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Full text of "Heidelberger Jahrbücher der Literatur"

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^    HEIDELBERGER 

JAHRBÜCHER 


DER 


LITEMTUR. 


Fünfzigster  Jdhtgcmg. 

Hrsto  HSlfto. 
Januar  bis  Juni. 


leMelberg. 

Akademische  Veriagshandlaog  von  J.  C.  B.  Mohr. 
1867. 


HEIDELBERGER 

JAHRBVCHER 


DER 


LITERATUR. 


FOnfsigaler  Jahrgang, 

Zwdte  HUfto. 

Juli  bis  Dezember« 


HeMelWrg. 

Akademisdie  Veritgshandlang  von  J.  C.  B.  Mohr. 
18ft7. 


X. 


Ir.  L  HEIDELBERGER  /,   1857. 

JAHRBOGHBR  dir  LITERATUR. 


De  Bodem  van  Nederland.  De  ZamensltUmg  en  hd  orMaan  der 
Oronden  in  Nederland  ien  behoeve  van  het  älgemeen  Beeehrer 
ven  door  W.  C.  H.  Staring.  Eer$U  DeeL  441  pag.  in  8. 
Haarlem^  A.  C.  Kruseman,  1856, 


Vor  mehreren  Jahren  wurde  eine  Gommlaaion  bestellt,  deren 
Angabe  die  geognoetiache  Unteranchnng  Hollands  war,  und  8ta* 
ring  xum  Mitgliede  und  Schriftffihrer  ernannt.  Seit  einiger  Zeit 
schon  löste  sich  die  Gonunlssion  auf  und  Tsröffentliehte  die  Ergeh* 
Dttse  ihrer  Forschungen.  Unser  Verfasser  theilt  die  ihm  eigenthfim* 
liehen  Bemerkungen  mit  Wir  entlehnen  aus  dem  vorliegenden  ersten 
Bande  folgende  Andeutungen. 

Die  Torf-Gebilde  sind  in  solcher  Weise  abgehandelt,  dass  fiber 
alle  Fragen  Aufschluss  geboten  wird,  an  diese  Erscheinungen  ideh 
knfipfend,  was  nur  gelingen  konnte,  indem  man  die  niederen,  unter 
Wasser  entstehenden  Torf<Ablagemngen  von  den  hohen  nntenchied, 
bei  denen  stets  Wftlder  die  erste  bedingende  Ursache  sind,  sodann 
sudi  Ton  den  sumpfigen,  durch  Rieihgraeser  erseugten  Torfe.  Qe- 
naae  Erforschung  des  Gehöhces ,  in  unendlicher  Menge  im  Torf  der 
l^iederlande  begraben,  gewSlirten  Yiele  bemerkenswerdie  Thatsachen, 
diensam  zur  Erklärung  der  Braun*  und  Steinkohlen -Formationen, 
welche  sich  nach  Staring  ebenfalls  nur  erlangen  lässt  durch  gründ- 
liches Studium  der  Wälder  heutiger  Zeit. 

Was  eine  angenommene  fortdauernde  Senkung  des  hoUändi* 
sehen  Bodens  betrifit,  so  gilt  solche  dem  Verfasser  ids  ginslich  un- 
begründete  Hypothese.  Die  Senkung  der  Oberfläche  ehigedammter 
Landstrecken  dagegen,  in  Folge  einer  Zusammenpressnng  der  die- 
selben l^edeekenden  Thonlagen,  erscheint  ihm  als  erwiesene  Thatsacfae. 
Noch  yermisst  man  allerdings  Beobachtungen,  um  daranthnn,  wie 
der  Hergang  gewesen  bei  sämmtlichen  eingedämmten  Strecken:  ob 
sie  sich  gleich  anfänglich  nach  der  Trockenlegung  senkten,  oder  spä- 
ter? ob  die  Senkung  noch  fortdauert  bei  jenen,  deren  Dämme  be- 
reits mehrere  Jahrhunderte  zählen?  ob  die  Torischichten,  welche 
man  aehr  oft  zwischen  dem  oberflächlichen  Thon  eingedämmter  Strecken 
ond  dem  stets  die  Unterlage  ausmachenden  Sand  trifft,  wesentlichen 
Antheil  haben  an  der  Senkung?  u.  s.  w.  —  Zu  bedauern  ist,  dass 
|dem  Verf.  die  Mittel  nicht  geboten  waren,  um  seine  Untersuchungen 
Bfai  dieser  Hhisicht  weiter  fortzusetzen  und  zu  entscheidenden  Be- 
soltaten  an  gelangen. 

Die  geologische  Geschichte  der  niedem  Torf- Ablagerungen  ver- 
sachte  Staring  zu  entwidkeb,  und  in  gleicher  Weise  jene  der 
mariniaehen  Alluvionen.  Bei  letztem  sind  mehrere,  untereinander 
sehr  rerschiedene  Epochen  anzunehmen. 

L.  Jihrg.  1.  Helt  1 


t  Grlmif  Gnodsfige  dw  dtogsoiie« 

Dem  hemdMuden  Okraben  der  Ufef-Bewohott  eatg^fts,  SOxxt 
mifler  Verf.  deQ  Beweis,  dass  der  Boden  der  Fliiate,  Äenne  dei 
Kheinee  und  der  Maas,  sich  nicht  im  geringsten  weiter  erheben  and 
keineswegs  2a  fürchten  seil  es  würden  einst  die  Dämme  onzurei- 
ebend  werden. 

Unter  den  beigefügten  Tafeln  sind  besonders  die  ersten  fünf  za 
beachten.  Sie  epthalten  mlkroskepische  Qner-  nnd  Rinde*8chnitte 
unserer  gewöhnlichen  Holzarten  —  Eichen,  Pappeln,  Eschen,  Taxos, 
Birken,  Eaefem,  Tannen,  Erlen  u.  s.  w.  —  zur  Vergleichnng  nnd  Be- 
•ümmong  im  Torf  Terkoaimender  Holzarten  geeignet,  so  wie  tthnliche 
Dordiseluiitte  von  Stücken  dieser  letztem  selbst 

In  einem  zweiten  Bande,  welcher  in  Aussicht  gestellt  wird, 
spll  das  erratische  Gebiet  znr  l^radie  kommen,  desgleichen  die 
wenigen  vorhandenen  tertiären  und  secandären  Formationen. 


OtundKÜgt  der  Oiognode  für  Bergmänner  j  »unächsi  für  die  dee 
öäerreiehiaehen  KtUeeretaatee.  Von  Johann  Grimm,  Diree- 
Ur  der  k.  k.  MonUm'Lehranstaä  tmd  der  Bergachtde  su  Prsv- 
hrcam.  Z/weite,  um  dae  DoppdU  vermehrte  und  verbeseerie  Auf" 
läge.  XXX  und  360  8,  in  8.  Prag,  1866.  In  Commisnon 
der  J.  G,  Caive^echen  Buchhandlung. 

Keineswegs  onbegründet  sind  die  Vorwürfe,  welche  der  Ver- 
fasser, von  seinem  Standpunkt  aus,  neueren  geognostischen  Lehr- 
büchern im  Allgemeinen  macht:  dass  die  Wissensdiaft  zu  wenig  in 
der  praktischen  Bergleuten  förderlichen  Richtung  aufgefasst  und  be- 
handelt, dass  namentlich  den  fossile  Reste  enthaltenden  sedimentären 
OesteJoen  überwiegend  grössere  Aufmerksamkeit  gewidmet  worden, 
während  man  die  besonderen  Lagerstätte  nutzbarer  Mineralien  meist 
mr  angedeutet  finde.  In  Auftrag  des  Ministeriums  für  Landes- 
Gohur  nnd  Bergwesen  erfolgte  die  Ausarbeitung  vorliegender  Grund- 
^e  der  Geologie,  wobei  man  praktische  Zwecke  im  Auge  hatte, 
besonders  die  Vorträge  in  den,  an  mehreren  Orten  des  Kaiserstaates 
errichteten,  Bergschulen.  Eigene  Erfahrungen  und  Beobachtungen 
während  einer  langjährigen  bergmännischen  Laufbahn  standen  dem 
Verfasser  zu  Gebot,  und  die  ausserdem  benutzten  und  namhaft  ge- 
aaehten  Qnellen  thun  dessen  Vertrautsein  mit  der  Fach-Literatur 
dar«  In  der  Sehilderang  der  Gebirge -Formationen  führt  Grimm 
ein  QebUde  auf,  welches,  der  grossen  Verbreitung  ungeachtet,  Inj 
andern  Lehtbfiebem  nur  sehr  vorübergehend  erwähnt,  oder  dessen 
gar  nicht  gedacht  wird.  Es  Ist  dies  das  Gebilde  des  Wiener  Sand- 
steines und  Alpenkalkes  und  des  Karpathen^Sandsteines  und  Kar- 
pathen-Kaikes,  eine  Zusanunenstellung  die  sich  auf  eigene  Beobaoh- 
tm^en  stützt  und  ani  Wahrnehmungen  anderer  Geologen,  zumal  auf 
jene  von  Fartsch. 


Nach  T«d«if  tob  drei  Jahren  wurde  sehen  eine  nene  Anfiace 
fDD  QrimB's  «Grandsfigen^  noihwendig,  ein  Beweii»  ima  er  Ae 
fchegteo  Abdeblen  nicht  Terfehlt  habe.  Er  fand  eich  Jedeeh  in 
TöU^;er  Unarb^tnaf  and  weeentiiclier  Vennahrang  idner  Schrill 
bewogen,  weiche  nun  aogleich  für  eioen  grtaem,  mehr  voif ebilda* 
ten  Leserkreic  beatlnuDi  ist.  80  tiifk  man  dac  Weeentiteha  ana 
den  Gebiete  der  Vemtetaiarangs-Kaade  hi  gedrJtegtan  Ahrieae  heiga- 
fügt,  ttiid  der  bergmanniaeh  prakliachen  Biehtang  des  Bnohea  ge- 
nOtas,  di^fessücn  Beste  der  SteinkoUen-FonMitien  am  anafUirlich- 
sten  behandelt  Femer  wnrde  der  Lehre  Ton  den  besonden  Lagei^ 
stitten  Btttabarer  Hinendlen  voraäi^che  Beachtang  gewidmet ,  wie 
sohlias  ans  der  Inhalta-Uebersicbt  (S.  XXVin  nnd  XXIX)  an  ent- 
nehmen. Zn  Bespielen  geognostischer  V^lLommnisse  nnd  bergmln- 
Bisch  wichtiger  Erscheinungen  wählte  der  Verl.  die  melsCen  ans  «atar^ 
reidiischcD  Landern,  darunter  Tiele,  die  er  seihst  beobadilata.  Dia 
DarateUung  der  VeriiSltaisse  bi  mehrwen  Bergrerleren  BMimena,  Kim-* 
thena,  Siebenbürgens  u.  s.  w.  enthSIt  manchea  Nene  oder  wenig  Be- 
kannte. —  Den  Schluss  macht  eine  tabellarische  UebenMiC  der  ehn^ 
rakteristischen  Eigenschaften  und  Yerhiknisae  widitigerar  (i1dMl|[S 
Gestefine,  tf e  sehn^  nnd  in  bequemster  Weise  Anftchlnas  gewtttt 
was  weaentUehe  und  steHTcrtretende  Bestandtheile  betrifft,  Sltucter, 
beieichneBde  Beimengungen  und  ElnachlOsse,  UebergSaga,  Lageougi 
Erxiahrung  u.  s.  w.,  IcigUch  AnfXngmi  gnta  Dienste  lehrtet 

w*  i 


I>.  Ludw.  Imhoff:  Versueh  einer  Einführung  in  da$  Süudium 
der  KoUopteren.  11  Thle.  19  u.  JXKl,  114  u.  272  8.,  26  Tfln. 
Abbüd.  nebsi  Erklärung,  in  gr.  8.  Baeü,  1866 ,  auf  Kosten 
des  Verfassers, 

WihrcBd  nusere  Litteratur  nicht  arm  ist  an  aBgemaineren  and  aum 
IUI  BSnderaichen  Werken  Aber  Entomelegiey  an  Monogra|ihle'n  flbev 
dnaebe  Familien  und  Sippen  wie  an  Untersuchungen  einselner  Ter* 
hah^toae  mid  Beilehungen  durch  alle  Abstufungen  des  Syatemes  hhi, 
iashesondere  aber  die  Beschreibungen  ausUndisdicr  Reisen  uns  au* 
jttirlich  eine  grosse  Ausbeate  einbringen,  lehite  ans  eine  wissen« 
schalüidke  Einleitung  m  das  Studium  der  Koleopteren- Klasse  als  sei* 
dier,  md  fiese  ist  es,  die  uns  der  Verf.  intensir  gehaltreieli,  eoitensiv 
In  angemessenem  Umlange  und,  waa  die  Form  betiiflk,  in  reichBcber 
V  nvreekmässiger  Ausstattung  hier  darbietet  Waa  che  Ineekten  im 
Allgemeinen  angeht,  was  die  Kälsr  mit  den  übrigen  KerbtUeien 
sBsammen  gemein  haben,  das  setzt  er  als  bekannt  voraus  and  gebt 
lädit  in  nflicre  Erklärung  darmif  ein;  was  ihnen  aber  als  besonderer 
Sasse  dgea  ist,  das  finden  wir  in  wissenschaftlicher  Weise  reieb* 
Wi  und  libenIchtUch  auf  kleinem  Baume  hier  ausammengedrangt 
Ba  er  nur  eine  Enifilhrang  ins  Studium  der  Koleoptecen  au  geben. 


4  tolioff:    Veranefa  einer  iBtatahruif  etc. 

beabsichtigt,  so  steigt  er  doreh  die  allgemeinen  Glieder  abwIrts  nur 
bis  sor  Aufsäfalnng  der  Unterfamilien  und  Sippen  herab ,  ohne  in 
der  Regel  diese  letzten  su  charakterisiren,  nnd  nar  selten  eiuEelae 
Arten  derselben  mit  aafsShlend;  aber  er  verweiset  auf  die  Werke, 
wo  diese  besehrieben  su  finden  sind.  Obwohl  das  Werk  In  einen 
allgemeinen  nnd  einen  speziellen  Theil  zerfällt,  so  ist  Diess  doeh 
nur  relativ  sn  verstehen  nnd  eigentlich  das  Ganzen  nnr  als  der  all* 
gemeine  Theii  der  Koleopteren-Knnde  zn  betrachten.  Doch  wir 
können  das  Gesagte  nicht  besser  belegen,  als  indem  wir  8em  Verf. 
in  seinem  Ideen*Gange  zu  folgen  versuchen.  Im  allgemeinen  Theile 
ist  der  erste  Abschnitt  dem  Nutzen  und  Schaden  der  Koleopteren, 
ihren  Beziehungen  zu  Menschen,  Thieren  und  Pflanzen  gewidmet 
und  wohl  geeignet  das  nähere  Interresse  für  sie  zu  erregen.  Der 
zweite  Abschnitt  beschreibt  die  äusseren  Form* Verhältnisse,  die  in* 
nere  Organisation  und  die  Lebens-Verrichtungen  der  Käfer  in  um- 
fassender und  anziehender  Weise,  in  ähnlicher  Welse  etwa,  wie  das 
bekannte  klassische  Werk  von  Kirby  und  Spence  es  für  die  Insek- 
ten überhaupt  thut.  Ihre  Sinnes-Organe,  ihre  Empfindungen,  ihre 
Instinkte,  ihre  Töne,  ihre  Nahrung  und  Ernährungs- Weise,  ihre  Re- 
spiration, Blut-Absonderungen  n.  dgl.,  dann  endlich  Wachisthum  und 
Fortpflanzung  sind  Gegenstände  belehrender  und  ziemlich  erschöpfen- 
der Darstellung  in  eben  so  vielen  kürzeren  Kapiteln.  Ein  dritter 
Abschnitt  endlieh  betrachtet  die  Koleopteren  als  Individuen  nnd 
Arten,  ah  Gegenstände  der  Klassifikation. 

Was  den  besonderen  Theil  betrifft,  so  enthält  er  eine  umfäng- 
liche Charakteristik  der  Ordnungen  oder  ihrer  Sektionen,  der  Familien, 
Unterfamilien  oder  Familien-Sektionen  und  Gruppen  mit  Aufzählung 
und  mitunter  Charakteristik  wenigstens  eines  Theils  der  Sippen.  Er 
hat  die  Eintheilung  nach  der  Anzahl  der  Tarsal-Glieder ,  welche 
zwar  bequem  aber  unnatürlich  ist,  aufgegeben,  aber  die  übrigen 
grösseren  Sekttonen  von  Latreille  angenommen,  mit  solchen  Ab- 
änderungen in  der  Güederung  und  Ergänzungen  in  der  Charakteri- 
stik, wie  neuere  Forschungen  sie  nothwendlg  gemacht  haben.  Wäh- 
rend aber  diese  Darstellungen  eine  eben  so  anziehende  als  beleh- 
rende Lektüre  für  jeden  Naturfreund  überhaupt  und  für  den  Koleop- 
terologen  insbesondere  darbieten,  schaffen  ihm  die  vortrefflichen  Ab- 
bildungen die  genügenden  Mittel,  sich  mit  Müsse  in  dieses  System 
einzuarbeiten  und  sich  die  einzelnen  Formen  durch  genaues  Studium 
Ihres  Habitus  wie  Ihrer  Charaktere  lebhaft  zu  vergegenwärtigen  und  im 
Gedächtnisse  aufzubewahren.  Diese  Abbildungen  sind  nur  in  schar- 
fen Umrissen  gegeben,  was  zum  genauen  Studium  feinerer  Theile  . 
zweckmässiger  ist  als  schatdrte  Bilder.  Kleine  Arten  sind  Im  Gan- 
zen oder  ihren  charakteristischen  Theilen,  Ihren  Köpfen,  Fühlern, 
Tarsen,  Klauen  nach  vergrössert,  grosse  Arten  nur  zur  Hälfte  dar^ 
gestellt^  da  die  zweite  Hälfte  nichts  anders  als  die  erste  gebracht 
haben  würde.  Von  manchen  ist  nur  der  Vordertheil  ohne  den  Hin* 
teriheil  gezeichneti  wo  dieser  keine  besonderen  Merkmale  mehr  dar« 


▲«der 

UetaB  IcMDl«;  Ae  Namen-ErkUraDg  and  Heimaths-Aii(alM  iit  «al 
Blittani  gedrackt,  weiche  sich  den  Tafeln  gegenüber  nnhcMngea^ 
8e  iel  ee  möglich  geworden,  auf  25  Tafelh  660  Figuren  eben  so 
vieler  Terachiedener  Unterfamilien ,  Gruppen  und  Sippen  m  gaben; 
and  um  ehien  näheren  Masetab  au  bieten,  führen  wir  an,  daae  die 
AbtheUuDg  der  Staphylhiea  durch  die  voUfltXndigen  oder  halbirtan 
Figuren  von  33  renchiedenen  Sippen  erllntert  Ist,  welche  das 
Stadium  ausserordentlich  erleichtem,  da  sie  dem  Auge  deren  unmit« 
teibare  Vergleichung  möglich  machen.  Von  dem  Beichthum  mehr 
and  weniger  aar  Gharakterisirung  und  Erörterung  gelangter  Grup- 
pen- and  Sipp«i  Namen  vermag  man  aus  dem  alphabelisehan  Register 
eiaea  Maasstsb  au  gewinnen,  welches  das  rasche  Autfinden  von 
8100  Namen  erleichtert  So  hegen  wir  die  Ueberaeuguug,  dass  diese 
Schrift  manchen  Schfiler  für  die  Koleopteren-Knnde  gewinnen,  man- 
chem Freund  der  Naturgeschichte  eine  angenelmie  und  belehrende 
Lektüre  bieten  und  manchem  älteren  Vertrauten  dieser  Thier-Eiasse 
ab  eine  Beicapitulation  der  fiber  sie  gemachten  Studien  auf 
aeaeeten  Standpunkte  der  Wissenschaft  willkommen  sein  werden 


Äug  der  Naktr.  Die  neue$Un  Etddeekunfen  auf  dem  Gebiete  der 
Naiurwiseensehafleiu  8.  Qrauiüaeken^  Qebirfe.  -*  Dampfe 
sehen  und  Sprengen  durch  den  eleeiriedien  Strom.  —  OleUcher* 
—  Kaut§eht$k  und  QuUa  Percha.  —  lieber  die  Sinne.  —  iKe* 
chen.  —  Pflaneen-Oeographie.  Leipeig,  Yerlag  von  Jmbr*  JbeL 
2866.    S.  296. 

Es  freut  uns  von  dem  aehten  Bande  dieser  Sammhmg  treff- 
Udier  AuMtae  sagen  au  können,  dass  er  an  Vorsfiglichkeit  den 
vorhergehenden  nicht  nadisteht  So  leicht  geschieht  es  bei  decar- 
tigen  Untemehmangen,  dass  das  Material  erschöpft  wird;  dies  ist 
aber  hier  keineswegs  der  Fall.  Wir  finden  die  nämliche  lebendige^ 
Uare  Darstellong,  wie  in  den  früheren  Jahrgängen. 

Gleich  der  erste  Aufsata  fesselt  unser  Interesse  in  hohem  Grade. 
Auf  einem  Baam  von  kaum  drei  Bogen  sind  die  Verhältnisse  des 
ffOianwaeke- Gebirges^  von  den  versdüedensten  Standpankten  aus 
betrachtet  mit  gromer  Sachkenntniss  geschiidert  Der  Name  Grau* 
wacke  wurde  bereits  von  Werner  und  Mobs  dem  vorherrschenden 
Gliede  der  ganzen  Gesteins-Formation  gegeben  und  später  auf  lets- 
tere  in  ihrer  Gesammtheit  ausgedehnt  und  bis  auf  die  neueste  Zeit 
bdlMdialten,  obwohl  einige  englische  Geologen  viel  an  demselben  aus- 
nsetaen  fanden.  Der  Verfasser  beschreibt  uns  aanächst  die  Gesteine 
der  ältesten  Sedimentär -Formation;  die  vorwaltenden:  Grauwacke, 
Tbonschiefer,  Sandstein  und  Kalkstein;  dann  die  untergeordneten, 
welche  —  wie  er  treffend  bemerkt  —  „gleichsam  «hi  Zienath  in 


«  A*  aar  KüQl. 

dem  BttMogettiSoer,  die  Einförmigkeit  nnterbrecbend  wftMleo(^,Biiii* 
Heb  Mergel,  Gyps,  DolonH,  Stetofals  und  StefnlEolile. 

Die  Soeoerle,  der  kuidseliAftfiehe  Charakter  der  Oraawacke- 
PorsMtifNi  M  aehr  aHumig&ltig;  wo  die  Sehichtang  imgestörti  da 
aelgett  tioh  einfVrmigey  kahle  Ebeoen.  Aber  Ib  höheren  R^gtonen, 
wo  beirftchtliohe  Hebimgen  statt  hatten,  da  trägt  Alles  ein  wildes, 
oft  sdianerliches  Gepräge.  Besonders  im  Hoefagebirge  ragen  die 
Sehiefer^HasBen  in  scharf  aasgesaekteo  Kämmen,  Graten  ond  Na- 
dein,  in  sohlanken  ond  spitsen  Pyramiden  empor,  die  Kalksteine 
thürmen  steile  Manern,  kahle,  schroffe,  unersteigbare  Felsensähne 
nd  gigantMie  Kegel  auf*  IHe  Sehweiser  and  Tyroler  Alpen  aei- 
gen ans  diese  Scenerien  des  Gtanwacke- Gebirges  in  den  hdberen 
nnd  fattsiBten  Stnfen  ihrer  AusUldong,  der  Hars,  Thörtnger  Wald 
md  das  rheinische  Sohiefer-Qeblrge  In  ihren  niederen  Slofsn.  Die 
häehsCe  fahrbave  Strasse  in  Europa,  die  sehn  Stonden  lange  Strecke 
«ber  das  StUber  Jeeh  (Passhöhe  8610  Puss)  ron  Nanders  nach 
Boimlo  eröffnet  deaa  Wanderer  die  bequemste  Passage  durch  die 
wildeste  and  schanerllcfcste  Landschaft  des  Granwacke^Hochgeblrgee, 
die  das  Volk  auch  beadchnend  das  Ende  der  Welt  nennt. 

Der  Verfasser  geht  nun  au  der  nationalökonomischen  Bedeutung 
der  Grauwacke  -  Formation  über.  Es  sind  zunächst  die  Felsarten 
selbst,  die  vielfache  Anwendung  finden ;  feinkörnige  und  dichte  Oran- 
wacken  nnd  quarcige  Sandsteine  lielsm  treffllebe  Bsnsteine.  Die 
Kalksteine  werden  in  Ihren  reineren  Abänderungen  Tieifaek  su  Kunst- 
werken rerarbeitet  (wie  s.  B.  in  Nassau).  Ein  besonders  geschätates 
vnd  wichtiges  Material  cur  Daehdeekung  sind  aber  die  Thonsdiiefer, 
detOn  Oewinttvag  lllr  manche  Gegenden  (Thflrtageo,  Hara)  eine  er- 
giebige Erwerbs-Quelle.  —  Noch  bedeutender  sind  jedoch  die  Schätae, 
welche  die  Orauwacke-Formation  in  ihr^m  Schosse  birgt;  auf  Gän- 
9Say  Lagern  und  Stöcken  koonnen  die  yeischiedenslen  Ene  vor. 
in  Dentichiand  (Hars,  Westpbalen,  Nassau  u.  s.  w.)  treffen  wir 
loHipts&ekliob  Eisenerae;  ferner  Kupfererae,  wie  a.  B.  an  dem  be- 
rtthmten  Bammdkberg  bei  Ooriar,  wo  man  sehen  unter  Heinrieh  dem 
Vogelsteller  Bergbau  teieb.  Bteierse  ~  die  besonders  an  die  Kalk- 
steine gebunden  an  sein  seheinen  —  sind  namentlich  in  Nordamerica 
an  Hiause.  Die  edleren  Bietalie,  Silber  nnd  Gold,  treten  auf  Era- 
gängen  In  Mexico  und  Peru  in  grossartigster  Weise  auf;  gegen  500 
Qrie  sind  dort  hi  nahe  an  300  Gruben  mit  der  Gewinnung  beschäf- 
iigL  Die  In  Thonschiefer  bauenden  Gruben  von  Petoai  Meierten 
aüein  Im  Jahre  1804  an  400000  Pftrod  SÜben 

Bigenthflmiich  ist  das  Ersdieinen  gewisser  £ruptiy*Gesteine,  die 
wk  in  den  Tenchiedensten  Gegenden  —  Hars,  Franken,  Nassau, 
Westpbalen  n«  s.  w.  ^-<-  im  Bereiche  der  Grauwacke-Gruppe  unter 
anali^en  Verhältnlssea  treffen,  die  von  mannigfachem  Wissenschaft- 
Hohem  Interesse.  Mit  Recht  spricht  sich  unser  Verfasser  gegen  die 
Ansicht  jener  Natarforscber  aus,  welche  die  eruptive  Natur  der  ,,Grttn« 
stefaM^  beatiekeai  dodi  gibt  es  henmtage  — »  so  sagt  derselbe  <-* 


Am  itr  HttM,  7 

Vtagäi  der  N^toiiifoiiit  in  Mine  DaiürliclMa  GrasMA  M* 
riickgedriiifft,  eiiiMla«  Geologeo,  samü  bibelgläubiga,  vdch«  liih 
gagttt  ihre  UebeneugBiig  Ton  der  Waaeer-Hypotheie  nieht  laaaagao 
woUeB.  —  Atteh  Granite  und  Porphyre  apielea  keiae  OAbedettleode 
BoUe  im  Gebiet  der  Graawacke  Fematioo. 

lieber  die  orgaiiiaoheii  Beate  onaerer  Groppe  iat  «sf  venif  ea 
Sdtea  daa  Wiaaeoairertheate  hervergebobea.  Die  Pflaawwelt  dar 
Gkanwacke-Zeit  war  eiM  überMia  dürftige,  da  nur  eiaaelae  kahle» 
öde  FelaeOy  aUrrea  und  leatea  Geatein  iiber  den  Spiegel  dea  UreceaM 
iMnrenagCen.  AUmibllg  erat  bereiteten  die  Wogen  einen  achlamiai« 
gen  Boden  vor,  miacbten  in  denaelben  ihre  eigenen  orgaateohea  Q9- 
eehöpfe,  welche  naehkommeadea  Geaehleehtem  Mahruagaatoflh  lie- 
ierten.  Wo  die  Wellen  aich  zuräekaogaa  and  den  neaea  Bodea 
trecken  legten,  da  wucherte  alabald  eine  üppigere,  wean  nach  neÄ 
einlonaige  Vegetation  herror,  Algen  nad  Galinniten  —  jene  SduMb* 
lelhaim-artigen,  deutlich  gogliederteD  Stengel,  Ae  daa  HaaplaMileiial 
I9r  viele  Kohleoflötie  in  der  SteinkoUen-Formalion  lieferten  —  aiad 
aater  die  häufigeren  Pflanxen-Beate  zu  rechnen.  «-«  In  weit  grdaaerer 
IfaimigfaUigkelt  tritt  una  daa  Thier-Beioh  der  Graawacke-JEpoeha 
entgegen;  in  buntem  Gewirre  dringen  aich  die  rerachiedenatea  Q^ 
■taken  dnrdieiBander,  manche  in  ao  aonderbaren,  phaataatiaehen  For^ 
men,  wie  wir  aie  in  keiner  der  epfiteren  Formationen  wieder  treffiani 
Ki»aUen,  StrahUhiere,  MoUnaceo,  Würmer,  Krebae  und  Fiachew  Dater 
dea  Korallea  verdienen  aunichat  die  Gr^itolithen  Erwftfaauag,  die 
einsig  auf  das  Grauwacke-Meer  beachrSnkt,  für  aoldiea  auch  in  hohem 
Grade  bezwchnend  aind.  Schon  den  geiatreichen  Liaatf  baachäfUg» 
tea  (1736)  dieae  räthaelhaften  Geachöpfet  bauptaftchUeh  ia  Sehieleni 
aaftretead,  atellea  eich  hier  ihre  aarten  Abdrücke  einem  SAgeblatt 
oder  einer  Feder  mit  Fahne  glefeh  dar.  Ana  dem  Beich  der  Strahl* 
thiere  machen  sich  beaondera  die  Gyatideen  geltend;  gleich  den  Chapi» 
taÜÜiea  diaracteriairen  aie  Torangaweiae  die  Grauwacke^Grappe,  na^ 
mentfich  deren  tiefere  Schichten  in  Bnaalaad  und  Scaadinaviea«  Unter 
dem  groaaen  Heer  der  Mollnaken  selgen  sich  BracUopoden  raid  Oa« 
phalopoden  in  groeaer  Häufigkeit  Ueber  den  inneren  Bau  der  eiat^ 
ren  ist  in  den  lotsten  Zeiten  Ausserordentliches  geleistet  worden; 
seit  der  TOrewigte  L.  r.  Buch  seine  claaaiacbe  AUiandlnng  über  die 
Terebcateln  (1834)  achrieb  bis  auf  die  mit  so  gläasendem  Erfolg 
gakrfeten  Forschungen  des  Briten  DaTidson.  Auch  das  Geschlecht 
der  Krebse  xählt  in  der  Epoche  der  Granwacke  sahireiche  und  höchst 
sonderbare  Bepräsentanten:  Die  Trilobiten,  so  genannt,  weil  des 
Körper  dieser  Thiere  der  Länge  wie  der  Breite  nach  in  drei  Stücke 
gegüedert  ist  Sie  müssen  unstreitig  als  die  characteristischaten  or- 
ganischen Beste  der  Grauwacke-Formation  betrachtet  werden.  Wenige 
foasae  Tbier-Geacfalechter  haben  so  sehr  die  Anlmerksamkeit  der 
Naturlorseher  beschäftigt;  von  Dalmaa  an  erwarben  sich  Ooldfosa, 
Qnenstedt,  Emmrich,  Burmeister  wesentliche  Verdienste,  namentUch 
aber  Barrande,  deaaen  gediegenea  Prachtwerk  über  dio  IMlobilaa 


8  Auf  der  Matnr. 

BVhmens,  desseo  geistvolle  Beobachtungen  über  die  MetamoipboM 
der  Trilobiten  allenthalben  die  höchste  Anerkennung  gefunden  haben. 
—  Dae  eigenthiimliche  durch  die  ganse  Grauwacken-Aera  hindurch- 
gehende Gesetz:  nämlich  dass  in  dieser  Utesten  Sedimentär Fornaa- 
tion  die  ersten  Vertreter  aus  den  Terschiedensten  Thier-Geschlechtern 
in  seltsamen,  fremdartigen  Gestalten  auftauchen,  hat  auch  die  Fische 
nicht  Terschont,  ja  es  hat  hier  sogar  seinen  Culminations-Punkt  er* 
reicht  Kein  Wunder,  dass  daher  diese  wunderlichen  Formen  Tiel-* 
fach  rerkannt  wurden,  dass  man  sie  für  Krebse,  Schildkröten,  sogar 
für  gigantische  Schwimmkäfer  hielt,  bis  vor  den  Kenner -Blicken 
Agassiis  die  Täuscbnog  schwand,  und  die  Fisch-Natur  sich  erwies. 

Alle  Versuche  einer  Gliederung  der  Grauwaoke-Formation  — 
deren  Schichten-Sjstem  in  manchen  Gegenden  bis  zu  30000  Fuss 
Mächtigkeit  ansteigt  —  waren  bis  zum  Jahre  1839  erfolglos  ge- 
blieben; da  erschien  Murchisons  Silurian- System  und  mit  ihm  be* 
gann  ein  neuer  Aufschwung.  Die  wichtigen  Resultate  zu  denen  der 
englische  Gebirgsforscher  nach  mehrjährigen  Untersuchungen  gelangte: 
Dass  die  älteste  Sedimentär-Gruppe  in  England  in  zwei  Hauptab- 
theilungen getrennt  werden  müsse,  von  welchen  er  die  untere  siln- 
risches,  die  obere  devonisches  System  nannte,  mussten  sich  nun  auch 
auf  die  auf  dem  Festlande  Terbreiteten  Gebilde  anwenden  lassen. 
Um  sich  selbst  hievon  zu  überzeugen,  durchwanderte  Murchison  jene 
Regionen  Deutschlands,  in  welchen  die  Grauwacke-Formation  haupt* 
sächlich  entwickelt,  die  Rheinlande,  den  Harz^  Franken,  Böhmen; 
begftb  sich  alsdann  nach  Rossland  und  dem  Ural,  nach  Scandina* 
Tien.  Auf  diesen  Reisen  sammelte  der  unermüdliche  englische 
Forscher  eine  Fülle  wichtiger  Thatsachen,  die  er  in  zwei  grosse* 
ren  Schriften  yeröffentlichte.  Aber  auch  die  Geologen  Deutschlands 
blieben  nicht  unthätig;  mit  dem  grössten  Eifer  ward  allenthalben 
die  Grauwacke-Gruppe  untersucht  und  nach  wenigen  Jahren  erschie« 
nen  mehrere  Werke,  die  an  Gediegenheit  jenen  Murchison's  keines- 
wegs nachstehen.  Unter  den  Männern,  welche  sich  um  die  Kennt- 
niss  des  „silurischen  und  devonischen  Systems^  wesentliche  Ver- 
dienste erwarben,  sind  besonders  zu  nennen:  Barrande,  v.  Dechen, 
die  Brüder  Sandberger  und  Ferd.  Römer. 

Nachdem  wir  uns  etwas  länger  bei  dem  ersten  Aufsatze  ver» 
weilt,  in  welchem  wir  die  Feder  nicht  verkannt  haben,  die  den 
trefflichen  (loa  vierten  Band  enthaltenen)  Aufsatz  über  das  Stein- 
kolüen  Gebirge  schrieb,  wollen  wir  die  übrigen  nur  kurz  berühren, 
zumal  da  sie  meistens  dem  Fache  des  Refer.  fem  liegen.  Reich  an 
mannigfachem  Detail  und  sehr  belehrend  sind  die  Mittheilungen  über 
^Dampfgeschoss  und  Sprengen  durch  den  electrischen  Strom^  und 
über  Pflanzengeographie. 

Aus  dem  über  Gletscher  Gresagten  geht  hervor,  dass  dem  Ver^ 
fasser  die  reichhaltige  Literatur  über  diesen  Gegenstand  —  von 
Scheuchzer  und  Saussure  bis  zu  deta  neuesten  Forschungen  der  Brü- 
der ScUagintweit  —  nicht  unbekannt  und  unbenutzt  blieb.    Der 


Lodwif :    D»t  kobleMtvre  Gm  ete.  9 

Zrit  gefBhrte,  bis  war  ErbitteruD(^  gestiegene  Ksmpf  über 
die  Bewegvng  der  Gletscher  ist  Ifingst  beendigt  und  es  dürfte  das 
rithseihafte  Vorräcken  jener  Eiseolosse  nach  den  Untersnchongen  der 
Brüder  Schlagintweit  anf  einer  durch  Mächtiglteit  und  Druck  der 
Masse  faerrorgebrachten ,  feinen  capillaren  Zersplitterung  beruhen, 
geeignet  den  Gletscher  in  den  eigenthümlichen  Zustand  su  versetsen, 
der  von  Forbes  angenommenen  Halbflössigkeit  entsprechend;  mit 
Recht  kann  man  also  den  Gletscher  einem  Eisstrom  Tergleicheni  der 
in  das  Thal  herabfliesst,  hier  aber  durch  WSrme  der  Umgebung  an 
wdterem  Vordringen  gehindert  wird.  Unter  den  denkwürdigen  Er- 
scbetDungen  in  der  Gletscher-Welt  wollen  wir  hier  nur  einer  |re- 
deaken,  weil  sich  Schlagintweit  besonders  mit  derselben  be* 
scfalltigt  hat:  die  sogenannten  blauen  BSnder.  Bekanntlich  besteht 
das  Gletschereis  schichtenweise  aus  weissem  Inftblasenreichem  und 
Uanem  Inftblasenfreiem  Eise.  Gegen  das  Ende  der  GletMher  wer* 
den  die  blauen  BSnder  grösser  und  häufiger  als  in  der  Nähe  der 
Ffmlfaiien;  in  vertikaler  Richtung  nehmen  sie  etwas  ab  da  sie  in 
der  Tiefe  oft  sich  keilförmig  znspitsen  und  gans  in  der  Nähe  durch 
seitliche  kleine  Bänder  sich  fächerförmig  ausbreiten.  An  einem  Längs* 
durchschnitte  stehen  sie  in  der  Nähe  der  Fimlinie  vertical  und  bilden 
▼on  da  abwärts  immer  spitzere  Winkel  mit  der  horisontal  gedachten 
Dnteriage  des  Gletschers.  Es  sind  diese  Bänder  von  der  Schichtung 
des  Firns  unabhängig;  sie  entstehen  erst  im  Eise  und  swar  durdh 
kleine  Spannungen,  welche  das  Eis  in  Folge  der  Spannung  nach 
abwärts  erleidet  Durch  die  ungleiche  Schmelzbarkeit  des  weissen 
nnd  blauen  Eises  werden  an  der  Oberfläche  der  Gletscher  Bogen 
sichtbar,  die  man  mit  dem  französchen  Namen  Ogiven  (Spitzbogen) 
besefebnet     Sie  sind  namentlich  sichere  Merkmale   für  das  allge-* 

Streichen  der  blauen  Bänder  an  der  Oberfläche. 


Das  kohlenMCture  Oob  in  den  ßoohpruddn  von  Nauheim  und  £m- 
ein^en  und  die  van  ihm  abhängenden  Erscheinungen  van  Ru- 
dolph Ludwig,  kurfürstl,  hess.  Salineninspeelor  und  Bade- 
Verwalter  su  Nauheim  ete.  Mit  zwei  geologischen  Profilgeieh- 
nungen.  Frankfürt  a.  Jlf.  Verlag  von  Heinrieh  KeUer,  (Vor- 
mali E,  8chmerber^sche  Buchhandlung.)    1866.    8.  69. 

Die  schäumenden  Thermal- Quellen  zu  Nauheim  und  Kissingen 
haben  In  jüngster  Zeit  eine  wahre  Berühmtheit  erlangt.  Um  so 
zweclunässiger  scheint  uns  die  in  vorliegendem  Werke  versuchte 
Sammlung  und  Kritik  der  einzelnen  über  ihr  Wesen  aufgetauchten 
Ansichten  —  um  so  mehr,  da  der  Verf.  durch  seine  langjährige 
Erfahrong  im  Stande  ist,  manche  neue,  für  die  Erklärung  über  Ent- 
stehung der  Sprudel  wichtige  Thatsacben  dem  schon  Vorhandenen 
l>eizttfngen.    Es  haben  aber  die  Sprudel  besonders  geologische  Be- 


iO  Lndwiff?    Pm  koldfliMVM  Gm  0IO. 

deutung;  Bia  machen  HUB  aufmerksam  auf  gewiBfe  im  Sebotse  der 
Erde  vorgeliende  chemische  Proeesse  und  geben  uns  sug^eich  eiiMD 
Wink  über  das  Zatagetreten  der  Sauerbrannen. 

Der  unter  dem  Namen  i^WeCterau^  bekannte  Landstrich  iat 
durch  einen  ungewöhnlichen  Reichthum  an  kohlensauren  QneUen 
ausgeselchnet.  Dieselben  treten  sämmtlich  -^  wie  Ludwig  schon 
bei  einer  früheren  Gelegenheit  aelgte  —  in  bestimmten  Reihen,  der 
Streichungs-Lliüe  der  Schichten  des  devonischen  Systemes  nemllch 
parallel,  aus  den  Sand-  und  Gerölle-Massen  der  Wetterauer  Tordftr- 
Formatlon  hervor.  Es  ist  diese  reihenweise  Anordnung  det  Mine- 
ralquellen dadurch  bedingt,  dass  das  devonische  oder  rheinische 
Schiefer-Gebirge  in  Folge  früher  an  der  Erdoberfläche  vorgegang^e* 
ner  Niveau* Veränderungen  in  viele  parallele  Fallen  gelegt  ist.  Alle 
Saoerqaellen  der  Wetterau  sowohl  als  des  Taunus  fördern  eine  be- 
trächtliche Menge  Kohlensäure;  diese  ist  theils  an  doppelt  koUen- 
saure  Erden  und  Metalloxydsalze  des  Mineralwassers  gebunden,  theils 
bleibt  sie  bei  dem  Austritt  der  Quellen  in  die  Luft  im  Wasser  aaf« 
gel5s6t,  theils  entweicht  sie  —  das  Moussiren  der  Quellen  bedingend 
—  in  sahlloeeD  Ferien.  Die  Atmosphäre  und  ihre  NiederschlSge 
üben  einen  unverkennbaren  Einfluss  auf  die  Quellen  ans.  Viele  ver* 
siegea  nach  anhaltend  trockener  Witterung  gänilich,  alle  geben  aber 
reichliches  Wasser  nach  feuchter  Jahreszeit.  Sämmtliche  Sprudel 
bei  Nauheim  bis  auf  die  Gurbrunnen  hinab,  sind  während  des  Vor- 
sommers nach  feuchtem  Frühlingswetter  sehr  ergiebig  und  ihre  Wafr- 
ser*Menge  nimmt  erst  im  Herbste  und  Winter  beträchtlich  ab. 

Die  Nauheimer  Salzbrunnen  —  seit  dem  Jahre  1830  grössten- 
theils  versiegt  oder  zugeworfen  —  waren  schon  in  früher  Zdt  be- 
kannt Dies  beweisen  unter  mächtiger  Lehmdeeke,  welche  sich  im 
Laufe  der  Zeit  auf  Rasen-Boden  absetzte,  vorhandene  Begräbnisa» 
Stätten  bei  Nauheim,  dieselben  stammen  aus  dem  fünften  Jahrhun- 
dert; uralte  Salzsiedestätten  bilden  die  Unterlage  des  Todtenfeldea. 
Es  sind  grosse,  eingemauerte  Thongefasse,  welche  —  zufolge  des 
dabei  liegenden  Pfannensteins  offenbar  zum  Kochen  und  Versieden 
der  kalkreichen  Nauheimer  Soole  gedient  haben.  Zahlreiche  In  der 
Nähe  Nauheims  aufgedeckte  Celten-Gräber  dürften  die  Vermuthung 
unterstützen ,  dass  jene  Salzsieder  celtiscben  Stammes  waren.  — 
Mit  dem  Abteufen  von  Bohrlöchern  begann  man  schon  im  Jahre  1816; 
aber  erst  1889  war  der  —  später  von  Bunsen  chemisch  nnd  phy- 
sikalisch untersuchte  —  Oassprudel  erbohrt,  welchem  das  Soolbad 
seine  Entstehung  verdankt  Im  Anfang  —  so  erzählt  unser  Ver- 
fasser —  erhob  sich  der  26^  R.  warme  Soolstrahl  16  F.  hoch  über 
den  Bohrkopf,  wobei  er  Sand  und  kleine  Steine  ausschleuderte.  All- 
mähllg  nahm  die  Sprunghöhe  ab,  die  Quelle  blieb  ganz  aus*  Nach 
-^^ederholtem  Anpumpen  zeigte  sie  ein  intermittirendes  Verhalten, 
ina«i4.  4Pk  Jinm  ^/l  Minaten  zu  10  Minuten  unter  Brausen  und  Fol« 
ten  12  bis  15  F.  hoch  sprang,  dann  wieder  zum  Niveau  des  Bohr- 
loches zurücksank  mi  schwächer  überlief.    Erst  nach  einiger  Zeit 


Udwift    Dn  koUenfattf»  Cat  ete.  !t 

isgelto  flidi  d«  AnafloiB,  weldier  dann  anter  iterker  KoUesBfiure- 
Batwickehmg  iiiid  ohne  latermittenc-ErMheioiiDgeii  in  eiiiam  swei 
liii  dr^  Fmt  hohen  Sttahle  ttati  iand.  (Wir  können  hier  auf  da«, 
vaa  fiber  (tte  einzelnen  Sprudel  gesagt  wird,  nicht  weiter  eingehen^ 
fadem  hiain  die  Tafel  mit  den  Oebirgsprofil  nothwendig.) 

Cheaii8(Ae  Analysen  der  Nauheimer  Sprudel  besitsen  wir  durch 
Bansen,  Bromeis  und  Avenarlus;  ids  Hauptbestandthelle  sind  nach 
den  GUomatrioni  n  nennen  Chlorealchim  nnd  Giüonnagnesium, 
koideDsaiire  Kalkerde,  kohlensaures  Eisen«  nnd  Manganozydul  und 
Kalkerde.    Sie  sprechen  unzweideutig  für  die  Ansicht! 

siamitUefae  Quellen  aus  einer  nnd  derselben  Soolschlcht  ab» 
md  unter  gleichen  Umständen  erzeugt  wurden.  Im  Ail- 
I  ist  den  tiefer  erborten  Quellen  grösserer  Salz-Reichthum 
eigen.  Welchen  chemisclien  Processen  die  Wasser  ihre  Bestand- 
theito  an  rerdanken  haben,  auf  welchen  Wegen  sie  ihnen  zugeführt 
wordeD  -*  dies  sind  schwer  zu  lösende  Fragen;  die  kohlensauren 
Balze  ttiainit  die  Soole  entweder  in  kalkigen  Gesteinen  anf ,  oder 
si«  weiden  ihr  zugeführt,  indem  kohlensiorehaltige  meteorische  Was- 
ser Kaikarbonat  bilden.  Alle  Nauhefmer  Soolen  treten  rollkommea 
klar  zn  Tage,  setzen  aber  an  der  Lufl  fortrinnend  reichlich  Eisen- 
oxjdhydrat  ab.  Eine  sehr  wichtige  RoHe  spielt  die  KohlensSnre,  sie 
ist  die  eigentliche  causa  movens.  Der  Verfasser  weist  auf  einer 
TabeUe  luich,  dais  reichere,  wärmere  Soole  em  geringeres  Absorp** 
tiona-Vermögen  für  Kohlensäure  besitzt,  als  ärmere,  kältere.  Eine 
Erklirang  für  die  Bewegung  der  Sprudel  und  für  ihre  Tenchiedene 
fipranghöhe  gibt  sieh  somit,  da  in  den  Tiefen  der  Bohrlöcher  auch 
die  In  den  oberen  Oeffnungra  gasförmig  entweichende  Kohlensäure 
latent  Ist,  da  die  reicheren  Soolen  in  den  Bohrlöchern  relatir  mehr 
Kohlensäure  enthalten  als  die  durch  Kohlensäure  ärmeres  meteori- 
sehen  Wasser  Terdünnten  Soolen.  Es  werden  demnach  die  Nauhei- 
mer Sprudel  durch  die  Entbindung  ihrer  Kohlensäure  gehoben,  welche 
in  der  Tiefe  von  Ihrer  Soole  absorbirt  gehalten  ist.  Jede  Störung 
der  Kdüensänre-Entwickelnng  vernichtet  das  Spiel  der  SprudeL  — 
Sdiliesslich  wirft  der  Yerf.  noch  einen  Blick  auf  die  geologische 
Bedeutung  der  Sprudel  und  sucht  mit  Recht  die  unbegründete  Be- 
sergniss  zu  beseitigen,  dass  durch  dieselben  beträchtliche  Aoswa- 
sdiongen  und  Bodensenkungen  im  Laufe  der  Zeit  bedingt  würden. 

Die  SoolBpmdel  in  Kissingen  zeigen  viele  Analogieen  mit  denen 
ven  Naaheim.  Auch  sie  sind  durch  Bohrungen  der  Erde  abgewon« 
nen,  entspringen  jedoch  Im  Zechstein -Dolomit  Der  Verf.  glaubt 
Uenuis  einen  nicht  unwichtigen  Schloss  ziehen  zu  können:  dass 
überall,  wo  sich  in  grösserer  Tiefe  kohlensaure  Kalk-  und  Magne- 
siasslze  nnd  Kieselerde  lagenweis  vergesellschaftet  finden.  Sauer« 
quellen  entstehen  können.  Der  intermittlrende  Soolsprodel  zu  Kis- 
singen wurde  Im  October  1822  er  bohrt;  die  gasöse  Soolouj^  di«|^. 
sa  Zwecken  der  Saline  nnd  des  Bades  ^i^uung^^'^nter  einem'  vo 
«as  nnd  Knpler  eenstruirten  zehn  Fuas^eiten  Schachte  wallt  dM 


1)  Cotits    Kohleii*KaHe. 

Wasser  siedend  empor.  Es  setst  jedoch  die  Qaelle  zuweflen  ms 
und  während  dieses  Zastandes  hat  in  der  im  Bobrloebe  befindlieben 
Boole  keine  Gas-Entwickelung  statt  Der  sogfenannte  Riesenspradd 
ist  gewöhnlich  augestopft,  nur  während  der  Knraeit  lässt  man  aile 
drei  bis  vier  Wochen  ans  einem  ans  dem  Bohrloch  abgelelteteii 
Springstock  die  Qaelle  ausströmen,  die  dann  efaien  76  Fnss  hohen 
Wasserstrahl  in  die  Lüfte  sendet 

Die  Yergleichnng  der  Nanheimer  nnd  Kissinger  Quellen  fttfart 
Lndwig  endlich  za  folgenden  Resultaten:  1)  die  Kohlenslnre^nt- 
Wickelung  ist  abhängig  von  dem  Vorhandensein  des  Kalksteins  in 
der  Tiefe;  2)  die  auf  natürlichen  Wegen  zu  Tage  tretenden  Quel- 
len werden  durch  tief  herabreichende  Bohrlöcher  aufgesogen;  8)  tiefer 
herabreichende  Bohrlöcher  können  flacheren  die  Zuflüsse  abschnei- 
den; 4)  für  Jeden  Punkt  der  Erde  gibt  es  ein  Maximum  der  Quel« 
len-Förderung  das  durch  Bohrloch  «Ablaufen  erreicht  werden  kann, 
aber  einmal  erreicht,  neue  Bohrungen  unnütz,  oder  die  schon  be- 
stehenden gefahrbringend  macht ;  und  5)  die  Aufsteigungs-Bewegnni^ 
der  gasösen  Quellen  wird  durch  Gasentbindung  unterstützt,  Ja  selbst 
gänzlich  bedingt. 


KoKlenrKarte,  auf  welcher  die  VerhreUunge-OAieie  der  KohUnfor^ 
mcdümen  im  Königreiche  Scicheen  dargestellt  dnd.  Herausge- 
geben von  B,  Cotta.  Verlag  van  J.  O.  Engelhard  in  Frei- 
berg;  1856,  Erläuterung  au  der  KokUn-Karte  von  Sachsen 
von  B.  Cotta,  Professor  der  Oeognosie  in  Freiberg.  Freiberg, 
Verlag  von  J.  Q,  Engelhard.    1866.    8.  36. 

Die  hohe  Bedeutung  der  Kohlen-Lager,  welche  das  Erdinnere 
birgt,  wird  von  Tag  zu  Tag  fühlbarer,  zumal  in  Deutschland,  wo 
Eisenbahnen,  die  mancherlei  Fabriken  u.  s.  w.  das  Bedürfhiss  immer 
mehr  steigern.  Allenthalben  entstehen  Actien- Vereine,  Überall  sucht 
nnd  bohrt  man  auf  Steinkohlen,  oft  an  Orten,  wo  nur  wenig  ge- 
gründete Aussicht,  solche  zu  finden,  vorhanden  ist 

Kein  deutsches,  überhaupt  kein  Land  ist  geologisch  so  gründ- 
lich durchforscht,  als  Sachsen.  Zu  diesem  Zweck  hat  die  sächsische 
Regierung  grosse  Opfer  gebracht  Dafür  besitzt  sie  aber  auch  eine 
Anzahl  der  vortrefflichsten  geognostischen  Karten,  und  eine  Gtone- 
ralkarte,  welche  letztere  im  Massstabe  von  einer  geographischen 
Meile  =  ^4  P^'  ^^^^  ^^  ganze  Oebiet  mehr  geologisch,  als  geog- 
nostisch  darstellt,  zugleich  einen  sehr  lehrreichen  Ueberbllck  über 
den  Bau  des  Erzgebirges  gewährt.  Schön  im  Jahr  1789  wurde  — 
auf  Antrag  des  Oberbergamtes  zu  Freiberg  '—-  eine  geognostische 
Dnt^rsochAing  Sachsens  angeordnet,  diese  aber  erst  1798  ernstlich 
begonnen.  Unter  der  Leitung  des  berühmten  Schöpfers  der  Geog^ 
nosiCi  unter  Werner,  nahm  dieselbe  ihren  Anfang;  nach  nnd  nach 


C^ttt:    loUen-Kafle.  13 

eine  AdmU  tficbtiger  Männer  dabei  beacbXftigt.  Die  Man* 
gelhaftigkeit  vieler  topographiecher  Vorlagen,  daa  UnauTerÜMige 
naaelier  ArbeUen  machten  in  den  dreiariger  und  an  Anfang  der 
viendger  Jahre  eine  nochmalige  Reviaion  des  ganaen  Gebietes  notli- 
wendig,  welche  den  Professoren  Naumann  und  Cotta  übertragen  und 

—  wie  an  erwarten  —  von  diesen  rühmlichst  ausgeführt  wurde. 
Die  sw51f  nach  dem  Uassstabe  von  1 :  120000  hergestellten  Karten 
bilden  insammen  die  grosse  Karte,  deren  Bänder  aahlreiche  Profile 
und  fiU&hen-Angaben  enthalten.  Auf  derselben  sind  70  Formationen 
und  Gesteine  durch  Farben  unterschieden  und  von  diesen  sind  die 
▼erberrschenden:  Gneiss  mit  60  QAieilen  Oberfläche,  Granit  mit 
56,  Thonschiefer  mit  43,  Grauwacke  mit  36,  Glimmerschierer  mit  34, 
bnater  Sandstein  mit  23,  Qnadersandstein  mit  21,  Muschelkalk  mit 
15,  Porphyr  mit  15,  Basalt  mit  13,  Rothliegendes  mit  11,  Grün* 
stein  mit  10,  Weissstein  mit  8;  die  übrigen  nehmen  alle  nur  unter 
5  Quellen  Oberfläche  ein. 

Es  fragt  sich  nun,  ob  bei  dem  reichlich  vorhandenen  Material 
noch  eine  besondere  Kohlen-Karte  von  Sachsen  nothwendig?  Für 
den  Greologen,  für  den  Fachmann  nicht,  wohl  aber  für  den  Laien, 
dem  solche  Karten  keineswegs  eine  sctmelle  und  verständliche  Ueber* 
meht  fiber  die  Kohlen-Verbreitung  gewähren.  .  Auf  geognostischen 
Karten  werden  Gesteine  oder  auch  ganie  Formationen  nach  ihrer 
Verbreiinng  auf  der  Erdoberfläche  dargestellt  Wo  also  a.  B.  Kohlen- 
Lager  von  neueren,  später  gebildeten  Gebirgsarten  bedeckt  sind, 
läset  sich  ihr  Yorliandensein  in  der  Tiefe  nicht  leicht  versinnlichen. 
Auf  den  geognostischen  Karten  Sachsens  nehmen  desshalb  die  ver- 
aehiedenen  Koblen-Formationen  viel  geringere  Verbreitungs-Bezirke 
ein,  als  ihnen  wirklich  zukommt.  Cotta  hat  daher  auf  vorliegender 
Karte  die  wahrscheinlichen  Ausdehnungen  der  verschiedenen  Kohlen* 
Gruppen  nicht  nur  nach  ihrer  oberflächlichen  Verbreitung,  sondern 
aneh  nach  ihrer  Fortsetzung  im  Schosse  der  Erde  —  in  so  weit 
neh  annehmen  lässt,  dass  sie  noch  für  den  Bergbau  erreichbar  sind 

—  angedeutet.  Er  unterscheidet  vier  Gebiete,  je  nachdem  dieselben 
mdir  oder  weniger  Hoffnung  gewähren,  darin  Kohlen-Lager  aufzu- 
finden; nämlich:  1)  Gebiete,  in  welchen  keinerlei  begründete  Hoff- 
nong  vorhanden  ist,  in  nur  irgend  einer  Tiefe  Kohlen-Lager  aufzu- 
finden; 2)  Gebiete,  welche  In  dieser  Beziehung  zweifelhaft  sind; 
3}  Gebiete,  in  welchen  eine  der  Kohlen  führenden  Formationen  in 
wahrscheinlich  erreichbarer  Tiefe  vorhanden  ist,  wo  also  Hoffnung, 
Kohlen^Lager  zu  finden  und  endlich  4)  Gebiete,  wo  bereits  solche 
bekannt 

Fast  in  allen  neptunischen  Formationen  gibt  es  Kohlen -Lageri 
aber  nach  Quantität  und  Qualität  sehr  verschieden.    So  umschliesst 

—  nm  nur  einiger  Beispiele  zu  gedenken,  dass  auch  in  Formatio« 
nen,  die  man  nicht  speciell  als  kohlenführende  bezdchnet,  solche 
vorhanden  —  das  sogenannte  Wälder-Gebilde  im  Scliaumburgischen 
und  in  Bückebvrg  zahlreiche  KohienflStze,  welche  an  ^üte  den  be* 


14  C«llt:    KdUen-Cim. 

Bieii  engliscbeii  Steinkohlen  nicht  nachstehen.  Die  mittlere  Jon* 
Grappe  enthält  in  vielen  L&ndern  Kohlen-Lager.  Selbst  im  (Gebiete 
der  Kreide-Formation  hat  man  in  neuerer  Zeit  bauwürdige  Fi^tae 
von  Steinkohle  nachgewiesen;  dies  ist  bei  Quedlinburg  nnd  in 
Schlesien  der  Fall,  sumal  aber  in  den  österreichischen  Alpen  in  den 
Umgebungen  Ton  Orünbach.  Dort  liegen  in  einem  ans  Sandstein, 
Mergel  nnd  Schiefer  bestehenden  (der  sogen.  Turon^Bildung  ent» 
sprechenden)  Schichten-System  sahlreiehe  kleine  Kohlen-Lager,  ram 
denen  manche  2  bis  4  Fuss  Mächtigkeit  erreichen.  Die  Kohle  aeigt 
eich  sehr  gut  und  wird  vielfach  von  den  Donau-Dampfschiffen  benutst 

Es  sollten  diese  wenigen  Bespiele  unseren  Lesern  nnr  aeigen, 
dass  fast  in  sämmtlichen  neptunischen  Gestdns  »Gruppen  Kohlen 
nachgewiesen,  dass  aber  ihr  Auftreten  in  manchen  nur  als  eine  im* 
gewöhnliche,  als  eine  lokale  Erscheinung  zu  betrachten  ist,  die  bei- 
den Hauptkohlen -Formationen  ausgenommen,  in  welchen  wir  in  den 
Terschiedensten  Gegenden  unter  analogen  Verhältnissen,  Kohien-L»* 
ger  treffen,  und  welche  wir  als  Braunkohlen-  und  Stehikolilen-For« 
mation  beseichnen.    Beide  sind  in  Sachsen  entwickelt. 

Die  Braunkohlen-Formation  —  welche  den  verstorl>enen  L.  v. 
Buch  noch  in  seinen  lotsten  Jahren  so  vielfältig  beschäftigte  «^  ist 
Im  nördlichen  Deutschland  über  beträchtliche  Flachenräume  ausga* 
delmt  und  nimmt  auch  in  Sachsen  ein  grosses  Verbreitungs-G^liiet 
ein.  Sand  und  Thon  sind  die  vorherrschenden  (Gebilde  in  dersellMD. 
Der  erstere,  gewöhnlich  weiss,  aus  Quarz-Kömem  bestehend;  geht 
häufig  in  Sandstein  über,  der  Thon,  von  weisser  oder  grauer 
Farbe,  wegen  seiner  vielfachen  Verwendung  zu  Töpfer-Waaren  aneh 
plastischer  genannt,  enthält  selten  viel  Eisenoxydhydrat  und  unter- 
scheidet sich  hiedurch  von  dem  braunen  Lehm  der  Diluvial-Epoche. 
Manchmal  zeigt  er  sich  wie  gebrannt,  gefrittet;  dies  ist  zufälligen 
Ereignissen,  der  Entzündung  von  Braunkoiüen-Lagem  zuzuschreiben« 
Selten  nur  finden  sich  in  Sachsen  in  demselben  organische  Reste. 
—  Die  Braunkohle  erscheint  meist  erdig,  sogen.  Moorkohle,  Alaun« 
erde,  oder  dicht,  als  bituminöses  Holz.  Alle  wahren  Braunkohlen 
unterscheiden  sich  von  den  Steinkohlen  durch  die  braune  Farbe  des 
Pulvers,  wenn  man  sie  r^bt  und  noch  sicherer  dadurch,  dass  sie 
mit  Kalklauge  erhitzt,  diese  braun  färben.  Die  Braunkohlen  zeigen 
sich  natürlicher  Weise  in  den  einzelnen  Gegenden  was  Qualität  und 
Mächtigkeit  betrifft,  sehr  verschieden.  Es  genügt  daher  nicht  Braun* 
kohlen  aufgefunden  zu  haben,  sondern  ihre  Bauwürdigkeit  muss  erst 
erwiesen  sein.  Die  Zahl  der  auf  einander  folgenden  Brauakdüen- 
Lager  ist  in  Sachsen  —  wie  überhaupt  in  anderen  Gegenden  — 
weit  geringer,  als  in  der  Steinkohlen-Grube.  Oft  Ist  nur  eines  von 
wechselnder  Mächtigkeit  vorhanden.  Bei  Olbersdorf  unfern  Zwickau 
bat  man  ein  100  Fuss  mächtiges,  aber  durch  einzelne  Thonsdilch-- 
ten  unterbrochenes  Lager  nachgewiesen.  —  Was  die  Heizkraft  der 
Braunkohle  betrifft  —  bekanntlich  viel  geringer,  als  die  der  Stein« 
kohle  —  so  trifft  mani  Je  nach  ihrem  erdigen  oder  dichten  Znstand 


Yanekiedenheit  Gewisse  ofs«iilidio  Befto,  die  te  anderw 
flagODdea  die  Brattokohlen-Formation  duracterisireD,  zar  Bestimintiiig 
denelben  dalier  sehr  nützlieh  Bind,  fehlen  in  Sachsen  last  gänalick 

Die  Brannkohlen -Formation  gehört  bekanntlich  der  mittleren 
lettiicen,  aegea.  miocSnen  Epoche  an;  wo  also  ältere  Oesteine  —  wie 
Qoadersandsteiney  Muschelkalk  o.  s.  w.  anftreten,  darf  laan  sie  nicht 
anftnehen,  Uogegen  da,  wo  obertertiftre,  pliocMne  und  noch  neaere 
AUagenngen  die  ObeiflSehe  bedecken.  In  vielea  Theilen  des  nörd- 
lichen Sachsens  und  in  den  angrenienden  Prorinsen  Freosseas  diirfta 
die  Branakohlen-Fonnation  —  von  Dtiavial-Bildangen,  wie  Lfiss» 
Lehm,  Sand,  bedeckt  —  unter  juemlich  grossen  Fllcbenräumen  Tor« 
banden  setn,  deren  Besitzer  kaum  eine  Ahnnag  davon  liaben.  Wenn 
nach  ihre  Gegenwart  noch  nicht  die  Existenz  bauwürdiger  Braun* 
kohlen-Lager  Terbörgt,  so  sollte  sie  jedenfalls  zu  weiteren  Unter« 
sachnngea  anspornen.  (Der  Verf.  hat  daher  auf  vorliegender  Kartet 
wo  die  Brannkohlen  Gruppe  unter  Diluvial-Massen  dnroh  Gruben» 
Bohmngea,  Elsenbahndurchsdmitte  u.  dgl.  nachgewiesen  oder  ilire 
Fortsetzung  sehr  wahrscheinlich  ist,  solches  durch  den  blasseren 
Ton  der  braunen  Farbe  angedeutet;  das  dunklere  braun  bezeichnet 
hingegCB  jene  Regionen,  in  welchen  Braankohlen^Lager  —  sie  seien 
haawfiidig  oder  i^ht  —  nachgewiesen  wurden,  denn  dieser  Zustand 
kann  sich  auf  kurzen  Strecken  sehr  ändern.) 

Die  untere,  Kohlen  fiüirende  Gruppe  zerfallt  In  Sachsen  in  drei 
Abtbeilnagen  von  verschiedenem  Alter,  deren  mittlere  als  Repräsen- 
taat  der  eigentlichen  Steinkohlen-Formation  betraditet  werden  muss* 
Die  obere,  sogen.  Salhäuser  Kohlen-Foruiation  wird  als  untere  Ab* 
thdlnng  4mi  Bothliegenden  angesehen.  Bekanntlich  liat  das  so  un« 
gemein  häufige  Zusammenvorkommen  des  Bothliegenden  mit  der 
Steinkohlen-Gmppe  in  früheren  Zeiten  die  Meinung  hervorgerufen^ 
als  sei  letztere  nur  eine  Einlagerung  im  Rothliegenden,  als  ein  Glied 
desadben  zu  betrachten.  Aber  —  ohne  der  paläontologischtti  Gründe 
n  godenken  —  wird  diese  Meinung,  an  welcher  manche  Geologen 
mit  grossem  Starrsinn  festhielten,  durch  die  Thatsache  widerlegt,  dass 
k  Taigen  der  ausgedehntesten  Territorien  der  Steii&ohlen<>Formation 
noch  kaine  Spur  von  Bothliegendem  beobachtet  wurde.  —  Das  6al<* 
hänser  Kobien-Gebllde  zeigt  äbrigens  in  seinem  Gesteins-Gharaoter 
eine  weit  grössere  Annäherung  an  die  eigentliche  Steinkoblen-For* 
mation,  als  an  jene  des  Rothliegenden.  Die  characteristischen  rothen 
Conglomerate  des  letzteren  fehlen  ganz.  Statt  deren  stellen  sich 
grane  Gonglomerate  ein  in  Gesellschaft  von  Thonsteinen,  Sandsteinen 
und  Schiefem,  mit  untergeordneten  Einlagerungen  von  Schwarzkohlci 
Eallcstein  oder  Dolomit  und  Homstein.  Alles  deutet  —  wie  der 
Verf.  hervorhebt  —  auf  einen  weit  ruhigeren  Hergang  der  Bildung, 
als  während  der  Ablagerung  jener  oberen,  mächtigen  Conglomeratei 
auf  einen  Zustand,  der  weit  mehr  dem  während  der  eigentlichen 
Steinkohlen-Bildung  gleicht  Es  kann  desshalb  zweifelhaft  erschei- 
neui  ob  es  zweckmässig  war,  diese  untere  Abtheilung  mit  der  obe- 


10  Ootta:    Kohlen-Karte. 

ren  in  eine  Formation  zu  gruppiren  und  nicht  lieber  als  eine  obere, 
selbststSndige  Steinkohlen-Formation  zu  bezeichnen.  Letzteres  würde 
sicher  geschehen  sein,  hätte  man  recht  bauwürde  Kohlenlager  darin 
gefunden.  —  Die  Salhäuser  Formation  füllt  eine  Mulde  bei  Mflgein 
aus,  findet  sich  femer  bei  Kehren  und  Rochlitz,  im  Plauenschen 
Grunde  und  bei  Weissig  unfern  Dresden. 

In  Tielfacher  Wechsel-Lagerung  setzen  graue  Sandsteine  und 
graue  oder  schwarze  Schiefer  mit  untergeordneten  Einlagerungen 
von  Steinkohle  und  Anthracit  die  eigentliche  Steinkohlen-Gruppe 
ausammen.  Die  Kohlenflötze  erscheinen,  was  Zahl,  Mächtigkeit, 
Qualität  betrifft  an  den  einzelnen  Orten  sehr  Terschiedenartig.  Li 
einigen  Gegenden  kommen  nur  wenige  Flötze  über  einander  vor| 
wie  z.  B.  bei  Potschappel  5,  bei  Zwickau  9  (im  Saarbrückischen  kennt 
man  164);  die  Mächtigkeit  der  Flötze  schwankt  zwischen  1  Zoll 
und  30  Fuss.  —  Die  Gesteine  enthalten  Pflanzen- Abdrücke  in  ziem- 
licher Häufigkeit;  es  sind  jene  characteristische  Gewächse  die  das 
Hanptmaterial  für  die  Kohlen-Lager  selbst  lieferten:  Calamiten,  Ly- 
copodiaceen,  Sigillarien,  Stigmarien  und  Farnkräuter.  — 

Die  Steinkohlen-Gebiete  Sachsens  nehmen  häufig  eine  becken- 
oder  muldenförmige  Lagerung  ein  und  zeigen  sich  alsdann  gewöhn- 
lich an  der  Aussenseite  solcher  Mulden  viel  weniger  mächtig  (na- 
mentlich die  Kohlenflötze),  wie  in  der  Mitte,  wesshalb  die  Aburthei« 
lung  über  Bauwürdigkeit  tou  Kohlenlagern  in  diesem  Falle  Vorsicht 
gebietet,  indem  man  solche  leicht  unterschätzen  kann.  Man  kennt 
in  Sachsen  vier  Ablagerungs-Gebiete,  nämlich:  1)  das  grosse  erz- 
gebirgische  Kohlen-Becken ;  2)  jenes  von  Potschappel ;  3)  das  kleine 
Gebiet  von  Brandau  bei  Olbemhau  und  4)  die  getrennten  kleinen 
Gebietestheile  von  Zaunhaus,  Schönfeld,  Bärenburg  und  Altenburg. 
Unsicher,  aber  nicht  unmöglich  ist  das  Vorhandensein  der  Kohlen« 
Formation  im  Becken  von  Mügeln,  bei  Weissig,  bei  Dresden  und 
unweit  Gera.  —  Was  das  Auftreten  der  Anthracit -Lager  betrifft, 
BO  erscheinen  einige  bauwürdige  unter  sehr  eigenthümlichen  Lage- 
rungs-Verhältnissen bei  Rehfeld  und  Schönfeld  in  der  vorherrschend 
krystallinischen  Region  des  Erzgebirges  und  in  der  Nähe  gewisser 
Quarzporphyre,  woraus  man  schliessen  muss,  dass  sie  einem  nicht 
unbedeutenden  Ümwandelungs-Process  ausgesetzt  waren. 

(SMu$  folgL) 


II.  S.  HBIDBLBBROKB  Ntl. 

JAHRBOGHBB  DIB  LITIBATDB. 

Cotta:   Kohlen-Karte. 


Die  Slteste  Kohlen-  oder  die  Halnicher  Fonnation  besteht  lo 
ihrem  notersten  Theile  hauptsächlich  ans  den  sogenannten  Grnnd- 
conglomerat,  welches  eine  Mächtigkeit  von  2000  Fuss  erreicht  und 
Ton  sehr  grossen  Geschieben  von  Thonschiefer,  Fleck-  und  Hom- 
Mendeschiefer  zusammengesetst  wird.  Ghaoliehe  Farben  Mangel  an 
Porphyr-Geschieben  unterscheiden  diese  Ablagerung  wesentlich  Tom 
Eothliegenden.  Nach  oben  gehen  die  Gonglomerate  in  Sandstein 
nnd  Schiefer  über,  welche  suletst  vorherrschen  und  gegen  5  gering 
mächtige  Kohlenlager  enthalten.  Das  mächtigste  ist  nur  86  Zoll 
£ck.  Es  aeigen  sich  die  Schichten  dieser  Formation  meist  aiemlich 
itark  aufgerichtet,  oft  bis  sn  50— 70<>  —  wss  indess  für  den  Abbau 
lehwacher  Kohlenlager  eher  von  Vortheil  als  von  Nachtheil  ist  Die 
Pflansen-Beste  sind  den  Geschlechtem ,  aber  nicht  den  Arten  nach 
dieselbeni  wie  in  der  eigentlichen  Steinkohlen-Formation«  Ans  aUem 
ergibt  sich,  dass  letstere  von  jüngerem  Alter,  und  dass  das  Kohlen- 
Gebilde  von  Hainichen  etwa  cur  nJbnlichen  Zeit  abgelagert  wurdSi 
wie  In  England  und  in  Belgien  der  Kohlen-Kalkstein,  also  der  un- 
teren Abtheilung  der  ganzen  Formation  angehört  (In  die  nämliche 
Epoche  fällt  wohl  die  unter  so  denkwürdigen  Lagerungs- Verhält- 
nissen TOrkommende  Kohlen- Ablagerung  bei  Offenburg,  welche  aus 
grauen,  sehr  quarzigen  Sandsteinen,  Schieferthonen  und  verschie- 
denen Anthracit-F15taen  besteht;  die  Schiditen  sind  unter  sehr  hohem 
Winkel  aufgerichtet  und  zeigen  sich  gleichsam  wie  eingeklemmt  in 
das  benachbarte  Urgebirge.  Die  kohlenfOhrenden  Gebilde  in  den 
Umgebungen  von  Baden  dürften  aber  his  Bereich  der  eigentlichen 
Steinkohlen  Formation  gehören.) 

Alle  jene  Begionen,  in  welchen  weder  bestimmte  Gründe  für, 
nodi  gegen  die  Anwesenheit  von  Kohlen  enthaltenden  Formationen 
sprechen,  shid  auf  der  Karte  weiss  gelassen,  mit  rother  Golorimng 
aber  solche  bezeichnet,  in  welchen  durchaus  keine  gegründete  Hoff* 
nong  vorhanden  ist,  jemals  in  angemessener  Tiefe  Kohlen-Lager 
anfknfinden.  Dies  gilt  namentlich  jenen  Gegenden  Sachsens,  in  wel- 
ehmi  der  Qnadersandstein  entwickelt  und  wo  bereits  seit  50  Jahren 
Tiele  Tergebliche  Versuche  gemacht  wurden,  bauwürdige  Kohlen- 
Lager  aufsusehllessen,  wie  bei  Tharand  und  Pirna.  Die  Schiefer^ 
thone  des  Quadersandstelns  führen  stets  nur  nnbauwürdige,  höchstens 
L.  Jahrg.  1.  Heft  8 


18  Bock!   Getchiolife  der  lliWfiicheH  Gewinder  des  Hittelalten« 

8  Zoll  starke  Eohlenschmitzen.  Dass  die  Steinkohlen-Formation  selbst 
imter  dem  Quadersandsteln  Sachsens  vorhanden  sd,  ist  sdir  unwsdir* 
scheinlieh,  weil  dieser  —  vielen  Beohachtungen  zufolge  —  seine 
Stelle  meist  auf  Granit,  Gneiss  oder  Thonschiefer  einnimmt. 

G,  lieonbard. 


Oeaehiekte  der  liturgischen  Gewänder  des  Mittelalters  von  Fr,  Bock. 
Mit  einem  Vorworte  von  Dr.  Georg  Müller,  Bischof  von 
Münster.  L  Band.  L  Lieferung.  Bonn,  Verlag  von  Henry 
und  Kohen.    1866.   8.  121  8.  mit  XVJJI  Tafein  in  Farbendruck. 

Der  Gegenstand  des  vorliegenden  Werkes  hat  in  der  eingeben* 
den  und  ausführlichen  Behandlung,  welche  er  hier  gefunden  bat, 
«ieht  blos  für  Liturgik  ein  bedeutendes  Interesse,  sondern  nicht  min- 
der anoh  für  Kunst,  Technologie  und  allgemeine  Culturgeschiofafse 
des  MiltelsUers.  Der  Verfasser  ist  durch  ein  Zusammentreffen  i^ün- 
Btlger  Umstände  in  den  Stand  gesetzt  worden ,  zur  Lösung  sein«: 
Aii%abe  ausser  den  literarischen  Hilfsmitteln  eine  besonders  aua^e-  1 
dehote  and  reichhaltige  Anschauung  und  Untersuchung  liturgiseber  | 
Gewänder  anwenden  an  können.  Wie  wir  nämlich  aus  der  Dedi-  I 
cationssehrif^  an  Seine  Hoheit  den  Fürsten  Karl  Anton  von  Hoben- 
BoUem-Sigmaringen  sehen,  welches  diese  erste  Lieferung  des  Wer- 
kes eröffnet,  so  liat  nicht  hlos  die  königl.  preussische  Staatsreg^e- 
ruDg  dem  Verfasser  theilweise  die  Mittel  zu  einer  grossem  Stadiei^ 
reise  bewilligt,  sondern  der  genannte  Fürst  hat  demselben  bei  dessen 
dreijährigen  Untersuchungen  und  Nachforschungen  eine  so  grossmti- 
ihige  Beihilfe  angedeihen  lassen,  dass  es  ihm  nicht  blos  möglich 
wurde  diesen  Theil  der  Kirchen-Faramente  in  Deutschland,  Frank- 
reich und  Italien  allseitig  erforschen  zu  können,  sondern  auch  eine 
Sammlung  von  mehr  als  sechs  hundert  verschiedenen  Gewandstücken 
anzulegen,  wodurch  sich  in  Originalien  die  Geschichte  der  Weberei 
und  Stickerei  zu  liturgischen  Zwecken  vom  Vin.^XVL  Jalirbon- 
dert  nachweisen  lässt. 

Auf  die  Dedicationsschrift  folgt  ein  Inhaltverzeichniss  des  gaxt- 
cen  Werkes,  aus  welchem  der  Flau  desselben  ersichtlich  ist.  Dar- 
nach wird  das  ganze  Werk  folgende  Haupttheile  umfassen:  Die 
Weberei  von  Seiden-  und  Goldstoffen  im  Mittelalter,  mit  besondrer 
Berücksichtigung  der  liturgischen  Gewänder  (Capitel  I) ;  die  Stickerei 
im  Mittelalter,  insbesondere  zu  liturgischen  Zwecken  (Capitel  IQ; 
die  Vorbedingungen  im  Alterthum  für  die  liturgischen  Gewänder  der 
ehristliohen  Gewänder  (priesterliche  Kleidung  bei  den  Völkern  des 
Alterttaums  Gap,  lU);  der  Anzug  und  übrige  Ornat  der  BIscböle, 
der  deutschen  Kaiser  bei  der  Krönung,  der  übrigen  geistlichen  Per- 
ausser  den  Bischöfen  in  der  katholischen  Kirche  (Gap.  IV.  Y. 


Book:  tiescUflhleld«  litBrfkehem  Otwttader  4m  WuMMmik  <» 

TT);  die  übri|:eo  stoffUdieii  OraameDte  «iM«r  den  Gewlndem  Im 
den  kitfaoUflebeii  Kirchen  (Gap.  VII);  die  litnrgiidieB  Gewlnder  der 
Gfiedbea  asd  Armenier  (VIH);  AaSehigasa^j  WiederkenteUimg,  Bei^ 
nignagi  Anfbewahrnng  der  liftorgischen  Oewinder  (IX);  Modificatio«- 
tten  In  Besag  «nf  Farbe,  Stoff  und  Form  der  lilorgiadieB  Gewteder 
adl  ihrer  EnUtehnng  bis  su  ihrer  Entstellung  im  aecfasehnteB  Jahi^ 
hundert  (X);  Reichtham  an  litorgischen  <^ändem  bis  n  dem 
seehsehnten  Jahrhnnderti  Aufsählung  und  BeschreilMmg  einer  ans* 
gewählten  Ansahl  derselben  (XI);  gesebichtUeher  UeberbliidK  Aber 
die  litorgisclien  Gewänder  in  der  kathoHsehen  Kirehe  Ton  dem  aecii- 
sehnten  Jahrhundert  bis  jetat  (XII).  Man  wird  ans  dieser  Ueber«' 
flieht  des  Inhaltes  entnehmen,  dass  keiner  der  bei  diesem  Gegenstaade 
in  Betraehtung  kommenden  Punkte  übersehen  ist,  so  wie  auch  ge* 
gen  die  Eintheilung  aelbit  sich  nichts  wesentliches  wird  einwende« 
hMsen.  Das  hier  TorÜegende  Erste  Heft  begreift  nur  das  Ente  dar 
eben  aa(igesälilten  OapiteL  Es  sclüiesst  mit  einem  Inlialtreraeiduiss 
der  ersten  Lieferung,  wogegen  es  wolü  sweckmttssiger  sdilene,  ein 
Begiater  am  Schlüsse  des  ganzen  Werkes  an  geben.  Dtie  dieser 
Lieferaag  beigegebnen  nenuelm  Tafeln  im  Farbeadruck  nrit  Abbii<> 
dangen  yob  Gewandstüoken  sind  von  einer  vortrefflichen  Ausfilhmtig 
nd  gans  daxu  geeignet,  für  das  Auge  wenigstens  die  OitghmUea 
m  ersetaen.  Das  auf  dem  Titel  angegebene  Vorwort  des  Hesm 
Biscbdee  von  Münster,  eines  bekannten  Kenners  und  Beförderen 
der  diristlichen  Kunst,  fehlt  noch  und  wird  später  nachfolgen,  ao  wie 
auch  ein  Tüei-  und  Dedicationsblatt  in  Farbendruck  nachgeUefsrt 
wird.  Wir  woUen  nun  nach  Vorauaschickung  dieser  Notiaen  eine 
kurze  Uebenicht  des  Inhaltes  des  ersten  Gapitels  geben ,  ans  wet* 
ehern  diese  ente  Lieferung  besteht,  und  daran  einige  Bemerknngen 
anreSiett. 

Der  Verfasser  beschränkt  sich,  wie  er  in  der  Einleitung  sagt) 
darauf,  die  Geschichte  der  Fabrication  und  Verbreitung  der  edlen 
Gewandstoffe  im  Alterthum  und  in  der  christlichen  Zeit  bis  anr  Ei»* 
fahrung  der  Seidenaucht  unter  Jostinian  nur  knra  su  berttlwen  und 
igäbt  darüber  nur  einige  wenige  Notizen.  Allerdings  machen  die 
mnrgisciien  Gewänder  des  Mittelalteri  und  nicht  auch  der  vor«» 
hergehenden  Periode  den  Gegenstand  des  Werkes  aus.  Dennoöh 
{edieist  es  uns  es  hätte  wenigstens  über  den  Zeitpunkt  der  Zulassung 
Imd  der  Emfiihrung  der  Seidenstoffe  bei  dem  christlichen  Ckihus 
nähere  Nachweiflung  gegeben  werden  sollen,  besonders  da  hie- 
eine Ansicht  des  sonst  so  gelehrten  und  genauen  Fotschen  and 
imlers  Francisque  Michel  zu  berichtigen  war.  Dieser  nämlioh  in  sei* 
preiswürdigen  Werke  (Kecherches  sur  le  commerce  etc.  des  Stoffes 
soie  L  p.  14.  not  1),  glaubt  nach  einer  Stelle  bei  Anastastas 
Vit  roman.  Pontific.  n.  XXXIV.  Tom.  I.  p.  37.  IL  806,  Ed. 
i,  der  Papst  Silvester  (314  v.  Oh.)  habe  den  Gebrauch  seidner 
den  Priestecp  bei  dim  Hessopte  verboten:  dem  ist  aber 


90  Bodi:  Gdfchiehtd  der  litarfiieiien  Gewftnder  dei  Mittekltdrf. 

nicht  ao.  Es  wird  nämlich  an  der  angeführten  Stelle  berichtet,  der 
Fabat  Silvester  habe  angeordnet :  ut  sacrificium  altaris  non  in  serico 
neque  in  panno  tincto  oelebraretari  nisi  tantam  in  linteo  ex  terreno 
lino  procreato,  sicQt  corpus  domini  nostri  Jesa  Christi  in  sindone 
lintea  munda  sepoltum  est.  Diese  Worte  werden  aber  allgemein  nur 
von  dem  auf  dem  Altare  liegenden  Tuche  und  von  dem  den  Kelch 
bededcenden  Tuch,  dem  so  geuannten  CorporalCi  verstanden.  Bei 
demselben  Anastasius  (Sect  XXIV.  Tom.  11.  p.  212)  ist  anfge- 
xelchnet:  Pabst  Stephaous  (257  ▼.  Gh.)  habe  angeordnet,  dass 
^Priester  und  Leviten  ihre  geweihten  Kleider*'  (sacratas  vestes)  nicht 
flir  gewöhnlich,  sondern  nur  in  der  Kirche  tragen  sollen.  Ueber 
den  Stoff  wird  nichts  bemerkt:  man  wird  annehmen  müssen,  dass 
derselbe  in  Wolle  und  Leinwand  bestand  jedenfalls  in  den  Zeiten 
und  da,  wo  gegen  das  Tragen  seidner  Gewänder  von  Seiten  der 
Männer,  Tadel  und  Abmahnungen  von  christlichen  Lehren  ausge- 
sprochen wurde,  wie  an  mehreren  Stellen  von  Clemens  Alezandrinus, 
Tertnllianns,  Ambrosius,  Hieronymus,  Fredentins,  geschehen  ist,  welche 
Stellen  in  der  reichhaltigen  Sammlung  von  Stellen  der  alten  Auto- 
ren über  die  Seide  bei  Yates  Teztrinum  antiquorum  L  189.  191. 
217.  220.  224.  mitgetheilt  werden.  Gegen  Ende  des  vierten  Jahr* 
hunderte  scheint  sich  aber  der  Gebrauch  der  Seide  so  verbreitet  zu 
haben,  dass  man  auch  in  den  Kirchen  davon  Gebrauch  machte  und 
iwar  in  den  östlichen  Theilen  des  römischen  Reiches  wahrscheinlich 
eher  als  in  Italien.  Wenigstens  kommt  die  erste  Erwähnung  des 
Gebrauches  der  Seide  zu  kirchlichen  Zwecken  bei  einem  griechi- 
schen christlichen  Schriftsteller  vor.  Bei  Gregor  von  Nazianz  findet 
sich  nämlich  in  dem  Gedichte  Ad  Hellenium  pro  Monachis  T.  IL 
p.  106.  Ed.  Paris.  1630  (bei  Yates  a.  a.  0.  p.  213)  der  folgende 
Gedanke  vor:  „Einige  bringen  Gott  als  Geschenke  dar  Gold,  Silber 
nnd  die  feinen  Gespinnste  der  Serer;  Andre  aber  weihen 
sich  selbst  als  reines  Opfer  Christus  und  bringen  als  Trankopfer 
ihre  Thränen  dar.^  Man  wird  also  wohl  jedenfalls  in  das  fünfte 
Jahrhundert  den  allgemeinern  Gebrauch  der  Seidenstoffe  zu  Cultus- 
zwecken  setzen  dürfen.  Bei  Anastasius  in  dem  Liber  pontificalis, 
wo  die  Stiftungen  und  Geschenke  der  Fäbste,  auch  was  kostbare 
Gewänder  betrifft,  regelmässig  aufgezählt  werden,  finde  ich  seidne 
Gewänder  zuerst  erwähnt  unter  den  kostbaren  Geschenken,  welche 
der  oströmische  Kaiser  Justinus  dem  Pabste  Hormisdas  (514  v.  Ch.) 
schickt  (Anastas.  De  vit.  Pontif.  Tom.  L  p.  92.  pallia  olobera 
blattea  cum  tabulis  auro  tectis  de  chlamyde  vel  de 
Stola  imperial i).  Dass  die  Einführung  der  Seidenzucht  aus  dem 
fernen  Osten  nach  Europa  unter  dem  Kaiser  Justinian  wie  für  den 
lülgemeinen  Gebrauch  der  Seidenstoffe,  so  namentlich 'auch  für  den  Ge- 
brauch derselben  zu  Cultusswecken  eine  neue  Epoche  begründete,  be- 
darf keiner  wdtem  Begründung.  Unser  Verfasser  beginnt  die  genaurer 
Abhandlung  seines  Gegenstandes  von  dieser  Epoche  an,  und  ^eilt  von 


B%€ki  defcUckta  der  liCorfiiclMa  Gewtoder  dei  WnMun.  %i 

di  an  die  Z^t  des  MitteUten  bis  in  dM  seelwiehnte  Jabrirand«! 
sn  feinem  Zwecke  in  folgende  drei  Perioden  ^n:  L  Periode  tod 
iem  seelieten  bis  sn  dem  XU.  Jabrbandert,  als  in  der  Mitte  dessel* 
ben  unter  K5nig  Roger  von  Sicilien  die  Seidensncht  nnd  Beidenfa- 
brication  die  ausser  der  ursprflnglichen  Heimat  der  Seidensneht  wXb* 
reod  dieser  Periode  nar  von  Griechen  nnd  Arabern  geflbt  wurdet 
wa  den  lateinischen  Christen  Terpflanst  wurde;  IL  Periode:  ron  da 
in  Verbreitung  der  Seidenfabrication  nach  dem  fibrigen  Italien  (Lu- 
cea,  Florenz,  Genua,  Mailand,  Venedig);  III.  Periode:  mit  dem 
XV.  Jahrhundert  weitere  Verbreitung  dieser  Fabrication  nach  Frank« 
reich  (Lyoiw  Tours),  den  Niederlanden  (Brügge,  Gent,  Mecheln)  nnd 
tDdre  Gegenden. 

Nach  AuüBtellung  dieser  Periodisirung  folgt  sofort  die  Darslel- 
loDg  der  ersten  Periode:  „I.  Webereien  su  liturgischen  Zweekea 
Tom  VI.  bis  sum  XII.  Jahrhundert«*  (8.  4--32).  Es  wird  in  die* 
tem  Abschnitte  gehandelt  von  den  Terschiedenen  Gattungen  toii 
GewandstolTen,  die  in  dieser  Zeit  su  Cultnszwecken  rerwendet  wur- 
den; Ton  deren  Dessin  und  Omamentation ;  von  den  Fabrications* 
and  HandelsplStzen.  Zu  den  swei  ersten  der  genannten  drei  Rn- 
briken  wird  besonders  des  Anastasios  Buch  von  den  PSbsten  benfitst| 
und  Francisqne  Michels  oben  angeführte  Recherches  (I.  p.  S— 7S)| 
wo  Ton  jenen  Stoffen  und  ihren  Dessins  mit  grosser,  genauer  Oe- 
lehnamkeit  gehandelt  wird  und  mit  grösserer  Ausführlichkeit  als 
der  Verfasser  des  yorliegenden  Werkes  nach  seinem  Plan  dieses 
thoD  konnte.  Unter  den  Seidenstoffen  werden  hervorgehoben:  chry- 
BOclaTum,  fundatum,  blatta  oder  blatthin,  qoadruplum,  octapulum  n.  a. 
Wir  beschränken  uns  darauf  über  den  Stoff  blatta  (pallia  blat» 
tea,  blattenm  sericnm,  sericoblatta),  eine  Bemerkung  hier 
«uufDgen  aus  einer  in  der  neusten  Zeit  bekannt  gewordnen  Quellet 
welche  Tates  (Textrinum  antiquor.  I.  194)  und  Michel  (L  8)  bei 
ihren  Darstellungen  noch  nicht  benützen  konnten.  Es  wird  durch 
die  eben  angeführte  Benennung  die  mit  echtem  Purpur  (Purpur- 
Kbnecke  murez)  gefärbte  Seide  bezeichnet,  welche  mit  Gold  auf- 
gewogen wurde.  Ein  solches  Pallium,  aber  auch  nur  eines  hatte 
der  Kaiser  Aurelianus,  wie  man  aus  Vopiscus  (yit.  Aurelian.  cap.  45) 
weiss.  Auf  einem  vor  wenig  Jahren  bei  Karystos  auf  Eub5a  anf- 
gefondenen  Bruchstück  einer  griechischen  Uebersetzung  des  bekann* 
tea  Diocletianischen  Edictes  De  pretiis  rerum  yenalinm,  zuerst  edirt 
von  Mommsen  in  seiner  Ausgabe  dieses  Edictes  S.  81  ff.  finden  sich 
Bon  Preisbestimmungen  für  Rohseide  und  Seidengam,  femer  unter  der 
Rabrik  xsgl  noQipvQ^g  für  Purpurseide  uud  Purpurwolle.  Purpur- 
8^de  kommt  hier  vor  unter  der  Bezeichnung  (istaaaßXatr ff  (BMvxput' 
INir),  das  Pfund  zu  150,000  Denare,  fünfsehnmal  mehr  als  für  weisse 
Seide.  Es  folgte  darauf  die  Stoffe  ßkitrri  und  wtoßXccvtri  su  50,000 
Denare,  welche  letztere  Stoffe  Mommsen  für  Purpurwolle  hält.  Ueber 
las  Wort  blatta  gibt  Mommsen  S.  93  die  Erklärung:   es  bedeute 


%Z  BooMi   tiMeMcbte  «ir  l^MrgiMtUn  dewttnder  im  MifCelalfM. 

^IfeBtlldi  deD  geronnene  Blatklnmpen  ( —  so  erklärt  et  andi  i 
8ahmtfia8  zn  Vopiscos  — );  im  spStern  Sprachgebraucli  trete  es  ao 
die  Btdle  Ton  parpur a  uad  beseichne  genau  genommen  den  „sckwAr- 
zem  Pnrpcir^,  die  erste  Sorte  von  Purpur;  docli  sei  blatta  auch  wie 
Purpura  suweilen  aligemeiner  Gattungsname  für  die  versohiedeneB 
Nuaneen  des  echten  Purpurs.^  Nach  der  Aufzählung  der  mit  ecbton 
Purpw  geübten  Sorten  von  Seide  und  Wolle  folgen  in  dem  Tarif 
des  Dtodetianiscben  Edictes  die  mit  Surogaten  des  echten  Meerpur- 
pars  geftirbten  Stofife,  von  denen  die  besten  Sorten  nur  ein  Drittel 
des  Preises  des  echten  tyriscben  Purpurs  kosten.  Das  gesehätsteate 
Surrogat  war  das  Goccum  oder  der  Kermes.  Jedoeh  wiude  das  coc- 
cum  nicht  wie  die  andern  Surrogate  unter  der  allgememen  Benen- 
waaig  parpura  in  dem  gewöhnhchen  Sprachgebrauch  begriffen,  son- 
dkm,  wie  aus  ehier  von  Mommsen  beigebrachten  Stelle  des  Ulpia- 
ma  erhelh,  wurde  dasselbe  immer  besonders  benannt  und  der  por- 
pura  entgegengesetzt.  Ob  die  Bezeichnung  blatta  fßr  purpura, 
ebenso  wie  letzteres  Wort  das  coecum  nicht  mitbegriff,  oder  ob 
wie  die  andern  echten  und  surrogirten  so  auch  das  coecum  unter 
blatta  begriffen  wurde,  lassen  wir  dahingeatellt.  Unser  Verfasser 
ohnmt  letzteres  an ;  doch  chrtickt  er  sich  jedenfalls  nicht  genau  aas, 
Indem  er  S.  6  sagt:  „Die  Purpurfarbe  aus  der  ßXcczra,  dem  Ker- 
mes oder  der  murez  genommen.^ 

Nach  der  kurzen  Aufzählung  mehrerer  Gewandstoffe,  welche 
▼etm  VI.  bis  XIL  Jahrhundert  bei  dem  Cultus  Torkommen,  stellt 
unser  Verfasser  etwas  ausföbrijeher  die  auf  denselben  eingewobenen 
Dessins  dar.  Hier  hätten  wir  gewünscht,  dass  der  Verfasser  wenn 
aoeh  nur  in  der  Kfirze  hingewiesen  hätte  auf  die  figurenreichen 
Oewänder,  Umhänge  und  Teppiche,  welche  man  sehen  im  classi- 
schea  Alterthum  von  früher  Zeit  an  überhaupt  hatte,  namentüeh 
aber  zu  Zwecken  des  Cultus.  Die  Sache  ist  im  Allgemeinen  be- 
kannt genug,  aber  doch  noch  nicht  gehörig  im  Zusammenhange  be- 
handelt. Offenbar  gehören  solche  Gewaadstücke  mit  kunstreicherer 
Ausführung  in  das  Gebiet  der  Malerei,  so  gut  wie  Mosaik;  und 
dennoch  finden  wir  diese  Gattung  malerischer  Darstellung  in  dem 
sonst  so  reichhaltigen  Handbuche  der  Archäologie  von  E.  0.  Müller 
übergangen.  Von  dem  gründKchen  Werke  von  Yates  über  die 
Weberei  ist  nur  der  erste  Theü  erschienen,  der  von  den  rohen  Ma- 
tefimlien  zum  Weben  handelt;  sonst  hätten  wir  hier  gewiss  eine 
gute  Zusammenstellung  erhalten.  Was  solche  kunstreiche  Gewebe 
zu  Zwecken  des  Cultus  betrifft,  so  will  ich  hier  nur  erinnern  an 
den  flgureareichen  Peplus  der  Atliene,  welcher  am  Feste  der  Pa- 
^^^Halbenäen  dargebracht  wurde  und  an  die  Vorhänge  und  Gewand- 
stUcke  mit  den  verschiedenartigsten  Vorstellungen  in  dem  Tempel- 
schätzt  zn  Delphi,  von  denen  in  Euripides  Jon  (V.  1041  ff.  Aus- 
gabe von  Bothe)  die  Bede  ist.  Die  aus  alter  Zeit  stammende  Tra- 
dition dieior  Kunstfertigkeit  und  dieses  Gebrauches  bei  dem  CuHus 


— liglinhia  qbA  ▼•mnlaMle  <•   iHi«log#  AvfMdMic  fcmitNicfcit 

GewandBtoffe  in  der  alten  chrisÜicheD  Kirche,  sobald  eine  freiere 

Bewegung   und  grdeeere  Prachl  des  CaltiM  siek  eatfalleii  koanle, 

Nor  be«  ErwfihDQBg  der  gestreiften  Zeage  geht  unser  Verfasser  auf 

das  Aiterthum  auraek  und  erinnert  an   die  Nachrkhten   bei  DIodoc 

und  Virgil  von  den  buntgestreiften  Kleidern  der  alten  Gelten  (8. 18), 

weiche  in  den  gestreiften  Zeugen  der  sebottischen  Plaids  noch  übrig 

sind.     Im  übrigen  werden  die  Dessins  jener  alten  au  liturgischen 

Gewändern  verwendeten  Stoffe  aufgeaXhlti  und  zwar  sueist:  Tbier- 

gestalten,  als :  Löwen,  Adler,  Greifen  u.  a.  nach  dem  lU|(9Sten  orienr 

talischen  Geschmack  in  phantastischen  Formen  und  mit  arabeskeiH 

artigen  Versierungen  oder  auch  mit  Versierangen  in  geometrischen 

Formen  (pallia  rotata,  scutellata  u.  dgl.)  und  mit  Kreuaen.    Daav 

werden  die  Beweisstellen  besonders  aus  des  Anastasius  Liber  ponti* 

ficalis,  aber  auch  MuAerstücke  von  noch  vorhandenen  Gewandatüoken 

ans  dieser  Periode  in  trefflichem  Farbendruck  gegeben.    Der  Ver-« 

iaaser  gibt  aahlreiche  Anführungen  und  Beispiele  von  solchen  lAeh 

vorhandenen  gansen  alten  Gewandstficken;  eine  voUstlndtge  Aul- 

sihlung  wird  nicht  beabsichtigt  an  dieser  Stelle,  anch  Ist  In  des 

dem  Werke  vorausgeschickten  Inhaltsübersicht  in  der  Angabe  des 

Inhaltes  des  XI.  Capitels  angeführt:  „Chronologisch  geordnete  Auf* 

Bfthiung  und  kurse  Beschreibung  der  merkwürdigsten  GewSoder  aus 

der  Zelt  Kaiser  Kari's  des  Grossen  bis  auf  Karl  V.  herrührend,  die 

sich  noeh  erbalten  haben.  ^     lieber  die  Zahl  der  noch  übrigen  11* 

turgischen   Gewandstücke   ans  dieser  ersten  Periode  (bis  su  dem 

XIL  Jahrhundert)  gibt  der  Verfasser  an  einer  Stelle  (S.  61  Anm.  1) 

die  Motiz :  es  seyen  ihm  nach  fünfjährigen  allseitig  angestellten  Nach* 

suchongen   einige  250 — 300   Originalstoffe  sn  Gesicht  gekommen. 

Davon  käme  auf  Frankreich  etwa  der  sechste  Theil.   In  Italien  be- 

sitae  —  (ausser  Bom)  —  nur  Palermo  und   Anagnl  einige  werth- 

volle   Ueberreste.    Mehr  Gewebe  aus  dieser  Zeit  hätten  sich  im 

Domschats  su  Aachen,  au  Chur  in  der  Schweis,  in  den  Schatakam« 

mem  au  Wien  und  Bamberg,  namentlich  aber  im  Dome  au  Halber* 

Stadt,  Danaig,  Stralsund,  Prag  erhalten.    Die  eigne  Privatsammlung 

des  Yeriassers  hat  aus  der  gedachten  Periode  etwa  52  Originalstücke 

aufzuweisen.    In  je  ältere  Zeit  solche  noch  vorhandenen  Reste  au- 

rfiekgdien,  desto  mehr  verdienen  sie,  wie  natürlich,  einaeln  nahmhaft 

gemacht  su  werden.    In  dieser  Beeiehung  ist  au  den  von  Franoisqne 

Michel  (Becherches  I.  p.  29)  und  von  unserm  Verfasser  angeführ«- 

ten  ältesten  Resten  liturgischer  Gewänder  hinauaufügen  ein  solches 

Stück,  das  in  den  letzten  Jahren  erst  genauer  bekannt  und  hescbriebea 

worden  ist,  und  welches  bis  in  das  siebente  Jahrhundert  aqrückge- 

aatzt  wird;  nämlich  das  in  der  Kirche   zu   Maubeuge   aufbewahrte 

angeblich  von  der  h.  Adelgunde  gefertigte  Messgewand,  welches  in 

Caumont's  Bulletin  monumental  1854-  XX.  p.  105  abgebildet  und 

beschrisbea  ist.    Das  Dessin  besteht  aus  je  awei  Pa|>agei^,  welche 


M  Bock:  Getehidite  der  litorgisclieii  Gewinder  dei  Mitteltlleri. 

mit  dem  Bflcken  gegeneinaDdersitseiid  dabei  aber  mit  gewendetem 
Halse  einander  ansehen,  daswiachen  reiche  Tegetabilische  Ärabeekeo. 
Es  wird  Yon  unserm  Verfasser  gebührend  hervorgehoben  (S.  153f 
welchen  Einfluss  diese  Dessins  kostbarer  Stoffe  aus  dem  Orient  Jahr- 
hunderte lang  auf  den  Geschmack  und  auf  die  Eunstübung  im  Occi- 
dent  ausübten.  Francisqne  Michel,  der  denselben  Gegenstand  be- 
spricht (Recherches  IL  433)  macht  dabei  die  interessante  Bemer- 
kung, dass  die  phantastische  Form  der  heraldischen  Figuren,  nament- 
lich der  Thierbilder,  aus  derselben  Quelle  herzuleiten  ist.  Nach  den  aas 
Thierbilderi^  und  Arabesken  bestehenden  Dessins  alter  liturgischer 
Gewinder  folgt  dann  die  Anführung  solcher  Dessins,  welche  in  Dar* 
Stellungen  biblischer  Personen  und  Geschichten  des  alten  und  neuen 
Testamentes  bestehen,  und  es  werden  auch  hier  als  Beweise  Nach- 
weisungen aus  Schriftstellern,  namentlich  aus  Anastasius,  und  von  vor- 
handenen Gewandstücken  Abbildungen  gegeben.  Für  die  Geschichte 
der  altchristlichen  Kunst  sind  diese  biblische  Darstellungen  auf  Gewän- 
dern von  besonderm  Interesse:  sie  stimmen  was  die  Wahl  der  bi- 
blischen Sujets  betrifft  mit  den  Darstellungen  auf  den  ältesten  christ- 
lichen Sarkophagen  häufig  überein.  Dazu  kommen  Bilder  der  Mut- 
ler des  Herrn,  der  Apostel,  Märtyrer,  einzelner  HeUiger.  Auch  hier 
hätte  sollen  unsers  Erachtons  genauer  angegeben  werden,  in  welchea 
Zeitpunkt  der  Anfang  dieser  Sitte  fällt,  auf  Gewandstücken  biblische 
Geschichten  darzustellen.  Diese  Sitte  geht,  wie  man  durch  ein  aus- 
drückliches Zeugniss  nachweisen  kann,  bei  den  griechischen  Christeii 
in  sehr  frühe  Zeit  zurück.  Der  grichische  kirchliche  Schriftsteller 
As t er i US,  welcher  in  dem  IV.  Jahrhundert  lebte,  spricht  in  einer 
seiner  Predigten  gegen  die  Kleiderpracht  Dabei  hält  er  sich  auf 
gegen  Kleiderstoffe,  auf  denen  wilde  Thiere  aller  Art  und  seltsame 
Verzierungen  angebracht  sind.  Dann  fährt  er  fort:  „Reiche  Män- 
ner und  Frauen,  welche  hierin  besonnener  sein  wollen,  geben  den 
Webern  als  auszuführende  Vorstellungen  die  evangelische  Geschichte, 
nämlich  Christus  mit  seinen  Jüngern  und  die  Wunder  wirkend.  Da 
sieht  man  denn  abgebildet  die  Hochzeit  von  Galiläa  und  die  Was- 
serkrüge; den  Gichtbrüchigen  der  sein  Bett  auf  die  Schultern  nimmt; 
den  Blinden  der  geheilt  wird;  die  blutflüssige  Frau,  welche  den 
Saum  berührt;  die  Sünderin  die  Jesus  zu  Füssen  fSüt;  Lazarus,  der 
aus  dem  Grabe  zum  Leben  wiederkehrt.^  (Asterii  Orationes.  Ed. 
Gombefis.  Paris.  1648.  L  p.  3  und  bei  Michel  Recherches  L  20.) 
Da  von  solchen  Stoffen  nur  die  Rede  ist  als  zu  Kleidern  von  welt- 
lichen Personen  verwendet  und  da  auch  andre  Kirchenschriftsteller 
des  dritten  und  vierten  Jahrhunderts,  Chrysostomus  und  Theodoret, 
sich  gegen  Gewänder  mit  künstlichen  Dessins  erklären  (Michel  a.  a.  0.), 
80  wird  man  annehmen  dürfen,  dass  Stoffe  mit  solchen  Dessins  erst 
^'''^■Spach  der  angegebenen  Periode  jener  Schriftsteller,  Eingang 
branoL^lf^^Q  fanden.  Bei  Anastasius,  wie  wir  oben  bemerkt  ha- 
^^     hie  erste  Erwähnung  von  gewebten  Stoffen,  welche  einer 


Bock:  Gefchidite  d«r  liliirfucheB  Gewioder  def  Milteltllerf.  25 

Kirche  gesebenkt  wurden,  im  seebaten  Jabrhandert  onter  dem  Pabste 
Hormisdas  L  Die  nächstfolgenden  Anführungen  von  iUinlicbea 
Geschenken  sprechen  nur  von  kostbaren  Stoffen  in  Seide  und  Gold  ohne 
Angabe  eines  Dessins.  Diese  finde  ich  bei  Anastasins  erst  gegen  Ende 
des  siebenten  Jahrhunderts,  wo  im  Leben  Benedicts  IL  (684  n.  Ch.) 
ab  ein  Geschenk  für  die  Kirche  des  h.  Valentin  angeführt  wird 
(lect.  LXXXII.  T.  L  p.  144,  Ed.  Bianchin):  eoopertarittm  super 
oMare  cum  cUnris  et  fasteUis  (aU  fUteUii)  et  in  ciretäiu  palergium 
(dL  per  largum)  ekrysoclavum  pretioatssimum.  Und  (ebendas.)  in 
eioer  andern  Kirche:  „coopertorium  porphyreiicum  cum  cruce  et 
gemmulis  quatuor  ehrysoclavis  et  in  circuitu  palergium  de  holose- 
rko  puUherHmum.^  Die  erste  Erwähnung  eines  Stoffes  mit  ein- 
gewobenen Darstellungen  aus  der  biblischen  Geschichte  kommt  bei 
Anastasitts  erst  vor  um  die  Mitte  des  achten  Jahrhunderts  in  dem 
Leben  des  Pabstes  Zacharias  (748  n.  Ch.  Sect.  XCIII.  Tom«  L 
p.  189.  $.  219.):  Hie  faeit  vettern  super  altare  beati  Petri  ex 
auro  textam  Juibentem  nativüaiem  domini  dei  et  salvatoris  noetri 
Jesu  Christi.  Wir  werden  unter  diesen  Umständen  wohl  annehmen 
dfirfen,  dass  Stoffe  mit  Dessins  von  Thierblldem,  Arabesken,  ge- 
lefaichtiichen  Darstellungen,  nicht  vor  dem  sechsten,  siebenten  Jahr* 
bondert  aus  dem  profanen  Gebrauche  auch  in  den  Gebrauch  sa 
Gultuszwecken  fibergegangen  seien.  In  die  Anfzählung  der  yer* 
tehiedenen  Dessins  auf  liturgischen  Gewandstoffen  ist  eine  Digression 
eiogewebt  über  die  Gebrauchsweisen  solcher  Stoffe  bei  dem  Cultus 
ausser  der  priesterlichen  Kleidung,  als :  zu  Wandbekleidungen,  Thiir« 
Torhiogen;  eu  Umhängen  um  den  Altar  mit  Säulen  und  Baldachin 
(dboriom),  zu  Altardeeken  und  zu  andern  Zwecken  (S.  20—22). 
Diese  Digression  wäre  vielleicht  passender  hier  hinweggeblieben,  da 
weiter  unten  nach  der  dem  Werke  vorgesetzten  Inhaltsanzeige  in 
einem  eignen  Üapitel  (Gap.  YII.)  gehandelt  werden  soll:  |,von  der 
Kelch-  und  Altarbekleidnng  und  den  sonst  noch  bräuchlichen  stoff- 
lichen Ornamenten  der  Kirche  und  des  Chors.  ^  Bei  der  Aufzählung 
der  Dessins  vermissen  wir  dagegen  eine  nähere  Nachweisung  über 
Bolcbe  Gewänder  und  Gewandstoffe,  in  welche  Schrift  eingewoben 
war  (vestes  literatae),  namentlich  biblische  Stellen  und  Gebetsfor- 
meh.  Michel  handelt  davon  genauer  (Recherches  IL  111 — 
131).  Er  weist  die  gleiche  Sitte  in  dem  jüdischen  und  dassischen 
Altertbum  und  bei  den  Orientalen  nach.  Das  älteste  christliche  Beispiel| 
welches  Michel  anführt  ist  eine  angeblich  von  dem  heil.  Martin  be« 
Kweoe  Stola  mit  den  eingewirkten  Worten:  In  nomine  domini 
otn  pro  me  (bei  Schannat  bist,  episcopat.  Wormat.  I.  136).  Dieser 
Anffibrong  folgen  dann  viele  andere  von  dem  zehnten  Jahrhundert 
u  aus  Schriftstellern  und  noch  vorhandenen  Gewandstticken.  Dazu 
verweist  Michel  in  den  Additions  IL  464  auf  ein  Werk  von  Snar^s 
De  vestibus  literatis.  Vasione.  1652.  4.  Zu  Demjenigen  was 
Michel  über  die  Gewandstoffe  mit  Schrift  sagt  ist  noch  hinzusufü- 


96  Book:  Gaachiclite  der  Utnrgifdieii  «ewtoder  im  MUtolallttf. 

gen,  daw  inaerhalb  dea  ehriBdieben  KreUiei  ftiisziig«h«ii  wm  v^u 
iea  Gewändern  mit  einselaen  BochsUben  bezeichnet,  welche  man 
im  vielen  Figuren  auf  Gemälden  in  den  Ealakomben  wabrnimiDt 
und  ferner,  dass  bei  der  Literatur  Ciampinis  Abhandlung  bierübec 
in  den  Monumenta  vetera  su  nennen  war. 

Nach  dem  Stoff  and  Deesin  der  Seidenzeuge  in  dieser  ersten 
Periode  werden  deren  Fabrikationsorte  so  wie  die  für  diesen  Zweig  des 
Handels  wichtigsten  Orte  betrachtet,  wobei  besonders  eine  Abband^ 
lung  von  Kr  e  US  er  (Skizze  über  das  Ostindien  der  Hellenen,  Rie- 
mer und  Byzantiner.  Gymnasialprogramm  Eölln.  1833)  angeführt 
und  benutzt  wird.  Vieles  hierüber  aus  dieser  ersten  Periode  gibt 
Michel  Becherches  I.  59ff.  woher  auch  bei  der  kurzen  lieber- 
sieht,  welche  unser  Verfasser  gibt,  noch  Einiges  melur  anzuführen 
gewesen  wäre.  Die  urspünglichen  Fabricationsorte  im  fernen  Osten 
schickten  fortwährend,  auch  nach  dem  unter  Justinian  die  Seidezudit 
nach  Griechenland  gebracht  war,  ihre  Fabricate  nach  dem  Occident 
Ausserdem  waren  die  Hauptplätze  für  Fabrication  und  Handel:  An- 
tiochien,  Damaskus,  Harocco,  ganz  besonders  Alexandrien,  Byzaaz; 
bei  den  Arabern  im  südlichen  Spanien  namentlich  in  Almerin  schon 
seit  dem  X.  Jahrhundert  (Michel  H.  291).  Der  Handel  mit  Seide 
aus  den  Innern  Theilen  von  Asien  wurde  durch  Caravanen  auf  ver- 
schiedenen Wegen  geführt,  wobei  auch  Jerusalem  als  Zielpunkt  von 
Caravanen  von  Michel  hervorgehoben  wird.  Aus  Vorderasien  und 
Aegjpten  besorgten  syrische  Kaufleute  und  Juden  diesen  Handel 
nach  dem  Occident,  aus  Byzanz  vornehmlich  die  Venetianer.  Von 
letzterm  Platze  aus  ging  ein  grosser  Verkehr  nach  Rom,  wo  besonders 
von  Stoffen  für  den  Gebrauch  von  Kirchen  immer  grosse  Niederlagen 
gewesen  zu  sein  scheinen.  Zu  demjenigen  was  Hr.  Bock  über  Fa- 
brication  und  Handel  der  Seidenstoffe  in  dieser  Periode  von  dem 
Standpunkte  seines  Werkes  aus  sagt,  beschränken  wir  uns  hier  nur 
auf  folgende  Bemerkung.  Zu  der  Stelle  im  Text  S.  26  »von  der 
Insel  Goos  (1.  Cos)  bezog  man  seidene  Stoffe^  wird  die  An- 
merkang  hinzugefügt:  „Es  liegt  die  Insel  Cos^  das  Vaterland  des 
Hippol^ates,  nicht  wie  bidor  Lib.  XIV  sagt  bei  Attika,  sondern  der 
kieinasiatischen  Provinz  Carlen  gegenüber.  Die  Frauen  der  Insel 
waren  im  Alterthum  wegen  Anfertigung  serischer  Stoffe  sehr  be-^ 
rühmt.  Vergl.  Plin.  lib.  }a,  22  und  Aristot  De  animal.  bist  V, 
19-.^  Nach  uusrer  Ansicht  genügte  es  nach  der  übersichtlichen  Kürze, 
auf  weiche  sich  hier  der  Verfasser  beschränkt,  einfach  zu  sagen: 
„dass  ausser  den  ursprünglichen  Heimatländern  der  Seidenzucht  in 
dem  Osten  die  Insel  Cos  einer  der  fiühsten  und  berühmtesten  Plätze 
für  Sjsidenfabrikation  war;  dass  diese  Fabrication  dort  am  Anfang 
der  r^iscben  Kaiserzeit  am  blühendsten  war  wie  man  aus  den  häu- 
figen Apführnngen  der  ^^coischen  Gewänder^  bei  den  Schriftstellern 
au«  dieser  Zeit  schUessen  kann;  dass  aber  dabei  keine  Zucht  des 
eigentlicBfn  Seidenwurmes  (bombyx  mori)  auf  der  Insel  stattfand. 


■oeks  «totcfaMte  4«  UtwfiMlMB  Gewttaier  dM  HütoltUen.  9T 


data  entweder  dte  hier  geiogene  Seidenranpe  Ton  einer  an« 
dam  geringem  Sorte  war,  oder  (wie  Yates  glaubt)  daaa  die  Goeons 
i«  den  ianem  Alien  durch  den  Handel  dorthin  kamen  und  da<« 
lellMt  abfeaponnen  und  gewoben  wurden.''  Darüber  konnte  dann 
tof  die  HanpMellen  bei  Aristoteles  und  Pliains,  so  wie  auf  Yatea 
Teitrinnm  p.  173 — 179  yerwiesen  werden,  wo  dieser  Gegenstand 
tn  den  Quellen  und  mit  Genauigheit  bebandelt  wird.  Wollte  man 
tber  auf  jenen  Irrthum  des  Isidorus  Hispalensis  tiberhaupt  Rück- 
rieht  nebmen,  so  war  eine  genauere  Angabe  nöthig*  Statt  der  Insel 
Cos  nennt  nSmlich  Plinins  an  einer  andern  Stelle  (IV,  20)  die 
Insel  Oeos,  als  den  Ort,  woher  delicatior  vestis  für  Frauen  käme 
rad  beruft  sich  dabei  auf  Varro,  welcher  jedoch  schwerlich  diese 
Verwechshing  «wischen  Cos  und  Ceos  begangen  haben  wird.  Je« 
MT  Stelle  ans  PKnlos  schreibt  dann  Isidorus  XIV,  6  nach,  obgleich 
er  an  einer  andern  Stelle  (XIX,  22),  wo  er  von  der  Seide  bandelt, 
giaz  richtig  die  Insel  Cos  nennt.  Wir  fügen  hinzu,  dass  dieser 
IiTthnm  oder  dieses  Veredien  bei  Plinins  wahrscheinlich  daher  rührt, 
wdl,  wie  er  an  efaier  andern  Stelle  sagt  (V,  36)  die  Insel  Cos 
aodi  unter  dem  Namen  Cea  vorkommt  und  gerade  eben  so  auch 
TOD  manchen  lateinischen  Schriftstellern  die  Insel  Ceos  genannt 
wurde  (IV,  20  „Ceos,  ...  quam  nostri  quidam  dixere  Ceam^). 
fiehiiesslich  erwähnen  wir  hier  noch  einer  vor  Kursem  erschienenen 
Abbandinng  über  die  Seidencultur  und  deren  Verbreitung,  aus  ara- 
bischen Quellen  von  CUment-Mullet  (Rechercbes  sur  rhistoire 
Bttarelle  dies  les  Arabes.  Sur  le  ver  a  sole;  im  Journal  Asiatin 
qne.  Cmquieme  Serie.  Tom.  VII.  1856.  p.  496).  In  den  Condu- 
sions  deiselben  am  Schlosse  wird  folgendes  Resultat  gegeben:  Die 
C^itir  der  Seide  Ist  aus  ihrer  ursprünglichen  Heimat,  dem  nürdii- 
dken  Chfaia,  auf  awel  Wegen  welter  verbreitet  worden :  durch  die 
Missionare  im  VI.  Jahrhundert  unter  Justinian  nach  Bjians,  und 
aaf  ehiem  südlichen  Wege  durch  Indien  nach  Persien,  wo  eine  starke 
Seidenfabifcation  statt  fand;  von  den  Persem  erhielten  die  Araber 
die  Seidencultur,  beschäftigten  sich  eifrig  mit  deren  Fabrication  von 
dem  VIIL  Jahrhundert  an  (nicht  zum  eignen  Gebrauch,  sondern  als 
Handelsartikel),  und  brachten  dieselben  nach  Africa  und  Spanien. 
Bei  der  Erwähnung  der  Insel  Cos  wird  übrigens  auch  von  Cle- 
aent-Mnllet  (p.  510),  der  sich  dabei  von  Hardoin  und  Salma^« 
bIss  irre  führen  iSsst,  Cos  und  Ceos  verwechselt. 

Bei  der  Darstellung  der  zweiten  Periode  behandelt  unser 
Verfasser  ^den  geschichtlichen  Entwicklungsgang  der  Weberei  zu 
kirchlichen  Zwecken  vom  XII.— XV.  Jahrhundert  „(S.  33—73). 
Den  Anfang  dieser  Periode  begründet,  wie  eben  bemerkt,  das  Epoche 
nackende  Ereigniss,  dass  König  Roger  von  Sicilien  bei  seinem  sieg* 
reiehen  Feldsuge  in  Qriechenland  ausser  grosser  Beute  aus  den  Städten 
Athen,  Korinth,  Theben  konstreiche  Seidenarbeiter  und  Arbeiterinnen 
«Qter  den  Gefangenen  nach  Palermo  brachte  (um  1147)  und  da* 


38  Bock:  Gefchichte  der  lUargbcfaen  Gewinder  dei  Mitteltlftarf. 

durch  die  Seideocaltar  und  Beidenfobriluition  su  den  lateintacheii 
Christen  verpflanste.  Anfänge  dazu  waren  In  Sicilien  achon  vor  der 
normannischen  Zeit  unter  den  arabischen  Dynastien  gemacht  wor- 
den. Namentlich  war  zu  Palermo  an  dem  Hofe  und  lum  Gebrauche 
des  Hofes  )Bine  Anstalt  für  Seidenweberei  durch  Frauen,  wie  über- 
haupt die  islamitischen  Dynastien  im  Orient  und  Occident  solche 
Anstalten  (zugleich  eine  Zugabe  des  Harems  hatten)  unter  dem  Na« 
men  Tiraz,  welches  Wort  dann  auch  die  Benennung  eigener  Qat- 
tungen  von  Seidenstoffen  hergab.  Eine  ähnliche  Anstalt  für  Seiden- 
fabrlcation  war  in  Byzanz;  ja  in  der  frühsten  Zeit  schon  wurde  an 
den  Höfen  der  Herrscher  in  China  und  in  Persien  die  Seidenzucht 
und  Seidenfabrication  durch  Frauen  betrieben.  In  kurzer  Zeit  er^ 
hob  sich  die  Seidenindustrie  der  Christen  auf  Sicilien  zu  grosser 
Blüthe.  Mit  ihr  wetteiferte  die  maurische  Industrie  im  südlichen 
Spanien,  ganz  besonders  in  der  Stadt  Almeria.  Mit  der  gesteiger- 
ten Fabrication  trat  in  dem  zwölften,  dreizehnten  Jahrhundert  zu- 
gleich eine  grosse  Steigerung  der  Consumtion  in  dem  Occident  ein, 
da  der  Einfluss  der  Ereuzzüge,  der  Aufschwung  des  Lebens,  der 
sich  vornehmlich  in  den  grossen  Eirchenbauten  und  in  dem  Ritter- 
wesen zeigte,  den  Gebrauch  der  Seidenstoffe  sehr  vermehrte.  Die 
Seidenindustrie  verbreitete  sich  nach  dem  Festlande  von  Italien: 
zuerst  nach  Lucca  und  bei  Gelegenheit  dort  ausgebrochener  bürger- 
licher Unruhen  im  Anfange  des  vierzehnten  Jahrhunderts  von  da  nach 
andern  Städten  namentlich:  Florenz,  Venedig,  Genua.  Hier  war 
die  Seidenindustrie  in  diesen  Jahrhunderten  anfangs  auf  die  Weberei 
beschränkt  und  begriff  nicht  auch  die  Seidenzucht:  die  Rohseide 
bezog  man  aus  Griechenland  und  aus  dem  Orient.  Von  der  da- 
maligen Fabricationsweise  während  dieser  Periode  bis  zu  dem  fünf- 
zehnten Jahrhundert  hebt  unser  Verfasser  insbesondere  einen,  sehr 
interessanten  Punkt  zu  näherer  Besprechung  hervor,  nämlich  die 
Bereitung  der  bei  den  damaligen  Geweben  fast  verschwenderisch 
angebrachten  Goldfäden  (S.  48).  Nach  der  im  fünfzehhten  Jahr- 
hundert aufgekommenen  und  jetzt  noch  gewöhnlichen  Praeparation 
wird  nämlich  der  Goldfaden  dadurch  erzielt,  dass  man  einen  stär- 
kern Seiden  faden  mit  einem  dünngezogenen  leichten  Silberdrähtchen 
iiberspinnt,  welches  vorher  vergoldet  worden  ist.  In  den  Geweben 
des  frühern  Mittelalters  aber  orientalischer  wie  occidentalischer  Fa- 
brication, bestehen  die  Goldfäden  entweder  ans  glatten,  riemenfor- 
niigen  nur  auf  einer  Seite  vergoldeten  Streifchen  von  einer  zarten 
Substanz,  oder  diese  nur  auf  einer  Seite  vergoldete  Substanz  Ist 
um  einen  Leinenfaden  gesponnen.  Was  diese  Substanz  sei,  ob  ein 
natürlicher  vegetabilischer  Stoff,  irgend  ein  Bast  oder  eine  Faser, 
oder  eine  künstlich  bereitete  Masse,  —  das  hat  unsre  heutige  Tech- 
nik und  Wissenschaft  bis  jetzt  noch  nicht  herausgebracht,  obgleich 
die  Lösung  dieses  Räthsels  von  einem  grossen  praktischen  Gewinn 
wäre,  indem  man  dadurch  einen  wohlfeilem  und  schönern  Goldfaden 


Boefc:  Ci«MUdiCe  der  litarfifchen  Gewinder  def  Mittelelterf.  3d 

endeleD  wfirde.  Den  Seidenfaden  selbst  onmittelbar  la  vergolden 
hat  man  aber  bis  jetzt  nngeachtet  hoher  Preise,  welche  su  Lyon 
wiederholt  ffir  die  Erfindung  ausgesetEt  wurden,  gleichfalls  nicht  er^ 
flnden  können. 

Hinsichtlich  der  yerschleddnen  Gattungen  von  Seidenstoffeui 
welche  man  in  dieser  sweiten  Periode  (Xu.— XV.  Jahrh.)  fabri- 
tirte  (Cendal,  Siglaton,  Diapre  u.  s.  w.),  welche  Michel 
(Becherches  I.  106 ff.)  ausführlich  behandelt,  lässt  sich  unser  Ver- 
fiiser  anf  eine  Aafzfthlung  und  Beschreibung  derselben  nicht  einy 
mit  Ausnahme  des  Sammet,  welchem  weiter  unten  ein  eigner  Ab- 
schnitt gewidmet  wird;  sondern  er  beschränkt  sich  auf  eine  knrae 
Gharakterisimng  im  Allgemeinen  (S.  56.  64).  Hinsichtlich  der  Des* 
flins  unterscheidet  man  in  dieser  Periode  der  Seidenfabrication  in  Italien 
zwei  Abschnitte:  während  des  zwölften  und  dreizehnten  Jahrhunderts 
herrscht  die  Nachahmung  des  frühern  orientalischen  Geschmackes 
in  Tliierfigaren  vor ;  von  dem  yierzehnte^  Jahrhundert  an  zeigt  sich 
dagegen  eine  grossere  Selbstständigkeit  des  occidentalen  Geschmackes 
namentlich  häufiger  Darstellung  biblischer  und  heiliger  Geschichten, 
was  unser  Verfasser  mit  dem  Aufschwung  der  Malerei  in  Italien 
durch  Gimabue  und  Giotto  in  causale  Verbindung  setzt.  Aus  die- 
sen beiden  Abschnitten  nnd  von  beiden  Arten  von  Dessins  hat  sich 
eine  beträchtliche  Anzahl  von  Resten  liturgischer  Gewänder  noch 
erhalten.  Dabei  hebt  der  Verfasser  hervor  (S.  55),  wie  sich  in  den 
Kirchen  zu  Danzig,  Stralsund,  Brandenburg,  Halberstadt,  Braun* 
ichweig  eine  verhältnissmässige  grosse  Menge  interessanter  Gewebe 
ans  dem  XIII. — XIV.  Jahrhundert  erhalten  hat,  während  in  den 
italienischen  Kirchen,  wo  man  solche  Schätze  besonders  suchen  sollte, 
dorch  den  Wechsel  des  Geschmackes,  besonders  aber  seit  dem  fran- 
zösischen Revolutionskriege  nnd  der  Invasion  der  französischen  Herr* 
Schaft  am  Anfang  dieses  Jahrhundertes  die  alten  liturgischen  Ge* 
wimder,  namentlich  alle  mit  Gold  versehenen,  zu  Grunde  giengen 
(8.  59). 

Der  Verfasser  theilt  aus  seiner  eignen  Sammlung  aus  den 
oben  angeführten  beiden  Kategorien  von  Gewandstoffen  eine  Reihe 
von  Proben  mit  in  Farbendruck,  welche  Jedermann  mit  dem  gross- 
toi  Interesse  nnd  Vergnügen  betrachten  wird.  Bei  dem  neu  er- 
wachten Interesse  für  diesen  Zweig  mittelalterlicher  Kunst  und  In- 
dostrie,  werden  immer  von  Zeit  zu  Zeit  namentlich  in  Frankreich 
neae  Proben  derselben  aus  den  Schränken  der  Sacristeien  hervor- 
geiDcht  und  bekannt  gemacht  So  bringt  Caumonts  Bulletin  monu- 
mental 1854.  XX.  mehrere  Stücke,  welche  an  die  von  unserm  Ver- 
fuser  mitgetheilten  oder  angeführten  angereiht  werden  können,  na- 
mentlich ein  äusserst  geschmackvolles  Stück  mit  Pfauen  und  arabi- 
edier  Schrift  ans  dem  Schatze  der  Kirche  St.  Serein  zu  Toulouse 
(p.  48);  ein  von  dem  Bischöfe  Thomas  von  Canterbnrj  gebrauchtes 


30  Book:  G«0chidile  dar  JitarfiMlie»  (kiwttAder  dei  MiltekillMi. 

Measgewand,  aas  einer  Kirche  zu  Toomay  (p*  115);  ein  Stück  tob 
dem  Mess^wande  des  h«  Don^meus,  ans  Toalonse,  mit  Pfauoi  und 
Pelikaaen,  dazwischen  Pflanzen*- Arabesken  (p.  119). 

Die  dritte  und  letzte  Periode  der  Seidenfabrication  im  Mit- 
telalter, namentlich  In  Beziehung  auf  Coltoszwecke,  weiche  das  fünf- 
zehnte und  secbzehnte  Jahrhundert  begreift,  behaudelt  unser  Ver- 
fasser im  dritten  Abschnitte  des  yorliegenden  Heftes  (S.  73 — 98), 
wobei  vornehmlich  folgende  Punkte  hervorgehoben  werden.  Der 
natürliche  Entwicklungsgang  dieser  Gewinn  bringenden  Industrie  und 
äussere  Umstände  machten  dass  im  fünfzehnten  Jahrhundert,  theiU 
weise  aber  auch  schon  früher  sich  die  Seidenfabrication  von  Italien 
aus  weiter  verbreitete,  namentlich  nach  Frankreidi  und  FlanderD|  wo 
sie  von  den  Königen  Ludwig  XI.,  Karl  VIII.,  Franz  I.  überaus 
beschützt  und  gepflegt  wurde.  Hauptsitz  derselben  im  ersten  Lande 
wurde  Lyon,  neben  ihm  Tours  und  eine  Zeit  lang  auch  Orleans; 
in  Flandern,  Brügge.  Der  Verbrauch  seidner  ßtofife  nalim  ungemein 
cu  durch  den  Kieiderluxus  und  die  Prunksucht  bei  Festen  im  welt- 
licfaen  Leben,  so  wie  durch  den  Beichthum  der  Kirche,  mehr  aber 
noch  durch  freiwillige  Gaben  und  Stiftungen  von  Seidenstoffen  und 
liturgischen  Gewändern  Ton  Seiten  der  Gläubigen,  was  alles  durch 
sweckmässig  gewählte,  zum  Theil  sehr  frappante  Beispiele  bewieeen 
wird.  Darauf  schildert  der  Verfasser  das  charakteristische  der  Sei- 
denstofl'e  der  liturgischen  Gewänder  dieser  Periode,  wozu  ihm  die 
Anschauung  eines  reichen  Materials  bei  den  Ausstellungen  alter  Kir- 
ebengewänder  zu  Grefeld  (1851)  und  Colin  (1855.  1856),  so  wie 
seine  eigne  reiche  Sammlung  und  seine  Reisen  die  yielseittgsten 
Mittel  darboten.  Dabei  gibt  er  aber  auch  zugleich  eine  zusammen- 
fassende kurze  Uebersicht  aller  der  drei  von  ihm  angenommenen 
Perioden  der  liturgischen  Gewandstoffe  im  Mittelalter  (S.  86.  95) 
folgender  Weise:  Die  erste  von  Justiuian  bis  in  die  Mitte  des 
XU.  Jahrhunderts  die  orientalisch -byzantinische:  die  Seidenstoffe 
sehr  schwer  und  dicht  gewebt,  häufig  einfarbig  ohne  Dessin;  als 
Dessins:  phantastische  Thierbildungen,  Polygone,  Kreise;  die  zweite 
Perlode  von  der  Mitte  des  XII.  Jahrhunderts  bis  Ende  des  XIV., 
die  arabisch*italienische:  das  Gewebe  leichter,  in  der  Regel  vielfar- 
big, die  Zeichnung  beweglicher,  schwungvoller,  meist  in  Gold  bro* 
schirt;  originell  stjlisirte  phantastische  Thtergestalten  mit  Pflanzen* 
Ornamenten;  die  dritte  Periode  XV.  und  XVL  Jahrhundert;  die 
gemanisch- romanische:  Damastgewebe;  Verlassen  der  Dessins  der 
frühem  Perioden  namentlich  der  Thierflguren ;  geringere  Manigfaltig- 
keit  der  Dessins;  Einfluss  des  gothischen  Styles.  Das  in  dieser  ddt* 
ten  Periode  in  den  Dessins  vorherrschende  Motiv  der  Ornamente 
wenn  auch  in  verschiedener  Ausführung,  ist  der  Granatapfel  (pomme 
d'amonr)  oder  eine  ähnliche  Frucht  oder  Samenkapfel  umgeben  von 
fiosenbiättem.    Der  Verfasser  theilt  eine  Anzahl  schöner  Master  in 


Bocks  «Mcyehie  4&t  litarffochem  G«rwtader  46f  Mtehillm.  8t 

Thitlm  mit  Gegmi  Ende  dmer  Periode  tritt  der  Einflass 
im  BeBalseaBoe  aaf  die  Deesinf  ein  dorch  Anfnahme  von  antlkea 
Acanthasbllttem  und  Palmetten,  aber  öfters  nicht  in  richtiger  Au^- 
teraog,  jedenfalls  mm  Nachtheii  der  originalen,  traditioneUen  and 
tirehfichea  Ornamentik  aaf  diesem  Gebiete  und  endlich  nim  Unter- 
gwfe  derselben.  Doch  ist  es  bekannt,  mit  welchem  Dfer  man  von 
BiBohen  Seilen  her  eine  Restaaration  des  alten  bessern  Grescbmackes 
jctst  anstrebt  Der  Verfasser  nennt  mit  Belriedigang  mid  empfehlender 
Aisrkennang  besonders  zwei  Fabriken,  die  sieh  in  der  Wiederein- 
flhrang  solcher  l>essem  Seidenstoffe  sa  iltorgiseben  Zwecken  yer- 
dient  machen,  nfimlich:  Fr.  Jos.  Casaretto  in  Grefeld  und 
Koel  Le  Mire,  p^re  et  fils  zu  Lyon. 

Der  letzte  Absehnitt  (IV)  der  Torliegenden  Lieferung  (8.  98 — 
180)  ist  aosschliesdidi  der  Betrachtung  des  Seiden  •  Sammets  (ve- 
kmrs)  gewidmet,  welcher  Stoff  schon  seit  der  zweiten  Hälfte  des 
XIL  Jahrhunderts  so  geistlichen  und  liturgischen  Gewändern  In  An- 
weadung  gebracht  wurde.     Eine  Aufzählung  und   Beschreibung  Im 
ftanebien  der  andern  Gewandstoffe  dieser  dritten  Perlode,  deren  Na- 
Mo  und  Fabricatlon  jetzt  aufkommen,  hielt  der  Verfasser  nicht  fOr 
iMiig.    Whr  inden  eine  solche  bei  Michel  (Recherches  IL  167), 
woher  wenigstens  efaiige  der  am  häufigsten  genannten  Gattungen 
▼ou  Seidenstoffen,  die  auch  bei  liturgischen  Gewändern  in  Anwen- 
dang  kamen,   hätten  angeführt  werden   können   wie:   drap   d'or; 
drtp  d'argent;  Satin;  Serge;  Taffetas.    Die  Herleitung  des 
Wortes  Sammet  (Sammit)  wird  gegeben  von  Examitus  nach  den 
mfai  Fäden,  die  den  Einsehlag  bilden  (ß^  und  pUtog^  nicht  pJtog  wie 
dvdi  einen  Druckfehler  S.  101)  und  dann  von  der  Geschichte  des 
Stoffes  gehandelt    Ehi  reiches  Material  dazu  ist  gegeben  bei  Michel 
(Reofaercbes  L  106 — 199)  ans  welchem  unser  Verfasser  einen  Aus- 
^  gibt,  jedoch  auch  manchen   Beitrag  hhizufügt  namentlich  aus 
Mincr  Kenntniss  alter  liturgischer  Gewänder  in  Deutschland.   Dieser 
leiste  Abschnitt  schliesst  mit  einer  Betrachtung  der  Beziehungen  Im 
Mittelalter  zwischen  Weberei  und  Stickerei  der  liturgischen  Gewän* 
der  einerseits  und  der  Malerei   und  Sculptur   andrerseits  (S.  112 — 
121).    Nach  dem  damaligen  Charakter  der  christlichen  Kunst  wur- 
den die  Figuren   der  biblischen  Personen  und   der  Heiligen  nicht 
bloB  überhaupt  bekleidet  dargestellt,   sondern  bekleidet  theils  mit 
wirklichen  liturgischen  Gewändern,  Üieils  doch  jedenfalls  mit  den- 
selben Stoffen  aus  denen  die  liturgischen  Gewänder  gefertigt  waren; 
überdiess  befleissigten  sich  die  Maler  in  beiden  Fällen  der  genaue* 
iten  Nachahmung  der  Stoffe  und  Gewänder.    Es  Ist  daher  klar,  wie 
das  Yerständniss  der  Art  des  Faltenwurfes,  der  Farben,  der  Dessins 
der  Gewänder  auf  den  mittelalterlichen  Gemälden  von  der  Eennt- 
nin  der  liturgischen  Gewänder  jener  Zeit  abhängt  und  umgekehrt 
vie  viel  die  letztere  aus  der  Betrachtung  der  lüten  Gemälde  ge- 


32  Bock:  Gecchi«b(e  der  litar^iehen  Gerader  dei  Mittelalldn. 

winnen  kann.  Es  wird  darüber  von  nnserm  Yerfaaaer  eine  Reibe 
interessanter  Beispiele  und  Bemerkungen  aus  dem  Kreise  der  alt- 
italienischen  und  altdeutschen  Malerei  mitgetbeilt. 

Aus  dem  bisher  Gesagten  wird  hinreichend  hervorgehen,  wie 
wichtig  das  bisher  besprochene  Werk  ist,  nicht  blos  für  die  Kennt- 
niss  des  speciellen  Gegenstandes,  dem  es  sunächst  gewidmet  ist, 
sondern  auch  für  die  Geschichte  der  Kunst  und  Industrie  des  Mit- 
telalters und  selbst  für  praktische  Zwecke  der  heutigen  FabricaiioD 
edler  Stofife  und  literarischen  Gewänder.  Der  Verfasser  gibt  aus  den 
vorhandenen  liturgischen  Hilfsmitteln  und  aus  seinen  eignen  so  reich- 
haltigen Anschauungen  und  Erfahrungen  eine  Fülle  interessanter  und 
wichtiger  Notizen.  Gerade  diese  Fülle  macht  eine  klare  feste  An- 
ordnung, Genauigkeit  und  die  Vermeidung  von  Wiederholungen  bei 
der  Darstellung  um  so  schwieriger,  aber  auch  um  so  nothwendiger, 
worauf  der  verdienstvolle  Verfasser  bei  seiner  im  übrigen  sehr  gu* 
ten  und  anziehenden  Darstellungsweise  seine  Aufmerksamkeit  zu 
richten  haben  wird.  Die  am  Anfange  dieses  ersten  vorliegenden 
Heftes  mitgetheilte  Uebersicht  des  Inhaltes  des  ganzen  Werkes  ver- 
spricht eine  grosse  Reichhaltigkeit  an  interessanten  Gegenstinden« 
Der  Verfasser  hat  schon  in  der  vorliegenden  Lieferung  einen  we- 
sentlichen Beitrag  geliefert  und  wird  deren  in  den  folgenden  Liefe- 
rungen gewiss  noch  mehr  liefern  zur  Ergänzung  des  dassischen 
Werkes  von  Francisque  Michel,  welcher  gerade  für  Deotseh- 
land  in  der  Geschichte  der  Seidenstofife  einen  Mangel  an  literari- 
schen Hilfsmitteln  beklagt  (Recherches  Tom,  IL  p.  316).  Man 
kann  daher  der  grossen  Thätigkeit  und  umfassenden  Kenntniss  des 
Herrn  Verfassers  auf  diesem  Gebiete,  sowie  der  grossmüthigen  und 
so  sehr  wohl  angewendeten  Förderung  dieses  Unternehmens  von 
Seiten  des  durchlauchtigsten  Fürsten,  dem  es  gewidmet  ist,  nur 
Dank  und  Anerkennung  zollen,  und  dem  Unternehmen,  dessen  Fort- 
setzung wir  mit  Interesse  entgegensehen,  die  verdiente  Theilnahme 
und  Förderung  von  Seiten  des  Publicums  auf  das  lebhafteste  wün- 
schen. Zell. 


fe.t  BEIDELBERflER  IKt. 

JIIRBOGEBR  OBR  IITBRATUR. 

I>df  iäUusüme  d£  OiuraH  per  Ouaeppe  PiaandU,     Torino,  1866. 

Wir  begräBsen  mit  Freade  die  oben  geninnte  Schrift  eines  geist* 
reichen  nnd  praktisciien  Mannes  über  eine  der  wichtigsten  Einrieb- 
tongen  der  Gegenwart  Der  Verfasser  ist  Pisanelli,  früher  einer  der 
bedeutenden  Advolcaten  Neapels,  Verfasser  einer  guten  Schrift  über 
Todesstrafe,  jetzt  als  Advokat  in  Tarin  lebend.  Der  Verf.  der  eine 
IiDge  Zeit  hindurch  den  Gang  der  StraQustia  in  Neapel  beobachten 
konnte,  lebte  einige  Zeit  in  Frankreich  um  dort  die  gerichtlichen 
Ülnriditongen  zu  studiren,  und  machte  sich  mit  dem  Stadium  der 
eogüschen  Geschwornengerichte  vertraut.  Das  Ergebnlss  seiner  For* 
whuDgen  ist  das  vorliegende  Werk,  das  wir  um  so  mehr  für  be- 
dentend  halten,  als  es  dem  Lande  angehört,  in  welchem  das  Institut 
der  Schwurgerichte  bis  zur  neuesten  Zeit  keinen  Eingang  fand.  Un- 
lere  Leser  erinnern  sich,  dass  Napoleon  in  jener  berühmten  Anrede 
vom  7.  Junj  1805  In  Mailand  an  den  gesetzgebenden  Körper  den 
Itiiünem  erklärte,  dass  er  nicht  daran  denken  könnte,  die  Schwur- 
gerichte in  Italien  einzuführen;  selbst  seinen  Landsleuten,  den  Gor- 
sikanem  gab  Napoleon  keine  Schwurgerichte;  merkwürdig  Ist  es 
aaeh,  dass  bedeutende  SchrifUteller  Italiens,  z.  B.  Giuliani  in  Ma- 
cerata,  Carmignani  in  Pisa  gegen  die  Einnihrung  der  Geschwomen 
sich  erklärten ;  noch  in  neuester  Zeit  enthält  die  durch  viele  treff- 
liehe  AnÜBätze  beachtenswürdige  Zeitschrift:  La  Temi  in  Florenz, 
vShreod  das  öffentliche  mündliche  Anklageverfahren  gerühmt  idrd, 
AnfOtae,  welche  gegen  die  Jury  sich  erklären.  Nur  in  Plemont 
ist  seit  1848  für  die  Entscheidung  der  Pressvergehen  das  Schwur- 
gericht eingeführt  und  in  MalU  enthält  seit  1855  ^e  vorzügliche 
iem  schottischen  Strafverfahren  nachgebildete  Strafprozessordnung 
tteh  die  Schwurgerichte.  In  Piemont  hat  1856  das  Ministerium 
den  Kammern  einen  Gesetzesentwurf  vorgelegt,  nach  welchem  für 
£e  Entscheidung  der  schweren  Verbrechen  Schwurgerichte  einge- 
fflbrt  werden  sollten.  Auf  diese  Weise  erhält  die  Frage:  ob  und 
onter  welchen  Bedingungen  Schwurgerichte  den  Vorzug  vor  Staats- 
richtem  verdienen,  für  Italien  eine  hohe  Bedeutung,  und  die  vorlie- 
gende Schrift  würde  schon  in  dieser  Beziehung  wichtig  sefai;  allein 
^  ist  es  noch  in  dnem  höheren  Grade  für  alle  Länder,  well  der 
Terhsser  seinen  Gegenstand  von  einem  höheren  Standpunkte  aus 
^  ^e  Weise  behandelt,  der  das  Werk  für  den  Juristen  eines  je- 
den Landes  empfehlenswürdig  macht.  Wir  finden  in  dem  Verfasser 
ale  Eigenschaften,  welche  dem  gebildeten  Italläner  eigenthümlich 
sind,  d^  Frische  und  Lebendigkeit  der  Auffassung,  die  Neuheit  der 
Ideoi,  Scharfeüm  in  der  Zergliederung  und  Klarheit  der  EntWicke- 
L.  Mrf .  1.  Hefti  9 


34  PiMiieUi:    DeU'  titttoiioid  de'6i«rati. 

lang  Tereinigt  mit  der  tachtigen  Benützung  der  Quellen  und  Erfah- 
rungen, ipnd  mit  praktischem  Sinn,  der  ftei  von  Deklamatioaen  und 
Uebertreh)ttttgen  In  alle  Einzelnheiten  des  Gegenstandes  nnparth^iach 
eingeht.  Wie  sehr  von  richtigem,  logischem  Geiste  und  dem  Willen 
einer  umfassenden  Erörterung  der  Verfasser  geleitet  ist,  mag  schon 
die  Anordumig  des  Werkes  «eigen.  Nachdem  der  Verf.  im  ersten 
Kapitel  von  den  englischen  Schwurgerichten,  im  zweiten  von  der 
französischen  Jury  gehandelt  hat,  und  bei  jeder  derselben  vorerst 
die  geschichtliche  Ausbildung  dargestellt,  dann,  den  Punkt  der  Bil- 
dung des  Schwurgerichts,  der  Anklage  und  SpezialJury,  die  Lehre 
von  den  Befugnissen  der  Jury,  von  der  Stimmenzahl  und  der  Revi- 
sion der  Urtheile  erörtert  hat,  prüft  er  im  Kap.  III.  die  Natur  der 
Schwurgerichte  und  zergliedert  im  vierten  die  Vorzüge  und  Gebre- 
chen der  Schwurgerichte  (überall  mit  Unterscheidung  der  wirklichen 
und  der  imaginären  Vor*  und  Nachtheile).  Das  fünfte  Kapitel  be* 
spridht  die  zweckm&ssigste  Einrichtung  der  Schwurgerichte,  und  zwar 
1)  in  Bezug  auf  Bildung,  2)  Rekusationssystem,  3)  Competenz  der 
Juryi  4)  Stimmenzahl,  —  Es  beweist  die  richtige  Auffassung  des 
Gegenstandes  von  Seite  des  Verf.  wenn  er  den  Ausgangspunkt  sei- 
ner Forschung  in  der  englischen  Jury  sucht  und  nachweist,  wie  in 
England  selbst  das  Schwurgeridit  nur  allmShlig  ausgebildet  wurde. 
Der  Verf.  hat  für  seine  geschichtliche  Darstellung  vorzüglich  das 
allerdings  gute  Werk  von  Forsyth  „history  of  the  Trial  by  Jury*^  ge- 
wählt;  est  ist  aber  zu  bedauern,  dass  ihm,  wie  es  scheint  die  eng- 
lisoben  Quellen  selbst  nicht  zugänglich  waren  und  er  die  vielfach 
tiefergebenden  Forschungen  der  Deutschen  z.  B.  von  Biener  nicht 
benützte.  Das  Wesen  der  englischen  Jury  kann  am  besten  aufge- 
fasst  werden,  wenn  man  sechs  Perioden  unterscheidet,  und  zwar 
1)  die  Angelsächsische  Zeit,  in  welcher  noch  kein  Schwurgericht 
vorkam,  aber  schon  Einrichtungen  bestanden,  welche  später  leicht 
die  Ausbildung  des  Schwurgerichts  veranlassen  konnten,  und  zwar 
ein  ausgebildetes  Qemeindeleben ,  die  Theilnahme  des  Volkes  an 
den  öffentlichen  Angelegenheiten  in  den  Versammlungen  und  Bei- 
ziehung erfahrener  Männer  aus  der  Nachbarschaft  bei  Entscheidung 
gewisser  Civilstreitigkeiten ;  die  Periode  von  der  normanischen  Er-^ 
oberong  bis  zu  Eduard  III.  eigenthümllch  durch  Einfluss  nonna«|' 
nischer  Gerichtseinrichtungen ,  Hereinziehen  des  Zweikampfs  aU- 
Entscheidungsmlttels  in  die  Gerichte;  Organisirung  des  Instituts  der 
reifenden  Richter,  allmählige  Entwicklung  einer  Art  von  Schwurge- 
richten in  Civilsachen,  Ausbildung  der  Rügejury  und  gegen  Ende  der 
Periode  Anfänge  der  Schwurgerichte  auch  in  Strafsachen,  überall 
aber  mit  dem  Charakter  der  Jury,  dass  die  damaligen  Geschwomea 
nur  wie  Zeugen  nach  eigenem  Wissen  ihren  Wahrspruch  gaben  ;^ 
die  3.  Periode  von  Eduard  m.  an  bis  Heinrich  IV.  charakterisirt 
sich  dadurch,  dass  allmähllg  Verhandlungen  und  Beweisführung  vor 
den  Geschwornen  vorkamen,  diese  nicht  mehr  wie  Zeugen,  sondern, 
$ia  Richter  nach  den  vorgelegten  Beweisen  urtheilten  (wo  sich  s<^oa' 


PiMMirix   Dftt*  iftftafaNM  4^'QknU.  S» 

fBr  die  PrSfuiig  der  e?ideBce  gewtee  Refeb  eoibiUitai),  die  Ge^ 
«diwefMD  telbflt  eb  verwiftworüieh  geitai  und  TieUieheia  Zweng 
oed  eelbet  Stimfeo  nnteriiegen ;  in  der  4.  Periode  encbeint  de« 
Schiriirgerielit  (tou  Karl  L  an  bis  rar  RevoioUon  onler  Jaliob  IL) 
als  ein  Insütoft  das  in  den  ParteienUmprett  (peUtisehen  und  religitf- 
•eo)  der  Zeit  nnter  dem  Einflnase  unwürdiger  von  den  Königen 
fana  abbangiger  JEUcbter  und  scUechter  KronanwSIte  und  unter 
4er  Einwirkung  eines  nur  auf  Erlangung  der  yerurtbaUung  be* 
leebaeten  durcb  Gebrauch  der  Folter  verdorbenen  Yerbbrens  berab* 
gewürdigt  und  eingesehflchtert  in  den  politisoben  Processen  gebrausbft 
wurde;  In  der  5.  Periode  von  1688  erbUt  das  Sebwurgericbt  wieder 
einen  würdigeren  Gharalcter  seit  die  Richter  unabbfiagiger  geatelU, 
das  Yerlabren  verbessert,  und  unter  dem  Einflüsse  eines  allsiiSbUg 
bessern  öffentlichen  Lebens  (mit  Unterbrechungen  wo  in  poUtiaehen 
ProMwen  der  boee  Geist  Einflnss  übte)  in  seinen  Einsdnheiten  ana- 
gebildet  wurde,  bis  in  der  6.  Periode  von  Anfang  dieses  Jahrhun- 
derts der  heutige  QiaralUer  des  Schworgeriehts,  guUUkt  durch  ein 
immer  krSitiger  entwiclLeltes,  öffentlidies  Leben,  Verbesserang  des 
Strafverfahrens  und  würAge  Auffassung  des  Verhillnisaes  von  Steale- 
ijcfater  und  Geschwornen  sieh  ausbildete.  —  Man  bemerkt ,  dasa 
dem  Terf.  des  vorliegenden  Werkes  diese  Ansichten,  wie  nur  all* 
mählig  das  engl  Schwurgericht  das  was  es  jetat  ist  wurde,  ver- 
sehwebten, und  man  bedauert  nur,  da»  er  bei  aMwehen  Hanptpnak* 
tea,  s.  B.  warum  gerade  in  England  das  im  Sehwurgedeht  lier- 
gende  volkstbümUehe  Element  (während  es  in  andern  Staaten  Eure» 
pa's  naterghig)  sich  erhielt,  und  swar  mit  der  Richtung,  dass  ab 
ein  Sats  des  common  law  feststand,  dass  zu  dem  Gtoriclite  Stents 
riehter  und  Greschworne  gehören.  Auch  liätte  der  Vert  mehr  den 
nichtigen  üänfluss  der  berühmten  Entaeheldung  des  Richters  Vaughan 
1670  hl  dem  Falle  von  Boshel  auf  die  abhängige  Stellung  der  Jury 
aum  Staatsriditer  und  auf  die  Bedeutung  des  Satsei:  ad  quaestienes 
facti  req»ondeant  juratores  hervor  heben  soUen.  Von  dem  seimtti- 
scfaen  Sehwurgericbte,  das  vielCsch  abweidiend  von  dem  englisehfin 
sieb  ausbildete,  spricht  der  Verfasser  gar  nicht.  Bei  der  Gescbiehte 
dar  Sebwurgerichte  in  Frankreich  hat  der  Verf.  von  Seite  46  an  sehr 
gut  geneigt,  dass  die  Franaoseu  das  Institut,  das  für  sie  ein  nenes 
nicht  seit  Jahrhunderten  im  Volke  wuraelndes  durch  schwere  K&mpfe 
ausgebildetes  war,  nur  mit  gewissen,  wUlkürlichen,  dem  wahren  We- 
sen der  Juiy  fremden  Merkmalen  in  ihre  Gesetsgebung  brachten, 
das  engliadM  Institut  nicht  verstanden,  und  es  dnseitig  unter  dem 
Eindrneke  von  2  Irrigen  Vorstellungen  iortbildeten,  nSmUch  indem 
man  davon  ausging,  dasa  die  GescäwomcD  nur  Richter  dcf  ThaA 
seien^  and  indem  man  das  Institut  voraugsweise  mit  dner  p^ditisdien 
Beiwitaag  ab  Sehutawehr  der  Freiheit  anffasste.  Sehr  gut  ver- 
weilt der  Verf.  p.  48  bei  den  Verhandlungen,  welche  in  der  Na- 
tiimalvtfsammhing  über  die  Einführung  der  Schwurgerichte  stattfanden 
vid  floigt  die  Unklarheit  der  Auslebten  vieler  Redner,  insbesondere 


36  PinnelU:    Dell'  ütitaiione  de'Ginrati. 

in  Beioig  anf  di«  Trennang  der  Thai  und  der  RechUfirage,  und 
Aber  die  sogenannte  intime  conTietion.  Wenn  der  Verfaaeer 
p.  61  indem  er  von  Napoleon  spricht  in  Bezug  auf  die  Jurj  be* 
merkt,  dass,  von  seiner  Herrschaft  an  das  Institut:  barcollo,  minae. 
ciato  ad  an  tempo  dalle  tradisoni  dalle  capidigia  imperiale,  dalle  arer 
sione  della  magistratura,  dal  desiderio  di  sieurezza  e  dl  quiete,  che 
nelle  moltitudini  era  succeduto  all  amore  della  libertk,  so  zeigt  der 
Verf.,  dass  er  die  franaös.  Jury  richtig  auffasste.  Er  hätte  nur 
noch  mehr  dabei  ?erweilen  sollen,  dass  in  FraniLreich  die  Mehrzahl 
der  Gerichte  dem  neuen,  wie  man  sich  einbildete  das  Ansehen  der 
Staatsrichter  herabwürdigenden  Institute  abhold  waren  und  in  einer 
gewissen  Eifersucht  dazu  kamen  möglichst  die  Befugnisse  der  Ge- 
schwomen  einzuschränken,  möglichst  sie  von  den  Gerichten  abhängig 
in  machen,  wodurch  jene  noch  fortdauernde  Opposition  der  Ge- 
schwomen  und  der  Staatsrichter  entstand,  während  in  England  an- 
erkannt wird,  dass  zu  einem  Vertrauen  erweckenden  Urtheile  das  Zu- 
sammenwirken der  Staatsrichter  und  der  Geschwornen  gehört  Sehr 
got  iduldert  der  Verf.  S.  62  ff.  die  Geschichte  der  französ.  Gesetz- 
gebung über  die  Bildung  des  Schwurgerichts,  den  Einfluss  der  irri- 
gen Ansicht,  nach  welcher  man  das  Recht  Geschworner  zu  sein  mit 
dem  Rechte  eines  Wählers  zusammenstellte,  und  das  Streben  der 
Iranzös*  Regierung,  die  Jury  möglichst  unter  dem  Einflüsse  abhän- 
giger Regierungsbeamten  zu  l>esetzen.  Man  bedauert  hier  nur  einige 
erhebliche  Lücken,  und  zwar  in  Bezug  auf  die  französ.  Gesetzge- 
bung, dass  der  Verfl  bei  der  Gesetzgebung  von  1848  abbricht  und 
eben  so  wenig  von  den  Erfahrungen,  die  man  über  die  Gesetze 
TOB  1848  machte  (zwar  führt  er  Einiges  unter  S.  195  an),  sowie 
über  den  Charakter  der  Gesetze  seit  1852  spricht,  wo  ein  reicher 
Stoff  zu  Betrachtungen  vorliegt,  wie  man  durch  die  Gesetze  von 
1858  ül>er  die  (wieder  unter  dem  Einflüsse  der  Präfekten  bewirk* 
te)  Bildung  der  Listen,  durch  das  Streben  den  Geschwornen  po- 
litische und  Pressyergehen  zu  entziehen  und  durch  das  Gesetz  das 
mit  Mehrheit  yon  7  sich  begnügt.  Alles  anwendet,  um  die  Jury 
unschädlich  für  die  Pläne  der  Regierung  zu  machen.  —  Noch  mehr 
bedauern  wir,  dass  der  Verf.  von  der  Entwicklung  der  Schwurge- 
richte in  Deutschland  und  der  Schweiz  seit  1848  nicht  gesprochen 
hat.  Er  würde  gefunden  haben,  dass  der  wissenschaftliche  Geist 
in  Deutschland  das  Streben,  Grundsätze  aufzusteUeUi  die  Sitte,  die 
Recfatsentwickelung  aller  Völker  zu  stndiren,  bedeutende  Arbeiten 
zu  Tage  gefördert  und  in  den  Gesetzgebungen  der  einzelnen  Staa- 
ten grosse  Verbesserungen  eingeführt  hat,  an  denen  sich  immer 
mehr  die  Ueberzeugnng  kund  gibt,  dass  es  Pflicht  sei,  zwar  nicht 
in  blinder  Nachahmung  aber  mit  yerständiger  Prüfung  die  Jury  In 
ilirem  Mntterlande,  in  England  zu  stndiren,  und  manche  dort  und 
in  Schottland  wohlthätig  wirkenden  Einrichtungen  aufzunehmen; 
vorzüglich  würde  der  Verf.  gefunden  haben ,  dass  in  Bezug  auf  die 
Ton  ihm  alz  richtig  erkannte  Ansicht,  nach  welcher  die  Durchfilh- 


PiMielli:    Den*  iilitatioae  de'Giantf.  17 

mg  der  Trenmuig  Ton  That-  und  Bechisfrago  nicht  mSglieh  itt, 
iniier  mebr  in  Deotsefaluid  anerkjuint  wird,  daas  die  Iransöi.  An- 
sicht eine  Tarderblicha  ist  Der  Verf.  wfirde  fleh  freuen  in  eriah* 
reo,  dtas  eben  in  den  Staaten,  i.  B.  in  Baiemi  Brannscfaweig,  in 
der  Sehweis  TOriäglich  Zürich  die  Jary  am  betten  wirkt  i  wo  die 
Geichwomen  aber  die  ganse  Schnldfrage  nrtheilen  nnd  daher  an  aie 
die  Frage  gestellt  wird:  ob  der  Angeklagte  des  Verbrechena  des 
Mordes  oder  Todschlags,  wenn  darauf  die  Anklage  ging  schuldig  ist 
Aach  die  deutschen  Gesetsgebnngen  leiden  iwar  TieUllich  durch  die 
fehlerhafte  Ansicht,  nach  welcher  man  1848  der  gerechten  Forde* 
rasg  Geoüge  gethan  au  haben  glaubte,  wenn  man  die  (rana5sische 
J07,  insbesondere  auch  mit  der  Grandansicht  anführt,  dass  die  Ge* 
schwonen  nur  Thatfragen  zu  entscheiden  bitten.  Es  ist  merwürdig, 
dasi  gersde  in  solchen  Staaten  das  Schworgericht  weniger  allgemeine 
Theiloshme  bei  denk  Volke  findet,  dass  ?iele  Klagen  über  Missgriffe 
da  Gesehwomen  vorkamen,  und  häufige  Gassationen  der  Wahr- 
«priicbe  (dadurch  grosse  VeriSgerungen)  durch  das  unpassende  fran<- 
loilaehe  System  der  Fragestellung  veranlasst  wurden.  Dennoch  ist 
M  Thatsache,  dass  durch  die  Einführung  der  Schwurgerichte  und 
die  Streoge,  mit  welcher  die  Geschworneo  schuldig  fanden,  die  Kraft 
der  Stra^esetae  vermehrt  nnd  dadurch  die  heilsame  Furcht  vor  Ver- 
vtheilaog  verstärkt  wurde,  so  dass  in  manchen  Gegenden  die  Zahl 
der  schweren  Verbrechen  so  vermindert  wurde,  dass  oft  die  Viertel- 
jahresassisen  wegfielen,  weil  es  an  Straffällen  fehlte.  —  Dass  die 
Gesehwomen  gerechte  Urtheile  (Ulten,  mag  sich  aus  der  Nach- 
weisuBg  ergeben,  dass  in  Preussen  1855  wo  8089  Angeklagte  vor 
Geriebt  standen  und  6773  verurtheilt  wurden  nur  in  5  Fällen  die 
Gerichte  von  dem  Rechte  Gebrauch  machte,  den  Wahrspruch  für 
irrig  SU  erklären,  und  ebenso  in  Preussen  wo  das  Gesets  wenn  die 
Gesehwomen  nur  mit  7  zu  5  schuldig  fanden,  die  Staatsrichter  zur 
Eotscbeidung  aufruft,  in  428  Fällen  die  Gesehwomen  nur  mit  7 
Summen  schuldig  fanden  und  in  378  Fällen  die  Staatsrichter  dem 
Aasspmebe  der  Mehrheit  der  Gesehwomen  beitraten,  also  den  Wahr- 
sprach  billigten.  — 

Das  wicbUgste  Kapitel  in  vorliegendem  Werke  ist  das  14.  über 
^  Wesen  des  Schwurgerichts.  Der  Verf.  verweilt  zuerst  8.  106 
bei  der  Frage:  ob  die  Gesehwomen  nur  Richter  der  That  sden, 
nnd  erklärt  diese  Ansicht  als  mit  der  (beschichte  und  der  Vemunffc 
im  Widersprach  stehend.  Wir  wiederholen  das  oben  Ausgesprochene, 
vir  bedaoern,  dass  der  Verf.  die  wichtige  Entscheidung  des  Richters 
Vaogbau  nidit  zergliederte  wo  zuerst  in  England  die  wahre  Be- 
deotang  des  Satzes:  ad  quaestiones  factis  respondeant  jodices  aus- 
foproeben  wurde.  Es  lässt  sich  nicht  verkennen,  dass  in  England 
^ge  Zeit  die  Richter  von  den  Gesehwomen  nur  die  Entscheidung 
der  Tbatfrage  forderten ,  was  sich  aus  der  Geschichte  der  Jury  er- 
^^  die  zuerst  nur  in  Civilsachen  vorkam,  wo  die  Nachbarn  über 
die  ihnen  bekannten  Thatsachen  Wahrspnich  gaben  und  später  auch 


3g  MiftnelH:   Dell'  isütusione  dd'Giantf. 

in  Straftacfaen  wie  Zeugen  ihr  eigenes  Wwen  anssagien.    Diese 
AvBicbt  wirkte  splter  als  die  Cteschwomen  auf  Beweise  nrtbeiltcn 
fort  nnd  konnte  nm  so  Iriditer  festgehalten  werden,  jemehr  damals 
die  Stra%eeetagebung  sehr  hart  war,  auf  Grade  der  Verschuldung 
keine  Rücksicht  genommen  war  und  daher,  wenn  die  Jury  die  Thal 
als  hewfesen  erkannte,  die  Bichter  nur  die  einfache  (regelmässig 
Todesstrafe)  Strafe  ausBUsprechen  hatten.    Allein  an  dem  Satse:  ad 
quaeetiones  f^tl  reepondeant  juratores  hielten  die  Richter  yorKiiglich 
in  dm  politischen  Prosessen  fest,  well  dann  die  Verurtheilung  ge- 
sichert war,  da  die  Qeschwornen  die  häufig  notorische  Tbatsache, 
%.  B.  des  Zerstörens  der  Bordelle,  oder  des  Predigens  an  die  Volks- 
menge nicht  in  Abrede  stellen  konnten,  während  sie  nicht  so  leicht 
dasu  «1  bestimmen  waren,  dass  sie  die  Angeklagten  deswegen  auch 
des  Hochrerraths  schuldig  fanden.    Auf  diese  Art  quälten  die  Rich< 
ter   die   OesdiwomeD   nur  Über  die   Tbatsache   aussusagen,   oder 
ein  Specialverdict  zu  geben,  weil  dann  die  Richter  es  leicht  hatten, 
das  harte  Btrafurtheil  auszusprechen.    Später  suchten  einige  Richter 
die  in  schlimmen  Zeiten  entstandene  Ansicht  auch  allgemein  festsu- 
halten,  und  erst  1792  in  dem  bekannten  Fox  act  musste  die  6e- 
setsgebnng  zwar  aunächst  in  Beziehung  auf  libel  (Prozessvergehen) 
aber  eigentlich  allgemein  die  Ansicht  anerkennen,  dass  die  Qeschwor- 
nen   auch   Rechtsfragen    in   so   weit    dies    zur   Entscheidung    der 
Schuidfrage  gehört,  zu  entscheiden  befugt  sind.   Dies  zeigt  sich  vor- 
atiglich  darin,  dass  in  England  und  Schottland  die  Qeschwornen  wenn 
die  Anklage  auf  Mord  lautet,  das  Schuldig  wegen  Todschlags  oder 
bei  Anklage  auf  Nothzucht  (Rape),  das  Schuldig  wegen  einfacher 
Qewaltthätigkeit  aussprechen  können,  was  daurauf  deutet,  dass  die 
Qeschwornen  befugt  sin^  zu  prüfen,  ob  die  In  der  Anklage  begrif- 
fene Handlung  Mord  oder  nur  Todschlag  enthält.     Klar  liegt  da- 
rin ein  Entscheiden  von  Rechtsfragen.    Die  Ausführung  des  Verf. 
der  Torliegenden  Schrift  p.  109  ist  sehr  scharfsinnig,  wenn  er  zeigt, 
dass  die  französ.  Juristen  von  falschen  Vorausetzungen  ausgingen, 
dass  bei  jedem  Strafurtheil  4  Fragen  unterschieden  werden  müssen, 
und  dass  zur  Schuldfrage  nicht  bloss  die  über  das  materielle  Fak- 
tum sondern  die  über  die  Zurechnung  und  die  Abstufungen  dersel- 
ben gehören.    Sehr  gut  zeigt  dies  Verf.  S.  114  indem  er  die  An- 
klage wegen  Mords  zergliedert,  und  nachweist,  dass  die  französische 
Anfftwsung,  nach  der  man  sich  einbildete  That-  und  Rechtsfragen 
scharf  trennen  zu  können,  auf  einer  Einseitigkeit  und  auf  Missver- 
ständniss  beruht,  dass  die  Trennung  gar  nicht  durchgeführt  werden 
kann,  nnd  der  Versuch  mit  Qewalt  dennoch  sie  durchzuführen  und 
die  Qeschwornen  nur  auf  Entscheidung  reiner  Thatfragen  anzuhalten, 
zu  der  sonderbarsten  Fragestellung  führt,  das  Institut  der  Jury  herab- 
würdigt und  das  Interesse  der  Bürger  daran  yemichtet.   Was  würde 
der  Verfasser  sagen,  wenn  er  erführe,  dass  In  einem  deutschen  Staate 
das  oberste  Qericht  und  das  Ministerium  gar  nicht  zugeben  wollen, 
dass  in  der  Frage  bei  Anklage  über  Urkundenfälschung  das  Wort 


PisMelth  Dell'  Ittitntlon^  de'Ginntl.  9» 

Ittimde  oder  Wedisel  aufgenommen  werden  aoU,  weil  dlOM  Worte 
Beddsbegriffe  enthftUen.    Erfreulich  ist  noeh,  dem  der  Verl  erfUH 
von  dem  rittliehen  Geiet  nnd  dem  praktitchen  Sinn,  der  die  Oe- 
fdireD  der  Unklarlielt  erkennt,  gegen  mandie  beliebte  Phrasen  anf* 
tritt  I  in  welebe  viele  SchriftBtelier ,  ohne  die  Oefahren  ihrer  An- 
sichten an  ahnen,  das  Wesen  der  Schwurgerichte  einhüllen ,  c  B. 
S.  121  gegen  die  Vorstellung,  dass  das  Schwurgericht  ein  Genos- 
sensehaftsgericht  (Judicium  parium)  sei   (ehie  offenbar  durch  Ver- 
wechslung  yerschiederartiger   Institute   entstandene  Ansicht).     Der 
Verf.  erUXrt  sieh  auch  8.  129  gegen  die  in  Frankreich   verbreitete 
Anaicfat  von  der  Allmacht  der  Geschwornen   und  S.  136  gegen  die 
l»eUel>te  M^nnng,  dass  die  Jury  der  Ausdruck  de  la  conscience  du 
peuple  oder  das  judtcum  partriae  sei.    Alle  solche  Ausdrücke  führen 
wie  der  Verf.  zeigt,  leicht  die  Geschwornen   irre,  verleiten  sie  zu 
dem  Glauben,  dass  sie  über  dem  Gesetze  stehen   und  beruhen  auf 
unklarer  Vorstellung.    Nach  der  Ansicht  des  Verf.  ist  das  Schwur- 
gericht ein  Volksgericbt,  die  Geschwornen  sind  aber  Richter  die  von 
dem  Staatsrichter  dadurch  verschieden  sind,   dass  gegen  ihre  Aus- 
sprüche keine  Rechtsmittel  sulüssig  sind,  wfthrend  solche  gegen  die 
der  Richter  Statt  finden;  allein  deswegen   dürfen  die  Geschwornen 
Dicht  glauben,  dass  sie  durch  keine  Pflichten  gebunden  seien;  jede 
Oesetageboifg  kennt  auch  gewisse  Mittel,  um  Ae  Gefahren  unge- 
rechter Wahrsprfiche  abzuwenden.    Sehr  scharfsinnig  ist  die  Aus- 
luhmng  des  Verf.  p.  131  über  die  Stellung  der  Geschwornen  in 
FUlen,  in  welchen  das  Strafgesetz  zu  ungerecht  oder  die  nach  dem 
Gesetze  zu  erkennende  Strafen  unverhUtnissmfisslg  hart  erscheint 
Hier  zeigt  sich  der  sittliche  Ernst  und  die  würdige  Auffassung  des 
Verf.  in  Bezug  auf  die  Jury,   deren  Anmassungen   er  zurückweist 
nnd  keine  prinzipmässige  Allmacht  der  Geschwornen  anerkennt,  sich 
über  das  Gesetz  hinwegzusetzen  und  in  die  Rechte  des  Begoadigers 
einaagreifen ;  aber  mit  Recht  erinnert  der  Verf.,  dass  auch  die  Staats- 
rtchter,   wenn  harte  dem  allgemeinen   Gerechtigkeitsgefühle  wider- 
sprechende (resetze  angewendet  werden  sollen,  bald  Auswege  fin- 
den, das  Gesetz  zu  umgehen.  —  Der  Verf.  p.  131  erinnert  an  das 
Sehiekaal  der  harten  Duellgesetze;  wir  erinnern  an  die  Hexenpro* 
zeese.    Die  Ckschwornen  dürfen  nie  vergessen,  da»  sie  Richter  shid, 
welche  den  Gesetzen  gehorchen  müssen ;  allein  eben  als  Richter  bei 
der  Auslegung  und  Charakterisirung  einer  Handlung  als  Verbrechen 
rind  ine,  da  sie  keine  EntscheidongsgrOnde  anzugeben  haben,   freier 
and  nicht  gehindert  das  ungerechte  Gesetz  in  einzelnen  Füllen  nicht 
anauwenden,  indem  sie  entweder  noch  strenger  die  Deweissfrage  auf- 
fiMBSti  und  Zweifel  an  der  Schuld  annehmen  oder  wenn  auch  der 
Baehatabe  des  Geseises  zu  enge  ^gefasst  ist,  dennoch  einen  Straf- 
aafhebangsgrund  als  vorhanden  annehmen  oder  statt  des  schweren 
Verbrechens  worauf  die  Anklage  geht,  z.  B.  Mord,  nur  schuldig  des 
Todschlags  aussprechen  oder  bei  dem  unbestimmt  gefassten  Aus- 
drucke dee  Gesettes,  z.  B.  bei  Diebstahl^  wenn  das  Wort:  gewinn- 


40  Piianeüi:   Dell'  islilaiioni  de'Ginnli. 

süchtig  oder  diebisch  im  Gesetze  gefordert  wird,  das«  die  Hand* 
long  nicht  unter  das  Strafgesetz  falle,  z.  B.  wie  neuerlich  in  Eng* 
land  die  Geschwornen  eine  Köchin  freisprachen,  welche  des  Dieb* 
Stahls  angeklagt  war  weil  sie  die  ?on  der  Tafel  abgetragenen  Spei- 
sen an  Arme  verschenkte.  Der  Verf.  zeigt  daher  p.  134  wie  wichtig 
in  einer  Gesetzgebung  es  sein  kann,  zu  gestatten,  dass  wegen  Mll- 
dernngsgründen  eine  geringere  Strafe  erkannt  werden  muss.  —  Wir 
empfehlen  unsern  Lesern  eine  Reihe  guter  Ausführungen  des  Verf., 
z.  B.  S.  138  über  die  Bedeutung  des  Satzes,  dass  das  Schwurge- 
richt Volksgericht  sei  und  S.  139  über  den  Sion  der  Behauptung, 
dass  das  Institut  der  Jury  ein  Palladium  sei;  mit  Recht  zeigt  der 
Verf.,  dass  in  einem  unabhängigen,  volles  Vertrauen  einflössenden 
Richteramt  (mögen  Staatsrichter  oder  Geschworne  urtheilen)  eine 
Schutzwehr  der  Freiheit  liege.  Sehr  wahr  ist  was  der  Verf.  S.  140 
über  die  Bedingungen  der  guten  Wirksamkeit  der  Jury  und  S.  142 
darüber  sagt,  dass  die  Franzosen  diese  Bedingungen  weder  verstau« 
den  noch  gewährten.  Gern  verweilt  inan  bei  den  Ausführungen  des 
Verf.  von  S.  148  an  über  die  wirklichen  und  die  imaginären  Vor- 
züge und  Gebrechen  der  Schwurgerichte.  Niemand  kann  in  Abrede 
stellen,  dass  die  Anhänger  dieser  Gerichte  vielfach  dadurch  ihnen 
schadeten,  dass  sie  als  Vorzüge  solche  angeben,  die  eigentlich  nur 
eingebildete  auf  Uebertreibungen  oder  ausserordentlichen  Voraus- 
setzungen gebaute  oder  nur  sekundäre  und  zufällige  sind,  so  dass 
es  den  Gegnern  der  Jury  dann  leicht  wurde  dies  Institut  anzugrei- 
fen indem  sie  die  Uebertreibungen  in  der  Lobpreisung  widerlegten. 
Zu  den  wohlbegründeten  Vortheilen  der  Schwurgerichte  rechnet  der 
Verf.  zehn,  unter  Andern  die  Unabhängigkeit  der  Geschwornen,  ihre 
Unpartheilichkeit,  die  dadurch,  dass  die  Geschwornen  nicht  ständig 
das  Richteramt  ausüben,  bewirkte  erhöhte  Sorgfalt  und  Gewissenhaf- 
tigkeit in  der  Prüfung  der  Schuld,  der  praktische  Geist,  mit  welchem 
die  Geschwornen  die  Lebensverhältnisse  und  Umstände  der  Tfaat 
besser  beurtheilen  (mit  einer  schönen  Ausführung  p.  153  über  die 
Frage:  worin  die  Erkenntnissquellen  der  Wahrheit  liegen  und  mit 
Nachweisung  der  Gefahren  die  bei  Urtheilsfallung  durch  ständige 
Richter,  welche  leicht  Alles  auf  gewisse  Kategurieen  und  allgemeine 
Regeln  bringen,  während  Geschworne  mehr  den  Fall  individuell  auf- 
fassen. Der  Verf.  führt  hier  auf  S.  158  zwei  sehr  merkwürdige 
Fälle  zur  Erläuterung  an).  Andere  Vorzüge  der  Jury  findet  der 
Verf.  S.  161  darin,  dass  ihre  Wahrsprüche  grösseres  Vertrauen  ein- 
flössen und  dadurch  wirksamer  sind.  —  Dagegen  erkennt  der  Verf. 
S.  164  als  blose  imaginäre  Vortheile  den  thatsächlich  ohnehin  nicht 
begründeten  Vortheil,  dass  der  Angeklagte  von  seines  Gleichen  ge- 
richtet wird,  ebenso  den  angeblichen  Vorzug,  dass  die  Wahrsprüche 
der  G^chwomen  nicht  Werk  der  Reflexion,  sondern  des  gesunden 
Menschenverstandes  sind  (S.  166),  sowie  den  nur  auf  irrigen  Voi^ 
aussetzungen  gebauten  Vortheil,  der  in  der  Trennung  der  That-  und 
Rechtsfrage  liegen  soll«  —  Als  wahre  Gebrechen  der  Schwurgerichte 


PiMBelti:   Dell'  MtUazioM  do'Ginnti.  41 

Mracktal  der  Verf.  S.  171  deo  Uangel  der  Bürgscbafteo,  dess  nur 
fcjenigeo  nrUteilea,  welche  die  ndthigen  EigenachafteD  hiesa  bealUeo, 
ferner  deo  Mangel  too  Entacheidangfgrtinden ;  dringend  empfelden 
wir  allen  Leaern  daa  Studiom  der  hier  eingeichalteten  Erörterung 
des  Verf.  (S.  174)  Aber  die  VortheUe  der  Motiyirang  der  Urtheile. 
Der  Verf.,  der  lange  in  Neapel,  wo  auf  die  EnUcheidangsgrttnde 
groeaer  Werth  gelegt  wird,  als  Vertheidiger  thfitig  war,  gibt  hier 
wichtige  ana  langer  Erfahrung  geschöpfte  Qriinde  für  den  Wertb 
der  MotiTirung  der  Urtheile  an.  Als  Gebrechen  der  Jury  wird  fer« 
aer  S.  176  die  leicht  Torkommende  Partheilichkeit  ihrer  Wahrsprüche 
angegeben  (der  Verf.  führt  die  Lossprechung  im  Strassburger  Fall, 
and  die  Verurtheilnng  des  Sohnes  von  Victor  Hngo,  früher  in  Paris 
wegen  seiner  Schrift  über  Todesstrafe  an),  endlich,  dass  die  Ver* 
antwortlichkeit  der  SUatsrichter  durch  die  Jury  geschwächt  wird. 

Prüfen  wir  die  Vorschläge  des  Verf.,  wie  am  aweckmässigsten 
Schwurgerichte  eingerichtet  werden  sollen,  Torsüglich  S.  187  über 
die  Bildung  der  Schwurgerichte,  so  spricht  sich  gewiss  mit  Recht 
der  Verf.  gegen  die  in  Frankreich  beliebte  Zusammenstellung  des 
Eechta  Geschwome  mit  dem  Bechte  Wähler  au  sein,  ebenso  wie 
gegen  daa  System  des  Census  aus,  aeigt  auch  S.  195,  dass  das 
iranaöeiache  Geseta  Ton  1848  vielfache  Klagen  hervorrief.  Der  Verf. 
fordert  als  Bedingungen,  dass  ein  Bürger  als  Geschwomer  berufen 
werden  kann  (S.  199),  die  geistige  Fähigkeit  und  die  Recht- 
schaffenheit, in  Beaug  auf  Erste  unterscheidet  er  bei  jedem  Volke, 
zwei  Klassen  von  Personen:  1)  solche  die  durch  Unterricht  und 
Bildung  ihre  geistige  Fähigkeiten  entwickelten  und  2)  solche,  welche 
der  Ausbildung  derselben  ferne  stehen  und  ihren  Geist  nicht  aus- 
bildeten. Als  ungenügende  Kennzeichen,  um  zu  erkennen,  wer  in 
die  erste  Klasse  gehört  und  auf  die  Geschworneliste  gesetzt  werden 
soll  erkennt  der  Verf.  S.  204  den  Census  und  Aufstellung  sogenann- 
ter Capacitätskategorieen ;  durch  beides  werden  nur  trtigliche  Ver- 
muthnngen  aufgestellt.  Als  fabig  müssen  nach  dem  Verf.  anerkannt 
werden  Alle,  welche  wirklich  in  die  oben  bemerkte  erste  Klasse  der 
Gebildeten  gerechnet  werden  können.  In  der  an  praktischen  Be- 
merkongen  reichen  Ausführung  S.  206  kommt  der  Verf.  zum  Vor-- 
schlage:  auf  die  Liste  Alle  zu  setzen,  deren  geistige  Fähigkeit  er- 
wieaen  lat.  Aeussere  Kennzeichen,  z.  B.  dass  Jemand  den  Studien 
sidi  widmet  oder  wo  durch  Zeugnisse,  Art  des  Berufs  u.  s.  w.  die  geistige 
BUdnng  dargethan  ist,  sollen  hier  leiten.  Wir  ehren  die  Gründe 
des  Vert  dem  eine  würdige  Jury  vorschwebt  (S.  212  erkennt  er 
sn,  daaa  durch  das  Rekusationssystem  die  Fehler  der  Jury,  wenn 
die  Urliate  schon  nicht  gut  gebildet  ist,  nicht  geheilt  werden  können) ; 
allein  wir  besorgen,  dass  jene  Auskunftsmittel,  durch  welche  der 
Verf.  herstellen  will,  ob  Jemand  die  nöthige  geistige  Bildung  be- 
sitzt zu  trüglichen  Resultaten  führen;  wir  haben  in  den  verschie- 
denen Ländern  die  Wirksamkeit  der  Systeme  über  Bildung  der  Jury 
beohacbtet,  und  durch  Gespräche  mit  praktischen  Juristen  und  mit 


43  Piflanelli:   DtW  istituione  de'Glarttt. 

Mfnnani  die  oft  Geschwome  waren  nns  überseagti  daas  mk  iist 
sogeDantiteii  hohem  Bildong  alt  Eigentchaffc  der  Gesohwomeo  nidift 
▼iel  gewonnen  ist;  wir  ha^n  in  England  MKnner  ans  deaa  Büttel* 
itande  gefunden,  welche  als  Geschwome  ao  verstfindig  über  FSlle^ 
über  welche  sie  au  ortheilen  hatten,  die  Gründe  angaben,  aus  wi- 
chen sie  freisprachen  oder  yerortheilten ,  wir  haben  in  DeotBchland 
unter  Landleuten,  die  wenig  Bchulbildung  hatten,  so  richtig  nrthei'^ 
lende  und  fein  unterscheidende  Geschwome  kennen  gelernt,  wihrend 
whr  Tielfach  unter  den  sogenannten  höber  Gebildeten  weit  weniger 
das  gesunde  die  LebensTerhäitnisse  würdigende  Urtheü  gefunden  haben« 
Auch  kann  nicht  verkannt  werden,  dass  ein  verurtheilender  Wahrspnich, 
In  welchem  Geschwome  aus  denjenigen  Volksklassen  urtheilteo,  die 
dem  Stande  der  Angeklagten  n£her  stehen,  weit  m^r  Wirksamheit  hat 
als  da,  wo  viele  vornehme,  mit  den  Verhältnissen  der  niedere  Volks* 
Uassen  weniger  vertraute  mit  Vorurtheilen  gegen  Geringere  er* 
füllte  Männer  als  Geschwome  urtheilen.  Die  Gestattung  des  Be- 
kusationsrechts  (mit  Recht  gibt  er  es  auch  dem  Staatsanwälte)  bfilt 
der  Verfasser  S.  221  für  notb wendig.  In  Beang  auf  die  Meinung 
Mancher,  dass  in  Anklagen  wegen  politischer  Vergehen  die  Ge* 
0€liwomen  ausgeschlossen   werden  sollen,  ist  die  Ansicht  des  Verf. 

5.  226  gewiss  richtig,  dass  der  Gesetigeber,  wenn  er  dies  unter- 
nimmt, weit  grössere  Uebel  herbeiführt,  als  er  vermeiden  will;  wir 
setzen  hinau,  dass  dadurch  nicht  bloss  das  Institut  der  Schwurge* 
richte  herabgewürdigt,  sondem,  was  noch  jBchlimmer  ist,  dem  Rieh* 
teramt  das  Merkmal  aufgedrückt  wird,  dass  die  Ueberaeagnng  der 
aufgestellten  Richter  nur  durch  den  Willen  der  Machthaber  bestimmt 
ist  und  den  Richtern  die  Rolle  politischer  Partheimftnner  aufge- 
drungen wird.    In  Bezug  auf  die  Stimmenzahl  zeigt  der  Verfasser 

6.  228,  dass  in  der  Einstimmigkeit  die  sicherste,  Vertrauen  er- 
weckende  Bürgschaft  für  die  Wahrheit  der  Wahrsprüche  liegt  Wir 
bedauern,  dass  der  Verf.  die  neue  Arbeit  des  englischen  Jarieten 
Best  in  dem  Papers  read  before  the  Juridical  society,  London  1856, 
Heft  1.  Nr.  1.  nicht  gekannt  hat.  Darin  ist  der  Vorzug  der  For« 
dernng  der  Stimmeneinhelligkeit  am  besten  nachgewiesen. 

Indem  wir  den  Inhalt  des  werthvolien  Werkes  des  Herrn  Pi« 
sanelli  zergliedert  haben  und  damit  den  neuen  von  dem  Miniateriiun 
den  Kammern,  1856,  vorgelegten  Geeetzesentwurf  vergleichen,  dnrch 
welchen  das  Schwargericht  in  Piemont  bei  allen  schweren  Verbre* 
chen  eingeführt  werden  soll,  können  wir  nur  lebhaft  wünschen,  dass 
die  Regierang  und  die  Kammern  durch  die  in  der  oben  angezeig'^ 
ten  Schrift  entwickelten  Ansichten  sich  leiten  lassen  möchten.  Man 
bedauert  bei  dem  Studium  des  Entwurfs  für  Plement,  dass  die  Ver^^ 
fasser  desselben  nur  unter  der  Herrschaft  der  Vorstellongen  von  itm 
Iranzösieohen  Schwurgericht  die  Geschwomen  als  Richter  der  That 
(tivdici  di  fatto)  betrachtend  das  Schwurgericht  einzuführen  beab* 
aie^igeo.  Der  Verfasser  der  gegenwärtigen  Anzeige  hat  seit  48  Jah- 
ren IQ  alka  Liüidem  Europa'«,  in  wdcheo  fichwurgerichte  einge^ 


PifiinelK:   DelP  islUosione  de'Ginnli.  43 

Abt  wareB,  die  Wirksamkeit  derselben  beobachtet  and  Erfahrungea 
gesammeh.  Am  wenigsten  entspricht  das  Institut  seinem  Zwecke 
io  Frankreich,  nnd  in  den  Staaten,  welche  dem  frannöe.  Vorbilde 
folgten.  Am  meisten  Klagen  gegen  dasselbe  werden  In  dieeen  Staa** 
tea  gehört,  während  Jeder,  der  englischen,  noch  mehr  schottischen 
Strafrerhandlnngen  folgt,  von  der  Ueberzeagnng  darchdrongen  wird, 
dass  das  znletzt  genannte  Verfahren  weit  den  Voreug  vor  dem 
französischen  Terdient.  Wir  sind  überzeogt,  dass  die  gote  Wirk- 
samkeit des  Schwnrgerlchts  durch  das  Dasein  gewisser  Voraos- 
Betzungen  bedingt  Ist,  nnd  zwar  L  durch  glückliche  politische,  so« 
tiale  und  moralische  ZnstSnde  eines  Volkes,  dass  insbesondere  da 
wo  entweder  das  Volk  von  politischen  Partheien  erschüttert,  In  be*« 
stSndIger  Aufregung  ist,  ebenso  wenig  das  Schwurgericht  einen  gu- 
ten Boden  hat,  als  da  wo  (häufig  auf  grosse  politische  Aufregung 
folgend)  unter  den  Bürgern  eine  politische  Depression  und  Gleich- 
ffiltigkeit  in  Verbindang  mit  einer  Beschränkung  der  freien  Sffent- 
fichen  Meinnng  herrscht.  IT.  Das  Schwurgericht  fordert  eine  ein- 
fädle klare  auf  Gerechtigkeit  gebaute  Strafgesetzgebung,  weil  sonst 
wenn  die  Strafgesetzgebung  hart  ist  und  Vorschrifteif  und  Strafdrohun- 
gen enthält,  welche  nur  aus  dem  Abschreckungsprinzip  herrorgehen, 
der  Rechtssinn  des  Geschwomen  sich  empört  und  die  Bürger  mit 
Widerwillen  als  Geschwome  thätig  sind,  wenn  ihnen  Gewissenszwang 
Zugefügt  wird,  und  sie  unwillkürlich  genöthigt  werden,  Auswege  zu 
BQchen,  um  das  harte  Gesetz  umgehen  zu  können.  Vorhersagen 
könnten  wir  daher  auch,  dass  wenn  die  Gesetzgeber  Piemonts  Schwnr- 
gettchte  einführen  und  das  jetzige  Strafgesetzbuch  mit  der  häufigen 
<f(t  ungerechten  Drohungen  der  Todesstrafe  und  der  langen  Frei- 
heitsstrafe und  mit  der  Beschränkung  des  richterlichen  Ermessene 
beibehalten  wollten,  Ihr  Schwurgericht  nicht  als  wohlthätig  wirksam 
tich  bewähren  wird.  IIE.  Unerlässlich  ist  eine  gute  Organisation 
der  Schwurgerichte  in  Bezug  auf  die  Bildung  nnd  Torzügiich  auch 
in  der  Richtung,  dass  die  unseelige  französ.  Vorstellung  aufgegeben 
wird,  nach  welcher  die  (Geschwomen  nur  als  Richter  der  Tbat  be- 
trachtet werden.  IV.  Wesentlich  aber  muss  das  ganze  Strafrerfah- 
ren  auf  andern  Grundlagen  als  sie  dem  französ.  Code  zum  Grunde 
liegen,  gebaut  werden,  und  zwar  muss  1)  schon  das  System  der 
französ.  Anklageschriften  aufgegeben  werden,  in  welchen  weitläufig 
mit  Anführung  aller  Beweise,  mit  einer  kunstreichen  Darstellung 
to  Verbrechens  nach  der  kühnen  Phantasie  des  Staatsanwaltes  mit 
mancheriei  romantischen  auf  das  Gefühl  wirkenden  Ausschmückun- 
gen die  Anklage  gestellt  wird  und  die  Geschwornen  wie  das  Pu- 
blikum Irregeleitet  werden  können.  2)  Es  muss  das  Gesetz  wie  In 
^land  es  geschieht  davon  ausgehen,  dass  die  ganze  Strafverhand- 
hmg  eine  logische  Operation  sein  soll,  in  welcher  die  Beweise  für 
nnd  wider  umsichtig  ohne  Leidenschaft  benutzt  werden  nnd  die 
^^women  verpflichtet  sind  nach  den  durch  die  Vernunft  als  die 
hestea  Erkenntnissquellen  der  Wahrheit  gebotenen  nnd  durch  die 


44  PuaaelH:  Dell'  i»tilQiioii6  de^GiaralL 

Erfahrung  gebilligten  Regeln  des  Beweiaes  die  vorgekommenen 
Beweise  sa  prüfen  nnd  nur  dann  das  Schuldig  auajsueprechen  wenn 
kein  vernünftiger  Weise  für  das  Gegentheil  sprechender  Zweifel  vor- 
banden ist.  Es  mnss  darnach  das  anselige  fransös.  System,  nach 
welchem  die  Geschwornen  nur  nach  innerer  Ueberaeugung  entschei- 
den sollen,  aufgegeben  werden,  weil  es  die  (Geschwornen  irrleiten 
und  zu  dem  Glauben  bringen  kann,  dass  sie  ohne  logische  Prüfung 
der  Beweise  nur  nach  dem  Eindrucke  ihres  Gefühles  zu  urtheilea 
hätten.  In  der  Gonsequenz  der  oben  bemerkten  Forderung  mnas 
dann  auch  das  ganze  Verfahren  einfach  würdig  nur  darauf  he* 
rechnet,  eigentliche  Beweise  vorzubringen  geführt  werden.  Der 
Staatsanwalt  darf  keine  grössere  Rechte  haben  als  der  Vertheidiger, 
nnd  Alles  muss  verbannt  werden  was  nur  auf  Erweckung  der  Ge« 
fühle  der  Geschwornen  berechnet  ist.  Darnach  wird  der  Staatsan- 
walt nicht  zu  Mitteln,  um  die  Geschwornen  einzuschüchtern,  ihnen 
die  Folgen  .wenn  ein  so  gefährlicher  Mensch  wie  der  Angeklagte 
freigesprochen  wird,  darzustellen,  Ihre  Erbitterung  zu  erwecken,  seine 
Zuflucht  nehmen,  eben  so  wenig  wie  die  Vertheidiger  durch  Dekla- 
mationen, durch* Schilderungen  die  sich  nicht  auf  die  Prüfung  oder 
die  Beweise  beziehen,  die  Geschwornen  zu  bestechen  suchen  darf« 
4)  Eine  Hauptsache  muss  die  unpartheiische  leidenschaftsloae 
nicht  durch  inquisitorische  Verhöre  mit  dem  Angeklagten  gestörte 
Stellung  des  Präsidenten  sein,  der  vorzüglich  am  Schlüsse  nicht 
wie  in  einem  französischen  leicht  gefährlichen  resum^,  sondern  in 
einem  der  englischen  Charge  nachgebildeten  Scblossvortrage  den 
Geschwornen  ihr  Amt  dadurch  erleichtert,  dass  er  sie  auf  die  Punkte 
aufmerksam  macht,  auf  welche  sie  ihre  Prüfung  lenken  sollen,  ihnen 
alle  einschlägigen  Rechtspunkte,  z.  B.  wie  Mord  und  Todschlag  sich 
unterscheiden,  klar  zergliedert  und  ihnen  die  im  Falle  vorhandenen 
Zweifel  gegen  die  Annahme  der  Schuld  hervorhebt  5)  Am  wich- 
tigsten ist  ein  einfaches  System  der  Befragung  der  Geschwornen, 
in  der  Art,  dass  wie  in  Schottland  und  England  keine  besonderen 
Fragen  an  die  Geschwornen  gestellt,  sondern  sie  nur  aufgefordert 
werden,  zu  entscheiden,  ob  der  Angeklagte  des  in  der  Anklage  an- 
gegeben Verbrechens  schuldig  ist,  jedoch  so,  dass  die  Geschwornen, 
wie  in  England,  Schottland,  in  der  Schweiz,  in  Malta  berechtigt  sind, 
statt  des  höheren  Verbrechens  worauf  die  Anklage  geht,  den  An- 
geklagten schuldig  eines  geringem  oder  wenn  die  Anklage  auf 
Vollendung  ging,  schuldig  wegen  Versuchs  zu  finden.  Will  der 
Gesetzgeber  aber  doch  besondere  Fragen  durch  den  Pribiidenten 
stellen  lassen,  so  wünschen  wir,  dass  man  wenigstens  dem  in  Baiem 
und  in  Brannschweig  gut  sich  bewährenden  System  jedoch  mit  dem 
Zusätze  folge,  dass  die  Geschwornen,  ohne  dass  eine  besondere 
Frage  deswegen  gestellt  zu  werden  braucht,  ermächtigt  werden  ihr 
Schuldig  statt  des  sAweren  Verbrechens  worauf  Anklage  geht,  nur 
auf  das  geringere  stillschweigend  in  der  Anklage  enthaltene  zo  rich- 
ten.   Wir  sind  übezeugt,  dass  mit  solchen  Verbesserungen  andere 


FoBtM  tttwm  Autriaetran.  45 

Sdnrorgeridite  gate  Frfi€lit«  trAgeii  werden,  wShrend,  wemi  der 
GtteUg^eber  nur  an  dem  fransös.  Sjetem  feathJÜt  vielfache  Klagen 
über  die  Schworgerichte  sich  erbeben  werden,  wo  aber  dann  die 
Schuld  Dicht  in  den  Geschwomen,  sondern  In  dem  Gesetzgeber  liegt 
Wir  empfehlen  wiederholt  das  Werk  Pisaneiii's  der  Aofmerlc« 
umkdt  eines  jeden  Juristen.  In  nächster  Zeit  wird  yon  dem  näm- 
liehen  Verfasser  eine  Theorie  des  Strafirechts  erscheinen. 

mittenniiler« 


Ftmtes  rerum  Atutriacarum.  OesterreUhisehe  OeBchichtsqueUen,  heratis- 
gegeben  von  der  historischen  Commission  der  Kais»  Akademie  der 
Wissenschaften.  Erste  Abtheüung :  Scriptores.  L  Band.  Joh. 
TiehieL  8.  v.  Herberstein,  — -  J.  Cuspinian.  —  Q.  Kirchmaier. 
—  Herausgegeben  von  Th.  O.  von  Karajan.  XXIH,  584. 
gr.  8.     Wien.     K.  K.     Hof-  und  StaaUdruckerei.     1855. 

