a pluribus et locupletioribus testibus confirmeUii,
quam prima Catilinaria, qoam Salustii, M. Senecae vel potius IL
Tullii filii, Asconii Pedlani auctoritate monitam vidimus.^ Dieili
Zeugen wird aber eben so noch weiter das Zeugnisa des Martisli|
angereiht werden dürfen; ja selbst Quintilian wird unter den Zst-
gen für die Aechtheit der Bede kaum die gänzliche Abweisung Te^
dienen, die ihm von Hrn. Binkes, dem Hrn. Boot darin nicht ent-
gegen ist, zu Theil geworden ist. Weil nemlich Quintilian einigei
Andere unter Gicero's Namen anfuhrt, was für zweifelhaft angesefaea
wird (z. B. die Briefe des Cicero und Brutus, die Bede de Hamer
picum responsis), so soll auch sein Zeugniss für diese Bede, aus du
er wohl mehr als ein Dutzend mal Stellen anführt und als 6e*
lege seiner Sätz<} und Begeln benutzt, geradezu für Nichts gekeos
ein Schluss, den wir nicht für gerechtfertigt halten, weil wir is
der That nicht glauben können, dass Quintilian sich in Bezug sif
eine Bede Cicero's, aus der er vorzugsweise Belege und Beiapiele eal-
nimmt, so sehr versehen, dass er sich durch das elende Maehwe^
eines Bhetors habe täuschen lassen nnd dieses für eines der Mei-
sterwerke Cicero's gehalten; wir glauben vielmehr, dass Quintiliü
sieh mindestens so gut wie wir, ja wohl besser wie wir, auf du
Beurtheilung dessen verstanden, was Ciceronisch sei und was fik
ein von ihm nicht ausgegangenes Geistesprodoct anzusehen sei; d«
Gegentheil anzunehmen, wird doch in der That anzunehmen nicht
erlaubt sein können bei einem Manne von der Gediegenheit oad
jGründlichkeit, y<^n den umfassenden Studien und der ganzen ge*
2^{{rten Bildung eines Quintilian. Sein Zeugniss für die Authoilie
^^«^-Ciceronischen Bede wird darum nach unserm Ermessen eben-
deui^'^ volle Gültigkeit verdienen, die wir einem auch der Zei
nQpte f^ °*^® stehenden Zeugnisse zu versagen nicht berechtigt sind.
Ir. 43. BBIDCLBERGCR IIS).
JAHBBÜGBER DER IITBRATOR.
Rinkes et Boot: De Ciceronis orat. I in Catil.
(SchluM.)
Der aodere Theil dieses Schreibeos des Hrn. Boot bezieht sich
«■f die Ansahme des Gegners, welcher die Rede voq irgend einem
Ftfladier, der unter August oder Tiberius lebte, verfertigt werden
lisat; ond da der Gegner keineswegs gelSugnet hatte, oder yiel-
Mehr liberhaopl hatte Iftugnen können, dass Cicero wirklich eine
Eede gehalten und diese auch herausgegeben, so macht Herr Boot
•of den innem Widerspruch aufmerksam, der in der Annahme liegt,
4mm diese, jedenfalls wichtige, berühmte und gefeierte Rede, die
SftUiistius, der Gegner Gicero's, doch immerhin als eine ^loculenta
oratio^ beseichiiet, so bald schon in Vergessenheit gerathen odw
gar Yarloreo gegangen, dass irgend ein Fälscher mit seinem Product —
der nach TOrhaDdenen Rede — hfitte auftreten und dieses an die
Seilte der ächten Rede habe setzen können. Wir müssten wahr-
bafüg die alten Röoser aur Zeit 4les Augustus für gar an elnlftltig
iiod nrthellslos ansehen, wenn sie wirklieh sich auf diese, man kaoa
woäl sagen, plnmbe Weise hätten tänschen lassen, mid überhaupt
psr irgend ein verkommener Literat es nur hätte wagen können,
mit solchen Fälschungen vor dem römischen Publikum aofsutreteo,
in einer Zeit, wo die Literatur allerdings einen grossen Aufschwung
genommen, aber auch die Kritik, früher wenig gekannt und gepflegt,
einer strengeren Pflege, wie wir a. B. aus Asmius Pollio und seinen
Bestrebungen ersehen, sich erfreute. Die ganse Annahme, auch
abgesehen, dass sie alles positiven Grund und Bodens entbehrt, ist
vielmehr in sich selbst so unwahrscheinlich, dass kein nur einiger-
naassen besonnener Kritiker su einem so vulgären, wenn auch be*
qoemen Ausknnftsmittel sich wird entschliessen können.
Indem Hr. Boot auf diese gänzliche Unwahrschelnllchkelt und
BDdere, damit in Verbindung stehende, mit gleichem Leichtsinn auf-
gestellte Behauptungen näher eingeht und daran erinnert, wie in
keiner Rede des Cicero es an einzelnen Stellen fehlCi in denen man,
somal wenn man auf solche Dinge ausgeht und so zu sagen Jagd
ociacht, auch irgend etwas Anstössiges oder Befremdliches finden
irerde, eben weil auch bei Cicero so wenig, wie bei andern grossen
Seistem Alles den Stempel der Vollkommenheit an sich trägt, und
letzen wir hinzu, bei dem Untergang eines grossen Theils der Schrif-
ten des Cicero, namentlich auch seiner Reden, Manches jetzt be-
fremdlich erscheinen mag, was uns, wenn diese ganze, jetzt uDter-
U Jahrg. 9. Heft 43
m Einke et Bm|: 0e d^mtlB «fi*i t in CttiL
gegangene Literatur vorlftge, weniger befremdlich oder antSnig «-
aeheihen wQrd«^ ao sdneut er aich nicht am Schloase mIms 8M-
bens S. XXIV seine eigne Ansicht in folgenden Worten niedenn-
legen, die anch unsere Ansicht ansaprechen: «Etsi niiiU est tau
Incredibiloi qnod non dicendo Tel scribendo fiat prolMbilCf ton ti-
men über nondum ma adduxiti u% orederem eratignem a Cioerooe
in causa illnstri habitam et postea editam paucis annis post ex im*
minnm manibus excnti et nesdo ci^us declamatoris opellae locam
cedere potuisse. Ipsa autem oratio perpanca continet| quae CiCfiine
indigna sint habenda, id qaod ad singnios locos, in quibos tu offen-
diaü, oateadiase mihi videor.« Das letalere besiebt sieh aal die das
am folgenden Texte dieser ersten CatiliDarischea Bede (der hi« in
Ganaen nach Halm's Becension in der 3. Aosgabe Orelil's gibsfert
ist, mit einseineQ Abweichungen, die unter dam Texte selbst sage*
mhrt sind) weiter nachfolgeaden Erbrterungen, deren QianüUer «ii
sehen oben angegeben haben; der Verlasser hofft in ihnen du-
dings ehien Beitrag geliefertau haben ^ad sanam iateniretatloiNB
monumenli, quod omnes, qui in antiquis üterie aon plane bespüii
anal, legerunt, fere omnes admirantur^ (Worte 4er PraeCatia); aU»-
diaga galt es hier, die saaa ratio, dea geaanden Msaaoheavetatssi,
ia Sehats an aehmen gegen allerlei geaaeble aad herbelgeaigiM
Verdüebtigangen, die näher bei dem Liehia beteaehtei, allea iMm
Oniodes eatbehrea. Und diese ist atierdk^^s ia dieaea BrMenaK«
geaeheheD, die überhaupt fttt ^w richtige VenttMndBlBa der Bsii
aMBche achttsbare BeuMihuag enthakea und aaoli in dieasr Bi-
aiefanng ein dankenawertiier Beitrag aar „sana iaterpretatta^ dlssv
Bede, au aenaen sfaid. Bin eigener Index reram et TertaraB ü
diesem EHösterangen beigefügt) und erleiefatest die Efaslcht
9i$put<aiü de genU FdHa. Seripsü G. N. Du Rieu. AeeeM
Fabiorum Pictonem eA Servüiani fragmenta, Lugduni Bdt^
vorum, apud Fratres van d$r Hoek. MDCCCLVL VM mt^^
4ß0 8. in gr. 8,
Diese, fast Moltehalbbundert Sdten einaehmwide MoBog
iber daa fabisebe Geschlecht ist jedenfalls ala ein Wedc
der Studien und ausdauernden Fieisses m betrachten,
darch eine von der Universität ao Utrecht gegebene PiBisfrage^
welche der Verfasser an \&Ben uatemttbm, in ^ner Weise, die IM
den Sieg über einen Mitbewerber versidiaffte: diese Arbeit büMJ
*) Diese kotece: «BxUbeatar ditpotatio de gente Pabia ^aqae ü 4
aucloritate in civilate Romami, per tonpora liberae rei poblicae^ Qua ütffi
latioaa tajD ipsioi gentia antiquitaa, ratio, inaHtuta ezponantnr, quam piiäM
^m ex ea virorum, qui vel in republica vel artium et literarum ataditf iiq
clatüerunt, acta commemorentur, cum notatione moDQtnentorum tarn privatortSli
quam pabKoonun, qaibuf rea iHee teatatae ei prodifae Aierint."
iHi III0M D« fem» 9M%. m
AeOnndteg« dai weMeren hier fr^sobenea AmMhraiig, dl4 cl«i
▼eftoser mehrere J*brer bei der Auedeborag iiDd dcim umfang des
fiegeutoades, beeehfiftigte. 0eoa er welke eicb nicbt bloee aal
eine eiofacbe Arnfzäblviig der verechiedeoeD Zweige des iabischea
fiescUecbts and der hier ▼orkomoaeaden nahmhafteD Pereöolichkei**
teo beeebrilokeD, sendern er wellte aueb sagieioh hervefbebeo, was
TOB diesen eittselneD, uahmhafte» Oliedem des Geschlechtes, Her*
▼orragendes im Staate, wie im Felde, wie selbst in der Literatar
gefeislet worden, um so aa einer Gesammtwibrdigting des Gesohledites
und seiner Leistungen zu führen* Dessbalb wird aasdnicklieb be*
merkt, dass bler nieht alle die Römer, die unter dem Namen Fa-
bina ans entgegealreten, nach ihrem Leben and nach ihren Thaten
gesehlldert seien; |,de gente Fabia, bemerkt der Verfasser, tantnm
dispnlabo, id est de iie patrieUs, qui ab saeeoto urbie condiue tertio
medio naqae ad Aogasti principwtam inclaroerunt.^ DeoMufolge sollen
aaegeschlossen bleiben alle diejeaigeD dieses Namens, die während
der Zeit der Bürgerkrieg«, ans gaaa niederem Stande entsprossen,
entweder durch miütftrische oder andere Leistungen sich den Weg
ao hohem Aemtem oder Stellungen im Staat gebabut haben, und
swar sie seihst, wie ihre Naohkommen; eben so sollen die in den
laeeiarlfteii Torkommendea , und nur dem Namei» nach bekannten
Fabii gieiebfalls aosgesehlossen bleiben; und als Endpunkt die Kai-
aeRseit gelten , in so fern von da an keine bestimmte Genealogie
aytaiiff slob reifolgeo Ineet. In eines Bialeitung verbreitet sieb der
Vecteassi über den Ahnherrn des QeseUeohts, der frdlicb nichi in
dam» ayyttiiscbeii Bercnies gelnaden wird, den die spätere Sage^ of ea^
bav ia de» Abaiebl das Geechleeht, au Terhef riichen , aum Stmnas*
Fatar des Oeecbiecbtes erheben hat, über die Herluinft das Ge*
aehlechtea, dann über die Fabii Luperd, die Tribus Fabia, die Sa»
«ra gentilicia Fabierum uad die Gommentarii gentilieii Fabiorunu
ta Basug auf den. emen Punkt hält sieh der Verfasser an Plinim,
iiiid erlKennt in dem Gründer des Gieschlechtee den Bebauer und
Pfleger der Bohnen (fabaram sator); in Beaug auf die Herkunft
das Gveschkechtes schlioBSt er sich an Niebnbr an, welciier dem G^
schlechte der Fabier Sabinischen Urspvuag anweist. Im ersten Buch
Mgeo dann in acht Kapiteln eben so viele bedeutende Männer des
ZiraigeB der Vibnlani (Fabius Vibulanus), im aweiten Buch in
aalua Abschnitten eben so viele nalunikafte Fabier von dem Zweige
Aer Ambusti; das dritte Buch hat es in awei Kapiteln mit swei
Fabiam des Zweiges der Dorsones, das vierte ebenso m«k awei
Pablem aas dem Zweige der Licini au thun; das fünfte Buch
enthält die Fabii Pictores in sieben Gapp., das sechste die Fabii
Boteoaes, das siebente, das umfasseacbte von Allen (S. 234 —
433), die Fabii Maxi mi in einundawanaig Abschnitten; in diesem
Buebe kenunen natürlich die bedeutendsten Männer des Geschlech-
tea vor, die durch kriegerische Thaten^ wie durch poUtische WirJe«
Hamkeit dem Gesobleeht der Fabier einen solchen Namen in dei
600 Da RiMt De iwM fM$.
Qeschichto Rom's verliehen haben ; so nimmt e. B. die LebcUKU*
dernng des Fablas Cunctator im fünften Kapitel über fiinfiig Sdtfli
ein (S. 300— 354). Den Bescbloss macht die dritte Gattin to
Ovidios, Fabia, wie man gewöhnlich annimmt: aber der ZweiU
des Verfassers an der BichtigiLeit dieser Annahme scheint nur la
sehr begründet; darum auch Ovid's Tochter wahrscheinlich einer
früheren Ehe, als der dritten und letsten auauweisen ist Eine groaie
genealogische Tafel, welche beigefügt ist, gibt einen guten Ueb«*
blick über das „Stemma gentis Fabiae.^ Von jedem der in ta
einseinen erwfihnten Abschnitten aufgeführten Fabier wird, so weit
es möglich ist, ein Lebensabriss geliefert, es werden die yersehi^
denen Würden und Aemter, die er bekleidet, angegeben so wie da%
was in jedem Amte geleistet worden , und werden dabei eben lO
die Zeugnisse der Alten, wie selbst die (in einem eigenen Abscbsitt
jedesmal behandelten) Münsen benutat, und zu einem Gänsen ?e^
bunden. Die literarischen Leistungen haben eben so Berücksiditt-
gung gefunden, und diesem Umstände wohl ist es zuauschreibeBi
warum bei Q. Fabius Pictor, dem angeblich ältesten römiedtei
Annalisten, wiewohl er in griechischer Sprache geschrieben (wie
auch unser Verfasser anzunehmen geneigt ist, s. S. 165 ff.), dierer*
schiedentlich vorkommenden Bruchstücke seiner Annalen zasanunes*
gestellt werden (S. 170 ff.), eben so wie bei SerTius Fabiol
Pictor die Fragmente seiner Schrift De jure pontificio (S, 203£)k
und bei Q. Fabius Maximus Servilianns die Fragmente
seiner Annalen (S. 396 ff.), denen, wie wir glauben, mit vollem Becbte
auch die Stelle, die Gellius V, 4 aus dem vierten Buche der Annskn
eines Fabius anführt, zugewiesen wird, so wie auch der j^Servilisnos
historiarum scriptor^, welchen einer der von Mai edirten alten Aofl^
leger zu Virgil's Georgica HI, 7 nennt, ebenfalls mit Recht sei
diesen Fabius bezogen wird. Eben so müssen wir es billigen, da«
sieh der Verfasser nicht hat verleiten lassen, noch einen anden
Annalisten oder Geschichtschreiber Numerius Fabius Pictor,
wegen der Stelle des Cicero De divinat I, 21, anzunehmen (S. 149 £}>
denn dass in dieser Stelle an Quintus Fabius Pictor zu den-
ken, ist hinreichend, zuletzt noch von M. Hertz, nachgewiesen wo^
den. Bei den Fragmenten eben dieses Q, Fabius Pictor, wekiio
der Verfasser in chronologischer Ordnung auf einander folgen ISflili
da wie er glaubt, eine Eintheilung des Werkes nach Büchern nicM
stattgefunden und desshalb die Fragmente, in welchen Zahlen dll
Bücher genannt sind, sogar diesem Fabius abzusprechen sein (ei
ist, wenn wir nicht irren, nur das eine, oben erwähnte aus Gallia%
wenn man nicht noch das bei Servius zur Aeneis I, 3 unter de»
Namen des Fabius Maximus erwähnte hinzurechnen will, das jededk
unbestritten dem Fabius Serviiianus zuzuweisen ist), scheint dem
Verfasser die von C* Müller im dritten Bande der Fragmenta histo*
ricorum Graecorum p. 83 ff. gelieferte Zusammenstellung nicht bi-
kAQAt gewesen zu sein, ebea so wie seiner sonst Alles umfassend«!
^
Der Gntndbefiti'iii der LombtrdeL 66f
Beleaenheit auch die Erörternngen entgangen sein mögen, welche über
diese Annalen oder Gommentare (nach der Verroothang des Ver-
fassers fährten sie den Titel ^lütogüu oder 'TTeofivrjfuxtcc^ s. p. 169)
Ton M. NägeM: altitalisches und römisches Staatsleben S. 325 ff.
L^on de Closset: Essai sar l'hfstoriographie des Romains (in den
Annales des UniFersit^s de Belgiqne, die zu Brüssel 1851 erschie-
nen sind) p. 437 ff., Bröcker (Untersuchungen über die GHaub-
wflrdigkeit der altrömischen Geschichte S. 57. 65 ff.) in zum Tbeil
beachtenswerther Weise gegeben haben, lieber die Quellen, aus
denen Fabius PIctor seinen Stoff entnommen, wie über diejenigen
späteren Autoren, die ihn als Quelle benutzt haben, hat sich der
Verfasser S. 160 ff. ausgelassen und dabei die schwierige Frage, in
wie weit Diokles von Fabius benutzt worden (nach Plutarch's An-
gabe Vit. Rom. 3 coli. 8) nicht übergehen können : er vermeidet es,
eine Entscheidung in dieser auf verschiedene Weise beantworteten
Frage zu geben, und schliesst mit der Erklärung : „litem adhuc sub
Jadiee esse^ ; im Ganzen aber macht seine Darstellung den Eindruck^
dass Ihm Plutarch's Angabe nicht von der Bedeutung erscheint, um
auf dieselbe weitere und besondere Schlüsse hinsichtlich der von
Fabius benutzten Quellen zu bauen. — Der gut geschriebenen Ab-
handlung, die durch eine klare, deutliche Sprache sich dem Leser
empfiehlt, folgen zweiundsechzig Thesen, die zum Theil Verbesse-
mngsvorschlfige zu einzelnen Stellen alter Autoren enthalten, zum
Theil sich auf einzelne streitige Punkte aus dem Gebiete, dem der
Inhalt der Schrift selbst, die Geschichte der gens Fabia, angehört,
bestehen. Clir* Bfthr*
Orundbesits und Landvolk in der Lombardei von Stephan Jaeini,
Nach der dritten Italien, Originalauflage, übersetzt von Dr, P,
Franco, TransUxtor bei der k, k. Statthalterei der Lombar^
deL Mailand 1857.
Wer hat nicht, wenn er in den schönen Gegenden der Lom-
bardei verweilt hat, das Land mit der Ueberzeugung verlassen, dass
es von einem intelligenten, strebenden und arbeitsamen Volke be-
wohnt wird, dass dort Einrichtungen besteben, wie sie vergeblich in
SDdem Ländern gesucht werden, Einrichtungen, in Bezug auf welche
Vieles von der Lombardei zu lernen ist, z. B. in Ansehung der
Wiesen Wässerung, des Katasterwesens, dass insbesondere die Art
der Benützung des Grundbesitzes in der Lombardei, wie schon der
treffliebe Burger In seinem Werke: die Landwirthschaft in Oberita-
lien anerkannt hat, wegen der Vielseitigkeit der Betreibung die
grbaste Aufmerksamkeit verdient? (wir erinnern an den Reisbau,
an die Seidenaucht). Wer aber war nicht auch vom Gefühle
durchdrungen, dass gerade, weil die Lombardei berufen ist, zu
etnetn höheren Grad des Wohlstandes zu gelangen, soviele rf^\ch^^
Elemente des Fortschritts, deren sich das Land rühmen kann,
66t Der GhmObmiU Ih 4^ tMuteitbL
« besser benutzt and mancbe Hiodemisse, welche der femereii Entwieb*'
lungnoch entgegeDsteheo, beseitigt würden? Vergleicht mnnloiDbar-
dlsche Zustände mit dem Aufschwünge, welchen in England uni 'm
Belgien die Landwirthschaft genommen haben, stodirt man den h5dat
wichtigen belehrenden Berichti welchen der erfahrene Chadwick T<m
London über die Erfahrungen in Beeug auf Landwktbscbaft «id
die bewunderungswürdige H5be, bis zu welcher der Ertrag der Lasi*
wirthschaft in England gesteigert wurde bei dem Gongr^ de bin-
fiaisance in Brüssel 1856 erstattete (rArenir de T Agriculture et to
travailieurs agricoles, abgedruckt im Moniteur Beige 1857. Nr. 66--
69 und aus späterm Beriebt von Chadwick Trial Works at Pirii
in the application of Town Mannres to agricultural ProdnctioD, ab-
gedruckt im Sun 1857. 13. June Nr. 80275), so kömmt man tm
Ueberseugung, dass, wenn solche Zustände und VerbesserangoD, der«
sieh England erfreut, in der Lombardei beständen, die dortige Land-
wirthschaft auf einer nicht weniger hohen Stufe stehen würds. —
Die Gesellschaft für Hebung der Wissenschaften nnd Künste ia
Mailand hat die hohe Bedeutung der Frage; wie in der Lombarfd
noch ein höherer Aufschwung bewirkt werden kann, richtig ge1r<^
digt nnd am 8. Mars 1851 einen Aufruf erlassen: es sollen (Ha
ökonomischen und moralischen Zustände der ackerbaatreibenden Ba*
YÖlkerang der Lombardei in ihren Beziehungen mm BesHnataada
und 8u den versdiiedenen Galturgattungen mit besonderer Rücksiekt
auf den Einflnss geschildert werden, weichen die hier Im Lande ilbfi*
eben Facht- und Colonatsrerträge auf dieselben Üben nnd die sowohl
für den Besitier als für den Landmann erspriesslicbsten Einrichtangas
unter Hinweisung auf die wirksamsten Legislaturen und nationalökono
mischen Reformen und unter Erörterung der Fragen angegeben we^
den, ob die landwirtbschaftlichen Creditanstalten unmittelbar In der
Lombardei Anwendung finden könnten. Hr. Jacini, der durch genana
Beobachtung der Zustände seines Vaterlandes und durch die aof
grösseren Reisen durch Europa gesammelten Beobachtungen mA
tüchtig vorbereitet hatte, unternahm die Bearbeitung der geMelltea
Aufgabe: seine Arbeit wurde von der Gesellschaft gekrönt, erscbici
zuerst 1855 italiäniscb, erfreute sich eines so allgemeinen BeifalH
dass 1856 die dritte Auflage, und 1857 die oben angezeigte deot»
scbe Uebersetzung erscheinen konnte. Das Werk ist volIkomnMi
des ihm zuerkannten Preises würdig, nnd verdient die Aufmerksair
keit eines Jeden , welcher Erfahrungen eines so bedeutenden Lapdai
wie die Lombardei und die Wichtigkeit der Entwicklung der Laa<*
wirthschaft in ihrem Zusammenhange mit Orundbesitz nnd mit alias
sittlichen, politischen und socialen Zustände des Landes zu würdi-
gen versteht. Um sich zu überzeugen, dass der Verfasser mit UfiiK
sieht seinen Gegenstand erfasst, und die Aufgabe sieh klar gemacht
hat, bedarf es nur einer Betrachtung der Anordnung seines Werkea
Nachdem der Verf. im ersten Theil das lombardische Gebiet oad
seine Bewohner geschildert hat, entwickelt er im zweiten IheOe dis
D«r fitwdbMiti ht im LMbirM. IM
MI«QWiitig«i «UgenieineD VerblltiiiM« des Orandeis^nüintnt and
dar «ckerbaatTtibenden Bevölkerung der Lombardei, geht dum im
dritten Tbeile sar SehilderuDg des Berglandesi im vierten mr Dar*
iteUnng der Verhfiltnisae Im Hügelland und der Hoehebene, im fünf-
ten der Tiefebene über, und spricht im sechsten Theile von den
wirksamsten, allgemeinen Mittehi aar Fördemag der Interessen des
Srondbesitses und der landwirtbschaftlichen Bevölkenuig.
Es war am Platse in der Erörterung des ersten Theiis nach
einer allgemeinen Betrachtung über den Einflnss, den landwirthsehAft-
iiche Verhältnisse auf die Völker und ihre bürgerUche und poli*
tische Entwicklung ausüben, die materielle Grundlage des aatio*
Aalökonomischen Wohlstaades der Lombardei, das Clima, die Man-
nigfaltigkeit der Bodenprodukte , die geschichtlichen Schicksale der
Iiombardd su schildern und statistische Nachricbten daran sn knüpfe**
Im sweiten Theile fand es der Verfasser aötfaig die huidwirthsobaft-
liche Prodttktion der Lombardei (S. 35), die moralischen und inteUek*
toellea VerhSltnisse der landwirthschaftUchen Bevölkertiag (S. 88>
das WohlthStlgkeiUwesen (S. 97) und die staatsrechtllohea und öko-
aoosiachen Elgenthumsverhiltnisse der Lombardei sn erörtern (8. 107).
Da in der Lombardei die höchste Verschiedenheit der Landstriche
herrscht, das Bergland die Hälfte der Oberfläche der Lombardei
umiasst (cHe Provina Sondrio und den grössten TheU der Provhiaen
von CoHio und Bergamo) das Hügelland mit seinen herrlichen Ge*
geoden vom Lage Maggiore bis Gardasee (den Hügelstrkh cwischeii
dem Tcssin and der Adda umfassend), die Tiefebene mit ihrem
merkwürdigen Bewässerungssystem (im malländischen , den Provin*
sen Pavia, Lodi, Cremona, Mantua), in jeder dieser Gegenden aber
durch die Oertlichkeit eingentfaümitche Gultur und sociale Verhältnisse
hervorgerufen werden, so ist es ein grosses Verdienst des vorliegen-
deo Werkes, dass der Verf. im 3—5. Theile jede dieser Gegenden
mit Ihren Eigenthümlichkeiten und Culturarten in allcB Einaelnbei-
teo schildert (was a. B. höchst wichtig in Besug auf das Verbält-
nisB des Daseins grosser oder kleiner Wirthschaften wird). Das
sorgfältige Eingehen in alle Einaelohelten, die Masse genau gesam-
melter statisüschen Nachrichten, die offene, würdige Weise, mit
woleher der Verf. (wir werden dies vorzüglich in Bezug auf den
6* Theil hervorbeben) die Ursachen der Gebrechen angibt, und die
Mittel der Abhülfe lehrt, die Füile nationalökonomiscber und anderer
praktischer Bemerkungen sind Eigenschaften, welche dem Verf. zur
Ehre gereichen und dem vorliegenden Werke einen grossen Werth
geben. Gerne verweilt man bei der zwar kurzen, aber alle wichti-
gen Punkte hervorhebenden geschichtlichen Darstellung (S. 21)
der in den versdiiedenen Zeitaltern und unter den verschiedenen
Völkern, welche die Lombardei bewohnten, so wie der Herrscher
des Landes entwickelten Verhältnisse in ihrem Einflüsse auf Grund*
besitz I uamentlich wie der röm. Golonat sich ausbildete, wie unter
4«n LMigobaKdeii neue Verhältnisse des abhängigen Gnmdbesltaes
•M D«r finndbeikB in te U«b«i4«L
antetooden, Im MiUeialter durch das Aufblüheo der oMdbÜfva Cto*
BMittderepoblikeD, Vernichtaiifi^ de« Fei^datismus bewirkt, durch dit
Terderblicbe •panitebe Herrschaft dagegen der Wohlstaad schwer
bedroht wurde, während durch die folgenden Forsten in der Lo»*
bardei bessere Zustande angebahnt, wichtige Einrichtangen s. &
Kataster eingeführt und durch grosse Männer s. B. Beccaria, Verri,
Neri, Carli ein geistiges Leben und bessere nationat5koo. Ansichtso
Terbreitet wurden. Sehr dankenswerth sind die von dem Verf. mit-
getheilten statistischen Nachrichten. Wir wollen unsere Leser ui
einige derselben aufmerksam machen. 3. 40 findet sich eine stati-
stische Tabelle über den Bevölkernngszustand der Lombardei 1864
(darnach beträgt die BcFÖlkerung 2,835219 Personen auf eiosa
Flächenranm ▼. 30,617794 Mailänder Ruthen); merkwürdig ist dtf
Wechsel im Steigen der Bevölkerung; Im Jahre 1818 aählte ^e
Lombardei 2,167782 Einwohner, In den . einielnen Provinsen wfi
sich in Besag auf die Zunahme der Einwohnercabl eine auffallenäs
Verschiedenheit (die Bemerkungen des Verf. darüber S. 43 und da-
mit cusammenhängende Verhältnisse sind schätsbar); der Stand 4cc
Orundbearbeiter (Bauernstand) umfasst 502205 männliche PersoMS
über 18 Jahre. In der Pro?ina Mailand kommen auf je 100 Eis-
wohner 14 männliche über 18 Jahre alte Bauern, in Sondrio SS
auf 100. S. 57 ist eine Tabelle über die Verbältnisse der Bodtn-
fläche (nach dem Kataster, der alle ertragsfähige Grundstöcke on-
fasst 30617794 Mailänder Ruthen, beiläufig 2004000 Hekurs).
Merkwürdig ist wieder die grosse Verschiedenheit des BedfirlDiasei
der Arbeiter; in manchen Besirken bedarf man gar keine fremdes
Arbeiter (S. 60). Wenige Länder geniessen den Vortbeil ausgedehn*
ter für die Landwirthschaft wichtigen Comunikationsmittel (Strassea
und Kanäle, S. 62), von Bedeutung ist der Kataster, bei dem der
Verfasser S. 66 die wichtige Bemerkung macht, dass die GesetsgfS*
bung nur dann weise handelt, wenn der unternehmende Landwirtb dia
Gewissheit hat, dass er den erhöhten Ertrag seiner Grundstücke na*
geschmälert geniessen kann. Aus der Tabelle (S. 67) sieht naa,
dass der geschätcte Ertrag der Grundstücke und Gebäude in der
Lombardei 52193264 Lire ausmacht. S. 71—84 liefert der Verf*
eine allgemeine Uebersicht der In der Lombardei 1854 und wäfaresd
der Periode 1842—1851 durchschnittlich gewonnenen Bodenprodul^t«.
Wie gross der Reichthum ist, ergibt sich, wenn man erfährt, dass 18M
an Mais der Betrag 46400064 Lire, an Reis 21770734, an Kastanies
1575545, an Wein 7941435, Olivenöl 496620, an Leinöl 2958lM|
an Lein 5195417, an Gocons 61540270 Lire ausmachte. Der Verl
würdigt die Wichtigkeit der moralischen und Intellektuellen Verhiit
nisse in der landwirthscbaftlicben Bevölkerung (S. 88). In Besag a»
Sittlichkeit steht die Lombardei keinem anderen Lande nach ; unehe
liehe Geburten kommen vor im Verhältniss 1 cu 26 ebelichen, woIm
au bemerken, dass in das Findelbaus viele eheliche Kinder gebraeh
werden. Eine Ursache der EnUittUchang liegt in den Gränabesiik«
i)er ärandbesftz in 6tt Lonlmrd«f. tM
M dem 8chfnagii:e1handel. Ein guier Charaktersug Ist die Sparsam-
keit der Lombarden; für die Schalen wird zwar in der Lombardei
Vielee getban, dennoch erhielten 1850 48148 Knaben und 64016
MSdcben keinen Scbnlanterricht. Der Verfasser bedauert den Mangel
land wirthscfiaftlicher Schulen. Das Associatiouswesen ist nicht gefördert,
der Geistliche übt auf den Landmann grossen Einfluss, er ist häufig
Ratbgeber In weltlichen Interessen, allein der Verfasser fügt hinza
(8. 94), dasa wenn der Geistliche den Standpunkt seines Berufes
rerlässt, auch der einfachste Bauer das Individuum von dem Geist*
Heiken zu unterscheiden weiss. Wie gross der Sinn für Wohlthätig^
keit In der Lombardei ist, wie reich dies Land an solchen Anstal-
ten ist hat der Verf. dieser Anzeige schon in seinem Werke: ita-
liantsche Zustande (S. 191 — 332) bemerkt; interessante Mittheilun-
gen über den neuesten Zustand liefert die vorliegende Schrift S. 99
nU wichtigen Btoerkungen S. 103. Reich an bedeutenden Erör-
terangen ist das Kapitel (S. 103) über die gegenwärtigen Staats--
rechtlichen und ökonomischen EtgenthumsverhSltnisso der Lombardei|
welche der Verf. wohl mit Recht das Land des Mittelstandes nennt;
die Gleichberechtigung aller vor dem Gesetze und die freie Concor-
renz sind zwei Ideen, die mehr oder minder klar im allgemeinen
Bewnsstsein der Lombardei sind, sie haben wie der Verf. S. 109 sagt
Hire wohlthStigen Früchte getragen. Familien-Fideikomisse sind sel-
tene Ausnahmen. Es ist interessant zu bemerken, dass in der Lom-
bardei viele vermögliche Familien von den untersten Klassen sich
emporgehoben haben, wShrend durch die Tbeilung des Vermögens
reicher Familien die Zahl der Mitglieder des Mittelstandes sich ver-
mehrt. Man rechnet in der Lombardei 350000 Grundbesitzer und
darunter nur 3000 Adelige; wie sehr durch die Zerstückelung des
Bodens die Zahl der Grundbesitzer wächst, lehrt eine Tabelle (S. 110),
nach welcher 1838 in der Lombardei 385826 und im Jahr 1850
457723 Grundbesitzer vorkamen; allein gerade in Bezug auf die
wichtige Frage über Bodenzerstückelung liefert der Verf. S. 111 ff.
bedeutende Materialien und praktische Bemerkungen; es zeigt sich
eine grosse Verschiedenheit in den einzelnen Provinzen, jenachdem
nach klimatischen Verhältnissen und ökonomischen Bedürfnissen die
Zerstückelung sich als wohlthätig oder nachtheilig zeigt; es ist auf-
fallend, wenn man die Provinz Pavia mit der in Sondrlo vergleicht.
"Der Verf. kömmt S. 113 zu dem wichtigen Punkt der in der Lom-
bardei vorkommenden Güterverhältnisse, der Erbpacht und Erbzins-
g^üter. Hier hätten wir eine ausführlichere Nach Weisung gewünscht;
as bedarf hier geschichtlicher Erfahrungen und statistischer Nach-
w^eiaungen über die Gegenwart. In Ansehung der Ersten würde der
"Verf. In dem (zwar vorzüglich auf Toskana sich beziehenden, aber
auch für ganz Italien wichtigen Werke von Poggi Cenni storici delle
leggi suU agricoltura Firenze 1845. 1848. 2 vol.) viel Treffliches
gefunden haben. Mit Interesse folgt man der Darstellung des Verf.
S. 116 ff. über die lombardlsohe Einrichtung, nach weldier die 6e*
•a 9m Gnn«Mite » der Unlniai
meiDdererÜMtoiig mU dar Vertretung der QrundbetiUir im i0g4'
saDAten Convocat, wo jeder solcher BesiUer gleidies Sdonnredit hat»
Im ZusanuBenlMUig steht Dadurch erbalten die Orundbesiuer aal
die öffentllcbea Angelegenheiten einen grossen Einflnss (s. jedoA
über die Erfahrungen S. 117). Wer th voll sind die Mittbeiloogsa
über die auf den Gütern haftenden Lasten (S. 123) , immer mebr
gesteigert und (wie auch in andern LSndem) doppelt drückend dareh
die Gemeindeumlagen. Der Gesammtbetrag der direkten und indi-
rekten Steuern in der Lombardei ist 80 Millionen Lire. Der TecC
gibt S. 130 ff. eine Tabelle über den Vermögensstand der einselm
lombardischen Provinaen: der approximative Werth der unbewefü- '
eben Güter ist 2,424000000 Lire, der Betrag der Hypothekaraebnl-
den 601000000« Der Werth der Mittheilungen des Verf. ist bs*
sonders erhöht durch die abgesonderten sorgfältigen Kaehwdauogea
der einseinen Theile der Lombardei, des Berglandes, des H&gsilaa-
des und der Tiefebene. Alles was irgend daau beiuagea kann, oa
den Znstand des Grundbesitaers in der Gegend genau kennen a
lernen, ist hier angegeben, a. B. Forstwesen, GemeindeeigeDÜiiyB
(S. 143). Man bemerkt, dass die lombardischen Gemeinden groM«
Gemeindeeigenthum besitaen, dessen Verlnsserung die Begienisf
immer melv begünstigt. Wir empfehlen die Beachtung der danoi
beaüglicben Machrichten über Erfahrungen (S. 155) und Torsugüi^
über die in den verschiedenen Gegenden vorkommenden Arten der, 1
Oolonats vertrage (S. 177); während in einigen a. B. in Veltiin dii
Pachtverträge namentliöb Erbpacht am häufigsten sind (S. 179}^
kommen in anderen Gegenden a. B. im Hügelland die Haibtheä*
wirthschaften am häufigsten (S. 198) vor. Bemerkenswertfa ist &
Schilderung der dabei vorkommenden patriarchalischen Golonenvtf-
eine, deren Licht» und Schattenseiten der Verf. trefflich (S. 200)
schildert. Wir geben dem Verf. Becht, wenn er (S. 206) diaee
Halbtheilwirthschaft als eine Eigenthümiichkeit der latinischen Vöikir
schildert und vor Nachahmung der fremden Einrichtungen waiiti
s. B. der englischen. Der Verf. der die Gründe für und wider scUI* \
dort, zeigt aber seine UnpartheiUehkeit, wenn er awar anerkennt, wii |
das System in früherer Zeit aus den alten Verhältnissen nothweaj|{ |
hervorging, dass er es nicht mehr für das beste Bewirthscbaftungssjsten
für die Gegenwart erklärt. Wir haben da, wo es besteht als Haupt«-
nachtheile gefunden, theils dass dadurch der Fortschritt und die noi
von dem Eigenthümer, der für sich arbeitet, ausgebende gesteigert»
Tbätigkeit gehindert ist (wer die PfäUer Wirthschaft und einen M
unglaublich gesteigerten Fleiss kennt, weiss dass dieser nur als dis
Freiheit des Eigenthnms sich erklärt), theils dass dadurch die Uo»
ralität des Colonen auf eine harte Probe gestellt wird. Vieles in
Ausland Unbekannte, theilt der Verf. S. 211 über das im Obe^
mailändischen Gebiete geltende gemischte Sjstem mit, wonach dis
Produkte der Pflanzungen zur Hälfte getheilt und die ucmlUelbarso
Bodeneraeugnisse gegen Naturalien verpachtet werden.
Sottbare Nachriehten afhIU der Leser von S. 241 an In Be**
ng auf die Tiefebene Qber die Eigenthümliebkeiten dieeer Oe»
genden, yorsflglicb über die BewIesemngBansUütea und die G»*
breehen derselben ebenso 8. 250 über den dortigen Wiesenbaa
Hsd 6. 260 über die durch die dortigen Verbältnisse (c. R
wegen des Eabireicken Ylebstandes der durch Bewissemng beding*
ten Feldereintheilnng) heryorgerufenea grossen Wirthschaften. Hier
finden wir die grosse Zahl der in nngünstigen Verfalltnissen leben«-
den Taglöhner. — Einen Schata ron Andeutnngen, Vorschliigen
und praktischen Beobachtungen findet der Leser in dem 6. Tbeile
aber die Mittel der Verbesserung der Zustände. Der Verf. steht
VDparteiisch swischen den Terscbiedenen Parteien, die er gana rieh*
üg charakterisirt; er bewährt seine praktische Natur, wenn er S. 308
seigt, dass manche gutgemeinten, die Verbesserung der Lage der
Bauern beaweckenden Vorschläge in ihrer Ausführung an den ein*
mal vorhandenen Verhältaissei^ scheltern. Der Verf. bekennt sich
in der Theorie, welche yon dem Staate verlangt, dass er dem vor-
handenen Outen keine Hindernisse In den Weg lege, alle aur FOr»
dsningr der moralischen und materieilen Interessen geeigneten mdi«
rekten Mittel anwenden, die Formen unter denen Privatverträge an
Stande kommen, üfoerwaehen (ohne sich efaiaumengen) und Privat-
•aternehmungen kräftig unterstützen solL Dies ist gewiss richtig«,
aber wir fordern noch mehr. Uns erscheint nach unserer Erfahrung
wesentlich für die Entwicklung besserer Zustände ein Regiemngssystemi
welches von dem unseeligen Misstrauen frei sich hält, die Elemente
i^eier Bewegung schütst and durch Anerkennung der Presslreihelt
die Entwicklung des öffentllehen Sinnes, die Freiheit der Aeusserung
über mangelhafte Einrichtungen und vorsüglich durch Freiheit der
Anociatlon die Vereinigung von Privatpersonen su Unternehmungen
erweckt Vieles ist in neuester Zeit in der Lombardei geschehen
und der Verf. hebt richtig S. 309 den bedeutungsvollen Einfluss der
Eisenbahnen auch auf Ackerbau hervor ; er will ein Landwirtbscbafts-
gesetzbüch, er fordert colleglalische Eiurichtung der Gerichte (S. 311)
and wünscht Gesetze, welche die Ablösung und Umwandlung der
Colonatsverbältnisse begünstigeu.
Nach dem Verf. S. 316 müssen die Hauptelemente des Natio-
nalreichthoms , das Brennmaterial, das Futter und die dadurch zu
gewinnenden Produlcte, der Cocons, Wein, Reis, Lein, Getreide, be-
nützt, ihren Produktionen und ebenso wie ihrem Verkehr die rechte
Hülfe gegeben werden. In welchem Zusammenhange eine zweck-
mässige Forslwirthschaft mit dem Landbau steht, ist gut angedeutet
(S. 317), und die Bedeutung der Viehzucht, die gute Benutzung
der Milch wirthschaft (S. 319), die Bedeutung des Seidenbaus (S.
323), der Zusammenhang des Reisbaus mit dem Gesundheitszustand
(S. 328) bemerkt Mit Freude verweilt man bei den Schlussbetrach-
tiingmf> des Vf^tf^^ wenn er ein Hauptmtttei der Verbesserung landwirtb-*
schaftlieher Zustände In der Erhöhung des Einflusses geistiger Fail-
M Sohreibars Oeidilelito 6m PHbmrfer Unhrentttt
■chritte findet, daher die WiebtigVeit des Unterrichts, nftmenfitdi dei
tecbniseheD Unterrichts, die Verbreitung nützlicher VoIksbQcher hcr-
Torhebt und auch S. 338 die Bedeutung des Einflusses der Geist*
lichiceil andeutet, swar wie Recens. glaubt, so beschränkt, indem der
Verf. nur will, dass in den 8eminarien Landwirthschaftslebre vorge-
tragen werde , während nach unserer Erfahrung von der Geist-
lichkeit nicht weniger grosser Einflnss dadurch erwartet werden kanSf
dass sie überhaupt gegen Vorurtbeile und Aberglauben auftritt (das
letBte ist wichtig, wo das Landvolk noch an Zaubereien oder as
den Einfluss gewisser Zeichen oder Segnungen glaubt) und nidit
suTiel durch Zwang zu äussern Andachtsnbungen die nothwendtg«
Arbeitsamkeit hindert Dass gut geleitete Wohhhätigkeitsanataltei
und nicht einseitig zur Erreichung gewisser eigennützigen Zwe^e
heilsame Förder ungsmittel der Cultnr sind (8. 341} verkennt der
Verf. eben so wenig als die hohe Wichtigkeit einer weisen Volks*
wirthschaftslehre, vorzüglich die Nothwendigkeitslehre der Verbesse-
rung des Hypothekensystems. Der Verf. hat Recht S. 355, wenn er
bedauert, dass in der Lombardei noch so viele Ueberreste der fran-
zösischen Gesetzgebung beibehalten sind (wichtige Warnungen, En
Nahrungen 8. 336). Dass landwirthschaftliche Creditanstalten woU-
tbätig wirken können, erkennt der Verf. an (8. 339), aber er Ter-
schweigt nicht, dass die Einführung derselben in der Lombardei m
manchen bestehenden und nicht schnell urozuwandelndep VerbXlI-
nissen leicht scheitern kann. Rezens. setzt den Wunsch hinzu, dssi^
wenn die Lombardei solche Anstalten und Associationen bekomml^;
sie nicht in die Hände der Spekulanten fallen mögen, die dabei.:
weniger das Interesse der Landeigenthümer als vielmehr ihre eigne^i
Vortheile und den Gewinn, den sie mit ihrem Gelde machen könne%J
im Auge haben. — Unsere Anzeige mag hinreichen, um zu zeigen
welch inhaltreiches , praktisches Werk Hr. Jancini geliefert hat fOr
Jeden, der das hohe Interesse der Landwirtbschaft zu würdigen wete
nilttermaler*
/. Oesehichte der Albert- Ludwig^ s- Universität zu F-rest-i
bürg im Breisgau. Von Dr. Heinrich Schrei6er^\
Erster Theil. Von der Stiftung der Universität bis xur Refor^
mation. Freiburg. Verlag von Franz Xaver Wangler. ItiöJmX
Vni und 246 5. 8. ■ ' -i
//. Geschichte der Stadt Freiburg im Breisgau. Vom
Dr. Heinrich Schreiber. Erster TheU. Von der äHmUSf^
Zeit bis zum Tode Herzogs Berthold F. von Zähringen. MSt-
drei Beilagen und sechs Uihoqraphirten Blättern. Freibur^
Verlag von Franz Xaver Wangler. 1857. VHJ und HO Ä
und Beilagen 62 8. 8.
I. In dem vorliegenden Werke, welches «der Fe?er dfs s«^
rückgelegten vierten Jahrhunderts der Albert-LudwIg^s-UniTersitlft«
aokMikflKS GMcUdito de^ FMibnifttr thiivifenittt §69
fvwidnet ist, erbalten wir eiue grötsUn Theils atw bis jetst nodi
nicht beDuixien Quellea geschöpfte Geschiehte der Dnireraität Frei*
bürg ¥on ihrer Stiflang bis sar Reformation.
Lilogst schon beschfiftigte sich der Hr. Verf. mit der Geschichte
dieser Hochschule, welche eine so grosse Bedeutung für die Hebung
der Wissenschaften in den österreichischen Vorianden hatte. Es beweist
dieses eine ganse Reihe von Monographien, welche der Herr Ver«
fasser bearbeitet und herausgegeben hat und ihm für die Gesammt-*
gesehichte der Universität selbst nur als werthyolie Vorarbeiten die-
nen konnten. Wir rechnen unter anderm hierher dessen Rede über
den Geist der Stiftung der Universität Freiburg (1830), seine Vor-*
träge bei der Gedächtnissfeier der Stifter an der Albert-LudwigV
Hochschule, über die Stifter des Hauses snm Frieden (1830), auf
Joseph Lucas Meyer (1831), auf Melchior Fattlin (1882)9
auf Matthäus Hummel im Bach (1833), auf Joachim Myu-
Singer von Frundeck (1834), auf Heinrich Loritti Gla-»
Keknus (1837), auf Gustav Friedrich Wucherer (1844).
Die Universität Freiburg verdankt ihre Gründung dem Ersher*
sog Albert VI. von Oesterreicb, und awar nicht ohne Mitwirken
von dessen Gemahlin Mathilde, welche die WissenscIiafteD lieble
nnd ihnen, wie ein guter Genius an ihres Gatten Seite, dessen frei«»
gebigen Sinn anzuwenden wusste*). Die Autorisationsbulle aar £r-
ifcbtnng dieser Hochschule wurde von dem Papste Gaiixtus UL
schon unter dem 20. April 1455 gegeben, in welcher er jedoeit
lugleich auch, ohne selbst sich auf Näheres einzulassen , dem Bi*
ichof Heinrich von Constanc die Vollmacht ertheilte, nach ge-
sauer Erkundigung und Befond der Umstände das Nöthige au ver*
(figen. Dieser forderte nun als Bevollmächtigter des apostolischen
Stuhles durch ein öffentliches Ausschreiben d. d. 17. April 1456
lUe diejenigen auf, innerhalb 30 Tage vor ihm zu erscheinen, weldia
Itwas gegen die Errichtung dieser Hochschule einzuwenden hätten,
lud als in dieser Frist keine Einsprache geschehen war, machte er durch
iln neues Ausschreiben vom 3. September 1456 bekannt, dass nun-
aehr die Errichtung der Universität, in der Theologie, dem Kirchen«
md bürgerlichen Rechte, der Medicin, der freien Künste und in
«der andern erlaubten Facultät genehmigt werde.
Die Mittel zur Dotation der Universität wurden In der Ueber*
raguog Habsburgischer Klrehenleben an sie aufgefunden. Der Erz*
lerzog Albert erklärte nämlich von Wien aus unterm 28. August
M56 durch eine besondere Urkunde sowohl in seinem eigenen als
S des Hauses Oosterreich Namen, dass er der von ihm gestiftetea
Jniversitäl die Pfarrkirchen von Freiburg, Breisach, Ensisheim, Win-
srthor, Ehingen, Rottenburg^ Warthausen, Metteuberg und den Altar
^) Spftter wurde sie noch einmal mittelbare Stifterin, indem sie ilirea
oIhi »OS enter Eiie, den Grafen Eberhard, dasn beweg, seinem Würtem*
erg eine gleiche FreiaUtte bolierer Cnltar in Tübingen (1477) lu errichten«
www MMKNUf vWniilM vW PfWMMW IIWV%IWML
ra EmmAati iMorpMire. Splt«r (IS. Mfrt 1457) kM mdkmA
Ae Kitoiie aod dw Kinheimt« der Stadt ViliiDiren das«.
Diese Dotation uad die damit v^rbondeae Bniclitiiag der IM»
TonitlU wurde noeh in demeeiben Jabre (18« December 145^J tm
dem Kaiier Friedriehi dem Bruder Erahernoge Albert's, ebeuo
für sieb aelbst wie aacfa für daa Haas Oesterrekh beetltiift kwk
Bietbol Hein rieb tod Oeoeiaoa ertbeilte aater» 21. Juli UH
eelaa Zaatimmaog.
Zar VerwirkUcboag dieser iDcorporationeB wwrde» Mattb&ai
Hammel *)i ^geisdicber Reebto und der Araoeikaade LebTsr* wA
MarscbaU Tfiriag von Hallw^l, beide RIthe dea Sraberaegs, fti
demselbeo ab Beroiknlebtigte (1456) anffesteilt
Der eigeDtUebe Stiltangabrief der Uoi^emitSt wurde aa fnt
bürg am 21. September 1457 ausgefertigt Darob diesen weidii
der Uoiversittft alle die GkiadeD, Preibeiten und Recbte srtbeül^
welcbe die UnireraitäUn Paris, Wien und Heidelberg bauen. DaUi
gebtörea unter andern sleberes Geleit and ativersogsnes Recht wi
den Amtleuten ; sieb selbst Gesetae und Statuten sa gebea ; Meata
und Scbttler eiaculangen stebt nur dem Rector oder dem ro, ^
dbem es von der Hocbschule aufgetragen ist; alle UnlveisItitsiBgi'
bttrige Bind frei ron Zoll, Steuer, Uageld uad jegHeber Beschweml
Zum Kanaier der Universität wurde (S. Seplember 1456) Bl»
scbof Hein rieb von Gonstana vom Papste bestimmt. Seine Aof*
gäbe besland darin, die strengen Prifui^en aur Eriaagnng des U^i
eaatials in allen Faealtäten au überwacben.
Den erateo RecUr ernannte (21. September 1457> der Enbw»
aag salbst, and a^rar in der P^non des Mattblas Hammel^
der Feige unter dem Beinamen Im Baob cum Rittet erbobeil
rSomte jedoch der Universität aogleicb das Redit ein, ilife küotfi
gen ^Reetoren, Deeane und Ampleute^ selbst au eroeaaeBb
Die feieriksbe Eröffnung der Universität fand am 26. April 14II|
statt, wekher die freie WabI des ersten Rectora, die aaf Humas^j
fielf vorausgegangen war. Dte Eröffnungsrede bielt der neue Bw»
tor. Diese aehr interessante Rede, aus welcher man aueb den Gtü
erkennt, in welchem die Universität gestiftet worden, ist noeh voi>
banden, und da sie über Viele Verbältnisse der damaligen Zeit M
bittre and deutlicbe Anscbauoag gewährt, so kann man es dem Hraj
Veciasser nur Dank wissen, dass er sie (S. 20—28) ihrem Bsapi^
Inhalte naeb gana in seiner Schrift aufgenommen bat
Nach damals üblicher Sitte wählte sich Hummel znm T«ii»|
seiner Rede den Yorspruch: „Die Weisheit hat ai«b ei«!
*) Hummel, id der Stadt Villingen i. J. 1425 geboren, kam all IGji^.i
riirer Jttnglinfr (1441) auf die Universitttt Heidelberg, wo er •chonoachS;
Jahren Baccalaureua der freien Künste und nach 5 Jahren Magister derpeU^'
wurde. Auch spater (1455) kam er wieder nach Heidelberg, wo aber itü
Anfontfatlt aar sehr kun wai;
Ba»0 erbaut* (Vspimtra aadtfiMTlt ÜIM aedMchiiii). Der erste
TheU der Rede behandelt die Frage: ^^Waa gewSfart die Weräh^
and somit auch das Haas, welches sie sich erbaut hat, für Von*
dbaiie? oad der swelte Theil verbrettet sieh über die damalige Zeit
In ihrea Verhftitnisse aar Weisheit und aam öffentlichen Haose der*
selben. Ans diesen hier näher geschilderten Verhftltnissen socht der
Bedner dann nachcoweisen, warnm es nfHhig sei, dass sich die Weis«
heit in Freibnrg ein Haas baue und warum gerade dort die Stiftung
einer DalTeiaitit Bediirfniss sei.""
Dem Rector stand ein engerer Rath (Oonsiiiiim) lor Seite.
Piessr halte auch den Rector an wählen, wobei jedoch der Tomas
in den Facaltäten beobachtet wurde.
InoMUsicalirt wurden schon im ersten Jahre (?om I. Mai 1460
bia dahin 1461) 234 Stodenten.
Die Disetplinargesetxe, wie auch wohl der Stiftongsbrief der
Universitltt selbst (8. 18), Ton Hammel entworfen, worden am
Itf. Angost 1460 bekannt gemacht (S. S9). Sie sthnmen im AJlge-
meinen mit denen fär andere Hochschulen gegebenen überein.
Hand in Hand mH den ältesten Gesetzen der Universität übeiw
gingen auch jene der Bnrsen insbesondere. Sie beoieben sieb
oU anf die Yontände (CottTentt^es , Regentes), als auf deren
Umeigebene (S. 88).
Die folgenden Abschnitte (V— VIII) handeln tiber die rier Fa-
ettItiteB» ttber deren Einvichtnng, über die In denselben angesteMen
Prafessoren. Es sind diese Mittheiluogen aber um so wiehtiger, ate
ala Tide meistens frttbet gans unbeicannte Nachfiehte» enthalten und
üe ersten Lehrer der Hochschule In Freibnrg und Sure NaehMger
Ml den gefeiersten Männetn Ihrer Zeit gehören and noch Jetit au
tat Gelehrten eisten Rangea geiählt werden.
Als die eiste Facaltät wird die phllosophisdie (Facultas Artlum)
iMtIgelährt (S. 42 ff.), ond sie erscheint unter allen Facultäten der
mm gestifteten Universität als die MQhendste. Sie allein wurde mit
4 Professoren eröffnet, denen noch 2 andere an die Seite traten«
Die Namen derselben sind: Wolf, Seolnhofer, Mölfeld,
Arnold, Kerer, Sttirsel (die beiden lotsten kamen Ten Hei-
ielberg). £He ersten Lehrer der theologischen Facultät waren:
Pfeffer von Weidenberg, Mösch von Altiiein^ und Mats von
hüchelBtadt. Von diesen war der Erste von Heidelberg gekommen
ODd die beiden Andern aus Wien.
Der erste and bis zum Jahr 1496 einsige Ordinarius der Juri«
Men^^Faenltät war Konrad Odernheim aus Frankfürt (S. 170).
£^äter als die übrigen Facaltäten trat die medicinische in Wirk-
samketty obgleich aoch sie am 30. April 1460 mit der Vorlesang
aber die Aphorismen des Hip poerate s eröffnet warde. Ihr OnK*
aarius, Dr. Hammel, war durch andere Geschäfte ffir die Vvtvm*
lität überhaupt allzasehr in Anspruch genommen, ala dass er Zeit
genug hatte, sich Vorlesungen zu unterziehen.
(Itt ' SAt^iMi aeMkiahld der Siaii Vt^büfg !• tnktn.
Der IX« AbBchnUt, mit welchem der erate Thetl schHent, sehD»
dert die LeUtuagen der UnirersiUU und Sudt Freiburg lur BütiaS
druck uod Laridkarteo.
Hiermit haben wir einen kurien Ueberbliek über den reich«
Inhalt dieser Schrift gegeben , welche der Herr Verfasser mit deh
selben Gründlichkeit ausgearbeitet hat, die alle seine bis jetit e^
schienenen Schriften rühmlichst ausseichnen. Um so mehr wänseheo
wir daher auch, dass die an diesen Theil sich anschliessendeo wai»
teren Hefte recht bald folgen und so das ganse gewiss höchst m-
dtenstvolle Werk, weiches wohl eine der würdigsten und wertb-
vollsten Gaben zur nahe bevorstehenden Säcularfeier ist^ «um ScfaluM
geführt werden möchte 1
II. Hatte der Herr Verfasser durch eine Reihe von grflodli-
eben -die Universität Freiburg betreffenden Monographien sieh sif
das Beste für die Bearbeitung der Geschichte dieser HochsdiBl» i
vorgearbeitet^ so geschah dieses in gleicher Weise durch sein schätieH»
wertbes ^Urkundenbuch der Stadt Freiburg im Breisgau, 2 BEo^
Freiburg 1828, 1829^, für die Geschichte dieser Sudt.
Längst schon wurde der Wunsch ausgesprochen! dass dasvcH^
liegende Werk erscheine. Det Grund der Versögerung liegt in eiatf
dreimaligen Ueberarbeituug , wodurch jedoch das Werk selbst s«
gewonnen bat Mit Recht führt dessbalb auch der Herr VeHsaMi
(Vorrede S. VI) an: „Nur längere Beschäftigung befreundet wA
einem so detailreichen und eben dadurch schwierigen Gegenständig
wenn etwas Gediegenes dabei au Stande kommen soll. Historisekl
Forschungen nehmen Mühe und Zeit in Anspruch; ihre Frückls
kommen nur langsam zur Reife.^
Der vorliegende erste Theil der Schrift enthält die GescMcfals
der Stadt von der ältesten Zeit bis aum Tode des Herzogs Ber«!
thold V. von Zähringen (1218). Die 4 Abschnitte, in weicfas
diese Schrift eiugetheilt ist, umfassen die älteste Bevölkerung aoste;
Römeraeit, die Fntstehung des Schlosses und Dorfes Freiburg, *
Stadt Freibnrg und deren Verfassung, den Münsterbau, die BldAi
und den Ausgang des Hauses Zähringen.
Dasu kommen noch 3 Beilagen über den zähriagisehen Adlei^|
die älteste Verfassungsurkunde der Stadt Freiburg, das Müoaweiflft|
der Stadt Freiburg und ihrer Genossenschaft der Rappenmfinze. 'j
Beigegeben sind noch 5 lithographirte Blätter, ein Plan dtf*!
keltisch-römischen Tarodunum und Abbildungen zähtingischer SiegiL
Wie wir den Wunsch um rechtbaldiges Erscheinen der weit** \
cen Lieferungen bei der Geschichte der Universität ausgesprochen habfl% {
so thnn wir es auch hier bei der Geschichte der Stadt Freiburg. ^
Sobald uns die weiteren Lieferungen werden zugekommen seiSf
werden wir nicht ermangeln von denselben weitere Mittheilungen i*
diesen Blättern zu machen, und es kann uns nur zur Freude gvtth
eben, dieses recht bald thun zu können. Ilautst
k. M. HEIDELBERGER ISSl.
JAHRBOCHER dir LITERATUR.
Dr. C.F.Alb. Koppen. Die Erbschaft, eine eMlüUache Ab^
handitmg. Berlin 1866. 8. VIU. 167 8.
Der Verf. des genannten Werkes glaubt (S. 6), die ganse
I^dire van der Persönlichkeit der faereditas habe in den Qneiien kel*
HB weiteren Anhalt, als jene, allerdings aiemlich salilreicheB Stol<-
m, wo es heisst: hereditas personae vice fuagitur. Und der Be^
üis dafür I dass es beim Antritte der Erbschaft, wann immer der^
iibe gescheben möge, so anzusehen sei, als wäre die £rbsohaft
lAoD in dem Momente, wo der Erblasser starb, erworben, beschränke
leh auf den einigemal so oder ähnlich lautenden Ausspruch: qui
lestea heres extitlt, ridetur.ez mortis tempore defuncto successisse.
Zu einer klaren Einsicht über das wahre Wesen der hereditas
0 römischen Rechte gelangen wir nur dann, wenn wir erkennen,
Irte sich der eigentbümüchc Begriff derselben auf der Grundlage
lis eigenthümlichen civilen römischen Familienrechts entwickelt hat
Üfe lamilia war sunächst der Inbegriff von Personen und Sachen
fler Vermögensstücken, die von einem paterfamiiias beherrscht, durch
Jessen Willeu au einer Einheit susammengehalten wurden. Die fa^
liiUa oiachte sich aber auch als ein höherer darüber stehender Rechts**
IMgriff geltend. Sowohl das connubium, wie das commercium des
iivis Romanus bestimmte sich durchaus nach der Stellung desselben
lls einer sui juris oder alieno juri subjecta persona. Und in dem
j^onubium, in der Fähigkeit eu einer editen römischen Ehe, die die
frandlage aller persönlichen Familienrechte war, und in dem com»
iprcium, d. i. der Fähigkeit zu allen civilen Vermögensrechten, in
Itsen beiden Seiten und Zweigen der familia konsentrirte sieh die
psamnate bürgerliche Privatrechtsfähigkeit. In der familia, die und
|le sie der römische Bürger hatte, lag also seine ganae Prlyatrechts-'
lU^eit, seine Rechtspersönlichkeit. Beim Tode des paterfamiiias soll
m aber diese seine familia als hereditas auf einen neuen künftigen
leros, auf den heres übergehen. Freilich müssen die gerade auf die
pdividualität des Verstorbenen gebauten Rechte, es müssen seine
üESöniichen Rechte jetst untergehen, und die familia defuncti schrumpft
liber auf ihre vermögensrechtliche Seite zusammen. Im Uebrigen
jril sie aber ganz die nämliche famUia, die nämliche Person, die sie
ei Lebz^ten des Erblassers war, sein und bleiben und als solche
91 dem £rl>en einen neuen Träger erhalten. Deshalb muss während
^ hereditas jacens die Ihres seitherigen Repräsentanten beraubte
miUa defuncti, die erst einen neuen Vertreter erhalten soll, bis
sm Antritte der hereditas allerdings als eine juristische, d. h. als
Ine nicht leibliche Person erscheinen. Die fingirte Persöulichkeit
L. Jakr|. 9« Heft. 4^
tfi lOnM: Mi IriHdMft
der hereditaa jacans also, welche, wena einmal eiae aokke V««-
bun;, wo der Erbe In die TermögeDsrechtltehe PeraüBUdikelt d»
Erblassers selbst eintrat bestehen sollte, nothwendig angeDommsi
werden mosste, bestand nicht darin, dass eine neue jorlatiiBche P«-
son an Stelle der des Erblassers getreten sei, sondern dass die uMmr
Mke Beeblspersöniichkeit, die der Veretorbeoe iMie gehabt hitts^
Ton sebier physischen Persönlföhkeit anabhftngig jetst nosk fftitbe-
stehe als ein unsterbliches Wesen, bestimmt in dem Erlien and kfinf-
lig weiler in dessen Erben fortnlebeB. Beim Antritte der beMdiki%
wann iosmer deraelbe gesebeken mag, erhiüt der Erbe darmn is-
mer gana dieselbe famiüa, die lebendig gebliebene PeraMidMtd«
ErblasMrs, so dass es dadwch gerade so ist, als habe er die £ib-
sehaft sehon im Todesmomente des Erblassers erwerben. Wie 4i
Bttmer an diesem eigentbttmlichea Begriffe der heredüas als te
fsmilin, «Is der Rechtspersönilchkeit des Erblaesera kamen, dssi^
klXrt Sich daraus, dass arsprüngiioh nur die Familiengiieder, snalM
die sai heredes erbten. Bei den sui heredes, die bei den LebscM
ihres paterlamilias ja in ihrer gansen privaten BechtoOfaigkeit ai
uad dareh dessen lamilia gebunden waren, war es gans natfitM
und nothwendig, dass ihnen diese lamilia auch lemerhki erhalM
blieb , nnd dass sie jetst selbst heri, Herrn dieser iassffia mr
den, in und auf der von Anfang an alle ihre prlTaten Rechte fcf
ruht hatten. Dass man dann auch auf den weiterea Familfeakfsi^
den die Agnaten und Gentilen bildeten, ebenso diese famiüa defasif
ak Eriischaft übergehen Hess, war bei der Innigkeit «nd Festt|^
des aaeh unter diesen sich eo Tielseitig geltend machenden Am^
lienTsdilltaieses kein an grosser Schritt Dase man sogar auf dfll
testamentarischen Erben die lamilia defuncti, die Persönlichkeit *i
Tersterbenen selbst fibergeben liess, ist nicht so auffallend, alt «
auf den ersten Blick erscheinen möchte, weil bei den Römera i»*'
längs (nKmlieh bis «i den XU Tafeln) die Möglichkeit sich einen Mv»
mentarlschen Erben au ernennen nur dadurch gegeben war, dass ma
hl ealatis comMis den einansetienden Erben arrogiren konnte, d. h
dass aMn ihn schon bei seinen Lebseiten in seine lamilia aoAishi
and aom saus heres machte. So auffallend und eigenthfimlich dahor
in unserer Zeit der römische Begriff der heieditas als einer Bediü«
pemönlichkeit ersehemt, so natur- und sachgeraSss war diese As^
faseung uad Gestaltung der Erbschaft und der Erbfolge vom aHm
sömisehen Standpunkte aus. Eine nShere Darlegung und die Bewtiü
dieser unserer Ansicht geben wir in einem augenblicklich unter M
Presse befindlfchen grösseren Werke fiber „das römische Erbrstkl
in seiner geschichtlichen Entwickelung. (Heidelberg bei Mciir.)«
Wenn nmn sagt, es sei eine Persönlichkeit der hereditas jae«
hei den Römern angenommen werden, um den Uebergang der re
mligensrechtilohen Persönlichkeit des Erblaesers auf den Brbea i
ermögUohen, so ist damit freilich die Eigenthümüchkeit des römtselM
Erbeseins erkannt, aber es ist die Sache doch nidbt hfaireicheod $
klftri Deoo die wetore Frage itt wieder, warHai denii f erade die
•IgeDthiittilidie Erbrecht? warum dieser kUmdiohe Reefatobefriff der
£rbMbafl ak Vermktolmg des U<eb«r|:aiige8 des Naehltoses? Am«
wort: «6 war das Allee nur eise Gonsequeiiz der eigenihümlieheli
fiilwickelaag der römieebeD lamilia, ja des ganzen f imere» i^oifBebee
SlluitBlebeDa, too wo aos stob dal römische Erbreobt eotwHsbeHe.
WttB aber, seitdem Safigny die Leiwe ron der rabendeil
Erbschaft wieder nea ia Amregung brachte, viele Sd^iftsteller (welche
M Koppen 6. lt. aafgeaähU sind) aik Rticksfcht bald aaf diesen
b*ld auf jenen Zweck in mannigfaltiger Verschiedenheit der here*
dl«as den Charakter einer Pers()nlicbk^ beilegten, so bitten skAk
jmmm Zwecke tbeiis auch ohne eine ^ersontfiKfreng der heredItM
moi andere Weise erreichen lassen, nnd tbeiis würden jene Zwecke
gar nkht bestanden haben, wenn nicht eben die besendere Obstat-
tmng der rSmisehen famiila nnd im Zasammenhange damit der ge-
ananaüen eivllen Prlratrechtefähigkelt zu einer «eichen EntwIckeking
4es Erbrechts hingedrängt blllte. Die in der Natur and dem Wesen d^r
ENage selbst liegenden inneren Beweisgründe für die Anffassnng ^^
hereditai, als der KechtspersOnlicbkeit, ab des Inbegilffs der priraten
EenhtilKhIgkelt des Erblassers waren bisher sehr ungenügend er^
kMMt nnd an wenig richtig dargestellt, so dass K5ppen in sehM^
rodüegenden cirillstischen Abbandlang über die Erbschaft einen ItH*
nemn Beweis als gar nicht vorhanden ansieht. In seiner Ittaagn^
raldlaaertation (De natora beredithtis nondum adltae. BeroKni 1656^
R6 pp. te S.) hatte Koppen selbst die RocfaUp«rs«n!fehkbft der
iieredftaa als der ftMnilia delancti vertheidigt and sich dabei auf
wAebe QueUensStze gestützt, die schlechthin and geradezo ron der
RareStdiehkeit der hereditas oder von ihrer FIHHgkeit Rechte zn er^
srerben and au verlieren reden. Er ignorirt diede seihe fHihere Arbett
ettt völlig nnd verwirft nnn ganz entsdileden die Abnahme (tinfW
tecfatapeiaönilchkeit der hereditis.
Dem in der herrschenden Iiehre anerkannten nnd fn dei^ Natwr
[er INn^e liegenden Satze, dass jedes Recht zu seiner Btistenz ein
Inbjekt voranssetze, stellt Koppen ($. L 0. 9 ff.) die Bebaup^
eag gegenüber, dass einmal zur Entstehung gelangte Rechte, sofern
ie iii<^t ihrer Natnr nach untrennbar mit einer bestimmten Indivi-
vaHtÜt verbunden seien, recht wohl fortbestehen könnten, ohne
nft weilig Jemanden zuzustehen. Nacb dem Begriffe der Rechte
Hde der angenblickllcbe Mangel eines Sdbjects keinen inneren Gmnd
ires Unterganges, faodem dadurch bloss die Realisirnng der rechtii''
ben Hemcfaaft, nicht die recbtlicbe Herrschaft selbst snspendftt
«rde. Ihrem Zwecke nach existirten aber alle Rechte nicht tim
irer aelbst^ sondern nur um der Menschen willen ; und so existirten
abschaftarecbte nacb dem Tode des Erblassers ald eine von ihm
Ir andere Personen rechtlich begründete Herrscliaft, wenn auch noch
leht solort im Todesmoment gewiss sei ^ wer diese Personen sehi
ttrden« Hierbei ist übersehen worden ^ dass wenn mit dem Tode
$f$ Koppas: Dit BrfcMball.
des Erblawerf das Rechtaaubjekt wegfiUlt, dann jedenfaUa «ach dia
rechtliche Herrachaft wegflillt, nicht bloaa die faktiaehe AuaObonf
daraelben. (Jod ao wenig überhaupt bei irgend einem Beehte danwB|
daaa ea um der Menachen willen da iat, d. h. daaa jede rechtafiUiige
Person daaaelbe haben ond erhalten kann, folgt, daaa es aognr b%-
stehen kann, ohne gerade Jemanden auauatehen, ebenaowenig rechte
fertigt sich ein solcher subjektloser Fortbestand der ruhenden Erb-
achaft dadurch, dass sie für den oder die £rben bestimmt iat, d. h.
daaa aie einen Herrn erhalten aoll , den aie aber noch nid^i hat.
Koppen baut nun cwar auf aeinen irrigen Schlussfoigerunges «nii»
ter und meint, auch im römischen Rechte sei eine ?orflbergeheiiia
Existenz subjektloser Rechte vollkommen aulissig. Dm die Naiv
der römischen obligatio mit jener Ansicht in Einlüaag an aetae^
llngnet er, daaa daa Wesen der Obligationen in dem vmculnm joiii
awischen ihren beiden ursprünglichen Subjekten bestehe, indeoi ja^
aonat beim Tode des Glttubigers oder Schuldners nicht sowohl im,
Mangel eines neuen, sondern schon der Wegfall ihrea biaheiigan
Sabjektes, dieser Wechsel des Subjekts, ihren Untergang bewUM
mtisste. Es ist nun gewiss gar nicht der Fall, dass beim Tode das
Erblassers dn Wechsel des Rechtssubjekts eintritt, sondern die P«b>
son des Verstorbenen lebt fort in der hereditas und geht mil dtaaat
und durch diese auf den Erben über. Darum wird auch kein naiias
vinculum juris konstituirt und es ist daher diese Argumentation
Koppen 's über die Natur der Obligationen falsch.
Ebenso falsch ist auch die auf seine vorigen BehauptuDgea gß^,
stütste weitere Lehre von der Natur der- Obligationen wie er aie Ü
$. 2. 3. (S. 13—22) darstellt, indem er fthnlich wie achon fruM
Delbrück (die Uebemahme fremder Schulden. Berlin 1853) '^-
Obligation als positiven und negativen Saehwerth auffasat.
lumn awar mit Rückaicht auf den au ersielenden Erfolg
falle sagen (vgl. S. 16 f.), „eine Schuld ist ein im Vermögi
Schuldnera befindlichen fremder Saehwerth, der das ganae V(
gen des Schuldners ergreift^ Vgl. bes. 1. 50. §. 1. de jodic fti
1. Daa Letstere kommt daher, weU es die famUia iat, die alch mtt^
alle vermögensrechtlichen Seiten des Schuldners oder Ol&ubigera 9ti
streckt, Alles aber was sur familia gehört, durch den Willen ilneil
Subjektes au einem Oancen vereinigt wird. Durchaus verkehrt Mlj
aber die Folgerung des Verfassers (S. 17 f.), dass „sich dorcii 44
Obligationen unter dem persönlichen vinculum juris awischen GMM
biger und Schuldner auch ein sachliches Band zwischen ihren beJMl
den Vermögen knüpfe; jenes gehe notb wendig unter mit den Pef*;
sonen, zwischen denen es bestehe, dies aber überdauere aie. I>eMl
indem die Forderungen und Schulden ihren Auadruck im Vermdge^l
erhielten, würden sie von der Existenz ihrer Subjekte unabh&ngfsil
Dinge.'' In Note 1 auf S. 17 bemerkt der Verf. selbst: »die stti
mischen Juristen bezeichnen nur das persönliche VerlüUtiiiH^
awischen Qlttubiger und Schuldner durch obligatio (pr. InaL M
KOppes: Die Erbiehift. 077
Mg. 3. 18. 1. B. pr. de O. «t A. 44. 7.).^ Wenn aber dieMtf
pmlnKche Verbältniss nach dem Auaaprucbe der römischen JarlsCen
gwide das Wesentliebe, Haaptsftchlicbe der obKf^atio ist, dann würde
jk mit Untergang dieses Bestandtbells beim Tode des Subjekts aacb
ik ObKgation selbst untergehen, dieselbe also nach Koppen 's
neorle folgerecht anch nicht auf den Erben per uniTersUatem über-
fehen kSnnen. In Wahrheit wird die Existenz der einmal begrQn-
i^mt Obligationen nach dem Tode des Glftnbigers oder Scbnldners
isr dadurch ermöglicht , weil dessen famiüa , dessen Rechtsperson-
fcbleit fortlebt, und gerade so wie sie beim Verstorbenen war, auf
te Erben übergeht Und wenn Koppen S. 50 f. behauptet, swi*
nImd der Erbschaft dessen, welcher ein Erbschaflssklave angebOre,
km ^n Legat hinterlassen sei, und der Erbschaft dessen der das Legat
Unterlassen habe, bestehe von vornherein ein obligatorisches Ver-
UUtniss nicht als dn Tlncolnm juris awischen swei bestimmten Per»
tonen, sondern zwischen zwei bestimmten Vermögen, so beruht
Hei bloss auf falschen Voraussetzungen über die Natur der Erb»
iebsft. Inter tIvos unübertragbar sind die Obligationen, weil nie-
■«od bei seinen Lebzeiten seine Rechtsfähigkeit, seine familla selbst,
nlne Rechtspersönlichkeit, die durch die Obligation Terstriekt, be-
lügt oder verpflichtet Ist, auf einen Anderen übertragen kann.
Wenn wie der Verf. (S. 18 f.) meint, eine Singularsuccession
• Forderungen desshalb unmöglich wSre, well „die Uebertragung
Nm Rechten nach natürlicher Anschauung nur durch Uebertragung
kres Gegenstandes geschehen könne, weil nur an ihm der Akt der
Übertragung möglich w8re^; wenn dieses sich so verhielte, dann
Nb'e es ebensowenig zu begreifen, warum denn nichtsdestoweniger
le Forderungen des Erblassers auf seinen Erben übergeben. Wenn
hm Koppen (S. 19) von den Schulden sagt: „weil sie fremde
i^hwerthe seien, so stehe dem Debitor die rechtliche Disposi-
bo fiber dieselben nicht zu, und weil sie sieb nicht als spezifische
lettandtheile in seinem Vermögen befSnden, so vermöge er sie auch
Icht faktisch, wie eine fremde Sache, aus seiner Herrschaft In
is eines Anderen zu bringen, wenn Koppen hiermit die Nicht*
bertragbarkeit der Schulden zu begründen sucht, so mag so viel
ihr sein, dass aps diesen Oründen, während bei den Forderungen
eh das Institut der Cession ausbildete, dagegen für die passive
llte der Obligation ein entsprechender derartiger Ausweg in Be-
ftff ihrer Untrennbarkelt von der Person des Schuldners unmög*
h blieb.
Femer erklärt Koppen (S. 20 f.), es sei verkehrt, das römi-
he Prinzip, welches die Oontrahirung von Obligationen durch Stell-
rtretnng ausschllesst , daraus herzuleiten, weil die ObügaÜon von
fea ursprünglichen Subjekten untrennbar sei. Aber da die. Obli-
ition ihrem Wesen nach auf einer persönlichen Beziehung zwi-
hen Gläubiger und Schuldner beruht, so können Subjekte der
HIgation auch nur diejenigen sein, in deren Person der obllgato-
H* KiMMi Die ErhMhalt
ilfdie GnMJ ctefetreten ist Udd weun Eöp^pen imlBt, dieMi
Princip berflbre überhaupt nicht die Natar ^ner beitehendei
OUigation, -^ bei weicher doch allein erat daye» dfe Sed» am
kÖM6 eb lie mit ibfen Si^jekten weaeatikih Yerkaäpll eel edcr nidit,
sonder« es stelle lediglich hinaiehtlieb der EntstebvosT ▼<» ObUgt*
tieneB eine» Sata amS: so irrt ^ sehr, denn eine ObU^on, dto
nicht besteben bann, die kebie Wirlimg lasserli liann, ist asdk
§aM keine Obttg^UoD und von ihr kann auch niobt gesagt veidiB,
daet sie entstanden sei, vielmehr müsseo, damü eine OhKgsta
wirkljch entstehe, nucb die Erferdemisse da sein, die in ihrem Bar
sfiehen gebörenw Obendrein ancb, indem der Verfasser weiter saft
die CoobrahtffHtig von Obllgationeii durch Stellvertrrtaiig sei amg^
acUossen, w^il hier wie bei dsr ursprüngiieh allgemeine» Dnsolfi»
fl^fkeit der St^lvertrelnng im röm. R. der natitrliebe GS«danke m
Gknnde li^ge, ijdass die unmittelbare Wirkung einer Handlung flr
d6B Handelnden eintreten müsse^ ; so gibt er damit ja die RiebÜf- '
ksit der communis opinio zu, nSmlieb dass die Obligatfoii auch isr ;
unter dea Contrahenten, anler den ursprünglichen Subjekten besisbm 1
könne and also von diesen untrennbar sei.
Klippen hat sich also vergebliche Mühe gegeben im iDdlIL
die Fortezäitena temporfi» subjektloser Rechte naefa2nweise&. Br
wendet jedoch jene verkehrten GrundsStae nun auch auf die bsis-
ditas jaoeaa an und sagt (§. 4. B. 22): ^die jura hereditaria sM
wirkllcb Reckte, welche wie im Leben, so auch im Rechts
kosin Subjekt hätten, und gerade aus diesem Grunde seien ni
Evwerbsgegenstände für ein anderes Subjekt, für den erwartetet
Eiben. Ihre Existena nach dem Untergange ihres Subjekts beniki
ledigUch darauf, daes dardi den Tod die juristischen Tiiatsacbmi|
durob welche sie entstanden seien, nicht aufgehoben wärden.^ Ml
die Möglichkeit der Vermehrung und Vermindemng der ErbeebaiS'
rechte habe ihren Grund theils allein in der selbstifndsgen Portdaasr|
dea Vermögens nach dem Tode, theils aber in dieser and saglciA;
in der Continuität der noch bei Lebseiten des Erblassers .utUftir'
kenstKuirlen Rechtsgeschäfte, deren vermögensrecbtliebe Wirkungcil
aus irgend welchem Grunde, z. B. wegen einer binzugeffigtea Be*!
dingung nicht sofort eintreten konnten. Koppen will hier eissi
Anwendung von Paul. 1. 85. J. 1. de R. J. finden: „Non est ns-
vom, ut qiiae semel utiüter constituta sunt durent, licet ille caMS
e^ltltedt, a quo inidum capere non potueriut.<^
Es ist nun allerdings eine Thatsache, dass während der b^
redttas jacens die Erbschaftsrecbte fortbestehen, ohne dafjs ein k^
periidies Subjekt derselben hervortritt. Mit dieser blossex^TbatsacAs
kann sieb abir die Jurisprudenz nicht begnügen. Der Jurist msm
dieas Thatsache mit den juristiseben Begriffen in Etnklanlg zu brfu^
gen suchen« Und dies kann nicht anders geschehen als dveh An»
nähme eia#r fingirten Persönlichkeit der hereditas jacens. 1i. a «.
Ibaring, Jahvb. fdt Dogmatik. Bd. I. S. 28f. Note 8. lOtats^
die Obligation und die Singularsuccession. Leipzig 1856* $. 3SSL
3 DieBrbMMI. 17»
Die fSmlaehai Jofisten der klassisehen Zelt noch hette miäber-
troffme Mwrter tob Sebarfeinn konnten und wellleB sieh übrigeM
mü einer solehen rein iaiferiicben Betraditangeweiee wie wir sie
hei Windacheid nnd Koppen finden, ond die Ihering a.a.O.
Uli fieehi ala das Baieonnement einea Laien bezeielmet bat, nieht
benuilgeni sondern die sahlreichstea und answeidentlgsten Qiielle»-
rtellen anerkennen bei den yeracbiedenstra Veranlassongeii te jeder
IMehMig direkt nnd indirekt die Natnr der bereditas als der veo
te phyoiscben Person des Erblassers nnabiiftngig loftlebenden Becbts«
pers^ilchkeit desselben. (M. -wgh mein röm. Erbrecht: Eiq». HL
& $6 ff.) Windscheid (die actio 8. 987 ff.) hat äch eigendlcb
«eben adlist widerlegt, indem er zugibt, dass es ein unnatibrttciier
Zustand sei, wenn Rechte nnd VcsbindHchkeiten ohne bersehtiflea
tt>d yerpfliditetes Subjekt bestfinden, nnd wenn die römischen Ju-
risten sagten, dass die Erbschaft den Verstorbenen darstelle, so seiea
sie durch ein naheliegendes Qefiihl, welches allerdings ein Snbjekt
iür das Yennögen verlange, und aosserdem durch das Bedürfiiise
geleitet, lÜr gewisse Fälle des Erwerbes durch ErbscbaftssaeheB,.
welche in die Person des Berechtigten Eigenschaften erfordern, die
nur einem Menschen zukommen, sagen zu können, ob der Erwerb
sulissig sei oder nicht Und wenn Koppen der Idee der Persön-
lidikeit der Erbsehaft anch für die Vorstellung der römischen Jwi-
Sien nicht (was er jedoch in Wirklichkeit zu thun scheint: vergl.
8. 87) diejenige Bedeutung beilegen wolie, welche er [Wind-
scheid] fär sie in Anspruch nehme, so gebe Koppen wie Wind-
scheid (S. 28S Note 9) erklärt, hierin doch zn weit
Koppen will nnn ausser jenen bereits erörterten aUgemelneD
(künden, welche angeblich jedes fingirte Subjekt während der here*
ditas jaoens überhaupt unzulässig erscheinen lassen seUen, anch nooh
einen spesiellen anführen , welcher die Fiktion , dass die hereditaa
selbst dieses fingirte Subjekt sem soll, ausschllesse. Er sagt (§. 5.
& 23), «wegen ihrer gemeinsamen Bestimmung, GegMstand der Erb»
Mge zu sein, treten die von einem Ventorbenen bintotiasseaeii Ver««
Biögeosstüdu im Becht als eine ttnirersitas auf. Dieser uolTersitAa^
der Erbschaft, gehört jedes einzelne Vermögensreebl in solern aa,
als es ein Theil derselben ist, aber keineswegs in dem Sinne, ala
ob die Erbschaft selbst ein Subjekt sei , dem die einzehiev Rechte,
ans denen sie besteht, zustehen.^ Es wäre allerdings ehi innerer
Widerspruch, wollte man demjenigen, was keine andere Besthnmnng'
hat, ala die, Gegenstand rechtüeher Herrschaft zu soId, und desshalh
res, Bechtsobjekt ist, diese Herrschaft über alle seine eiweineB
Thaile und damit über sich sdbst, also zugleich auch BechtssaJH
jektiTität beizulegen. „Ein Bechtsobjekt, welches sein eigenes Rechts-
subjekt ist, ist ein Unding.^ Darin hat Koppen Recht j, Niemals
kann eine juristische Sadie auch zugleich eine juristische Person
und als solche das Subjekt der einzelnen Tbelle sein aus den^a sie
besteht.^ Ja «es kann auch die Anschauung, welshe daa Veiafr^
Ma KIhm: Die Brbidiafi
gin des V«rtlorbeB6n den MeDschen [d. h. insofern er eine Pereon
lil] an die Seile feist, unmöglich eine littlieh höhere g^uonit
werden. «^ Selbel hierin möchten wir Koppen ($. 19. 6. 90) bei-
sthnmen. Wohl aber liann darom für eine Mehrheit von Sacheo
ein eigenes über und bei jenem Vermögen nnsicbtbar wofaii«ideB
Beehtaenbjekt angenommen werden, und so mnif es bei allen reeht-
Heh anerkannten jaristischen Personen geschehen. Dagegen biM«l
bei der hereditas nicht einmal das Vermögen, die SaebengeeamiBt'*
holt eigentlich das Subttrat der Persönlichkeit derselben, sonden
wie die Quellen sagen, hereditas etiam sine oüo corpore juris Sa-
tellectnm habet. Im Unterschiede Ton den anderen nidit an eiaen
Menschen, nicht an einen natfirlichen Träger geknöpften Recfatq>er>
s&nychkeiten besteht das Wesen der hereditas eben bloss hi der
Vermögensrechtsphäre, in der Vermögensreehtstflhigkeit, in der veii»
mögensrechtliohen Persönlichkeit des Erblassers, einerlei ob dieae
aueh wirklich materielles Vermögen, res hereditariae nach ^efa sieht
oder niobt. In dieser Besiehung hätte Koppen die trefflichen Er-
öttemngen von Neuner (die heredis institutio ex re certa. Qiewen
1853) nksht unberücksichtigt lassen sollen. Dadurch, dass der Erbe
die Vermögensherrlichkeit des Verstorbenen erhält, fallen ihm auch
die Sachen sn, auf die sich dieselbe besieht; aber wenn der Etta
durch die Erbschaft so materiell etwas (rem) erwirbt, und aus die*
sem Grunde vorsiiglicb auf die Erbsciiaft Anspruch macht *)^ so
lässt sich darum noch nicht sagen, die Erbschaft seilest, weil oder
wenn sie den Erwerb von Sachen nach sich sieht, sei sellNit noch
nur ein Erwerbsobjekt für den berufenen Erben als eine joristisdie
Sache. Was rechtlich ein Rechtsobjekt ist, unterliegt auch jedwe-
der Privatdisposition. Die hereditas dagegen, weil sie keine Sache,
sondern eine Rechtspersönlichkeit, unterliegt keiner Privatdieposftion
und namentlich auch erscheint die testamentifactio durchaus als ein
Öffentlich rechtlicher Akt (Vgl mein röm. Erbrecht S. 68 ff.) 8e '
wenig irgend eine Person , wenn sie Sachen besitst , ForderuDge%' |
Sdiulden, darum selbst auch eine Sache, eine Forderung, eine Schnli !
ist, elienso wenig ist die hereditas, die vermögensrechtliche Penea |
des Verstorbenen, wenn wirklich materielle Objekte, Sachen, Forde*
rungen, Schulden an ihr hängen, darum selbst auch Sache, Forde-
rung, Schuld.
Ein ebenso grosser anderer Irrthum ist es freilich auch, weaa
man nidit die hereditas selbst für die Rechtspersönlichkeit erklM^
sondern die hereditas selbst für einen blossen Vermögensinbegrli^-
fiir den man jedoch ein über und neben demselben stehendes Sab»
jekt aa&tellen wollte (vgl. S. 24): eine solche Behauptung lieeM
*) Dies ist der Gesichtspunkt Id den von Koppen S. 23^ Note 4 ange-
«ORenen: I. 16. D. 37. 6. 1. 2. f. 8. D. 38. 17. I. 84. D. 29. 2. In I. 2- §. S,
cit. wird obendrein geradesu swtschen dem nomen heredis nnd dem Sachen*
erwarb nnlerschieden.
KOppes: Die ErlwebaH. 6St
iich freilidi weder ans inneren GrOndeD rechtfertigen , nech mit
den QaeIlenao0q>rudi hereditae peraonae defüneti vicem suttinet io
Einklang bringen.
Koppen glaubt nnn Qbrigens ans seinen bisherigen falschea
Afgoraentationen den Schluss sieben zu dttrfen (8. 94 g. E.):
, jedes einselne Erbsehaftsreeht gehöre der univerdtas an, welche
den Gegenstand der Beerbung ausmache^ andererseits aber, es habe
niehtsdestoweniger Icein Subjelct^ Zur queHenmSssigen Begründung
dieses ungereimten Saties sieht er allerhand Stellen herbei, die wenn
jene vorgefassten Meinungen, die er aus allgemeinen Gründen be-
wiesen SU haben glanbt, richtig wSren, bisweilen wohl den von
Koppen behaupteten Sinn etwa haben könnten; aber, da diese
Yoffaussetsnng nioht eintritt, in Wirklichkeit nicht haben und sich
ungleich besser und einfacher mit der richtigen Ansicht von der Na*
IBT der hereditas vereinigen lassen. Jene Quellenaussprtiche, die
ves hsreditariae seien nullius oder sine domino erklärt Koppen
(8. 25 — 29) daraus, dass Ihnen ein physischer Dominus mangele,
daas sie su keines Menschen Vermögen gehörten und es spr&chen
daher diese Stellen allerdings weder f6r noch gegen ehi fingirtes
Subjekt des res hsreditariae. Aber swei Stellen hat Koppen ge*
fanden, aus denen hervorgehe, dass den römischen Juristen eine fin-
girte Persönlichkeit der hereditas unbekannt gewesen sei, weil sie
sonst derselben auch bei dieser Gelegenheit hätten Erwähnung thun
süssen, nämlich Ja vol. 1. 86. de stip. serv. 45. 3. (vgl. 8. 24 f.)
mad Gajus II. 200. (vgl. S. 29—32). Die erste Stelle sagt, swi*
idien einem derelinquirten und einem Erbschafts -Sklaven bestehe ein
grosser Unterschied, indem an dem derelinquirten kein Eigenthnmsrecht
Dsebr bestehe (,«qui pro derelicto rem habet omni modo a se rejecit
leic potest ejus operibns uti, quem eo jure ad se pertinere noluit;
roluntate domini derelictus non potest ad usum ejus pertinere, a
|ao relictus est.'*) Dagegen an dem servus hereditarius bestehe
las Eigenthnmsrecht fort (hereditatis jure retinetur), und
Beeea sei in dem htnterlässenen Universum jus, das die hereditas
insmaeht, enthalten (nee potest relictus videri qnl uni-
rerao hereditatis jure continetur). Wenn aber gerade das
panse Gewicht der Entscheidung darauf beruht, dass das eine Ding
Inen Herrn hat, das andere keinen, dass in einem Falle Eigen-
kamsrecht besteht, in dem anderen nicht: so ist es wohl gans
Inerlei, ob dann das Eigentbum einer physischen oder einer juristt-
dien Person sustebt , und dass die hereditas das Subjekt von Rech-
SD sei, beseichnet Javolenus auch schon hinreichend mit dem Aus-
raeke Universum hereditatis jus. Obschon er nicht noch ausdrück-
eil hinsniiigte, die hereditas sei eine fingirte Person, so brauchte
r doch nicht su fürchten, dass seine Zeitgenossen ilim die unna^
lrli<^e Meinung unterlegten, dass subjektlose Rechte irgend existi-
« könnten. Sodann bei Gajus (II. 200) wird die Gontroverse
sriehtety welche unter den Sabinianem und ProkulejanemQüber die
M Kinpes: Di» Erbiohdl.
Fraise bistaiid, wtm Mcb ätun Antritt des Erb«i in Bgoittni
«iner tintw einer Bediogung per vindioationem legirtio Seele kk
mm Eintritte der condicio soitehe. Während jene andi dkiet Sigoh
tlmiDBrecht einetweilen anf den Erben übergehen Jasaen, schfieem
dieae aefeie SneceaaiMi in daaaelbe aua und engen nnlllaa iaterin
eam rem ease» d. h. nKmlich weder dem Erben, noch den Les^tir,
Indem das Jfegirte Eigenthnmaredit iwar weU v^n der famtfa de-
ftmoä eingeaolileneB bleibt nnd an dieser sein Subjekt hat, iaden
ja sonst auch der Erbe Ternaöge seines Erbreehts defieienle oosfi*
eiene keinen Anspruch darauf geltend machen könnte; aber elaii-
weilen weiss man noch nicht, ob der Erbe als &be, als RepiiMB*
taut des Verstorbenen das Elgenthumsrecht erhalten oder behaitti i
wird, oder eb das bedingte legatum per rindlcationem durch Eifi*
long der Bedingung su Kraft kommen und dadurch nadb der Mte
dieses Legates alles Zwisdienrecht (wenn ich so sagen daif) am
Erben ausgeschlossen wird. Weil der Gedanke eines snbjekdtMi
Bechts gana nnjurlstiscb und widersinnig ist, so lag auch hier wie^
der keine Mödaigung vor, daas noch weiter ausgdiihrt wurde, «
sei dies aber nicht so misszuverstehen (wie dies Koppen S*dO
thttt), als ob das legirte Eigentiiumsrecht inswiscben gar kein Sib-
jekt halM. Die ganae Ansicht der Prokolejaaer war allerding[s eai
leere Spitafindigkeit Mit Becht wurde die Ansicht der SabiDiaaer
die herrschende.
Koppen ist min also, wie wir gesehen haben, su der faisdbca
Ansicht gekommen, dass durch den Tod nur das wenigstens tempo-
rär wohl entbehrliche Snbj^t des Vermögens, nicht auch das Vfl^
mögen selbst nntetgehe. Es könne aber, ikbrt Koppen (f. i
8. 33 ff.) fort, daa Vermögen eines Menschen auch ohne eine danst
gerichtete Thktigkeit seines Subjekts, bloss Termöge des positini
Kechtes einen Zuwachs oder eine Abnahme von Bechten und Schil-
den erfhhren (was a. B. bei der s. g. acquisitio immediata der Fil
sei), so weit es sich nicht um solche Bechte handele, die Ihrer Nar
tnr nach au ihrer Existena ein physisches Subjekt voraussetaen (a
B. die persönlichen Servituten). Solche unmittelbar fitt daa Vfl^
mögen eintretende BechtsverKndernngen seien dessfaalb auch bei dir
hereditas nicht ausgeschlossen, da sie ein Vermögen sei und easif
ein Subjekt desselben hierbei nicht ankomme. Die Quellenauss|ffl*
che hereditas personae vicem sustinet, defnncti Jocnm obtinet, demli^
habetur, domiaa est, sieht Koppen dann als blosse bildliche Am-
drücke dafür an, dass auch nach dem Tode des Erblassers aoeh
sem Vermögen in vielen Fällen dieselben Bechtsvwändemngen, sie
bei dessen Lebseiten erfahren kann, dass mch die hereditas um^
wisse Rechte und Schulden erweitern kann. Hier wäre es dsss
aber gewiss an der Stelle gewesen, dass die römischen Juristen sieb
genaner ausgedrückt und irgendwie beseichnet hätten, dass jene se
geradehin ausgesprochenen Behauptungen nar zur VeransohauUeiMUCr
als ein blosses Bild, gans ohne wörtiiehe Bedeutung ge
■ftppM: Die ErbMkaft M8
w«d«i nüBste»^ Aosserdem ist Koppen |ft aach den Beweis
•ebolAg geblieben, dass überhaupt bei irgend einem Termögenaerwerb,
»Bch bei dem ipso jure erfolgenden, das Beatehen eines Subjektes
ittr das Vermögen irrelevant sei. Es ist eine blosse petitio princt-
pü, dass Ae Erbsehafl, well es an einem änsserliohen pfaystoeheo
Repräsentanten ihrer Persönlichkeit fehlt, subjektlos sein soll und
deaooeh Reeble haben, erwerben und verlieren kann.
In ^ 7—19. S. 36 ff. werden die Stellen betraditet, weiche
▼OB Vermehrungen oder Verminderungen der Erbschaft durch Ver-
mittelttiig von Erbselialisklaven reden. So viel ist riditig, es g^t
mit dem Tode des Erblassers dessen leibliche Person anter, dessen
ftuniiia variiert ihren physischen ReprSsentanten und die während
der hereditas jacens ohne einen leiblichen Träger fortlebende Rechts-
peisönlichkeit soll einen solchen erst in dem Erben wieder erhalten.
Es kann daher, sobald die familia des Erblassers mit dem Tode des
paterfamilias ihren seitherigen Träger verloren hat, dieser als solcher
nach seiner leiblichen Person gar nicht mehr in Betracht kommen,
und ebensowenig kann auch der Erbe, kann die leibliche PersoOi
welche des Verstorbenen Rechtspersönlichkeit an sich nehmen soll,
vor Antritt der Erbschaft als Vertreter der hereditas in Betracht
kommen. Aus diesem Grunde mnsste das römische Recht, wie es
gethan, sowohl die auf den Namen des Verstorbenen als die schon
aof den Namen des künftigen Erben lautenden Stipulationen oder
sonstigen Erwerbungen der Erbscbaftsklaven für ungültig erklären.
(Vgl. bes. 1. 41. de reb. cred. 1. 2. 1. 1. 18. §. 2. de stip. serv.
45. S. 1. 16. cod.) Ebendesshalb konnte auch, da „usnsfructns ex
froendo consistat, id est facto aliquo ejus, qui fruitnr^ (1. 1. pr.
^uand. dies nsusfr. leg. ced. 7. 8.), ein ususfructus nicht von einem
servns hereditarius gültig stipulirt werden; 1. 26. de stIp. nerv. 45.
3. Fragm. Vat. §. 55. Aber dass darum wenngleich auch mM der
physisehen Person alle die Rechte untergehen, welche ein bestimmtos
leibliches Individuum als Träger voraussetzen, dennoch nicht über*
haupt aoch die früher an ein solches geknüpfte und mit dem Antritt an
eine solche su knüpfende Rechtspersönlichkeit unterging, wie Kop-
pen §. 7. S. 36 — 41 folgern will, das erhellt eben aus der fbrt-
dttoermlen für die hereditas jacens bestehenden Rechtsfähigkeit, aus
ilwer Fähigkeit, Rechte haben, erwerben und verlieren su können.
Eben darin besteht ja das ganze Wesen einer Persönlichkeit. Und
dass es gerade die Rechtspersönlichkeit des Verstorbenen, welche
in der hereditas vorliegt, das gibt Koppen selbst der Sache nach
vollkommen zu, indem er in §. 8 ff. S. 42 ff. aus den Quellen den
Satz begründet, „dass auch die Erbschaft noch von dem Gommer-
ciom des Erblassers beherrscht und nach diesem bei Rechtserwer-
heu hereditate jacente, die Frage ob sie mögHch sind, beantwortet
Werden muss.^ Dies gilt wie bei der Stipulation und sonstigen Erwerbs-
eeeebäften ($. 8. S. 42 --44), so auch bei der Erbeinsetzang efaiea
Sklaven (§. 9. S. 44— -49), und bei der Zuwondniig von Legaten
684 ' Koppen: Die Erbtcbaft
an desselben (§. 10. S. 50—54. §. 11. S. 54—58). Wenn wir
nnn aber den Umfang der ErwerbBfMbigkeit des ErbechaftedilaTen
fortwfihrend durch die Recbtaffthigkeit dee Erblaseera beding Bdwn,
eo ergibt sieb daraus klar, dass die Rechtspersönllcbkdt des &b-
lassers als hereditas fortlebt and fortwirkt nnd hier also das Subjekt
dufcbaos nicht irrelevant Ist.
In §. 12. (8. 58 ff.) geht der Verf. an den VermögensTerifai-
dernngen über, welche die Erbschaft ohne Vermittelang ron SkltTCs
erfahren kann, nämlich den ipso jare erfolgenden, wohin der Eiges«
thamserwerb an den Früchten der Erbschaftssache und an dem per-
tns der Sklavinen und Thiere gehört. Ulpian (1. 178. 8. $. 1.
de V. 8. 1. 30. §. 3. 1. 37. de R P. 5. 3.) bitte Indem er hier
die Erbschaft für flhig erklSrte Rechte au erwerben und abngd»«,
noch ausdrücklicher deren Peraönlichkeit herhorheben sollen. Fermr
gehört hierher derjenige Erwerb, welcher durch ein darauf gerichtettf |
Rechtsgeschäft swar begründet, dessen wirkliche Entstehung aber oadi ;
dem Inhalt desselben von ipso jare eintretenden Thatsachen abhSngtf
gemacht Ist, wie z. B. Forderungen und Schulden, welche anter eiiur
Bedingung kontrahirt wurden, wenn die conditio nach dem Tode d«
Ollnbigers oder Schuldners eintritt, Ipso jure der bereditaa snfalles;
ein Punkt dessen Erörterung später noch der §. 17. S. 85 f. sps«
siell gewidmet Ist, nachdem in don §§. 14 — 16 (S. 73—85) dl«
der hereditas ex delicto und quasi ex contractu angehenden Forda*
rungen und Schulden besprochen worden, welche su ihrer EntstehuBf
einer Mitwirkung des Gläubigers oder Schuldners überhaupt nicht
bedürfen. Schwierigkeiten findet Koppen auch nicht hi der Fort*
setsung der vom Verstorbenen begonnenen Usukapion während der
her. jacens, indem er im §. 13. (S. 61—73), wie früher scface
I bering (Abbandl. S. 347 ff.) annimmt es sei hier durch aingnii-
ren Reditssata das sonst in der Natur der Usukapion liegende Er*
fordemiss der possessio und damit einer besitzenden Person erlassest
Folgerichtig würden (vgl. S. 68. Note 80) auch die Erfordernisse der
Usukapion, soweit sie die Person des Usukapienten betreffen, fibe^
haupt nicht in Frage kommen. Es ist nun allerdings richtig, Ulpia«
(l. 1. $. 17. D. 47. 3.) spricht einer hereditas die possessio sb^
indem diese facti et aotmi sei; aber ausdrücklich wird von ihm der
hereditas, der Besitz nur in Bezug darauf abgesprochen, dass keia
furtum an einer hereditas vorkommen könne. Ein furtum kann nänh-
lieh seinem Wesen nach nur invito ei cui fit geschehen, und woQei
kann die hereditas nicht. Aber wenn die zur Erbschaft gehörifS
Sache sich in der Detentatlon eines Anderen befindet, so iat anA
gegen die liegende Erbschaft ein furtum möglich (1. 68 — 70 da
furtis. 47. 3.). Und Gajus (1. 37. §. 1. de usurp. 41. 3.) beielcih
net entsprechend die Besitzergreifung eines alienus fnndus als eias
nicht gewaltsame, wenn dominus sine successore decesserit Hieraus
erhellt, dass die hereditas als Besitzerin gilt, insoweit es die Fort*
Setzung der Persönlichkeit des Vorstorbenen durch sie mit sich brhigt
Koppen: Die SrbMiiaü 685
Aaeh der UmBtand, dMs darch die liegende Erbschaft die Osaka-
pion fortgesetat wird, ist daher ein Beweis, dass die hereditas jae.,
wenngleich sie keine Willensfäbigkeit hat, dennoch als ForUetaerin
der Persönlichkeit des Verstorbenen, insofern es au diesem Zwecke
Döthig ist, als fiesitserin erscheint.
Die Bedeutung, welche Koppen dem Satse hereditas parsonae
defuBcti vicem snstinet beilegt, bestätigt sich also nirgends. Diese
Anwendung eines blossen Bildes (vgl. §. 18. 8. 87 ff.), dessen sieh
die röm. Juristen, wenn sie von Erwerbsfähigkeit der hereditas re-
deten, regelmässig bedienten „theils weil sie sowohl den ans der
vulgären Anschauung, welche für jeden Rechtserwerb einen Erwer-
ber fordert, als auch den ans dem blossen Wortlaut eines Hechts-
sataea möglichen oder wirklich erhobenen Bedenken über einen erb-
schaftiichen Erwerb in der küraesten Weise dadurch begegneten^:
die Anwendung des Bildes komme freilich auch vor, wo die Theorie
über die Erwerbsfähigkeit mehr in den Hintergrund trete, nämlich
in L 22. de fidej. 46. wo die Erbschaft mit dem municipium zu-
aammenges teilt sei. Koppen meint, „weil die Bürgschaft eine
^ysische Person fordert, für die man sich verbürge, so sage Flo-
renttous, die Erbschaft vertrete hier dieselbe und füge hinzu, so wie
auch ein Municipium, eine Decuria, eine Societas eine physische
Person vertrete. Diese Beispiele sollten nichts weiter darthnn, als
daaa auch sonst noch eine Bürgschaft für Schulden möglich sei, ob-
wohl keine physische Person existire, für welche man sich verbürge.^
Diea bloss sagt auch in Wahrheit die 1. 11. pr. de pecun. const,
18« 5. in den Worten: „etiamsi nullus appareat, qui Interim debeat.^
Koppen 's Folgerung, dass weil in der hereditas keine physische
Person vorliege, sie überhaupt keine Person sei, ist aber durchaus
ungerechtfertigt Augenscheinlich spricht die 1. 22. dt. wie dies
aonst auch allgemein angenommen wird, für eine juristische Persön-
lichkeit der hereditas, wie sie es ähnlich dem Municipium, der De-
euri« und der Societas der Natur der Dinge nach ja auch nicht an-
ders sein kann, wenn man sie als Persönlichkeit gelten lassen wollte,
BO lange der Erblasser nicht mehr und der Erbe noch nicht der
loibliche Träger dieser Rechtspersönlichkeit war.
Koppen hat also mit seinen Einwendungen gegen die juristi-
leha, vermögensrechtliche, fingirte, substantirte Persönlichkeit der
kereditas nichts erreicht. Er beschränkt den Begriff der Persönlich-
keit eben zu sehr, indem er ($. 19. S. 89 ff.) denselben auf willena-
Khige Subjekte, d. h. auf die Menschen beschränkt. Er verwirft
Iberhaupt alle juristischen Persönlichkeiten, die nicht auf Gesammt-
selten von Menschen, sondern bloss auf Vermögensgesammtheiten
»eh bezögen, setzt sich also auch hier mit der richtigen communis
loctorum opinio und den unzweifelhaftesten Ansichten des röm. Rechts
n Widerspruch. Und so wird denn auch seine dem entsprechende
koBlcht über die Natur der hereditas und seine Begründung dersd?
len schwerlich Anhänger finden können«
Bei einer so nnricbtigeii AoffaMUif dar Erbeekaft,
neÄürlich auch das Wesen der Erbfolge, zu deren BetmehtaBg
der Verf. (§. 20 ff. S. 91 ff.) jetat abergefat, uamöglieb ricbtig tob
demselben gewürdigt werden. Das Recht des Deiaten, das Erbraobt»
sei ein Recht an einem Vermögen, wie es auch das Reebt einea
GlKnbigeia sei, wübrend wie wir seben, weder bei der Erbachaft
noch bei der Obligation direkt und eigentlich das Vermogan aia dar
Gkigenstand des Rechtes angesehen w^den kann. N«r durch aeioaa
Inhalt soll sich das Erbrecht als das Recht auf Sttccession in «im
durch den Tod herrenlos gewordenes Vermögen, von dem Rechte des
Gttubigers am Vermögen des Schuldners unterscheiden, welebaa nur
Anspruch auf einen bestimmten Sachenwerth gebe. Es habe ^am
Erbreobt (S. 91 f.) als ein Ausfluss natürlicher oder durch Teetanaeat
ktinstUeh geschaffener Famillenbande also wegen seines Un^rwiga die
Natur der Familienrechte : es sei wie diese einerseits UQTareffbliel^
andererseits unübertragbar. Auf diese Weise erkllure sich die Zs»
l&stfigkeit der in jure cessio einer deferirken hereditas legitiniat aa
(S. 92) dass eine nicht erworbene hereditas legitima wie eine kir»
perliche Sache Gegenstand des Verkehrs sein könne. Daa Baeht
des testamentarischen Delaten habe naturlich an sich dieselbe Msrtor,
wie das eines gesetzlichen. Seiner Uebertragung auf einen AndeieA
stehe aber hier der Wille des Erblassers entgegen. Hit dem Weg^
lall der in jure cessio, mit dieser Form der Uebertraguag sei (8. 92 £}
nicht auch die Uebertragbarkeit der lege deferirten Erbschaft
gefallen. An Stelle der in jure cessio sei ja bekanntlich anch
anderen Fällen, wo nur sie ursprünglich aulSssig gewesen, ^ter
blosse Vertrag die Form der Rechtsübertragung geworden^ D<
iSsst sich aber für die Erbschaft kein Schluss sieben; ErbveiUl|g» \
kennt das römische Recht doch nicht. Die ia jure oenio eine»
Rechtes konnte, wie Koppen weiter unten (S. 110) selbst aDffihi%
ihrer Matur nach nur an dem Gegenstande desselben vorgenommeift
werden. Gaj. IL 24. Die in jure cessio hereditatis mosste desAelfc
abkommen, sobald man sich bewusst wurde, dass die Erbsohaft asa»
nttchst und wesentlich nicht in dem materiellen VermögensnacUaaait <
sondern In der Vermögensffibigkeit des Verstorbenen selbst bestaheib.
Tg!^ a. mein röm. Erbr. S. 78 Note 2. Die L 4. §. S8. de doK
esc 44. 4, wodurch nach Koppen (S. 93) noch im Jusiinianiaelw^L
Rechte die Veräussernng einer deferirten hereditas legitima auedHieiB» -
lieh für sulässig erklärt sein soll, besieht sich auf die
der dem Delaten zuvor erworbenen Erbschaft, also des blossen
teriellen Vermögensnachlasses. M. &• a. Arndt 's Pandekten. 2.
§.512« Anm. 1. Wie nun der Begriff des Erben eine höhere
nige familienmässige Beziehung zum Erblasser in sieh schloes (r^L
mein röm. Erbr. S. 81 ff.), das wird hier ganz übersehen.
Erbfolge (§. 21, S. 96 ff.) ist nach Koppen 's Theorie nichts
ter als der Eintritt in die einzelnen Erbs<^ftsrecbte. Diese
der Delat auf Grund, aber auch an Stelle seines blsherf|ea
ittoKMB! Die EriMchift. wr
AD ier Erbscfaail «ki toloher. Die Erbfolge sei cUmf eine Uoeee
firwerbewt von Rechten and das Erbrecht ihre joeta cania. Dem*
gemäss iäfare die Universalsnccession ebenso zu einem nnmittelbarea
Erwerb von Bechten wie die Singalarsnccession. Der Unterschied
von beiden bestehe, wo sie nicht ipso jore eintrftten, lediglich dn*
ria, dass bei jener für den Erwerb einer Gesammthett der vetsehi^
densten Rechte ein einziger Akt avsreiche, wäfaurend diese einem je*
den eiftselnea Recht eotsprechende Uebertragnngslonnen fordere. Aach
dieser Untenehied eriilärt sich aus Köppen's Aaschauangsweise
der Erbschaft nicht. Gar nidit beachtet hat er die der Natar der
heieditas ais einer Persönlichkeit entsprechende nach allen Sekeo
hio sich geltend machende Untbeiibarkeit derselben (vergl. mein
rtai. Erbr. S. 102 ff.). Und weil Koppen die Eiistena subjektioser
Rechte für möglich hiüt, so folgert w (S. 99 f.), die Natur Am
Shmeession erfordere ja nur, dass zwischen Erben und Erblasser kein
anderer Berechtigter in der Mitte stelle, und bei der Sabjektlosigkeit
der rnhenden Erbschaft sei darum eine Socoesslon recht wohl mög*
Üoh, ohne dass der Erbe der Zeit nach unmittelbar aaf dm Erb^
ia«Nur folge. Und die UnzalSssigkeit der heredis institotio ex die
eoli nicht mit der von der Zeit unabhängigen, vermögensrechtUdien
Dnsterblichkeit des Erblassers zosammenhängen, sondern der Qrand
dftTon sei nur der (S. 101), weil ffir seine Hinaafiigong kein be-
gröndetes Interesse des Erblassers denkbar sei [?1], in derselben
vtelmehr nur eine Chikane [?I] gegen die Erbschaf tsglänbiger er-
büekt werden könne, deren Befriedigung dadurch hinaasgescholien
werde. Femer indem Koppen den Erben nicht in die vermö*
pmareditliche Persönlichkeit des Erblassers, sondern bloss anmlttei«
bar in die jura liereditaria eintreten lässt, so behauptet er seiner
Sniachen Ansicht über die Natar der Univemalsaccession des Erhnn
Misprechend weiter auch (§. 22. S. 101), ^dtms der Erbe neben
Inr dnrch die Delation erhaltenen allgemeinen Berechtigung
Mieli den einaehien Erbsebaterechten gegenüber die Fähigkeit bn*
wn müsse dieselben für seine Person erwerben , za können. Be-
laden sich daher in der Erbschaft Rechte, deren Sobjekt der Erbe
ninei: Reebtsfithigkeit nach nicht zu werden vermöge, so würden auf
ha durch den Antritt zwar alle Schulden, aber nur die Rechte über*
^then, deren Erwerb für ihn möglieh sei, die anderen dagegen müss-
en wÜB evbiose Güter an den Fiskus fallen.*^ Die Quellen sprechen
her ganz entschieden gegen diese Behaoptung (vgl. bes. 1. 62 de
u R. D. 41. 1.), aber das bindert Koppen nicht. Er sacht
feh nu helfen, indem er annimmt (S. 103), „die res quaram ali*
Hin commerciam non habet, würden durch Erbfolge ans dem
sin äusseren Orunde erworben, weil das betreffende Verbot aus
^cksichten der Billigkeit auf den Singularerwerb eingeschränkt seL^
äne Inkonsequenz ist es freilich wie Koppen richtig hervorhebt^
^enim man zwar behauptete (S. 101 f.) i »dass mit der Person des
dblassers nothwendig alle ihr zustehenden Rechte an den Erben
668 Kappen: Die Erbfchaft.
gelangen müssten, anch diejenigen, die er fflr seine eigene PMi
SU haben unföbig sei, aber nicht zugeben wollte, dass er diese Bec^
dann auch als Repräsentant des Erblassers behalten dürfte, son-j
dern ihn für verpflichtet halten wolle, dieselben zu verfiassern, ohne
dass man jedoch den Grund hinzugefügt hätte, wesshaib jene Re*
Präsentation nur das temporäre, nicht das dauernde Haben diesei
Rechte für den £rben zu bewirken vermöge.^
Da nun aber nach Koppen 's Argumentation ($. 23. 8. 105 ff.^
„die Erbfolge nichts als eine Erwerbsart von Rechten sein soll,
höre daher auch (vgl. S. 167) durch die Succession des Erbr^
fernere abgesonderte Existenz der Erbschaft auf; so wenig c!iu
Jemanden emtione, donatione u. s. w. erworbenen Rechte eiae
sondere universitas in seinem Vermögen bilden, ebensowenig td
dieses mit den hereditate jacente erworbenen Rechten der Fall W
ihrem Erwerb gehe die Erbschaft in dem Vermögen des Erben tä
und es icönne desshaib dieser nicht mehr ebenso wie der Delat eis
Erbschaft, sondern nur noch jura bereditataria erworbene RscM
veräussern.'' In dieser Weise sucht der Verf. (8. 108 ff.) zu «
klären, dass eine in jure cessio hereditatis aditae nur die WtrkMj
haben konnte > dass von den ererbten Rechten diejenigen auf dl
Vindlkanten übergingen, welche eine Uebertragnng in jener Fon
zulassen, gleichviel ob die Erbfolge ab intestato oder ex testanMofl
angetreten war. Ebenso leitet er (8. 110 f.) den 8atz semel herci
semper heres und die Unzulässigkeit von Resoltttivbedingangeo bi
der Erbeittsetzung kurzweg von der mit dem Antritt erfolgendi
Verbindung der Erbschaftsschulden mit dem bisherigen Vermögt!
des Erben her. Warum und inwiefern eine Vereinigung des V«
mögens des Erblassers und des Erben eintrete (vgl. darüber meil
röm. Erbr. 8. 86 ff.), das kann von dem falschen Standpunkte t^
auf dem Koppen steht nicht genügend beantwortet werden« Wfli
die hereditas nicht die Persönlichkeit des Erblassers enthielte, A
mit dem Erbschaftsantritt auf den Erben übergeht, diesen nun and
zum Repräsentanten der Vermögensrechte des Verstorbenen maeU
wie er es bisher schon der seiner eigenen war, zum Träger dl
familla, welche erst beim Tode ihres seitherigen Inhabers, als iM
reditas, durch Vererbung auf einen neuen Träger übertragen wen
den kann; wenn die Erbschaft nicht diese Natur hätte, sondeii
weiter nichts wäre als der Inbegriff des nachgelassenen Vermögesi
dann würde es konsequenter Weise auch keinen Unterschied iä
Betreff der Veräusserung der Erbschaft machen , ob dieselbe scfaoä
angetreten ist oder nicht.
(Schlusi folgt J
HEIDELBERGER ISST.
^hrbOgher dir litiratdr.
Koppen: Die Erbschaft.
(Schluss.)
löDüOD VM hier nicht auch noch näher einlatten aaf die «mfMirlichereB
r fikr die richlifre Erkenntnis« der Natnr der römischen hereditas liemlieh un-
ibIbareB BenMrkniiKen, welche Koppen (S. 111 ff.) in Betreff der Contro*
^ noter den Prokniejanern und Sahinianern tther die von einem saus heres
HBnommene in jure cessio der Erbschaft maoht, und ebensowenig auf die
leren Erörterungen ttber die Bedeutung der alten usucapio pro berede und
|ia geschichtlichen Verlauf (S$. 24. 25. S. 115—123). Nach seiner fint»
Ikelaog bat die usucapio pro berede ihren Entstehungsgrund bloss in reli-
M Verhiltnisseo , denen gegenüber ihre juristische Anomalie nicht habe
Ikoeehlag gebracht werden können. Wie viel Wahres daran ist, erhellt ans
irPenteUung in meinem röm. Erbr. S. 17 f. S. 73 Note 2.
iiZnm Schlüsse bespricht der Verf. ($. 26—32 S. 123 ff.) diejenige Wir-
m der Erbfolge, welche beute mit dem Ausdrucke der retrotraktiven Fik-
I oder der rückwirkenden Kraft des Erbschaftsantritts auf dem Todesmo-
pl dee Erblassers beseichnet wird. Koppen hatte diesen Gegenstand be-
ll iD «einer Habilitationsschrift (De vi, quam retro ezerceat aditio hereditatis
^mealatio. Jenae 1853) erörtert, bezieht sich jedoch nirgends auf diese
b frtthere Schrift Auch in dieser Schrift hatte er wie in seiner Inaugu-
Inerlation die Natnr der Erbschaft und der Erbfolge nach dem röm. Rechte
pr etentltcben richtig bestimmt. Der Erbe nehme des Verstorbenen persona
jUerie in sich anf, die nicht erst im Momente des Todes des Erblassers
IfMIge einer Fiktion xu existiren beginne, sondern schon bei seinen Leb-
|mb »tina totius personae pars*' [vgl. pag. 15 fg. not. 2. pag. 48] wflre.
jlfa den Erbscbafksantritt werde der Erbe identisch mit jener Person und
l»rbe dann diejenigen Rechte, welche im Momente des Todes des Erblas*
li sar ErbschafI gehörten und die wfthreud der hereditas jacens erworben
Ib. Desshalb werde von dem heres Toluntarins swar nicht der Thal-
ke oder der Zeit nach, aber dem Rechte nach des Verstorbenen Person
t deeeen Tode ab fortgesetct, und so sei das ,,defuncto heredem succedere
»ortia tempore** so verstehen. Wenn gar kein Erbe eintrete, dann habe
h niemals eine familiaris persona des Verstorbenen nach dessen Tode be-
iden. Desshalb sei entweder überhaupt keine hereditas vorhanden gewe-
^ oder dieselbe sei de jure vom Momente des Todes eine Person mit dem
bn. Demm seien anch wilhrend der hereditas jacens der heres und die
ieditai nichts Anderes, als verschiedene Namen für dieselbe PersönHchkefl.
i darana ergebe sich, dass wenn die römischen Jnristen lehrten: „qnipostee
U Jahrg. 9. Hefk. 45
060 Koppen: Die Erbieiiift
beres extitit, ridetiir ex mortu tempore defoneto foeeeMitm*, dati diem
nielit TemOge einer jnriftischen Fiktion getcheke , lOBdem Tenndfe enff
Reehtfooliiwendtgkeil. Denn et folffe dies nothwendfg aus der Einheit 4a
Penon dea Erben mit der persona familiaris des Verstorbenen, das heisst m
dem ErfolfB nnd ans der Natnr der Unirersalsneoeasion. In diesem Sinne id
jener Sata ebensowohl im filteren, als [was Ihering Abb. S. 167 ff. dt
Unrecht gelftuirnet hatte] im neueren rOm. Rechte beirrttndet. Eine Fikliai
aber, womach der Erbe nach dem Antritt angesehen werde, als sei ertksh
silcblicb und der Zeit nach schon wehrend der hereditas jaoens Erbe gewem,
habe weder im filteren noch im neueren röm. Rechte bestanden. DtM»SM»
erörtert Koppen in jener HabiUtationsschrlfl spesiell an der beredllas ei»
paterfamilias und einer mulier sui juris (pag. 14--49), sodann an de■Te^|
mögen und der hereditas eines captivns (pag. 49*-56) nnd endli^ an It
hereditas eines fillnsfamilias (pag. 57—66). Vorher geht eine Untersactail
Über die Unterschiede der Singular- und der UniTersalsaccession (pag.7— 14|
und in einer Einleitung (pag. 1—7) ist eine Uebersicht der aeitberigea lih
en Über die Rückwirkung des Erbschaftsantritts gegeben. Aneh ie itj
Yoriegenden neuen Schrift ttber die Erbschaft berichtet der Verf. jettl
nlc^^ (S* 26. S. 123—131} die heutigen Ansichten ttber die rttek^
Krafift des Erbschafksantritts, und wendet sich dann (in $. 27 — 30. S. 1
1441 SU einer Widerlegung derselben (rgl. a. mein rOm. Erbr. S.85i).
Einwendungen, welche Koppen von seiner falschen Gnwdbge aas,
Reob|e ohne Subjekt sollen existiren können, und von seiner falncbea kt
fassang der Matur der Erbschaft und der Erbfolge aus, sowohl im
als in der Auslegung der Qnellenstellen macht, stehen und fallen
mit dieser zusammen. Koppen sucht uns su Überreden^ dass das rOa^ M
sn keiner Zeit, in der Praxi« so wenig wie in der Theorie, eine Vendi
gekannt habe, welche die Zurückdatirung des Erbschaflsantritts auf dieW
desaeit des Erblassers fordere; dass also die Quellenstellen , welche mit Ü
ren Worten jenen Sats aussprechen, eine andere Bedentong gebebt hMM
In $. 31. S. 145 IT. ergeht er sich in sehr kunstlichen Vermnthnngen, womi
es (S. 149 fr.) Erwerbungen (vgl. L 28. §. 4. de stip. servor. 44. S. L'
ad leg. Aquil. 9. 2.), bei denen man, befangen durch den Wortlaut eines #
settes oder des pritorischen Edikts nach diesem ihre Erfordernisse bitte li
stimmen wollen, gewesen sein durften, welche zuerst den Sata, qni peil^
beres extitit « videtur ex mortis tempore successisse hervorgerufen hMM
Er habe früher nachgewiesen, dass die Sfltxe hereditas personam deM
sustinet, domina est u. s. w., gerade diese bildliche Fassang ans dem Grad
erhalten hätten, weil man dadurch auch der bloss Ausserlichen Betracfatoaf i
Recbtsverhttllnisse oder den auf den blossen Buchstaben einer RechtsvorKbi
gesUltaten Einwendungen Rechnung tragen und die wissenschafiliobea JSrwrf
ternngen des Rechts auch mit dem Ausdrucke der bestehenden Gesetse fcM
in Einklang bringen wollen. Derselbe Grund habe auch dem Sstxe mi^
Form gegeben, um den es sieb jetst handele. Und es habe durch die^
Salz (vgl. S. 151 f.)'' nicht ein neuer Weg des Erwerbs fikr den befesfo«^
gebahnt werden, sondern nur der bisherige von Einschränkvngen , die 90
mit einigem Schein Ii9tt0 machen können, frei erbalten werden sollei. M
EOppM: Die Erbfcbaft 6Q1
Prindp, dMm aodi die Brbicheft noeh mannigfaelie VemifeetreriederaiifeQ
erfalven kenne, and daia diese per heredttalem an den Erben felangen, bil-
dete seine Gmndlage und aollte durch ihn nur in dem ilun febUhrendea aber
baslrittenen Umfanfc sur Geltung gebracht werden. Jene« Priniif» wäre alfo
llter ab nnaer Sali. Eine Beatttifung dafttr gebe Labeo (in L 9. de foen.
Miot 22. 2. vgl mit I. 13. %. 6. qaed vi. 43. 24).'' Jedoeb hfttte wie Köp-
fen (8. 153 f.) weiter meint, die spttere Jariapradenz den Bedenken» deren
Beseitigung der ursprüngliche Zweck unseres Satzes hervorgerafen halten, nicht
■ehr entgegen zu treten gehabt und der fragliche Satz hatte daher zu einer
kieeaen Beminiazena herabainkeo müaaen, wenn ihm nickt Caaaiua (L28 $.4.
eil.) eine analoge Auadehnung gegeben hatte, welche auch bei den späteren
Inristen Anerkennung gefuaden habe (Modest. I. 35. de stip. {« 3). Von
dem Gedenken ana, dasa das Vermögen eines Verstorbenen von der Todeaaeü
an ein aeinem Erben bestimmtes sei, aei ea namlicb kein an weiter Sekriti
feweaen, zu aagen ($. 32. S. 153) „wenn Alles was die Erhsckafit erwirbC,
ihrer Bestimmung nach fUr den künftigen Erben erworben wird, so kann ancb
ein wahrend der hereditas jacens überhaupt möglicher Erwerb ans dem Grnnde
niehl für nngUltig gehalten werden, weil ihn der servua bereditarina für den
Jfaben atipnlirt bat." Uebrigens sei, wie Koppen S. 157 folgericbüg bemerkt,
der Sein qui poatea herea extitit etc. im heutigen Rechte nicht mehr an-
ivendber, weil er in aeiner uraprttnglicben Bedeutung in dem Satae bereditaa
fersonee viee fungitur aufgegangen aei» in seiner analogen Auadehnnng aber
mr Erbachaft gehörige Sklaven voraussetze. Schliesslteh will der Verf. anck
aoch noa 1. Id. $. 2. de stip. servor. 45. 3. folgern (S. 160), „dusdie rdmisehen
Jiristen an der selbständigen Fortdauer eines Vermögens und seiner Vermeh-
inng nai Bechte wahrend derselben auch da keinen Anstoss genommen hatten«
wo sein Inhaber durch capitis deminutio seine Rechtsfähigkeit verloren habe
.nnd deaawegen nicht mehr als Subjekt seines Vermögens habe betrachtet wer*
den können.^ Es unterliegt aber keinem Zweifel, dass auch hier wie bei
der bereditaa jacena nur durch Fiktionen mit Hülfe dea joa postliminii und
der lex Cornelia dies gerechtfertigt werden konnte. Nur mit Hülfe dieser
Fiktionen ward es ja erat möglich von einer hereditas des eaptivus zu reden
(vgL Koppen, de vi quam retro etc. pag. 49sqq.), wahrend atrenge genoa»-
BMO, wer in der Gefangenschaft, also als Sklave sUrb, keine hereditas «i-
^kliesa. (Ulp. L 3. $. 1. de V. S.)
Es thut uns leid um den Fleiss und die gewandte Daratellnng des Ver-
liMsera» wenn die Resultate seiner Schrift, welche er im f. 33 (S. 164** 167)
^«isammenfaast, leider nacb allen Seiten hin sich als unrichtig erweisen.
Verliiff«
^9% Lndwig: GeolofUcke SpeciaikaHe d. GroMhsgUi. Heisn.
Geologische Sfteiaikorto dot QrotskereogikHms Htsttn und itr
angrenzenden LandBsgekieie im Maatssiabe eon i:500ÖQ,
Heramagegeben vom miUelrheiniidien geoiogi$cken Verein, Section Bi-
dingen der Karte des Grossk, Hess. Qeneral^Quartierwuister-Siabs (See- I
ftofi Gelnhausen der topographischen Karte des Kurfikrsienihmna Bstu^
geologisch bearbeitet von R. Ludwig, Inhaber des hurf. Hess. WUkde» '
Ordens. Mit einem Höhen^Vermehniss. Darmstadl 1851. Hofbuchha»ämi
von G, Jongham, S, 47.
Et ist der fUdwetlliche Tbeil de« Vogelsgebirgei, walehen die Torliefvii
Seotion umfaiat. Wie bekannt, bildet datselbe einea der ansgedehnteatea !■•
aall^Terriiorien Devticblands, naheaa einen Raum von 40 Quadrat-Meilea di*
nehmend, ein flachet Plateau, mit vielen itolirten, rundliehen Kuppen. Vst
aelten bringt ein ateil emporsteigender Kegelberg Abwechaelung in die eial*
dende Einförmigkeit jener Baaalt-Regionen, denen ea übrigena weder n
Fruchtbarkeit, noch an Quellen-Reichthum fehlt und die dennoch, bei ä«
hohen Lage, aur Feld- und Waldkultur gut geeignet sind«
Unter den sedimentftren Formationen eracheint ab älteate daa Botkir
gende in den Umgebungen von Büdingen und Gelnhausen, bald ab duatal*
rother Sandstein und Schieferletten, bald als Conglomerat mit Quarz-Geickip;
ben auftretend. Rundliehe, von stellen Schluchten durchschnittene fll|i
characteriairen das Gebiet des Rothliegenden. Zwischen letsterem und dal
bunten Sandstein aeigt sich als schmales Band die Formation dea Zechstdi^
Ihr tiefstes Glied, der Kupferschiefer, erreicht höchstens eine Httcbtigkeit ni
einem Meter; er enthalt auf kleinen Kluften Fahlere, Kopferkiea, Buntkapi»
en, Schwefei-Arseneisen, Speiskobalt, Kupfemickel, gediegenes Kupfer, KojAn
lasur und Malachit. Nach der Ansicht des Verfassers sind die Scbwefd-
Arsenikmetalle durch splltere Infiltration, durch Einwirkung pflanilicher Reit
auf Metallsalae entstanden. Der fast güniliche Hangel an VersteiDeningea ä
den Kupferschiefern am Yogelsberge — so bemerkt Ludwig — llsst te
Vermuthung Raum, dass hier die kohlig-bituminOse Ablagerung einem aoige*
dehnten flachen Lagunensysteme am Strande der Grauwacke-Insel ihre Bi^
stehung verdankt, dass die aus Kalkincrustationen und Torf bestandene Scfaldt
spater unter marine Bedeckung gelangt, mit Schwefelmetallen erfüllt wari^
indem die metallsalaigen Lösungen des Heerwassers in der kohlenbaIti|li
Schicht reducirt wurden. ^ Wo wie au Riecheisdorf und Maosfeid meerbr
wohnende Fische in grosser Henge im Kupferschiefer vorliegen, oder ^
wie bei Frankenberg und Tbalitter, die Kupferschiefer-Schichten swiicMli
marinen Kalkabsfitzen liegen, kann ein solcher Bildungsweg der Ablagemf
naturlich nicht behauptet werden, wenn auch hier noch die nachträgliche kr
filtration der Schwefelmetalle nachzuweisen ist. — Selten erscheint der Kaplan
schiefer in dem Grade mit metallischen Substanzen imprftgnirt, dass deiü
Ausbeutung sich lohnt Gegen die Mitte des vorigen Jahrhunderts war ki
HaingrUndau Bergbau auf Kupferschiefer, erlangte aber keine bedeotea^
Ausdehnung. I
Auf den Kupferschiefer folgt der Zechstein, welcher ausser kohlensaartt |
Kalke nur geringe Quantitttten kohlensaurer Magnesia , ab^r fiisenoxydnl aM
Ladwiip: Geolofische Speciatkarte d. GrofsIiEi^ Heifeii. M^3
BiseDOxyd, Thonerde und Kieselerde enthllU. Bitamen i«l stete durch die
Hasse des Zechsteins vertheilt, dessen Mächtigkeit swischen 8 und 16 Meter
sehwankt -^ Graugelber Dolomit bildet die oberste Abtheitung der Zechstein*
Formation; thcils dicht, theils porös, eeigt er auf Kluften und in Drusenrilo-*
men häufig die characteristischen Bitterspath-Rhomboeder. Der Verfasser glaubt,
dass die Zeohstein-Dolomite über Pflanaen niedergeschlagen seien, eine An-
sicht, welcher die spätere Umwandelang des Gesteins nicht im Wege steht.
Bie Zechstein- Formation am Rande des Vogelsberges ist durch einen grossen
Reichthum an Fetrefacten aasgeseichnet ; eine nicht geringe Ansah! denelhen
worden durch ROssIer aufgefunden, welcher sie auch bereits in den „JahrbU-
cfaeni der wetterauischen Gesellschaft^ beschrieben hat. Die Zahl der Specis
betragt 54, die hauptsHchlich im Zechstein vorkommen.
In nnroittelbarem Zusammenhang mit der gegen Osten, in Pranken so
aosgedehnten Trias erscheinen im Gebiete vorliegender Section bunter Sand-
stein und Moschelkalk, der erstere als ein wahres Strand- oder DUnen-Gebilde,
dem Meeresmuscheln gftnzlich fehlen, während die bei Aura und Schwarzen-
fels nachgewiesenen Thier-Fahrten auf eine über dem gewöhnlichen Wasser-
stand gebildete Ablagerung hindeuten, dass diese Sandsteine kein unmittel-
barer Absatz aas Wasser, sondern durch Luftströmungen zusaromengefCkhrte
Baufwerke von Sand seien, wie wir solche in den Dünen-Regionen häufig
finden. Dem Wellenkalk und Huschelkalk steht nur geringe Verbreitung zu.
Die Tertiär- Formation der Wetterau spielt auf der Section Bttdingen-
Gelnhausen nur eine untergeordnete Rolle, in vereinzelten Parthien auftretend,
die an den Hageln des Todtliegenden endigen. Es sind snnfichst plastische
Thone, kalkhaltig und nicht feuerbeständig, hin und wieder kleine Braunkoh-
fen-FIOtee enthaltend; femer Ablagerungen von Sand und Sandstein« Einen
Theil dieser Gebilde betrachtet der Verf. nicht als Niederschläge aus bracki-
ifehem, sondern aas süssem Wasser, Ablagerungen in Sümpfen und Flüssen,
welche mit der brackischen Lagune der Main-Gegenden und mit dem noch
ilfirker salzigen Golf von Alzei und Flonheim in Beziehung standen. Der
jene llmnischen Miocän-Gebilde bedeckende plastische Thon hängt mit mari-
nen Ablagerungen im nördlichen Deutschland zusammen.
Von eruptiven Gesteinen treten im Bereiche unserer Section Basalte, Do«*
Mle, Phonolithe und die sie begleitenden Conglomerate auf. Basalt- und
hakgonlt-Tolfe, geschichtete basaltische Conglomerate zeigen sieh haoptsäoh-
idi an den Rändern der Trapp-Formation. Sie sind ohne Zweifel älter, als ^
lie Basall-Eruptionen ; namentlich zeigt sieh Palagonit-Tuif stets als Unterlage
lea Basaltes. Ein Theil der Vogelsberger Basalte erscheint in Platten ge-
iehichtet, als eine unter Wasser-Bedeckung ergossene Lava, ähnlich wie die
nYkaniachen Gesteine Islands. Solche Basalte, meist dicht oder körnig, dnn-
(alfarbii; und häufig Olivin-Kugeln enthaltend, herrschen im südlichen Vogels-
[ebirffe vor. Jüngeren Alters sind die über sie hervorragenden Kuppen dich-
Bn und krystallinischen Basaltes und die, jene plattenförmigen Basalte dorch-
efzenden Basalt-Gänge. Ob die, als Spalten-Ausfüllungen im bunten Sand-
lein aoftretenden basaltischen Massen, welche die bekannten, denkwürdigen
^erllnderungen in jener Felsart veranlassten, der jüngeren oder älteren Periode
ngefaOren, lässt der Verf. unentschieden. ^ Die Dolerite nehmen ausschÜess-
6#4 BeoUiiif I 0ie Galanifcheii lultetiMet-CoiameiiitriM.
Uoh iB§ ittdwMtliche Eck der vorKeirendeo Sectfon ein , aa die der SeeliM
FfH/ib^rg sich anreihend. Sie liad iheiU diehl, Iheib blasig, nd eethilMB
in letilereDi Falle in ihren Blasenrinmen mincherlei Miseralien, wie Grta-
erde» Bol, Aragonil, Sphlrosiderii u. a. Noch beschrankter in ihrer Teikä-
Minf als die Dolerile, sind die Phonolithe, nur an wenigen Stellen Aber im
Basalte in kleinen HOireln emporragend* Ob sie vor oder nach den Büahn
den Tiefen entstiegen sind, ISsst sich nicht ermitteln.
Es seilen nnn bald noch mehrere der tom mittelrheinischeD geelogiicki
Verein anfgenommenen Karten folgen; tunlchst werden rrscheinen: Sedioi
Olfeahich-Hnnau-Frankf urt , bearbeitet von R. Ludwig nnd G. TheobaUi
Seotion Schotten, bearb* von Tasche; Biedenkopf-Laasphe und Batlenkit,
bearb. von V. Dechen; Allendorf-Treis, von B. Dieffenbach und R.Li4-
wig; Fanerbach-Usingen , von Ludwig nnd Mains, bearb. von YeltL
Die Sectien Heidelberg wird hoffentlich auch im nichsten Jahra vollendet M
Die <9«kmiichen*) InsHiuUonm'CommeHkirim (AerHiU ton Dr, F. W. Kft,
BBekhänt. B&nn. Verlag wm Henry ei Cohen, 1857, IV w. ^72 8. kl
Von den Institutionen dei Gaius ezislirt unseres Wissens nur eine eiBii|i ;
deotsohe Uebersetiung, die sudem nur das erste Buch enthilt, and nil N
umfassenden Erklirungen begleitet ist, dass wir darin wohl mit einen Cmi
Baden kennen , waram diese Uebenetzung (von Ch. Ulr. 6. von Brack*
dorf, Sehlesvrig 1824) nicht weiter fortgeführt und voHendet worden ist Ki
vorliegende Uebersetiong, mithin die erste vollständige, hat sich eiaii|
gani andern Standpunkt genommen; sie will beitragen das Studium derli*|
stittttiouen des (laius zu fOrdera und ui erleichtern, und sacht diesen Zwed
nicht sowohl durch einen ansftohrlicben Commentar, mit dem jeder einalhi
Salk ausgestattet ist, su erreichen, als durch eine wortgetreue, ricbtife Uetar»
^gnog des lateinischen Textes, welche das Verstindniss des Originels De»*
jenigen erleichtert, der sich eines solchen Hulfsmittels bei seinen Stadien be»
dient. Denn als ein wahres Httifsmittel dürfen wir wohl diese UeberseCsmf
beaeiehaeui sie hllt sich mit aller Strenge an das Oirginal, und gibt diaM
mit glei«*her Genauigkeit und Treue in deutscher Sprache wieder, sie IM:
aber auch dabei dem Genius der deutschen Sprache alle Gerechtigkeit wtedsr*
fahren and liefert damit allerdings den Beweis, wie msn genau und ridd^
einen lateinischen Text mit aller Treue auch in unserer Nnttenprache lltessedl
und ohne irgend einen Anstoss, wieder geben kann: denn dieses Zeugahi
kana man dem Uebersetser nicht versagen, dass er seine nicht leichte Arkft
in einer sehr befriedigenden Weise durchgeführt, indem er den Foide*
rangen der Treue und Genauigkeit wie denen der deutschen Sprache sHi
Rechnung getragen hat; die Uebersetzung liest sieb gut und lisst fcsaa
fühlen, dass sie eben eine Uebersetzung und kein Original ist; sie wird di-
nun auch, wie wir hoffen, ihre Zwecke erreichen, sie wird die wttnschew*
*) Warum aieht: Die Institutionen «~ des Gajas'?
Parel: Flairiiu JoMphof Werke. HK
IMrarihe Verbreltaag finden, vnd sa dem Stadioni der Qnellen des römischen
^edttf de« Hiri^e beitragen.
Uebrigens darf man die Uebertragang dieser Institutionen fttr ein nicht
!• gaas leichtes Werk aasehens die im Ganien gedrttngte , and dabei sehr
^cise Sprache des Originals, die mancherlei technischen Ausdrücke er-
Kehweren das CSeschift des Uebersetiers nicht wenig, abgesehen auch von
4eB aahlreichen Locken, welche das Original an so rielen Stellen enthalt:
lliese worden so weit es möglich war, ausgefüllt nach ihrem muthmassUchen
Inhalt, dieser aber in eckige Klammern eingeschlossen. Zu Grande gelegt
jirard der Ten der vierten, Im Jahr 1855 au Lclpiig erschienenen Ausgabe
[^ma Böching: in der Uebersetsung selbst wurde oftmals — wo es auf den
leohniacben Ausdruck ankam — dieser in Klammem der deutschen Ueber-
•etaang beigefttgt, um so jedes Missyerstindoiss oder eine irrige Deutung an
vermeiden; wo die Lesart bestritten ist, ersehen wir aus der Note, welcher
Lesart die Uebersetsung gefolgt ist: dann aber auch finden wir in diesen
Hoten neben eintelnen, kuraen Erklärungen, die sich nur auf Noth wendiges be-
schränken, die betreifenden Parallelstellcn ans den Justtnianeiscben Institutionen
nnd ans den Fragmenten Ulplan's (ebenfalls nach der 4. Bocking*sehen Aus-
gabe von 1855) beigefttgt, was gewiss sehr zweck mttssig ist. Auch an ein-
seinen Verbesserungsvorschlägen des fehlerhaften oder Ittekenhaften Textes
fehlt ea nicht, die ein httnftiger Bearbeiter des Textes wohl au berücksichti-
geii haben wird, s, B. S. 153 au Ell. f. 94. 95 : wie man denn aus Allem er-
sieht, dass die Uebersetsung mit aller Sorgfalt und Genauigkeit und unter Be-
rftckaichtigung aller vorhandenen Mittel veranstaltet ist. Auch an einem guten
fiegister .fehlt es nicht. Wir wttnschen daher dem ntttslieben Werke Aner-
kennung und Verbreitung, und wollen zum Schlnss als Probe der wohlge-
Inngenen Arbeit den Anfang der deutschen Uebertrag hier beifügen.
I. Ueber Jus gentium und civile. Alle durch Gesets nod Herkommen
regierten Volker bedienen sich theils ihres eigenthümlichen, theils des allen
Henachen gemeinschaftlichen Rechts. Dasjenige Recht nämlich, welches sich
jeden Volk selbst setzt, ist sein eigenthümliches und wird jus civile genannt,
Hleichsam das eigenthttmliche Recht gerade dieses Staates; was dagege« das
oalOrliche Reehtsbewusstsein (naturalis ratio) unter allen Menschen festsetst,
daa wird bei allen Volkern gleichmässig beachtet und jus gentium genannt,
gleichsam das gemeine Recht aller Nationen. So bedient sich denn auch das
rAnaiache Volk tbeib seines eigenthümlichen, theils des allen Menschen ge-
meinaohaftlichen Rechtes. Welcher Art die einseinen Rechtseinrichtungen sind,
dna wollen wir jedesmal an seiner Stelle bemerken.
Des Flavius Josephns Werke. Siebentes Bändchen. IL Üeber dat hohe
Aller des jüdischen Volkes, gegen Äjnon*y überseM van Heinrich Paret,
Diakonus in Brackenheim. StuUgari. Verlag der J. B. MeUlei'sfihen Buch^
handbing 1856 in kl. 8.
In den vorausgehenden sechs Band eben ist des Josephus jüdischer Krieg
Toll0tändig in dotttscber Uebersetsung mttgetheilt, Ober welche in diesen
_J
606 Oertel: G«Beai9gt»clie T«fol« m SUalMfetdiichte etc.
!
BUtttern Jabrgir- i^6. S. 1853 ff. bereiu 4u Nfttbiire bMMtkl w«»rdMi kL
Dm Lob, du dort dieser Ucberseliung ertbeiit ward, wird «iicb aaf
Forttetaung aufsadebnen sein, die eine ftlr noi ia so aMmebea
nicbt minder wicbtlge Schrift des Josephus entbAlt aad aaeb dieae ia
deutseben Uebertragung vorlegt, der nan alle AaerkenaaBg tcbaldig m|
Der mit seinem Schriftsteller wobl vertraate Ueheraetaer bat den Siaa de«
Originals richtig wiedergegeben, die Forderungen naaerer Sprache
bei ihm stets BerUcksicbtigang gefunden» ao dess die Oeberaetaaag , die
sieb reebt gut liest, such iasbesondere aum Gebraacbe und aar Lect&re De^*
ienigen empfohlen werden kann , welche nicht die oOtbiga Kenntaiss
Gewandtheit besitsen, um du griechische Original geläufig an Icaeo und riebt
tig tu verstehen. Eine iweckmissige Eioleitung hat der Uebersetaer tmsw
geschickt; sie soll in das Game einführen, and ist ttberdem von
goten Analyse des Inhalts dieser Schrift begleitet, die, als eine wahre Apib«
gie des Jodentboms ebensowohl dessen wehren Charakter darstellen,' ab
der andern Seite, namentlich in ihrem ersten Tbeiie die irrigen
anderer Volker des Altertbums ttber die Juden widerlegen, die
und selbst yerllurodersichen Angaben, die über die Juden ia Umlauf
waren, lurQckweisen soll, und dabei so manches Andere cur Spraclie brit
waa dieser Schrift für die gesammte Alterthumskunde eine besondore Bede^
tnng gibt. Auch darauf ist in der Einleitung wie in den der Uebenetaiyl
beigefügten, erkittrenden Noten stets die gebührende Bttcksichtgenommeawordd
Geiuaiogische Tafeln tttr 8taatettge$chid^e des neuntdmien JahrkvnderU
einer genealogiieh^stüüstitchen Einleitung wm Dr, Friedrich Maxim
lian 0er t elf wioeUem Frofeuor und Lehrer der Geschichte an der köni
Landesschule St Afira wu Meisten. Zweite berichtigte und vermehrte Auf'^
läge. Leipug. F. A. Brockham 1857. XLVIU u. 119 S. in kl. QuerfcUe.
Das erstmals 1845 erschienene Werk hat sich als ein nOtdiches und
brauchbares in der Weise bewihrt, dass eine neue Auflage nöthig gewrordea
ist; der Verfasser bat die ihm auf diese Weise gebotene Gelegenheit bennUt,
nicht bloss einselne Versehen, welche in der ersten Auflage mit untergelaa-
fen waren, zu berichtigen, und diejenigen Personal Veränderungen betaufbgea,
welche seit dem Erscheinen der ersten Auflage stHttgefnnden , sondern er hat
das Ganze einer neuen Durchsicht unterstellt, welche ohne in der Anlage und
dem Plane des Ganzen irgendwie eine Veränderung herbeizuführen, daaadbe
doch mehrfach vervollständigt und seinem Zwecke entsprechender gealaltet
bat. In der genealogisch-statistischen Einleitung sind die Angaben über dea
Flächenraum und die Bevölkerung der einzelnen Staaten nach den genaaeatea
Messungen C^unacbst nach Engelhardt: der Flächenraum der einzelnen Staatea
in Europa, Berlin 1853), so wie nach den Ergebnissen der in neuester Zeit
veranstalteten Zählungen, so weit sie zur Oeffentlichkeit gelangt sind, durchweg
berichtigt und vervollständigt; jede Veränderung, die seit 1845 eingetreten,
ist sorgfällig bemerkt worden. Ueberbaupt wird man hier sowohl wie in
I den Tafeln selbst Alles das, was in den seit dem Erscheinen der ersten An^
Sebifer: Geichiehtatabelleii. 697
lafe TttrüffNitKolilen Naditriffen TorkotDint, anffrenommeD and irehOriffen Ortet
eio^Mchaltel finden. Was die genealogUchen Tafeln selbst betrifiTI, die dss
WeaenUicbe der Sebrift bilden, so sind hier allerdinfrs f^össere Veränderun-
l^eQ, die der nenan Auflai^e sum Vorlheil gereichen, einii^etreten ; sie belreffea
theils die wQnschenswerthe ErOrterun^f mancher in der ersten Auflage nnr
mangelhaft und unvollständig gegebenen (xenealogien, so wie die mit dadurch
zam Tbeil berbeigefllhrte Umgestaltung mancher Tafeln, welche gttnxUch um*
gearbeitet erseheinen, wobei auch die verluderte Stellung einzelner Dyna-
stien, so wie selbst der bequeme Ueberblick de» Ganzen in Betracht kam. In
Folge dessen wurden aber auch mehrere ganz neue Tafeln hinzugefügt, weiche
zunächst die Htfuser Baiern, Leuchtenberg, Lippe und einige andere betreflfen,
ebenso auch eine Anzahl von Tabellen eingeschalten, welche die Genealogie
einiger halbsouverainen fttrstlichen Familien behandeln, die in der neuern Zeit
zu einer gewissen, früher nicht gekannten Bedeutung gelangt sind ; die Fa-
milien der Herrscher von Montenegro (Crnagora), von Servien, von der Moldau
and Wallachey, in Deutschland das Haus Aldenburg-Bentink geboren in diese
Claase. Dass auch die Pübste hier aufgenommen sind, wird man eben so sehr
billigen, wie die Aufnahme der Prfisidenten der vereinigten Staaten von Nord-
amerika; und so wird anch in der neuen Auflage das Buch als ein nützlicher
Rathgeber auf dem oft verworrenen und verschlungenen und doch für die
£rOrterung so mancher Fragen so wichtigen Gebiete der Genealogie benutzt
werden können. Dankbar rühmt der Verfasser die Unterstützung, die ihm
zar Vervollständigung des Ganzen, wie zur Berichtigung einzelner IrrtbUmer
von so manchen Seiten zugekommen; wir wünschen, dass ihm dieselbe auch
femer nicht ausbleiben möge, bei allen den Verfinderongen, die im Laufe der
Zeiten nicht ausbleiben können. Auf den Druck selbst und dessen genaue
Durchsicht ist von Seite des Verfassers möglichste Sorgfalt verwendet wor-
den, durch welche sinnstOrende Fehler vermieden worden sind.
Geickichtitahellen tum AutteendiglemeH een Dr. Arnold Schäfer ^
Profeisor an d§r k, »id^. LanäenckuU w Grimmn, Seeibis verheutrie und
mii einer Qetckickisiafel vermehrU Äußage. Leipug. Ämoldud^ BuMtmd"
img, 1857. 64 S. m gr. 8,
Wir haben der fünften Auflage in diesen Jahrbüchern Jahrgg. 1855.
fir. 35. S. 545 gedacht, und gedenken auch darum gerne der sechsten, deren
£r8cheinen wir um so freudiger begrüssen, als sie ein neuer Beweis der Ver-
breitung ist, welche diese für den geschichtlichen Unterricht so brauchbaren
und nützlichen Tabellen mit Recht gefunden haben; das günstige Urtheil, das
wir früher gefttllt, hat auch darin seine Bestätigung gefunden. Wir können
daher auch die sechste Auflage bestens allen denen empfehlen, in deren
Hfinde der geschichtliche Unterricht an unsern höhern Bildungsanstalten gelegt
ist; an einer sorgfältigen Durchsicht des Ganzen, ohne Veränderung des %a
Grunde gelegten Planes und der Anlage überhaupt, hat es der Verfasser auch
diesmal nicht fehlen lassen ; die neu hinzugekommenen Geschlecbtstafeln des
römischen Kaiserhauses des Augustus, des russischen Kaiserhauses und des
698 Herwerden: Dispntatio liteniri« etc.
Hcuaes Habtbarf biMen eise sehr dankeiwwerte Z«f»be. Kiiie tbnliche Ge-
sckleebtstafel der KurAlrtten von Brandenburi^ und Köaige tob Preusieii fia-
den wir beigefttft der eratonab von den Verfasser berausge^benen, ia Aalac«
und Ausrübrunir ^ans g^leicb ^baltenen ond darom fttr den Uaterricbt ebea m
braucbbaren
Tahelie wur Preuttitehen Geschickie 9<m Dr. Arnold Sckäfer^
Professor an der L $ächt. LamdB$MckmU m Orimma, Mit tm€r GtmMeddf
tafd, Läpüg. AmolSscke ßuckktmdimg. 1857. 15 8. in gr. B.
Ditputalio /i/erona, eonHtuns observaiioHes crUictu m fragmetUa Comioorum Grar-
cortim^ quam — puhlico ac Molemni examini submitHi Benrieus «an Btf
werden^ e pago BeeUtertUDoogo — Frtnusv iMgduninBaUitorwn^ apud £. 7.
Britl^ acad. typographum. Till und Ut 8. in gr. 8.
Die zahlreicben auf uns gekommenen , aber zum Theil in sebr entstelhec
Gestalt vorliegenden Reste der griechischen Komiker bieten aUerdiogs »ock
nach dem, was in Meineke's Zusammenstellung derselben geleistet wordei
ist, ein reiches Feld für die Conjecturalkritik, die hier bei dem oft so ftkV
baren Mangel urkundlicher Nachhülfe eintreten muss , um in den oft kaum ei-
nen Sinn bietenden Stellen, diesen zu ermitteln und herzustellen. Die in die-
ser Schrift gegebenen Mittheilungen beztehep sich auf lauter solche Stellea
aus diesem Kreise , welche in ihrer urspränglichen Fassung mehr oder minder
entstellt sind, und nur auf diesem Wege der Conjecturalkritik hergestiBt
werden können, was bei den meist einzelnen, aus dem ZusammenhaDg d»
(uns unbekannten} Ganzen herausgerissenen Stellen allerdings nicht so leidt
ist, jedenfalls auf genaue Bekanntschaft mit den Schriftstellern dieses ganzes
Gebietes, so wie insbesondere mit der Sprache derselben und ihren Eif^entbiai-
lichkeiten begründet sein muss. Beides vermissen wir nicht bei dem Verfasser
dieser Schrift, welehe eine Reihe von solchen Verbesserungsvorscliligm a
eiBielneo Stellen der Fragmente der griechischen Komiker enlhAlt, und zwar
ia ersten Kapitel zu den Stellen solcher Dichter, welche der ftUeres Ktf-
mtfdie angeboren, im zweiten zu ftbnlichen Stellen der mittleren, mmd im
dritten zur neueren Komödie. Im ersten Kapitel werden einzelne Stelltf
des (sogenannten) Susarion, Cratinus, Grates, Pherecrates u. A., einige
auch von Eupolis und Aristopbanes bebandelt , im zweiten (S. 434) Stellen asf
den Dramen des Antiphanes, Anaxandridas, Anstophon, Epikrates, Alexisa. A4
im dritten (S. 834) Stellen des Philemon und besonders des Menander (S. (^5—
100) , des ApoDodorus von Carystos, Archedicus, Euphron, Machon u. A. Daaa
folgen (S. 122) einige Addcnda und darauf (S. 126) achtzig Theses, welche
zum grosseren Theil Verbesserungsvorschläge zu einzelnen Stellen grteebbcher
Dichter, namentlich der Komiker, von nr. 64 an aber auch zu Livius, Ciaar and
Cicero's Rede pro Dejotaro enthalten. Es kann nicht in der Aufgabe dieser
Anzeige liegen, alle die zahlreichen Verbessern ngs vorschlage, wie sie in die- |
ser Schrift enthalten sind, im Einzelnen hier anzufahren und prüfend zu dnreh*
gehen ; im Allgemeinen aber wird man , wenn auch bei einzelnen derselben
MendelMoho: Plrildoii oder über die Uosterbliebkeit der Seele. ^
noch Bedenken eintreten sollte, wie es in der Natur der Seehe liegt, sich
mit der Mehriahl leicbt befreaoden, und dem Verfasser, der mit rieler Vor-
sicht und Umsicht zu Werke ^tf^nnf^en , und alle WillkQbr rermieden hat, frern
dio gebührende Achtung zollen.
PkädoH oder üdtr dU ünsterblickkeU der Seele, Von Moses Mendels"
söhn. Herausgegeben und mii einer Emleitung versehen ton David Fried"
länder. Siebente Avßage. Berlin. Verlag der liikolai'schen Buchhand"
lung 1856, XXXVI und 749 S, in kl, 8,
Ea ist gewiss eine erfreuliche Erscheinung , wenn ein Bueb , das vor bald
bondert Jahren erschienen — Hendelssohn's Phldon erschien erstmals 1767 in
deraelben Offictn zu Berlin — das seitdem in mehreren Auflagen wieder ge->
druckt, auch jetzt noch eine neue Auflage erlebt, durch welche die Verbrei-
tung, die das vorliegende Werk gewiss verdient, gefordert werden kann ; sind
doch gerade die Fragen, die den Inhalt dieser Schrift bilden, durch die ma-
terialistischen Richtungen der Zeit unter uns aufs neue angeregt und bespro»
eben worden: darum wird auch die Schrift, die ihr Verfasser selbst schon
ganz richtig als ein Mittelding zwischen einer Uebersetzung und einer eigenen
Ausarbeitung betrachtete, jetzt von neuem wieder Leser finden, wie sie die«
selbe mit Recht auch bisher stets gefunden hat. Die fiassere Ausstattung ist
vorzüglich und auch für weitere Kreise berechnet, die darauf mehr Werth
legen , und sich dadurch selbst eher zur LcctUre bestimmen lassen.
AI, Buttmann, Professor, Die deutschen Ortsnamen mit besonderer Berück"
sichtigung der ursprünglich wendischen in der Mittelmark und Niederlausiti,
Berlin, Ferd. Dümnüer's Verlagshandlung, 1857, S. IV, 182, 8,
Das vorliegende Büchlein ist allerdings in Bezug auf eine gewisse An-
xiihl von Etymologien der H\r die Sprachwissenschaft höchst wichtigen Orts-
iiumen, insofern dieselben zu den Ältesten, dem Schriftthum unbereohenbar
lauge voransgegangenen Spracbzengnissen geboren, ein recht scbitzbarer Bei-
trag. Allein, wie weiter unten nachgewiesen werden wird, es ist dem Verf.,
trotB theilweise als richtig anzuerkcnuenden Strebens, nicht gelungen, das zu
6rnnde liegende, die Ansiedler leitende, höchst praktische, einheitliche Princip,
welches das die Ortlage beschreibende ist, von nicht wenigen irrefUhrendeu
Nebenvorstellungen zu entblossen, wesshalb denn auch er in hohem Masao
von dem Willklkrstrudel der Scylla fortgerissen wird. Einige Beispiele mOgen
dieea begründen.
Sagen leitet er von zn, an, hinter und gon, Feldweg ab und muss diess,
abgesehen von inneren unhaltbaren Gründen, durch eine willkürliche Deutung
dea Eweiten a statt o, zu rechtfertigen suchen. Der Wechsel aber von g und
h ist im Slavischen ungemein hftnfig. Bedenkt man nun vom practischen Le-
bensstandpnnkte aus, dass selbst in der kleinsten Flur mindestens ein, vom
Ort aus in dieaolbe führenden Feldweg vorhanden sein musa, so ergibt sich
700 BdtUttano: Die deaUchen OrUnuien.
diese Ldaiini^ ab so vair, unpraktisch tu einer OrUbeseichnanfc Cftr die Be-
wohner nur etwa« entferoterer Landschaft, das« die OealuDg achoa deshalb
geradeso verworfen werden muss. Die Ortsnaofien hatten doch auch des
Zweck, zu einer möglichst leichten Orieutirung zu dienen , xumal in jenea
Zeiten, da es keine anderen Orientirungsmittel guh, als guten Ortssinn iiad
treues Gedichtniss. Eines Namens aber, den ausnahmslos jeder Ort fuhren
konnte, bedienten sich die in allen, namentlich den agrarischen Einrichtoagea
so practischen alten Landleute am allerwenigsten. Sagan liegt nun an einer,
die Stadt im Halbkreis umfassenden Krümmung des Bober und ausserdem ia
Cenirnm einer nahen, halbkreisförmig umschliessenden Hitgelkette. Böhm,
sähati, auch sähnauti, poln. sagiac, heisst u. a. um sich greifen, sah, das rings
nm schliessende Klaftermass, sähan u. a. der Meeradler, Falco halietos L,
mit seinen scharf sugreifenden, umschliessenden Krallen. Was liegt nan niher,
als den Namen der doppelt umfasaten Stadt auf diesem Wege na erklftren?
— Die mit wes, diminut. weska, Dorf, Dorfchen, gebildeten Namen, wie
Weska, Wesnika, Weaniti, sollen „vollkommen aur Beseichnuog einer Ort-
schaft ausgereicht haben**! Als Suffix von appellativer Bedeutung, ja, als No-
men proprium aber nicht; denn das wfire gerade so gehandelt, wie wena
man verschiedene Gewttchse mit dem generellen Nomen „Pflanze" bezeich-
nen und so als gehörig von andern unterschieden hinstellen wollte. Wo Wes
nicht eine corrunipirte Form eines filteren, anderen Ausdruckes ist, r&hrt es
von wys, Hohe, Berg, her. — Orte wie Blieskendorf, „dicht bei Kalaa*,
Bliskau, Blieschow n. ähnl., werden durch blisko, nahe, erklfirt; sollen das
Verhttitniss der Nlihe so einem anderen Orte besagen. Wie sehr doch wie-
der lediglich anf ein bloss relatives Verhfiltniss gestQtst! Kann denn der Verf.
beweisen, dass z. B. Kalau eher als Blieskendorf entstanden ? Blisko scbliesst
auch den Sinn von bald ein, z. B. bobm. bijz trj noh, heisst zwar wOrtlidi:
nahe drei Fuss, gibt aber denselben Sinn wie: bald drei Fuss. Es ist hier
in topographischem Sinne, zur Bezeichnung eines, die Umgebung marquiren-
den, blis-ko, plötzlich, abfallendem Hanges, angewendet. Ich kenne die
Loealttit zwar durchaus nicht, kann aber diese TeminbesehalTenheit ans rei-
cher Kartenerfahrnng behaupten. — Weimar soll weinreich bedeoles,
„obwohl diese Bedeutung auf die Gegend der Stadt Weimar jetzt nicbt la
passen scheine, so sei sie doch wenigstens nicht widersinnig und kOove so
Zeiten vollkommen wohl begründet gewesen sein/ Welcher Gmnd ! Ich
glaube nicht nur, Weimar sei riel ftlter als der frQheste Weinbau in Thftrn-
gen, sondern frage auch: wesshalb kommen denn Ähnliche Namen dorehaas
nicht in den nahen weinbauftthigen, thatsilehlich weinreichen Gegenden nn der
Saale und Unstrut vor ? Da es mir noch an Belegen zu einer plauaibelei
Entstehung der Silbe mar aus einer lllteren Form für diesen oder einen ganz
gleichen oder Ähnlichen Fall gebricht, so lasse ich den Namen zur Zeit o»-
erklfirt. Die Mittel .werden sich aber wohl noch finden — Die meisten mft
Dober gebildeten ON. will Verf. durch dobry, gut, im Sinn von fruchtbar, er-
klären. Ist Verf. nicht eingefallen, da diese Namen gar nicht zu den Selten-
heiten geboren, sich zu erkundigen, ob nach Massgabe der allgemeinen fird-
besohafTenheit der betreffenden Districte der Boden dort wirklich durch Fmchl*
barkeit sich auszeichnet? Er würde sicher oft das Gegentheil vemehaen.
Buttmami: Die doutschen Prtsoamdil. 701
L»g es ihm nicht nahe , dann auch die' ON. Schlichow , Schlewitt , Schleii,
Schlei (p 07), statt durch ssliwaf Pflanmenbaum , oder durch aaluwiiza,
Scfalehdorm, lieber durch bhm. slicny, pa säend, schon, oder durch sljt, Schleim,
an BchlnpfriKeo Boden denkend, oder gar von zly, schlecht, schlimm« ttbel, da
die Bodenbeschaifenheit der Mittelmark und Sl. Lansita sehr überwiegen-
den Thells mehr schlecht als gut genannt werden mnss, zu erkllren? An
allen Orten, deren Namen mit Dober u. Hhnl. gebildet sind, wird man scharf,
schroff abfallendes oder eingeschnittenes Terrain finden. Der Namen rührt
daher, weil Dober , Dobr, aus do , an , bei , und einem beschreibenden Ans*
drock gebildet ist, der auf brio, bald, im Sinne von schnell, rasch, abschüssig,
ähnlich wie obiges blisko, turückzuführen ist, und sich durch brausiti, schir*
fen, brees, Wetzstein, sinnlich mehr veranschaulicht. So führt in Böhmen
denn auch das Dorf Dobruska den Doppelnamen Btsstanie, woraus man sieht,
daas sich brzo und blisko als topographische Synonyme vertreten. In Blssta-
nie bedeutet tanie die Umziehung des Dorfes mit einem Zaon, von tahnuti,
ziehen: einer der mehrfachen Gattungsausd rücke für das, bei den Slaven, bis
auf einen einzigen Zugang, rund umschlossene Dorf. An Dobruska ist ka
Diminutivendung.
Solcher synonymer Doppelnamen von Orten , die durch eine oder die an-
dere Form von Dober gebildet , welche Formen sich durch Nachlilssigkeit der
Aussprache ziemlich mannigfsch verschliffen haben , konnte ich noch einige an-
führen« Man kann aber auch an Dobern, in f. dobrati. greifen, (nehmend)
kommen (Jongmann), auskellen, zusetzen, z. B. bis aufs Blut, also überall
auf die gewaltsam abgerissene Terrainbeschaffenheit anwendbar , denken. Hier
ist do Partikel, aus, zu, er, be ausdrückend , ba, und beru. perf. bral, inf-
briiti, das Zeitwort nehmen, greifen. Brzo, bald, und beru, an sich reisaen,
hnben den Sinn des Schnellen , Hastigen , Scharfen , offenbar miteinander ge-
mein.
Diese polemischen Beispiele mOgen für den hier beschrünkten Raum ge-
nOgen. Sie beweisen, dass der Verf. es in der Meisterschaft der Beschrün-*
kang , bei übrigens anerkennenswerthem Streben auf derselben , ea noch nicht
bla zum Meister gebracht hat. Er mnss als Geselle noch auf die Wanderschaft
lieben, dorch schärferen Blick den Zusammenhang zwischen Ortsbeschaffen-
hcit und deren Ausdruck sich draussen in der Natur oder in guten Karten,
die er theilweise auch schon mit Glück benutzt hat, sich klar machen. Das
Buch des Rec: Die Bedeutung der böhmischen Dorfnamen, Leips/
bei Herm. Schultze, 1856, dürfte ihm dazu einige Dienste leiiten. Wenig-
stens hat ein Rec. in der Milit. Lit Zeit., S* 142 d. J., der ein Officier und
und im Besitz von guten Karten so wie der Kenntniss des Slavisohen zu sein,
nllen Anschein hat, also ein practiscb recht geeigneter Rec, von dem Buche
Q a. geurtheilt: „der von mir erwartete Federkrieg werde seiner Ansicht nach
nicht sobald eintreten, da die Sache wohl zu tief in sich begründet sei, um
ao leicht angefochten werden au können." Auch der Red. d. Jahrb. f, alav.
Lift., Hr. Schmaler in Bautzen, welcher als Grammatiker eine theoretiaohe
Competanz ist, hat mir versprochen, sidi in seinem Organ in diesem Sinne
▼emehmen an lassen , da er sich , nach gründlichem Stadium dea Bnchea, von
der Richtigkeit »einer Lehre ttberteugt habe, Dan icb bio iwd wi^d^r «In«
70) BoUniami : ' Die deottcben OrtomaieB*
Losung jetst anden geben wttrde, verhehle ich nicht; d«in ich bin seit der
Heransgsbe Ober Ursprung und Bedeutung mehrerer Namen anderer Ansiebt
geworden; aber das Princip bewahrt sich mehr und mehr. Mitunter haben
Bekannte meine Lösungen allsu natttriich finden wollen. Dawider M%t ich,
dass die Orts-, Thier- und Pflanzennaroen aus einer Zeit rühren, da die
Menschen ungleich ausschliesslicher auf den Verkehr mit der Natur angewiesen
waren und deren unmittelbarer Untersttttsnng ungleich mehr beduiilen, als
jeltt. Auch die Sprache war noch nicht Sache gedAcbtnissmIssiger Gewohn-
heit» sondern solche des lebendigen Sinnbewusstseins im Volke und konnte ei
sein, weil sie viel weniger durch nachlässige Aussprache verOlischt und rid
wortHrmer war. Auch setse ich diesem eigenthttmlichen Vorwurf, den le
schlagenden a posteriori Beweis gegenüber, dass ich, wie ieh es oben bd
Blieakendorf gethan, aus viel schlimmer entstellten Namen die Territorialbe-
achaffenheit, natürlich, ohne sie früher irgendwie gekannt au haben, in Besaf
auf den hervertrctendsten Thoil derselben ansugeben vermag, weno der Ort
nicht neueren Ursprungs ist. Will man diess, bei dem Zutreffen deo meistea
FVlIen gegenüber allzu natürlich nennen — dann freilich, dürfen wir trolt
der a posterioristiechen Natur des Beweises, die augenscheinlichste Beweis*
führnng für ungenügend erklären. Ich bin noch auf einen neuen Besttttigmnft-
grund für die topographische Bedeutung der Ortsnamen vorfaistoriacher Eot-
stehung verfallen, den ich mit einer jüngst mir begegneten Thatoache aas
Peter mann 's Mitth. , S. 121, 1. J., einleiten will. Bei den Tnngnaen an
der Mündung der sibirischen Lena, werden für die Jagd awei oder drei ge-
schickte Schützen vom Dorfe mit Flinten oder Bogen versehen. Die erlegtes
Thiere werden dann heimgeholt und vertheilt. Das Fell erbalt der Rttha
nach immer Biner, nie der Schütze selbst. Nun wissen wir, dass die alten
Colonisten , die zum Anbau ausersehene Flficbe , gemfiss dem Grundsetae:
„gleiche Rechte , gleiche Pflichten'' , als Actienuntemehmen unter sich nadi
dem Loose vertheilten, so zwar, dass kein dauerndes Privateigentbam den
zugefallenen Parcellen beigelegt wurde, dieselben vielmehr, zur mOglichatcn
Ausgleichung der nicht ganz zu vermeidenden Benachtbeiligungeo , nach Um*
lauf einer gewissen Reihe von Jahren wieder verloost werden konnteo. Aocl
kam es vor, dass alle Cultur- und Erntearbeiten gemeinsam vollzogen and
der Brtrag gleichmüssig vertheilt wurde. Fasst man diese strenge Gleicbbe-
reehtigung scharf ins Auge, so muss es schon daraus bervorleuchteD , dass
man einem einzelnen Hitanleger nicht den Ehrenvorzug der Beoennaag das
Dorfes nach seinem Namen eingeräumt haben werde ; denn daraus vrire nidU
nur Neid und Streit entstanden , sondern man mnsate auch vorbauen , daaa däe
betreffende Familie nicht, gegenüber den Nachkommen, wichtigere PrftUoaie-
nen abzuleiten auf den Gedanken kommen mOgte* Solche Taufen mil Pene-
aeBBamen konnten erst viel, viel später eintreten, als sich aus der petrinr-
chalisch geleiteten, conservativen Demokratie, eine Aristokratie, nnter gmu
anderen Verbältnissen , emanoipirt hatte und Herrenhüfe gebildet wurden. Um
aber Zwiespalt über den Namen nach allen Seiten müglichst Tonuikebrei,
mnsste es den praktischen Leuten als das Gerathendste erseheinen , deo Ort
möglichst naturgemäsi , d. b. nach einer möglichst UBTeräBderiidien, anfen«
fUligen Terrainbeschalfenheit seiner Sohle oder feiner nicbaIeD Umgebang n
Battmann: Die deatscfaen OrUnameM. 703
bcoeoiiMi oder vielmebr zu beschreiben, was zafleicb, in der daniali|?en, an
fchriftlicben öder kartographischen Hulfsmiltel fttr die Topographie baaren
Zeit, ein AnskuofUmittel aar Orientirun(p abgab. So zei|(t sich denn auch
hier, wie io den iranseo Agrar- and Socialweaen der uralten Ackerbaoge-
meinden, ein so recht Alles überlegender, planniflasig ordnender, also prak-
tischer Verstand. Bei der Einfachheit der damaligen Verkehrtverhültniase
schadete auch die, aas dem Princip hervorgehende, noch jetst sich bin and
wieder findende, hiofige Wiederholung ein ood derselben Beschreibongsaoa^
drücke oder Namen wenig. Man verstand ea auch, sehr praktisch, der all-
sahUufigeD Wiederholung durch Anwendung synonymer Ausdrücke, s. B. Berg,
Hohe, Schroffheit, Riss, Steilheit u. s. w. für benachbarte, gleichartige Lo-
calitsten ausxawcichen , half sich ausserdem gewiss durch Beiftkgung der 6au«
namen und endlich sorgte fur Vermannigfaltigung der Formen das Uebcl
selbst, indem es sein eigenea Heilmittel dadurch eraeugte, dass sich verschie-
dene Aussprachen einschlichen und einbilrgerten, und dass man sieh, wie oben
an Dobruaka und Blsstanin nachgewiesen ist, aweicr synonymer Beschreibungs-
aosdrttcke (Doppelnamen), für eine und dieselbe Oertlichkeit bediente, Dieas
findet sich sehr häufig. Schliesslich darf man nicht nnerwogen lassen, daaa
in einem Terrain, welches im Allgemeinen flach ist, kleine Anhöhen und
Hfinge, welche sich nur etwas bemerkbar machen, hier denselben Beschreibungs^
werth hatten 9 wie in gebirgigen Landschaften die ansehnlichen Vorragungen.
Soll ich noch auf einen wesentlichen Fehler des Verf. aufmerksam ma-*-
chen, so besteht derselbe darin, dass er den Wortschats des Lexikons seinen
Formen nach viel au deterroinirt auf die Etymologie der, oft ganz unglanb«
lieb corrumpirten Formen der Ortsnamen anwendet. Diese Gefahr erkannte
ich, Gott sei Dank! sehr bald nach Beginn meiner eigenen Studien; zugleich,
daaa ich einerseits die Ortsnamen, sowohl hinsichtlich ihrer Formen nnter sich,
ala der gemeinschaftlichen Lage der entsprechenden Dörfer, dann aber gleich-
zeitii; den Wortschatz des Lexikons, sowohl hinsichtlidi der Laote, als der
Bedeutung, mit dem Mamenschatze der topographischen Register und der
Landkarten unter steter Berücksichtigung der Ortslage vergleichen müsse« So
erachloas mir allmSlig das Lexikon die Etymologie der Ortsnamnen und nm-
fekeJut das Ortsnamenregister die Etymologie des Lexikons. Nur als grosaen
Vortheil kann ich es bezeichnen, dass mir damals das böhmische Lexikon vo]|-
atilDdi^ böhmische Dörfer enthielt, dass ich noch nichts vom Slaviachen ver-
stand; dass ich also nicht mit gelehrten Schulvorurtbeiien zu der Sache kam,
aoodem auf dem Wege der eigentlichen Originalität, und mit dem Interesse,
welches jeder kleine Fortschritt hier doppelt erhöbt. Der vorzüglichste Ge-
winn aolchen Verfahrens ist, dass man hinsichtlich der Bedeutungslehre zu
weit einheitlicheren Resultaten kommt und zugleich auf selbststfindigem
Wege in den neckischen Einfloss des Spieles der Laute eingeführt wird.
Leipzig. VIrior JfaeoMy Prof.
704 Kemiipotl: Lebrbach der Mineraloge etc.
Lehrbuch der Mineraiogie stim Gebrauch beim Ünierrichi an
Schulen und höhern Lehransialien wm Dr, Ä. Kenngeii^ IW-
/efflor der Mineralogie an dem etdgenöetiMdtm Poiylechmeum und an ür
ünivertiiät in Zürich. Mii 55 in den Text gedruckien Äbbädmgen, — Darm-
Uadiy 1S57. Verlag wm Johann Philipp DieU. 8. iS^.
Vorliegeode Schrifl reibt licb in würdiger Wei»e den früberen des tbth
tigen VerfsMeri an; wir nennen bier nur deiseo „Lebrbuch der KrystiUo-
grepbie", „dea Mobs'sche Mineraltyitem dem gegenvrftrtigen Standpunkt dar
Wisaenacbafi gemflaa bearbeitet", die ,,Ueberaicbt der Reaoltate ninonlogi-
scber Foraebongen^ und namentlich die „mineralogiachen Notiaen", wei<^
letitere eine Fülle bOchit wichtiger und intereasanter Unterauchuniren oad
Beobachtungen entbalteo.
£a ist gewiss keine leichte Aufgabe auf einem Raum von eilf Druckbo-
gen die Mineralogie aacbgemlias au behandeln; der Verfaaaer bat aie aber
glücklich gelost und mit vielem Geschick alle die Klippen, welche bei des
Ausarbeitung einea „Lehrbuchs** drohen vermieden. Die Terminologie oder
Kennaeichen-Lehre der Mineralien umfaast fünf Bogen, alao nahean die Hslfte
des Boches. Dass der Krystallographie — ein Feld, auf welchem Kenngolt
schon so Ausgoaeichnetes geleistet — besondere Aufmerksamkeit gewidmet
wurde, ist sehr au billigen ; es musste — wie der Verf. mit bemerkt — wenn
auch für die aur allgemeinen Bildung nothwendige Kenntniss der Mineralien
eine weniger ausführliche Behandlung der Krystall-Gestalten auagereicht hätte,
wenigstens ao viel gegeben werden, als der Chemiker bedarf, welcher, ohne
spater auf die Mineralogie weiter einaugehn, die wichtigsten krystallographiachen
Verhältnisse erkennen und bestimmen will. In der Mineral^Physik und Mi*
neral-Chemie wurden nur die wichtigsten Eigenschaften ausführlicher behan-
delt, weil ohnehin der Unterricht in der Physik und Chemie das Fehlende er^
g&nat, ausserdem bei der Angabe der chemischen Reactionen nur der Weg
angedeutet, wie dieselben au bestimmen sind, weil die Beschreibung der Mi-
neralien gleichseitig die Reactionen enthalt, durch welche die geschilderten
Mineralien erkannt werden. Dass endlich der Verfasser nicht alle bis jetit
bekannt gewordenen Substansen ausführt, sondern eine sorgfiiltige Aaawahl
der bedeutenderen getroffen, ist sehr lobenswerth.
Wir aweifeln nicht, dass das gründliche und practische „Lehrbuch der
Mineralogie** eine günstige Aufnahme finden möge, wie es solche in hoheai
Grade verdient.
Q« lie^iftlaard*
Ir. 41. HEIDELBERGER IKJ.
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.
Das Nibelungenlied in der ältesten Oealalt mit den Verände-
rungen des gemeinen Textssj herausgegeben und mit einem Wör-
terbuch versehen v. A. Holtzmann. Stuttgart bei Meteier 1867.
Es iBt zwar in diesen Jahrbüchern noch nicht von meinen
Untersachangen über das NibelungenHed (Stuttgart bei Krabbe 1854)
and von den zahlreichen, zum Theil sehr heftigen Streitschriften,
welche dadurch veranlasst wurden, die Rede gewesen, ich kann
aber wohl als bekannt voraussetzen, dass es sich zunächst um den
Werth und die Abstammung der verschiedenen Texte und Hand-
schriften des Gedichtes handelte. Lachmann hatte die kürzere Münch-
ner Handschrift A seiner Ausgabe zu Grund gelegt; nach ihm ent-
hltlt diese allein den alten Text, aus dem alle andern durch Erwei-
terung und Umarbeitung geflossen sind, und zwar zunächst der ge-
meine Text N, welcher dann noch einmal in der Lassberg'schen
EUtndschrilt C, die also den abgeleitetsten jüngsten Text enthält,
verändert und erweitert wurde. Ich suchte nachzuweisen, dass der
Weg, den die Geschichte des Textes durchlief, gerade der umge-
kehrte sei; C gebe den echtesten und ältesten Text; aus ihm sei
der gemeine, und aus dem gemeinen erst der Text von A geflossen.
Der Streit kann nicht anders als mit Anführung von Beispielen
geführt werden. Es muss aber immer der Verdacht entstehen, dass
|ede Partei die Auswahl der Beispiele in ihrem Interesse mache,
DDd eine endgültige Entscheidung kann erst getroffen werden, wenn
licht einzelne Beispiele ausgehoben, sondern die verschiedenen Texte
rollständig einander gegenüber gestellt werden. Diess ist es nun,
WOB meine neue Ausgabe des Gedichtes leisten soll. Zugleich wollte
ch das neu gewonnene kritische Material, das in meinen Händen
rar, zum Gemeingut machen. Natürlich musste es auch mein Be-
treben sein, den Text selbst mögliclist von Fehlem zu reinigen
md der ursprünglichen Gestalt so nahe zu bringen, als die vorhan-
bnen Mittel erlauben. Doch musste ich mich in letzter Beziehung
»rerst innerhalb des Bereiches der Handschriften der Klasse G
iten, und durfte den gemeinen Text nur zur Verbesserung offen-
rer Fehler benutzen, und nicht ohne durch den Druck die Ent-
inting anzuzeigen. Denn einmal war es ja der Zweck der gan-
a Ausgabe, den gemeinen Text im Ganzen mit dem alten Text
i vergleichen, und sodann sind uns noch zwei Handschriften, die
ihrache^ch für C von grosser Wichtigkeit sind, unbekannt ge-
eben. Ich hoffte, dass die neue Ausgabe den Streit über die
r<^c1i1edenen Texte zur Entscheidung bringen, und für Vorlesun-
ti nnd für Jeden, der sich des Gedichtes freuen möchte^ erwünscht
$^ Jahrg. 10. Heft 4Q
/
\
1P J Dai NibelangeiiUed, v. A. BolUmftiiii.
sein wflrde. Es hat nmi aber Herr Zaracke im Centralblatt 37 ge-
faoden, dasa die Wflnsclie und Hoffnongen der Faehgenoasen lebr
eottäascht seien, und zwar weil ich nicht einen vollständigen Imti-
sehen Apparat, sondern nur eine Auswahl Ton Varianten gebe. Ich
glaube vielmehr, dass die Fachgenossen mir es durchaus nicht ver-
Übeln, dass ich nicht die Lesarten aller Handschriften aufgeoonmes
habe; denn diess wäre ohne allen denkbaren Nutzen gewesen m&d
hätte die Ausgabe vom Gebrauch bei Vorlesungen ausgeschlosaen.
Dass Ich aber nur eine Auswahl von Varianten gebe, ist sekr on-
richtlj^ ansgedrückt. Ich gebe die Lesarten der Handschriften da
alten Textes ganz vollständig, und ebenso den Text von A ohne
alle Auswahl ganz vollständig. Dagegen habe ich von den saU-
reichen Handschriften des gemeinen Textes nicht alle Lesarten sai-
Senommen, und ich denke, dass die Fachgenossen damit einverst»-
en sind. Die meisten dieser Lesarten sind ohne allen Wertb; ei
genügt^ dass sie einmal verzeichnet siud, und das ist bei Lachmvu
geschehen; ich habe aber meinem Buche absichtlich eine soldie
Einrichtung gegeben, dass die Anmerkungen Lachmann's sich leidi
zu demseloen benutzen lassen. Es konnte sich nur darum handelO)
einmal alles aufzunehmen, was möglicher Weise das echte sein ksoBt
und sodann nichts zu übergehen, was die allmählige Verändenug
des Textes von C zu A kennen lehrt. Prüft man meine Auswahl
von diesem Gesichtspunct aus, so wird man, denke ich, sufriedca
sein, und dass ich mirs bequem gemacht habe, wird ausser Hsrn
Zamcke schwerlich Jemand entdecken. Ich kann es überdiess iiu&
meinen Begriffen von Recht und Eigenthum nicht vereinigen, das
ich die Arbeit eines andern geradezu mir aneignen, also den gansea
von Lachmann gesammelten Apparat aufnehmen durfte. Dass leb
die von Lachmann unter seinem Text gegebenen Lesarten nicht
iibergehen durfte, versteht sich doch wohl von selbst. Meine G^
ner wären sonst sogleich bereit gewesen, mich zu beschuldigaa»
dass ich mir einen für meinen Zweck dienlichen gemeinen Text A
recht gemacht habe. Dass ich aber viel mehr gebe, als den Laeb-
mann'schen gemeinen Text, ist wahrscheinlich eine Folge meliMt
von Zamcke entdeckten Bequemlichkeit. Uebrigens müssen die Lo-
ser jener Anzeige des Centralblatts Im Auge behalten, dasa HflB
Zarncke mir nicht nur mit einer kleinern Ausgabe zuvorgekomnMi
ift, sondern auch im Centralblatt, 1856 N. 51 bereits eine grdsBan
in Aussiciit gestellt hat. Bei ihm war es also eine zum VoMii
beschlossene Sache, meine Ausgabe ungenügend zu finden.
Es war vor Allem mein Bemühen, den Codex C, die wichtig4||
oft einzige Urkunde des alten Textes, mit der Ausgabe Ijasabetdl
21t vergleichen. Leider konnte der Codex bei dem Uebergang «^
Bibliothek in die Hand des neuen Besitzers nicht sogleich Tenaajl
werden, und eine huldvolle Einladung, die Arbeit auf dem.räaQpAill
Öchloss ^eiligenberg vorzunehmen, traf mich zu ^ät leb li^
aber so glücklich, einen genügenden Ersatz zu erhalten in
Dm Nl»ol«iig6]ilted, V. A. HdhMiaAtt. 7ll9
Stemplar der LaflBberg'sehen Aus^ftbe, in wetcbesi mit dt^r p'SsB«*
teD Sorgfalt bis auf die unbedeuteodBten KleiDigkeiteD die Vefglef*
cbimg der Haodschrift eingetragen ist Obgletcb der Abdruck bei LaM-
berg sorgfältig Ist, so ergab doch diese Vferglelebuttg ftiAncbe wich-
tige Belehrung, wie aus der Einleitung meiner Ausgabe nitd Ans
des Lesarten in ersehen ist. Ich hebe besonders hervor, diiss 86d|
3 das Wort fDortherte, das schon zu einigen Terhandlungen Yer-
anlassong gegeben hat, nicht von alter Hand, sondern auf einer
verwischten Stelle von neuerer Hand, wahrscheinlich von Bodmer
geschrieben ist, und also keinen Werth hat Ebenso ist 854, 2 die
von den Oegnern des Textes C mir entgegengehaltene Lesart: ir
suU mich ez län tensldn, die deutlich schlechter ist als die ge-^
meine: i¥ mät noch stiUe stdrij von derselben Jüngern Hand einge-
schrieben. Ebenso steht 1839, 4 nicht enchunder^ dits zu Tadel
Yeranlassung gab, sondern ganz richtig enchunde.
Ich benutze die Gelegenheit, um nachtrSglich einen andern
Fehler Lassberg's, der sich, ich weiss nicht wie, leider in meine
Ausgabe eingeschlichen hat, zu verbessern. 2087, 1 steht bei Lass-
berg nach riUerlicher sit; es ist diess die einzige Stelle des Qe-
diehts, wo nt als femininum vorkommt. Im Codex steht aber Hf-
teriMie, also ritterUchem; Lassberg hat, wie Öfters, die Abbreviatur
falsch aufgelöst; a liest ritterlichen süen.
Ich habe sodann, durch die unermüdliche Qüit meines edeln
Frettndes, des Herrn von Löffelholz, die vollstMndige Vergleichnng
der Handschrift a benutzen liönnen. Der Text hat dadurch wesent-
lich gewonnen. Diess läugnet Herr Zarncke, und er muss es läug-
neti, wenn er nicht zugestehen will, dass er voreilig seine kleine
Ausgabe hinausgesandt hat. Nach ihm hat a neben C absolut kei-
nen Werth. Ich habe behauptet und behaupte noch, dass t die
spMtej schlechte Abschrift einer sehr werthvollen Handschrift sei,
die Bwar mit C sehr nahe verwandt, aber doch in vielen Punkten
inarsäglicher als diese, und wahrscheinlich die unmittelbare Vorlag«
oder doch eine Schwester derselben war. Herr Zarncke hatte früher,
ehe er den Text von a kannte, behauptet, sie sei eine Abschrift
von C und habe also durchaus keinen Werth neben C. Jetzt muss
er Zügeben, dass a wenigstens nicht unmittelbar ans 0 geflossen
sei ; er nimmt Zwischenglieder an , und lässt die Schreiber Ergän-
Bittfegen und Besserungen machen. Richtig ist, dass der oder die
STciirelber von a sehr oft völligen Unsinn zu Stand gebracht und
E^altti und Vers zerstört haben. Wenn nun aber nichts destowen!«-
^Bir tL oft gegen C mit N übereinstimmt, wenn oft In a das in G
f^Bi&ne Metrum hergestellt wird, so haben das offenbar nicht die
M9iteiber gethan. sondern c^e müssen es in ihrer Vorlage gefunden
ibkIMfi. Solche Beispiele führt Zarncke selbst an; und sie shid röl-
§g geBl^end um Jeden zu überzeugen, dass die Vorlage von a
Toditer von C war. Ich will hier noch einige Beispiele
Di9 Falle, wo a gegett 0 die Hchüge Lesart von N h^
11t4 Dti NÜMlanfenlied, t. A. Holtattaon.
wfthrt, Bind liemlich h&ufig und es wird Niemand aosaer Zanieke an
das Wunder glauben, dass das zufällig sei. Ich will hier nur swei
gans schlagende Beispiele nachtragen. 1867, 2 stn C, t^ aN.
1992, 2 Üb C, heim aN; das soll Zufall seini Aber es fehlt aach
nicht an Stellen, wo a gana allein das Richtige hat. 507, 4 hat
G als im »In tugerU gebot, was metrisch unrichtig' ist N stellt dsa
Metrum her durch Einschiebung von daz. a aber liest allein mmi-
heit statt tugent. Wie kommt nun der Schreiber von a, der doch
iLein Gefühl hat Hir metrische Feinheiten , hier dazu, statt tugeot
ein anderes, passendes Wort au setzen, durch welches der V«a
hergestellt ist? Er hat es nicht gethan, sondern das Wort staod
in seiner Vorlage, die also hier besser war als G, während N auf
C zurückgeht. — 2050, 4, Giselher ruft dem Rüdiger zu: ir suU
gemächliche mit iuwem friunden hinnen gdn; sie sollen unbelüstigt,
gemftchltche den Saal räumen. Dafür bat G getncifüiche , was deut-
lich aus gemächliche verschrieben ist, und keinen Sinn gibt 8
setat dafür wieder besser unangestltcben. Soll das vortreflniche ge-
mächliche eine Besserung des Schreibers sein, der doch an unzahli-
gen Stellen getrost den völligsten Unsinn schreibt? 523, 1 hat s
allein das richtige in dem für in eime, 1356, 2 ze tal statt des
gleich wieder kehrenden nider ist nicht Besserung des Schreiben.
Wie soll 1448, 1 der Schreiber von a au dem veralteten von tew
kommen, wo alle wävon lesen, wenn er es nicht in seiner Voi^
läge fand? 1904, 4 fehlt in C ein Wort, nicht für den Sinn, son-
dern für den Vers; wie kommt a dazu, den Mangel zu fahlen uod
8tin zu ergänzen. N geht wieder von G aus und ergänzt auf an-
dre Weise. Aehnlich ist 2023, 4 mit strtt; und in 2054, 4 hat
nur a das allen fehlende notbwendige hie. Solche Beispiele geno-
gen, um zu zeigen, dass die Vorlage von a eine ganz vorsüglichs
Handschrift war. Es muss daher jede Lesart von a, die zu gut ist
für den Schreiber, schwer ins Gewicht fallen; und es ist auch unter
den Lesarten, die leb nicht in den Text aufgenommen habe, man-
ches sehr zu beherzigen. 484, 4 halte ich das ja von a für dss
richtige; es gibt in Verbindung von er aus J das Mittel aar Hei-
lung dieser übel zugerichteten Stelle.
Herr Zarncke hat sich wirklich in eine bedauerliche Lage ge-
bracht Er darf in keinem Falle zugeben, dass a von Nutaen sei;
denn damit würde er seiner Ausgabe das Todesurtheil sprechea
Er darf die angeführten Beispiele nicht sehen , darum hat er ä«
auch glücklieb nicht gesehen. Aber schon die von ihm seihst aus-
gewählten Beispiele zwingen ihn, wenigstens die Möglichkeit, daiS
a von einer Schwester von G abstamme, zuzugeben; und demiock
behauptet er, dass selbst in diesem Falle, den er übrigens noch
einmal entschieden leugnet, a durchaus keine Eücksicht vefdlenfli-
würde. Man hat fast Mitleiden mit dem armen Mann, der vtti
einer Art von Todesangst gezwungen ist , das deutlichste nicht A
sehen, und das unmöglichste zu behaupten. Nur eine Stelle i f«i
Dtj Nibelmigeiilied, t. A. Holtimtm. 725
»
der er glanbt, da» eie unrichtig angegeben sei, würde fflr ihn wich-
tig sein für das VerhSltnise Ton a zu C: es ist 2012,2. Wenn
hier die Worte: waz die recken, wirklich in C fehlen, so würde a
an Werth gewinnen. Er glaubt aber, trotz meiner wiederholten
Versicherung, dass C die Worte habe, da Lachmann und Hagen
sie geben. Diese ist nun erstens nicht gans wahr. Die Worte: wax
die recken, die in a stehen, finden sich nicht bei Lachmann und
Hagen, sondern beide geben als die Lesart von C: swax die Ezeln
rechen. Diese Worte stehen aber, wie Ich hiemit zum dritten Mal
Yersichere, nicht in der Handschrift; mein yerglichenes Exemplar
bestätigt mit ausdrücklichen Worten den Druck bei Lassberg; diese
Worte sind, wie schon das unrichtige Swaz vermuthen Hess, eine
Ergänzung von Bodmer, und sowohl Lachmann als Hagen haben
sie nicht aus der Handschrift, die sie beide nicht kannten, sondern
ans der Ausgabe von Bodmer von 1757. Wird mir endlich Herr
Zamcke glauben , oder wird er femer unbesorgt auf Lachmann's
Angabe vertrauen?
In der Einleitung meiner Ausgabe war es mir nicht darum so
thun, den Werth und Nutzen von a zu beweisen; ich dachte, dass
das ganze Buch den Beweis liefere. Nur auf einen wichtigen Punkt
habe ich hingewiesen, nSmiich auf den grossen Gewinn, dass der
Wert, auf welchem Siegfried stirbt, und der eine Vorstellung der
Localität unmöglich machte, durch a glücklich beseitigt ist Herr
Zarncke nun nimmt wie gewöhnlich den Mund sehr voll und ver-
theldigt ^rt. Er hat zweierlei Systeme der Vertheidigung. Das
erste geht davon aus, dass Wert nicht bloss eine Flussinsel bedeute,
sondern jede feste Erhöhung zwischen Niederungen ; das zweite aber
beruht darauf, dass Siegfried nachweislich auf einem Wert, einer
Rheininsel, ermordet wurde. Natürlich müssen wir uns mit der
cweiten, überraschenden Entdeckung, allein beschäftigen; Herr
Sarncke will damit einem verbreiteten Irrthum, nämlich dass Siegfried
-em vom Rhein am oder im Gebirge gestorben sei, begegnen.
!>ie Sache ist sehr einfach : Odenheim, sagt Herr Zamdce, liegt auf
ifnem Wert, „wie man schon daraus wissen kann, dass bekanntlich
br Rhein früher westlich von Odenheim lief, gegenwärtig aber öst-
keh läuft. ^ Ein Odenheim am Rhein? Wir hier zu Lande kennen
ieines. Wo hat Herr Zarncke dieses Odenheim gefunden? Er hat
t;h dunkel erinnert, bei Grimm von einem Odenheim gelesen, und
i Dahl ein Ottincheim gefunden zu haben. Das letzte nun, das
f mit Odenheim verwechselt, ist Edigheim bei Frankenthal, und
feses Dorf also soll das Otenheim des Liedes sein. Es verdient
Bse Entdeckung keine ernstliche Widerlegung. Richtig ist, dass
les Edigheim früher auf einer Insel gelegen haben mag; der
[frhein ist noch jetzt zwischen Frankenthal und Edigheim nicht
rtrocknet, und wenn früher der Hauptstrom des Rheins durch
l^ses alte Bette ging, so mochte doch schon ein kleinerer Arm
KU jetzigen Laufe folgen« Den Wert also geben wir au. Aber
•
C!(||gh^t «It Ottindieimi konnte nie Otenheim heüMBi und mr
eine gefiogstigte Phantasie kann in dieser Gegend sprndeinde Qoel*
lea erblicken ; nie konnte ein vernünftiger Mensch tegen, diesei Mg-
beim liege vor dem Odenwalde; unmöglich konnten die Borgoadni
die in den Bergen jagten, 937, 4. 9i8, 3. 949, 3, in so giosi«
Entfernung ihren Subeplatz haben. Wie sonderbar wären sie, od
ins Gebirge zu kommen, rheinaufwärts geritten. Der B8r, der io
die Küche gerathen ist, verursacht so grossen Lärm, dass das Ge-
birge erdröhnt 969, 4. Die Küche ist also an oder in den BergeiL
Siegfried, der bei Tafel Durst leidet, heist den Tisch rücken, dein
er wolde für die berge %uo dem brunnen gän »79, 2, und dieser
Brunnen soll auf einer Rheininsel zu finden seini Siegfried roit
ans 977, 4 do solde man uns näher hän gesideü an den Rhtn, nod
er sitzt zu Edigheim am Altrbeinl Hat Herr Zarneke, der nück
über den Zusammenhang belehren will, alle diese SteUen nicht
gesehein? Freilich hat er sie gesehen, aber er darf sie nicht
gesehen haben, denn um keinen Preis darf eine Lesart von i
von Werth sein! Es ist aber nichts desto weniger unbegreif-
lich, dass Zarncke in den krampfhaften Anstrengungen, seiae
Ausgabe zu retten, mit so zuversichtlichem Ton so gänzlich nich-
tige, wahrhaft lächerliche Belehrungen ertheilen will. Kicht ?e^
bergen will ich noch, dass bei dieser Gelegenheit wir auch erfali-
ren, dass die Gegend von Worms bis zum Odenwald aus weiUft
Niederungen» aus Wiesen und Sumpfgrund besteht, aus welcbeo
einzelne grössere und kleinere Werder hervorragen, welchem man aol-
suchen muss, wenn man sich nicht ins Nasse setzen will. Vielleicht
finden wir in unsern sumpfigen Niederungen doch die Mittel, dea
Herrn Ztn^cke — aufs Trockene zu setzen!
Dass also die Handschrift a von Werth ist, und dass ihre Lee-
arten nicht selten aufgenommen werden müssen, das wird troU
der Versicherung des Herrn Zarncke schwerlich bezweifelt werdea
Wenn Zarncke die Besserungen, die der Text aus a erhält, zurüd-
weist und, um nicht wegen seiner Ausgabe den Tadel der leicht-
sinnigen Uebereilung zu verdienen, zurückweisen muss, ao ist te
seine Sache; seine Ausgabe wird dadurch nicht besser.
Ich habe mich femer bemUht, die Bruchstücke, die m C gt*
hören, so weit es möglich war, selbst zu sehen. Das eine, n^
R (für welchen Buchataben in den Lesarten einigemal S stehen ge-
blieben ist) habe ich selbst erworben; das andre £ habe ich nes
verglichen; doch sind sie zu kurz^ um erheblichen Gewinn an hd^
gen. In Bionn war ich vergeblich; die Handschrift b ist vorerat
noch unerreichbar. Ebenso konnte ich über Feifalik's Haodsduift
keine Auakunfit erbalten.
Für die Handschriften der Noth musste i^id durfte ich mtck
bei den gedruckten Hülfsmitteln beruhigen.
Nachdem ich so alles mögliche gethan hatte, um in don vcffi-
gen Be^itfB des kritischen Materials zu galwgeo, «luaste ich wk
Das Nibelnngeiilied» ▼. A. Holtunann. 727
den Sprachgebrauch des Lied's durch ein vollständige^ W5rterbiidi
äbersichtlich machen, um für zweifelhafte Stellen 8iciere Hülfe aa
finden. Wie ich gearbeitet habe, zeigt das gedruclcte Wörterbuch,
das zwar manche Verbesserung und Erweiterung erhalten kann,
aber schwerlich einem andern, als dem Herrn Zarncke den Eindruck
macht, dass ich mirs bequem gemacht habe. Richtig bemerkt hat
übrigens Z., dass der Artikel rieme ausgefallen ist Ich hatte zu
1609, 4 einige Parallelstellen angemerkt, von denen eine hier stebao
möge, da sie vielleicht zu Benecke*s Wörterbuch für Herrn Zarndce
brauchbar ist. Wolfdieterich cod pal. 373 fol 55:
do für wolfdieterich wider über des mores stran
in dem griffen schiffe daz er an dem staden hete gelan.
Er zoch selber die rijemen der uszerwelde man
bisz daz er zu der alten troye wider ze lande kam.
Durch diese Vorarbeiten glaubte ich mich hinlänglich befähigt|
einen Text zu geben, der einiges Vertrauen verdiente. Herr Zarncke
kann mein Verfahren nicht loben; er findet, dass ich mir Zeit
und Mühe zu einer planmässigen Erwägung der Einzelheiten nicht
genommen habe. Es ist bei einem so mühsamen langwierigen Ge-
schäft gewiss verzeihlich, wenn einiges zu bessern und nachzuholeii
bleibt; ich bin weit entfernt, meine Arbeit für eine vollkommene
zu handeln; aber es gereicht mir doch zur Befriedigung, dass unter
der veihäitnissmässig sehr kleinen Zahl von Ausstellungei^ , die
Zarncke zur Begründung seines Urtheils vorbringt, auch nicht eine
einzige ist, die mich zu einer Aenderung veranlassen kann. 43, 4
tadelt er workte, die Stolle gehört zu den schwierigsten, und ich
weiss wohl, dass mein vorhte mit meiner Interpunction nicht ohne
Bedenken ist. Aber die Lesart worhte mit dem Punkt am Ende
gibt einen höchst erbärmlichen Sinn, der nicht einmal grammatisch
gerechtfertigt ' werden kann , wie ich unter vürhten gezeigt habe j
ich habe worhte nach langer, wiederholter Ueberlegung in den Text
aufgenommen, und der Widerspruch Zarncke's und seine ganz un-
gehörige Farallelstelle können mich nicht irre machen. Es ist aber
unmöglich, in einer Ausgabe ohne ausführlichen Commentar den
Text zu rechtfertigen. 1034, 2 tadelt Zarncke wänden: er will
wände; aber in C ist wie häufig nur das n weggeblieben, und su"
meltehe ist nicht auf die Frauen, sondern auf die Männer zu be-
ziehen. Warum habe^ fragt Zarecke, zu 1004; er hat zu tfüchtig
gelesen, um zu bemerken, dass ich nicht stne aus N genommen,
sondern atner aus Ca beibehalten habe, getarte 1558^ 4 findet er
abentheuerlich. Aber volche steht im Dativ wirklich im Codex j
lind getarn mit dem Dativ ist ein gutes, wenn schon seltenea Wort.
Es ist ein häufiger, aber sehr unerlaubter Fehler der Herausgeber,
dass sie seltene Wörter durch Emendation entfernen, mende mit
Diphthong erlaube ich mir nach der Handschrift; es ist aber eini-
gemal vitende also dreisilbig stehen geblieben, wo entweder vtnde
oder t^i^nde stehen musfl.
738 Du NibeluBirenlied, t. k, Holtsmami.
Zameke ist ferner imsafriedeD, daM ich die yerkehrte herge-
brachte iDterpunction in 923 beibehalte. Die Sache rerdient one
Icorce Beleaditang. Die Strophe lautet:
dd die vil angetriawen üf geleiten einen tdt,
si wistenz algemeine; Gtselher unt 6§rndt
weiden niht jagen rtten; ine weis durch weihen ntt,
das si in niht en warnden: idoch erameten eis stu
Das yerstehen wir so: Alle, also auch Giselher und (remot,
wussten um den Mord- Anschlag; die beiden genannten, die ihn nicht
billigten, enthielten sich der Jagd. Aber, meint der Dichter, das
war nicht genug; sie hStten Siegfried auch warnen sollen; und
weil sie das nicht thaten, war ihr Tod bei den Hunnen nicht nn-
yerdient. Herr Zarncice findet diese Auffassung verwerflich ; sie ver-
wickle, meint er, in Widerspruche, da doch Giselher und Gemot
sich nachher auf ihre Unschuld berufen. Er set&t also nach al ge-
mäne nur ein Comma und nach rtten einen Punkt Nur Günther
und Hagen wussten von dem Mordplan; Giselher und Gernot wiir-
den Siegfried geschützt haben: daher wurde die Jagd auf dne Zeit
festgesetzt, in welcher die jungem Bruder des Königs yerhiadert
waren. Nach dieser Auslegung bezieht sich al gemeine nur auf
Günther und Hagen, und damit ist schon hinlänglich das Unstatt*
hafte derselben dargethan. Was aber soll denn nun der Schluas der
Strophe bedeuten? Diejenigen, welche nicht warnten, können nun
nicht Giselher und Gernot sein, die ja von Nichts wussten ; es sind
also Günther und Hagen. Kann man sich aber etwas Einflltigeres
denken, als was hier Zarncke den Dichter sagen lässt, die Mordtt
hätten ihr Opfer nicht einmal gewarnt? Auch hat Zarncke die
Strophe 890 übersehen, in welcher deutlich gesagt ist, dass Gün-
ther nicht bloss mit Hagen, sondern mit stneri friunden den Mord-
plan verhandelte. Ich hatte also meine guten Gründe, die neae
Interpunction nicht anzunehmen. Dagegen will ich auf Strophe 1271
aufmerksam machen, welche bloss durch Aenderung der hergebrach-
ten Interpunction einen ganz andern Sinn erhalten hat. Die Ver-
wandten dringen in Grimhilde, sie solle Etzers Werbung annehmen;
"Sie kann sich aber nicht entschliessen :
dd bat si got den riehen füegen ir den r&t,
daz si ze gebene hSte golt silber unde wät
sam bt ir Srsten manne, dS der noch was gesunt:
si gelebte doch nimmer m€re stt sd vroeltche stunt.
Sie wird also von sehnlichem Verlangen ergriffen, wieder so
reich zu werden, wie sie früher war, und bittet Gott, ihr dazu za
verhelfen. Nun da durfte sie nur Ja sagen; Gott hatte ihr Grebet
schon erhört. Aber im Gegentheil, sie will durchaus nicht und bm^
gleich darauf: gaeb er mir elUu rtche, so ist ez immer ungetm.
Das ist unbegreiflich; zudem weiss man bei dieser Auffassung nichlt
mit der vierten Zeile anzufangen, die eine ganz müssige Betrach-
tung des Dichters enthalten müsste. Ich habe nun nach der ersten
Daf NibeluBgenlitd, y. A. HoUsmann. 7^9
Zettd Stark interpnngiert, und nach der 'dritten schwach. Jetst ist
der Sinn ein ganz anderer. Auf die dringenden Vorstellangen ihres
Bruders und ihrer Mutter antwortet sie, sie stelle die Sache Gott
anheim, das heist, sie folge ihrem Bath nicht. Denn wenn schon
sie als EtzeVs Gemahlin wieder so reich würde, wie früher bei
Siegfried, so würde sie doch nie mehr so glücklich werden. In
diesem Beschloss bestärkt sie sich durch den Gedanken, dass Etzel
ein Heide sei; wenn er ihr auch alle Reiche gäbe, sie würde doch
nie Peine Gemahlin. Bei diesem Beschluss verharrt sie trotz aller
Vorstellnngen, bis Rüdeger heimlich mit ihr spricht, und ihr schwört,
ihr Leid zo rächen. Da erst erwacht ihr der Gedanke, dass diese
Vwmählang ihr zur Rache Tcrhelfen werde, und es ist ihr nun
gleichgültig, was die Leute reden mögen; sie entschliesst sich.
Weit entfernt also, Grimhilde als habsüchtig zu schildern, hebt der
Dicbter im Gegentheil aufs nachdrücklichste hervor, dass der Reich-
thum Etzel's keinen Eindruck gemacht habe, und dass es nur der
Gedanke an die Rache war, der sie bewog Etzel's Gemahlin zu
werden. Ich hoffe, dass meine neue Interpunction auf Zustimmung
rechnen darf.
Wenn ein Mann, der seine Absicht, meine Ausgabe schlecht
zu finden, zum voraus gezeigt hat, seinen Tadel so wenig begründen
kann, so darf ich meine Arbelt wohl für gelungen halten. Doch
weiss ich selbst am besten, wie weit ich noch vom Ziele entfernt
bin. Ich benutze die Gelegenheit, um einen von Z. nicht bemerk-
ten Fehler zu verbessern; 728, 3 ist entweder degenes zu lesen,
oder nach C herzustellen, er was ein degen guot,
Dass meine Noten nicht zuverlässig seien, zeigt Herr Zarncke
an einem einzigen Beispiel, ertwelte 468, 4 ist ein Druckfehler
für eriwelten. Was soll man dazu sagen, wenn ein Kritiker eine
höchst mühsame, sorgfältige Arbeit, die viele tausende von Lesarten
umfasst^ wegen eines einzigen Druckfehlers zu verdächtigen wagt?
Ein ausführliches und ausgeführtes Verzeichniss der Eigenna-
men wird für Untersuchungen über die Sage, wie ich hoffe, er«
wünscht und brauchbar sein.
In der Einleitung wird über die Handschriften, über ihre Be-
nützung und über das Verfahren bei Herstellung des Textes Re-
chenschaft gegeben ; mehr habe ich nirgends versprochen. Dass sie
flüchtig geschrieben sei, wie Herr Zarncke behauptet, muss Ich ent-
schieden in Abrede stellen. Mit Recht jedoch rügt er den Satz
S. IX, 2, er muss gestrichen werden. Ebenda Z. 9 ist zu ändern:
igt nicht ohne Wichtigkeitj sie folgt dem Text N mit einiger Hin-
neigung zu C. Dass Ladimann seine metrischen Regeln nur aus
der NibelungeuDoth ahstrahirt habe, habe ich nirgends gesagt, son-
dern nur, dass die Noth grossentheils die Grundlage der Lach-
mann'schen Metrik war, und das sage ich noch.
Ich habe für nöthig erachtet, der Beschuldigung gegenüber
meine Arbeit zu rechtfertigen; ich hoffe, dass die Faofagenossen be-
TSO Sehlottmaiiii: 1. v. HaiuB«r.
friedig sein werden. Wenn aber Herr Zarncke sich nicht enffiB-
det, die grosse Mühe, die ihn seine Ausgabe gekostet hat, meiner
angeUichen Bequemlichkeit entgegenzuhalten, so darf ich das Urtheii
andern Überlassen, und begnüge mich, einen Unglimpf, dessen un-
edle MotiFe nicht einmal verhüllt werden, entschieden Eurücksuweiseo.
it. Hell
Joseph van Hammer ^PurgstalL Ein kriUeeher Beitrag sur Ge-
schichte neuerer deutscher Wissenschaft von Prof, Konstan-
tin Schlottmann. Aus der Monatsschriß des Zuritt
wissenschaftlichen Vereins besonders abgedruckt. Zürich 1857,
73 S. in 8.
Der Verf. ist durch mehrere Artikel, welche die Augsb. allgen.
Zeitung nach dem Tode des H. t. Hammer über diesen Orienuli-
sten brachte, veranlasst worden vorliegende Schrift zu Tag zu fSr-
dem. „Dass man die Verdienste eines Verstorbenen preise' sa^t
er „ist alte gute Sitte. Wenn aber das Lob vor der ganzen wei-
ten Welt einerseits in maaslos übertriebener Weise ausgesprochea
wird, andrerseits (was wir dem Aufsatze Fallmerayers vorwerfei
müssen) mit Bitterkeit auch gegen berechtigte und achtungswertbe
Tadler, so fordert die Gerechtigkeit dem entgegenzutreten.^ Der
Verf. verkennt zwar keineswe|!:s die Verdienste des H. v. H. on
die orientalische Wissenschaft in Europa, er bewundert seine geistige
Arbeitskraft, spricht ihm eine geniale Begabung und geistvolle Blicke
in den Gang der politischen, literarischen und besorders poetischai
Entwicklung der islamitischen Völker zu. Er weiss ferner die Idr-
dernde Anregung au schätzen, weiche der Verstorbene der Beschiß
tigang mit dem mohammedanischen Orient gegeben hat. Alle diese
und andere Eigenschaften genügen aber, nach seinem Dafürbaltes
nicht, wie es geschehen, ihn als Koryphäen der Wissenschaft einem
Alexander von Humbold an die Seite zu setzen. Denn konnte nuu
ihn auch in Bezug auf seine unermüdliche Arbeltskraft und seinen
Btaanenswerthen Unternehmungsgeist mit einem orientalischen &
oberer vergleichen, so blieben doch seine Schöpfungen höchst mso-
gelhaft Denn gerade weil er sich , statt auf wenige Punkte m
coscentriren, allzusehr zersplitterte, fehlt seinen Werken jene TMe
und Vollendung, welche wesentliche Elemente wirklicher Meister-
werke sind. Darum haben dessen historische Arbeiten einen melr
oompilatoriscben als kritisch pragmatischen Wertb, und darum selea
seine Uebersetsungen , besonders die der Poesien, so häufig unge-
nau^ und darum hafte überhaupt an allen seinen Werken der Hackel
der Oberflächlichkeit und Flüchtigkeit. Um dieses Urtheii zn be-
gründen, wendet sich der Verf. zuerst zu dessen, von Fallmerayer
ganz besondf)» als ^gediegen und gewissenhaft^ gepriesen» SbWft
ScU^ttnaMi: J. ▼. Bunmor. TSt
nKAoataatiDopel udcI der Boaporos^ und weist dareh mehrere Bet*
a|MeJe nach, daes H. v. Q. in seiueo Aogaben selbst da unzuver«
Itaig ist, wo ihm aus eigner Anschauung und Beobaehtnng das
Sichtige bekannt sein mnsste. Ausserdem deckt er auch in diesem
Werke manche ungetreue Uebersetsungen yon Inschriften und ein-
gestreuten Versen auf, was ihm Veranlassung gibt, überhaupt von
der Leichtfertigkeit su reden, mit welcher „der Nestor der Orienta-
listen^ morgenlfindische Autoren ins Deutsdie übertragen hat und
die 80 weit gehe, dass selbst bei mtaigen Schwierigkeiten, die er
leicht su lösen im Stande gewesen wäre, er sich lieber mit dem
ersten besten „ä peu pr^s^ begnügte; daher auch yon seinen gros-
sem Werken über die arabische, persische und türkische Literatur,
iMir einzelne geistvolle Ueberblicke und die aus seltenen Handschrif-
ten zusammengetragenen biographischen Notizen für die Wissen-
schaft brauchbar seien, während die in allzu grosser Masse mitge*
theilten PoesieD, wegen ihrer Ungenauigkeit weder dem Literatur-
freund noch dem Orientalisten yon Nutzen sein können.
Obgleich der Verf. in Bezug auf die philologische Schwäche
der y. Hammer'schen Uebertragungen sich nicht nur auf deutsche,
sondern auch auf berühmte ausländische Orientalisten beruft, so hält
er es doch ^»um den Einfluss, welchen dessen Panegyriker in wei-
teren Kreisen ausüben, zu paralysiren^ nicht für überflüssig, dieselbe
dareh einige concreto Züge nochmals anschaulich zu machen. Er
beginnt mit der türkischen Literatur, weil Fallmerayer behat^tety
auf diesem Gebiete sei die Gediegenheit und Gewissenhaftigkeit sei-
ner Ldstungen, mit Ausnahme der deutsch-russischen Akademiker
▼en St. Petersburg, nur wenig oder gar nicht angefochten worden.
Sowohl in der Uebersetznng Baki's als des Humajun-Nameh
werden schwere Fehler nachgewiesen, die zum Theil schon früher
▼on Diez gerügt worden sind. Hierauf geht er zum Hafiz über,
wobei gelegentlich gezeigt wird, dass Fallmerayer den in der allg.
Zeit, angeführten Vers gar nicht aus dem Diyan cidrt, wo er ganz
suiders lautet, und dass seine Verbesserung sowohl grammatikalische
als lexikalische Fehler enthält. Auch hier werden manche Mängel
gerügt, jedoch anerkannt, dass diese Arbeit zu den Bessern des
Verstorbenen (gehört, weil er ihr mehr Zeit und Sorgfalt widmete
und an dem trefflichen Gommentare Sudi's einen zuverlässigen Füh-
rer hatte. Der Verf. wendet sich dann zu den Leistungen des BL
▼. H. auf dem arabischen Sprachgebiete, weil auch jetzt noch, ob^-
gleich H. y. H. auf diesem Felde so manche Niederlage erlitten,
H. Fallmerayer das deutsche Publikum glauben lassen wUl, es handle
sich hei der Polemik gegen den berühmten Mann nur um pedanti*
sehe Erbärmlichkeiten. Er führt zuerst einige unrichtig übersetzte
Stellen im „Oemäldesaal^ an und geht zu den „goldnen Halsbän-
dem Samaehschari's über^ indem er die ganze Polemik, welche diese
Schrift erzeugte, yon der ersten Recenaion in der Jen. Literatur-
seltong, bis zur Erwiederung des H. y. BL in den Wiener Jahsbü*
733 SehlotHntnii: J. t. Hamnmr.
ehern, im extenso mittheilt Hier wird ron ihm nachgewiesen, im
H. V. H. wegen gans Ferkehrter, sinnentstellender Dehertragmifi
nicht wegen Schreibfehler und dergleichen sich so herbe Rüge n-
gesogen hat, dann aber auch, dass er die von Falimerayer aa ihn
gepriesene „Urbanität im Ausdruck und weises Maass in der Ge-
genwehr^ keineswegs überall betbätigte. Da eine solche FlttdiCi^
keit bei der Uebersetzung aus den drei Hauptsprachen des Xslani
nothwendig auch manche seltsame Schnitzer in den ans Orientale
sehen Quellen compilirten historischen Werken zur Folge habei
musste, so glaubt der Verf., dass auch diese in ihren Einzelnbeitel
kein unbedingtes Vertrauen beanspruchen können; diess sef frfiher
sogar Ton Falimerayer nicht unerwähnt gelassen worden , {ndem er
sagt, dass v. H., ^wie der Sultan Sindjar in seinen Regieruogif«-
schälten , das Detail vernachlässigte , dass er mehr in die Tiefe tli
in die Weite hätte arbeiten und mehr Sorgfalt auf das Schnitz- ofii
Schnörkelwerk und auf die Arabesken seiner literarischen Fracbt«
bauten verwenden sollen, femer, dass er, von seinem brennendeB
Thatendrang und ungeduldig tobenden ingenium getrieben, Blfitsea
gibt, die man an diesem Manne mit Erstaunen bemerkt^ Indessea
kann der Verf. mit diesen Zugeständnissen sich nicht zufriedeo stel*
len, nach seiner Ansicht geht den historischen Werken v. Hammer's
nicht nur Zuverlässigkeit, wissenschaftliche Gründlichkeit nnd eise
sorgfältigere Cultur der Form ab, sondern auch eine genOgeode
Verarbeitung des gesammelten Stoffes, und eine umsichtige Kritik,
wenn er auch nicht läugnet, dass wir häufig ehizeinen Spuren elo«
hervorragenden Geistes, einzelnen charakteristischen, scharfsinniges
und geistvollen Zügen begegnen. Hiezu kommt noch, wobei der
Verf. sich auf das Urtheil Frähn's und Schmidt*s beruft, die öftere
Anhäufung eines der Aufgabe fremden Stoffes, ein Fehler, der auch
in der mit mehr Fleisj« verfassten Osmanischen Geschichte, den Ge-
brauch derselben erschwere. Der Verf. glaubt das Mangelhafte ta
den literarischen Produkten, bei einem Fleisse nnd einem Geiste wie
die des v. H., lasse sich nicht genügend aus dessen fieberhaftem
Drange der Tbätigkeit erklären, sondern mehr noch aus seiner eis*
seitigen Jugendbildung, indem die orientalische Akademie zu WieOf
welcher er seinen ersten Unterricht in den morgenländischen Spra-
chen verdankte, damals mehr den praktischen Zweck der Aosbll-
dang von Dollmetschem, als die grammatikalische Gründlichkeit ioi
Auge fasste. Hier erlangte er bald eine grosse Zungenfertigkeit
und Belesenheit, begnügte sich aber häufig mit dem halben oder
eingebildeten Sinne seines nicht gründlich analysirten Autors. Dais
kam noch, fährt der Verf. fort, dass die Früchte seines Geistes ood
seiner immensen Belesenheit ilim bald Erfolge verschafften , die ilni
blendeten und Ihm zu frühzeitig eine gewisse Selbstgenügsamkeit
gaben und die Lobeserhebungen seiner Freunde und Landesgeooi-
sen, so wie ihre leidenschaftliche Abwehr gerechter Angriffe} be*
stärkten ihn in sefaier Selbsttäuschung. Das sei anch der Grund
Schlottmann: J. t. Hamner. 733
warum er der Belehrung über seine Ungründlichkeit unsng&nglich
geblieben und er seinen Ruhm mehr in der Masse als in der Vol-
lendung seiner Leistungen gesucht. Auch von einer gewissen Eitel-
keit kann der Verf. den Verstorbenen nicht freisprechen. Als eine
selche betrachtet er die in seiner Qrabschrift zur Schau getragene
Sehreibfertigkeit in ölf Sprachen und seine in den Fundgruben mit-
gethelJften polyglottischen Ezercitlen, bald in dieser bald in jener
Sprache, ferner das Aufzählen der Geldopfer, welche er der Wissen-
schaft gebracht und deren urkundliche Belege er sogar in die Hand
eines Freundes niedergelegt. Diese reisbare Eitelkeit gilt dem Verf.
auch als Schlassel sur Erklärung des unedlen Verfahrens zU dem
er sich in seiner Polemik gegen achtungswerthe Orientalisten hin-
reieaen Hess. Ausführlich werden als Belege hiezu, wie früher die
Samachscharifehde, nun auch die Diezischen Streitigkeiten nochmals
vorgeführt.
Wir sind bisher dem Verf., der in keinerlei Beziehung, weder
persönliche noch literarische zu H. v. H. gestanden, und sich darum
um so eher für berufen hielt, den lobpreisenden Stimmen auch das
Urtfaeil der strengen Wissenschaft gegenüberstellen zu müssen, treu-
lich gefolgt und haben sowohl die Schatten- als die Lichtseiten die
ej an dem Verstorbenen an den Tag fördert, nach bestem Wissen,
so weit es in einer Recension geschehen kann, ihrem Wesen nach
wiedergegeben. Wenn er aber als Unbetheiligter dem Lob wie
dem Tadel fern Stehender, sich für besonders berufen glaubt, ein
unpartheiisches Urtheil zu fällen, so glaubt Ref., der mit dem Ver-
storbenen in vielfache, sowohl freundliche als feindliche Berührung
gekommen und der in vorliegender Schrift von dem Verf. nur zu
hoch gestellt worden ist, dass es auch ihm zusteht seine Ansicht
über dieselbe unverhohlen auszusprechen. Er darf um so eher von
Seiten des Verl.'s voraussetzen, dass er ihn für competent hält sie
SU beurtheilen, als sie, wahrscheinlich nicht ohne sein Wissen, der
Redaktion dieser Blätter zur Anzeige geschickt wurde und er doch
der gewöhnliche Recensent von Werken ist, weiche in das Gebiet
der islamitisch-orientalischen Philologie gehören. Ueber die Mängel
ao denen die literarischen Produkte des H. v. H. leiden, kann un«
ter Sachverständigen kein Zweifel mehr obwalten. Ref. selbst hat
wiederholt darauf aufmerksam gemacht, theils in seinen Werken,
welche denselben Sto£f behandelten, theils in abgedrungenen Recen-
siouen und Vorreden. Nimmt er aber auch weder ein allgemeines
Urtheü noch eine einzelne thatsächliche Rüge zurück, so hat er doch
selbst längst bedauert, dass er in seiner Kritik nicht die mildere
Form gewählt, die er sich später, bei gleich streng wissenschaftli-
chem Urtheil, über neuere Arbeiten des H. v. H., wie dessen ara*
biache Literaturgescliichte , die Ta^jeh und Wassaf, angeeignet liat
Re£ kann indessen sein früheres Verfahren damit entschuldigen, dass
er damals auch die grossen Verdienste des H. v. H. nm die mor^
genUndische Wissenschaft noch nicht in ihrem ganzen Umfange
m SeUotlAlaiiii: J. ▼. IbttiMr.
kiiOBle, uBd daas der Zufall wollte, daes gerade so jener Zeit ii
goldüeD Halsbftnder SamacbBcbarrs ertebienen, offenbar das aehiedi-
teste Produkt das aus der Feder dee grosaen Maones berrocgapn*
gen« Da konnte er, in seinem ersten Jugendeifer, es für seine PflidU
kalten, ganz rücksichtlos gegen einen Mann aufzutreten, der €■!
allgemein als nnfeblbarer Meister galt und doeh ein so scbilerbtitei
Werk zu Tage gefördert Da aber inzwischen auch Flefaeher^ HiHif,
> Ewald, FrShn, Schmidt, de Sacy und Andere sieb siemlich übsreio-
stimmend in den verbreitetsten Zeitschriften über die Mingel, wekfce
an den Werken des H. v. H. haften, ausgesprochen haben, so ]am
es wahrlich dem H. Fallmeraier, der, wenn er sich anch das Schiedi*
riohterarot über andre Orientalisten anmesst, doch ala OrientsÜtf
noch gar nichts geleistet hat, einem Manne der in seinem UrAdI
über H. t. H. sich selbst schon häufig widersprochen bat und der
überhaupt, so hoch auch seine Gelehrsamkeit geschätzt wird, doeh
als Kritiker und Recensent schon längst viel Credit eingebüsst hit,
▼iel zu viel Ehre erweisen, wenn man es für nöthig hielt, sasa
übertriebenen Lobrede willen, eine so umfangreiche Schrift zo nt-
fiMsea, die doch auch wieder ihre bedenklichen Seiten hat. Wir
nennen Fallmerayer's Aufsätze als Veranlassung zu dieser Sckrift,
obgleich der Verf. im Eingang derselben auch Umbreit enrihst
Doch sagt er selbst später (S. 64) ^Umbreit zwar hätte man sdM
Lobsprüche, als Ausdruck des Schmerzes über den frischen Vertaü
eines verehrten Freundes , gern zu Gute gehalten, nachdem ab«
Failmerayer .•«. seinen eben so unbedachten als bombaatiaciien Pao^
gyrieus hinzugefügt bat, scheint es, dass man nicht länger von Sit-
ten der Wissenschaft die Berichtigung eines so masslosen Lobn
schweigend der Zeit überlassen dürfe.^ Umbreit bedarf übrigsü
nach unserm Dafürhalten einer solchen Entschuldigung gar niditi
denn er hat sich ausdrücklich in seinem Aufsatze dagegen verwslirt
H. V. H. als Gelehrten beurthellen zu wollen. Umbreit glaubt dies
müsse der Zukunft überlassen werden, und machte es sich nor zur Auf*
gäbe von seinem verstorbenen Freunde ein treues Lebens^ und Qsfr
raktei'gemälde zu entwerfen, wie es sich bei der Kunde vom Tode
eines ausserordentlich thätigen, geistvollen und charakterfesten 6e-
lehrten, auch abgesehen von seinem Orientalismus, wohl gesiemta
Auch finden wir, bei nochmaligem Durchlesen des Umbreit'sclMS
Nekrologs, nichts in Bezug auf Hammer's Gelehrsamkeit, was wir
nicht selbst mit unterzeichnen könnten. Er spricht ja, vielleicht nü
Vorbedacht, nur von seiner rastlosen Thätigkeit, von seinem glfibsn-
den Etler für die Wissenschaft und von der erstaunliehen M«M
sefaier literarischen Schöpfungen, pretot aber nicht die VollkommeiiM
dieser Schöpfungen, noch wirft er einen Tadel auf die llterarisdHi
Gegner seines verstorbenen Freundes« Wenn er ihn einen hechberfthai-
ten Gelehrten nennt, was er ja auch sicherlich war, so hat er nicht ü^
die vielen gekrönten Häupter hinter sich, die ihn mit den h(M«W
Orden scfarnttckten, sendem anch die bedeutendsten Akademien mif^
Schlottnaiiii: J. v. Hammer« 73S
lehrten Gesellschaften Europas, die ihn zu ihrem Mitgliede wählten.
Ob der Verstorbene mehr oder weniger eitel war, und in welchem
Sinne diese Eitelkeit zu verstehen ist, darum wird sich wohl die
Nachweit wenig kümmern. Das Erwähnen der peenniären Opfer,
welche er der Wissenschaft gebracht, als Eitelkeit deuten, scheint
uns übrigens nicht ganz gerechtfertigt, namentlich wenn man weiaSi
dass H. V. H. fortwährend sowohl gegen die Akademie als gegen
die Regierung zu kämpfen hatte, welche er um eiue Beisteuer zur
Herausgabe von Werken angieng, die vermöge ihres streng wissen-
schaftlichen Charakters nur für ein kleines Publikum geeignet wa-
ren und doch bedeutende Druckkosten ansprachen, da durfte und
mtisete er doch wohl sagen, wie viel er schon aus seinen eigenen
Mitteln der Wissenschaft geopfert, und von dieser Seite betrachtet
Crifift gewiss auch Umbreit kein Vorwurf, dass er es erwähnt, oder
gar dass er nicht seinen Freund deshalb zurechtgewiesen, wie es
der Verf. ihm zumuthet. Reizbar war wohl der Verstorbene und
diese Reizbarkeit mochte ihn in seiner Polemik zuweilen auch m
Aeusserungen hinreissen, die man ungern von einem so feingebilde«
ten, grossen und sonst so gutmütbigen Manne vernimmt, aber der
grosse Mann hatte doch ein kindliches Gemüth ; war die erste Auf-
wallung vorüber, so erkannte er bald sein Unrecht und scheute sich
auch nicht es gelegentlich offen zu bekennen. Schonte er auch seine
Gegner nicht in der Stunde des Kampfes, so liess er ihnen doch,
wenn die Waffen wieder ruhten, volle Gerechtigkeit wiederfahreo.
Der Verf. selbst erwähnt, dass v. H. wiederholt de Sacy's in wür-
diger Weise gedacht hat, obgleich dieser kurz vor seinem TodeeUi
hartes Urtheil über die Hammer'sche Uebersetzung des Samachschari
gefällt. Wir können hinzufügen, dass er Ref. selbst gegenüber
noch weit grössere Beweise von Versöhnlichkeit und Edelmuth ge-
geben. De Sacy war mit Recht als Meister aller Meister, wie ihn
H. V. H. selbst einmal früher genannt, anerkannt, auch hatte er
früher sich stets mit äusserster Schonung über seinen Freund und
CoUegen in Wien geäussert, bei der Samachscbarifehde musste er,
von Ref. und wir glauben auch von Fleischer gedrängt, mit der
ganzen Wahrheit herausrücken. Dass H. v. H. ihm diess verzieh,
rechnen wir ihm nicht hoch an, er konnte schon aus Klugheit eines
Mannes wie de Sacy nicht anders als in würdiger Weise gedenken.
Wenn er aber Ref. gegenüber, der, nach persönlich freundlichen Be-
siehungen *) , ohne Noth, in seiner ersten. Schrift ihn in seiner gan*
seo Sohwäclle darstellte, und seine Polemik Jahre lang fortsetzte,
silsh eben so edel und versöhnlich zeigte, so beweisst diess nicht
nur, dass es ihm mit der Wissenschaft ernst war, sondern anch^
dass seine Eitelkeit keineswegs eine solche gewesen, wie sie Ihm
von dem Verf. dieser Schrift vorgeworfen wird. H. v. H. hat sich
^Ref. hatte ihn vor «einer zweiten Reife nach Egypten in Wien mehr-
«ochl und war von ihm stets freundlieh aufgenommen worden.
736 Schlottmann: J. v. Hammer.
Dämlich zuerst io seiner Literaturgeschichte der Araber, bei mehtt-
ren historischen Thatsachen, auf des Ref. „Geschichte der Chalifoi'
berufen, \ras bekanntlich in der gelehrten Welt schon als ein freund-
liches Entgegenkommen, jedenfalls als eine Anerkennung der Zo-
▼erlässigkeit des citirten Werkes angesehen wird. Ref. recensirte
mehrere Bände dieser Literaturgeschichte und obgleich er, bei aller
Anerkennung der Verdienste dieses Werkes, doch wie früher, sor
in milderer Form, wie es dem reifern Alter und geübtem Kritiker
eigen, manche Flüchtigkeiten und besonders viele Cebersetzungslehler
rügte, sandte er ihm doch später seine „Taijjeh^ zu. Ref. dankte
ihm und sprach natürlich seine Freude darüber aus, das«, wie ff
aus dieser freundlichen Gabe schliessen djiirite, er seine frühere Po*
lemik gegen ihn vergessen habe. Darauf sandte ihm H. v. H. meih
rere andere seiner Schriften und schrieb unter Anderm: „Sie ken-
nen das türkische Sprichwort^, duss abgeleitetes Wasser immer wie-
der seinen alten Rinnsal findet, „und ich freue mich dass dasseliw
sich in unseren Verhältnissen bewährt hat, indem diese zur eratei
Freundlichkeit unserer persönlichen Bekanntschaft wiedergekehrt sind.'
Im folgenden Jahre als H. v. II. in Heidelberg war, beehrte er
Ref. alsbald mit einem Besuche, traf ihn aber nicht zu Haoie.
Beim Gegenbesuche war II. v. H. ausgegangen. Aber wenige Tage
nachher ward Ref. von EI. Geh. Kirchenralh Umbreit, bei weichem
H. V. H. wohnte, mit einigen andern hiesigen Gelehrten, unter An-
dern auch Schlosser, der ihn sehr hoch schätzte *) zu einem Mittag-
essen geladen und zur Rechten des hohen Gastes placirt, was ihm
als Beweis galt, dass auch keine Spur von Groll mehr in dessea
Brust übrig geblieben. Wir verkehrten nun aufs Freundlichste mit
einander, er kam am folgenden Tage noch auf die Bibliothek und
lud Ref. ein ihn recht bald in Wien zu besuchen. Auch mit Flei-
scher stand der Verstorbene später wieder in freundlichem Brief-
wechsel, obgleich auch dieser Gelehrte früher in eben so derbei
Weise wie Ref. gegen ihn aufgetreten war.
*) Schon in einer Reeension des erstro Bandes der Geschichte des Oi-
manischen Reichs (S. Jahrb. 1828 S. 369j freute er sieh über die ErscheioosC
eines Werkes „das dem Vaterlaode eben so viele £bre als dem Verfasser flur
chen wird und das aas reinem Eifer für Wissenschaft und wahre Ehre her*
vorge|f<»ngen.^ Unsere Nation, sagt er, „hat wenig Werke aufzuweisen, die m
viel Forschung, welche sugleich nätzlich und brauchbar, enthalten und so vd
Neues an's Liebt bringen das zugleich passend, verstandig and nicht gfJocH
fOndcrn gefunden genannt werden kann.**
(Sehku$ folgt)
fr. 41. HEIDELBEReER im,
jahrbOgher der iiteratdr.
Schlottmann: J. v. Hammer.
(Schlass.)
H. V. R hat sich gewiss oft sagen müssen, dass er sich in Folge sei*
ner aUcugrossen Eilfertigkeit manche Blosse gegeben, denn er hielt sich
keineswegs ffir infailiible, and war einer in schonender Form ange-
brachten Zarechtweisung nicht so unzugänglich wie der Verf. glaubt,
seine Kritiker aber haben eingesehen, dass ein Mann wie H. v. H.
der, trotz seiner Unvollkommenheiten, zur Förderung der orientali-
schen Wissenschaft so unendlich yiel gethan, doch eine gewisse
Sehonung und Nachsicht verdiente, dass sie, wenn auch im Einzel-
nen, weil sie ihre geistige Kraft mehr concentrirt, gründlicher als er,
ihm doch vieles verdanken und im grossen Ganzen der orientali-
schen Philologie weit hinter ihm zurückstehen müssen. Der Verf«
wnaste wahrscheinlich von den weitern Beziehungen des Verstorbe-
nen zu Ref. und Fleischer nichts, sonst würde er gewiss die ganze
Snmachscharifehde nicht nochmals in extenso mitgelheilt haben, denn
Bef. wenigstens macht es gar keine Freude, was er vor zwanzig
Jahren gegen H. v. H. oder dieser gegen ihn geschrieben, obgleich
äleee Polemik keinen persönlichen Charakter trägt , jetzt nochmals
aufs Neue zu lesen und den Verwandten und Freunden des Ver-
storbenen wieder ins Gedächtniss zurückgerufen zu wissen. So viel
Ausföhrlichkeit erforderte eine Widerlegung des Fallmerayer'schen
Aufsatzes nicht. Männer der Wissenschaft, nicht gerade Orientali-
sten, sondern auch Historiker und selbst andere Literaten, din nur
sinigermassen mit der Tagesliteratur vertraut sind, kennen längst
oUe Grenze, innerhalb weiclier H. v. H. in Wahrheit gepriesen
und bewundert werden kann, und wissen auch recht gut das über-
Itrömende Lob seines Panegyrikers in sein Bett zurückzuführen, so
wie dessen Tadel über frühere Gegner des Dahingeschiedenen auf
»n rechtes Maas zu reduciren. Einiger gewöhnlichen Dilettanten
ivfllen ein förmliches Todtengericht halten wo schon beim Leben des
Serichteten manch gewichtiges Urtheil gefällt worden ist, scheint uns
»ine überflüssige Arbeit, für die Nachwelt aber sind die Werke des H.
r. H. selbst, so wie die seiner Kritiker, manche frühere Aufsätze
[er Allg. Zeitunpr, Recensionen der hiesigen Jahrbücher, der Göttin-
rer Anzeigen, des Leipziger Repertoriiims , der Jenaer Literatur-
Eeitung, des Journal des Savants und anderer Zeitschriften voll-
lomnien genügend, um sie vor einem allzublinden Glauben an den
^achraf des H. Fallmerayer zu bewahren. Diesem hätte höchstens
in andrer kurzer Aufsatz, In welchem auf das Urtheil sachverstäa-
h. uhTf. 10. Htn. i7
798 Sehloltttftiift: J. Y. Hinmiir.
diger OrientaliBten in Kürze hiDgewiesen worden wire, aitgegeiig«r
setEt werden sollen, oder, wollte man einmal H. ▼. H. weaigitti»
als Gelehrten allseitig beleuchten und damit einen ^kritischen Bei-
trag sar Geschichte neuerer deutscher Wissenschaft^ liefern, so
hStte man auch mehr auf die wissenschaftliche Thätigkeit desselben
eingehen sollen. Man mnsste wenigstens seine grossem Werke der
Reihe nach nennen und charakterisiren , auf seine unzähligen An-
zeigen und Abhandlungen in den Wiener Jahrbüchern und in an-
dern in und ausländischen Zeitschriften aufmerksam machen, seine
ausgedehnte Correspondenz mit den hervorragendsten Mäonem an-
■erer Zelt berühren, so wie auch seine Stellung in Wien sowohl der
Akademie als dem Ministerium gegenüber berücksichtigen. In ihrer
jetzigen Gestalt scheint vorliegende Schrift eher einen Beitrag lor
Geschichte neuerer deutscher Kritik als einen kritischen Beitrag nr
Geschichte neuerer deutsclier Wissenschaft liefern zu wollen. ^
ist als Widerlegung Fallmerayer's zu umfangreich und selbst all
kurze Biographie v. Hammer's unvollständig und darum etwas in-
seitig. So sehr auch der Verf. einen objektiven Standpunkt eiosa*
nehmen sucht und so gross auch sein Bemühen ein unpartheHsch«
Urtheil zu fällen, lässt er sich doch, nicht aus Feindsdiaft gegis
H. v.^H. sondern aus Aerger über Fallmerajer, hinreissen, aUci
wieder heraufzubeschwören was je Ungünstiges über H. v. H. vsr*
gebracht worden ist, während er andrerseits über die Liehtseiten
desselben, die ihm zum Theil gar nicht bekannt waren, eich dock
nicht in gleichem Maasse verbreitet. Seine Literatorgeschlchte der
Araber, auch abgesehen von den darin entbaltenen Uebersetzungen
arabischer Poeten, ein wahres Riesenwerk, das allein ein anderes
Menschenleben ausfüllen inüsste, ist kaum erwähnt, eben so wenif
seine Geschichte der Assassinen und der Mongolen in Persien, üi
zu den bessern Arbeiten des II. v. H. gehören. Bei einer geho*
rigen Würdigung der Stellung des H. v. H. in Wien am Hofe und
in dem Diplomatenkreise wäre doch Manches, was ihm als Eitel-
keit und Ehrsucht angerechnet wird , in ganz anderm Liebte er*
schienen. Er wollte in seiner Person die Wissenschalt die er ve^
trat geehrt wissen, nnd es musste ihm daran liegen, an Titel, Rani
und Orden nicht dem ersten besten Rittmeister oder Kanunerbem
nachzustehen. Ein anderer Punkt ist von dem Verf. nicht gehoi|(
hervorgehoben worden, der mehr noch als das von ihm angefüMl
das Räthsel lösen kann, wie ein Mann, der so tief in den G^st dff
Orients gedrungen, häufig die poetischen Erzeugnisse der Oritfilr
len so ungenau wiedergegeben; wir meinen seine eigene poetisibtf
Natur und glühende Phantasie, die ihm zwar eioersetts das 7e^
ständniss der morgeniändischen Quellen erleichterte nnd Um mete
als manchen gründlicheren Philologen befähigte, sie in ihrer Reit-
heit und in ihrer ursprünglichen Frische nach dem Oocident bmübm^
zuleiten, andrerseits aber doch häufig mit so unbesähmternr Qt^
walt hervortrat, dass sie das Original verdrängte und ihm gaai an-
ParlMh: Uetor dMi gcbwanea Sim in dmr KmOmi bu IMik«. 789
Um^mat ddflien Stelle eionabm. Die eigene dichfteriscbe Kr«ft war
bei Ihm so f roes, daas er eieh nicht ganz suna Werkieuge Fremder
maeben konnte, selbst da wo er Beioem Voraatze genäM sieb ihr
bfitte ganz unterwerfen sollen. Er war kein grosser Graponatiiceri
doch wären seine grammaticaliscben Kenntnisse gewiss ausreichend
gewesen um ihn vor dem grösseren Theil seiner Uebersetzongs-
fehler zu bewahren, wenn der in ihm wogende dichterische 6e-
Dias ihm gestattet hätte von denselben mehr Gebrauch au ma-
chen. Auch die Wörterbücher hat er aus demselben Grunde nicht
fleissig genag benutzt, er irrt aber selten wo er in nüchternem Zu-
stande beide gehörig zu Rath zieht. Bedauern auch wir, dass er
sicfa nicht mehr concentrirt und beherrscht hat, machen wir ihm
dber keinen Vorwurf daraus, denn mit seinen Natnranlagen konnte
er kaum Andres bieten als er getfaan, und bedarf auch der grössere ^
Theil seiner Arbeiten einer kritischen Sichtung und Läuterung, so
hat er uns doch wie keiner vor ihm durch seine unbegrenzte Pro-
ductivität den Weg gebahnt zur Bewältigung eines Stoffes den er
In nie gekannter Ausdehnung vor uns ausgebreitet. Wir zweifeln
keinen Augenblick an der redlichen Absicht des Verf.'s bei Ver-
SiFentlichnng Torliegender Schrift, sie hat wissenschaftlichen Ernst
und Wahrheitsliebe zur Grundlage. Mag auch er glauben, dass
diese Bemerkungen aus unsrer innersten Ueberzeugurig geflossen,
und dass wir es um so mehr für eine heilige Pflidit hielten, einen
kleinen Beitrag zur Milderung seines Urtheils über H. v. H. au lie-
fern, als wir selbst durch unsere frühere Polemik zur Bildung des-
aelben so Manches beigetragen. W^ell.
TJeber den sehwaraen Stein in der Kaaha $fu Mekka. MügeiheiU
aii8 den hinterlcusenen Schriften des tüirkliehem MUgliedes Paul
Part8ch, Vorstand des k^ Ar. Hiriefttdiein^GahinAie». Aus dem
XIIL Bande der Denkschriften der mathem, naiurw, Glosse der
k. Akademie der Wissenschaften^ besonders abgedruckt.) Wien,
k. k. Hef' und Staatsdruckerei. 1857,
Wk dürfen nicht unterlassen , den Lesern unserer Jahrbücher
SUHUitnias au geben von dieser sehr willkommenen, wichtigen Nach*
csobt über den ältesten aller noch vorhandenen Meteorsteine, welcher,
MO vieler Gefahren ungeachtet, denen er ausgesetzt gewesen, der
Zerstörung durch Menschenhände entging.
Der berühmte Stein findet sich an der Nord-Ost-Ecke der EaaUa
.— kleines steinernes Gebäude inmitten der Moschee — eingemauert«
Von mobammedanischen Wallfahrern nach Mekka wird derselbe,
mlB böehstes Heiligthum, mit der Stirne berührt und sodann efar-
furehtvoll geküsst. Er ist dermalen ohne Zweifel der yerebrteste
aller Steine des Erdbodens und galt, schon lange vor Mohammed's
Av^treten ids Beligions-Stifter, den heidnischen Bewohnern Arabien!
740 Partfcb : Deber 4ea iehwanra Stein in der Kiabi mn lekka«
ftlr ein Sanctnariam. Lebenden lassen den schwanen Stein au
dem Paradiese stammen, wo er ursprünglich ein aar Bewacfamif
Adam's bestellter Engel war. Zar Strafe für Adam's Sfindenfall
wurde der Engel in den schwarsen Stein verwandelt, and dies«
Tom Engel Gabriel sam Aofbaa des Haases, das Abraham Gott
weihte, überbracht. Der Stein wird, so lautet die Sage w^ter, sb
Aaferstehungs-Tage wieder in den Engel ans dem Paradiese amge-
schaffen werden, welcher als Zeage für die frommen Pilger, die
Mekka besuchten, auftreten soll.
Dass der viel besprochene „heilige^ Stein ein Aerolith sei,
▼ermuthete schon Chiadui, und die unserm Verf. durch Hr. tob
Laurin, ehemals k. k. General-Consul in Aegypten lugekommeneo
Nachrichten bestätigten solches, Er sah, bei Mehmed Ali, dem Vi-
cekönig yon Aegypten, ein Bruchstück des Steines, herrührend ?oo
der, durch die Wahabiten versuchten Zertrümmerrung desselben.
Nicht ohne Interesse sind die über das GeschichtUche des Stei-
nes gegebene Andeutungen.
üebersieht der fyrogeneten künstlichen Mineralien namentlich der
krystcUlisifien Hütten- Er zeitgniase von Dr. Adolph Ourll
XII und 100 8. in 8. Freiberg, Verlag von J. O. Engd-
hardt. 1857,
Unbedingt ist dem Verfasser beizustimmen, dass der Werth dei
Studiums pyrogeneter künstlicher Mineralien für yerschiedene Wie-
senschafts*Zweige, namentlich für Chemie, Oryctognosle and Geoi<K
gle, keiner Beweisführung bedürfe. Sehr serstreut sind die bislie-
rigen Erfahrungen über Bildung und Gehalt der befragten SubsUih
sen, Hn Gurlt erwarb sich das Verdienst einer kritischen Zussm-
menstelluttg des Thatsfichlicben, die gebotenen literarischen HflUh
quellen sorgsam benutzend. Besonders beabsichtigte er Hüttenleated
ein Mittel an die Hand au geben ^ über den Werth gemachter Bei
obachtungen sich aurechtaufinden.
Im ersten Theile vorliegender Schrift kommen namentlich ä
Bildungsweise künstlicher Mineralien und deren allgemeine Eigea
Schäften zur Sprache. In jener Hinsicht werden unterschieden : Eol
stehung aus flüssigem Zustande durch Auskrystallisiren aus deisettw
chemischen Zusammensetzung, oder aus Massen von versehledeBfl
Zusammensetzung, sodann Entstehung aus gasfl^rmigem Zustsall
durch Sublimation der Substanz selbst, welche das Mineral bildet
oder durch gleichzeitige Sublimation der ein Mineral constitulreode
Bestandtheile , welche entweder schon allein, oder in Verbindo^
mit andern Körpern bei hoher Temperatur flüchtig sind, femer EM
stehung durch Einwirken gasförmiger Substanzen auf feste, oder
flüssige Körper.
Die betrachteten allgemeinen Eigenschaften sind: ErystaUfoi^
Spaltbarkeit and Bruch, HUrte und specifisches Gewicht In ^
GMo^e da iiid-68t de rEspapie. 741
kr3rBtaUogrftphiflch«n Angaben findet man die Beseldmangs-Metho-
deD Ton WeiBB and Naumann neben einander durchgeführt.
Bei Beschreibung der einzelnen pyrogeneten künstlichen U ine-
ralien, welche den zweiten und bei weitem den grössten Theil ein-
nimmt, ging unser Verf. in der Anordnung des Materials von che*
mifchem Gesichtspunkte aus.
Geologie du md-est de VEspagne. Resum/ mecint dPune exeur-
Hon en Mureie et mr la frontiere d'Andalousiej accompagn^
d^un tableau de» hauteurs du boI au-deaeus de la mer, par
M,M. de Verneuil et Collomb, 54 pag, in 8, Parie, che»
MarHnd. 1857.
Die Verfasser , welche . bereits friiher mehrere Gegenden Spa-
niens durchwanderten, auch über ihre geologischen Forschungen Be-
richt erstatteten, wfthlten neuerdings für solche Zwecke das König-
reich Murcia und die östliche Grenze Andalusiens. Von Paris folg-
ten sie der Heerstrasse nach Bayonne und Burgos. Wir müssen
uns, den weiter eingeschlagenen Weg andeutend, auf Bruchstücke
der mannigfaltigen Bemerkungen beschränken, diese und jene That-
oacben von Wichtigkeit, oder von besonderem Interesse hervorhe-
ben, denn in allen Einzelnheiten einzugehen, ist hier der Ort nicht.
In der Sierra de Guadaramma steigt Granit, einem Eilande
gleich, inmitten des Kreide-Gebietes empor und scheint dessen Schich-
ten aufgerichtet zu haben. — Bis Madrid bedeckt rother Diluvial-
liCtten den Boden, er umschliesst Rollstücke in Menge. — Von
Madrid nach Albacete führte die Eisenbahn. Nordwärts zeigte sich
die granitische Kette des Guadaramma ganz mit Schnee bedeckt —
ee war der 25. April — während das Tajo-Thal bei Aranjuez in
g;18nzendem Frühlings-Schmuck prangte. — Von grosser Einförmig-
keit ist das Land zwischen Alcazar und San- Juan, nur hin und
wieder niedere Hügelzüge und selbst diese verschwinden im östlichen
Tbeile. — Vom Gipfel des Monpichal erbüclcten unsere Wanderer
eine Öde, unfruchtbare Gegend, in welcher sich mehrere Salzsee^n
befinden; einer 'derselben, nicht fem von Patrola wurde besucht, er
trügt mit Recht den Namen „Bittersalz-See'^, denn das im Sommer
Terdnnstende Wasser hinterlässt Bittersalz-Krystalle. — Einige Ki-
lometer südwärts von Fortuna überraschte der Cabezo negro, ein nur
ffinfzehn Meter hoher Hügel scharf geschieden durch seine Schwärze
von den ihn umgebenden, weiss und roth gefärbten Gypsen und
tertiären Mergeln. Es ist dieser Cabezo negro ein alter vulkani-
scher Krater, kreisrund von etwa fünzig Meter Durchmesser; Rand
nnd Inneres bestehen aus schwarzem, schwammigem Gestein, ähn-
llcb den Schlacken neuer Feuerberge. — In Murcia führte der Zu-
fall die Reisenden zusammen mit zwei wotüunterrichteten spanischen
Bergwerks-Ingenieuren ; sie gaben ihnen das Geleit bei der Wande-
rung darch die „metamorphiscbe^ Kette von Carrascoy im Südosten
V4t Hartaif : Lenfaroia «nd FtciUrvaitart.
d«r Stadt. Zahlreiche Gange platonisdier Fetoarteo Mtsen ia den
Gebirge auf, die diorltischen Auebrüche, so lehrte die Erftdimiif,
werden fast ohne Ausnahme tob Kopfer- , die tracbytIadieQ tob
Bleierxen begleitet — In Hoescar eingesogene Erkandignngeny über
die beste Art auf die Höhe der Sagra Sierra m gelangen, waren
angenügend, Niemand ans dem Orte hatte die Bergfahrt unterBOVH
men, ja es schien im Lande irgend ein gehelmnissTolles Vonirtheil
dagegen su bestehen. Die Eeisenden Hessen indessen nicht ab tob
Ihrem Vorsatz und erreichten den Gipfel, welcher den Meeresspiegel
um 2400 Meter überragt. Hier geht ein durch Ammoniten und
Belemniten bezeichneter Liaskalk zu Tag. Sonderbar genug fand
sich fast unter dem Schnee eine Münze mit dem Bilduiss eines Ro>
mer-Kaisers. — Auf dem Wege von Zieza nach Segura sind er-
giebige Zink*Gruben; die Erze haben Ihren Sitz zwisdien Dolomit
und einem mergelig*kaiklgen Trümmer-Gestein.
Am Schlüsse folgt eine Uebersicht der Eegionen oder Gebirg»-
Systeme Süd-Spaniens. Sie zerfallen in Murcia und in Andmluslen
-— so weit y er neu 11 und Collomb letztere Provinz kennen
lernten — aus geologischem Gesichtspunkte betrachtet In drei, and
jede dieser Regionen Ist charakterisirt durch Felsarten, eben 90 ver-
schieden, was ihre mineralogische Beschaffenheit betrifft, als hin-
sichtlich der orögraphischen Verhältnisse. Die südlichste Region,
die ,|metamorphls€he^, der Küste mehr oder weniger nahe, fahrt
vorzugsweise Erze, liefert Silber und Blei in bedeutenden Mengen;
sie wird mit sachgemSsser Ausführlichkeit besprochen. Daran reihen
sich Bemerkungen über die Trias-, Jura-, Kreide-, Nummuliten- und
Tertiär-Formationen. v lie^nkmrfl.
DU geologischen Verhältnisse der Inseln Lansarote und Futtiatfen-
iura. Von Georg Härtung. Mit XI Tafeln und einer
geologischen Karte. Härtung. Königsberg, 1857. 8. 16S.
Seit L. V. Buch (1815) die Canarien zum Schauplats seiner
Untersnehungen wählte und in seinem berühmten (1825 erschienenen)
Werke den Grundstein zur geologischen Kenntniss der merkwürdi-
gen Insel-Gruppe legte, haben wir manche weitere schätzbare MK-
theilungen und Aufschlüsse von Naturforschern der Terschledensl»
Nationen erhalten. Als ein solcher Beitrag darf die voiiiegiMide
Schrift Ton Georg Härtung gelten. Es waren zwar nicht die Ab*
sichten jenes grossen geologischen Meisters, die ihn hinanstrleben
auf die fernen Eilande; Gesundhelts- Rücksichten bestimmten Har-
tong, Madeira im Herbst 1850 zu seinem Aufenthalt zu wählen.
Dort verlebte er fünf Monate zusammen mit Oswald Heer; die Ge-
sellschaft des Züricher Gelehrten musste natürlich das schon vor*
handene Interesse an den mannigfachen dortigen Natur- Erscheinun-
gen noch steigern, bo dass unser Verfasser in den b^den nXchetea
Harlwif : Uaiarole i»d FuerUYMilva. 7i3
WiDieni lieh nur mit Beobachtongen über Flora , Faoiia und G«o»
logie TOD Madeira beschäftigte, auch Ausflöge nach Porto Santo
und Teneriffa machte. Im Winter 1853/54 war Hartnng so glttek"*
lich| Charles Lyell auf seinen Wanderungen auf den Canarien su
begleiten und einen reichen Schats von Belehrung und Erfahrung
au sammeln. I^amentlich waren es die vulkanischen PhAnomene
aal aweien der Inseln, die ihn besonders anzogen und deren ge-
treue Schildemng er uns hiemit übergibt.
Die Eilande Lansarote und Fuertaventura sind die östlichsten
des Archipels der Canarien, die der afrikanischen Küste aunächsl
gelegenen. SorgflUtige längs den Gestaden von Afrika so wie der
genannten Inseln angestellte Peilungen haben ergeben, dass die
Tiefe bis su einer gewissen Entfernung vom Ufer sich nur bis au
50 — 70| in allen Fällen aber weniger als 100 Faden steigert, wäh-
rend eine geringe Strecke darüber hinaus bis 120, 150, selbst oft
bei 200 Faden kein Grund erreicht wird. Es ist daher wahrschein-
lich, dass die Inseln die über das Wasser emporragenden Theile
eines susammenhängenden Höhenzuges bilden.
Der Verfasser unterscheidet vier scharf von einander ge-
sonderte Formationen, nämlich die jüngste, die jüngere und
älteste Basalt • Formation , sowie die Syenit- und Trapp - Forma-»
tion. Vor Betrachtung derselben ist die Rede von den kalki-
gen Ablagerungen, welche namentlich auf Fuertaventura eine nicht
unbedeutende Rolle spielen, und die oft einer Sinter-Decke gleich,
über die basaltischen Massen ausgebreitet erscheinen, selten aber
grössere Mächtigkeit, als von ein paar Fuss erreichen. Es ist meist
ein kalkig-sandiges Gebilde, welches häufig Brocken vulkanischer
Gesteine, hin und wieder auch Reste von Landschnecken enthält;
nicht selten aeigt dasselbe Oolith-Structtir. Schon L. v. Buch ge-
denkt dieser Schichten und bemerkt hierüber : ich wäre sehr geneigt
£U glauben, dass diese Kalkstein -Formation ihre Entstehung den
befugen Nordweststürmen des Winters verdanke, welche die Wellen
der See als Nebel über die ganze Insel hinführen und an den Ber-
gen absetzen. Der salzige Antheil löset sich durch Regen auf und
wird weggeführt. Die Ealkerde setzt sich als Sinter ab, umwickelt
kleinere Körner als Rogenstein, grössere als Conglomerat und häuft
aich endlich als weit verbreitete Schicht. — Nach Lyell's Ansicht
sind diese Kalk-Gebilde aus der Zersetzung der basaltischen Massen
hervorgegangen und es lieferte hiezu namentlich der Kalk-Gebalt
des Augit Material. Eine Reihe von Härtung angestellter Beobach-
tungen widerspricht einer solchen Annahme nicht. Es treten näm-
lich die Kalke nie auf frischem, sondern stets auf zersetztem Ge-
stein auf. Auch trifft man sie nie auf den Höhen, sondern an
AbhängeUi am Fusse der Hügel an, wo sie als ganz dünne Schicht
encheinen, nach unten mächtiger werden, und sich dann an die
durch vulkanisches Blaterial immer mehr vwnnreioigten Tuff-Bildun-
gen anschliessen I wie besonders auf Teneriffa, wo sie unter dem
744 Htrtnnf : Lansaroie lud Pnerttvetttart.
Namen Tosea bekuint 8iod. Dmb dieae kalkigen Ahlagenuigen
durch die im Laufe der Zeit erfolgende Zersetzung der SdbneekeB*
Schalen vermehrt werden, dürfte kaum eu beiweifeln «ein.
Die jüngste Basalt-Formation ist auf die Mitte der Inad Lan-
sarote beschränkt und enstand wfthrend der Ausbrüche in den Jah-
ren 1730 — 1736y wodurch nahezu ein Viertheil der Gesamm^-Ober-
flftche verwüstet, mehrere Dörfer verbrannt wurden, wesshalb sal^at
die unglücklichen Bewohner der Insel nach Ganaria flüchten mnas-
ten. Aus dem Lavenfelde erheben sich 30 Schlackenkegel, deren be-
deutendster, die Montana del Fuego in der Mitte der Reihe bis zu
1760 F. Meereshöhe, oder etwa 1000 F. über das Lavafeld empor-
steigt. Fünf Kratere lassen sich hier unterscheiden, von denen abernur
drei noch vollständig erhalten. Schon auf der Höhe der hügeligen
Bergmassen an der Montana de! Fucgo fühlt sich der Boden heisa
unter den Füssen ; ein bis zu zwei Zoll in die Lapilli hineingesche-
bener Thermometer stieg augenblicklich über den Sledpnnkt des
Wassers. Der Hauptkrater ist etwa 300 Fuss tief. Besonders in-
teressant ist die Schilderung, welche uns der Verf. von dem Anblick
gibt, welchen der 1755 Fuss hohe Gipfel der Montana del Faego
auf die aus dem etwa 3 Quadratmeilen bedeckenden Lavenfelde
emporragenden Ausbruchskegel gewährt So weit man von dem
erhabenen Standpunkt in die Kratere hinein sehen kann — so be-
merkt Härtung — zeigen sie denselben Bau. An sämmtlichen be-
merken wir, dass ihr südöstlicher, der vorherrschenden Windearich-
tnng abgekehrter Rand bei weitem stärker entwickelt ist, als der
gegenüberstehende, welcher oft niedergebrochen, den aus dem Innern
abfliessenden Laven einen Ausweg bot. Dieselbe eigenthümliche Er-
scheinung zeichnet noch die älteren Kegelberge der Montana blanca-
Kette aus, welche zu der jüngeren Basalt-Formation gehören. Diese
letzteren sind ausserdem noch mit schwarzer Asche bedeckt, welche
die Winde von den Krateren nach S. 0. über das Land fortf&hrten
und dort mehrere Fuss hoch anhäuften. Es schliesst sich also in
dieser Richtung noch eine schwarze Aschendecke, aus der nar die
Spitzen der älteren Kegelberge her vorsehen, an das unheimlicfa dun-
kele, weit ausgedehnte Lavenfeld, das starr und todt, ein Bild grauen-
voller Verwüstung bietet. Innerhalb desselben zeichnen sich ge-
legentlich von den Lavaströmen freigelassene, mit Asche bedeckte
Flächen ab, welche sich wie Teiche oder Seen in der düsteren Land*
schail ausnehmen. Im Uebrigen hebt sich das Lavenfeld scharf ab
von den hell gefärbten, baumlosen, nur hl*e und da mit einem leich-
ten, grünen Auflug bedeckten angränzenden Strichen. Aus ihm ragt,
ausser den zu einer Kette an einander gereihten 25, noch eine kleine
Anzahl zerstreuter Ausbruchs- Kegel hervor. Einige von diesen —
wahrscheinlich fünf — entstanden im vorigen Jahrhunderts, einer,
der Yolcan nuevo, sogar noch während dieses Jahrhunderts; die
übrigen gehören der vorhergehenden, jüngeren Basait-Formation sd.
— Die Oberfläche der Ströme ist ausgezdchnet durch taaartige
Hartttiigi LttBiar«t6 aad PuertaventoTt. 745
KrSiiieluiig, i\e dort in seltener Vollkommenheit in den yersehiede-
nen Stufenfolgen beobachtet werden kann. Hier hat eich die dOnne,
erkaltende Kroate erat leicht in einer Falte abgelöst und wurde als
Folge der Fortbewegung wie ein schwerer Stoff Eusammengeschla-
gen ; dort hingegen ist sie schon tauartig gewunden und bildet pla*
stisdie Strftngei von denen oft zwei bis drei in einander geschlon*
gen sind. Die Formen sind in der Regel so vollkommen ansgebil*
detj dass man noch ganz in der NAhe Schiffstaue vor sich zu sehen
glaobt. — Die letzten vulkanischen Katastrophen auf Lanzarote
fallen in das Jahr 1824; es ist der bereits erwähnte Volcan nuevo,
der sich südwestlich von Tinguaton^ innerhalb des Lavafeldes er-
hebt. Die Masse des letzteren erfuhr indess durch die leichten Aus-
brüche keine bedeutende Vergrdsserung.
Die jüngere Basalt-Formation hat ihre Haupt-Entwickelung auf
Lanzarote; die Ausbruchskegel stellen eine in der Richtung der
Längsaxe der lusel verlaufende zusammenhängende Kette dar; iso*
Hrt erscheint dieselbe auch noch im Norden der Insel. Die hier
wahrnehmbaren Kratere schliessen sich im Alter unmittelbar an die
eben betrachteten. Durch seine Gestalt — der eines abgestutzten
Kegels gMch, dessen oberer Rand so scharfkantig ist, dass man ihn
la Corona (Krone) nannte, macht sich besonders ein etwa 700 F.
hoher Berg bei Haria bemerkbar. Seine Regelmässigkeit verdankt
dieser Krater wohl dem Umstand, dass die nicht unbedeutenden
Aasbrüche aus der nämlichen Oeffnung kamen, und nur ein einziger
tiefer Krater blieb. Die Laven-Ströme wurden hauptsächlich in
südöstlicher Richtung bis in die Nähe des Meeres ergossen. Beach-
tOQg verdient das Lavenfeld der Corona durch die unterirdischen
GSnge, La Cneva de los Verdes genannt, welche es umschliesst.