Dolce  bellnm  inexpertis.  —  Dieser  Leibsproch  des  berühmten 
Ritten  Sebastian  Schärtlin  von  Burtenbach,  welcher  sein  Lebelang 
nv  dem  Waffenhandwerk  oblag,  hat  steh  neulich  auf  die  traurigste 
Weise  wieder  bewahrheitet.  Denn  verwöhnt  durch  die  Gentisse  eines 
Indien,  bisweilen  nur  von  kurzen  Aufstandsputschen  unterbrochenen 
Afedens,  stürzten  sich  plötzlich  Franzosen,  Engifinder  und  Sardinier 
aof  Rassland  um  der  bedrohten  Tflrkei  willen ,  griff  selbst  Oester* 
reieh  zur  kostspieligen  Gränzhut  und  Zwischenstellung,  erschienen 
ia  dem  parteilosen  Teutschland  Flug-  und  Hetzblfttter  der  s.  g.  Kai- 
lennaeher  über  die  nothwendige  Kampfgenossenschaft  mit  der  Ci~ 
viliiition  und  die  endliche  Zerstückelung  des  gefrässigen,  barbari- 
Nfaen  Moskowiters  als  europSischen  Grundtibels.  Jener,  gleichfalls 
Bidit  am  Besäten  berathen,  nahm  die  Herausforderung  an;  Tausende 
und  aber  Taosende  fielen  bald  dem  Schwert,  bald  der  Krankheit 
ak  Todtenopfer;  niemals  hatte  in  der  Skythen  Zeit  die  Taurische 
Artemis  so  reichliche  Hekatomben  gewonnen;  „ein  Schlachten  war's 
oad  Iceine  Schlacht.^  —  Aber  bald  empfanden  die  des  Kriegs  Un- 
gewohnten, dnrch  fStelkeit,  Stolz,  Habgier  dem  gesetzlichen  Frie- 
^esigeleise  Entrissenen  die  Folgen  ihres  Unternehmens;  sie  machten 
nieh  kaum  begonnenem  Krieg  wieder  Frieden,  welcher  so  ziemlich 
^  alten  OrSnzen  nngeftndert  bestehen  Hess ,  dagegen  die  einstwei- 
Hg«n  Ab-  und  Zuneigungen  der  Kabinette,  wenigstens  dem  Aenssem 
iMdi,  hier  und  da  umwandelte.  Dabei  begegnete  wie  für  die  An- 
Undlgang  der  widersinnigen  Fehde,  so  für  den  Abschluss  ein  seit» 
IONS,  jtiies  Uebecstürzen.  Die  Pariser  Conferenzen  traten  rasch 
nHunmen  und  riefen  den  Frieden  ans.  Von  ihm,  welcher  den  leicht- 
fertig durdi  Blut  nnd  Gut  bewerkstelligten  Riss  nothdürftig  ans- 
fficte,  gut  Hamlet's  Wort  —  „Das  Gebackne 

Tom  Leidienschmaus  gab  kalte  Hochzeitschüsseln.''  —  Dlesa 
iit  Uder  vm  so  begrOndeteri  je  gedankenloser  man  eine  Hauptre«. 


45  Fontes  rerum  Auftriacanim« 

gel  des  AngriffskriegeB  Teraheäqmte»  Diee^  unteroimml  nicbt  leicht 
Jemand  ohne  Aussicht  auf  Erwerb  sei  es  von  Land  oder  Ton  Geld. 
Eine  so  geheissene  Idealoffensive,  etwa  um  eines  Gedankens  oder 
Gefühls  willen  ergriffen,  ist  Unsinn,  Yerstösst  wider  den  Begriff  and 
die  Geecbiehte;  selbst  die  Kreusfahrten  wollten  erobern,  nicht  nur 
das  heilige  Grab  befreien,  sondern  auch  Palästina  und  Zugehör  den 
Feinden  des  Christenthnms  entretsaen.  Ein  Idealfeldsug,  etwa  fiir 
die  Europäische  Freiheit  und  Ehre  beschlossen  und  ausgeführt,  ist 
in  unsern  wahrhaftig  mehr  materiellen  denn  idealen  Tagen  eine 
wirkliche  Lächerlichkeit,  mit  der  man  nur  Gimpel  und  auch  diese 
nicht  für  lange  kirrt  und  betrügt.  Die  leeren  Kassen,  die  sUmen 
mit  Staub  und  Asche^,  reden  ohne  Zungen  für  das  Gegentheil.  Ist  es 
daher  den  praktischen  Engländern  zu  verdenken,  wenn  sie  nach  dem 
Sinken  des  idealen  Nebels  in  Sinope  ein  Friedensunterpfand  festhal- 
ten und  mit  der  Laterne  des  Diogenes  nicht  sowohl  nach  Menschen 
denn  nach  Männern  suchen  ?  —  Hoffentlich  werden  auch  die  Oester- 
reicher  für  die  kostspielige  Conservirung  der  hohen  Pforte,  dieses 
difriomatischen  Angapfels,  die  Donauprovinsen  nicht  sobald  räumen, 
soadern  mindestens  als  ein  Aequivalent  für  die  westmäcbtliche  Be- 
sllinahffle  des  Griechischen  Peiräeus  und  der  ewigen  Stadt  auf  un- 
bestimmte Zeit  behaupten. 

Immerhin  bleibt  es  daher  nützlichi  den  Blick  auf  das  refomaA« 
torisch-revolutionäre  sechszebnte  Jahrhundert  sa  richten,  in  welobem 
man  für  grondsätsliche  und  materielle  Interessen  beinahe  unuater- 
brechen  mit  Wort  und  Schwert  Krieg  führte,  eine  scharf  ausgeprägte 
Parteistellung  in  der  Kirche  und  dem  Staat,  sogar  auf  dem  Gebiet  der 
Wissenschaft  und  Kunst  nahm  und  einhielt,  obschon  daneben  bäofig 
durch  allerlei  Redensarten  vom  Gegentheil  zu  verkleistern  trachtete. 
So  viel  auch  für  die  Aufhellung  dieser  denkwürdigen  Uebergang^- 
epoehe,  namentlich  durch  Bänke  und  Hagen,  Mignet  und  Havemann, 
geschehen  ist,  bleiben  dennoch  manche  Lücken  und  mangelhaft  be- 
leuchtete Stücke  übrig«  Dasselbe  gilt  von  der  zweiten,  ähnlich  mo«* 
tivirten  Hälfte  des  fünfzehnten  Jahrhunderts,  mit  welcher  die  all^ 
mäUige,  theilweise  Ablösung  vom  tausendjährigen  Reich  des  Mit- 
telalters beginnt  und  in  dem  Fall  Konstantinopeis  durch  die  Türken 
eisen  Hauptanstoss  bekommt  Für  beide  Abschnitte  der  Uebergang^-. 
Periode  in  die  neuere  Zeit  liefert  das  oben  bezeichnete  Werk  be- 
deutende und  zwar  quellenmässige,  den  Zeitgenossen  entlehnte  Bei- 
tri^ge.  Man  muss  dieselben  hoch  anschlagen  und  der  Benutzung  «un 
so  dringender  empfehlen,  je  mannichfaltiger  und  anschaulicher  der 
dargebotene  Stoff  erscheint  und  daneben  in  Folge  der  vom  Hofmus. 
geber  aufgewendeten  Mühe  and  Sorgfalt  keinen  modemisirendea  Bei-^ 
geschmadc  als  widerwärtige  Zuthat  enthält. 

Das  erste  Stück  liefert  in  dem  Tagebuch  des  Anstes  Tichtel 
von  1477  bis  1495  allerlei  Beiträge  zur  damaligen  Tages-»  Sitten^ 
und  Culturgeschichte.  Der  Verfasser  hatte  sie  nicht  für  die  Oeffent- 
UcUceit  besthnmt,  sondern  für  den  Hausgebrauch  au^eaeiebnet,  ^vrle 


Aoatrkeanu».  47 

lek«  die  fein  mkl  MohÜg  beiehriebeuao  Pergameatstreifen  eine» 
fiffOsafoBobanto  von  AviMiinik's  Ciuiod  beweiMn.  Deon  in  diaMn 
Autor,  über  welcfaeo  damab  Vorlesungea  gebaltea  wnrdeoi  trog  der 
(Matfge,  iheoreliacb  und  praktisch  gelehrte  Mann  seine  gelegen- 
heitiieheii  Beobacbtongeii  und  Deohwürdigkeiten  eio.  Leiatere  haben 
•bea  desshalb  keine  feste  Regel  und  Gliederung;  sie  werfen  wie 
•ine  OUa  potrida  Wichtiges  nnd  Unwichtiges,  Staats-  und  Haosbe** 
gebenheiten  sQsammen,  Terbreiten  sich  besonders  ausführlich  über 
Ausgaben  nnd  Einnahmen,  Preise  der  Lebensmittel  und  Aehnliches» 
ieehten  aber  dabei  manche  wichtige  Begebenheiten,  a.  B.  die  Be* 
lagenwg  Wiens  durch  Matthias  Corvinus,  siemlich  ausfQhrlieh  mit 
•in  and  geben  auf  diese  Weise  bisweilen  yerdankenswerthen  Stoff 
lor  eigentlichen  Zeitgeschichte.  Merkwürdig  bleibt  auch  der  kirch- 
liche Eanaleistil,  welchem  gemäss  Oott,  der  Heiland  und  die  Heili«* 
gen  auch  bei  siemlich  unbedeutenden  Ereignissen  und  Zufälligkeiten 
aogerefen  werden.  Das  Jahr  der  Ooctorpromotion  stehet  daneben 
als  ehi  fester,  gieiohsam  geweiheter  Zeitpunkt,  welchen  der  Betrotea 
iiemahi  ohne  Rührung  und  Dank  vorübergehen  lässt«  Wie  die  Qrie- 
dien  nach  den  Olympiaden  lählten  und  die  Rön»er  vom  Aulbau  der 
Stadt  anagiagen,  so  beaeichnet  der  Mann  Aesculaps  die  Doctorwürda 
als  seinen  chronologischen  Grund-  und  Eckstein.  Und  nicht  ohne 
Dcsache;  denn  mit  jenem  Lebensereigniss  begannen  Ehren  und  Früchte 
der  goldenen  Praxis.^  30  Pfund,  6  Schillinge,  heisst  es  s.  B.  S.  59: 
gelobt  sei  Jesus  Christi  Im  Namen  desselben  beginnt  das  17.  Jahr 
nefaiea  Doctorats;  möge  es  gesegnet  sein!  Der  Herr  wolle  mir 
goldig  aean,  dem  armen  sündigen  Menschen  1  Amen!  —  Bisher  nn 
Mitte  Deeembers  eingenommen  in  der  Praxis  einen  Ungergnldent 
Yier  tbeinisehe  Gulden,  eilf  Pfund  Hdler  und  23  Pfennige,  QelobI 
aei  Ciott  der  Herrl  Amenl^  —  Bisweilen  überläuft  dem  gutmüthi- 
gen  Schreiber  aueb  für  etliche  Augenblicke  die  Galle;  er  wird  bitter 
lad  spotUsch.  „Am  Palmsonntag  (4.  April  1490),  heisst  es  s.  B.» 
BSich  Mittag  in  der  vierten  Stunde  wurde  der  Ungarnkünig  Matthiaa 
Sterbonskrank  (au  Wien),  und  er  verschied  jfimmerlioh  an  der  Krank- 
beit  ohne  Testament  und  Sakrament  Allerlei  Gerüchte  über  seinea 
Tod.  In  der  Nadit  des  grünen  Donnerstags  Hlhrte  man,  wie  ver- 
Isalet,  den  Leichnam  gen  Ungarn  auf  der  Donau,  und  am  drittea 
Tage  der  Osterwoche  hielten  wir  mit  der  leeren  Bahre  den  Traoer- 
sog.  IMe  KSnigin  (Beatrix  von  Neapel)  aber  folgte  nicht  der  Bahr^ 
aondera  allein  der  Heraog  Johann.  Kein  Banner,  kein  Trontpeter» 
wie  es  des  Landes  Sitte  ist,  wurde  da  gesehen  oder  gehört.  — »^ 
Gott  erbarme  sich  unser,  Amen !  (S.  52).  —  Wohin  Leib  und  Seele 
des  Königs  gekommen  sind,  weiss  man  nicht^  (S.  53).  Auf  naive 
Wtise  wird  der  Kaiser  Friedrich  XU.  getadelt,  weil  er  Wien  durch 
aeme  Fahrlässigkeit  den  Ungarn  überliefert  habe  (1485).  «Wiede- 
ram,  heisst  es  (S.  84),  ziehen  die  Bürger  in  der  Pfingstwoche  aua 
imd  schliessen  dahin  ab  (23.  Mai),  dass  die  Stadt  dem  Könige  über- 
pbvk  werdOi  wenn  der  Kaiser  sie  nicht  vor  der  Yigilie  des  Leibes 


4d  Fonfei  reram  Attitrketnini. 

Christi  (1.  Jani)  entochütte.  In  der  zweiten  Stunde  dei  Pfingstfestes 
gehet  der  Vertrag  an  den  Kaiser  ab;  der  Brief  lautet  traurig  und 
thr&nenvoll,  sagt  dem  Kaiser  beinahe  Lebewohl.  —  Lebe  also  wolil 
mein  Kaiser,  da  du  allen  Fürsten  Oesterreichs  durch  deine  Nach- 
IXssIgkeit  und  Geldliebe  eine  starice  Maekei  angehängt  hast!  Da 
hast  uns  mit  Worten  gefüttert,  ohne  dass  die  Banner  nachfolg- 
ten.^ —  Diese  üble  Laune  dauert  aber  nicht  lange;  die  alte  Au- 
hinglichkeit  erwacht  und  aeichnet  auf,  wie  dem  Kaiser  am  8.  Ju- 
Bins  1498,  früh  Morgens  um  fünf  Uhr  das  linke  Bein  abgenommen 
wird,  und  der  erlau<ihte  Kranke,  welcher  mit  heroischer  Geduld  die 
Schmerzen  erträgt  und  sich  scherzhaft  Kaiser  ^Einfuss^  nennt,  am 
19.  August  in  Linz  verscheidet.  —  „Er  hat  regiert,  bemerkt  das 
Tagebuch,  53  Jahre  und  6  Monate.  Dank  dem  allmächtigen  Gott 
für  den  so  frommen  und  andächtigen  Hinscheid  I^  (S.  60).  — 

Selbst  die  medicinische  Gerichtskunde  und  Casuistik  be« 
kommen  einen  merkwürdigen  Fall.  „Am  2.  März  1492,  heisst  es, 
Irorde  Benedicts  Konrad  gehenkt.  Als  man  nun  den  Körper  auf 
einem  Karren  in  die  Anatomie  abführte,  schien  er  Lebenszeichen 
zu  geben;  die  Aerzte  leisteten  Hülfe  und  der  Kerl  wurde  wieder 
gesund^  (S.  58).  Diess  geschah,  fügt  eine  Note  bei,  durch  einen 
an  beiden  Cephalicis  gemachten  Aderlass  und  andere  Mittel.  '— 
Aus  Tichtels  Stillschweigen  erhellt,  dass  man  sich  fortan  mit  der 
Sache  begnügte  und  nicht  von  neuem  anfing,  wie  es  mutatis  mutan* 
dis  dem  unglücklichen  Patkul  aus  Liefland  begegnete. 

Das  zweite  Stück,  die  vollständige,  bisher  nur  lückenhaft  be- 
kannte Selbstbiographie  Sigmunds  Freiberrn  von  Herberatein, 
die  Jahre  1486  bis  1558  umfassend,  ist  von  hohem,  geschichtlichem 
Werth.  Sie  versetzt  den  Leser  in  die  Mitte  der  geschUderten  Be- 
gebenheiten, deren  viele  bekanntlich  entscheidender  Natur  waren, 
gibt  überall  ein  frisches ,  anschauliches  Bild  der  Dinge  und  Person* 
lichkeiten,  vertuscht  und  bemäntelt  nichts,  tbeilt  häufig  Urkunden 
und  andere  Dokumente  mit,  zeigt  den  Verfasser  als  einen  wahrheit- 
liebenden, treuen  und  fleissigen  Mann,  welcher  Ruhm,  Auszeichnung 
und  Güter  auf  rechten  Wegen  sucht  und  gewinnt  und  den  Abend 
feines  bewegten,  vielseitigen  Lebens  der  Aufzeichnung  des  Erfahr- 
nen widmet,  um  hauptsächlich  durch  ein  Hausbuch  der  Arbeiten  und 
Ehren  seine  Kinder  und  Enkel  auf  der  Bahn  des  Stammhalters  fest- 
zuhalten, ihnen  Vorbilder  der  Nachahmung  zu  hinterlassen,  fern  von 
aller  Ostentation  und  literarischen,  an  die  Oeffentiiehkeit  oder  den 
Pruck  appellirenden  Eitelkeit. 

(Sehhm  folgt.) 


Ir.  i  HEIDELBERGER  18S7. 

JAHBBOCHBR  dir  LITIBATOR. 

Fontes  rerum  Anstriacamm. 


(Schlaff.) 

„Ich  hab,  beiMt  es  neben  anderro,  solch  meine  ReiseUi  Dienste 
ind  Belohnangen  sam  Theil  hievor  beschrieben ,  d«ss  mehie  Nach- 
kommen meines  Namens  nnd  Geschlechts  sich  auch  wollten  in  Arbeit 
und  Dienste  und  in  kein  Mfissiggang,  übrige  (Gesellschaft  ergebe, 
—  lud  dass  sie  sich  der  Titel  und  Standes  nicht  begnügen  lassen  { 
deoD  die  geben  nichts  gen  Knebel  noch  Keller ,  sondern  wo  nicht 
ehi  fleissigi  emsig  und  arbeitsam  Gemüth  dabei  wirdet,  d.  h.  Werth 
rerKfaaA,  mehr  zu  Verderben  und  Schaden  reichen  n.  s.  w.^  — 
So  eoge  und  beschräni&t  bei  dem  ersten  Bilde  diese  sittlich-hlnsliche 
Teodens  erschehit,  breitet  sich  der  Kreis  dennoch  sehr  weit  ans« 
Denn  die  Denkwürdigkeiten  oder  Familienchroniken  rühren  von  einem 
Verfasser  her,  welcher  vielseitig  und  gründlich  vorgebildet  in  Kriegs- 
uid  StaatsgeschäHten  sein  Leben  zubrachte,  namentlich  aber  unter  dem 
Kaiser  Maximilian,  dem  R.  König,  Ersh.  Ferdinand,  theilweise  auch 
fcm Kaiser  Karl  V.  den  Reisediplomaten  darstellt.  Stets,  so  zu 
■ageo,  marschbereit,  sitzt  er  plötzlich  auf  Befehl  bei  Tag  und  Nacht 
itt  Boas  oder  zu  Schlfif,  durchzieht  heimische  und  fremde  Lande, 
trotzt  mit  Muth  und  Besonnenheit  allen  Gefahren  nnd  Beschwerden^ 
Gberaachtet,  wenn  es  sein  soll  unter  freiem  Himmel,  verkehrt  mit 
Teatfldien  aller  Stämme,  mit  Italienern,  Franzosen,  Spaniern,  Dftnen, 
Polen,  Ungarn  und  Russen,  selbst  den  gefürchteten  Türken  ohne 
Sehea  nnd  Hehl,  oft  in  den  mannichfaltigen  Sprachen  der  Völker, 
veicbe  er  neben  dem  Latein  erträglich  erlernt  hat,  schauet  weder 
fU-  noch  vorwärts,  sondern  immer  nur  auf  die  Gegenwart  oder 
das  übertragene,  treu  vollzogene  Geschäft,  kennt  keinen  Willen  als 
den  seines  Herrn ,  ist  aber  in  den  Mitteln,  welche  zum  Ziel  führen, 
eben  so  erfinderisch  und  gewandt  als,  wo  es  Noth  thnt,  ritterlich 
fab,  kühn  und  tapfer,  kurz  ein  edelmännischer  Diplomat, 
welcher  Feder  nnd  Degen  auf  gleich  tüditige  Weise  gebraucht,  nn- 
eeOhr  wie  Ulrich  von  Hütten  auf  seine  Art.  Die  Sprache  Ist  kräf- 
^  und  so  rein,  dass  sie  einen  wahrhaften  Schatz  damals  noch  le- 
baldiger  Wurzelworte  nnd  Wendungen  fast  auf  jeder  Seite  bietet, 
^Darstellung  anschaulich,  hier  und  da  etwas  breit,  die  Sorgfalt 
ßr  geographisch-statistische  Kunde  so  stetig  und  gespannt,  dass  die 
SMuesten  Meilen-  und  Wegweiser  gegeben  werden,  die  ethnogra* 
Fbnehe,  bisweilen  auch  geschiehtUche  Auffassung  besonders  entle- 
SMr  Völker  und  Gebiete  so  einlässlich  und  klar,  dass  man  bisi 
L.  Jtbrg.  1.  Heft  4 


50  FoBle«  rorvm  Aiatriieir««.  ' 

wellen  an  Herodot  erinnert  wird,  das  Gänse  endlich  von  einer  lie- 
benswürdigen Bescheidenheit,  fast  Demuth,  gleichsam  so  durchdrun- 
gen, dass  man  nicht  leicht  trotz  des  zerstückelten,  ahgerissenen  Stoffes 
heim  Lesen  ein  Blatt  überschhigen  wird.  Ja,  es  sind  die  hessteu, 
Tentschen  Denkwürdigkeiten  aus  dem  sechszehnten  Jahrhunderts, 
welche  hei  weitem  über  Götz  yon  Berltchingen  und  Sebastian  ScbSrt- 
lin  —  und  das  will  viel  sagen  —  zn  stehen  scheinen,  daher  wohl 
eines  hesondem  Abdruckes  würdig. 

Unter  den  verschiedenen   Missionen,   welche  hier  genau  nach 
Zweck,  Mitteln  und  Ausgang  beschrieben  werden,  nimmt  die  Reise 
zu  den  Moskowitern  oder  Küssen  die  oberste  Stelle  ein.  — 
1517   auf  Befehl  Kaiser  Maximilians  im  October  das  erstemal  nn- 
iemommen,  sollte  sie  den  Grossfürsten  Wastiei  Iwanowitseh,  —  der 
Titel  Zaar  fehlte  noch,  —  mit  dem  Polnischen  König  Sigmund  ver» 
söhaea  und  dadurch  die  schwer  von  den  Türken  in  Ungarn  be- 
drohete  Christenheit  eüiigermassen  erleichtern  nnd  sichern,  daneben 
Land  und  Leute  beobachten.    Herberstein,  von  eineoi  kleinen  Ge- 
folge begleitet,  entledigt  sich  seines  schwierige,   gefahrrollen   Auf- 
iragB  mit  gewohnter  Umsicht  und  Entschlossenheit,  machte  bei  rauber 
Jahrzeit  theils  zu  Boss,  theils  zu   Schlitten  durch  Polen  und  Litt* 
hauen  den  langen  Zug  auf  Moskau,  wo  er  am  18.  April  1518  nach 
nnsSgliehen  Beschwerden   und   Abenteuern  anlangte.    Die  Audienz 
erfolgte  etliche  Tage  später;  sie  vereinigte  eine  gewisse  patriarcha- 
lisdie  Offenheit  und  Gastfreundschaft  mit  despotischer  Grandeisra, 
namentlich  bei  dem  Gastmal,  wo  die  einzelnen  Getränke  und  Bpei- 
aen  den  Gesandten  im  Namen   des  Herrn  dargereicht  und  stehend 
genossen  wurden.    „Also  hat  Jeder,  heisst  es  S.  125,  müssen  auf- 
stehen, den  andern  zu  Ehren,  dass  ich  ganz  müde  und  machtlos  in 
Knieen  bin  worden.    Es  wahrste  an  vier  oder  fünf  Stunden«^   — 
Damit  war  die  Arbeit  aber  noch   nicht  beendigt;  denn  nach  aufge- 
hobener TaSßl  musste  auf  dem  Heimweg  der  Botschafter  den  Rua- 
sisehen  Grossen  Bescheid  thun,  „welche  ihn  gar  antrinken  wellten. 
Ale  ich  ihnen  sagt:  ich  möcht  fürwahr  nichts  mehr,  wäre  ganz  roU, 
so  yerUessen  sie  mich.^  —  An  der,  den  18.  Mai  yeranstalteten  Hof-* 
nnd  Hasenjagd  zeigte  der  Gesandte  keine   rechte  herzliche  Theils 
nähme;  dann  es  kam  ihm  absonderlieh  vor,   dass  man  gegen  die 
von  Natur  keineswegs  mnthigen  Thiere  wahrhaft  kolossale  Rtistoa- 
gen  getroffen  nnd  grosse  Zottelhunde  unter  gewaltigem  Schreien  los- 
gelassen hatte«    Befragt,   warum  er  denn  nicht  hetzte,  antwortele 
Herberstein:    «Ich  wösste  das  bei  mehiem  Herrn  nicht  zn  vevasit* 
werten,  dass  ich  dem  armen  Gesellen,  dem  so  viele  Hunde  nadi* 
eilen,  so  unter  Augen  hetzen  sollte,  das  sie  fast  lachten'  (B.  127]). 
—  Ueber  Sitten,  Bräuche,  Einrichtungen  nnd  Umfang  des  damali- 
gen Bnsslaads  werden  mehrere,  bemerkenswerthe  Nachfichten  gege- 
ben.   Von  der  Priesterehe  heisst  es  z.  B.  S*  128:    „Keiner  wird 
zum  Diaeea  geweiht,  er  hab  dann  eine  zu  Weib  fürgenemmen,  und 
nimmt  die  sammt  der  Weihe.    Wo  aber  die  fürgenommene  Baaut 


pMtM  rarm  AwlriMarOTk  51 


flieht  tfna»  goten  Enfi  ist,  so  gibt  der  Bisebof  dam  die  nieht,  mmh 
darn  eni  andere,  die  ein  gaten  Namen  bat  Und  dann  gibt  er  aie 
losaauneii,  und  weibt  den.^ 

Nadi  ein  nnd  dreiseig  Wocben  AofentbalU  in  Moefcan  ond  am 
Ziel  selnee  dipiomatiscben  Zwecke  trat  der  Bote,  reicb  mit  Zobeln, 
Bermeiin,  liöitlicben  Fiacben,  Rossen  ond  Sehlitten  beschenkt,  die 
Rdekreise  ao.  Sie  ging  über  Mojaisk,  Dorogobnsch,  Smolensk,  Be- 
reslna  nach  Polen  a.  s.  w.  —  Die  aweite  Moskowiter  Fahrt  unter- 
nahm der  Gesandte  1526  auf  Befehl  des  Eraheraogs  Ferdinand  mit 
dem  Spanischen  Bevollmächtigen  Kaiser  EarPs  V.,  dem  Herrn  von 
NngarolL  Diese  Mission  sollte,  nachdem  Rassland  darum  angehal- 
ten hatte,  das  frühere  Freuadschaftsbündniss  mit  Kaiser  MazimiKan 
fiir  die  b«iden  Enkel  und  Nachfolger  emenem  (S.  265  ff.).  Die  6^ 
ftbren,  Beschwerden  nnd  Abentener  waren  noch  grösser  ond  man» 
Dichfaltiger  als  auf  der  ersten  Reise;  mehrmals  mnsste  man  unter 
freiem  Himmel  (Mira)  (ibernachten,  dichte  Waldongen  durehaiehen, 
mit  Leboisgefahr,  natörlich  unter  Leitung  heimischer  Wegweieer, 
iber  Strome  und  Fnrtlien  setzen,  korz,  einen  wahrhaften  Fei  dang 
bestehen.  In  Moskau:  „einer  Stadt,  weder  mit  Gräben,  Zinnen 
oder  Mauern  eingefangen^  (S.  274),  fehlte  es  auch  jetzt  nicht  an 
der  beliebten  ,,Hasenhatz.^  Auch  der  Papst  hatte  l>ereits  eine  Bot- 
schaft geschickt.  —  Die  Rückreise  ging  über  Litthauen,  namentUA 
WihMi  und  Preuss^a  u.  s.  w.  —  Ueberall  sind  mit  Sorgfalt  naeh  Tent*- 
sehen  Meilen  die  Entfernungen  verseicbnet  und  zwar  so  gewissenhaft, 
dsss  man  selten  einen  Irrthnm  finden  dürfte.  — 

Eben  ao  lehrreich  ist  die  D&nische  Reise  (1516),  welche 
Herbeiitein  auf  Befehl  Kaiser  Maximiiian's  unternahm,  um  den  bluta- 
verwandten  König  Christian  -*-  er  war  mit  Isabella,  Tochter  König 
Phüipp'a  Yon  Spanien  und  Schwester  des  Erzherzogs  Karl  (spätem 
Kaisers),  yermähit  —  wegen  seines  unkeuschen  Wandels  und  Yer* 
kebrs  mit  einer  Buhlschaft,  ^dem  Täobchen  von  Amsterdam,  Schenk- 
wirthatochter,  zu  rügen  und  möglichst  auf  bessere  Wege  zu  leiten.  Alle 
Mittel  der  Ueberredung,  des  Ernstes  und  der  Güte,  blieben  jedoch 
frachdoe;  der  verliebte  Fürst  schickte  das  „Tftubchen^^,  wie  gefor* 
dert  wurde,  nicht  fort  und  begnügte  sich  mit  der  allgemeinen  Zn-^ 
ssge^  ^er  wolle  sich  königlich  halten,  wie  auch  sein  Vater  und  Vor« 
voidem«'  (S.  93).  - 

Die  dritte  Mission,  welche  bald  nach  dem  Tode  Maximilians 
sn  den  Hof  König  Karl's  von  Spanien  in  Barcellona  abging  (1519), 
gibt  fiber  die  politischen  und  kulturgeschichtlichen  Verhiltnisse  und 
Zastiirie,  namentlich  Spaniens,  vielfache,  aus  dem  Leben  gesdiöpfte 
Aodnnft  (S.  173  ff.).  Die  Reise  war  wiederum  mit  bedeutenden 
defishren  verbunden,  indem  Stürme  auf  der  Fahrt  von  Genua  mehr- 
Bals  anabradien  und  die  Schiffe  an  den  Abgrund  des  Verderbens 
faraeiiten,  bisweilen  auch  blutige  Streitigkeiten  mit  den  Etngebornen 
snigfaigeD  und  die  voUe  Kraft  und  Besonnenheit  des  Gesandten  in 
Aaipradi  nahmen,  spXter  bei  Hofe  mancherlei  Bttnke  und  Nael»- 


52  Föntet  rcnun  Aoatriacanin. 

BteUangen  störend  in  das  Oeschäftsleben  eingriffen.  Der  jonge  FOrst, 
seine  Hofleate  and  Staatsmanner,  besonders  der  Kanzler  Marcnrinns 
Gattinara,  werden  dabei  nach  dem  Leben  und  von  mancher  neuen 
Seite  her  gezeichnet.  Dahin  gehört  z.  B.  die  damalige  Gewohnheit 
Karl's,  lange  an  schlafen  oder  viehnehr  nach  ärztlichem  Bath  im 
Bett  zu  bleiben,  wobei  aber  auf  alles  Wichtige  geachtet,  in  entschei- 
denden F&llen  ehi  eben  so  kluger  als  fester  Aussprach  gegeben  wurde. 
—  ,,Darüber  die  Bäte  vasst  all  zäherten  (weinten?),  umb  das 
sy,  alls  allt  erfam  und  geuebte,  des,  so  der  Jung,  nit  haben  khün- 
nen  finden*'  (S.  198). 

Die  kirclüichen  Wirren  seiner  Zeit  beobachtete  Herberstein  sidier- 
lieh  mit  aller  Aufimerksamkeit,  tritt  aber  in  nähere  Schilderungen 
nicht  ein.  Luther  wird  mehrmals  (z.  B.  S.  136)  erwähnt,  je- 
doch nur  beiläufig  und  ohne  genauere  Würdigung  seiner  Lduren 
nnd  Verhältnisse. 

Als  erfahrner  Staats-,  Kriegs-  und  Weltmann  kannte  übrigens 
Herberstein  das  leidige  Geheimniss  der  damaligen  Kirchen-  nnd 
Staatspolitik  recht  gut  Diese  ruhet^  nämlich  häufig  auf  dem 
Widerspiel  des  Worts  und  der  That,  also  emem  unsittlichen  Prin- 
cip  nnd  feinem  Trug.  Meister  solcher  Künste,  welche  man  mit 
Ungrund  an  Macchiavelll  anknüpft,  war  damals  ein  Teutscher  Pre- 
digermönch, Bruder  Nikolaus  von  Schonberg  aus  Meissen,  spftier 
Ersbischof  zu  Capua.  „Derselbe  hat,  wird  S.  135  gemeldet,  dem 
nen  erwählten  Papst  Paul  IV.  die  Unterweisung  gegeben^:  Soll 
rast  reden,  damit  die  Cbristenfürsten  einig  sein  sollten,  aber  allen 
Fleiss  haben,  die  in  Zwietracht  zu  erhalten.  Dergleichen  um 
Haltung  des  Concils,  aber  kaum  gestatten.  Soll  sich  auf  keine  P  a  r- 
iei  setzen,  so  würde  er  ein  Mittler,  dann  sein  Sachen  schaffen; 
von  dem  würd'  sein  Macht  und  Hoheit  wachsen.**  (Sehr  ver- 
nünftig.) — 

Bruder  Niklas  hatte  sich  übrigens  schon  frühzeitig  in  seine  tän- 
sehende  Bolle  hineinstudirt;  bereits  1518  warnte  man  von  Rom  an« 
den  Kaiser  Maximilian  vor  dem  frommen,  doppelsinnigen  Herrn,  Gber 
welchen  zuletzt  des  Reichs  Oberhaupt  urtheilen  musste:  „Der  Ma- 
nich  ist,  wie  er  mir  zuvor  aus  Rom  geschrieben  ist  worden*^ 
(S.  135).  — 

Aus  dem  Gesagten  wird  die  Wichtigkeit  der  reichen,  bis  cum 
Jahr  1553  fortgeführten  Mittheilungen  hinlänglich  erhellen.  Gnapi- 
nians  hier  zuerst  veröffentlichtes  Tagebuch  (1502—1527)  ist  da- 
gegen dürftig  und  unbedeutend;  es  drehet  sich  meistens  um  per* 
sönliche,  ganz  kurz  aufgezeichnete  Anschauungen  nnd  Begebnisse, 
z.  B.  1508.  3.  Februarii.  Geltes  mortuus.  Ego  dixi  funebrem.^  — 
Desto  reicher  sind  dagegen  an  Gehalt  und  Form  die  hier  wiederum 
zuerst  vollständig  herausgegebenen  Denkwürdigkeiten  George 
Kirchmaiers,  von  1519>-1558.  Dieser,  einer  alten,  angesehen- 
nen  Tirolerfamilie  aus  Ragen  entsprossen  (um  1481),  hi  Brizen  für 
die  hShem  Studien  vorbereitet^  verwaltete  Jahre  lang  (s.  1519)  als 


FoBiM  renim  AntlriacaniRi.  5S 

Stab-Amtmann  die  Gfiter  nnd  Bechtsame  da»  Kloaiara  Nenstift  in 
Bnmecken  mit  eben  ao  grosaer  Treue  aia  Umaidit  und  Entaddeaaenheit 
Letatere  lenebtete  l>eaondera  bei  Anlaaa  dea  BanernanlaUndeB  (Mai 
1525}  benror,  welclier  nicht  nur  die  Oelder  nnd  Vorridiai  aondara 
aach  die  ürbarialbücher  nnd  anderweitige  Urlranden  dea  Ton  den 
HSnehen  reriaaaenen  Kloatera  bedrohte.  Die  vorliegenden  AnlMeh- 
Bongen,  nnr  für  den  Verfasser  ^anr  Gedaditnuaa^  nranflnglidi  be- 
stimmt,  nmfaasen  die  Zeit  Maximlliana,  Eraheraoga  Ferdfaiand  nnd 
Kaiser  Earla  V.,  hanptsSchlich  und  zanSchst  mit  Beang  auf  Tirol 
und  ifie  NachbaraehaTt ;  sie  ragen  durch  Sorgfalt,  Unparteilichkeit 
and  frische  FSrbang  des  Stoffea  herror,  geben  namentlich  Auaknnft 
aber  den  edlen  Maximilian,  seine  Tugenden  nnd  Schwichen,  beson- 
ders leidenschaftliche  Jagdlust,  seine  Hanptleute  nnd  Staataminneri 
Friedens-  nnd  Kriegsthaten,  vorzüglich  gegenüber  Italien  und  Vene* 
dig,  schildem  ausführlich  die  revolutionären  Wirren  während  des 
Zwischenreichs,  besonders  in  Tirol,  wo  Jedermann  den  Wildbann  in 
Anspruch  nimmt,  und  den  schon  erwähnten  Bauemanfrohr  unter 
Michel  Geiaamayer,  ^einem  leichten,  doch  listigen,  argen,  pSaen 
Menschen^  (S.  472).  Die  hieher  gehörigen  Angaben  waren  biaher 
meistetts  unbekannt.  Ein  treffliches  Charakterbild  wird  von  dem 
berühmten  Canaler  und  Bischof  von  Ourk,  Matthäus  Lang,  ent- 
worfen nnd  dabei  mancbea  Neue  mitgethellt  (S.  449.  450.  454). 
;i]Sr  war,  heisst  es  neben  anderm  zum  J.  1519,  ein  Bürger  yon  Anga* 
borg,  der  aich  aber  also  hielt  mit  seiner  Weisheit,  daas  der  ron  ao 
aiederm  Stand  in  kurzen  Jahren  aufkam,  dass  der  ein  Kordinal  und 
jetzt  suletct  dazu  Erzbischof  zu  Salzburg  worden.  Dieser  Mann  hat 
dieser  Zeit  nicht  minder  gegolten,  dann  Aristoteles  beim  Alezander 
oder  Hannibal  bei  denen  von  Karthago.^  —  Ueberhaupt  galten 
Sehreiber  nnd  Leute  untern  Standea  bei  dem  Kaiser  für  die  Ver- 
waltung, namentlich  Tirols,  sehr  viel.  „Man  soll  mir,  bemerkt  der 
Verfasser,  nicht  verweisen,  dass  ich  die  Schreiber  nnd  Secretari  vor* 
aetz  und  erst  hernach  die  edlen  Räthe.  Denn  es  ist  auch  alao  im 
Wesen  gewesen;  denn  Hirschen  und  Schreiber,  Jäger,  Falkner  nnd 
Haade  haben  dieser  Zeit  die  bessten  Vorstände  (Aemter)  und  HÜf- 
erseigung  gehabt.  —  In  Summa  alle  Pracht  und  alle  Macht  an 
Got  and  Geld  hatten  die  Secretary.  —  Denn  ein  jeder  het  ein 
liaiserllchea  Secret,  damit  sie  ihren  Stand  erhalten  möchten.  Aber 
Herr  Leonhart  Rauber  waa  Hofmarschalk,  ein  Graf  von  Mansfeld 
Tmehsess;  Bigmund  von  Dietrichstein  Silberkammer;  der  Graf,  Pal- 
bier,  Oglein,  Herbst,  Matheis,  Palbier,  waren  Sr.  Majestät  Kamerer; 
nd  wiewol  daa  alles  niederer  Geburt  Leut  erkannt  aind,  haben  aie 
doch  gross  Gut,  auch  viel  Glaubena  bei  Kais.  Maj.  gehabt,  nnd  raat 
viel  mehr  denn  hochgelehrt,  bericht,  weiss  Männer  u.  s.  w.^  — 

Diese  Begünstigung  von  eigennützigen,  kriechenden  Empor- 
kSmmliiigen  trug  natürlich  auch  zu  dem  Verfall  der  Finanzen  bei, 
nimal  die  reichen  Bankiers  Mazimiliana  Geldverlegenheiten  auazn- 
Watan  ?ecatanden.    ,|AIleay  was  Geld  getragen  hat  |  ist  in  diesem 


54  Föntet  rernm  Aattriacarmn. 

Land  Tirol  yersetst  gewesen.  Dann  die  Fugger  von  Angeborg  balmi 
das  groMe  Out,  das  aus  dem  Bergwerk  zu  Schwats  jahrlich  gefal- 
len ist,  in  VersatEung  weyss  ine  gehabt;  deren  sie  jährlich  ob  200|000 
Giriden  erlangt  haben.  Das  Pfannhaus  ist  fast  gar  alles  verthailt 
gewesen,  also  dass  zu  Hall  im  Inthal  nieht  dan  Darstreckang  d«n 
Kaiser  gebtthrt  hat.  Der  Zoll  an  Lueg,  im  Knntersweg  und  seu 
Botzen  ist  den  Provisoren  gewesen;  alle  Herrschaften  und  Gwicbt 
sind  verpfändet  gewesen  n.  s.  w.*^  — 

Trotz  dieser  Missbräuche  und  der  übermässigen  Waidhist  hegt 
der  Verfasser  die  höchste  Ehrfurcht  vor  dem  Kaiser  Maximilian. 
^Aber  doch,  urtheilt  er,  ist  nicht  von  ihm  gehört,  dass  er  wider 
Ordnung  ein  Jongfrau  ihrer  Ehren  entsetzt;  er  ist  mild,  keusch, 
sanftmüthig,  demiithig  und  ganz  tugentlich  gewesen,  und  ist  um 
nichts  zorniger  worden,  dan  allein  um  Wildprets  willen^  (S.  442}* 

Auch  die  Anfänge  der  Reformation  hat  Kirchmaier  mit 
scharfem  Auge  und  wachsender  Spannung  beobachtet,  ihre  guten 
und  schlimmen  Seiten  erkannt  und  hervorgehoben.  Davon  zeugt 
schon  die  Art  und  Weise,  wie  Luther 's  Auftritt  zum  Jahr  1521 
geschildert  wird«  (S.  452). 

„In  dieser  Zeit,  heisst  es  da  neben  anderm,  erhob  sich 
in  diesem  Land  ein  wunderlich  Geschrei  von  einem  Mann,  den 
man  nennt  Martinus  Luther,  Augustiner  Ordens,  in  einem  Klo« 
Bter  zu  Wittenberg,  der  da  predigt  wider  den  unfüglichen  Handel 
des  Papstes,  der  Cardinal,  auch  der  Corthesanen;  auch  sunst  wider 
viel  Missbranch  geistlicher  und  weitlicher  Leut.  Davon  mir  nit  gepilrt 
zu  schreiben,  den  bemeldter  Luter  selbs  so  viel  teutscher  und  lateini- 
scher BQchl  gemacht:  de  penitentia,  de  contritione,  de  attritione,  de 
confessione,  de  satisfactione,  auch  de  potestate  papae.  Und  sonder 
hat  er  heftig  wider  die  Indulgenzen  geschrieben,  dass  mir  nit  not 
ist  Meldung  davon  zu  thun.  Aber  das  weiss  ich  wohl,  dass  hei 
Pfaffen  und  Laien,  bei  Herren  und  bei  Bauern,  zu  Kirchen  und 
Gassen,  auch  wo  man  bei  einander  gewesen  ist,  ein  solch  Geschrei 
davon  gewesen,  dass  Wunder  davon  zu  schreiben  wäre.  Hersog 
Friedrich  von  Sachsen  hielt  ihn  wider  den  Papst  auf,  doch  der  Mei- 
nung, dass  der  Luter  solt  mit  der  Geschrift  und  Wahrheit  überwun* 
den  werden.  Wo  das  beschäch,  so  solt  ihm  nach  seinem  Verdie- 
nen beschehen. 

Eckius,  ein  grosser  Doktor  also  genannt,  disputirt  vast  wider 
ihn,  ward  aber  bald  geschweiget  Und  als  ich  durch  glaublieh 
Schriften  bericht  bin,  so  hat  die  päpstlich  Helligkeit  diesen  Lnter 
nra  sein  Schreiben  gar  vast  und  hoch  verbannt,  alles  de  facto.  Aber 
Lnter  hat  dch  für  und  für  zu  Verhör  erboten.  So  hat  der  Papst 
vermeint:  ;,er  sey  ein  offener  Ketzer,  so  sey  ein  offener  Ketzer  nicht 
zu  hören,  sondern  zu  verbrennen. '^  —  Da  hat  Herzog  Friedrich  und 
Herzog  Jörg  von  Sachsen  wollen  hören,  ob  Luter  Recht  oder  un- 
recht hat.  Und  wiewol  die  K.  M.  Kaiser  Karl  einestheils  mit  dem 
P^ml  war,   und  gern  gesehen  hätte,  dass  Luter  seins  Schreibens 


Foatti  rerain  Anüriaotru«.  55 

ui  PrtdigeM  widof  den  Papst  war'  «bgeftondon,  bo  hat  er  aoUehi 
dMh  Bit  mogeii  m  wegen  bringen.  Und  hat  dieser  Luter  darch 
Mine  Beachirmer,  die  Herzoge  von  Saehaen,  ao  viel  erlangt,  dasa 
äua  an  Hilf  ein  groeae  BOndnias  gemaebt  ward.  NäaUch  Saehaen, 
iie  Mark,  Land  au  Heaaen,  Mecklenburg,  Mürebem,  Behem  und 
viel  mehr.  —  Die  begehrten  des  Luter'a  Lehr,  oder  aber,  sollt  mit 
Geschrift,  Wahrheit  und  Lehr,  und  nicht  mit  Gewalt  vindicirt  wer- 
den. —  Fürwahr  es  stueade  in  aller  Chriatenhelt  g«ia  übel  unter 
Geistilehen  ond  Weltliehen,  und  ob  ich  gleich  gern  etwaa  gots  sehriebe, 
80  kann  ich  mit  Wahrheit  nichts  anaeigen.''  — 

Darauf  wird  eine  Reihe  Teutscher  Gelehrten  genannt,  welcbe 
wie  Eraamoa  von  Rotterdam,  Hütten,  wider  Papst  Leo  gesehrieben 
litten  und  anletzt  Luther's  Benehmen  nach  dem  Bann  geschildert. 
,Er  Hess,  beisst  es,  einen  grossen  Process  der  Pfaffheit  berufen,  und 
het  sieh  des  Bannes  hoch  und  weislich  entscholdigt  und  dabei  so 
SB  Straf  gepredigt,  dase  männiglich  bewilligt  hat,  die  Bücher  „De* 
cret,  Deeretales,  Ciementln  u.  s.  w.^  und  viel  mehr  Bücher  zu  ver- 
bramen,  als  auch  zu  Schmach  dem  Papst  solche  Bücher  verbrannt 
siad.^  —  Ein  Gebet  nm  Erlösung  aus  diesem  „Zwangt  und  „Er- 
leuehtnag  der  Gelehrten^  endigt  jene  merkwürdige  Charakteristik 
der  Reformationsanfange,  in  deren  weitern  Verlaul  später  entweder 
gsr  nioht  oder  nur  kurz  eingetreten  wird. 

Wie  gut  Kirchmaier  die  Französische  Politik  in  Betreff  der 
Religion  zu  beurtheilen  wnsste,  erhellt  aos  seinen  Bemerkungen 
ober  König  Franz  L  im  Jahr  1542.  „Er  machet,  heisst  es  S.  513, 
wider  den  Kaiser  (Karl  V.)  dieweil  sein  Bündniss  mit  dem  grossen 
Türken  noch  kräftiger,  praktizirt  auch  in  Italien  mit  dem  Papst 
(Paul  UI.)  wider  die  Lutteriechen,  und  in  Teutschland  praktizirt  er 
bei  den  Lntterisohen  wider  den  Papst.  Und  hielt  sich  ganz  übel 
«ad  unchrisüich,  verbittert'  beide  Theile  so  gar  übel  gegen  einan- 
der, dass  sie  beider  Seite  nicht  wohl  wussteu,  wie  ihrem  Irrthum 
iB  hellen  sein  möchte.^  —  Leider  I  dachten  und  handelten  die  ver- 
blead^en  Protestanten  anders;  sie  schlössen  über  kurz  oder  lang 
wider  Kaiser  und  Reich  Bündniss  mit  dem  westmächtlichen  Nachbar 
ib,  welcher  dafür  Metz,  TouL  und  Verdün  als  erste  Abschlagzahlung 
empfing.  Dadurch  wurde  der  Weg  zur  weitern  Okkupation  der 
WestgrSnze  deutlieh  genug  gewiesen,  die  warnende  Lehre  der  Ge- 
•dUehle  troU  dea  Geschwätzes  über  Nationalität  und  Weltbestim- 
KBBg  bis  zu  dem  heutigen  Tag  auf  die  leichtfertigste  Weise  über 
westmächtlichen  Sympathieen  verachtet  und  dennoch  das  Schicksal 
der  jenseitigen  Glaubensgenossen,  der  s.  g.  Hugenotten,  eher 
Teisdilimmert  als  gebessert 

Ein  sorgfältiges  Register  der  Namen  macht  den  Schluss  des 
Bandes  und  erleichtert  den  (gebrauch  desselben. 


56  Stäbelint    Der  Uebortrilt  Heinrich's  IV. 

Der  üeberifiU  König  Heinrieh'a  des  Vierten  von  Fra$%kreich  uur 
römieeh'kathoUsehen  Kirche,  und  der  Einflusa  dieses  Fürsien 
auf  das  Oeschiek  der  französischen  Reformation  von  dem  Zeür- 
punkte  der  Bariholomäusnaeht  an  his  sum  Erlasse  des  Edikies 
von  NafUes.  Eine  ReformaiionsgesehiehUiehe  Studie  von  Ernst 
Stähelin.  XXVUL  795.  gr,  8.  Basel,  bei  Schweighauser.  1856. 

Der  Verfasser,  ein  junger  Tbeolog  evangelischen  BelcenntDisses 
kl  Basel,  scheint  nicht  frei  von  streitbaren  Regungen  und  Gedanken 
zu  sein.  Denn  obschon  der  s.  g.  Weltbrand  vorüber  ist,  wird  den- 
noch in  dem  kurzen  Vorwort  stark  wider  die  Berliner  Kreuzzeltung 
und  das  Hallische  Volksblatt  hauptsSchlich  aus  dem  Grunde  geeifert, 
weil  man  hier,  die  Partei  Russlands  zu  entschieden  genommen  habe. 
Allein  auch  die  Schweiz  muss  jetzt  wohl  einsehen,  dass  die  bisw^- 
len  plumpe  Vertheidigung  der  Türkischen  CiFilisationsfahne  in  der 
That  eben  so  albern  als  ungerecht  und  unklug  gewesen  ist.  Denn 
stehen  nicht  noch  jetzt  Englische  und  Französische  Rotten  ohne 
alle  von  Recht  begründete  Ursachen  im  Piräus,  um  ein  christli- 
ches, aufstrebendes  Volk  im  Zaume  zu  halten?  Was  würde  man 
vor  dreissig  Jahren  geurtheilt  haben,  als  Franzosen,  Tentsche,  Schwei- 
zer als  Philbellenen  für  dieselbe  gute  Sache  in  den  Orient  zogen, 
um  an  der  Wiedergeburt  eines  zertretenen  Volks  zu  arbeiten?  Wie 
daher  jetzt  ein  Theolog  mittelbar  für  die  Pforte  und  den  Halbmond 
gegen  Gbristenthum  und  Kreuz  seine  Stimme  gelegenheitlich  erbe* 
ben  könne,  w8re  ohne  die  Allmacht  des  ansteckenden  Modetona 
kaum  erklärbar,  zumal  in  einer  Stadt,  welche  nicht  allein  für  den 
Handel  mit  materiellen,  sondern  auch  geistigen  und  geistlichen  In- 
teressen von  jeher  begeistert  war.  —  Ein  anderer  Ausfall  gilt  den 
ultraprotestantischen  Tendenzen  im  nördlichen  (nicht  auch  hier  und 
da  südlichen?)  Teutschland.  ;,Ein  ganzer  Bund,  heisst  es  S.  16,  von 
Juristen  und  Theologen  steht  dort  auf  dem  Plane  und  doml- 
nirt  die  religiöse  Situation.  Seiner  verhängnissvollen  Doppelstellung 
gemäss  macht  er  es  sich  recht  eigentlich  zur  Aufgabe,  das  Relfglöse 
und  Politische  durch  einander  zu  mischen;  es  scheint,  als  könne  er 
gar  nicht  mehr  anders,  als  des  corpus  iuris  nach  der  Bibel  ausle- 
gen und  die  Bibel  nach  dem  corpus  Iuris.  ^  —  Man  begreift  nicht, 
wie  das  alles  hier  In  einem  Vorwort  zusammengezogen  wird,  wel- 
ches der  Reformationsgeschichte  Frankreichs  die  Bahn  ebnen  soll. 
Rücksichtlich  dieses  Hauptgegenstandes  ist  mehr  geschehen  al»  die 
Ankündigung  verheisst  Wenn  letztere  Nachsicht  und  Milde  In /An- 
spruch nimmt,  über  Mangel  an  HülCsmltteln  und  Müsse  u.  L  w. 
klagt:  so  zeigt  das  Werk  selber  mehrmals  das  Gegentheil.  Esjver- 
tieft  sich  mit  Recht  und  Fug  in  seinen  Stoff,  gibt  glückliche  ZIdch- 
nungen  von  Charaktem,  Persönlichkeiten  und  Verhältnissen,  bAsutzt 
neben  den  gedruckten  Quellen  manches  Handschriftliche,  kurz,  «liefert 
sehr  verdienstvolle  Beiträge  zur  Aufhellung  jenes  merkmürdlg^üen,  an 
Qrossthaten   und  Verbrechen  reichen  Zeitabschnittes  |   welobi4et  an 


Sttbelii:    Der  Uebertriu  Heinrich'a  IV.  57 

B«Dke,  »dem  Stols  onserer  deutschen  Oesefaicbtachreilrang^,  Baam, 
dem  Biographen  Besa's,  um  Soldan,  dem  Darsteller  der  gesamm« 
IflD  Hugenottenwelt,  und  Eheling,  dem  fieissigen  Sammler,  die 
jüBgsten,  trefflichen  Bearheiter  gefunden  hat.  Diesen  mOgen  sieh 
künftig  mit  Grund  viele  StOeke  der  vorliegenden  Monographie  an- 
Kfafiessen  nnd  hei  dem  Fortschritt  der  Jahre  hier  und  da  bald  einen 
neueo  Baustein,  hald  eine  schärfere  Zusammenfassung  des  Materials 
gowianen.  Wegen  seiner  stellenweisen  Frische  und  Lebendigkeit, 
welche  der  gründHehen  Stoffkenntnlss  häufig  aur  Seite  steht,  wird 
das  Bach  ohne  Zweifel  seine  Leser  finden. 

Es  ist  übrigens  ein  ehrenwerthes  Merkmal  der  Fransösiscben 
BeformatlOD,  dass  ihre  Anfänge  meistens  rein  waren  und  verhält- 
Biwmissig  frei  blieben  von  den  gewaltthätigen,  revolutionären  Ueber« 
lefareitungen  nnd  Eingriffen  in  fremdes  Gut  und  Recht,  welche  spä« 
ter  Iner  wie  anderswo  den  Entwicklungsprocess  jener  grossen,  sitt« 
lick-religids-socialen  Bewegung  kennzeichnen.  Der  Grund  dieses  ge- 
messenen, lediglich  abwehrenden  (defensiven)  Benehmens  liegt  nicht 
iHeln  in  dem  entschiedenen  Uebergewicht  der  Altgläubigen,  von 
welchen  die  Massen  nur  spärlich  abfielen,  sondern  auch  In  der  gleich- 
Min  persSnlichen  Auswahl  der  ersten  Bekenner.  Diese  gehör- 
tes bauptsäehlieh  dem  Adel  und  Bürgerstande  an,  während  die  rohe 
Bsnemschaft  sich  In  der  Regel  entweder  gleichgültig  oder  feindselig 
Terkielt  Erst  die  Nothwehr  für  Gewissensfreiheit,  Leben  und 
Eigenthnm  zwang  die  Hugenotten  zu  Repressalfen  und  verflocht 
sie  in  eigentliche,  politisch- factiöse  Parteiwirren  mit  den 
bekannten  Motiven,  Kräften  und  Folgen  des  religiös -bürgerlichen 
Krieges.  Bevor  dieser  leidige  Durcbgangspunkt  gewonnen  wurde, 
begnügten  sich  Führer  und  Prediger  gewöhnlich  mit  den  edlen  Waf- 
fen der  Lehre  und  des  Wandels,  wie  de  la  Noue,  Momai  du  Ples* 
m  und  Andere  es  auf  glänzende  Weise  gethan  haben.  Diesen  be- 
sonnenen, aristokratischen  Charakter  im  besseren  Wortverstande,  wie 
ika  die  ersten  Französischen  Bekenner  des  gereinigten  Evangeliums 
hSafig  zeigen,  vermisst  man  sehr  oft  für  die  Anfänge  In  den 
ägeatüchen  Mutterlanden  nnd  Metropolen  der  Reformation,  auf  Ger- 
manischem Grund  und  Boden.  Zu  welcher  lodernden  Brunst  schla- 
gen da  nicht,  weil  massenhaft,  der  Läuterung  bedürftig,  das  Volk 
herbeiströmt,  die  Feuerstoffe  zusammen I  Mit  welcher  Gier  greift 
Bia  oben  und  unten  auf  Kloster-  und  Elrchengut,  durchläuft  den 
mscnlottlschen  Bildersturm,  befriedigt  kommunistische  und  wledcr- 
tlnferische  Gelüste,  lärmt  und  trommelt,  schwelgt  in  Weiber-,  Wein- 
nad  Biergenüssen ,  dem  Ausbund  der  alten ,  angegriffenen  Klerisei 
'hetz  nnd  Wettkampf  bietend  I  DIess  alles  geschieht,  bis  nach  blu- 
tigen Gewaltthaten  der  Sturm  ausgetobt,  das  lautere  Gewässer  vom 
Unrsth  und  Schlamm  sich  gelöst  hat.  —  |,Wir  sehen  wohl,  nrtheilte 
«in  berühmter  Zeitgenosse,  der  Genfer  Bonivard,  den  Splitter  im 
^sge  des  Nächsten ,  nicht  den  Balken  im  unsrigen.    Wir  schreien 


58  SMhelln :    Der  Uebertritt  Heinrich'a  IV. 

wider  die  PapisteOi  ift«cbeii  es  tfber  noch  gdiUoinier  dem  aie;  Fiir-^ 
Btes  UDd  Völker  Bind  gar  «ehr  verliederlich t'^  (devbordes).  *) 

Mftg  nun  auch  diese  herbe  Ansicht  des  gewesenen  Priors  voo 
8t  Victor  troU  der  Uebertreibang  reelle  Wahrheit  enthalten,  der 
von  dem  Reformpriocip  gegebene  Anstoss  anr  weltgeschiditlicbeBi 
fortschreitenden  Läuterung  bleibt  anbeatritten.  Wie  Gewitter  und 
Stürme  die  Luft  in  der  physischen  Welt  reinigen,  so  revolotionftr* 
reformatorische  Erschütterungen  in  der  moralischen.  Später  kommen 
denn  die  sühnenden  und  ausgleichenden  Compromisse  der  feindseli- 
gen Gegensätze  und  Parteien,  von  welchen  jeglicher  Theil  Becht 
und  Wahrheit  ausschliesslich  zu  besitaen  glaubte. 

Nicht  minder  zweifellos  ist  es  femer,  dass  in  dem  grossen  Pu- 
rifieationsproceas  des  sechszehuten  Jahrhunderts  die  InitiatiFe  uod 
Leitung  der  neuern,  verjüngenden  Kräfte  mit  ihren  guten  und  schlim- 
men Gefolgschaften  und  Früchten  von  dem  Germanischen  Stan^m 
ausgingen.  Die  Romanen  dagegen  standen,  so  bedeutende  Anatreo- 
gongen  sie  auch  machten,  lediglich  in  zweiter  Reihe  und  führten 
trotz  des  Aufwandes  an  Geist,  Blut  und  Gut  die  Bewegung  Dur 
äussert  selten,  z.  B.  in  Genf  und  der  Waadt,  zum  Ziel.  Sie  halle 
und  hat  in  dem  eigentlichen  Teutschland,  Skandinavien  und  An- 
gelsachsen oder  England  ihr  Hauptquartier.  Diesen  kaum  awei- 
faBiaften  Satz  verkennt  aber  das  vorliegende  Buch  nicht  selten;  es 
whrft  ein  zu  starkes  Gewicht  in  die  Wagsehalen  Frankreicha  nnd 
räumt  ihm,  so  zu  sagen,  als  Ausschlag  gebendes  Zünglein  den  Vor- 
derplatz ein.  ,,  Menschlich  geredet,  heisst  es  a.  B.  S.  10,  war  dann 
(bei  gewaltsamer  Unterdrückung  der  Neuerungskräfte)  der  Prote- 
stantismus verloren.  Hätte  Franz  L  wirklich,  wie  er  es  im  Frie- 
den von  Gambrai  versprach,  vereint  mit  dem  Kaiser  seine  Waffen 
gegen  die  deutschen  Protestanten  gekehrt,  —  so  wäre  an  einen  er- 
folgreichen Widerstand  der  Angegriffenen  gar  nicht  zu  denk^i  ge* 
wesen  u.  s.  w.^  —  Diese  entscheidende  SteUnng  werde  dann  noeb, 
ist  beigefügt,  durch  einen  Brief  Beza's  bestätigt,  welcher  das  Schick- 
sal zum  Bessern  und  Schlimmem  für  die  ganze  Welt  von 
Frankreich  abhängig  mache  (praesens  Galliae  Status,  a  cujus  exita 
pendere  prorsus  videtur  maxima  totius  orbis  terrarum  vel 
in  melius  vel  in  deterius  commutatio).  Allein  bei  achär- 
ferer  Prüfung  tritt  diese,  gar  nioht  unwichtige  und  mfissige  Anaichft 
in  den  Hintergrund;  das  angezogene  Schreiben  fällt,  von  seinen» 
immerhin  subjektiven  Standpunkt  abgesehen,  in  weit  spätere  Zeiten 
ri589?)  und  die  historisch  -  politische  Kritik  des  Gambraivertragn 
^1529)  gewährt  durchweg  abweichende  Endergebnisse.  Der  Ver» 
fasser,  mit  den  urkundlichen  Beweisen  hier  zurückhaltend,  aoheint 
sich  auf  Ranke,   welcher  übrigens  nicht  genannt  wird,  zu  atütaeo« 


*)  Advifl  et  devis  de  la  soarce  de  Tidolatrie  etc.  ptr  Bonivard.  6en6ve. 
1656.  p.  145.  Zuerst  aas  der  Handichrift  herausgegeben  von  Chapo^ai^re 
und  Revilllod.  r 


SittMifi:    Der  UebcHritI  Heuricb'a  IV.  59t 

Dm  der  jedoB&lUi  gehaltrelohe  OewShranuum  bemerkt,  Kaiser  iui4 
Kdnig  bitten  sieh  wider  die  wachsenden  Ketow eien  und  fttr  die 
AiloritiU  des  heUigen  Siubis  in  Gambrai  rerbunden  (Ges^iefaU 
DeetaeUands  im  Zeitalter  der  Reformation  111,  180).  Aber  so  all« 
gemdne,  spSter  oft  in  Esropa  wiederholte  und  gebroehene  Coole- 
nssartikel,  weiche  kein  speeiCsches  Factum,  keinen  genau  formniir- 
tee  Fall  belreffisn ,  sind  weit  entfernt  von  einem  förmlichen ,  prind- 
pieücn  Bändniss  gegen  den  Protestantismus,  bei  den  Ellersilchte- 
Wen  der  Paciscenten  nichts  als  diplomatischer  Sand,  welchen  man 
den  GiXabigen  alten  und  neuen  Schrots  in  die  Augen  wirft.  Um« 
itisde,  8.g.  Erentualitäten,  thnn  dabei  das  Besste;  der  heilige  Va- 
ta  sli  weltliche  H acht  ist  daneben  dem  Einen  wie  dem  Andern 
bald  Feind,  bald  Freund  und  wirkt  in  so  fern  auch  auf  die  religiös«» 
kirchlichen  Dinge,  ohne  es  natürlich  sn  wollen,  für  die  Beobachtung 
des  Sehaukelsystems  surück.  —  Die  einzelnen  Verlragsstellen,  so 
weit  sie  den  Glauben  betreffen,  lauten  übrigens  aiemlieh  allgemein; 
äe  sisd  dehnbar  in  die  damalige  Phraseologie  eingekleidet ,  d.  h. 
Türken-  nnd  Ketzernoth;  beide  Widersacher  zu  bekämpfen,  stehet 
der  Franzose  gar  nicht  an,  obscbon  er  bereits  damals  im  geheimen 
QBd  später  öffentlich  den  morgenländischen  Eindringling,  wie  noch 
jeUt,  ohne  Hehl  begünstigt  und  unterstützt;  der  Kaiser  handelte 
dagefca  bekanntlich  ganz  anders;  Beligions*  und  Staatsgründe  mach- 
ten ihn  zum  Türkenfeind.  —  Die  wesentlichsten  Worte  der  Einlei- 
tang  hesagen  folgendes:  „Considerans  les  grandes  errenrs  et  tronbles 
schismatiques  qni  croissent  et  puilulent  tous  les  jours,  et  les  inva* 
nons  qae  le  Tarc  ennemj  de  nostre  Foy  Chrestienne  a  faites  et  se 
parforce  faire  en  la  Chrestient^  depuis  les  guerres  Intestines  etc. 
Bei  dem  allen  blieb  und  bleibt  die  hohe  Pforte  der  Mignon  des  aller- 
christlichsten  Königs  ond  Volks.  — 

In  dem  43.  Artikel  wird  nun  allerdings,  wie  auch  Ranke  be- 
nakt,  ^unser  allerheüigster  Vater  und  Stuhl*'  als  Gegenstand  des 
▼erhandln  Schutzes  herausgehoben,  aber  wiederum  geschieht  das 
rar  nach  der  üblichen,  serfliesseaden  Phraseologie  des  misstrauisefaen 
Dipiomatenstils,  „Lequel  Sainct  Siege,  heisst  es  z.  B.,  les  dits  Seig« 
WUH  Empereur  et  Roy  maintiendront  en  son  authorlt^  et  preeminence^ 
Dsd  dabei  bleibt  es,  obscbon  noch  beigefügt  wird ,  man  wolle  auch 
verioren  gegangene  Städte  und  Lande  dem  heil.  Stuhl  „zurfickbrin-* 
Ef^  (S.  Recneii  des  trait^s  etc.  II,  178). 

Wenn  es  nun  mit  dem  antiprotestantischen  Gambraibund  zwi- 
>diea  Eari  ond  Franz  keineswegs  so  ernsthaft  gemeint  war,  so  hat 
danascb  der  letstere  je  nach  Launen  und  Umständen  bald  strenger, 
M  geUader  den  Neuerungen  widerstanden.  Herr  Stähelin  irrt  also, 
wenn  er  an  der  erwähnten  Stelle  (S.  10)  die  passive,  oder  gar 
wohlwollende  Politik  des  ritterlichen,  aufgeklärten  Königs  für  deo 
Heüaad  der  Reforokation  erklärt;  denn  Franz  verfuhr  ja  grausam 
Sisof ;  er  liess  mehre  tugendhafte  nnd  gebildete  Hugenotten  ohne 
wttei^  verbresineB  und  schaute  mit  dem  gesaaunten  Hofe  dem 


60  Tholoek:    Vorfeachiehte  des  Rutioiiiilifmua  etc. 

Auto  da  F^  su;  er  handelte  also  weit  strenger  denn  der  Kaiser, 
welcher  Jahre  lang  einer  wirklichen  Mediationspolitik  folgte  und  diese 
eigentlich  nicht  eher  aufgab,  als  bis  sein  alter  Nebenbuhler  mit  den 
Teutschen  Protestanten,  er,  „ein  Mdrder  der  Französischen*',  gem^n- 
sane  Sache  wider  Kaiser  und  Beleb  machte. 

Es  ist  mithin  falsch,  wenn  die  Entscheidung  der  Reforoiatioii 
von  der  Metropole  in  die  Filiale  verlegt  und  dadurch  der  historisehe 
Standpunkt  auf  eine  nicht  folgenlose  Weise  umgedreht  und  gleidi- 
sam  modernisirt  wird.  Denn  seit  einer  Eeihe  von  Jahren  hat 
allerdings  Frankreich  in  revolutionär-reactionftren  Verhältnissen  des 
Staats  und  selbst  der  Kultur  gewissermassen  die  Initiative  ergriflPen, 
welcher  die  Nachbarn,  auch  Teutsche,  entgegen  dem  frühem  Gange 
ihrer  Geschichte  mehr  oder  weniger  Folge  zu  leisten  sich  abbemühen. 
—  Was  Kaspar  in  der  wilden  Jagd  vorspielt,  das  pfeift  der  Kas* 
perle  nach,  oder,  wie  Luciiius  sagt  vom  Marstanz:  „Praeanl  ut 
amtrnat  (h.  e.  motus  edit),  lüde  et  volgu'  redamtruat  oUI.^  — 


Vorgeschiekie  des  RcUionalismtis  von  Dr.  A.  Tholuck.  Er^er 
Theü,  Das  akademische  Leben  des  17.  Jahrhunderts»  ZweUe 
Abiheilung.  Die  akademische  Geschichte  der  deutschen,  skan- 
dinavischen,  niederländisehen ,  schweizerischen  Hohen  Schaden. 
Halle,  Eduard  Anton,     1854. 

Auch  unter  dem  besondern  Titel: 

Das  akademische  Leben  des  17.  Jahrhunderts  mü  bestmderer  Be- 
ziehung auf  die  protestantisch-theologischen  Fakultäten  Deutsch- 
lands, nach  handschriftlichen  Quellen  von  Dr.  A.  Tholuek. 
Zweite  Abtheüung.  Die  akademische  Geschichte  der  deutschen, 
skandinavischen,  niederländischen,  schweizerischen  Hohen  Schu- 
len.    Halle,  Eduard  Anton.     1854.     X  und  400  S.  gr.  8. 

Die  erste  Äbtheilung  dieses  fKr  eine  noch  fehlende  allgemeine 
Geschichte  des  deutschen  UniversitXtswesens  wichtige  Schrift  haben 
wir  schon  frfiher  in  diesen  Blättern  (Jhrg.  1854,  Nr.  14.  S.  314—223) 
zur  Anzeige  gebracht,  um  so  mehr  fühlen  wir  uns  veranlasst,  auch 
die  zweite  Abtheilung  in  denselben  zu  besprechen  und  anzugeben, 
was  dem  gelehrten  Publikum  in  ihr  geboten  wird. 

In  dieser  zweiten  Abtheiiung  soll,  wie  der  Herr  Verfas» 
ser  ausdrücklich  (Vorwort  S.  V)  erklSrt,  nicht  eine  allgemeine 
Universitätsgeschichte  geliefert  werden,  sondern  insbeaondere 
die  innere  und  äussere  Geschichte  der  protestantisch-theo- 
logischen Facttltäten;  nicht  eine  Geschichte  der  Theologie, 
nic^t  eine  Gelehrten-,  auch  nicht  eine  theologische  Literatur- 
Geschichte:  für  diese  letzte  fehlt  es  nicht  an  Halfsmlttebi.  Es  soll 
vlelm^  diese  Schrift  —  wofür  andere  Hülfemittel  bis  jetzt  fehlen 
—  Ge>fst,  Entwicklungsgang  und  Einfluss  der  ver- 
schiedenen Universitäten  charakterisiren.    Es  ^werden 


TM«ck:    VorffeieUehle  6t§  lati«iiliMMf  ole.  61 

wie  ich,  sagt  der  Herr  VerCuser  weiter,  beim  Stodiam  der 
6esdiidi(e  der  Theologie  dw  unbehagliche'  Gefühl  getheili  haben, 
fie  aaftretenden  Personen  gleichsam  Taler-,  muUer-  und  heimathlos 
m  sich  Tornl>er  sieben  sn  sehen  —  ohne  Kenntniss  ihrer  Steilnng, 
ibrer  Schule,  ihres  Partetsosammenhanges  und  persQnlicben  Charak- 
tcn.  Eben  so  die  verschiedenen  UniversiUUen :  Wir  lesen  hier  ein 
Dstam,  dort  ein  Datum,  aber  über  ihren  Gesammtcharafcter,  ihre 
Lehriffifte,  Schicksale  und  Epochen  vermisst  man  ein  susammen«* 
Werk.  Die  ansserdeutschen  Universitäten  sind  hier  sogar 
ersten    Male  in  den  Kreis  literarischer  Behandlung  gesogen 


Was  die  Bearbeitung  der  zweiten  Äbtheilung  dieser  Schrift  be- 
bift,  so  ist  sie  mit  demselben  Rechte,  wie  die  erste  Äblheiiung, 
eise  nrfcnndliche  und  quellenmXssige  sn  nennen.  Die  Arbeit  selbst 
wv,  was  jede  Seite  der  Schrift  beurkundet,  bei  dem  Mangel  an 
Vorarbdtan  flr  das,  was  hier  gegeben  wird,  eine  mfilvame  und 
BiBsiviscbe.  Die  Data  mussten  sum  Tbeil  aus  weit  entlegenen, 
lom  Theil  aus  nicht  gedruckten  Quellen  genommen  werden.  Die 
hier  gebotene  innere  Geschichte  der  theologischen  Facuitäten  ist 
aber  sngleich  auch,  als  einer  der  wichtigsten  Ausschnitte  des  kirch- 
lichen Lebens  des  17.  Jahrhunderts,  ein  Beitrag  cur  Geschichte  des 
kirchlichen  Lebens,  weicher  ein  zweiter  Band  dieser  Vorgeschichte 
gewidmet  sein  soll. 

Nach  diesen  allgemeinen  Angaben  gehen  wir  sn  dem  Inhalte 
der  efauelnen  Theile  des  Bnches  ül>er,  welcher  in  vielfacher  Hinsicht 
die  gewöhnlichen  Ansichten  über  den  Charakter  des  17.  Jahrhunderts 
berichtigt,  da  das  Feld,  auf  welchem  der  Herr  Verfasser  sich  be- 
wagt, bidier  gewisser  Massen  brach  gelegen,  sein  Verdienst  dess- 
halb  aber  auch  um  so  grösser  wird. 

In  der  Einleitung  (S.  1—15)  wird  unter  Anderem  ^die  Stel- 
lung der  protestantischen  Universitäten  zu  den  phi- 
lesophischen  Systemen  des  Jahrhunderts  in  einem 
Gesammtttberblick*  voraus  geschickt  und  gezeigt,  wie  es  der 
Bamistischen  Philosophie  vielfach  gelungen,  die  Aristotelische  zu 
verdringen.  Doch  hatte  sich  die  Aristotelische  und  auch  noch  die 
Raadstische  Pliiloaophie  der  Orthodoxie  gefügt,  aber  die  Gartesiani- 
lehe  ging  schon  über  sie  hinaus  und  die  Spinozische  nahm  ihren 
Standpunkt,  wie  Menzel  bei  Besprechung  dieser  Schrift  bemerkt 9i 
idion  höhnisch  der  christlichen  Wahrheit  gegenüber. 

Was  nun  die  Entwickelung  der  Theologie  betrifft,  so  begegnen 
wir  hl  der  Geschichte  der  Lutherischen  Facultlten  einem  ziem- 
lich gleichmlssigen  Verhtuf :  bis  in  die  Mitte  des  Jahrhunderts  Schul- 
theologie  ohne  Wärme  und  practischen  Eifer,  seit  dem  Anfange  der 
swaiten  Hälfte  wachsendes  practisches  Interesse  mit  zunehmender 
Ateanz  gegen  Abweichung  in  der  Lehre,  gegen  Ende  der  Bpe« 

ij»  YMgL  dessen  Literalarblam  Jahrgang  1854,  Mr.  45.  B.  177. 


^ 


62  Tkdliek:    Voitpeichidite  d«f  RadonaliMivi  et«. 

ner'Mhe  Pietismus.  Verachieden  ist  der  Verlauf  anf  den  Befor« 
mirten  Leliranstalten :  nur  eine  unmerkliche  AbscfawScbaog  dm\ 
früheren  dogmatischen  Standpunktes,  aber  auch  kein  Fortschritt  ifä\ 
praktischen  Interesses,  sondern  vielmehr  Gegensatz  gegen  den  ?!«• 
tisnras.  Kaum  Ifisst  dieser  Unterschied  sich  anders  erklären  als  ebeii 
daraus,  dass  die  Relormirte  Kirche  von  Anfang  an  das  wenig^er  ent- 
behrte, was  der  Pietismus  erstrebte,  die  Betonung  des  Praetifl^M^ 
Zur  Bestätigung  iässt  sich  auf  die  Schweiz  verweisen,  welche  bei 
ausgeprägterem  dogmatischen  Charakter  stärkere  pietistieche  Bewe- 
gungen erfuhr  und  auf  die  Niederländischen  Universitäten,  wo  bei 
noch  rigiderem  Dogmatismus  gegen  Ende  des  Jahrhunderts  auch 
der  Pietismus  desto  stärkere  Wurzeln  schlug. 

Die  Schrift  ist  in  zwei  Hauptabschnitte  getheilt  und  nmfaast: 
A.     Die   Lutherischen    Lehranstalten   (S.  15—203), 
und  zwar: 

L  Die  Deutsch -lutherischen  Universitäten  Altdorf  9) ,  Erfor^ 
Olessen,  Greifswaid,  Helmstädt,  Jena,  Kiel,  Königsberg,  Lfeipzfg, 
Rinteln,  Rostock^),  Strassbnrg^),  Tübingen,  Wittenberg  (S.  15— 147> 

2)  Der  Hr.  Verf.  fuhrt  hier  die  trefflichen  Worte  des  Hrn.  Prülaten  Dr.  U 1 1  ma  aa 
an,  welche  wir  uns  erlauben  hier  beizufugeo :  „Gerade  dieses  ursprUiigliche  Aa* 
tionale  hat  die  Reformirte  Kirche  spater  vor  dem  in  der  Lutherischen  Kirche 
weit  verbreiteten  Rationatismus  geschützt,  wie  die  ursprünglich  stSrkere  Be- 
thatiffung  des  sittlichen  und  practischen  Interesses  die  Reformirte  Kirehe  fto 
dem  PietifBui  unempfänglicher  machte."  Vergl.  Stadien  und  Kritiken  1843, 
S.  764. 

3)  Im  Jahre  1526  hatte  Helen  chthon  in  dem  wohlhabenden  und  kunst- 
sinnigen Nürnberg  ein  Gymnasiam  gestiftet,  dessen  Ruf  sich  unter  Rectoren 
wie  Joachim  Gamerarius,  Eobanus  Hessns,  schnell  verbreitete.  !■ 
Jahre  1573  wurde  es  für  gut  gehalten,  diese  Schule  nach  Altdorf,  einer  Land- 
stadt des  NQmberi^er  Gebiets,  zu  verlegen,  und  nachdem  für  dieselbe  im  Jahre 
1578  die  Privilegien  einer  Universität  mit  dem  Rechte  Baccalaureen  und  Ma- 
gister der  freien  Künste  zu  creiren  erlangt  worden,  wuchs  die  Zahl  der  I«- 
nntriculirlen  so  sehr,  dass  sie  im  Jahre  1620  bis  auf  221  stieg,  woraus  sich 
eine  Frequenz  tob  etwa  800  Studenten  ergibt.  Um  so  mehr  war  der  Nttfi* 
berger  Rath  darauf  bedacht,  für  diese  blühende  Hohe  Schale  die  volleo  aca- 
demisohen  Privilegien  zu  erwerben  und  erlangte  im  Jahre  1622  vom  Kaiser- 
lichen Hofe  wenigstens  fUr  die  juristische  und  medicinische  Facultät  das 
Promotionsreeht  —  für  die  theologische  erst  um  vieles  spttter,  im  Jahre  1696. 
Daa  Aueftdirlicbere  aber  die  Universität  Altdorf  siehe  in  vorlieffender  Schrift 
S.  15  ff. 

4)  Von  der  Universität  Rostock  rühmt  Herr  Tholuck,  dass  bei  deren 
Mitgliedern  der  Pulsschlag  christlichen  Lebens  unter  dem  schweren  Brosthar- 
nisch  der  Orthodoxie  niemals  erstorben  sei.  Von  Anfang  an,  durch  das  ganze 
17.  Jahrhundert  hindurch,  erfreute  sich  diese  Universität  in  der  theelegischen 
facultät  einer  Reihe  ausgezeichneter  Männer,  wie  Baomeister,  Tarnovc^ 
Quistorpe,  Joachim  Lütkemann,  Heinrich  Müller  u.  A.,  so  dass 
sie,  namentlich  von  Seiten  practischer  Frömmigkeit  und  theologischer  Libert- 
Htät,  in  diesem  Jahrhundert  die  erste  Stelle  einnimmt.  Vergl.  Krabbe,  Dia 
Unaveraität  ResUck  in  15.  und  16.  Jahrhundert.  2  Thle.,  und  unsere  Ameife 
der  Schrift  in  diesen  Jahrbüchern,  Jahrgang  1856,  Nr.  56  und  57.  S.  $91— 90t 

5}  Die  Universität  Strassburg  ging  i.  J.  1621  aus  dem  unter  Johaoo 
Sturm  in  dieser  Stadt  gegründeten  Gymnasium  academicnm  hervor  und  unter 
den  theologischen  ProCasaeren  glänsen  hoehbertthmte  Namen.  Wir  nenaea 
nur  Dannhauer,  Spener's  Lehrer,  Dorsche,  Sebastian  Schmidt. 


ThdndL:    Vori;eic1iiohta  des  ftatioiuilismut  Me.  63 

IL  Die  De«l8A-lath«riBdieii  Hoben  Sdmlen  ^.  Za  diesen  ge^ 
Kien  als  die  namhafteaten  die  Gymnasien  In  Hambarg  (das  Je* 
fcanaenm),  in  DaMig,  in  Gobnrg  (das  CasimiTianttm) ,  in  Stettin 
fa  147— IM). 

nL     1)  Die  DftniselieD  Universitäten. 

2)  Die  Schwedisclien  Univereltäten :  Upsala,  Dorpat,  Abe, 
Und,  6rei£Bwald  (S.  147--303). 

B.    Die   Reformirten  Lehranstalten  (8.  204—377). 

L    Die  Niederländiseh-reformirten  UnirersUäten  (8. 204— 241). 

n.  Die  Deotscb-reformirten  Universititen:  Dnisbarg,  Frankfurt, 
Heidelberg,  Marburg  (S.  246-296). 

m.  Die  Deutsch-reformirten  Hohen  Schulen :  Bremen,  Hamm, 
fisrbom,  Liogen,  Neustadt  an  der  Haardt^),  Hanau,  Steinfart 
(8.  296—314). 

6)  ESae  Zwiscfaenstafe  twifclieB  den  ÜDiTeniUlten  oad  den  Gyamuien 
biUn  wahrend  de«  i^aoMD  17.  Jahrliundert«  die  Gymnafia  illustri«  oder 
aeadeniGa«  welche,  ausgeftatket  wie  sie  waren  mit  Lehrern  der  4  Facal- 
tHea,  Hatrikef,  Bibliothek,  Siegel,  Convictorien  und  Stipendien,  l^edetlen,  halb- 
jihrigeo  LectionaTerzeichnisse,  auch  mit  ambolatoriflehem  Redorate,  einer  IJni* 
ntiiai  in  IfieiOs  nachatanden  als  im  Promotioosrechte ,  wiewohl  Baispiele 
Taikoamea,  wie  io  Weissenfeis,  dass  selbst  dieses  geübt  wurde.  Veran- 
iurangen  la  ihrer  Eotstehang  waren  mehrfache  vorhanden.  Theils  rief  sie 
die  ^ringere  Zahl  und  weite  Enlfernung  der  Universitäten ,  theits  die  unge- 
Bifende  pbilosophische  Vorhildnni;  der  Gymnasien,  hAufiger  aber  auch  die 
Site&eift  der  F&rsteA  nnd  Reichsstftdie  in  das  JOasein.  Sehr  interessanta  nad 
helthnade  ans  Quellen  geschöpfte  Nacbweisun^en  Über  diese  Anstalten  gibt 
der  Berr  Verfasser  des  vorliefl^enden  Werkes  von  S.  147—152. 

7)  Da  der  Herr  Verfasser  der  vorliegenden  Schrift ,   seiner  Aufgabe  ge- 
nta, dieser    Anstalt  eine  ansffthriicbere  Behandlung  nicht  widmen   kennte 
(S.31S),  so  ibeilen  wir  ans  den  uns  su  Gebote  stehenden  Acten  nnd  Urkunden 
iolgande  nähere  Angaben  Ober  dieselbe  mit.    Sie  wurde  am  29.  Harz  1578 
TOB  dem  PfaUgrafen  Johann  Casimir  unter  dem  Namen  „CoIIe^um  Casi- 
atiriaaum*  errichtet.    Dieser  war  dem  Calvinismas  eben  so  treu  ergeben,  als 
•ein  Binder,  Knrfftrst  Ludwig  VL  (Nachfolger  Friedrioh's  IlL),  dem  Ln- 
Iherthum.   Als  nun  Lndwig's  Bestrebuofren,  das  Land  und  die  Universität  In- 
theriieh  zn  owchen,  immer  sefaftrfer  und  bestimmter  hervortraten,  yerliess  dar 
Pfadzgraf  Johann  Casimir  mit  der  verwittweten  Kurfärstin  die  Stadt  Hei* 
Mheif  nnd  befrab  steh  nach  Kaiserslautern,  was  ihm   nebst  Neustadt  an  der 
Batfdi  als  £rblbeil  zugefallen  war.    Die  entlassenen  Rttthe  des  verstorbenen 
Ktrilrslen  Friedrieh's  IlL,  Ebeim  und  Zuleger  und  die  Prediger«  na- 
n«nlliah  Daniel  Tessaaus,  folgten  ihai,  und  sein  kleines  Ländchen  wurde 
bald  der  Zninebtsort  aller  bedrängten  Reformirten.   Auf  den  Ratb  seines  Kanz- 
le Bhein  nnd  seiner  Rllbe,  Zuleger  nnd  Beuterieb  und  vor  allen  auf 
des  des  Urs i ans  eatscbless  er  sich,  in  Neustadt  eine  Hoefaschnle  unter  dem 
sim  sahoB  angegebenen  bescheidenen  Namen  zu  gründen,  nm  der  jungen  Re- 
fanrinea  Lehre  einen  wissensebaftUcben  Halt  au  geben  and  besonders  dia 
Anaer  an  derselben  anzustellen,  welche  ihres  Glaubens  wagen  aus  Heidelberg 
vndriagt  werden  waren.    Ais  Ia>eale  wies  er  der  Anstalt  die  sogenannte 
flVeiMe  Banse^  vor  dem  There  an*    Früher  war  es  ein  Nonnenkloster,  von 
^tm  aach  dnnnls  noch  einige  Nonnen  übrig  waren,  welche  das  Colleglnm  er* 
Uten  nHMte.    Die  Vorlesungen  wurden  am  20.  Mai  1578  dnrch  eine  Toa 
Saaehias  gehaltene  vortreffliche  Rede  eröffnet.    Die  Anstalt  erhialt  bald 
'mh  die  an  derselben  angestellten,  von  den  Pfalsgrafen  gut  besoldeten  Ken« 
Mr,  «iedfe  Theelogen,  Ursinns,  Zanehins,  Tossanus,  Jnnins,  don 

Ricolans  Dobhln,  den  Medkiner  Heinrich  Smetius,  dia 


64  Tboluck:    Yori^eacbicbte  des  RaUonalisniii«  etc. 

17.  Die  Schweieerischen  ReformirieD  Hohen  Schulen:  Baseli 
Bern,  Genf,  Lausanne,  Zürich  (S.  314—377). 

Von  den  Bfimmüichen  hier  genannten  Anstalten  gibt  der  Herr 
Verfasser  nicht  nur,  soweit  es  der  Zweck  seiner  Schrift  erforderte, 
'  ihre  Geschichte  und  die  Zahl  der  Studirenden  nach  den  Inscriptions- 
listen  oder  Matrikeln,  sondern  auch  —  und  das  ist  die  Hauptauf- 
gabe —  eine  tief  eingehende,  gründliche  Schilderung  des  jeder  dieser 
Anstalten  Eigenthümlichen,  ihrer  Lehrkräfte,  so  wie  Charakteristiken  der 
an  ihr  wirkenden  Lehrer  grössten  Theils  nach  eigenen  Worten  ans 
Schriften  und  Briefen  yon  ihnen  oder  über  sie.  Auf  die  Geschichte 
der  einzelnen  Universitäten  oder  auf  die  Lebensbeschreibungen  der 
an  ihr  wirkenden  Lehrer,  auf  die  theologischen  Streitigkeiten,  wo 
oft  in  derselben  Stadt  von  zwei  Kathedern  oder  Kanzeln  herab 
zwei  Theologen  mit  Drachengift  sich  anbliesen  wegen  der  absurde* 
Bten  Behauptungen,  die  einer  dem  andern  vorwarf,  näher  einzugehen 
und  ausführlichere  Mittheilungen  aus  denselben  zu  machen  8),  würde 
den  uns  in  diesen  Blättern  zugestandenen  Raum  weit  überschreiten. 
Wir  mussten  uns  desshalb  begnügen  nur  Einzelnes  besonders  her- 
vorzuheben und  uns  auf  einige  nähere  Angaben  beschränken. 

Von  der  oben  schon  gerühmten  Gründlichkeit  und  dem  uner« 
müdeten  Fleisse  des  Herrn  Verfassers  bei  der  Ausarbeitung  geben 
die  den  Hauptabschnitten  beigefügten  literarischen  Nachweisungen  und 
aus  Acten  und  Urkunden  entnommene  nähere  Ausführungen  die 
sprechendsten  Beweise.  Beigefügt  ist  (S.  395—400)  ein  Register, 
welches  jedoch  mehr  auf  Sachen,  als  auf  Personen  sich  ausdehnt. 

Wir  schüessen  die  Anzeige  dieser  für  die  Geschichte  des  deut- 
schen Universitätswesens  wichtigen  und  verdienstvollen  Schrift,  bei  wel- 
cher auch  die  äussere  Ausstattung  zu  loben  ist,  mit  dem  Wunsche, 
dass  es  dem  würdigen  Herrn  Verfasser  möglich  werde,  den  zweiten 
Band  dieses  Werkes,  welcher  die  Geschichte  des  kirchlichen  Lebens 
umfassen  wird,  recht  bald  folgen  zu  lassen.  HaiitB. 


Philofopben  und  Philologen  Pithopöus,  Witekind,  Jangnits,  Sinon 
Steniufl  (Stein),  Piscator  u.  A.,  welche  darch  Lehre  nnd  Schrift  den 
Glans  der  neoen  Anstalt  verbreiteten,  einen  grofsen  Ruf  und  wurde  tahlreich 
befucht.  In  diesem  Hfrossartigen  Umfange  bestand  das  Casimirianum  jedoch 
nur  bis  su  dem  am  12.  October  1583  erfolgten  Tode  des  Kurfürsten  Ludwig  VL 
Sobald  Johann  Casimir  die  Verwaltunif  der  Kur  übernommen  hatte,  sog 
er  die  Professoren  wieder  an  die  Unirersitttt  Heidelberg  und  wies  sie  in  ihre 
frftheren  Stellen  ein.  Nur  Ursinus  war  am  6.  Man  1583  im  49.  Jahre  sei- 
nes Lebens  gestorben  und  wurde  in  dem  Chore  der  Stiftskirche  in  Neustadt 
beigesetst.  Das  Casimirianum  wurde  nun  in  ein  Pädagogium  umgewindell, 
dessen  erster  Rector  Johann  Nebeltau  gewesen.  Jetst  besteht  die  Anttall 
noch  als  eine  Lateinische  Schule. 

8)  Von  diesen  Streitigkeiten  heben  wir  beispielsweise  nur  hervor,  was 
der  Herr  Verfasser  (S.  134j  über  Thummius  und  Oslander  anfahrt:  „Voa 
ihnen  war  jene  subtile  Christologie  über  die  nsvacig  Christi  ausgebildet  wor- 
den, welche,  um  die  Lehre  der  Hittheilung  der  gottlichen  Natur  Christi  an  die 
menschliche  in  der  vollen  Consequenz  durchauführen ,  davor  nicht  aurttck- 
schreckte,  von  der  verkifirten  Menschheit  Christi  tu  lehren,  dass,  vermöge 
ihrer  Theilnahme  an  der  göttlichen  Allgegenwart,  sie  nach  „„im  Sglhooite 
aller  Jongfraaen,  j«  in  den  Cadavem  gegenwärtig  lei.^^  ^ 


».i.  HEIDELBERGER  ISSt. 

JiHBBOCHBR  DBB  LITIBATDB. 


Die  VneU  der  Erde,    Ein  Gedichl  9on  Frant  von  Kohell    92  8.   Mimd^em. 
Lilerwrisek-arüsiische  Ansiali.     1856. 

Der  rAhnüicbsl  bewahrte  Faehmann  im  Gebiete  naturkundiffeii  WisfeM 
l6«ste  lingst  aacb  als  Sänger  den  Meisterbrief.  Die  VeranlassiiDg  aar  will- 
kooimeneD  Gabe,  welche  uns  jetzt  gereicht  wird,  ein  geologisches  Gedicht, 
iit  IBS  den  Einleitangs-lYorten  in  ersehen.    Hier  wird  unter  andern  gesagt: 

So  kam  es  einst  da  ich  gepflegt  der  Jagd 
Im  gemsereicben  Berchtesgadner-Land, 
Ich  dachte  triumend  der  Vergangenheit, 
Wie  sie  geschrieben  an  der  Felsenwand. 

Und  in  die  graae  Zeit  sah  ich  lurQck 
Und  das  Bekannte  meinem  Blick  Terging, 
Verftudemd  Alles  fremd  und  wunderbar 
Ein  sauberisch'  Bewegen  mich  umfing. 

Und  Bild  auf  Bild  erschien  die  Erde  mir 
In  ihrer  Wandlung  rftthselhaftem  Gang, 
Ihr  grosses  Leben  spiegelte  sich  d'rinn, 
Und  was  ich  schaute  kande  mein  Gesang, 

Inaelseit  —  so  nennt  der  Verfasser  jene  Epoche,  welche  begann,  nach- 
dem die  AbknUnng  der,  im  feuerigen  Schmeliflusse  befindlichen,  Erde  so  Tor- 
gesckritten  war,  dass  ein  feste  Rinde  gebildet  worden  und  das  Wasser  in  fltts- 
nger  Gestalt  eracheinen  konnte  —  Berg^Hebungen,  Hochland  und  ZeratOmn- 
ffen,  Zeit  der  Riesenthiere  und  die  Eisieit  werden  in  f&nf  Gesingen  ge- 
lehildert,  ein  sechster  macht  den  Schluss,  Blicke  in  die  Zukunft  bietend. 

Wir  gestatten  uns  einige  Hittheilungen  und  wtthlen  Stellen  ans  dem  fftnf- 
tea  Gesang,  wo  die  Rede  davon  ist,  dass  Gletscher  früherer  Zeiten,  theils 
pm  Terschwnnden ,  theils  auf  yerhfiltnissmfissig  kleinen  Regionen,  in  errati* 
•eben  oder  VITanderblOcken  die  Zeugen  ihres  einstigen  Daseins  erhielten.  Hier 


Verborgen  oft  ist  jenes  stille  Thon, 

Womit  erfüllt  das  Wesen  der  Natur 

Und  manch'  Geheimniss  schliesst  sie  sorglich  ein 

Und  führt  an  seinem  Rttthsel  keine  Spur. 

Doch  gingen  grosse  Tage  ttber  sie, 
Nicht  trügend  soIFs  entsogen  sein  dem  Blick, 
Sie  bietet  ohne  Hehl  was  daran  mahnt 
Und  ofiTenbart  ihr  vielbewegt,  Geschick. 

Bei  LUtsen,  wo  der  SchwedenkOnig  fiel. 
Da  liegt  im  Feld  ein  Block  von  Urgestein, 
Ein  Fremdling  in  der  Gegend  ruht  er  dort. 
Von  welchem  Land  mag  er  gekommen  sein? 
L  Jahrg.  1.  Heft. 


(Tfr  tfMh    IKo  tlisdl  dn  firde. 

B»  weken  seine  Zeiehea  nadi  dem  Nord 
Za  SkandioaTienf  Gebirg  hinenf, 
Ton  «einen  Kuppen  trag  die  Eisfluth  ihn 
Und  feine  Stelle  deatel  ibren  LanC 

An  PreiMsenf  Kttste,  an  dem  ir'scben  Strand 

Dieselben  Zengenv  magst  da  rings  erseb'n, 

Und  an  der  Alpen  Saom  sind  sie  gehäuft 

Und  nnr  wie  durch  ein  Wunder  scheint's  gescheh'n. 

Ea  ist  alff  ob  Cyktopen  da  geweilt 
Und  der  Titanen  riesiges  Geschlecht, 
Als  an  die  Himmelsthore  sie  gestürmt 
Im  Wahne  trotzend  auf  der  Stfirke  Recht 

Nodk  gttrten  sich  die  GleUcher  an  dem  Gnmd 
Hit  Blocken  von  der  Gipfel  Felsenkamm, 
Sie  gleiten  wandernd  nach  der  Tiefe  hin 
Und  bilden  dort  den  weitgezog'nen  Damm. 

Die  Gttrtel  solcher  Steilie  die  dereinst 
Dae  Heer  der  alten  Eisesberge  trug, 
Nun  roh'tt  im  Komland  sie,  auf  grüner  Fhir 
Und  ferne  blaut  ihr  heimischer  Hohensug. 

Denkstefne  siad's  vom  langen  grossen  Kampf, 

Da  mit  dem  Chaos  noch  die  Erde  rang. 

Da  nur  das  wilde  Thier  auf  ihr  gehaust 

Und  noch  kein  Lied  von  Hensehenstimme  klang. 

Denksteine  sind's  raglefch  des  Uebernngs, 
Da  mttobtig  sich  da«  Leben  nen  erbob 
Und  seinen  Feind  besiegend  hehr  und  reich 
In  das  Geschaffne  seine  Wunder  wob. 

Am  Schluss  des  letzten  Gesanges  wird  gesagt: 

Noch  tragt  sich  die  Kunde  vernichtender  Flutfa 
In  der  Volker  heiligen  Sagen^ 
Noch  siehst  du  die  ScUttnde  vnlkanifchen  Herds 
In  rauchenden  Kratern  ragen. 

Dem  Wechsel  gehört  das  Geschaffene  an, 
Im  Kleinen  mag  Jeder  ihn  schauen, 
Im  Grossen  aber  verbirgt  ihn  die  Zeit, 
Wenn  d'rflber  Jahrtausende  grauen. 

Und  tsm  im  Sturme  ein  knospender  Baum, 
Wohl  an  den  zerschmetterten  Zweigen 
Noch  scMiessen  liebliche  BfQthen  sich  auf 
Da  der  Stamm  schon  dem  Tode  zn  eigen. 

So  ist  das  Blühende  nm  dich  her 
Nicht  Borge  gesicherten  Lebens, 
Zu  finden  aber  der  Grenze  Hark 
Ist  alles  Hohen  vergebens.  —  ^ 

Wir  iweiffllB  niefat,  dass  Kebeirt  Dichtnsg  eines  grossen  Leser^Kreli« 


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werde;  xnm  YenUadelM  flir  fol^e,  die  mü  Aeoriee«  nd  Hy* 
ptAMCB  der  Geolegea  wevifer  Tertniel,  iM  iweckjiwliie 


AÜMopliseAc  F^ropädaUiL  £k  Leüfadm  fu  Varlragm  an  hOunm  LdfMtUkAm. 
Fm  Dr.  Jot,  Beck.  I.  Emi>irudke  Pt^hobgU  ««d  LugOt.  P^f  Airti^ 
Smhau  Auflage.    Snoigari.     Verlag  der  J.  B.  MäOm^v^kt»  BiaMtmikmg. 

isse. 

Unter  dem  betondeni  Titel: 
Gnmdriti  der  EmptrUehen  Ftgekoiogu  uad  Logik    Fo»  tr.  JoL  Beel^  UrMt* 
kerwoglkk  Baduekim  Gduimtn  BofraAe.   FünfU  dHn%Mdl«M  Äufage.   Btalh 
gart  Vertag  der  J.  B.  MetOm^eeken  BuMandkmg.    1856.  ZVIilMIB.  8. 

Die  Torliegende  ifedrfiBgte  DarsteHmig^  der  empiriiehett  P #7 ekele* 
fieved  der  reinen  Leg^ik  bat,  wie  der  Berr  terftf fer  In  der  Venedeftl 
lieii  •ufprickl,  snnldift  die  Bestimmmif  n  einem  Leifftden  kel  VeiMfen  tfMr 
jeaeDoctrinen  TOT  Solchen,  die  in  das  Sindlnm  der  Pkllofopkle,  nnd 
fODit  in  daa  wiaaenackaftlicke  Denken  dr^erkiupl,  einc«MM 
werden  aofflen,  n  dienen.  Ea  aeUieaat  aicb  deaabalb  nteb  Fentf  nnd  Inbell 
4er  beliebenden  Einriebtattf  der  meialen  boberen  Lebrinateltett  tn,  nteb 
welcher  mit  Payebologie  nnd  Logik  der  Anfittf  gemacbt  tttt^  flelehaMi 
der  Beden  bereitet  wird,  anf  welebem  welter  fortanbanen  lat 

Die  Banptanfgabe,  welebe  aleb  der  Herr  Terfaaaer  aetate,  wnr:  aeieb 
eine  Ana  wähl  dea  reiebhaltifen  Sloffea  an  treffen,  nnd  dieaen  ntcb  denje*- 
«fea  Geaichtapnnkten  berroranheben ,  welche  dem  anm  Denken  er* 
wachenden  Jttn^inge  am  niebaten  Hefen;  aedann  dnreb  Anordnung  ewd 
Diratellnag  jenea  erwachende  Bederfniaa  an  elaem  ayatemaliaebeii, 
d.  l  zu  einem  mit  atrenger  Gonaeqnena  Ton  Stnfe  an  Stttfe  t&tP* 
•cbreitenden  Denken,  woyea  die  Matbemalik  ung  ein  ao  ieatnietiTea 
Bild  fibi,  au  erbeben  nnd  an  biMen«  Dabei  bei  deraelbe  die  Eanptf ebre«fceu 
■neber  Lehrbttcber  dieaer  An  vermieden,  welche  eineraeiti  an  vie-l  enl* 
kalten  nnd  sa  viel  erkUren,  ao  daaa  dem  Lehrer  wenig  n  tfam  ttMg 
Ueftt,  nnd  nndereneito  atati  den  BcbfUer  aum  Selbatdeekett  ioadeiten, 
fta  hat  mr  vom  Lernen  einladen. 

Einen  weiteren  Vorang  dieaea  Lehrbncbea  teden  wir  beaendenr  In  der 
Utren,  dentlicben  nnd  dabei  priciaen  Daratellungaweiae  dea  Herrn  Verfaaaera. 
Sie  kill  aicb  fem  von  manchen  pbiloaopohiachen  Schriften  unaerer  TagOi  von 
weldian  der  vwrdiente  Dr.  Sebeidler  aegt,  dM»  aie  nw«r  atten^  typegii' 
ikkäma  Anaebeine  naefa  in  deniacher  Sprache  feachaiebett  aeien,  von  denen 
■an  aber  aelten  gainae  Sdlae  veralebe,  wenn  mM  niebt  in  dieaea  RdlhiWilacb 
(wie  Leibnits  aokbe  Fartiettlar-Terminologlen  ne*nt)  elngeweibl  acL  DfliaiMi 
wir  nan  soch  Etwaa  hb  AUgemeHaan  ttber  dieaea  Lebrbneb  belAlgmt»  ae  bat  aicb 
^  Herr  Terfaaaer  bemttht  (wie  er  aelbst  in  der  Vorrede  S.  VHI  und  IX  aagt).  In 
B,  bkiaiebiReh  anf  Inhalt^  umfang  und  Daralellung  de»  Pardwnngen 
if  welehe  Conain  an  den  pbiloaepbiacben  VnterrlobI  m  0e* 
DIeaer  befOhmlo  FbUoaoph  wid  Stantameni  apiiebl  aldi 


68  Beck:  HiB(orildi-(teoirrtphiicher  Atlts  fttr  Schule  und  Haiu. 

aber  folgender  GesUlt  aus:  „der  philoiophiiche  Unterricht  der  CoIIepen  (Ly-  | 
ceen)  iit  um  so  beaier,  je  mehr  davon  die  rein  wissenschafilichen  Fragea  ; 
fern  gehalten  werden,  welche  in  den  höheren  Unterricht  oder  in  academifdie 
Untersuchungen  gehören.  Er  muss  gründlich,  aber  eingeschrinkt, 
methodisch  und  gedrttngt  sein,  fest  und  streng  in  Beaug  auf 
die  Grundprinzipien,  nüchtern  in  Entwickelungen,  geizend 
mit  allen  Untersuchen  der  Neugierde." 

Was  nun  den  eigentlichen  Inhalt  der  vorliegenden  Schrift  im  Einseinen 
betrifft,  so  handelt  derselbe  im  ersten  Theile  von  der  empirischen 
Psychologie  und  swar  in  der  ersten  Abtheilung  vom  Seelenleben  im 
Allgemeinen;  in  der  iweiten  Abtheilung  von  den  besonderen  Aeusseron- 
gen  des  Seelenlebens  (Erkenntnissvermögen,  GelQblsverroögen,  Begehrungsver- 
mögen}; in  der  dritten  Abtheilung  von  den  Zustanden  des  Seelenlebens 
wtthrend  seines  Verlaufes  (Lebensalter,  Zustande  des  Wachens  und  des  Schla- 
fens, besondere  Bestimmtheiten,  Seelenkrankheiten).  Der  zweite  Theil 
umfaist  die  Logik  und  gibt  in  dem  ersten  Hauptabschnitte  die  Grund- 
gesetze des  Denkens,  die  Lehre  vom  Begriffe,  von  dem  Urtheile  und  von  dem 
Schlüsse.  Im  zweiten  Hauptabschnitte  wird  die  Methodenlehre 
(Definition,  Division,  Argumentation)  mitgetheilt. 

Dass  der  Herr  Verfasser  die  Aufgabe,  welche  er  sich  gestellt,  in  Beziebang 
auf  Stoff  und  Form  mit  dem  besten  Erfolge  gelöst,  haben  wir  nicht  nOthig 
noch  besonders  hervorzuheben.  Dieses  beweisen  die  in  einem  Zeiträume  von 
kaum  10  Jahren  nöthig  gewordenen  5  Auflagen,  bei  welchen  der  Herr  Ver- 
fasser jedoch  der  Versuchung  glücklich  entgangen  ist,  durch  Hinzufügen  zu 
vermehren  statt  zu  bessern.  Aber  nicht  allein  im  Inlande  hat  dieses  Unter- 
richtsbuch die  ihm  gebührende  Anerkennung  gefunden,  sondern  auch  ihm  Aus- 
lande. Im  vorigen  Jahre  wurde  es  in  das  Ungariiche  übersetzt  (Peath  bei 
Heckenast),  und  eben  jetzt  wird  in  London  eine  englische  Uebersetzung  des- 
selben vorbereitet. 

Noch  glauben  wir  anfuhren  zu  müssen,  dass  der  Herr  Verfasser  dem 
vielfach  ihm  ausgedrückten  Wunsche,  diesem  Grundrisse  ein  erläuterndes 
Handbuch  zur  Seite  zu  geben,  zu  entsprechen  gedenkt  nnd  wir  wünschen 
nnr,  dass  dieses  recht  bald  geschehen  möge. 

Papier  und  Druck  der  Schrift  sind  gut  und  letzterer  besonders  correct, 
was  vorzüglich  bei  einem  Buche,  das  in  die  Hand  der  Schüler  kommt,  beach- 
tenswerthe  Anerkennung  verdient. 


Hiilariich^geoffraphiu^r  AtUu  für  Schde  fmd  Haus  in  fünf  und  mänsiag  coh^ 
ririm  Karlen  von  Dr.  Joseph  Beck.  Zweüe  AhAeUung,  Das  MiUeUdttr. 
Freiburg  im  Breisgau.     Herder^sche  Veriagshandiung.    i856. 

Ui$l9riick''geograpki$cher  Alku  für  Schule  und  Haue  in  fünf  und  awamig  colö- 
ririm  Karim.   Von  dmsdben.  Dritte  Abtheilung.  Die  neue  Zeit.  Ebendoidbst. 

Die\tT»ie  Abtheilung  dieses'i Werkes  haben  wir  bereits  in  diesen 
Buttern  Qahrgang  1866,  Nr.  20.  S.  319  und  320)  angezeigt  und  lassen  der- 
aelben  nun  eine  Besprechung  der  zweiten  und  dritten  Abtheilung  fol- 


Beck:  Hutorifok-feofrnpbiiciier  Atlas  Ar  8eMe  vmi  Hanf.  M 

|B,  irelefce  beide  tob  der  thitlfen  Terlafthasdlaiig  ui  der  mHgUcbtl  kursea 
&il  bcforgt  vad  00  ebea  «nifegeben  worden  sind. 

Dieiweite  Abtheiloiif,  weldie  das  Mittelalter  vmfiiaft,  beatebt 
ml  lad  die  dritte  Abtheil  uny,  welche  die  neue  Ze^t  daratellt,  aia 
8  Eiftea.  Wie  in  der  eriien  Abtheilunf,  so  haben  auch  die  Karten  der  hier 
TiriiefeDden  iweilen  and  dritten  Abtheilung  12Vs  Zoll  Breite  vnd  eine  Hob« 
Too  1  Schah. 

Bei  der  Bearbeitung  des  vorliegenden  Werkes  ginf ,  wie  bei  der  eralen 
Abtheihmg,  das  Hanptbestreben  des  Herrn  Verfassers  dahin,  die  Torsllglieh- 
ites  lonente  der  historischen  [Entwickelung  und  UmgestaHang  der  StaatOB 
iD  eiiem  geographischen  Gesammtbilde  sn  ▼eranschsulicben ,  nm  den  orga- 
lisehen  Zusammenhang  1  wischen  Geschichte  und  Geographie  henrorra" 
Ittbea  nad  som  Bewnsstsein  sn  bringen.  Am  meisten  konnte  dieses,  nach 
den  Bsome,  welchen  der  Herr  Verfasser  sich  gesteckt  hatte,  in  Besng  auf 
<leiyche  Geschichte  nnd  ihren  Schauplats  erreicht  werden,  was  am  deutlich- 
lies  SOS  den  betreffenden  Karten  von  der  Theilung  des  Karolingischen  Reiches 
kif  tnf  dea  Lttneriller  Frieden  ersichtlieb  ist. 

Die  zweite  Abtbeilung,  welche  das  Hittelalter  bis  nu  Anfang 
ki  16.  Jahrhunderts  enthalt,  besteht  aus  folgenden  Karlen:  Staaten  und  Reiche 
üeh  der  Völkerwanderung  nm  400—500;  Kaiserreich  KarFs  des  Groaaen.  Reiche 
kt  Ktroiinger  nach  den  Theiiongen  ku  Verdun  843  und  au  Morsen  870;  Christ- 
liche and  Hahamedanische  Staaten  im  Anfange  des  9.  Jahrhunderts ;  Ueber- 
acbtikarta  snr  Zeit  der  KreutzUge;  DeuUchlsnd  nach  aeinen  HersogthQmem 
nad  grosseren  Reichsgebieten  unter  den  sicbsischen ,  frtnkiscbea  nnd  erstaa 
•ehwihischen  Kaisem  bis  1156  und  1180;  Deotachland  und  das  denische  Kai- 
serreich in  der  letzten  Periode  des  Mittalalters  vom  Ende  der  bobenstaafisehen 
2eit  bis  zum  15.  Jahrhundert;  Deutschland  nach  seinem  Territoriaibestand  bei» 
AstgiBge  des  Mittelalters  und  im  Anfange  der  aeneren  Geschichto  nebst  Aa- 
fabe  der  Kreiseintheilong  von  1512. 

Die  dritte  Abtheilung,  welche  die  neue  Zeit  umfasst,  gibt  folgende 
Ksrten:  Europa  und  Vorderasien:  Uebersichtakarte  cur  Geschichte  der  eoro- 
jMiifchen  Staaten  im  16.  Jahrhundert;  Europa:  Uebersichtakarte  zur  Geschichte 
4er  europäischen  Staaten  im  17.  Jahrhundert;  Europa:  Uebersiehtakarte  aar 
Getchicbta  der  europaischen  Staatan  im  18.  Jahrhundert  bis  auf  die  fraasOsi- 
Khe  Revolution ;  Frankreich  nach  seiner  historischen  Eintheilung  in  Provia- 
len  and  Landschaften  vor  1789,  nebst  Angabe  der  seit  1552  fainsngekomme- 
aeii  Lindem;  Deutschland  nach  seinem  Territorialbestand  vor  der  AnilOsaa|r 
des  Reiches  in  Folge  des  Lttneviller  Friedens  1801,  aebst  Aagabe  der  seit 
ISOO  vom  Reiche  abgetrenntan  Länder;  Europa:  Uebersichtakarte  zur  Ge- 
sebichta  der  enropSischen  Staaten  im  Zeitaltar  der  franzosischen  Revolution 
1789—1814;  Buropa  seit  1830,  historisch-statistische  Uebersichtakarta  des  jetai- 
(ten  eoropiiscben  Staatensystams ;  Deutachland  der  Gegenwart  zur  blstorisch- 
•tatislisehen  Uebersicht  der  deutachen  Bundesstaaten. 

Aas  dem  angegebenen  reichen  Inhalta  dieser  beiden  Abtheilnagea  -*  ia 
Beziehung  auf  die  erste,  in  ihrer  Art  eben  so  reichhaltigen,  Abtheilung  verwelsea 
wir  auf  oasere  frühere  Anzeige  derselben  in  diesen  Blattern  «^  geht  leicbl 
l^rvor,  daif  dieses  VfTerk  eben  sowohl  für  die  Sohide,  aU  auch  fUr  gebildeto 


M  Popp^s  fh^tf ^i4k  de  belk  PelopoimoftiM«  UM  ooto. 

FiHMiie  4wr  ChMcliMito  beiluml  mui  feeiffMt  iit.  FreJlkh  UH  nr  aMima 
WttrdigaBff  deiaelben  noch  ein  w<?>e»llidbei  MoneBt»  nimlick  der  hiftoiijehe 
Teai  flpd  wir  k4lnBeii  wir  den  frllher  MboB  awtfefprocheaen  Wuiitch  wieder- 
kolei^  d«i#  m  41m  Herrn  Verfafser  gefallen  mOge»  dieaen  von  ilun  in  Aot« 
aifliil  gßßMtm  Ten  reelit  bald  folgen  an  laaaen.  Doch  auch  jeut  schon  heU« 
iOB  wk  den  vorliagendeo  Atlas  willkonunen,  welcher,  bei  seinen  inneren 
Vorsttgen,  jedenfalls  du  woUfeilsKe  Werk  dieser  Art  ist,  da  dasselbe  im 
Ganaan  aar  3  &  90  kr»  kostet  and  so  die  eiaselaen  Karten,  welche  anch  be- 
aaadara  aa  Mrnlea  abgegeben  werden  sollen,  nur  auf  den  höchst  billigen 
Frais  voa  je  ••^9  kr*  an  stehen  koaunen. 

An  daa  Kartea  der  sweiten  and  dritten  Abtheilang  ist,  was  wir  aach 
sahon  in  Beviehang  auf  die  der  ersten  Abtheilang  ausgesprochen  haben,  Cor- 
laitbeit  and  Dealliebkeit  des  Stichs,  so  wie  Sauberkeit  des  Druckes  au  loben. 


Tbacydtdts  de  hdio  PelopoimitUico  UM  aefs.  Ad  oplimanmi  fiimn  adüas  «e- 
piawaail  Ernesiu»  Frid^rieu»  Poppo.  Vol,  IV,  SeeL  HL  tÄpnae^ 
mmp^m  tiiypU  B.  0.  Tsnftasri.  MDCCCLVI.  VU!  aad  138  S.  in  gr-  & 
Dos  Ganae  aaeh  aater  dem  besondem  Titel: 

0a  Ibtslarla  f baeydidsa  CemmcnfaKo.  Äecedii  ind$»  ktsfarjciis  sl  ge^ 
grofkiem.    BüdU  flrnsifas  Frtdsrtcas  Poppo  aus. 

Das  Bnaheinon  dieses  Bündchens  bildet  eigentlich  den  Schlass  der  achoa 
Mker  iaaerfaalb  der  Jahre  1843  bis  1851  in  aaderen  Verlag  erschleaeaen 
kleinaren  Anagabe  dea  Thacjdides,  derea  Verhiltaiss  sa  der  grösseren^  ihr  vor- 
aaagegaageaea,  in  diesen  Blitlera  mehrfach  bei  der  Anseige  der  einselnea 
Theilo  aar  Spraeha  gekoaunaa  ist.  Noch  fehlte  aber  aar  YoIlstAadigkeit  des 
Gaasen  diejenige  Einleitung,  die  alle  die  allgeaMinen,  den  Autor  and  sein 
Werk  betrelandea  Gegenstande  erörtert  und  so  erst  daa  Yerat&ndniss  dea  Eia- 
aataea  adbsl  in  gehöriger  Weise  anbahnt «  dadarch  aber  allein  an  einer  rich- 
tigen AaOiuaaBg  aad  Wttrdignag  des  Autors  wie  seines  Werkes  lu  fakren 
Tonnag.  Aa  der  Bereitwilligkeil  des  Heransgebers,  diese  Vervollständigung 
dem  sekOnen  Werke  m  geben,  fehlte  es  auch  nicht,  wohl  aber  an  der  der 
Vorleger,  deren  VeraOgerang  den  Heraaageber  suJetat  nothigte,  sich  aach  einem 
andern  Verleger  anuasehen,  den  er  auch  bald  in  einen  Manne  fand,  dessen 
Ganaigtfceit,  alch  anok  hier,  wie  in  Allem,  was  dieser  fftr  die  Forderung  der 
\  Stndlen  so  anenaadliok  thitige,  su  jedem  Opfer  bereitwillige  Verle- 
I«  ia  dem  schönsten  Lichte  bewOhrt  hat.  Oran  eine  so  grOnd- 
lieka  aad  gediegeae  Leistaag,  wie  sie  ans  hier  vorliegt,  anm  Druck  ge- 
braahl  mi  habOBt  wird  dem  Verleger  selbst  nur  Ehre  bringen  können. 

Belnehtea  wir  also  das  Gaase  als  die  aothige  Bialeitnng,  als  die  noth- 
wendlgen  Prolegomenen  an  der  kleinen  Ausgabe  selbst,  so  ist  au  bemoAeo, 
4aaa  atta  die  daa  Leben  dea  Thucydides  betreffenden  Punkte  hier  ans  dem 
■ataslieke«  Grande  anbertArl  geblidien  sind,  weil  diess  schon  im  ersten  Bande, 
bei  dam  Abdiaek  det  anf  aas  gekommeaea  Beate  des  Alterthums  aber  diesen 
GefaBMand»  dea  aofaaaaaten  fii^  Mti^XUvov  fceehaliaa  wwi  ab^  90  war 


Fippos  IkuffiUk  «•  btito  PblepooMikkM  fUnri  mMW  ft 


VonddttiM  afler  MtiiehMi  flOflnÜWI,  4m 

des  Thneydite  f  elieftn  wenlm,  m  datf  diai«  rtii  Htortta^ 
UtloriMlie  TMI  elfter  Sinleitnif  Mr  ttglkii  wtffcUM  ImmMu  fl«  kil  m 
m  «eie  SideilM«  iMvpifMfiidb  mH  i%m  Waifce  mUmI»  «fiMnr 
ad  BüdoBf ,  Miaer  Faafug  wid  MiMm  Cktrakür  n  thim,  imd  wvil 
die  Spnehe  umI  der  Anednidi  iimif  «MtaioieBhiiiffl,  io  In  Mdee  ifleieliralle 
eieer  ffeaaaen  UalerBoekuBf  uterwerfeD  wetdeo,  ned  eoeh  in  dfoeer  Hiaeiete 
fliee  Cktfeklerinili  dee  Tlieesrdideifohea  Werket  fefeben ,  die  wie  de«  w 
wMelberetea  Sutdiem  dee  Werkee  herrergevaateD  uad  aaf  dleeie  eiek  ia  AUeai 
MlMd,  eaf  Treoe  lud  Wehrkeit  nMkr  fefraadelea  Anepraek  lieti  «b  »eaeke 
MsböB  ledaerieeke  Phraeea,  ia  deaea  aen  eich  keaügea  Tage  oft  eo  ftra  f»* 
Mit ,  lUB  daeiit  dea  Mangel  eigener ,  and  freilick  aMIkevoUer  filadiea  s«  var* 
deckea.  Wae  ona  kier  gabeln  wird,  kommt  aae  der  Haad  eiaea  Geleknea, 
weleker  dem  ScbriftilelJer ,  ttker  dea  er  sieh  eaelieet,  eeia  ganaee  Labea  ge* 
wiAaet  kal:  Allee  Irlgt  dee  Geprige  der  Gediegetfkeil  aad  der  Sfekerkeil» 
iit  aae  eelket  da  niekt  Terlieet,  wo  eatgegeaelekende  Aaeieklen»  rnid  »war 
ml  aHar  UapartkeUickkeit  und  okae  alle  andere,  elf  die  Ikateteklieke  Pale- 
aik  roigeCraf  ea  werden.  Endliek  gleuke  man  aiokt,  bier  etwa  ekeea  kleeeea 
AuNg  aae  dem  la  finden,  wae  tob  dem  Verfaeaer  in  dea  emea  Bkadea  eef« 
ler  groeeeren  Anagabe  in  nmfaagreicker  Weiee  über  eeleke  Gageaeliade  er* 
Arten  wardca  iet,  die  enek  den  lakaH  der  TorliegendeA  Sckrfft  ktfdea:  im 
(rtfealkeil  ee  iet  eiae  neae  Anearbeitttag,  die  allerdinge  dlqenigaa  Brfebnieea 
ia  nek  anfgeaeamiea  kat  and  in  aller  BQndigkeit  torlegt,  wekhe  darek  die 
Merea  üaleraaekangen  gewonaea  waren;  aber  ee  ihmI  bier  aack  eile  die« 
JMlgea  ScJbriftea  berftckeiektigt,  welche  eeit  dem  Ereckeiaen  der  eulan  Binde 
ki  grfteeereii  Auegabe  —  aad  ikre  Zahl  iel  niekl  gering  —  ttker  eikmalne  det 
har  in  Frage  etekenden  Paukte  ereckieaea  eiad.  Dieee  gilt  e.  B«  gleiek  Ten 
dea  entn  Abeobniit,  der  tob  der  Aalege  nad  dem  Platte  dee  Werkee  ba»> 
idt,  mit  Berttckeichtigang  der  von  Ullrich  eusgeeprockenen  Aaeiektea,  gegaa 
wdebe  ^Mug9  Bedeakea  und  Zweifel  aiekt  uaterdrflekt  efod.  Die  ttbrigitt 
AhHHttf^  der  ersten  Abtbeilung  (De  hieloriae  Thttcjrdideae  eompoeilioaa) 
gehea  weiter  in  dea  gaaaen  Bau  dee  Werkee  ein,  in  die  Wahl  and  Behamd-: 
kag  dee  BtalTe  and  die  dabei  leiteadea  Priaeipien,  eie  Yeriweilea  eiek  daMi 
Her  die  Beheaptnog  dee  Aatore»  die  Wakeheit  an  sagen,  eber  anek  eie  eege« 
n  wellea;  wekei  dean  anek  die  Frage  aaok  der  religiOfen  Ueketaeagaag 
kt  Ikaeydidea  beapreebea  wird.  Zu  eiaer  weiteren  BrOrlenmg  fekea  die 
ia  4mi  Werke  dee  Thneydidee  eaerst  (weaigeUae  in  der  Weiee,  wie  ee  bim 
gemUehe),  eiücefioebteaen  Reden  der  kaadehidea  Pereonen  Veranlaeenagi  ee 
«ifd  die  Fittge  ron  einem  aUgemeinen  Staadpunkl  aoe  bekeadelt,  ee  deae 
ihm  Beaatw«r«BBg  aueb  von  Belang  fttr  aadere  Schrifteteller  iel,  die  aeek  difr- 
imi  VergBBffe  in  khalicber  Weiee  den  kandelndea  Fereeaea  «elcke  Aedea  i» 
4mlmid  «elegt  keken;  daee  bei  Tbaoydidee  demit  der  b^toriecben  Trena 
liqeBde  Eintrag  feeokekea,  wird  adker  «aehgewieeea.  Wie  ttbrifeae  Tkuey^ 
dikt  iiek  atreng  iaaerbalb  der  van  ibm  geetelltea  Aufgebe  gekallen,  ohne  Im 
wiitae  DigraeeioaieB  eiek  einaalaeeen  oder  aul  der  aadera  Beile  die,  «ae  aar 
Umag  diaaer  Aa%abe  irgendwie  notkwendig  erechien,  m  übergek^Pi  wifd 
«ciMr  Im  9iDfm  ti§fmn  Ahfchaitte  tm^igh  wAkrend  d^  (elgend«  dio  ehre« 


72  Poppo:  ThncydidiJ  de  bello  Peloponnefiaco  libri  octo. 

nolofiiclie  Behandfainif  des  StolTs  nach  Sommer  und  Winter  erttrtert.  Bei 
der  Frti^e  nach  der  hiitorischen  Kunst  des  Thaeydides  in  der  Behandlanf  dei 
Stoff*«  kommt  udi  die  Anflicht  snr  Erörtemnif,  welche  in  dem  Werke,  wie 
ee  nni  jetst  Yorliegt,  den  Gan^  einer  in  fUnf  Akten  abgeflchloftenen  Tragödie 
in  erkennen  flanbt;  daas  lie  dem  Verfasser  (and  aus  g^tem  Grunde)  unhalt- 
bar erscheint,  brauchen  wir  wohl  kaum  besonders  so  versichern.  Wir  ttber- 
fehen  Anderes,  was  in  dieser  ersten  Abtheilung  weiter  bemerkt  ist,  um  über 
die  andere  Abtheiinng,  die  es  znnichst  mit  der  Form  des  auf  uns  (gekomme- 
nen Werkes,  mit  Sprache,  Ausdruck  und  Darstellunip  zu  thun  hat,  noch  Einig^es 
KU  bemerken  (De  eloontione  Thucydidis  S.  53  ff.)*  Hier  ist  Alles,  was  auf  die 
Redeweise  des  Thncydides  und  die  £i|fenthQmlichkeiteu  seiner  Sprache,  im 
Unterschied  yon  andern  Schriftstellern,  Bezug  hat,  auf  das  Gründlichste  behan- 
delt; die  Darstellung  im  Ganzen,  wie  sie  sich  im  Bau  der  Rede  kund  gibt, 
so  wie  der  Ausdruck  im  Einzelnen,  in  dem  eigenthOmlichen  Gebrauch  einzel- 
ner Worte,  ist  hier  in  einer  guten  und  1Ü>ersichtlichen  Weise  dargelegt.  Znerst 
wird  der  Attische  Dialekt  des  Thncydides  besprochen,  der,  wiewohl  er  einige 
Eigenthttmlichkeiten  oder  Abweichungen,  wenn  man  es  so  nennen  will,  von 
der  Redeweise  anderer  Attischen  Schriftsteller  bietet,  doch  im  Ganzen  davon 
nicht  Yerschieden  ist,  wie  diess  hier  aus  den  einzelnen  von  ihm  angewende- 
ten Formen,  welche  gut  zusammengestellt  sind,  ersichtlich  wird.  Was  sieb 
von  Formen  des  Jonischen  oder  Dorischen  Dialektes  vorfindet,  ist  weder  be- 
triditlich,  noch  fehlt  es  in  den  meisten  Fallen  an  einem  genügenden  Grunde 
der  Anwendung  solcher  Formen:  Einiges  ist  selbst  verdachtig  (S.  62 ff.). 
Dann  wird  weiter  gezeigt,  wie  es,  namentlich  bei  den  Reden  mit  der  soge- 
nannten Dunkelheit  des  Thncydides,  der  wohl  kaum  dieses  Pridikat  verdient, 
sich  verhilt,  da  gerade  Thncydides  aufs  sorgfältigste  in  der  Anwendung  der 
einzelnen,  zumal  der  scheinbar  gleichbedeutenden  AusdrQcke  unterscheidet.  Aber 
allerdings  erfordert  dieser  Schriftsteller  eine  grossere  Htthe  und  ein  sorgfälti- 
geres, eindringliches  Studium,  wenn  man  ihn  gehörig  verstehen  und  nach 
allen  Seiten  hin  richtig  auffassen  will.  Darum  unterschreiben  wir  auch  gans 
die  Worte  des  Verfassers  S.  58;  „ —  parte  aliqna  cum  hoc  scriptore  familis- 
ritate  tenebrae  eatenus  certe  dispelluntur ,  ut,  si  locos  obscuriores  diligentiui 
eonsideraveris,  sententias  plurimorum  certo  perspicias.  Meditatione  tamen  ali- 
qna in  multis  orationum  partibos,  quotiescumque  interjecto  aliquo  tempore  ad 
eas  revertare,  opus  erit.  Neque  ideo  reprehendendus  est  hie  scriptor,  qui  non 
temporibns  snccisivls  animos  legentium  relazare  atque  ezhilarare,  sed  a  viris 
pmdentibns,  qui  utilitatem  ex  historiae  leetione  percepturi  essent,  scripta  sua 
▼ersari  Toluit.^  Eben  so  wird  weiter  gezeigt,  wie  der  Vorwurf  einer  Ver- 
mischung der  poetischen  und  prosaischen  Redeweise  bei  Thncydides,  wenn 
man  näher  prttft  und  nach  den  angeblichen  Beweisen  sich  umsteht,  unbegrttn- 
det  iit.  Der  Verfasser  hat  sich  die  Htthe  genommen,  die  einzelnen  Belege, 
welche  für  eine  solche  Vermischung  angeführt  werden,  näher  durchzugehen  und 
damit  die  Grundlosigkeit  des  Vorwurfs  überhaupt  darzuthun.  Wir  übergehen 
Dujenif  e,  was  auf  die  Darstellung  des  Thncydides  Bezug  hat,  weil  wir  glau- 
ben, dus  Jeder,  der  mit  diesem  SchrifUteller  sich  ernstlich  beschäftigt,  dieser 
ganien  Erörterung  seine  volle  und  ungetheilte  Aufmerksamk«t  zuzuwenden 
bat.   Die  klare,  acht  römische  Sprache  des  VerfaMors  wird  auch  jiUigern  Le- 


Btaberferi  Opuf cnlt  Philolofiea  etc.  79 

fem  redrt  nOfsKdi  aein  können.    Von  S.    107^198   folgt  ek  gnter  Met 
et  geograpbieof. 


F,  Bamhergeri  Ojnueula  PkUologica  tnaximam  partem  ÄBtchyha  eotlegii  F, 
G.  Sehntidetcin.  Praemisia  est  Memoria  F.  Bamhergeri  a.  Cr.  T.  yi, 
Kmegero  conscripta.  Liptiae.  SumpHhus  ei  typis  B,  Q.  Teidmeri,  MDCCCLVL 
XXXV W  und  269  S.  in  gr,  8. 

Diese  Simmlang  sehliesat  sieb  an  die  fthnlicbe  der  kleinern  Anfaltae  nnd 
Abhandhngen  Strnre'a  an,  der  in  diesen  BIfittern  bereits  gedacht  worden  iat 
(Jakrg.  1855.  p.  155  ff.),  sie  ist  in  derselben  Officin  erschienen  nnd  xeichnel 
nch  darcfa  eine  ▼onnglicbe  fiussere  Ausstattung  gleichfalls  aus;  sie  wird  aber 
lach  von  Seiten  des  Inhalts  des  hier  Zusammengestellten  eine  gleiche  BerUck-« 
siehtigong  yerdienen,  da  die  in  dieser  Sammlung  befindlichen,  kleineren  Schrif* 
tci,  meist  GelegeDheitssehriflen ,  die  nicht  in  alle  Kreise  der  gelehrten  Welt 
driagen,  werthyolle  BeitrSge  zur  Kritik  wie  snr  Erklärung  alter  Schriftdenk- 
■ale  enthalten  nnd  dem  frtthe  verstorbenen  Verfasser  ein  bleibendes  Anden- 
keo  auch  bei  der  Nachwelt  sichern.  Vorausgestellt  sind  in  deutscher  Sprache 
,JBriiineningen  an  Ferdinand  Bamberger.  An  Herrn  Director  Ahrens  su  Han- 
Bover*  von  dem  Director  G.  T.  A.  KrUger,  dessen  „Worte  der  Erinnerung  an 
den  17.  Julius  1855  zu  Carlsbad  verstorbenen  Oberlehrer  Dr.  Ferdinand  Barn- 
^'^C'*'  gesprochen  in  der  Versammlung  der  Lehrer  und  Schüler  des  Braun* 
Khweiger  Gymnastums,  an  welchem  der  Verstorbene  gewirkt  hatte,  am  30.  Juli 
1855,  den  schönen  Schluss  jener  Erinnerungen  bilden,  welche  einen  Abriss 
des  Lebens  und  Wirkens  des  Hingeschiedenen   zu  geben  bestimmt  sind  (S.  I. 

xxxvm.). 

Die  erste  Stelle  in  vorliegender  Sammlung  nimmt,  wie  billig,  die  im  Jahr 
1832  geschriebene  Inauguraldissertation:  ^De  carminibus  Aeschyleis  a  parii- 
bu  chori  cantatis"  ein  (S.  1—37);  dann  folgt  die  in  dem  Programm  des 
BraoDschweiger  Gymnasiums  von  1835  enthaltene  Abhandlung:  „De  Aeschylt 
Apmemnone^  O^i'  S.  58),  so  wie:  „In  locos  aliquot  Aeschyli  Choephorarum^ 
nt  der  Zeitochrift  f.  Alterth.  1836.  Nr.  70;  daraus  (1838.  Nr.  131—133.) 
{ieichfans  entnommen  ist  der  folgende  Aufsatz:  „In  fragmenta  aliquot  poc- 
firam  comicömm*'  (S.  66  ff.).  In  ein  anderes  Gebiet  schlügt  der  nfichste,  in 
deatscher  Sprache  geschriebene  Aufsatz  ein  (S.  82 ff.):  „Ueber  die  Entotehung 
des  lytbns  von  Aeneas  Ankunft  in  Latium^  (aus  d.  Rheinisch.  Museum  1839. 
^L  p.  82 ff.);  dann  kommen  S.  98 ff.:  „Einige  Verbessernngsvorschlftge  zum 
Chorgesange  in  Euripides  Helen.  V.  1124*'  (aus  d.  Zeitschr.  f.  Alterth.  1839. 
Kr.  45 ff.;  eben  daraus  (1839.  HO  ff.):  Conjectaneorum  in  Aeschyli  Supplices 
Pars  prior  S.  107  £  und  Pars  altera  S.  113  ff.  (eben  daraus   1842.  p.  693  ff.). 

Daran  scfaliesst  sich  ein  bisher  ungedruckter  Aufsatz  S.  135 ff.:  „Ueber 
G.  BermaDn's  Rec.  der  Ausgabe  der  Choephoren  und  der  Bemerkungen  za 
den  SappHces^ ;  er  ist  gerichtet  gegen  den  Tadel,  welchen  die  bemerkte  Ans-* 
pbe  des  Verfassers  von  Seiten  G.  Hermann's  in  den  Wiener  Jahrbb.  1843. 
P*  162 ff.  erfahren  hatte  und  sucht  die  Einwürfe  G.  Hermann's  im  Einzelnen 
u  wideriegen.    Aehnlicher  Art  ist  der  nAohste,  ebenfalls  bisher  ungedruckto 


94  Lehr«  3   Fopglllre  AnbAtse  aw  tan  AJtetIbam. 

AoTmU  &  14iir.:  «üeber  einiire  SteÜM  in  Aftnbyli«  Gk«e|riNreB*', 
eine  RecenBion  Firnhaber'fl  ^richtet  und  dessen  enIfegefteheaA 
bestreitend.  Aus  dem  Braunschweiger  Scbulprogrtmm  des  Jahrs  1841  wieder 
abgedruckt  folgen  S.  148 ff.:  „Coojectaneorum  in  poetas  graecos  capita  dno", 
von  walchen  das  erste  ebenfalls  mit  Aeschylus  sich  beschllltigt,  dann  S.  165  & 
(ans  d.  Zeitschr.  f.  Alterthumswiss.  1841.  Nr.  146):  „lieber  C.  Fr.  HecmanBi 
Frefiess,  Marburg.  Disput,  de  Distributione  personarnn  inter  histriones  ia  tni- 
gOdiis  Graecis.  Marburg.  1840",  worin  der  Verfasser  einige  Ton  HermaBB  ab- 
weichende Ansichten  nfiher  lu  begründen  sucht.  Die  Abhandlung:  „De  inter- 
regibns  Ronanis"  S.  174  ff.  ist  ans  dem  Braunsehweiger  SchnlprograflUB  des 
Jahrs  1844  wiederholt.  Die  Übrigen  Aufsitze  sind  ans  dem  Fhilologos  wie- 
der s^gedrnckt,  und  zwar  1.  p.  dl4:  „Ueber  Telephns  und  einige  andere 
personae  Horatianae"  (S.  187 ff.).  „Ueber  Horas.  Ode  HI,  3.  S.  200 ff.  C«» 
Phil.  U,  p.  691  ff.).  „Ueber  die  neuesten  Aesdiylea  S.  212  ff.  (aus  PfaiL  II, 
p.  306  ffl,  eine  Recension  der  Ausgaben  der  Enmeniden  von  Schomaan,  der 
Oresteia  van  Frana,  des  Agamemnon  und  der  Choepheren  ron  Peile,  der  Ba* 
menidea  von  Liawood  und  einiger  kleineren  Schriften  enthaltend),  und:  ^Zor 
Kritik  und  Srkllrung  ven  Aeschylus  Agamemnon  S.  239  ff.  aus  Philol.  VII, 
147  ff.  Den  SoUuss  des  Gänsen  bildet  der  aus  dem  Rhein.  Mos.  K.  F.  p.5Mlt 
hier  S.  253  ff.  wieder  idigedrookte  AufsaU:  „lieber  des  Hesiodus  Mythos  ▼ob 
den  ilteatea  Measehengeachleobtern*'  und  ein  schönes  griechisches  Gedicht  de« 
Verfassers  bei  dem  Waggange  des  Dr.  H.  W.  J.  Wolf  nach  Hamm.  Ein  Ver- 
seiehoiss  der  kritisch  oder  exegetisch  näher  behandelten  Stellen  ist  am  finde 
durch  die  Fttusoige  des  Herrn  Direetors  Krttger  hinsugekommen,  welcher  die 
durch  den  Tod  Schneidewin's  unterbrochene  Ausfahrung  des  bereits  begonaneoe« 
Druckes  besorgt  und  auch  den  6ben  erwAhntea  Lebensabrisa  des  verstorbe- 
nen Freundes  beigefügt  bat.  Es  kann  nicht  die  Absicht  dieser  Anzeige  sei!!, 
auf  eine  Kritik  dieser  bereits  früher  bekannt  gewordenen  Aufsätze  und  Ab- 
band Inngen  einzugehen,  wohl  aber  darauf  aufmerksam  zu  machen,  wie  inabe- 
sondere  die  Beiträge  fttr  Kritik  und  Erklärung  des  Aeschyhis  auch  nach  Allesa 
dem,  was  seitdem  fttr  diesen  Dichter  in  beiderlei  Beaiehung  geleistet  worden 
ist,  sumal  in  der  hier  gegebenen  Zusammenstellung,  ein  dankbares  Material 
künftigen  Bearbeitern  Aeschyleischer  Stücke  bieten  und  alle  Beachtung  verdienenu 


Fdpuläre  Äufiäite  aus  dtn  AUerAum,  vonugmteue  sur  Ediik  umd  SUMgiim  4tt 
Griedtm  vom  K,  Lehr$^  Prvfuoor  in  KdmgAm^»  Ltifug^  Druck  und  Vuf 
lugum  B,  Q,  TMner.    1856,     YIU  und  250  S.  m  fr.  8, 

Der  Veiüsser  hat  in  dieser  Schrift  mehrere  früher  von  ihm  erschioBeii^, 
nach  Zeit  und  Oü  zerstreute  Aufsätze  zu  einem  Ganzen  vereinlgti  aa  4ep| 
such  einige  neue  Abhandlnngea  hinzugekommen  sind.  Die  erste,  sudi  auf 
dem  Tit^  hervorgehobene  Abtheüung  trägt  die  Anfiichrift:  „Ethik  and  R»* 
ligion^  and  enthält  folgende  Aufsätze:  „Ueber  die  Darstellung  der  Heieaa  im 
den  Schrütwerken  der  Griechen,  mit  Beaiehung  auf  Gothe's  Helena"*  S.  1—32, 
ein  bereite  1832  erschienener  AufsaUi  dann  folgt  ein  anderer  1838  erschiene» 
aers  n  Ventettoiff  der  GriechoB  über  den  Neid  der  Gatter  und  die  Ueber« 


StoU:    JbmOmk  itar  BcUfioB  lad  lljtii«l«gi«  etc.  n 

S.  d3ff.,  «it  beMBtoer  BerttckficAtifng  der  i»  Homt's  SckrillM 
hmwlif  n4aB  Aotieliteii,  and  oline  Bih«r«t  Elnfeben  ia  die  Herodoteifclie 
iHiefcft  oBd  AafiiMfmifnreife.  Dexa  konmt  &.  SlfLi  »Niiektnff.  Die  Periec 
dcf  Aeaebyivf.    Bei  Gelegeaheil  der  iweiten  Anflehe  von  Droytea'«  üeber« 

des  AescbTlnf  1843.''  Dann  folgt  &  71  ff.  die  1B46  enchieaeBe  Ab« 
über  die  Hören,  an  welcbe  drei  neae  Abhandlongen  tick  aareibent 
£o  Kympbea  (Katar)  &  89 ff.;  Gott,  Gotter  nnd  Dttnoaen  S.  12101  Dinoa 
nd  Tycbe  S.  151  ff.  „und  dadurch  (schreibt  der  VerfaMCr)  ist  ei  geicbebe% 
daei  die  wicbtigstea  Anacbanoagen  und  die  eigentlichen  Gmadbefriffe  der 
frieebiacbea  Ethik  und  Aelifion  in  einer  gewiaaen  VoUitiadigkeit  aar  Spraebe 
liMBaiea  Mit  Hobmt  aad  Hympben  an  beginnen  nnd  fortachreitend  erat  aa 
itn  bohea  olympiacben  Göttern  aofzuateigen ,  halte  ich  ttbrigena  in  alleff 
griecfaiacben  Religionadantellang  für  die  allein  aweckmifaige  Anordnung/  — * 
Die  B  weite  Abtbeilnng:  ^Literatur  nnd  literariache  ZuatAnde"  enthllt  awd 
AnfaBtie :  .Sceaen  ana  dem  gelehrten  Leben  bei  Griechen  nnd  Römern^  (S.  175  ff.) 
aad  .lieber  Wahrheit  und  Dichtung  in  der  griechischen  Literatargeaehichte* 
(8.  195  ff.).  Ib  dem  erstea  Anfaatae  (der  1844  erschiea)  werden  besprochen 
nabeaondere  die  Zuatlnde  der  Literatur  au  Rom  unter  Augnatus,  die  Vorle- 
iaagea  nnd  dergleichen,  ao  wie  die  Prunkrednerei  oder  Sophiatik  der  Grie- 
chen; der  andere  ana  dem  Jahre  1847  (im  Rbeiniachea  Mnaeum)  hat  die  Mythe 
TOB  AriOB  sam  Gegenstände  nnd  sucht  demselben  einen  etbiaehen  Urapruag 
hmI  eiae  ethiaehe  Yeranlaesnag  xuauweiaen,  die  in  den  Gedanken  entbaltea 
ist:  die  Dichter  stehen  im  besondern  und  vorzngsweiaen  Schntae  der  Götter.^ 
Ab  drille  Abtheilnng  kann  man  den  Anhang  betrachten,  welcher  den  1842, 
an  BheiaiacheB  Maaeum,  wean  wir  nicht  irren  (denn  der  Verfaaser  hat  die 
Angabe  dea  Orta  nicht  beigefttgt),  xuerst  abgedruckten  Aufaata  ttber  die  Ate 
eatbill  aad  ilaraB  knOpft:  „ü.  Richtige  Benutzung  einiger  der  Alteaten  reli« 
gidaea  UrkuideB  der  Griechen"  (S.  231  ff.)*  &  betrifft  den  Homerischen 
HjBBBa  aaf  ApoUe,  daa  vielbesprochene  Proömium  der  Heaiodeischen  Theogo- 
aie,  aad  Aikderea  ana  dea  Gedichten  dea  Hesiodua.  Die  äoaaere  Auaatattung 
dea  Ganaen  iai  ▼erattglicfa  au  nennen. 


BtmämA  der  RdigUm  und  Mythologie  der  Griedten  und  Römer.  Für  Oymna^ 
nen  eofi  ffetfirtcb  Wilhelm  Sioll^  Omredor  am  GymMOtmm  eu  WeU" 
hwrg.  Mit  sieOlf  Tafeln  Abbildungen.  Dritte  verbesserte  und  vermehrte  Auf^ 
läge.   Läpüg,  Druck  und  Verlag  von  B.  G.  Teubner  1856.    VII  und  BUS.  in  8, 

Ia  iaI  etne  gewiaa  recht  erfrealiche  Eracheinung,  wenn  Bttcber  wie  daa 

voitiegeade,  eiae  immer  grOaaere  Verbreitung  gewinnen  und  damit  neue,  ver- 

nd  beriebligte  Auflagen  berrorrafen.    Die  aweüe  Auflage  diesea 

aad  bereits  in  drei  fremde  Sprachen  ttberaetaten  Haadbuchea  er- 

1858.  and  ward    nach  Anlage   und  Auaftthrang    ia  diesen  Jahrbttr 

chem  1813.  S.  306  ff.  nAher  besprochen.    Die  dritte  nach  wenigen  Jahre« 

faverdeie  Auflage  hat  die  Grundlage  des  Ganzen,  dann  die  Ein- 

aad  Bebaadlong  ana  den  frttheren  Auflagen  mit  Recht  beibe/halteD, 

de  geiaie  d«te«  wie  überhaupt  in  der  besonaeaeB,  von  allen  Vermu^ihaBgea 

mk  fem  hnHirftji  und  wr  auf  das  TbaUAchiicbe  ger iiditeteB  Darstellang  def 


78  BrioicU:    TlMoiie  der  Deltmimiiteii  eto. 

Tezteskriiik  in  eine  für  SdiOler  bestimmte  Aasgabe  erflehiea  nlebt  ritbftob; 
bei  der  Gestaltung  des  Textes  selbst  hielt  sich  der  Verfasser  bauftsiehlich  an 
die  Bemer  Handscbrifl,  der  aocb  Zampt  die  erste  Stelle  zuweist  (Beniensisc.): 
in  wiefern  die  Pariser  Handschrift  des  sehnten  Jahrhnnderls,  von  wefdier 
Dttbner  und  Lefranc  Gebrauch  gemacht  haben ,  darauf  einen  Einfnss  Üben 
kann,  mag  hier  nnerOrtert  bleiben.  Auf  die  Angabe  des  Zosanraieahangs  und 
der  Gedankenrerbindung,  wie  nnf  die  Erörterung  der  Satsrerbindungea  und 
der  CoBstmktion  Überhaupt,  ist  neben  dem,  was  auf  die  eigentliche  Worter- 
kllrung  sich  besieht,  eine  besondere  Rücksicht  genommen  worden.  Mit  der 
typographischen  Ausfühning  hat  man  alle  Ursache  snfirieden  sa  sein. 


Theorie  der  DeUrminimie»  und  ihre  haupUächUchen  ÄnMcendungen,  Vom  Dr,  Fr, 
Brioechi,  ord.  Prof.  der  ang,  Math,  a.  d.  ü.  Paoia.  Äut  dem  /ta/täni- 
sc^  {AereeM,  Mit  einem  Vontori  wm  Profeaor  Schellbach.  BerUny  1856. 
Verldg  von  Dmicker  und  Bumbloi.    (VU  und  102  S.  in  4.) 

Seiner  Schrift  hat  der  Verfasser  ein  Motto  Ton  Sylvester  au  dem  phi- 
ksophical  Magasine  vorgesetzt,  das  in  Kursem  den  Zweck  der  Theorie  der 
Determinanten  auszudrucken  bestimmt  ist.  Es  lautet:  „For  what  is  the  theory 
of  determinants?  It  is  an  algebra  upon  algebra;  a  caiculus  whicb  enables  us  to 
combine  and  foretell  the  results  of  algebraical  Operations,  in  the  same  way 
as  algebra  itself  eaables  us  to  dispense  wtth  the  Performance  of  the  spedal 
Operations  of  arithmetic."  Man  moss  gestehen,  dass  diese  Worte  sehr  deot- 
Uch  den  Zweck,  den  man  beim  Gebrauche  der  Determinanten  vor  Angen  hat, 
ausdrucken.  So  wie  die  allgemeinen  Zeichen  der  Algebra  die  arithmetischea 
OperatioDes  in  der  allgemeinsten  Form  darstellen  und  uns  der  wirklicheB 
Recfanuog  entheben,  eben  so  enthebt  ans  die  Theorie  der  Determinanten  der 
wirkliche«  Ansftkhrung  algebraischer  Operationen  und  sie  ist  immer  da  nn- 
nmginglich  nothwe)ndig,  wo  wir  die  Untersnchung  in  völliger  Allgemeia« 
heil  fuhren  wollen. 

Auf  diese  Theorie  sind  die  Analysten  wohl  zuerst  |durofa  den  bekannten 
Cr  am  er 'sehen  Lehrsatz  Aber  die  allgemeine  Anflöiung  eines  Systems  von 
n  Gleichungen  des  ersten  Grades  mit  n  Unbekannten  auibierksam  gemacht 
worden.  Damach  haben  nimKch  die  Werthe  dieser  Unbekannten  alle  den* 
seilen  Nenner,  der  nach  einer  bestimmten  Weise  aus  den  n^  Grossen  gd^ildet 
wird,  die  als  Coeflizienten  der  Unbekannten  in  dem  Systeme  vorkommen, 
wfthrend  die  Zähler  sich  aus  dem  Nenner  bilden  lassen.  Dass  unser  Buch 
Bioht  von  diesem  speziellen  Falle  ausgehen  durfte,  ist  klar,  und  es  wird  da- 
her die  Determinante  zunlchsl  unabhingig  von  aller  Anwendung  definirt 
Seien  nlmÜcfa  ai,i«ai,st  ...«  ai,B  nGrOssen  einer  Reihe;  at,i«ai,s'»  ••«  i«,i 
n  sofche  einer  zweiten  Reihe;  .....  endlich  aii,i>  aD,i>  •**  aB,B  nGrOssen  einer 
tf^  Reiche,  so  ^rd  die  Determinante  dieser  n*  Grossen  in  fUgender 
Weise  gebfldet:  Man  pemnittra  die  Elemente  l,2,3,...,n  in  allen  mOglidiett 
Weisen,  nnd  setze  dann  jedes  der  Aggregate  als  erste  Zeiger  an  a,  während 
ab  aweite  Zeiger  die  l,2,...,n  in  der  Ordnang  der  Ziffern  kommen,  so  bildea 
diese  Lj^d^B  Aggregate,  als  Produkte  aufgefasst,  die  Delenniiiaote,  wen 


Moidn:    ne#rfo  in  DeMniiiiMai  •!&  7« 

jdei  Ptodokt  da«  +  oder  —  ZMhea  hat,  j«  nachdem  die  Ziuammeiiiteaaiiff 
der  entei  Zeiger  darek  eine  gerade  oder  ungerade  AbmM  Verfetiangen  je 
iweier  Elemente  ana  der  ersten  ZaaammensteUong.-  123.«n  entatanden  hL  So 
wire  ibo  ana  den  drei  Reihen  ai,i>  ai^*  ai,8;  as,!«  a%,r  B%^t  as,!*  asisi  a^  ^lo 
DMenakantes  ai,i  bm  83,$  —  i,t  834  n.»  +  «1,1  »t»t  «i»!  —  «iii  «fia  «3,8 
ir  »Sil  ^i)S  >ti8  ^  *3ii  Atti  >i>s-  Itt  Betng  anf  die  Zeichenreget  kann  man 
Ihrigeiia  aneh  bemerken,  data  daa  -|-  Zeichen  dann  dem  betreffenden  Produkt 
Targaaelal  werde»  mnas,  wenn  eine  gerade  Annahi  heherer  erster  Zeiger  vor 
liederem  aleht,  das  —  Zeichen  im  andern  Falle*  Die  Beseiehnmigsweise  4er 
Determinanten  ist  verschieden ;  am  meisten  gebrinehlich  ist  jetit  die  Ton  den 
aBflische»  Mathowmiihem  nnd  mehieiB  denlMhen  angewendete^  womneh  die 
Determinante  der  obigen  n'  Grossen  durch 


ai,i  aea  •*••  tin 
:      : 


(a) 


dirf  eatellt  wird.  Diese  Beaiehnng  ist  swar  t\kr  Schrift  nnd  Dmck  etwas  weit- 
llalg,  sicher  aber  khrer,  als  jefc  andere^  da  sie  eben  dfo  Slenente»  die  in 
die  DeCerminanfe  eintreten,  enthMl. 

Von  dieser  Ollfem^io't^n)  Deterraiaante ,  die  wir  durch  P  bezeichnen 
wollen,  werden  nnn  eine  Reihe  von  Stttsen  nachgewiesen  oder  wenigstens 
•Df^eUhrt  Znerst  wird  behanptet»  es  folge  ans  dem  Bildongsgesetn  der  De- 
tBrnüanie,  dais  man,  statt  die  ersten  Zeiger  ni  permntiren  nnd  dann  die 
iweilen  fn  der  Ordnung  l,2,..,n  suxnfbgen,  auch  umgekehrt  die  zweiten  per* 
■stiren  nnd  die  ersten  in  dieser  Ordnung  beifügen  könne,  ohne  dass  der 
Venh  der  Determinante  sich  lindert.  Referent  muss  gestehen,  dass  ihm  die« 
iddi  so  ohne  Weiteres  klar  gewesen  ist,  und  er  hat  sich  desshalh  einen  Be- 
«^  dafklr  gesucht,  den  er  aber  hier  nicht  anfahren  kann.  Es  ist,  wellee 
vir  bei  die«er  Gelegenheit  bemerken ,  das  Torliegende  Buch  tkberbaupt  sehr 
^,  und  mass  mit  der  Feder  in  der  Hand,  die  dabei  sehr  viel  an  thnn 
Wl,  ündirl  werden.  £ben  so  wird  als  sich  von  seihst  verstehend  gesagt,  das« 
wenn  man  oberall  die  zweiten  Zeiger  r  und  s  (beliebig)  vertausche,  die  De* 
tenninante  ihr  Zeichen  wechsle,  was  auch  gelte,  wenn  man  zwei  erste  Zel-* 
ger  Tertausoht  Auch  dieser  Satz  bedarf  weM  eines  besondem  Beweises,  der 
keiaeswegs  schwierig  ist.  Einige  hieraus  sich  weiter  ergebende  Folgerungen 
flbergahend,  woHen  wir  die  Differentialqnotienten  von  P  näher  betrachten. 

dP 

^  GrOaie  -j^ —  ist  eine  Determinante,  die  man  bdiommt,  wenn  man  oben  in 

CO  die  f»  Horizontal-  nnd  die  s*«  Yertikafreihe  wegstreicht.    Diese  Gfö§§6 
eatbilt  also  w«der  den  ersten  Zeiger  r,  noch  den  zweiten  Zeiger  s.    Daran« 
^  sith  dan»  leicht  weiter  anf  nweite  Diiferentiahiuotienten  «ohliesseui  wie 
te  ha  Budie  neh  geaohiehl.    Audi  folgt  gan  unmitteUmr: 
•.^         dP      ,  dP     ,         ,  dP  dp        . 

-jj|^+..+«^li-^,  wÄhtend 


80  Briofchi:    Theorie  der  Detenqinairten  etc. 

dP    ,  dP     ,         ,  dP  dP      ,  ^P    I       I 

da,,r  da-i,,  da»,,  da,,!  aa,,2 

a-n-j =  0,  wo  r  und  s  beliebig,  nur  nicbt  r  =  g. 

dar,n 

Mittelst  dieser  Sätze  ist  es  dann  ttusserst  leicht,  die  Gramer 'sehe  Regel 
fUr  die  Auflösung  von  n  Gleichungen  des  ersten  Grades  abzuleiten,  wovon 
weiter  einifre  geometrische  Anwendungen  gemacht  werden. 

Zwei  Determinanten  aus  zwei  verschiedenen  Systemen  Ton  je  n^  Grossen 

gebildet,  geben  multiplizirt  wieder  eine  Determinante   von  n*  Grossen,  deren 

Elemente  aus  den  2  n'  Elementen  der  erstem  nach  einem  bestimmten  Gesetie 

ffebildet  werden. 

dP 
Setzt  man  ^ =  a, «  und  bildet  aua  den  n^  Grossen ,  die  man  erhSit, 

wenn  man  hier  r  =  1, ..,  n,  und  s  =  1,  2, ..,  n  setzt,  die  Determinante  S,  so  ist 
S=:Pn— 1.  Diese  Determinanten  von  Determinanten  werden  nun 
einer  eingehenden  Untersuchung  unterzogen  und  sodann  die  Unterdeter- 
minanten  betraehtet,  welche  man  aus  (a)  erhält,  wenn  man  eine  Anzahl 
Horizontal-  und  eben  so  viele  Verticalreihen  weglässt.  Ist  dann  ar,s=~a«,r, 
so  entsteht  die  Uberschlagenc  Determinante,  die  symmetrisch  ist,  wenn 
nochar,r=o.  Als  eine  besondere  Gattung  sind  die  Functionaldeter- 
minanten  aufgeführt,  die  Jacobi  bekanntlich  zuerst  betrachtete,  die  aber 
eben  einfache  Determinanten  sind,  wie  es  sich  auch  ähnlich  mit  den  aus  den 
partiellen  DiiTerentialquotienten  zweiter  Ordnung  einer  Funktion  der  Verin* 
derlichen  xi, ..,  Xn  gebildeten  Determinanten  verhält,  die  namentlich  Heise 
vielfach  in  seinen  geometrischen  Untersuchungen  über  die  hohern  Kurven  an- 
gewendet hat,  und  die  desshalb  nach  seinem  Namen  genannt  worden  sind. 

Der  Theorie  hat  der  Verfasser  überall  Anwendungen  beigefügt.  Diese 
jDttssen,  der  Natur  der  Sachen  nach,  sich  überall  auf  die  Fälle  beziehen,  wo 
man  gewisse  Untersuchungen  in  völliger  Allgemeinheit  fuhren  will,  also  na- 
mentlich wenn  Hnenre  Gleichungen  aufzulösen  sind,  oder  aus  solchen  eine 
Eliminationsgleichung  herzustellen  ist.  Diese  Anwendungen  beziehen  sich  aof 
rein  analytische  Gegenstände,  auf  geometrische  und  auf  mechanische  Unter- 
auchnngen,  und  es  dürften  wohl  die  meisten  derartigen  seither  gemachten  An- 
wendungen hier  vereinigt  sein.  So  ist  u.  A.  die  allgemeine  Formel  für  die 
Umformung  eines  nfachcn  Integrals  gegeben;  ist  weiter  der  allgemeine  Sats 
Jacobi's,  der  das  Prinzip  des  letzten  Multiplikators  enthält,  ge- 
folgert; findet  man  das  wichtige  Theorem  von  Bfalmsten,  wie  man  aas 
n— 1  partikulären  Integralen  einer  linearen  Differentialgleichung  der  nt«^  Ord- 
nung das  fehlende  herstellen  kann  mittelst  einer  einfachen  Quadratur;  ist  die 

d2F     ,         ,     d2F 
Gleichung    ^    »  '  '  '  "    i — SrlT  ^^  ®  allgemein  umgeformt  n.  s.  w. 

Referent  mass  sich  hier  mit  diesen  Andeutungen  begnügen,  da  ein  näheres 
Eingehen  auf  ein  Buch,  das  in  dem  Haasse  gedrängt  geschrieben  ist,  wie 
das  vorliegende,  ein  weiteres  Buch  fertigen  hiesse,  wenn  man  halbwegs  ver- 
ständlich sein  sollte.  Er  kann  nur  zufügen,  dass  wohl  die  meisten  Sätze  von 
einiger  Wichtigkeit,  so  wie  die  meisten  Anwendungen  derselben  hier  zusam- 
mengestellt sind,  wenn  freilich  das  Studium  des  Buches  keineswegs  durch  die 
ttbergrosse  Gedrängtheit  bedeutend  leicht  gemacht  ist.  Wie  oben  schon  ge- 
sagt, musi  eben  der  Leser  sich  die  Beweise  fortwährend  selbst  konstroiren, 
wodurch  er  aber  auch  mit  dem  Gegenstand  innigst  vertraut  wird.  Doch  hätte 
in  manchen  Fällen  etwas  mehr  Ausführlichkeit  nicht  geschadet.  Das  vorlie- 
gende Buch  ist  —  ein  kleines  englisches  derselben  Art  abgerechnet  —  du 
einzige  in  der  gesammten  mathematischen  Literatur,  das  die  Determinanten- 
theorie behandelt,  und  es  verdient  daher  der  Uebersetzer  den  Dank  der  deul- 
ichen  Leser,  dass  er  dasselbe  durch  die  vorliegende  Ausgabe  ihnen  zugänglich 
gemacht  bat.  Dr«  JF«  DIeiiffer« 


kl  HEIDELBERGBR  litt 

JAHRBOGHIR  der  IITIRATOR. 


GesMehie  des  EuropäUehen  8iaaUmystim9  vom  Zmiaäet  der  M^ 
formatian  hü  zur  ersim  Franaiön&chm  R0Vo9mHom  «m  Dr. 
Hans  Heinrich  Vögeli,  Prof.  der  OtaMMe  tm  der  oUm 
Jndusirieschuie  von  Zürich  und  Privaidocent  an  der  ümvertir* 
tat  Erete  Abtheüung.  Vom  ZeiUUttr  der  RefbrnutHon  bU  mtr 
SelbMerreehaft  von  Ludtüig  XIV.  (1519—1661.)  XXJX.  6», 
gr.  8.     Zurieh  bei  Mayer  und  Zdler.     1866. 

Der  Verfasser,  ein  Schüler  Benke'e,  bemerkt  in  dem  Verweil 
daas  er  auf  Weieong  seiner  Obern  suaftcbst  ftfr  die  hdbere  ladi^ 
itriescbole  in  Zürich  die  vorstehende  Arbeit  übernommen  habe;  des 
tot  seit  Jahren  eingeführte  Heeren  sei  denn  doch  nicht  miriir  als 
Lebrmitiel  sweckmässig  erschienen.  ^Denn  dasselbe  seichne  in  Mm 
Webten  Umrissen  nnd  ergehe  sich  in  der  Charakterisiniag  nnd  im 
Besrtheilen;  die  Kinder  der  gegenwärtigen  QeschichlswisseBScbafI 
dagegen  schwankten  nicht  in  der  Hbhe  des  BSsonnements  über  dis 
cesebichtlichen  Dinge,  liebten  die  Kondgebungen  des  menaoblicben 
Geistes  an  sieh,  dieses  Leiblich  werden  der  Seele  des  Measckesv«* 
•cUedits,  die  Wirklichkeiten  u.  s.  w.^  —  Diese,  etwas  mystiseha 
ttd  einsauge  Theorie  yerstösst  wider  Lehre  und  Erfahrongi  wUr» 
•failieh  nur  die  reine  Anhäufung  yon  Thatsachen  oder  LeUbÜchkei* 
trn  das  Ziel,  wo  bliebe  dann  der  Geist,  welcher  «uns  den  Körper 
bist«,  oder  der  Gedanke,  dessen  Wirksamkeit  die  aerstrenten  Sin* 
Einheiten  sammelt  und  ordnet,  gleichsam  in  Reihe  und  Glied  stellt? 
—  Aber  auch  wie  viele  und  bedeutende  Historiker  müssten  da  Tor 
oder  nach  dem  erwähnten  Grundgesetz  der  gegenwärtigen  Qeschiehts« 
Wissenschaft  theils  wegfallen,  theils  bedeutend  sinken!  Denn  sie 
bitten  ja  das  alte  Preussische,  bekannte  Soldaten-Sprichwort:  j^Kerl, 
liioiuiire  er  nicht  !^  in  den  Wind  geschlagen  nnd  wirklich,  wenn 
neb  nur  leise,  ein  Räsonnement  von  sidi  gegeben.  Was  wäci) 
I*  B.  aas  Johannes  Müller  geworden,  welcher  doch  allerlei  elastrejOJle». 
selbst  aus  Macchiavelli ,  dem  beständigen  Bekrittler  des  Faetischen 
und  Andern  ?  Selbst  der  Yerlasser  stehet  mit  seinem  objectiven 
Priseip  nicht  selten  in  Widersprudi  und  gibt  bisweilen  so  wsnic 
Leibliches,  dass  Riesen  in  Zwerge  dem  Stoff  nach  nmgewandell 
Wttden.  So  begnügte  er  sich  S.  258  den  Ferdinand  Cortez  nnd 
dm  Untergang  Mezico's  mit  drei  bis  vier  Zeilen  abauiertigeni  wäh- 
laid  doch  gerade  hier  die  wissbegierige  Jugend  etwas  Genaueres 
Svwirügen  musste.  Dasselbe  gilt  von  dem  Anüitand  der  Sganisdun 
^^onummeros,  welche  doch  für  den  aufiitrebenden  Jüngling  beach-* 
^Miwerth  bleiben,  hier  aber  gans  knrs  abgefertigt  werden  (S.  8)^ 
vtd  4em  MarUn  Luther  (a  9).  Bei  der  Bewerbung  Karls  T«  um 
t  Mure.  2,  Heft  6 


9f  WtllieililiitfBB  4#«  hWloritehtti  Vertiiif * 

die  ReidisroniMhenchäft  koDute  man  auf  die  schlaue  und  den- 
noch ui^i^  Taktik  seines  Nebenbuhlers  Fzanz  hinweisen  (S.  8). 
Derselbe  fid  nSnüich  bei  den  Fürsten  und  Grossen  vornämlich  des- 
halb dmoht  weil  er  ihnen  »Buhe  und  Ordnung^  nach  dem  polizä- 
lieh-militSrischen  Grundton  Frankreichs  anbot,  die  Teutschen  aber 
*l»in  elpe  BeeinlrltehtigaBg  ihrer  Rechte  und  Frtfbeiten  erblickteo« 
So  beiiditet  ete  Yenedatief  bei  Alb^ri.  — 

litt  Uefarigea  ited  die  einaelnen  Gruppen  uud  Abschnitte,  meisteni 
BMh  den  TelkfthiteliehkeiteD  geordnet,  mit  Einsicht  und  Anschau- 
Mehkeit  gemiss  dem  Torgesteekten  Ziel  behandelt  worden,  wie  schon 
ete  Blkk  ixd  die  Uebetsohriften  und  einaelne  AnsfÜhinngen  lehren 
kann.  Ohne  die  gebührende  Hervorhebung  der  damals  tonangebenden 
Teutschen  müssen  auerst  die  Spanier  auftreten  1519  bis  1555; 
teuedi  nüt  flinen  im  Kampf  die  Kiederländer  und  Engländer;  zu- 
letat  erscheinen  die  Franaosen,  vom  spanischen  Waffenstillstand  mit 
der  ielllttdiselieil  BepubÜk  bis  aum  Anfange  der  Selbethenschaft 
tdH  LnArfgSV.  (1609^1661),  nachdem  ihre  kirchUch-politisobes 
ZerWfirMiee  eine  frühere  Episode  geschildert  hat  Die  s.  g.  6e- 
g^emMomuitietten ,  der  dreissigjährlge  Krieg,  Schweden,  En^isofas 
Reveftoflen  und  Hollands  Blülhe  fallen  In  diese  Absdinitte.  Damii 
endigt  der  erste  Band,  welchem  binnen  JahresfHst  der  zweite  fol* 
gen  soB.  Bis  dahin  muss  man  auch  ein  vollstKndiger  gefasstei 
UrtheB  aulsdiieben  und  hier  nur  wünschen,  es  möge  die  Fortsetsuag 
*»  gMMckt  abgefessten  Lehrbuchs  nicht  zu  lange  rückständig  bM* 
Mü.  Leider!  begegnet  das  heut  zu  Tage  häufig  genug;  man  be* 
glMUt  uttd  erisattet  anf  halbem  Wege.  Dem  durch  Studium,  Lebe» 
dlld  WiäfteMsdiaft  hMttngKch  gerüsteten  Verfadser  wlfd  dieses  Hiie- 
gesAidt  des  halben  Wurfes  jedoch  sehwerlioh  begegnen. 


Sßttheilun^eri  des  historischen   Vereins  für  8telerfnark.    Erstes  — 
'    H^kites  HefL     1860—1855.    8.     QraU.     Bei  Äug.  Hesse. 

DMe  gdialiteiche  Zeitschrift  ist  sowohl  wegen  des  mannich- 
ftM^eil  ab  gfÜnAidi  verarbeiteteti  Stoffes  ekier  weitem  Bdutfint« 
s<A«ft  wetdig.  Schon  die  ErSfliittngsrede  des  Yerelnsdirecters,  de« 
AbMe  LudwH;  zu  Bein,  ziehet  wegen  des  Zeitpunktes  und  der  Frei- 
Modelt  den  Leser  an;  abgehalten  am  31.  Junius  1849  fiOit  sie 
jM(^|60e  Staitoitage,  fn  welchen  namentlich  Oesterreich  manche  schwere 
Bg  all  bestellen  hatte.  „Die  besten  Gesetze,  heisst  es  neben 
11,  sind  ein  todter  Buchstabe,  aber  der  freie  Geist  des  Meo* 
Witke  durch  sie  fieii  oder  Verderben.  Das  kleine  Rem  hAty 
A  et9  iKMh  die  Götter  fftrchtete  und  in  Sitteneinfaebheit  lebte,  did 
HerUMkift  dsr  Welt  Errungen,  aber  das  weltbeheivscheade  Bmi  «^ 
rag  deb  Streichen  barbarisdiei'  VMker^  nicht  weU  deren  so  viel« 
waten,  Iss  ee  gefallen,  sondern  weil  es  an  moralischer  Fäulniss  flleeht^ 
Bit  dae  gruM  Sem  eine  Beute  dieser  YVlkerhaulte  geirerdent«  -^ 


a$  «lumgtfodiCeBi  dtoMT  Bat«  telii  mftg,  icbiM  to  UnMwi  i^k 
m  dem  Folgenden  den  EinfloM  j,philoeof^iMher  Spekliktlen^  Aber* 
lekilit  und  die  oft  Ton  falacber  RegierongslnnBl  nnalMMitlieh 
gofMerte  ^materielle  Armoth  and  Verkommenlieit^  ünleriebftint 
n  haben.  «Nndideni,  heiMt  ee  nlmlich ,  eine  dorok  kehe  Pf^lM» 
tiM  getragene  philoaophieche  Beliale  in  DentaoUamd  den  H^rtt  to 
WA  TOTl&ofig  bereite  sftenlarleirt,  den  Menacben  aoni  CMl  und  den 
Bian&el  anf  die  Erde  herab  deeretirt  bat,  kann  ee  nlebt  befiMudm, 
dM  die  Adepten  dieeer  Schale  im  Bande  mit  der  piqviaebeil  baH 
der  arthellaanfthigen  Haofen  die  Theorien  ibree  Meiatere  In  WM» 
Hchkeii  so  aelsen  streben,  bei  welohem  Wagnüse  aie  niebia  etaaetaeBf 
md  wem  dna  Gelingen  m^ieh  w«re,  die  Befriedlgnag  Ibrdr  WÜn^* 
Nhe  m  Aoaaicbt  baben.^  — 

Den  Stoff,  welchen  die  Zeitachrift  ebne  engem  Znaammwibig 
Maadelt,  könnte  man  fQgHcher  nnd  fttr  die  Erlelebtemng  dir  Uebai^ 
deht  in  gewiaae  Ordnangen  oder  Kategorieen  etotbeilen.  Di#  #Me 
Dim  entbUt  sodann  das  Epigraphiacbe  und  Arcblelegl«- 
•ehe  im  engem  Wortreretande.  Jenes,  die  RGmlaehe  Inaehrtften- 
kaode,  lUlt  besondeni  reich  aas,  namentHeb  in  Folge  dee  FlilMi 
md  Seharftinnee,  welchen  dafttr  der  Pfarrer  Knabl  an^ebote»  hU, 
Sdae  Foade  werden  erlXatert  Heft  I,  S4ff«,  90f.,  II,  iSft,  lilt^ 
m,  95 if.,  155  ff.,  IV,  d5ff.  (Aber  den  angeblichen  Dens  Ohnttna)! 
197  iL,  V,  153  fü,  VI,  125  ff.  —  Bei  dem  Umfang  der  asteriüebi 
itei  Monarchie  nnd  der  rielfacben  Besiehnng  aal  daa  ' 
Witt  dn  Gorpoa  inscriptionam  Romanaram  niebt  ndnder 
ih  mpriesslieb ;  die  bedeutenden  Vorarbeiten  and  Samndnngefe  i 
in  «in  eplgri^ifaiadies  annäehst  ron  den  Münaen  getrenntes 
■direrk  weaantlieb  erlelobtem,  selbst  die  Koeten  niobt  abwiuwkit 
Der  e^enUiche  Gelehrte  und  Kenner  dfirfle  sodann  etat  den  voHeM 
Mraach  des  bisher  aeistfickelten  and  defestaalb  oft  anangtogldbeni 
BMes  antreten  nnd  dafür  gerne  seinen  Beitrag  geben.  «^  Da» 
Arehftologiscbe  besehiägt  bauptsflcblidi,  obsebon  aueh  die  W^ 
MweU  nicht  leer  ausgeht,  die  Keltischen  oder  «rKritfieh  #^ 
Uteaeti  Denkmller.  Dahin  geboren  besonders  die  asefkwMiigi% 
idiiigst  in  Jndenbnrg  entdeckten  AltertbClmer  (Heft  Hi,  MA 
AUumihug  ron  Dr.  Robitseh;  Heft  lY,  54ff.  AUiandlnng  rmm 
Ardürar  Pratobevera,  vgl.  V,  107ff.).  Sie  bieten  Pferdegn« 
Kkirr,  Spieaae,  Bronsegefässe,  Helmstüeke^  Rbige,  efa^n  a.  g.  (Mt 
•<«  Streitmeissel,  Btibchen,  Helme  nnd  Anderes^  tot  aUem  aber 
da»  kleinen,  auf  rier  acht^Miidiigen  Rttdem  ruhenden  Wagen  ana 
Btooae  Bit  Schartigen  nackten  Gestalten,  tbefls  Rettern  (4)  asK 
MM,  Speer  nnd  iachai^taiger  Kopfbedeekung  (Mtttae),  «heila  nnsfe* 
imlUDiiem  und  Weibern,  deren  Mittel4gar,  den  Kopf  Hitnsndy 
^  deai  Boden  einer  Sonnenscbeibe  an  stehen  nsbetat    Hie  On» 


Mtofige  dieser  Brwzgnstaltan  sbid  rob  nnd  bdmUcb,  dto 
«Uihk  and  ediulebtig,  fait  wie  bei  P«ter  Sehlemlbl«  deas 
*>e  Matt«,  die  Gensbleobtsglieder  arii  bunnisiar  üfppigb<t.baa* 


81  MÜtheiliufMi  dev  hUtorbeliMi  Yereinf . 

v^rCehob(Hi|  wte  d^iin  auch  ein  Mann,  welcher  das  Opferbell  trSgt; 
des  anfgerichtaten  Pbalios  nicht  entbehrt.  — 

Die  gelehrten  Ausleger  dieses  wunderlichen  Fundes  denken  ent- 
weder an  eine  Gel  tischet  durch  Beihülfe  Tuskischer  Technik  darge- 
stellte Hochaeiti  oder  an  die  Verherrlichung  der  Slavischen  Liebes- 
f^Sttin  Lada.  —  Bellte  aber  das  ganxe,  merkwürdige  und  räthsel* 
hafte  Emblem  nicht  eher  in  den  verhunzten,  mit  Römisch -Gel tischem 
Bisiwerk  ausgestatteten  Mithrascultus  k  la  Heliogabalus  hinein- 
lallen?  Bai  (Baal)  und  Mylitte  (Baaltis)  würden  dann  das  Gentrum 
biMen  und  die  Tielartigen  Gruditäten  erkl&ren.  Weder  der  Geltea- 
poeb  Slayencultns  hatte,  sollte  man  glauben,  eine  Richtung  zu  der- 
artigen Lingarasauswüchsen  und  Obscönitäten,  am  wenigsten  bei  Tod- 
tenfestllchkeiten.  —  Jedenfalls  verdient  der  Fund  die  sorg- 
OUgste  Beaohtung.  —  Dasselbe  gilt  von  dem  gründlichen  Aufsatz 
des  gelehrten  Keltophilen,  Prof.  H.  Schreiber  zu  Freiburg.  £r 
behandelt  (Heft  5,  S.  49  ff.)  auf  einlSssliche  und  fast  erschöpfende 
Weise  eine  s.  g.  „brennende  Frage^,  das  Feldzeichen  „der  Kelten* 
and  setzt  an  den  Platz  des  vielbesprochenen  „Gallischen  Hahns^, 
wekher  nach  kurzem  Krähen  (1830  -1851)  vor  dem  ernsthaftem 
„A41er^  verstummen  musste,  den  „Eber^  oder  die  „wilde  Sau^  als 
uattMiales  ELauptabzeleheu  der  alten  Kelten.  Diese,  meint  er,  hät- 
ten dasselbe  „als  in  der  Katur  des  Landes  und  dem  Geiste  seiner 
Bewehner  gegründet^  (S.  52),  zwar  schon  früher  bei  einzelnen  Yöl* 
heiai^iaften  gekannt,  aber  als  nationales  Heerzeichen  erst  in  dem 
ünabhingigkeitskriege  mit  den  welterobemden  Römern  aufgestellt. 
Oanuch  kommen  nun  die  genauen  Machweisungen  auf  Steindenk- 
aatterni  Münzen  u«  s.  w.,  und  zwar  in  geographischer  Reihenfolge; 
sie  werden  zuerst  im  transalpinischen  Gallien,  der  eigentlichen 
Metropole,  anfgesucht,  darauf  in  Grossbritannien,  Spanien 
Mi  Italien,  femer  in  Illyrien,  Griechenland  mit  den  In« 
aeiiinnd  Eleinaslen,  zuletzt  auch  in  Germanien  verfolgt,  ohne 
daas  nalttrlieh  in  der  eben  so  gelehrten  als  scharfsinnigen  Ebemsym» 
befik  ohne  weiteres  eui  Merkmal  der  Stammverwandtschaft,  wohl 
aber  des  völkerschaftlichen  Verkehrs  und  Ideenaustausches  hervor- 
tiettn  selL  —  Als  Motive  des  Emblems  werden  schliesslich  theils 
nligiöset  an  den  vorherrschenden  Kultus  des  weiblichen  Frindps, 
der  Mondgöttlni  geknüpfte  Begriffe  und  Sinnbilder  nachgewiesen, 
tileils  physikalische  ökonomische  Ursachen,  jedoch  mehr  in  zweiter 
Beke,  hervorgehoben.  Diese  beziehen  sich  auf  die  überwiegende 
Schweinsueht  im  Keltenlande.  Die  Thiere,  deren  Fleisch  roh  uod 
eingesalzen  verzehrt  wurde,  zeichneten  sich,  wie  schon  Strabo  (IV,  4) 
beinetkty  ^^durch  Grösse,  Stärke  und  Schnelligkeit  aus.  Die  Gefahr, 
wenn  aouni  ihnen  nnversehens  nahe  kam,  war  so  gross,  wie  bei  W51* 
fen.*^  Im  Mittelalter  wurden  sie  daher  nicht  selten  bei  wirklichem 
Mensehenmord  förmlich  vor  die  bürgerlichen  Gerichte  geladen  nnd 
ah«sttrth«Ul|  ein  Fall»  welcher  von  1894  actenmissig  sich  drei  Jahr^ 
law  mthWMih  irtoderholt.    Ja,  bei  wilder  Brunst*»  und 


ImfBmt  lieferten  eich  bisweilen  die  „Tom  Teofel  beseesenen^  Be* 
itien  wahrhafte  Mordflcblaehten  und  deckten  mit  ihren  «ritterlieh 
gefallenen '^  Leibern  die  blutige  Wahlatott  sam  Erstaunen  nndSehreeken 
dar  Menschen.    So  1580.  — 

In  Folge  Keltischer  Einwirkung  ging  der  Eberenltus  Usweile» 
sogar  auf  das  ihm  nrsprOnglich  fremde  Oernanlen  Aber.  ^AJs 
reinigendes  Opfer,  heisst  es  am  Ende  des  Anbatses  (8.  81),  im 
Dienste  der  Naturgöttin  (Belisana  Kelt.  =  Artemis-Astarte,  lijHtta, 
Lana)  erscheint  die  Spörkelfeier  im  Februar  auch  dem  heidnl* 
leben  Deutschland;  ein  Fest,  dessen  Stelle  nochmals  die  Bebiignttg 
der  christlichen  Himmelskönigin,  die  als  Siegerin  mit  ihren  Füssen 
lofden  Halbmond  tritt  (Maria  Llchtmess,  Purificatio  beatae  Vir- 
gioifl  Mariae),  eingenommen  hat.^  — 

Uebrigens  ist  noch  rücksichtlich  der  Literatur  in  Betreff  des 
GralÜsehen  Eberfeldaeichens  ehie  kleine  Schrift  des  sei.  Prof.  K.  F. 
Hermann  in  Gdttingen  au  Tergleichen.  Sie  erschien  dort  1851 
ODter  dem  Titel :  „Eine  gallische  Unabh&ngigkeitsmüaae  ans  römischer 
Kaiserseit  Beschrieben  und  erklärt  von  K.  F.  Hermann.*^  Die 
MüDse  seigt  auf  der  Rückseite  swei  Tcrschlungene  HInde,  wdche 
iwei  Aehren  und  zwischen  diesen  ein  Feldaeichen  mit  dem  Eber 
IttlteD,  darunter  die  Unterschrift  Fides.  Die  Symbolik  bedarf  keiner 
weitem  Erklärung;  der  Hypothese,  dieses  Denkmal  gehöre  dem  Re- 
SieroDgsantritt  Vespasians  an,  fehlt  gleichfalls  die  WahrsdiefaiBdi'- 
Wt  nicht 

Der  Keltisch- Römischen   Alterthumskunde  gehört  andi 

eise  Im  sechsten  Heft  abgedruckte  Untersuchung  Schreiber^s  an 

(S.  63  ff.).     Sie  betrifft  die  Siegelsteine  alter  Augenärste  überbanpl 

ood  den  neuentdeckten  Riegler^Siegelstein  (Baden)  insbesondere,  Ter* 

lolft  geographisch  die  59   Torhandenen  Denkmäler  tediniseh«* 

praktischer  Art  und  zeigt,  „dass  sie  sich  bis  jetzt  durch^gig  in 

Uadem  fanden,  welche  entweder  Ton  keltischen  Völkerschaften  be- 

w<rimt  waren,  oder  ganz  in  der  Nähe  derselben.^  —  Nor  der  Je» 

laSaehe,  durch  irgend  einen  Zufall  yerschlagene  Stein  bildet  eine 

Ansnabme.     Die  Inschriften,  d.   h.  Namen  der  Aerzte  und  ihrer 

Hellmittel,   werden  yortrefflich  erläutert;   weniger   möchte  dadurch 

oetfirlieh  die  Augenheilkunde  denn  die  Geschichte  derselben  gewtonen. 

In  die  zweite  Kategorie  der  Mittheilungen  müsste  man  das 

Topographische,  die  Ortsbeschreibung,  einreihen.    So  werden 

die  Rieggersburg  (H,  74ff.),   der  Waldstein  (HI,   ISlff.), 

Barg  Gösting  (V,  177 ff.),  Burg  Pöttau  (VI,  178«.)  von  Prof. 

&oth,  der  Marktflecken  Welz  von  dem  K.  E.  Feldarzt  Richter 

(V)  127 ff.),  ebenso  anschaulich  als  lehrreich   dargestellt,  bisweilen 

auch  durch  Abbildungen  erläutert    Gelegenheitlich  kommt  dabei  man« 

thee  bisher  Unbekannte  vor;  man  erfährt  z.  B.,  dass  noch  um  1588 

4ie  Familie  Windischgrätz,  damals  Im  Besitz  des  Schlosses  Wald-* 

bMb,  eifrig  dem  Protestantismus  anhing  und  sich  einen  evangelisches 

Frediger  aus  Sachsen  hielt  (III,  149  ff.)}  ja,  diesen  so  lange  schirmtey 


M  WltMlaiiff»»  4m  Uilofif  dM  Tei^tiii. 

bi«  dh  Borg  sack  vervwaifeUer  Abwehr  eratOnnt»  dor  Pradicvr  «)• 
twgß  Kvm  Tode,  diuroaeli  auf  dem  O&adeawege  su  den  Ckdeerea 
verurtbeil(  wiurde  (1602).  Jedoch  rettete  ihn  auf  dem  Wege  gen 
Trieet  die  Flacht  nach  Deutschland,  wo  er  ein  Jahr  spUer  die  Pfarrei 
an  Odem  bekam«  ^ 

Der  dritten  Kategorie  möchten  die  Urkunden  anheimfallen,  welche 
hier  aat<irU(li  nicht  nUier  beaeichnet*  werden  können.  Die  tttoite, 
vom  Archirar  Wartinger  herausgegebene  und  erläuterte  Original* 
Urkunde  geh9rt  dem  Jahre  878  an;  sie  betrifft  einen  Stiftungsbrief 
d«i Königs  Karlmann  zu Onnsten des  Benedictinerklosters  Ossiach 
In  Ob^<*KImthen  (I,  8dff.)>  Ihre  Aechtheit  ist  kaum  au  beawei- 
feln;  eben  so  wenig  ist  an  Alt-^Oettingen  in  Baiem  au  denken. 

Zur  vierten  Abtheilung  dürfte  man  das  Biographische  und 
dabhi  Qehörige  rechnen»  Verdienstvolle,  im  Leben  oder  in  der  Wis- 
sensdiaft  anifgeseichnete  Steyerer  erhalten  da  den  gebührenden 
Denkstein.  Obenan  stehet  mit  Becht  der  Geschichtsdireiber  des 
Landes,  Albert  yon  Hnchar  (geb.  1786  au  Liens,  gest.  1849 
an  Grata),  ein  durch  Gelehrsamkeit,  Wahrheitsliebe  und  Sittenstrenge 
aasgeaeicbneter  Mann,  welcher  als  Priester,  Lehrer  und  Geschichtafor- 
scher,  vor  allem  aber  als  edler  Mensch  hervorragte  (Heft  I,  13  ff.). 
Diesem  biographischen  Umriss  von  Theodor  Gassner  folgt  die 
durch  Carl  von  Pichl  gelieferte  Lebensskisse  Josephs  Ver- 
schitch,  Laodtischlers  und  Mechanikers  (I,  141  ff.),  welchem  sich 
Alois  Beck  vonWldmanstätten  (st.  1848  in  Wien),  durch  Hof* 
mdster  geschildert,  ansehliesst  (U,  144 ff.).  Die  Vorfahren  Wid- 
manstKttenSf  dessen  Haoptthtttigkeit  die  Direction  des  K.  technologi- 
schen Prival*Kabinets  Jahre  lang  umfaeste,  wanderten  um  den  An* 
fang  des  aechsaehnten  Jahrhunderts  aus  Balem  in  Steiermark  ein, 
beluunen  1548  vom  Kaiser  Karl  V.  ein  Adelspatent  und  1660  von 
Ferdinand  VH  das  Privilegium  der  Buchdruckerei  für  Grata. 

£in  schöner  Beitrag  wird  schliesslich  zur  Lebensgeschichte  Jo* 
sepb*e  JL  gegeben  (I,  145),  und  von  Herrn  Harl  auf  Thalerhof 
berichtet,  wie  der  grosse,  so  oft  verkannte  Kaiser  den  bisherigen 
Mnaterplatz  gegen  die  Türken,  die  seit  Jahrhunderten  öde  Ebene 
Txm  Leibnita  in  ihrer  Wichtigkeit  erkannt  und  durch  agrarische  Aaaig- 
nation  binnen  knraem  in  ein  blühendes  Ackerfeld  umgewandelt  hat* 
te  (1786). 

DielUnfte^man  könnte  aagen,kultur- und  rechtsgeschiebt- 
II ehe  Abtfaeilung  hat  gleichfalls  mehre  sehKtzenswerthe  Aufsätxe 
gewonnen.  Zn  ilmen  gehören  namentlich  die  Abhandlung  des  Gapi- 
tnlara  Bosegger  über  die  Dichter  Steiermarks  im  XIL  und  KHL 
Jahrhundert  nnd  ihr  historisches  Interesse  (V,  82  ff.),  das  Kfirnth* 
nerisch-Steiermärkische  Land-  nnd  Lehenrecht  vom  Jahre 
1480  im  Archiv  des  Joannenms,  vom  Archivar  Pratoberera 
(V,  68 ff.),  eine  in  rechtsgeschichtlicher  nnd  sprachlicher  Rücksicht 
nicht  unwichtige  Mittheilung,  endlich  die  »Erbhuldigung  im  Her- 
^ogtham  SteUrnerk^'i  youC^G.von  Leitner  (1,  98-^187), 


Oa«  Uhpn  ikong^  WaiUnfUnt.  f7 

4l  «ehr  Ifhrreidiery  dabei  fokiSn  gewhrieUiMr  Anfiiat«,  wokdber  di« 
Biiite  SUniscbaft  darcb  die  Wecbiel  der  Zeiten  vom  XXI.  bis  mm 
IIX.  JabrhoDdert  yerfolgt,  nameadicb  «ach  die  Verkftltaiiie  det 
liblreieheDy  mit  Olaabeiuifreiheit  aoagerüsteten  E^aogflieeben  bia 
nm  Conflici  mit  dem  in  logolatadt  ^jemitiadi^  inbpgeneQ  Erik 
Ferdinand  (s.  1596J  erörtert.  — 

Ton  den  Schriften  des  historiacben  Vereins  für  lanerSster^ 
reich  ist  bisher  nur  ein  Heft  in  Grats  (1846)  eiseUenen.  Dna* 
selbe  entfallt  eine  an  weitschicbtige  Abhandiang  Kanbra  Aber  des 
Plinios  „Flavium  Solyense^,  welches  in  die  Qegepd  das  bentifeo 
Fleckens  Leibnits  verlegt  wlrd|  dann  drei  historische  AaWtsa,  deren 
enter  die  Sage  yon  den  Veriieerungsaögen  der  Margarathe  Maid* 
tesche  in  Kämthen  behandelt  CFreih.  von  Ankersbofen) ,  indfsa  des 
iweite  der  Schale  Wirken  nnd  Leben  in  Kftmthena  MittelaUer  un^ 
UrsBcbt  und  der  ietste  (von  Felix  Edler  von  Benedikt)  »die  FSrstea 
TOD  Die  triebet  ein**  schildert.  Zwei  biograpbiacha  Skiasen  ans 
KraiD,  betreffen  den  Freiherrn  yon  Schmidbnrg  und  den  hiato- 
TiBch-naturwissenscbaftllch  gebildeten  Franc  Hladnike,  maohen  den 
Schlags  dieses  einaigen,  etwas  hastig  redigirten  Bandes« 

Am  Ende  seines  Referats  erlaobt  sich  der  Unteraeicbnete  dea 
WoDsch,  der  so  thätige  Geschichtsyerein  m5ge  gemacb  seine  Sorg* 
falt  nicht  nur  den  Römisch  -  Celtischen  Dingen ,  sondern  nncb  ein* 
littlicher  dem  Mittelalter  nnd  der  neuen  Zeit  anwenden«  I#etatere^ 
etwa  seit  der  Thronnachfolge  der  Kaiserin  Maria  Tlieresiü  begin« 
Deod,  bietet  für  Oeeterreich  wie  das  gesammte  Tenteebe  Poblikum 
einen  reichen,  bisher  gar  nicht,  oder  nur  dürftig  ansgebenteten  Stoff* 
Wie  reich  sind  da  nicht  Urkunden,  Persönlichkeiten,  FamUiendenk- 
mller  nnd  mündliebe  Traditionen !  Da  wtfre  die  Anawabl  wahrlich 
nicht  schwer,  auaaal  die  frühere  GebeimnisskrSmerei  anfgebVrt  bat 
Und  noch  weniger  wird  es  am  Wollen  und  Können  fehlen  (  alles 
iiengt  da  mehr  oder  weniger  yom  Beginnen  ab. 


I>aB  Lehen  George  Washingtons  von  Waihingion  Irving.   Zweir 
ier  Band.     XIV.  410.  8.     Leipaig,  bd  Lorck,  1866. 

Die  Fortsetzung  des  schon  früher  (1855.  Nr,  43)  naeh  Gebühr 
anerkannten  Buchs  beginnt  mit  der  Uebemabme  des  Oberbefehls 
(Kapitel  43)  und  scbliesst  mit  den  Folgen  des  rettenden  Treffens  bei 
Trenton  und  Umgegend  (Kapitel  88).  Der  Verfasser  beobachtet  auch 
hier  seine  ruhige,  bei  allem  Frelbelts-  und  Yaterlandseifer  nnpar- 
teüsche  Haltung,  meidet  lobredaeriscben  Pomp  und  FImiss,  schildert 
ifie  Charaktere  der  Handelnden  und  Ihrer  Thaten  nicht  naob  dem 
Hohlspiegel  eines  eiteln  Nationalstolzes,  sondern  dem  Geseta  der 
Wahrheits-  nnd  HumanitiUeliebe,  eben  desshalb  treu  nnd  analehend. 
Aach  Ist  er  beflissen  gewesen,  hier  und  da  einen  Usher  entweder 
^ekMnten  odw  uvx  mutt  b^orgebebenen  Zug  nus  bnndMhcUtll* 


88  Mnndt:  Die  Gefdiiehle  der  GefeJIfditft  de 

dien,  freilich  spSrnch  flleMenden  Qoellen  beizufügen.  DaUn  gehS«» 
ren  I.  B.  die  Tagebücher  eines  Heseiechen  Officiers  und  Heeeischeii 
Gorporab,  Joh.  Renber,  Aber  die  Trentoner  Affaire  (S.  374).  Da- 
gegen hat  der  Amerikaner  andere,  schon  gedrudcte  Hülfsmittel,  na- 
mentlich in  Schlöser's  Briefwechsel,  weder  gekannt  noch  benatit 
—  Ueber  die  weiteren  Begebenheiten,  besonders  am  Hudson,  wer- 
den ihm  die  nunmehr  durch  Max  tou  Eelking  yeröffentlichten,  aosserst 
lehrreichen  Memoiren  des  Braunschweigischen  Generals  you  Rie- 
desel mannichfaltigen  Aufschlnss  geben  und  manche  Lücke  füllen. 
Uebrigens  ist  es  bei  dem  Fluss  und  charakterlosen  Wesen  der  neuesten 
Enrop&lschen  Dinge  um  so  n5thlger,  sich  bisweilen  durch  Erinnerang 
an  standhafte  und  zähe  Männer  wie  Verhältnisse  au  trösten  und  zu 
stärken.  Ein  derartiges  Beispiel  gewährt  aber  gerade  Washington; 
im  gefährlidisten  Augenblicke  seiner  Sache  (Dec.  1776)  verlor  er 
niemals  den  Muth;  Unglück  hob  ihn  sogar,  wie  das  auch  bei  Wil- 
helm Ton  Oranien,  Friedrich  d.  G.  und  wenigen  andern  Lieblingen 
des  Schicksals  geschehen  ist  ^In  dieser  düstern  Zeit,  sagt  der  Ver- 
lasser (S.  354),  blieb  Washington  fest  und  unerschüttert.  Er  warf 
seine  Blicke  um  sich,  um  einen  Zufluchtsort  zu  suchen,  von  wo  er 
einen  verzweifelten  Widerstand  für  die  Freiheit  seines  Landes  leisten 
könne,  und  seine  Gedanken  wendeten  sich  den  Gebirgsgegenden  sei- 
ner ersten  Feldzüge  zu.  General  Mercier,  der  seine  Gefahren  in 
diesen  Gebirgen  gethellt  hatte,  war  in  der  Nähe,  und  seine  Anwe- 
senheit hat  vielleicht  dazu  beigetragen,  sie  ihm  in  den  Sinn  zu  ru- 
fen.^ Was  denken  Sie?  ^sagte  Washfaigton.  Würden  uns  die  Penn- 
sylvanier  unterstützen,  wenn  wir  uns  in  den  hintern  Theil  des  Lan- 
des zurückzügen?^ 

„Wenn  sich  die  untern  Grafschaften  ergeben,  so  werden  die 
obem  das  Gleiche  thun^,  lautete  die  entmuthlgende  Antwort. 

„Dann  müssen  wir  uns  nach  der  Grafschaft  Augusta  in  Virgi- 
nien  zurückziehen'^,  sagte  Washington.  j^Eine  Menge  von  Leuten 
wird  uns  zuströmen,  um  Zuflucht  bei  uns  zu  suchen,  und  wir  wer- 
den einen  Parteigängerkrieg  versuchen.  Werden  wir  überwältigt 
so  musi  es  über  das  Alleghnygebirg  gehen.  ^ 

„So  unerschütterlich,  unter  Schwierigkeiten  emporstrebend,  und 
selbst  im  schwärzesten  Moment  elastisch,  war  der  Muth,  der  unsere 
sturmumbrauste  Sache  am  Scheitern  hinderte.^ 

Gehe  hin  nnd  spiegele  dich  Grossmaulzeit  I  — 


Die  Oesehichte  der  OestUschaft  in  ihren  neuem  Entwicklungen  und 
Problemen,  Von  Theodor  Mundt  ZtoeUe  Auflage.  IV, 
404.  8.     Leipzig,  bei  Voigt  und  Günther.     1856, 

Es  ist  wahr,  durch  Vernunft  und  Geschichte  beglaubigt,  dass 
Volks*  und  Menschenthum^  Staat  und  Gesellschaft,  Nationalität  und 
Humanität  sich  in  mannichfaltigen  Wahlverwandtschaften   und  wie- 


MoBdl:  Die  GeieUckto  der  CetelliclMJI  ele.  69 

dran  einander  abstoesenden,  ja,  feindseligen  Geg^eneitien  bewegen. 
Ebi  Hanpthebel  der  Geschichte  oder  ihrer  Bewegungen  liegt  gerade 
Ib  diesem  uralten,  Proteus  ähnlichem  Doppelgänger,  welcher  seit  der 
Stiftung  dM  Christenthums  als  der  Menschheitsreligion  in  schärfet 
losgeprägten  Zügen  herrortritt  und  die  schwierigste,  noch  ungelöste 
Aufgabe  ankündigt,  die  Aussöhnung  der  Tolksthiimlichen  und  mensch* 
keitHchen  Kräfte  und  Ziele  in  der  Art  zu  Tersuchen  und  durchzu- 
füliren,  dass  jeglichem  Theil  Kecht  widerfährt,  und  ein  höheres  Me- 
diom  lierrortritt  mit  hinlänglicher  Stärke  für  genügende  Ausgleichung. 
Wie  und  wenn  diese  letzte  Insumme  der  ächten  Staats  Weisheit 
enebetnen  werde?  —  diese  Frage  lässt  sich  eher  aufwerfen  denn 
besotworten ;  aber  dass  es  geschehen  müsse  und  werde,  dafür  spricht 
sdon  das  laute  Zeugniss  der  Vergangenheit  und  Gegenwart  Auch 
dsrfiber  darf  man  schwerlich  streiten,  dass  der  antike,  d.  h.  Griechisch- 
Römische  Staat,  thells  den  Gegensatz  nicht  fühlte,  thells  ignorirte 
oder  durch  brutale  Gewalt  damiederschlug ,  die  christliche  Religion 
und  Gemeinde  dagegen  früh  empfand  und  auf  Terschiedene ,  wenn 
audi  nicht  immer  erfolgreiche  Weise  zu  befriedigen,  mindestens  aus* 
ngleichen  trachtete.  An  Irrthümern  und  MissgrifTen  konnte  es  hier 
un  so  weniger  felilen,  je  neuer  die  Sache  war  und  je  stärker  heid** 
niiche  Begriffe  und  Gewohnheiten,  bald  Ton  Seiten  der  Griechen- 
Bomer,  bald  der  Germanen  auf  die  christlich -menschheitliche  Ge- 
fletzestafel  zurückgriffen  und  sie  durch  das  Dictat  Ihrer  plumpen, 
despotischen  Faust  Terunreinlgten.  — 

So  durchzieht  denn  die  rielleicht  wichtigste  Frage  unbeantwortet 
imd  bisweilen  ToUer  Widersprüche  die  fernsten  und  nahesten  Räume 
der  Weltgeschichte ;  sie  tritt  wie  das  ungelöste  Räthsel  der  Sphinx 
Verderben  drohend  den  Fürsten  und  Völkern,  bald  Tor  den  Palast 
des  Reichen,  bald  die  Hütte  des  Armen,  kehrt,  augenblicklich  rer- 
sdieueht,  plötzlich  wie  ein  wüster  Traum  oder  nagender  Gewissensruf 
inruck  Ui  das  Gedächtniss  und  die  Einbildungskraft  der  alltäglichen, 
nur  mit  sich  selber  beschäftigten  Gegenwart  und  verstrickt  dieselbe 
bier  in  bodenlose  Schrecknisse ,  dort  gaukelnde  Hoffnungen ,  zeigt 
übet  bei  dem  allen  ihren  reellen  Boden,  Ihr  handgreifliches 
Dasein.  Den  Beweis  dafür  liefern  ja  die  weit  rerzwelgten,  s.  g. 
ainateriellen  Interessen^,  welche  den  pochenden  Mahner  für  einst- 
weilen abfinden  sollen,  die  Sklayenzüchter  im  Süden  der  freien,  yer- 
^lügten  Staaten  und  anderswo,  die  erste  Sorgfalt  aufgeklärter  Re- 
gerungen  für  Armen-  und  Verbrechernoth,  die  tausendfältig  geglie- 
derte Richtung  der  Literatur  auf  bald  klar,  bald  dunkel  erkannte 
Gegenstände  und  Zielpunkte  dieser  Lebensfrage,  z.  B.  Socialpolitik, 
Kommunismus,  Arbeit,  Proletariat  und  Genossen.  In  der  neuern 
Zeit  steigt  dafür  mit  dem  Wachsthum  der  Erwerbskunst  auch  das 
Interesse.  Seitdem  Kant  mit  Fug  die  Würde  des  Menschen  be- 
tonte, welcher  niemals  allein  staatliches  Werkzeug  werden,  sondern 
Hn  Selbstxwecfc  verharren  müsse,  hat  sich  auch  thatsächlich  im  Gange 
te  Begebenheiten  die  EoUlssion  des  Stoats  und  der  Gesellschaft, 


fQ  HuodI;  Di«  GMchicbta  der  (f«feDi«li«ft  et«. 

4es  Volkfli-  QQd  MenscbenthumB,  der  Nationalität  und  HiimmitSit 
yielfach  kund  gegeben,  —  Den  denkenden  Köpfen  aber,  welcb# 
darüber  schrieben  und  experimentirten,  gehört,  was  nur  selten  her* 
Torgehoben  wird,  besonders  Pestalozzi  an.  Sein  Büchlein:  „Nach- 
forschungen über  den  Entwicklungsgang  des  Menschengesdilechts 
(um  1794)^  enthält  einen  Schatz  von  scharfen  Geistesblitzen  uni 
dichterischen  Oemüthsahndungen ,  welche  zwar  das  Räthsel  nicht 
lösen,  aber  ihm  doch  näher  kommen.  Die  praktischen  Versu^o 
des  edlen  Mannes  auf  dem  Gebiet  der  Erziehung  und  Armenpflege 
haben  ihren  eigentlichen  Kern-  und  Angelpunkt  in  der  s.  g.  socialea 
Frage.  Auch  Emanuel  von  Fellenberg  in  Hofwyl  grübelte 
darüber  theoretisch  wie  praktisch,  nicht  minder  Pater  Girard  zu 
Freiburg  im  Uechtland,  Escher  und  die  Linth-Gesellschaft,  Püarrer 
Overbeck  im  Elsassischen  Stein thal,  andere,  weniger  her?ortretende 
Persönlichkeiten  nicht  zu  erwähnen. 

Das  vorliegende,  wohl  dem  gebildeten  Publikum  bestimmitQ 
Buch,  erörtert  den  wichtigen,  nach  seiner  Schwere  bezeichneten  Ge^ 
genstand  auf  eine  im  Ganzen  zweckmässige  und  anziehende  Weiae. 
Es'  erklärt  die  wesentlichsten  Begriffe,  führt  die  wichtigsten,  that- 
ßächlicben  Erscheinungen  derselben  übersichtlich  in  klarer  Sprache 
aus,  beurtheilt  die  Licht-  und  Schattenseiten,  die  Fortschritte,  Mängel 
und  Widersprüche  der  für  die  Socialfragen  angestellten  Versudbe, 
ohne  dabei  in  lieb-  und  masslose  Büge  oder  Lobrednerei  hineinzu- 
fallen, und  gelangt  dergestalt  mit  dem  Knäuel  in  der  Hand  toü 
dem  grauen  Alterthum  bis  zu  der  lichten  und  dennoch  räthselhaften 
Gegenwart.  Dass  dabei  manches  z.  B.  im  Betreff  des  Mittelaltera, 
anders  aufgefasst  und  charakterisirt  werden  kann,  versteht  sieb  wohl 
von  selbst;  ebenso  unbestritten  bleibt  es,  dass  etliche  Erscheinungen 
der  neuem  Zeit,  z.  B.  die  erwähnten  Versuche  in  der  Schweiz,  theOa 
zum  Schaden  des  Ganzen  übergangen  (ignorirt),  theils  unvoIlatäD- 
dig  aufgefasst  und  geschildert  wurden.  Letzteres  gilt  auch  von 
Robert  Owen.  Dieser  wirkliche  Utopienmann,  welchen  der  Un- 
terzeichnete persönlich  gekannt,  d.  h.  gesehen  und  gehört  hat,  fasate, 
um  nur  einen  Fall  anzuziehen,  die  Psychologie  ganz  materiell  auf. 
Er  trug  zu  diesem  Behuf  eine  fein  gearbeitete  Metallplatte  ia  der 
Tasche,  deren  lockere,  bald  vor-,  bald  zurückgeschobene  Stäbchen 
auf  der  einen  Seite  sechs  Mängel,  auf  der  andern  sechs  Tugenden 
des  vollen,  ächten  Menschen  symbolisch  ausdrücken,  die  Seelen-  und 
Geisteskunde  also  wahrhaft  ad  oculos  demonstriren  soUtep.  Seine 
Gesinnung  war  übrigens  edel  und  uneigennützig,  wie  schon  des 
Ruin  seines,  den  social -philanthropischen  Träumereien  gewidmeten 
Vermögens  andeutet 

Von  den  31  Kapiteln  oder  Ueberschriften  des  Werks  verdienen 
besondere  Aufmerksamkeit  1—3.  „Begriff  der  Gesellschaft,  Idee 
der  Persönlichkeit,  Familie,  Arbeit  und  Eigenthum  (sociale  Trias), 
die  deutsche  Reformation  und  die  französische  Revolution  H;  der 
Socialismns  und  die  Philosophie  23  j  der  Utopismus  24  (wob^  Plar? 


Wiiiwucballilehfe,  91 

t^ii  SB  kors  und  oberfllcUidi  wegkommt);  die  todalon  ZutSodo 
in  Romland  30  (ümI  ra  weitochweifig  und  ohne  Benatsag  der  ia 
Kolatschek'i  deatacher  Honataechrift  gegebenen  Beitraige),  und 
ia  wirthachaftlicha  Befoim  der  untern  YolkaUasaen  in  Dentaebland.  — • 


Du  WisBinsehaftiUhrc  von  Ou$iav  Biedermann.  Erüer  TJuiL 
Die  Lehre  vom  BewtueUein*  Leiptig.  Druck  und  Commis- 
giomverlag  von  B.  0.  Teubner,  1866.     XVIJ  u.  280  8.  gr.  8, 

Der  Herr  Yerfaaaer  nennt  aicb  S.  YI  «einen  Jfinger  Hegela^, 
ttfi  jedocb  bei,  daaa  er,  «wie  der  Zeit,  ao  aucb  der  Wiaaenacbaft 
aaeii  fiter,  ala  jener  sei^  (aic).  Er  will  S.  YI  darum  ,,auf  eigenen 
Ffiawn  stdien.^  Er  glaubt,  data  es  nur  „auf  aeinem  Standpunkte^, 
m  ,anf  dieaem  Wege'',  nach  „diesem  Ziele<^  hin  «möglich^  aeli 
,di8  Wort  seiner  Zeit  in  Wissenacbaft,  Kunst  und  Leben  ausau^ 
q)redian.^  Er  unterscheidet  nach  der  beliebten  dialektischen  Trilo- 
gie  in  dem  Systeme  der  Wissenacbaft  S.  14  ,,die  swei  Th^ile«'  und 
«las  sie  eigenthümlich  vermittelnde  Ganae.'  Da  die  «Philosophie'^ 
»die  Wiasenachafk  überhaupt''  iat,  so  sind  diese  awei  Theile,  well 
las  Object  des  Alls  im  Oegensatae  sich  als  Natur  und  Geist 
danteilt,  „Naturwissenschaft"  und  „Wissenschaft  dea 
Geistes.'  Das  Leben  vereinet  beide  Gegensütae  der  Natur 
Qod  des  Geistes.  Daher  ist  Lebensweisheit  der  dritte,  die 
Mden  ersten  Theile  ala  Ganaea  einende  und  vermittelnde  Theil. 

Die  „Wiisenachaft  dea  Geistes"  nennt  der  Hr.  Yerf.  (S.  15) 
aodk  «Wiaaensehaftalehre,  weil  der  Geist  „daa  Wissen  schafft  und 
hbrt*'  Sie  muaa  der  „ Naturwissenschaft "  und  ^Lebenswelaheit"  vor- 
anigahen.  Der  Geist  muaa  «sich  selbst  wissen,  ehe  er  sich  in  einem 
«riem  cum  Begriffe  bringen  kann.'' 

Die  Wissensohaftslehre  ala  der  erste  Theil  des  Systems 
diaser  Philosophie  aerfKllt  wieder  In  drei  Abschnitte:  1)  ^»die  Lehre 
▼cm  BewQsataein",  2)  die  „Lehre  dea  Geistes"  (sie)  und 
3)  die  «Seelenlehre." 

Das  vorliegende  Buch,  «die  Lehre  vom  Bewusstseln"  betitelt, 
tuftUt  alao  eigentlich  nur  den  ersten  Abschnitt  des  ersten  Theila 
te  gansen  Systemes;  denn,  waa  der  Hr.  Yerf.  Wissenschafts- 
lelire  nennt,  ist  nicht  seine  ganze  Philosophie,  sondern  nur  das 
State Stfick  derselben,  wozu  noch  die  Geistes-  und  Seelenlehre 
ala  erginiende  Stücke  gehören,  die  nach  der  Anlage  des  Werkes 
kama  behandelt  werden  können. 

Wir  haben  es  also  nur  mit  einem  Fragmente  zu  thun,  und  doch 
will  dieses  Fragment  eine  grosse  Aufgabe  lösen.  Es  soll  die  ganze 
Gasdüdite  dea  Selbatbewuastseins  dargestellt,  es  soll  gezeigt  werden, 
^  der  Mensch  durch  den  ganzen  Yerlauf  seiner  Entwicklung  dazu 
kommti  vom  Bewusstsein  au  gelangen,  Bewusatsein  von  sich  selbst 


i2  Biedermann;    Wigflensdialtglelire. 

und  VOD  den  Gegenständen  ausserbalb  seiner  zu  erhalten.  So  ken- 
nen wir  unsere  Schrift,  weil  die  Lehre  yom  Beyrusstsein  gaus  vor 
uns  liegt,  auch  als  eine  selbständige,  für  sich  bestehende  Unter- 
suchung betrachten.  Unsere  Abhandlung  hat  nach  der  überall  vor- 
springenden Heg  er  sehen  Trilogie  3  Abschnitte:  1)  die  Lehre 
von  d^r  SinnlichlEeit  (S.  19 — 172),  2)  von  der  Uebersinn- 
lichkeit  (S.  172—256),  3)  von  dem  beide  zusammenhaltenden! 
einenden  und  als  Ganzes  vermittelnden  Bewusst8ein(S.  256— 280). 

Der  Hr.  Verf.  fangt  S.  21  mit  dem  „Sinn^^  an,  durch  welchen 
^der  Mensch  zur  Welt  kommt^,  und  stellt  diesem  die  Dinge,  oder, 
wie  er  die  Welt  auch  nennt,  das  Ding  gegenüber.  Beide  wirken 
Auf  einander  durch  Bewegung,  und  in  ihrer  Wechselwirkung  äussert 
sich  diejenige  Entwicklung  des  Geistes,  welche  man  als  Sinnlich- 
keit bezeichnet. 

Er  hat  also  kein  Prius,  als  den  Sinn  und  das  Ding.  Es 
wird  nicht  weiter  gefragt:  Woher  kommt  der  Sinn?  Woher  das 
Ding?  Die  Frage  bezieht  sich  einzig  und  allein  darauf:  Wie  ent- 
steht Sinnlichkeit,  Uebersinnlichkeit  durch  das  Zusam- 
menwirken von  Sinn  und  Ding?  Offenbar  wird  nach  seinem,  für  die 
Thatsache  der  Entwicklung  des  Selbstbewusstseins  angenommenen 
Prinzip  derselbe  Fehler  begangen,  welcher  „von  ihm  seinem  Lehrer 
Hegel  (S.  9)  vorgeworfen  wird:  „Die  Mängel  des  HegeTschen 
Verfahrens  sind  von  namhaften  Schülern  des  Meisters  aufgedeckt 
worden.  Zuerst:  Das  Denken  nimmt  einen  Begriff  vor^  dessen 
Inhalt  es  zum  Ausdrucke  bringen  will.  Aber  woher  nimmt  das  Den- 
ken diesen  Begriff?^ 

Auch  hier  geht  die  Philosophie  vom  Unterschiede  des  Sinnes 
und  Dinges  aus,  ohne  zu  zeigen,  woher  der  Sinn,  woher  das  Ding 
komme.  Sie  setzt  eine  Zweiheit  fest,  ohne  die  Einheit  zu  haben. 
Denn  durch  das  Bewusstsein  kann  diese  Zweiheit  nicht  aufgehoben 
werden,  da  ja  das  Bewusstsein  eben  dadurch  Bewusstsein  ist,  dass 
es  sich  in  semem  Unterschiede  als  durch  den  Sinn  entstandene  Tha- 
tigkeit  von  dem  Dinge  festhält. 

Die  Sinnlichkeit  äussert  sich  als  Empfindung,  Wahrneh- 
mung und  Erfahrung. 

Sinne  und  Dinge  sind  „zusammen.^  So  sind  die  Sinne  ^^be- 
dingte  Sinne^  und  die  Dinge  ;,al9  die  Sinne  bedingend^  und  „vor 
den  Sinnen  gedacht^  die  „vorhandenen  Dioge^  (S.  24).  Die  »vor- 
handenen^  Dinge  „mit  den  Sinnen  zusammengefallen  und  diesen 
auch  verfallen^  sind  das  ^^Sinnfällige.  ^ 

Der  „Sinneseindruck,  an  dem  Sinufälligen  ausgedrückt,  ist 
Empfindung^'  (S.  25). 

Sinn  und  Ding  „treten  zusammen^,  und  „kommen  wieder  aus* 
einander.^  Durch  das  „Auseinandertreten^  wird  zuletzt  das  Ding 
„der  Empfindung  nach  gleichgültig^  und  der  Sinn  dem  Dinge  ge- 
genüber „  empfindungslos. '^ 

Das  ;,der  Empfindung  nach  gleichgültig  gewordene  Ding,  un- 


BiadenMmi:    WlneucbaftaUhre.  03 

gMchtet  lUer  Empfindmigsloaigkeit  der  Sinne  diesen  gegenüber  be- 
Kehend,  ist  der  Gegenstand.^  Auf  den  Gegenstand  besieht  sich 
dis  «Ge  wahr  wer  den'  (S.  35).  Wenn  man  unterschiedene  Ge* 
lensObide  als  zusammenhängend  nnd  einander  gleichend  gewahr 
wild,  entsteht  „die  Vergleichung  der  Gegenstände^  (S. 42). 

Dag^en  ist  das  Gewahrwerden  der  von  einander  geschiedenen 
md  onterschiedenen  Gegenstände  »die  Unterscheidung''  (8.  39). 

Das  Gewahrwerden  der  Gegenstände  in  ihrem  Unterschiede  nnd 
unsrer  Vergleichung  ist  die  »Wahr nehmung'  (S.  44). 

Die  Gegenstände  werden  neben  einander  wahr  genommen  und 
die  Tbeile  der  Gegenstände  wechselseitig  auf  einander  bezogen.  Durch 
diese  Thätigkeit  enUteht  die  Betrachtung  (S.  48). 

Baum  nnd  Zeit  erscheinen  uns  durch  die  Beobachtung  nnd 
Betrschtnng  ^  als  das  Mittel,  in  dem  die  Gegenstände  bestehen,  ent- 
stehen und  vergehen^  (S.  60). 

Der  Hr.  Verf.  yerwandelt  nun  den  »Gegenstand'  in  die  »Sache^ 
und  diese  «in  die  Thatsache^,  die  beliebte  HegeTsdie  Trilogie 
herauszubringen,  und  setzt  dieser  eine*  neue  Trilogie  (8.  72),  »Auf- 
fassung von  Thatsachen',  »die  Ueberzeugung'  oder  »die 
Bethätigung  der  Sinne  bei  Auffassung  der  Thatsachen'  (8.  77)  und 
die  Erfahrung,  welche  Auffassung  und  Ueberzeugung  zusammen- 
lasen soll,  entgegen.  »Thatsachen  eigenthümlich  aufgefasst  zu 
haben,  und  tou  eigener  Thätigkeit  als  in  der  That  überzeugt  tu 
sein,  ist  Erfahrung^  (8.  78). 

So  bilden  »Empfindung',  »Wahrnehmung'  und  »Er- 
fahrung' (S.  80)  die  »Sinnlichkeit.'' 

Eine  ganz  besondere  Vorstellung  von  der  »U eb ersinn lich- 
l^eit^  wird  im  zweiten  Abschnitte  8.  83ff.  durch  die  trilogi-» 
sehe  Dialektik  zu  Stande  gebracht. 

Die  Gegenstände  yergehen  und  entstehen  wieder  für  uns.  Eben 
80  rerhält  es  sich  mit  ihren  Erscheinungen.  Diese  Thatsache  ist 
,die  Wandel  bar  keif"  der  Gegenstände  (8.  94).  Trotz  dem, 
dass  die  Gegenstände  vergehen,  kann  man  sie  dennoch  festhalten, 
auch  dann  bewahren,  wenn  sie  nicht  mehr  für  uns  vorhanden  sind« 
Dieses  ist  das  »Innewerden^  der  Gegenstände  (8.  101).  Der 
ihissere  Gegenstand  ist  vergangen.  So  »verliert  die  Sinnlichkeit  all- 
m&hlig  allen  Grund  und  Boden.'  Die  »Sinne  haben  keine  Empfin- 
diag,  die  Gegenstände  sind  verlassen,  und  dennoch  bleibt  der  Ge- 
genstand in  uns,  er  hat  seinen  letzten  Haltpunkt  im  Gehirne.'  Es 
üt  dieses  Innewerden  »kein  Innewerden  der  Gegenstände  der  Sinne, 
kein  Innewerden  der  Sinne',  es  ist  »ein  sinnliches  Vergehen',  weil 
der  Gegenstand  nicht  mehr  ist;  es  ist,  was  wir  durch  das  Innewer- 
den des  Gegenstandes  festhalten,  ein  nicht  durch  den  Sinn  unmittel- 
bar entstandenes,  ein  »nicht  sinnlich  Entstandenes,  I^ichtsinnliches.' 
Dieses  Innewerden  ist  also  »NichtSinnlichkeit,  Unsinnlichkeit',  etwas 
SV  in  uns  Vorhandenes,  »Innerlichkeit'  (S.  103).    Der  Herr 


'94  BMemiaiiii:    Wisgeiifclitflilelite. 

Verfasser  nennt  dieses  Innewerden  des  nieiit  voriiandenen,  odtf, 
wie  er  sich  aasdrflckt,  vergangenen  Gegenstandes  ^Nicbtsinti^ 
lichkeit.^  Ist  aber  das  Erinnern  an  einen  allein  durch  die  Sinne 
ericannten  Gegenstand  nicht  auch  sinnliches  Erkennen?  Ef  tfemit 
dieses  Erinnern  ein  ^sfainlich  nicht  entstandenes«^  MttM  nfeht 
Euerst  der  Gegenstand  anf  die  Sinne  gewirkt  haben,  damit  num  sieh 
des  dnreh  die  Sinne  entstandenen  Gegenstandes  erinnern  kStme?  bt 
also  nicht  diese  sogenannte  ^Nichtslnnlichkeit*  oder  „Ünsfatnlich- 
fceit'  des  Verf.  eist  durch  das  entstanden,  was  von  demselben  ^Shtii- 
lichkeit**  genannt  wird?  Sagt  er  doch  selbst  S.  104,  das»  dto  «Un- 
einnlichkeit^  durch  die  „Sinnlichkeit^  begründet  werde.  Kann  nmn 
ein  solches  Erinnern  an  vergangene  GegenstMnde  „Nicfatrinnlichkeft* 
nennen?  Es  ist  und  bleibt  Slnnlidikeit,  nur  ist  die  durdi  dett  vor- 
handenen äusseren  Gegenstand  entstandene  eine  unmittelbare,  die 
durch  Erinnerung  hervorgehende  eine  mittelbare  Sinnlichkeit  Weüli 
bnn  diese  ^^sinnlich  vergangenen  Gegenstände"  von  mis  „vefffeg^ii* 
wärtigt  werden',  wie  wenn  sie  vor  unsem  Sinnen  wären,  erft^lgt 
das  „Merken*'  (S.  105).  Es  sind  Gegenstände  vor  uns,  £e  wit 
merken,  und  andere,  die  von  uns  gegenwärtig  nicht  gemerkt  werden. 
„Sinnlich  vergangene  Gegenstände  als  Bilder  gemerkt  haben  utd 
'der  ungeraerkten  gewärtig  sein*,  ist  „Erinnerung'^  (S.  108).  Die 
„Erinnerung,  Gegenstände  gemerkt  au  haben,  ist  Vergessenheit'' 
(8.  114).  Wenn  „in  Vergessenheit  gerathene  Erinnerung^  wtedtor 
gefunden  wird,  zeigt  sich  „Rückerinnerung^  (B.  118).  IMe 
Bilder  der  Erinnerung  werden  zu  allgemeinen  Bildern  vereitii  8o 
zeigt  sich  „Einbildung«  (S.  127).  Für  die  Bilder  werden  Zel-> 
eben  gesucht  und  gefunden.  So  entsteh  die  Bezeichnung  (S.  135). 
Das  „bedeutungsvolle  Zeichen«  für  das  Bild  Ist  die  ^Vorstellung^ 
(S.  140).  Das  Zeichen,  in  wiefern  es  die  ausserhalb  dessdben  vor« 
gestellt  gewesenen  Bilder  als  in  demselben  enthalten  vofstelh,  iat 
^der  Inhalt  der  Vorstellung'  (S.  146).  Hit  dem  Inhalte  derTot^ 
Stellung  entsteht  ihre  Gestalt;  sie  ist  das  Aeussere  des  Inhalln; 
Die  Ciestalt  der  Vorstellung,  durch  weldie  ihr  Inhalt  ansgesprodieia 
wird,  ist  die  Sprache  (8.  15JS).  Die  Sache  erhält  ihren  Namte. 
„Die  Sache  mittelst  des  Niunens  kemien«  ist  ErkenntnisiB.  Offenbar 
ist  der  CSrkel  hier  nicht  zu  verkennen,  da  das  Erkennen  dittcbr 
das  Kennen  erklärt  wird. 

Wenn  man  eich  aber  zur  Beseitigung  dieses  Vorwurfs  auf  am 
Unterschied  zwischen  Kennen  und  Erkennen  beruft,  so  liegt 
immer  noch  darin  der  Mangel,  dass  man  das  zu  Erklärende  durch 
das  zu  Erklärende»  also  gar  nicht  eiidärt. 

Die  drei  entwickelten  Momente  der  Erinnerung,  VorateK 
lung  und  Erkenntniss,  durch  die  Sprache  vermhielt,  bilden 
und  erfiiUen  ^den  Kreis  der  Uobersinnllchkeit'  (S.  172). 

So  wfard  die  ^UnsinnlichkeH«  oder  „NIchtsinnllchkelt''  des  Hm. 


Bte^emaiiii :    Wlflieiueliaftf lehre.  95 

Tal,  die  nidits  Anderes,  als  mit  yergangeneti  Gegenständen  sich  be- 
seUfllgende  Sinnlichkeit,  ist,  in  Uebersinnlichkeit  verwandelt. 

£ine  solche  uebersinnlichkeit  ist,  über  den  Kreis  des  Materia« 
finnis  hinaosankemmen,  nicht  hn  Stande.  Den  Uebergang  cum  Be- 
wvsstseln  M\  nun  da^  Gefühl  bieten.  Wenn  das  Empfinden 
hx  Skme  sich  yom  Empfnndenwerden  der  Dinge  unterscheidet ,  so 
iit  dieses  Unterachelden  das  ^GeftthP  (S.  182}.  Die  Dinge  wer- 
den DÜmlich  empfunden,  sie  erleiden  Empfindung,  sie  empfinden  aber 
^dit,  die  Empfindung  selbst  haben  sie  nicht.  Man  empfindet  durch 
mefl  Unterschied  die  Dinge  als  von  uns  empfunden  und  den  Sinn 
öad  Witt  ihm  doi  Körper  selbst  als  die  Dinge  empfindend.  So  wird 
ms  der  Körper  fühlbar.  ^Den  eigenen  Körper  fühlen  (sie)  ist 
G^eftihl.«  Dieser  OIrkel  kann  als  keine  Definition  des  Gefühls  gel- 
lea.  hk  Shnlicher  Weise  wird,  Indem  das  Fühlen  immer  wieder 
Airdi  das  Fühlen  in  der  Definition  erklärt  wird,  S.  195  „das  Ge** 
fflkl  des  Unwohlseins*  und  S.  191  das  ^Gefühl  des  Wohl- 
Seins*'  definirt.  Das  Gefühl  zu  sein  ist  das  „Gemeingefühl<<. 
Fiaden  läset  sieh  nur  das,  was  Gegenstand  der  Erfahrung  ist.  Bei 
demNiehtsumlichen,  oder,  was  dem  Hm.  Verf.  dasselbe  Ist,  bei  dem 
Debersimiliehen  ist  keine  Empfindlichkeit  der  Sinne  gegenüber  dem 
Gegenstand,  welcher  rergangen  ist,  vorhanden.  Es  kann  also  auch 
TOB  keinem  Gefühl  dieses  Nichtsinnlichen  die  Rede  sein.  Und  doch 
ist  man  noch  trots  dieser  Gefühllosigkeit  bei  Sinnen,  „da  man  sich 
IflwtsinnBch  bethätigt«'  »Ungeaditet«  aller  Gefühllosigkeit  nicht  nur 
bei  Shmen^  vielmehr  auch  übersinnlich  bethätigt  au  sein  ;,lst  Be<* 
Binnung*  (S.  226). 

Erschehiungen,  die  mit  der  EInathmung  des  Chloroforms  verbun- 
den smd,  sollen  beweisen,  dass  man  ohne  alles  Gefühl  bei  Sinnen 
lein  kann.  Die  Bethätigung  dessen ,  was  hier  „nichtsinnlich^  odef 
ȟbersinnlith''  genannt  wird,  ist  aber  ebenfalls,  wie  schon  gezeigt 
wurde,  sinnlich,  und  eine  solche  ist  ohne  alles  Gefühl,  bei  gänzli* 
Aer  Gefühllosigkeit,  nicht  zu  denken.  Soli  etwa  die  Aeusserungf 
^hMS  diloroformirten,  bejahrten  Mannes  während  einer  Knochenaus* 
sigung,  dass  er  „die  Säge  wohl  spüre',  aber  „keine  Wefathat  habe'^ 
(rfe)  das  Vorliandentfein  von  Besinnung  ohne  alles  Gefühl  be- 
weisen? Wenn  eine  andere  cbioroformirte  Frae  zuletzt  „kein  Zeichen 
mehr  hatte,  der  Sinne  irgend  wie  mächtig  zu  sein^  (S.  281),  kann 
mit  solchen  Thatsachen  bewiesen  werden,  dass  man  ohne  alles  Ge- 
fSÜ  bei  Sinnen  sein  kann? 

Wenn  „Gefühl,  Sinnlichkeit  und  Uebersinnlichkeit  vergangen 
sind*,  entsteht  ^^Besinnungslosigkeit^  (S.  2dS>  Schlaf  ist 
«ne  solche  theilweise  Besinnungslosigkeit,  Ohnmacht  ist  die  „volle 
Besinnungslosigkeit  des  Körpers.^  Die  dem  „Körper  eigenthümliche 
Wirksamkeit^  besteht  nämlich  noch  fort.  Erst,  wenn  auch  diese 
BtUie  steht,  tritt  der  Tod  ein,  und  entsteht  Verwesung. 

Der  Besinnung  Jeder  Zeit  mächtig  zu  sein,  ist  ^yBesonnen- 


96  BiedermaBD:    Winenacbaftololkre. 

heit^'  (S.  239).  Wenn  Sinnlichkeit  oder  Uebersinnllcbkeit,  GefiiU 
oder  Besinnung  sich  thataächlich  bewiesen  haben,  entsteht  „dieGe- 
wissheit^  derselben  (S.  251).  Von  dieser  Gewissheit  wird  nun 
zur  Bestimmung  des  Begriffs  desBewnsstseins  aosgegangen,  wel- 
ches nichts  Anderes  ist,  als  das  Gewisssein  j^sowohl  des  Vor- 
handenseins der  Dinge,  als  auch  des  eigenen  Daseins^  £ufolge  „der 
Sinnlichkeit  und  Uebersinnlichkeit ,  des  Gefühles  und  der  Besin- 
nung«' (S.  256). 

Das  Bewusstsein  äussert  sich  als  ,)Sinnliches^  und  „übersinn- 
liches^. Jenes  entwickelt  sich  stufenweise  als  ;, Empfindung^,  „Wahr- 
nehmung'' und  „Erfahrung'',  dieses  als  „Erinnerung^,  Vorstellung'^ 
und  „Erkenntniss''  (S.  267).  Mit  der  Annahme  des  sinnlichen  und 
übersinnlichen  Bewusstseins  ist  der  ganze  Inhalt  des  Bewnsstseins 
noch  nicht  erschöpft.  Es  hat  noch  die  Stufen  „des  Gefühls'  und 
der  „Besinnung"  zu  durchlaufen,  um  zum  Selbst  bewusstsein 
zu  gelangen  (S.  273).  Erst,  wenn  durch  das  Gefühl  und  die  Be- 
sinnung das  Bewusstsein  sich  zu  dem  Bewusstsein  gestaltet,  be- 
wusstlos  gewesen  und  seiner  selbst,  wie  eines  Andern,  bewusst  ge* 
worden  zu  sein,  zeigt  sich  das  „Selbstbewusstsein"  (S.  278). 

So  benutzt  der  Hr.  Verf.  überall,  so  hart  sein  Urtheil  gegen 
Hegel  ausfällt,  die  Methode  der  trilogischen  Hegerschen  Dialek- 
tik, und  gelangt  auf  diesem  Wege  offenbar  zu  demselben  Resultate, 
wie  Feuerbach,  den  er  übrigens  nirgends  erwähnt,  zum  Materia- 
lismus. Alles  wird  zuletzt  auf  Ding,  Sinn  und  Bewegung 
zurückgeführt.  Das  Bewusstsein  entsteht  zuletzt  durch  das  Zusam^ 
mentreten  des  Dinges  und  des  Sinnes  vermittelst  der  Bewegung. 
Daraus  entsteht  zuerst  die  Sinnlichkeit,  so  fort  aus  dieser  die  Ueber- 
sinnlichkeit, welche  nach  dem  Hrn.  Verf.  nichts  Anderes  ist,  als  die 
Erinnerung,  Vorstellung  und  Erkenntniss  dessen,  was  nach  Yergan- 
genen,  zu  Gegenständen  der  Sinnlichkeit  gewordenen  Dingen  noch 
als  Rest  der  Wirksamkeit  des  Dinges  im  Gehirn  haften  bleibt,  und, 
wenn  wir  das  Gefühl  unseres  Sinnes  von  dem  empfundenen  Dinge 
undxdem  von  ihm  in  uns  zurückgelassenen  Reste  seiner  Wirksam- 
keit unterscheiden,  das  Besinnen  und  Bewusstsein.  Im  Schlafe  ist 
die  Besinnung  theilweise  aufgehoben,  in  der  Ohnmacht  ganz,  nur, 
dass  noch  die  „Wirksamkeit  des  Körpers"  bleibt.  Hört  auch  diese 
auf,  ist  der  Tod  da. 

Bei  der  Besinnungslosigkeit  „vergehen  Gefühl,  Sinnlichkeit  nnd 
Uebersinnlichkeit''  (S.  233).  In  der  Ohnmacht,  wo  gänzliche  Be- 
sinnungslosigkeit herrscht,  sind  nun  Sinnlichkeit,  Uebersinnlichkeit 
und  Gefühl  vergangen;  nur  die  „dem  Körper  eigenthümliehe  Wirk- 
samkeit" (S.  236)  bleibt  bestehen. 

(Schlus$  folgt,) 


j^  ^  BEIDBLBIRGER  I 

/^ViHBÜGHlR  OBR  LITBBATl 


IBiedennann:   Wissenschaflalelire. 


(ScUoif.) 

Es  kann  also  von  einer  weitern  Fortdauer  dei  SeeÜA 
^eOB  andi  diese  Wirkflamiceit  aafhört,  keine  Rede  sein, 
dem  SliiDe,  dem  Dinge  und  der  Bewegung  beider  gemeinBcbafi 
^abfltrmt  kann  aber  nur  in  der  Materie  erJ^annt  werden,  und  I 
Qad  Zelt  alnd  ja  ^das  Mittel',  in  welchem  ^alle  Dinge  entst 
bestehen  und  vergehen.^ 

IMe  Porm  unseres  Buches  leidet  an  schwer  Terständlicher 

elnandexgekeilten  Sfitsen,  so,  dass  Perioden  vorkommen,  welche  j 

Seiten  ffOllen,  an  grammatischen  Härten,  Fehlem  und  ünverstän« 

keiten.  So  wird  S.65  „ausserhalb  dem  Thore^  construirt.  S. 73 lesei 

«Ohne  atller  Yermitüung^  S.  74:  „Ohne  aller  Zuthat%  S.  77:  „ 

a\ler   Tkfttigkeit',  S.  89:    „Ohne   weiterer  Erfahrung^,  S. 

«Es  liatte  Dicht  minder  auch   schon  in  dieser  die  Verwandlung 

wie  dann  die  Versinnlichung  der  Gegenstände,  begonnen  geha 

S.  97  :     yDer  durch  die  den  Sinnen  verfallenen  Dinge  bem 

ßndmck*,  S.  211:   „Es  hatte  doch  einer,  wie  der  andern,  ein 

fieseibe    Bewegung  zu  Grunde  gelegen  gehabt^,  S.  216:  »< 

gleiclizeitiger  Zugrundelegung  %  S.  218:  |,Es  hatte  Ueber 

Behk^t  noch  nicht  diese  Vermittlung  durchgemacht  gehabt^,  8. 

»Innerhalb  dem  Gefühle^,  S.  224:  „Es  hatte  somit  Uebersini: 

ieit    hei   weitem   nicht  immer   gefühllos   stattgefunden   geha 

S.   224  :  „So  hatte  doch  Erkenntniss  die  Stelle   des  Gefühls  ei 

nommen  und  Sinnlichkeit  zum  Gegenstande  behalten  haben 

Ben^,     S«  230:    „Ohne  aller  Sinnlichkeit  und  Uebersinnlichl 

S.  232:    „Dagegen  musste  das  Gefühl  vergehen,  damit  Besini 

habe    sa  Stande  kommen  können<<,  S.  233:    „Das  Gefühl  d 

^ßx  nicht  heftig  geworden  sein,  damit  Besinnung  habe  entst 

0k5nnen%  S.  233:    „Ohne  aller  Uebersinnlichkeit',  S.  255: 

war  d^n  Gemeingefühle  überhaupt  nur  um  die  Gewissheit  vor 

^en  zn  sein  zu  tfiun'^,  S.  277:  „Ohne  vielem  Bemühen,  S. 

^^ean,  nicht  nur  hatte  der  Sinn  lüles  mitgemacht  und  theilweis 

^ar  c^ethan,  was  thatsächlich  geschehen  war,  nicht  nur  hatt 

dte    I>hige  empfunden  und  die  Gegenstände  wahrgenommen, 

ebenao    er  es   diesen  angethan,    dieselben  zufolge   der  Beti 

ton^     nnd  Beobachtung   in   Baum    und   Zeit    vermittelt   und 

verSnderlleh  gewordenen  ab  Thatsacheit  aufge£asst  zu  babeo,  v 

L»  Jiikrf  .  ^  Heft.  '7 


M  Rdders  BttMold,  Ben.  n  nrh|M  »  Odriiidi  n.  mn^t  r.  O^Mt 

mehr  aneh  sehon  das  AufEuaeii  als  Thon  den  Thatsaclien  gp* 
tmVbm^  eb^di  saerst  noch  gans  unmittelbar,  Torhanden  ge- 
wesen ist*  (Kt)  0.  s.  w. 


BerkUM  der  Bärtige,  ergUr  Henog  von  Zäringen.  1000—1077.  Feeir 
gäbe  zu  Fder  des  20,  September  1856.  Dargebracht  von  C 
B.  A.  Fiekler.     Mannheim  1866.     8.    8.  IIL 

Odalrieh  IL,  Oraf  von  DiUngen-Kiburg ,  Bischof  von  Comtatve, 
1110—1127.     Von  C.  B.  Ä.  Fickltr.    Mannheim  1856.    8. 

Torstehende  beide  Schriften  geben  ein  Bild  Yon  zwei  südteut- 
sdien  Fürsten,  deren  Wirkungkreis  und  Lebenszeit  sie  in  innigen 
Znsammenhang  mit  der  teutschen  Reichsgeschichte  brachte.  Der 
enrtere  daYon  Ist  ober  der  bedeutendsten  weltlichen  Fürsten  im 
Süden  und  der  andere  ein  geistlicher.  Der  eine  stirbt  mittea  im 
Kampfe  der  Auflehnung  der  Herzoge  gegen  die  ungesetzliche  HacbC 
Heinridi'B  IT.,  der  andere  spielt  im  Streite  zwischen  Papstthum  und 
Heinrich  T.  eine  rermittlende  Bolle  und  erlebt  die  Tersöhnnng  mit 
Stinem  Oberhaupte.  Es  ist  überflüssig  von  dem  Terdienst  des  Ver- 
fassers zu  reden,  der  in  so  gut  gewählten  LebensbllderD  die  interes- 
santesten Perioden  der  teutschen  Geschichte  anschaulich  zu  machen 
sucht  Die  erste  Schrift  ward,  wie  schon  der  Titel  sagt,  als  Featr 
gäbe  zum  20.  September  publicht.  Die  Beziehung  des  ersten  Her- 
zogs von  Z^lngeui  des  Stammraters  der  regierenden  Familie  in  Baden 
zu  jener  Feier  ist  shinig  und  bedeutsam.  Hier  aber  muss  nicht  sowolil 
diese  Biographie,  als  die  des  Ahnherrn  eines  regierenden  Hauaee, 
sondern  yielmelir  ihrem  wissenschaftlichen  Werthe  nach  ins  Auge 
gefisst  werden.  Die  Stellung  des  Herzogs  Berhtold  zu  Kaiser  und 
Beich  ist  mithm  zunSchst  zu  besprechen.  Der  rein  wissenschafUidi 
gelialtene  Ton  der  liistorischen  Forschung  und  die  yielen  interesoaii- 
ten  Gesichtspunkte  und  Fragen,  welche  der  Terfassei  darin  anrogti 
geben  Teranlassnng  diese  Monographie  vom  Standpunkt  der  Wia- 
senscbaft  allein  zu  betrachten« 

Folgendes  sind  die  einzeben  Abschnitte  in  der  Biographie  Berli- 
told's  des  BSrtigen :  —  Zeitverhältnisse  beim  ersten  Auftreten  Berl^ 
told's  als  Graf  im  Breisgau.  Berhtold's  erste  Ehe  mit  BichwsM 
zweite  Ehe  mit  Beatrix  yon  Housson.  Seine  Kinder«  Markgrill 
Hermann  ist  sein  Erstgeborner.  Herzog  Berhtold's  Wirken  in  sei- 
ner Zeit  Andeutungen  über  Herzog  Berhtold's  Terfahren.  Gate^ 
besitz  der  ZSringer.  Das  heutige  Badische  Wappen  ist  der  alti 
ZftriDger  Schild.  Am  Schlüsse  findet  sich  eine  Stammtafel  des  Z& 
ringischen  Hauses. 

Es  ergibt  sich  immer  mehr  durch  die  «Alreichen  Monograpbiei 


IkUar:  BtriMi,  Ben.  ▼.  UiiigM  i.  OMifai  IL  KmM  «.  CMt  I» 

iflri  Lofad-StadicB  rar  teirtMh«n  QmUA^  tei  die  bUi«||t  B4- 
JbMDui:  deiielbeB  ab  elaheitliclie  BeichsgMcUdite,  denn  ICmi 
ponkt  die  hemchende  Königsdjnaatie  ist^  einseitif  und  wnwiTdriiMJ 
UU.  Ifan  ttofs  die  teoteeha  Qeechiehta  faieea  ab  GeMMmheU  der 
Eetwieklmg  dar  ainialoao  Hanogthilmer,  bioehöflichen  ud  Adeto» 
Territerien  ond  dar  batreffandeii  Dynaetien. 

Ee  war  der  Partikniaiinniia  allgemein  iam  Leitende  In  Jader 
poKUKhan  Gestaltang  aelbet  in  dar  GaltiirantwieUnng  bei  den  T^m^* 
idbeBi  nidU  dae  Hoflaben  dar  Könige.  Einer  aeMian  Bahendinng 
d«  taalM^en  Geechlchta  lat  darcb  Special -Werke  nnd  lokale  Fer» 
iduugen  aebon  viel  Torgaarbaitet  nnd  jeder  Baitraf  ,  der  dieae  nena 
Aefineang  ftrdert,  wUlkomman,  wann  auch  leider  Ua  jeaC  dto 
Aaaffibmng  einee  eolchen  Pianea  feUl.  DIimo  AenaMmng  beaieht 
deh  lonScbat  aaf  die  „Gesehicbte  der  daotechen  Kaiaeraeit  von  Ola* 
Mkreeht*'  Dar  Inbalt  diesee  Baehee^  würde  mit  deai  TKel  über» 
«iDatinunan,  waan  diaear  lautete:  „Geachidite  der  dentaeben  KMga* 
Dena  et  gab  keine  teotechen  Kaiser  und  die  Zeit  od«r  ZeitvarUb* 
Mm  In  socialer,  politischer  und  cnltnrhistoriadier  Hinsieht  aind  hier 
Mdit  berficicsiehtigt  Hr.  Fkkler  gibt  nun  in  deai  eisten  AhachnHte 
«iae  selehe  fibarsicbtlicha  aber  Ueffenda  Skisca,  wie  die  poIWadM 
Lne  in  Sudtantschland,  sur  Zelt  als  Conrad  IL  Ton  Bpeier  Kaiset 
wir,  sieb  darstellt  Alle  politischen  Basiehnngen  dissea  Hansea  in 
tai  siidtentschen  DjDasten  knüpfen  sich  an  ▼erwandsehaftliebe  Banden 
Dsreh  die  Töchter  das  Heraogs  Hermann  H.,  der  100t  starb,  wet» 
te  YersohwigeruDgan  dar  bedeutendsten  Fürsten  sngehahnti  welahe 
h  der  ganxan  Geschichte  der  salisdian  Djnastfe  Ten  groassr  Eni- 
idMidang  wurden.  In  diese  Verwandschaft  tritt  Berhteid  der  Bli- 
%  durch  seine  erste  Gemahlin  Richware,  der  Toditer  Heraoff  Her* 
naaa's  IL  ron  Alamannien,  wie  der  Verf*  im  zweiten  Abaehnltl» 
&  34.  35  nachgewiesen  hat  Die  Beweise  für  diese  Ehe  shid  nnn 
te  Ansprüchen  der  Zärloger  in  Folge  obiger  Verbindung  auf  dae 
HerNgthom  Klinten  mit  der  Mark  Verona,  auf  Alamannien  aelba^ 
w  den  Beaiehungen  au  Bnrguad  und  der  Steilnng  Besht<dd'a  an 
User  Konrad  EL,  «i  dem  Heraoge  Ton  Kftmten,  dem  Ton  Ak- 
«ttinien,  ala  seinen  Schwägern,  entnommen.  Es  ergibt  sieh  alee  nnoil 
nekler's  geiatreicher  Gombination,  daas  die  erste  Gnttln  Bediiold'a 
^  ZSringen  die  Schwester  der  Kaiaerln  Gisela  gewesen  ist.  Eteea 
Mm  Grad  tou  Wahfseheinllehkelt,  Ich  möchte  sagen  Ton  Gewiss* 
hdt,  «rhilt  diese  Vermuthnng,  wenn  man  den  Umatand,  den  te 
Vttf.  Biit  Recht  herTorhebt,  würdigt,  dass  nümlleh  der  KltsaU  Sohn 
Beriitold's  Hermann  nach  seinem  mütterlidien  Grossvater  diesen  Her 
Ml  trag.  Für  eine  solche  Namengebnng  in  diesem  Verwandaduilte- 
gnuls  Ismen  sich  aahlreieha  Analogien  anführen. 

ErfreuUdi  nnd  erhebend  Ist  swar  daa  Bild  der  poütlachen  Be« 
>Mmngen  bei  den  grossen  teutscban  Dynasten,  woan  Berbleld  ao 
4U«i  ist,  hl  jener  Zeit  keines  Wege. 


iöO    Fiekler:  Berbtold,  Hen.  t.  ZUringon  u.  Odalrich  II.  Bbchof  r.  CoBft 

Es  treten  die  trübsten  Schattenseiten  der  teutschen  BeichsYer- 
fassnng  hervor.  Ein  Jagen  nach  Länderbesits ,  Lehen,  Erbschaften 
mid  Titeln  sind  die  Motive  bei  den  Handlungen  der  Dynasten,  selbst 
die  regierende  Königslamilie  macht  Iceine  Ansnahme.  Die  ThStigksit 
der  Reichsfürsten  hängt  von  ihren  Ansprüchen,  die  sie  verwirklidieQ 
wollen,  oder  getäuschten  Hoflnungen  ab.  In  diesem  Getriebe  des 
Egoismns  der  Dynasten,  die  jede  Staatseinheit  und  auch  den  Schatten 
eines  KÖnigthums  ohne  Macht  zerstörten ,  sieht  man  wol  leicht  ein, 
dass  die  Absichten  und  Plane  der  Reichsfürsten  das  leitende  in  der 
teutsdien  Geschichte  sein  müssen,  nicht  die  Ideen,  die  Politiic  und 
das  Streben  der  Könige.  Wie  sich  die  staatliche  Entwicklnng 
nnd  die  Machtentfaltung  der  Herzoge  ausbildete,  darnach  haben  die 
Könige  die  Herzogthüm^r  behandeln  müssen.  Je  nachdem  sich  die 
Dynastien  befestigten  nnd  die  staatlichen  Verhältnisse  bei  den  ein* 
zelnen  Nationalitäten  sich  consolidirten ,  darnach  musste  sich  die 
Stellung  des  Königs  zu  den  nationalen  Herzogthümem  richten.  Ter* 
folgt  man  die  Specialgeschichte  in  den  handelnden  Personen,  so 
begreift  man,  wie  wichtig  Yerwandschaften  der  bedeutendsten  Dyna- 
sten in  einer  Gegend,  wie  etwa  in  Alamannien  zur  Zeit  Berhtold^s 
von  Zädngen  waren.  Die  ganze  Energie  der  Könige  aus  dem  Sa- 
Kscben  Hause  brach  an  den  Persönlichkeiten  der  Reichsfürsten.  Der 
Verf.  geht  S.  il  auf  die  Parteistellung  in  Teutschland  vor  dem 
Kampfe  Heinrich 's  IV.  mit  dem  Papstthum  über.  Der  gemehi- 
same  Zug  bei  den  Herrschern  aus  der  Salischen  Dynastie  war  eine 
gewisse  Gewaltthätigkeit,  die  sich  gegenüber  den  Fürsten  der  ein- 
zelnen  Stämme  schrofif  äusserte.  Auf  der  andern  Seite  aber  war 
das  Bewusstsein  der  Macht  nnd  Selbständigkeit  der  Herzoge,  die 
staadiche  Entwicklung  ihrer  national  geschiedenen  Länder  soweit 
gediehen,  dass  fast  keine  Scheidewand  sie  von  der  Souveränität 
mehr  trennte.  War  es  auf  Seite  der  Salischen  Kaiser  oder  auf  der 
Seite  der  Herzoge  ein  Ueberschreiten  ihrer  Stellung  und  rechtmässi- 
gen Macht,  wodurch  das  Königthum  in  dem  entscheidenden  Moment 
stürzte?  Das  kann  schwerlich  ohne  Einseitigkeit  gegen  die  wohlmei- 
nenden Ideen  der  salischen  Könige  oder  die  hergestammten  Rechte 
der  Herzoge  entschieden  werden.  Jedenfalls  aber  erkennt  man  das 
Gewagte  des  Unternehmens  Heinrichs  IV.,  bei  so  unsicherer  Stel- 
lung des  Königsthums  die  Trennung  des  Staates  von  der  Kirche 
zu  versuchen*  In  dem  ganzen  Benehmen  seiner  Gegner  besonders 
bei  Rndolf  von  Rheinfelden  und  Berhtold  von  Zäringen  zeigt  sich 
ein  tieferer  politischer  Blick  als  in  dem  Auftreten  Heinrich's  IV. 
Dieser  verfolgte  zwei  Ideen  zugleich  und  schuf  sich  dadurch 
zwei  Gegner.  Die  ersteren  waren  conservativ  auf  der  einen  Seite, 
egoistisch  auf  der  andern.  Wenn  auch,  was  Berhtold  und  Rndolf 
von  Rheinfelden  unbewusst  anstrebten,  damals  mislang  und  jener 
gebengt  durch  Gram  mitten  Im  beginnenden  Sturme  aus  der  Welt 
schied;  so  bat  doch  die  Folge  sein  Streben   und  seinQ  An«icht 


Pidder :  Berlilold,  Hart.  ▼.  Ziringen  u.  OMtith  IL  Bif cM  T.  CttMt      101 

fliinnd  gveebtfertigt.  In  dem  «weiten  Abschnitte  Seite  37  häi 
im  YerfMser'B  den  unzweifelhaft  richtigen  Beweis  mit  groeaem 
Scharfsinn  nnd  umsichtiger  Kritik  geführt,  dass  Marlcgnf  Her- 
■ton  L  Ton  Verona  —  der  heilige,  weil  er  später  canonisirt  wurde» 
der  Slteste  Sohn  Berhtold's  ist.  Der  Beweis  ist  indirekt  dadurch  ge- 
fdben,  daas  Berhtold  11.,  den  man  bisher  für  den  ältesten  8^ 
fierhtold's  des  Bärtigen  hielt,  nach  der  herkömmlichen  Ansicht  ein 
nngewShiiljch  hohes  Alter  erreicht  haben  müsste,  wovon  keia 
Cbronist  etwas  sagt  Die  ganze  chronologische  Deduction,  welch« 
kr  Verfasser  gibt,  zeigt  auf  Hermann  I.  als  den  zuerst  gebomes 
Sohn  Berhtold^s  hin.  Die  Lebensbeschreibung  dieses  Mannes  wfirda 
wie  über  andere  Verhältnisse  so  auch  namentlich  darüber  Auf-* 
schlius  geben,  wenn  sie  wieder  aufgefunden  würde.  Der  Verf.  er* 
wäimt  S.41  und  45  in  den  Noten  diese  Vita  Hermanni,  welche  oId 
gewisser  Odalrich,  Canonicus  in  Regensburg  verfasst  hat  leb 
glaobe,  daas  es  nicht  unerheblich  ist  über  diese  leider  verlorene 
Qoelle  für  Hermann's  I.  Leben  und  über  ihren  Verfasser  etwas 
Diberes  miizutheilen.  Als  Hermann  L,  Markgraf  von  Verona  und 
Graf  von  Baden  als  Laienbruder  unerkannt  in  Clngny  starb,  scheini 
68  bat  nur  der  Mönch  Odalrich  die  Abstammung  und  Stellung  des 
irommen  Klosterbruders  gekannt.  Jener  Odalrich  war  aus  einem 
lodteatschen  Geschlecht  von  hoher  Abkunft  und  die  Vermuthnng 
Üsgt  nahe,  dass  er  aus  einem  baierischen  Adelsgeschlechte  war»  Ana 
dem  Umstände,  dass  gerade  jener  Mönch  Odalrich  das  Leben  seines 
Landsmannes  Hermann  beschrieb,  folgt  auch,  dass  beide  sieb  ala 
Freonde  näher  gestanden,  und  vielleicht  die  Conversion  des  ersteren 
auf  dto  leztoren  £inflas8  hatte.  Diese  Lebensbeschreibung  ist  un- 
gificklicher  Weise  bis  jezt  noch  nicht  aufgefunden,  sie  wäre  eine 
interessante  Quelle  für  die  Geschichte  seiner  Zeit  und  vor  allem  für 
die  Geschichte  des  badischen  Hauses.  Ich  will  versuchen  nach« 
ioweisen,  ob  sich  dieselbe  noch  vollständig  oder  Auszüge  und  Be- 
arl»eitangen  ans  derselben  auffinden  liessen.  Hermann  L  ist  nach 
des  Verfassers  Angabe  c.  1030  geboren  und  in  einem  Alter 
▼en  44  Jahren,  etwa  1070-— 80  in  Clngny  gestorben,  um  diese  Zeit 
alao  ist  auch  sein  Leben  von  Odalrich  beschrieben  worden*  Diese 
Vita  ward  wol  schon  in  Clngny  selbst  von  Odalrich  verfasst  unci 
war  aoch  dort  ohne  Zweifel  in  einer  Abschrift  zurückgeblieben,  nach-* 
dem  ihr  Verfasser  Odalrich  als  Canonicus  nach  Regensburg  kam. 
Die  nach  Teutschland  verbrachte  Lebensbeschreibung  sah,  wie  Fick« 
1er  L  d.  S.  45  bemerkt,  noch  um  1113  ein  Mönch  des  Klosters 
Melk  in  Nieder-Oesterreich.  Dieser  Mönch  wird,  da  sein  Namen 
>och  nicht  aufgefunden  ist,  gewöhnlich  Anonymus  Melllcensis  ge* 
saant  nnd  ist  als  einer  der  wichtigsten  Quellenschriftsteller  bekaimt 
Wie  es  nun  gekommen,  dass  Ihm  die  Lebensbeschreibung  Hermann'« 
Yoa  Baden  bekannt  wurde,  kann  man  aus  folgendem  mit  einiger 
Wahrscheinlichkeit  darthnn.   —   Es  war   ein    dem    Sueton    nadi* 


m     PiAbr  t  Barhiold,  ITenb  t.  Zirl^M  «.  O^alricli  IL  KMhoffr.  Cöut 

gtSOdMer  Bnach  des  MitteUIteni,  dass  man  die  Literatur«  nnd  Eir- 
chang^achlchte  biographiacli  behandelt  hat  Man  aohlosa  sidi  an  die 
Schrift  des  Hieronymus:  de  Tirte  Ulostribos  (enthUt  135  Biographien, 
TSttesst  L  J.  392)  nnd  an  dessen  Fortsetsang  von  Gennadins,  mit 
gleichem  Titel,  an.  Gennadins  gibt  100  Lebensbesdirelbung«n,  die 
«m  496  TcrQffentlicht  wurden.  Audi  Gennadius  fand  in  I^oras 
e.  630  und  dieser  wieder  in  Ildefonsus  c.  660  einen  Fortsetser.  Also  gans 
kl  der  Art  der  Annalen  und  Chroniken  reihte  man  auf  dem  Gebiete 
der  Literaturgeschichte  Biographien  an  die  vorhandenen  Sammel- 
werke von  Lebensbeschreibungen  der  in  der  Wissenschaft  und  Kirche 
verdienten  Minner.  Im  11.  und  Anfang  des  12.  Jahrhundorts  auch 
noch  spiter  ward  diese  Art  von  biographischen  Literatur-  nnd  Kir* 
ehtngesehiditen  an  etaiselne  Mittelpunkte  des  wissenschaftlichea  und 
kircUlchen  Lebens,  das  heisst  an  gewisse  Klöster,  Kirchen  oder 
Orden  geknüpft.  Ein  solches  biographisches  Handbuch  der  Litera* 
turgeschichte  schrieb  Sigebertns  Gemblacensis  c.  1100.  Noch  im  IS. 
Jahrhundert  befolgte  ein  Mönch  Petrus  iron  Monte  Casino  in  Besag 
auf  die  Schriftsteller  und  berühmten  Männer  aus  diesem  Stift  die- 
selbe Art  der  Darstellung.  Für  Teutschland  war  ein  solcher  literfi- 
rischer  Mittelpunkt,  der  auch  zugleich  ein  Brennpunkt  des  kirchli- 
ehen Lebens  war,  das  Kloster  Hirsau.  An  dieses  Kloster  lehnt  sich 
daher  tfne  solche  biographische  Literaturgeschichte  in  zwei  £me&- 
datlonstt  an.  Die  eine  derselben  stammt  von  dem  oben  angeführten 
Mönch  von  Melk«  Derselbe  war  dahin  von  Hirsau  gekommen  nnd 
ein  Schüler  des  heil.  Wilhelm.  Seine  Schrift  ist  das  bekannte  Werk 
des  AneuTmus  MelUcensis.  Er  beginnt  seine  Literaturgeschichte  hi 
Lebensbeschreibungen  da,  wo  Gennadius  schliesst  und  hat  sie  bis 
1120  geführt.  An  der  Spitze  steht  die  Vita  S.  Wilhelmi.  Die  andere 
Abschrift  oder  besser  Recension  des  ursprünglich  Hirsauer  Werkes: 
de  seriptoribus  ecclesiasticis  befindet  sich  im  Kloster  Admont  in 
Stelennark.  In  dem  Aufsatze  von  Muchar  |,Handschriften  des  Stiftes 
Admont^  im  6.  Band  des  Archivs  vpn  Pertz  S.  175—181  ist  jener 
Codex  nicht  aufgeftihrt  So  viel  ich  weiss,  ist  er  auch  noch  nicht 
mit  dem  Anonymus  MelUcensis  eingehender  verglichen  und  nach 
den  Quellen  beurtheilt  worden,  daher  ich  von  dieser  Admonter 
Handschrift  hier  rede,  um  zu  zeigen,  wie  der  Hhrsauer  Verfasser  des 
Weriies  de  seriptoribus  ecclesiasticis  zu  der  Lebensbeschreibung  des 
hdllgen  Hermann  kam.  Der  Admonter  Codex  ist  gleichzeitig  mit 
dem  Anfang  des  12.  Jahrhunderts,  bis  wohin  die  Biographien  rei- 
dien.  Er  ist  aber  älter  als  die  Handschrift  von  Melk.  Es  geht 
nnswelfelhaft  ans  dieser  Admonter  Handschrift  hervor,  dass  der  Ver- 
ÜMser  in  Begensburg  lebte,  da  er  besonders  den  Ordensleuten  von 
St  Emmeran  Anfbierksamkeit  widmet.  Mithin  weist  das  angeblich  aus 
Melk  stammende  Werk  in  seiner  Entstehung  auf  Hirsau  und  Regens- 
borg  svttek.  Somit  ist  es  erklärlich,  dass  der  Verfasser  oder  Fortsetier, 
des  einige  Zeit  in  Begensburg  lebte,  die  Vita  Hermanni  des  Odal- 


fkkkn  fcrtteU,  Bm.T.llffliftBi.0iilfMILlteMT.6Mii     M 


lieh)  wddittr  in  B«geii0biirg  nm  1090  Cteonictts  war,  koBMii  Imte. 
Mer  kam  nuui  auch  die  HoAiimg  hegen,  dais  mter  den  Begena- 
\/Bpg  Haadiehriften  die  VUa  dea  beUlgen  Hermann  eich  noA  Snde. 
Aieh  aof  den  unprünglichen  Verfaaaer  dea  Werkes  Ton  Melk  wM 
toA  die  Admonter  Handechrift  Licht  geworfen.  Oewiea  wiie 
m  ula  erwilnaeht,  wenn  einer  der  BJbide  «der  Quellen  nnd  EiSr- 
tflnagen  anr  baieriaehen  and  dentachen  Geachichte^,  Ae  Jaat  In 
WkaAm  gedruckt  werden,  diese  Biographie  des  heiligen  Hermam 
T«  Baden  heichte.  Eine  GoUation  der  Stelle  Aber  fieniann  Ton 
Baden  ans  dem  Admonter  Codex  und  der  Aasgabe  des  Anonymoa 
MsiliciMis  ist  swar  achon  gemadit,  aber  noch  nicht  verMTentlldit  wor* 
des.  Es  ist  noch  eine  andere  Qaelle  nnantetsncht,  welche  Ober  dieaa 
ffisfri^hle  Aubchloaa  geben  könnte.  Ea  haben  Tiellelcht  aadi  in 
Oagny  Seqnensen  auf  den  heiligen  Lalenbruder  Hermann  von  Ba- 
den existirt,  welche  in  mancher  Hinsicht  die  noch  nicht  anlgeAindeBo 
Ftta  ersetsen  mögen.  Aber  die  Handachriften  der  Ohgnyacenaer  aind 
Nhr  lentreat  und  ylele  verloren.  Felix  Clemens  hat  etailge  Hynmen 
im  Mittelalters  heranagegeben  ond  die  Arbeiten  von  L^on  Ganthler 
Tvqirechen,  daas  dieser  junge  Mann  bei  adnem  Eifer  für  mlttelalter- 
fiehe  Literatur  die  reichen  handschriftlichen  ScUttae  von  Paria  auch 
ftk  die  Hynmologie  ausbeuten  werde. 

Der  fünfte  Abschnitt  in  vorliegender  Schrift  handell  von  dem 
(Htterbesits  der  Ziringer.  Die  kurae  und  gute  Auseinandersetinng 
der  Yermögensverhlitnisse  dieser  wichtigen  Djnaaten  erkllrt  die 
Slettang,  welche  aie  einnahmen.  Zugleich  aber  ist  auch  damit  die 
in  der  Folge  eingetretene  Zersplitterung  des  Besitaea  tai  die  venchie- 
denen  Linien  nadi  Erbschaften  einselner  Allode  und  Lehen  erkllrt 

In  dem  folgenden  Abschnitte  wird  nachgewiesen,  daas  daa  heu- 
tige badische  Wappen  daa  der  alten  Zflringer  iat«  Dieae  Ansicht 
bat  vom  Standpunkte  der  Heraldik  manches  für  sich,  und  man 
man  ihr  desshalb  einigesQewicht  beilegen.  Die  Xltesten  Wappen  rind 
bekanntlich  die  einfachsten.  Die  Wappenfignren  ^d  in  dem  11. 
nd  12.  Jahrhundert  meist  von  Reichsldien  oder  Aemtem  entlehnt 
Der  Löwe,  der  einige  Zeit  in  dem  badisch*sSringischen  ScUMe  ab 
beiaidisdie  Figur  war,  Ist  ein  Anspruchsbild  auf  Bnrgund.  Der 
Adler  war  wegen  der  Reichalehen  angenommen  oder  dem  Oralen- 
Ant  Die  Städte  der  Zäringer  nahnsen  von  diesem  Wappen  ihrer 
Iisadesherrn  den  Kopf  des  Adlers  an,  so  Freibnrg,  dessen  Wappen- 
bfld  man  irrig  als  Babenkopf  deutete,  und  Verona,  daa  dieselbe  Ilgur, 
wie  des  klte  Freiburger  Schild,  einige  Zeit  fährte.  DieSS  könnte  efaien 
Beweis  geben,  daas  die  Ansprttche  auf  die  Mark  Verona  dodi 
such  einmal  wenn  gleich  nur  kune  Zeit  gemacht  wurden.  Ich  ver- 
weise bei  dieaem  Abschnitte  über  daa  badiach-zärhigische  Wappen 
auf  die  demnüAst  hierüber  erachefaiende  Monographie  von  Fr.  Zell 
ia  Karlsruhe.  Die  beigegebene  Stammtafel  erläutert  beaonders  den 
Absebnitt  vier:  ^AndentUDgeii  über  Henog  Berhtold's  Vorfahren.« 


104     Fieklef :  BdriitoM»  Her»,  y.  Ziriafen  ti.  Odalrieli  11.  BbelMf  t.  CobM. 

Eb  verdient  dieae  game  Schri/t  das  einstiminige  Lob  derer, 
welche  schwierige  historische  ForsehuDgen  su  würdigen  wisaeo. 
Sie  ist  der  Anhäoglichiceit  an  den  Fürsten  und  der  Wissenschaft  zu- 
gleich geweiht. 

Die  zweite  der  oben  genannten  Schriften  ward  als  wisaen- 
scbaftUche  Beigabe  znm  Mannheimer  Lyceams-Progranini  von  1856 
herausgegeben.  Gegentiber  von  so  manchen  werthlosen  Programm- 
arbeiten  hat  der  Verf.  der  vorliegenden  Schrift  bisher  stets  verdienst- 
liche historische  Forschungen  in  seinen  wissenschaftlichen  Beilagen 
zu  den  Programmen  niedergelegt,  ich  erinnere  nur  die  zweckmis* 
sige  Herausgabe  des  Kelcrologs  vom  Kloster  ^'eidingen.  In  der 
nun  zu  besprechenden  Programmbeigabe  bietet  der  Verfasser  ein 
Fragment  oder  vielmehr  Specimen  der  Regesten  der  Bischöfe  von 
GoBstanz,  an  welcher  Arbeit  er  schon  seit  längerer  Zeit  sammelt, 
wozu  auch  im  Oeschichtsfreand  (Einsideln  1847)  Bd.  4,  159.  Bei- 
träge von  1200  bis  1500  gegeben  sind. 

Nach  der  wichtigen  Stellung,  welche  in  der  südteutschen  6e* 
schichte  das  grosse  Bisthum  Constanz  eingenommen  hat,  ist  seine  Ge- 
schichte, wie  der  Verl.  des  Odalrich  II.  in  dem  Vorworte  ganz  treffend 
hervorhebt,  zu  wenig  bis  jezt  bearbeitet  worden.  Den  Anfang  zu  den 
historischen  Forschungen  über  das  Gonstanzer  Bisthum  machte  Nen* 
gart  Es  erschien  aber  nur  der  erste  Band  seiner  historia  episcop. 
Gonstantiensis,  der  bis  ins  11.  Jahrhundert  geht,  der  zweite,  welcher 
bis  1300  reicht,  wird  nächstens  durch  den  Draclc  veröffentlicht.  Schon 
öfters  haben  indessen  suwol  andere  Historiker  als  Flckler  selbst 
das  Neugart'sche  Manuscript  benüzt.  In  Bezug  auf  dessen  Vor- 
rede ist  zu  bemerken,  dass  ich  mich  der  Herausgabe  des  zweiten 
Theils  der  historia  episcopatus  Gonstantiensis  nicht  unterzogen  habe. 
Die  Schwierigkeiten  schienen  mir  zu  bedeutend,  als  dass  ich  den  an- 
gebotenen Auftrag  übernehmen  könnte.  Denn  eine  Kritik  des  Neu- 
gart'achen  Manuscrlptes  schien  nothwendig  durch  die  seit  1806,  von 
welchem  Jahre  die  Vorrede  Neugarts  datirt  ist,  publicirten  zahlreichen 
Quellen  über  die  Geschichte  von  Goustonz.  In  Rücksicht  auf  die 
Quellen,  welche  Fickler  für  seinen  ;,Berhtold*  benüzte,  wie  für  die 
vorliegende  Schrift,  ist  hervorzuheben,  dass  ihm  ungedrucktes  Quel- 
lenmaterial  aus  dem  Schaflfhauser  Staatsarchive  zu  Gebote  sUnd.  Er 
hat  zuerst  interessante  Urkunden  der  Zäringer  in  jenem  ArchiFe 
aufgefunden  und  gibt  nun  sogleich  die  Resultate,  welche  sich  ans 
diesem  glücklichen  und  wichtigen  Funde  ergeben.  Es  sind  freilich 
hier  nur  kurze  Gitote  aus  jenen  Schaffhauser  Urkunden  zu  finden 
und  es  wird  auf  ihre  baldige  Publikation  verwiesen.  Diese  soll  unter 
dem  Titel:  ^QueUen  und  Forschungen  zur  Geschichte  Alamanniena« 
demnächst  erfolgen.  Wir  werden  weiter  unten  bei  dem  Bamberrer 
FürstenUge  von  1120  auf  diese  jezt  zum  ersten  Male  durch  Fickler 
benüzten  Quellen  zurück  kommen  und  gehen  desshalb  nun  an  den 
emzehien  TheUen  der  vorliegenden  Schrift  selbst  über-    Im  eivten 


ricUw:  ImMU,  Hm. Y.  XiiisgMi «.  Odalrieh II.  Bifdbof  t.  Cesfi.      KMI 

JUfduritte  findet  man  »die  Zeitverhäitnine  bei  dem  Tode  des  Bischöfe 
Gebhard  ni.  and  die  ErneDOung  Odalrich'B  von  Kiburg^  ercXhlt 
Der  zweite  ist  den  Grafen  von  Kiburg  gewidmet  Damit  ist 
eine  Geschlechtstafel  der  Dilingen  — •  Kibnrger  Dynastie  —  ver- 
bunden. Das  dritte  Kapitel  schildert  Odalrieh's  Wirksamkeit  ab 
Bischot  Den  Sdünss  bildet  ein  Anhang  von  Kegesten  über  Odal« 
rieh  und  eine  Stelle  ans  einer  unedirten  ConsUnxer  Chronik.  Es 
befindet  sich  nSmlich  ein  Städt-ArehiT  von  Constanz,  eine  Hand* 
schrill  des  16.  Jahrhunderts,  welche  die  „Chronica  des  Bistnmbs 
Constana^  Ton  Schultheis  enthält  Daraus  liat  Fickler  nun  snm 
«Sien  Male  die  Stelle,  welche  Ton  Bischof  Odalricb  IL  handelt,  ab^ 
draeken  lassen. 

Bevor  wir  von  den  einseinen  Forschungen  der  Toriiegeodea 
Schrift  reden,  ist  die  gute  Wahl  ansuerkennen ,  welche  der  Ver- 
fssser  getroffen  hat  Dass  er  einen  geistlichen  Fürsten  wählte, 
der  durch  seine  Stellung  zum  Kaiser  hervorragte  und  desshalb  mit 
Nachdruck  Im  Investitnrstreit  gegen  den  Papst  stehen  konnte,  der 
aber  doch  die  b^den  Gewalten,  welche  in  einen  teutschen  Bischof 
vereinigt  waren,  gewissenhaft  trennte.  Ein  Bild  der  politischen  und 
kirchlidien  Zustände  in  Teutschland  geben  unter  Heinrich  IV.  und 
seinem  Sohne  vorsüglich  diejenigen  Persdnlichkeiten,  welche  veri- 
mittelnd  zwisdien  beiden  Schwertern  der  Christenheit,  dem  Imperium 
und  sacerdotium  standen.  Der  Vorgänger  Odalrich's  11.  von  Gon* 
stanz  im  bischöflichen  Amte  seigt,  wie  gefährlich  und  nur  mit  der 
grössten  Aufopferung  durchführbar  die  Stellung  der  vermittelnden 
Bischöfe  war.  Jener  Constanser  Oberhirt  war  Bischof  Gebhard  IIL 
von  Zftringen.  Er  war  eine  Stütse  der  päpstlichen  Partei,  und  musste 
es  sein,  da  der  ganse  Süden  von  Teutschland  für  die  Ideen  Gre* 
gor's  Vn.  Partei  ergriff.  Es  genügt  einen  kurzen  Blick  auf  die  da* 
mslige  Parteistellung  in  Teutschland  zu  werfen,  um  Odalrich's  II.  Stel- 
ling anschaulich  zu  machen.  Constanz,  besonders  die  dortige  Dom-» 
sdiule,  von  1040 — 1100  unter  Adelbert,  Bernard,  Bernold  zeichnete 
ach  ans  durch  ihren  Elfer  gegen  das  Schisma  der  Heinrieianer« 
Ebenso  die  Klöster  Reichenau  unter  Abt  Ekkehard,  an  den  Gregor  VIL 
Briefe  schrieb,  Petershausen,  Marbach  im  Elsass,  wo  Manegoldus 
lebte  und  vorzüglich  Hirsau,  wo  die  Schule  des  h.  Wilhelms  blüthe. 
Dia  Stellang  der  einzelnen  Klöster  in  jener  Zelt  gegenüber  dem 
Kaiser  ist  schon  ersichtlich  ans  ihren  Annalen.  Zur  Slritik  des  lez* 
teren  ist  die  Kenntniss  der  Anschauung  und  Paiteistellung  in  den 
eiaaehien  Conventen  erheblich  und  bisher  zu  wenig  beachtet  wer« 
den.  Dia  Beichenauer  Geschichtschreiher  gehören  vor  allen  Dingen 
Ideher,  sie  sind  päpstlich  gesinnt  Die  Klosterchroniken  im  Süden 
waren  nach  dem  Muster  der  casus  monasterii  S.  Galli  verfasst  und 
fahrten  auch  meist  denselben  Titel,  so  die  Chronik  von  Schaffhan- 
lea,  die  leider  verloren  ist,  und  die  von  Petershausen.  Hirsau  war 
der  Mittelpankt  der  strengkirchlichen  Sichtung.    Von  dort  kamen 


IM     Plektoff:  ieAiold,  Ben.  t.  KäriafM  i.  Malriek  IL  Biidiof  r.  C^st 

Aebte  mi  Mfeche  nach  RegeDsborg,  Admoiit,  Bt  Paul,  sdbet  Mi 
Bach  der  Krain.    Diesem  pSpstlich  gesinnten  Mitteipaolit  gegenfiber 
war  daa  Kloster  Slegburg  bei  Bonn  der  Herd  filr  die  kaiserlich  ge- 
sinnte Partei,  von  dort  Terpflanste  man  antipttpstilche  Aebte  nach 
SOdteutschland,  wie  a.  B.  nach  Sinsheim.    In   dieser  allgemeiDsn 
Strömung  in  Südteatschland  an  Gunsten  der  Kirche   sehloss  sieli 
Sebhard  dieser  Richtung  an.    Er  spielte  eine  wichtige  Rolle,  sah 
die  Demfltbigung  Heinrich's  lY.,  und  war  fQr  die  Wahl  Heinricfa's  Y« 
mit  Erfolg  thfttig.    Es  trat  bald  eine  ErkSItuog  des   YerhältnisflC« 
zwischen   Qebhard   und   dem    römischen    Curie    ein.    Die    Oriinde 
davon  bat  Fl  okier  nicht  erschöpfend  angegeben.    Jene  Spannong 
dauerte  fort  bis  an  sein  Lebensende   1110.     Odalrich  folgte  ihai, 
«Mannt  Tom  Kaiser.    Natürlich  hatte  er  in  seinem  Sprengel  schon 
wegen   seiner   Beförderung   durch    königlichen    Maohtspruch   riele 
Widersacher,  doch  er  trat  mit  MSssigung  und  YersÖhnlich  auf.   Diess 
bat  der  Verf.  sehr  treffend  nachgewiesen.     Odalrich  führte  nur  die 
Regierang  als  weltlicher  Ffirst,  Hess  sich  in  den  oberhirtlicben  Fubc- 
tionen  von  seinen  benachbarten  Bischöfen  vertreten,  bis  er  endlich 
mit  Rom  sich  aussöhnte.    Bis  diese  Aussöhnung  erlolgte,   fanden 
V.  1114 — 1116  Verhandlungen  awischen  der  päpstlichen  Curie  und 
Odalrich  IT.  staitt,  wortiber  Fickler  fleissig  die  wenigen  QueHen  an* 
sammenstellte.    Odalrich  mied  allmälig  die  Zusammenkunft  mit  dem 
Kaiser.   So  verliess  er  t>ei  der  Gelegenheit  als  Heinrich  V.  nach  der 
Reichenau  kam,  Constana.    Die  Vermitthmgsrolle  awischen  dem  Bi- 
achof  und  Rom  übernahmen  päpstlich  gesinnte  Aebte  und  Klöster, 
wahrscheinlich  Petershausen  und  Hirsau.    Man  darf  diess  aus  den 
Rücksichten  schliessen,  die  der  Bisehof  auf  diese  Convente  genom- 
men hat.    Das  wichtigste  in  dieser  Schrift  ist  unstreitig  die  Nach- 
Weisung,  dass  1120  in  Bamberg  ein  Hoftag  stattfand,  der  einen  in- 
nen Frieden  in  Teutschland  bezwecken  sollte.  Der  Verf.  führt  den  Be- 
weis aus  einer  Scbaflhauser  Urkunde,  die  er  entdeckte.    Auf  jenem 
Fürstentag,  der  auf  Betrieb  Otto's  von  Bamberg  au  Stande  kam, 
war  awar  Odalrich  niebt  selbst  anwesend,  ohne  Zweifel  aber  war 
er  mit  der  ganaea  versöhnenden  Richtung  desselben  einverstanden. 
Bs  waren  damals  in  Bambwg  versammelt  von  Bischöfen  ausser  Otto 
von  Bamberg,  Rüdiger  von  Magdeburg,  Regtahard  von  Halbentadt, 
Odalrich  von  Elchstfitt,  Oebhard  von  Wiraburg.    Auffalleader  Weise 
lauter  PrSlatea  von  weniger  bedeutenden  Bischofsitaen,  diesen  scheint 
eine  Ausgleichung  am  dringendsten  aothwendfg  gewesen  au  sein. 
Von  anwesenden  weltlichen  Fürsten-  werden  dort  nachgewiesea  der 
Hersog  Fridrich  von  Schwaben,  Hefarich  von  Balera,  die  Markgra- 
fen von  Vohbarg  and  Istrien  und  die  Pfalagrafen  von  Wittelabaoh 
mMl  Calw. 

Die  ganae  Monographie  Ist  analehead  und  klar  gesehrleblii,  so 
dass  BMHi  bei  ihrer  Be^thetlung  das  Lob  der  guten  Darstettoag 
aidtt  übergebea  darf.  Wr.  M^na» 


OiJMtn.  Wt 

BShemmuehe  Oudheden.  Bens  hijdrage  M  de  oltiwikMin§9pt$ehM^ 
derns  der  vroegsU  Europesehe  volken,  Doar  Dr.  L.  T.  #*« 
Janssen^  etmserpotor  hy  ket  mmeum  van  tmdkidm  ie  hty^ 
dm,  Md  X  plaUn.  T6  Arnhem,  Hj  J«.  An,  Ni)h9ffm  Zoom 
1S6S.  —  yjll  und  90  8eUen  in  gr.  4. 
und  ab  Nachtrag  daia: 

HUverswnsche  Oudheden,  Leyden,  dm  24,  Juli}  1856,  L*  J.  F, 
Janssen.  (Overgmomen  uit  den  Algemeenen  KonH-m  Letter^ 
hode,  Nr.  39  van  hei  jaar  1856.)  Nur  8  Seitm  in  kl.  8.  mü 
der  osteologischen  Untersuchung  der  Oebeine  in  dm  Umm  eines 
Todtenhügels. 

Die  Hilrersum'flcben  Alterthümer  gehören  an  dem  ISgentbBm- 
liebsten  nnd  Merkwürdigsten ,  was  sich  bisher  den  Forsdhem  anf 
dem  weiten  Gebiete  der  Altertbomskande  dargeboten  hat  Anch 
ans  haben  sie  sogleich  sehr  interessirt  Wir  haben  uns  anch  über 
dieselben  schon  in  den  Heidelberger  Jahrbüchern  (1854f  Nr.  37» 
S.  582  ff.)  aasgesprochen;  und  wenn  Herr  Janssen  fürs  erste  die« 
selben  nur  in  einem  kurzem  Aufsätze  in  seinen  Yerbandlingen  en 
Mededeelingen  bekannt  und  die  Gelehrten  auf  dieselben  aufmerk- 
sam gemacht  hat;  so  gibt  er  nun  eine  sehr  gelehrte  nnd  gründlich- 
▼ortreffliche  Abhandlung  Aber  diese  HilTersum'schen  Alterthümer. 
Denn  die  Ausgrabungen  bei  Hilversum  sind  zwar  noch  lange  nicht 
beendigt;  allein  die  grosse  Merkwürdigkeit  des  bis  jetzt  Entdeckten 
macht  Anspruch  auf  schnelle  und  ausgedehnte  Bekanntmachung,  nnd 
zwar  nm  so  mehr,  damit  wissenschaftlichen  Männern  aus  aller  Welt 
Gdeganheit  gegeben  wird,  ihr  Drtheil  Aber  dieselben  auszusprechen, 
und  kund  zu  thun,  ob  nicht  auch  sie  schon  auf  solche  nnd  ibn- 
fiche  Erscheinungen  der  Vorzeit  gestossen  sind.  Einzelne  Alter- 
thumslnindige  hat  Herr  Janssen  sogar  schon  schriftlich  nm  Aus- 
kunft angegangen:  den  Hrn.  J.  J.  A.  Worsaft  in  Eoppenhagen,  den 
Hrn.  O.  0.  Fried r.  Lisch  In  Schwerin,  den  Hrn.  Baron  G.  0.  C. 
Ton  Estorffzu  Schloss  Jägersburg  und  auch  uns.  Ja  Herr  Jans- 
sen adoptirt  allein  bloss  unsre  Ansicht  grossen  Theils,  d.  h.  der 
Hauptsache  nach ;  und  wir  haben  ihm  versprochen,  die  ganze  Sache 
mdglichst  nochmals  in  die  Hand  zu  nehmen,  wenn  seine  ausführUcha 
Abbandinng  Aber  die  Hilrersum'schen  Alterthümer  erschienen  wMre» 
Wir  lOsen  unser  Versprechen  hiermit,  indem  wir  tiefer,  als  bis  jetzt 
▼on  uns  geschehen  ist  und  geschehen  konntOi  in  die  HÜYersnm'schen 
Alterthümer  eingehen. 

Herr  Janssen  gibt  nSmlich  1)  ehie  Geschichte  der  Entdeckung 
und  Beschreibung  der  entdeckten  Herdstätten  und  der  in  denselben 
gefundenen  Geräthe,  vergleicht  2)  dieselbe  mit  anderwärts  gemach- 
ten Entdeckungen,  und  spricht  sich  3)  über  Zweck,  Bearbeitung, 
Abkunft  und  Alter  dieser  Herdstätten  und  Geräthschaften  aus«  Wir 
nehmen  alla  diese  Punkte  durch,  indem  wir  unsre  Ansiditen  und 


IM  JaniiMi:    mnunrnftch^  (MUAml 

Bemerkmigiiny  wie  auch  noch  andere  Verglelchnngen  an  dieaelben 
anknüpfen. 

Der  Plata,  an  welchem  man  diese  Alterthttmer  entdeckte,  ist 
45  Minuten  SSOlich  von  dem  Dorfe  Hilversum  anfem  Utrecht  und 
ward  ehemals,  als  mit  den  herrlichsten  Buchen  bedeckt,  der  Gori- 
Bche  Wald  genannt  Jetzt  ist  er  jedoch,  mit  Ausnahme  einer  Strecke, 
die,  besonders  seit  1837,  von  Privaten  angebaut  worden  ist,  eine 
kahle  Strauchheide  mit  einer  zahllosen  Menge  kleiner  und  grosser 
Kiesel  aller  Art,  welche  sich  bald  auf  der  Oberfläche,  bald  seicht 
unter  dem  Heidegronde,  bald  ziemlich  tiefer,  bald  in  Lagern  oder 
Schichten  zeigen.  Und  unter  diesen  Steinen  befinden  sich  allerlei 
Arten  von  Granit  und  Quarz,  auch  Feuersteine,  dann  rother,  grauer 
und  gelber  Sandstein,  Schiefer,  Thon,  Kalk  und  selbst  vereinzelte 
Stücke  Tuffstein.  Eben  um  dieser  zu  mancherlei  Gebrauch  dienen* 
den  Steine  willen  worden  seit  Jahren  die  Hilversnm'schen  Heiden- 
felder aufgegraben.  Die  erste  Entdeckung  verschiedener  mit  Holz- 
kohlen versehenen  Herdstatten  geschah  jedoch  erst  in  dem  Winter 
1852  durch  einen  Arbeiter,  welcher  davon  dem  Grundbesitzer,  dem 
Herrn  van  Hengst,  und  dem  Bürgermeister  seines  Wohnortes,  dem 
Herrn  Eyk  van  Zuilichem,  die  Anzeige  machte.  Bald  darauf  fand 
auch  der  Sohn  dieses  Arbeiters  einige  bearbeitete  steinernen  Werk- 
zeuge; und  Herr  Eyk  setzte  hiervon  den  Herrn  Janssen  in  Kennt- 
niss.  Dieser  verfügte  sich  ohne  Verzug  auf  den  Entdeckungsplatz 
und  begann  schon  an  dem  2.  Februar  1853  die  Ausgrabungen, 
welche  den  März,  April,  Mai,  Juni  und  August  1853  fortdauerten. 
Denn  Herr  van  Hengst  gab  nicht  nur  die  Erlaubniss  zu  denselben, 
sondern  auch  Herr  A  Perk  zu  Hilversum  stand  während  derselben 
dem  Herrn  Janssen  beständig  zur  Seite,  und  die  beiden  Mahler 
J.  de  Byk,  der  Vater  und  sein  Sohn,  skizzirten  die  Herdstätten, 
wie  eine  «ach  der  andern  gefunden  wurde,  und  zeichneten  sie  ge- 
nau.  So  sind  auch  die  schönen  zehn  Tafeln- Abbildungen  entstanden. 

Und  was  entdeckten  jene  Herren?  —  Sie  selbst  fanden  eilf 
Herdstätten  oder  vielmehr  heilige  Opferstätten,  welche  80^',  100^', 
meistens  eine  Elle,  ja  eine  Ruthe  tief  unter  dem  lleidegrunde  ver- 
steckt waren.  Diese  Herdstätten  selbst  aber  bestanden  in  einer  ent- 
weder länglich -viereckigen  oder  halbkreisförmigen  Pflasterung,  von 
rohen  ohne  allen  Kalk  oder  Gement  zusammengefügten  Kiesel-, 
Sand-  und  Granitsteinen,  von  1  Elle,  50^',  60",  70"  ja  78"  Länge 
und  1  Elle,  36",  42",  50",  62"  und  66"  Breite,  welche  Pflasterung 
auf  drei  Seiten  von  einer  eben  so  kunstlosen,  aus  gleich  rohen  Stei- 
nen und  nur  selten  aus  grossem  Steinblöcken  ohne  alles  Cement 
aufgesetzten ,  20",  28",  40",  50",  60",  ja  70"  hohen  und  15", 
20",  25",  ja  40"  dicken  Mauer  umgeben  war  und  nur  an  der  vier« 
ten  SeitCi  am  häufigsten  gegen  Süden  zu,  eine  Oeffnung  oder  einen 
Eingang  hatte.    An  dem  linken  Ende,  oder  meistens  dicht  an  den 


Wdeo  Eoden  ies  letstera  lag  ein  platter  nmder  SteiD  rom  W^  M« 
95^  DnrehmeBser.  Die  Pflasterangeii  zeigten,  als  wahre  Fenentlt- 
teo,  die  deotlidiaten  und  Biehertten  Spuren,  daaa  auf  denaelbeii  Feoer 
febrtant  hatten,  nnd  sie  waren  mit  Äsche,  öfters  mit  gani  festen 
Aseheolagen,  Holalcohlen,  namentlich  von  Elaenhols  nnd  der  Wal^ 
fiehte,  and  mit  schwaner  hamusartigen  Erde  bedeckt,  nnd  darunter 
befuiden  sich  gSnzHch  verbrannte  höchst  /ragmentartoche  Knochen. 
Von  menschlichen  Gebeinen  zeigte  sich  jedoch  keine  Spur;  grfind- 
lidie  Untersuchungen  stellten  vielmehr  heraus,  dass  die  graten  Je* 
ttsr  Knochenstückchen  von  Kälbern ,  Rindern ,  Schafen ,  Ziegen  und 
Böcken,  so  wie  auch  von  Bibern  und  Hunden  herrührten.  Was 
man  alier  in  diesen  Herdstätten  fand,  das  waren:  ein  kleines  leicht 
gebranntes  Gefäss  von  brauner  ziemlich  feiner  mit  Kieseigries  ve^- 
meiigten  Erde,  welches  recht  gut  mit  der  Hand  geformt  und  an 
dem  Bauche  mit  eingekratzten  ganz  einfachen  Zickzacken  verziert 
wsr,'  —  eine  einzige  an  ihrer  flachen  Seite  stark  von  dem  Feuer 
togegriffene  Pfeilspitze  von  Knochen,  —  und  äusserst  zahlreiche 
Geräthe  von  Stein.  In  den  erif  von  Herrn  Janssen  geöffneten 
Herdstätten  allein,  ohne  die  Herdstätten,  welche  die  Arbeiter  fanden 
QBd  öflneten,  —  gewann  man  356  dieser  Geräthe.  Und  zwar  wah- 
ren es;  1)  Keile  und  Beile,  meistens  aus  Quarz,  auch  aus  Schie^ 
fer,  Probirstein,  Feuerstein  und  Granit,  gewöhnlich  von  2''  bis  7^, 
soch  bis  12'^  13^',  ja  19'^  Länge,  selbst  ein  viel  gebrauchter  kolos- 
nler  30^  langer,  18^'  breiter  und  11^'  dicker  Kell  von  Gneis;  ~ 
i)  ovale  oder  länglich  viereckige  und  nur  an  einem  Ende  spitzige 
Lanzen-  nnd  Pfeilspitzen  von  eigenthilmlicher  Form,  besonders  aus 
Qoarz,  aber  auch  aus  Kieselschiefer,  rothem  Sandsteine,  Feuerstein 
tmd  Thonstein,  von  2^  bis  6^,  aber  auch  8^,  9^',  ja  1273^^  Länge, 
^  3)  Messerchen  von  der  einfachsten  Art,  besonders  aus  Feuer- 
stein, auch  aus  Quarz,  Schiefer  und  Granit,  von  nur  2^2  ^^  ^^ 
Linge,  —  4)  Bälle  aus  Quarz  oder  Granit,  auch  aus  Sienit  und 
Toflstein,  von  4^'  bis  5^,  ja  16^'  Durchmesser,  —  und  5)  Schleif* 
iteize,  die  andern,  steinernen  Geräthe  darauf  zu  schleifen,  mehrere, 
jedoch  bestimmt  nur  Ein  langeckiger  durch  das  Feuer  sehr  geschwärs* 
ter  und  durch  den  Gebrauch  sehr  abgenutzter  tragbarer  aus  Hica- 
Khiefer  von  8V2^  Länge. 

Aue  diese  Geräthe  bestehen  aus  Steinen,  deren  ursprüngliche  ' 
Gtstalt  der  Form,  die  sie  nun  haben,  schon  durch  ihre  Natur  nahe 
kim,  und  denen  man  nur  durch  geschicktes  Schlagen  und  durch 
Schleifen  auf  grössern  Steinen,  besonders  Sandsteinen,  zu  ihrer  jetzi- 
gen Form  verhelfen,  die  man  also  eigentlich  nur  fagonnirt  hat.  Der 
weichere  Stein  ward  überhaupt  durch  einen  härtern  gespalten,  z.B. 
ier  Sandstein  durch  den  Quarz;  der  härtere  auf  einem  weichem  ge- 
Khliffen,  z.  B.  der  Quarz  auf  dem  Sandsteine.  Kehi  einziges  Stein- 
gttith  trägt  BpveQ  an  sich,  daM  es  mit  Metall  bearbeitet  oder  über- 


aiMCet  0^1  keift  tSmagBB  iai  mit  einem  LMiMa  oder  eiüei  Od^ 
noDg  Teraeheb.  Keioe  Spur  der  Anweadimg  eines  hoblea  metaUe- 
nett  Cjrlittderfl  oder  Stohlbohrers  sei^  eicb.  Dieee  Steiagerfithe  lind 
ohM  allee  Metall  xabereltet  Hanehe  Keile  und  BftUe  eiad  noch 
Aeila  rohe,  theito  wenig  sageschliffene  Kiesel.  Ein  Kell  aus  Feaei^ 
stein,  an  dem  man  besonders  gute  Bearbeitongi  Schleifung  und  Po- 
litoff  wahrnimmt,  bat  dagegen  eine  sehr  sebarfe  Schneide.  Ein  Hes- 
serchen  aus  Feuerstein  ist  an  einer  Seite  lein  aosgesackt,  wie  eine 
Säge.  (Man  vergl.  B Uschi ng  von  Nordischen  Alterthümem  S.9ff. 
und  Karl  Pre.usker,  Blicke  in  die  ▼aterländische  Vomit,  entei 
BSadchen  8.  160  ff.) 

Und  diese  SteingerSthe  lagen  theils  auf  den  Pflasterungen,  öfters 
awlsdien  den  Steinen  derselben,  tbells  und  zwar  haupts&chlich  aa 
den  Enden  der  Mauern  unter  den  platten  rund^  Steinen  bei  deor 
eelbea«  Unter  diesen  Steinen  befanden  sich  n&nllch  nadi  unten 
triebterfSrmig  anlaufende  mit  Ascbci  Holslcohlen  und  verbrannten  Ge- 
beinen angefüllte  runde  bis  &0"  tiefe  Gruben  tou  ungefiUir  20'' 
Durchmesser,  in  welche  jene  GerMthe  von  Stein  mit  Absicht  und 
Verstand  nicht  bloss  in  kleiner,  sondern  öfters  auch  in  grosser  Zahl 
niedergelegt  waren.  So  fand  man  e.  B.  unter  einem  solchen  Deck- 
atehie  7  Bälle ,  unter  einem  andern  5  grosse  und  5  kleine  Keile, 
imter  einem  dritten  40  Geräthe  geordnet  neben  einander,  und  un-* 
4er  ebem  vierten  Deckstaine  39  Geräthe  in  einem  runden  Kreise 
nahe  an  einander  gefüget.  Unter  einem  fünften  waren  9  Bälle  in 
elaem  runden  Binge  gans  nahe  bei  einander  gelegt,  und  diese  um- 
flchloesen  50  Geräthe,  welche  in  2  Lagen  oder  Schichten  über  ein- 
ander ruheten. 

Das  sind  die  Hilyersum'schen  Herdstfittea.  Wir  lassen,  indem 
wir  nns  sogleich  zu  ihrer  Herkunft,  ihrem  Alter  und  ihrer  Bestim- 
mung wenden,  von  der  gegebenen  Vergleichang  derselben  mit  an- 
dern in  den  Niederlanden,  ia  den  Provinzen  Geldern  und  Drenthe, 
gemachten  Entdeckungen,  weil  die  Bestimmung  der  dortigen  mit 
▼Men  Eidienkohlen  angefüllten  Gruben  sehr  ungewlss  ist  und  selbst 
audi  die  in  denselben  gefundenen,  gut  bearbeiteten  und  scharf  schnei- 
deaden  steinernen  Keile  höchst  wahrscheinlich  späterer  Zeit  ange- 
hören. Wir  gehen  vielmehr  zu  dem  besondern  Umstände  über,  dasa 
noch  vor  einigen  Jahren  in  der  Nähe  der  HUversum'schen  Herd- 
slätten  bei  dem  Dorfis  de  Vuursche  einige  Hünengräber  waren,  und 
selbst  Jetat  noch  ein  solches  Hünengrab  daselbst  bestehet.  Und  wir 
verweisen  hier  auf  eine  vortreffliche  kleine  Schrift,  auf  die  Opfer- 
und  GrabaUerthümer  zu  Waldbausen  (unfern  Lübeck)  von  K.  Klug, 
welche  das  erste  Heft  der  Beiträge  zur  Nordischen  Alterthumskunde 
von  dem  Vereine  für  Lübeokische  Geschichte  bildet.  Man  schlage 
hier  auf  die  schöne  Lithographie  Bl.  H,  and  wir  haben  vor  uns 
ToUkoBUBieq  im  Grossen ,  was  unsere  Herdstättea  im  Kleinen  uns 


OMMü.  ttt 

darbieten:  den  ein  Fnu  Mm  und  dnrübef  mit  nerbitchenen  Fener- 
iteinen  gleichsnm  g^»B«iterten  OTalen  Reden  (die  PfleeUrnng),  die 
Maoer  ans  10  groesen  Orenitblöcken  an  dreien  Seiten  nm  dieieibei 
fai  Kingnng  an  der  Nordeetaeite  and  an  deaeelben  die  beiden  De^ 
ateine  nnd  in  derselben  bleu  sehwarse  irdne  nmenartige  Oettne 
ohne  alle  Vendenrag,  Steinlteile  ond  meeeerartige  Feoereleinaplittei. 
Ja  afidwestlich  yon  diesem  Hünenbette  befand  aidi  selbst  eine  Brandr 
ititte,  eäi  KoUeoberd  mit  betrichUidien  Ueberbleibseln  ron  Eiskeni* 
holskeUen  und  Asche;  und  es  ist  nur  m  bedaoem,  dass  der  leta^ 
tere  nna  nidit  nSher  beschrieben  wird*  —  Wir  Terweisen  nicht  min* 
der  auf  Dr.  Friedr.  Kruse's  AuÜNits  über  den  SneFenhdek  bei  Ske- 
pia  anweit  Merseburg  in  dessen  ,|Deutsehe  Alterthttmer*  Band  I, 
Heft  1|  Seite  73 ff.,  weicher  jedoch  gewiss  weit  spUer  erriehtola 
Hfigel  einen  last  abgekürzten  Kegel  bildete  mit  einer  kralerförml* 
gen  Oeffnang,  sa  welcher  an  der  Südseite  ein  Aof*  and  Eingang 
fuhrt,  der  aodi  bei  Opfern  und  Todtenverbrennuagen  diente«  Unsia 
Hilversnm'schen  Herdstätten  gehören  i^enbar  der  Zeit  jener  Hünem 
grSber  nnd  einem  noch  uncultivirten  namenlosen  vorchristlieken  Volke 
an,  welches y  auf  einer  sehr  geringen  Stufe  der  Guitur  stehend»  den 
Gebnaach  der  Metalle  noch  nicht  kanntOi  auch  sich  des  Aekerbanea 
noch  nicht  befliss,  sondern  von  Jagd  und  Fischerei  lel>te.  .Sein 
flfinuntliches  Geräth  für  das  Haas»  für  die  Jagd  ond  den  Krieg  und 
für  die  religiösen  Verrichtungen  waren  noch  ans  Stein  und  Thier» 
knocben  und  seine  Gefflsse  aus  gebranntem  Thon.  Dieses  Volk 
wohnte  in  den  allerSltesten  Zeiteoi  wenigstens  schon  rot  8000  Jah» 
ren,  in  dem  westlichen  und  nördlichen  Europai  an  den  Kflatesi  der 
Nordäee  nnd  Ostsee,  und  ging  durch  die  Einwanderung  spiteiec 
macbtigerer  Völker  su  Grunde.  Was  jedoch  das  für  ein  Volk  war, 
Tsnnag  Niemand  zu  sagen.  Nur  das  thut  Herr  Worsal  mit  ent- 
schiedener Klarheit  dar,  dass  dieses  Volk  keine  Finnen  oder  l4ip« 
pen  und  eben  so  wenig  Kelten  waren  (The  antiquities  ef  Irelend 
und  Denmark,  S.  11  und  12;  und  cur  Alterthomskunde  des  Ner* 
dens  S.  53  bis  56).  Und  indem  wir  dem  Herrn  Worsai  gims 
bttatinuneni  können  wir  der  Ansicht  des  Herrn  Janssen  nkfat  bei* 
pflidhten,  dass  unsere  Hilversum'schen  Herdstfttten  erst  Ton  eiaeaa 
barbarischen  Volksstamme  aus  der  Bömerieit  herrühren,  nnd  awac 
nicht  Ilter  als  Drusus  und  nicht  jünger  als  Tadtus  seien ,  ahM>  erst 
ans  dem  ersten  Jahrhunderte  unsrer  christlichen  Zdtrechnung  her- 
stammen sollen. 

Unsre  Stelngerüthe  wurden  gewiss  nur  mit  Stehlen  ia(onnirt 
nnd  waren  so  nur  höchst  unyollkommen ;  enge  Löcher  iür  Stiele 
dnrdi  Sterne  an  bohren,  war  unmögliclL  Erst  wie  die  Metalle  hi 
Gebranch  kamen,  wurden  auch  die  Stehigerlthe  weit  schöner  nnd 
mannigfaltiger.  Denn  damit,  dass  man  nun  dieselben  OerSthe  weit 
Toükenunner  ai^ch  aus  Metall  hatte,  hörten  die  steinernen  ketaiea 


112  Janiira:    HOremm'iclie  Oa^heden. 

Weges  ganz  auf.  Ihre  weit  grössere  Wohlfeilheit,  die  alte  Gewohn- 
heit ihres  Gebrauches,  die  besondere  Beschaffenheit  des  Erdbodens, 
welcher  die  geeigneten  Steine  zu  diesen  Werkzeugen  darboth,  und 
alter  religiöser  Ritus,  bei  gewissen  heiligen  Verrichtungen  nur  ein 
steinernes  Werzeug  zu  gebrauchen,  erhielten  die  steinernen  GerSthe 
Auch  selbst  neben  denen  aus  Erz  und  Eisen  bis  in  die  späte  Zeit 
In  Gebrauch.  So  fanden  wir,  um  nur  ein  Beispiel  zu  geben,  neben 
einer  grossen  Menge  yon  Gegenständen  ans  Erz  und  Eisen  auch 
solche  Ton  Stein  in  unsern  Sinsheimem  Todtenhügeln  der  drei  Buckel. 
(Vergl.  die  Beschreibung  derselben  S.  165  und  166.) 

Die  Menschen,  welche  die  Hilversum'schen  Herdstätten  errich- 
teten, hatten  aber  noch  keine  andern,  als  Steingeräthe.  Um  so 
mannigfaltiger  war  bei  diesen  die  Anwendung  derselben,  und  gewiss 
auch  zu  religiösem  gottesdienstlichem  Gebrauche.  Aber  haben  die 
in  den  Herdstätten  gefundenen  steinernen  Werkzeuge  alle,  z.  B. 
auch  die  Bälle,  nur  zu  diesem  gedient?  —  Wer  könnte  das  mit 
Sicherheit  behaupten  oder  auch  verneinen?  —  Wie  und  welches 
war  überhaupt  der  Gottesdienst  dieser  Menschen?  —  Auch  das  ist 
Gebeimniss.  — 

Dass  er  in  Thieropfern  bestand,  das  allein  beweisen  die  Reste 
der  verbrannten  Thiere.  So  war  einst  schon  unter  Salomo  und 
dann  in  Juda  und  Israel  besonders  der  unlevitische  Höben-Gultos, 
bei  dem  man  opferte  und  räucherte.  Auch  mögen  die  runden  plat- 
ten Steine,  die  an  den  Eingängen  der  Herdstätte  lagen,  za  Opfer- 
altären (Opfersteinen)  gedient  haben,  die  man  aus  Erde  oder  aus 
rohen  unbehauenen  noch  von  keinem  Metalle  berührten  Steinen  er- 
bauete.  Auf  diesen  Opfersteinen  schlachtete  man  das  Opferthier  ab, 
und  auf  den  Herden  brannten  Feuer,  oft  aus  einer  Menge  Holz,  in 
denen  man  die  Theile  der  Thiere,  —  allerdings  gewiss  wohl  die 
edlem,  ja  die  aller  edelsten:  Haupt,  Leber,  Herz,  Zunge  (s.  Jacob 
Grimmas  deutsche  Mythologie,  zweite  Ausgabe  S.  50),  —  welche 
man  den  Göttern  darbrachte,  verbrannte.  War  das  Opfer  vollbracht, 
so  legte  man  die  Opfergeräthe  in  die  Opferherde,  und  zumal  in  jene 
trichterförmigen  Gruben  an  dem  Eingange  derselben,  in  die  man 
vielleicht  auch  das  Blut  der  Opferthiere  hinab  rinnen  Hess,  nieder 
nnd  deckte  rie  mit  den  Steinplatten  zu.  — 

(Sehhus  folgt.) 


tt  HEIDELBERGER  US1. 

JiHRBOCHBH  DBB  LITBBATDB. 

Janssen:   Hilversum'sche  Oudheden. 


(ScUuM.) 

Aber  wosa  legte  man  sie  nieder?  —  Als  Weiheopfer?  — 
UgU  man  bloss  die  Opferwerkzeuge  oder  aach  noch  andere  stei* 
oeraen  Gerithe  den  Göttern  zu  Geschenken  nieder?  —  Wer  legte 
rie  nieder?  Die  ganze  kleine  Volksgenossenschaft  oder  nur  eine  einzelne 
Familie?  —  Waren  diese  Herde  Volks-,  oder  Familien-Herde?  — 
Dod  war  so  ein  Herd-  oder  eigentlich  OpferstStte  gebraucht,  so  wurde 
rie  mit  Sand  ausgefüllt  und  somit  zugedeckt  und  yersteckt.  Das 
Nheint  ausgemacht  zu  sein.  —  Aber  Hess  man  sie  für  immer  yer- 
deckt,  —  oder  yerdeckte  man  sie  nur  nach  dem  Opferfeste ,  das 
eio  Jabresfest  war,  und  öffnete  man  sie  wieder*)  und  opferte  man 
Wieder,  wenn,  bei  dem  Kreislaufe  der  Zelt,  das  Jahresfest  wieder 
kehrte?  —  Das  sind  RSthsel,  welche  weder  wir  selbst  zu  lösen 
vermögen,  noch  uns  Herr  Janssen  gelöset  bat;  Fragen  welche 
kttne  Geschichte  der  Urzeit,  der  ältesten  Vorzeit  der  Völker  am 
Nleder-Rheine,  uns  beantwortet;  Aufgaben,  um  deren  richtige  und 
fugende  Erörterung  wir  die  Alterthumsfreunde  bitten. 

Seine  Untersuchung  über  die  Hilversnm'sche  Herdstätten  schliesst 
Herr  Janssen  mit  der  Anzeige  von  andern  merkwürdigen  Ueber- 
rssten  der  Vorzeit,  welche  man  an  andern  Plätzen  der  Gemeinde 
Hihrersum  entdeckt  hat.  Weil  auch  ein  so  genannter  Streitmeissel 
gefunden  wurde,  lässt  Herr  Janssen  sich  besonders  ausführlich 
über  diese  Meissel  Ton  Erz  und  Eisen  aus,  über  welche  schon  so 
viel  geschrieben  und  gestritten  worden  ist.  Er  zählt  aUe  auf,  die 
man,  gleich  wie  sie  in  ganz  Europa  zu  Tage  kommen,  also  auch 
in  den  Niederlanden  gefunden  hat;  erinnert  an  unsere  Darlegung 
[Heidelberger  Jahrbücher,  Jahrgang  1840,  Nr.  85,  S.  556  u.  657), 
dase  man  sie  sehr  unrichtig  Gelte  nennt,  weil  der  Name  der  Kelten 
in  gar  keiner  Beziehung  mit  diesen  Werkzeugen  steht.  Er  stimmt 
auch  uns  bei,  dass  diese  sogenannten  Streitmeissel  überhaupt  tech- 
Aisehe  Werkzeuge,  Meissel  mit  mancherlei  Verschiedenheiten  ihrer 
Form  und  von  mehr  oder  minder  artistischer  Vollkommenheit  wa- 
ren, welche  zu  den  yerschiedenaten  Verrichtungen  des  Lebens  an« 
gewendet  wurden,  selbst  auch  im  Kriege  gebraucht  worden  sein 
mögen,  wenn  man  keine  anderen  besseren  Waffen  hatte. 


*)  Alio  hier  nur  eine  Alternative  und  kein  l^iderfprucb,  wie  Herr  Jani'* 
i  en  unsere  Erklärung  anflEaflst  in  den  Heidelberger  iahrbachern,  Jahrgang  1854^ 
Kr.  37,  S.  585. 

U  Jaluf .  2.  Heft  8 


114  JansMüt    Hilrarfttn'Mhe  Oadbeäen. 

Und  dem  Ganzen  fügt  der  bo  gelehrte,  nnerrnndlich  forschende 
Herr  Janiien  noch  vier  höchst  interessante  Beilagen  b^.  Znent 
widerlegt  er  Westendorf's  Behauptung,  dass  die  Franken  sich 
aiieh  steinerner  Waffen  bedient  httttm.  Denn  wenn  in  den  Walthar- 
Hede  die  Waffe  des  Guntharis  (als  aus  der  Mistel  verfertigt)  Mistel- 
tein  d.  i.  Tein-Teen^  oder  Zweig  der  Mistel,  genannt  wird,  so  lies't 
Westendorf  Mistelstein,  und  macht  er  so,  sehr  irrend,  des  Gnntbarfs 
Waffe  sa  einer  Steinwaffe.  —  Sodann  erinnert  Herr  Janssen  da- 
ran, dass  Ernst  Kirchner  in  seiner  Schrift:  „Thor's  DonnericeiP  und 
Dr.  Gastay  Klemm  in  seinem  Handbache  der  Germanischen  Alter- 
thumskonde  irrig  gewisse  kleine  bronzenen  Bilder  für  Thora- Bilder 
angesehen,  die  vielmehr  von  Kandelabern  herrühren,  den  so  genannten 
Wildemann  vorstellen  und  dem  14«,  15.  und  16.  Jahrhunderte  an- 
gehören. —  Zum  Dritten  kämpft  er  gegen  das  von  Professor  Holz» 
mann  zu  Heidelberg  in  seiner  Schrift:  j,Kelten  und  Germanen^  aaff 
gestellte  Paradoxon,  dass  zwischen  den  Kelten  und  Germanen  keine 
Volksverschiedenheit  Statt  finde,  sondern  die  Germanen  zu  den  Kel« 
ten  zu  rechnen  seien.  (Vergl.  Zeitschrift  des  historischen  Verei» 
für  das  wlrtembergische  Franken,  Band  IV,  Heft  1,  S.  79ff.)  -* 
Endlich  erstattet  er  einen  Bericht  über  die,  am  25.  Octaber  185( 
geschehene  Entdeckung  und  höchst  sorgfältige  Aufgrabung  eioei 
merkwürdigen  kleinen  Todtenhügela  in  der  Gemarkung  von  Hüve^ 
Bum  durch  Herrn  A.  Pork.  Dieser  Todtenhügel  war  nämlich  einet 
jener  so  genannten  Heidenkirchhöfe,  wie  solche  in  NorddeotscUand 
viel  gefunden  werden,  und  zeichnete  sich  durch  die  grosse  Menge 
seiner  Urnen  aus.  Sie  waren  aus  ziemlich  feiner  mit  Kieeel-  and 
Quarzstelnchen  untermischten  Erde  mit  der  Hand  geformt,  aossea 
glatt  gestrichen,  vor  dem  Brennen  mit  einer  Lehmbrühe  überstrkshea 
und  an  dem  Feuer  schwach  gebrannt,  so  wie  von  Farbe  brana 
und  im  Bruche  grau,  und  ohne  alle  Verzierung.  Nur  drei  haben 
ganz  kleine  Henkelchen.  Ihre  Zahl  betrug  32,  und  in  zweien  der*- 
selben  befand  sieb  noch  ein  andres  kleines  Gefäss,  nämlich  hi  der 
einen  grossen  Urne  ein  kleines  becherförmiges  Gefäss  und  in  einer 
kleinen  Urne  ein  ganz  kleines  Gefässchen,  das  kleinste,  das  der 
Hügel  enthielt,  ein  ovales  löffeiförmiges  Näpfchen,  Die  Urnen  staa-* 
den  alle  in  der  gleichen  Tiefe  von  2  bis  4  Palmen  von  dem  er- 
höhten Boden  an  und  enthielten  Gebeine,  Kohlen  und  Asche,  weiche 
ausserhalb  der  Urnen  gar  nicht  in  dem  Hügel  vorkamen.  Nur  einige 
der  Urnen  waren  zerbrochen  und  lagen  in  Scherben  da;  und  nafae 
bei  diesen  allein  befanden  sich  kupferne  und  bronzene  Schmucksa* 
eben,  die  wohl  erst  später  zu  denselben  gelegt  wurden  als  eine  Lie- 
besgabe, 2  vollständige  getrennte  Armringe  mit  SchlnsslLnöpfen,  ein 
ganzer  und  ein  in  zwei  Stücke  zerbrochener,  und  Fragmente  eines 
dritten,  eine  Haarnadel,  ein  sehr  beschädigter  Spiral-Fingerring  von 
sechs  Windungen  und  ein  Bruchstück  eines  dreiseitigen  (prismaü* 
sehen)  Stäbchen^.  Herr  Perk  hat  die  Urnen  hi  ihrem  natürlichen 
Zustande,  wie  sie  mit  den  Knochen  und  Erde  angefüUt  waren,  aoi 


IHmforlMrieU  Mi  IMm,  115 


Boden  lialHv  gßmommmj  und  die  eokr  herften,  oft  m 

Zmimä  grioienden  Eeochen  «us  jedeK  Unie  beeonden  ein*- 
gepndtt  und  den  Prelesior  W.  Yrolik  nr  Untenochang  nnek 
ABsterdam  gmtMAt  Doch  die  Enedien  der  meiiten  Urnen  waren 
m  tagmenterisch  and  nnr  die  ans  eilf  Urnen  konnten  niiier  l>e^ 
werden«  Sieken  denelbea  enUdelten  Qebeine  yon  ans- 
Meuelieni  mnuil  eoldie  yon  einem  Icriftigen  Manne; 

Urne  die  von  ekier  jonf  en  noeli  nieht  aasgewaebsenen  Per- 
ion yon  18  bis  20  Jabren,  swei  die  Ton  Kindern  in  der  Periode 
des  Zabnweehsels  nnd  eine  die  Ton  einem  Kinde  in  der  Periode 
des  Absahnens.  Und  wir  haben  hier  die  Bestädgnng,  dass  aadi 
Kinder  seliist  yor  der  Zeil  des  ZalmweeliselSy  d.  b.  in  einem  Alter 
von  eedis  Jahren,  yerbrannt  nnd  deren  lotste  Ueberreste  in  Urnen 
m  die  TodtenhOgel  neben  den  Urnen  der  Alten  beigesetat  worden. 
Dieser  Todtenhügei  war  offsnbar  eine  Famifiengmft.  Aber  dass  die 
Bestatteten  alle  «emlich  gleichseitig  i  etwa  an  einer  herrschenden 
SBsteekenden  Krankheit,  gestorben  nnd  schnell  nach  einander  beer- 
digt worden  seien;  darin  können  wir  dem  Herrn  Janssen  nidü 
beistimmen.  Diese  Famüienhngel  mit  einer  Lage  Urnen  sind  yiel- 
mshr  aehr  hKaig,  nnd  man  setste  die  Todten  der  Beibe  nach,  wie 
die  Memehen  starben,  oft  erst  nach  langen  Zwischenrtomen,  In 
diese  Hfigol  bei;  indem  man  snletst  den  Erdaufwnrf  über  die  Urnen 
snOanete.  Herr  Janssen  hält  dafär,  dass  dieser  Urnenhfigel  ein 
ritgermanischer  nnd  ans  der  Zeit  ist,  da  die  Germanen  noch  in  ge- 
linger Berflhmng  mit  den  BIhnem  standen,  yielleieht  ans  dem  eisten 
Jahrhaaderte  nnserer  christlichen  Zeitrechnnng:  nnd  nach  Hm.  Jans- 
sen fielen  also  jene  HerdBtXtten  bloss  noch  mit  Steingerühen  und 
dieaer  Todtenhfigel  mit  seinen  yielen  Urnen  nnd  mit  setoen  erzenen 
flegenarilnden  in  dieselbe  Zeit;  was  kaum  möglich  ist 

Kmrl  Wilhelmt. 


Literatarbericiil  ans  Italien« 

L 

Unter  den  zahlreichen  Werken  über  die  letzten  Schicksale 
mdit  eine  ganz  yor  kurzem  erschienene  Oeschidite  Italiens 
yon  1814  bis  1850  yon  einem  Ungenannten*}  die  allgemeine 
Aaffflerksamkeit  bedeutend  an.  Im  allgemefaien  werden  hier  zwar 
Ae  bereits  bekannten  Thatsachen  yorgetragen;  doch  besteht  das 
Hanpiyerdienst  dieses  Werkes  besonders  darin,  dass  es  ganz  Italien 
aaltest  und  darthnt,  wie  die  Wiederherstellung  der  weltlichen  Macht 
des  Papstes,  die  Hauptursache  der  Unzufriedenheit  der  ItaliSner  seit 
dem  Fd3e  Napoleons  gewesen,  und  dass  diese  durch  die  nordische^ 


^  Storis  d'Ikalia  dtW  1814  äl  1850.    VoL  n.  IlaUt.  1856, 


111  LStenlurberidit  «10  lliiM. 

Barbaren  geschaffene  weltliehe  Macht ,  wddie  mMA  aogar  die 
Bdmisch-Deatschen  Kaiser  unterwarf,  nur  durch  die  Fremden  in 
Italien  hie  jetst  hat  aufrecht  gehalten  werden  können. 

In  gans  entgegengeBetstem  Sinne  ist  andernfalls  ein  mit  dem 
Druokorte  ^Italia^  erschienenes  Wwk  über  die  letiten  Ereignisse  Ita- 
liens, zu  Mailand  (wie  man  weiss,  in  der  Erzbischöflieben  Druckerei), 
abgefasst.  Es  ffihrt  den  Titel:  Historisch -politische  Merkwürdigkei- 
ten von  Lucarelli.*)  Der  Verfasser  weicht  iron  dem  den  Italifiaera 
sonst  gewöhnlichen  Anstände  ab,  und  behandelt  die  Personen,  wel« 
ehe  die  Bewegung  von  1848  befürworten,  mit  einem  hier  nicht  ge- 
kannten Gynismus.  Wir  wollen  nur  auf  die  Aeusserungen  über  die 
Fürstin  Belgiojoso  aufmerksam  machen,  welche  selbst  von  der 
Oesterreichischen  Regierung  mit  Machsicht  behandelt  worden,  indem 
sie  die  Erlaubniss  cur  Rückkehr  erhalten  hat. 

So  wie  in  Deutschland  die  ersten  AnOnge  unserer  Muttersprache 
herrorgesncht  werden,  so  geschieht  dies  auch  besonders  in  der  Lom* 
bardei,  wo  man  den  verschiedenen  Dialecten  viele  Aufinerksanik«t 
schenkt.  Herr  BiondelU  hat  sich  das  Verdienst  erworben,  eine  Samm- 
lang**)  alter  Gedichte  in  Italiftnischer  Sprache  aus  dem  13.  Jahr- 
hundert heranssugeben ,  die  er  aufgefunden  hat  Dieser  Gelehrte 
ist  Vorsteher  des  Müna- Gabinets  der  Brera,  dem  Pallaste  dai 
wissenschaftlichen  Institutes  au  Mailand,  welches  nach  Aufliebiiog 
des  Jesuiter-Ordens  Erbe  des  grossen  Pallastes  geworden,  den  dieier 
in  Mailand  besessen.  Obwohl  Mailand  keine  Universität  besitst, 
werden  dennoch  die  in  der  Brera  befindlichen  wissenschaftlichen  und 
künstlerischen  Schätze  auf  erfreuliche  Weise  benutst.  So  hält  on-« 
ter  anderm  Herr  Biondelli  seine  Vorträge  über  Alterthumsknnde,  die 
nicht  sowohl  von  Leuten  besucht  werden,  die  für  eine  Prüfung  sta- 
diren,  sondern  weil  es  ihr  Vergnügen  ist  Derselbe  Biondelli  wird 
nächstens  ein  Werk  in  der  alt  Mexicanischen  Sprache  herauBgeben, 
eine  Uebersetzung  der  Evangelien  und  Episteln  aus  der  Vulgats, 
welche  1530  daselbst  von  einem  Geistlichen  gefertigt  worden,  die 
von  Beltrami,  einem  Reisenden  aus  Bergamo  mitgebracht  worden, 
welcher  in  seinem  Werke  „La  Mexique^  davon  Erwähnung  thut 
Wenn  man  Gelegenheit  gehabt  hat  in  dem  Salon  der  Gräfin  Maffei, 
der  Gemahlin  des  Uebersetzers  unseres  Schiller,  die  Gesellschaft  der 
Literaten  in  Mailand  kennen  zu  lernen,  muss  man  gestehen,  dass 
sich  die  Wissensohaflft  hi  guter  Gesellschaft  befindet. 

Ein  Beweis  hieFOn  gibt  das  Archiv  zu  Mailand,  in  welchem 
eine  Palaeographische  Lehranstalt  eingerichtet  worden.  Der  Lehrer 
an  derselben,  Herr  L.  Ferrario  hat  eine  geachtete  Schrifit***)  über 
PaliD^pseste  herausgegeben,  worin  er  zur  Geschichte  derselben  er- 

*)  Curiosita  storico  politicbe.  Leggenda  di  Giuieppe  Luctrelli.  Italia.  1856. 

**)  Poesie  Lombarde  inedite  dal  Secolo  XIII.  publicate  ed  illnstrate  di 
B.  Biondelli.    Milano.  1856.  mit  fac  simile. 

***)  Memoria  intemo    arPalimstati  di  Luigi  Ferrario.     Hilano.    Tip. 
Bemandani. 


Lilmlnrb«rieki  mm  haikm.  M 

«ilBty  der  da«  Bchon  Catall  toh  solehen  getedet,  fbid  dan  dch  ^gyp* 
üMbe  PApynis  mit  dergleidieii  BOdi  TOifiadeo,  Dar  VarfiMMr  er- 
«ihiit  die  YerdieBSte  tod  Nlebnhr,  and  toh  dem  Rittor  Ptyron  in  Tarfn, 
ien  Gnrdinal  Mai  nennt  er  den  Colambes  der  Bibliotheken,  well 
deneUie  dergleieken  iiterarieehe  Entdecknngen  gemacht  hat.  Damit 
MdA  wo  viele  alte  Werke  Terdorben  würden,  yerbaten  die  Kaiser 
in  14^  Jahrhundert  die  Benntanng  deraelben,  am  einen  neuen  Text 
dariber  sn  achreiben.  Bei  Erwihnnng  der  bedeatondsten  Codices 
leBcripti  Terfehlt  der  Verfasser  nicht  der  Verdienste  unserer  gelehr- 
ten Forscher  Massmann  und  TIsdiendorf  au  gedenken;  die  Kunst* 
stitten  von  Smonides  waren  aber  bei  dem  Erscheinen  dieses  Buches 
aech  Dicht  an  Tage  gefördert  worden. 

Der  sehr  geschfttato  Dichter,  Oraf  Sanritale  ans  Parma,  wel* 
eher  aber  Magnetism  sehr  ansgedehnte  Stadien  gemacht  hat,  ist 
mit  einam  grSaBem  Crcdicht  fiber  die  magnetischen  Erscheinungen 
beschfitlgt ,  welches  spltter  unter  dem  Titel:  das  ewige  Licht  erscheinen 
wiffd.  Vorlinfig  hat  ^ner  seiner  Verehrer  Herr  Oallardi  eine  Epi- 
sode muM  demselben  in  Gknua  herausgegeben,  welche  den  Fall  von 
Serastopel  behandelt,  das  von  den  Tataren  der  weine  Felsen  ge- 
Bannt  wird;  daher  der  Titol*)  dieses  Brachstückes  von  SauTito« 
ie's  Lehrgedichten,  anf  welche  man  sehr  gespannt  ist,  obwohl  in  Ita- 
lien, im  Lande  der  Dichtkunst  man  sich  jetzt  ebenfalls  mehr  der 
PhMa  snwendet,  man  Tcrlangt  nicht  mehr  schöne  Worte  alleia, 
sondern  Thatsaehen,  wie  es  der  Ernst  der  Zeit  erfordert. 

Neben  Sanvitale  erscheint  in  Italien  jetzt  der  Ritter  Prati  als 
der  bedeutendste  Dichter,  von  dem  wir  schon  Gelegenheit  hatten 
SU  sprechen.  Seine  letato  Arbeit  ist  die  Jungfrau  von  Kent,  die 
Uebe  einer  eifrigen  Katholikin  au  einem  Protestanten  unter  der  Be- 
giemog  Heinridi  VIII.  von  Enghmd ,  welche  er  ab  Text  au  einer 
Oper  gedichtet  hat,  welche  von  einem  Advokaten  in  Torin  componirt 
worden  ist  In  Italien  lassen  sich  die  Kunstliebhaber  ihr  Ver- 
läufigen  etwas  koston.  Der  Gomponist  Hess  diese  Oper  auf  seine 
Kosten  in  Bcene  seta^,  was  man  anderwftrts  höchstens  bei  einem 
FSrsten  findet,  allein  die  Musik  hat  nicht  gefallen,  und  der  Geschmak 
der  Musik  wird  dem  italifinischen  Publikum  nicht  bestritten.  Man 
kann  sich  daher  nicht  wandern,  dass  die  Musik  dem  Dichter  ein!*- 
germassen  Sehaden  gethan  hat.  Doch  erfreut  sieh  bei  den  Lesern 
des  Libretto  der  Jungfrau  von  Kent**)  diese  Dichtung  nicht  unbe* 
deutenden  Beifalls.  Der  Gomponist,  Namens  Villani  hat  sich  übri- 
gens schon  früher  mit  2  andern  Opern  versucht,  es  scheint  aber 
als  wenn  die  Componisten  aus  dem  südlichen  ItaUen  mehr  Beifall 
finden,  als  die  aus  den  den  Alpen  näher  gelegenen.  Gegenden 

Das  Erxbisch5fliche  Archiv  zu  Mailand  ist  in  der  neuesten  Zeit 


*]  La  rocca  bianca,  del  eonte  Jac.  SaoTitale,  edito  da  £orico  Gallardi 
Gancra.    1850.    Tip.    LavagniBC. 

^)  U  Yirgiae  di  Kent,  del  G.  Prati.    Torino.   1850. 


ild  LHentnrberielt  aus  UtUeii. 

zQgftogilebar  gewoideo,  daher  der  Ganonicai  Sola  daselbst  sich  das 
Verdienst  erworben  hat,  eine  Bamnilang  von  Urknnden  aas  den 
12.  bis  14.  Jahrhundert*)  heraassageben ,  die  meist  Ton  ioealem 
Interesse  sind. 

Aas  der  Italittnischen  Schweitx  haben  wir  eines  ebenfalls  ge-^ 
schichtliehen  Werkes  zu  erwShnen,  nemUch  Forschungen  über  die  Vor« 
seit  der  Stadt  LocamOi  welche  hi  dem  Ganton  Tessin  am  rediten 
Ufer  des  Lago  Maggiore,  oder  Langen -Sees  liegt  Der  Advocat 
Nissi  hat  daselbst  die  Geschichte  dieser  Stadt**}  herausgegeben,  welche 
Ton  den  Gelten  gegrtindet,  dann  in  eine  römische  Müitttr  Golonie  ver- 
wandelt und  später  ein  Lehn  der  Kaiser  ans  dem  fränkischen  Stamme 
wurde.  Diese  Stadt  blieb  den  Kaisern  treu,  wShrend  die  andern 
von  den  Päpsten  zu  Rebellen  und  Ouelfen  gemacht  wurden.  Allein 
der  Ritter  Simon  von  Muralt,  als  Bandenführer,  Simon  von  Locamo 
genannt,  wurde  dem  Kaiser  Friedrich  II.  untreu  und  vertheidigte 
Mailand  lange  gegen  Eniio,  den  Sohn  des  Kaisers;  endlich  konnte 
sich  Luochino  Visconti  Locamo's  bemächtigen,  bis  diese  Stadt,  nach 
der  Schlacht  von  Mavignano,  als  Bezahlung  der  Hilfstruppen  an  die 
Schweitzer  EidgenossenschafI  abgetreten  wurde. 

Von  dem  Langen  «See  gehen  wir  sum  Gomer*See,  an  desss» 
Ausflttss  die  gegen  15000  Einwohner  zählende  Stadt  Lecco  liegt; 
sie  ist  bedeutend  durch  die  von  hier  auf  die  Märkte  Europas  ge- 
brächte Seide  und  die  Eisenwerke  der  Nachbarschaft.  Diese  von 
den  Fremden  ihrer  herrlichen  Lage  wegen  gern  besndite  Stadt  hat 
ihren  Geschfchtschreiber  an  einem  Herrn  Apostolo***)  gefunden.  Nach 
Ihm  war  sie  vor  den  Römern  von  den  Oroblem  bewohnt,  im  Mittri- 
alter  vertheidigte  sie  sich  gegen  das  germanische  Lehnwesen  dvrch 
starke  Thürme  und  Mauern,  und  die  Tapfericeit  der  Bürger  die,  vor 
der  Einführung  der  stehenden  Heere  ihren  eigenen  Heerd  so  tapfar 
au  vertheidigen  wnssten,  bis  Matheo  Visconti,  Herr  der  Ouelflschen 
Stadt  Mailand,  auch  Lecco  überwältigte«  Hierauf  bemächtigte  sich 
Oiocomo  Medici  dieser  Stadt,  bis  die  Spanier  sidi  In  Italien  fest- 
setzten, worauf  diese  Stadt  den  Schicksalen  der  Lombardei  folgte. 

Die  Archive  Italiens  werden  Immer  mehr  zugänglich ,  und  ihre 
Schätze  bekannter,  so  hat  Herr  Olivleri,  welcher  eine  Anstellnng 
bei  der  Cniversitäta^Bibliothek  In  Genua  hatte,  einen  Gatalog  der  auf 
derselben  befindlichen  Handschriften  nebst  deren  Beschreibung  und 
Erläuterung  herausgegeben,  f)  Die  Reihe  der  wichtigsten  Handschrif- 
ten, welche  auf  die  Geschichte  Genuas  Bezug  haben,  eröffnet  die 


*)^  Docamenti   per  ja  sloria  dellaHilano ,   pablicati  dal  Canonico  Ari- 

M  Awoeata  Gioy.  Guparo 


alide  Sola,  Archiviata.    Hilano.  1855.    Tip.  Afrnelli 
**)  Hemorie  storiche  di  Locarno  fiao  al  1660  < 


Neafi.    Locarno.  1855.    Tip.    Rueca, 

***)  Lecco  e  il  sno  territorio,  Memoria  del  G.  C.  Andrea  Lnigi  Apostolo. 
Lecco.  1855.    Tip.    Gorti. 

t)  Garte  e  cronache  Rianoscritie  per  1a  storia  Genovese,  nella  biblioteca 
dell  B.  U.  Ligare,  illuatr.  per  Afostiao  OliTieri.    Genom.    1855. 


UieralBrb«ri€lt  n$  Mkn«  11« 

b«diflile  Chronik  toh  Cjmsmo  Tom  Jak  1000  uif«ag«iid  bis  HO» 
wti  BAdilMr  TOB  mahroroQ  anderen  fortgeführt  Ms  1180.  Das 
Of^iul  ist  in  Paris,  die  liier  befindUehe  Absehrift  ist  aber  aot  Be- 
fehl des  Degen  Gambleho  im  Jahr  1792  mit  dem  Original  Ter« 
gliehen  und  beseheinigt  worden.  OrSsstentheÜs  nnedbi  befindet  sieh 
hier  die  Chronik  von  Oenoa  yon  de  Voragine  ron  1998  bis  1997. 
HieriB  finden  sich  unter  anderm  aneh  gote  Lehren  über  die  Wahl 
einer  Gattin,  s.  B.  ^e  reiche  Fran  will  den  Mann  beherrseheni 
eine  gate  darf  nicht  bewacht,  eine  schlechte  aber  kann  gar  nicht 
hewackt  werden  n.  s.  w.  Sehr  communistisch  klingt  folgender 
Grundsats:  Reicbthüm  hat  nie  gute  Sitte  gebracht  Von  Gappel- 
loni  befindet  sich  hier  die  Beschreibung  Ton  B  Versehwürungen  in 
Genun  aus  dem  16.  Jahrhundert,  die  des  Fiesco  Ist  noch  unedirt 
Ebenso  eine  Oeschichte  Ton  Corsica  bis  sum  K9nlg  Theodor  Ton 
Acdnelli  im  Jahr  1746  yerfasst.  Für  die  Geschichte  der  Erdbe- 
schreibung ist  besonders  wichtig  das  hier  befindliche  Itlnerarium 
AntOBü  usus  marls  Januensis  ron  1455,  welches  1809  von  Graberg 
de  Hemsoe  illustrirt  worden;  worin  besonders  die  Reise  su  dem 
Preebyter  Johann  in  Aethiopien  im  Jahr  1981  bei  den  jetxigen  Er- 
scheinungen Im  Innern  yon  Africa  sehr  wichtig  ist 

Wir  sind  in  Deutschland  gewöhnt,  yon  unserm  germanischen 
Stidtawesen  gern  su  glauben,  dass  es  rein  germanischer  Natur  ist; 
es  ist  hier  nicht  der  Ort  darauf  aufinerksam  su  machen,  welch 
grosse  Werke  und  Tbaten  die  Städte  Italiens  schon  heryorgebracht 
hatten,  als  so  manche  deutsche  Stadt  erst  begründet  wurde;  dage- 
gen wollen  wir  auf  den  Verwaltungs-Bericht  der  Stadt  Genua  yom 
letalen  Jahr  aufmerksam  machen,  welcher  daselbst  eben  erschienen 
ist*}  Genua  ist  swar  jetst  nicht  mehr  der  michtige  Freistaat,  allein 
noch  die  bltthende  swelte  Stadt  des  Königreichs  Sardinien,  die  durch 
ihren  Handel  stets  an  Wichtigkeit  sunimmt,  besonders  seit  die  Eisen- 
balm  yon  hier  durch  die  Apennfnen;  den  IKngsten  Tunnel  in  Europa, 
mmittelbar  an  den  Fuss  der  Alpen,  an  den  Lago  maggiore  ftthrt. 
Der  yorli^ende  Bericht  ist  yon  dem  gewählten  Oberhaupte  der  Stadt 
eistattet,  der  hier  den  Titel  Syndaco  führt,  und  Clena  heisst  Be- 
sonders wichtig  ist  der  Abschnitt,  welcher  yon  den  öffentlichen  Bäum- 
ten handelt,  die  hier  wirklich  ausserordentlichen  Aufschwung  nehmen. 
Osnae  Strassen  entstehen,  mit  Häusern  yon  7  Stockwerken ;  doch  ist 
das  Basen  solcher  meist  sehr  prächtigen  Häuser  das  Wenigste; 
schwieriger  Ist  es  hier  an  den  steilen  Felsenwänden  und  Schluchten 
douRaum  dafür  su  finden.  Doch  neben  diesen  Prachtbauten,  wozu 
aseh  Bwei  neue  grosse  Theater  auf  Actien  gehören,  geschieht  auch 
yid  fflr  die  ärmere  Klasse.  Eine  Gesellschaft  hat  sich  gebildet,  Hlr 
tee  gesfindere  Wohnungen  zu  bauen,  und  der  Stadtrath  hat  dafür 
Ae  Sicherstellung  yon  4.  yom  Hundert  an  Zinsen  für  die  Unter- 


*)  Relüxione  M  Sindaco  di   Consiglio  conmnnale  di  Genova,  leita  all 
opcftnra  della  ioniala  dAstonae,    1855.    Geaoya.    in  4. 


laO  Litttftlorberiekt  auf  Ibüieii. 

nehmer  übernommen.  Die  Stadt  besltst,  unabhängige  TOtt  der  Uni- 
versität,  eine  sehr  reiohe  Bibliothek,  und  ein  schätzbares  ArchiF, 
beide  werden  fleissig  benutst,  und  ergibt  sieh  die  Theilnahme  daran 
schon  daraoSi  dass  der  reiche  Markgraf  Durazso  der  Stadt  eine  der 
prachtToUsten  Handschriften  auf  Tiolettem  Pergamente  mit  1600  111- 
niaturen  yermacht  hat  An  ihm  hat  die  Stadt  vor  kursem  eineia 
sehr  verdienstvollen  Bürger  verloren;  er  hatte  nemlich  sein  ganses 
Leben  der  gewissenhaften  Verwaltung  des  grossen  Krankenhauses 
Panunatore  gewidmet,  statt  seine  Zeit  auf  Bällen,  Spiel  und  Jagd 
SU  zersplittern.  Hier  findet  sich  noch  BUrgertngend;  denn  der  Stadt 
ist  Selbstverwaltung  überlassen,  jeder  hat  Freude  daran,  da  kein 
Beamter  darein  zu  reden  hat.  Die  Staatsbehörde  bekümmert  sich  ledig- 
lich um  die  Aufsicht  auf  die  Fremden  und  die  Verbrecher,  welche 
die  Ordnung  stören,  so  dass  man  hier  in  der  Polizei  nur  wohlthä- 
tigen  Schutz  sucht;  alle  städtische  Verwaltung  ist  dem  Bürger 
selbst  überlassen. 

In  Genua  sind  die  Bibliotheken  keinesweges  zur  blossen  Parade 
bestimmt,  sondern  sie  werden  auch  benutzt,  so  dass  in  der  städti- 
schen Bibliothek  die  Einrichtung  getroffen  worden,  dass  sie  von  9  Uhr 
Morgens  bis  Abends  9  Uhr  geöffnet  bleibt  Dem  Einsender  sind 
kuf  seinen  Reisen  wenig  Städte  vorgekommen,  wo  ausser  diesem 
Bedürfniss  sich  auch  solches  liberales  Entgegenkommen  der  Behörden 
findet  Dass  in  dieser  Handelsstadt  aber  auch  wissenschaftlicher 
Sinn  herrscht,  kann  man  aus  den  literarischen  Erscheinungen  sehen, 
von  denen  gelegentlich  In  diesen  Blättern  Berichte  erstattet  worden. 
Die  hier  von  dem  Grafen  Mamiani  gestiftete  Academie  der  italiäni- 
schen  Philosophie  hat  vor  Kurzem  den  zweiten  Band  ihrer  Druck- 
schriften herausgegeben ,  *)  welcher  grösstentbeils  Abhandlungen  von 
Mamiani  selbst  enthält,  der,  obwohl  vom  Papste  selbst  zum  Minister 
ernannt^  dennoch  jetzt  zu  Genua  als  Ausgewanderter  leben  musa. 
Doch  hat  er  vor  Kurzem  das  Bürgerrecht  des  Königreichs  Sardinien 
erhalten,  und  ist  von  der  Stadt  Genua  zum  Mitgliede  der  Kammer 
der  Abgeordneten  gewählt  worden,  wo  er  bei  der,  der  constitutionei- 
len  Monarchie  abholden  Parthei  viele  Widersacher  fand.  Der  vor- 
liegende Band  philosophischer  Abhandlungen  enthält:  Inder  Abthei- 
lung der  reinen  Vernunft  eine  Abhandlung  von  Mamiani  über  die 
Unmöglichkeit  einer  absoluten  Wissenschaft :  femer  eine  Abhandlung 
überdas  Mora^rincip  von  dem  Markgrafen  Cavour,  Bruder  des  Pre- 
mierministers Sardiniens  u.  s.  w.  in  der  Abtheilung  der  angewandten 
Vernunft  Bemerkungen  über  den  Zustand  der  Exstase  von  dem  bekann- 
ten Naturforscher  Grafen  Sanvitale;  femer  von  Mamiani  eine  Abhandlung 
über  die  Anwendung  der  Metaphysik  auf  die  Naturwissenschaften  u.  a.  m. 
Von  demselben  ist  auch  der  Abschnitt  über  die  RechtsphUosophie, 
namentlich  über  Eigentbum  und  Souveraenität.     Besonders  wichtig 


*)  Sasrgi  di  filosofia  civile,   toUi  deglt  alti  dell'  Academia  dl   filofofia 
luliana.    Genoya.    1855.    Tip.  de'  Sordi  mali. 


LIHrtlpiNiidbl  •«•  iMiUiiu  111 

!it  Uer  seine  AbhandloDg  über  die  Menaehenrechte.  Er  ist  der 
MdooDf^y  dass  es  nicht  yortheilbaft  ist,  wenn  man  yeraucbte,  die 
fcwffailBigea  OmndslUe  einer  Verfassong  oder  einem  Oeeetsboche 
Toraossnsehi^oiy  da  sich  die  Gelehrten  bei  Feststellung  nnd  For« 
mnlirnng  derselben  selten  einigen.  Ifamiani  zeigt,  welche  Schwie* 
rigkeiten  das  in  Frankreich  and  Dentschland  hatte.  Wir  haben  dies 
im  Parlamente  sa  Frankfurt  erlebt,  nnd  so  kommt  man  anf  den 
klassischen  Grundsati  Enrilck,  dass  gute  Sitten  mehr  Werth  sind  als  gute 
OsBeiie.  Gute  Sitten  aber  können  nur  durch  das  Beispiel  der  ersten 
Schichten  der  Gesellschaft  verbreitet  werden.  Den  Schluss  machen 
einige  Abhandlungen  über  sociale  und  politische  Philosophie,  s.  B« 
Aber  Sodallsmns  Ton  Gonfanti,  wobei  wir  bemerken,  dass  in  Italien 
rieh  keine  Spur  ron  Communismus  findet,  da  hier  die  Vornehmen  und 
Beichen  geliebt  werden,  was  bei  ihrem  Betragen  nicht  lu  verwun» 
dem  ist.  Den  Schluss  macht  eine  Betrachtung  Mamiani's  über  den 
Ebifluss  des  Glaubens  und  Zufalls  auf  das  Geschick  grosser  MKnner. 

Nachdem  Rosmini  gestorben,  wird  Mamiani  für  den  ersten 
Philosophen  Italiens  gehalten.  Letsterer  hielt  eine  Rede  lum  Ge- 
dSchtniss  des  ersten,  um  ihm  ein  Denkmal  zu  errichten. 

Ein  sehr  fleissiger  Schriftsteller  in  Genua,  bekannt  unter 
dem  Kamen  Antonio  Francbi,  dessen  Name  aber  Buonovino  ist, 
hat  in  diesen  Tagen  eine  razionelle  Theologie  herausgegeben.**) 
Man  glaube  aber  nicht,  dass  dies  einer  der  Versuche  ist,  die  Got« 
tesfurcht  aus  dem  Volksbewusstsein  zu  entfernen,  sondern  diese 
Arbeit  Ist  aus  tiefem  religiösem  Gefühl  hervorgegangen.  Der  Ver* 
lasser  beweiset,  dass  die  geistige  wie  die  physische  Welt  gewissen, 
QBwaudeltNtfen  Gesetzen  unterworfen  ist  Die  materielle  Weltord- 
oong  geht  ihren  Gang,  wie  die  moralische.  Der  Materialismus  ist 
nicht  im  Stande,  die  ideale  Welt  zu  unterdrücken,  so  wie  der  grösste 
Mystizismus  nicht  die  Sinnlichkeit«  Er  zeigt,  wie  die  Geschichte 
überall  unter  der  Herrschaft  der  Ascetik  nnd  des  Pietismus  die  gross- 
ten  Laster  im  Gefolge  gehabt  hat;  und  um  so  geffihriicher,  da  sie 
mit  Heuchelei  verbunden  waren;  so  wie  während  des  grössten 
Seepticism  grosse  Tugenden  stattfanden.  Von  demselben  Verfasser 
eischien  im  Jahr  1853  ^die  Religion  des  19.  Jahrhunderts*';  früher 
«die  Philosophie  der  italiänischen  Schulen^,  und  im  Jahr  1854  „Phi** 
losophisch-Religiöse  Studien^. 

Von  einem  gelehrten  sardinischen  OflTizier,  dem  Baron  Rigb-.^ 
di  S.  Georgio  können  wir  eine  Schrift  zum  Unterricht  in  der  Tr?    ^' 
nometrie  erwSbnen.***) 
.. •  legend 

?\  Doch 

1  1^  Difcorso  proemiale  leUa  nel  Academia  della  filosofia  Italiana  dc.t,^„^ 
"^nle  Tcreoiio  Mamiani.     Genova.    1855.  Bcnwo« 

••)  11  razionalifroo  del  popolo,  per  Antonio  Franchi.  Genova.  18?1®*"®'^ 
^**)  Corao  elementare  di  Trigonometria  rettilineare.    Dal  Baronei,    nicht 
di  S.  Georgio.    Torino.    1856.    Tip.  Cosaone.  d  werde 

'  zu  Utt« 


iU  Uttttloriberidit  aui  lullen« 

behilflich  wären,  oder  welche  aus  Geburtsstolz  den  Uotersehied  der 
Stände  verewigen  wollten. 

Ein  bedeutendes  Werk  über  die  Staatswirthechaft  ist  ebenfails 
in  Florenz  von  Herrn  Marescotti  erschienen: 

Sidla  economia  polUiea  sociale,  dUcorsi  di  Angela  Marescottu  Firense. 
1856.     Tip.  Barhera, 

Der  erste  Theil,  kritischen  Inhalts,  handelt  von  der  Nothwen- 
digkeit,  diese  Angelegenheit  wissenschaftlich  zu  behandeln,  nnd  gibt 
Nachricht  über  die  alten  Schriftsteller  Italiens,  welche  sich  damit 
beschäftigt  haben,  bis  zu  denen  der  Gegenwart,  mit  Auseinander^ 
Setzung  des  Unterachtedes  der  gegenwärtigen  und  früheren  Lehren 
über  diesen  Gegenstand.  Der.  wissenschaftliche  Theil  enthält  Unter- 
suchungen über  den  Erwerb  nnd  die  Vertbeilung  des  Reichthnms. 
Der  dritte,  der  praktische  Theil,  handelt  von  der  staatswirthsehi^* 
liehen  Rechtswissenschaft. 

Auch  ein  in  Wien  vor  Kurzem  erschienenes  Buch  gehört  der 
italiänischen  Literatur  an,  nemtich  über  die  Freundschaft: 

Pensieri  sulV  amicisia,  di  Augtisto  Tebaldi,     Yienna.     1866.     Tip. 
dei  Mechiiarisii, 

Man  kann  diese  Gedanken  eine  Ilias  post  Hemerum  nennen, 
besonders  da  schon  der  heilige  Themas  von  Aquino  die  Freund- 
schaft vom  christlichen  Standpunkt  so  trefflich  behandelt  hat 

Eine  sehr  leicbte  Arbeit  ist  von  Herrn  Perugini  in  Trient 
herausgegeben  worden: 

Discorsi  popolari  ed  un  raceonto  sim'ico  del  dotL     Giovanni  Perur 
gini.     Trenio,     1850.     Tip,  Perini. 

obwohl  sie  Vorlesungen  enthält,  welche  derselbe  in  der  Academie 
zu  Roveredo  gehalten  hat.  Es  sind  dies  keinesweges,  wie  man 
nach  dem  Titel  glauben  sollte,  Im  Volkstone  gehaltene  Vorträge, 
sondern  hauptsächlich  Warnungen  gegen  die  in  die  Wissenschaft 
sich  einschleichende  Charlatanerie.  Dass  der  Verfasser  den  wür- 
digen Priesnitz  von  Gräfenberg  dabei  mit  erwähnt,  werden  ihm 
Manche  sehr  übel  nehmen.  Auch  hat  sich  in  dieser  Beziehung  der 
berühmte  Leibarzt  des  Kaiser  Franz  ganz  anders  benommen.  Als 
nemlich  der  Brodneid  der  Aerzte,  welche  vor  Hanemann's  Einfluss 
Recepte  schrieben,  welche  wie  oft  gehörig  mit  Medicamenten  zusam- 
mengesetzt waren,  vielfache  Beschwerden  gegen  Priesnitz  erhob, 
war  der  Baron  v.  Stift,  dta  Kaisers  Leibarzt ,  nach  Gräfenberg  ge- 
schickt worden,  und  eratattete  dem  Kaiser  seinen  Bericht  dahin:  Ew. 
Migestät  sind  oin  Kaiser  von  Gottesgnaden,  Priesnitz  aber  ist  ein  Arzt 
von  Gottesgnaden.  Man  dürfte  zweifelhaft  sein,  wem  das  Urtheil 
mehr  Ehre  micht,  dem  Priesnitz  oder  dem  Stift? 

Von  ein  n-  Gesellschaft  italiänischer  Gelehrten  wird  jetzt  In  Mai- 
land ein  umfi^endes  Werk  über  die  Gründung  und  Geschichte  der 


Lit«ritiiib«riehl  mu  ItaKes.  125 

LenkiiiiMli-VMetiaiilfldMii  Städte,  GemeindeD  und  StUöMtr  mH 
iniebteo,  Bildern  n.  s.  w.  herausgegeben,  von  welehem  das  erste 
Heft  aiacliienen  Jet: 

Grande  ülusirasione  dd  Lomhardo^Ytutio ,  da  tma  socUiä  di  let^ 
ierati  üaliani  per  ü  conie  Ämato  di  Brennen  Milano.  1866^ 
Presse  la  soeietä  editrice. 

Das  erste  Heft  geht  yo»  der  ersten  Niederlassung  der  Gallier 
n  Mailand  bis  anr  Kalseraeit  und  aelgt  durch  die  auf  dieses  Werk 
Terwendeten  Kosten,  dass  die  Yomehme  Gesellschaft  In  Italien  die 
Beiehiftignng  mit  der  Wissenschaft  und  Literatur  nicht  für  so  Igno- 
M  hält,  wie  kl  andern  Gegenden,  und  dass  die  reichen  Leute  solche 
kostbare  Werke  kaufen.  Den  diessfalsigen  Unterschied  hatte  der 
Eosender  aehon  vor  mehreren  Jahren  Gelegenheit  au  bemer« 
kea.  In  einer  Buchhandlung  au  Malland  antwortete  ein  deutscher 
Qehilfe,  auf  die  Frage:  wer  die  hier  aufgestellten  deutschen  Bücher 
QBd  die  kostbaren  wissenschaftlichen  Werke  in  andern  Sprachen 
kaufe?  die  erstem,  die  Oesterreichischen  Offisiere,  die  letatem  der 
kiesige  Adel.  Graf  Brenna,  der  an  der  Spitae  dieses  Unternehmens, 
du  für  die  Geschichte  der  SU&dte  in  Oberitalleü  so  wichtig  ist,  steht, 
ist  ein  Freund  der  Wissenschaft;  so  wie  auch  der  gelehrte  Graf  Pom* 
peo  Litta  in  Mailand  war,  welcher  das  kostbare  Werk  über  die 
«Faniglie  illustre  Itallane^  herausgegeben  hat  In  Italien  ist  die 
eilte  Klasse  der  Gesellschaft  gewöhnlich  die  gebildetste,  und  be- 
loadcrs  in  Turin  ist  die  Gelehrsamkeit  das  Erbthett  der  Vornehmsten. 

Seit  dem  September  1856  kommt  In  Mailand  ein  seiir  gut  re- 
digirtes  WochenUatt  von  2  Bogen  In  4.  über  Yerwaltungs-Gegen«« 
itiode  im  weitesten  Umfange  heraus: 

^e^latore  amministraiivo  ^  Qiomale  teoi'icO'praiico  d*ammimsira'- 
ssiont  polüica,  communalej  privata  etc. 

Diese,  Gesetae,  Wissenschaft  und  Literatur  von  Ihrer  praktischen 
Seite  umfassende  Zeitschrift  ist  den  lombardlsch*venetianischen  Ge«* 
meinden  gewidmet  Man  wird  am  besten  eine  Ansicht  von  diesem 
▼erdienstlichen  Wochenblatt  erhalten,  wenn  man  dem  Inhalte  einiger 
der  bisher  herausgekommenen  Blfitter  folgt.  Unter  dem  Abschnitte: 
Weatlidie  Verwaltung,  wird  eine  Gritik  der  bestehenden  Gesetage* 
boDg  über  die  Forstverwaltung  gegeben,  besonders  über  Industrie!«* 
k,  topographische  und  commercielle  Verhältnisse  der  Wälder  in 
den  lombardlsch-venetianischen  Königreiche.  Ein  anderer  Aufsats, 
der  ebenfalls  durch  mehrere  Nummern  fortgeht,  macht  Vorschläge 
über  die  Agrar^Gesetsgebnng.  Uebcr  Erziehung,  besonders  mit  Be- 
zog auf  Landwirthsehaft  und  technischen  Unterricht^  werden  Vor- 
Khlige  gemacht  und  technologische  Gegenstände  verhandelt  Ein 
besonderer  Abschnitt  gibt  Nachricht  von  den  erschienenen  betreffen- 
de gesetzUchen  Bestimmungen  und  amtlichen  Verordnungen,  ein 
«ri«rer  Ahha«dlaDgea  übet  Gesetagebung,    Ferner  enthält  jedes 


lae  LitentarbMiolil  au  ItaHea. 

Blmtt  Proviiuiftl^CorrespoDdenzen,  i.  B.  am  Verou  Üb«r  dte  StaU* 
fltik  der  dortigen  Schalen,  aus  Venedig  über  die  Ereigoisee  auf  der 
Börse,  aas  Bergamo  über  die  Resaltate  des  Seideabaiies,  aiiaMan- 
tna  über  die  dortige  Ackerbau-Schale.  Auch  werden  auf  die  Staats - 
wirthschaft  Bezug  habende  neue  Schriften  besprochen.  Den  Schluss 
machen  die  Börsen-Course  und  Marktpreise. 

Eine  andere  bereits  seit  7  Jahren  bestehende  Wochenschrift, 
die  Dttmmerung, 

II  crepuscolo,  Müano,  1856,     Tip,  YaUiübiu 

ist  die  jetzt  in  Italien  am  meisten  yerbreitete  politisch* literarische 
Zeitung,  die  von  einem  ausgezeichneten  Gelehrten,  Herrn  Carl  Tenca 
herausgegeben  wird,  dessen  Wochenschau  von  eben  so  vteier  sorg- 
faltigen Aufmerksamkeit  auf  die  stattfindenden  Ereignisse,  als  deren 
nnbefangenen  Beurtheilung  Kunde  gibt.  Die  politische  Gorrespondeni 
aus  Paris,  Tarin  und  Berlin  ist  sehr  gediegen,  besonders  finden  die 
Italiäner,  dass  sie  Deutschland  hieraus  ganz  anders  kennen  lemeo, 
als  es  ihnen  bisher  vorkam.  Aus  Florenz  und  Turin  werden  sehr 
schätzbare  literarische  Correspondenzen  mitgetheilt,  so  wie  von  der 
deotschen  Grenze,  welche  die  neuesten  Erscheinungen  in  anserm 
Yaterlande  mit  eben  so  vieler  Aufmerksamkeit  and  Anerkennang 
behandeln.  Der  Beschloss  madit  eis  Bericht  über  die  wichtigsten 
literarischen  Erscheinungen  In  Italien.  Obwohl  diese  treflfllche  Zeit- 
schriit  in  Neapel  and  Rom  nicht  zugelassen  wird,  hat  sie  doch  mehr 
Leser  als  jede  andere  italiänische  Zeitschrift  und  wird  jetzt  für  das 
beste  Blatt  dieses  Landes  gehalten,  welches  dnreh  seine  MSssIgung 
in  der  Darstellung  oft  Sacheo  sagt,  die  man  in  Mailand  sonst  f& 
unmöglich  halten  sollte.  Das  madit  der  Qewandheit  des  Redaetem 
eben  so  viel  Ehre  als  dem  würdigen  Civil*  Gouverneur  der  Lombar* 
dei,  welcher  die  Redaktion  mit  allen  kleinlichen  Plackereien  ver- 
schont, die  sich  sonst  manche  Behörden  gegen  Zeitschriften  erlau- 
ben, die  wenn  auch  nicht  gegen,  doch  nicht  stets  in  ihrem  Sfame 
sehreiben,  wovon  wir  Beispiele  genug  auch  ans  LXnd^n  anfüiuen 
könnten,  die  auf  der  Spitze  der  Civilisation  zu  stehen  vermelneD. 
Auch  finden  äch  in  dieser  trefflichen  Zeitschrift  keine  Artikel,  die 
von  amtlichen  Pass-Bureaus  den  Redaotionen  aufgedrungen  werden, 
welche  sie  aufzunehmen  dem  moralischen  Zwange  unterworfen  sind, 
um  nicht  gemassregelt  zu  werden. 

Von  der  Insel  Sardinien  erfahren  wir  wenig,  und  dennoch  haben 
wir  von  dort  ebenfalls  von  einer  ähnlichen  Zeitschrift  zu  beriehteo, 
die  wöchentlich  dreimal  in  Cagliari  erecheint: 

Lo  statuto,  giomale  ufficicUe,    Tip.  di  Timon. 

Ausser  den  amtlichen  Bekanntmachungen  gibt  diese  Zeitung 
Nadirichten  über  die  auf  der  Insel  vorfallenden  Begebenheiten,  so- 
dann die  gewöhnlichen  politischen  Nachrichten ,  besonders  aber  einen 
wissenschaftlichen  Anhang,  welcher  zeigt,  welche  Fortschritte  die 


üMraiiirbtrichl  aof  Itali«ii.  i27 

lud  S«idiiii«n  s^t  der  EiofiUirttiig  der  OonstitaUo»  geaaeht  bat; 
dato  auch  diese  Zeitong  dayon  den  Namen  j^Lo  atatnto^  angenon« 
neo  bat  In  diesem  Anhange  sind  besonders  sa  beachten  die 
Artikel  des  gelehrten  Canoniens  Spane  über  die  Fortschritte,  welche 
die  Geschichtsforschung  dieser  Insel  In  der  neuesten  Zeit  gemacht 
JiaL  Besonders  sind  es  mehrere  Fergaaeote,  welche  in  einem 
Kioster  au  Oristana  gefanden  worden  waren ,  und  sa  einer  frfiher 
genachten  Sammlung  gehört  hatten.  Die  Heraasgabe  derselben  war 
in  einielnea  Heften  von  dem  Ober-Bibliothecar  der  Universität  sa 
Gagliariy  Ritter  Martini  bewirkt  worden,  von  dem  wir  eine  treifliehe 
nd  sehr  Ireimüthige  Kirchengeschichte  dieser  Insel  und  eine  6e* 
Khichte  der  neaesten  Zeit  besitsen.  (S.  Sardinien  von  J.  F.  Nei<* 
gebiar,  IL  Anflg.,  1856,  Dyck'sehe  Bochhandlung  in  Leipaig«)  Der 
gelehrte  Canonicus  Spano  besitst  selbst  eine  sehr  rdche  Sammlung 
TOB  ia  Sardinien  gefundenen  Alterthümer  und  ist  der  Verfasser  des 

BuUtiino  areheologico  Sardo^  -  in  ogni  genert,  del  Cananico  Giovanni 
8pano,  Preside  deU  eollegio  Conviito,  Anno  L  Cagüari,  1855. 
Tip.  Timon.     8. 

von  dem  aUe  Monat  ein  Bogen  mit  vielen  Abbildungen  herauskommt 
DnersehSpflich  ist  besonders  die  Umgegend  von  dem  alten  TharroS) 
aa  der  Westküste  der  Insel,  wo  die  Necropole  eine  grosse  Meng« 
beseadera  egyptischer  Alterthflmer  geliefert  hat  Die  Yerbindnng 
nrischen  dem  Orient  und  Sardinien  muss  in  der  frühesten  Zeit  sehr 
lebendig  gewesen  sein;  noch  findet  man  hauptsächlich  phdnJsische 
Maosen;  ans  dem  Mittelalter  sehr  wenig»  Ueberhaupt  ist  die  Oe- 
lehichie  dieser  Insel  seit  Gregor  dem  Grossen,  der  für  die  Bjsantini- 
sehen  Kaiser  grossen  Einfluss  auf  die  Verwaltung  derselben  hatte,  dunkel 
Iris  sar  Z^t  der  Herrschaft  der  Pisaner.  Darum  sind  Ittr  jene  dunkel 
Zeit  die  ohen  erwähnten  Pergamente  von  Arborea,  wie  sie  von  dem 
Herau^eber  Martini  genannt  werden,  sehr  wichtig,  von  dem  der 
gelehrte  Spano  in  seinem  Statnto  Nachricht  gegeben  hat  Das  wieb- 
tigste  dieser  Handschriften  Ist  das  Gedicht  über  den  König  Ihaletusi 
welches  bisher  anbekannte  Thatsachen  ans  jener  dunklen  Zeit  mit- 
tbeilt  (S.  Ihaletus,  Sardiniae  Res«  carmen  ineonte  seeuk)  VIIL 
esBiposItam  a.  P.  Martini,  CaraUbus  publieatuni,  repetendum  enru'^ 
▼HJ.  F.  l^eigebaur,  Vratlslaviae,  1852,  apod.  T.  £.  Leuckhart) 
Debr^ens  ist  dies  derselbe  Bitter  Spano,  welchem  wir  das  Tollstän-> 
4ge  Worterbneh  der  sardialsohen  Dialecte  Terdanken.  Von  diesen 
nt  der  ansgebildelste  der  von  Logodoru,  in  welchem  auch  mdirere 
Werke  erschienen  sind;  er  hat  von  dem  alt  Bömischen  am  meisten 
beibehidten. 

Von  den  italiänischen  Dialecten  ist  übrigens  der  am  meisten 
▼erbreiteie  der  Mailändische,  in  welchem  auch  die  meisten  Werke 
gedruckt  erschienen  sind;  so  wie  auch  keiner  sich  so  fleissiger  Be* 
vbeiter  sa  erfreaen  gehabt  hat    Einen  Beweis  davon  gibt  das  grosse 


I2d  Lfteraturb«rkfat  aof  Italien. 

Wdrterbucb  für  diesen  Dialect  von  Cherabini,  von  welcbem  ebeo 
der  5.  Band  erscbienen  Ist. 

Vocabulario  Müanesi:  ItäliaJio  di  Franceseo  Cherubini,    Volume  V. 
Müano  eocieta  dd  Classici  ItcUiani,     1856. 

Hierin  befindet  sieb  ein  Anhang,  betreffend:  philologische 
Maehrichten  über  den  Mailänder  Dialect,  und  beeondera  über  den 
von  Brianzolo,  eine  Abart  des  Mailfinder  Dialects.  Cherabini  hatte 
sein  ganzes  Leben  dem  Stadium  dieser  Sprache  gewidmet  und  treff- 
liche Handschriften  über  italiSnische  Linguistik  hinterlassen,  die  sich 
auf  der  Ambrosianischen  Bibliothek  befinden.  Das  bedeutendste 
seiner  Werke  ist  die 'Dialettologia. 

Einen  neuen  Beweis  davon,  wie  verständig  jetzt  in  Ober-Italien 
die  Angelegenheiten  der  Presse  und  das  öffentliche  Wohl  der  Ein- 
wohner behandelt  wird,  gibt  eine  eben  zu  Yicenza  erschienene  Schrift 
über  Armuth  und  Arbeit. 

OK  Indigmti  e  gli  OperaJ,  pensieri  di  Francesco  Doli,  Formentoru 
Vicensa.     1850.     Tip.  Paroni. 

In  einer  Zeit,  wo  von  manchen  Selten  Stimmen  laut  werden, 
um  die  Oleichheit  vor  dem  Gesetze  zu  beschränken  und  die  Massen 
unter  Vormundschaft  und  Unwissenheit  zu  erhalten,  ist  es  verdienst- 
lieh von  dem  Verfasser,  sich  der  leidenden  Menschheit  anzunehmen. 
Uebrigens  ist  das  Verhältniss  der  Armen  zu  den  Reichen  in  Italien 
ein  ganz  anderes,  als  diesseits  der  Alpen.  In  Italien  ist  der  Vor- 
nehme von  dem  Volke  geliebt  und  geachtet,  wie  es  nicht  überall  der 
Fall  ist;  denn  der  Italiäner  behandelt  den  Menschen  als  Mensch! 
In  Italien  wird  der  Vornehme  aber  nicht  nur  geliebt,  sondern  auch 
geachtet;  denn  meist  ist,  wie  schon  oben  gesagt,  dort  der  Vornehmste 
auch  der  Gebildetste.  In  Italien  gibt  es  keinen  Gelehrten -Stand, 
der  nicht  überall  der  reichste  ist,  sondern  die  Gelehrtesten  sind  ge- 
wöhnlich die  Vornehmsten.  Denn  die  bekannten  Balbo,  Sdopis, 
Vesme,  Sanvitale,  Sauli,  Mamiani,  Marmora,  Alfieri,  Manzoni  u. 
A.  m.  sind  nicht  bloss  bekannte  Gelehrte  und  Schriftsteller ,  sondera 
zugleich  reiche  Grafen,  der  gelehrte  Salazzo  Markgraf,  Theano,  der 
grosse  Kenner  der  Dante-Literatur  ist  nebenbei  Fürst,  und  Serradi-* 
falco  und  Butera  sind  Herzoge.  Wir  sind  diesseits  der  Alpen  ge« 
wohnt,  dass  der  junge  Mann  etwas  lernt,  um  davon  zu  leben,  und 
sehr  gelehrte  Männer  haben  dennoch  sehr  wenig  zu  leben  und  die 
Gesellschaft  beachtet  den  Gelehrten  in  Deutschland  oft  sehr  wenig, 
Indem  andere  oft  sehr  zufällige  oder  äusserliche  Vorzüge  höher  ge- 
achtet werden.  Darum  ist  in  Deutschland  die  Achtung  vor  dem 
Gebildeten  nicht  so  gross  wie  in  Italien,  wo  reiche  Gelehrten  ihre 
Bücher  auf  ihre  Kosten  drucken  lassen,  und  sie  dann  verschenken« 


■r.  i.  HEIDÜlBBReEtt  UKI, 

MHRBOGHBR  DBB  LITBRATDH. 


Die  PküoeophU  der  OrUchen  in  ihrer  gesehichUiehen  Enknekehmjf, 
dargeMU  von  Dr.  Eduard  Zeller.  Enter  TheU.  JUge^ 
meine  Einleitung.  VareokrcUisehe  Phüoeaphie.  Zweite  vöUig 
umgearbeiieU  Auflage*  Tübingen.  Druck  u.  Verlag  ven  iMdie^ 
Ffiedr.  Fues.    1856.    8.  VW.  680. 

Zeiler  iat  eioem  wahren  Bedürfniflae  ^Dtgegengekommen,  iDdem 
;r  nun  aoch  die  AnfSoge  der  griechischen  Philosophie  eachUch  dar» 
int^t,  und  anit  aeinem  bekannten  Fleisae  und  seiner  eigenthttndl* 
chsD  Klarheit  ausgeführt  hat*  Wir  gedenken  hier  keine  Angabe 
Küier  Gesammtanschauung  von  der  Torsokratischen  Speknlation  an 
(eben;  wir  werden  uns  auch  nicht  darauf  einlassen,  sehie  Ansiehf* 
teo  iiber  daa  Verhältniss  der  einzelnen  Systeme  vx  einander  an  be- 
i|)rechen;  noch  weniger  kennen  wir  auf  Tiele  besondere  Parthie« 
te  Werkes  kritisch  eingehen,  und  dies  und  jenes  daran  beriehtigeft 
•der  erg£nacn.  Wir  beschränken  uns  darauf,  ehien  efaiaigen  Punkt 
henouDgreifen,  indem  wir  Tersnchen,  seine  Auffassung  der  pytha- 
gorekefaen  Zahlentheorie  au  widerlegen. 

Die  Ansichten  der  Torzüglichsten  Historiker  über  diese  dunkelst« 
ibei  interessanteste  Lehre  der  alten  Philosophie  sind  sehr  getheilt 
vd  unklar ;  und  die  Darstellungen  des  pythagoreischen  Systemes 
leUren  zu  den  unbefriedigendsten  und  schwächsten  Theilen  ihrer 
tecbiehUwerke.  Der  Grund  davon  ist  sonder  Zweifel  in  den  man* 
Selhaften  nnd  oft  sich  widersprechenden  Nachrichten  über  diese  Pe* 
Me  zu  suchen.  Noch  bei  weitem  mehr  aber  hat  der  Auffassung 
der  pythagoreischen  Philosophie,  wie  ich  glaube,  das  Bestreben  ge* 
idiadet,  alle  aufbewahrten  Aussprüche  und  Bruchstücke  you  Lehren 
nd  Werken   unter   einen  gemeinsamen  Gesichtspunkt  bringen  au 

Schon  Reinhold  jedoch  fand,  dass  es  «Torauszusetaen  und  aua 
Spuren  erkennbar  sei,  dass  eine  so  ausgedehnte  Schule  im 
^erluif  ihrer  Fortbüdung  bis  zum  Zeitalter  des  Plato  und  des  Ari- 
verschiedene,  in  manchen  damals  für  wichtig  gehalteneo 
^Men  von  einander  abweichende  Fraktionen  enthdten.  habe* 
I^nrstatten  uns,  wie  er  meint,  die  Nachrichten  hierüber  nur 
^Uaie  und  nngewisse  Blicke  in  die  Bedeutung  der  hi^r  yorhanden 
lewMien  Differenzpunkte''  (Gesch.  d.  Phil.  $.  88).  Reinhold  führt 
*^  die  Differenzen  nicht  weiter  durch,  sondern  zeichnet  die  Lehrea 
^^M  merkwürdigen  Schule  nach  den  Fragmenten  des  Phllolaos. 

Aadere  Fon^er  dagegen  folgen  Ritter  und  geben  zuy  i^dasg 
^^gs  terschiedene  Richtungen  in  der  Philosophie  der  Pythagoreer 
■^Uar  sden,  jedoch  koiaosweg«  00  entgegengesotate»  da«  wir 
^l«hr|.2.Hclt  9 


199  *      ZeHdf :    Fliiloi#plto*te  Mecheo. 

lücht  im  Stande  sein  sollten,  sie  anf  eine  gemelnflaoie  Grondanaidit 
zortickzoführen«  fGeBch.  d.  Phil.  Bd.  I.  p.  381).  Dieser  Ansicht 
Eitter*8  stimmt  Zeller  bei,  ohne  jedoch  dessen  Äaflfassong  von  dem 
ZaUenprincipe  m  theilen« 

Brandts  endlich  In  seiner  interessanten  Abhandlung  j,über  die 
ZaUenldure  der  Pythagimer  und  Platoniket^  im  Rheinischen  Mosenm 
Ar  PhiloL  nnd  Oesch.  1828.  p.  308  £  sachte  die  Annahme  sor 
Uebersengoag  sn  erheben,  dass  j^entweder  die  Lehren  der  Pytha- 
goreer  nldit  klar  anfgebsst,  oder  dass  In  der  pythagoreischen  Schule 
▼erschiedene  Grundansichten  hervorgetreten  seien.  ^  £r  entdeckt  ma- 
terialistische Principien  unter  ihren  Ansichten;  er  sieht  eine  von 
diesen  verschiedene  dualistische  Bichtung,  ,,von  deren  Mothwendig- 
keit  doriMningen  Philolaos  sein  Buch  beginne.^  Es  entgeht  Brau« 
«Hs  niehti  dass  sich  bei  den  Pythagoreem  noch  wahrnehmbare  Aiy- 
knüptaigspunkte  an  die  Lehren  der  jonischen  Naturphilosopfaen  üi* 
den,  so  gewaltig  auch  übrigens  die  Differenzen  dieser  beiden  Sehn« 
Im  sein  mögen. 

Trots  der  geistreichen  Apercus  von  Brandts  ist  In  der  Dar'* 
«idlnag  dieser  geheimnissvoUen  Lehre  jedoch  noch  unendlich  viel 
in  tfann,  wfo  man  um  so  deutlicher  erkennen  wird,  je  tiefer  man 
in  die  erhaltenen  Nachrichten  einzudringen  versucht.  Soll  jedoch  in 
dieses  Oiaos  von  Meinungen  eine  gestaltende  Idee  und  ein  produk* 
tives  YerstSndniss  kommen;  sollen  whr  begreifen  können,  wie  die 
minderbare  Zahlentheorie  sich  lu  einer  eigenthfimlichen  Welten- 
eebannng  e^nen  konnte:  so  werden  wir  diesen  verschiedenen  Auf« 
fassnagen  sorgfltttigst  nachgehen,  und  vor  allen  Dhigen  das  yomr** 
theil  schwinden  lassen  müssen,  alle  In  eine  einheitliche  Auffassung 
▼ereinigen  EU  können.  Zeller  hat  sich  durch  dies  Bestreben  seine 
ganze  Ansicht  von  der  psythagoreischen  Zahlenlehre  verdorben.  Bei 
aeiner  Ausführung  stossen  Ihm  immer  wieder  die  kaum  zurüdcge« 
wieeenen,  widersprechenden  Meinungen  auf;  er  versucht  sie  aber 
und  mbtfmids  durdi  die  scharfsinnigsten  Interpretationen  zu  beseiti« 
gen,  und  veiechweadet  die  Ihm  zu  Gebote  stehende  reiche  Gelehr« 
samkeit,  um  alle  die  unbesiegbaren,  ewig  aufdringlichen  Widersprfiehe 
Ib  eine  einzige  gemeinsame  Anschauungsweise  zusammenzufassen; 
fibeisieht  aber  gerade  durch  diese  so  löblichen,  und  im  Grunde  so  wis- 
Benschaftllehen  Bestrebongen  die  interessantesten  Thatsachen,  welche 
dnen  überraschenden  AuümUms  über  viele  der  dunkelsten  Problenie 
geben.  Wie  einlach  würde  sich  Ihm  die  Sache  gestaltet  habei^ 
wenn  er  die  verschiedenen  Auslohten  festgehalten  hätte,  wenn  et; 
dieser  Yerschiedenh^t  der  Anfhssung  bei  den  dnaeinen  ProUeoM«  i 
nachgegangen  wire,  und  sich  die  iFrage  ganz  besttanmt  gesteltt 
bfttte,  welche  Anhebt  wohl  diejenige  gewesen  sehi  mag,  ans  der 
die  Gfundansehauung  des  Systems  hervorgegangen  ist,  aus  der  sich ! 
Ae  Anschauungen  der  elnzehen  Probleme  in  Ihrem  eigenthfimlichen  i 
Charakter  natürlich  gestaltet  haben. 

ISnclien  wir  imemt  Oe  Zeller'scbe  AuIasiuBg  der  pftbagoiei« 


mIni  Lehre  gmmu  m  erfanen,  und  ihre  Doteradieldnic  tw  an» 
den  DarateUu^en  in  bestimmen ,  ehe  wk  mitergiielieoi  wie  ddi 
die  fenehiedeoen  Amlebteii  über  die  Pythagoreer  sa  der  Uatoil* 
Nkn  Entwidclimg  dieser  Schule  selbst  rerhalten  mögeo. 

L    Die  Zeller'sche    Aoffassong    der   Lehre   und   Ihr 
nnterschled  von  andern  ähnlichen  Darstellangen. 

J}i»  allgemeBie  Unterscheidungslehre  der  pythagoreischen  Phi* 
loiopbie  —  sagt  Zeller  p.  246  —  Hegt  in  der  Behaoptang,  dass 
die  Zahl  das  Wesen  aller  Dhige,  dass  Alles  seinem  Wesen  nach 
Zahl  Bci.^  Bo  grosse  Uebereinstimmnng  aber  aach  Aber  diese  Be- 
imptiiDg  bei  allen  Forschem  lierrseht;  so  Terschieden  Ist  die  An« 
lieht,  wie  man  jene  eigenthümlichen  Zahlen  in  denken  habe,  weidho 
te  Wesen  der  Dinge  sein  sollen. 

Zeller  macht  bei  Bestimmung  der  Zahl  eine  eigenthümliche  Anf- 
hmiif  geltend,  wdche  sich  am  charakteristischsten  in  folgenden 
Woiteo  ausspricht:  ^Dies  also  ist  der  Sinn  der  pythagorelschett 
GroDdlehre:  Alles  ist  Zahl,  d.  h.  Alles  besteht  ans  Zahlen,  die  Zahl 
ist  Dicht  bloss  die  Form,  dnreh  welche  die  Zusammensetaung  der 
Bisge  bestiamt  wird,  sondern  auA  die  Sabstans  nnd  der  Stoff, 
wiraiis  sie  bestehen,  nnd  eben  das  gehört  sv  den  wesentlichen 
Bgoithfiaillchkeiten  des  pythagoreischen  Standpunktes,  dass  die  ün- 
tenebeidnng  von  Stoff  und  Form  noch  nicht  TorgenommeUj  dass  in 
te  Zahlen,  worin  wir  freilich  nur  einen  Ausdruck  für  das  Yer«^ 
UttaisB  der  Stoffe  zu  sehen  wissen,  unmittribar  das  Wesen  nnd  die 
Sshstans  des  Wirklichen  gesucht  wird<^  (p.  351).  „"Es  ist  das  eine 
TsnteUuttgBweise,  die  uns  fremdartig  genug  anspricht;  bedenken  wir 
ahor,  welchen  Eindruck  die  erste  Wahrnehmung  einer  durdigreifen* 
dea  und  unabinderlicfaen  mathematischen  OesetsmSsslgkeit  in  den 
£iicheinnngen  auf  den  empfänglichen  Geist  machen  musste,  so  wer- 
tet wir  es  begreifen,  wenn  die  Zahl  als  die  Ursache  aller  Ordnung 
ud  Bestimmtheit,  als  der  Grund  alier  Erkenntniss,  als  die  weltbe* 
iMmcheade  g5ttiidie  Macht  verehrt,  nnd  von  einem  Denken,  das 
M  überhaupt  nicht  in  abstrakten  Begriffen,  sondern  in  Anschauun- 
g«B  lu  bewegen  gewohnt  war,  an  dem  Wesen  aller  Dinge  hjposta- 
liit  wurde''  (p.  252). 

Diese  Stellen  yerlangen  eine  nShere  Auslegung ;  es  geht  daraus 
nech  nicht  klar  hervor,  als  was  das  Wesen  der  Zdil  und  der  Dingo 
geischt  werden  mttsse.    Man  kann  nämlich  die  Zahl  1)  als  eincf 
m  sfaier  Terschiedenen  Menge  gMeber  materieller  Atome  cusam* 
Bwagesetate  reale  Grösse  denken;  man  kann  2)  diesen  Atomen  nur 
^Me  Bedeutung  geben;  man  kann  ferner  8)  die  Harmonie  r'^^^ 
Mkt  anfiassen  nnd  der  Materie  gegenüber  stellen;  nnd  dlese^^^S 
«ttifcte  Ordnung  kann  man  endlich  4)  entweder  als  Ideelle  ^°  ^^^ 
oisr  als  ideeUen  Begriff,  oder  als  IdeeUe  Zahl  denken.  Wel'  ^  j;^° 
dlfliea  Bedeutungen  giebt  ZeUer  den  Zdden?  nnd  weldie  /•«»  ^^^^ 
^fm  wohl  die  Pjrthagoieer  tob  dea  ZaUen  ele  dem  ^  ^^t  ^^ 
I>iDgo  gehabt  haben?  ^ 


tau  Zelldr:    PhilAfophit  d«r  GriecheB. 

Zeller  ist  für  die  letsfte  AuffascniDg;  er  behauptet,  das  pytha*- 
goreiacbe  System  faabe  einen  abstrakt  arithmetiBchen  Charakter  ge- 
bäht ijDiese  Annahme,  die  Grandbestimmnng  des  gansen  Systems, 
sagt  er  p.  281,  Ist  nnr  dann  zu  erklären,  wenn  es  von  der  Betrach- 
tang der  Zahlenverh&ltnisse  beherrscht  wurde,  wenn  seine  ursprüngliche 
Bichtung  nicht  dahin  ging,  die  Zahlen  als  Körper,  sondern  umge- 
kehrt dahin,  die  Körper  als  Zahlen  zu  fassen.«'  Zeller  scheint  dem- 
nach die  Zahlen,  die  das  Wesen  der  Dinge  bilden  sollen,  als  abstrakt- 
arithmetische  Potenzen  gefasst,  und  ähnlich  wie  die  Platonischen  Ideen, 
xwar  nicht  als  transscendente ,  sondern  nur  als  immanente  gedacht 
SU  haben.  Man  muss  dies  desswegen  annehmen,  weil  er  sowohl 
gegen  die  dualistische  mathematische  Auffassung,  wie  sie  z.  B.  Bran- 
dis  und  Beinhold  lehren,  als  gegen  die  Bitter'sche  arithmetisch-ma« 
thematische,  welche  den  Atomen  ideelle  Bedeutung  giebt,  und  end- 
lich auch  gegen  die  arithmetisch  •  physikalische ,  welche  die  Atome 
als  materielle  Homoiomerien  begreift,  polemisirt  Die  Zeller'sche 
Auffassung  ist  aber  diejenige,  welche  die  ideelle  und  die  mathema- 
tische Zahl  identisch  setzt,  und  welche  Aristoteles  Mat.  XIII,  8,  14 
die  allerschlechteste  nennt.  Diese  Ansicht  findet  sich  Torsüglich  bei 
den  pythagoreisirenden  Piatonikern  Xenokrates  und  Speusippus;  sie 
setzt  die  Platonische  Ideenlebre  voraus,  da  vor  derselben  die  ab* 
Btrakten  Zahlen  und  Wesen  der  Dinge  nicht  identificirt  worden  wa- 
ren. Vor  Plato  dachte  man  sich  die  Dinge  nur  nach  Analogie  der 
Zahlen,  d.  h.  ihre  Substanzen  in  mathematische  und  arithmetische 
Verhältnisse  geordnet.  Zeller  musste  desshalb,  von  seinem  Stand- 
punkte aus,  diese  letzte  Ansicht  als  nicht  pythagoreisch  verwerfen. 

1.    Zeller  setzt  sichln  Widerspruchmit  sich  selbst 
und  mit  der  allgemeinen,  besonders  scharf  von  Bein- 
faold  ausgesprochenen  Ansicht,  dass  das  pythagorei- 
sche Princip  nicht  die  abstrakt-arithmetische  Zahl, 
sondern  nur  ein  ihr  analoges  Produkt  sei.   Zeller  seiner- 
aeits  meint,  es  mfisse  als  ein  Widerspruch  angesehen  werden,  dass 
dnmal  Alles  ans  Zahlen  bestehen,  und   das  andere  Mal  AUes  nnr 
äem  Muster  der  Zahlen  nach  gebildet  sein  solle  (p.  248).    Nach 
seiner  Auffassung  muss  der  Widerspruch  sogar  unlöslich  erscheinen. 
Er  glaubt  denselben  zwar  dennoch  ausgeglichen  zu  haben,  wenn  er 
iiachweisty  dass  Aristoteles  ausdrücklich  gesagt  habe,  die  Zahlen 
dürften  bei  den  Pythagoreem  nicht  wie  die  Platonischen  Ideen  ia 
transscendenter,   sondern  nur  in  immanenter  Bedeutung  genommen 
werden.   Desshalb  dürften  beide  Aussprüche  sich  nicht  ausschliessen. 
Aber  es  bleibt  immer  ein  Widerspruch,  wenn  man  die  Zahlen  bald 
hIm  Wesen  der  Dinge  nennt,  bald  dieses  nur  nach  Analogie  jener 
liätte','!^^  Bein  lässt.   Nach  der  Zeller'schen  Ansicht,  —  d.  h.  fasst  man 
die  Gfi2>l  heide  Mal  als  abstrakt  arithmetische  Zahl,  —  lässt  sieh 
die  Aniiisen  Anstand  gar  nicht  binüberkoDunen.   Begreifen  aber  wird 
Charakter  *9  ^ich  scheinbar  widerstreitenden  Ausdrücke,  wenn  man  die 

|9ttebfB*iteUt|  dass  hier  unter  Zahlen  nicht  beide  Male  dasselbe 


fOMfait  mL  Wenn  die  Pjthagoreer  die  Dinge  nach  Analogie  der 
ZibJen  f  elrildet  sein  lawen,  so  denken  sie  hier  nar  an  die  absMk* 
ien  arithmetisdien  Zahlen.  Wenn  sie  dagegen  das  Wesen  der  Dinge 
virkllch  ans  Zahlen  bestehen  lassen,  so  meinen  sie  unter  diesen 
Zahlen  die  nach  gewissen  ZahlenverhSItnissen  geordneten  Atome. 
Hier  Hegt  allerdings  eine  Ungenanigkeit  des  Ansdmeks  vor;  und 
Zeller  hat  sich  durch  dieselbe  verleiten  lassen,  das  Wesen  der  Dhige 
sb  abstrakt-arithmetisehe  Zahlen  m  denken. 

Der  technische  Ansdrock  für  jene  verschiedenen  Zahlen  ist  der 
ilfi^ltog  fiopadutog  nnd  ^pwftMog,  von  denen  der  erstere  die  ab- 
itrikt-arithmetischei  der  aweite  die  conkret-phjslsche  Zahl  (d.  h. 
das  nach  gewissen  Zahlenverhftltnissen  geordnete  Wesen  der  Dinge) 
bedeatet  Zeller  giebt  also  eine  Identitit  des  agidjidg  fMPodiMog 
»d  ipwfixog  für  die  wahre  pythagoreische  Ansidit  aus.  Dass  es 
aber  gans  ansdriicklich  heisst,  der  ä^i^iiog  gjvifixog  nicht  der  ftth' 
ißttdutog  sei  die  Zahl  der  Pythagoreer,  werden  wir  nachher  ausffihr- 
fich  beweisen. 

Durch  diese  Identificlrung  der  abstrakt-arithmetischen  und  der 
eonkret-physischen  Zahl  setst  sich  Zeller  den  grössten  Irrthttmem 
ans,  und  IXsst  sich  bis  lu  der  Behauptung  fortrelssen;  „wenn  swei 
die  Meinung,  vier  die  Gerechtigkeit,  flinf  die  Ehe,  sieben  die  gele- 
geoe  Zeit  n.  s.  w.  genannt  werde;  so  sei  es  hiebe!  keineswegs 
nur  auf  eine  Vergleiehung  beider  abgesehen,  sondern  die  Meinung 
Mi  in  dem  einen  wie  in  dem  andern  Falle  die,  dass  die  betreffende 
Zahl  das,  womit  sie  verglichen  werde,  unmittelbar  nnd  im  eigentli* 
dien  Sinn  sein  solle.  Esseleine  Verwechslung  von  Symbol 
und  Begriff,  eine  Vermischung  des  Accidentellen  und  Substan* 
tisllen,  die  wir  nicht  auflösen  dürfen,  wenn  wir  nicht  die  innerste 
BgenUiümllchkeit  der  pythagoreischen  Denkweise  verkennen  wol- 
lett*  (p.  279).  —  Er  bemerkt  jedoch  selbst  p.  288  sehr  richtig, 
daas  j,der  gleiche  Gegenstand  oder  Begriff  bald  durch  diese, 
bald  durch  jene  Zahl  bezeichnet  worden  sei.^  Wenn  aber  Sym- 
bol oder  Zahl  und  Begriff  oder  Wesen  nach  Zeller  als  identisch  ge- 
dacht werden  sollen :  so  mössen  demnach  verchiedene  Dinge,  welche 
durch  ehie  und  dieselbe  Zahl  beaeichnet  werden,  diese  wirklich,  und 
abo  gleich  sein;  oder  dieselbe  Zahl  könnte  sich  nicht  selbst  gleich 
icin.  Will  mau  diese  Unmöglichkeit  nicht  zugeben ,  so  darf  man 
tncb  nicht  behaupten,  dass  die  Pythagoreer  das  Wesen  der  Dinge  als 
Zahlen,  sondern  muss  zugestehen,  dass  sie  es  nur  gleich  wie  Zahlen 
S^daeht  haben,  nnd  dass  somit  Symbol  oder  Zahl  und  Begriff  oder 
Wesm  In  der  guten  Zeit  nicht  verwechselt  worden  sein  könneui 
wie  Zeller,  den  Entartungen  des  Systemes  folgend,  annimmt.  Wie 
wiOkiiilich  es  freilich  oft  bei  Auffindung  einer  Ueberelnstimmung 
swiscfaen  Symbol  nnd  dem  vergleichsweise  bezeichneten  Wesen  der 
Dbge  hergegangen  ist,  berichtet  uns  schon  Aristoteles  in  der  von 
ZeDar  angeffihrten  Stelle  Met  L  5,  4:  ,;Was  sie  nur  In  den  Zablen 
mid  Harmonien  als  überelnsUmmend  aufzeigen  konnten  mit  dem 


itM  Zdler :    Phaotophie  «er  Grieetaeit 

GesagteOy  denTheUen  und  der  gesammten  OrdoQng  des  HiihiDelfl, 
das  stellten  und  paaaten  de  Easammeni  und  wenn  ee  irgendwo  fehlte, 
flo  roöbten  sie  durch  Nachhülfe  Zoeammenhang  und  Ueber^netim- 
Binng  in  ihre  Theorie  in  bringen.^  Dass  daher  wirklich  Tiel  Aben* 
theuerlichee  gefabelt  worden  ist,  wissen  wir;  aber  ebenso  gewiss  ist 
•8,  dass  s(ddie  Ansichten  nur  als  Ausartungen  und  nicht  als  die 
iiiqi^nd^oh- genetischen  gedacht  werden  dürfen.  Und  es  handelt 
sich  doch  yor  allem  darum,  diejenige  Anschauungsweise  an  finden 
und  dogmatisch  und  historisch  au  erklären,  w^che  einer  gansen 
Weltanschauung  ihre  Entstehung  gegeben  haben  konnte. 

Zeller  selbst  stellt  die  Ausdrücke  der  Pythagoreer  p.  248,  Anm.2 
asnsammen,  welche  die  von  ihm  bestrittene  Ansicht  beweisen.  Er 
bringt  auerst  das  bekannte  fUfitiicsi  täv  ä^td-fuiv.  Er  sagt,  dsss 
die  Dinge  Ofioiciiiccea  der  Zahlen  genannt  worden  seien.  Er  fobrt 
an,  dass  den  Pythagoreern  das  atpoiiOioiHfd'ai  augesdiriebeii  werde 
und  erinnert  an  das  oft^fMi  Si  ts  xavr  iTcioixsv.  Ja  es  ent- 
schlüpft ihm  p.  344,  im  Widerspruch  mit  seiner  übrigen  Auffassung, 
die  gana  riditige  Bemerkung,  dass  sie  ihre  Zablentheorie  dessbalb 
aufgestellt  hätten,  „weil  sie  zwischen  den  Dingen  und  den  Zahlea 
eine  durchgreifende  Aehnlichkeit  au  entdecken  glaubten.'^  Wir 
stimmen  daher  vollständig  Reinhold  bei,  wenn  er  §.  34  diese  Theorie 
also  auffaost:  „Die  Dinge  bestehen  nach  pythagorwscher  Yorstel* 
lungsweise  dorch  Nachahmung  der  Zahlen,  das  heisst,  was  die  We- 
aesäelt  der  Zdblen  ausmacht,  macht  nach  dieser  Betraehtungsirt 
glelohfalls  die  Wesenheit  der  Dinge  aus.*' 

2.  Zeller  versetzt  sich  in  Widerspruch  mit  sich 
nnd  mit  Brandis,  indem  er  behauptet,  „die  Zahl  als 
solche  sei  nicht  bloss  für  die  Form,  sondern  auch  für 
den  Stoff  des  Körperlichen  gehalten  worden^  (p.  278]. 
Wie  Beinhold  so  tritt  auch  Brandis  hiergegen  auf  und  aeigt,  dass 
neben  dem  ideellen  Principe  der  Harmonie  noch  ein  materielles  exi- 
stirt  habe.  Er  sagt  (a.  a.  O.  rhein.  Mus.  p.  219):  „Eigenthümli- 
eher  war  ihnen  die  Einsicht,  dem  Unendlichen  oder  Bestimmbaren 
müsse  ein  aweites  Princip,  als  das  Bestimmende,  vom  ersten  ge- 
sondert, hinsttkommen.  Diese  dualistiBche  Sonderung,  von  deren 
Nothwendlgkeit  durchdrungen  Philolaos  sein  Buch  beginnt,  wollen 
wir  als  eigenthümlich  pythagoreisch  recht  ausdrücklich  anerkennen.^ 

Dieser  Anschauungsweise  ganz  und  gar  entsprechend,  beginnt 
bei  Philolaos  die  pythagoreische  TaheUe  mit  den  Gegensätzen :  „die 
Grenze  und  das  Unbegrenzte^;  darauf  erst  kommt:  „die  ungerade 
Zahl  und  die  gerade  Zahl«^  (vergL  Ritter,  Gesch.  d.  Phil.  Bd.  L 
p.  892).  Auch  gegen  diese  Ansicht  musste  Zeller  natürlich  von 
aehiem  Standpunkte  aus  polemisiren.  Die  beiden  Principlen  der 
Form  und  des  Stoffes  wurden  ja  identificirt,  wie  er  glaubt.  Er  sudit 
daher  p.  282  und  283  au  beweisen,  dass  die  Pythagoreer  nicht  von 
dem  Räumlichen  und  den  Figuren  zu  den  Zahlen  übergegangen 
wäreui  sondenii  dass  sie  den  umgekehrten  Gang  eingeschlagen  hat- 


Zeltet   PUtoü^  to  GriadM«  IM 

im;  wefl  sonii  fliatt  dea  Aritbrnetitcben  das  Geottetriidie  ta  flmm 
Bpim»  hätte  fiberwiegeoi  ttott  der  Zahl  die  Ficur  fOr  das  Wesen 
der  Dinge  hitte  erUürt  werden  mOsseiL  Dies«  Einwarf  bat  schein^ 
bar  sehr  viel  Wahrscheinlichkeit  fttr  sich ;  und  man  könnte  sich  sehr 
geoeigt  finden  lassen ,  Zeller  gegen  Brandis  und  die  ansdrflckUdben 
Nadiriditett  des  Philolaos  beizostimmen ,  wenn  man  nicht  schirler 
anf  die  ZeUer'sche  Argumentation  eingeht  Wenn  man  unter  de« 
Arithmetischen  den  «fftOyco^  qnföutog  yerstehen  ktentCi  SP  wire  aichln 
gsgen  diese  Ansieht  einsnwenden.  Es  seheint  sieh  wirklieh  die  dnar 
listiseh-mathematische  Anschaonng  das  Bjstems  ans  einer  arithsm- 
tiaehen  heraus  entwickelt  an  haben;  wie  ans  der  sehr  treffenden 
BcBMrfcnng  ZeUer's  henrorgeht,  dass  sonst  die  Pythagereer  nicht  die 
ZaU|  sondern  die  FlSchen  snm  Wesen  der  Dinge  gemacht  haben 
mfiaaten.  Wir  werden  desshalb  eine  Xitere  physisch -arithmetische 
Aoffannng  naehsnweisen  suchen,  deren  Qrnndanachannng  die  spä* 
teren  Mathematiker  Archytas  and  Philolaos  angenommen  hiäeni  wih« 
md  sie  dem  Systeme  den  dualistischen  Charakter  aoMrflckteny  der 
aoa  den  Bmchstficken  des  PhUolaos  und  ans  den  meisten  Machiich« 
ten  des  Aristoteles  hervorgeht. 

Dennoch  können  wir  Zeller  nicht  beistimmeni  weil  er  nicht  die 
pbjBlsch-^ffithmetiscbe,  sondern  die  abstraktrarithmetische  Anschanong 
will,  ans  der  er  die  mathematische  erklirea  an  können  gknbt  Er 
meint  den  Gegensata  des  Qeraden  nnd  des  Ungeraden  dem  der  Grenae 
imd  des  Unbegrensten  yorsetsen  an  mfisaen,  weil  die  madiematischea 
Oröaaen  ans  arithmetischen  Zahlen,  der  Punkt  ans  der  Einaahl,  die 
Linie  aas  der  Zweisahl,  die  Fliehe  aus  der  Dreiaabl,  der  Körper 
asa  der  Yieriahl  abgeleitet  werde  (p.  890  nnd  291).  Doch  auch 
bier  haben  wir  Zeller  wieder  den  Vorwurf  au  machen,  dass  er  sidi 
an  die  späteren  Symbolisirungen  anlehnt,  wo  beide  wohl  als  glelcii 
gaaetst  worden  sein  mögen.  Das  SJtere  Verfahren  war  jedodi  efai  ande-' 
raa,  welches  wir  sogleich  naher  betrachten  werden.  —  Hier  wollen  wir 
mr  nodi  den  Widerspruch  anffihroni  in  welchen  sich  Zeller  yersetst 
Efaerseits  nlmlich  meint  er,  die  Pythagoreer  hätten  das  Dnbegrenate 
Didit  fOr  den  unendlichen  Weltenstoff  nehmen  können,  sondern  diese 
Bedeutung  müsse  daaselbe  erst  abgeleiteter  Weise  in  seiner  Anwendung 
aaf  das  Weltgebäude  erhalten  haben  (p.  282).  Andererseits  dage- 
gas  behauptet  er  und  sucht  ausführlich  p.  340  und  841  an  bewei- 
m,  dass  die  Pythagoreer  tou  einer  physischen  Orundanschavung 
>^S«8angeB  seien.  Demnach  mosste  er  die  kosmischen  Principlen 
dar  Qrenae  und  des  Unbegrenaten,  nnd  nicht  die  nur  abstrakt-arlth* 
nstiachen  der  geraden  und  ungeraden  Zahl  als  die  firOheren  betraehteii. 