(Der Verf. gibt auf Taf. VIII eine Abbildung dieser Höhle, auf
Taf. VII eine vom Lavenstrome der Corona und der Umgebungen
von Haria, von dessen eigener wohl geübter Hand entworfen. Wir
haben bereits bei einer früheren Gelegenheit, als wir der werthvol-
len Abhandlung von Oswald Ileer über die fossilen Pflanzen von
St. Jorge in Madeira gedachten, auf das schöne Zeichnen-Talent
Hartnngs aufmerksam gemacht.) Die genannte Höhle, von Anfang
22 F. breit und 15 hoch, erweitert sich später zu 40 Fuss.
Die älteste Basalt -Formation unterscheidet sich hauptsächlich
dadurch von der jüngeren, dass die Formen der einzelnen Aus-
bruchskegel, Kratere und Lavenströme nicht mehr zu erkennen
sind. Schlacken Gebilde, Conglomerate und compacte Masse setzen
hauptsächUch diese Formation zusammen, auf welche Atmosphäri-
lien und Wogen des Meeres ihren zerstörenden Einfluss in unver-
kennbarer Weise ausgeübt haben. Die ältesten Basalte sind na-
mentlich auf Fuertaventure sehr verbreitet, wo sie gleichsam halb-
mondförmig die ältere Syenit- und Trapp Formation umgeben, und
nnfem der Landenge von Jandia 2770, bei Chilegua 2240 Fuss
Meereshöhe erreichen. Jenseits der — V/^ bis 2 geographische
746 Hartoiif « Lamaroto und FaertkTMtwra.
Meilen breiteo und in der Mitte 20 Faden tiefen Boceayni^Meerenfei
welche Fuertaventura und Lanzarote trennt, erhebt eich die Forma-
tion aaf letzterer Insel zu einer Höhe von 1860 Fues, senkt nch
dann bis auf wenige 100 Fuss über dem Meere und bildet eadlick
bis zu 2240 Fuss am Monte Tamara sich erbebend, das nordest«
liebe Dritthell von Lanzarote. £s scheint demnach, dass die älte-
sten Basalte eine in der Längenaze der Insel fortlaufende Beihe
▼on Höhezügen darstellen. — Aus den mannigfachen Bemerkungen
über die älteste Basalt - Formation heben wir hier nur noch eine
hervor, da sie uns unwillkübrlich an analoge Phänomene erinnert,
welche gewisse Porphyre bei Weiuheim an der Bergstrasse xeigen.
Die Basalte der Berge vou Chilegua auf Fuertaventura sind häufig
säulenförmig und ausserdem in dünne, V4, V2 bis ^4 Zoll starke
Platten abgesondert, die in verschiedener Weise geneigt, die senk-
rechten Fugeu unter verschiedenen Wiukeln schneiden. Aebniiche
Erscheinungen beobachte vor geraumer .Zeit Poulet Scrope an Tra>
chyten der Ponza-Ellande. — Im Allgemeinen machen Schlacket*
Gebilde oder j,Scblacken-Agglomerate^ den unteren Theil der älte-
sten Basalt-Formation aus; auf ihnen ruhen die Massen compacter
Gesteine, und ihre Mächtigkeit steht zu der der letzteren in be-
stimmtem Verhältniss, indem jedes fast die Hälfte der Geeammt*
Mächtigkeit der ältesten Basalt- Formation zeigt, die in Fuertavea*
tnrk auf der Halbinsel Jandia 2770, bei Haria auf Lanzarote xa
2240 Fuss ansteigt.
Die älteste, die Syenit- und Trapp- Formation ist einsig auf
Fuerteventura beschränkt, wo sie etwa den fünften Theil dea FlS-
chenraumes einnimmt. Sie wird characterisirt durch Syenite and
Tracbyte, durch meist gangförmig auftretende Basalte und durdi
den gänzlichen Mangel schlackiger Bildungen. Die Syenite, tob
geringer Verbreitung, zeigen sich im Mittelpunkt der Formaüoa
beim Dorfe Rio Palma entwickelt, als festes, aus gleichen Theiiea
Hornblende und Feldspath bestehendes Gestein. Zahlreiche Güage
einer grüngefärbten, sehr dichten basaltischen Felsart von 1 bis S
Fuss Mächtigkeit durchsetzen den Syenit. Die Tracbyte erscheinen
gleichfalls in gangförmigen Massen aber von bedeutenderer Mfich-
tigkeit, wie z. B. an den Atialya-Bergen.
Wenn wir die vier von dem Verfasser unterschiedenen Forma-
tionen mit der Entstehung«- Weise der Inseln in Einklang su brin-
gen suchen, so erkennen wir in ihnen die Resultate verschiedener
vulkanischer Katastrophen , die sich bald* durch den wirklichen £r-
gnss von Material, bald durch Hebungen äusserten. Man kann da*
her die ganze Gruppe der canarischen Inseln nicht anders betrach-
ten — sagt L. Y. Buch in seinem classischen Werke — als eine
Sammlung von Inseln, welche nach und nach und einzeln aas de»
Grunde der See erhoben worden sind. Die Kraft, welche eine «o
bedeutende Wirkung hervorzubringen vermag, muss sich lange im
Innern sammeln und verstärken, ehe sie den Widerstand der darairf
GnetseiuMm: BerfbtnkiiBü. 147
driickdodeii Maase ttberwUligen kann. Daher reisst ne die auf dem
Grunde des Meerea, wobi anch tiefer im Innera, zwiedien andereD,
gebildeten basaltischen ond Cooglomerat-Schichten bis über die Ober*
fliehe empor und entweicht hier durch den gewaltigen Erhebungs«
Krater« Eine so grosse erhobene Masse fällt aber wieder aurüek
und verschliesst bald die^ nur für solche Kraft-Aeusserung gebildete
Oeffnung. Es entsteht kein Vulkan. Der Fic aber steigt in der
Mitte eines solchen Erhebungs-Eraters als ein hoher Dom ^on Trar
chyt auf. Kun ist die fortdauernde Verbindung des Innern mit der
Atmosphäre eröffnet; Dämpfe brechen fortdauernd aus und steht
Ihrem Ausbrechen ein Hinderniss entgegen, so können sie es, am
Fnsse des Vulkans oder in einiger Entfernung, als einaelne Lava«
ströme hervorschieben und bedürfen nicht, um es eu überwältigen,
ganze Inseln au erheben. Der Vulkan bleibt der Centralpunkt die*
ser Erscheinungen, der nur in der Höhe, nicht in der Tiefe, durch
Erkältung und Zurückfallen der geschmolzenen Masse verstopft wird.
Daher gibt es nur einen Vulkan auf den canarischen Inseln, den
Pico de Teyde: — es ist ein Centralvulkan.
Die eilf das Hartung'sche Werk begleitenden Tafeln enthalten
theiif Profile, tfaeils Ansichten, sämmtüdi von dem Verfasse mit
Kunst-geübter Hand entworfen. Ausser den bereits oben erwähn*
ten machen wir besonders aufmerksam : auf die Rundsicht von einem
grossen Theile von Fuertaventura , aufgenommen von dem Rande
des im Mittelpunkt der Insel gelegenen Kraters £1 Volcan; auf die
lehrreiche Rundsicht des Lavenfeldes, welches durch die in den
Jahren 1730 bis 1786 erfolgten Ausbrüche auf Lanaerote entstand;
auf die Abbildung des Lavastromes aus dem verflossenen Jahrhun«
derty der bei Puerto del Arrecife das Meer erreicht. — Die schönet
geologisch colorirte Karte der beiden geschilderten Inseln ist von
Härtung entworfen nach den vom englischen Marineoffiaier Arlett
im Jahr 1835 aufgenommenen, mit grosser Sorgfalt ausgeführten
Seekarten.
Die Auf' und ünterauehung von Lagerstätten nutst-
barer Mineralien, Von Moris Ferd, Oaetsehmann,
Professor der Bergbaukunst und Bergamts-Assessor in Frdberg.
Mit 116 in den Text eingedruckten Holzscknittm. Freiberg,
Verlag von J. 0. Engelhardt 1866. Ä VJJI und 480.
Es bildet die vorliegende Schrift den ersten Theil der bereits
im Jahre 1846 mit der „Gewinnungslehre'^ begonnenen „vollstän-
digen Bergbaukunst. ^ Ursachen mannigfacher Art haben das Er-
seheinen dieses Werkes versögert, dessen einzelne — immer für
sich ein Ganzes ausmachende — Theile nun bald folgen sollen, und
Bwar sunächst die Lehre von der Aufbereitung.
741 GaeticluuBii! Bergteokontt
Wir wollen Teraucben, ent eine Uebenicfat von dem rddwi
Inhalt zn geben and alsdann Einiges hervorheben, was für unsen
Leser von Interesse sein dürfte. In der Einleitung bespricht der
Verfasser zonKchst Vortheile and Nachtheile des Bergbanes, msdit
anf die Wichtigkeit des Stadiams der Bergbaakanst und namenütdi
einer practischen Behandlung derselben aufmerksam , gibt die ESn-
ihdlung dieser Wissenschaft und die ErklKrung einer Anzahl borg-
mSnnischer Benennungen. Alsdann wendet er sich dem eigentliclMD .
(Gegenstand und Bereich bergmännischer Forschangen zu; diese nid:
I. Untersuchung eines unverrizten Gebirges. Der Bau der Gebirg«,
die Yertbeilung nutzbarer Mineralien in den verschiedenen Formi*
tlonen, das Auftreten von Quellen wird betraditet Daran relltf
sieh eine ausführliche Schilderung der Arten des Vorkommens nnto*
barer Mineralien in den Gebirgen, erläutert durch eine grosse Aik
zahl treffiicher Holzschnitte und begleitet von reichhaltigen litersri*
sehen Nachweisnngen. Alsdann folgt eine sorgsame Aufzihlung sD«
Erkennungszeichen und Hnlfsmittel zur Aufsuchung nutzbarer Mi-
nerallen. II. Untersuchungen einer Gegend mit altem auflSssigea
Bergbau. Hier sind ~ ausser den bereits angedeuteten Merkmales
— besonders zu berücksichtigen: Die Ueberreste des alten Berg^
baues, so wie alle sonst noch von demselben vorhandenen Merk*
male. III. Benrtheilung des untersuchten Gebirges. Die ErgebeiNe
der bisher angestellten Forschungen gewähren das AnhalteD für
Bauwürdigkeit und weitere Untersuchungs- Würdigkeit und für Er-
tragsfähigkeit als endliches Ziel der Ermittlung. Es werden nun be-
sprochen: Die Grundlagen zur Beurtheiinng noch unverrizten G^
birges; die Gegenstände der Berücksichtigung bei Wiederaufbsbsie
eines alten Bergbaues und endlich die Grundzüge des Plan-Entwurfti
zu einem Bergwerks-Unternefamen.
Eines der lehrreichsten und mit grosser Vollständigkeit abge*
handelten Kapitel ist jenes über die Erkennungs-Zeichen und Hülfr-
mittel zur Aufsuchung nutzbarer Mineralien. Berücksichtigt man dli
Oberflächen - Verbältnisse einer Gegend überhaupt — ehedem mü
die wichtigsten Merkmale — so muss man, bei Betracht ihrer Ge-
ringfügigkeit, über die Richtigkeit staunen, mit welcher die Vorfib-
ren In früheren Jahrhunderten manche schwer erkennbare Eiges*
thümlichkeiten zu beurtheilen, wie sie von zerstreuten, unregelmäolg
▼«rtheilten Erzmitteln die ausgiebigsten aufzufinden wussten. Kein
Wunder, dass damals der Glaube ein sehr verbreiteter: es gehSre
zum Aufsucheo von Erz- und anderen Lagerstätten „ein gewisMr
Instinkt, ein gewisses Hellsehen.'' — Oertliche Höhe irgend eioer
Punktes über dem Meeresspiegel, geographische Höhe über den
Aeqnator haben keinen besonderen Einfluss auf das VorhandeoMiD
nutzbarer Mineralien; eben so wenig sind letztere nach geograplii-
sehen Breiten vertheilt. Diese Ansicht, welche hauptsächHcb vi
gewissen alchemistischen Ideen beruhte , ist sogar \jt neuester 7 "
hin und wieder aufgetaucht; z. B. dass das Gold haopt^ddidi
1
fiaetfehoiaDA: BergbaiikaMt. 749
Oebirgen vorkomme, Welche den Meridian Richtungen folgten , in
den sog. Meridianketten, was von Erman mit Sicherheit widerlegt
wurde. •— Als die ersten Anhalts* und Ausgangspunkte müssen die
allgemeinen und namentlich die besonderen Profile einer Gegend
betrachtet werden ; alle die characteristischen Berg- und FelsformeUi
in welchen einselne Gesteine aufzutreten pflegen. So ist es z. B.
eine alte Bergmauns-Regel , dass in sanft ansteigenden, sich ohne
Unterbrechung weit fortziehenden Gebirgen weit eher grössere und
reiche Lagerstätten zu erwarten seien, als in zackigen, schroffen.
— Noch wichtiger zeigen sich aber die Entblössungen der Gesteins-
Oberflttche, es seien nun natürliche oder künstliche. Wir finden
häofig in Mauer-artigen Uervorragungen Felsmassen, deren Festig-
keit sie gegen ihre Umgebung vor dem zerstörenden Einfluss der
Atmosphärilien schützte, die in vielen Gegenden unter dem Namen
jiTeufelsmauem^ bekannt sind. Nicht selteu (der Verf. führt eine
Reihe von Beispielen an) stehen auf solche Weise erzführende Gänge
über die Erdoberfläche empor. — Das erste Zeichen zur Aufsuchung
von Lagerstätten haben schon häufig sogen. Fundstücke gegeben.
(So war z. B. die erste Veranlassung zum Angriff der schnell sehr
ergiebig gewordenen Silbererz- Gänge von Hiendelaencina in Spanien
in einem kleinen Dorfe ein Block, der lange Zeit zum Besteigen
der Maulthiere benutzt, bis ein Franziscaner in solchem Spuren von
Silber erkannte, und alsdann weitere Nachforschungen anstellen liess«
In Wisconsin wurden im J. 1850 Kupfererze entdeckt, indem ein
Viehtreiber mit dem Fuss an einen aus der Erde hervorragenden
Körper stiess, darüber strauchelte und bei näherer Betrachtung eine
50 Pfund schwere Stufe gediegenen Kupfers erkannte.)
Ein dem Bergmann sehr bedeutsames Anzeichen verdeckter oder
schwer erkennbarer Lagerstätten gewährt der sogen. Schweif — eine
eigenthümliche Färbung des Bodens. Es wird solche meist durch
Oxydation der die Ausfüllung der Lagerstätte bildenden metallischen
Substanzen erzeugt. Am häufigsten ist die rothe Färbung, welche
meist von Eisen herrührt, aber nicht nur Eisenerz-Lagerstätten, son-
iem auch anderen angehörL Sie zeigt sich zumal bei den Gängen
mit dem „eisernen Hut^ (d. h. solchen, die in oberer Teufe Eisen-
erze, in unterer Kupferkies, Bleiglanz u. s. w. führen). Rostige
sder rothe Färbung des Bodens gilt ferner in vielen Gegenden als
erstes Merkmal beim Aufsuchen von Goldschutt. — Als ein weite^
^ea Kennzeichen verdient Erwähnung das Ausblühen oder Answit*
lern, Resultat chemischer Zersetzungen. Es stellt sich bald als rdf-
irtiger Ueberzug der Oberfläche, bald in Gestalt farbiger Flecken
iar. (So geben sich z. B. die mächtigen Zinkgänge bei Schön-
itein in Steyermark durch weisse Ausblühung kund.)
Weiter darf den durch die Oberflächen-Verhältnisse gebotenen
dLerkmalen der Pflanzenwuchs zugezählt werden. Es war ehedem
lio viel verbreiteter Bergmanns-Glauben: dass auf Beschaffenheit
Iw Bäume, der Saat, des Grases von darunter vorhandenen Lager»
7Sd (htteCilHMBii : Beif faaiikaMt»
itSU«ii ein gewisser EiDfiuss ansgeübt werde; spirlieher, gielchssn
▼erseDgter PflanseDwuchs, gelbe Hdme, Terkriippehe B£iime gmlte
«le untrügiiches Zeichen aufsetiender Ginge. Noch benlxtiUge gäf
in Chili ärmlicher Pflansenwachs, Unfruchtbarkeit als bestes Merk-
auü für vorhandene Silbererz-Gänge. Als Ursache davon ninmt
man in Peru — wie uns Pöppig berichtet — einen ausg^iaucbtiei
Dnnst an. — Die Umgebung mancher Lagerstätten wird bisweilen
von gewissen Pflansen cbaracterisirt; dies ist namentlich mit den
sog. Salspflanzen der Fall, welche Soolquellen oder unter der Obet^
fläche liegendes Steinsalz fast stets begleiten. Aber auch aof Bises-
werken hat man die Beobachtung gemacht, dass Haufen gewona»-
ner Eisensteine, welche längere Zeit aufgeschüttet, sich mit ein«
Decke malvenartiger , roth und gelb blühender Pflanzen betdeiden.
Noch eigenthümlicher ist die Viola calanünaria, das sogen. Galnwi*
Veilchen, welches auf den beigischen und westphälischea Galrae-
Lagerstätten so regelmässig und nur dort gefunden wird, dass noi
danach schon bergmännische Versuche mit Erfolg anstellte.
Nebel und Dünste die sich über dem Ausgeheaden voq Gin-
gen erheben sollen, sind oft von Bergleuten hoch gehaltene Zeichsn,
ebenso Streifen auf Gras und Saaten, auf denen am Morgen keia
Thau oder Reif liegt, im Winter der Schnee bald wegschaiilflU
Sdion Agricola macht in seinem bekannten Werke (deutsche UebeOi
1657, S. 28) auf solche Erscheinungen aufmerksam und der Varf.
hebt es mit Recht hervor, dass wenn sie aach nicht die von den
Allen zogeschriebene Zuverlässigkeit besitzen, sie keineswe^ ganz
unbeachtet bleiben dürfen. Denn die Gangklüfte bieten aaweilaa ,
dw höheren Temperatur des £rdinnem einen freieren Weg nach dm I
Oberfläche, wo sie den in der Atmosphäre enthaltenen Wasierdäniifez ^
nicht erlauben, sicli als Reif oder Thau an diesen Stellen oied^sa-
schlagen, so wie auch die nämliche höhere Temperatur die auf dea
Gange enthaltene Feuchtigkat als Dunst aufsteigen und in der kfilh
leren Abendluft sichtbar werden lässt.
Auch die Licht - Erscheinungen , die sogen. WitteningeD od«
Bergfeuer, die sich über dem Ausgehenden von Gängen zeigen ael^
len, verdienen Erwiüiaung. Besonders zur Zeit des AeqniiiocIiaMi
will man das Phänomen beobachtet haben, das vielleicht in ge»
wissen electro-chemischen Wirkungen seinen Grund hat
Als das eigenthümlieliste Uülfsraittel zur Auisuchung von fisr
lagerstätten galt schon frülie und gilt noch jetzt in mandien Ge-
genden, die berüchtigte Wünschelrnthe, auch Berg-- oder Gläcksmtfte
genannt. (Nicht zu verwechseln mit der sog. Sprtngwurzel.} Dz
man ihr ehedem grosse Wichtigkeit beilegte, ganze Bücher über sie
schrieb, Streitschriften für und wieder sie weciiselte, durfte ei
für unsere Leser wohl von Interesse sein, Einiges ans der sehr vofi-
ständigen und lehrrtichen Zosammenstelluag des Verf. zu hOiea.
Wie bekannt ist die Wünschelrnthe ein achwacher, biegnamer Stak^
welche durch gewisse Bewegungen dem ihn tragteden, dem ^Ba*
! fiergitakttiiü Üi
db6B|^g«r^ die NIhe ▼•rborgviier Lagerstfttten andeutet. Sie be-
iteiit in der Regel aae H0I2; die gabelförmig Ton einem Schosse
aufgewachsene Ruthe wird so gehalten, dass man die beiden Enden
der Gabel — ^die Hömer^ — mit geschlossenen Hftnden in der
Art faast, dass letstere eine Fanst machen, die Finger nach oben
gewendet Die Rathe steht dabei aufgerichtet and biegt sich in
dem Masse gegen die Erde nieder — - ^^sie schlägt^ — als sie sldi
den gesuchten Gegenstlnden nähert Die Ruthe darf nicht au gross
sein, etwa IV2 Paw lang und einen Finger dick; sie Ist gewöhn»
Uefa eine haselne, aber nur ein Jahreswnchs. Manche geben Iflr
die yerschledenen Metalle auch verschiedene Holzarten an. Die
Ruthe mnss an gewissen, besonders geeigneten Tagen geschnitten
werden, dabei gebrauchte man mancherlei Spruche oder Beschwör
rungon. Sie soll nach Einigen nur auf Ersgänge, nach Andern auch
ani taube Gänge schlagen, ausserdem aber auf Quellen, vergrabene
Metalle, Schätae alier Art, gestohlene oder verlorene Gegenstände
jeder Gattung, auf Ermordete und ihre Mörder — kurz sie soll auf
AUes Antwort geben. Kenntniss und Gebrauch der Wünschelrudie
lind — wie aus verschiedenen Schriften hervorgeht — in Deutsch*
land sehr alt; sie ist nicht erst, wie von Manchen behauptet wiitf,
Im drei8sig)ährigen Kriege durch die Schweden nach Deutschland
gelcommen, die sich ihrer zur Auffindung versteckten Goldes bedient
haben sollen. In Frankreich kam sie ums Jahr 1630 zum Aufsn«-
efaen von Wasser und Erz in besondere Aufnahme.
Ebenso verschieden, wie die Erscheinungen, welche die Ruthe
hervorbringen soll, sind die Erklärungen dafür. In älterer Zeit
hegte man nicht den geringsten Zweifel über Ihre Wirksamkeit und
aebiieb solche dem Teufel zu. Andere erkennen darin eine gewisse
C^mpatbie, eine unmittelbare Einwirkung der verborgenen Stoffs
durch sieh von ihnen verflüchtigende Theilchen auf die Ruthe;
aneh soll die Einwirkung durch die von dem Wasser aufeteigenden
Dünnte vermittelt werden, weiches gewöhnlich auf Gängen enthal-
Un iat Die Ausströmung der Erze soll aber auf den RuthenschNk
ger aelbst ihren EInfluss ausüben und durch Zittern und Zuckungen
deeeelben sich zu erkennen geben. — In neuester Zeit ist bei Er«
klämngs* Versuchen an die Stelle der Sympathie der Alten die Ele<s
tricff ät, die auf Erzgängen stattfindende galvanische Strömung zu HOlls
gesogen worden — jedoch nur von Nicht-Physikern. (Ein erst vor
BiBem Deoeuinm neu erstandener Adept ging sogar so weit, den
¥ofBchiag zu machen, es solle der Ruthengänger ^ganz unbekleidet,
die Fnsstohlen und den Leib mit Blattgold belegt^ sein gelieimniss«
volles Werk treiben.) — Eine letzte Erklärung ist endlich die durch
ins unbewttsste Wollen, die Kraft des Gedankens, welche die Hände
in Bewegung setzen ; sie kommt zusammen mit der schon von Kir-
eher im 17. Jahrhundert aufgestellten Annahme der Mitthätigkelt
iee PuJsschlages. In dieser, übrigens nicht abzuleugnenden Thätig-
75d (itetochmaim; EergbaduuMt.
1
keit Uegt — wie der Verf. richtig bemeitt — die nimUii« QtteUtt
▼on Selbstt&usdiaDgeD, von denen ehedem die schwingenden Pan-
del, in neuester Zeit die rückenden und klopfenden Tiedie Kimde
gaben. ^yMeg übrigens — so heisst es am Schluss des Capitdi
über die geheimnissvolle Ruthe — eine oder die andere der ge-
nannten Ursachen die wahre sein, so ist wenigstens nachgewieseo:
dass der Glaube an die Wahrheit der Wünschelruthe immer aa den
Zeiten und in den Kreisen am stärksten war, wo die Keuntniss der
Naturgesetse und der Naturwissensdiaften überhaupt, das Bestreb«
den wahren natürlichen Zusammenhang aller Vorginge m ergrün-
den, geringer, das Gefallen an geheimaissvollen Dingen erhöhter,
die Neigung zu ungestörtem geistigem Halbschlaf vorherrschend wsr.'
— Die Wünschelruthe wird nun in Zukunft mehr und mehr den
Gebiete der Geschichte angehören, hat sie doch bereits ihre eigese
Literatur. (Wir nennen hier nur, ausser dem oben schon erwSla-
ten Werke von Agricola: Wille, von der Wünschelruthe 1694; ZeU-
1er, Pantomysterium oder das Neue im Jahr von der Wünachebirike
1700; Albinus, das entlarvte Idol der Wünschelruthe 1704 ; AretlB,
Beiträjge zur Geschichte der Wünschelruthe 1807; ChevreuU, de b
baguette divinatoire 1854.)
Mit gleicher Vollständigkeitr, wie der Abschnitt, welchen w^
eben etwas nfiher betrachteten, sind die übrigen abgehandelt, or
mentlich jener über die Untersuchung einer Gregend mit altem sof-
iSssigem Bergbau, wesshalb wir jedem, der sich mit bergmibinisdMB
Unternehmungen und Projecten befassen will, ein eifriges Stndiam
dieses Buches und insbesondere des dritten Abschnittes: Grmndiagei
zur Beurtheilung noch unverrizten Gebirges, anrathen. — Uebe^ j
haupt können wir in jeder Beziehung dem Urtheil beistimmen, wel-
ches ein bewährter Fachmann über Gaetschmann's Schrift nnlingit
in der „borg- und hüttenmännischen Zeitung^ gefällt hat: das Weil
gibt eine sehr vollständige systematische und kritische Zusammez-
stelluttg aller über diesen wichtigen Abschnitt der Bergbaukoadi
bis jetzt bekannt gewordenen Kenntnisse und Erfahrungen mit ge-
nauen Quellen -Angaben und das Studium dieser griindlidien uri
durchaus tüchtigen Arbeit ist jungen und alten Bergleuten um le
mehr zu empfehlen, da ein solches Buch nach dem neuen Stznii-
punkte der Wissenschaft und Kunst gar nicht existirt. D^ Heir
Verfasser war aber in seiner Stellung als Lehrer der Bergbaokuail
an der berühmten borg- und hüttenmännischen Hochschule au Frei-
berg besonders zur Ausfüllung dieser wesentlichen Lücke in der
Literatur der Bergwerkskunde geeignet — Das Aenssere des Wer-
kes, Druck, Papier und Abbildungen, sind sehr gut
€i. lieoiilMirdla
Ir. 41. HEIDELBERGER IHI.
JAHRBOCHBR der LITIRATOB.
Dr, F. Kober: der Kirchenbann nach den Qrundaäisen des
canonischen Rechts dargeeiellt Tübingen, 1867. Verlag der
H. Laupp'echen Buchhandlung, — Laupp ^ Siebeek,
Es war ein doppelt-gater Gedanke ansres Verfasaera, zwei
Punkte anaaregen, dasa einmal die Constroirung des Kirchenrecfata
und des canonischen Rechts für unsre Zeit so aiemlich vollen-
det sei, wie wir gleich noch näher darthan werden, sodann, dass
unter den jetst an fördernden Detailarbeiten die Lehre vom Kir-
chenbann eine der wichtigsten sei. Es ist nämlich nicht au leug-
nen, dass in Hinsicht auf die kirchliche Discipiin dieses fein aasge-
bildele Strafmittel dasjenige ist, was die Kirche selbst zusammen-
hält, und ebensosehr den Zweck der Besserung wie den der Präven-
tion gibt, was in geistiger Besiehung ein geistiges Institut schütsEt.
Die Kirche hat sich in den verschiedenen Zeiten ihres Regiments
besonders mit Rücksicht auf den Staat, welchem eine andere Ten-
dena au Grunde liegt, mancherlei Mittel bedient, natürlich aber be-
sonders diejenigen vorgekeht;, die ihr entsprechend schienen, und
so hat dieses auch das Goncilium von Trient anerkannt, welches,
ohne die älteren Einrichtungen umzuwerfen, die Bedeutung des Kir-
chenbannes ganz besonders hervorgehoben bat Was aber die erste
iD der Vorrede des Verf. S. V angedeutete Richtung betrifft, so
hätten wir gewünscht, dass auf die Verschiedenheit der dort ange-
deuteten Werke des Kirchenrechts einige Rücksicht genommen wor-
den wäre. Die fünf ersten Werke von Walter, Richter, Permane-
der, Phillips und Schulte, vielleicht mit Ausnahme des Werkes von
PbiUips und der durchblickende!! Richtung von Schulte umfassen
dasjenige, was man in dem letzten Jahrhunderte jus ecdesiasticum
insbesondere genannt hat, also das Verhältniss der Kirche an sich
ond zum Staate In moderner Ansicht: während der Recensent eine
andere Richtung genommen hat, und ausser dieser besondem Be-
deutung auch noch den Einfluss des canonischen Rechts als zweite
Recbtsquelle überhaupt angedeutet und ausgeführt hat Wenn derselbe
auch mehr übersichtlich als deta^lirt vorgegangen ist, so kann er
eben von diesem Gesichtspunkte noch manche Nachfolger erwarten
and die Brücke bieten zu demjenigen, was Hr. Prof. Kober im
Sundpunkte seiner Monographie mit Recht durchgeführt wünscht
Das Werk Kober 's ist mit sehr grossem Fleisse gearbeitet
und man darf aussprechen, dass In materieller Hinsicht nicht das
Geringste au wünschen übrig ist, und zwar sowohl in der Darstel-
lung des Inhalts, wie in der Richtung auf die Gesammtliteratur der
l. Jahrf . 10. Heft 48
754 Kober: Dor KirdbelilMaflL
Lehre, die sehr fleissig benutst iat Bei einer neaen Auflage des
Werkes wünschten wir nur noch zwei Nachträge:
1) Eine geschichtliche Darstellang der Literatur in chronologi-
scher Gestalt: die bedeutendsten Werke mit Rücksicht auf die
Stellung ihrer Verfasser und mit einem Blicke in die Hauptqaelle
die Jeder benutet hat ^ wie dieses die juristischen Civilisten in der
neuesten Zeit gethan haben, fis könnte hier auch auf lexieogn-
phische Werke z. B. auf Lipenius de censuris verwiesen werden.
Man glaubt gar nicht, wie die canonische Literatur in Deutschlud
unkenntlich geworden ist. Wach 1er 's Literaturgeschichte weiBi
nichts davon, und selbst unsere Kirchenrechtslehrer kennen dfefün-
zelnheiten der Kirche nicht. und die meisten Bibliotheken haben die
Bücher nicht; z. B. Alterius de censuris und andere.
2) Die Quellen angäbe , woraus der Leser leicht finden wird,
wie das Institut selbst mit der gesammten Kirchenlehre und des
verwandten Instituten zusammenhängt: namentlich auch mit d»
Di($cesan8ynoden im Allgemeinen.
Der Verf. hat wohl allerdings S. 168 auf die apostoÜsdieD
Constitutionen verwiesen, und hfttte auch damit anfangen können:
aber besser hStte er geüian, wenn er das Corpus juris can. besitf
hervorgehoben und mit der causa 24. des Decrets angefangen, so-
fort alle Quellen bis zum Conc. Trident dargestellt bitte.
Auch hätte der Verfasser aufmerksam machen k^nen auf dis
Terhältniss des Kirchenbanns zur Säculargewalt vor der Reform-
tion und seit der Reformation. Beiläufig bat er dieses gethan S. 117.
Im Uebrigen wollen wir diesen Punkt, wie die Neueren sich ans-
drtfcken, nicht zu sehr betonen, wir wollen keinen uans mcfiet-
nus des Kirchenbanns, namentlich in Beziehung zu den protesun-
tischen Staaten, die ihn in der That nicht hoch anschlagen, oad
wobei sich nicht selten zpigt, wie wenig man die Seibstständigteü
der Kirche achtet. Das Princip der Gewissensfreiheit, welches Fried-
rich II. von Preussen zur That erhoben hat, wirit nattiriich den
Kirchetibann weg, und man sieht dieses zunächst aus den neuesten
Schicksalen der protestantischen Kirche : und ans den Kämpfen der
protestantischen Staaten mit der katholischen Kirche. Unser Veil
verweisst wohl S. 16 auf Luther und Calvin: allehi er hätte bei
den Neueren z. B. Stahl über die Khrcbenzucht finden können, wie
wenig man jetzt auf den Bann achtet.
In der Einleitung ist der $. 3 der wichtigste: während der $.2
mehr eine historische Bedeutung hat. Im §. 8 wäre eine Vergisi'
chung mit der römischen infamia gut gewesen , nidit weniger eise
Verweisung in die Diöcesansynoden des 15. und 16. Jahrhunderts.
Theil weise hat der Verfasser auch dieses gethan, z. B. Mainz 1549,
8. 143. Die ezcommnnicatio latae sententiae liätte noch genaoer
untersucht werden können, Pichler's Schrift ist ungenau und
steht auf dem Index (Glück, Praecog. pag. 384}, und dem groeses
Benedict ist ntcfat gelungen, die arbiträre Jnridpmdent Her so b^
seitigen (S. 60, 61>
Kober: Der Eivchtitan« 755
Das erst« Capitei iet der Saefa« nach gntz iMfriedigeiMJ , nur
wtffMchteD wir eine bessere Definitioa der jartsdiotio propria ud
ordinaria. Den Aposteln und resp. dem Episoopate stekt die eiste
unbedingt za, also dem Pabste: die andere ist ron dem Episcopale
an ein bestimmtes territorinm gebunden und losofeme Debartra-
gnng: diese jnrisdictio Icann dann decb insoferne «ine propria sein,
als sie dem Bischof selbst zulcömmt, welchem sie tob Ghristtts od-
mittelbar verliehen ist; sie kann aber eine ordinaria sein, indem sie
dem SteUvertreter des Bischofs, dem olReiaiis, zakömmt. Von bela-
den EU noterscheideu ist dann die delegata. In etwas Terschiedeo
sind also nnsere Ansicfaten von denen des Verf. Allein man mnss
aof sie achten wegen der Verhängung der Exoemmunication nnd
wegen der Absolution. Der Pabst kann jeden absolviren, der Bi-
sehof aber nur den, welchen er excommuniokt hat : nnd der lieber»
tragang nach weiter geht sein Recht zur ordinaria des offldaÜB nnd
sor delegata. Das zweite und dritte Capitei ist mit grosser Umsieht
g^sehrieben : nur der der Excommunication vorausgehende TiuUbestaad
des Ungehorsams bald zu viel specialisirt, bald zu viel generaiisirt :
ein Süsseres, Vollendetes schweres Verbrechen In dem
letiteren Worte, dem eben diese Ansdrüoke efttscheideB nicht genü-
gend, und andrerseits führen die specieli angegebenen Fälle in eine
pure Casuistik: Aul den Proeessgang wollen wir aas nieht einlaa-
aen, denn dieser hing gar sehr mit der Entwioklong des kirchlichen
Prozesses überhaupt zusammen, und daher möchten wir nicbt eigent-
lich sagen, dass der Prozess zuerst müff»dlich gewesen sei, nnd spä^
ter schriftlich hätte werden müssen. Sodann hat sieh der Verf. anf
den gegenwärtigen Zustand der Dinge, wozn er Veranlassung in
den neuesten Excommunicationsurtheüen finden kennte, gar nicht eia^
gelassen. Der Prozessgang bildet eben das vierte Capitei, wobei
wir auf die Lehre von der Appellation besonders aaimerksam mar
ehen. Dazu g^ört das fünfte Capitei. Das Gediegenste wird im
sechsten Capitei g^iefert, und hier wollen wir nur anf zwei Punkte
hinführen : 1) auf das Princip m der Entziehung der stt£Fragia ecele-
^ae. Der gut gewählte technische Ausdruck hätte in Beziehung
mrf das Wort suffiragium, welches auch im römischen Rechte ak
sogen. Grundrecht vorkommt, noch etwas näher ausgeführt werden
können. Die Kirche entzieht den Excommunicirten ihre HUfe bis
sum articulus mortis: ebendesshalb hört er aber doch nicht auf,
eventuell zur Kirche zu gehören: die andern Beaiefaungen sind nur
EntWickelungen des Princips S. 280—433. 2) Die Constitution des
Pabstes Martin V. ad evitanda. S. auch die Bamberger Diöcesan •
^ynode v. 1491 bei Rosshirt can. R. S. 980. Sehr wichtig ist
die richtige Darstellung bei Kober S. 272. ^In derselben Weise
nnd aus denselben Gründen ist das öffentliche Gebet und die Dar-
bringung des heil. Messopfers für Akatholiken untersagt, denn aUe
gehören zu den excommunicaiis to lernt is. Nur m Betreff des
Landesfürsten gestattet die Kirche tine Ausnahmei sie betet für
756 Kob^: Der KirchenbiBtt.
ihn bei dem Öffentlichen Gottesdienst nnd bringt ffir ihn an gewiiM
festlichen Tagen das heil. Messopfer dar : denn so lange der Ludei-
fürst am Leben ist, tritt er der Kirche nicht als blose physische Penon
gegenüber, sondern es Icommt vor Allem seine Stellung als Regoit
des Landes In Betracht, das Gebet für den Landesherrn ist sogleieh
ein Gebet für den Staat und umgeicehrt. In einem gans anden
VerhUtnisse dagegen steht der bereits verstorbene LandesfOrst m
Kirche: er erscheint nicht mehr als der Trfiger der Staatsgewalt,
für deren Gedeihen sie betet, sondern lediglich als Privatperson.'
Wenn Gesetze und Praxis su allen Zeiten dieses Princip gebanö»
habt haben, so Usst sich daraus noch manches andere ableiten, s. &
wegen mancher Indulte, die der Pabst dem Staate und resp. skt>
tholischen Landesherm geben kann, sofern die nöthigen Cautiosei
geleistet werden, nnd wobei es etwa auf die Natur des Pri?atp«r
tronatrechts gar nicht anicömmt: zu jenen Gautionen gehört dioi
auch, dass der akatholische Landesherr in der Regel durch katholi-
sche Unterthanen nicht nur mit dem Pabste unterhandeln, sondeii
seine Rechte auch durch katholiche Unterthanen ausführen ISnt
Auch die protestantischen Staatsrechtsschriftsteiler über das deutsche
Reich erkennen dieses an. Moser im IIL Band seiner Zasüse.
Katholiken berufen sich daher mit Recht auf diese Schriftsteller.
Rosshirt can. Recht S. 210 in der Note.
Es ist hier weder der Ort noch die Absicht des Recenseateo
in die grosse Masse einzelner Gontroversen des Buches einzugeben}
um so weniger, als, wenn auch das Resultat zugegeben werden ksnn,
doch nicht immer die Gründe stichhaltig uns erscheinen: z. B. ge-
ben wir gerne zu, dass auch ein excommunicirter Pfarrer, der ooeh
im Besitz des Pfarrechts ist, die Erklärung der Eheleute nach den
Conc. von Trient annehmen kann ; auch geben wir zu, dass er keine
Jurisdiction ausübt, sondern als Zeuge erscheint, dass er aber docb
ein gültiger Zeuge ist, obgleich der Verf. selbst anführt, dass die
Excommunicirten vom gericbtlichen Zeugnisse im Allgemeinen am-
geschlossen sind: denn dass hier ein öffentliches — wir wollen go>
rade nicht sagen, gerichtliches, Zeugniss vorliegt: ist klar — dan
dieses Alles aber so sei, geht daraus hervor, weü sonst Elien ab*
zuschliessen , oft eine Unmöglichkeit wäre, indem sonst eben der
parochus proprius fehlen würde. Dieses Alles ist aber gewiss mdit
auf die Laienzeugen anzuwenden , auch nicht auf tolerati wdl ei
an orthodoxen Katholiken nicht fehlen kann, obgleich gerade wieder
hier der Verf. gegen sein eigenes Princip anderer Meinung ist*
Dieses soll nun als ein Beispiel gelten.
Das siebente Gapitel von der Absolution ist wieder selir reiek-
haltig: nur hätten wir gewünscht, dass das forum poli und das fo-
rum fori besser unterschieden wären : besonders, weil das erste fibar
diese Erdenwirkung hinausgreift Zeigen würde sich hier, weldM
Beschränkung die Kirche selbst in dieser sogenannten Ansschliesss«;
sich desshalb auferlegt hat; weil ihr Zweck kein anderer ist als die
Ariilophanef FrOsche von Tb. Kock. 757
Wohlfahrt der Christen. Immer kt der Excommonfeirte schlimm
genug daran, denn wer erkennt die Stunde des Todes? Man yer-
gleiche dazn das Bncb S. 18 ff. — Das Concilium von Trient hat
bekanntlieh in dieser Lehre nichts verändern wollen. Einige Röck-
sleht bitte aber doch anf die Verbftltnlsse genommen werden kön-
nen, die in jener Verhandlung vorkamen. Das Bach wird gewiss
eine aweite und weitere Auflage haben. Sollte es einige der hier ge-
machten Bemerkungen berücksichtigen wollen, und namentlich würde
der Verfasser noch .ein gutes Register geben, was am so nothwendiger
iat, als eine Menge einaelner Fälle hier behandelt sind, nnd jeder
das Buch gerne nachschlägt: so wird dieses Buch für das canonische
Recht des neunzehnten Jahrhunderts, als ein Muster der Behand»
lung einer Detaillehre erscheinen — eben so wie dieses im Anfang
dieses Jahrhunderts für das Civllrecht durch die Arbeiten Savig-
n y ' s und anderer der Fall war. Der deutsche Schriftsteller möge
sieh nur hüten, in die unglückliche Constructionsmethode zn fallen,
welche jetzt in der Erklärung des römischen Rechts so manche
Nachtheile herbeiführt. Indessen die Behandlung des canonischen
Rechts ist von solchen Gefahren auf andere Art bewahrt.
AuspefmhUe Komödien des Aristophanes^ erklärt von Theodor
Kock. Drittes Bändehen. Die Frösche. Berlin. Weid-
mann'sche Buchhandlung 1856. 221 8. in ,8.
Es bildet diese Bearbeitung der Frösche des Arlstophanes, wel-
che aof die ähnliche der Wolken und Ritter gefolgt ist, einen Theil
der für Schulen zunächst berechneten Sammlung Griechischer und
Lateinischer Schriftsteller mit deutschen Anmerkungen, welche von
den Herren Haupt und Sauppe herausgegeben wird. Wenn wir nun
gleich der Ansicht sind, dass es einem besonnenen Lehrer wohl
kaum in den Sinn kommen kann, mit Schülern, d. h. Gymnasiasten
oder Lyceisten, die Stücke des Arlstophanes in der Schule zu lesen,
zu deren Verständniss und richtiger Auffassung ihnen so Vieles ab-
geht, so halten wir doch auf der andern Seite die Leetüre und das
Studium dieser Dramen für unerlässlich bei jungen, angebenden
Philologen, wie überhaupt bei allen denen, welche die Attischen Zu-
stände, Attisches Leben und Treiben näher kennen lernen wollen,
und darum vor Allem an den optimus magister morum Atticoruro,
wie schon Casaubonus den Arlstophanes nannte, zu verweisen sind.
Wer nun nicht die grösseren Ausgaben, namentlich diejenigen, in
welchen die Schollen und die Anmerkungen aller der Gelehrten, die
mit Arlstophanes sich beschäftigt haben, zusammengestellt sind, zur
Hand hat, oder auch noch nicht so weit ist, um von denselben den
gebörigen Gebrauch zu machen, wird, wenn es ihm um die Leetüre
des Arlstophanes wirklieh Ernst ist, das Bedürfnis« einer ihn för-
TS8 AtiMpknw FrilMh» tob Tk lodk.
deraden ErUlmiig, so wie überhaupt ekier zwwkmäaag^n Anleüime
bald empfindoi. Einem solchen, und zwar wirklichen BedürfnisB
wird dann aUerdings «ine Ausgabe , wie die oben angezeigte der
Frösche entqirechen ; einen solchen Zwedc scheint auch der Bear*
beiter derselben, wenn wir anders aus der Art und Wei^e seiner
Bearbeitung einen Schinss au machen berechtigt sind, Tor Aogea
g^abt zu haben: wir glauben auch für einen solchen ZweA seine
Bearbeitung mit allem Rechte empfehlen zu können; denn sie ist
iB eiaer fttr solche Zwecke befriedigenden Weise ausgelallea; der
Bearb^ter, dem bei diesem Stücke allerdings gute Hülfomittel wr
6eite standen, wir erinnwn nur an Fritzsche's Ausgabe und Com"
mentar, hat davon den für die genannten Zwecke entspreebendes
Gebrauch gemacht, ohne jedoch die Selbständigkeit der eigenen Be*
arbeitnag aufzogeben, die wir allerdmgs an mehr als einer Stelle
wahrnehmen« Eine ausführliche Einleitung (S. 7 — 42) geht dem
Texte Toraus: sie behandelt zuerst die historischen Verhältnisse, unter
welehen die AusAihrung des Stückes statt gefunden und ohne demt
nähere Kenntniss das Verständniss des Ganzen unmöglich ist, be-
spricht dann auch die literarischen Beziehungen, namentlich das T«-
hältniss an Euripides, und giebt darauf (p. IV) eine genaue lieber-
Sicht des Ganges, den der Dichter in diesem Stücke genomnaen hat,
der Handlung selbst und deren einzelne Theile und Abschnitte.
Darauf folgt der Text mit den darunter gesetzten deutschen An-
merkungen, welche das Sprachliche wie das Sachliehe gleichmässig
berücksichtigen und damit dem Leser eine wirkliche Nachhülfe und
eine Unterstützung bieten, die ihm allerdings zum vollen Verstand»
niss des Ganzen nothwendig ist. Wir müssen auch rühmend aner-
kennen, dass der Verfasser in diesen Bemerkungen ein gewisses
Maass zu halten verstanden hat, wodurch eine gewisse Gleichmfiss^
keit in seinen Anmerkungen erzielt ist, wie wir sie nidit insser
bei solchen mit dentschen Anmerkungen versehenen, für die Schule
oder die Privatlecttire bestimmten Ausgaben, vorfinden, wo bald
ZQ Viel, bald zu Wenig für die Erklärung geleistet ist, eben weil
man sidi des Zweckes, dem diese Erklärung dienen soll, nicht ganz
klar und sicher bewusst ist. Wir wollen keine Beispiele des Ge-
sagten anführen, uns vielmehr freuen, in der vorliegenden Bearbei-
tung eines Aristophanischen Stückes diesen Missstand vermieden sa
sehen. Was vom sprachlichen, und theilwelse selbst grammatisciien
Standpunkt aus, eine Erklärung für die oben bemerkte Classe tob
Leser erheischte, wird erldärt, aber mit einer gewissen Kürze und
Präcision, öfters selbst mit Angabe, oder vielmehr wörtlicher An-
führung von Parallelstellen, die für die Erfassung solcher Gegen-
stände erspriesslich und selbst nothwendig sind, jedoch nicht ohne
weitere Verweisung auf gelehrte Werke, welche dem, der diese
Ausgabe benutzt, doch kaum zu Gebot stehen. Mit gleicher Ge-
nauigkeit finden auch die sachlichen Punkte diejenige Erklären^
weldie den Zwecken der Ausgabe entsprechend, nicht in weitläufige
ArutopküBoi Fröicb« voo Tk Kock. 759
Erörtenuigeii (was« hier allerdinga mancher Anlwe g^eben war)
•ich eialSsati sondern das Wesentliche in gehöriger Weise mitlheilt.
Dass , wie schon oben bemerkt , der Gommentar voo Fritaschf
vielfach hier benutzt worden, wird vom Verfasser nicht in Abrede
gestellt, es wird daher auch der Name dieses Gelehrten gegen die
io dieser ganaen Sammlung von Ausgaben eingeführte Uebang, hier
nnd dort insbesondere angeführt; diesem Gelehrten folgt der Ver-
fasser auch meistens in der Bildung nnd Gestaltung des Tbxtes ; die
Kritik selbst wird in den Anmerkungen nnr da berührt, wo die ver-
schiedene Lesart auf die Auffassung und den Sinn der Stelle von
wesentlichem Einfluss ist, und darum in den erkUirenden Afimer«
kungen nicht übergangen werden konnte. Ueber dam hat der Ver-
fasser am Schluss seiner Ausgabe auf m'cht ganz drei Seiten ein
Verzeichniss der Abweichongen seines Textes von dem der Poetaa
»cenici von Dindorf (1830) beigefügt. Diesem Verzeichniss geht
voran eine nützliche Uebersicht der hl den einzelnen Theilen des
Stückes von dem Dichter angewendeten Metra, in den dialogischen
Abschnitten eben so wie in den lyrischen, so dass man das Me-
trum eines jeden einzelnen Verses hier angegeben findet.
Wir könnten mit diesem Bericht über die Anlage und den
Charakter dieser Bearbeitung schliessen , um so mehr , da die
Anmerkungen , wie wir schon oben angemerkt haben , im Gan*
zeo meist befriedigend ausgefallen sind : wir glaubten jedoch,
dem Verfasser wie unsern Lesern gegenüber , die Besprechung
einiger Steilen nicht übergehen zu dürfen, in welchen wir die An-
sicht des Verfassers nicht theilen können. So hat er z. B. Vers
404 die Vulgate 6vyaQ xarsöxiöai (uv inl ydlan^ — xa^ßVQ^^
welche Fritzsche und Dindorf beibehalten, verlassen, und weil in
der Ravennatischen Handschrift steht xataöxf^0 fji^v und i^tuf^g^
aus den ersteren beiden Worten xara6xt,6afi€vog gemac»it und
dieses in den Text aufgenommen, wir zweifeln ob mit Recht, da
wir den ersten Theil dieser Periode 6v yä^ 7taxBiS%Cß(o x, z. L als
einen selbständigen Gedanken auffassen, zu dem dann als eine daraus
weiter hervorgehende Folge das mit einem nachdrucksvollen nutl
aogeknupfte xal^evQag (für 7^1 ilav^sg) sich passend anreiht. Eben
so halten wir auch die zu Vs. 414 ff, ausgesprochene Vermuthung,
welche Vs. 414 und 415 nicht dem Dionysos und Xanthos beige-
legt wissen will, sondern annimmt, dass zwei Jünglinge auf dem
Chor selbst mit diesen Worten sich unter die Mädchen gemischt,
für unbegründet, und selbst unwahrscheinlich ; eben so wenn Vs* 569 ff.
eine jede der beiden navdoTcavxQuu noch eine Magd bei sich ge-
habt, also nicht allein, sondern von einer Magd begleitet aufgetre-
ten sein soll, welche Mägde dann nach der Meinung des Verfassers
abgeschickt werden, um Kleon und Hyperbolos zu holen: während
die TCaväoHsvtQiat es selbst sind, welche beide herbei holen wollen;
auch lüer vermissen wir die Grundlage zu einer solchen Annahme,
die aus den Worten des Dichters selbst sich nicht erweisen lässt.
700 Arbtophuief FriMche von Th. Kock.
1
Eben so wenig können wir der ErkUrong des Ver&aien bettrelen
Vb. 948. Enripides rühmt sich im Vorhergehenden der Art and
Weise, in der er das Drama behandelt, nnd wie er die anflfeteo-
den Personen habe reden lassen nicht Beliebiges, wie es der Zafali
gegeben, sondern wie der zuerst auftretende Schauspieler gleich das
^y^vog^ — das Oeschlscht, den Charakter des Stückes angegebea
(mit Bezug auf Aescbylus, der in seinen Stücken diess vernachlis-
sigt und die zuerst auftretenden Personen verhüllt und schweigend -
auf die Bühne gebracht Vs. 911 ff., so dass die Zuschauer in ihrer'
Erwartung getSuscht, nicht den weitern Verlauf des Stückes ahnea
konnten); darauf fiüirt Euripides fort: ijutv d«6 top x^^m&p
ixäv oÄ6h/ «ocgiiH av agyov^ aXX iJieyev ij ywi^ t£ (KH jm
dovlog ovdhv rjfcxov x. r. A. Hier glauben wir die Worte am
räv 7CQcitG}v inäv nur so verstehen zu können: von den eralen
Worten an, also den Eingangsworten, vom Anfange an, wo sehoa
der Charakter des Stückes (ro yivoi) angedeutet war, Hess ich jede ;
der auftretenden Personen nichts Müssiges, üirem Charakter nicht
Zusagendes vorbringen, sondern alle gleichm&ssig an der Handlung
Antheil nehmen , und so sprechen , wie es ihre Rolle , ihrem Cha» -
rakter zukommt ; es trat also dann keine Pause, kein Stillstand ein, *
wie etwa bei Aeschylus, der am Anfang des Stückes seine Personen
verhüllt uns vorführt und sie nichts reden iSsst, dagegen mit unge-
messen langen Chorliedern dann gleich einf&llt Der Verfasser da-
gegen glaubt, dass ano räv xpcitcn/ iTtäv heisse: »von der
Hauptrolle angefangen", ja er vermutbet sogar, dass der s
Text nicht richtig sei , sondern zu lesen : insvta XQogmyt(ov xmv '
^ftcSi/; dann wSren also, auch wenn wir diese Erklärung von sprach-
licher Seite für richtig ansehen wollten, die nachher angegebenen Rol«
len, i; ywii^ dann o dovXo^^ 6 dsanonjs^ ^ nagO'ivog^ ^ yQocv^ als lanter
Nebenrollen zu fassen, was aber gewiss nicht indem Sinne des
Dichters liegen kann, der nur das besagen will, dass alle die anf-
tretenden Personen, welcher Art sie auch gewesen, glelchmSssig den
gebührenden Antheil, wie er ihrer Bolle zukam, an der Handlung
genommen, keine solche Bevorzugung (wie etwa bei Aeschjlua hi
übermässig langen Reden und Chorliedem) statt gefunden, sondern
die Oekonomie des Ganzen, wie die Charakterhaltung stets gewahrt
worden. Hiemach werden wir also auch den Verbesserungsvoraehlag
nQogdneyif xmv ifiäv abzulehnen haben, eben so wie wir auch Vs. 957
(yo€tv^ OQcev^ JspviJvcu^ ötQitpBiv^ igav^ npfalBiv) den Vorschlag,
statt igav zu lesen di^Biv herunterreissen, wie Vesp. 485, nicht
geeignet finden können, da wir nicht recht einsehen, was damit
überhaupt Besseres gewonnen vrird statt des von andern Erklärem,
namentlich auch von Fritzsche beanstandeten iQÜv^ welcher am
liebsten 0rifoq>wv i^äv lesen möchte , wenn es die Handschriften
brächten, vorerst aber sich begnügt 0tQd(pHv mit igav zu verbinden
und von letzterm abhängig zu machen, was uns aber auch nicht
recht zusagen will, da hier lauter für sidi bestehende Infinitive, deren
^ AriftophaBM PrOtche yoii Th. Koek. 7«!
jato MineD Tollen Verimlbagriff in sieh schliesst, Torgebracht wer-
d6Q. Und am Ende sehen wir nicht ein, waram nidit in dieser
VerbindoDg mit dem 0tfiq>siv und mit dem rexyiißiVj mit dem
sich drehen und wenden, mit dem Ansetteln von Ränken jeder Art,
aneh das epov, das Ansetteln von Liebschaften und Liebelejen,
seine Stelle behalten könnte. Ein ähnliches Bedenken trifft eine
andere so Vs. 1001 vorgeschlagene Verbesserung. Es ist die An-
sprache des Chors an Aeschyius, sich ruhig In der Erwiederung auf
des Euripides Angriff sn halten, nicht von seinem Zorn sich fort*
reiflsen eo lassen, sondern die Segel (des Zorns gleichsam) ehian-
siehen und nur die Spitxen derselben In Anwendung au bringen
d. i. am Anfange mit grösserer Buhe in der Widerlegung zu ver*
fahren, dann aber wird er aufgefordert : slra luillov [ucXXov Sj^eis^
was doch nur den Siun babep kann: darauf wirst du die Segel
wieder mehr aofaiehen und also mit volleren Segeln gegen ihn an-
dringen; woran sieb dann der weitere Rath knüpft: xtd q^vla^sigy
rpfix av %6 xvevfux Xalov xal xa^i0T7ix6g Äaßys d. i. dann aber
wirst du sorgsam zu achten haben, einen mehr steten und einen
mehr gleichmfissigen Wind zu gewinnen, uro mit desto mehr Sicherheit
und Erfolg auf den Gegner einendringen. Nun will aber der Ver-
fasser in den Worten elra fucXXov iiaXXov aj^eig lesen eX^Big für
«$£!£, weil man sage Shtsiv tä türia , die Segel aufziehen , öffnen,
wie Odyss. 11, 426, wo allerdings dieser Ausdruck vorkommt, aber
mehr das bezeichnet, was wir das Segel aufhissen nennen;
dieses aber passt nicht in unsere Stelle, wo das schon aufgehisste
Segel erst eingezogen und dann wieder gehen gelassen werden soll;
wir möchten daher, da a^ßig^ von ayto abgeleitet, allerdings Schwie-
rigkeiten macht, lieber mit Fritzsche lesen aieiq seil, xa/tg htioig^
d. L du wirst in die Segel hineinfahren, d. l stürme mehr mit den
Segeln, segele also wieder schneller; weshalb wir auch die deutsche
Ueb€rsetzung bei Pemice nicht richtig finden können: j^treibe dann
ganz sachte, sachte^, weil sie uns gerade das Gegentheil von dem
au besagen scheint, was der Sinn der Stelle und der Zusammen-
hang des Ganzen erheischt. - Eine andere sogar in den Text auf*
genommene Verbesserung Vs. 1301 will uns auch nicht zusagen.
Aescbylns will die Quellen der Euripideischen Poesie, die Stoffe,
aus denen er seine Dramen zusammengestöppelt, angeben, und spricht
diess in folgenden Worten aus: ovrog (Euripides) & ano navrmv
^ff^^av^ jf>QBÜav. Hier tritt in noqvidCcav ein metrisches Beden-
ken uns entgegen, das schon Fritzsche näher besprochen hat, ohne
jedoch eine bestimmte Aenderung sich zu erlauben: „Nondum tamen,
sagt er, hoc Vitium emendare contigit.^ Herr Kock schreibt dafär
nafOivCmv nnd will die na(foivia ^on den gleichgenannten 0x6-
ha in der Weise nnterschieden wissen, dass letztere die von Ein-
zelnen gesungenen Lieder seien, jene dagegen solche, welche von
Allen gesungen werden: die zur Begründung angeführte Stelle des
7M Braim: Vh Trojapcr ap RWi.
AtfaenKtui XV. p. 694 A beMgt diesi ab« oiv dorcb «• tm V«>
CaMer bai«iiig«legte Dentaag; Athentkia i^bt dia Art und Weue «i,
in der die Tdnklieder gasoogen werden, bald so daa« Alle sDgMeh,
oder Einselne abwecbeelnd in der Beibeofolge daran TheU neboMD,
dann ftthrt er fort: t^ov 6d (nenilich ydvos)f ov ft^t^ov ovxiu
guivtesj iX£ ot Cwetoi iloKainnr^^ slvtu: und dieü aollen non uA
da« Verfaatera Meinung die 6x6iuc sein.
Allein einen solchen Beweis wird man niebt wohl als genfigwi
anaaerkeonen im Stande sein, und noch weniger daranlhin äse
Aandarung in dem Texte seihst begründen wollen. Der Vennolhsiii)
welche die Verse 1460—1466 für ein fremdartiges Einschiebsel Ul^
können wir ebenblls nicht beipflichten, weil wir dies« Verse sag«
ffir notbwendig in den Zusammenhang des Oanaen halten.
Chr. flUlkr.
{Braun^ Prof.) DU Trojaner am Rhein, Fest -Programm «
Winkdmann's OdmrMage am 9, Dec. 1866 ß her€KMge§t^
vom Vorstimde des Verem von AUerthums-Freunden im Rkm
lande. Bonn 1866. 8. IV. 63. 4.
Es ist noch nicht lange her, dass nicht sagenhaft, nicht pos-
tisah, sondern schier im historischen Oewande der trojanische Kmg
sogsir wie im Ernste an den Rhein und die benachbarten Linder
verlegt worden: in so weit hatte sich hie und da die aUe Ssgl
yeistKrkt, während fast sogar an Ort und Stelle jeder Znaann«-
haag mit den alten Trojanern geleugnet, und die Sage als ein eoi ,
apitt eatstaadenes Mährchen angesehen wurde. Um nun in distfj
schwanlieaden Ansichten eine gewisse Festigkeit zu bringen, ist tot
Allead notbwendig , die einxehien Nachrichten , die wir fibeiraU le^
streut finden, au sammeln, um auf dieselben ein«i richtigen SeUM
au bauen. Hiesu dürfte nun kaum ein Anderer geeigneter aein» ib
der geldirte Verfasser gegenwärtigen Programms, dem wir sebii
so manche schöne Aufschlüsse über niederrheinische AlterthiM
und Anderes verdanken. Der Gang seiner Untersuchung ist fol-
gender. I
Zuerst werden die Quellen , worin das jetaige Xanten Tmqi
oder Klein^Troja genannt wird, genau aufgeführt, die älteate in <«•
An^eiled um d. J. 1170, oder vielmehr eine Urkuiide vom J, 1047;
in äUerer, namentlich der römischen Zeit findet sich diese Beaai'
sung nicht, wenn man nicht Traja im Geogr. Bavenn. für eiü*
Fehler des Abschreibers für Troja halten will, wie umgekehrt w^
einer Makiser Inschrift leg. Trojana stett Trajaaa steht, wie te
Verfasser richtig bemerkt, und wie schon Opitz den Namen Tr^
am Niederrhein aus Trajanus durch Verwechslung eines Bucbstsbisi \
herleitete. An den Ort ^o knüpfen sich nicht faste NachridiM |
dagegen bemeri^t der Verf. richtig, dass daa Dasein Elein-Troj»^
Bnia: Dit Trojaner am Rhais. 763
Ml unteni Rbeio auf aineiD breiteren Grunde beruhe oad ao wen-
clet er sich zu den Franken, welche mit jener Sage in enger Ver-
bindung stehen: indem nun der Verf. Yon dem alten Frankenbnnde
ansgefat und zeigt, wie bei manchen Tugenden, welche die Franken
von den tibrigen Germanen voraus haben, die labrica fides dersel*
ben schon von den Alten erkannt war; wird, da Ghlodowig bei
leiaer Taufe au Rheims Sycamber angeredet wurde, auf dieses
alte Volk tibergegangen, das den Römern bekanntlich immer snm
Schrecken gereichte, wobei wir lieisetaen wollen, wie sie vor Allem
4i6 Ursache gewesen au sein scheinen, dass die Römer und schon
Drnsus so grosse und starke Vertheidigungsmittel am Rheine in
Anwendung brachten; denn wenn schon Mainz lange Jahrhunderte
hindurch der Hauptaitz der rlieinischen Streitmacht gewesen an sein
aehwnt: so war doch Köln, das den Sygaml>em gegenüber liegt,
der Ausgang^unkt jener Vertheidigungen und fortwftiireod neben
Mainz der Sitz eines Legaten u. s. w. Die gewöhnliche Meinung,
daas Tiberius alle Sygamber an das linke Rheinufer versetzt habe,
wird als irrig zurückgewiesen, indem ein kleiner Theil wenigstens
wie Strabo sagt, aber ein immer furchtliarer zurückblieb, was aus
apfttem Diditerstellen hervorgeht, welche, wie der Verf. sagt, ins
LSeberliche fielen, wenn man nicht eine Existenz der Sygamber am
rediten Ufer annehmen dürfte oder vielmehr müsste. Ebenso kann
die Ansidit, dass der Name der Franken an die Stelle der Sygam»
ber getreten sei, nur also gefasst werden, dass wohl alle Sygamber
Franken, aber nicht alle Franken Sygamber waren, doch bildeton
sie den Kern der Franken und der alte Ruf ihrer Tapferi^eit trug
sidi anf diese über, daher mag auch Ghlodowig mit diesem Namen
genannt worden sein: ja von den alten Sygambern mag sogar das
jetzige Wappen der Bourbonen, die drei Lilien, herstammen; denn
da dfie Sygaml>em namentlich in der spätem Zeit, wo sie zu den
Franken zählten, in den Sümpfen des Rheines in den Niederlanden
wohnten, so wird ihr Wappen: drei Frösche, eine für Snmpfbe-
wohner recht passende Bezeichnung, von den Franken in das er-
oberte Land gebradbt worden sein, denn „in der eigenthümliclien
Abbildung der französischen Lilien, wie sie sich bis in die jüngste
Zeit erhalten haben, kann man eben so leicht drei Frösche als drei
Iiilien erkennen*^ (S. 29). So wie aber die Franken von den Sy-
gambern abstammen, so stammen diese von den Trojanern her,
„welcher OIaul>e nicht etwa ein poetischer ist wie in dem AnnoHede,
aondem ein solcher, den sich auch die geschichtliche Mittheilung
angeeignet hat und der bis in die spätem Zeiten fast unangefoch-
ten worden ist^; und so werden von dem sorgfältigen und fleissi*
gen Verfasser aus den alten Geschichten und Chroniken die einzel-
nen Nachriditen ausgehoben, welche Sagen über die Wanderung
der Trojaner nach der Zerstörung ihrer Stadt an die Donau und
den Rhein enthalten ; hier fignrirea Antenor, der an die Donau ver-
setzt wird, Priamus, nicht der alie Troer König, sondern ein Enkel
764 Brtan: Die Trojtner am Rhein,
oder Urenk«! des Antenor, ein Tiel apäterer NacUommen Fraadr XL
8. w.; unter Antenor schon nannten eich die Trojaner Sygamber, doch
BOit Franek kam statt dessen der neue Name aUmShlig aaf ; and
wenn gleich die Chronologie hie und da um 500 Jahre und mehr
TornachlSssigt wird, die Chroniken merken es nicht, und wir, die
wir die Fehler einsehen, denken, sie hfitten aus Unwissenheit gefehlt
wie schon die Alten, e. B. Justinns bei Ersählung dff jQdisdMB
Geschichte; wir könnten aber auch eine andere und Tielleicht rich-
tigere Ansicht haben, von der weiter später. Schon Fredegar, der
älteste Geschichtsschreiber der Franken nach Gregor von ToQn, In
7. Jahrhunderte, will ganz genau den Ursprung der Franken Toa
Troja kennen; ob die Sage aber damals schon j^vollkommeii aos-
gebildet war^ wie der Verf. S. 84 annimmt, möchten wir Dickt ge-
rade sagen ; Fredegar bcEieht sich auf den h. Hieronymus, aber is
dessen Schriften findet sich keine solche Notiz, dagegen hat der
Verf. wahrscheinlich gemacht, dass Fredegar im Sinn habea modil»
eine Bemerkung, die wir im Chronicon Frosperi Tironis lesen, wof-
nach im J. 383 Priamus qnidam regnat in Francia, wobti aber
keine Verbindung auf den alten Troer König angebracht wird. Wenn
wir aber hierin eine solche finden: so hätten wir die Sage bis ins
▼ierte Jahrhundert hinaufgebracht; und nun sucht der VerC weitar
in den alten Klassikern ähnliche Spuren, welche einen noldiea
Zusammenhang haben oder andeuten könnten : und wmin aach diese
nicht ausdrücklich jene Abstammung beweisen, so scheinen aie doch
dem Verf. die späteren Annahmen der Chroniken zu bestätigen oder
zu erhärten: so findet er in Ulyxes, dessen Altar Tacit Germ. 3»
am Rhein in Asciburgium erwähnt, eine Beziehung auf die Frankeai
indem „unermüdliche Ausdauer mit unvergleichlichem Muthe^ sowie
▼öllige Missachtung der Wahrhaftigkeit bei ihm wie bei den Fran-
ken als Character gerühmt wird; auch die rothe Farbe der Ebyoe
bei den Franken (Deutschen), die sich beim nämlichen Odyssee^
bei dem Trojaner Ganymed, bei Achilles u. A. findet, und bei den
spätem Griechen selten war und für schön galt, auch das rheini-
sche Kleid (der Kittel, welches Wort von ;|r£TQ}i/ herkommt), der
Farbe und der Form nach mit dem griechischen verwandt, weiss
der Verf. in den Kreis seiner Untersuchung zu ziehen. Doch aus
dem Umstände, dass die Aeduer fratres und consanguinei von dem
römischen Senate, wie Caesar berichtet, genannt worden seien, wiQ
er nicht gerade dieselbe von den Trojanern herleiten, sondern jenes
Ausdruck mehr für ,,Consobrini^ halten, wie unsere Fürsten und
Könige sich Brüder und Vettern nennen, wenn sie auch durch keia
Band der Verwandschaft verbunden sind^, wiewohl auch Timage-
nes, ein Geschichtschreiber zu Augustes Zeit (nach Amm. XX. 9]
dieselben Aeduer und einige andere gallische Völker wenigstens voo
den nach Troja's Zerstörung in alle Gegenden verschlagenen Grie-
chen herleitete. Und somit kommt der Verf. auf die älteste QueUt
dieser Sagen, auf Homer selbst, dessen Weissagung über Aene»
2iller: BiolettoBg b die allfemeiDe l^idifofik 9tt
d« des tQchtIgen Herrn and Wiederhersteiler des trojanischen Beiehee
•0 gläaaend In ErfOUang ging, ide denn die Aeneide ,,ein Oedieht,
welches von den Römern neben die Diade und Odyssee gestellt
und selbst diesen vielfach vorgezogen wurde^ (mit Unrecht, fügen
wir bei) jene Trojasage für alle Zeiten weit verbreitete, nnd wSh-
rend fortwlihrend das römische Volk seines Ursprungs von Ilium
eingedenk blieb and daher die Einwohner von dem spätem Ilinm
in Kriegen und bei andern Gelegenheiten manche Berückdchtlgung
fanden — wie der Verf. genau angibt — ebenso war die Erinne-
rung an Aeneas In Latium tief eingedrungen, wenn auch die Stadt
KleJn-Troja, die er suerst dort in der Nähe von Lavinia erbaute,
in der historischen Zeit längst verschwunden war, indem fast kein
anderes Land so viele Völkerschaften nach einander untergehen sah,
als gerade Latiom. Aber nicht nur hier, auch in Spanien, Britan-
nien (dessen Marne von Brutus, einem Urenkel des Aeneas herge-
leitet wird), Schottland u. s. w. leiten Völker und Fürsten aus
der trojanischen Zeit, von den Trojanern oder deren Feinden ihren
Ursprung ab, und so sehen wir schliesslich^ welchen grossen Weg
die Trojasage genommen, dasa sie, wie wir sutetzen, fast im gan-
zen Westen — vielleicht auch im Osten? — verbreitet war, und
man flberall sich bemühte, Völker und Fürsten mit ihr in Zusam-
menhang zu bringen ; diess aber ist uns eben verdächtig ; wenigstens
werden wir zu einem sichern Resultate niemals kommen. Das Er-
gebniss jeglicher Untersuchung wird hier immer ein negatives blei-
ben; diess zeigt sowohl die fleissige Abhandlung des scharfsinni-
gen Verfassers, der wir manche Belehrung verdanken, als auch ein
etwas früher erschienener Aufsatz von Roth in Basel „die Troja-
sage der Franken (in der Germania, L), worin trotz der tiefiiten
Gelehrsamkeit der Verfasser zu dem Schlüsse kommt: „Zu bestim-
men jedoch, wie die gallische Trojasage ausgebildet wurde, wie sie
mit der der Griechen und Römern zusammenhing, und vollends was
am Ende der Kern aller Trojasagen sein dürfte, das überschreitet
die Gränzen unseres Vermögens.^
Kleiii.
Einleitung in die allgemeine Pädagogik von Tuiaco Zilltr^ Pri-
vatdoeerden an der ünivereität Leipsig. Leipzig 1866.
,,Dle vorliegende Schrift soll eine Darstellung der allgemeinen
Pädagogik nach Herbartischen Grundsätzen vorbereiten^, der Verf.
verspricht die Haupthelle dieser Wissenschaft zu bearbeiten „und
dabei der Erfahrung etwas näher zu treten als es im Plane Her«
bart's lag.^ Ueber den Plan, welchen er selbst der biet vorliegen-
den einleitenden Untersuchung zu Grunde legte, hat er sich leider
nidit näher ausgesprochen. Wir sind genöthigt denselben aus der
Ausfüfanmg zo entnehmen.
9M IROeri SiaMMag ib die aHgMeine Pldafofik.
Zaent bestimmt er den Begriff der Ersiekang «k ein« ^äb-
sichtilche und planmlaaige Einwirkang auf den ZSgltag, nadi am
Eltb sein geistiges Innere gestalten soH.^ Dieser J^riff, dar nr
nSchst als ein gegebener festgehalten wird, ist eine blosse Ns-
minaldefinition, welche sowohl den Zwedc als auch die MSgliehWt
der Erziehung noch anbestimmt Usst; es liegt aber In ihm bereHs
die Voraussetsang der BUdsamkeit des Zdgliags ($.3), wie dto
Abweisung einerseits latalistiscfaer Ansichten Ton der inner«« fitf>
Wickelung des Menschen, anderseits der Lehre von der tranacendsn
talen Freiheit (§. 3). Hierauf wurd (§. 4) tob der Ehifaeit 4es &<*
eiehungflfiweckes, dann (§. 5) von den HfllfswissenschafleB der Fi-
dagogik gehandelt: Ethik, Psychologie, Religionslehre. Ferner »igt
der Yerf. (§. 6)» wie wenig die Erfahrung für sich ailein geeigml
sei sum Führer auf dem Grebiete der Ersiehnng zn dienen , ad •
dass der Erzieher sich an eigene und fremde Erfiihrangen es hd»
ten suche, welche ausserhalb, oder an diejenigen welche isneriMI
seiner „persönlidien pSdagogischen Wirksamkeit liegen : daher heätd
er zum Gelingen seiner Th&tigkeit des Tactes, weldier auf dv
rechten Art der Anwendung und der rechten Verbindung swisehsi
Theorie und Erfahrung^ beruht ($. 7). AuA dieser hebt ün jede*
nicht hinweg über die Schranken, welche durch die Natur dm JSschs
gegeben sind, denn der Erzieher hat keine nnbeschrSakte Mabht
über den Z5giing und kann aus diesem nicht Alles machen, «•
er will. «Fene Schranken liegen zuerst in der anftngüehen B^
stimmtfaeit des Zöglings, die sich während seines späteren Lebsv
zum aller grössten Theile unverändert gieich bleibt, in dessen ss-
ttirlidier Anlage oder Individualität Indessen der Seele als tamm
einüuhen realen Wesen sind weder ursprüngliclie Kräfte odv
Vermögen, noch Keime der geistigen Entwickelung eigen, Bocb lit
in potentia etwas vorhanden, was der Erzieher zur Actnalitit über-
zuführen hätte; vielmehr liegen alle angeborenen Anlagen nur ii
den Eigenthümlichkeiten des Organismus (%, 8—10). Zu jen«
Schranken kommt femer hinzu, was der Verf. wMil unpassend j^dte
erworbene Natur anläge^ nennt, nämlich die Gesammüieit der io£-
viduellen Besonderheiten, welche das Kind schon in frühester Zei
in Folge der eigenthümlichen , sachlichen und persönlichen Umge-
bung bleibend erwirbt, in die es sich durch seine Gabsrt und mim
frühesten LebensveAältnisse versetzt findet ($. 11), es kemmC eid-
lich zu ihnen hinzu eine Summe von äusseren Missverhältnissen, mit
denen das wirkliche Leben Immer nnd überall das Erziehugsge-
achäft belastet und die natumothwendige Abnahme der BesUundMV-
keit des Zöglhigs mit fortschreitendem Alter (§• 12). „Die Beobach-
tung der Folgen, die diese Beschränkungen bei der Erziehung haben,
gewinnen nicht selten einen schädlichen Einfluss auf die OmndsSb»
des Erziehers*; daher liegt die üeberlegung darüber nahe, wie er
sldh jenen Schranken gegenüber zu verhalten, wie er sie anfnte-
sen, zu ertragen und gewähren zu lassen, sie m benuta^ mid n
Mar: tthMtaafr m die »t%ett»iiie Pldaf ogik. 9M
Tenrerthea, ofcr ihDM en^egeoBa wirken habe ($. 18 f.). Naeh
wenigen Worten über „Uanieren der ErEiehung*^ ($. 15) gibt der Yerf.
dne Reihe ^on rein psyehologieeben Erorteraogen über die verechie-
dcnea VoretellimgemasseDi die im Lmem des Z5gHng8 wirluem aind,
iber ihre Verbundenheit oder Unverbundenheit nnter sieh, Aber ihre
BeeiehuKge« «i den eogenanoten Seelenvermdgen , über Ihre Con-
itruelioB im Efnaelnen, endlich über die Art, «nf welche efeh die
Sewegungen ond Verbältnieee der Voretellongen im sprachRchen
Amdrack der Gedanken abspiegeln und in charakteristischer Weise
liondgeben ($. 16—18). In der nachgewiesenen Beweglichkeit und
Yerinderliehkeit der Vorstellungsmassen liegt der psychologische
Grand der Bildsamkeit des Zöglings: hieraus ergibt sich die Mög-
llehkek der Erdehung, während zugleich aus der Festigkeit und
Bestimmtheit der Form, welcher sich die Ck>nstraction der Massen
ailmlUig Buneigt, die nach und nach eintretende Abnahme jener
BiMsamkeit klar wird (§. 19); daraus aber, dass die f)Bste Form,
welche den Yorstollungsmassen im Laufe des Lebens eigen wird,
nicht dem Zufalle flberiassen bleiben, sondern sittlichen Zwecken
entsprechend gestaltet werden seil, ist die Nothwendigkeit der Er-
xlchung ersicfcilich (§. 20). Von aussen indessen und bloss durch
Thitigkeit eines Andern liest sich Sittliebkeit im Innern eines Men-
schen gar nicht her?orbringen , sondern nur durch dessen eigene
nstigkeit. Gleichwohl aber soll es das Thun des Erziehers sein,
deich das der Zögling sittlich wird: dieser Widerspruch löet sich
darch die zweifaeäe Zurechnung, welche einerseits dem sKtÜchen
Wollen des letzleren, andrerseits aber nicht minder dem des ecsteren
gilt (§. 21). Eise besondere Beriicksichtigung fördert ron Seiten
der Erziehung die Individualität des Zöglings, der sie mit der nöthi-
gen Feialieit und Geschwindigkeit Ihr Verfahren anpassen soll. Es
ist diese immer um so mehr möglich, auf Je Wenigere sich die Er-
ziehung zu Tortheilen hat: in der Familie am meisten, in der Schule
am wenigsten ($. 22). Um den Uebergang zum besonderen Inhalte
der aUgemeiBen Pädagogik selbst zu machen, ist endlich noch ein
BöekUiek auf den Zweck der Erziehung und eine nähere Bestim-
mnag desselben erforderlich. Dieser Zweck ist das Ideal der Per«
sönlidifceit, die Tugend oder die Liebe im christlichen Sinne als die
ia einer Person realisirte und zu beharrlicher Wirküdikeit in ihr
gekomtneae Idee der inneren Freiheit, und zwar so, dass innerhalb
dieser allgemeinen Aufgabe für die Entwicklung der indiriduellen
BgeDthtfmlichkeiten der EinzeHien nicht allein noch Raum gefrag
bleibt, sondern dass die Entwickehing dieser letzteren sogar selbst
aki eine elhisclie Forderung erscheint ($. 28). Die allgemeine PS^
dagogik hat sich nur mit der Dnlersuchong der Grni^begrilfe zu
besdiäftigen, die zugleich ihre Haupttheile bezeichnen (Regierung
oder Disdplln, Unterricht, Zucht oder Characterbildung) , wogegen
die specielloi der Erfahrung um Vieles näher tretend, ^^in den Zu-
766 Zitter: fiinleituaf in di« aUfeneiii« Pidago^
SAmmenBeUBUDgen der Begriffe weiter fortschreitet, oboe sie jedock
IQ erschSpfen oder erecböpfen za können^ (§. 24).
Es iat nicht leicht aas der TorsteheodeD Inhaltsangmbe ein BiU
▼OQ dem Plane an entwerfen, nach welchem die Sdirift gearbeitet
ist. Es scheint, dass sich mit der Aoseinandersetiong über den Be-
griff der Ersiehung (§. 1) die Erörterung über Möglichkeit, Noth-
wendigkeit und Zweck derselben (§. 19, 20, 28) am paaseadstea
verbanden haben würde, und dass jedenfidls die Einheit des letale-
ren (§. 4) nicht früher an besprechen gewesen wäre als dieser lels-
tere selbst. Hängen $. 1—3, 6—14, 16—21 unter sich wobl ood
auf natürliche Weise sasammen, so erscheinen dagegen $. 4 und S,
15^ 22 als anmotivirte Einschaltungen. Man wird geneigt sein tob
einer Einleitung in die allgemeine Pädagogik entweder eine Torlis-
fige Orientirung über die Wissenschaft selbst oder eine wissenachaft-
liche Erledigung der Vorfragen zu erwarten, welche den Zngaag
derselben erschweren: im ersten Falle eine mehr populär gehdteae
Uebersicht über die Lehre der allgemeinen Pädagogik, über ihre
Besiehungen zu anderen Gedankenkreisen, zu den Verhältniasen dss
wirklichen Lebens und über die Berührungen pädagogischer Tbl-
tigkeiten mit Thätigkeiten von anderer 'Art; hn andern Falle mat
Untersuchung über die Verhältnisse der Ueber , Unter- und Nebea-
ordnnng, In denen die Pädagogik zu andern Wissenschaften steht,
über den Ursprung der pädagogischen Hauptbegriffe aus der Ethik
und Psychologie, über die Voraussetzungen, welche der Begriff der
Erziehung einschliesst oder abweist, insbesondere die Freiheüi-
lehre u. s. f. Der Verf. hat, wie es scheint, die Lösung beider i
Aufgaben mit einander verbinden wollen und dadurch seiner Sache
geschadet. |
Diess zeigt sich hauptsächlich an den psychologischen Anseia- '
andersetzungen, die er §. 16 ff. gegeben hat, denn diese sind weder
populär noch ausführlich genug für den, der von Herbartischer Psy-
chologie noch wenig oder nichts weiss, sondern erst in dieses Ge-
biet eingeführt werden soll, sie sind aber auch zu sehr bloese Be-
Jationen für feststehend geltende Lehren und zu wenig principidl
gehalten, als dass aus ihnen mit der nöthigen Klarheit hervorgehen 1
könnte, auf welche Weise sowohl die Theorie als die Praxis der |
Pädagogik an jedem Punkte von den Gesetzen bis ms Kleinste ab-
hängig sind, von welchen das Seelenleben beherrscht wird. Es lIsBt
sich diess in der That auch nur einsehen, wenn man die Psycholo-
gie ganz und ungetheiit studirt Was p. 3 8 f. von dem Sitze der
Seele in der Varolsbrücke und von ihrer Beweglichkeit Im Mittei-
gebfane gesagt wird, hätte am wenigsten in so doctrinärer Weiie
vorgetragen werden dürfen als geschehen ist.
(Schkui folgt) I
i
■r. 41. HEIDELBERGER lUT.
JAHRBOCHEB beb LITEBATVa
' 4B9HBB^SSS9BnBBB^aS9^99SaBS9BBSiHHHBB99iHB9HilH9iBSHnHHi^
Zilier: Einleitung in die allgenneine Pädagogik.
(ScbluM.)
Nicht minder problematisch ist ein Theil dessen, was über den
EinfiusB des Leibes auf die Seele gelehrt wird, das nicht Proble-
matische dagegen ist za allgemein gehalten, als dass es psychologisch
oder pädagogisch fruchtbar werden könnte. So z. B. das Haupt*
resultat dieser ganzen Erörterung p. 43: „der psychologische Ein-
flasB bewirlct im Allgemeinen bloss, von welcher bestimmten Stelle
des Leibes er auch kommen mag, dass die geistige Regsamkeit des
Kindes dadurch gehemmt oder begünstigt wird, und somit nach irgend
einer Seite hin schwieriger oder leichter von Statten geht und ge-
ringere oder grössere Erfolge herbeiführt.^
Aehnlich wie mit den psychologischen Erörterungen verhält ei
sich mit den ethischen über den Zweck der Erziehung: ohne die
Idee der inneren Freiheit selbst zu entwickeln, wie man wohl von
einer Einleitung in die Pädagogik fordern dürfte, stellt sie der Verf.
in rein dogmatischer Weise als Erziehungszweck hin. Nur wer mit
Herbart's praktischer Philosophie bereits näher bekannt ist, begreift
und versteht, woher diese Idee selbst kommt und worauf ihre Be-
rechtigung beruht an die Spitze der Pädagogik zn treten, wenn ihm
auch nicht so unmittelbar klar sein dürfte, weshalb die erste der
fünf praktischen Ideen mit Ausschluss der übrigen diese Stelle ein-
zunehmen habe. Wollen wir mit dem Verf. auch nicht darüber
rechten, dass er auf abweichende Ansichten fast gar keine Rück-
sicht nimmt, da ja innerhalb der Herbartischen Schule das System
der Philosophie als solches nun einmal für abgeschlossen gilt, so
muss sich der Unterz. doch wenigstens gegen den ihm gemachten
Vorwurf (p. 9. Not) eines Missverständnisses von Herbart's Lehre
yerwahren. Der Verf. würde in der von ihm citirten Stelle bei ge-
nauerer Erwägung statt des von ihm angedeuteten Sinnes, vielmehr
die Behauptung gefunden haben (bei der der Unterz. auch jetzt
noch beharren zn müssen glaubt), dass Herbart sich einer Inconse-
qnenz schuldig gemacht habe, indem er bei aller Betonung der
Einheit des Erziehungszweckes dennoch zugleich vom Erzieher for-
dert, dass er ausserdem auch noch für die bloss möglichen Zwecke
arbeite, die der Zögling in Zukunft sich setzen werde. Ganz den-
selben Widerspruch zwischen der Einheit des Erziehungszweckes und
der nnverbundenen Mannigfaltigkeit „der besonderen Zwecke des
Zöglings^, denen der Erzieher ebenfalls dienstbar werden soll, finden
L. Jahrg. 10. Heft. 49
wSr $,vlA beim Verf. (p. 105), g«ns abgeiehen daTon, dasa Ae
Einheit de« Eriiehongtsweckes bei Herbart dareh die FSofsahl der
praktischen Ideen gefllhrdet wird, die auseinander anableitbar sbid,
so dass, wie der Verf. selbst anerkennt (p. 11), die Einheit des
pädagogischen Zweckes wie die Einheit der Idee des Guten sdbst
nichts Heiter ist als eine blosse „Zusammenfassung eiaer
Mehrheit ursprünglich evidenter Musterbilder für den Willen', sa
welcher „die Einheit des persönlichen Bewusstseins binaugedacht
ist^, d. b. die Einheit ist eine gänslich subjective, blos coUectiTe.
Der Verf. erstrebt, wie er schon im Vorworte bemerkt, „äse
Ausgleichung mit der religiösen Richtung der Pädagogik.^ Diesi
hat ihn zu der einzigen bedeutenderen Abweichung von Herbsrt's
Ansichten vermocht, die sich in seiner Schrift findet: sie besteht
darin, dass er die Religionslehre (die lutherische Dogmatik? oder
eine andere? eine Religionsphilosophie? und welche?) als Hülb-
wissenschaft der Pädagogik bezeichnet, die Religionslehre, die bei
Herbart wenigstens keine Wissenschaft ist. Wie der Verf. (p.35)
das „Factum der Erbsünde^ mit seiner Leognung einer der Sede
angeborenen Bildung zum Guten oder Bösen in Einklang zu briz-
gen weiss, ist uns unklar geblieben; nicht minder wie er (p. 96)
das Ziel der Erziehung in ein ideales Jenseits verlegen, aua mors-
liscben und religiösen Elementen zusammensetzen, und doch dab«
nicht allein die Einheit des Erziehungszweckes festhalten, sondero
diesen auch mit Herbart aus der Ethik allein abzuleiten versuchen
könne.
Je mehrere Ausstellungen wir genöthigt waren an der vorlie-
genden Schrift zu machen, desto tiefer fühlen wir die Verpflichtung,
schliesslich auch das Lobenswerthe hervorzuheben, das ihr eigen ist
Nicht allein ist die Darstellung im Einzelnen klar, einfach und prädi)
sondern es fehlt auch nicht an einer Menge von werthvollen Be-
merkungen, welche zeigen, dass der Verf. mit grosser Umsicht und
Feinheit die so äusserst abstract gehaltene Pädagogik Herbart's fSr
die Praxis der Erziehung fruchtbar zu machen verstanden hat —
eine Leistung, zu welcher nur wenige Pädagogen der Jetztzeit eine
gleiche Befähigung besitzen dürften. Besonders interessant und Idir
reich wird er da, wo er den allgemeinen Begriffen den Rücken wendet
und der Erfahrung näher tritt; als am besten gelungen darf wolii
das §. 6 über die Erfahrung, und das $. 22 über die Behandloa;
der Individualität Gesagte bezeichnet werden, und insofern es ge-
rade der Hauptzweck des Verfl's war, die abstracto Pädagogik der
Praxis des Lebens näher zu führen, dürfen auch wir von seiMP
Werke sagen, dass es seines Zieles nicht verfehlt habe.
Ziller: Die Rei^eraof der Kinder. ^1
Die Regierung der Kinder. Für gebildete Aeltem, Lehrer und
Studirende hearbeüei von Dr. Tuisco ZtUer^ Privatdocenten
an der Universität Leipzig. Leipzig 1867. 2^2 8. 8.
Das vorliegende Buch, welches unter der grossen Menge all-
Jährlich erscheinender pädagogischer Schriften sich in vieler Beziehung
auszeichnet und der Aufmerksamkeit der Lehrerwelt warm empfoh-
len zu werden verdient, gehört, wie schon der Titel diess hervor-
treten ISsst, der Herhart'schen Schule an : von den drei Hauptzwei-
gen des Erziehungsgeschäftes, Regierung, Zucht und Unterricht, er-
fährt hier der erste eine specielle theoretische Bearbeitung.
Zuerst (p. 1 — 20) wird der Begriff der Regierung untersucht.
Dieser ergibt sich daraus, dass schon das Kind wie der Erwachsene
Olied einer Gesellschaft ist, die zu ihrem ungestörten Bestehen von
jedem Einzelnen Beschränkung in mannigfaltiger Weise verlangt.
Zu dieser ist das Kind selbst nicht aufgelegt noch fähig, daher die
Nothwendigkeit einer Regierung desselben, die ihrerseits noch nicht
Erziehung, sondern nur eine der äusseren Bedingungen derselben
ist, da sie das Kind erst fähig machen soll, Glied einer geordneten
Gesellschaft zu werden und sich durchgängig innerhalb der Grenzen
zu bewegen, von deren Einhaltung das Bestehen der letzteren ab-
hängig ist.
Hierauf geht der Verf. dazu fort die Massregeln der Regierung
im Allgemeinen zu besprechen (p. 21—43). Diese sind von dreier-
lei Art. Zuerst die verschiedenen Beschäftigungen, die dem
Kinde dargeboten werden, um es von Unordnungen abzuhalten und
seine Unruhe abzuleiten, denn unzählige Unarten gehen einzig aus
Mangel von Beschäftigung und aus Langweile hervor. Dieses sanfte
Regierungsmittel zeigt sich aber oft als unzureichend: es muss dann
die äussere Gewalt hervortreten, um die Ordnung besser zu
sichern. Diess geschieht zunächst in der Form von Befehl und
Verbot, denen sich zu grösserem Nachdruck die Drohung zugesellt.
Die Drohung und die Strafe, welche im Uebertretungsfalle auf sie
folgt, disponiren das Kind zu Verheimlichung und Lüge ; daher macht
sich Aufsicht nothwendig, die den verlangten Gehorsam zu überwa-
chen Jiat. Durch alle diese Mittel wird gleichwohl noch nicht ein
pünktlicher und williger Gehorsam erreicht, auf den die Regierung
jedoch nicht verzichten kann, weil Sicherheit der gesellschaftlichen
Ordnung nur durch Willigkeit des Gehorsams verbürgt wird. Daher
bedarf die Regierung endlich noch der Autorität und Liebe,
deren Wirksamkeit deshalb eine starke und zuverlässige ist, weil durclr
sie die Geistesrichtung des Erziehers dem Zögling mitgctheilt wird.
Im dritten und letzten Theile des Buches (p. 43 179), der
wohl zweckmässiger mit dem vorhergehenden in Eins verschmolzen
worden wäre, werden den eben bezeichneten Hauptgedanken ihre
näheren Bestimmungen hinzugefügt, um die Moralitäten ihrer prak-
tischen Ausführung gehörig überblicken zu lassen. Die Darstellunfir
772 Zilltr: Die R^fieranf d«r Kinder.
gewinnt hier die fUr den Praktiker wiinscheneirerdie Breite, ohne
jedoch weitschweifig su werden. Sie ist klar and wohlgeordnet,
benutzt sar Beleuchtung des Gegenstandes in zweckmässiger Weiie
die Parallele, welche sich zwischen der Regierung der Kinder uod
der der Erwachsenen im Staate ziehen lässt, und hält darchgaagig
die Hauptaufgabe, den Begriff und die Massregeln der Regierung
zu entwickeln, mit Strenge, vielleicht mit zu grosser Strenge fest)
indem sie in Rücksicht alles dessen auf spätere Arbeiten des Verü
verweist, was über die Art und Weise zu sagen wäre, auf welche
die Regierung mit der Zucht und mit dem Unterrichte un Verlnn-
dang zu setzen ist, und selbst über das Verhältniss jener beides
zueinander sich nicht ausführlicher ausspricht. Ueberall finden wir
die aufgestellten Lehren wohl motivirt und begründet durch psychih
logisches Räsonnement and es fehlt ebensowenig an tüchtiger Kennt-
niss des Schülerlebens und Schülertreibens. Als besonders gelungen
darf §.12 ^die Aufsicht als ein Glied in der Reihe harter Regie-
rungsmassregeln^ bezeichnet werden.
Bei so vielen Vorzügen des Buches ist es billig, auch von dos
nicht zu schweigen, was keinen Beifall verdient. Nach dem von
Herbart eingeführten und von seinen Anhängern beibehaltenen Spracb-
gebrauche werden mit dem Worte „Regierung^ die pädagogischen
Masaregeln bezeichnet, welche ausschliesslich der Erhaltung der
äusseren Ordnung dienen, welche nicht ergriffen werden im Interesse
des zu Erziehenden, am wenigsten etwa um ihn selbst innerlich za
bilden, sondern allein im Interesse der Gesellschaft, in der er lebt
und die er mit seinem undisciplinirten willkürlichen Handeln nicht
stören soll; die „Zucht^ dagegen hat ihre Zwecke im Innern dei
Zöglings selbst und strebt ihn geistig und sittlich zu bilden. Diess
widerstrebt zunächst dem gemeinen Sprachgebrauche vollständig,
denn „Ziehen, Züchten, Züchtigen» in der Zucht halten, Zuchtmei-
ster, Zuchtlosigkeit^ und alle ähnlichen Wörter weisen entschieden
auf Thätigkeiten und Verhältnisse hin, die nur wenig gemein haben
mit den höheren geistigen Zwecken der Erziehung und Bildung;
sie bezeichnen nur die äussere Seite der letzteren und die änssereo
Massregeln, die ergriffen werden können, um die Vorbedingungen all«
Erziehung sicher zu stellen. Dagegen steht das, was zum „Regie-
ren'' erforderlich ist, dem eigentlichen Erziehen offenbar viel näher:
man zieht Pflanzen und züchtet Hausthiere, aber regiert werden
können nur Menschen, denn man regiert nicht mit physischer Ge-
walt, die den Schwachen zwingt, drückt und in der Zucht hält, son-
dern nur mit geistiger. Es regiert nur der geistig Deberlegene,
gründe sich seine Deberlegenheit auch nur auf Vorurtheile, gdstige
Schwäche oder geistige Trägheit der Regierten. Deshalb hat der
Unterzeichnete jenen von Herbart angenommenen Sprachgebrandi
umkehren zu müssen geglaubt, und es wäre vom Verf. eine Erklä-
rung wenigstens darüber zu erwarten gewesen, aus welchen Grün-
den er sich dem nicht angeschlossen hat. Bei einem Blicke auf
Ziller: Die Regierang der Kinder. 773
die reichen Cita(e des Boches, die faet ausschh'esslicb der Herbart'schen
Schule von stricter Observanz entnommen sind, scheint es fast, als
strebe auch der Verf. nach einer möglichst festen Abschliessung
aller philosophischen Deberlegungen innerhalb der von dem Meister
einmal gezogenen Grenzen, nach einer Abschliessung, die der Fort-
bildung der Wissenschaft nicht eben günstig sein dürfte.
Wichtiger noch als das eben Bemerkte erscheint die ans der
Begriffsbestimmung de^ Regierung in Herbart's Sinne sich ergebende
Frage, ob denn eine Thätigkeit, die ausdrücklich nicht im Interesse
des zu Erziehenden selbst ausgeübt wird, noch zur Erziehung ge-
rechnet und wie sie dem Zöglinge gegenüber überhaupt gerechtfer-
tigt werden könne. Die Regierung „sucht keine bildende Wirkung
im Gemüthe des Zöglings hervorzubringen^, sie fordert jyden stren-
gen unbedingten blinden Gehorsam, der durch Furcht und Zwang
hervorgebracht werden kann^, es sollen in sie nicht ^Rücksichten
auf die eigentliche Erziehung und Characterbildung^ eingemischt
werden (p. 36). „Die Regierung rouss bloss als Macht empfunden
werden^ (p. 59), sie Ifisst nur den Druck empfinden „den die Ge-
sellschaft auf ihre Glieder übt^ {p. 62), „setzt nur die stärkere
Kraft gegen die schwSchere in Bewegung*' (p. 63). Der Verf.
geht in strenger Festhaltung dieses Begriffes so weit, dass er (p. 71)
die Strafen der Regierung, die er von denen der Zucht unterscheid
dot, sogar nur nach dem angerichteten Schaden abgemessen zu
sehen verlangt — abgesehen selbst davon, ob der Thftter ihn an-
richten wollte oder nicht I Wird denn aber das Kind dann nicht
gestraft für unverschuldetes Unglück, das ihm begegnet ist? Wirkt
dann nicht die Regierung bisweilen völlig unpädagogisch? Gilt ihr
nicht, wenn sie in dieser Weise von der Zucht abgesondert und
isolirt wird, der Vorwurf, den freilich der Verf. p. 63 abzuwenden
sucht, dass sie den Zögling durch ihre Zwangsmassregeln im sinn-
lichen Gebiete festhalte und es begünstige, dass er seine Handlun-
gen von sinnlichen Impulsen abhängig mache? Ist doch kurz vor-
her sogar von der Regierung verlangt worden, dass sie beim Stra-
fen selbst ^die schlechte Gesinnung, die der That zu Grunde liege,
vollständig ignorire^I Wehe der Erziehung, die sich hierzu verlei-
ten Hesse! Wo schlechte Gesinnung herrscht, da findet zwar die
Regierung wohl noch zu thun, aber alle ihre Massregeln wird sie
nicht selbstständig zur Anwendung bringen dürfen, sondern von andern
ihr selbst fremden Gesichtspunkten aus sich bestimmen lassen müs-
sen. Wir zweifeln kaum, dass der Verf. hierin uns beistimmen werde,
aber er ist der Ansicht, dass es für das pädagogische Handeln nicht
möglich sei, das Wohlwollen, welches straft in der Absicht zu bes-
sern, mit der Regierung, welche straft um Ordnung zu halten, ver-
einigt hervortreten zu lassen (p. 74). Geben wir ihm aber auch
die ganze scharfe Begriffsscheidung zu zwischen Zucht und Regie-
rung, so müssen wir doch nur um so stärker darauf dringen, dass
das pädagogische Handeln nicht einseitig verikbre, dass es prak-
774 Ziller: EinleitUQg io die al]|femeine Pida^ ogOu
tiflcb mögUcbst Tereinige» was theoretisch etreng geechledeo ist —
aod sollte denn nidit gerade darin das eigentlich Künstlerische beim
Ersiehungsgescb&fte so suchen sein ? Eine solche Vereinigang scheint
aber sogar Tom Verf. selbst wenigstens indirect sogegeben za sein,
wenn er auch der Regierung (gewissermassen trots ihres Begriffes)
eine ersiehende Seite sugestebt und wenn er ferner Autoritit und
Liebe für die Zwecke der Regierung wirksam werden llsst; denn
was er auch dagegen sagen mag, dass „ein ideales Element^ selbst
bei diesen Antrieben fehle und so sehr er versichern mag, auch
die Wirksamkeit von Autorität und Liebe beruhe hier „noch ganz
und gar auf dem psychischen Mechanismus^ — ein Gegensats, des-
sen Bedeutung schwer klar su machen sein dürfte — das ideale
Element eines höheren sittlichen Antriebes ist und bleibt da vorban-
den, wo Autorität und Liebe zum Gehorsam leiten, wenn auch noch
nicht in voller Reinheit, und man ist streng genommen mit diesen
Antrieben bereits über das hinaus, was der Verf. Regierung genannt
hat, über das äussere Ordnung halten durch äussere Mittel.
Leicht dürfte dieses letztere überhaupt aus der Pädagogik so
verweisen sein, wenn, wie der Verf. behauptet, die Nothwendigkeit
des Regierens sich aus dem Begriff der Erziehung nicht ableiten
läast, weil es nur um der Gesellschaft, nicht um des Zöglings selbst
willen geschieht. Der Verf. hätte alsdann die Frage su beantwor-
ten, ob und wesshalb die Ethik es erlaube, Kinder dem Drucke der
Regierung su unterwerfen, gans abgesehen von der socialen Noth-
wendigkeit davon. Vielleicht hätte er dann gefanden , dass (wie
der Unters, anderwärts hervorgehoben hat) die dem Begriffe der
Regierung von Herbart gegebene Stellung unhaltbar ist, dass Druck
und Zwang auch gegen Kinder nur aus sittlichen Zwecken, die in
und mit den Gedrückten selbst erreicht werden sollen, sich vor der
Ethik rechtfertigen lassen, dass also das Kind der Regierung um
seiner selbst willen su unterwerfen ist, nämlich um ersiehungsi&hig
im engeren Sinne su worden, nicht um der Gesellschaft willen,
ausser etwa insofern als geselliges Leben selbst ein unentbehrlichei
sitth'ch bildendes Element für das Kind ist, dass also auch die Re-
gierung allerdings Zwecke „im Gemüthe des Kindes zu erreichen
hat^ und zwar sehr wichtige, und dass sie demnach aus der Päda-
gogik auch nicht ausgestossen werden darf, etwa um der Poltzei-
wissenschaft zugewiesen zu werden.
Marborg. TH. IValte.
Schröder, der Graf ZiDiendorf and Perrnl^ft. 775
Schröder, der Graf Zinsendorf und HerrnhvL Nordhausen 1867*
lo wie weit „ein paar neuere, Ton Brädem selbst verfasste
Schriften über die Brüdergemeine desshalb nicht so allgemein be-
kannt geworden sind, als sie es verdienen, weil sie das grössere
Publicum als Parteischriften angesehen hat^, ist dem Referenten
nicht bekannt. Das aber werden wir ziemlich zuversichtlich aus*
sprechen dürfen, dass derjenige dem nicht archivallsche Quellen zu
Gebote stehen, sowohl über Zinzendorf als über die Brüdergemeine
schwerlich etwas neues sagen wird, nachdem uns das von Kölbing
herausgegebene Schrautenbach'sche Leben Zinzendorfs, sowie das
Leben Zinzendorf's von Verbeek und die Brüdergeschichte von Crö -
ger schon seit geraumer Zeit vorliegen. So finden wir denn aller-
dings auch nicht, dass das vorliegende Schröder'sche Werk etwas
neues darbiete, weder in Beziehung auf Thatsachen, noch in Be-
ziehung auf Beurtheilung der historischen Erscheinungen. Es soll
damit übrigens kein Tadel ausgesprochen, sondern nur constatirt
werden, dass der den Quellen schon irgendwie näher getretne Ken-
ner der Kirchengeschichte eine neue Belehrung in dieser Schrift
schwerlich finden wird. Dagegen erkennen wir lobend an, dass der
Verfasser die ihm vorliegenden Werke, als namentlich Spangenberg's
Leben Zinzendorfs u. A. mit grosser Genauigkeit und grossem Fleiss
excerpirt hat. Es ist schon oft geschehen, dass in solchen Werken
über die Brüdergemeine, welche nicht von Mitgliedern derselben
verfasst waren, nicht unbedeutende Missverständnisse und Unrich-
tigkeiten untergelaufen sind, eben weil es nicht leicht ist, sich in
die Eigenthümlichkeiten der Brüdergemeine recht hineinzufinden. Dies
ist nun dem Verfasser des vorliegenden Werkes fast gar nicht arri-
virt, denn er besass genug Selbstverleugnung, fast gar nichts eige-
nes zu geben. Einzelne kleine Ungenauigkeiten sind kaum nen-
nenswerth, so z. B. wenn der Verfasser S. 239 den Bqiideakelch
und die Agapen oder Liebesmahle für jdpqtisch hält, was sie doch
in der Brüdergemeine niemals waren; wenn er S. 949 seinen alte»
ren Gewährsmännern folgend, d^s Fusswaschen ala 9ine noch be-
stehende Uebnng anführt, während dasselbe doch schon lange gar
nicht mehr besteht; wenn er S. 276 Barby als eine Brüdergepieine
aufführt, nachdem dies Etablissement schon zur Zeit des napoleoni-
schen Königreichs Westphalen aufgehoben worden; und so noch
anderes. Doch dies sind, wie gesagt, kaum nennenswertbe Kleinig-
keiten. Es ist darum kein Zweifel, dass Leser, welche mit der Ge-
schichte Zinzendorfs und Herrnhut's noch nicht weiter bekannt sind,
aus diesem Werke viele Belehrung werden schöpfen können. Ob
es aber solchen Lesern gelingen werde, sich aus dem vorliegenden
Buch ,)ein Bild von Zinzendorf zu entwerfen^, wie 4er Verfasser
in der Vorrede sagt, das möchten wir beinahe in Zweifel zieheQ.
Ob es gut war, dass der Verfasser das Leben Zinzendorfs ^ einfach
chronologisch in seinen Einzelnheiten verführte '^y oder ob es besser
776 Redienbtcher: Dti Dyoamiden-Sytlein.
gewesen wäre, wenn er dasselbe doch «unter sogenannten grossem
Gesichtspunkten' dargestellt hätte, darüber möchte sich streiten las-
sen. Kaum aber darüber, dass Fon der ^^Stnnesweise^ des Grafen
viel SU wenig Zusammenhängendes gesagt ist, als dass sich darauf
ein Gesammtbild jenes so unendlicli originalen Mannes construiren
Hesse. Selbst was die Thatsachen betrifft, so ist doch die aus des
Ezcerpten des Verfassers gegebene Darstellung gar su aphoristisch,
als dass sie einen tieferen Einblick in die Entwickelung des Grafen
und seiner Gemeine gewähren könnte. Ja gar manches bedürfte,
um recht yerständlich zu werden, geradezu einer näheren Erläute-
rung. So wird nach der yorausgegangenen Geschichtsersähluhg noch
kein Leser wissen, was es mit manchen der S. 235 angeführtes
^Gcdächtnisstage^, z. B. mit dem 13. August, dem 16. September
und dem 13. November für eine Bewandtniss habe. Es wäre su
wünschen gewesen, dass der Verfasser den gesammelten Stoff vid
mehr verarbeitet hätte. Denn wenn man freilich ein historisches
Werk nicht wie eine Spinne ans sich selbst produciren kann, so
soll man doch auch nicht wie eine Ameise den Stoff coacervirea
Nach allem nun können wir das Schröder'scbe Werk grade
nicht für eine bedeutendere unter den kirchenhistorischen Monogra-
phieen anerkennen. Aber wir können auch nicht umhin, unsre
Freude auszusprechen einmal über die freundliche und billige Be-
urtheilung, welche der Verfasser dem Grafen Zinzendorf und aeiner
Gemeine widerfahren lässt, und sodann über den groasenSamm-
lerfleiss, mit welchem er gearbeitet hat, so dass in Rücksicht auf
diese beiden Funkte das Werlc des Herrn Dr. Schröder gewiss
empfohlen werden kann. IPlltt.
Das DynamidenrSysUm. Orundsuge einer mechanischen Physik von
F, Redtenbaeher^ Grossh, Bad, Hofrath u. s. tr. Mit einer
lühographirten Tafü. Mannheim, Verlagsbuchhandlung von
Fr. Bassermann. 1857. (X und 142 8. in 4\)
Die Erscheinungen des Lichts^ lehrt die heutige mathematische
Physik , haben ihren Grund in den Schwingungen eines äusserst
feinen, allverbreiteten und nicht schweren Mediums, das man Aether
genannt hat; die Erscheinungen des Schalls beruhen auf den Schwin-
gungen der Luftatome; die der elastischen Körper auf den Schwin-
gungen der Atome der festen Körper. Es hat also die hea-
dge mathematische Physik zweierlei, wesentlich verschiedene Träger
der Schwingungen angenommen — Körperatome und Aetheratome.
Wie sind nun die beiderlei Atome gegen einander gelagert? Gibt
es Schwingungen im Aether, welche auf die Körperatome keinen
bewegenden Einfluss äussern und umgekehrt? Wie steilen sich die
einen oder andern dieser Bewegungen dar, wenn sie an unsere
Redlenbacher : Das Dynamiden-Syslem. 777
Wahrnahmuog herantreten? — Diese and eine Menge anderer Fra-
gen haben die seitherigen Bearbeiter der mathematischen Physik
sum grössten Theil unbeantwortet gelassen, wie denn namentlich
C a a c h y y der wohl am Meisten in diesem Theile der Wissenschaft
geleistet, es gant unbestimmt iSsst, wie man sich die innere Zn-
sammensetsung der Körper denken will, und erst in seiner letsten,
unvollendet gebliebenen Arbeit einen Anfang dasu macht, obwohl
auch hier ^on einer anschaulichen Klarheit noch nicht die Rede ist.
Und doch iSsst sich ohne eine klare Vorstellang über die innere
Organisation der Körper — mag sie nun die richtige sein oder nicht —
keine Erklärung der wundervollen Erscheinungen geben, die aus
der Wechselwirkung der Kräfte, die in den Körpern ihren Sitz ha-
ben, entstehen. Hat allerdings die mathematische Optik die Er-
scheinungen des Lichts erklärt, ohne sich Iclare Rechenschaft zu
geben, wie die Lichtbewegungen beschafTen sind, so rührt dies da-
her, dass bei der Unbestimmtheit, die in ßezug auf die innere An-
ordnung der Körper — und Aetheratome gleich anfänglich obwal-
tete, man im Laufe der Utitersnchungen sich in dieser Beziehung
den Thalsachen anbequemen konnte. So, um nur Eines zu erwäh-
nen, ist es nach den gewöhnlich gemachten Annahmen (wenn man
von solchen bei der herrschenden Unbestimmtheit sprechen kann)
geradezu unericlärlich , wie ein Körper mit ungleicher Elastizität
nach verschiedenen Richtungen entstehen kann. Denn sind alle Kör-
peratome in Bezug auf Gestalt und Masse gleich, so kann nur ein
nach allen Richtungen hin gleichartiges Medium entstehen, und doch
ist man gezwungen, die vorhin erwähnte Thatsache gelten zu las-
sen. Man hilft sich eben dann damit, dass man sie einfach znllsst,
ohne zu fragen, woher diese Erscheinung rühre.
Diese Unbestimmtheit nun zu entfernen, ist eine der Hauptauf-
gaben des vorliegenden Werkes. Es zerfällt aus diesem Grunde in
zwei getrennte Theile — einer ^Einleitung^ und dann den mehr
fragmentarisch folgenden mathematischen Ausführungen. Die Ein-
leitung setzt die Ansicht, die der Verfasser sich über die innere
Beschaffenheit der Körper gebildet, in allgemein verständlicher und
lichtvoller Darstellung aus einander, während der übrige Theil des
Buches (S. 29—142) eine Reihe mathematischer Ausführungen ent-
hftlt, die, obgleich in gewissem Zusammenhang, doch kein abge-
schlossenes Ganze bilden, und auch nicht bilden sollen, da — wie
der Verfasser im Vorwort sich ausdrückt — ein vollendetes Ganze
jetzt noch gar nicht gegeben werden kann. Diese Ausführungen
und Entwicklungen sollen eben die „Grundzüge^ sein, von denen aus
die mathematische Theorie der Erscheinungen sich weiter entwickeln
soll, und es war also nur Aufgabe des Verfassers, die Fundamen-
talbätze mit vollständiger Klarheit hinzustellen und etwa an einer
oder der andern spezielleren Aufgabe die Tragweite der Theorie zu
erproben. Dass diese Aufgabe hier gelöst wurde, brauchen wir
77^ Redlenbtcher: Dm DyiM«üd0n-Syfteiil.
Dicht besonders aDsugeben; dagegen wollen wir Tereachen, ein
Uehereicht über das Geleistete sa liefern.
Der beobachtende Naturforscher sieht immer nnr das Aensser«
der Dinge, wie es sich ihm als Erscheinung offenbart, den Gruad
dieeer Erscheinungen vermag er mit seinen Sinuen nicht wahrm-
nehmon, und er muss durch das Auge des Geistes das zu erblicken
suchen, was sein leibliches Auge ihm nie enthüllen kann. Die Er-
scheinungen aber der Sinnenwelt haben wohl alle ihren Ursprtnig
in Veränderungen, die im Innern der Körper vorgehen, sowohl in
Bezug auf Zusammensetzung als Lage der einzelnen Körpertheil-
chen. Die Gesetze, nach denen solche durch gewisse Kräfte her-
vorgerufene Aenderungen vor sich gehen, werden in der Mechanik
gelehrt, und diese Lehren sind es demnach, mittelst derer man aof
den innern Grund der Erscheinungen zurückgehen kann. Soll man
dieselben aber anwenden können, so muss man vor Allem eine klsre
Anschauung vom Wesen der wirkenden Kräfte, so wie von der Be-
schi^ffenheit der Körpertheile haben, auf welche dieselben wirkea.
Es drängt sich also hier die Nothwendigkeit auf, in Bezug auf diese
beiden Punkte eine Hypothese zu bilden, und dann mit Hilfe
der mathematischen Forschung die Folgerungen aus derselbe sa
ziehen. Stimmen dieselben mit den Thatsachen überein, so wird die
Hypothese in Geltung zu bleiben haben, und wird desto wahrschein-
licber werden, je mehr Thatsachen mit ihr übereinstimmen, oder
besser gesagt, je mehr Thatsachen sie zu erklären im Stande ist
Von dieser Nothwendigkeit getrieben, hat man denn auch vob
jeher seine Zuflucht zu Hypothesen über die Beschaffenheit der Kör-
per genommen und das vorliegende Buch gibt eine geschichtliche
Uebersicht der seither aufgestellten derartigen Hypothesen, ehe es
zu der Hypothese des Verfassers übergeht, die er nicht als eine
neue eigenthümliche Erfindung ausgibt, vielmehr nur als eine Com-
bination der Theorien der Vorgänger betrachtet. Es handelt sich
also hier nicht darum, das zu verwerfen, was die Frühem gesagt^
vielmehr das Vereinzelte zusammen zu fassen und von einem höheia
Gesichtspunkte aus darzustellen.
Der Verfasser nimmt, wie wir zu Eingang gethan, zweierlei
ihrep Wesen nach verschiedene Atome an ■— Körperatome nai
Aetheratome. Diese Atome sind der Sitz von Kräften , welche ja
auf die Masse eines andern Atoms, nicht aber auf die dea Atons
wirken , in weichem sie ihren Sitz haben. Man kann dies auch
kürzer so ausdrücken, dass man sagt, die Atome wirken auf ein-
ander, aber nicht auf sich selbst, und es nimmt nun unser Baek
an, ein Aetheratom wirke auf ein anderes Aetheratom i^batosaeod,
dagegen auf ein Körperatom anziehend, während ein Körperatosi
ein anderes Körperatom anzieht. Dass .diese Wirkung gegenseitig
ist, versteht sich von selbst. Die Aetheratome sind gewichtloa, aber
die Wirkung derselben ist eine sehr intensive, namentlich die aof
die Körperatome; die Körperatome sind schwer, dabei in Entfer-
Redtenbacher: Dw Dyoamidon-Syflein. 779
mmgen von eicander, die in Bezug aui ihre Abmeaaungen sehr gro«8
sind. Was die Gestalt der Eörperatome anbelangt, so kann sie —
nach dem dermaligen Stande der Wissenschaft — nieht genauer be-
stimmt werden ; nur so viel ist klar, dass bei Körpern von verschie-
denen Elastizitätsrichtungen die Gestalt nicht die einer Kugel sein
wird. In Folge der mächtigen Wirkung der Körperatome auf die
Aetheratome ordnen sich die letztern um die erstem herum atmoa-
phärenartlg an, so dass die um ein Körperatom befindlichen Aether-
atome in sehr grosser Anzahl sind, und jede solche Atmosphäre
eine durch die Gestalt des Körperatoms bestimmte Form und Be-
^änzung haben wird. Ein Körperatom nun mit der dasselbe um-
g;ebenden und zu ihm gehörigen Aetherhiille nennt der Verfasser
eine Dynamide. Vereinigen sich (als Folge eines chemischen
Prozesses) zwei oder mehrere verschiedene Körperatome und sind
dann von einer gemeinschaftlichen Aetheratmosphäre umhüllt, so
beisst diese Gruppe ein Molekül. Die Zustände in den Dyma-
niden sind statische oder dynamische (Gleichgewicht oder Bewegung).
Die letztern sind dreierlei Art, d. h. es sind drei verschiedene Be-
iregungsweisen für uns zu untersuchen: 1) Bewegung des Schwer-
punkts des Körperatoms, 2) drehende Bewegung des Körperatoms
lim seinen Schwerpunkt, 3) relative Bewegung des Aethera der
Bullen gegen die Oberflächen der Körperatome. Aus diesen ver-
ichiedenen Bewegungen sollen nun die Erscheinungen, zumal der
Mgenannten Imponderabilien, erklärt werden, während die Gleichge-
wichtszustände, so wie der (mehr oder minder tumultuarische) Ueber-
gang von einem solchen Zustand zu einem andern die Erscheinun-
gen der Chemie werden zu erklären haben.
Die Wechselwirkungen zweier Dynamiden A und B sind die
folgenden: 1) jedes Tbeilchen des Körperatoms in A zieht jedes
(olche des Körperatoms in B an; 2) jedes kleine Theile des Kör-
peratoms in A zieht jedes Aetheratom der Hüllen in A und B an;
)) jedes Aetheratom in A stösst jedes in B ab , und in Folge dieser
eichen Kräftezahl entstehen nun die mancherlei Bewegungen, von
lenen wir vorher sprachen. Will mau nun aber diese Bewegungen
Bit Hilfe der Mathematik aus der Wirkung der Kräfte ableiten, so
reten sofort solche Schwierigkeiten der Ausführung entgegen, dass
Dan sich, bis jetzt wenigstens, mit mehr oder minder scharfen An-
tähemngen begnügen muss; namentlich ist es der Einfluss der Ge-
italt der Körperatome auf die verschiedenen Zustände, der durch
leehnong kaum festzustellen ist. Trotzdem aber gewährt dies oben
n kurzem Umrisse angegebene System der Dynamiden den weaent-
ichen Vortheil, dass man klar sieht, um ^as es sich bandelt, und
üso auch sagen, was man berücksichtigt, und was man
itwa vernachlässigt.
Nachdem, wie schon geaagt, in mustergiltiger Darstellungsweise
Ue zu Grunde liegende Anschauung der Innern Organisation der
780 Redtenbaeher: Da« Dynamiden-System.
Körper aus einander gesetzt worden, folgen dod die mathematlschtt
Entwicklungen, welche in drei Abschnitte lerfalleiL
Der erste handelt von der WSrme. Ist ein Körper im voll-
Btändigen innern Gleichgewichtszustand, so besteht die Wirkung dei
Aethers bloss darin, die Djnamiden in bestimmten Entfemongeo
und Lagen zu halten; alsdann ist ein Körper absolut kalt und es
ist uns nicht möglich, den Aether mittelst unserer Nerven wahmi*
nehmen. Anders jedoch verhält sich die Sache, wenn der Aetfa«
in Bewegung ist. Schwingen dabei die Aetheratome der Hulleo lo
. senkrechter Richtung gegen die Kerne (Köperatome oder Moleküle),
80 entsteht für uns bei der Wahrnehmung dieses Zustandes das
Gefühl der Wärme. Die Intensität dieses Zustandes, oder die
Temperatur setzt unser Buch proportional dem mittlem Wertk
des Quadrats der Geschwindigkeit aller Atome einer Hülle, so wie
der Masse eines Atoms, indem nur diese Annahme mit den Thal*'
Sachen harmonire. Eben so erklärt unser Buch die spezifische
Wärme gleich (eigentlich proportional) der Anzahl der Aetbc^
atome, welche in der Gewichtseinheit des Stoffes enthalten ist, wik-
rend Dichte des Aethers die Anzahl der Aetheratome genanst
wird, die in der Yolumseinheit enthalten ist. Später wird gesdgt,
dass die von den Physikern sogenannte spezifische Wärme bei kOD-
stantem Druck bei den Gasen dasselbe sei , wie die so eben defi*
nirte spezifische Wärme, woraus sich dann in Bezug auf das Ent*;
weichen des \ethers bei chemischen Verbindungen interessante SchlSise |
ergeben, Indem man den von Regnault gefundenen Sats zu Hilft {
nimmt, dass das Produkt aus der spezifischen Wärme (bei konstaih |
tem Druck) und dem spezifischen Gewichte für alle Gase kon-
stant sei.
Drei beigefügte Tabellen enthalten für Gase, einfache und sihj
sammengesetzte Körper dh Zahiwerthe der hieher gehörigen Grössen ^
Wenn man sagt, es solle ein Körper erwärmt werden, so heiatf
dies also hiemach, den Aether in Schwingungen versetzen, die wift
angegeben gerichtet sind. Nimmt man nun an, dass bloss dioi
Schwingungen entstehen, ohne irgend welche Ausdehnung u. s. w.,
so lässt sich leicht zeigen, dass die zur Erwärmung des Körpen
Ton der Temperatur t zu der T nöthige Arbeit gleich ist Q e k
(T~t), wo Q das Gewicht des Körpers, c die spezifische Warne
und k ein konstanter Koeffizient ist, welch letzterer das sogeoaniilt
mechanische Aequivalent der Wärmeeinheit ausdrficM
(Arbeit, um die Gewichtseinheit eines StolTs, dessen spezifiseht
Wärme 1 ist, um einen Grad in der Temperatur zu erhöhen), mii
aber ein Körper erwärmt und ausgedehnt, so besteht die Gleicfani
kdW = kcQdt+NdV + dJ-f-dL, wo dW die Wärmemenge I
ist, die in einer unendlich kleinen Zeit dem Körper mitgetheiit wä4; <
K c, Q wie so eben; d t die Erhöhung der Temperatur; N der anf j
die Flächeneinheit der Oberfläche normal ausgeübte Druck ; d Y «tt
Aenderung des Volumens des Körpers; d J die innere Arbeit, de
Redteilbacher: 0«f Öyotoiiden-Syitem* 781
einer Volumäaderung ohne Temperaturerhöbung entspricht; dL die
Aenderuog der lebendigen Kraft des BewegungssuBtandefl der Kör-
peratome. Wird diese Formel auf die langsame Erwärmung und
Aosdebnong eines Gases angewendet, und nimmt man an, dass das
Mariotte'sche nnd Gay-Lussac'sche Oeseta gelten, so findet
man den oben angeführten Satz von der spezifischen Wärme, so
wie die numerische Bestimmung von Ilse: 424, welchen Werth auf
anderm Wege auch Person gefunden. Die Formeln Poisson's
fSr die Ausdehnung eines Gases ohne Wärmeabnahme (Mechanik ü.
§. 638) ergeben sich ebenfalls hieraus, so wie sich dann auch die
Formeln zur Berechnung einer kalorischen Maschine leicht dadurch
aufstellen lassen. Ist eine Gasmenge in einem Gefässe eingeschlos-
sen, und vergrössert sich ihr Volumen, wobei durch die Wände
Wärme einstrOmt, so wird der Temperatursustand durch eine slem-
lieh verwickelte Formel gegeben, die wir hier nicht aufführen wol-
len (S. 48). Einiges über den Vorgang bei der Uampfbildung
sehliesst den ersten Abschnitt, der sich also über die Fundamentale
erscbeinungen bei der Wärme verbreitet.
Der sweite Abschnitt handelt über das Gleichgewicht eines
Djnamiden «-Systems.
Die Berechnung der Wechselwirkung aweier Dynamiden ge-
schieht zunächst unter Voraussetzungen, die nur näherungsweise
richtig sind. Es ist nämlich angenommen, dass eine jede Verbin-
dangslinie Jiwischen einem Aetheratom einer Hülle und einem der
andern Hülle parallel sei der Verbindungslinie der (Schwerpunkte
der) beiden Körperatome. Diese Voraussetzung ist freilich dann
anläasig, wenn man annimmt, es seien die Hüllen sehr klein im
Verhältniss zu den Entfernungen der Dynamide, was denn hier an-
genommen ist Femer ist angenommen, es habe eine jede Hülle
die Gestalt eines Würfels und es sei der Aether in ihr gleichförmig
▼ertheilt Diese Voraussetzung weicht offenbar von der Wahrheit
weit ab; allein, der Meinung des Verfassers nach, hat eine solche
Abweichung doch nicht zur Folge, dass die erhaltenen Resnltate
nicht als annähernd richtig betrachtet werden dürfen.
Ist so die gegenseitige Wirkung berechnet, so wird vermitteist
des Prinzips der virtuellen Geschwindigkeiten die Gleichung des
Gleichgewichts für ein nach allen Richtungen gleich elastisches Dy-
aaoildensystem aufgestellt, wenn dasselbe durch Einwirkung eines
losserD Druckes im Gleichgewicht ist Referent hat dazu nur zn
bemerken, dass die Bezeichnungen 9)(r), ^(r) in den Gleichungen
(5) nnd (6) auf S. 58 analytisch nicht angehen, da die zweiten
Seiten der (5) von r (als Summen) ganz unabhängig sind. In der
Untersuchung über das Mariottesche Gesetz, die hierauf folgt, wäre
eben desshalb in den Formein (8) — (10) eine Aenderung in der
analytischen Form nothwendig, wenn gleich die Resultate gerecht-
fertigt werden können. Da aber derselbe Gegenstand sofort wieder
in ander« Form aufgenommen wird, so ist es nicht nothwendig,
782 Itedteiibaclier : Dm Dyntmiden-Syitem.
dabei länger zu verweilen. In dieser swelteir Form nimiich wM
die Funktion, weiche das Ansiehongs- oder Abetossangsgesets am-
a
drückt, spesieller von der Art der Gr^Mven — yorauagesetit ud
darnach gerechnet. t)abei wird dann wieder die VorauasetsuDg ge-
macht, es seien die einzelnen Dynamiden um jede in konzentrisdieD
Kugelschichten gelagert Unter dieser Voraussetzung wird nun die
Gleichung des Gleichgewichts (ür den oben genannten Fall aufge-
stellt (S. 64). Daraus wird dann eine Formel gezogen, welche der
Verfasser das w a h r e Mariottesche Gesetz nennt, so wie asdi
der Modulus der Elastizität bei festen Körpern bestimmt
wird. Dabei taucht jedoch abermals für den Ref. eine analytiscbe
Schwierigkeit auf. Sollte nämlich das gewöhnliche Iffariottesche Ge-
setz aus der allgemeinen Formel folgen , so miisste das Gesetz der
Abstossung zweier Aetberatome, deren Entfernung v ist, durch die
n
Formeln — gegeben sein (a = 1 nach den Bezeichnungen de
1 ^—
Buches). Nun erscheint aber eine Grösse A = -^f o J
2 —, wo die Summe von n = 1 bis n = oo zu nehmen sein seil
(S. 63, 65); ist oben a = 1, so ist diese Summe unendKeh groü,
und es kann also sicher der Ausdruck für den Modolus der Elifli-
«itSt nicht gebraucht werden. Es ist allerdings wahr, daas mS
nicht gerade bis n= oo zn gehen hätte; allein es wird hto iiknner
eine Schwierigkeit verbleiben, wie man sich auch wenden mi^.
Für den Fall eines Dynamidensystems mit Elastizftätsaxen wa^
den nicht die Tollständigen Bedhignngen des Gleichgewichts au^
steUt, da dies zu weitläufig würde, sondern nur mittelst des Prinz^
der virtuellen Geschwindigkeiten einige derselben ermittelt, die ft^
mentüeh später benutzt werden. Als spezieller Fall wird die B^
Rammendrückung eines parallelepipedlschen Körpers betrachtet, *
wie die Arbeit ermittelt, die nöthig ist, einen Körper gewaltsam li
andere Form zu bringen, wobei speziell die Drehung ehies zylindt*
sehen und die Zusammendrückung eines parallelepipedischen StaMi
behandelt wird, freilich unter den bekannten Voraussetzungen, ft
die Rechnung sehr erleichtern.
Der dritte Abschnitt behandtit die Bewegung eineti Djp^
namldensystems, und zwar in doppelter Beziehui^f. Za(rt
werden nämlich bloss die Bewegungen der Körperatome und dA
die Aetherschwingungen betrachtet. Im Wesentlichen den Wljti
Gauchys verfolgend, werden die allgemeinen Dffferentialgleidni^l
gen der Bewegung eines Körperatoms aufgeistellt, und dann die np^
stellen Fälle eines linearen Systems (biegsameir gerader Kette) »
eines ebenen Systems (ebener Membrame) darius abgeleitet Bt
Redtenbtclier: Des Dynamideo-Syftem. 983
die Integration dieser Gleichungen namentlich von Lamd in dem
früher in diesen Blättern angezeigten Werke : „Leyons sur la th^orie
math^matique de TElasticit^ des corps solides^ ausführlich behandelt
wurde, so begnügt sich unser Buch, kurz diese Integrationen anzu-
deuten und dann auf das genannte Buch hinzuweisen.
Ausführlicher werden die Gleichungen der Bewegungen des
Aethers untersucht, wobei jede Aelherhülle als in ein in ihrem
Schwerpunkte konzentrirtes Ganze betrachtet wird. (Die Empfin-
dung dieser Schwingungen ist in der Regel Licht.) Diese Gleicht^
gen nehmen jetzt freilich eine andere Gestalt an, als seither, wenn
man die gegenseitigen Einwirkungen der (ruhenden) Körperatome
und des Aethers beachtet. Sind |, v, g zur Zeit t dfe relatfveta
Koordhiaten eines Huiienschwerpunkts, dessen Körperatom als Koor-
dinaten X, y, z hat; g + z/J, v + ^v, 6 + ^6 die ähnlichen
Grössen, die sich auf einen andern Hülienschwerpunkt beziehen, des-
sen Eörperatom zu derselben Zeit die Koordinaten x -|- z/x, y -f- ^ y,
z-^- ^Ü z hat, so findet man :
g_j.(A + «)H-Fv+E54--S(A,^4+Pi^T + Ei^e)=<r,
p- + (B-|-«)T+PH-De-|-2;(F,^S+B,^/v + D,^/ö = o,
WO A, B, C, D, £, F Konstanten sind, die von der Einwirkung der
(fremden) Klxrperatome anf eine Hülle herrühren, b von der Ein-
wirkung des eigenen Körperatoms; A|, ..., F^ dagegen yon der Ein-
wirkang der Hüllen auf einander abhängen und die Summe sieh
«of alie Dynamiden erstrecken.
Die Integration dieser Gleichungen wird nun durch Anwendung
der allgemeinsten Fouri er 'sehen Integrale für Funktionen dreier
Yeränderlicher (in analoger Weise, wie Cauchy in s^nem „Me-
moire sur Ja dieper^n de la lumi^re^) durchgeführt Liast sich
dagegen aaeh Nichts einwenden, so gesteht Referent doch, daas er
in den Integrationen mittelst bestimmter Integrale die Durchsichtige
keit yermisst und es daher vorziehen würde, partikulare Integrale
in geschlossener Form zu ermitteln und von da aus erst cur allge-
meinen Integration überzugehen, ein Weg, der sich hier leicht an-
schlagen lässt. Ohnehin kommt unser Buch in Wahrheit dodi hieirauf
(S. 127) zurück, wo nun die Elementarwellen näher betrach-
tet werden, und eä ergiebt sich dann der Zusammenhang zwischen
der Fortpflanzungsgeschwindigkeit und der Weilenlänge, worauf die
Piflpersion des Lichts beruht, die dann besonders betrachtet
wird. Die Erklärung derselben kann nur gegeben werden, wenn
mao ein doppeltes Medium annimmt, und würde in der frühern
Weite Gauchys niemals genügend erhalten worden sein.
784 Binder: Ueber Tiroon.
Haben wir hiernach In dem vorliegenden Werke des dorch setiie
Arbeiten im Gebiete der angewandten Wissenschaften beröhmteo
Verfassers keine vollständige und abgeschioasene Erledigung der
Theorie, so sind doch ~ und dies war ja die Absicht des Verfaa-
sers — die Grundlagen genau bezeichnet, von denen aus sich weiter
fortbauen iKsst und ist dadurch ermöglicht, mit vollem Bewusstsefai
der GrXnzen, innerhalb derer die Resultate zulSssig sind| fortsa-
schreiten. Das ist aber eine Errungenschaft, die nicht hoch genag
angeschlagen werden kann. Dlcnirer.
Ueber Timon^ den Misanthropen^ von Prof. Dr. Binder, Ulm
1856. Druck der Wagnerischen Buehdruekerei. 26 S. in pr. 4,
Timon, der Menschenhasser, ist eine in der alten Welt, wis
fast eben so in der neueren, der er sogar den Stoff zu dramattsches
Darstellungen gegeben bat, bekannte, ja stereotyp gewordene Pe^
Bönlichkeit, dass es sich wohl der Mühe lohnte, historisch and kti*
tisch das, was wir von seiner Person und seinem Leben wiesen, n
sichten und zu ordnen, um daraus mit einiger Sicherheit wenigstens
diejenigen Aufschlüsse zu gewinnen, welche zur richtigen Würdigung
dieser Persönlichkeit dienen können. Die vorliegende Untersnchung
sucht durch eine Prüfung aller der über Timon in den alten Schiift-
stellern, von Aristophanes an, vorfindlichen Nachrichten dieses Re-
sultat zu gewinnen, geht aber dann näher ein in die besonden,
dieser Persönlichkeit gewidmeten Schriften des Luciaous wie des
Libanlus, von welchen der erstere insbesondere dazu beigetrageit
der Persönlichkeit des Tlmon auch für die spätere Zeit di^enifs
Verbreitung und Bedeutung zu verschaffen, welche gefeierte Dic^
ler der neueren Zeit, wie Shakspeare, zu ihr zurückgeführt bat
Dass wir freilich bei Lucianus, und noch weniger bei Libaoitis aif
ein der Wirklichkeit in Allem entsprechendes Bild in keiner Weii0
Anspruch machen können, dass wir vielmehr bei dieser Art vis
Novellen, wie wir solche rhetorische Aufsätze wohl nennen dürfes,
der Phantasie des Rbetors, der sich seinem Zwecke der Unterhsl-
tung gemäss, an die Schranken der Wirklichkeit nicht binden konnto
und wollte, das Meiste zu Gute halten müssen, wird auch hier nach-
gewiesen (vgl. S. 15). Eine Darstellung und Würdigung der Art
und Weise, wie Shakspeare diesen Gegenstand behandelt, bildet
den Schluss der gründlichen Untersuchung, auf die wir dardh dieis
Anzeige um so mehr aufmerksam machen möchten, als dieselbe in
der Form einer Gelegenheitschrift erschienen, weniger in weiteren
Kreisen bekannt geworden sein dürfte, als sie es verdient.
Rr. SO. RElDELBERGBIt tUt
JAHRBOCHER dir LITERATUR.
Literaturberichte aus Italien.
Le UUere dd Bealo Giov. CoUmtbini da Siena, pubUcaie per cura di. Adolfe Bar-
ioU, Lucca Tip. Balafresi i856.
Von diefem aseetiscben Schriftsteller tai dem 14. Jahrhundert waren bifber
nur Bruchstücke bekannt , jetst endlich hat Herr Bartoli die vollständij^e Samm-
lung seiner Briefe herausgegeben, da man in Italien jetit allen Sprachdenk-
malen aus jener Zeit die grOsste Aufmerksamkeit zuwendet, und dieses
Werk für einen kostbaren teste di lingna hftit; lugleich aber dienen diese
Briefe auch lur Kenntniss des damaligen Bntwickinngsganges der Yolks-Bil*-
dung in jener Zeit, wo die Tapferkeit der italienischen Bürger die Burgen
des germanischen Lehnwesens gebrochen hatte und dadurch die Wiederher-
stellung der Künste und Wissenschaften ermöglicht wurde. Damals kam aber
auch die religiöse Schwürmerei auf. Unter diesen religiösen Schwiirmern
gab es aber auch damals wohlmeinende Hfinner, wie der heilige Bonaven-
tura, der seraphische Doctor genannt, der in seinen der Maria gewidmeten
Psalterien als ttberschwftnglicher Enthusiast erscheint. Auch von diesem la-
teinischen Werke ist eine Uebersetinng unter dem Titel:
PsdUmio Mariano di 8* BofiaoenAiri», iradoUo da ÄgotUno Zandla, Vertma, Tip*
Samido
erschienen, welche auch su den pietistisch-mystiscbeD Schriften jener Asee*
ten gehört.
Zu den in Italien so hfinflgen Biographien gehört eine Leichenpredigt
niif den Architecten Yantini:
Nette esseqwe ddl architeUo Rodßlfo VanHm; discarto dell abh,Pieiro ZambeiU»
Bre$cia 1857. Tip, VescacilOy
welcher sich durch den Bau des Campo santo seiner Vaterstadt , Brescia, einen
]»edeutenden ^amen gemacht hat, welches bereits von Arici besungen worden
imU Vantini war aber nicht blos Baumeister, sondern er hat sich auch um
die Erliluterung vateriftndischer Alterthömer verdient gemacht; zugleich war
er einer der wohlhabenden Gelehrten Italiens, der eine unentgeltliche Schule
fOr Baukünstler eröffnete. Brescia verlor mit ihm seit Kurzem die bekannten
Mflnner Nicolini und Ugoni, die ihrer Vaterstadt Ehre machten.
Eine llhnliche Biographie hat der Graf Sanseverino über den aus Cre-
mona gebürtigen Cardinal Zurla herausgegeben :
PioÜMie tuila tita e le opere di Placido Zwrla, Milano. Tip, BmcheUi i857.
Zurla war Benedictiner-MOnch aus Cremona, wurde xuerst Professor
der Theologie in dem Kloster S. Hichele in Murano» dann Studien -Director
jjD der Propaganda su Rom. Besonders beichäftigte ^r fich mit der Erdbe^
jU Jahig. 9. Heft (Q
VM Liüraliwliericlii« «nt HaUePr
•ehreibmi^ und machte bedeutende Forschungen fiber die Reisen alter Vene-
tianer. WichÜK besonders war seine Blustration einer Wekkarta , die faa
14. Jahrhundert von einem Camaldoleoser Honche entworfen worden wir.
Der Biograph Graf Faustin Sanseverino beschtfligt sich hauptsichlich siit
diesen geographischen Arbeiten dieses 18S4 verstorbenen Cardinats.
lieber einen Bächerdiebstahl ist in diesen Tagen eine Schrift erschieaeB,
welche den Geschichts^reiber Cesare Cantu angreift, der den Bossi beschul-
digt, sich an der Bibliothek lu Venedig in der Fransosen-Zeit vergriffen lo
haben :
Intomo ad un ptuso äi un Umhardo negU Archivi di Venaia tU Cetare ConAi,
Uiiera di G. B. Caria. Tip. VaSentini. i857.
Der Verfasser vertheidigt mit vieler Wftrme das Andenken seiaei
Ffeupdes Bossi.
Berr Biaggi hat ein sehr gelehrtes Werk fiber die religiöse Mosik her-
ausgegeben:
Dtiim fnmiea, rtü^iCMO^ s düU fussfione tnsrcnli; di Genimno AUtiomdn Bi^
MUoM. i»a. Ttf . Luceo.
Auch über die bildende Kunst- Geschichte haben wir Gelegenheit neae
Forschungen in Italien mitsntheilen , nemlich eine Arbeit eines Geistlicbea
Carlo Annoni unter dem Titel :
Saggi di pofria areheologia con racceUo di monumetUi inediU^ MiUmo. f857. Ttff.
OmgUdminih
Bisher glaubte man gewöhnlifh» daas seit dem Sinfalie der gerasaBischea
Barbaren in Italien die Malerei beinahe gans verloren gegangen sei , bis Giotts
die byzantinische Haierei eingeführt habe. Der fleissige Forscher Annoni hat
nachgewiesen, dass man im 9. Jahrhundert zur Verzierung der Abtei vos
Monte Gassino niehl Maler ans Constantinopel, sondern aus Amalfl und aas
der Lombardei kommen Mes». Auch aus den Anzogen der Geistlichkeit und
andern Unstinden beweist Annoni das AHer der noch vorhandenen Male-
reien und weist mehrere derselben aus dem 8. Jahrhundert in Brescia uai
an andern Orten nacfc. Unler anderem beweist er, dass aneh in Italien hii
lum Jahr 1000 die Taufe der Erwachsenen durch voUstfindiges UnleHaucbea
(geschah. Waren die Tü^flioge Frauensp«rsonen , so mnssien nach der Ver*
Ordnung des Kaisers Valentinian von 390, Justinians und des heilige» ClcnMai
und Soaomon Piacqqissinnen Beistand leisten, die spAtar nicht mehr bei der
a|>^ndltodi4chen Kirchs vorkamen, seit das Untertauchen aufhorte. Der Var*
fasser kann als Beweis angeführt werden, dass schon nach dem Jahr iW»
4a wo das Gemeindewesen der italienischen SMldte siegreich auftritt, die Kuasl
sich wieder erhob.
Eine eb«nfa)b| beacbteBswertbe Forschung aus 4em Mittelalter ist folgeB«
des VITerk:
DoeimmA »hkI^ ri$pmr^i^ tu tiona MU t^#/saMMMi, dß Gm^pp^ Artism.
MikMO. 1857. Tip. Pirola.
Der Verfasser hatte schon früher eine Geschichte des Thaies ValsHO"*
gegeben^ welches rwischen dem Thale von Teilina und LeccQ liegt, wehii
Lifientnrberiehto tM tialieiL M?
•ich die KöniipD der LoBfobcrdeo, Tbeodellnde , ittrifcekgMOfen Iwtte. Vom
doli stanmen die Torrieni , die iwei Jahrhunderte laof die IIil«pter der pfkptu^
lich-Welfiacben Partei in Mailand waren.
In dem 3. Bande der
Monumema historica ad provincias Parmensem ei Flacentinam pertmenHa^ Parma
i85B,
findet gich eine Parmesan ische Chronik abgedruckt, welche von 1212 bia 1287
geht, die der Hinorit Salirobene di Adam durch aeine Nickte, Afnes« eine
Carmeliitar Nonne, schreiben liess. £r befand sich wlihrend der Belagernof
Ton Parma durch Friedrich IT. in dieser Stadt, welche der pSpstlichen Partei
aagehOrte. Der Chronist nennt nntfirlich den aufgekittrten Kaiser einen Ketzer,
Schismatiker und verfluchten Epicurlier. Von Ezzelino sagt er, dass er mehr
als der Teufel gefürchtet wurde, dass eben damals, 1247, die Romagna durch
die fortwährenden Kriege dergestalt verwüstet gewesen, dass sich die Wölfe,
Wfldschweiae, Füchse, Hirsche und Fasanen auf ausserordentliche Weise ver-
mehrten. Im Jahr 1216 wnr der Po dergestalt gefroren, dass schwere Wagen
darüber fuhren.
Neben der grossen Liebhaberei der Italiäner für ihre alte Geschichte er-
scheinen doch verhflltnissmttssig mehr Uebersetzungen ans dem Deutschen,
als bei den Franzosen; einen Beweis giebt die Uebersetznng der Balladen
unseres Bürger:
BallaU di G. A, Bürger^ recate in eersi ittdiam da G. Varete, Vicenaa, Tip.
Porom 1856,
welcbe von Kennern der Dichtkunst geschätzt wird.
Dagegen gefallen die Utopien nicht, welche in dem Werke von dem
Doctor Formenton vorgetragen werden:
Vwtmo feUce^ di Francesco Formenion, Vtcenia i857, Tip. Porom.
man zieht geschichtliche Gegenstllnde vor.
Ein aolcher ist die Geschichte von Gemeinden oder selbst von einzelnen
Familien, wie s. B. die früher erwähnte Special -Geschichte der Familien in
Snrmatorio von dem gelehrten Forscher Adriani. Eine solche Familien -Ge-
«cbiehte ist:
1 Saoorpumiy Storia di B. VoUo, VeneUa iS51. Tip, Coochini,
Ef werden hier sehr viele alte bisher unbekannte Urkunden raitgetheilt,
maa denen hervorgeht, wie das Gemeindewesen in Italien die Roheit des
germaDischen Lehenswesens besiegte. Hier wird geieigt, wie im Jahr 1014
Trevino bereit« ein geördnetea Communalwesen hatte, die autonomische Yer-
wnllODg war dem Kaiser treu , besiegte aber die benachbarten Ritter auf ihren
Burgen. Am 15. Sept. 1219 erschienen mehrere der benachbarten Feudal-
Herren , unter ihnen ein Savorgnano auf dem Rathhause zu Treviso, um sich
•b Bürger dieaer Stadt an erklären, und ihre Bürger und Bauern der Ge-
richftebnrkeit dieser Stadt zu unterwerfen; unter dieaen Feudal-Herren war
mach, ein Deutscher Leonhard ▼. Tannenberg. Doch hielten die Herren von
SaTorgnaiH» ihr Bitterwort io schlecht, daea ale sieh too den Patriercben
788 Litenlorberiohte uu Italien.
▼OD Aqniiejs ab ein Recht betUtifen liefsen, tod den Reitenden die Abgabe
dea Geleitet lu fordern, weichet teinen Urapmng ron den Raubrittern hatte,
die tich Geld von den Reitenden zahlen lieaaen, die tie yorher beraabt hal-
ten. Auf diete Weiae dehnten die Herrn v. Savorgnano ihre Macht bit ftber
Otopo aut, detten Bürgern 1589 verweigert wurde, Waffen in betitaen. Da-
bei nnterttttUten tie die Republik Venedig 1511 gegen den denttch-romitchea
Kaiter.
Der prtktitchen Philotophie gehört folgende Schrift einet Herrn Dona-
telli an:
Fem, &€!», heUo, Verona i857. Tip. VicmÜm.
Der Yerfatter findet in der Verbindung det Wahren , Guten und Schönen die
wahre Glückteligkeitj doch tcheinen hier mehr Worte alt tiefer Sinn gefoa-
den werden zu dürfen, und dürfte wenig praktitcher Nutzen davon zu er-
warten tein, da die Antichten darüber to vertchieden tind, data tie bii
zum grOttten Untinn auaarten, wie aut dem oben genannten Werke der
durch Bartoli veröffentlichten Briefe Golombinrt hervorgeht. Et ist be-
kannt, datt im vierzehnten Jahrhundert eine Sekte von Frömmlern aaf-
ttand, welche durch Verachtung aller irdischen Güter eine betondere Heilig-
keit zu erlangen tuchten. Sie zogen alt Bettler in tcblechten Kleidern na-
her, enttagten der Welt, ihren Familien, allen weltlichen Dingen und fflaob-
ten durch Armuth und Unwitaenheit dem Verderben der Zeit zu ateuern, in-
dem tie den Reichthnm eben to wie die Wittentchaft verachteten, ond für
verderblich hielten. Colombini lebte to in Siena in der Mitte dea 13^ Jahr-
hunderte, und war einer der Haupt-BefOrderer dieter Lehre, welche die Well
wieder auf den rechten Weg bringen tollte. In teinen Briefen tagt
Golombini , datt man tich nicht mehr um dat Leben und den Tod teiner Ver-
wandten bekümmern mtttte , sondern lediglich ein geistiget Leben zu führet
habe. Vornehme Damen gingen damalt im Hemde und junge Herren glaubtea
ein recht verdienttlichet Werk zu thun , wenn tie in tolchem nimlichen Aaf-
zn^e von dem Volke verhöhnt wurden. Colombini zog alt Miationair dieta
Frommen in Toskana herum und rühmt betondert die Bereitwilligkeit, ut
welcher teine Lehren in Pisa aufgenommen wurden; wo viele Frauen, wen
tie gedurft hatten , tofort ihre Familien verlatten wollten ; to dass er dort dai
Terrain für aeine Mittion viel günstiger fand, alt in teiner Vaterstadt.
Doch nicht (kberall wurde dietelbe to günstig aufgenommen. Peb-
vicino, damalt Herr von Mailand, liett an der Grenze aeinea Gebietet flOO
Galgen errichten, um die Mitglieder tolcher frommen Prozettionen anfzohsa-
gen, welche die Wittentchaft und den Wohlttand für verwerflich hielten. Ca-
lombini klagt darüber, datt er die meitten buttfertigen AnhUnger nicht unter dea
ruhigen Bürgern und ordentlichen Leuten, tondern unter Dieben und Bekf6*
gern gefunden habe. Diete wftren viel genei|^ter geweten, teine Lehren an-
zuhören. Colombini fand übrigent bald nach seinem Tode einen Biographen,
den Teo Belcari, deaten teltenet Werk erzählt, datt dieter fromme Maaa
ein vornehmer Wucherer war, dem teine Frau oft Vorstellungen machte, dit
endlich aeine Bek^brnng herbeiführten , die aber bald zu den erwähnten IV
Literatarberichte «lu Italiei. 789
bertref bongen führte, so dtu fie dai totkanisehe Sprichwort anwandle: loh
hatte Regen gewünscht and erhielt einen Wolkenbruch. Diese Bekehrung
ging so weit, dass Colombini sich freute, als sein 12jilhriger Sohn starb,
weil er sich jetzt mehr den gottlichen Dingen zuwenden kOnne. Die Borger-
Vorsteher von Siena waren so aufgeklirt , diese frommen Uebertreibnngen der
Öffentlichen Ruhe wegen zu verbieten. Colombini lOg daher von 1355 bis
1367 in Toscana herum nnd warf sich dem Papst Urban V. , der von Avifl^
non nach Arezio kam, zu Füssen. Bei seinen frommen Missionen Hess er
seine Anbanger keineswegs als Kopfhanger erscheinen, sondern sie mussten
singen nnd tanzen , um zu zeigen , dass sie sich nach Ablegung aller irdischen
Dinge sehr wohl befunden, om noch mehrere zu solcher Herrlichkeit ansn-
locken; desshalb begleitete ihn auch ein Violinspieler Boccia, am die Ge-
sänge zu begleiten, und den Leuten Lust zu machen, die beängstigenden
Fortschritte der Wissenschaft aufzugeben und zu der ursprünglichen Reinheit
der ersten Christen zurückzukehren. Doch starb dieser Pietist und Mystiker
wenigsteos als ehrlicher Mann; er starb in Aquapendente tren seiner Lehre,
und verordnete, dass sein Korper mit derselben Verachtung alles Irdischen
behandelt werden sollte, wie er gelehrt hatte.
Bei dem Uebergange von solchem Überschwang] ichen Glauben snr Philo-
sophie, die in dem Verdacht steht, weniger zu glauben, als zn forschen,
müssen wir die Arbeit eines der bedeutendsten Mitglieder der Academie der
italiünischen Philosophie erwähnen. Dies ist der Baron Ondes-Reggio Ton
Palermo, welcher in Genua das constitutionelle Recht liest. Der Titel ist:
Introduwmi ai principii tUll timane toeieta*, dal Baront Ondes'Reifgio. Gsfieea
1857. Presto Lavagmno,
Der Verfasser ist einer der Beförderer der Sicilianischen Revolotion,
welche Anfangs nichts anderes wollte, als die Aufrechthaltang der von dem
Könige Ferdinand L gegebenen Constitution von 1812. (S. Sioilien von J.
F. Neigebaur. Leipzig 1848, U. Aufl) Die dortige Revolution ging von den
vornehmsten Sicilisnern aus, die jetzt als Ausgewanderte meist in Turin nnd
Genua leben. Hier ist Ondes-Reggio als Professor in der juristischen Facu)-
tat angestellt, der gelehrte Historiker Aman lebt als Privatmann, wfthrend
der Herzog Serra di Faico sich in Florenz niedergelassen hat. Graf Mamiani
delle Rovene, den Pius IX. zum Hinister im Jahr 1848 ernannte, stiftete in
Genua die Academie der italienischen Philosophie, deren thfitiges Mitglied der
Verfasser dieses Werkes ist; wie der Markgraf Cavour, der Bruder des Mini-
ster-Präsidenten Grafen Cavour zu Turin, ebenfalls eines der bedeutendsten
Mitglieder dieser Academie ist.
Ein geachteter Philosoph, Herr Rossi, hat wieder eine gerühmte Arbeit:
DM Ofwarty da Luigi Rossij Tarino 1857,
heransgegeben , nachdem seine 1853 erschienene Rechts -Philosophie grossen
Beifall erhalten hat
Ueber den Öffentlichen Unterricht haben wir ein Werk von dem Ritter
Bertini zu erwähnen:
^90 Lilentiirfterichte au Mlen.
Mia htnmiom ffiAHca a Piemente, Consideraume e pr&po€li, Jkrmo i957, Tip.
francOf
welcber fleh fbr Retl-ScImleD auMpricht.
Endlich haben wir noch ein Trauerspiel tu erwähnen:
Coia di RienMO, iro^edia di ÄleMsandro Annarratime. ValemaiSS?, PresmMordii
Weil der Ge^^enstand populflr iat, werden keine i^rosse Ansprache la
daMelbe gemacht; es scheint ein erster Versuch su sein.
n.
Ab Dichtem fehlt ea in Italien nirgends , selbst nicht auf der noch der
Blutrache eri^ebenen Insel Sardinien. Herr Filippo ViTanet hat eine SamB-
IiftAf Gedichte, unter dem Titel:
Arm<mi9, Sassari 1857
beransifeffeben , welche aber von Kennern noch ziemlich schülerhaft befan-
den werden; was nicht zu verwundern ist, wenn man bedenkt, dass erti
seit 1848 durch die Constitution die Volksbüdunf^ sich hat Bahn brechen kOc-
nen. Die kleine Stadt filaluzzo , welche so viele ans^^ezeichnete MSnner her-
fttbracht hat, ist daher auch reich an DenknUlem auafeseiohneter Mitbftreer.
Ein Dichter aus Genua hat von den in dem Stadthause bu SalnzKO zur Ehre
derselben aufgestellten Marmortafeln Veranlassung genommen, diese Minncr
Ml beeingeir
Le tseHsJefH Sahuueny Carme da LiHgi Posst. Oenova iS57. 8,
Saluzao ist awh die Vateraladt des Silvio Pellice, welcher in gans Enropt
TheilnahmefOr die Italifiner erweckt bat. Hier ward auch Goffredo Casalisa
geboren, welcher das grosse geographische Wörterbuch der sardinischen Städ-
ten herausgab. Auch die sehr geschtttzte Dichterin Deodata Salozso geholt
dieser Stadt und dem ausgezeichneten Gescfalechte der Markgrafen von Saluzao
an , welche die erste Buchdruckerei im Piemontesischen anlegten. Graf Cissr
Salozzo war Präsident der Gesellschaft zur Herausgabe der vaterlfindisdiea
Geschichtsquellen des Königreichs Sardinien.
Dnimatien liefert uns wieder eine willkommene literarische Erscheinuaf,
nemlich die Lebensbeschreibung des rühmlichst bekannten Antiquaren Dr. Fn.
Carrara :
DeUa vita s degli scritH dell Äbbate Dr. Francesco Carrara, Ceiuii di A, Dr,
Bajamonü, Spalato 1854. Tip, e. OlivettL
welche wir in unseren Bericht mit aufnehmen, obwohl sie nicht mehr gans
neu ist; da sich Carrara um die Kenntniss seiner Vaterstadt Spalato sehr ver-
dient gemacht hat, wo er Direetor des dortigen antiken Museums war, dis
sfch innerhalb des Ungeheuern Pallastes des Kaisers Diocletian befindet. Car-
rara war 1812 geboren und starb in Venedig 1853, Tiel von seinen Lands-
leuten angefeindet , aber im Auslande sehr geachtet. Seine Dalmatia deacritta,
Eara 1846. Tip. Battara, ist von dem berühmten Balbi sehr gewürdigt wer-
den; sein Archivio capitolare di Spalato. Zara 1846. Tip. Battara hat etan
grossea Schatz von bisher uabekannten Urkunden zu Tage gefordert. Ikn
waren die Ausgrabungen der 639 von den Hunnen aerstOitea alten Stadt St*
Lücil^yiWricÜ» mä fciJiefc TM
Uoa ttberlraffe» w«r4e», woribdr er ia »tiaer Topofraia e «eavi di SaloBa»
Trieste 1850. Tip. del Loyd, Nachriebt geireben bat, welcba er in den Jabre»
1840 bia 49 ▼orfeBommen batte. Sein Beriebt ttber die Anamraboagett yon
1850 eracbieoen su Fngi de' fcavi di Salooa nel 1850 ^ memoria« Praya
1852. Tip. Uaaae in 4. Die GrÜa A. Haahagen bat dieae Scbrift mit einer
Vorrede von dem Unterteichnetea eh Leipaifr in dar Dyck'aaben Buch-
bandlong beraasgegeben. Carrara erhielt den Auftrag eine Chreatomathie ftlr
den Unterricht in der italittniscben Sprache auszuarbeiten, Weasbilt^ 6r afcb
von Wien nach Venedig begab, wo er in der Mtfrcian« die best«* Quellen
fand , deren Bibliothekar der treffliche YaleBCiaelli iat, den alle Ffemden we-
gen seiner aaaserordentlichen Gefiilligkeit liebon muaaeif, ao wie anob aaino
Verdienste um die Bibliographie von Dalmatien bekanal aiad« Carfara batta
seine Arbeit in 3 Bftnde getheilt, von denen jeder % JahrbUndortd enthalte»
sollte. Der erste erschien als Antologia italiana propoata alle ütut de* giw-
naat liceali. Vienna 1853. Tip. Ueberrenter in 8. nnd amfoaat von Danta
anfangend, das 13. und 14. Jahrhundert. Das Gänse aollte mitXadaoni acbliea*
sen; allein er starb der Wissensobaft und sehwn Frennden an frabob Die
vorliege ade Lebensbeschreibung aeigt die Theibiabme seiatea ^lehrten Lands-
mannes nnd die uhlreichen Subacribenten die Hdnge seiner Ver4btfer aur Bo-
scbflnung seiner Feinde. Unter den beigefügten Tranergaaingoa nnd Denk*
nilern fOr den braven Carrara findet sich auch ein Denkmal von nnaoror
deouchen Diehterin Ida Baronin Reinsberg^Dnringsfeld, deren neueatOa Werk
sieh mit dem Vaterlande Carrara's beacbnfügt. S. An« DAlntellan tete Ua voft
Doringsfeld. Hrt Amnerkangea von Otto Freiherr v. Rainaberg* Fraf 1857.r
B. Carl BeNmann. 1r Band. So lebendig uml treu das GenriMe de# geial-
reicben Verfasserin Ober Land und Leute der Gegenwart iat ; a« dinkbar Bana4
man die statistisch<*gesclucbtlicben und KterarischeD Anmerkungen ihres grttnd-
Hcbbn Gemahls aufnehmen , der sich besonders mit dem Studium der slaviacben
Sprachen befasst
Wenn in Dalmatien das Andenken an die Herrschaft von Venedig eben
nieht lu den erfreulichsten Erinnerungen gehört, so muss man doch auf die
Zeit Rücksicht nehmen, wo diese Repoblik sich nur mit grOsater Kühe swi-
achen der päpstlichen und weklicheo Macht su erbalten suchen mnsste, und
genothigt war, ihre Feinde mit denselben Mitteln w bekimpfen, welche sich
jene erlaubten , und die leider so oft durch höhere Staatarttcksicblen entsobnl-
digt wurden. Deshalb müssen wir auf einen gescbichtlicken Roman aubierk-
aam machen, der das innere Gelriebe des Venetianischen Staatshaaabakea klar
vorlegt. Dies i«t:
ABm Bmoxm, oeeera wm eonymtm wotim ii iofs Fi&f Gradamg»^ rtUcmOo Fe-
naitmo id cemfa GiiOm FdU, Vmmh pruto Quitopf UnM 18M.
HL VoB, 8.
Bi reicht bin, an sagen, daaa der gelehrte Bibifothekar der Karoiaoav
Valenlinelif dieses Bach empflebü, das teehr al# Roman iak Es enthalt ein
treoca Bild der ZeÜ, in der die geistige Bewegang in Italien anfing. Eine jnnge
deotsche Dame hat diesen Roman ttberaetst, und er dnrfle bald aneb una b»-
knnni werden; er verdiant ea um so aaah», dn leider der dentsche Geaobanttk
der franaOfiiahtti üteratnr anwende», wo bm* afoh la oft in
9§9 Liteffttnrbericliie auf Itdlea«
•dllechter GeielUchaft befindet , wührend die UalÜnif chen Romtiie sieh dirch
Reinheit ansBeichnen,
Es durfte auifallen, daw in unserem Bericht über italiiniache LHeratir
ein in Agram fpednicktes Werk vorkommt, es ist dies ein sehr gedie^
nes Werk des eben genannten Bibliothekars der Marciana , des Herrn Pro-
fessor Valentinen! au Venedig, nemlich die
BibUö^afia della Dahuaia t del Bfontene^. Sag^ di Giuseppe VaienUmBi.
Zagrabia 1855. pretto L. Gay, 8. S. 339,
Dalmatien hat das Glttck^ eine Bibliographie tn besitsen, wie norwenif
Liinder, uns ffillt im Augenblick nur Belgien ein. Dalmatien, das merkwür-
dige Land, welches eigentlich ein slavisches Land ist, hat ganz italiinische
StAdte und eine deutsche Regierung. Es ist merkwürdig, dass Oesterreich,
obwohl nur der kleinste Theil seiner Einwohner aus Deutschen besteht, doch
fbr die Ausbreitung der deutschen Sprache am meisten gethan hal. In den
Slavo-Italittnischen Dalmatien findet man in jedem Dorfe Leute, die deutsch
sprechen ; denn sie waren Soldaten. In der Bukowina, einem Lande der Ro-
manen, da wo die Kaiserreiche von Russland und der Türkei mit Oesterreich
grfinsen , findet man Überall Leute , die deutsch sprechen , und Cxeraowäs
besitzt eine sehr gute deutsche Buchhandlung. Darum findet man aach in den
vorliegenden gründlichen Werke von Valentinelli ausser lateinischen Werkes
und andern aus andern Sprachen Europas auch sehr viele deutsche Scbri^
ten, die sich mit Dalmatien beschäftigt haben. Hier hat nemlich der gelehrte
Verfasser Alles gesammelt, was über Dalmatien geschrieben worden ist. Er
halte schon früher ein Specimen bibliographicnm de Dalmatia et agro etc.
Venetiis 1842 herausgegeben.
Die sttdslavische Gesellschaft in Agram, deren Vorsteher der Bann von
Croatien, der wissenschaftlich gebildete Jellacich ist, und die in dem Dr.
Kukuljevich zu Agram einen eben so gelehrten als fleissigen bestlindigen Se-
cretair besitzt, hat auf ihre Kosten diese neue Bearbeitung unseres Valenti-
nelli drucken lassen. Man sieht, dass es dort an Leuten nicht fehlt, welche
für ihre Nationalität Opfer bringen. Der gelehrte Valentinelli hat in dieser
Bibliographie unter 1969 Nummern nicht nur alle Werke aufgeführt, welche
sich mit Dalmatien beschilftigen, sondern auch die bedeutenderen Artikel aui
den verschiedenen Zeitschriften angeführt, welche sich mit Dalmatien he-
schuftigen. Er ist dabei ganz systematisch zu Werke gegangen. Zuerst f^hrt
er alle Werke an, welche Dalmatien im Allgemeinen behandeln, etngetheill
nach allgemeiner, militairischer und Kirchengeschichte, nach Geographie,
Statistik, Topographie, Hydrographie, mit Anführung aller Zeitungen nnd Zeit-
schriften, nebst der Literatur-Geschichte. Hierauf führt er von der Haopl*
Stadt Zara in gleicher Weise die vorhandene Literatur an, und so fort von
Ort zu Ort, bis nach Montenegro; so dass man hier Alles vereinigt findet,
was in allen Sprachen über das Land erschienen ist. Gleichzeitig mit Valen-
tinelli hat ein gelehrter Deutscher, der Baron von Reinsberg, eine ShBliche
Arbeit in Brüssel in dem Bibliofile Beige bekannt gemacht, indem er ein Ver-
zeichniss der Dalmatinischen Schriftsteiler bekannt machte. Sein und senMr
Gemahlin Werk über Dalmatien haben wir oben sohon genannt. Wenn wir
Litentarberiehte rat Italien. 793
Aw tttdflavuches Geselljcluift dtfttr lehr dankbar find, dass fie dieaea Werk
hat eraeheinen laaaen, können wir nur wOnacben, daas aie den Unterschied
awiachen den verschiedenen Sudalaven beachte, der sich nicht in der
Sprache noch in der Religion, sondern in der büri^erlicheD Stellang auss-
spricht. Der Croat und der Serbe ist himmelweit verschieden in seinen bOr-
gerlichen VerbtUoissen. In Groatien finden sich Herren und Knechte,
bei den Serben dagegen herrscht das Burgerthum. In Serbien, in dem
Österreichischen Banat, in Slavonien , in der Militairgrenae herrscht das BQp-
gerthom, das Bttrgerthum aber htit es stets mit der Monarchie. In dem be-
nachbarten Bosnien war, wie in Deutschland, das Verhültniss der Gutsunter-
tbinigkeit ausgebildet worden; die Folge zeigt sich heute noch. Die Gnta-
herm. um die Herrschaft Über ihre Gutsunterthanen zu behalten, nahmen den
Islam an, die letzteren blieben dem christlichen Glauben treu. Sie werden
von den Türken weniger geplagt, als von ihren froheren christlichen Guts«
herren. Diese haben schon wiederholt Aufstand gegen den Grosssullnn ge-
wagt, weil dieser so revolntionair ist, dass er den christlichen Bauern den-
selben Schutz zukommen lassen will , wie den muhamedanisch gewordenen
Gntaberm. GlQckllcher Weise macht Oesterreich jetzt so grosse Fortschritte
in seiner aocialen Ausbildung, dass die Gleichheit vor dem Gesets den jetzt
noch bemerkbaren Unterschied zwischen, Croatien und Serbien bald ver-
wiacben dürfte.
m.
Für die Literatur des Osterreichischen Theils von Italien besitzen wir
jetzt einen trefflichen Leitfaden an der bibliographisch-statistischen Uebersicht
der Literatur des oesterreichischen Kaiser-Staates von 1855 von dem eben so
gelehrten als gründlichen Doctor C. Wurzbach v. Tannenberg, Wien 1857 in
der Staats-Druckerei in 2 Bünden*), worin wir besonders auf die Uebersicht
der in den Lombardo-Venezianischen Provinzen herauskommenden Zeitschrif-
ten aufmerksam machen. Diese beiden Provinzen besitzen 12 politische Zeit-
schriften, wozu noch 2 in Dalmatien herauskommende geboren. Denn in
Dalmatien, welches zwar eigentlich eine slavische Bevölkerung hat , bestehend
ans Serben, Morlaken, nnd andern verwandten Volkern, ist die Sprache
der gebildeten Welt die italittniscbe und man kann sagen, dass die Stfidte
italiänisch , die Dörfer slavisch sind. (S. die Süd-SIaven und ihre Länder von
J. G. Neigebaur. Leipzig bei Castenoble 1853). Nach dem Wurzbach*8chen
Werke besitzen die Österreichisch - italianischen Provinzen 7 literarische nnd
bibliographische Blätter. Die Lombardei hat 2 theologische und Kirchenblat-
ter. Die Gegenden Venedigs besitzen kein theologisches Blatt; dagegen für
Untenricht, Erziehung und Schulwesen eine Zeitschrift, wogegen die Lom-
bardei deren 3 besitzt. Für Hechtswissenschaft , Geaetzgebungs- undVerwal-
tunga- Wissenschaft hat das Venezianische 6, die Lombardei nur 1 Zeitschrift;
für Statistik die Lombardei nur eine, für Geschichte haben beide Provinzen
keine Zeitschrift; denn die meisten Freunde der Geschichte sind ao wohl-
^ S. diese Jahrbücher S. 229 dieaea Jahrgaoga.
m Litmtarbttidu« um IMm.
habeod, data sie dieser dort setir ifeiMfte» Liebbeberei irerae ■olche Opfer
brittfren, das« solche AufsMtze als Monographien auf ibre Koalen eraebei»e9,
die anderwirto kaum Raum in einer Zeitochrifl fladea. Fflr NalarwisseatiMI
hat jede dieser Provinsen 2 Zeitschriften. Fttr Mensehen- and Tbier-Heil-
knnde hat Venedifp eine, die Lombardei aber 4 Zeitschriften. Por Landwirtb-
schaft, Garten- und Ber^rhau, so wie fUr Forstwesen bat die Lombardei 4,
das Venezianische 2 Zeitschriften. Für Handel und Gewerbe nnd derfficichei
blosse Anzeif^en hat die erste Provinz 1 Blatt, die letzte 3 Blätter; dai^^aa
ftar Kunst nur die Lombardei deren 3. Sonach haben diese beiden Proriatei
03 Zeitschriften, zu denen noch eine Dalmatisehe tkber Reebtswiaaenaebalt
kommt. Ungarn, das grOsste Kronland Oesterreichs, hat deren mir 52; dm
rührige Böhmen nur 44; so dass Italien nur von der Hauptatadt mit Nieder-
Oesterreich mit 105 Zeitschriften tkbertroffen wird.
Eine Zeitschrift Ober Staats Wissenschaft rerdient eine bcaoadere
Erwähnung, nemiich:
Regulatore amminittratico dedicalo ai Communi Lombardo-VeneH, Mllano iS$7,
Tip, Ctee/Zt.
Von dieser Zeitschrift, welche Joseph Givelli herausgiebt, ersebeiat seil
dem September 1856 wöchentlich ein Bogen fikr Verwaltung sowohl des Staa-
tes, als der Gemeinden in Bezug auf Gesetze, Wissenschaft und Literatar.
Ausser den amtlichen Gesetzen und Verordnungen werden hier alle Gegen-
stünde des hllrgerlichen Lebens besprochen, und Nachrichten aus den ver-
schiedenen Landestheilen des Lombardisch-Ve nezianischen Königreiches mitge-
theilt; auch Abhandlungen von allgemeinem Interesse, z. B. geschichtKche
Studien Ober die Staatswirthschnft und Verwaltung, welche der franzOiischea
Revolution vorausging und sie beschleunigte. Lesenswerth ist besonders
ein Aufsatz über das Armenwesen in Europa. Hier werden auf 36 Millionen
Oesterreicher 1,400,000 Arme gerechnet, 1 auf 25. In Preussen auf 15 MilL
Einwohner 500,000 Arme, 1 auf 27. In dem t^brigen Deutschland 1 auf 20.
In Frankreich bei 39,000,000 sollen 1,900,000 Arme sein mithin ebenfalls
1 auf 20. In England soll der 6te Mensch zu der Classe der Armen gehören.
In ItRÜen werden auf 24 Mill. Einwohner 1,000,000 Armen gerechnet, so dass
1 auf 25 kommen soll; in Spanien auf 30, in Belgien und Holland auf 7
Menschen ein Armer, in Portugal! 1 auf 25. In der Schweiz wird aof 10
Menschen ein Armer gerechnet, in der Türkei aber auf 40 Menschen erst ein
Armer. Hier hat man also die Wahl zwischen Civilisation nnd Unordnung.
Auch über neue Werke , die diese Gegenstände betreffen , wird Nachricht ge-
geben, und da die Gemeinde -Verwaltung sich einer grossen Autonomie er-
freut, wird an dieser Zeitschrift überall lebendig Theil genommen.
U Veierinario tH Loren» Cotrim, MiUmo 1857. 8. Tip, CmoBi,
Diese seit 1854 bestehende Zeitschrift, welche besonders der ländlichen
Verwaltung und dem Ackerbau gewidmet ist, wird von dem Doctor Corviai
herausgegeben , welcher in der Anstalt für Thierarzneikunde in Mailand an-
gestellt ist; es erscheint davon monatlich ein Heft in 2 Bogen, bisweilen aiit
Abbildungen, und enthttit auaser wisMBiehaft&cheD und |»nkUfoheik Abband-
Litenliirberichto toi Italien. 705
laBjreD, die diese Ge^^eostflnde betreffenden amtlichen Verordnoogen und Nich-
richten, fo wie Besprechaneen von hierher (rehOriiten Hterarisehen Erscbei-
nnnifen. Daa vorliegende Maihefl enthttU unter andern eine Abbandlonif über
die Geachichte der Thierartneikunde, und über den Werth, den die Alten auf
die Haaatbiere lef^ten.
Das« man in Italien immer mehr Sorgfalt auf die weibliche Erziehung
wendet, kann man aua der wiederholten Auflage des folgenden Lehrbachea
Ober die beste Art sich mündlich und schriftlich auszudrucken , ersehen:
Eserdui <fi süh e Uihtra prapotte alU ^iovinetle dal sacerdale GvUio Cesare Pa-"
Tulmu Miiano 1857. presto 0. Cinocchi. 3 VoL
Dies Lehrbuch nach dem Alter in drei verschiedene Klassen etngetheilt,
enCbält aber ausser den Styl-Uebungen zugleich Vorschriften der Moral, welche
aber mehr für das Kloster* Leben als fQr das Leben in der Welt berechnet sind.
Wir haben schon wiederholt Gelegenheit gehabt, zu bemerken, dasa in
Ilalien verhiltniasmAasig viel mehr Ueberaetzungen ana dem Deutschen er-
scheinen, als in Frankreich. Dies beweist wieder die zweite Auflage der
Literatargeschichte von Friedrich Sshlegel :
Sioria detta letterahira tmüca e modema di Federico Schlegel y iraduüone S
Francesco Ambrasoli, iL EdsL Miiano i857, Tip, di Chusici kaiiani.
Die erste Auflage erschien 1828 und ward so gut benutzt, dass sich der
Verfasser zu einer neuen verbesserten Auflage veranlasst gesehen hat.
Zu den vielen in Italien erscheinenden Lebensbeschreibungen gehört auch
die des Bernhard Sacco:
Natisie della vita e delle opere di Bemardo Sacco, Patete, raecolu e esposie doli
Ahh, Pieiro TerefiMO. Pavia. Tip. Bivumi 1857,
Sacco war ein bedeutender Staatsmann im 15. Jahrhundert, der in Auf-
trügen seiner Stadt in Frankreich und Rom tbfitig war, auch in lateinischer
Sprache mehrere Werke herausgegeben hat, von denen besonders Ticinensis
hiatoria zu beachten ist. Tirahoschi schlägt den literarischen Werth dieses
Gelehrten nicht hoch an; es zeigt aber von der Liebhaberei der Italiener fCkr
die Kenntniss der Lebensverbültnisse ihrer HitbUrger, es sei in mehr oder
weniger bedeutendem Kreise.
Die Italiiner reisen im Ganzen weniger, als die Deutschen und Englän-
der, daher dort das Bedürfniss nach Reisehandbüchern für die Einheimischen
geringer ist; doch ist jetzt ein solcher Führer für den Langen-See, den wir
auch gewöhnlieh den Lago Haggiore nennen, erschienen:
tl Lago maggiore con viaggi ai Ughi e monti ctrconetcini, per Luigi BonifonH,
Torino e Miiano 1857,
Der Herr Verfasser hat schon früher einen Führer von Arona und die
nach diesem See führenden Strassen herausgegeben, welcher bereits 2 Auf-
lagen erlebt hat. Auch dieses sehr gut geschriebene Werk enthält Alles, was
dem Reisenden in und um diesen See wichtig ist; besonders aber sind die
geachichtlichen Nachrichten, welche nicht nur über diesen und die benach"*
796 Literatarberichte tat Italien.
btrten Seen (gegeben werden , sondern auch auf die Alpen-Straaaen aich er
strecken, sehr beachtenswertb.
In Mailand besteht ein literarisches Unternehmen seit 6 Jahren zur Ver-
breitung der katholischen Religion, unter dem Namen Poliantea Cattolica, ub-
ter welchem Titel bereits eine bedeutende Anzahl von Schriften ersckieaea
ist, von denen wir nur die geschichtlich-philosophischen, kQnstlerischea und
literarischen Forschungen des fleissiiten Grafen Dandolo erwfihnen wollen.
Bine der neuesten Bekanntmachungen dieser Unternehmnnfr ist eine Ueber-
setzung der Geschichte des Papstes Innocenz III:
Storia di Papa Innocmzo Uh e de tuoi anOemporanei di Federico Burttr^ is
F. Guiseppe Cliemone. Milano 1857, presto BatteitaH. 8. 308 8.
Schon vor dieser waren in Italien zwei Uebersetzungen dieses Weiics
erschienen , eine von dem Geistlichen Rovida zu Mailand, die andere von den
Professor Toccagni zu Brescia; beide aber wurden nach der franzOsisehei
Uebersetzunsr des Saint-Cheron bearbeitet; diese aber wurde nach der IV
fchrifl, und zwar nach der neuesten dritten Auflage gefertigt
Sehr wichtig für die Dramaturgik ist folgende Schrift:
Studi teorico~poetici tuiT arte di recUare e di declamarey di C, L. Fmnccsefci
MUano 1857, pretso SÜteOri, 8.
Dieses Lehrbuch der Redekunst mit besonderer Beziehung auf Dramaturgie
und Musik hat einen in diesem Fache wohl erfahrenen Verfasser; Hr. Frac
eeschi ist nerolich als Lehrer bei der Filodramatiscben Gesellschaft zu Mai-
land angestellt. Seit lifngerer Zeit besteht nemlich in dieser Hauptstadt eine
Gesellschaft , welche nicht nur ein eigenes nicht unbedeutendes Theater ei^
baut hat , worauf sich Liebhaber zeigen , sondern die auch eine Erziehnngs-
Anstalt fOr solche Personen unterhält , welche sich der theatralischen Laafbaha
widmen wollen. Wer Gelegenheit gehabt hat, den Vorstellungen beizawoii-
nen, wozu die Mitglieder bfliifig auch Fremde einladen, muss gestehen, dasi
hier die Liebhaber, wenn auch selten solche auftreten, besonders aber die
ZOgUnge, Tüchtiges leisten. Die in diesem Lehrbuche fttr angebende
Schauspieler und Sänger gegebenen Vorschriften gründen sich daher auf eigae
Erfahrung.
In Vereelli hat der gelehrte Domherr Mora wieder ein philosophisches
V^Terk:
La vt/a deUa scienw umana, dal Canonico Tommaso Mora, VerceUi 1857. pret»
Deumdenü
herausgegeben; dieser Theoretiker ist schon durch die Enciclopedia acienti-
fica bekannt, welche er mit dem Francesco Lavarino herausgab.
J Feudi ed i Commtmt deUa Lomhardia di Gabriele Rota. IL EdiL Bergamo
1857. presso Pagnoncelli. 8. p. 312.
Der mit der deutschen Sprache wohlvertraute Herr Verfasser fUngt seine
Geschichte des Lehowesens mit dem Eintritte der Longobarden in Italien an,
deren höchstens 20,000 im FrUhjahr 568 ihre früheren WohnsiUe iwiachen
GOrtz und der Donau veriieaaen. Jiutiniaii hatte ihnen, ala Söldnern, jenen
Litentarberichte iu Italien. 797
Uüdfltrich anfr^wieteD , um ihn ffeiren die andern Barbaren in yertbeidi|ren ;
8ie waren dort 42 Jabre (gewesen, und hatten dies Land, das ihnen alf rO-
miachea Beneficium an^^e wiesen war, unter sich vertheilt; die an Pferde foch-
ten, das waren die reichem, die Armen dienten als Fossvolk, ihrer waren
14,000, nnter dem Namen Aldi; die Vornehmem aber bildeten desshalb keine
Kasten nach der Gebort, da die Könige aus ihrem Gesinde ihre Günstlinge
and obersten Beamten ernannten, die nach der römischen Einrichtung Comi-
ter genannt worden, wie schon anter Honorius 309 die hohem Beamten ge-
nannt worden, die aoch mitunter aas den besiegten Nationen genommen worden.
Hit dem deutschen Namen worden solche Comites, Gefährten, die Umgebun-
gen des Herrschers Gefaro, Geführte, Geraflo, oder Gerafa genannt, woraus
endlich Graf wurde. Die römischen Kaiser hatten schon die frühere Auto-
nomie der Gfmeinden oder Municipien beschränkt, um unumschriinkter au
herrtchen, daher sie ihre Umgebungen, Comites, immer hoher stellten; daau
gehorten aoch die Yerwaltungsbeamten , die Leibtnte und die Aufseher des
kaiserlichen Pallastes, die Comites Palatini. Die Lombardei, damals unter den
Kaifern von Byzans stehend , hatte fttr jenen christlichen Poliaeistaat eben so
wenig Sympathie wie fOr die Longobarden. Daher widerstanden mehrere
Stildte dnrch eigene Kraft, wie Hantua, Cremona und Pavia, welches sich 3
Jahre lang selbst vertheidigte. Die ankommenden Longobarden bemficbtigten
sich nun des Landes der entflohenen griechischen Beamten nnd der entflohe-
nen Römer, doch Alboins Nachfolger griffen noch weiter um sich und vertheil-
ten diese Lindereien an ihr Heer nach Verschiedenheit der Grade, und blie-
ben ihre Grandstacke nach deutschem Herkommen steuerfrei. Zur Erhebung
der Staatsabgaben wurde das eroberte Land von Friaul bis Benevent in 35
HersogthQmer getheilt, wobei man meist die bischoflichen Sprengel an Rom
aniHihni. Dieae Eroberer aber hatten aus Deutschland wenig monarchischen
Sinn mitgebracht, sie waren schon unter Clefa, der 2 Jabre nach der Erobe-
mng starb, ao sehr republikaniach geainnt, dass sie sich nicht einmal einen
neuen König wfthlten; sondern 10 Jahre lang herrschte jeder dieser Beamten
nnnmschrftnkt und jeder Herzog versuchte seioe Herrschaft erblich au machen,
wie ea aptter die Deutschen auch nach Carl dem Grossen thaten. Endlich
ward die Monarchie wieder hergestellt, und es bildete sich das Feudal We-
sen nnter der Monarchie immer weiter ans, bia es die tapfern Bürger der
italieniachen Städte abschafften.
Fttr die Naturwissenschaft ist au bemerken:
Delle FraUoni riprodutiive tUgU animali, ffer F, de FilippL MUano 1856.
Der Doctor de Filippi bat sich bereits durch mehrere Schriften über Na-
tnrwiasenschaft ausgezeichnet. In dem vorliegenden Werke hat er die italiä-
nif ehe Uebersetzong der Anfangsgründe der Zoologie von Milne-Edwards ver-
vollständigt. Der gründliche Verfasser verfolgt die Erzeugung der verschie-
denen Thiere von der ersten Entstehung bis zur Zärtlichkeit der Matter für
die heranwachsende Brut, und beschäftigt sich besonders mit den Eingeweide-
wfirmem und Infusorien.
Sullo üaio geologico MT Ittäia^ di GtoMimi Omiom. MiUmo 1856.
798 Literalarbericyo an« lutlai.
Der Verfasser hal hier die Biidungs-Geschichta der iuliÜBiidieB Battria«
sei mit ihren Inseln in 6 verschiedene Epochen tb^etbeilt, von denen die
letzte mit den vulkanischen Erscheinungen ausammenbAngt, deren Sehauplati
eben Italien ist. Viele in den Text eingedruckte Abbildungen erleichtern du
Verstau dniss. Dabei hat der Verfasser eine (jeschichte der Ausbüdni^ des
Stadiums der Geologie in Italien gegeben, obwohl dies Buch sich nar ab
einen Anhang su dem Lehrbuche der Mineralogie und Geologie von Beodaat
ankündigt.
Coatptndio di Gtoyafia fisiea wpecialt aiF iMa^ da CtUttmo BkmckL Fircaif
1856,
Der Verfasser bat mit dieser Arbeit die italianische Uebersetuag der
physischen Geographie von Sommerville vervollständigen wollen, nnd Ist
wirklich über die Geologie , Gltmatologie nnd die Eraengnis^ Italiens eiai
schfttzbare Zusammenstellung gemachL
Ein bedeutendes Werk ist:
La Proprielä fondiaria e le poftotoiioni agnooU in Lomhardia, $iy^ ecomomid S
Sufano Jacinu Mitano 1857. 3. Äuß. 8, Tip, CiteilL
worüber S. 661 dieser Jahrb. bereits ntthcrer Bericht erstattet worden.
In der Lombardei verdient weller folgende Zeitschrift alle Beaefatong:
€Mda gkUuUca deUa pnn>mcia di MUano. pel 1857. MUam. Tip, Ptnola.
Seit 11 Jahren erscheint dieses Jahrbuch der Statistik, welches von daa
Veränderungen der Bevölkerung und andern Ereignissen der Hauptaladt aad
der Provins Mailand Nachricht giebt. Die Einwohneraahl von Mailand ist aaf
147,359 angegeben, während die Lombardei 2,837,638 Seelen sählt Maa
sieht hier, dass jede Gemeinde einen Arzt und einen Schoilehrer hat; bmi
klagt aber über deren geringe Besoldung. Dagegen hat man hier nicht notb-
wendig, die Kinder zu zwingen in die Schule zu gehen. Man kennt hier dea
Yortheil der Bildung. In dem Österreichischen Italien kann es jeder, der
Neigung zum Soldatenstande hat, durch Geschick und Kenntniss zum Offizier
bringen, In dem Königreich Sardinien ebenfalls; selbst in dem Königreicbe
Neapel (5. die Insel Sicilien von J. F. Neigebaur. Leipzig 1848. U. Aoi
2. Vol.), während in andern Landern die Beförderung des gemeinen Soldaten
kanm möglich ist.
IV.
Die grosse Frage der Zeit, die Canelisirung der Landenge von Suez, hti
an dem dnrch seine Beiseberichte rühmlichst bekannten Professor Baniffi eioei
sehr lebhaften Vertheidiger gegen die von dem englischen Minister Palmerftoi
dagegen erhobenen Bedenken gefunden, welcher in diesen Tagen darüber
folgende Schrift herausgab :
Vl$imo di Sves, leürme popolare di G, P. Baruffl. Torino 1857, slamperia rtak
Der für jede gemeinnützige Unternehmung begeisterte Verfasaer, ein wah-
rer Freund der Menschheit, welcher hier die nngeheuren VortbeHe dieser Hv
temehmung auseinandersetzt, widerlegt die im englischen Parlamente erhoba-
nen SchwierigkeiteD , dnrch den von England selbst in der Neuzeit befolgtea
Literatarbericlite am Italien. 799
GraadsiU, daaa daa wahre Mittel sicAi zu bereichern darin besteht, dass alle,
mit denen man in Berühruni; kommt, sich dabei ebenfalls wohl befinden. Man
wird nicht reieb, indem man die andern arm aiaehL England hat tu seiner
£hre, wie selbst der bedeutende Franaose Saint^Hilaire snerkennt, in den
letzten Jahren eine Politik eingeschla|(en, welche auf den Grundsütaen erleuch-
teter Freiheit und Gerechtii^keit beruht, so dass ein bleibender Widerstand
keineswegs zu fürchten ist. England beßndet sich im Besitze der Httifte 4ee
Welthandels, Amerika in dem eines Viertheils, in das übrige Viertheil theilen
steh die andern Volker. Da nun der Handel durch diesen Canal überall un-
endlich gewinnen wird, indem die zwei Theile der alten Welt jetzt in nähere
Verbindung kommen werden, so zeigt sich der ungeheure Vortheil, der dabei
auf England kommen muss, wobei auch die andern gewinnen werden, beson-
ders durch die Uflfen von Triest und Genua, das Herz von Europa: unser
Deutschland.
In Italien findet man selten Romane aus der Gegenwart, seit Naosoni für
die treffliichen geschichtlichen Romane die Bahn gebrochen hat. Darum maebt
jetzt ein solcher aus der Jetztzeit ein nicht unbedeutendes Aufsehen. Der
TStel ist:
Gli Ultimi Coriandoli, Romatuo coiUemparaneo ^di CUuo Ärrigki MiUtmo 1857,
Der Verfasser bat seine Aufgabe glOcklich gelost, und wird wahrschein-
lich in dieser Art bald Nachahmer finden, und die französischen Romane dort
verdrangen, welche gewöhnlich den Reiz der Gegenwart haben. Allerdings
ist es schwerer einen Gegenstand zu behandeln, den Jeder kennt, als die Ver-
gnnirevheit» wo dem Schriftsteller nieht sofort ein FehlgriiT nachgewiesen wer-
den kann.
Auch in Toscana dürfen jetzt Öffentliche (legenstflnde besprochen werden,
wenn sie nur nichts mit der äussern Politik und de? italienischen Nationalität
an thun haben. Toscana, ein Land, wo 1,800,000 Einwohner anf 6784 ita-
lienischen Quadratmeilen leben, hat einen ausgedehnten Markt, daher freier
Handel nothwendig; es wnrde daher von der Ackerbau-Gesellschaft zn Plortnz
eine Commission ernannt, um den Congress für die Zoll-Freiheit in Brüssel
SU besehicken. Der diesfallsige Berieht liegt nunmehr vor:
Rapporte inviato al Omgrtuo iniemauonah di BrütseUes per U riforme doganaii^
deUa commistitme aeademica a cid nomtnato, e pruentato alla JL Acü"
dania dd GeorgofUi, neu adunanza deü 14, Settembre 1856. FirenM€ 1857,
Man sieht hieraus, wie die Mediceer, die als Kaufleute durch freien Ver-
kehr reich und mächtig geworden waren, später den Verkehr beschränkten,
nachdem sie durch fremde Waffen Herren des Landes geworden waren, das
durch solche beschränkende Hassrogeln von dem früheren Wohlstande zurüek-
knm, wie noch jetzt in seinen grossartigen Bauwerken sich darthut
Ein obwohl nur für den Bauer bestimmtes Lehrbuch zur praktischen An-
wendung bei seiner Landwirthschaft im Kleinen verdient erwähnt zu werden,
dn es von einem Geistlichen herrührt, «nd vor Kurzem in Maihind unter fol-
f enden Titel erschien: «
Ap-ariA, kUura per contadini^ dd mcerdole Ptefro ßucsom. MUano 1857.
dOO Litaraivrbeiichte au Ilaliea.
. Ein sehr willkommenes Werk sind die jetai bekannt ^emachleo uife-
druckten Werke von Guicciardini :
Opere medUe ü Prancesco Guicciardini^ ilhutrale da Giuaeppe Cimesiriiii, e p«-
Ukali per cura dei canH FiOro e Lmgi GmcciturdmL Firewte 1857. presse
Barbtra.
Hier finden sich suvOrderst Betrachtungen aber die Reden MachiaTenfs,
Ton dem er abweicht, sich für erbliche Monarchie erklärend. Die hieraof
folgenden Ricordi politici e civili sind zwar lum Thell schon gedruckt, aneia
in hohem Grade verstümmelt, und sind für die Geschichte des 15. Jahrhoa-
derts besonders wichtig.
Die sardinischen Kammern haben sich in dem letiten Jahre sehr viel Bit
der Verbesserung der Gefüngnisse beschäftigt, und das amerikanische Zellen-
System lur Ausführung gebracht, wobei der auch als gelehrter Lingoiit be-
kannte Ritter Vegessi Ruscalla sehr thtttig gewesen ist. Dieser Gegenstand
hat such einem Ungenannten Versnlassung gegeben , seine Ansichten^ zn ver^
Öffentlichen :
Le Teorie penali e racenircy pensieri di im giotme. Müano 1856. Tip.IUidadk.
Der wohlmeinende Verfasser, der sich auch für das System der Bessemaf
der Verbrecher erklart und von reiner Menschenliebe ausgeht, beleuchtet die
hierüber bekannt gemachten Theorien, beffonder« Yon Rossi und Romagnosl
*) Wir bitten die folgenden Druckfehler in früheren Artikeln dieses Jabi^
gangs an berichtigen:
Seite
117
ZI. 1 V.
0.
statt Catoll lies Catull.
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. It n
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Stätten 1. stücke.
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118
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Mavignano !• Marignano.
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Psnuatore 1. Pammatone.
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sucht 1. sieht.
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121
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n
Antonio 1. Ausonio.
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124
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gehörig mitl.aus den verschiedenartigstea.
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126
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ff
Pass 1. Press-Bureaux.
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127
» 7 „
0.
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Oristana 1. Oristano.
n
385
n 11 n
»
»
Gallerga 1. Gallenga.
n
387
n 13 „
ü.
n
neben dem 1. durch das.
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388
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Thron 1. ihreThore.
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389
» 4»
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wie eine 1. nie einer
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390
n 9„
u.
ff
den 1. der Freunde.
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390
» 11 »
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offen 1. hoffen.
9
393
n 18»
0.
n
Revolution 1. Reaction.
f)
^-
»Äl«
ü.
»
Minister und 1. 1848 Hinister.
n
394
n 3„
(J.
n
Uebergangs 1. Untergang,
»
396
»22«
n
Vertosa 1. Ventura.
n
478
« 6»
u.
ff
Professor 1. Verfasser.
n
479
« 4„
0.
n
Hilitair 1. Mittel.
n
627
n 6»
ü.
n
nicht 1. recht.
n
629
» 18 n
0.
ff
auch 1. noch.
n
633
»21 „
ü.
»
Kaiserstaat 1. Kirchenstaat.
■r. 51. HEIDBLBER6EB Ugl,
jahrbOcher der litiratur.
Der Begriff des gemeinen deutschen Privatreehts. Von Dr, Lud-
toig Rückeri, Erlangen. Verlag von Ferdinand Erdte, 1857.
IV. und 121 8. 8.
Die Grundidee des VerfaBsers ist diese: ^das Recht ist zu-
nächst keine Sache der Ueberzeugung , d. h. des theoretischen
Geistes, sondern des Willens; oder anders ausgedrückt: Es
ist kein blosser Ideencomplex, sondern ein System
realer Triebe oder Bedürfnisse^ (S. 14. 36). — Dass das
Recht kein Mittel ist, eine Ueberzeugung zu erlangen, nemlich
dazu nicht bestimmt ist, kann hier zugegeben werden. So lange
es nicht besUitten ist, dass der Sitz des Rechts im menschlichen
Bewusstsein sei, folgt aber aus diesem Satze, dass das Recht einer
Ueberzeugung entspringt. Denn wenn das Bewusstsein das Ge-
biet der geistigen Thätigkeit des Menschen ist, diese Thätigkeit ent-
weder Erscheinungen gestaltet, oder von den Gestaltungen der
Eracheinungen gestaltet wird, so muss sie entweder mit unfer-
tigen Gestaltungen sich beschäftigen, oder von fertigen Gestaltungen
beBchäftigt werden. Sie muss demnach auch, wenn die fertige Ge-
staltung die Ueberzeugung ist, da, wo sie keine Ueberzeugung zu
erlangen strebt, ihren Ursprung in einer Ueberzeugung nehmen.
Sofern sie nach Ueberzeugung strebt, ist sie theoretisch; und man
mag sie dann, mit dem Verf., den theoretischen Geist nennen. So-
fern sie aus Ueberzeugung entspringt, ist sie practisch. Es kann
aber diese practische Thätigkeit wiederum eine theoretische erzeu-
gen, wenn auf den Grund einer fertigen Ueberzeugungsgestaltung
eine andere gesucht wird. Es kann andererseits jene theoretische
Thätigkeit auf das Erzeugniss einer practischen Thätigkeit gerichtet
aein, wenn eine fertige Ueberzeugungsgestaltung gesucht wird. Im
letstern Falle wird, wenn wir uns zu einer Richtung auf eine Mehr-
geataltung wenden, allerdings kein blosser Ideencomplex erzeugt,
aber es wird dessenungeachtet ein Ideencomplex gesucht. Nach dem
Verf. muss, wenn das Recht gesucht wird, ein „System realer Triebe
oder Bedürfnisse gesucht werden.^ Triebe oder Bedürfhisse sind Er-
xengnisse eines Eindruckes oder Leidens. Das Suchen eines solchen Ge-
genstandes hat aber eüie ganz andere Richtung, wenn es sich handelt,
am diö Triebe oder Bedürfnisse des Suchenden, oder um die Triebe
oder Bedürfiiisse anderer. Im erstem Falle geht es auf die Er-
seogi^e des Leidens des Suchenden, welches seinen Willen be-
Biimmt, und das Suchen zum Selberbestimmen gestaltet, so lange
die gestaltende Thätigkeit ruht Selberbestimmung des Willens aber,
L. Jahrg. 11. Heft, 61
8#)l Rttckert: Der Begritf dtt gemeineii deaticlien PriTitrecliki.
ohne eine durch Leiden erzeugte Zielgestaltang desselben,
den Willen nur anf sich selber richten, und ihn mit dem s« g. p«
tuellen Ich verschmelzen. Der Verf. will ihn von diesem untersch
den, indem er dem Willen einen Inhalt gibt, und findet so d
Freiheit des Willens, die zugleich Nothwendigkeit ist (S. 7. I
Allein die Freiheit der Willensthätigkeit , ihre Richtung nach
durch das jedesmalige Leiden hervorgerufenen Zfdgestaltung zu
stimmen, geht verloren, wenn der Wille statt der Richtung
Inhalt bekommt, und sich zur Willensgestaltung wandelt. —
zweiten jener Fälle geht das Suchen auf die Erzeugnisse einer
stauenden Thätigkeit anderer, die durch Leiden veranlasst ist
wenn der fluchende die Triebe und Bedürfnisse anderer zum 6^
Stande seines Suchens macht, so sind sie nicht m^r Triebe fl(
Bedürfnisse, sondern Ideen, die er von ihren Trieben and Badil
nissen sich gestaltet. Seine eignen Triebe and Bedürfnisse als soki
bilden ein Wh'kangsgebiet, einen Organismus, ein Wie, und weii
nie zum System, zu einem zusammengestellten mehrgestaltigen Wi
Nur die Ideen, die er von ihnen gestaltet, vermögen ein Syiti
zn bilden. JMe Triebe und Bedürfnisse anderer bleiben in der 8
sammenstellung so lange Bestandtheile eines Systems, als sie nk
in der Verbindung mit den Ideen, welche sie hervorgerofen hM
zn einem Wirkungsgebiete sich gestalten, und dadurch ResGl
empfangen. Sie bilden aber dann nicht ein „System realer Trfi
be^, sondern umgekehrt einen Organismus real geworded
Ideen. Es haben diese Ideen Realität, weil sie Bewirktes tSd
Es ist in ihnen die Willensfreiheit unter, und der Wille In eine Wll
lensgestaltung übergegangen, und sofern diese mit dem Willen i
Märt wird, so wird er ein anderer, wenn eine andere Zielgestall
zum WiHensinhalte wird. Der Verf. verfällt in den Wid
darch Verpflanzung eines Inhalts in den Willen in die Willensl
heit eine Nothwendigkeit hineinzutragen und dennoch ein ledij
in dem Willen liegendes Recht als veränderlich nach Volk and
(S. 18) zu betrachten. Er nennt die Willensfreiheit ein Problei^
an dem die Kraft der Dialektik sich geltend mache, indem sie Wi
lensfreiheit und Nothwendigkeit vereine (S. 12); was aber dtfsrf
hinausläuft, dass diese Kraft das Problem erst macht Wenn m
Recht eine Nothwendigkeit ist, so ist nicht, wie der Verl (S. I7jj
sagt, der Character des Rechts relativ, sondern es ist nar relalH^
welches Recht hier oder dort Recht, oder in der Ueberzeogung i*
Der Verfasser reicht auch damit nicht aus, dass er (S. 12 f.) sa^t:
Wille und Denken sei dieselbe Kraft, mir die Weise sei verscbledfls,
weil verschiedene Weisen verschiedene Verriebtungen tragen.
Der Verf. unterscheidet ferner: em concretes Wollen, aus 6m
das Recht entsteht, und ein abstractes, welches gleichgültig für dit
Entstehung des Rechts ist, wie ein Eifern für ein ersonnenes Piioc^
die Begeisterung für ein ausgetheiltes Stichwort (S. 14- lö). We«
aber ein solches abstractes Wollen bei anderen die Id^e einer Notb»
BllAktrt: Ber Begriff des gMioineB dentoelieB PrivilrMliti. SOi
Ipendifkeit «im Befolgen erweckt; was ilelit dann ^utg^mif daee
)ß Recht erzeuge? Und wenn das eoacrete WMlen eine solche Idee
iicht erweckt; entstdbt dann aas ihm auch Recht? Ist nicht der
pnterschied zwischen beiden nur der, dass der (s. g.) abstracto
ffille auf die Willensgestaltong anderer £inflos8 au üben bezweckti
|sr (s. g.) conerete aber nicht? Und wird eine solche Unterschei*
Isng nicht richtiger dorch den Unterschied zwischen WUlensgestal*'
pxkg and Oestaltnngswillen gegeben ? Die Willensgestaltung, welche
fi Gebiete des Verhaltens der Menschen an einander wirkend go*
Orden, ist Recht. Der Wille zu gestalten aber, ist kein Redit.
Ilur jene Willensgestaitung kann der Wille sein, ^welches einen lo*
^digen individuellen Inhalt hat"^, der Wille^ den der Vert (S. 16)
Kir Entstehung des Rechts fordert, und von dem er sagt, dass es
Ulf geschichtlichem Wege sich bilde, und in der Masse des Volkes
legelmässig nur so vorbanden sei, dass das in dem Besonderen ver-
steckten Allgemeine noch nicht ungetrennt von jenem gedacht, oder
ÜB solches doch nur gefühlt oder empfanden wird. Was ist denn
per aber das Allgemeine was in dem Besonderen versteckt ist?
IrXhrend man, wenn man mit dem Verf. ein System im Ange hat,
poch glauben sollte, dass umgekehrt das Besondere im Allgemeinen
Itecke. Das Allgemeine kann im Besonderen nicht stecken, es
kann aber in ihm wirksam werden. Wo es nicht getrennt von die-
sem gedacht wird, da kann zwar dessen Quelle, es kann aber seK
kr noch nicht sein, weil es erst in's Dasein tritt, wenn es dem
Besondem gegenüber gestaltet ist So lange, als dies nidit der
Pall, ist in den Wiederholungen seines Gestaltwerdens im Besonde-
len ein Stoff für sein zukünftiges Gestaltetsein gegeben, allein es
i»t ein Allgemeines nur dann, wenn an die Stelle solcher Wieder-
^lungen ein Wiedorerscheinen desselben getreten ist. Nimmt
ler Verf. ein verstecktes Allgemeines an, so moss er auch in jenen
(Wiederholungen ein Allgemeines finden. Seine ganz richtige Auf-
imong: es könne vermöge der Gewohnheit etwas allgemein gelten,
Ihne vermöge einer allgemeinen Gewohnheit zu geUen (S. 43 f.)
irird dann unhaltbar. Seine Ansicht aber: dass das gemeine dent*
idie Privatrecht gebildet werde durch den den deataehen PastioiH
larrechten affectiv gemeinsamen Rechtsstoff, wekher aas den darin
mthaltenen abstracteren Sätzen bestehe, und somit zugleich parti-
Milaires Recht sei (S. 107); wird dann haltbar, wenn das gemeine
Etecht nur eine Gemeingestaltnng des Rechts, nicht aber eine ge-
■eine Rechtsgestaltung ist. Und wenn wiederum eine gemeine
Bechtsgestaltung kein gemeines Recht ist, so ist es wiederum richp
fig, wenn er sagt (S. 64), dass das römische Recht in Deutschland
BOT ein snbsidiaires Particnlarrecht sei. So wird das gemeine Recht
leijenlge TbeU des particulairen, der so abstract gebildet ist, dass
m gemeinsame Gestaltung jedes ParticuUrrechts ist. Der lebendige
and individuelle WUIe, den der Verf. zar Entstehong des Rechts
Isrdert, ist dann nur ein particulairer. Das gemeiat deotscha Recht
M Rttckert; Der Begriff def geaieiDeii dealMhea Privitre^li.
Wird ein System Ton Ideen, und bildet kein Syetem realer Triebe,
wie der Verf. es ^Ib Rechte verlangt^ ist auch kein Organismai
real gewordener Ideen, und somit gar kein Becht Man findet dem-
nach einerseits den Verf. mit sich im Widerspruch. AndereraeitB
Ist der Begriff dieses Rechts seine Negation.
Dieses Loos wird der Idee eines gemeinen Rechts von selber
SU Theil, wenn die Wurzel des Rechts nicht in einer Debersengong
gefunden wird, sondern in einer Macht, welche der Rechtsvorschrift
als Mittel der Verwirklichung von Aussen hinzutritt. Der VerC
findet sich, seiner eignen Meinung nach (S. 90 f.), im Resultate im
Einklang mit der von Gerber: das wissenschaftliche Princip des
gemeinen deutschen Privatrechts S. 272 fi".; ausgesprochenen Ansicht,
dass das gemeine deutsche Privatrecht ein unmittelbar anwendbarsB
Recht nicht sei, er entfernt aber den Inhalt, mit dem diese Theorie
nach Gerber sich beschäftigt. Dieser Inhalt ist das Volksbe-
wusstsein. Der Verfasser räumt einerseits, wie bemerkt, die Ueber-
zeugung aus der Grundlage des Rechts hinweg. Andererseits
stellt er zwar den Satz aui: „es müssen sich mit fortsehreiten-
der EntWickelung die Einzelwillen in gewissen Besiehnngen zum
allgemeinen Willen verdichten^ (S. 21). Allein er erklärt auch
wiederum: es sei der Wille nichts Fertiges (S. 18), der Stoff, der
in das Bereich der Rechtsordnung falle, sei als ein abgegrftnzter
nicht anzusehen (S. 21), es sei zwar derjenige Stoff, der durch
einen relativ fertigen allgemeinen Willen erzeugt sei, in jenes Be-
reich aufzunehmen (S. 25), es könne aber dieses Aufnehmen nidit
gleichen Schritt halten mit jener Verdichtung zum allgemeinen Wil-
len (S. 26). Die Anschauung des Verf. scheint hier in unabge-
schlossener Bewegung deshalb geblieben zu sein, weil er nicht die
Thätigkeit des Willens, von der aus ihr hervorgegangenen Ge-
staltung unterscheidet. Jene Thätigkeit wird nie fertig, so lange
der Wille da ist. Die Gestaltung ist aber fertig, so wie sie sar
Erscheinung kommt, und sie kommt als eine Gestaltung des allge-
meinen Willens dann zur Erscheinung, wenn jene Verdichtung der
Einzelwillen au einem allgemeinen Willen eingetreten ist. Einge-
treten aber ist diese Verdichtung, wenn die WHlensthätigkeit das
Einzelnen, nur eine Wiederholung der Willensthätigkeit der Geeammt-
heit ist; was dann der Fall ist, wenn die Erscheinung ihrer Ge-
staltung aufgehört hat, eine Wiederholung ihres Gestaltens sa
sein, und dennoch eine Wiedererscheinung derselben Gestaltung
geworden ist Wiederholung des Gestaltens und Wiedererschetnen
derselben Gestaltung, zweien sich aber erst dann von einander, wenn
die Thätigkeit des Gestaltens zur Ruhe gegangen ist. Wiederholnog
gleichen Gestaltens der Sonderwillen in der Richtung auf das Zu*
sammenleben, vermittelt Nationalität; ein Ruhepunkt dieses Gestal-
tens in einem Gestaltetsein ein Volksdasein. Em Ruhepunkt in dem
Gestalten des deutschen Rechts ist durch die Reception des römi-
schen Rechts hergestellt. An die Stelle des Rechtsgestaltens durcfa
Kebeneinanderwirken der Sonderwillensträger, ist die UeberzeDgiing
Rtickerl: Der Betriff daf femeinen dentMhen PriTtlrecfalii MS
eiD60 GettaltetseiDB des Rechts (getreten, dessen Oestaltongseisdiei«
fiuDg getragen wird von dem Jaristenstande, der das gestaltete
Recht zom Zwecke des AnwendeDs aufsucht Es bat jene Ueber-
xengung der Oesammtheit sich mltgetheilt, in der Anerkennung, daas
jener Stand der TrXger der Kunde des gewordenen Rechts sei. Es
bildet dieses Ereigniss die thatsichlich ausgesprochene Satsung der
Oesammtheit, dass das Recht ein fertiges sei, und eine weitere
Rechtsschöpfnng allein der Thätigkeit sugefallen sei, welche diese«
fertige Recht su dieser Verrichtung bestimmt habe, sei es die des
Princeps, mittelst der Gesetzgebung, oder die des Populus, mittelst
der Gewohnheit. Wie stückweise dieses Ereigniss aach sich fortbe-
wegt bat, oder vielleicht noch sich bewegt, so ist doch sein Fort-
gang nie nach den Gränzen der particulairen Rechte gespalten ge-
wesen. Es besteht ferner dieses Ereigniss, nemlich die Feststellung
der Weise des Rechtsdaseins, ungeachtet des Mangels an
Kunde des Inhalts des als geworden gesatsten Rechts, und diese
Weise ist nicht beschrfinkt auf einen begränzten Inhalt von bestimm-
ter Gestaltung, sondern ergreift jedes Rechtsdasein in dem geschicht-
lichen Kreise dieses Ereignisses, der die Gesammtheit der deutschen
Rechtsbewegung in so weit umfasst, als nicht ein Rechtsdasein in
dieser Bewegung als ein particulaires sich von jener (oesammtheit
abscheidet. Dieses Abscheiden kann bewirkt werden, entweder durch
die Fortdauer eines Sondergestahens, wie sie sich s. 6. in der Au-
tonomie des Adels findet, oder dadurch, dass ein Rechtsdasein, wel-
ches mit dem gemeinen in dessen Weise tibereinstimmt, sich nicht
als ein Wiedererscheinen dieser Weise, sondern als ein Wiederholt-
aein derselben darstellt; ein Fall der dann gegeben ist, wenn ein
anderer Träger dieser Weise, als jene geschichtwüchsige Satzung»
sich herausstellt In wie weit ein solcher Träger, wie ein particu-
Jairer Gesetzgeber, ein Wiederholen jener Weise oder ein Wieder-
erscheinien derselben, durch seine TbStigkeit bewirkt, das hängt ab
von dem Grade der Selbständigkeit, welche er in seiner Trägerschaft
erreicht bat Er kann gemeines Recht herübernehraen , er «kann
aber auch besonderes Recht dem gemeinen gleich gestalten. Und
iDSofem ihm der Grad der Selbständigkeit mangelt, der zu einem
particulairen Rechtsdasein erforderlich ist, wird ein solches auch
durch ein Particulairsein einer Rechtsgestaltung nicht vermittelt, son-
dern nur durch diese eine Rechtsanwendungsgestaltnng in*s Dasein
^ernfen, die weder particulair noch universell sein kann, weil sie
nnr eine zeitweilige Erscheinung des Rechtsdaseins in der Bewegung
bildet, die da wo sie ist, eben für sich allein, und daher weder
einem Gemeinen noch einem Besondern gegenübersteht Ob aber eine
Rechtsgestaltung eine Gestaltung des Rechtsdaseins oder eine Rechtsan-
wendnngsgestaltung ist, das hängt davon ab, ob sie in einer Ueber-
jsengung wurzelt oder bloss von einem äussern Schutze getragen wird.
Die Gestaltung des Rechtsdaseins wohnt einzig und allein in
dem Begriffe der Rechtsinstitution und ihrer Bestandtheile, der ein-
S06 licktHt Dtr B^ffrifT det femeiaett denlidieB PnTilrechto
Roohiiitittftate, weil nur in Hnu daa ruhende GestaltolMfai
sich renrirklicht) welches das Ueberzeagtiein yermittelt Indem die
Ueberteagong der Oesammtheit von dem Daaein der Kunde dm
fertigen Becbta bei dem JoriBtenstande, diesem die Ausprigong je-
ner Begriffe tnweiset, wird diese eine wissenacheftliehe Operation.
Et ist aber das Erzeugniss dieser Operation innerhalb ihrer Giia*
aen, nemlidi der blossen AusprSgnng der Glestaltong des Rechtada-
seinsy Mne blosse Doctrin in dem Sinne, dass es nur Lehren ent-
hielte, welche die Ausrüstung mit der Befähigung zur Erfcenntniss
eines Rechts rermittelten. Nach Gerber ist es eine, wie bemerkt,
nicht unmittelbar anwendbare, Darstellung der gegenwärtigen Aeus-
serungen der Rechtsiiberzeugnng des deutschen Volks auf dem Ge-
biete des Privatrechts (a. a. O. S. 269). Der Verf. hat, wie ge-
sagt, an die Stelle dieses Volksbewusstseins den abstracten fiberein-
Btimmenden Theil der verschiedenen Particulairechte gesetzt, aus
dem er das gemeine Recht bilden will. Gerber spricht von einer
Darstellung eines Stoffes, der erst einer Bildung bedürftig ist,
wenn man nicht den Stoff des Verf. darunter versteht. Der Verl.
spricht von der Bildung eines Stoffes, der schon unmittelbar zur
Darstellung geeignet ist, wenn man nicht etwa den Stoff Gerber 's
darunter versteht. Das Hinderniss, welches der unmittelbaren An-
wendung des Gerberschen gemeinen Rechts entgegensteht, kann, ,
sofisrn nicht particulaires Recht die Anwendung schlechthin ausschliesrt,
nur darfo liegen, dass es blosse Darstellung ist und die erforderliche |
Entwiokelung nicht empfangen hat. Das Hinderniss, welches der I
unmittelbaren Anwendung des gemeinen Rechts des Verf. entgegen- |
Bteht, kann nur darin liegen, dass das particalaire in ihm unerkenn-
bar geworden ist Beide stellen ein Recht hin, dessen Schöpling 1
eine nntziose Bemühung ist, wenn es nicht als eine blosse Doctrin !
im angegebenen Sinne dient. Was soll, abgesehen von diesem
Dienste, denn eine Darstellung der Aeusserungen des Volksbewusst-
seins, wenn sie nicht eine Entwickelung zu einem anwendbaren
Redite enthält? eine Verwickelung des particulairen Rechts, wenn
sie zur Anwendung nicht taugt ? Oder gibt es etwa noch eine mit-
telbare Anwendung, welche von der Verrichtung einer solchen Doc-
trin verschieden ist? Nach Gerber hat jenes gemeine Recht auf
keine andere Anerkennung Anspruch als auf diejenige, welche der
Rechtsgeschichte überhaupt zukommt, auch nicht auf eine s. g. hy-
pothetische Anwendung (a. a. 0. S. 272 ff.). Nach dem Verf. dient
es dazu, das anwendbare Recht zuzubereiten für die Anwendung,
und nicht dazu, ein in Ermangelung von Particularrecht anwendbare!
Recht zu liefern (S. 107. 111. 113). Nach der Anerkennung, die
ihm Gerber vindicirt, Ist «eine Verrichtung die, das anwendbare
Recht zu erklären, also die Befähigung zur Rechtsanwenduog |
hervontorufen. Diesen Dienst soll aber eine Darstellung der ge-
genwärtigen Aeusserungen der Voikstiberzeugung übernehmen,
die entweder in dem anwendbaren Rechte wohnt, oder demselbeii
Ellckcrt: Der Befriff de« «Mieiiien deaticbeii PrivtUmte. 809
gegentibersteht, aho entweder das anwendbare Recht selber, oder
auch für dessen Bedeutung ganz gleichgültig sein moss. Die Za-
bereitung eines anwendbaren Rechts^ die der Verf. will^ ist aber
gana üb^flüssig, weil ein Reebt, welcbes anwendbar ist, keiner Zu-
bereitung bedarf, nnd wenn es so beschaffen ist, dass der Anwen-
dende für die Anwendung zubereitet werden muss, diese Zuberei-
tuBg eben nur eine Befähigung zur Rechtsanwendung ssum Ziele
hat Der Verf. (S. 114 ff.) sieht In der Bearbeitung eines gemeinen
Rechts ein Mittel, mehrfacbe Bearbeitung des Gleichen überflüssig
SU machen, und den Kreis der Verwendung des Products der Arbeit
cur Belehrung zu erweitern; er weiset (S. 109) dem Fortgange des
Rechts eine Stufenfolge an, die zerfällt in : Rechtsphilosophie, Dar-
stellung des gemeinen Rechts, Darstellung des specifisch Paiticulai-
ren, und Thätigkeit des Praktikters, und bemerkt, dass das gemeine
Recht allerdings ein anwendbares, aber noch kein zur Anwendung
fertiges Recht sei, und als eine Einleitung in die Particularrechte
bezeichnet werden dürfe, welche den ganzen Reichthum logischer
Entwlckelung in sich aufnehmen könne, so dass dasjenige, was hia-
autreten müsse, um es zur Anwendung zu befähigen, wissen^
Bchaftlich bedeutungslos sein könne. Sonach scheint seine Mei-
nung die zu sein, dass dem Particularrechte das practisch be-
deutsame Recht vorbehalten bleibe. Die practische Thätigkeit kann
sich erst dann zum Resultate abschlipssen wenn die beiden Fragen
beantwortet sind: was das Recht vorschreibt? und ob der Fall ein-
getreten ist, auf den eine Rechtsvorschrift geht? Die Beantwortung
der zweiten Frage, bedingt die der ersten, die der ersten aber eben-
falls die der zweiten. Es zerfällt daher die erste wiederum in zwei,
Demiich in die Frage: was ist überhaupt als Rechtsvorschrift da?
und in die andere Frage: was ist davon für den gefundenen Fall
vorgeschrieben? Die Frage: was ist überhaupt als Rechtsvorschrift
da? kann aber wiederum nicht beantwortet werden, ohne die Frage
zu beantworten: welche Fälle sind Gegenstand der Vorschrift des
Rechts? Da nun diese Frage beantwortet werden muss, ehe die
einzelnen Fälle gefunden sind, so muss sie sich wandeln in die
Frage: welche Eigenschaften sind es, welche die Fälle haben, die
Gegenstand der Vorschrift des Rechts sind? Sind diese Eigenschaf-
ten bestimmt, so ist das Rechtsanwenden beschränkt auf den Fall
ihres Erscheinens. Sind sie nicht bestimmt, so ist nicht das An-
wenden des Rechts, sondern nur die Weise desselben durch die
Rechtsvorschrift gestaltet, nemlich die Mittel von deren Gebrauch
und Erfolg der Sieg im Rechtsstreite abhängt. Ein Recht, welches
zur Anwendung nicht fertig wäre, aber dazu fertig gemacht werden
könnte, ohne ein anderes Recht zu werden, ist unmöglich. Es
könnte vor dem Fertiggewordensein noch gar kein Recht gewesen
sein. Eine Unterscheidung zwischen einem zur Anwendung fertigen
ond einem unfertigen Rechte, wie der Verf. sie will, prellt sonach
von dem Rechte zurück auf die Befähigung deren die anwendenden
808 Kttckert: Der BefHlt dei gemeine» dentieleii PriTttreehte.
Sabjeet« bedürfen, spaltet diese in Terfertigte und miyerfertigte, und
der Lehrstuhl des particulairen Becfats tritt zu dem des gemeineo
Rechts in ein gleiches Verhältniss, wie die Scfauhmacherwerkstltte
zur Gerberei; der particulaire Stofif, der dem gemeinen die Anwend-
barkeit verleiht, wie Drath und Pech zum Leder. Es wSre m$g-
lich, dass Terschiedene Rechtsorganisationen von verschiedener Trag-
weite ftir die Anwendung neben einander beständen, und die Kunde
der einen zu der Kunde der andern in Beziehung auf die subjeetlve
Befiihigung zur Anwendung in jenem VerbäUnisse zu einander stSn-
den; so wenn die eine nur schutzempfftngliche, die andere aber
schutztragende Rechtsgestaltungen zum Inhalte hätte, und die zweite,
die, weil das Oegebensein des Schutzes die Schutzempfängiicbkeit
absorbirt, dann nur als besondere neben der ersten stehen kdnnte,
sich an diese anschlösse. Von einer solchen Unterscheidung ist
aber der Verf. schon deshalb weit entfernt, weil das allgemeine
Recht aus dem Stoflfe des besondem nach ihm entstehen soll. Seine
Unterscheidung liegt demnach rein in dem Gebiete der Verarbeitung
jener Subjecte als künftigen Werkzeugen der Anwendung. Die
Stufenfolge des Verarbeitens, ist aber keine Stufenfolge derselben
Arbeit, sondern eine Zusammensetzung verschiedener Arbeiten, und
das Auseinanderreissen derselben Arbeit in verschiedene, muss die-
jenige Seite, die zu keiner Vollendung führt, zu einer Abart von Arbeit
gestalten, die in der belehrenden Arbeit das ist, was man Schul fucbseiei
nennt, weil sie die Erscheinung der Vollendung da hervoruft, wo keine
Vollendung ist. Sie lässt der Verwirklichung der Vollendung nicht
allein diese übrig, sondern versetzt sie auch in die Nothwendigkeit,
die Erscheinung der Vollendung zu vertilgen, um den Raum für die
Vollendung zu gewinnen, oder auch neben diese Erscheinung eine
zweite Erscheinung der Vollendung zu setzen. Behauptet demnach
die Darstellung eines gemeinen Rechts neben der Darstellung des
particulairen einen Platz, so liefert sie dem Urheber der Anwen-
dung zwei Erscheinungen als Stoff zur Auswahl oder zur Verbin»
düng für die Anwendung, und jenachdem er sich leiten iSsst von
dem Eindrucke der Richtigkeit einer dieser Erscheinungen, oder von
der Gestaltung des Eindruckes des Falles oder des Thatsitchlfchea,
tritt diese Wahl in der Erscheinung einer Vorbereitung in die Ver-
richtung der Anwendung, oder dje Verbindung in der Erscheinung
der Anwendung in die Verrichtung der Vorbereitung. Denn im
erstem Falle ist die Wahl der Erscheinung nach ein Finden, der
Verrichtung nach aber ein Erzeugen der Richtigkeit der in Frage
stehenden Rechtserscheinung. Im letztern Falle ist das Verbinden
der -Erscheinung nach ein Fhiden , der Verrichtung nach aber ein
durch ein Verdoppeln vermitteltes Erzeugen der Richtigkeit der Ge*
staltung des Thatsächlichen. Zeigt mir die eine Darstellung als Ge-
gensUnd des Eigenthums ein Recht, die andere einen K(irper, und
wähle ich bei der Beurtheilung eines Anspruches in dem nicht beide
Gegenstände sich verschmelzen, einen dieser Eigenthumsbegriffe, so
Rttekerl: Der Befriff Ae§ i^emeineii deotfehm PriTAlrecliU. 6M
habe kb der Eracbeinong nacb die Ricbtigkeit des Eigentbamsbe^
griffe« gefanden, dem Effecte nach aber ihn geschaffen; wenn aber
beide Gegenstände yerecbmolEen sind, der Erecbeinong nach Eigen*
tbam gefanden, dem Effecte nach dahingegen das gefundene Eigen-
tbnm mit einem neu erzeugten zuBammengefiigt, und so die Rich-
tigkeit des thatsScblicb gewordenen Eigenthoms erzeugt. Solcher
Zersetzung kann man den Eingang öffnen, wenn man die Ueber-
zeugnng aus dem Rechtsdasein entfernt. Das Erzeugen der einen
wie der andern jener Richtigkeiten, die ohne solche Zersetzung eben
nur Seiten derselben Richtigkeit sind, ist die Verrichtung die dem
Reehtsdasein gebührt. Insofern gemeines Recht und particulaires
Recht verschieden gestaltet sind, und dennoch, wie der Verf. will,
jenes ein abstractes Stück von diesem ist, so wird die Verschieden-
heit für die Anwendung entweder eine Controyerse, oder ein Wi-
derstreit der Gestaltung der rechtlichen Ercheinung mit der Gestaltung
des ThatsSchlichen. Im erstem Falle tritt die Lösung der Contro-
▼erpe als Vorbereitung: in die Erscheinung. Im letztern Falle er-
scheint das Finden der Unanwendbarkeit des gemeinen Rechts als ein
Tfaeil der Anwendung, ist aber eine Negation der Anwendung; und
wenn dennoch die Gestaltung des ThatsSchlichen als eine rechtliche
erscheint, so kann diese Erscheinung nur dadurch rechtliche Wir-
kung erzeugen, dass sie den richterlichen Schutz für oder gegen sich
berrorruft. Es wohnt demnach die Rechtlichkeit allein in der Er-
scheinung des ThatsSchlichen im Verhältnisse zum richterlichen Schutze,
and das gemeine Recht ist eine Rechtserscheinung ohne Rechtlich-
keit, und allerdings kein anwendbares, Rondern umgekehrt bloss ein
abwendbares, auch kein unfertiges Recht, sondern eine Unverferti-
gnng eines fertigen Rechts, welche nur dazu dient einer Beschäfti-
gung mit Erscheinungen einen Stoff zu liefern. Das geschicht-
wiichsige Fertigsein des gemeinen Rechtsdaseins, welches durch die
Trägerschaft der Kunde desselben in dem Jnristenstande sich fest-
gestellt hat, ist demnach ein Irrthum. Dem Verf. ist das gemeine
deutsche Recht auch dem Particularrechte gegenüber kein subsidiai-
res, dahingegen das römische Recht ein subsidiaires Particularrecht,
welches überhaupt kein deutsches Recht aufgehoben hat, sondern
nur in Lücken eingetreten ist, indem „das corpus juris juristisch
iSar einen Ersatz gegeben für das Recht, das es factisch aus dem
Bereiche objectiver Erkennbarkeit verdrängt hatte*' (S. 62 ff. 7 6 ff.).
Jene Art der Geltung des römischen Rechts hat indess das gegen
sieb, dass eine Spaltung der Reception desselben in verschiedene
particnlaire Receptionen der einzelnen Länder nicht zur Erscheinung
gekommen ist ; und dass eine solche Spaltung ohne eine Vervielfäl-
tigung des römischen Rechts In ein Wiedererscheinen derselben Re-
ception sich aufgelöset haben würde. Dass es in Lücken einge-
treten sei, und zugleich ein aus der Erkennbarkeit thatsächlich ver-
drängtes Recht ersetzt habe, gibt der Reception eine Gestaltung, die
ihr Gebiet auf das der theoretischen Beschäftigung beschränkt, und
StO Rtkokert: Der Befriff des femeinen deoifekeii PriTitreeliti.
das Hämische Recht dem Particularrechte eben so gegeoüberatelk,
wie das gemeine deotsche ihm Fom Verf. gegenübergestellt wart,
abgesehen davon, dass es dem Particularrechte noch ferner atsht
als das gemeine dentsche, und daher nicht einmal tauglich ist» eins
Erscheinung vom particulairen Rechte hervorsubringen.
Der Standpunkt des Verf. erscheint demnach gewonnen dardh
eine Absonderung ron dem geschichtlichen Recbtsdasein , die vet-
mittelt wird, indem er das Rechtsdasein der Ueberaeugung entklei-
det, dadurch die Rechtsgestaltung in das Gebiet der tbaisSchlicbeD
Erscheinungen der Triebe hinüberträgt, und durch Verweiseo der-
selben in ein System, sie als das Gebiet der Schulthätigkeit von den
Gebiete des ThatsfichÜehen abzuscheiden versucht. Ob der Veii
den Zweck dabei im Auge gehabt, die heutige Bewegung der Rechts-
literatur mit einer Rechtsentwickelung in Einklang au bringen, mag
dahin gestellt bleiben. Aber so geeignet für diesen Zweck die Ope-
ration des Verf. sich darstellt, so ungeeignet ist sie, um einer Dn-
führung in das Gebiet der Rechtsentwickelung au dienen. Er sagt:
das Recht soll nicht auf Vorrath gemacht werden, weil es Qber-
haupt nicht gemacht werden soll, und daher ist SubsidiaritSt etwas
Anormales .oder ein noch nicht fertiger Zustand (S. 7l\ Sofern
nun der Verf. mit dem erstem den Sinn verbindet: dass man Schnl-
thStigkeit nicht als Rechtsentwickelung ansehen soll, auch wenn sie
von denen ausgeht, welche die Rechtsentwickelung zu tragen be-
stimmt sind; ist es richtig. Sofern es aber sagen soll: dass man
die geschichtliche Rechtsentwickelung und die geschichtlichen Deber-
lleferungen derselben nicht anerkennen soll, ist es so lange unrick-
tig, als man nicht das positive Recht ganz negirt. Es ist ferner
das,, was der Verf. von der Subsidiarität sagt, insofern richtig, ak
die Reception, durch welche sie vermittelt wird, keine Entwickelung
der Rechltsgestaltung, sondern nur Begründung einer Rechtagestal-
tungsweise ist, und zwar eine solche, welche der Schulthätigkeit die
Pforte zu dem Gebiete der Rechtsentwickelung öffnet, and ihr die
Möglichkeit gewährt die Rech tsent Wickelung zu hemmen. Es aoJl
auch gar nicht geleugnet werden, dass in Deutschland s. g. Schol-
fuchserei, zuweilen in einer Weise die kaum den Schein dea An-
gemessenen zu bewahren vermag, in üppiger Fülle sich in dem ge-
öffneten Räume bewegt hat und noch bewegt. Allein die geschidit-
liche Anerkennung des deutschen Juristenstandes als Träger dar
Kunde eines fertigen Rechts, ist einmal da. Wenn der Verf. eine
Repräsentation des Volks durch die Juristen in Ansehung der Rechts-
erzeugung läugnet (S. 49 ff.), so ist ihm darin beizustimmen. Der
Gebrauch der Thätigkeit des Juristenstandes als ErkenntniaHnittri
des Rechts ist aber damit nicht ausgeschlossen. Denn der Ersan-
ger des Mittels repräsentirt nicht den, der sich des Mittels bedient,
sondern leistet ihm Hülfe. Der Arzt repräsentirt nicht den Kranken.
Und wenn jener Gebrauch sich nicht auf die Erkeantniss der Recht»-
Gestaltung erstreckt, so ist er in Ansehung der Erkenntniaa das
Rttekert: Der Begriff des geaieineii deutsclien PriTatreebti* 811
Bacbtodaseiiui doch so lange vorhanden, als der EinfluBS der Tbä*
tigkeit der Juristen in der Bewegung der Aensserungen des Sonder-
willens als eine Richtigkeit erkannt wird, wie empfindlich auch der
S<Mider8chmera sein mag, den seine Gestaltung hervorruft. Die Ent-
fernung des Ansehauens der Rechtsgestaltung von der Gesammt*
tfa£tigkeit, verlegt dieses Anschauen in das Gebiet der juristischen
Sonderthätigkeit, und gestaltet die Anscbauungsthätigkeit des Juri-
Btenstandes, zu einer Ergänzung der Gesammtthätigkeit. Sonder^
thitigkeit an der Stelle von mangelnder Gesammtthätigkeit ist eine
Dneigentlichkeit. Uneigentlichkeit ist aber gerade das, wodurch die
Civilisation von der Natürlichkeit, nemlich der Eigentlichkeit, sich
scheidet. In der Civilisation hat das Uneigentliche eigentliches Da-
sein, weil es in die Verrichtung eines Eigentlichen eintritt; und sie
nöthigt die erkennende TbUtigkeit, dieses Dasein der Eigentlichkeit
xnr Seite zu stellen, oder sich auf Einseitigkeit zurückzuziehen, oder
auch sich im Weltschmerz zu verfläcbtigen. Die SonderthStigkeit
«iner Schule, als solcbe eigentlich Schulfucbserei, wird die uneigent-
Ifche Entwickelung der Anschauung, weil in ibr diese Entwickelung
ein eigentliches Dasein empfangen hat. Dem Dasein nach eigentlich,
der Gestaltung nach aber uneigentlich, Rechtsentwickelung zu sein,
das ist die Bedeutung der deutschen JuristenthStigkelt , deren Ver-
kennung einen juristischen Weltschmerz zu erzeugen nicht ermangelt
hat Es sind nicht bloss Klagelaute, in denen er zur Erscheinung
kommt, sondern auch Niederschläge von ihm in Anschauungsge-
staltnngen, die die Uneigentlichkeit des Gestaltetseins in die Eigent •
lichkeit des Daseins versetzen, und dann bald die Uneigentlichkeit
als Eigentlichkeit behandeln oder der Eigentlichkeit die Anerkennung
versagen. Die erste Weise ist zur Erscheinung gekommen in der
Annahme einer Repräsentation des Volks durch die Juristan, die
bei Gerber hinübergescblagen ist in die Annahme von gegenwär-
tigen Aensserungen des Rechtsbewusstseins des Volks in Ansehung
der Rechtsgestaltung. Die zweite ist zur Erscheinung gekommen
bei dem Verf. in dem Bestreiten des gemeinen Rechtsdaseins. In
jeder dieser Weisen verschwimmt der Punkt der Eigentlichkeit des
Rechtgewordenseins und damit die Gränze zwischen Rechtsge-
sialtung und Rechtsanwendung, indem das Gestalten der Theorie,
welches die Anwendung beherrscht , bald in das abgeschlossene
Rechtsdasein geworfen, bald der Anwendung als deren Präparation
beigegeben wird. Insofern die Theorie das Gestalten des Daseins
des Rechts ist, muss das erstere, in sofern sie aber das Gestaltet-
sein des Rechts gestaltet, das zweite als das Richtige anerkannt
werden. Jene Verrichtung findet ihre Gränzen in dem Gestalten
der Rechtsbegriffe, in denen die Ueberzeugung, welche als der Sitz
des Richtigseins das Dasein des Rechts vermittelt, ins Dasein tritt,
lieber diese Gränzen hinaus tritt die Bewegung der Theorie« hinüber
in eine Verbeiständung der Rechtsanwendung. Und sobald sie die
Trägerin der Kunde eines fertigen Rechts ist, liegt die Versdüeden*-
8i2 Rttekert: Der Be(rriff def iremeinen deolidieii PrivatreeliU.
heit zwischen beiden Verrichtungen, nicht mehr in der Gestaltniig
der Tbätigkeit allein, sondern sie liegt darin, dass die erste die Be-
wegung des Rephtgewordenseins , die zw^te eine Benatzong dieser
Bewegung zur Verbeiständung der Anwendung ist Das Erzeagain
der ersten ist das uneigentliche Gestaltetsein des eigentlichen Recht-
gewordenseins. Das Erzeugniss der zweiten ist eine Regelnng jenes
nneigentlichen Gestaltetseins zur Vermittelung seines Einflusses ia
der thatsächlichen Bewegung. Die Uneigentlichkeit jenes Gestaltet*
sdins ist die, dass seine Kigentlichkeit ein Gestaltetwerden ist, is
dem sich das Gestalten als ein Wiedererscheinen des Rechtsdmseios
wiederholt. Daran erkennt man eben die Allmacht der CiFÜisatton,
dass sie ein Ding erzeugt, was jeden Tag anders, und doch ünmer
dasselbe, eigentlich und uneigentlich zugleich ist. Im Gebiete der
Civilisation ist aber das, was durch die Civilisation ist, eigoit*
lieh; wenn es auch im Gebiete der Erkenn tniss der CiviliaatioB
nur uneigentlich ist Die von jener Theorie gestalteten Rechtsbe-
griffe haben also Dasein, und sind in der Bewegung nicht Wieder*
holungen ihres Werdens, sondern Wiedererscheinungen des Gewor-
denen, welches immer ist. Und weil sie immer sind, werden sie
nicht angewendet, sondern wenden sich selber unmittelbar durch ihr
Erscheinen an. Das gemeine Recht ist also ein unmittelbar an-
wendbares nicht, weil es überall nicht anwendbar für subjectire
Thätigkeit ist, es findet aber Anwendung unmittelbar durch
sich selber, und zwar ehe und zuvor ein Boden für subjectives An-
wenden von Hecht gewonnen ist. Aliein es präparirt nicht das an-
zuwendende Recht, sondern es prSparirt den cöncreten Fall für die
Anwendung des anwendbaren Rechts. Und es kann dieses Bedit
nie in der Theorie des Rechts sein , sondern nur die The<»ie
in ihm Recht sein, oder aber Schulfnchserei sein. Wer Recht
anwenden will, muss erst die Erscheinung des Begriffes in der
thatsächlichen Bewegung suchen, und wenn er sie gefunden,
z. B. ob sie Reallast, Eigenthum, Erbfolge, darstellt, kann er
Regeln über das gefundene Institut, welches in der Erscheinung sieh
auFprägt, anwenden. Die unterrichtende Darstellung der Ge«taltii»-
gen dieser Begriffe ist keine Einleitung in irgend ein anzuwendendes
Recht, sondern eine Einleitung in das Leben des Rechtsdaseins. Dis
GrSnze zwischen einem gemeinen und einem particulairen Redht»*
dasein ist aber da, wo das gemeine Recbtsdasein durch den Abschlaas
des gemeinen Rechtwerdens mit der Reception des römischen Reehli
fertig geworden, und das Rechtwerden als particulaire Weise des Recht-
daseins sich von ihm geschieden hat. Inwiefern die Gestaltung»
des gemeinen Rechtsdaseins im particulairen Rechtsleben als Ge-
genstände des Rechtanwendens vom richterlichen Schutze der fhnea
entsprechenden Wirkungen getragen werden, ist dahingegen ein Zu-
stand, der nur der Darstellung der Particularrechte angehört. Denn
dieser Zustand gehört nicht zur Gestaltung des Lebens des Redita-
daseins, sondern zur Bewegung seiner Wirksamkeit Ohne jene
Wusendilebeti: Jvrutiiebe AbhandlaDgett. ftld
Gffinfle würde es einen Gegensats zwischen einem gemeinen und
einem particalairen Rechtedaeein überall nicht geben. Vielmehr würde
jede £r8cheinong eines Rechtabegriflfes in der thaUi&chlichen Bewe-
gung eben nur ein Werden oder eine Wiederholung des Werdens
desselben sein. Nicht anders verhält es sich mit dem Erscheinen
des römischen Rechtsbegriffes vor der Reception des römischen Rechts
in complexu, d. h. als einer Gestaltung des deutschen Rechtsdaseins.
Die Trageweite seiner Reception ist aber grösser, als die des Ab-*
Schlusses des deutschen Rechtwerdens, und zwar daher, weil die
römischen Rechtsbegriffe oder Institute schutztragende Gestaltungen
sind, wShrend die deutschen Rechtsbegriffe oder Institute nur mit
SehutzempfängUchkeit belcleidet sind. Daher gibt es römische In-
stitute, welche statt des Klageschntzes nur Einredenschutz tragen,
während die Empfänglichkeit für den Schutz bei jedem deutschen
Institute gleich ist. Das römische Recht greift daher auch in die
particulaire Bewegung der Wirksamkeit des Rechtsdaseins ein. Der
Eindruck dieser Verschiedenheit hat sich, wie aus dem Gesagten
erhellt, bei dem Verf. dahin gestaltet, dass er das römische Recht
als ein subsidiaires Particularrecht, und das gemeine deutsche Recht
als ein Abstractum der ParticurrecKite ansieht. Verwechselt man Ge-
sebütstsein des Rechtsdaseins mit Rechtsdasein, so bleibt allerdings
kein anderes Resultat möglich. Wenn man die Ueberzeugung ans der
Wurzel des Rechts entfernt, so kann man kein weiteres Rechtsdasein
all das Geschütztsein erliennen. Das Recht ist dann kein krafttragender
Organismus mehr. Es ist dann weiter nichts, als eine durch eine Schul-
diaciplin geregelte Polizei, die ihre Abscheiduug vom Gebiete der
Handhabung der Polizei nur der Gewöhnung an einen besondern
Namen verdankt. Das Suchen nach einem Begriffe des Rechts, ist dann
nar ein Versuch das Terrain dieser Schuldisciplin zu fixiren. Dass
darauf die Arbeit des Verf. hinausläuft, erhellt bereits aus dem Ge«
sagten. Mit einem solchen Begriffe des Rechts stimmt es überein, wenn
der Verf. (S. 6 9 ff.) Gemeinsamkeit der Recbtsquelle für die Einheit
des Rechts gleichgültig hält, und eine erzeugende Rechtsqwelle we-
nigstens insofern negirt, als er meint, dass Rechtsquellen zur Er-
aeagung des Rechts nicht bestimmt seien. Die Kritik der bisheri-
gen Ansicht über den Begriff des gemeinen deutschen Rechts, welche
mehr als die Hälfte des Buches (S. 36—106) ausfüllt, einer Re-
lation zu unterwerfen, scheint bei dem Standpunkte des Verf. über-
flüssig. Brackenheef».
JurisUache Abhandlungen, Von Dr. Hermann Wasserschle^
ben^ Prof, der Bechte an der Universität Qieasen. Oieasen 1857^
Diese Schrift verdient vor vielen eine eingehendere Anzeige,
als ihr bisher in den öffentlichen Blättern zu Theil geworden. Ihr
Zobalt ist| o(ich d«r Vorrede, den Entscheidungsgründen entnommeO|
§14 WMierwhtebM: iwriftiflcke AbliaBdUufwi.
die der Verf., ato Referent in der dem Gienener Spmchcoliegium
2om ürtheil überwiesenen Gräflich-Bentinek'ichen ProBeesaache, im
J. 1852 SU seinem Urftheilsentwurf auegearbeitet hatte. Da dar ge-
dachte Proxess durch Vergleich beendet worden, eo sei es ihm, sagt
er, nicht unangemessen erschienen, diejenigen Abschnitte jenes Be-
ferats, welche ein allgemeineres wissenschaftliches Interesse darbe*
ten, in sachgemässer Umarbeitung als besondere Abbandinng«n n
▼eröffentlichen.
Gleich die erste Abhandlung: ^Von den rechtlichen Wlrkanges
des Bandesbeschlusses vom 12. Juni 1845 und des Bescfalnsaes dsr
proTisorischen Gentralgewalt für Deutschland vom 8. Not. 1849
auf den griflich Bentinck'schen Erbfolgestreit^ ist auch die pnbli-
dstisch wichtigste, indem sie die früher in den Zeitungen ▼fielteb
besprochene und von beklagter Partei — mit wekfaem Rechte, wiid
sich unten zeigen — stets als „Gabinetsjustis^ dargestdlte Einmi-
schung des vormäralichen Bundestages in jenen Streit betrifft.
Zum Verständniss dieser Einmischung muss die Eraihhaig
ihres Ursprunges vorhergehen. Das Object, um welches in des
Bentinck'schen Erbfolgeprosess gestritten wurde, war bekaantiich'
das 8. g. Aldenburgiscbe Fideicommiss , bestehend aus den Beir-
Schäften Varel und Kniphausen,- mit verschiedenen Rechten, und
uns bedeutenden im Hersogthum Oldenburg und der HtmdmA
rfever belegenen Gütern, welches der Graf (Hersog) Anton Oflntkei
von OldenlHirg, einer der bedeutendsten Fürsten sdner Zeit, mit
dem sein Namen erlosch, auf berechtigte Weise für sonen 1633 ge-
borenen unehelichen Sohn, den 1651 vom deutschen Kaiser in den
l'reiherm- und 1658 in den Reicbsgrafenstand erhobenen GralsB
Anton von Aldenburg, gestiftet hatte. Schon mit dem gleichnna^
gen Sohne dieses Grafen Anton von Aldenburg erlosch sein Manns-
stamm, und dessen einsige Tochter, Erbgräfin Charlotte Sophie (geb.
1715, gest. 1800), vermählte sich im J. 1733 mit dem durch kai*
Aerliches Diplom vom 29. Dec. 1732 in den Reicbsgrafenstand er-
iiobenen hoUändischen Edelmann Wilh. von Bentinck.
Nach dem Tode des Grafen Anton Günther von Oldenbuf
(1667) icam Jeverland, zu dem Kniphausen gehört hatte, an An*
halt-Zerbst, die Grafschaften Oldenburg und Delmenhorst an DiUie-
mark, und erst im Laufe unsers Jahrhunderts fielen alle drei an ilen
jetst im Grossliersogthuro Oldenburg regierenden Zweig der jflngen
Holstein- Gottorpschen Linie. War es eine Handlung politischer Will-
kür, dass der Grossvater des jetzt regierenden Grossherzogs, Henog
Peter Friedrich Ludwig, nach der Vertreibung der Franzosen und
seiner Rückkehr ans Russland, dem regierenden Grafen Willk Grn*
stav Friedr. von Bentinck, der dalieim durch zu frühe kühne Er-
hebung gegen die Franzosen nahe daran gewesen war sehi Leben
zn verlieren, den demselben durch die französische GewaltiMRadbtfJI
entzogenen Besitz von Varel ond Kniphausen vorenäiieh, SD war
^ dagegen nur in seinem Recht^ wenn er in einem Vertrag von
Waaendilebeii: JMulitcbe AbhandlongoiL Sl5
J. 1835, durch deo der Graf wieder in Beeiti keflUi dem letstem
^e Eigenschaft dee hohen Adele und der Ebenbürtigkeit nicht la*
^aeteben wollte, auf welefae der Graf wegen der bevoraugten Stel«
hing Anspruch an haben glauben mochte, die ihm der Vertrag ein«
vSamte. Dieser, unter dem Namen des „Berliner Abkommens^ b^
kanat, war awiscben beiden dorch Vermittlnn/T Oesterreichs, Preussens
and Ruaslands au Stande gekommen, und die Grosshersogüch Olden-
bnrgsche Regierung berief sich noch viel später, in der 22. Bun*
destagssitsung §. 102 vom 4. Juli 1844, auf „die Erklärung, welche
die Minister der „das Berliner Abkommen von 1825 vermittehideB
Mächte dem Grafen von Bentinck auf seinen Antrag, dass. dem
Art. L jenes Abkommens eine nähere Bestimmung über seine per^
adnlichen Rechte, die Verhältnisse seiner Familie und seinen Rang
eingeschaltet werden möge, erth^t habe. „„Gegenstand der Ver-
handlnngen^'^, sagen sie, ist ^^„das staatsrechtliche Verhältnisa
der Herrschaft Kniphausen und der Gräflich Bentinck'schen Familie,
ao weit es mit dem Besitz dieser Herrschaft im nothwendigen Ztne
aammenhang steht ... In Rechten, welche dem Hrn. Grafen und
dessen Familie, abgesehen von Kniphausen, durch Geburt
und Abstammung zustehen, kann nichts zu- und abgesetzt werden.
Aus diesem Grunde bat man sich auch in dem 14. Art. der deut-
schen Bundes-Acte, welcher das Verbäitniss der ehemaligen reidis-
stfindichen Fürstlichen und Gräflichen Familien betrifft, jeder Be-
stimmung über den künftigen Rang dieser Familien enthalten und
sich nur auf die Erklärung beschränkt, dass dieselben nichtsdesto-
weniger, d. h. ob sie gleich im J. 1806 und seitdem mittelbar ge-
worden, zu dem hohen Adel in Deutschland gerechnet werden und
ihnen das Recht der Ebenbürtigkeit in dem bisher damit verbunde-
nen Begriffe verbleibe. Zu einer solchen Erklärung ist aber Im vor-
liegenden Fall keine Veranlassung vorhanden, theils weil Kniphau-
sen früher keine Reicfasstandschaft gehabt hat, theils auch
weil es gegenwärtig nicht in der Art untergeordnet wird, als es mit
den ehemals reichständischen Territorien geschehen, und daher auch
die Verwahrung überflüssig ist, welche man zum Besten dieser wegen
ihrer Mittelanwendnng für nöthig gefunden hat Gehörte die Gräfl.
Bentincksche Familie sonst zum hohen Adel in Deutschland und
atnnd ihr das Recht der Ebenbürtigkeit zu, so geniesst sie beide
nnbedenklich auch jetzt noch; entbehrte sie dieselben auch früher,
ao können sie ihr durch keine Erklärung der hohen Mächte ver-
liehen werden. ^^
EUeraus geht, wie auch Oldenburg dadurch darthun wollte, un-
widersprechlich hervor, was sich im Verlauf unserer Berichterstat-
tong als besonders wichtig ergeben wird, dass die Regierungen von
Oesterreich und Preussen, welche das Berliner Abkonmien vermit-
teilen — die Prenssische durch den damaligen Diractor im Mini-
sterium des Auswärtigen, spätem Staatsminister Eichhorn — im
Jahre 1826 nicht die Meinung hatten, dass die Eigenschaft des
816 WawericUebeii: Jarutii^he Al»lMiii<lliuiseii.
kohen Adels and der EbenbOitigkeit suin Besiis von KnipimMii
erforderlich sei. Im Jahre 1826 überDahm auf Antrag Oldeoborgi
der deutsche Bund durch einstimmigen Beschlnss der Bunde8▼e^
sammlang die Garantie des Berliner Abkommens, und als zwei Jshn
später der Bruder des eben genannten regierenden Grafen Beotinck,
der Englische Generalmiy'or Graf Job. Karl Bentink, durch eme Ein-
gabe bei derselben gegen die Successionsfähigkeit der in einer to&
den beiden Geistlichen Varel's (des Wohnortes des Grafen Benthick),
auf ihren Amtseid als bestanden beglaubigten Gewissensehe init
Sara Margaretha Gerdes eraeugten und durch nachfolgende kircb-
liehe Trauung legitimirten Söhne seines Bruders Einsprache eihob
und demgemfisse Anträge stellte, ward von der Bundesrersammlmig
in der Sitaung vom 28. Juli 1828, „unter allgemeiner Zustimmii]^
EU dem Antrage der Elngabencommission, auf Vorschlag des PrSBi-
dii beschlossen : dem Herrn Grafen Job. Karl von Bentinck eq e^
öffnen, dass, da es nicht im Berufe der hohen Bundesyersammliing
liege, seinen bedingten oder unbedingten Beitritt au dem zwischeB
Sr. Durchlaucht dem Herzoge von Oldenburg und dem Hm. GnL
Wilh. Gustav Friedr. von Bentinck abgeschlossenen VerUag tob
8. Juni 1825 anzunehmen oder über die Rechte Dritter, weldie bei
diesem Vertrage auf irgend eine Weise betheiligt sein möchten, n
entscheiden, die Bundesversammlung auch seinem dermaligen G«*
suche nicht stattzugeben vermöge, sondern ihm überlasaen mSae,
seine Ansprüche auf gehörigem Wege zu verfolgen.^
Der klare Sinn dieses Beschlusses wird noch durch die Motive
verstärict, womit die Eingabencommission ihren Antrag auf denaal*
ben begründet hatte: ^Die verschiedenen neueren Eingaben da
Hrn. Grafen Job. Karl Bentinck hätten den alleinigen Zwee^
die Einschreitung hoher Bundesversammlung dahin zu bewirken, das
ihm und seiner successionsfähigen Descendenz die unmittelbare Haät
folge in die Herrschaft Kniphausen nach dem Ableben seines altem
Hrn. Bruders, des Grafen Wilh. Gustav Friedrich, gesichert werde.
Die Zulässigkeit dieses Anliegens bei hoher Bundesversammlmg
setze vor allem -voraus, dass Hochderselben die Befugniss zustdMi
eine dem Wunsche des Hrn. Grafen entsprechende Verfügung xb
treffen. Solle aber hohe Bundesversammlung hierzu für competest
erachtet werden, so müsse der Grund dazu sich in der durch ifaiii
Beschluss vom 9. März 1826 übernommenen Garantie der Uebe^
einkunft finden, welche am 8. Juni 1825 zwischen Sr. DorchL den
Herzog von Oldenburg und dem Grafen WIUl Gustav Friedr. ves
Bentinck geschlossen worden sei. Erst durch diese Uebereinkiiiil
sei, wie auch der 2. Art. derselben ausdrücklich sage, Eniphaofles
ein Bestandtheil der deutschen Bundeslande geworden, mithin Mi
durch die Modalitäten, unter welchen dtirin das Verhältniss ven
Kniphausen zum Bunde festgesetzt worden, die Einwirlnuig dal
Bundes auf diese Herrschaft normirt.^
{Schutte (olgl,)
Hr. 52. HEIDELBERGER ISSI.
JAHRBOCBER des LITERATUR.
Wasserschleben : Juristische Abhandliuigen.
(Scbluss.)
^Hiernach wolle die Gommission nan die Zulässlgkeit des 6e-
soches einer ofiheni Prüfung unterziehen. Durch den Berliner Ver-
trag sei Graf Wilh. Gust. Friedr. von Bentincli in Besiehung auf
Knipbausen unter näheren Bestimmungen in den Besits und Gecuss
der Landeshoheit und der persönlichen Rechte und Vorzüge wieder
eingetreten, wie ihm dieselben vor Auflösung des deutschen Reiches
zugestanden (Art L). Die Hoheit über jene Herrschaft sei so wie
sie vorhin bei Kaiser und Reich gewesen, dem Herzoglichen Hause
Oldenburg zu Theil geworden (Art. 2.). In allen Civilstreitigkeiten
der Kniphausenschen Unterthanen solle das Oberappellationsgericht
in Oldenburg die Stelle der ehemaligen Reichsgerichte vertreten und
in demjenigen Fällen, worin die Competenz derselben begründet ge-
wesen, nach den in der Herrschaft geltenden Rechten erkennen
(Art. 6.). Denke man sich nun, dass während der vormaligen Reichs-
Verfassung ein Mitglied eines mit der Landeshoheit versehenen Hauses
irgend einen auf die Besitzungen seines Hauses gerichteten Succes-
siousansprncb erhoben hätte, so wäre dessen Erledigung in verfas-
sungsmiissigem Wege durch die angeordnete Reichsjustizgewalt —
Austrage und oberste Reichsgerichte — zu bewirken gewesen. Jene
Reichsjustizgewalt sei aber für alle Civilstreitigkeiten in Bezug auf
Kniphausen dem Herzoglichen Oberappellationsgerichte zu Oldenburg
übertragen ; einen andern Weg, Civilstreitigkeiten zu erledigen, wel-
che sich auf Kniphausen bezögen, gebe es nach dem Vertrage nicht. ^
„Schon hiernach würde also der Hr. Graf Joh. Karl von Ben-
tinck seinen Successionsanspruch der Cognition des gedachten Ober
appellatiORSgerichtes zu unterwerfen haben. Der Vertrag weise ihn
aber, zweitens, auch mit ausdrücklichen Worten auf diesen Weg,
wenn es in dem Art. 6. dessdben,' lit. d, heisse: „j^In allen sol-
chen Privatangelegenheiten des Hrn. Grafen und der Glieder seiner
Familie, bei welchen zur Zeit des deutschen Reiches die höchsten
Beichsgesetze competent gewesen sein würden, sollen diese eben-
falls durch das Oberappellationsgericht zu Oldenburg vertreten wer-
den. ^^ Hier handle es sich aber von einem Successionsanspruch,
mithin einer Privatangelegenheit eines Gliedes der Gräflichen Fami-
lie, welche, wie oben schon bemerkt, von der Art sei, dass die
höchsten Reichsgerichte darüber zu erkennen gehabt hätten. Der
Hr. Graf müsse sich freilich, wenn er bei dem Oberappellationsge«
L. Jebrg. 11. Hell. gg
•18 Watteiveklebcn: Jarivtiidie Abk«]i41i»ff«i.
richte zu Oldenburg gegen selDen Hm. Bruder klagend auftrete, ge-
mKes Art. 6, Ht. g dea Vertrages, gefallen lassen, dase, falls site
Gegner darauf antrage, die Acten zar Abfassung eines Urtheiki
an eine deutsche Jurlstenlacultftt versendet werden; allein wSre sncli
das von ihm gegen diese Spruchcollegien im Allgemeinen geäusserte
Mlsstrauen, wie dies gewiss nieht behauptet werden k9«ne, dordi
Erfahrung einigermassen begründet, so wurde nichts destoweniger
die Entscheidung auf dem nun einmal bezeichneten Wege sa er-
warten sein^ ... „Da der hohe Beruf einer verehrlichen Bunde8Te^
Sammlung hochderselben bloss die Handhabung, Anwendung ind
Volistreckung der bundesgesetslicben Normen zur Angabe madie,
so könne sie sich, ohne durch eine dieser Normen dazu auftoriiirt
zu sein, das Interesse der Legitimität und Ebenbtfrtigkeit in der
Oräfllehen Familie von Bentinek nicht als Motiv einer deren Eitel-
tnng bezielenden Verfügung dienen lassen.^
„Alle^, schloss die Commission ihren Bericht, «bisher nsdi
Anleitung des eignen Vorbringens des Hm. Grafen von der Goa-
mission erörterten Beurtbeilungsmomente führten ihres Ernchtens «
dem Resultate , dass die Competenz hoher BundesversammloDg tt
keiner Hinsieht als begründet erscheinen, «daher dem Hrn. GeneMl-
major Grafen Job. Karl von Bentinek zu eröffnen sei: dass setsan
Gesuche, als an sie nicht gehörig, nicht stattgegeben werden könza^*
Die beiden Brüder starben, der Graf Job. Karl 1833, der rs-
gierende Graf Wilh. Gustav Friedrich 1835, und dem letztem folM'
fai Voraussicht des bevorstehenden Prozesses bedingnngsweiaa vn
Oldenburg anerkannt, sein Sohn Graf Gustav Adolf von BenlizA}
gegen welchen non der älteste Sohn des erstem, Graf Will». Friede
Christian Bentinek, königl. niederländischer Kammerherr, der Wa>
sung der Bundesversammlung gemäss, seine Ansprüche auf gehdi-
gem Wege verfolgte d. h. klagend beim Oberappellationageriehtt k
Oldenburg auftrat Im Auftrag des letztern entschied in erster Is-
stanz die juristische Facultät von Jena im Jahre 1842 ^in der Baspl*
sache*^ dahin : ;,dass die sämmtlichen Klaganträge des Hm. Klag«
1) auf Heransgabe der Gräflich-^Aldenburg-Bentinckschen Fld«cs0'
missgüter; 2) auf Untersagnng der Führung des väterlichen NaoMSik
Titels und Wappens; 3) auf Ungültigkeit der von dem Hm d^
klagten, als Inhaber der fraglichen Fideicommissherrschalten wi
Güter, vorgenommenen Handlungen nicht stattfänden, und dass dv
Hr. Kläger die gerichtlichen Kosten mit Einschkiss der Versendwi»'
kosten und Urtheilsgebühren allein zu tragen schnldig seL*'
Die Gründe der juristischen Facultät von Jena*) hier iifisl
ausreichend anzufahren würde der Raum fehlen* Die Faonkät fSkm
in Debereinstimmung mit des früher angeführten Ansieht der Vtf-
*) S. Unheil der Juristeofacutlät su Jena, befareffend «lea Üeicblffrllipt
Beptinck'schen Successioosfall. Zum Druck befördert durch Dt. C. F. Dlcdi
Leipi. hl CommiBtiOD bei Beruh. Tauchoitc jun., 1843.
Wl0t6fff€lllMMn : JVTlilitMM AlHUIMhHI|f61l* 9t9
mittler des Berliner AbkommetiB von 1825, u. a. mn$^ 9»^««« die
Reidiflfltandscliaft, zu welcher Qraf AntOD y<Hi AJdeobari^ besthmiit
war, nicht zar Wirltliehkeit gfekommen ist, dase die Güter dessel-
beo ... nicht au einer wiriclichen Reichsgrafschaft geworden sind ond
also die darauf beafiglleben VerhanAongen lieinen Erfolge mkI lieia
Object mehr gehabt haben^ ; femer wies si« nach, j^dass die Grafen
Bentinck keineswegs in die Rechte des Aldenburg'schea Qrafenbauses
eingetreten sind. Ihr Diplom gibt llmen keineswegs das Recht, sich
mit den übrigen (reichsständischen} Grafen an versammehi, 8it8 nnd
Stimme anf Reichs- und Grafentagen au führen. B^ ihnen wird
die Grafenwürde nicht an die Gebnrt in stehender reehtmtfssiger
Ehe geknüpft, sondern der Kaiser erhebt an Grafen des Reitiis und
aeiner erblichen Reiehe praenominatum WilhelnHim de Benünek am-
oeaqne et singnlos iiberos, heredes, posteroe ac descendentea soos
legitimes utriasqne sexoa, natos et naseilttroa etc., obgleich der
neue Graf damals noch nicht yermäblt war. Es heisst alao niciit
legitime natos, ehelich geboren, sondern diese OrafenwUrde soU auf
alle legitime, jetst schon vorhandene und künftige, Naehkoonaen
forterben, woaa die durch nachfolgende Ebe legitimirteB nnalreitig
gehören.^ Ans den Belegen hierfür in den Jena'seben Eatsehei-
dnngagründen führen wir nur Folgendes an: „Was die Saeoeseloii
der durch nachfolgende Ehe legitimirteD Kinder im AUgeoMine» he*
trifft, so kann dieselbe, zumal wenn nicht von Lehen nnd rei^ha-
atitodisehen Landen die Rede ist, keinem Bedenken unterworlea sein.
Wenn der Stifter des Pideicommiseea darüber nicbt» Besewderea ver-
ordnet hatte, so bleibt es bei dem gemeinen Rechte, welches den
geehliehten Kindern dieselben Erb- nnd PamÜieMrechte aqgestehi,
wie den in der Ehe gebomen nnd sie an de» ehelichen Kindern
reehnet Dabei begegnen wir auch nur einer geringen Meinang»»
▼erscfaiedenheit' unter den Rechsgelehrten. ... Aocb Mgt die nenere
Gesetzgebung der Ansieht, dass die nachfolgende Ebe den aorrer
gebomen Kindern volle Successionsreebte gebe. Die Freassi-
echen Gesetze geben den durch nachfolgende Ebe Legithnirten Teile
FamiTienrechte*). Bei Fideicommlssen ist davon keine Ausnahme
gemacht nnd aUes auf die Anordnungen des Stfllers verwieeen^.
Aber da geehlichte Kinder alle Faraillenrecbte haben, so kann, in
Ermangelung beaonderer Verordnungen, die Suecesslon derselben
^»en so wenig wie bei Lehen ^'^) einem Zweifbi unterHegeuv Im
Kteigreich Baiern enthalt das Edict vom ^6. Mal 1818 über Fa-
miUenfidetcommisse Tit. V.«$. 77. die ausdrückliche Bestimmung:
j,^die durch nachfolgende Ehe Legltimirten werden den ehelich Ge*
bomen gleich geachtet.^^ Im Oesterreiebiseben Gesetzbneh
^ ARvem. ttadreckl, tU. ff, Tit.O, S- 506, 597, 598, 590, $90. Tit. fll.
§. 4. Tit IX, S* 2ff.
*•) Dsfelbfi ThL 11, TiL !V. $. IS^I,
♦^) Daielbit TW. I, Tit. XVin, §• 360, 351,
aSO WMieiMUeben: Jnriftuiche AMiaadlttiige«.
werden die durch nachfolgende Ehe legitimirten Kinder unter die
ehelich er sengten gerechnet (§. 161) und die Hinweiaung auf
die Recbte der Erstgeburt, 80 wie der Umstand, dasa in dem X.
Hauptst. Th. IL $. 618 — 647 von Nacherben und Fideicommissefi,
ihrer nicht weiter erwähnt wird, beweist, dass ihre Suceessionsfäbig-
keit keinem Zweifel unterliegt^ Noch zeigt die Facultät, dass keine
besonderen Statuten des Gräflich Aldenburg-Bentinck^sehsD
Familienfideicommisses bestanden, durch welche die vor der Ehe
gebornen, aber durch die Vermählung der Eltern legitim gewordeaco
ausgeschlossen wären.
Gegen das Jenaer Urtheil legte die klägerische Partei Beru-
fung ein, und die Acten wurden zu zweiter und, wenn sie jeoei
bestätigen würde, die Sache rechtskräftig entscheidender Urtheibr
fäilung der Giessener RechtsiacuUät übergeben. Gleichzeitig wandle
jene Partei sich aber auch wieder an die deutsche BundesversamD-
lung, und wirklich iiess diese sich, ungeachtet ihres Beschlusses foe
1828 und seiner oben mitgetbeilten Motive, so wie in grellem Wt>
derspruche mit den Jenaer Entscheidungsgründen, herbei, durch Be-
schluas vom 12. Juni 1845, zu erklären, „dass der Gräflichen Fa-
milie Bentinck nach ihrem Standesverhältniss zur Zeit
des deutschen Reichs die Rechte des hoben Adels und der
Ebenbürtigkeit im Sinne des Art. 14 der deutschen Bundeaacte lo-
stehen.''
Die Wasserschleben'sche Schrift gibt uns für eine Anzeige keise
Veranlassung, hier zu erzählen, wodurch und auf welche Weise eis
solcher Beschluss ermöglicht ward, dies und wie derselben später
zu dem von Wasserschieben erwähnten ,) Vergleiche' führen konoter
findet der Leser in zwei Schriften des Unterzeichneten mitga-
theüt: „Die von der ehemaligeu Bundesversammlung und der ehe-
maligen provisor. Gentralgewalt für Deutschland in dem GrSfl. Bea*
ünck'schen Erbfolgestreit beschlossen und auszuführen versuchte Ca- ;
binetajuatiz , aua den Bundeatagspcotocolien etc. dargelegt , FrankC,
1850' und: „Zur Kenntniss und Charakteristik Deutsdilands ie |
seinen politischen, kirchlichen, literarischen und Rechtazuständee |
während der letzten Jahrzehnte, Frankf., 1856', S. 522—588. \
Der Beschluss von 1845 war nur ein Mehrheitsbeschlnss gpr 1
wesen, und von den ihm zustimmenden Regierungen hatten einige I
mit mehr oder weniger Bestimmtheit erklärt, dass sie damit keiae |
Einmischung in den obschwebenden Rechtsstreit beabsichtigten. Nar
mentlich war Oesterreich dem Beschlüsse nur mit dem Zusätze btt- !
getreten: „Ob und welchen Einfluss die Ausfertigung dieser Ba^ 1
stätigung auf anderweite, dem Bunde nicht vorliegende Verhandloa-
gen haben kann, ob und welchen Gebrauch im Prozesse stehende
Parteien und deren Richter von dem Bundesbeschlusse machen wer-
den, ist ein wie der Cognition, so auch der Erwägung des Bnndee
entzogen bleibender Umstand etc.^ Gleichwie jedoch der Anaschoee
(Berichterstatter der damalige holstein-Iauenburg'sche Bundestage-
WiMerselileben : Juriatiidie AMiaiidluiifeii. 881
geBtoiäte TOQ Pecblln), welcher den Beschlnss vom 13. Jnni 1845
Torschlug, in seinen Berichterstattungen ganz unverholen für den
KlSger gegen den Beklagten Partei genommen hatte, so setzte sieb
auch bis zum Jahre 1848 in der Bundesversammlung die Ansicht
mehr und mehr Test, dass mit jenem Beschluss nicht nur die Com-
petenz des Bundes erklärt, sondern der Prozess selbst schon ent*
schieden sei, und die provisorische Gentralgewalt entnahm, indem
sie eine eigne Prüfung der Sache nicht für nöthig hielt, ibren Be*
scbluss vom 8. Nov. 1849 eigentlich nur den vormärzlichen Bau*
defitagsacten ; ihr Beschluss aber lautete in der Hauptsache: „Die
provisorische Gentralgewalt für Deutschland, als Rechtsnacbfolgerin
der Bundesversammlung und kraft der von dem deutschen Bunde
dorch Bundesbeschlnss vom 9. März 1826 tibemommenen Garantie
des am 8. Juni 1825 zwischen Sr. Kön. Hob. dem Grossherzoge
von Oldenburg und dem Hrn. Grafen von Bentinck wegen der staats-
rechtlichen Verhältnisse der Herrschaft Kniphansen geschlossenen
Uebereinkommens, erklärt, dass die aus der Verbindung des Grafen
Wilhelm Gustav Friedrich Bentinck mit Sara Margarethe Gerdes
entsprossene Deecendenz als der Familienrechte des Gräflich Ben-
tinck'schen Hauses untheilhaftig und daher als unfähig zur Erbfolge
and Regierung in der Herrschaft Kniphansen zu betrachten ist.^
Za einer Erklärung dieser Art hatte sieb, wie wir oben sabeu, die
Bandesversammlung im J. 1828 ans demselben Grunde der vom
Bunde übernommenen Garantie des Berliner Uebereinkommens, für
nicht berechtigt erklärt.