3.  Zeller  setat  sich  ferner  in  Widerspruch  milt 
lieh  und  augleich  mit  Bitter,  indem  er  behauptet:  an 
isi  unrichtig,  den  Körper  aus  Ideellen  Punkten  und 
nicht  aus  ideellen  Zahlen  ableiten  an  wollen  (p.  280). 
Bitter  yereucht  als  Lehre  der  Pythagoreer  ehie  andere  Theorie  nach- 
«weiaan,  und  awar  etaio  IdesUe  MonadologlOi  welche  tr  (QssA.  d.^ 


J30  Zellert    Fhi1ofoplii6  der  Griechen* 

Fb&.  I.  p.  40S'-412)  mit  grosser  Frische  und  Bestimmtheit  dareh-* 
führt  und  za  begründen  sucht  Er  giebt  dieser  ideellen  Monadologie 
einen  pbysikaliachen  oder,  wenn  man  lieber  will,  einen  koamologi* 
sehen  Charakter.  Er  sieht  nämlich  das  Begrenste,  den  mathema*- 
tischen  Punkt,  als  ideelles  Weltatom  und  das  Unbegrenzte  ab  das 
Leere  I  den  Zwischenraum  an.  Und  dies  sucht  Ritter  p.  408  sehr 
anschaulich  zu  beweisen,  indem  er  sagt:  „An  «ich  nämlich  sind 
ihnen  ihre  Ehiheiten  wahre  geometrische  Pankte,  also  unkörperlicb, 
und  wenn  man  zwei  solcher  Einheiten  zusammensetzen  wollte,  so 
würde  daraus  auch  nicht  ein  Körper,  m'cht  einmal  eine  Linie  entstdien, 
weil  aua  der  Zusammensetzung  des  Nicht  •Ausgedehnten  an  sich 
keine  Ausdehnung  entstehen  kann.  Man  sieht,  wie  hier  nothwen- 
dig  das  zweite  Princip  der  Pythagoreer  in  das  Mittel  oder  recht 
eigentlich  in  die  Mitte  treten  muss,  um  den  nach  drei  Maassen  aas- 
gedehnten Körper  zu  erzengen.  Denn  wenn  die  Einheiten,  die 
Punkte,  Anfang  und  Ende  oder  die  Grenzen  bilden,  das  Unbegrenzte 
aber  die  Mitte,  so  wird  eben  durch  das  Inmittetreten  des  Unbe- 
grenzten erst  die  Ausdehnung,  und  zwar  die  geometrische  Ausdeh* 
nnng  nach  drei  Maassen.^ 

Diese  Ansicht  bekämpft  aber  Zeller.  ^^Da  die  geometrischen 
Figuren,  sagt  er  p.  282.,  von  den  Pythagoreem  aus  den  Zahlen 
abgeleitet  werden,  so  müssen  auch  die  Elemente  der  Figur,  der 
Punkt  und  der  Zwischenraum  (wie  Ritter  die  kosmischen  Principien 
laset)  später  sein,  als  die  Elemente  der  Zahl.<^  Und  nun  sucht  Zeller 
mit  Tergeblicher  Mühe  die  Gegensätze  des  Punktes  und  des  Zwf* 
Bchenraumes  oder  der  Grenze  und  des  Unbegrenzten  aus  denen  des 
Geraden  und  des  Ungeraden,  also  die  kosmjschen  Principien  aas 
den  arithmetischen  abzuleiten.  Wie  aus  der  geraden  und  der  un- 
geraden Zahl  die  Welt  und  alle  die  mannigfachen  Erschein  ungon  in 
derselben  entstehen  konnten,  das  hat  uns  Zeller  weder  gezeigt,  noch 
hat  er  uns  Bruchstücke  vorgewiesen,  in  welchen  die  Alten  dies  ge- 
lehrt haben.  Aber  selbst  wenn  man  diese  wunderliche  Kosmogomie 
sngeben  wollte,  so  wäre  damit  noch  nichts  erklärt;  denn  es  wäre 
nicht  abzusehen,  warum  die  gerade  und  ungerade  Zahl  die  geneli- 
Bchen  Principien  selbst  nur  der  Zahlen  sein  sollten.  Die  Grundbe* 
dingung  aller  Zahlen  ist  weder  die  gerade,  noch  die  ungerade  Zahl, 
noch  beide  zusammen,  sondern  die  verschiedenfache  Zusammen- 
setzung einer  gleichen  Grundeinheit.  So  versteht  es  auch  Ritter, 
wenn  er  die  mathematischen  Punlcte  oder  ideellen  Atome  als  phy- 
sikalische oder  kosmische  Wesen,  und  so  als  den  Grund  aller  Dinge 
betrachtet.  —  Die  Zusammsetzung  ans  einer  gleichen  Grundeinheit 
ist  also  die^  Ursache,  warum  das  Wesen  der  Dipge  als  fu/ti^<f» 
tmv  oifid'iiciv,  als  lebendige  Zahlen  angesehen  worden  sind. 

Ahi  Beweis  für  diese  Ansicht  führt  Ritter  die  charakteristische 
Stelle  Met.  Vn.  2.  an:   „öoxet  äd  tia^^  tä  tov  öcifwtos  niffcctOj 

mt  iiimov  ?J  ro  0ä(m  ml  ro  (Sxbqbov.    Cf.  Ib.  III.  5;  XIV.  3; 


Zeller!    Phflotoi^liie  der  Grleehett.  13t 

d«  eoelo  I,  1  *  (Ritter,  Oescb.  d.  Pb.  Bd.  I.  p.  404.  Anm.  2.)  Aber 
der  lebaHsinnige  Forseber  ging  cu  weit,  wenn  er  glaubte,  diete  An* 
MhiaiiDg  als  die  eiosige  geltend  macben  xu  können.  Es  tritt  iu 
winer  Darstellung  daber  die  dualistiscbe  Anscbauung  des  Pbilolaos 
n  sehr  in  den  Hintergrund.  Die  Slteste  Anscbauung  dagegen,  nach 
welcher,  wie  ich  nacbber  su  aeigen  sucben  werde,  das  Atom  als 
Dtterielle  Homoiomerie  anfgefasst  worden  Ist,  will  Ritter,  wie  Zeller, 
fins  Yttbannt  wissen.  Und  doeb  ist  sie  es,  welche  das  EigentbOm« 
licfae  der  pythagoreischen  Denkweise  hervorgerufen  bat  Ritter  fin« 
det  selbst,  dass  das  Unbegrenate,  der  Zwischenraum,  oft  auch  als 
Hasch  oder  luftartig,  als  feinster  Aether  gedacht  worden  sei,  und 
meint  diese  Ansicht  schon  surtickgewiesen  au  haben,  wenn  sich 
henuMBteHt ,  dass  die  Pythagoreer  die  Luft  als  einen  bestimmten 
KQrper  betrachtet  haben  (p.  411).  Wir  benntsen  dies  anders,  und 
sQchen  daraus  gegen  Zeller  und  gegen  Ritter  au  beweisen,  dass  die 
guse  Theorie  auch  noch  anders  aufgefasst  worden  sein  muss,  und 
iwtr  der  Punkt  als  materielles  Atom. 

4.  Zeller  yerwickeit  sich  in  Widersprüche  mit 
sich  selbst  und  mit  Aristoteles,  indem  er  au  widerle« 
gen  sucht,  dass  die  pythagoreischen  Zahlen  weder 
eine  körperliche  noch  eine  geometrische  Bedeutung, 
gehabt  haben,  und  dass  sie  nicht  rSumlich  gefasst  wer- 
den dürfen  (p.  275—284).  Obgleich  Zeller  recht  gut  weiss, 
diu  Aristoteles  die  pythagoreischen  Zahlen  „ebensowohl  zu  den 
nateriellen  als  an  den  formellen  Gründen^  gerechnet  bat  p.  247; 
glaobt  er  sich  dennoch  „gegen  die  Ansicht  erklSren  an  müssen,  dass 
rieh  dieselben  zunSchst  auf  räumliche  Verbältnisse  bezieben  und 
Beben  dem  Arithmetischen  und  statt  desselben  ursprünglich  schon 
etwas  Geometrisches  oder  gar  etwas  Körperliches  bezeichnen^  (p.  275), 
Zeller  hat  hier  aber  das  unzweideutige  Zeugniss  des  Aristoteles 
ganz  gegen  sich,  dessen  Nachrichten  er  doch  selbst  als  die  höchste 
Attoiität  anerkennt;  da  es  von  „den  späteren  Schriftstellern  bekannt 
QDd  unleugbar  sei,  dass  sie  das  Frühere  yon  dem  Spätem,  das  Py- 
thagoreische von  dem  Platonischen  und  Nenpythagoreischen  über^ 
tuopt  nicht  zu  unterscheiden  wissen^  (p.  251).  Zeller  muss  also 
die  gewiditigsten  Gründe  haben,  wenn  er  dennoch  jener  höchsten 
Aatorität  widersprechen  zu  müssen  glaubt.  Er  wirft  Aristoteles  ge- 
radezu vor,  dass  dessen  Auflfassung  ein  Irrtbum  sei,  welcher  sich 
▼OD  seinem  Standpunkte  ans  eingeschlichen  habe,  indem  er  seine 
eigene  auf  die  pythagoreische  Denkwelse  übertragen  habe,  wenn  er 
Körperliches  und  Unkörperliches  unterscheide,  was  den  Pytiiagoreem 
^d  gewesen  sei. 

Man  muss  gestehen,  gerade  die  Art  und  Weise,  wie  Zeller  d!ese§ 
liMist  schwierige  Thema  zu  beweisen  sucht,  macht  seinem  Scharf- 
rinn  alle  Ehre.  £r  sieht,  dass  er  sich  dem  Schlüsse  nicht  entziehen 
^*>Qt  „die  Zahlen  müssen  etwas  körperliches  sein,  weil  sie  sonst 
nickt  Bestaadiheile  der  Körper  sein  könnten.  «^    Er  giebt  dies  daher 


138       Siernberif:  Nene  FoHcliiaseii  tüier  d.  hoekdeiticbe  Lantlebre. 

zu ;  sagt  aber,  dass  damit  nichts  gegen  die  Unräumlichkeit  der  leftttea 
Gründe  gesagt  sei.  ^Bei  den  Körpern,  sagt  er  p.  279,  wnrde  an 
das  gedacht,  was  sich  in  der  sinnlichen  Wahrnehmung,  bei  den  Zahlen 
an  das,  was  sich  dem  mathematischen  Denicen  darbietet,  und  Beides 
wurde  unmittelbar  identisch  gesetzt,  ohne  dass  man  die  Unsulässlg- 
keit  dieses  Verfahrens  bemerlcte.^  Allein  Zeller  selbst  findet  we  er 
den  Charakter  der  pyth.  Philosophie  im  Allgemeinen  schliessUeh 
flchlidert,  dass  dieselbe  nicht  yon  der  Frage  nach  den  Bedingungen 
des  Erkennens  ausgegangen  sei  (p.  343),  nnd  dass  man  noch  durch» 
aus  keinen  Einfluss  der  Eleaten  auf  ihre  Denkweise  nachweisen 
könne.  Daher  werden  auch  wohl  die  Pythagoreer  noch  keine  so 
complicirte  erkenntniss-theoretische  Dialektik  geltend  gemacht  haben, 
aondern  von  kosmischen  Processen  ausgegangen  sein.  Desswegen 
wird  auch  der  uQi/d'fiog  qnjöutog  und  nicht  der  fMPadtxog  die  py- 
ihagoreische  Zahl  gewesen  sein. 

Wir  haben  nun  schon  die  verschiedensten  Auffassungen  von 
dem  pythagoreischen  Systeme  vor  uns,  mit  welchen  allen  sich  2Mlsr 
auf  gleiche  Weise  in  Widerspruch  befindet,  weil  er  eine  abstrakt- 
arithmetische Auffassung  der  Zahl  adoptirt,  welche  erst  in  den  ent* 
artetsten  Verbindungen  des  Systemes  lu  finden  ist;  wfthrend  sieh 
,  Beinhold,  Brandis  u.  A.  mehr  an  die  Auffassung  des  Philolaos  nad 
Archytas  hielten,  und  Ritter  eine  in  Aristoteles  sich  vorfindende  An- 
sicht besonders  hervorhob.  —  Es  fragt  sich  nun,  in  welchem  Ve^ 
hSltnisse  diese  Ansichten  stehen.  Wir  glauben,  dass  diese  Frage 
einfach  zu  lösen  ist,  wenn  man  eUie  Ansicht  für  um  so  Slter  hllt, 
je  mehr  sie  materialistisch  oder  realistisch  ist,  nnd  für  um  so  jün- 
ger, je  abstrakter  idealistisch  sie  aussieht  Diese  Anschauung  ergiebt 
sich  aus  einer  Gesammtansicht  von  der  Entwickelung  der  griechischen 
Philosophie,  und  erklärt  die  Entwickelung  Innerhalb  des  pythago- 
reischen Systemes  ganz  besonders  leicht,  wo  wir  die  merkwiircBge 
Entstehung  des  Idealismus  am  besten  verfolgen  können. 
(Fortf etsnng  folgt) 


Neue  Farsehungen  über  die  hochdeuieche  Lauüehre  und  Prüfling  der 
hochdeutschen  Sehreiblehre.  Mit  Bezug  auf  die  Ansichten  von 
Grimm,  Becker  u.  A.  von  P.  Chr.  Sternberg.  Erstes  BefL 
Die  Stimmlatde  und  Schmelelaute.  Trier,  1868.  Verlag  der 
Braun'sehen  Buchhandlung.     Preis  10  Sgr.     8.     89  SeUen. 

Es  ist  schwer,  sich  mit  dem  Verfasser  zu  veratlndigen ,  denn 
er  handelt  von  Lauten,  ohne  dass  er  zuvor  den  Leser  ticher  darüber 
ins  Klare  gesetzt  hat,  was  er  unter  den  einseinen  Buchstaben  Ar 
Laute  memt,  mit  andern  Worten,  ehe  eine  gemeinsame  LaatbeisUi- 
nnng  verabredet  ist  Der  Verfasser  geht,  wie  es  scheint,  vom  Wsnr 
Dialekt  aus;  allein  dieses  entlegene  und  wenig  bekannte  Idiom  weicht 
so  mannichfach  vom  allgemeinen  Gebrauche  ab,  dass  durdi  die  An- 


Stenberg:  Mmm  Fondnifei  tlb«r  d.  fcMlideilielie  LiOÜekr«.        139 

kkiHuig  daran  mit  der  LanibesoicLnang  fOr  Auawirtiga  nar  Ver- 
wirrang  anUrtehen  man.  Waan  8«  11  ff.  dar  Laal  daa  franaWBcben 
iiü  M  fUi  ideniiach  arklSrt  wird  mit  dem  deataeben  e  in  wdiiau, 
keUen,  atehlan,  gabaot  laean,  BaeeUf  jetst,  so  ist  la  bamarkaoi  dass 
der  franaosiaehe  4  -  iaut  von  allen  diesen  Wdrtarn  nnr  dem  weil«- 
lea  aad  jetat  gebührt ,  wihrend  die  übrigen  das  ana  i  entatendene 
f,  also  mit  dem  Laute  ft  baben,  wie  denn  auch  noch  in  den  meisten 
Gegenden  Deotsehlands  richtig  unterschieden  wird.  Nicht  an  reimen 
weiss  ich  sodann  mit  jener  Aufstellung,  dass  8.  31  das  e  hi  jetat 
dodi  als  e  (nicht  e  =  S)  l>eaeichnet  wird. 

Ein  Uebelstand  mag  es  immerhin  genannt  werden,  dass  in  der 
ipitem  Sprache  Laote  ausammenfalien ,  welche  ursprünglich  unter- 
Nbieden  waren,  nnd  dass  a.  B.  lassen  (legerent)  jetzt  gana  gleich 
lautet  mit  lesen  (legere).  Ob  aber  gestattet  ist,  aus  der  noch  jetat 
beide  FSlle  unterscheidenden  Schreibung  auch  eine  Unterscheidung 
im  Laata  abxuleiten,  wie  8.  12 ff.  rersncht  an  werden  scheint,  ist 
aehr  zweifelhaft  Die  Aussprache,  d.  h.  die  eigentliche  wahre  leben- 
dige Sprache  wird  sich  nie  nach  der  Bdireibung  bequemen  und  be- 
<piemen  dürfen,  denn  diese  ist  nur  ein  Wiedergeben  des  Lauts  und 
hst  Umi  an  dienen,  nicht  umgekehrt  Eine  fthnliche  Unterscheidung 
zweier  Lante  aus  der  Schrift  scheint,  wenn  S.  22 ff.  Leid,  Ei  und 
Kaiser,  Mai  als  Terschieden  anfgestellt  wird,  w&hrend  doch,  einen 
kWnen  Btrich  Oberdentschlands  ausgenommen,  überall  diesen  yier 
Wörtern  ahne  Unterschied  der  gleiche  Diphthong  gegeben  wird.  Die 
fi.  18  bekftmpfte  Aenssemng  J.  Orjmm's  über  das  aus  a  umgelan« 
tele  H  und  a  ist  gewiss  richtig  und  wird  auch  noch  durch  die  Aus- 
sprache in  Schwaben  allgemein  bcstfitigt. 

Hinsiehtlich  ehier  andern  Annahme  örimm's  S.  15  scbehit  ein 
MisBrerstXndniss  obanwalten:  laegen  als  praes.  conj.  hat  allerdings 
isBgee  S,  legen  als  Infin.  aber  hat  e  (=fra.  f),  und  mit  Recht, 
dean  es  ist  aus  a  (lagjan)  entstanden.  Mit  dem  Worte  glege  (plnr. 
Yoa  glac)  hat  es  freilich  seine  besondere  Bewandniss,  da  ihm  ur« 
iptüaglich  e  gebührt,  was  auch  noch  in  einigen  Gegenden  Süd- 
deetsehlanda  richtig  erhalten  ist,  während  schon  mhd.  Reime  in 
diesem  Worte  das  anomale  e  constatieren. 

Der  S.  16  aufgestellte  Satz,  dass  kuraes  a  nur  in  kurzes  fl 
soianten  könne  und  nie  in  einen  Laut,  der  gleich  oder  ähnlich  9 
ist,  d.  h.  wohl  ein  in  e  =  franz.  4,  bedarf  noch  sehr  des  Beweises, 
denn  bis  jetat  widerstreiten  ihm  die  mittelhochdeutschen  Reime  und 
die  nnaweideutige  Regel  der  ol>erdentschen  Volkssprache,  welche  e 
ud  S  fast  überall  historisch  richtig  trennt 

Der  Varlissaer  hat  unzweifelhaft  ein  feines  Ohr  für  Beobachtung 
^  LaatTerhiltnissen  und  Unterschieden,  welche  dem  gewöhnlichen 
B>oin  an  entgalien  pflegen,  und  Mutb  zum  selbstständigen  Beobach- 
te aad  Fortsclireiten.  Aber  es  wäre  sehr  zu  wünschen,  dass  der 
Pertsdiritt  etwaa  gemessener  erfolgte,  so  dass  andere  Schritt  für 
^^^  folgen  können,  nnd  dass  durch  eingehende  Erläuterungen, 


140  Pomaiaef-Gu^riiit  Tr^r  d«  vloerie. 

vor  allem  darch  eine  unsweifelhafte  und  conseqa^nt  feetgehaltene  Lant- 
beaeichnuDg  ein  sicherer  Boden  fUr  die  gemeinaame  Verständignog 
gelegt  würde.  Ancli  die  8.  10  aufgestellte  Tafel  der  Klangreihen 
Ist  iceineswegs  so  klar  und  über  allen  Zweifel  erhaben,  daaa  man 
dem  Verfasser  recht  geben  wird,  wenn  er  behauptet:  Es  hlesse 
Zeit  und  Mühe  für  uns  and  unsere  Leser  Terschwenden,  wollten  wfar 
die  Richtigkeit  dieser  Elangreihen  beweisen. 

Am  ▼•  Keller» 


TrAor  de  vhurie,  eomposi  Van  M,  CCO.  LXXXX.  IV.  par  Har- 
douinj  seigneur  dt  Fointaints-Quirin,  et  publik  pour  la 
premüre  fois  par  M.  H.  Michelant  Metz,  1856.  8.  XVI  und 
134  Seiten. 

Nach  der  Einleitung  des  Herausgebers  Ist  unter  den  altfransS- 
flischen  Denkmälern,  welche  der  Belehrung  über  das  Jagdwesen  ge- 
widmet sind,  wol  das  älteste  l'Art  de  v^nerie,  verfasst  von  Gull- 
laume  de  Twici,  der  dem  13.  Jahrhunderte  angehört  und  sich  Ve- 
nour  le  roy  d'Engleterre  nennt.    Nicht  weniger  als  ein  Jahrhundert 
liegt  Ewischen  jenem  Gedichte  und  der  Arbeit  —  wir  dürfen  diese 
Bezeichnung  wol  gebrauchen  —  mit  welcher  Hardouin  die  langen 
Stunden  seiner  Gefangenschaft  auf  dem  Schlosse  M^rargues  zn  kür- 
zen suchte.    Es  ist  also  keineswegs  ein  hohes  Alter,  was  seiner 
Schrift  ein  besonderes  Interesse  ^verleiht,  ebenso  wenig  ist  sie  durch 
Originalität  ausgezeichnet;  denn  Hardouin  folgt  unverkennbar  dem 
Werke  des  Gaston  de  Foix.   Den  Werth  des  Gedichtes  hat  man  in 
einer  andern  Richtung  zu  suchen,  wie  dies  der  Herausgeber  her- 
vorhebt, indem  er  sagt:  „Le  po^me  offre  quelques  tralts  curleoz 
pour  rarchtfologie  et  Thlstoire  de  la  v%nerie,  et  c'est  le  seul  ouvrage 
qui  traite  i  fond  d'une  partie  importante  de  la  chasse;  nous  vou- 
lons  parier  des  sonneries,  sur  lesquelles,   malgrd  leur  importanee, 
les  autres  trait^s  ne  nous  ont  transmis  que  des  donn^es  tout  It  fait 
incompl^tes.  ...  Enfin  nous  ne  devons  päs  omettre  quelques  d^tails 
Int^ressants  que  nous  chercherions  vainement  aillenrs :  la  mani^re  de 
trottsser  le  cerf,  moins  pittoresque,  mais  plus    reelle  que  celle  qoe 
nous  offrent  les  peintres;  Tnsage  de  faire  la  cur^e  sur  place,  par- 
faitement  motiv^  et  plus  rationnel  que  celul  qui  est  adopt^  aujourd'hni; 
IMnum^ration  des  for^ts  les  plus  importantes  de  l'Anjou  et  du  Maine, 
Celle  des  ehasseurs  les  plus  fameuz  de  T^poque  de  Hardonin,  soot 
autant  de  faits  pr^cieux  pour  Tantiquaire,  Thistorien  ou  Tartiste; 
ajoutons-y  quelques  curlenz  traits  de  moeurs,  comme  par  exempte 
le  reproche  adress€  ä  certains  nobles  qui  sollidtent  le  privil^ge  de   ; 
chasser  dans  les  fordts  royales,  uniquement  pour  trafiquer  du  gibier   \ 
pris  ...  Yoilä  ce  qui  donne  de  Tattrait  et  une  eertaine  valeur  an 
Tr^or  de  Y^nerie.  ...^    Für  die  Literaturgeschichte,  um  diess  den 
Worten  des  Herausgebers  noch  hinzuzusetzen,  bringt  der  Trdsor  de 


DubsMl:    ElteenU  de  Ctleiil  infiBiOtiinal.  141 

ihaen»  swei  ntehl  «i  übersehende  Ansinelongeo,  die  eine  auf  Per- 
ttrai,  die  andere  auf  die  Legende  Tom  h.  Euetachiue.  —  Bei  dem 
Gegenstände,  den  Hardouin  behandelt  muss  es  auffallen,  dass  bis 
jeUt  nur  eine  einzige  alte,  auf  der  grossen  Pariser  Bibliothek  unter 
Nr.  64,  Cang^,  jeUt  7664,  anc-  fond.  frang.,  befindliche  Handschrift 
seines  Gedichtes  bekannt  geworden  ist.  Aendernngen  hat  sich  unter 
dieien  Umständen  der  Herausgeber  nicht  erlauben  m(>gon,  wol  aber 
hat  er  durch- sorgßiltige  Interpunktioui  sehr  sch&tsbare  Anmerkungen, 
ein  Wörterbuch  und  eine  ausführliche  Einleitung  das  Yerstlndniss 
des  Textes  in  jeder  Weise  su  erleichtem  gesucht  und  so  den  Yer- 
dienaten,  die  er  sich  schon  früher  durch  Herausgabe  des  altfransösi- 
Beben  Gedichtes  über  Alexander  und  des  Gedenkbuches  Ton  Philippe 
Ton  Vignenlle  erworben,  ein  neues  hinzugefügt.  Die  Ausstattung 
des  Baches,  welches  auch  die  in  der  Handschrift  enthaltenen  Mfaiia* 
tnren  widergibt,  darf  als  musterhaft  bezeichnet  werden. 
ToblDgen,  24.  Janiur  18^7. 

IVUhelm  liudwiff  nollandU 


BUnmU  de  Cakul  infiniUnmaly  par  M,  Duhamel,  Membre  de  VlneüM,  tome 
Premier.  Paris,  MaUei-Backelier.  1856.  (XX  und  586  5.  tn  8.,  mii 
sechs  Tafein.) 

Es  ift  in  der  letxten  Zeit  ein  wahrer  ReformatioDseifer  in  einen  Tlieil 
4er  mathematiachen  Schriftsteller  gefahren,  naiDentlicb  waa  die  Differential- 
rechnmif  betriffl.  Da  will  Einer  nicht  mehr  gelten  lassen,  dass  die  Differen- 
tisle  unendlich  klein  seien;  im  Gegentheil  will  er  sie  ganz  „handgreiflich** 
Bachen,  und  ficht,  wie  der  tapfere  Ritter  von  der  Hancha,  gegen  die  Wind-^ 
nnUen.  Trotz  seiner  Tapferkeit  ist  aber  durch  ihn  die  Sache  um  kein  Haar 
besser  geworden  und  wenn  er  auch  nach  Marktschreier-Art  die  armen  Men* 
sehen  bedauert,  die  das  Licht,  das  er  der  Welt  aufgesteckt  hat,  nicht  haben 
sehen  können  und  sein  Anathem  gegen  die  schleudert,  die  es  nicht  sehen 
wollen,  so  ergeht  es  ihm  ehen,  wie  es  Leuten  seiner  Profession  lu  ergehen 
FÜegt:  man  lacht  über  sie.  Zwei  Andere  haben,  nach  dem  heutzutage  zum 
leitend  gewordenen  Grundsatze  der  Gesellschaftung  in  Compagnie  ein  refor- 
■atorischea  Büchlein  Aber  die  Irrlehren  der  hohem  Mathematik  geschrieben 
and  sich  dabei  speziell  vorbehalten,  ihren  (Jnsinn  spater  in  Lehrbüchern  des 
Weitem  und  Breitem  darzulegen.  Ihnen  wäre ,  wie  gar  vielen  dieser  refor- 
■ationssOehtigen  Helden,  anzurathen,  erst  ein  wenig  höhere  Mathematik  —  so 
wie  sie  iil  —  zu  studiren  nnd  inskünftig  erst  daran  zu  denken,  wie  etwa 
Ibachea  noch  verbessert  werden  konnte.  Auch  die  Philosophie  hat  sich  wie-- 
der  nehrfnch  an  die  Verbesserung  der  hOhern  Mathematik  gemacht.  Darüber 
werden  wir  aber  wohl  weggehen  dürfen,  da  das,  was  unsere  grossen  Philo- 
sophen eher  Mathematik  gesagt  haben,  ihren  Bemf  dazu  wohl  hinlänglich  do« 
fanientirt,  ao  dass  ihren  Schülern  nicht  viel  mehr  nachzuholen  bleibt. 

Auch  du  Torllegendo  Buch  hat  sich  eine  Art  Reformation  der  hohem 
im  Ziele  gei teckt,  beiUch  in  ganz  anderer  Weise,  als  diejenigen, 


143  Daliäiiiel:    El^aieiilt  de  Galeiil  iiiftBit^imtl. 

die  iclioii  tl0  Verbe^ierer  der  WiMeniehaft  aoftreteo  woileo,  ntihde»  lAe 
km«  erst  den  ¥u§b  Ober  die  Schwelte  ihre«  HeiligtbiiiiM  guttu  haben.  Der 
Name  Dahamel's  iat  ein  in  der  Wisaeaichaft  hochgeaehteter;  Dnhanel  iü 
kein  Anfkn^r  mehr,  aondem  kenni  die  Wisfenachaft  bia  in  ihren  hOehrten 
Rohen,  er  iai  alao  berechtigt,  an  dar  Verbefaemng  deraelben  an  wirken,  ae 
wie  er  aeither  an  ihrer  Erweiternng  ffewiikt  hat.  —  Seine  Refonnatien  iit 
aber  eine  gana  eigene.  Er  will  nttmlich  wieder  an  denjenigen  leilanden  Ge- 
danken anrttckkehren,  die  die  Entdeckung  der  Differentialrechnung  herbeige» 
führt  haben,  dasjenige  dabei,  daa  etwa  nicht  gana  klar  iat,  Ton  dem  beate 
errungenen  Standpunkte  ana,  nur  klarer,  beleuchtend.  Er  itellt  aich  alao  wie- 
der auf  den  Leibnitsiachen  Standpunkt  der  Differentialrechnung,  indem  er  da- 
bei mittelst  der  Gränzenmethode  die  Fundamentalatttae  mit  der  gehörigen 
Schürfe  erweist.  Wie  dies  bei  einem  mathematischen  Denker,  wie  Duhamel, 
auch  nicht  anders  zu  erwarten  war,  ist  der  yorliegende  erste  Band  seines 
Werkes  in  einer  Weise  rerfasst,  die  sein  Studium  zn  einem  sehr  lehrreichen 
macht,  und  die  Menge  neuer  Gesichtspunkte  und  Darstellungsweisen  empfeh- 
len ihn  jedem,  dem  es  um  wahre  Wissenschaft  zu  thun  ist.  Wir  wollen  dess- 
halb  auf  den  Inhalt  etwas  naher  eingehen. 

Nachdem  das  Buch  sich  Über  den  Begriff  der  Zahl,  der  Summe,  des  Ver- 
hältnisses u.  s.  w.  ausgesprochen,  geht  es  auf  den  ersten  Grundbegriff  der 
gesammten  hohern  Mathematik  ein  —  den  der  Grftnse.  Diesen  Begriff  haben 
die  Neuem  eingeführt,  indem  sie  aus  der  Methode  der  Reduction  auf  das 
Absurde,  welche  die  Alten  anwandten,  das  heraus  nahmen,  was  ihr  eigent- 
liches Wesen  ausmacht  Eine  Grause  nun  nennt  unser  Buch  eine  konstante 
Grosse,  der  sich  eine  veränderliche  Grosse  immer  mehr  ntthert,  ohne  dieselbe 
je  zu  erreichen.  Wir  glauben,  dass  der  letste  Znsatz  nicht  gerade  nothwan- 
dig  ist.  Allerdings  wird  wohl  meistens  dieses  Erreichen  nicht  stattfinden, 
allein  es  ist  wohl  nicht  nothwendig,  dies  geradezu  zur  Bedingung  zu  machen. 
Als  Fundamentalsatz  fUr  die  Granzen  wird  sodann  der  Satz  aofgestellt,  dus 
wenn  zwei  verilnderliche  Grossen  immer  gleich  sind,  und  beide  gegen  eine 
Gränze  gehen,  diese  zwei  Gränzen  gleich  sein  mUssen.  Dieser  Satz  ist  wohl 
an  und  für  sich  klar,  und  ein  eigentlicher  Beweis  desselben  nicht  nothwen- 
dig, obwohl  er  in  dem  Buche  eriftutert  ist.  Die  Gränzen  der  Summen,  Pro- 
dukte, Quotienten  und  Potenzen  werden  sodann  leicht  aus  den  Gränzen  der 
in  ihnen  vorkommenden  Veränderlichen  bestimmt.  —  Unendlich  klein 
beisst  unser  Buch  jede  Grosse ,  welche  Null  zur  Gränze  hat  Hier  ist  nnn 
allerdings  ein  Punkt  des  Anstoues.  Die  Erklärung  ist  freilich  gestattet  und 
es  wird  gegen  sie  auch  später  nicht  gefehlt;  aber  man  verbindet  mit  dem 
Worte  unendlich-41ein  gewöhnlich  eine  etwas  andere  Bedeutung,  ao  daaa  es 
sicher  nicht  gut  ist,  dieses  Wort  hier  in  dem  genannten  Sinne  ananwenden. 

Wenn  man  nnn  eine  Beziehung  zwischen  GrOuen  suchen  will,  die  nicht 
leieht  zu  vergleichen  sind,  so  kann  man  dieselben  als  Gränzen  von  veränder* 
liehen  Grossen  einfacherer  Art  betrachten,  und  wenn  man  dann  Beziehungen 
zwischen  diesen  veränderlichen  Grossen  aufstellen  kann,  so  wird  nun  sofort 
Beziehungen  zwischen  den  erstem  erhalten,  wenn  man  die  veränderlichen 
Grossen  einfach  durch  ihre  Gränzen  ersetzt  Bei  der  Willktthriichkeit,  die 
ff»  oft  in  der  Wahl  der  veränderlichen  GrOuen  bleibt«  ist  daduch  die  B^ 


MmmIs    ElteMlf  46  Catoal  laanitfibiaL  f43 

itMf  sehr  trlekhCeri.  6«  i.  B.  wwui  ■•■  iu  VeriMaiit  d«r 
iwcier  Ircbe  von  den  HalbneMera  B,  r  haben  will,  kau  mn  dieae 
Rldboi  ala  Crtasao  der  Flfteben  eiofeacbriebener  refelmlaaifer  PolygoM  aa« 
Mkea,  dareB  SeileuaU  fortwibreDd  wicbtt.    Sind  P,  p  dieae  PoirfealUcheBy 

P  RS 

N  lit  aber,  wie  aun  leicbt  beweial:'^-  »  -pp;  «iae  iat  aucb  die  Griaae 

P  R»  • 

v«  —  fleicb  --fy  da  ietolere  GrOiae,  ala  konatant,  aicb  nicbt  ändert.  Dem«* 

S  R' 

Mch  iat  -p  8=  -j^,  wenn  8,  a  die  Fliehen  der  Kreiae  aind.    Garn  Ibnlidi 

wird  der  Beweia  der  Sfilie,  dasa  awei  Pyramiden  von  ipleichen  Grandfittcben 
od  Hoben  gleich  aind,  und  daaa  ein  Kegel  gleich  ist  dem  dritten  Theil  dea 
Frodnku  der  Gmndfltcbe  in  die  Hohe,  geführt. 

Nich  einer  kursen  Abaehweifnng  ttber  das  unendlich  Groaae  nnd  deaaen 
pff  oft  miaabrttachlicbe  Anwendung,  Ober  die  incommenanrablen  GrOaaen  nnd 
fie  matbematiache  Gleichheit  (Aeqnivalens)  wendet  sich  daa  Buch  wieder 
n  den  Terachaedenen  Weisen,  die  Grossen  als  Grttnzen  TerOnderlicher  Grossen 
aatoiehen,  alao  in  dem  Wesen  der  Ifethode  selbst.  Alle  diese  Betrachtungen 
uid  fortwibrend  an  Beispielen,  die  meist  der  Geometrie  entlehnt  sind,  er- 
liiteii  So  werden  aunichat  Grossen  ala  GrOnien  von  Reihen  anfgefaaat  und 
diu  an  der  dreiaeitigen  Pyramide  erlSutert,  die  man  nach  dem  3.  Satie  dea 
Xn.  Bacha  von  Euclids  Elementen  lerlegt.  In  ähnlicher  Welse  wird  die 
Fliehe  eines  parabolischen  Segments  nnd  des  Kreises  ermittelt. 

Von  grosser  Wichtigkeit  fOr  die  Anwendungen  ist  die  Betrachtung  ron 
Grössen  ala  Grftnxen  von  Summen  unendlich  kleiner  Grossen.  Da  die  unendlich 
Ueiaen  GrOaaen  eine  grosse  Unbestimmtheit  haben,  so  ist  eben  dadurch  der  Rech- 
wag ein  weiter  Spielraum  gewährt.  Es  Ittsat  sich  nfimlich  leicht  nachweisen,  dasa 
dieGränae  der  Somme  nnendlich  kleiner  Grossen  nicht  geändert  wird,  wenn  diese 
GrAssen  durch  andere  eraetst  werden,  deren  Verhältnisse  au  jenen  je  die  Einheit  aur 
Gitase  haben.  Sind  «i,  «s«  •••»  ^'a  nnendlich  kleine  Grossen :  ßx,  ft, ..,  ^n  dessglei- 

CU  flu 

eben  nnd  werden  die  Werthe  -ß^,  ...,  'S'  mehr  nnd  mehr  gleich  1,  so  wird 

^"'^  fit  4"    -fiT  ^^^^^^^^  awischen  dem  grOsaten  nnd  kleinsten 

d«  Toiberg ehenden  Brftefae  enthalten  aein,  alao  1  aur  Gränae  haben,  was  dio 
Behasptong  beweiat  —  Ersetat  man  ttberhaopt  eine  nnendliek  kleine  GrOsae 
dvcb  eine  mdere,  deren  Veiblltniaa  an  ihr  die  Einheit  nur  Gränae  bat,  ao 
liMen  sieb  leiehl  ähnliche  Sitae  anfatellen.  Eine  einfache  Anwendung  dleaea 
Sites  gibt  die  Quadratur  der  Kurven,  wovon  nun  einif  e  beaondere  Fälle  er* 
l«di|t  sind.  So  erhält  man  auch  die  Volumina  von  RotationakOrpem  nnd  die 
Scfawerpinkte. 

Die  GrOaaen  können  aber  auch  ala  Gränaen  von  Verhältnisaen  nnendlich 
Uciaer  Grossen  angeaeben  werden,  was  unmittelbar  an  dem  Problem  der 
^ngenten  fahrt,  nnd  dann  aur  Theorie  der  derivirten  Funktionen  CDifferen- 
*üiq«otiant).  Ehe  aber  daa  Buch  hierauf  näher  eingeht,  werden  eine  Reiba 
'PMWei  Falk  fitar  du  Tangentenproblem  nnterittcbt,  ao  wie  Untenacbunffen 


144  Duhamel:    Eltaento  de  Calcol  infiniMfiniar. 

ttber  Bectifikation  u.  a.  w.  folgeo.  Eben  so  wird  immer  ali  Eiiüeitong  aar 
eigentlichen  DifferentialrechnnDg ,  die  Beüimmung^  der  Gefchwindigkeit  bei 
beliebiger  Bewefnng,  die  KrUmmaog  der  Kurven,  die  Theorie  der  abgewic* 
ketten  Kurven,  der  einhüllenden  Kurven  und  einige  verwandte  Gegenitände 
behandelt,  wobei  eine  Reibe  von  Untersuchungen  ttber  Verhttltnisse  unendlich 
kleiner  Grössen  bei  Kurven  gef&hrt  werden  mussten. 

Nachdem  so  ausführlich  (bis  S.  229)  geaeigt  worden,  was  man  unter 
Grftnse  zu  verstehen  habe,  und  wie  man  Grossen  als  Gränzen  anderer  auf-' 
fassen  könne,  folgt  nun  erst  die  eigentliche  Differentialrechnung.  Die  ist  nun 
nicht  wesentlich  verschieden  von  dem,  was  man  seither  getrieben.  Indem 
von  den  Sätzen,  die  im  Frühem  begründet  wurden,  Gebrauch  gemacht  wird, 
ergeben  sich  die  hieher  gehörigen  Lehren  von  selbst.  Im  Wesentlichen  ist 
der  Gang  derselbe,  den  Duhamel  in  seinem  frühem  Werke  über  Differential- 
und  Integralrechnung  eingehalten,  nur  dass  eben  hier  nur  der  erste  Theil,  der 
mit  den  Anwendungen  der  Integralrechnung  auf  Quadratur  u.  s.  f.  schliefst, 
vorliegt.  Wir  haben  also  über  diesen  Theil  uns  hier  nicht  weiter  zu  verbrei- 
ten, wenn  wir  nicht  schon  hundertmal  Gesagtes  wiederholen  wollen.  —  Sol- 
len wir  aber  zum  Schlüsse  unsere  Meinung  über  vorliegenden  Theil  nochmali 
aussprechen,  so  müssen  wir  vorerst  wiederholen,  was  wir  zu  Eingang  dieser 
Anzeige  gesagt,  dass  die  Darstellung  des  Verfassers  eine  so  klare  und  um- 
fassende ist,  dass" deren  Studium  nur  entschieden  empfohlen  werden  kana. 

Die  Menge  Fälle  von  Gränzbetrachtungen ,  die  vielen  mehr  oder  minder 
allgemeinen  Gesichtspunkte,  unter  die  diese  Betrachtungen  gebracht  sind,  du 
Licht,  das  eben  dadurch  auf  den  Begriff  der  .Grfinze  fällt,  sind  wesentliche 
Vorzüge  des  Buches  und  sind  ihm  eigenthümlich.  Dass  dann  in  der  Differen- 
tialrechnung, wenigstens  was  ihre  Bezeichnung  anbelangt,  die  frühern  An- 
schauungen wiederholt  werden,  lag  eben  in  der  Absicht  ihres  Verfassers.  — 
Aber  eine  andere  Frage  ist  nun  freilich,  ob  die  Wissenschaft  hiedurch  eine 
neue  Gestalt  gewonnen  habe.  Referent  hält  es  hier  mit  der  Verneinung.  Die 
Literatur  ist  um  ein  geistreich  geschriebenes  Buch  reicher  geworden;  wir 
sehen  das,  was  uns  nicht  unbekannt  war,  von  andern,  oder  doch  mehrem 
Seiten  an  •— *  das  mag  genügen,  um  die  Berechtigung  des  Werkes,  als  eines 
wissenschaftlichen ,  festzustellen.  Die .  Wissenschaft  selbst  scheint  in  ihren 
Grundlagen  festgestellt,  und  wird  wohl  daran  nicht  mehr  viel  zu  ändern  sein; 
ja  es  wäre  vielleicht  gerathener,  rein  nur  den  Begriff  des  Differentlalquotien- 
ten  festzuhalten,  und  den  des  Differentials  ganz  wegzulassen.  Das  wäre  noa 
freilich  weder  ein  Vor-  noch  ein  Rückschritt,  aber  es  wäre  wohl  eine  Ver- 
einfachung des  Ganzen  und  das  ist  immerhin  ein  Forschritt  der  Methode. 


t.  HL  HEIDELBBRGBR  lH7. 

JIIIBOGHER  dir  LITERATUR. 


Sammbmg  von  BeUpielm  und  Aufgaben  au$  der  allgememen  ÄriAmM,  und  itl- 
gAra,  In  sgtlenuUiscker  Folge  hearheii  für  Qymnanen,  Mkere  Bürgtrtdmlm 
mtd  GtneerUchuUn  van  Dr,  Eduard  fle ii,  Prof.  der  MaA,  und  Atirom, 
M  der  k.  Akademie  au  MünHer,  SUbenie,  verbe$$erU  und  vermdurU  Auflage, 
Köln,  1856.    Dü-Mont-SckmAerg.    (380  8.  in  8.) 

Aofgabenbttcher  ttber  niedere  Al|(ebra  sind  nicht  |pir  feiten ,  aber  f  nie 
fieser  Art  sind  eben  ineh  nicht  hinfif .  Dtjs  dtf  vorlie^nde  sn  letitem  fe- 
tort,  beweist  wohl  schon  die  seit  seinem  ersten  Erscheinen  (1837)  nothwen» 
fif  gewordene  siebente  Aoflsge.  Es  ist  dieses  Anfgabenbueh  aber  auch  in 
der  That  ein  sehr  yolbiindiges  und  zweckmässig  geordnetes,  und  jeder  Lekrer 
der  Mathematik  weiss  recht  wohl,  was  das  sn  bedeuten  hat. 

Nach  einigen  einleitenden  Aafgaben  ttber  Begriff  nnd  Anwendung  der 
Addition,  Subtraktion,  Multiplikation,  Dirision  nnd  Potensimng,  sowie  ttber 
Gebraach  der  Klammem,  werden  im  ersten  Abschnitte  Aufgaben  inr  Anwes- 
d«Bg  der  Sitae  ttber  Summen  und  Differenaen  gegeben,  während  der  swelle 
Abschnitt  solche  ttber  Produkte,  Quotienten  und  Brttche,  Theilbarkeit  der  Zah- 
IcB,  Deaimalbrttche ,  Verhältnisse  und  Proportionen  enthält.  Namentlich  ist 
Inebei  auch  auf  die  abgekorsten  Reehnungsweisen  Rttcksioht  genommen.  Der 
dritte  Abschnitt  enthält  Aufgaben  ttber  Potensen,  Wuneln  und  Logarithmen 
mit  einer  dem  Gegenstand  angemessenen  Ausführlichkeit ;  im  vierten  Abschnitte 
werden  Gleichungen  vom  ersten  und  sweiten  Grade  mit  einer  und  mehren 
unbekannten  Grössen,  sowie  unbestimmte  Gleichungen  des  ersten  Grades  Tor* 
gelegt  Hier  sind  jeweils  die  Resultate  (also  die  Auflösungen)  der  Aufgaben 
leUiesslich  angegeben,  was  bei  den  frtthem  Aufgaben  in  der  Reget  nicht  dar 
Fall  war.  —  Der  fünfte  Abschnitt  enthält  Aufgaben  ttber  Progressionen  und 
deren  Anwendung  auf  Zinsesxins-  und  Rentenrechnung,  ttber  Kettenbrttche 
aad  Theilbrnchreihen.  Im  sechsten  Abschnitte  werden  die  Combinationen  n. 
>n  der  binomische  Sats,  die  figurirten  Zahlen  und  Einiges  aus  der  Wah^ 
iebeiniichkeilsrechnung  behandelt;  der  siebente  Abschnitt  gibt  Aufgaben  ttber 
Oeichnngen  ron  hebern  Graden  und  transsendente  Gleichungen ,  während  im 
ichten  und  leuten  Abschnitte  Aufgaben  ttber  Anwendung  der  Algebra  an! 
Geonetrie,  Physik  und  Chemie  enthalten  sind. 

Man  ersieht  aus  dieser  kurzen  Inhaltsanseige,  dass  das  rorliegende  Auf* 
gäbeabneh  mit  roUem  Rechte  ein  sehr  reichhaltiges  genannt  wurde.  Dabei 
•iad  die  Aufgaben  aus  allen  Gebieten  der  Anwendung  gewählt  nnd  so  xweck« 
nissig  stufenweis  geordnet,  dass  die  siebente  Auflage  des  Buches  sich  sicher 
^ttielbe  Grast  erwerben  wird,  wie  ihre  Vorgänger. 

ür*  Jr*  Dlenir w« 


V  Jdirg.  %  Holt  10 


ÜB         Htrtmtiiii:  Airitti  AaabMi».  —  Vltraviu.  rec.  Lorenteen. 

ArrUmt  ÄMab^m.  Fihr  SeMar  sum  »ffmiliehm  mnd  FnutiffAnattk  hnmMg§' 
§Am  wm  Dr.  H.  HarimanHf  ObirUkrer  am  Fünüiehen  Qffmmuwm  m 
SonJerihmum.  I.  Bändeken:  l-UL  Bui^,  IL  Bd.  IV-VL  fiwdL  Jena. 
Fr.  Maake.   8.  brock.   PreU  ä  12  Sgr. 

Wir  haben  in  diesen  Blättern  seiner  Zeit  Herrn  Hartmann'f  alsPron^mm 
enehienene  Probe  einea  Commentara  au  Arriana  Anabaaia  anf  ezeigt  und  g lao- 
ben  nnn,  nachdem  das  Werk  vollendet  yor  nna  liegt,  um  lo  mehr  anf  die 
Ausführung  aufmerksam  machen  zu  müssen,  als  dieselbe  die  durch  jene  Probe 
erregten  Erwartungen  nicht  nur  erfüllt,  sondern  theils  durch  die  Berttcksidi- 
lignng  der  von  mehreren  Seiten  ausgesprochenen  Wünsche«  theils  durch  des 
Hrn.  Verfs.  eigene  Bemühung  ttbertroffen  hat.  Die  von  uns  damals  hervor- 
gehobenen und,  wie  wir  sehen,  durch  andere  Beurtheilungen  bestätigten  Vor- 
attge,  nämlich  daa  richtige  Maass  in  grammatischen,  sprachlichen  und  sa^- 
lichen  Erklärungen,  die  sweckmäasige  Vergleichung  des  griechischen  Aus- 
drucks mit  dem  entsprechenden  Lateinischen  —  wovon  im  sweiten  Btndchen 
noch  reichlichere  Beispiele  als  im  ersten  vorkommen  -^  die  geschickte  Art, 
des  Schülers  Nachdenken  anauregen  und  in  Anspruch  au  nehmen,  werden  viel 
daiu  beitragen,  dass  Arrians  Anabaaia  als  willkommene  Abwechslung  mit  der 
Xeoophontischen  mehr  und  mehr  in  Schulen  Eingang  findet  und  beaondefs, 
wie  es  auch  der  Titel  ausspridit,  von  reiferen  Schülern  cursorisch  gelesen 
wird.  Dieae  Berücksichtigung  verdient  Arrians  Schrift  auch  in  der  Thal  durdi 
ihren  anaiehenden  Inhalt  und  durch  die  richtige  Auffassung  ihres  Helden,  wo- 
Tim  sich  Jeder  überaeugt,  der  die  Geschichte  des  grossen  Königs  aus  den 
Quellen  atodirt  Herr  Hartmann  selbst  hat  diese  Seite  des  Schriflstellers  in 
der  Binleltang  richtig  gewürdigt;  Indess  wünschten  wir,  dass  er  bei  einer 
■enen  Auflage  manche  individuelle  Züge  Alexanders,  die  Arrian  als  nttditer- 
ner  Gesehiditsefareiber  einfach  anführt  oder  nur  andeutet,  in  den  Anmerkungen 
hervorheben  und  dem  jugendlichen  Leser  nahe  legen  mOge.  Durch  dieae  Be- 
lebung^ der  oft  trockenen  oder  gar  in  ruhigen  Eraählung  wird  er  des  Schll- 
loM  Theilnahme  fesseln  und  erhöhen.  Ausserdem  erlauben  wir  una  noch  den 
weiteren  WoMch,  dasa,  woCem  das  Buch  nicht  dadurch  vertheuert  werdeu 
sollte,  eine  Karte  über  Alexander a  Feldaüge  beigegeben  werden  möge«  wie 
•ie  B\A  bei  der  Sohulaiagabe  des  Cortiua  von  Zumpt  findet. 

K.  Fr«  Mpfle«      . 


Harel  Viiruvii  ToUionii  de  mehUeelttra  UM  deeent.  E»  M  iOrsrnm 
scriptorum  reeensmi  alque  emendanU  ef  tu  Oermdnicmn  eemummn  varfir 
Dr.  Carolui  Lorentten.  YoImnuiU  I.  Far$  frior.  QoAae.  SumiUms 
Hugonii  SeketAe.    MDCCCLVII.    217  8.  in  gr.  8. 

Es  kann  nicht  In  Abrede  gestellt  werden,  dasa  eine  neue  Auagabe  des 
Vitruvius  als  ein  wahres  Bedürfniss  erscheint,  und  zwar  eine  aolche,  die  vor 
Allem  den  Text  kritiach  fesUlellt  und  damit  augleich  eine  aichere  Unterlage 
SU  allen  den  Untersuchungen  bildet,  lu  welchen  der  Inhalt  des  Werkea  eo 
Tielfaefa  Teranlassung  gibt,  ja  au  welchen  er  nnwillkttrlick  anffQrdeit.    Und 


> 


fiM|»po:   WeteiTiMb«  Btkaktimu  tIT 


•och  jtUft  ▼«■  Widiti^Mit  sela,  wo  alb  «cUMkto« 
DMikmal«,  die  luw  da»  RoaifclM  Volk  UolorlaMOB  ha»»  rigwilMi 
einer  anenofCen  «od  mf leicb  sorfftitifonn  Vonthamg  f ewordi«  piad.    IMo 
Torliegwdo  Aojgabo  «oll  noii  Torem  eine«  krllifcb  beriehligtea  Teit  Uefim; 
ü  wie  weU  dieee  io  dem  yorlieg enden  erüea  Hefte»  (oachekea  let,  wird  abet 
•d»B  OB  dee  Uaiflandee  wiUea«  ickwar  aasugeben  ieia«  ab  ■■§  bier 
vie  der  blofe  Text  gefeben  wird,  obae  irf end  elae  Kialoitaay  (walebe  i 
kowaea  aoU)  Ober  die  baadscbriftlicbeo  Qaelleot  die  deboi  xa  Ratho 
oder  u  Gnuide  yeleft  wordea,  uad  obae  Anffabe  der  abwoiebeodea  Leeartea, 
4ie  in  eiaem  oif  eaen  Bande,  dem  aweiteiit  ab  «briliaeher  Cemmeatar''  orffel» 
lea  mU.    Da  jede  Vorrede  oder  Aadevtaoff  Ober  die  krilieabea  PriaeipieB  dee 
Benifgebers    nnd  die  Bebaadluaf  der  Kritik  felbat  feblt,  eo 
mier  Urtbeil,  wena  wir  niefat  aagereobi  »eia  wollen«  bi«  dabia 
im  kebea.    Demelbe  auf  voa  Allem  dem  aaeh  ffekeBi  woi  die  Penon  dee 
Aotoiv,  und  die  fanse  Anlage  ieinee  Werkee  betrifll,  worOber  wir  ebeafalle 
tflieren  AafecblQmen  in  den  folgenden  Tbeilea  dee  Werkei 
imud  da  bier  eebr   coatroverse   Puakte  jedeafallf   am 
■Onea.  Dagegen  bat  der  HeraMgeber  dem  latetaiacben  Texte  ( 
dmtMbe  Ueberfetonag  gestellt»  nad  damift  dee  lotereeee  der  aabbeiabeB  AreU* 
uklen  nnd  KOneller  bertkkfiebtigt ,  welebe  den  Vilmvtaf  in  dem  Uilexlo  an 
Im»  aiefal  im  Stande  find,  aber  doeb  mit  einem  fbr  eie  eo  wiebtigen  Anter 
lieb  Biber  bekannt  auicben  wollen.    Dieee  Uebenetaaag  iel  anf  der  einen 
Seite  iebr  genan  nad  an  den  lateinieeben  Text  ficb  aneehlieeimid:  aber  eia 
liest  sich  dabei  ganx  gat,  bewegt  sieb  in  einem  lUeeeenden  Dentieb  and  wriH 
fo  den  bemeriJen  AnsprOcben  wobl  genügen  können.  Ein  weiterer  (dritter) 
Bttid  seil  die  eacblicben  Srltaterangen ,  mit  eiogedmektea  Hoixiebnitten,  «in 
(vierter)  Band  ein  Glosstriom  VitrnTiannm  eatbalteni  beides  war  ran  Dr. 
£sil  Brenn  xogesicbert  worden:  wir  wollen  beibn»  daas  sein  Ted  Ider 
keine  Stockung  des  Untemebmens  berboigeflüirt  bat,  «id  jedenfalis  ee  Viel  ane 
wiaen  Papieren  vorliegt,  am  diese  Tbeile  des  Gease»  ia  befriedigender  Weien 
iea  Publikum  Torxnlegea:  mag  der  kenntnissreiebe  Heransgeber  dee  flan« 
lea  das  Feblende  oder  UnToUkommene  daan  ergftnsen  und  Terrellstindigen* 
Die  iassere  Anmtattnng  in  Druck  (ans  der  Tenbner'seben  Officin)  nnd  Papier 
ist  sebr  befriedigend  qnd  kann  dem  verdienstlicbon  Vntemebnton  nur  eer 
Kaplcblang  gereicben. 


Vfmnerisebe  SMlndm  «en  Htrmann  Sauppe.    Weimar.    Bermtmn  B4h* 
iaa.    i8S$.    §33  a.m9r,  8. 

Die  VerOffentlicbang  dieser  Reden,  die  meist  das  Weifc  niebl  Iftngerer 
Verbereytnng,  woU  aber  der  Ausdruck  der  Geilble  und  Empflndangen  aiad, 
die  den  Redner  bewegten,  soll  ein  Andenken,  ein  Zeieben  der  Erinnerung 
sein  an  die  eilüjibnge  Wiiksamkeit  dee  Verfassers  an  dem  Gymnasfnm  in 
Weimar»  Ton  dessen  Leitang  er  vor  Karxem  in  einem  bobem  Wirkangekreise 
n  die  Dniveniilil  6«ttitgmi  abbcmfon  waidL  Den  Anfang  maebt  die  latel- 
«M  ibtibsHn  AvUilimde»  bei  Debemitee  der  Diiaetien  am  M  OtM» 


148  Leu:    Zoologie  der  Griechen  n.  Reimer. 

de«  Jahref  1845,  et  reihen  sieh  daran  die  in  den  folgenden  Jahren  bif  tun 
Jahr  1656  gdialtenen  Anfprachen  dea  Yerfasa ers  an  die  Abiturienten  bei  ihrer 
Entlaaiang  snr  UniTenittt  (IL  III.  lY.  V.  VI.  IX.  X.  XU.  XIV.  XV.  XVL):  es 
atnd  Reden,  geeignet,  einen  bleibenden  Eindnick  in  hinterlassen,  wSrdig  ge- 
halten in  der  Form  wie  nach  ihrem  Inhalt,  und  bestimmt  die  Aufgabe  und  das 
Ziel  der  MTissenscfaaft,  die  in  dem  Studium  der  alten  Schriftdenkmftler  der 
Grieehen  und  Römer  ihren  Grund  und  ihre  Wurzel  hat,  den  auf  die  Unirer- 
sität  abgehenden  Jttnglingen  Torsubalten ,  so  wie  überhaupt  sie  ansoregen  za 
einem  edeln  Streben,  das  die  ernste  Pflege  der  Wissenschaft  steU  verfolgt. 
Weiter  sind  in  diese  Sammlung  aafgenommen:  die  bei  der  Bnthtlllung  des 
Herderdenkmales  gehaltene  Rede  (VII),  die  am  Grabe  eines  Oberaecundanen 
(Heydenreich)  gesprochenen  Worte  (XI)»  nnd  die  bei  der  Feier  des  fOnf  und 
iwansigjtthrigen  Regierangsjubileums  des  Grossheraogs  Karl  Friedrich  am  16.  Juni 
1853  gehaltene  Rede  (Xm);  die  zur  Feier  des  Geburtstages  desselben  Fttrstea 
am  3.  Febr.  1851  gehaltene  Rede  wird  auch  aus  einem  anderen  Grunde  unsere 
volle  Aufmerksamkeit  ansprechen,  indem  sie  ein  Bild  des  berühmten  Johann 
Mathias  Gesner  yorfUhrt,  der,  ehe  er  nach  Gottigen  berufen  ward,  in  den 
Jahren  1715—1729  als  Conrector  an  dem  Gymnasium  zur  Weimar  thfttig  war. 
Der  Verfasser,  indem  er  uns  die  ganie  gelehrte  und  wissenschaftliche,  mit  der 
Lehrthätigkeit  in  schönstem  Bunde  stehende  Thatigkeit  des  Hannes  schildert, 
der  um  die  Mitte  des  vorigen  Jahrhunderts  wesentlich  dazu  beitrug,  die  ge- 
lihmten  und  erschlafften  Studien  der  Philologie  wieder  zu  neuem  Leben  ia 
Deutschland  emponubringen,  konnte  damals  wohl  nicht  ahnen ,  dasa  es  ihm 
bestimmt  sei,  nach  einem  Jahrhundert  den  Lehrstuhl  Gesner's  einzunehmen 
nod  der  würdige  Nachfolger  eines  Hannes  zu  werden,  der  für  die  Alterthuau- 
ftndien  so  Vieles  in  seiner  Zeit  geleistet  hat.  Wir  empfehlen  diese  Rede  nicht 
minder,  wie  die  anderen  vorher  erwähnten:  wir  empfehlen  dieselben  ins- 
besondere aueh  jüngeren  Lesern,  die  in  ihnen  die  reine  und  würdigste  An- 
regung finden  werden  zu  einem  wahrhaft  idealen  Streben,  das  durch  die  ha- 
nansiscfaen  Richtungen  der  Gegenwart  sich  nicht  von  der  wahren  Bahn  ab- 


i^Qotogii  dir  aitin  Qriechen  und  RSmer^  deuUch  in  Äuuügen  aus  deren  Sckrif- 
tenj  fie&sl  AnmerJamgen  wm  Dr,  Harold  Othmar  Lens^  Lehrer  an  der 
Erziehungtamtali  zu  Schnepfenihal.  Gotiui.  Becker'sche  BuMandlung.  1856. 
XXIV  und  656  8.  in  gr.  8. 

Der  Verfasser  dieses  Buches  hat  sich,  wie  er  uns  S.  VII  der  Vorrede 
versichert,  seit  seiner  Kindheit  vorzugsweise  mit  Philologie  und  Naturwissen- 
schaften besdiaftigt  und  bei  dem  Studium  der  Griechischen  wie  der  Römischen 
Schriftwerke  stets  auf  das  Rücksicht  genommen,  was  bei  denselben  über  Ge- 
genstände, die  in  das  Gebiet  der  Naturwissenschaften  einschlagen,  vorkommt;  er  hat 
feit  dem  vienehnten  Jahre  die  betreifenden  Stellen  sich  ausgesogen  und  so  mit 
der  Zeit  einen  Stoif  sich  gesammelt,  der  au  einer  grossen  Masse  angeschwol- 
len, die  Grundlage  des  vorliegenden  Werkes  bildet,  dem,  da  es  die  Thierkunde 
mnMchUenUch  nun  Gegenitinde  hat,  ein  «hnliober  Venroch  ttber  die  Betanlk 


Um:    Zool«tie  4«r  föieekeB  i.  Ktfner:  149 

wd  Ibenlofie  der  CSriechea  asd  Römer  in  Bilde  naehfelgeB  telL  Wr  er- 
Uta  also  hier  ein  bei  der  Leelttre  der  Altea  Ton  dem  YeHaifer  geeaa* 
■efica  MaCerlai  aber  die  Zooloirie  der  Alten,  in  der  Weiae  maammenfealelll 
md  feordnek,  dan  die  einaelnen  Thiere  hier  nach  den  beireffenden  Ordann* 
gea  raffefühn  and  dann  bei  jedem  derteiben  die  betreffenden  Stellen  der 
illen  SdirifUteller,  welebe  Scbildemngen  oder  Erwibnnnfen  dieaer  Tbiera 
eathaltea,  in  efaronologbcber  Fol^e,  nacb  der  denuchen  Uebertelannf ,  wört- 
lich BilfeAeilt  werden,  wfthrend  die  Ordnung  selbft ,  naeb  welcber  die  ein- 
lelaen  Tbiere  bier  auf  einander  folfea,  licb  nacb  dem  in  dea  Verf.  NatarfO- 
lebidte  befolften  System  richtet  Manefae  Tbiere  werden  daher,  je  nachdeai 
ia  den  Schriften  der  Alten  mehr  oder  weniger  darttber  aieh  anfe^ben  indeti 
Md  aosfllbriicber,  bald  auch  kttrser  oder  aocb  gana  kon  behandelt,  bei  man^ 
chea  werden  aneh  die  Namen,  welche  die  Thiere  nacb  dem  jetsif  en  Syatena 
ÜArea,  angef  eben  nnd  selbst  anderweitige  daran  sieb  knOpfeade  Brdrtemngeii 
nd  Bemerkongen  beigefügt,  die  man  an  andern  Orten  wieder  scbmeraUek 
rennisst,  wie  denn  ttberbanpt  solche,  wie  wir  glanben«  kaum  an  nmgebende 
Bemerfcongeii  noch  vielfach  bitten  erweitert  nnd  ausgedehnt  werden  können, 
wean  ftberhaapt  ein  bestimmter  Plan  dem  gansen  Unternehmen  an  Grond  ge* 
legt  worden  wire,  das,  wie  es  jeUt  Torliegt,  Nichts  welter  im  Oanaen  bringt,  als 
cne  Sammlnig  oder  Znsammenstellang  einzelner  Thierbesebreibnngen  oder  dar 
Richrichten,  welebe  in  den  alten  Sehriftsteliem  Ober  die  Tbierwelt  Toikom- 
■ea,  auf  jede  weiter  gehende  Leistung  aber  yersicbtet  hat.  Daher  die 
Schriftsteller  selbst,  aus  welchen  die  einseinen  Exeerpte  entnonraien  sind» 
fibt  die  Vorrede  (S.  IX— XX)  einige  Notixen;  ein  Register  der  In  dem  Werke 
lalirefthrten  Tbiere  (S.  XXI— XXIV)  folgt  darauf  unmittelbar.  Der  erste  Ab- 
Khaitt:  „das  Weltall,  die  Erde<*  bitte  unbeschadet  des  CSanaen,  fUglieb  weg- 
Meiben  können,  da  er  niebu  weiter  enthilt  als  einige,  die  pantheistlsebe 
Ansiebt  des  Plinius  aussprechende  Stellen  (denen  noch  manche  andere 
ihalicber  Art  sich  anreihen  lassen)  nnd  eine  kaum  bieber  au  reebnende 
Stelle  des  Seneca,  aus  welchem  Schriftsteller  wohl  noch  gana  Anderea 
lieh  bitte  anführen  lassen.  Dasselbe  mag  auch  von  dem  iweiten  AbsehnitI 
gelten :  „Der  Mensch^,  obwohl  derselbe  ungleich  umfangreicher  ausgefallen  ist 
(8.  3—35);  wir  haben  hier  eben  so  wenig  den  leitenden  Gedanken  herana- 
uiaden  Tcrmocht,  der  diese  Zusammenstellung  yon  Exeerpten  bestimmt  hat 
In  dritten  Abschnitt  (S.  35—76):  „Allgemeines  von  den  Thieren^  finden  wir 
eine  grosse  Anzahl  Ton  Excerpten,  welche  auf  Heilmittel,  wie  sie  die  Tbier- 
welt bietet,  sich  beliehen ,  meist  aus  Plinius  entnommen ,  eben  so  auch  Hau- 
chet, auf  die  Krankheiten  der  Thiere  selbst  bezügliche,  was,  wenn  es  ttber- 
lunipt  in  diese  Sammlung  gehörte,  aus  den  Sehriftsteliem  ttber  die  Veterinir- 
kaade  wohl  noch  vielfach  vermehrt  werden  konnte:  obwohl  es  sich  immer- 
bia  wird  fragen  lassen,  ob  Gegenstinde  der  Art  in  eine  Zoologie  ttberhaupt 
gehiren.  Mit  dem  vierten  Abschnitte  kommen  wir  au  den  einzelnen  Thieren, 
nad  zwar  zuerst  zu  den  Siugethieren ,  unter  welchen  die  Affen  den  Anfang 
"M^n;  den  Schluss  machen  die  Fischsiugethiere,  darunter  auch  der  Delphin. 
In  filnflen  Abschnitt  kommen  die  Vogel  an  die  Reibe;  nacb  einigen  Excerp- 
tea  aUgemeiner  Art  kommen  zuerst  Raubvogel,  dann  Singvogel,  HttbnervOgel, 
Mivifd,  ScbwiniTOgel. 


ISO  LiMi    U9ht^  iitt  CMMhe*  i.  Rtfaet. 

1N6  fo%tti4Mi  Abfdnhie  uMvn  in  Ihidaditr  Wtiie  raiaBmem  die  Bx- 
e«ipto  dor  AmplibiM  (luer  udh  tm  den  Sdilmfra,  jedoeli  olne  vMbtn 
(Ndnuif }«  d«r  Fifoli«,  dw  Kttbthiertt  nid  der  Wttrmer.    Dasn  felgi  eis  A^ 
«ehaüt  ttbar  die  TUerhetten,  der  ttil  einer  Seile  erledift  in;  ein  Aunv  eu 
don  Cerpw  jetif  JonlAiani  aaf  swei  Seilen,  luid  ein  ScUnMebfchnätl,  der 
wrter  der  Anüiehrift  «die  Allegerie'*  anfeblich  Baeh  Winkelnwnn'a   WerkeB, 
eine  ZuiemwanileMeBg  der  aUef eriecheB  BedentiiBir  fibi,  in  der  einselne  TUere 
bei  den  Allen  geneounen  werden*    Ob  aber  die  hier  gegebene  ZvaanmieB* 
eleUnnf  befriedigea  wird,  mag  wehl  beiireifell  werden;  ae  heiaal  ee  i.  B. 
S.  M7t  die  Bwigkeil  bildet  der  Vogel  Plieoix  auf  einer  griecUaeben  Iflnie 
dea  laiaeti  Amonlna  Piu.    Der  ElephanI  auf  MOnaen  bedeatet  die  Ewigkeit 
wegen  aeinea  langen  Lebena  nnd  der  HirtA  aua  eben  dem  Gmnde  n.  a.  w., 
wibrend  dann  wieder  der  Elephant  die  Farebtaamkeit  malen  aoU  nnd  dergL 
Wir  begnttgen  nna  aut  dieaer  Probe,  die  kaum  weitere  Beraerknngen  netbig 
maehi;  wir  nnlerlaaaen  ea  aneh  aoa  den  anderen  Theilen  dea  Werkea  tbniicbe 
PMben  Tonnlegen  oder  Bemerkongen  daran  aa  knttpfen,  an  denen  ea  an  Stoff 
nickt  mangeln  kann  bei  einem  aoa  ao  vielen  einielnen  Bealandtheilen  anaam- 
mengeaetnten  Werke;  wir  haben  aneh  nicht  die  Abaicht  Bericfatignngen  oder 
Bcginanngea  oder  Naektrige  aelbat  ana  aebr  gelesenen  Autoren  an  liefern^  woaa 
ea  an  Stoff  in  der  Tknl  niekt  mangelt,  denn  aelbat  bei  aoichen  Anikdn,  die 
nttl  reioUiakeni  Eiwerpten  bedaekt  aind,  wird  man  nook  Hanebea  wiaaen,  wie 
n.  B.  kei  den  Ainden»  bei  den  Roaaen  (wo  die  Pferde  der  Haaaagelen  er- 
Wiknt  werden,  aber  der  berllbmten  Nia«iacken  Roaae  nickt  gedacht  iat),  bei 
dam  Delphin,  für  welchen  in  der  Sage  von  Arion  nnd  Allem  dem,  waa  in 
nlier  nnd  nener  Mt  darOber  geaagt  werden,  ein  ao  reicher,  beacktenawerlbar 
Stoff  Terlag;  dagegen  aefaen  wir  eigentUek  kehien  Grand  ein,  waram  bei  den 
fiinien  die  Sehraibefedem  angebreobt  werden,  wie  aie  weder  bei  iSriecfaen  noch 
bei  Mmem  Yorkommen)  ea  konnten  daker  die  beiden  Gedichte  dea  AMhei- 
mna  (ao  heiaat  er,  nieht  Allheknua)  nnd  dea  Alcnin  (der  hier  gar  nnm  «Eak* 
miniaief  Earla  dea  Groaaen**  gemeefat  wird !)  anf  eine  Schreibfeder  hier  eben 
ae  gnt  wegffaMen,  wie  die  daran  geknepflen  dürftigen  Bemerkungen  Aber  dai 
tum  Sehfeiben  engewendete  Rohr,  oder  eher  Sehwanenfedern  n,  dergL    Uad 
waan  bei  dem  Vogel  Ibia  unter  Citirnng  dea  Harodotua,  deaaen  Beachreibaag 
•Uardinga  eine  Banptquelle  bildet,  die  Bemerkung  gemacht  wird,  daaa  bei 
Froaaikertt  man  atela  iptg  finde,  wäkrend  dieaea  Wort  eigentlick  den  Cireum« 
Sex  kaken  mllaae,  nack  einer  Stelle  dea  Atkenäua  Vn,  p.  800  A.  ao  war 
dieae  Bemerkung  wokl  aua  dem  Grunde  nickt  nöthig,  da  ein  Bück  in  die 
neneaten  Auagabcn  dea  Herodotua,  Strebe,  Pauaaniaa  n.  A.  aeigen  konnte,  4aii 
dort  dnrckweg  ^Jßi9  aiok  gedrackt  findet*    Wir  unterlaaaen  noch  manche  aa* 
dere  Bemeiknngen  der  Art,  die  wir  bei  mehr  ala  einer  Stelle  gemacht  hattea; 
wir  wellen  auch  weiter  nicht  in  den  unwillkakrliek  aich  aufdringenden  Wuaadi 
eteer  beaaem  Sichtung  nnd  Ordnung  der  geaammellen  Excerpte  (falla  maa 
nemlieh  an  eine  Zoologie  der  Alten  keine  andere  Anforderung  stellt,  ala  die  eiaar 
Ueaaen  Znaanunenatellnng  oder  Excerptenaammlung  der  Berichte  der  Altaa) 
immerhin  liegt  in  dieaem  Werke  ein  bedeutendea  Material  aaga* 
'or,  du  den  Weg  an  weiteren  Foraehnngen  anf  einem  Gebiete  an* 
bahnen  kanui  dai i  der  HekneU  unforer  Philologen  fremd,  deck  mn  Vw- 


iBMkMti    Jhh4^u  ««  Hitoire  m«M  U  FMMp«  tSi 


409  all^ii  ScIwiArteller  «MBtbebriMb  iil  iib4  gewiit  In 
raiM  4eii  Beweia  lieton  kau,  ail  walcker  8«rgfiill,  Tmm  tt4 
fiewick<it  bei  der  BeaehreÜNUif  eiDielaer  Thlere  Mhoo  die  Altes  m  Werke 
|igae(ee  find,  und  welcke  (eneue  Beebaektonfigabe  iie  aacb  bier  eatwickutt 
kWa.  Die  Tbierbetobreibaagen  de«  Herodotoa,  oder,  vm  einen  Mann  der 
Küarwiitenaebaft  aa  nennen,  dea  Ariitolelei  tind  Ton  der  Art,  daai  wir  den 
Allen  ancb  in  dieaer  Beaiebnag  nur  anaere  voUe  Aneriienamf  an  aoUen  Ter* 


AmBottt  011  Awfotra  uerHt  de  Ju$imim  tradmie  de  Froeope  neae  naiiea  mr 
Fmdeur  d  nalet  fkiloiogiqMei  et  kietonques,  Fat  M,  leamherU  Fremiirt 
ftarlie^  comfrenami  NcUce  $ur  tmdatTy  TMe  ehronologique  et  Notee  pktieiegi» 
fuee,  Detixieme  ParHe,  eompreiumi  la  Geographie  du  TL  tÜeie^  In  rietjtafi 
de  U  mtmimuaique  JFaprie  la  Ihre  de  JuiOmem^  le$  proporOeme  du  metmt» 
ei  dee  mAei$ttmce$j  et  quäbre  teAlee.  Pitrie,  Fkmin  DUoi,  Fr.  KKiiehieek 
i856.    967  5.  tu  gr.  8. 

Dieae  Bearbeitang  einea  der  wiebtifalen  Werke  einea  der  beaaeren  bj- 
nmiaiaeben  Scbriftaleller,  deaaen  Bebandlnngaweiae  wie  deaaen  Spracbe  nn4 
Aüdmckaweiae  nna  WeUbch  an  die  fnto  Zeil  der  ilfieren  belleniacben  Hiale* 
riapai^bie  erinnern  fcaan,  deren  Naebklinfe  ttberaU  nna  entfegentreten,  iat 
vm  aiaeni  andern  Slandpnnkt  nntemoaunen,  ala  diea  bei  den  BMialeii  BekannI« 
naekaafen  dieaer  Art  namendiob  in  OenlacUand  an  feacbeben  plegl:  ea 
wdtei  bier  niebl  aeweU  der  kriliaeb-pbilelofiaebe  ala  der  biateriache  Stand* 
pakx  Ter;  darauf  iat  renragaweiae  Rttekakbl  fendauaen,  in  Allem  4eai^  waa 
n  daai  grieebiaeben  Texte  md  der  gegenttbetatebenden  IranaMaeben  Ueber* 
NiMag  in  den  beigefilgten  ErkUürnngen  binaagekoaunen  iaU  Wir  veranefcen 
Mar  aaaem  Leaem  einen  getrenen  Beriokt  aber  den  Inball  and  Cbarakler 
teer  Bearbeitnng  der  Anekdote  vennlegen,  anr  riebtigen  Würdigung  dea 
vaa  de«  beaMrkten  Standpnnkte  einaig  nad  allein  ana  anteraommenen  Weikea. 
Du  Canae  beginnt  asit  einer  Netioe  anr  lea  ecrita  et  aar  Faiitaritd  de  Pro- 
cape, eiaer  knrxen  Aagabe  deaaen,  waa  wir  von  dem  Leben  dieaea  Anter'a 
«inen,  wie  von  aeinen  Scbriften,  inabeaondere  von  der  bier  beranagegebenen 
Sebifk,  die  ala  ein  Yon  Proeopiaa  wirklick  abgefaaatea  Werk,  mit  Widerlegung 
te  dawider  erbobenen  Zweifel,  naebgewieaea  wird.  In  eine  weitere  kritt- 
le Sroitemng  Aber  den  Inbalt  dea  Werkea  im  Allgemeinen,  Ober  aeine  8tel- 
luf  «ad  Bedentang,  ao  wie  Aber  die  Glanbwflrdigkeit  der  darin  entbaltenen 
Rmbricbten  gebt  dieae  Notice  nicbt  ein:  einaelne  dabin  einacbligige  Pankle 
oder  Stellen  werden  in  den  „Notea''  beaprocben.  Dann  folgt  dea  laballaver- 
mkaiff  der  einaelnen  Abacbnitte  der  Anekdote  (Sommairea  dea  okapitrea) 
md  eiae  table  ckronelogiqae ,  die  mit  der  Gebart  Jaatinian'a  im  Jabre  468 
h  C^.  beginnt  und  bia  anm  Jabr  565  reicht,  mit  der  Krdnuag  Joatinian'a  IL 
■BUieieeBd;  einige  Addenda  an  den  aaf  Text  und  Ueberaetanng  folgenden  Noten 
l^iUea  Ten  8.  U— LYI  den  Scblnaa  der  Binleitnng.  Dem  nun  abgedrneklen 
PMiaoben  Text  gegentkber  atebt  aaf  jeder  Seite  die  InnaOaiacbe  lieber» 
'^^i  die  wir  im  GaniM  eorract  und  tren  gelondM  babea«    Wu  den 


ib%  Ifttbert:    ApM^ta  «u  Bttöire  leerMe  de  Proedpei 

griediifclMii  Text  betriflk,  fo  gehören  dara  die  S.  360—407  denselbeii  enge- 
reibteii  Notef  philologiqaef.    Allerdingi  ward  dieier  Text  einer  Reviaion  un- 
terworfen and  hier  die  Beihttlfe  einea  dentachen  Philologen,  dea  Herrn  Dob- 
ner  in  Anaprach  genommen;  neue  bandachriftliche  HttIfamiUel  yon   Belang 
wurden  nichl  an  Rathe  geaogen,  indem  die  in  Mailand  and  Paris  befindlichen 
Handachriften  ana  gana  neuer  Zeit  atammen  and  su  den  Vatieaniachen  Hand- 
aohriflen,  aua  welchen  die  eraie  gedruckte  Auagabe  von  Alemanni  im  Jahre 
1623  heryorgegangen  iat,  kaum  elwaa  Neaea  oder  Beachlenawerthea  binxafti- 
gen,  auch  die  noch  immer  vorhandenen  LQcken  nicht  auafullen,  wie  dieaa 
doch  ao  wUnachenawerth  wäre.  Weiter  wurden  die  nach  der  bemerkten  Edilio 
prineepa  eraehienenen  Ausgaben  bis  auf  die  neueate  von  Dindorf  (in  dem  Bon- 
ner Corpua  Scriptorr.  Byaantt.)  au  Rathe  gesogen ,  die  letatere,  insofern  sie  den 
grOaseren  Theil  dea  früheren  gelehrten  Apparats  bietet,  in  ihrem  Werthe  an- 
erkannt, in  Beang  auf  die  Gestaltung  dea  Textea  aber  in  Vielem  verlassen, 
namentlich  wegen  der  vielen  darin  in  den  Text  aufgenommenen  Verbeaaenm- 
gen  Reiake'a,  die  dem  franaüsischen  Bearbeiter  der  Anecdota  allxu  kohn  („le- 
merairea*')  und  darum  unnOthig  erachienen;  auch  wird  aber  die  in  dieser 
Auagabe  veratttmmelte ,  d.  h.  allauabgekttrzte  Interpunktion  Beachwerde  ge- 
führt mit  Rttckaicht  auf  den  beaonderen  Charakter  der  bysantioiachen  Schrift- 
ateller,  deren  Styl  nicht  so  einfach  und  klar,  wie  der  einea  Xeaopben  aei,  in 
Gegentheil  „ce  atyle  est  tonrment6  et  ohargd  d'incidents.    La  multipIicatioB 
dea  aignea  de  la  ponetuation  est  donc  une  neceaaitö;  et  ai  on  lea  retrancbe, 
on  rend  lenr  text  obacur  et  quelquefoia  inintelligible^  (S.  36).    Wir  wollen 
den  firtther  allan  aehr  gehäuften  Interpunktionaxeichen  nieht  gerade  das  Wort 
reden,  aber  die  Art  und  Weise,  wie  jetit  in  Deutschland  die  Interpunktion 
in  manchen  Auagaben  alter  Texte  behandelt  wird,  indem  oft  mehrere  Zeilen 
ohne  ein  aolehea  Unteracheidungaaeichen  fortlaufen,  will  una  doch  auch,  na« 
mentlich  bei  Schnlauagaben,  nicht  recht  luaagen.    Denn  eine  gute  Interpunk- 
tion iat  eine  halbe  Interpretation  und  ein  auf  dieae  Weiae  durch  die  Inter- 
punktion dem  Schfller  wie  dem  Leaer  überhaupt  gegebener  Wink  beaser  als 
eine  lange  erklärende  Note,  die  in  denlacber  oder  lateinischer  Sprache  hinxn- 
gefltgt  iat.    Eine  Zuaammenatellang  der  vrichtigeren  Varianten,  welche  Haad- 
achrüten  und  Auagaben  bieten,  iat  in  diesen  philologiacben  Noten,  wie  sie 
der  Hennageber  beaeichnet,  gegeben,  aie  aoUen  xugleioh  eine  Rechenscfaafks' 
abläge  bilden,  aua  der  man  eraehen  aoll,  wie  das  Yerhiltnias  dieses  Textes 
in  der  Dindorf  sehen  Ausgabe  und  lu  den  froheren  Auagaben  sich  gestaltet; 
in  die  eigentliche  Erklärung,  die  aprachliche  oder  grammatische,  lassen  sidi 
dieselben  nur  wenig   und  gelegentlich  ein,  da  dieae  Seite  der  Bearbeitnaf 
auaaer  dem  Plane  dieaer  Auagabe  gelegen  au  haben  acheint;  weashalb  aacb 
alle  die  Sprache  und  die  Daratellung  des  Procopiua  betreifenden  ErOrtenmireB 
nnd  damit  augleich  alle  Würdigung  seines  Werkes  von  atylischem  Sundponkt 
ana  weggefallen  ist    Als  eine  äuaaerst  schlttabare  kritische  Zugabe  mass  ana 
jedoch  die  am  Schluas  des  ersten  Bandes  S.  534—542  gedruckten:  »qoelqne^ 
Remarques  aur  le  text  par  H.  N.  Piccoloa^,  welcher  aich  die  darauf  beattT 
liehen  Bemerkungen  dea  Yerfaaaera  S.  543^548  und  931  &  anreihen,  betracb* 
tens  ea  iat  eine  nahmhafte  Zahl  von  acharfainnigen  und  dabei  aehr  aaspre« 
chenden  und  geftUigea  Yerbeüerongen  dea  rerdorbenen  nnd  entateUten  Ttf<^ 


d»  Mh  inr  AafiiBliiDe  empfehlen.  Von  S.  409  an  beginnen  die  „Kolet  histo-* 
rifiei'*  nut  dem  Znsats  „Sommairea**,  welelie  am  Anfang  noch  einmal  die 
Fnire  nach  der  Autorschaft  des  Procopina ,  und  nach  dem  Titel  dea  Werkea 
(jbfwiQxu)  behandeln;  daa  Ganae  bildet  eine  Beihe  von  hiatoriachen  Bemer- 
kngea  nnd  ErOrtemngen ,  welche  Ober  einaehie,  liiatoriache ,  geographiacho 
o^r  iBti^ariache  Gegenaiinde,  die  in  den  Anecdotia  bettthrt  werden ,  sich 
Tcrbreiten,  anf  Grundlage  Deaaen,  waa  von  dem  eraten  Heranagelier  Alemanni 
vie  von  aeinen  Nachfolgern  in  dieaer  Beiiehnng  bereit»  bemerkt  worden  war. 
El  kian  hier  nicht  nnaere  Anfgalie  aein,  in  daa  Binseine  dieaer  ErOrternngeii 
vtiter  einaogehen,  dieaelben  an  TerTollaiindigen  oder  in  erweitern,  woau  bei 
dvartigen  Gegenatlnden  ea  an  Gelegenheit  ntchl  fehlen  kann,  oder  da,  wo 
wir  aaderer  Anaicht  lind,  dieae  gegen  die  Behauptung  dea  Yerfaaaera  geltend 
it  aadien ;  ea  mag  genttgen,  auf  Charakter  nnd  Umfang  deraelben  im  AUge- 
■eiaea  Ungewieaen  lu  haben,  da  aie  für  die  geschichtliche  Behandlung  der 
Aaeedola  Manchea  bieten  und  achitsbare  Beitrige  lur  ntheren  Kenntniaa 
Bad  richtigen  Würdigung  der  von  Procopius  in  diesem  wichtigen  Werke  ge-* 
nachten  Hittheiinngen  liefern.  Am  Schluase  dea  ersten  Bandes  finden  sieh 
loch  drei  „Notes^,  d.  h.  kleine  Excurse,  von  welchen  der  erste,  Ton  Martitt, 
neh  Ober  eine  Stelle  ana  dem  Bell.  Goth.  I,  11.  p.  57  ed.  Dindorf  Terbreitety 
der  sweite  anf  die  Topographie  Bom'a  im  Zettalter  dea  Procopina  sich  be- 
lieht,  der  dritte  anf  die  Geographie  Ton  Unterlgypten ,  mit  Besug  auf  eine 
SieOa  dea  Werkes  De  aedifie.  VI,  1;  mit  den  hier  herauagegebenen  Anecdo- 
tii  stehen  dieselben  also  nur  in  einer  entfernteren  Beaiehung.  Dieae  „Notes* 
wwden  nun  in  dem  swelten  Bande,  und  awar  mit  fortlaufender  Seitenzahl 
forlgesetst,  und  bilden  in  ihrem  Zoaammenhang  das,  waa  anf  dem  Titel  dieaea 
KiBdes  ala  „Geographie  du  VI  Si^cle"  beseichnet  ist;  d.  h.  fortlaufende  Er^ 
titenmgen  ttber  die  einaelnen  an  Prokop'a  Zeiten  bekannten  und  in  seinen 
Schriften  berttekaichtigten  oder  erwthnten  Lttnder  und  Stidte  der  Erde,  nnd 
iben  damali^n  Zustand  wie  ihre  BeschalTenheit ;  es  ist  eine  geographische 
Vehereieht  dea  ganaen  Reiches  Jostinian's,  welche  der  Verfasser  hier  au  ge- 
hen beabsichtigt  hat :  dass  eine  aolche,  in  das  Einaelne  eingehende  Darstellung 
vaa  Wichtigkeit  iat,  nnd  zwar  nicht  bloss  für  die  Schriften  des  Procopina, 
Mndem  auch  fbr  die  andern  Schriftsteller  jenes  Zeitalters  und  unsere  ganae 
Kanda  dieaer  Zeit,  bedarf  wohl  kaum  einer  beaonderen  ErwShnung.  An  dieae 
Geagraph^e  dea  aechsten  Jahrhunderte  schliessen  sich  von  S.  812  an  weitere 
Brtrtemngen,  welche  in  daa  Gebiet  der  Numismatik,  wie  der  Lehre  von  den 
IiMien  nnd  Gewichten  fallen,  inabesondere  ttber  die  Tcrschiedenen ,  in  dem 
beaeikten  Zeitalter  Torkommenden  Httnzen,  ihren  Werth  u.dgl.  sich  yerbrei- 
Ifli  und  so  dieae  geographiach-hiatorische  Darstellung  der  Zeit  des  Procopius  oder 
dei  Sadisten  Jahrhunderte  nach  Chr.  auch  yon  dieser  Seite  abzuschliessen  oder 
a  ergänzen  suchen.  —  Umfassende  Register,  eine  Table  alphab^tique  dea 
Mas  de  peiaonnes,  eine  Table  geographique  nnd  eine  Table  alphab^tique  dea 
choses  machen  den  Beachluas.  Noch  haben  wir  an  bemerken,  dass  auch  drei 
Tafehi  hinzugekommen  sind,  welche  bildliche  Darstellungen  des  Justinian,  der 
^Wodora  und  6it%  Juatlnian  II.,  so  wie  Abbildungen  von  Gold-  und  Silber- 
^Ktaaen  enthalten «  deagleichen  awei  Landkarten,  von  welchen  die  eine  daa 
l»ie  Reich  Jaatlnian'a  darstellt,  die  andere  eine  gute  Uobera ieht  dea  entop&i« 


iH  Aeiae:   iUiM  wn  4ie  Wio  mdk  Japui, 

fehen  Dardanimt  enthiU.    Dit  iiuiere  Aii»tattiiii(  des  Gutw  naob  Druck 
und  Papier  üt  befriedif end  anifefallen. 


Reue  lon  die  Erde  nach  Japan  an  B&rd  der  EwpedUkmi^E$eadre  unter  Comine- 
dare  M,  C.  Perry  in  den  Jakren  1853,  1554  und  1855,  maenmmen  tn 
Auftrage  der  Regierung  der  Veremiglen  Staaten,  Deutfche  OrigmakmsgAe 
von  WHkelm  Heine,  Enter  Band.  Mit  fimf  vorn  Terfaseer  ludk  ier 
fiatur  aufgenommenen  Ansichten  in  Tendr%iek,  auegeptiirt  tu  HoUkkmtt  wm 
Eduard  Kretmar,  XVI  und  32i  8.  Zweiter  Band.  Mit  fihtf  vom  Ver- 
fasser nach  der  Natur  aufgenommenen  Ansichten  «.  i .  w,  Vlli  und  375  8, 
in  gr,  8,    LHpwig  hei  Costendtie,  New-York  hei  €lünther.    1856. 

Vfir  kennen  die  beiden  in  Engliaeher  Spraehe  Ober  dieielbe  Eipeditiea 
abfefiMten,  an  New« York*)  nnd  in  London**)  eraehienenen  Werke  nickt aaf 
eigener  Aneohauang,  glauben  aber  naek  den  darüber  nna  angekoaunenen  Kit* 
Ibeüungen,  daai  daa  Oeatacke  Werk,  daa  wir  bier  anaeigen«  denen •  wekfae 
weniger  die  pelitiscben  oder  oommercieilen  Verhllltniafe  der  Linder,  welche 
daa  Ziel  dieser  Expedition  waren,  ina  Auge  fuaen,  als  anxiebende  landiehafl- 
lieke  Bilder  und  trene  Sckildemngen  der  Bewokner  dieaer  CiegendcB,  ikiar 
{litten  tt*  a.  w.  gewinnen  wollen ,  beaaere  Dienate  leisten  wird  ab  diese  bei 
den  beiden  erwAbnten  Werken  der  Fall  ist,  deren  Yerfaasert  too  gana  aa« 
dem  Standpunkten  «nagehend,  ibre  Bericbte  abgefaast  beben. 

Die  ganae  Expedition »  an  welober  der  Verfaaaer  dea  deutscken  Weikss 
Antbeil  nabm,  war  auf  Befebl  des  Präsidenten  der  Vereinigten  Staaten  Koid« 
anerika's,  unter  der  obersten  Leitung  des  Conmiodore  Perry,  unteraoauMa 
worden,  in  der  Absiebt,  Japan,  daa  so  lange  yeraefalosaene  Rekk«  dea»  Ver* 
kekre  m  Offnen,  oommercielle  Beaiekungen  mit  diesem  Lande  «nankittpfea 
nnd  dadurck  dem  Handelsverkebr  neue  Babnen  an  Offnen;  es  waren  also  an- 
nAcbst  die  Interessen  des  Ameriknniscken  Weltbandeis,  weleke  die  Absendaaf 
dieser  Expedition  veranlaasten ,  die  daher  auch  auf  solche  Gegenatilnde  ver- 
xngaweise  ihr  Augenmerk  riobten  musste.  Der  deulsobe  Verfaaaer  hat  die 
gnnse  Expeditton,  so  wie  fast  sfimmtUche  einaelne  Exoursionen,  wie  sie  bisr 
nnd  dort  Ton  der  SchifbmannschafI  unternommen  wnrden«  mitgenmoht,  sein 
Bliek  ist  hanpUioblicb  auf  das  Landschaftliche  geriehter:  er  schildert  uns 
banptsAchlieh  die  Natur  und  knüpft  daran  Bilder  dea  Lebena  und  den  Treibens 
der  Bewohner  dieser,  fernen  nns  grossentbeils  noch  wenig  bekannten  Linder 
und  Gegenden;  nnd  alle  diese  Bilder  tragen  ein  so  frisches,  lebendiges  Co- 
lorit,  daaa  man  gerne  debei  yerweilen  und  unwillkOrliok  davon  akk  nngeae« 


*)  Narrative  of  the  Expedition  of  an  American  Squadron  to  the  Chiaa 
Seaa  and  Japan,  perforroed  in  the  years  1852,  1853,  1854  under  the  eoaunand 
of  Conmodore  M«  C  Perry  etc.  Compiled  from  the  original  notea  nnd  joar* 
nals  of  Commodore  Perry  and  bis  Officers,  at  bis  reijueat  and  under  bis  sn- 
penrision  by  Francis  L.  Hawks.    New-York  1856. 

**)  The  Japan  Expedition.  Japan  and  around  the  world.  An  Acconiit 
of  three  rieiu  to  the  Japanese  Empire.  With  Sketches  etc.  By  J.  W.  Späh 
aUf.   London  i85e. 


Bdie:    lelM  ■»  die  Brdft  mA  liain  iSi 


f  II  ttte  wird.    Dct  ent«  Basd  Mu%  um, 

fti  der  £ipedilieii,  der  EinrieMmif  auf  den  Schiffe  v.  s.  w.  bekmal  | 
mit  laerrt  nach  Aideira,  Ton  da  nach  Sl.  Helena  and  der  CapiUdls  aber 
Iwilia«  finf  die  Fahr!  nach  Ceylon,  Sinfapore  and  anlelit  nadi  Hoagkonf , 
IM  wa  ana  eis  Anaing  nach  Cantoa  geaMchl  wird ,  daa  hier  näher  in  einer 
nhr  ialereiaanCen  Wciae  heachrieben  wird.  Ueherhanpt  werden  hei  dieaer 
YcnnlMwiBf  antlaheade  Skisien  dea  Chiacaiacben  Lebena  in  Canlon,  Hong^ 
kMf  aad  laaae  feliefert  Von  hier  hefinnt  nun  die  eif entliche  ThitigkeU 
ki  Bipedilion,  deren  nichatea  Ziel  die  Erforachnnf  der  Lin-Iin-Inaeln  war; 
di«  iappelte  Landang  anf  denadben  gab  dem  Verfaaaer  Veranlaaanaf  an  efaier 
■Ihwca  Schüderanf  dieaer  ao  wenig  gebannten  Eilande«  wie  der  Bcnia^Ei« 
faade;  ein  ciaaehMr  Ahachnitt  aehildert  den  feierlichen  Beanch  dea  Connno* 
kn  Pany  bei  dem  Herracher  Ton  Lin-Kin.  Von  hier  wendete  man  aich  nach 
ha  JipaBiacben  loaein:  der  erate  Aafentbah  in  der  Bay  Ton  Jeddo  nnd  die 
mit  den  Japaniachen  Commiaaaren  gab  aoch  hier  wieder  an 
Schildemngen  Gelegenheit  Die  Bttchkehr  nach  Lia-KiUi  der 
nUge  AafenthaH  an  Maeao,  nnd  eine  dritte  Landung  an  Lin-Kia  Dkhren  aam 
Mm  def  eraten  Bandea.  Der  aweite  Band  erOlhet  eine  Beihe  Ton  Skiaaen 
ikr  häiö  and  daa  Japaniache  Beioh ,  welche  mit  einer  karaen  Betrachtaag, 
1  dmr  Art  Tan  Beanmdo  Ober  daajenige  lehHeaaen,  waa  dnrch  die  ganae  Bzpe» 
Mm  fibeihanpt  erreicht  worden  war.  Und  dieaea  Mit  allordinga  an  Gnnatea 
dtniaen,  wie  ihrea  oberaten  Fahrera,  dea  Conunodore  Perry  ana;  wir  laaaem 
&  wichtige  Stelle  aelbat  hier  wUrtlich  folgen  (II.  p.  80E): 

aCoamodore  Perry,  einer  der  anageieichnetiten  Fahrer,  wefche  Amerikaa 
ntOea  jaania  beaeiaen,  wird  von  der  Begiernng  der  Vereinigten  Staaten  an 
teSpiteo  einer  achlonggebielendon  Kriegamacht  nach  Japan  geaendel,  na 
■Herrn  SehiffM,  im  Fall  einea  UngiOcha  an  dieaen  gelihrllchen  Kflaten,  Schata 
ni  Haifa  an  Toraüehera;  andern,  wekhe  Waaaer,  Hob,  Kohlen  nnd  ProTiaion 
Miff  haben,  dieae  Bedttrfhiaae  an  Tertchaffcn  und  womöglich  einen  Hafen 
saiMhan  Califonilen  nnd  China  aa  erlangen,  in  welchem  wir  ein  Kohlendepol 
lir  mere  DampfiidiiffB  errichten  können.  Conunodore  Perry  langt  an,  llber- 
(Ml  teine  Creditire  nnd  den  Brief  dea  Präsidenten  anöden  Kaiaer  Ton  Japan» 
»B^t  darch  aeine  Featigkeit  und  gleichaeitige  Mamignag  einea  der  bia  dahin 
t*BiClaglichateB  Volker  dieaer  Brde  in  Unterhandlungen  mit  ihm  ao  treten, 
«i  aiiaagt,  ohne  an  irgend  einer  Gewaltamaaregel  an  achreüen ,  mehr  ala 
M^  aaaere  kObnaten  Erwartungen  gehofft  hatten:  Unaeren  achiffbrachigen 
Mmten  wird  Schata  nnd  Ralfe,  auf  welchen  Punkt  dea  japaniachen  Beichea 
da  lach  geworfen  werden;  die  Hafen  yon  Simoda,  Hakotade,  Napa-kiang, 
^  aaeh  ein  Tierter,  welchen  an  wählen,  una  ein  Jahr  Friat  veratatlet,  aind 
■■•dhaniichen  Schiffen  geöffnet;  japaniache  Lootgen  bringen  aie  gegen  miaaigo 
ytiiMa^  aicher  vor  Anker;  Hola,  Waaaer,  Lebenamittel  aller  Art,  und  Kohlen 
u  ceaftgeader  llenge  werden  gegen  Beaablung  in  Geld,  oder  in  Waaren,  tot- 
*Uilgt,  and  in  einem  Umkreiae  Yon  10  Seemeilen  von  jeder  der  genannten 
Mt«,  können  aich  Amerikaner  in  der  Umgegend  ergehen.  Wir  haben  onaero 
^•Aea  nach  chriülichem  Gebrauche  begraben,  und  buddbiatiache  Prioater  Ter-* 
^NltM  ihre  Gebete  mit  den  uasrigen;  unaere  Biaenbahn,  der  Telegraph  nnd 
*^  IhaaUm  aliad  auf  japaaiaphem  Graid  «id  Bodait  ia  XhMigkail  j 


IM  Beine:    Reiie  um  die  Erde  ntcb  Japan. 

worden,  haben  Beifall  und  Bewundeninf  erregl,  and  in  diesem  Augfenblick 
bfeschäfli^  sich  der  kaiferliche  Staatarath  damit,  ein  Geseti  in  erlassen,  wel- 
ches den  Amerilcanern  gestattet,  die  Japaner  in  der  Anwendung  dieser  nfiti- 
liohen  Erfindungen  su  unterrichten.  Reiche  Gegengeschenke  befrachten  eines 
unserer  Transportschiffe,  welches  dieselben  kaum  alle  fassen  kann,  und  ach- 
tungsvolle Briefe  sind  bereits  an  den  Präsidenten  der  Vereinigten  Staaten,  ali 
Antwort  auf  dessen  Schreiben  an  den  Kaiser,  abgesendet  worden.^ 

Die  folgenden  Abschnitte  führen  das  noch  einmal  besuchte  Lin-Kiu  vor,  und 
schildern  weiter  die  auf  der  Heimreise  besuchten  Sandwichsinseln,  dann  Saa 
Francisco  nnd  Valparaiso,  die  Magelhaensstrasse ,  Port  Famine  und  Rio  de 
Janeiro.  Wenn  auch  die  suletit  genannten  Punkte  allerdings  nicht  als  solche 
itt  beseichnen  sind,  welche  uns  ebenso  fremd  und  unbekannt  wtren,  wie  an- 
dere der  hier  geschilderten  Gegenden,  da  sie  in  neuerer  Zeit  von  nicht  We- 
nigen besucht  und  geschildert  sind,  so  wird  man  doch  die  hier  gegehenea 
Schilderungen  mit  dem  gleichen  Interesse  aufnehmen,  wie  dasjenige,  was  nni 
von  andern  gttnslich  unbekannten  Gegenden  in  diesen  lebensvollen  Bilden 
nnd  Scenen  vorgeführt  wird.  Dem  Lande  Japan  und  seinen  Bewohnern  iit 
noch  ein  eigener  ausführlicher  Abschnitt  (S.  249— 288)  gewidmet;  das  Urtheü 
nber  die  letiteren  ist  ein  im  Garnen  günstiges :  der  Verfasser  fand  sie  „einficli 
in  ihren  Sitten,  freundlieh  und  leutselig,  intelligent,  patriotisch  bis  lum  Sloli 
nnd  offen  fllr  Belehrung** ;  der  Verfasser  xollt  ihren  Tugenden  die  gebflhrende 
Anerkennung,  misskennt  aber  dabei  auch  nicht  ihre  Fehler,  die  oft  aus  enterea 
hervorgehen ;  die  gttniliche  Abgeschlossenheit  von  der  ttbrigen  Welt  hat  nach 
dem  Verfasset  nicht  sowohl  in  einer  Missachtung  gegen  fremde  Volker  ihren 
Grund,  als  in  der  Befflrchtuog,  durch  fremde  Einfl&sse  ihre  einfachen  Sittea 
nnd  ihren  glncklichen  Zustand  gestört  au  sehen.  Ob  dieser  Zustand  sich  für 
die  Folgen  erhalten  werde,  nachdem  durch  diese  Expedition  die  Pforten  des 
Landes  dem  Amerikanischen  Handelsverkehr  geöffnet  sind,  ist  freilich  eios 
andere  Frage,  die  nur  die  nächste  Zukunft  lu  beantworten  vermag.  Eias 
werthvolle  Beigabe  des  Werkes  bilden  die  in  einer  deutschen  UebersetsuB| 
wortgetreu  mitgetheilten  Dokumente,  Aktenstücke,  Correspondenxen  etc.  be* 
sttglieh  der  gansen  nach  Japan  unternommenen  Expedition  (S.  287— 357);  die 
oflRciellen  Berichte  des  Commodore  Perry  und  seine  amtliche  Correspondeai, 
die  von  ihm  abgeschlossenen  VertrUge  nnd  Anderes  der  Art  finden  sich  hier 
abgedruckt.  Den  Beschluss  macht  ein  aus  den  amtlichen  Rapporten  xusaoi' 
nengestellter  nautischer  Wegweiser  für  die  verschiedenen,  von  dem  Geschwa- 
der der  Vereinigten  Staaten  besuchten  H&fen  auf  Lin-Kin,  den  Bonin-Eflandea 
und  Japan. 

Noch  haben  wir  mit  einem  Worte  der  voraflglichen  Äusseren  AusstattoBf 
in  gedenken,  in  welcher  diese  lesenswerthen  Schilderungen  uns  entgegentre- 
ten; es  ist  hier  Alles  geleistet,  was  Druck  und  Papier  su  leisten  vermag:  die 
lehn  dem  Werke  beigegebenen,  vom  Verfasser  nach  der  Natur  In  Tondroek 
aofgenommenen  Ansichten,  wie  sie  hier  in  Holsschnitt  ausgeführt  erscheinea, 
verdienen  alle  Anerkennung,  es  sind  Ansichten  verschiedener  Punkte  vea 
LIn-Kin,  der  Fischmarkt  su  Canton,  die  Gruppe  japanischer  Soldaten,  die  Coa* 
ferenx  des  Commodore  Perry  mit  den  japanischen  Commissären,  ein  von  He- 
nolnla  anf  den  fendwichs insoln  gegebenes  Bild,  eine  Ansieht  der  Hagelhieas- 


AadrM:    GaitraNAMfik«.  IST 

iUmn:  haler  di«iiio  gelBBgeod  Bilder,  wie  du  uiköü  AifgefUwIe  TileMatl 
da  enten  Bande«. 


i.  IKe  SlMles  «0«  Central^  Amerika  mdetandere  HimAira$^  San  Sahadar 
muf  die  MoskiUAüile,  Fon  £.  0.  Squier^  duwuüigtn  GeMckäfUträger  der 
ferthnfUn  Siaalen  v.  Nordamerika  bei  den  cehirtdamerikaniedten  Staaten,  in 
dtalicher  Bearheihmg  htraatgetfeiben  wm  Karl  Andree.  Leifnig.  Vertagt^ 
hMandUtng  um  Cari  B,  Lorck.  iS5€,  XLVUl  uad  275  S.  in  B.  (Bau$^ 
mietkek  für  Länder  wid  Völkerkunde.  Heraiugegeben  von  Karl  Andree. 
Nemiler  Band.) 

l  Buenos  Afßree  und  die  Arffentinisehen  Frovinun.  Nach  den  neuesten  Quellen* 
Herausgegeben  von  Karl  Andree.  Leipüg.  VerlagAuckhaniBung  ton  Carl 
B.Lerek.  1856.  XXu.426S.  in  8.  (HauM,liothek  u.s.te.  Zehnter  Band.) 

Beide  Werke  luben  die  BefchreiboDg  and  Sebildeninf  Ton  Lindern  sum 
ficfWitande,  welche  in  nnsem  Tagen  mil  Recht  die  allgemeine  Anfmerkfan- 
keil  iBmer  mehr  auf  sich  liehen,  da  beiden  eine  grosse  nnd  sichere  Znknnfl 
bevonteht.  Mit  solchen  Lindem  sich  niher  bekannt  su  machen,  ihre  Ver« 
Utaisie  richtig  anfinfassen  und  darnach  auch  richtig  an  wftrdigen,  hat  ein 
uttrliches  Interesse,  selbst  abgesehen  von  der  praktischen  Bedentang,  welche 
JCM  Linder  fl&r  den  steigenden  Handelsverkehr  und  die  darauf  beattglichen 
hteressen,  fflr  die  Answanderang  n.  dgU  m.  ansprechen.  Auf  die  Staaten  von 
Ceatralanerika  sind  jetst  alle  Blicke  gerichtet:  sie  sind  es,  die  das  Verhin- 
ingiflied  xwiachen  xwei  Weltmeeren  bilden,  und  damit  an  einem  „Weltpas- 
Qfelsiide"  bestimmt  sind;  dabei  begünstigt  von  der  Natur  in  hohem  Gradep 
■it  treffliehen  Häfen  von  beiden  Oceanen  ausgestattet  und  dadurch  xum  Welt- 
verkehr, wie  wenige  Theile  der  Erde  geeignet.  Noch  sind  freilich  dort  die 
üttdiehen  Verhiltnijse  nicht  in  Allem  geordnet:  noch  Ist  der  Schienenweg, 
itt  beide  Meere  mit  einander  verbinden  soll,  von  Puerto  Caballos  in  schnür* 
lender  Linie  nach  der  Fonsecabei  durch  Honduras  (s.  das  letste  Cap.  diesee 
Werkes  S.  243 ff.)»  i>>eht  vollendet:  seine  Vollendung  und  die  damit  verknApfla 
Bentellang  geordneter  politischer  Zustände  wird  diesem  Lande  bald  eine  gans 
■ädere  Stellnnf  und  Bedeutung  geben.  Die  beste  Schilderung,  die  vrir  davoB 
keiitien,  hat  Herr  Squier,  der  als  Gesandter  der  Vereinigten  Stuten  längere 
Zeit  in  diesen  Ländern  verweilte  nnd  dadurch  in  der  Lage  war.  Aber  Allee 
&  genanesten  nnd  verlissigsten  Nachrichten  einsaxiehen,  im  Jahre  1858  eü 
Kaw-Teik  herausgegeben:  nach  ihr  ist  die  hier  gegebene  deutsche  Bearbei^ 
laag  geliefert,  die  uns  den  wesentlichen  Inhalt  des  englischen  Werkes  in 
«iaer  aniiehenden  Darstellung  bringt  und  dieser  Schilderung  ttberdem  eine 
fialeitong  vorangestellt  hat,  welche  einen  guten  Ueberblick  der  bis  anf  die 
■eaeite  Zeit  darchgefihrten  Geschichte  der  centralamerikanischen  Hepubliken 
ttMhilt,  wie  er  allerdings  nothwendig  war,  um  die  Leser  in  die  nun  folgende 
Beschreibung  des  Landes  selbst  einsuführen,  die  eben  so  die  geographischa 
«d  tepegraphische  Gestaltung  des  Landes,  die  Ströme,  Seen,  Buchten,  Häfen, 
^  Klinn,  die  Eneognisse  des  Bodens  oder  den  Ninerahreiehthnm,  die  Er* 
leaiaisse  der  Pflauenwelt  nnd  des  Thierreieha,  sum  Gegenstände  hat,  win 
&  Imaekev»  welche  ab  die  Bewehner  dieeer  Länder  eneheiaeii,  die  peli- 


156  Aiidrie:    BMMM-Ayref. 

Üfchea  wi«  die  kirehlichM  Zuttünde  and  was  dtran  weiter  sieb  knOpft  AHm 
deneo,  welche  über  diese  wichiigen  Laodstriche  sich  ntther  belehre«  wellsB, 
mtig  diese  aus  den  besten  Quellen  geschöpfte ,  genaue  Darstellung  bestem 
empfohlen  sein. 

Eine  ähnliche  Darstellung  über  einen  wichtigen,  ebenfalls  einer  grossen 
Zukunft  entgegensehenden  Landstrich  Sudamerka's  gibt  das  unter  Nr.  2  auf- 
geführte Werk,  in  welchem  Buenos  Ayres,  die  Stadt,  wie  der  Staat»  und  die 
argentinischen  Provinsen  nach  ihrem  gegenwärtigen  Zustande  dargestellt  sind; 
ein  geschichtlicher  Ueberblick  geht  auch  hier  voraus,  der  von  der  ersten 
Entdeckung  dieser  Lttnder  seinen  Ausgang  nimmt  und  die  Schicksale  deriel- 
ben  bis  auf  die  neueste  Zeit  vorfuhrt.  Das  ganse  erste  Buch  hat  die  En^ 
deckung  und  Eroberung  der  La  Flata-Regionen  durch  die  Spanier  cum  Ge- 
genstande, das  sweite  ftellt  die  argentinischen  Lfinder  cur  Zeit  der  spanischen 
Colonlalherrschaft  dar,  das  dritte  beschreibt  die  Entdeckungsreisen  der  Spanier 
im  Süden  und  Norden,  das  vierte  schildert  die  Pampas-Indianer,  das  fimfte 
die  Region  im  Süden  des  La  Platastromes,  das  sechste  den  Gaucho,  oder  den 
■rgeoUnischen  Panapasbewohner;  das  siebente  geht  dann  su  der  DarstaUunf 
der  politischen  VerhftUnisse  der  argentinischen  Provinxen,  seit  sie  sieh  ihre 
Unabhängigkeit  erkämpft,  ttber;  das  achte  beschreibt  das  Stromgebiet  des  La 
Pinta  und  knüpft  daran  die  Darstellung  des  Handelsverkehrs  und  der  freies 
Schifffahrt;  das  neunte  und  sehnte  Buch  haben  Buenos  Ayres,  die  Stadt  wie 
den  Staat,  und  die  Provinsen  der  argentinischen  ConfOderation  nnm  Gegen- 
stand nnd  liefern  ein  vollständiges  Bild  ihrer  staatlichen  Verhältnisae  wie  ihrer 
politischen  Zustände.  In  diesem  Ramen  bewegt  sich  die  Darstellmig;  Vergan- 
genheit nnd  Gegenwart  dieser  Länder  dem  deutschen  Leser  vorznftthren,  ibi 
mit  der  Geschichte,  der  Verfassung,  den  Hilfsquellen  dieser  Länder  bekaaat 
an  machen,  den  Charakter  nnd  die  Eigentbamlichkeiten  seiner  Bewohner  aa 
Mhildem  -—  das  war  nach  S.  XV  das  Bestreben  des  Verfassers,  dar  hier  nkht 
den  Vertheil  hatte,  irgend  ein  bestimmtes,  englisches,  spanisches  oder  fransä- 
alickes  Werk  seiner  Darstellung  au  Grunde  legen  au  können;  er  hat  viehnchr 
feinen  Stoff  ans  veischiedenen  Schriften,  Reisewerken,  Staatsschriften  n.  dgl 
enlnonmen;  das  im  Jahre  1852  an  London  erschienene  Werk  von  Wordbiaa 
Pafisfc,  der  mehrere  Jahre  su  Buenos  Ayres  als  eaglisdier  Gesandter  sieh 
anOttolt  (Bnenos  Ayres  and  tbe  provinces  of  the  Rio  de  In  Plata  u.  a.  w.), 
bildet  allerdings  eino  Hanptquette»  nnd  xwnr  eine  um  so  verlässigere,  d4  es 
aif  der  nnmittelbarsten  Anschaunng  und  den  an  Ort  nnd  Stello  gemächtea 
NacUorichmgen  hemht;  vollständig  dasselbe  in  die  dentacke  DarsteOang  anf- 
mnehmen,  machte  der  Charakter  des  gana  anf  englische  Leser  beredmetaa 
Bndiei  niehl  räthlieh.  Und  so  hat  dann  der  Verfiuser  daraus ,  wie  ans  an* 
dem  (in  dem  Vorwort  angeführten)  Schriften,  den  Stoff  nnd  das  Material  eaft- 
aewMeBt  das  er  an  einem  wohl  abgerundeten  Ganaen  in  dieset  Schrift  ver- 
nrbeitet  hat,  welche  sieh  sehr  gnt  liest  md  die  Sorgfalt,  mit  der  Alles  be- 
haadoU  ist,  nirgends  verkennen  lässt,  dem  dentaehen  Publikum  aber  ein  eben 
io  omlasseBdes  wie  ansiehendes  Bild  der  f)kr  die  alte  Welt  immer  wiehtigir 
«erdenden  Regieaen  Sttdanerika'a  liefert ,  weldie  UMore  Anlmeiksamkeit  ia 
immer  itelgniideM  Grade  verdienen. 

Vor  4«r  i«  tewrifcoit  Verief  eMheiienlei  hUlerieeli»«  iMibi- 


ffcMü!    MMw  itßt  UM«r-  Uli  ▼•IktrfamiaL  18t 

MUtIek  iMben  wir  swei  mm  Auflafei,  eiM  vierte  ud  eiM  dritle« 
m  iwei  scIieB  frther  endiieneiieii  und  TielfeleieneD  Werkei  aeiueif ei» 
ia  llr  ein  frOMeree  PnblikiuB  eilerdiogs  doreli  FeMug  md  Darüelluif  neb 
vm^pweije  eifMD: 

fineVck«  Fri€dricy$  des  Grossen  von  Fran*  KugUr.  VierU  vetto- 
strk  Awfia^,  Leipüg.  VerlagshiehhmMmg  von  Carl  B.  Lorck.  VI  tmd 
m  S.  m  a  (Buiarisehe  Bmulriblwlhek  Bd.  L 

GodMlc  des  Kaisers  Napoleon  von  P.  M.  Lanreni.  DriiU  verheuerte  Auf- 
^c  le^t^  U.S.W.  Xwsd^92  8,  mS.  (Bisioriseke  Bansbiblioikek  Bd.  IlL) 


IMitdk  der  ErAestkretbang,  m  naUurUehir  Verhmdtmg  mU  Weܧesehidiie,  Na* 
ürgesehiekte  ynd  Tedmologie  für  dm  Sehid-  und  FrwahmUrridU.  Von  A. 
Zaekarid.  IL  Theü.  Bilder  aus  der  Länder-  und  Völkerkundo, 
Bsatititol  und  kerausgegtbon  won  Louis  Thomas^  ordend.  Lüurer  «»  d&r 
dnOm  Bmgerschmle  w  Lespeig,  Leipsig.  Verlag  9m  Ernst  Fleischerne  Buck^ 
haadbmg  iRmdOph  Benisd^)  i856.     VI  md  390  S.  in  gr.  8, 

IKeie  Selirift  mag  als  ein  iifltoliehea  Leaebvch,  aucli  neben  andern  feo- 
fnphiicben  Lekrbttehem  ab  dem»  wosa  et  santtcbit  all  iweiter  Tbeil  gebOrt, 
Cebraacht  und  der  Jagend  cur  PrivatleklQre  eropfoblen  werden,  wie  sie  den 
leognphiscben  Unterricbt  begleiten  und  weiter  fordern  soll.  Die  Bilder  aus 
dtt  Linder-  und  Volkerkunde,  die  in  dieser  Scbrift  enthalten  sind ,  besteben 
ueiuelnen  interessanten  Scbilderungen  und  Beschreibungen  einzelner  merk- 
würdigen Punkte  des  Brdballs,  oder  des  Natarreicbes,  oder  sie  verbreiten  sieb 
fiber  aerkwUrdige  Gebrftncbe  und  Sitten  der  verscbiedensten  Volker  der  Erde, 
üd  daher  auch  in  flQnf  Abtheilungen  naeh  den  fünf  Welttbeilen  geordnet,  von 
vdeben  die  dritte  Abtheilung,  welche  Bilder  aus  Europa  Torfflhrt,  den  mei- 
nen Banm,  wie  billig,  einnimmt  (Nr.  46—104  oder  S.  135—342),  im  Uebri- 
|n  aber  eine  grosse  Abwechslung  nnd  Hannigfaltigkeit  bietet.  Die  Quellen, 
m  welchen  die  einzelnen  Sehildemngeo  entnommen  sind,  finden  sich  am 
ScUaise  jedesmal  angegeben. 


Zur  Geschichte  der  böhmischen  Poesie. 

KrommsdmsMmssehmJHdtiergartm,  9m  Joseph  W§H%ig.  leiftf^,  IfM 
a.   TVm  und  315  Seitm. 

Wir  haben  eebos  ftther  €elegiedMit  gehabt,  in  dkam  BÜttwi  Toa  dm 
^«raitnstett  m  spreehen,  welche  der  k.  k.  Sehnlmtk  JL  Weuig  ia  Preg  nick 
^  die  SinfUmmg  bakmiseker  Poesie  in  Deutschland' erwerben,  ud  so  dürfte 
^  d«m  Hanekem  willkommen  sein,  Ton  einigen  neueren  Leistung^  desselk^ 
^^Ishrten  tu  Tcmehmen,  dnrck  welche  unsere  Kenntniss  jenes  slaTischea 
l^>miiiiweiges  abennalige  Erweiterung  erfuhrt.  Den  „Krftnien"  muss  ef 
voaTenekeieiB  aw  Empfehloag  dienen,  dasa  in  ihnen  Eiaeugnifse  aweier 


160  Wensig:  Krtnse  u.  s.  w.  und  Stadien  Ikber  StitD6. 

Pichter  wiederfegeben  werdeo,  für  welche  sich  schon  Gttthe  in  „Kanst  und 
AUerlhuni^  interesiine,  und  die,  wie  der  UeberseUer  sagt,  nicht  nnr  dorch 
das  polygloUe  Oesterreich,  sondern  auch  dadurch  Deutschland  mit  ancehereo, 
dass  der  eine  su  Jena  studierte,  der  andere  in  Breslau  lehrte.  Die  beiden 
Poeten  sind  Johann  Bollar,  geb.  1793  in  Ungarn,  gest.  1852  in  Wien,  und 
Frans  Ladislaw  Celakowsky,  geb.  1797  in  Böhmen,  gest.  zu  Prag  1852.  lieber 
die  Lebensverhältnisse  und  den  schriftstellerischen  Charakter  der  beiden  her^ 
vorragenden  Männer  hat  Herr  Wenzig  in  der  Vorrede  die  nOthigen  Bemerkun- 
gen gegeben.  Was  nun  die  Dichtungen  angeht,  die  in  dem  vorliegenden 
Buche  uns  näher  gerUckt  werden,  so  bereitet  uns  Herr  Wencig  den  Genusi, 
einen  Theil  aus  BoUars  Hauptwerke:  „Die  Tochter  der  Slawa**  uns  aneignen 
zu  können,  von  Celakowsky  dagegen  erhalten  wir  StUcke  aus  dem  Nachhall 
böhmischer  Volkslieder,  aus  der  hundertblättrigen  Rose,  aus  dem  Nachhall 
russischer  Volkslieder,  aus  den  vermischten  Gedichten,  aus  den  Epigrammen 
und  Gnomen.  Etwas  weiteres  Über  den  Werth  der  „Kränse"  su  sagen,  mag 
nnterbleiben,  da  Herrn  Wenzig's  Talent  schon  längst  die  gebohrende  Schätzung 
gefnnden  hat.  Darf  diese  dichterische  Gabe  einem  weitesten  Kreise  empfoh- 
len werden,  so  werden  dagegen  in  dem  der  Gelehrten  erwünscht  sein  die 

Siudie»  über  Ritter  Thomas  von  Stitnit   ein   Beitrag  utr  europäischen   Culfnrge- 
schichU^  «Oft  Joseph  Wemig.    Leipsig,  1856,    8.    133  Seiien. 

lieber  Stitny  äussert  sich  Palacky  in  seiner  Geschichte  Bohmenn  folgen- 
dennassen: „Dieser  ausgezeichnete  böhmische  Edelmann  besass  nicht  nur 
alle  Bildung,  die  sein  Zeitalter  gewähren  konnte,  sondern  auch  die  Gabe,  sie 
in  anziehender,  klarer  und  körniger  Sprache  dem  Volke  mitzutheilen.  In  allen 
seinen  umfangreichen  Schriften  herrscht  die  religiöse  Tendenz  vor;  doch  hin- 
derte ihn  dies  nicht,  eine  Menge  gelehrter  und  populärphilosophischer  Fragen 
gelegentlich  zu  erörtern,  und  er  liess  sich  in  diesem  Geschäfte  auch  durch 
den  häufig  ausgesprochenen  Unmuth  der  Schulgelehrten,  die  da  glaubten,  dais 
solche  Untersuchungen  nicht  vor  das  Volk  gehörten,  nicht  stören.  Seine  be- 
wundernswerthe  Meisterschaft  in  der  Handhabung  aller  der  reichen  Formen 
der  böhmischen  Sprache  gestaltete  dieselbe  bald  zu  einem  brauchbaren  Organe 
fta  noch  so  gelehrte  Erörterungen,  sowie  auch  das  böhmische  Volk,  das  seine 
Werke  mit  Beifall  und  Nutzen  las,  sich  durch  ihn  gewöhnte,  selbst  einem 
IftngjDm  Gang  abstracter  Gedanken  zu  folgen."  —  Man  sieht  leicht,  dass  ei 
sich  hier  um  eine  Persönlichkeit  handelt,  die  neben  Hus  und  Comenius  gar 
wol  die  Aufmerksamkeit  der  Forscher  verdient,  die  ihr  bisher  nicht  in  go- 
nttgender  Weise  zu  Theil  geworden  zu  sein  scheint.  Eine  richtige  Würdigung 
des  Mannes  anzubahnen  dürfte  aber  Herrn  Wenzig*s  Schrift  um  so  mehr  ge- 
eignet sein,  als  sie  ausser  einer  Biographie  und  orientierenden  Abhandlung 
aneh  reichliche  Proben  aus  Stitny's  Werken  liefert^  welche  Herr  Wenzig  auch 
Boeh  in  den  Jahresberichten  der  k.  k.  böhmischen  Oberrealschule  zu  Prag 
fikr  das  Schuljahr  1855  und  für  das  Schuljahr  1856  zum  Gegenstande  seiner 
UBterinehoBgen  gewählt  hat 


k.  a  BElDELBBRflER  im. 

JIHRBOGHIR  DIB  LITIBATOl 


Brkfe  des  Qrosshertogs  Carl  Augmt  und  Qoethes  an  Dotbtremer. 
Herausgegeben  von  Oskar  Schade.  147  8.  in  8.  Weimap 
bd  K.  Böklau.    1866. 

MlUheUaogen  tod  Briefen  hoübgottellter,  berahmter  MlUuieri 
toen  Inhalt  ein  wissenschaftlicher,  welche  gesehrieben  wardeoi  obna 
fe  M5glichkeit  einer  spätem  Veröffentlichang  lu  ahnen ,  gewUhrea 
•tets  Interesse  in  mehr  als  einer  Hinsicht  VoUkommeo  bestätigt 
fanden  wir  diese  in  yorliegendem  Buche;  es  gilt  uns  als  erfreoUche 
ODd  keineswegs  unwichtige  Gabe. 

Wie  befreundet  Goethe  gewesen  mit  den  ▼erschiedenartigsteo 
Zweigen  der  Naturkunde ,  weiss  die  gebildete  Lesewelt  Weniger 
bekannt,  aumal  was  gewisse  EinxelnheiteB  betrifft,  war  das  Verhttt- 
Bi«  des  Grosshersogs  Carl  August  an  jenem  Wissen.  Seine 
Zosehriflen  an  Doeberelner  erlangen  besondere  Bedeutung  da- 
duch,  dass  sie  den  rastlos  wohltbätigen  Sinn  des  seltenen  Fürsten  für 
^  öffentliche  Wohl  darthun.  ^Cm  boden*  und  landwirthschaft- 
Bde  Cultur  und  Productionen  aller  Art  war  er  rationell,  mit  Hülfe 
der  Wissenschafik,  unaufhörlich  bemüht,  auch  selbst  eingreifend  und 
experimentirend ,  so  dass  man  oft  eher  einen  thätigen  Landwirth, 
eioen  grossen  unternehmenden  Industriellen  su  hören  glaubt,  als  Je- 
ttoi  )iochgebildeten ,  kunstliebenden  Fürsten,  um  den  die  grösstea 
Dichter  wie  Sterne  standen.^  —  Schade  belegt  diesen  seinen  Aus* 
Vmch  durch  eine  Beibe  beweisender  Beispiele,  meist  entnommen 
«08  frühern  Zeiten. 

Achtundzwanzig  Briefe  des  Grossherzogs  an  den  bewährten  Fach- 
sanDy  den  berühmten  Lehrer  der  Chemie  in  Jena  gerichtet,  enthalt 
ten  Tide  Fragen,  aus  denen  sich  die  Verdienste  des  Fürsten  um  Pflega 
fa  Natur- Wissenschaft  ergeben,  so  wie  dessen  stete  Sorge  für  sela 
I'ttd  durch  Ausbeutung  dieser  und  jener  Wahrnehmungen  und  neuen 
Entdeckungen.  Nicht  wenige  der  Zuschriften  sind  von  eigener  Hand. 
Wir  können  uns  nicht  versagen,  aus  einigen  der  letzten  Bruchstücke 
n  entnehmen.    So  heisst  es  im  siebenten  Briefe: 

«Mein  Luft-Electrometer  hat  sich  bei  dem  gestrigen  Gewitter 
Mhr  empfindlich  gezeigt  und  bis  25^  marqnirt  Bei  jeder  Torbei* 
siebenden  oder  detournirenden  Wolke  bewegte  es  sich  anders.  — 
Diesen  Herbst  lasse  ich  den  Teich  bei  Berka  fischen,  um  der  Haupt- 
qaeUe  näher  zu  kommen,  die  vermuthlich  in  selbigem  befindlich  Ist, 
weilzD  gewissen  Zeiten  ein  weisses  milchiges  Wasser  dorten  qufllt,  das 
sehr  sdiwefelartig  riecht  und  die  Fische  absterben  macht  —  In 
'^Morth  werde  idi  mich  auf  eine  Runkel-  und  Eartoffel*Branntweln* 
Bieuierei  einschränken,  out  odei  eine  SchwefeteSve;  das  wird  sieb 
L.  Jaltfg.  3.  Heft  11 


^S       Briefe  dei  GroMhertags  Carl  Aii|iiit  ud  Goediei  an  Doebereiner. 

naeh  fiadeiu  -*  SoUAea  denn  iit  im  Mattttedter  KoUenwerk«  i» 
hkaflf  sich  findenden  Schwefelkiea-Qraupen  nicht  sn  einer  YittioieU- 
fabrik  sich  anwenden  lasaen?^ 

In  94.  Biitte  idrd  geeist: 

^Für  die  Beantwortung  meiner  Frage  danke  ich  aufs  verbind- 
Oebete;  Ich  studira  sie  mir  ein,  nm  davon  Gebraach  an  madieSi 
wenn  meine  bestellte  Instmmente  fertig  sein  werden,  ich  habe  nim- 
lich  Körnern  aufgetragen  zwei  Calorimeter  lu  machen,  einen  nach 
der  Reaumnr'sGben ,  den  andern  nach  der  Montgolfier'schen  Anwei- 
sung. -^  Ueber  die  mikroskopischen  Versuche  den  Fflaniensaft  clr- 
«ttllren  zn  sehen,  habe  ich  fortgesetzte  Nachrichten  ans  Berlin;  sie 
besitcen  doiten  ein  Mikroskop,  welches  ganz  bewnndeningewardlge 
Vergrüssemngen  zeigt.' 

Die  letzte  der  veröffentlichten  Zuschriften,  aus  dem  Jahre  1827) 
ist  folgenden  Inhalts: 

9 Durch  einen  Reisenden,  der  das  Bad  zu  Pfeffers  in  der. Schweif 
mit  grossem  Erfolg  gebraucht  hat,  ist  mir  zu  Ohren  gekommen,  dass 
das  Wasser  dieses  Bades  rein  elementarisch,  das  heisst,  ohne 
alle  fremde  Vermischung  sein  soll  und  dem  ohngeachtet  grosse  Wi^ 
Icnng  auf  den  menschlichen  Körper  hervorbringe.  Indessen  soU 
Maerlieh  ein  Chimist  entdeckt  haben,  dass  dieses  Wasser  Jodine 
entiialte.  Da  nun  bei  der  Ruhl  im  Eisenachischen  eine  kalte  Quelle 
vMhanden  ist  (Sie  haben  etwas  Wasser  daraus  schon  einmal  unter- 
sucht)  es  sind  nun  zwei  Jahre  her),  so  habe  ich  aus  dieser  Quelle 
beikommende  zwei  Krüge  füllen  lassen  und  sende  sie  Ihnen  mit  der 
BHte,  dieses  Wasser  noch  einmal  zu  untersuchen  und  hauptsächlich 
kk  Rficksicht  ganz  feiner  Beimischungen,  wie  Jodine  z.  B.  sein 
mtfohte,  zu  prtifen.'^ 

Aus  den  ^ebeaundfünfzig  Briefen  von  Goethe  mögen  folgende 
Brachstücke  hier  eine  Stelle  finden.  Unter  dem  10.  December  1819 
sebffieb  er: 

^Sie  haben  mir  durch  die  tibersendete  gründliche  und  geist- 
reiobe  Darstellmig  Ihrer  diessJShrigen  ThStigkeit  ein  grosses  Ver- 
gntigen  gemacht,  indem  ich  dadurch  sowohl  in  den  Stand  gesetzt 
Mn,  das  was  Sie  geleistet  habra,  entschiedener  zu  schStzen,  als  ancb 
angereigt  werde,  an  Ihrer  herrlichen  Wissenschaft  innigen  Antlieü 
ta  nehmen.^ 

^Möge  die  Heiterheit,  mit  der  Sie  selbst  wirken  und  an  dem 
Wirken  sinderer  TheU  nehmen,  Sie  immerfort  begleiten.  Der  Froh« 
sinn  ist  so  wie  im  Leben,  also  auch  in  Kunst  und  Wissenscheff 
der  heste  Schutz-  und  Hülfspatron.  <^ 

Im  Briefe  vom  2.  Juli  1814  wird  gesagt: 

„Hein  siebenwöchentlicher  Aufenthalt  in  Berka  hat  nnsere  früher« 
Ueberzeugungen  gleichfalls  bei  mir  bestätigt,  nnd  ich  habe  leider 
wir  allzuoft  bedauern  müssen,  dass  die  Ghrundsätze,  nach  denen  das' 
Bad  angelegt  werde ^  keineswegs  mit  der  Natur  übereinstimmen,  no 
diM»  mau  «kh.ein«  weitere  Aasteeitwig  und  Bcnotvong  ebicr  99 


VeisMti:  Dm  orfiniioli-MtalliilMie  SfiMm  d.  FMMOplite:       Itt 
■rttiiQlgiiB  NaUir«Bkig«  «»«hau»  «radm^rty  wo  n\fM  i;«r  «iftiSf^ 

^Da  mao  B«hr  Tietoti  Oyps  ifi  dar  N<ho  teC,  soHie  «8  MAl^ 
ii«  teh  schon  atntnal  vorfiicKlu^,  rStblieli  safa^  dati«aMg«fl  gettaMan 
ttf  te  Oberfläche  der  Wieeea  aater  dem  Varw^ada,  ate  warn  nhaa 
de  Eneagang  daa  IClaei  befördern  wallt^)  au^saetreoett  (  QjpimuM 
würde  akdaan  erzeugt,  das  sidi,  nach  Ihren  e^b^M  Ertehraflg«a^ 
vtalMdit  e^eetete  and  den  Schwefelgehalt  de»  Sobicbtwaeeara  rar- 
mbrte.  ^  Daae  ein  elektriftch^chemiscber  PreceM  fortwfcbvdad  wt^ 
gebe,  am  diese  Scfawefelwaseer  unter  der  OberflSche  an  araettgaa^ 
M  Meh  daraus  ersichtKeh,  dass  die  atmospbttrisehen  Vanadenoigte 
PHMn  EInflass  auf  den  Gehalt  haben«  Bei  atidn>faead«in  QawHt«f^ 
ttd  also  beim  Fallen  des  Quecksilbers  ist  d^r  Gehttit  vlal  stirkart 
tt  eiMm  sohdien  Morgen  konnten  es  die  Laute  vo^  Salrw«faIg«roeli 
in  der  Küche  kaum  aushaken,  aoch  mir  war  eS  itn  Bad^  sAr  aaf" 
Uhsl« 

Am  18.  Februar  1821  meldeto  Goethe: 

fifüx  daa  letete  gebaHiaf^he  Bditeiben  «um  varblndllciistdk  dan- 
itttd,  kann  rarfliobem^  dass  es  mich  aufs  erfre(nlichste  aag«r«gl  bM) 
Her  diese  wichtige)  so  nahe  verwandte  Erscbelnangefi  aa  dettkan« 
hh  wfbisebe  daher  bald  über  die  Fruchtbarkelt  Ihrat  Ansieht,  daitt 
pbytiiebe  Wirkung  Eugleich  auch  chemische  hervorbringen  könnaj 
mAidttdi  daa  Weitere  au  verhandeln«  Inswilohen  bemerke  i  iass 
•Na  waM  auf  gleiche  Weise  sagen  dürfe,  dass  mschaniseb  nad 
f^ppkA  auch  nahe  genug  mit  einander  verwandt  sol,  und  dass  man 
M  iiiter  friedliehen  Ansiebt  der  Natur  nicht  auf  einer  stellen  sohma^ 
itt  Lilter,  aandem  auf  einem  gelinden  und  breiten  Planum  Indinar* 
tom  iaf-  und  niedersteigt  ^ 

*  Am  Sahlnsse  d^  Einleitung  liefert  der  Hefausgeber  Ohio  um«* 
ibieoda  Darstellung  von  Doebereiner's  Leben  nad  Wirken. 
Ebie  schätsbara  Zugabe,  die  Mandies  entbSlt,  was  bis  dahin  niaht 
bikMQt  gewesen. 


bds  ürganUeh-ideaKstUche  Syäem  der  PkÜosöphU  T^on  Carl  Weiit^ 
hoUz.    Ldpsig,  T.  0.   Wägd^  1858.    148  8.  gr.  8. 

Dio  ganfee  ßchrift  aerflOlt  in  drei  Abschnitte.  Dor  orftte  Ab- 
behandoh  ,jOrund,  Stellung,  Benennung  und  E*l-« 
ttekuag  des  organischen  Ideallsmus*  (8.  1^13),  der 
<^elle  j,Grnndeüge  der  Ent Wickelung  des  organisthen 
Msslifitaua«  (8.  l^--89),  ^er  dritte  die  Eintheflung  des- 
«»Ibon  (8.  8«— 148). 

DsrHr.  Y^f.  geht  In  dem  ersteh  Abschnltto  von  dem 
*  liA  gina  rl^AUgen  Gedanken  aus,  dass  die  mensehlldie  EntwMEa^ 
ki|  d«r  sMai^en  ThStigkeiMit  nUt  dorn  FühUn^ begin&Oi  an«  r 


IM       WebiMÜi:  Dw  argnifde-idailwtiiciM  Syslm  d.  PliUoMfye; 

die  «nlen  Anfinge  unserer  spätern  ErkennüüttbUdong  Empfiadongee 
seien;  er  führt  ebenso  richtig  die  Entwicklung  der  geistigen  Thitir- 
keiten,  welche  wir  mit  dem  Namen  des  Fühlens,  Denkens,  WoUens 
nnd  in  ihrer  Oflenbnriing  des  Sprechens  und  Handebs  beseidmeDi 
«nf  swei  Fnctoren  snrück,  eine  ErregnngsfXhigkeit  Im  Innern  des 
Organismus  und  eine  tou  Aussen  auf  diese  wiricende  und  die  Es* 
regelt  cur  Folge  habende  Erregung. 

Allein,  wenn  auch  diese  beiden  sidi  in  der  Oeffihlsthfttig^tit 
neigenden  Factoren  richtig  unterschieden  werden;  so  ist  damit  f8r 
die  Thatsache  des  Fühlens  nichts,  dasselbe  vom  Leben  an  sich  spe- 
elfisch  Unterscheidendes  gewonnen.  Denn  auch  das  Leben  selbst^ 
abgesehen  von  dem  Gefühle,  das  in  sich  selbst  gefühislose  Lebca 
der  Fflanie  setst,  cur  Entwicklung  au  kommen,  ErregungsfXhi^ett 
im  Innern  des  Organismus  und  Erregung  von  Aussen  vorans,  ist, 
wie  das  Fühlen,  nur  in  anderer  Weise,  Erregtheit 

Den  spedfischen  Charalcter  des  Lebens,  das  wir  Fühlen  neu* 
neu,  will  nun  der  Herr  Verfasser  in  folgender  Welse  gewinnen. 

Die  Erregung  beim  Fühlen  Ist  nach  demselben  S.  2  „ein  Zu- 
stand, der  durch  eine  Störung  des  vorhergehenden,  persdnlidien  Zn- 
standes  veranlasst  wird,  oder  sich  auf  eine  solche  Störung  beneht 
Die  Erregung  hat  den  Keim  der  Entgegnung  und  Widersetsung  ia 
ridb,  in  weldie  die  Erregung  übergeht,  wenn  ihre  Ursadie  sieh  er- 
hUt,  und  wenn  nicht  durch  Abwendung  der  Person  von  dem  Ge- 
genstand oder  durch  andere  Hülfe  die  Erregung  beseitigt  wird.  Die 
durch  Inneres  entstandene,  den  Innern  Organismus  des  Menschen 
betreffende  Erregung  besieht  sich  auf  Hemmung  und  Störung  orga* 
nischer  Thätigkeiten,  oder  auf  Verletsnng,  Bedrüdiung,  Uebemitsnsf 
und  Erschlaffung  der  Organe,  Indem  eine  solche  eben,  wie  die  sich 
auf  andere  Erregung  besiehende  Störung,  als  Unangenehmes  empfon- 
den  wird^  ••....    „Das  Unangenehme  ist  Mittel  snr  Erweiterung  und 

Entwickelung  persönlicher  Zustände  und  VerhUtnisse,  Indem  es  die 
Thätlgkeit  erregt  sur  Wiederherstellung  des  Angenehmen,  das  fiber^ 
haupt  jur  Lebenserlialtung  des  Menschen  nothwendig  ist,  und  das 
insbesondere  mit  seiner  Wiederherstellung  zugleich  einen  Fortgang 
SU  gewähren  vermag^  ......    „Die  mit  der  Aufhebung  der  Erregung 

geschehende  Hervorbringung  eines  angenehmen  Zustandes  veranlssit 
die  Beachtung  des  die  Störung  und  Erregung  bewirkenden,  wie 
desjenigen,  wodurch  dieselbe  aufgehoben  wird.^ 

Man  findet  in  dieser  Anschauung  Anklänge  der  Her  hart 'sehen 
Lehre  von  den  Vorstellungen  als  Selbsterhaltungen  der  Seele  gegen« 
über  ihren  Störungen  oder  Hemmungen.  Erregung  ist  keine  Ueno 
Störung,  sie  wird  nicht  Immer  als  Unangenehmes  empfunden,  sie  ; 
muss  nicht  immer  aufgehoben  werden,  um  eine  angenehme  EnoffiiH 
düng  In  uns  hervorsurnfen.  Die  Erregung  kann,  je  nadi  dem  sie  an  : 
sich  und  in  ihrer  Beziehung  zu  dem  erregungsfähigen  Orgaaltvias 
betrachtet  wfard,  angenehm  und  unangenehm  sein.  Sie  idrd  es  ent 
iiinns  wd  nidit  dudi  Auibebimg  des  Va^pmgt  nwkm  dardi 


lUribrflit  tu  mpadMMiMXMtdk6  SyMeu  I.  PUaMplife:      IM 

ie  Imgdiait  des  Organtomos  lelbsti  welche  entweder  eine  dnreh 
AEkiegwig  yermehrte,  erweiterte,  gehobene,  oder  eine  dardi  dieselbe 
vermiiiderte,  sieh  Eonmmensiehendei  senkende  Lebensstloimünf  im 
ittlcnden  Organismas  Ist  Nie  Ist  aber  die  Erregung  nur  StUrang, 
vn  Unangenehmes.  Eben  so  wenig  Ilsst  sich  die  Aofbebnng  des 
Beises  oder  der  Erregung  als  Angenehmes  beseldmen.  Mit  der 
Erregung  muss  femer  ein  ErregungsOhiges,  ein  Etwas,  das  erregt 
wird,  geseilt  werden.  Was  Ist  nun  der  Zustand  dessen,  das  erregt 
lird,  Tor  der  Erregung?  Das  Angenehme  entsteht,  wie  der  Herr 
Verl  wm,  dnreh  die  Ueberwindung  der  Erregung,  des  Unangeneh- 
MD.  Niehts  kann  nicht  erregt  werden.  Was  Ist  nun  das,  wd« 
chai erregt  wird,  vor  der  Erregung,  da  es  nach  dem  H.  Verf.  weder 
ia  einem  angenehmen  Znstande,  weil  dieser  die  Aufhebung  oder 
DelMrwfaidnng  der  Erregung  oder  Stdrung,  noch  In  ehiem  unange- 
adimen  Zustande  sein  kann,  da  der  letste  nur,  wie  der  Hr.  Verf.  will, 
asB  der  Erregung  hervorgeht?  Was  ist  mit  einem  Worte  das  Bub- 
itrat der  Erregung?  Damit  muss  die  Untersuchung  begonnen  wer- 
ta,  wenn  sie  zu  einem  Resultate  führen  soll. 

Die  Aufgabe,  die  sich  der  Hr.  Verf.  bei  der  Grundlegung  sehies 
Sjitems  setBt,  ist,  su  sdgen,  wie  „das  Begreifen  nur  durch  die  Welsen 
d«  Ftlhlens  überhaupt  und  insbesondere  durch  die  Weisen  des  den 
Bgerthtimlichkeiten  der  fünf  Sinne  gemlss  entwickelten  FflUens  mit 
Hfllfe  der  Sprachlaute  und  Wörter  beschafft  (sie)  wird<*  (S.  4).  Er 
viU  mit  dieser  Aufgabe  einen  ganz  neuen  Weg  ffir  die  Wissenschaft 
teieiefanen,  Indem  er  zugleich  ein  verdammendes  Urthell  Aber  die 
Merige  Wissenschaft  ausspricht  Er  sagt  von  dieser  8.  4 :  „Sie 
taidiaffte  (sie)  durch  unklare  Behandlung  der  äussern  Erschefaiung 
nr  inseitiges  Wissen,  und  machte  iiberhaopt  durch  Ihre  blosse  be* 
friffliche  Behandlung  der  Qegenstlnde  eine  Innere  Verbindung  des 
WiMcns  mit  dem  Leben  unmöglich.^  Ein  so  hartes  Urthell  ver- 
hagt  efaie  nShere  Begründung,  welche  m  unserer  Schrift  gSnalich 
Mit  Hat  die  Wissenschaft  bisher  die  Susseren  Erscheinungen  un« 
Uir  bdiandelt?  Zeichnet  sich  nicht  gerade  unsere  Zeit  vor  allen 
Mhem  durch  klare  und  umfassende  Behandlung  aller  lussem  Erscli^- 
BUgen  im  Gebiete  der  Wissenschaft  ans?  Führt  nicht  gerade  diese 
nr  tieferen  Erforschung  der  Innern  Erscheinungen?  Ist  femer  eine 
Verbindung  des  Wissens  mit  dem  Leben  bei  einer  blossen  begriff- 
lidua  Behandlung  unmügilch?  Können  wir  überhaupt  etwas,  auch 
KT  ekle  Süssere  Erscheinung  der  Natur,  ohne  BegriiT  wissen,  kön- 
Ha  wir  diese  anders,  als  begrifflich,  behandeln?  Ist  das  Begriffliehe 
te  Erfahrung  entgegengesetzt?  Zeigt  uns  die  begriffliche  Behand- 
Ing  nicht  im  Oegentheile  überall  das  Wesenhafte  und  Richtige  der 
StUmmg?  Der  Hr.  Verf.  beruft  sich  ferner  auf  „das  Ergebnisi 
iermatesendsten,  physiologischen  Untersuchungen  unserer  Zeit,  dass 
*•  Sinne  keine  objecdre  Erkenntnlss  gewfthren,  dass  wir  nicht  die 
^Inge  erkennen  und  begreifen,  sondern  nur  Empfindungen 
▼«1  den  Dingen  als  Erkenntnisse  von  denselben  haben««  (S.  5> 


m^  will  d«mU  di^  „NoIhwMdiglMlt  €ia«r  ideftliatbdi«n  BichtaiMI^  1| 
d#r  Philosoph!«  darthuo»  und  erklärt  die  «empiriiebeii  imd  lueton- 
sdiea  WiM9MbesUfbangea^  als  j^uoticher.^ 

Daraus,  daaa  wir  nach  den  pbysiologiacheB  UnterBaekaBgea  ud« 
ierer  Zeit  nicht  die  Dtage,  aondem  aar  die  Evpfindungea  der  Diage 
•la  ErkeDotniiae  von  danaelben  haben,  folgt  die  Nothwendigkeit  einer 
ideaUatiacben  Kichtung  nicht;  deiw  von  der  neaern  Phyaiologie  wird 
sieht  die  Exiatena  nnd  Realität  der  Dinge,  sondern  nur  eine  aixdecef 
ala  eine  subjective  Empändong  derselben,  In  Abrede  gestellt 

Der  Hr.  Verf.  beruft  eich  zum  Nachweise  der  Unsicherheit  der 
Eopiriamns  auf  die  Aussprüche  berühmter  neuerer  Phyalologea 
(&  133)  des  Johannes  Müller,  C.  Q.  Carua,  Q.  Valentia, 
Emil  Harlesa  und  Bud.  Herrn.  Lotse.  Es  sind  nämlich  nickt 
die  Dinge  an  sich,  aondem  nur  die  Zustände  des  Gefühls  in  unseni 
Nerven  und  Sinneswerkceugen,  die  subjectiven  Empfindungen,  welche 
ans  der  Einwirkung  der  ausserhalb  unser  ezistirenden  Dinge  hervor- 
gehen, daiyenige,  waa  man  gewöhnlieh  die  Dinge  nennt.  Alleia 
daraus  folgt  eben  so  wenig  die  Nichtigkeit  der  Dinge,  als  di« 
Unauverläsaigkeit  nnd  Uosicberbeit  der  empirischen  und  histori- 
schen Erkenntniss.  Eziatirten  die  Dinge  nicht  ausser  uns,  sie 
konnten  nicht  von  Aussen  nach  Innen  auf  uns  wirken,  nicht  die 
£mpfind^ngea  in  nns  hervorrufen,  welche  wir  die  Dinge  in  der  £r« 
acheinung  nennen,  an  welche  wir  uns  halten  müssen,  und  die  für  uns 
allein  vorhanden  sind,  da  wir  das  DU^g  an  sieb  nicht  erkennea. 
Die  empirischen  und  historischen  Erkenntnisse  sind  eben  Erkennt^ 
nisse  der  Dinge  in  der  Erscheinung.  Auch  unser  eigenes  und  du 
fremde  Ich  können  wir  nur  vermittelst  unserer  subjectiven  Orgaae 
in  seiner  Thätigkeit  empfinden.  Und,  wie  die  äussere  Welt  uns  io* 
nerlich  erscbehit,  nnd  für  uns  die  subjective  Färbung  annimmt,  so 
auch  die.  Empfindung  and  Erkenntnisa  der  Zustände  des  Ichs.  Weuo 
also  die  Snbjeclivität  der  Emi^ndung  und  Erkenntniaa  das  his(oii9che 
nnd  empirische  Wissen  unsicher  madben  soll,  so  mdsste  es  sich  eben 
an  mit  dem  idealen  Wissen  verhalten.  Allein  dasjenige,  woröbsr 
daa  Empfinden^und  Erkennen  aller  und  jeder  subjectiven  Vemünf'- 
tigkeit  fibereinstimmt,  ist  für  uns  elyectiv.  Es  gibt  also  entweder 
gar  keine  Erkenntniss,  oder  die  übereinstimmende  subjectiv  veraüaf- 
UgA  Erkenntniss,  damit  auch  die  empiruche  und  historische  bum 
als  baltbar  und  aaverlässlg  angenommen  werden. 

Es  ist  daher  nicht  abzusehen,  wie  der  lir.  Verf.  durch  seinen 
»organischen  Idealismus^  als  ein  neues  Sjstem  eine  bessere 
FbUosophie»  «Is  „die  bisharige''  gewinnen  wilL  Er  will  durch  di^pa 
aeine  neue  Methode  daa  Wahre  des  Empirismus  und  Positi* 
vismus  mit  dem  Wabren  des  Idealismus  vereinigen  und  den 
Einseitige  beider  Anschauungen  vecm^den.  Er  will  aus  dem  6e- 
iühle  heraus  durch  die  SpriuAe  daa  Begreifen,  Urthailen,  SeUieffeo^ 
WoUen  iMbd  Handelur  ableken.  Es  soU  geneigt  werden,  wie  ans  def 
£aeg«9g  uMd  d«  rm  lonvi  heiauik.9«iMid«i  (Jebei iriikdvi«  «de» 


y^thMt^i  Dm  MfftKiicUdeilMMke  BpUm  d.  Wim^^Um      MV 

kAAmg  d«r  Erregimg  dareh  SprAche  und  WorÜMl»  die  B^iUfe 
nd  Bit  ibneii  alle  ErkemUniase  innerhalb  der  GefäUsaqg^tDe  ge- 
bildet werden,  also  die  eo  genannten  organischen  nad  idealen  TU« 
tigkeiten  sieh   durchaus  entsprechend  in   nnd   mU  einander  bilden» 
Da  alie  idealen  Thätigkeiten  nach  ihm  nur  verschiedene  „Weisen 
im  Fohlens^  sind,  das  Gefühl  aber  innerhalb  der  Geflihlsorgane  stal^ 
fiodeti  so  entwickeln  sich  diejenigen  Thtttigkeiteui  welche  die  nide*- 
IsB^  genannt  werden,   innerhalb   der  j, organischen.^     Daher  nennt 
der  Hr.  Verf.  sein  neues  System  mit  Rücksicht  auf  diese  Anschauung 
aach  das  oxganisch-idealistisehe.   Weil  alles  Leben,  so  auch 
ist  Gelühl,  sich  als  Process,  Verlauf,  Entwicklung  darstellt,  so  kann, 
wie  er  sich  S.  6  ausdrückt,  |,der  Anfangt  seines   Sjstemes  i^nicbta 
Estvickeltes  nnd  als  solches  begrifflich  Bestimmtes''  sein.   Er  sucht 
«iae  Grundlage   für  diejenige  Entwicklung,  welche  er   das  Gefühl 
samt,  eine  Grundlage,  wie  man  sie  für  die  Pflanaenwelt  im  ,Pflan- 
i0DUBien%   für  die  Thierwelt   „im  thierischen  Ei^  erkennt.    Doch 
Bisht  die  Grundlage  seines  Systemes,  da  es  sich  um  den  „Entwich* 
luigigfund^  des  Gefühls  handelt,  „dem  Thätigkeitsgmnde  des  ge-< 
bonen  Thiares,  wenn  dabei  von  der  Entwicklungsbesdirlinkung  durch, 
te  Instinct  abgesehen  wird,   näher ^  (S.  6).    Per  Ausgangspunkt 
•eines  Systems  ist  ihm  „die  gefühlte,  allmählig  mehr  nnd  mehr  be- 
wuste  Richtung  der  ThStigkeit  des  Menschen  auf  Bestehen  und 
Fortgehen  desselben.^    Da  es  sich  in  semem  Systeme  um  die  Ent- 
vieklnng  aller  idealen  Thätigkeiten  des  Menschen  ans  dem  Gefühle 
iumdelt,  ist  der  Ausgang  seiner  Wissenschaft  „das  gebome  Eind^ 
(lic,  S.  8).     Das  Fühlen  stellt  sich  nun  in  ihm  als  «eine  dem  Er- 
psifsn  und  Denken  vorangehende  Bewegung  und  als  eine  für  beides 
kfldcutsame»  innere  Tbätigkeitsweise  des  Menschen^  (S.  S)  dar.   Er 
kat  diese  seine  Anschauungsweise  schon  in  frühern  Schriften  aoge- 
deatet,  nnd  gUnbt,  dass  ihnen  die  „bestimmte  Herausstellung  iw 
idealistischen  Richtung''  (sie)   fehle.     Die  empirische  Richtung  sei- 
sei  frühern  Schriften ,  wie  diese  von  verschiedenen  Seiten  her  ihm . 
nun  Vorwurfe  gemacht  wurde,  soll,  wie  der  Hr.  Verf.  meint,  ver- 
Khwinden,  wenn  man  „die  innere  Haltung''  aller  seiner  Schriften, 
Baaiendich  nach  der  gegenwfirtigea  Darstellung,  susammemümmt. 

Er  führt  in  diesem  sogenannten  neuen  Systeme  Alles  auf  das 
Gefühl  der  menschUchen  Subjectivität  aurück.  Diese  Ansicht  ist  nicht 
fiel,  und  hat  nicht  aum  Idealismus,  wie  der  Hr.  Verf.  in  seinem 
%itsne  will,  sondern  zum  Sensualismus  und  selbst  zum  Ma- 
Urialismus  geführt.  Nach  Locke  ist  der  Anfang  unseres  Er- 
Iteimsas  die  Empfindung  (sensation).  Nach  Gondillae  sind  alle 
ioesre  Erkenntnisse  entweder  unmittelbare  Empfindungen  (sensations), 
^  durch  innere  Tbätigkeit  umgewandelte  Empfindungen  (transfor* 
ftatioBs  des  sensations).  So  sind  auch  bei  nnserm  Hrn.  Verf«  «nn- 
>«e  Begriffe,  wie  bei  Gondillae,  nur  verschiedene  Weisen  einer 
iiod  derselben  Substanz,  des  Fühlens.  Nach  Hume  haben  wir  keine 
Erfcenntnissei  ab  unmiUelbAre  Eindrücke  der  Sinne  (Impres- 


M       Weinlraltet  Ifct  orfaliifcii-idetlblisolie  Syttem  d.  PhnoMplnetf 

Btons)  und  Ideen  (ideas).  Die  ktetern  sind  nicbts  Anderes,  als  blosse 
Gopieen  der  Eindrttcl^e.  Die  Ideen  yerbalten  sich  in  den  Eindrüeken, 
wie  das  Porträt  zam  Original.  Diese  unterscheiden  sich  von  den  Ideen 
dadurch,  dass  die  ietstern  weniger  einseine,  besondere  Qualitäten, 
weniger  besondere  Farben  haben.  Die  Ideen  sind  daher  zuletzt  nach 
Hnme's  Ansicht  auch  nur  Eindrücke  der  Sinne,  aber  schwächer, 
als  die  unmittelbaren  SinneseindrOcke.  Das  Princip  Ist  offenbar 
dasselbe.  Und  hier  stimmt  der  Hr.  Verf.,  so  idealistisch  er  auch  sefai 
will,  mit  dem  Sensualismus  überein,  und  es  ist  gewiss  wichtig, 
was  er  selbst  eingesteht,  dass  zwischen  seinem  Systeme  und  dem 
neuen  Sensualismus  Czolbe's  Uebereinstimmungspunkte  Torhanden 
sind.  Wenn  der  Ausgangspunkt  das  „gebpme  Kind^  isf,  und  in  ihoi 
die  vor  dem  Begreifen  Yorhandene  Bewegung,  welche  durch  die  Er- 
regung als  Gefühl  erscheint,  so  ist  auch  hier  nicht  abzusehen,  wie 
man  über  den  Sensualismus  hinaus  gelangen  könnte.  Diese  Er- 
regung durch  die  Sinne  ist  es,  aus  welcher  sich  alles  Geistige  eut- 
wickelt  Blosse  Bewegung  der  Materie  im  neu  gebomen  Kinde  ist 
aber  nicht  das,  was  die  Wissenschaft  Geistigkeit  oder  Geist 
nennt.  Wenn  der  Hr.  Verf.  Verstand  und  Vernunft  in  der  Anlage 
und  Seele  als  nichts  Ursprüngliches  annimmt,  sondern  einzig  und  allein 
den  Keim  des  Füiilens,  aus  weichem  heraus  diese  als  eme  blosse 
Modifikation  des  letztern  erscheinen,  so  ist  nicht  abzusehen,  warum 
der  Ausgangspunkt  seines  Systems  nicht  das  Thier  statt  des  Men< 
sehen  ist,  da  ja  im  Thiere  das  Fühlen  sich  eben  so  sehr  als  Ursprünge 
lichkeit,  als  Keim  für  alle  seine  spätere  Entwicklung  darstellt.  WiU 
der  Hr.  Verf.  sein  in  der  Anlage  sensualistisches  System  durch 
die  Behauptung  in  ein  idealistisches  umwandeln,  dass  nicht  die 
Dinge  an  sich,  sondern  nur  die  Empfindungen  es  sind,  die  wir  er- 
kennen, dass  also  unsere  Empfindung  nur  ein  Inneres  und  keia 
Aeusseres  ist,  so  ist  dieses  eine  Behauptung,  die  längst  von  den  älte- 
ren Sensualisten  aufgestellt  worden  ist,  ohne  dass  es  diesen  damit 
einfiel,  ihren  Sensualismois  für  Idealismus  auszugeben.  Es 
ist  ganz  gleichgültig  für  die  Frage,  ob  ein  System  Sensualismus 
oder  Idealismus  sei,  wenn  die  Empfindungen  in  uns  die  Dinge 
so  darstellen,  wie  sie  An  sich  sind,  oder,  wenn  die  Erkenntniss  der 
Dinge  weiter  nichts  ist,  als  die  Erkenntniss  der  Empfindungen  der 
Dinge.  In  jedem  Falle  ist  ohne  die  Dinge  keine  Erkenntniss  vor- 
handen. Diese  aber  werden  von  uns  als  Materie  empfunden.  Ein 
Ausgehen  vom  Fühlen  des  neugebomen  Kindes  kann  aber  unmi^g- 
lich  ein  genügender  Ausgangspunkt  für  die  Wissenschaft  sein.  Denn 
ab  ein  weiter  zurückliegendes  Princip  erscheint  das  thierische  Ei, 
und  noch  weiter  zurück  liegt  der  Pflanzenkeim.  Fühlen  ist  nur 
eine  Art  von  Leben,  aber  nicht  das  Leben  selbst.  Ja,  vom  Orga- 
nischen müssen  wir  zuletzt  zurück  bis  auf  das  Unorganische  gclan- 
gen,  das  die  ersten  und  letzten^ Entwicklungskeime  für  das  Organi- 
sche bietet,  bis  auf  die  ersten  tellurischen  und  kosmischen  Elemente. 
Im  zweiten  Abschnitte  geht  unsere  Schrift^  zu  den  Grand* 


WeislMflz:  Dn  orfantfcMdealistifche  System  d.  Philoioplfe.       IM 

lüg»  der  EotirlcklaBg  des  organfselien  IdeallauDs'^  über. 
DfeiRBCe  Frage,  mit  welcher  begonnen  wird,  ist:  9,Wie  nnd  wo- 
direh  entstdien  onsere  Begriffe  nnd  der  Inhalt  derselben*  (8. 14)? 
Dffl  diese  Frage  in  beantworten,  soll,  wie  S.  14  angedeutet  wird, 
,die  EotwieUnngsweise  des  Fohlens  und  die  Bedeutung  desselbeUi 
äaoQ  die  Bedeutung  der  Sinne^  und  endlich  die  |,Bedeu(ung  des 
Bep^fens,  Sprechens  und  Denkens^  dargestellt  werden.  Der  Hr. 
Verf.  fiiogt  mit  der  ,,Geburt^  an,  well  mit  Ihr  „die  ersten  und  ein- 
hdtften  Geffihlsäusserungen  des  Menschen  erscheinen.  <<  Das  Föh- 
ko  alwr  nnd  die  ersten  GefQhlsentwickiungen  werden  nur  durch  das 
Bernnstsein  erkannt,  und  so  kommt  der  wahre  Idealismus,  wie 
ndi  hier,  immer  wieder  auf  das  Bewusstsein  lurück.  Der  Mensch 
kann  unmöglich  im  Denken  auf  sich  „als  gebomes  Kind^  zurück« 
loDmen,  weil  in  jenen  Zuständen  kein  Bewusstsein  und  eben  da- 
ron  andi  kein  Erkennen  derselben,  also  auch  keine  Erinnerung  an 
it  im  spSteren  Alter  statt  finden.  Er  kann  höchstens  von  den  Er* 
KbeiBimgen  im  gebomen  Kinde,  wie  er  diese  im  Aenssem  Anderer 
hdet,  spredien.  In  diesem  Falle  aber  fehlt  die  Unmittelbarkeit,  die 
n  eiaem  Prhiclp  der  Wissenschaft  erfordert  wird. 

Der  Süssere  Gegenstand  (zunScbst  die  Atmosphäre)  wirkt  auf 
iai  neugeborae  Kind.  Die  Luft  veranlasst,  als  fremder  Gegenstand 
k  die  Lunge  dringend ,  wie  der  Hr.  Verf.  sagt ,  ein  unangenehmes 
Befllbl.  Dieser  Zustand  muss  überwunden  und  der  frühere  unge- 
Mlrte  Zustand  wieder  hergestellt  werden,  was  durch  das  Ausstossen 
hr  «'Dgeathmeten  und  innerlich  verarbeiteten  Luft  statt  findet.  So 
iitiiaeh  ihm  „die  Erregung^  von  Aussen  „Störung'',  „unangeneh- 
■erZostand^  Ae  „Ueberwindung*^  oder  „Aufhebung*^  der  Erregung 
(StöniDg  oder  Hemmung)  der  wieder  hergestellte  ungestörte,  ange- 
Mlmie  Zustand.  Der  ungestörte  Zustand  „war  vor  dem  gestörten.^ 
I^er  angenehme  Zustand  mfisste  also  nach  des  Ilrn.  Verf.  Meinung 
vor  dem  unangenehmen  im  neugebomen  Kinde  gewesen  sein ,  und 
fcehlSngtdesDeugebomen  lebenden  Kindes  erste  Aeusserong  des  Ge- 
All  erst  mit  der  Erregung  der  Luft  an.  Erst  durch  diese  Erregung 
k<Knmt  es  sum  OefBhle ;  denn  nach  dem  Hm.  Verf.  soll  das  neu- 
S^borae  Kind  „keine  Kunde  von  seinem  Fühlen  geben.*'  Der  ^^be- 
ndiigte  Zustand^'  wird  ;,Gefühl<',  der  gestörte  „Empfindung'^  genannt. 
Offesbar  ist  diese  Benennung  des  Hrn.  Verf.  nicht  nach  dem  Sprach- 
Stäche  und  nur  willkürlich.  Denn,  wenn  auch  „Empfinden^  nach 
^  ßprachgebrauche  ein  ,;In- sich- Finden '^  ist,  so  folgt  daraus, 
te  man  das  „In-sich-Flnden'  auch  auf  den  gestörten  „Zustand^ 
^ehen  kann,  ge^ss  nicht  die  Richtigkeit  der  Bezeichnung  des 
SttfSrten  Zustandes  durch  „Empfindung^.  Kann  man  ja  eben  so 
i^^S  auch  die  Bealehnng  des  In-sich-Findens  auf  einen  ungestör- 
ten oder  angenehmen  Zustand  eine  Empfindung  nennen.  Der  Hr. 
Verf.  beseichnet  eben  so  willkürlich  den  angenehmen  oder  ungestör- 
ten Zoatand  als  „Gefühl^,  da  doch  dieses  eben  so  richtig  einen  un- 
ageoduBea  oder  gestörten  Zustand  bezeichnet,  und  man  mit  glei^ 


t70      WeinMH;  Pm  prfniibcIi-Meali^lifclie  System  d.  PUlosopUe. 

qhem  Reehto  tob  eiaem  angenebinen,  wie  von  efoem  imiigeneliiMa: 
Gefühle  sprecben  kann.  Nach  dem  Sprachgebrancbe  irod  dec  ur- 
sprüBgliohen  Bedeotung  der  Worte  beaiehen  sieh  die  Auadrüeke: 
Oefühl  uad  Empfindung  gewiss  gleich  richtig  auf  angeneboMi 
wie  auf  anangenehme  Zustfinde,  nur  mit  dem  Unteracfalede,  daai 
4as  Gefühl  eine  universelle,  die  Empfindung  eine  specielle  Be* 
griffsbexeichnnng  ist  Eben  so  unrichtig  ist  es,  wie  schon  oben  aa- 
gedeutet  wurde,  jede  Erregung  als  Störung  zu  betrachten ,  also  in 
Ihr  nur  den  unangenehmen  Geföhlszustand  an  erblicken,  oder  ia  je- 
dem angenehmen  Gefühle  eine  Aufhebung  oder  Ueberwindung  der 
Erregung  anzunehmen.  Sehr  oft  entsteht  gerade  unmittelbar  dorek 
die  Erregung  ein  angenehmes  Gefühl,  während  die  Aufhebong  dtf 
Erregung  ein  unangenehmes  veranlasst 

Das  Fühlen  bewegt  „den  ganzen  Menschen^,  eben  so  auch 
„besondere  Theile  desselben^  (S.  20).  Die  besondern  Gerühisso- 
stttnde  finden  durch  die  Erregung  der  Sinne  statt  Aus  dieser  Er« 
regung  der  Sinne  entwickeln  sich  vermöge  der  Sprachlaute  die 
Begriffe. 

Der  grösste  Raum  der  Schrift  ist  für  die  UntersQchung  dei 
Sprach  laute  und  ihren  Einfluss  auf  die  Biidong  der  Begriffe 
verwendet  (S,  25  ff.).  In  dieser  findet  sich  neben  manchem  Ua- 
richtigen  und  Unhaltbaren  auch  manche  scharfsinnige,  interessaot« 
Bemerkung,  die  als  Beitrag  zu  einer  Philosophie  der  Sprache,  wdchfl 
mit  Herder  ihren  Anfang  nahm,  nähere  Berückaichtigung  ve^ 
dient  Von  den  Yocalen  und  Gonsonanten  soll  die  Bedeutung  ii 
der  Mitte,  am  Anfange  und  Ende  des  Wortes  und  in  der  Verbiii' 
duig  der  Buchstaben  unter  einander  nachgewiesen  werden;  der  Ba^ 
Stabe  im  Anfange  ist  nach  des  Hrn.  Verf.  von  Grimm  entlehntem  Au» 
drucke  Anlaut,  in  der  Mitte  Inlaut,  am  Ende  Auslaut,  Offen; 
bar  geht  diese  Buchi^abenphilosophie  so  weit,  dass  die  Phaotaaie  ein 
Menge  von  Vorstellungen  in  die  Buchstaben  überträgt,  und  natiidiel 
das  selbst  Hineingetragene  darin  auch  wieder  findet  Wir  wollen  hie 
nur  einige  Beispiele  zum  Belege  geben.  Das  ^inlantende  I^  d*  li 
das  I  in  der  Mitte  eines  Wortes  kann  nach  dem  Hrn.  Verl.  8«  3( 
,^die  äuaserste  Richtung  oder  Bewegung  eines  Stoffes  oder  eine 
Dinges  andeuten  und  vorwaltend  das  Aeussere  vorstellen  (sie)»  das 
insofern  es  über  die  angenehme  Mitte  weit  hinausgeht,  gleichsaa 
verletzt  (1),  oder  eine  starke  Empfindung,  Unruhe  und  Entgege» 
Setzung  veranlasst.^  Die  mit  der  Einbildung  hineingetragene  Vor 
Stellung  dieser  Buchstabenbedeutung  wird  schwerlich  mit  den  viei 
&  81  angeführten  Worten  «Spitz,  IBIHz,  Wind»  List^  bewiesen  sein 
Nicht  der  Budistabe  gibt  hier  diese  Bedeutung,  sondern  der  Begcii 
der  mit  dem  Worte  verbunden  ist  Zum  Belege  lieBB9  sich  eil 
Dutzend  Wörter  anführen,  in  denen  der  Buchstabe  ia  entgegeogefletc' 
tem  Sinne  genommen  werden  müsste.  S.  31  will  der  Hr.  Verl 
schon  aus  dem  Buchstaben  o  in  dem  Worte  j»soff^  von  gaaiifen* 
beweisen,  dass  in  dem  o  als  einem  j^zusammeagezogenen  und  ver 


Wel»kalis:  Dm  4»f«tiiKli*-iiletUftbc|ie  Sy«l#m  4.  PUlQfopUft       IT| 

dicbiBten'  au  «die  Aodeotang  der  au/gehobenen  Bewegoag  Toa  Avß 
wh  auf  die  Gegenwart  beziebenden  Laut  a  (I)  au  dem  eicb  auf 
Uateree  beateheDden  Laot  u'',  Bomit  ^der  Uebergang  des  Oegeawär* 
tlgea  sa  eloem  Yergangenen  (1)|  das  die  Mitte  awiecben  de»  Ge^ 
geairftrtigeii  nod  dem  YöIiig-^Yergaogenen  bftit^,  iiege.  Der  Bueh-< 
Habe  £  erecbeiot,  wie  der  Hr.  Verf.  S.  32  eicb  aoedrüclLt,  „hUiaig 
gWcbaam  ecbwSoblicb^  (I),  „eine  Bewegung  andeutend  (sie),  wenig 
üaltiiog  gewährend  (!!}  und  kaum  eine  stoffliche  Beaiehang  (sie} 
darbietend.^  Dieser  Buchstabe  soll  überhaupt  ^lur  Andeatang  dea 
Flüchtigeni  Vorübergehenden,  Innerlich-Unhaltbaren  passen«^  S.  41 
heisat  ee;  ^Das  auslautende  m  erscheint  als  Andeutung  eines  schwachen 
Gestaltungsabschlusses  (I),  das  anlautende  m  dagegen  deutet  einen 
Geataltnngsauischluss  oder  ein  Herausgehen  des  Gestaltigen  (I Q  an.'' 

Es  ist  iclar,  dass  die  Kenntniss  der  Bedeutung  der  Worte  es 
leicht  macht,  je  nach  der  Bedeutung  des  Wortes  diesen  oder  jenen 
Sinn  mit  dea  Buchstaben  au  verbinden,  und  dass  die  Combinalion 
dar  Worte  in  der  Sprache  kein  Ende  nimmt,  indem  nach  dem  ia 
mehreren  Worten  aü  übereinstimmend  aufgefundenen  Sinne  immer 
wieder  Stoff  aur  Vergleichung  mit  andern  Worten  gefunden  wird; 
Es  iat  femer  bekannt,  dass  für  einen  und  denselben  Begriff  jede 
Sprache  ein  anderes  Wort  hat,  und  dass  beinahe  alle  Buchatabeo 
in  einem  solchen  Worte  immer  wieder  andere  Buchstaben  sind,  ala 
die  des  Wortes  in  einer  andern  Sprache.  £a  ist  klar,  dass  blosse 
Laute,  wie  Consonanten,  die  ohne  den  Vocal  keine  Selbststfindig«» 
keit  haben,  unmöglich,  da  sie  kdne  Begriffueichen  sind,  Begriffe 
beseldiBen  k()onen,  und  dass  Alles,  was  der  Hr.  VerL  in  diese  Buch«- 
staben  hineinlegt,  Begriffe  ToraasseUt,  die  erst  hintennach  mit  den 
Bnciistaben  verbunden  werden.  So  gelangt  er  selbst  in  eine  be« 
giilDiche  Behandlung  hinein,  während  er,  diese  vermeiden  wollendf 
aBea  Geistige  nur  als  Metamorphose  dea  Gefühls  darzustellen  h€t* 
müht  iat 

Je  mehr  nim,  wird  von  S.  46  an  weiter  entwickelt,  das  Füh«^ 
len  die  Erregung,  welche  nach  dem  Hrn.  Verf.  eine  St&rung  ist,  mt^ 
hebt,  desto  mehr  gewinnt  es  an  Stärke  und  Kraft,  desto  mÄr  an 
Dichtigkeit  Das  Fühlen  wird  gleichsam  durch  diese  Entwickhmg 
«verdichtet^  (sie).  „Indem  das  Fühlen,  helsst  es  S.  46,  sich  auf 
selche  Weise  mehrfach  entwickelt,  nimmt  auch  die  Grundlage  oder 
der  Keim  desselben  zn  an  Kraft  und  Umfang,  so  dass  wir  den  Ent^ 
wkklnBgsMand  des  Fühlens  aU  einen  befestigten  und  verdichte«< 
ten  (sie)  erachten  können.^  Hieraus  soll  nun  durch  die  immer 
weitere  Entwicklung  des  Fühlens  „das  Begreifen  nnd  Denken^,  „daa 
Begehren  und  Wellen^  erklärt  werden.  Dies  wiH  man  darch  die 
{ntwickluag  der  $inne  und  die  mit  ihnen  suaammeahängende  Sprech« 
büdoQg  daietclleiL  Auch  hier  seigt  sich  wieder  hinsichtlidi  dfi^ 
letztera  das  Bestreben^  verschiedenes,  durch  das  bekannte  Wort  ua^^ 
Uopit  Offenbare  in  die  Bedeulang  der  das  Wort  bUdenden  Bu^h* 
atl^^  hindiwtrageii  mid  aus  ihnen  sodann  wieder  bermsaolesen« 


in       Weinbohi:  Das  orfiniseh-iclealfflfictie  Syilem  d.  Philofopbfe« 

So  lesen  wir  S.  62:  ^Baum  gewSbrt  ein  dem  Gegenstände  ent- 
sprechendes  Fühlen,  das  durch  B  eine  leichte,  nach  Anssen  gerich- 
tete Bindung  (!)  andeutet,  welche  durch  a  offen,  durch  a  vertieft 
(sie)  und  durch  m  in  flüssiger  Gebundenheit  (I!)  erscheint;  so  dass 
durch  die  Laute  eine  rundlich  feste  Gebundenheit  (sie)  angedeutet 
bt^  So  wird  von  „Hut^  S.  63  gesagt:  ^Das  VerhSltniss  des  H 
Eum  n  deutet  allerdings  etwas  sich  nach  Unten  Bewegendes  (!!) 
an,  und  t  schliesst  diese  Bewegung  ab  (I),  was  jener  Vorstellung 
entspricht.^  Erst  durch  die  Verbindung  der  Laute  eu  einer  Dnhett 
des  Wortes  entsteht  der  Begriff,  so  dass  also  ohne  Wort,  wie  der 
Hr.  Verf.  meint,  Icein  Begriff  da  ist.  „Der  Begriff  ist  als  Wort  ein 
Ganzes  von  gelauteten  Fühlweisen,  welche  in  ihm  in  einer  Einheit 
sind,  die  nur  mit  dem  Wort  besteht,  und  erneuert  werden  kann.' 
Blosse  Fühlweisen  machen  noch  kein  Wort,  so  wenig,  als  blosse 
Laute.  Aber  das  „Ganze  von  Fühlweisen^  ist  ein  Begriff?  Der  Be- 
griff setzt  Gefühl  voraus,  ist  aber  dessbalb  kein  Gefühl.  Wir  er^ 
kennen  die  Gefühle,  wir  machen  sie  zum  Gegenstande  innerer  Be- 
trachtung. Wir  erkennen  die  Empfindung  durch  die  Vorstellung. 
Erst  durch  das  Vergleichen,  Trennen  und  Verbinden  der  Vorstellun- 
gen, durch  das  zum  Bewusstsein  bringen  der  Einheit  in  einer  Reibe 
von  Vorstellungen  entsteht  der  Begriff.  Ein  Wort  Ist  noch  kein  Be- 
griff; sonst  müsste  eine  Reihe  auswendig  gelernter  Worte  eine  Summe 
von  Begriffen  sein,  und  doch  sind  diese  Worte,  wenn  sie  richtig, 
aber  ohne  Kenntniss  ihrer  Bedeutung  ausgesprochen  werden,  Worte, 
aber  keine  Begriffe.  Ein  Begriff  kann  vorhanden  sein,  und  doch  fehlt 
das  Wort  zu  seiner  Bezeichnung.  Wie  oft  kommt  es  dem  GedScht- 
Bisse  vor,  dass  ihm  ein  Wort  entschwindet,  und  doch  schwebt  dem 
Verstände  der  durch  das  Wort  bezeichnete  Begriff  deutlich  vor !  Nnr, 
weil  der  Mensch  Begriffe  bildet,  schafft  er  sich  Worte.  Die  Sprache 
ist  die  Offenbarung  der  Vernunft.  Der  Hr.  Verf.  hält  sich  nun  anck 
bei  der  Entwicklung  sittlicher,  rechtlicher  und  religiöser  Begriffe  zu- 
nichst  an  die  Worte,  welche  verwandte  sinnliche  Begriffe  bezeich- 
nen, wie  „gut,  recht,  schön. ^  Natürlich  lassen  sich  über  die  Sinn- 
Kehkeit  hinausgehende  Gefühle  und  Erkenntnisse  von  einem  Stand- 
punkte nicht  entwickeln,  oder  genügend  erklSren,  welcher  keine  an- 
dern Erkenntnisse,  als  die  verschiedenen  Weisen  des  durch  die  Sinne 
sich  entwickelnden  angenehmen  oder  unangenehmen  Gefühles  annimmt 
Von  dem  Begriffe  der  Heiligkeit  wird  deshalb  S.  83  gesagt,  er 
bestehe  für  uns  nur  oberflächlich  durch  die  unbestimmte  Vorstellung 
des  uns  Fehlenden.  Aus  dem  Wunsche,  diesen  Mangel  aufzuheben, 
wird  der  religiöse  Glaube  abgeleitet. 

Im  dritten  Abschnitte(S.  89 ff.),  welcher  dieEintheilung 
des  organischen  Idealismus  enthält,  wird  die  Philosophie 
1^  in  die  allgemeine  Entwicklungslehre  des  Menschen, 
2)  in  die  besonderen  Entwicklungslehren  des  Men- 
schen, 3)  in  die  aligemeine  Wissens-  und  Seinslehre 
elngetheilt    Die  besonderen  Entwlcklangslehren  des  Menschen  sind 


Weisholli:  Oit  ofgaaiidl-idMlitUiohe  Syrttn  d.  PUlotoi^.       179 


die  Sprach»,  Denk*  iwd  Handelntlehre.    Die  leteiere 
iHrt  Sittliches,  Rechtliches,  Kunstiges  (sie),  Steati- 
gss  (sie). 

P&dagogik  (8.  104)  und  segar  Aesthetilc  (&  104ff.) 
will  der  Hr.  Verf.  tod  der  Philosophie  ausgeschlossen  wisseoi 
di  er  das  Kanstige  (sie)  unter  die  Handelnslehre  irrthttnalich 
isist,  und  darum  das  Schöne  nur  insofern  vom  Philosophischen  be- 
liandeit  wissen  will,  als  es  sich  auf  die  Handlungen  der  Menschen 
besieht.  Die  Wissens-  und  Seinslehre  (S.  109)  soll  die  »geg- 
nerischen Darstellungen  der  Psychologie^,  die  ^frähern  Lehren  tooi 
Urspmiige  der  Sprache'^,  die  ^frühem  Logiken^  (sie),  die  bisherigen 
philosophischen  Rechts*  und  Sittenlehren,  StaaUleiiren,  Knnstschdn* 
helts-  und  Religionslehren*  umfassen. 

S.  115  geht  der  Hr.  Verf.  sum  Ich  über,  und  definirt  dieses 
slse:  ,Das  Ich  des  einaeben  Menschen  ist  das  aus  dem  penönUchen 
Seihsterlialtungstriebe  und  seiner  Befriedigung  hervorgegangene,  all- 
gemeine  —  su  einer  geistigen  Einheit  Terdicbtete  Gefühl  seines  Da* 
seins  lur  sich,  das  alle  bisherigen  Entwickelungen  und  Bildungsstu- 
fen der  Person  Terbindet  und  umfasst.*  Wenn  das  Wesen  des  Ichs 
mir  im  Gefühle  des  eigenen  Daseins  besteht,  so  mfisste  auch  das 
TUer  ein  Ich  sein,  was  eine  reüie  Unmöglichkeit  ist,  da  ihm  der 
Begriff  der  Persönlichkeit,  des  Sichselbstsetzens  durchaus  abgeht. 
Wenn  der  Hr.  Verf.  das  Ich  als  menschUches  dadurch  darstellen 
will,  dasB  er  den  Ausdruck  der  Person  in  die  Begriflb Verbindung 
aafiiimmt,  so  ist  noch  immer  su  fragen,  worin  denn  das  Wesen  der 
Person  bestehe.  j^Gewiss  wird  der  von  demselben  S.  116  venror* 
fcne  Ausdruck  ,»Selbstbewu88tseüi^  das  Wesen  des  Ichs  richtigeff 
besdchnen.  Das  Selbstbewusstsein  kommt  nur  dem  Menschen  wOf 
und  macht  die  Persönlichkeit  aus,  während  es  dem  Thiere  fehlt,  wel- 
ches nur  Selbstempfindung  hat  Das  Selbstbewusstseiende ,  das 
Seibstbewusste  ist  das  Ich.  Es  ist  offenbar  unrichtig,  wenn  der  Hr. 
Verf.  das  Selbstbewusstsein  als  die  unrichtige  Beseichnung  des  Ichs 
erklärt,  weil  es  sich  nur  auf  das  Wissen  und  «nicht  auf  die  anderen 
Krftfte  und  Entwicklungssustinde  (sie)  der  Person^  besiehe;  alieia 
dss  Selbstbewusstsein  ist  ein  Wissen  vom  Sein  des  Selbst,  und  be« 
liebt  sich  nicht  nur  auf  das  Wissen,  sondern  auf  das  Sein  Alles 
dessen,  was  sum  Selbst  gehört  Da  Alles  aus  dem  Fühlen  abge* 
leitet  wird,  können  „Verstand  und  Vernunft^  nur  als  «entwickelte 
Erifto^  (S.  125)  betrachtet  werden;  sie  sind  also  nach  des  Hrn. 
Verl  Ansicht  keine  ursprünglichen,  im  menschlichen  Seelenkeime 
liegenden  Anlagen.  Und  doiä  wird  aus  blossem  Gefühle,  wenn  es 
auch  in  den  verschiedensten  Weisen  aufgefasst  wird,  weder  Verstand, 
nodi  Vernunft.  Allerdings  sind  diese  beiden  Vermögen  nicht  auf 
einmal  da;  sie  entwickeln  sich,  und  sind  insofeme  entwickelte  Ejrilfte; 
aber  der  Verstmid  und  die  Vernunft  sind  etwas  vom  blossen  Füh-- 
lea  Verschiedenes,  und  setsen  eine  ursprüngliche  Verstandes«  und 
VmanftMingQ  nto  K^  TOiMfi  9luie  dw  «ie  aicb  Picht  entiriekehi. 


174         Seybt:  Richard  Heber  Wri^faffion,  descli.  ä.  netren  Italfen«. 

kennen.  Ohne  die  Annfthme  einer  menffcblichen  Sede,  welehe  d^ 
menseblieher  L^bens^and  von  der  thierisehen  weseiitlicb  TerBcbiedett 
ist,  wird  die  Einheit  für  die  verschiedenen  Radien  der  geistigem 
ThStigkeit  nicht  gefanden,  nnd,  da  der  Ür.  Verf.  sich  auch  gegen 
diese  Annahme  erklärt,  und  über  das  innerhalb  der  Organe  sid 
entwickelnde  Fühlen  nicht  hinausgeht,  so  ist  es  von  seitaem  SUnd«' 
punkte  aus  consequent,  wenn  sein  Sjstem  weder  „eine  Wissenschaft« 
liehe  Darstellung  des  Religiösen  gewährt^,  noch  eine  „Religlons- 
Philosophie  anerkennt^,  die  „mehr  sein  soll,  als  eine  Erwägung  und 
Verfaältnisi^bedtimmung  der  verschiedenen  positiven  Religionen  zu  den 
verschiedenen  Bildnngserscheinungen  dör  Menschen  und  Staaten.' 
Ebenso  schliesst  derselbe  auch  die  durch dieSchelling-Hegel 'sehe 
Identitätslehre  in  Schwung  gekommene  „Philosophie  der  G^chichte" 
ans  dem  Kreise  seines  Systemes  aus.  Die  Geringschätzung,  mü 
welcher  bei  Gelegenheit  „der  bisherigen  Logik*'  Aristoteles  und 
Hege  1*8  logisches  System  behandelt  wird,  kann  nicht  gebilligt 
werden. 

V«  Retrhlln  SEeldenr* 


Üichard  Heher  M^rightsorij  Geschichte  des  neuern  Italiens,  Von  d& 
ersten  fran&ösischen  Revolution  bis  sunt  Jahr  1850.  Aus  dem 
Englischen  tlbersetst  von  J.  Seybt,  Ldpsng^  1856,  (Bildä 
den  39.  Band  von  Bülat/s  histor,  Hausbibliothek.) 

Der  Verfasser  sagt  in  seiner  Vorrede,  er  habe  nicht  eine  ans-' 
fOhrliche  Geschichte  Italiens  im  letzten  halben  Jahrhundert,  sondern 
■nr  eine  gedrängte  Skizze  der  Vorftlle  geben  wollen,  welche  dAtf 
Geschick  der  Halbinsel  enlschieden  und  den  Grund  zu  der  ^^tif* 
wSrtigen  Lage  gelegt  haben.  Er  will  nur  den  Leser  in  den  Stand 
aetzen,  die  Hoffnungen  und  Wahrscheinlichkeiten  der  Zukunft  sv 
würdigen,  aber  auch  vor  der  Einmischung  ausländischer  „Freunde' 
Sn  allen  Fragen  warnen,  die  nur  das  Volk  selbst  lOsen  kann.  Votf 
Selten  eines  Engländers  ist  das  Letztere  gewiss  ein  sehr  wohMroetr^ 
des  BekenntnisB. 

Das  erste  Kapitel  d^  Werkes  beschäftigt  sich  mit  der  Gescbiehte 
der  geheimen  Gesellschaften,  die  schon  Foscolo  als  das  HauptttiK 
demiss  des  nationalen  Gedeihens  ansah ,  von  der  Entstehung  dar 
Garbonarf  an  bis  zu  der  nnsinn^en  Expedition  der  Brüder  Bandi^ra. 
Der  Verf.  hat  Recht,  dass  er  die  von  den  Italienern  gern  angestellte} 
aber  müiBsigen  Untersuchungen  über  das  graue  Alter  der  Carbonari^ 
Verbindung  ganz  weglässt  und  sie  einfkch  von  den  Republikaaem 
ableitet,  die  sich  1799  vor  der  christlichen  neapolitanischen  Restau- 
ration in  die  Gebirge  flüchten  mussten.  Die  Restauration  war  in 
Italien  so  wenig  wie  in  andern  Ländern  geeignet  die  Völker  zu- 
tHedenzustellen,  und  so  wuchsen  die  Garbonari  an  Macht  und  Aus- 
debavng.    Dl«  Regterwgen  von  Sem  und  Keape))  die  rie  loa  wer'* 


UyUt  ItdMird  Heber  Wrigtitoon,  Getcb.  d.  aeaen  Ilalienf.  17S 

te  velkeO)  Terfielen  aaf  daB  onglttcklidiflle  Mittel ,  da«  jen«o  nur 
Utaifere  Dauer  und  grossem  Eifer  gab.  So  wie  sie  gefUhrliche  Rä»- 
kerbiaden  doreh  andere  Riaber  oder  auch  dorch  Besoldangen  besieg- 
tes, so  «eCsfteB  sie  gegen  die  Carbenari  die  scheüssllehen  Verbiadungett 
der  Galderari  «nd  Sanfedisti  ein.  Die  letztem  hatten  besonders  die 
Ven»fllehtttog,  die  röoilech-katholische  Religion  and  das  Papstthnm 
a  Tsrtbeidlgen.  ^Wehe  den  Regierangen,  sagt  hier  der  Verfasser, 
«riebe  sieh  herablassen  Ihre  Autorität  durch  ein  BQndniss  mit  den 
isreraatwortltchen  Organen  geheimer  Gesellschaften  an  stütsen.  Die 
Msehthaber  in  Rom  und  Neapel  waren  riel  au  schwach,  nm  dieee 
geflhrliehen  Verbüodeten  eu  leiten  oder  in  Schranken  ed  halten,  und 
11^  spätere  unpolitische  und  ungerechte  Massregeln  lassen  sich  dem 
fisiMt  oder  der  sich  jeder  Controle  entEiehenden  Wirksamkeift  der 
Sssfedisti  und  Galderari  auschreiben.  Der  Ewischen  den  feindlleheik 
Pvthelen  bestehende  Hass  machte  sie  wenig  bedenklich  bei  der 
WaU  ihrer  Mitglieder  oder  der  Mittel,  die  sie  anwendeten.  So  wie 
eissMl  der  Krieg  der  Clubs  begonnen  hatte,  drftngten  sich  die  rtr* 
hürnensten  und  verwegendsten  Charaktere  in  die  Reihen  beidef 
Pntheien,  und  Niemand  dachte  daran  sie  Eurücksuweisen,  damit  sie 
tiebt  etwa  die  Zahl  der  Gegner  Termehrten.  Meuchelmord  galt 
bom  ittr  ein  Verbrechen,  Hass  und  Rache  vernichteten  den  stillett 
IMen  des  Lebens  und  lerrissen  die  Bande  der  Gesellschaft** 

Wenn  die  geheimen  Clubs  von  1815  noch  nicht  bestanden  hät*^ 
ten,  wie  sie  In  der  Tfaat  auch  von  keiner  grossen  Bedeutung  wa- 
ren, so  wären  aie  als  gans  nothwendige  Folge  von  dem  AugenhUek 
n  als  Ausdruck  der  allgemeinen  Unaufriedenheit  entstanden,  we 
eise  gans  widersinnige  Politik  die  Italiener  in  allen  ihren  Hoffnun-^ 
giB  and  Rechten  aufs  Tiefste  verletEte.  Ein  Sjstem  des  Mfsstrauens, 
der  Esgfaersigkeit,  Furcht  und  Unentschlossenheit  war  auf  die  glilek« 
Uen  Zelten  unter  Jos^h  und  Leopold  gefolgt,  und  durch  Bajo«' 
Bitts  und  geheime  Poliaei  sollte  ein  Zustand  erhalten  werden  ^  aa 
iemn  Zweckmässigkeit  und  Daner  doch  keiner  der  Urheber  den  re^ 
litgitstt  Glauben  hatte.  Das  B^iel  Oesterreiehs  wurde  von  den 
UiUism  karasichtigen  Regierungen  nur  zu  gut  nachgeahmt.  Matt 
Mekte,  verbot,  verjagte,  die  Zahl  der  Märtyrer  wuchs  mit  jedem 
Uf)  und  die  verawelfeltst^i  Unternehmungen  der  Clubs  fanden  bei 
*BtB,  die  «och  nicht  au  ihnen  gehörten ,  Thellnahme  und  Unter« 
MOfannig  und  selbst  bei  andern  Nationen  Anregung  und  Hülfe.  8« 
tilgt  die  Gesehlchte  Itaiiens  in  den  leuten  40  Jahren  nur  ein« 
Inntlge  Abweehslnng  von  Unterdrilekang  and  Abwehr,  von  Auf« 
Ui|<S8  und  Wegwerfen  verfaaaster  und  lebensunfähiger  lastltnte» 
«inen  letn  negativen  Zustand,  wob^  das  Volk  in  seiner  polUlschea 
and  socialen  Entwicklung  auch  nicht  einen  Schritt  vorwärts  gekom- 
^  ist  Wenn  in  diesen  Zuständen  von  Seiten  der  Lenker  italle* 
i^er  Geschicke  keine  grosse  Weisheit  au  entdecken  ist,  so  erregt 
nock  mehr  Furcht  vor  der  Zukunft  die  Ueberaeugung,  dass  jene 
Weieheit  allem  Anecbein  nach,  U9ta  aUeo  Congresseui  nur  in  Folge 


i76         Seybt:  Ricbard  Heber  WrighUoB»  Geach.  d.  nettes  Italien«; 

äueserery  der  Sache  ganz  fremder  zwingender  Ereignisse  uod  Yei 
wiclclaDgen  darchbrecben  wird. 

Der  gefährlichste  Theil  Italiens ,  besonders  geflibrlich  fiir  dl* 
answftriigeii  Staaten,  die  mit  Italien  in  irgend  einer  Beziehung  stehet 
oder  denen  die  Störung  des  allgemeinen  Gleichgewichts  Besorgnis» 
einflössen  muss,  ist  der  Kirchenstaat,  der  grosse  Brennpunkt  alle 
Unordnung.  So  lange  es  die  Mächte  für  nothwendig  halten ,  dei 
Papst  in  seiner  isolirten  und  unnatürlichen  Stellung  zu  erhalten 
kann  die  Anwesenheit  fremder  Bayonette  in  Mittelitalien  schwerlid 
entbehrt  werden.  Die  Erfahrung  scheint  bewiesen  zu  haben ,  das 
kein  Papst  die  Schwierigkeiten  überwinden  kann,  die  er  als  weltli 
eher  Herrscher  auf  seinem  Pfad  findet.  Während  andere  geistiiehi 
Fürstenthümer  längst  säkularisirt  sind,  ist  dieses  übrig  geblieben,  eii 
i^ereinzelter  Rest  einer  andern  Zeit  und  einer  veralteten  Staatsforn 
Aber  die  weltliche  Herrschaft  des  Papstes  verdankt  ihr  Fortbesteha 
nicht  sowohl  einem  Glauben,  dass  sie  der  Beligion  Dienste  leista 
könnte,  sondern  einer  Furcht  vor  den  Schwierigkeiten  und  Eifersücli' 
teleien,  welche  ihre  Abschaffung  zur  Folge  haben  könnte.  Doler 
dessen  werden  die  Interessen  von  3  Millionen  Menschen  hingeopfert 
Italien  wird  in  beständiger  Gährung  erhalten  und  Oesterreich  er* 
wirbt  sich  nicht  nur  üble  Nachreden,  sondern  seine  UnabhSngigkei 
und  Würde  leidet  auch  durch  den  kritischen  Stand  seiner  Angele- 
genheiten jenseits  der  Alpen. 

Während  der  Franzosenherrschaft  waren  alle  Partden  in  da 
Schuld  des  Unglücks  gewesen,  und  die  Yoranssetsung,  dass  sie  etwai 
Ton  ihm  gelernt  haben  würden,  war  sehr  natürlich,  und  doch  ganz  irrig 
Während  Consalvi  in  Wien  mit  der  Vertheidigung  der  territorial« 
Ansprüche  des  Papstes  beschäftigt  war,  wäre  seine  Anwesenhel 
nnd  seine  Autorität  in  Rom  sehr  nothwendig  gewesen,  am  der  wie 
dereingesetzten  Regierung  Mässigung  einzuflössen.  Damab  wän 
es  ihm  gelungen  dem  Eifer  der  Reaktionäre  einen  Zaum  anzulegei 
und  eine  fanatische  Partei  niederzuhalten,  die  er  später  nicht  meh 
beherrschen  konnte.  Aber  die  finstern  Fanatiker  wurden  in  Boa 
die  Herrn,  der  Papst  ihr  Diener,  und  Consalvi  ihr  Feind.  Obgleid 
es  in  jener  Zeit  in  dem  Collegium  der  Kardinäle  nnd  unter  dei 
Geistlichen  überhaupt  Männer  von  ausgezeichnetem  Werth  und  ge 
mässigten  Grundsätzen  gab,  welche  die  Ansichten  Gonsalvi's  unter 
atfltzten,  so  wirkte  auch  eine  vorurtheilsvolle  Minorität  allen  A» 
■trengungen  derselben  entgegen  und  liess  Nichts  aufkommen,  wai 
mit  dem  Fortschritt  der  Zeit  übereingestimmt  und  den  vernünftigei 
Theil  des  Volks  befriedigt  hätte.  Mit  den  zunehmenden  Jahren  dei 
Papstes  vermehrten  sich  die  Schwierigkeiten  der  Ri^erung. 

(SMu$$  folßQ 


k.  a.  HEIDELBERGER  llir. 

JAHRBOGHER  der  LITERATUR. 


Seybt:   Richard  Heber  Wrightons,  Geschichte  des 
neuem  Italiens. 


(Schlaff.) 

Als  1820  QDd  21  in  Italiea  der  Btirgerkrieg  wtttbete,  fand  aller- 
dings im  Kirchenstaat  kein  wirklicher  Ausbrach  statt,  aber  die  Lei- 
denschaft der  streitenden  Parteien  machte  sich  in  politischen  Menchel« 
norden  Luft,  und  yiele  der  Theilnahme  an  der  Unternehmung  des 
Grafen  Gonfalonieri  TcrdSchtige  Personen  wurden  an  Oesterrdch  anf 
dessen  Verlangen  aasgeiiefert  oder  in  die  Verbannung  getrieben.  Ab 
Pios  VIL  1823  starb,  waren  die  Legationen  und  Born  selbst  too^ 
Psrt^wttth  aerrissen  und  die  päpstliche  Regierung  weder  im  Inland 
beliebt  noch  im  Ausland  geachtet. 

Das  Böte  und  das  Gute,  das  die  Begierung  seines  Nachfolgers 
Leo's  XIL  bezeichnete,  entsprach  seinem  CSiarakter  und  seinen  An- 
Bebten,  welche  die  eines  aufrichtigen  und  eifrigen  aber  vorurthetls- 
Tollen  und  engherzigen  Priesters  waren.  Obgleich  ein  Feind  der 
herrschenden  Corruptlon,  hasste  er  doch  alle  neuen  Ideen,  und  sein 
Toroehmstes  Ziel  war  die  Aufrechthaltung  der  Herrschaft  der  Oelstr- 
hchkeit  und  die  Wiederherstellung  der  alten  Disciplin.  In  der  welt- 
lichen Verwaltung  sachte  er  mit  anerkennenswerthem  Eifer  Verbes* 
aeruogea  einzuführen,  das  schandliche  Netz  der  corrupten  Beamten- 
weit zu  zerreissen,  eine  strengere  Aufsicht  im  Interesse  der  Moral 
«ad  Ehrlichkeit  einzuitihren  und  manche  Missbräuche  abzuschaffen« 
Aber  diese  verdienstTollen  Arbeiten  wurden  durdi  die  Aufmunterang 
weit  fil>erwogen,  welche  man  der  Gewaltthätigkeit  und  Ungerechtig- 
keit der  Sanfedistenpartei  angedeihen  liees.  Die  Juden  wurden  ge- 
svongen  all  Ihr  Eigenthum  zu  Teräussern  und  wieder  in  den  Ghetto 
ciagesdüossen,  und  Yiele  veraltete  Gebräuche  des  römischen  Hofs 
traten  wieder  ins  Leben.  Man  griff  zu  den  härtesten  und  willkür- 
lichsten Massregeln,  um  die  Carbonari  zu  unterdrücken,  und  das 
sdiäadllche  Gewerbe  der  geheimen  Ankläger  upd  Spione  fand  Auf- 
nmntwung.  Verurtheilungen  in  Bausch  und  Bogen,  welche  die  der 
Unzninedenheit  Angeklagten  mit  Mördern  und  Verbrechern  der  ge- 
meinsten Art  in  eine  Classe  stellten,  verniehteten  alle  Achtung  vor 
den  Gerichten.  So  fehlte  nur  noch  die  kurze  aber  höchst  traurige 
Jesuitenregierung  unter  Plus  VIIL,  und  der  Kirchenstaat  war  reif 
für  die  Bevolutionen,  welche  sich  von  1881  an  fast  ununterbrochen 
folgten. 

Gregor  Xin.  war  aueh  noch  nicht  einmal  gewählt,  als  sich  der 
KiiAenstaat  schon  in  allgemeinem  Aufetand  befind,  und  fremde 
L.  ^«iiTg.  3,  Heft,  12 


119         Seybt:  Riebard  Heber  WrigbMiii»  Getdi.  d.  ntntsk  Italiem. 

EittmiichaDgen  einen  geflHirlichen  Krieg  in  erwecken  drohteo.  Man 
Mh  nnn  den  politischen  Fehler  ehi,  der  auf  dem  Wiener  Congress 
gemacht  worden  war,  und  die  Grossmächte  itihlten  die  Nothwendig- 
keit|  Vorsorge  gegen  die  Wiederkehr  der  Kriegsgefahr  zu  treffen, 
die  ans  fortdauernden  Störangen  in  Mittelitalien  hervorgeben  könnte. 
Sie  einigten  sich  zu  dem  bedeutsamen  und  wichtigen  Schritt,  der 
römischen  Curie  eine  Denkschrift  zu  überreichen,  die  wohl  das  wich- 
tigste Aktenstück  in  der  neuesten  Geschichte  des  Kirchenstaats  ist. 
Es  ist  wichtig,  nicht  sowohl  wegen  des  darin  ausgesprochenen  Willens 
der  Mächte  ernstlich  zu  reformiren,  denn  die  Kraft  dieses  Willens 
hielt  nicht  einmal  ein  ganzes  Jahr  an,  und  die  hie»  geoffenbarten 
Vorsätze  nnd  Gesinnungen  wurden  später  in  Gaeta  gäozlich  ver» 
Magnet;  sondern  es  ist  wichtig  durch  den  Nutzen,  den  das  Volk 
daraus  ziehen  kann,  es  ist  eine  formelle  Anerkennung  der  öffentli- 
chen Meinung,  dass  eine  ausschliesslich  priesterliche  Herrschaft  nichts 
iaogt|  es  verwandelt  sich  zugleich  in  eine  Anklage  gegen  diejenige, 
^wefche  gegen  ihre  eigne  Ueberzeugung  eine  solche  Priesterherrschaft 
einem  Volk  mit  Gewalt  aufzwingen.  Das  Memorandum  bespradi 
die  Zulassung  von  Laien  zu  Verwaltnngs-  und  richterlichen  Funktio- 
nen. Es  deutete  auf  die  gegebenen  aber  nicht  erfüllten  Verepre- 
chingen  einer  bessern  Einrichtung  der  Gerichtshöfe  hin  und  empfahl 
ihre  BrCaUang.  Es  rieth  die  Bildung  von  gewählten  Gemeindebe- 
hörden nnd  ProTinaialräthen  an,  um  die  Statthalter  in  ihrer  Ver- 
waltung zn  unterstützen;  femer  Reform  und  Oeffentb'chkelt  in  der 
Finanzverwaltung  und  für  den  gesammten  Kirchenstaat,  die  Ein- 
stttnng  einer  herathenden  Consulta,  zusammengesetzt  aus  Mit^^»e- 
deniy  die  ans  der  Mitte  der  Gemeindebehörden  gewählt  werden  sollten. 
Der  Staatssekretär  Bemetti  erklärte  sich  mit  der  den  Staats- 
männern des  helligen  Oollegiums  eignen  schlauen  Klugheit  mit  den 
gegebenen  RathschlKgen  einverstanden,  und  einige  ostensible  Mass** 
regeln  wurden  ergriffen,  um  einer  scheinbaren  Beistimmung  den  An- 
sehein der  AulHcbtigkeit  zu  geben.  Aber  es  ist  wenig  Grund  m 
der  VeraussetEung  vorhanden,  dass  die  römische  Curie  ernstlieh  be- 
absMiUgt  hätte,  ihre  weHlicben  Angelegenheiten  Laien  anzuvertrauen 
eder  den  Berathnngen  einer  Consulta  irgend  welchen  Einfluss  za 
gestatten.  Trotzdem  ist  die  Ueberreichung  dieser  Vorstellung  dureh 
die  fOnf  Mädite  als  eine  historlsehe  Thatsaehe  von  grösster  Wich- 
tigkeit zn  betrauten.  Das  päpstliche  System  erhielt  dadurdi  eine- 
Odadenfirist,  und  wären  der  Papst  und  das  Cardinaleollegium  Mdg 
gewesen  eine  richtige  Ansicht  von  dem,  was  ihre  Interessen  ver- 
langten, an  gewinnen,  so  hätte  sich  vielleieht  der  Verfall  der  weit-- 
lldien  Herrschaft  der  römischen  Cnrie  aufhalten  lassen.  Hätten  sie 
den  Ansichten  der  fünf  Mächte  nachgehandelt,  so  darf  man  anndi* 
men,  dass  eine  überwiegende  Mehrheit  des  Volks  sich  befriedigt  ge- 
fühlt hätte  und  die  Bemühungen  der  Aufwiegler  vereitelt  worden 
Affären.  Die  AusfiOehte,  zu  welchen  damals  die  päpstUehe  Begierung 
|M|  lassen  siek  nioht  durch  die  Furcht  vor  weitwgehenden  For* 


&ybt:  Ricfa«r4  Helwr  Writklq^i,  Qffch«  ^  «tieft  MitM«         119 

deraqeen  bMokänigta.  Die  Hfichte,  wdche  bei  diwer  Gel4(«vM^ 
Mrf  fiefonneo  drangen,  boten  eine  genügeiide  Bürgs^baft  gegen  re« 
ToktionSre  Uebergriffe  oder  gegen  den  Druck  unversUUidiger  For- 
dffBogen.  Aber  die  Wahrheit  iet,  dMe  die  rötniache  Curie  Refor- 
men beastf  nnd  deas  naa  pereönlicbe  und  PartbeUnterepeen  die  Ober-^f 
band  gewinnen  lieaa.  / 

So  konnte  es  nicbt  fehlen,  daaa  die  Unrohen  und  AulatKnd^ 
iBMier  häufiger,  die  Forderungen  von  Seformen  immer  driiigeiij)|^ 
die  reaktionären  Sanfediaten  fanatischer  und  grausamer  wqrden^])!^ 
SeUrreichischen  Truppen  erschienen  sogar  in  manchen  StVdten  al|  £0^. 
tsr  gegen  die  Sehandtbaten  der  klerikalen  Farthei.  Das  l^eUtCe  be- 
reitete aber  auch  den  Sture  Bernetti*s  Tor.  Er  basste  das  dsterreio^^li^ 
Uebergewicbt  im  Kirohenstaat  und  suchte  die  FranaoseUt  welche  ii^^j^* 
Üch  Ancona  besetzt  hatten,  als  Oegengewicht  an  benuiien.  £r  n^edia 
iber  nach  einer  Reibe  von  Intrigoen  seine  Stelle  dem  unbeugsaa«.|| 
Rsktionären  Lambrusebini  überlassen,  unter  dem  der  Kircbenstaiit 
n  TiHfiger  Anarchie  und  Haltlosigkeit  gebracht  und  dan  Wühlereien 
av  llasiinieten  preisgegeben  wurde. 

Eine  Wohltbat  jedoch  eraeugte  fUr  Italien  das  Memoraskduia 
ud  die  darin  ausgesprochenen  Anaiehiea  der  fUof  Mächte«  Es  er- 
Wb  sich  bald  nach  dieser  Zelt  zwischen  den  sieh  kämpfenden  eoLtre* 
nen  Parteien  eine  Gesellschaft  der  gemäsaigtea  liberalen  und  wehren 
PoitachrittsoEiänner,  welche  durch  das  Memorandum  ihre  moialisehe 
Kraft  erhielten.  Diese  Ftihrersehaft  der  geistigen  Bewegung,  düese 
Uaoner  yon  Charakter  und  überlegenem  Talent,  welche  in  hosaera 
2d'^  Mailand  besessen  hatte,  lieferte  jetzt  Fiemont,  das  yor  Alfteft 
ham  für  kalieniscb  gegolten  hatte,  das  jedoch  für  die  Zukunft  allein 
betifen  scheint  Italien  zu  retten.  Die  hauptaäcUichiten  Führer  dieser 
Partei  sind  Gioberti,  Balbo,  Azeglio,  Dnrando,  zu  weleben  der  Ter* 
faflttr  nicht  mit  Unrecht  noch  die  Geachichtscbiieiber  Farini,  Gual* 
teilo,  €k>lletta  nnd  Pahmeri  zählt  Die  Partei  hatte  noch  k^in  ber* 
rtiniat  üusge^irochenes  Programm  und  keinen  Führer  für  eine  toi- 
ber^ete  That,  die  sich  allerdings  auch  nicbt  mit  einer  gemässigten 
UheraUtät  verträgt.  Im  Gegentheil,  die  Meinungen  d0l  bekannten 
Sduiflsteller  gingen  ziemlich  weit  auseinander;  aber  an  ihren  Ter* 
Khiedenen  Prüflingen  r^te  sich  das  Urtheil  der  Menge  nnd  WSfde 
«Hetzt  aueh  der  Yentand  der  höchststebenden  gehUdel.  flie  weil* 
teinicfat  umstürzen,  sondern  an  das  Alte,  längst  bestebend^  ^Ar- 
bsHend  anknüpfen,  obgleich  sie,  wie  das  bei  der  Beformation  im 
1«.  Jahrhonderts  auch  der  FaU  war,  durch  den  hartnäckigen  Wider- 
Httd  und  das  fanatlsobe  Festhalten  der  reaktionäreB  Partei  au  der 
Ccberaeugong  gebracht  wurden,  dass  das  Alte  jeder  Entwicklung 
oad  Yeibeesening  widerstrebe  nnd  der  Lebensfähigkeit  entbehre. 
Qioberti,  der  zuetat  mit  seinem  Primate  auftrat,  stellte  darin,  gegen 
^  Ueberzengnngen  und  Esfahmngen  der  Italiener,  den  Satz  auf, 
^  Nichts  gegen  den  Pnpst  oder  ohne  den  Papst  geschehen  dürfe» 
<«  es  lasse  sich  nichts  wahrhaft  Gates  durchführen,  wenn  ea  niebt 


iM         Seybt:  fticliard  tfeber  Wrightouf,  Geieh.  d.  neaen  luUeas. 

fermittelst  des  Papstthoms  geschehe.  Mit  grosser  Beredsamkeit  er« 
mahnte  er  die  Italiener,  die  eben  unter  Gregor  XVL  und  Lambrus- 
chhii  seufzten,  die  päpstliche  Autorität  als  das  grosse  Werliseug  so- 
cialer und  politischer  Wiedergeburt  zu  betrachten,  als  eine  wohlthi- 
"^ge  und  Eintracht  stiftende  Macht,  welche  die  Freiheit  heiligen  und 
^n  Uebermuth  im  Zaum  halten  sollte.  Durch  die  Aussöhnung  da 
fiOrsten  und  des  Volks  sollte  ein  starker  Bund  gestiftet  werden, 
desl^  Oberhaupt  der  Papst  seüi  sollte.  Wenn  dieses  Werk  6io^ 
feerü  ä  ^^'i^^^  *Q  <Jw  Zeit,  worin  er  es  schrieb,  mehr  Aehnlichkel 
tnU  Ult^^S^"  Träumen  als  mit  einem  auf  genaue  und  klare  Beobadir 
tung  ^^g^^^^^^^^  System  hat,  so  hat  er  doch  zuerst  die  öffentlicbi 
Melou^^  £11  der  Ueberzeugung  zu  bringen  gesucht,  dass  gewaltsam 
^^^l^onäre  Veränderungen  in  sich  den  Keim  der  Hinfälligkeit  tra 
.^„  ^nd  daBs  die  Unabhängigkeit  nur  durch  eine  einheitliche  An 
glf^guDg^  zu  der  alle  vorhandenen  Interessen  sich  aussöhnen  un 
>4iiaiiimenwirkeD,  errungen  werden  kann. 

Der  Graf  Balbo  stimmte  dem  ^grossen  Gedanken^  Gioberü! 
Wj  eioen  Staatenbund  als  die  Grundlage  aller  künftigen  Verbessi 
Hingen  zu  halten,  und  bezeichnete  auch  die  Aussöhnung  der  Inti 
ressen  der  Fürsten  und  des  Volks  und  die  Bildung  eines  politisclis 
und  Handelsbundes  als  das  Mittel,  durch  welches  das  Gedeihen  un 
die  Würde  der  Nation  wieder  hergestellt  werden  könnte.  Aber  < 
wich  in  dem  Gedanken  einer  päpstlichen  Hegemonie  schon  weit  yo 
demselben  ab  und  bestritt  ihn.  Die  folgenden  Schriftsteller  ginge 
noch  weiter  und  griffen  die  weltliche  Regierung  des  Papstes  in  ein< 
Weise  an,  dass  der  Gedanke  einer  Leitung  der  politischen  und  sc 
cialen  Geschicke  Italiens  durch  den  Papst  immer  unhaltbarer  wurd( 
Auch  Gioberti  sah  seinen  Irrthum  ein,  wie  aus  seinen  spätem  Schril 
ten  hervorgeht. 

Die  meiste  und  beste  Wirkung  machte  Azeglio's  Casi  di  tU 
magna.  £r  schildert  mit  Wahrheit  und  Mässigung  die  Beschwerde 
und  Leiden  der  Bewohner  des  Kirchenstaats,  die  Täuschungen  uo 
die  immer  drückendere  Verschlimmerung  der  geistlich-weltlichen  Mist 
regierung,  die  von  den  fünf  Mächten  empfohlenen  Beformen  no 
die  Ausflüchte  und  Zögerungen,  durch  welche  dieses.  Einschreite 
fruchtlos  wurde.  £r  beklagt  die  fortwährende  Ausschliessung  de 
Laien  von  der  Verwaltung  der  weltlichen  Angelegenheiten,  die  Vei 
folgungen  aus  Parteigeist  durch  Hülfe  einer  corrupten  Polizei ,  o^ 
▼iler  Gerichte  und  einer  feilen  und  zuchtlosen  Soldateska,  die  4^ 
wahren  Ursachen  häufiger  Aufstände  sind.  Die  massvolle  Haltuij^ 
dieses  Werkchens,  wdches  keinen  revolutionären  Geist  atbmelj 
keine  bestehende  Regierung  bedrohte  und  keine  Verletzung  von  Vei 
trägen  forderte,  sondern  an  die  von  den  Grossmächten  Europa's  -df 
römischen  Curie  ertheilten  Rathschläge  erinnerte  und  Abhülfe  gegei 
Missstände  forderte,  deren  Vorhandensein  allgemdn  anerkannt  wai 
braclite  einen  tiefen  Eindruck  hervor.  Alle  Liberale  sehaarten  sid 
«m  den  berühmten  Führer  and  bearbeiteten  in  seinem  Sinn  die  Ideei 


Seybi:  Ucted  Reb«r  Wrikkloili,  BUfk.  L  BMei  Italku.         tm, 

rmMBMgv  Befonn«o.  Diese  Ideen  dra&geo  ao|r«r  la  die  KttAa, 
md  eia  gHlckUchefl  Oeacbick  fOgte  es,  daes  einer  der  wlmgten 
Verehrer  ron  Reformen,  der  das  offenste  Hers  für  alles  Gute  and 
Grosse  und  för  das  Glück  seines  Volkes  hatte,  Papst  Pias  IX.  wurde. 

Wie  Pias  IX.  regierte  nnd  kämpfte,  swiscfaen  dem  kirchlichen 
oad  weltlichen  Interesse  stand  und  das  Mittel  der  Aussöhnung  bei- 
ier  vergebens  soehte,  wie  er  dem  starren  Mönchthom  sa  Tiel  nach- 
gab nnd  dann  darin  unterging,  ist  der  Inhalt  der  zweiten  Hälfte  des 
Werks.  Diese  Jahre  von  1846—50  scheinen  mir  nicht  nach  ihrer 
Jansen  Wichtigkeit  gewürdigt,  noch  das  daraos  au  Lernende  genug 
kerrorgehoben  an  sein.  Die  Regierungsgeschichte  Pins  IX.  beweist 
Hei  mehr  als  die  der  vorhergehenden  Päpste  in  unserm  Jahrhundert 
ile  unabweisbare  Nothwendigkelt,  das  weltliche  Regiment  gana  nnd 
Rlr  Immer  von  dem  kirchlichen  su  trennen.  Wenn  weltliche  Fürsten 
ron  schlechten  oder  unfähigen  Ministem  berathen  werden,  oder  seihet 
nicht  die  wohlwollendsten  Absichten  oder  die  nöthige  Einsicht  in 
Betreff  ihrer  Pflichten  haben,  so  können  Fehler,  Unordnungen,  selbst 
Verbrechen  geschehen,  die  ihren  Grund  In  einseinen  Persönlichkeit 
ten  haben,  mit  ihnen  verschwinden,  oder  durch  eine  geringe  Ao*- 
Mrengnog  beseitigt  werden.  Wenn  aber  der  beste,  mildeste  und 
Mgeklärteste  Fürst  gehindert  wird,  seinem  Volk  eine  vernünftige 
bd  gerechte  Staatsverfassung  zu  geben,  bloss  weil  er  an  ein  Prin- 
lip  gekettet  ist,  das  jedes  freie  Streben,  jeden  geistigen  Fortschritt, 
Me  unabhängige  Blüthe  rein  menschlicher  Thätigkeiten  verbietet 
md  unterdrückt,  so  lässt  sich  nur  sweierlei  gewärtigen,  was  auch 
m  dem  jetsigen  Stadium,  für  Italiens  Glück  vielleicht  viel  au  spät, 
riagetreten  ist:  die  öffentliche  Meinung  in  ganz  Europa  verdammt 
Be  falsche  Anwendung  dieses  Princips  auf  das  Staatsleben  nnd  be- 
Umpft  sie,  vorerst  in  Congressen  und  durch  Memoranden,  wdl  sie 
He  allgemeine  Ordnung  stört,  und  im  Innern  Italiens  bereitet  sich 
ÜB  noch  viel  verderblicherer  Kampf  gegen  das  Princlp  selbst  vor, 
wobei  Religion  und  Sittlidikeit  in  die  grösste  Gefahr  kommen. 

Das  Misslingen  der  Mission  Plus  IX.  ist  nicht  in  seiner  Regie- 
nngsweise  zu  suchen,  sondern  in  der  seiner  Vorgänger  seit  1814, 
toter  welchen  der  Ultramontanismus  und  Jesuitismus  sein  altes  An- 
Mhen  wieder  erlangt  und  seine  Macht  scheinbar  für  die  Ewigkeit 
festgestellt  hatte.  In  dieser  Hinsicht  scheint  mir  die  Uebersicht  des 
Verfassers  zuweilen  zu  gedrängt.  Besonders  die  lange  nnd  unselige 
Regierung  Gregor's  XVL,  unter  welcher  alle  Keime  zu  dem  nach* 
uallgen  Unglück  Italiens  üppig  aufgingen,  ist  auf  10  Selten  abge- 
nacht,  während  der  Verfasser  fast  3  Seiten  verwendet,  um  das  Be- 
'.ehmen  der  englischen  Regierung  in  Betreff  SIciliens  1814  zu  ver«- 
Aei^en.  Er  geht  femer  in  viele  Ereignisse  zu  wenig  ein,  um  den 
Zusammenhang  mit  spätem  anschaulich  zu  machen.  Man  wird  nicht 
fiberzeugt  von  der  nothwendigen  Erscheinung  und  dem  Ursprung 
BBsncher  Thatsachen  aus  Plus  IX.  Regierung;  am  wenigsten  aber 


wM  diejdnig^  EMte  des  Innern  Yolkriebens  klar,  in  ifrddiet  der 
lettto  Princlpienktnipf  wurzelt.  K.  Iftutli. 


Luigi  Carlo  Farini,  la  Diplomasda  e  la  Quistione  itüliana. 
Lettera  al  Sign/or  GugL  Qladsione.     Torino  1856. 

Seit  den  drelaiger  Jahren  beschäftigen  sich  die  gebildeten  Ita- 
liener, unabhängig  neben  den  tiberspannten  Ansichten  nnd  denirie- 
derholten  VersehwOrungen  der  Sekten,  mit  der  Lösung  der  Frage, 
wie  auf  IHedliohem  Wege  die  politischen  Zustände  ihres  Landes  rer- 
bessert  werden  kOnnten.  Die  Werke  über  diese  Frage  sind  sdion 
SU  einer  ansehnlichen  Bibliothek  herangewachsen;  wir  erinnern  nur 
beiläufig  an  die  Namen  Gioberti,  Balbo,  Aaeglio,  Dnrando,  Mamiani, 
Oaleotti,  Capponi«  Die  Frage  wird  immer  dringender  und,  je  länger 
hinausgeschoben,  desto  gefährlicher.  Sie  ist  in  der  letzten  Zeit  in 
ein  neues  Stadium  getreten,  denn  sie  ist  ror  das  Forum  der  öffent- 
lichen Meinung  in  ganz  Europa  gezogen  worden,  nnd  weicher 
Umschwung  der  Ideen  in  den  dreissig  letzten  Jahren  vor  sich  ge- 
gangen ist,  beweist  die  Sprache  in  der  Aprilsitzung  der  letzten  Pa- 
riser Conferenzen  im  Vergleich  zu  der  Sprache  auf  dem  Laibacher 
Congress.  Wenn  man  früher  hauptsächlich  eine  mangelhafte  Gon- 
stitution  in  Italien  verlangte,  so  ist  man  jetzt  tiefer  gegangen  und 
sucht  den  Grund  des  Uebels  in  dem  überwiegenden.  Alles  hemmen- 
den Einfluss  Oesterreichs.  Unabhängigkeit  von  diesem  gefährlich- 
Bten  Feind  Italiens  ist  die  Losung  bei  jedem  Aufstand,  das  Endilel 
aller  politischen  Betrachtungen.  Sie  ist  es  auch  bei  der  gegenwar- 
tfgen  Schrift,  die  natürlich  von  allen  Blättern  österreichischer  uod 
ultramontaner  Partei  schlecht  empfangen  worden  ist 

Nach  der  letzten  Revolution  seufzten  die  italienischen  Y51ker 
wieder  sieben  Jahre  unter  dem  Druck  derselben  Fürsten  und  Re- 
gerungen,  die  sie  gerade  hatten  abschütteln  wollen.  Es  schien  bet- 
nahe alle  Hoffhung  zu  Reformen  verloren,  als  plötzlich  die  weet- 
mächtlichejn  Diplomaten  ihre  Ansicht  von  Italien  änderten  und  er- 
kannten, „dass  die  Italiener  eben  so  gut  wie  die  Türken  ein  Recht 
hätten  christlich  regiert  zu  werden.^  Dies  schien  dem  Verfasser  die 
Gelegenheit  die  Wahrheit  Aber  die  Lage  Italiens  zu  sagen,  um  dne^ 
selts  allen  trüglichen  Schilderungen  derer  zu  begegnen,  die  von  der 
Reaktion  Gewinn  ziehen,  andrerseits  diejenigen  zur  Besonnenheit  ca 
«rmahnen,  die  in  ihrer  übertriebenen  Hoffnung  auf  die  Hülfe  der 
Westmädito  bei  der  ersten  Enttäuschung  wieder  zu  verzweifeltes 
Mitteln  greifen  könnten.  Det  Verf.  fürchtet  indessen  die  Gelegen- 
heit mödite  wieder  fruchtlos  verloren  gehen,  denn  die  westmächt- 
nAe  Diplomatie  scheine  ihm  in  den  Kampf  getreten  zu  sein  ohne 
klare  Absicht  und  ohne  den  festen  Entschluss  «in  vorher  überiegtei 
Ziel  zu  erreichen, 

W^BÜewski  hatte  im  Congress  gesagt,  der  Kirchenstaat  befinde 
sich  in  anormalem  Zustand,  da  er,  um  sich  zu  halteui  fremde  Trup* 


Ftrhi:  li  DfplMiah  6  k  Qobli«»  MinA  ||f 

pM  iiSdiig  liäUe,  wotu  Clarendon  zufügte »  das  VermUia(«i|fr 
lim  dea  rtoiaehen  Staate  kdoae  Oelahrea  biiofeii,  die  der  CQ^gteee 
beBeitigen  möeee,  wenn  er  niebt  für  die  fiereliitioii  arbeiten  woltar 
Eeiiier  der  andern  Gesandten  Uagnete  die  Uebel,  Gefahren,  die 
Notbwendigkeit  au  heilen,  keiner  Übernahm  die  Vertbeiditonir  i^ 
geisüichen  Regimente,  selbst  der  österreiehisehe  nicht  Was  die  G«t 
Bsndten  des  Ck>Bgre8ees  über  Rom  sagten,  dasn  kamen  sie  auf  nar 
tfirtichem  Weg  durch  die  fremde  BesaUrong.  Für  ihren  Ausflpruch 
über  Neapel  nnd  Ihren  Vorschlag  einer  Ermahnung  an  die  dortige 
Regierang  oder  gar  einer  InterTcntion  hatten  sie  aber  keinen  Be^ 
wfggrund,  der  auf  die  Traktate  gegründet  wäre. 

Durch  ihren  Ausspruch  erregten  sie  aber  die  grdsste  Erwartungi 
Furcht  und  Hoffnung.  Man  erwartete,  dass  sie  auch  die  Mittel  be^ 
wx  hätten  ihren  Ermahnungen  Nachdruck  au  geben  nnd  ihre  rero^ 
iQüODsfeindlichen  Absichten  zu  erreichen.  Man  konnte  nicht  denr 
ken,  dsss  sie  eine  Regierung  ihren  alten  Gang  geben  Hessen,  die 
Mcb  ihrem  Ausspruch  vom  rechten  Weg  verirrt  war,  Unruhen  Ter* 
snlasite  und  die  Demagogie  begünstigte.  Man  konnte  nicht  glao* 
beo,  dass  die  Westm&chte  durch  die  blose  Aensserung  ihrer  wolil* 
wollenden  Absichten  und  durch  ihren  herben  Tadel  gegen  die  nea«> 
|»olitsnische  Regierung  allein  das  Volk  zur  Rhhe  au  bringen  hoffiten. 
Jetst  nach  dem  Verlauf  yon  mehreren  Monaten  sieht  man  keine 
einzige  gute  Wirkung  einer  so  ungewöhnlichen  Sprache.  Diese  wird 
iu  Gegentheil  immer  gem&ssigter,  nnd  die  Hartnickigkeit  der  An«- 
geUagten  ist  gleichsam  eine  Beleidigung  gegen  die  Würde  der  Aa- 
Uäger,  and  die  Völker  Italiens  glauben  sich  wieder  von  England 
«nd  Frankreich  betrogen  zu  Gunsten  Oesterreichs. 

In  Neapel  sind  drei  furchtbar«  Regierungssjsteme  mit  Meineid^ 
Hsbeuchi,  Bestechlichkeit  und  Grausamkeit  auf  einander  gefolgt. 
Die  Diplomatie  verlangt  jetzt  weiter  nichts  als  die  Befrtinng  Poerlo's 
«od  einiger  andern  Ehrenmänner  und  einige  Milde  im  Justizwesen. 
Ist  dies  eine  Genngthuung  für  die  tansend  andern  Unschuldigen? 
Warom  verlangt  man  nicht  Einrichtungen,  in  denen  EhrepmSnner 
übtthaupt  ezistiren  können?  Warum  spricht  man  nicht  von  den 
öieaehi  in  den  Gefängnissen  und  Galeeren,  von  dem  Schandfleck 
i«t  Gorruption  von  oben  bis  unten?  Und  wenn  man  alle  GeOngr 
Bitte  und  Galeeren  von  den  politischen  Eingekerkerten  leerte,  so 
k'teu  keiner  mehr  ehrlich  in  dem  Lande  leben.  Diejenigen  irren 
zberaueh,  welche  glauben,  mit  der  Constitution  von  1848  wäre 
geiiotfen.  Denn  zum  ruhigen  Zusammenleben  von  Regierung  und 
Volk  gdiört  Vertrauen.  Hier  wäre  aber  sofort  überall  der  Verdacht 
^M  tags  und  Trugs  und  der  Gewaltthätigkeit  lebendig.  Die  frühem 
Henker  mit  ihren  irunknen  Lazzareni,  Angebern,  Stelleojiigeam  bX« 
nea  gleich  wieder  zum  Vorschein.  Aecht  constitutionelle  Minister 
i^den  bsid  wieder  im  Kerker  sitzen,  und  die  alte  Anarchie  und  der 
I^^ipotismus  herrschen.  Und  wenn  es  schon  schwer  wäre  einen  Fer« 
<aüd  zu  eber  bessern  Bcfl^erung  nu  bekehren  i  so  wäre  ea  noch 


IM  Parinl:  M  Dipfomtik  6  U  Qalition«  ittlfiiia. 

Tiel  schwerer  sein  Volk  von  seiner  wirklichen  Bekehrnng  m  über^ 
sengen.  Denn  Neapel  nnd  noch  mehr  SIcilien  hat  Grand  genug 
königlichen  Versprediangen  nnd  Eiden  nicht  zu  trauen. 

Wenn  also  die  erste  Arbeit  der  Westmächte  in  Neapel  wSre, 
eine  ehrliche  nnd  vertrauenswürdige  Regierung  zu  schaffen,  so  wäre 
das  nächstwichtigste,  dass  in  Neapel  nnd  Sardinien  ein  System  der 
Nationalpolitik  hergestellt  würde.  Neapel  war  bisher  von  Italien 
gleichsam  getrennt,  und  dies  war  der  Orund  der  österreichen  Prä- 
potenx,  die  jetzt  den  Westmächten  zu  denken  gibt,  weil  sie  das 
italienische  und  auch  das  europäische  Gleichgewicht  bedroht.  Diese 
Präpotenz  wäre  nicht  möglich,  wenn  die  zwei  grössten  Mächte  Ita- 
liens den  Schutz  der  Unabhängigkeit  der  kleinem  übernähmen.  80 
würde  nach  dem  Verf.  Italien  ein  starker  Bund  werden,  der  nicht 
der  einen  oder  andern  Macht  anheimfiele,  „sondern  bei  einem  euro- 
päischen Krieg  den  Ausschlag  geben  könnte.^ 

Es  wird  Niemand  in  Zweifel  stellen,  dass  diese  Pläne,  wenn 
sie  je  einmal  ins  Leben  treten  werden,  ein  grosses  Hindemiss  der 
glücklichen  Entwicklung  des  italienischen  Volks  wegräumen  würden. 
Eine  gute,  offne,  ehrliche  Regierung  in  Neapel  und  ein  nationales 
Bündniss  zwischen  Neapel  und  Piemont  zu  Bewahrung  der  Unab- 
hängigkeit Italiens  und  zum  Schutz  der  kleinem  Staaten  gegen  alle 
schlimmen  Einflüsse  wären  zwei  Tortreffliche  Dinge.  Aber  der  Vor- 
schlag leidet  an  demselben  Gebrechen  wie  fast  alle  übrigen,  die  seit 
1880  von  allen  Doktrinären  gemacht  wurden.  Farini  erwartet  auch 
alles  Heil  vom  Ausland.  Er  verlangt,  dass  die  auswärtigen  Mächte 
die  Mittel  zur  Herbeiführang  besserer  Zustände  in  Italien  ins  Werk 
setzen  sollen.  Italien  hat  bei  allen  solclien  Versuchen,  wobei  die 
Fremden  ihre  Interessen  und  ihre  Kräfte  einsetzten,  über  Treulosig- 
keit, Verrath  und  Betrug  derselben  geklagt,  während  eigentlich  die 
Fremden  von  dem  italienischen  Volk,  von  dessen  Verständniss,  Kraft 
und  Einigkeit  sie  sich  eine  irrige  Vorstellung  machten,  sich  getäuscht 
nnd  betrogen  sahen.  Wie  soll  man  eine  ehrliche  Regierung  einem 
Volk  aufpfropfen,  das  sich  seit  undenklichen  Zeiten  geistliche  und 
weltliche  Tyrannei,  Lug  und  Trug,  Spionirerei,  Grausamkeit  nnd 
Schlechtigkeiten  aller  Art  in  seiner  grossen  Mehrheit  ruhig  gefallen 
lässt  nnd  das,  wenn  es  seine  politische  Erniedrigung  erkennt,  nur 
noch  tiefer  zum  Ränberleben  und  zur  Auflösung  aller  Sitten  und 
Gesetze  herabsinkt.  Die  Regierungsorgane  müssten  doch  aus  dem* 
selben  Volk  genommen  werden,  das  immer  in  solcher  Auflösung 
geschildert  wird;  es  müsste  sich  also  immer  dasselbe  Resultat  wie» 
derholen.  Wenn  man  aber  die  sämmtlichen  Verbesserungsvorschläge 
der  Italiener  durchgeht,  so  findet  man,  dass  von  den  wenigsten  die 
Grundlage  aller  Reformen  erkannt  wird,  dass  das  Volk  erst  besser 
werden  muss.  Und  wie  dies  nach  und  nach  zu  erreichen  sei,  durch 
welche  Mittel  die  Denk-  und  moralische  Kraft,  die  Thätigkeit  des 
Geistes  nach  allen  Seiten  hin  und  ohne  Beschränkung,  die  Befrei- 
ung der  Gewissen  aus  der  stumpfen  Trägheit  mit  Erfolg  vorzabe*- 


Ftriiili  ia  DSplomiiia  e  la  Qvbtione  italiava.  165 

reiteD  seien,   kdooten  die  Italiener  doch  einstweilen  Ton  PiemonI 

In  Bemg  anf  den  Kirchenstaat  ist  aber  die  Diplomatie  bisher 
gm  in  einem  Labyrinth  von  Fehlem  herumgeirrt  Es  beweist  kdne 
grosie  Weisheiti  immer  die  nSmIichen  Aoskunftsmittel  Torsaschlagenj 
mit  denen  man  schon  mehrmals  schlecht  gefahren  ist,  wenn  man 
doeh  die  Ueberseagnng  hat,  dass  man  snletst  andere  Wege  ein- 
Bchlagen  mosa.  Die  Diplomaten  sagen,  die  Regierung  des  Papstei 
bedorre  Reformen,  die  Klerisei  sagt  entweder  es  sei  nicht  wahr,  oder 
sie  kSane  sie  nicht  vertragen.  Man  hat  seit  1814  mehrmals  Re- 
foimea  dringend  Torgeschlagen,  aber  die  Sache  immer  nur  mit  dem 
Kleras  abgemacht,  für  das  Volk  geschah  nie  etwas. 

Die  seitlicbe  Herrschaft  des  Papstes  kann,  nach  dem  Ausspruch 
der  JesaiCen,  sich  nicht  mit  den  neuen  Lebensformen  yersöhnen, 
ofaoe  der  getetUchen  su  schaden.  Der  Verf.  meint,  demnach  müsse 
^  Logik  lehren,  dass  jene  aufhören  müsse,  wenn  es  wahr  Ist,  dasi 
die  Regierungen  der  Völker  wegen  da  sind  und  nicht  umgekehrt  Im 
Gegentheil  aber  behaupte  Rom,  dass  die  geistliche  Herrschaft  nichl 
frei  sein  könnte  ohne  den  Schutz  und  die  Zierde  der  weltlichen,  und  so 
miMe  für  das  geistliche  Wohl  sämmtlicher  Katholiken  3  Millionen 
ItaiieDer  das  zeitliche  Uebel  ertragen.  Aber  die  Oeschicbte  wirf( 
auch  jene  Behauptung  um.  Die  Kirche  stand  fest  auch  nach  dem 
Vertrag  von  Tolentino,  und  der  grösate  Eroberer  beruhigte  sich  nicht 
^r  als  bis  er  vom  Papst  gekrönt  war.  Viele  andere  noch  kleinere 
Staaten  als  der  römische  erhalten  sich  auch,  denn  diese  erhält  und 
▼ertbeidigt  das  öffentliche  Recht,  nicht  aber  die  Gewalt,  die  übrigens 
in  Rom  nicht  einmal  Torhanden  ist.  Es  scheint  aber  vielmehr,  dass 
je  kleiner  der  seitliche  Staat  der  Kirche  wäre,  sie  um  so  freier  und 
sidierer  wäre.  Selbst  der  Trost  den  man  den  römischen  Untertha- 
nen  gibt,  dass  sie  zum  Besten  der  Religion  die  Opfer  der  politischen 
Freikeit  und  eines  geordneten  Zustandes  brhigen  sollten,  macht  we- 
nig Wirksamkeit;  denn  nirgends  ist  der  Unglaube  grösser  und  weiter 
▼erbreitet  als  im  Staat  der  Kirche. 

Niemand  mehr  als  die  Jesuiten  hält  Verbesserungen  in  Rom 
far  UDoöthig  und  den  Kirchenstaat  für  gana  glücklich.  Sie  sagen 
Mich  das  ganze  Land  sei  verdorben,  voll  Raub-  und  Mordthaten 
VBd  schlechter  Sitten ,  aber  dies  sei  ja  eben  die  Frucht  der  neuen 
Doktrinen,  nicht  der  kirchlichen  Intitute.  Sie  bedenken  nicht,  dass 
die  Geistlichkeit  von  jeher  die  religiöse,  bürgerliche,  politische  und 
Eniehnngsgewalt  besitat,  dass  die  Laien  nichts  sind,  die  Oeistlichen 
Alles,  Apostel  und  Liktoren,  Erzieher  und  Beichtväter,  Regierer  und 
Inquisitoren,  Lehrer  und  Richter,  Censoren  und  Sergeanten,  dass  sie 
du  Inquisitions-  und  hundert  andere  Tribunale,  eigne  und  fremde 
Soldaten  haben,  dass  sie  also  gans  allein  verantwortlich  für  die 
jetzigen  Zustände  sind.  Der  Verf.  führt  die  ganse  traurige  Wirth* 
"f^  an  emer  Reihe  von  Beispielen,  Fakten  und  Dokumenten  auf, 
die  Jedem,  der  einen  gesetslichen  Zustand  gewohnt  ist,  die  Haare 
ittabea  machen,  worin  wir  ihm  aber  hier  nicht  folgen  können. 


186  Farini:  la  Dipfomtiia  e  Tu  OuiatioiM  iialiana. 

Farini  ist  mit  der  neuen  Geschichte  des  Kirchenstaate  TOllkonH- 
men  vertraut ,  das  beweist  sein  vortreilliches  Werk:  La  Stato  ro* 
mano.  Er  bekleidete  als  Prälat  hohe  Posten  in  der  Regierung,  war 
eine  Zeitlang  Sekret&r  des  Ministeriums  des  Innern,  und  Ton  Pius  mit 
einer  wichtigen  Sendung  nach  Turin  betraut  worden.  £r  kennt  alle 
Fäden  des  Netzes,  womit  die  reaktionäre  Partei  alle  Yersttche  aa 
einem  vernünftigen  Leben  hinabdrückt  und  lähmt;  er  kennt  die  Per- 
sonen dieser  Partei  selbst,  weiss,  was  sie  versucht,  was  sie  vermaR 
und  auf  was  sie  sich  stützt.  Er  ist  gana  auf  dem  rechten  We^, 
wenn  er  behauptet,  dass  mit  irgend  geringfügigen  Mitteln 
die  Ordnung  in  Rom  hergestellt  und  erhalten  werden  könne, 
ehe  man  an  die  Erweiterung  der  Regiernngsinstitute  in  den  Gemeixi- 
den  und  Provinxen  denkt,  man  doch  endlich  erkennen  sollte,  dasa 
im  römischen  Staat  sogar  die  Elemente  des  bürgerlichen  Leben« 
fehlen,  und  dass  die  fehlerhafte  Einrichtung  des  geistlichen  Regi- 
ments nicht  mit  Palliativmittehi  gebessert  wird.  Die  Westmächto 
reden  von  Reformen  in  den  Gesetzbüchern.  Wenn  sie  aber  nicht 
das  Inquisitionsgericht,  die  bischöflichen  Gerichte,  die  priviiegirten  Ge- 
richte, die  Bruderschaften,  die  Immunitäten  und  die  hundert  Ana- 
nahmsgerichte  vertilgen,  und  die  ersten  Bedingungen  des  Staatale^ 
bens,  Gewissensfreiheit,  Gleichheit  vor  dem  Gesetz  und  Sicherheit 
schaffen  können^  so  lange  ist  alles  Gerede  von  Reformen  ein  un- 
nützer Zeitvertreib.  Dem  Laien  ist  jeder  Weg  zu  Ehren  und  Wür- 
den und  Aemtern  verschlossen;  er  kann  sich,  und  wenn  er  das 
grösste  Genie  ist,  höchstens  in  den  untern  Anstellungen  hernmtrei- 
ben,  die  wissenschaftliche  Beschäftigung  aber  wird  ihm  von  der  Tiel- 
köpfigen  Gensur  gründlich  vertrieben.  Man  sagt  freüicfa  dem  Kla- 
genden, er  könne  ja  Priester  werden,  spricht  aber  damit  gerade  das 
Verdammungsurtheil  über  das  ganze  klerikale  System  aus;  denn 
dieses  Privilegium  verletzt  die  Gerechtigkeit,  die  Moral,  die  Literes- 
sen der  Familien  und  des  Staats,  thut  dem  Beruf  Gewalt  an,  näfait 
die  Heuchelei  und  die  Unzufriedenheit.  Auf  was  soll  sich  der 
Ehrgeiz  der  Jugend  richten,  wenn  er  gerade  nicht  versucht  ist,  die 
priesterlichen  Ehren  und  Gewinnste  zu  theilen?  Das  Gegenatück 
dieser  Privilegien  sind  Sekten  und  Verschwörungen. 

Die  Westmächte  haben  schon  öfters  Reformen  verhingt;  die 
Staatssekretäre  gingen  in  Zelten  der  Bedrängniss  darauf  ein,  aüeia 
die  Dekrete  waren  so  abgefasst,  dass  die  ganze  Verbesserung  eine 
Täuschung  war,  und  sie  wurden  im  ersten  freien  Augenblick  unter 
dem  Schutz  fremder  Bigonette  wieder  umgestossen.  Der  Verfasser 
achliesst  daraus  ganz  richtig,  dass  es  nur  eine  kindische  Beschäfti- 
gung ist,  eine  mehr  oder  weniger  weite  Gesetsforai  über  die  Ge- 
meinden und  Provinzen,  das  Finanzwesen  oder  den  Staatsrath  faeravs- 
Buspekuliren,  wenn  man  nicht  vorher  das  Mittel  gefinden  hat,  den 
Völkern  die  bürgerliche  Toleranz,  die  bürgerliche  Gleichheit,  die 
öffentliche  Sicherheit  und  die  Befähigung  Aller,  s^n  sie  Laien  eder 
Geistliche,  zu  allen  Aemtern  des  Staats  an  garantirea.    Sefemiei 


Eefler:    Pfatloiophie  4er  Griecft««.  187 

ifl  dm  kleinen!  Staaten ,  sa^t  der  Verf.,  sei^n  wohl  lelebt  eu  be*- 
wtifateliigen.  Weon  die  WestmSchte  dafür  sorgten,  dase  die  Re* 
gieraogen  keine  Unterstützang  ron  Oesterreich  mehr  au  hoffen  hätteoi 
N  wfirde  daa  schon  geniigen  sie  nachgiebiger  an  machen.  Und  so 
kommt  er  am  Scfalnss  noch  einmal  auf  sein  eigentlidies  Thema,  den 
verderblichen  Einflass  des  österreichischen  Uebergewichts  anf  die 
Gestaltnng  dss  staatlichen  Lebens  in  Italien.  Er  geht  die  Hand- 
Inogeti  der  verschiedenen  Staatsmänner,  die  Traktate,  die  Verhand- 
hngen,  die  schlan  benntsten  ZallÜle  und  Gelegenheiten  seit  1815 
doreh,  nm  zu  aeigen,  dass  durch  Englands  und  Frankreichs  Ver- 
Qidilfissignng  nnd  Gleichgültigkeit  Oesterreich  jetzt  der  Gebieter  von 
int  ganz  Italien  geworden  ist.  Ueberall  wo  es  siegte,  wurden  die 
liberalen  Institutionen  in  aller  Eile  abgeschafft  und  seine  Herrschaft 
Ton  neuem  gesichert,  freilich  nur  über  die  Regierungen,  nicht  über 
die  Völker.  Die  Zustände  der  letztem  sind  ganz  wieder  dieselben, 
▼elehe  schon  so  Tiele  unglückliche  Aufstände  veranlasst  haben.  In- 
dem der  Verf.  schliesslich  im  Namen  Piemonts  die  Erklärung  gibt, 
dan  dieses,  dnrch  seine  freie  Verfassung  Innerlich  stark,  sich  nie* 
mafa  in  einen  leichtsinnigen  Krieg  mit  dem  mächtigen  Feind  bege- 
ben wird,  bezeichnet  er  den  Westmächten,  wenn  sie  sich  doch  mit 
dem  Schicksal  Italiens  beschäftigen  wollen,  als  die  dringendste  Auf« 
gäbe,  den  Ssterreichischen  Einfluss  zu  brechen,  damit  die  Regierun* 
gen  freiere  Institutionen  geben  können,  und,  es  mag  In  Italien  ge- 
ichehen  was  woUe,  jede  Intervention  zu  verbieten. 


Die  Philosophie  der  Griechen  in  ihrer  geschichtlichen  Entvnckelung, 
dargestellt  von  Dr.  Eduard  Zell  er.  Erster  TheiL  Allge- 
meine Einleitung.  Vorsokrafische  Philosophie.  Ztreite  völlig 
umgearbeitete  Auflage.  Tübingen,  Druck  u.  Verlag  von  Ludfc. 
Friedr.  Fues.     1856.     8.   VIIL  560. 

(Fortsetzung  dei  Aufsatzes  Nr.  9.) 

IL    Widerlegung    der   Gründe   Zeller's,    warum    dem 
Zableaprincipe   eine  materialistische  oder  mathema- 
tische Bedeutung  nicht  gegeben  werden  dürfe, 
während  Aristoteles  dies  offenbar  verlangt 

1«  Die  pythagoreische  Zahl  nicht  aQiQ'iiog  (lovccSixos. 

ZeUer  sathi  eine  realistische  AulSsssung  der  Zahl,  um  sein« 
MeaSatlsehe  Auffassung  derselben  als  eines  abstrakten  arithmetischen 
Prtadpes  zn  recbtflertigen,  zwar  mit  aller  Anstrengung  zurückzawei* 
att;  allein  dieselbe  ist  in  ihrsm  historischen  Dasein  so  aufdringlieh, 
te  sie  sMi  nirgends  ganz  abwdsen  lässt,  ZeUern,  der  sie  bekämpft, 
^  iUi  saÜMt  in  Widersprüche  verwickelt  wie  wir  gesehen  habesi 


188  ZeHer:    Pbflofopbie  dor  GrieoliMi. 

und  ihn  die  Thatsache  verkennen  llisst,  dass  die  pythagoreische 
Weltanechanung  in  ihrer  wahien  Bedeatang  nur  Yon  einem  mate- 
rialistischen oder  realistischen  Standpunkt  aas  erkannt  werden  kann. 
Zeller  nimmt  p.  249  den  Aussprach  des  Aristoteles  zu  wörtlich,  dass 
ein  Theil  der  Pythagoreer  die  Welt  aus  Zahlen  erklärt  hahe.  Er 
▼er wechselt  hier  den  apiS^fiog  [lovadixog  mit  dem  grvCixog,  und 
sacht  ausdrücklich  die  Ansicht  durchsuführen ,  als  bestehe  die  Welt 
nach  pythagoreischer  Meinung  aus  idealistischen  Zahlenmonaden. 

Wir  werden  daher  bei  den  Seiten  275  und  276  auf  die  Ge- 
nesis der  falschen  Zeller'schen  Ansicht  eingehen.  Voran  stellt  Zeller, 
in  vollkommen  richtiger  Würdigung  der  Zeugnisse,  das  des  Aristo- 
teles. Dieser  ist  aber  leider  nicht  seiner  Ansicht  über  die  Prind- 
pien  der  Pythagoreer;  denn  er  behauptet,  gegen  die  idealistische 
Auffassung  Zeller's,  eine  durchaus  realistische.  „Aristoteles  sagt,  die 
Pythagoreer  haben  die  Zahlen  als  Raumgrössen  behandelt^  Diese 
Ansieht  wird  jedoch  von  Zeller  nur  angeführt,  um  sie  tu  widerle- 
gen. Aber  wenn  wir  die  angeführte  Stelle  aus  der  Aristotelischen 
Metaphysik  genau  ansehen,  werden  wir  uns  nicht  wenig  wundem, 
zu  erfahren,  dass  Aristoteles  selbst  die  Zeller'sche  Ansicht  geradem 
als  eine  falsche,  nicht  pythagoreische  abweist,  „rov  yuQ  oXov  ovga-- 
vov  xataöxsva^ovötv  i^  aQiS'iuivj  nXriv  ov  fiovaäixävy  aUu 
rag  (wvääag  VTto^fißdvoxHJiv  ix^tv  iifysd-og,  on<og  dh  z6  jCQmtov 
hf  awdötrj  i%ov  (isyed'og^  ano^slv  ioCnaötv^^  sagt  Aristoteles  in 
der  von  Zeller  angeführten  Stelle  aus  dessen  Metaphysik  XUI,  6, 
13.  (Dazu  mag  man  die  in  Schwegler's  Ausgabe  der  Arist  Met 
Bd.  IV,  p.  314  angeführten  Parallelstellen  vorgleichen.  Arist.  Met 
8,  16  ff.  und  de  coelo  300,  a,  15.) 

In  dieser  Stelle  sagt  Aristoteles  klar  und  deutlich  ^  dass  die 
Pythagoreer  Welt  und  Himmel  aus  Zahlen  bestehen  lassen  (ß^  oqi^- 
fiäv  Tckriv  ov  fiovadvxfüv),  und  diesen  Principien  Grösse  zuschreiben. 
Zeller  sucht  im  Folgenden  dagegen  diese  Auffassung  zu  widerlegen, 
und  die  Auffassung  der  Zahl  als  ägid'iwg  (wvadixog  geltend  zu 
machen,  welche  Aristoteles  in  dieser  Stelle  so  nachdrücklich  aos- 
schliesst  Dass  dies  aber  geradezu  als  falsch  bezeichnet  werden 
muss,  geht  unzweideutig  aus  dem  ganzen  sechsten  Kapitel  des  drei- 
zehnten Buches  der  Metaphysik  hervor,  welches  fast  als  gegen  diese 
falsche  Aaffassung  der  Zahlen  geschrieben  bezeichnet  werden  kann. 
Aristoteles  will  daselbst,  wie  er  im  ersten  Sätzchen  sagt,  „untersu- 
chen, was  hinsichtlich  der  Zahlen  denen  begegnet,  welche  behaup- 
ten, sie  seien  getrennt  ezistirende  Substanzen  und  erste  Ursachen 
des  Seienden.*^  Dies  ist  aber  die  Auffassung  des  Plato  und  der 
pythgoreisirenden  Platoniker,  wie  aus  dem  Ganzen  hervorgeht;  und 
sie  zu  widerlegen  ist  eben  das  sechste  Kapitel  bestimmt  In  der 
ebenfalls  von  Zeller  citirten  Stelle,  XIII,  6,  16.  wird  wiederholt 
ausgesprochen,  dass  diese  einer  idealistischen  Auffassung  der  Zahlen 
angehangen  haben,  (lovadixovg  dh  tovg  aQtd'fuyug  slvui  xdvtsg 
ti^inat^  nkriv  t<ov  IJvdayoQeimvy  o<ro«  ro  Ih  ötol^^^  ^ 


Zeller:    Philotopbie  der  Grieelieii.  1B9 

ifjnif  %>aaiv  alvM  täv  ovr&v,  —  ixBlvo^  d'  Ixovxa  iiiyi^ 
^Bs^  na^muQ  sllfvitcu  xqizsQOv.*^  Wie  ist  ea  nun  sa  erkiSren, 
dm  Zeller,  trotz  dieser  gans  uoEweideotigen  Ansicht  des  Aristote- 
H  über  diesen  Ponkt,  dennoch  gerade  die  entgegengesetste  gegen 
ihn  SU  vertbeidigen  sucht?  Wie  ist  es  möglich,  mttssen  wir  fragen, 
dafls  Zeller  den  Pythagoreem  die  Zahlenprincipe  als  oQi^iKws  (lo- 
vttdix&ißg  soschreiben  konnte,  Ton  welchen  Ansichten  Aristoteles  an 
beiden  Stellen  die  Pythagoreer  so  gans  ausdrücklich  ausnimmt? 

Wenn  man  auf  die  Aristotelischen  Quellen  also  einigermasson 
Gewidit  legt,  darf  man  sich  nicht,  wie  Zeller  p.  275,  gegen  die  An- 
lieht erklären,  dass  sich  die  pythagoreischen  Grundbegriffe  sunfichst 
«loi  rinmliche  Verhältnisse  beziehen,  und  neben  dem  Arithmetischen^ 
oder  statt  desselben,  ursprünglich  schon  etwas  Geometrisches  oder  gar 
etvas  Körperliches  bezeichnen.^  Gerade  gegen  diese  Ansicht  ope* 
riit  Aristoteles;  gerade  von  dieser  Ansicht  nimmt  er  die  Pythagoreer 
sesdrücklich  aus;  dagegen  sagt  er  mit  nackten  Worten  in  der  von 
Zeller  angeführten  Stelle:  „Auch  die  Pythagoreer  wissen  nur  von 
Einer  Zahl,  der  mathematischen,  doch  lassen  sie  dieselbe  nicht  ge- 
trennt sein,  sondern  sie  lassen  ▼ielmebr  ans  ihnen  die  sinnlichen 
Sobstansen  bestehen.^  Diesen  Anfang  der  Stelle  dtirt  zwar  Zeller 
Sicht;  aber  es  ist  unmöglich  zu  denken,  dass  er  ihn  unterdrückt 
habe,  weil  er  seiner  Auffassung  widerspricht;  denn  er  ist  sogar  so 
ehriieh  gewesen,  die  widersprechende  Ansicht  in  den  Text  aufzuneh- 
uen,  um  sie  zu  widerlegen.  Ein  solcher  Verdacht  würde  um  so 
BBflimiiger  sein,  da,  wie  wir  gesehen  haben,  gerade  der  Verlauf  der 
SteUe,  den  er  anführt,  seine  eigene  Ansicht  Ton  der  pythagoreischen 
Zahl  als  falsch  erklärt.  Aristoteles  sagt  aufdrücklieb  yon  den  Zah- 
ho,  ans  welchen  Himmel  und  Erde  zosammengesetst  sein  sollen, 
wif£  itovaSccg  V7CokBi^aviyv6iv  ixuv  (idya^og.  Die  pythagoreischen 
Zahlenprincipien  haben  also  Grösse,  müssen  als  mathematisch,  ja, 
wie  wir  weiter  sehen  werden,  sogar  als  körperlich,  als  materiell  ge- 
dseht  werden.  Dass  der  aQi^itog  (wvaÖLXOg  ganz  yon  den  An«* 
ächten  der  eigentlichen  Pythagoreer  ausgeschlossen  werden  muss» 
haben  wir  hinlänglich  gehört,  die  Dinge  bestehen  i^  OQvd'i/bäv^  n^i(iß 
fni  ^üovwSixäv.  Von  dem  uQi^iios  (wvccdixog  sagt  aber  Schweglec 
in  Bemer  Anmerkung  zu  diesen  Stellen  (Bd.  IV,  p.  814),  dass  er 
den  Gegessatz  bilde  zu  dem  aQi^iios  fpuöiMog  (oder  öioiuctcxogi 
XI7,  5,  15,  16)  der  materiellen  und  mit  der  Eigenschaft  yer-^ 
waehsenen  Zahl;  und  die  letztere  Ist  die  pythagoreische  Zahl. 

S.    Die  pythagoreische  Zahl  als  agi^fiog  qyv6i,x6g. 

„Der  entscheidendste  Grund  gegen  die  bisher  besprochenen  An« 
»eilten  liegt,  wie  Zeller  p.  281  sagt,  im  Ganzen  des  pythago- 
rsiichen  Systems,  dessen  arithmetischer  Charakter  nur  dann  zu  be* 
Steifen  ist,  wenn  die  Anschauung  der  Zahl  als  solcher  s^nen  Aus« 
S»V¥UBki  gebildet  hat  WXre  00  «tatt  dewea  die  Betrachtung  des 


190  Zeller:    Philofopbie  der  driechen/ 

unbegreiuBteii  Stoffes  und  der  kleinsten  MaßseUf  tod  denen  es  au- 
ging;  80  müBSte  sich  hieraus  eine  mechanische  Physik^  nach  Art  der 
atomlstischen ,  entwickelt  haben,  wie  sie  sich  im  ächten  Pythägo- 
reismas  nicht  findet^  u.  s.  w. 

Allerdings  mass  auch  die  pythagoreische  Weltanschauung  einsn 
physischen  Charakter  geliabt  haben,  wenn  man  das  Grundprincip 
derselben  b\b  aQi^(juog  tpvöixog  aufiasst;  das  heisst  sie  muss  sieh 
an  die  physischen  Principien  der  jonischen  Naturphiloaophen  ange^ 
lehnt  haben,  welche  der  Theorie  der  Homoiomerien  aiÄingen  und 
dieselben  nur  bald  aus  diesem,  bald  aus  jenem  materiellen  Stoffe 
bestehen  Hessen,  bald  aus  Wasser,  Luft,  Feuer,  Aether,  bald  aus 
unbestimmten  materiellen  Theilchen.  Und  im  „ächten  Pythagoreis* 
mus^,  d.  h.  in  den  dem  Pythagoras  und  seiner  eigenüiümlichen 
Weltanschauung  nächstliegenden  Ansichten,  war  letztere  Ansicht  wi^- 
Itch  die  herrschende.  Ich  brauche  die  Zeller'scfae  Auffassung  nidit 
selbst  hier  zu  widerlegen;  ich  habe  als  Widerlegung  seines  „ent* 
scheidendsten  Grundes^  gegen  die  Aristotelische  Auffassung  der  py- 
thagoreischen Zahlenlehre  nur  die  Anmerkung  Schwegler's  so  Arigt. 
Met.  XIII,  8,  18.  Bd.  IV,  p.  325  herzusetzen;  wo  es  hräst:  — 
jyGegen  die  atofia  fisyddi]  der  Atomiker  streitet  Arist.  de  coelo. 
S08,  a,  21.  de  gener.  et  corr.  315,  b,  33.  Es  verdient  bemerkt 
zu  werden,  dass  Aristoteles  in  der  ersteren  Stelle  die  Atomistik  mit 
der  pythagoreischen  Zahlenlehre  identificirt:  tqonov  tivä^  sagt  er, 
xal  mtoh  (Demokrit  und  Leukipp)  navta  ra  ovta  xovov0lv  ci(u^' 
(lovs  xccl  ^§  cc^id^fi4QV'  xaX  yaQ  el  ^rj  öaQ<og  dtjXoikjtv^  o^img  roiko 
ßovXovrtu  Xdystv,  303,  a,  8.  Ebenso  de  anim.  409,  a,  10:  do- 
I^Si€  f  äv  ov^iv  Siaipi^Biv  (i(yi/aSag  Isyetv  ij  öcofidtta  fuxifou 
Ein  Beweis,  wie  nahe  es  ihm  liegen  musste,  die  pythagoreiscben 
Zahlen  umgekehrt  auf  die  Atome  zurückzuführen,  nnd  für  Grössen 
{fiiye^g  i^ovtag)  auszugeben.'^ 

Freilich  meint  auch  Sehwegler,  wie  Zeller  und  Ritter  in  ahn* 
Hohen  Fällen,  „dass  die  letztere  Angabe  nur  eine  von  Aristoteles 
gezogene  Consequenz  sei;  dies  gehe  auob  aus  unserer  Stelle,  na- 
mentlioh  aus  §.17  hervor.^  In  diesem  Punkte  kann  ich  jedoch 
dem  scharfsinnigen  Kenner  der  Aristotelischen  Metaphysik  nicht  bei- 
sthnmen.  Er  meint,  „Aristoteles  konnte  sich  das  Bestehen  der  Dinge 
ans  Zahlen  nicht  anders  rorstellen,  als  unter  der  VoranssetBung, 
dass  die  Letztern  Grösse  haben.  Hätten  aber  die  Pythagoreer  dies 
selbst  ausdrücklich  gesagt,  so  wäre  es  unerklärlieh,  dass  Aristoteles 
nur  einen  Augenblick  lang  darüber  im  Zweifel  sein  konnte,  ob  ihre 
Zahlen  mg  iv  vkr^g  stdsi  zu  stellen  seien,  oder  nicht ^  AU^o 
sollte  Aristoteles  selbst  darüber  irgend  ein  Bedenken  gehabt  haben, 
ob  er  die  pythagoreischen  Zahlenprlncipien  mg  iv  vXtig  eidsc  neh- 
men solle,  —  was  ich  übrigens  nicht  anzunehmen  geneigt  bin;  — 
so  könnte  dies  nur  daher  rühren,  dass  er,  wie  die  späteren  Bericht 
erstatter,  nicht  genau  die  Tersehiedenen  Richtungen  anter  den  Py* 
thagoreern  unterschieden  hätte.    Wir  kennen  indessen  gerade  dies« 


2eHer:    PbiloM^e  d«r  driadra.  191 

Metaphyaik  io  genau ,  daas  man  ikm  aelbst  woU  kaom 
•is  lolcfaes  Schwanken  in  seinen  Ansichten  über  einen  Gegenstand 
smdireiben  darf,  mit  weichem  er  sieh  so  soigIlUtig  beschäftigt  hat. 
—  Femer  ist  es  ebenso  wenig  richtig,  wenn  Schwegler  meint,  Ali"» 
iliteles  hXtte  sich  die  pythagoreische  Zahl  nicht  anders  als  ana 
•ioer  Qrössenausdehnnng  bestellend  denken  können«  Im  Gegentheiia 
kan  msn  behaupten,  dass  diese  Ansicht  um  so  mehr  wirklich  den 
Pytbsgereeni  zogesclirieben  werden  mnss,  als  Aristoteles  es  gerade 
at,  weicher  dieselbe  nicht  titeiit,  welcher  sie  sogar  an  widerlegeo 
ndit,  welciier  also  diese  auch  nicht  ans  seiner  eignen  Theorie  aui 
die  ihrige  übertragen  haben  konnte,  wie  Zelier  und  Ritter  anneh-i 
mm.  Wie  ans  Schwegler  oben  selbst  die  Stellen  angefQhrt  hat,  in 
waidMtt  Aristoteles  gegen  die  atona  fuyi^  kämpft;  so  werden 
wir  aseh  sehen,  dass  derselbe  gerade  in  der  ren  Schwegler  beigem 
so^esen  Stelle,  nnd  zwar  ganz  besonders  in  dem  specieli  dtirtea 
Paragraphen,  auch  gegen  die  Zahlentheoria  der  Pytbagoreer  ana 
dem  gsaz  gleichen  Gesichtspunkte  poiemisirt. 

Gerade  aus  der  Met.  XIII,  8,  §.  17  u.  18,  welche  Schwegiev 
isfokrt,  geht  nnwiderleglich  klar  hervor,  dass  sich  Aristoteles  sell»| 
tiö  letzten  Gründe  nicht  als  materiell  denken  konnte,  and  dass  en 
««  eben  diesem  Grunde  auch  die  Pytbagoreer]  zu  widerlegen  suchta 
md  zwar  gerade  desswegen,  weil  er  der  Meinung  war,  dass  sia 
teeh  ihre  materiellen  und  mathematischen  Principien  die  Bewegung 
iiekt  zu  erklären  vermöchten.  Dies  weist  Schwegler  selbst  vortreff« 
fieh  ia  den  Noten  zu  Arist.  Met  XII,  10,  19  und  zu  I,  9,  23  naeh. 
Also  schwankte  Aristoteles  duicbaus  nicht,  ob  die  Zahlen  der  Py-: 
i^reer  tog  iv  vlrjg  sHöh  zu  nehmen  seien,  oder  nicht.  Er  kanm 
Mber  gar  keinen  Zweifel  gehabt  haben,  nnd  liat  auch  iLeinen  da-^ 
röber  gehabt,  wie  aus  allen  Stellen  der  Ifetaphysik,  wo  er  die  Py-. 
ll^oreer  erwähnt,  deutlich  zu  ersehen  ist.  Wenn  es  aber  den  Neuereii 
10  gsichienen  hat;  wenn  die  heutigen  Geschichtsohreiber  über  diesen 
t^v&kt  angewias  sind,  so  ist  das  sehr  leicht  daraus  zu  erklären,  daaa 
»6  die  venchiedenen  Bichtongen  unter  den  Pythagoreem  nicht  ge-» 
Mft  geschieden,  und  dass  sie  anch  die  Ansicht  des  Plato  und  der 
PTihagoreisircnden  Platoniker,  welche  Aristoteles  mit  den  Ansiehtea 
^  Pytbagoreer  zusammen  betrachtet,  nicht  eoiuirf  genug  von  deu 
l^^itoni  gesondert  haben. 

Da  aber  gerade  in  dieser  ffinsicht  die  von  Schwegler  ange^ 
^Sivte  Stelle  sehr  entscheidend  und  nicht  weniger  lehrreich  ist,  so 
vsrde  ich  Aeselbe  nach  der  Schwegler'schen  Uebersetznng  Bd.  U, 
P*  288  hier  wiedergeben.  In  ^  14  nämlich  hat  Aristoteles  die 
Ansichten  der  pythagoreisirenden  Platoniker  kritisirt,  und  meint  da*. 
^ha  gerade,  dass  es  die  allerschlecbteste  Auffassung  der  Zahlen 
>®i)  die  Ideelle  und  die  mathematische  Zahl  als  identisch  zu  setzen. 
Dies  ist  aber  die  Ansicht,  welche  Zeller  den  Pythagoreem  zuschrei^ 
beu  möchte,  welche  aber,  wie  wir  hier  sehen,  nur  die  pythago* 
teiakenden  Platoniker  haben ,  und  welche  man  in  einer  Darstel- 


193  Zellers    Philosophie  der  Griechen. 

long  der  pythagoreischen  Lehre  gar  nicht  braachea  kann.  Nadi- 
dem  Aristoteles,  zarüclcgehend,  diese  Ansicht  gegen  diejenige  Piato's 
abgewogen,  hält  er  sie,  noch  weiter  zurückgreifend,  auch  mit  den- 
jenigen der  Pythagoreer  zusammen.  Und  dies  sind  die  uns  hier 
interessirenden  Stellen,  in  welchen  es  folgendermassen  heisst  §.  16: 
„Die  Lehrweise  der  Pythagoreer  hat  in  der  einen  Hinsicht  iwar 
geringere  Schwierigkeiten,  als  die  obenangeführten  Ansichten,  in  der 
andern  jedoch  neue  ihr  eigenthümliche,  §.  17.  Dadurch,  dass  sie 
die  Zafail  nicht  getrennt  setzen,  fallen  viele  Anst5sse  weg  (dadurch 
nämlich,  dass  sie  den  Zahlen  keine  transcendente  Bedeutung  sa« 
schreiben,  wie  Plato  und  die  pythagoreisirenden  Platoniker,  welche 
Aristoteles  ebenfalls  in  der  Metaphysik  bekämpft);  allein,  dass  die 
Körper  aus  Zahlen  bestehen,  und  dass  diese  Zahlen  mathematisch 
sind,  ist  unmöglich  (d.  h.  von  dem  Aristotelischen  Standpunkt  aus. 
In  der  Materialität  des  pythagoreischen  Principes  treten  eben  die 
angedeuteten  neuen  Schwierigkeiten  hinzu,  welche  Aristoteles  nun 
zu  widerlegen  sucht,  indem  er  also  fortfährt)  §.  18.  Untheilbare 
Grössen  giebt  es  überhaupt  nicht  (nach  Aristoteles)  und  gesetzt  auch,  es 
gäbe  solche,  so  haben  doch  die  Einheiten  keine  Grösse  (nach  A, 
wäbürend  die  Pythagoreer  dies  gerade  annehmen).  Wie  ist  es  möglich, 
dass  eine  Grösse  aus  Untheilbarem  besteht?  Und  doch  ist  diearith* 
metische  Zahl  einheitlich  ((lovadtxog^  d.  h.  nach  A.)  §.19.  Jene 
aber  (die  Pythagoreer)  nennen  das  Seiende  Zahl,  wenigstens  sucheo 
sie  ihre  Spekulationen  den  Körpern  anzupassen,  als  würen  dieselbeQ 
aus  Genannten,  aus  Zahlen.^  —  Den  Pythagoreem  legt  also  Ari- 
stoteles ganz  offenbar  den  a(fi^(i6g  <pv0Lx6g  zu,  obgleich  er  den- 
zelben  zu  widerlegen  sucht,  und  zwar  ganz  von  demselben  Stand- 
punkte aus,  welchen  uns  Schwegler  oben  angeführt  hat,  wo  sich 
Aristoteles  gegen  die  ato^uc  [i&yedTi  erklärt  und  ihre  Einseitigkdten 
nachzuweisen  bemüht  ist 

Allem  bisher  Gesagten  zufolge  legt  nicht,  wie  Schwegler  meint, 
Aristoteles  den  Pythagoreem  ein  materielles  und  mathematisches 
Princip  unter,  sondern  er  bekämpft  diese  Ansicht,  als  die  der  Py- 
thagoreer, Ton  einem  entgegengesetsten  Standpunkte  aus.  Eine 
schärfere  Widerlegung  lässt  sich  nicht  leicht  auffinden;  und  den- 
noch wollen  wir  uns  hierbei  noch  nicht  zufrieden  geben,  sondern 
auch  die  Gegengründe  des  gelehrten  Ritter  zu  widerlegen  suchen, 
auf  welchen  sich  Zeller  als  auf  die  Stütze  seiner  Ansichten  beruft. 
Erst  wenn  wir  Ritter's  Ansichten^  d.  h.  seine  idealistische  AulTss- 
Bung  der  pythagoreischen  Zahl  widerlegt  haben,  glauben  wir  mit 
Fug  und  Recht  die  Materialität  der  pythagoreischen  Zahl  behaup- 
ten zu  dürfen. 

(Schluii  folgt.) 


ft.  II  HEIDELBERGEB  IMT. 

JAHRBOCHER  der  LITERATUR. 

ZeQer:  Philosophie  der  GriecheitL 


(SehloM.) 
3.    Der  oQt^fidg  qyvcucog  sIb  materielle  Homoiomerie. 

Zeller,  der  sich  hier  eowobl,  als  ia  den  angefiihrten  Stellen  aft 
Sitter  hält,  meint  die  materielle  Aoffassnng  der  Zahl  gans  verwerfen  la 
mäaeo.  Da  er  hiebe!  auf  Ritter's  Ausführung  Bd.  I,  p.  i05— 407 
verweist,  müssen  wir  auf  dieselbe  näher  eingehen.  Hier  bringt  der 
gelehrte  Forscher  fünf  Gründe  vor,  warum  Aristoteles  da,  wo  er 
▼ou  einer  materiellen  Deutung  der  Zahl  rede,  mehr  seine  eigene 
Deatang  des  Problemes  auf  dieselbe  Ansichten  der  Pythagoreer  über» 
trige,  als  diese  rein  und  unverfKischt  wiedergebe.  Wir  sehen ,  es 
ist  ganz  dieselbe  Auffassung,  welche  Zeller  sich  au  eigen  gemacht 
H  ond  welche  wir,  wie  wir  glauben,  oben  an  einem  sehr  cbarak* 
t^tiflchen  Beispiele  widerlegt  haben.  Nur  wenn  diese  materlali* 
ttiMhe  Auffassung  gana  beseitigt  wurde,  konnten  Ritter,  Herrmamii 
Steinhart,  Zeller  u.  s.  w.  ihre  idealistische  Auffassung  des  pjthago-* 
retBcben  Zahlenprincips  retten.  Ein  solcher  Machweis  musste  idsa 
ait  derjenigen  Ausführlichlteit  geliefert  werden ,  welche  ihm  Ritter 
widmeL 

s.  Ritter  kann  sich  nicht  verhehlen,  dass  Aristoteles  den  Pj« 
ibsgoreern  wohl  eine  körperliche  und  eine  mathematische  Auffassung 
üaer  Priocipien  zuschreibt.  Er  kann  seine  Auffassung  nur  dadurch 
T^ahren,  dass  er  behauptet,  «die  Sätze  enthielten  eine  Reihe  von 
Sehliissen  des  Aristoteles,  welche  derselbe  im  Sinne  der  Pythagoreer 
BB^he^,  die  aber  natürlich  alle  nach  der  Ansicht  Ritters  falsch  sind, 
vie  er  zu  zeigen  bemüht  ist.  Diese  Schlüsse  gehen  aber  —  wie 
^  a.  a.  0.  p.  406.  Anm.  weiter  helsst  —  von  dem  Satze  ans, 
4att  der  Himmel  (die  Welt)  aus  Zahlen  zusammengesetzt  sei|  und 
^  sei  der  einzige  Satz,  welcher  in  der  ganzen  Reihe  der  «aage- 
^rten  Sätze  den  Pythagoreern  selbst  angehöre:  —  ein  bitterer 
Vorwurf  gegen  die  Aristotelische  Darstellung,  ihre  historische  Treae 
lind  philosophische  Unbefangenheit.  Durchaus  falsch  soll  der  Aristo* 
^^^e  Schluss  sein,  „dass  die  Zahl  der  Pythagoreer  nicht  abstrakt 
mL^  Dieses  sollen  die  Pythagoreer  „gewiss  nicht  gesagt  haben, 
veil  der  Gegensatz  zwischen  nichtabstrakter  oder  mathematischer, 
«Ad  Mschen  abstrakter  oder  idealer  Zahl  zu  ihrer  Zett  noch  nicht 
gehnden  war.' 
^  J«hrg.  3.  Heft.  13 


AM  Zder:    FhflofOpMe  der  Qrieeben. 

Id  dieser  BcharbiniilgeD  Argamentation  müflsen  wir  Ritter  aller« 
dlngs  voUkomueii  beistimmen.  Die  Pythagoreer  köonen  aus  dem 
angeführten  Grande  nicht  so  gesagt  haben.  Aber  wenn  sie  auch 
Dicht  so  sich  aasgedrückt ,  so  können  sie  dennoch  so  gedacht 
haben;  and  dies  möchten  wir  behaupten.  Eine  solche  Unterscheid 
dang  kommt  freilich  erst  in  der  Platonischen  Philosophie  zum  Be- 
wusstsein.  Plato  glaubt,  nach  Arfst.  Met.  YII,  8,  81,  „sowohl  das 
Sinnliche  als  die  Principien  desselben  seien  Zahlen:  allein  er  unter- 
scheidet zwischen  Idealaahl  und  sinnlichen  Zahlen,  und  nur  die  ersten 
macht  er  za  Principien.^  Aristoteles  konnte  daher,  eben  weil  er 
diese  Unterscheidung  kannte,  von  den  Pythagoreem .  wohl  sagen, 
Bie  nehmen  ihre  Prlnaipien  nicht  als  Idealzahlen,  sondern  als  sibd- 
liche  Zahlen;  ohne  dass  die  Pythagoreer,  denen  diese  Unterschei- 
düng  noch  fremd  war,  sich  so  ausgedrückt  haben  mochten«  Aber 
dennoch  haben  sie  den  Unterschied  faktisch,  nnbewusst  anerkannt, 
indem  sie  neben  der  abstrakten  arithmetischen  Zahl,  dem  a(fi^pid$ 
)MV(x6w6g  noch  den  aQi^fwg  (pvöixog  annahmen.  Und  gerade  das 
halte  Ich  für  das  Eigenthümliche  ihrer  Anschauungsweise.  PytbSf* 
goras  mag  ylelleicht  keine  feste  Lehren  über  diesen  Unterschied 
anfgestellt  haben ;  denn  gerade  die  spftteren  Pythagoreer,  wohl  eben 
MS  dem  Grande,  well  sie  den  Unterschied  nicht  kannten  und  nicht 
weitet  nntersnchten,  brachten  die  pythagoreische  Philosophie  dadurch 
mof  Abwege,  dass  sie  den  a^ftd-fiog  iKyi/adtacig  von  dem  ^pvöixog 
nleht  antenchleden,  endlich  beide  aogar  identificirten,  —  Shnllch  wie 
die  Hegel'sahe  Philosophie,  Begriff  and  Wesen,  oder  abstrakte  und 
coaerete  Idee,  —  und  eo  In  die  phantastischsten  Abentheuerh'cbkee 
tea  sieh  verloren. 

b.  Ebenfalls  soU  es  nar  ein  verkehrter,  auf  die  Ansichten  der 
Pythagoreer  übertragener  Schluss  gewesen  sein,  dass  Aristoteles  sie 
Bi^n  Ittsst,  „die  sinnlichen  Wesen  beständen  aus  Zahlen,  welches 
Bfe  nach  Ritter  aach  nicht  sagen  konnten,  weil  zu  ihrer  Zeit  der 
Unterschied  zwischen  cctödnjvov  und  vorftov  noch  keine  Bezeichnung 
gefonden  hatte.^  Auch  diesen  Grund  müssen  wir  vollständig  gelten 
lassen  und  wegen  des  angewandten  Scharfsinnes  rühmen. 

Wir  müssen  zugeben,  dass  die  Pythagoreer  aller  Wahrschein-» 
Uchkeit  nach  eine  scharfe  Scheidung  zwischen  aüfdTjrov  und  vw/tip 
9der  zwischen  dem  mundus  sensibilis  Phaenomenon  und  dem  mundoff 
Ibtelligibllis  Moonmenon  noch  nicht  vorgenommen  haben  werden.  D.  L 
nie  werden  keine  bewnsste  Reflexionen  über  diesen  Gegenstand  an- 
gestellt haben.  Allein  nnbewnsst  mnssten  sie  dennoch  einen  solchen 
Unterschied  machen,  wie  alle  die  natnrphllosophischen  Systeme  der 
Jonier.  Diese,  wie  die  AtomiBten,  ilessen  die  Dinge  ans  den  Ho« 
moiomerieen  zusammengesetzt  sein,  aber  nar  ehier  philosophlsehen 
^pekniatloii  zufolge,  während  sie  eine  solche  Ansicht  ebenso* 
wenig  Mehwelaen  konnten,  wie  die  Pythagoreer  ihre  ähnliche  Hy- 
pothese, dasa  alle  Dinge  fufiijcu  täp  «qi^i^Sp  seien.  Darüber 
lehrte  sie  die  sinnlicho  Wahrnebmong  nichts.    Wena  iri«  Üiro  Ab- 


Mkm  weher  durchdacht  hXtten,  so  hätten  eie  die  riuiUche  Wahr^ 
Mhnang  der  Oegeeetiode  scheiden  müssen  von  der  Art  nnd  Welse^ 
wie  wir  sie  ans  vorstellen ;  ein  Problem,  welches  bekenntUeh  nielH 
heraaeh  in  der  Philosophie  auftritt  nnd  die  (Geister  lebhaft  beachlft^ 
AJlein,  wie  Zeller  bemerkt,  haben  die  Ansichten  der  Eleaten  nock 
kdoca  Einfluss  anf  das  pythagoreische  System  aosgeflbt. 

Während  Ritter  so  den  Unterschied  des  voritov  und  des  atad^ 
Toy  nicht  anf  die  Pythagoreer  angewandt  wissen  wlU|  flbertflgl 
ZtUer  merkwärdiger  Weise  gerade  denselben  anf  diese,  um  so  selM 
IMisüscfae  Hypothese  mit  der  Aristotellsdien,  dass  die  Körper  aua 
Zaiilen  bestehen,  in  Einklang  au  bringen.  Denn  nur  so  wird  es 
ihm  möglich,  die  sinnlich  wahrnehmbare  Materie  aus  nur  abstrakten 
ideellen  Zahlen  bestehen  zn  lassen. 

c  Ferner  meint  Ritter,  die  Pythagoreer  hätten  gewiss  nldit 
sagotsoden,  dass  die  Zahlen  nicht  einheitlieh  seien.  Hiermit  wlO 
aber  Sitter  nicht  gesagt  haben ,  dass  die  Zahlen  im  Sinne  Zeller'a 
al»Btral[(e  Einheiten  gewesen  seien;  sonst  hätte  Zeller  Rltter's  An«* 
sieht  nicht  Terwerfen  können,  wie  er  es  thut.  Ritter  meint  nicht, 
tei  der  OQid'inog  fLovaiotog  als  Princip  der  Pythagoreer  betracbtet 
worden  sei ;  sondero  nur,  dass  den  Bestandtheilen  der  Zahlen  keine 
Biamüehkeit  nnd  keine  Materialität  angeschrieben  werden  dürfe. 
Daher  dieser  Ornnd  gegen  Aristoteles  mit  den  unter  d)  und  e)  gdteni 
gcmsditen  Grfinden  susammenlällt ,  ans  denen  Ritter  auch  noch  s« 
viderlegten  sucht,  ^^dass  die  Zahlen  Grösse  haben  (eins  und  dasselbe 
wä  dem  Satse,  dass  sie  nicht  einheitlich,  s.  Met.  XUI,  8),  uni 
te  ebenso  das  erste  Eins  Grösse  habe,  natürlich,  weil  ans  Om 
alle  Grössen  hervorgehen  sollen.^ 

Doch  kann  Ich  Ritter  dnrchans  nicht  beistimmen,  wenn  er  mehit, 
Aristoteles  habe  ^»diesen  Ponkt  nicht  für  wesentlich  gehalten«,  haba 
ftheiaen  besondern  Werth  hteranf  gelegt« ;  und  „nicht  immer  so  go« 
KfahMsea«;  denn:  ,»de  anima  I,  4  sage  er  doj^ßu  if  av  w6hf  duC" 
fpifiip  ^uovudaq  liysiv  ^  öafuitut  luxQcc  (ei.  de  coelo  HI,  4,  wo 
«  von  den  Atomisten  faeisse:  ro6nov  ya(f  tiva  xal  ovto^  itavta  ri 
ovta  KOWV6IV  aif4/&(wvg  xtd  ig  aQv&iuiv),  Ich  meine  gerade  all« 
^isae  Stellen  seigten  im  Gegentheile  recht  dentlich,  dass  die  pytha^ 
Svieisdien  Znblenprincipe  Grösse  gehabt  haben,  ja  dass  sie  als  reale 
^^Bbatamen  gedacht  worden  sind,  ähnlich  wie  die  Homolomerien« 
Bitter  gesteht  selbst  zu,  dass  sie  öfter  mit  denen  der  Atomisten  ron 
Aiiatoteles  Busammenstellt  würden;  nnd  dies  wäre  geradesu  nnmög* 
fcb  geweaen,  wenn  Aristoteles  deren  Frineiplen  nicht  für  XhnUcii 
«gesehen  hätte.  Es  ist  um  so  weniger  möglich  ansunehmen,  dase 
Aitetoteles  hier  seine  Ansichten  anf  diese  Richtung  der  niilosophfe 
Verträgen  habe,  da  er  sie,  wie  bereits  bemerkt,  überall  an  wider- 
ten sacht 

e.  Die  übrigen  Gründe  wollen  mir  ebensowenig  Oberseugentf 
emheinen;  denn  wenn  Ritter  ehie  Stelle  de  coelo  m,  1  anführt, 
m  g^en  die  Pythagoreer  aU  beweisen,  im  sie  die  physisAe» 


IM  ZeUer:    Phnoiophie  der  Griechon. 

Zahlen  monadisch,  und  nicht  als  aus  materiellen  Atomen  bestehend 
gedacht  hätten ;  se  ist  snerst  za  bemerken,  dass  Aristoteles  nur  von 
vcSi/  Ih)^.  xiyig  spricht.  Es  wäre  also  zuerst  au  sehen,  welche  er 
bier  meint,  ob  nicht  gar  die  pythagoreisirenden  Platoniker.  Und 
wenn  Ritter  diejenige  Anschauungsweise  der  Pythagoreer  anfährt  und 
für  sich  geltend  macht,  nach  welcher  Einige  die  Körper  aus  Flächen, 
die  Flächen  aus  Linien,  die  Linien  ans  Punkten  haben  bestehen  und 
entstehen  lassen;  so  müsste  man  sich  eher  genöthigt  sehen ,  anza^ 
nehmen,  jene  Pythagoreer  hätten  diese  Punkte  für  materielle  Atome 
angesehen,  wie  es  an  zaUreichen  Stellen  der  Methaphysik  auch 
deutlich  heisst. 

Wenn  endlich  dem  Aristoteles  Schwanken  vorgeworfen  wird, 
so  möchte  ich  dieses  Schwanken  eher  aus  der  Verlegenheit  der  In- 
terpreten erklären,  welche  bei  Aristoteles  die  verschiedenen  Richtun- 
gen unter  den  Pythagoreern  nicht  scheiden,  sondern  alle  Stellen  in 
eine  gemeinsame  Anschauung  vereinigen  wollen,  was  ein  onmögli« 
ches  Beginnen  ist. 

4.    Der  ägi^iAog  (pv^vKog  als  mathematische  r  Punkt 

Während  die  materielle  Homoiomerientheorie  von  Aristotelei 
als  die  Ansicht  der  jonischen  Naturphilosophen  geschildert  wird; 
sagt  er  ausdrücklich  von  den  Pythagoreern  Met.  I,  8,  25,  dass  sie 
lieben  hierauf  (auf  den  Himmel  und  seine  Theile  und  die  wech- 
Mlnde  Gestaltungen  des  Alls)  auch  ihre  Principien  und  Gründe  an- 
wendeten, als  stimmten  sie  mit  den  andern  Naturphilosophen  gans 
darin  überein,  dass  das  Seiende  nur  das  Sinnliche  sei,  was  die  Welt 
in  Hich  befasse.^'  Und  nach  I,  8,  5.  wird  daher  auch  diesen  sowohl 
wie  jenen  dasjenige  „als  das  am  meisten  Elementarische  erschieaea 
sein,  woraus,  als  aus  dem  Primitiven,  Alles  durch  Verbindung  wird : 
solcher  Art  aber  ist  wohl  der  Kleintheiligste  und  Feinste  unter 
den  Körpern.^  Letzterer  wurde  zuerst  auf  die  verschiedenste 
Weise  zu  bestimmen  gesucht,  bis  er  als  unendlich  kleine,  unbestimm* 
bare  Masse  festgetzt  wurde,  aus  der  Alles  im  Himmel  und  auf  Erden, 
das  heisst  Alles  in  dem  AU-Einen,  dem  ewigen  göttlichen  Prindpo 
ansammengesetzt  gedacht  wurde.  Diese  anfänglich  in  ganz  Orie« 
chenland  verbreitete  Weltanschauung  theilten  auch  die  Pythagoreer« 

Mit  dieser  Anschauung  stimmt  ganz  und  gar  die  spätere  Dar* 
Stellung  der  Pythagoreer  im  XUI.  und  XIV.  Buche  überein.  Aach 
hier  Met.  XUI,  6,  13.  heisst  es:  „Die  Pythagoreer  wissen  nur  von 
einer  Zahl,  der  mathematischen;  doch  lassen  sie  dieselbe  nicht  ge^ 
trennt  sein,  sondern  vielmehr  aus  ihr  die  sinnlichen  Substanzen  be- 
stehen: den  ganzen  Himmel  construiren  sie  aus  Zahlen,  jedoch  nicht 
aus  einheitlichen  (ov  yiM/aSixäv)^  sondern  von  den  EioJieiten  neh«< 
men  sie  an,  dass  sie  Grösse  haben.  Wie  jedoch  das  erste 
Eins  ein  ansgedehntes  geworden  ist^  darüber  sohei? 
ASB  sie  ivk  AniUndo  »  soln.^ 


MHwi    PUbfopUe  dbr  Gitoelaik  MT 

Da«  Adlerauge  des  Arietoteies  entdeekt  also  hier  das  eigent* 
Jieh  Entscheidende  der  Frage;  mit  bewondemswOrdiger  Schärfe  ittbrt 
er  DOS  in  das  Gentrnm  der  Differensen,  nnd  wir  müssen  annehmen, 
im  nnter  den  Systemen  der  Pythagoreer  die  Differena  der  ?er« 
sdiiedenen  Richtangen  anfltnglich  selbst  verborgen  gptOieben  sef^ 
md  sich  wohl  erst  in  den  Weiterbildungen  als  wahrer  Gegensats 
ffdtend  gemacht  haben  werde.  Wir  haben  Aehnliches  in  unserer 
eigenen  Zeit,  a.  B.  an  der  Entwicklung  und  Spaltung  der  Hegerschen 
Schule  erlebt,  um  diesen  Vorgang  vollstJbidig  begreifen  au  können. 

Wir  werden  dessbalb  anerst  aeigen,  wie  die  Umbildung  der 
nsteriellen  in  die  ideelle  Homoiomerie  sich  unvermerkt  vollaieben 
konnte,  so  dass  man  sie  erst  an  der  Umbildung  der  physikalischen 
Amcbsaungsweise  in  die  mathematische  gewahr  werden  mochte. 
Die  pliysikalische  Grundanschauung  des  Pythagoreischen  Systemen 
g9b  keine  Ursache ,  das  materielle  Princip  der  Homoiomerien  oder 
Zahlen  in  ein  ideelles  zu  verwandeln;  denn  selbst  die  Seele  dachte 
man  sieb,  wie  bei  den  übrigen  Griechen,  als  aus  einem  feinsten  Aether* 
Stoffe  bestehend.  Aus  der  Anschauung  von  der  ganaen  Weltbildung 
kSonen  wir  ebenfalls  sehen,  dass  die  Homoiomerien  anfange  als 
aaterieil  gedacht  wurden,  und  dass  man  sie  auf  eine  höchst  natür- 
liche Weise  erst  aus  der  allgemeinen  noch  ungeformten  Weltmassa 
nalyt'uch  bildete,  ehe  man  aus  ihnen  synthetisch  die  versehiedenen 
Gebilde  des  Weltalls  hervorbringen  Hess. 

Dieselbe  Ansicht  wird  auch  zuerst  unter  den  Mathematikeni 
geherrscht  haben;  sie  blickt  noch  an  vielen  Stellen  der  Methaphysik 
^orch,  ganz  besonders  auch  in  dem  interessanten  cap.  2  des  Buches 
XIII,  wo  Aristoteles  untersucht,  ob  das  Mathematische  sich  ala 
Princip  fassen  lasse,  und  darauf  in  cap.  3  setaie  Kritik  dieser  An« 
sichten  giebt  Allein  es  scheint  hierüber  keine  ganz  fixirte  Anschanungt* 
vetse  geherrscht  zu  haben.  Die  analytische  Ansicht  musste  den 
Körper  als  Princip  betrachten ,  da  aus  ihm  die  Flächen ,  ans  diesem 
die  Linien,  und  aus  letzteren  wieder  die  Punkte  entstehen.  Nach  einer 
aokhen  analytischen  Auffassung  musste  auch  selbst  der  Punkt 
noch  für  eine  materielle  Grösse  gelten,  da  er  sich  als  Theil  einer 
solchen  erwies. 

Der  analytischen  Methode  tritt  jedoch  in  dem  abstrakten  Zab- 
leaiysteme  eine  bloss  synthetische  gegenüber.  Sie  ist  desswegen 
blott  lynthetisch,  weil  sie  zu  der  Grundeinheit  immer  gleiche  neue 
Grondeinheiten  binzubringt,  ohne  sich  darum  zu  bekümmern,  woher 
lie  solche  nimmt;  während  die  frühere  materialistische  Richtung  der 
Pjthsgoreer  die  Homoiomerien,  oder  Zahlenprincipe,  aus  denen  die 
virkliehen  Dinge  zusammengesetzt  sein  sollen,  erst  durch  dnen  kos^ 
niicben  Process  werden  liess,  wie  wir  nachher  sehen  werden.  Bei 
dem  entgegengesetzten  Verfahren  kann  man  jedoch  bemerken,  wie- 
durch  Ablösung  von  der  Wirklichkeit,  d.  h.  durch  das  Verfahren 
te  bloss  abstrakten  Denkens,  die  reine  Synthese  entstehen  musste. 
Vü  welchem  Glücke  dieses  Verfahren  in  der  reinen  Mathematifc. 


Md  daa  AUtinherrsobende  wurde,  ist  bekuiDt.  DaHdbe  ttkUrt 
Bau  nicht  don  Körper,  sondern  den  Punkt  wm  Princ^»  d*  iua  Den- 
ken aus  ihm  alle  Dinge  gebildet  werden.  So  wird  der  Punkt  luia 
Princip  der  Linie,  die  Linie  stun  Princip  der  Fläche,  und  diese  «in 
Princip  des  Körpers.  Nnn  brauchte  nur  noch  die  Anschauung  ab» 
sirakter  Linien  und  Fittchen  dazusukommen,  wie  sie  bei  den  Mathe- 
matikem  sich  einschleichen  musste;  und  es  wird  leicht  erkIärliei^ 
wie  man  auch  den  Punkt  als  ideell  auffassen  konnte. 

Dies  ist  die  Auffassungsweise,  welche  Ritter  mit  eben  so  viel 
Schärfe  als  Gelehrsamkeit  entwickelt  hat,  und  welche  bei  Aristoteles 
an  aahlreichen  Stellen  sich  findet.  Jedoch  wird  diese  Theorie  we* 
niger  als  kosmisches  Princip,  denn  als  Erklärungsversuch,  die  nun 
thematischen  Figuren  au  bilden,  angewandt.  Ja  die  Polemik  dei 
Aristoteles  ist  beständig  gegen  dieselbe  gerichtet,  um  von  ihr  lu 
aeigen,  dass  sie  au  einem  kosmischen  Principe  untauglich  sei,  ds 
ea  ihr  nicht  möglich  werde  au  beweisen,  wie  aus  einem  grösselosen 
Punkte  Grössen,  ans  ausdebnungsloser  Immaterialität  die  ausgedehnte 
Materie  werden  könne.  Da  aber,  —  wie  Zeller  sehr  richtig  be- 
merkt, «^  sogar  das  pythagoreische  System  einen  kosmischen  Cha- 
rakter hatte;  so  kann  ich  auch  diese  Anschauungsweise  nicht  als 
die  frühere,  weil  nicht  als  kosmogone,  betrachten. 

Hieran  bestimmen  mich  noch  mehrere  Gründe,  welche  alle  aas 
der  Ueberseugung  herrühren,  dass  alle  diejenigen  Ansichten  die 
früheren  sind,  welche  die  kosmischen  Vorgänge  aus  den  Zahlen- 
principien  au  erklären  suchen.  Darum  mussten  wir  uns  aach  ge^ 
gen  Zeller  erklären,  wenn  er  dem  arithmetischen  Gegensata  der 
geraden  und  der  ungeraden  Zahl  den  Vorzug  der  Priorität  vor  dem 
kosmischen  Gegensata  des  Begrenzenden  und  des  Uoendiichen  (Dn* 
begrenaten)  glebt,  ungeachtet  Philolaos  ganz  ausdrücklich  mit  Letste- 
sem  die  Tafel  seiner  Gegensätze  beginnt.  Sitter  suchte  mit  s^nem 
feineB  historischen  Takte  die  Gegensätze  des  Begrenzenden  und  des 
Unbegrenzten  als  die  wahren  genetischen  Ursachen  der  ferneren 
Zahlenprincipe  darzustellen.  Allein  sein  Scharfsinn  Torwickelt  ihn 
Uer  dennoch  in  einen  Widerspruch,  und  wir  werden  gerade  durch 
Aufdeckung  desselben  die  Gründe  erhalten,  um  zu  beweisen,  dsss 
aelne  Anschauungsweise  nicht  diejenige  war,  welche  die  Weltan« 
aehaunng  der  Pythagoreer  schaffen  konnte.  Wir  erinnern  uns  näm^ 
Uch,  dass  er  das  Begrenzende  für  den  mathematischen  Punkt  nnd 
daa  Unbegrenate  für  den  Zwischenraum  (ro  xsvov)  genommen  bat 

Er  läast  nun  auf  scharfrinnige  Webe  aus  diesen  beiden  Fak- 
toren Linien^  Flächen  und  Körper  entstehen.  Allein  dabei  versetet 
er  sich  mit  seiner  früheren  Erklärungsweise  in  Widerspruch,  indem 
er  jetzt  dem  ouvov  die  Funktion  des  Begrenzenden  zuertheüt,  da 
nur  durdi  den  Zwischenraum  die  Grössen  geschieden,  und  Ausdeh- 
nmg  gebildet  werde;  und  indem  er  ferner  dem  früher  Begrenaen- 
deo,  dem  mathematischen  Punkte,  jetzt  die  Bedeutung  des  UnendU- 
€h«i|  der  Sobstana  gfebt,  da  diese  dnrdi  ihre  Begrenzung  nun  den 


XAr:   nOiMiUa  im  GtMm,  tH 

ÜmD«  Stoff  iw  KOrper  bild^  Von  leUterem  behanptet  aber  Art- 
iMaiei,  daflf  er  nie  dar  materiell«  Körper  werden  köoae.  —  Der 
gtWirte  Foracber  aetal  aich  an  dieaen  Paakte  aber  aach  mit  be» 
HloiailiD  Naebriehteo  ia  Widersprocb,  wie  wir  aui  der  achoo  an* 
{•fÜlirteD  Seite  412  eraehen;  deaa  während  er  darch  Ariat.  Pby«. 
IV,  6.  aeine  Ansicht  so  belegen  aocht,  führt  er  »eibat  die  diefei 
10  aabeliegende  Stelle  der  Pbjs.  IV,  7.  an,  wo  ee  beisst:  dio  ^ptf^ 
tivi^  (Ivtu  to  luvov  t^  %mv  S0^¥itmv  vlffv;  auf  welche  Ansicbt 
Braodia  seine  entgegeagesetate  Anacbaoongsweise  gründet. 

Bitten  ErklUrongsweise  der  pytbagoreiseheti  Zahlen  ist  sowohl 
TM  der  früheren  kosmischen  Anschauung ,  welche  eiue  vorwiegend 
materislistische  ist,  als  von  der  sp&teren  dualistischen  der  Mathema* 
tiker  Archytas  und  Philolaos  Torscbieden;  denn  diese  lassen  Allee 
ans  Stoff  und  Form  bestehen,  welchen  Dualismus  Viele  als'  die 
ertlich  Pythagoreische  Philosophie  betrachten.  Sie  haben  in  ge* 
wiiier  Weise  Becht,  denn  es  ist  diejenige,  durch  welche  die  Pytba«» 
goieer  den  bedeutendsten  Einfluss  auf  die  Entwicklungsgeschtohte 
der  Philosophie  ausfibten,  indem  sie  gerade  dadurch  die  Vorgänger 
PIsto's  und  Aristoteles'  wurden,  welche  den  Dualismus  derselben 
betteben  Hessen,  ihn  nur  in  eigenthfimlicher  Weise  umbildend. 

Wenn  wir  die  ideelle  Monadentheorie  Ritter's  nun  mit  diesem  Du»- 
liniQs  susammenhalten,  so  stossen  wir  aoch  hier  auf  Sebwierlgkei- 
tes;  denn  aas  dieser  IHieorie  werden  wir  nie  den  Doalismus  abM« 
te&  können.  Wir  kommen  durch  dieselbe  nie  au  einem  ideellen. 
Formpriacipe,  da  sie  den  gansen  Körper  aus  ideellen  Principen  be*- 
Btehen  Übst  Die  Abstraktion  der  ideellen  Form  halten  wir  fSr  ein 
Predokt  der  Beschäftigung  mit  der  Mathematik,  die  ja  hauptsäehUeb 
Bit  abstrakten  Formen  operirt  Durch  Anwendung  derselben  auf 
^  realen  Grössen  musste  jeuer  Dualismus  entstehen,  da  es  unmör* 
Ui  war,  aus  ideellen  Punkten  und  Formen  eine  reale  materielle  Grösse 
»I  iprodaciren.  Die  Materie  musste  also  nun  als  Princip  neben  der 
Fora  gelten;  und  dieser  Gegensata  oder  Dualismus  wurde  die  Ur« 
BBche  aller  weiteren  Gegensätse,  ja  einer  dualistischen,  d,  h.  dureb 
des  aegensaiz  von  Form  und  Materie  in  sich  serspalietoi  Welun- 
schaaaog.  Dar  dualistische  Mathematiker  Philolaos  setcte  daher  4m 
Gegeoeata  xiifccg  und  äxsiifw  an  die  Spitae  seiner  Tab<dle  4er. 
Gegensätae. 

Es  wurde  zwar  dennoch  der  Versuch  gemacht,  alles  ans  ideeh. 
Itt  Paukten  oder  Atomen  an  eitläien,  hkkm  man  aus  denselben  die 
I«i«n,  ans  diesen  die  Flädien  und  endlich  aus  leftateren  die  Kör* 
per  SB  bilden  anebte.  Diese  Ericlämngsweise  bringt  es  aber  aicM 
SBi  Erklärung  des  Körpeia;  sie  wurde  daher  auch  nur  ven  Einigen 
Idtesd  gemacht,  wie  wir  gerade  aus  der  von  Bitter  für  sich  an« 
g«fihrten  Stelle  Met.  VII,  2.  ersehen,  wo  es  heiesi:  f,iwcd  9d  t^öu^ 
I>Mii  vermochte  auch  der  monistische  Idealismus  den  DualissMw 
Nit  bistoriscb  au  besiegen ,  da  letalerer  durch  die  grossen  Geistes 
««flf  Plate  and  Ariatot^  f ertgebadet  wiufle.  leb  ^kew  dieae  reto 


AM  Zelter;    l*biTo0opliie  4er  Xarieohen^ 

idealistisebe  Theorie  daher  nor  von  untergeordneter  Bedentnng  h$X^ 
ten;  ich  kann  mir  nnr  denken,  dass  sie  erst  aus  jenem  Duah'smoa 
entstanden  ist,  den  sein  ideelles  Formprinclp  snr  Annahme  von  ideel«» 
len  Punkten  und  eu  dem  Versuch,  aus  diesen  auch  den  K5rper  so 
erklären,  führen  konnte.  Ich  halte  diese  Richtung  daher  nur  ffir 
ein  vorObergehendes  Gebilde.  Die  materielle  Auffassung  der  Zab« 
len  erscheint  mir  als  die  frühere,  weil  kosmogone;  die  dualfstfsche 
als  die  spätere.  Sie  ist  swar  nicht  von  kosmischen  Vorgängen  ab* 
strabirt,  findet  sich  aber  überall  auf  die  Hauptprobleme  tibertragen« 
Wir  werden  nun  sehen  ob  es  gelingt,  diese  swei  verschiedenen  An- 
sichten an  allen  wesentlichsten  Problemen  des  pythagoreischen  Sj« 
Sternes,  über  die  Zahl,  über  die  göttliche  Monade,  über  die  Welt- 
schi^pfung  und  über  das  Princip  der  Seele  nachzuweisen. 


in.    Kurse  parallele  Durchführung  einer  materlali« 

stisehen  und  einer  idealistischen  Auffassung  der 

Probleme  bei  den  Pythagoreern. 

1.    Bei  dem  Principe  der  Zahl. 

Die  Haupstelle  hierüber  ist  Met.  I,  5,  8.  wo  es  heisst:  ^Ffir 
Elemente  der  Zahl  halten  sie  das  Gerade  und  Ungerade  (ro  re  a^vov 
Tud  to  niQvtxov)  und  dieses  für  begrenzt  (TtsnEQaöfidvov) ,  jenes 
für  unbegrenzt  {aieBtfov),  Das  Eins  aber  lassen  sie  aus  beiden 
bestehen  und  zugleich  gerade  und  ungerade  sein.  Die  Zahl  aber 
aus  dem  Eins;  und  aus  den  Zahlen,  wie  gesagt,  den  ganzen  Htm- 
mtL^  Diese  Uebersetzung  Schwegler's  scheint  mir  etwas  deutlicher 
gegeben  werden  zu  müssen  und  für  ro  ^Vy  welches  er  mit  „dieses^ 
ibersetzt,  verständlicher  „das  Erste^^  zu  setzen,  und  für  ro  di  wel« 
ehe»  er  mit  „jenes^  giebt,  deutlicher  „das  Zweite*  zu  sagen.  Denn 
das  &(fTiov  wird  als  das  nenBQaöiUvov  gedacht,  das  nB^vctov  als 
daa  aneiQov. 

Für  diesen  Gegensatz  findet  sich  nun  eine  doppelte  Erklänmg, 
•ine  materialistische,  —  die  frühere;  —  und  eine  andere  Idealbti- 
MShe  oder  dualistische,  —  die  spätere.  — 

a)  Der  Eingang  der  von  Aristoteles  angeführten  Stelle  sagt: 
«Offenbar  nun  sehen  die  Pythagoreer  die  Zahl  als  Princip  an,  und 
üwar  gleichfalls  als  materielles  Princip  des  Seienden,  in 
der  Art,  dass  sie  aus  den  Bestimmtheiten  und  Verhältnissen  der 
Zahl  die  Bestimmtheiten  und  Verhältnisse  des  Seienden  ableiten.' 
Wenn  man  nun  von  dieser  realistischen  Auffassung  der  Dinge  aus- 
geht, dann  bedeutet  ro  aqftiov  das  Gefügte  (von  £(kd)  ungefähr 
dasselbe Y  was  %6  nmsQMiiivw  bedeutet,  welches  das  Begrenzte 
tagen  will.  Dies  heisst  in  der  Weltonschauung  der  Pythagoreer  also 
die  IQ  Homoiomerien  geformte  Materie,  welche  so  erst  die  Substana 
der  DiQge  wlrd^  die  tm  dieseoi  ähnUch  wie  Zahlen,  lusammeiig^ 


Zellers   PhilofopUe  4w  Grieehenl  HÖf 

iiWiiiHl.  Dm  imtxirllchen  kosmischen  Gegeosat«  dasa  bäd«t  da« 
g^mov^  das  was  rings  um  das  Gefügte,  nm  den  Kosmos»  herunw 
Kflgt  als  noch  angeformte  Materie,  welche  hald  wie  auch  von  Aaaxi- 
Baader,  axuqov^  hald  xo  xevw  genannt  wird,  was  dasselbe  sagen 
IUI,  nnd  nicht  das  Nichts,  sondern  nur  das  Nichtgebildetsdn  he- 
daatstt  wiU. 

b)  Doch  können  wir  ans  den  Bmchstücken  des  Phllolaos  eine 
ädere  Bedeutung  nachweisen.  Hier  bilden  aqtvov  und  sc^pittov, 
Bidit  mehr  kosmische,  bloss  formale,  sondern  pilncipielle  Oegensätae, 
veiche  sich  an  jedem  Dinge  wiederfinden,  aqrtov^  nsxsqaaaio^ 
wird  nsn  als  abstrakte  Grenze  gedacht,  nnd  nsQitrov  oder  &re(- 
dw  n.  B.  w.  als  die  Materie  an  den  Dingen.  Alle  Dinge  sind  aber 
aoa  Form  nnd  Materie  ansammengesetst,  a^io  ^dpitrav;  und  der 
idealistiache  Dnalismas  ist  fertig.  Keinen  andern  Sinn  hat  die  merk- 
wordige  Stelle  des^  Philo!,  b.  Stob.  Ecl.  Ph.  p.  456  (vor  %.  1)  Böckb. 
8.  58  o  ya  pLUV  aQi^uog  fxH  ovo  lih/  iduc  ddri^  JteQUfitw  xal 
tprcov,  Tp^rot'  di  an  anworiQcav  lux^ivroru^  aqrtumiQUS6ov. 
imi^  Sh  rä  Btdtog  nolXal  (ioptpai^  ag  ixMtov  av  tavto  iri-^ 
juuni.  Und  nnn  weist  Philolaos  nach,  dass  Nichts  weder  nor  be** 
Sraost,  d.  h.  formell,  noch  nar  onbegrenat,  d.  h.  materiell  sein  könne, 
Nsdem  ans  beiden  aosammengesetzt  sei.  (Vergl.  hiesu  Zeller  I, 
P«S60.)  Hier  ist  die  frflhere  Anschauungsweise  yoUstSadig  nm* 
geiadert. 

Als  äusseres  Zeichen  dieser  Umänderung  blieb  uns  noch  die 
Umbildang  in  dem  Worte  sichtbar  und  dieso  würde,  sollten  auch 
tUe  Nachrichten  verloren  sein,  dem  tieferdringenden  Forscher  noch 
^s  Spuren  des  stattgefundenen  Umbildungsprocesses  andeuten.  Wäli* 
'«ad  Dämlich  früher  dem  ajui^ov  das  nsxifaöfidvov  entgegenge- 
•eUt  ist,  beisst  in  der  späteren  Tabelle  der  Gegensätze  der  erste, 
3C^  xal  Sa€i4fov^  Form  und  Materie  (Brandts  Bd.  I,  p.  504). 
^  geformte  Materie,  im  Gegensats  aur  unendlichen,  ungeformteu, 
^M  BUQ  aur  Grenae  oder  Form;  das  X£jes(fa6iidvav  wird  aur  nifag^ 
die  grammatische  Umbildung  ist  Symbol  der  sachlichen  Veränderung* 
^  realistische  Anschauung  ist  in  Idealismus  übergegangen,  welcher 
te  BDaÜsmus  in  seinem  Gefolge  nach  sich  sieht 

2.    Bei  der  Monas,  der  Gottheit. 

ffier  finden  wir  wiederum  überall  die  Spuren  nnd  Nachrichten 
von  Terechiedenen  Ansichten,  ohne  dass  dieselben  hinlänglich  geord- 
M  niren,  geschweige  denn,  dass  wir  in  die  philosophische  Genesis 
^  ProUemes  eingeführt  würden.  „Das  Meiste  von  dem,  was  uns 
fiber  die  pythagoreische  Gotteslehre  berichtet  wird,  hängt  —  wie 
^^^  p.  267  sagt,  —  gerade  an  den  Bestimmungen  über  die  Ein-» 
heituid  die  Zwelheit,  den  Geist  und  die  Materie:  sie  sollen  die 
Öettheit  theils  als  das  erste  Glied  dieses  Gegensatzes,  theils  au* 
tbUi  als  die  liohere  Einheit  gtfasst  haben,  welche  dem  GegensaU 


Wt  MIert    PhiloMj^Ue  der  GrMkeii. 

vorangehend  die  «DtgegengeselsteD  Elemente  als  aoldM  erMOge  «ni 
ihre  Verknttpfang  vermittle.^ 

a)  Als  die  ältere  Form  dee  pythagorelaebeo  fiotteabegrlflee  mfiiMa 
wir  diejenige  Ansicht  anerkennen,  welche  die  Oottheit  mit  der  Wek 
identiflcirty  nnd  welche  als  offtUMcdifittw  ^  als  das  die  Gregensltai 
Einschliessende  gedacht  wird.  In  dieser  Besiehung  mnss  ich  Brsndis 
beistimmen,  welcher  Band  I,  p.  483,  Anm.  d.  nachweist,  dass  Pbl- 
lolans,  and  fthnlich  andere  Pythagoreer  gelehrt  haben  sollen,  Gott 
habe  die  Grense  and  das  Unbegrenzte  gesetst;  nnd  ebenso  derBe* 
merkong  Böckh's  Philol.  148,  dass  ohne  die  Annahme  einer  höheren 
Einheit  über  dem  Begrensten  and  Unbegrenaten  in  dem  System  der 
höchst  religiösen  Pythagoreer  keine  Spar  der  Oottheit  wfire.  DiM 
scheint  mir  sehr  treffend,  und  ich  hegreife  nicht  recht,  warum  Zell« 
meint,  ein  philosophisches  System  wie  das  pythagoreische  habe  dieia 
Vorstellung  mehr  als  unbedingte  Voraussetsong  ans  der  Volksreli« 
gion  aafgenommen,  als  dieselbe  zu  einem  wissenschafdiehen  Pro* 
bleme  ausgebildet.  Der  (%arakter  der  gansen  froheren  griechischen 
Philosophie,  welchen  auch  noch  die  frflheren  Pythagoreer  getheüt 
haben  werden,  ist  der,  die  Oottheit  and  die  Welt  gans  und  gar  ss 
identificiren,  daher  das  pythagoreische  System  ebenso  wohl  Panthei»* 
mus  gewesen  sein  wird,  als  die  übrigen.  Aber  ebenso  gut  kssi 
man  diese  Lehre  der  Pythagoreer  Monotheismus  nennen,  da  ibnes 
die  Welt  ein  einiges,  geistiges  und  gegliedertes  Wesen  war,  wel- 
clies  sich  beständig  fortentwickelte.  Ich  kann  daher  die  Orfinde 
Zeller's  auch  durchaus  nicht  als  bindend  ansehen,  wenn  er  p.  373 
meint:  „Um  so  weniger  können  wir  der  Annahme  beitreten,  ds« 
die  Pythagoreer  eine  Entwickelung  Oottes  in  der  Welt  gelehrt  he- 
ben, dnrch  die  er  allmälig  T<m  der  Unvollkommenheit  zur  Yollkos^ 
roenbeit  gelange.^  —  Wenn  wir  Gott  und  Welt  gleich  setaen,  ao 
müssen  wir  dennoch  der  ron  ihm  aariickgewiesenen  Ansieht  sein; 
und  dies  stimmt  auch  mit  dem,  was  Aristoteles  ron  den  Pythsgo« 
reem  berichtet.  Zeller  meint  aber,  das  sei  nicht  möglich,  da  die 
Gottheit  weder  als  das  beide  Gegensätse  Einschliessende,  noch  als 
die  eine  Seite  des  Gegensataes  au  nehmen  sei.  Was  das  Erste  aal 
dessen  Unmöglichkeit  betrifft,  so  verweist  Zeller  anf  p.  270;  ßM 
jedoch  hier  in  der  Note  selbst  die  von  Ritter  geltend  gemachte 
Stelle  aus  dem  Aristotdes  an,  nach  welcher  das  Gerade  und  Do* 
gerade  aus  dem  Einen,  aus  der  Gottheit,  aus  dem  iv  xcci  nav  werdeoi 
nach  welcher  also  das  Eine  das  die  Gegeasätae  Umschliessends 
sohl  muss.  Den  Sinn  dieser  Stelle  rerwirrt  sich  Zeller  wieder  durch 
die  Eigenihiimiichkeit  der  Pythagoreer,  dass  auch  die  eine  Sdte  der 
Gegensätse  Einheit  genannt  wird,  was  natürlich  als  ein  Widersprach 
erseheinen  mnsste,  und  worauf  wir  sogleich  sarflckkommen.  Weoa 
er  sich  aber  darauf  besieht,  dass  Ritter,  der  fiie  Einheit  und  Ootl* 
hek  identificirt,  nnd  als  diese  nnd  durch  diese  die  Welt  eotwkkela  i 
lässt,  Yon  Brandis  widerlegt  u^  (p.  273,  Anm.  8),  so  ist  dies  nsf 
sehr  bedingt  wahr.    Brl^ndis  hat,  wie  loh  allerdiaea  gtambe,  p«  4St 


Mlert    PUbMi^  aiMtSrlailM;  Mt 

Bl<M7,  Aam.  M.  die  AoBldit  Bitteres  licbUg  widerlegt,  dtas  die 
W«k  MS  ^ner  abetrakten  Zahl  enUtonden  eei,  vnd  dafegen  die 
KaterUliUU  des  Sxiiifop  und  xevov  geltend  gemeeht  Nicht  aber 
wUedegt  er  die  Aneicht,  welche  Zelier  an  Bitter  bekSmpfea  will; 
im  atolich  die  Pjthagoieer  des  Schönste  nod  Beete  errt  ab  ein 
hodekt  der  Entwickelong  betrachtet  haben,  z«  welcher  Ansicht 
Brandif  sieh  geradeso  p,  484,  h.  bekennt.  Dagegen  spricht  er  sich 
^gen  dss  idealistische  Zahlenprincip  bei  Bitter  ans,  welchem  Zeller 
gcrtde  anhängt 

b)  Andererseits  hören  wir  aber  auch,  dass  wirklich  das  Eins 
sidit  als  iv  mu  nav^  sondern  als  fiovv:^  oder  als  Harmonie  ge- 
fwt  worden,  nnd  so  so  einem  Theil  des  Oegensaties  herabgesnn- 
kea  itt.  Zeller  selbst  fuhrt  nach  Sextos  Empirikns  p.  260  ans, 
dsis  jea  Pjrthagoreem  die  Weit  aos  Form  ond  Stoff  besUnden  habe, 
nod  dssB  sie  diese  Gegensfitce  noch  als  Männlich  nnd  W^bUch,  als 
Gerade  (le^cov)  ond  Ungerade  {nsf^irtw)  als  Geordnetes  nnd  Un- 
geordnetes p«  261,  Ann.  1,  ja  sogar  als  Gott  ond  Welt,  als  Ein- 
keb  oad  Zweiheit  beseichnet  bitten.  So  soll  das  Göttliche,  als 
Ams  bestimmte  Seite  des  Gegensatses^  Monas,  als  die  Oegensitae 
eiaieUjessende  Sobstans,  iSns  genannt  werden.  In  einer  höchst 
Mrkwitrdigen  Stelle  p.  250,  Anm.  2.  sagt  nns  aber  Zeller  selbst: 
id^jiüxtig  ih  xal  ^lokuog  adujapofüng'  ro  iv  xal  ^toviSa  xa- 
^OMTt  xffl  r^  i»4>vada  iv;  woraos  wir  erfahren,  dass  die  Mathe- 
Wiker  gerade  diese  Verwechslong  der  Worte  begonnen  haben,  was 
not  sogleich  den  Verdacht  erregt,  dass  anch  die  Yorstellnngen  Ter- 
vkrt  oder  nmgebildet  worden  seien.  Zeller  sieht  non  dennoch  diese 
Verwechslong  des  Monas  mit  der  Gottheit  nnr  als  spätere  Aoffas- 
mg  ond  Anslegong  an,  p.  269.  Dagegen  erklärt  sich  jedoch  Bein- 
kold,  Gesch.  d.  Phil.  Bd.  I,  §.  36,  ond  Bitter  Bd.  I,  p.  390,  wo 
sie  Lehre  des  Philolaos  angegeben  wird,  dass  die  Zahl  das  herr- 
echende ond  selbst  erseogte  Band  des  ewigen  Beharrens  der  weit« 
Heben  Dinge  sei  (Böckh  Nr.  17).  —  Als  Beweis  ftir  diese  doppelte 
ioCmong  des  Eins,  des  iv  oder  der  iiovag^  als  der  Gottheit  mös- 
len  wir  nnn  ihre  Stellong  in  der  gansen  Weltanschaoong  der  P7* 
tkigoreer  rergleicfaen;  sehen,  welche  Bedeotong  in  ihr  Demjenigen 
keigtlegt  wird,  was  Monas  genannt,  nnd  roraogsweise  als  göttliche 
Thltiglceit  beseichnet  wird;  ond  nachforschen,  ob  sich  noch  hier- 
Sker  iiae  doppelte  Aoffassong  findet  So  erst  werden  wir  Aber 
die  pantheistische  Yorstellongsweise  des  äfi^fiog  fpvctmg  den  wah** 
len  Aafuhloss  erhalten. 

3.    Bei  der  Weltbildong. 

Diese  WeltbiUnng  wird  wohl  gerade  in  dem  Sinne  so  nehmen 
eeia,  welchen,  wie  Zdler  p.  299  meint,  Niemand  den  Pythagoreem 
Mdielbt;  so  dass  der  Stoff  der  Welt  „ewig  ond  onyergSogUcb, 
*iArt  dagegen  tinm  beiUbidigea  Wechsel  ron  Eatstehnag  md 


9Q4  '    Zellers    Phifofopliie  der  Oriecben* 

Untergang  us^erworfen  sel.^  Fasst  doch  u.  A.  Brandte  die  Welt^ 
biiduDg  gerade  bo,  und  betrachtet  dieselbe  als  VenrollkommDUOg 
und  beständige  Entwicklang  und  Ausbildung  der  Welt 

a)  Bei  der  wunderbarlichen  Vorstellung  der  Pythagoreer  tob 
der  Weltbildung  finden  wir  aber  wieder  zuerst  eine  materialistisdie 
Auffassung,  welche  auch  hier  die  Xltere  Lehre  sein  musa,  da  sie 
das  eigentliche  Grundgerippe  bildet,  an  welches  sich  erst  als  spätere 
Umbildung  die  idealistische  Deutung  anlehnt. 

Das  Ali -Eine  lassen  nämlich  die  Pythagoreer  aus  dem  aiu^ 
pov  oder  X€v6v  und  dem  X£JtsQcc(S[idvov  oder  der  bildenden  Monas 
bestehen.  Diese  denicen  sie  sich  als  Weltgeist  mitten  im  Himmel 
stehend;  sie  sieht  in  Athemzfigen  jenen  ungeformten  feinsten  Stoff 
ein,  was  nach  Arist.  Pfays.  IV,  6.  anBiQov  nvsvfux ,  nach  Stob.  ed. 
L  p.  380  jcvori  genannt  wird;  sie  bildet  aus  demselben  zuerst 
die  Homoiomerien  und  aus  diesen  die  Dinge  (ßlvai  ^  Sq>a6av  xal 
ot  Uxj^ayoQBioi  ocsvov^  xal  insuSuvai  avto  roJ  ä^ava  ix  xov 
aneiQOV  nvev(iatos^  dg  av  ivanvsovti.  xal  xo  xevov,  o  Su>Q{lßi  tag 
q>v06tg,  Phys.  IV,  6).  Damit  stimmt  volllcommen  die  ebenfalls  von 
Ritter  citirte  Stelle,  Stob.  ecl.  I,  p.  10  tiberein.  Und  zum  Ueber- 
fluss  citirt  uns  Ritter,  trotz  seiner  idealistischen  Auffassung  der 
Pythagoreer,  p.  412  zugleich  die  schon  angeführte  Stelle  Aristoteles 
Phys.  IV,  7,  in  welcher  behauptet  wird,  einige  Pythagoreer  seien 
der  Ansicht,  dass  dieses  xsvov  als  materieller  Urgrund  der  Dings 
zti  denken  sei.  (dco  q>a6C  rivsg  slvav  to  xsvov  trpf  räv  iSmuatmv 
vkrfv^  of  nBQ  xal  tonov  ro  ravto  ovto  kdyovteg.) 

b)  Dass  dies  die  Grundanschauung  der  Pythagoreer  gewesen 
sein  muss,  geht  daraus  hervor,  dass  sie  noch  immer  beibehalten 
wurde,  als  man  das  Wesen  der  Monas  und  ihrer  weltentwickelndea 
Thätigkeit  schon  verändert  auffasste,  wie  z.  B.  Philolaos.  Das  höchst 
roerkwQrdige  elfte  Bruchsttick  in  Böckh's  Philolaos  vervollständifl^t 
unsere  Anschauung;  es  zeigt  uns,  wie  die  pythagoreische  Ansicht 
der  mythologischen  Vorstellungsweise  anbequemt  worden  Ist  Es 
wird  uns  nämlich  darin  gesagt,  dass  Philolaos  mitten  um  das  Cen- 
trum der  Welt  ein  Feuer  angenommen  habe  (als  Weltseele),  welches 
er  Heerd  des  Weltalls,  Zeus  Wohnung  und  Mutter  der  Götter  ge- 
nannt habe.  Hiebei  ist  auffallend,  dass  in  dieser  Vorstellungsweise 
die  Bezeichnung  Gottes  schon  auf  den  einen  Theil  des  Gegensatzes, 
auf  die  Seele,  zurückgezogen  wird,  indem  Monade  und  Heu  Identificirt 
werden.  Diese  Umbildung  der  Anschauung  von  dem  göttlichen 
Princip  ist  aber  aufs  merkwürdigste  übereinstimmend  mit  der  Um« 
bildung,  welche  sich  in  dem  Zahlenprincipe  und  seiner  Auffassung 
II,  4.  geltend  machte.  Auch  diese  Seele,  dieses  Feuer,  diese  Mo- 
nade bekommt  nun  eine  andere  Bedeutung  als  früher,  eine  idealistische 
oder  formelle,  und  wird  „Zusammenhalt,  Mass  der  Natur^  genannt 
Demgemäss  hören  wir  von  Philolaos  weiter  in  der  bereits  angeführten 
Stelle,  dass  er  alle  Dinge  aus  einem  formellen  und  einem  materiel- 
len Elemente  msanunensetzti  nnd  so  in  den  Dualismus  gerätb,  welchea 


2aner:    Pkilofopkie  der  GrieckeM.  20» 

wir  iD  den  Systemen  des  Plato  und  Ariitotelee  ansgebfldet  finden, 
welcher  so  gans  den  froheren  realistischen  allgemein  verbreiteten  An- 
sebnoDgen  der  l^aturphilosophen  widerspricht,  und  dessen  Genesis 
10  der  mathematischen  Anschauungsweise  der  späteren  Pythagoreer 
10  fachen  ist. 

Dsss  aber  neben  dieser  Idealistischen  Auffassung  von  der  Welt« 
leele  wirklich  auch  eine  realistische  existirt  habe  geht  ferner  aus 
des  mit  diesen  beiden  verschiedenen  Ansichten  correspondirenden 
Aoffiusongen  von  der  menschlichen  Seele  hervor ,  welche  uns  noch 
beide  fiberliefert  sind,  und  so  die  dargelegte  Meinung  üher  die  ver- 
achiedenen  Richtungen  unter  den  Pythagoreern  bestfitigen  und  fast 
fiber  allen  Zweifel  erheben.  Meistens  heisst  es  sogar  ot  fici/,  ot  d«; 
oder  ivuH.;  oder  tcveg  zäv  Dvd'.  n.  s.  w.,  wel  schon  Brandts  in 
der  AogeHihrten  Abhandlung  des  rhein.  Mus.  p.  211  scharfsinnig 
braerkt  hat.  £s  handelt  sich  also  nur  darumi  diesen  Andeutungen 
geoaa  nachaugehen. 

4.    Bei  der  menschlichen  Seele. 

Unser  Gesichtspunkt  macht  sich  an  allen  Orten  so  überein-* 
Btimmend  und  gleichmSssig  geltendi  dass  es  kaum  l>egreiflich  wftre, 
wie  die  verschiedenen  Richtungen  unter  den  Pjrthagoreem  über* 
lehen  werden  konnten;  wenn  man  nicht  an  die  Macht  einer  vor- 
Seüttsten  Meinung  glauben  müsste,  welche  durch  die  sonst  so  lÖb* 
lidie  Absicht,  Uebereinstimmung  in  die  Meinungen  zu  bringen,  hier 
Mf  einen  Irrihum  geführt  hat.  Dazu  mussten  die  mannigfadmten 
CmsUnde  zusammenwirken,  um  die  Meinungen  und  Nachrichten  über 
die  Pytbagoreer  immer  verwirrter  erscheinen  an  lassen.  Wie  man 
lieh  aber  von  einer  schlichten  Anschauung  der  Probleme  leiten  lässt, 
und  SU  ergründen  sucht,  in  wiefern  eine  specielle  Ansicht  aus  der 
gesammten  Weltanschauung  hervorgegangen,  wie  diese  durch  jene, 
Qsd  jene  wieder  durch  diese  gestützt  worden  sein  kann;  und  mit  einem 
lolehen  Maassstabe  an  die  Quellen  herantritt;  so  kommt  mit  einem 
kUle  Licht,  Klarheit  und  Zusammenhang  in  die  sonst  so  dunkehl 
Q&d  eich  widersprechenden  Nachrichten. 

a)  Sogar  von  dem  Wesen  der  Seele  müssen  wir  eine  materialisti* 
lebe  Anschauung  finden ,  wenn  unsere  Auffassung  sich  rechtfertigen 
8olL  So  eigen  uns  jetzt  eine  solche  Voraussetzung  klingen  mag ;  so  wird 
Qiuiere  Verwunderung  über  eine  materielle  Seele  dennoch  wegfalleni 
wenn  wir  daran  denken ,  dass  sie  die  übereinstimmende  Ansicht  der 
früheren  griechischen  Naturphilosophen  gewesen  ist  Sie  Hessen  die» 
1^  aus  den  feinsten  materiellen  Theilen  bestehen,  bald  aus  Feueh«* 
tem,  bald  aus  Luft,  bald  aus  Feuer  oder  Aether  oder  den  feinsten 
Homoiomerien,  je  nachdem  sie  eine  verschiedene  Ansicht  von  doE 
sbflolnten  Substanz  oder  der  Weltseele  hatten. 

Diese  materialistische  Ansicht  der  Pythagoreer  von  dem  Weseo 
^  Sede  findw  wie  dem  Mcb  dchtig  yon  Adstotelos  in  seinem 


{MM  Mler:    Phaosopble  der  Grlaehea. 

Bache  de  anima  rerseicbnet,  wo  er  im  sweiten  Kapitel  die  Ansleb* 
ten  der  früheren ,  also  der  Natarphilosophen  berichtet  Hier  stellt 
er  die  Ansichten  der  Pythagoreer  geradeau  mit  denen  des  Demokrit 
zusammen  und  sagt  ganz  ausdrücklich ,  dass  sie  mit  diesen  eiae 
gewisse  Verwandtschaft  hfitten.  Also  auch  hier,  wie  an  andern  Orteo, 
stellt  sich  wifcklich  eine  Aehnlichkelt  mit  den  Atomisten  heraus; 
und  da  gerade  die  Ansicht  über  das  Wesen  der  Seele  für  eine  ma* 
terialistische  Weltanschauung  die  Lebensfrage  ist,  so  kennen  wir  an 
der  materialistischen  Richtung  unter  den  Pythagoreem  nicht  Ifinger 
zweifeln.  Diese  materialistische  Auflfassung  bestand  aber  darin,  dass  sie 
die  Seele  aus  dem  feinsten  Stoffe ,  dem  luvov  oder  dem  Aether  be« 
stdien  Hessen  und  die  Seele  des  Menschen  für  einen  Splitter  von 
der  allgemeinen  Weltseele  ansahen.  Zeller  selbst  führt  uns  p.  3S2, 
Anm.  b.  die  entscheidende  Stelle  aus  dem  aristotelischen  Buche  tod 
der  Seele  an.  Daselbst  helsst  es:  j,loixs  dh  xal  ro  nccfic  rcoiy 
IIvd'ayoQeiiov  kBy6(Uvov  tt^v  ccvtfjv  ixatv  diavoucv  lipacav  yiü 
tivag  avtäv  xr^v  tlwjrpf  elvcci  ta  iv  rc5  adgc  l^vöfiarcc^  ot  i\ 
ro  tavta  xivoiiv.^ 

b)  In  dieser  charakteristischen  Stelle  sehen  wir  nicht  nur  die 
materialistische  Auffassung;  sondern  auch  die  idealistische  von  Ari* 
stoteles  auf  den  kürzesten  Ausdruck  gebracht,  dicht  neben  diesdba 
gestellt,  und  dennoch  so  präcise  von  ihr  unterschieden.  Auch  hier 
trennt  wiederum  Aristoteles  mit  seiner  bekannten  Geistesschärfe  nv^ 
uvtmv^  von  den  ot  öi;  und  selbst  der  ungeübteste  Forscher,  weaa 
er  nur  frei  von  dem  Vorurtheile  Ist,  bloss  eine  einzige  Richtung 
unter  den  Pythagoreem  finden  zu  dürfen,  wird  leicht  unter  der 
Ansicht  der  Ersteren  eine  materialistische,  unter  der  der  Letzterea 
eine  idealistische  herausfinden  können. 

Diese  idealistische  Auffassung,  welche  unter  den  Mathematiken, 
oder  den  pythagoreischen  Dualisten  die  allgemein  yerbreltete  Ansicht 
war,  welche  durch  die  Systeme  des  Plato  und  Aristoteles  weiter 
gebildet  wnrde  und  durch  dieselben  einen  so  gewaltigen  Elnflnsi 
auf  die  Anschauungsweise  der  Menschheit  erhielt,  geht  aus  sSamt- 
lichen  von  Zeller  in  den  Paragraphen  citirten  Stellen  henror, 
so  wie  aus  denen  der  Anmerkungen  zu  p.  323.  Nach  dieses 
wird  die  Seele  als  Harmonie  betrachtet,  und  zugMch  als  das 
t6  t€cvta  (d.  b.  die  materiellen  Bestandtheile  des  Körpers,  deren 
Ideeile  Harmonie,  deren  übersinnliches  Rand  sie  Ist)  iuvovp.  b 
Böckh's  PhUolaos  p.  177  de  etat.  an.  H,  7.  helsst  es:  „anfana 
kiditur  eorpori  per  numerum  et  immortalem  convenientian.^  Hier* 
bei  berichtet  uns  Zeller  mit  seiner  bekannten  Gelehrsamkeit  aueh 
die  Stelle  ans  dem  Phädo  Plato's,  in  welchem  dieser  jene  An** 
sieht  Ton  einem  Schüler  des  Philolaos  vortragen  lässt.  Wir  sehen 
also  anch  hier,  dass  sich  die  idealistische  Umbildung  der  Anschauung 
von  dem  Wesen  der  Seele,  wie  übereinstimmend  auch  bei  derjeni* 
gen  der  übrigen  Probleme,  an  die  Namen  der  Mathematiker  und 
Mirer  Schüler  anknüpft.  ^  Mit  Leichtigkeit  lassen  sich  —  nachdem 


BiMi>lheM  «riealalU  Spraiif eruui«.  Mt 

UUft  BJebtDDgan  festg«iteUt  liDd,  —  die  exegellMhei,  kiatoriadiM 
nid  dogmaUscheii  Gründe  ugebeo,  warum  die  reelieüeehe  oder  m»- 
teiiüsb'sdie  Anfheeimg  der  Zahl  die  filtere,  und  eben  deMwegen 
aneh  diejenige  geweeen  sein  muae,  welehe  aie  die  genetische  Ursache 
der  PTthagereischen  Zahlenlehre  sn  betrachten  ist 

CmsülL 


Bibliotheca  orientalis  Sprengeriana. 

A  Ckäälogue  &f  ihe   bibHciheea   orientalU   8prengeriana.     Oiessen. 
KeOer.     1857.     VII  und  110  p.  in  8, 

Herr  Dr.  Sprenger,  ein  gebomer  Tiroler,  welcher  dreisehn  Jahre 
in  Uorgenlande,  grSestentheils  in  Indien  angebracht,  hat  sowohl 
fttrend  sefaiea  AoTentbaltes  in  letsterm  Lande  ak  auf  seinen  Rei- 
M  dnreh  Syrien ,  Egypten ,  Arabien  und  Persien,  es  sich  snr  be« 
•osdera  Aufgabe  gemacht,  die  literarischen  SchStse  des  mnselmän- 
iNbea  Ostens  an  nntersnchen  nnd  das  beste  was  sich  ihm  darbot, 
entweder  käoffich  an  erwerben,  oder  dnroh  sorgffihige  Absehriftea 
■ck  sozoeignen  und  so  vor  dem  Untergange  an  bewahren,  der, 
U  nmehmender  Unwissenheit  der  Mohammedaner,  ihre  gediegensten 
Werke  bedroht,  wenn  sie  nicht  etwa  in  das  Gebiet  der  Jurisprudena 
md  Theologie  gehören.  Nicht  immer  werden  aber  derartige  Be« 
nilHmgen  ron  günstigem  Erfolge  gekrönt,  nur  eine  den  Fanatismus 
M«k  fibertreSsnde  Habsucht  kann  hier  dem  EuropSer  als  Djianr 
oder  Kafir  an  statten  kommen,  sonst  lassen  Muselmänner  von  echtem 
Scbrot  lieber  ihre  Handschriften  verschimmeln  und  Ton  Motten  Ter« 
nhren,  eis  von  unreinen  Ghristenhinden  berfihren.  Mit  den  gedie« 
8«mten  bibliographischen  Kenntnissen  nnd  der  bestausgestatteten 
Utse  allein  reicht  man  noch  nicht  aus,  aur  Erwerbung  werth voller 
meksainiedanisch*  orientalischer  Handschriften.  Man  muss  viele  Jahre 
uier  den  Mobammedanem  gelebt,  sich  ihre  Sitten  und  ihre  Sprache 
ttSceignet  haben,  um  Freunde  unter  ihnen  au  gewinnen,  durch  die 
>ia  Zutritt  au  öffentlichen  nnd  Privatbibliotheken  erlangt,  oder  durch 
'«n  Vermittlnng  der  Ankauf  oder  das  Abschreiben  von  Handschrif« 
üi  ermöglicht  wird.  Dass  Herr  Dr.  Sprenger  alle  Eigenschaften, 
wekke  einem  Sammler  orientalischer  Handschriften  noth  thun,  in 
koliea  Grade  besitst,  beweist  der  kostbare  Literatnrsehata  dessea 
Veneichniss  uns  vorliegt  Bet  kann  mit  voller  Sachkenntniss  Vor« 
ittsden  öffeDtlicher  Bibliothekoi ,  die  etwa  diese  Handschriften  an« 
nbofen  gesonnen  wären,  die  Versidierung  geben,  dass  nicht  nar 
biiiicr  kein  Europäer  eine  so  werthvoUe  Sammlung  aus  dem  Ostea 
nrfiekgebracht,  sondern  dass  auf  keiner  europäischen  öffentlichen 
BiUiothek,  die  Oxforder,  Pariser,  Leydener  und  Gothaer  nicht  aus- 
gcsommen ,  des  ausgesuchteste  der  arabischen,  persischen  und  hin* 


206  .    Bibliötheea  orientalis  Sprenferiaiia» 

doBUDischdn  Literator  sich  so  yereioigt  fioddt,  wie  hier.  Jeder 
Zweig  der  mobammedaniechen  Wiseenschaft  ist  In  dieser  Sammloog 
durcli  die  hervorragendsten  Werke  vertreten ,  in  einzelnen  F&chen 
aber  Ist  sie  reicher  und  vollständiger  als  Irgend  eine  andere  In 
Europa.  Der  Catalog  besteht  aus  1972  Nummern  und  zerfiüit  in 
folgende  Abtheilungen:  1)  Geographie  und  Geschichte.  2)  Genea- 
logie und  Biographien.  3)  Commentare  zum  Coran.  4)  Traditioni- 
kunde  und  Traditionssammlungen.  5)  Theologie  und  Jurispradenz. 
6)  Sufismus  und  Ethik.  7  und  8)  Arabische  Philologie  und  Poesie. 
9  und  10)  Persische  Poesie  und  Philologie.  11)  Werke  in  Djig- 
hatai-Sprache.  12)  Persische  Werke  aus  dem  Sanskrit  oder  Hin- 
dnstani  übersetzt.  13)  Hindustani-Literatur.  14)  Theoretische  Phi- 
losophie. 15)  Mathematik  und  Astronomie.  16)  Medicin,  Chemie  etc. 
17)  Encyklopädien  und  Collectaneen. 

Wir  müssten  nahezu  die  Hälfte  des  Gatalogs  hier  abschr^beoi 
wollten  wir  auf  alles  Werthvolle  und  Seltene  aufmerksam  maeben, 
das  darin  enthalten  ist,  doch  können  wir  nicht  umhin  die  kostbar- 
sten Handschriften  besonders  hervorzuheben.  Unter  denen  der  eisten 
AbthelluDgy  welche  245  Nummern  zählt,  nennen  wir:  (Nr.  5.)  die 
Geographie  von  Mohammed  Ihn  Ahmed  Mukaddesi,  welche  den 
Titel  Ahsan  Attakasim  führt.  (Nr.  7.)  Das  grosse  geogr.  WaEte^ 
buch  von  Jaknt.  (Nr.  30.)  Das  älteste  arabische  Geschiehtswerk 
von  Jal^ja  Ihn  Mohammed  Munaddjim,  aus  der  ersten  Hälfte  des 
zweiten  Jahrhunderts  der  Hidjrah.  (Nr.  31.)  Die  Eroberung  Syriens 
von  Abu  Ismall  j  einem  Autor  aus  dem  dritten  Jahrhundert  d.  H. 
(Nr.  40— -42.)  Drei  Bände  der  Chronik  des  Tabarl,  im  Urtexte,  von 
denen  der  eine  das  Leben  Mohammeds  und  die  beiden  andern  die 
Geschichte  der  Jahre  32  —  60  enthalten.  (Nr.  51.)  Ihn  DJanzi's 
Universalgeschichte,  welche  bis  zum  Jahre  597  d.  H.  reicht  Ferner 
(Nr.  57—61.)  zwei  vollständige  Exemplare  der  Geschichte  des  Islams 
von  Jafiii  bis  zum  Jahr  750  und  ein  Exemplar  des  grossem  Werkes  von 
Ibn  Kethir,  das  die  Jahre  42—731  umfasst.  Von  dem  Sirat  Ihn 
Hischam,  der  besten  Quelle  für  die  Biographie  Mohammeds,  be« 
ßiizi  Herr  Sprenger  (Nr.  93—102)  zwei  Abschriften  von  der  ersten 
BälftOi  mit  Anmerkungen  des  Ibn  Hischam  selbst.  Eine  derselbeii 
ist  die  schönste  nnd  correkteste  Handschrift  die  er  je  gesehen.  Auch 
}äef.|  dem  er  sie  gezeigt,  erinnert  sich  nicht  eine  zierlichere  arabi^ 
ache  Handschrift  vor  Augen  gehabt  zu  haben.  Auch  von  derzwefc^ 
ten  Hälfte  besitzt  er  zwei  Abschriften  und  mehrere  Fragmente  eiflf» 
zehier  Theile;  femer  die  zweite  Hälfte  mit  dem  aus  Sohelli  avsge» 
zogenen  Commentare  des  Ibn  Hoddja,  zwei  Abschriften  eines  abjj 
gekürzten  Ibn  Hischam,  einen  TheU  von  Soheili'a  Commentar  zi 
Ibn  Hischam  und  endlich  Dsahabi's  Auszug  aus  Sohelli's  CommenUMi 

(Schluis  folgt.)  I 


k.l4  HBIDELBERGEB  IUI. 

JAHRBOGHBR  DIB  LITIRATDL 

BBBiS^SiBHBBBBi^HBBBSBBHHBiBBHBBSBHBHHHIBHHHMHilMMHiBBHBIHI 

Bibliotheca  Orientalin  Sprengeriana. 

(ScyiiM.) 

Ata  wrftee  wichtige  Werke  Kr  die  Lebenibeschrdbang  Mo* 
bimnede  nennen  wir  (103)  den  ereten  Band  der  Tabakat  AI- 
keblr  ron  Ibn  Siad,  einem  Zeitgenoaaen  Ibn  Hischams,  Tirmed- 
Bi's  Schnmail  (N.  107--113)  mit  Tersclüedenen  Commentareo. 
xwd  Abecbriften  des  Ujnn  Alathr  (Nr.  122 — 125)  von  Mobamttea 
Ibn  Sejjid  Alna«,  mit  einem  Commentare  von  Borban  Eddin  Halebf| 
dfei  Abeehriften  des  Mawahib  Alladanijeh,  (Nr.  138—141.)  ron 
Kaslnlaniy  das  Cbamis  (Nr.  143.)  Ton  DijarbekriOi  das  Insan 
Alojan  (N.  148—149.)  von  Halebi.  Unter  andern  historischen 
Werken  nennen  wir  noch  swei  (Nr.  174—176.)  der  SUdt  Mekka, 
eine  von  Fasi,  nnd  eine  andere  von  einem  Unbekannten ,  zwei  der 
Stadt  Medina  (Mr.  178.  179.  181.)  ron  Samhndi  nnd  Abd  Alhakk., 
eine  Geschichte  des  Schah  Abbas  nnd  seiner  Vorgänger  (N.  202 — 
203.)  Ton  Iskander  Munschi,  eine  Geschichte  Timnrs  Q^r.  218.) 
Tm  Ali  Jeidi,  mehrere  Werke  über  die  Geschichte  Indiens  (St.  220  ~ 
824.)  so  wie  fiber  die  einzeben  Dynastien ,  Prorhixen  oder  Sttdte 
dieses  Landes  (Nr.  227—245.). 

An  genealogischen  nnd  biographischen  Werken  iShlt  nnser  Ca* 
tdog  125  Nnmmem.  Besondere  Erwähnung  rerdienen  Nr.  246  nnd 
847  fiber  die  Genealogie  der  arabischen  Stämme,  von  Ealkaschendli 


t)  Dies«  Werk  beendet  tich  aach  tvf  der  Heragl.  Gothtifchen  Bibliotliek 
nad  ik  Ton  Bei  xa  feinem  Leben  Mohammed't  benntit  worden.  Der  Ver- 
IsMer,  welcher  ioi  sehnten  Jabrhnnden  d.  H.  fohrieb,  nennt  in  der  Vorrede 
die  TOB  ihm  lieanttleB  Werke,  beinahe  alle,  wenigstem  die  bedeulendatea 
fimdilienssamnüiuigen  and  Biographien  Mohammed'a,  die  vor  ihm  TerfaMl 
worden.  Ref.  mniste  alio  tchon  aus  dieser  Vorrede  allein  von  den  meisten 
and  besten  Qaellen  nber  Mohammed  Kenntniss  haben,  wenn  er  anch  nnr  Wo* 
nife  derselben  m  seiner  Verfügung  hatte.  Daran  woUen  wir  den  Beriehter* 
stattcr  den  Sprenger'schen  CaUlogi  in  der  Angab,  allgem.  Zeitnng  (BeiL  s. 
tu  Fcftf.  1857)  erinnem,  der  am  Schlosse  seines  Anfsatzes  schreibt:  „Die 
ibendlindisdien  Biographen  des  Propheten,  Washington  Irring  nnd  an- 
lera,  haben  die  wenigsten  dieser  asiatischen  Quellen  gekannt  oder  be* 
Mteea  kennen.^  Wenn  der  Berichterstatter  freilich  anter  „abendländischen 
ficvraphen*  amerikaniscbe  Belletristen  vom  Schlage  Washington  Irvings  Tor- 
slality  die,  wie  dieser,  ans  Unkenntniss  der  orientalischen  Sprachen ,  nnr  ans 
abendllDdischen  Quellen  schöpfen  können,  so  mag  er  recht  haben,  sonst  glaubt 
Bef.  behaupten  su  können,  dass  nicht  nnr  ihm  selbst,  sondern  auch  Hammer« 
FugstaD,  dem  Verfasser  der  Literaturgeschichte  der  Araber  nnd  H.  Gaussin  de 
Perceml,  welche  noch  im  ieben  Mohammeds  geschrieben,  die  meisten  dieser 
fiadea  bebaut  waren.       » 

k  Jtivg.  d.  Heft  n 


210  BiUiMli6cft  «iiflilalii  Sprioffttiaiia. 

unter  dtt  Uographi8che&  Nr.  953,  Ton  Hnsa  Iba  Ajjab  258,  tob 
MohMnmed  Amin  Mnhibbt,  eine  Reibe  Ton  Biograpbien  der  Trndi« 
tiondehrer  (Nr.  267 — 285),  der  gelehrten  Sehafliten  Q^r.  295  und 
296),  der  Hanefiten  (Nr.  300—302),  der  Hanbaliten  (Nr.  303),  der 
Malekiten  (Nr.. 804)  and  der  Schiiten  (Su  805^810),  daran  reibea 
Bich  dann  minder  bedeutende  und  unvollstSndige  Biographien  der 
Äflchariten,  der  Aerjste,  der  Belletristen,  der  Grammatiker  und  der 
arabiachen  Dichter.  Höchst  wertbiroll  nnd  reicher  ist  die  Sammlung 
der  Biograpbien  persischer  Dichter  Q7r.  318 — 342),  so  wie  die  der 
fßnduBtanischen  (Nr.  345—351).  Den  Schloss  dieser  Abtheilung 
(Nr.  352—870)  bilden  Biographien  von  Suflten  und  andern  Heiligen« 

Zur  Exegese  des  Korans  besitzt  Herr  Sprenger  96  Werke 
CSr.  871—466).  Wx  heben  be^nders  herrors  (Nr.  885)  ebeff 
Commentar  ?on  Abu  Schamah  Q^r.  404),  ein  Fragment  eines  Conunen- 
iars  Ton  tbn  Abbas  (Nr.  405j,  desgleichen  von  Tabari  (Nr.  406), 
ein  sdiiitischec  Commentar  von  Ali  Ibn  Ibrahim  QHr.  418—4183, 
Wahidis  Asbab  Alnusul  ftiber  die  Veranlassung  aur  Offenba-^ 
rang  der  ebcelnen  Verse)  und  dessen  Commentar  Alwasit,  acht 
B&ide  des  grossen  Commentars  von  Hakim  Abu  Saad  ßeihakf, 
mehrere  Abschriften  von  Samachschari's  Kaschschaf  (Nr,  426 — ^ 
432)  I  ein  Fragment  eines  mystischen  Commentars  zum  Eorad 
(Nr.  440—441)  von  Chazin  und  TNr.  242—248)  Safakasis  gram- 
matikalische und  lexikographische  Analysis  des  Korans. 

Sehr  vollständig  und  unübertroffen  ist  die  Sammlung  an  Wer^ 
ken  über  die  Tradition  (Kr.  467—568),  worunter  mehr  als  zwanzig 
{iber  die  auf  die  Ueberlieferung  anzuwendende  historische  SÜritik  von 
besondecm  Werthe  sind  (Nr.  467  -488).  Ausser  den  Traditions- 
aammlungen  selbst  von  Bucbari,  Mosllm,  Tirmedsi,  Abu  Daud,  nn^ 
Kesai,  besitzt  Herr  Sprenget  auch  mehrere  Commentare  zu  dental« 
ben  QXt.  499— 502,  505—7,  509  und  514,  518-19,  521,  523,^ 
638—84).  J 

An  fieligions-  und  Oesetzesbuchem  bietet  diese  Bibliofhelk  g^ 
mg,  dasi  Dicht  nur  Europäer,  aondem  MuselmICaner,  die  sich  bi« 
zum  Scheich  Elislam  emporschwingen  wollen,  sieh  daran  ausbUdafi 
können.  Nr.  569—895  enthalten  Schriften  über  die  I>ogmen  d« 
Xslanii,  596—610  Werke  über  die  Quellen  und  Grundlagen  de4 
Oeeetiee  (assnl  elfikh).  Hieranf  folgen  Gesetzbücher  nach  deq* 
einzelnen  Schulen:  Hanefiten,  Hanbaliten,  Schafilten  und  Malikll 
1—  von  denen  nur  Letztere  schwach  vertreten  sind  —  endlich  not& 
Schiititiflohe  Jurisprodenz.  Auf  die  allgemeinen  Lehrbücher  folgf 
eine  Beihe  kleinerer  Sdirlften  über  einzahle  Gesetze  und  Dogmen, 
Diese  AbAeOung  umfasst  nahezu  200  Nummern  (569-^740>  "^ 
sondere  ErwShnung  verdienen  unter  Andern:  zwei  Commentare 
Hidajeh  nnd  snr  Wikajeh  (Nr.  616—620),  Hawerdl's  Ada 
Alkndhat  (Nr,  684),  Nasafis  Werk  Über  die  Verschiedenheit 
vier  Schulen  (Nr.  650—651),  Ahn  Josnf'i  Briaf  an  Harun  A 
aehid  über,  die  Constitatton  des  mobiunmedknif<^  Beichs  und  fiber] 


teTSlkertecliti  Ktdawaii's  Bahr  Alnadiftblb  (tfbdr  dto  Y«r* 
MkMenen  lUligionen),  ein«  ReloUtlon  der  Reliclon  der  Hiodyi 
(Xr.  715)  eis  Werk  Aber  des  Verhalleo  bei  der  PeeCy  ib  wie  weil 
MÜA  YontcbtemaiBreKelii  geiUttet  ilnd  (Nr.  797),  «ber  de«  T*^ 
kiksgeeiiM  (Nn  728)  u.  g.  w. 

Ib  der  folgenden  Abtheünag,  über  Sttfienitte  md  t:tMk|  ^rlrd 
•dBch  dae  Material  herbeigeechalftt  ans  welebeu  elM  beeMe  öttd 
fttiaere  Eenntaies  der  mnsebnfinntoeben  Theoeophle  geseb9pft  wer^ 
te  kaan  ab  biaher,  uets  maneber  sebitsbaren  Vorarbeiten^  In  Eeropa 
ivbreiiet  war.  Wir  finden  bier,  aneier  den  Werken  Gbaaaalie, 
(Hr.  749--765,  772^789,  786—787,  867--80«)  dia  Syiteni 
te  Sofiimna  Ton  KalabadS,  mit  einem  Oeatmentare  (Nr«  74S},  dae 
m  Kdeeheki  (Nr.  744—747),  yen  JaUabI  (Nr.  748)  ye«  BlibMH 
waiA  (766—770  und  828),  dann  die  b^ten  Sebriften  über  den 
SofiaBM  Ten  Ibn  Arabi  mit  Gommentaren,  Aasstlgen,  Apelo|^  nnA 
BdbUtionen  (Nr.  772— 792|  851—854,  860—867),  femer  die  my- 
tÜBdien  Werke  DJill'e  (Nr.  801—808),  Scbarani's  (Nr.  816-^818)^ 
fa  Abd  Alkadir  DjUani  (Nr.  880),  Ghardmeebi  (N.  8S9)  n.  A« 
MAreie  myatisebe  Gommentare  aum  Koran  (Nr.  864 — 866),  BamuH 
lagea  ron  Homelien  und  mystiechen  Vorieenngen  (Nr.  878—877^ 
902— 909)  and  endUcb  eine  Reibe  von  Behilften  Aber  Elhlk  uM 
Aicettdemna.    Dleee  AbtheUong  eatbiüt  245  Nammorn  (741— 746)i 

unter  den  aur  arabischen  Pbilologie  im  engem  Sinne  gdbik'ed^ 
im  Bandaebriften  der  siebenten,  ans  154  Nnmmem  bMebende« 
AUbeiimig,  madien  wir  auf  folgende  anfmerksam:  Djanbärrs  WGf-' 
tnrimeh  (^r.  947—949),  eine  persisebe  Uebersetaong  und  Beerbet^ 
tmg  des  Kasoass  von  FiracabadI  (Nr.  952 — 955,  und  957— 968)| 
»«irrere  WörterbtIeher  über  den  Koran  (Nr.  965—970),  flber  die 
TnuBtiensworke  (Nr.  d71— 975\  «ber  teehntsehe  Ausdrücke  M  ja-« 
fidiidieH  Werken  (Nr.  983—986),  in  Werken  über  Snflenms  (Mr.  990 
-4»S)  imd  fiber  Mediein  (Nr.  994—995.  Unter  den  granfmaflkall^ 
vkm  Werken  aeiebnen  sich  aus ;  ^  Gommentar  an  Bibaweih  (Nr.  1 004) 
md  SB  Ibn  Dareid's  Makssorab  (Nr.  1006),  Djor^ani's  Kftab 
Aldjttmal,  eine  Grammatik  von  Samachschari,  (Nr.  1010)  mehrere 
Onmientare  cum  Alfijah  (Nr.  1088—1089)  und  Sujutls  Sebawähid 
AIsHiglml  QiT.  1040). 

Za  dM  seltenen  oder  besonders  werthtoBetf  Schriften  der  ate<« 
MMJwa  Belletrisdk,  besonders  Poesie,  alhlent  die  Qedicbte  des  Ibil 
Aisbi  (Nr.  1108),  Boslri's  Bamsleb,  mit  awd  Oolnlneniarett 
(}k.  1115— lll6)t  der  Diva«  des  Hassan  IbD  Thnbff,  der  des  Um 
'vidh  und  der  Chansa  (Nr.  1120—1121,  11^8),  Wahldi's  Com- 
amiar  an  Motenebbi  ^r.  1181))  der  Ditan  des  Abu  Tamam 
{jb.  1185),  Mubarrads  Kamll  (Nr.  1144),  arabische  Sprichwörter 
rm  Kasias  Ibn  Mohammed  ftakarQ,  ein  Gommentar  aur  Hamas« 
Tsn  Ahn  Ali,  dae  Kitab  Alaghani  (Nr.  1175-1180),  eine  Refber 
^en  AaAologfen  und  zwei  Eiemplare  von  Antar's  Roman,  das  dne 
b  <2  and  dae  andere  in  43  Btodeii»  Die  aes«nm«MiU  der  Htm* 


912^  Bibliotheea  orieAUUi  Sprea^riaiia. 

meni  dieser  Äbtheilimg  beträgt  167.  Nicht  geringer  ist  die  Zabl 
der  Sehriften,  welclie  die  persische  Poesie  zam  Gegenstände  haben. 
Hier  fehlt  nicht  nur  keiner  der  bekannten  Giassiker,  sondern  auch 
manche  neuere  Dichter  finden  sich  darunter,  so  wie  auch  mehrere 
▼orzOgliche  und  minder  bekannte  Gommentare.  Wir  nennen  nur 
JBe  Werke  des  Assafi,  Anwari,  Djalal  Asir,  Awhadi,  Ajsrakii  Fig- 
hani,  Hatifi,  Djami,  Chakani,  Chosrew,  Latifi,  Schebischteri,  DJeUL 
Eddin  Bund,  MnAjis,  Ni'mat  Allah,  Nisami,  Orfi,  Suseni,  Surnri  etc. 

Ueber  die  Werke  persischer  Philologen,  die  sich  fai  dieser  Samm« 
long  befinden,  haben  wir  wenig  au  erinnern,  da  der  grösste  Theil 
denielben  aus  Impressen  besteht  und  wir  hier  nur  auf  handschrifh 
liehe  BaritKten  aufinerksam  machen  wollen.  Herr  Sprenger  hat  es 
sich  nKmlidi  auch  angelegen  sein  lassen,  Bücher,  welche  im  Orient 
▼on  Mnselmlinner  gedruckt  oder  lithographirt  worden  sind,  sorgflQtig 
n  sammeln,  weil  sie  zum  Theil  in  Europa  so  selten  sind  als  grute 
Handschriften.  Unser  Gatalog  beweist,  dass  auch  in  dieser  Be- 
siehung er  seinen  Zweck  eneicht  hat  Wir  begnügen  uns  mit  dieser 
Bemerkung  und  setzen  nur  noch  liinzu,  dass  wenn  man  bei  unsrer 
Aufzählung  Ton  dassischen  Werken  dieser  Bibliothek  das  eine  oder 
das  andere  vermisst,  man  daraus  schliessen  kann,  dass  es  unter  den 
im  Osten  edirten  sieh  befindet.  So  z.  B.  Motenebbi  unter  den  ara- 
bischen, Firdusi,  Hafis  und  Sadl  unter  den  persischen  Dichtem,  das 
Hidajah  unter  den  juridischen  Werken,  der  Eamoss  unter  den 
arabischen  Wdrterbüehem  u.  dgl.  mehr.  Unter  den  Handschrift 
ten  der  persisch  philologischen  Abtheilung  nennen  wir  nur  ehi  Wör- 
terbuch Ton  Mahmud  (Nr.  1546),  und  mehrere  ErzShluugen,  Anek^ 
doten  und  Sprichwörter  (Nr.  1017,  1628—30,  1685,  1641—43)« 

Die  zehn  folgenden  Nummern  (1645—54)  enthalten,  mit  Aoa^ 
nähme  eines  einzigen  in  Calkutta  gedruckten  Werkes,  DjaghatiOachef 
handschriftliche  Sprachlehren,  Wörterbücher  und  Gedichte,  auch  ein 
Methaawi  in  ottomanischer  Sprache.  Hieran  reihen  sich  (Nr.  1655-^ 
1667)  Uebersetaungen  aus  dem  Sanskrit  oder  Hindustani  ins  Per* 
sische,  dann  (Nr.  1668—1774)  die  Hindustani  Literatur^  die  natür* 
lieh,  da  ja  der  Sammler  im  Lande  der  Hindu  lebte,  sowohl  an  Im« 
pressen  als  Handschriften  gut  bestellt  ist.  Die  folgende  Abtheilung 
(Logik  und  dialektische  Philosophie)  bietet  wieder  mehr  Druckschrift 
ten  als  Manuscripte  und  besteht  aus  58  Nummern  (1765 — 1823). 
Von  den  Letztern  nennen  wir  Samarkandis  Adab  Albahth  mit 
mehreren  Gommentaren  (Nr.  1793—96),  Eatibis  Hikmat  Alein 
mit  Gommentaren  (Nr.  1804—1810)  und  eUi  philosophisches  Weri^ 
Ton  Farjabi  (Nr.  1818). 

Auch  die  mathemadsch*astronomische  Abtheilung,  (Nr.  1824—« 
1879)  so  wie  die  medidnisch-chemische,  (Nr.  1880—1943)  enthfilt 
manche  Druckwerke,  die  bisher  nicht  nach  Europa  gelangt  sindi 
doch  auch  Handschriften,  die  nicht  ohne  Werth  sind,  wie  Ueb«^ 
Setzungen  des  PtolomKus,  eine  Sammlung  von  Traditionen  über 
Astronomie  ud  Meteorologie  (Nr«  1886—40)}  Abu  Maschar'a  JEHn^ 


Wn^t   Torlainff»»  tter  ik  fteorfo  eM.  IIS 

ytmg  nur  AstroBomie  (Nr.  1841),  Turins  ElüBttite  d«r  AalroiiottiM 
nk  äößm  CommeDUf«  (Nr.  1844),  Tabellen  inr  Verwaadliui^  kop* 
üKfaer  Daten  in  Data  der  Hidjrah  a.  a.  m.  Unter  den  medlelnlMb» 
MmriasenechalUichen  findet  sich  anefa  wieder  eine  Sammlung  rou 
IMitionen  fiber  Medidn,  ein  Werk  über  den  Zoetand  der  Medleia 
ie  Mekka  (Nr.  1880—81).  Medidniiche  Tabellen  ron  Honein  Ibn 
Uiik,  mehrere  Werke  mit  dem  Titel  System  der  Mediein  (1886— 
1889,  1894—1895,  letster«  in  VerMn),  mehrere  ehemlMhe  WeAe 
(1915-16),  über  reneriecfae  Krankheiten  (1919^20),  eta  Uterü 
Werk  fiber  Naturgeschichte  der  Thiere  (1933},  über  Edelsteine  (1998), 
ober  Physlognomil^,  Oneiromantik  n.  dgl.  m.  (1930—34).  Die  letite 
Abtbeflang,  EncyklopSdien  nnd  GoUeetaneen,  enthält  anch  noch  einig« 
Handschriften  die  bei  andern  Sammlungen  besondere  Erwlhnong 
Teidtonten,  wir  aber  übergehen,  um  sum  Schlüsse  so  gelangen,  dem 
wir  mir  nodi  den  Wunsch  beifügen  wollen ,  diese  reiche  nnd  kosl- 
btr«  Ssmmlung  möge  recht  bald  für  eine  grössere  Bibliothek  Deutsch- 
lasds  —  ehe  uns  das  Ausland  curorkommt  —  angekauft  werden* 
Nach  anserm  Daftirhalten  wäre  sie,  roransgesetxt,  dass  sie  Terelnigt 
Ueibt  nnd  dem  jetzigen  Besitier,  so  wie  andern,  genügende  Oaran* 
Im  leistenden  Orientalisten,  cur  Benutsung  überlassen  wird,  lu  einem 
Preise  zu  haben,  der  in  gar  keinem  Verhältnisse  m  fhnm  innera 
Werthe  steht  'We9i. 


Ywlesungm  über  die  Theorie  des  deuUchen  gemeinen  MrgerKeken 
Prozesses,  gehalten  auf  den  Universitäten  »u  OdUingettj  Hei-- 
däberg  und  Jena,  von  Dr.  Christoph  Martin,  Qrossherz, 
Saehsen-Wdmar^ sehen  Geheimen  Justiaraihe,  u.  «.  tr.  HerattS' 
gegeben  unter  dessen  Mitwirkung  von  seinem  Sohne  Dr.  Theo^ 
dor  Martin,  Qrossherx.  Sachs,  Justizamtmann  zu  Creuzburg. 
Zweiter  Band.    Leipzig,   F.  A.  Brockhaus,   1857.     607  S.  8. 

Deber  den  ersten  Band  dieser  Vorlesungen  ist  in  diesen  Jahrb. 
Jalirgg.  1856.  S.  161  ff.  berichtet  worden.  S.  1—113  des  «weiten 
Bandes  handeln  ron  den  Prosesshandlungen  in  ihrer  Verbindung 
untereinander.  Feststellung  der  Streitfrage  und  Qrundsätse  des  Be* 
veiaes  bilden  den  Hauptinhalt  Der  letztere  Punkt  hat  eine  aus« 
iSkHdiere  Erörterung  erhalten,  als  der  erstere.  In  Ansehung  des 
letzten  finden  sich  nur  kurze  Andentungen  über  das  Anbringen  der 
Klage.  Der  Stoff  der  Klage  ist  nun  auch  allerdings  da^enige,  des- 
M  Schicksal  über  den  Ausfall  des  Rechtsstreits  entschddet  Daraui 
aber,  dass  der  Verf.  allein  ihn  hier  in  Betracht  zieht,  Ist  das  noch 
iMit  zu  entnehmen,  und  am  allerwenigsten  ist  daraus  zu  ersehen, 
vie  dies  zugeht,  wenn  Einreden,  Repliken  u.  s.  w.  weitem  Stoff  in 
iea  Streit  hineintragen.  Ohne  eine  Darstellung  der  Art  und  Welse 
te  Qegenwirkens  und  beziehungsweise  Zusammenwirkens  dieser  rer- 
■ddeden^  ProjMesmittel  wird  sich  Indess  ehi  innerer  Znsammenhang 


der  Pr9M(tiBb«ddliMigM  Qidit  diurvtallon  UMen.  K«di  A»r  AiflEMwmg 
dw  Vert  i«t  wdeas  der  Zwock  de«  Proseisea  nur  die  ErlaDgniisg 
d#(  £ii0catip»  (S.  1)|  aber  ea  iBt  eaoh  dami  ein  Bechtsatreit  ror« 
bimdeo  seweeen,  wem  der  Kllger  ohne  irgend  eine  TheilnshnM 
dee  Bf^egten  ebsewieaen  worden  (S.  6).  Bei  dieser  Znrückfübroiic 
def  Beebtflstreite  anf  eine  blosae  Prftparation  der  Esecation  wird  die 
Bedentupg  deeselben  ala  eine«  Mitude  den  streitigen  Pankt  imtM 
den  Partbeien  mr  Gewiwheit  zu  bringen  und  die  Verfolgung  irgend 
(^ea  poeitiven  Zweckes  von  Seiten  des  Beklagten,  Jedea  Intereaao 
^ea  üetistern  bei  einer  Fortsetzung  desselben,  aua  demselben  entfernt. 
Dieae  Aaffassong,  durch  wdcbe  der  Beditsstreit  einen  eztrajudiciel-- 
hxa  Ghnraeter  im  Sinne  des  canonisehen  Bechts  empfängt,  mag  es 
verwlMit  baben,  dass  der  Verf.  jenen  Elementen  der  innem  £ot- 
wiekelnng  desselben  an  diesem  Orte  keine  weitere  Berücksichtigung 
«I  TheU  werden  lassen. 

Die  Gestalt,  wdcbe  der  Verf.  dem  Klagegrunde  gibt  (die«e 
Jahrb.  a,  a.  0.  S.  173  ff«)  führt   dahin   bei   der   Eigenthumsklage 
das  £igentbum  an  sich ,  von  der  Zuständigkeit  desselben,  welche  den 
Kläger  in  Anspruch  nimmt  (S.  120  ff.),  su  unterscheiden.  Nach  den 
Beaeicbnungen  des  Vert  führt  diese  Spaltung  au  folgender  Gliederung 
eines  Sigentbomsklage:  1)  entfernter  Klagegrund:  es  besteht  das  In- 
stitut d<Üa  fiigenthums;  2)  näherer  Klagegrund:  den  angesprochenen 
Gegenstand ,  welcher  a.  im  Besitze  des  Beklagten  sich  befindet,  ist  b. 
von  den  Wirkungen  dieses  Instituts  ergriffen;   3)  mittelbarer  Kla- 
gegrund: dem  Kläger  sind  diese  Wirkungen  zuständig.    Wenn  nun 
ein  Beweis  des  Klagegrundes  gefordert  würde,  so  hiesse  das  nach 
der  berrsfibenden  Auffassungs weise:  der  Kläger  hat  zu  beweisen  die 
Thetsaohen,  welche  Zif.  3  und  ZU.  2a.  begründen.   Zif.  1  verbliebe 
dann  dem  Gebiete  des  objectiven  Bechts,  und  Zif.  2a.  ISsete  sich 
TOP  selber  durch  Zif.  3.   Es  bildeten  dann  Zif.  3  und  2a.  den  Un- 
tersatz, anf  den  nach  dem  Verf.  regelmässig  ein  solcher  Beweis  za 
richten  ist.     Da  nun  nach  dem   Verf.  der  nähere  Klagegrund  der 
Pnteraata  Ist,  so  entsteht  bei  der  Eigenthumsklage  die  Ausnahme, 
dess  ein  Stück  dieses  Untersatzes:  dass  der  Gegenstand  vom  Eigen** 
ihume  ergriffen  sei,  fn  einen  besondern  Beweis  yerwiesen  wird,  des 
sieb  der  legitimatio  ad  causam  parallel  stellt   Der  mittelbare  Klage-« 
gvnsd,  und  somit  denn  auch  diese  Zerspaltung  und  Ausnahme,  sott 
M  persönlichen  Klagen  dessbalb  hinwegfallen,  weil  das  Obligationär 
T^^ältniss  zugleich  die  alleinige  Art  andeute,  wie  dasselbe  enstan- 
dei^  sein  k)>nne,  indem  es  eine  ganz  andere  Art  der  Klage  wäre,, 
wente  eine  ähnliche  Obligation  aus  einem  andern  Verpflichtungsgraade 
b«rg0l^eitet  würde  (S.  123).    Aliein  es  beruht  diee  auf  einer  Täun 
eebnngu    Zergliedert  man  so,  wie  Torhin  geschehen,  auch  bei  der 
perfK>nlft'hen  Klage,  so  stellt  sich  die  Sache  so:  1)  entfernter  Kla- 
gegnvid  -es  besteht  das  Institut  der  Obligation;  2)  näherer  Klage«« 
grnnd;  die  angesprochene  Handlung  ist  a.  eine  Handlung  des  Be« 
Ig^gtiM»  ml  k  TOQ  den  Wirkungen  dieses  Instituts  ergriffen;  S)  mifci 


■Htk:    YMfiWgM  «w  «•  TImmU  Mt.  %U 


Kbgogniiid:  dtm  KU^  siad  dlata  mifanfeB  Biülliidlf. 
fe  wie  4«r  Verf.  M  der  Elgeoibornfklage  die  Frage,  wie  der  KUh 
ißt  in  dem  Eifeiitiiiiin  fekommeDy  «leo  b.  B.  ob  dura  Kmi^  Taoieh, 
Meakmig,  luich  2UL  3  Terweieel,  so  fiÜU  udi  die  Fnge;  wie  er 
n  der  ObHfatton  oder  Forderoog  cekommeo,  c  &  ob  dnreb  Km^ 
Taeeefai  Sefaenkiiiigi  unter  Zif.  8.  Deii  beim  Eigeatham  dieee  rm^ 
idiiedeiieii  Erwerbertoo  in  deneelben  Oogeaetend  leeemmeptrefoQ, 
M  der  Obligatioa  eber  aef  HendlQBfea  reriebiedeeer  Art  geridilel 
lind,  kum  in  Aneebeng  der  MebraeU  der  Klagen,  aber  nicbl  Ja 
Aaiehang  der  Itebneabl  der  Klagegrfinde  eine  Verscbiedeobeil  b^ 
«iii«L  Und  wenn,  wie  der  Vert  tHll  (8.  123),  ee  jetat  Zwanga- 
pffidii  iet,  in  der  dinglichen  Klage  das  wae  n  ZiL  3  gebort,  nicbt 
hitweginlaaaen;  nnd  dies  bei  der  penriinlichen  Klage  nater  Zii^  9 
mt,  so  schwindet  jeder  Scheiagmnd  einer  Veiscbiedengeetaltigkett 
dff  Eintheilang  des  Klagegmndes,  Der  Umstand,  dass  bei  der  ^g- 
Helm  Klage  eine  Anerkennong  des  Becbts  des  KUgers  gefordert 
wild,  weil  es  nicht,  wie  die  ObligaUon,  im  Gebiaache  der  Klage  sich 
endi^ft,  kaan  yielmebr  nur  den  Einfln«  ttben,  dam  derselbe 
Dsfegrnnd  werscbiedene  Fonctioaen  trKgt  Bei  der  Behandlang  Ton 
OrSoden  ist  es  aber  ein  sehr  wesentUcfaer  Unterschied,  ob  derselbe 
oder  yerschledene  Gründe  rerschiedene  Verrichtungen  haben.  Es 
irt  femer  ein  sehr  wesentlicher  Unterschied,  ob  nur  die  Substans 
von  Gründen,  die  ia  rechtlidien  Wirkungen,  oder  causae,  bestehen, 
gouumt  SU  werdea  braucht,  so  dass  damit  keine  causa,  welche  aar 
Bflgriindung  des  VerUQtnlsses  führen  kSnnea,  ausgeschlossen  ist, 
oto  ob  bMtimmte  cansae,  auf  welche  diese  Begründung  besdirlnkt 
^rird,  genaant  sein  müssen.  Dass  letiteres  bei  der  dinglichen  Klage 
erforderlich  sei,  hat  Ref.  (Zeitschr.  f.  Ci?ilr.  und  Pros.  XL  S.  254) 
bestritten.  Nach  dem  Veri  (S.  122  Not  12)  soll  er  aber  ersteres 
Iresidtten  haben. 

Sehr  bedenklich  scheint  die  Ansicht  des  Terf.  TS.  146),  dam 
de  t.  g.  exceptiones  litis  finitae  noch  jetst  ron  oer  erentuellen 
Eblsttung  befreieten,  weil  deren  Vornahme  neben  dilatorischen  Ein- 
reden nach  den  J.  R.  A.  $.  37.  38.  48  (rect  40)  vom  Ermessen 
te  Bichters  abhänge,  und  dieses  Ermeuen  sich  nach  dem  oanoni- 
•diea  Rechte  richten  werde.  Denn  abgesehen  Ton  der  Zweifelhaft 
tigkeit  dieser  letstera  Folgerung  ist  der  Gegenstand  des  richterlidiea 
Srnessens  der,  ob  dem  Beklagten,  der  im  ersten  Termin  dilatorl«- 
Nhe  Einreden  vorbringt,  noch  ein  weiterer  Termin  aar  eventuel* 
IsB  Eaapthandhmg  lu  rerstatten  seL  Das  Verstatten  eines  solebea 
Teraiins  ist  aber  gana  etwas  anderes,  als  die  giüudiche  Beseitignag 
elsdr  Vornahme  der  Haopthandlnng  in  erentum  durch  dae  Ve»- 
Hebung  der  Haupthandluog  nach  der  Entscheidung  über  die  dila^ 
toriBchen  Einreden,  die  schon  nach  dem  R.  A.  r.  1570.  f.  89.  nicht 
Bdir  suUssig  war.  Dass  die  Liqeitltlt  einer  Einrede  das  riohterliehe 
Ennemen  au  einer  solchen  Versehiobung  veranlassen  dürfe  (8*  148), 
yiki  dadorA  ebenfaDa  unhaltbar« 


tifi        Beitrlfe  *.  Staiffllk  t,  Hmem  Yerw«1imi|r  ^«  GiNnOxtgOL  Btdea. 

Zq  den  MiBsbrSuchen  der  Praiis  zSblt  der  Verf.  (B.  348)  JM 
Treturnng  des  possessoricmi  summariom  rom  po8s.  ordinariom,  indem 
bei  jenem  ea  sieh  nur  am  eine  proriaariache  YerfOgung  für  die 
Daoer  des  Rechtastreita  handle,  die  nicht  rechtskrSftig  werde,  and 
atets  aua  Gründen  aarüekgenommen  werden  k^nne.  Indeas  geht 
doch  dieVorachrift  der  K.  6.  0.  n.  21.  %  S.  dahin:  za  erkennen, 
weldiem  Theil  ...  an  inhibiren  aei,  eich  der  posa.  j^bis  an  end- 
lichem Aaatrag  dea  endlichen  Rechtens,  in  posaeseorio 
oder  petitorio  an  enthalten.^  Damit  acheint  denn  doch  eine  Ver* 
nrtheilang  aam  Abstehen  von  Besitzbandlungen  bis  aam  Er* 
gangenaein  einea  Erkenntnisses,  welches  res  jadicata  über  dem 
Besitz  oder  daa  Recht  herstellt,  gemeint  zu  sein,  welche  dem 
andern  Theil  einen  anentziehbaren  Ansprach  auf  aasschliessliche  Be* 
aitzhandlnng  gegen  den  Yerartheilten  bis  za  jenem  Aussprache  ge- 
wlhrt.  Und  wenn  diese  Verurtheilang  auch  an  der  Beweislast  nichta 
findert,  so  scheint  das  Verfahren  darüber  doch  immer  als  ein  be- 
Bonderer  Prozeaa  betrachtet  werden  za  dürfen,  und  eine  Obliegenheit 
deqenigen,  der  diese  Verurtheilang  erlangt  hat,  zur  Fortsetzung  dea 
Besitzprozessea ,  sich  nicht  mit  dem  Verf.  annehmen  lassen,  wenn 
dne  bloss  aaf  eine  solche  Verurtheilung  gerichtete  Klage  ange* 
atellt  war. 

Unter  Uebergehung  von  Bemerkungen,  welche  einer  weiteren 
Aaaführung  bedürfen  würden,  als  sie  hier  am  Orte  wäre,  bescfarfinkt 
Bef.  sich  darauf,  es  hervorzuheben,  dass  dieser  Band  eine  Darstel* 
Inng  enthUt,  die  eine  richtige  ProzessfQbrang  zu  fVrdem  in  vielen 
Beziehungen  sehr  geeignet  ist 

Brftekeülioefflti 


BeUrage  zur  Statistik  der  itmem  VervxiUung  des  Grossherzoffthwna 
Baden,  herausgegeben  von  dem  Ministerium  des  Innern,  Carla* 
ruhe,  Chr.  Fr.  MüUer'sche  Hoßuchhandlung.  1855 — 1857.  Vier 
Hefte.     4. 

Der  Freiherr  von  Reden  in  der  Einleitung  zu  seinem  statiatt- 
adien  Handbuche  (Deutschland  und  das  übrige  Europa.  Wiesbaden 
1854),  in  welcher  er  den  Stand  und  die  Fortschritte  der  Statiatlk 
in  Deutschland  darstellt,  sagt  hinsichtlich  der  Stotistik  dea  Oroaa- 
heriogthuma  Baden:  ea  fehle  zwar  nicht  an  Darstellungen  des  Groaa- 
kerzogthnma,  ao  wie  einzelner  Theile  und  VerhSltnisse  desselben, 
wie  die  verdlenatliche  „Literatur  über  daa  Groasherzogdiam  Baden 
von  Dr.  A  Bingner,  Carlsmhe  1854^  beweise;  aber  die  neuaten 
Oeaammtbeachreibungen  durch  Privatpersonen  z.  B.  von  Heunisch 
aeien  veraltet,  und  von  der  Regierung  sei  für  die  Sammlung  nnd 
Bearbeitung  des  reichhaltigen  Sto£fes  wenig  geschehen;  nur  seien 
im  Jahr  185S  von  dem  grosah.  Ministerium  des  Innern  Vorberei« 
tongen  zur  Einrichtung  einea  statiatiacfaea  Bureau  getroffen.    Dabei 


BtMf«  B.  Slalittik  i.  imeni  Yerw»Hmf  4.  QrMähsflh.  B«d«ii.       319 

ymim  jedoeh  die  vt>rtrefnkli6n  Arbeiten  eiosdoer  Dfenslswaige  ber^ 
rwphohvDf  wie  die  von  dem  JiulisiiiiDfateriaBi  regelmiasig  rw^ 
MBDtfiehteD  „UebeniehteD  der  Stral^ecbtapflege  (wotod  In  dieeeo 
T^^en  der  neoeete  Thell  von  dem  Jahre  1858  erBchlenen  iet)  ond 
der bfirgerilehen Rechtspflege^;  femer  die  von  dem  FinAnsmlnleteriiiat 
kenotgegebnen  „Amtlichen  BeltrSge  zur  Statiitik  der  Stnataflnanxen 
(Carlimhe  1851)^  nnd  die  ▼erschiedenen  „finansleUen  Vorlagen* 
bei  den  Stlnde-Vereammlongen,  eo  wie  endlich  die  von  dem  General«» 
Qnartiermeleter-Stab  herausgegebenen  zwei  „statlstisch-topograpbi« 
eehen  Tabellen  (1844).<^  Die  Statietik  des  Orossherzogthums  hat 
e^f  jeaen  Bemerkungen  des  Herrn  ron  Beden  weeentliche  Fortschritte 
genacht  nnd  das  verdienstliche  Werk  von  Dr.  A.  Bingner,  von  dem 
wir  periodische  Fortsetzongen  nnd  ErgSnznngen  wünschen  nnd  hof- 
fen, konnte  jetzt  mehrere  erfreallche  Erscheinungen  auf  diesem  6e-* 
biete  einregistriren.  Denn  was  zuerst  Privatarbeiten  betrifft,  so  hat 
der  Qoermildllch  thStige,  um  die  badische  Landeskunde  so  verdiente 
Herr  Heunisch  inzwischen  ein  ganz  neues  Werk  erscheinen  lassen 
und  dazu  die  Mitwirkung  des  durch  grflndliche  Forschung  nnd  gute 
Dirstellung  gleich  ausgezeichneten  badischen  Historikers,  des  Archiv- 
rathes  Dr.  J.  Bader  gewonnen*);  was  aber  die  Tbitigkeit  der  B#« 
gienmgsbehörden  betriflft,  so  ist  das  im  Jahr  1858  erst  vorbereitete 
stttietische  Bfireau  bei  dem  Ministerium  des  Innern  nunmehr  schon 
lingere  Zeit  In  volle  Tbfitigkelt  getreten  unter  der  thätigen  nnd  ein* 
ncfatsvoUen  Leitung  des  Ministerialralhes  DIetz,  und  es  liegen  ab 
Fracht  dieser  Tbitigkeit  jetzt  vor  diese  „BeitrSge  zur  Statistik  der 
ionern  Verwaltung  des  Gressherzogthums  Baden'',  welche  sich  an  die 
Htatisdschen  Fnblicationen  der  andern  Ministerien  ihrem  Innern  Werthe 
saeh  so  wie  nach  ihrer  zweckmSssigen  nnd  schönen  äussern  Aus- 
stattung wfirdig  anschliessen.  Eine  dem  ersten  Hefte  auf  einem 
beeendem  Blatte  beigegebene  „vorlKuflge  Notiz*  gibt  von  dem  gan« 
zen  ÜBtemehmen  Nachricht.  Damach  sollen  an  dieses  erste  Heft, 
Ae  weitern  Mlttheilnngen  in  diesen  „Beiträgen  zur  Statistik  der 
ionem  Verwaltung  des  Grossherzogthnms^  in  tbunlich  nnunterbro- 
ebener  Aufeinanderfolge  angereiht  und  so  fortgeführt  werden,  dass 
lie  sehüesslich  das  gesammte  Gebiet  der  Innern  Verwaltung,  so  weit 
solche  den  Gesdiäftskreis  des  grossbzgl.  Ministeriums  des  Iimern  be- 
lehrt, umfassen.  Die  Mittheilungen  werden  nicht  in  einer  systema- 
tisdieu  Ordnung,  sondern  so  wie  das  Material  der  einzelnen  Abthel- 
langen  bearbeitet  werden  kann,  erscheinen ;  im  Laufe  derselben  wird 
lodoeh  eine  Uebersicht  darüber,  wie  sich  die  einzelnen  Hefte  an 
slBsader  anschliessen,  ausgegeben  werden.  Jedem  einzelnen  Hefte 
weiden  eine  Einleitung  und  erläuternde  Notizen  beigefügt,  welche 


^  Du  GreMhersofftiiiiBii  Baden,  hlttoriieh-feograpbiwhritatistisdi-topo*« 
Mpiüach  beacbrieben  von  A.  J.  Y.  Henniscli  mit  Beigaben  von  Dr.  J. 
^K^er.  Httdelberz.  Verlag  der  Juliui  Groos'fchen  Universitälabuchhandlung, 
<M,  bii  jeiit  4  Heile,  das  5.  and  letzte  wird  erwartet. 


•U        Bdiirlfe  I.  telMk  d.  innwtk  Varwaltag  d.  flioMluigllu  Btdfla^ 

die  b«treff«oden  Eioriohtaogen  und  Auitalten  so  wie  die  eiiimUe» 
gende  Gesetagebang  i&  kurven  tibeiBicbtlichen  UmrteeQ  ecbildeni. 
Auch  wird  in  etaem  beBondem  Hefte  eine  allgemetne  DareteUoeg 
der  verechiedenen  Versoche  and  Unternehmongen  aar  Erseloog  der 
liODdeieteüetik,  der  jetat  dabei  geetellten  Aufgabe  so  wie  dee  dabei 
angewendeten  Verfahrens  geliefert  werden*  Die  Hefifce  können  aa€h 
eiaaetn  dnrcli  den  Buebhandel  beaogen  werden«  Wir  antemebmen  es, 
einen  übersiebtliohen  Blick  auf  die  bisher  erschienenen  vier  Hefte 
au  werfen  und  ehiige  Notiaen  von  allgemeinem  Interesse  aus  dem 
Inhalte  derselben  mitaatheilen. 

Das  erste  Heft  enthält:  „Die  Gemeinden  des  Grossheraogthoms 
Baden,  deren  Bestandtheile  und  Bevölkerung.^  Das  Orosshersog- 
thum  enthUti  wie  die  Einleitung  angibt,  in  seinen  vier  Regierungt* 
kreisen  mit  deren  vier  und  siebenaig  Amtsbeairken  1583  Gemein« 
den,  woau  noch  gegen  awei  hundert  Colonien  und  abgesonderts 
Höfe  kommen.  Zwischen  den  einzelnen  Arten  von  Gemeinden  besteht 
im  Wesentlichen  kein  gesetalicher  Unterschied,  so  verschieden  auch 
die  Benennung  derselben  im  gewöhnlichen  Leben  ist,  als:  StSdto, 
Flecken,  Dörfer  u.  dgl.  Als  Bewohner  einer  Gemeinde  unterscheidet 
das  Geseta:  GemeindebUrger,  staatsbürgerliche  Einwohner  und  In- 
eassea.  Nachdem  diese  und  einige  andre  Hauptverhftltnisse  der  Ge* 
ineindeverfassong  mit  Verweisung  auf  die  betreffenden  Gesetae  kori 
angegeben  sind,  wird  in  dieser  Einleftnng  ferner  auseinandergesetst, 
nach  welchen  Grunds&taen  und  Vorschriften  in  Verabredung  mit 
den  übrigen  Zollverein-Staaten  die  Volksaählung  alle  drei  Jahre  vo^ 
genommen  wird,  nnd  nach  welchen  auch  die  damals  neueste  von 
1862,  welchen  den  Tabellen  dieses  Heftes  au  Grunde  liegt,  voigS" 
nommen  worden  ist.  Darauf  wird  eine  Uebersicht  der  Gesammti' 
personenaahl  dieser  Volksaählung  gegeben  nach  den  Bubrlken  dei 
Beligionsbekenntnisses;  des  Geschlechtes;  des  Alters  über  und  unter 
yieraebn  Jahren;  der  Ortsbürger,  Bürgers witt wen,  Geschäftsgehülfea 
und  Dienstboten;  der  Fremden.  Wir  werden  auf  die  Besultate  dieser 
VolksaShlung  aurückkommen  unten  bei  Besprechung  des  vierten  Hef* 
(es,  welches  die  Besultate  der  neusten  Volksafthlung  yom  Schlüsse 
des  Jahres  1855  enthält.  Nach  dieser  Einleitung  folgen  dann  drei 
Tabellen.  Die  erste  Tabelle  (S.  9—204)  gibt  die  BevölkerongssaU 
einer  jeden  einaelnen  Gemeinde  nach  den  oben  angegebenen  Bo^ 
briken.  Die  aweite  Tabelle  gibt  ein  Veraeichniss  sämmtUcher  Städte 
des  Grossheraogthums  und  ihrer  Einwohneraahl  nach  der  VolksaSb- 
long  von  1852.  Als  Qesammtergebnias  stellt  sich  darnach  beraa«) 
^asa  in  den  114  Städten  des  Grossheraogthums  ausammen  380,071 
Pnwobner  geaählt  werden,  und  dass  bei  der  damaligen  Gesammt- 
bevölkerung  des  Grossheraogthums  au  1,357,  208,  die  Bevölkerung 
der  Landgemeinden  1,027,137  Seelen  betrug. 

Das  aweite  Heft  der  statistischen  Beiträge  Ist  noch  nidit  e^ 
achlenen ;  es  wird  die  kirchliche  Statistik  begreifen.  Das  dritte  Heft 
tl856)  hat  zum  lobaltQ  die  ^StaUstä  der  Fors^ioliistf-  mi  OmtlQ- 


Mmtntwtitai^.^  Um  eliian  TolkUbidjg^B  Ueb«rUick  te  Udt- 
pdMi  Fortfc-'Sutiilik  «o  fewimieD  nnas  ma»  mit  dioiem  von  des 
MaUedea  des  Innern  heraosgegebnaii  Hefte  die  euttotiechen  «ch« 
veifBDgeii  über  die  Yerwjütimg  der  ForstdoiDttnen  Terbindeo,  welob« 
ik  yAmÜiebeD  Beltrige  nr  StaUttik  der  StMtsfinanxeB  des  Greee* 
kflnogtham  Baden^  8.  63-^68  enthalten.  Das  Torliegeade  Heft 
pbi  eine  DanteUoDg  ieinee  Oegenatandee  in  seeha  Abedudttesi  aiif 
Organiaatioa  der  Forstbehördeo  im  Allgemeinen;  dia  WaMflädiea} 
die  Helapreiae;  daa  Waldeig^tbom  der  Gemeinden  nnd  Körper^ 
Bchaftea;  Nataralertrag  der  Gemeinde-  und  KSrpenebaßf waldangen; 
Kulturarbeiten  in  diesen  Waldungen.  Die  Forstbehörden  sind:  110 
Bearkslorsteieo,  von  denen  2  dem  grosshigl.  Hofei  92  dem  Staate^ 
14  den  Geneiadea  and  2  Körpersehaftea  fden  Kirchenärarien  der 
beidea  Coafeesionea  uad  müden  Stiftungen)  angehören.  Die  Ba- 
sirkaiSfster  haben  in  den  Domlnenwaldungen  die  Wirthaebaft»  di« 
ttoBomiscba  Verwaltung  aad  die  Forstpoliiei  ausautiben;  in  den 
Gemeinden  and  Körpersehaftswaldungeo  die  WIrthsehallt  nnd  Forst« 
poIljEei;  in  den  Fri^atwaltungen ,  au  welchen  auch  die  Waldungen 
der  Staadea-  nnd  Grnndherren  gehören ,  die  Forstpoliaei ;  in  aUea 
Waldungen  ohne  Unterschied  in  Gemeinschaft  mit  den  Beairhsim-F 
ton  die  Gerichtsbarkeit.  Die  Becirksforsteien  stehen  nnter  der  Di"* 
leetfon  der  Forstdomineni  Berg-  und  Hüttenwerke.  Zwischen  dieser 
Cflttirsistelle  and  den  Beairksforsteien  stehen  acht  Forstinspectorea 
ib  Auflichts*  nnd  Controlorgane.  Die  Waldflftchen  werden  naeh 
den  Stande  von  dem  1.  Januar  1856  nach  den  Yier  Kreisen  and 
dm  darin  enthaltenen  alphabetisch  geordneten  Beairksforsteien  aa* 
gegeben.  Die  Btaatsgemeinde-  und  Eörperschafts Waldungen  (au« 
MBunen  3/4  der  gesammten  Waldfiäche)  sind  in  den  letaten  swan« 
lig  Jahren  (1835 — 1855)  nen  und  genau  vermessen  worden;  von 
dia  FriTatwaltnagea  ist  nicht  gana  der  vierte  Theil  genau  yermesr 
wu)  bei  den  übrigen  ist  das  Maass  nach  alten  Vermessangen  nnd 
aadi  den  Bteueraeddeln  angegeben.  Von  der  ganaen  Oberflftohe  dea 
Srossheraogthums  nimmt  die  Walddäche  ohagefähr  den  dritten  TheU 
^  Naoh  den  EigenthumsverhJÜtaissen  gehören  davon  fast  die  HUita 
dm  Gemeindeai  17  Prozent  dem  Domfinenirar,  2  Proaent  denEör-' 
poscbaften  und  30  Proaent  den  Privaten.  Im  ganaen  DurcbschnitI 
kommt  okngeßhr  eia  Morgen  Wald  auf  je  einen  Einwohner  des 
Lsndm«  HinaichtUch  der  Bewirthschaftnng  sind  ohngetthr  82  Pro-> 
lent  der  Waldungen  in  einer  regelmlssigen,  guten  Bewirthscbaftuagi 
4iifefiair  11  Proaent,  welche  im  Beaitae  vermöglicher  Privaten  sind, 
dieglelchea  oder  doch  annifihemd  so ;  der  Best  aber,  ohngefiihr  5  Pro-» 
mst,  sind  hn  Besita  kleiner  Privaten,  sehr  paraellirt  und  daher  ia 
MUechter  Wirthsdiaft.  Die  Holapreise  werden  nach  einem  sechs^^ 
jäuSfen  Dnrchsehnitt  von  1845  an  gerechnet,  nach  den  Bul»rlken9 
Hotcfaela,  Banhola,  Sebeithola  geschieden,  ohne  Zurichtungs-  und 
Tnasportkoaten,  von  jeder  ehuelnen  Beairksforstei  angegeben.  Dia 
BidveiH  aa^h  dea  veisehiedeBen  Qegeadea  dea  Landes  liad  aehv 


MO         BekriK«  f.  Statlftik  d.  iuieni  VennItiiBg  d.  Groi  tlngai.  Baden, 

versebieden.  Die  hSchsien  Preise  hat  das  Bheintbal  yeo  Baael  Ui 
MftDDheim,  s.  B*  das  Klafter  BucfaeoBoheitholE  m  13—15  Golden, 
wSbrend  dasselbe  In  dem  südlichen  Scbwarswald  und  der  Donange- 
trend  auf  8—4  Gnlden  zu  stehen  kommt.  Das  Waldeigenthnm  der 
Gemeinden  und  Körperschaften  ist  unter  ihnen  sehr  ungleich  ver- 
theilt.  Der  vierte  Theil  derselben  hat  einen  Waldbesits  von  nur 
ftinfzig  Morgen;  der  dritte  Theil  hat  zwischen  100  und  500  Mon 
gen;  268  unter  den  Gemeinden  und  Körperschaften  haben  bis  sa 
1000  Morgen,  122  bis  zu  2000  Morgen;  41  haben  über  2000  und 
bis  zu  12000  Morgen.  Zu  den  grSssten  Waldbesitzem  unter  den 
Gemeinden  and  Körperschaften  gehören :  Heidelberg  mit  5000  Mor- 
gen, das  evangelische  KirchenSrar  mit  7000  Morgen;  Eberbach  mit 
9000  Morgen,  Villingen  und  Freibnrg  mit  10,000;  Baden  mit  12000 
Morgen.  Unter  den  Privaten  hat  ausser  den  Standes-  und  Grond- 
herrn,  die  Murgschiffer«  Gesellschaft  den  grössten  Waldbesitz  mit 
80,000  Morgen.  Was  den  Naturalertrag  der  Gemeinde-  und  Eör- 
perscbaftswaldungen  betrifft,  so  bat  sich  derselbe  von  1842  bisjetst 
•tändig  vermindert,  jedoch  nur  um  ohngeföhr  3  Prozent ;  diese  Von 
minderung  beruht  theils  auf  der  Berichtigung  alter  Vermessungen, 
thells  auf  Ansstokungen.  Der  durchschnittliche  Ertrag  der  Gemein- 
dewaldungen nach  einem  Durchschnitt  für  das  ganze  Land  beträgt 
für  den  Morgen  und  das  Jahr  0,65  Klafter,  was  eines  der  höchsten 
Erträgnisse  in  Deutschland  ist.  Wenn  man  dieses  Erträgniss  in  Geld 
berechnet  und  dafür  nach  dem  Stand  Preise  im  Jahr  1854  das 
Masseklafter  durchschnittlich  zu  8  fl.  42  kr.  annimmt,  so  würde  eine 
Summe  von  jährlich  vier  Millionen  Gulden  herauskommen.  Nimmt 
man  aber  das  reine  Erträgniss  nur  zu  drei  Millionen  Gulden  an, 
so  würde  dadurch  je  nach  einem  Zinsfuss  von  4  oder  3  Prozent 
ein  Kapitalwerth  der  Gemeinde-  und  Körperschaflswaldungen  von 
75  oder  100  Millionen  Gulden  repräsentirt  Die  Uebersicht  der 
Kulturarbeiten  in  den  genannten  Waldungen  wird  nach  den  zwSlf 
Wirthschailsjahren  von  1842—1853  gegeben,  nicht  nach  den  ein- 
zelnen Bezirksforsteien  sondern  summarisch  nach  den  Kreisen,  durch 
Angabe  der  Saat  und  Pflanzung  nach  Morgen,  der  Schonungs-  und 
Abzugsgräben  nach  Ruthen  und  der  neuen  Weganlagen  desgldcheo 
nach  Ruthen.  Man  ersieht  aus  dieser  tabellarischen  uebersicht,  da« 
für  alle  diese  Kulturarbeiten  eine  grosse  Thätigkeit  angewendet  wor- 
den ist;  in  der  neuesten  Zeit  wird  den  neuen  Weganlagen  eme  gans 
besondere  Aufmerksamkeit  gewidmet 

Das  vierte  Heft  der  Beiträge  enthält :  „Die  Volkszählung  ip 
Grossherzogthnm  Baden  vom  December  1855.'  Diese  neueste  Volks* 
Zählung  zeigt  in  Vergleichung  mit  der  Zählung  von  1852  eine  Ab- 
nahme von  im  Ganzen  etwas  mehr  als  42,000  Seelen,  indem  di6 
oben  mitgetheilte  Gesammtzahl  der  Gesammtbevölkerung  des  Jahres 
1852  sich  auf  die  Zahl  von  1,257,208  vermindert  hat  Diese  Ver- 
minderung erstreckt  sich  in  einem  Verhältniss  von  3  bis  6  Prozent 
durch  alle  Eabriken  der  Beyölkemngsliste  mit  alleiniger  Ausnidmia 


BeÜrife  s.  Statblik  i.  iamttu  VerwiItODg  d.  GroüliH;*.  Bad««.  tti 

ihr  ^enoniten  und  DiaridcDton^,  welche  von  1999  auf  SISS  f^ 
tüegm  nnd,  midiln  niD  etwa  seehs  Proient  lugenonuneD  habeik 
Diese  Abnahme  der  BeTdlkernng  beruht  nicht  aaf  einem  Uebersehotti 
der  Gestorbenen  Aber  die  Oebomeit,  da  yielmehr  die  Zahl  der  Oe- 
borten  in  den  drei  Jahren  die  Zahl  der  Oestorbenen  nm  etwa  14000 
ÜMrtriflt  Der  Ornnd  dieser  Abnahm'e  der  GesammtbeTQlherong  liegt 
in  der  Aoswanderung  und  in  dem  Aufenthalt  einer  grossem  AnsaU 
TOB  Badnem  im  Ausland.  Es  sind  nSmlich  In  den  drei  Jahre« 
1853—1855  aber  B7000  Individoen  ausgewandert  und  seit  der  im 
Jake  1854  erfolgten  Aufhebung  dea  Yerbotes  fär  die  Oewerbsge^ 
Boeien  oi  der  Schweia  au  wandern  sind  viel  mehr  Angehörige  des 
Oronherxogthnms  als  früher  ausser  Landes  gewesen.  Bei  dieses 
Abnshme  der  Gesammtberölkerung  des  Orossheraogthums  um  etwaa 
mehr  als  3  Proient ,  aeigt  sich  eine  Vermehrung  der  Bevöikerung 
IS  den  Städten  Ton  3  bis  17  Proaent,  eine  ähnliche  Erscheihnng 
wie  sich  dieselbe  bekanntlich  in  der  neuesten  Zelt  auch  in  unserm 
Nachbarlande  Frankreich  geaelgt  hat.  Mit  jener  Abnahme  der  6^ 
lanimtbeTblkerung  hat  jedoch,  wie  die  den  Tabellen  der  Volkssäh« 
hmg  Torausgeschickte  Einleitung  auselnandersetat,  augieich  eine  Yerr 
kttemng  der  Yolkswohlfahrt  stattgefunden.  Als  Beweise  dafOr  wer^ 
den  ausser  dem  Termehrten  Personen-  und  GfiterTerkehr,  dem  Blei*? 
geo  der  Ofiterpreise  und  der  Sparkasseneinlagen  und  der  Abnahme 
des  Bettels  noch  besonders  hervorgehoben:  die  Abnahme  det  Aus« 
waademngy  die  Zunahme  der  geschlossenen  Ehen,  die  Zunahme  dec 
Gesehäftsgehülfen  und  Dienstboten  (um  mehr  als  7000  gegen  1862), 
Ce  Abnahme  der  (Syilprosesse  und  der  Oante  (letstere  fielen  von 
neb  als  1300  im  Jahre  1852  auf  690  im  Jahre  1855);  so  wie 
der  Yerfarechen  (von  weldien  vor  die  Schwurgerichte  kamen  im 
J.  1852  205  FäUe  und  im  J.  1855  nur  97  FäUe>  Dass  eine  Bes^ 
Mnuig  in  Yergleidi  mit  den  unmittelbar  vorhergegangenen  Jahren 
la  dieser  neuesten  Periode  eingetreten  ist,  unterliegt  wohl  keinem 
ZweifeL  Diess  schUesst  aber  nicht  aus,  dass  ein  grosser  Theil  der 
Bevölkerung  durch  den  gesteigerten  Preis  der  Lebensbedfirfnisse  in 
einer  sehr  bedrängten  Lage  ist,  während  freilich  dieselben  Yerhält^ 
itee  wieder  einem  Thell  der  Produzenten  som  Yortheil  gereichen« 
Deberdless  ist  bei  der  In  dem  Jahre  1855  gegen  1854  so  sehr  ver* 
ndnderten  Auswanderung  (von  21,000  auf  8000)  nicht  au  über'» 
Mhen,  dasa  dieselbe  nicht  etwa  nur  durch  die  gebesserten  Yerhält* 
Bise  in  dw  Hdmat ,  sondern  nicht  minder  durch  die  damals  ua^ 
gÜBstigere  Yerbältnisse  In  Nordamerika  bewirkt  wurde.  Die  Ehen 
haben  awar  gegen  die  unmittelbar  vorhergehende  Periode  etwas  an-« 
geaoBunen  (7267:  7005);  aber  wenn  man  auf  eine  Reihe  noch 
früherer  Jahre  aurttckbllckt  und  diese  mit  der  Gegenwart  in  Yer<« 
gleiehong  deht,  so  kann  man  nicht  ohne  Beunruhigung  die  auffal«. 
leode  Abnahme  der  geschlossenen  Ehen  wahrnehmen.  Ohngefähc 
te  so  viel  Ehen  ab  in  dem  Jahre  1855  wurden  in  dem  Jahre 
IKil  twUmvh  obgleich  damala  die  BevSlkemng  dea  Laodei  nm 


tiS        B«Mfe  1. 8litSittk  i.  innani  YerwaltaDg  d.  Ckoiski^th.  Bad««. 

ohngeffibt  800,000  Seelen  gerioger  war.  Diese  2alil  stieg  im  Jahre 
2829  anf  mehr  als  8000,  im  Jahre  1882  aaf  mehr  als  9000,  idr 
Jahre  1884  bei  einer  am  100^000  geringem  Bevölkernng  als  die 
jetrige,  aaf  mehr  als  10,000.  Fast  eben  so  hoch  war  diese  Zahl 
kans  Tor  dem  badisehen  Aufstände  In  den  Jahren  1844 — 1846,  wo 
auch  die  Oesammtbevölkerong  Ae  höchste  Ziffer  erreichte.  Yob 
da  an  fiel  die  Zahl  der  Ehen  Imd  erreichte  im  Jahre  1852  ntcbt 
dAmal  gans  7000  (s.  Heanisch,  das  Orossbersogtham  Baden  S.  248). 
Die  Abnahme  der  Qanten  kann,  in  Beaiehnng  wenigstens  anf  di4 
Orandbesitsser,  nnr  bedingangsweise  als  ein  Beweis  des  yerb^ssertea 
Wohlstandes  gelten.  Diese  Abnahme  eeigt,  was  die  Orandberitser 
betrifft  canSchst  nur  an,  dass  weniger  Eigendmmsveränderangen  doreb 
Oante  rorgegangen  sind.  Diese  Erscheinnng  kann  aber  eben  so 
gnt  daraaf  hiüdenten,  dass  der  Prozess  der  Depossedirnng  der  klei- 
nem Ornndeigenthümer  durch  die  Wohlhabenderen  non  sein  Maxi-* 
innm  erreicht  hat,  als  dass  der  allgemeine  Wohlstand  zagenom* 
men  hat. 