Die angeführten Beschlüsse der Bundesversammlung von 1845
ond der provisorischen Gentralgewalt von 1849 waren erst nach
dem Urtbeil erster Instanz und im Gegensatz zu diesem eingege-
treten. Es konnte indess nicht zweifelhaft sein, welche Bedeutung
das aliein competente und durcli einstimmigen Bundesbeschlnss als
allein competent anerkannte hohe Gericht beiden beilegen werde.
Schon vor dem Erscheinen der Schrift, deren Anzeige uns hier be-
schäftigt, hatte ein unparteiischer Jurist, der keiner der beiden Par-
teien als Gonsulent gedient, Zachariä in Göttingen, in der 2. Aufl.
seines deutschen Staats* und Bundesrechtes, Göttingen 1853, Bd. I,
S. 466, bewirkt: „Abgesehen von der sehr zweifelhaften Gompe-
tenz der Bundesversammlung zur Abgabe einer solchen Erklärung
(des Bundesbeschlusses v. 12. Juni 1845) wird die Bedeutung der-
selben für die gerichtliche Entscheidung des anhängigen Rechts-
streites zweifellos nach den anerkannten Grundsätzen über Selbst-
ständigkeit des Rlcbteramtes zu beurtheilen sein^ und: „Ein anf
Aosführung (?) dieses Beschlusses gerichteter leichtsinniger
Erlass des Reichsjustizministeriums vom 8. Nov. 1849 hat glück-
licherweise keinen Erfolg gehabt.*'
„Während der Hr. Kläger^, heisst es bei Wasserscbleben, ^in
der ersten Instanz des Successionsstreites und noch zu Anfang dei
Verhandlungen zweiter Instanz die Zuständigkeit des Oberappelia-
an W«fMff*eUelka: J«riftiMhe AUandloMm
UODtceriofafts st Oldenburg für die rectatUebe Entaebeidiiiig
ober tu dieseoi Prozesse vorliegenden Streitfragen auf Omnd des
Berliner AbkeuMnens (Art VI) nirgend besweffelt hatte» seigeii be>
reite seine Gesuche bei der BnndesFersammlitng im MSrs und Mm
18i3, dass derselbe die Entscheidang der Prl^adlelalfrage Ober des
hohen Adel der ReiebsgrUich-Bentinck'sdieD Familie durch die Bm-
desTersammlang, mit Umgehung und AnsschlieBsnng des Oberappel-
latienagerichtSy erstreble, und nachdem der oben erwähnte Bendes-
beschlusB ▼. J. 1845 erfolgt war, wurde wiederholt nnd anadrSek«
lieh Uftgerfscberselts die ausschliessliche Gompetens der Bnndeaver*
Sammlung binsiditlich jener Frage behauptet. Hiernach galt also
das Oberappellationsgericbt doch immer noch wenigstens aar En^
aeheidung der übrigen Streitpenkte für competent, später jedoch ist
auf Grund eines angeblichen Bundesbeschlusses vom 8. Nov. 1849
die Ansteht aufgestellt worden, dass nunmehr die Nachfolge in die
Herrschaft Eniphaosen als eine Staatssache anerkannt und jeder
dvUrichterlichen Gompetens und Entscheidung entzogen worden ad,
dass überhaupt der Successionsproaess In einer Sache, welche keias
Juatfa- und Privatsache, sondern eine Staats- und Regierung^aange*
legenbeit sei, bisher vor einem incompetenten Gerichte geföbrt, mad
soweit er Eniphaosen und den Stand der Bentinck'schen FamUfts be-
treffe, durch die allein competente Behörde rechtskrIKfdg entadiiedaB
worden, nnd dass diese Entscheidung auob auf die tibrigen Ben»
tinek'scheB Beaftrangen and Famiiienrechte wenigstens von efoeoi
präjudicirllchen Einflüsse sei.^
Nachdem Wasserscbleben sich hiergegen aul das Berliner Ab-
kommen und die schon früher von uns angesogene Auslegung dee-
selben durch die Bundesversammlung selbst bezogen, fährt er fort:
loschen aar Zeit des deutschen Reiches war die Unabhängigkeit der
Reichsgerichte in Ansehung der Rechtspflege von dem Einfluaae des
Kaisers, wiederholt gesetzlich anerkannt, gegen Eingriffe der Lai^
desherren in den Wirkungskreis und die Selbstständigkeit der Ge-
richte gewährten die Reichsgerichte den erforderlichen Schute, ui
auch nach Auflösung des Relcfas gilt in Folge eines coastanten Ober-
all anerkannten Rechtssataes jede Einmischung dea Regenten oder
der Staatsregiemng in die Rechtspflege, jede Gabinetflgustis ak n-
aoUssig, worans von selbst folgt, dass das oos^ietente Gericht nicht
verpflichtet sein kann, sich derartigen in sein Richteramt übergiei-
fenden Entscheidungen zu fügen. Dieser Grundsatz der Selbatatäa*
digkeit der Gerichtshöfe ist durch die provisorische Competensbeatim-
mang der deutschen Bundesversammlung v. 12. Juni 1817 lit G.
§. 5. Nr. 3 a, durch die Wiener Schlussacte v. Jahre 1820, Art. 29,
und auch in späteren Protocolien der Bundesversammlung wiedsr-
hoit anerkannt und bestätigt worden. In den ^j^Deutschen Grend^
rechten«« endlich Art 10. §. 175 (Reichsgesetzblatt Nr. 16) war
die Selbstständigkeit der richterlichen Gewalt ausdrücklich gerantift
und Gabtaieta^ so wie Ministerialjustiz ausdrüekUch für itn«*,,^nft
W«iMrMUd>ent Jnriatiicbe AMudluBgea. 823
aildirt wotden. Da non auf Grund dM Berliner Abkommens Art. VL
lit. d. die Entscheidung des vorliegenden Successionsstreltes cur ans*
aeUiesslicben Competenz des 0.-A.-6ericbtes' zu Oldenburg gehörte,
0« hatte die Bundesversammlung sowohl kraft der von ihr am
9. Mftrz 1826 ausdrücklick übernommenen Garantie jenes Abkom**
mens, als wegen Art. 29 der Wien.-S.-A« die Verpflichtung und Be*
fogniss, falls diese Competens, so wie der durch dieselbe begründete
Bechtssustand verletzt und verkümmert wurde, auf Anrufen des
Betheiligten einzuschreiten und die Einhaltang des geordneten Rechts«-
weges zu bewirken. ... In keinem Falle hittte die Bundesversamm-
lung ein selbststfindiges Entscheidungsrecht des Prozesses, da ein
solches sowohl mit der übernommenen Garantie des Abkommens,
als mit den Grundgesetzen und dem rechtlichen Charakter des Bun*
des selbst im Widerspruch stehen würde. Wenn daher die beiden
Jüngern Brüder des Hrn. Klägers, die Grafen Karl Anton Ferdinand
und Heinr. Job. Wiih. von Bentinck, sich unter dem 23. Aug. 1847
SD die Bundesversammlung wandten, um diese zu neuer Entschei-
dang des schwebenden Prozesses zu veranlassen, so konnte dies auf
das Urtheti des allein competenten Gerichtes Irgend ^nen Einfluss
nicht ausüben, auch war zu erwarten, dass die Bundesversaonnlnag
einen ganz ausserhalb ihrer Berechtigung liegenden Besehluss im
Sinne der Imploranten nicht fassen werde. Bevor ein Bescheid er-
ging, trat in Folge der polit. Bewegungen des Jahres 1848 an die
Stelle der sich auflösenden Bondesvers, der Erzherzog Johann als
Reichsvetweser an die Spitze Deutschlands. Aul ein bei der «„pro-
visor. Centralgewalt^*^ erneuertes Gesuch der beiden genannten Gra^
fen, erfolgte am 8. Nov. 1849 eine Entscheidung des Reichsver-
wesers^ (oben mitgetbeilt). «Dass diese, übrigens ohne practische
Folgen gebliebene «,^ Erklärung^'' juristisch nichtig ist, bedarf nach
der obigen Ausführung keines Beweises mehr. Die von der j^^pro^
▼isorischen Centralgewalt''^ angetretene Erbschaft der Bundesver-
sammlung und die Garantie des Berliner Abkommens konnte dem
Baichsverweser nimmermehr die Befugniss zu einem Machtspruche
vsrleiheBi weicher völlig ausserhalb der Competenz der Buodesver-
sasamlung lag und eine Verletzung der garantirten Bestimmungen
des Abkommens involvirte, und welcher ausserdem zu dem jede Ga-
binetsjostiz ächtenden allgemeinen Rechtsbewusstsein und den klaren
Normen der n,, Grundrechte^^ in dem grellsten Widerspruche stand ete.^
Nach diesen und weiteren Ausführungen wfrd bei Wasserschie-
ben «die Frage bejaht, ob das O.-A.-Gericht in Folge des sogen.
Buadesbeschiusses vom 8. Nov. 1849 überhaupt noch competent
war zur Entscheidung des Prozesses.^ Eben so wird die andere
Frage, ob diese Competenz sich auch auf die Entscheidung des den
hohen Adel betreffenden PrSjudictalpunktes erstrecke oder diese nicht
vielmehr der Bundesversammlung zustehe, und ob nicht in Folge
dessen die durch den Bundesbesdbluss v. 12. Juni 1845 für die
Gräfl. Bentinck'sche Familie ausgesprochene Zuerkennung des hohen
824 WaMencUebent JarUiUcbe AblMUndlmigeB.
Adels ab. prajadiclrlich und rechtsTerbindlieh fttr deo in der Haupt*
sacbe erkennenden Richter zu betracLten aei^, dabin enscbiedea,
^dasfl das 0.-A.-6ericbt durch jenen Bundesbeschlosa in keinem
Falle verhindert war, die Frage, ob die Gräflich Bentinck*ache
Familie dem hohen Adel angehöre, völlig unabhängig and sdbet-
ständig EU prüfen und seine hierdurchgewonnene Ueberseugung ia
dem Successionsstreit als Entscheidungsgrand geltend zu maeben.*
Die dieser Entscheidung vorhergehende ausführliche Erörternng der
einschläglichen Thatsachen und rechtlichen Gesichtspunkte achliesst
wie folgt: Die Bundesversammlung hat mithin durch einen beson*
dern Gnadenact der Bentinck*schen Familie wegen deren Standes-
verhältnisse zur Zeit des Reichs die Rechte des hohen Adels and
der Ebenbürtigkeit in dem Sinne verliehen, wie die sogen. Mediati-
Hirten dieselben auf Grund des Art. 14 der Qundesacte besitseo.
Diese Verleihung wirkt natürlich nur für die Zukunft und lasst die
Frage, ob die gedachte Familie bereits zur Zeit des Reichs nun
hoben Adel gehörte, ganz unberührt etc.^
„Man (Hr. Dr. Tabor in Frankfurt) hat endlich dem mehrer-
wähnten Bundesbeschluss wenigstens die Kraft und Bedeutung ein«
Zeugnisses vindlcirt, welches der Richter auf keinen Fall ganz igno-
riren dürfe. Allein ganz abgesehen davon, dass dadurch die Gom-
petenz des Richters gerade anerkannt erscheint, so würde soicbea-
falls der Richter sowohl die formelle Statthaftigkeit, als das mate-
rielle Gewicht eines solchen ,,,, Zeugnisses ^^ frei und selbstständif
zu prüfen haben, und in letzterer Beziehung würde jener Beschlaas
für die vorliegende Frage völlig irrelevant erscheinen, da aus dem-
selben gar nicht mit Bestimmtheit hervorgeht, dass die Familie Ben-
tinck zur Zeit des Reichs sich in solchen Verhältnissen befunden
habe, welche die Bedingung und Voraussetzung des damaligen hobeo '
Adels gewesen sind.^ I
Die mehrerwähnte ^Präjudicialfrage^, „nämlich die über den !
hohen Adel der Familien Aldenburg und Bentinck^ nennt die Was- |
serschleben'sche Schrift „die fast wichtigste und zar Entscheidali; |
in der Hauptsache einflussreichste^, und beginnt „die Prüfung^ der-
selben mit der aUgemeinen Bemerkung: „Es ist nicht zu verkea- i
nen, dass, wie auf andern Gebieten, so auch auf dem der Joris- |
prudenz, zahlreiche irrthümliche, einseitige und beschränkte Ansich* I
ten sich von einer Generation zur andern vererbt und so traditioneB '
erhalten haben, bis in unserer Zeit durch tiefer eingehende, bis da*
hin aus Bequemlichkeit oder dem hergebrachten Autoritätsglaobea
unterlassene, Untersuchungen der bisherige Nimbus der Unfehlbarktit
durchbrochen und die Mängel und Irrthümer der früheren Aoffas^
sungen aufgedeckt worden sind, und unläugbar hat gerade der Bes-
tinck'sche Erbfolgestreit in dieser Beziehung einen sehr wohlthätigen |
Reinigungsprozess in der Rechtswissenschaft veranlasst und befördert;
allein hinsichtlich der vorliegenden Controverse muss gerade umg^ 1
kehrt behauptet werden, dass die bisher herrschende Theorie in Folg«
Waiserflcbleben : Jurittiiehe Abliandlunfeii. 835
des klXgerischer Seits dagegen erhobenen Widerspruchs und der da-
doreb und ausserhalb des Kreises der Prozessschrifteo igigeregten
wisseoschaftllcheD Untersuchungen sich als begründet bewährt und
an Klarheit, wie überzeugender Kraft nur gewonnen hat, obsdion
einige nnsrer Rechtslehrer^ (doch wohl nur solche, die zugleich Con-
sülenten der kISgerisehen Partei gewesen sind), ^dem blendenden
Wesen der Tabor'schen Oegenlheorie bis jetzt nicht haben wider*
stehen können.'^
Diese Gegentheorie führt Zachariä S. 449 a. o. a. 0. mit den
Worten an: ^dass sich nach dem Reichsstaatsrecht des 18. Jahrb.
efai Theil des reichsunmittelbaren Adels als ein höherer Stand von
dem übrigen unterschieden, und dass das Wesen dieses böhern
oder hohen Adels in dem Besitz der reichsf ürstiichen oder
reichsgrSf liehen Würde, verbunden mit der Landeshoheit
über ein reichsnnmittelbares Gebiet, also in der Eigen«-
schaft eines regierenden Herrn, oder wenn man die Reichs*
Btandschaft damit in Verbindung bringen wolle, in der persönlichen
und dinglichen Reichsstandschaftsfähigkeit bestanden habe.''
Zachariä fügt hinzu: „Eine Zeitlang habe auch ich diese Ansicht
IQr die richtige gehalten, muss aber bei wiederholter Prüfung der
Sache bekennen, dass ich zu der herrschenden Meinung, welche
beeonders durch die gründlichen Ausführungen der Entscheidangi-
^önde des Urtheib der Jenaer Juristenfacultät in der Bentinck'schen
Sache und in der gründlichen Schrift von Göhrum (Geschicht-
liche Darstellung der Lehre v. d. Ebenbürtigkeit etc., 2 Bde. Tüb.
1846} gestützt worden ist, zurückzukehren genüthigt bin.^
Diese „herrschende^ oder, wie Zachariä sie auch nennt, jgge*
wohnliche** „Meinung^ war auch von der Oldenburg'sehen Re-
g;ierung, wie früher bei den zu dem Abkommen von 1825 in Ber-
lin, 80 später bei den zu dem Bnndesbeschluss von 1845 führenden
Verhandlungen in Frankfurt festgehalten und so eifrig als gründlich
vertreten worden. Der Unterzeichnete in der zweiten seiner oben
^eifannten Schriften sagt: „Der ehemalige Oldenburg'sche Minister
nnd frühere Bundestagsgesandte von Berg, Vater des jetzigen Olden«
bargisehen Ministers gleichen Namens, war gleich dem Jenaer Re-
rerenten (Staatsrath Prof. Schmid) noch zur Zeit des deatschen Rei-
sbes Professor der Rechte an einer deutschen Universität (Göttingen)
[gewesen und kannte das Reichsstaatsrecht, über welches Bücher von
bm vorhanden sind. Aber das jüngere Geschlecht der Juristen
connte erst durch Fälle wie der Bentinck'sche Prozess veranlasst
rerden, sich mit einem Rechte wieder bekannt zu machen, welches
liebt mehr in Uebung war, und bis sie das gethan, gelang es dem
gewandten klägerischen Advocaten Tabor für eine ganz aus der
jtift gegriffene Theorie, wie sie ihm eben für seine Partei gepasst
Lod nothgethan hatte, den Beifall nicht nur einiger Bundes-
ngrsg^esandten , sondern selbst einiger neueren Staatsrechtslehrer za
"eirrinnen.'
n
836 WaMeneUcben: JurittiMhe AUumAiwgeB.
Di« EotseheldotigafrliDde des Jenaer Drtheiis waren sofort mhI
die geflJBBjMitlicliBte Weiae verlästert und in Miseacfatong gebimdkl
worden. In der durch eine von Heffter in Berlin, nie einem dar
Ooneulenten des Klägers und seiner Brüder, verfaseien Deukechrift
untersttiuten Vorstellung, worin diese im J. 1843 ihre Bitte im
^Anerltennung'' ihres hohen Adels bei der Bandesversammlnng be-
gründeten, wurde n. a. gesagt : Die Jenaer Urtheilsissaer aeiea bdt
durch ein „unbegreifliches^ Missverständniss oder Uebersehen ,ab*
gehalten^ worden, „zu Gunsten des Klägers su entscheiden^ und
älwHch hiess es in dem entscheidenden, von dem damaligen holatain*
lanenburgischen Bundestagsgesandten , Hrn. von Pecblin verlassteB
Gommissionsgntachten , Buudestagsprot , 1844, S. 571: „Tabor's
„„Beitrag aur Bestimmung des Rechtsbegriffes des hohen Adels'^'
musste von der Facuität su Jena gänslich missverstanden werden,
um beseitigt eu werden.^ Der Unterseichnete iconnte a. o. O. er*
wähnen, selbst andere Bundestagsgesandten hätten Aergeroiss danui
genommen, dass der Berichterstatter der Oommisslon und Abfasscr
jenes Gutachtens, welches eine unverhüllte Partei- oder Advocaten-
Bohrift für den Kläger sei, mit diesem und seinem genannten Ad*
veeaten in Verkehr gestanden, von ihnen das Material und doch
wohl auch die Giedaalcen au seiner Arbeit erhalten hätte«^
Auf welche Welse der Bentinck'sche Prozess durch einen nnr
uneigentlich so zu nennenden Vergleich beendet ward, in welGhon
der bei dem competenten Gericht siegreiche Beklagte so au aagen
unterlag, gehört nicht hierher, kann auch in der Schrift des Unter-
zeichneten nachgelesen werden. Die nachmärzliche Bundeaversanun*
lung stellte sich zwar (Wassersohleben S. 8) in einigen Commis-
sionsgutaehten auf den Standpunkt des Bundesbeschlusses t. 24. Jolt
1828 zurück und begründete u. a., dass die provisorische Central-
gewalt f. D. durch ihren Beschluss vom 8. Nov. 1849 die der Bon-
desrersammiung durch ihre Garantie des Berliner Abkommens an-
stehende Berechtigung überschritten habe, die ganze Sache war aber
bereits dem Einflüsse des Bundes anderweitig entzogen, und ak
Oldenburg unter der Regierung des jetzigen Grossherzogs sieh aBtt
Aalig;ebung des bis dahin von dem Vater des letztern stets featga'
haltenen und vertheidigten Bechtsstandpunktes plötzlich za d«n An*
sichten der entschiedensten Anhänger des Baadesbeschluasea von
1845 bekehrte, sah sieh der Beklagte^ um nicht alles eu vediereni
genöthigt, in die Sistirung des täglich erwarteten Giesseaer UrtbaSs
zu willigen, und sich eine „Abfindong^ gejalleo zu lassen, aadh
welcher er, neben Anerkennung seines Familienstandes durch Olden*
bürg auf Grund des kirchlichen Diploms von 1732, etwas über ein
Drittel der Geldsumme erhielt, für welche Oldenburg das gesanunta
Aldenburgiache Fideicommias an aich nahm.
Aus der Wasserschleben'schen Schrift führen wir, weil wir aidit
noch mehr Baum für diese Anzeige in Anspruch nehmen zu durte
glauben, nur noch den Urtheilsentwurf an: „Dass sänimtlidie Ein-
Witi0ffiobl»bcii: JartotiMke AUnDdlttMreB. 817
weBdniige& des Hm. Klä(^ni wider die SuceessioufähigkeU des Hrn.
Beklmg^teo nnbegröndet und nutbin die beiden ersten IdXgerischen
AotrSge, dabin lautend:
1) dass dem Hrn. Beklagten die Fttbrnng des Grlflicb Alden-
borgiscben Namens, Wappens und Titels abzuerkennen, und
S) dass dem Hm. Kläger die Successioa in die GrXflieb Aiden*
bnrgischen Ftdeleommissberrscbaften, Güter nnd Zabeh5mngen, wie
selche Ton dem letstregierenden Grnfen besessen wurden oder aiiai
Griflich Aldenburgischen Fideicommisse gehören, Busnerkennen, und
demnach der Hr. BdElagte sur sofortigen Räumung der fraglichen
Herrsdiaften und Güter, so wie sur Restitnirang aller gesogenen
oder zu siebenden Revenuen, Zinsen und Früchte schuldig sei, so«
weit nicht in der Zwischenseit hierüber unter den Parteien auf reobls«
beständige Weise translgirt worden ist, au verwerfen sind.
Anlangend endlidi den Klageantrag: „Dass alle seither während
des unrechtmässigen Besitzes geschlossenen Verträge, erlassenen
Gesetae und Verordnungen, Dienstanstellungen oder sonstige Be-
gierungsbandlungen für den Kläger als null nnd nichtig zu machten^,
^ee erledigt sich derselbe nach Zurückweisung der vorigen Anträge
von selbst ... Ans der Zurückweisung dieser drei ursprünglichen
EJaganträge folgt von selbst, dass die Revistons-Hanptbesehwetden
onhaltbar sind, und das vorige Urthetl in der Hanptsache veilkom'^
Bsen begründet ist^
Haben mehrere deutsche Juristen nnd Staatsrechtslehrer als
Gonsulenten des Klägers öffentlichen gerechten Tadel erfahren kön*
Den und ruhig hinnehmen müssen, so haben dagegen die deutschen
Rechtsfacultäten in Beziehung auf die Bentinck'sche Prozesssaehe
das Vertrauen nidit getäuscht, welches die Bundesversammlung von
1828 in sie setzte. „Der Hr. Graf (Job. Karl von Bentinck) müsse
steh freilich^, sagte u. a. damals noch die betretende Bundescom-
mission, „wenn er bei dem Oberappellationsgerichte zd Oldenburg
g«gen seinen Hrn. Bruder klagend auftrete, gemäss Art. 6^ Ht g
des Berliner Abkommens gefallen lassen, dass, falls sein Gegner darauf
antrage, die Acten zur Abfassung eines Drdieils an eine deutsche
JnristeiiCBCuhät versendet werden; allein wäre auch das ven Ihm
gegen diese Sprvchcollegien im Allgemeinen geäusserte Hisstrauen,
wie dies gewiss nicht behauptet werden könne, durch Erfabrong
eioigermassen begründet, so würde nichtsdestoweniger die Entschei*
düng auf dem nun einmal bezeichneten Wege zn erwarten sein.^
Nichtsdestoweniger bat man die auf diesem Wege er-
folgende Entscheidung theils für nichts geachtet, theils nicht „er*
wartet^; und wen davon die Schuld treffe, wird die Geschichte ra
der SchUdernng der deutschen Rechtsaustände unsrer Zeit nicht un^
erwähnt und unbeachtet lassen können.
Frankfurt a. N. im Octob. 1857. AUS* Bodeii,
838 Pieehioni: Del mimo illegorieo della Divina Commedia.
L. Pieehioni, Del semo attefforieo, pratico e dei vaUeb^ dSBa
Divina Commedia, lesioni due reeitate cUla societa academica
di Basüea. BasUea 1857.
Die BoichSftfgong mit dem Werk des grössten Dichters der
Neuseit ist nie ganz anterbrochen worden. Das 17. Jahrhundert
allein gibt sehr spftrliche Beweise des Studiums der gSttlichen Ko-
mödie. Allein dies war eben anch das Jahrhundert, wo die Kirche,
aus welcher jenes grosse Werk hervorging, ganz In Verfall gerathen war
und nur noch durch Süssere Mittel, durch weltliche Waffen und durch
Sekten, das Machtgebiet wieder su erobern oder zu erhalten suchte,
das sie in der Ueberzeugung der Völker verloren hatte. Das Stu-
dium des Dante ging Hand in Hand mit der mehr oder weniger
lebendigen Aoffasstmg des Berufs der Kirche. Anfangs begnSgte
man sich nach dem Geist jener Zeit mit der mystischen Deutung
der Hauptfiguren, kümmerte sich weiter nicht um den Zusammen-
hang derselben mit den meisten Reden und Handlungen der un-
zähligen historischen Personen, die in den Gesängen vorgeführt wer-
den, und baute im Namen Dante's ein System auf, das Ober der
damaligen päpstlichen (wir sagen mit Fleiss nicht katholischen) KIrdie
stand. Später nach vielen Veränderungen in den Verhältnisseo swi-
schen Kirche und Staat fand man sich, gleichsam unter dem 'Exor
fluss des erwachten staatlichen Bewusstseios, durch die bloss mysti*
sehe Deutung nicht mehr befriedigt, und wurde durch die Wider-
spräche und die Unsicherheit derselben auf einen andern Weg ge-
leitet. Es war die Zeit, wo das ruhige Glauben, das blinde Unter-
werfen, das vorgeschriebene enge Gebiet einer mystischen Beseligung
nicht mehr genügte. Der Geist wollte wissen und verstehen, auch
in religiösen Dingen, und wandte sich mit demselben Bedürfniss
auch an das Gedicht des Dante. Man fasste das Verständliche,
Klare und Feste, die historischen Figuren und ihre Beziehungen zn
den weniger schwierigen Allegorien auf, und suchte von dieser Bote
den Hauptinhalt des Gedichtes und die damit in Verbindung stehen-
den Symbole zu erforschen. Beide Schulen, die mystische und die
historische, sind durch die Kämpfe, die sie mit einander bestanden,
und beeinflusst durch die Kämpfe des Staats und der Kirche, des
Klassicismus und Romanticismus , die auf andern Gebieten gefOhit
wurden, in solche Einseitigkelten verfallen, dass die ernsten Forscher,
von einer neuen, durch die Philosophie bewirkten Bewegung der
Geister angeregt, einen dritten Weg einschlugen und eine philoso*
phische Erklärung des Gedichts versuchten. Man hielt sich nicht
sowohl an die Deutung der einzelnen Allegorien nach einander, viel*
mehr suchte man aus dem Totalinhalt des Gedichts die Grundidee,
die Bedeutung und den Zweck desselben zu erforschen, und naba
die zu der gefundenen Grundidee mehr oder weniger passenden
Deutungen der einzelnen Allegorien zum Massstab für die Richtig-
keit des Gefundenen. Eine solche philosophische Interpretation wird,
Picchioni: Del fenso alleforico dello Divins Comme<Ui. B2A
mit angemeMeoer Berücksichtigung der mystischen und historischen
Erklärungen, wohl am sichersten sum Ziel führen. Die frühern
Meinungen üben indess noch einen beträchtlichen Einfluss aus, daher
unter den nenern Bearbeitungen der Div. Gommedia die verschie-
densten Schattirungen der drei Schulen aur Erscheinung kommen.
Der Verf. des angeseigten Werks ist von Witte zu einer höhern
Anschauung des Gedichts angeregt, bekennt sich aber in der Erklä«-
, mng der Hauptallegorien au den Ansichten Eopiseh's. Er bat
seine Deutung dieser Hauptallegorien in swei Vorlesungen vor einem
gebildeten Publikum in Basel dargelegt, dieselben aber bei der
Herausgabe durch angeh&ngta ausführliche Abhandlungen bereichert
Wenn Ref. hier ausspricht, dass seine Ansichten von denen des
Verf. weit verschieden sind, so erkennt er gern die Beweise von
fortgesetzten umfassenden Studien an, die sich fast auf jeder Seite
kund geben.
Die erste Vorlesung verbreitet sich über den allegorischen Sinn
der Div. Gommedia im Allgemeinen, über die Sendung Dante's, als
Lehrer der höhern Weltordnung aufzutreten und das verirrte Men-
schengeschlecht wieder in Uebereinstimmung mit seinem Zweck und
seiner hohen Bestimmung zu bringen. Der Verf. nimmt dabei,
wie auch schon in einem frühem Werk (La Div. Gommedia illus-
trata da A. Kopisch, G. Ficei e M. G. Ponta. Genni critid di Luigi
Picchioni. Milano, 1846), mit Witte an, dass Dante in seiner alle-
gorischen Reise durch Hölle, Fegfeuer und Paradies im Namen und
als j^epräsentant des ganzen Menschengeschlechts auftritt, dass er
in sich den in der weltlichen Eitelkeit verirrten Menschen darstellen
will, der durch die himmlische Gnade sich aus dem Elend dieses
irdischen Thränenthales zur ewigen Glückseligkeit erhebt
Neben diesem allgemeinen Symbol legt sich aber Dante eine
besondere Rolle für sich bei, nämlich die des Lehrers der Mensch-
heit, und den Gegenstand seiner Lehre erklärt er gleich im Anfange
in seiner Unterredung mit Virgil. Er führt seine beiden Vorgänger
in der mystischen Reise an, den Aeneas und Paulus, erklärt, dass
deren Reise zum Zwecke hatte, das Weltkaiserthum zu stiften und
auf diese organisirte Verbindung der Völker den christlichen Glau-
ben und die einige Kirche als den Weg alles Heils für die Men-
schen aufzubauen. Virgil versichert ihm, sowie seine beiden Vor-
gSnger, so sei auch er im Himmel zu einem ähnlichen Amt auser-
sehen, nämlich die Nothwendigkeit des Weltreichs zu predigen und
die Verderbtheit der kirchlichen Lehren zu tadeln. Referent kann
sich mit dem Verf. nicht ganz einstimmend erklären, und glaubt,
dass hier die Absicht Dante's und der Beruf, den er sich beilegt,
nicht ganz erschöpfend dargelegt und ausgesprochen ist Dante wollte
ein Gottesreich predigen und hat dieses theoretisch durch die drei
Gesänge seines Gedichtes und in seinen philosophischen Schriften
dargelegt, mit Berufung auf die grossen Theologen und Metaphysi-
ker seiner Zeit Der praktische Theil seiner Lehre beschäftigte sich
^0 Pieehtoiiit Del tenio alfo^oiico Mh Divirni Conme^a.
mft den Mitteln für die Meneebheit, dietes Gotteereich «nf Erte
m yerwlrklicben. Dieae Mittel waren ihm ein geordneter weltii^
Zoaland, in der Form eines Weltreichs, sur innigen Verbindang aller
Völlcer in Liebe und FVieden. und auf diesen gegründet ^ Kl^
cbenreteh, welches die Menschheit cur Einigung mit ihrem Schöpfer,
sar Erkenntniss mid eum Genuas des hdchsften Glücks führte. In-
dem Dante dieses ideale Kirchenreich beschrieb, wurde er allerdhip
QnwiUkiibriich aum herbsten Tadel gegen die Verderbtiieit der ioa-
sem Ktrcbe hingerissen; aber dies gehörte wohl sehwerHeh «uh
schliesslich zu dem ihm vom Himmel übertragenen Amt, und wIr
ein solches auch nicht dem des Paulus ^avialog^ gewesen.
Mit Dante's Mission bringt der Verf. audi dte drei symboB-
sehen Franen in Verbindung, die seine Wanderung leiten, Maria,
Lada und Beatrtee, welche er als Symbole der eQvorkomroe»dei^
der erleuchtenden und der wirkenden Gnade angibt. Dieaeo M
Symbolen^ ist in dem Anhang ein eignes Kapitel gewidmet und die
oben angegebene Bedeutung derselben gegen alle andere Ausiegos-
gen verthetdigt. Die Vertheidigung ist das Resultat anerkennens-
werthen fleissigen Stadiums der Dir. Oommedia, alidn Ref. mvm
bekennen, dass sie ihn nicht öberseugt bat und er vorerst bei sei*
ner Auslegung beharren muss. Die Maria ah Himmeiskönigin md
Mutter aller Gnaden macht wohl keine Schwierigkeit Allein es U
bei allen scharftiinnigen Erklärungen des Verf. nicht wohl abrasebeD,
was bei der Innern Organisation des Gediehtee , bei den swei Le-
bensweisen, der praktischen und contemplattven, die jede ihr SymM
haben, bei den zwei Reichen, dem weltlichen und geistigen, denei
aueh zwei Symbole Torstehen, die Lucia ganz allein als erlenditeade
Gnade für ein Amt haben soll. Ref. müsste hidessen hier seine
ganze, in seraen 1S53 herausgekommenen „Studien über Dante'
enthaltene Untersuchung über die Bedeutung dieser Fignr wiede^
holen, was aller hier um so unstatthafter ist, da sich nicht ttugnes
ISsst, dass auch die von dem Verf. und mehreren Andern angenom-
mene Deutung ihre Berechtigung haben mag, sobald sie mit der
Grundidee und der Organisation des Gedichts in lebendigen &h
sammenhang gebracht ist. Alsdann würde freilich die ganze Brkll-
mng des Referenten über den Haufen geworfen. Nur ein kleiier
Irrd^utt muss berichtigt werden, der dem Verf. hier begegnet Ist
Er stellt den Ref. neben den berühmten Grälen Baibo, indem bsMb
behauptet haben, Dante habe sich in dem Gedicht doch nickt d«
Getreuen der erleuchtenden Gnade nennen können. Aüein wess
Balbo einen moralischen Grund für seme Behauptung angibt, dMi
nSmlidi Dante sicl^ alsdann des Fehlers der Anmassung und Selbst'
überi&ebung schuldig gemacht hätte, so hatte Ref., wie aus seM
ganzen Deihiktion hervorgehen muss, nur einen logischen Gnmd| tr
dem ihm dieses VerhXltniss Daate's zu Lucia keikien rediten Ate
m haben schien. Bei der Widerlegung des Verf. hätte vieBiMi
PicohiMi: Dd iaBM •lieforieo <MU DIvIm CMMdia. m
grada auf dieseo lof^tocben Grand besondere Rttcksicbl fanomman
waidea soUeo.
Die Deotang der drei Tbiere verdient nach Aneiehl des Ref.
aina gröeeera AnefUhrlichkalt and mehr Belege dee Zoeammenhange
and dar Basügliehkeit zu der gamea Anordnung des Gedichts, ba-
aondere mit der oben angegebenen Gmndidee deaeelben. Der Verf.
Tarthaidigt die fthara ErklSrnng, wonach dia drei Thiara, Löwe,
Panther and Wölfin, dia drei Hanptlaiter entweder das gansan liai^
schengescfalechts oder Dante*s bedeuten, Hochmath, Wollast and
Habsacht Für dia Wölfin als Symbol dar Habsueht sind die be-
kannten Belage ans dem Gedicht aasammengaslellt. Dass Danta
dar Liebe sehr ergaben war, ist in dem ersten Kapital des Anhangs
nachgewiesanw Alldn wir sehen nicht den Beweis der Nothwaadlg^
kelt dieser Deatnng der drei Thiera als Beprisantantan von drei
liastem aar Erklärung des ganzen Inhalts des Gedichts. Es scbaiaC
schon einmal Ref. su wenig Gewicht auf die drei symboKschen
Thiara gelegt au sein, wenn es hier heisst, es sei für dia Erlüftrang
der Allagorfen gleichgfiltig , ob die Thiare dia angegebeoan oder
andere Laster bedautaa, und es genüge an sagen, dass, wenn die
Wölfin ein Laster bedeute, dia beiden andern Thiera swei asdeve
Laster darstallen müssten. Zweitens ist es allerdings ein höchst
sehwieriges Untemehman, bei der Erklftrung einzelner Allegesien
den Zasammenhang mit dem ganzen Plan des Gedichts und mk
aUeo übrigen zu wahren, was auch der Grund ist, dass bis jetst
aina ganz genügende ErkÜrnng der Div. Gommedia nidit gelungen
IbI. Es wirft sich zum Beispiel unter Anderm liier die Frage aal,
ob es wohl ansonehman ist, dass Dante in dem Augenblick, wo er
aeibst Ton den drei Haoptlastern so überwältigt war, dass sie ihn
In die Tiefe zurückwarfen, von der dreieinigen Gnade zo dem hohen
Barol eingeweiht worden sei, der übrigen sündigen Welt den Wag
mm Glückseligkeit zu zeigen.
Virgü bedeutet nach dem Verf. die erste Regung (moto) des
▼on der Gnade berührten allegorischen Dante zur Tugend, nntar
der Begleitang der Vernunft ond noch ohna Mitwirkung des Glaa*
bena. Virgil ist auch dia menschliche Vernunft, die, wenn nicht
ganz von den lasterhaften Leidenschaften verfinstert, immer noch
das Recht and Unrecht, Gut und Böse untersch^en kann. Mit
dieser Bagleituag lernt Dante in der Hölle die Laster kennen and
Terabschenen, im Purgatorium lernt er von der erleuchtenden Gnade
die Mittel seine Sünden abzuwaschen, und im irdischen Paradies er-
tthrt er von der vallendanden Gnade dia geoffenbarte Lehre and wird
iD den Himmel eingeführt. Der Verf. ist der festen Deberzeugong^,
dass diese Deutung die einzige haltbare ist, die mit dem Plan das
Gedichts, mit allen Episoden in den drei Gesängen, mit alle» An*
apialungan ond Unterredungen im innem Zusammenhang steht Da
idbar schon manche gegentheilige Meinungen mit grosser Ausführ-
Behkait und «inar Masse von Beweisen sich geltend za machen ge*
88) PioekioBl*. Del mdm alleforico dell« Diriiia CowiMdit.
flQcbt baboDy so wSre vtelleicbt bei der grossen Wicbtigkeit gende
dieses Theils der Untersucbung ein näheres Eingeben des Verf.
wfinscbenswerlh gewesen.
Die zweite Vorlesung beschäftigt sich zuerst mit den politiseheB,
besonders Partbeiansichten Dante's, und sucht su beweisen, dan
Dante nie seine Ansichten geändert und sowohl in dem Oedicbt ak
auch in seinen philosophischen Schriften sich immer aia gemässipea
philosophischen Weifen gezeigt habe. Dies wird ans vielen Steiles
der Dir. Commedia und den damit übereinstimmenden Sätzen des
vierten Traktats des Convito nachgewiesen, dessen Abfassnng der
Verf. vor 1800 setzt. Der ganze Streit über die politischen Ge-
sinnungen Dante's, der allerdings viele Commentatoren stark be-
schäftigt, scheint Ref. sehr unerheblich zur wahren Erklärung des
Gedichts. Der Kaiser, den Dante als Herrscher über die ganze Weh
setzen wollte, sollte sowohl über Republiken als Monarchien herrseben.
Die Politik Dante's führt den Verf. auch auf den Cangrande
von Verona. Seine Meinung gebt dahin, dass dieser durchaus nicht
unter dem Veltro im ersten Gesang des Inferno gemeint sein könne.
Er beweist aus den Chroniken jener Zelt, dass Cane eigentlich sehr
weifisch gesinnt war, und dass ihm die grossen Eigenschaflen in
jener Prophezeiung gar nicht zukamen. Kürzer gefaast, kosote
allerdings der Veltro nicht eine damals lebende Person sein, wenn
nach dem Verf. die Thiere, die er verjagen sollte, abstrakte Laster
vorstellen. Der Verf. bringt diesen Veltro und die Prophezeionf
über ihn, gewiss ganz richtig, mit der sichern Aussage der Beatriee
im 83. Gesang des Purgatorio in Verbindung, dass bald der Föof-
hundert zehn-nnd-fQnfer (der bekannte D VX) erscheine , der die
Kirche reinigen und die Welt retten werde. Dieser Retter soll
nach der dortigen Prophezeiung die Fuja (Diebin) tödtan, welche
den Platz der Beatrice auf dem Triumpfwagen der Kirche wegg9*
nomroen hat und nun mit dem Riesen buhlt Da Beatrice die wahre
geofifenbarte Lehre bedeutet, so müsst^ die Diebin die falsche Lehre
bedeuten, die die Priester zu ihrem Vortheil und zum Verderhen
der Kirche erfunden hätten. Der Riese, der mit dieser falschen
Lehre buhlte, wäre die weltliche Herrschaft, die die Päpste sich an-
gemasst hätten. Von beiden Verderben, der falschen Lehre und dsr
weltlichen Herrschaft der Päpste mit ihrem Gefolge von Habgier
nnd Anmassung solle also die E^rche bald gereinigt werden dorch
den hier von Beatrice bezeichneten DVX oder den von Virgil ge*
nannten Veltro, welche beide dieselbe Person bedeuteten. Der Verf
hat hier die Meinung des Ref. widerlegt und dargethan, dass cii
solcher Retter durchaus kein Kaiser sein könne, da ein soicher i0
Innern der Kirche keine Macht habe und auch dem Rang nach ob-
ter dem Papst stehe.
(SeUuu folgt.)
Wt. a. HEIDELBERGER I8S1
jahbbOcher der litbrator
Picchioni: Del senso allegorico della Divina Commedia.
(SchlDss.)
Des Ref. Meinung ging allerdioge auch nicht dahin, dass ein
Kaiser die Kirche Ton ihren Flecken reinigen könne, und Herr
Picchioni hat mit Recht geragt, dass dieser Ausdruck nicht ange-
messen war, indem er einen falschen Sinn unterstellte. Ref. wollte
die Stelle so erklären, dass die Pfipste selbst durch die zwei ange-
gebenen Umstände aus ihrer Kirche und deren Amt und Beruf
herausgetreten waren, und dass ein mit Weisheit und Macht ausge-
rüsteter Kaiser dadurch, dass er die Päpste aus dem ganzen weit-
liehen Gebiet verjagte, ihnen alle weltliche Herrschaft und alle Mit-
tel zur Befriedigung der Habsucht raubte, eine Besserung und Rei-
nigung der Kirche veranlasste. Der Verf., der seine Gründe mit
Belesenheit vertheidigt, will aber von einem Kaiser nichts wissen,
und bleibt, wie in seinem frühem Werk, bei der Ansicht Kopisch's^
dass der Retter Niemand anders sei, als ein armer und niedrigge-
borner, aber mit Weisheit, Liebe und Tugend ausgerüsteter Papst,
der freiwillig die weltliche Herrschaft aufgeben, die reine christliche
Lehre wiederherstellen und die Habsucht, die Wurzel alles Uebels,
verjagen werde. Der Verf. fügt diesem Kapitel freilich hinzu: ^.Es
sind nun fUnf Jahrhunderte und mehr vergangen, und noch lassen
sich keine Vorzeichen sehen, dass irgend ein Gottgesandter die
Dante'sche Prophezeiung bewahrheiten werde. Aber wer kann be-
haupten, dass die zeitliche Herrschaft der Päpste sich noch einmal
fünf Jahrhunderte erhalten werde? Scheint es nicht vielmehr, dass
das Volk (volgo) anfange den in der Kapuzze gewisser Prediger
eingenisteten Vogel zu erkennen (Parad. XXIX, 118), und dass
dieses endlich die Päpste, wenn auch nicht freiwillig doch aus klu-
ger Vorsicht, zu dem bringen könne, was Dante zur irdischen und
ewigen Seligkeit nöthig erachtete, nämlich sich in den Gränzen ihrer
geistigen Suprematie zu begnügen und die Kirche zu ihrer ursprüng-
lichen Reinheit zurückzuführen?'' Wenn überhaupt eine solche äussere
Nöthigung für die Kirche vorauszusetzen ist, so möchte sie wohl
Dante gewiss eher von einem gottgesandten Kaiser, der allein das
Gleichgewicht in der Welt herstellen konnte, als von dem Volk er-
wartet haben.
Die Auslegungen der Allegorien werden sieb noch viele Jahre
in die verschiedensten Meinungen aus einander spalten, aber jede
mit Ernst durchgeführte Arbeit wie die des Verf. wird ein will*
kommner Beitrag zu der ansehnlichen Litteratnr über Dante sein.
L. Jahrg. 11. Heft. 53
834 Plcehioni: Del femo «lle|forioo della Diyina Conmedia.
E0 wird vielleicht Manchem erwünscht seiny wenn wir diese
Gelegenheit benutzen, hier ein französisches Unheil über die Dir.
Commedia mitzutheilen, das in der That Alles übertrifft, was bisher
von der Unwissenheiti dem Ungeschmack und der Anmassang 10
Bezug auf Dante vorgelcommen ist, und wovon man doch weg»i
der hohen Stellung and Autoritftt des Beurtheilers (er ist kein Andrer
als der grosse Lamartine) und wegen des Bücks in die geistigeD
Zustände des heutigen Frankreichs Akt nehmen mass. Wir babea
schon früher die Bearbeitungen der Div. Commedia von zwei ber^
vorragenden Franzosen, Fauriel und Lamennais, besprochen, in de-
nen sich, besonders in der Arbeit des Letztern, ein sehr geringee
Eindringen in den Sinn des Gedichts, ein oberflächUchea Studium
und eine vollständige Unkenntniss deutscher Arbeiten, ohne die maa
sich doch kaum mehr an das grosse Gedicht wagen darf, offeDba^
ten. Den Franzosen der Jetztzeit scheint die Befähigung io ein
Gedicht von irgend welcher Tiefe des Gedankens nnd Inhalts sich
hinein zu denken und zu fühlen, die Fähigkeit die erhobne Stim-
mung des Geistes und Gemüths, in der ein so grosses Gedicht ge-
schaffen wurde, zu fassen, verloren gegangen zu sein, die sie noch
in der Zeit vor ihrer klassischen Form- und Manierperiode, besoo-
ders während der Reformationskämpfe, so frisch besassen. Artaud
de Monthor brauchte den Dante für seine ultramontanen Ergösse,
Lamennais brauchte ihn für seine Kämpfe gegen die neue päpstliche
Kirche, das Gedicht selbst wurde Nebensache , das Verständni«
desselben ging immer mehr verloren, und so war man in der fran-
zösischen Gelehrtenwelt allerdings reif für das Urtheil, das Lama^
tine in einer Nummer des Si^cle zum Besten gab. Es heisst darin
unter Anderm: j^Man kann Dante's Gedicht unter die populäre^
d. h. die localen, nationalen und Zeitgedichte einreihen, weiche as
den Glauben, Aberglauben und die untersten Leidenschaften der
Masse gerichtet sind. Es war daher früher verständlich und popa-
lär, ist aber jetzt bei aller Anstrengung der Gelehrten ein Bäthsel
und konnte daher seine Zeit nicht überleben. Um Dante zu ver-
stehen, müsste man die ganze florentinische Yolksmasse seiner Zeit
wieder erwecken, denn ihren Glauben und ihren Hass hat er be-
sungen. Er ist darin gestraft, worin er gesündigt hat; er hat fSr
die öffentlichen Plätze gesungen, und die Nachwelt versteht ihn nicht
mehr. Was man noch allein verstehen kann, das ist, dass das anS'
schliesslich toscanische Gedicht Dante's eine Art Rache-Satyre du
Dichters und Staatsmanns gegen die Männer und Partheien ist, de-
nen er seinen Hass gewidmet hat. Die Idee war kleinlich uiid d«
Dichters unwürdig. Das Genie ist eine Gabe Gottes, die man nickt
mit Geringfügigkeiten profaniren darf. Dante glaubte, dass die
Jahrhunderte, in seine Verse vernarrt, Parthei nehmen würden ge-
gen irgend unbekannte Rivalen oder Feinde, die damals daa Pflaster
von Florenz traten. Diese Freundschaften oder Feindschaften obscnrar
Menschen sind der Nachwelt ganz gleichgültig. Sie ziehen eineB
BaailiiM Rei« v, t. w. von LoUiholt. 835
sehöiieo VerSy ein scbönea Bild oder Gefühl dieser ganzen gereim-
ten Chronik des Marktplatzes in Florenz vor. Anstatt ein episches
Gedicht, weit und unsterblich wie die Natur, zu schniTen, hat Dante
die florentinische Zeitung iür die Nachwelt geschrieben. Dies ist
das Laster der Hölle des Dante. Eine Zeitung lebt nur einen Tag ;
aber der Styl, in welohem Dante diese Zeitung geschrieben hat,
ist unvergänglich. Setzen wir also dieses bizarre Gedicht auf sei-
nen wahren Werth, der in dem Styl oder vielmehr in einigen Frag-
menten von Styl besteht Wir denken in dieser Beziehung wie
Voltaire, der Prophet des gesunden Verstandes: Nehmt von dem
Gedicht Dante's sechzig oder achtzig erhabne und wirklich unsterb-
liche Verse weg, so bleibt nichts als Wolke, Barbarei, Trivialität
qik) Finsterniss übrig. Was uns betriiTt, so landen wir in Dante
nur einen grossen Erfinder des Styies, einen grossen Sprachschöpfer,
der in einer Conception voll Finsterniss verirrt war, ein ungeheures
Dichterfra/rment in einer geringen Zahl Fragmente von Versen, die
weniger geschrieben als mit dem Meissei dieses Michel-Angelo der
Poesie gravirt waren; eine grobe Trivialität, die bis zum Cynismua
der Wörter und zur Unzucht der Bilder herabsinkt ; eine Quintessens
der scholastischen Theologie, die sich bis zur Verdampfung der Idee
erhebt; kurz, um Alles in einem Wort zu sagen, einen grossen
Mann und ein schlechtes Buch.^
So urtheilt über den grössten Dichter Einer, der aoeh ein
Dichter und Geschichtschreiber sein will, und der jetzt einer der
gefeiertsten in Frankreich ist Auf den Blödsinn ist eigentlich nichts
SQ erwiedern. Doch hat ein Herr Benedetto Castigiia in einer eignen
Broschüre: Dante Allighieri ou le probl^me de Thomanit^ au moyen
ftge. Paris 1857, seinen Dichter gegen den Franzosen wacker ver-
theidigt. E. Rutil.
BasiliuB des Orossen Rede an ehrisUiehe Jünglinge über den
rechten Oebrauch der heidniechen SehrifUteüer. Oriechiaeher
Text mit deutschen Anmerkungen van Dr. Gustav LothhaJ^g,
Professor am Gymnasium sni Weimar, Jena, Druck und
Verlag von Friedrich Mauke 1867. XJUl und 163 8. in gr. 8.
Der in nenester Zeit wieder mehrfach, in Deutschland wie in
Frankreich, aufgetauchte Streit über die Leetüre der alten, heidni*
sehen Classiker auf unsern christlichen Lehranstalten hat die Auf-
merksamkeit nnwiilkührlich wieder zurückgeführt auf die Zeugnisse
des christliehen Alterthums selbst, welche in der ersten Zeit der
sich erhebenden christlichen Wissenschaft und Bildung auf die Lee«
tiire der altern heidnischen Schriftsteller dringen nnd darin ^ade
die nothwendige Vorbereitungs- und Bildungssohule zur wahren christ-
Heben Wissenschaft erkennen. Unter diesen Zeugnissen nimmt die
Ansprache, die der h. Basilins an einige ihm nahe stehende junge
636 Rasilioi Red* n« t« w. von Lolliheli.
Leate über diesen Oegenstaad gehalten hat, dnrch die Beetimmtheit
und Klarheit, mit welcher dieser Kirchenlehrer darfiber sich auf-
spricht, eine besondere Stelle ein: sie gewinnt einen aligemeioea,
auch für unsere Zeiten noch eben so anwendbaren und pasaeodeo
Charakter; sie verdient darum auch heutigen Tags noch eben m
sehr gelesen und beherzigt su werden: sie verdient es nicht bloM
um ihres Inhalts willen, sondern auch selbst um der schönen, des
besten Mustern der classischen Zeit von Hellas nachgebildeten, ji
ohne nShere Kenntniss derselben kaum verständlichen Form: nnd
sie mag auch in dieser Hinsicht diejenigen, die in unsem Bildungi-
anstalten an die Stelle der alten (heidnischen) Glassiker die chriitr
liehen Kirchenväter setzen wollen, belehren^ wie diese christlichen
Lehrer (die, wie uns das Beispiel des h. Basilius zeigt, damit gv
nicht einverstanden wären) gar nicht verstanden werden konneii)
ohne die vorausgegangene Leetüre jener heidnischen Glassiker, sof
welchen die ganze formale Bildung dieser Kirchenväter, um von An-
derem nicht zu reden, beruht. Von diesem Standpunkt ausgeheod
hatte zuerst in diesem Jahrhundert Nüsslin in dem Mannheimer Ly-
cealprogramm des Jahres 1839 auf die Rede des h. Basilius über
den aus der Leetüre der (altern heidnischen) Literatur Griechen-
lands für die Jugendbildung zu gewinnenden Nutzen, in einer dettt-
sehen Bearbeitung aufmerksam gemacht: es sind seitdem mehrere
Gelehrte gefolgt, welche zum Theil von andern Seiten aus diesem
Gegenstand ihre Sorge zugewendet haben (s. die Anführungen des
Hrn. Lothholz S. VH in der Note); man wird aber hiemach den
Entschluss des Verfassers, diese Rede durch eine neue, umfassende
Bearbeitung, welche neben dem in möglichst correcter Form gehal-
tenen Originaltexte, auch die zum Verständniss der Sache und da
Inhalts, der Form und der JSprache dienlichen Erklärungen bietet,
zugänglicher zu machen und ihre Leetüre dadurch zu erleichten
und zu fördern, nicht missbilligen, man wird vielmehr diesem Str^
ben, wie es hier zur Ausführung gebracht ist, alle Anerkennung n
zollen haben. Der Verfasser hat, ehe er an die Ausführung schritti
Allem dem, was auf Basilius und seine Zeit sich bezieht, insbeson«
dere auch der gesammten, einschlägigen theologischen LiteratoTi
sorgfältige Studien zugewendet; aus diesen Studien ist zunächst die,
als Einleitung gewissermassen dienende Darstellung des Lebens def
h. Basilius (S. IX—XXIT) hervorgegangen, welche den ganzen Bü«
dungsgang und die Studien dieses Kirchenvaters, aus den Quell«!
selbst, mit Benutzung der einschlägigen neueren Literatur uns vor*
führt und damit auch Anderes, damit zusammenhängendes passörf
verbindet, wie z. B. S. XIV die Darstellung des Lebens der Sto-
deuten zu Athen in den Zeiten des vierten christlichen Jahrhunderti.
Darafif folgt der Text der Rede, im Ganzen und mit nur geriogea
Abweichungen, nach dem neuesten, In Sinner's Delectus patrum Gn^
eornm saeculi quarti gegebenen Abdruck, so wie mit Berücksichti-
gung dessen, was Hess in dem Hehnstädter Programm des Jahrei
Btiilioi Rede n. t. w. ▼on Lotiiboli. 837
184S für die Beeeentellung des Textes beigetrageo hattd; aoefa die
älteren Ausgaben wurden eingesehen. Die bedeutenden Abweichun-
gen des Textes werden in den Anmerkungen angefOfart, die, wie
schon bemerkt worden, insbesondere dazu dienen sollen, dem Leser
der Rede das volle Verständniss derselben anzubahnen ; denn darauf
war die besondere Thätigkeit des Herausgebers gerichtet, wie diess
schon der äussere Umfang dieser Anmerkungen (S. 21—126) er-
kennen iässt. Alles, was von sprachlich -grammatischer Seite, wie
in Bezug auf den Inhalt einer Erörterung oder eines Nachweises
bedurfte, findet hier seine Erledigung; insbesondere ist der sprach*
liehen Erklärung diejenige Sorge zugewendet, die eine solche, aus
Reminiscenzen der antiken Literatur vielfach gebildete, in den ein*
zelnen Ausdrücken und Redensarten ganz an diese sich anschlies*
sende, und darum auch nur aus der Eenntniss der Redeweise jener
Zeit verständliche Rede verdient; der Verfasser hat es sich angele-
gen sein lassen, jeden Ausdruck, jede Phrase und Redewendung aus
der entsprechenden Ausdrucks weise der classischen Zeit nachzuwei-
sen und zu erklären; er hat auch weiter jeden einzelnen Ausdruck
und jede Construction , die einige Schwierigkeit dem Verständniss
bieten könnte, erläutert; und wenn er vielleicht in dieser Beziehung,
namentlich bei grammatischen Punkten, zu Viel gethan, wenn er hier
über Manches sich verbreitet bat, was Andere bei Lesern dieser Rede
voraussetzen und desshalb lieber weglassen würden, so dürfte es
allerdings schwer sein, hier ein bestimmtes Maass und eine nicht zu
übersteigende Gränze festzustellen, da wo Jeder seinen eignen An-
sichten und Ueberzeugungen zu folgen und diese als Massstab zu
nehmen gewohnt ist. Wir unterlassen es eben deshalb Einzelnes
der Art hier anzuführen, weil die Urtheile darüber, je nach den in-
dividaellen Ansichten, doch nur verschieden ausfallen dürften. Im-
merhin erwünscht sind die mehrfach zum Verständniss der in dieser
Rede vorkommenden Ausdrücke und Wendungen angeführten Be-
lege ans der älteren, classischen Literatur. Wenn z. B. cp. I. zur
Erklärung der Redensart xad-ufra^dvoig xov ßCov^ von den Jüng-
lingen, die in das Leben, in die Welt eintreten, zwei Stellen des
Herodotus VIII (nicht IX, wie hier steht), 105 und IV, 161 ange-
führt werden, so ergibt sich daraus zugleich, wie unnöthig in der
ersten dieser beiden Stellen die von einem Holländischen Kritiker
für nöthig erklärte Aenderung erscheint, welche statt: oV tijfv iorfv
xccTEiJtT^öaTOy wie die Handschriften haben, setzen will xatsxtrjöaro !
In demselben ersten Cap. wird mit Recht die Schreibart fyrviiCBtSd'ai,
für awinegd'ai, abgewiesen; was aus Reissig und Kühner darüber
angeführt wird, kann aber kaum als Grund der Abweisung dienen.
— Gap. n. gegen Ende werden die koyoitoioC gewiss richtig in dem
Sinne von Xoyoyga^poi^ o^^x CvyyQa^pelq d. i. Geschichtschrei-
ber genommen (nicht, wie Sturz unrichtig annahm, als Fabel-
dichterl, wie diess schon der Gegensatz zu den vorausgehenden
noifizcU wie den nachfolgenden (fijtoQsg andeutet. — Cap. III. wird
S3d BaiilliiB BMt ■• s. w. ton LotUrali.
der AüBdroek {Merwtijg) ixetvog 6 nivv richtig erkllrt: jener
berühmte, und werden als Beleg &bnliche Stellen SUerer Schrift-
steller, bei denen 6 %avv in dieeem Sinne vorliommt, mn^e-
führt Allehi man wird in der Siteren Literatur diesem 6 sravv,
wo es TorlLommt, nicht ein ixstvog heigefdgt finden, das aa den
Gebranch des 111 e In der lateinischen Sprache in solchen FSllen
nur ZQ sehr erinnert, und in dieser Anwendung jedenfalls der spS*
teren GräcitKt angehören wird. Derselben späteren OrScitSt ai5cli-
ten wir auch die in demselben Gapitel gleich nachher vorlcommende
Redensart iv totg xara XQovoig: in späteren Zeiten suwelsen,
wosu sich schwerlich ein ähnlicher Beleg in der älteren, daasiadien
Literatur vorfindet: In den beiden vom Verfasser angeführten Stel-
len aus Thucydides VII, 5. II, 120, 2 (es muss heissen I^ 120, 2),
wie in andern dieses Schriftstellers (s. B. I, 7. II, 99. I, 137) bat
xcctm eine gans andere, lokale Bedeutung. — Bei den Cap. V.
von Basilius aus Solon angeführten Versen konnte der Verfasser
sich unbedingt (S. 55) fUr die Autorschaft des Solon aussprechen,
Indem nur durch ein offenbares Versehen die hier angeführten Ver-
se sich auch unter die des Theognis (vs. 316 ed. Bergk; der Ver-
fasser gibt 1180 an) verirrt haben, und daraus aussuroerEen sind,
wie auch jetzt anerkannt wird; vgl. Bergk so d. a. St. — Wenn
S. 64 EU der Behauptung^ dass siccitas auch bei den Lateinern
Tüchtigkeit, G e d i e g e n h e 1 1 beEeichne, aus Cicero Brut S- ^^
siccitas orationis angeftlhrt wird, so wird bei dieser Stelle doch
wohl an etwas Anderes, an die Einfachheit und Schmuck-
losigkeit der Darstellung und des Vortrags zu denken sein. —
Gap. Vn. würde es wohl kaum nöthig sein, zu oJov die Bemerknng
hinzuzufügen: ^per se solum non raro significat verbi causa,
exempli gratia^ und dann als Beleg eine Stelle aus dem Pla-
tonischen Phädrus wörtlich anzuführen ohne den betreffenden Nadi-
weis wo sie steht; sie steht aber pag. 240 B. Von Shnllchem
Standpunkt aus möchten wir die Bemerkungen über den Gebrauch
von TElsvrdiv p. 65, von i^ov^ xaQOv u. dgl. S. 77 und Anderes
der Art ansehen; hier konnte wohl eine einfache Nachweisnng auf
eine Grammatik, wenn sie anders überhaupt nöthig war, genägea.
Es mag diess auch von der Bemerkung cp. V. p. 51 über roaov-
rov äetv gelten, die übrigens zur Rechtfertigung der cp. VII. mit
Recht aufgenommenen Lesart — hier haben die Handschriften rcM^ov-
tov — dienen kann. — S. 22 werden wohl die Worte „Herod. VIO,
28 ec^eov iüxCv^ zu streichen sein; S. 71 ist statt j^^Herod. hist.
IV, 8"^ zu setzen: Herodian. hist. IV, 3, um die Verwechslung
mit dem durch die Abbreviatur Hero d. sonst bezeichneten Herodo-
tus zu vermeiden. Wir führen diese Stellen an, um dem Heraas-
geber wenigstens an einigen Proben zu zeigen, dass wir mit der
gebührenden Aufmerksamkeit seine Anmerkungen durchgangen ha-
ben; manches Andere, was wir anzuführen hätten, unterlassen wir,
da das Bemerkte genügen kann; auch aus Plutarch, dessen SohreOh
Akoff: De litt. Graecc* et Ronm. ttadiii etc. 839
weise so maoches Aehnliche mit der des Basilias bietet, unterlas-
sen wir weitere Belege ansoführen, um so mehr als der Verfasser
bereits an mehr als einer Stelle solche gegeben und überhaupt die-
sen Schriftsteller richtig gewürdigt hat in der auf die Anmerkungen
folgenden Abhandlung, welche unter der Aufschrift: „Einiges über
Christentfaum und Heidenthum^ S. 127 — 158 den Schluss des Oan-
sen bildet und cum weitern Verständniss der im Allgemeinen in der
Rede des Basilius berührten Gegenstände dienen kann.
Wir reihen dieser Anzeige noch die einer andern Schrift an,
welche, zur Säcularfeier der Universitüt Freiburg unlängst erschie-
nen, eine ähnliche Aufgabe sich zum Gegenstande gewählt und diese
mit besonderer Berücksichtigung dessen, was auch unsere Zeit in
dieser Beziehung fordert, behandelt hat:
Commeniaiio de liier aru7n Oraeearum atgtie Romanartim studüa
cum iheologia ehrisiiana conjungendis, Seripsü Joannes AI-
sog^ M. D. B. a consilL eccless, in universit. Frib. th, Dr.
et Professor P. 0. Friburgi Brisigavorum in typographeo Äeon
demico Hermanni Meinhardi Poppen, MDCCCLVIL 36 8. in 4.
Diese Schrift ist zur Ankündigung der Ehrenpromotionen, welche
von Seiten der theologischen Faicultät bei der erwähnten Säcular-
feier statt fanden, geschrieben; sie benutzt, die gewiss passende Ge-
legenheit, um die Nothwendigiceit der Pflege der antiken, classischen
Literatur als Vorbereitung für eine tüchtige christliche Bildung und
Wissenschaft ans dem Munde der ersten und ältesten Lehrer christ-
licher Bildung und Wissenschaft selbst darzuthun, indem sie eine
Zusammenstellung der betrefifenden Aeusserungen derselben mit den
dazu gehörigen Erörterungen in einer eben so fliessenden wie be-
redten Darstellung liefert. „Quodsi totum genus hnmanum, sagt
der Verfasser S. 2 in seiner Einleitung „ex decreto providentiae
divinae illustratum non prius est sapientlae christianae luminibus,
quam subactum et praeparatum sub umbraculis pbilosophiae grae-
cae atque romanae: singulorum quoque hominum, qui ad plenam
christianae humanitatis laodem via et ratione adspirant, Ingenium
excultum et praeparatum non erit nisi praevia antiquitatis graecae
et romanae cnltura.^
Durchgehen wir nun aber näher den Inhalt dieser Schrift, so
kann uns diese Darstellung zeigen, wie eben die ganze Entwicklung
der christlichen Oultur und Wissenschaft durch die antike classische
Bildung vermittelt, ja in ihr gewissermassen begründet ist: eben
darum ein wahres Eindringen in die christliche Wissenschaft ohne
diese vorausgegangene Pflege der altern, classischen, formell so vol-
lendeten und in sich abgeschlossenen Literatur gar nicht möglich ist:
und wie es eben darum das Bestreben alier erleuchteten Lehrer der
Kirche in deren ersten Jahrhunderten, im Orient wie im Occident,
war, auf diese Quelle der BUdung alle diejenigen hinzuwdsen und
840 AlMg: Do litt. Graecc. ei Romm. «tadib etc.
suräcksuführoD, denen es um die wahre Erkenntniss, die christliche,
so thon sei. Mit dem grossen UeideDaposiel beginnend, an deasen
Bekanntschaft mit hellenischer Literatur und Wissenschaft nicht za
aweifeln ist, wendet sich der Verfasser zu den noch vorhandenen
Zeugnissen der folgenden christlichen Jahrhunderte; Justin us der
Martyr aus dem zweiten Jahrhundert, insbesondere Clemens von
Alexandrien und Origenes, deren Ansichten und AufTassungsweise
hier des Näheren dargelegt und besprochen werden , dann Gregorios
Thaumaturgus so wie Basiiius der Grosse bieten einen reichen
Stoff der Darstellung, die insbesondere auch darauf bedacht ist, den
Sinn nnd Geist, in welchem diese Kirchenlehrer die Lectiire der
Glassiker empfahlen, so wie die Vorsicht, die sie anderseita dabei
angewendet wissen wollten, darzulegen und zu erörtern. Ihnen reihen
sich andere Zeugnisse an, namentlich die des Gregorius von Nazianz,
der selbst bei heidnischen Lehrern diese Studien machte, und seines
Studiengenossen, des Kaisers Julianus, der, um den Christen und
der aufstrebenden christlichen Wissenschaft Grund und Boden zn
entziehen, die Pflege der heidnischen Schriftsteller von ihren Scha-
lem ausgeschlossen haben wollte und christlichen Lehrern darin za
unterrichten verbot, eben damit aber auch den Widerspruch des ge-
nannten Gregorius in den noch vorhandenen wider Julian gerichte-
ten Reden so wie selbst den Tadel von Schriftstellern hervorrief,
die bei aller der Vorliebe zu der Person des Julianus, von der sie
sonst geleitet sind, doch auch eine gewisse Unpartheilichkeit und
Billigkeit für die Christen sich bewahrt haben, wie diess bei dem
hier angeführten Ammianus Marcellinos der Fall ist, bei dem es frei-
lich noch nicht so ausgemacht ist, ob er wirklich, wie diess die
neuesten Schriftsteller, unter andern auch Auer annehmen, als Heide,
das geschichtliche Werk schrieb, in dessen Verfasser frühere Ge-
lehrte, wie z. B. die beiden Valois u. A. einen Christen erkennen zu
müssen glaubten.
Wir übergehen andere von dem Verfasser aus diesem Kreise
hervorgehobene Zeugnisse: wir wenden uns zu den Zeugnissen, die
er von S« 21 ff. aus der lateinischen Kirche vorlegt. Hieronjmos
und Augustinus bilden natürlich die Mittelpunkte dieser Erörterung,
die aus den Schriften dieser grossen Kirchenlehrer zugleich die Art
und Weise nachweist, in welcher sie die classische Literatur im
Verhältniss zur christlichen Wissenschaft aufgefasst und behandelt
wissen wollten. Ihnen reihen sich Andere an, die für classische
Bildung und deren Pflege thätig waren, ein Aurelius Cassiodorus,
ein Marcianus Capella, der die Pflege der sieben sogenannten freien
Künste durch sein Handbuch auf die folgenden Jahrhunderte über-
trug; gewiss aber ist es nicht als eines der geringsten Verdienste
Carl's des Grossen anzusehen, dass er, so wie das alte Römerreich
von ihm wieder aufgerichtet worden, nach den vorausgegangenen
Stürmen des siebenten und achten Jahrhunderts, vor Allem darauf
bedacht war, durch Wiedererweckung und Wiederbelebung der Stn-
Popikofer: L«beo und Wirken ▼. Wehrli. 841
dien der classischen Literatur, insbesondere der römischeD, der cbrist«
liehen Wissenschaft ihre GruDdla;;e auf alle folgenden Zeiten zn er-
balten und zn sichern, damit selbst dem erneuerten christlichen Welt-
reich die SU seinem Fortbestehen nöthige Grundlage zn schaffen.
Auch diesen Punkt hat der Verfasser nicht ausser Auge gelassen
und dabei das Verdienst Alcnin's gehörig hervorgehoben: er be-
schliesst seine schöne Darstellung mit Rhabanus Maurus, in welchem
Deutschland den Gründer seines höheren Schulwesens, nnd der auf
der Grundlage classischer Bildung gestützten Pflege der Wissen-
schaft verehrt*)
Wenn also hiernach erwiesen ist, wie einer wahrhaft christli-'
eben Schule auch die ihr nöthige Unterlage in der Leetüre und in
dem Studium der classischen Muster des alten Hellas und des alten
Rom nicht entzogen werden kann, wenn sie anders ihren Zweck
erreichen soll, so kann es auf der andern Seite wohl zweckmässig
und passend erscheinen, bei gehörig vorbereiteten Jünglingen an die
Leetüre der Musterwerke der alten Welt die Leetüre solcher Schrif-
ten aus dem Gebiete der christlichen Literatur jener ersten Jahr-
hunderte zu knüpfen, welche in ihrer Form mit auf der antiken
Bildung ruhen, aber in ihrem Inhalt auf die christliche Erkenntniss
und christliche W^issenschaft hinweisen, wie die oben erwähnte Rede
des h. Basilius, oder die Reden des h. Gregorius von Nazianz und
Anderes der Art: der Verfasser beabsichtigt desshalb selbst einen
Versuch der Art au machen, dem man den besten Erfolg nur
wünschen kann. Clir. BAhr.
Leben und Wirken von Joh. Jakob Wehrli, als Armener"
züher und Seminardirector v. J. A, Pupikofer. Frauen-
feld, Verlag van Ch. Beyel. 1857.
Das ist keine Theorie, wohl aber eine lebendige, anschauliche
Anleitung für den Beruf eines Volkserziehers nnd eines Bildners von
Volkslehrern, besonders derjenigen der Armen. Wer das vortreff-
liche Büchlein mit der rechten Empfänglichkeit liest und dessen prak-
tischen Inhalt erwägt und sich mit Ernst anzueignen strebt, kann
und wird sicher grossen Vortheil daraus ziehen; er wird einsehen
lernen, dass blosser Unterricht, blosse Belehrung für den Zweck von
Volksbildungsanstaiten nicht zureiche, sondern Erziehung hier die
Hauptsache sei, diese aber, um zu gelingen und gute Früchte zu
*) Von gleicbem Standpunkte au« hat aucli unlttofpst Herr Directur Wie-
nand XU Worms io einem an der dortiffcn frelehrtrn Anstalt erscliienenen
Froj^rarom (Frülijahr 1856) die Verdienste des Rhabanus, so wie seines
Studienf^enossen , des ebenfalls in des AIcuinus Schule zu Tours gebildeten
Abts von Lorsch and nachherigen Bischofs su Worms Samuel hervorgehoben
und in einer recht beacbtenawertheo Weise gewttrdigt; t. besonderf p. 55 ff.
842 Pnpikofer: Leben mä Wirken r. WebrlL
bringen, auf innige religiöse Gesinnung nnd anf frendSge Arbeitsani-
keit, auf Liebe und Geschielt zur Arbeit begründet werden müane.
Die Mittheilungen Webrli's enthalten einen reichen Schatz von Er-
fahrungen, Menschen- und Naturkunde in Beziehung auf das, was
in solcher Weise für die Erziehung geleistet werden kann and aolL
vaterlich warnt er vor den vielen Versuchungen, denen der junge
Mann, welcher sich zum Lehrer bilden will, ausgesetzt ist (Eitelkeit,
Selbstdünkel und sinnliche Gelüste) und in gleichem Maass belehrend
ist das, was er über den Gang seiner eigenen Ausbildung, sodaon
über den Gang und die Schicksale der verschiedenen Anstalten be-
riditet, deren Leitung nach und nach ihm auvertraut wurden ; zuerst
der Fellenbergischen Armenschule zu Hofwyl und München-Buchsee,
später des Schullehrerseminars zu Kreuzungen, der dortigen land-
wirthscbaftlichen Schule und des damit in Verbindung stehenden
Rettungshauses für verwahrloste Kinder. Hier zeigt sich überall
in Wehrli's Persönlich Iteit eine höchst seltene Vereinigung der dem
Erzieher nöthigen Eigenschaften, der Fassungskraft, des klaren Ver-
standes, der Gemüthlichkeit, der Mittheiiungsgabe, der Beharrlichkeit
und kindlichen Herzenseinfall. In diesen angebornen und Borgf<ig
schon im Elternhaus gepflegten Eigenschaften bestand Wehrli's Ta-
lent. Dazu gesellte sich seine fortgesetzte Lernbegierde, sein Fort-
bildungseifer. Das von ihm dargelegte Wissen bestand in wirkli-
chen erworbenen Sachkenntnissen, in klaren von Geist nnd Leben
durchdrungenen Anschauungen. Sein Lernen und Wissen stand mit
der Ausübung in derjenigen Wablverwandschaft , die ihm jede neoe
geistige Erwerbung zum vollen Eigenthum machte und ihn dadurch
befähigte, aus seinem Schatze Andern reichlich mitzutheilen. —
Besondere Aufmerksamkeit widmete er den Knaben im vierzehnten,
fünfzehnten Altersjahre, beim Beginnen der Entwicklung der Mann-
barkeit. Wenn die heitere Umbefangenheit des Knaben in stilles
Sinnen und Brüten oder in zeitweiligen Trotz überging, dann hielt
er es an der Zeit, mit ihm vertraulich wie ein Freund za reden,
nnd ihn über die mit ihm vorgehende Veränderung zuvorkommend,
obwohl mit gehöriger Vorsicht aufzuklären. — Auf den Rellgions»
Unterricht legte er grosses Gewicht, als Hilfsmittel der Erztehong
und als Herzenssache. Ihm erschien die Welt als das grosse Va-
terhans Gottes und die ganze Natur als eine Offenbarung s^ner
Macht, Weisheit und Güte, aber auch die Nothwendigkeit der ArbeM
als eine segensreiche Einrichtung Gottes; er fühlte das Bedfirfniss,
die Lehren der Offenbarung mit der Natur und der Vernunft im
Einklang zu wissen, und fand in Christi Lehre das Zeugniss ISr
solche Uebereinstimmung. Die Vorschrift: „Bete und arbeite!*^
machte sich bei ihm überhaupt so durchgreifend geltend, dass b&
ihm Frömmigkeit und Arbeitsamkeit zwei Dinge waren, die ohne
einander gar nicht und nur in so lange zusammen bestehen können,
als die Liebe sie mit einander verbindet. Damit die armen Zöglinge
der Dankbarkeit, Bescheidenheit und Genügsamkeit nicht vergesMa
Popikofer: Leben nnd WiikeD r. Wehrli. 843
und nicht mit Neid auf die Genüsse der Reichen binbliclcen mögen,
machte Wehrli es ihnen zur LebcDsaufgabe, wie er selbst in seiner
Jagend mit bestem Erfolg getban hatte, sich durch Streben nach
Arbeitstücbtiglieit und Beschränicung seiner Bedürfnisse über das
Loos der DOrftiglceit eu etlichen. — Ein vorzügliches Erziehungs-
mittel war für Wehrli der Gesang, als Quelle der Heiterkeit, der
Ermuthigung und des frommen Zartgefühls; ' wobei er sich einer
sehr einfachen Methode bediente. Den Ghorgesang der Kinder,
worauf er am meisten hielt, konnte man nicht ohne Rührung hören.
Die Auswahl der Lieder war vortrefflich. —
Ohne den Lehrerberuf irgend einem Armenschüler aufzudringen,
wusste doch Wehrli aus seiner Anstalt eine Pflanzstätte für künf*
ttge Lehrer zu schaffen, indem er sich unter den Zöglingen eine
auserlesene Jüngerschaft zu Gehülfen heranbildete, die von seinem
Geist durchdrungen waren. Unter den altern Zöglingen entwickelte
sich ein männliches Wohlwollen, Liebe zu ihren Jüngern Mitgenos-
sen, unter diesen ein kindliches Anschllessen und Vertrauen zu je-
nen. Die blosse Bestellung der altern zu Monitoren über die Jün-
gern bewirkt dieses freundliche Yerhältniss nicht; das Verhältniss
wird zu steif, zu herrisch, zu formell.
Wehrli bemerkt überhaupt sehr treffend: ^wir Lehrer und Er-
zieher lernen viel zu wenig, was der beste Lehrer und Eraieher
Christus gewesen ist, um eine ächte Jüngerschaft zu bilden.^ Was
Wehrli selbst in dieser Beziehung geleistet, haben verschiedene Be-
richte (z. B. von Rengger, von Rieke und Andern) dargelegt Er
besitzt, heisst es hier, eine durch keine Fremdenbesuche und Lobeser-
hebangen zu verderbende Bescheidenheit und Gutmüthigkeit. Sein
freundliches Betragen gegen die Kinder ist so natürlich, dass es
nicht anders sein isann, die Kinder müssen ihn wieder lieben und
seine Gutmüthigkeit muss selbst auf sie übergeben.^
In Wehrli's Armenerziehungsanstalt bildete sich ohne Zwang
ein Bundesverein für Ueberwachung der Disciplinarordnung, wonach
sich die Zöglinge selbst gegenseitig belehrten, ermahnten, die altern
für die jungem sorgten und diese jenen Folgsamkeit und Achtung
erwiesen. — Ordnung gewährt überall Lebenslust und Zufriedenheit,
Unordnung hat Lebensüberdruss , Zeitverlust, Misslingen vieler Un-
ternehmungen zur Folge. Jedem Zögling ward dafür ein kleines
Amt in einem gewissen Kreis übertragen. — Wehrli gab mit Fel-
lenberg zuerst den Anstoss zur Errichtung vieler andern Armener-
ziehungsanstalten in der Schweiz und auch auswärts. Die gemein-
nützige Gesellschaft, aus Gliedern alier Kantone zusammengesetzt,
die In jedem Jahr an einem andern Ort sich versammelt, wirkte
treulich für diesen Zweck. Nur durch Verweilen der Zöglinge in
der Anstalt bis zum angehenden Mannesalter wird es möglich, Ihre
Erziehung zu vollenden. Die frühere Entlassung würde sie der Ge-
fahr blosstellen, aller Früchte der erhaltenen Erziehung verlustig zu
gehen.
d44 Pupikofer: Leben und Wirken t. Wehr».
Neben der Armenachule verband Wehrli nmch FeUenberg'g
Wunsch eine Vorbereitungsschule für solche Jünglinge, die dem
Schulamt sich zu widmen gedachten, und an diese schloss uch nodi
eine landwirthschaftliche Lehranstalt an/
Jährlich kamen wirklich schon angestellte Schullehrer aos ver^
schiedenen Kantonen nach Hofwyl, um sich durch eigene Anschauung
die Vortheilo der dasigen Unterrichts- und Erziehungsanstalten an-
zueignen und das ihrer Bildung Mangelnde zu ergänzen. Dieee
Fortbildungskurse waren für die Förderung der Landschulen tob
grossem Nutzen.
Den Werth der pädagogischen Fähigkeit Wehrli's und seiner
Leistungen kennt der unterzeichnete Referent nicht bloss aus Schrif-
ten, sondern aus dem wiederhohen Resuch seiner Anstalten su Hof-
wyl und Kreuzungen und a\is dem persönlichen Umgang mit ihm.
Das von ihm begründete Schullehrerseminar zu Kreuzllngen ver-
dient als die reifste Frucht seiner Studien und Erfahrungen ange>
sehen zu werden. Die innere Einrichtung war ganz sein Werk.
Sie war höchst einfach; ihre geregelte Ordnung beruhte daraaf,
dass jeder Zeittheil des Tages für jeden Zögling seine bestimmte
Verwendung erhielt und alle Zöglinge biefür durch den Jedem zu-
getbeilten Antheil zusammenwirken mussten. Auf die gemeinsame
^fo^genandacht folgte das Frübmahl, abwechselnd aus Haferkruze,
Milch, Suppe mit Brod oder Kartoffeln bestehend. Das Mittagmahl
brachte nur 3 oder 4 male Fleisch, nur selten ein KellergetrSnk.
Das Nachtessen beschränkte sich auf Suppe und Gemüsse oder Kar-
toffeln. Dem Schlafengehen zwischen 8 und 9 Uhr Abends ging
eine Selbstprüfung über das Werk des Tages voraus. Die Pflege
der Erkrankten überwachte die Hausmutter, Wehrli's treffliche Gat-
tin. — In Bezug auf den Unterricht wurde die Grundanschauung
festgehalten: dass der Lehrer auch Erzieher und zwar Gehülfe
der häuslichen Erziehung werden solle, deren unerlässliches Ziel für
die unteren Volksklassen in der Befähigung besteht, sich den Unter-
halt mit eigener Hand zu erwerben, woran die moralische Selbst-
ständigkeit, die leibliche Gesundheit und das kräftigste Bewahret
vor unordentlichen Gelüsten bedingt sind. — Zur Uebung der Zög-
linge im Kindernnterricht wurden Abtheilungen der Ortsgemeinde-
schule benutzt.
Mit dem Unterricht über Naturkunde wurde der landwirthschaft-
liche, mit dem über Arithmetik und Geometrie eine Anleitung zum
Gebrauch des Messtisches verbunden. Die Feldgärtnerei bildete einen
Hauptkurs des praktischen Unterrichts. Gemüsse und Obst für den
Bedarf des Seminars lieferte die Arbeit der Zöglinge selbst.
Für den Unterricht über Naturkunde, Geschichte, Geographie,
Zeichnen und Gesang wurde das ausersehen, was jedem im Volks-
leben am Förderlichsten ist.
Die Worte der Mahnung und des Raths, welche Wehrli seinen
Zöglingen In einem väterlichen Schreiben als Leitfaden für ihres
Ptapikofer: Lebeo und Wirken v. Wehrli. 845
kOnftigeo Berof mit gab (S. 190 ff.), omfasflen alle GegeastSnde,
welche ein SchoUehrer an jedem Tag erwägen sollte, um seine Be*
fShigung und Wirksamkeit immer auf einen höhern Grad von Vol«
leoduDg zu beben. Sie bilden eine Tollständige Anleitung cur fort-
gesetzten Seibstprüfung. Da heisst es unter anderm: „Der Lehrer
muBS ein Seelenarzt bei den Kindern sein, und um dies zu sein,
muss -er die Krankheiten kennen und ihre Ursache erforschen und
die rechten Mittel zu ihrer Heilung wählen. Trägheit, Unreinlich-
keit, Schwatzhaftigkeit, Eitelkeit, Hochmuih, Neid, SchadenfreudC|
Dogehorsam, Schamlosigkeit und Lügenhaftigkeit sind die vorzüg-
khsten Krankheiten, mit denen der Lehrer zu kämpfen hat, und
ihnen auf die rechte Weise beizukommen, darin besteht seine Lehr-
weisheit''
Sehr beherzigun^swerth ist das, was Wehrli im Seminar darüber
Tortrug : wie der Landschullehrer durch seine Betheiligung am Land«-
baa zur Hebung des Bauerostandes einwirken könne. yKein anderer
Beruf, sagt er (S. 217), wird mit so viel Schlendrian betrieben, wie
der Bauernberuf; und doch bieten wenig andere Berufsarten so schöne
Gelegenheit, die leiblichen und geistigen Kräfte vielseitig zu gebrau-
chen und zu bilden. Die Aufgabe des Landschullebrers ist es,
Kftdchen und Knaben durch Lehre und Beispiel für den Beruf der
Landwirthscbaft zu begeistern.^
Zu diesem edlen Zweck wurde auch von Wehrli die Stiftung
eines landwirthschaftlichen Vereins und hernach einer eige-
nen landwirthschaftlichen Schule veranlasst, in welcher Sohne von
Landwirthen für jede Verbesserung im Landbau Belehrung und prak-
tische Anleitung erhalten (S. 229 ff.).
Das Büchlein enthält noch eine ausführliche Darstellung der
Einrichtung der Rettungsanstalt verwahrloster Kinder, die in
der Nähe des Lehrerseminars mittelst freiwilliger Beiträge, einer
jährlichen Unterstützung der gemeinnützigen Geseilschaft und der
Kantonsregierung zu Stande kam.
Möge das Büchlein von recht Vielen mit Bedacht gelesen und
beherzigt werden I Dann wird es zu den wenigen Schriften gehö-
ren, deren segensreicher Einfluss auf wahre Volksbildung nicht aus-
bleiben kann.
Cooftani , den 34. Juni 1857.
846 V« Kaeiebeck: Perdipimd Benoff r. Brnoüehweif .
Ferdinand Herzog »u Braunschweig und Länehurg während da
siebenjährigen Krieges. Aus englischen und preussischen Ardir
ven gesammelt und herausgegeben von F, von dem Knesebeckf
ObersUieuienant im k. hannoverschen Qeneralsiabe. Erster Band,
VL 497. 8. Hannover^ bei Hdwing, 1857.
Die Verschwörung wider das feierlich anerkannte, selbst ge-
währleistete Erbe der Habsburger enthält den ersten Hauptact des
s. g. revolutionären Principe im achtsehnten Jahrhundert. Denn
man fragte nicht dabei nach dem Recht, sondern nach der Ge-
walt und zwar vom rein materiellen oder territorialen Standpunkt
aus. Politisch konstitutionelle Grundsätze, etwa der republikaniscben,
beschränkt monarchischen oder absolutistischen Gattung, kamen dt*
bei durchaus nicht in Frage, fben so wenig griffen kifchlich-reii-
glöse Hebel und Motive mit ein, indem ja protestantische und ka-
tholische Regierungen gleich willig den Anlass für Land- und See-
lengewinnst benutzten und nach bestem Vermögen ausbeuteten. Die
territoriale Kraft, oder das unter Ludwig XIV. mit besonderm Gluck
in die Praxis eingeführte Arrondirungs- oder Abrundungsprincip wirkte
auch hier ; man wollte die theils unbequeme, theils verhasste Reicht-
und Hausmacht mindestens in engere Gränzen einschliessen , wo
nicht gar zerstückeln ; man hatte selbst bereits des Bären Fell ver^
theilt, bevor er erlegt war und wusste genau, wohin das eine oder
andere Stück kommen sollte. Dieses schändliche, aller Sittlichkeit
und Religion Hohn sprechende Kunstwerk der modernen Diplomatik
kam aber nicht zu Stande, theils weil Gott die Köpfe der Sändsr
verwirrte und den Bedroheten Kraft und Klarheit gab, th^ls weS
der geistvollste und charakterstärkste Theilnehmer von der Yerge-
aellschaftung (Association) absprang und für sieh allein Geacbäfti
machte. Diese nun, nicht ganz ohne reohtliche nnd gemSssigts
Grundlage, gediehen, während die völlig boden- und reohtloeia
Wagschaalen der Associ^s in die Höhe schnellten und zuletst ionir
Ich Bankerott machten. Denn der Bedrohete besass, nachdem er!
sich mit dem gefahrlichsten, dabei aber immer noch billigsten Wider* I
saoher gütlich, wenn auch nothgezwungen verglichen hatte , Kraft I
genug, um den Rath der Bösen völlig zu sprengen und mit Aof |
nähme des angedeuteten Theils die Gesammtheit des Erbes zu rei-
ten. Jedooh blieb bei steigendem Selbstgefühl und Wachsthnm der |
verjüngten, aus langem Schlummer erweckten Staatskräfte der Ge* 1
danke an die relativ geringe Minderung des Gebiets stets lebendif I
und nagte, abgesehen von der weiblichen Reizbarkeit, wie ein Ge- 1
Wissenswurm so lange und unbemerkt an den Fäden des nenm
Zwangvertrags^ bis sie von Jahr zu Jahr erschlaffend dem Zerreit' {
sen naheten. Der drohenden Katastrophe zu begegnen, ergriff der
grosse König, jetzt seinerseits im formellen Recht, das nie in der
kurzen Friedenszeit von Spinnengeweben umflorte Schwert; — der
siebenjährige Krieg für und wider das neue Preussische Be>
y. KiieMbeck: Ferdinaiid Henof t. Brtaafeliweif. M7
litztbnm und Erbe brach ans ; alle Wechsel nnd wunderbaren Aben-
theuer, wie sie nur in einem sonst prosaischeD, verständig nüchter-
nen Jahrhundert in Folge des kämpfenden Titanen aufgehen konn-
ten, setzten Mit- und Nachwelt in gerechte Spannung und Bewun-
derung.
Dieses Interesse ist auch jetzt nicht ausgegangen; die furcht-
baren, so oft und bis zum Ueberdruss von den Epigonen, nament-
lich in Teutschland, literarisch gefeierten Kämpfe der ersten franzö-
sischen Exp e rimental-Revolution und des ersten, von keinem
zweiten eingeholten Napoleon-Kaiserthums waren nicht im
Stande, den bezeichneten, militärisch-politischen Act für immer in
den Hintergrund zu drängen. Denn er zeigt ja besonders den Teut-
schen, was sie bei gehöriger Leitung vermögen, selbst im schreck-
lichen Bürgerkriege; er predigt dann stillschweigend die Nothwen-
digkeit der Eintracht, insonderheit zwischen Preussen und Oester-
reich, welchen sich die kleineren Staaten doch mehr oder weniger
anzuschliessen haben. Denn mögen letztere auch souverän sein,
sie können gegenüber dem Auslande keine selbstherrliche, auf Festen^
Brücken und andere Schirmanstalten bezügliche Verkommnisse auf-
richten ; ihr Wohl und ihr Wehe hängen innig mit den beiden Gross-
mächten, den einst feindseligen Brüdern, zusammen, von gemeinsa-
nem Bunde nicht einmal zu reden. Würde man, was beinahe un-
möglich ist, anders denken und handeln, so müsste über kurz oder
[ang ein neuer Zusammenstoss erfolgen und mit ihm die unvermeid-
liche Mediation gemissbrauchter Souveränetäten. —
Für die Aufhellung der grossen Streitfrage aber, welche ge-
»de vor einem Jahrhundert Teutschland und Europa bewegte, ist
n den jüngsten Tagen manches Löbliche geschehen und wird wohl
loch nächstens, wenn sich auch Oesterreichische Archive und Denk-
ichriftenquellen öffnen, weiteres zu Tage treten. Der neulich er-
chienenen, achtungswerthen Arbeit Huschberg's und W u 1 1 k e ' s
Jahrbücher Nr. 19) schliesst sich mit gleichem Verdienst das vor-
legende Buch an. Die Actenstücke desselben, mit musterhaftem
^lelss gesammelt und historischem Sinn geordnet, erläutern nicht nut^
rie sich erwarten lässt, die eigentliche Kriegsgeschichte, sondern
cblldern auch eben so getreu die Denk- und Handlungsweise der
orzüglichsten Persönlichkeiten, mitunter sogar die jeweiligen Ver-
lUtnisse der Diplomatie, Völker- und Staatenlage. So erfährt man
stst erst vollständig, wie knickerig und warum die Englische Re-
ierung den nordwestlichen Feldzug gewöhnlich unterstützte, dann
ber wiederum , wenn sie im Fluss war , «mit Kraft und Freigebig-
elt bandelte; den unaufhörlichen, dabei höflichen und bescheidenen
[abnungen des Herzogs, welcher regelmässig an den König Georg IL
Aiieb, konnte zuletzt keine listige Kabale und eigennützige Selbat-
idbt widerstehen. — Dessgleichen treten die Unternehmungen der
Iranzosen vielfach in einem andern Licht hervor als die schmähliche
lederlage bei Rossbach herkömmlich angezündet hat; sie erscheinen
S4d Y. Knesebeck: Ferdinand Herzog t. Bnanschweig.
I
tapfer, anstellig und mehrmals gut geführt ; ihre Erpressungen, UBt»
allerlei Formen verübt, beltommen dagegen ein höheres Relief als
ihnen bisher zu Theil wurde; sie haben namentlich Hessen so ausge-
plündert und ausgefressen, dass man, der Hungersnoth zu wehren, von
aussenher Getreide einführen muss; es idt, wie wenn es sich Dicht
um den siebenjährigen, sondern dreissigjährigen Krieg, wie ihn neu-
lich für Nassau Keller geschildert hat, handelte. Selbst der gro^
König, welcher doch Sprache und Literatur des damaligen Kultur-
volks so hoch setzte, wird darüber bisweilen böse und rSth strenge
Gegenmittel an. In Betreff des fraglichen Anklagepunktes schreibt
der Herzog neben anderm am 7. December-1758 also: ^^Der Prioi
von Soubise hat Hessen geräumt, das Land jedoch in dem eleDd^
sten Znstande zurückgelassen , indem er dasselbe durch seine Be-
quisitionen so ausgesogen hat, dass es unmöglich ist, auch nur dai
geringste Truppencorps dort zu ernähren; der Fürst von Ysenburf
sieht sich desshalb genöthigt, die für seine Truppen nöthigen Sob- |
sistenzmSttel aus Hannover herbeizuschaffen. Da ich dieses Eleod |
vorausgesehen , habe ich an der Weser einen Transport Proviaot ^
auf vier Monate in Bereitschaft setzen lassen , den man jetzt nsdi
Cassel und von dort nach Fritzlar zu schaffen im Begriff steht u. s. w.^ |
(S. 268). — Auch im Hannoverschen und Preussischen hatte mal
arg gehaust. Der König, dessen Heerschaaren im Feindesland spfir
ter auch nicht immer sehr säuberlich verfuhren, dachte daher ernst-
haft an die Bekanntmachung einer Denkschrift über die völkerrechts-
. widrigen Plackereien seiner frühem Lieblinge (S. 67), und meldete
sogar halb scherzhaft in einem Nachwort dem Herzoge Folgendei:
„Ich wünsche Ihnen von ganzem Herzen Glück, mein Lieber, so
Ihren. gesegneten Unternehmungen. Könntea Sie doch allen Frani-
männern die Anfangsbuchstaben des Westphälischen Friedens lof
den Hintern drücken (sur le cul) und die so Gezeichneten Ober des
Rhein jagen I^ (S. 64). *— Ueberhaupt liebt Friedrfech in den Brie-
fen an Ferdinand Witz und Humor; er streuet in die Mitte einei
strengen Geschäfts- und Militärschreibens plötzlich geistreiche Wen-
dungen nnd Gleichnisse ein, welche gewöhnlich den Nagel auf dm
Kopf treffen; er schwört die antiken Schatten herauf, um irgend
etwas Verbindliches oder Hoffnungsreiches auszudrücken. So wird
Ferdinand wegen des damaligen Kriegsschauplatzes in Westphald
mit Arminius, Soubise oder Gontades mit Varus verglichen (S. 277);
ein andermal der junge, aufstrebende Held an Fabius und Hannil»!
erinnert. „ Vous avez bon jeu , heisst es S. 69, des Fran^ois, mw$
SLTtM au Rhin 11 faut que vous deveniez un Fabius pour les pn)-
jects et les dlspositions et un Hannibal pour les Rodimans (?).'
Das soll sicherlich Romains heissen^ welches entweder aus absicbt-
lichem Scherz oder unwillkürlicher Zerstreuung in einen rSiker-
schaftlichen Unnamen umgewandelt wurde. Der Sinn bleibt jedoch
Uar. — „Ihr sollt, ist derselbe, am Rhein nnd jenseits detfdbes
vorsichtig wie ein Fabius und kühn wie ein Hannibal sein.* —
(SdUuu folgt.)
Ir. M. HEIDELBERGER IWT.
JAHRBOCHER der LITERATUR.
V. Knesebeck: Ferdinand Herzog v. Braunschweig.
(ScbluM.)
Das Benehmen der Rossen in Schlesien (1758. Jul.) empdrt
den König noch stärker als das der Fransosen. ,Sie haben, schreibt
er an Ferdinand, daselbst geplündert und solche Gräuelthaten Ter-
Qbt, wie sie nur die grausamste und unerhörteste Barbarei den wil*
desten und rohesten Menschen einfiössen konnte^ (S. 160]. Was
diese jedoch mehr aus brutaler Zerstörungslust thaten, ging bei den
Franzosen hin und wieder aus berechnendem Raffinement hervor.
So empfahl 1758 der in Versailles noch immer sehr einflussreiche
Herr von Belleisle dem Marschall Contades, aus den Ländern der
verbündeten Fürsten so viel Geld, Getreide, Pferde und Menschen,
als nur immer möglieb, zu erpressen, und die ganze Länderstrecke,
weiche sich bis zum Eintritte des Winters noch zwischen der fran*
zösisehen Armee und derjenigen der Verbündeten befinde, in eine
völlige Wüste umzuwandeln. Nur der Weg, auf welchem man
muthmasslich dem Feinde in die Winterquartiere einfallen werde,
möge verschont bleiben (S. 424). Dieser saubere Plan eines wirk-
lichen ^Cuhurbarbaren^ (barbare cultivateur) , welcher keine Karte
Europa's ohne Gedanken an Umgestaltung betrachten konnte, kam
jedoch nicht zu Stande ; Ferdinand*s Sieg bei Minden (!• Aug.),
welcher in dem Briefwechsel genau beschrieben wird, fuhr dazwi-
schen. Auch mochte Contades bedenken, dass die Zeiten der ftho*
lieh haodthierenden Sueven und Skythen vorüber seien, der Urhe«
ber des Raths aber an die unheimlichen Mondscheinnächie denken,
in welchen ihn einst im Erbfolgekrieg die Oesterreicher von Prag
bis über die Gränze hinaus fortgescheucht hatten. Dass aber nichta*
destoweniger der de Belleisle grimmig blieb, beweist eben die obige,
von den Verbündeten aufgefangene Instruction an den Marschall
Contades. Das alles ist jetzt gerade ein Jahrhundert alt und mag
dem Teutschen Michel nicht besonders tröstlich vorkommen, zumal
er nach dem Wink seiner Obern hier die Schlacht bei Leipzig feiern
und dort die St. Helenamedaille verschlucken soll. Beides zugleich
gehet doch nicht. —
Ein helles Licht trifft übrigens, wie sich voraussehen Iftsst,
rücksichtlich der Charakteristik besonders die zwei Hauptfiguren, den
Herzog und König. Jener erscheint trotz seiner Jagend äusserst
bescheiden, vorsichtig, besonnen und zur Defensive geneigt, dieser,
wie gewöhnlich, genial, feurig, zur Offensive angelegt, heiter, im
L. Jahrg. 11. Hell. 54
8G0 V. finefebeek: Ferdiaand Hertog t. Braanschweif.
Unglüek rohig und unerschütterlich. S^n Gredanke, ndthigeoUl
als König zu sterben, springt auch aas manchen Stellen dieser TCh
traulichen Geschäftsbriefe hervor; seine Seelenruhe und Geisten
frische werden durch die wachsenden Gefahren, ja, durch die er-
kannte NShe des Schiffbruches und Abgrundes nicht gebrocfacD;
seine ThStigkeit steigt Tielmehr mit der Noth. Dafür sengen, wi«
der Herausgeber in der zweckmässigen Einleitung richtig herTorge>
hoben hat, namentlich Depeschen des für Preussen unglncklicbes
Jahres 1759. So meldet der König bald nach der Schlacht (12. Angi
bei Kunersdorf dem Herzoge, dass, wenn letzterer nicht bald eisl
Abtheflung zu Hülfe schicke, die ganze Wirthschaft (tonte la booti«
que) zusammenbrechen müsse (S. 434); dass eine einzige Scblsd
nächstens über den Krieg und Preussen entscheiden werde (S. 444]
dass, er, der König, ohne Rettung verloren ftet, wenn ihm nicht flä
Wunder oder der Herzog helfe (S. 450). „Dresden, hei st es neba
anderm (7. Septb.) ist genommen, die Reichs arroce mit einem weiter
österreichischen Corps zieht längs der Elbe heran, während noc
4000 Mann in Leipzig stehen und von dort aus das Magdeburgiscb
verheeren. Ich selbst kann mich kaum noch gegen die Russe
halten, während Wunsch nicht stark genug ist, um sich dieser grosM
Masse entgegenzustellen. Die Schweden stehen zu Prenzlau; wei
daher Eure Durchlaucht mir nicht ungesäumt zu Hülfe eilen, i
bitte ich Sie doch zu bedenken, dass hiezu später keine Zeit md
sein wird.^ Ein Mann der That, beachtete Friedrich, wea^
stens im Kriege, nur das Verdienst und die praktische ThStigkeitj
Geburt und Rang galten ihm an sich, wenn die höhern Eigenschsl
ten fehlten, so viel als nichts; ja, es schlich sich bisweilen eis
Art Eingenommenheit und vorweg urtheilender Ansicht bei Ihm eÜ
^In Bezug, schrieb er dem Herzog Ferdinand, auf den jungen F&
sten von Ysenburg, den Sie mir zur Aufnahme in meine Dlenil
vorschlagen, muss ich Ihnen offen gestehen, dass ich keine grotf
Lust habe, mich mit Prinzen zu belästigen, da man dieselben ds
zur Plage hat; bald werden dieselben abberufen, bald haben
tausend andere Eigenheiten und glauben deshalb berechtigt zu
jeden Augenblick ihren Abschied fordern zu können. Wenn
genannter Prinz nicht sehr verständig ist (qu'il ne soit nn
ralsonnable) und nicht sehr hervorragende Talente für das Krie
Wesen kund gibt, so danke ich Ihnen recht sehr dafür* (1758J
16. December. S. 274).
Neben einzelnen lehrreichen Uebersichten, z. B. der politi
Lage im Jänner 1758 (S. 285 ff.), enthalten die Briefe Friedric
wie sich erwarten lässt, den ergiebigsten Stoff für Kriegsge^
schichte und Kriegskunst. Dem Herzoge, welcher als
mittelbarer Zögling gilt, werden mannichfaltige Belobungen, ve.,
tranensvolle Winke und freundschaftliche Rathschläge zu Thdl, bis«
weilen aber auch, wenn der junge, vorsichtige Mann nicht sogleidl
die Offensive wider den an Zahl bei weitem starkem Feind nlmml^
T. KneMbeck: Ferdioand flenog r. Bramfchweiip. 851
Mttere Kritiken and Vorwürfe. ^Vergessen Sie dodi nicht, heisst
if einmal 1759, da88 Sie in unseren Campagnän von 1757 and 1758
alt einer Hand voll geschlagener Trappen grosse Thaten verrichte-
en, wShrend Sie jetst mit einer treflflicben nnd zahlreichen Armee
Ich auf eine Weise benehmen, welche von Leuten, die des Krieges
nndig, unmöglich gebilligt werden kann^ (S. 388, vgl. 392). Der
Heg bei Minden (1. Aug.) versöhnte jedoch den ungeduldigen K6-
ig, welcher allerdings den etwas zaudernden Herzog vorwftrts zu
ringen verstand, auch gelegenheitlich daran erinnerte, dass grobes
[esehüts besonders auf Franzosen günstig zu wirken pflege (S. 332).
- Aach die hier zuerst mitgetheilte „Instruction an die General-
lajors von der Infanterie* (Breslau, 12. Februar 1759) entbilt
lanches Interessante; überall erkennt man den kurz angebotodenen,
sotiichen Meister und Herrn. „Wenn, heisst es z. B. $. 2., die
imee marschirt, so müssen sie (die General-Migors) nicht vor die
rigaden reiten und träumen, wie es der alte Gebrauch ist, sondern
imach sehen und darauf halten, dass ihre untergebenen Stabsoffi-
era die Bataillons zusammen und in Ordnung halten, und nadi der
irgeschriebenen Disposition marschiren lassen.* — $.5. wird ver*
Igt, einen Burschen, welcher Patronen wegwerfe oder aus den Wa*
sn nicht nehmen woUe, unvorzüglich bei dem Regiment zu er-
diieescn; „und soll die Execution vor dem Regiment geschehen,
kne das$ Ich weiter darüber angefragt sein will, der Kerl, habe
Bchs Fuss oder sechs Zoll* (S. 331).
Schliesslich ist sehr zu wünschen, dass die Fortsetzung dieser
IlitSrbriefe bald erfolge und aufmunternde Thellnahme nicht not
ü den Kriegern vom Fach, sondern auch hin und wieder bei so*
msDoten Givilisten finde. Darum hat der Heransgeber wohl ge^
lan, die Schriftstücke mit Ausnahme der eigenhändigen des KIhrigs
Teatscher Uebersetzung vorzulegen.
efrunren des königh preusHschen Generals der Infanterie Ludteig
von Reiche. Herausgegeben von seinem Neffen Louis von
Welisien, oldenburgischen Hauptmann und Brigademajor.
Erster TheU von 1773^1814. XIV. S. 353. ZweUer Theü.
VIU. 443. 8. Leipzig bei Brockhaus 1857.
Mit den vor . eilf Jahren veröffentlichten Erinnerungen des
merals Henkel von Donn^rsmark (s. Heidelberger Jahrbü*
er Nr. 22. Jahrgang 1847) möchten die vorliegenden Denkwür-
fkeiten leicht das wichtigste Aktenstück eines norddeutschen mit*
adelnden Zeugen für eine vielbewegte, wichtige Zeit bilden. Man*
JifAltigkeit des Inhalts, gründliche Einsicht In den Veriauf der ml-
frischen, bisweilen auch politischen Angelegenheiten, Kenntnisa
r Personen und Sachen, einfache, klare Darstellung und humaner
m seiehnen besonders den Verfasser, welcher im praktischen Leben
851 Memoiren dei CSenertlf r. Beiche.
Fon unten nach oben durch eigenes Verdienst aufsteigend nirgtnib
eine Spur von anmasslicher Dünkelhaftigkeit zeigt, auch %ber den
Feind gerecht urtheilt und die Schwäche seiner eigenen Freunde
ohne Scheu vor der Minderung des Nimbus niemals bemäntelt« Nach-
dem er s. B. berichtet hat, wie der General Bälow das jährlick
abzutragende Ehrengeschenk der Holländer von 1000 Dukaten u
capitaiisiren (60,000 Dukaten) gewünscht und natürlich erhalten habe»
wird beigefügt: ,,Diess gab mir wieder einen Beleg, wie der Mensch
Im Funkte der Ehre und des Geldes selten zufrieden, ja mit dem
Gewinn fast stets nur noch ungenügsamer wird. Ueberhaupt, weim
man In dieser Besiehung einen Blick in das menschliche Herz thut,
wie sehr schwindet da, was wir im gemeinen Leben Grösse nen-
nen*^ (II, 62)1 — Allerdings sehr wahr. — Band und Geld regie-
ren die Welt. — Wie der Verfasser, Sohn eines HannoverscheD
Hofraths und Landsyndicus aus Nienburg, im elterlichen Hause er»
sogen, dann in den Preussischen Militärdienst (s. 1788) aufgeDom-
men, geschult, durch die Rheincampagne praktisch in die kriegeri-
sche Laufbahn eingeführt, nach geschlossenem Frieden als Ingeniem^
Offizier theils als Lehrer, theils als Praktiker wirkte, wird im erstes
Abschnitt (1775^1805) des ersten Theils meistens recht ansieheni |
und lehrreich erzählt. Dasselbe gilt in noch höherem Grade toSi
dem zweiten Abschnitt (1805 — 1812), welcher „Preussens Pru-|
fungszeit und Fall^ tiberschrieben ist. Besonders wird mss
sich dabei von den Lebensbildern aus damaliger Zeit (S. 146 iL]
angesogen finden; denn sie ruhen auf Augenschein und Wirklich-
keit, mögen auch einzelne Striche und Züge etwas zu matt odv
zu stark aufgetragen sein. Dürftig und unbefriedigend ist dagegen,
was über das Jahr 1809, auch in Betreff Schills und Dörnberg^
gemeldet wird. Charakteristisch ist die bisher unbelcannte Nach-:
rieht, König Friedrich Wilhelm habe später die Errichtung eines
Monuments in Stralsund mit den Worten abgelehnt: ,>Nicht passend^
der Insubordination Ehrendenkmale zu errichten '^ (S. 210)1 — AuA
gut. — Der dritte Abschnitt (1813) euthSIt Preussens Erheboiy!
und Wiedergeburt, beschränkt sich jedoch nicht auf diesen etwas|
einseitig gewählten Titel. Der Verfasser, damals im GeoeralsUbs|
Torks, welchen er recht ordentlich schildert, und später BüiowSi
konnte vieles sehen und mitmachen, also auch, was hier geschieh^!
der Schrift überliefern. Diese Sachen sind aber so vielfach behan»
delt, in Prosa und Versen, besonders von der jungem Generalios
erörtert worden^ dass es doppelt nötbig ist, Augenzeugen und Mit-
handelnde, wie es hier geschieht, zu vernehmen. Man läuft sonst
Gefahr, inmitten des Reichthnms arm zu werden, so sehr werdea
oft die Dinge aufgeputzt und ausgeschmückt. Was hat man nidbt
alles über York, bisweilen in tiberscbwänglicher Weise, gesagt ; hier
in den Denkwürdigkeiten (8. 288) erscheint der Mann, wie er leibü
und lebte. ^Auch bei Gefechten, heisst es da neben anJerno, be-
sonders je bedeutender sie zu werden schienen , war er c«o eigen-
XemoireD des Generalf t. Beiohe. 653
thflmKcher Mann. Grewohnlich ritt er dann, nachdem er Alles an-
geordnet hatte, ernst und in Gedanlten vertieft, eine grosse Aeht,
bis der erste Kanonenschuss fiel, worauf sich seine Gesichtszüge
erheiterten und er zu sagen pflegte: ^ Jetzt nimmt der Debe Gott
sich der Sache an u. s. w.^
Neu ist die beglaubigte Nachricht, der Verfasser habe bei Gross-
heeren dem General von Bülow zuerst gerathen, ohne weitere Be-
fehle vom Schwedischen Kronprinzen auf den Feind loszugehen
[I, 305), gleich wie eben derselbe, bescheidene Mann die wirksa-
men Geschütze bei Belle Allianz zuerst in die Flanke der Franzo-
sen führte und dadurch wesentlich für die Entscheidung wirkte
(n, 215).
Der Verlust bei Leipzig wird hier für die Verbündeten ange-
geben auf 15,000 todte oder wunde Prcussen, 22,000 Rnssen,
8,000 Oesterreicher und — 300 Schweden, zusammen 45,300 Mann,
eine merkwürdige, auch noch jetzt beachtenswerthe Rechnung, welche
dem moderneu Geschrei wider die Russen, als hStten sie sich ge-
schont, auf eclatante Weise Ziel setzt (I, 351). Von 176,000 Fran-
zosen entkamen etwa 90,000 Mann. Welch ein Morden , noch ganz
anders als in der Krimm! — Man sollte also auf letzteres nicht
gar zu stolz sein, zumal weder die Karte von Europa nach der
beliebten Phrase geändert, noch ein folgenreicher Effect bewerkstel-
ligt wurde. Ohrie höhere moralisch-politische Nothwendigkeit aber
bleibt jedes Blutvergiessen ein Frevel. Wo lag denn doch hier die
Abwehr der Europäischen Verknechtung? Etwa in den Gefahren
der hohen Pforte, welche man noch jetzt wieder mittelst eines Mol-
dau-Walacbischen Quasikönigreichs zu beschneiden trachtet?
Der zweite Theil schildert im vierten Abschnitt Deutschlands
wiedergewonnene Freiheit (1814), beschreibt gründlich den Hol-
iSndischen Feldzng unter Bülow, nur in der Belagerungsgeschichte
Antwerpens, welches Garnot ruhmvoll vertheidigte, zu flüchtig, und
(ibt neben anderni zur Physiognomie der Französischen Hauptstadt
interessante, den meisten Lesern wohl zum Theil unbekannte Züge.
Oahln gehört die Herabnahme der kaiserlichen Statue von der Van-
lomesänle unter dem Volksruf: „ äbas le tyran!^, das Entgegenwer-
en weisser Cocarden in den Theatern, der Freudenschrei zu Gunsten
ler drei verbündeten Monarchen, die Henriquatremelodie und An-
)a88ung neuer Wünsche und Gefühle an dieselbe, wie z. B.
„Vive Alexandre,
Vive le roi des rois.
Sans rien prdtendre
Sans nous dlcter des lois
Ce prince auguste
A le triple renom
De b^ros, de juste
De nous rendre un Bourbonl^ etc.
V.ach mir tönen diese Leierkastennoten mit obligater Begleitung noch
$64 Memoiien def Generali t. Reiehe.
sehr vemehailicb in den Obren. - Sollten ab«r nidit die Zeiten
kommen, in welchen man: «Vive le «rand Mogull^ schrael?
Penn Begriff und Namen Terkünden doch etwas Neues und Pikantes,
eben die Verbindung des tbeokratlsch- weltlichen Prineips. — IndieD
ist gar gross und passt mindestens für swei gleich grosse NatioDen.
Der fünfte Abschnitt erzühlt ausführlich den Krieg too 1815,
wobei mehre, bisher unbekannte Nachrichten, s. B. über die schoa
oben angedeutete Wirksamkeit des Verfassers bei Waterloo, eiBge-
scbaltet wurden ; die sechste Abtheilung tou der genannten Schimcht
bis cum Frieden, schildert die weitere Feindseligkeiten und Ereig-
nisse in Frankreich, namentlich au Paris, über welches wIederuB
anaiehende, wenig bekannte Züge pikanter Art mitgethellt werden.
Im siebenden Hauptstück, „die Occupationsarmee in Frankreich*,
gehet die lebiiaft-anschauliche Erzählung vom zweiten Pariser Frie-
den (1815) bis zum Rückmarsch des Preussischen Armeecorps unter
Ziethen (1815) yor und schildert neben anderm auf bemerkenawerthe
Weise die damaligen Zustände in Frankreich.
Die Scblussübersicbt endlich verfolgt die Schicksale des ehrea-
werthen Verfassers bis zum Dienstaustritt (1842), indess der Heraus-
geber die weiteren Begegnisse, welchen namentlich die AbfassuDg
der voriiegenden Memoiren (1842 — 45) angehört, bis zum Tode
seines wackern, nun auch als Schriftsteller fortlebenden Oheime
nachholt«
Ein Anhang mit eilf Urkunden, welche sfimmtlich von hisrori-
schem Werth sind, beschliesst das Werk. Zeitgenossen und Nadh
kbmmlinge werden demselben verpflichtet bleiben, weil es mit Sorg-
falt und Mfissigung Begebenheiten schildert, von welchen aelbat dii
vorgeschrittene, technisch-industriell hochgebildete Gregenwart biswei-
len zu zehren nicht verschmähet.
DmkwürdigkeUm aus dem Leben des kais, russ. Generals^ Carl
Friedrich Grafen von Toll. Von Theodor vosj
Bernhardü Dritter Band, VI. 524 8. Leipzig bei Wi-
gand 1867.
I
Da die beiden ersten Bände dieses verdienstlichen Werka be-
reits ausführlich besprochen wurden (Jahrgang 1856. Nr. 4. 26 aal
27); so mag für die Fortsetzung um so eher eine kurze Anzeige
genügen, je bekannter die Gegenstände sind und je geringer ebes
dessbalb an Zahl und Gehalt die etwaigen neuen Aufschlüsse. Dahia
gehört z. B. die aus einem Briefe Toll's (Hünfeld 31. Oct. S. 475)1
hervorgehende Muthmassung, nach der Ansicht des verbfindelSB
Hauptquartiers und auch des Baierischen Heerführera habe der b^
Leipzig geschlagene Franzosenkaiser von der Hauptstraase über dii
Seitengebirge nach Ooblenz entweichen wollen. „In Frankfurt, lantst
jene SteUe, stehen 6,000 Mann vom Feinde; General Wrede hat
DeokwttrdifkeiteB dea Genenls Grafen t. TqH Ki
«ine DivisioD InfaDtarie und einen Theil seiner Beiterei dorthin
ootsapdt um diese Stadt su nehmen , mit seiner Hauptmacht aber
ist er gesonnen nach Wetzlar xu marschiren. Er setst vorauSi dass
Napoleon mit seiner ganzen Armee die Richtung auf diesen Punkt
genommen hat, und will ihm dort zuvorlcommen.^ Darum, meint
nun Herr von Bernbardi, habe Wrede auch die zeitige Besetzung
der Gelnhauser Plisse (Schlüchtern) verabsäumt und zu spttt die
Einsicht gewonnen , dass die ganze Französische Armee auf der
Strasse von Fulda heranrüclte — Diese Notiz ist, so viel ich wetsSi
durchaus neu und trägt allerdings zur Entschuldigung des Feldherm
in Betreff der freigelassenen Engen bei. Der verhältnissmSssig lange
Aufenthalt vor WUrzburg wird aber dadurch noch nicht gerechtfer-
tigt. Hätten übrigens die Franzosen den ungeheuerlichen, im Schwar-
zenbergischen Hauptquartier angeblich spultenden Abweichunga*
plan über den Vogelsberg nach Wetzlar und dem Niederrhein wirk-
lich gefasst und ausgeführt; so wären sie ganz durch Wege, Wetter,
Mangel und Feinde zu Grunde gerichtet worden. Die besprochene
Hypothese ist also wohl nur ein gelegenheitlicher Klatsch, wie ihn
in kritischen, gespannten Augenblicken selbst Hauptquartiere, na-
mentlich wenn sie bunt zusammengesetzt sind, lieben. — Immerhin
bleibt aber die briefliche Notiz verdanleenswerth.
Uebrigens behandelt dieser dritte Band ausführlich und oft auf
kritisch räsonnirende Weise, natürlich nach den brucbstückmässigen
Mittheilungen des Helden, den Herbst-Feldzug 1813 und erläutert
ihn durch zwölf werth volle Beilagen, meistens wiricliche Actenstücke.
— Eine besonders lehrreiche, die gewöhnliche Ansicht von einer
angeheueren numerischen Ueberlegenheit der Verbündeten umstossende
Untersuchung wird im zweiten Kapitel über die beiderseitigen Streit-
kräfte nach geliündigter Waffenruhe angestellt. Der Verfasser, den
authentischen Berichten Berthiers folgsam (Beil. 4), berechnet für
den Wiederbeginn des Kampfes Napoleons Macht auf 330,000 Mann
Fntsvolk, 72,500 Reiter, 33,500 Artilleristen, 4000 Pioniere und
Sapeure, im Ganzen 440,000 Krieger, welche nicht weniger als
1200 Stücke Geschütz mit sich führten (S. 65). — Man ersiehet
daraus, was Frankreich, Italien und — der Rheinbund (hört!)
damals noch vermochten und wie sehr diejenigen irren, welche wie
Herr Beitzke den Zahlumstand entweder ignoriren, oder zu Gunsten
des in unsern Tagen wieder unbedingt gefeierten Eroberers deuten.
— Nach den einzelnen, genau angegebenen Etats verfügte der
Band (die Liga) über 364,500 Mann Infanterie, 76,000 Reiter, 30,500
Artilleristen und Pioniere, 22,000 Kosalten im Ganzen über 493,000
Mann mit 1388 Geschützen (S. 77). — „Es ist, wird daher mit
Grund bemerkt, nicht vorhanden eine ganz unverhältnissmSssigei
durchaus überwältigende Uebermacht, die den Sieg in der Art sicher
stellt, dass ein Erfolg des Feindes zu den ganz ausserordentlichen
Diogen gehören würde; eine solche Ueberlegenheit hat-
ten die Verbündeten auch nach Oesterreichs Beitritt
856 Denkwürdigkeiten dei Generals Grafen r. ToH
nicht! Es ist ohne Grand, dass die obwaltendeo VerbMItniBae
siemkich allgemein, — und niclit etwa bloss von franaSaiscben
Schriftstellern — so dargestellt werden, als hStten die Verbändetea
das Heer des französischen Kaisers schon durch die blosse Masse
ihrer Truppen erdrOcken können. In der Wahrheit gehörte TieL
gehörte Heldenmuth und Glück dazu, den Sieg an ihre Fahnen zn
fesseln I — <«
Allerdings sehr wahr; denn wenn man dazu nun noch den
Elfer rechnet, mit welchem namentlich von Völkern Germanischen
Stammes, Teutschen, Dänen, Schweizern stellenweise för die fremde
Fahne geworben und gestritten wurde, den unbedingten Gebors^im
gegen die Befehle des ohne alle Goncurenz leitenden Oberhauptes
erwfigt, dann wird es klar, dass nur theils die politisch-strategiscbefi
Fehler desselben, theils die steigende Begeisterung, namentlich der
wider den Zwingherrn bewaffneten Teutschen für die bessere Sache
entscheiden konnten. Jeder Billige wird desshalb auch den Gene-
ralissismus Schwarzenberg, welcher allerdings oft etwas zu bedScfatig
verfährt, gegen unbegründete Beschuldigungen in Schutz nehmen.
Auch der Verfasser spart sie nicht; er spricht dem F-ürsten beinahe
alles militärische Talent ab, findet fast nichts am rechten Fiats und
setzt bis nach Leipzig und über dasselbe hinaus seine kritische
Mäkelei fort. Er legt es z. B. dem Fürsten als innere Anerkennt-
niss der Unfähigkeit aus, wenn er im Bewiisstsein der vor Dresden
gemachten Fehler sich bei Kulm provisorisch freiwillig des Oberbe-
fehls entäussert und denselben In die Hände des Russischen Feld-
herrn Barclay übergehen lässt. Diese Ansicht, auch unlängst sehr
scharf von Förster in seiner Geschichte des Befreiungskrieges aus-
gedrückt, möchte doch nicht überall zutreffen. Schwarzenberg, ein
milder, ausgleichender Charakter, dem es aber keineswegs an Ener-
gie fehlt, handelte so, um dadurch die leidige Spannung mit hoch-
gestellten Russen möglichst für den laufenden, gefährlichen Augen-
blick zu beseitigen. Ueberdiess hatten ja auch hauptsächlich Ros-
sen die Hitze des ersten Schlachttages (29. August) ausgebalten.
Der mitbandelnde General Hofmann (Feldzug 1813) urtheiU da-
her ganz richtig, wenn er S. 174 bemerkt: „Ein ausgezeichnetes
Kommando unter den Augen der Monarchen, durch dessen Ueber*
lassong der Fürst eben so edel , als taktvoll das gute Vernehmen
wieder herstellte.*' —
Auch das darf man dem überaus vorsichtigen und berechnen-
den Obergeneral nicht, wie es hier und anderswo geschieht, rügend
vorhalten, dass er durch einen vertrauten Eilboten die unlängst sieg-
reiche Schlesische Armee zur schleunigsten Hülfe aufforderte. Dens
er fürchtete, Napoleon werde stark und rasch nachdrängen. Jener
aber, von seinem Un- und Missgeschick geleitet, blieb still sitzen,
träumte von einem glorreichen Abstecher auf Berlin und überlieas
den General Vandamme entgegen dem förmüch zugesagten Bei-
stand seinem bekannten, übrigens nicht unrühmlich beslAiideDem
Denkwürdigkeiten def Genernls Grafen v. Toll. 657
VerhSo^niss. Wenn das alles mit übersendender Oröndlichkeit von
neaem nachg^ewiesen wird, so kann man andererseits schwerlich mit
dem herben Unheil übereinstimmen, welches hier über Ost er-
mann, neben Eu^en von Wirtemberg dem Helden des ersten
Schlacbttages , gefällt wird. Jener kühne, obachon vielleicht stra-
tegisch nicht reich entwickelte, eigenwillige Mann rettete nun einmal
die Ehre des Tages und blieb bis zur Verwundung fest auf seinem
Posten; er zeigte allerdings etwas Spartanisches und gewann rasch
solchen Ruf, dass Russen und Teusche im Laufe des Befreiungs-
krieges sein Verdienst unumwunden anerkannten und der spätem,
mäkelnden Kritik ziemlich fern blieben. Freilich hätte auch der
Teutsche Fürstensohn ein Denkmal verdient, aber daraus folgt noch
keine Bevorzugung oder gar Unwürdigkeit Ostermanns, für und
wider welchen neulich sogar eine Zeitungskontroverse entbrannte.
— Suum cuique. —
Mit Geschicklichkeit und Sorgfalt schildert der Verfasser be*
sonders auch die Begebenheiten, welche zur Leipziger Katastrophe
fuhren und in derselben aufgehen. Es wird hier aus dem vielen
Merkwürdigen nur ein, nicht sehr bekannter Zug hervorgehoben,
welcher neben so manchem Andern für die diplomatisch-mimische
BeHihigung des grossen Franzosenkaisers spricht.
„Er habe geglaubt, äusserte der betrogene Sachsenkönig dem
ausserordentlichen Bevollmächtigten Toll (19. October), man habe
die Sache (den Beschluss einer vom Leipziger Magistrat zu veran-
staltenden Friedensmission) aufgegeben; vor einer halben Stunde
aber sei sein hoher Verbündeter, der Kaiser Napoleon, bei ihm ge-
wesen und habe ihn versichert, dass er Leipzig nur verlasse um
im freien Felde zu manövriren, dass er aber die Stadt in zwei oder
drei Tagen entsetzen werde** (S. 467). — So belohnte der ge-
feierte Mann seinen treuesten Bundesgenossen in den letzten Augen-
blicken des Zusammenlebens mit wissentlicher Unwahrheit, wenn man
will, theatralischer Kunstmeisterschaft. Da musste er wohl endlich
am Ueberraass seiner Siege (les exc^s de la victoire), wie eine
heutige Phrase lautet, zu Grunde gehen und zuletzt auch die besten
Freunde stutzig machen. — Das bekannte Wort: ^parlez-nous de
Lni grande m^re!^ müsste doch nach gerade für den patriotischen,
Ruhm und Frieden liebenden Nachwuchs, — die neuen Kaiser-
m ach er, diess- und jenseits, seine Gültigkeit verlieren, zumal die
Historie noch andere, näher gelegene Dinge und Persönlichkeiten
dem gebildeten Publikum vorzuführen hat. Dahin gehört schon der
folgende, von Hoch und Niedrig wohl zu beherzigende Gegenstand,
welcher hier jedoch nur ganz kurz berührt werden soll.
86S Merlekdr: Mofolofie.
Mu9olo<fU. SystemaUsehe üebersicht de» EnUoieklung9gang€» dtr SprO'
chen, Schriften^ Drucke, Bibliotheken, LehranstaUen, lAieraiMr
ren, Wissenschaften und Künste, der Bibliographie und des U-
terarischen Studiums. Von Karl Friedrich Merleker.
XVL 439 S. Leipsüf, Brockhaus 1857.
In dieser langen, alle Völker und Zeiten umfassenden Ge-
dllcbtntss* und Ehrentafel finden sich auf sinnige und sor^fSUig«
Weise die Nanoien und Verdienste der Arbeiter im geistigen Wein-
berge des Herrn aufgezeichnet. Es sind nicht die Waffen des Ejaeni
und die Thaten der leiblichen Eroberung, wodurch sie glfinsen, son-
dern die stillen, nichts destoweniger oft harten und drangsal volles
Künste und technischen Handwerke des Friedens, deren erbliche
Ueberlieferung und Geschlechtfolge eigenth'ch den Bau der Mensch-
heit, obgleich häufig unscheinbar, stützt, zusammenhält und vor des
bisweilen nothwendigen Invasionen des zerstörenden, aufw-ublendeD
Krieges der militärischen Eroberer schirmt. Da das GedScbtnisi,
oder, was hier gleich ist, die Schrift nach Aeschjlos der Mnsen
Mutter ist, so hat der Verfasser seine systematisch oder logisch an-
geordnete Heerschau nicht ohne Grund Musologie geheissen. Sind
zwar manche Namen der Gegenwart nicht aufgenommen, so ge-
schieht das wahrscheinlich nicht aus spröder GieicbgültigkeU, son-
dern in der Hoffnung, die Uebergangenen möchten noch w^ere
Früchte tragen und dadurch erst ihre begonnene Wirksamkeit ab-
schliessen, ihr die Krone aufsetzen. Dass eine derartige Arbelt, wie
sie hier auftritt, die Verbindung der mann ichfaltigsten, tiefsten Kennt-
nisse mit Scharfsinn und vergleichender Gombinationgabe fordert,
liegt auf der Hand. Schon ein flüchtiger Blick auf die v^:schie-
densten Stücke und Gänge dieses literarischen Riesenlabyrinths kann
leicht lehren, dass allen billigen Forderungen Genüge geleistet wurde.
An einzelnen Ausdrücken und Ueberschriften muss man dabei nn
so weniger Anstoss nehmen, je entschiedener hier in manchem Be-
tracht wirklich etwas Neues nach Vorbedacht und Plan unternom-
men wird.
Letzterer erhellt am deutlichsten aus etlichen Stellen der Vor-
rede, welche auch der Hauptsache nach treue Erfüllung und vA
Ihr empfehlende Gründe finden. „Ein wesentlicher Tbeil der Cd-
turgeschichte, heisst es da, ist die Musologie, welche den inlsl*
lectuellen oder scientifischen Menschen zum Gegenstande hat. Polg-
lich ist Musologie diejenige Wissenschaft, welche in sjstensatiselMr
Ordnung und historischer Reihenfolge mit den literarischen Erseof^
nissen und wissenschaftlichen Leistungen der Menschen, also mit der;
Gesammtheit der in Sprache, Schrift und Druck vorhandenen Gci-i
steserzeugnisse, bekannt macht, ganz abgesehen von dem sachlidiiB '
und formellen Unterschied derselben.
Dieser Unterschied begründet sofort die Unterscheidung swisehon
originellen oder ursprünglichen, unmittelbar aus der Bchöpferiaeiwi
Ki^yiilct Jonuf Mofer. M9
Kraft des mentcblicben Geistes hervorgegangenen und swiscben ^en
aecond&ren, dorch die erstere bedingten und an sie anknüpfenden
Geisteserzeugnissen. Die erstem lassen sich der Kürze wegen die
positiven, die letztern dagegen die negativen Leistungen nennen.
Daraus folgt, dass die Musologie nach zwei Richtungen hin
ihren Weg einzuschlagen und ihre Aufgabe zu lösen hat, indem sie
einerseits die Literatur, andererseits die durch jene veranlasste
Gelehrsamkeit so vollständig, als es nur irgend gelingen mag,
nachweisen rnuss^ — So ferne nun, wird nach weiterer Feststel-
lang der scientifischen Begriffe und Namen z. B. Koinodoktologie,
beigefügt, das vorliegende Buch mehr biete als eine Geschichte der
Literatur oder Gelehrsamkeit, indem es beide Richtungen zu
vereinigen suche: dürfte auch der Titel Musologie gerecht-
fertigt erscheinen. — Daran wftre auch wohl nicht viel auszusetzen
und eben so wenig an dem eigentlichen Zweck des Buches, welches
aus dem ungeheuren Reich des orbis doctrinae sowohl für die s. g.
positive als negative Gelehrsamkeit oder Geistesarbeit jedem Ge-
bildeten, namentlich jedem Studierenden, eine allgemeine Uebersicbt
des menschlichen Wissens zu verschaffen sucht. Diesem Ziel hat
aieh der Verfasser trotz einzelner, etwas befremdenden, vielleicht
nnnl^thigen Terminologieen um ein namhaftes sicherlich angenfthert;
seio Buch verdient volle Empfehlung, da es Plan und verhäitniss-
mXssige Vollständigkeit besitzt, zwischen dem zu viel und zu we-
nig die schwierige, didactische Mitteistrasse einhält. —
JusiuB Moser. OtsehUderi van F. Kreyssig, Mü dner Ab-
bildung von Möser^B Denkmal in Osnabrück. I\, 153, 8. Ber-
lin, Nicolai, 1857.