Das  fanfte  nnd  neueste  Hefl  dieser  Beiträge  (1857)  gibt  «ine 
;,Ueber8icht  über  die  Aaswanderang  im  Gr ossherzogthum  Baden  in 
den  Jahren  1840  bis  mit  1855.'  Die  betreffenden  gesetzlichen  Be^ 
Stimmungen  in  Baden  unterscheiden  zwischen  Wegzug  und  Am-' 
Wanderung.  Unter  ersterm  wird  die  Ablegung  des  bfäiscben  Vs- 
teräianenrechtes  verstanden,  welche  nach  Erlangung  der  sfchern  Zu*' 
eage  des  Unterthanenrechtes  in  einem  fremden  Staate  gescbJeht,  wo^ 
gegen  die  Auswanderung  in  der  Absicht  geschieht,  um  die  Aufnafamä 
IB  einem  fremden  Lande  ohne  eine  solche  vorgSngige  Zusage  erst 
M  sueheti.  Hier  Ist  überall  nur  ron  der  Auswauderong  in  diesem 
engem  Sinn  die  Rede.  Die  Einleitung  dieses  Heftes  gibt  die  g^ 
setiAchen  Bestimmungen  an,  welche  bei  der  Auswanderung  stattfia« 
den,  namentlich  die  FflUe  in  denen  die  obrigkeitliche  Eriaubaifs 
dazn  rerweigert  werden  muss,  wie  a.  fi.  einem  Ehemann,  der  aoiH 
Wandern  will,  wenn  dessen  Eäiefrau  nicht  einverstanden  ist;  den 
Gonscriptionspflicbtigen,  welche  nicht  vor  dem  1.  Januar  des  der 
Gonscription  vorhergdienden  Jahres  die  Erlaubnis»  der  Auswande^ 
rung  nachsuchen  oder  andern  Falls  ihrer  Conscriptionsptteht  nicht 
genügt  haben,  und  so  noch  eüilge  andere  Fälle.  Seit  dem  Jahz^ 
184d  steht  das  Auswandin^ngswesen  unter  der  besondem  Uebei^ 
wachung  und  Leitung  des  Ministeriums  des  Innem,  welches  dabei 
durch  den  seit  1849  gegrthideten  Auswanderungsvereio  (einen  frdeii 
Privatverein}  unterstützt  wird.  In  der  angegebenen  Periode  (1840 
bte  1855)  wurden  18000  Auswanderer  von  den  Gemeinde»  als  aal 
Affswandernng  geeignet  bezeichnet  und  s^uf  öffemficbd  Kosten  aos 
dem  Lande  befördert  In  dem  ersten  Abschnitte  der  angegebenen 
Periode,  nSralidi  In  den  Jahren  1840—49  betrug  die  OesammtsaU 
der  Auswanderer  obngeOhr  29,000,  dagegen  in  dem  zweiten  Ab^ 
•dmlue  1850—55  über  62,000.  Die  meisten  Auswanderer^  cAn« 
geAhr  die  HStfte  der  Geaammtsnaime  gehVrea  der  Aek^bMi  trel^ 


bulen  Kliwe  •&,  nkl  fast  alle  (81,000)  waoderteD  naeh  Nori» 
iBflrika  aoai  «in  kleiaer  Thdi  (2000)  nach  Algerl«D,  Bodi  weaigir 
(1500)  nadi  andern  überaeetoehen  Läodern,  und  am  wenigsten  (661) 
wk  oetenropiiaeben  LSndem.  Die  groaae  Zonalme  der  auf  öffent» 
Ue  Eealen  ansgewanderten  in  den  Jahren  nach  1850  in  Vergleidi 
Bit  den  Terhergehenden  Jahren  leigi  sieh  in  der  Snmme  der  Un* 
tcntfitungen,  welche  in  den  Jahren  1840—49  ohngefttr  177,000 
Golden  beCmg,  nnd  in  den  Jahren  1850—66  laat  aaf  daa  aeha* 
hebe  eti^j  io  wie  in  den  Darehtehnütainnimen  dea  anig^führtea 
TenanSgena,  welche  in  jenem  firahem  Abschnitte  246  Qolden  ant 
die  Person  betrag  nnd  in  dem  sweiten  Abschnitte  nur  146  Golden« 
Dir  Abflnaa  des  ausgeführten  Vermögens  (In  den  fiia(sehn  Jahreift 
über  iünfaehn  Millionen  Gulden)  worde  zum  grossen  Theile  wie* 
der  enetst  durch  das  Vermögen,  welches  Ausl&nder,  die  das  Indi« 
genat  erhielten,  in  das  Grosdiersogthum  brachten,  was  som  z,  B. 
im  Jahre  1855  Ton  90  solcher  Personen  die  Summe  von  beilftofig 
350,000  Gulden  betrug.  Die  Unterstützung  der  Auswanderer  wurde 
gitetentheila  Ton  den  (Gemeinden  bestritten,  ein  Theil  davon  durch 
Ae  Staatskasse.  Wann  ehie  grössere  Ansahl  von  solchen  Auswnn^ 
teem  Eosammen  befördert  wurde,  so  betrugen  die  Kosten  des  Trans* 
Portes  im  Durchschnitt  für  die  Person  92  Gulden,  worunter  nod 
11  Oulden  Ausrüstungskosten  mir  Reise  und  eben  ik>  viel  aur  Un« 
lentfitcuttg  In  Amerika  begrifen  sind.  Für  einaelne  Autwanderet 
betrag  der  Aufwand  im  Ganten  100  bis  125  Gulden.  Aus  Hord^ 
ttwrika  iMten  die  Macfarichten  über  das  Leos  der  Auswanderer  im 
Chmaen  günetig;  in  Algerien  ist  eine  grosse  Zahl  der  Auswanderet 
tUtlchen  Krankhdten  erlegen.  Die  allgemeine  Verbesserung  def 
Lage  der  Arbeiter  im  Grosshersogthum  durch  deren  Verminderung 
Termittdst  der  Auswanderung  geht  hervor  aus  der  bedeutenden  Ab4 
Balune  der  nöthigen  Armenunterstützung  aus  öffentlichen  Mitteln,  so 
wie  aus  den  flbr^en  in  dem  vierten  Hefte  angeführten  Thatsacheni 
ssf  denen  man  glaubt  auf  eine  Verbesserung  der  Wohlstandsver- 
mtniaee  des  Landes  scbliessen  lu  können.  Nur  ist  freilich,  wenn 
■ach  die  Nachfrage  nach  Arbeiten  gestiegen  ist,  darum  nodi  nicht 
auch  der  Arbeitslohn  in  genügendem  Verhältniss  ta  den  jetsigeii 
Fteisen  der  Lebensbedürfnisse  gestiegen.  Von  dem  Jahre  1854  att 
wurde  die  Auswanderung  der  Armen  ki  grossem  Parthien  aus  Uit4 
tefak  der  Gemeinden  und  des  Staates  völlig  eingestellt,  nachdem  di^ 
Sonune  solcher  Auswanderer  beUSutig  die  Summe  erreicht  hatte; 
<eren  Auswanderung  als  im  öffentlichen  Interesse  liegend  anges^hefl 
werden  konnte.  In  dem  Jahre  1855  ist  die  Summe  aOer  Auswan-^ 
ierer  gegen  das  Jahr  1854,  wie  schon  bemerkt,  von  beilSuflg  21,000 
^abgesunken  auf  etwas  mehr  als  3000.  In  dem  Jahre  1856  wat 
Ae  Auswanderung  noch  weniger  erheblich,  und  sie  wird  nun  in  det 
Hauptsache  für  geschlossen  betrachtet  werden  können  für  so  langa 
^  &  jetzt  angetretene  Besserung  der  volkswirthschaftlichen  2u- 
lühde  im  Grossheraogtbom  fortdauert    Nach  der  lanleitung  diesei 


2M  ?!■(:    Geiebidile  def  Feldxaci  in  der  Krim. 

Heftes,  welcher  wir  das  bisher  MitgetheUie  entnommen  habeiii  folgt 
dann  eine  Beihe  von  Tabellen,  welche  die  Auswanderung  nach  den 
einzelnen  Kreisen  und  Aemtem  des  Grosshercogthnms  darstellt  von 
1850  bis  mit  1855  nach  den  Rubriken:  OesammtbeTÖllcernng,  ZaU 
der  Ausgewanderten  (getrennt  nach  Familienhänptem,  deren  Ange- 
hörigen, ledigen  selbständigen  Auswanderern);  Gewerbe  und  Lebens- 
benif;  Land  wohin  ausgewandert  wurde;  ausgeführtes  Vermögen; 
Betrag  der  UnterstOtaungen.  An  diese  Tabellen  schliesst  sich  eine 
viehr  summarische  Uebersicht  der  Auswandemng  in  den  Jahren  1840 
bis  mit  1855.  XelU 


GeidudUe  des  FtUamp  m  der  Krim  wuk  MiUkeihmgen  mu  dem  Tagduche  eme$ 
deuUchen  Ar*ie$  m  ruisischen  Diensim,  Berauigegeben  van  Ferdinand 
Tftug,  Mii  emer  Karte  der  Krim,  PUmen  wm  Sewastopol^  Balakknen  vnd 
der  SdUadU  an  der  Ahna,  Zwei  TheiU  in  einem  Bande*  Dritte  Außa^ 
Benzin.    Verlag  ton  Ludwig  Rauch.    iS2  und  190  8,  in  ü.  8. 

Diese  Miltheilnngen  find  in  der  Fonn  eines  Tagebacliei  gelialleB,  ia  wel- 
cbei  die  täglichen  Erlebniife  aufgeieichnel  wurden,  fie  tragen  daher  slle  die 
Frifche  und  LebendiglLeit  an  iich,  die  mit  allen  iolchen  unniitten»ar  genncb- 
ten  Anfseicbnungen  verbunden  ist  und  empfehlen  sich  dadurch  einem  Leier* 
kreise,  der  mitten  in  die  Ereignisse  gerfickt,  diese  aus  der  unmittelbarsten 
Anschauung  su  ttberblicken  rermag,  abgesehen,  dass  sie  lu  einer  genauen  und 
Tollstindigen  Erkenntniss  des  grossen  Drama's  einen  Beitrag  liefern,  der  bei 
flem  Wenigen,  was  uns  bis  jetit  darüber  ▼ob  russischer  Seite  lugekoni*« 
men,  um  so  mehr  Beachtung  Terdienen  wird.  Diese  ist  auch  der  Schrift  acbon 
in  iwei  früheren  Auflagen  su  Tbeil  geworden  und  wird  ihr  auch  in  dieser 
neuen  dritten  Aullage  in  gleichem  Grade  in  Theil  werden »  da  sie  dieselbe 
gewiss  Terdient 


KänigHdm  Martgränm,  Geeehiekte  der  Oefangenedtafl  der  K&nigin  Mark  Ämtei^ 
nette,  dee  Kikugs  Ludwig  XViL^  der  Daupkme  Maria  fAsrefttf.  Von  Qtorf 
Beeekiel.  Berlin,  1856.  Verlag oon Ludwig  Rauch.  VIu.1378.  in  Hein  S. 

Diese  kleine,  aber  recht  lesenswerthe  Schrift  fuhrt  ein  edles,  ja  erhe- 
bendes Bild  einer  unglücklichen  KOnigsfamilie  vor,  wihrend  sie  ingleicb  um 
(irlaelscenen  in  das  GedSchtniss  lurCckruft^  die  cur  Ehre  der  Menschheit  auf 
immer  vergessen  bleiben  sollten,  wenn  es  nicht  nothig  wSre,  von  Zeit  sn 
Zeit  daran  erinnern  und  damit  der  blinden  Vorliebe  fOr  Alles  fremd ländiscba^ 
^e  ihre  Blicke  so  gern  anderswohin  richtet,  lu  entgegnen.  Wenn  die  schon 
Ausführung  allerdings  ein  Werk  des  Verfassers  ist,  so  ist  der  Stoff  den 
erkannt  besten  Werke,  das  die  Literatur  Frankreichs  über  diesen  Gegenstan 
anfsuweiien  hat,  dem  Werke  des  Herrn  von  Beauchesne  entnommen,  welc 
auf  authentischen  Aktenstücken  eben  so  sehr  wie  auf  die  Mittheilnngen  an^j 
Aussagen  noch  lebender  Zeugen  gebaut  ist  (Louis  XVL,  sa  vie,  son  agonie^ 
sa  mort  etc.)*  Man  wird  demnach  hier  kein  blosses  Gemilde  der  Phantasie 
sondern  ein  wahrheitsgetreues  Bild  finden,  das  um  so  mehr  Beifall  findet 
Wird. 


ft.  a  HEIDELBERGER  1187. 

jihbbOghir  der  litiratdb. 


ümüdUe  ier  GrosAenoglick  Baducken  ÄmisMiatU  Sintkeim  wm  Jok,  David 
Karl  Wilkelmi,  RiUer  des  Ordau  v.  Zäknmg.  Löwtn^  ev.pnUiL  DtkoM 
tmd  Siadipfarrtr  su  Sinsheim  h.  s.  ir.  SinsMm,  Gidmekt  Ui  Gtarg  Mokr 
t»  Heidelberg  1856.    (VieruktUer  Jakresbericki  an  die  Mi^Ueder  der  iSifM- 

uk  ton  Karl  Wilhelmi,  u.  s,  ir.)     VI  und  215  S.  in  gr.  8, 

Nachdem  der  Yerfaiser  früher  schon  eine  Gefchichte  der  Siniheim  nahe 
gdegenen  und  in  früheren  Zeiten  mit  Sinsheim  in  vielen  Beziehungen  ftehenden 
Bmf  SieiBsberg,  und  ebenso  eine  Geschichte  der  vor  der  Stadt  Sinsheim  ge- 
legoiea  alten  Benedictioer  Abtei  gegeben,  bietet  er  nna  in  Torliegender  Schrift 
eise  Geschichte  der  Stadt  selbst,  wodurch  diese  früheren  Forschungen  ihren 
AMlnss  und  ihre  Vollendung  gewissermassen  erhalten  haben.  Und  dus  in 
eiaer  solchen  geschichtlichen  Darstellung  Kiemand  mehr  berufen  war,  wie  der 
Verfasser,  der  an  seinem  ein  und  siebeniigsten  Geburtstage  die  Ergebniae 
^jtiiriger  und  unermüdlicher  Forschungen  dem  Publikum  vorlegt,  bedarf 
voU  kaum  f&r  die,  welche  seinen  gründlichen  und  gediegenen  Forschungen 
nf  dem  Gebiete  unserer  vaterlftodischen  Geschichte  gefolgt  sind,  einer  beson- 
toErwfthnnng;  dass  es  sich  aber  bei  der  vorliegenden  Darstellung  nicht 
^  am  die  Geschichte  eines  kleinen  Landstidtchens  von  nicht  gani  dreitan* 
Mad  Einwohnern  (so  viele  alhlt  das  jetzige  Sinsheim)  handelt,  und  um  Be- 
l^aisse,  welche  höchstens  für  die  Bewohner  des  Ortes  selbst  oder  die  nach- 
Hea  Üfligebangen  ein  Interesse  ansprechen  können,  das  kann  der  ganze  Inhalt 
^Mier  geschichtlichen  Monographie  am  besten  selbst  zeigen.  Und  dämm  glän- 
^  wir  aach  ein  grösseres  Publikum  auf  diese  mit  der  ganzen  Geschichto 
^  Pfalz  und  damit  hinwiederum  des  deutschen  Reichs  in  den  innigsten 
vad  TidlachateB  Berührungen  stehende  Gefchichte  Sinsheims  insbesondere  anf- 
nerkssM  machen  zu  müssen.  Abgesehen  von  den  Spuren  heidnischer  Nieder* 
Ixsnagen  in  uralten  Grabes-  und  Todtenhttgeln,  die  in  die  vorchristliche  Zeit 
Uaaofreichen,  Ilsst  sich  die  erste  Anlage  des  Orts  bis  in  die  ersten  Zeiten 
to  larolinger  verfolgen;  schon  im  Jahre  770  kommt  vor  das  Helm  oder  der 
heiler  des  Suno,  denn  das  ist  das  auf  so  vielfach  verschiedene  Weise, 
wie  die  Zusammenstellung  S.  13  der  Schreibart  vom  Jahre  770  bis  1645  zeigt, 
ia  alten  Urkunden  n.  dgl.  geschriebene  Snnnisheim  oder  Sonnesheim; 
■dum  unter  Karl  dem  Grossen  wie  unter  seinem  Sohne  Lndwig  dem  From- 
>MD,  war  es  kein  unbedeutender  Ort,  sondern  vielmehr  der  Hittelpunkt  und 
Hniptoft  eines  ganzen  Gaues,  der  nach  dem  vorbeifliessenden  Bache  den 
Kaattn  des  Eljenzgaues  führt  und,  wie  das  S.  7  mitgetheilte  Yerzeichniss  dar^ 
Ihac,  eine  ganze  Reihe  von  Ortschaften  in  jener  frühem  Periode  nachweist. 
Ton  dieser  firtthen  Zeit  an  hat  der  Verfasser  nun  die  Geschichte  des  Ortea 
Mpnommen  und  bis  anf  die  neueste  Zeit  herabgeführt:  er  zeigt  uns  Sini- 
koiai  unter  den  Grafen  des  Elsenzganes  und  dem  Bisdiofe  von  Speier,  dann 
ib  eiM  knijeriiche  Reichsstadt  (von  1108—1362),  darauf  unter  den  Churfilr^ 
U  Jihfg.  3.  Heft.  15 


M0  Rndhari!    Tticlieiibueli  Ite  die  vieitorllUidbche  Geschichte. 

•ten  und  Pfalxgrafen  bei  Rhein  (von  1362—1802);  der  letxte  AbschniU  be- 
handelt die  jüngste  Zeit,  in  welcher  der  mit  feinen  ntrhen  Umi^ebui^en  den 
Fürsten  von  LeiniBifen  zugfefallene  Ort  (1802),  dann  dem  6rof8faerso|;tham 
fiadea  (1806)  Mnverieibt  ward.  Am  urafangreichaten  lat  natfirlich  dar  dritte 
Abschnitt  ausgefallen,  welcher  das  pfälzische  Sinsheim  behandelt  (S.  31— 172): 
es  fallen  in  diese  Periode  die  Starme  des  Bauernkriegs,  die  Reformation,  der 
dreissigjafarige  Krieg,  der  Orleans'sche  Krieg,  in  welchem  Sinsheim  gleich  den 
meisten  Städten  der  Pfsls  ein  Raub  der  Flammen  ward,  und  andere  nicht 
'minder  wichtige  Ereignisse,  die  uns  die  Bedeutung  des  Ortes  im  Znsammea- 
liang  mit  der  ganzen  politischen  Geschichte  der  Pfalz  wie  des  ganzen  Deutsch- 
lands erkennen  lassen.  Alles  diess  gibt  der  Darstellung  auch  ein  weiteres 
Interesse,  zumal  der  Verfasser  stets  bestrebt  war,  diesen  Zusammenhang  mit 
dem  Ganzen  nachzuweisen,  ohne  jedoch  von  der  allgemeinen  deotschen  oder 
pfillzischen  Geschichte  ein  Hehreres  hereinzuziehen,  als  es  durchaus  notbwea- 
dtg  war.  Fragen  wir  nun  aber  nach  den  Quellen,  aus  welchen  der  hier  be- 
handelte Stoff  geflossen,  so  brauchen  wir  wohl  nicht  besonders  zu  bemerken, 
dass  die  gedruckten  Quellen  und  Httifsmiltel  der  sorgfaltigsten  Beachtung  sich 
erfreueten ;  aber  diese  konnten  hier  nicht  ausreichen ,  daher  wurden  hand- 
schriftliche Quellen,  so  weit  sie  nur  aufzubringen  waren,  mit  gleicher  Sorg- 
falt aufgesucht  und  benutzt;  dahin  gehört  alles  Dasjenige,  was  das  städtische 
Archiv  von  Sinsheim  noch  aufbewahrt,  so  weit  es  nicht  der  Zerstörung  unter- 
legen ist,  ferner  sind  hier  zu  nennen  die  Registraturen  der  reformirten  Inspection 
und  Pfarrei,  dann  die  Akten  und  EopialbUcher  in  dem  Grossherzoglichen  Lao- 
des-Archive  u.  s.  w.  Jedoch  nur  die  Resultate  der  mühevollen,  diesen  hand- 
schriftlichen Quellen  gewidmeten  Forschung  sind  in  die  Darstellung  aufge- 
nommen, die  einen  schönen  Beitrag  zup  vaterländischen  Geschichte  bietet  onA 
durch  ihren  gediegenen  Inhalt  wie  durch  die  ganze  erschöpfende  Behandlungs- 
weise  und  Darstellung  die  vollste  Anerkennung  verdient. 


Ta9chtnhuch  für  die  vaierländUche  Geschichte.  Gegründet  und  herau$geg^ 
wm  Joseph  Freiherm  von  Hormayr  und  nach  dessen  Tode  fortgesettt  «oa 
Dr.  Georg  Thomas  Rudhart^  Vorstand  des  h,  h»  Reichsarchites,  XLlh 
Jahrgang  der  gesammten,  XXIV.  der  newcn,  IV,  der  neuesten  Folge.  1856. 
i85U  MümAen.  J)ruck  und  Verlag  von  Georg  Franst.  1856.  Vlli  und 
292  S.  in  klein  8. 

Auch  dieses  Bttudchen  enthält  gleich  seinen  nächsten  Vorgängern  eiac 
Reihe  von  werthvollen  und  eben  so  anziehenden  Mittheilungen  aus  dem  Be« 
reiche  deutscher  Geschichte  wie  deutscher  Sitte  der  Vorzeit;  auf  das  Letzten 
ist  besondere  Rücksicht  genommen,  was  man  schon  aus  dem  Grunde  wir4 
billigen  müssen,  als  bisher  überhaupt  den  Sitten  und  Einrichtungen,  Gebräu« 
eben  u.  d(^.,  in  denen  sieh  doch  das  ganze  Leben  und  Treiben  unserer  deut« 
-sehen  Vorzeit  in  treuem  Bilde  abspiegelt,  nicht  alle  die  Aufmerksamkeit  voi 
den  Geschichtschreijiem  unserer  Nation  zugewendet  worden  ist,  die  sie  docl 
mr  riehtigen  Würdigung  der  vergangenen  Zeiten  verdienen,  indem  man  tot 
«ngsweiie  der  politischen  Geschichte  sieh  xawendtte  und  dadurch  eine  in  g» 


BodJiarl:    Tcfctaibock  für  di«  ratorMMiM^  GifcU^te.  Ml 

wifsar  Hinsicht  felbftt  einBeiti^e  politiicbe  Geschickle  gewtaa.  Wenn 
naa  lof  beidei  hier  die  verdiente  Rücksicht  genommen,  ae  flanbea  wir 
ti  iasbeiondere  henrorbeben  und  als  einen  besonderen  Vonnf  der  hier 
g^beaen  Mittheilangen  betrachten  in  müsse«,  dass  sie  tum  grOsaesten 
Tfceile  ans  handschriftlichen,  bis  dato  unbekannt  gebliebenen  Qoellen  entnoa^ 
laca  sind,  nnd  eben  dadurch  ein  besonderes  Verdienst  ansprechen,  indem  aio 
nr  Srginiong  wie  auch  sur  Berichtigong  mancher  dnrch  die  Getchiehtsbttcher 
md  Gempendien  verbreiteten  Nachrichten  dienen  können.  Es  mag  diess  i.  B. 
gleich  von  den  beiden  ersten  Aufsfttsen  gelten,  besonders  von  dem  iweiten» 
Der  erste  Aufsatz  nemlicb  bringt  aus  einer  Handschrift  der  2.  HttJfte  des 
XYH.  Jahrhunderts,  die  im  mark^ftflich-ansbacbischen  Archive  aufbewahrt  war« 
die  Beschreibung  des  Bauernaufstandes  im  Lande  ob  der  Ena  im  Jahre  1626, 
TOB  der  Hand  eines  gleichzeitigen,  in  dem  Lande  selbst  lebenden,  Ostorreichi- 
Kben  ProtesUnten,  der  als  Augenzeuge  berichtet,  und,  wie  mit  Recht  von 
den  Herausgeber  bemerkt  wird,  im  Ganzen  seine  Darstellung  rnhig  nnd  ge- 
■issi|t  gehalten  hat.  Diesen  Eindruck  hat  auch  in  uns  die  ganze  Schilde* 
nag  hinterlassen,  welche  nicht  bloss  das,  was  Kurz  nnd  Koch  Über  diese 
Begebnisse  veröiTentlicht  haben,  vielfach  yervollstindigt  und  erweitert,  son- 
dern Qberhaupt  einen  beachtenswerthen  Beitrag  zu  dem  grossen  Drama  des 
deutschen  Bauernkrieges  liefert,  der,  aus  urkundlichen  Quellen  wenigstens, 
Bis  jetzt  noch  nicht  die  umfassende  und  unparteiische  Darstellung  gefunden 
lut,  die  er  verdient.  Und  doch  ist  durch  einzelne  Monographien,  denen  auch 
diese  Beschreibung  jetzt  zuzuzählen  ist,  in  Vielem  gut  vorgearbeitet  worden. 
Wer  will  aber  solche  mühevolle  Forschungen  von  unserer  Feder-  nnd  schrei- 
belastigen  Zeit  erwarten,  die  mit  ihrem  Urtheil  und  ihren  Ansichten  so  leicht 
fertig  wird  nnd  dazu  des  Forschens  und  Suchens  nach  gleichzeitigen  und  nr- 
kandlichen  Quellen  und  deren  Studium  nicht  bedarf! 

Der  zweite  Aufsatz:  ^KOnig  Gustav  Adolph  und  Friedrich  v.  d.  Pfals  In 
lüBchen  i.  J.  1632**  verdient  in  mehr  als  einer  Beziehung  unsere  Anf- 
merksamkeit.  Es  ist,  auch  abgesehen  von  Anderem,  was  hier  zur  Spradio 
koaut,  ein  gediegener,  grossentheils  aus  bisher  unbekannten,  archivalischen 
One&en  geschöpfter  Beitrag  zur  Geschichte  des  dreissigjihrigen  Krieges,  die, 
wen  auf  diese  Weise  fortgefahren  wird,  und  die  Archive  aller  Orten  sich 
offnen,  bald  eine  ganz  andere  Gestalt  annehmen  mnss ,  als  die  hedLOmmliche, 
um  Theil  bereits  freilich  schon  durch  urkundliche  Forschungen  wesentlich 
verUnderte.  Der  SchwedenkOnig  hatte  vor  seinem  Einzug  in  die  bairische 
Hauptstadt  neben  Anderem  auch  insbesondere  die  Sicherheit  des  Privateigen- 
thons  nnd  der  Personen  aller  Klassen  zugesagt.  Und  was  das  Letztere  be- 
trifft, so  lassen  die  Nachrichten  über  die  gute  Mannszucht  der  mit  dem  König 
angezogenen  Truppen  an  der  Erfüllung  des  Versprechens  kaum  zweifeln« 
Aocfa  wird  das  Benehmen  des  Königs  seibat  als  musterhaft  gepriesen.  Allein 
vie  verhielt  sich  mit  den  schon  damals  in  München  befindlichen  Kunstsamm- 
hrogen,  die  als  Eigenthom  des  Kurfürsten  die  gleiche  Berücksichtigung  er- 
wvten  konnten,  die  dem  Privateigenthumvertragsmässig  gesichert  war?  Nach 
den  biaher  Terbreiteten  Angaben ,  selbst  ron  lYestenrieder,  sollte  man  gUa- 
bcn,  dasa  nicht  das  Geringste  angetastet  worden:  allein  die  hier  nrknndlidien 
bei||tbnMiiile&  Belege  erweisen  du  Gegentheil,  lo  daai  hinfiyiro  kein  Zweifel 


228  Radhftrt:    Tafchenbucb  für  di«  yaterlttndiiche  Gefchichte. 

mehr  darüber  obwalten  kann»  dass  nicht  nur  aus  der  Bibliothek  (s.  S.  79) 
Einseines  weggenommen,  sondern  insbesondere  aus  der  schon  damals  so  be- 
rühmten Knnstkammer  des  Kurfürsten,  Gemälde  und  andere  werthvolle  Kanst- 
gegenstXnde  weggebracht  worden;  sie  wurden  nach  des  Königs  Befehl  ein- 
gepackt und  über  Augsburg  nach  Schweden  entsendet,  wo  die  Königin,  nach 
schwedischen  Berichten,  sie  mit  der  grossesten  Achtung  empfing  (S.  84).  Das 
Gleiche  wird  von  dem  Pfaligrafen  Friedrich  V.,  der  mit  Gustav  Adolph  ein- 
gesogen war,  berichtet;  die  von  ihm  weggenommenen  Gegenstande  wurden 
nach  Mains  gebracht  und  gelangten  nach  seinem  Tod  in  den  Besits  seiner 
Gattin  Elisabeth;  was  weiter  daraus  geworden  und  wo  sie  hingekommen, 
weiss  man  nicht.  Endlich  wird  noch  weiter  nachgewiesen,  wie  die  Wei- 
marischen HersOge  Wilhelm  und  Bernhard  das  Gleiche  gethan  (S.  89  IT.},  abge- 
sehen von  dem,  was  einselne  Schwedische  Generale  (z,  B.  der  Feldmarschall 
Hörn),  Officiere  und  Beamten  in  dieser  Hinsicht  sich  erlaubt  haben.  Und  so 
konnte  der  Verfasser  seinen  mit  dem  Abdruck  von  fünf  und  zwanxig  urkund- 
lichen Documenten,  die  auf  den  fraglichen  Gegenstand  sich  beziehen  und  selbst 
Verzeichnisse  der  weggenommenen  Gegenstände  enthalten  (zu  Nr.  VI),  be- 
gleiteten Aufsatz  mit  den  Worten  schliessen:  „Und  so  Hessen  sich  die  Lo- 
beserhebungen, welche  dem  Wohlverhalten  des  Schwedenkonigs  während  seines 
Aufenthalts  zu  München  gespendet  worden,  so  ziemlich  auf  ihr  rechtes  Maass 
inrückfohren''  (S.  94). 

Auf  den  dritten  Aufsatz,  welcher  „biographische  Notizen  über  Simon 
Mayr,  Kapellmeister  zu  Bergamo",  wo  er  als  zwei  und  achtzigjähriger  Greis 
am  2.  December  1845  starb,  enthält,  mitgetheilt  von  dem  Herrn  Hofkapell- 
meister Kaspar  v.  Aiblinger  (S.  144—160),  folgen  in  vierter  Reihe  Mittheilan- 
gen  zur  Geschichte  der  Sitten  und  Gebräuche  der  Vorzeit,  aus  denen  wir 
wenigstens  auf  Einiges  aufmerksam  machen  wollen.  Die  erste  Mittheilnng 
bringt  Einiges,  auch  Genealogisches,  über  die  „schone  und  gelehrte  Hersogin 
Hedwig^,  die  Tochter  des  Herzog's  Heinrich  I.  von  Bayern  und  die  zweite 
Gemahlin  des  Herzog's  Burchard  von  Alamannien  (f  994):  dann  folgt:  der 
griechische  Kaiser  Alexios  Komnenos  und  der  fränkische  Graf  Robert  Ton 
Paris;  Einiges  Über  das  Aoifinden  der  heiligen  Lanze  aus  der  Geschichte  der 
Kreuzzüge,*  Bruchstücke  ous  dem  von  Aventin  zuerst  herausgegebenen  Tng'e- 
buch  des  Domdekans  Tageno  zu  Passau,  aus  dem  dritten  Kreuzzug,  hier  in 
deutsche  Sprache  übertragen,  reihen  sich  daran.  Dann  folgen  mehrere  kttr- 
xere,  aber  interessante  Mittheilungen,  unter  denen  wir  nur  an  die  ans  des 
Erasmus  Golloquien  entnommene,  hier  ins  Deutsche  übertragene  Schilderung 
der  deuUchen  Gasthofe  in  der  ersten  Hälfte  des  XVL  Jahrhunderts  (S.  224  ff.) 
erinnern  wollen,  die  im  Ganzen  wenigstens  der  Wirklichkeit  entsprechen  mag, 
auch  wenn  im  Einzelnen  hier  und  dort  die  Farben  nach  des  Erasmns  be- 
kannter Weise  Etwas  zu  stark  aufgetragen  sein  sollten,  wie  es  der  Zweck 
des  pikanten  Gemäldes,  das  der  witzige  Mann  aufstellen  wollte,  erheischte. 
Ebenso  interessant  wie  ergötzlich  sind  die  Mittheilungen,  welche  S.  238 ff« 
ans  einer,  jetzt  ziemlich  vergessenen,  zur  Zeit  ihres  Erscheinens  aber  sebr 
verbreiteten  Schrift  des  baierischen  Rathsekretairs  Aegidius  Albertinus  (1560 — 
1620),  welche  tu  München  1602  unter  dem  Titel:  „Hauspolizei^  erschien, 
entnommen  sind,  und  iwar  der  Abschnitt  vom  Ehestande;  sie  verbreiteii 


Wonkcli:  BibUofrtpMicli-tlaliftbcbA  U^benldit  d.  Llteritar.       M» 

lidlber  die  VTaU  eioer  Gattin,  Ober  jungfriiüichef  wie  brlnäiehee  Leben 
vai  4erfleicheii  und  behamdeln  in  einem  eigenen  Abscbnill  die  Conirorene: 
,obf  erlaubt  aeye  einander  in  werender  Brantacbaift  in  kfkaaeut  lu  bertien  oder 
gv  xafamneniakriechen" :  daa  Ganxe  ein  merkwürdiges  Sittengemftlde  jener 
UiL  Den  Sebildemngen  dentaeben  UnireraiCilalebena  dea  aiebenxebnten  Jabr- 
kadertff,  wie  f  ie  Thoink  und  Andere  nna  in  der  neuesten  Zeit  geliefert  beben, 
leät  sich  die ,  einem  gleichieitigen  Scbreiben  ana  Jena  entnommene  Scbll- 
teng  einea  Stndentenkravall'a  xn  Jena  in  dem  Jabre  1660  an  (S.  268 ff.)» 
ier  polttiscben  Gesobiebte  gebort  die  ebenfalls  einem  gleichseitigen  Scbreiben 
eHaoBBiene  Daratelinng  von  dem  Falle  Strassbnrga  oder  vielmehr  der  Besiti- 
naluBe  dieser  freien  dentaeben  Reichsstadt  dureb  die  Franxoaen  im  Jabre  1681 ; 
S.  280it  —  Möchten  wir  auch  im  nicbsten  Jabre  nna  ihnÜcher,  intereasan« 
lea  nid  belehrenden  Mittbeiinngen  ana  der  Hand  dea  gelehrten  Heraoageberf 
«firem  darfen ! 


Wiögrßflhuek-sbUUiisdte  Uebtnieki  der  lAierahw  de»  dsfsrreicbwcis»  Kmar^ 
Uätäes  vom  f.  Jänner  hi$  31,  December  1853.  Erster  Bericht,  ersiattet  im 
koken  Auftrage  Sr,  Ex,  de»  Em,  Mimeier»  de»  Innern  Alexander^  Freikerm 
eon  fitfdk,  von  Dr.  Contiani.  Wunhaeh  vo»  Tannenher g,  Varetand 
Jer  admhäetraiieen  BihlioAek  de»  k.  k.  Mini»i.  de»  Innern.  Mit  42  Tabellen. 
Zweite  venn^rte  Aufage.  Wien.  Druck  und  Verlag  wm  Friedrich  Man»^ 
1856.    VIU  und  214  8.  in  gr,  8, 

Wir  haben  in  dem  verflossenen  Jahrgg.  S.  477  ff.  den  x  weiten  Berieht  an« 
Soeift,  wir  leigen  hier  nacbtrlglich  den  ersten  an,  der  in  einer  i weiten 
Adi^  erst  nach  jenem  erschienen  ist,  im  Uebrigen  aber,  waa  die  Anlage, 
&  Sinricbtnng  und  Abtheilung  dea  Ganzen  betrifft,  in  ftbniicher  Weise  gebalten 
iat,  lach  dnrch  dieselbe  vorxttgliche  typographische  Ausführung  sich  empfiehlt. 
AHm,  WM  in  den  verachiedenen  Ländern  des  Österreichischen  Kaiserstaatee 
in  Drack  erachienen ,  und  als  ges  etaliches  Freiexemplar  abgeliefert  worden, 
i<k  in  diesen  Bericht  aufgenommen ;  die  bei  answftrtigen  Yerlegem  erschie- 
MBM  Werke  Österreichischer  Gelehrten  sind  davon,  ausgeschlossen,  wie  diese 
ii  der  Natur  der  Sache  lag.  Mit  dem  sichtbaren  Steigen  der  Presse  und  der 
HeboDg  des  bucbblndlerischen  Verkehrs  ttberbaupt  wird  auch  diess  immer 
nebr  abnehmen,  und  gediegene,  grOndliche  Werke  Österreichischer  Verfasser 
werden  dann  im  Lande  selbst  ihren  Verleger  und  Drucker  schon  finden.  Ver- 
^eichl  Bum  nun  den  Umfang  dieses  ersten  Berichtes  mit  dem  zweiten ,  der 
die  Literatur  dea  folgenden  Jahres  enthält,  so  ergibt  sich  schon  hinreichend 
eine  Zonabme  auf  diesem  Gebiete,  die  in  stetem  Wachsen  begriffen  ist.  Alle 
die  einzelnen  Erscheinungen  der  Druckerpresse  sind  nach  den  einschlägigen 
löchern  zusammengestellt,  die  im  Ganzen  denen  des  zweiten  Berichtes  gleich 
lind  und  keine  bedeutenden  Abweichungen  erkennen  lassen.  So  folgt  hier 
laf  die  Theologie  und  auf  die  Erbauungsliteratur  sogleich  die  Staats-  und 
Bechtswissenschaft  und  was  daran  sich  knttpft  (was  wir  billigen),  dann  Me- 
diän und  Naturwissenschaften,  Philosophie,  Erziebungswesen  u.  s.  w.,  Sprach- 
wisfenschaft,  Geographie,  Mathematik,  Kriegswissenschaft,  HandeU-  und  Ge- 


SM  Weilers   Index  Psendonymonin. 

werbeweieii,  Bauweien,  Fentweseiif  HaQs-  und'  Landwirtkschaft,  sdiOne 
Literatur  u.  s.  w.  Die  am  Schloaae  bei^fefttgten  Tabellen  llerem  Ueberileh-* 
ten  der  literariscben  Prodakte  nach  den  einaelnen  Kronlindern,  und  ancb  hiev 
wieder  nach  den  einEelaen  Fachern  geordnet,  so  dass  aof  diese  Weiae  dem 
Stittatiker  ein  vollatändiger  und  bequemer  Ueberblick  gegeben  ist,  der  dnrdi 
die  am  Schlüsse  beigefflgten  Register  noch  erleichtert  wird.  Das  Gaate  trigt 
den  Stempel  musterhafter  Genauigkeit,  mit  der  alles  Einzelne  behandelt  ist: 
Was  ven  dem  zweiten  Berichte  am  o.  a.  0.  rühmend  hervorgehoben  worden, 
wird  ebenso  auch  von  diesem  gelten;  beide  werden  die  gleiche  Beachtung 
•Bipreehen  können,  und  an  der  Fortführung  eines  so  verdienstlichen  Unter- 
Behroens  dftrfen  wir  wohl  kaum  xweifeln. 


Inde»    Pieudouymorum.     Wörterbuch    der  PeeudimymeH    oder    Fsrsddbnass 

dUer  Autoren  f  die  sieh  faltcker  Namen  bedienten.    Von  Emil  Well  er. 

Lnpug.     Verlag  wm  Falcke  und  Röesler,    1856,    X  und  282  S.  in.  grau 

8  FormaL    (Auch  mit  dem  weiteren  Titel): 
Die  maskirte  Literatur  der  älteren  und  neueren  Sfraehen,    Bearbeitet  und  hereau- 

gegeben  von  Emil  Well  er,    L  Index  Pgeudonymorttm,    Leipüg  v.  s.  sc. 

Bis  in  die  zweite  Hälfte  des  siebenzehnten  Jahrhunderts  rOckwarts  lassen 
sieh  die  Bemihungen  verfolgen,  die  Verfasser  von  solchen  Schriften  zu  ermit- 
teln, welche  entweder  ohne  Namen  des  Verfassers  oder  mit  einem  offenbar 
fingirten  oder  gefftlschten  Namen  herausgekommen  sind;  den  ersten  derarti- 
gen Versuchen,  die  zu  Hamburg  und  Leipzig  erschienen,  reihen  sich  bald  an- 
dere an,  und  ei  ist  dieser  für  die  Bibliographie  wie  far  die  gesammte  Biblio- 
lliekswisBenschafi  so  wichtige  Gegenstand  seitdem  nicht  bloss  in  Deutschland, 
•endern  auch  insbesondere  in  Frankreich  und  selbst  in  Italien  zum  Gegen- 
rtaade  anfassender  Forschungen  gemacht  worden,  wie  unter  Anderm  ooeh 
der  eHAe  im  Jahre  1855  erschienene  Band  von  Querard's  France  literaire, 
welcher  die  „Supercheries"  enthalt,  beweisen  kann.  Aber  ein  vollständiges 
mnd  umfassendes  Verzeichniss ,  in  welchem  alle  Pseudonymen,  d.  h.  alle  die 
unter  falschem  Namen  in  der  Literatur  vorkommenden  Verfasser  von  Drock- 
schriften,  zugleich  mit  Angabe  ihres  wahren  Namens  aufgeführt  waren,  bat 
die  deutsche  Literatur  bis  jetzt  nicht  aufzuweisen;  das  vorliegende,  alle  Na- 
tionen Buropa's  oder  vielmehr  die  gesammte  gelehrte  Welt,  umfassende  Werk 
ist  der  erste,  anerkennenswerthe  Versuch  der  Art,  der  freilich,  wie  diese  in 
der  Natur  der  Sache  liegt,  nicht  als  abgeschlossen  wird  betrachtet  werden 
können,  zumal  da  fUr  die  Englische,  Skandinavische  und  Hollandische  Litera- 
tur, um  nur  diese  zu  nennen,  es  an  den  gehörigen  Vorarbeiten  fehlt,  die 
einem  Unternehmen,  wie  das  vorliegende,  die  nothige  Grundlage  erst  geben 
nttssen.  Wie  mfthevoll  gerade  bei  diesem  Zweige  der  Literatur  die  For- 
schung war,  bedarf  kaum  d^r  weiteren  Anführung ,  indessen  auch  die  flbri- 
gen  Theile  erforderten  eine  ebenso  mObevoüe  Durchsicht,  und  ein  Studium, 
das  auf  lauter  Einzelnheiten  beruhend ,  nur  Derjenige  in  seinem  vollen  Um- 
fange zu  würdigen  vermag,  welcher  selbst  sich  darin  versucht  und  die  zaU- 
reichen  Schwierigkeiten ,  die  auf  jedem  Schritte  entgegentreten ,  aus  eigener 
Erfahnmg  kennen  gelernt  hat. 


Weller:    hdex  PsevAmymoniin«  SSi 

Uefcer  den  BefrHT,  in  welebem  der  YeTfkfter  dai  Wort  Pf  emdovym 
nod  nach  welchem  aach  fein  Verzeichniff  sich  richtet,  fpricht  a ich 
S.  IX  der  Torrede  in  folfender  Weife  ans :  Alle  nnbealimmten  Benennnnfen, 
dlei,  waf  nicht  reiner  Name  war,  mnaate  meiner  Anficht  nach  wegfallen; 
dia  allef  Adjecttren  AehnKche,  alle  nnbestimmten  Ortf-  nnd  Amtabezeichnmi* 
fea,  aOe,  die  mit  Bin,  Eine,  Un,  Une  ete.  anfangen.  Eben  fo  wenig  konn- 
tea  blosse  Bocfaf  laben  an  den  Pfeadonymen  aihlen.  fm  Allgemeinen  wurden 
ferner  die  untergeschobenen  Autoren  nicht  aufgenommen;  dasfelbe  gefchah 
lach  meistentheilf  mit  den  blossen  lateinisdien  Namena-Ueberaetzungen  u.  f.  w* 
So  ist  I.  B.  S.  147  Tiliobroga  aufgenommen,  waa  doch  kein  Pseudonym» 
foadem  eine  absichtlich,  nach  der  Sitte  ao  maneher  Golehrten,  gewihlto  la- 
teiaiiche  Ueberaetiung  def  Nanien  Undenbrug  ist.  Eher  werden  wir  una  s.B. 
•ebom  Namen,  wie  Artopaens-Becker  gefallon  laasen. 

Die  Einrichtung  des  Werkes  Ist  der  Art,  dass  in  der  ersten  Abthellong, 
ireJebe  die  Aulschrift  trägt:  „BnthOlUe  Pseudonymen"  nach  dar  Ordnung  des 
Alpbabetea  alle  diejenigen  erdichteten  oder  gefilfchten  NauMn  aufgeführt  wer- 
den, welche  in  der  Literatur,  so  weit  der  Verfasser  es  ausfindig  machen 
koaate,  überhaupt  rorkommen,  mit  Hininfilgung  ihrea  wirkliehen  Namens, 
wu  in  doppelten  Columnen  auf  jeder  Seite  geschieht  nnd  auch  füglich  ge- 
fcbehen  konnte,  da  alle  weiteren  Angaben  oder  Belege  weggefallen  sind«  »Ich 
tolle  natürlich  fOr  jeden  Namen  meine  Gewihraminner  anHÜiren  könneo  md 
■an  würde  daraus  auf  die  ungeheure  Menge  der  von  mir  benutzten  QueUen, 
NachweisoBgen,  Cataloge  geschlossen  haben,  aber  diese  Citate  bitten  meinem 
Weike  wenigstens  den  doppelten  Umfang  ▼erliehen.*'  Das  hat  allerdings  seine 
Biditigkeit  und  mag  auch  in  dem  Zwecke  des  Ganzen,  das  zum  Nachschlagen 
kfliihnmt,  kurz  nnd  gedrüngt  die  notbige  Auskunft  bieten  soll,  so  wie  in  dem 
Bestreben  des  Verfassers,  möglichst  einfach  zu  aein,  seine  Entschuldigung 
liden;  der  Mann  des  Fachs  wird  ^dier  diese  Belege  nur  ungern  vernussen, 
maul  da  doch  Fülle  vorkommen,  wo  der  wirkliehe  Namen  des  Verfaasera» 
der  hier  dem  fingirten  beigesetzt  ist,  noch  nicht  über  allen  Zweifel  erhaben 
iit  So  ist  es  z.  B.  noch  nicht  völlig  ausgemacht,  ob  der  durch  die  Herana*- 
Sabe  eines  angeblich  vierten  Buches  von  Cicero  de  Natura  Deorum  bekannt 
fewordene  P.  Seraphinus  wirklich  Friedrich  Bnchhollz  heisat,  wie 
Vier  8.  136  steht,  da  Einige  auch  einen  Prediger  Cludius  dafür  ansehen, 
Andere  wieder  andere  denken.  In  solchen  Fällen  den  Beweif  oder  Belegt 
der  den  Verfasser  bestimmt,  in  irgend  einer  Nachweisung  (wie  sie  hier  ver- 
■isit  wird)  beigesetzt  zu  finden ,  wird  dem  Gelehrten  nicht  gleichgültig  sein 
künaea. 

Die  zweite  Abtheilnng  (S.  161—262)  enthält  die  nicht  enthüllten  Pseu- 
deayaien,  ebenfalls  in  alphabelifcher  Reihenfolge  der  fingirten  Yerfaffer,  mit 
Aagabe  der  Werke  selbst,  die  unter  diesem  Namen  erschienen  sind  (was  hier 
t^viss  nothlg  war),  wesshalb  auch  hier  keine  doppelten  Columnen  auf  jeder 
Seile  angebracht  werden  konnten,  da  die  Angabe  des  Namens  und  des  Werkes 
ia  der  Hegel  eine  volle  Zeile  des  breiten  Formats,  ja  oft  Zeilen  einnimmt. 
I^  die  bloss  signirten  Schriften,  ebenso  wie  die  Artikel  in  Journalen  und 
SoMahingen  nicht  anfigenommen  sind,  wird  Niemand  befremdlich  finden.  Am 
äcUiffl  siad  einige  Nüchtrige  als  Supptomentom  in  beiden  Abtheilnngen  bei- 


3Sa«  Sacbe:    Handwörterbacb  deoUeher  Synonymeii  etc. 

gefttfL  Nachtrftge  der  Art  werden  auch  in  der  Folge  nicht  eiubleilien  ken- 
nen ;  ef  liegt  die«s,  wie  f  chon  oben  bemerkt,  in  der  Natur  der  Sache,  die  hier 
0teto  nur  eine  relative  Yollitändigkeit  erreichen  lä«ft:  und  das«  eine  aolc&e 
hier  erreicht  ist,  durfte  wohl  nicht  in  bestreiten  sein.  Da  die  Schrift  einen 
doppelten  Titel  führt,  wie  wir  auch  oben  ihn  angegeben  haben,  so  fügen  wir 
hier  die  Bemerkung  bei,  dass  die  ttbrigen  Binde  nach  der  Angabe  des  Ver- 
fassers enthalten  sollen:  die  falschen  Druckorte.  Repertorium  der  seit  dem 
ftthniehnten  Jahrhundert  bis  auf  die  neueste  Zeit  unter  fingirter  Fimui  er- 
schienenen Schriften  in  deutscher,  franxOsischer  und  lateinischer  Sprache. 


HtfNApAier&Hch  deuiseher  Synonymen  smn  GArauehe  für  SckuUundBmu, 
Von  F,  Sach$e^  Dr.  der  Philosophie,  Zweite  völlig  umgearbeiieie  und 
9€rmekrie  Auflage  ton  Abdmann's  Synonymik.  Leipitg,  Verlag  e.  £.  Weng- 
Ur.    1856.    IV  und  332  S.  in  hl.  8. 

Ein  gedringtes  synonymisches  Wörterbuch,  das  die  Unterschiede  der 
Worter  scharf  und  pricis  henrorhebt  und  bestimmt,  ohne  in  weitere,  umfai- 
sendere,  sprachliche  Erörterungen  einsngehen,  ist  immerhin  ein  ntttEliches 
Httlfsmittel  xnr  Forderung  eines  guten  Styls  und  einer  richtigen  Ausdrucks- 
weise im  schriftliehen  wie  mündlichen  Vortrag;  ja  es  kann  selbst  ein  für 
Schnle  und  Haus  nothwendiges  Httlfsbueh  werden ,  wenn  es  durchweg  so 
angewendet  wird,  wie  es  angewendet  werden  soll,  in  so  fem  es  dann  daxn 
beitragen  kann,  die  deutsche  Sprache  in  ihrer  Reinheit  an  erhalten  und  vor 
der  llberall  eindringenden  Vermengung,  wie  sie  namentlich  durch  schlechte 
Zeitnngiehreiberei  mehrfach  genihrt  wird,  in  bewahren.  In  England  wie  in 
Frankreich  würde  man  selbst  in  den  tSglich  unter  das  Volk  dringenden  Schrif- 
ten diese  Hachlissigkeit  und  Gemeinheit  des  Ausdruckes,  die  auf  mangelnder 
Kenntniss  der  Sprache  selbst  beruht,  nicht  dulden;  in  Deutschland  ist  man 
tolerant  genug,  das  Schlechteste  und  Uncorrectcste  sich  von  jedem  nnfühigen 
Literaten  gefallen  au  lassen.  Es  ist  wahrhaftig  an  der  Zeit,  einem  solchen 
Zustande  ein  Ende  an  machen;  Schriften,  wie  das  vorliegende  Handwörter- 
buch, können  dacu  das  Ihrige  beitragen,  wenn  sie  in  immer  weitere  Kreise 
dringen.  Und  dieses  mag  man  dem  vorliegenden  Wörterbuch  wQnschen,  da 
es  sich  durch  genaue  und  scharfe  Bezeichnung  der  Unterschiede  und  eine  bOn- 
dige,  correcte  Fassung  empfiehlt,  und  seinem  Zwecke  entsprechend  eingerich- 
tet ist. 


i.    Plolini  Opera  recognotit  Adolphut  Kirchhoff.    Volumen  IL    lApnao^  Mump* 
tibui  el  iypii  B.  G.  Tadmen.    MDCCCLVI.    XVI  und  435  S.  in  8. 

2.  Jotffifits  Siohaei  Florüegium  reeognoi9it  Augusiue  Meineke.    VoL  IIL 

JUfMMe  M.  s.  u>.  XLill  und  264  S.  in  8. 

3.  M.  Tullii  CieeroniB  Scripta  quae  manseruni  omiiMi.    RecoynooU  ilstiH 

hol4n§  Khtf^    t0r$  F.  commem  Indien.  Uptiat  u,  s.  «9*  457  S.  im  8. 


Plotbi,  Slobaeli  Cieenmlf  Opp.  2d3 

l  ]l$9nm  T§$iMmenium  Gräeee,  Ad  fidmn  poHuimmn  eöüeU  VtaiemU 
I.  neemmij  naruu  hdimu»  eodieii  B,,  Uxttis  r^eepH^  tdühmm  Qrigdaehüf 
lariwiiiiHi ,  TUekmdtrfn  i$U€grü$  fl^/erjl  Fhilippmt  Buiimann.  lip« 
tmu.  9.  w.    VU  umd  5i3  8,  in  8. 

Die  hier  ttfeieigteii  Binde  sind  weitere  ForUetnafek  der  Bibliotbect 
SeriptoroB  Graecorun  et  Romtnorum  Teubneritna,  einea ebeofo 
iweduOiatifeii  wie  rttbnliebeii  Uateniehneiifl ,  dem  aaeh  in  dieaen  Blltleni 
iteti  die  cebttbrende,  wobi  verdiente  Anerkennong  gesollt  worden  iat.  Und 
dt  iie  pue  Einriebtnng  dteaea  im  Geiate  dea  edlen  BefrOndera  ancb  nach 
toea  Tode  fortfreaeuten  Untemebmena  in  den  frttbern  Anseigen  anafUirlich 
dngdegt  nnd  beaprocben  worden  iat,  ao  kann  bei  dieaen  Fortaetsongen  nm 
M  attfar  anf  die  früheren  Anseigen  Terwieaen  werden,  ala  die  AnafUimng 
iick  gleich  geblieben  nnd  die  änaaere  Anaitatlnng  dea  Gänsen,  wie  die  atrengo 
Comktheit  der  Texte  der  Tollaten  Anerkennung  wQrdi|^  iat. 

Der  sweite  Band  dea  Plotinua  enibftlt  den  noch  Übrigen  Theil  der 
Eiaeaden,  nach  dea  Verfauera  Anordnung  die  Abhandinngen  oder  Schriften 
IXVIQ  bia  XLYIIIaeq.;  da,  wie  achon  früher  bei  der  Anseige  dea  eraten 
Budes  (f.  dieae  Jahrbb.  1856.  S.  549)  bemerkt  ward,  der  Heranageber  die 
heikömnüiche  Anordnung  der  llteren  Auagaben  Tcrluaen  und  die  einseinen 
Schriften  Plottn'a  nach  der  von  Porphyriua  angegebenen  Reihefolge  geord« 
let  hat,  ao  iai  am  Schloaae  dea  Bandea  eine  vergleichende  Tabelle  beigefttgt, 
uch  welcher  die  einseinen  Abhandlungen  leicht  und  bequem  aubufinden  aind; 
ebeaio  folgt  ein  kurser  Index  Auctornm  d.  L  ein  Yerseichniia  der  in  Plotin'a 
Weihen  citirten  Schriftatelier.  Ueber  die  Recenaion  dea  Textea,  der  nun  in 
eiaer  bequemen  nnd  billigen  Handanagabe  auch  einem  groaaeren  Leaer- 
kreife  suginglid  gemacht  iat,  iat  achon  frtther  am  o.  a.  0.  daa  Nothige  be- 
■crkt  worden;  die  in  dem  Texte  aelbat  von  dem  Herauageber  vorgenommenen 
Aaaderuogen  werden  in  der  Praefatio  kurx  angefiüirt.  Daaaelbe  iat  auch  aul 
fTOfser  Sorgfalt  bei  dem  vorliegenden  dritten  Bande  dea  Florileginm'a  dea 
Stobäna  geachehen;  die  dem  Texte  vorangehende  „Ditcrepantia  lec^onia  a 
tcxta  Gaiafordi^  verbindet  aber  auch  mit  dieaen  Anfbbrungen  noch  weiter 
eiae  R^ibe  der  werthvollaten  kritiachen  Bemerkungen,  vielfache  Verbeaaernngs- 
ToncUige  n.  dgl.  m.,  wie  man  aie  von  dem  Herauageber  su  erwarten  ge- 
wohnt iat  Dem  nichaten  Bande,  der  den  Schluaa  dea  Florilegiuma  bringen 
wird,  werden  dann  auch  die  su  dem  Gebrauche  dea  Gänsen  so  nothwendigen 
Indices  beisufllgen  sein.  Bei  der  Ausgabe  dea  Cicero  füllen  die  Regiater 
die  oben  angeseigle  Pars  Y;  wir  finden  nemlich  darin  suerat  ein  Muaserst 
feuaues  Register  aller  Eigennamen,  welchea  ala  „Index  Nominum''  fut  den 
SiBiea  Band  einnimmt,  und  hier  allea  Sachliche,  was  an  Eigennahmen,  aeien 
M  Ortsbeseichnungen  oder  Personen  u.  dgl.  geknüpft  ist,  überall  mit  genauen 
Verweisungen  snsammengeatellt  hat;  daas  das  Geographiache  von  dem  Histo- 
rischen oder  Literftrischen  nicht  getrennt  ist,  kann  nur  unaem  Beifall  ver- 
dienen. Mit  beaonderer  Aufmerksamkeit  ist  auch  hier  Cicero  (unter  Tulliaa) 
hehandelt,  indem  alle  sein  Leben  und  die  gesammte  politische  wie  literarische 
Thitigkeit  betreffenden  Notisen,  welche  in  seinen  Schriften  vorkommen,  Jahr 
m  Jahr»  aUo  in  streng  chronologischer  Folge  hier  aneinandergereiht  aind» 


IM  Donueiifeii:   De  «rtieulo  apnd  €hraeeo«. 

und  io  eile  Uebenicht  fleines  ganxen  L^ens  und  Wirkeni  auf  aeineii  eige^ ' 
uen  Schriften  Bosammenfef teilt  bieten.  Eine  genaue  Inhaksangabe  'deaaen, 
wai  in  jeder  der  vier  Partea  der  ganaen  nun  ▼oRendeten  Ausgabe  der  Werke 
Cicero'i  enthalten  ist  (besonders  von  Be)|i^  für  die  dritte  Abiheilung  von 
Pars  IV,  welche  die  Fragmente  und  die  unüi^hem  oder  gefälschten  Schriften 
enthalt)  ist  noch  vireiter  als  Index  scriptorum  Tullianorum  beigefttgt.  So  bildet 
dieser  Band  mit  seinen  Registern  eine  sehr  brauchbare  und  ntttzliche  Zugabe 
in  dieser  Oesammtausgabe  der  Werke  Cicero's,  die  hier  in  durchweg  berich- 
tigtem Texte  erseheinen,  wie  er  als  das  Ergebniss  der  bisherigen  kritisclien 
Forschung,  so  weit  sie  zu  einem  sichern  Abschlnss  gelangt  ist,  anzusehen  ist. 
Der  Ausgabe  des  Neuen  Testamentes  ist  ganz  die  Vaticanisefae  finnd- 
aehrift  C^r.  1209),  als  die  Siteste  und  werthvollste  unter  allen,  zu  Grunde  g^ 
legt;  in  dem  engen  Anschlass  an  diese  Handschrift  gibt  sich  der  Unterschied 
dieser  Ausgabe  von  den  bisherigen  gedruckten  Texten  zunächst  kund,  und  ftoMeri 
fich  der  Herausg.  selb«  darüber  folgendermassen :  —  „verba  Vaticani  ubiqne 
in  textu  retinui  ita,  ut  ne  sumroo  quidem  omnium  alionim  teatium  conaenau 
deterritna  sim,  quominus  hoc  facerem:  litis  tantum  locis,  quibua  aliae  caanae, 
quam  ex  sola  auetoritate  codicam  ortae,  lectionem  Vaticani  sine  dubio  falsam 
t»8t  docerent,  Vaticanum  rejeci.*'  Die  Lesearten  dieser  Handschrift,  ao  wie 
der  von  ihr  abweichenden  des  Vulgärtextes  ^  der  Ausgaben  von  Griesbach, 
Lachmann  und  Tischendorf  finden  sich  kurz  unter  dem  Texte  selbst,  angefahrt, 
wodurch  die  Vergleichung  wie  die  Würdigung  nicht' wenig  erleichtert  ^rd. 
Was  die  Valicanische  Handschrift  selbst  betrifft,  so  gedenkt  der  Herausgebe? 
darüber  eine  eigene  Schrift  erscheinen  zu  lassen,  welche  den  Charakter  der» 
gelben  näher  auseinandersetzt  und  damit  auch  zugleich  eine  nähere  BegrUn- 
dung  oder  Rechtfertigung  des  Vorzuges  bringt,  der  ihr  in  dieser  Ausgabe  xn 
Theil  geworden  ist.  Bekanntlich  reicht  dieselbe  nur  bis  zum  Hebrierbrief 
IX,  14:  was  von  da  an  weiter  folgt,  fehlt,  so  wie  die  Briefe  an  Timotbeos, 
Titus,  Philemon  und  die  Apokalypse:  bei  diesen  Stücken  ward  die  Alexandri- 
■iaebe  Handschrift  dem  Texte  zu  Grunde  gelegt.  Bei  diesem  strengen  An- 
schlusa  an  -die  älteste  handschriftliche  Ueberlteferung  konnten  Conjecturea  im 
Texte  selbst  keine  Aufnahme  finden  |  nur  an  Einer  Stelle  (H.  Petr.  HI,  10, 
wo  ta  in  £  verändert  ward)  versichert  der  Herausgeber  eine,  wie  er  glaobl, 
nothwendige  Ausnahme  davon  gemacht  zu  haben.  So  mag  auch  diese  neue 
Ausgabe  dea  Textes  des  Neuen  Testamentes  der  Beachtung  bestens  empfohlen 
fein. 


ifef  Oymnaiiim  U  Amsterdam,  Verslag  van  den.  CWsus  iS55''iS56,  Dorn^ 
seiffen,  gymn,  fMraec,  De  artiado  apud  Qraecos  ejusque  tisti  in  praeüeaio 
Amsterdam.    Seijffardfs  Boekhand^.    1856.    32  8.  in  gr.  8. 

Die  deutsehe  Sitte,  den  jähriichen  Berichten  der  Gymnasien,  und  deren 
Einladung  zu  den  Prüfnngs-  und  Entlassnngsfeierlichkeiten  auch  eine  wisseo- 
achaftliche  Arbeit  eines  der  Lehrer  der  Anstalt  gleichsam  als  einen  Beweia 
und  als  ein  Zeichen  dea  unter  den  Lehrern  der  Anstalt  herrschenden,  wiasen- 
iohaftUoheii  Geiatea  beizufügen,  ist  seit  einiger  Zeit  auch  nach  Holland, 


Koeli;    M.  Tallli  Cieeroiiii  Taieulioarum  ete.  235 

dKi  MnfterlaBde  der  Pbiloloffie,  ttberf^ei^aiigeii ,  and  hat  dort  bereit!  eine 
IcAe  (^ie^ner  und  tOchti^er  Abband  langen  aas  den  Terfchiedenen  Zweigen 
Aet  gelehrten  Stndiumf  der  claifischen  LUeratar  benrorgerufen.  Auch  die 
Toritegende  Abhandlung  Über  den  griechischen  Artikel  und  deaaen  Gebrauch 
iai  Prtdieat  rerdankt  dieaer  Sitte  ihre  Entatebnng ;  bei  der  eifrigen  Pflege  der 
{miantischen  Stadien  in  Deulachland  wird  man  dieae  Abbandlang  acbon  da* 
nai  n  beachten  haben,  weil  der  Verfaaaer  mit  den  aaf  aeinen  ficgenatand 
bexOglichen  Feraehongen  der  Gelehrten  Deotachlanda  wohl  bekannt  iat»  und 
djcadben  in  der  vorliegenden  Schrift  einer  weiteren  Unterauchung  unterwor^ 
fea  hat.  Dae  Ergebniaa  aeiner  beaondera  auf  Stellen  dea  Platu,  Thncydidea, 
Xenophon  a.  A.  geattttiten  Forachnng  lantet  am  Schloiae  der  Schrift  S.  31 
Mfenderanaaen : 

yPkaedicato  mnqnam  articnloa  additnr,  nial  quam  penttna  cognitum  vel 
defiaitam  tanqiim  par  anbjecto  opponitnr* 

Si  aabjectnm  articnio  caret,  caret  eo  etiam  praedicatom.  Exceptio  eat, 
li  aot  fobjectam  tali  Tocabulo  ezpreaaum  eat,  qaod  per  se  aine  artieolo  cog- 
litam  eaae  poteat,  aut  ai  praedleatum  tali  Toeabulo  expreaanm  eat,  quod  nial 
eaai  articulo  poatnlatam  aignificationem  non  habet. 

itaqne  eidem  bnic  excepttoni  loco  dato,  ai  alterutrom  membmm  articolaa 
hibet,  id  anbjectom  eaae  atatuere  poaaumaa^. 


If.ru/ni  Ciceronj«  Tusculanarum  Disputationwn  Ltbri  quingut.  Erläutert 
9on  Dr,  Georg  Aenolkeus  Koch^  driiiem  ordentl.  ColUgen  an  dem 
Gymnasium  tu  Sl  ThomA,  RiUer  des  ft.  ^'ech.  Erlöser-Ordens,  Xsteiles 
Heft.  Üb.  ni—V.  Hannoter  iS57.  Hahn'scke  Uo/bucJükindlung.  150  S. 
in  fr.  8. 

Das  erate  Heft  dieaer  Bearbeitung  der  Tuaculanen,  welcbea  die  beide» 
cntea  Bacher  enthfilt,  crachien  bereita  in  dem  Jahre  1854  und  wurde  In  die- 
len lahrbochem  Jahrgg.  1854  S.  630  besprochen:  daa  awelte,  die  drei  ttbri- 
^  Bacher  enthaltende  Heft  ist  In  der  Anlage  wie  in  der  Auafttbrnng  dem 
cntea  gleichmflaaig  bearbeitet  und  empfiehlt  sich  daher  auch  inabeaondere  filr 
4u  PriTatatadiam ,  und  xwar  Torzagsweiae  vor  andern  und  aelbst  Ihnlichen 
Bearbeitungen  der  Tuscolanen,  welche  nicht  in  dieaer  Weiae  behandelt  aind. 
Von  Allem  dem ,  waa  für  diese  Schrift  dea  Cicero  bia  auf  die  neneate  Zeil 
herab  geleistet  worden  iat,  es  aei  in  kritischer  wie  in  exegetiacher  Hinaicbt, 
ist  der  sorgfftitigste  Gebrauch  gemacht  worden,  ao  weit  ea  den  Zwecken  dieser 
Bearbeitung  angemeaaen. erschien,  welche  auch  Allea  das,  waa  aura  aachlichoM 
▼errtindniaa  der  von  Cicero  behandelten  Gegenstinde  und  deren  richtigen 
Würdigung  ftthfl,  in  gleich  befriedigender  Weise  behandelt  und  so  den  Leser 
ia  den  Inhalt  der  Schrift  aelbat  und  deren  volles  VersISndoiss  einsnfllbren 
vermag.  Die  sorgßlltige  und  scharfe  Beobachtang  des  Sprachgebraochea, 
^  sie  alletn  aar  Erreichung  dieses  Zieles  au  führen  vermag,  wird  sugleich 
den  angebenden  Philologen,  oder  dem  Scbüler  der  obern  Claase,  der  die  Tus- 
edanen  nach  dieaer  Ausgabe  liest,  vielfachen  Nutzen  zur  Erweiterung  und 
Befestigung  aeiner  apraehlichtn  Kenntniase  bringen;  aus  dieaen  Grttnden  wttn- 


S36  Cnuin«':    Wtfrterbaeh  m  den  Werkdii  äe»  Jalim  Gi«tr, 

sehen  wir  dor  nun  vollendeten  Bearbeitung  der  Taiculanen,  die  licli  durch 
guten  nnd  reinen  Druck  bei  sehr  billig  gestelltem  Preise  empfiehlt,  allgemeine 
Verbreitung  und  Anerkennung. 


VolUiändigei  WäriiHfuek  mu  dm  Werken  dee  Julius  Cäs^r^  vom  (r.  Chr. 
Cmsttts,  weil.  RecUir  m  Hannover.  Fünfte,  durchaus  herickligie  ii«»- 
giAe.    Bannoeer,  Bahn'seke  Boßuekkandlung,  1857.    253  8.  m  gr,  8. 

Ein  schon  in  der  fanften  Auflage  yorliegendes  Wörterbuch  wird  keiner 
besondem  Empfehlung  bedürfen,  lumal  wenn  diese  verschiedenen  Auflagen  in 
so  kurier  Zeitfrist  auf  einander  folgen,  wie  diess  bei  dem  vorliegenden  Buche 
in  der  That  der  Fall  ist.  Die  i weite  Auflage  des  Jahres  1845  war  n€>ch 
von  dem  Verfasser  selbst,  der  das  Ganze  einer  sorgfältigen  Durchsicht  unter- 
worfen hatte,  vor  das  Publikum  gebracht  worden:  die  nachfolgenden  Aunga- 
ben,  die  dritte  vom  Jahre  1849,  die  vierte  von  dem  Jahr  1853  und  die  vor- 
liegende  fttnfte  verdanken  wir  der  Sorge  eines  befreundeten  Gollegen  (C.  L. 
Grotefend),  der  nach  dem  Tode  des  Verfassers  sich  dieser  Arbeit  unterzog 
und  in  seinem  Geiste  das  Werk  in  eine  immer  voUkommnere  Gestalt  zu  brin- 
gen suchte,  daher  demselben  eine  wiederholte  Durchsicht  widmete,  die  insbe- 
sondere auch  auf  Berichtigung  falscher  Citate  gerichtet  war,  so  wie  auf  sorg- 
fKltige  Beachtung  dessen,  was  in  den  neuesten  Ausgaben  CSsars  in  kritischer 
wie  exegetischer  Hinsicht  Beachtenswerthes  für  ein  Buch,  das  den  gansen 
SpBchschats  Cftsar's  aof  das  genaueste  vorlegen  soll,  geleistet  worden  ist;  Herr 
Dr.  Georges  hat  wie  frtther,  so  auch  bei  dieser  neuesten  Auflage,  durch  manche 
Hittheilungen  den  Heransgeber  unterstatzt.  Und  so  wird  das  Ganze  in  dieaer 
neuen  Gestalt  auf  die  verdiente  Anerkennung  zihlen  und  einer  immer  grOsaern 
Verbreitung  auf  den  Anstalten,  wo  Cftsar  gelesen  wird,  so  wie  selbst  fbr  den 
Privatgebrauch,  sich  erfreuen  können«  Druck  und  Papier  werden  gewiss  be*- 
friedigen. 


Die  Diferenlial-  und  InUgralreeiknung  und  deren  Amtendung  auf  die  Geonuirie 
der  Ebene.  Von  Dr.  Edmund  Külp,  Professor  der  Physik  und  MadL  em 
der  h^  Geu>erUehule  tu  Darmsladi.  Mü  6  Ulkographirien  Tafeln.  Darmstadi. 
Druck  und  Verlag  v.  C.  W.  Leske.  i856.  (XVI  u.  678  S.  in  8.) 

Bereits  im  Jahrgang  1854  dieser  Blfttter  haben  wir  den  ersten  Theil  dieses 
Buches  —  die  Differentialrechnung  enthaltend  —  angezeigt,  und  wollen  also 
nur  noch  Qber  den  Rest,  die  Integralrechnung  und  die  Anwendungen  auf  Geo* 
metrle  enthaltend,  Bericht  erstatten,  indem  wir  auf  unsere  frtthere  Anseige 
verweisen  und  bemerken,  dass  der  angezeigte  erste  Theil  sich  von  S.  1—160 
erstreckt 

Hit  Recht  stellt  der  Verfasser  gleich  zum  Voraus  als  Erklftrung  der  Inte- 
gralrechnung auf,  sie  sei  das  Umgekehrte  der  Differentialrechnung;  nur  über 
die  Bedeutung  der  willkttrlichen  Konstante  geht  er  etwas  zu  rasch  weg.  Sie 
bleibt  nftmlich  nur  in  so  ferne  wirklieh  konstant,  als  die  Funktion  nnter  dem 


Kftip:    Dlffereatial-  and  Inle^lrecKniiiig.  %S7 

bl^nlsetcbai  ttelif  bleibt;  •ndenifalli  kann  iie  ibren  Wertb,  «Uerdliics  piOU- 
Hd  d.  h.  nntetig,  «ndern.    Von  der  Begierde»  die  Wabl  dei  Zeicbeu  I   sa 

eiUiren,  getrieben,  acfaeint  denn  doch  die  Erklärung  dei  bestimnlen  In* 
t^fiilf  gleich  nnittittelbar  darauf  etwas  su  früh.  Ist  auch  gegen  die  Erkli- 
mg  lelbft  nichts  Besonderes  einiuwenden,  so  erscheint  sie  eben  hier  schon 
ilf  etwas  Gelegentliches,  wihrend  doch  die  Theorie  der  bestimaiten  Integrale 
licht  eine  blosse  gelegentlich  absnfertigende  Parthie  der  hohem  Halheaiatik 

Mdet   Der  Sati,  dass    |d(u  +  v  +  ..)  =  u  + y  + ^=  |dn+  jdv  +  .., 


rd(u  +  v  +  ..)  =  u  +  Y  +  .=  rdn+  Tdr 


Nbeint  mir  for  einen  Anfftnger  nicht  verständlich,  da  derselbe  eben  doch  nnr 
Fraktionen  einer  einzigen  nnabhängigen  Veränderlichen  im  Auge  haben  soll» 
wibread  dien  hier  gana  aus  dem  Gesichte  gerttckt  su  sein  scheint    Viel  na- 

ttitiefcer  wäre  es,  an  schreiben:   ^^^5-+ 1±:0 j,  =3 .  +  y  +  ..,  da  hier 

kein  Anstand  wäre,  man  aber  freilich  sogleich  sehen  würde,  dass  man  hiebe! 
anr  die  Definition  des  Integrals  wiederholt.  Noch  unklarer  scheint  uns  der 
Sau  der  Integration  durch  Substitution  bewiesen  an  sein.  Um  f(x) 
dx  zu  iategriren ,  sagt  das  Bueh ,  setze  man  z  s=  ^(t)  und  erhalte  dann  f(0) 
7(t)  dt,  wo  nun  —  wenn  man  diesen  Ausdruck  integriren  kann  —  schliess- 
lieh  f&r  t  wieder  sein  Werth  In  x  zu  setzen  sei.  Referent  glaubt  nicht,  dass 
dies  demjenigen  Terständlich  sei,  der  zum  ersten  Haie  Integralrechnung 
trabt  Allerdings  stellen  die  BQcher  die  Sache  meistens  so  dar,  aber  damit 
iitdoch  wohl  noch  nicht  gesagt,  dass  das  gerade  desshalb  klar  sein  missOi 
Wean  nun  aber  in  unserm  Falle  sagt ,  man  wolle  für  z  die  neue  Veränder*- 

Uehe  t  einführen,  dann  setzt   |f(x)  dz==X,  beachtet,  dass    J~L  =.  ^^ 


^  (S.  23,  $.  14)  5=  I(x3-^,  da  ^^  =f(x),  und  sicher  findet  X  =  (f(x) 


dt    ""•'"'    ''    ..^-.v-vj^,  j^ 


^-dt,  wo  in  f(x)-^  die  Grosse  z  durch  t  su  ersetzen  ist,  so  hat  der  Sats 
dt  dt 

waU  keinen  Anstand,  da  man  sich  auf  lauter  klar  bewiesene  nnd  verständ- 

Kcke  Sätze  atfitst    Die  ganze  Unklarheit  kommt  von  der  leidigen  Betraditung 

der  Differentiale  her,  Ton  der  man  sich  nicht  losmachen  will,  obwohl  die 

Dmtellong  der  Differentialrechnung  doch  eine  ganz  andere  geworden  ist. 

^htM  man  aber  den  Begriff  und  die  Bezeichnung  des  Differentials  in  der  ge- 

nanaten  hohem  Hathematik  nicht  braucht,  ist  leicht  einzusehen,  und  Referent 

Mt  dies  thatachlich  zu  beweisen,  indem  er  davon  nie  Gebranch  machen  und 

doch  die  gesaromte  Differential-  und  Integralrechnung  darzustellen  gedenkt  — 

Aehttliches  kann  von  dem  Satze  der  th eilweisen  Integration  gesagt 

werden,    Die  Integration  durch  Reihen,  die  der  Verf»  sogleich  auf 

diese  ersten  Sätze  folgen  lässt,  pflegt  sonst  gewöhnlich  mehr  an's  Ende  ge-* 

rtdtt  fu  werden,  da  dieselbe  doch  wohl  nur  dann  angewendet  wird,  wenn 

■an  sich  sonst  nicht  mehr  zu  helfen  weiss.    Der  Beweis»  dus  eine  unend- 

Bdw  Reih0  gui  wie  eine  Sammo  eiaidner  Theile  integriri  werden  konaoi 


938  Kttip:    DUTerenlial-  und  IntegrlilrecfaBUf- 

wenn  nvr  di«  entstehende  Reihe  konvergirt,  der  hier  mittelM  bettimmter  In« 

teipvle  geführt  ist,  möchte  wohl  nicht  gans  am  Platze  sein,  da  er  doch  gar 
Eo  kUnftlich  für  eine  so  einfache  Sache  ist.  Der  Uebergang  von  bestimmten 
Integralen  zu  unbestimmten  verwirrt  die  Sache;   ohnehin  begreifen  wir  die 

Gleichnng  i    ydx  =  i    ydx  — |    ydx  (S.169)  nicht  (ist  ein  Drackfehlerrorfattt- 

den,  fo  wSre  diese  Gleichnng  immerhin  nicht  an  ihrem  Platze). 

Die  nun  folgenden  Integrationimethoden  (S.  180—227)  aind  die  nUher* 
gebrachten  für  rationale  Brüche,  binomische  Integrale  u.  s.  w.,  die  in  jedem 
Lehrbuche  aich  finden  nnd  finden  müssen,  so  dass  wir  darüber  nichts  Weiteres 
sagen  wollen,  höchstens,  dass  durchweg  nur  von  unbestimmten  Integrationen 
die  Rede  ist.    Zum  Schlüsse  werden  noch  einige  „transeendente  Ezponeoiial- 


integrale"  betrachtet.    Das  erste  davon  ist  das  Integral  I  e    dx,  oder  genauer 
genommen,  dass  bestimmte  Integrale   I  e   dx.    Dass  dasselbe  also  nicht  ganz 


il  I  e    dx, 

hieher  gehört,  ist  klar,  auch  musste  von  dem  Satze,  dass  I  e     dx  =  }  yn 

ist,  Gebrauch  gemacht  werden,  ehe  er  überhaupt  bewiesen  war,  ehe  überhaupt 
davon  die  Rede  war,  was  eine  unendlich  grosse  Grttnze  bei  einem  bestimm- 
len  Integrale  zu  bedeuten  habe.  Aehnliches  gilt  von  den  übrigen  behandel- 
ten Integralen  dieser  Art.  Diese  Betrachtungen  wiren  immer  noch  spftter 
•m  rechten  Orte  gewesen,  nachdem  über  die  bestimmten  Integrale,  als  solche, 
jiühere  Aufschlüsse  gegeben  worden,  wozu  sich  das  Werk  von  S.  239  an  anschickt. 
Aus  der  bereits  früher  angeführten,  hier  nochmals  wiederholten  Definition 
des  bestimmten  Integrals  werden  einige  der  einfachsten  Eigenschaften  abge- 
leitet. Wenn  aber  dort  gesagt  wird ,  man  wolle  von  der  Gleichnng  I    fCx)  dx  = 

I  f(x)  dx-i-i  ((x)  dx  +  •••  + 1  f(x)  ^  ausgehen,  so  haben  wir  Yer- 
t/  a  t7  ai  tf  an 

geblich  nachgesehen,  wo  denn  diese  Gleichung  bewiesen  ist.  Ob  man  ait 
«Is  von  selbst  verstindlich  durchgeben  lassen  kann,  müssen  wir  um  so  mehr 
bezweifeln,  da  sie  nicht  unbedingt  angewendet  werden  darf.  Die  mitgetheil'- 
ten  Methoden  zur  nilherungsweison  Berechnung  bestimmter  Integrale  ermangdn 
Iheilweise  der  GrUnsbestimmung  für  den  begangenen  Fehler,  ohne  welche 
dieselben  nicht  besonders  viel  werth  sind. 

Bei  der  Ansmittlung  der  Werthe  bestimmter  Integrale  kommen  wir  aodi 
nnf  die  Untersuchung,  was  denn  zu  thun  sei,  wenn  die  Grösse  f(x)  innerhalb 

der  Integrationsgränzen  (für  1     f(x)  dx)  unendlich  werde.    Dabei  begegnen 

wir  dem  bekannten  von  Mo  ig no  ausführlich  erliluterten  Kunststücke  von  den 
fltnptwerthen  der  bestimmten  Integrale  nnd  was  dergleichen  Dinge  mehr 
•ind.  Referent  kann  nicht  begreifen,  dass  man  immer  noch  dieses  leere  Stroh 
drischt,  nnd  nicht  lüngst  merkt,  dass  ja  diese  scharfsinnigen  Künsteleien  Re- 
ffen dio  allererste  SrUSrusg  Verstössen,  woniadi  die  Grösse  f(x}  innerhalb 


lAlp:    DifferttOkl-  und  hlergnJiediiinf.  238 

dir  blegntiovifTinieii  fteiig  (mindesleDi  eadllch)  Min  nutii.  Wenn  man 
IM  ab«  irafi,  WM  mit  dorn  berihrteD  Fallo  aasafaHfOD  «ei»  ao  antworten 
wir:  gar  Niebia;  denn  in  einen  folchen  Falle  kann  von  dem  beallmmten  In- 
tefrale  keine  Rede  mehr  sein ,  und  Allea ,  was  man  hier  acfalieuen  wolllo, 
kna  eben  ao  wohl  Calacb  ala  wahr  aein.  Daaa  dabei  oft  faat  bandgreiflicher 
üamu  erac^int,  lieft  in  der  Natur  der  Sache  |  ao  etwa  in  naaerm  Bocke 

dieBehan^tang  (S.  2W)  der  Wertk  Ton  p^-i^  aoi««lttre=:0.  StaH 

icaer  Terwirrenden  und  noek  daxu  fani  irrigen  Künsteleien  wllre  t§  woki 
beMer  geweaen,  wenn  daa  Buch  aich  etwas  i^enaner  Ober  die  Umformung 
bcitiauttter  (einfacher)  Integrale  eiagelaaaen  bitte,  da  dabei  gar  manche  Dinge 
vsikaaaMn  können,  die  nicht  im  Handumkekren  au  erledigen  aind*  Wenn 
bei  der  Differentiation  unter  dem  Integralieichen  bia  zur  Betrachtung  des  swel» 
tea  Bifferentiniquotienten  gegangen  wird,  ao  iat  dies  dea  Guten  an  viel  Cond 
weaa  audi  Schlomilch  dies  achon  früher  gethan). 

Wenn  bei  den  doppelt  beatimmten  Integralen  gleich  wieder  der  Fall 
koaait,  wo  die  GrOaae  unter  den  Integralxeicheu  unendlich  wird,  wo  alao, 
wie  man  hOcbat  geistreicher  Weise  au  sagen  pflegt,  die  Aenderung  der  Ord- 
Baag  der  Integration  verschiedene  Resultate  gibt,  was  namentlich  durch  daa 

Tiel  misshandelta  Integral  I         I      -^jLlZL--.  dx  dy  bewiesen  werden  soll, 

J-iJ-i  (x»+y«)' 

M  kana  Referent  nur,  wie  jüngst  Grunert  in  seinem  Archiv,  allerdings  mit 
der  heflichen  Entschuldigung,  man  werde  ihn  nicht  roissverstehen,  sagen,  daa 
lei  Unsinn.  Die  Theorie  der  Umformung  vielfacher  bestimmter  Integrale 
feblt  gans  in  nnserm  Buche,  wflhrend  doch  mehrfach  von  ihr  Gebrauch  ge- 
■Kbt  wird.  Ucberhaupt  ist  hier  bei  der  Behandlung  bestimmter  Integrale» 
wv  mochten  aagen,  fast  unverantwortlicher  "Weise  zu  Werke  gegangen  wor- 
dea,  wenn  auch  allerdings  wieder  gute  Parthieen  sich  finden.  Es  fehlt  eben 
iB  genaner  FeaUtellung  der  Fondaraentalsfitze.  Daftkr  kann  dann  nicht  ent- 
«Aidigen,  daaa  die  Theorie  der  Fourierachen  Beihen  und  der  elliptischen  I»- 
tcfnle  aiemiick  anafQhrlick  aulgenomaaeB  worden,  obgleich  diea  nur  au  loben  iat. 

Nachdem  ao  ein  bedeutender  Theil  der  Integralrechnung  abgehandelt  wor- 
den, folgen  CS.  385—496)  die  Anwendungen  auf  die  Geometrie  der  Ebene, 
IB  ao  ferne  dieaelbe  eben  die  Differential-  und  Integralrechnung  in  Anaprnch 
■iBuift.  Sie  nmfaaaen  alao  die  Theorie  der  Tangenten  und  Normalen,  Aaymp- 
Ma,  Bemhmngen  (in  Cauchya  Weiae);  die  Unterancfaungen  ttber  Con<- 
ytiaXkl  und  Concavitllt  ebener  Kurven  und  der  beaondern  Punkte;  die  Rekti- 
fi^BtioB  der  Kurven;  die  Theorie  der  Krümmung  deraelben  (ebenfalla  mit  Zu- 
flnuddegnng  der  Ansichten  von  Cauchy),  der  Evoluten  und  Brennlinien; 
wdam  der  Quadratur  ebener  Flilcheii,  und  der  nMherungaweiaen  Quadratur  — 
ARea  durch  zahlreiche  Beispiele  erlftutert.  Da  alle  diese  Dinge  schon  vielfach 
behaodeU  worden,  so  können  wir  hier  darüber  weggehen,  indem  wir  nur 
oueUen,  dass  die  Behandlungaweiae  meist  tadelloe  ist. 

Bin  wichtiger  Abschnitt  der  Integralrechnung,  die  Integration  der  Diffe- 
reatialgleicbungen  mit  einer  unabhflngig  Yerflnderlichen ,  folgt  diesen  in  daa 
^iet  der  Geonetrie  gehörenden  Anwendungen.  —  Die  DarsteUang  iat  au- 


240  Kttip:    Differeiitial-  und  lDtegralr6cfaiiiiii|^. 

nSchst  die  hergebrachte  mit  den  Differentialen,  obgleich  bei  jedem  nfthem  Ein- 
gehen immer  die  Differentialquotienten  zn  betrachten  waren.  So  mag  e«  sieh 
erklären,  wie  man  die  „Differentialfonktion^  Hdx  Hr  ^^Y  >  ^'^^  ^o<^^  «*  ^^^^ 
BW  ei  unabhängig  Veränderliche  enthält,  hier  betrachtet.  Die  Riccatisohe 
Gleichung  Ist  nach  Moigno  behandelt.  Auch  bei  den  DifferentialgleichuDgen 
höherer  Ordnung  sind  im  Wesentlichen  dieselben  Wege  eingeschlagen  worden, 
die  dieser  Schriftsteller  schon  früher  gewandelt  ist,  wie  denn  die  gewählten 
Beispiele  lebhaft  an  ihn  erinnern.  Cauchys  symbolische  Integrationsmethode 
(S.  565—570)  scheint  Referent  nicht  besonders  fruchtbar  in  sein.  Referent 
vermisst  hiebei  ein  genaueres  Eingehen  auf  die  Methode  der  Integration  mittelst 
bestimmter  Integrale,  die  nur  so  gelegentlich  bertthrt  wird  (S.  605^-608),  ob- 
gleich sie  bei  dem  heutigen  Stande  der  Wissenschaft  von  grosser  Wichtigkeit 
ist;  er  vermisst  femer  vollständig  die  Aufstellung  der  allgemeinen  Bedingung 
der  Integralität  einer  Differentialfunktion  hohem  Grades,  so  wie  Andeutungen 
über  das  Verfahren  fiulers,  mittelst  bestimmter  Integrale  Differentialgleichun- 
ges  au  integriren. 

Die  Theorie  der  besondern  Auflösungen  (singulären  Integrale,  wie  sie  hier 
genannt  werden)  ist  zunächst  auf  rein  analytischem  Wege  gegeben,  der  be- 
greiflicher Weise  zulässig  ist;  allein  die  geometrische  Darstellung  hat  den  we- 
sentlichen Vortheil  grosser  Klarheit,  und  konnten  hier  um  so  mehr  gewihlt 
werden,  da  ja  von  analytischer  Geometrie  ohnehin  viel  die  Rede  war.  Daher 
rtthrt  es  auch,  dass  die  Darstellung  der  Art,  wie  das  singulare  Integral  aus 
der  Differentialgleichung  herzustellen  ist,  etwas  schwierig  ausgefallen  ist. 

Den  Schluss  machen  geometrische  Anwendungen,  welche  die  Integration 
Ton  Differentialgleichungen  erfordern.  Hier  nun  erscheinen  die  Umhttl- 
lungslinien,  welche  bei  der  geometrischen  Theorie  der  besondern  AuflO* 
saugen  betrachtet  werden,  sodann  die  Trajectorien  ebener  Kurven,  nebtt 
einigen  Aufgaben,  die  meist  in  ganz  ähnlicher  Weise  in  der  bekannten  Samm- 
lung TOD  Magnus  sich  befinden. 

Da  das  vorliegende  Werk,  wie  der  Verfasser  im  Vorwort  sagt,  einem 
grOssern  Theile  nach  seiner  Bearbeitung  des  Frau coeur' sehen  Werkes  ent- 
lehnt ist,  so  mag  das,  was  sich  in  ihm  Mangelhaftes  findet,  dem  letztem  theil- 
weise  zuzuschreiben  sein;  nur  mochte  die  Bemerkung  nicht  unnothig  sein, 
dass  heute  das  Francoeur'sche  Werk  als  einer  vergangenen  Zeit  angehö- 
rend zu  betrachten  ist.  Wir  stehen  heute  auf  dem  Standpunkte  einer  scharfen 
Sichtung  des  Wahren  und  Halbwahren,  namentlich  auch  der  genauen  Feststel- 
lung der  fundamentalen  Grundsätze ;  ob  nun  dieser  in  dem  vorliegenden  Buche 
ttbenll  gebührend  eingehalten  ist ,  mag  nach  dem  Vorstehenden  bezweifelt 
werden.  Wir  sind  weit  entfernt,  läugnen  zu  wollen,  dass  nicht  viel  Gutes 
sich  in  demselben  befindet,  ja  dass  in  manchen  Beziehungen  dasselbe  viel 
Tollständiger  ist,  als  andere  Lehrbücher;  aber  es  will  Referenten  bedanken, 
es  entspreche  dasselbe  nicht  ganz  dem  Maassstabe ,  mit  dem  man  heutzutage 
ein  gutes  Handbuch  der  Differential-  und  Integralrechnung  messen  muss. 
Schlechte  und  mittelmässige  Bttchcr  haben  wir  schon  genug;  die  guten  sind 
aber  noch  immer  dünn  gesäet.  Bestimmtheit  und  Klarheit  in  den  ersten  Be- 
griffen; genaues  Festhalten  und  folgerichtige  Durchbildung  derselben  bis  zu 
den  obersten  Sätzen  der  Wissenschaft,  ohne  Rückfall  in  die  alte,  bequeme 
Methode  des  ungefähr  Richtigen;  Ausscheidung  derjenigen  Betrachtungen,  die 
durch  eine  falsche  Auffassung  der  Grundsätze,  oder  geradezu  durch  Ansser- 
achtlassung  derselben  sich  in  die  Wissenschaft  eingeschlichen  und  dort  Ver- 
wirrung verursacht  haben:  das  sind  Punkte,  deren  genaue  und  der  Wissen- 
schaft würdige  Erledigung  man  jetzt  von  einem  neuen  derartigen  Werke  un- 
bedingt verlangen  muss.  Geschieht  es  nicht,  so  legt  die  Kritik  den  rechten 
Maasistab  nicht  an,  und  ntttat  der  Wissenschaft  riichts. 

nr.  S.  Dient  er* 


k.  II  HEIDELBERGER  IKT. 

JillBOCHBR  DBB  LITIRATOl 


YeriundluDgen  des  naturhislorisch-medisinischep  Vereina  zu 
Heidelberg. 


NMhdam  bereits  im  Sommer  des  Jahres  1856  die  elideitenden 
Schritte  gemacht  worden  waren,  erfolgte  am  24.  Oktober  die  wirk- 
liebe  CoDstitairong  des  natarbietorisch-medisiniachen  Yereinea  la 
HdUbergi  weichem  sofort  acht  imd  yiersig  Mitglieder  ans  Heidel* 
bei]?  nnd  ans  beoachbarteo  Orten  beitraten.  —  Die  Namen  der 
Gr^der  des  Vereines  sind  folgende: 

Alt,  pract.  Arst  (in  Mannheim);  Arnetfa,  A.  Dr.  nnd  Pro- 
teor;  Arnold,  F^  Dr.,  Professor  n.  OekHohrath;  Arnold,  W., 
Dr^  Professor  n.  pract.  Arst;  Blam,  R.,  Dr.  u.  Professor;  Born-* 
trlger,  A.  F.,  Dr.  n.  PriFat-Docent ;  Bronn,  H.  O.,  Dr.,  Pro* 
fasorn.  Hofrath;  Bansen,  R.  W.,  Dr.,  Professor  n.  Hofrath;  Can- 
lor,  M.,Dr.  u.  Privat-Docent ;  Carlas,  O.  L.,  Dr.  n.  Prirat-Docent; 
iClialias,  sen.,  Dr.,  Professor  n.  Oeheimrath;  Chelins,  jnn..  F., 
iDr.  0.  Professor;  Gantz,  A.,  Dr.  a.  pract  Arst;  Dachek,  Dr. 
ii  Professor;  Dosch,  t.,  Dr.  o.  Professor;  Eisenlohr,  F.,  Dr. 
Ii. Frirat-Docent;  Eisenmenger,  F.,  pract  Arst;  Erlenmayer, 
t,  Dr.  u.  Privat-Docent;  Herth,  O.,  Dr.  u.  PriFat-Docent;  Kapp, 
iDr.,Prof.u.  Hofrath;  KekuH,  Dr.  u.  Privat-Docent;  Kirchhoff, 
Dr.  Q.  Professor ;  Kleinschmidt,  Dr.  u.  pract  Arst;  Knapp, 
Dr.  IL  Pri vat-Docent ;  K  a  s  s  m  a  a  1 ,  Dr.  a.  Prirat-Docent ;  Lange» 
Dr.,  Professor  n.  Geh.  Hofrath;  Leonhard,  O.,  Dr.  n.  Privat- 
iDoost;  Lawinstein,  Dr.;  Lommel,  J.,  MIneralog;  Mesger, 
Ohramts-Physlkas;  Michaglls,  Dr.  a.  pract  Arst;  Mittermaier, 
CfDr.  o.  pract  Arst;  Moos,  Dr.  a.  pract  Arst;  Neil,  Dr.  a. 
Mrat-Docent  (Mannhelm);  Nnhn,  Dr.  nnd  Professor;  Oppen- 
ktimer,  Dr.  nnd  Prlvat-Docent;  Pagenstecher,  sen.,  Dr.; 
Psgens techer,  H.  A.,  jun«,  Dr.  a.  Priyat-Docent;  Posselt,  Dr. 
«.Professor;  Pachelt,  Dr.  n.  Privat -Docent;  Rammer,  Prof. 
vnd  Director;  Scfametser,  Pfarrer  (Ziegelhaasen) ;  Schmidt| 
Dr.  und  Professor;  Stein,  £.,  Dr.  n.  pract  Arzt;  Walz,  Dr.  u. 
PiiTst-Docent;  Weydnng,  pract  Arst;  Wolff,  F.,  pract.  Arzt.; 
Wandt,  Dr.  und  Privat-Docent 

Wahrend  des  nachfolgenden  Winterhalbjahres  worden  femer  in 
'es  Verein  aufgenommen: 

Bergt,  Physlkns  (Neekargemünd);  Ehmann,  pract  Arzt; 
Bieking,  Dr.  a.  Apotheker;  Buch,  Apotheker;  Holle,  v.,  Dr« 
L.  Jthrg.  4.  Bcli  16 


240  Kidp:    Differential-  nnd  Intepralrechnniig. 

iritefcrt  die  herrebniekte  nit  den  Differentialen,  obf  leich  bei  jedem  »    ^V' 
gehen  muMr  die  Differentialqaotienten  so  betrachten  waren.    So  t 
eiUlnn,  wie  nan  die  ^DiflerenUalfunktion"  Mdx  +  Ndy,  die  dod> 
xwei  uabliiiifig  Yerinderlicbe  entliält,  hier  betrachtet    Die  Rw/  f^*., 
Gleichnng  ist  nach  Hoigno  behandelt.   Auch  bei  den  DifferentS: 


boberer  Ordnung  sind  im  Wesentlichen  dieselben  Wege  eingesu 
die  dieser  SchriftsteUer  schon  früher  gewandelt  ist,  wie  denn 
Beispiele  lebhaft  an  ihn  erinnern.    Cauchys  symbolische  Inte^ 
(S.  565—570)  scheint  Beferent  nicht  besonders  fruchtbar  an 
Tennisst  hiebei  ein  genaueres  Eingeben  auf  die  Methode  der  In 
b«*"»»^'  In*«ffnile,  die  nur  so  gelegentlich  berührt  wird  (S 
gleich  sie  bei  dem  heutigen  SUnde  der  Wissenschaft  von  gr 
ut;  er  vennisst  femer  vollständig  die  Aufstellung  der  allgc 
der  btegralitSt  einer  Differentialfnnktion  hohern  Grades,  so 
•ber  das  Verfahren  £ulers,  mittelst  bestimmter  Integrale  I 
gen  au  integriren. 

Die  Theorie  der  besondern  Auflösungen  (singulfiren  In 
genannt  werden)  ist  lunächst  auf  rein  analytischem  Weg 
greiflicher  Weise  sulftssig  ist;  allein  die  geometrische  Dar 
sentlichen  Yortheil  grosser  Klarheit,  nnd  konnten  hier  > 
werden,  da  ja  von  analytischer  Geometrie  ohnehin  viel 
rtthrt  es  auch,  dass  die  Darstellung  der  Art,  wie  das 
der  Differentialgleichung  herzustellen  ist,  etwas  schwic 

Den  Schlnss  machen  geometrische  Anwendungen, 
Ton   Differentialgleichungen   erfordern.     Hier  nun   er 
lungslinien,  welche  bei  der  geometrischen  Theorl 
anngen  betrachtet  werden,  sodann  die  Trajectorie 
einigen  Aufgaben,  die  meist  in  ganz  ähnlicher  Weis( 
lang  TOD  Magnus  sich  befinden. 

Da  das  vorliegende  Werk,  wie  der  Verfasser 
ffrössern  Theile  nach  seiner  Bearbeitung  des  Frant 
lehnt  ist,  so  mag  das,  was  sich  in  ihm  Mangelhaft« 
weise  nnxusdireiben  sein;  nur  möchte  die  Beme 
dais  heute  das  Francoeur'sche  Werk  als  einer 
rend  lu  betrachten  ist.    Wir  stehen  heute  auf  dc> 
Sichtung  des  Wahren  und  Halbwahren,  namentli« 
Inng  der  fundamentalen  Grundsätze ;  ob  nun  die5 
Hbenill  gebahrend  eingehalten  ist,  mag  nach 
werden.    Wir  sind  weit  entfernt,  längnen  sn  ' 
ficb  in  demselben  befindet,  ja  dass  in  mancb 
vollständiger  ist,  als  andere  Lehrbücher;  aber 
es  entspreche  dasselbe  nicht  ganz  dem  Maasss' 
ein  gutes  Handbuch  der  Differential-  und 
Schlechte  und  mittelmässige  Bücher  haben  w 
nber  noch  immer  dünn  gesäet    Bestimmtheit 
griffen;  genaues  Festhalten  und  folgerichtige 
den  obersten  SäUen  der  Wissenschaft,  ohn« 
Methode  des  ungefähr  Hichtigen;  Anssdieid- 
toch  eine  falsche  Anff^usnng  der  Grandsät 
•«hUnasaBf  derselben  sich  in  die  Wissens 
wirmng  verorsacht  haben:  das  sind  Punkt 
•chifl  würdige  Erledigung  man  jetzt  von 
hedingl  Teriangen  mnss.    Geschieht  es  n'u 
" —  ■  '  Bichl  Uy  nnd  nttW  d«  Wifteu 


.iCrM 

jenen 
ilentl 
uliche  i 
.inamiger 
kommen  b 
r,  die  neb 
Zähne, 
luppea  ve 
rabsinken  kan% 


;  ^' 


.  ;el  lanfende  Yen 
•»ümmemngi  seiehaeil 
,a'er  Ansah]  yo 
erentari  sondem  ancb  y 
3J2I  Toduundenen  aber 
Jrpab.  DieserSaUl 
-*"*-  Ofgtn« 


Terliandloogen  des  mtariuftorisch-mediiiDlfclieii  Vereinei.         »243 

Snilirang  dardig^efQhrt  werden,  l&sst  sich  aber  ganz  !n  gleicher 
Welw  aach  hei  den  Fortpflanznngs-,  Bewegnngs-  nnd  Empfindung«* 
Organen  dniehführen ,  wenn  man  auch  nicht  erwarten  darf,  durch 
du  ganze  System  hindurch  gleichmässig  abnehmende  Zahlenreihen 
n  erhalten,  sondern  flem  von  dem  Gesetze  überall  vorgefundenen 
Hateriale  entsprechend  nur  Stilckreihen,  von  welchen  jedoch  die  im 
OBtera  Theile  des  Sjstemes  vorhandenen  immer  grösser  sind  und 
gegen  den  obem  Theil  hin  immer  kleiner  werden.  — 

2.   Vorstellung  eines  Kranken  mit  Lfthmung  des  nerv« 
abducens  durch  Herrn  Dr.  Eussmaul| 
am  21.  Nov.  1856. 

Herr  Dr.  Kussmaul  zeigte  einen  Kranken  vor,  an  welchem 
nach  während  des  Sommers  erlittener  Misshandlung,  bei  welcher 
besonders  SchSdel  und  Auge  getroffen  war,  zuerst  etwas  Gesichts- 
ttiiwaehe  des  rechten  Auges  mit  Pupillarerweiterung  und  Schwie- 
n^kelt,  das  rechte  einwärts  gekehrte  Auge  nach  Aussen  zu  führen, 
eingetreten  war.  Später  und  noch  jetzt  zeigte  sich  der  nerv,  ab- 
deeens  ganz  gelähmt  Der  Kranke  ist  bei  gewissen  Stellungen 
der  Angäpfel  doppelsichtig,  er  vermag  den  rechten  nur  bis  in  die 
Mitte  der  Spalte  zu  stellen  und  es  erweitert  sich  bei  diesen  Bestre* 
Inngen  stets  die  Pupille;  das  SehvermCgen  ist  gegenwärtig  kaum 
geschwächt.  Herr  Fhysikus  Mezger  macht  auf  das  gerichtsärzt- 
Me  Interesse  des  Falles  aufmerksam.  — 

l    Vortrag  des  Herrn  Prof.  v.  Dusch  über  eine  wahr- 

Bcheinlich  erworbene  Communikation  zwischen   den 

beiden  Herzventrikeln,  am  21.  Nov.  1856. 

Der  Vortrag  betraf  das  Herz  eines  jungen  Mannes,  der  nach 
einjähriger  Kraniiheit  erlag,  nachdem  er,  ohne  je  zuvor  krank  ge- 
wesen za  sein,  sich  einer  heftigen  Erkältung  ausgesetzt  hatte.  Die 
iniptBächlichsten  Symptome  waren  während  des  Lebens  Dyspnoe, 
Ascites,  Oedema  der  untern  Extremitäten,  Albuminurie  mit  Fibrin- 
geriottseln,  ungeheurer,  fast  bis  zur  Symphyse  reichender,  MOztumor. 
D«B  Herz  zeigte  sich  vergrössert,  mit  verstärktem  und  weitverbrei- 
tetem Cfaoc.  In  der  Gegend  des  zweiten  linken  Interkostalraumes 
leigte  sich  eine  Vibration  des  Thorax;  die  Auskultation  ergab  an 
Aeser  Stelle,  der  art.  pulmonalis  entsprechend,  ein  schwirrendes, 
systolisch  verstärktes  Geräusch,  ohne  alle  Töne ;  in  der  aorta  waren 
Wide  Töne,  im  linken  Ventrikel  nur  der  erste  und  statt  des  zweiten 
ein  Geräasch,  im  rechten  gar  keine  Töne  und  dabei  das  schwir- 
Knde  Geräusch  bei  Systole  und  Diastole  zu  hören.  Der  Kranke 
eriag  einer  Pneumonie.  Die  Sektion  ergab  Serum-Erguss  in  beide 
Heora  Höhlen,  massige  frische  Pericarditis,  chronische  Brightsche 
Ifttvtttng  beider  Nieren,  sehr  grossen  akuten  Milz-Tumor  mit  Fibrin* 


34^         YerhtndlattgeB  dM  natarhblorifeli^iiioduiBif clieii  Vereiiief. 

Infarkt  nnd  Ascites.  Das  Herz  war  bedeutend  vergrössert,  der  redite 
Ventrikel  übertraf  den  linken  um  das  doppelte  In  der  Masknlaiiir. 
Im  Septum  der  Ventrikel,  in  dem  obersten  Theile  desselben,  unter 
der  hintern  halbmondförmigen  Klappe  der  Aorta  war  eine  Oeffnung 
von  4 — b'"  Durchmesser  mit  schwieligen  anra  Theil  kalkig  entarte- 
ten Bändern,  welche  beide  coni  arteriosi  verband.  Deutliche  Spuren 
von  Endocarditis  an  der  valvula  mitralis  und  den  Aortenklappen, 
am  bedeutendsten  jedoch  In  der  Umgebung  der  Oeffnung,  sowie  im 
Conus  arteriosus  und  um  die  Klappen  der  arteria  pulmonalis,  deren 
ostium  durch  bedeutende  Fibrinauflagerungen  verengt  war.  In  der 
Nähe  der  anomalen  Oeffnung  lag  in  der  Wand  des  rechten  Ventri- 
kels ein  sogenanntes  partielles  Aneurysma.  Der  rechte  Vorhof  war 
weit,  der  linke  sehr  eng,  das  foramen  ovale  geschlossen,  auch  k^no 
andere  Abnormitäten  erster  Bildung  am  Herzen.  Ausser  dem  selte- 
nen Befunde  einer  Stenosis  ostii  arteriae  pulmonalis  bietet  die  Com- 
munikation  der  Ventrikel  durch  die  Frage  bedeutendes  InteressOi  ob 
dieselbe  angeboren  oder  erworben  sei.  Für  das  Angebortfisein 
sprechen : 

1.  Der  Ort  der  Communikation,  an  welchem  die  angeborenm 
Perforationen  am  häufigsten  vorkommen,  wie  sich  aus  der  Entwick- 
lung des  Septum  ergibt. 

2.  Die  gUtten  Bänder  der  Communikationsöffiaung.  — 
Für  das  Erworbensein  sprechen: 

1.  Die  frühere  vollkommene  Gesundheit  des  betroffenen  Indi- 
viduum, selbst  unter  ungünstigen  äusseren  Verhältnissen. 

2.  Die  Häufigkeit  des  Vorkommens  der  Myocarditis  an  der 
Stelle  der  Communikation  (nach  Dittrich)  und  die  beträchtlichea 
entzündlichen  Ueberreste  in  der  Umgebung  derselben. 

3.  Der  Mangel  sonstiger  Bildungsfehler,  die  meist  bei  ange- 
borner  Communikation  vorhanden  sind. 

4.  Das  ganz  in  der  Nähe  der  Oeffnung  vorgefundene  Aneu- 
rysma. — 

Bei  Abwägung  der  Gründe  pro  et  contra  scheint  es  dem  Herra 
Prof.  V.  Dusch  wahrscheinlicher,  dass  die  Communikation  erworben 
sei.  In  Betreff  der  Erscheinungen  während  des  Lebens  macht  der- 
selbe noch  darauf  aufmerksam,  dass  die  cyanotischen  Erscheinungeii 
durchaus  nicht  bedeutender  waren,  als  bei  sonstigen  Fehlem  am 
Elappenapparate,  obgleich  die  überwiegende  Kraft  des  rechten  Vm« 
trikels  eine  nicht  unbedeutende  Beimischung  des  venösen  Bluts  suna 
arteriellen  bedingen  musste.  — 

Bei  der  Diskussion  über  diesen  Gegenstand  iheilte  Herr  Prof« 
Lange  bezüglich  der  Genese  und  der  Symptome  einen  Fall  mit, 
in  welchem  die  Cyanose  im  Allgemeinen  gering  und  nur  in  Parozys— 
men  schlimmer  war  und  dennodi  die  Sektion  des  mit  13  Monatei^ 
verstorbenen  Kindes  vollständigen  Mangel  des  septum  ventriculonun 
ergab.  Die  Lage  der  Communikation  möge  bei  dem  Patienten  des 
Herrn  v.  Dusch  dio  Blutvermiscbung  geringer  gomäcbt  Imbw^ 


Terehef.  249 

Db  ibnenbOdonf  Mi  Damenülch  bei  der  Escloearditifl  der  WSeh* 
Bnuea  nichts  seUoet.  Die  ron  LSscIiner  mitfl^etheüten,  von  Hm. 
Dr.  Moos  sar  Sprache  gebraehteo,  FSlle  bei  Kindern  kann  Herr 
Y.  Doseh  nicht  sweifellos  für  erworben  halten.  Herr  Dr.  Knss- 
■ail  hilt  den  demonstrirten  Fall  fBr  angeboren ,  erstens  wegen 
kt  Sdteaheit  Ton  Erkrankung  der  Pnlmonalarteriei  ausser  dnrdi 
inmnitfsche  Veranlassnng,  was  deshalb  hier  rar  Eridimng  dorch 
iigeborenseln  drSnge.  Das  foramen  orale  habe  sich  nm  so  leidi- 
ter  Bschtrigiich  schBessen  kISnnen ,  als  die  Cirknlationsstömng  he* 
ntts  dordi  die  Commanikation  der  Kammern  ansgeglichen  war.  Femer 
wegen  der  mangelnden  Hypertrophie  des  linken  Herzens  bei  vor-* 
kaodeiier  Hypertrophie  des  rechten.  Das  partielle  Aneurysma  end« 
Ml  in  eonns  arteriosns  polmonalis  konnte  sehr  leicht  entsteheni 
wwD  an  jener,  bei  der  Stenose  der  pulmonalis  einem  rerstlrkten 
Bmdrock  ausgesetsten,  Stelle  selbst  nur  eine  kleine  Leiste  als  Best 
fa  foeialen  endokarditischen  Prozesses  geblieben  war. . 

Degegen  hftlt  Herr  Prof.  r.  Dnsch  anch  die  Stenose  fflr  nen 
ud  hebt  nochmals  die  pI5tsllch  darch  schwere  krankmachende  Mo* 
■CBte  onterbrochene,  bis  dahin  so  vollkommene,  Gesundheit,  sowie  die 
ÜBglichkeit  der  raschen  Volnmranahme  der  Henmnsknlatnr  im  All« 
gmeiiien  heryor.  Herr  Dr.  Pagenstecher  glaubt,  dass  fflr  einen 
Zosammenhang  beider  Prosesse,  von  denen  doch  der  in  der  pulmo* 
natii  entschieden  sum  Theil  neu  sei,  der  unmittelbare  Zusammen- 
ksg  der  lokalen  Residuen  spreche.  Da  jedoch  dieselbe  Stelle  auch 
viederfaolt  Ton  Erkrankung  getroffen  werden  konnte  i  so  ist  auch 
iuies  Kriterium  kdn  absolutes.  — 


i    Vortrag  des  Herrn  Dr.  Gantor  ,|flber  Porismen^, 
am  21.  Nov.  185  6. 

Diese  mathematisch-historische  Untersuchung  sollte  bauptsäch* 
Bck  xeigen ,  wie  alle  Divinatoren  der  Porismen  des  Euclid  immer 
Uff  den  Inhalt  in  ihnen  vermutheten,  mit  dem  sie  selbst  sich  mei'» 
ite  beschSItigten.  Diesen  Nachweis  su  führen,  wurden  auerst  die 
SteUea  des  Pappns,  Diophant,  Prodns  mitgetheilt,  auf  die  jene  Di- 
Stören  sich  stfltsten  und  dann  eine  kritische  Znsammenstellung 
te  Hauptansichten  gegeben.  Den  Schlnss  bildete  die  Conjectur, 
tt  dorfte  ein  besseres  Verständniss  der  Porismen  erzielt  werden,  wenn 
■an  die  Interpretation  nicht  vom  geometrischen  Standpunkte,  son- 
fae  von  dem  der  Analysls  aus  versuche.  Dann  aber  lasse  sich 
Wfende  Analogie  neuerer  und  SIterer  Untersuchungen  behaupten: 
Bsenechaften  einer  Funktion  finden,  gibt  das  Theorem  an ,  Wertha 
kt  Fuiktion  bei  gegebenem  Argumente  leitet  das  Problem  ab; 
«Bffidi  ans  Eigenschaften  auf  die  Art  der  Funktion  schliessen,  lehrt 
tePoiisma.  — 


IM&  VerhandkingeE  dei  naturbuiterUcli-medlzinbcbea  Ttseiaet. 

5.  Mittkeilang  des  Herra  Prof.  Chelias  überr  die  Am- 
putatiau  im  Fus9geleQke  nach  Syme,  am  5.  Dez.  1846. 

Prof.  C bei  las  jun.  hob  als  besonderen  Vortheil  dieser  Ope« 
ration^  wodurch  dieselbe  auch  über  alle  anderen  Methoden  der  Am- 
putatioa  des  Fusses  den  Sieg  daFon  getragen  habe,  hervor,  dass 
der  Stumpf  mit  Weichtheiiea  bedeckt  werde,  welche  von  der  Natur 
zum  Gehen  und  Tragen  der  Last  des  Körpers  bestimmt  und  beim 
Gebrauch  des  Stumpfes  mittelst  eines  künstlichen  Fusses  nicht  allen 
den  störenden  und  schmerzhaften  Veränderungen  der  Haut  bei  statt- 
findendem Drucke  ausgesetzt  sind.  —  Von  den  zahlreichen  Modi- 
fieationen  dieser  Operation  betrachtet  Ch.  die  von  Priogoff  als  die 
einzige  von  Bedeutung,  und  zeigte  den  Gypsabguss  eines  von  iluu 
nach  diesem  Verfahren  Operirten,  in  welchem  Falle  die  Heilung 
sehr  schön  und  in  kurzer  Zeit  erfolgte.  Trotz  dieses  günstigen 
Resultates  sprach  Ch.  sein  Bedenken  aus,  ob  der  Operirte  durch 
den  etwas  längeren  und  festeren  Stumpf^  wie  nach  der  ursprüngli- 
chen Angabe  von  Syme,  einen  zum  Gehen  tauglicheren  Stumpf  be- 
kommen werde,  da  die  Basis  des  Stumpfes  nicht  so  breit,  derselbe 
nicht  vollständig  von  der  dicken  Haut,  wie  die  Ferse,  bedeckt  werde, 
und  die  Achillessehne  an  ihrer  Insertion,  sowie  der  in  ihrer  Nähe 
sich  befindliche  Schleimbeutel  durch  den  fortdauernden  Druck  beiai 
Gehea  leicht  nachtheiligen  Folgen  ausgesetzt  sein  könnten. 

6.  Vortrag  des  Herrn  Prof.  Cheliius  „über  die  opera- 
tiven Methoden  zur  Heilung  des  Kropfes  überhaupt 

und  ein  neues  von  ihm  in  Anwendung  gebrachtes 
Verfahren  im  Besondern^,  am  5.  Dezember  1856. 

Hr.  Ch.  jun.  besprach  die  Operationen,  welche  bei  den  ver- 
schiedenen Arten  des  Kropfes  in  Anwendung  gebracht  werden,  und 
theilte  ein  neues  Verfahren  mit,  welches  derselbe  bei  Struma  cystica 
In  11  Fällen  und  bei  Struma  parenchymatosa  in  2  Fällen  mit  glück- 
lichem Erfolge  ausgeführt  hat.  —  Das  Verfahren  bei  Struma  cystica 
besteht  in  der  Incision  der  Kyste  und  Anheftung  derselben  an  die 
Wundränder  der  äusseren  Haut  Die  Operation  wird  in  folgender 
Weise  verrichtet  Man  schneide  die  Haut,  den  breiten  Halsmtiskel 
und  das  unterliegende  Zellgewebe  ein ,  so  dass  die  Kyste  in  gehö- 
riger. Länge  biosgelegt  wird,  und  lasse  die  Weichtheile  mittelst 
stumpfer  Haken  nach  beiden  Seiten  abziehen.  Alsdann  führe  man- 
mittelst  einer  gekrümmten  Nadel  auf  beiden  Seiten,  einige  Linien 
von  der  Mittellinie  entfernt,  zwei  Ligaturen  durch  die  Wandungen 
der  Kyfite,  und  befestige,  nachdem  das  eine  Fadenende  der  Ligatur 
durch  die  äussere  Haut  geführt  worden,  durch  Zusammenziehen  der 
Fadenenden  die  äusseren  Wundränder  an  die  Oberfläche  der  Kyste. 
Nach  der  theilweisen  Befestigung  der  Kyste  an  die  äussere  Haut 
schneide  mm  dieselbe  in  dem  Zwischenräume  der  angelegten  Nähte 


daf  aa»pfctolorlKfc^iHdiitoyclwn  TtrdMi.  147 

nä  eiMii  ipitsen  Bistnirl  dD,  aad  fUbre  tai  Mgeflsgir  ter  lldMn 

Bnd  in  die  gemachte  Oeffiaong,  am  das  Anaflletsen  de»  FltiMgkell 

u  rerhäten ,  ehe  die  Wandmf  en  der  Kysle  noeh  weiter  mk  tf e 

ioMre  Hant  durch  Mühte  befestigt  siad.   Die  Anlegung  der  dritten 

md  Yierten  Naht  aof  beiden  Seiten  geschieht  durch  iänftthrnng  der 

Nidal  and  Durchstechang  der  Kyste  auf  der  Yolarfläche  dee  Zeige- 

üogen.    Sind  auf  beiden  Seiten  vier  Nähte  angelegt,   so  schneidet 

an  die  Ejste  awischen  den  angelegten  NXhten  mit  einer  Scheere 

■seh  oben  nnd  unten  wi  und  entleert  die  Flüssigkeit   siri^ll^st 

JasgiaoL    Mach  gehöriger  Einschneidang  der  Kyste  wird  dieselbe^ 

n  dem  oberen   und  unteren  Wundwinkel   hervorgesogen  am  die 

j  Binder  derselben  in  ihrem  gansen  Umfange  mit  den  WmidrSndem 

I  der  Sosseren  Haut  durch  Knopfnähte  su  Tereinigen«   Grössere  Arte- 

\  lien  und  Venen  am  Bande  der  Kyste  werden  unterbunden  oder  ms- 

Btodien.    Als  Yortheile  dieses  Verfahrens  gibt  Gh.  aa: 

1)  Geringere  Gefahr  bei  eintretender  Blutung  aus  der  EystOi 
da  nach  Befestigung  derselben  an  die  äussere  Haut  die  blatstnien- 
den  Mittel  leichler  und  sicherer  angewendet  werden  können. 

2)  Durch  die  lineare  Anheftung  der  Kyste  an  die  iDssere 
Hant  und  ToUständige  Vereinigung  der  gemachten'  Wunde  erfolgt 
leine  entzündliche  Anschwellung  der  Weichtheile  des  Halses  in  der 
Umgebung  der  Kyste. 

3)  £s  ist  keine  Eitenenknng  au  beftfrchten,  da  eine  yolbtändlge 
AbschUessung  bewirkt  ist  und  der  Eiter  frei  aus  der  Kyste  ab- 
fliemen  kann. 

4)  Die  Heilung  erfolgt  in  riel  kttrserer  Zeit,  wie  nach  der 
gewöhnlichen  Ineision. 

In  Folge  der  glücklichen  Resultate  hat  Gh.  dieses  Verfahren 
aodi  bd  Kysten  an  anderen  Stellen  angewandt:  bei  einem  Atheroma 
colli,  Im!  einem  Hygroma  sternale,  ischiadicum,  patellare,  bei  tfner 
Kyste  aaf  der  Parotis,  selbst  auch  bei  zwei  Fällen  von  Hydrocde 
tun.  rag.  testis,  und  würde  es  auch  im  vorkommettden  Falle  bei 
einer  Kyste  des  Orarinm  ▼ersuchen. 

Bei  Struma  parenchymatosa  besteht  das  Verfahren  in  der  An- 
wendung des  Aetzmittels,  weldier  jedoch  eine  ähnliche  Operation 
vorangehen  muss,  wie  die  Inoision  der  Struma  cystlca  mit  A'nhef- 
tnng.  —  Man  mache  zuerst  einen  Schnitt  durch  die  WeichlheUe  bis 
aof  ^e  Schilddrüse,  cKese  wird  alsdann  an  die  äassere  Haut  durdi 
Nähte  befestigt  und  nach  der  Beltotigung  ein  Einschnitt  in'  dieselbe 
gemacht  Bei  einem  solchen  Einschnitt  findet  immer  eine  starke 
Blutung  statt,  welche  durch  Einlegen  eines  mit  Lösuttg  von  feirrtitn 
Boiiaticum  befeuchteten  Schwatnmes  gestillt  wird.  Durdi  Einlegen 
dieses  Schwammes  werden  die  Wunden  von  efnander  entfernt  nnd' 
die  gebildete  Wunde  in  eine  Höhle  umgewanddt.  Ist  in  dieser 
Hdhle  Eiterung  eingetreten,  und  dieselbe  mit  der  äusseren  Haut 
verwachsen,  so  wird  mit  der  Cauterisation,  und  zwar  mit  lapis  cäustdus^' 
begODiien  and  dieselbe  in  Zwischenräomen  Sfter«  wiederholt.  ^  Da 


iAS  VeriiandlaDf  eu  it$  iittQrhitlorijdi-niedixiiiiiolien  Tireindii 

bisher  nur  swai  FUle  nach  diesem  Verfabrea  operirt  warden,  t^ 
sprach  Cb,  der  Gesellschaft  später  noch  weitere  Mitthellmig  über 
die  Besoltate  dieser  Operation  zu  machen. 

7.  Mittheilangen  des  Herrn  Prof.  Blom  über  Verän- 
derungen unorganischer  Körper,  am  5.  Dez.  1856. 

Herr  Prof.  Blum  sprach  über  Veränderungen,  die  bei  unor- 
ganischen Körpern  vorkommen  und  wie  dieselben  nicht  so  selten 
wären,  als  man  im  Allgemeinen  zu  glauben  geneigt  sei.  Diese 
wären  nur  schwerer  nachzuweisen,  als  im  organischen  Reiche,  denn 
man  könne  dies  nur  mit  Erfolg  an  Krystallen  thun.  Derselbe  fährt 
ein  Beispiel  der  Art  in  der  Umwandlung  des  Granats  zu  Epidot  an, 
indem  er  solche  an  Stücken  von  Anerbach  an  der  Bergstrasse  und 
Lolen  im  Magisthaie  in  der  Schweitz  stufenweise  nachwies.  — 

8.  Vortrag  des  Herrn  Dr.  Kussmaul  „über  den  Central- 
heerd  der  fallsuchtartigen  Anfälle,  welche  die  rasche 

Verblutung  bei  Säugethieren  und  Menschen 
begleiten^,  am  5.  Dez.  1856. 

Es  ist  eine  alte  Erfahrung,  dass  zahlreiche  Säugethicre  und  der 
Mensch  selbst  in  allgemeine  Zuckungen  verfallen,  wenn  sie  grosse 
und  rasche  Blutverluste  erleiden,  namentlich,  wenn  diese  zum  Tode 
fähren.  Marschall  Hall  hat  auf  die  grosse  Aehnlichkeit  dieser 
Zuckungen  mit  den  bei  Fallsucht  eintretenden  aufmerksam  gemacht 
und  die  Frage  aufgeworfen,  ob  sie  vom  Gehirn  oder  vom  Rücken- 
mark ausgehen.  In  Gemeinschaft  mit  Herrn  Tenner  stellte  Herr 
Dr.  Kussmaul  zahlreiche  experimentelle  und  kritisch  historische 
Untersuchungen  zu  ihrer  Lösung  an,  woraus  folgende  Hauptergeb- 
nisse hervorgingen: 

1}  Die  Gompression  und  Unterbindung  der  Carotiden  und  Schltls- 
selbeinschlagadem  bedingte  bei  mehr  als  60  gesonden  Kaninchen 
verschiedenen  Alters  und  Geschlechts  dieselben  Zuckungen,  wie  sie 
die  Verblutung  bei  diesen  Thieren  hervorzurufen  pflegt. 

2)  Diese  Zuckungen  entspringen  aus  der  arteriellen  Gehirn- 
anämie,  welche  am  lebenden  Thiere  durch  eine  luftdicht  dem  Schädel 
elügefügte  Glasplatte  mit  Sicherheit  beobachtet  wurde. 

\  8)  Auch  beim  Hunde  ruft  die  arterielle  Gehirnanämie  Bewusst- 
losi|[keit  und  aUgemeine  Zuckungen  hervor,  wie  ein  Versuch  A. 
)r's  schliessen  läset. 
Die  Gompression  oder  Unterbindung  der  Carotiden  bewirkt 
beim  Menschen,  namentlich  bei  blutarmen  Personen,  zuweflen  fall- 
suchtarnge  Anfälle. 

5}  yie  Unterbindung  beider  Schlüsselbeinschlagadem  und  der 
Aorta  anN^er  Abgangsstelle  der  linken  Schlüsselbeinschlagader  be- 
dingte bei  H2  Kaninchen  niemals  die  heftigen  Zuckungen  des  Rumpfs 


VirfctiidloBiren  dei  Batorhiiton'feh-iiieditiiiifelieii  Yerelaef.  349 

mil  dor  OliedüMMMiii  wie  sie  die  Unterbindong  der  Kopfarterien  sur 
F«(gehat  Nor  Y eitotanzartige  Bewegangen  mit  theilweiger  Lllimnng 
dar  Vorderbeine  und  keine  oder  ecbwache,  irfttemde  Bewegungen  mit 
nach  nachfolgender  yoUkoniinener  Lähmang  der  Hinterbeine  traten  ein. 

6)  Worden  nach  Unterbindong  der  Aorta  ond  beider  Schlflsael- 
beimohlagadeni  Ae  Carotiden  in  den  nächsten  Minoten  komprimirt, 
10  entstanden  trota  der  LShmong  der  GliedmaMon  raach  allgemeine 
Zuckungen;  wurde  die  Compression  der  Carotiden  dagegen  splter 
Torgenommea,  ao  erfolgten  keine  allgemdnen  Zockongen,  selbst 
wenn  die  Compression  bis  som  Tode  fortgesetst  worde. 

7)  Die  fallsochtartigen  Anfälle  nach  grossen  und  raschen  Blot- 
Tsriosten  gehen  somit  beim  Kaninchen  und  höchst  wahrscheinlich 
asch  beim  Menschen  ron  einem  motorischen  Centralheerd  ans,  wel** 
eher  seinen  Sita  im  Oehirn  und  nicht  im  Rückenmark  hat  — 

9.  Vortrag  des  Herrn  Dr.  Wundt  ,,aber  die  ElastizitSt 
der  thierischen  Oewebe^,  am  19.  Des.  1856. 

Es  wurde  ausgegangen  ron  der  Untersuchung  der  ElastiritXt 
der  thierischen  Gewebe  im  unverlnderten  Zustand ,  da  erst  hieran 
die  physiologisch  wichtigere  Frage  nach  den  Veränderungen,  welche 
gewisse  Gewebe  unter  verschiedenen  Umständen  erleiden,  sich  an- 
Inipfen  lässt.  —  Die  erste  Aufgabe  ist  somit  die,  das  Gesetz  fest- 
nstellen,  nach  welchem  in  jenem  Normzustaod  die  durch  äussere 
Kiifte  bewirkten  Formänderungen  erfolgen.  Hier  muss  man  die  nach 
eiier  sehr  kunsen  Zeit  erfolgte  Verlängerung  ron  derjenigen  unter- 
ad^den,  bei  weicher  der  untersuchte  Körper  seine  vollständige  Gleich- 
gewichtslage erreicht  hat.  Beide  sind  proportional  den  belastenden 
Gewichten.  Das  Gesetz  der  Dehnungen  lässt  sich  also  darstellen 
durch  eine  grade  Linie,  nicht  durch  eine  Hyperbel»  wie  dies  Wert** 
keim  gefunden  fcatte.  Das  Resultat  des  Letztem  erklärt  sich  aus 
der  Nichtbeachtung  der  elastischen  Nachwirkung.  Denn  diese  be- 
dbgt  es,  dass  nur  dann  ein  sicherer  Schlass  aus  den  beobachteten 
Ungeveränderungen  möglich  ist^  wenn  man  die  ganze  Grösse  der 
Dehnang  misst»  oder  wenn  man  nur  von  einer  und  derselben  Gleich- 
gewichtslage aus  beobachtet. 

Als  ein  Beispiel  für  die  physiologische  Verwerthung  dieser  ün- 
tersuehungsmethode  worde  noch  eine  Uebersicht  gegeben  über  die 
Veränderungen,  welche  das  Muskelgewebe  während  seines  Todes 
und  seiner  Fäulniss  erleidet 

Der  Eintritt  dieser  Veränderungen  ist  nicht  gebunden  an  did 
Zerstörung  der  Centralorgane  des  Nervensystems  und  an  die  Durch- 
ichneidong  der  Nerven.    Hieraus  folgt: 

1)  Dass  im  Bohezustand  auf  den  Muskel  kehl  Einfluss  vom 
Mervensystem  ausgeht,  der  irgendwie  die  Elastizität  modifizirt,  und 

i)  dass  das  Leben  des  Muskels  unabhängig  ist  vom  Nerven- 
Tstem.  —  Die  Todtenstarre  beginnt   dagegen  sogleich  nach  der 


aSO  VerhudlaiigeB  def  natsrhistoriidi-medisiBifclieii  Vtmme»: 

Unterbindung  der  Geflisse;  es  Ist  somit  der  Blutmangel  die  einsige 
Ursaobe  de»  Todes.  Während  der  Ffinlniss  wird  die  Elestintät  im- 
mer OByelUcommener  nnd  das  verfaulte  Gewebe  Ist  su  einem  daroh*- 
ans  nneiastischen  Aggregate  geworden,  -^ 

10.  Vortrag  des  Herrn  Prof.  Bronn  ^über  das  Meteor- 

eisen von  Atacama%  am  19.  bez.  1856. 

Dieser  Vortrag  bezog  sich  auf  das  Heteorelsen  von  Ataeama 
in  Chili,  von  welchem  Herr  Professor  Bronn   durch  Mitheilungen 
von  Professor  Philip pi  in  Santiago  in  den  Stand  gesetzt  war, 
Proben  vorzuzeigen.     Unter  Bezugnahme  auf  dasjenige,  was  schon 
früher  seit   1828   darüber  bekannt  geworden   und  von  Philippi 
(im  Jahrbuch  der  Mineralogie  u.  s.  w.  1855.  p.  Iff.)  darüber  ver- 
öffentlicht worden  war,  bemerkte  Herr  Prof.  Bronn,  dass  seit  der 
ui^enügenden    Analyse   von    Tdrner,   welcher  0,11   Nickel   und 
0,01  Kobalt  darin  angegeben,   eine  Zerlegung  nicht  mehr  vorge- 
nommen worden  sei,  dass  jener  hohe  Nickelgehalt  der  angegebenen 
S^nschwere  von   6,90  bis  7,66  wenig  entspreche  und  eine  nene 
Analyse  sehr  zu  wünschen  sei,   welche   auch  Herr  Prof.  Buns^ 
zugesagt  nnd  unternommen  habe.    WidmannstStter'sche/'^igi 
ren  konnten   nicht  daran   gefunden  werden,   wohl  aber  zeigte   c 
Behandlung  ang'egriffener  Stellen  mit  verdünter  Salzsäure,  dass  aus« 
den  weiten  mit  Olivin  erfüllten  Räumen,  noch   unregelmässig  u^ 
abgerundet  zackige  Stellen,  welche  von  Säure  angegriffen  werdVi,* 
mitten   zwischen    der  unangreifbaren,   grauweisslichen   HauptmaiQ^ 
vorhanden  sind  nnd  durch  einen  sehr  schmalen  noch  helleren  San^, 
voii  dieser  letzten  getrennt  werden.  —  r^. 

11.  Reisebericht  des  Herrn  Dr.  Schiel  (als  Gast  in  der 

Sitzung  anwesend)  am  19.  Dez.  1856. 

Herr  Schiel  war  im  Juni  1853  als  Mitglied  eines  der  von 
der  Vereinlgten-Staaten-Regierung  ausgerüsteten  Ezplorationskorps, 
welche  verschiedene,  zur  Erbauung  einer  Eisenbahn  vom  Missier'^t 
zum  stillen  Meer  geeignete  Linien  untersuchen  sollten,  von  Westport 
in  Missouri,  dem  berüchtigten  Hauptquartier  der  s.  g.  boMerruffians 
(Grenzstrolche)  abgereist.  Die  Reise  ging  westlieh  zwischen  K^i:ba6 
nnd  Arcansas  durch  die  Prairie  auf  der  Santa  Fe  Strass^  jer  O^ 
Bents  Fort,  von  da  über  die  Rocky  mountains  durch  de4'«:tfiigre 
de  Christo  Paas  nach  dem  San  Luis  valley,  von  da  über  den  Coc^r 
cbatopa  Pass  (Sierra  San  Juan),  der  früher  von  Fremont  beattcht 
worden  war,  nach  dem  Rio  Colorado.  Von  letzterem  Fluss  ging 
die  Reise  durch  die  Wahsatch  Gebirge  nach  dem  Jordanthale^  d.  h. 
nach  Great  salt  lake  city,  wo  das  Corps  überwinterte.  Nach  einem 
vlerwöcfaenüichen  Ausflug  behufis  einer  Untersuchung  der  Gegend 
westlich  des  Forts  Laramie  setzte  daa  Corps  seine  Unteraucliimg»* 


VertatMllDDfeB  de»  natarhiftorisoh-niddiiiiiSfeiteii  VereiiMa.  251 

reiit  westwärts  fort  durch  die  Saliwttste,  die  HambeMt-OebiiiSe 
ud  die  Sierra  NeFada  nach  dem  Norden  CaUfomiens,  wo  die  Quel- 
Jflo  yerschiedener  Flilsse,  des  Sacramento^  Feather  liver  u.  s^  w. 
noteraacht  worden. 

Von  den  verschiedenen  hdchst   interessanten  Hesnltaten,   di» 
durch  diese  Untersuchungsreise  gewonnen  wurden,  wollen  wir  hier 
oor  folgende   anführen.     Geographische   Irrthümer  wurden   berich- 
tigt:   der   Lauf   des    Haerfaao    Flusses,    eines   NebenflusMS    des 
Aieansas,   des   Festher  river    und  Pitt    river    in   CalilornieD    und 
Tieler  anderer  gr&sserer  oder  kleinerer  Flüsse,   die  auf  der  Roate 
lagen.  Die  Geologie  wurde  bereichert  durch  Nachweisung  der  Kohlen« 
nnd  Slreide^Formatioa  auf  diesem  Tbeii  der  Prairie  und  westlieh  der 
Roclcy  moontaios,  wo  Lager  vortrefflicher  Kohlen  gefunden  wurden. 
Die  Rockj  moontains  nnd  Sierra  San  Juan  bestehen  vorsiiglich  aus 
plotOQischen   Felsarten,   doch  finden  sich  auch  noch   beträchtliche 
Seste  geschichteter  Gebirgsarten ,   die   durch  die  ersteren  gehoben 
und  häufig  in  auffallender  Weise  zerrissen  wurden.   Das  Land  awi- 
8chen   der   Sierra  San  Juan  und  Sierra  Madre  einerseits   nnd  den 
Wahsatsch  Gebirgen  andrerseit  ist  nicht  eine  grosse  Ebene,  wie  die 
'  Töhnlichen  Landkarten   von  Nordamerika  angeben,  sondern   von 
^hir.'^ohen  Gebirgsketten  durchzogen,  so  dass  das  flache  Land  nie- 
I  Is  eine  bedeutende  Ausdehnung  erreicht«  Die  Juraformation,  welche 
'3rr  Marcoux  in  dieser  Gegend  gefunden  haben  will,  fand  Schiel 
^bt,   wohl   aber  einen  Kalkstein,   der  Abdrücke  von  Ammoniten 
^(lält,  die  denen  aus  der  Juraformation   allerdings  etwas   ähnlieh 
".3n.     Mit  ihnen   kommt  jedoch   die   Grjphea  Fitcheri  vor,   was 
'zweifelhaft  beweist,  dass  dieser  Kalkstein  der  E^eide  angehört 
S^ossartig  sind  in  dieser  Gegend  die  Yerwaschungen  ganzer  geo- 
logischer Formationen,  die  man  um  so  leichter  —  Schritt  für  Schritt 
—  verfolgen  kann,  als  das  ganze  wüste  Land  von  fast  gar  keiner 
Vegetation  bedeckt  ist   Einen  höobsfc  erfrischenden  Contrast  zu  die- 
sem wüsten  Lande  bilden   die  herrlichen   Pinuswälder   Californieas, 
welche  das  Corps  hunderte   von  Meilen  in  der  Richtung  von  Nord 
nach  Süd  durchzog.     Am  Fusse  der  zum  ersten  Male  durchforschten 
Htnboldt-Gebirge  fand  man  einige  40  heisse,  schwach  salzig  schwef* 
lid«e  Quellen  in  einem  Umkreis  von   etwa  40  Schritt  Durchmesser 
durch  den  Granit  brechend. 

^^Der  Tedner  knüpft  an  diese  Mittheilungen  ethnographische  Be- 
JH^^  '  über  die  Indianer  der  Prairien  und  der  Gebirge  und  sehr 
aaziKS!^Ue  Schilderungen  der  Zustände  der  Mormonen-Niederlassun- 
gen im  Utah-Territorium. 

Schliesslich  erwähnt  er  noch  einer  pathologischen  Beobachtung 
M  dem  obenerwähnten  Auszug  nach  der  Gegend  von  Fort  Lara« 
mie.  Der  grösste  Tbeil  der  Reisenden  wurde  bei  dem  fast  vier« 
wöchentlichen.  Reisen  über  den  Schnee  von  der  so  häufig  beschrie- 
beoeo  Augenentzüudung,  alle  aber  ohne  Ausnahme  von  einer  Bla- 
senbildnngi  die  sich  über  das  ganze  Gesiebt  erstreckte  and  anletit 


252  VerbandldBirdii  def  natorhislorisch-medizioifclieii  Vereine«. 

mit  Yersehorfung  und  AbscbSIiing  endete,  befallen.  Die  KrankbeU 
zeigte  sich  erst  nach  einigen  Tagen  heiteren  Wetten,  war  abo  offen« 
bar  durch  das  reflektirte   Sonnenlicht  verarsaoht. 

12.    Vortrag  des  Herrn  Dr.  Eekul^  j^über  die  Consti« 
tntion  des  Knallqnecksilbers^  am  9.  Jan.  1857. 

Nachdem  im  Eingang  die  Utern  Ansichten  über  die  Constitnttön 
der  Enallsäure  znsammengestellt  und  auf  das  Unbefriedigende  der 
durch  sie  gegebenen  Erklärungen  aufmerksam  gemacht  worden,  ging 
der  Redner  zur  Begründung  einer  yun  ihm  aufgestellten  Ansiebt 
über;  welche,  gestützt  auf  die  explosive  Natur  und  das  Auftreten 
von  Cyanverbindungen  bei  fast  allen  Zersetzungen  der  knallsauren 
Salze,  die  Hälfte  des  Stickstoffs  als  Nitrogruppe,  die  andere  in  Ver- 
bindung mit  der  Hälfte  des  Kohlenstoffs  als  Cyan  im  Ejiallqueck- 
silber  annimmt:  eine  Ansicht,  durch  welche  die  Enallsäure  in  nächste 
Beziehung  zu  einer  Reihe  bekannter  Eörper  gebracht  wird,  zu  denen 
z.  B.  die  folgenden  Substanzen  gehören: 

Chloroform      .     .     .     .     Gj       H    Cl  Gl     Cl. 

Chlorpikrin     .     .     .     .     Cj  (NO4)  Cl  Cl    Cl. 

Acetonitril       .     .     .     .     Cj        H   H  H   (CjN). 

Hypothetische  Enallsäure  G,  (NO4)  H  H  (Cj^n.  > 

Enallquecksilber  .  .  C^  (NO4)  Hg  Hg  (CjNj. 
Als  Stütze  dieser  Ansicht  betrachtet  EekuU  das  Verhalts 
des  Enallquecksilbers  gegen  Chlor,  wobei,  wie  voraus  erwarfrii, 
Chlorcyan,  Quecksilberchlorid  und  Chlorpikrin  erzeugt  werden,  ottie 
dass  dabei  Eohlensäure  auftritt ;  so  dass  die  Zersetzung  wahrscheiir 
lieh  nach  dem  Schema  erfolgt: 

C2(N04)CC2N)Hgj  +  3Cl2  =  C2(N04)Cl3  +  (C2N)Cl+2Hga 
Da  indess  das  durch  Einwirkung  des  gasförmigen  Chlors  auf  Enall- 
quecksilber erhaltene  Chlorpikrin  von  den  beigemengten  sekundären 
Zersetzungsprodukten  nicht  völlig  gereinigt  werden  konnte,  wurde 
statt  des  Chlors  Bleichkalk  angewandt  und  so  völlig  reines  Chlorpikrin 
erhalten. 

Eine  weitere  Stütze  seiner  Ansicht  findet  Dr.  EekuK  in  der 
Zersetzung  des  Enallquecksilbers  durch  Schwefelwasserstoff  und  lös- 
liche Schwefelmetalle;  wobei  stets  Eohlensäure  oder  kohlensaure 
Salze  gebildet  und,  wie  schon  Gay-Lussac  und  Liebig  dargetban 
haben  ^  nur  halb  so  viel  Schwefelcyan  erzeugt  wird  als  der  6e- 
sammtmenge  des  im  Enallquecksilber  enthaltenen  Eohlenstoffs  ent- 
spricht, während,  selbst  bei  Anwendung  von  Schwefelwasserstoff 
sillein,  Ammoniak  gebildet  wird;  eine  Zersetzung  die  am  einfachsten 
durch  das  folgende  Schema  ausgedrückt  Wird: 

C,  (NOO  (CaN)  Ha  +  H,S,  =  Ca04+^jS, 

EekuU  verspricht  weitere  Mittheilungen  über  diesen  Gegen- 
stand und  bemerkt  sdiliesslich:  die  Bildung  der  Isocyanursäure  aus 


TeAaBdlöageB  dM  Bttariilftoriidi'nieduiBiicheii  V^rebat«  35S 

KiaDtfnre  könne  nach  der  von  ihm  yorgetchlageneo  rationellea 
Fomel  80  gedacht  werden:  dau  iwei  Moleküle  KnallaSnre  tich 
mUer  Aufnahme  von  Waaser  und  Anstritt  von  Eohlenaäore  und 
Ammoniak  vereinigen;  etwa: 

2Cj(N04)(C,N)H,  +  H,03  =  C2  (NO4)  (C,N), H3  0,  +  Cj  O4  + 
NH,.  Die  Bildung  des  Enallquecksiibers  ans  Alkohol  dagegen  er- 
leheine  in  vieler  Beziehnng  analog  mit  der  des  Ghloroformes ;  eine 
Ansieht,  die  dnrch  das  Entstehen  von  Chlorpikrin  bei  Einwirkung 
TOD  SalpetersSure  und  Kochsala  auf  Alkohol  noch  an  Wahrschein- 
lichkeit gewinnen.  — 

13.    Vortrag  des  Herrn  Dr.  Kussmaul  ^über  den  Gen-* 

tralheerd   der   fallsuchtartigen   Anfttlle,    weiche   die 

rasche  Verblutung  bei  SXugethieren  und  Menschen 

begleiten^  am  9.  Jan.  1857. 

(Zweite  AblheilaDf.) 

Zuerst  wurden  zur  Besttttigung  der  frfiher  aufgestellten  Be- 
hioptung,  dass  rasche  Verblutung  oder  Unterbindung  der  grossen 
Schlsgadem  des  Kopfes  bei  den  Sttugethieren  iallsuchtartige  Zuckun- 
Sm  veranlassen  y  mehrere  seitdem  in  Erfahrung  gebradite  fremde 
Beobachtungen  und  Versuche  an  verschiedenen  SXugethieren  nach« 
friglich  erzShlt  und  wahrscheinlich  gemacht,  dass  dies  Geseti  für 
Warmblüter  überhaupt,  also  auch  für  V6gel  und  nicht  für  Stnge«. 
düere  allein  gültig  sei. 

Hierauf  ging  der  Vortragende  über  au  der  Mittheilnng  einer 
andern  Reihe  von  Versuchen  an  Sjtninchen,  welche  er  mit  Herrn 
Tenner  in  der  Absicht:  die  Bedeutung  der  einaelnen  Gehimbe- 
tirke  für  das  Zustandekommen  jener  fallsuchtartigen  Zuckungen  au 
enuttehi,  angestellt  hatte.  Zu  dem  Ende  wurden  die  Erfolge  der 
Oompression  der  grossen  Schlagadern  des  Halses  vor  und  nach  der 
Aoflschneidung  einxelner  Gehirntheile  mit  einander  verglichen,  nach- 
dem durch  Vorversuche  der  Einflnss  der  operativen  Nebenehigriffe 
auf  die  StSrke  und  den  Eintritt  der  Zuckungen  überhaupt  besthnmt 
worden  war. 

Bs  ergab  sich,  dass  weder  die  Bloslegong  des  Gehirns  noch 
die  Entleerung  von  Oerebrospinalflüssigkeit,  noch  solche  Blutverluste» 
wie  sie  bei  Beobachtung  gewisser  Vordchtsmassregeln  mit  der  An»- 
idmtidung  von  Gehimtheilen  verbunden  zu  sein  pflegen,  noch  endlich 
«ine  beträchtliche  Abkühlung  des  Gehirns  im  Stande  sind,  das  Er- 
Mfaelnen  allgemeiner  Zuckungen  in  Folge  der  Ck>mpression  der  Arterient 
n  verlündem  oder  in  den  meisten  Fällen  ihre  Kraft  zu  schwächen. 
Hefamen  somit  nach  Abtragung  eines  Gehimbezirkes  die  allgemeineii, 
Zuckungen,  welche  der  Oompression  der  HalsgefKsse  folgen,  an. 
StSrke  nicht  ab,  fallen  sie  nicht  schwächer  aus,  als  vor  der  Abtra- 
gung, 80  enthält  der  ausgeschnittene  Gehimtheil  die  motorische  Kraft-^ 


254  Ver1iftiidluog«ii  des  natttritistorfsebMiiedisiDiseheii  Vereinei.     ' 

quelle,  welche  ea  jenen  Zuckungen  Veranlasfung  gibt,  nicbt.  Er- 
fiebeinen  die  Zuckungen  aber  scbwäcber,  ist  dies  VerbSltnlss  bei 
wiederholten  Compressionsrersuchen  an  demselben  Thiere  und  bei 
Wiederholung  des  Yersuebs  an  mehreren  Tbieren  ein  regelmässig 
wiederkehrendes,  so  darf  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  angenom- 
men werden,  dass  die  betreffende  Gehimprovinz  einen  Theii  jener 
Kraftquelle  erzeuge. 

Die  AusschneidungSTorsuche  ergaben: 

1)  Der  Heerd  der  Zuckungen  bei  der  raschen  Verblutung  ist 
keinesfalls  zu  suchen  in  den  Halbkugeln  des  Grosshims,  im  Balkeo, 
der  vordem  Commissur,  dem  Gewölbe,  den  gestreiften  Hügeln,  der 
Zirbeldrüae  oder  der  glandula  pituitarla. 

2)  Die  Stärke  der  Zuckungen  pflegt  erst  dann  abzunehmen, 
wenn  man  mit  schichtweisem  Abtragen  tiefer  in  die  Sehbiigel  ein 
und  bis  an  oder  in  die  excitabeln  Gehirntheile  vordringt. 

3)  Auch  nach  dem  Abtragen  excitabler  Gehirnbezirke  bis  zu  den 
hintern  Vlerhügeln  und  der  Brücke  hin,  nach  vollständiger  Entfer- 
nung  des  Grosshims,  der  Sehhügel,  der  vorderen  Vierhügel  und  der 
Grosshiraschenkel ,  können  durch  Gompression  der  Halsschlagadern 
noch  schwache  allgemeine  Zuckungen  oder  doch  theilweise  des 
Hfnterkörpers  hervorgerafen  werden.  — 

Schliesslich  wird  bemerkt,  dass  die  Aetberisation,  wenn  sie  zur 
Bewusstlosigkeit  und  Anästhesie  führt,  die  Thiere  zugleich  der  Fähig- 
keit beraubt,  durch  Verblutung  oder  Unterbindung  der  Halsschlag- 
adora  in  Zuckungen  zu  verfallen.  — 

14.    Vortrag   des  Herrn    Garde-Lieutenant   Schisch- 

ko  ff  aus  Petersburg  (eines  Gastes  des  Verein  es)  ^^über 

die  Constitution  des  Knallquecksilbers^, 

am  23.  Januar  1857.*) 

Herr  Schischkoff  sah  sich  durch  seine  letzten  Untersuchun- 
gen über  das  Knallquecksilber  veranlasst,  die  frühere  Formel  dieses 
Körpers  zu  verdoppeln,  so  dass  die  neuere  8  Kohlenstoffaquivalente 
enthält.  In  der  That  scheinen  sowohl  die  chemischen  Reaktionen 
als  auch  die  Eigenschaften  der  Isocyanursäure  und  der  Knallsäare 
sn  beweisen,  dass  man  in  der  Zusammensetzung  dieser  letzteren 
zweimal  die  Grappe  Cjansänre  neben  der  Mono -nitro -acetonitrll- 
Orappe  anzunehmen  hat.  Schischkoff  hat  diese  Cj^ansäuregrop- 
fea  nachgewiesen: 

1)  durch  die  Leichtigkeit,  mit  welcher  sich  cjansanre  Salze 
auf  Kosten  der  Knall-  und  Isocyanursäure  bilden,  und 

2)  durdi  die  Zerlegung  der  Knallsäure  in  Cyansäure  und  Iso- 
tyannrsäure. 


*)  Dieser  Vortrag  musste  wegen  einer  Reise  des  Herrn  Schischkoff 
von  d«r  vorigen  Sitzang  auf  diese  verschoben  werden. 


dei  MilwUflorlidi-«MdiBuuMiM«  Verabef .  355 

Wmm  die  Mono» nitro -acetonitril-Groppe  betaifty  oo  hat  ELtn 
SckiBchkoff  snent  die  Katnr  der  laocyanors&iire  alt  Nkcokörper 
beirieien  nnd  lodaan  den  neuen  Körperi  Tri*nitro-acetonitril,  darane 
ibgcieitet  Letzterer  Körper  nebst  den  ans  der  Knallsftore  erhalto* 
aeo  cjansanreB  Salzen  sind  so  za  sa^^en  materielle  Beweise,  <tfe  filr 
£e  Biehtigkeifc  der  Ansicht  Bchischkoff's  über  die  Zusamme»- 
KtzoBg  der  KnallsSore  sprechen.  Ansaerdem  ist  die  Polymerie  der 
Kaailsiare  und  Cyansftore  gans  zafäUi|;,  dann  würde  die  Knallsänre 
SHtatt  des  Mono-nitro-acetonitrils  die  Bi-  oder  Trinitro-acetonkrilr 
Cnppe  enthalten,  so  wSre  die  laomerie  gfinzlich  aufgehoben. 

Herr  Schisehkoff  vergleicht  die  KnaUsäure  mit  dem  BInret 
und  der  Trigensäare  und  erklärt  ihre  Entstehung  auf  eine  der  Bil« 
daag  dieser  letzteren  analoge  Weise:  nämlich  durch  gleichzeitige 
Entstehung  der  Mononitroessigsäure  und  der  Cjansäure  und  Wechsel« 
wirkoDg  eines  Aeqnivalentes  der  ersteren  auf  die  Aequivalente  der 
letsteren. 

Das  Trinitroacetril  besitzt  grosse  Verwandechaften  zu  verscUe- 
deoen  Körpern,  so  dass  man  aus  demselben  eine  grosse  Zahl  neuer 
Körper  ableiten  kann,  die  sich  demnach  der  Essigsäure  anreihen.  -«- 


15.  Tortag  des  Herrn  Prof.  Blum  «über  die  hohlen  Oe-* 

schiebe  von  Lauretta  im  Leithagebirge% 

am  23.  Januar  1857. 

Dieselben  wurden  zuerst  Ton  Haidinger  1841  beobachtet, 
Disser  fand  sie  in  einem  Conglomerat  von  4  Zoll  Dicke,  das  zwi- 
schen dichtem  L^tha-Kalk  liegt  Die  in  diesem  Conglomerat  vor- 
kommenden gelblichen  Geschiebe  lassen  keine  Veränderangen  wahr- 
schfflen,  wälirend  die  schwärzlichgrauen  meistens  eine  Zersetzung 
▼OB  ihrem  innersten  Kerne  aus  zeigen,  so  dass  häufig  nur  eine  dünna 
Schale  übrig  geblieben  ist  Manchmal  verschwand  auch  wohl  daa 
Geschiebe  gänzlich.  Dass  nur  die  schwärzlichgrauen  Geschiehe  an- 
(igriSsn  wurden,  scheint  in  dem  feinkörnigen  Gefüge  und  besondem 
k  der  Beimengung  von  kohlensaurer  Talkerde  zu  beruhen.  Die 
Aushöhlung  vom  Innern  nach  Aussen  sucht  Haidinger  durch  daa 
Eiadringen  von  Kohlensäure  haltender  Gebirgsfeuehtigkeit  za  er- 
Ulren,  welche  auf  den  Kern  des  Geschiebes  leichter,  als  auf  ditf 
Soasere  Schidite  desselben  hätte  einwirken  können,  da  die  letzr- 
tere  durch  Druck,  der  sich  nicht  nach  Innen  fortpflanze,  sich  in 
Sptanung  befunden  und  aoniit  jener  Einwirkung  länger  widerstan*- 
tehabe. 

Herr  Prof.  Blum  glaubt,  dass  Druck  hier  zur  Erklärung  nicht 
lothwendig  sei,  indem  er  nur  der  Feuchtigkeit,  die  im  Innern  den 
Qescbiebes  sich  anhäufte,  jene  Wirkung  der  Aushöhlung  zuschreibt 
Dabei  stützt  er  sich  auf  Orthoklas-krystalle,  die  im  Porphyr  dea 
Münsterthales  vorkommen  und  nur  im  Innern  verändert  sind,  wäh- 


256  Verhandlanfea  det  balarhiBtoriieh-mediiioiicheii  Vereinet 

read  die  äassere  Binde  noch  vollkommen  reine  Feldflpatfa-Utsse  ist 
Hier  würde  diese  Veränderung  kanm  anf  andere  Weise  za  erkifiren  sein. 
Herr  Prof.  Bunsen  machte  darauf  aufmerksam,  dass  die  be- 
obachtete Erscheinung  eine  Erklärung  in  der  Thatsache  finden  könne, 
dass  der  Punkt,  bei  welchem  sich  Körper  aus  Lösungen  absetseo, 
nicht  von  der  Temperatur  allein,  sondern  auch  von  der  substanciel- 
len  Natur  des  Körpers  abhängt,  auf  welchen  die  Ausscheidung  er- 
folgt Ist  die  Wasserdurchtränkung  der  Conglomeratschichte  mit  Koh- 
lensäure, deren  Quelle  in  dem  bituminösen  Kalk  selbst  liegen  kann, 
imprägnirt,  so  entsteht  eine  gesättigte  Lösung  von  kohlensaurem 
Kidk.  Ist  die  Krystallisationstendenz  an  den  bituminösen  Kalk^- 
mengungen  geringer  als  an  den  nicht  bituminösen,  so  wird  die  Lö- 
sung nur  an  diesen  letzteren  den  Kalk  absetzen.  Dadurch  wird 
wieder  Lösungsmittel  frei,  welches  mithin*nur  die  bitominösen  nicht  die 
andern  Einschlüsse  corrodiren  kann,  und  so  muss  in  demselben  Koh- 
lensäure-Medium der  bituminöse  Kalk  einen  stetigen  Substanzver- 
lust erleiden,  während  an  den  übrigen  Einschlüssen  ein  stetiger 
Sttbstanzabsatz  erfolgt.  Dass  die  Geschiebe  ausgehöhlt  erscheinen, 
dürfte  aus  der  sehr  gewöhnlichen  Erscheinung  erklärlich  sein,  dass 
die  Schnelligkeit  der  Lösung  von  den  geringfügigsten  Modificationen 
des  Aggregatzustandes  abhängt,  und  dass  zufällig  die  Bedingungen 
der  Löslichkeit  im  Innern  der  Geschiebe  grösser  waren,  als  nach 
der  Oberfläche  hin,  wie  man  derartige  locale  Verschiedenheiten  bei 
fast  allen  corrodirten  Kalksteinen  beobachten  kann. 

16.    Vortrag  des  Herrn  Dr.  Herth  „über  den  Einfluss 

der  Ammoniak-  und  Salpetersauren  Salze  auf  die 

Vegetation^  am  6.  Februar  1857. 

Derselbe  gab  eine  kurze  Uebersicht  der  Forschungen  über  die 
atmosphärische  Stickstoffquelle  der  Pflanzen,  soweit  sie  im  Wesent- 
lichen zur  Lösung  dieser  Frage  beitragen,  und  zog  daraus  den  Schluss: 

^Der  atmosphärische  Stickstoff  trägt  nicht  direkt  zur  Pflansen- 
emährung  bei,  wohl  aber  indirekt  dadurch,  dass  er  unter  gewissen, 
in  unsern  Bodenarten  gegeben  Bedingungen  zur  Bildung  von  Am- 
moniaksalzen und  Nitraten  befähigt  werden  kann.^ 

Die  Gegenwart  dieser  letzteren  in  der  atmosphärischen  Luft  und 
in  dem  Ackerboden,  die  Anwesenheit  derselben  in  so  vielen  saft- 
reichen Pflanzen,  so  wie  der  mächtige  Einfluss,  den  sie,  in  der  ge- 
ringsten Menge  der  Luft  oder  dem  Boden  beigemengt,  In  so  über- 
raschend kurzer  Zeit  auf  die  Vegetation  ausüben,  musste  nothw^n- 
dig  zu  der  Annahme  führen,  dass  es  nur  diese  Stickstoffverbindungen 
sein  können,  welche  als  bis  jetzt  bekannte  Stickstoffquellen  der  Pflan- 
zen zu  betrachten  sind.  Worin  dieser  Einfluss*  der  Ammoniak-  nnd 
Salpetersauren  Salze  auf  die  Vegetation  bestehe,  suchte  Hecth  durch 
komparative  Vegetations-Versuche  zu  entscheiden. 

(SMutt  folgt.) 


h  17.  HEIDELBERGER  IUI. 

jihrbOcher  dir  iiterator. 

Verhandlungen  des  naturhistorisch-medizinischen  Vereines. 


(SchluM.) 

Die  bereits  gekelmteD  Samen  der  gewöhnlichen  Fatterwicke, 
ricia  saüva,  wurden  in  eine  Aniahl  Blumentöpfe ,  die  mit  ansge* 
glflhtem  Sande  und  etwas  Pflansenasche  venehen  waren ,  einaeln 
i^fianzt  und  die  Töpfe  an  einem  vor  Regen  und  Thau  geschüti^ 
ten  Orte  aufgestellt  Die  anr  Anwendung  gekommenen  Ammoniak- 
imd  Salpelersanren  Salxe  waren  in  solcher  Dosis  abgewogen,  dass  die 
»Dem  Topfe  einverleibte  Menge  ein  gleiches  Quantum  0,218  gim, 
Stiebtoff  enthielt,  welches,  in  4  Littres  destillirten  Wassers  gelöst, 
w2farend  der  Versuchsseit  allmXlig  snm  Begiessen  der  Pfianaen  rer- 
wandelt  wurde.  Mit  Ausnahme  des  Topfes  A,  der,  mit  unvermisch* 
lern  Wasser  begossen,  nur  sehr  däritig  vegetirte,  war  die  Vegeta* 
üon  aller  GewSchse  während  der  gansen  Vegetationsperiode  eine 
lehr  üppige.  Die  Ernte  der  schön  und  krIfUg  entwickelten  Pflan- 
wk  fiel  in  die  Mitte  August,  als  sich  schon  S^oten  gebildet  hatten 
und  es  ergab  die  Analyse  folgende  Resultate:    In 

A.  „Ohne  Zusatz^  war  das  Trockengewicht  der  gansen  Pflanse 
15ma],  der  Stickstofifgehalt  3mal  grösser  als  der  des  Samens. 

B.  „Mit  kohlensaurem  Ammoniak^  war  das  Trockengewicht  der  gan- 
len  Pflanze  66mal,  der  Stickstoffgehalt  41nud  grösser  als  der 
des  Samens. 

C.  „Mit  schwefelsaurem  Ammoniak^  war  das  Trockengewicht  der 
gaoaen  Pflanae  70mal,  der  Stickstoffgehalt  46mal  grösser  als 
der  des  Samens. 

D.  ,,Mit  Chlor -Ammonium^  war  das  Trockengewicht  der  gaaien 
Pflanze  58mal,  der  Stickstoffgehalt  SSmal  grösser  als  der  des 
Samens. 

E.  j,&üt  salpetersaurem  Ammoniak^  war  das  Trockengewicht  der 
ganzen  Pflanze  76mal,  der  Stickstoffgehalt  Glmal  grösser  hls 
der  des  Samens. 

F.  yMit  Eali-Salpeter^  war  das  Trockengewicht  der  ganzen  Pflanze 
78mal,  der  Stickstoffgehalt  64mal  grösser  als  der  des  Samens. 

6.  „Mit  Natron-Salpeter^  war  das  Trockengewicht  der  ganzen  Pflanze 
72mal,  der  Stickstoffgehalt  46mal  grösser  als  der  des  Samens. 

Aus  diesen  Ergebnissen  geht  hervor: 
1)  Dass  sowohl  die  Ammoniak«  als  Salpetersäuren  Salze  nicht 
aßän  von  der  Pflanze  absorbirt,  sondern  auch  zur  PflanzenemKhrung 
verwandt  werden. 

2}  Dta  die  salpetersauren  Salze  die  Vegetation,  wenn  nicht 
mehr,  doch  eben  so  viel  begünstigen  als  die  Ammoniak  Salze. 
L.  Jdirg.  4.  Heft.  17 


258  VerhAndlmifeii  lt$  iMtiirliiatttifcli-'iMdiliBitclMa  Yertinef. 

3)  Die  gerkige  Stickstoffiniiiahme  t<mi  A.,  ohne  ZoBiliy  dit 
noeh  ohne  dies  auf  Beehnang  des  ans  den  «ndern  TSpüBB  yecdiui* 
steten  Ammoniaks  kommen  mag,  scheint  ebenfaUs  gegen  eine  Asid- 
milation  des  atmospbSriscben  Stickstoffs  za  sprecben.  — 

In  der  folgenden  Diskussion  erklKrte  Herr  Dr.  Herth  ferner, 
dasB,  obwohl  Liebig  allen  Stickstoff  als  Ammoniak  in  Rechnung  bringe, 
nach  den  Versuchen  von  Wolf  nur  ein  Drittel  In  dieser  Form  an- 
wesend sei,  däss  aber  dieses  Drittel  für  Jahrhunderte  reiche,  und 
dass  die  Cultnr  die  andern  Drittheile  durch  Aussetsen  des  Bodens 
an  die  Luft,  Zusats  Ton  Kalk  und  dergleichen  resorbirbar  maeben 
und  in  freies  Ammoniak  überführen  müsse.  Eisenozyd  und  Tbon« 
erde  absorUren  Ammoniak  und  halten  es  mit  Kraft  surück;  so  gibt 
darehgeftthrtes,  Ammoniak  haltendes,  Wasser  an  Ackererde  sdn  Abi- 
monlak  voUstSndIg  ab.  Die  Düngung  hat  ihren  Hauptwerth  lür  die 
erste  Entwicklung  der  Pflanse.  —  Was  die  giftige  Einwirkung  sa 
kottcentrlrter  AmmonlakUlsungM  betrifft,  so  scheinen  sieh  die  Pflan- 
zen nicht  gMeh  au  Terbalten,  doch  glaubt  Herth  nach  sehMO  Ye^ 
suchen  annehmen  m  dürfen,  dass  etwa  Viooo  Ammoniak  In  Wasser 
die  eingeweichten  Samen  keimungsunflhlg  mache.  Hr.  Dr.  Walt 
hält  ^e  Tabaksamen  ftir  weniger  eBspfindlieh;  Herth  glaubt  dtea 
Nacbthenen  dnreh  Anwendung  d«r  Salpetersalaci  die  nebenbei  nieU 
flüeinlg  8lnd|  au  entgehen.  — 

17.    Vortrag  des  Herrn  Dr.  BorntrSger  „über  einige 

Bestandtheile  des  Fliegenschwamms', 

am  6.  Februar  1857. 

Unterwirft  man  Fliegenschwamm  (Agaricus  muscariua  Lina., 
Amanita  mascaria  Fries.)  mit  Wasser  der  Destillation,  so  erhSit 
man  ein  (iirbloies,  wasserhelles  und  schwach  sauer  reagirendea  De- 
stillat von  dem  unangenehmen  Geruch  dieses  Schwammes.  Durch 
SSttIgen  dieses  Liquidum's  mit  Baiytwasser  und  AbdampfMi  erhfilt 
man  concentrisd  strahlige,  dem  Wavellit  lülinllche  Krystalle,  die 
durch  Umkrystallisiren  vollkommen  farblos  erhalten  werden.  Wegen 
ungenügender  Menge  dieser  Substana  konnte  keine  Elementarmnaiyse 
gemacht  werden.  Die  Slure  wurde  aus  dem  Barytsala  durah  De- 
stillation mit  einer  berechneten  Menge  Schwefelsäure  ausgeschieden. 
Sie  aelgt  einen  penetranten,  den  flüchtigen  Fettsänren  ähaUeheai 
aber  doch  auch  davon  verschiedenen  Oeruch  und  wirkte  sohon  sa 
ehiem  Tropfen  tüdtUch  auf  ein  Kaninchen.  Demnadi  scheint  in  der 
Anwesenheit  dieser  Sänre  die  Giftigkeit  des  FlIegenschwamBia  n 
beruhen. 

Destiflirt  man  den  so  erschöpften  Fliegenschwamm  mit  schwe- 
felsäurehaltigem Wasser,  so  geht  eine  neue  Säure  über,  wdehe  Pro- 
pionsäure ist.  Das  Destillat  gleichfalls  mit  Barytwasser  geaSttigt 
und  abgedampft,  gibt  farblose,  prismatische  Krystalle,  dA  bei  100^: 
6,2  Proeeat  Wasser  verlieren.    Nach  der  Formel  des  lufttroekneo 


iBuyim:  BnO,  C<BS03+Aq  Uracbnat,  frtMtft  man 
ifi  ?mmi  Wm9^.  PUB  bfi  1000  getrocknito  BvytMl«  gnb  in 
im  BmmUnMtiy^; 

Ba  0  —    63.80 

C       ^    35,30 

H        —       8,79 

O        —     17,16 

100,00. 
Ke  BerecbnoQg  nach  der  Formel  Ba  0,  C*  H'  0^  hiogegen  gibt. 
Ba  0  —  64,10 
C  —  35,43 
H  —  3,53 
0        -     16,95 

100,00, 

Die  freie  Sinre  riecbt  nach  Battentare  und  Akijieliiiie  n- 
gieieh,  wie  ee  früher  tw  deon  Eatdeoker  der  Proiiioaritare  ang^ge* 
ha  wurde. 

Der  BOekstand  loi  DeetlDfrgeÜbni  mit  KaUlaage  fibentttigt  mid 
tbemiala  deetOHrt  gab  eine  ilttailgkeit,  die  neben  Ammoniak  nodi 
0Jiie  andere  Baae  enthielt  Beide  Baien,  In  eehwefeieaara  Satae  yer- 
waadeii  nad  mit  abeolntem  Alkohol  eraeh6pfend  aqageaogen  nnd 
^gedampft,  lielsrten  ein  in  gttnsenden  BUttehen  kryitaUMmdet, 
iwfiieeBlIchefl  Bals,  das,  mit  etwas  Kalllange  destUUrt,  den  bekann» 
tcD  Gemeh  nach  Hirtaigslaoke  entwi^elte  nnd  demnach  Trimediyl« 
anun  oder  Propjlamfai  Ist  So  gab  auch  das  sohwefelsawe  Sala 
dieser  Baals  mit  sdiwefelsaurer  Thonerde  gemlseht  nnd  abgedampft^ 
grone  OfctaSder  ren  Trimetbylaminaiann.  »- 

Herr  Dr.  Knssmanl  versuchte  die  toxikologisehe 
Verwerthnng  dieser  Analyse  nnd  theUte  dem  Terehm  Uar- 
tber  folgendes  mit: 

Trots  der  Yermutbung  Schlossberger's,  dass  das  Trime- 
tbjhmin  in  den  verdorbenen  Würsten  als  giftiges  Prindp  anftrete, 
hl  ehie  grosse  Giftigkeit  desselben  doch  sehr  nnwahrscheinUch.  Nach 
den  Versuchen  von  Orfila  d.  j.  nnd  Bnchheim  d.  j.  wirkt  es 
sor  wie  Ammoniak  nnd  es  ist  Immer  ein  grösseres  Quantum  nöthig, 
na  TergÜtnngseiicheinungen  hervorsamlsn.  Zwei  Gran,  in  Wasser 
gclBst,  acbadeten  nach  einem  Venndie  Enssraanl's  dem  Kanin» 
ckcB  nicfats.  üeberdles  mnss  es,  da  es  Im  FHegensehwamm  lischst 
wahncheinlieh  an  eine  Sänre  gebunden  Ist,  nooh  sobwicher  wirken, 
wsB  sich  die  Trimetbylamfaisake  nach  den  Tersnchen  Bnehheim*s 
den  Aramoniaksalsen  analog  verhalten,  (Alortrlmediylamfai  wie  SaW 
nisk.  Die  Wirkungen  des  Fllegenschwamms  aber  sind  adir  heftigi 
des  AUeeken  brachte,  wie  Oaltier  berichtet,  bei  efaiem  Hunde, 
das  bJoeae  Kauen  eines  Stüd^ehens,  bM  einer  Person  fartensive  Zn» 
ttüe  hervor.  Auch  die  Propionsäure  kann  nldit  Schuld  hieran  sein; 
die  verwandten  BnttersKure  nad  BaUIrlaaslure  schadeten  an  gr.  10 


200  Verhimdlaogen  des  iifttiirUstorifch<-medlsiiiiflch«B  Vereinef. 

dem  Kaninchen  nichts.  Yenuche  mit  der  PropionsSore  sdbft  soDen 
noch  gemacht  werden.  Ein  einziger  Yeraach  dagegen  sdidnt  auf 
das  Bestimmteste  durch  die  heftigen,  denen  nach  Filegenschwamm 
eintretenden  durdiaus  gleichen,  Erscheinungen  dafür  zu  sprechen, 
dass  die  flüchtige  freie  S&are  Bornträger's  das  giftige  Prindp 
sei.  Beim  Kaninchen  experimentirte  Knssmaal  vor  zwei  Jahren 
zuerst  mit  Fliegenschwamm,  um  sich  üher  die  Angabe  Maschka's, 
dass  nach  solcher  Vergiftung  die  Todtenstarre  fehle,  aufzakllren. 
Nach  zwei  Stunden  anscheinenden  Wohlbefindens  traten  bei  dem 
Thiere  die  ersten  Krämpfe  und  sofort  der  Tod  ein.  Nach  zwei  Mi- 
nuten war  das  Thier  starr  mit  Ausnahme  der  Iris  und  der  Gesichts- 
muskel. Nach  SVa  Stunden  war  die  Starre  des  Körpers  gelöst, 
während  die  Iris  noch  auf  elektrischen  Reiz  reagirte.  Kohlenoxjd- 
gas  theilt  vielleicht  diese  Wirkung.  So  muss  Maschka  su  spSt 
beobachtet  haben*  Auf  gleiche  Weise  nun  erfolgte  der  Tod  erst 
nadi  2  Stunden  und  plötsüch  unter  (Konvulsionen  nach  etwa  gr.  IV2 
der  flüchtigen  Säure  Bornträger' s.  Die  Starre  begann  nach 
6  Minuten  und  war  nach  15  Minuten  mit  denselben  Ausnahmea 
komplet.  Nach  4  Stunden  war  die  Starre  der  Hhiterbeine  völlig, 
die  der  Vorderbeine  grossentheils  gewichen,  während  die  Iris  nodi 
roagirte.  Die  Sektion  ergab  eine  frische,  höchst  akute  Peiiearditis. 
Interessant  ist,  gesetzt,  die  Säure  sei  das  giftige  Princip  des  FUe* 
genschwamms,  dass  dieses  eine  Säure  ist,  dass  die  Wirkung  Stunden 
lang  auf  sich  warten  lässt,  dass  das  Muskelleben  so  rasch  der  Starre  . 
weicht,  dass  diese  so  rasch  wieder  verschwindet,  und  dass  die  Beii- 
barkeit  der  Iris  die  Starre  der  Gliedmassen  überdauert  — 

Herr  Dr.  Bornträger  zeigt  die  betreffenden  Präparate  der 
Versammlung  vor,  während  Herr  Dr.  Walz  gleichfalls  erkllUt,  dasi 
einer  seiner  Schüler  gefunden  habe,  dass  das  wässrige  Destillat  des 
FÜegenschwammes  beim  Sjininchen  giftig,  das  alkalische  unwirlcsam 
sei.    Es  sind  diese  Arbeiten  jedoch  unvollendet  geblieben. 


18*    Pharmakologische  Mitheilungen  des  Herrn  Dr. 
Walz,  am  6.  Februar  1857. 

Herr  Dr.  Walz  sprach  über  eine  neuerdhigs  im  Handel  vor- 
kommende fklsche  Senna.  Es  stammen  diese  Blätter  von  Olobular 
ria  Aiypum  Linn.,  einem  Strauch  des  südlidien  Frankreichs.  Sie 
wurden  als  Senne  sauvage,  folia  Coluteae  und  folia  Sennae  gallicae 
AUS  Ntlmes  bezogen.  Neben  den  verschiedenen  Sennasorten  shid 
sie  leicht  zu  unterscheiden,  können  aber  vom  Publikum  wohl  für 
Seht  angesehen  werden.  Sie  zeichnen  sich  durch  einen  stark  bittem 
Geschmack  aus,  werden  von  einigen  Autoren  als  sehr  giftig  bezeich- 
aet,  von  andern  den  ächten  Sennablätter  an  Wirkung  fast  gleich 
gestellt,  sogar  als  Ersatzmittel  der  Senna  empfohlen.  Die  Früd^te 
waren  schon  in  alter  Zelt  im  Gebraach. 


de§  MtoUflotiidMMdlsIalidiCtt  Vminef.  261 

Dia  HanptbesUnddieile  sind:  ein  Bitterstoff,  Alypin,  der  sich 
all  Sadurofen  erwieaeii,  ein  gelber  Farbetoff  aad  yiel  Gerbstoff.  -^ 
Die  VeiModaiv  der  Bltttter  ging  besonders  nach  Norddeotschluid. 

Daneben  seigte  Herr  Dr.  Wals  eine  ans  Böhmen  besogene 
Idsche  rsd.  SapoMriae  vor;  dieselbe  ist  mit  Ansnahme  des  Kernes 
▼on  rother  Farbe»  Ihnllch  dem  Exvpp  nnd  nnterseheidet  sich  chemisch 
dordi  den  Gehalt  eines  FarlMtoffes  nnd  eines  Elsen-bllnenden  Gerb- 
itoffesy  eothUt  hingegen  kein  Saponin.  Wahrscheinlich  stammt  die- 
selbe Ton  einer  Rdiiacee. 

Auch  einige  Exemplare  des  jüngst  empfohlenen  Bandwnnnmit- 
teh|  der  Panna,  oder  rad.  Uncomocomo  zeigte  er  vor.  Es  ist  dies 
der  Wnrsebtock  eines  Aspidlum  athamanticnm  (Knnze)  nnd  schon 
1851  fiber  Hamburg  in  den  Handel  gekommen.  Nach  den  ange- 
sieUtflo  Versnoben  Ist  diese  Wnrael  nicht  viel  von  unserer  rad.  Fi- 
licii  verschieden.  — 

19.    Vortrag  des  Herrn  Prof.  Bronn  «tiber  das  Pflan- 

len*  nnd  Thiersjstem  nach  ihren  gestaltenden  Fak» 

toren'',  am  20.  Februar  und  6.  Mlrs  1857. 

Die  Grundformen  aller  morphologisch  ausgebildeten  Mineralien 
lind  Prismoide;  die  allervollkommensten,  entwickelten  Pflanzen  Ooide 
aad  insbesondere  Strobfloide;  die  morphologisch  vollkommensten 
Tluere  Hemisphenoide.  Die  zwei  leisten  Formen  sfaid  das  Produkt 
der  eigenthfimllchen  Wachsthnmsweise  der  Pflanzen  und  der  Thiere 
und  ihrer  Beziehung  zur  Aussenwelt  Am  unteren  Anfange  beider 
Beiche  jedoch  stehen  Gruppen  von  Wesen,  bei  welchen  eine  feste 
Form  noch  nicht  zur  Geltung  gelangt  ist.  Man  kann  diese  bei  den 
Pflanzen  Amorphophyten  nennen.  Die  normalen  Pflanzenformen  aber 
beruhen  auf  dem  unbeweglichen  Verhältnisse  der  Pflanzen  zu  Boden 
und  Sonne  und  ihrer  successiven  Entwickelung;  daher  nur  eine 
feste  senkrechte  Achse  mit  differentem  oberen  und  unteren  Pole,  wie 
im  stehenden  Eie,  in  Ihnen  vorbanden  ist  und  die  Kusseren  Theiie 
sich  successiv  in  spiraler  Ordnung,  wie  die  Schuppen  des  Kiefern- 
upfens  ^bedingungsweise  auch  in  successiven  Quirlen)  daran  ent- 
wickehL 

Die  Wachsthumsweise  der  Thiere  ist  simultan;  ihre  Beziehun- 
gen zur  Aussenwelt  erfordern  ein  Organ  zur  Stoffaufnahme  und  eine 
vorwärts  gerichtete  Lokomotion  auf  oder  über  einem  festen  Boden; 
daher  sich  an  die  noch  formlosen  Thiere,  oder  Amorphozoen,  von 
wdehen  oben  die  Rede  war,  eine  zweite  abnorme  Gruppe  reiht,  bei 
weicher  die  Vorwärtsbewegung  des  Thieres  in  der  Architektur  noch 
nicht  oder  erst  unvollkommen  vorgesehen  ist:  deren  Grundform  des- 
halb ebenfalls  auf  ein  Ooid,  aber  semer  simultanen  Entwickelung 
vegen  mil  radialer  Stellung  der  Organe,  mithin  ein  Aktinoid  Ist; 
das  sich  nur  allmälig  der  Hemisphenoiden*fForm  nähert  Dies  sind  die 
Akünozoen. 


)t6i  XethwBiÜvmg^  dei  ««HutiitoiMMBedblBifübeii  Vereinei. 

Alle  tt>llkommn6reii  Thiere  aber  sfüd,  wie  ehi  Hdbkelli  Auf 
tiel  tti9gR^e,  tectttwittkUeh  gekteuete  ktbiUA  imrfickflEbiMry  waMt 
weidken  die  LSogen«  und  die  fltfheti-'Aclieeii  aogleichpeHgi  die  Quer- 
AOMä  gleidipoiig  Aiftd,  irt^  In  einem  fanlMrten  Keil,  ier  Mf  wage- 
tedkt«r  DttidifOhttitteflaelie  nJiet.  Die  FAkterMi  des  areUMklefil- 
sdicin  banee  dei^  iPilanisto  und  Mt  Thiere  im  beeonderdn  genom- 
men,  Mnd  Jedodi  von  dfeieitel  Attt 

A«    Die  Ötnndiypen. 

B.  Die  Anpassong  an  die  ttosseren  EzlMenzbedingnn^,  liirf 

C.  bie  Gidäetise  {»rogteflsiter  Entwicklung. 

BMr  int  jModi  nüY  ton  den  Thieren  aBein  die  tlede: 

A.  Den  Begriff  der  Gfundtypen  oder  Uiaterreiche  bat  GoiHer 
Meret  m  d«  System  der  Thiere  eingeführt.  Dieselben  beruhen  aaf 
einer  YerseUedenheit  des  Ornndrisses,  nach  welchem  die  rerachie* 
denen  Theile  des  Thieres  gegen  einander  geordnet  sind,  and  oft  anf 
einer  Verschiedenheit  der  Grundzahlen  homotyper  Organe.  Im  Thier- 
feieke  sind  fünf  itflcher  OmndiTpen  Torhanden:  Die  zwei  ontertton 
bfldMi  die  schon  erwähnten  Aikiocphofloett  und  Adtikkoaoen.  Drei 
höhere  And  aus  Mit  bemispheneiden  TUeren  wiammengesetzt!  Die 
Malakozoen  ohne  Skelet;  die  Entomozoen  mit  Süsserem  Skelet,  und 
die  lE^ndylotoen  IM  inn^etn  Skelete.  Diese  fSnf  Grundty^en  oder 
Untetr^<&b6  dcMl  fhierayirtemee  sind  ebenso  scharf  hi  der  Form  Am 
Kerrftnsystemeii  tersehieden.    Sie  zeigen  nSmlidi: 

1.    Kein  bekimnteB  Nertensystem. 

&.  Einen  wagrediten  Nenrenschlundrtng  mit  ^f  merlAanalea 
Stfitegen. 

5.  Einen  vorderen  senkrechten  Nerrensehfamdring  mit  zwei 
settlidien  Strängen. 

4.    Einen  eben  solchen  mit  doppeltem  Bauchmark. 

6.  Ein  rorderes  Ckhim  mit  etofadiem  Rückenmark. 

B.  Die  Anpiassung  an  die  äasseren  Existenz-Bedingungen  ist 
beiiondere  Aufgabe  des  Emährungs-  und  des  Bewegnngs^Systems. 
Die  wichtigsten  dieser  Existenzbedingungen  sind  das  Wohnelement 
und  die  socialen  Beziehungen.  Das  Wohnelement  ist  Wasser  oder 
Lrit|  demgemäsB  das  Athmungsorgan  Kieme  oder  Lunge.  In  bei*- 
den  Elementen  ist  das  Bewegungsorgan  zum  Fortkommen  entweder 
Bttf  fester  Chmndlage  oder  zum  Schwimmen  (Fliegen)  eingerichtet 
JMe  Aesnr  Lokomotionsweisen  lässt  aber  noch  mehrere  Unterarten 
My  insbesondere  I  Je  nachdem  die  eigentlichen  Lokomotionnorgane 
gähzUdi  mangeln  (Sdilängeln  n.  dgl.),  entliehen  oder  eigentfaümli- 
eher  Art,  nnd  so  mehr  tfhid.  Manche  Thiere  wadisen  fest,  nach- 
dettt  die  hftMt  mittetet  Flfmnierbewegung  ihren  Ortwechsel  batten, 
lüsen  sidi  auch  ättweüen  tüedet  ron  der  Befestignng  ab,  um  sieh 
snn  dntiA  ändtt«  Mlltel  zu  bewegen.  Zu  den  sodiden  Beziehun- 
gen geh9rt  die  Emähmng  der  lliiere  entweder  von  anderen  Thie- 
ren oder  von  Pflanzen;  denn  sie  selbst  können  Iseinen  organischen 
Stoff  bereiten  sondern  sind  genSthigti  von  Pflanzen  oder  anderen 


TcftbM.  16t 

lUenB  Im  Mahnnig  lo  «ntoduMo.  Ei  ataid  daher  die  Aaiimilar 
tiov-OigaM  der  HerbiTonn  in  der  Begei  TellkoaiaieDer  ale  die  der 
CtfBiToreii;  die  Banbthiere  jedocli  jenen  gairölmlioh  an  körpetiicher 
md  fetflÜKer  Kraft  übvkgm.  Madi  der  Nahrung  seheinen  in  den 
•hm«  Thierkia«en  wenigitena  die  Oainiroraii  FiuglFeren  nnd 
Gfauhwen  die  bSehaten  Stellen  m  beanaproehen.  Die  erwähnte 
Venchledenh^t  dea  Athmnngaorfanea  iat  Rlr  ganae  Thierkreiae  nnd 
yiimen,  Ae  der  Bewegnngaorgane  für  Klaaaen  mid  Ordnungen,  die 
der  Ndunng  fiir  Ordnungen  und  FanriUen  ein  bleibender  Charakter. 
Ein  etgentbüBtiiehea  WohneleuMit  bei  eigentfaimlicfaer  Emähmaga- 
weise  geniea«i  noch  die  pararitlachen  Thierey  welAe  rerichiedeMn 
Kreiaen  angehören ;  sie  haben  gewi^hnlich  gar  kein  Athmnngsorgani 
abeAanpl  nnyollkonimene  Aaahnilatioaa-WerkieQgei  kein  Bewegongt- 
OTgaa  und  faat  kekie  Sinnea-Apparate. 

Thierfinppen  Yeraclüedener  Unterreiche  kennen  eich  den  äuaaeren 
Kiiitenabedingungen  in  analoger  Weiae  anpaaaen.  Sie  bilden  dann 
aaalege  oder  parallele  Reilieni  aber  keine  YerwandBchaften« 

C.  Die  Geaetae  pregreaalver  Entvrickdnng  benAen  aof  der 
Thataacbe,  daas  alle  Organe  An&nga  nur  'm  einem  radimentiren 
Zaitande  «ulkreCen  und  eich  nümtiig  an  der  VollatXndigkeit  und 
SeibiIrtiBdigkeit  anabiiden,  wie  wir  ale  Ui  den  obeiaten  ThierUasaen 
wahrnehmen.  Yenchiedene  Organe  halten  aber  in  Yerschiedenen 
Tliiergmppen  ungleWien  Sehritt,  die  iSntwickelnng  deiaelben  erfolgt 
deich  dM  ganae  auflrteigende  TUerayatem  htndureh  nach  gewiaaen 
6eietBai,  welche  in  allen  Unterreiclieii  die  nimlichen  sind,  aber  auch 
in  jedem  sieh  nach  dem.yorgefdndenen  Grundplane  und  den  noth* 
wendigen  Anpaaaunga-ESariditungen  lügen  mflaaen.  Dabei  iat  ea 
fmer  Tliataache,  daaa  jedea  Organ,  ao  oft  ea  aus  einem  Unterreiche 
in  daa  nlehat-hiihere  Qbergeht,  nicht  auf  gleicher  Stufe  fortadireitet, 
nmdem  faat  immer  mit  einem  geringeren  Grade  ron  AusUldung 
wieder  beginnen  muaa,  als  ea  zUTor  schon  ereicht  hatte.  Da  dies 
BUB  in  der  Begel  bei  allen  Organen  geschieht,  so  ist  die  Folge, 
dasB  die  am  tiefsten  atehenden  Thiere  des  nSchst  höheren  Unterrei-* 
dies  gewöhnlich  unvollkommener  sind,  ala  es  die  voBkommensten  in 
dsBi  vorigen  waren. 

Die  Geaetae  progressiver  Entwickdung  afaid: 

1.  Die  immer  weitere  Differenairnng  der  Punktionen  und  ihrer 
Oigane;  die  fortachreiiende  Theilung  der  Arbeit  unter  letzteren 
(Übe  Edwarde). 

%  Diefortachreitende  Vermindemng  der  Zahl  homogener  Organe 
Im  etamefaien  Thiere  bei  aunehmender  Vollkommeidieit  und  SelbstSn- 
digkdt  derselben,  bia  aum  möglidien  Minimum  jeder  Organ-Zahl; 
cia  UAer  noch  nidit  hervorgehobenea  Gesetz  von  grosser  Ausdeh- 
^mg.    (Man  vergleiche  den  früheren  Vortrag  desselben  Redners.) 

d.  Die  fortadureüende  Coneentrimng  der  einzelnen  Funktionen 
«d  der  ttnen  eiHapreehenden  Organe  auf  cinzdne  Gegenden  des 
Öipe«. 


364  TeriiAiidliiiigehi  dei  ii»tarhbioriBeli.«-mediiiiiiso1i«i  VeftineiC 

4.  Die  zunehmende  Centralisirung  der  OrganenrSyiteme  {jhA 
EreifllaufliyBtemes  im  Hersen,  des  Athmnngsystemes  in  der  Lni^ 
des  Nenrensystemes  im  Qehim). 

5.  Die  ZorückziebaDg  äusserlich  gelegener  Organe  ins  Innerei 
sofern  ihre  Bestimmung  solches  gestattet,  entweder,  weil  sie  hier 
eine  geschütztere  Lage  (Athmnngsorgan,  Angen,  Gehör),  oder  eins 
kräftigere  Wirksamkdt  (Skelet)  finden. 

6.  Die  räumliche  Vergrösserung  überhaupt,  da  manche  Oigaae 
Im  Verhältnisse  ihrer  zunehmenden  Grösse  auch  vollkommener  wer- 
den; weshalb  denn  auch  die  Thiere  aller  Unterreiche  durchschnittlich 
hm  so  grösser  sind,  je  höher  das  Unterreich  im  Systeme  steht   — 

20.  Vortrag  des  Herrn  Prof.  Nuhn  ;,über  die  Bildung 
der  Absonderungsflüssigkeiten  überhaupt  und  der 
Galle  insbesondere^  (I.  Abtheilnng),  am  6.  März  1857. 

Durch  die  noch  sehr  lückenhaften  Kenntnisse  sowohl  von  der 
Anordnung  der  secemirenden  Theile  der  Leber,  als  wie  auch  vom 
Hergange  der  Galleaabsonderung,  sah  sich  Herr  Professor  Kuhn 
veranlasst,  dieses  Organ  zum  Gegenstande  seiner  besonderen  Nachfor^ 
schungen  zu  machen«  Wenn  gleichwohl  auch  seinen  mehrjährigen 
BoDfihungen  es  nicht  gelang,  darin  zu  einem  völligen  Abschlüsse 
m  kommen,  so  hält  er  doch  die  von  ihm  erlangten  Resultate  fiir 
geeignet,  über  manches  Fragliche  mehr  Aufhellung  zu  geben.  Um 
indessen  diejenigen  Gesichtspunkte  leichter  aufzufinden,  von  denen 
aus  ein  leichteres  Verständniss  der  Anordnung  der  secemirenden  Theile 
der  Leber,  sowie  des  Vorgangs  der  Gallenabsonderung  möglich  wird, 
schickte  der  Redner  eine  Betrachtung  „über  die  Bildung  der  Ab- 
sonderungsflüssigkeiten überhaupt^  voraus.  — 

Zu  den  Absonderungsflüssigkeiten  zählt  Nuhü: 

1.  Die  Parenchymsäfte. 

2.  Die  Flüssigkeiten,  welche  die  serösen  und  synovialen  Häute  be- 
feuchten, die  Gentralorgane  des  Nervensystemes  umspülen  u.  s.  w»,  und 

8.  die  eigentlich  so  genannten  Drüsensekrete. 