Es ist zeitgomäss, das Bild dieses Kraft- nnd Ehrenmannes,
welcher für gar manche Dinge politisch-literarischer Art Bahn brach,
wieder aufzufrischen. Helfen wird es zwar wenig ; denn die grössere,
£^ebildete Leserwelt beschäftigt sich schwerlich mit den Schriften
nnd Bestrebungen des Osnabrückers vom alten Schrot und Korn.
Dennoch ist es nicht überflüssig, Leben und wissenschaftliche Wirk-
samkeit des berühmten, dennoch jetzt wenig gekannten Mannes in
einer Skizze beider Richtungen von neuem dem Publikum vorzu-
/Obren ; denn dieses hat an einem kurzen, übersichtlichen Buche ge-
wiss mehr Geschmack als an den gesammten, in der That vom
heatigen Denken und Schreiben vielfach abweichenden Werken.
Von denselben werden hier neben den biographischen Nachrichten
swecfcmässige, nach gewissen Kategorieen geordnete und erläuterte
Anezüge gegeben, z. B. über förmliches und wirkliches Recht, über
Privalrecht, religiöse Bewegung, Pädagogilc, sociale, literarische, äst-
hetische Verhältnisse. Alle diese Stücke sind so vortrefflich ge^
wSlilt und erläutert, dass sie auch dem weniger Vorbereiteten Nutzen
860 Thietmari peregrinatlo. Ed. LanNBi
und VergniigeD gewähren müsflen. Dieas gilt besonders toh der
aphoristischen Zergliederung des Hauptwerkes, der OsnabrGckiscben
Geschichte, welche in mehr als einer Rücksicht für den politisch-
rechtlichen Standpunkt trotz einzelner Missgriffe Bahn gebrochen hat
nnd noch heutigen Tags frisch bleibt. Um so höher muss man die
Bescheidenheit des Verfassers anschlagen. In der Vorrede zur zwei-
ten Ausgabe des ersten Theils (1780) heisst es nämlich also: ^Nadi
meiner jetzigen Empfindung zu urtheilen, hätte ich mich nie in das
Feld der Geschichte wagen sollen ; sie erfordert den ganzen Flei»
eines Mannes, nnd nicht bloss einige Nebenstunden. Indessen glaube
Ich doch immer, manchem einen Stoff zum weitern Nachdenken ge-
geben zu haben, und einige Nachsicht zu verdienen, da ich mdoer
Arbeit keinen höhern Preis setze, als sie bei Weisen und Ttioreo
gelten kann.' Mit diesem merkwürdigen nnd liebenswürdigen Selbst-
bekenntniss des Helden empfiehlt sich^ sein entsprechender Schatten-
riss am besten der Teutschen Leserwelt, gerade weil letztere an
derartige Geständnisse in der Gegen vvart schwerlich gewöhnt ist
Uebrigens möchte ich keinesweges mit dem Biographen Möser's Ao-
aichten über den ältesten Zustand und die ursprüngliche ^Beanlagnog'
seines Volks gerade für „idealisirt^ halten (S. 31}; sie ent-
sprechen vielmehr dem Kern nach der ehemaligen, auf Zeagnl^es
und Schlüssen ruhenden Wirklichkeit, welche allerdings später
vielfach in den Gegensatz umschlug und dann Stoff zum Zurüek-
wünschen oder Idealisiren gewährte.
Mag. Thietmari peregrinatio. Ad fidem codicis Hamburgensis cum
aliia libris manuscriptis collaii edidit, annotatione Ulustravü
codicum rectnsum scripiurae discrepantiam indicem rerum
et verborum adjecü J. C. M, Laurent, Dr, ete. ffamburgi
1857, 4. 80.
Der steigende, auch dem blödesten Auge erkennbare Eifer fSr
die alte, katholische Mutterkirche und die mit ihr verbundene Wall«
fahrt macht den Abdruck des genannten Pilger- und Touristenbüdf
leins doppelt interessant. Diejenigen nämlich würden sehr irrea,
walche da vermeinten, nur Sehnsucht nach den heiligen Stattea
und dkenge des Gelübdes hätten ausschliesslich gen St. Jage ds
Composteila, Rom oder gar Jerusalem den Sohn des Nordens ge*
führt; Wissbegier, Abenteurerei und Weltlust im bessern Worlver»
Stande wirkten neben der Frömmigkeit und dem Gefühl des einige^
gegenüber dem Heidenthum und Islam mit Wort und That schlag*
fertigen Christenbekenntnisses. So kam es denn, dass Reisetag«*
bücher im Mittelalter nicht selten die Färbung der PilgerandaA
trugen, Touristen, wie man heutigen Tags spricht, mit der Tascba
und dem Stabe des Wallbruders angetban, ein Stück der Wdl
durchstrichen und heimgekehrt ihre Beobachtungen und Erlebnisis
HerteVerf : Leben dea Afetilaof Ton Spartt. 801
in Schrift setsteD, dadurch einem grossem oder kleinem Kreise su*
g2oglich machten. Derartige anspruchslose Erzeugnisse, wie in Be-
treff der Isländer des zwölften Jahrhunderts bereits vor Jahren Wer-
lauff in Kopenhagen Teröffentüchte (1821), enthalten für den Histo-
riker beachtenswerthe Quellen geographisch - ethnographischer and
kulturgeschichtlicher Nachrichten. Diese sind auch in dem vorlie-
genden Sehriftchen vielfach niedergelegt und nach Verhältuiss der
damaligen Bildung in anziehender, einfacher Sprache (non pompa-
tice, sed simpliciter, heisst es S. 2). — lieber den Verfasser, Ma-
gister Dietmer, ist nur so viel bekannt, dass er, ein gebomer Teut-
Bcher, aber mit Romanischer, besonders Französischer Zunge ynd
Weise wohl bekannt, 1217 bald nach dem für das Morgenland ab-
geschlossenen Waffenstillstand eine Pilgerschaar gen Palästina führte,
mit Ihr in Accaron vom September bis zur Mitte Octobers verweilte
und dann die heiligen Stätten besuchte, bald in Gesellschaft, bald,
wie es scheint, ziemlich allein, mit besonderer Aufmerksamkeit auch
den Sinai und Zugehör betrachtete.
Der Herausgeber hat philologische Sorgfalt und exegetischen
Fleiss angewandt, dieses Immerhin merkwürdige und lehrreiche 6e^
denkbuch eines mittelalterlichen Touristen der heutigen Leserwelt
näher zu bringen; vielleiclit wäre eine Uebersetzung, wenigstens dex
wichtigsten Abschnitte, hinlänglich gewesen. Indess über den Ge-
achmack ist nicht zu streiten; möglicherweise lieset man noch in
der einen oder andern Schule Bruchstücke des Meisters Dietmar mit
derselben Theilnahme, welche etwa die Landesbeschreibung des Pau-
«anias findet.
Das Leben des König» AgtsUaoB IL von Sparta. Nach den Quellen
dargestellt van Dr. Oustav Friedrieh Hertsberg, Pri»
vaidoeent der Geschichte an der Universität 9u Halle. VL
379. 8. Halle, Waisenhausbuchhandlung, 1H56.
. Der Verfasser, auf dem Gebiete der Griechischen Geschichts-
kunde schon durch den Lebeoslauf des Alkibiades rühmlich bekannt,
liefert hier ein treffliches, sowohl stofflich als stilistisch ausgezeich«
netes Charakterbild des bald zu hoch, bald zu niedrig angesetzten und
benrtheilten Spartiatenkönigs. Er zeigt, wie derselbe als Sohn sei-
ner Zeit, Naturanlage und Umgebung nicht wohl anders werden
konnte als ihn die Rathschläge und Thaten darstellen, und wie
•elbst bei einem allfällig schwungvolleren, gemein- Hellenischen Auf«
tvitt seines Genius die Fittige unter dem bleiernen Gewicht der zeit-
genössischen, Insonderheit materiellen Kräfte sinken, Held und Schick-
sal endlich nicht sowohl tragisch denn hundsföttich endigen muss^
ten. So gehet es gewöhnlich, wenn man gar zu klug und verstän-
dig handein, alles abwägen und zuletzt vor lauter Selbststicht und
Geldirsamkeit zu nichts, ja, weniger als nichts gelangen wUL Das
MS Denethii : L«fiiiii <|vae ad jnt cirile fpectom frtpBenta.
Leben dieses tapfern, immerdar thlti^eo Fürsten mit hellem Kopf
nnd muthigem Herten starb haaptsSchlich desshalb fhichtloa ab,
weil ibm die frische Begeisterung für eine gesammthellenische Idee
fehlte und mit ihr danerhafteSi auf Gerechtigkeit und Treoe ruhen-
des Glück. — Der Verfasser, durch musterhaften Fleiss und nidit
selten erfolgreiche Combinationsgabe änterstütst, hat dem Leeer ein
anscbaoliches Bild der immerhin seltenen Persönlichkeit mid gSh*
renden, zerrissenen Zeit vorgeführt, Quellen und Hälfsmlttel wohl
ersrihSpfend. benutzt nnd in die Anmerkungen vertheilt, den That-
bestand tüchtig gesichtet und gegliedert, die Erzählung klar ond
einfach mit geringen Ausnahmen gestaltet. Hinlänglich vorbereitete
Leser werden daher das Bnch zu verstehen und zu würdigen wis-
sen ; wer aber nur leichte, in pilcanten Urtheilen und flüchtigen Um*
rissen sich gefallende Unterhaltung sucht, mag sich getäuscht finden.
Der Stoff ist übrigens so geordnet, dass der erste Abflchnitt
die Schicksale des Königs vor seiner Thronbesteigung (442—397
V. C.) behandelt, der zweite die Feldzüge in Klein-Asien nnd Nord-
^Griechenland (397 — 394) darstellt, der dritte die militärisch* diplo-
{satisiche Thätigkeit in Griechenland und den Höhepunkt der Madbt
894 — 379) schildert, der vierte endlich die Folgen der angewand-
ten Politik und den Ausgang ihres Urhebers (879 — 360) besehreibL
Ueberall greifen zweckmässige Unterabtbeilungen oder Kapitel in
die Hauptabschnitte ein und halten die oft sehr verschlungenen
Fäden der Begebenheiten ohne Zwang zusammen. Eine nicht ganz
gelungene, etwas zerfliessende Charakteristik des Königs scfallesBt
den erzählenden Theii des Werks, welchem dann die Quellen nsd
Hüifsschriften nebst reichhaltigen Anmerkungen folgen. Eher möchte
hier des Guten zu viel als zu wenig geschehen sein, ein Vo^hält-
bIss, ia welchem bei der steigenden Gleichgültigkeit gegen Beweis»
ftthmng jedoch mehr ein Lob denn Tadel liegen mag.
Legum quae ad jus civile spectant fragmentaj in utum pradedio-
num coUegit, disposuüj annotaiione indruxU Ousiav Demt^
Hu 8. Jur. uir. Dr. Vismariae MDCCCLVJJ. 60 pp. in ^
(Preis 10 Sgr. 36 Kr. rhein.)
Ein sehr brauchbares und nützliches, mit Geschick nnd Fleln
abgefasstes Werkchen. Es enthält in systematischer Zusammeiistrf^
lung die Bruchstücke des Textes nnd den Nachweis der Machrieh«
ten über den Inhalt der auf das römische jus civile beaflglichcD
Gesetze, welche sich bei den juristischen und nichtjuristischen Sohritt>
steilem des Alterthums vorfinden. In Anmerkungen am Fnsse jeder
Seite sind die bei der Interpretation der einzelnen Sätze nnd Stellen
noch In Betracht kommenden weiteren Quellenstellen, nnd ist znglddi
In reicher Auswahl die neuere und neueste Literatur angemerkt, und
hier und da sind auch passende kurze Erläuterungen beigelägt
Demeliuf : Lefoai fsa» »4 jua driU tp%e\»wit frafnmta. MS
Den ersten Abschnitt bildet die lex XII tabnlarom (pag.
1 — S2). Die Anordnung ist folgende: L Jas pablicom, mit
mehreren Unterabtheilungen, nämlich A) De legibos publicis jferen*
die. B) De judiciis publicis: a) de provocatione , b) de poenis.
n. Jus sacrum. HI. Jus privatum, und zwar nach dem
Systeme der Gajanischen und Justinianischen Institutionen: 1) Jus
quod ad personas pertinet mit den weiteren Unterabtheiiungen : a) ser-
Titua, b) patria potestas, c) mauus, d) tutela. 2) Jua quod pertinet
ad res : a) de rerum dominio, b) de hereditatibus, c) de obligationi-
bus. 3) Jus quod pertinet ad actiones. Bei den einseinen Sätzen
des XII Tafelngesetzes ist am Ende der Citate in eckigen Elam*
mern die Nummer der Tafel und des Capiteis angegeben. Deber
den Inhalt des XII Tafelngesetzes erhielten wir schon inEsmarch'a
römischer Rechtsgeschichte (Göttingen 1851) S. 46—52 eine syate*
matiache Uebersicbt, jedoch ohne zahlreiche Quellenbelege, und so wie
diese ganze Rechtsgescbichte neben andern Mängeln auch an grosser
Dürftigkeit leidet, so war auch hier der Inhalt der XII Tafeln bei
weitem nicht in solchem Umfange dargestellt, als wir dies jetzt bei
D e m e 1 i u s finden.
In einem zweiten Abschnitte (pag. 23 — 44) folgen unter jedes»
mal der Ueberschrift beigefügten, nach den Jahren christlicher Zeiir
rechnnng und den Consuln bezeichneter Zeit ihres Erscheinens ata
„aliae leges quae ad jus civile spectant^ im Wesentlichen
in derselben Ordnung wie das jus privatum der XII Tafeln: L ata
joa quod pertinet ad personas, und zwar A) Ober die servitus: die
[ex Aelia Sentia, Junia Norbana, Furia Oaninia, Petronia; B) über
las matrimonium: die lex Canuleja, Mensia, JuUa de adulterita nni
le divortio; C) über die tutela et cura: die lex Claudia, Atilia,
Falia et Titia, Plaetoria. 11. als jus quod pertinet ad res, A) de
erum dominio: die lex Atinia, Julia et Plautia, Julia repetundaroai,
ifaiDilia, Scribonia; B) de hereditatibus: die lex Furia testamenta^
I«, Voconia, Falcidia, Cornelia, Junia Velleja; C) de donationibua:
Se lex Cincia ; D) de obligationibus : die lex Apuleja, Publilia, Furia
te sponsu, Pompeja, Cornelia de sponsu, Poetelia, Aquilia. Jetzt
ommt nochmals als Dj de actionibus (wohl aus Versehen statt der
Jeberschrift : III. jus quod pertinet ad actiones) : die lex Plaetoria,
^iostria Crepereja, Silia, und es wird für die lex Calpurnia, Publiliai
'nria de sponau und Furia testamentaria auf oben schon gemadiM
.n^aben verwiesen, worauf dann hier noch folgen: die lex Mardai
'aüeria, Hostiiia, Calpurnia, Junia, Aebutia, duae leges Juliae de
tdi^My und zuletzt die lex Julia de cessione bonorum.
Ein eigener dritter und letzter Abschnitt ist nun noch (pag. 45—^
3^ der lex Jnlia et Papia Poppaea gewidmet. Am Ende
»0 Caches steht ein Index über die Reihenfolge der angegebenen
esetze. Als Druckfehler fielen uns zufiülig anf: pag. 14 Zeile 2
10 unrichtige Citat fr. 20 $. 1 eod. und auf S. 38 die Ueber^
8M JUmanoh: Die p^IytechDudi« Schule so Hauover.
Bcbrift de heriditatibus. Uebrigens ist der Druck und die Aussttt*
tQDg Bcböo und der Preis mäesig. Friedrl^i Vertef«
Die polytechnische Schule su Hannover. Von Karl Karmarschj
Dr. pK erstem Director dieser Lehranstalt u, s. ta, Ztoeiitj
sehr erweiterte Auflage. Mit drei Blättern Abbildungen des Ge-
bäudes der Anstalt Hannover, Im Verlage der Hahn^sek»
Hofbuchhandlung 1856. 276 8. in gr. 8.
Zur Feier des fünf und zwunEigjäbrigen BesUDdes dieser Sebole,
die bekanntlich zu den bedeutendsten der Art in Deutschland ge-
hört, erschien diese Darstellung, welche über die ganze £inricbtunf
der Schule, wie sie jetzt besteht, und über alle Tbeile der Anstalt
seihst sich in einer äusserst detaillirten und voUstäudigeQ Weise
Terbreitet, so dass Jeder, der über diese Schule sich näher belehreif
und von ihren Leistungen ein treues Bild gewinnen will, hier alle
Befriedigung finden wird. Auf die Angabe des dermaligeo Perso-
nalstandes der Lehrer folgt die nähere Angabe der einzelnen Lehr*
gegenstände, so wie Alles Dessen, was auf die Aufnahme in die
Anstalt, das Unterrichts^ eld u. s« w. sich bezieht. Dann kommen
die disciplinarischen Verhältnisse, die Schulgesetze, die ganze Art
ond Weise der Unterrichtsertheilung, die Prüfungen, Zeugnisse, Pri*
mien, die Stipendien und Freistellen zur Sprache, wobei die betreffendes
gesetsiichen Bestimmungen der Reihe nach aufgeführt werden, über-
haupt Alles, was die innere und äussere Stellung der Anstalt betriffi,
besprochen wird« Nähere Angaben über die der Schule zu Gebote
stehenden wissenschaftlichen Sammlungen felilen ebenfalls nicht, m
wie eine genaue Beschreibung des Gebäudes der Schule, wozu aock
die auf zwei Tafeln beigefügten Abrisse, so wie die dem Titelblatt
gefifenüberstehende Abbildung des Gebäudes von der vorderu Seite
gehören. Weiter beachtenswerth erscheint auch der Rechenschaft!-
bericht der (S. 158—188} über die Wirksamkeit und die Erfolgt
dieser Schule während ihres fünf und zwanzigjährigen Bestandei
gegeben wird, so wie eine Schilderung der dadurch hervorgerufen«
Festfeier selbst, der auch ein Verzeichuiss alier Derer, welche die
Schule bisher besucht, nebst Angabe ihrer jetzigen Stellung beigeg
ben ist Da nun alle diese Angaben aus ofiiciellen Quellen gescbs^
sind, so gewinnt das Ganze dadurch einen offlciellen Charalitef, I
seinen Werih und seine Bedeutung nicht wenig erhöbt. Bei d«
jetzt überall hervortretenden Streben, ähnliche Anstalten der Arti
gründen, oder, da wo solche bestehen, diese zu erweitern und i
verbessern, wird diese Darstellung, abgesehen von dem Werth, ds
sie für Jeden hat, der diesen Weg der Bildung einschlagen «fl
von besonderem Nutzen sein und die wünschenswerthe Belebra«
geben können. Die äussere Ausstattung der Schrift ist eine änsaeq
anerkennenswerthe«
k. SS. aeiDEiBeiiGEit ntt
jahbbOghsr der iiteratur.
Su9ton$ Kaiterhiograpki^^ verdeut$clu von Rudolph 8tahr, ZtctUes Band"
lAen. Sluitgari, Hoffmann'ühe VerlagOuekhandlung 1857. 8. 225^495
in 8.
PUto's mtsgoDdhlu Werke. DetOsch von K. Pranil FünfUr Band. Der
Statu ; UDtiU Hälfte. Stuttgart u, s. uf. 8. 257—428.
Xenophon'M hellemtche Geschichte. üeberselU wm Dr. F. Rieckher, Profeeear
am Obergymnasium §u Htübronn. Stuttgart u. s. u>. XIV und 258 8.
Des P. Co\-nelius Tacitut Werke. DeuUch wm Ca^rJ Ludwig Roth, Ifc.
Dr. Gffmn, Recior u. s. u>. Fünfter Band. Annalen iL bis 13. Buch.
Stuttgart u. $. ir. 114 8.
Paueaniat Beschreibung wm Griechenland. Aus dem GrieehisiAen iAersetU «o»
Dr. Joh. Heinrich Chr. Schubart. Erstes Bändohen, StuUgari u. s. w.
190 8.
AwA unter dem weiteren Titel : Neueste SammUmg ausgewMter Qri^dns^ter und
RämsMcher Classiher^ verdeutscht von den berufensten üeberseisem. Liefg.
aO— 54 inel.
Nach den mehrmaligen, auafuhrlichen Besprechungen der früher erschie-
Denen Tbeile dieser ganzen Sammlung (s. noch suletzt diese Jahrb. Hr. 20),
können wir ans hier auf eine kürzere MiUheilung über die seitdem neu hin-
zagekommcnen, oben angezeigten Theile beschränken.
Snetonius erscheint mit diesem zweiten Bändchen vollendet: die Ans-
führung ist auch in diesem Bfindchen durchaus gleichmttssig dem ersten Band-
eben, worüber an dem eben a. 0. näher berichtet worden. Am Schlüsse ist
eine ^Uebersicbt der Julischen Dynastie von Cäsar bis Nero*^ beigefügt, wa«
bei den verwickelten, nicht jedem Leser so bekannten Familienverhältnisfeil
der kaiserlichen Familie als eine nütiliche Beigabe anxasehen ist.
Die neu hinzagekommene Uebersetznng der Hellenischen Geschichte Xe-
lophon's empfiehlt sich durch die Sorgfalt nnd Genauigkeit, mit welcher
ier Uebersetzer sein Werk unternommen hat, über dessen Charakter and
Ifeirth er in einigen einleitenden Bemerkungen, denen eine Inhaltsanzeige und
Thronologie der in Xenophon's Werk berichteten Ereignisse angereiht ist, den
>ser zweckmässiif belehrt hat. So wenig er die Verschiedenheit, welche die
iFeiden ersten Bücher des Werkes, als eine Fortsetzung des Thucydideischen
peschichtswerkes, von den fünf folgenden trennt, verkennt, eben so wenig
eheint er doch der Ansicht zu huldigen, welche desshalb zwei ganz ver-
chiedene, getrennt von einander abgefasste and ausgegebene Schriften in den
mn jetzt vorliegenden Werke erkennen will: einer Ansicht, von der sich
ekiwerlich Jemand wird überzeugen können, der mit Anfmerksamkeit alle
leben Bücher Hellenischer Geschichte durchgelesen hat, die allerdings nicht
a einer und derselben Zeit niedergeschrieben worden sind, aber darum noch
Ichk als zwei verschiedene Werke gelten können. Uebrigena glaubt der Yer-
L. Jahrg. 11. Hef». B&
8M WMafch:
fuMT, et feien die beideii ersten Bftcher „ohne Zwetfel' (?) ragMch mx
dem Wecke des Tlmcydidef bekannt femecbt worden; die Aalkeicbniiiiit and
BekanntoMckonf der ikbrifen geboren eitem splteren Bntgchlntfe Xenopkov
an. Die in den beiden ersten Bachern vorkommenden Interpolelionen, wdcbe
der VeriMser te apMere Zuütee oder Binaeblebie} ansah, flanbt er naa be-
sten aus dem Texte selbst ansscheiden und nnter denselben verlegen sa mis-
sen. Aneb finden sieb hier und dn nnter dem Texte knrse erkHirende An-
merkungen beigefflgl
Die Uebersetsnng des Pausanias gebdrt, selbst abgesehen Ton
saehlieben Sebwierfgkeiten , durch die mangelhafte und Ittckenbafte ]
heit des Textes, in welchem dieser Scbrihsteller auf uns geko
den nnglcicb schwierigen Aufgaben , wfthrend die Wichtigkeif und die 1
tung des Aalors selbst seine Aufnahme in eine Sammlung, wie die ▼orliefeadc,
nicht umgeben Hess. «Es ist nun aber die Lösung dieser schwierigea Aufgabe
einem Hanne anvertraut worden, der seit langer Zeit vorxugsweine diesem
Schriftsteller, der Kritik wie der £AlArung desselben, seine Krifle ipewidmet
und in swei Ausgaben desselben, wie in einer Reibe von andern Anfnllaea
und Schriften bewiesen bat, was er für diesen Schriftsteller xn leinten Tcr-
mag, wie er darum auch vonugsweise berufen war, denselben in eia dei*-
•ehes Gewand einankleiden. Se erscheint diese Uebersetsung als cime mtod
ticke, woUvorbereitete Leistung, sie sebliesst sich genau an die Wort» dm
Textes an und sucht diesen getreu in einer fliessenden, gut venltadlioheB
Sprache wiederangeben, da, wo derselbe verdorben ist, den mnthtu saiichea
Sinn so ermitteln und da, wo er lückenhaft ist, ihn nach Wabrscbeinlickkeil
ansinfbllen, wfthrend in den unter dem Text befindlichen Noten die Grfin^
dieses Verfahrens, auch mit Nachweis der betreffenden Literatur kurE nnge-
geben sind ,' so dass Jedem die Möglichkeit einer genaueren Prttfunf gcgebea
ist Wir wünschen baldige Fortsetzung und hoffen am Schlüsse den Gnnmn
auch die nOthige Erörterung Über den Schriftsteller selbst und seine Persön-
lichkeit, wie Über den Charakter seines Werkes in erhalten.
Dwischer j^nus- umd $dUi/-jEromsr fwr die Jugmd nnck E. WiMmwek*M aas**-
toher ÜAenroffung bearbtiM und hgrmugegtbm vmDr. B, W. Wl^dmM^L
MU emm Vorti>&rU des ObencMraAes Fr. KoUrmi9dL Smtgmt. W^
hf dar F. 0. Mei9ikri$dtm BuMandbmg. i857. ErsUr TkeiL iUm
XImd240 S, Ztoeiier Theü, Odyssee. 2$7 S. DrUkr Tkmi. Jh^
läuUnmgen mr lUas und. Odyssu^ bearbeitet und henm^egebm non. Dr. &
W. Wiedasch. tö S. m 8.
Der Verfasser will es versuchen , „in einer neuen Weise den Homer A
Mittel der Ersiehung und Bildung in Schule und Haus nutabar so mncfim*.
wobei er von dem Grundsatse ausgeht, dass Bibel und Homer stets die Gmii^
bBcher unserer religiösen und ftsthetischen Erilehung bleiben mOchtea*; wcw
die eine Seite durch Luther's Bibelttbersetxung Wahrheit geworden, ao nei dll
andere Seite noch nicht so vollständig verwirklicht, und ungeachtet aBer Be-
Mhmir» w mradier Gelehrt«, «e Mbr de« >|Meieneii Zweeke» ier «•-
lohrten Schule ftafrewendet wwdeB, sei Beaer niehl in der denlMhM Jiife»d
eiffeotlich heiniach geworden. „Der Umhreii, fthrt der Yerlhieer S. VDI ferl,
m welehem die homerijche Dichtaiv ihre WiAmif ftusem keim, blieh immer
iiech auf eia verhflhoiiMBiwig geringee HeeM beichriInkL Den« eben d»^
derek, d«M man an dem Hemer in der UrqirMshe feathMl, (md mit allem
Aecht), moMte überhaupt der Hemer achen fikr ein reiferes Aher ak daa vom
sehnten bis eilften Jahre (fOr welehe Jahre allerdings Homer niehl paaat, in
denen er gar nicht Terstanden werden kenn , weil alle nethwendigen Vorhe-
dingnagen fehlen) verspart werden ; und dann hieiht ja offenbar von dem 6e-
ooaae dieses BUdungsmiltels diejenige Jugend heidetlei Geaehleehts gana ana-
gaacbloaaen, deren Bildnngsgeug gar nicht dureh die griechische Sprache fHkrt''
Dleecm Umstand ahmheUen und so die Ltteke auaaofhtten, ist das Toriiegende
Werk bestimmt, welches die beiden Geüqge dea belleniechen Altmebteea,
niaa und Odyssee, in einer um circa neun tausend Yeiee Terhtesten Fas-'
snng» in einer deutschen, meuischen Uebersetaung verlegt, welche treu des
Original aut leichter Verstttndlichkeil der Sprache nachbilden ,,aad rhythmischen
Wohllaut und gesehsMidige Form mit Kraft und WOrde Tereinigen'' , kors eine
nifentiiehe ttachdiebtung des Hemer, wie sie nur ein kindlich ollbnea, diek^
terieeh begabtes GeuOtth tu sehnffen Teimflg», liefern aelL Ob der Yerfease*,
deaaen wohlgemeinter Absicht man alle Reohnung Ingen kenn, mit eine« se
sngestotaten „deutschen Haus- und Schul -Homer** seine Zwecke erreichen
werde, sumal bei der oben beseichneten Altersstufe, die dann noch gar nieh
die Reife besitst, und aller formellen Vorbildung dasu ermangelt, beiweifeln
wir; um den Homer in unserer deutseben Jugend recht beimisch au machen,
wird es nur Ein Mittel geben, wie es die Schule and der gelehrte Unterrieht
bietet : fleissige Leetüre des griechischen Homer's, welche in der Altersstufe
iieifinnt, die bereits die daau nöthige Kenntniss der griechisehea Sprache he-
flitnl, nnd awar eben sowohl in der Schule salbst, wie aacbansaer der Schule,
wenn leichtere Abschnitte, die nicht in des Schule gelesen werden, ausau-
waUen sind , und wobei der Lehrer durch wisksame Anleitung und geeig-
nein Naekhttlfe Viel thnn kann, wttbrend er »gleich wohl daran tbun wird,
miobi dnreh apraekllcke Gontroversen und Stymelegien einaelner Ajusdrtteke
fwenm die Jogend kein Interesse hat, kein Interesse haben kann) nnd eipe
tümm gelehrte Behandlung der mehr ei}rs/erischen LecUkre fiintrag au thnn.
Fe^ilisk und Tor Allem muss eine tttchtige sprechUcb^rammatische Unterlege
dnnn Techanden sein; ein Erforderaiss, das eUeidings nicht befriedigt werden
fcnma, wenn nun den. Hemer mit jttngeren Knaben lesen will, als diejenigen
Mimd , adt welchen man gewöhnlich aal unsei» IKtteUchulea den Homer au
lesen H^^gt, denn wir sind iuNnerhin dev Ansieht 4ms es hei der Lectttre
4ßr homerischen Gedichte nicht blos demuf ankomme, die einaelnen Worte
mmät Formen, knrs das Sprachlich -Grammatische an verstehen, «oudem dass
0m nick auch dnhei dnrnm handelt, eine Einsieht in diese Poesie selbst, ihr
Wenen , ihratti Charakter, und damit auch ihren Weiih und Ihre Bedeutung fUr
adle feigenden Zeiten la gewinnen: daau aher wird eine gewisse Reife, und
gelbst ein schon vorgeettckteres Alter nothwendig sein, um diese GedichDe
ala bnatwerke^ wes sie In dar Tket sind, an hegreifen ue4 sm wOrdigee-
868 Peniice: Die PrOtdie des Ariitoptianee - ,
EadKdi ndehten wir aocb die Ver|tleicbiiii(^ii ond Znsenineiistelliinfeii ah
der lotberiscbeo Bibel bier bei Seite laMen , weil sie, wie wir gflanben , we-
der pafsend nocb ttberbaupt Eulflssifif sind/
Die deutonhe Uebersetinnfr, welche hier ^liefert wird, ist bereits früher
▼olUtKndig im Jahr 1853 erschieDen, sie ist demnach hinreichend bekaavt;
was die aosirelassenen oder aasfesehiedenen Stellen betrifft, wodurch Iliai
und Odyssee in der oben bemerkten so wesentlich ab|rekQrtteB Fasson^ er-
scheint, so sind es aunttchst pAdairofrtsche Rücksichten (jr^wesen, welche da-
bei obgewaltet, nnd S. IX des Nttheren anseinanderf^esetzt worden. Eise
gute EinleitnnK oder Einflihrunff in die LectOre der homerischen Gedidle
Ifiebt der dritte, auch mit besonderem Titel erschienene Theil; man kau sie
ScbQlern and Oberhaupt andrehenden Lesern der homerischen Gedichte in die
Hand ireben, indem in einer gedrilnirten Fassung die Hauptpunkte, welche
aar sachlichen Auffassung im Allgemeinen dienen, ertüutert werden. Nach
einigen Bemerkungen ttber den Dichter selbst und seine Werke folgen Br9r-
terungen ttber die homerischen Gotter im Allgemeinen, so wie ober die aa
einaelne derselben sich knttpfenden Vorstellungen ; dann wird von den BerMi
nnd Helden gehandelt; lule'tat werden die homerischen Vorstellnngen iber
Welt und Erde, ttber die Menschen, deren Beschlftigungen , Sitten nnd Ge-
wohnheiten n. dgl. erörtert Ein kurses Verseichniss schwieriger geographi-
scher Namen macht den Beschluss.
Die Frötcke des Aristophanes. Griechisch und Deutsch mit Einleitung und Com-
menlar von Herbert Pernicey Doctor der Rechte und der Pkilosofikk ■
Ldpüg. Verlag von Joh. Ambr, Barth. 1856. 2i2 S. in gr, 8.
Der Verfasser, indem er diese, frttber der philosephischen Facnllit n
Leipzig mit andern Leistungen zur Briangnng der philosophischen Doktorwürde
Torgelegte Arbeit einem grösseren Publikum durch den Dmck übersieht,
glaubt die Rechtfertigung des eigenen Unternehmens in der Beachaffieabsii
frttherer Versuche, dieses Stack, wie Qberhaupt die Dramen dea AriaSophanei
in's Deutsche zu ttbertragen , hinreichend begrttndet zu finden, weaehaib m
im Vorwort in eine nfihere Charakteristik dieser Versuche eingehet, die ta^
weder einen deutschen Styl geben „der mehr als entsetzlicb unter der Yei*"
DOth gelitten", d. h. unter dem Bestreben einer ganz wortgetreuen Wieder*
gäbe 4eB Originals sich nicht blos die Ärgsten „rhythmischen AbnoraiitSlen*,
sondern auch „abscheuliche Satzverdrehnngen** , „Flickwörter** , „nneiMiii
Phrasen, die weder jemals Überhaupt jemand, noch besonders in dem unter*
geschobenen Sinne gebraucht hat", sich zu Schulden kommen lassen , oder atf
der andern Seite allzu sehr in das Gegentheil umgeschlagen, durch eine afr*
zu freiere Behandlung, die oft die eigenen Gedanken an die Stelle dea frcv
den Originals zu setzen sich nicht scheuet. In die erste Classe werden die
Leistungen eines Weicker, Voss, Conz gesetzt; in die andere Gfanae fallt die
Uebersetzung von Droysen , die der Verfasser für weit vorzuglieker hftH, nni
im Allgemeinen auch die von Malier, denen "dann noch die von Seeger ange-
reiht wird, iQ welcher noch mehr wie.an der Maller'acbeD , nameatlicli nch
Penioe: IN« PrOtelw dea Arbtophanof. 861
■I BftlrMier Hinsidbl, wogen des an di« Stalle dei Trimeter geteteten fttniu
t»amgm Jasbat, aaigMeUt wird. DerVerfasaar der ▼orllegandeo Uel>anet»-
oof glaobta an dem TriaieKer, id «treiif erer Beobacbtaog dar Lingen und
Kttnen deaselben, feathallen, aber die grOaaeren Preiheitea, die sieh ■anoher
kier erlaabt, darchaaa yermeidea iq mttMen, eben weil wir dareb die Natur
aaaerer Sprache darauf hingewieaen seien , den mdglichst reinsten Wechsel
Toa Senknng und Hebnng aufreebt eu erbalten. Hftafig eingelegte Daktylen,
sagt der Verfasser (S. Vlll) und Anapisten geben den Verse Etwas an Ryth-
nouscbes nnd Deklamatorisches, nnd gerade diess muss aufs Sorgftltigste ver-
„sieden werden, da wir ja nnr die Umgangssprache an geben haben, an der
«die metriacbe Form als ein aiifklliges Gewand binsntritt.' Eben so will er
bei dieaem Trimeter die Anwendung hochtrabender nnd dem Alltagsleben
Iremder Ausdrücke oder ungewöhnlicher Satabildungen vermieden wissen: „m
moss der Uebersetaer vielmehr (so lautet seine Vorschrift) durchgängig den
einiichsten Ton und die anspmcbloseste Sprache vorherrschen lassen**. Nach
diesen Grundsätaen bat der Verfasser gearbeitet: er erklärt sich fbr safrieden,
"wenn man ihm angebe, dass er „mit möglichster Treue eine leidliche Elegana
des Ausdrucks und der Versiftcation verbunden, also wenigstens bis auf einen
irewissen Punct hier sowohl die Formfehler seiner Übrigen VorgSnger, als die
Freiheiten Droysens vermieden habe*' (p. IX).
Auf das Vorwort folgt eine Einleitung, welche auf 16 Seiten die ftusaem
Verhältnisse bespricht, unter welchen daa Stack entstanden ist, dann die An-
lage und den Grundgedanken, sowie die weitere Ausfhhrang entwickelt; die
iron einem andern Gelehrten aufgestellte Behauptung, als habe Aristophanes
dm» attische Theatergericht in diesem Stücke lächerlich machen wollen, wird
Caoit gutem Grund) beseitigt, und als Zweck des Ganaen die auf ^Verspottung
des Tagesschmackes, d. h. der Vorliebe für Euripideische Dichtung, und auf
eine genaue Kritik derselben im Vergleich au der Würde des älteren Drama's
liinaaslaufende Absicht des Aristophanes anerkannt (S. 0 fL) Auch Ober den
Chor der FrOsche, in welchem schlechte Dichter, wie Manche glauben, ver-
spottet sein sollen, verbreitet sich der Verfasser, indem er sich der Ansicht
mrelckers ansehliesst, welcher an die „iv Xifivats** gefeierten Lenäen denkt,
in Sümpfen aber die WohnsiUe der FrOsche suchen will, wozu noch die Fahrt
des Dionysos über den stygischen See oder Sumpf komme, welche den ein-
lachen Anhalt gewähren soll, warum der Dichter die FrOsche auf die Bühne
bringe (S. 11). Ob damit aber die ganse Erscheinung und das Auftreten der
FrOaebe, die doch wieder den Chor der Eingeweiheten darstellen, nach sei-
ner ganaen Bedeutung, und nach der Stellung des Chors in allen andern Thei-
leai des Stückes hinreichend erklärt ist, wird man so unbedingt schwerlich
dem Verfasser angeben , da hier doch wohl noch andere Rücksichten in Be-
tracht au sieben sind, auf die wir hier, wo wir nur einen Bericht über eine
neue Uebenetaung abaustatten haben, nicht weiter eingehen können.
Auf die Einleitung folgt nun die deutsche Uebertragung mit gegenüber-
sftebendem griechischem Texte; es schliessen sich daran S. 181 ff« einige Ei^
glArimgen an einaehien Stellen, in welchen der Verfasser näher seine eigene
Einsieht über die Anffaaanng nnd Erklärung derselben entwickelt hat; einen
l^rtUttfenden, lom Verständniss des Gänsen dienenden Commentar hat der-
tM FmfODtt Üb FffOiolM dal
ftUia ■khft Mfeg«tai; «adi Mbe mh^, mgi er>
w fdkA hab6» A«9ibMiob6ret ^if^nuskt, MMt Mck fau kwMr Aato-
1«« (Im CMtikei» oier dar AMpMhuify auf die mir bakaanta baüa Aail^
ffWf oder BeaprechaDf dar Aaigaban verwiataa« da iab ain laafaa ffaeUiaUa
fiandar WaiaMt Air Raamraracbwendaiif hiM". Wir werden daM freiM
aaab wohl frafen dftrfen, welebe Claaie voo Leaem der Verfasser kiartai,
wia itofcaapt bei der Aalage seiaes Werkes, dean eifentlicb tot Amgm ^
babi liabe. Sind es GeMrle» Pbilolofea «od Mlaaer des Faches , so
diaae woU fcami einer deviseben Ueberselaiinf bedarfso, die
mH eineai Abdmek des grieebisoheo Textes, den sie aoeh in andern i
besllaen» veneben ist; sind es angebende Pbilologen, die den AriM^bsMs
privalMB nit einer aweckmlssifen Anleitnng nnd NacbbaKe lesen w^ien« m
werden diese bier bei der Brklftmaf gar Mancbes vemaasen , wns nie dach
wtoseben, was ibnen aelbst nOdug isc, an erfabren, was aber Mer ahsicl^
Heb Ton dean Verfasser Abergangen ist; nnd derselbe Fall dtrfte noob io waü
hObeieB Gmde bei soleben Lesern eintreten, die des Griecbiscben entwete
TdlHg nnkundig, oder doch nicht in den Grade händig sind, nm daa Süd
in^ Originaltexte an leaen ; aber doch von der komischen Poesie des Aristoph»*
■es eine Veratellang und einen richtigen Begriff gewinnen wollen. LetaHif
werden allerdings in der denischen Uebertragung sich aiebrlaeh befriedigt
luden, und aelbst in höherem Grade, wie dies bei den frAberen Debertra-
gnogen der Fall Ist: aber manche aachlicbe Beaiebung, die doch mun Ver-
stlndato dea Gänsen noihwendig ist , wird ihnen entg^ea , nnd so anch eins
richtige Anflassnng des Gauen kaum mOglioh werden. Auf die Uebertragnaf
aelbat sebamt der Verfasser es hanptsftohlich angelegt an haben, naa wirf
aoeb hol einer näheren Durchsicht derselben |nnd einer Vergletebnag nsil an-
dern Uebersetanngen bald linden, dass er Manches besser, wie seine nldislaB
VorgAnger Oberselat hat, aneb dass er meistens in einer deutlichen nnd vci^
stilndlichen Sprache ttbersetat, welche die Nachahmung fremdartiger Slmctnrss
nnd Wendungen vermieden hat; wenn es aueh gleich an einaelnen SleDsa
und Ausdrucken nicht fehlt, in welchen wir Grund au einigem Bedenken An-
den. Wir wollen indess diese Bedenken Ibr jetat nicht weiter verfolgen aaA
lieber als Probe den Lesern eine grössere Stelle vorlegen , die ana, nncb ia
Beaug auf die metrische Gestaltung, su den wohl gelungenen und gloAM
nncbgebildeten au geboren scheint; wir meinen die Parabase Vs. 687 ft, dcNA
eiater Abaohnilt also in der Uebertragung lautet:
Es geneasl dem beil'gen Chore, was der Stadt som Besten ist
Ansurathen und su lehren. Drum aoerst bedttnkt es uns.
Sind die Bürger aussngleichen, ist die Schreckniss abzuthnn.
Die nun einst durch bose Rilnke Phrynichos su Fall gebracfal,
Denen die da ausgeglitten, ssg' ich muss vergönnen sein,
Ihren FeUtrift an versöhnen durch der Schuld Verantwortung.
Dann auch, sag' ich, sei im Staate niemand ohne Bürgerrecht;
Schimpflich ist's swar, dass die einmal nur mit uns aur See gekimpf^
Gleich Platairrecht geniessen und statt Knechten Herren sind;
Aber dennoch thAt ich schwerlich hier gerechten Widersprach;
Mein ioh lob' es; du allein ja habt Ihr mit Veraland gelhan.
Doch viebnehr ist's recht nnd billig, dass die oftmals schon sv See
Pornic«: Die FfCuh» det AiklopliaDef* 971
Wie «oeh ilire Viter flir Eoeb kimpfte», die «ocb ftwmiyeii^fWidl,
Üuß Ibr denen auf ihr Bitten dieien einen Fall yerseiht*
Wabrlich onirea Zorna veripesaend, o Ihr IHagaten von Natar,
Wellen fem wir n Verwandten jedermann fewtenen nna,
und wer nna anr See will helfen, anaiehn in daa Bllrferreebl.
Aber aind wir anffeblasen, rtthonen wir groaaprahleriaeh
Unare Siadt, derweil die Woge ihren Arai noch nm nna achÜeaat,
DttUi eiacfaeinen wir in Znknnfl nie mehr ak Yeratlndif e.
Hier koamt aüerdinga nnr Wenigea vor, waa Anatoaa erregen konnte;
aben ao anch bei dem andern Abachnitt der Parabaae, den wir f leicbfalU hier
beifllfen wollen:
Ofimala will ea nna bedanken « ala ob gleich ea mit der Stadt
Sich verhielte und den Bürgern, welche brav- und gntgeainnt»
Wie ea mit den alten MOnaen und dem neuen Golde atehti
Jene nimlicfa, die doch grade ohne falachen Znaata aind,
Ja aogar die allerbeate Sorte Geldea, wie ana acheiot ,
Die allein nach Recht geachlagen und in ihrem Klang erprobt
Bei Hellenen wie Barbaren ttberall — ja jene mag
Niemand haben, aondem dieae, die veraetzten, kupfernen,
Die von geatem oder neulich und vom aehofelaten Gehalt.
Bbenao iat'a bei den Bürgern. Die ala edel wir und klug,
Die wir ala gerecht erkannten und ala gut- und bravgeainnt,
Die gebildet in der Ringachul' und durch Tana und Hinaenkunat,
Die yerachmahn wir, doch die fremden, kupfernen, rothkOpHgen
Schlechte Kinder achleehter Eltern wenden wir an allem an.
Jene kaum hier eingexognen , deren frtther aieh die Stadt
Wahrlich kaum ala Sohnungaopfer au bedienen fkhig war.
Doch noch jetat, Ihr Unveratind'gen, Kndert Euren »lachen Sinn;
Die, ao branchbar, brauchet wieder, und gewinnt Ihr feiten Piiaa,
Dann woU Euch, doch tttuacht die Holbnng , faftngt Ihr doch an guten Baum,
Alao wiid'a den Weiaen aeheinen, wenn Ihr einmal hfingen mtlaaL
Wir aetaen noch eine andere Stelle ana einem Ghorliede bei, Ya. 634;
^ Daa geaiemt aich wohl dem Manne,
Welcher klng iat und veratttndig
Und, sich viel aar See bewegt,
Lieber nach der aichem Seite
Hierhin, dorthin nmanapringen ,
Ala wie eine Malerei
Steta verharren auf deraelben
Stelle ; doch aich drücken bücken,
Wo aich*0 am bequematen aeigt,
Paaat für achlaogewandte Leute
Von Theramenea Natur.
Wir zweifeln nicht, daaa die vorgelegten Proben befriedigen werden,
and bemerken nnr noch, daaa die ganze lluaaere Anaatattung dea Bnehea eine
Tonllfliche an nennen iat
87t Doimer: Soplioklei.
8op%0kie$. ÜMilsdk tu dm Vertnymen dir Ür9cknf( «on J. J. C. Dünmr.
Vierte terbeutrU Auflage. Leipug und HeideÜUrg, C. F. WiMttrtA»
VerlagthanMung iS56 und i857. Er$ter Bamd S30 S. Zämtar IM
2i$ 8. M 8.
Bei der Anzeige einer neuen Auflage dieser UeberseUung, der vierten,
bedarf es wahrbafUf keines nttheren Eingehens in das hier Geleistete, oder
irgend eines weiteren Nachweises dessen, was man hier eu erwarten bit;
es liegt nns hier ein Meisterwerk deutscher Uebersetzungskunst vor, ein Werk,
das unserer Nation und unserer Wissenschaft Kur wahren Ehre gereicht, den
unter lahlreichen Ähnlichen Versuchen, den hellenischen Dichter in deutschen
Gewände uns vorsuftthren , unstreitig die Palme gebtthrt. Und dabei hat di«
sorgsam nachbessernde Hand des Verfassers in den mehrfachen Anflafei
einxelne Härten oder BKssstilnde der Form sorgsam zu beseitigen ge-
wusst, um auch von dieser Seite den harmonischen, wardevollen Eindradi
des Gänsen au erhöben. Wir machen daher auch in dieser Hinsicht, auf dieie
erneuerte, hier und dort im Einseinen verbesserte Auflage aufmerksam, die
in allem Uebrigen den vorhergegangenen gleichmSssig gehalten ist, woHei
aber dabei nicht unterlassen, einige Stellen wenigstens, wie sie mehr der
Zufall als absichtliche Wahl darbietet, unsern Lesern mitzutheilen. Wir aeb-
men dasu die Schlussworte des Chors im König Oedipus 1492:
Ihr Bewohner meiner Thebe, sehet, das ist Oedipus,
Der entwirrt die hohen Rfttbsel, und der erste war an Macht,
Den die Bürger selig priesen und beneideten,
Seht, in welches Missgeschickes grause Wogen er versank!
Drum der Erdensohne keinen ; welcher noch auf jenen Tag
Harrt, den letzten seiner Tage, preise du vorher beglückt.
Eh' er drang an's Ziel des Lebens, ohne daas ein Leid ihn traf!
Oder den herrliehen, aber für den Uebersetser so schwierigen Chor ans der
Antigene 332 ff.:
ff
Vieles Gewalt'ge lebt, doch Nichts
Ist gewaltiger, als der Mensch.
Denn selbst über die düstere
Meerflut sieht er, vom Süd umstürmt.
Hinwandelnd swischen den Wogen
Den rings umtosten Pfad.
Die höchste Göttin auch, die Erde,
Zwingt er, die ewige, nie sich erschöpfende,
Während die Pflüge sich wenden von Jahr su Jahr,
Wühlt sie durch der Rosse Kraft um.
Flüchtiger Vögel leichten Schwärm
Und wildschweifende Thier' im Wald,
Auch die wimmelnde Brut des Meers
Fängt er, listig umstellend, ein
Mit netzgeflochtenen Garnen,
Der vielbegabte Mensch,
Bezähmt mit schlauer Kunst des Landes
Bergedurchwandelndes Wild, und den mähnigen
Nacken umschirrt er dem Boss mit dem Joche rings.
Wie dem freien Stier der Berghohn.
Httinboldl; Aetchylof AgMneraiidtt. W
Und dai Wort and dea Inftifen Flog
Des Gedankens erfind er, ersann
Slaalordneode SaUungen, weiss dem ungastlichen
Froste des Reifes und
Zeus' Regenpfeilen tu entfliehen;
Ueberall weiss er Rath;
Rathlos triff! ihn nichts
Znkttnft'ges,' vor dem^ Tode nur
SpSht er kein Entrinnen aus;
Doch wider schwere Seuchen wohl
Fand er Heilung.
In Erfindungen listiger Kunst
Weit über Verhoffen gewandt, - '
Neigt bald er zu Bösem, in Gutem oald, achtet hoch
Der Ueimath Gesets,
Der Gotter schwnrbeilig Rechr,
Seiren der Stadt! Aber zum Fluch
Lebt ihr, wer, gesellt
Dem Laster, voll Trotz si'ch bisht.
Dem wir noch als dritten Beleg, ungern uns ein Mehreres, namentlich ans
dem Ajas, versagend, die Abschieds werte des Philoktctes 1411 beifügen:
Wohlauf denn, scheidend begrüss' ich das Land!
Leb wohl, mein Felsdach, das mich geschirmt,
Ihr Nymphen der Bfiche, der Au'n , lebt wohl ,
Du, mächtig am Vorberg brandendes Meer,
Wo die Flöten, erregt von den Stdssen des Süds,
Oft netzte mein Haupt in dem Winkel «ier Kluft,
Wo den klagenden Laut, wann wild anf mich
Einstürmte der Schmerz, der hermäische Berg
Im Rückhall oft mir herObergesandt!
Ihr Brunnen umher und Apollon's Quell,
Ich verlass' euch nim, ich scheide von euch.
Der nie so Kühnes zu hoffen gewagt.
0 Lemnos, nmflutetes Land, leb* wohl.
Und in glücklicher Fahrt send' harmlos uns
Hin, wo das gewaltige Schicksal führt ^
Und der Freunde Geheiss und des Gottes Gewalt,
Der dies allmächtig verhängte!
A€8chfflo» Agamemnütif metrisch Übersettl van Wilhelm e. Humboldt.
ZäDeiU Auflage. Leiptig. Verlag tum Ernst Fleischer. (R. Bentschel)^
i857. 93 8. 8.
Diese zweite Auflage ist in ihrem Inhalte unverändert geblieben, sie ist
»in erneuerter Abdruck der ersten: denn sie ist bestimmt, ein Denkmal des
fannes zu sein, der es zuerst (im Jahr 1816) unternahm, von den Dichtungen
\eB Aeschylos eine den alten Metren entsprechende, wortgetreue Uebersetzung
IQ lieben und die Bahn einzuleiten, auf welcher seitdem so Manche sich ver-
acbl haben. Der Verleger, indem er, wie billig, den zu einem solchen
Zwecke bestimmten Abdruck anrirändert gegeben, hat demselben jedoch eine
«r4 Fk«k«r< CSfiMUMh« üitlipkigic.
•llerdiDfi den AnfordeniBgM wucnr Zeit «M der J^fteUeht a«r eia irröMe-
rei, febildetes Pablikom eoUprecfaeiidere Forai fefebee: er Jmi eis kleieeni,
paiseiideret Format gewihlt nad in Pepier md Leitern dem Gnnaea eine m
würdige, innere Anirtatlnnf Terliehen, daM es in dieaer Form nllerdiaipab
ein Andenlien nn den groaaen Mann und aeine Verdienate gelten nad da
Freunden der allen Literatur beateaa empfeUea werde» kann.
GritekUche MfikologU imd AnüquUäim nAti dem CmpM fi&er ffamer «ad mt-
€rtMUm AbiekmUm fl&ar dU Ckr&noloffie, LUerahrr^ Kwut, Mhmku,t,9^
iAeri^M aus Oeorg QtoU*$ grieeki$ckar GtukkkU eo» Dr. Theodor
FtMcker^ Prwaidocentm der Mut. Fltlafa9ia mm dm- iL preain. iUkrte-
Umearitldf. Zwaifar Band. Leiptig, Druck mmdVeriag ea» B. G.Tmh-
mer^ 1857. . A8i 8. in gr. 8.
Der erste Band dieses Werkes ist in diesen Jahrb. 1856, S. 800, u^
neigt worden : der nweile, den wir hier anaeigen , befaast den iweiten TkeS
des Originalwerkea nebst einem Absehnitt des dritten Theils (dem' 9. Cap. l
IL Theils), also von der ersten Abthoilung des englischen Originals die Capp.
18—21 und von der sweiten die 9 ersten Capp.; die vier Sdüoascapilel da
ersten Theils bringen bekanntlieh den Schluas des mythischen Griechealaa^
mit den heraklidischen, aeolisehen, jonischen, dorischen Wanderungen und dea
daran sich knüpfenden obronotogischen Untersuchunfen ,* und veii>inden da-
mit eine allgemeine Darstellung des Zustandes der Geaellachaft und der Sit-
ten in der griecliischen Sagenzeit, sowie eine nähere Betrachtung (S. XU)
über die homerischen Gedichte, mit Besug auf die seit dem Auftreten voa Fr.
A. Wolf darQber angeregten, Wesen und Gestalt dieser Dichtungen betrefm* i
den Fragen. Der iweite Theih „Das historische Griechenland'' besdiiftigl
sich nach der allgemeinen Erörterung und Darstellung insbesondere in dea \
hier mitgetheilten Abschnitten mit dem Peloponnes, zunächst mit Sparta, daa
messenischen Kriegen und der lycurgtschen Gesetzgebung; Korintii, Megara und
Sicyon nebst den Tyrannen bilden den Inhalt des letzten Abschnitts. IVk
fuhren dies nur im Allgemeinen hier an , um zu zeigen , wie in diesem Bande
eine Reihe der wichtigsten Punkte, die insbesondere in neuer und neaesMr
Zeit Gegenstand der lebhaftesten Controverse geworden sind, behandelt wiid, '
wir erinnern nur an den Abschnitt über die homerischen Gedichte, ncilcfear^
bereits in Deutschland zu eigenen Schriften und Erörterungen (von FriedlU*'
der, Bäumlein u. A.) Veranlassung gegeben hat , eben so an den Abichatt 1
tlber die lycurgische Gesetzgebung mit allen den daran sich knupfendea, znm
Theil so bestrittenen Fragen , Ober Aeckergleichheit u. s. w«, von welckcn I
ein Gleiches gilt. Es mag dies diesem Bande eine besondere AufmerfcsiakaiK |
mit Recht znwendei^, da man über alle diese Punkte nicht verhandefai
ohne auf Grote lurQckzukommen , voransgeseUt, daas man ea nicht voi
an die Stelle mühevoller und besonnener Forschung lieber eigene
zu setaen, und die alte Geschichte nach eigener WUlkttr sn gestalten. Otia
Ueberselaung, wie wir dies schon bei der Anaeige dea eratea Baadei b^
Ribbeck: Ueber 4U «OtUm ud nmm AltiMhe Komödie. Vi
«M^ habM, MiyMill aldi dyreb Tum« «nd litfl iM reebl «ol, ebve allo
fliilM; dto iwoÜB Awfftbe dM eoffliicIiM Werket iet in Grande felegt;
eieese BeBerkeefen ved ErOrtemgee oder Nachweieoagen bat der dentocbe
Beaikeiter siebt beifelttffi, eo erwOnacht anch in mucben Fillen ein Ifaek-
weia der Deneatee Lilerator oder der dveh Grote'a Aenaaerongeo and Be-
baoptafee berrorferefenen GeffenaehrifloD «od Gegenbemerkangen wire.
Siae Uebenicbt dea labalta der einxebieD Abscbnitte verraiaaen wir aucb bei
dieaem Bande nofera, wenn andera nickt eine aelcbe bei der Fortaetung
aaohfolft oder aaa Scbluaae dea Gänsen gegeben wird. In der toaaeren, dorcb-
•na befriedigenden Anaatattong nnteraebeidet aieh dieaer Band nicbi von den
VAer du miiiiere vnä nmtre AttUche Komödie, Oeffenükker Vortrag ^ gMUtn
im RalkkoMse m Bern, wm Otto Ribheck, Leiptigy Druck %md Vertag
von B. Q, Teubitor, i857. 56 S. in 8.
Dieaer Vortrag, vor einem gröaaeren Publikum gebalten , aotl daan dienen,
dieaem ein treues Bild der aogenannten mittleren und neueren Komödie Atbena
an geben. Ea hk bekannt, wie wir auf dieaem Gebiete ea nur mit Bruek-
atttcken au tbnu beben, die bald in grOaaerem bald in geringerem Umfang,
oft mebr darcb die Laune und den blinden Zufall, ala in Folge beatimmter
Zwecke und Abaichten auf üna gekommen aind; ea wird darum die Aufgabe
desjenigen, der ein Gesammlbild dieaer Komödie entwerfen, uns ttber den
Cbarekter und Inbalt derselben niber belebren will, auf die genaueate KennW
niaa aller dieaer einseinen Bruehstttcke gerichtet aein müssen , um daraus wo
möglich eine richtige Idee des Gänsen au gewinnen , die einen positiven Grund
und Boden hat und nicht auf blosser Phantasie oder einer bald mehr, bald
minder sichern Combinationsgabe beruht. Der Verfasser dieses Vortrags be-
altst diese Kenntnisa, wie Wenige, er hat den Bruchstücken dieser Komödie
aelbat ein aorgsames, theilweiae für ihre iusaere Gestaltung aelbst erspriesslichea
Studium gewidmet; wie dies ans jeder Seite dieses rein aus den Quellen ge-
floaaenen Vortrags sich erkennen Iflsst, auch ohne dass dieae Quellen aua-
drftcklich und im Einseinen angeführt wftren, waa der Tendens und Bea^im-
nnnig dea Vortragea fera lag. Eben deaabolb glauben wir aucb, dnaa dieaer
Torfrag es verdiente, weiteren Kreisen durch den Druck bekannt sn werden:
die gnse Erörterung und Darstellung, die sich so gut liest, Iftsat die Schwie-
rigkeiten, auf die wir hier, wenn es sich am die Erkennmiss des Einselnea
bandelt , stoasen , die groasen Lücken , die jeden Schritt und Fortgang unwillr
klirlich kommen, kaum erkennen und feaselt den Leser; die veracbiedenen
Seiten und Richtungen, in welchen die mittlere Komödie sieh bewegt, die
Gegenatinde, die aie erfasst und die Art und Weise, wie sie dieselbe behan-
delt, die einseinen hier besonders hervortretenden Charaktere und Ronen
Werd«B, von dem Plntoa dea Aristopkanea an, der den Uebergang in dieae
neae Form der Komödie, die seibat nur ab eine Uebergangsatnfe ansnaeben
Ist, yermittelt. Im Einseinen mit ziemlicher Ansflihrlicbkeit geachilderi und ge-
neigt, wie damit sogleich du Entstehen der neueren Komödie, der Mutter
S76 Croo : Platona Vertb^diganfirede«
unserer Komödie, vorbereitet ward, die in Ihrer mehr dem bIntlidbeB U«
und der Familie zugekehrten Richtang mit dem vOlli|fen UntergaB^ de« ^
tischen Lebens und dem Entstehen wie der eigentlichen Ausbildong des t^
vatlebens zusammenhSngt, und darum eben Ireue Bilder des bSasIichen Lehe^
FamÜienscenen u. s. f. uns vorftthrt. In welcher Art und Weise sie dies {#<
than und wie sie im Binzelden ihre Gegenstünde anfgefasst und bebsadeUlnl
wird an dem Beispiele der beiden Hanptcoryphäen dieser Komödie, Phileol
und Henander gezeigt. Wir unterlassen es aus diesem Vortrage EiaseM
hervorzuheben oder hier mitzutheilen: der wobkusammenhüDgende Vortn
inuss im Ganzen gelesen werden; darauf hinzuweisen ist der Zweck dioi
Anzeige; wer den Vortrag zur Hand nimmt, wird sich in seinen Erwartatfri
nicht getfiuscht finden.
Plalons Vertheidigungsrede des SokraUs %md Kriton. Für den Sdmlgdgm
erklärt von Dr, Ckrittian Cron, Gymnasialprofessor in Äugdm^
Leipäg, Druck und Verlag von B, G. Teubn^, f857, XIV u. 132 S.
(Auch mit dem weiteren Titel: Plattms autgeKählte Sehriffen, fwr ä
Schulgebrauch erklärt u. s, w. Er$Ur Theil. Vertheidigungsrede des Sekm
tes und Kritan.)
Zu den Dialogen Plato's, welche in der obersten Classe unserer Gyad
sien gelesen zu werden pflegen, werden mit Recht die Apologie des S^
krates und Krito gezfihU: ja eswSre sehr zu wünschen, dass man auf diel
und ähnliche Dialoge geringeren Umfangs und eines fttr diese Altersstofe ft
eigneten Inhalts sich beschränkte, statt, wie dies wohl hier und dort iv
kommt, grössere Werke Plato's hereinzuziehen , welche (wie z. B. der PMj
den *), in ihrem vollen und wahren Sinne gar nicht von Schülern der obentti
Classe gehörig verstanden werden können, einzelne Partien etwa abgered^
net, die mehr der äussern, scenischen Einkleidung des Dialogs, als desMi|
eigentlichen Inhalt angehören , und iu so fern eher verständlich sind, wälii
die tiefer liegende Beziehung des Inhalts, und damit der Kern des
*) Wir bemerken bei dieser Gelegenheit, dass eine gute Qbersicbtiid
Znsammenstellung der in diesem Dialog entwickelten Gründe für die Onsl
liohkeit der Seele unlängst von Herrn Directör Wiegand in dem Ertthja
Programm des Worms^ Gymnasiums vom Jahre 1856, S. 27 ff. gegeben '
den ist unter «Vorausschickung der im zehnten Buche der Politica in äholid
Weise für die Unsterblichkeit enthaltenen Gründe. In dem Programm
Jahrs 1857 hat derselbe eine Uebersetzung des sechsten der PlatosiseM
Briefe mit. den nöthigen sachlichen wie sprachlichen Erörterungen geliefert:
sie soll -als Probe einer demnächst erscheinenden Uebersetzung aller dieser
Briefe gelten, uud wird schon darum Beachtung verdienen, als der Verfasser
wie Wenige, mit diesen Platonischen Briefen durch vieljfthrige Studien be-
freundet, damit eine genaue Kenntnis« Platonischer Sprache und Lehre rer»
bindet, wie sie zur richtigen Auffassung dieser Briefe, und insbesondere lor
Entscheidung der Frage über den oder die Verfasser derselben von besonderer
Wichtigkeit ist. Wir wollen es daher nicht verfehlen , bei dieser Gelegeakeil
die Freunde des Plato darauf aufmerksam zu machen.
. OroB: PlatoM VeHliei4iffiiB«ire4e. 879
(womit doch »ch wieder die iqaiere Einkleidanf sosaniiDeohiUict, die eben
deasbalb aacb niclit f ot sieb devon trennen UmI) dem SebQler /remd bleibt , weil
er Docb nicht die gebOrif^e Reife und philosophische DurchbtlduDf besitEt, nm
In diesen Kerit einzudrinfen. Um aber dies« tu ermöglichen , muss die Lectttre
der kleineren Dialoge vorausgehen , als einleitend und einführend in die LectUre
ier grossem und schwierigeren Werke, die den eigentlichen Kern platonischer
Philosophie enthalten. Man wird es darum s wcckmflssig finden , dass der Ver-
bsser sieh swei dieser kleinern Dialoge, die ganz gut auf Schulen gelesen werden
können, ja gelesen werden sollen , zur Bearbeitung gewählt bat: diese scblieasi
lieh in der iusseren Form an diejenige an, in der wir eine Reibe von An-
ioren in der neuesten Zeit für den Gebrauch der Schule bearbeitet finden,
■it deutschen Einleitungen und Anmerkungen, die den möglichst correetea
Fest begleiten und in ihrer Passung durch die Rücksicht auf diejenigen be-
itimmt sind, welche diese Schriften durchlesen und eine Nachhülfe für die
ichtige Auffassung des Eiuzelnen wie des Ganzen erhalten sollen, damit sie
Be Schwierigkeiten desto leichter ttberwinden, welche einem wllstftndigen
Irfnsaen 6eB Sinnes, und damit dem vollen Verstttndniss der Schrift entgegen-
ieben. Ob dies bei Schulansgaben, d. h. bei solchen Ausgaben, welche für
S« Schule selbst und die SchullectQre bestimmt sind, in dem Grade und in
ler Ausdehnung, in welcher jetzt diese Erklärung angewendet wird, in der
rjiat suträglich und erspriesslich ist, oder ob nicht manche Nachtheile für die
Ürenge eines gründlichen Unterrichts, der sich mit blossen Texten begnügt,
brsoa hervorgehen, ist eine Frage, welche die Schulmänner, die jetzt selbst
aebrfach auf die Anlage solcher Ausgaben dringen, während früher die ent-
^engesetzte Meinung so ziemlich die herrschende war, am besten selbst zu
eantworten im Stande sein werden, zumal da ihnen die praktische Erfah-
fMng, die aus der Anwendung und dem Gebrauch solcher Ausgaben nach einer
'mibe von Jahren hervorgeht, zur Seite steht. Wenden wir uns von dieser
D^emeinen Frage zu der vorliegenden Ausgabe, sp ist der Herausgeber der-
alben keineswegs gemeint, durch seine Einleitungen und Erklärungen der
Mtigkeit des Lehrers selbst vorzugreifen oder sie gar unnütz zu machen: im
b^entheil, er will ihr forderlich in die Hände arbeiten und Alles, was dem
kbeniligen Erfassen des Ganzen im Wege steht , bei Seite räumen* Was er
■ diesem Zwecke getban hat, besteht in Folgendem. Er giebt zuvOrderat
Ine Einleitung (S. 1—39), die allerdings etwas weit aushöhlt, weil sie nicht
Io0 eine Einleitung zu den beiden hier behandelten Stücken geben , sondern
i^leicb als eine Einleitung in das Studium der Platonischen Schriften, so
p«fit diese in den Bereich des Gymnasiums fallen, dienen soll; denn der Yer-
mmeTy nm in das Verständniss des Sokratea und Plato einzuführen« von deren
»ben, Lehre und Schriften näherer Bericht gegeben wird, wirft einen aller-
mga nothwendigen Blick auf die Geschichte der früheren griechischen Fhilo-
ipftie, nm daraus das Erscheinen des Sokrales^nd Flato zu erklären, dereu
mRreten allerdings nicht ohne diese vorausgegangenen Erscheinungen erklärt
fea verstanden werden kann. S. 39-42 folgt als Anbang Einiges über das
ÜienUcbe Gerichtswesen , zum bessern Verständniss des wider Sokrates er-
»l»enen Prozesses und seiner Verurlheilung , was allerdings nothwendig war.
BT griechische Text scbliespt sich im Ganzen an den von C. Hermann in der
87« toHbiMblt XMopkMM AMbMii.
Tenlmer'fekeii Aufgabe ffaiMfertes» ab dm je^eaftlb r^traclt^ci
unter 4en bitherigea Texten an : an maneben Stellen glaobte je4ocb 4er Vtr-
faaaer abgeben au Mflaaen: die Reebtfeitifnng eder Tielmebr die nibcre Bfr-
filtoduDg dieeer Abweicbongen hoA der Verfaiier aa einem andeni Orte g^
ben au kdnnen, da in dieser Aaigabe dasu keim Raum war; fkber enige 8lil>
len Terbreitet aicb die Vorrede S. XII. ff. und Oberden hat der YerlaMer-aaf
einem am Scblnaae beigefbf ten Blatt ein genaues Veraeichniaa aller der Stel-
len gegeben, in weleben sein Text ron dem Hennann*scben abweicbl, nat
man in jeder Hinsiebl nur billigen kann. Unter dem grieehiscben Text alebm
die dentscben Anmerkungen, welche sieb mit grosser Genauigkeit nnd-Seiff-
falt ttber AHes, was in spraebticber oder graaunatischer Hinsiebt BeucbtaBf
YOrdienty oder Sebwierigkeit maebli verbreiten , den Zusaamiwi bang des Ei»»
lehien naebweisen und eben so die saebUeben Punkte in betriedigondor Weim
bebandeln. Wir glauben, dass diese Amnerkungen fur das PrivatslndiuB rssH
Btttslicb und erspriemlieh sind, ttberbaupt, dass diese Bearbeitung der Apole- i
gie und des Krito l>estens Allen Denen empfoblen werden kann, welebo ftar ihr
PriTutstadinm die Leeture dieser Dialoge wihlen und damit sieh aar
der gmsseren Geisteswerke Plato'a vorbereiten wollen.
Xenopkom Anahaiis, Für den Sckdgdraudi erklärt 9ön Ferdin. VolU
breckt, Reelor m OUemdorf. Enies Bdndcken. Bwh i—UI. A
sifiem durch Hoifktckniite und ur«i Figurenlafeln ertäuierten Exeyr$t iftr
das Heentesen der Söldner und mit einer Ueberekkukarte. LeepwiQ^ Drmk
und Verlag wm B. Q. Teitbner 1857. IV u. 179 S. m 8.
Auch diese« mit deutseben Anmerkungen unter dem gvlecbiselwii Text ans^
gesmttete Ausgabe hat den Zweck, „das schulmissige Vemttndnisa dadardi
au erstreben, dass der Schüler in der Regel nur lum Finden
AusdrudU aad einer guten Uebersetaung angeleitet wird. Die n^Mbigea
matisehea Bemerkungen sind dessbalb, okno eine Grammatik au citiron,
Aamerkungea in der Welse einverldibt, dasa ^e augleieh suf den Ui
der Spraoben hinweisen , so dass die Grammatik aar eia Mittel aam VeiaUnd- 1
alsa, die Leetttse aicht Vehikel der Grammatik ist. Aaf diese Webe wisAd«
0ebgler nicht nar viel Zeit bei der PrIparatioB eiapart, soniata aacb eim
BereiehernDg der Leetttre eis trebl , die Sieberbeit des Wisseaa vermeitft and
die Festigkeit im Verstehen auf einem raseben und derb grandlichea (T>Wogt
erxielt werden können.^ So spricht sich der Verfasser in der Voriede iber
das Ziel aus, das er durch setao Leistung sa eraeiehea sucht, so wie aber dii
GruadsMtae, die demgeaiflss ihn bei seiner Arbeit Mieten. la wie weii dims
Grandsttse richtig sind, und suf allgemeinen Beifall rechnen können, w>aBsa
wir hier nicht uatersuehen; wir glauben nar, da« in der Aaweadui^ dm
Verfasser hier oad dort au weit geganj^ea und la seiae' Aameshuagea Man-
ehea aa^genommea, was nach uaserem JBmesse» wegaulassen war; im
gen unbeschadet des der Bearbeitung au Graade Hegeadaa Fkaas.
rechacte wir, wenn es a. B. aa 11, 1, 1 heimti .Av^ Dal. ooaaaoda'
aa U, 6, B: ave<ß „Dat. e^c."* oder au I, b, % ei di v witk iüa
^M alM" Slijq €i0». p«nll« t. tK*^ oder so I, 6, 16: „«JUo» «U«?^ tri« 4m
L: ftljoa aUler/, SQ I, 7, 20: .to d^ «olo, dhi Gro« dM Hetref^ n I, 8,
34 «VOV9 «^ ßaöiXimg xitmyiUvobg, Coi^mietio'', waf eben ao m lU, d<, 14$
IQ den Worten nai innimv beoierkl tat; I, K), §. 8 n/aacbv ixmv\ i%Mtm e.
AdTerb.:= MMt habere**; aa I, 7, 2. »tc-ko/ theila - theila**, oder an I, 8, 12
%uv^* 4i^v ntKoiiftun nVP^^ ^>^* b. Paaa.* wtthrend an Tctuoifftai, bemerkt
wird: „Perf. beaeicbnet die beitimmte Wirklichkeit. Schiller: „Jene hat ire-
lebt, wenn ich dieaea Blatt aoa meinen Binden fj^ebe." Und wenn wir I, i,
19 an den Worten: oxi %al xu hifa %ala %al %a inpdyui %aXd i» den An-
merknnf en foaen : »re^ Vorzeichen ana den Einf eweiden ; c<pdf$a aua den
Bewefnnfen. KaXa mit Nachdruck wiederholt', ao wird ea nur einoa Blik-
kea in die fttr Schüler aehr aweekmisaig bearbeitete Anaipabe der Anabaaia
von Hertlein bdttrfen, um die Quelle zu erkennen, ana welcher dieae Be-
aMiknnf i^efloaaen iat. Anderea übergehen wir; der Verfaaser hat im Uebri-
gen ateta die Rttokaicht auf den Schüler, der dieae Auagabe urobrauchen aoll,
featf ehalten » und dieaen durch die Art und Weiae der Faaaong der Anmer-
kunfem weiter an fördern geaucht Alle Yerweiaungen auf andere Werke,
und aelbat auf Grammatiken aind (waa wir billigen) weggefallen; die Regel
aelbai oder der Gebrauch wird knrz angegeben, eben ao bei aachlichen Ge*
genatinden in der Kürze die nOthige Erklärung angegeben. Waa den griechi-
acbev Text aelbat betrifft, ao iat der Hecauageber der Dindorf achen kleineren
Aasgabe gefolgt, jedoch mit einigen VeräjiderungeQ , welche durch die neue
giOaaere Auagabe dieaea Gelehrten, die in England erschienen iat, herbeige-
ffihrt worden aind ; wir hoffen und erwarten , daaa der Herausgeber am Schluaae
aeiner Auagabe ea nicht unterlaasen werde, ein Verzeicbniaa der Stellen, in
denen er abgewichen, beizufügen, waa in keinem Fall viel Raum einnehmen
kann , in ao manchen andern Beziehungen aber wttnachenawerth, ja nothwen-
dti^ eracheint Dagegen iat ein nettea Kärtchen, auf welchem der Hin- und
Hermarach genau verzeichnet ist, hinzugekommen, eine fttr den Schüler ge-
wiaa recht paaaende Zugabe bei der Lectttre dea Ganzen* Weiter aber auch
kal der VerCaaaer, gewiaaermaaaen ab eine zum beaaern Veratändniaa der Xe-
aophonteiacken Schrift ndthige Einleitung unter der Aufachrift „Heerweaen
der Soldner bei Xenophon** (S. 1—41) eine genaue und ina Einzelne ge-
hende Daratellung dea Kriegaweaena der Hellenen, wie ea aich in der hier in
Setracht kommenden Zeit dea Soldnerweaena geataltet hatte, gegeben , nament-
lich auch mit aorgfältiger Erörterung aller der taktiaehen Verhiltniaae, die
siUB richtigen Veratändniaa der Harsch- wie der Kampfordnungen , und damit
BOT richtigen Auffaasung der Xenophonteischen Schilderungen ao wichtig sind ;
denn daaa neben der allgemeinen Erörterung, hier insbesondere auf die Ana-
hm»iM nnd die in ihr vorkommenden derartigen Schilderungen (.bei denen der
Schüler aich oftmala nicht au helfen weiaa) Rückaicht genommen iat, wird wohl
kaum an bemerken nöthig aeiu. Köchly's und Rttatow'a Leiatungen aind da-
hei allerdinga zu Rathe gezogen und mit dem verbunden, was die eigene
Fovachnng und eine vieljährige Beachäitigung mit dem Gegenatande an die
Hand gab. Wir glauben immerhin auf dieae achöne Zugabe beaonders auf-
neriuam machen au müasen, deren Werth durch die vielfach eingefügten Holz-
acbnittCy welche inr richtigen und leichtern Auffassung der Marschordnungen
BM Ameii: Homers 04yiM6.
oder der vertchiedenen AufsteUaDgatrteii im Kanpfe dienen, fo wie dardb
EWei besondere Tafein erhohel wird, welche, nach Antiken, Abbildungen vaa
einzelnen Theilen der Rüstung, Waffen o. tigl., ja selbst von Soldaten in ikrer
rollen Rüstung, Leicht- wie Schwerbewaffnete, liefern.
HornerB Odyiset, Für den Sdmlgebrauck erkläri mm Dr.Kari Friedrich
Ameii, Frofenor und JVorecfor am Cymmanum m Mühlhmsen m ThiSh
rmgen. Ersitr Band. ZMcUes Heft, Guang VU-XIL Läpug^ Drndi
und Verlag von B. 0. Teiibner, -iSö?, i80 & in gr. 8,
Das erste Heft, welches die sechs ersten Gesftnge der Odyssee enl-
jiält, ist in diesen Jahrbuchern Jahrg. 1856, S. 792 ff., angezeigt, dort auch
Anlage, Einrichtung und Ausführung des ganzen Uotemehmens naher bespro-
chen woiden. Die Fortsetzung, die wir hier anzuzeigen haben, schliestt sich
in der Anlage wie in der Ausführung ganz an das erste Heft an und kau
daher mit gleichem Grunde empfohlen werden, namentlich was die Passnnf
und den Inhalt der zur Erklärung beigefügten Anmerkungen betrifft Nirgend
sinkt die Fassung in das Triviale der Erklärung herab, wohl aber sucht sie
durch sprachliche und grammatische, mit Schfirfe and Präcision gegeben!
Erklfirungen oder Andeutungen das Interesse des Lehrers wie des Schttleii
anzuregen, während auch IkWea das, was auf Homerische oder Hellenisdia
Sitte Bezug hat, die gehörige Berücksichtigung gefunden hat. Selbst das Me-
trische ist in augemessener Weise berücksichtigt; durch einzelne Fragen die Aof-
merksamkeit des Schülers passend angeregt, zumal wenn ein erfahrener Lehrer iha
zur Seite steht, der dies zu benutzen versteht. Ja wir finden selbst einzelne
weiter gehende Erklärungen sprachlicher Art, wie z. ß. über ccvtov zu VIS,
68, um nicht Hehreres zu berühren. Von dieser zweckmässigen Bearbeitung
haben wir uns bei einer wiederholten und genauen Durchsicht auch dieses zwei-
ten Heftes überzeugt und glauben eben desshalb , auch ohne dass wir weiter ia
das Einzelne eingehen, wozu uns hier der Raum abgeht, auf diese Bearbo-
tung der Odyssee wiederholt hinweisen und sie empfehlen zu können, wc3
wir von ihrer Benützung wesentliche Vortheile für ein gründliches Sta-
dium der Homerischen Gedichte, und eine gründliche Kenntniss der Homeii^
sehen Sprache, es sei innerhalb der Schule oder ausserhalb derselben — denn
auch zum Privatstudium wird diese Ausgabe sehr dienlich sein — erwarten,
und desshalb auch der weiteren Fortsetzung und Vollendung gerne entgegen-
sehen. Die äussere Ausstattung ist ganz zweckmässig, der des ersten Heftes
entsprechend , ausgefallen.
Rr. St. HEIDELBERGER IKI.
JAHRBOCHBB dbr litbbatvb.
Ulrich Zasius» Ein Beitrag sur Geschichte der Rechttwissen-
sehaft im Zeitalter der Reformation von Dr. K Siintzingj
ordentL Prof, der Rechte an der Universität Basel (jetst in
Erjangen). Basel, Schtreighauser^scfie Sortiments - Buchhand-
lung 1857,
In unsern Tagen, wo die Bearbeiter des römischen Rechts so
manches Unnatürliche und Ungesunde herausconstruiren , wird man
erfreut, wenn man einen jungen Schriftsteller als Literaturkenner
einer gewissen Zeit die Bedeutung hervorheben sieht, in welcher
die verständige Behandlung des römischen Rechts zu allen Zeiten
der gelehrten Welt genügt hat. Leider hat der Verfasser schon
auf dem Titel seines Buches ein Moment angeregt, welches besser
als aecundäre Erscheinung hervorgetreten wäre : denn wer wird laug-
nen, dass im Anfange der Relormation auch die Rechtsgelehrten
von dem begeisterten Rufe der Verbesserung ergriffen wurden: aber
gerade sie waren es, welche die Gefahren bald einsahen, die die
Ueberstürzung bringen musste, und dahin gehört nicht nur unser
Zasins, sondern auch der berühmteste Jurist Cujacias. Sie wurden
mehr Gegner der Reformation, wie Anhänger derselben. Wollte
also H. St. — einen solchen Standpunkt als einen primären erklä-
ren, so hätte er treuer noch, als es geschehen ist, die Verhältnisse
des Zasius auffassen sollen, und etwa auch die theologischen Schrift-
steller über Reformation nicht übersehen sollen, selbst wenn diese von
einem andern Gesichtspunkte aus geschrieben haben, z. B. Döllin-
ger in seinem Buche über Reformation I, B wo wir z. B. Herrn
Stintzing namentlich auf die Artikel Wilibald Firkheimeri
Ulrich Zasius, Vitus Amerbacher verweisen, und wo Za-
sius auf das vortrefflichste gewürdigt ist. Wir lassen übrigens
gerne Jedem seine sobjectiven Gedankenspäne, wir hadern nicht mit
unserm Verfasser über die Bemerkung S. 255. „Diese Vorgänge
im Breisgau fallen ungefähr in dieselbe Zeit, als ein Theil der süd-
deutschen Fürsten an ihrer Spitze Ferdinand von Oesterreich ihr
Bündniss in Regensburg am 6. Juli 1824 gegen das Lutherthum
schlössen und damit den Grund zur kirchlich-politischen Spaltung
Deutschlands legten III nicht über die Ansicht: die Nationalitäten
hätten zumNutzenderWeltdie Universalität der Kirche umwer-
fen müssen S. 34, während es allerdings nöthig war, dass die katho-
liflclie Kirche damals mit den Säculargewalten der Nationen durch
Verträge verhandelte : — ■ es tritt dadurch nur dasjenige hervor, waa
wir eben in einer andern Schrift lesen : „so lange man sich über den
Staudpunkt des Partei-Interessea nicht zu erheben vermagi wird man
U Jahrg. 12, Hefk, 66
S8Z StiBUing Ulrich Zasioi.
iBuner glaobeO| die eigene Partei dadurch au beben, daea man alk
bedeoteaden f^scbeiDungen der Zeit für sieb in Anspruch nimiat,
wobei man gar wenig auf die eigentliche Wirklichkeit eingeht. '^ Dieses
nnr nebenbei. Weniger können wir dem Verfasser dasjeDi|[e vv-
geben, was er in gewohnter Parteiansicht von der scholastischen
Methode anführt, worüber er andersdenkende z. B. Möhler nicht
gelesen zu haben scheint; auch nicht dasjenige, was er so gele-
gentlich von I^ominalisten und Realisten spricht S. 13. Dann siod
manche Räsonements, die gewöhnlich von jungem Männern ausgehen,
sehr ungegründet: Zasius habe mit Wimpfeling nicht eingeben
wollen, weil sie im verschiedenen Alter gewesen seien S. 27. Wo-
ber weiss H. St. dieses? bat er uns nicht selbst gezeigt, dass Za-
sius In dem spätesten Alter unendlich freundUch mit den jüngslen
Männern, seinen Zuhörern war u. s. w. Doch auch genug hievon.
Dem Verfasser als Romanisten ist es geglückt, den Standpunkt an-
zugeben, in welchem Zasius die Exegese des römischen Hechts so-
wohl im mündlichen wie im scbriitlichen Vortrag bebandelt hat, uii
dieser Tbeil seines Buches mit Rücksicht auf die angeführten Schiif*
ten ist der gelungenste. Allein zwei andere Standpunkte hat er
vernachlässigt: nachzuweisen, was Zasius in tbeologiscb-canonistF
scher Hinsicht gethan hat. Man sieht aus den von Ri egger edi^
ten Briefen pag. 169, wie sehr Zasius sich hier interessirte. ^Ifir
sind die juristischen Studien zum Eckel, die theologischen sind e%
die mich erfreuen.^ Dabei hätte der Verfasser selbst nach den Er*
scheinungen unserer eigenen Zeit wohl bemerken können, ins
die grössten Geister, z. B. Erasmns und Zasius, von der Süa^
mung des aufgereizten Volkes abhängig wurden, und beide sieh
scheuten, die Grundsätze ihres Studiums offen vorzutragen. Za*
8 ins sagt dieses selbst, indem er deshalb den Erasmus tadelt. So>
dann, wie konnte der Verfasser dieser Schrift S. 96, 97 sagen: des
schleppende und unsichere Gang der Prozesse, sei ein Uebelstaai
des canonischen Rechts: das schlechte Verhältniss Jener Zeit gehoa
dem canonischen Recht, und zum grösseren Theil den damaligoi
Vertretern der Rechtswissenschaft. Wenn wir auch den letzten Satt
gut heissen, wie kann der Verfasser ohne alle nähere Kachweiflaic
vom canonischen Recht, also von diesem wohlgeordneten Reseht m
sprechen? Es ist die Zeit nicht, dieses hier weiter auszufühna}
aber bedauern müssen wir, dass unsere jüngeren Rechtsgelehrten du
canonische Recht gänzlich vernachlässigen und während sie rom
Ausgange des Mittelalters schreiben, auf die Hauptquelle des mHteif
alterischen Rechts in ihrem Studium gar keine Rücksicht nehmen. Wefr
ter war nachzuweisen, dass Zasius nicht minder der Vater des jebl
geltenden germanischen Rechts theils durch seine Bearbeitung am
Freiburger Stadtrechts, theils durch den Einfluss geworden lat^ wel-
chen er auf seine Zuhörer z. B. Fisch ard hatte. Dieses Theaa
hätte in der Schrift unsers Verf. näher entwickelt werden 8olle%
z. B. die L<^re von den Verträgen, auf die schon Andere
Stintsinft ülricli Zu iin. ^
lieh der Recensent aDrmerkgam gemacht haben. W^ verweiBen mit
unsere Dogmengescbichte S. 159. Bemerken können wir dabei, dasi
üDfler Verfasser auch darin die neaeste Sitte mit sich trigt, daas
er anbarmherzig mit der Oiosse umgeht S. 79 nad 816 — wiflirend es
gana natürlich erscheint, dass gerade ans der Glosse das Recht sich weT^
ter entwickelte, nnd auf nnaere Zeit anwendbar wurde, und dass die
Achtung, welche die Postglossatoren verdienen und sp&ter namentlich
4ie Bestrebungen eines Bartolas so gering nicht au halten «ind, wie
unser Verfasser cn denken scheint. Wenn wir In diesen und an-
dern Besiehungen dem Verf. Vorwürfe machen, so soll dieses seinen
Bestrebungen keinen Eintrag thun, wir denken nur an die herrliche
7on H. St selbst angeführte (S. 176) Stelle des Erasmus: Ich er-
wartete nur einen Juristen zu finden, zwar einen ausgezeidmeten
und bewunderungswürdigen, aber doch nur einen Juristen. Allein
was gibt es in den Geheimnissen und Lehrsätzen der Theologie,
das du nicht chirchsucht und durchdacht hättest. In welchem Theil
der Philosophie bist du nicht vollkommen bewandert? Solche Rieh**
tnng muss derjenige haben, der sich an eine Literargeschichte macht
Im Uebrigen müssen wir nicht nur den ruhigen und gemessenen
Styl des Verfassers, als auch den grossen Fleiss loben, welchen
deraelbe auf das Buch verwendet hat Namentlich gehört auch
bieher die Znsammenstellung der ältesten deutschefn Universitäten.
Auch deren Zustand und der Geist der hier gepflogenen Lehre ge^
hört zu den Anfängen der modernen Literaturgeschichte; nur müs^
aen wir auch hier weiter bemerken, dass, wenn der Verifasser z. B.
bei der Universität Heidelberg die fünf Programme von Wundt
gelesen hat, er wieder nur das römische Recht in das Auge gefasst
bat, keineswegs aber die Art und Weise, wie nnd warum das
canoniscfae Recht gleichsam als der Deutschen angestammtes und
^germanisches Recht bebandelt wurde. Mein can. Recht S. 3 8 ff.
Bebr lieb wäre es dem Recensenten gewesen, wenn H. St, wo er
lo viel und schön von Bonifacius Amerbach handelt, etwas Näheres
über die Universität Avignon ausgeführt hätte? Es ist dies nur
»In ViTanscfal Es wäre auch löblich gewesen, wenn H. Btintzing
n die grossen Vorarbeiten unserer Zeit für Literargeschichte, na**
Deotlich an Savigny nnd Hugo hätte anknüpfen wollen, die alle
leide gelehrter, ruhiger und parteiloser erscheinen. Daneben gebührt
lern Letztern in der Darstellung der Neuzeit kein geringes Lob,
Kenn er ist ein grosser Kenner der Personen, der Einrichtungen und
leine Kritik ist wie überall treffend. Btintzing hätte sich besontJers
larin ihm zum Muster nehmen sollen, dass, obgleich Hugo ein gn^
er Protestant ist, er wieder billiger aber doch auch nicht farblos
^on den Katholiken spricht S. Btintzing S. 52. 320 u. s. w. Mein
Junonisches Recht S. 166. In der Wissenschaft muss man in sol-
iren Beziehungen höchst nachsichtig nnd so zu sagen grossmiithig
ein nnd denken t Wie fleissig übrigens der Recensent dieses Bnch
^eleflen hati mag eine kleine Bemerkung zeigen: S. 314 nnten steht:
934 Casael: ThQrtiigiiche Orttntineo.
Rasenbosch sei im Jahre 1500 in Landshat (?!) immatricidiit
worden; er sei dann nach Ingolstadt aurückgekehrt 1 — Da»
diese Darsftellang kurz gehalten worden ist, liegt allein darin, wd
der Becensent auf den Raum des Liter&turblattes Rücksicht nehmes
wollte. RoMkivt.
üeber Thüringische Ortsnamen, von Paulus Cassel, Beer» d. h
Aeademie der Wissenschaft zu Erfurt. Abdruck a. d. vfim,
Berichten der Erfurter Aeademie, Erfurt. Willarel. 1S5S,
8. 87—225. 8.
Der Verfasser, fletssig, gelehrt und gewandt, strebt im allge-
meinen Theil fremde und eigene Ansicbteu über Bedeutung der Orts-
namen (ON.) geltend zu machen, folgende Anlasspunkte benrorhe-
bend: Ausdrücke des Natursinns, sentimentale Naturschilderuag
alter und neuer Zeit, klimatische Beacbaffenhelt Widerbild der Ge-
schichte, Einflnss der Gottheiten und Personennamen. Was ich da-
gegen principiell zu sagen habe, ist in meinem Buche: «Die Be-
deutung der Böhmischen Dorfnamen iii Bezug auf Sprache uni
Weltgeschichte. Leipzig 1856. I6V2 B. 8.^, und rhapsodisch li
Nr. 45 d. Bl. niedergelegt Zwei competente Stimmen (s. Kr. 4S}
habe ich für die Richtigkeit im Ganzen schon angeführt und sovid
ich für das grössere Publikum auch in der Feder habe, muss ick
es Ranmes halber, doch unterdrücken. Nur Eins will ich bemer*
ken. Die Sprache wurde in der frühesten Zeit ron den MensebeB,
welche keine Cretips waren, auf Grund der Sprachanlage angeleil
und so angewendet, auf dass Mit- und Nachwelt das Erzeugte ver*
stehe, dass es ad hominem im strengsten, concretesten Sinn s&
Alle Etymologien müssen demnach ad hominem sein und die es an
meisten sind, sind die berechtigsten. Was die Widerlegung metnei
orts* beschreibenden, und in Bezug auf Thiere, Pflanzen u. deigis
eigentbümliche Kennzeichen beschreibenden Priucips betrifft, so msas
ich von der Kritik verlangen^ dass sie mir die Berge, SchroffUngi^
Sümpfe n. s. w., bei den Thieren Tatzen, Geschwindigkeit n. der|^
bei den Pflanzen Art des Wuchses, der Verbreitung etc., aus dir
Welt schaffe, um mich ihr bequemen zu können. Oder vem^
man eine, weniger der Phantasie Spielraum gebende etymologiscka
Methode aufzuweisen? Wo nicht, so darf ich doppelt Berückudi*
tigung meiner Quellen beanspruchen. Lese man gründlieli anck
mein Buch: „Slawen- und Teutschthum in cultur- und agrarhiatir,
risehen Studien zur Anschauung gebracht, besonders aus Läneboig
und Altenburg. Quellenmässige Beiträge zur Geschichte der 05ite
und Landwirtbschaft in Teutochland. Nebst drei Tafeln mit Abhi^
düngen von Dorfgrundrissen. Hannover. C. Rümpler 1856^, oai^
frage sich dann, ob phantastische Combinationen , oder nicht Tid^
mehr ^ie nttchten^ste Forschung meine Art sei? Die B ed. dar'
Cafsel: TbQriogiche OrUnameii. 885
bOlim. Dorfnamen M aus den Stadien m jener Schrift tito Re*
saltat hervorgegangen, so dass sieh beide wie ZwÜiinge verhalten.
Die ON. wollen als Zeugnisse der ältesten Sprache and dei frühis^
sten Lebens nach der durchweg practischen Anschanungsweise fh^er
Zeit aafgefasst und erlilärt sein, die ganz überwiegend, wenn nicht
alle topographischen Anhalte ausschloss. Wer Einsicht in die fac-
tischen Vorgänge, welche sich auf die Oesammtgestaltung des or-
sprtinglichen Ansiedlungswesens der Ackerbau Völker der Vorzeit be-
ziehen, verstehen will, kann dazu nur gelangen, wenn er mit ange-
bornem, besonderem Interesse für speciellste landwirthschaftliche Gul-
turgeschicbte das Glück hat, auf ein Material zu stossen, in welchem
sich die Gesammtheit solcher Einrichtungen In ihrer Ursprönglieh*
keit nnd nach den wesentlichsten Richtungen noch erkennen iSsst
Bringt er diese Dinge durch persönliches Ergründen an den Tag, so
wird dieser selbstredend in seinem Bewusstsein zu grösserer Klar-
heit mit demselben sich zusammenleben, als wer dergleichen ResnK
täte nur lesend in sich aufnimmt. Selbst sehen, selbst artheilen,
selbst scbJiessen nur macht practisch. Ref. ist so glücklich gewe-
sen, im altenburger Osterlande, im R. Sachsen und namentlich im
lüneburger Wendlande auf dazu geeignete Gebiete za stossen and
jene Verhältnisse aus demselben, mit sehr befriedigender Anerken-*
nung von Seiten der wissenschaftlichen Kritik ans Licht ea ziehen.
Kr verweisst deshalb insbesondere auf seine Schrift. Als Schluss*'
stein ist daraus organisch die vorhin citirte Schrift hervorgegangen.
Beide Schriften beruhen im Wesentlichen nur zum mindesten Theil
auf dem Studium anderer Bücher, sondern auf dem der unmittelba-
ren, in den besten Karten sich darlegenden Wirklichkeit Wie man
nun die Kritik eines Kunstwerkes nur dann selbst zu würdigen ver-
mag, wenn man es selbst kennt, so ist auch zum gründlichen Ver-
atändniss obiger Bücher das Studium der ihnen zu Grunde liegen«
den Karten und des böbm. Ortnaroenregisters von Schäller nöthig.
Jedoch, da sich die ON. als Ortsbeschreibungen allenthalben wie-
derholen, so bedarf man zum VerstSndniss des zweiten Buches nur
sehr weniger der dort angeführten Karten. Versuche man es selbst
mit nnr einer. Wer diess unberücksichtigt iSsst und namentlich als
Sprachforscher verneinend über die Gültigkeit des weit überwiegend
ortflbeschreibenden Princips spricht, entbindet mich der Verpflichtung,
ihn ^u beachten; denn meine Quellen BiT\ß. vollständiger und zum
wesentlichen Theil anderer Art als die scinigen. Ihm sind Schrei-
bungen der ältesten Schriftdocumente vorwiegende Quellen, in wel-
chen ihm jedoch die Namen getrennt von den Beschaffenheiten der
Objecto vorgeführt werden, auf welche sich erstere beziehen. Ich
aber habe sie in der sinnlichen Verbindung vor mir, in welche Ort
und Name oft Jahrtausende früher, als jene Documente abgefasst
worden, von den Namengebern in Verbindung miteinander gesetzt
worden. Führe man mich doch ad absurdum, indem man die Berge
abträgt, Flüsse abgräbt: dann bequeme ich mich gleich; s^olange
16$ CwmI: fliQriaciMhii Ortummm.
M)lhft. ZfMMi "^4 yuwn ft^tTfiftttJptnffMlfn TJwiioilMunmMMli IIAhi
^f tUbeo gelMf«!! werden, nimicer -^ im Gänsen. Dan fie
YedM c 1600 y. Gbr. abgefaBst sind, beweist nofi dass ihre Sprache
daouüs schon auf einer staanenswerth hohen Entwicklungstnfe stand
wd d«)r Fornrelchthnnn des SanArit beweist für heute aiemlich da»*
Siolbef aber Dncbt, dass das vergleichsweise sehr unentwickelte Sla-
Wäsche die einfachen gemeinsamen Urformen nicht treuer bewahrt habe,
für die Etymologie der Scbwestersprachen weniger geeignet aeL Viel
eher das Gegentheil, obgleich beide Sprachen gleich alt sein kSnaeo
und im Beaug auf den gemeinsamen Ausgangspunkt anch sind.
Soldten, welche behaupten : ich sei zum Etyolmogisiren aus dem Böh-
mlscheni resp^ Slawischen, unbefähigt, weil ich die Grammatik und
den Geist der Sprache nicht kennoi setze ich die einfache Thatsacbe
entgegen^ dass Hr. Schmaler (s. Nr. 45. d. J.)» der slawische
Grammatiker ist und auch mit Etymologie sich beschäftigt, mjr nicht
nur beistimmt, sondern auch, wie er mir selbst offen eingestanden,
durch, mich zuletzt aufregendes Wiederholen schon beseitigt gewe-
sener Einwendungen, weitere Aufklärungen aus mir hervorzulockeo
sich angelegen sein Hess, die ich ihm, meinem für jetzt wichtigsten
und nächstens auftretenden Recensenten, auch gerne freiwillig gege-
ben haben würde. Doch wird allerdings durch sein kluges Verfahren,
die Ideenassociation oft viel lebhafter erregt und manches im Hio-
targrqnde lueines Gedächtnisses Liegende wurde so hervorgezogen.
Bei der Neuheit der Sache und dem Widerspruche, den sie bei
manchen Gelehrten auch deshalb findet, weil sie nicht von einem
Sprachforscher ex professo kommt, war diese längere Vorausschickung
um so «pthwendiger, als ich über die mehrfachen Gesichtspunkte,
yon welchen Hr. Buttmann (Nr. 45) ausgeht, im Einzelnen gar
Qicliis oder nur Summarisches gesagt. Auch auf diejenigen Hrn.
Cassels kann ich Baumes wegen, im Einzelnen nicht eingehen,
sondern nur wiederholen, dass das ortsbeschreibende Princip mit
NotbwendjgkeU aus der Denkweise und gesammten Lebenslage der
uralten Ansiedler hervorging. Wer sich in deren ganzen Bildungs-
stufe und Anschauungsweise an der Hand von greifbaren Thatsa-
chen hineingelebt hat, dem wird es sonnenklar, dass auch ihre Sprach-
reste, d. i. die Namen der Orte, Pflanzen und Thiere u. s. w., schla-
gendea Zeugniss dafür ablegen, dass sie als selbständige Denker —
Gretins. waren sie, ich möchte behaupten, weniger als wir — ua
Verhältniss zu ihren schon vorräthigen Bildungsmitteln, von des
inneren und äusseren Sinnen viel scharfsinnigeren Gebrauch zu ma-
chen wus/itea, als die späteren Generationen, zum guten Theil selbst
ala unsere Mitwelt. Trotz ihrer beschränkten Sprachnaittel wuastea
sie niittelst, derselben alle Dinge und Vorstellungen ihrer, an sich
nicht armen Aussenwelt, also bezeichnend ausdrücken, dass die Aus-
drücke allgemein verständlich, ad hominem waren. Was nicht ad
bom.iiiep9r war,, konnte keinen Eingang finden und alles Unklare in
jenen 3prae)u^engnissen rührt, wie diese selbstredend, aus EntoteUnng,
Cmef: niOrliigifGlM OrtinuMm tB7
Oedudb mflirai die LStoogea der TUer-| Pflaiiieii-| Ohgamm ote.
andi dem praetifldieD Bedfirfniss der Sprache der Alten e&tipreehen,
möglichflt coDcrety und damit ad hominem sein. Sonst taugen sie
nichts und deshalb bin ich, zur Kürze gezwungen, auch gegen die
vom Verf. aufgestellten Gesichtspunkte. Die speciellen Gründe ent-
hält mein Buch.
Nun zu unserm Schriftchen, an welchem uns speciell nur das,
dem Titel gemäss, angeht, was Verf. über Thüringische Ortsnamen
sagt. Dessen Inbegriff sind drei Punkte. 1) Beschäftigt er sich
nur mit dem auf leben endenden Namen; 2) hält er alle diese
Orte deutschen Ursprungs; 3) sucht er die Bedeutung des in indi*
▼idoellen Theiles derselben stets durch einen Personennamen zu er-
klären; 4) löst er jenes leben durch bleiben. Wir haben nur g^
gen Nr. 2, 3 und 4 zu reden.
Zu Nr. 2. Hier ist einzuhalten, dass BocklebeUi 5. b. Lüchow,
und Zargleben, ö. b. Clentze, beide im lüneb. Wendlande, durch Ihre
hufeisenförmige Bauart — das allgemeinste Criterium ist die, nur
mit einem Zu* und Ausgang versehene Sackgasse — sich als rein
slawischen Ursprungs ergeben. Ersteres liegt am Hange eines, für
dortige Verhältnisse sehr ansehnlichen Berges und Bok heisst bhm.
Abhang (Ab-bieg-ung, Ab-bösch-ung), ist also Ortsbeschrei-
bnng. Zargleben zu erklären, würde hier zu viel Raum kosten.
Da Verf. selbst mehrere lüneb. Beispiele anführt, so bekommt sein
erster Satz also schon hierdurch einen Riss. Durch gute anhältische
und magdeb. Karten würde er vielleicht noch mehrere bekommen.
Nr. 3 habe ich meinen Grundsatz, dass man im Allgemeinen
alte ON. für Ortsbeschreibungen halten müsse, entgegenzustellen.
Hier kann ich nur ganz einzelne Beispiele für die thüringischen
Orte ausbeben und wähle absichtlich solche, deren Lage ich nicht
kenne, werde aber eines ausführlicher behandeln müssen. Für Do-
mersleben b. Wanzleben, 1135 Domeneslevo, conjicirt der VeYf. als
ursprüngliche Schreibung Thancmarsleben. Da R und N als Er-
zeugnisse am palatum durum leicht wechseln, so ist der Unterschied
in jenen Schreibungen nicht wesentlich, jedoch, wie wir sehen wer-
den, die jetzige die richtigere. Ich behaupte, dass eine Abschüssig-
keit dort sei, dem bhm. brz, hurtig, rasch, unserm presch, aus dem
darch Consumtion rasch entstanden, analog von Prautok-Wrautok
und Rudik, entsprechend. Diess brz ist nun mit der Partikel do,
welche in der Zusammensetzung sehr bedeutet, verbunden, wenn
nicht do als praep. an, bei, zu verstehen ist. Der Name führt sich
auf das, Nr. 45 erwähnte Dober zurück, dessen reinere Form wir
in Böhmen als Dobrz finden. Aus diesem Namen haben sich, weil
er ein sehr häufiger ist, um so leichter auch sehr verschiedene Aus-
sprachen und Schreibungen entwickeln müssen. Die pag. 108 — 112
ind. in Schaller's top. Lex. d. K. Böhmen, sind davon erfüllt,
abgesehen von zahlreichen anderen Beispielen unter anderen For-
men. Um aber zu zeigen, wie daraus PN. entstehen, namentlich
888 Catsel: Thüringische Ortsnamen.
TbocDas uod Tobias, dieo^ die unten' (olg^pde Kebenelnanderetd-
lung meist bbm. ON. Die presche TerrainbUchafTenbeit wird sidi
tiberall finden, wo nicht in vereinselten Ffillen, wie s. B. roöglicber
Weise bei dem böbm. Teiche Topirz, die Grandbedeutung von pre,
weibliche, also milchgebende Brust, prysstenj, Hervorquellen, pryss-
tei^'y prysst, Geschwür, prs, Staubregen, prst, humose Erde, als sich
auf fruchtbaren, besonders Gräser, s-priess- enden Boden belie-
bend, anzuwenden ist. Ich führe nun fol<;. bbm. ON. an. Dobra-
Dobba; Dobr8ch=Dobescb und Dobess; Dobrzenitz=:Dobronitz,- Do-
bieschitz; Tobessowicze=Dobe8chowitz; Tupas -Tupes und Dupeseo;
Tubus=Dubus; Tubschan; Dibischau — Diwischau; 1) Topisenreut,
2) TÖppesenreut entsprechen nicht einem Tobias, sondern e. a. ON. :
Diewczy Hrad, auch Diewin gen. Weiter: Dobroalaw; Tieberschlag
= Lomy; Temerschlag = Demeschlag (vgl. u.); Demeschwar, Fer-
ner hat man: Damietitz; Damitsch; Damitz; Tomitz, cf. meckleob.
Feste Dömitz; Tamit8chan=:Tomit8chau; endlich: DomasIaw=:Tho-
masschlag und Thomaschlag; Domaslowitz; Tomaschitz=:Domaa-
schitz; Dmejschltz; Domausnitz; DomasIicze-=Tauss; Domazliczek;
Domislicz; Domoraz; Domrowitz; Tomarzin; Dumichsdf=Thomigsdf;
Dumagitz. Endlich in dem Doppelnamen Tiebersch]ag=Lom7, ur-
sprünglich, wie wir unten sehen werden, sehr wahrsciieinllch Lobj,
sind Doppelnamen. Man hat auch, mit S u. Z präfixirt^ neben Tie-
berschlag: Stiebrad ^=:Zdiebrad, dem wieder SchiemerstrrScbamers
entspricht. In Wssedobrowitz ^Schedoprowitz, ist die Beschreibung
der preschen Lage noch durch vorgesetztes wys, Höhn verstärikt
und Dobritschon heisst auch Woczehow. Umgekehrt von jenem ist
in Dobristroh (Frankf. a. 0.) die Beschreibung hinten, und zwar
durch ostrz, scharf, schroff, verstärkt. Die einzige Lücke in den
obigen Uebergängen der Laute liegt in dem Mangel eines Bei-
spieles, in welchem B durch nahverwandtes M vertreten ist, welche
sich aber leicht durch Anführung von Wolmerich f. Wolkenbnrg
und Almerich f. Altenburg ersetzt. Nachträglich finde ich Damer-
kau=Dombrowsto (Danzig), wo B mit M wenigstens noch geseUt
erscheint. Man wird auch leicht einsehen, dass bbm. wrch, Berg,
sich ebenso zu brz verhält, wie unser „Berg*' selbst, obgleich die
deutschen Etymologen Berg durch das vage althd. pritht, prächtig,
erklären, was doch nur eine subjectiv romantische, in zahllosen Fäl-
len gar nicht sich rechtfertigende Anschauung entliält. Im Uebri^n
darf man die vorstehenden Schreibungen als nur durch zwischenge-
tretene Vocale erfolgte Auseinanderziehungen von Dobrz and Do-
berzicz betrachten. Das icz besagt lüneb. Eitz, Feld, unserm Esche
entsprechend. Stelle man nur Dobraslaw neben Temerschlagt^rDe-
meschlag und Domaslaw und Doberschien neben Tomarzin und be-
merke, wie in Dumagitz und Damichsdorf=fThomigsdorf das in Do-
moraz noch vorhandene R in das nahverwandte 6 und dieses in
Domauschitz In Seh übergeht, um sich die Entstehung von Tho-
masdorf greifbar zu versinnlichen, um derartige üebergänge «o
CaMol: thurinjfftiAe Ortsniimeii.' MI
«ntdeclen , war es freilich nMfrIg , das 14,507 Bchreibiingeii
enthaltende Be^^ister Schalters vergleichend doreh engehen, nach
verschiedenen Gesichtspunkten zu excerpiren und die General-
stabskartenblätter über den grössten Theil Nord - Deutschlands
durchzumustern und zu vergleichen, in wiefern ähnliche Namen
mit ähnlichen Terrainbeschaffenheiten correspondiren. Dabei kommt
es auch sehr auf die topographische Umsicht im Kartenlesen an.
Schliesslich will ich noch, da sich kein Thomasleben h» Thüringen
findet, das slaw. = law, wie wir sehen werden, aber unser = le-
ben vertritt, für die Controle, namentüch Köoigsberger und Bres*
lauer Gelehrter, bemerken, dass sich im R. bez. Bromberg: Do-
rn aslaw und im Breslauer: Domaslawits und Dobrosia-
wits darbieten. Ich wiederhole aber, dass man durchaus die all-
gemeine Terrainbeschaffenheit der Landschaften ins Auge fassen
müsse, um kleine Plateanabschroffungen nicht als scheinbar unwe-
sentlich zu übersehen. Nun will ich noch zwei andere Beispiele
des Verf. anführen, die ich ebenfalls grade herausgreife und ledig-
lich durch meine Erfahrung gestützt, interpretire: 1} Wolmirsleben,
a. 937 Wilmersleve (S. 184) was Verf. durch Wilmar Woldemar,
und 2) Germersieben, alt Germersleva (S. 185), was er durch Ger-
mar erklärt. In dem einen liegt wal, Damm (unser Wall), Sturz,
Woge, und brz, im andern gora und brz zu Grunde. Weimar, ao
viel kann ich jetzt schon mit Bezug auf Nr. 45 sagen, würde rich-
tiger Wampyr geschrieben werden. (Nicht in Vampyr zu corrigf«
reo.) Dass althochdeutsch mar, gross, auch hier entspringe, sieht
sich um so leichter ein, wenn man erwägt, dass höhere Schroffhänge
von unten gesehen, den grössten Eindruck der Grösse erwecken.
Wie mit Domersleben cet. , ist es mit allen anscheinend Personen-
namen führenden Ortnamen zu halten, wenn nicht Zeit und nähere,
specielle Umstände ans der Epoche der Gründung selbst bekannt
sind, oder wenn sich im Terrain gar kein Anhalt zu einer entspre-
chenden topographischen Erklärung findet. Zu Thomasschloss in
Böhmen sa^t Schaller: ^St. Thomas mit, 1252 unter dem Na-
men des h. Thomas erbauter Kirche und einem nächst daran liegen-
den Schlosse, so ehedem Wittinghausen genannt wurde, jetzt aber
Insgemein mit dem Namen des St. Thomasschlosses belegt wird.^
Ehe ich mich darauf einlasse, will ich bemerken, dass die Kirche
zu Ajezd dem h. Aegidius geweiht ist , und dass man die Kirchen,
namentlich die isolirten Capellen des h. Paulus, aus den Zeiten
bis zum 13. bis 14. Jahrh. in Böhmen, stets auf Buhlen finden
wird. Da nun Wittinghausen=Witkow sich auf wys, Höhe, zu-
rückführt, so wird ein Doppelnamen desselben, ähnlich wie die hhra.
Ortnamen Dobrass, Domaratz, gelautet, die Contraction in Thomas
erfahren und daraufhin den Heiligen als Patron zugewiesen erhal*
ten haben. Aus solchen Fällen erkennt man den historischen Werth
vieler Ortsnamensagen. Die Beibringung der älteren Schreibungen
durch den Verfasser hat indess immer den Werth, mitunter leichter
■Bf dto nniirSiii^« Form topocrapUfdun Bkmm geflflirt m werte«
Nr. 4. des Vert eftlhllt die Belumptimgi den =lebai in ON.
bleiben bedeute. Könnte wohl sein, wenn man nicbt stets mit
Anlegung eines festen Wohnsitzes die Absicht des Bleibens bodeu-
st&ndig ausgeprägt hätte. Legt man heut zu Tage Orte an, so
will man durch den Namen meist eine Remiuiscenzi Sentimentalität,
eine Spielereii überhaupt oft etwas Beliebiges ausdrucken, während
l>ei den uralten Landleuten ein nüchterner, mit der ganzen Verständ-
lichkeit ihres Gemeinwesens harmonirender, practischer Ernst allein
massgebend war, so dass, während der individuelle Theil des ON.
die Topographie, der generelle den agrarischen Sinn von Dorf und
Flur ausdrückte. Die Endung = leben rührt nun von bhm. lapa,
Fuss, Pfote, als Gangwerkseug , beim Wilde als Lauf, Schenkel
vorzustellen und man besagte dadurch die, das Dorf umlaufenden
Zäune, zugleich die Umgränzung der Flur. (Vgl. lat. limes, Grenze
and lumbes, Lende, Theil des Schenkels, und engl limb, Schenkri.)
Auch lässt sich an Umlauf in der Benutzung der drei Fiurscblägt
zu Wintergetreide, Sommergetreide und Brache» auch an den perio-
dischen Wechsel in der Benutzung der Ankerloose unter den Hnf-
nern denken. Es hat aber die Endung mit der Zeit sehr verschie-
dene Formen angenommen, von denen ich folgende erwähne: So-
bieslap=:SobochIeben; Skrecbleb .= Strechlowa ; Burgsleben =: Boris-
lau; Mislewa=:Misliw; Meczlow = - lini?, -len u.-lem; Werklebitz
=Werklowitz; Nosylowr^Nosyly ; Domaslaw=Thomasschlag; Wus-
leb =Woslem; Waislow:=WaisBlein; Wusleben kommt auch vor,
'und Pohlemb =: Polem stellt sich zu dreimaligem Polep; Zedlem =
Sedleim; Kozochlow = Kozohlod, und Rozochlow = Rozohlod; Tj'
chodla ^=r Tychodil; Koziow =: Gosslau und Kozl ; Biadio = BladI,
woraus wir uns in vielen Fällen das ablautende L erklären können.
— Bei Schreibung meines Buches, S. 107 ff., hatte ich lapa als
Stammausdruck noch nicht erkannt. Die Lauenstein u. dgl., eine
Berglage beschreibenden Ausdrücke müssen daraus erklärt werden.
In topographischer Hinsicht wird lapa in dreifacher Richtung ange-
wendet: 1) um den Auflauf des Terrains zu bezeichnen, wie z. B.
in den Bergnamen, Lewin, Libenie, Liebiechon, Limberg, Lobosk,
Lubenecz, wohin denn auch die sieben verschiedenen Olympe der
alten Welt, der Libanon, u* ähnl. Namen geboren werden. 2) Den
Zusammenlauf, wie in bioub. Tiefe an sich, und dem Teichnamen
Lawiczka; auch die Schnee-* Lawine gehört in die Classe der Be-
deutungen des Niederlaufes; 3) den anscheinend horizontalen Hin-
lauf, wie in den Fiussnamen Labe, Leba, Liban, Lobitz, Luppe.
Als Mannigfaltigkeit einer und derselben Schreibung eines ON. führe
ich an: Laubendorf=Lämberg , Lemberg, Limberg, Limburg und
Lindburg. Aus letzterem erhellt der Zusammenhang zwischen lat ^
lumbus und unserem Lande. Dass bhm. chlum, Berg, nach Vor-
tretung der Aspiration, wie in Libota=:Hlibotz und Hlubotz, und
Verwandlung von P in M auch von lapa rühre, liegt auf der Hand.
CflMel: ThOmgifcba Ortoatneii. 881
In BiiiPtechaD=GIamttc!M» ileltt sieh K ein. — Id folgenden lezi-
kaiieeheii Wörtern wird man stets lapa als Stammaasdruck und die
Eotlebnung yon Fuss, Pfote, Klaue, Tatze, beim Menschen Hand|
dann yon Schenkel, Lauf, auch von pianzlichen und animalisch-
organischem Auflauf erkennen. Leben, Schädel (Auflauf der Hirn-
schale; lew, Löwe, mittelrhein. Leb, cf. leo. Hon); low, Jagd; la*
pati, fangen; s-lopec, Falle, namentlich für grosses Wild (entweder
zum Hineinlaufen oder weil es zunächst auf die Läufe abgesehen);
s^lanp, Säule (ursprünglich Baumauflauf); s-laupUi, od-lepiti, abk-
lauben; od-lupowati, abschälen; lupen, Blatt (Laub; daher die vie-
len slaw. Waldnamen Leuba}; od- laupnauti, wegreissen; lupic, Räu-
ber (cf. lat. lupus); lupacka = k-lepot, E-Iapp; k-lopotati, rennen;
k'Iopotne, jähe Slawen, bei Procopiua Ux-XaßrivoL^ scheint mir
einfach Wandervolk zu bedeuten und zwar In Bezug auf die acta
migrantes, von denen der ^'ame auf die Sessbaften allmälig über-
tragen sein wird. Ein Se lave ist ein unterworfener, unterwürfiger,
dem Herrn zum Nachfolgen, Nachlaufen gezwungener Mensch. S-lowo,
Wort (Auslauf desselben); c-lowek, Mensch (Sprache ausgehen las-
sendes Wesen) ; m-Iuwlti, reden, t-lampati, mit durch m verstärktem
P, plaudern, labberen. Unsre Lippe kann als Hülfsorgan zum re-
den, wohl auch als geläufigstes Organ erklärt werden, wie Kiefer,
der bewegliche von Kypry, locker, woher auch Käfer, der krab-
belnd laufende. Die lockere Rinde der Kiefer unterscheidet sie von
Tanne und Fichte. Leben, vivcre, bedeutet einfach auf den Beinen
sein, nicht bewegen; denn es bewegen sich auch leblose Körper,
während der Mensch regungslos im Scheintode daliegt. Bewegen
führt sich aber auf bhm. behati, gehen, laufen, mit vorgesetztem
be (diess mit deutscher Schrift) als viel, dauernd rege sein, zu-
rück. Lat.. liber, frei, bezeichnet den, nach Belieben Laufenden,
Gehenden; liber, Sohn, den Sprössiing, Auslauf aus der Ehe; labor,
Stfitigkeit auf den Beinen. Bhm. ziwu bjti, moc. et sl. ziti, kann
nur aus z-l!wu byti (bytirr-sein) entstanden sein, analog von russ«
BODtze f. poln. slonce, Sonne, einst aber aus einer erdachten Wurzel
zj. Ebenso kann zyb, Schlammerde, Sumpf, nur durch z-lib, ak
zuBammengelaufene, sch-lüpf-erige Erde sich verständlich lösen. Aus
zyb muss aber, durch Einfügung von M, unser Sumpf entstanden
aeiD. Lat. vivere kann ich mir nicht anders erklären, als indem
ein weiches t in w, später v übergegangen, analog der wendischen
Aussprache von woboko für hluboko, tief, und swunce statt slunce,
Sonne. Yixi, victum muss von einem andern, mit behati stimmen-
den Zeitwort rühren, wofür lat. vix, eben vergangen, spricht. Pix,
Pech ist harziger Auslauf, unser fix, Schnellgang und Sichergang.
Zu ßtos stellt sich ebenfalls beb, Lauf (des Daseins). Niemand
wird es als undenkbar behaupten künnen, dass die Uralten ebenso
gut wissbegierig waren, was die trächtige Gebärmutter eines gefal-
lenen Wildes oder Viehes enthielt; ebensowenig, dass sie allmälig
erkenne konnten, der erste Anlauf, Ansatz des Fötus, sei die Leber,
8Ö2 Cassel: Hidringisclie ÖrUnameiu
Chm jatra, an jUrinj, frühe und jltro, Morgen, aicb ansdillesaend.
Im lat. jecur könnte sich C aus T gebildet haben, wie In Leuken»-
dorf=Leidensdorf. Jecur würde dann jitro sieb anreihen. Wenn
es erlaubt ist — und weshalb nicht? — neben Lemnik =- Jemnik ;
Leschin-rr Jeschin ; Lankowitz=: Jankowitz , für hepar ursprüoglicheB
jepar und lepar anzunehmen, so stossen wir auch hier auf sprach-
liche und sachliche Uebereinstinimung. Dass der GeniuV bepatis
lautet, liegt wieder einfach an der Umsetzung des R in T am pa-
latum durum; in Veibindung mit der Zunge eines der wichtigsten
Sprachorgane, da sich hier durch Brechung verhSltnissmSssig die
meisten Lautwandelungen bilden und dasselbe den zahnlos Gewor-
denen beim Sprechen die ZShne vielfach ersetzt. — Dass unser
Lampe für Hase die lapa, den Schnelllauf des Thieres bezeichne,
ist klar. Man denke nur an Lappen und Lumpen, beides Abgelan-
fenes. Abgerissenes besagend und an lat lepus. Lepus, Scherz, ist
oft meist unverhoffter Einfall und Auslauf eines Gedankens zugleich.
Wer liebt, hSngt, geht dem Anderen nach. Recht deutlich zeigt
sich der Zusammenhang der Sprachen u. a. noch in bhm. tipa,
Linde, so benannt von lat. über, Bast, der lang unter der Rinde
hinläuft und als sehr brauchbares Bindemittel urfrüh erkannt gewe-
sen sein muss. Linde entspricht wieder bhm. len, lat. linum, Lein
(Flachs); Bast lat. passus und pes, bhm. beb, Lauf, pazaur, Tatze.
Ebenso entspricht Über, Buch, diesem beb, indem dadurch der, In
demselben entwickelte Lauf, Hergang der Dinge oder Gedanken dar*
gelegt ist. Liber=:Bacchus besagen entweder den Wein einlaufen
Lassenden, oder der Name ist vom Ranken und Für bass gehen
des Weines entnommen. Bhm. beisst Bast lycj, mit Idzti, kriechen,
zu verbinden. Die ralsutis. Rüster aber wird nach ihrem nützli-
chen Bast, waz, Band, bedeutend, genannt. Tilia scfaliesst sich
zunächst an ddl, Weite, Ferne, insoweit die lange Ausdehnung des
Bastes dadurch ausgedrückt wird. Man kann aber auch direkt an
dlauhy, lang, denken, wenn man Einschub von J zwischen D und
L annimmt. DjI, Theil, führt auf Benutzung des Bastes zur Ab-
theilung von Land u. dgl. , wozu auch len, Lein (Leine), nament-
lich bei Abgrenzung von lan, Hufen = Land diente. DIauky wird
ursprünglich iauhy geklungen haben, analog von beut gangbarem
diapa für lapa. Hier wieder Einfluss des palatum darum. — We-
gen der Ableitung der ON. Scblewitz, Schleiz, Schlez in Nr. 45 von
ssliwa , Pflaumenbaum , will ich noch bemerken , dass Scblewitz
jetzt dem Leser selbstverständlich, dass aber bhm. sliwa, Pfianme,
von dem Ueberlaufensein des eigenthümlichen Reifes, pruina, daher
prunus, benannt ist; Pflaume sich aber nahebei zu sliwa verhält,
wie slowo, Wort zu nluviti, reden. Schleiz und Schlez sind mit
bhm. ON. Czelitz==Strelitz zusammenzustellen und bezeichnen das
Abscblüssige im Terrain, indem sie mit strela, Pfeil, strjleti, schiessen,
unserm Strahl verknüpft werden müssen.
Wimmer: Flora yon Schlesien. S93
Aach die Sprachforacher vom Fach werden hoffentlich aas dieser
Kritik eriiennen, daes man sich nicht so abstract, wie es gewöhnlich
geschieht, in den Genius der Sprache versetzen dürfe, um £u prac-
tischen Einsichten in denselben £u gelangen.
Leipiig. Victor ilacaM, Prof.
Flora van Schlesien, preussischen und öderreieküchen AntheiU oder*
vom oberen Oder und Weichsel- Quellen-Oebut. — Nach nor
tiirlichen Familien von Dr. Friedrieh Wimmer. Dritte
Bearbeitung. Breslau. Ferd. Hirfs Verlag. 1867. 696 8. 8.
Zu denjenigen Fiorengebieten Deutschlands, welche besonders
in neuerer Zeit auf das Sorgfältigste und mit einer Vorliebe für die
sänimtlichen Theile der Pflanzenl&unde durchforscht sind, gehört un-
streitig Schlesien. Wenngleich die Flora dieses Landes schon wie-
derholt von verschiedenen Autoren beschrieben wurde, so hat sich
doch mit Recht das Weric des Verf., welches in erster Auflage 1840
erschien und nun als dritte Bearbeitung vorliegt, eines allgemeineren
Beifalls su erfreuen gehabt. Auch diese neue Auflage ist gewiss
als ein werthvoUer Beitrag au den systematischen und geographi-
schen Verhältnissen der deutschen Flora anzusehen, denn es werden
sowohl einerseits eine grosse Anzahl von wichtigen MittheUungen
über kritische Arten, als auch andrerseits mancherlei Nachweise über
das Vorkommen und Auftreten interessanter Pflanzen Schlesien's
gegeben.
Da die vorliegende Ausgabe nur den systematischen Theil der
Flora (Geiässkryptogamen und Fhanerogamen) behandelt, so macht
der Verf. mit Recht als auf eine wesentliche Ergänzung seines Wer?
kes, auf die 1845 von ihm erschienenen Neue Beiträge zur Flora
von Schlesien, zur Geschichte und Geographie derselben etc. auf-
merksam. Es fehlen daher dieses Mal die statistischen Nachweise
völlig, auch sind die aufgeführten Arten nicht mit fortlaufenden Zahlen
bezeichnet, indessen ergeben sich, wenn wir die hinsichtlich des Vor-
kommens etwas zweifelhaften Pflanzen ausnehmen, für die Flora
Schlesiens*) nunmehr 1391 Arten, wovon 50 Gefässkryptogamen
and 321 Monocotyledonen. Wie in Deutschland überhaupt, so sind
auch hier die Compositae (mit 144), Gramineae (mit 97), Cypera*
ceae (mit 90), Papilionaceae (mit 66 Arten) am zahlreichsten ver-
treten, doch erscheinen uns im Verhältniss zu anderen deutschen
Flerengebieten die Familien der Filices (mit 33), Cyperaceae (mit
90), Umbelliferae (mit 52 Arten) besonders artenreich. Im Ver-
gleich mit dem westlichen Deutschland treten die Cruciierae und
auch die Orchideae an Artenzahl etwas zarück. Von den letzteren
sind 36 aufgeführt. Da aber die schlesiachen Hochgebirge mehrere
*) Die Arten der auf galizifehem Gebiet liegenden Babia Gera mitgesiüilt.
894 Wimmer: Flor» vfin Schlesien.
Seltenhetten ans dieser Familie besitzen, so wird man in der Flora
Schlesiens einige sonst weitverbreitete Orchideae verroisien, z. B.
die sftmmtHchen im westlichen Deutschland vorhandenen Opfarys
Arten, Orchia fusca Jacq., Himantoglossum hircinum Spr.
Die seit 1840 im Gebiete neu aufgefundenen PflaoEen sind
vom Verf. in der Vorrede Eusammen<2:estellt. Als neu unterschieden
werden n. A. Alopecurus hybridus W; Carex aristata Sieg; Carex
BuelcK W; Eophrasia picta W; Cerastium longirostre Wich; Diao-
thns Wimmeri Wich ; und als neu auf<?efiinden : Carex evolata Hartm;
Wolfia arhiza Horic; Aldrovanda vesiculosa Lam; Erysimnm repan-
dum L| Agrimonia odorata Mill etc. bezeichnet Das Vorkommen
mancher früher als einheimisch angegebener Pflanzen wird bezw«-
feit, z. B. Nigritella angustifolia, Podospermum laciniatum, Hellebo-
rna viridis, Helleborus ni^er, Adonis vernalis, Bupleurum rotnndifo-
linm; von anderen, z.B. ßeckmannia erucaeformis, Berberis vulgaris
wird die Einwanderung nachgewiesen. Nicht ohne Interesse fSr die
achlesische Flora ist sowohl die Seltenheit von manchen bekannten
deutschen Pflanzen, z. B. Arum maculatum, Trisetum flavescens,
Jnncus obtusiflorus; Aspernia arvensis, Erynginm campestre, ah
auch das gänzliche Fehlen anderer, z. B. Poa dura, Inala dysen-
terica, Oaleopsis ochroleuca Teucrium Scorodonia, Tencr. Chamae-
drys, Ghaerophyllum aureum, Clematis Vitalba.
Die systematische Anordnung erfolgt nach Endlicher. Der spe-
ciellen Aufzählung der Arten geht eine Uebersicht der Familien nach
dem natürlichen, und der Gattungen nach Linn^s System voran,
um dem Anfänger das Bestimmen zu erleichtern. Die in deutscher
Sprache gehaltenen Diagnosen und Beschreibungen zeigen bei höchst
willkommener Vollständigkeit, doch auch hie und da die ao notb-
wendige Kürze. Insbesondere darf diesem Werke eine recht be-
zeichnende, leicht verständliche Terminologie nachgerühmt werden,
wie n. A. die Ausdrücke: Grundblätter, Aehrchendeckblätter, Blu-
mendeckblätter u. s. w. beweisen mögen. Aach den FamiKen- Cha-
rakteren ist in dieser Fora die in ähnlichen Werken häuflg vermisste
und doch ao wünschenswerthe Berücksichtigung geworden. Daas
aber die Blumenkrone bei den Borragineen meist etwas unregd-
mäasig sei, kann der Verf. wohl mit Recht nicht behaupten.
Die langjährigen Beobachtungen und Untersuchungen dea Verf.
baben natürlich nicht selten zu Resultaten geführt, welche hinsicht-
lich der kritischen Beurtheilung mancher Arten auch für die nicht
in Schlesien lebenden Botaniker von Werth sind, wie z. B. die so
schätzenswerthen Mittheilungen über Bastardformen in gewissen Gat-
tongen und die wichtigen Ergebnisse in Betreff der Gattungen Carex,
Salix, Hieracium, Rubus, Viola etc. Eine Monographie der euro-
päischen Weidenarten wird vom Verf. versprochen. Von Einzeln»
heiten mögen hier noch folgende genannt werden: Rumex arifolfos
wird als eine durch Standort bedingte Varietät von R. Acetons L.
erklärt Viola arenaria DG, Carex poiyrrhiza WaUr, Eoeleria glaoca
Wiramer: Flort yod Sdiletien. 899
DO. werden für wirkliche Arten gehalten (womit Ref. nach Beobaeh«-
tangen in der Heidelberger Flora völlig übereinstimmt). Grataegaa
Oxjacantha L. und monogyna Ehrb. werden vereinigt, eine Annahme,
gegen welche wohl ebenso wenige Bedenken eq erheben sind, wie
gegen die Vereinigung der Mentha aquatica Koch und M. sativa
Koch SU M. aquatica L. — Herniaria hirsnta L. wird von H. glabra
L. D. A. durch stielartig verschmälerte Blätter unterschieden und
von der ersteren Art die Bemerkung gemacht, dass sie im getrock-
neten Zustande den Geruch von Anthoxanthum odoratnm besitae.
— Sednm boloniense Lois. betrachtet der Verf., nicht Im Einklang
mit der neuerdings angenommenen Bezeichnung als S. sexangulare
L. — Mit der Vereinigung des Thesium montannm Ehrh. ond Tb.
intermedium Schrad. kann Ref. sich nicht einverstanden erklären,
ist auch nicht der Ansicht des Verf., dass sich Brumns patulus M.
et K. von Br. arvensis L. nicht unterscheiden lasse. (Die Ghraa»
nen bei Br. patulus sind z. B. besonders bei der Reife weit mehr
nach Aussen gebogen, als bei Br. arvensis. Im blühenden Zustande
sind beide Arten allerdings leicht zu verwechseln.) Die Gattung
Betonica wird vielleicht mit Recht zu Stachys gezogen; Hepatlom
dagegen gewiss mit Unrecht von Anemone getrennt. Die Aofißih*
mng der bekannten Setarien als Pennisetum Arten dürfte Manchen
vielleicht unbequem erscheinen. Einige derartige Verändemngen
finden sich auch nach dem Vorgange Fenzrs bei den Garyophyl-
leen. So werden Lychnis vespertina und diuma Sibth., auch Silene
noctifiora L. zur Gattung Saponaria gestellt; Saponaria officinalis
L. wird zur Silene Saponaria Fenzt. Wenn übrigens Silene L. durch
3 Griffel ausgezeichnet sein soll, so würde die letztgenannte Art
mit ihren stets vorhandenen 2 Griffeln wohl nicht mit sich den übri-
gen Silene Arten vereinigen lassen.