Nach  kurzer  Darlegung  der  wesentlichen  Theile,  aus  denen  die 
zur  Absonderung  dieser  verschiedenen  Flüssigkeiten  dienenden  Appa- 
rate zusammengesetzt  sind,  wendete  sich  der  Redner  zur  Prüfung 
der  Fragen,  ob  die  Bildung  der  Absonderungsflüssigkeiten  auf  dem 
Wege  der  Transsndation,  oder  nach  den  Gesetzen  der  Diffu- 
sion, oder  endlich  durch  Umwandlung  und  schliessliche 
Auflösung  bestimmter  morphologischer  Elemente  der 
Absonderungsorgane  zu  Stande  komme. 

Für  Transsudate  erklärt  Herr  Prof.  Nuhn  nur  die  Parenchym- 
säfte; die  Absonderungen  der  serösen  Häute  glaubt  er  jedoch,  der 
allgemeinen  Annahme  entgegen,  der  Transsndation  nicht  beii^len 
zu  dürfen,  theils  weil  ihre  chemische  Zusammensetzung  in  mancher 
Binsicht  von  der  des  Blutes  abweicht,  besonders  aber  deshi^b,  weil 


r. 


TMtBdIaiif«!!  dei  MCurliislOTlieh-uedisinifelieB  Vereinei.  M9 

rie  W  Bonnalen  Verhältnissen  aal  ein  so  sehr  geringes  Qaantnm 
iNnbrinkfc  bleiben,  nngeeehtet  die  Absondernngsfllche  einen  Rnom 
S8  nfflgrinsen  pflegt,  der  des  Handertfache  und  mehr  aafsonehmea 
Tsmiag,  sonach  Ton  einem  dem  Blutdrücke  entgegenwirkenden  Ge« 
seedrecke,  dem  diese  Besehrinkong  der  Absonderang  sososchreiben 
«Ire,  nicht  die  Rede  sein  kann.  Bei  den  eigentlichen  Drfisense- 
kretan  ist  es,  dem  Rednw  sn  Folge,  endlich  noch  nnwahrscheinli- 
eher,  daas  die  Sekretbildong  auf  dem  Wege  der  Transsadatiott  la 
Stande  komme,  weil: 

1.  ihre  chemische  Zosammensetaung  am  wenigsten  mit  der  des 
Bhites  flbereinstimmt; 

2.  es  auch  dann,  wenn  man  die  Prftfonnation  der  Sekretbe* 
stoadtheile  im  Blot  ab  aosgemacht  angeben  würde,  noch  unerklärt 
Uellit,  dasa  jede  Drüse  stets  nor  das  grade  ihr  eigenthflmHche  8e^ 
kret  bereite ; 

3.  bei  vielen  Drüsen  nachweislich  das  Sekret  durch  Umwand- 
big  ond  sdiliessliche  Auflösung  bestimmter  morphologischer  Drüsen«« 
demente  so  Stande  kommt; 

4.  die  Absonderung  gewisser  Drüsen  noch  enter  Umständen 
eh^eleitet  werden  kann,  wo  die  Annahme  einer  Transsndatlon  des 
Blates  nicht  mehr  anlässig  erscheint;  und  endlich: 

4.  Abänderungen  der  Beschaffenheit  des  Blutes  kefaie  Abände« 
»Igen  der  Bescbaflbnfaeit  gewisser  Absondemngsflüssigkeiten  unnüt« 
teUmr  snr  Folge  haben. 

Da  Herr  Professor  Nuhn  durch  seine  Betrachtungen  sn  dem 
Schlosse  gelangt,  dass  von  allen  Absonderungsflüssigkeiten  nur  die 
Pirenchymsäfle  auf  dem  Wege  der  einfachen  Transsudation  gebildet 
werden,  so  wendet  er  sich  hierauf  zur  Prüfung  der  weiteren  Frage: 
ob  die  Bildung  der  Sekrete  etwa  in  die  Klasse  der 
Diffnsionserscheinungen  gehöre,  also  dadurch  zu  Stande 
komme,  dass  durch  Anziehung  zwischen  gewissen  Stoffen  des  Blutes 
mid  anderen  ausserhalb  der  Blutgefässe  dem  Blute  die  zur  Bildung 
te  Sekrete  erforderlichen  Bestandtheile  entzogen  und  auf  endosmo- 
tüchem  Wege  zur  Absonderungsfläche  geführt  werden.  Die  An- 
nahme dieser  Bildungsweise  für  eine  Anzahl  Ton  Absonderungen 
tSi  zulässig  erklärend,  glaubt  der  Bedner  die  Kraft,  welche  an- 
ndiend  auf  gewisse  Blutbestandtheile  einwirkt,  besonders  in  die. 
kenhaltigen  Zellen,  mit  denen  die  Absonderungsmembran  bedeckt 
ist,  rerlegen  und  der  differenten  Natur  dieser  Zellen  es  zuschreiben 
xa  müssen,  dass  die  verschiedenen  Absonderungsoigane  so  verschie* 
tee  TheUe  des  Blutes  zum  Behnfe  der  Bildung  ihres  Sekretes  an« 
liehen.  Bezüglich  der  Frage,  ob  die  wesentlichen  Bestandtheile 
«■MT  Absondemngsflüssigkeit  schon  fertig  aus  dem  Blute  angezogen, 
oder  ob  dieselben  in  dem  Absonderungsorgan  aus  den  vom  Blute 
gelieferten  Stoffen  erst  gebildet  werden,  gibt  Nuhn  das  Erstere  für 
^e  Abaonderong  des  Harnes  und  der  serösen  Flüssigkeiten,  das 
l4tsl«0  dagegfm  für  die  Sekretion  des  Speichels,  der  Tbränenfeach-i 


M6  Bontrirds    Adrif  et  4eTU  ete« 

iigkeü  und  des  Sehwelflses  xoi  and  bei  der  weiter  afch  eifebesdeB 
Frag«,  ob  dieie  Unwandlong  der  BlotbeetaBdüieHe  in  die  eigea- 
thChriloiieii  SekretetofliB  daroh  die  Drüflenselleo  oder  doreh  ander- 
weitife  EiiifläflBe,  wie  doreh  Einwirkung  der  Herren  |  Tenoilasit 
werde,  httlt  Herr  Pref.  Nohn  die  Amiahine  dea  «rrteren  Falles, 
nngeaehtet  der  aweite  bereite  durch  Verauche  ron  Ludwig  fOr  die 
Speichelaekretlon  erwiesen  ist,  doch  audi  für  gereehcfertigi;  ja  kilt 
ea  selbst  fOr  wahrscheinlich,  dass  beide  snm  TbeU  nelMiieinaader 
bestehen.  Zo  den  Absonderangen ,  welche  durch  Nerrenerregong 
herrorgemfen  werden,  acheinen  dem  Redner  niCchat  der  dea  Spei- 
chels auch  noch  die  der  ThrSnenfeuchtigkeit  und  yielleicht  auch  des 
Bchwdsses  geredwet  werden  au  müssen;  Abaoadernngen ,  die  das 
mit  einander  gemein  haben,  dass  sie  zeitweise  sehr  gestdgert  aa^ 
treten,ohne  jedoch  zu  den  andern  Zeiten  gftnalich  an&uhören.  Schliess- 
)ich  hebt  Nuhn  noch  hervor,  dass  sowohl  die  Sekrete,  welche  auf 
dem  Wege  der  Transsudation,  als  auch  diejenigen,  welche  aul  dem 
der  Diffossion,  sei  es  ohne  oder  mit  Hülfe  elektrischer  Nerrener* 
regung  gebildet  werden,  darin  übereinstimmea,  daaa  sie  eine  dflaa- 
flüssige,  wSssrige,  meistens  ganz  klare  BeachaffeiAeit  haben,  wJBireod 
alle  übrigen  Sekrete,  welche  in  diese  beiden  Kaleg«rien  nicht  unter* 
zubringen  sind,  sich  durch  eine  gewisse  Dickflüaaigkeit,  oottceatrir« 
tere  Beschaffenheit,  trübes  oder  sonst  ferschiedenfarbiges  Aussehea 
und  meistens  auch  durch  Qehalt  an  besonderen  Formdementen  sieh 
auszeichnen. 

Bezüglich  der  Frage,  ob  diese  Flüssigkdten  etwa  dardi  Um- 
wandlung und  schliessliche  Auflösung  besonderer  morfrfiologisdker 
Drüsenelemente,  der  Drüsenzellen,  gebildet  werden,  sowie  über  die 
Absonderung  in  der  Leber,  wird  Herr  Prof.  Nuhn  in  der  nidistea 
Sitzung  wdtere  Mittheilungen  machen.  — 


Adüis  et  devis  de  la  eouree  de  Tidolatrie  et  tyremtne  papaHe,  per 
queüe  practiqtie  et  finesse  les  papes  sont  en  si  haxtt  degre  numtea^^ 
suivis  des  difformes  Reformaieursy  de  Vadvis  et  devia  de  fnen» 
eonge  et  des  fatdz  miraclea  du  temps  present,  Par  Franeois 
Bonivard,  ancien  prieur  de  6t.  Victor,  XIV.  189.  Qenhs, 
1856,  Chez  Jtdes  Ouülaume  Fiek,  Imprimeur  ä  la  tue  da 
helles-ßle$.     gr.  8. 

Zu  den  feurigsten,  geistrollsten  und  geldirteaten  Vorboten  und 
VorkMupfern  der  Reformation,  hier  und  da  wohl  auch  Diffonnatie% 
gehören  awd  Eddleote,  bei  den  Tentsehen  der  Fränkische  RÜtsr 
Ulrich  Ton  Hütten,  bei  den  Wttlschen  der  Savoyer-Gkmfer  Ftm$ 
Ton  Bonivard.  Trotz  mancher  Abweichongen  las  CSharakter  ual 
Ldben^ang  atimmen  sie  dahin  überein,  dass  die  erkannten  oder  üd 
gefühlten  Oebrechen  des  kirchlichen  und  wdtlichen  Gemeinwesens 
Ton  ihnen  mit  Wort,  Feder  und  Schwert  beatritten,  Gefdiren  vtA 


B«iiIt»H:    AdTk  et  ^if  ete.  MT 

BidiC  towohl  beachtet  denn  reraehtei,  FenSnUdikeiteft 
üri  Ztutibide  ediennngilog,  wem  es  eein  s<dl|  olne  beio'Bdere  Ans» 
vdd  der  Bdinld  und  Unechnld  angetastet  and  nadi  Kiftften  lertre* 
tn,  Freunde  und  Feinde  nidit  edten  fcharf  getadelt  nnd  beleidigt, 
Oartiaiipt  Ae  jeweiligen  UrtfieHe  und  Partelen  ao  wenig  berfidnlA» 
figt  werden,  daaa  die  Ffihrer  und  SchlldtrKger  laletst  yereinamnt 
HAen,  theila  faHen,  theila  In  dem  Haufen  ihrer  trimaphirenden  Oe- 
MNnan  belndie  iporlee  renehwlnden.  Das  erste  Looa  trük  den 
gitaem  Teataehen,  welcher  gelchtet  anf  der  Ztiridierischen  See* 
iRsel  üffsnan  ttlrfot,  das  iwelte,  glücklichere  den  AltF-Prtor  ron  St 
Victor,  dessen  Sache  in  der  iweiten  Vaterstadt  für  immer  nicht  nor 
Boden,  sondern  auch,  k9nnte  man  sagen,  wdthlstorischen  Mittel«- 
oder  Gentralponkt  gewinnt  Beide  Minner  gleichen  einander  fibri« 
goBs  in  Betreff  der  abenteuerlichen  Unrohe  und  siedenden  Heissblü- 
%l»it,  der  lautem  Wissbegier  und  emporstrebenden  Wahrheitsliebei 
der  gründMdien,  mannichfaltigen  Kenntnisse,  insonderheit  philologiscli- 
teteriseher  Art,  der  lebhaften,  schwungrollen  EinbUdnngskraft  nnd 
pseischen  Begabung,  auf  der  andern  Seite  des  scharfen  UrthellsTe^- 
iriigens,  prosalsdien  Erkennens  und  Darsteüens.  Audi  darin  seigen 
irie,  Anderes  an  Aergehen,  Wahlrerwandtschafl,  dass  sie  Frdhett 
iQid  Leben  für  ihre  Ueberseugnng,  wenn  auch  nicbt  ohne  Mingd 
nad  FehlgrHfb,  etosetsten,  bei  den  Zeitgenossen  zwar  thellweise 
Brinn  und  Anerkennung,  im  Gänsen  jedoch  Oleichgültigkeit  und 
Undank  emdteten,  bei  den  Nsdikömmlingen  endlich  für  riele  Men* 
tckoialter  in  Vergessenheit  geriethen  und  dem  altmodischen  Gerithe 
g&hen,  welches  der  fein  aufgestutzte,  comfortable  Erbe  und  Haus* 
herr  der  Rumpelkammer  zuweist  und  erst  spit  nach  seinem  toU- 
wiehtigen  Werth  abschfttzt  Jahrhunderte  lang  strichen  die  Winde  ' 
fiber  Hutten's  Grab  hinweg,  beror  es  dem  abgeschiedenen  M  ü  n  c  h 
g[dsng,  eine  nolhdfirfUg  ausgestattete  Sammlung  der  kleinem  und 
gT5asera  Schriften  dem  gebildeten  Publikum  abzupressen.  Ja, 
tfdit  einmal  ein  Denkstein,  viel  weniger  stattliches  Denkmal  he* 
leiehnete,  wenigstens  noch  1827,  die  Todesstfttte  des  edlen,  Unglück* 
BAen  Bitters;  der  Cultur-Germane  beschäftigte  sich  lieber  mit  den 
CsUBchen  Alterthümem  und  (ühinesisehen  Gonfutiusdenkmalen  als 
mit  den  rerfalltnissmässig  nahe  gelegenen  Früchten  des  dgenen  Flei- 
adies  und  Blutes.  — 

AefanUch  erging  es  eigentlich  dem  SaToyer-Genferlschen  Mit- 
kinpfer.  Man  sprach  und  schrieb  so  lange  nichts  von  ihm,  bis 
Lord  Byron,  bei  allen  Blassen  ein  fleht  Brittlscher  Herr  alten 
MirolB  nnd  Korns,  den  Gefangenen  ron  ChlHon  aus  dem  Grabe 
«wedrte  nnd  für  die  Lesewelt  mundgerecht  machte.  Diese  lobnte 
dsrdi  rauschenden  Beifdl;  der  Dichter,  bald  der  gefeierte  Sdiüpfer 
isB  Child  Harald,  wurde  mit  dem  Helden  berühmt  Letzterer,  wie 
gew5hnlidi  rom  magischen  Zauber  -  und  Zwielicht  der  Poesie  und 
Sige  verkllrt,  trat  erst  nach  Jahren  ab  historische  Persönlichkeit 
tidie  gebOureüden  Rechte  ein.  Ghaponi%re  prüfte  in  den  Denk« 


Md  Bonlrard:    AdTiJ  et  derb  eic. 

Schriften  der  historischen  Gesellschaft  die  schwänkendeD,  Terscholle- 
jien  Lel^ensnachrichten ,  Dünant  veröffentlichte  die  Genfer  Chro* 
nlkf  Valliemin  gab  in  seinem  Chillon  einen  eben  so  grOndlichen 
als  geistvollen  Ueberblick  biographisch-literarischer  Art,  welchen  oft 
AusjBÜge  nnd  Probestellen  lehrreich  begleiteten.  (S.  Heidelberger 
Jahrbücher  1851.  Nr.  56.) 

Franz   von   Bonivard,   geboren   sn  Seyssel  in    Savoyen 
(1493),  für  philosophisch- jnridische  Stadien  anfangs  in  Turin,  dar- 
auf zu  Freiburg  im  Breisgau  unter  dem  berühmten  Zasius  vorbe- 
reitet (1513),  wandte  frühzeitig  dem  engem  Vaterlande  nnd  Staate 
den  Rücken ;  er  siedelte  sich  in  Genf,  fortan  seiner  bleibenden  Hei* 
math  an,  bekam  durch  den  Einfluss  des  Oheims  die  wohl  ausge- 
Btattete  Stelle  eines  Priors  von  St  Victor,   verlor  aber  durch  List 
und  Gewalt  das  einträgliche  Amt,  warf  sich  bei  steigender  Gähroog 
der  neuen  Vaterstadt  mit  allem  Feuer  in  die  Arme  der  Unabhängig- 
keits-  und  Reformationspartei,  verlor,  darob  vom  Hofe  des  Herzogs 
Karl  IIL  mit  tödtlichem  Hass  belegt,  durch  wortbrüchigen  Ueber* 
fall  auf  einer  leichtfertig  in  die  Waadt  unternommenen  Reise  die 
Freiheit,  wanderte  für  neun  volle  Jahre  in  das  berüchtigte  Staati- 
gefSngniss  von  Chillon,  stählte  durch  Einsamkeit  und  Nachdenken 
seinen  Glauben  an  dieJhöchsten  Güter  des  Menschengeschlechts,  bür- 
gerliche und  religiöse  Freiheit,  wandte,  durch  den  Heerzug  der  Ber- 
Der  dem  Licht  und  gesellschaftlichen  Verkehr  zurückgegeben  (1536), 
den  Abend  seines  Lebens  den  Wissenschaften  und  kirchiich-sittlicheD 
Mahnungen  zu,  dergestalt  ein  Mann  des  Worts,  der  Schrift  und 
That.  —  „Ein  Gemisch,  urtheilt  VuUiemin,  von  Gläubigkeit  und 
Zweifelsucht,  von  Hingebung  und  Gleichgültigkeit,  von  Hass  und 
Schadenfreude  auf  der  einen,   Gutherzigkeit  und  Frohsinn  auf  der 
andern  Seite,  schien  Bonivard  alle  Gegensätze  in  sich  zu  vereinigen. 
Inmitten  der  Menschen  meistens  einsam,   belebte  und  bevölkerte  er 
heimgekehrt  an  seinen  Herd  alles,  was  ihn  umgab.     Da  fand  er 
seine  Bibel,  seinen  Horaz  und  die  Alten,  da  den  Stoff,  welchen  er 
für  die  Genfer  Geschichte  angesammelt  hatte.    Da  begegneten  sich 
die  Erinnerungen  eines  treuen  Gedächtnisses,   die  Harmonieen  und 
Farben  einer  fruchtbaren  Einbildungskraft     Das  war  die  ihm  ange- 
hörige  Welt,  die  Welt  alter  und  neuer  Abenteuer,  oft  geistreicher 
Träume,  oft  auch  edler  und  reiner  Tröstungen. 

Bonivard  hatte  viel  gelesen.  Es  waren  ihm  nicht  allein  die 
Alten  vertraut,  sondern  er  verstand  auch  das  Teutsche  und  Italie- 
niscbe.  Sein  Genius  hatte  den  verschieden  sprechenden  Genius  der 
Völker  begriffen.  Sein  Scharfsinn  gefiel  sich  darin,  in  den  alten 
Sprachen  die  Anfänge  unserer  neuem  zu  entdecken,  und  bei  solchen 
Forschungen  zeigt  er  tiefere  Gelehrsamkeit  als  irgend  ein  Zeitge» 
nosse.  Bei  allen  Gegenständen  stieg  er  gerne  mit  Lust  sa  den 
Ursachen  der  Dinge  empor  und  that  es  mit  seltener  Einsicht.  Bald 
wirft  er  die  Frage  über  wahre  und  falsche  Wunder  auf,  bald  j^üü 
er  die  Quellen  der  Papstgewalt    An  einem  Tage  beschäftigt  ihn 


BoBirtrd:    Adrli  et  devii  etc.  209 

d«  bbdhafte  üriprang  des  Hauses  Sayoyen,  an  einem  andern  trägt 
era'di,  wie  sieh  Adel  und  UnterthKnigkeit,  die  ständische  Drefheit 
der  Houardiie,  Aristokratie  und  Demokratie  gebildet  haben ;  dabei 
«Uigt  sich  sein  gesundes  Urtbeil  durch  witzige  Einfülle,  Spisse 
«od  Harlekinspossen  giflcklich  hindurch.  A  echte  Dichtematnr  ist 
BoDirard  am  glücklichsten,  wenn  er  singt  oder  erzShlt  Dann  IXsst 
er  sich  gehen  (il  s'epanche) ;  er  übersprudelt  ron  eigenthfimlichen 
VcnduDgen,  kraftvollen  Ausdrücken  nnd  Zflgen,  welche  das  Feuer 
(rerre)  seines  Worts  gleichsam  rerjOngt.  Mit  Mühe  hält  er  inne, 
veno  Ton  ihm  die  Rede  ist,  oder  mehr  noch  von  Genf.  Alles  übrige, 
I.  B.  Ehikommen  und  Gut,  kümmert  ihn  nicht;  Gott  und  Genf  wer- 
den aushelfen.''  (Chillon  p.  133.) 

Gerade  wegen  dieser  Durchdringung  des  poetisch-historischen 
oiid  tittfich-spekulatiyen  Elements  eignete  sich  der  Prior  von  8t. 
Victor  bei  seinem  ritterlich -abenteuerliehen,  unruhigen  Wesen  su 
einem  Organ  und  Agitator  des  tief  erschütterten,  bald  vernichten*» 
den,  bald  sehdpferischen  Zeitalters.  Er  erscheint  als  der  bestfindige  * 
Mnger  und  Mahner;  durch  keine  Partei  befriedigt,  mit  dem  Alten 
nid  Neuen  gespannt,  dennoch  dem  entschiedenen  Fortschritt  in  dem 
Staat  nnd  der  Kirche  geneigt,  hXlt  er  wie  ein  strenger  Sittenrichter 
QBd  kartnickiger  Munkopf  jeder  Seite  den  Spiegel  vor  und  IXsst 
Mek  in  Aeser  rigoristischen  GensorroUe  weder  durch  Glimpf  noch 
Dnglimpf  stören ;  an  seinem  beweglichen  und  dennoch  wieder  starren 
Ghtfakter  prallen  alle  Pfeile  des  Lobes  und  Tadels,  des  Glücks  und 
IfisigeschickB  ab;  er  bleibt  ein  liberaler,  sittenreiner  Mönchsrft« 
ter,  auch  nachdem  sich  lange  hinter  ihm  die  Klosterpforten  ge« 
iperrt  haben,  ungefihr  wie  Hütten  niemals  den  Edelmann  und 
Lnther  den  Zellenbruder  ganz  verläugnet  haben.  Eine  moderne, 
SMchsam  abgerundete  nnd  geglSttete  Methode  der  Denk*  und  Le« 
bensdoktrin  fdilt  diesen  und  andern  vorleuchtenden  Persönlichkeiten 
fa  ebenso  reformatorischen  als  revolutionären  Jahrhunderts,  in  wel* 
diem  das  tansendjfihrige  Mittelalter  stellenweise  begraben  und 
ebenso  eine  neue  Zeit  mit  noch  unbegränzter  Femsicht  angebahnt 
«sd  efaigeleitet  wird.  Die  Nachwehen  dauern  mindestens  zwei  volle 
Jahfannderte  lang,  ja,  eine  Art  Regenerationsprocess  greift  in  bei- 
ta  Biditnngen  auf  die  laufende  Gegenwart  hhiüber« 

Für  Bonivard's  angedeutete  Charakteristik  legt  auch  dia  vor« 
Hegende,  bisher  ungedruekte  Schrift  ein  glKnzendes  Zeugniss  ab.  Sie 
bewshriieitet  den  Verfasser  nach  seinen  Tugenden  und  SchwScheni 
seigt  ihn  aber  vor  allem,  man  möchte  sagen,  als  philosophischen 
Seiehichtabetrachter  und  Kritiker  der  s.  g.  „brennenden  Zeitfragen.^ 
*-  Eine  rahige,  gleichsam  objektive  Darstellung  derselben  will  und 
bnn  er  nicht  geben;  dafür  fehlt  es  ihm  am  leidenden  Gehorsam 
fa  sammebuden  Sitzfleisehes  und  kaltblütig  richtenden  Urtheils,  sei- 
aer  idealen  Natur  entsprechen  die  WirUichkeiten  des  konkreten  Le« 
beni  aidit;  sie  bSumt  sich  und  wirft  den  gemüthlichen  Frohsinn  ab;* 
^  Berg«lt  und  verdammt,  eben  weil  ihr  fast  ttberaU  mehr  Verzerr 


370  Baalmrd:    Ad?ii  et  derli  etc. 

rangen  denn  Urbilder  des  Wahren  nnd  Fraton  entgegemaMen 
•cheinen.  — 

Die  Heraoflgeber,  Gnitav  BeTÜliodi  welchem  man  xatr 
Ungit  die  CbronilL  Fromments  (Jahrbficber  1855.  Nr.  21)  rer- 
dankte,  und  Dr.  J.  Chaponi^re  haben  sich  dadurch  Ton  oeoem 
den  Dank  geschichtskundiger  Leser  erworben,  dass  sie  gerade  aof 
die  AuswaU  der  klein ern,  vermischten  Sdiriften  des  origineileQ 
Alt-Priors  den  Ton  legten  nnd  mit  der  gewissenhaftasten  Treae  den 
bisher  ersten  Abdruck  besorgten.  Derselbe  spiegele  auch  an  dem 
Aeassem,  d.  h.  dem  Papier,  den  Lettern  und  YerziemngeB,  die  Mitte 
des  sechszehnten  Jahrhunderts  ab  und  macht  in  typograpUsoher  HhH> 
Sicht  der  Presse  des  Herrn  Fick  in  Genf  alle  Ehre.  Man  musi 
in  dieser  ftussem  Nachbildung  der  Vergangenheit  um  so  mehr  einen 
Fortschritt  erblicken,  je  gewissenloser  der  Hodegeschmack  nicht  sei* 
ten  DMteriell  wie  formell  um  der  Bequemlichkeit  willen  das  Frähera 
SU  modemisiren  trachtet  Der  berechtigte  Qegensohlag  ist  dean 
auch  für  den  Habitus  und  die  Kleidung  gewissermassen  das  An* 
tiquarisiren,  welches  freilich  gr^issere  Auslagen  an  Fl^ss  und 
Genauigkeit  fordert  und  eben  desshalb  die  gewöhnlichen  Presshem 
lur  Nachfolge  nicht  besonders  einladen  icann. 

Hatte  übrigens  Bonivard  in  den  bisher  reröffentlicbten  Ge- 
schichten (Chronik)  nnd  dem  Aufsats  über  die  alte  und  neue  Staats- 
verwaltung hauptsächlich  dem  Antrieb  und  Stoss  der  Genferiscben 
Obrigkeit  gefolgt,  so  litost  er  sich  in  den  vorliegenden,  kMnen 
Schriften  mehr  von  seinen  persönlichen  Neigungen  leiten.  Xn  einen 
schon  vorgerückten  Alter  abgefasst,  „wider  Feind  und  Freund  mit 
Stoss  und  Hieb  gerichtet^,  hatten  sie,  lautet  die  wahrscheinlidM 
Muthmassung,  wohl  auch  den  Zweck,  ohne  weiteres  vor  die  Leie- 
welt  au  treten,  blieben  aber  in  Folge  von  unbekannten  ZufUligk^ 
ten  und  Zwischenfällen  dennoch  ungedruckt  Den  oft  derben,  bis« 
weilen  schmutaigen  Ausdruck  fuhren  die  gelehrten  Hwausgeber  auf 
den  damals  herrschenden  Ton  des  Gallischen  Spotts  und  UebermasM 
(la  fougue  et  la  raillerie  gauloise)  anrück,  wie  sicli  das  nach  des 
acUechten  und  guten  Eigenschaften  bei  einem  Babelais,  üarot,  Bran- 
tdme,  Henri  Estienne,  Montaigne  etc.  heransstelle.  Es  war  aber 
überhaupt  diese  Mischung  des  Fehlen  und  Ungeschlachten,  des  Gelsisi 
nnd  Fleüiches,  mehr  oder  weniger  auch  bei  den  voraügUehaten  Sdutf- 
ten  der  Teutschen  herkömmlich  nnd  landlftuftg  gewordtfi,  wie  a.  B 
Hütten  nnd  selbst  Luther  bewiesen.  Daran  sollte  man  sieb  als« 
jetat  um  so  weniger  stossen,  je  bereitwilliger  die  verdockte  Ob* 
acönitSt  betrieben  und  angehört  wird.  — 

Der  erste,  umfangreichste  AnCwta  advis  et  devis  etc.  d.  b.  etwa 
Wege  und  Abwege  in  Betreff  der  Quelle  des  Götsenthums  und 
Papstr^gimeats,  seigt  eine  nicht  gewöhnliche  Belesenheit  des  Ver» 
iMMem;  er  citfart  den  Manetho,  Berosns,  Moschus,  Estius  ans  Syrien?» 
Josephas,  Hesiodus,  Titas  Livius,  den  Koran  und  Talmud,  die  Bibsl 
nnd  Eircben?Ktor,  um  die  Entstehung  des  giöboro  nnd  feineni  Psn* 


B.  ▼.  GöftMBfhinMi  MchaaweiMD.  In  dia  jiwaiUg«  An- 
und  Denkweise  der  Zeiten  and  Völker  verrnng  er  sich 
jedoch  nickt  htneinsa^eiietsen ;  an  ihm  erscheint  keine  Spni  der 
■jtkoiogiieh-qrBiboliacben  Aoffieenng.  Ebenso  nngennu  ist  er  im 
Geknneh  der  angemrenen  Bdiriftitelleri  wie  s.  B.  dem  Llvine  nnf- 
gebiiidel  wird,  nach  ihm  habe  Bomolna  einmal  dgenhSndig  6000 
Fiiade  gelMlat  — 

OieMlbe  unkritische  Gelehrsamkeit  tritt  noch  schSrfer  bei  den 
Betaehtnacen  Aber  die  mittelalterliche  Hierarchie  dar  PXpste  her« 
ver;  Ce  darauf  beaüglichen  Verordnangen  werden  ohne  allen  nxsSch« 
liehen  Zaeammenhang  meistens  aas  dem  liber  decret  heraosgerissen 
■ad  mit  etlichen  Spottnoten  begleitet;  ron  einem  auch  nur  dOrfti« 
gm  Vesauche,  die  Sache  organisdi  oder  geschichtlich  darsostellen, 
wi  nirgeada  die  Bede.  Dagegen  belebl  sich  dieses  dilrroi  dogmatisch^ 
thesntisebe  Geripp  und  nknmt  Fleisch  an,  sobald  der  Verüassery  seine 
BStm  durch  Betopiele  an  erUntem,  der  eigenen  Zeit  näher  tritt 
lad  die  Oeschichte  der  angehörigea  Pftpsie  beleuchtet,  ron  Aiexaik- 
dv  TL  an  bis  auf  Pins  lY.  (1491— 1565).  An  chien  unparteü« 
ichtt,  etwa  auch  dia  politisch-nationale  Stellung  der  Kirchen^ 
hiaptiiuge  berfteksichUgenden  Standpunkt  darf  man  jedoch  nicht 
denken;  die  chronique  scandaleuset  an  welcher  freilich  Stoff  genug 
mhanden  war,  gibt  lediglich  Ton  und  Sichtung  au;  die  ScUeoseu 
d«  Aargomisses  und  Witses  sfaid  aufgethan)  fippig  sprudeln  Ihre 
(Iwrlmer  und  fSrdem  manchen,  bisher  unbekannten  Zog  pikanter 
Art  lu  Tage.  Es  ist  wie  wenn  man  ein  modernes  Feuilletmi  grosser 
HsupistSdta  Mest  oder  in  den  Mjaterlen  von  Paris  k  la  Sae  blättert 
nd  aidi  hier  und  da  die  Nase  Tor  den  aulsteigenden  Ausdünstnn- 
pat  der  Mephitts  snlwlten  muss.  Allein  was  ist  da  au  tbnn?  die 
SsAen  waren  einmal  bisweilen  nicht  anders ,  und  es  gab  und  gibt 
kflnstlaiiacha  Käue  genugi  welche  an  den  Stoffen  eines  grobkömi* 
gea  Tenier  grössere  Lust  fanden  und  finden  als  an  den  Gegenständ 
den  sfaMS  reifclärenden  Baphael.  — 

Bisweilen  tauchen  aber  auch  aus  dem  Hoor-  und  Stei^engrund 
dv  Yetbreidken,  Laster  und  Liederlichkeitett  einidne  Oasen  auf, 
weichen  das  Auge  sich  gerne  anwendet  Dahin  gehfirt  a.  B.  die 
idylienmissig  enOUilte  und  aus  dem  Leben  gegriffene  Begegnung 
Leo'a  X.  «id  der  Bdmiachen  Krüppel  Letatere  stellten  sichi  mel* 
dst  der  Yerlmser,  bei  einem  Spasiergaag  des  helL  Yateis  wie  ge» 
wahslich  In  Beih  und  Glied  anf ,  und  empfingen  Mann  ittr  Haan 
als  Almosen  einen  Bigokko;  nur  eb  Blinder  erhielt,  weU  der  Papst 
saiber  ans  einem  Auge  gar  nicht,  aus  dem  andern  nur  schlecht  sah> 
kl  Foigu  natflrlicher  HltUdenschaft  einen  Dukaten.  Darob  wurden 
die  Gefljhrten  neidisch  und  rerdrossen;  sie  warfen  sich  bei  der  Biick- 
kshr  des  beiiigen  Yaters  auf  die  Knie,  baten  um  ein  reidheres  Qe» 
irhsnk  und  erklärten,  nach  ihrem  Wunsch  m5ge  ekist  ein  gleiche 
gearteter,  d.  h.  krfippelhafter  Nachfolger  auf  den  Stuhl  des  Apost^ 
Unten  kommen»  j,Kratat  euch  die  Augen  aas,  antwortete  Leo,  und 
werdet  blind  wio  ich;  dann  sollt  Ar  oineo  Dukaten  bekommenl^ 


af72  BoDirärd!    Advii  et  devit  etc. 

(S.  68  wo  das  (xesprSch  wie  an  Ort  und  Stelle  Itallenboh  abge*- 
halten  wird^  — 

Dea  berächtigten  Ablasshaodel  und  ersten  Auftritt  Luther' s 
erzählt  der  Verfasser,  theils  auf  Zeugen,  theils  damals  omlaufende 
Broschüren  gestützt,  vielfach  abweichend  von  der  herk5mmlicben 
Ueberlieferung.  Nach  seinem  Bericht  war  man  anfangs  in  Tentsch- 
land  und  namentlich  Sachsen  der  üblichen  Abgabe  gar  nicht  so  sehr 
feindselig,  und  hatte  überhaupt  alle  Ehrfurcht  vor  dem  heU.  Stuhl; 
Fürsten  und  Völker  huldigten  ihm  hier  wie  anderswo;  die  geschei- 
terten Gondle  und  Aehnliches  hatten  seit  Jahren  eine  ziemliche  Ab- 
spannung herbeigeführt;  einzelne  oppositionelle  Stimmen  verhallten 
spurlos.  —  ^AUe  Vorgänger  Leo's'  heisst  es  S.  80,  hatten  die  Teut- 
schen  immerdar  für  Vieh  gehalten;  Julius  VI.  benamsete  sie 
Cffentlich  pecora  campi,  und  mit  Becht.  Denn  sie  Hessen  sich  schla- 
fen und  reiten  wie  rechte  Grauschimmel  (comme  beaux  asnes), 
droheten  ihnen  entweder  mit  den  Stockschlägen  des  Kirchenbanns 
oder  lockten  sie  heran,  um  ihnen  die  Disteln  des  Sündenerlasses  zu 
verabreichen ;  sie  Hessen  die  Leute  zur  Mühle  traben  und  Mehl  holen, 
so  viel  man  gerade  wollte.  Der  Papst  Leo  jedoch  drückte  und  be- 
lud  das  geduldige  Thier  zu  stark;  da  bäumte  es  sich  und  warf  die 
izu  schwere  Last  ab.  Dieser  Granschimmel  hiess  Martin  wie  man 
alle  Grauschimmel  heisst,  und  nach  seinem  Zunamen  Luther, 
welches  so  viel  bedeutet  als  hell  (dair).  Wie  das  hauptsächlich 
in  Folge  des  Missbrauchs  der  Indulgenzen  geschah ,  hat  weitläufig 
81  ei d an  erzählt.  Jedoch  hat  er  eine  Thatsache,  vielleicht  aas 
Schamgefühl  übergangen,  welche  mir  in  einem  Teutsch  geschriebenen, 
gedruckten  Büchlein  anfstiess.  —  AUe  Welt,  heisst  es  darin,  be- 
zeugte den  Ablassspendern  die  möglichste  Achtung  und  Ehre;  man 
wetteiferte  einander  durch  Zweck-  und  Festessen  zu  überbieten. 
Vorzüglich  aber  begegnete  das  zu  Wittenberg,  der  Hauptstadt  des 
Ghurffirsten  von  Sachsen.  Da  hielt  man  Gastgebote  und  Ind  die 
schönsten  Frauen  dazu  ein.  Solches  gefiel  den  Herrn  ausnehmend 
wohl;  denn  in  Italien  hatten  sie  sich  an  derartige  Vertraulichkeit 
(privautez)  nicht  gewöhnt  Nun  wiest  ihr,  wie  es  bei  doi  Tent* 
sehen,  insonderheit  den  Sachsen  Sitte  ist,  bunte  Beihen  von  Män- 
nern und  Frauen  zu  bilden.  Demnaeh  hatte  auch  der  Prindpal  des 
Indnlgenzansschusses  die  schönste  Dame  zur  Seite,  konnte  sich  aber 
aas  Mangel  der  Sprachkenntniss  mit  ihr  nicht  unterhalten  und  wurde 
xuletzt  auf  heimliche  Art  handgreiflich.  Die  Frau  gab  durch  Zeieben 
und  Gebärden  ihre  Entrüstung  zu  verstehen  und  gestand  zu  Hanse 
dem  Manne,  welcher  von  den  Gästen  alldn  den  Auftritt  geseh«i 
hatte,  nach  langem  Sträuben  die  Zudringlichkeit  des  ItaUeness.  Als 
nun  neben  andern  Leuten  der  Luther  von  dem  Skandal  hörte  >  so 
fing  er  an  in  das  Hom  zu  stossen.  Bald  schrie  jedermann:  „der 
Wolf,  der  Wolf I^  und  aus  einem  Funken  entstand  die  Feuerbrumty 
welebe  in  der  ganaen  Welt  umläuft  und  Hussens  vor  hundert  Jahren 
geschehene  Propheae&ung  erfüllt  u.  s.  w.^  (S.  80—82.) 

(Schlm  folgt.) 


b.  II,  HEIDBLBEReEB  I8IT. 

JiHRBOCHBR  DBB  IITBRATDII 

Bonivard:    Advis  et  devis  etc. 


(ScUnsi.) 

In  die  jeweilige,  durch  aasdrackeroUe  Eapferportritt  iUostrirte 
Ptpgtgeichichte  bat  der  Verfasser  oft  weitlKufige,  cum  Theil  ge* 
halt-  nod  lehrreiche  Episoden  politisch -historischen  Inhalts  einge- 
flochtsn.  Mit  KritilL  benntet,  bieten  sie  mehrmals  branchbaren  Stoff 
und  fallen  sogar  hier  und  da  eine  Lücke  aus.  ^- 

Der  cweite  AnüBatz:  «advis  et  deyis  des  difformes  re* 
formateurz^  d.  h.  Wege  und  Abwege  der  missgestalteten  Refor- 
aatören  —  liefert  das  Gegenstück  sn  den  PSpsten  und  weiset  i& 
oft  Boeh  stärkerer  Sprache  die  Auswüchse  und  Gebrechen  der  Be- 
formirenden  nach.  Man  könne,  nrtheilt  das  Vorwort,  leichter  das 
SeUeehte  zerstören  als  das  Gute  aufbauen;  schwer  sei  es,  die  ge- 
nebte  Mitte  su  finden ;  denn  die  Welt  sei  wie  der  Rücken  einet 
Esels;  wolle  man  da  die  überwiegende  Last  zurechtlegen,  so  falle 
^  leicht  Ton  der  einen  Seite  auf  die  andere.  Man  dürfe  mit  Ci- 
cero sagen :  ^quem  fugiam  scio,  ad  quem  fugiam  nescio'^  oder  Frau- 
loiiidi:  „Bien  scay  qul  doibz  fnir  eslire 

Mais  yers  qui,  ie  ne  scaurole  dlre^  (S.  184).  — ^ 

Id  diesem  Wort  des  Alt-Priors  liegt,  gUube  ich,  der  eigentilch« 
MdOasel  seines  thatsächlichen  und  sdiriftstellerischen  Benehmens; 
Matt  irgendwie  für  oder  dawider  auf  dem  Posten  zu  bleiben  oder 
gar  lacht  an  Flucht  zu  denken ,  fiel  er  in  grübelnde  Zweifelsucht 
(Seeptidsmas)  und  yerlor  über  dem  steten  Nergeln  und  MKkeln  den 
Aogenblick  eines  entschiedenen  Handeln  sei  es  für  oder  wider 
te  Alte.  Nichtsdestoweniger  bleibt  aber  sein  Urtheil  über  Per* 
><Uidik<^ten  und  ZustSnde  beachtenswerth  und  vielfach  lehrreich. 
Aach  darf  man  nicht  yergessen ,  dass  jene  wie  diese  häufig  durch 
«aeeitige  und  parteiische  Darstellung  in  ein  zu  ideales  Licht  gestellt 
worden,  welchem  Natur  und  Wahrheit  fehlen«  Dagegen  mag  auch 
<er  Alt-Prior  von  St.  Victor  die  Realität  oder  Wirklichkeit  mit 
«iiiein  übertrieben  starken,  bisweilen  sogar  plumpen  Pinsel  ausge* 
Bttit  haben.  Nichtsdestoweniger  bldben  seine  Darstellungen  und 
Charakteristiken  beachtenswerth;  sie  können  wie  bei  der  Papstge« 
wUehte  gerade  durch  ihren  Zog  zum  Ausserordentlichen,  man  möchte 
lig»  selbst  Phantastischen  in  so  fern  auf  den  richtigen  Weg  füh- 
ren, als  rie  der  rein  idealisirenden  Ueberlieferung  Zügel  und  Masa 
«d^  mithin  dem  «cht  geacUchtlichen  Standpunkt  näher  führen.5 
L  Jahrg.  4  Heft.  18 


174  Boiifud:    Adiii  et  4evii  etc. 

—  «Was  hat|  fragt  er  abo  (B.  134),  Luther  nach  so  langem 
Arbeiten  eigentlich  ausgerichtet?    Die  Tyrannei   de»  Papstes  und 
seiner  Gehülfen  wurde  von  ihm  zwar  gebrochen,   aber  statt  der- 
selben eine  Anarchie  gestiftet ,  in  welcher  es  so  viele  Gewaltberm 
als  ESpfe  gibt  und  daneben  noch  zahllose  Wirren  und  blutige  Auf- 
stände. —  Nur  Wenige  sind  aus  innerm  Wahrheitsdrang,  Viele 
aus  Nebenabsichten  der  Reform  beigetreten.   Auf  Etliche  wirkte  der 
Hass  gegen  das  Papstthum  mit  den  früher  geschilderten  Auswüchsen 
und  Missethaten,  aul  Andere  die  Fleischeslust,  indem  sie  bald  nach 
den  rerbotenen  Speisen,  bald  nach  den  für  unerlaubt  erklärten  Ehen 
4»egehrten ;  die  Dritten,  insonderheit  Fürsten  und  Hochgestellte,  war- 
fen aus  Habgier  ihr  Auge  auf  beweg^ches  und  unbewegliches  KIp- 
diengut;  die  Uaterthanen  hofften  dabei  der  Zehnten,  Primizen  und 
anderer  OefiUIe  ledig  zu  werden,  fanden  sich  jedoch  darin  biU«  ge- 
täuscht;  denn  was  früher  die  Priester,  beziehen  jetzt  die  Fürsten. 
Kurz,  man  hat  mit  beiden  Händen  angenommen,  was  vom  Evan- 
HpeUum  erlaubt  wurde,  aber  nicht  gleiches  in  Betreff  des  Verboteneii 
gethaa.*  —  Darauf  folgt  eine  scharfe,  sittenricfaterllche  Kritik  eTaa^ 
gelischer  Orossen  und  Höfe,  namentlich  des  Landgrafen  Philipp  tos 
Hessen  wegen  nn  keuschen  Wandels,  des  Königs  Heinrich  VIII.  tob 
England  ob  unlauterer  Matire  zur  Relormation,  des  GrossmeiBtem 
Albreciit  roa  Brandenburg  ob  gleicher  Schwäche,  des  Grafen  WU^ 
hehn  tob  Fürstenberg  wegen  Trunkenheit  u.  s.  w.  —  Besoodara 
strenge  wird  auch  die  lockere  Sitte  und  Art  in  der  Residenz  Wit- 
tenberg geragt,  wo  keineswegs  das  Wort  den  Thaten  entspreche. 
Man  wetteifere  hier  nach  glaubwürdigem  Zeugaiss  mit  Frankreich 
rflcksichtlich  des  Spidens,  Trinkens,  Tansens  und  Llebäugelna;    ea 
gdie  ärger  her  wie  in  den  Tagen  des  Papstthums  (S.  145).  Darüber 
dürfe  man  sieh  jedoch  nicht  wundem,  weil  leider I  viele  Predigor 
dort  nad  anderswo  den  Gläubigen  kein  Beispiel   der  Erbauung  und 
ehristKcten  Zucht  gewährten.  —  Ueberhaupt  herrsche  in  dem  Lag«! 
der  Papisten  und  Eyaogellsehea  dieselbe  Heuchelei;  dort  wie   hiei 
wollten  Fürsten  und  Völker  für  Christus  streiten,  hätten  aber  am 
sieh  sdber  ror  Augen ;  „sie  kämpften  mit  einander  unter  dem  Fddr 
gesehr^  und  Banner  des  Heilandes,  wie  es  einst  In  Spanien    ^B« 
Söhne  von  etwas  und  die  Bürger  (los  villanos)  (los  ijos  d'Arg^oa  1 
noU  heissen:  h^os  d'algo  p.  160)  thaten,  welche  trotz  des  K$ai^ 
mit  ehiandw  blutige  Fehden  führten  und  dabei  riefen:  „Es  lebe  dei 
König  1^  —  So  streiten  wir  mit  einand<»  entgegen  dem  Willen  Ca»iat 
md  schreien  beide  Theile:  »Es  lebe  Christus!^    Wer  uns  aber  im 
Hera  schaut,  wird  finden,  dass  der  Heiland  swar  den  Anlasa,  aieda 
eber  die  Ursache  des  Streit's  gibt,  sondern  dass  diese  in  dem  &od 

des  Erlösers  liegt ;  darum  haben  wir  das  Evangelium  angenommen.^  

Die  beiden  lotsten  Aufsäüte,  welche  hier  das  erste  Mal  -reit 
SSentUeht  werden,  aind  tfberachileben:  ,»adTis  et  devis  du  meneoa^^« 
(Wog«  und  Abwege  der  Lüge)  und  ^YiM  ot  doviSi  desquoli  «msi 


i:    PriM  Alf  OH  M»  Stvtyei.  gif 

IfliviiTioa  lei  faox  mindei  (von  den  wahran  und  lalMbM  Won* 
fkn).  —  Aach  hier  fiQdot  man  reicfalich  die  «Dgedeotete  Miachopf 
im  Eioites  vad  Schersea,  der  hisftoriacben  und  apekalativen  Apho* 
iMoea.  So  witzig  und  gelehrt  nun  auch  üi  diesen  merkwürdigen 
&bnft8tu€ken  Bonivard  erscheint  und  die  Gmndaätae,  Hebel  und 
Dio|[e  seiner  Zeit  vielfach  enthöllti  —  das  Gänse  macht  doch  nur 
dm  heri>en,  störenden  Eindruck  eines  nicht  lum  vollen  Selbstbe- 
WBtttsein  des  Lebois  gelangten  Mannes.  Dieser  kann  desshalb  in 
fai  Tagen  einer  nngeheuereo  Krisis  trota  seiner  Talente  und  Kennt« 
B«e  swar  Aufmerluamkeit  erwecken,  aber  keinen  Piata  unter  den 
toosogebenden  Persönlichkeiten  gewinnen,  wie  es  a*  B.  in  Genf  dem 
ChSQTin  oder  Calvin us  gelungen  ist  Es  fehlte  nämlich  dafür 
tei  geistvollen  Ritter  und  Prior  von  St  Victor  die  erste,  unerUss- 
Üdie  Bedingung;  ^ein  opferbereiter  Charakter,  welcher  Glauben  und 
Tliatkiift  besitat.''  — 

Es  llMt  sich  dieser  Mangel  an  reformatorischer  Bestimmung 
iucb  ein  swar  populäres,  aber  sprechendes  Gleichniss  sttmmarls(i 
TeraoBcbaulichen.  Luther  sah  den  Teufel  und  warf  ihm  sein 
Dioteafass  nach,  Bonivard  gebrauchte  weder  Weihwasser  noeh 
maMbenden  Bannfluch;  er  schnitt  dem  Bösen  nur  Grimassen  und 
Hieb  unschlüssig  swischen  dem  Alten  und  Neuen  als  kritischer  Be- 
oiMdUer  und  sittenrichterlioher  Nergeler  stehen.  Solches  gilt  wenig- 
Meos  von  seinem  vorgerückten  Alter  und  namentlich  den  hier  be- 
iprachenen  vermischten  Anbätsen  und  Abhandlungen.  — 


Pm»  Eugen  von  Sav&yen.    V.  J.  H,  Hennii.   8.  26.   4.   Müimr, 


Diese  kMnd  Gelegenheitsschrift,  bei  ihrem  gedrungenen,  allge* 
MUessenen  Wesen  leicht  übersichtlich  und  daher  keines  Ansauge 
Moiftlg,  liefert  auf  geringem  Baum  einen  treffenden  Umrfss  des 
loUatiadien  und  feldherrlichen  Charakterbildes.  Denn  nur  auf  diese 
^  und  die  Süssem  Lebensgeschicke  beschrXnkt  sie  sich  hanpt- 
fhhUch  und  siebet  demnach  ab  von  dem  Innern  Gedankenkreise 
IMb  berühmten,  auch  als  Staatsmann  und  Mensch  ausgeaeidbneten, 
«Ust  in  literarischen  DenkmSlem  vielfach  verewigten  Herrführera. 
l)ersdi»e  hat  auf  etaie  aeltene,  eigeothümliche  Weise  die  Nationali- 
^  des  Itatieners,  Fraasosen  und  Teutschen,  wekben  er  bekannfti- 
U^  durch  Abstammung  und  Leben  angehörte,  in  sieh  verdnigt  und 
^kg^iegelt,  selbst  hervorstehende  Merkmale  verschiedener  Zeiten» 
«tiiden  und  Biidongsstulen  gMchnküssig  ausgedrückt  Die  höhere 
Bnh^  aber,  welcher  sich  die  sonst  dem  Charakter  gniäbrlichen 
Biednngen  nnd  Einflüsse  mehrer  Volksthüacilichkeiten  und  OaMnr* 


^Viiiea  gleiduHUB  von  vomehesein  «nter werfen  mnssten,  fuket  auf 
'«ftxeligiöa^aittliehen  Fdnoip  ala  bestinupieMtor  Grund  ^«ni 


ilB  Heanei:    Prins  En^ii  toii  SAvoyea. 

LebenswarzeL  Ans  dieser  entsprang  denn  vomSmlich  die  nnerschflt- 
lerliche  Pflicht- nnd  Diensttrene  auf  der  einen,  die  cfaristliehe, 
keineswegs  aber  unduldsame  Begeisterung  auf  der  andern  Seite, 
swei  praktische  Eigenschaften,  welche  den  ^^edien  Bitter^  hauptsScli- 
lieh  zum  unyerbrüchlichen  Anhänger  des  schwer  bedroheten  Habs- 
burgischen  Kaiserhauses  und  straffen,  stets  schlagfertigen  VorkSmpen 
der  zerrissenen,  zwieträcbtigen  Cliristenheit  gegen  das  TürlLen- 
und  Franzosenthnm  stempelten.  Denn  leider!  waren  die  bei- 
den letzten  Faktoren  seit  Jahren  in  einer  unnatürlichen  Alltanz  be^ 
griffen,  welche  sich  vorzägllch  auf  Teutschland  dort  von  Osten,  hier 
▼on  Westen  her  abzuladen  trachtete. 

Der  Verfasser  hat  das  bewegte  und  dennoch  einbeitsvolle  Krie- 
gerleben des  Prinzen  in  bündiger,  die  Hauptsachen  zusammenfassen- 
der Kürze  gut  und  oft  nach  den  Worten  der  Quellenberichte  ge- 
schildert, die  entscheidenden  Kämpfe  z.  B.  bei  Blindheim,  ausführ« 
lieher  hervorgehoben,  die  biographischen  Ab-  und  Einschnitte  des 
Helden  endlich  in  neun  Paragraphen  recht  zweckmässig  gruppirt 
imd  zusammengezogen.  Das  wird  schon  aus  den  Ueberschrifleii 
erhellen.  §.  1.  behandelt  Herkunft,  Erziehung,  Abreise 
nach  Deutschland-,  §.  2.  Petronel,  Wien,  Ofen,Mohac8, 
Belgrad  (1683  — 1688);  §.  3.  die  Sendung  nach  Turin, 
Staffarda,  Einfall  in  dieDauphin^,  Marsaglia,  Rüclt- 
kehr  aus  Italien  (1689—1696);  §.4.  der  Sieg  bei  Zents, 
Frieden  von  Karlowitz  (1697—1699);  §.  5.  die  Feldzüge 
in  Italien  1701  u.  1702;  Alpenübergang,  Garpi,  Ghiari, 
Gremona,  Luzzara;  §.  6.  der  Sieg  bei  Höchstädt  1704 
^-  Es  wird  dabei  mit  Recht  auch  auf  Marlborough  und  seiii 
stattliches  Heer  von  Engländern  und  Holländern  das  gebührende 
Gewicht  gelegt,  dabei  manches  Gbarakteristische  gleichzeitigen  Quel- 
len* entlehnt  und  eingeschaltet.  So  heisst  es  im  Wiener  Diarium 
▼om  14.  Junlus:  ^^Es  ist  nicht  zu  sagen,  was  für  treffliche  Lents 
diese  Britten  sind,  sowohl  von  Person  als  schöner  Montur ;  sie  habei 
B5cke  von  feinem  Karmesin-Tuch,  jedes  Begiment  durch  die  Farbe 
der  KamisOler  und  Aufschläge  unterschieden.  Die  Reiterei  ist  nichl 
nur  stattlich  beritten,  sondern  noch  so,  dass  ein  Regiment  blosi 
Schimmel,  das  andere  Braune,  das  dritte  Rappen  hat.  Ihr  Maxadi 
geht  zum  Verwundem  rasch,  ungeachtet  sie  eine  schwere  und  kost« 
bare  Artillerie,  von  2500  Pferden  gezogen,  mit  sich  führen«^  — 
lieber  den  Prinzen  urtheilt  Marlborough  nach  persönlicher  Bekannt« 
•ehaft  sehr  günstig.  ^Sein  Umgang,  heisst  es  in  einem  Brief  ai 
die  G^malin,  seine  Art  sich  auszudrücken,  hat  ungemein  viel  Aeh» 
Uches  mit  den  Manieren  des  Lord  Schrewsbury,  mit  dem  Vormg« 
jedoch,  dass  er  viel  offenherziger  auftritt.  Er  war  besonders  frei 
mfithig  gegen  mich,  als  er  mir  die  Schilderung  des  Markgrafei 
(Ludwig)  entwarf,  aus  der  hervorgeht,  dass  ich  viel  mehr  auf  mel 
mc  Hat  sota  mossi  ala  wenn  ich  mit  ihm  zu  thun  hStte.^     JBoiA 


H«HeB  UielMii  fortan  Zeitlebeiif  Fremide,  wofOr  iroU  aainfliilllch 
ihr  bald  gemeiosasi  erraDgene  Haoptsieg  bei  Blindheim  odar  H5ch* 
stidt  (13.  Aa|ost)  gewirkt  hat  Der  Verfasser  könnte  für  die  sonsl 
^te  Schilderung  desselben  auch  eine  Brlefstelle  Eugens  benntsen» 
»Der  Widerstand  des  Feindes,  laotet  sie,  und  besonders  des  Cliar- 
lofBtea  (Maximilian)  von  Baiem  war  ttber  alle  Erwartung ;  ohne  den 
groben  Fehler  des  Tallard  würde  dieser  Tag  für  Teutschland,  für 
unsere  Monarchie,  vielleicht  für  gans  Europa  entscheidend  gewesen 
m.^  (Hinterlassene  polit.  Schriften,  1.  Abth.  Brief  100.  108.  bei 
Pf  ist  er,  Uebersicht  der  Geschichte  Sehwabens  S.  253.) 

§.  7.  behandelt  die  Ereignisse  bei  Gassano,  Turin  und 
Toulon  (1705—1707);  %  8.  diejenigen  bei  Oudenarde,  Lille^ 
Ihipiaquet,  Denain  (1708—1710);  S*  9«  schildert  die  übor  den 
Tfirkea  gewonnenen  Siege  bei  Peterwardein  und  Belgrad 
(1716—1717);  S.  lO.jlie  letzte  Lebensseit  im  Polnischen  Erb- 
Mgebieg.  „Anfangs  April  1736,  heisst  es  am  8chluss,*ward  der 
Prüis  sehr  krank ;  ward  wieder  hergestellt ;  so  schien  es  wenigstens. 
Ab  20.  April  fuhr  er  Nachmittags  (in  Wien)  zu  seiner  Freundin, 
Grifin  Batthyany;  ass  nichts  sn  Nacht,  als  er  nach  Hauae  kam. 
Bohig  lag  er  da,  als  am  andern  Morgen  der  Bediente  in  sein  ZIm* 
ner  trat  Nach  einer  Stunde  kam  dieser  wieder.  Regungslos  war 
«  noch  immer.  Er  lebte  nicht  mehr.'  —  Die  Betrachtungen  wer» 
ka  wohlweislich  dem  Leser  überlassen.  — 


Erinnerungen  und  Eindrucke  aus  Griechenland  von  Wilhelm  Vir 
9 eher,  Prof.  an  der  UnivereUat  su  Boid.  X  70L  gr.  8. 
Basel  hei  Schweighauser,  1857. 

Der  Verfasser,  auf  dem  Felde  der  klassischen  Alterthumskunde 
iShaliehst  bekannt,  unternahm  1853  von  Italien  aus  eine  mehimo» 
natildie  Reise  nach  Griechenland.  Die  Endergebnisse  derselben,  be* 
nüs  in  Vorlesungen  vor  einem  gemischten  Publikum  niedergelegt, 
vwden,  vielfach  ergänzt  und  ausgedehnt,  durch  das  vorliegende, 
mfangrelche  Buch  nunmehr  auch  einem  grossem  Kreise  mitgetheilt. 
Disn  gesehieht  meistens  auf  eine  ebenso  gründliche  und  gelehrte 
ait  anschanliche  und  lebendige  Weise.  Denn  nicht  nur  bekonunen 
die  gefeierten  Oertlichkeiten,  StSdte  und  Landschaften  In  der  Periegese 
oder  Umschau  ihre  gebührende,  cinlässliche  Schilderung,  sondern  es 
weiden  auch  die  jeweiligen  Hauptereignisse  der  Vorzeit  gelegentlich 
eiogeschaltet,  endlich,  was  man  besonders  In  den  laufenden  Tagen 
dts  Misstrauens  und  Wankelmuths  hoch  anschlagen  muss,  Sitte, 
Denkweise  und  Bildungsgang  der  heutigen  Griechen  mit  Sorgfalt 
md  Unparteilichkeit  beobachtet  und  beschrieben.  Das  ganze  Ge- 
ailde,  welches  sich  vor  den  Augen  des  Lesers  aufrollt,  wird  In  vier 
Belleabschnitte  abgesondert,  von  welchen  der  erste  von  Rom  nach 


tfi'  VtM&^ffs    Hdtmwtngm  au«  CMecba&hiiid. 

Athen  gehet  (1—30),  der  cweite  Athen  nnd  Attika  nnupaant  (26- 
216),  der  dritte  den  Peloponnee  behandelt  (217—614)  und  der  Tieite 
sich  dem  nördlichen  Griechenland  zuwendet  (515 — 684).  Der  Scblass 
enthUt  die  Rackkehr  über  Eonstantinopel  und  eine  treffliche  Zu- 
sammenfassung der  charakteristischen  Merkmale  des  neuem  Oriecben 
(685 — 701).   Indem  dergestalt  Land,  Leute  und  Geschichte  im  un- 
unterbrochenen,   natürlich   yerschieden   abgestuften    Zusammenbang 
rerbleiben,  gewinnt  der  Reisende  den  Yortheil,   dass  er  den  Anfor- 
derungen wie  des  Touristen  vom  bessern  Schlage,  so  des  Archäo- 
logen gleichmässig  nachgeben  und  meistens  genügen  kann.    Denn 
während  die  unvergänglichen  Naturschönheiten  2.  B.  von  Athen,  den 
Thermopylen,  Delphi,  den  Arkadisch-LaEedämonisch-Messenischen  Qe- 
birgen,  ihr  Recht  erhalten,  werden  auch  die  jeweiligen  Denkmäler  der 
Kunst  an  schicklichen  Stellen  genau  beschrieben,  die  weltgeschicht- 
lichen Kampfstätten  von  Marathon,  Salamis,  Platää,  Sellasia,  Chäronaea 
mit  Theilnahme  und  Sachkenntniss  durchwandert  und  gemustert,  hier 
und  da  auch  Inschriften  und  architektonische  Trümmer  zur  Abrundnng 
des  Bildes,  gewöhnlich  In  den  Noten,  herangesogen  und  besprochen, 
neuere  Oertlichkeiten  für  die  Erklärung  der  alten  zweckmässig  be- 
nutzt, wie  z.  B.  der  Sanct  Salvadorsberg  auf  Eorfu  gegenüber  dem 
Istone  bei  Thukydides  (S..19).    Dagegen  kann  man  wiederum  den 
einen  oder  andern  antiquarisch-historischen  Punkt,  wie  ihn  der  Rei- 
sende auff'asst,  trotz  mangelnder  Autopsie  nicht  annehmen.     So  ist 
es  doch  sehr  gewagt,  die  Stiftung  Nauplia's  in  der  vortrojanischen 
oder  Achäischen  Zeit  mit  Herrn  Curtius   bereits  den  Joniem  zu- 
zuschreiben (S.  301.  Anm.)  und  dadurch  diesen  im  Peloponues  ver- 
hältttissmässig  jungen  Yölkerstamm  ungebührlich  In  der  Zeit  hinauf- 
zuschrauben;  noch  weniger  mag  die  unbedingte  Apologie  des  mo- 
narchisch-socialistischen  Reformers  von  Sparta  gefallen,  des  dritten 
Kleomenes,  j, welchem,  meint  Herr  Vischer^,  nur  ein  eingefleischt 
ter  Aehäerfreund  die  Zerstörung  und  Plünderung  von  Megalopolis 
schwer  anrechnen  dürfe^   (S.   308).  —  Probirts.  einmal  in   Basel 
oder  der  Schweiz!  —  Ein  achtes  Bürgerthum  stehet  doch  am  Ende 
über  dem  confusen,   waghalsigen  Socialismus,  wie  es  auch  in  Grie- 
chenland nach  dem  ewigen  Erlöschen  des  aufflackernden  Neusparter- 
feuers  die  vaterländische  Nationalfahne  noch  Menschenalter  lang  auf- 
recht hielt  und  erst  im  Tode  sinken  Hess.    Damit  soll  des  Aratos 
heillose  Fremdpolitik  jedoch  nicht  gerechtfertigt  werden;  denn  jedes 
Yolk ,  insonderheit  republikanischer  Natur,  welches  seine  Streitigkei- 
ten dem  Aus  lande  überträgt,  ist  von  vorne  herein  übertölpelt 
und  verloren ;  man  muss  sich  dawider  mit  Händen  und  Füssen  wehren 
und  lieber  das  Aeusserste  versuchen,  d.  h.  seine  Innern  Zänkereien 
mit  Selbstüberwindung  vertragen. 

Besonders  angezogen  wird  sich  der  Leser  fühlen,  wenn  dei 
Reisende  in  ruhiger,  obschon  warmer  Sprache  die  Eindrücke  dei 
Gegenwart^  ihrer  Gebrechen  und  YorzOge,  Ihrer  Freuden  und 


LMm,  BemgniiM  uid  HolMBt«  adiiltei  Im  Ckuma  ftHt  mIb 
Ufthefl  eotociüedeii  sa  Gansten  d«r  Net^OriedieD  ans;  er  beniArkt 
kibiiehe  und  geistige  SpeaBkrefti  eia  reQgiSs-velkithflmlieliee  Be* 
wmlaeui  and  Setbetgefühl,  ohne  welches  je  oichl  leicht  etwas  Tttcb- 
tiges  geschieht,  tot  aUen  aber  Lern-  and  BUdangstriebi  deaen 
lüngel  jedweder  Natien  treU  militlrisch-technischer  Fertigkeit  war 
Barbarei,  also  auch  fiber  kors  oder  lang  aom  Untergang ,  aei  ei 
Inrch  Finlniss  oder  äossere  Gewalt,  Terortheilt  «Das  abgdegeae 
Bsrgdörlehen  Gravli  (in  Phocis),  heisst  es  S.  621,  hat  Tor  kniaem 
sine  Scfanle  erhalten,  wo  bei  meiner  Anwesenheit  efai  Janger  dMger 
Lehrer  Ae  neadorische  Jogend  eben  nnterrichtete.  Unter  kleinen 
Joageii  bemerkte  ich  einen  faet  erwachsenen  Barschen,  der  ilch 
lucht  acbeote,  in  einer  Elementarschnle  die  frtther  Tersiamten  Kennte 
nisse  nachaaholen,  eine  Erscheinung  die  in  Griechealand  nicht  selten 
ist  nnd  f&r  die  Lembegierde  des  Volks  kein  schlimmes  Zeognlsa 
abl^^  —  Es  hat  swar  nicht  an  Stimmen  gefehlt,  wdche  derartige 
Wissbegier  yerortheilten,  aber  sie  gehörten  knltiyirten  NachtrSgÄ 
sa;  diese  befinden  sich  in  der  Dankelheit  and  dem  Dämmerlicht  am 
liebsten  and  woblsten;  selbst  bescheidener  Anfang  gilt  ihnen  ftlr 
aittenTerderbliche  Ueberverfeinerang.  —  Freilich  liebt  der  Grieche, 
wie  auch  hier  eingestanden  wird,  Geld  und  Gewinn,  aber  im  Grande 
nicht  mehr  als  andere,  machtToUere  Völker.  Aach  schneidet  er  bis« 
weQen  aaf,  dichtet  und  lügt,  aber,  wie  der  Reisende  sagt,  bei  laa* 
(enden  Gelegenheiten  nicht  mehr  und  nicht  weniger  denn  die  West« 
linder.  Wie  oft  müssen  das  nicht  die  Touristen  in  Teutschland, 
der  Schweiz,  fai  Frankreich  und  Italien  erfahren  I  Man  glaubt  ihnen 
durch  «Aufbinden^  einen  Dienst  zu  erweisen  und  flunkert  daher 
ohne  Scheu  in  das  Blaue  hinein.  Diess  geschieht  nicht  nur  im  Orient, 
sondern  auch  im  Occident  «Als  ich,  eriühlt  der  Verfasser,  auf 
einer  Beiee  über  den  berühmten  Pass  Gemmi  (im  Remischen)  mei- 
nen Tortreffiichen  Bergführer  nach  dem  Monte  Rosa  fragte,  erwie- 
derte  er,  den  könne  man  Tom  Wege  aus  nicht  sehen,  man  müsse 
eme  halbe  Stunde  seitwärto  gehen,  setzte  aber  ganz  naiy  bei,  den 
Engländern  freilich  pflege  er  einen  andern  Berg  als  Monte  Bosa 
n  zeigen,  denn  die  wollten  ihn  durchaus  sehen  und  so  sei  nichts 
anderes  m  machen^  (8.  56).  Aehnliches  begegne  auch  in  Grie- 
chenland, ohne  dass  dadurch  gerade  der  Kern  des  Mationalcha«- 
xaktera  angegriffen  werde.  Durchschnittlich  sei  rielmehr  der  Be« 
wekner  in  seiner  Weise  streng  religiös,  gastfrei,  geflUlig  nnd  in 
Tiden  Beziehungen  tren  nnd  ehrlich,  taste  kein  auTertrautes  Eigen* 
Ihum  an,  zeige  aber  dagegen  im  Handel  allerdings  grosse  Ge« 
wmnaacht  nnd  häufig  UnzuverlSssigkeit.  Zur  See  könne  er  mit 
allen  Völkern  die  Gonkurrenz  bestehen,  als  freier  Grundbesitzer  — 
obedion  m  den  wenigsten  Fällen  —  den  Pflichten  und  Mühen  des 
Tiandmanns  willig  obliegen,  in  den  grössern  Städten  aber  dem  Hang 
znm  Herumschlendern,  Bammehi  und  Schwatzen  nicht  widerstehen. 


M^  SdaaSÄU    Etnde  rar  Herder. 

SeiD  angebomer  Stok  dnlde  nicht  leieht  den  Bettel;  bei  anor  G6-' 
winosucht  und  flimmernden  EitellLelt  sei  er  freigebig  und  wotiltbätig, 
nöthigenfalls,  wie  der  Freiheitsiirieg  bewiesen  habe,  der  aosserordent- 
lichsten  Opfer  mit  Blat  und  Gut  fähig,  also  wohl  einer  bessern  Zu- 
kunft würdig.  Cm  so  mehr  mässe  man  sich  über  den  halb  närri- 
schen, halb  unsittlichen  Umschlag  des  Europäischen  Urtheils  su  God- 
sten  des  natürlichen  Oriechenfeindes,  des  Türken,  verwunderD.  Denn 
dieser  sei  kaum  einer  Regeneration  im  alten  Welttheil  Wiig,  auch 
wenn  ihn  die  westmächtlichen  CiFilisatoren  durch  Geld,  Soldaten  und 
Schiffe  auf  das  Freigebigste  gegen  innere  und  äussere  Feinde  nnter- 
stütsten.  £8  gleiche  das  alles  dem  entrollenden  Stein  des  Slsyplios, 
bringe  nur  yerlorne  Arbeit  und  Ruhe,  jage  die  Christen  mit  broder- 
mörderischen  Waffen  in  unabsehbare  Verwicklungen  und  Fehden. 
So  ungeßbr  der  Reisende,  wenn  auch  mit  andern  Worten  in  seiDem 
Yortrefflichen  Schlusskapitel.  Die  gelehrte  Welt  wird  wie  das  gebil- 
dete Publikum  sein  Buch  mit  Nutzen  und  Vergnügen  lesen  können. 
Auch  die  Ausstattung  ist  recht  schön. 


Eiude  9ur  Herder  eanrider^  comme  crüi^e  litt^aire  preced^e  ^unt 
inirodu€H(m  mr  sa  vie  et  ses  Berits,  Par  Henri  Schmidt, 
prof,  de  langue  aUemande  au  lycie  de  Strasbourg.  S,  84.  8. 
Strasbourg,  Silbermann,  1855. 

Herder  ist  vor  allen  neuem  Klassikern  der  Teutschen  geeignet, 
das  literarische  Band  und  Vermittlungsglied  der  Nationen  darsustel- 
len.  Dafür  befähigen  ihn  die  eigenthümliche  Universalität  und  Hu- 
manität, wie  sich  beide  Eigenschaften,  mit  Gründlichkeit  verbunden, 
kaum  anderswo  in  gleichem  Grade  finden  möchten.  Dazu  tritt  dann 
eine  edle,  klare,  im  bessern  Wortverstande  populäre  Sprache,  welche 
dennoch  für  den  jeweiligen  Stoff  die  angemessene  Abstufung  der 
Form  und  des  Tons  zu  gebrauchen  weiss.  Und  das  alles  ohne 
Zwang  und  Ziererei.  Denn  er  hat  den  Gratien  geopfert,  mit  feinem 
Ohr  die  leisesten  und  stärksten  Schwingungen  der  Aeolsbarfe  ver- 
nommen, welche  aus  den  Gräbern  der  Jahrhunderte  und  Völker  er- 
klingt, kurz,  als  Dichter,  Philosoph^  Theolog,  Sprach-  und  Geschichts- 
kundiger  die  fernste  Vergangenheit,  wenn  auch  nur  aphoristisch,  der 
laufenden  Gegenwart  anzunähern,  d.  h.  ihr  Verständniss  zu  fördern 
getrachtet  Daher  ist  er,  wie  gesagt,  gerade  wegen  des  weltbfir* 
gerlichen  und  dennoch  national  ausgedrückten  Elements  von  vorne 
herein  berufen,  auch  dem  Ausland  als  Brücke  und  Abbild  des  Teut- 
schen Sprach-  und  Schriftenthums  zu  dienen.  Diess  möchte  nament- 
lich von  dem  westlichen  Nachbars volk  gelten,  welches  für  den  er- 
wähnten Gegenstand  keinen  besseren  Lehrer  und  literarischen  Halt- 
pnnkt  finden  dürfte  als  eben  den  züchtigen,  vielseitigen  und  dennoch 
geschlossenen  Herder. 


SdMM:   KlUto  m  Heri«r.  »t 

Die  TorBegADde  Stodie  Aber  dauelben  macht  ihrMB  wahnchelii» 
M  noch  jangen  Verlasser  alle  Ehre ;  sie  aeigt  tüchtige  Sprach*  und 
SiehkeDoteiss ,  warmeo  Eifer  für  den  gew&hlten  Meister  und  eine 
sweekinissige  Gliederong  des  Stoffes.   Derselbe  wird  nach  einer  ge- 
diingten  Lebensskisae  in  eilf  Abschnitte  seriegt,  zuerst  (1 — 3)  Be* 
griff  QDd  Charakterisülc  des  Kritikers  mit  besonderem  Beiug  auf 
Herder  bestimmt,  daranf  die  Frage  nach  dem  Ideal  desselben  nn* 
tmoelit  (4)   nnd  dnrch   die  Aesthetik   näber  bestimmt  (6),  in  den 
folgenden  Abschnitten  (6  —9)  der  poetische  Gattungsbegriff  auf  dem 
loschen,  epischen,  dramatischen  und  didaktischen   Gebiet  verfolgt, 
mietet  die  Prosa  des  Schriftstellers  beleuchtet  (10),  schliesslich  die 
BfickwirkuBg  der  Herder'schen  Kritik  auf  sein  Zeitalter   und  Volle 
in  sebarfeo   Umrissen  dargestellt.  —  Dabei   tritt  überall  nicht  nur 
die  literarische  Kenntniss,  sondern  auch  das  löbliche  Streben  hervor, 
jedes  Urtheil  von  Belang  möglichst  durch  Quelienzengnisse  oder  Hin« 
veJseanf  den  Autor  an  erhärten.  Nur  einmal,  S.  11  in  der  Biogra- 
phie wird  dieser  verdankenswerthe  Brauch  dahin  umgangen,  dass  statt 
der  Belegstelle  eine  weniger  beseichnende  Umschreibung  des  Sinnes, 
Sutt  findet.    ^G'est  presque,  heisst  es  da,  avec  T^ioquence  de  Pitt 
(Lord  Gbatham)  qu'il  (Herder)  stigmatise  ees  miserables  petits  prin- 
ces  d'AUemagne  qui  vendaient  et  exp^dialent  leurs  sujets   pour  les 
boocheriee  d'un   prince   dtranger^  (im  nordamerikanischen  Kriege). 
Die  hieher   gehörige   Stelle  Herder's   (Werke  XXXV.  S.  334  der 
oenesten  Ausgabe  1853)  ist  aber  weit  ausdrucksvoller  und  dennoch 
ineht  injuriös;  üe  lautet: 

»Und  doch  sind  sie  (die  Deutschen)  In  ihrer  Herren  Dienst 

So  hflDdiscIi  treu!  —  Sie  lassen  willig  sich 

Z«m  Missisippi  und  Ohiostroni, 

Kicfa  Caadia  and  nach  dem  Mohren fe  1s  (Vorgebirge  der  guten  Hoffnung?) 

VerlLasfen.     SUrbt  der  Sklave,  streicht  der  Herr 

Den  Sold  JDdess,  und  seine  Wittwe  darbt; 

Die  Waisen  ziehen  den  Pflug  und  hungern.  —  Doch 

Das  schadet  nicht;  der  Herr  braucht  einen  Schats.^  — 

So  konnte  Herder,  schon  seit  Jahren  dem  Weimarischen  Dienst 
ttgehorlg^  in  den  s.  g.  Idealen  urtheilen,  weil  man  in  der  heftigen 
Parteiname  für  die  transatlantischen  Kolonieen  die  übliche  Natur  der 
Geld-  und  Soldatenkapitulationen  übersah  und  nicht  bedachte ,  dass 
diese  von  jeher  weniger  auf  die  Sache  denn  auf  die  Rentibilitfit 
blickten.  Da  diese,  oder  die  materielle  Interessenwelt  sich  später 
vollkommener  entwickelt  hat,  so  befremdete  auch  das  SGldnerwesen 
n  Gunsten  fremder  Zwecke  nicht  mehr.  Man  trug  daher  im  letz* 
teil  orientalischen  Krieg  von  Seiten  der  s.  g.  Givilisation  kein  Be- 
denken,  in  Frankreich  Schweizer-  und  Fremdenlegion,  iu  Grossbri* 
tsimien  Teutsche  und  anderweitige  Legion,  In  der  Türkei  sogar 
Polnische  Freiiabnlein  u.  s.  w.  wider  ein  christliches  Volk  zu  wer- 
ben, nach  abgeschlossenem  Frieden  aber  meistens  eben  so  schnell 


282  Keller:    DrMgMle  ffiMia'f  im  3(Qlkrike&*,Krief. 

und  mit  armsdigem  Lohn  in  «DÜasien,  oder  Tidmdir  oft  in  das 
Elend  surüekKietOflseoi  welchem  Viele  dieser  Freischärler  unter  der 
CiTilisationsfahne  zu  entfliehen  hofften.  Weil  die  Sache  also  hents 
alt  nnd  eingeübt  ist,  so  befremdet  sie  eigentlieh  Niemanden  mehr, 
In  den  Slebenzlgem  des  18.  Jahrhunderts  aber  war  sie  neu  und 
elementarisch,  eben  desshalb  anstitesig  und  ärgerlich.  In  Betreff  des 
Rechts-  nnd  Vaterlandsgefiihls  mochte  übrigens  kein  bedenteoder 
Unterschied  Statt  finden.  —  Diess  der  natürliche  Yerlaof  einer  oft 
besprochenen  und  sohief  benrthellten  Angelegenheit 


Die  Drangsäle  des  Naesatnschen  Volkea  und  der  angrSnxenden  Uaehr 
barländer  in  den  Zeiten  dee  dreiesigjährigen  Krieges,  seine  Hd' 
den,  Staatsmänner  und  andere  berühmte  ZeUgenossen.  Ein  Bei- 
trag  zur  innem  Geschichte  jener  Zdt,  nach  arcMvcUisehen  und 
andern  Quellen,  bearbeitet  van  E.  F.  Keller,  Her».  Nassam' 
sehem  Dekane,  Schulinspektor  und  ersten  evangelischen  Pfarrer 
m  Idstein.    XIX.  480.     8.     Gotha  bei  Perthes,  1854. 

Einen  nothdürftigen  Abschlnss  und  kurzen  Waffenstillstand  hat 
bekanntlich  der  reformatorisch-revolutionären  Bewegung  des  sechs- 
zehnten Jahrhunderts  für  Teutschland  und  die  Nachbarsstaaten  der 
Augsburger  Beligionsfrieden  gebracht  Jedoch  bald  brachen  dienor 
scheinbar  versöhnten  Gegensätze,  mit  anderweitigen,  nnheimlicheo 
Kräften  verbunden,  im  neuen,  neben  Scandinavien  den  grössten  Thd 
Sudwest-Europa's  durchziehenden  Kämpfen  hervor.  Sie  sind  ihrer 
wesentlichsten  Signatur  nach  anfangs  für  und  wider  Glaubens-  und 
Gewissensfreiheit  gerichtet,  schaaren  sich  aber  gemach  um  verschie- 
den gefärbte  Banner  der  Politik  nnd  Partelfaktion.  So  erhalten  sie 
in  den  Niederlanden  neben  der  religiös-geistigen  Hauptaufgabe  die 
Beschirmung  der  hart  bedroheten  nationalen  und  ständischen 
Unabhängigkeit,  in  Frankreich  des  aristokratisch-korporati- 
ven Principe  wider  die  absolute  Krongewalt,  welche  aber  abgesehen 
von  ihren  manichfaltigen  Uebergriffen  für  die  Reichseinheit  streitet, 
in  Qrossbritannien  des  parlamentarischen  Rechts  wider  die  mehr 
oder  weniger  unumschränkte  Monarchie,  in  Teutschland  endlich  des 
vielfach  unterhöhlten  und  aus  den  Fugen  geworfenen  Kaiserthnms 
gegen  die  überschwängliche,  nach  Selbstherrlichkeit  strebende  Für- 
stenmacht, und  bei  wachsender  Zerrüttung  durch  den  Anfiruf 
aller  Faktionskräfte  Kaifipf  des  nationalen  Prindps  wider  iea 
Einbruch  der  Fremden,  welche  bald  das  katholische,  bald  das 
protestantische  Feldzeichen  für  die  materiellen  Begierden  der  Erobe- 
mng.  Beute  und  Sinnenlust,  aufsteckt  und  nichtsdestoweniger  ihre 
Partdgenossen  findet  Der  Ruin  des  immerhin  bei  dem  Eintrat  der 
Krise  noch  starken  Reichs  und  VoUcs  ist  die  schliessliche  Fmcht 
dieses  beispiellosen  Glaubens-^  Bürger-  und  Eigenthnms- 


leRer:    DrtafMle  NaüiQ'f  Im  M}ilirl|ea  Iri«f.  188 

krUges,  bei  weldieai  nui  ileh  mir  darilber  Ttrwndsni  lc«mi| 
da«  6r  überhaupt  noch  einen  Orundstoek  des  atten  VolkUhonif 
Mdete  und  gewiseermaeaen  schweigend  fttr  die  UnTerwüsÜlebkeit 
denelben  Zeogniss  ablegte.  — 

Dieser  ^wflste,  dreissigjfthrige  Walpurgistraum*,  einst  leider  I 
tackte  Wirklichkeit,  bietet  auch  fttr  die  geschfehtlldie  Erinnerung 
eigenthSmlidie  Schwierigkelten  dar.  Dabin  gehOren  namentlich  der 
ilamlicbe  Umfang,  die  Verflechtung  der  vielartigsten  Partei-,  Standes- 
ind  Ortsinteressen,  die  dämonische  Tiefe  und  List  einselner,  in  Hand« 
long  begriffenen  Pers5nlichkeiten,  Charaktere  und  Sippschaften  oder 
geistlidber  and  weltlicher  Orden,  vor  allem  aber  der  treibenden,  in 
dem  Staat,  der  Diplomatie  und  Kirche,  dem  Feldlager  nnd  Hansa 
wirksamen  Kräfte  und  Hebel,  von  welchen  viele  klnbmlsslg  und  ge* 
keimiiissvoll  theils  die  Oeffentlichkeit  scheuen,  theils  absichtlich  tin- 
sehen  und  betrugen,  endlich  nicht  selten  der  Mangel  an  Akten  nnl 
Briefschaften,  so  viele  auch  hier  und  da  bisher  aufgefunden  wurden. 
Welcher  menschliche  Geist  Ist  Oberhaupt  fähig,  nach  Ablauf  von 
xwei  vollen  Jahrhunderten  den  wahrhaft  dämonischen  Kampf  awf» 
sdien  Licht  und  Nacht,  Engel  und  Satan,  mit  ungestörter  Oemfliths- 
mhe  nnd  strenger  Unparteilichkeit  au  betrachten  und  au  schildern  I  — 
FQr  die  Lösung  dieser  Aufgabe,  welche  sich  einst  der  selige 
Ludwig  Jahn,  Turnvater,  setzte,  liefert  das  oben  erwähnte  Buch 
dnen  sehr  verdankenswerthen ,  meistens  aus  archivallsehen 
Naefariehten  hervorgegangenen  Beitrag.  Ohne  das  Oanse  aus  den 
Augen  ZQ  verlieren,  will  es  die  verschiedenen  Phas^  nnd  Rttck« 
schlage  des  Kampfes  an  einem  geringen  Stück  nachweisen  und  das 
Kleine  als  Spiegelbild  des  Grossen  darstellen.  Für  die  Ausführung 
eines  derartigen  literarischen  Gedankens  eignen  sich  aber  besonders 
Oränz-  und  Neutralgebiete.  Jene  ziehen  allerlei  betheiligtes 
Yolk  an,  diese  reizen  jedwede  Partei  zum  Bruch  des  Friedensprivi« 
leglums  and  zwar  lediglich  aus  Neid;  denn  die  im  Hader  Befindti* 
eben  missgönnen,  wie  schon  Thucydi des  bemerkte,  einem  Dritten 
fie  gewünschte  Ruhe  und  dulden  daher  keine  Part^losigkeit,  ja,  sie 
itrafen  den  Anspruch  darauf  gleichsam  wetteifernd  mit  Lasten  und 
Drangsalen.  —  Das  alles  gilt  nun  buchstäblich  von  dem  Nassau i-> 
sehen  Landesbezirk,  dessen  Schicksale  urkundlich  dargestellt  und 
gleichsam  In  einem  engem  Rahmen  zusammengefasst  „ein  Gemälde 
d«  ganzen  Zeitbewegung  liefern.^  „Denn  so,  heisst  es  mit  Recht 
im  Vorwort,  ist  es  dem  Verfasser  vergönnt,  einen  Beitrag  zur  Innern 
Geschichte  jener  verhängnissvollen  Zelt  zu  liefern  und  den  Helden 
In  seinem  Kampfe,  den  Staatsmann  In  seinen  Verhandlungen,  den 
Gefangenen  in  seinem  Verwahrsam,  den  Fürsten  in  seiner  Verban- 
nung, die  Kirchen«  und  Staatsdiener  auf  ihrer  Flucht  und  den  Bürger 
nnd  Landmann  in  dem  vollen  Jammer  jener  unglücklichen  Zeit  tren 
und  der  Wirklichkeit  gemäss  darzustellen. '^  — 

Das  mannigfaltig  abgestufte  Uebel  entbehrt  dabei  einer  gewissen 


384  Keller:    DrM^Mtle  NaMitt'i  tm  30ifthrlf e&  Krfef. 

BegehDäflsfgkeift  im  Bedrücken  und  Plagen  nicht;  hier  kommen  die 
Katholischen  mit  ihren  Jesuiten,  Einlagerem  (Dragonaden) ,  Brand- 
steuern,  Kloster-  uud  Kircbenrestaurationen,  dort  die  Eyangelischen 
mit  ihren  oft  fanatischen  Gotteswortmännern  und  gleichartigen  Wie- 
derherstellungskräften des  frühem  Kult-  und  Schulwesens,  wobei  die 
Soldateske  nach  dem  Tode  des  grossen,  zügelnden  Schwedenkönigs 
in  der  Regel  auch  alles  für  erlaubt  hält  und  gewöhnlich  an  dem 
etwa  rückfällig  gewordenen  Bewohner  ihr  Müthchen  kühlt,  ohne 
jedoch  gerade  den  Glaubensgenossen  zu  verschonen.  Dabei  breitet 
sich  eine  wahrhafte  Völkerwanderung  aus;  um  den  Kaiser  und 
das  alte  Bekenntniss  schaaren  sich  nicht  nur  Teutsche,  sondern  auch 
Böhmen,  Ungarn,  Polen,  Kroaten,  Pandureu,  Italiener,  Spanier,  Fran- 
zosen, Abenteurer  aus  Schott-  und  Irland,  selbst  der  Türkei.  Aiw 
dererseits  strömen  dem  protestantischen  Banner  zu :  Teutsche,  Briten, 
Nordländer,  Dänen,  Schweden,  Finnen,  sogar  die  kleinen,  in  Renn- 
tbierfelle  gekleideten,  mit  Pfeil  und  Bogen  bewaffneten  Lappen.  — 
So  lange  Oustay  Adolf  schaltete,  herrschte  ziemliche  Mannszucht; 
nach  seinem  Tode  wurden  gemach  auch  die  Schweden  zur  wahren 
Landplage,  das  „Wort  Gottes^  galt  ihnen  nicht  selten  wie  dem 
Wallenstein  und  TUIj  als  Aushängeschild  für  Schinden  und  Kauben; 
um  das  Uebel  voll  zu  machen,  kamen  zuletzt  gar  die  Franzosen 
als  Beschirmer  der  Teutschen  Reichs-  und  Glaubensfreiheit  — 

Alle  diese  und  noch  andere  Völker  fielen  wie  hungrige  Raben  be- 
sonders auf  die  kleinen,  neutralen  Länder,  welche  einem  offenen 
Thor  glichen,  Freunden  und  Feinden  preisgegeben.  Theuening, 
Hunger  und  Pest  wetteiferten  dabei  neben  den  tosenden  Menschen 
mit  einander  in  der  Vernichtnngskunst;  Heuchelei,  Lüge,  Verrath 
und  Lasterhaftigkeit  arbeiteten  an  dem  sittlichen  Untergang  der 
Ueberlebenden.  —  Ein  staatsrechtliches  Gut  wurde  dennoch  am 
Ende  der  überall  ähnlichen  Drangsale  gewonnen,  die  gleichmässige 
Duldung  und  Berechtigung  der  hadernden  Religionspar- 
teien; verbrieft  und  beschworen  schloss  sie,  zum  Theil  durch  schwere 
Gebietseinbussen,  den  Schlund  des  nimmer  satten  Fanatismus  und 
beendigte  für  viele  Menschenalter  den  Reformationsprocess.  — 
„Friedliches  Nebeneinanderwohnen,  heisst  es  mit  Recht  am  Endo 
(S.  479),  ist  gegenwärtig  die  grosse,  unabweisbare  Aufgabe,  die 
eine  jede  Kirche  in  Beziehung  auf  die  andere  erzielen  muss  und 
Wärme  des  religiösen  Glaubens  und  die  Innigkeit  des  christlichen 
Lebens  wird  dadurch  keineswegs  vermindert,  sondern  im  Gegentheil 
erhöht«  — 

Aus  den  vielen  Landschafts-  und  Ortsleiden,  deren  Znsammen- 
hang mit  dem  Ganzen  geschickt  festgehalten  wird,  mögen  hier  für 
die  Charakteristik  des  Buchs  drei  Punkte  genügen,  ohne  dass  na- 
türlich dieselben  vollständig  ausgeführt  werden.  Die  erste  Scene  ist 
politisch-kirchlicher  Natur;  sie  betrifft  die  genau  nach  den 
Akten  erzählte  Conversion  des  evangelischen  Grafen  Johann  Lud- 


EiOmt   DriBfMle  Niinm*«  im  30|i«lirifei  Kri«f.  985 

wlf  TOD  Ha  da  mar  und  die  sodann  tod  demselben  ei^i:  nnter- 
flüMy  namentlich  Ton  den  Jesuiten  bewerkstelligte  Katbolisimng 
ler  sngebörigen  Dnterthanen  (S.  107  -125).  Nicht  sowohl  6e- 
vinensdrang  ab  Sorge  um  das  seit  Jahren  schwer  bedräclLte  Volk 
bringt  den  allerdings  etwas  romantisch  gesinnten,  zu  theologischen 
Grflbeleien  und  Gontroversen  neigenden  Laodesherm  in  den  Schooss 
der  Mutterkirche  zurück  und  yerscliafft  ihm  dadurch  wie  die  ToUe 
Gunst  des  Kaisers  Ferdinand  IL,  so  die  Erleichterung  des  hart 
Tom  Kriegsvoik  bedrängten,  beinahe  ausgesogenen  Lindchens.  Die 
eiBte  Rolle  bei  der  in  Wien  mit  gllnaendem  Erfolg  an  dem  guten, 
hier  und  da  zweifelsüchtigen  Grafen  versuchten  Bekehrung  spielte 
der  berühmte  Beichtvater  Lämmermann,  welchem  der  Reisende 
dotch  den  Jesuiten  Ziegler,  Beichtvater  des  Trierischen  Churfürsten, 
dringend  empfohlen  war.  Durch  geschickt  angesponnene  Controver* 
sea  letzte  man,  besonders  an  der  kaiserlichen  Tafel,  den  gern  theo- 
loginrenden  Grafen  in  Spannung  und  Verlegenheit;  ein  feierliches 
Hochamt  vollendete  dann  nach  siebentägigem  Aufenthalt  im  Profess- 
lisose  den  durch  Ascetik,  Grübeln  und  Gespräch  vorbereiteten  Um* 
Sturz  des  gräflichen  Bekenntnisses.  „Ich  fühlte,  gestand  derselbe, 
den  in  der  Messe  gegenwärtigen  Gott  gleichsam  mit  Händen,  wurde 
vsrm  und  im  Innern  von  Licht  durchflössen^  (S.  111).  — 

Am  folgenden  Tage  (7.  September  1629)  empfing  der  Kaiser 
den  wieder  gewonnenen  Sohn  der  Kirche  mit  den  höchsten  Ehre»- 
bezengnngen;  alle  Gesandte  der  katholischen  Höfe,  viele  Magnaten 
des  Reidis  und  der  päpstliche  Legat  wünschten  ihm  Glück ;  in  Be- 
traff der  Einquartierung  und  anderweitigen  Plackerei  wurde  allee 
Molche  gewährt  und  vollzogen.  Dagegen  schritt  aber  auch  die 
Co^enion  rasch  vorwärts;  der  Graf,  heimgekehrt  und  von  den 
Seittigen  kalt  empfangen,  Hess  sich  nicht  abschrecken,  gab  den  evan* 
Sifischen  Predigern  und  Schullehrern  ohne  weitere  Entschädigung 
ihren  Abschied,  nöthigte  die  weltlichen  Beamten  gleichmässig  entwe» 
der  zur  Annahme  des  alten  Glaubens  oder  zur  Verzichtleistung  auf 
ihre  Stellen  und  bewirkte  mit  Beihülfe  der  Jesuiten  und  vielfadien 
Bsteriellen  Nutzniessungen  binnen  etlichen  Monaten  ohne  besondere 
Mfihe  die  Bückkehr  der  meisten  Unterthanen  zur  Mutterkirche.  Selbst 
SB  Mirakeln  fehlte  es  nach  dem  Wiederaufblühen  der  Mönchs-  ttnd 
Honae&klöster  bald  nicht;  ,)S0  sprudelte,  heisst  es,  zwischen  Elz  und 
Hsdamar  eine  Quelle  hervor,  zu  der  Tausende  zusammenströmten 
md  ^  Blinde,  Lahme  und  Presshafte  aller  Art  geheilt  verliessen^ 
(8.  124>  — 

Das  zweite,  anziehende  Charakterbild  sittlich-religiöser 
Art  bietet  die  Gräfin  Ursula  von  Nassau-Hadamar  aus  dem 
Haue  Lippe.  Während  der  Gemahl  Johann  Ludwig  übertritt,  bleibt 
äe,  oline  gerade  mit  ihm  zu  brechen,  dem  evangelischen  Bekennt- 
vm  tren,  trotzt  allen  Schwierigkelten,  Gefahren  und  Anfechtungen 
aud  schlägt  selbst  auf  dem  Sterbebette  (1688)  den  Anlauf  welchen 


jm  Keller:    Drtiifiald  MaiiMi'i  im  SOjAlurlfeii  Krieg« 

4i«i  JaaoiienTäter  mH  Elngheit  u&d  Feaer  ODteroabmeii,  tifgrddi 
zmfkk  (S.  S31).  Das  wahrhaft  edl«,  mildthätige  und  Btaadhafte 
Wesen  der  Fraa  Ferfebite  nicht,  auf  die  eifrigsten  Oiaubensfeinde  deo 
wohlthätigsten  Eindruck  zu  machen.  Sie  gestanden  bewundernd  eiO) 
^dass  man  bei  aller  Frömmigkeit,  ja  beinahe  Heiligkeit  des  Lebeai 
bei  der  Gräfin  nichts  anderes  vermisst  habe,  als  dass  der  bohe 
Schmuck  ihrer  Tagenden  von  dem  Fundamente  des  Olanbens  ver- 
lassen  gewesen  sei^  (S.  833).  — 

Das  leiblichei  sittliche  und  geistige  Elend,  welchen 
bei  den  häufigen  Umscbllgen  und  dauernden  Eingrifien  des  Eriegef 
über  die  Nassauischen  Lande  einbrach,  bildet  einen  dritten,  aosie- 
banden  Wendepunkt  der  Schrift.  Wäre  nicht  alles  strenge  beglaobigt, 
•0  könnte  man  gegenüber  dem  einen  oder  andern  Jammer  Zweifel 
erbeben  und  wegen  der  namenlosen  Höhe  das  Greschehene  wo  nicht 
für  unmögUch,  doch  übertrieben  halten.  So  rasten  als  Folge  dea 
Drucks,  Aberglaubens  und  Hasses,  der  Hungersnoth  und  Pest  mdire 
Jahre  lang  Hezenprocesse  und  brachten  Hunderte  von  alten  ood 
Jüngern  Sdilachtopfern  so  lange  auf  den  Scheiterhaufen  (1628—1632), 
bis  die  Ankunft  der  Schweden  und  Teutschen  Protestanten  der  Mo- 
deraserei allmählig  die  Wurzel  abschnitt  Der  Verfasser  hat  ia 
dem  achten  Ei4)itel  diese  dämonische  Erscheinung,  den  Terrorismiu 
des  Wabnglaubens,  nmständiich  erörtert  und  psychologisch  aufsa- 
Uären  getrachtet  Wie  leicht  konnte  z.  B.  nicht  ein  yerführtes 
Ifädehen  die  Schuld  von  dem  ,)bebnschten^  oder  j^unbebuscbten* 
Krieger  dem  Teufel  zuschieben!  Wurde  doch  dieser  herkönunlidi 
jdfl  i^elehrter  Herr  mit  Federhnt  und  Degen  aufgefasst  und  gesebll* 
4ertl  Das  geschah  zwar  nicht  wie  jetzt  auf  der  prachtvoll  znge- 
etiUzten  Theaterbühne,  idber  desto  häufiger  und  eindringlicher  ia 
•ehanerlichen  Erzählungen  und  Märdien.  —  Mit  diesem  Sitten-  und 
Oeistesverfall  hielt  das  leibliche  Elend  gleichen  Schritt;  nach  der 
Nördlingersehlacht  (1634)  erreichte  es  in  den  Main-  und  Bheiage* 
gegendea  einen  £ast  nnghiaUieben  Grad;  Krankheit,  Hunger,  Banb, 
ficand,  Nothzncht  wutheten  wetteifernd  in  jenen  gesegneten  Landen, 
wobei  kein  Volk  hinter  dem  andern  zaruckblieb;  bei  Tarken  und 
Helden  verfuhr  man  sogar  gelinder  als  hier  unter  den  Christen. 
Gcas,  Krinter  nnd  Wurzeln,  Hunde,  Hatten  und  Katzen  galten  oft 
ab  Leckerbissen.  „Um  das  Pferdefleisch,  sagt  Khevenhiller 
(Xn,  2978),  haben  zieh  die  Menschen  gernpft,  geschlagen  und  gsr 
gemordet,  in  summa  war  eine  solche  Noth,  dass  auch  kehi  Mensdi, 
so  zu  sagen,  des  andern  verschont,  sondern  mit  Vortheil  todtschla« 
gen  und  verzehrten.  —  Die  Gottesäcker  haben  sie  dorchsueht,  die 
GrSber  aufgebrochen,  die  Hochgerichte  erstiegen  und  die  Todten 
ZOT  Speise  genommen.  Ein  Bruder  hat  die  todte  Schwester,  efaie 
Tochter  die  todte  Mutter  angewendet  nnd  davon  verzehrt,  also  daas 
weder  die  Samarische,  und  die  Hierosolymitanische ,  noch  Sagundi- 
•che  BnogennoUi  gegen  dieselbe  etwas  gewesen  iat^  — 


OtMkidM«  4m  Biifftttikip  M7 


DieM  Gfftaiidikeit  wird  tob  eisea  Naaaaiicheii  PfarroTy  Ple» 
ba^Qs  (Völker)  aiu  Miahlani  io  dem  Boeh  handsduriftlidi  Torhaii* 
denaa  Tafebttch  YoUkommeD  im  Eiuelaan  bestüigt  fjn  meineaii 
ffiafibargdieo,  heiMl  es  da  S.  268,  bio  leb  aocb  nach  Eadliehbolen 
komscDi  darimeo  nicht  ein  lebendiger  Blenach  gewesen,  allein 
iw^  starke  Hnnde  ror  Micbelgras  Hans  angeCroireni  weiche  mich 
griHlidi  angesehen I  worüber  ich  mir  die  Gedanken  gemacht,  es 
wirden  tedte  Menschen  in  diesen  Hans  liegen,  bin  hinein,  jededi 
Bit  Fnrcht  gegangen,  da  ich  gleich  Tomen  im  Hanse  einen  Men- 
icheB  gelon^n,  drai  der  Hals,  Achseln,  Arme  n«  s.  w.  abgefressen 
wares,  auch  der  Kopf  nicht  sn  finden  gewesen.  In  der  Stube  har 
hen  etliche  Bficher  aof  der  Erde,  alte  Kleider,  Lampen,  derKleidien 
anch  etliche  Bein  nnd  Knochen  Ton  Kindern  gelegen.  Und  sollen 
in  diesem  Hanse  drei  Kinder  von  den  Hunden  sein  gefressen  wor^ 
dea;  sind  also  in  diesem  D$rilein  acht  Menschen  in  ihr  bestialisches 
Gediraa  begraben  worden.  —  Im  Dorfe  Rappertshofen  hat  die 
Kniiblrtin  Ton  ihrem  todten  Mann  gerissen  nnd  gesdmltten,  solches 
gekocht  nnd  mit  Ihren  Kindern  gegessen,  anch  ihrem  Vater  die 
Scheokel  abgehanen,  gewaschen,  gekocht,  dergleichen  den  Kopf  anf- 
gedian,  gesotten  nnd  gefressen.^  In  den  terstörten  DMem  haasten 
Hasen,  Füchse  nnd  andere  wilde  Thiere.  „Meister  Femets,  berichtet 
Flebnaas,  schoss  in  dem  5den  Nastitten  einen  Hasen  tob  der  Batli^ 
haasstiege  herab,  wurde  aber  darüber  in  der  Einsamkeit  tob  so 
grosser  Fnrdit  angewandelt,  dass  er  sich  Ton  dannen  gemacht  hat^ 
(a  275).  — 

i3ne  grftnlicfae  SchreckeBSScene  erlebte  anch  WiesbadoB, 
als  es  1644  tob  den  Baiem  bcsetat  nnd  Stunden  kng  gemisshan* 
ddt  wurde.  »Es  sei  kein  Wunder,  äusserte  später  der  Ohnrmahud- 
sehe  Gesandte,  wenn  man  gegen  solche  barbarische  Truppen  nicht 
etira  Franaosen,  sondern  selbst  Türken  und  Tataren  au  HBfe  m<i* 
(8.  409).  — 

Diese  Züge  werden  hinreicben,  um  den  geschichtUchen  Werth 
des  grOsstentheäs  ans  archiTaBschen  Quellen  henrorgegangeneB  Bnchs 
au  besdchnen.  Seine  stillschweigende  Hauptlehre  gehet  natüiHch 
wider  Olaubenszwietracht  und  bürgerlichen  Unfrieden. 
Jenem  kann  man  am  Besten  durdi  Duldsamkeit,  Aesem  durch  cweck« 
Fortschritt  begegnen.  — 


GtkhichU  des  gromtn  BauemkriegB.  Na€h  den  Urkunden  und  Augef^ 
seugen  von  JDr.  Wilh,  Zimmermann,  Neue  ganz  umge- 
arbeUde  Auflage.  Erster  Band^  XVIll,  516.  Zweiter  Band 
610.     8.    Stuttgart,    Rieger^ache  Buchhandlung.     1856. 

Mit  Becht  darf  der  Verfasser  diese  aweite  Bearbeitung  seines 
"Wsttss  eine  TiaUach  umgewandelte  nennen;  sie  hat  eben  so  sehr 


388  2immeniiann:    defchichte  d«s  Banernkrieipi. 

an  Einheit  und  Zasammenfassong  ab  klarem,  besonnenem  tFrthd 
ülier  den  Zweclc,  die  Mittel  und  den  Ausgang  jener  gewaltigen, 
wirren  nnd  mannigfach  abgestuften  Bewegung  gewonnen,  welche 
man  nach  dem  handelnden  Uaupttheii  den  Bauernlirieg  nennt.  Was 
demselben  in  der  ersten,  vor  etwa  fünfzehn  Jahren  erschienenäi 
Darstellung  als  zu  weit  rückwärts  führendes  Proöm  beigegebeo  war, 
ist  jetzt  weggefallen;  statt  des  übersichtlichen  und  doch  nur  flfidir 
tigen  Blicks  auf  die  vorangegangenen  Freiheitskämpfe  des  Mittel- 
alters wird  die  unmittelbare  Zeitlage  des  sechszehnten  Jahrhunderts 
geschildert  und  dadurch  der  Hauptgegenstand  zweckmässig  vorbe- 
reitet. Letzterer  hat  überdless  durch  einzelne  Zusätze,  z.  B.  in  Be- 
treff des  Weinsberger  Ereignisses  und  des  Münzerschen  Handels  oder 
Wirrwarrs,  neue  Beleuchtung  erhalten;  auch  manche  zu  ideale  An- 
sicht der  einen  oder  andern  Persönlichkeit  und  Thatsache  mag  hier 
und  da  auf  ihr  gehöriges  Mass  zurückgeführt  worden  sein.  Selbst 
die  eigenen  Beobachtungen  und  Erlebnisse  auf  dem  Frankfurter 
Beichsparlament,  welche  in  dem  Vorwort  angedeutet  werden  (S.  13), 
dürften  für  die  alte  Vergangenheit  nicht  ganz  unfruchtbar  bleiben; 
„ich  habe  auch  daraus,  heisst  es.  Manches  gelernt. '^  —  Der  Unter- 
zeichnete hat  in  der  neuen  Jenaischen  Literaturzeitung  (Jahr  1845. 
Nr.  197  und  198)  ein  ziemlich  eingehendes  Gutachten  über  das 
vorstehende  Werk  abgegeben  und  daher  keinen  Beruf  gefunden,  die 
dortigen  MittheUungen  hier  theils  zu  wiederholen,  theils  zu  ergän* 
zen.  Denn  wem  daran  gelegen  ist,  der  findet  ja  leicht  den  Weg 
zum  Nachschlagen.  Es  möge  daher  genügen  zu  bemerken,  dass  die 
xweite  Auflage  den  bezeichneten  Blossen  der  ersten  fem  bleibt  und 
alle  Vorzüge  derselben  nicht  minder  beibehält  denn  steigert.  Jene 
bestehen  aber  in  der  fleissigen,  namentlich  auch  ans  ungedruckten 
Nachrichten  schöpfenden  Forschung,  dem  geschickten  Anordnen  und 
Gruppiren  des  Stoffes,  der  gewandten  Gharakterzeichnung  sowohl 
einzelner  Personen  als  Verhältnisse,  der  anschaulich  und  klar  ge- 
haltenen Sprache,  welche  besonders  durch  die  Aufnahme  nrkundii- 
eher  Stellen  den  Leser  fest  hält  und  belehrt.  Kurz,  Herr  Zimmer« 
mann  hat  sich  materiell  und  formell  als  tüchtigen  Historiker  ausge« 
wiesen,  weicher  keinem  Angehörigen  der  neuen,  gleichsam  Schwa- 
bisch-Fränkischen Schule  nachsteht;  letztere  aber  macht  bekanntlieh 
der  Preussisch  -  Sächsichen  gewissermassen  rühmlichst  ConkurreDS 
und  deutet,  so  jung  auch  beide  Richtungen  unter  gefeierten  Altmei- 
stern und,  so  zu  sagen,  Gallerie-Inspectoren  sind,  auf  eine  schöne 
Zukunft  der  Teutschen  Geschichtswissenschaft  hin.  — 


■r.  lt.      HEIDELBERGER        lUT. 

JAHRBOGHBR  der  LITERATUR. 


DU  drei  Kriegsjahre  1756  ^  1757,  1758  in  Deutschland.  Aus  dem 
Nachlasse  Joh,  Ferd.  Huschber^s,  geir,  BaieriscJien  Offisiers, 
Regierungsrathts  und  Archivars,  Mit  Ergänsungen  herausge- 
geben von  Heinrich  Wuttke,  Nach  bisher  unbenutzten 
Archiven.     XCVII.     723.     Leipzig  bei  Hinrichs.     8.     1856. 

In  lilerariseher  Besiebung  encbeint  bei  dem  ersten  An- 
blick der  siebenjährige  Krieg  als  ein  breit  getretener,  Tollkommen 
abgenatzter  Gegenstand,  welchen  man  nach  gerade  auf  sich  sollte 
beroben  lassen.  Bei  genauerer  Betrachtang  aber  treten  die  Sachen 
doch  etwas  anders  hervor.  Denn  so  populär  und  lebendig  aoch 
die  handelnden  Persönlichkeiten,  vor  allen  der  grosse  König,  durch 
Schrift  und  Ueberlieferung  geworden  sind,  hemmt  dennoch  bisweilen 
das  dicke  Gestripp  des  Parteigeistes  und  der  Einseitigkeit  den  freien 
BKek  der  nüchternen  Wahrheit  und  des  unbestechlichen  Urtheils. 
Die  Gegenseite  nämlich  wird  mehr  oder  weniger  in  den  Darstellun- 
gen zurückgeschoben,  der  Oesterreicher  dem  Preussen  untergeordnet, 
somal  jener  im  Ganzen  literarisch  etwas  spröde  nnd  fahrlässig  blieb» 
dieser  überaus  eifrig  die  Berichterstattung  aufgriff  und  in  den  ver- 
schiedensten Formen  bis  an  den  heutigen  Tag  niederlegte.  Denn 
Tom  trockenen  Schlacbtrapport  an  bis  zur  kunstreichen,  pragmatl- 
aeben  Schilderung,  ja,  seit  etlichen  Jahren  sogar  unterhsJtenden  Bo- 
ttinpoesie  aufwärts  laufen  die  schriftstellerischen  Denkmäler  des  er- 
Khfittemden  Kampfes;  alle  Stände  haben  sich  an  ihm  wie  früher 
thatsächlich,  so  später  schriftstellerisch  gewissermassen  betheiligt  — 
Dem  gekrönten,  genievollen  Historiker,  welcher  einst  als  Handeln- 
der den  Hauptstoff  gab,  folgen  auch  auf  dem  friedlichen  Felde  der 
Wiisenscbaft  Generale,  Adjutanten,  Aerzte,  Prediger  und  Staatsmän- 
ner in  bald  kürzern ,  bald  langem  Denkwürdigkeiten  oder  Zeug- 
nisBen  dea  Erlebten,  Gehörten  und  Gesehenen.  Dabei  wetteifert  der 
Kosel  mit  dem  Grabstichel,  der  Tonkünstler  mit  dem  Dichter,  der 
li^rzgnse  mit  dem  Bauwerk.  —  Weil  ferner  eine  gewaltige  Gentral- 
figor  in  der  Mitte  stehet,  so  bekommt  der  ganze  mannidifaltig  ge- 
iBederte  und  abgestufte  Dom  des  Geschichts-  und  Sagenkreises 
«piiche  Abrundung  und  Einheit;  leicht  vererbt  sie  sich  von  Ge- 
icUecht  auf  Geschlecht,  selbst  in  der  abgeschlossenen,  unstäten  Ge- 
genwart nicht  völlig  hinweggespült  und  nlvellirt  — 

Wie  schweigsam,  fast  unbekümmert  um  das  historische  Dasein 
vnd  gldchgültig  gegen  die  ehrenhaften  Mittel  und  Handhaben  des- 
Miben  verhalten  sich  andererseits  nicht  die  Habsburger!  —  Die 
Akten  liegen  unter  Schloss  und  Siegel,  viele  Briefe  und  Denkschrlf- 
I      i.  iihif.  4.  Hoft  19 


aOO  WttUke:    Die  drei  Kriegsjahre  1756,  1757,  1758. 

ten  der  EaiBerln-Eönigin  und  ihres  grossen,  tragischen  Sohns  schla- 
fen In  den  ArchiFcn  den  Schlaf  des  Gerechten.  — 

Es  Ist  also  literarisch  betrachtet  der  siebenjährige  Krieg  noch 
nicht  einfürallemal  abgeschlossen  und  beendigt;  er  bleibt  eine  s.  g. 
ofifene  Frage ;  diese  mag  man  bei  dem  Reichthum  und  Interesse  des 
Gegenstandes  immerhin  von  neuem  und  bei  Nebenstücken  mit  Erfolg 
behandeln  dürfen;  denn  die  eigentlichen  Kernpunkte  sind  wohl  für 
immer  erledigt|  namentlich  in  Bezug  auf  Taktik  und  Strategie  durch 
das  Werk  ihres  Meisters  für  überflüssig  erklärt. 

Auch  der  poiitisch-^sittliche  Standpunkt  vergönnt  eine 
bescheidene  Revision  jenes  merkwürdigen,  folgenschweren  Ereigniaaes. 
Kein  Vernünftiger  denkt  nämlich  ernsthaft  an  eine  praktische  Wie- 
derbelebung des  bekannten  dualistischen  Gegensatzes;  bittere  Erfah- 
rungen haben  ihn  ausgeglichen  und  werden  es  gegenüber  der  Fremde 
noch  fernerhin  thun.  Nicht  Laune  und  Ehrgeiz  der  einen  oder  an- 
dern Seite,  sondern  die  Macht  nnd  Wucht  der  Dinge  haben  nach 
langem  Gähren  und  Krefsen  zu  Gunsten  der  polarischen  Gegen- 
atellnng  entschieden.  —  Dass  sie  nicht  umschlage  in  Hass,  sondern 
Freundschaft,  fordert  die  Erfahrung,  um  nicht  zu  sagen,  die  Ver- 
nunft. —  Unendlich  überlegen  ist  die  Gegenwart  der  s.  g.  Zopf- 
und Schwertzeit  an  technischen  und  wissenschaftlichen 
Mitteln.  Ob  aber  auch  an  Genie,  Ausdauer,  Opferwilligkeit?  — 
Habsbnrg,  bei  dem  schnöden  Erbfolgekrieg  von  allen  Seiten  her 
überfallen  und  gedrängt  rettete  dennoch  mit  Ausnahme  eines  massi- 
gen Gebietstheils  den  schwer  bedrohten  Begriff  der  Integrität; 
es  Wurde  nicht  zerstückelt,  wie  es  die  nächtlich  angezettelte  Ver- 
schwörung der  Feinde  wollte ;  der  Staatsstreich  missglückte.  Frensaen, 
von  einem  ähnlichen  Gegenschlag  sechszehn  Jahr  später  getroffen, 
nahm  nach  dem  Kampf  mit  halb  Europa  denselben  Ausgang;  es 
rettete  seinen  vertragsmässig  erweiterten  Territorialbestand  und  trat 
dadardi  in  die  Reihe  der  tonangebenden  Gtossmächte  ein.  — 

Dergestalt  konnte  Teutsctiland ,  obschon  im  schicksalvolbteni 
halb  verschnldeten  Bürgerkriege,  die  Selbstbestimmung  oder  Spon- 
taneität des  Handelns  gegenüber  dem  Auslande  trotz  der  Zwietracht 
behaupten  und  durchführen ;  denn  man  vertiefte  sich  nicht  sentimen- 
tal in  den  Gedanken  der  nun  einmal  „wirklichen^  Zerrissenheit,  son- 
dern suchte  derselben  durch  werkthätiges  Verfahren  den  bittern 
Beigeschmack  des  dumpfen  Hinbrütens  und  elegischen  LamentireDS 
gründlich  zu  benehmen.  —  Was  hilft  überhaupt  eine  Million  Bajo- 
nette, wenn  sie  müssig  bleibt?  Sicherlich  ist  man  jetzt  im  Rat  heu 
überlegen,  aber  rücksichtlich  des  Thatens  kann  die  siebenjährige 
Eriegszeit  stärker  begründete  Ansprüche  erheben,  so  roh  und  unge- 
schlacht sie  auch  sein  möge. 

Somit  stehen  weder  wissenschaftliche  noch  politische  Grund« 
einer  neuen  Besprechung  des  jedenfalls  grossartigen  und  für  beide 
Theile  ehrenhaften  Ereignisses  entgegen.  Schädlich  allein  würdi 
dM  tinseitige  und  bochmUthlge  Ftunkea  nnd  BKsonniren  wizket 


WuHke:    Die  ilrei  Kriefsjahre  1756,  1757,  1758.  391 

oder  die  ewige,  marklose  Klage  über  Zerrinenbeit  und  Zwietracht 
mit  den  eben  so  lächerlichen  als  lähmenden  VertrÖstangen  anf  die 
Zokiinft  DeoD  begangene  Fehlgriffe  erkennen  nnd  bessern,  Kräfte 
ud  Mittel  der  Gegenwart  anfsndien  und  anwenden,  —  das  nnd 
Bichts  anderes  bleibt  aach  f(ir  Teutschland  die  ächte  ,,ZukQnfto- 
Politik.«   — 

Ist  dergestalt  eine  frische  Prflfung  des  kleinen,  aber  that«  und 
folgenreichen  Abschnittes  nach  allen  Seiten  hin  gerechtfertigt,  so 
verdient  die  Art  und  Weise  der  Ausführung  trota  des  Fiagmmitarl«- 
sdien  ToHe,  beachtende  Aufmerksamkeit  der  geschichtskondigeii  Le- 
Mwelt.  Es  handelt  sich  nämlich  nicht  um  flüchtige  und  leicht  aus* 
italTirte  Bilder  und  Erzählungen,  sondern  um  m5glicb8t  queUenmässig 
erforechte,  unparteiisch  dargestellte  Begebenheiten  und  ZurflcklObrung 
denelben  auf  ihre  diplomatisch-politischen  Ursachen  und  Hebel.  Der 
ffir  die  Wissenschaft  zu  früh  in  Würzbnrg  veratorbene  (20.  August 
2852}  Archivar  Huschberg  drückt  sich  in  seinem  Vorwort  (8.  XIX) 
darüber  kurz  also  aus:  ^Bel  der  Stellung  des  Ostens  und  Westeaa 
fegen  Deutschland  ist  künftig  der  erste  Schuss  von  Deutsehen  ge^ 
gen  Deutsche  das  Signal  ihres  nationeilen  Falls  und  Untergangs. 

In  der  Bearbeitung  spezieller  Kriege  handelt  es  sich  namentlich 
um  das  gehörige  Detail,  denn  ohne  dieses  bleiben  die  grl^sere  Er- 
eignisse, die  ihre  Quelle  und  ihren  Ursprung  häufiger  aus  weniger 
bedeutenden  haben,  unerklärt  und  daukel. 

Die  Tendenz,  nur  sogenannte  grossartige  Bilder  und  Uebereich- 
ten  zu  liefern,  Wesentliches  zu  verkürzen  und  zu  beschneiden  und 
dagegen  die  Reflexion  sich  in  unbegründeten  Betrachtungen,  Folge« 
niogen  und  Schlüssen  nach  Herzenslust  ergehen  zu  lassen,  ist  des 
Verfassers  Sache  nicht.  Er  überlässt  dieses  Feld  den  s.  g.  berfthm- 
ten  Historikern.«  — 

Für  die  Abfassung  des  Buches  wurden,  wie  der  Heransgeber 
Bsehweist,  hauptsächlich  von  Druckschriften  benutzt  die  amtlichen 
Veröffentlichungen  beider  Theile,  sowohl  diplomatische  als  militäri- 
ttbe,  femer  an  Handschriften  die  Im  Würzburger  Archiv  niederge- 
legten, reichhaltigen  Sammlungen  des  Fürstbischofs  Adam  Friedrich 
(st  1779),  welcher  mit  Eifer  und  Umsicht  den  Gang  der  Begeben- 
Üeiten  verfolgte,  überall,  namentlich  im  Oesterreichischen,  Berichter- 
statter und  Agenten  hielt,  von  ihnen  natürlich  manche,  nicht  für  die 
Oeffentlichkeit  bestimmte  und  dennoch  wichtige  Nachrichten  empfing, 
endlich  auch  viele  Briefe  und  Berichte  hochgestellter,  mithandelnder 
PersöttHcbkeiten  zur  Einsicht  erhielt.  Mehr  oder  weniger  flössen 
sko  die  handschriftlichen  Hülfsmittel  aus  Oesterreichischer 
Qtielle,  welche  bisher,  wenige  Ausnahmen  abgerechnet,  für  die  6e- 
Khicfate  des  Kriegs  ziemlich  unbenutzt  blieb,  also  auch  manches 
Abweichende,  ja,  Neue  liefern  musste.  Mit  der  Schlacht  bei 
Krefeld  —  23.  Junius  1758  -^  bricht  aber  leider!  die  Arbeit  des 
Verfass^s  ab,  und  mit  dem  Schluss  des  Jahres  endigt  auch  die 
{"ortietaung  des  Herausgebers  (S.  612— 728),    Dieser  liefert  dann- 


792  Wattke:    Die  drei  Kriefsjahre  1756,  1757,  1758. 

ben  in  einer  Reihe  von  fortlaufenden  Noten  sehr  verdankenswerdia 
und  lehrreiche  Ergänzungen,  welche  sich  häufig  auf  handschrift- 
liche, bisher  unbenutste  Quellen  stützen.  Letzteren  gehöret  nament- 
lich der  im  Belgischen  Staatsarchiv  niedergelegte  Briefwechsel  des 
Oesterreichischen  Ministers,  Grafen  von  Cobenzl  an.  Dieser  Staats- 
mann, „bei  dem  Beginne  des  Kriegs  in  manche  Begebenheiten  ver- 
flochten und  mit  den  angesehensten  Männern-  in  Verkehr^  kann  ge» 
wisa  als  ein  beachtenswerther  und  gewichtvoller  Zeuge  gelten.  Das- 
selbe Yerhältniss  haben  in  Betreff  der  dem  Kriege  zunächst  Toran- 
gegangenen  Dinge  mehre  in  dem  Pariser  Archire  befindliche,  von 
dem  0.  R.  Schlosser  in  Heidelberg  dem  Heransgeber  mitgetheilte 
Aktenstücke ,  welche  besonders  den  Gang  der  Französischen  und 
Oesterreichischen  Politik  erläutern,  auch  auf  die  „berüchtigte  Allianz^ 
bdder  Höfe  (i'alliance  monstrueuse)  hier  und  da  ein  Streiflicht  wer- 
fen.  Diese  Hülfsmittel,  den  zahlreichen  Druckschriften  vereinigt, 
befähigten  den  Verfasser,  manche  bisherige  Lücke  zu  ergänzen  und 
das  Dunkel  geheimer  Verhandlungen  aufzuhellen,  ein  Umstand,  wel- 
cher namentlich  von  dem  bezeichneten  Wechsel  der  Politik  gilt.  Da 
er  üherdiess  bereits  in  seinem  trefflichen  Werk  über  „die  Besitzer- 
greifung Schlesiens  durch  Friedrich  d.  G.^  (s.  darüber  die  Reo.  in 
der  Neuen  Jenaer  Zeit.  1846.  Nr.  58  und  59.)  seine  volle  Befähigung 
für  den  Gegenstand  gezeigt  hat,  so  kann  der  Leser  mit  Recht  von 
den  „Ergänzungen^  etwas  Tüchtiges  erwarten.  In  der  That  klären 
8ie  auch  manchen  schwierigen  oder  zweifelhaften  Punkt  auf,  vervoll- 
ständigen das  von  Huschberg  benutzte,  hauptsächlich  Oesterreichische 
Material  durch  Herbeiziehen  und  kritische  Sichtung  anderweitiger, 
besonders  Preussischer  Nachrichten,  beleuchten  endlich  in  dem  gründ- 
lichen, durch  Gehalt  und  Sprache  ausgezeichneten  Vorwort  (I— XGVI) 
theils  die  Persönlichkeit  und  das  wissenschaftliche  Streben  des  hin- 
geschiedenen Historikers,  theils  die  Entstehung,  den  Charakter  und 
arorückgreifenden  Einfluss  des  siebenjährigen  Krieges  auf  die  bethei* 
ligten,  namentlich  Teutschen  Staaten  und  Völker.  — 

Wenn  also  die  Geschichtskenntniss  jener  denkwürdigen  und 
folgenreichen  Kämpfe  sowohl  durch  den  Bayerischen  als  Sächsischen 
Historiker  wesentlich  gewonnen  hat,  so  ist  nur  dringend  zu  wön- 
sehen,  dass  der  letztere  die  Arbeit  des  Vorgängers  völlig  zum  Ab- 
schluss  und  Ziel  führen  möge.  Denn  obschon  wir  in  einem  eigent- 
lichen Friedenszeitalter  leben,  welches  nur  selten  und  stossweiae  zu  den 
Waffen  gedrängt  wird,  bleibt  der  Rückblick  auf  lange  Kriegesjahre 
ebenso  anziehend  als  hei  dem  Schiffer  die  Erinnerung  an  Sturm  und 
Ungewitter.  Dazu  kommt,  dass  der  siebenjährige  Kampf  trotz  der 
spätem  Revolutions-,  Ejuser-  und  Freüieitsfehden  sein  eigenthümli- 
ches  Interesse  nie  verloren  hat  und  auf  beiden  Seiten  einen  seltenen 
Grad  und  Umschlag  der  Anstrengungen  und  Glückswechsel  aulstellL 
Die  von  dem  Herausgeber  und  Fortsetzer  Huschberg's  angedeutete 
Gleichgültigkeit  des  Publikums  (S.  XXVU)  wäre  daher  rücksichtlicb 
der  in  Aussieht  gesteliten  Weiterführung  schwerlieh  sa  ftirebten; 


imiM:    Vttbilfirfii  der  UlMi  ib4 

1 10  boeh  aneh  hier  and  da  die  Aktien  ^pder  hlstoriidiett  So- 
und romanhaften  Historien*'  bei  der  Literaten-  nnd  Lese- 
weit  stehen  ni5gen,  behauptet  dennoch  die  strenge^  nttehteme  Ge- 
Mhichtschreibang  aaf  die  Länge  hin  den  ihr  allein  gebührenden 
Ehreoplats  und  Vorrang.  Man  darf  daher  den  Abschlnss  des  so 
ieh5Q  begonnenen  Werkes  dareh  H.  Wattke  nm  so  eher  botfen,  ala 
lieh  die  in  den  Binden  desselben  befindlichen  Anssflge  Haschberg'a 
big  zoin  Ende  des  Kriegs  erstrecken.  ^ 


L  Da$  tihnoirraphUehe  VerhäUniss  der  Kelten  und  Oemumen,  naeh 
den  AnaiekUn  der  AUen  und  den  epraehUehen  üeberreeten,  dar^ 
fldegt  von  Dr,  Brandes,  PrivcUdoeeni  der  Oesehiehte  an  der 
UmversUat  Ldptig,     Läpzig,  Voigt  und  Günther^  1867, 

2,  De  txdenÜU  de  Raee  des  Oaüloia  et  des  Qermainsj  par  le 
Genial  RMard.    Bruxelles  1856. 

Als  im  Jahr  1855  meine  Schrift,  Kelten  und  Oermanen  erschien, 
worde  man  in  sahireichen  Recensionen  gewarnt,  sich  dem  Eindmclc 
aeiner  Beweise  hinsngebeo,  denn  ich  habe  als  AdFocat  nur  einige 
Zeognisse,  die  meiner  Ansicht  günstig  seien,  angeführt,  die  sdUref- 
eben,  schlagenden  Stellen  aber,  auf  welche  die  herrschende  Ansicht 
fot  gegründet  sei,  absichtlich  verschwiegen.  Obwohl  ich  mir  be» 
wosst  war,  die  Quellen  sämmtlich  gelesen,  nnd  nichts  übergangen 
n  haben,  was  für  die  herrschende  Ansicht  günstig  ausgelegt  wer- 
den könnte,  so  mosste  doch  eine  so  vielfach  erhobene  Anschddignng 
Ton  Wirkung  sein;  und  obwohl  alle  jene  Recensenten  in  der  EU« 
nicht  für  nöthig  fanden,  eine  jener  vielen  schlagenden  Stelien,  die 
ich  verschwiegen  habe,  anzuführen,  so  konnten  doch  die  Leser  nielit 
nreifeln,  dass  sie  solche  Stellen  liätten  anführen  können.  So  war 
ich  widerlegt  durch  eine  Anschuldigung,  gegen  welche  es  keine 
Vertheidigung  gab.  Denn  wie  hätte  ich  seigen  sollen,  dass  die  An- 
Nfaoldigung  falsch  ist?  Man  liätte  meiner  Versicherung  immer  wie- 
der die  Versicherung  der  Recensenten  entgegengehalten.  Daher  mnsa 
ich  ib  ein  groBew  Glück  ansehen,  dass  einer  der  Recensenten ,  die 
jene  Anschuldigung  erhoben,  Dr.  Brandes  sich  entschlossen  hat, 
mieh  umständlich  zu  widerlegen,  nnd  die  Anschuldigung  mit  An« 
^nng  der  Zeugnisse  zu  erhärten.  Die  Gegenprobe  ist  nun  ge- 
Bseht,  und  die  Sache  ist  spruchreif.  Die  Entscheidung  aber  schebit 
BchÜmm  für  mich  auszufallen;  denn  noch  in  der  Vorrede  seiner 
Schrift  wiederholt  Hr.  Brandes  die  Anschuldigung:  „bei  dieser  Be* 
hindlnngsart  pflegte  man  sich  mit  unvollständigem  Qnellenmaterial 
m  begnügen,  absichtslos  oder  absichtiich  werthvoUe  Zeugnisse  an 
fibergehen,  und  nicht  selten  in  dne  Stelle  einen  Sinn  hinehizuinter* 
Pleuren,  der  bei  vorurtheilsfreier  Beurtheiiung  nicht  darin  liegt^ 
H  darf  wohl  diese  Stelle  ohne  Unbescheidenheit  auf  mich  beiielieni 


}t4  BrandMs    Verhältniss  der  Kelten  und  Germuien, 

obgleich  der  Verfs^ser  so  menschenfreundlich  ist,  keinen  Namen  za 
nennen.  Pie  wertbvpllen  Zeugaisse  also,  welche  die  herrschende 
Ansicht  stutzen }  und  welche  ich  absichtlich  oder  absichtslos  über- 
gangen habe,  wir  werden  sie  endlich  l&ennen  lernen. 

Was  die  Zeugnisse  vor  Caesar  betriffti  so  ist  Hr.  Brandes  ganz 
mit  ofkir  einverstanden,  dass  die  Griechen  vor  dieser  Zeit  die  Ger- 
manen nicht  gekannt  haben.  Zwar  ist  er  nirgends  mit  mir  aufrie- 
den,  und  hat  überall  an  meinen  Worten  etwas  an  tadein,  da  er  aber 
am  Ende  in  der  Hauptsache  mir  beistimmt,  dass  ein  Zeugniss  für 
einen  von  den  Kelten  Terschledenen  germanischen  Volksstamm  aos 
den  Zelten  vor  Cäsar  nicht  beigebracht  werden  könne,  so  wollen 
wir  nqs  dabei  beruhigen.  Nur  sei  mir  erlaubt  eine  Stelle,  in  wel- 
cher mir  absichtliche  Verdrehung  der  Wahrheit  vorgeworfen  wird, 
nicht  gans  mit  Stillschweigen  zu  übergehen,  sie  lautet :  ^^ Wenn  man 
auch  annehmen  muss,  dass  Polyblos  die  Germanen  als  besondem 
Völkerstamm  nicht  gekannt  haben  wird,  so  sieht  es  doch  fast  als 
eine  beabsichtigte  Verdrehung  der  Wahrheit  aus,  wenn  H.  schreibt, 
Polyblos,  der  selbst  in  Iberien  und  im  Lande  der  Kelten  Heisen  ge- 
macht hat,  scheint  nichts  erfahren  zu  haben  von  einem  von  den 
Kelten  verschiedenen  Vollce  jenseits  des  Rheines.^  Ich  sage  doch, 
wie  mir  scheint,  ganz  dasselbe,  wie  Hr.  Brandes;  worin  soll  deao 
die  Verdrehung  der  Wahrheit  besteben?  Hr.  Brandes  ist  der  An- 
ficht, dass  Polyblos,  wenn  er  die  Völker  jenseits  des  Rheins  ge- 
kannt hätte,  sie  auch  von  den  Galliern  unterschieden  haben  würde. 
Dass  ich  nur  einfach  bei  dem  Thatsächlichen  stehen  bleibe,  und 
nicht  auch  die  Schlussfolgerung  des  Hm.  Brandes,  dass  Polybio«, 
wdl  er  die  Germanen  nicht  als  ein  verschiedenes  Volk  darstelle, 
von  diesen  gar  keine  Kunde  gehabt  haben  könne,  als  erwiesen  an- 
nehme, darin  sieht  Hr.  Brandes  fast  eine  beabsiditigte  Entstelloog 
der  Wahrheit  I 

Hr.  Brandes  untersncht  nun,  ob  die  Britten  Kelten  seien;  ich 
hatte  behauptet,  es  lasse  sich  dafür  kein  Zeugniss  der  Alten  anfüh- 
ren,  als  jene  bekannte  Meinung  des  Tacitus  „in  Universum  tarnen 
aestimanti^,  welche  von  Tacitus  selbst  hinreichend  als  eine  unge- 
naue, oberflächliche  bezeichnet  ist.  Hr.  Brandes  hat  nun  fleissig 
die  ßchlagenden  Zeugnisse  gesucht,  die  ich  absichtlich  oder  absichts- 
jos  übergangen  habe,  und  —  hat  kein  einziges  gefunden.  Dagegen 
■acht  er  die  Zeugnisse  für  die  entgegengesetzte  Ansicht  zu  entkräf- 
ten. Caesar  sei  doch  nicht  eigentlich  ein  Zeuge  für  die  Stammver- 
■cbiedenheit  der  Gallier  und  *der  Britten.  Das  ist  er  aber  allerdings, 
wenn  er  sagt  „ii,  quos  natos  in  insula  ipsi  memoria  proditnm  dicnnt^ 
Darin  ist  bestimmt  ausgesprochen,  dass  Caesar  die  Britten  für  ein 
von  den  Galliern  stammverschiedenes  Volk  hielt,  und  dass  die  Brit- 
ten selbst  ebenfalls  nichts  davon  wnssten,  dass  sie  Gallier  seiea 
Ebenso  wenn  Diodor  sagt,  die  Britten  seien  ein  eingebomes  Volk, 
so  solle  das  nur  besagen,  meint  Hr.  Brandes,  dass  er  von  gewalt- 

in  Britannien  eingedrungenen  Scharen  nichts  erfahren  habe. 


BrftBdeis    VerhftlUiiii  d«r  RdtdB  mid  GeniMeB.  MS 

Aber  nichts  desto  weniger  könnten  die  Briiton  ein  gallischer  Volks* 
stamm  gewesen  sein,  dessen  Einwanderung  in  vorhistorische  Zeit 
^efailea  sei.  Diese  Möglichkeit  kann  allerdings  mit  dem  Zeognlss 
des  Diodor  nicht  bestritten  werden,  aber  Diodor  selbst  kouile  dieser 
Ansicht  nicht  sein ;  Diodor  hielt  die  BrUten  für  ein  von  den  Galliern 
renciuedenes  Volk;  sonst  hätte  er  nicht  sagen  können»  sie  seien 
Aatoehthoaen.  Zeugnisse  also  hat  Hr.  Brandes  keine  neoen  vor- 
nbriogen;  dagegen  sncht  er  sa  entkräften,  was  ich  ans  Veisehie- 
taheit  der  LeibesbescbaffenheH  nnd  der  Sitten  gegen  die  hemehendn 
Asiidit  voi^ebracht  habe.  Ich  glaube  nicht»  dass  es  nöthig  sein 
wird,  hierauf  etwas  au  erwiedem.  Dass  s.  B.  die  Britten  nach  dem 
ZeogDisB  des  Tacitus,  das  durch  die  Wirklichkeit  hestlUigt  wird,  durch 
dunkle  Hautfarbe  (colorati  vultus)  und  krause  Haare  sich  von  den 
Galliern  unterschieden,  ist  Hr.  Brandes  ohne  alle  Wichtigkelti  denn 
«Bemalnng  des  Gesichts  und  Kräuselung  der  Haare  liegen  in  der 
ViJJktibr  jedes  Volkes.^  Die  Weibergemeinschaft  der  Britten  ist 
ebenfalls  nicht  erheblich,  denn  auch  bei  den  Kelten  kamen  Laster 
Tor.  Die  Hauptsache  bleibt  aber  die  Religion,  und  hier  ist  nun  der 
Ort,  wo  Hr.  Brandes  so  glücklich  ist,  ein  von  mir  verschwiegenes 
Zengniss  anführen  zu  können,  ein  Zeugniss,  das  mir  auch  von  dem 
Hrn.  van  den  Bergh  triumpfierend  entgegengehalten  wird.  Dieser 
Hr.  van  den  Bergb,  der  mich  in  den  Verslagen  en  Mededeelingen 
der  Eoninklyke  Akademie  van  Wetenschappen,  widerlegt,  hat  wirk* 
Üch  grossartige  Vorstellungen  von  meiner  Unwissenheit;  er  findet 
tiefa  nnter  Anderm  veranlasst,  mich  an  belehren,  dass  es  einen  ge- 
wissen Herodot  gebe,  den  ich  nicht  kenne,  da  ich  ihn  mrgends  er- 
wibnel  Die  Stelle  nun,  die  sowohl  Hr.  van  den  Bergh  als  nucli 
Hr.  Brandes  au  nseiner  Widerlegung  anführen  —  ich  lumn  nicht 
nskia  an  gestehen,  dass  sie  mir  sehr  wohl  b^annt  war;  und  ea  ist 
slso  deutlich,  dass  ich  sie  absichtlich  übergangen  habe.  Werde  leb 
durch  dieses  offene  Geständaiss  nicht  meine  Sache  gänellch  verder- 
bet? Wird  man  mir  noch  Gehör  schenken,  wenn  es  erwiesen  ist 
rad  zugestanden ,  dass  ich  solche  schlagende  Stellen,  wie  sie  meine 
Gegner  mit  Siegesfreude  su  meiner  Beschämung  vorbringen,  wissent- 
Üefa  und  absichtlich  g.eheim  gehalten  habe?  Es  wird  alles  darauf 
ttkoBunen,  wie  schlagend,  wie  beweisend  dieses  Zeugniss  ist.  Ich 
bitte  behauptet,  dass  ausser  der  von  mir  angefochtenen  Stelle  des 
Tacitus  über  die  Eroberung  der  Insisl  Mona  durchaus  kein  Zeugniss 
&  brittische  Druiden  beigebracht  werden  könne.  Man  wird  mir 
vohl  glauben,  dass  es  Thorheit  gewesen  wäre,  eine  solche  Behaup- 
Inig  ansausprechen,  wenn  ich  nicht  glaubte  des  Stoffes  vollkommen 
nichtig  an  sein  und  alle  betreffenden  Stellen  gelesen  zu  haben* 
San  aber  bringen  meine  Gegner  ein  zweites  Zeugniss  für  brittische 
Dnudea  baL  £s  Ut  folgende  Stelle  des  Plinius  30,  3.  GaUias  uäque 
fonedit,  et  qnidem  ad  nostram  mamorjam.  Mamque  Tiberil  Ca4ssaria 
priatipatna  anatulit  Dmidas  eorumi  et  hee  genus  vatum  medicomnip 
foe.  Bed  quid  ego  haeo  conunamMem  in  arte  Oceanum  quoqnn 
tvvilKeBsn  et  ad  natorae  inane  pervecta?  Britannia  hodieque  eam 


906  Brande«!    VerhftUni^a  der  Kelten  und  Germanen. 

attonite  celebrat  tantis  cerimoDüs ,  ut  dedisse  Persis  Tideri  possit. 
Hr.  Brandes  sagt:  Plinias  bezeugt  hier,  dass  das  Drnidenthum  mit 
den  Menschenopfern  in  Britannien  mit  so  vielem  Ritual  umgeben  und 
ausgebildet  gewesen  sei,  dass  man  diese  Insel  als  Ausgangspunkt 
dieses  Aberglaubens  anzusehen  geneigt  sein  könnte!  Vielmehr  sagt 
Plhtiins  das  nicht  Er  spricht  von  der  ars  magica;  sie  sei  zu  Haus 
bei  den  Persem,  sei  aber  auch  bei  den  Griechen  gepflegt  worden; 
Spuren  finde  man  bei  den  italischen  Völlcern)  in  Gallien  habe  sie 
geherrscht  und  zwar  bis  auf  unsere  Zeiten,  denn  erst  unter  Tiberins 
seien  die  Druiden  entfernt  worden;  aber  noch  jetzt  werde  sie  in 
Britannien  ausgeäbt.  Dass  aber  die  Druiden  in  Britannien  zu  Haas 
seien,  sagt  er  mit  keinem  Wort.  Wenn  Plinius  hier  von  brittischen 
Druiden  spricht,  so  spricht  er  auch  von  persischen,  römischen  und 
griechischen.  Ich  habe  also  diese  mir  wohlbekannte  Stelle  nicht 
angeführt  I  weil  es  mir  nicht  einfallen  konnte,  dass  man  sie  als  ein 
Zeugniss  für  brittische  Druiden  geltend  machen  würde.  Es  bleibt 
also  dabei,  dass  ausser  jener  Stelle  des  Tacitus  keine  Stelle  die 
alten  brittischen  Druiden  bezeugt. 

Die  mangelnden  Zeugnisse  sollen  die  angeblichen  Barden  des 
sechsten  Jahrhunderts  und  sprachliche  Beweise  ersetzen.  Was  die 
letzten  betrifft,  so  zeigt  Brandes,  dass  viele  Namen  brittischer  Städte 
sich  in  Gallien  wieder  finden.  Das  ist  richtig.  Aber  jene  brittischen 
Stfidte  wurden  erst  in  der  Zeit  der  RömerherrBchaft  gegründet;  sie 
erhielten  ihre  Namen  von  den  gallischen  Soldaten  des  römischen 
Heers  nnd  den  gallischen  Ansiedlem,  die  von  den  Römern  auf  brit- 
tischen Boden  verpflanzt  wurden,  z.  B.  Camulodunum  unter  Claudius, 
Tacit.  Ann.  12,  32. 

Wie  es  aber  Hrn.  Brandes  nicht  gelang,  neue  Zeugnisse  für 
die  Stammeeeinheit  der  Britten  und  Gallier  zu  fiilden,  ebenso  wenig 
konnte  er  die  herrschende  Ansicht  von  der  Stammesverschiedenheit 
der  Kelten  nnd  (Germanen  mit  andern  Stellen  als  den  von  mir  an- 
geführten des  Caesar,  Tacitus  und  Sueton  begründen.  Es  ist  also 
gänzlich  unwahr,  dass  ich  wichtige  Zeugnisse  übergangen  habe. 
Brandes  freilich  findet  überall  Zeugnisse  für  die  herrschende  Ansicht, 
z.  B.  bei  Sallust.  Dieser  nennt  die  Kimbern,  die  man  schon  als 
Germanen  kannte,  Gallier,  rechnet  also  unbedenklich  Germanen  zu 
den  Galliern;  indem  er  erzählt,  dass  omnis  Gallia  eis  Rhenum  den 
Römern  unterworfen  worden  sei,  gibt  er  deutlich  zu  verstehen,  dass 
er  auch  die  jenseits  des  Rheins  wohnenden  Germanen  für  Gallier 
hahe;  und  ausdrücklich  sagt  er  es  sogar,  dass  er  Gallier  und  Ger- 
manen zu  ein  und  demselben  Volksstamm  rechne  in  den  Worten 
bei  Kritz  259,  crizo  et  gentis  eiusdem  Gallis  atque  Germanis.  Hr. 
Brandes  nun  lässt  ihn  in  der  ersten  Stelle  gegen  besseres  Wissen 
einem  alten  Sprachgebrauch  folgen,  in  der  zweiten  nur  die  Grenze 
bestimmen,  und  in  der  dritten  Stelle,  in  welcher  er  die  unbequemen 
Worte  eiusdem  gentis  unterdrückt,  findet  er  ein  bedeutsames  Zeng- 
nissy  dass  der  Name  Germani  schon  zu  den  Jahren  71 — 73  vor- 
komme«  Daraus  folgt  nun,  dass  Sallust  zu  denjenigen  SchriftsteUero 


Brtttdei:    VeriillltaiM  der  Kelten  md  Germanefe.  397 

gedhlt  werden  mtisa,  welche  die  Germanen  von  den  OtUiern  ethno- 
gnpliieeh  trennten  I  Bessere  Zeugen  als  Sailust  weiss  Brandes  für 
seine  Ansicht  nicht  Tonabrin^en.  Wenn  irgendwo  Germanl  et  Galü 
lieht,  so  ist  ihm  das  immer  ein  schlagender  Beweis,  dass  der  Schrift- 
iteller  die  beiden  Völker  so  trenne,  wie  es  die  herrschende  Ansicht 
Tsriangt,  and  einen  überseugenderen  Beweis  hat  er  nie.  Als  einen 
dar  gewichtigsten  Zeagen  führt  er  den  Stephanos  an,  dieser  nSmlich 
biiQche  Öfter  das  Wort  Fegiutvot  und  FegpuicvCa;  und  obgleich  er  wenig 
Vertraoen  yerdiene,  und  z.  B.  mit  Besiehung  auf  Strabo,  die  Insel 
Borchaniss  die  dieser  an  Germanien  rechne,  eine  irqöog  iv  ty  xtXtiotg 
senne,  so  seugen  doch  weder  diese  Stellen  noch  andere  dafür,  dasa 
er  die  Germanen  an  den  Kelten  gerechnet  habe;  folglich  könne  er 
als  ein  gut  unterrichteter  Schriftsteller  gelten,  welcher  die  Germa- 
nen richtig  von  den  Kelten  scheide,  und  sein  Zeugniss  könne  dem 
aiisdrficklichen  des  Suidas  für  die  falsche  Ansicht  als  Gegengewicht 
gegenübergestellt  werden.  Es  ist  gewiss  nach  diesen  Proben  über« 
flüssig,  die  einseinen  Zeugnisse,  die  Brandes  anführt,  zu  prüfen. 
Kann  Brandes  keine  neuen  Stellen  zum  Beweis  der  herrschenden 
Ansichten  nachweisen,  so  ist  er  dagegen  unermüdlich,  die  Ton  mir 
für  meine  Ansicht  vorgebrachten  Zeugnisse  zu  entkräften  und  für 
ädi  zu  gewinnen.  Z.  B.  Diodor  und  Dionjs,  die  in  den  nnzwel* 
deatigsten  Ausdrücken  die  Germanen  dem  keltischen  oder  galatischen 
Volksstamme  zutheilen,  führt  er  als  seine  GewShrsmänner  an. 
Das  wichtigste  in  dieser  Beziehung  ist  seine  Auffassung  der  Stellen 
des  Strabo.  Dieser  Schriftsteller  hat  das  Glück  uns  beiden,  dem 
Hm.  Brandes  und  mir  gleich  wohl  zu  gefallen.  Ich  behaupte,  Strabo 
trage  ganz  unzweideutig  die  Ansicht  vor,  die  ich  für  die  richtige 
balte,  Brandes  dagegen  sieht  in  Strabo  die  Hauptstütze  der  herr- 
teilenden  Ansicht  Eben  well  mir  die  Sache  Tollkommen  deutlich 
n  sein  scheint,  halte  ich  es  für  überflüssig,  die  Stellen  noch  ein- 
mal zu  erklären;  der  Leser  wird  ja,  wenn  es  ihm  Ernst  ist,  seinen 
Strabo  selbst  zur  Hand  nehmen,  und  es  wird  nicht  lange  zweifel- 
haft bleiben  können ,  auf  welcher  Seite  die  richtige  Auffassung  ist 
Ebenso  wenig  finde  ich  mich  veranlasst,  das  was  Ich  über  Caesar 
m  meinem  Buch  gesagt  habe,  durch  die  Gegenschrift  für  ernstlich 
bedroht  zu  halten,  und  es  aufs  neue  zu  vertheidigen.  Aber  eine 
Bemerkung  kann  ich  nicht  unterdrücken.  Der  gallische  Krieg  Gae- 
iais  wird  in  allen  Schulen  gelesen,  und  ist  in  unzähligen  Ausgaben 
Sedmckt  Da  sollte  man  glauben,  habe  gewiss  die  Kritik  ihre  Auf- 
gabe schon  längst  vollendet  Das  ist  aber  durchaus  nicht  der  Fall. 
Von  den  Handschriften  der  zweiten  Klasse  ist  noch  nicht  eine 
«nizige  vollständig  verglichen ;  es  ist  also  ein  Urtheil  über  den  Werth 
dieser  Handschriften,  die  man  vorläufig  die  schlechteren  und  inter- 
polierten nennt  noch  nicht  möglich;  und  der  Einwurf,  dass  die  von 
>ür  vorgezogene  Lesart  diesen  Handschriften  entnommen  sei,  Ist 
okae  alles  Gewicht 

Zuletzt  will  Hr.  Brandes  noch  nachweisen,  dass  die  Bretonen 
lieht  alle  aus  Brlttanien  eingewandert|  sondern  zum  Theil  die  Nach- 


298  Branden:    VerhttKoljf  der  Kelten  und  Gernianen* 

kommen  der  Gallier  sind.  Er  will  es  nachweisen,  aber  er  tbut  es 
uiclit.  Zwar  sagt  er  iu  der  Vorrede,  dass  Zeugnisse  vorliegen,  welche 
sie  als  eigentliche  Nachkommenschaft  der  alten  Gallier  ausweisen. 
Wenn  es  solche  Zeugnisse  gibt,  so  bringe  er  sie  doch  bei;  in  dem 
betreffenden  Abschnitt  seines  Buches  hat  er  nicht  e  i  n  solches  Zeug- 
niss  beigebracht.  Die  Bretagner  sind  nach  allen  Zeugnissen  nicht 
Nachkommen  der  alten  Gallier,  sondern  aus  Brittannien  eingewan- 
dert HierQber  verweise  ich  noch  auf  eine  nenere  Schrift:  de  Tiden- 
iM  de  race  des  Gaulois  et  dea  Oermains  par  le  G^n^ral  Benard, 
Broxellea  1856.  In  dem  ersten  Abschnitt  dieser  lehrreichen  Schrift 
ist  die  Frage  über  die  Herkunft  der  Bretagner  gründlich  beantwortet 

Der  schwächste  Theil  des  Buches  des  Hrn.  Brandes  ist  der 
linguistische.  £r  will  nachweisen,  dass  ein  grosser  Theil  des  Wort- 
vorraths  der  französischen  Sprache  keltisch,  d.  h.  brittisch  sei.  Er 
entnimmt  seine  Nach  Weisungen  hauptsächlich  folgenden  Werken: 
Edwards,  recherches  sur  les  langues  celtiques,  Ghevallet,  origine  de 
la  langue  fran^aise,  Dleffenbach  Celtica.  In  den  meisten  Fällen  ge- 
nügt es  auf  Dlez  zu  verweisen,  wo  der  Leser  finden  wird,  dass  das 
Wort,  das  aus  den  brittischen  Sprachen  erklärt  werden  soll,  latei- 
nischen oder  deutschen  Ursprungs  ist.  Es  war  überhaupt  für  Hrn. 
Brandes  misslich,  dass  er  sich  nicht  auf  Diez  berufen  durfte,  der 
nun  einmal  fürs  Romanische  unsere  grösste  Autorität  ist.  Diez  läugnet 
aufs  entschiedenste,  dass  die  sogenannten  keltischen  Sprachen  einen 
erheblichen  Anthoil  an  der  Bildung  der  romanischen  hätten,  und  in 
der  neuen  Auflage  des  ersten  Bandes  der  Grammatik  enthält  er  sich 
sogar  der  Benennung  keltisch  für  die  brittischen  Sprachen,  zum 
deutlichen  Zeichen,  dass  er  die  Iren  und  Schotten,  die  Waliser  nnd 
Bretagner  nicht  für  Kelten  hält 

Zum  Sebluss  muss  ich  noch  an  einem  Beispiel  aeigan,  dass 
Hr.  Brandes  mich  znwßilen  anf  erstaunliche  Weise  missveratanden 
hat  Ich  sage  in  meinem  BQch  S.  53:  in  Gallien  war  schon  vor 
Caesar  römische  Sitte  und  Sprache  bis  weit  in  die  nördlichen  Theile 
vorgedrungen,  wie  die  Rede  Gicero's  pro  Fontejo  69  n.  Chr.  beweist 
Niemand  wird  das  anders  verstehen,  als  dass  die  Kenntniss  der  la- 
teinischen Sprache  schon  vor  Caesar's  Kriegen  selbst  in  den  nörd- 
lichen Theilen  Galliens  verbreitet  gewesen  sei.  Hr.  Brandes  lässt 
mich  S.  111  sagen,  „dass  Gallien  bis  weit  nach  Norden  schon  za 
Gicero's  Zeit  seine  eigentbümliche  Sprache  mit  der  Lateinischen  ver- 
tauscht habe^,  und  geht  nun  wirklich  frisch  daran,  mit  Zeognissen 
nachzuweisen,  dass  man  zur  Zeit,  als  Caesar  noch  nicht  in  Gallien 
vorgedrungen  war,  in  Gallien  noch  gallisch  gesprochen  habe!  Die 
Mühe  hätte  er  sich  sparen  können ;  daas  aber  Cicero  nicht  von  der 
Provinz  apricht,  wie  Brandes  behauptet,  aondern  vom  unabhängigen 
Gallien I  bedarf  keines  Beweises  für  jeden,  der  die  Bede  gele* 
sen  )iat 

Als  meine  Schrift  erschien,  begnügte  man  aicb»  wie  ich  vorMis 
geaagt  hatte,  sein  Erstaunen  nnd  sein  Misstri^uen  anszusprechen; 
eine  Menge  Becenaionen  erschienen,  die  aUe  nidit«  enthielten  als 


Deltist:    Hat^rianx  de  eonstrnelioii.  309 

den  Ansdrnck  der  ungläubigen  Verwanderang.  Aach  an  lächeriichen 
Ergosseo  des  gelehrten  Dünkeld  foliUe  es  nicht,  wie  2.  B.  von  Seiten 
des  Uro.  G.  Waiz  in  den  Göttinger  gelehrten  Anseigen.  Diejeni* 
geo  Gelehrten,  deren  Zorn  und  Ungnade  ich  mir  durch  mein  Auf- 
treten 10  der  Nibelungenfrage  sugezogen  hatte,  waren  natürlich  eifrig 
beBfiht,  den  Erfolg  meines  Buchs  mit  besten  Kräften  sa  verhindern. 
Die  Keltisten,  wie  wir  sie  höflicher  nennen  woUen ,  fanden  sieh  ia 
üireo  Liebhabereien  empfindlich  gestört,  und  machten  ihrem  Aerger 
Lsft.  An  andern  Orten  waren  es  andere  Motive ,  die  eine  nnbe- 
fangene  Erwigung  meiner  SAtae  und  Beweise  mimöglich  machten. 
Aber  bei  all  dem  konnte  der  Eindruck,  den  das  Bach  machte,  nicht 
rerwiscbt  werden.  An  einigen  Orten,  besonders  in  Belgien  und  den 
Niederlanden  erfolgte  freudige  Zustimmang. 

Dorch  die  Gegenschrift  des  Hrn.  Brandes  ist  nun  die  Sache 
um  einen  Schritt  weiter  gediehen.  Die  Acten  sind  nun,  was  die 
Zeagoisse  betrifft,  spruchreif.  Doch  versteht  es  sich  von  selbst,  dass 
die  Macht  einer  lan;^jährigen  Gewohnheit  nicht  plötzlich  überwunden 
wird«  Mit  Sicherheit  stellt  sich  vorerst  heraus,  dass  die  Beschuldi- 
gong,  die  von  mehreren  Seiten  gegen  mich  erhoben  wurde,  dass  ich 
widiüge  Zeugnisse,  die  meiner  Ansicht  hinderlich  wären,  absichtlich 
oder  aus  Unwissenheit  nicht  erwähnt  habe,  völlig   unbegründet  ist. 

A.  lIolfzmaiaM« 


Mat&iatix  de  constrticiion  de  Vexposifion  universelle  de  1855.  Par 
A.  Delessej  Ingenieur  des  Mines,  Professeur  honoraire  de 
GMogie  ä  la  faculte  des  sciences  de  Besan^on,  8/cr/iaire  de 
la  classe  XIV  du  Jury  international.  In  8,  XV  et  420  pag. 
Paris,   V.  Dalmont^  Müeur,  1856, 

Die  vollständigste,  merkwürdigste  Sammlung  mineralischer  Bau- 
Uatttialien  sämmtlicher  Welt  Gegenden ,  welche  man  bhi  jetzt  za 
flehen  Gelegenheit  hatte,  war  jene  der  Pariser  allumfassend^  Aus- 
■teüang  ina  Jahre  1855;  eine  Schilderung  derselben  liefert  das  zu 
l)eq»rechende  Werk.  Der  Verfasser  —  dem  erfolgreiche  Forschun- 
gea  im  Gebiete  der  Geologie,  namentlich  was  die  chemische  Kennt- 
siM  von  Felsarten  betrifft,  wohl  verdienten  Ruf  erworben  —  wurde, 
^  Schriftführer  der  XIV.  Klasse  des  „Jury  international^,  mit 
Abfassung  des  Berichtes  über  die  Mineral  Substanzen  in  der  he« 
frsgten  Sammlang  beauftragt.  Hier  konnten  nur  die  Erzeugnisse  zur 
Spreche  kommen,  deren  Einsender  Preise  erhielten,  in  vorliegender 
Sdirift  aber  findet  man  sämmtliche  Bau-Materialien  aus  dem  Mine« 
nkeiGh  geschildert,  die  bei  der  allgemeinen  Ausstellung  aufgelegt 
vtren,  auch  imterliess  Delesse  nicht  sehr  viele  Nadiweisungen 
keiiafügeo  über  Lagerangs- VerfaältniMe  der  für  bauliche  Zwecke 
teendeD  Gesteine,  so  wie  über  deren,  durch  angestellte  Versache 
ttfsisditay  chemische  Zusammensetsang  und  ihre  anderen  Eigen« 
lehaften;  Bemerkungen,  was  deren  Gewinnung,  Zubereitung  und 
PMse  btiiiffi  vermisst  man  keineswegs.    Die  Form  des  amtlicbea 


300  Deleisa:    Hat^rknx  de  eüiutraetion. 

Berichtes  wurde  beibehalteo^  Register  über  EinseDder  und  G^en- 
stlCnde  erleichtem  Alien  den  Gebrauch,  welchen  diese  und  jene  Ein- 
zelnheiten  besonderes  Interesse  gewähren. 

In  zwei  grosse  Klassen  zerfallen  die  befragten  Ban-MaterialieOi 
je  nachdem  sie  natürliche  oder  künstliche  sind.  Ohne  die  uns  in 
diesen  Blättern  gesetzten  Schranken  aus  dem  Auge  zu  yerliaeni 
wollen  wir  das  Wichtigste  und  Interessanteste  in  wissenschaftUeher 
und  technischer  Hinsicht  hervorheben  und  andeuten. 

Unter  den  zur  Ausstellung  eingesendeten  feldspathigen  Feb- 
arten  befanden  sich  besonders  Granite,  Syenite,  Porphyre,  Diorite, 
Melaphyre,  Trachyte,  Laven  u.  s.  w.    Der  Schwierigkeiten  unge- 
achtet,  womit  die  zuerst  genannten  Gesteine  zu  bearbeiten  sind, 
dienen  solche  dennoch  in  gewissen  Gegenden  Frankreichs,  In  Schott- 
land und  Canada  ziemlich  allgemein  beim  Hansbau,   geschätzt  wer- 
den dieselben,  abgesehen  von  ihrer  Politur-Fähigkeit,  für  Denkmale 
bestimmt  lange  Jahre  zu  überdauern ;  eine  Eigenschaft  die  von  den 
Römern,  ja  schon  von  den   alten  Aegyptern  gekannt  war  und  ge- 
würdigt wurde,  zu  Prachtsäulen,  Sphinxen,  Tempeln  holten  sie  das 
Material  aus  weiter  Ferne  und  wussten   es  in  wahrhaft  merkwürdi- 
ger Weise  zu  behandeln.    Heutiges  Tages  werden  Granite  mit  sel- 
tener Yollkommenheit  zu  Aberdeen  in  Schottland  bearbeitet;  wie 
die  Achate  zu   Oberstein  dienen  sie  zu  den  verschiedensten,  sell)st 
kleinsten  Schmuckwaaren.  —  Unter  den  Anstalten,  wo  man  beson- 
ders harte  Gesteine  fiir  die  vielartigste  Zwecke  verarbeltet|  vorztig^ 
lieh  Quarzführende  Porphyre,  nehmen  jene  zu  Florenz  und'  zu  Eli- 
dalen  in  Dalekarlien  die  ersten  Stellen  ein.     [Aus  der  Kaiserlichen 
Schleiferei  zu  Kolywan  im  Altai-Gebirge,  die  hier  zu  erwähnen  ge- 
wesen wäre,  scheinen  keine  Musterstücke  nach  Paris  gelangt  za 
sein.    Wir  erinnern  u.  a.  an  das  kolosale  Prachtgefäss  aus  Porphyr, 
an  die  grösste  aller  Vasen  von  der  Eolywan'schen  Schleiferei  ge- 
liefert  Des  Gigantischen  wegen,  um  der  Kunst  und  des  Geschmackes 
willen,^erdient  das  in  seiner  Art  einzige  Werk  Bewunderung.  Zwei- 
hundert Pferde  waren   zum  Fortschaffen   der  gewaltigen  Last  nach 
St.  Petersburg  erforderlich.]  —  In  Frankreich  benutzt  man  seit  eini« 
gen  Jahren  die  unfern  Bahia  in  Brasilien  entdeckten  schwarzen  Dia- 
manten zur  Bearbeitung  harter  Felsarten.  —  Unter  den  Zusendun- 
gen  des   Vicekönigs   von   Aegypten   zeichneten    sich    Blöcke    der 
Brhche  universelle  aus  (die  Breeda  verde  cPEgüto  der  Italiener). 
Die  Steinbrüche,  welche  dieses  von  den  Alten  hochgeschätzte  Trüm- 
mer-Gebilde lieferten,   wurden  durch  die  Mineralogen  der  FranzSsH 
sehen  Expedition  in  der  Nähe  des  Cosseir-Thales  aufgefunden.  — 
Ostwärts  vom  Berge  Zabarah  gewann  man  in  früher  Zeit  Smaragde 
und  benutzte  sie  zu  Zierathen.    Mnsterstücke  erwiesen  Glimmer« 
schiefer  als  die  jene  Edelsteine  führende  Felsart;  die  Krystalle,  noi 
von  einigen  Ceotimetem  Länge,  sind  durchsichtig  und  von  schönstei; 
grüner  Farbe.     Auch  aus  dem  Staate  Guatemala  lagen  Smaragdfl 
▼or,  auf  welche  die  Indianer  einst  eine  Art  Bergbau  betrieben.     SM 
haben  ebenfalls  ihren  Sitz  in  Glimmerschiefer,  und  die  bearbeltetei 


Delefia:    VaMrianx  de  eonatnicliott.  901 

6«geBftXnde,  Thlere,  Zaober-OeheDke  u.  s.  w.  aus  Quars  mit  Sma- 
ragd dorchdruDgeo,  sind  Meiaterwerke  der  Wilden. 

Heatigea  Tagea  werden  Granite  im  sfidweatlichen  Frankreich,  an 
den  Kosten  der  Normandie  nnd  Bretagne  in  grossartiger  Weise  ge- 
woBoen.  ZwGlfhnndert  Arbeiter  sind  in  den  Brüchen  besch&ftigt 
imd  der  Jahres-Ertrag  steigerte  sich  bis  sa  650,000  Franken. 

Bei  dem  was  über  die  Tom  In-  nnd  Aasland  eingesendeten 
Mosterstficke  von  Tbonschiefer  ,  Serpentin,  Chlorit-  nnd  Talkschie- 
fem gesagt  wird,  ist  hier  nicht  au  rerweilen ;  nur  die  eigenthfimliche 
ÄDweDdong  Tom  auerst  genannten  Gestein  in  Algier  gemacht,  bleibe 
nicht  anerwShnt:  Thonschiefer-Platten  dienen  nSmlicb  an  Maiereien. 

Alles  was  die  Ennst  betriffr,  den  körnigen  Kalk,  den  Marmor, 
in  bearbeiten,  findet  sich  sehr  umfassend  abgehandelt,  wegen  der 
Entwiekelong,  welche  dieser  Zweig  des  Gewerbfleisses  in  jüngster 
Zeit  erlangte.  Die  Einsendungen,  au  nicht  wenigen  beachtungswer- 
fken  Interessanten  Mittheilungen  Anlass  bietend,  waren  überaus  sahi- 
reich, so  daas  man  die  Vorkommnisse  in  allen  Welt  -  Gegenden  als 
Tertreten  ansehen  konnte.  Nur  unvollständig  seig(en  sich  dagegen 
die  gewöhnlichen,  die  dichten  Kalksteine,  diese  am  häufigsten  und 
in  yielartigster  Weise  angewendeten  Bau-Materialien.  Ueber  die 
TortiieUe  einer,  in  neuester  Zeit  erfnndeuen  Maschine  Röhren  aus 
Kalkstein  an  bohren,  müssen  erst  Versuche  entscheiden.  [Wir  be- 
liehen uns  auf  die  AnnaUi  des  Mines;  im  VIII.  Theil  der  fünften 
Serie  finden  sich  Bemerkungen,  auch  ist  eine  Abbildung  beigegeben.] 
Was  den  Gyps  betrifft,  so  sei  der  höchst  dünnen,  Tollkommen  durch- 
ächtigen  Platten  von  Tekali  In  Mexiko  gedacht,  den  alten  Einwoh« 
nem  selbst  Spaniern  dienten  solche  an  Fensterscheiben.  Das  Is^re- 
Departement  lieferte  fürs  Innere  einer  Kirche  Säulen  aus  Anhydrit 
TOD  iSnf  Metern  Länge  u.  s.  w. 

So  weit  die  erste  Abtheilung,  in  der  zweiten  beschäftigt  sich 
OBier  Verfasser  mit  den  künstlichen  Bau-Materialien,  da* 
läiEalk,  Mörtel,  im  Allgemeinen  die  verschiedenen  Bindemittel. 
Die  grosse  Zahl  der  Einsendungen  von  solchen  Erzeugnissen  ergab 
die  Wichtigkeit,  welche  gegenwärtig  dem  Aufsuchen  und  der  An- 
vendang  jener  Materialien  gewidmet  Ist  und  betrieben  wird.  Zur 
Aborthellang  über  die  Eigenschaften  der  Stoffe,  auch  um  ein  An- 
halten wegen  den  Preis-Erkennungen  zu  erlangen,  reichte  die  Be- 
ichaanng  derselben  allein  nicht  hin,  ebenbürtige  Fachmänner  nah« 
nen  deshalb  sorgsame  Prüfungen  vor  hinsichtlich  der  chemischen 
Zusammensetzung,  der  Eigenschwere,  der  Volumen- Aenderungenu.8.w. 
Mit  besonderer  Ausnihrlichkeit  findet  man  die  hydraulischen  Kalke 
httprochen,  so  wie  die  Erdharze. 

Was  die  mannigfaltigen  Back-,  Ziegel-  und  Mauersteine  be* 
tiit,  das  Holz  und  die  metallischen  Substanzen  für  Bauzwecke  dle- 
oesd,  so  kommen  solche  im  Werke,  das  uns  beschäftigt,  nicht  zur 
Bpmche.  Es  gehörten  diese  Gegenstände  nicht  zur  Aufgabe,  welche 
Reless •  gebellt  worden;  ein  anderes  Mitglied  des  f, Jury  internem 
<>iMl*  hatte  die  B«gatachtung  übernommen.         wt 


302  A.  Schnid:    Die  Grappen  der  Ciaasilien. 

Leipzig  bei  Hermann  Costenobh:  Die  kritisehen  Gruppen  der  Euro- 
päisclien  Clausilien  von  Adolph  Schmidt.  L  AbiheÜung  fi 
und  63  8.  mit  11  lithographirten  Tafeln, 

Schwerlich  gibt  es  im  ganzen  Natorsysteme  ein  ande'  "*"  *  ' 
das  so  natürlich,  aus  so  zahlreichen  und  dabei  auf  dent"^^^°^f!^ 
einander  so  ähnlichen  Spezies  zusammengesetzt  wäre,  al8'<^^|."°.^?^/ 
silien  unter  unseren  gewöhnlichen  Landschnecken.  Die  Gt'  '^*  ^  ^^ 
Oberflächen-Beschaffenheit  und  Mündung;  einige  Lamell<*    **"  ^^*^ 
chen  In  deren  Kähe,  das  Schliess-Kläppchen  im  Innern  sim^^  '^'  ^ 
hundert  Arten  einander  ähnlich;  alle  diese  Arten  smd  kaW ^  ^' ^.  ^j* 
Zoll  lang,   kaum  1—2  Linien   dick;   alle  Abweichungen  ^   ^to  d ' 
in  einem  geringen  Mehr  und  Weniger,  und  wenn  auch  di^°     ^  '^l 
eines   dieser  Merkmale  einer    grösseren   Veränderlichkeit  \      .     . 
wenn  z.  B.  eine  Lamelle   mehr   oder  weniger   auftritt,   "O^'^" 
gewiss  nicht  an  Mittelstufenbildenden  Arten,   wo   dieselbe   '    .^' 
sich  in  schwachen  Anfängen  zeigt  oder  in  allmählicher   Yr        .. 
rung  verschwindet.  Dabei  mangelt  es  denn  auch  an  Varietit  '  .      l 
welche  oft  viel  augenfälliger  als  die  einander  nahestehenden  ^  ^^'    , 
schieden  sind.     In  solchen  Verhältnissen   genügt  die   Spr'^  '       . 
mehr,  um  die  Verschiedenheiten  und  die  Grade  der  Verscbicv  ^\  *    ' 
bezeichnen,  mit  deren  Hilfe  sich  die  einzelnen  Arten  von  einano^^    ^ 
nen  lassen ;  das  Bild  ist  eben  so  unvermeidlich  noth wendig.  C^?*??j  ^ 
nun  schon  andere  gute  Bilderwerke  zu  diesem  Zwecke  besr^^  ^    .  ^ 
welchen  namentlich  Rossmässler's  Iconographie  zu  erwähn/^    ^L  ^ 
Verf.  doch  für  nützlich  erachtet,  den  Clausilien  ein  eignes  We  ^"f  g '^ 
men,  in  welchem  von  ihm  selbst  die  Umrisse  der  Schaale  aller  i^^  .u  ..^ 
wichtigeren  Varietäten  in  dreifacher,  die  Mundöflnungen  dersetbeii  ^^ 
allen  ihren  Einzelnheiten  oft  in  verschiedenen  Ansichten  in  5 — 70    . 
Linear-VergTössemng  nach  dem  Faden  ihrer  Verwandtschaft  geordi^ 
und  vergleichend  neben  einander  gestellt  wurden.   Von  diesem  W<j^^^ 
erscheint  nun  hier  das  erste  Heft,  den  zwei  Gruppen  der  mit  Gl.  r^^ 
tricosa  und  Gl.  gracilis  verwandten  Arten  gewidmet  und  ein  für  di'^ 
abgeschlossenes  Ganzes  bildend.    In  der  Einleitung  schien   es  de^ 
Verf.  jedoch  nothwendig  sich  zuerst  über  seine   Ansicht   von  Art 
nnd  Varietät  auszusprechen.    Er  erldärt  die  erste  für  etwas  Fest- 
stehendes, in  der  Natur  stetig  Begründetes,   nicht  für  einen  blossen 
Begriff,  den  der  menschliche  Geist  willkürlich  aber  zn  seine:  ""^ 
quemlichkeit  in  die  Natur  gelegt  habe;    sie   beruhet   oft   auf  du 
kleinen,  aber  eben  dann  nicht  selten  scharfen  Charakteren ;  das  bes^ 
Kriterium  der  Verschiedenheit  zweier  Arten  ergibt  sich  nach  Mom^i 
für  den  Systematiker  dann,  wenn  er  sie  wiederholt  an  verschied  ^^^g^ 
Orten  beisammenlebend  findet,  ohne  Uebergänge  und  Verschtnei^j^g^ 
gen  wahrzunehmen.     Wir  sind  mit  dem   Verf.   einverstanden,   ^^^ 
ea  in  zweifelhaften  Fällen  immer  besser  ist,  verwandte  Formon 
sehr  in  Arten  zu  spalten,  als  sie  zn  sehr  zusammenzuwerfen,  wenn 
wir  aueli  gestehen  müssen,  seine  Freude  nicht  theilen  zu  k(kui€b| 
4io  et  immer  m  empfinden  rersichert  ;,wenn  neu  «nftaaohende  IM 


Dankwirdt:    NationaYökonomie  ond  Jarif prüdem  903 

haber  unserer  Wissenficbaft  anf  gut  Glück  taufen   and   wohlfeilen 

Kaufs  ihre  Nameu   in   die   Jahrbücher   der  Wissenschaft  bringen', 

indem  wir  ihnen  yielmehr  rathen  möchten,  mit  dem  Taufen  so  lange 

•  -'  •*^'j»'^cn,  bis  sie  sich   so  weit  in  der   Wissenschaft  eingerichtet 

1  Tiiut  ^  2^  wissen,  dass  sie  die  Existenz  ihrer  Täuflinge  anch  zu 

GerlaS^^^S^^  und  sich  nicht  mehr  leichtsinnig  der  Gefahr  aus* 

md  3.  Bi^  Durchschleppung  der  wissenschaftlichen  Gemeinde  auf* 

—286  u  ^'^^  dürften  wohl  später  selbst  wenig  Freude  daran  ha- 

2.  irii/tf^^^e  Weise  ihren  Namen  in  der  Wissenschaft  fortgepflanzt 
(er  ibr 

3.  Gaim^'  erste  Abtheilung  des  Werkes  bringt  uns  die  Beschreibung 
B,  j^.iidung  in  28  Arten  in  nahezu  60  Varietäten  mit  222  Fi- 
U.  9^  verschiedenen  Ansichten,   woraus  hervorgeht,   dass  aller- 

i  Comch  ein  ansehnlicher  Theil  der  Arbeit  späteren  Abtheilungen 
^  f  en  bleiben  musste.     Mag   nun  auch   ein   Anderer  da  und 

5.  ?Hft/.V  diese  oder  jene  Art  eine  andre  Meinung  haben,  mögen  die 
jcAr^dersetzungen  des  Verf.'s  auch  ohne  Noth  mitunter  etwas 
Gestk    ausfallen:  immerhin  wird  das  Werk  in  Betracht  der  Nütz- 

6.  Fkän^es  Unternehmens  an  sich  der  thätlichen  Unterstützung  des 
Dr.  /  Aschen  Publikums  um  so  mehr  zu  empfehlen  sein,  als  sich 

7.  Bome*^  ^'  wieder  ein  Autor  dieser  Aufgabe  unterziehen  möchte, 
ner'^o  viel  Eifer  und  Erfahrung  wie  der  Verf.  verbände  mit 
^'hen   80  reichen   Materiale   namentlich   an  Original-Ezempla- 

8.  Sopif.  Arten,  die  man  sich  später  nicht  mehr  aus  der  Hand  der 
klärt  c2t  noch  lebenden  Begründer  derselben  wird  verschaffen  kön- 
SfMitf  mit  der  Fähigkeit  mit  wissenschaftlichem  Auge   technisch 

9.  ^''.ebnete  Abbildungen  selbst  anzufertigen.  Gewiss  werden  viele 
eanae  dieses  Zweiges  der  Makokologie  dem  Verf.  für  diese  Gabe 
•  Jichen  Dank  wissen.  H.  tt.  Bronu, 


iL 


■^MdohmomU  tmd  Juruftrudeni.  Von  H,  Dankwardi^  Advocakn  mu  JZo- 
Hock.  L  Begriffe  ProducHon ,  Umlauf  der  Güier,  Eigmtiuim  des  Produeen- 
ten  am  Producl  in  der  Agrieuliur»^  Manufactur-  und  Bandelt^ Industrie, 
Rostock.  Q.  B.  LeopoUCs  Ünitersitäts-Buchhandlung  (Ernst  Kuhn).  i857, 
55  S.  8. 


[^  Diese  Sclirift  geht  von  dem  Gedanken  uus:  die  Meinungsverschiedenheit 
fzwistiien  den  römischen  Juristen  beruhe  in  manchen  Partien  des  Rechts  darauf, 
l^ss  ein  Theil  derselben  vom  Standpunkte  des  Rechtsbegrififes ,  der  andere 
«^ il  vom  Standpunkte  der  Nationalökonomie  ausgegangen,  in  dieser  letztern 
.  ieoschaft  aber  schwach  gewesen ,  und  dann  eine  armselige  Miltelansicbt 
^^,  gebildet  habe;  und  die  Nationalökonomie  ber&hige  dazu,  die  Irrthümer  zu 
Ivanen,  welche  auf  diesem  Wege  Im  römischen  Rechte  Wurzel  gefasst  hät- 
^(S.  8,  9).  Als  Fälle  dieser  Art  werden  genannt:  der  Streit  über  den 
Kauf  ohne  Geldiiblnng  (S.  23  ff.),  and  der  Streit  über  den  Erwerb  des  Eigen- 
thons  dareh  Specification  (S.  28  ff.)*  Die  Sache  ist  hier  die.  Betrachtet  man 
h\«a  Gegeoitaad  4ߧ  Eigenthimif  als  ein  Stock,  so  als  einen  Körper  abge- 


304  Dankwardl:    Nationalökonomie  und  Jurifprudeni. 

aehen  von  seiner  Eigenschaft  aU  Stoff  d.  b.  als  Träger  natzengewflhreader 
Kraft,  so  hatten  die  Recht,  welche  behaupteten,  dass  der  Specificant  kein 
Elgenthnm  erwerbe,  und  dass  ein  Kauf  ohne  Geld  unmöglich  sei ;  letateres  nem- 
lieh  weil  man  bei  einem  Auswecbsel  von  Dingen  ohne  Geld  bei  jener  Auffas- 
iung  Gleiches  gegen  Gleiches,  Stttck  gegen  Stück  gibt.  Betrachtet  mao  aber 
als  den  Gegenstand  des  Eigenthums  den  Stoff,  so  war  die  entgegengesetste 
Meinung  in  Besiehung  auf  die  Specification ,  der  die  Proculejaaer  anhingen 
(L.  7.  $.  7.  D.  de  adq.  rer.  dorn.  41.  1.  $  25.  J.  de  rer.  divis.  2. 1.))  richtig, 
wenn  man  an  der  Wirkung  festhielt,  welche  die  Specification  au^  das  Eigen- 
thnm  am  Stocke  geübt  haben  würde  wenn  sie  StQckverilnderung  wire;  ge- 
genüber der  Meinung  der  Sabinianer  (L.  7.  $.  7.  D.  cit)  und  dev  des  Ubeo 
(L.  26.  $.  3.  D.  eod.),  die  richtig  war,  wenn  man  an  der  Wirkunf  festhielt, 
welche  die  Specification  auf  das  Eigenthum  am  Stücke  geübt  habm  wQrde, 
wenn  sie  nur  Stoffverfinderung  gewesen  wftre.  In  Beziehung  auf  den  Kauf 
musste  aber  die  Ansicht,  dass  das  Geld  nur  ein  Stück  vom  Verm<M;  i  sei  and 
die  Verbindlichkeit  für  die  Eviction  zu  haften,  die  dagegen  ausge»^  :ht  wird 
(Arch.  f.  deuUch.  Wechselr.  IL  Nr.  V.  S-  3.  Not.)  ebenfalls  nur  ^  solches 
YermOgensstück  (eine  nexi  obligatio:  Arch.  f.  civ.  Prax.  XXXIII.  8.  4($ff0 
sei,  11}  der  Ansicht  führen,  dass  der  Kauf  eben  nur  ein  Stücktausch  sei,  auch 
wenn  der  Gegenstand  des  Eigenthums  der  Stoff  sei,  und  zu  der  .4P>icht  der 
Sabinianer,  dass  man  auch  ohne  Geldpreis  kaufen  könne  (L.  1.  j.  1.  D.  de 
contrah.  emt.  18.  1).  Die  Auffassung  dahingegen,  dass  der  Kauf^Ha«  Eigen- 
schaft der  Begründung  einer  Evictionsverhaftung  für  einen  Eigenthunsgegen- 
stand  behalten  habe,  tilgte  die  Idee  des  Stücktausches  im  Kaufe,  lobald  der 
Stoff  als  Gegenstand  des  Eigenthums  aufgefasst  würde,  und  führte  fa  der  An- 
sicht der  Proculejaner,  dass  man  ohne  Geldpreis  nicht  kaufen  k^npe  (L  1. 
f.  1.  D.  cit.).  Fasste  man  dann  den  Gegenstand  des  Eigenthums  als  cin^tfd^ 
Stoffes  auf,  so  konnte  man  in  Beziehung  auf  die  Specification  zu  einer  IS^ 
telmeinung  kommen  (L.  7.  $.  7.  D.  cit.  L.  5.  $.  1.  D.  eod.)»  und  wenn  r» 
anf  die  Absicht  der  Contrahenten  sah,  so  konnte  sie  auch  beim  Kaufe  ^ 
stehen  (L.  1.  C.  de  rer.  permut.  4.  64.).  Sonach  handelt  es  sich  hier  um  di 
Gegensatz  iwischen  der  Stückauffassnng  des  alten  auf  dem  Umsätze  von  Stüa^ 
der  pecunia  beruhenden  commercium  der  ROmer  (Arch.  f.  civ.  Prax.  a.  a.  0.)i 
und  der  davon  abweichenden  jüngeren  Auffassung,  die  auch  die  Stoffverschie- 
denheit in  Betracht  lieht.  Allein  sie  benutzt  die  Stoffverschiedenheit  nur  all 
ein  Unterscheidungsmerkmal  der  Identität  des  Gegenstandes  (L.  24.  26.  D.  de 
adqair.  rer.  dom.)  und  nicht  als  eine  Verschiedenheit  in  Ansehung  der  Be- 
deutung des  Stoffes  für  die  Abhülfe  der  Bedürfnisse  und  seines  von  derselben 
abhftngigcn  Werthes.  Sollten  nun  die  römischen  Juristen  geglaubt  haben,  wk^ 
dieser  Berücksichtigung  der  Stoffverschiedenheit  das  Gebiet  der  Nationalökc 
nomie  tu  betreten,  so  dürften  sie  allerdings  In  dieser  Wissenschaft  nur  schw^ 
gewesen  sein.  Nach  der  Ansicht  des  Verfassers  hatten  sie  indess  die  AbsiM 
durch  Zuwenden  des  Eigenthums  an  den  Specificanten  die  Industrie  zu  he)<'D, 
sie  wichen  damit  von  der  Consequenz  des  Eigenthnmsbegriffes  ab,  und  grün- 
deten eine  Singularität,  die  nur  dem  zu  Statten  kommen  darf,  der  im  gatcn 
Glauben  apecificirt  (S.  38—41).  Brafkenlaoeft«      '^ 


f 


fcn,  HEIDELBERGER'  IWI. 

JAHRBOCHEI  der  LITERATUR. 


1  TifMi  Liviui  RamUcke  Geackickie.  Dtuisck  90%  Frant  Dorotheus 
Geriachj  Profeuor  an  der  UnittrtUdi  wu  Basd,  Zweiiet  Bdndeken.  2. 
wnd  3.  Blick  SMi^iy  Hoglkann*$cke  Vtrta^BmMumdhmg,  i856.  8.  9i 
-286  tu  ki.  8, 

2.  Arisiopkanet'Lm»UjiMey9erdeia$cktv<mJ0kanneiMimekwit$.  Zwct» 

fer  Btmd.    Da$  Frieäaufest.    SiuUgari  ii.  «.  v.  1856.    107  8.  in  ki.  8. 

3.  Gaiut  Juliui  Cdiar's  Mtmoirtn  über  den  GaiU$eken  Krieg.  Denisekton 
H.  Köckly  und  W.  Aiiffoir.  ShUtgari  «.  s.  ir.  1856.  IV  und  214  8. 
U.  8. 

1  Cerneiiui  Nepoe^  9erdettfseki  v<m  Dr.  Jokannes  Siebeiis.  Slutf- 
gmi  u.  ».  V.  1856.    162  8.  ki.  8. 

5.  ?«6/jiif  Virgiliui  Maro's  Werke.  Deuitek  in  der  Venwei$e  der  Ur^ 
ickri/t  von  Dr.  Wiikelfn  Binder.  Zweites  Bändeken,  Aeneis  1—6. 
Gesang  v.  t.  ir.  1857.    154  8.  in  M.  8. 

B.  Fkädrus,  des  Freigelassenen  des  Augusius  aesopiscke  Fabeln.  Verdeutseki  vorn 
Dr.  Jokannes  Biebelis.    Shiiigari  u.  s.  w.    Xll  vmd  66  8.  in  kl.  8. 

7.  Bomer's  Werke.  Dentsck  in  der  Versart  der  ürsckrift  von  J.  F.  C.  Don- 
ner. Erster  Tkeil.  Die  Elias.  Zweiter  Band.  13—24.  Gesang.  Slliff- 
gart  u.  s.  w.     26i  8.  in  ki.  8. 

B.  Sopkokles*  Werke,  verdeuiscki  m  den  Veramassen  der  Vrsehrift  und  er- 
klärt DOM  Adolpk  Scköll.  Zweites  Bdndcken.  Oedipus  auf  Kohnos. 
Stuttgart  u.  s.  w.  1851.     162  8. 

9.  Strabo's  Erdbesekreibung,  libersetu  und  durck  Anmerkungen  erläutert  von 

Dr.  A.   Forbiger,   Conrector  am   Gymnasium  au  St.  Nicolai  m   Leipssg. 
Zweites  Bändeken.    Bück  3—5.    Stuttgart  u.  s.  w.  1857.    193  8. 

10.  Plato's  ausgewäklie  Werke.  DeuUck  von  K.  Prantl.  Vierter  Band. 
Der  Staat.     Erste  Hälfte.    Stuttgart  u.  s.  w.  1857.     256  8. 

it.  Sueton* s  Kttiserbiograpkieny  verdeutsckt  von  Adolpk  Stakr,  Erstes  Band- 
ckesi.     Stuttgart  u.  s.  w.  1857.    224  8. 

(Mer:  „Tieueste  Sammlung  ausgewakller  Qrieckiscker  und  Rämiseker  Classiker, 
verdeutsckt  von  den  berufensten  Uebersettem.'*  Lieferung  39—49  ind.  Stutt- 
gart. Bolfmann*scke  Verlagsbuckkandlung.     1856—1857. 

Von  den  bifher  enchienenen  Theilen  dieier  Sammlang  von  Ueberieisim- 

ta  der  ronttglichtlen  Schriftsteller  des  alten  Griechenlands  nnd  Rom  ist  be- 
its  in  dieaen  Blättern  die  Rede  gewesen;  die  Anlage  wie  die  Ausführnng 
he  ganzen  Uatemehmens  ist  ntther  besprochen ,  und  das  Game  mit  gntem 
&Qnde  der  Aofmerksamkeit  Aller  derer  empfohlen  worden,  die,  ohne  im  Stande 
n  lein,  die  alten  Schriftsteller  im  Original  in  lesen  nnd  sa  rerstehen ,  doch 
Mit  ihnen  bekannt  la  werden  wttnschen  oder  die  frflher  gewonnene  Bekannt- 
Mhift  in  spiteren  Jahren  auf  diese  Welse  darch  wohlgelongene  Uebersetaiin- 
I  sea  emeaeni  wolleB.  Die  hier  aofgefldurten  Forts etiungen  reihen  sich  gleich- 
*MiMig  den  frttheren  Bindchen  an. 
L  Mhif.  i.  Heft.  20 


306  Sammhmir  von  ÜebeMefsmif e«  n.  s.  w. 

Von  der  Vebenetiiiiig  des  LiTiat  haben  wir  fchon  frtther  bei  dem  Ei 
gefaeinen  des  ersten  Bandes  eine  Probe  in  diesen  Blältem  (Jabrgif.  IS54 
S.  312.  313.)  miigetbeilt;  so  dass  es  nicht  nothwendig^  erscheinen  kann,  noc 
weitere  Proben  des  wohlj^elongenen  Werkes  hier  mitsutbeilen ,  das  frahet 
Vemche  jedenfalls  hinter  sich  zurUckj^elassen  hat  durch  die  lebendige  tut 
fliessende  Spraofae,  die  anch  im  deutschen  Gewand  die  ,,taotea  ubertaa"  d< 
Römers  wieder  erkennen  Itfsst,  ebne  der  dtontscben  Sprache  irgendwie  Gc 
walt  anznthun.  Die  am  Schlüsse  des  Bündchens  (S.  259—286)  beifeflks^ 
AnmeAungen  betreffen  einselne  historische,  der  Erörterung  bedOrftige  Pnnkl 
oder  verbreiten  sich  ttber  die,  in  neuerer  Zeit  bekanntlich  bis  zum  Eztärei 
getriebene  VerdSchlignog  der  una  hanptsttcblicb  duroh  Lirius  ttberliefertei 
nrktfndKehen  Gesohlchte  des  Alteren  Rem,  und  iwar  von  den,  wie  bekanai 
streng  conserrativen  Grundsätzen  des  Verfassers  ans.  Nachdem  wir  gceeiie 
haben,  wie  noch  in  der  neneaten  Zeit  die  römische  Geschichte  mit  gftoaKcbi 
Hintansetzung  der  urkundlichen  Ueberliefening  und  aller  gesunden  Krilik  k 
Simie  des  vnlgflren  Liberalismus  behandelt  oder  vielmehr  misshandeU  nn 
verMrrt  worden  iat,  so  werden  die  in  diesen  Anmerkungen  enthaltenen  Ei 
örtemngen,  welche  fQr  die  bestrittene  Goltigkeit  der  frttberen  Geschichte  Ron 
eintreten,  um  so  mehr  an  ihrem  Platze  sein  und  hier  auch  auf  unbeftmge» 
Leser  ihren  Eindruck  nicht  verfehlen. 

Die  Uebenetzung  der  Eirene  des  Arlstophanes  ist  in  demselben  Geial 
gehalten«  wie  die  der  Vögel  im  ersten  Bftndchen,  von  welcher  frtther  bereu 
die  Rede  war.  Die  schwierige  Aufgabe  ist  hier  in  einer  so  befriedigendei 
Weise  gelöst,  wie  man  es  von  einem  so  gewandten  Uebevseizer  nicht  andev 
erwarten  konnte*  V^as  Cftsar  betriflt,  so  versichern  die  Verfasser,  die  Ueber 
Setzungen  des  Herodotus  von  Lange,  des  Taoitus  von  Gntmann  —  und  beide 
sind  allerdings  Heiaterwerke  —  sich  zum  Muster  genommen  au  haben.  „Wi 
bähen  uns,  so  lautet  ihre  Erklärung,  daher  bemüht,  den  CAsar  in  CharakC« 
und  Fflibung  des  Stils  so  wiederzugeben,  wie  ein  militärischer  Schriftatdie 
aeiner  Individualität  in  unserer  Sprache  schreiben  wtirde.  Wir  haben  uns  bt 
mttht,  in  Begriff  und  Ausdruck  Nichts  wegzulassen.  Nichts  zuzusetzen,  abe 
we  irgend  Woitgebrauch  und  Satzbau  des  Lateinischen  mit  Gesetz  und  Geii 
der  deutschen  Sprache  in  Widerspruch  gerietli,  haben  wir  die  wörtliche  Trew 
der  stilistischen  aufgeopfert."  Diesen  Grundsätzen  gemäss  haben  die  Ueber 
setaer  allerdings  eine  Uebersetzung  geliefert,  die  sich  sehr  gut  liest  nnd  ii 
einer  geläufigen,  ja  fliessenden  Sprache  sich  bewegt;  ob  sie  aber  die  Schwie 
rigkeiten  der  Auffassung  bei  manchen  einzelnen  Schilderungen  u.  dgl.  aa 
diesem  Wege  flberwunden  haben,  und  demgemäss  durch  eine  allgemeinere  Fas* 
snng  den  wahren  Sinn  der  Stelle  richtig  gegeben  haben,  ist  eine  andere  Fsag« 
"welche  nur  durch  die  Prttfung  einzelner,  dahin  einschlägigen  SteUen,  wisrf 
gehörig  beantwortet  werden  können,  wozu  hier  nicht  der  Ort  sein  kana 
Einzelne  Anmerkungen  oder  Erklärungen  sind  nicht  beigeftigt;  eben  so  we* 
nig  geht  eiue  Einleitung  voraus;  eine  Einleitung  in  das  Verständniss  diesei 
Memoiren  vom  liistorischen  und  militärischen  Standpunkte  aus  soll  dcninächsl 
als  eine  besondere  Schrift  erscheinen,  der  wir  allerdings  verlangend  ea^' 
gensehen.  Dagegen  hat  Cornelius  Nepos  eine  Elnleiluag  erhalten,  djs 
Über  Leben  und  Schriflen  deiselben  lich  \tAn\Mi  ^w  VöidiemtdMMiift- 


StnuilaBg  von  U«b«fieliiiiig«»  ««  «•  w.  807 

■Idicn  henrorhebt  md  daher  ««ck  die  Maioherlei  IrrthAner  ud  Unfenaiiif- 
kiilai  n  erkliren  aad  «■  eoucfavldif  ea  cnclrt,  welche  in  den  TorhendeDeD  Bio- 
gnpyen  alierdinfi  vorkomneD,  und  nech  luuereiri  BnaeMen,  tu  eineoi  Bshni- 
kftei  Theile  dea  Verbhrea  suMfohreiben  lind,  dM  Aemiliui  Frobu«  bei 
in  Redectioo  der  nnprOnglioben  Viue  in  die  gefcnwürtige  Gealell  Mvewen- 
ki  hid»  fehwerlich  aber,  wie  der  Verfacfer  neiDl,  den  unvollkoomieDeii  tur 
Hülle  iBMfchreibeii  siad,  in  de»  die  Geechichifcbreibiinf  Ron*«  zur  Zeit  def 
Aidreteat  dee  Coffaeliuj  Nepof  sich  beCMid,  deaaea  Bio|^pbien  deai  Verüaaaer 
ib  dar  erala  Verasch  eiaea  popolftrea  GeachichtweAea  in  Aom  eraeheinen, 
Wi  deiiea  loblicfaer  Abaioht  eiaaelae  Htogel  der  Arbeit  wohl  ttberaehen  wer^ 
öea  därflea,  nm  dem  Ganaen  die  voUe  Aaerkennnnf  nicht  an  Teraagen.  Wir 
komifeb  ea  aehr,  ob  and  welche  Beweiae  für  aolche  BehaaiiCiipfCB  heif e- 
kMht  wecdea  kOaaea ,  da  wahrhallig  au  der  Zeil,  io  welche  du  Ckacheinea 
üeiar  Biographien  fallen  dürfte,  die  rOmiache  Geachichtachreibaag  Aicht  mehr 
ia  ihren  enlea  Stadien  befangen  war«  nnd  achwerlich  Coraclina  Mepoa  ala 
ür  arüe  angeaehen  werden  darf,  der  die  Geachichte  ia  popnlArer  Weiae  für 
«euere  Ireiao  an  behandeln  Teranoht  hat.  Wir  branchea  aar  aa  die  ia  der 
YMÜegeadea  Sammlaag  (Lieferang  18  in  Jahre  1855)  eraohienene  Daratellnng 
4er  rOniadlen  Geachichlachreiber  au  erinnern ,  in  welcher  von  der  groeaea 
lldtigkeit,  die  aich  anf  den  Gebiete  der  GeachichtacbreibDag  achon  vor  den 
Aiftrelen  dea  Cornelina  Nepos  kund  gibt,  ein  ao  achOnea  und  nmfaaaeadea 
Bild  entworfen  iat.  Waa  nun  endlich  die  Frage  nach  der  Antorfchafk  der 
Titte  betriffi,  so  spricht  aich  der  Verfaaaer  unbedingt  für  Comeliua  Nepos  aus, 
^  die  urkundliche  Ueberlieferung,  welche  die  Vitae  den  Aemilioa  Probua 
kilegt,  nicht  kennt.  Ebenao  entbehrt  in  seinen  Augen  die  Vermuthung,  daaa 
die  Viiae  nur  ein  von  Aeniliua  Probua  gemachter  Ansang  aua  den  grosseren 
Werke  dea  Nepoa  aeien,  ,Jeder  Begründung,"  Daa  iat  denn  doch  wohl  au 
Tiel  geaagi,  ao  wenig  wir  selbst  die  vorhandenen  Vitae  für  einen  Auszug  bal- 
tea,  in  dem  Sinne,  in  dem  man  dieses  Wort  bei  uns  gewöhnlich  ninnt.  Aber 
M  wenig  Aemiliua  Probua  der  Verfaaaer  der  vorhandenen  Vitae  sein  kann,  die 
biaeswegs  in  dem  Styl  der  Zeit  eines  Theodoaius  abgefaaat  sind,  eben  so 
wenig  kann  die  gegenwärtige  Fassung  der  Vitae  als  daa  wirkliche  unverttn- 
derle  Original,  wie  ea  aua  der  Feder  des  Cornelius  Nepos  hervorging,  ange- 
itkeB  werden. 

Waa  die  Uebersetzuug  selbst  betrifft,  so  ist  diese  ganz  befriedigend 
aaigefallen,  sie  liest  sich  recht  gut,  bewegt  sich  selbst  in  einem  gewissen 
ilsss  der  Rede,  welche  das  Abgerissene  in  dem  Periodenbau  und  in  der  Ver- 
hiadang  eiaaelner  SAtae,  waa  in  der  Darstellung  des  Cornelius  Nepos  eben 
•Is  aatirliche  Folge  der  erwilhnten  Redaction  durch  Aemiliua  Probus  anau- 
sehen  iat,  kaum  verkeanen  lAsaU  Wir  wollen  ala  Probe  nur  das  erste  Capitel 
des  AIcibiades  hier  mittbcilen,  als  Beleg  unseres  Urtbeils : 

£s  folgt  der  Athener  AIcibiades,  des  Clinlas  Sohn.  An  ihm  scheint  die 
Nslnr  versucht  au  haben,  waa  zu  schaffen  io  ihrer  Macht  atehe.  I>enn  unter 
Allen,  die  über  ihn  berichtet  haben,  ateht  es  fest,  dass  Niemand,  aei  ea  In 
Mlera  oder  Tugenden,  aoageaeichneter  geweaen  aei  als  ar.  Geboren  in  einem 
eehr  aagoaehenen  Staate,  ans  edelstem  Geaohlecht,  unter  allen  seinen  Altera- 
wmmm  hol  waUemdar  SchDidlOi  In  jete  Sache  fewuidt  and  «as«esstklug 


908  SuDBÜimg  von  UebenelcuB^n  a.  0«  w. 

(denn  er  war  sn  Wasser  und  zn  Lande  ein  trefflicher  Feldherr);  von  eiaer 
Beredtsamkeit ,  die  den  grOssten  Einfluss  aosttbte,  da  sein  Organ  nnd  seine 
Worte  so  viel  Einnehmendes  besessen,  dass  ihm  kein  anderer  Redner  die 
Spitie  bieten  konnte;  reich;  wo  es  die  Umstllnde  forderten,  thitig  nnd  ans- 
dauernd;  freigebig,  prachtliebend  in  den  Bedürfnissen  sowohl  als  in  der  gan- 
sen  Weise  seines  Lebens,  leutselig,  nie  schmeichelnd,  den  Zeitrerhflltnissen 
sehr  schlau  Rechnung  tragend:  leigte  sich  eben  dieser  Mann,  sobald  er  sich 
gehen  Hess,  und  kein  Anlass  vorhanden  war,  sich  geistiger  Anspannung  in 
nnteriiehen,  schwelgerisch,  ausschweifend,  woUttstig  und  unmässig,  ao  dass 
Alle  staunten,  wie  in  ein  nnd  demselben  Manne  sich  solche  Unflhnlicbkelt  nnd 
so  widersprechende  Eigenschaften  finden  konnten. 