Zu billigen ist es gewiss, dass die deutschen Pflanzen-Namen
nar da Erwähnung finden, wo sie als Volksnamen wirklich noch im
Gebrauche sind. — Druck und Papier dieser auch an Umfang ge-
wonnoden neuen Auflage lassen nichts zu wünschen übrig. — Möge
daher diese mühsame und verdienstvolle Arbeit des Verf. eine Ver-
breitung nicht allein in Schlesien, sondern auch in weiteren Ereisea
finden, eine Anerkennung, welche dieselbe so sehr verdient und
welche, Im Interesse der systematischen Botanik gewiss mit Recht
gewünscht werden kann! Sdunlflt.
Sechster Bericht über den JUerthums-Verein im Zabergau 1853^-
1857. Von Karl Klunsinger, Dr. der PhHosophiej hor^
respondirendem Mitgliede des tourttembergischen atatistischr-topih'
graphischen Bureaus u. s. w. Stuttgart ^ 1857. Druck von
Karl Hauber. 28 8. 8.
Dieser Bericht „über den Alterthums-Verein im Za-
bergau^ steht der Geschichte des Herrn Verfassers über diesen Gau
886 Klanzinger: A]tertiiums-Y«rein im Zthtr^kn.
und das jetzige Oberamt Brackenheim ergfinzeod zur Seite. Der
Bericht umfasst:
1) Das Cisterzieoser-Fraoenkloster in Frauenzimmern und Kirch-
bach (ß. 1—19);
2) Aelteste Urkunde über die Kapelle in Stockheim (S. 19—20);
3) Verbältniss zu andern Altertbums- Vereinen (S. 20—23).
Zu den 12 Frauenklöstern, welche der Cisterzienserorden im
jetzigen Königreich Württemberg hatte, gehört das Kloster Fraoeo-
jsimmern oder Marientbai (Vallis sanctae Mariae), von seiner
Verlegung nach Kirchbach an Kirchbach genannt. Eine neue Qaell«
für die Geschichte desselben hat in neuester Zeit Herr ArchiFdiree-
tor Mone in Karlsruhe in dem noch blühenden Frauenkloster Lich-
tenthal gleichen Ordens aufgefunden, nämlich ein Copejbuch aus
dem 16. Jahrhundert, und Herr Archivrath D am b ach er hat sol-
ches im 4. Bande der Zeitschrift Mone 's für die Geschichte des
Oberrheine mit den nöthigen Erläuterungen hierüber veröffenth'dit
Dadurch und durch andere Originalurlcunden aus dem König]. Staati-
aichive wurde es dem Herrn Verfasser möglich die Geschichte dieses
Klosters aus urkundlichen Quellen mit gewohnter Gründlichkeit s&
bearbeiten.
Die Stiftung dieses Klosters fällt, wie alle übrigen Frauenklo-
ater dieses Ordens In Württemberg, in die Jahre von 1221—1267. |
Schirmherren desselben sind zuerst die Herren von Magenheim,
dann von 1821 an die Grafen von Württemberg. Sp£ta
gelangte es (1360) zu eiuiger Blüthe. Um das Jahr 1443 wurde
es nach Kirchbach verlegt, kam aber nachher (1531) in Ver-
fall und wurde im Jahre 1543 aufgehoben. Als Aebtissinnen we^ |
den genannt: Elisabeth, Agnes, Mechtild von Gochs-
heim, Margaretha von Sachsenheim, Dorothea von
Oöler und Agnes von Hohenheim. i
In der ^ältesten Urkunde über die Kapelle in '
Stockheim^, welche getreu ihrem Wortlaute nach mitgetheilt wird,
Urkunden der edle Graf von Neufen und seine Gemahlin Eli-
sabeth von Stralenberg, dass in die Schenkung des Kircbeo-
satzes zu Güglingen, die sie dem h. Grabe in Speier gemacht
haben, eingeschlossen sei die Schenkung der Kapelle zu SiockheiiOi
welche seit nn vordenk liclier Zeit zur Pfarrei Güglingen gehört hab«^
mit Zehenten und Zugehör. Die Urkunde ist vom 20. Februar 1296
und Abschrift einer früher im Deutsch-orden'schen Archive zu Mer-
gentheim befindlichen Orglnal - Urkunde. Sie erscheint jetzt zom
ersten Male im Druck. Auch in dem König]. Staatsarchive ist sie
nicht vorhanden.
Der Abschnitt |,Verhältnis8 zu andern Alterthums-
vereinen^ theilt die in Folge fortgesetzter freundschaftlicher Ver- |
bindung mit andern Alterthumsvereinen dem Vereine Übermächten |
zahlreichen und schätzenswerthen Gaben mit.
Rr. iL- HEIDELBERGER MST.
JAHRBOGHER der LITERATUR.
Jäfähtü der Deutsehen an der Entdeckung von Südamerika, oder
Abenteuer des Ambrosius Dalfinger und des Nikolaus Feder-
mann, beider von Ulm, des Georg Hohemut von Speier und
des fränkischen Ritters Philipp von Hütten unter der Herr-
schaft der Welser von Augsburg in Venezuela. Nach den Haupt-
quellen dargestellt von Karl Klunsinger, Dr, der Philo-
sophiej korrespondirendem Mitgliede des württembergischen sta-
tistisch-topographischen Bureaus u. 8. tr. Stuttgart, 1857* In
Commission der C. A. Sonnewald' sehen Buchhandlung, V und
116 S. 8.
In der voriiegendeD kleinen, aber inhaltreichen Schrift gibt der
durch seine hifltorischen Schriften rühmlichst bekannte Herr Verfas*
ser eine Reihe abenteuerlicher Züge, weiche der kühne Ambro*
81U8 Dalfinger und der thatkräftige Nikolaus Federmann,
beide Bürger der freien Reichsstadt Ulm, der ehrenhafte Georg
Hohemut von Speier und der ritterliche Philipp von Hütten
aus Franken im Dienste der Welser von Augsburg, der Rothschilde
des 1 6. Jahrhunderts, unterkamen, um das Eldorado der neuen
Welt, deren Pforten Christoph Golumbus erschlossen hatte,
aufzufinden. £s wird damit der Beweis geliefert, dass auch Deut-
sche sich des Ruhmes der Entdeckung von Südamerika theilhaftig
machten, sich durch wunderähnliche Thaten und riesenmässige An-
strengungen auszeichneten, freilich aber auch — doch nicht ohne
Ausnahme - an Habsucht und Grausamkeit den Spanischen Gon-
quistadoren gleichkamen.
Die Schrift hat einen doppelten Werth, einen historischen und
zwar sowohl im Allgemeinen als auch besonders in Beziehung auf
die deutsche Geschichte, und einen geographischen. Die Bearbei-
iQDg selbst ist eine durchaus gründliche, aus den besten, bis jetzt
grossen Theils noch gar nicht oder wenig benutzten Quellen und
Hülfsmitteln geschöpfte. Die wichtigsten Quellen und Hülfsmittel
sind S. 1—6 genannt.
Zu den wichtigsten von dem Herrn Verfasser benutzten Quellen
gehören: 1) Historia General de los Hechos de los Castellanos En
las Islas i tierra firme del Mar oceano ecrita par Antonio de
Herrera. Madrid 1601 — 1615. 4 Bde. 2) Indianische Historia.
Eine schöne kurzweilige Historia Nikiaus Federmanns des
Jüngern. Hagenow 1557. (Fe der mann* beschreibt darin seine
erste Reise, welche er 1529 — 1532 von Spanien aus nach Coro in
Venezuela, von da in das Innere des Landes und wieder zurück
h. Jahrg. 12. Heft, 57
S96 Kluniin^dr : Anlheil 4. DenCBChett m d. EntddGkoofr v. Sadamerila.
machte.) 3) Zeitnng aos India Junckber Philipps von Hotten
and: Ain andere Historia tod newHch erfandnen Inseto der Landt-
Bchaft Indie. (Beide Schriften sind Sammlangen von Briefen, welche
Hütten in den Jahren 1538 — 1541 von Coro aus an seine Eltern,
Verwandte nnd an einen Frennd in Nürnberg, Namens Gender,
geschrieben hat.)
Unter den Hfilfsroitteln sind besonders Alexander's ▼»«
Humbold kritische Untersuchungen über die historische Entwieke-
lung der geographischen Kenntnisse von der Neuen Welt Adb dem
Französischen übersetst von Dr. Jul. Lndw. Ideler. 3 Thle.
Berlin 1835—1852 su erwähnen. (Mit Recht hat der Herr Vtf-
fasser S. 4 die grossen Verdienste, welche sieh v. Humbold am
die Geschichte der Entdeckung von Venesnela erworben hat, her-
vorgehoben.)
Aus dem reichen Inhalte der Schrift theilen wir Folgendes mit:
Das Land Venezuela wird im Jahre 1499 entdeckt und naeb-
dem bereits der Anfang von dessen Colonisirung gemacht worden,
sehllessen die Wels er mit Kaiser Karl V., welcher Ihnen w^gca
eines Darleihens von 5, oder nach andern von 12 Tonnen GoMn
verbindlich war, wegen des Landes (1527) einen Vertrag ab mid
schicken sofort (1528) den Ambrosius Dalfinger, welcher so
jener Zeit als einer ihrer Geschäftsträger am Spanischen Hofe weihe,
als Statthalter dorthin ab. Dieser erbaut die Stadt Veuesoeia (EJeia-
Venedig, wogen der Aehnlichkeit der Lage mit Venedig also ge-
nannt), legt Maracaibo an und unternimmt seinen ersten Entdeekung»-
zug. In folgendem Jahre (1529) wird ihm Nikolaus Feder-
mann sur Hülfe mit Soldaten nnd Bergleuten nachgeschickt und
zum Vicestatthalter des Landes Venezuela ernannt Nach seiner
Rückkehr von seinem Entdeckungszuge erhält Dalfinger wieder
den Oberbefehl, welchen er jedoch bald an Federmann abtritt nnd
nadi St. Domingo geht. Allein nicht lange darauf gibt Feder-
mann den Oberbefehl an Dalfinger, welcher nach knrsem Auf-
enthalt von St. Domingo zurückgekehrt war^ zurück, macht (1530J
eine höchst beschwerliche und gefahrvolle Entdeckungsreise, ohne
jedoch das gesuchte Goldland zu finden und geht unter viel Unge-
mach nach Spanien zurück. In demselben Jahre unternimmt andi
Dalfinger eine zweite Entdeckungsreise und findet und erptesst
viel Gold. Er gibt dem Thale Ambrosio seinen Namen und Ist der
Erste, welcher in Neugranada eindringt, in den Gefechten mit den
Indianern aber eine Wunde erhält und nach seiner Rückkehr ii
Venezuela (1532) stirbt. Nach ihm wird Johann der Deut-
sche zum Statthalter ernannt. Dieser aber stirbt bald darauf (1534),
ohne einen Entdeekungszug unternommen zu haben. Darauf wkd
Georg Hohemut (Hohermuth) von Speier von den Welsern (1535)
mit der Würde eines Statthalters von Venezuela betraut Dieser
ernennt den wieder nach Venezuela zurückgekehrten Federmann
zu seinem Vicestatthalter. Er selbst macht eine mühsame und ge-
Klaoiinger : Aotbeil d. D«uttohttii an d« Batdecka«ir v. Sttdunerika. 880
fthrHche EDtdeckangareite bis in die NShe d«8 Maragooiiy kehrt
aber (1537) ohne das Goldland gefondeo sa haben zurück. Da
er jedoch so lange nichts von sich hatte hören lassen, wurde ihm
dieses als Nachlässigkeit ausgelegt und die Stattbalterschall dem
Federmann übertragen, weil jikloch Klagen bei der Spanischen
Regierung gegen diesen erhoben wurden, durfte er seine Stelle
nicht antreten. £r kehrte desshalb mit grossen Reichthümem, welche
er sich in der neuen Welt gesammelt, nach Spanien snrück. Naeh
ihm erhält (1540) Philipp von Hütten die Statthalterwiirde.
Bald nach seiner Ernennung trat er einen Entdecknngssng an. Das
Unternehmen schlug aber fehl. Während seiner Abwesenheit wurde,
nach mehrfachem Wechsel des Oberbefehls, Juan de Carvajal,
welcher einer angesehenen Spanischen Familie angehörte, gegen den
von den Weisem mit dem Könige abgeschlossenen Vertrage, in deseeo
Folge ein Mitglied der Welser'schen Familie die Statthalterwörde be*
kleiden sollte, cum Statthalter ernannt. War der eben genannte Ver-
trag bis dahin auch nicht in seinem ganaen Umfange beachtet wor-
den, so übten doch bis dahin die Welser das Emennungsreoht und
die Krone nur das der Bestätigung. Philipp von Hütten hatte
ein unglückliches Ende. Juan de Carjaral iässl ihn mit eehicyn
Lieutenant Bartholomäus Welser (1546) treulos kinriohtea.
Aber auch Juan de Carjaval entgeht seinem Sohichgale nidit.
£r wird nach einem von dem königliehen Untersuchungsricliter gegen ihn
eingeleitetes gesetsliches Verhör zum Tode vernrtheilt und enthauptet.
Um das Jahr 1550 wird Juan de Villegas von den Wel-
sern cum Statthalter von Venezuela ernannt Allein seit der Re-
gierung des Georg von Speier wurden die Streitigkeiten swi-
sehen den Spaniern und den Welsern wegen des Besitzes von Van
nezuela immer bedeutender und erwuchsen zu einem förmlichen Pro-
■ease, welcher längere Zeit am Hofe zu Madrid geführt und im
Jahre 1555 zum Nachtheil der Welser entschieden wurde. Dadurch
ging der Antheil der Deutschen an Südamerika verloren.
In dem ersten der Schrift beigefügten Anhange ist der Aniisog
dee Abschnittes aus der bekannten Schrift des Bartolom^ de
las Gasas, des eifrigen Vertheidigers der Menschenrechte der In-
dianer gegeben, welcher von Venezuela handelt und die von den
Spaniern (Deutschen) unter der Herrschaft der Welser daselbst ver-
übten Tyranneien mit den schwärzesten Farben schildert. Mit Recht
wird aber nur der Anfang mitgetheilt, da in dem genannten Ab-
achnitte viele Irrthümer vorkommen, welche von Herrn Klunzin-
ger als solche in den Anmerkungen nachgewiesen sind. In einem
sweiten Anhang ist ein besonderer, sehr dankenswerther geographi-
scher Excnrs beigefügt, so wie auch zur möglichsten Verdeutlichung
eine gut ausgeführte Charte von Venezuela beigegeben ist.
Die typographische Ausstattung der Schrift ist lobenswerth und
so verdient dieselbe eben so wohl in dieser Hinsicht, so wie auch
wegen ihres höchst interessanten Inhalts alle Empfehlung.
•00 Körner: Getchiebte der Pidegegik.
QuehichU der Pädagogik v(m den äUesten Zeiten bis tur Qe^Or
toart. Ein Handbuch für Geistliehe und Lehrer heider ekndr
liehen Confeseionen von Friedrich Körner, Oberlehrer om
der RealichuU au Halle, Zweite Auflage. Leipaig, Hemuam
CoetenobU. 1867. VHI und 888 8. 8.
. Wie €8 für jede Wiseenschaft DüUlich iat, wie sich aberiuui|it
sur ein richtiges Unheil bildeo JMsst, wenn man den gesciüebtli-
chen Verlauf derselben übersiebt, so bleibt es gerade für die Pidt-
gogik ein lehrreiches Studium, das Schulwesen in seiner geschicht-
lichen EntWickelung kennen su lernen. Um dieses aber in rechter
Weise su ermö{;licben ist eine übersichtliche Darstellung nöthig. Mit
Becht machte es sich desshalb auch der Herr Verfasser bei der Be-
arbeitung des vorliegenden Werkes cur Hauptaufgabe, Ordnung ood
Uebersicht in die Masse des geschichtlichen Mateiials su brioges,
Perioden und Unterabtheilungen festzustellen und su charakterisireii
indem er nur das hervorliob, was in jeder Periode Neues geschaf-
fen wurde. Zu dem beabsichtigten Zwecke thellte er seine Schrift
in vier Bücher. Das erste Buch umfasst die Periode der Er-
siehung, das sweite die Periode des Untorrichts so for-
malen Biidungsz wecken, das dritte die Periode des rea-
len Unterrichts su practischen Bildungsswecken m^l
das vierte die Periode der wissenschaftlichen Pädago-
gik undMethodlk von Pestalozzi bis auf unsereTage.
Dieses sein vorgestecktes Ziel hat der Herr Verfasser durch
die von ihm eben so zweckmässig gemachten als lehrreich durchge-
führten Unterabtheiiungen im Ganzen gut erreicht und nicht Idcbt
wird Jemand das Buch aus der Hand legen, ohne durch dessen LectSre
im Wesentlichen befriedigt zu sein. Nur wäre zu wünschen, daaa der
Hr. Verf. bei den manichfachen Vorzügen, welche seine Schrift hat,
nicht allzugrossen Werth auf das unmittelbar Practische legte osd
die classischen Studien, wenn auch aus den Schulen nicht gersdesa
entfernt, doch aber möglichst beschränict wissen wollte. So beklagt
er (S. 378) die Beschränkung der Realien auf den Preussiach«
Gymnasien und spricht sich (S. 279) über die Gelehrtenschuleo is
Allgemeinen und die Ertheilung des Unterrichts an denselben f^
gender Gestalt aus:
jyNoch ist der Widerspruch nicht gelöst, in welchem die GyiB-
nasien stecken, dass sie eine christliche Jugend in heidnischer Aa-
Bchauungsweise unterrichten*), dass sie Republikaner studiren ood
ihren Schülern unsaubere Bücher in die Hand gehen, die mao in
*) Ueber dteaeo Punkt ist bereit! von anderer Seite her das Noihi^ >
dieaen Jahrbüchern onlfingat bemerkt worden, worauf wir verweisen; s. 5r.59.
S. 83Öir. Vrgl. auch Jahn'sche Jahrbücher der Philologie und PSdago^k 1857.
B. 75. u. 76. IL 3. S. 129 ff. Protestantische Kirchenseitang für das enafeL
Deutoohland, 1857. Mr. it. S. 284 ff.
lorner: Gefcbiehto der Pftdafo^ 901
deotieher Sprache gewigf keinem Scbfiler equi Sta^fimn aalii8tti]g;en
würde. Die Jagend musa sich Jahre lang mit einer Aoscbannngs-
weise beeehSftigen, die sie nicht annehmen darf, denn nneere Ge-
aetse* bestrafen republikanische Gesinnnng und heidnischen Glauben;
so dass der Schüler nie mit dem Gedanken Ernst machen darf und
sich mit der inhaltslosen Form begnügen muss, mit Redefiguren und
Lesarten*).«.
Referent kann die Anseige dieser im Gänsen mit umsichtigem
und besonnenem Fleisse ausgearbeitete Schrift nicht schllessen, ohne
den Wunsch auszusprechen, es möge der Herr Verfasser in der
nScbsten Auflage derselben auch dem gelehrten Schul- und Dnter-
rlchtswesen die ihm gebührende Rechnung tragen! Da ein Werk,
welches, wie das rorliegende, ohne alku weitläufig zu sein, die ganze
Geschichte der Pfldagogik umfasst, sich — was auch schon wieder-
holt Öffentlich ausgesprochen worden — immer mehr als Bedürfniss
herausstellt, so wird dasselbe gewiss auch in einem weiteren Lese-
kreise Eingang finden, zumal wenn, bei der grossen Reichhaltig-
keit seines Inhaltes, dessen Gebranch noch durch ein zweckmässig
eingerichtetes Register erleichtert würde.
Druck und Papier der Schrift sind gut und gereichen der Ver^
lagahandlung zur Ehre.
*} Gans anders artheilt Justusvon Liebig jiber den Werth der
formalen Ausbilduiiif , welche die Jugend in Gymnasien erhtilL Nach-
dem er Torausireschickt , dnss er 30 Jahre schon technischen Lehranstalten
vorirestnnden und man ihm also in dieser Beziehung wohl einii^e Erfah-
rung zutrauen liOnne , spricht er sich in seinen in der Auipsburirer All|;e-
'moinen Zeitung (1857, Beilage Nr. 245, S. 3914) mitf^etheilten „che-
m«i sehen Briefen^ in folgender Weise aus : „In allen naturwissen-
schaftlichen , nberhaupt in allen Gewerben, deren Ausüban^r nicht auf einer
manoellen <teschicklrehkeit bernht, ist der Fortschritt und eine jede Verbesse-
ruDg bedini^t durch die £ntwiclcelun^ der eeistiiren FShiifkeiteD , d. h. dareh
die Schule. Ein mit gründlichen wissenschaftlichen Kenntnissen wohlausire-
rUsteter junger Mann eif^nct sich die Bekanntschaft mit dem technischen Be-
trieb leicht und ohne Anstrengung an; dem am Besten technisch gebildeten ist
das VerstSodniss jedes neuen ihm, noch nicht vorgekommenen Falles oder
eines wissenschaftlichen Grundsatzes und seine Anwendung in der Regel ge-
radezu unmöglich. Ich habe bttufig gefunden, dass Studirende, die von gu-
ten Gymnasien kommen, sehr bald die von Gewerb- und polytechnischen
Schulen auch in den Naturwissenschaften weit hinter sich zurück
lassen, selbst wenn die Letzteren anfänglich am Wissen gegen die An-
dern wie Riesen gegen Zwerge waren.^
Uebrigens ist von Liebig auch gegen die Gewerb- und techni-
schen Schulen gerecht, indem er unmittelbar darauf fortfährt: „Ich bin
weit entfernt den ausserordentlichen Nutzen, den die Gewerb- und technischen
Schulen fttr uns haben, in irgend einer Weise in Zweifel zu ziehen; ich halte
sie für eben so unentbehrlich wie die Gymnasien , denn fttr alle Menschen
passt nicht der gleiche Weg und die Sprachen sind nicht Jedermanns Sache;
für so vielerlei Erz bedarf man zum Ausschmelzen des Metalls und zu seiner
Reinigung von Schlacken mehrerlei Oefen , und das Talent ist wie das Gold
— wo es vorkommt in der Natur, ist es immer gediegen, nie vererzt und
jeder Ofen ist ihm recht. **
soft Yomikftiim: Bv«a|rel2M)ho ScbalordMBfen.
Emangtlitche Sehülordnungen, Herausgeben vim Reinheid Vorm-
bäum, Pfarrer sni Kaisersfüerih am Jihein. Ersier Bamd.
DU evangelischen Schulordnungen des sechesehnten Jahrht^nderU
Erste Hälfte. Gütersloh, Druck und Yerltig von C, Bertels-
mann. 1658. 184 8. gr. 8.
Allgemein ist die Wichtigkeit und Bedeutung anerkannt, welche
ältere Schulordnungen in kirchlicher, pädagogischer und cuUnr-kisto-
riaeher Beaiehung haben. Längst schon wurde desshalb das Be-
dürfulss einer möglichst vollständigen Sammlung derselben gefühlt
und ist der Wunsch> eine solche zu erhalten öfter schon laut ^ewor-
den^ ohne dass er eine Befriedigang gefunden hätte. Darch das
vorliegende Werk wird derselbe nun jetst erfüllt, und so glauben
wir denn auch dieses als eine der wichtigeren Erscheinungen auf
dem Gebiete der pädagogischen Literatur freudig begruasen sa
dürfen.
Die vorliegenden Schulordnungen haben, wie sich auch der Hr.
Verf. selbst ausspricht, reformirend und organisirend auf das Leben
der evangelischen Schule,, auf die öffentliche und theilweiae andi
auf die häusliche Eraiebung eingewirkt, und aus dem Leben für das
Leben entstanden, einen unberechenbar wobltbätigen Eanfluss auf
Staat, Kirche und Familie geSussert. Sie lehren uns die Bildongs-
ideale kennen, welche den Erziehern der Jugend in den verschie-
denen Entwickelungsperioden des deutschen Schulwesens vorschweb-
ten; sie zeigen uns die Wege, auf denen unsere Vorfahren diesel-
ben SU verwirkliehen bestrebt waren. Mag die heutige PSda^o^ik
noch andere Ziele kennen; mag sie in klarerer psycbologiseher und
anthropologischer Erkenntniss bessere Methoden ersinnen, selten ist
6)0 aber ihrer erhabenen und segensreichen Aufgabe, dem Reiche
Gottes als bildendes Mittel zu dienen, bestimmter bewusst gewor>
den, als dieses in den Zeiten der alten Schulordnung der Fall war.
Den Einfloss, welchen diese alte Schulgesetzgebung libte, in
seinem ganzen Umfange kennen zu lernen, reichen allgemeine An-
gaben oder Auszüge aus den Schulordnungen nicht hin. Nur darch
die vollständige Mittheiiung derselben wird eine frische und trene
Anschauung gewonnen. Zu dem können auch Auszüge aus alten
Acten in die Darstellung verwebt, bäuüg nur als Belege subjectiver
Ansichten benutzt werden, während eine objectivs und dorcluMiB
vorurtheilslose Entwickelung allein auf dem Boden der ganzen, na-
geschmälerten Mittheilung der Quellen beruht. Wir können daher
dem Herrn Verfasser nur Dank dafür wissen, dass er die Schal-
ordnungen in ihrem ganzen Umfange dem Wortlaute nach mittheilt
Erkennen wir hierin nun einen wesentlichen Vorzug, welches
diese Schrift bietet , so hat sie aber auch noch einen weiteren , den
Referent hervorheben zu müssen für Pflicht hält. Dieser besteht
darin, dass jeder einzelnen Schulordnung eine kurze, so zu sagen
hii^torische Einleitung in Anmerkungen beigefügt Ist. Diese Einlei-
Conbe: Die WiiieMchaft u. •. w. 903
tODgefi fäbr«n Dicht nur su einem nähereo VerständiiisBe der ein-
selaeii betreffeodeo Schulordnungen im Allgemeinen, sondern sie
erläutern auch einzeine Stellen derselben, geben die Abweichungen
an, welche einzelne Schulordnungen in verschiedenen Ausgaben er-
fahren haben, und weisen auf andere Schulordnungen hin, mit wel-
chen eine oder die andere dem Inhalte nach in näherer« Beziehung
steht, so wie sie denn ausserdem, so weit dieses möglich ist, übe^
die Verlasser nähere Nachweisungen mittheilen.
Gehen wir nun zu den einzelnen Schulordnungen selbst über,
welche in dem vorliegenden Hefte in chronologischer Keihenfolge
mitgetheiit werden, so sind es folgende: 1) Kursächsische Schul-
ordnung, 1528. 2) Schulordnung aus der Braunschweigischen Eir-
chenordnung, 1528. 3) Schulordnung aus der Ilam burgischen Kir-
eJxeDordnong', 1529. 4) Schulordnung aus der Wittenberger Eu:-
dienordnung, 1533. 5) Markgräfl.- Badisch-Durlach'sche Schulord-
noog, 1536. 6) Schulordnung aus der Hannoverischen Kirchenord-
oang, 1536. 7) Hessische Ordnung, 1537. 8) Schulordnung aus
der Schleswig- Holsteinischen Kirchenordnung, 1542. 9) Schulord*
DUDg aus der Brannschweig'schen Kirchenordnung, 1543. 10) Schul-
ordnung aus der IIadeln*schen Kirchenordnuug , 1544. 11) Gold-
berger Schulordnuug, 1546. 12) Schulordnung aus der Mecklen-
bargischen Kirchenordnung, 1552. 13) Kurplälzische Schulordnnngi
1556. 14) Schulordnung aus der Württembergischen Eirchenord-
nung, 1559. 15) Schulordnung aus der Pommer'schen Eirchenord-
nungi 1563. 16) Schulordnung aus der Lüneburgischen Eirchen-
ordnnng, 1564. 17) Constitution und Ordnung des Pädagogiums
za Heidelberg, 1565.
Wir schliessen die Anzeige dieser Schrift, welche sich auch
durch äussere Ausstattung empfiehlt, mit dem Wunsche, dass der
würdige Herr Herausgeber, welcher weder Mühe noch Opfer scheut,
um das Werk in möglichster Vollständigkeit und Genauigkeit er-
scheinen zu lassen, recht bald die Fortsetzung desselben folgen las-
sen mögel /
Hautz.
JDie Wissenschaft in ihrer Beziehung sur Religion von Oeorge
Combe, Deutsche Originalausgabe, Leipzig, Verlag von Eduard
Heinrich Mayer, 1857. XXXIX und 367 S. gr. 8,
Vorstehendes WerE ist eine Uebersetzung der vierten Auflage
des englischen Originals. Der Verf., Im Jahre 1788 geboren und
gegenwärtig in E d i n b u r g lebend, hat durch eine Reihe von schrift-
stellerischen Arbeiten sich in England und Amerika einen berühm-
tan Namen erworben. Er ist ein Schüler Spurzheims, des be-
kannten Phrenologen, und sucht in seinen Werken die phrenoioglr
904 Combe: Die Visienfchafl n. •. w.
sehen Grundaätse auf die verschledeDen Zweige des Wissens und
Lebens anzuwenden. Sein Hauptwerk ist das „System der Phre-
nologie^, weiches mehrere Auflagen erlebte, und in deutscher lieber-
Setzung erschien. Eine grosse Anzahl von Auflagen seiner durch
humane, geistesfreie Gesinnung ausgezeichneten Constitution of man
wurde in Amerika und England verbreitet Er hielt im Sommer
1842 sehr besuchte Vorlesungen über Phrenologie an hiesiger Ont-
versität, und, wie man auch über die Haltbarkeit seines physiologi-
schen Systemes denke, Geist, Scharfsinn, gelehrte Bildung und Be-
geisterung für die Freiheit des Menschen von politischem und reli-
giösem Drucke zeichnen ihn als Schriftsteller in allen seinen wissen-
schaftlichen Untersuchungen aus, und diese Eigenschaften können
gewiss auch vorliegender Schrift, deren Grnndelemente im Jahre
1847 entstanden, nicht streitjg gemacht werden. Der Hr. Verf. gibt
uns in einer anziehenden Vorrede Rechenschaft über die Art und
Weise, wie seine jetzige religiöse Weltanschauung nach und nach
entstand. Seine Zweifel an deh Sätzen, die man ihm als religi5s<e
Wahrheiten bezeichnete, fingen schon in frühester Jugend an. £r
äussert sich darüber S. VII und VIII also: „Als ich etwa 6 oder
7 Jahre zählte, beschenkte mich ein Freund mit einem Stück Kan-
dis. Das Kindermädchen verlangte von mir, ich solle meinen jnn-
gern Geschwistern etwas davon abgeben, worauf ich es ihr reichte,
um es unter uns zu vertheilen. Ein Jedes erhielt davon ein Stück-
chen, und den Rest gab sie mir mit den Worten zurück: „Du bist
ein guter Junge I — Gott wird dich dafür belohnen I^' Diese Worte
' gebrauchte sie natürlich als blosse, für ein Kind passende Redens-
art; mir aber gaben sie einen Begriff, — denn auf praktische und
begreifliche Weise erhielt ich zum erstenmale eine Idee von einem
göttlichen Lohne für eine gute Handlung, und ich fragte sie sofort:
„Wie wird mich Gott belohnen?" „Er wird dir Alles geben, was
dir dienlich und gut ist.* — „Was meinst du mit „gut"? — ^Wird
er mir mehr Kandis geben?" „Ja gewiss, wenn du ein guter Junge
bist!" „Wird er dies Stückchen, was ich hier habe, wachsen las*
sen?" „Ja; denn Gott belohnt Alle, die ein gutes Herz baben.^
Ich konnte mich mit blossen Worten nicht begnügen, sondern ging
sogleich daran, die Wahrheit der Versicherung durch Versach und
Beobachtung festznzteilen. Ich untersuchte genau alle Kanten des
Stückes, nahm das Maass desselben, wi<<kelte es sorgfältig in ein
Papier, legte es in eine Schublade, und wartete mit der grösaten
Spannung auf dessen Wachsthum. Ich liess es die ganze Nacht io
der Schublade, und untersuchte es am folgenden Morgen mit der
gr5ssten Neugierde. Keine Spur einer Veränderung war zu ent-
decken; — es hatte weder zu- noch abgenommen. Ich war sehr
betrübt und euttäuscht, mein Glaube an die Belohnung jeder Tu-
gend von Seiten des Weltregierers empfing den ersten Stoss, und
ich begann zu fürchten, dass Gott die Welt nicht in der Art and
Weise regiere, wie uns das Kindsmädchen sagte.'' Später las Combe
CoBibe: Die WiMenschafl v. f. w. 905
im zehnten Jahre in einem zu grammatischen üebangen bestimmten
Scholbucbe die Worte: Deue gabernat mundum nnd mundns gu-
bematur a deo. Der Lehrer betrachtete sie bloss als ^zn grammati-
schen Uebongen'^ bestimmte ^Phrasen^, ^ohne sich je auf die in
ihnen enthaltenen Ideen einzulassen.^ Die Worte machten ^^einen
unanslöschlichen Eindruclc^ auf ihn. Das „ Factum '^ der Weltregie-
rang erschien ihm unzweifelhaft; aber er wollte wissen, ^wie Oott
sein Gericht ausübe.^ Etwas später las er im Rdinburg Advertiser, -
dass «Napoleon Bnonaparte, von dem Teufel getrieben und
unterstützt, wie man zu sagen pflegte, Frankreich regiere, und dass
er es schlecht regiere, dass die Herrschaft K5nig Georg 's IIL,
Pitts nnd Lord Melvilles über Grossbritannien und Irland nicht
Tiel besser sei''; er sah, dass sein Vater in Schottland sich ^über
die nngerechten Steuern beschwerte, die ihn fast zu erdrücken droh-
ten.^ Er sah ,,Un Vollkommenheiten^ im eigenen Haushalte des Va-
ters und der Mutter, und konnte unm5glich bei der Betrachtung
aller dieser Dinge ,,6ottes Ueberwachnng oder besondere Führung
bei der Verwaltung^ derselben annehmen. Wenn sein Lehrer M.
Fräser in der Schule seine Regierung ^.hart'' und „pngerecht^ führte,
vermehrten sich seine Zweifel an dieser Ueberwacbung. Noch mehr
geschah dies, als er die Geschichte za studiren anfing; denn ^es
erschien ihm, dass alle und jede der in der Geschichte auftretenden
Persönlichkeiten lediglich that, was ihr beliebte, und dass Gott sich
um ihr Gebahren in dieser Welt wenigstens durchaus nicht küm-
mere, wenn er auch in der künftigen mit ihnen abrechnen sollte.''
Sie ^«schienen Alle in Worten anzuerkennen, dass Gott die Welt re-
giere^; aber ^sie handelten^, als wenn sie an keine Weltregierung
und an keine künftige Vergeltung glaubten. Die Lehre des ortho-
doxen Kalvinismus, in welcher man unsem Verfasser unterrichtete,
verwirrte seine Begriffe, anstatt sie zu ISutern (S. XII}. Die ;, Schreck-
nisse deiT jüngsten Gerichts lasteten auf ihm^, und er wünschte ofi,
^ein Thier zu sein und keine Seele zu haben^, bis er durch Lesen
metaphysischer und naturwissenschaftlicher Schriften allmählig eine
andere Anschauung gewann. Er hatte seither d^n Glauben festge-
halten, dass Gott die Welt regiere. Nur gestand er sich, dass er
das Wie dieser Regierung nicht einsehen könne. Durch Studium
der Astronomie, Anatomie und Physiologie lernte er dieses W i e in
der Natur kennen; denn überall fand er, je tiefer er in diese Wis-
senschaften, besonders auch in die Chemie eindrang, die innere ver-
nänftige, zweckmMssige Organisation der Welt. So erschien ihm
diese Oottesregierung nicht mehr im Sinne des Orthodoxismus als
ein übernatürliches Eingreifen in die Maschine der Welt von Aussen
her, sondern als die natürliche Einrichtung aller Dinge selbst. Nnr
im Reiche des Geistes, in den von der Freiheit des Menschengeistes
gesetzten, guten oder bösen Tbaten konnte er diese Gottesregierung
noch nicht verstehen, bis er durch Spurzheim die G all 'sehe
Gebirnlebre Icennen lernte, und durch den eigenthümlichen Bau
906 CMibe: Die WiMODtclMfl n. s. v.
dar Gehirne und einselnen Gehirothelle die Temänitife Abeicht in
den geletigen TbXtigkeiten der schöpferischen Natur erkannte.
So gibt uns die Vorrede des gelehrten Hrn. Verf. darüber Auf-
sehlüss,. wie er durch die Naturwissenschaften die R^ierung des
göttlichen Princips in den sinnlich greifbaren Erscheinungen der
Materie und durch die Gehirnlehre Galls dieselbe göttliche Ord-
nung und Harmonie in den innern Erscheinungen des Geistes ken-
nen lernte. So fand der Hr. Verf. durch die Naturwissenschaften
seine Religion wieder, die er durch den Orthodoxismus seines con-
fessionellen Religionsunterrichtes verloren hatte.
Die Aufgabe dieses Buches ist somit su zeigen, dass die Wis-
senschaft der Natur des Unorganischen und Organischen und beson-
ders des menschlichen Gehirnes die wahre Begründung einer aatüi^
liehen oder vernünftigen Religion sei, dass Alles in der Natur ver-
nünftige und sweckmitssige Einrichtung habe, und dass des Mensches
Glück und Wohlfahrt durch das Studium dieser Einrichtungen der
Natur oder der Gottesregierung erreicht werde.
Ein kurzer Ueberblick wird den Leser von der Reichhaltigkeit
dieses Buches überzeugen. Das ganze Werk zerfallt in „zehn Ka-
pitel^ (Hauptstücke). Es untersucht im ersten «die Wisseo-
Schaft in ihrem derzeitigen Verhältnisse zur Reli-
gion^ (S. 1 — 20), im zweiten „die Erklärung der Be-
griffe: Wissenschaft und Religion und Erläuterung
der Doppelnatur des Menschen^ (S. 20 — 31),' im dritten
den Menschen hinsichtlich seiner physischen Elemente, geistigen
Organe, foesondern Fähigkeiten, seiner Religiosität und Sittlichkot
(S. 31 — 68), im vierten die Befähigung des Menschen,
die letzten Elemente und das Wesen der äussern Welt
zu entdecken (S. 68—89), im fünften Gott (S. 89—110),
im sechsten die Spuren der göttlichen Weltregierang
im Physischen und Geistigen (S. 110 — 234), im siebenten die
historischen Beweise für diese Regierung (S. 234 — 245), im
achten die Institution (Einrichtung) der Welt (S. 245—
262), im neunten die praktischen Betrachtungen» welche
daraus folgen (S. 262 — 349). Im zehnten fasst er das Game
zu einem „Schlüsse^ zusammen (S. 349 — 360). Dem Werke
ist ein „Ahang^ beigefügt (S. 349— > 367), welcher die «Nomen-
clatur^ (Benennung) der phrenologischen Organe und ihre
Lage im Kopfe^ (besser Gehirne), die Beweise von deoi
Einflüsse des Gehirns auf Gefühle und Gedanken^ und
unter der Aufschrift „Himmel und Hölle"^ Auszüge aus de»
orthodoxen schottischen oder presbyterianischea
Edinborger Katechismus umfasst.
Der Hr. Verf. beginnt im ersten Kapitel mit der Darstel-
lung des Glaubens früherer Jahrhunderte an die übernatürliche Ein*
Wirkung Gottes und des Teufels auf die irdischen Dinge, er weist
die 'Widersprüche in diesem Glauben nach, indem er geachichtlicb
CMibe: J>i» WiMflotchafl a. s, w. 99T
bele^ dasB die ein« religiöse Partei im GhrieCeiithQaie als ein Werk
Gottes betrachte, was die andere als ein Product des Satans ansehe.
Nach der Meinung der froheren Zeit j^schaltete nnd wahete Gott
vlllkärlich über die Elemente, und auf diesen seinen Willen glaubte
man durch den Glauben und durch den religiösen Coltus einsuwir-
ken.^ Ein ^tieferes*^ und ^sorgsameres^ Studium der Natur führte
besonders in unserm Jahrhunderte au einer „andern Ansicht yon
dem Eingreifen der Vorsehung in die Leitung zeitlicher Angelegen-
heiten^ (S. 6). Es seigte, dass dieses Eingreifen sich durch die
Gesetse der Natur offenbare , und dass in diesen Gesetsen der Na-
tur Gottes ewige Weltregierung bestehe, dass man also dieses Wie
der Weltregierung erkennen könne, wenn man die Gesetse der Ein«
riehtung aller Erscheinungen der Natur zu erkennen im Stande sei.
So erbSlt in unserer Zeit die Naturwissenschaft eine besondere Stel-
laBg sor Religion, Theologie und Philosophie. Eine Verletzung der
Natur ist darum, wie der Hr. Verf. S. 8 sagt , eine Verletzung des
göttlichen Willens, und „führt unvermeidliches Elend mit sich.^ Mit
vielem Scharfsinne wird der Widerspruch zwischen den Auffassunf^en
des Orthodoxismus nnJ den Naturwissenschaften nadigewiesen. Vor
AUem wird durch eine Masse anziehender Beispiele nachgewiesen,
dass das meiste Elend, welches den Menschen trifft, vermieden wer*
den kann, wenn man die göttliche Wekregierung oder die innere
Einrichtung der Natur und ihre Gesetze erkennt, um sein Betragen
Bach diesen einzurichten.
Im zweiten Kapitel hält sieh der Hr. Verf. in der Erklä-
rung des Begriffes der Wissenschaft an die Natur, und versteht dä-
mm unter Wissenschaft „die systematische Auseinandersetzung ge-
nau beobachteter Thatsachen in Betreff der Beschaffenheit, der Eigen-
schaften, Kräfte und Beziehungen der natürlichen Dlnge.^ Diese
Definition ist, wie man es in England liebt, vom empirischen Stand-
punkte gegeben, aber, was in der Regel ebenfalls in den meisten
englischen Werken der Fall ist, nicht genau. 'In der Beschaffenheit
der Dinge liegen schon die Kräfte, Eigenschaften und Beziehungen
der Dinge eingeschlossen, und der Beisatz ^natürlich^ ist bei den
Dingen überflüssig. Religion „nach der gewöhnlichen Auffassung^
begreift nach dem Hrn. Verf. S. 32 «ein System von Gottesglau-
beo und Verehrung."^ So gebraucht ^ drückt sie nur Aeusserlich*
keiten aus.^ In seiner Weise betrachtet er sie als „eine geistige
Disposition (Anlage), die aus gewissen Gefühlsregungen und geisti-
gen Wahrnehmungen entstanden ist"^ Von der Religion unter«
scheidet er S. 24 die Theologie. Es kann Jemand religiös sein,
ohne Theolog zu sein, und ein grosser Theologe, ohne Anspruch
aof Religiosität machen zu können. Die Theologie hat aber Einfluss
aaf die Religion. Das „angeborne Gefühl der Verehrung und Hin-
neigung*^ zum Göttlichen ist ihm Religion. Der „Verstand fügt die
Theologie oder die besondern Lieen von Gott zu dem Gefühle^,
und „beide vereint geben, was man schlechtbin Religion nennt*^
908 Combe: Die Wigfenicbaft u. 0. w.
(8. 25). Er vergleicht diese Vereinigung von Religion nod Theo-
logie mit einem Gewebe. Der ^ Aufzug^ des Gewebes oder die
^langen Fftden^ desselben sind die angebornen religiösen Gelllhie
des Menschen, der ^ Einschlagt oder ^die KreuEfSden' die dazo
kommenden Verstandesbegriffe oder Ideen der Theologie. Von den
Priestern stammt dieser Einschlag des Gewebes, und darnach riebtet
sich die Beschaffenheit des Tnches. Gewöhnlich erkennen die Gifio»
bigeo „die Doppelnatnr^ dieses Gewebes nicht (S. 26). Die or-
sprüngliche Gefühlsbewegung der Religion überwältigti ,,von kräfti-
ger Anlage angeregt^, oft den Geist, ;,entfernt die Vernunft, erstikt
das Gewissen j und recrutirt jede Leidenschaft.^ Kommt ^in der
Kindheit der Einschlag des Irrthums^ hiuEU, so ist ^^daa Gewebe
des Aberglaubens fertig.^ „So rauben und morden barbariscbe Na*
tionen zur Ehre und zum Ruhme ihrer Götter.^
Im dritten Kapitel (Hauptstück), welches den Menschen
darstellt, werden zuerst die Elemente der organischen Materie des
Menschen bestimmt. Sehr richtig wird auf den Unterschied des le*
bcndigen und todten Körpers in seinem Wesen hingewiesen. Es ist
darum f(ir die Praxis (das Handeln im Leben) wichtig, „die Ursache
des Lebens^ oder ^das Lebensprincip*^ (S. 36) aufzusuchen. Dass
das ^Spirituelle^ (Geistige) nicht unabhängig vom ,^Materiellen^ (Stoff-
lichen) sei, wird S. 37 mit Recht behauptet, und selbst im Falk
der Annahme eines besondern Lebensprincips nachgewiesen. "Der Hr.
Verf. hat auch hierin die richtige Ansicht, dass sich der Geist im
Menschen nach verschiedenen Fähigkeiten oder Vermögen 9u8sere,
und dass das Gehirn das Organ für die Thätigkeit desselben sei.
Es versteht sich übrigens von selbst, dass das Gehirn das Orgsa
des Geistes nur im Zusammenhange mit dem Rückenroarke, den
Nerven, dem Blute und den übrigen Hauptorganen des menschllcben
Körpers sein kann, worauf in der Schrift des Hrn. Verf. keine Rück-
sicht genommen wird, während die Section von Leichen Gestörter
häufig beweist, dass bei Geistesstörungen ohne Verletzung des Ge-
hirns Desorganisationen des Herzens, des Rückenmarks, der Lange,
Leber , Gedärme n. s. w. vorkommen , auch seihst üie in den Lei-
chen des Geisteskranken sich zeigende Gehirndesorganisation keinen
Beweis dafür liefern kann, dass das Gehirn allein und ausschliessend
das Organ des Geistes sei, weil sich sehr oft die Desorganisation des
Hirnes erst nach dem Beginne der Geistesstörung entwickelt, unge-
fähr so, wie man den Zorn als Leidenschaft nicht die Folge, sondeni
die Ursache der mit ihm verbundenen, im Körper stattfindenden
Veränderungen nennen mnss.
Die Ansicht vom Geiste leitet den Hrn. Verf. zu seinem phre»
nologischen Systeme hinüber, das er, wie in allen seinen Scbrifteo,
so auch hier als den Ausgangspunkt für alle und jede erfolgreiche
Thätigkeit in der Wissenschaft und im Leben betrachtet. Er defi-
nirt den Geist S. 40 ^als ein Aggregat (sie) individueller Kräfle
der Empfindung, des Gefühls, der Wahrnehmong und des UrÜiei]%
Combe: Die Wiiteofcbaft u. g. w. 909
dereo jede für ihre Tbätigkeit in dieser Weit von der Grösse und
Beschaffenheit eines besondern Gehirntheiles. abhSngt.^ Er fügt hinsu,
dass Jede (dieser individuellen Kräfte) in bestimmten Verhältnissen
SU den andern stehe, und dass jede, stark oder schwach, gesund
oder krank, ausgebildet oder nnausgebildet, in demselben Individuum
bestehen kann.^ Es lässt sich gewiss nicht bestreiten, dass der
Mensehengeist aus verscbiedenen Fähigkeiten oder Anlagen besteht,
dass diese mit den Thätigkeiten des Hirnes ausammenhängen , und
in ihrer Entwickelung gewissen Hauptpartien des Gehirnes, z. 6.
der Basis und den hintern, mittlem oder vordem Tfaeileu der Hirn-
masse entsprechen. Allein dadurch sind wir nicht au dem Schlüsse
berechtigt, den Geist au einem blossen Aggregate dieser Anlagen oder
Fähigkeiten zu maeiien. Dasselbe, was wir am lebendigen Körper
des Menschen auffinden, dass er ein Organismus und kein Aggregat
yon Theilen ist, finden wir auch am Geiste. Er ist ein Organis*
mos von Fähigkeiten oder Anlagen und kein Aggregat. Dadurch,
dass wir die Summe der einzelnen, von uns aufgefundenen Fähige
keiten des Geistes zusammenzählen, haben wir noch lange den Geist
selbst in seinem An und für sich sein nicht. Denn allen diesen
einzelnen Fähigkeiten oder Anlagen liegt eine von ihnen verschie-
dene, organische Einheit, das Ich oder das Bewusstsein der freien
li^selpersönlichkeit zu Grunde, welches ein anderes ist, als jede
dieser sogea^nten individuellen Kräfte, deren Summe nach dem
Hrn. Verf. deki Geist ausmachen soll. Derselbe nimmt auf der durch
Spurzheim erweiterten Grundlage der Gall'schen Schädellehre
Dach dem gegenwärtigen Standpunkte der anglo- amerikanischen Phre-
nologie 10 Triebe, 12 Arten von GefühleUi J2 Arten von Erkennt-
nissvermögen und 2 Arten von Denkvermögen an. Die erste Frage
Jet nun weiter, ob diese von ihm angenommenen Anlagen wirklich
Grundanlagen des menschlichen Geistes seien. Referent hat dieses
schon in seinem Lehrbuche der Psychologie bezweifelt. So können wir
anmöglich Bekämpfungs- und Zerstörungstrieb, Gegen-
aftands- und Thatsachen-, Gestalt* und Grössen-Zeit-
und Zahlensinn, Fröhlichkeit und Hoffnung u. s. w., als
Ton einander getrennte, an sich in der ursprünglichen Anlage, wie der
Hr. Verf. will, verschiedene Grundvermögen des Geistes nachweisen.
Denn sicher stammen die Triebe der Bekämpfung und Zerstörung aus
einer vereinigten Quelle, wie die Sinne des Gegenstandes und der That->
Sache, der Gestalt und Grösse, der Zeit und Zahl, der Fröhlichkeit
nnd der Hoffnung. Wie kann man nun in verschiedenen Hirnthei-
ien getrennt nachweisen, was seinem Wesen nach nicht anders, als
in einem und demselben Geistesvermögen vereinigt gedacht wer-
den kann?
Der Hr. Verf. geht in sehiem Systeme der Phrenologie, dessen
Omndprincip er auf das vorliegende Werk anwenden wiU| noch
einen Schritt weiter, indem die Grösse jeder dieser individuellen Gel-
ateskräfte von der Grösse des HimtheileS| in welchem die Kraft
910 CoHbe: Di» Wiuetiteh«ft v. •. w.
iilren Site bat, abhängen soJl, vorausgMeUt, daaa alle sonetigeQ ist-
nern und äaasera Bedingungen vorhanden sind, die cur Entwickinng
emee gesunden, normalen Lebens als nölbig betrachtet werden.
Offenbar kommt es aber bei einem Organe, welches, wie das Hirn, mehr
die Natur einer Druse, als eines Muskels bat, nicht allein «af die
Gkösse, sondern und awar vorzugsweise auf die an keinem Seli&del
absotastende, durch kein Werkzeug su untersuchende, lanere Be-
schaffenheit oder Kraft des einseinen Hirntheiles an. Weil Goaibe
zugleich auch der Kranioskopie huldigt, will er die Vermögen
und Anlagen auf der Oberfläche des Schädels nachweisen. Sie bil-
den auf derselben, wenn sie stark entwickelt sind, eine erhabene,
wenn sie nur eine mangelhafte Ausbildung haben, eine abgeplattete
oder vertiefte Stelle. Abgesehen davon, dass nur die Quantität,
nicht aber die Qualität der Uirntheile sich auf der Knocbeoplalte
ausdrücken kann, und dass es bei der Entwiekelung eines Himtkeib
durchaus nicht nur auf die Quantität, sondern auch undswar ganz vor-
aüglich auf die Qualität desselben ankommt, zeigt die Physiologie,
dass viel mehr, als die auf der Oberfläche der Himmasse vor-
handenen Theile, die inneren und auf der Basis ruhenden, also m
ihrer Eut Wickelung auf der Knochenplatte des Schädels nieht es-
kennbaren Hirnorgane mit den Richtungen der Oeistesthättgkeit aor
sammenbängen. Auch ist man von der Bildung der Scb&delkao*'
chen auf die Bildung der ihnen entsprechen sollenden Hirathale
nicht zu* schliessen berechtigt. Die Schädelknochen-Bildimg hingt
nämlieh nicht allein vom Gehirne, sondern auch von ganz andern Ex-
scheinungen ab. Einmal haben die sich aui der Fläche des Schädels
ansetzenden Muskeln Einfluss. Dieser Umstand ist beeondera b«
Tfaieren wichtig, deren Schädel hinsichtlich der Erkenntniss der Gei-
stesorgane die Phrenologen mit den Menschenschädeln vergleichen
wollen. Dann theilt sich das untere Stirnbein in zwei Platten, die Tordeie
und hintere. Zwischen ihnen befinden sich, die Stirnhöhlen. Diese
geben nun je nach ihrer Grösse dem Knochenkopfe eine eigenthfim-
Uchö Gestalt, die man nicht mit der Phrenologie auf das GehiiB,
sondern auf die eigenthümliche Entwickelung des untern SiirnbeiDS
zu setzen hat. Auch Krankheiten der Knochen veranlassen Erha-
benheiten und Vertiefungen auf der Schädelplatte, welche den Ge-
hirnerhabenheiten und Gehirnvertiefungen nicht entsprechen. Die
frühere oder spätere Verwachsung der Knochennäthe bedingt suden
eine eigenthümliche Knochenbildung des Schädels, die nicht auf
Rechnung des Gehirnes kommen kann. Das Gehirn kann in ein>
zelnen Theilon mehr oder minder geschwunden sein, und der Kao-
chenkopf dauert fort. Man beurtbeilt in diesem Falle das Gehirn
gewiss falsch nach der Entwickelung des Schädels. Die Kreiae (giri)
und Furchen (sulci) auf der Oberfläche der Hitnmasse sind weder
regelmässig, noch zeigen sie bei der Beobachtung die von den Phre-
nologen angenommene Abgränzung der Geistesvermögen. DagOjgeD
finden sich im Innern der Hirnmasse regelmässig gegea einander ah-
CoHb«: Die WineniclMift o. •. w. 911
^efrSncte Uimorgane, die sieh auf der SchädelpUtte nicht offenba-
ren können. Man könnte beinahe zu glauben Tenncht werden, die
Phrenologie verlege nur deshalb den Sitz der Qeistesvermögen auf
die Theiie der Hirpoberfläche, damit sie dieselben sodann auf der
sieh nm die Himmasse ziehenden SchSdelmasse nachweisen könne.
Die Erhabenheiten und Vertiefungen des Schädels und der Hirn-
masse entsprechen sich in vielen Fällen nicht. Die meisten Hirn-
Organe, welche nach der Phrenologie Sitze von verschiedenen Geistes-
anlagen sind , sind doppelt auf den beiden Hirnhälften vorhanden,
8« der Geschlechtstrieb, der Bekämpfungs-, Zerstörungs-, Anhänglich-
l;eits-, Bau, Verhetmlichungs- und Krwerbtrieb, der Gestalt-, Grös-
sen-, Farben-, Gewicht-, Zahlen-, Zeit-, Ort-, Ton- und Sprachsinn,
das Sehlussvermögen. Wenn nun eines dieser Himorgane gestört
ist, so ist das andere noch lange nicht aufgehoben, und es kann
das eine ohne das andere verlest werden. Es würde also das G^*
stesvermögen auf der einen Seite verlest werden, während es auf
der andern ganz ungestört bliebe, was undenkbar ist Die Phreno*
logie will femer an verschiedenen äussern Schädelstellen verschie-
dene Geistesvermögen nachweisen, während diese, auf die8elt>e An-
lage zurückgeführt, durchaus keine verschiedenen, sondern ganz die-
selben Geistesvermögen sind. Referent rechnet {lieber Einheitstrieb
«od Ordnungssinn, Bekämpfungs- und Zerstörungstrieb, Gogenstands-
md Thatsachen-Gestalt und Grössen-, Zahlen- und Zeitsinn, Hoff-
mmg, Fröhlichkeit n. s. w. Die Gehiratheile liegen auch auf der
Oberfläche über einander, die untern können also, wenn sie stark
aasgebildet sind, die obern in die Höhe drüclcen, und man schiebt
dann auf die Entwickelung der obera Organe, was den untern zn-
geschrieben werden muss, da ja zwischen beiden keine Gränzlinie
ist, nnd die Theiie der weichen Massen in einander übergehen. Die
Vergleichung der Thier- und Menschenschädel liefert die abenteoer-
lidisten ResulUte. So ist das Organ der Ehrfurcht oder Religiosität
stark am Schweine, das Organ des Witzes beim Rindviehe, bei wel-
chem letztern an der Stelle des Witzorganes sogar das Hörn wächst,
bedeutend entwickelt. So findet G a 1 1 das Organ des wissenschaft-
lichen Bildungstriebes nicht nur an den Köpfen ausgezeichneter Ge-
lehrten, sondern auch an den zahmen Schweinen, Affen nnd Gän-
sen. Aus diesen Gründen ist das Unhaltbare des phrenologischen
Princips, von welchem in der vorstehenden Schrift ausgegangen wird,
leicht erkennbar.
Da der Hr. Verf. im Gehirne besondere Organe für die Reli-
giosität (die Organe der Wunder, Idealität, Ehrfurcht und Hoflbung)
und besondere Organe für die Sittlichkeit (die Organe des Wohl-
wollens nnd Gewissens) annimmt; so will er hieraus nachweisen,
dass der Mensch „von Natur^ ein religiöses (S. 46—60) und ein
sittliches Wesen (S. 60—63) sei. Es wird nun S. 63 die Frage
«ofgeworfen, ob es ^eine natürliche Richtschnur für moralische ntid
religiöse Wahrheit gebe.''
912 Combe: Die WiaMnscbaft u« •. w.
Der Hr. Verf. sagt 8. 63: , Wollen wir mit dieser Phrase'^
(Existens einer naturgemässen Richtschnur der sittHchen und reli-
giösen Wahrheit) ^^für alle religiösen und sittlichen Regungen, Ge-
fühle und Meinungen einen PrQfstein aufstellen, dessen Entscheidung
sich alle Menschen zu unterwerfen hätten, so existirt eine solche
Richtschnur nicht. ^ Von seinem Standpunkte ist dies gans folge-
richtig, da ja nach ihm die religiöse und sittliche EntwickeJang bloss
in der Entwickelung einiger abgegränster Theile des Hirnbreis Hegt.
Hier hört die Freiheit auf, für deren Wirklichkeit gegenüber der Natur-
nolhwendigkeit sich das übereinstimmende Bewusstsein der Vernunft
ausspricht. Er will, da er damit immer noch nicht die religiösen nnd
sittlichen Regungen der Menschennatur läugnet, die j^slttliehen und
religiösen^ Wahrheiten ^nach Graden der Wahrscheinlickelt ab-
schätzen.^ Die ^günstigste Gebirnconstitntion' 90II nach ihm die
„Autorität^ in Beantwortung der Frage nach der religiösen und
sittlichen Wahrheit sein (S. 64). Wer hat aber darüber zu entschei-
den, welche ^Gehirncoustitution^ in diesen Dingen die ngänstigste^
sei? Die Menschen, meint er, werden den Ansichten einer solches,
in religiösen Dingen günstigen Gehiriiconstitution ^in dem Maasse
huldigen, wie die Beschaffenheit ihres eigenen Gehirnes, die Aasbil-
dung ihrer eigenen Fähigkeiten und die Tragweite ihrer Beobach-
tungen sie- jenem Standpunkte näher bringt.^ „Verbessere man da-
rum, fährt derselbe S. 65 fort, die Quellen, aus denen Sittlichkeit
und Religion entspringen, und diese Wahrheiten werden fortgeaetit
zuströmen, so wie die Menschheit in gleichem Maasse sich der Ein-
tracht nähern wird.^ Referent glaubt, dass ein ungünstig orga-
nisirtes Gehirn immer ein anderes, als ein günstig organisirtes bleibt,
und dass es eine Unmöglichkeit sein wird, ein schlecht organisirtes
Gehirn in ein gut organisirtes zu yerwandeln. Da die Quellen der
sittlichen und religiösen Wahrheiten nach dem Hrn. Verf. die Him-
organe sind, so lassen sie sich nicht verbessern, weil bei allem Stre-
ben nach Verbesserung die uns angebornen Hirnorgane immer die-
selben bleiben.
Die Befähigung des Menschen, „die letzten Elemente nnd das
Wesen der äussern Welt zu entdecken^, wird nach dem Tierten
Kapitel (Hauptstücke) von der Ausbildung gewisser Organe des
menschlichen Gehirnes abgeleitet (S. 68 — 89).
(Schiuss folgt)
II. Sa. UEIDELBERGGB 1K7.
JAHRBOCHEB DBB LITBBATOB
■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■^■^^■■■■■■■■■^■iHIHHHHHHSBIHHB
Combe: Die Wissenschaft u. s. w.
(SchloM.)
Im fünften Hauptstücke handelt der Hr. Verf. Ton „Gotf
Ihm ist Gott ^das höchste Object, welchem die religiösen Regangen
eines Volltes sich zuwenden.'' Die Verschiedenheit der Gottvorstel-
lungen wird nach demselben durch die Verschiedenheit der Bildung
der Hirntheile, in welchen die Vermögen der Wunder und Ehrfurcht
ihren Sitz haben, und durch die Mannigfaltigkeit der GegenständCi
mit welchen sich das Wunderorgan und das Organ der Ehrfurcht
in ihrer Thätigkeit verbinden können, erklärt. Ueber die Entstehung
des Gottglaubens lesen wir S. 99: ,,Die Erscheinungen und Ver-
hältnisse der Aussenwelt rufen in dem wohlorganisirten Gehirne eines
Individuums unwillkürlich den Glauben an eine tibernatürliche Macht
hervor, und besonders scheinen die Organe des Wunders, der Ehrfurcht
und Idealität mit ihren Beziehungen zu den äusseren Gegenständen
denselben zu begünstigen. Die Vernunft mag den Umständen, welche
diesen intuitiven Glauben entstehen Hessen, nachforschen; sie mag
hn ausdehnen und (ihm) Tiefe verleihen; aber seine Quelle ist sie
nicht«'' Der Hr. Verf. setzt nämlich die von ihm angenommenen
innem Quellen der Religion, Wunder, Ehrfurcht und Idealität unter
die Kategorie der Gefühle. Immer aber bleiben diese von ihm an-
genommenen Quellen nur die niedern Quellen für die sinnliche Auf-
fassung der Religion. Wir gewinnen damit aber nie diejenige Quelle,
durch welche die Religion mit der Philosophie auf denselben Ursprung
zurückzuführen ist, und ohne welche nie von einer richtigen Gott-
verehrung gesprochen werden kantf, die Vernunft.
Die englische Literatur hat bekanntlich seit Paleys natural theo^
logy die rationelle Begründung der Religion und Theologie durch
eine physikotheologische oder physikoteleologische Richtung vorzu*
nehmen versucht. Man will aus der vernünftigen und zweckmässi-
gen Einrichtung der ganzen Natur, der Himmelskörper, des Erdkör-
pert und aller seiner unorganischen und organischen Producte und
der Theile und Organe derselben im Innern und Aeussem die gött-
liche Weltregierung, die Annahme eines allena Einzelnen zu Grunde
liegenden unendlichen, göttlichen Lebens nachweisen. Diesen Weg
schlägt nun auch der Hr. Verf. im sechsten Hauptstücke ein, in
welchem er die göttliche Institution (Einrichtung) in der physischen
(körperlichen) und in der intellectuellen (geistigen) Welt nachzu-
weisen bemüht ist Die geistige Weltordnung wird aus der Ursprung--
L. Jahrg. 13. Heft. 68
'914 Combe: Die Wissenschaft u. s. w.
liehen, tod Gott aasgehenden, elgenthOmlichen Organisaiion dei
menscblichen Oehfrne und aller ihrer einzelnen Lebenswerkxenge
abgeleitet. Er sucht dieses nicht nur in den menschlichen Ein-
xelnheiten, sondern in den Völkern und MenschenstSmmen tu iei-
gen. Zu diesem Zwecl^e gibt er im siebenten Hanptstack«
jydie göttliche Regieruhg der Nationen.^ Das achte Ebtoptstilck
stellt nun die Welt als eine ^»göttliche Institation'' (Einrichtung) dtf,
und das neunte knöpft daran die daraus hervorgehenden «prak*
tischen Betrachtungen.^ Hier wird nämlich die Frage auf-
geworfen: Wie sollen wir handeln, wenn diese Welt eine Instifto-
tion ITgöttliche Einrichtung) ist? (8. 262). Er meint, dass wir in
der Hand der Naturwissenschaft die Süssere und innere EinrictitQog
aller Dinge und die ^ Adaptation^ (Anpassung) der AdBsenwelt bb
die Einrichtung des sie erkennenden und auf sie wirkenden Heu-
schengeistes genau kennen lernen und alle uns vermöge unserer
Hirnorgane erreichbaren günstigen Zustände dadurch gewinnen sei-
len, dass wir uns zu dem ausbilden, wozu wir Anlage haben, A«e
Anlagen möglichst wecken, in Harmonie bringen, und das in des
Anlagen liegende Ungfinstfge vermeiden. Wenn wir wisaen, wni
unser Hirn da ist, wozu die Dinge da sind , werden wir nadi der
Erkenntniss dieser Einrichtung, die der Hr. Verf. die „göttliche WA-
regierung^ nennt, nach seinem Dafürhalten unsere ZüstSnde gewiss
verbessern. Viel Beherzigungswertbes und Wahres ist in ditteo
Werke über ^ie Art mitgetheilt, wie wir durch eine getiatne Ktiuit-
* niss. der natürlichen Einrichtung der Welt unseren ei^etten'ntid''da
Volkes Zuständen eine bessere Entwickeludg veirschaffen. *%p"iMi-
nen die Prediger der verschiedensten fiekenninidse hädfige 'Khlhk-
' holten, Tod, Leiden aller Art Strafen Gottes, anstatt, '^aaa sie'aaf
die natürliche £linrichtung der Dinge hinweisen, und uns dä'dlkt'eh'te
Weg andeuten, woher solche Erscheinungen stainimn^n, wie wir sol-
chen Uebeln ganz vorzubeugen, oder dieselben zu mfldem Im St&k
sind. So werden unberechenbare Summen zur UnterstCitating V«
Armuth und Elend, zur Förderung religiöser Zwecke verwendet, vxi
dadurch dennoch weder der Armuth gesteuert, noch mehr Prürnkbif'
keit befördert, weil uns die Kenntniss der äatürlith^n EiiMchtinf
der Dinge oder j,der göttlichen Weltregierung«* fehlt, duhjh wdefcs
wir in die Lage gesetzt würden, das Geld wahrhaft nützlich zu w-
wenden, und der Armuth nicht nur vorübergehend zu' helfen, IM»-
dern ihr Uebel in der Wurzel zu heilen, wahre, vernünftige Gott-
andacht unter den 'Menschen zu verbreiten, und Jedes Voro3rtt4
das sich unter der Maske der Religiosität verbreitet, in der G^biiit
zu erstict:en. Zum Belege dafür werden von denisieSlben' wM^
statistische Notizen aus neuern englischen Werken' Äi^gtf^it. ''Am
seines Bruders, des Dr. Andrew Combe physiölogy' ä^ed t*
health aud education (14. Ausgabe), S. 207 führt'der HnYfeiCdfe
Thatsache an, dass in 'den Arbeitshäusern Londo'ns'^hdtfa ^at'tltn
100 Jahren von 2800 aufgenommenen EUidertit ''der 'Airäeil^Jli^
Combe: Die Wisienschaft n. f . w. 915
»iD Folge der aqgesnoden Luft, Ue|)erfalIoDg der BSnme ond Man-
gel an gesunder Kahrung^ 2690 starben. Seitdem Dach einer Ver-
ordnung des Parlaments diese Kinder auf dem Lande erzogen wer«
,den, und die Gemeindevorsteher dafür su sorgen haben, fiel die
Sterblichkeit auf '450 Fälle herab, und ergab also eine jShrliehe
Verminderung von 2240 Fällen (S. 171). Sterfoeregister beweisen,
jjass da, wo ^Litelligenx, Moralijtät, Industrie, Reinlichkeit und sfe-
/egelte Gewohnbeiten einer Gemeinde eine ernstliche Verbesserang:
erfuhren^, (S. 134} auch die Lebensdauer der Individuen zugenom-
men hat. Im Jahre 1786 fand unter 42 Einwohnern in England
und Wales ein Todesfall ^tatt Bis 1H44 starb in sieben Jahren
von 46 Personen und im Jahre 1854 von 43 eine ^erson.^ Na-
mentlich haben „verbesserte Gewohnheiten und Zustände des Vol-
kes*^ und „Verbesserungen in der Hebammenkunst^ auf (sine merk-
lieh bessere Wendung in der Sterblichkeit der Mütter in neuerer
Zeit Einfluss. So starben in zwanzig Jahren bis zum Jahre 1680
ans 44 Entbindungen, bis 1700 aus 56, bis 1720 aus 6d, bis 1740
aus 71, bis 1760 aus 77, bis 1780 aus 82, bis 1800 aus 110, bis
1820 aus 107 eine Wöchnerin (S. 135). Eine Sterbeliste für Edin-
burg und Leith stellt heraus, dass von der Klasse der Gentry
und der Beamten die Lebensdauer durchschni(;tlich 43 y2 Jahre, von
der Klasse der Kaufleute, Schreiber und Werkmeister Bßy^ J^^^j
von der Klasse der Handwerker, Arbeiter, Dienstboten 2iy^ Jahre
beträgt Man findet also in der Klasse der untern Stände eine weit
grössere Sterblichkeit, die nicht in Goftes Weltregierung liegt, oder,
.wie mandie Prediger ^gen, zur Strafe der Sünde von Gott so' ge-
. wollt wird, sondern welche durch gei^ue Kenntniss unfl Verwirk-
lichung derjenigen Bedingungen, von welchen die grössere Sterb*
Jlchkeit abhängt, leicht beseitigt werden l(ann. Die Register der
Woibnungsverbesserungs-Geseilschaft in London (society för the im-
. .provement of the dwellings of the labouring) lieferte die schlagend-
,ateD Beweise in dieser Hinsicht (S. 144 und 145). Für die Ver-
brechen in einem Volke findet sich, wepn die Zustände und Gewohn-
heiten dieselben bleiben, eine gewisse durchschnittliche Summe, welche
sich beinahe immer ganz gleich bleibt Ans einer genauen, S. 148
und 149 mltgetheilten Tabelle geht hervor, dass im Jahre 1826
von 100 Angeklagten 62, vpn 1827— >1829 einschliesslich von 100
Angeklagten jährlich 61 verurtheilt wurden, so, dass man mit Wahr-
scheinlichkeit im folgenden Jahre eine ähnliche Anzahl erwarten
konnte. Durch eine genaue Erkenntniss der natürlichen Einrichtung
4er Dinge müsssten Zustände herbeigeführt werden können, durch
.ifjolche sich die Anzahl der Verbrechen und die Fttlle der Verur-
tfieUung vermindern Hessen. Es ist allgemein anerkannt, dass die
WoUtMUgkeit spl^ädliche \ind segensreidie Folgen liaben kann. Der
(Hr. Verf. weist S. 173 nach, dass es in London 4^1 wohHhätige
,Aii#i^AUen gibt, und dass ihr jährliches Einkommen nicht wenfger,
ala die Si^mme Ton 1,765,000 Pfund Sterling betirängt. Von diSsser
916 Combe: Die Wistenschtft n. «. w.
Summe fallen 742,000 Pfund auf Stiftungen, 1,023,000 auf Bei-
träge. Auch in andern Städten und Distrikten Englands steht mia
in der Wohithätigkeit nicht hinter London zurück. Der Hr. Verf.
glaubt, dass „dieee Mittel völlig hinreichend wären, um all das Elend,
welches der Natur gemäss existiren sollte und würde, in London m
beseitigen.*^ Dennoch bemerkt man trots aller dieser Maassregeln kdne
Ausrottung der Armuth und ihrer Leiden. Gerade in grossen Städten,
wo am meisten geschieht, die Armuth zu verhindern, herrscht sie
am meisten. Es ist eine „Verschwendung des Wohlthuns'^, welche
durch ,1 verkehrte Anstalten^ ^^mehr Elend hervorruft, als besehwidi-
tigt^ (S. 174). Unterricht der Jugend über die Einrichtungen der
Natur, ihre Zwecke, die Art, wie dieselben zu verwirklichen sind,
Unterstützung nur derjenigen, welchen körperliches und geistiges
Leiden die Arbeit unmöglich macht, Harmonie der öffentlichen An-
stalten hinsichtlich Ihrer Einrichtung mit der Ordnung der Natur
werden heilsam wirken. Man verschleudert die Unterstützangsgel-
der, weil man weder die Gebote der Physiologie noch der Staats-
Ökonomie kennt. Natürlich legt der Hr. Verf. bei der Verbessenng
aller Uebelstände nach seinem Systeme ein besonderes Gewicht auf
die stärkere oder mangelhaftere Entwickelung der einzelnen Gehirn-
theile, welche die Repräsentanten der verschiedenen Geistesvennlh
gen des Menschen sind. „Napoleon Buonaparte, sagt der-
selbe S. 154, stieg vermittelst eines grossen und thätigen GehiriMi
aus dem Privatleben zu dem Beherrscher eines Reiches empor.*
^Louis Philipp, fährt derselbe fort, hatte ein schlecht baian^-
tes (sie), theilweise sogar mangelhaftes (?) Gehirn, und er wurde
von dem Throne gestürzt.^ Gewiss haben in der Zeit der erstei
französischen Revolution noch andere Männer ein gleich grosses qdI
thätiges Gehirn, wie Napoleon, gehabt, und doch erreichten sie
dieses Ziel nicht, und, wenn sein Steigen nur von diesem GreUSroe
abhing, wurde sein Gehirn ein anderes, als er seinen Thron ver-
lor, hörte es desshalb auf, ein grosses und thätiges zu sein?
Nach der Handlungs- und Denkweise und dem Bildungsgrade Louil
Philipps wird man sein Gehirn kein mangelhaftes nennen könncBi
Es ist den Fhrenologen leicht, im Gehirne bekannte Ursachen u
zeigen, w^n ihnen die Wirkungen schon im Voraus bekannt sind.
Schwerlich würde ein Phrenologe Napoleon das Besteigen d«
Herrscherthrones und Louis Philipp den Sturz von demselbei
aus dem Schädel geweissagt haben.
Besonders wichtig ist der Abschnitt, welcher S. 301 ff. die Fol-
gen enthält, die. aus den „herrschenden religiösen Dog*
men erwachsen sind.^ Die Christen zerfallen, wie er dasdM
auseinandersetzt, in verschiedene Secten, von denen jede ^^ihre eige-
nen Ansichten als Basis der wahren Religion Christi ausgibt', wäh-
rend sie „die Lehren der übrigen Secten als dem Seelenheil geSbr-
liehe Irrthümer^ bezeichnet. Die orthodoxen Protestanten s. B. nen-
nen die ^»Lehren des römisch-katholischen Glaubens* (S.301) ,fs*
Combe: Die Wifienichaft n. i* w. 917
iihrlicha Lrrihfimer^; aber auch die j,ünitaridr^ werden von ihnen
als j9 Ungläubige^ bezeichnet. Indessen sagt John Wesling von
der Gnaden wähl des orthodoxen Kalvinismus : «Die Erwählten sollen
gerettet werden, sie mögen tbnn, was sie wollen, die Yerstossenen
sollen verdammt sein, mögen sie than, was sie können. Das ist
der Glaubenssatz des Kalvinismus, der wahrlich mehr den Namen
Diabolismus verdient ; denn der elendeste und blutigste Götzendienst,
der je die Erde befleckte, enthält nichts so Schreckliches, so Unge-
heaerliches und Gottloses, wie dies ist^ (S. 301). Der Hr. Verf.
stellt nun den dogmatischen Auffassungen des Orthoduxismns seine
eigenen, auf die Sätze der Vernunftreligion gestützten Ansichten
entgegen, um zu zeigen, dass diese mit den Forderungen der wah-
ren Sittlichkeit der Menschennatur im Einklänge stehen, er weist
8. 325ff. den Unterschied zwischen Ueberzeugung und Glau-
ben nach, und erwartet von der Religion nur dann wahres Heil
fOr den Einzelnen nnd alle socialen Zustände, wenn sie durch Läu^
terung und Prüfung vermittelst der in der Menschennatur liegenden
religiösen Elemente und der Vernunft Sache der wahren Ueberzeu-
gung wird. Tritt der Hr. Verf. auch mit Entschiedenheit gegen
die verschiedenen orthodoxen Formen der Religion auf; so spricht
er doch seine von diesen abweichende natürliche oder vernünftige
Auffassung der religiösen Elemente der Menschennatur mit Dnidung
gegen Andersdenkende aus. Er sagt nämlich hinsichtlich derjenigen
^Gläubigen^, die „für jeden Zweifel, den man gegen ihre Ueber-
zeugungen äussert, so empfindlich sind, als gelte es einen Angriff
auf ihr Leben^, und die „nicht stark von Geist und über das mitt-
lere Lebensalter hinaus, hinsichtlich dieser Gefühls- und Denkweise
nur dem Gesetze der Natur gehorchen^ (S. 348): „Sollten etwa
einem solchen Leser diese Blätter in die Hände fallen, so thäte es
mir wirklich leid, vielleicht seine Ruhe zu stören. Ich möchte ihn
Im Gegentheile auf das Beispiel von Rammohun Roy's Mutter
verweisen, und ihn selbst ermuthigen, fest an dem Glauben zu hal-
ten, welcher ihm Stütze und Trost ist.^ Rammohun Roy war
ein Hindu, der den indischen Aberglauben des Brahmanenthums
verwarf, und sich mit Entschiedenheit für die in dem Christenthume
Hegenden, vernünftig-religiösen und sittlichen Wahrheiten aussprach.
Er gab den Vedant, Schlüssel der Vedas und einzelne Stücke der
Vedas in bengalischer und englischer Sprache im Jahre 1816 heraus,
und machte ganz offen und vorurtheilslos darüber seine eigene Ueber-
zeugung bekannt. Natürlich war er seinen rechtgläubigen Landes-
leuten ein Greuel. Seine Mutter blieb der rechtgläubigen Hindu-
lehre zugethan, und hierauf bezieht sich, was der Hr. Verf. oben
von ihr anführt. „Obgleich diese Frau, fährt derselbe S. 348 wei-
ter fort, von der Wahrheit der christlichen Lehre überzeugt war,
so konnte sie sich doch nicht entschliessen, ihre heidnischen Gebräu-
che aufzugeben. Rammohun, sagte sie zu ihrem Sohne, als sie
sich zu ihrer letzten Pilgerschaft zum Tempel des Juggernaut
018 Combe: Die Wiiseiiflchftfl a. t. w.
rOstete, da b«st Recht; aber ich bin ein schwaches WeSb nnd sa
alt. um Gebräache aafsugeben, In denen ein Trost für mich Hegt*
„tfnd sie hielt mit der aufopferndsten Hingebung daran fest Sie
litt nicht, dass eine Magd sie begleite, oder irgend eine andere
Vorkehrung sur Erleichterung Ihrer Reise getroffen wurde, nnd, am
Ziele angekommen, bescbSftigte sie sich mit der Fegung des Götzen-
tempels. Sie yerlebte dort den Rest ihrer Tage, und starb etwa
nach Jahresfrist In fthnlicher Weise beruft sich der Hr. Verf., dem
der religlGse Glaube Anderer, sobald er ein ungehenchelter genannt
werden muss, heilig ist, auf einen berühmten Reformator des 16. Jahr-
hunderts. «Als Helanchthon einst seine alte Mutter besuchte,
und diese ihn frug: Was soll Ich eigentlich glauben Inmitten der
yieleo jetst herrschenden MeinungsverBcbiedenheiten ? antwortete er:
Glaube nnd bete, wie du es seither gethan hast, und lass dich nidit
stSren von dem Zank nnd Streit unserer Tage.^
So ist der Gedanke des ganzen Buches, dass „ein göttli-
ches Regiment in der Natur erkennbar sei' (S. 357).
Die Naturwissenschaft soll uns diese Einrichtung der Natur kennen
lehren, und ein Hauptthell derselben, von dessen Principlen der Hr.
Verf. in allen seinen Untersuchungen ausgeht, die Phrenologie soll
diese göttliche Regierung im Baue der Hirnorgane zur Entwickelung
der in ihnen liegenden verschiedenen Geistes- und Gemüthsanlagen
und in der Anbequemung aller äussern Einwirkungen zur Entwicke-
lung dieser Lebenswerkzeuge darthun. Was der Hr. Verf. fiber die
verschiedenen Anlagen des Menschengeistes, über die Leitung der-
selben, über die vernünftige und zweckgemSsse Anbequemung aller
Umgebungen an die Entwickelung dieser verschiedenen Geisteaver-
mögeut ^^^^ Privat- und Volkserziehung in politischer, religiöser,
wIssenschafUicher und sittlicher Hinsicht sagt, ist gewiss vortrefflich,
wenn man von seinen phrenologlschen Grundsätzen absiebt, nach
welchen er diese Fähigkeiten in kleine, abgegränzte Theile verlegt,
ihre Grösse nach der Grösse dieser Theile bemisst, und dieselben
auf der Sussem Enochenplatte des Schädels erkennen will, eine An-
sicht, welche, da sie keine philosophische, beziehungsweise psycho-
logische und eben so wenig eine medicinische Grundlage hat, we-
der, worüber der Hr. Verf. und sein Uebersetzer klagen, in Eng-
land, noch in Deutschlandi ungeachtet sie von diesem Lande durch
6 all nnd Spnrzheim ausging, jemals festen Fuss fassen wird.
▼• Relchlln IHeldeffc«
Schwan: Verfoeh einer Philofophie der Hathemttik. 910
Versieh einer Philosophie der Mathematik, verbunden mit
einer Kritik der Äusstdlungen HegeVs über den Zieeck und
die Natur der hohem Analysis, von Hermann Sehwar»,
Halle, Druck und Verlag von H W. Schmidt 1858^ VI und
193 S. in 8.
In der Vorrede spricht der Verfasser über das VerhUtniss cwi-
achen Philosophie und Mathematik — hemerkt ancfa, wes-
halb es das Altertham zo keiner Philosophie der Mathematik ge*
bracht habe •— und fügt hinzu : dass jetzt, besonders durch die Ent-
deckung der höhern Analysis, die allgemeine Form der ma-
thematischen Methode gewonnen sei — und es könne nunmehr ge-
fragt werden: ob sie vor der Philosophie bestehen könne? — Die
Erledigung dieser Frage ist der Zweck seiner vorliegenden Schrift,
worin sich der Verf. jedoch eigentlich nur mit dier Philosophie der
höhern Analysis befasst hat, weil er den höhern Oalcul
mit Recht für den Mittelpunkt hält, in den alle mathematischen
Disciplinen zurückgehen und schliesslich ihren festesten Rechtsboden
finden. — Das HegePsche System ist die philosophische' Grund-
lage, worauf sich der Verf. stützt — und er bat es deshalb nicht
vermeiden können: eine Kritik der Hegel 'sehen Urtheile über das
Wesen und die Methoden der höhern Analysis zu^eich mit zu ent-
wickeln. —
In der Einleitung spricht der Verf. weiter über die Unsicher^
heit der Resultate det philosophischen Forschung in Vergleich ge-
gen die Sicherheit der mathematischen Resultate ~ er sagt
aber wohl etwas zu viel, wenn er behauptet: „dass das, was in
der Mathematik dargethan ist, für die Denker aller Zeiten denselben
Grad von Gewissheit behauptet, den es in der Seele des Erfinders
gehabt hat - dass die mathematische Gewissheit alle Zeiten und
allen Wechsel menschlicher Ansichten überdauert!^ — Denn na-
mentlich die Geschichte der höhern Analysis beweist das directe
Gegentheil — die Ansichten und Meinungen können wohl kaum
in einer andern Wissenschaft manchfacher und schwankender, ja
selbst sich widersprechender sein, als hier — und überhaupt steht
es mit der fast sprüchwörtlich gewordenen Evidenz und Strenge
mathematischer Beweise sehr oft nicht besonders! ^ Dagegen stim-
men wir dem Verf. vollkommen bei, wenn er meint: „dass die Ma-
thematik wohl daran thue» wenn sie sich nicht einer beständig in
Gegensätzen sich bewegenden philosophischen Entwickelung preis
gibt!^ — Leider muss Ref. schon hier bemerken, dass man diese
Vorsicht auch in Bezug auf die math. Philosophie des Verf.'s nicht
ausser Acht lassen darf, weil sie sich, wie man sogleich sehen wird,
ebenfalls in schroffen Gegensätzen bewegt! — Auch lässt es der
Verf. ^selbst dahin gestellt sein, ob eine bestimmte ph9osophische
Form der Entwickelung namentlich den höhern Theilen der mathe-
matischen Wissenschaft besonders förderlich sein mö(Ate.^ — Die
020 Schwan: Venach einer Philosophie der Malhematik«
He gel' sehe aaf keinen Fall! — Ferner bebt der Verf. die Be-
deatoog der Mathematik in Bezug auf die Erkenntnisa der Erschei-
nungen der wirklichen Welt mit Recht hervor. — Die Unter-
sucbungen des Verf.'s sollen namentlich das Verhältniss feststellen,
welcbes die Analysis des Unendlichen zu der logischen Kntwicke-
Inng des Quantums einnimmt — und als Ergebnisa wird schon
zum Voraus bemerkt : die vollständige Uebereinmstimmung zwischen
der höheren Analysis und Hegel 's logischen Bestimmungen (!). —
Abschnitt 1 enthält die logische Entwickelung des Be-
griffes der Quantität in HegeTscher Dialektik. — In der
continuir liehen Quantität (dem Räume) sind (nach Hegel's
Logik oder Dialektik) die sich anziehenden und abstossen-
den Eins (?) nur noch ideell vorhanden — sie sind zu blossen
Funkten herabgesunken, die inninander überfilessen (?), so
dass jeder Funkt in seinem Aussersichkommen (?) in abstrakter
Idealität mit sich selbst bleibt — lediglich sich selbst fortcontinuirt(?).
— Die räumliche Quantität ist die Einbeis von Discretion und Con-
tinnität, worin jedoch letztere überwiegt und erstere nnr noch als
aufgehobenes Moment enthalten ist (?). Deshalb soll es noth-
wendig sein, zu dem Gedanken einer solchen Quantität fortzugehen,
worin auch die Discretion als reale Wirklichkeit gesetzt ist
— und dies soll die allgemeine unendliche Zahlenquantität
oder das discrete Quantum sein, welcbes ebenfalls die Einheit
von Continuität und Discretion sein soll (?), worin sich jedoch die
letztere auf Kosten der erstem realisirt habe, indem erstere in der
Gleichheit und Identität der Eins (Einheiten) wohl noch angedeutet (?),
aber doch in der Geschiedenheit derselben als gebrochen erscheine (!).
— Auch dieser Mangel muss beseitigt werden — d. h. es muss zu
einer continuirlichen Quantität, welche zugleich discret ist, und zu
einer discreten Quantität, welche zugleich continuirlich ist, fortge-
gangen werden. — Dies soll nichts anders als die begrenzte
Quantität oder das bestimmte Quantum sein — weil die con-
tinuirlicbe Quantität nur dadurch, dass ihr continuirlicher Fluss un-
terbrochen oder begrenzt wird, zu einem sich auf sich selbst bezie-
henden discreten Eins werden könne — und weil ferner in der dis-
creten Quantität der Zusammenfluss der discreten Eins illusorisch
und in einen endlosen Frozess hinausgerückt werde; so müsse sie,
um das Moment der Continuität in Wahrheit zu setzen, begrenzt,
und folglich eine endliche Menge ihrer Eins zusammengefasst wer-
den (I). — Diese Dialektik soll nun so mit Nothwendigkeit (?) auf
den Begriff der begrenzten Quantität — des bestimmten
Quantums führen — so dass letzteres der zur Auflösung gekom-
mene Widerspruch von Continuität und Discretion — oder die ver-
wirklichte Einheit dieser beiden entgegengesetzten Bestimmungen
Bei (?I). —
Abschnitt 2 gibt die Entwickelung des bestimmten
Quantums, als dessen niedrigste (?) Stufe das räumliche Quan-
Sebwan; Verroch einer Philofophie der Mathematik. 921
tarn bezeichnet wird — und ganz richtig bemerkt der Verf., dass
die wisBenscfaaftllchste (yollständigste) Erkenntniss desselben erst
durch seine arithmetische (analytische) Behandlung er-
langt werde. — Das dfscrete Quantum habe die volle Bestimmt-
heit an sich, welche aber in ihrer starren Ausgeprägtheit des conti-
nuirlichen Flusses noch zu sehr entbehrt -- das spröde, sich iso-
llrende Eins erscheine als der absolute Gegensatz des verfliessen-
den (?) Punktes — und sei es deshalb nothwendig: ein Zahlen*
quantum zu denken, welches den Fluss eines continuirlichen Yer-
laafes in seine spröde Natur hineingenommen hat, was nur dadurch
möglich sein soll, dass man die Zahl aus ihrer Isolirtheit heraus-
reiase und in einen Fluss versetze, worin sie zum blossen Mo-
mente (?) herabsinkt — als Verflussprodukt (?) erscheint —
kurz es muss zu dem Begriffe der Function fortgeschritten wer-
den, d. h. nach dem Verf. zu dem bestimmten Quantum, welches
Discretion und Continuität im vollkommensten Gleichge-
wichte vereinigt — ein discret-continuirliches oder continuirlich-dls-
cretes Quantum ist, also das discrete und das continuirliche
Quantum in vollständiger Einheit in sich vereinigt, und mithin auf'
diesem Standpunkte der Unterschied zwischen Geometrie und Arith-
metik verschwindet. — Das aUgemeine Problem der Differential-
rechnung soll darin bestehen : aus dem discret-continuirlichen Quan-
tum die Contiuuität zur Darstellung zu bringen (?) — und das
der Integralrechnung darin: zu untersuchen, wie es aus einem con-
tinnirlicben Flusse heraus sich in die Discretion hineinbewegt (?). —
Mit diesen Angaben soll jedoch das Wesen des höhern Gal-
en Is noch nicht erschöpft sein (es ist noch nicht einmal im Ent-
ferntesten angedeutet! — ) er nehme vielmehr die Bedeutung eines
Ableitungs- oder Erzeugungscaiculs von Funktionen an
— worin die Auffassung desselben von Lagrange liege — welche
schon deshalb berechtigt sei: dass die Resultate der Differentiation
nnd Interpretation einer Function immer selbst wieder Functionen
siond (?I). — Damit hält der Verf. die allgemeine Charakte-
riairung seines Gegenstandes für vollendet, und bemerkt nochmals:
dass von den Momenten der Continuität und Discretion in der all- *
gemeinen Quantität das eine immer wirklich gesetzt,
das andere aber nur ideell vorhanden sei — dass in den be-
stimmten Quantum beide wirklich gesetzt, aber noch nicht
zu gleicher Geltung gekommen seien — was erst in dem ana-
lytischen Quantum — der Function — der Fall sei. —
Im Abschnitt 3 wird nun der Begriff der Function y=F(x)
als reale Existenz des discret- continuirlichen Quantums weiter
entwickelt — und in Bezug auf die steti^^e unabhängige Verän-
derliche X wird gesagt: dass die discrete Zahlenbestimmtheit nicht
fähig ist, den Begriff der (stetig) veränderlichen Zahl darzustellen,
und es müsse dafür gleichsam eine ^fliessende Verbindung
von Pnnktualität^ gesetzt werden, ohne jedoch dabei der Frei-
02^. Sohwais; V«riiich «iiier Pbiloiopbie der MfOieiintikt
heit SU eniMgen^ nach BedürfoiBS diesd fliesiende Verblndoiig we-
der zu lösen and auseinanderstehende Zahlenbestimmüieiten
heranstellen. — Hierbei Icommt der Verf. anch auf die stetige an-
endliche Zahlenreihe oder Zahlenlinie durch Interpolation der Reibe:
— 00 .... — 3, — 2, — 1, 0, -f 1, + 2, + ^> — + °^'
ohne jedoch der imaginären Zahlen auch nur mit einem Worte
zu gedenken. —
Im Abschnitt 4 ist von dem Yerhältniss der vorherge-
henden EntWickelungen zu Hegel's Bestimmungen die Rede
— und wir wollen hier blos bemerken: dass der Verf. nur bis zu
der Entwickelung des bestimmten Quantums mit Hegel ein-
verstanden ist, sich dann aber, und zwar mit Recht, immer weiter
von demselben entfernt — und zuletzt, in der Kritik der Prineipien
der höhern Analysis, ganz von Hegel abfällt — was auch nicht
befremden kann, da bekanntlich fast Alles, was Hegel in aoner
Logik über diese Wissenschaft sagt, nichts als absurdes, oberflSdi-
liches Gerede ist, wie Ref. bereits 1845 in der Vorrede zu Cour-
not*s Theorie der Functionen bemerkt bat! —
Im Abschnitt 5 entwickelt der Verf. den Begriff des Dif-
ferentialquotienten nach der Methode der Grenzen« —
Zunächst zeigt der Verf., dass es für die Zwecke der höhern Ana-
lysis nicht genügt, dass man mittat der Gleichheit 7 = F(x) die
gegebenen oder angenommenen Werthen von x entsprechenden iso-
lirten Werthe von y bestimmen kann, weil beide Werthsysteme
noch nicht als ^flüssige Einheit^ in vermittelter Weise ge-
setzt seien und die Verbindung zwischen unmittelbar aufeinander
folgenden dieser Werthe noch nicht gefunden sei — in dieser dia-
creten Besonderung sei der Trieb (?) in einander überzugehen,
noch nicht zum völligen Durchbruche gekommen ~ in der die
Function darstellenden Curve sei diese discrete Besonderung ganz
und gar aufgehoben — die Punkte der Curve bilden einen „con-
tinuirten Fluss^ und gehen ineinander über (?); aber die Un-
mittelbarkeit dieses Ueberganges sei der Mangel (?), welcher ans
verhindere, ihn zu begreifen — wir können die in einander über-
fliessenden Punkte nicht von einander trennen (ist auch nidit
blos unnötbig, sondern darf gar nicht gesehen, wenn die steligea
Grössen bleiben sollen, was sie sind! — ) — und man müsse des-
halb nach Mitteln suchen, sie in ihrer Discretion wieder ein-
zeln zu erfassen (?) — aus dem Begriffe der Function oder Curve
sei eine solche Beziehung zu entwickeln, welche jeden „Verfluss-
act^ (? was man sich bei diesen Ausdrücken zu denken habe —
wird nicht gesagt — so dass man sich wohl mit der blossen An-
schauung des Fliessens einer wirklichen Flüssigkeit wird begnü-
gen müssen — ) eben so sehr für sich, wie auch als übergehend
in die benachbarten charakterisirt — sie seien deshalb zu wirk-
lichen »Verflussmomenten^ oder „Punctualitäten^ zn
erheben — aber dabei zeige sich sogleich: dass der angedeutete
I
: ?^NfMdi 6Sm« PbfloiopUe der VatktVMtik 933
IVoxeii ranächst nur ein btosseB Sollen, eim^Ueeie Farderung
Miy welcher jedoch wegen der In ihr liegenden Unendlichkeit
sebekibar nicht genügt werden kann, weil der Wlderspiuch darin
liege: einen ^Floss^ mittelst der diecreten Zahlenbestimmt-
heit (?) sn begreifen — ja man k5nne fast an der Möglichkeit
der Erfiillong dieser Forderung von vornherein zweifeln — denn sie
setae Toraus: dass jeder Verflossact sich als endliche Bestimmtbmt
durch die Einheit der Arithmetik (aber keine endliche, be*
stimmte — sondern eine anbescfaränkt, nnendlich Uei-
ne! — ^ in adäquater Weise angeben lasse — allein dieser Zweifel
werde dadmxh beseitigt: dass die Arithmetik durch ihre immanente
Eotwickelung seihst auf solche Zahlformen (irrationale und trans-
eendente Zahlen) hinführt, die sich nicht geradeeu durch die (^en4<^
liehe) Einheit ausdrücken lassen — und dass sie uns in der u n-
endlichen Reihe das Instrument an die Hand gebe, diese Be-
stimmtheit gleichwohl auf ihr Element: das Eins (die Einheit
— aber keine endliche, bestimmte! —) zurücksuführen oder
a«f ihrem eigenen Gebiete zu begreifen I — Deshalb sollte man
meinen: dass das räumliche Quantum nicht die niedriegste
Stufe des bestimmten Quantums sei! —
Der Verf. hält so den erwähnten Widerspruch für beseitigt
— aber die Unendlichkeit steht ihm doch noch im Wege — wes-
halb er zu dem Begriffe der Grenze seine Zuflucht nimmt, dessen
Nothwendigkeit er durch die Behauptung motivirt: dass sich die
wiasenschaftliche Betrachtung nicht ohne Weiteres in das Wesen
der Dinge versetzen könne, welches vielmehr in unserer subjectiven
Anschauung und Auffassung noch mit allerlei fremdartigen Begriffen
verwickelt erscheinen (bei Hegel und dem Verf. scheint dies aller*
dings der Fall zu sein — allein in dem fraglichen, höchst einfachen
FaUe, wo es sich nm die begriffliche und analytische Anf-
(aseong stetig veränderlicher Grössen handelt, bedarf es eigentlich
gar keiner Einmischung fremdartiger Begriffe, wie der der Grenze
— 8. w. unten!) es müsse deshalb alles, was der speciellen Natur
des menschlichen Denkens angefaUrf, ausgestossen werden (wie soll
man das (anfangen? — ), und das Uebrigbleibende sei das We-
sen der Dinge! —
Es wird deshalb zunächst der Differenzquotlent:
Ay_F(»+A')-F(x)Ci)
Ax~ A«
gebildet, worauf der Verf. /\x nnd mithin auch ^y wieder allmälig
abnehmen, und zuletzt „ganz verschwinden^ lässt, um, wie er
sagt, nicht zwei aus einander stehende, sondern zwei in einander
j, über fliessende ^ Punkte oder Zustände zu erhalten (d. h. in Wahr-
h«t doch nur einen). — Andererseits sagt der Verf. aber auch : dass
Ay 0 dy
lim. -^^=-~- = ^ nur eine wesentliche Bestimmtheit
A^ 0 dx
(welcher Art sie ist, wird nidit angegeben) des Paaktes (X| y)
924 Schwans Venuch einer Pbilotopliie der MalheaiMik.
oder des Werthsstistandefl F(x) sei — weil dadorch, daas in (1)
die unbestimmten und deshalb veränderliehen ^x = 0, A7 = ^
gesetzt werden, die sich auf einen zweiten Punkt (z4~A^
y-f Ay)» ^^^^ auf einen zweiten Zustand F(x-|-A^)=y +
Ay beziehende zufällige Bestimmtheit aas dem Ausdrucke (!)
eliminirt sei — es bleibe blos die Möglichkeit eines Fort-
schreitens oder Hhiausgehens aber die Bestinuntheit des ersten Punk-
tes oder Zustandes (x, y) oder y = F(x). — Diese Bewegung
werde als in diesem Zustande der Function » verschlossen blei-
bend'^ gesetzt — als die Ffihigkeit, wohl über sich selbst hio-
auszukommen; aber, sobald es sich um das Hinaus, das Andere
handle, zugleich als das Unvermögen sich in dasselbe hinein n
bewegen, als der S t i 1 1 s t a n d bei sich selber (lautre Widersprüche wie
dy
b^iSnell). — Der Differentialquotient -p sei also in Wahrheit die-
jenige Beziehung, welche einen Verflussakt (Punkt, Wertlusa-
stand) einer Function ebensosehr für sich, als auch nach seineD
Uebergehen in die übrigen (Verflussakte , Zustände , etc.) charaltte-
risirtl — Dieses Uebergehen sei aber so gesetzt, dass es fürs erste
nur die Bedeutung einer Tendenz, eines Strebens fä la SnelQ
habe, welches über die eigene Bestimmtheit wohl hinaus wolle,
aber trotz dieser negativen Beziehung zu ihr, sie nicht zu durdi-
brechen vermöge I — Indem der Differentialquotient die Bestimmt-
heit eines Verüussaktes (Wertbzustandes) für sich enthalte, sei er
discrete Bestimmtheit; aber diese nicht mehr starre GJeichfaeit
mit sich selbst — sie sei au ihr selber „flüssig^^ geworden und
als das absolute „Hin aus weisen^ über sich von dem Momente
der Continuität durchdrangen und beherrscht! — Etc. etc.
Der Verf. gesteht aber selbst zu: dass der im Begriffe des
Differentialquotienten liegende Widerspruch durch seine Logük
oder Metaphysik nicht beseitigt sei — und es sei auch eine ve^
gebliche Mühe, dieses anzustreben, so lange man nicht über seioeo
Begriff hinausgehe (d. b. für die N u 1 1 incremente unendlieli
kleine setzt — wie der Verf. später bei dem bestimmten Inte^
grale thut! — ). —
Indem der Verl, die Sache nun auch geometrisch an der
Betrachtung der Curve darzustellen sucht, wiederholt sich dasselbe
widersprechende Räsonnemeut in geometrischen Ausdrücken: keine
der unendlich vielen Richtungen, welche den verschiedenen Punkten
der Curve entsprechen, sollen auch nicht in der geringsten Ausdeh-
nung zu Ausführung oder Realität gelangen — sondern es soll bei
einer blossen, nicht zum Durchbruche kommenden Tendenz bl^
ben, wie bei Snell. — Und doch soll eine continuirliche Ridi-
tungsänderung auch nur so denkbar sein: dass sie alle aufeinander
folgende Phasen „wirklich^ durchläuft! — Etc. etc. Sogar von
der Richtung eines Punktes ist die Rode! —
Im Abschnitt 6 ist vom unendlich Kleinen die Bede —
ScbwBrs: Veraoch eioer Philosophie und Malbematik. 925
auch hier wiederholt sich der Verf. sehr oft — und wir wollen
deehalb nur einige seiner w^tem Behauptangen hier lEurz anlühren.
dy
— Zunächst wird gesagt: dass -^ nach den bisherigen ErÖrterun»
gen eine blosse ^^Marke'' (einfaches Zeichen) und kein Quotient
oder Verhältniss zweier verscliiedener Grössen sei — jedoch sei
leicht einzusehen, wie man mit diesem Begriffe der Sache in den
meisten Fällen nicht viel anfangen könne — weshalb der Verf.,
nachdem er ein wunderliches Räsonnement über das Verhältniss zwi-
schen der Philosophie und der positiven Wissenschaft entwickelt hat,
dy
zu der Bedeutung von -p als Quotient oder Verhältniss zweier un-
endlich kleiner Grössen übergeht — auch sollen dz, dy, wenn
dy
man dy = Fi(x) dx statt -~ = P*(x) setzt, aus dem Begriffe des
Verhältnisses herausgerissen werden (?); aber die Methode er-
halte auf diese Weise eine Fliissigkeit und Beweglichkeit, welche die
Erkenntniss mathematischer Wahrheiten ausserordentlich gefördert
habe — trete andererseits aber auch mit den Lehren der Arithme-
tik in einen scheinbaren Widerspruch (?) — die Methode des un-
endlich Kleinen ändern nichts Wesentliches an der frühern Auffas-
sung des Differentialquotienten; nur werden die Reflexionen (das
Setzen und Vergleichen von /^x, ^y), welche früher lediglich zu
einer Herleitung dienten, und, nachdem sie diesen Dienst geleistet
hatten , wieder weggeworfen (^z = 0, ^y = 0 gesetzt) wurden,
nunmelir im Bewusstsein festgehalten (d. h. dx, dy nicht als ab-
solute Nullen betrachtet). — Demnach werde der Grenzprozess
jetzt mit in den Begriff des Differentialquotienten hineingenommen
(oder vielmehr nicht, wie früher, zum Abschluss gebracht, weil
nicht dx=:0, dy = 0 gesetzt wird — „nempe revera infinite par-
tum longesume abest a nullol' — ) und der letztere dadurch un-
aerer Vorstellung (oder vielmehr seiner wahren objectiven Bedeu-
tung) näher gebracht. — Für den Verf. ist eine unbeschränkt
abnehmende Grösse gleichbedeutend mit der absoluten Null! —
Denn er sagt ausdrücülich: dass die Differentiale dy, dx bis zu ihrem
^gänzlichen Verschwinden'' verkleinert werden müssen —
deshalb werden dx^, dx^, ... gleichsam eher verschwinden als dx,
und fallen daher von selbst aus der Gleichung weg, insofern es sich
lediglich um die Bestimmtheit handle, mit welcher dx gegen dy
verschwinde (I weder das eine, noch das andere darf absolut
verschwindenl — ). Früher hat der Verf. das Princip der Ho-
mogeneität als „Grund^ des Hinweglassens der Glieder mit
dx^ dx3, ... angegeben (während sich die Sache gerade umgekehrt
verhält: nämlich die Homogeneität der Differentialgleichungen erst
eine Folge der Principien der Imfinitesimalrechnung ist I) indem man
F(x-4-dx) — F(x) nach den Potenzen von dx entwickeln müssen I
926 Sehwani Veniioh eiaer PUlofophie der
— Die weitere EntwicUang: werde dmnn «o angehgli dMt das, «ai
eigentlich schon zum Abscfalasse gekommen (d. b. yerflehwaa-
den) ist, tum Tlieil noch in der Vorstellung festgehalten werde
(doppelte Bachhaltungl) — er nennt ferner dx der ^Bequemlich-
keit^ wegen auch eine ^sehr kleine^ Grüsaei daiasn hSiiere Po-
tencen gegen die erste ▼eraaehlteigt weiden können — oder: wo
das dz als selbständige Grösse auftrete, sei es abaolnt=:0,
d.x"
weshalb in -; — alle Glieder ausser dem ersten verachwindett »
dx
nnd er setzt schHessHch doch dy = d.x" =r nx»^^dx (d. h. 0::sOl3
— gleichwohl werden dx, dy wieder ^allgemeine Elemente'
— „unendlich kleine ZusStze^ genannt (I — ). Die 6W-
dy
cfaung dy = Fi(x)dx deute also, wie -~ = F*(x), eine Bewegung
der Function über eins ihrer momentanen Verhftltniase hina«
an, woraus jedoch das andere, in weiches hinein ale geschieht, ^•
nünirt sei — oder welche noch nicht über ihren AuflgangspoBki
hinausgekommen, in unserer Vorstelliing featgelialten werde (hui-
ter Widerspräche! — ) Der Verfasser meint nun mit dem Vodiv-
gelmiden den Beweis (?) geliefert in haben: wie man dadard,
4ass die Gleichung zwischen dy .nnd dx homogen gemacht wird
(d. h. in^ allen Gliedern dieselbe Dimension .in Beaiig mf dy aai
dx hat) wieder auf den : Begriff /des Diieieatialqaotienten^i
GTnndbegriff (?) sarOckgeführt werde —.aber. das W^tn^ $»:\
'dass den Differentiiden dy, dx eine (relative Selbstaadigkeit rsogesl
dy I
einander zukomme — was auch schon aus der ' Gleichung ^ =1
Um. -^^' folge, weil kein Grund .vorlianden «ei, weshalb ^\y imi
^x in dem Momente ihres „absoluteri^Verschwind^iHi' Ans
Selbstfindigkeit verlieren und einzeln als töliig bedeutnngsloa -aage*
sehen werden sollten I? — Man müsse deshalb dy, dx als Noliei
denken; aber als Nullen, die ein VerhSUniss gegen eiaandsr
haben! — Dieses Verhältniss könne Iceinen andern Sinn haben, aiii
den: dass es die Bestimmtheit der Abnalime, d. h. die Gesehwin-'
digkeit oder Intensitfit bezeichnet, womit dy und dy der Nnll
entgegen eilen (also das ist der Zweck der Differentialrediauog? — ^:
— Wenn man diesen Gesichtspunkt festhalte, so sei ofienbar der
Widerspruch beseitigt, welcher scheinbar in der Annalune naeadlici
kleiner Grössen verschiedener Ordnungen Kege! -^ JUwät-
dem der Verf. die bekannten G an chy 'sehen Sätze Mber das Ver-
halten der unendlich kleinen Grössen mitgetheilt bat) 'Hut- er «die
Sache wieder geometristhauf — auch hier «oll die Tnftnüesh
malmethode auf die der Grenzen zuräekkommen^fmd in
Ihre Begründung finden (offenbar verhSit sich die Saelie
umgekehrt -^ weil die Incremete nicht absolut '^enchvitfden^
Scbwari: Verlach etner Philö«ophie der ÜRthematik. 927
wenn die Greiumediode nicht sinnlos werden soll — aber alsdann
Ay
sind auf ^ immer noch die Principien der Infinitesimalmethode
dy
aniu wenden, um -p daraus zu erhalten) — es sei ein ^grober
Fehler' eine Carve als ein Polygon von unendlich vielen
unendlich kleinen Seiten, die Tangente als in der Nähe des
Berührungspunktes mit der Carre sttsammenfallend zu betrachten —
"dies 'soll nur gestattet sein , wenn sich das Ausgedehnte in das
^ Ausdehnungslose' umwandle {jäx = 0, dy = 0 gesetzt werde) - —
das ZufSUige, AeusserHche seines quantitativen Seins abgestreift- habe
und nur noch die innerliche Natur seiner Bestimmtheit, die Innern
Verhältnisse seiner Bildung bewahre (worin diese bestehen, wird
leider mit keinem Worte angedeutet — er bleibt bei den blossen
Phrasen!). — Tiefer sei dies allerdings nur darin begründet: daas
von der gleichgültigen Ausdehnung der betreffendeu Quanta abge-
sehen werde und die Momente ihrer innern Selbstvermittlung (?)
mit dem Gedanken erfasst werden. — Die unendlich kleinen Gr<$ssen
'sollen wesentlich nur qualitatives Sein besitssen (was das für
ein Sein ist, wird nicht näher angegeben) und können daher urith-
~'metisch nur unter der Form von Verhältnissmomenten auftreten,
weil in dem Verhältnisse ebenfalls die Negation der quAnütativen
'tuid die Rfickkehr zur qualitativen Bestimmtheit ^gesetzt seil --
fm Afisthnltt 7 btepricht der Verf. HegeTs KMk der Me-
'^itböde der Grenzen und der des unendlich Kleinen, worüber
wir hier iü^lich hinweggehen k9Men, weil fast Alles, was Hagel
in seiner Logik über die höhere Analysis geeagthat, nichts als offen-
bare UngefteimtheftenHind — jedoch die B^baupfiung Heg^l'saus-
'^gDnömmen: „Andererseits fällt die schiefe Seite für sich auf, w^nn
' g^dsagt witd, dass die IncrenieAte für sich Nullen seien, dass nur
'ihre Verhältnisse betrachtet werden. Denn eine Null hat über-
''häupt keine Bestimmtheit mehr.^ — - Es ist allerdings sinnlos, das
Gesetz der stetigen Aenderung einer Function durch ein Verhält-
-tiss Ton absoluten Nullen ausdrücken zu wollen. — Wenn die
'Grenzmethode nicht zur begriffiosen Erschleichung werden - soll , so
Ay
dürfen ^x, /\j in -—- nicht absolut verschwinden, sondern nur
'unendlich klein werden, weil sich stetige Grössen nach unendlich
''kleiiken, aber nicht nach N u 1 Hncremtenten ändern I — Das rich-
tige Resultat gibt das rr allerdings, und man weiss, aus wel-
chem Grunde; allein deshalb bleibt die Grenzmethode doch sinnlos,
sobald /\,:l = 0, Ay = ^ gesetzt werden. — Es ist deshalb auch
das ganze weitläufige, sich oft wiederholende Räsonnement, wodurch
unser Verf. das - rechtfertigen wiU, offenbar total unbegründet I —
938 Schwan: Versach einer Philotophie der Mathematik.
0
Ebenso ist die Bebauptuog ouricbtig: dass msD nicht Aber— hin-
ausgehen dürfe — denn der reducirte Aasdrack von
F(x — dx) — F(x) _ F(x) — F(y -- dx)
dx " "" dx
gibt den Werth des DifferenüalquotJenten = ^-^ffellbar eben-
falls I — Aber Nnll dürfen die Inoremente nicht gesetzt werden 1 -
Im Abschnitt 8 ist von dem bestimmten Integrale &
Bede. — Zanächst wiederholt der Verf. seine frühem Begriisbe-
Stimmungen der Differentiale als Bildungsmomente, Punetoalitfiteo,
die blos über sich hinausweisen, blosse Möglichkeiten, Tendemes
über sich hinaussogehen, etc. etc. und sagt dann: ^Wenn wir abo
die qualitative Beziehung, welche in dem Differentiale oder Ele-
mente einer Function sich darstellt, trotz dem , dass es für sich ab
Quantum „verschwindet^, vermöge der analytischen Methode (?)
als in die quantitative Bestimmtheit hinein sich versetzend, oder
eintretend, zu fixiren versuchen (d. h. die N u 1 1 inoremente fahroi
lassen — ); so sind wir ebensosehr mit den Thatsachen der Amt
schauung und des gewöhnlichen Bewnsstseins , als mit den Forde-
rungen und Frincipien der Logik im Einklänge (allerdings!). —
Diese Umsetzung ist schon deshalb nothwendig, weil sie uns
den Boden der Wirklichkeit, über welchen wir uns durch
vorhergehenden Akt der Abstraction (das ^x = 0, /^ = 0
erhoben hatten (der Verf. gesteht also das Unstatthafte
bisherigen Logik doch selbst damit eini — ) wieder zurückfübit
— Nullincremente sind nicht blos eine Abstraction, sondern
offenbare Ungereimtheit, weil stetige Grössen nicht aus abs»^
Inten Nullen gebildet werden können — und jedes bestimiBlIi
Integral = 0 wäre I Dies scheint der Verf. auch einigermnssen gti
fühlt zu haben, weshalb er diese letzte Schwenkung offenbar Ali
nöthig gehalten hat — und fügt ganz naiv hinzu: «Die Analjii^
hat es (das Differential), um der Vorstellung einen bihalt zq «
ben, als einen unendlich kleinen Zuwachs zu definiren füF^tfigsj
messen erachtet^ — spricht auch nun von unendlich kleinen DIsM^
zen — versteht unter dem Differential F'(x)dx einer stetigen Fiair|
tion F(x) den Zuwachs derselben, wenn x einen unendlich kW^
nen Zuwachs bekommt — und gibt nach Moigno eine ziemÜdhl
ausführliche formelle Erörterung über das bestimmte Integral, woU^
natürlich die Differentiale als „absolute Nullen'' nicht gebrasdl
werden konnten! —
(SMuts folgt J
fr. a. HEIDELBERGER ISSt
JAISBOGHEB DBB LITEBATDB.
Schwarz: Versuch einer Philosophie der Mathematik.
(SchloM.)
Hierauf kehrt der Verf. aber doch wieder %n seiner frühem
Dialektik surtlck, um näher anzugeben, wie sieb die analytische
Methode zu den logischen Bestimmungen verbält — Dielogiscbe
Natur des höfaem Calcnls soll einfach darin bestehen: die quanti-
tative Bestimmtheit aus der qualitativen, ab Ihrem letzten
Grunde, herzuleiten — und deshalb soll seine Methode in der un*
verkennbarsten Ueberelnstimmung mit der Hegel 'sehen dialektl-*
sehen Entwicklung der Logik sein, welche auch mit der Qualität
beginne und weiter als ihre wesentliche Wahrheit das Uebergehen
in die Quantität nachweise. Etc. eto. — Die HegeTsche Logik
und Dialektik versteht die Kunst: sich mit Allem, was Ihr beliebt
fn^ ;, Ueberelnstimmung zu bringen'^ allerdings besser, als jede andere
PhUosophle, wie namentlich die Hegel 'sehe Naturphilosophie ge-
' Mgsam zeigt. — Die Differentiale sind jetzt wieder blosse über
Meh selbst hinausweisende Tendenzen — namentlich das Diffe-
rential einer Gurve, Fläche, euies Körpers habe die Tendenz: resp.
mit der Bestimmtheit eines Punktes, einer Linie, einer Fläche zu-
■ammenzugehen — dann sollen sie auch wieder Nullen oder
▼ erfllessende Eins sein — denn die Linie sei das DIffential
einer Fläche — auch von flächenhaften Linien ist die Bede
— die punktuellen Eins , welche den besondem Werthen des Diffe-
fentialqnotlenten entsprechen, seien allerdings identische (?) Eins,
aber als auf sich selber bezogene und negativ gegen die übrigen
gekehrte: so gehen sie ganz und gar mit den „repellirenden^
liiDs der Logik zusammen — und der Verf. zeigt auch: dass sie
ab „attrahlrende^ zu fassen sindl — Etc. etc. Wir müssen
offen gestehen: dass es uns nicht möglich ist, noch länger bei die-
ser Icht Hegeischen Dialektik zu verweilen — und wir gehen
deshalb sofort zu
Abschnitt 9 über, worin Lagrange's Functionencal«-
eul besprochen wird. — Aber auch hier kehrt das frühere wiU-
klirliche Oerede sehr ausführlich wieder — und endlich kommt der
Verf. dahin: dass die Art des Zusammenhanges zwischen der Inte-
gral- und Differentlalfunction schon allein einen Oaleul gebe, nnd
deshalb könne es nicht weiter auffallen: dass sich dieser Standpunkt
▼en Lagrange's Thsorie der analztischen Functionen historisch
geltend gemacht habe (e. oben S. 920). Der Vert philosopUrt femer
U ^ahrg . 13. Heft. (•
qß9 Schwan: V^i^fiuOi ^ia^r PliQp4<^i4ul,<9 «^r Madieinatik.
auch sehr bequem heraus: dass es allerdings mö^ich sä: den Imp
y<Nrbr9cl^d9Q (reitneintlt^he«) Wldersprudi swat niehl anfttAn
besi aber deoh 2» umgehen und' i» seiner VerhdUlheÜ 1» hekM
— man lc(5nne von der primitiven Function zu ihrer abgeldteli
gpehingeni ohne die rulitge Etnhett der widerstreitenden Betthnnü
gen, die in beiden gleichmässig enthalten sein sollen, an stören h
ja diese Mtihe^ könne gan^ zwecklos- eracheinen (weshalb hat des
Verf. sich so sehr abgearbeitet und ein ganzes Buch Yon 193 8d
ten darüber geschrieben? — ), weil die Zerreissung ihrer Eink
am Ende doch wieder negirt, die getrennten Bestimmungen d«
vM^r, zu^nuneQ giei^pmmen werden lojissen. -^ Ipdem. titß i
Qpera^ipnen ifia, kp^em Calcul» im Gebiete des Analyais auC
BU.duBg yon Funpl|iQm9n biua^slaiifen, so sei allerdings c
denkbar (sogar uneudlicb viele!) und bei^phtigt (qood noiil
ateljien e^x dem Qbjec^te,, dßm Zweqke der höhern. AnaljBis:
das ajilgemei^e G.e(E|etz der ungleichförmigen stetigen Ae^dening #|
Fuiiptiqn i^iu^ud|ri|cken. — in gi^r keiner Beziebu^ig. — ) — eol^
dei^ A,nw«i^d.a^gc^n soll diq ScI^wierigkeit wieder zobd Vamchi
Ifommepi (tra^lMon^ieile 9^ßPl — der rein anaijtiseha Theil I
94cht^ ajia eiu wifl^ürliphes Ab- und Zurii(Aleiteii. von FuncüeiM
— xwA fl|0ga? die ^efleitung der i^u Qfuucje Uegeudeii Taylor'
i|cbe B^ß fQr F(z -jr- b)> >9t völlig unbegründet —
davoui ^^8 der, voyi Llig ränge- eingei^agene Weg ein ol
V9fkeb.rt,ei; ist; denn 4ßr Taylor'ff^e 9$tz. bildet ni^^ht
Gruii4^ag.e, d^ DlfferentjairecbAuqg, sondern eine A,ttw.^nd
dy
derselben — die Grundlage ist die Gleichung -^ = Fi(x). oder
7S3Fi(x)d]Ki welche. auQh> bei der La<grang*e' sehen AUeümg
Tay t.oiJB' sehen Beihe versteckt angewandt! ist — r aber au- der 1
adieu Yoranssetcong von. dx s=i>:=::o !•-*<*). -*r und die
mjllehit welcher Lagr&nge. der überall hervorbreohendea
ringelten Herr werde, sei eine, durchaus, pxeiswiirdig'e. md cM
wahrhafte BereiiCherung der Analysia (? — r Im OegendUl
ttunütae^ unbrauch)>afe. W^tlftttJ^keUen, wie die alten indiveelil
gvieehiaehen Methoden, denen sie. bekaantlidi ansdrttoiE^ aadiil
MIdeft sind ~ und die Lag ränge in< der analjitistheA Meodbaal
seihst wieder aufgiegebeii bati weil bei' aUen otwasicon^oHtai Ui
tArn^ungen nichts damit aniuiimgen iai — ond- seibat hi dea eil
fachen Fällen der Quadraturen, Bectificationen, etc. bei Licfal» M
sehen, die. venneintliehen Sehwiad^loiiten' der InfinitasimahBetholl
doch nicht bestitlgti sondern nur veiäülit sind , wb uMgea unM
Yerf. aelhst zugestellt — denn was in der Natur — dem Beg»
--t einer Sache liegt, wie die Begsiffe des/ unendlieh EMmd m
Gnossen in dem Gesetse der Stetigkeit -r- ist' mefat au nmgshil
— ui|d darf nicht umfangen oder iRemohwiegen werden^ wenftiM
Alch nicht der. Heuchelei oder SeUmtMaeehing. htesegehea iil|
t VoiiMh ^mm FhllnMi|»U» 4er MaikMMÜL 991
le n» der Makhemalik -- imd dec Wiifliiediaft ttbeihurp* -^
rerderblieh and ferweBÜieii is^ wie km soeialeip Leben t -^
Um Biber sei zeigen: daa» Lagvang» dea Begriff de» nfieitd*
leb Kleinen wenigstens in den Anwendunge-n ofeirt gUtt» habe
ngeben Icönnen, erörtert der Verf. die Lsgraager'sohe Btfiand-
mg dee Quadfaturprebleaiee eebr aoiffitarlftob, nnd sagt diM
ieter andern: ^ie IdeniMIt swiaefaen den Beofafteoke ondl der
Sarrenfllohe hat nur statt, indem bMe sn bioesea Ide»li't'J|l:#B
Israbgesetzt werden, mit dem Verschwinden der Dimension dm
Ireite (also aaa Ideaiitlten setsen sieb die GorVeAftchtiki an-
Inmen? ->) — der Diierentialcaioul hat fttr Lagrange norde*
»ck, ein 8}wtem aoaljtiscber Farmen aufeastetten ,^ dlo erst* in
ÄBwendangen eine bestimmte Bedevtnng gerwinaen (daa M
das Verkehrte, WiHkürJieh«, Unkvanckbare dieser Ansiokt der
I — Wie können bieese Formeln, die ketoe obiteotira
igrilflicheGkandlaga haben, fiberbaopl eia« raellie Bede«»
lag belboaimen? — Leider iet die sinn- und bedeotaagsloBe' Fo»^
^machere» nur noch zu sehr in der AaaljfBiB gangbar« -^}, und
ktt daesae zu etrekhen, ist es alierdhige sMiialt, ledigliol» iaBjfth
jlge, was aus der Annahme i = o (in ^ » . > '^ J resulr
|Et, in die rein analytische Betraohtung aufznaebaien. (? — ^'^^
t Grenzmethode des Verf. ist ja dasselbe — und' es kann des-
b nicht im Geringsten auffallen, eine solche grundlose Behaup-
keg hier zu finden I — ). FormeQ ist der Begriff des Unendlichen
IBciriich umgangen ; aber sächlich dürfte sein Vorhandensein schwer-
abgeieugnet werden k5nnen. In dem Auseinanderhalten der
iden allerdings einander widersprechenden Momente dieses Be-
Tes (des unendlich Kleinen) liegt denn auch der Grund (?J|
die Strenge (?) "^^ Ueberzeugungskraft (?) der (La-
tange^sehen) BewelsfQhrung (womit hat denn der Verf. das
Gliche Vorhandensein dieser beiden Widerspräche nachgewiesen?
^ Beine Worte: „das sich Annulliren und die Vermfttelung
jbaeiben durch dbn negatlTen P^ocess förtwShrender VerlHeinerung^
l» können doch nicht aJs ein solcher ITachweis gelten (^) — weil
l*dem richtigen Begriffe des unendlich ELleinen von einem „Annul-
len^ keine Rede istl — ); — aber auf der andern Seite mochten
l* behaupten, dass die Methode, eben um das Gewaltsame dieser
Ifennung von Znsammengehl5rigem wieder auszugleichen, einen so
bssen Aufwand künstlicher Mittel erfordert (z. B. bei der Recti«
ktlon) — und sie mag daher wohl ihre Stelle in den Elementen
lAaupten ... namentlich um deswillen, damit sie alle etwiugen noch
Urigen Zweifel an der Begründung der Methode des unendlich Elei-
in hebe (?); die Letztere dürfte sowohl wegen der Leichtigkeit und
bfacbfaeit, die ihre Anwendung in so hohem Grade au«zeiohnet|
•3a Miwmi Vemeli eiMr PUlMopliie der MalfaeMlik.
•Ift «ach wegen der VeriHuiftgeiDiBeheit (1 abo troU der Wider^
eprüche doch Teraönftig! — ) ihres «of <JUe Netur der Bache gegrfis-
deton Gangee wohl unter allen Umsifinden der DerivatiooBinethodo
vonraxlehen aein, ....^
Bef. hat dieeen etwas langen Passos absichtlich wörtlich ssit-
gelheilti am den Lesern ao selgen: wie zweidentig, unsoTetUasig,
welches wonderliche, bunte Gemisch von Wahrheit und Irrthum, wi-
decsprochenden und treffenden AQssprfichen die Pliilosophie des Vv^'s
istl -
Im Abschnitt 10 ist von Hegei's Verhiltniszu Lagrange's
Derivationsealcal die Bede — worüber wir hier blos bemerken wol-
len: dass der Verf. die He gel' sehen Behauptungen ausffiirlidi und
gründlich widerlegt (versteht sich, in seiner bisherigen Aufoasung))
was sich eigentlich nicht einmal der Mühe lohnt, weil die Hegel'-
schen Ansiditen zu offenbare Ungereimtheiten smd, als dass «te
efaM so ausführliche Besprechung v^ienten. — Das Endresnltal
ist: jpdass die Ansicht Hegel' s über den Zweck der Differential-,
rechnung durchaus zurüduiuweisen ist^ — Aber dennodi soU, wis
der Verf. aus voller Ueberzeugung wiederholt: die Analysis des Un»
endlichen in voUkommner Uebereinstimmung mit den Principien aeiB| ^
welche in Hegel 's Logik mit einem solchen Aufwände von tie-
fem Denken (?) und scharfer Dialektik (?) abgeleitet werden —
und wenn audi Hegel selbst in dem Gebiete ihrer Anweodiimi<
ihrer concreten Yerwirldichung sie nicht wieder gefunden Iiabe Qwm
freilich kein gutes Zeichen von ihrer objectiven Nothwendigkei
und Wahrheit istl — ), so sei nur umsomehr die Grösse seines G«^<
nies zu bewundern (?!), welche die abstracten Kategorien der Qiiatt»!
tität in Wahrheit aus dem Begriffe heraus ergründete (s. oh&i Ah-
schnitt 1 und 2 die Tiefe dieser Dialektik! •— ) und tsotz mangei»'
der Erkenntniss in den realen, sie betreffenden Wissenschaften, ja
zum Theil iu schroffem Gegensatze zu letztern, doch eine im We^
sentlichen befriedigende Theorie des quantitativen Seins schuf! — ^
Nur im stolzen Gefühle der Macht des dialektischens Gedankens (iBir
sich sogar vermessen hat: Planeten aus unserm Sonnensysteme we^ m
rSsonniren) habe sich Hegel an den Methoden des hohem Caleiili
versucht (er hätte aber, nach dem was der Verf. selbst darübei
gesagt hat, keinen Grund gehabt: stolz darauf zu seini). Abs
die Analysis des Unendlichen, heisst es weiter, sei über derartigs
Versuche hinaus — sie sei unvergSngiiches Eigenthum der Wissen*
Schaft, und eine Phflosophie, wie sehr sie auch sonst die Erkeani^
niss fördere, habe nur die Wahl, sie entweder ganz zu ignoiire%
oder so, wie sie im WesentlicheD ist, in ihr System aufzanehmei^
sonst werde sie spurlos an der Entwickelung der Analysis vorüber*
gehen (das ist allerdings wahr, und möchte auch wohl mit der Philoso-
phie des Verf.'s der Fidl sein) — und sich selbst eine der heftigsten (wo- i
nigstens rückhalts losen) Angriffen ausgesetzte Position veradnt'
fcnl — Den Verf. wird also unsere Kritik nicht überraschen t —
Sdkwm: Vemcfa einer Philetophie der Mathematik. fSS
Dm fat doeh wohl wieder eine bfibeehe Probe von doppelter
Bachh«ltaDg^ — Diese Herrn Hegelianer kömien riaoniren, wie
man es hören wüll — Die Hegersehe Dialektik ist m Allem
fiUlig — sogar Weltkörper Juuin sie bekanntlich vernichten — und
andererseits die annuiigsten Erscheinangen, ja sogar Ae offenbarsten
Ungereimtheiten, zu dem innersten objectiren Wesen der Dinge er-
heben I — In dieser Hegel 'sehen Logik oder Dialektik, wie sie
der Verf. in Abschn. 1 nnd 2 gegeben hat, liegt ja keine Spur von
Tiefe und Schärfe — von einer nothwendigen Gedanken- und
Begriffsentwickelung — es sind ja bloss willkürliche, nichtssagende,
sich oft widersprechende und unwahre Redensarten, wie: anjddiende
und abstossende Eins (Raumpunkte) — überfliessen, aussersich-
kommen (statt bewegen) — fortcontinuiren — Einheit von Disere-
tion und GontinuitSt — als aufgehobenes Moment existiren — ver-
fliesseoder Punkt — Verflnssakt — fliessende Verbindung von Punk-
tualitftten — über sich hinausweisen, und doch ein isoUrter Punkt
oder Werthzustand der Cnrve oder Function sein! — innere Selbst-
▼ermittelung — Umsetzen der qualitativen in die quantitative Be-
stimmtheit — etc. etc. Auch von Snell hat der Verf. die j,Ten-
denzen" — „Triebe^ — etc. zur Begründung der hohem Ana-
lysis berübergenommen ! —
Man sollte es kaum glauben, dass es möglich wSre, über eine
so naheliegende, evidente Wahrheit: „dass sich stetige Grössen
»ach Incrementen ändern, die weder absolute Nullen, noch
endliche Grössen sind, sondern die als unangebbar, unbe-
schränkt oder unendlich klein gedacht werden müssen —
ond dass jede ungleichförmige stetige Aenderung objec-
tlv nichts weiter ist, und nicht anders gedacht werden kann, als
eine unendlichn Folge gleichförmiger Aenderungen von n n-
• n dl ich kleiner Dauer, oder Ausdehnung^ — solche Weitläufig*
keiten zu machen, sich in solche Widersprüche zu verwickeln —
wie dieses fast seit zwei Jahrhunderten geschehen ist, und noch
tilglich geschieht. — Ref. hat diesem, namentlich in didaktischer
Hinsicht so wichtigen Gegenstand schon so oft in d. Bl. besprochen,
dass es überflüssig scheinen könnte, immer wieder darauf zurück-
nkommen. — Aber wenn sich die alten, traditionell gewordenen,
▼erkehrten, oder ungenügenden Ansichten täglich wiederholen (wie
bei den historischen Schriftstellern) und sich noch mit neuen schie-
fen, täuschenden Darstellungen in mehr dialektischer Form (wie bei
Snell nnd unserm Verf.) fortwährend vermehren, und den wahren
einfachen Sachverhalt entstellen — ist es da nicht die Pflicht der
wiaaenschaftlichen Kritik: solche Fehlgriffe beharrlich zu beleuchten
und entschieden zurückzuweisen? —
Unser Verf. scheint sich namentUch dadurch haben täuschen
lassen: dass das --r das richtige Resultat gibt, ohne den wahren
Grrond davon eingesehen zu haben. — Zu diesem sinnlosen Ver-
Miffa, v«kel die looeneato absoUft TertchWiiideB ODDaD,
•ionmt mim offenbar dotbAlb iebie ZufladU, um anf dar reebtaa
Ay
Seite der Qleichung -^- = ..,. Dag /\x gana lortittschaffeD. — Ei
iat bekaABt, wfie die Infinitealmalmetbode die abaolate Genaolgkcit
dr
der Gleichaog ^ <=? Fi(x) oder dy z= Fi(i) da oacbweiat, indem ile
aeigt: dass durch dae Hinweglaasen unendlf ch kleiner (rrGssen
gegen endliche kein angebbarer, noch so kleiner Fehler
— also überhaupt kein Fehler — entstehen kann (womit je-
doch nicht gesagt ist: dass sich der DiflTerentialquotient F^(x) Itr
jeden Werth des x v511ig genau berechnen lässt — was
offenbar In den meisten Fällen nur mit einer unbeschränkten
Annfiherung thunüch ist). — Wenn man aber den Sata festhalt:
dass jede ungleichförmige stetige Aeoddrung Talso jeder tob
y=ax-f-b verschiedenen Function) thatsSchlich nichts anders, ab
eine unendliche Folge unendlich kleiner gleichförmiger
Aenderungen ist (jede Corvo reell weiter nichts, als eine Poly-
gonallinie von unendlich vielen unendlich kleinen Sei-
ten), so sieht man auf der Stelle : weshalb in 4^ =cs E5±A^-J6}
A^ A»
fremdartige Bestandtheile zum Vorschein kommen müssen^
indem man endliche Incremente setzt und vergleicht — oder wem
man eiu wirkliches, sichtbares Zeichen dX| äj für die ngr
denkbafen, nicht wirklich darstellbaren unendlich kleinen
Elemente setzt. — Ganz ebenso, wie eine wirklich gezeichnete Figur
mit endlichen (statt der unendlich kleinen) Incrementen oder
Flementen die Sache niemals völlig adSquat darstellt (so dass die
Sehne nie völlig mit dem Curvenelement, etc. aUBammenf&Ut), son-
dern erat in der Vorstellung dabin berichtigt werden muas —
ebenso muss ^^ oder -^dadujehauf seinen wahren, bestimm^
A^ dx '
ten Ausdruck Fi(x) gebracht werden: dass man die fremdartig
dv
gen Bestandtheile entfernt, damit .' wirklich das für jedes unend-
lieh kleine Intervall oder für jeden elnaelnen Werth von x be-
stimmte Verhältnlss F^x), abgesehen von spedellen, einaelnea
FiUlen, ausdrückt. —
Auf diese Weise allein bekommt man eine nnmitteibare,
direkte Einsicht in das eigenüiche innere Wesen der Sadie,
wiihrend die Leibnia'edie Bechtfertigung mehr eine apagogi-
sche ist — aber beiweitem nicht in dem Grade, wie dia attea
gr&eehisehen Methoden -^ die aber ^ nota bene *- aidil blos
hier, in der eigentlichen Differential- und Inte^gralrechnung — son-
dern bei allen Untersuchungen, wo das Unendliche nach setnea
beiden Bedeutungen m ßpiel konuot (in dar Geometrie — in der
Schwin: Vemoh iAa» thdhutffilä» der Mathematik« SOS
LdM TM den andndndkeh fMIrtm, elt. ete.) anwimiHMfir i«t, tttiS
10 dfesea letstea Ftiten allein angewandt werden kann. — Der Dif»
dy
ferentialqootient -=^=:Fi(x), oder vielmehr das Differential dy ==
P^(x) dx, ist allerdiDgs ein ^diarakteristlsches' Merkmal der Vonc«
tion 7 = F(x), wodurch der ganze Verlauf derselben fixirt wird
(wobei oft auch die h5hern Differentiale ins Spiel kommen ken-
nen) — und sogar ihr Werth vollständig bestimmt ist, sobald
nur der Werth P(a) von F(x) fOr einen eins igen Werth
a von X bekannt ist; allein deshalb ist das Differential doch nicht
als eine blosse „Qualität« — als vöUig siq^iantltälslos^
XU denken — wie Hegel und unser Verf. so ohne Weiteres be-
haupten! — denn mit blossen „Qualitäten^ kann nSebt ,)g6-
reishnet^ werden — und iiberidl, 'wo in der MsAemalSk blosse
j^Eigenschaften^ der Grössen der Re<Afnung unterworfen wer-
den «ollen fwte s. B. bei der Verglelthuog oder Messung der Erttm-
mung der Linien ondFlSciien, etc.), da mflssensie durch geeignete
GrröBsen (Quantitäten) vertreten, ersetzt werden (z; B. durch den
Krttmmnngsbalbmeeser, etc.). — Es ist deshalb Alles, was Hegel
und der Verf. über die Ableitung der Quantität aus der Qua-
lität — «her blosse „Tendenzen* und "sogar ;,Triehe*, wo-
durch die Grössen erzeugt werden soDen, etc. etc. sa^en, nichts
als Lari farf — und himmelweR davon entfernt? das Wesen des
hSheni Galcnls in Wahrheit zu charakterisiren. — Es ist zu be«
dauern: daes nicht ein Gauss mit seiner ebenso efti^cfaen, ah
tiefen mathematischen Auffassnngs- und Darstellungsweise und durch
das Gewicht seines Namens diesem traurigen Zustande (wenigstens
m dem grt5ssern tbäth. Publikum) des principiellen Theiles der hohem
Analjsis eia Ende gemacht, und die Welt mit dnem ähnRöhän text-
book beschenkt hat, wie in der h6hern Arlthmetft oder der Theorie
der Zahlen. — Ref. kann nicht unterlassen, aus iSinem Gauss* sehen
Briefe vem 9. Januar 1842 eine hieher gehörige Stelle wörtlich an*
zuführen: „Was Ihre Frage über das Dasein eines Grenzwerthes
fiij y T J ^ unendlich abnebm^d, betrifft, so kommt es
darauf an, wie man den Begriff der Function feststelh. Mehit man
es so, dass Fx und x durch wie immer complicirte analytische Ope-
rationen von einander abhängen, so ergibt sich das Dasein (von
particulären Fällen abgesehen) bei einiger Ueberiegung von selbst,
da die Operationen sich doch immer auf eine mehr oder minder
grosse Anzahl einfacher Operationen zurückführen lassen. — Fast
man aber den Begriff der Function so auf, dass dazu nichts weiter
als das Bestimmtsein des Werthes der einen Grösse sobald der der
andern bestimmt ist, erfordert wird, so lassen sich unstetige Func-
tionen denken, wobei der Satz gar nidit gilt; Diricblet führt
eine solche in Grelles Journal 4. B. S. 169 an. In den Fällen,
wo man arbiträre Functionen nöthig hat, wird man dann ge-
wShülloh MüdiflckHch oder iOlbcbwaifeiid Ae Bedisgnas
müneD, diM sich die sa beiracbiaDde AoBdafaming toq x weDig»
•tons in eine Aniahl von Interralldn theilen ISait, da» innerhalb
jade« derselben überall ein bestimmter Greven wertb, vom Zeieben
des m nnabbSngIg, wirlLÜcb Statt finden müsse. — An den Gren»-
pnnkten jedes Intervalls können dann awei ungleiche Werthe des
Grensquotlenten Statt finden, nämlich ein anderer für positive, «a
anderer für negative a. — Will man anch den imaginSren GrOosea
vollkommenes Bürgerrecht hierbei einräumen, so sind noch andere
AoselnandersetEungen erforderlich« an denen hier der Fiats fehlt.' —
an X
«Gegen Ihre Ablettong von Grense von = log a isl
m
doch nichts an erinnemi wenn Sie durch die Worte j^in didaktischer
Rücksicht^ ansudeuten scheinen, dass nor von Belehrung von A»-
längern die Bede sein soll, wobei man immer sich auf den Fall,
dass a reell nnd positiv ist, beschränkt. * In dnem objectiv
vollkommenen System der Mathematik muss man freilich anders aa
Werke gehen, wobei besonders mit Anerkennung der Unvollkom-
menheit unserer mathematischen Zeichensprache sehr leicht alle
Schwierigkeit gehoben wird.'' —
In der Zeitschrift für das Gymnasialwesen findet aidi
eine Besprechung des hier beurtheilton Werkohens von einem An-
hänger Hegels, welcher mit der Dialektik unseres VerL's — ah
He gel* sehe — nidit gana zufrieden ist — sonst aber auf die Sache
nicht näher eingeht, nur die auch hier angegebenen Schluseworte
nnseres \^rf.'s in Besag auf Hegel wörtlich mittheilt — und sn-
letst mit der allgemeinen Bemerkung Bchliesst: dass das in Rede
stehende Werk für die Wissenschaft wohl epoche*
machend werden dürfte! — Worin aber dieses «Epoche-
machen^ bestehen soU, wird leider nicht gesagt! —
Die typographische Ausstattang des Buches ist recht gut und
correct.
Ostindienj seine OeeeMehte, CuUur und seine Bewohner. Resul-
tate eigener Forschungen und Beob<iehtungen an Ort und Stelle
von Philipp von Mökern, Deutsehe Origina24tu9geibe,
Erster Band. X und 395 8. Zweiter Band. 827 8. in gr. i.
Leipzig. Hermann Costenoble. 1857.
In einer Zeit, wo die Blicke Aller auf Ostindien und die der
brtitischen Herrschaft dort unterworfenen Länder gerichtet sind, be-
absichtigt der Verfasser des vorliegenden Werkes Allen denen » die
nicht aus eigener Anschauung dieses Land kennen, eine anschauliche
und dabei auch unterhaltende Darstellung desselben, seiner Bewoh-
ner, ihres Lebens und Treibens, so wie aller derjenigen geschicht-
lichen Momente au geben, welche eur richtigen Auffassung der
■Okera: Oatinilieii. 99t
j6lsig«D Veibiknissa aad damit selbBt cur ErklSrang der jetst
dort eingetreten«!! Ereignisee dienen können. Nicht ans Büchern
oder noB den Berichten und ErsXhlungen Anderer ist diese Dar«
eteUnng geschöpft, sie hernht auf einem Material, das während
eines halbh ander tjfthrigen Aafenthaltes im Lande selbst ge*
sammelt ward, auf Aafzeichnangen , an Ort and Stelle selbst ge-
macht, kors aof der unmittelbaren Anschauung während eines mehr
als ffinf zig jährigen Aufenthaltes in diesem Lande selbst. Dieser
Umstand gibt allerdings den Schilderungen, wie sie uns in diesen
beiden Bänden vorgelegt werden, einen besondem Charakter und
eine besondere Bedeutung; es sind lebensvolle Sehilderoogen , wie
sie eben nur ein längerer Aufenthalt in dem geschilderten Lande
selbst, ein längeres Leben mitten unter den Bewohnern des Landes
selbst SU geben vermag. Mit aller Freimüthigkeit spricht dabei der
Verfasser seine Ansichten aus, er gibt getreu und wahr die Ein-
drüeke wieder, die in ihm die Beobachtung der Zustände Indiens
and der hidischen Menschheit erregt hat, ohne Hingebung an irgend
eine Nationalität und ohne irgend eine Parteistellung. Eb whrd da*
her das vorliegende Werk keiner besondem Empfehlung f&r alle
Diejenigen bedürfen, die aus einer unmittelbaren Quelle das jetst
so viel besprochene Hindusland, seine Zustände und seine Verhält*
nlsse kennen lernen und über die Geschichte dieser Länder, insbe-
sondere aneh über die Oründe und Ausbreitung der brittisehen Herr«
sdiaft sieh belehren wollen. Der Verf. geht in seinem Werke bis auf
die älteste Zeit snrütek, in der ja auch die ganze heutige Eintheilung
des Volks nach Gasten, der religiöse Glauben desselben, \nd selbst
seine gesellschaftlichen Zustände wurzeln; allein, wie billig, ist die»
sem Theile nur der zum vollen Verständniss des Ganzen nöthige
Umfang gewidmet; die Hauptdarstellung beginnt, nachdem die mu-
selmännischen Eroberungen besprochen worden, mit den Zeiten, in
welchen durch Entdeckung des neuen Seeweges über das Cap der
guten Hoffnung Indiens Länder den europäischen Nationen bekann-
ter zn werden anfingen. Die portugiesischen Niederlassungen, die
holländischen, die englischen, wie sie nun beginnen, werden uns mit
dem Nachweise des Handelsverkehrs, der diese Niederlassungen her-
rorrief, vorgeführt, und der Entwicklung der englischen Gompagnie
(vom 11. Abschnitte des ersten Bandes an) eine besondere Auf-
merksamkeit zugewendet, die auch zugleicher Zeit die verschiedenen
Bewohner Indiens, die Hindus, die Mahratten, die Muselmänner, die
Seiks, nach ihren 'Zuständen und Verhältnissen in wohlskizzirten
Bildern vorführt. Diese Schilderungen werden im zweiten Bande
fortgesetzt, und verbreiten sich über die Birmanen, Malayen u. s. w.
über Hyder Ali und seinen Sohn Typo Saib, über die Kämpfe der
englischen Gompagnie mit diesen wie mit den Mahratten, über My-
sore, Ceylon u. s. w.; den französischen Niederlassungen in Ostin-
dien ist ein eigner Abschnitt (cap. 21) gewidmet Die Beschrei-
bnngen des ostindischen Jagdlebens, so wie die Schilderungen des
Lnxus indischer Fürsten i an dem Beispiel eines Nabob von Oude
01t AndtnMm? lebe ki Africa.
(e«p» 97) genigi, and Aodans der Art, wm wir nUA Ahm übt
anflÜHW ktanao, gawithran eine «ngenaluiie Untoitekimf. So wM
dlMM Werk Allen denen, welehe aber Indien nnd indiedie YerUh-
niiee sich nlher nnterrichton woUen, eu empfehlen sein. Die iai
AoBStettang lit elniiidiy aber reeht befriedigend anegeCden.
Rebe in Südfctd Africa bis sum See N^ami in den Jahren 18SO
bis 1S54 von Charles J, Andersson. Aus dem SdkcMdi-
sehen von Dr. Hermann Lotme. BRt acht SlahlsHdien in
Tondruck von Alexander Alboth und zähirei^en £Mr-
schnitten. Erster Band. Leipsig, Hermann Chslenohle, 165S.
XVI und 988 6. in pr. 8. ZweUer Band mit oM StiMäi^
ehen etc. X und 29S 8, in gr. 8.
Das Werk, daa hier in einer dentachen Bearbeitung g^gnbaa
lit, eriioUen aoeral In engliseher Sprache an Lenden im Jahre 1866;
es fand dort eine aolohe gOnitige Anfnahme, daaa Behen im folgen^
den Jahre ein emeoerter Abdruck nStfaig ward, wihrend ingleleh
eine Auagabe in schwediacher Sprache erschien, in welcher Ton 4eB
Verfaaaer «^ der aelbst ein Schwede iat -^ mandie beriehtigenda
Senerkongen, aach einselne Zusätae u. dgh fainaiigekonunen waran.
Es kann daher auch nnr gebilligt werden, daaa der deutache Be-
arbeiter dieser letatea Auagabe, der schwedischen, nnd nicht der
englischen gefolgt ist; dass aber überhaupt eine deutsche Bearfaai'
tong unternommen ward, mag seine natürliche Bechtfertigsng In
dem Inhalt des Werkea finden, das wahrhaftig auch in deataehaa
Kreisen verbreilet au werden Terdleat, mag man van dem liSheni
wissenacbaftlichen Standpunkt ausgehen oder den einer angenafaman
Belehrung und Unterhaltung im Auge haben. Denn die hier be*
achriebeaen Reisen haben die Erfonchmg eines ganz unbekamiteiif
der europSischen Welt bisher verschlossenen Landstriches aam Ge-
genstände und fOhren damit der Linder- und Völkerkunde
noch so wenig gekannten Erdthelles neue Bereicherungen nnd
sentliche Erweiterungen au. Und dabei waren diese Reisen mit ao
mandien Abentheuern und Schwierigkelten verknüpft, und bieten dea
Interessanten und Ansiehenden in der lebendigen DarsteUung so Vielaa,
dass auch ein grösseres Publikum gebildeter Leser gern dabei var-
wi^en wird, ja unwillkührlich sich davon angesogen finden masa,
Die Ergebnisse von vierjährigen Wanderungen In einem bisher noch
gar nicht erforschten Tbeile Südafrica's, unternomtaamen in den Jah-
ren 1850 — 1864, sind in diesem Werke niedergelegt, dessen erster
Theil den auerst unternommenen Zug au den Ländern der Da-
mara's und dieses Volk selbst schildert, der aweite soll den an-
dern Thell dieser Wanderungen, welche auf einem Insher unmög*
lieh gehaltenen Wege den vor kuraem entdeckten See Ngami er-
reichten, enthalten: und glaubt der Verfasser, dass dieser Weg andi
Amknawi A«Im In AfHet. MI
itfj^Bige jeiB '«erila, avf irclcb«m in der Folge HanM «od C9vlU*
MilloD Id die diesen 13ee umgebenden Landgtriühe im laeera des sti^
lidbeB Airica's gelangen werde. Es wird daher dieser sweite Band
■^ Redit eine besoadere Aofmerlnamkeit ansprecben.
Aber «ach der erste Tbeil Icann darauf Anqnroch nMcheo;
der AnsgangsponicC der hier geschilderten Wa»deraDgen bildet die
an der Weeticfiste Africa's eiebenhnndert (? so «tefat B. 13), geo-
graphische Meilen nördlich to« der Kapstadt, wo sich der Verfasser
Bor Icurs anfbiek, gelegene Wallfisdibai, wo nach der Landung in
der Missionsstation (seit 1846) Scbeppmansdorf die ZnrüstinigeB so
der weiteren Reise in das Innere gemacht wurden, welche den Ver-^
iasser mid seinen Begleiter Oalton zu dem Land nnd Volle der Da*
■wra ftthrten, von welchen eine nlthere Beschreibmig geliefert wird.
Aber die Wanderung selbst — nrit Ochsen , der Landessitte gemSss
unternommen, mitten durch unbeicannte, von wilden Thieren jeder
Aet angefSlke, unwirthbare Gegenden, unter vielfachen Gefsliren,
die Natur nnd Klima dem Willen des Mensehen entgegenstellen, ist
doch auf eine so anziehende und lebendige Weise geschUdert, alle
Abentheuer, an denen es wahrhaftig hier nidit fehlte, sind in einer
so ergreifenden Weise dargestellt, dass der Leser an Allem ein dop-
peltes Interesse gewinnt. Namentlich sind es Jagdscenen jeder Art,
webt selten ohne Gefahr, wie die Jagd aof L^wen, aul Bhino«tro«
luod diBEgleidkeB, anl die wir überall hier «teseen; wie denn die Schil-
derung der Thlerwelt jener Gegenden, im Grossen wie im Kleinen,
den Verf. viel beschäftigt und manche neue und interessante Mit-
theilung veranlasst hat, die der Naturforscher wohl zu beachten hat.
Denn der Verfasser kam auf seinen Wanderungen vielfach mit Lö-
wen, wie mit Hyänen und Leoparden, mit Giraffen und Zebra's, mit
Qazeilen und Antilopen, wie mit Geflügel jeder Art zusammen, und
ednldert nns aus eigener Anschauung Alles: seine eigenen Erieb-
nisse «nf der Jagd, wobei er einigemal nahe daran war sein Le^
ben zu verlieren, bilden einen sehr interessanten Theil der Erzäh-
lung: der Beschreibung der ßtrausse, ihres Fanges u. dgl. ist ein
eigener Abschnitt (cap. XX. S. 372 ff.) gewidmet
Der zweite Theil, der uns zu kam, nadidem wir Vorstehendes
bereits niedergeschrieben hatten, zeigt einen gleichen Charakter: er
erzählt von den weiteren Wanderungen des Verfassers, und verbin-
det eben so damit interessante Beschreibungen aus dem Gebiete der
Völkerkunde, wie der Thlerwelt jener noch so wenig bekannten
Strfdie des südlichen Africa's. Von der Wallfischbai wendet sich
die erste der hier geschUderten Wanderungen erst ostwärts nach
einigen in neuester Zeit gemacLten Ansiedelungen, dann aber in
gerader Richtung nach Süden zu dem Oranjefluss und diesen über-
eehreitend bis zu dem Cap. Eine zweite Wanderung, ebenfalls von
der W»Ilfischbai ausgehend, wendet eich in östlicher Richtung dem
Sdd - Africanischen Binnenlande zu und erreicht den See Ngami:
daran siAiliesst sich eine in nördlicher Riditung, den Fkiss Teoge
M0 Rich^rif H«iMberR«r 8cU«ü.
aafirttrts, antorDommene Rdse nadi LilMibe und dem Laade. te
Bayeye; sorückgekehrt tod da, naeb dem See Ngami, eilt der kfifaoe
Reisende wieder, Qnter Uosend Beschwerden ond Strapaaen, ^rnek
in das Namaqaa-Land , womit dieser Theil schlieast, der an man*
chen ansiehenden Besdireibangen reich ist nnd das Interesse des
Lesers durch das, was über die das Innere Africa's bewcdmendeQ
Völkerschaften, wie über die Thiere (Löwen, Flasspferd, Elqiiiatt*
ten, Oryx n. s. w.) mitgetheilt wird, nicht wenig hi Anspruch nimmt.
Und so empfehlen wir diese ansiehenden Schildeningen ^nem
gebildeten Leserkreise, der sie gewiss mit aller Befriedigun^f ans
der Hand legen wird« Für eine vonügliche äussere Ansstnttnag
hat der Verleger gesorgt: er hat überdem Tiele (40) Holischnitte, die
an den betreffenden Orten eingedruckt sind, nnd bald Penonen, bald
Ger&thschaften oder Wohnstätten, bald Gegenden daistellen, ao wie
sechsehn Stahlstiche in Tondruck beigefügt, welche namentlidi Ji^gd-
scenen und Thierbilder in trefflicher Ausführung enthalten. Eine
grössere Karte, auf welcher die Züge des Verfassers bemerkt sind,
ist ebenfalls beigegeben, so wie am Schluss des sweiten Theilea
ein alphabetisches Register.
Wanderungen durch die Ruinen de$ Heidelberger Sefdosees und
Umgebungen, Herauegegeben von Riehard-Janiilon, Co-
steäan dei Heiddberger Sehleseee. Heidelberg, Im SMdveriag
de$ Herauegebera. 1857. J58 8. in gr. 8.
Die Heidelberger Jahrbücher haben so mancher Taterländiacheai
Erscheinung gedacht: sie werden darum auch wohl einer Ihnen ao
nahe liegenden Schrift su gedenken haben, die, nnserm erlaaditea
Fürstenpaar gewidmet, als die Frucht sorgsamer Forschungen er-
scheint, welche der Verfasser, seit mehreren Jahren mit der Lei-
tung und Beaufsichtigung der Heidelberger Schlossruinen sanunt ihren
Dependenslen betraut, in diesem seinem Berufe ansustellen sidi ver-
anlasst fand. Die historischen Erinnerungen und Beziehungen, die
an das Heidelberger Schloss sich knüpfen, sind wahrhaftig von der
Art, dass nicht blos der Freund der schönen Natur oder der Künat,
sondern eben so sehr auch der Freund der Wissenschaft sieh an*
gezogen fühlt zu einer näheren Kenntniss des Einzelnen, das mit-
ten in der Umgebung einer grossartigen Natur hier dem Besdianer
entgegentritt Eine solche Kenntniss in nicht zu umfangreicher, aber
doch befriedigender nnd gründlicher Weise zu geben, war der Zwedc,
den der Verfasser bei dieser Schrift» in deren Abfassung er nur
eine mit seinem Beruf ihm zu Theil gewordene Aufgabe erkannte,
vor Augen hatte, und er hat diese Absicht aufs bestimmteste in
den Worten ausgesprochen: „so deutlich und einfach als möglich
Alles, was in diesen herrlichen Ruinen durch Kunst und Oeschicbte
merkwürdig ist, zu erklären.^ Der Standpunkt, welcher bei dieser
Riditrd: Il6idelber|fer Sehloft. 041
t
ErklXrong, und überhanpt bei der Bearbeitung dee Oaneen mange-
bend war, ist in Geschichte und Chronologie begründet und darum
wendet licfa die Darstellung nach einer Icurzen, aber zweckmSssigen,
historischen Einleitung, zuvörderst den ältesten und ursprünglichen
TheUen des Baues zu, welche bis in das vierzehnte Jahrhundert
anrttckgehen, dem sogenannten Ruprechtsbau nebst der Ruprechtini-
sehen Kapelle: es knüpft sich daran eine Schilderung der wichtigsten
Momente aus dem Lel>en und Wirken des £rbauer's, des Kurfürsten
und Kaiser's Ruprecht Es folgt dann die Beschreibung des sogenann*
tan gesprengten Thurmes, des dem Ruprechtsbau gegenüber liegenden
Ladwigsbaues aus dem sechzehnten Jahrhundert, so wie der übri-
gen in diese Zeit fallenden Bauten: eine nähere Darstellung ist
dann mit allem Recht dem Otto Heinrichsbau zu Theil geworden
(8. 39 C) aus der nächstfolgenden Periode der zweiten Hälfte des
sechzehnten Jahrhunderts; dass das so berühmte grosse Fass, dessen
erste Anlage noch in dasselbe Jahrhundert fällt, nicht übergangen
wird, bedarf wohl kaum einer besondern Bemerkung; s. S. 45 ff.
Der in den Anfang des siebenzehnten Jahrhunderts fallende Fried-
richsbau und der daran sich schliessendOi unter dem Nachfolger
(Friedrich Y.) erbaute englische oder Eiisabethenbau machen den Schlusa
dieser Darstellung, die zugleich auf alle hier in Betracht kommenden
architektonischen Verhältnisse sorgfältige Rücksicht genommen hat
Zur Veryollständignng dieser Beschreibung dienen dann weiter die
beiden folgenden, eben so sorgfältig bearbeiteten Abschnitte: die
Wanderung durch die Fortificationen der Ruinen des Heidelberger
Schlosses S. 63 ff., ein um so lesenswerther Abschnitt, als eben die
jetzige Verwaltung des Schlosses sich um die Aufräumung und Auf-
klärung dieser merkwürdigen nun zugänglidi gewordenen Räume
ein wesentliches Verdienst erworben hat, und noch fortwährend er-
wirbt, wie die neuesten Aufgrabungen zeigen; und: Wanderung
durch die Oartenanlagen der Heidelberger Schlossruine 8.7 6 ff.; die
sorgsame Pflege dieser Anlagen, ihre Erhaltung und Förderung in
Uebereinsümmung mit dem Charakter der ganzen ehrwürdigen Ruine
]0t ebne der schönen Aufgaben, welche die gegenwärtige Verwal»
tang nach Kräften zu lösen bemüht ist
Die zweite Abtheilnng des Ganzen: „Wanderungen nach den
Umgebungen des Heidelberger Schlosses^ bezeichnet in den zweck-
mässig eingetheilten vier Wanderungen alle die Punkte, welche in
den näheren oder etwas entfernteren Umgebungen des Schlosses, es
sei durch die Natur oder durch die historischen Erinnerungen, die
an Ehizelnes sich knüpfen, unwillkürlich die Aufmerksamkeit an
sich ziehen; an die zweckmässige Anleitung zum Besuch dieser
Punkte knüpft sich noch eine gedrängte Darstellung dessen, was
die am Fusse der Ruine gelegene Musenstadt Merkwürdiges bietet:
so dass die Schrift zugleich als ein Führer durch die Stadt wie
Ihre Umgebungen betrachtet werden kann. Als eine gute Zugabe
zum besseren Verständnis^ Alles Dessen i waa die alte Hanplst^d^
MI Knteftr: ftMiteiMi
dK Pfiüs. mi dos alte» Mn MivtSite «ta ik« FftrüM MorkwMI-
fM «nIbUt, betTAcbten wir das am SehloM« befiodiicbe VeowickaiH
aller r^^arattdeo FOnten übar die Rhelopfab; es ist gcnignel, doi
mit den öflers ▼eiwUkeUeD VeihUlnitaeii der alten Imyflaafawbaa
t>jma$i» nichl Diher bekanaten Leser aa osEeaiireBi; eodUcb U
auch am Sebtoase «oter der Aubokrifi: „die gresse Toar dardi dto
Boiaea des Heidelberger Schloseea^ eine aweckmlarige Ajüetattg
fUMff den Beauch dec einzelnen, oben genau besehriebttBOii Theie
dw ganaen Ruine beigefügt; in einem alphabetlacbaB Vesaeidiiäai
werden dann alle elaaein in der SohriCi bebasdelten Poniite anfge*
fiitact Daan kommt nocb ein wohl ausgearbetteter Klnalioa»*
idan des €bncen| sa wie als Titelblatt die in HobMCbnÜt woU aar
geführte Abbildang der Ruineo; ähidicbe AbbiMangen aiairelsMt
TbeUe (der Slatue Rupre^t's, des gesptengten Tburmes, dea Per-
taL's des Otto Heiarieb's Baaea, des grossen Passes und dea Elisas
betbenpfofte) sind an andern Orten der aaeh im AensBerawoiil aaa-
Bestattetem Schrift beigeHigt.
RömtBehe Antiquitäten von 3r. Leopold ECrahner^ Omh
rseter mm Oymnadum au FriMand. S^te Hüße. ifoffä^
hmy^ BmuiekihafMiehe Suchhandhtng. 1857, XN u. 25J A
in gr, 81, Anefa mit dem besondem Titel:
EneydOffädU der klam$ehen Ali&rthmntkunde^, mm L^rbw^ /^
obm*eMlcmen geiehrter SehtdmfHntLudwitf Sehaaff. F^Snßt
tnngeafi>eiM$ Ausgabe. ZmmUn Theüe» «weiUe AhtAmhmf).
EömiMche AntiqmtäUny neu hearbeUet von L. Kr ahner. JSMk
Hälfte
KMhi der Erklfirnag des Verfassers ist dieses ^Lehtbuak deriG-
mischaa AntfqMitliteEn füt Leraendo geschrieben.,, welebe^ auf dai
Stufen der. geistigisn Entwicklung stehen, auf weldber das BadüabiBB
wlssenachaftlwher Aoffaasung und selbstttftndlger Foraehong* alah dat*
susteUen pflegt^ Der Verfaaaec yemicbert dabei dtan Stand|MinU
eines beOhigten und reichen Prinumar's tob AugeA gekabt an k»-
be»; „dnoh^setates hlnau, dürfte diese annäehst bcnbsidMgto DkMcb-
harkeit des Buches nieht gerad« lievden, wannt ea aoob Itter diaasn
Kreia binaua idoh nd^lch erwiese^ ja. es wflode okm» dies» SlfSir
sebaft ajinU seinaa ersten Zweck nidit n41fil2indig erttllea»'^ Alkp-
dings ist es auoh ansere unmaasgeblicbe, Meinung, dass diasea I»eba»
buch der rßmiscban Antiqnltütaa, wm ee der Venfassec baaaiAnsl
•^ wir winden eS; lieber ein Handbtueh aennen «- nmdt seiass
genaen, Anlage wie naab seiner Ausführung^ kaum, füs die
*) l>ie erfte Abtheilang, welche bereit« 1B54 erBcbieo, ealbSR in einer
uoltolteB BearbeJtoiig die Griechiscben AntiquitÄt^n ▼air E. f.
Sokiwalhfi; «fi kaaaJsvglfiicfMn ahvtchaa emptolQs» wisrdem
OrimM« iffc MittelMShole bir^dbiei seia kiian.» die ohnehi« die sfi?
miachen AntiqpiititteBt gar aicht ab eiaen besondßrn Unterrkhtoger
güiütand «ufnehoMD kaim, ohaa die ihr geetecklen Griuuen sa über-
aebneiiteQ, »ttn«L da te» waa diec Sehüler eines Gymnasioms oder
l^rceamsi «aiaal der oboivleii Classe^ anl diaeeia Gebiete ea wiaiea
npihig hat, tbeils bei der Leetllre de«: Claseiher betreffeDdeo Oitee
T<«gebracht| tbeils aoit dem gescbicfatUcben Untorricbt yerbnadea
werde«, haus: voa eiiMDa tieferen EindsiDgen in den ganaen StaatSh
orgapiemni^ wie iba das Studiiun der AntiquitiUm, wir denkefibier
inebesfiadeile aa dee, waa man jetat die Staatsakettbümer meant, -^
eraielen soll, dmebin abausehen ist, da der Schüler die daau ger
hSrige Beife noeh nicht beeitaen, und darum aach den dasu erfor«
deprlichen Sinn nicht mitbringen kann. Wünscht der eifrige Schüler
elaaelne Gegenstände aus diesem Kreise näher ]&ennen an lemeni will
eff am Zusammenhang, der in den einaehien StaatseinriebtangisQ
bMredM, naber erfassen^ so wird es allerdings gut aein» ihm dafili;i
alao für den Zweck seiner Pri?atbelehrung und seinea FriFatstudiuniai
^ apgemeasenea Hülisbnch in die Hand au geben, w<<n^aA8 er die
gewonsciite Betebrong in der für ihn passenden und. gseigner
tcn Weise gewinnen kann. Es kommt bei einem solchem HttUibncb
iMbesondare. auf die Art und Weise ant in welches dec Gegenstand
behandelt ist», aal die dabei angewendete Methodoi wie seihst auch anf
dem Umfaogi den eini aolchea Buch erhält , imd. den Grad, seiner
AnefübrUebkeit« In dieser Beaiebung aber müchte das vorüegendf
Bneh wohl Etwas über die Gränce eines für die Schüler beatinunr
ten Buches hinausgehen, und weit mehr bieten, als man verlangen
Mnnt aber, auch auf dor andern Seite an den, der das Bnoh ge-
bnaebeA will, ander« Forderaogen stellen. Für aokhe, die weUeir
Iwrtgescbi4tten sind« und in ihnm Studien der Philologie wie der
Jieinspsndeaa £e erforderliche Eenntniss des gaAnen^römiachen Staatflrr
gebftad«» wie dea Staalslebens. selbst gewinnen wAUen« o'ag der
Verfasser ober gesehcieben. haben: sie wercbn diesen AJIwiss out
«Uem ^thig bei ihren Priiratstudien. benntaen und. in ihm auch die
MMtsl ang€«pahen; finden, an einem tieferen Eingeben in im GegOir
siMd, wto an. nmfasaender Behandlung einselner Punkte« Oeibei. ist
es a»niei)bflnnen, daas der VerjEsseei überall bestrebt» daa. was übei
jeden PonkA ein Ergebniss der bisherigen Forscbus« an beirachten
lü^ in gediiKngter und klarer Fassnng mitautlaeilen, ohM. iq eigene
Gombinationen oder E^pothesen sich tinsulawen« die nnr ein sehr
jeeüTea QepHige m sich tragen, und in einen solchen Hsndr oder
Ifdiibnchi übel angebaracht ersebeinen, wftbreod er aitgleieb niigends
▼e«sä^mt^ ebtti so scbr die Bcdiegstellen aoa den. altentA«iltoren« wie
dlei verschiedenen, in neoerer Zeit esscbienenen Schriften aneuCübreni
um so einem Jeden die Mittel an bieten i einerseits der Prüfung»
andererseits der weiteren Verfolgung und Behandlung des Gegen-
standes; darum glauben wir auch, daaa Lehrer, namentlich solche,
denen kebe grosse Biblioihek an Gebote stehti dieses Bnch| in dem
H4 KftfcMTt Etabche AxU^Hmtm.
sie die ErgebnisM der bieberifan FersdiaDg klar and CMriidi Bie-
dergelegt jBnden» mit aUem Vortbeil gebraoeben werden.
Waa nan die Einricbtong des Werkes betriffk, so bat der Ter-
fasaer den Stoff in eloselneD Abscbnitten and Paragraphen bdiaa-
delt| aaf welebe dann in gedrängter Sebrift die Noten mit der An-
gabe der Belegstellen wie der neueren Literatur folgen. In einer
Einleitung verbreitet er sieb sunäcbat über die Oesdiicbte und den
Begriff des Studiums der Antiquitäten, in dem aueb er ebie Dar-
steUung des rdmiseben Lebens, sumal des 9ffentlicben und ataalll-
eben erkennt, und verbindet damit die Angabe der au diesem Sta-
dium vorbandenen Htiifsmittel, d. h. der betreffenden neueren Lite-
ratur. Auf F. A. Wolf und B. O. Niebubr gestütst, betraditet der
Verfasser die rdmiseben Anüquitttten als diejenige Disciplin der pU-
lologiseben Wissenscbaft, welebe bestimmt ist: „eine auf begrfinde-
ten Tbatsacben bombende klare DarsteUung des römiseben Lebens
SU geben, in welcher die eineeinen Lebensäusserungen und Formen
sieb SU einem yollstlndigen Aasdruck des rdmiseben Nationaleha-
rakters ergSnsen und somit als ein geschlossener Verein ron Mittefai
erscheinen, durch welche das römisdie Volk es vermocht bat, auf
den notbwendigen Stnfen seiner nationalen Entwicklung bis tur Lo-
sung dar Aufgabe au gelangen, welche diesem grossen Volke dfo
WeltgeecUchte in der Vereinigang aller Reiche und aller Bikia^g
der a)ten Welt und in der Hinüberleitung der Menschheit aoa dem
Heidenthum in die christliche Welt gestellt hatte'' (S. 7 ; sollte, tnt-
gen wir, eine solche Definition fBr einen Schüler, für ein Scbolbadb
geeignet erscheinen?)
Als nothwendig vorausgehend dieser Darstellung des Lebens
der römischen Welt in ihren Öffentlichen wie hXosllchen Verbftltni»*
sen betrachtet der Verfasser eine genaue Kenntniss des Bodens aelbet,
auf dem dieses Leben sich entwickelte, so wie des Volkes mid
seines Charakters; Land und Volk bilden aleo die ersten, wenn man
will, einleitenden und nothwendig vorausgebenden Abschnitte des
Oanaen. Es wird darum von dem Verfasser eine Topographie des
alten Roms gegeben (S. 12—78), die aber, wenn anders der Zweck
eines Schulbuches oder Handbuches festgehalten werden soUte, kam
In dieser Ausfabrlicbkeit Fiats finden dürfte. Denn nachdem luaat
die nicht unbedeutende Literatur über diesen Oegenstand ver-
aeichnet und dann im Allgemeinen über die Lage des alten Bodh^
über die Bodenverhältnisse, das Klima u. s. w. gehandelt Ist, folgt
eine geschichtUche Uebersicht der Entwickelung der Stadt ven
den SItesten Zeiten an und von ihrer ersten Anlage an bis aaf
die Kaiserselt herab, ja von da an bis auf unsere Zeit, we-
be! Umfang und Bevölkerung der Stadt, Strassen und Brücken aüt
alier Genauigkeit verzeichnet werden.
(8chku$ fdgi.)
Kr. 60: HEIDELBERGER mt
JAHRBOGHER der LITERATUR.
Krahner: Römische Antiquitäten.
(SchloBf.)
Nao geht die DarBtellung zu den einzelnen Hanptstätten des po-
liüschen Lebens (das Fornm, der Campus Martins o. s. w.) wie des
religiösen Lebens über, wobei die Tempel and Kapellen nnd alle
die andern heiligen Stätten so wie die Theater und Amphitheater,
die Cirei u. s. w. beschrieben werden ; daran reihen sich die Stätten
des bürgerlichen Verkehrs, die Märkte und Verkanfeplätze^ die ge-
meinnützigen Anlagen, wie Bäder, Kloaken u. s. w., dann die gross-
artigen Anlagen nnd Bauten der Kaiserzeit zur Verschönerung der
Stadt. Eine Uebersicht der Regionen des Augustos so wie der
nahen Umgebungen der Stadt Rom macht den Beschluss: der bei-
gegebene Plan der Stadt Rom in ziemlicher Ausdehnung nnd Grösse
18t zu diesem Abschnitte des Werkes eine passende Zugabe. Als
zweiter Abschnitt dieses vorbereitenden Theiles folgt eine Uebersicht
der Länder und Provinzen des römischen Reichs (S. 78 — 103), die
natürlich ziemlich allgemein (jedenfalls nicht Im Verhältnlss zu der
Anslührlichkeit des der Topographie von Rom gewidmeten Abschnittes)
gehalten ist, und eben deshalb z. B. bei dem, was über Africa bemerkt
Ist, aus den neueren, dort gemachten Entdeckungen Manches vermissen
ISsst, was eine Anführung verdient hätte, wenn anders eine solche
geographische Uebersicht überhaupt hier am Platze war. Als d r i t"-
ter Abschnitt (S. 104—116) folgt eine ethnographische Uebersicht
der alten italischen Völkerschaften, wie man sie eher vor der To-
pographie von Rom erwartet hätte, wenn anders, wie wir auch hier
wiederholen, eine solche überhaupt hier zu geben war. In diesem
Abschnitt nämlich tbeilt der Verfasser die Ansichten mit, die einige
Gelehrte neuerer Zeit, auf die sprachliche Forschung angeblich
gestützt, über die ursprüngliche Bevölkerung Italiens aufgestellt ha-*
ben, welche hiernach überhaupt In drei Gruppen, die etruskische, die
messapische, die umbrisch-sabellisch- latinische zerfallen soll, wäh-
rend das römische Volk aus einer Mischung der drei Elemente der
letzten Gruppe hervorgegangen sein soll. Der Widerspruch, in wel-
chem dieses angebliche Resultat der sprachlichen (in der Tbat noch
nichts weniger als gesicherten) Forschung mit der historischen Tra-
dition steht, wird freilich dabei ausser Acht gelassen; wie denn über-
haupt die historische Tradition, die doch allein noch einen festen
Boden abgeben kann, in den Augen neuerer Gelehrten jetzt nichts
U Jahr«, 12. HeflU 60
UA Badiiobe ProfrtiMe 6m tthn M7.
mehr gilt, ond man bereit« so weit gelangt iiV dass man die rSmisdie
QeBdUebte ond den rOmiichen Staat beaaer verstebea will ab Cicero und
LMos, md dämm aach ohne diese, ja In Wlderapmcb mit deasd-
ben, die römlacfae Geschichte und den römischen Staat an constmiicn
aneht — Eine Daratelhmg des Oharaktera des römischen Voifci,
wie es in seiner Entwiclieinng liervortritt, bildet den Schlnss diwi
Abschnittes 8. lU ff.
Von dem zweiten Theile, welcher das öffentliche Leben d«
Römer darstellen soll, ist in dem, was uns vorliegt, die erste Ab-
theilung enthalten , die im ersten Kapitel über die Ciaasen der Be^
wohner (Sclaven, Freie, Freigelassene), über Civität, über die
Stünde (PaUieier, Eqniteai Piebeier, NobUltftt n. s. w.) sowie über
Latini undPeregrini sieh verbreitet; im aweiten dann su denStail»-
gewahen und damit aar Darstellung der Verfassung nacli ihrer g^
schlehtlichen £alwiclcelung übergeht. Hier wird also im EiMdsei
▼en den Volksversammlungen, insbesondere den Oenturiatconntitf
und deren Verlauf, dann vom Senat und seinem WirlrangskreiBe,
dann Fon den Magistraten, suerst im Allgemeinen, dann im Bsm»'
ietn von den höheren, ordentlichen wie ausserordentlichen (also tob
Oonsnlat, Präiur, Gensur, Dictatur u. s. w.) und von den nieden
und deren Dienern im Einaeinen gehandelt
Den Sohiusa macht der Abschnitt: ^Princeps. Der Kaiser/
Wir haben uns auf diese Angabe des Inhalts hier bescfarinkl,
ohne weiter in eine Prttiung oder Kritik des Einseinen, wosu sUer-
dinga an Oelegenbeit es nicht fehlt, oder vieimelir bei G^tgsnstii-
atlnden, wie die in dieser Schrift behandelten, nicht Müen kasa
einzugehen ; es liegt diess dem Zwecke dieser Anaelge fem, wekki
durch ein einfaches Reteat über daa verdienatiiche Untemdiowi
demselben die gebührende Beachtung luwenden und damit deeMi
Verbreitung fördern solL
Badieche Programme de« Jahrai 1857.
Indem wir auch in diesen Jalire eine Ziiaanunen#leUnag der wifeeaicW^
liehen Beigaben su den an den verschiedenen Anatalten de» Laadea enckit-
uenen Jahreiprogramnen geben , haben wir nur die Drüber abgegebene Sr
klining au wiederbohlen , daaa wir nna hier auf ein einfaches Referat ikm
Inhalts au beschränken haben.
Dem Programm des Lyoenms in Garlsrnhe ward beigegeben:
Die GpitMrverwandlungen, Eine Frage der komertMchen Theoiogie* ^^
C.F. Flau, Hofraih und Professor. Karlsnihe. Dmch der Q. Brma'u^
Hofbuchdruckerei 1857. 4i S. in gr. 8.
Die hier behandelte Frage ist eine sehr eoatiovefta, k versoftiediMa
Sinne von den verechiedenea Aualegera das loBier, die abeihaapt dwirtif*
Ba4i««ha rrogtaume 4m Jahn 1867. MV
Gagafeftända in Batracbt gmofen haben, beantwoiiela ( dewi aie batrifl nicht
aawoh] die Verwandlanf der Götter und ihr Eradieinen in oMasehlicber 6e«
•talt, ali Ttalaiehr ihre Verwandionir in thieritche Gestalten and aelbst lebleae
Gcfenatinde, wie fie tob einigen Gelehrten angenoaroes, ja aeibst pribctpieU
in begründen Terancht werden ial, von andern in Abrede geateUt wird. Ea
iobnie aieh dalier wohl der Muhe, den Gegenatand von Neoem einer m ge*
nanen nnd aorgftltigen Prüfung an nntenielten, wie aie in anliegender Sobr&ll
■nternomnien worden ist, in einer Weiae, durch welche die gnnie controvetae
Frage an ihrer aicheren Löaong und Entacheidong gebracht iat; ea war dieaa
aber um ao nOIhiger, ala adbat in einer der Frage nach den Venrandlnngen der
GMter hei Homer überhaupt gewidaieten Scbrifi (Conat. Sehimmeiffeagt De
diia in eonapectum hominum venientibna apnd Hoaierum. Marburg. 184& p. 34.
35) dieaer Punkt keineawega die gehörige Loanng und Beleuchtung gefunden
hatte, nnd eine Verwandlung der Gotter in Vogel n. dgl. angenommen war, wie
aie anch in denjenigen grOaaeren Werke angenommen wird, daa Ober aolche
Gegenatftnde aunichat einen aicheren Anfachtnaa geben aoUte (die honerifohe
Theologie von Ntfgelabach), in welchem bei der Yorliegenden Frage wie in
■anflw^ Ähnlichen FttUen, dem allein sichern Ergebniaa einer streng philole-
giachen' Exegeae eine dogmatiache Theaia aubatituirt'iat, die afther betrachtet,
aWea Grundes entbehrt Der Verfaaaer, indem er dieae Theaia beleochtel und
ihre völlige Grundlosigkeit nachweist, schlagt dann denjenigen Weg ein> der
alJeiB hier sum Ziele fuhren kann: er unterwirft alle die einaelnAli Stellen,
auf welche man die Annahme von Gottenrerwandlongei in Tbiergeatalleil
au aMtaen geaucht hat, einer genauen Prttfung, die au dem ReaultaSe
fikhrt, daaa anch nicht in einer einsigen hoaMriaehen Stelle von einer Ver-
wandlung die Rede ist, oder vielmehr überhaupt sein kann, aondem dass in
allen hierher gehörigen Stellen ea nur um eine Vergleichung sieh handelt»
welche ttberdem stets dnrch bestimmte Wörter ausgedrückt iat, in deren Sinn
nnd Bedeutung gar kein Zweifel gesetst werden kann, ao daaa nur ein völli-
ges Verkennen dieser Worter und ihres allein möglichen Sinnes an der en*-
gegCDgesetaten Annahme führen konnte. Und dieses nnaweifelhafte Ergebniaa
wird selbst bestätigt durch daa, was bei awei der entschiedensten Nachahmer
homerischer Poesie wahrgenommen wird, bei Qointus Smyrnäus und Apollo-
nina von Rbodus, welche beide eben so wenig, wie Homer, soldie Verwand«
lungen der Gotter gekannt haben (s. die beiden AahOnge S. 33 ff. 37 ff.).
Die homerischen Stellea, aus welchen diess nach der vom Verfasser gegebeneu
Exegese mit anzweifelhafter Sicherheit hervorgeht, sind Odyss. I, 320. III, 371.
V, 119. 352. XXII, 239. Ilias IV, 75. VH, 59, XIII, 65. XIV, 289. Unter diesen
einaelnen Stellen gehört diejenige, mit welcher der Verfasser seine Darstel-
lung im Einaelnen beginnt, Odyss. I, 320 (wo es von der Athene heiaat:
1} ph^ S^' mg ünovc dnißrj ylavurnrng 'Afhqpri^ op^K ^ &g avamma [«yo-
mti€c] Siinraro), allerdings zu denjenigen, welche in Beaog auf den hier
vorkommenden Ausdruck tcvonaCa, schon im Altertbum einer veraehiedeoc«
Deutung unterlegen sind, wahrend, um sogleich unaere Anaicht unumwunden
anasnaprechen , Aristarchns auch hier daa allein richtige erkannt an faahoii
aelieint; wie die von nnserm Verfasser gegebene ErOrtenmg ia ttbereengeiider
Weiae darthnt^ In dieser Stelle nllmlich haben neue Analeger eine Verwand-*
948 Btdifdie f rogramM it$ Jahn 1857.
hmf der Athene in einen Vofel finden wollen, welcher dnreh den Raachhiff
(die in der Decke de« Saales angebrachte Oeffnnng ) oder durch die Thtn,
oder gar durch die Fenster davon geflogen, weaihalh sie denn auch das Wart
tn^ontiia trennen in dv onaia^ und aelbat alte Gloaaen byaanliniseher Sekrei-
her SU Hülfe nehmen , welche hier die Erklirung beigefttgt haben ova fi^
^VifiStt, ara tag ^v^^<9a$, 6ui xmv ^v^£dmv\\ die Partikel «d^, die dooh in
dieser Verbindung nichts anderes als eine Partikel der Vergleiehnng sein kau,
wird dann au 0^19 genommen, in dem Sinne von: „als ein Vogel*: aiekt
minder arg ist aber der sweite Verstoss gegen Grammatik und Sprachgebnock,
«9« (in dv oiraue) für di« so nebmen, als ob dwa je in der Verbindung ut
einem Aecusativ ein solches durch aussudrQcken vermöge! und d<»ch hat eis
neuer Gelehrter (s. S. 39 ff.), welcber wohl einsah, das« von einer Verwaad-
lung der Athene nicht die Rede sein könne, wieder diese Deutung aofgeaan-
men, indem er die Athene wie einen Vogel „durch das Fenster'* himai-
fliegen lisst, als ob dvd so viel wilre wie dut und onaia die Fenster be-
neiebnen konnte! Am Ende freilich kommt es auf eins hinaua, ob mao £«
Athene durch den Rauchfang oder Schornstein wie eine Fledermaus (eia frei-
lich seltsames Bild !) oder durch ein Fenster davon fliegen lässt Man Mcb
aus diesem Beispiel, dass unsere neueren Ausleger auch bei Homer in Maaebei
mit den Coryphtten einer geistlosen Bysantinischen Hermeneutik wahrhaft n
wetteifern scheinen, und selbst die einfachsten und natürlichsten Erkliruagei
von der Hand weisen j wir kehren darum mit nnserm Verfasser, dessen klare
Darstellung das Verkehrte dieser Deutungen nachweist, zu Aristarch*s Erklinag
lurOck, der in dvonaia^ das er darum auch richtiger dvoneuu sekreiH
ein lu o^iq gehöriges, die Gattung und die Art des Vogels bezeicknento
Beiwort erkennt, welche Erklärung jedenfalls der des Herodianus vorzasiehBi
sein wird, welche dvonaia als ein adverbiKliaeh in dem Sinne von ao^atns
gebrauchtes Neutrum Plurale annimmt, an eine Verwandlung der Athene ia
einen Vogel darum schon nicht denken konnte. Die Erklärung des Ariatar-
chus wird aber durch die vom Verfasser angeführten Stellen, in welchen iha-
Hche Beiwörter mit oqvi^ bei Homer verbunden vorkommen (Odyss. V, 5L
XIX, 548. II. VII, 59 j, bestätigt, und wird eben so weiter geaeigt, dass in rftf
ganzen Stelle nur von einer Vergleichung der Athene mit einem Vegd
die Rede sein kann , und dass es bei dieser Vergleichung aunichat um des
Begriff der Schnelligkeit sich handelt, den der Dichter hier in auadrocksvolkr
V^eise andeuten wollte. Wir glauben daher auch nicht, dass die Deutung d«
Wortes avonata durch aufwärts, wie sie noch unifingst Seiler in der neaea
Ausgabe von Crusius Homerischem Wörterbuch S. 56 angenommen, und wit
sie auch Karsten in der von Eustathius angeführten Stelle des Eropedoolea
(wo nvQ — > dvonaiov vorkommt) angenommen hat (s. Comment in Empedod.
p. 233), sich rechtfertigen Iflsst; seibat Ameis, der die Stelle aonat gana ricblif
anfgefasst hat, scheint durch seine Uebersetxung: Blick auf, dieaer Anaiehl
noch SU huldigen. Um so mehr mag es auffallen , wenn derselbe Gelehrte ia
der andern Stelle des Odyssee III, 371, wo doch, wie der Verfasser klar nach-
gewiesen, nur von einer Vergleichung die Rede sein kann, eine wirkücke
Verwandlung annehmen kann. Dasselbe ist der Fall Odyss. XXII, 239, wo
es von der Athene heias^: iiez dvcct^aca x^^^ovi, Bl^iXfi ämpf: da hi«r
Btdiscbe Proi^mme dei Jahn 1857. t4§
durch tl%ilfj die V er gleich üb ff za devtlieh amiredrttckt wer, um yerkennf
■a werden, haben neuere Aualeger in einer wahrhaft!)^ der Verkehrtheit byian-
tiniecher Aualefrunfraknnat entsprechenden Weise in apvrjv die Nothwen-
difkeit erkennen wollen, an eine Verwandlung zu denken; auch hier hat
der Verfasser das Richtige ehen so klar nachgewiesen, wie denn auch schon
fiastatbius jene Ausleger anf das Richtige hStte leiten können, durch die sn
II. I, 187 aber Svxtjp geroachte und weiter ausgeführte Bemerkung: ngog
mt^ißgiav nsttat. Wenn aber in II. IV, 25 der Verfasser der homerischen
Theologie die Athene gar als Sternschnappe (?) erscheinen Ifisst, da wo doch
so klar und bestimmt nnr von einer Vergleichnng die Rede ist (s. S. ti ff.);
so hat anch hier wieder das, was die grammatisch philologische Auslegung
als allein richtig nachweist, einer ausgesponnenen, anf die Begriff- und An-
schauungsweise des alten Dichters gar nicht anwendbaren Theorie weichen
rnttsscD. Hoffen wir, dass die vom Verfasser gegebene Darstellung alle diese
Theorien als beseitigt fttr immer ansehen tisst.
In Consta nz erschien:
Bericht über eine AnuüU im Jahr 1849 aufgefundener römitcher Mümen in Grost-
Mittel- und Klein-En von Prof. Dr. Wörl. Constam 1857. Druck von
Jacob Stadler. 90 S. in gr. 8.
Bei den wenigen schriftlichen Zeugnissen, die von dem Aufenthalt der
ROmer in unsern vaterlllndischen Gegenden Kunde geben, bei der geringen
Anzahl von Inschriften, die sich aus jenen Zeiten erhalten haben, werden die
ift diesen Qegenden aufgefundenen römischen Münzen, auch abgesehen von
ihr«iin sonstigen Werth und ihrer sonstigen Bedeutung, als eine Quelle gelten
mttsM^n, auf welche die Kenntniss der römischen Urzeit unseres Vaterlandes
sich ^Q stutzen hat: daher werden wir die Vermehrung dieses Quellenmate-
riab ilurch neue Funde als eine Bereicherung freudig zu begrüssen haben.
In det bewegten Zeit des Jahrs 1849 wurde durch den Verfasser ein
in den ^Umgebungen von Constanz, in dem alten Hegau, gemachter Fond von
rOmischvn Mnnzen dem Untergang oder der Verschleuderung entzogen : es ge-
lang ihnjy aus einer gröüsern Zahl von etwa zweitausend solcher HUnzen fünf-
hundert in seinen Besitz zu bringen, welche, mit aller Sorgfalt von ihm
ausgewtthl\ einer kaum nnterhrochenen Reihe von romischen Imperatoren
fost vier Jah\iionderte hindurch, von Aagnstns bis gegen die Zeiten des Theo-
dosius den Grössen, angehören ; denn von dem letztgenannten Kaiser fand sich
keine Münze mVhr vor, wohl aber von Gratianus (f 383), zn dessen Zeiten
daher wohl die vranze Summe vergraben worden ist, die jetzt erst in unsern
Tagen ein glücklicher Fund ans Licht gebracht bat. Der Verfasser giebt eine
genaue Beschreiliung dieser einzelnen Münzen, die er nach der Reihenfolge
der Kaiser geordnet hat, aus deren Leben zugleich die bauptsScblicheren Data
angeführt werdio; es reiben sich daran schfitzbare Erörterungen geschichtli-
cher wie numr^atischer Art; auch ist für solche Leser, die mit dem römi-
schen Mttnzw/sen nicht nüher bekannt sind, eine daraof bezügliche Einleitung
vorausgeschi^;kt, wfihrend am Schlüsse des Ganzen der Verfasser in eine nXhere
Bctrachtui^ der historischen Punkte, die aus diesem Funde sich ergeben, ein-
geht. Er glaubt nämlich (S. 80 ff.)« dtss diese Münzen nicht sowohl das Eigen-
^
•M BMiMiM rr«frtMia 4^ Jahn 18S7.
Ihui «iiMi R<MMra ftU eiiiM titrouiMB ««wmmi sind, dar Mue Scfcit— M
4«M Aniraag» der Rdner verborfe«, da ar «ia aban niala aul eich acMappw
koaala, ond danw i$i dar Varfasier wailar f^amaiat, dia VarfralmBf da« lfh$
■H daa Nttaaaa ia dia Zail la Tarkfan , io walahar Graliaa mit dao liai-
faaarn (377—378) ia aiaaa Kriag varwickaU, diaia, aacbdam ar das RMa
abarachriltaB, ia ibraa Gabinraa bawiitlfl uad, sawaii aia sich niebl enraiMB
iMilaB, aar FlaabI gaaölhiipt balla* Da malt Tamuthal ar, mmf dar F1«ekt var
Graliaa'a andring aadan , Allaa varfaeareDdaa Scbaaraa, konola aia feckügar
Liasgaaar die«a Noaian, dia ibn — deaa sie aind alla vaa Bn — lum Hl»-
fcUe|ipaB ta icbwar waraa, vergrabaB babaB, wtthraBd ar dia «ilberaan Mab*
aaa aber milgaaaaMiaa babaa naohta. Wir babaa nur die HaopipBokta der
BflifaataBdaB Fortcbang, dia aiaaa sabr daBkeafwartbeB Beitrag aa der aaek
§0 daBkela Gaacbieblo BBaarar rOaiiscbaa Voraail bildet, uad auf dieee mi-
ffiab ein aeuea Licht wirft, aagegebea and verweiaaa Alle, weicke aa aal-
eben Foracbungen Antbeil nebmen, aof dia Sckrifk aelbal; mOcbte aia die Vo^
anlaaanng geben la weiteren Farachungen, aber auch in aargikitiger Bewak-
rung und Beachtong deaaen, waa dorch neue derartige Funde aua dem Scbooae
der Erde noch ana Tagealicht gezogen werden kann.
In Frei bürg erschien:
Annckim d&ar den Ünienicki in dar /ranwtucken Spracke von LyetaOtknr
Ern$t Zipp. Fraburg i857. Bei Fron* Xaver Wangler. 2t S. m gr, S.
In Heidelberg eraehien:
Urkundliche GeMckichte der Stipendien und Stiftungen an dem groidier%ogUche»
Lyceum und der Universität su Heiddberg mit den LtbensheMchreibungen
der Stifter, Ndtst den Ehm* sehen und den Bemhard^tchen Pfälier-Siipendiea
an der Universität Basel und Utrecht, dem Neuspiiter sehen FamUien-Sii'
pendium und einem Anhange über den Geldverth in früherer und jetaiga
Zeit, Von Johann Friedrich Häutig Grossh, Bad, Hofrath^ Profes-
sor und attemirenden Director des Lyceums. Zweites Heft. Hesdelberf-l
Gedruchi bei Julius Groos 1857. 128 S. in gr, 8.
Dieaea i weile Heft bring! die Fortaetzung und den Scbluaa der in des
eralen, dem yarjibrigen Programme beigegebenen Hefte begonnenen aracka-
pfenden DaralelKung dea geaammten Stipendien weaena dea Lyceama wie dcf
llaiverailfll Heidelberg; ea iat damit ein Unternehmen vollendet, welebea der
Analalt wie dem Yeriaaaer aur Ekre gereicht, ond für die Kunde der Ver»
gangenbeil wie der Gegenwart nicht miader Btttelicb uad wichtig iai. Wir
haben nnn in einem mil gleicher Sorgfall und Genauigkeil wie VolUtiadig-
keil dnrehgeftthrlen Ganzen eine wohlgeordnete, Oberaichtliche DarateUnnff
aller der milden Stiftungen, womit die Vergangenheit wie die Gegenwart Hei-
delberg in aeinen gelehrten Anatalten bedacht hat, zur Forderung der Wiaaen-
achaft, wie aur UnteratUtzung tüchtiger and hoflfnungavoller , aber nnbenit-
lelter junger Leute, die aich dem Dienala der Wiaaenaehaft , in Kirche aad
Staat zu wMmen gedenken. Und hoffen wir, daaa der verdienstlichen na^
preiswürdigen Arbeit des Verfasaera nicbt blas dia wohl verdiente Anerkeo-
nang zu Theil werde, sondern daa« aie aacbVeranlaainng ond Anregung geh«
Btdisch« Pro^rnme ^m Jahn 1 SSt* Ml
SU Denen Stiftungen, die licii den hier ureicbilderten enreHieii. Die lettten, •o-''
weit sie in dem ersten Hefte enthalten sind, wurden in der Teijlhriifen An*
seige (S. 958) bereits berührt: in diesem iweiten Hefte feiftt der Schluss der
Privetstipendien mit Erwtthnuni^ der Fe uih* sehen Stipendien, die noeb in die
jfloirste Zeit feilen und ein schönes Denkmal der Pietät bilden, das ein frü-
herer ZAfcling der Anstalt — der Oberamtmann Frans Burkhart Fauth —
TO» dessen und seiner Vorfahren Leben hier die tfenauesten Naehriefaten mit-
getheih werden, sieh gesetst hat. In der tweiten Abtheiinng ersehefnen meh-
rere, inr Aufmunterung hoffnungsvoller Lyceisten, ebenfalls in neuerer Zeil
gealiflele Preise, darunter ebenfalls einer ron dem eben erwähnten Herrn
Oberamtmann Fauth. In der dritten Abtheilnng erseheint eine zuniehst fUr
die Wittwen und Waisen evangelischer Pfarrer su Heidelberg gemachte Stif-
tung, an der aber in Folge der eingetretenen bedeutenden Vermehrung des
Sliflungskapitals bis sn 16^49411. 14 kr. (von ursprünglich 1500 fl. im Jahre
1760) nach dem Willen des Stifters nun auch die evangelisehen geistlichen
Lehrer des Lyceams Antheil nehmen. Die vierte Abtheilnng befssst die
Universitfitsstipendien. Der Verfasser hat es nicht rersflnmt, zuerst Kenntniss
zu geben von den vormals an der UniversitSt bestandenen Stipendien, den
öffentlichen, wie den Privatstipendien! die grosse Zahl und der bedeutende
Umfang dieser in den Stürmen der Zeit, welche die alte Rheinpfalz betroffen
haben, fast gUnztich — nur ein kleiner Rest hat sich in dem heutigen Sapienc*
fond erhatten — zu Grunde gegangenen milden Stiftungen kann nur betrübende
Erinnerungen erwecken, aber auch zeigen, wie der Umfang dieser milden
Stiftungen mit der grossen Bedeutung, die Heidelberg als Universität schon
frühe einnahm, in Einklang stand ,' uro so mehr aber richtet sieh der Blick auf
die neueste Zeit, die in erfreulicher Weise das Verlorene jetzt wieder zu ersetzen
bedacht ist; hat doch das Jahr 1856 nicht weniger als drei solcher Stiftungen
gebracht! Von allen diesen einzelnen Stiftungen, soweit sie noch an der Uni-
▼ersitit bestehen, eben so von den anderweitigen (zu Basel, zu Utrecht) be-
findlichen Universititsstipendien, werden genaue, und in Bezug auf Verleihung
a. a. w. offieielle Nachrichten milgetheilt, so dass Jeder, der um ein solches
Stipendium sich zu bewerben gedenkt, ebenso Wie die Behörden, von welchen
die Verleihung abhfingt, hier Alles das zusammengestellt finden, was sie lu
diesem Zweck zu wissen nothig haben. Eine sehr sch&tzbare Zugabe bildet
der Anhang S. 114 ff.: „Ueber den Geldwerth in früherer Zeit im Vergleiche
zu der jetzigen.*' Die Frage nach dem , was der Unterhalt eines Sfudfrenden
auf der Universität erheischte, in natürlicher Beziehung zu den dargereichten
Stipendien, femer die BesoldungsverhflUnisse der Professoren werden hier ifi
einer auch für unsere Zeit, in der die Besoldungsfrage, besiehungsweite die
Bes«ldungserhOhung überall besprochen wird, interessanten Weise dargelegt
durch detaillirte Angabe der Besoldungen der einzelnen Professoren im seeh«
lehnten, siebenzehoten und in den verschiedenen Stadien des achtzehnten Jahr-
hunderts unter vergleichender Berechnung des Werthes des Geldes wie der
Naturalien jener Zeit zu dem gegenwartigen Werthe derselben. As bedarf da-
her wohl kaum einer besondem Bemerkung, um auch diesem Ahschnitte die
allgemeine Aufmerksamkeit zuzuwenden.
Wk Badtoche ProgranuBe des Jubri 1857.
In Ilalink ein enohien:
Gnchichte und SkUiiHk des Lycemns tu Mannheim von der Gründung deudhen
im Jahr i807 Us Herhtt 1857. Von J. P. Behaghel, Mannkeim, Bveh-
drueker» von J. Schneider. 83 S. in gr. 8*
Et wird hier tuertl eioe Geschichte der im Jabre 1807 ans der Vereiai-
fOBg dreier confessionellen Kclehrten Schulen, die in FoI|^ der Kriefsaliirnie
herabirekonimen waren, hervorffei^aof enen Anstalt bis au dem jetoii^en Zeltpnakt
fegeben, dann ttber Disciplin, Ferien n. a. w. in einem zweiten Abscbnit
(S. 22) das Notbige bemerkt, wahrend im dritten (S. 24 ff.) von den mit dem
Lyceum in Verbindung stehenden Anstalten (unter denen insbesondere die
Deabülons|scbe Bibliothek au nennen ist), im vierten (S. 28 ff.) von den Sti-
pendien und Untersttttsungen unbemittelter Schuler gehandelt wird. Der fünfte
Abschnitt (S. 32 ff.) giebt die genauesten Nachrichten von dem Leben nnd
Wirken aller der Lehrer, welche in dem abgelaufenen halben Jahrhundert der
Anstalt an derselben thfltig gewesen sind, woran sich im sechsten Abechnitt
(S. 71 IL) eine Ueberiicht der Lehrgegenstande und der Lehrer, die «laria
Unterricht ertheilt haben, anreiht, im achten (S. 79) aber eine statistische Ueber-
sieht der Schttleraahl wahrend dieser Periode, welche %u der Gesammtiahl
3150 sich erhebt, unter welchen, wie das weiter beigefügte Verseichniss nach-
weist, sich eine Reihe der namhaftesten und bedeutendsten Männer in allen
Gebieten der Wissenschaft wie des praktischen Lebens befiadet. So bildet das
Ganae eine würdige Festgabe su der Feier des halbhnndertjahrigen Bealandes
der Anstalt.
In Rastatt erschien:
Veber die Bedeutung der Partikel ydg in den tcheinbar vorgeschobenen Sätzen.
Von Lyceumsdirector J. Sehr au t. 1857. Buch" und Steindruckerei von
W. Mayer in Rastatt. 57 S. in gr, 8
Diese Abhandlung schliesst sich eigentHch an drei früher in den Jahren
1847—1849 zu Neuss erschienene Programme des Verfassers an, welche unter
der Aufschrift : „die griechischen Partikeln im Zusammenhange mit den illestea
Stimmen der Sprache** zum Zwecke hatten „die Gestaltung und den Gebrauch
einer Anzahl von griechischen Satsndverbien auf eioe wissenschaftliche Grund-
lage zurückzuführen'*, und diess zunächst mit den Partikeln (liv und Si^ £p
nnd %svy yi und a^a versuchten. Passend schliesst sich an die zuletzt gege-
bene Darstellung die hier über das ans yi und Sga gleichsam zusammeafc-
wachsene ydg an, und wird desshalb auch aus jener Darstellung das Nöthige
hier aufgenommen, als Grundlage der weitern Erörterung, welche zunickst
die**— namentlich bei Homer und Herodot oftmals vorkommenden Fiile in
Betracht nimmt, wo eine Rede mit yocQ eingeleitet den Causalsatz gewisser-
messen voranstellt, statt dem, was durch sie begründet oder erwiesen werden
sollte, nachgestellt zu werden, was man gewöhnlich und in Uebcreinstimmoog
mit dem, was schon die Alexandrinischen Gelehrten darüber bemerkt haben,
als Folge einer grosseren Lebhaftigkeit der Rede und einer gewissen Eraphss«
erklärt, wodurch eine solche Umstellung der Satze hervorgerufen worden. Der
Verfasser hält diese Erklärung für ungenügend und bat daher den Yersuib
BtdJfcbe Profrtnme des Jahn 1857. C59
l^emadilf darttber hiii»iuiiiirel>ai , indem er in einer sorgfftUigen Bebandlnnf
•Her der einielnen Stellen, in welchen bei Homer and Herodot yuQ in einer
' aolehen Sielinnf Torkommt, za leif^en bemfiht itt, wie in diesen allen vielmehr
die in i^ and yi liegende Grandbedeulnng wiederkehre, welche die faktische,
erfnhrongamttsaife Gewtsabeit in dem «^a erkennen, and mit dem yi ge-
wiMermnaaen erkliren liast, wie man an diesem answeifelhaflen Paktom eben
deasbalb festhalten wolle. So felangt der Verfasser in dem S. 57 bestimmt
formulirten Erirebniss, 1) daas die Partikel yuQ arsprQnglich nnd ihrem Wesen
nach dorchans nicht fleichbedentend sei mit dem deatscben denn, vielmehr
f«nt andere Besiehuniren ethischer Art aasdrOcke, wie sie in yi and a^a ge-
sondert enthalten sind , von denen die verstandesrolssige Begründung nur in*
direct die Folge ist; 2) dass ya^ nor da durch denn wiedergegeben werden
könne, wo eratens die nrsprüngliche Geltang von yi und iqa sich abgeschlif-
fen nnd blos der verstand esmissige Anschloss Qbrig geblieben , sweitens das
Glied mit ya^ nachstehe; so dnss also in allen andern Fällen, wo die ethisehe
Bedentung irgend wie gefühlt werden kann, im Deutschen auch eine andere
entsprechende Uebersetcung gewählt werden milsse.
In Wertheim erschien und zwar als Festgabe für die Jubelfeier der
Universitüt Frei bürg*):
lÜustritsimae üniverataU Litierantm Friburgemi Saecularia quarta die IV. M,
Augusti anni MDCCCLVIl cdebranda ea quae decel obtervantia cangratU"
lanlur praeceptores Lycei Werihemiensis. Ineit Sptcimen tunae JuUam
Caesarwn edUionU, Beidelberqae 1857. Ex officina G. Mohrü. 20 S.
in gr. 8.
Nachdem bereits in frtthem Programmen der Verfasser (Herr Hofratb
Hertlein) dankenswertbe Beiträge cur Verbesserung des noch vielfach entstell-
*) Sämmtliche gelehrte Anstatten des Landes haben sich bei dieser Feier
es sei durch eigens zu diesem Zwecke abgefasste Denkschriften gelehrten In-
balts oder Denktafeln, oder abgesendete Deputationen in erfreulicher Weise
betheiligt. Ausser der hier erwähnten Festgabe von Werthheira liegt eine
Ahnliche Festgabe gelehrten Inhalts, ebenfalls in lateinischer Sprache abgefasst,
von Heidelberg vor uns: Academiae Friburgensi Saecularia quarta die IV M.
Augosti A. MDCCCVU riie eeUbranda ea qua par est observaniia voluntate pte*
tote grahäanhir Lycei Heidelbergenns collegae. Inest disserlatio de anno, quo mor»
fem obierii Jacobua f rater Domini, avctore Fr. Koesting th. d. Heiddbergae,
Ex o/ßcina J. Grott, 1857. 2i 8, in gr. 8. — Ebenso liegt von Rastatt ein
in lateinischeir Sprache als Denktafel abgefasstes Gratulationsschreiben der
Lehrer der dortigen Anstalt vor uns. Wir machen darauf aufmerksam, indem
wir zugleich die in Freiburg selbst an der dortigen Universität zu dieser
Feier ausgegebenen Festprogramme hier beifügen: 1. Festrede, den 4. August
i857 gesprochen von K. H. Baumgärtner. Freiburg 1857. 4. 2. Aliog (Jo,)
Commenlaiiö de litterarum Graecanim aique Rnmanarum studiis cum theologia Ckri"
Mtiana conjungetidis. ib. 1857. 4. (•• oben S. 384 ff.) 3. Woringen (Fr' A. e.) f/efrer
den Begriff des fortgesettten Verbrechens, ib. 1857. 4. 4. Schmidt (Adolph.) Dt
originibus legis actionum. ib. 1857. 4. 5. Schvörer (Ign.") Statistische Uebersicht
der venchiedenen Geburtsarten, ihres Verlaufes und der angefcandten Hülfen in
der Gesammtiahl von 40,000. ib. 1857. 4. 6. Bergh (Theod.) Commentatio de
Sophoclis po&ae tragici art€, ib, 1857. 4.
9M IMiidia Procvtnm 4m Jalu* iWf.
|0D Texlei der SebriAen Juliaiif imrel»«» balto, UmI er bier eli Probe eiMf
aeoen Texietbearbeiluaf die ifebea enlen AbsehDiMe der Gteearet folffw
(p. 306 — 311 ed. Spenh.)» und iwar in einen beriehtiften Texte, eetcr dm
die Varietät leelionit mit eioiehien karten , «nf die Herttellenir dei Texte«
bexOfUcbea Angaben sieb bemerkt findet; anf den Text aelbat felfen 8.12 ff.
die Annotationea , theila kritiacber, tbeila apraehlieber Art, und inaefen lar
BegrOndonff des berfeatellten Texte« und in deaaen beaaeren Verattadnimdiaa-
lieb: aie können allerdinfra den Wanacb vem»1aaaen , bald ancb ein grOmwM
Ganae dieaer Art van dem Verfaaaer bearbeitet an aeben , dem ea bei aeSaer
Yertrautbelt mit Spracbe «nd Deakweiae dea Sebriftatellera bereite «ehiBfei
iat, ao mancbe verdorbene Stelle wieder f^hlcklicb berxuatcllen , weron aack
dieae Probe neue Beleire brini^i wibrend auf der andern Seite diejenifoTor-
aiobt eingehalten iat , welche von Aufnahme sweifelhefler VerbeaaernngeB n-
rtkckbttlt* So finden wir ea a. B. völlif ir«reebtfertigt, wen« $.111 in den Wai^
tea: S^a — f^if ee o «vi^f ovvog vno ^iXaQ%(ag aipeXiti^t «od t^ ftitf
UC9(,v diavoti^siri der Sylbnrfriachen Verbeaserunr iuttfmfi'i die Anf nahae,
unter Being auf eine Ähnliche SteUe bei Qarodot VIK 103 nnd andere anderer
Autoren veraast wird. Wir verweisen auf G. Herauinn (a. uiiaere Aoigibe
T. III p, 588), der diesen Optativ hinreichend erklärt hat, auf BAiibMb,
Griechische Modi S. 270, und fUi^en eine Ähnliche Stelle aus der nnlänf^st von
Frotacher herauagef ebenen Oratio fuuebris (Freiberg 1855), cp. L bei:
94doi%tic fkri ovTB loyog t trj p^oi ttß ndd'si xutdXXrjXog %. t. X. Ein Shnlieher
Fall ist $.V: inHgddQtcfiev avtoCg Ttßi^fiog asfivog td nqoeana %al ßXoovgog,
öatpQOv te apkCL xal nol^pkiinhv ßXhtayv, wo Hemsterhuis cmtpqov t( for to '
allein richtige ansieht, während der Verfasser an der Lesart aller Handscfarif-
ton feathttU, die er gans richtig aua der Verbindung dea ßlhcsiv mit solcbn ;
Adjectiven im Neutrum, welche die Art und Weise dea Biickes dartbaai er- 1
ktiirt. In der schwerlich richtigen Stelle §. VII: rot^rcoy xäv fjkovdgxav tor
irjfirov no&ev i^evQars, die in dieser Fassung keinen rechten Sinn giebt,
achlttgt der Verfaaser vor, statt i^evfftiits au schreiben i^'ggTJnaTi ood statt j
S^(U>v mochte er lesen: Sö(lov, Dieaer Verbessernsgavorscblaf bat viel Aa- |
aprechendea, wenn man an die Anwendnng dieses iopiog in bildlichem Siaad |
denkt, welche bei spttteren Schriftstellern ao bfiufig ist; s. Albert Jahn Aii-
madverss. in S. Basilii Magni Opera (Bern 1842) pag. 25. Dann köDOte
vielleicht auch an i^eysCgEts (wie bei Sophodea Oed. R. 65) gedacht wer-
den, atatt i|avpavf.
Von dem Gymnasium zu Bruchaal erschien:
Senalus Romani sub primis quinque Caesaribus quae fuerii forhina ac «fi^ar ^
ipsis vetentm kitloriit colligareac prohareinsiUuitFranciac. Xav. Bitt'
mann, i857. Buchdnickerei von Maisch und Vogel in KarltnAt, Bi S.
in gr. 8.
Man kann sich nur freuen , hier einer wissenschaftlichen ErOrteruaf »
begegnen, die in lateiniaeher Spracbe abgefaast ist, da mit einaiger Am-
nahme des .ebenerwfthnten Wertbelmer Programmea, alle andern Anslalleo Je« j
Landes nur deutsch geschriebene Programme geliefert haben, so dsss, wu
wir nicht hoffen wollen, ea den Ansdielo nimmt» «Is welHe da#, wai^«
BcdiMhe Froipnmmt de« J»lin 1857« 459
leirel an einer ffelekrtes Aastalt bilden sollte, jetei la einer Antnahme
nmi^ekehrt werden. Der Verfasser hat darob ein näheres, der Refiemngsge-
schichte der fttnf ersten Kaiser i^ewidmetes Studium die Ueberzenfrunf ge-
wonnen, dass in dieser ersten Periode des römischen Eaiserthums die Lage
des Senats keineswe((s eine so armselige und traurige war, wie sie es unter
den spatem Kaisern und unter den Prätorianern geworden ist ; er glaubt viel-
mehr zeigen zu können, wie in dieser ersten Periode die Kaiser, zum Theil
durch ihr eigenes Interesse geleitet, das Ansehen des Senates bewahrt und
aelbst erweitert haben, wahrend dieser schon von Galba an in eine ganz andere
Stellung gebracht erseheint; in der vOransgehenden Zeit stellt er sieh noch
immer als die höchste Behörde des Staates dar, durch welche, bei aller Ab-
bfingigkeit von dem Willen des Princeps, die ganze Regierang des ausge-
dehnten Weltenreiches geleitet wird, in welcher die ganse Leitung der
innern wie der äussern Angelegenheiten, die Verwaltung der Provinsen, die
Gesetzgebung wie die höchste Strafgewalt, das Ernennungsrecht zu so vielen
Stellen, die Sorge fär die Finanzen sich concentrirt fand: wobei es freilich
nnr darauf ankommt, zu bestimmen, auf welche Weise die Macht und Befug-
nisa des Senates in dem Willen des Herrschers eine grossere oder geringere
Beschränkung gefunden, welche die AusObung gehemmt hat. Diess naber zu
bestimmen hat der Verfasser in der Weise versnobt, dass er die einzelnen
Akte eines jeden Kaisers durchgeht, welche auf die Stellung und Macht des
Senats einen Einfluss geäussert haben. So wird bei Augustus gezeigt, in wel-
cher Weise er bei der Wahl der Senatoren verfahren, um einen ihm geneig-
ten und von seinem Willen abhängigen Senat sich zu verschaffen, der keines
Widerspruches gegen seine Massnahmen fUhig war, wohl aber als willfähriges
Werkzeug zur DurcbfOhmng derselben sich gebrauchen Hess, und so allerdings
durch eigene Schuld sich aller Selbständigkeit beraubte. Ein noch tranrigeres
Bild bietet in dieser Hinsicht der Senat in den Zeiten des Tiberiua und Gali-
gola, womit die beiden nächsten Abschnitte sich beschäftigen. Claudius war
bedacht, das Ansehen des Senates wieder zu heben, wie die von ihm getrof-
fenen Massregeln, welche den Inhalt des nächsten Abschnittes bilden, beweisen ;
^rthrend die Regierungsperiode des Nero, der anfangs dem Senat zu begttn-
sligen schien, um nachher desto mehr gegen ihn zu wQthen, uns ein desto
trnnrigeres, ja abschreckendes Bild des Senats vorführt; es bildet den Schluss
der ganzen Darstellung.
In Donaueschingen erschien:
I7s6sr 5t/len, AMtdrüeke und Symbole des Gntesee ctci/tstrfer Völker dZlsr fmd
neuer Zeit. Ein Beitrag stir V^leichung der SiUen %md Thtihmgsart d"
vUisirter Völker. Von Martin Schaber^ Oymnanumalehrer. L Ahikeilung.
Orientalische Völker: Ehräer, Mvtlimen, ClUneeen, i857. Buch- und Stein-
druckerei von W, Mayer in Raslati, 56 S. in gr. 8.
Nach einer Einleitung, in welcher Grund, Begriff und Vorstellungsarten
des Grusses angegeben und ftber Elntheilung des Grusses dasNoythige bemerkt
st, wird eine Uebersicht der Grttsse bei den Ebrttern, den Muslimen und Chi«
nesen gegeben, und dabei die bei dem Gottesdienst flblicheo BegrOstanfen
•5i Kon: Getdiielite der 4e«liclimi LftorMiir ete.
\on denen dcj bOrf erlicben LebeM iorfMtair «Bleriebi«d«i, md in Buneliwa,
n«cb den vencbiedenen Arten und Betlimmonflfen betmchtet.
In Lahr erscbiM:
Uebertragungen einiger deuischen GedichU int LatekuMche. Beigabe svn Btrkt-
Programme des Lahrer Gymnasiums 1857 foim Hofraik Gebkardt. 47 S.
tfi 8.
Ei sind vi er lehn deutoehe Gedichte Ton GAthe, Schiller, RflekeH, Mn
von Schenkendorf, Jottinng Kemer nnd Borfor, welche hier in onttprecbend«
Uteinitchen Rhythmen wiedergeifeben sind, und sich danit den Ihnlicben, aehr-
fach in neuester Zeit iremachten Veraacben, die Meisterwerke unserer Poeiie
in ein lateinisches Gewand etnsnkleiden, würdig anreihen.
In Offenburg erschien als Beigabe des Programms des dortigen Gyn-
nasinm's :
Die laieinische Wortfolge, Von Professor Fr. Schwab. Druck foon J. Ottern u.
Sohn in Offenburg 1857. 77 S, in 8.
Der Verfasser hat als Einleitung eine Zusammenstellung der vortchiedesW
lieh ober die Stellung der Worte in neuester Zeit von den gelehrten tirsn-
matikern insbesondere , ausgesprochenen Principien oder Hauptgrondsltie ffe*
liefert, mit besonderer Rücksicht auf die diesen Gegenstand behandelnde Sdinft
von Wocher (die iBteinische Wortfolge nach logischen und grammatischen GroBÖ-
sllzen 1848) j dann aber versucht Derselbe die einzelnen Regeln festw
stellen, nach welchen , dem in dieser Schrift ausgesprochenen Grandsatae ye-
mftss, die Worter auf einander folgen sollen, und awar zuerst in einem eis-
fachen Satxe, und dann (S. 55 ff.) in einem lusammengesetzten ; es wird ia
dem erstgenannten Fall die gewöhnliche Stellung von der invertirten wohl
unterschieden, über das« was in federn der beiden Pfllle gefordert ist, die
nothige Vorschrift ertheilt, und eben so auch von der Stellung der Priposi-
tionen und Conjonctionen gehandelt. In dem Abschnitt, der von dem zasan-
mengesetzten Satze handelt, wird von der Satzverbindung, dem SatsgefAf«
und dann noch von der Stellung bei Perioden gehandelt; und wird in beides
Abschnitten jede der gegebenen Vorschriften durch einzelne, den besten Schrift-
steilem entnommene Belege erlttutert. Chr. Ilälir*
Geschichte der deutschen Literatur nUl ausgetcählten Stücken aus den Werken der
90niüglichsten Schriftsteller wm Heinrich Kur%, Mit vielen nach des
6esfen Originalien und Zeichnungen ausgeführten lHustrationen in HokschniiL
Leipzig. Druck und Verlag von B. G. Teubner i856'-1857. Ueferung
22-31 (oder Band IL S. 449—764. Band IIL S. 1-320). kl. fol.
Das rühmliche Unternehmen, von welchem bereits früher in diesen Jahr-
büchern (Jahrgang 1853 S. 467 ff. 1855 S. 633 ff.) eine ntthere Nachricht ge-
geben worden ist, schreitet in einer Weise voran, welche aeine baldige Voll-
endong nahe in Attasicht stellt und <lamit eben so sehr sum Dank gegen dea
I
Knn: €i«fcfaichte der deatoehen Literttor eto. 957
Yerfafter, der die •cbwierige Arbeit uDlernommen , wie gegen die Verlagg*
bandlung, welcbe dieselbe in einer so vorsUglicben Weise bat ansführen
lassen, auffordert. Es kann, nachdem die frQher erschienenen Theile in den
bemerkten Anzeigen, nach der Anlage des Gänsen, wie nach der Ausfüh-
rung näher besprochen worden sind, nicht unsere Absicht sein, Alles dasje-
nige hier su wiederholen, was dort insbesondere über die in diesem Werke
durchgefahrte Verbindung des Literargescbichtlichen und Biographischen bei
allen den einseinen auf dem weiten Gebiete unserer Literatur hervorragen-
den Persönlichkeiten bemerkt ward, in weiterer Verbindung mit den wohl
ausgewählten Proben ihrer Leistungen selbst, welche Proben zugleich von dem
Umfange sind, dass sie in der That ein genOgendes Bild von jeder dieser
Persönlichkeiten su geben vermögen und den Leser in den Stand setzen, die
Schilderung jener Persönlichkeit, und das Urtheil, das über ihre Leistungen
im Allgemeinen abgegeben wird, nun auch im Einzelnen gewissermassen su
controlliren und selbst hiernach zu würdigen. Wer aber, fragen wir billig,
iat in der Lage, die Werke aller der hier hervortretenden Hftnner zu be-
aitsen, oder vielmehr gebrauchen zu können; nur Wenige, denen grössere
Bibliotheken zu Gebote stehen, vermögen diess zu thon : und selbst diese wer-
den, schon um der schwierigen Mühe des Nachforschens lieber su einem
Werke greifen, das sieb, hindern es von jedem Schriftsteller und aus jedem
Zweige der poetischen wie der prosaischen Literatur umfassende und darum
genügende Proben, mit aller Sorgfalt aus den betreffenden Werken derselben
ausgewählt, bietet, als eine wahre Anthologie der gesaramten deulschen
Literatur darstellt, die es uns zugleich, bei der streng wissenschaftlichen Ein-
richtung des Gänsen, wornach die einseinen Zweige der Literatur und Poesie
Yon einander geschieden sind, möglich macht, bequem das su übersehen, was
in jedem dieser einseinen Zweige überhaupt geleistet worden i$t, Dasu
dienen nun auch gans besonders die einem jeden einselnen Abschnitt, §o
wie jeder Periode vorausgeschickten Einleitungen, die eine allgemeine
Charakteristik enthalten, welche, indem sie den Leser auf den Stand-
punkt führt, von welchem aus er das Einselne su betrachten hat, vor Allem
Berücksichtigung verdient. Wir haben schon früher auf diese Einleitungen
aufmerksam gemacht, und glauben auch jetst auf dieselben wiederholt auf-
merksam machen zu müssen. Eben so haben wir auch bereits in den früheren
Anseigen auf die vorzügliche ilussere Ausstattung aufmerksam gemacht und
kommen gerne auch jetst wieder darauf surück; indem es auf diese Weise
gelungen ist, auf einen verhftUnissmSssig engen Raum so Vieles susammensu-
drlingen: die herrlichen Illustrationen verdienen gewiss alle Anerkennung,
sumal kaum irgend eine Persönlichkeit von einiger Bedeutung in unserer Li-
teratur vorkommt, von der uns hier nicht ein getreues, nach Originalseich-
nnngen veranstaltetes Bild gelieferl wftre, neben andern Darstellungen merk-
würdiger oder berühmter Oertlichkeiten (wie s, B. S. 459 im sweiten Band
des freundlichen Schulpforta).
Nach diesen Bemerkungen haben wir nur noch kurs den Inhalt der oben
angeseigten Lieferungen, welche die andere Hftifte des sweiten und den An**
fang des dritten Bandes bilden, ansugeben. In dem, was noch dem sweiten
Bande angehorti ist sunttchst enthalten der Sehlnis der fünften Pariode der
968 Kon! CMcMchK 4er deiilMkai Uleralv tte.
dMtichen Litdralnr nll der didakUtehee aed rhetorlecbeii Preta. Die wn
foigende ieehate Periode, welche die Lileretur Tem iWMieii Viertel des
ecktsehntee iuhrhiuiderU hin ugefihr sam Jahre 1770 befiMSt« ninrat den
ttbrifee Theil de« iweitee Beide« ?on S. 4S9 en bie 764 eia. Auf die eie-
leilendee Bemeffkoogee , welche, unter Attftbe der ftoitere VerbllluMe, die
eaf die Geataltuiif der Literatar ttberhaept ibreo Einflaas i^eleaaert habe«, eie
aUfemeinea Bild von den CSang uod den Charakter der Literatur wibread
dieaes Zeitraunes so gebee veraacheo, fel|^ noch eise beaeedere Eioleiftag
in die Poeale, «nd werden hier die allf^eneinen CSrundattge, wie aie in den
Torker|(ehanden Benerkungen niedergelegt aind, fleiekaan in ibrer Anwen-
dung auf die Poeate, nachgewieaen und in Einzelnen weiter anagefokrt. In
aknUcber Weiae wird dann noch eine beaondere Einleitong in die lyriaeha
Poeaie gegeben, nit welcher der Verfaaaer dann beginnt: hier werden die
einaelnen bervorragendeo Lyrtkrr, wie Hagedorn, Geliert, Elopatock, dein
u. A. niker beaprocben und Proben ana ihren Dichtangen beigefügt; die wei-
teren Abacbaitle enlhatten die didaktische, die epische und die dranatiacke
Poeaie (hier insbeeondere Lessing). Ebenso aerftlU die Pr^an in die Prosa-
diebtong (.Liacow, Rabener, Geaaner u. A«; inabesondere Wieland, dem nü
Recht eine grössere Ausdehnung gegeben ist), in die historische, didaktiacke
nnd rhetorische Proaa»
Der aiebente Zeitrann, mit welchem der dritte Band beginnt, mH
die Literatur von dem beseicbnetan Eodpaakte der TorbeRgekenden Periode
bis an Gothe*s Tod (1632) fuhren nnd beginnt mit einer fthniichen Einleün^g,
welche anerst die politiacken, dann die religiOaen oder kirckUeken Verkllt-
nisae, welche auf die Literatur ihren Binfluas flanerten, beaprieht, dan» den
Gang der Literatur und die liteieriachen Zuatftnde, die verschiedenen in der
Literatur sich kundgebenden Ricbtungan, die Ansbüdnng der Sprache aelbal
n. B. w. schildert und bei der Bedeutung dieaes Zeitraumes und den groasen,
kier kervortretenden Erscheinungen auch etwas mehr Raum, wie billig, beei»-
apmoht hat. Gern wttrdeo wir, wenn der Raum es verstattete, durch grAaacre
Anaattge diess nacbweisen: sie wurden aeigen können, wie der Verfaaaer
bemüht iat, sorgfültig und gewissenhaft Alles abauwägen und mit aller Rnbe,
aber auch mit allem Ernst nnd aller Unpartbeilicbkeit aeioe Urtbeile abangeben.
Wir wollen nur Eine Steile ausheben, die sack auf die Hegel* acke Phüoso-
pkle nnd deren nachtheiligen Einfluss beaiekt und dämm insbesondere beher»
ligenswerth erscheint.
Ifoch trauriger wurde es, lesen wir S.2Ö, ab eine von Hegel verkändete
neue Philosophie erstand , die auf eine rein scbolastiscke Methode sick
dend, alle Wisseosckaften in ihr Bereich zog, und indem sie dieselben
bar zu philosophischer Behandlung erhob, sie in einen Formaliamns einaclurilfte,
in welcher aie alle Freiheit nnd alle Bewegnng verlor. Aber weil die weoent-*
lieb auf acholastiscbem Formalismus beruhende Philosophie Hegers es Jeden,
der sich in derselben gefunden hatte, möglich machte, ana irgend einena be-
liebigen Sata eine Reihe von Folgerungen au sieben, und zwar mit im ao
grösserer Leichtigkeit, als strenges logisches Denken kierbei gar nicht erfer-
derlick war, welches übrigens duroh den philoaophiseben lai^a der Sckrie
mit gertnfw Mühe ertetat wurde und da der UeiKer aadem die rkikiM|iiiB«
Klein: Mains und seine Um^febiuifen. 950
dOTck iein System tum vollstindii^n AbschloM febracbt tu heben ticb rflhmte,
00 beniehtigte sieh seteer Aebttnfer ein ttbermOtbii^er Dünkel, der sie mit
Veraehtunif auf alle aasserhalb der Schule Heftenden Beatrebungfen blicken
lieaa. Der Verfasser schildert dann weiter diesen Dttnkel in seinen für die
Wisaenaehafl nnd deren Pflege so yerderblichen Fol|^n, er setgt uns dann, wie
iiese so verderbliche Philosophie doch glücklicher Weise den Keim ihrer Auf-
l0ei»|t in sich selbst tniff, insofern bald diejeni|;en nicht ausblieben, die
fleh desselben Formalismus bedienten, um aus den ersten GrondsMtcen dieser
Phileoopbie die fana entiregenfesettten Resultate absnieiten , und die absola-
tialiach conservatiTe frühere Richtung der Lehre In eine rein revolutionäre,
Ihren angeblichen Dogmatismus in Atheismus und Nihilismus umzuwandeln,
■■d so Bur AuflOsang alles Bestehenden zu fuhren , und in der Erreichung
dieser Zwecke selbst mit gemeinem Communismus und Socialismus susammen-
xQtreKen. So hat freilieb diese ganse, eine Zeitlang sogar dominirende Rich-
tung der Philosophie nur den nachtheiligsten Einlluss auf Wissenschaft und
Poesie geäussert, am meisten aber der Philosophie selbst geschadet und sie
in Miflscredit gebracht. Wer diese ganze Periode der Hegel'schen Philosophie,
wie Ref., mit durchlebt hat, der kann sich nur freuen Aber die wahre und
darebaus gerechte Würdigung, welche diese Philosophie bei unserem Verfasser
gefunden hat. Was den Inhalt im Einzelnen betrifft, so macht auch hier die
tyriBcbe Poesie den Anfang: der gewaltige Aufschwung, den dieselbe während
dieser Periode genommen, die reiche Entwiekelung, welche dieselbe in ihren
rerscbiedenen Zweigen und Richtungen gefunden hat, und der Gang dieser
Batwickelnng wird auch hier in einer Einleitung dargelegt, deren grosserer
Umfang (S. 29 — 48 inel.} durch die Bedeutung des Gegenstandes hinreichend
^«rechtfertigt erscheint Die Darstellung des Einzelnen wird mit Herder be-
gonnen, dann folgt Mathias Claudius, Bürger n. A.; vor Allem aber müssen
vrir auf die den beiden grossesten Dichtem Deutschlands, Gothe (S. 88 ff.)
BBd Schiller (S. 109 if.) gewidmeten Abschnitte verweisen, an welche dann
Hatlhisson, Salis, Hölderlin, Tiedge, Aug. Wilh. Schlegel, Tieck, von Hardenberg,
deuens Brentano u. A. sich anreihen bis auf Rttckert, Platen n. A. S. 261 IT.
folgt im zweiten Abschnitt die didaktische, S. 292 ff. im dritten die epische
Poesie, von welcher ausser der Einleitung erst der Anfang gegeben ist. —
Den Wunsch einer baldigen Fortsetzung und Vollendung des den Herausge-
ber und den Verleger gleich ehrenden Unternehmens konnenwir am Schlosse
unserer Anzeige nur wiederholen.
Hiitiia vnd setne Umgebungen, OeMckilderi wm K. Klein. Main*, Verlag der
Le R(mx*$chen Ho/buchhandlung 1857. VIII und 183 8. in 8,
Auch ohne die traurige Veranlassung , die in der letzten Zeit die Blicke
AHer gen Mainz gerichtet hat, würden wir dieser Beschreibung der altrheini-
achen Stadt zu gedenken haben, da sie von einem Hanne verfasst ist, der
durch seine genaue Kenntniss Alles dessen, was die Geschicke dieser, seiner
hoimathlichen Stadt, betrifft, voriugsweiae berofen war, eine solche Darstel-
960 iOeta: Miini uad teine Umgebaifw.
lang ttt liefern, die man Jedem, der diese Stadi eben 00 sehr in ihren jetai-
gen BesUnde wie nach ihren hiitoriachen ErinnenuifeB niher kenaen lernen
will, betCens empfehlen kann. Auf dieae aber weist una Überall aaeh die Ge-
genwart bin, die noch so manche Spuren der allen ROmersttttte wie des Hil-
lelaltera bewahr! hat, in welchem Ilaina, als Sitz des ersten geistlichen Pilrslen
Deutschlands, eine so bedeutende Stelle einnahm: und wenn nach jener Zeit
der Blathe ein Verfall eintrat, der mit der Auflösung des deutschen Reiches
bis in das sweite Decenniuro dieses Jahrhunderts hineinreicht, so ist seit der
Wiedervereinigung der Stadt und ihrer Umgebung mit Deutschland ttbenül ein
neuer Aufschwung eingetreten, der durch die gänsttge Luge der Stadi nicht
wenig gewonnen hat; ein Emporium dea rheiniachen Handels ist sie jelat
auch eins der schutaenden Bollwerke Deutschlands geworden. Was nun an
einer genauen Beschreibung der Stadt nach allen ihren Eintelheiten gehört,
in geschichtlich-antiquarischer wie in topographisch-lokaler und statistischer
Hinsicht; das findet sich Alles in diesem Büchlein auf verhfiltnissminaig ge-
ringem Raunio dargestellt; keine Merkwürdigkeit ist abergangen oder unerle-
digt geblieben; in einer lebendigen Darstellung treten alle die einselneo Tbeile
der Stadt mit ihren merkwürdigen Gebttuden, an welche die Erinncrongen
von Jahrhunderten sich knüpfen, vor uns: dass unter diesen dem Dom eine
besondere Aufmerksamkeit gewidmet ist, insofern mit aller Sorgfalt die ein-
xelnen Theile desselben und Alles, was darin merkwürdig erscheint, beschrie-
ben werden, wird wohl kaum einer besonderen Bemerkung bedOrfen: ebenso
Alles das, was auf Gutenberg und seine Erfindung sich besieht; ebenso wenig
ist aber auch das vergessen, was uns an die rOnnsche Zeit noch heutigentags
erinnert und in die Zeit der ersten Anlage der Stadt lurOekfQhrt. Und über
dem Alten und Altertburolichen ist auch die Neuzeit nicht vernachlissi^t: mit
gleicher Sorgfalt wird das dabin einschlttgige behandelt und a. B. von allen
wissenschaftlichen und Kunst-Sammlungen, die jetst in Mainz sich befinden,
genauer Bericht gegeben. Wohl aber wird Jeder, der diess Buch in die Hand
nimmt, daraus ersehen, wie Viel des Merkwürdigen aus alter und nener
Zeit, trots Alles dessen, was im Sturme der Zeiten untergegangen oder der
Zerstörung von Menschenhand unterlegen ist, noch immer sich hier rereinigt
findet: auf Alles dieses aufmerksam zu machen, war der Zweck, der den
Verfasser zur Abfassung dieser verdienstlichen und ntttzliclien Schrift geführt
hat, welche auch die der Stodt zuniichst gelegenen, mit ihr selbst in vielfacher
Berührung stehenden Ortschaften (Weisenau, Laubenheim, Zahlbach, Koatheim
u. a., insbesondere das auf der anderen Rheinseite gelegene Castdj berOcksichtigl
hat; eine ausführliche Geschichte der Stadt Mains gedenkt der Verfasser dcm-
nllchst zu liefern: wir sehen derselben verlangend entgegen.
Chronik der Universität Heidelberg für das Jahr 1857.
Am 22. November beging die Universität in herkömmlicher
Weise das Fest der Geburt ihres erlauchten Restaurator's, des höchst-
seligen Grossherzog's Carl Friedrich. Die Festrede*) ward von
dem zeitigen Rector, Hofrath Dr. Renaud gehalten, nachdem das
Fest selbst durch einen musikalischen Vortrag in würdiger Weise ein*
geleitet worden war.
Von einem Blicke auf die Rechtszustände des alten Frankreichs
ausgehend, beleuchtete der Redner die Bedeutung der seit dem drei-
ssehnten Jahrhundert in völliger Ausbildung hervortretenden Einthel«
Inng des Reichs in die Länder des geschriebenen und in die Län«-
der des Gewohnheitsrechts. Der gewöhnlichen Ansicht entgegen,
nach welcher in jenen das in complexu recipirte corpus juris civilis
das alleinige gemeine Recht war, während in diesen römisches Recht
und germanische Gewohnheiten das gemeine Recht bildeten, führt
er, namentlich auf ein Edict K. Phillips vom J. 1302 über das
Studium des Civil- und canonischen Rechts an der Universität Orleans
sich stützend, aus, dass die römische Gesetzgebung nirgends in
Frankreich in complexu recipirt war, so wie es auch daselbst nur
£in jus commune, nämlich ein der ganzen Monarchie angehöriges,
die „generalis regni consuetudo^ gab. Dieses Gemeine Recht um-
fasste nun, von andern für das Frivatrecht minder wichtigen Elemen-
ten abzusehen, sowohl eine Reihe durch Gewohnheit recipirter rö-
misch-rechtlicher Institute sammt deren Theorien, als auch viele Ge-
Kvohnheiten germanischer Herkunft „droit qui est communs ä tos
^s Goustumes de France^ , nach dem Ausdrucke Beaumanoir's.
— Der Unterschied zwischen den Ländern des geschriebenen and
denjenigen des Gewohnheitsrechts b^tand sonach nicht in einer
Verschiedenheit des in beiden geltenden Gemeinen Rechts, und eben-
sowenig in einer ungleichartigen Geltung der römischen Gesetsge-
*) Diese im Druck erscbieneDe Festrede führt den Titel: Matalicia di?i
Caroli Friderici, Badarum quondam roa^^ni ducis die XXIII. Noyeinb. MDCCCLVII
ab Academia Heidelberf^eosi rite pieque celebrata simnique praemia commissio-
nibua victricibus decreta novasque quaestiones propoaitas renunciat Achil-
les Rcoaod, juris utriusque doctor., Ma^n. Duc. Badd. a. consil. aul. juris
Professor P.O., Universitatis h. t. prorector. Disseritur de or ig inibus juris
civilis Franco-Gallici. Heidelbergae, typis Georgü Mohr. HDCCCLVIL
22 S. in 4.
U Jahrg* 12. Heft. 61
963 Chronik der UDireniUW
bang, — wohl aber darin, dass im Süden Frankreichs die partica-
Ifiren Gewohnheitsrechte germanischen Ursprungs seltener ond we-
niger aasgebildet waren, das gemeine Reichsrecht and mit ihm das
römische Recht hXafiger in Anwendung kam, und zwar Letsterea
um so mehr, als man daselbst Ton den germanischen Instituten, wo
dies, wie es s. B. hinsichtlich der Testamentsexecntoren der Fall
war, in der Willkühr der Privaten stand, keinen Gebrauch zu ma-
chen pflegte.
Diese Rechtssustände, ftbrt der Redner fort, erhielte sich im
Ganzen unverändert bis zur Abfassung des Civilgesetzbuchs vom
J. 1804, dessen Stoff im wesentlichen aus dem alten Rechte ent-
aommen wurde. Das YerhJUtniss der Redactoren des Napoleonischen
Gesetzbuchs zum bisherigen Rechte näher bezeichnend, hob der
Redner hervor, wie dieselben die ihnen durch die gegebenen Vsr^
bältnlsse gestellte und von ihnen auch richtig erfasste Aufgabe ver-
folgten, Frankreich ein einheitliches und alle bisherigen Rechtsqael-
len ausschiiessendes Gesetzbuch zu verleihen, ohne die Bevölkeroog
der verschiedenen Provinzen des Reichs von deren althergebrachten
Reehtsgebräuehen zu sehr loszureissen. Dieser Zweck war nun da-
durch allein zu erreichen, dass man zunächst das alte Reichsrecht
codiflcirte, die Lücken aber, welche dasselbe darbot, mit solchen
partlottlären Instituten und deren Theorie ausfüllte, welche den die
weitesten Ländergebiete beherrschenden coutumes, wie nament-
Ucfa der coutume von Paris, angehörten; wo nicht, wie dies
rfickflichtiioh des ehelichen Güterrechts der Fa[U war, die sänmitK-
ohen Hauptsysteme der verschiedenen coutumes In das Gesetz
buch In der Art aufgenommen werden konnten, dass die Wahl des
einen oder andern für die einzelne Anwendung der Deberelnkuoft
der Parteien überlassen wurde.
In dieser Weise entstand ein Gesetzbudi, in welchem das rO-
miache und germanische Rechtselement gleichmässig vertreten sind
Nur in einer Hinsicht behielt auch hier die römische G^setzgebang
ein Uebergewicht, welches ihr schon in der Periode des alten Rechto
zukam, insoferne nämlich als die germanischen Institute und Redits-
grundsätae des Oivilcodez der Form nach romanislrt sind, so wie
endlich die Anordnung der Materien im neuen Gesetzbuche nach
dem Vorbilde der justinianischen Institutionen geschah.
Den Schluss der Rede bildete nun die Naehweisung des bald
römischen, bald germanischen Ursprungs der wichtigeren Institute
des Civilcodez» wobei der Redner jedoch, wie er ausdrOeklidi er-
klärte, bei der Kürze der .ihm zu Gebote stehenden Zeit auf Voll-
ständigkeit verziditen und sich auf die Andeutung des bisher weni-
ger Beachteten beschränken mnsste.
Chronik der Üoirertitlt. §69
An der XJn\retn\iäi selbst fanden Im Lanfe des Jahres 1857
folgende Verftndemngen statt:
Geh. Rath v. Vangerow erhielt das Oottmandetirkreixs des
Zlhrhiger Ordens; Hofr. Bunsen, Kirch. Rath Hnndeshligett,
Geh. Hofr. Mohl, Geh. Hofr. Lange und Prof. Hänser das
Ritterkreuz desselben Ordens. Za ausserordentlichen Professoren wur-
den ernannt: J. Jelly in der juristischen , A. Kussmaul in der
medioiniaohen , G. Leonhard and A. Fr. BorntrXgei' in der
philosophischen Facultät, in welcher auch Geh. Hofr. Sllepbake
in gleicher Stellung eintrat. Es habilitirten sich in der Juilsttschen
FakaltSt Dr. Fr. Vering, fai der tnedicinischen Wilh. Wandt,
in der philosophischen die Dr. 6. von Holle, E. Erlenmeyer
und J. H. M eidin ger. Ans der Zahl der Privatdocenten schieden
ans M. Neil und H. Fitting, der als ausserordentlicher Professor
nach Basel berufen ward.
Im Laufe des Jahres 1857 fanden folgende Promotionen statt:
In der juristischen Facultät am 8. Januar Hr. Edaard Fick
ans Genf, am. 5. Mfirs Adolph Burckhardt aus Basel, am
31. März Franz Joseph König aus Stuttgart, am 28. März
Ernst Rubo ans Berlin, 22. April Jakob Rehfuss aas Hei-
delberg, 28. April Friedr. Wilh. Schaaf aus Meckesheim, am
IS. Mal Georg von Stryk ans Pollenhof InLivIand, am 28. Mai
Edmund Landauer aus Frankfurt, am 30. Mai Albert Fried-
rich Scheleher aus Dresden, am 4. Juni Emil Berend aus Han-
norer, am 27. Juni Adolph Jerosch aus Braunsberg, aml4. Jnli
Arnold Roth aus Teufen in der Schweiz^ atn 1. Angust Otto
Blattner aus Aaran, am 10. August Paul Jacob! aus Berlin,
am 10. Aug. Karl TOpfer aas Hamburg,^am 13. Oct P. Schnap-
per aus Frankfurt, am 15. Oct. Otto Friedländer aus Beuthen,
am 16. Dec. Otto Staman ans Hamburg, am 22. Dec. Adam
Bock aus Aachen, am 24. Franz Knisei aus Herhom.
In der medicinischen Facultät: am 2. März Karl Fried r. Elch*
1er aus Schwarzenbom in Cburhessen, am 9. März Maxim iL La
Boche aus St. Domingo, am 28. März Bernhard Albert van der
Kieft aus Utrecht, am 29. Mai Carl Bausch aus Halle, am 10. Juni
Marc Cammille Desjardins aus St. Mauritius, am 12. Juni
Thomas Dyke aus Liverpool, am 8. Angust Nicol. Wegleris
mm Gontantinopel , am 30. Decb. William Hering aus London.
Am 10. März wurde dem Mediclnalrath Johann GrSser zn
Mainz zum fünfzigjährigen Jubileum die Doctorwürde erneuert;, und
eben so am S.August dem Dr. Reinhold Hirsch zn Bingen.
In der philosophischen Facultät: am 26. Januar Ludwig
Geisse aus Friedwald in Ohnrhessen, am 2. Febr. vov Thaler
ans Wien, am 9. Febr. C. Meyboom aas Assen in Holland, am
S. Febr. E. Jäger aus Mainz, am 13. Febr. Theodor Kundig
«uB Basel, am 13. Febr. Gust. Strubel! aus Dresden, am 13. Febr.
M4 C^nik der ÜBiTeriiltt.
Profenor Hidber su Bern, am 4. Juli Friedrich Koeh aus
Grunenplan im Braunschweigischen, am 9. Juli Theodor Bunsea
aus Rom, am 28. Juli Albin Weisbach aus Freiberg in Sachsen,
am 31. Juli Carl Marx aus Stuttgart, am 31. Juli Hermann
Lorberg aus Biberich.
Die im verfiosseDen Jahr gestellte Preisaufgaben lieferten folgen-
des Resultat:
Die Aufgabe der theologischen Facultät:
«Exponatur controversia de vi et usu traditionis in ecclesia, ita
quidem, ut tam origines ejus saeculo sexto decimo enarrentur, quam
quae nostro aevo ea de re dispntata sunt, dijudicentur^
hatte Ewar einen Bearbeiter gefunden, dessen Leistung jedoch nicht
für genügend zur Ertbeilung des Preises von der FacultSt erkannt
wurde:
«Auetor cum quaestionem ab Ordine, ut ipsi quidem videbatur,
arctioribus finibus circumscriptam ex superiore quodam loco consi-
derandam ejusque terminos multo amplius proferendos esse profeasus
Sit, in aliam plane rem inquisivit atque Ordo ab eo poposcerat
Inde factum est, ut illis quaestionibus, ad quas tractandas magnitu-
dioe quadam ingenii excitatus sese accinxit, parem se non exhiberet
neque id, quod suum erat, satis accurate et circumspecte perscruta*-
retor singnlarumve rerum rationem haberet idoneam. Gravissima-
rum notionum explicatione neglecta ne ipsius quidem traditionum
notionis origines ex historia satis illustravit; in rebus historicis hand
raro graviter peccavit; ubi sobrie in res ipeas inda^andnm erat,
praecoci saepe levitate judicavit; longinqua petendi studio abreptus
operis voIumen longo prolfxius extendit; mira qaaedam et plane nova
proferre, res pusillas grandibus effari verbis cupidus formularum eo*
pia lectorem obrnit, patrium sermonem novis plane, partim ex latina
lingua petitis, partim ab auctore ipso effictis vocabulis foedavit Hte
de causis ordo commentationem praemio ornandam esse non censuit
Nihilominus cum auctor in re sua magna diligentia et multimodo
studio versatus sit, theologicarum literarom et veterum et recentio-
rum cognitionem haud spernendam coroprobaverit, magnum rerum
apparatum in justum quendam ordiuem redegerit neque judicio ae
sagacitate In aliquibus locis destitutum se exhibuerit, bis omnibos
religiöse perpensis honorifica mentione dignam esse commentationem
existimavit. Accedat igitur auctor intra bidui spatlum ad directo-
dum academicum, ut schedula reclusa nomen suum in Prorectoria
magnifici oratione typis expressa appareat.^
Von den beiden Preisaufgaben der philosophischen Facultät
war nur die eine, den Tacitus betreffende («Quid Tacitus de phi*
losophorom suae aetatis placitis senserit^) beantwortet worden, je»
doch von drei verschiedenen Bewerbern; das ürtheil der Facultät
lautet :
Chronik dor Upiventtii^ 965
«Tras javeneti quod ralde ladtamari io areBam descenierant
oertatari: qui oiddm Uudabili atadio ao diligaotia in bac quaastioae
traetanda rersati saot| neqoe vero pari soccessa. Etenioi iS| iftü
rerba:
Pericukun ett oredere et non endete
Erit iUe tibi natu», quem per te cognoveris
liballo auo adseripsiti qaaestioois proposiUe v\nk atque ambitam viz
perapaxit neqoe eam attalit pbilosophiae anüqoae eognitionemi qna,
qni banc ad quaestionem aolirendam aocediti instroctam eeae oportet
Itaque licet Taciti scripta dUigenter perlegerit indeqoe singoloe quos-
dam ad quaestionem propoaitam pertinentes loooe attigeriti tarnen
id, qaod samnuun rel continet, neglexit neque nilo modo ad qoae-
etionem propositam respondisse patandae est Latina, qoa otitar,
oratio &oiUs quidem est intellecta, sed minos pnra veraaculamqae
lingoam bic illic redolens.
Alteri qai libellam aobis ezbibitam inseripsit verbis:
Fories enim non eolum fortuna adjuvat^ %At est in vetere
proverbio, 9ed muUo magie ratio, quae quibusdam quasi
praeceptis eanfimuU vim fortitudinis ;
qnaestionis v\m melius perspexit eamqae tribas partibas solvere
studoit, minas ipsins Taciti scripta secatas qaam recentioris aetatis
yjroram doctoram dispatationes; qni cum in Ethica pbilosopbiae
parte fere una versatus reliqoas partes praetermitteret neque Stoi-
corum aliorumqoe illins aetatis philosophorom eam, quam debebat,
rationem haberet neque eorumdem placita cum Taciti sententiis
accurate contendereti totum Epicureum nobis ezbibens Tacitum,
quaestioni propositae satisfecisse judicari nequit: praetereft sermone
Latino utitur a mendis Titiisque non prorsus libero.
Qnibns longo praestat auctor libellii cui verba sunt inscripta:
nil tarn firugiferum est, quam magnorum ingenia hominum
noseere,
Etenim recte intellexit, de quo quaesitum erat snmmaque cura ac
diligentia in quaestione traetanda ita versatus est, ut primum de
singulis Taciti scriptis accurate ageret et in ipsius bistorici eruditio-
Dem omnem inquireret, deinde quaereret quam vim pbilosopborum
illius aetatis placita in Tacitum rerum scriptorem babuerint, singulis
hujus scriptoris locis summa diligentia allatls. Itaque per tres par-
tes, quibus continetnr antiqua pbilosopbia, argumentum est perse-
cutus atque sedulo indagant, quid quaque in parte Tacitus ab aliis
snae aetatis philosophis deprompsisse videatur, in quo dlfferat et ab
. iis recedat; iu qua disputationis parte et Plinii et Senecae praeci-
puam rationem habuit eoromque placita cum iis, quae in Tacito re-
periuntnr, apte contulit, ita ut ad laudem proxime accessisse videa-
tur. Sermo Latinus purus adeoque elegans, inTOStigandi ratio sub-
tiliSi Judicium subactum ubique cernitur. Quae cum ita sint^ auc-
torem bujus libelli praemio ornandum esse judicarit ordo pbiloso-
pborum.^
llel EröfAmng des Tenfegetten Zettelt ergtb iMb «It Sieger:
Jobftttii Jvlfoe Baomaniiy itikl. fteirfog. «t pUlolog. aas
F^kfsrt
Aaf das nlohste Jahr shid folgende Fragsii gesteBt:
1) Von der theologiieh^a Faeohät:
«Dteserator de praedestiaatioiie Ha, at quid Aogostimis, Lu-
dierus» Cafthuis et Sehieiermaehems de kac doettiiia diverse
statoerfati prlnuiD examlDectir atquo enarretnri tmn emii GL
Serlptarae testlmoans eomparetiir.^
S) Ton der Jaristlseheti FaealtSt:
De eottdStletie femitianitii secnndma Jas ruBiaauui antiqnoiii.
S) Von der medleiaisehen PaealtSt:
^lodkgentar persenttatioM tnfcroseopiea transformationes,
qaae in grancdationibas sapporatione productis finnt, lade
ab eorain orlgine nsqve ad perfeetain deatrisatioaem.^
4) Von der pbllosophfseben Paenltftt:
i. Diflseratnr de foederis Rbenaai a Napoleons If. conditl
origine, legibus, instttatis, morfbns et tebtts gestis;
2. Die Landwirthsdiaft des Odenwaldes.
Inhalt
der
Heidelberger Jahrbttcber der Literatur.
Fünftdgiier Jahrganff, 1857.
Seite
Aticbylot AgAmemomoB yob W. v« flmnboldl 87S
ADdersaon: Reise in Südafrika v. Lotze 938
Alzog: D« liMnrOM Graeee. atqae Ranami. bMÜ» . • . « 83t
A.Ddree:. Die Staaten von Central-Amerikft •..«••• 167
t^ Baenoi Ayree und die Aigentinlucliep ProviuflB » • • • 157
Aaaalen des historischen Verein« fOr den Niederrhein .... 301
Anoaaire de la Soci^t€ archMogiqne de Constantine . . • • 865
Arfetophanes KomOdien von Koelu 3« Bddm. 167
•^ von Minckwiti 306
IMana Anabasis. Von HarlüaBn • . 146
i^iu der Natur •. • • t
lladiache Programme » • 940
Bambeigeri Opuscola philologicsi 73
BaBilius des Grossen Rede u. s. w. von Lothbolz • « • • 886
l^eck: The age of Petronius • . 617
«^ phQosophische Propädeutik. 6. Aufl. <..».«.. 67
^ Hiatorisch-geographischer Atias II. u. III. Abük 68
l^ehagel: Geschichte des Lyceuma au Mannheim « • « . • 962
Heilrage zur Statistik von Baden . . • • • 216
i. Bernhard!: DönkirOtdigkk. «w d. Lebe» d. General v.ToIU
m. Bd. 864
Sifaliotheca orientalis Spreogeriena • • . « 207
iedermann: WIsseoediaflBlehre 91
Inder: Ueber Timon, den MisanthropeB ...•«.. 784
lock: Geschichte der liturgischen Gevftndet •«.... 18
lonivardi Fr.: Advis et devfs de hi aoiice de Pidololttrie etc. 268
loot: Oiat. 1. in Gatfl. reeeos. eta .••...... 661
brandes; Dmb ethnogra|»ll« Vetbiltaiss dec Kelten u« Ge^mMiea 293
968 iBhdt.
Seile
Brandes, Antflng dnich daa Salzkammergat u. ■• w« ... 472
Braan. Die Trojaner am Rhein 762
Briefe des Grouherxogi Carl Aiucoat and Göthe'a 161
Brioechi: Theorie der Determinanteo 78
Brann, H.: De indicibne Pliniania 596
Bamflller: Die WeltgeKhichte. 4. Aufl. L 5S6
Buttmann: Die deatachen Ortonamen 699
Ciaar't Memoirien, von Röchly and Rfletow 305
Caseel, P.: Ueber Thflringieche OrtoDamen 884
Oieero De officiis, von Gm her 77
CiceroDis Scripta rec. Klota. F. V 232
Ciceronia Tnscvll. von Koch. 2. Heft 235
Gombe: Die Wisaenichaft in ihrer Beziehung zar Religion . . 904
Cornelina: Ueber die Bildung der Materie 612
Cornelius Nepos, von Siebeiis 305
Cotta: Kohlcnkarte fQr Sachsen 12
Gmsius Wörterbuch zu CSsar. 5. Aufl 236
Crusius-Seiler: WOrterbuch aber die Hoaserischen Gedichte . 469
Dankwardt: Nationalökonomie und JorlsprodeBZ 304
Delacroix: Alesia 625
Del esse: Mat^riaux de consCracilon de rexpoeftien aatvorselle • 299.
Demelins: Legg. fragmenta 662 j
Demosthenis Contiores. Re«. VOmel 439
D€y: AlesU 625
Dornseiffen: De artienlo Graeco 2S4
Duhamel: EliSments de Calcul infinH^imal 14i
Du Bleu: Disp. de gente Fabia 656
V. Dusch: Ueber Schimmetbildnng in der Lunge 961
Eckardt: Erlftuterungen zu Schillers Werken 491
Farina: la Diplomazia e la Quistlone lUliana 169|
Favre: Memoire snr les tremblements dt teiie ...... $65
Flekler: Berthold der Bftrtige 96
-r^ Odalrich, Bischof von Constaoz 99
Flavios' Josephus Werke von Paret. 7. Bd 695
Fontes rerum Austriacamm . . . • • 41'
Frant^: Der preuasische Givllprocese .......•• 666
Frosche, die, des Aristophanes von Pernice 866
v. Fuchs, J. N.: gesammelte Schriften von Kaiser .... 366
Gaetschmann: AdfsnchoDg von LagersUtten der Mineralien . 747
Gajanischen Instilutionen, die, von Beckhane 69#
Gebhardt: Uebertragung. einiger deutsch. Gedichte ins LatelDlsche 951
Giebel,. Lehrbuch der Zoologie 6ll|
Grimm: GrondzAge der Geognosle «'■
Gronovii, Fr., Lectt. TnUiaoae ed. Snrlngar 646.
Grote: Griechische Mythologie u. s. w. von Fischet. IL Bd. 67i
Garlt: Die pyrogeneten kansttlchen MSnerallep 74i
liiMt 00»
Seite
Härtung: Geologüche VerUiltiiiise y. Lansarofe u. FaertavAitiira 742
Haatz: Stipendien q. b, w« in Heidelberg 9SC
Heine: Reise nm die Erde nach Japan 154
Heifl: Sammlung von Beispielen ans der Arithmetik n. Algebia . 145
Hannes: Prinz Eugen von Savoyen s . 275
Herrmann: Senatna Rom. fortnna etc 954
Hertleln: Specimen nov. Jnliani Caesar, edit 958
Hertzberg: Lei>en des Agesilaos 11 861
Herwerden: Obaervv. in Comicc. Graecc 698
H es e kiel: Königliches Martyrtham n. s. w. 224
Hessenberg: Mineralogische NoHzen 318
H oef er: Biographie gdn^ralc T. XVI. XVII. XVIII 477
Hoffmann: Blmhen spanischer Poesie 348
— H.: Lehrbuch der Botanik 616
V. Uolle.: Ueber die Zellenkörper im Lebermoose 569
Hol tz mann: Das Nibelungenlied 721
Holzmann: Einladungsschrift d. Polytecb. Schule in Stuttgart . 588
Homer^s llias, von Donner 305
— Odyssee von Am eis. 1. Bd. 2. Hft 880
Horatius Oden und Epodcn, von Nauck. 2. Aufl 76
Hyperidis Oratio pro Euxenippo ed. Linder 471
Jacini: Grundbesilz und Landvolk in der Lombardei . . . 661
Jansen: Die Geschlchtsquellen von Münster 301
[Janssen: HilversumVhe Oodheden 107
fimhoff: Einfflhrang in das Studium der Koleopteren .... 3
-^ T. Flavius Domitianus 824
^Isarobert: Anecdota de Procope 151
^Kalender fflr den Berg- und Hfittenmann • 315
Karmarsch: Polytechnische Schule zu Hannover 864
Keller: Die Drangsale des nassanischen Volkes Jm SOJähr. Kriege 282
Kenngott: Lehrbuch der Mineralogie 704
— A.: Lehrbuch der Mineralogie 616
Klein: Mainz und seine Umgebungen 959
Klotz: Handbuch der lateinischen Sprache . 560
— Handwörterbuch der lateinischen Sprache 465
Kluckhorn: Geschichte des Gottesfried ßns 489
Klunzinger: AUerthumsverein im Zabergau VI 895
' — Antheil d. Deutschen an der Entdeckung von Sfldamerika . 897
V. Knesenbeck: Ferd. v. Braunschweig während d. 80jfthr. Kriegs 846
v. Kobell: Die Urzeit der Erde ♦ . . . 65
Kober: Der Kirchenbann 753
Köchly und Rastow: Einleitung zu Cftsar's Commentarten . 379
Koppen: Die Erbschaft 673
Körner: Geschischte der Pädagogik 900
Krahner: Römische Antiquitäten 942
Kreyssig: Justns Moser 859
wn Ml«
Ktglet: OeMddchte Friedrich'« des Qnmm • U0
Kttlp: Die Differenzial- und Integnlredinaiig 2H
Kuntie: Die Obligetion und die SiDgolanuooeesioD .... 401
Kurz: Ckichiclite der deoteehen Literatur 95i
Lange: Gebartshalfliche Mittheilongen 569
V. La tau Ix' Grundlage aller pMlosophficIien Systene . . • 4S3
Laurent: Leben des Kaisers Napoleon 169
Lehrs: Populire Anfsätae aas dem Alterthnia 74
Leni: Zoologie der Grfechen nnd ROser 14^
Leonhard, 6.: Ueber ansgeaeichnete Mineralien noserer Gegend SSO
Llteratorbericht ans Italien I. II 115
— — LH. 88$
Uttratnrberichte aos Itsllen L IL Von Neigebaner .... 54$
*- L n. in. Von Neigebauer 622
— L n. 111. IV. m
Linderi Cannina latina 471
LIvlas, Deotscb von Getlacb 305
Ludwig: Das kohlensaure Gas zu Nauheim «od Kissingen . . I
-^ Geologische Specialkarte Ton Hessen 692
Macintosh: Heise durch die fioroplische Tflrkei n. s. w. . . 383
Martin: Vorlesungen aber den gemeinen borgerl« Prozess. IL Bd. 313
Mendelsohn: PhXdon. 7. Anfl 699
Merleker: Mosologie ' 863
Miftheilungen des literar. Vereins von Steiermark 82
V, MOckern: Osündien, seine Geschiehite u. s. w. .... 936
Moaomenta Zollerana U. Von Stillfried und MSrker . . 511 j
Mothes: Geschichte der Baukunst Venedig's 541 f
Mundt: Geschichte der Gesellschaft 88 j
Neumann: Elemente der KrystallogMphie 316j
Novum Testamentutt rec. Bottmann . • . • 2Slj
Nabu: Ueber Bildung d. AbsonderangaftUss^keiten, inebes. d. G»He 573
Oertel: Genealogische Tabellen 696.
Oltrogge: Auswahl aus der deutschen Dichtung 476
Osann: Commentt. seminar. philcrfog. Gisseneis I. H. IH. . .. 521
Pagenstecher: Ueber Milben ^ 567
— Ueber Milben 580
Part seh: Ueber den schwarzen Stein in der Kaaba zu Mekka . 731
Pausanias von Schub art . • ... 86S
Pflug: GesehidMe des Feldzugs in der Krim 224
PhUdrus, von J. Siebeiis 305
Picchioni Del senso allegorico della divina Gemedia . . « 828 j
Pisanelli: Dell' istituzione de Giuriti 33 ^
Plalons Apologie und Crito von Cron « . . . 871 ^
Plato's Staat, von Prantl 306
Pkto's Werke, von Prantl 866
Platz: Ueber Götterverwandlungen bei Homer 941
I
97ff
Seite
PloUni Opera reo. Kirchhaff. VoL OL 23^
FlBtarch. De Muaica» ed. Volckmann 586
Papikofer; Lebeo and Wirken von Wehrli 841
Bebhano: Theorie der Holz- und EiacokonatniktioBeB . , . 587
Rechtswissenaehaltl. Leiatiagen in Ilalieii in Beng auf Hypathenrecht 44 f
Eedtenbacher: Daa Dynamiden^ystem 776
n Kelche, 1^., Memouran, von L. v. Weltzien 851
k^nard: De l'identitd da lace des GaiüoM et daa GermaisB • M4
Kevillut, V.: Etqdea cdtiqaei aar Alaaia 825
«^ Alaise, AUse eta 825
BIbbe.ck, 0«: Ueber die. mUtlen nnd neaere attiaohe Komidie 876
lichard-Janiilon: Wandenuigen doieh d. Heidalbeiger Schloaa 940
liecke: Die Rechoang mit Richtongezahien 527
linkes: De orat. I. in Catil. a Cicerone abjndicanda .... 851
loae: Ueber die heteromorphen SüoBtftnde der kohlentaorta Kalkerde 481
lOfsignol: Aliae, Etodoe etc. 625
loth Y. Schreckenatein: Daa Patridat in den dentich. SOdten 425r
Ittckert: Der Begriff die^ gemeine» deatachen Privatreckts . . 80r
tndhardt: Taschenbuch für yatevlindiache Ctesohiohte . • . 226
kiM^hse: Wörteibnch deatacher Synonymen 282
(arappe: Weimarische Scholreden « . 147
loh aber; Ueber den Gross 956
lokftfer: Demosthenea and seine Zeit 588
h^ Geschichtstabellen. 6. AofU 697
K* Tabelle zqr preuae. QeaGhickte 698
|<l&lottmann: Joseph v. Hammer-Porgatall «...*• 730
Ichmidt» A«: Die Gmppen der Eorop. Claoaüien 808
khmidt, EL: Etüde aar Hecdec 280
tehoemaoAi De Apolline costode Athenamm ••.... 818
lahrant: Ueber die Partikel ya(f n. s. w« 958
lehr ei her: Geschichte d. Albert<»Lvdwiga*Universiai su Fniborg 668
^ Geschichte der Stadt Freiburg ^ • . . • 668
|4sliT5der: Der Graf Zinsendorf and Hexrnhiit ...... 776
chfitt: Balders Tod 840
aohwab: Die Lateinische Wortfolge • . • » 058
^hwara; Versuch einer Philosophie der Mathematik • « . • 918
^pbokles von Donner. 4. Aufl. « * « # . 812
^phokleSy'.Too SchCll .,.•.»•»«•»•* 806
^fthelin; Uebertcitt KQoig HeisHch'a IV. ven Fraokaelch . . 56
Itaring: De Boden van Nederland • 1
^cget: Mungo Parkens Reisen in Africa 478
lernberg: Forschungen über hochdeataote Lavtlehre » . • 133
Ifnzing: Ulrich Zasius 881
K>baei Florileg. rec Meineke. VoL IIL 282 '
toll: Haadb* der Mythole^e. %. Aofl 75
traboy von Forbiger .•••••••••••• 805
§78 Ittbali
Seite
SuetOD^s Kaiserbiographien von Stahr 86l
Snetonios, voo A. Stahr SOS
Tadtus, von C. L. Roth 865
Thietmari peregrinatio. Ed. Laurent 8$a
Tfaoluck: Akademisches Leben des XVfl. Jahrh. 2. Abth. . . M
Thomas: Nene . Glas-Krystall-Modeile 317
Thomas: Bilder aus der Länder- and VOikericude . . • . 169
Thncydidis libd etc. ed. Poppo. IV, 8. (Comment Thacydid.) . 70
Tisch endorf: Anecdota sacra et profana 481
Tr^r de V^erie etc Itf
Ueber den Zustand der Literator in Brasilien 471
Verhandlungen des naturhistorisch-medicinischen Vereins • . . 241
II 541
Verneuilet Collomb: Geologie da Sad-est de l'Espagne . 741
Vlrgilios, von Binder 301
Vischer, W.: Erinnemngen nnd Eindrflcke aoa Grieehenland . 277
Vitruvii libri de architect ed. Lorentzen 14€
VOgeli: Geschichte des EuropKischen Staatensystems .... 9t
Vormbaam: Evangelische Schalordnangen 901^
Washington Irving: Das Leben G. Washingtons . . . . 89^
Wasserschleben: Jaristische Abhandlangen 8131
Weinholz: System der Philosophie iM
Weisaenborn: Ninive and sein Gebiet IL 47^
Weil CT, Wörterbuch der Pseudonymen 231
Wen zig: Kränze aas dem böhmischen Dichtergarten . • . . IH
-^ Studien über Stltn^ IM
Wiedasch: Deutscher Haus- und Schalhomer 861
Wiegand: Zu Plato's Phädon und Briefen 87^
Wilhelmi: JGeschiehte von Sinsheim 221
Wimmer; Flora von Schlesien 891
Windscheid: Actio des rOnu Civilrechts 401
WOrl: Bericht aber römische MOnzen u. s. w. 94l
Wrighton: Geschichte des neuem Italiens v. Seybt . . . 174
V. Wurzhach: Biographisches Lezicon von Oesterreich ... 471
Wurzbach v. Tannenberg: Uebersieht d. Literatur v. Oesterr. 221
Wuttke: Die drei Kriegsjahre 1766 ff. Von Huschberg . . ^Sl
Xenophon's Anabasis, von Voll brecht. 1. Bd 871
Xebophon's Anabasis, by J. Boise . • 611
XenophonU hellenische Geschichte von Eieckher. . . • 88S
Zeller: Philosophie der Griechen I. . • iH
— Philosophie der Griechen U 181
Ziller: Einleitung in die PSdagogik "M
-— Die Regierung der Kinder • • 7*^
Zimmerle: Das deutsche Stammgutssystem Sti
Zimmermann: Geschichte des Bauemkriegee. Neue Auflage . 284
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AUü 1 :' 1S41
AUü 1 :' 1941