Von  der  Verdeutschung  des  Virgilius  ist  schon  früher  die  Rede  ge- 
wesen; dem  Torliegenden  aweiten,  die  erste  HAlfte  der  Aeneis  enthaltendea 
Bllndchen  dürfte  noch  ein  drittes  folgen,  welches  mit  der  andern  Halfie  der 
Aeneis  sämmtliche  Dichtungen  Virgils  sum  Abschlnss  bringt.  Die  Uehersetanng 
der  Fabeln  des  Phädrus,  Ton  demselben  Gelehrten  besorgt,  der  aueb  den 
Comelins  Nepos  ttbersetxt  hat,  empfiehlt  sich  durch  die  gleichen  Eigenschaf- 
len,  welche  der  Uebersetsung  des  Cornelius  Nepos  cur  Empfehlung  gereichen, 
wir  erlauben  uns  daher  auch  hier  eine  Probe  aus  dem  Prolog  des  CweitOD  Bo- 
ches Toraulegen,  in  welchem  Phädrus  sich  über  seine  Fabeldichtung  also 
ansliist: 

Beispiele  sind's,  worin  Aesop  uns  dichtet. 
Und  keinen  andern  Zweck  verfolgt  die  Fabel, 
Als  dass  der  Menschen  Irrthum  sie  verbessre 
Und  ihre  Thätigkeit  und  Umsicht  schiffe. 
Sei's  darum  dieser  oder  jener  Scherz, 
Freut  er  das  Ohr  nur  und  bleibt  seinem  Ziel  treu, 
Empfiehlt  er  selbst  sich,  sann  ihn  aus,  wer  wilL 
Ich  wahre  nun  mit  Fleiss  des  Alten  Art; 
Doch  wo  mir's  gut  deucht  etwas  einzuschalten, 
Dass  das  Gemttth  am  Wechsel  sich  ergötze, 
Hag  freundlich  mir's  der  gttt'ge  Leser  deuten. 
Vergelt  ich  nur  durch  Kürze  seine  Gunst. 
Um  die  nun  nicht  weitschweifig  zu  empfehlen. 
So  hOr,  warum  man  Gierigen  nichts  geben. 
Bescheidnen  bieten  soll,  was  sie  nicht  fordern. 

Die  Uebersetzung  erstreckt  sich  auf  die  filtere  Sammlung  der  Fabeln  ia 
fünf  Büchern;  die  sogenannten  Fabeln  des  Perottus,  die  im  Jahr  1809  erst- 
mals an  das  Licht  getreten  und  dann  gar  als  sechstes  Buch  der  filteren  Samm- 
lung angereiht  worden  sind,  wurden  weggelassen,  indem  der  Verfasser  aicliere 
Beweise  der  Aechtheit  vermisst;  obwohl  er  sonst  an  der  Aechtheit  der  alte- 
ren Fabelsammlnng,  so  wie  an  der  Person  des  Phfidrus  durchaus  keinen  Zveei- 
fel  hegt,  vielmehr  in  einer  Einleitung  mit  aller  Sorgfalt  alle  die  das  Leben 
und  die  Person  des  Dichters  betreffenden  Notizen,  die  sich  ans  den  noch  vor- 
liandenen  Fabeln  und  ihren  Prologen  entnehmen  lassen,  zusammengeslelli» 
auch  daran  ein  gani  richtiges  Urtheil  Über  den  Fabeldichter  und  seine  Lei- 
stungen anf  diesem  Gebiete  der  Dichtkunst  gereiht  hat.  Hier  erscheint  Phft- 
^rw,  Mich  dorn  Urthoil  iu  YoifuMn,  «U  ein  eifriger  Freund  der  Kmut  mA 


temmfattff  VM  üeberMMBfMi  v.  0.  w.  d09 

IHMMehaft,  wacher  telbfl  fern  tob  «neu  den  Biedern  LeidenicliafleB ,  die 
dM  laben  der  Menachen  beunrnbif  en ,  aach  Andere  durch  heitere  Belehnmc 
T0B  Fehlem  und  Thorheiken  lurfickiumfen  sich  bemüht,  und  sich  selbst  in 
•eiaen  Leben  ebenfaUa  nicht  andere  feseigt  hat  (s.  paf.  XII);  danun  flanbl 
er  auch  in  den  Worten  des  Martialia  („improbi  joeoa  Phaedri**)  keinen  Tadel 
über  den  Charakter  des  Phttdrua  erblieken  an  können,  sondern  nur  eine  schen- 
bfte  Beaeiehnnnf  eines  schelmischen  Menschen ,  der  Andere  bespöttelt  nnd 
iiher  im  Scherxe  selbst  als  „f  ottlos"  beieichnet  wird. 

Weiter  maf  auch  auf  die  mit  dem  oben  anfeaeiften  [Bindehen  ToUendete 
üebersetsoBf  der  Homeriseben  Iliaa  anftnerksam  gemacht  werden,  wie 
diese  swar  anch  schon  frflher  in  diesen  Blttttem  (Jahrgf.  1850.  S.  908  ff.)  bei 
iem  Erscheinen  des  ersten  Theiles  dieser  Ueberaetinng  geschehen  ist;  das 
dstt  bereits  ansgesprochene  Urtheil  mag  auch  von  diesem  Theile  gelten,  das 
Geaxe  aber  Allen  denen  empfohlen  werden,  die  den  Vater  der  hellenischen 
Poesie  anch  in  einem  seiner  würdigen  deutschen  Gewände  nAher  kennen  ler^ 
aea  and  Yon  der  Einfachheit  nnd  Natttriichkeit  dieses  ältesten  Epos  der  helle- 
Bschen  Welt  einen  angemessenen  Begriff  gewinnen  wollen:  dass  beides  aber 
weder  durch  gereimte  Jamben  noch  durch  griechisch-deutsche  Verse,  die  an 
ihreai  VersCAndniss  uns  oh  nöthigen,  anf  das  griechische  Original  surttcksn- 
lehea,  erreicht  werden  kann,  dass  weder  allan  freie  Behandlung  des  Textes 
loch  allan  wortgetreue  Uebertragung  au  diesem  Ziele  fahren  kann,  durfte 
waU  jetat  ao  aiemlich  allgemein  anerkannt  sein ;  der  richtige  Weg ,  der  hier 
eiataschlagen  ist,  wird  eben  nur  derjenige  sein,  welchen  der  Verfasser  dieser 
Ueberaetanng  audi  wirklich  eingeschlagen  nnd  in  anerkennenswerther  Weise 
darcbgeftahit  hat.  Der  frtther  achon  mitgetbeilten  Probe  mag  ea  erlaubt  sein 
aocb  die  folgenden  anzureihen,  und  awar  auYOrderst  die  nicht  leichte  Stelle 
von  der  Verwundung  des  Hektor  durch  Ajas  im  vieraehnten  Gesänge: 

Aber  den  Fliehenden  traf  der  gewaltige  Held  mit  dem  Feldstein, 

TeltBons  Sohn;  (viel  Steine,  die  hurtigen  Schiffe  zu'sttttaen, 

Lsffen  gerolH  zo  den  Fassen  der  Kttmpfenden;)  diesen  erhebend, 

Traf  er  die  Brust  an  dem  Rande  des  Schild's  in  der  Nlihe  des  Halses, 

Dese  er,  getroffen  vom  Wurf,  rundum  wie  ein  Kreisel  sich  drehte. 

Wie  Yon  dem  schmetternden  Schlage  des  Zeus  ein  entwnrselter  Eiehbaum 

SOrzt  in  den  Staub,  und  vom  Stamme  die  furchtbaren  Dttnste  des  Schwefels 

Qualmen  empor,  dass  Alle  betSnbt  steh'n,  die  in  der  Nlihe 

WeüeBd  ea  aeh'n;  denn  die  Blitze  des  machtigen  Zeus  sind  grannvoll: 

&•  sank  jahlinga  zur  Erd'  in  den  Staub  der  gewaltige  Hektor. 

Aber  die  Hand  Hess  sinken  den  Speer;  ihm  folgte  der  Schild  nach. 

Folgte  der  Helm:  rings  klirrte  die  Wehr,  buntscbimmernd  von  Erze. 

Sie  nun  stürmten  heran  mit  jubelndem  Ruf,  die  Achfler, 

Höften  hinweg  ihn  zu  zieh'n,  und  schleuderten  Lanzen  in  Menge. 

l^och  aie  vermochten  ihn  weder  mit  Stoss  noch  Wurf  au  verwunden, 

Weil  um  den  Hirten  der  Volker  zuvor  sich  stellten  die  Besten, 

Glankos,  der  treffliche  Held,  mit  dem  LykierfUrsten  Sarpedon, 

Held  Agenor,  der  edle,  Polydamas  auch  und  Aeneias. 

Aneh  yon  den  Anderen  Keiner  versllumt'  ihn;  Alle  sie  hielten 

Ibai  die  gerundeten  Schilde  zur  Abwehr  vor.    Die  Genossen 

Kabaien  ihn  auf,  und  trugen  vom  Kampf  ihn  hinweg  zu  den  Rossen, 

l>ie,  sein  schnelles  Gespann,  im  Racken  der  Schlacht  und  des  Kampfes 

Staaden,  vom  Lenker  gehemmt  an  dem  kunstreichprangenden  Wagen; 

Slidtwtrta  trugen  ihn  dieae,  den  schweraafstohnenden  Hektor, 


310  StiDmlMf  TOB  17el»eni6lcii^f6A  u.  0.  w. 

Alf  Bit  darauf  sn  der  Fnrdi  an  den  iebtfnliiawogeBden  Xaathe« 
KameDy  den  wirbelnden  Strom,  den  Zeus  der  ansterbliche  zeuirte; 
Hoben  sie  sanft  ihn  vom  Wagen  zur  Erd'  und  sprengten  das  Wasser 
lieber  ihn  her;  bald  athmef  er  auf  und  blickte  cum  Himmel, 
Kanerte  dann  in  die  Kniee  und  spie  rotfasehtunendea  Bkrt  aus. 
Doch  baUt  sank  er  cur  Erde  inrttek,  und  die  Augen  ninhont'  ihm 
Finstere  Nacht;  noeh  Iflhmte  der  Steinwurf  ihm  die  Besinnung. 

Oder  im  sechsiehnten  Gesang,  die  Stelle  you  dem  Kampfe  des  PatroUai 
und  Hektor  V.  818 ff.: 

Kaum  sah  Priamos'  Sohn,  wie  der  rontbige  Kampfer  Patroklos, 
Ah  ihn  <fie  spitzige  Lanze  verwundete,  wieder  aurflekwich, 
Schriet  er  auf  ihn  in  den  Reihen  heran  und  bohrte  den  Warfspeer 
Ihm  in  die  untersten  Weichen;  die  mordende  Spitze  durchdrang  ihn; 
Tosend  stürzte  der  Held :  tief  trauerten  da  die  Achller. 
Sowie  den  zornigen  Eber  ein  Leu  im  Kampfe  bewftltigt. 
Wenn  sie  mit  trotzigem  Math  auf  hohem  Gebirg  sich  bekimpfen 
Am  schwaehrinnenden  Borne,  wohin  sie  beide  der  Durst  trieb; 
Doch  wie  mttchtig  er  schnaubt,  der  gewaltige  Lowe  bezwingt  ihn: 
So  nahm  Priamos   Sohn  des  Menötios  tapferem  Sohne, 
Der  so  Viele  gemordet,  mit  stürmender  Lanze  das  Leben. 
Hektor  jubelte  laut  und  sprach  die  geflügelten  Worte: 
Unsere  Stadt,  0  Patroklos,  gedachtest  du  wohl  zu  Terwaaten, 
Hofflest  den  troischen  Frauen  der  Freiheit  Tage  zu  rauben, 
Und  sie  hinweg  in  den  Schiffen  zum  Heimatlande  zu  führen! 
ThOrichter!    Sie  zu  beschirmen  im  Kampf,  sind  noch  in  gestrecktem 
Laufe  die  Rosse  des  Hektor;    Ich  selbst,  kampflustiger  Troer 
HeerfUrst,  schwinge  die  Lanze  Toran,  und  wehre  der  Knechtschaft 
Schrecklichen  Tag:  du  moderst,  ein  Mahl  für  die  Geier,  im  Staub  hier! 
Elender,  ha!  Nichts  half  dir,  so  tapfer  er  ist,  der  Pelide, 
Der  wohl,  als  du  von  ihm  wegzogst,  dich  dringend  ermahnte: 
„Kehre  mir  ja  nicht  eher  zurück  zu  den  rftumigen  Schiffen, 
Reisiger  Kllmpfer  Patroklos,  bevor  du  den  blutigen  Panzer 
Rings  um  die  Brost  ihm  zerrissen,  dem  männervertilgenden  Hektor!*^ 

mit  der  wir  die  entsprechende   Stelle  des  zwei  und  zwanzigsten  Gesanges 
Vers  306 ff.  vom  Kampfe  de§  Hektor  und  Achilles  noch  verbinden: 

So  rief  Priamos'  Sohn  und  zog  die  geschliffene  Klinge, 

Die  ihm  neben  der  Hüfte  herabbing,  gross  und  gediegen. 

Bog  sich  zusammen  und  stürmte  heran,  wie  der  Adler  der  Lüfte, 

Der  durch  finstere  Wolken  herab  in  die  Eb'ne  sich  stürzend. 

Gierig  den  zitternden  Hasen  hinweg  hascht  oder  ein  Milchlamm : 

So  schoss  Hektor  heran  und  schwang  die  geschliffene  Klinge. 

Dort  auch  kam  der  Pelide  gestürmt:  von  grimmigem  Muthe 

Schwoll  ihm  daa  Herz;  vorn  deckte  die  Brust  des  gewaltigen  Schildes 

Kunstreich  prangender  Schmuck,  und  der  Helm,  vierkupplig  und  glanzvoll, 

Nickte  vom  Haupt;  rings  wogten  die  goldenen  Hfthnen  hernieder, 

Welche  Hephttstos  reichlich  gesenkt  in  den  Bügel  des  Helmes. 

Hell  wie  der  Stern  hinwandelt  zur  Nachtzeit  unter  den  Sternen, 

Hesperos,  welcher,  das  schönste  Gestirn,  am  Himmel  heraufsteigt: 

Also  strahlte  der  Speer,  der  geschliffene,  den  in  der  Rechten 

Schwann  der  Pelid,  Unheil  dem  erhabenen  Hektor  ersinnend, 

Sptthend  am  stattlichen  Leib,  wo  die  sicherste  Blosse  sich  fünde. 

Rings  umschloss  ihm  die  Glieder  das  Erz  der  gepriesenen  Rüstung, 

Die  er  geraubt,  nachdem  er  enchlog  den  beherzten  Patroklos; 


SünnloBf  Ton  üobefiMnuffen  n.  s.  W.  Sli 

K«  m  Sehnlleni  iiad  IbJj  an  den  SchhiMbein  obcün  lick  schttden, 
Zdfte  die  Kehlo  sich  bloM,  die  genihrlich«te  Stelle  des  Lebens; 
Dort  darchfllach  ihn  der  Speer  des  Achilleus,  als  er  hertndraiig, 
Disf  ihm  die  SpHie  gerade  den  blähenden  Necken  hindnrehfnhr. 
Bech  niefai  voUiff  Mnehnitt  der  gedieiron«  Speet  ihn  die  Cuq^ 
DiM  er  i»  Wechselfesprioha  nul  ihm  noch  mochte  verkehren. 
Haktor  sank  in  den  SUuh;  da  rief  frohlockend  Achilleus  n.  s.  w. 

nd  ans  demselben  Gesang  Vers  477  ff.  die  Klage  der  Andromache,  naehdem 
ne  Hektor's  Tod  vernommen: 

Ikktor,  o  vreh  mir  Armen  f  Wir  swei  denn  kamen  lu  gfeiehem 

JesmMSfcackick  in  die  Well,  dn  kier  ha  des  PriaaMS  Ibnae, 

Ich  an  dorn  Hange  des  Plakoa,  des  waldnmkrftnxUa»  in  ThebA, 

Dort  in  Eelions  Burg;  der  nflhrte  mich  auf  in  der  Kindheit, 

Selbst  unselig,  anm  Jammer:  o  vrilr'  ich  ihm  nimmer  geboren! 

Jetst  in  des  ATdes  Haus,  in  die  finsteren  Tiefen  der  Erde, 

Gehst  da  hinab,  nnd  Ussest  in  tranrigem  JamoMr  als  WiHwo 

lieh  im  Palaste  snrOck  mit  dem  gans  anmUndigen  Sahnlein, 

Dem  wir  das  Leben  gegeben,  wir  Elenden!    Nimmer,  o  Hektor, 

Wirst  du  dem  Armen  ein  Schutz,  noch  er  dir,  nun  du  dahin  gingst! 

Denn  aneh  wenn  er  entrönne  dem  traurigen  Krieg  der  Aohier, 

Karrt  doch  ewige  Noth  und  Drangsal  seiner  in  Zukunft; 

Denn  bald  werden  ihm  Fremde  die  Mark  an  den  Feldern  verkitnen. 

Alle  Gespielen  entfernt  der  verwaisende  Tag  von  dem  Kinde; 

Allxeit  senkt  es  anr  Erde  den  Blick,  mit  ThrSnen  im  Antlits. 

Und  dann  wandelt  es  darbend  umher  an  den  Freunden  des  Täters, 

Fassl  an  dem  Rocke  den  Einen  und  faaal  am  Manlel  den  Andern; 

Einer  erbarmt  sieh  vielleicht,  und  reicht  ihm  ein  wenig  den  Becher, 

Dass  er  dem  Kinde  die  Lippen,  und  nicht  ihm  den  Gaumen  befeuchtet. 

Oft  auch  stOsst  es  vom  Mahle  der  Sohn  noch  blühender  Eltern, 

Der  mit  den  Fllusten  es  schtigt  und  mit  hohnenden  Worten  es  anlisst: 

nlebe  dick  weg;  dein  Vater  ist  hier  nicht  unter  den  Gasten!" 

Von  der  Uebersetsnng  des  Strabo  kann  nur  das  wiederkolt  werden, 
was  hei  der  Anaeige  des  ersten  Btndehen  ttber  die  ungemeine  Sorglhlt  und 
iScnanigkeit  bemerkt  worden,  durch  welche  diesea  Unternehmen  sieh  rühm- 
liehat  anaaeichnet.  Bei  den  grossen  kritischen  Schwierigkeiten,  welchen  die 
Gastaltnng  des  Textes  dieses  Schriftstellers  nnterliegt»  treten  dem  Uebersetier, 
der  sein  Werk  mit  aller  Gewissenhaftigkeit  nnd  Treue  fortfikhren  wiK,  Hemm- 
nisse jeder  Art  auf  jedem  Schritte  entgegen,  nnd  wenn  nach  manche  deraelben 
doick  die  kritische  Forschung  der  neueren  Zeit  gehoben  oder  beseitigt  wor- 
den sind,  so  bleiben  doch  gar  manche  flbrig,  in  welchen  der  Uebersetier, 
wenn  er  einen  Sinn  in  die  Stelle  bringen  soll,  lu  irgend  einer  möglichst  leich- 
ten und  ansprechenden  Aenderung  oder  selbst  firgSnanng  des  Textes  «ich  ge- 
BOthigt  sieht.  Oieas  hat  daher  auch  unser  Verfasser  stets  gethan  lad  damit 
seinem  Werke,  in  welchem  von  den  Leistungen  der  neuesten  Heransgeber 
üheraU  Gehranch  gemacht  worden»  einen  gewissemasaen  selhttständigen  Werth 
auch  in  den  Angen  derjenigen  verliehen,  welche  nieht  bloas  den  ernten  Geo- 
graphen der  alten  Welt  im  dentschen  Gewände  nllher  kennen  lernen  wollen, 
sondern  auch  durch  gelehrte  Forschungen  auf  diesen  Schriftsteller  aurttck- 
gefikhrt  sind.  Ueber  das  Alles  geben  die  dem  Texte  nntergesetatoB  Noten  Re- 
dmudiafl^  die  ebonso  anofa  die  ntfthigeii  Anhattspirnkte  ftUr  die  neiere  Gco« 


312  Samnüanir  tob  Ueberfetswif en  u.  f.  w. 

mraphle  n.  dgl.  darcbwegr  bieten;  selbst  die  Seiteoiabten  der  CaMiiboii*scbea 
Ausgabe  (weil  nach  dieser  i^ewöhulich  citirt  wird)  siod  am  Rande  angemerkt. 
Die  Uebersetzung  selbst  liest  sich  gut,  sie  ist  in  einem  einfachen  Tone  ge- 
halten und  sogar  fliessend  geschrieben.  Kurs,  wir  können  uns  freuen,  die 
schwierige  Aufgabe  hier  in  einer  so  befriedigenden  Weise  getOst  zu  sehen 
und  fagen  als  Probe  noch  eine  kleine  Stelle  aus  dem  vierten,  mit  der  Be- 
schreibung Gallien's  angefüllten  Buche  bei,  welche  von  den  Barden  und 
Druiden  handelt: 

Bei  Allen  ohne  Ausnahme  aber  finden  sieh  drei  Klassen  vorzüglich  ge- 
ehrter Mttnner,  die  Barden,  die  Wahrsager  und  die  Druiden.  Die  Barden  sind 
Hymnensänger  und  Dichter,  die  Wahrsager  Opferpriester  und  Naturknodige, 
die  Druiden  aber  beschäftigen  sich  ausser  mit  der  Naturkunde  auch  mit  der 
Moralphilosophie.  Sie  werden  fQr  die  gerechtesten  Männer  gehalten  und  des- 
halb vertraut  man  ihnen  sowohl  die  besondem  als  allgemeinen  Rechtshändei 
an,  so  dass  sie  früher  selbst  Kriege  beilegten  und  Heere,  die  im  Begriff  wa- 
ren einander  feindlich  entgegen  zu  treten,  besänftigten;  auch  über  die  Blut- 
schulden zu  richten,  war  vorzüglich  ihnen  übertragen;  und  wo  sie  in  Menge 
sich  fänden,  da  glaubte  man,  gebe  es  auch  Früchte  des  Landes  in  Menge. 
Sowohl  diese  als  die  Andern  lehren,  die  Seelen  und  die  Welt  seien  unver- 
gänglich, einst  aber  würden  Feuer  und  Wasser  die  Oberhand  gewinnen. 

Endlieh  haben  wir  noch  der  Bearbeitung  der  Kaiserbiographien  dos  S  a  e- 
tonius  zu  gedenken,  von  welchen  die  eine  Hälfte  mit  den  Biographien  df» 
Cäsar,  Augustus,  Tiberius  und  dem  Anfang  des  Caligula  in  diesem  ersten 
Bändchen  vorliegt,  dem  noch  ein  zweites  mit  dem  Reste  der  Biographien 
folgen  soll.  Dieselbe  ist  eingeleitet  durch  eine  Darstellung  der  ganzen  Per- 
sttnlichkeit  des  Suetonius,  so  wie  seiper  Leistungen  auf  dem  Gebiete  der  Li- 
teratur, welche  hier  einer  eben  so  gerechten  als  treffenden  und  anziehenden 
Würdigung  unterstellt  sind.  Ein  Hauptmoment  dabei  bildet  allerdings  die  Stel- 
lung des  Suetonius  am  kaiserlichen  Hofe,  an  dem  er  unter  Hadrian  die  SteUe 
eines  Kabinetssecretärs  (Magister  Epistolarum)  bekleidete,  und  sonach  in  der 
Lage  war,  den  Stoff  und  das  Material  seiner  Kaiser -Biographien  susammen- 
xnbringen,  während  die  übrigen  dem  Suetonius  beigelegten  Schriften  in  ihm 
uns  mehr  einen  gelehrten  Grammatiker  und  antiquarischen  Forscher  erkennen 
lassen,  dessen  Schriften  das  gemeinsame  Gepräge  des  sich  für  Alles  interessi- 
renden  Grammatikers,  des  Sammlers  von  Merkwürdigkeiten,  des  Antiquar*« 
und  Polyhistor's,  der  minutiöse  Specialuntersuchungen  über  alles  Mögliche  nm 
ihrer  selbst  willen  liebt,  an  sich  tragen.  Daher  wir  auch  in  den  noch  erhalte- 
nen Kaiser-Biographien  keine  eigentlichen  historischen  Kunstwerke  vor  nns 
haben,  sondern  vielmehr  eine  Sammlung  von  Colleetaneen ,  Anekdoten  nnd 
dergleichen,  die  hier,  ohne  ein  bestimmtes,  tiefer  gehendes  Princip,  zusammen- 
gestellt, und  weder  nach  dem  Inhalt  ungeachtet  der  Vit.  August.  9  gegebenen 
Versicherung,  noch  nach  der  Zeitfolge  an  einander  gereiht  sind,  auch  gar 
keinen  weiteren  Anspruch  machen,  als  den  eine  Uebersicht  des  Hof  und  Pri- 
vatlehens der  Kaiser,  wie  es  aus  solchen  Einzelnheiten  zu  gewinnen  stekt, 
nnd  fttr  die  Zeitgenossen  interessant  war,  zu  geben;  wie  wohl  der  tiefere 
psychologische  Blick  und  die  moralische  Würdigung  bei  allen  diesen  Einsei- 
heiten,  die  uns  liier  vorgeführt  werden^  vermisst  wird.    Wenn  wir  also  dieie 


Heüeiibery:    Mlaenlo^lieB  NoUmh.  313 

bohereo  Anfprttebe  «nch  bei  Seite  lefen  rottssen,  to  werden  wir  damai  nicbt 
■Mer  den  bistoriscben  Werth  verkennen  wollen,  den  diefe  Dantellungen 
far  ans  Qberbanpl  besitsen. 

Die  Ueberaetsnnf  snebt  den  Cbarakler  des  Originals  in  trener  nnd  fliessen- 
der  Naebbiidonf  wiedersnfeben ,  sie  kann  als  eine  wokl|peIunf ene  nnd  dabei 
fBlrene  beieichnet  werden:  erklärende  Anmerkungen,  welebe  bei  einem  Autnr 
dieses  Inbalts  nickt  wobl  entbehrt  werden  können,  wenn  es  sich  um  das  ganse 
■nd  volle  Verstindniss  handelt,  sind  in  Noten  nnter  dem  Text  beigefügt,  aneh 
hier  nnd  dort  mit  weiteren  Naehweisnngen  begleitet.  Clur«  MUur» 


Mineralogische  iVolisen.     Von  Friedrick  Hettenherg,    8.  3i.    Tn- 
fel  V—VIL  (Aus  den  Schriften  der  SenkenUrgischen  Gesellschaft  in  Frankfurt.) 

Der  Verfasser,  welcher  im  Gebiet  der  Krystallographie  schon  Ausgeseich- 
netes  geleistet,  gibt  uns  in  vorliegendem  Anfsats  eine  Reihe  wichtiger  und 
mteressanter  H ittheiinngen.  Wir  erwilhnen  sun Hebst  die  Untersachnngen,  welche 
Herr  Hessenberg  an  einer  Anzahl  Oiigoklas-Krystallen  von  Arendal  anstellte, 
an  für  deren  Form  seibststiindige,  sichere  MassTerhlltnisse  so  gewinnen.  Der 
OKgoklas  seigt  keine  specifisck  eigenthUmliche  FlAcben,  sondern  nur  die  sra 
Albit  und  Periklin  auftretenden,  wie  er  denn  Überhaupt  in  seinem  gansen  Ha- 
bitus iwischen  diesen  beiden  Mineralien  schwankt  Auch  die  Zwillingsbil- 
dung ist  sowohl  die  des  Albit  (Znsammensetzung  parallel  der  brachy diagona- 
len EndilAcbe  mit  vielfacher  Reifung  auf  der  Basis)  als  anch  die  beim  Peri- 
kUa  gewöhnliche,  parallel  der  basischen  Fläche.  Die  Beschaffenheit  der  meist 
gewölbten,  gereiften,  zerfressenen  Flllchen  liest  keine  genauen  Messungen  zu ; 
die  besten  kommen  indess  den  Maassen  des  Albit  sehr  nahe.  Hieraus  und  aus 
dem  seifenartigen ,  stets  trttben  Ansehen  des  Minerals  schliesst  der  Verfasser, 
dass  der  Oligoklas  gar  keine  ihm  eigenthttmliche  Krystall-Gestalt  besitse,  son- 
dern lediglich  ein  verllnderter  Albit  oder  Periklin  sei,  deren  Form  er  mehr 
oder  weniger  gut  erhalten  darstellt.  Diese  Ansicht  wird  —  vergleicht  man 
die  bekannten  Analysen  von  Oligoklas  und  Albit  —  von  chemischer  Seite 
mterstatzt;  ihre  schwankenden  Resultate  deuten  auf  die  VerAnderlichkeit 
beider  Sobstansen  hin.  Nicht  allein  von  krystallographischem ,  sondern  auch 
von  geologischem  Interesse  ist  die  Angabe  Ober  das  Vorkommen  von  Albit  in 
Kalkstein.  Der  Verf.  beobachtete  solches  selbst  am  Col  du  Bonhomme  am 
Ibntblanc,  der  wie  bekannt  7520  Fuss  über  dem  Heere  liegt,  und  dessen 
ganae  Umgebung  keine  primitiven  Gebilde,  sondern  Kalke  und  andere  Fels- 
maasen  aufzuweisen  hat,  die  Studer  zu  seinen  „grauen  Schiefem^  rechnet 
Hier  finden  sich  in  Kalkstein  —  wie  in  einem  Porphyr-Teig  eingewachsen  -— 
zahlreiche  zierliche  und  frische  Albit-Krystalle,  nach  den  verschiedensten  Ricb- 
tnagen,  so  dass  der  Hanptbruch  des  Gesteins  theils  die  brachydiagonale ,  theils 
die  baaisehe  Endfläche  entbltfsst  hat  Die  Krystalle  zeigen  Feldspatb-HArte, 
Schmelzbarkeit  und  die  wohlbekannten,  fUr  die  Zwillings-Bildung  des  Albit 
so  characteristischen  ein-  und  ansspringenden  Kanten.  Der  Habitus  der  klei- 
noi  Krystalle  ist  tafelartig  und  gestreckt  nach  dem  Brachypinakoid  und  nach 
der  Hanptaze  sehr  verharzt    Der  Kalkstein  erscheint  schieferig  mit  wenig 


314  Retfrauberf :    Mineralogifche  Nottsenu 

splitlerigem  Brach,  ab«r  so  voRkommen  dichr,  dass  mao  felbtt  «rter  der  Lonpe 
niehlf  Kryatallinitches  wabrnimmt,  und  dais  das  Gestein  deaihalb  bei  aeiner 
blasif^elben  Farbe  dem  Solenbofer  Htbograpbiscben  Schiefer  flhatfeh  sieht» 

Hferan  reibt  sich  die  Kitlbeilonf  über  eine  merkwürdige  firscbeiaung  an 
einem  Bergkrystall.    Er  ist  von  Bsrena   —  so  bericfaCet  unser  Veifasaep  -^ 
wo  ich  ihn  mit  aehdnen  Feldspathen  und  anderen  Sachen  von  einen  der  mbt- 
reiehen  Arbeiter  wm  dem  ffroasen  Steinbnioh  erworbea,   Le«te»  deren  ab^ 
schreckend  finstere  Kitten  oft  die  interessantesten  minoralogisehea  Vorfconun- 
nisse  diesea  berühmten,  paradiesisch  foleifenen  Fundortes  berf en»    Unaer  uf- 
sprttnglich  im  Granit  aufgewachsener,  nun  abgebrochener  Krystall  ist  5  Hill, 
dick,  innerlich  wasserhell,  aussen  aber  stellenweise  mit  sehr  feinen,  frischen, 
grünen  Epidot-  und  schneewcissen  Desmin-Nädelchen  besetzt.    Das  Interes- 
santeste ist  jedoch   die  Beschaffenheit  der  einen   Seite  der  Pyramide.    Hier 
aeigt  der  Krystall  ein  parasitisches  Haufwerk  vollkommen  wasserheller  Hyalith- 
Tropfen,  einige  mit  fast  vollendeter  Kugel- Gestalt,   andere   nierenfOrniig  aich 
drängend,  mit  breiter  Basis  dem  KOrper  des  Quarz-Krystalls  aufsitzend.    Uoter 
der  Loupe  sieht  man   deutlich,  wie   diese  glasähnlichen  Körper  keineanrega 
etwa  mit  scharf  eingeschnittenen  Rindern ,  als  von  Aussen  her  angeaiedetee 
Fremdlinge  am  Bergkrystall  abschneiden;  man  sieht  sie  im  Gegentheil   in  ihn 
verlaufen,  gleichsam  schwimmen  im  Quarz,  des  Letzteren  Antheil  sich  an  den 
HyaHth-Kügelcben  erheben,  wie  eine  einem  eingetauchten  Körper  adharirende 
Flüssigkeit.   Zum  Beweise,  dass  der  Quarz-Krystall  selbst  die  Substana  zu  4en 
KttgeTchen  hergeKeben,  setzt  sieh  dieses  allnählige  Verlaufen  nach  der  Mitte 
der  Flachen  so  fori,  dass  diese  ein  wenig  concav  erscheinen.    Alle  Kantoai 
dagegen  haben  sich  scharf  und  gerade  erbalten.    Wie  soll  —  so  fahrt   der 
Verf.  fort  —  man  sich  nun  dieses  seltsame  Vorkommen  erkJären?    Ist  dieser 
Zustand  ein  Brzeugniss  des  ersten  Bildungs- Actes  oder  haben  spatere   Kin* 
flOsse  den  fertigen  Krystall  so  alterirt?   Aber  woher  und  durch  welches  Agrens 
ein  solcher  Angriff  auf  eine  Substanz,  onschnelzbar  im  gewöhnlichen  Smme 
und  unveränderlich  in  der  Kalte  gegen  die  stärksten  chemischen  Agenlien  — 
ausgenommen  die  Flusssäure!  Leitet  der  Ideengang  hier  von  selbst  auf  di^ae 
letztere,  und  sieht  man  sich  nach  einer  etwaigen  Quelle  für  ihre  Erzeagi^»^ 
am,  so  findet  man  allerdings  im  Granite  von  Baveno  ziemlich  häufig  Plaea«- 
spath  und  mag  dann,  in  Ermangelung  einer  besseren  Erklärung  unseren  PkH* 
nomens  einstweilen  Act  von  dieser  Thatsache  nehmen  und  an  eine  mügUohe 
Entbindung  von  Flusssäure  ans  diesem  Mineral  durch  Schwefeltaure  denkon« 

Der  übrige  Theil  von  Hessenberg's  werthvoller  Schrift  enthalt  kryslallo* 
graphische  Beobachtungen  (von  trefflichen  Abbildungen  begleitet)  über  mwei— 
azigen  Glimmer  vom  Vesuv,  Realgar  aus  dem  Binnenthal  und  von  Beresoifrsk, 
über  Diopsid  vom  Vesuv  und  von  Mossa;  der  Verf.  hat  sich  endlich  beeo«— 
ders  mit  zwei  Mineralien  beschäftigt,  deren  kryslallographische  Verhalf^a^e 
zu  den  fchwierigeren  gehören,  nämlich  Epidot  und  Titanit 


Ueader  filr  dem  Beff-  tind  HttttemMnn.  9l5 

K^ieader  für  dm  Btrf-  und  Hüttenmann  auf  das  Jahr  1857.  JaMtuk  der  For$- 
jdbrüte  «m  GMtie  de$  gtsammien  Berg^  nnd  Hüttmmum».  Vadamtemn  und 
fradUek^  Bül/i-  tmd  NotiatmA  für  Ber^-  und  UüHmieute  und  dUy  wM^ 
es  wtrden  woüen,  für  Bergittrhbuitier,  Freunde  de$  Berittene  und  Tech^ 
Nflbr  m  ABgemeinen.  Fl.  Jahrgang.  Leifüg^  Veflag  von  Om  Spamer, 
1957.    8.  196. 

Kt  jedem  MripiBf  siad  die  bedeetenden  Fdriicbritte  in  Verbewenmf 
md  TeiTollflCiadiftmig  i«  vorli«ireBdeB  lalender  sieht  ni  Tefkennen.  Be- 
foederf  reicbbelti^  leifft  tiek  dem  Jahrbedi  der  ErfahraBfon  uod  Forlicfariile 
OD  Gebiete  de*  Berf-  nd  Hattenweiee«.  Hier  werden  eine  Menge  gnter  und 
•fl  febr  seltener  Quellen  mit  Tielev  Sacbkenntnim  benaut;  alle  Verbeaaeraa^ 
gen  an r  fedrinftem  Ranne  mOflicbat  genau  betebrieben.  Namentlich  ntsiea 
wir  anf  die  Bemerkongen  Aber  die  wichtigsten  Gegenstände  ans  dem  Bereiebe 
des  Berg-  und  Hmtenwesens,  welche  auf  der  grossartigen  Pariser  Weitaus^ 
Stellung  vorbanden  waren,  aufmerksam  machen. 

In  gleicher  Vollstündigkeit  wie  in  den  frflheren  Jahrgingen  ist  eine  lieber- 
rieht  der  Literatur  des  Berg-  und  ÜQttenwesens  von  der  Mitte  1855  bis  Mitte 
1856  gegeben.  I>er  Anhang  endlieb  enthllt  eine  Aufsiblung  der  Bergwerks^ 
bebflrden  in  verschiedenen  deutschen  Lllndem  so  wie  Mittheilungen  Über  die 
Bergwerks-Prodttction  in  Oesterreicb,  in  Preussen  und  in  Grossbritannien.  Es 
Airfle  vielleicht  für  manchen  unserer  Leser  von  Interesse  sein,  Einiges  tber 
die  grossartige  Production  in  letiterem  Staate  zu  hOren,  in  welchem  die  Mi- 
■eral-lMhistrie  auf  so  hoher  Stufe  steht.  Brennmaterial,  dies  unentbebriiebe 
Agens  bei  Behandlung  der  Ene,  dies  mSchtige  Element  sur  Erzeugung  der 
Triebkrafl  ist  sehr  verbreüet  in  verschiedenen  Gegenden  des  britischen  Insel- 
reiekea;  in  England,  Schottland  und  Irland  seigt  sich  die  Steinkohlen-Forma- 
tion entwickelt  und  ihr  Werth  wird  noch  erhobt  dureh  die  hauig  in  Ihrem 
Gebiete  TOfkoromenden  Eisenerae,  se  dass  mehrere  dieser  Kohlenbecken  gleieli- 
sam  die  Central-Punkte  grosser  Huttendistricte  bilden,  in  denen  sahlreidie 
Werke  Eisen  aller  Art  au  so  wohlfeilen  Preisen  prodnciren,  wie  es  sonst  in 
beinern  anderen  Lande  der  Erde  möglich  ist.  Dabei  sind  die  Transportmittel 
fo  ausgedehnt  und  niginglich,  wie  sonst  nirgend.  Von  der  betricbtlieben 
Zanabme  der  Production  eriangt  man  einen  Begriff,  wenn  man  die  in  den 
Uren  1841  und  1854  beschäftigte  Arbeiter-Zahl  betrachtet;  sie  belief  sieh 
nimlick  beim  Steinkohlen- Bergbau  im  Jahr  1841  auf  118,233  und  1854  auf 
219,995;  beim  Eisenstein-Bergbau  im  Jahr  1841  auf  10,949  und  1854  anf 
2i,100,  so  dass  die  Zunahme  von  einem  Jahre  zum  anderen  beim  Kohlen- 
Bergbau  94,  beim  Eisenstein-Bergbau  139  Procent  betrftgt.  Die  gesammte 
Steinkoblen-Prodaction  im  Jahr  1854  war:  64,661,401  Tonnen  (zu  20  engl.s= 
19,75  preuas.  Centner).  Im  Jahr  1855  wurden  9,953,741  Tonnen  Eisenerz  ge- 
wonnen, welche  in  England  311,  in  Wales  156  und  in  Schottland  122  Hoh- 
ifen  verschmolzen,  woraus  3,218,154  Tonnen  Koheisen  erzeugt  wurden,  die 
etaen  Gesammt-Werth  von  13,510,266  Pf.  Sterl.  haben. 


816  Naamanii  t    Elemente  der  theoretifeheii  Kryftallofnphie. 

Elemente  der  theoretischen  Kryslallofjraphie  von  Dr.  Carl  Fritd-^ 
rieh  Naumann^  Profestor  an  der  UninertUät  Leipüg,  Mit  86  Boluduni^ 
fefi.    Leipiig,  Verlag  wm  Wilhelm  Engelmann,    1856,    S.  383. 

VorliegeDdei  Werk  reiht  sich  unmittelhar  an  die,  io  aweiter  Auflage  im 
Jahr  1854  ersehienenen  ,,ADfang8grttnde  der  KrystailogT'apbie**  Naumano's;  beide 
Bttcher  sollen  sich  gegenfeitig  ergfinien  nnd  den  Schiller  gleichaam  dnrch 
Ewei  Abtbeilttof^en  seiner  Studien  geleiten.  Eine  aUfemeine  Bekanntschaft 
mit  den  Krystallformen  wird  natttriich  voransgesetit.  Das  Gänse  aerffiltl  in 
Ewei  Hauptabschnitte;  im  ersten  sind  die  wichtigsten  Lehren  der  analytisohea 
Geometrie  rorgetragen,  um  eine  genttgende  Grundlage  fttr  die  weiteren  Pro- 
bleme, fbr  ein  tieferes  Verstindniss  der  Krystallformen  an  bieten.  Daa  ente 
Kapitel  enthalt  die  analytische  Planimetrie,  das  sweite  die  analytische  Stereo- 
metrie, das  dritte  die  allgemeine  Zonenlehre,  im  rierten  und  fflnflen  werden 
die  Transformation  der  Axen  und  die  Theorie  der  Zwillings-Krystalle  bespro- 
chen. Der  zweite  Theil  umfasst  den  eigentlichen  Gegenstand,  die  theoretiselie 
Krystallograpbie.  Vieles  ist  mit  grosser  Klarheit  nnd  saehgemlsser  Ansführ- 
lichkeit  abgehandelt,  was  der  Verfasser  in  seinen  trefflichen  AnfangsgraDden 
der  Krystallograpbie  nur  kurz  berühren  konnte  oder  ganz  unberttoksichtigt 
lassen  rousste;  dies  gilt  vorzugsweise  von  jenen  Capiteln,  welche  sich  mit 
den  Lehren  der  Hemiedrie  und  Tetartoedrie  befassen.  Hier  halt  es  Eiunal 
dem  Anfänger  oft  schwer,  sich  surecht  zu  finden,  ein  Uinderniss,  das  der  Verf. 
durch  die  in  den  Text  eingedruckten  Holzschnitte,  welche  das  Verstindnias 
ungemein  erleichtern  zu  beseitigen  gesucht  hat;  wir  verweisen  besonders  auf 
das  S.  199^-221  über  trapesoedrische,  rhomboedrische,  pyramidale  und  trigo- 
notype  Hemiedrie,  über  rhomboedrische,  trigonotype  oder  trapezoedrische  Te- 
tartoedrie Gesagte.  —  Bei  der  hohen  Bedeutung  einer  methodischen  Benen- 
Bnng  der  verschiedenen  Arten  von  Formen  hat  auch  die  Nomenklatur  der 
Krystalle  in  vorliegendem  Werke  eine  Erweiterung  erfahren,  was  namentlich 
bei  den  einaxigen  Systemen  zu  billigen,  da  gerade  hier  die  namentliche  Be- 
zeichnung der  Formen  vernachlässigt  war.  Dabei  hat  sich  aber  der  Verfnaser 
bemüht,  Nomenklatur  und  Bezeichnung  in  Einklang  zu  bringen,  sie  so  zu  bU- 
den,  daas  sie  in  jede  Sprache  Eingang  finden. 

Die  grossen  VorzQge  der  Naumann'schen  Methode  haben  sich  lingat  er- 
probt. Mit  Recht  bemerkt  H.  Kopp  —  welcher  in  seiner  „Einleitung  in  die 
Krystallograpbie*'  sieh  Naumann's  Bezeichnungsweise  angeschlossen  und  nieht 
wenig  dazu  beigetragen  hat,  auch  in  weiteren  Kreisen  das  Interesse  für  Kry^ 
stallographie  zu  erregen  —  dass  die  Handhabung  der  Naumann'schen  Formeln 
gerade  zu  ein  treffliches  Hulfsmittel  für  den  Unterricht  des  Anfangers  ist,  in- 
dem diese  Formeln  kurz  genug  sind  um  als  wirkliches  Zeichen  Anerkennung 
zu  finden,  nnd  doch  der  Anblick  und  Gebrauch  jeder  Formel  eine  bestimmte 
Vorstellung  ttber  die  Lage  der  damit  bezeichneten  Flachen  hervorruft  oder 
voraussetzt.  —  Nicht  allein  in  Deutschland,  sondern  auch  in  England  und  in 
Nordamerika  ~  hier  durch  Dana,  dort  durch  James  Nicol  -*  hat  Naumann's 
Methode  sich  zahlreiche  Anhanger  erworben. 


ThMMf  s  Venekknifa  der  nenen  Glai^KryftaU-Modelle.  317 

ferteiehnia  der  neuen  GlnB-'Kryiiüll^Modellet  wdeke  iMidk  den 
Auffeten  de$  Wredore  der  hietigen  lUtfl-Sdbfle,  Dr,  Schnnhel  und  dee 
OttriekrerB  Kyeatm  tmgeferUgi  werden,  von  F,  Thomne  in  Siegen^  königi. 
fraat,  Avvtiu  Wetipkakn,  —  Siegen,  Druck  der  Vorländer^echen  Buch* 
drw^^ereL    1857. 

Seit  der  bertthmte  BefrQnder  der  Kryttailofrapliie  im  Jahre  1784  durch 
nia  »eaiai  d'one  th^orie  rar  la  stmctare  des  crittaox''  fttr  dieaeo  wichtigen 
Zweif  der  Miaeralofie  eine  neue  Riefatvnf  einfchlof ,  hat  man  reriucht,  das 
Stadium  jener  WiaaenachafI  durch  Nachbildangen  wirklicher  Kryatalle,  darch 
Kryatall-Modelle  an  erleichtern  nnd  in  ferdern.  Ea  wurden  aolche  —  ao  viel 
■at  bekannt  —  saent  in  Freiberf  und  Gttttingen  aua  Hols  gefertigt,  hatten 
■ker  eine  filr  den  Unterricht  beaonden  nicht  geeignete,  geringe  Groaae.  Auch 
die  bedeutenderen  Suiten  von  Modellen  ^  ttber  600  —  die  von  Beloeuf  in 
ia  Paria  verkauft  wurden,  waren  von  Hola.  Später  führte  man  solche  aua 
Tkon,  Gypa,  Porcellan-liaaae ,  aua  Eiaen,  hauptaftchlich  aber  aua  Pappe  aua. 
Letitere  verdienen  unter  dieaen  allen  den  Vomg  und  iwar  aua  mannigfachen 
Grinden.  Der  groaaeren  Wohlfeilheit  nicht  au  gedenken,  laaaen  aich  aolefae 
Bit  muthematiacher  Genauigkeit  nach  beatimmten  Grundriaaen  anfertigen ,  ja 
gnade  daa  Entwerfen  aolcber  Grundriaae  oder  Kryatallnetxe  iat  ein  nicht  ge- 
riagea  Fordemnga^Mittel  beim  Studium  der  Kryatallographie.  Dem  ungeachtet 
haben  aie  dennoch  gewiaae  Schattenaeiten ,  welche  aie  ttbrigena  mit  den  Mo- 
deUen  aua  Hols  oder  Gypa  theilen:  aie  gewahren  dem  Anfilnger  durchana  kein 
Bild  von  den  ao  inaaerat  wichtigen  Axen-Yerhaltniaaen  nnd  mancben  anderen 
Bncheinnngen.  Dieaem  Mangel  helfen  nun  die  neuen  Glaa-Modelle  vollkom- 
Bwn  ab,  und  ea  hat  aich  Director  Schnabel  —  dem  die  Wiaaenachaft  achon 
80  umneken  acbMtabaren  Beitrag  verdankt  —  fUr  den  Unterricht  in  der  Kry- 
•taUographie  weacntlicbe  Verdienate  erworben.  Unterattttat  von  einem  tttchti- 
gm  Mathematiker,  Oberlehrer  Kyaaeoa,  hat  derselbe  eine  Reihe  von  Modellen 
entworfen,  die  in  hohem  Grade  geeignet  aind,  alle  Hindemiase  an  beaeitigen, 
welche  aich  den  Jttngem  jener  Wissenschaft  von  Anfang  entgegenstellen. 

Dteae  trefflichen  Modelle  sind  viererlei  Art.  Zunftchat  die  aua  Glu  ge- 
fertigten VoUflftcbener  oder  Holoeder  aeigen  im  Innern  genau  eingeapunnte 
Fiden»  welche  die  Axen  repräaentiren,  nnd  somit  auf  aehr  ainnreiche  Weise, 
Tetadiiedenbeit,  Linge,  Neigung  der  Axen  anachaulich  macheu.  Wo  die  Azen 
giatch  —  wie  im  regulären  System  —  haben  die  eingeapannten  Seiden-Faden 
gleiche  Farbe,  verschiedene  aber,  wo  —  wie  in  den  ttbrigen  Systemen  dies 
nicht  der  Fall.  Auch  der  Unteracbied  awiacben  Pyramiden  erster  und  sweiter 
Ordnung  tritt  durch  die  Faden  acharff  hervor.  Femer  sind  bei  diesen  Holoe- 
dern die  Knuten  mit  feinen  Leisten  buntfarbigen  Papiere  eingefaast,  die  Far- 
ben der  Symmetrie  der  Kanten  entaprechend,  so  dasa  alao,  wo  Kanten  von 
versdiiedenem  Werth  vorbanden  —  wie  a.  B.  bei  dem  Hexakisoktaeder  — 
deren  Lage  und  VerUieilung,  mithin  ihre  Bedeutung  recht  klar  wird.  Die 
Grosse  der  Modelle  wechselt  zwischen  fünf  bis  acht  Zoll,  ist  demnach  selbst 
lar  Demonstration  vor  einem  grösseren  Kreis  geeignet. 

Die  zweite  Abtheilung  der  Modelle,  die  Halb-  und  Viertelflächer  (Hemie- 
te  wd  I«tvtQoder)  b«ir«hrm  rieh  gleichMli  bedontend  keim  Vnlenricfate. 


318  Sdiioeiiitinii  OjBserlatiö  de  Apolline  cuüCMle  AihnuuniiiL 

"Eb  siod  nämlkh  die  Flftchen  der  aiM  feinem  €»rloii  gefertifteo  Holoeder  nril 
den  nof  ihnen  —  durch  abwechselndes  Verschwinden  und  Wachsen  der  FIft- 
dien  —  entstehenden  glKsemen  Hemiedern  und  Tetartoedem  überißt,  and 
xwar  so,  dass  die  wachsenden  Flüchen  durch  farbiges,  die  verschwindendeii 
durch  weisses  Papier  angedeutet  sind.  Die  Gesetze  der  Hemiedrie  (wie  das 
Tetraeder  ans  dem  Octaeder  sich  bildet  u.  s.  w.)  werden  anf  diese  Weise 
ungemein  anschaulich  und  fasslich. 

Die  dritte  Art  Ton  Modellen  umfasst  die  Combinati«nen ;  sie  aeigt  uns 
die  Hodificationen,  welche  bei  den  Kryslallen  an  Ecken  und  Knnten  eintreften. 
Der  aus  Carton  (oder  Glas)  bestehende,  abgeänderte  Krystnll  ist  nof  den  Com- 
binations-^llchen  mit  Glas*Tafeln  bedeckt,  die  erweiten  sind  bis  snr  Vervoll- 
ständigung des  abindemden  Krystalls.  (Das  vorliegende  Verseiehniss  bielet 
namentlich  aus  den  vielen  Combinationen  des  regulären  Systemes  eine  reiche 
und  passende  Auswahl) 

JSndlich  die  Zwillings-Krystalle  aus  Glas  enlhalten  im  Innern  die  Azen 
und  sind  —  wo  dies  ntftbig,  wie  bei  den  Hemitropieen ,  um  das  GeaeU  der 
Drehung  um  eine  bestimmte  Axe  xu  aeigen  —  xnm  drehen  eingerichtet.  Die 
Zahl  der  in  dem  Verseiehniss  aufgeführten  Modelle  beträgt  143;  ausserdem 
werden  aber  für  jede  andere  krystallisirte  Substans  und  selbst  fttr  vecwiekellore 
Combinationen  Modelle  gefertigt  Der  Preis  ist  bei  der  ausgeneichnelen,  ma- 
aterbaften  Arbeit,  die  Hr.  Thomas  liefert,  ein  verfaältnissmässig  geringer. 

Bereits  auf  mehreren  Hochschulen  haben  sich  Lebver  der  Chemie  und  Mi- 
neralogie dieser  irelFlioben  Modelle  bedient  und  sich  ron  ihrer  Brancbbavkeit 
fibervengt;  selbst  jenseits  des  Oceans  haben  sie  schon  fiingang  gefunden,  denn 
die  aur  grossen  indastrie-Ausstellung  nach  Paris  gesendeten  Muster-Stücke 
wurden  vom  Handels-Minister  von  Canada  erkauft. 


G,  T,  Schoemanni  Dissertatio  de  Apolline  custode  Atkenarum.    (Programm  wm 
Greifwalde  1856.)    35  S,  in  4. 

Man  bat  früher  so  viele  Klagen  über  das  unkritische  Verfabren  in  der 
Behandlung  der  Mythologie  und  dea  religiösen  Glaubens  der  alten  -Hellenen 
vorgebracht;  J.  H«  Voss  und  Alle,  die  ihm  seiner  Zeit  nachbeteten,  »haben 
diesen  Vorwurf  insbesondere  gegen  diejenigen  erhoben,  die  in  den  alten  My- 
then und  Symbolen  Etwas  mehr  finden  wollten,  als  blosse  Gemeinheiten  und 
Priesterbetrug,  und  darum  als  solche  beieichnet  wurden,  die  das  Spiel  der 
eigenen  Phantasie  in  die  Anschauung  des  Alterthums  hineintragen.  Dieter 
Richtung  entgegen  ward  die  Kritik  in  die  Behandlung  der  Mythen  eingeffthrt: 
sie  hat  es  allerdings  theilweise  dahin  gebracht,  dass  man  vor  lauter  Kritik 
ganz  unkritisch  geworden ,  und  in  Folge  dessen ,  wenn  man  besUmnite 
Resultate  gewinnen  oder  doch,  als  Ergebniss  dieser  kritischen  Forschung,  nnf- 
stellen  will,  in  die  reinste  Wiilkttrlichkeit  verfällt,  die  aller  sicheren  Grttnd- 
läge  (die  man  sich  durch  die  Kritik  hinweggenommen)  entbehrt  und  in  Ihrer 
-NOobtemheit  noch  unter  das  Niveau  jenes  geistreichen  Spieles  der  Phantasie 
•hiBähiiukty  dfts  man  den  Gegnern  vorwkfft,  du  aber  neitt  dooh  mit  einer 


Diifeitatio  de  Apolliie  cailoae  AtWBanim.  319 

M0m  hjuebtmaag  det  Gamea  Terkattpfi  ttt.  BiiMii  Inwifen  Belef  daii 
liefert  die  Toivlekeode  AbhandloDg,  die  eiaeo  tief  in  dea  relifiAiei  Glenbea 
der  ikea  Alkeaer  eiafieifendea  «ad  eelbtl  mit  dea  SUeUleben  veriinttpflen 
fixggBitMd  Mk  snr  Bekendloef  feaeoMien  hat.  £•  i*t  bekuat,  aod  insbe- 
leedere  dvch  eine  Stelle  PIhod's  bewMirl,  daft  die  Athener  dea  Apollo 
iibgieMdeie  ala  «avpoo^  Terehitea,  and  daher  dieaea  Pridikat  keiaeni  andern 
Gene  ertbeOlen,  weraaa  die  besiimarte  Benehanf  nnd  Bedentnng  dieaes  Pri- 
Iftalei  auf  den  Tonniffweiae  damit  beehrten  Gott  hervorgeht;  wenn  man 
Ha  biiher  ia  dieaem  Pridikale  die  natOrliehe  Beaeicfanunf  ^tB  Vatera ,  dea 
Abahaffn  dei  attiachea  Volkea  aeibal  an  erkennen  nnd  eben  darin  anch  den 
hee»dein  Ciund  aeiner  Verehmng  an  finden  flauble,  ao  wird,  mit  Uttlfe  der 
Mik  dieaa  beaeitift  nnd  der  fieffriff  dea  «ax^og  dahin  verfittebtift,  daaa  ea 
der  Gott  aein  toll,  deafen  Verehmnf  die  Athener  von  ihren  Vlltem  ttberkom- 
■ea;  WMait  alao,  bei  der  Allyemeinheit  dieaea  Befriffe,  der  anf  faatalle  Göt- 
ter, die  in  Athen  rerehrt  wurden,  Anwendung  finden  dttrfte,  gerade  dasjenige, 
vae  dw  Weaeatliche  und  Charakteriatiache  dea  Gettea  nnd  aeiner  Verehrung 
laemacht,  wegftlk.  Und  während  getade  darin  anch  die  Beaiehnng  dea  Gottea  nnd 
feines  Cnllua  auf  daa  ganae  Volk  der  Athener  nnd  den  Staat  herrortritt,  aoll 
der  Gute  4ieaea  nat^og^  wie  ttberhanpt  aller  mit  dieaen  Beinamen  verehrten 
iiottheiteii,  bloaa  ein  Privateolt  geweaen,  den  „eacria  privatia,  aive  ea  domea^ 
tiei  fnerint  aire  gentilicia**  allein  angehören,  nnd  wenn  von  einer  Verehrung 
dareh  ein  Volk  die  Bede  iat,  ao  aoll  dieaa  in  anderm  Sinne  genommen  werden: 
qaia  omltiun  ejna  nnlla  non  domua  aut  familia  aat  gena  obaervabat,  non  tarnen 
fablicia  9^d  privatia  tantum  aacria.  Nam  publica  ea  demum  dioenda  aunt,  quae 
peblico  avnptn  finnt  et  ab  omnibua  aimnl  celebrantor,  qualia  aaera  »arp^ov 
Apollfana  non  faiaae  certum  eat  (?)":  eine  Auflaaaung,  die  achon  Iftngat  von 
C  flemman  (GottaadienatL  Alterthttmer  $.  7.  not  5)  verworfen  war,  auch 
kann  eine  VTiderlegung  bedürfen  wird« 

üaebdem  anf  dieae  Weiae  die  natürliche  Grundlage  hinweggenommen, 
mf  weleher  allein  die  Foraehnng  weitergeführt  werden  konnte,  iat  ea  nicht 
la  verwundern,  wenn  der  Verfaaaer  aelbat  nicht  recht  weiaa,  wu  er  mit  dem 
Apollo  ntniftßog  anfangen,  und  wie  er  üin  ala  beaondem  Gott  anffaaaen  aoll. 
Bean  die  Verbindung,  in  wekhe  dieaer  Apollo  mit  Vulkan  und  Mineisva  gebracht 
iit,  wird ,  da  aie  anf  orientaliache ,  ftgyptiache  Lehren  aurttekgeht,  aehon  von 
^enie  weg  verworfen,  da  ja  die  neuere  Kritik  Nicbta  aagelegentlicherea  an 
ttsu  hat,  ab  die  durch  gewichtige  Zeugniaae  der  Alten  bekräftigte  Beaiehung 
firieehenlaiida  anf  den  Orient  und  die  dieaem  entatammendan  Eiaflnaae  an  ver- 
werfen, nnbekttmmert  darum,  daaa  aie,  die  ver  Allem  auf  poaitive  Zeugniaae 
der  Alten  aich  atütaen  will,  mit  dieaen  in  den  atrengaten  Wideiaproch  aieh 
aetit  nnd  ao  ihr  eigenea  Princip  verkehrt.  Aber  anch  die  andere  Anaicht,  die 
dieaen  Apollo  anm  Sohn  dea  Vulkan  und  der  Minerva  von  Denjenigen  machen 
liiat,  welche  auf  dieaem  Wege  den  erat  apäter  in  den  atliachen  Cult  aufge- 
BOBuienen  Gott  mit  den  älteren  Göttern  in  Verbindung  zu  bringen  auchten, 
wird  ungenügend  befunden,  und  nach  einer  längeren  Erörterung,  die  auch 
aber  den  Pythiachen  Apollo  aich  erstreckt,  mit  dieaem  der  Apollo  nccT(ftßos 
identtficirt,  dieaer  aber  uraprttnglich  in  dem  Erichthonina,  dem  man  ja  auch 
Yolkwi  und  Hiaerva  i«  Eltern  gegeben,  gefunden»  aomal  da  diesem  Getto 


320  Schoemanni  Dissertatio  de  ApoHino  ciutode  AtheiMnim. 

dieadbe  Bedeulunfr  und  Kriift,  wie  dem  Apollo  zu  Grande  liefl^e,  einer  wie 
der  andere  der  Golt  «ei,  „qui  caloris  salabrt  iemperatione  terram  fovet  fecan- 
datque  (S.  34).  Talis  igiUir  fait  etiam  antiquus  ille  Athenarum  narffmog  id- 
eoqne  Erichthonius  dici  nee  diversui  ab  ApoUiae  haberi  poUiit  (?).*'  Uad 
daran  wird  nun  noch  die  weitere  Folferang  gekna|)rt,  die  den  SchluM  der 
gancen  Untersuchan^f  bildet,  und  darum  hier  noch  eine  Stelle  finden  mag: 
y,Sed  postea  quam  Erichthonius  ille  propter  vetustas  quasdam  fabulas,  qua- 
mm  veram  aententiam  posteriores  ignorarent,  ettam  veteribas  Atticae  regibos 
adnumerari  et  mortalis  haberi  coeptus  est,  factum  est,  nt  vera  et  n^enuina  ejus 
significatio  prorsus  in  oblivionem  abiret  ex  onoque  duo  fierent,  alter  mortalis 
et  antiquus  res,  coi  nomen  Erichthonii  proprium  baesit,  aller  immortalis,  qaem 
nt  cnstodem  Athenarum  patriumque  suum  Apollinem  Atbeniensea  adorabaat' 
(S.  34). 

Einen  Beweis  für  alle  diese  Annahmen  und  Behauptungen  wird  man  frei- 
lich nicht  erwarten  dürfen,  eben  weil  jede  Grundlage  m  diesen  Behauptongea 
fehlt.  Bei  einem  solchen  Verfahren  wird  man  allerdings  aus  der  Hytholofie 
der  Hellenen  machen  können,  was  man  will  und  jedem  Gott  jede  beliebige 
Bedeutung  geben  können,  insofern  man  an  die  positive  Grundlage,  d.  h.  aa 
die  vorliegenden  Zeugnisse  der  Alten  selbst  sich  nicht  httlt,  und  sich  so  dea 
sichern  Boden  entzieht,  auf  welchem  man  allein  mit  Erfolg  fortschreiten  nad 
an  Ergebnissen  gelangen  kann,  die  nicht  von  blosser  WillkUhr  eingegeb<*a 
sind,  gegen  welche  eine  gesunde  Kritik  vor  Allem  in  Anwendung  zu  brlagea 
ist.  Und  diese  wird  gerade  bei  der  Behandlung  mythologischer  Gegenstände 
um  so  nothwendiger  sein,  damit  jeder  Willk&hr  der  Combination,  so  wie  je- 
dem Spiel  der  Phantasie  vorgebeugt  werde,  und  die  Forschung  selbst  in  der 
richtigen  Bahn  erhalten  werde.  Allerdings  ist  diess  der  schwierige  Weg,  aber 
auch  der  allein  sichere.  Noch  manches  Andere,  was  die  Verehrung  des  Apollo 
betrifft,  wird  man  in  dieser  allerdings  gelehrten,  aber  nicht  gerade  durch  die 
Klarheit  der  Darstellung  ansprechenden  Erörterung  finden;  eben  so  auch  die 
früher  schon  in  einer  andern  Schrift  (in  dem  Index  zu  den  Vorlesungen  des 
Sommerhalbjahr  1856)  niedergelegten  Ansichten  des  Verfassers  über  die  Jonier, 
welche  zu  den  Pelasgem  gezfthlt  und  als  die  Ältesten  Bewohner  Attica's  aa* 
gesehen  werden  sollen,  hier  wieder  finden,  in  so  weit  sie  zum  Zwecke  der 
Torltegenden  Untersuchung  dem  Verfasser  dienlieh  erschienen.  Im  Allgemei- 
nen schliesst  sich  der  Verfasser,  was  die  Bedeutung  des  Apollo  in  den  helle- 
nischen Cttlten  betrifft,  mit  allem  Grund  an  Dasjenige  an,  was  Preller  and 
Gerhard  darttber  ermittelt  haben ;  die  Anwendung  freilich ,  die  dann  aal  den 
Apollo  natffiSog  gemacht  wird,  ist,  wie  wir  oben  gesehen  haben,  eine  gsu 
andere  geworden. 


k.  IL  BEIDELBERGJSR  Wl. 

JAHRBOGHIR  dir  LITERATUR. 


DU  QtBchichUqudlm  des  Bisthunu  Münster.  Drüier  Bernd.  Die 
Mufuierischen  Chroniken  von  Röehell^  Steuermann  und  Corfey. 
Herausgegeben  von  Dr.  Joh.  Janssen,  Prof.  der  Oesehiehie 
m  FrarJcfuH  a.  M.    Münster  1855.     8. 

Annalen  des  historischen  Vereines  für  den  Niederrhein,  insbesondere 
die  alte  Ergdioeese  Köln,  Herausgegeben  von  dem  tnssenschaft" 
liehen  Ausschüsse  des  Vereins.  Erster  Jahrgang,  Köln  1866, 
zweiter,  erstes  Heft  1866.     8. 

In  dieaaD  ÄSDaioD  für  den  Niederrhein  hat  Janssen  «ach  seine 
Foisefaongen  fiber  die  Kölnischen  Oeschiehtsqaellen  niedergelegt 
Daher  habe  ich  beide  oben  abgegebenen  Werlte  unter  dem  gemein» 
ichafdichen  Titel  sosammengelasst:  «Joh.  Janssen's  historische  Schrif- 
ten Ober  Münster  nnd  Köin-^"  Die  Münsterischen  Chroniken  bUden 
den  dritten  Band  eines  Werltesi  dessen  erste  TheUe,  heransgegeben 
Ton  Ficker  und  ComelioSi  anter  dem  Titel:  „Die  Münsterischen 
Chroniken  des  Mittelalters^  und  „Berichte  der  Aagenaengen  über 
des  MÜDsterische  Wiedertlaferreich'' ,  1851  und  1863  erschienen. 
Es  reiht  sich  also  an  dieselben  in  chronologischer  Ordnung  der 
Mfinsterischen  Quellensammlung  die  Ausgabe  obiger  drei  Chroniken 
des  16.  nnd  17.  Jahrhunderts  an. 

Westphalen,  im  engeren  Sinne  als  die  jetsige  preussische  Pro- 
fina,  hat  äusserUch  keine  bedeutende  historische  Rolle  gespielt,  was 
seinen  Mangel  an  historischen  Aufseichnungen  erklärt.  Es  seigt  sich 
in  den  schwachen  Anilbigen  einer  Historiographie  das  westphllischa 
Stillleben  auch  auf  dem  Gebiete  des  Geistes.  Erhard  gesteht  diess 
10  der  Vorrede  su  seinen  Regesta  Historiae  Westphallae  ein,  indem 
er  angibt,  dass  alles,  was  das  Sächsische  Volk  überhaupt  betrifft, 
hereingezogen  werden  musste,  um  die  Lücken  der  westph&lischen 
Geschichte  aussufüUen  und  die  Bruchstücke  derselben  yerbinden  su 
Ukmen.  Im  Mittelalter  hat  daher  auch  Münster,  das  Gebiet  des 
BSsttinms  und  die  nah'  gelegenen  Territorien  keinen  bedeutenden 
Geschichtsschreiber  oder  Chronisten  aufsuweisen,  obschon  man  nach 
der  groesen  2«ahl,  dem  Reichthum  und  Alter  der  dortigen  Stifte  und 
KUSster  solche  Quellenschriften  erwarten  sollte.  Weder  Tom  Dom- 
iUfte,  noch  dem  Stift  St.  Mauritius  oder  dem  Kloster  Ueberwasser 
in  Münster  sind  Annalen  vorhanden,  die  mit  denen  von  Strassbarg, 
Celmar  oder  St  Gallen  und  Reichenau  verglichen  werden  könnten. 
Dem  ungeachtet  ist  in  neuerer  Zeit  ein  reger  Sinn  lür  Lokalge- 
schiebte  gerade  in  Münster  bemerkbar  geworden.  Die  frühere  lokale 
Geschichtsforschung  wurde  von  dortigen  Jesuiten,  Minoriten  nnd 
WeltgetatUchen  gepflegt,  die  wie  gewohnlich  die  Träger  der  histori« 
lAen  Wiasenschaften  im  17.  und  18.  Jahrhundert  waioo*  l>ie  ältere 
L  Jahrg.  6.  Beft.  81 


313  Jansfen's  historijobe  SebcStcli  ttlltr  Soiiter  und  Köln. 

Litemtor  dei  wealpliMliaehtD  Oeediciite  findet  man  auMBiaeBgesteUt 
in  dtf  Voried«  vMi  Ediaid's  Begetten  und  D.  ?om  Steiaea'a 
Versuch  einer  westpbälischen  Geschichte  von  1748 — 74.  Niesert, 
Pfarrer  zu  Yelen  gab  1823  j, Beiträge  zu  einem  Münsterischen  ürbun- 
dcnbucha^  und  182i6  aekie  drei  BlKodfi  Münaterisdie  Urkuadenaanun- 
iBBg  heraiMU  IM*  Regesta  Hiatoriae  Waatphalfiae  mit  codex  diplo- 
matiett»  tnoi^  Arcfatrar  Dr*  H.  A.  Erhard,  zwei  Bände  1847—51, 
habe  ich  schon  erwähnt»  Von  Saltbert  Seibertz  iat  ein  west- 
phäliachea  Urkaadenbuch  in  dr^  Bänden,  femei  eise  I^aadea*  aad 
ReefatageacUehte  dea  Herzogthniaa  Weatphalen ,  mit  besonderes  Be- 
ziehung aof  Dynaatan  und  Adel  bebaont.  Der  Verfasser  aagt  in 
der  Vorrede  dazu:  i, Unsere  Dynasten  bieten  wenig  herrooragende 
Persönlicblceiten.^  Von  seinen  „Quellen  der  westpbälischen  6e- 
acMdite**  ist  bereite  das  erste  Heft  erschienen.  Sehätzbaia  Arbei- 
ten eatbäit  die  „Zeilaehrift  für  Taterländiecbe  (beschichte  mid  Aker- 
tfaumeknikte*,  herausgegeben  von  dem  Verein  für  Oescbidite  and 
Altferthomakunde  Westphalens  durch  dessen  Direktoren  COeiabarg 
«d  W.  B.  Griefera.  Nene  Folge  1—7.  Band.  Sehoa  früh» 
Mes»  der  weatjdiälfache  AHerthnaisvereia  eine  „Mtinateriscke  Zatt«> 
achrill  I8r  rateriändische  Oesohichte  aad  Ahertiiuinskaade^  erachei- 
aen;  Von  C%  Geisberg  wurde  in  de»  letztea  Band  1866  eia  rar- 
trefflkiber  Beitrag  über:  „den  Handel  Westphalens  mit  England  ioL 
MfCtelailer*  gegeben,  der  andern  Vereinen  als  Muster  za  empfeiileii 
tat  Ffeiligratb'a  Baeh  über  Weetpbalea  gehört  mehr  ia  cBa 
Literatur  der  Reisebeschreibungen.  Bart  hold  und  Tki  ersah  ha- 
ben dorch  Ifonogfa^eD  sich  um  die  Geschichte  Weatpbalana  ver- 
dient gemacht. 

leh  kehre  zum  dritten  Bande  obiger  öeachichtsqueUea  zurfiak, 
irelehef  drei  Ohrenisten  über  Bieeböfe  von  Münster  im  16 — 18.  Jahi»- 
haadert  enthält.  Voran  geht  RöchelPa  selbständige  Chronik  voa  1553 
Mb  H1<9,  dann  folgt  Stevermann'»  Chronik  von  1612—  1650,  den 
Sd^Iusa  bildea  Corfey'a  selbstfindige  Jahrbücher  ?on  1650—1718. 
Der  erste  aad  leete  dieser  Ctoonistea  haben  auch  Zusätze  za  lÖta« 
ren  Annalea  geaehrfeben ,  welche  Jansaen  ebenfaüa  als  Anhang  an 
den  beCreftnden  Chroaiken  herauagab.  lieber  daa  Leben  und  dia 
Schriften  dteaer  Chronisten  gibt  die  Vorrede  Nachricht.  Röchell  aod 
Stevermann  waren  Gtoistliehe,  Oorkj  ein  Ingenieur-Offizier,  der  alah 
aas  Liebhabeid  für  GenealogieD,  Wappen  nnd  Münzen  eine  Cfana* 
nik  zuaammenachrieb.  Rdehdl,  der  bedeuteadate  diesw  BebriftataUee 
wmr  Domcaetor  in  Münater ,  rerräth  aber  durch  sein  Werk  s^bat^ 
daas  er  ausser  alier  Beziehung  mit  den  regierenden  Häuptern  daa 
biach9flfchett  Staate»  lebte.  Er  hatte  fast  keiae  Verbindungen,  keioa 
Correspondenz,  die  ihn  von  ferneren  Orten  her  aber  Variüle  be* 
Mbrt  hätte,  und  kein  Bewuastsein,  waa  in  eine  Gesehiohte  gah5ra. 
Was  am  ihn  hervargfaig,  schrieb  er  auf,  mehr  für  sein  Gedfiobtaiaa, 
als  um  damit  andere  za  belehren.  Aber  sein  Gaschicbtswerh  ist 
ala  Quelle  denaocb-  wichtig,  wall  er  ffi»  «e  TOlkawIrthadiaftlioba 


hifltoriKbe  Sciritai  Aber  MüMot  tnd  K(Ail  SIS 

ncbageacUchtii«^  mi  colterhiatoriiclie  FoncboDf  wIcbtigM  Detail 
^bt  Er  hat  KeraBentroIck'B  AofiMiiclNiuBgeii  über  ie&  Wiedertte- 
fermnlBUuid  benüxt  und  Janssen  kniipit  dwan  den  Wnnscb,  es  möehfee 
aneh  Kerssenbroiek's  Werk  in  die  Sammlong  Milnslerisoher  Oe- 
sehiditsqiieUeD  anfgenommeii  werden.  Bei  den  YerhandkiBgen  des 
Kalbes  mit  Kerssenbroiek  wegen  seines  OeseUehlswerkes  1574, 
8.  59  ff.  gibt  Böchell  eu  Terstehen,  dass  er  lugegeo  war.  Jene 
Uaterdrtickung  Ton  Eersseabroick's  Geschichte  der  WledertSnfer  im 
Münster  hat  grosse  Aehnlicbkelt  mit  dem  Benehmen  dee  Bathes  an 
Genf  gegen  das  Oeschichtswerk  ron  Berenger.  Röcbeü  eralUilt  die 
Begelmbeiten  in  Münster  nach  der  Regierung  der  eineeinen  Biscböfe. 
Dnter  der  Regierang  Wilhekn  Ketteler's  1553 — 1557,  spricht  er 
S.  3  TOB  der  Reform  der  Stadtrerfassuog  von  1554,  wodurch  aber 
selbst  mit  den  beigefügten  Paraileistellen  keine  klare  VorsteHang 
¥0B  dem,  was  die  Zünfte  wollten,  erlangt  wird.  In  Münster  konn- 
ten niaüeh  die  Zünfte  nicht  aufkommen  wie  in  ^n  anderen  Städ» 
ten,  weil  der  Adel,  die  Geistlicblceit  und  die  Raths^Gesohlechter  an 
miefatig  waren.  Doeh  hatten  sie  aoeh  einige  Goocessionen  am  Ende 
des  14.  Jabrbnnderts  erlangt,  denn  diese  bat  Bischof  Frans  1583«— 
1553  erneuert,  woraaf  sie  sich  beriefen.  Diese  Privilegien  der  ZMIe 
wurden  nach  dem  Bauernkrieg  zu  Gunsten  der  Geschlechter  und 
de«  Landesberm  eingeschränkt.  Doch  um  die  lütte  jes  16.  Jahr«* 
boBilerts  verlangte  der  Gewerbstand  in  Münster  seine  frühere  Stel* 
lang  mit  eigener  Wabl  der  Vorstinde.  —  Der  Rath  halte  gegenüber 
dem  Domcapitel  eine  freie  Stellung.  Die  gegenseittgen  Recbtie  hol* 
ten  sieb  In  einigen  Gompetenzcoeflikten  festgestellt,  so  gibt  Rdchell 
den  Streit  zwischen  dem  Rathe  nnd  Domcapitel  wegen  Exemtion  des 
Qerns  in  Crimlnalsachen  S.  6.  Dieser  war  dadnrch  veranlasst  woi^ 
den,  dass  der  Rath  Geistliche  wegen  Verbrechen  gerichtlich  verfiolgie. 
S.  13  ist  eine  wichtige  Urkunde  von  1558  eingefügt,  weleb»  diese 
VofaAltnJsse  regelt  Darin  ist  festgesetzt,  der  Ratb  der  Stadt  sötte 
den  Geistlichen  der  ein  Verbrechen  begangen,  dessen  Okigiceit  an* 
zeigen;  folge  darauf  keine  Strafe,  so  dürfe  der  Rath  den  betreffen* 
den  CleHker  festnehmen  lassen.  Wie  man  diese  Verordnung  tUm^ 
seitig  auslegte  zeigt  der  Fall  S.  18.  Es  werfen  die  dabei  gegebe* 
nen  Details  S.  6,  7  sowie  die  Kachricbten  S.  8  über  Bischof  Frans 
von  Waldeck  und  S.  18  kehi  günstigem  Licht  auf  die  MoraHtftt  der 
damaligen  westphäliscben  Geistlichkeit.  Es  waren  die  gMchen  Uebel«- 
stinde  daher  auch  die  gleichen  Folgen  wie  aniderwärts  vorhanden. 
Vergleicht  man  aber  die  Zahl  solcher  Scandalgescbichten ,  wie  sie 
in  äderen  Jahrbüchern  jener  Z^t  viel  häufiger  erzählt  werden,  so 
möchte  man  (ast  glauben  Röchell  und  Corfey  hätten  manches  derArt  aln 
sichtUeh  übergangen.  Sehr  schätzbar  sind  R.'s  Nachrichten  S.  8  über 
den  damaligen  Zustand  der  geistlichen  Gerichte  und  ihre  Reformen 
nater  Wilhelm  Eetteler.  In  Givilsachen  hatten  die  geistlichen  Ge- 
richte eine  grosse  Ausdehnung  gewonnen,  wobei  die  grössten  Mis« 
briache  der  kircUlchen  Censaren  entstanden.    So  wird  der  kleinere 


334  J«DB0en's  historische  Schriftoii  ttber  Mttnster  und  Köln. 

und  grössere  Bann  für  den  Yerurtbeilteo   und  seine  acht  nKchsten 
Nachbarn,  das  loterdilct  u.  s.  w.  verhängt.   Wilhelm  Ketteier  schaffte 
diesen   Gang   des   Processes   und    die   Abschreckungstheorie  darch 
Bann  und  Interdikt  ab.   Dieses  Gericht  fand  nach  S.  9  im  Paradiese 
des  Doms  d.  h.  in  der  Vorhalle  desselben  statt,   wo  auch  die  Prü- 
fungen der  Geistlichen  öffentlich  vorgenommen  wurden.    An  anderen 
Kathedralen  wurde  dieses  Gericht  an  einer  Seitenthüre  gehalten,  wie 
in  Wirzburg,    Bamberg  u.  a.  0.,  gewöhnlich   die  rothe  Tbüre  ge- 
nannt.   Ich  verweise  auf  die  treffliche  Zusammenstellung  Böhmer'a: 
^die  rothe  Thüre  zu  Frankfurt  a.  M.^     Archiv  für  Frankfurts  Ge- 
schichte und  Kunst.     3.  Heft.    1844.    S.  11 4  ff.     Eigenthfimlich  ist 
an  dem  Gerichtsportal  des  Bamberger  Domes,  gegen  die  königliche 
Pfalz  gerichtet,  ein  zum  Tod  verurtheilter  Verbrecher  mit  dem  Strick 
um  den  Hals  daran  in  Stein  ausgehauen.  —  Auch  enthält  jene  An- 
gabe von  Röchell  eine  Notiz  über  die  Kosten  eines  Unheiles  des 
geistlichen  Gerichtes,  ein  Beitrag  zur  praktischen   Diplomatik,  wie 
hoch  sich  die  Kosten   für  die  Ausfertigung   von  Urkunden  belief^, 
über  welche  Fiscalität  eine  Zusammenstellung  zu  wünschen  wäre. 
Röchell  sagt:  „Wenn  man  sich  vor   einen   solchen  geistlichen  Ge- 
richte mit  der  Partei  vertrug  und  sie  bezahlte,  musste  der  Schuldige 
gleichwol  noch  von   dem   Siegeler  sich  absolviren  lassen,   das  ein 
grosses  Geld  kostete.^  Solche  Uebelstände  nöthigten  zur  Errichtung  des 
Hofgerichtes  1^69.  Röchell  lässt  es  ganz  unbestimmt,  warum  Ketteier 
als  Bischof  von  Münster  zurücktreten   wollte   und  wirklich   resignirt 
hat    £s  zeigt  sich  hierin  wieder,  wie  wenig  Quellen  und  Documente 
dem  R.  zu  Gebote  standen,  der  nur  allgemein  bemerkt,  ^er  war  aller- 
dings nicht  durchaus  catholicus.^  Ketteier  lebte  in  einer  Zeit,  wo  man 
eine  Trennung  der  bischöflichen  und  landesherrlichen  Gewalt  für  nötbig 
erachtet  und  ihre  Durchführung  hie  und  da  wie  in  Köln  versucht 
hat.     Interessant  sind  für  die  Rechte  des  Bischofs   die  Verhandlnn* 
gen  wegen  des  Geleites  des  Landesherrn  in  die  Stadt  S.  20*    Unter 
dem  Bischof  Bernhardt  von  Raesfelt  gab   es  Streit  wegen  der  Rit- 
termässigkeit  der  Domherrn  zwischen  dem  Capitel  Münster  und  der 
römischen  Curie,  welchen  R.  S.  24  erzählt.   Dieser  stellt  sich  dabei 
auf  die  Seite  des  Domcapitels.     Der  Streit  dauerte  von  1575 — 96 
und  die  Frage  drehte  sich  darum,  ob  ein  Patrizier  also  der  städti- 
sche Adel  ein  Dignitar  des  Domstiftes  werden  könne?    Rom  hatte 
in  Münster  gerade  eine  Präbende  zu  vergeben   und  wählte  dazu 
einen  Patrizier.    Denn  es  war  ein  Streben  der  römischen  Curie  un- 
adelige oder  Patrizier  in  die  Domcapitel  zu  bringen,   seitdem   vom 
14.  Jahrhundert  an  die  Domstatuten  so  verändert  wurden,  dass  man 
nur  Landadel  zuliess,  um  dem  Aufstreben   der  Zünfte  entgegen  zu 
wirken.    Doch  sind  noch  im  15.  Jahrhundert  Bürgerliche  im  Capitel, 
denn  in  den  „Zusätzen  Corfey's  zu  früheren  Chroniken^  S.  320  gibt 
Corfey   zum   Jahr  1465  an:   es  sei   damals  noch   ein  Domprobst 
gewesen  in  Paderborn,  der  nicht  vom  Adel  war,  aber  utrinsque 
juris  doctor.    Der  Streit  erreichte  dadurch  sein  Ende^  dass  der  be- 


JanifM'i  hislorbche  Schriften  Ober  Mttnf ler  nnd  Kttfo.  325 

trdTeode  Patriiier  Tenlumte  seine  Bitte  am  Verleihang  der  PriKbende 
Jb  Rom  sa  erneaera.  Der  Bischof  Johann  von  der  Hola  gibt  einen  Be- 
i^,  wie  nacfatheilig  die  Vereinigung  mehrerer  Bistümer  in  einer  Per- 
ion des  regierenden  Fürsten  wurde.  Er  war  Bischof  au  Münster, 
Ossnabrück  und  Administrator  zu  Paderborn.  Unter  ihm  ward  das 
Hofgericbt  in  Münster  1569  errichtet,  es  sollte  diesem  unterworfen 
fein  der  ganse  Staat  Münster,  aber  die  Städte  sollten  Ihre  j,  Gerech* 
tigkeit*  behalten  wie  Emsland  und  Borkelo.  Dieses  Hof-  oder  Land- 
gericht bestand  aus  6  Procuratoren,  2  Assessoren,  3  Notaren,  1  Pro- 
tonotar,  2  Cursoren.  Bestätigt  ward  es  vom  Kaiser  1570.  Ohne 
Zweifel  haben  die  westphällschen  Freistühle  das  Anlkommen  von  lan- 
desherrlichen Hofgerichten  in  Westphalen  längere  Zeit  verhindert  Cor* 
fey  gibt  das  J.  1516  an,  in  welchem  das  Vehmgericht  Im  Münsterischen 
sofgehoben  wurde,  weil  bei  einer  Hochzeit  die  Schöffen  ein  Todes« 
ortheli  vollzogen  haben  sollen.  Es  wird  auch  S.  71  vom  Jahr  1576 
ein  Fall  erzählt,  der  auf  die  Thätigkeit  dieses  neuen  Hofgerichtes 
in  Münster  kehi  günstiges  Liebt  wirft  Der  Stadtrath  Hess  einen 
Dieb  verurtheilen  und  henken.  Obschon  die  bischöfliche  Regierung 
AoCichnb  verlangte,  weil  gerade  der  Vorstand  des  Hofgerichtes 
gestorben  war.  Ueber  die  Vollstreckung  steht  S.  77  vom  Jahre  1586 
die  Angabe,  dass  der  Bischof  einen  adeligen  Dieb  zwischen  zwei 
Kerzen  kniend  hinrichten  Hess.  Diess  erinnert  an  die  Hinrichtung  Peter 
Hagenbach's  in  Breisach  1476  bei  Fackelschein.  Eigenthümlich  ist,  dass 
der  Rath  in  Münster  die  Verwandten  des  Ermordeten  zur  Klage  und  zur 
Mittheilung  über  denselben  aufforderte.  Das  peinliche  Verhör  begann 
um  4  Uhr  morgens  (S.  117),  ward  den  zweiten  Tag  fortgesetzt  und 
der  Delinquent  fünf  Tage  nachher  vor  Gericht  gestellt  Man  läutete 
dreimal  beim  Beginne  des  Gerichtes,  das  um  10  Uhr  anfing,  als  bis 
fünf  Uhr  Abend  kein  Urtheil  erfolgte,  ward  den  andern  Morgen  der 
Prooess  weiter  geführt,  worauf  das  Urtheil  erfolgte.  Competenzstreite 
eigener  Art  kommen  mehrere  vor,  S.  173  ist  ein  solcher  erzählt 
£hi  Zunftgenosse  wurde  von  seinem  Zunftmeister  wegen  Verbalin- 
jnrie  bestraft  und  „durch  die  Tonne  gejagt^  Der  Rath  forderte 
den  bestraften  auch  vor  sein  Gericht,  die  Zunft  verbot  ihm  aber, 
dort  za  erscheinen  und  vertrat  jezt  den  Zunftgenossen  gegenüber 
dem  Gericht  des  Rathes.  Um  die  Streitigkeiten  zwischen  der  Ge- 
richtsbarkeit der  Drosten  und  Amtleute  und  der  Sittenpolizei  des 
Archldiaconats  beizulegen,  kam  ein  Vergleich  zwischen  der  Regie- 
rung und  dem  Domcapitel  1576  unter  dem  Bischöfe  Ernst  von  Baiem 
IQ  SUnde.  Röcheil  theilt  den  Vertrag  ausführlich  mit.  Der  erste 
Artikel  besagt :  Die  Archidiaconi  seien  oculi  episcopi,  desshalb  steht 
ihnen  cnltus  .ecclesiae  et  eins  disciplina  zu.  Daraus  wird  ihre  Sitten- 
polizei über  Geistliche  abgeleitet,  aber  sie  waren  sehr  wenig  ihres 
Amtes  eingedenk,  denn  der  Verfall  des  Archldiaconats  ging  mit  je- 
nem des  Klerus  gleichen  Schritt    Man  sehe  nur  S.  171. 

Die  drei  Chronisten  geben  auch  Andeutungen  über  den  Antheil, 
welchen  die  Stadt  und  das  Land  an  der  Regierung  des  bischöflichen 


916  JviisMi'«  hbloilpclie  Sciffiften  aber  MttoMer  und  Kote. 

SüMtefl  nabmen.  Eb  wimt  wI«  in  allan  btochöfliebeii  StKdtea  in  Mttn- 
0ter  die  Uschöflfche  Residenz  und  der  Dom  in  einem  besonderen 
StadUbeU.  Datwelbe  Uess  pomerium  episcopi,  Biediofahof  eder  die 
ImwBDitUi  weil  dieser  Theil  exemt  war  Ton  der  stttdiiechen  Ge 
richtobarkeit.  Gorfey  gibt  S.  306  zum  Jabr  1310  an,  auf  einer 
.^aode  in  Münster  sei  beschlossen  worden,  dass  vom  weltlichen  Qe- 
idchi  alle  eximirt  würden,  welche  in  der  &  g.  Eirchenfreiheit  wobn- 
len.  Wie  In  Speier  und  Brixen  so  hat  auch  in  Münster  ein  fons 
saUens  die  Grenze  zwischen  Stadt  und  Immunitttt  gebildet,  wie  S.  314 
in  der  <%ronik  von  Coriej  angegfeben  ist.  Bei  der  Regentschaft  des 
Herzogs  Johann  Wilhelm  von  Cleve  and  Bischof  zu  Münster,  welche 
vfihrend  dessen  Minorität  eingesezt  wurde,  zeigt  sich  der  Antheil, 
weleher  den  Stünden  bei  der  Regierang  eingeräumt  war.  Der  Heraas- 
geber hat  sehr  zweckmässig  in  einer  Note  diese  zusammengestellt: 
es  waren  awei  vom  Domcapitel,  zwei  aus  der  Ritterschaft,  zwei 
yiom  Stadtrathe,  welche  mit  dem  Kanzler  das  CoUegium  der  Regent- 
schaft bildeten,  an  deren  Spitze  Conrad  v.  Westerholdt  stand.  Als 
Johann  Wilhelm  reägnirte  und  sich  laisiren  ISess,  um  seine  Erblande 
Jüllch-Gleve  zu  regiereo,  mischte  sich  der  Rath  Ton  Münster  in  die 
Btachofswahl  S.  87  ff.  1585.  Vor  dem  zur  Wahl  versammelten  Dom- 
capitel bat  der  Stadtrath  um  Berücksichtigung  foigender  Punkte  bei 
der  Wahl«  Mao  sollte  einen  solchen  zum  Bischof  und  Landesför- 
«ten  wählen,  der  keine  Feinde  habe,  damit  der  Staat  in  Frieden 
leben  kdone,  ferner  möchte  man  die  Wahl  auf  keinen  unmündigen 
lenken.  Das  Domcapitel  versprach  auch  einen  zu  wählen,  der  so 
mächtig  sei,  dass  er  das  ganze  Stift  vertheidigen  und  schützen  könnte. 
Man  flieht  hieraus,  dass  die  Unterüianen  der  fürstbischöflichen  Län- 
der erkannten,  dass  ihre  Staaten  und  die  Regenten  derselben  zu 
aehwach  waren  den  nöthigsten  Schutz  den  Staatsangehörigen  zu  ver- 
schaffen. Der  Bauernaufstand,  die  Kriege  im  16.  und  17.  Jahrhun- 
dert haben  die  Unmöglichkeit,  solche  Staaten  ohne  Schutz  unter 
den  damaligen  Verhältnissen  bestehen  zu  lassen,  hinlänglich  gezeigt. 
Kein  Wunder  also  wenn  sie  so  rasch  zusammeastürsoten  am  Ende 
des  18.  Jahrlumderts  bei  manchen  Vorzügen  innerer  Verwaltung. 
Dass  auch  Bestechungen  bei  BischoCswahlen  in  Münster  vorkamen, 
deutet  Röchell  S.  90  damit  an,  dass  der  Domdechant  Gerhard  von 
Baesfdt  desswegen  die  Wahl  anf  den  Herzog  Ernst  von  Baiem, 
Erzbischof  von  Köln  lenkte,  weil  dieser  ihm  noch  Geld  schuldig 
war  und  er  darch  dessen  Erhebung  zum  Bischof  von  Münster  die 
Zahlung  seines  Darlehens  hoffte.  Auch  gibt  R.  den  Grund  an,  wa- 
rum man  den  neugewählten  Bischof  nicht  in  sein  Bistum  einführte, 
weil  er  nämlich  noch  mit  dem  Domstift  Köln  Krieg  führt.  Es  blieb 
also  die  Regentschaft,  bis  der  Neugewählte  „allen  Krieg,  den  er  hatte 
abgemacht  und  geschlichtet  hätte  und  wieder  Friede  wäre.*^  In 
hohem  Grade  anziehend  sind  die  kurzen  Angaben  Corfey's  S.  260— 
26i  über  die  Widersetzlichkeiten  der  Stadt  Münster  und  des  Dom* 
dechabten  v4Mi  Mallingkrott  gegen  den  Bisohof  Christoph  Bernhard 


•  htftorifehd  (SdiriftM  «ber  MttMUr  und  Xttla.  337 

1650— 1«78.  Sehom  bei  der  WabI  sncbU  lUlii«kffOlt  dto  Eib»- 
baog  Cbdgtepli  Bernhard's  von  Galen  sum  Biechof  ju  bintartreibeiii 
in  Jahre  1665  wollte  sich  General  fob  Nagel  der  fliadt  IfUniter 
^emfiehtigeD.  Bald  tral  die  Stadt  au  dem  Gegner  daa  Biicbob  Ober 
1Ü60  nnd  ward  9  Monate  belagert,  moaate  aleh  ergeben  und  Mal- 
liagkrott  ward  gefangen.  Er  starb  wie  Corfey  S.  362  angibt  m 
Ottenetein  im  Gefäagniea.  Die  Gründe  dieser  ganaen  Bewegnag 
lind  nicbt  gaas  klar,  C.  sagt  nur,  et  sei  ein  Misverständniss  geweaea, 
ik  Stadt  habe  das  jus  praesidis  et  claTinm  nnd  den  Eintritt  dem 
Bisebof  Terweigert  Der  Bischof  Christoph  Bernhard  war  mehr  ehi 
Soldat  als  Priester,  Corfey  deutet  seine  Begierangsweise  S.  262  an^ 
sk  feindsebg  dem  Adel,  Ferschwenderiscfa  and  büreaukratiseh.  &i 
den  Zusätsen  Böcheli's  su  fräherea  Chroniken  findet  sich  eine  Zo^ 
Bsamenetelluag  der  wichtigsten  Aemter  im  Fürstenthnme  Mänstec 
Der  Ylathnm  (Vicedominos)  beisst  es  S.  182,  wird  nnter  den  vier 
Pfilaten,  welche  bei  der  Bischofswahl  mitwirken  nnd  eigenen  Stif- 
ten Torsteheo,  für  den  untersten  geachtet.  Der  Domkeller,  cellerar 
lios,  erhält  Yom  Capitel  awei  Beisitier  und  hat  die  Erbp&chter,  Leib* 
«geneo  o.  s.  w.  des  DoastiOes  unter  sich.  Was  von  SterbCaV,  Frei- 
kanfen,  Erbschaften  und  Tausch  dem  Stifte  aufiült,  hat  er  einauneh*> 
isen.  Diese  Einnahme  gibt  Böcheil  in  seinen  Zosätaen  au  früheren 
Qtronisten  S.  182  auf  etliche  tausend  Gulden  an,  sie  wurden  jähr» 
lieh  unter  die  Canonici  vertheilt.  Daneben  aber  liatte  jeder  dersel- 
ben für  sich  noch  Frohnden  von  den  Leibeigenen  des  Stiftes  pri- 
vatim anausprechen.  Für  die  politische  Geschichte  von  Münster  ist 
H.'s  Chronik  besondtfs  wegen  der  chronologischen  Genauigkeit  sehr 
Btttslidi,  auch  kann  sie  an  Tielea  Stellen  für  die  Kriege  in  den  Nie* 
derlaaden  gebraucht  werden. 

Die  Einführung  des  Jesuitenordens  fand  auch  in  Münster  Wl- 
dentand.  Es  ist  diess  weniger  auCallend  als  der  Umstand,  dass  die 
Bisehöfe  von  Münster  sie  in  ihrer  Stadt  aufnahmen.  Beicanndich 
beben  die  teutschen  FürstUbchöfe  im  16.  Jahrhundert  nur  hi  den 
Stfidten  ihres  Landes  diesen  Orden  augelassen,  wo  gemischte  Be* 
vüikernng  war,  wirend  sie  in  g  ^z  katholischen  Orten  ^on  der  Er- 
liebtung  der  JesuiteocoUegien  im  16.  und  17.  Jahrhundert  Umgang 
mhsMB.  So  wurde  z.  B.  in  Speier,  das  grössten  Tfaeils  protestan* 
tisch  war,  schon  1572  ein  Jesuitenhaus  eingericfatet,  dagegen  keines 
Bk  BnKteal  der  bischl^fliclien  Besidens,  weil  sie  gaoa  katholisch  ge^ 
blieben.  Ebenso  Terhielt  es  sich  mit  Constanz  uml  Meersbuig.  Bö* 
ebfdl  gibt  S.  118  die  Notie,  dass  man  1590  die  Jesnitenkirohe  in 
Mänater  gerundet  hat  unter  dem  Bischof  Ernst  von  Baiern.  Jans- 
lea  besMrkt  in  einer  Note  S.  92,  dass  schon  Bischof  Johann  Wil- 
beim  1588  die  Einfährung  der  Jesuiten  in  Munster  wünschte,  und 
desäialb  an  die  Bürgermeister  und  den  Bath  schrieb.  Doch  der 
SCidtrath  nnd  die  Gemeinde  waren  daau  nicht  geneigt,  sagt  Böcbell 
&  92.  Unter  den  Domherrn  war  der  gelehrte  Gerhard  Baesfelt, 
der  Stifter  der  BibUothek  im  Dom  1586,  auch  für  diesen  Orden. 


^ÜB  JanMen'i  hiftorifch»  Schriften  über  Mttniler  und  Kdlo, 

Im  Jahr  1588  kamen  zwei  Jesuiten  nach  Münster,  ans  welchen 
der  Domprediger  gewShlt  ward.  Bei  dieser  Gelegenheit  verr&th  sich 
Röchell  aki  Gegner  der  Jesuiten,  was  man  für  die  Kritik  des  Chro- 
nisten beachten  muss.  Auch  Steverman  R.'8  Fortsetzer  sagt  in  sei- 
nen Zusätzen  S.  250:  die  Jesuiten  hätten  sich  mit  List  in  die 
Predigtstühle  eingedrängt,  und  würden  auch  nach  seinem  Tode  den 
Predigtstuhl  ganz  an  sich  bringen  n.  s.  w.  Steverman  steht  also 
auch  bei  den  Berichten  über  diesen  Orden  als  Parteimann  da.  Die 
Jesuiten  hatten  schon  1593  ein  neues  Schnlgebäude  in  Münster 
S.  121.  Näheres  über  die  Lehrer  an  diesem  Gymnasium  Paalinnm, 
so  hiess  die  Schule  der  Jesuiten,  ist  aber  nicht  angegeben  ausser 
S.  182,  so  dass  für  die  Gelehrten  Geschichte  von  Münster  wenig 
aus  den  drei  Chroniken  zu  schöpfen  ist.  Auffallend  wenig  Notizen 
von  Bücherlegaten  und  Bibliotheken  finden  sich  in  den  angegebenen 
Chronisten.  Ein  Schluss  auf  das  geistige  Leben  eines  Volkes,  einer 
Stadt  oder  eines  Klosters  ist  aus  diesen  Zeughäusern  des  Geistes  im- 
mer gestattet.  Es  stimmt  das  Urtheil  darin  mit  dem  überein,  was 
ich  am  Eingang  über  das  Stillleben  Westphalens  auch  in  dem  gei- 
stigen Leben  gesagt  habe.  Die  Bibliothek  auf  dem  Paradiesse  im  Dom 
verbrannte  1530  ganz,  S.  326,  was  sie  enthielt,  gibt  Corfey  kurz 
an.  Damach  war  sie  schon  alt  und  desshalb  wichtig,  1534  war 
schon  wieder  eine  Bibliothek  dort,  welche  die  Wiedertäufer  zer- 
störten, Bd.  1.  S.  333.  Endlich  stiftete  Gordt  von  Baesfelt  1556 
eine  neue  Bibliothek  in  den  Dum.  Es  wäre  zu  wünschen,  dass  ein 
alter  Catalog  dieser  3  Büchersammlungen  sich  vorfände  und  ge- 
druckt würde.  Will  man  eine  Zeit  recht  verstehen,  muss  man  wis- 
sen, welche  Bücher  man  las  und  schrieb,  und  aus  welchen  Quellen 
die  Leute  ihr  Wissen  geschöpft  haben.  Für  die  Geschichte  der  bil- 
denden Künste  liefern  die  drei  Chronisten  manche  brauchbare  Notis. 
Die  mittelalterlichen  Bauwerke  Westphalens  sind  am  vollkommensten 
und  ausführlichsten  beschrieben  von  Lübke,  und  zwar  mehr,  als 
diess  bis  jezt  in  anderen  Länder  geschah  mit  Ausnahme  von  Wir- 
temberg.  Den  Glanzpunkt  westphälischer  Gothik,  die  aber  nicht  über 
das  14.  Jahrhundert  zurückgeht,  bildet  die  Lambertikirche  in  Münster. 
Der  allgemeine  Charakter  der  mittelalterlichen  Kunst  in  Westphalen 
ist  eine  gewisse  Nüchternheit  und  ein  Festhalten  an  den  schmuck- 
losen, einfachen  Anfängen.  Da  es  immer  mehr  Bedürfniss  wird, 
dass  die  Kunstarchäologie  des  Mittelalters  nicht  allein  an  die  erhal- 
tenen Denkmale  sich  anschliesse,  sondern  auch  auf  die  geschriebe- 
nen Quellen  zurückgehe,  so  wird  es  nicht  überflüssig  sein,  auf  einige 
An  gaben  der  Münsterischen  Chroniken  aufmerksam  zu  machen:  S.  323 
gibt  Corfey  in  seinen  Nachträgen  an,  dass  1516  der  Bischof  Erich 
am  Portal  der  Domkirche  die  Darstellung  der  10  Jungfrauen  mit 
einer  Ins  chrift  anbringen  Hess.  Diese  Darstellung  mahnt  zur  Wach- 
samkeit für  den  Eingang  in  die  Kirche,  d.  i.  das  Reich  Gottes, 
man  findet  sie  auch  an  der  Sebaldnskirche  in  Nürnberg  und  am 
Strassbnrger  Münster.    Von  kunstvollen  Metallarbeiten  ist  S.  199 


Janffes'i  hiftorifche  Schriflen  Aber  Mttniter  und  Kdtn.  320 

Ton  1139  die  Rede,  und  S.  327  wird  ein  Kelch  toq  1397  be* 
aehrieben.  Aach  werden  Glocken  und  deren  Inschriften  S.  124  nnd 
337  erwShnt 

Die  Chronik  Ton  StOTerman  ist  knrz,  sie  umfasst  nur  38  Jahre. 
Deber  die  Ereignisse  im  dreissigjihrigen  Kriege  ist  SteTormann  viel 
Itfirzer  als  die  Tagebücher,  weiche  man  an  andern  Orten  darüber 
hat  Ausser  einigen  Trnppeneügen  und  Vorfftllen  in  nächster  Um- 
hegend weiss  er  wenig  von  Interesse  zu  berichten.  Es  wSre  indess 
wichtig  ZQ  erfahren,  ob  sich  denn  in  Münster  oder  den  benachbar- 
ten Klöstern  gar  keine  Tagebücher  (Diaria)  oder  Briefbücher  ans 
dem  17.  Jahrhundert  finden.  Der  Mangel  an  solchen  Privatarbeiten 
wurde  wieder  beweisen  wie  wenig  Antheil  an  der  allgemeinen  teut- 
Behen  Geschichte  die  Bewohner  von  Münster  im  17.  Jahrhundert 
nahmen.  Steverman  gibt  8.  254  auch  an,  dass  der  traurige  B9h- 
raenkönig  Friedrich  von  der  Pfalz  1 632  bei  Münster  war.  Von  In- 
teresse für  die  mittelalterliche  Geschichte  ist  seine  Angabe  8.  253, 
dass  die  Steinhauer  Gilde  ihren  Vorstand  am  23.  November  am  Cle- 
menstage  wählte.  Wahrscheinlich  galt  dieser  Heilige  als  Patron  der 
Zunft  Die  Wahltage  für  die  Magistrate  nnd  Rathsmitglieder  waren  in 
Münster  gewöhnlich  zu  Anfang  des  Jahres  oder  am  Ende,  wenn  man 
das  Jahr  mit  dem  Januar  beginnen  lässt,  wie  jest  allgemein.  Man 
hatte  hierin  ganz  die  rdmische  Einrichtung  beibehalten.  8o  gibt  Bd- 
chell  in  seinen  Zusätzen  zu  früheren  Chroniken  8.  182  die  Zeit  und 
den  Modus  der  Rathswahl  an.  8te  fand  statt  Dienstag  vor  Anto- 
niustag d.  h.  vor  dem  17.  Januar.  8.  128  zum  Jahre  1596  wird 
die  Rathswahl  auf  den  22.  Januar  angegeben,  nnd  acht  Tage  nach- 
her pflegte  die  Wahl  der  Alterieute  8tatt  zu  finden.  Es  ist  auffal- 
lend, wie  genau  man  bei  der  Uebemahme  und  Nachahmung  des  rö- 
mischen Municipalwesens  auch  selbst  die  Termine  beibehielt 

Der  drifte  und  lezte  Chronist,  dessen  Aufzeichnungen  in  die- 
lem  Bande  Janssen  herausgegeben,  ist  Corfey.  Ich  habe  schon  an- 
ticipirend  einiges  von  seinen  Annalen  hervorgehoben.  Corfey  war 
General*  Major  und  Kommandant  der  Artillerie  in  Kdlnischen  und 
Mfinsterischen  Diensten,  zeichnete  sich  als  Ingenieur-Offizier  bei  Bel- 
grad ans  und  schrieb  sich  im  Alter  aus  Liebhaberei  eine  Chronik 
zusammen.  Es  interessirte  ihn  zunächst  nur  Militärisches.  Da  er 
aber  auch,  wie  sich  diess  bei  militärischen  Charakteren  häufig  ver- 
einigt findet,  einen  regen  Katholicismus  hatte,  so  nahm  er  auch  auf 
den  Znstand  der  Kirche  Rücksicht.  Er  hat,  um  nur  diess  anzu<- 
fGQiren,  die  Dominikanerkirche  in  Münster  gebaut,  in  welcher  er  be- 
graben liegt  Sein  Epitaphium,  das  Janssen  8.  XIII  mittheilt,  hat 
er  sich  selbst  verfertigt.  Es  spricht  sich  darin  religiöses  Gefühl  und 
warmer  Olaube  aus,  den  er  mit  vielen  Kriegshelden  seiner  Zeit 
fiieilte  und  der  ungekünstelter  war,  als  das,  was  in  neuester  Zeit 
hierin  affektirt  wird.  Corfey  ist  übrigens  über  die  kirchengeschicht- 
ächen  Thatsachen,  welche  er  gibt  nicht  immer  richtig  belehrt  Es 
▼enith  aich  dabei  der  Mangel  an  direkten  Quellen. 


330  Jtmatm'0  lubtorische  Scbriftea  über  Mttwter  uid  K«Id. 

Die  Zustttze  Corfey's  zn  früheren  Chronisten  geben  mitunter 
«cbätshares  Material.  Mao  sieht,  wie  sich  der  GeschichtediletitaDt 
in  manche  Quellen  hineingearbeitet  hat,  und  wie  ihm  btewetten 
lehrreiche  Hilfsmittel  zu  Gebote  standen.  Sa  tfaeilt  er  die  statiMlschen 
Tabelle  für  das  ReichscontingeiU  des  westphUisohen  Kreises  S.  324  If. 
mit.  Aus  dem  14.  Jahrhundert  gibt  er  S.  309  über  die  Bünd- 
nisse der  geistlichen  Fürsten  gegen  den  Adel  zum  Jahre  1372  einige 
Nachricht  Er  erzShlt  zuerst  die  Entstehung  des  Bündnisses  der  Stern* 
träger  (stelligeri),  dann  das  der  Bischdfe  von  Köln,  Paderbeni, 
Münster  und  Osnabrück.  Diesem  lezteren  Bunde  traten  bei  die 
Städte:  Münster,  Dortmund,  Osnabrück  und  Soest  Das  spStere 
Bündniss  zum  Rosenkranz  von  1393  ist  S.  312  erwähnt  lieber 
das  Aufhören  des  Mortuariums  bei  den  Greistlichen  um  1355  findet 
sich  S.  307  eine  Angabe,  welche  Würdigung  verdient  Dss  Mar- 
tuariam  von  OLerikern,  bestehend  in  Kleidern  und  anderer  Verlassen- 
Bcfaaft,  zog  der  Archidiaconus  an  sich,  dagegen  aber  gab  er  alles 
Geistlichen  seines  Arcbidiaconats  jährlich  eine  Gasterei.  Lestere 
acbaffte  der  Bischof  Ludwig  ab  und  befreite  auf  der  anderen  Seite 
die  Kleriker  vom  Mortnarium. 

Die  Sprache  in  Röchell's  Chronik  ist  eine  Mischnng  edsr 
ein  Uebergang  zwischen  dem  westphälischen  Dialekt  und  im 
AnfSogen  des  Hochteutschen.  Bei  den  beiden  folgenden  Schrift- 
etellern  herrscht  die  allgemeine  Schriftsprache  der  Zeit  mehr  vor 
als  die  provinziellen  Eigenheiten.  Der  Herausgeber  konnte  das 
jSprachiiche  unberücksichtigt  lassen,  da  dem  ersten  Bande  des  geasea 
Werkes,  den  Ficker  besorgte,  ein  Wörterbuch:  „Erklärung  der  Nie- 
derdeutschen Wörter^,  angehängt  ist.  Man  muss  bei  Herausgabe 
teutseher  Quellenschriften  allerdings  einen  breiten  philologischen  Gom- 
mentar,  vermeiden.  Es  finden  sich  aber  doch  interessante  Worte 
nnd  Redensarten,  wie  auch  in  Röchell's  Chronik,  die  ohne  in  dai 
grammaticalische  Detail  sich  zu  verlieren  hervorgehoben  zu  werdei 
verdienen,  insofern  sie  für  die  Anschauungsweise  des  Volkes  und 
der  Zeit  charakteristisch  smd.  Ein  Nachtrag  za  Ficker's  Glossar 
wäre  immerhin  willkommen  gewesen,  da  jenes  sich  nur  auf  die  in 
ersten  Theile  vorkommenden  Wörter  bezieht  Ich  hebe  einige  Wort- 
formen und  Redensarten  in  dieser  Rücksicht  hervor:  die  Aegester 
ehr  huffen  (die  Elfter  üir  Zurückspringen)  nicht  lassen,  sprich* 
wörtlich:  für  ein  Mensch  fällt  immer  in  seine  alte  Gewohnheit  zu- 
rück,  S.  7.  Die  verschiedensten  Formen  für  Thier  kommen  gleich- 
zeitig bei  einem  Schriftsteller  (Röchell)  vor:  bestie,  beister, 
bieste.  Für  Sterbekleid,  Todtenhemd  findet  sich  S.  210  der  Ans-- 
druck  Henne-Klede  S.  2,  für  hohl  holde,  für  Graben  sloet 
(Schlucht)  $.5,  für  Fastnacht  Vastelabent,  für  Grab  Bnie 
S.  128  u.  s*  w.  Die  Redensarten :  „Die  kleinen  Diebe  hängt  man, 
die  grossen  steckt  man  in  die  Tasche^,  und  „die  Lunge  hängt  ihm 
nach  etwas^  d.  h.  Verlangen  nach  etwas  haben,  sind  auch  charak- 
teristisch für  ein  Land  mit  grossen  Jagden,  denn  lestere  ist  «ffsfi- 


«  UMriwlM  ScktiflM  ab«ff  MikMlw  iBd  Eüa.  931 

bar  TM  einom  lechsenden  Hand«  entlehnt  Eb«D0o  die  RedaoMrt 
&  128  kein  Hand  darna  bleclien,  (Ür  kein  Hahn  darnach 
luihen.  Hiermit  ▼«riaiee  leh  die  Beeprechun;  der  MünateriadMin 
Ghromken,  welche  Janasen  mit  rielem  Verdienat  and  Umaicht  heraaa- 
gageben  hat. 

Die  Anaalen  dea  hiatoriacben  Vereina  für  den  Nie- 
lerrhein  inabeaondere  die  alte  EridiöceaeKöln,  heraaa- 
gageben  tob  dem  wiaaenachafdichen  Aaaadinaae  dea  Vereine »  aind 
Mit  1855  in  swei  JahrgiDge»  eracfaienen.  Anaaer  den  ^Stadien 
iber  die  kölniacben  Oeachiehtsqaellen  Ten  Dr.  Jek. 
Janaaen^,  die  ich  jest  beapreche,  aind  in  den  beiden  Jahrgängen 
Aofaitae  von  Dr.  Eckertz,  ^daa  fränkiache  Ripuarland^  und  «Bei- 
ttigh  tm  Geaehichte  der  Abtei  Gladbach^  von  Smeddinck  «die 
OoDBUntiaBbriicke  in  Eöln%  von  Dederich  «fiber  die  h.  Irmfar- 
di«',  Ton  Bär 8 eh  in  Coblena  „über  Prämooatratenaer  Klöater  am 
lUiein  nnd  in  Weatphalen^  yeröffentllcht  Ferner  worden  eSnadne 
Diianden  Ton  Janaaen,  Eckerta  (Weiathümer)  and  Mooren  darin 
mitgetheilt  In  dem  9.  Bändehen  finden  aich  Aalaätie  von  Ennen 
«territoriale  Eotwicklang  ond  Befestigung  der  8tadt  KSln^',  toh 
Sehneider  and  Mooren  «über  einige  chriattiche  Denkmäler  am 
Niederrhein^,  Ton  Dr.  Brenn  „aar  Geaehichte  der  Stadt  Selileiden.^ 
ZoBi  Schloaae  haben  yon  Mering  and  Eckerts  Urkunden  rer* 
öfentUcht.  £a  iat  aehr  erfreulich,  daaa  so  viele  tüchtige  Kräfte  ge^ 
Bonaehaftlich  aur  Edbrachung  raterländladier  Geaehichte  am  Nie- 
derrheine  thätig  aind.  Man  kann  dieaa  überall  als  ein  empfehlena» 
werthea  Beiaplel  den  hiatoriachen  Vereinen  in  Teutacbland  empfeh- 
iea.  Möchten  aich  auch  dieae  verdienstvollen  Foracher  der  Kolni- 
idhan  Geaehichte  dahin  vereinigen,  einen  codex  diplomaticua  jener 
fitadt  ind  dea  Ersbisthnma  oder  Regeaten  davon  au  bearbeiten. 
El  würde  eine  aolche  Arbeit  lür  die  geaammte  tentache  Geaehichte- 
bahandinng  von  dem  höchaten  Intereaae  aein.  Doch  ea  bedarf  wol 
ban  der  AafmonterDng  au  einer  Heranagabe  der  Fontes  rerum 
Gi^enaiam  oder  einea  codex  diplomaticua  oolonienaia,  aar  die 
gn)aaen  Sehwierigkeiten  and  die  lange  Vorbereitung  au  einem  aol* 
dMa  Werke  haben  dieaa,  wie  ich  glaube  biaher  veraögert.  Aber  den 
vertinigtan  Kräften  iat  ea  gewiaa  möglich,  dieaa  auszuführen.  Eine 
iciiStabare  Grondlage  dafiir  bietet  einstweilen  die  Arbeit  von  Janaaen: 
«Studien  über  die  kölniachen  Geachichtsquellen  im 
Mittelalter.^  Zuerat  handelt  der  Verfasser  darin  von  der  Seriea 
c|iaooponMB,  dann  von  den  Catalogi  der  Eral>lacböfe,  von  den  Chro- 
niken in  Proaa  and  endlich  von  den  vitae  Sanetorum.  Zu  den  drei 
mgegebenen  Nomenciataren  der  Erzbiadiöfe  könnten  noch  angeführt 
Verden  die  Wiener  Handachriften ,  Pertz  Archiv  10,  567  und  568, 
vorin  eine  Seriea  bia  1463  fortgeführt  iat.  Eigenthümlieh  iat,  daaa 
fa  drei  Aufzählungen  der  Erzhiachöfe,  weiche  man  hat,  doch  niclit 
«ttf  eine  eiaaige  nraprüngliche  Arbeit  aich  zurückfahren  laaaen.  Dieaa 
Hrtvonuia,  daaa  jede  daraelben  nnabhängig  von  der  andern  ent« 


33!l  JaoMOn*!  hittorUche  Schriften  Aber  MOiMter  nid  Köln. 

standen  sei.  Ebenso  sind  im  Laufe  der  Zeit  diese  MomenclaittreQ 
der  Bischöfe  selbständig  und  ohne  Beziehung  zu  einander  ron  ein- 
zelnen Bearbeitern  za  Icnrzen  Gatalogen  erweitert  worden.  Der  Zweek 
dieser  historischen  ThStigkeit,  kurze  Ghrimiken  zusammen  zustellen, 
gibt  Levold  von  Northof  im  14.  Jahrb.  dahin  an,  dass  seine  Land- 
leute libenter  multa  et  diversa  degustant  legendo.  Nebenbei  hatten 
jene  series  und  catalogi  praesulum  auch  Vie  mir  scheint  einen  prak- 
tischen Zweck,  den  man  nicht  unbeachtet  lassen  darf.  Es  waren 
Hilfsmittel  für  die  praktische  Diplomatik  jener  Zeit,  um  bei  Streitig- 
keiten oder  der  Kritik  über  flehte  und  gefälschte  Urkunden  u.  s.  w. 
entscheiden  zu  können,  lieber  die  noch  ungedruckten  Chroniken  der 
Bischöfe  Ton  Köln  ist  Janssen,  wie  sie  es  verdienen  etwas  ausführ* 
lieber.  Er  gibt  die  einzelnen  Handschriften  genau  an.  Dered  sind 
ihm  6  bekannt  und  3 ,  welche  Fortsetzungen  jener  Chroniken  ent- 
halten. Die  zuerst  angeführte  Trierer  Handschrift  ist  auch  im 
11.  Bande  des  oben  citirten  Archiv's  S.  394  erwähnt.  Aber  es  ist 
noch  in  demselben  Archiv  I.  d.  S.  395  eine  weitere  Handschrift 
einer  Kölner  Chronik  in  Trier  genannt,  welche  J.  nicht  mittheilte. 
Sie  stammt  aus  dem  14.  Jahrhundert  und  beginnt:  „In  den  iaren 
unseres  herren  1087  ver braute  de  Kyrche  zu  sente  apostolen  zu  Collen. 
Dagegen  wird  die  von  Janssen  unter  f.  aufgeführte  Handschrift  in 
Köln  wol  dieselbe  sein,  welche  im  Archive  11^  S.  394  genannt 
ist  Somit  wäre  die  Zahl  der  codd.  mss.  von  Kölner  Chroniken  mit 
den  Fortsetzungen  auf  10  fesfgestellt  Ausführlich  ist  der  Verf.  bei 
der  Beschreibung  der  Kölnischen  Chronik,  welche  im  Besitze  von 
Böhmer  ist  Er  stellt  mit  eingehender  Kritik  die  historischen  Werke 
zusammen,  welche  der  Verfasser  jener  Chronik  benüzt  hatte.  Für 
die  Geschichte  der  teutschen  Historiographie  ist  diese  Zusammen- 
stellung nicht  unerheblich.  In  dem  vierten  Paragraphen  bespriebt 
Janssen  die  Lebensbeschreibungen  der  Erzbischöfe.  Es  sind  diem 
die  vitae  der  heilig  gesprochenen  Vorsteher  des  Kölner  Ersstiftes, 
Bruno,  Heribert,  Anno  und  Engelbert.  An  die  vita  s.  Annonis  will 
ich  nun  zunächst  anknüpfen.  Diese  Vita  stammt  von  einem  Mönch« 
des  Klosters  Siegburg  und  zwar  ungefähr  aus  dem  Jahr  1105.  Del 
Abt  jenes  Klosters  Reginhard  1075 — 1105  hat  dem  Biographen  dni 
Material  dazu  gegeben.  Siegburg  war  im  Streite  des  Imperium  mit 
dem  Sacerdotium  kaiserlich  gesinnt.  Von  Siegburg  gingen  desshalb 
gleichgesinnte  Filialconvente  aus,  so  nach  Iburg  in  Westphalen  nnd 
nach  Sinzheim  in  der  Pfalz.  Es  entsteht  somit  die  Frage,  wie  ver« 
hielt  sich  der  Abt  Reginhard  von  Siegburg  und  der  Biograph  dtf 
Anno  zu  den  Parteien  am  Ende  des  11.  und  Anfang  des  12.  Jahr- 
hunderts? Nach  allem,  was  er  als  Quelle  benüzte,  nach  seiner  Um- 
gebung und  gleichzeitigen  Schriften  hätte  seine  Vita  des  Erzbisehofi 
Anno  einen  polemischen  oder  apologetischen  Charakter  annehmsn 
müssen,  hätte  er  nicht  in  weiser  Vorsieht  und  im  Oeiste  seiner  Zeit 
eine  Erbauungsgeschichte  daraus  gemacht  So  bleibt  also,  wie  Jans- 
sen ganz  richtig  bemerkt,  eine  Lebensbeschreibung  vom  heiligen 


i'f  hulorudie  SehrifteB  flb«r  MttaMr  UBd  Kdh.  38S 

Auo  iMidi  seioer  SteUang  cam  Reiche  and  sur  Stadt  Köln  nodi 
iD  erwarteo.  Ich  mache  desshalb  hier  den  Verf.  auf  eine  ZaBammenatel« 
ioo|[  der  K5in.  Quellen  aufmerkaam,  welche  ein  Pariaer  Codex  enthälti 
der  im  11.  Bande  des  Archi?'s  Ton  Perts  8.  277  angegeben  wird. 
Nadi  dieser  vita  8.  Annoni  geht  Janssen  auf  das  bekannte  alt^teotsche 
Aanolied  über.  Aach  dieses  stammt  aiis  dem  Kloster  Siegbnrg  und 
bleibt  eine  wichtige  Quelle,  wenn  es  auch  erst  nm  1183  entstanden 
et  Es  beruht  auf  der  oben  angegebenen  siegburger  Lebensbeschrei- 
bsDg  des  h.  Anno.  Wenn  man  bei  dem  Studium  der  historischen 
Quellen  auch  die  poetischen  Bearbeitungen  historischer  Thatsachen 
wie  es  gans  lu  billigen  ist  beachtet,  mit  vielem  Verdienst  der 
Verfasser  gethan  hat,  so  dürfen,  auch  die  Hymnen  auf  die  Hei- 
lig nicht  übergangen  werden.  Ohne  Zweifel  sind  über  die  cano- 
aiairtea  Bischöfe  Ton  Köln  auch  Hymnen  aus  dem  Mittelalter  Tor* 
inoden  gewesen.  Diese  an  sammeln  wäre  eine  schöne  und  lohnende 
Aofgabe  für  den  historischen  Verein  der  Ersdiöcese  Köln.  Wie 
reicfa  s.  B.  die  hymnologische  Literatur  an  Liedern  auf  die  heiL 
Diiala,  deren  Heimath  Köln,  ist,  das  seigen  Mono 's  Hymnen,  Bd.  8, 
8. 5S6.  Dort  findet  sich  die  beigeschriebene  historische  Notla,  die  wol 
iiif  Köhi  bezogen  werden  darf,  dass  Clemacius  ex  voto  die  Kirche 
der  h.  Ursula  gebaut  habe.  Zulezt  ist  von  der  vita  S.  Engelberti 
te  GaesarSuB  von  Heisterbach  die  Rede.  £s  sind  hierüber  schäta* 
bare  Vorarbeiten  gemacht.  Alexander  Kaufmannes  Caesarius  von 
Heisterbach  und  Ficker's  Engelbert  der  heilige,  Ersbischof  von  Köln, 
welche  beide  Schriften  Janssen  rühmlich  erwähnt.  In  dem  aweiten 
Abschnitte  sind  die  Quellen  angegeben,  welche  den  Charakter  von 
gleichzeitigen  Aufzeichnungen  für  jedes  Jahr  tragen.  Es  sind  die 
Neerologien,  Annalen,  so  genannte  Königschronik,  Klosterfundatio- 
sea,  Abtscataloge.  Janssen  nennt  im  ganzen  6  auf  die  Geschichte 
voD  Köln  bezügliche  Mecrologien:  Das  Kalendarium  Necrologicum 
ecdeslae  migoris  Goloniensis,  das  von  Martin,  das  von  Maria  ad  gra- 
du,  das  vom  Kloster  Gladbach,  von  Werden  und  das  von  Xanten. 
Der  Verf.  sagt,  es  seien  die  Namen  „verdienter  und  verehrter  Per- 
«meD  in  den  Neerologien  bei  ihrem  Todestage  eingetragen  worden.^^ 
El  waren  vorzüglich  drei  Motive  zur  Aufzeichnung  in  jene  Bücher, 
mtweder  wurden  Stifter  oder  die  Angehörige  der  Gonvente  und 
der  Collegialkirchen,  oder  die  durch  Confratemität  verbündeten  Vor* 
itorbenen  in  die  Neerologien  eingeschrieben.  Es  ist  somit  von  der 
Beortheilong  eines  Necrologiums  die  Besprechung  der  Confratemität 
des  betreffenden  Stiftes  unzertrennlich.  So  weit  hat  sich  der  Verf. 
i&  seiner  Untersuchung  nicht  ausdehnen  können.  Es  muss  bei  der 
kritischen  Benützung  und  Veröffentlichung  der  Neerologien  die  Zn- 
lammenstellung  der  Confraternitätsbündnisse,  welche  zwischen  dem 
betreffenden  Stiften  und  andern  Conventen  bestanden,  vorausgehen. 
Da  diese  Confraiernitäten  successive  eingegangen  wurden,  so  hat 
man  auch  einen,  wenn  auch  schwachen,  chronologischen  Anhaltspunkt 
Ar  die  einzehien  Einträge.  Benediktinerklöster  traten  z.  B.  schon 
Irühe  mit  Domkirch^p  vd^r  CoUegiatoUften  in  Confratemität,  wärend 


384  JflMMn'«  kiflotiflche  SohriiMn  über  Ktnater  «nd  lOb. 

sie  bisweilen  erst  im  15.  Jahthundert  auf  Ang^stinery  Piüneiuira- 
teneer  and  Cisterzienfler  die  nnaDimitas  precoin  attsdehaeD.  Zb 
solchen  Vorstudien  können  benüzt  werden:  Die  Arbeit  Zappert's 
Ober  die  Confraternität ,  das  VerbrQderangsbuch  des  Benediktiner 
Stiftes  St.  Peter  in  Salzburg,  welches  Kara}an  herausgegeben  hat, 
und  der  Aufsatz:  ,,Ueber  di^  Confraternität  des  Klosters  Correy  im 
Mflnster'schen  Archive.  Es  ist  ein  eigenthümlicher  Zug  des  Mittel- 
alters, dass  die  Association,  dieser  gewaltige  Hebel  in  der  Oesell- 
Schaft,  sich  immer  an  religiöse  Momente  anscbloss.  So  die  Confra- 
tematas  und  Unanimitas  precum,  die  Brüderschaften  in  den  Städten, 
die  Bündnisse  des  Adels  n.  s.  w.  Man  hat  die  Ursachen  und  Wir- 
kungen jener  Associationen  für  Verbreitung  von  Ideen  und  &wei-' 
terang  des  Gesichtskreises  bisher  zu  wenig  beachtet  Man  glaubt 
zwar  gewöhnlich,  es  habe  die  Idee  der  Association  ganz  gefehlt 
Aber  man  beurtheiit  in  dieser  Hinsicht  das  Mittelalter  falsch.  Die- 
jenigen, welche  an  der  Bildung  ihrer  Zeit  Antheil  nahmen,  hatten 
einen  ausgedehnten  geistigen  Verkehr  (Correspondenzen)  and  mach- 
ten viele  und  weite  Reisen.  Es  trug  diess  wesentlich  dazu  bei,  dass 
eine  rasche  Entwicklung  in  den  socialen  und  politischen  VerhältniB- 
Ben  eintrat  --  Der  Verfasser  gibt  sodann  eine  Aufzählung  der  ein- 
Mhlägigen  Annalen  von  Köln,  es  sind  im  ganzen  neun,  wovon  sechs 
in  Köln  entstanden,  die  drei  andern  sich  an  die  Klöster  Bniuweiler, 
Aachen  und  Neuss  anschliessen.  In  dem  folgenden  Paragraphen 
wird  von  der  sogenannten  Kölner  Reichschroaik  —  1288  gehandelt 
Znm  Schlüsse  werden  die  Grtindungsiegenden  und  Geschichten  von 
Brauweiler  und  G4adbach  aufgeführt  und  auf  die  Senes  Abbatum 
zweier  Stifte  in  Köln  aufmerksam  gemacht.  Man  kann  aua  dieser 
Uebersicht  der  ältesten  prosaischen  Quellen  für  die  Kölner  Geschichte 
entnehmen,  dass  hinlänglich  Stoff  vorhanden  ist,  wenn  man  die  Urkun- 
den zu  Hilfe  nimmt,  die  Vergangenheit  in  ihrer  Entwicklung  zu  re- 
construiren.  In  keinem  Lande  und  bei  keiner  Culturgesehichte  fSehlea 
die  Quellen  ganz  und  gar,  aber  wie  mangelhaft  ist  ihre  Benützung 
und  Bearbeitung  bisher  gewesen!  Weil  meistens  den  Histoiikem 
des  Mittelalters  die  Vielseitigkeit  fehlt,  welche  nötbig  ist,  um  eine 
Zeit  nach  allen  Richtungen  zu  verstehen  und  zu  leconstruiraa*  So 
ist  es  gestattet  hier  die  Hoffnung  auszusprechen,  dass  bei  der  Dar- 
stellung der  Kölnischen  Geschichte  auch  vielseitig  diese  schätzbaren 
Quellen  einst  benüzt  werden  mögen. 

In  dem  zweiten  Aufsatze  über  die  Kölnischen  Geschiditsquellea 
hat  Janssen  die  Reimchroniken  einer  eingehenden  Kritik  unterwor- 
fen« Es  ist  bekannt,  dass  diese  poetischen  Quellen  der  Geschichte, 
entsprechend  den  griechischen  Logographen,  mit  einer  strengen  Kri- 
tik benüzt,  reiches  Material  für  die  Geschichte  enthalten.  Ganz  rich- 
tig bemerkt  daher  der  Verf.:  „war  doch  in  der  epischen  Erzählung 
damals  nicht  Erdichtung  das  Ziel,  sondern  Wiedergabe  der  sagen- 
haften Ueberlieferungen  in  der  wahrsten  und  reichsten  Form.^  Er 
hebt  S.  197  femer  mit  Recht  hervor,  dass  die  Verfasser  der  Reim- 
chronlken  ^nie  In  ebe  moralistrende  Audcbattttttgfiweise  verfallen  nucl 


hmtt^m  hiHMWIe  SAtHm  fA$t  Wmum  tad  Mn.  B9S 

IM  jedem  fobjakthreo  Eisniscbeii,  wekbes  di«  GegfMliiide  wfo 
rm  fte  IgyptiicfaeB  Todtengeritht  sieht  und  UDt  eben  dadureh  ra 
ktner  ruhigen  Asffaasiuig  gelange»  liest,  entfernt  waren>  Wer 
dw  Doralisiremle  GeMfancbteehrelbiing  oneerer  Zeit  kennt,  wird 
fiblen,  gegen  wen  dieeer  Tadel  fieh  rid)tet  und  wie  wahr  nod  ge- 
ledit  er  iti.  Die  moraJieh'enden  Geechicbtscbreiber  haben  dae  Unheil 
dar  Leser  bestochen  und  den  klaren  Blick  in  die  Vergangenheit  ge* 
tribt,  sie  sind  daher  Verfälseber  der  Geschichte.  Man  ist  glücklicher 
Weise  aber  jeit  soweit  gekommen,  dass  nicht  mehr  die  subjekthrw 
Aaäcbt  eines  fleissigen  aber  beschränkten  klannes,  der  dem  Leben 
gais  fem  steht,  oder  dao  moralische  nnd  politische  Urtbell  eines 
Gdsbrlen  in  seinem  Studierzimmer  für  das  höchste  Ziel  der  Ge-* 
idbichte  gdmlten  wird.  Janssen  gdiört  der  nenen  Richtung  an,  wel- 
die  fern  vom  Meralishren,  die  erste  Aufgabe  des  Historikers  nur  im 
Sidtfen  und  der  Kritik  der  Quellen^  das  heisst  in  d%t  Forschung,  erkemit. 
Seine  Schriften  smd  desshalb  Ton  weit  höherem  Interesse  und  blei- 
beiderem  Werthe  als  das,  was  die  moralisirende  Schule  her?orge*- 
bnebt  hat  Zuerst  ist  Ton  Gotfried  Hagen's  Reimchronik  die 
Rede.  Janssen  hat  das  Verdienet  ^  Chronologie  derselben  ge^üfl 
mä  fiesigiestellt  ao  haben.  £s  ist  diess  eine  miibevoUe  Arbeit,  scr 
«sicher  grosse  Detailkenntniss  der  Geschichte  gehört.  Nachdem  über 
di»  Aisgaba  von  Hageo's  Chronik  und  den  Handschriften  gehandelt 
vurde,  geht  der  Verf.  auf  die  Kritik  G.  Hagen *s  selbst  über.  Hageo 
itsbt  b^  der  Eraihlung  der  demokratischen  Bewegung  in  Köln  auf 
dw  S^te  der  Geschlechter  und  der  städtischen  Unabhängigkeit  ge« 
^eaiiber  den  Zünften  und  dem  bischöflichen  Regiment.  Was  er 
fibrigcns  den  Gewerben  su»  Vorwurfe  macht,  sind  Aeusserlichhei« 
tsn.  Der  innere  Grund  der  Unruhe  in  den  Städten  war  TOlkswirth* 
sdiiaftlieher  Mator.  Die  Geschlechter  in  den  Städten  haben  die  klei^ 
BSB  Gewerbe  nnd  den  Kleinhandel  gehemmt,  sollte  sich  die  Macht, 
do  Reiehthum  und  die  Arbeitsfähigkeit  der  teutschen  Bürger  nach 
ihran  gtinatigen  Verhältnissen  entfalten,  so  konnte  das  Regtaient  der 
fatriaier  nicht  mehr  bestehen.  Janssen  deutet  daher  gans  richtig* 
aa,  dasa  Hagen  Tieles  verschwiegen  habe.  Wenn  auch  hierüber 
Ua  Beweis  für  einselne  Fälle  geführt  werden  kann,  so  liegt  es  doch 
gaas  nahe,  sich  diese  Uebelstände  in  der  Verfassung  der  Städte  ift 
dar  snten  Hälfte  des  13.  Jahrhunderts  au  Tergegenwärtigen.  In 
fliasm  Handelastaat  wie  Köln,  wo  viele  Klagen  der  Handwerker  ge^ 
fsa  die  reichen  Kaufherrn  und  gegen  die  Geistlichkeit  immer  vor* 
hoHimen  mussten,  waren  die  Gerichte  aasschliesslicb  in  den  Händen 
der  Geschlechter  1  In  einzelnen  AbsätJEsn  hat  der  Verf.  den  Inhalt 
Tsn  Hagen's  Chronik  mit  der  geschichtlichen  Eraähiung  angegeben. 
Beim  Tode  Friedrich  IL  wärend  des  s.  g.  Interregnums  begann  die 
ÖIhrang  der  Zünfte  gegen  die  Geschlechter  und  gleichseitig  der  Versuch 
dfs  Bisehofii  die  landesherrlichen  Rechte  über  die  SUdt  su  behaupten. 
Hast  kann  also  zunächst  nur  von  der  ersten  demokratischen  Be» 
wegung  in  Köln  am  Ende  des  13.  Jahrhunderts  die  Rede  sein.  Die 
Streitigkeiten  des  Erzbis^hofs  mit  der  Stadt  wegen  der  Unabhängig* 


336  Janaien's  hulorlfohe  Sehriften  aber  Mttntter  und  Kola. 

keift  fibergehe  ich  hier.  Im  Spätjahr  1257  brach  der  Krieg  wieder 
aoB,  und  am  4.  April  1258  folgte  der  Frieden.  Wichtiger  ist  die 
folgende  Verwicklung,  als  das  demokratische  Element  in  der  Stadt 
erwachte.  Die  Sache  ist  so  interessant  für  die  teutsche  Stftdtegeschichte, 
dass  eine  Beleuchtung  des  Herganges  in  Köln  nicht  überflüssig  sein 
kann.  Besonders  da  Arnold  in  seiner  Verfassungsgeschichte  der 
deutschen  Freistädte  auf  die  Entstehung  der  Städtebevölkerong  und 
ihrer  Beschäftigung  zu  wenig  eingeht.  Es  handelt  sich  aunächst  nur 
um  den  Sturz  der  Oligarchie,  der  Richerzecheit,  und  die  Bevölke- 
rung, die  neben  ihr  aufkam.  Arnold  sagt  S.  400:  „das  politische 
Leben  von  Köln  stimme  mit  dem  in  anderen  tentschen  Städten  nicht 
überein.^  Es  ist  diess  zu  bezweifeln.  Irrig  ist  aber,  wenn  man 
wie  viele  thun,  in  den  Städten  eine  Urdemokratie  yoraussezt  Es 
waren  in  den  bischöflichen  Städten  am  Rheine  so  zu  sagen  zwei 
Staaten  vereinigt.  Der  eine  ist  die  Fortsetzung  und  vererbte  Nach- 
ahmung der  römischen  Stadt,  d.  h.  des  ailmälig  germanisirten  rö* 
mischen  Municipiums«  In  Köln  hiess  die  Regierungsbehörde  dieses 
traditionell  oligarchischen  Staates  Richerzecheit.  Der  Name  ist  herzu- 
leiten von  Zecca  die  Münzstätte  und  weil  diese  Oligarchie  aus  den  Rei* 
eben  bestand  und  diese  das  Münzen  von  der  römischen  Zeit  her  besorgten. 
Der  andere  Staat  daneben  waren  die  eingewanderten  Hörigen  ans  der 
Umgegend,  also  besonders  aus  den  adeligen  Territorien,  es  waren  die 
Unterthanen  des  Bischofs.  Der  Beweis  dafür  wird  leicht  gefObrt 
Das  erstere  ist  bekannt,  das  ieztere  lässt  sich  an  den  6ewerb«i 
und  dem  Entstehen  der  Zünfte  nachweisen.  Im  10 — 12.  Jahrhun- 
dert sind  in  den  Urkunden  selbst  in  der  Nähe  von  solchen  Städten 
Gewerbe  als  Lehenslasten  erwähnt,  welche  dann  vom  12.  Jahrhundert 
an  hauptsächlich  innerhalb  der  Städte  vorkommen.  Auf  dem  Lande 
aber  werden  sie  selten.  Es  hängt  diess  mit  der  Zunnahme  der  Be- 
völkerung zusammen.  Im  9.  10.  und  IL  Jahrhundert  war  diese 
gering,  denn  sehr  häufig  wird  angegeben,  dass  nicht  die  volle  Zahl 
der  Colonen  auf  den  Erblehen  war,  wie  sie  nach  der  Grösse  des 
Gutes  gewünscht  wurde.  Vom  12.  Jahrhundert  an  hört  diess  auf 
und  im  13.  war  die  Bevölkerung  in  Teutschland  sehr  gestiegen. 
So  kamen  also  zwei  verschiedene  Gemeinden  am  Ende  des  12.  und 
Anfang  des  13.  Jahrhunderts  in  die  Städte.  Die  Nachkommen  des 
alten  Munidpiams  standen  unter  dem  Kaiser,  die  Eingewanderten 
waren  ohne  politischen  Rechte  in  der  Stadt,  aber  die  Ansprüche 
über  sie  gab  ihr  früherer  Landesherr  nicht  auf.  Als  der  Kaiser  die 
Gerichtsbarkeit  über  die  ganze  Stadt  dem  Domstifte  übergab,  war 
das  historische  Recht  der  Patrizier  beschränkt  und  eine  Gleichstel- 
lung beider  Gemeinden  angebahnt.  Diese  verschiedenen  Gemeinden 
in  einer  Stadt  im  11.  theilweise  noch  12.  Jahrhundert  hat  für 
Botzen  Mathias  Koch  in  seinen  Beiträgen  zur  Gesch.  v.  Botzen 
s.ehr  schön  auseinander  gesezt.  Ich  mache  auf  dieser  treffliche  Ab- 
handlung und  auf  Ran:  die  Regiments  Verfassung  von  Speier ,  eine 
ganz  vorzügliche  Forschung,  hier  aufmerksam. 

(ScUuiB  folgt.) 


fr.  22.  HEIDELBERGER  IH7. 

JAHRBOGHBR  OBR  LITERATUR. 

Janssen^s  historische  Schriften  über  Münster  und  Köln. 


(SeUnss.) 

Die  übliche  Form  der  Verwaltung   behielt  man  iwar  bei   der 
gewaltsamen  EinigoDg  in  Köln   bei,   nur  stand  jest  an  der  SpiUe 
defselbeo   ein   Burggraf    aud    ein    Scholtheiss.     Der   Znstand   bis 
xor  Mitte  des   13.  Jahrhunderts   war   ganz   aristokratisch   in   den 
Städten«      Von    einem    Misbrauch    der    Wahlen    (Wahlcolleginm) 
kann  also   keine  Rede  sein,  sondern   die  aristokratische  Regierung 
Biit  Auflschlnss  der  freien  Wahl,  woran  auch  die  Gemeinde  Antheil 
genommen  hätte,  war  das  Ursprüngliche.     Die  s.  g.  populäres  oder 
Ifitgiieder  der  Handwerksinnungen  hatten  bis  dahin  gar  keine  poli- 
tische  Stellung   in  der  Stadt    Die  Stellen,   welche  Arnold  L  d. 
&  406 — 407  anführt,  beweisen  gerade,  dass  der  vnlgus  in  der  Stadt 
mr  als  Zenge  nnd  Beweis  der   Oeffentlichkeit  im  12.  Jahrhundert 
Ins  1236  genannt  wird.    Wann  den  Innungen  Antheil  an  der  städ- 
tischen Verwaltungen  zum  ersten  Male  eingeräumt  wurde,  ist  nur 
darch  Schlnssfolgerungen  ans  einxelnen  Thatsachen  zu  entnehmen. 
Janssen   hat  das   Verdienst  S.  215  nachgewiesen  su  haben,  dass 
m  Kein  von  1262   an   eine  Vertretung  der  Innungen  beim  Rathe, 
als  Obrigkeit  neben  dem  Schöffencolleginm  stattfand.    Aus  Hagen's 
Aeossening  nämlich,  dass  die  Patrizier  d.  h.  die  Richerzecheit  1262 
den  Vorstehern  der  Innungsbmderschaften  erklärten:  ^^sie  seien  jezt 
mit  ihnen  gleiche  Herren^,  darf  man  allerdings  jenen  Schluss  idehen. 
Es  seien  erstens  die  Vorsteher  der  Innungen  keine  Patrizier  als  Pa- 
traoi  mehr  gewesen,  sondern  die  Zunftmeister  seien  aus  der  Innung 
lelbst  gewählt  worden.    Zweitens,  dass  diesen  aus  den  Innungen 
kerT<Hrgegangenen    Vorstehern   in  irgend   einer  Weise  Antheil  am 
Badie  eingeräumt  war.    Das  erstere  war  bekanntlich  eine  der  For« 
dsrangen,  welche  Conrad  von  Hochstaden  schon  früher  an  die  Schöf* 
f»  und  die  Bürgermeister  richtete,  s.  Arnold  S.  426.    Durchgesezt 
»d  aber  diese  Wahl  aus  den  Innungen  selbst  wahrscheinlidh  erst 
1859.     Die  Zünfte  waren  also  auch  autonom  geworden  als  Conrad 
v«n  Hochstaden  die  24  neue  Schöffen  aus  den  ihm  ergebenen  Pa- 
Irisiem  -und  den  Innungen  d.  h.  den  populäres  einsezte.    Auch  bei 
der  Wahl  der  Schöffen  sollten  die  Innungsbruderschaften  Tertreten 
däiL    Arnold,  der  bei  diesem  revolutionären  Eingreifen  des  Erzbi- 
in  die  natnrgemäss  entwickelte  Verfassung  von  Köln   dem 
listen  Hagen  beistimmt,  hat  die  Parteilichkeit  desselben  hierin 
wenig  im  Auge  gehabt    Leute  unfreier  Herkunft  konnten  diese 
L.  Jakif.  5.  Heft,  82 


a38  Jinffen'f  hutpfifflM  ScbfiAen  Hbff  WHifler  and  Köln. 

neu  eroannten  Schöffen  wol  sein,  aber  der  Bischof  hatte  sie  in  den- 
se8)«i|  Stand  efhobeo,  in  dem  die  Patriaier  waren.  Die  Trennung 
der  zwei  Gemeinden  innerhalb  der  Stadt  ward  durch  jenen  Eingriff 
aufgehoben.  Wie  gewaltsam  auch  diese  Verfassungsreform  geschll* 
dert  wird,  so  viel  bleibt  gewiss,  eine  innere  Begründung  d.  h.  Noth- 
wendigkeit  fehlte  ihr  nicht.  Das  aeigt  sich  an  den  Einrichtungen, 
welche  auch  nach  der  aristokratischen  Reaction  von  1262  bestehen 
blieben.  Diess  genau  zu  ermitteln  ist  schwer.  Der  alte  verwickelte 
Zustand  ward  nicht  vollständig  wieder  hergestellt,  als  1262 
der  Friede  von  1258  zwischen  Bischof  und  Stadt  erneuert  worden 
war.  Aber  gewiss  wurden  ZusXtze  zu  Gunsten  der  Gemeinde  ge- 
maottt  Dean  es  wäre  wirklich  unbegreiflich  wie  die  Innangen  in 
Köln  gegcDüber  den  Geschlechtern  sich  bis  136S  ruhig  verkieken, 
wärend  in  Speier  1830,  in  Strassburg  1332  und  1368  in  Zürich, 
}n  Kütnberg^  1349,  in  Oenstanz  136^  diese  Bewegungen  der  Zünfte 
gegen  die  Patrizier  sohon  heftig  und  Jilegreich  auftraten.  Spurlos 
siikt  also,  wie  Arnold  1.  d.  S.  439  meint,  die  Eingriffe  Conrads  von 
HoehstadoB  n}cht  vorüber  gegangen,  sondern  es  kamen  mit  den  Zs« 
Sätzen  und  nähere  Bestimmungen  von  1263,  1264,  1265  znm  Frie- 
den und  zur  Yeilassupg  von  1262  auch  Goncessionen  füf  die  In- 
nungen hhnz«.  Als  Resultat  muss  man  annehmen,  dase  nicht  allein 
des  Batii  als  Obrigkeit  anerkannt  ward,  sondern  auch,  wie  Janssen 
gam  richtig  angibt  S.  216,  die  Gewerbe  Vertretung  und  Antbeil 
am  Bathe  bekamen.  Zunächet  nur  die  bedeutendste  Innung  die  der 
Weber^  Dass  aber  die  Innungen  ihre  Vorsteher  aus  ihrer  Bütte  von 
jezt  an  wählten  und  diese  sie  vor  Geriebt  vertraten,  seheint  nach 
Allem  eine  ausgemachte  Thatsaehe  zu  sein.  Sehr  anziehend  Ist  die 
detaUrte  Erzählung  den  weiteren  Verlaufes  der  Köteer  Gesehickts 
nach  Hagea  bie  1271«  Sodann  geht  Janssen  auf  die  Reimehronik 
den  JohtfiB  van  Heelu  eder  Jan  ven  Leeuwe  über.  Die  Schladit 
bei  Woringeii  uod  die  Ergänaungen  dazu  nach  Ottekar's  Reimcbro- 
Dik  bUdes  hier  den  Mittelpunkt  In  dem  dritten  Absokoltt  sind  £s 
Webeiunnihen  d.  b.  die  Revehiüen  der  Wollweberzunfl  1369— 19T2 
Mieli  der  gereimten  Erzählung  darüber  dargestellt.  Die  Ursachen 
dieser  Revolution  sind  fireilleli  nicht  bekannt  Dass  sie  so  pl»tsliel 
kam  waä  wuurum  sie  gerade  von  der  genannte»  Znnft  aosging,  iit| 
noch  nieht  klar.  Es  ist  nämKeb  die  Quelle  dafihr  —  die  gereimte 
Enäbiimg  der  Webersehlaoht  ^  nur  ein  Bruchstück  von  4M  Ve^ 
aea  -^  welche  der  Frankfurter  Handschrift  von  G.  Hegend  ChronÜ 
angehängt  ist  In  der  Ausgabe  ven  Groete  S.  214.  Der  Scbiofl 
lehit  etfenbfMS  denn  es  bricht  mitten  i»  der  Sehüderaog  der  Seklacb 
ah.   Der  Anfang  ist  aber,  wie  es  scheint  erhalten,  denn  es  beginnti 

WoMe  mirs  Gol  gehengen 

dal  ich  aoishto  volbrenfoD, 

90  wokle  JAh  baginaon 

van  saiclieD,  die  en  bjonen 

Coelne  der  gueder  stede 

gesclieit  liat. 


JuMien'f  hiüorU eh«  SeWftMi  über  Mntter  und  Köln.  3M 

BiiVen  11  achekil  der  Anbog  der  gansen  C9iroftik  so  gehts,  d«rt 
jit  dann  der  Ahiatz  für  die  WeberschUcht  Aehnlicbe  Vene  wie 
11  kdiren  in  Y.  98.  221.  311.  3d5  wieder.  Ee  ieft  abo  nur  der 
Anbog  der  ganzen  Reimehronik  und  die  Episode  der  Weberschlacht 
eriialteo.  Kaeh  allem  scheint  zwar  der  Inhalt  des  epwoiieo  Gedieh- 
tss,  die  Unruhen  der  Weber  zu  schildern,  der  Zweds  des  Dichters 
gewesen  za  sein.  Doch  ist  dann  unerklärlich,  weashalb  der  Dichter 
die  Ursachen  jener  Rerointion  nicht  gibt  Diese  sind  tot  Y.  11 
«Dsgelnllen.  Dort  nehme  ich  eine  Lücke  an.  Als  ehi  zweites  Bmeh- 
itfick  derselben  Chronik  ▼ennatbet  Janssen  mit  Recht  die  40  Yerse^ 
welche  in  der  Chronica  ron  Köln,  gedruckt  1499,  enthalten  sind, 
Groote  S.  230.  In  dem  folgenden  Paragraphen  ist  die  Reimehro- 
nik des  Christian  Wierstraat  über  die  Belagerung  von  Neuss  durch 
Karl  den  Kähnen  1474  besprochen.  Sie  ist  für  die  Geschichte  Ton 
Köln  nicht  unerheblich.  Am  Schlosse  werden  die  Reime  rom  Kölner 
Aufstand  Ton  1513  noch  angegeben.  Der  Uebergang  von  einer  ge* 
rehnten  Erzfthlong  einer  Begebenheit  zum  «histerlschen  Yolksliede 
üegt  nahe.  So  würde  man  also  auch  hier  eine  Zusammenstellung 
ead  kritiscfae  Behaodlung  der  historischen  YolksUeder  aas  Köln  er- 
warten. Doch  dieser  Zweig  der  niederteutschen  Literatur  scheint 
oocfa  wenig  cnltivirt  zu  sein.  Janssen  gibt  kt  der  Anmerkung  aUi  daes 
ihm  nur  ein  Köhiisches  Yolkslied,  und  zwar  ein  ganz  neues  bekannt 
ssi.  Dabei  wird  Soltau's  Sammlung  abgeführt  Da  indessen 
ausser  der  Sammlung  ron  Wackemagel  fttr  die  GescfaSehte  des  teuf» 
sdien  Yolksiiedes  gegenwärtig  riel  gearbeitet  wird ,  so  darf  man 
hoffen,  es  werde  auch  dabei  für  die  Yeraeit  Ton  Köln  sich  ein  er^ 
hebüches  Resultat  noch  ergeben^  Eine  Frage  wird  hier  dann  erörtert 
werden  müssen,  nämlich,  welche  Anspieinngen  auf  daa  Erzstiit  und 
die  Stadt  Köln  sich  in  den  Torschiedenen  Bearbeitungen  des  Reiaeeke 
Fuchs  finden?  Diese  Usst  sich  zunächst  mit  den  Yottsiiedern  in 
Zusammenhang  bringen.  Die  Nachschrift  dieses  Ansatzes  enthält 
das  von  Pertz  1855  bekannt  gemachte  Fragment  einer  geleimten 
lateinischen  Kölner  Chronik  des  13.  Jahrhunderts.  Wie  alle  diese 
Chroniken  und  ihre  Rmch8tüdi:e  zusammenhängen  ist  schwer  dasza-» 
Üion,  da  noch  keine  rollkommene  Ueberaicht  möglich  ist  Dass  man 
kl  der  Yolkssprache  cKe  lateinischen,  in  leoninnchen  Verse»  gesdufe- 
benen,  epischen  Dichtungen  in  den  Reimehfoiuken  zam  Yerbttde 
nahm  und  nadiahmte,  ist  sehr  wahfschehilicb  und  lässt  sich  hi  ¥i»* 
Itn  Fällen  nadiweisen. 

Es  wäre  zu  wünschen,  dass  man  Ten  jedem  Lande  eine  so 
Mtikt  fiberschaniiche  Zusammenstellung  der  Oesehichtsquellen  hätte, 
wie  sie  Janssen  für  Köln  so  Terdienstyoll  geliefert  hat 

Fr«  Hoae« 


340  Scbtttt:    Balder'f  Tod. 

BaldeTB  Tod»  Episches  Gedicht  in  drei  Gesängen  von  Dr.  Ä.  Schüti 
(Verfasser  der  Psyche).  Karlsruhe.  In  Commission  der  G. 
Braun'sehen  HoßuchhancUung.     1857.     90  8.  8. 

Die  skandinavische  Mythologie,  aus  welcher  der  durch  mehrere 
aasgezeichnete  Dichtungen  rühmlich  bekannte  Herr  Verfasser,  Dr. 
Schutt,  Oberamtmann  in  Bruchsal,  den  Stoff  zn  vorstehendem 
Epos  genommen  hat,  geht  zwar  zunächst,  wie  der  griechisch-römi- 
sche Mythos,  von  Natur-  und  Menschenvergötterung  aus,  da  der 
Naturmensch,  was  er  in  sich  selbst  und  in  der  Natur  findet,  in  die 
Vorstellung  seiner  Götter  überträgt ;  allein,  so  verschieden  der  skan- 
dinavisch-germanische Charakter  von  dem  des  griechisch-römischeo 
im  innern  und  äussern  Leben  ist,  so  verschieden  sind  auch  die 
mythologischen  Vorstellungen  dieser  beiden  Völkerstämme.  Der  skao- 
dinavische  Mythos  stellt  gleich  dem  Zendavesta  der  Parsen  die  ganse 
Geschichte  der  Natur  als  ein  grosses  Drama  dar,  in  welchem  sich 
die  bösen  und  guten  Kräfte  bekämpfen.  Der  edelste  der  göttlidieo 
Heroen  unterliegt,  und  gelangt  mit  dem  Untergange  des  jetztgea 
Weltganzen,  der  Menschen  und  Götter  in  einer  neuen,  unvergäng^ 
liehen  Welt  zu  göttlicher,  unsterblicher  Verklärung.  So  ist  dio 
ganze  mythologisdbe  Weltvorstellung  der  Skandinavier  eine  in  sich 
abgeschlossene,  die  von  Anfang  bis  zu  Ende  ein  untrennbares  Ganzss 
in  allen  ihren  Theilen  bildet.  Es  wirken  in  diesem  Drama  gleich  der 
Anschauung  des  Zendavesta  nicht  nur  die  erhaltenden  und  zerstören- 
den Kräfte  der  Natur,  sondern  die  sittlich  guten  und  sittlich  ver- 
worfenen Elemente,  welche  sich  bekämpfen,  und  nach  der  Niederlage 
des  Endlichen,  selbst  des  Gottmenschlichen  (im  Untergange  der 
Äsen)  zum  Siege  des  Ewigen  und  wahrhaft  Göttlichen  führen.  Ueber 
der  Zweiheit  der  einander  in  Natur,  Menschen  und  Menschengöttem 
bekämpfenden  guten  oder  erhaltenden  und  bösen  oder  zerstörenden 
Kräfte  steht  die  Einheit  des  Alfadur  gleich  Zervane  Akerene 
(der  in  Ewigkeit  verschlungenen  Urzeit)  des  Zendavesta.  Denn 
Ormuzd  der  Lichtgott  und  Ahriman,  der  Finsternissgott,  weiche 
diese  Zweiheit  nach  der  Parsenvorstellung  darstellen,  bekämpfen  sich 
nicht  ewig.  Ihr  Kampf  geht  mit  dem  Weltdrama  zu  Ende,  ond 
Alles  geht  zu  Zervane  Akerene  zurück.  Nur  ist  Alfador 
bezeichnender,  das  Göttliche  vom  Irdischen  unterscheidend  und 
merkwürdige  Uebereinstimmungspunkte  mit  dem  Ghristenthume  bie- 
tend. Die  sittlich  -  religiöse  Tendenz  ist  im  skandinavisch-germa- 
nischen Mythos  mit  der  Vergöttlichung  der  Natur-  und  Menschen* 
kraft  verbunden.  Auch  astronomische  Beziehung  hat  diese  Mytho- 
logie gleich  der  ägyptischen,  und  sehr  viel  Nationeiles  ist  aas 
den  Sitten  und  Gebräuchen  und  aus  der  Geschichte  der  nordischen 
Völker  in  das  Leben  und  die  Geschichte  ihrer  Äsen  überge- 
gangen. So  ist  auch  hier  wieder  in  der  religiösen  Vorstellung,  wie 
in  den  religiösen  Anschauungsweisen  anderer  Völker,  das  Jenseits 
eine  mit  den  durch  die  Phantasie  verschönerten  oder  verunstalteteq 


Schau :    BaMer't  Tod.  341 

Gei^MiiUbideii  des  Diesseits  erfttllte  Welt.  Der  SinD  für  Ehrenbaf- 
t^keit,  Tapferkeit y  yaterländische  Genossenschaft,  Ebrlicblceit  nnd 
Treue,  die  Verachtung  yerritherischer  nnd  feiger  C^innnng,  die  dem 
Yaterlande  und  der  Kraft  des  Tapfem  geweihte  Dichtkonst,  die  Jung- 
liloJichkeit  nnd  keusche,  trene  Liebe  sind  ans  dem  Hersen  der  skan- 
iBsnsch-germanischen  Völker  in  die  Vorstellungen  Ton  dem  Aufent- 
Ute  ihrer  Äsen  nnd  alles  dessen  übergegangen,  was  sie  mit  dem 
Namen  des  Jenseits  bezeichnen.  Darum  ist  ihnen  auch  die  Vor- 
itellang  tod  Walhalla,  den  Walkyren,  den  Einberiar 
durchaus  eigentbümlich.  Die  Sage  von  Bai  der  (Bai  du  r),  welche 
itei  Stoff  des  vorstehenden  Gedichtes  bildet,  ist  ein  integrirender, 
Iveientlicher  Theil  der  ganzen  skandinaTischen  Weltanschauung. 

Die  Welt  als  Universum  ist  nach  ihr  ein  Inbegriff  von  mehreren 
I  Wetten,  welche  scheibenförmig  über  einander  liegen,  und  durch  Luft-, 
lAether-,  Feuer-,  Dunst-  und  Nebelschichten  von  einander  getrennt 
[mmL    In  der  Mitte  des  Universums  ist  unser  Planet,  die  Erdscheibe, 
|vom  Ocean  umgeben  und   von  Flüssen   durchschnitten.     Im   Innern 
\in  Erdscheibe  sind  die  Zwerge  oder  Schwarzelfen,   MetallkünsÜer, 
tenie  Vorstellung,  welche  von  der  Magie  des  Mittelalters  bekanntlieh 
|iebr  sosgebildet  worden  Ist    Noch  andere  Naturgeister  wohnen  auf 
Ito  Erde,  wie  die  Elfen,  Trollen,  Geister  der  Elemente  des  Erdkör- 
Fvi  u.  s.  w.   gleich  den  Schwarzelfen,    Berg-  oder  Erdgeistern. 
Geistig  um  den  Menschen  schwebende  Götter,  uns  an  die  Ferner 
fa  Zendavesta  erinnernd,  sind  die  Schutzgeister,  Todesgenien,  Ge- 
hirtsgöttinnen,  u.  s.  w.     Jenseits  des   unsere  Erdscheibe  umgeben- 
den Oceans  ist  das  Land  der  Joten  oder  Riesen,  vom  Gotte  Aegir 
MJer  Hier   beherrscht.     Er   zeugte  mit  seiner  Gattin,  Rana,  die 
W«ilenmädchen,  die  den  Schiflfbrüchtgen  zu  Hülfe  kommen.     Ueber 
da  Erde  und  zwar  über  den  über  ihr  gelagerten  Wolken  ist  God- 
beim  (die  Götterweit).  Auch  dieser  Welt  scheinen,  wie  der  unseren, 
die  8onne  und  der  Mond.     Bifröst   oder  der  Regenbogen  ist  die 
Brücke,  welche  diese  Welt  mit  der  Erde  verbindet    In  dieser  Göt- 
terwelt  ist   Asgard,   die  Götterstadt.     Hier  hausen  die  Äsen  in 
I^tlXsten   von   Gold   und   Silber.     Die  Äsen  sind   männlichen   und 
Teibliehen  Gkschlechtes,  zeugen  Kinder,  führen  Kriege,  haben  Tu- 
genden nnd  Fehler  der  Menschen,  nur  im  vergrösserten  Msassstabe 
der  Heroenkraft.    Prächtige  Haine   umgeben  Asgard,   und  gleich 
den  slten  deutschen  Völkern  halten  die  Äsen   ihre  Volksversamm- 
kag,    Ueber  der  Götterwelt  nnd   den   Sternen  ist  die  Aetherwelt, 
Oimle,  der  zukünftige  Ort   der  Seligen.    Ganz  oben  über  allen 
Veiten  schwebend  nnd  nnr  durch  den  weltblauen  Himmel  der  Licht- 
elfen von  Gimle  geschieden  ist  Muspelheim,  der  Flammen- 
ffimmel,  die  Behausung  Surturs,  des  Unbegreiflichen,  Alfadurs, 
des  einsigen,  ewigen,  Alles  überdauerndem  und  zu  neuem,  verklär- 
^)  besserm  Dasein  führenden  Urgottes.     Der  Ocean ,  welcher  die 
Scheibe  nmfliesst,  ist  vom  Lande  der  Joten  oder  Riesen  umge- 
^  und  an  den  änssersten  Gränzen  desselben  beginnt  Hei  he  im, 


942  SohttU:    Bdder's  Tod. 

dfeg  fintiere  Qebiet  der  Todesgöttin  Heia.  In  Hela's  gdianriger 
Halle  sind  alle  Verstorbenen,  die  nicht  im  Kriege  fielen,  Tersammelt, 
während  die  im  Kriege  Umgekommenen  sich  in  der  gSttlfchen  Wal- 
halla Yersammehi.  Da,  wo  es  nach  Hei  heim  geht,  herrscht 
Niflheim  oder  die  Nebel  weit.  Wenn  die  Äsen  im  Kampf  gegen 
die  Bewohner  der  Nebelwelt  und  die  Riesen  fallen  and  Alles  durch 
den  Weltbrand  zu  Grunde  geht,  wird  Alfadur  Alles  für  den  neuen 
Oötterhimmel  yerklären,  oder  für  den  ewig  dauernden  Himmel  der 
ßeligen  (Gimle),  während  die  Verdammten  für  immer  Hei  heim 
sagewiesen  werden. 

Wenn  auch  die  Äsen  über  den  Menschen  stehen,  so  kämpfen, 
glauben,  hoflfen  und  fürchten  sie,  wie  Menschen  und,  wenn  sie  anch 
das  Leben  der  Menschen  überdauern ,  so  müssen  sie  zuletzt  doch, 
wie  Mensehen,  zu  Grunde  gehen,  und,  wie  Menschmi,  im  Sjunpfe 
mit  den  zerstörenden  Mächten  der  Natur  fallen,  nm  zu  einem  neaen, 
▼erklärten  Leben  zu  erwachen,  das  alle  Zerstörung  und  Zeitlichkeit 
überdauert  Sie  sind  also  Halbgötter,  Gottmenschen,  Heroen.  Dsher 
kommt  es  auch,  dass  die  Lehre  von  Christus  in  der  Form  des 
Arianismus  bei  den  germanischen  Völkern  mehr  Anklang  fand,  ab 
die  Vorstellung  dieses  Dogmas  nach  der  Anschauung  der  orientaliseb- 
neoplatonischen  Metaphysik. 

Es  ist  im  Asenuntergange  die  Endlichkeit  und  Vergänglichkeit 
alles,  auch  des  Schönsten  und  Herrlichsten,  was  der  Wirklichkeit 
der  Welt,  angehört,  veranschaulicht.  Den  Naclistellungen  der  ser- 
störenden,  bösen  Mächte  entgeht  selbst  die  Asenwelt  nicht,  und  doch 
unterliegt  das  Gute  nicht  für  immer.  Das  Ewige,  vollkommen  Gött- 
liche überdauert  alle  Zeit,  und  führt  das  wahrhaft  Gute  im  Menschen 
und  in  den  über  dem  Menschen  stehenden  Äsen,  den  Gottmenschen, 
mr  läuternden,  beseligenden  Verklärung.  Diese  Lehre  ist  in  dem 
schönsten  Mythos  von  Balder's  Tode  veranschaulicht. 

Das  Haupt  der  Äsen  ist  Odin.  Er  herrscht  über  alle  anden 
Äsen,  wie  ein  Vater  über  die  Kinder,  alle  ihre  Kräfte  und  Eigen- 
schaften erkennend.  Ihm  dienen  Himmel  und  Erde,  und  Alles,  was 
der  Mensch  besitzt,  kommt  von  ihm,  Sieg  im  Kampfe,  Madit  des 
Besitzthums  und  Geistes,  Tapferkeit  und  Kunst  Die  Krieger  wen- 
den sich  zu  ihm,  und  begehren  seine  Hülfe  in  der  Schlacht.  Dieses 
Oötterkönigs  Eigenthum  ist  der  in  der  Schlacht  Gefallene.  In  sei- 
nem Paleste,  welcher  der  schönste  in  Asgard  ist,  versammelt  er  die 
Äsen  und  die  Seelen  der  im  Kampfe  gefallenen  Krieger,  die  tsn- 
send  Einheriar  um  sich.  Er  ist,  natursymbolisch  aufgefasst,  der 
Luft*  und  Himmelsgott.  Seine  einzige  Gemahlin  ist  Frigga,  als 
Symbol  der  JSrde  auch  Jörd  (d.  i.  Hertha). 

Ein  Sohn  Odins  und  Friggas  ist  Haider  (Baldur,  Baidor 
hhi  Oode,  Baldur,  der  Gute,  Ha-Bolder,  auf  angelsächsischen  Stein- 
tafehi  Baltur).  Er  ist  unter  den  Äsen,  was  Apollo  unter  den 
griechischen  Göttern  war.  Seme  Sehönheit  war  so  gross,  dass  Gisos 
von  ihm  ausstrahlte ,  die  symbolische  DivsteUung  der  Sonne.    & 


Sdiöti:    Uder^i  T«^  m$ 


iit  dM  BUd  der  Güte  und  mtonliehen  Sohäohett,  der 
hmlB  unter  dea  Äsen.  lo  Island  heiMt  ein  trefflieher  Haan  etat 
ManiHBelldr.  Daher  atellen  die  Meetit  aerstörenden  MIchte  ihtt 
imafter  naob.  Mit  ieioem  Tode  beglnot  der  Untergaiilr  der  Aaen«- 
welL  Wie  der  klare,  atrahiende  Himtnel  der  Soanei  gUfaiai  Bai«- 
dar'a  Bnrf,  Breidablik.  Hier  wohnt  er  mit  aeitier  geUebMl, 
treaen  Gattin,  Nanna.  Sein  Sohn  htiaat  Forsete  (Forseti),  nnd 
ist  ein  Gott  der  GerechUgkeit  Allein  selbst  im  Aseasitae,  der  er- 
haben über  den  Dingen  der  Erde  thront,  geht  das  Schöne  und  Heif- 
liehe,  das  der  jetaigen  Welt  angehört,  an  Grabe.  Damm  ist  aoeh 
sein  Tod  der  Haaptwendepankt  im  Untergange  der  Aaenwelt,  der 
Ton  Mensehen  jetzt  verehrten,  göttlichen  Heroenwelt  Die  Aaenwelt 
Ist  so  ein  Spiegelbild  der  eigenen  Mensohengeschiehte. 

Nach  der  jüngeren  Edda  (Mythos  49),  nach  Karl  Simroek's 
Ueberaetanng  der  Edda  (S.  880  £f.)  wird  Bai  der 's  Tod,  der  StoflT 
an  nnaerem  Gedichte,  also  erzählt: 

Baidur,  der  Gute,  träumte  schwere  Träume,  die  seineai  Le- 
ben Gefahr  drohten.  Als  er  dieses  den  Äsen  eraählte,  hielten  sie 
eine  RathsFersammlong,  und  beschlossen,  ihn  yor  allen  Gefahren  an 
schfltxen.  Frigga,  Odins  Gemahlin,  nahm  Eide  von  Feuer  «od 
Waaaer,  Eisen  und  allen  Eraen,  Steinen  und  Erden,  yOn  Bäumedi 
Krankheiten  und  Giften,  dazu  von  allen  vierfflssigen  Thieren,  Yögehi 
und  Würmern,  dass  sie  Baldurs  schonen  wollten«  Als  das  ge> 
scheben  und  allen  bekannt  war,  knrzweilten  sich  die  Äsen  mü 
Baidnru,  dass  er  sich  mitten  in  den  Kreis  stellte,  und  einige  naoh 
Ihm  achossen,  andere  nach  ihm  hieben,  und  noch  andere  mit  Stei- 
nen warfen.  Und,  was  sie  auch  thaten,  es  schadete  ihm  nicht;  däi 
denebte  sie  alle  ein  grosser  YorthelL  Aber,  als  Loki,  Lanfeyas 
Sohn,  das  sah,  da  gefiel  es  ihm  Übel,  dass  den  Baldnr  nichta 
Tcrleuen  sollte.  Loki  (Loke,  Legi,  Loge,  Lohe)  dentet  nach  dem 
Namensnrsprnnge  die  Feuergottheit  an.  Da  man  efai  aüterirdischeSi 
▼nlkanisehes  und  ein  himmlisches  Feuer  unterschied,  spaltete  die 
Mythologie  den  Loke  in  zwei  Wesen.  Der  Loke,  welcher  die  Per«* 
Bonifikation  des  unterirdischen  Feuers  wurde,  hatte  seinen  Sita  In 
der  nordischen  Unterwelt,  Utgard,  und  war  Utgard-Loke;  der 
andere,  die  Personifikation  des  himmlischen  Feuers,  kam  anter  die 
Äsen,  und  war,  was  Satan  unter  den  Kindern  GottCi.  Er  war 
eiae  Art  Bindeglied  zwischen  HImmd  und  Hölle.  Zuerst  tritt  er 
als  Freund,  dann  als  Yerderber  der  Götter  auf.  Wenn  Joten 
(Biesen),  die  zerstörenden  Natnrkräfte,  und  Äsen  (die  erhaltenden 
und  segnenden)  unter  einander  kämpfen,  ist  er  das  Werkzeug  der 
Nomen  oder  Schicksalsgöttinnen,  dtti  Untergang  des  Asenthonk« 
herbeiznführen.  0 

Da  ging  er  (Loki)  —  so  fährt  die  Erzählung  der  jungem 
Edda  fort  —  zu  Frigga  nach  Fensal  (Friggas  himmlischem 
Paläsie)  m  Gestalt  eines  alten  Weibes.  Da  fragte  Frigga  die 
Fraa^  ob  sie  wfisste»  was  die  Äsen  in  ihrer  Teraammlong  vomäh- 


344  Sehtttk:    Balder's  Tod. 

men.  Die  Frau  antwortete,  sie  schöBsen  alle  nach  Baldar;  ihm 
aber  schadete  nichts.  Da  sprach  Frigga:  Weder  Waffen,  noch 
Bftnme  mögen  Baldar  schaden;  ich  habe  Ton  Allen  Eide  ge- 
nommen. Da  fragte  das  Weib:  Haben  alle  Dinge  Eide  geschwo- 
ren, Baldars  zu  schonen?  Frigga  antwortete:  Oestlich  von 
Walhall  (Walhalla)  wächst  eine  Stande,  Mistiltein  (Mistel) 
genannt;  die  schien  mir  eu  jnng,  sie  In  Eid  zu  nehmen.  Darauf 
ging  die  Fraa  fort;  Loki  nahm  den  Mistiltein,  riss  ihn  aus, 
und  ging  cur  Versammlung  (der  Äsen,  die  im  Kreise  um  Bal- 
dur  standen,  und  mit  ihm  durch  Hauen,  Schiessen  und  Werfen 
nach  seinem  unverwundbaren  Körper  kurzweilten).  Hödur  (Odins 
und  Frigga*s  Sohn,  Baldur's  Bruder,  stark,  aber  blind  und 
darum  Sinnbild  der  Finsterniss  und  verstandesloser,  blinder  Gewalt) 
stand  EU  äusserst  im  Kreise  der  Männer;  denn  er  war  blind.  Da 
sprach  Loki  zu  ihm:  Warum  schiessest  du  nicht  nach  Baldar? 
Er  antwortete:  Weil  ich  nicht  sehe,  wo  Baidur  steht;  zum  An* 
dem  habe  ich  auch  keine  Waffen.  Da  sprach  Loki:  Thu*  doch, 
wie  andere  Männer,  und  biete  Baldurn  Ehre,  wie  Alle  thun.  Ich 
will  dich  dahin  weisen,  wo  er  steht:  so  schiesse  nach  ihm  mit  die- 
sem Reisl  Hödur  nahm  den  Mistelzweig,  und  schoss  nach  Bai- 
dur nach  Loki*s  Anweisung.  Der  Schuss  flog,  und  durchbohrte 
ihn^  dass  er  todt  zur  Erde  fiel,  und  das  war  das  grösste  Unglfick, 
das  Menschen  und  Götter  betraf.  Als  Baidur  gefallen  war,  stan- 
den die  Äsen  alle,  wie  sprachlos  ....  Als  sie  .die  Sprache  wieder 
erlangten,  da  war  das  Erste,  dass  sie  so  heftig  zu  weinen  anfingen, 
dass  keiner  mit  Worten  dem  Andern  seinen  Harm  sagen  mochte. 
Und  Odin  nahm  sich  den  Schaden  um  so  mehr  zu  Herzen,  als 
Niemand  so  gut  wusste,  als  er,  zu  wie  grossem  Verlust  und  Verfall 
den  Äsen  B  a  1  d  u  r '  s  Ende  gereichte.  Als  nun  die  Äsen  sich  erholt 
hatten,  da  sprach  Frigga,  und  fragte,  wer  unter  den  Äsen  ihre 
Gunst  und  Huld  gewinnen  und  den  Hei  weg  (den  Weg  nach  Hei- 
heim, wo  Heia,  Utgard-Loke's  Tochter,  die  Göttin  der  Fin- 
sterniss und  des  Todes  wohnt)  reiten  wolle,  um  zu  yersuchen,  oh 
er  da  Baldurn  fände,  und  der  Hei  (Heia)  Lösegeld  zu  bieten, 
dass  sie  Baldurn  heimfahren  Hessen  gen'  Asgard  (der  Haupt- 
stodt  von  Godheim,  dem  Götterlande  der  Äsen).  Und  er  (der 
sich  zum  Heiritte  anbot)  hiess  Hermodur  (Hermod,  der  Götter- 
bote, Odin 's  Sohn,  Hüter  von  Walhalla).  Dieser  schnelle  Sohn 
Odin 's  unternahm  diese  Fahrt.  Da  ward  Sleipnir  (achtfUssigefl 
Pferd  des  Asenhauptes)  Od  in 's  Hengst  genommen  und  vorgeführt, 
Hermodur  bestieg   ihn,   und  stob   davon.    Da  nahmen   die  Äsen 

Baldur's  Leiche  und  brachten  sie  zur  See  Da  ward  Bai- 

d||r's  Leiche  hinaus  auf  das  Schiff  getragen,  und, 'als  sein  Weib» 
Nep's  Tochter,  Nanna  das  sah,  da  zersprang  sie  vor  Jammer  nnd 
starb.  Da  ward  sie  auf  den  Scheiterhaufen  gebracht  und  Feoer 
darunter  gezündet  ....  Und  diesem  Leichenbrande  wohnten  vielerlei 
Gäste  bei.  Zuerst  ist  Odin  zu  nennen  und  mit  ihm  Frigga  u.b.w< 


ScbQU:    Btlder's  Tod.  345 

.«.  Baldor'fl  Hengst  ward  mit  allem  Geechirr  cum  Scheiterhaufen 
geffihrt.  Von  Hermodur  aber  ist  £u  sagen,  dass  er  neun  Nächte 
tiefe  dankle  ThSIer  durchritt,  so  dass  er  nichts  sah,  bis  er  snm 
GifillfliUBe  kam,  und  über  die  GiOllbrUcke  ritt,  die  mit  glänsendem 
Golde  belegt  ist.  Modgndur  heisst  die  Jungfrau,  welche  die  Gi51l- 
hrncke  bewacht;  diese  fragte  ihn  nach  Namen  und  Geschlecht,  und 
sagte,  gestern  seien  fünf  Haufen  todter  Männer  über  die  Brücke  ge- 
ritten, „und  nicht  donnert  sie  jetzt  nieder  unter  dir  allein,  und  nicht 
hast  da  die  Farbe  todter  Männer:  warum  r<Mtest  du  den  Helweg*^? 
Er  antwortete:  Ich  soll  eu  Hei  (Heia)  reiten,  Baidur  eu  suchen. 
Hast  du  vielleicht  Bai  dum  auf  dem  Heiweg  gesehen?  Da  sagte 
rie,  Baidur  sei  über  die  Giöllbrücke  geritten;  „aber  nördlich  geht 
der  Weg  herab  sn  Hei.'  Da  ritt  Hermodur  dahin,  bis  er  an  das 
Helgitter  kam,  sprang  vom  Pferde,  und  gürtete  es  fester,  stieg 
wieder  auf,  und  gab  ihm  die  Sporen:  nun  setzte  der  Hengst  so 
mächtig:  über  das  Gitter,  dass  er  es  nirgends  berührte.  Jetzt  ritt 
Hermodur  auf  die  Halle  (Todtenhalle  der  Hei,  deren  Palast 
Elend  heisst,  deren  Tisch  der  Hunger,  deren  Messer  das  Aufzehren, 
deren  Knecht  das  Spätkommen,  deren  Zofe  Langsam,  deren  Schwelle 
der  eiofallende  Sturz  und  deren  Bett  Kümmemiss  und  langwierige 
Seuche  ist,  und  die  ein  aus  den  Farben  des  Lebens  und  der 
Verwesung  zusammengesetztes  Gesicht  hat),  stieg  vom  Pferde,  und 
trat  in  die  Halle.  Da  sah  er  seinen  Bruder  Baldnr  auf  dem 
Ehrenplatze  sitzen.  Hermodur  blieb  dort  die  Nacht  Ober.  Aber 
am  Morgen  yerlangte  Hermodur  von  Hei,  dass  Baidur  mit 
ihm  heim  reiten  sollte,  und  sagte,  welche  Trauer  um  ihn  bei  den 
Äsen  sei.  Aber  Hei  sagte,  das  solle  sich  nun  erproben,  ob  Bai- 
dur so  allgemein  geliebt  werde,  als  man  sage.  ,)Und,  wenn  alle 
Dhige  In  der  Welt,  lebendige  sowohl,  als  todte,  ihn  beweinen,  so 
soll  er  zurück  zu  den  Äsen  fahren;  aber  bei  Hei  bleiben,  wenn 
Eins  widerspricht,  und  nicht  weinen  will.^  Hernach  stand  Hermodur 
auf,  und  Baidur  geleitete  ihn  aus  der  Halle,  und  er  und  Nanna, 
seine  Gattin,  sandten  den  Äsen  Ringe  und  Ueberwurf  zum  Auge* 
denken.  Da  ritt  Hermodur  seines  Weges  zurück,  und  kam  nach 
Asgard,  und  sagte  alle  Zeitungen,  die  er  gehört  und  gesehen  hatte. 
Damach  sandten  die  Äsen  Boten  in  alle  Welt,  und  geboten, 
Baidorn  aus  Hei 's  Gewalt  zu  weinen.  Alle  thaten  das,  Men- 
schen und  Thiere,  Erde,  Steine,  Bäume  und  alle  Erze,  wie  du 
schon  gesehen  haben  wirst,  dass  diese  Dinge  weinen,  wenn  sie  aus 
dem  Frost  in  die  Wärme  kommen.  Als  die  Gesandten  heimfuhren, 
und  ihr  Gewerbe  wohl  vollbraoht  hatten,  fanden  sie  in  einer  Höhle 
ein  Rieeenweib  sitzen,  das  Thöck  genannt  war.  Die  baten  sie 
auch,  den  Bai  du  r  aus  Hel's  Gewalt  zu  weinen.  Sie  antwortete : 
»Thöck  muss  weinen  mit  trockenen  Augen  über  Baldurs  Ende. 
Nidit  Im  Leben,  noch  im  Tod  hatt'  ich  Nutzen  tou  Ihm.  Behalte 
Hei,  was  sie  hat!"^  Man  meint,  dass  dies  Loki,  Laufeya's 
Sohoi  gewesen  sei,  der  den  Äsen  so  viel  Leid  zugefügt  hatte. 


346  Schtttt:    Balder'f  Tod. 

Damit  sehliesat  die  ErtShlung  im  49.  Mythos  der  jUngcni  Edda. 
Aber  Bai  dar,  der  VortrefflichBte  der  Äsen,  darf  nicht  für  iminer 
ontergeheD;  er  muae  neo  ond  verklärt  mit  seiner  g;eilebteii  Nanaa 
erstehen.  Dies  ersählt  die  jüfigere  Edda,  nachdem  sie  den  Stars 
aller  Dinge  und  selbst  der  göttlichen  Äsen  dargestellt  hat,  im  52.  My« 
thos  also:  ,,Was  geschieht  hernach,  wenn  Himmel  and  Erde  tsf* 
brannt  sind  und  alle  Welt  nnd  die  Oötter  alle  todt  sind  und  alle 
Einheriar  (Seelen  der  in  Walhalla  versammelten,  im  Kampfe 
gefallenen  Elrieger)  und  alles  Mensehenvolk  ?  ....  Leben  denn  daan 
noch  Götter,  and  gibt  es  noch  eine  Erde  nnd  einen  Himmel?  ... 
Die  Erde  taucht  aus  der  See  auf  (neue  Erde),  grün  und  schön,  und 
Korn  wächst  darauf  ungesäet  Widar  (der  surke,  schweigsame 
Gott  mit  dem  mächtigen,  AUes  zermalmenden  Eisenschuh,  Symbol 
der  Wettersäule,  Typbon  der  Aegypter  nnd  Griechen)  nnd  Wall 
(Frühlingsgott,  Sinnbild  des  wachsenden  Tageslichts,  Sohn  Od  in 's 
und  der  Frigga  als  Rinda  des  Himmels  und  der  kalten,  winter- 
lichen Erde)  leben  noch;  weder  die  See,  noch  Surturs  (des  Un- 
begreiflichen, des  im  Flammenhimmel  über  allen  Welten  thronenden 
Alfadur)  Lohe  hatte  ihnen  geschadet  Sie  wohnen  auf  dem  Idt- 
feld  (neuer  Himmel),  wo  zuvor  Asgard  (die  alte  Grötterborg)  ge- 
standen« Auch  Thors  (des  Donnergottes)  Söhne,  Modi  (Math) 
nnd  Magni  (Macht)  stellen  sich  ein,  und  bringen  den  Miöllnir 
(Thor 's  Hammer  mit  kurzem  Stiele  zum  Schleudern,  Symbol  des 
Blitzes)  mit.  Darnach  kommen  Baidur  und  Hödur  ans  dem 
Reiche  Hels,  da  sitzen  sie  alle  beisammen,  und  besprechen  sieh, 
und  gedenken  ihrer  Heimlichkeiten,  und  sprechen  von  Zeitungen, 
die  vordem  sich  ereignet  ....  Auch  die  im  Anfange  der  Zeiten  ve^ 
loren  gegangenen  Goldtafeln  der  Äsen  finden  die  neuen  Götter  wie* 
der  ...  Während  Surturs  Lohe  aber  verbargen  sich  zwei  Mensches, 
Lif  (Mann)  und  Lifthrasir  (Weib),  und  nährten  sich  vom  Mor- 
genthau.  Von  diesen  beiden  stammt  ein  so  grosses  Geschlecht 
neuer  Menschen,  dass  es  die  ganze  Welt  bewohnen  wird.  So  fiihrt 
der  Weltbrand  zu  einer  nenen  Erde  und  neuem  Himmel,  aa  neuen 
Menschen  nnd  neuen  Göttern.  Lok  es  Nachstellungen  hören  daan 
für  immer  aof.^ 

Das  hellige  Mährchen  von  Bai  der 's  Tode,  wie  es  in  den  an- 
geführten Stellen  der  jungem  Edda  im  einfachen  nnd  naiven  Tone 
ersählt  und  auch  von  Saxo  Grammaticus  mitgethellt  wird,  ge- 
hört zu  den  schönsten  Theilen  der  skandinavischen  Mythologie. 

.Dieser  Mythos  hat  zuerst  eine  natursymbolische  BedMtnag« 
Baidur  ist  die  glänaende  nnd  erwärmende  SommerBonne,  die  Zeit 
der  Sonnenwerde,  von  welcher  an  es  abwärts  geht.  Wenn  die  Sonne 
für  ans  die  Kraft  ihres  Lichtes  und  Ihrer  Wärme  verliert,  stirbt 
Baidur  für  uns,  bis  er  im  neuen  Sonnenglanse  im  Frtthlinge  einer 
neuen  Erde  und  eines  neuen  Himmels  ersteht  Doch  andi  eitie 
universellere,  philosophische  Bedeutung  liegt  im  Baidermythos,  det 
Sage  vom  Tode  des  schönsten  und  besten  Aaen.   £s  isi  in  ihm  dis 


r 


SdUkU:    Balder'f  toi.  847 

Vergiagliehkeii  alles,  auch  des  Schönsten  nnd  Trefflichsteni  welches 
die  Zeiüichkeit  hat,  ausgesprochen.  Bai  der  ist  der  Reprisentant 
eioer  Unseholdswelty  eines  goldenen  Zeitalters,  das  ftir  uns  verloren 
gsgaDfen  ist,  und  ssit  einer  LSutemng  alier  Dinge  in  einer  neoea 
Erde  und  In  mnem  neuen  Himmel  wiederkehrt  Zugleich  wird  Im 
Kampfe  des  den  Äsen  und  ihm  nachstellenden  und  seinen  Tod  her- 
l>eif uhrenden  Loke  die  Macht  der  zerstörenden  Kräfte  im  Reiche 
der  Zeitlichkeit,  selbst  im  Gebiete  ihrer  schönsten  und  trefflichsten 
Erscheinungen,  anschaulieh  gemacht,  aber  endlich  über  der  Zeitlioh*- 
keit  im  Reiche  des  Ewigen  dem  Terderbenden  und  zerstörenden  Ein- 
flüsse des  Bösen  für  immer  eine  Gränze  gesetzt  Keiner,  auch  Bai- 
der  nicht  ausgenommen,  ist  in  der  Welt  der  Wirklichkeit  vor  der 
yemichtenden  Waffe  des  Bösen  sicher.  Keiner,  Bald  er  nicht  aus- 
genommen, nimmt  die  Thränen  Ailer  bei  seinem  Ende  mit  sich.  Das 
Böse  rerfolgt  in  der  Erinnerung  auch  den  Edelsten  noch  nach  dem 
Tode.  Nur  inSurturs,  des  Unbegreiflichen,  Reiche,  im  Reiche 
des  Ewigen,  Göttlichen  ist  weder  physische,  noch  moralische  Zer- 
störung, weil  hier  keine  VergSnglichkeit  ist  Bai  der 's  Tod  bietet 
darum  der  Po6sie  gewiss  interessante  Momente. 

Die  Dänen,  welchen  der  skandinavische  Diohterstoff  näher 
liegt,  haben  sich  zuerst  dichterisch  In  dem  Gebiete  des  Baldurmy- 
thos  Tersncht. 

Der  Däne  Ewald  schrieb  ein  heroisches  Trauerspiel  in  drei 
Aufzügen:  Balder's  Tod,  der  berühmte  Oehlenschläger 
ein  mythologisches  Trauerspiel:  Balder,  der  Gute.  Der  letzte 
wollte  In  diesem  Trauerspiele  den  ewigen  Sieg  des  bösen  Princips 
über  alles  Gute  veranschaulichen.  Eine  Idee,  die  gewiss  mit  Recht 
«b  ein  Missgriff  bezeichnet  worden  Ist,  weil  eine  solche  weder  einer 
philosophischen  Weltanschauung,  noch  dem  skandinavischen  Mythos 
leibst,  welcher  zuletzt  mit  Balder's  neuer  Verklärung  endigt,  ent* 
spricht  Oehlenschläger's  Stück  ist  in  Adam  Oehlenschlä- 
ger's  nordiske  DIgte,  Koppenhagen,  1807,  enthalten.  Nicht  nur 
die  falsch  aufgegriffene  Idee  des  BsJdermythos,  sondern  ▼ielleicht 
noch  mehr  die  Umwandlung  des  Stoffes  in  ein  Drama  schadete  dem 
Effecte  der  dichterischen  Bearbeitung  der  beiden  Dänen.  Das  Mähr- 
chen  von  Balder  bietet  keinen  dramatischen,  sondern  einen 
epischen  Stoff.  Die  Erzählung  vom  Tode  eines  göttlichen  Hel- 
den, des  trefflichsten  der  Äsen,  ist  in  allen  ihren  Theilen  so  rein 
episch,  dass  sie  zum  Dramatischen  sich  gewiss  wenig  eignet,  zumal, 
da  hier  alle  handelnden  und  sprechenden  Personen  Götter  des  Götter- 
himmels  oder  der  Unterwelt  sind.  Die  Asengeschichte  Ist  hier  Spie- 
Sslbild  der  Menschengesehichte ,  und  wird  zum  Epos,  welches  das 
Herrlichste  nad  Schönste  der  Asenwelt  In  Leben,  Tod  und  Wieder- 
verherrlichnng  feiert  Episch  ist  unseres  Wissens  dieser  Stoff  noch 
nie  beiiandelt  worden,  so  wie  auch  unser  durch  sein  treffliches  Ge- 
dicht ,pPsyehe<'  fai  der  literarischen  Welt  auf  das  Yortheilhaf teste 


350  Schtttt:    Mder's  Toi, 

Trauer  ifl  in  Afftrd'i  Hainen, 
Die  der  holde  Lenz  belaubt, 
Bäume  aelbat  uBd  Felsen  weinen, 
Blumen  neigen  weick  ikr  Hanpt. 
Frigga  ruht  mit  ban^pen  Sorgen« 
Bebend  apricht  sie  und  verwirrt, 
Bitter  weinend,  bis  am  Morgen 
Freyr  seine  Rosse  schirrt. 

Der  zweite   Gesang  von  S.  23 — 48  hat  70  Strophen. 

Alles  in  der  ganzen  Natur  soll  den  Eid  schweren,  Bai  der 
nicht  zu  Terletzen.  Frigga  reist  zu  den  Lichtelfen,  Schwarzelfen 
und  Riesen  zu  diesem  Zwecke.  In  der  Edda  wird  blos  erzShlt, 
das«  Frigga  von  Feuer  und  Wasser,  Eisen  und  allen  Erzen,  Stei- 
nen und  Erden,  von  Bäumen,  Krankheiten  und  Giften,  dazu  von 
allen  vierfüssigen  Thieren,  Vögeln  und  Würmern  einen  Eid,  Balder 
zu  schonen,  verlangt  habe.  Der  Hr.  Verf.  lässt  die  Göttin  zu  die- 
sem Zwecke  die  Reise  zn  den  Licht-  und  Schwarzelfen  und  ins 
Land  der  Joten  machen.  Diese  Reise  ist  von  demselben  im  zwei- 
ten Gesänge  des  Epos  bis  zu  Loke's  Auftreten  als  eigene  dich- 
terische Erfindung  zweckmässig  eingeschoben. 

Frigga  besucht  zuerst  die  Lichtelfen. 

„Und  sie  httpfeo,  tarnen,  springen, 
Haienglocken  auf  dem  Haupt, 
Summend  gleich  den  Schmetterlingen, 
Wenn  der  Wald  sich  frisch  belaubt. 
Lustig  schwingen  ihre  Hüte 
ElfenmSnnchen,  nett  und  schlank, 
Trinken  aus  der  Sommerbhlkthe 
Honigkelch  den  süssen  Trank**  (S.  28). 

Die  Elfen  sind   zu  jeder  Hülfe  für  Balder  bereit 
Auf  dem  Meere  fahrt  Frigga  zum  Lande  der  Schwar^elfen 
oder  Berggeister.  Das  Treiben  der  Berggeister  wiid  S.  34  beschrieben. 

Und  es  praiselt,  kocht  und  siedet 
In  des  Berges  gltth'ndei»  Bauch 
Wird  das  Eisen  heiss  geschmiedet. 
Aus  den  Schluchten  dringt  der  Rauch; 
Mitten  ans  dem  Feuerheerde 
Fliegen  Steine  weit  ins  Heer, 
Dass  ea  aufscbäiuut,  und  die  Erde 
Bebt  und  sittert  rings  umber. 

Die  vor  der  Höhle,  welche  zum  Lande  der  Schwarzelfen  führt, 
liegenden  Drachen  besänftiget  die  Göttin  durob  ihren  Zauberstak 
Sie  betritt  den  Saal  des  unterirdiachen  Bdierrschers  der  Berggeister 
S.  35. 

Wie  der  Hoigenthan  im  Tbale 
Zittert  an  der  Blathen  Rand, 
Schimmern  in  dem  weiten  Saale 
Stalaktitea  an  der  Wand; 


Schutt:    BaMer'i  T<mI.  95f 

Nil  doB  winderbanlMi  Dinfe« 
'  Gllul  in  nie  feieb'ncr  Pracht 
Jeder  Raun,  und  Zwerge  bringen 
Gold  und  Silber  «ui  dem  Scbacht. 

Der  AlfenfiirBt  schwört,  Bai  der  la  schonen,  und  Frigga 
sebilft  nim  Lande  der  Joten  oder  Riesen.  Sie  löst  die  Rttthsel, 
welche  der  Rlesenftirst  ihr  au  lösen  gibt  (S.  43),  und  dieser  schwört 
ihr,  ihren  Wonach  an  erfüllen  (8.  46).  Alle  Wesen  schworen  den 
m  (&  47).  Nor  die  zarte  Mistiltein  (der  kleine  Mistelaweig) 
«arde  von  Frigga  hei  der  Beeidigong  alier  Natnrwesen  übersehen 
(8.  48> 

Als  snietst  im  Abendfcbeine 
Frigga  eine  Mittel  sah. 
Welche  sich  in  Wingolfs  Haine 
Um  den  Stamm  der  Eiche  wand, 
Lless  die  Gottin  sich  bethören ; 
Denn  die  aarte  Mistiltein 
Schien  ihr,  um  den  Eid  su  schworen, 
Viel  au  schmichtig  und  su  klein. 

fön  Jotenweib  trat  Ihr  bei  diesem  ooseligen  Uebersehen  ent- 
gegen. 

JLocke  war  es,  der  Verstockte, 
Der  in  weiblichem  Gewand' 
Das  Geheimniss  ihr  entlockte, 
Wo  die  Mistel  sich  befand. 

Damit  ist  durch  die  awei  erateo  Gesänge  der  Knoten  ge* 
Bchurat,  der  sich  im  dritten  Gesänge  durch  Balder's  Tod  und 
aeioe  spätere  Gottverherrlichong  löste.  Der  dritte  Gesang  (S.  49 
bis  80)  vollendet  das  Ganze  mit  88  Strophen. 

Die  Äsen  frohlocken  auf  Frigga's  Nachricht  Alle  Gefahr 
f9r  Beider  scheint  vorüber.  Hermode,  der  GStterbote,  eilt  nach 
Breidabliky  ond  theilt  die  frohe  Botschaft  dem  kranken  Helden 
mit.  Wieder  genesen  verlSast  er  das  Schmersenslager,  an  welches 
ihn  die  unseligen  Träume  von  seinem  baldigea  Tode  fesselten.  N  a  n  n  a, 
die  liebende  Gattin,  begkitet  ihn  nach  V7  alba  IIa,  dem  Versamm* 
loDgsorte  der  Götter.  Odin,  der  Vater ^  ihdet  den  geliebten,  ge- 
nesenen Sohn  wieder.  Alles  ist  in  der  Versammlung  von  Freude 
Um  der  Elteva  Glück  ergriffen.  Auf  der  Wiese  grüneia  Plane  übt 
man  sich  zur  Feier  von  Bald  er 's  Wiedergenesung  in  muntecn 
EaiQflspielen,  Bai  der  stellt  sich  in  den  Kreis  der  Äsen,  inver* 
Wfindbar,  weil  AUes  in  der  Natur  auf  Frigga' s  Verlaogen  ihm 
Freiheit  von  Beschädigung  schwur.  Ohne  Helm  und  Schild  fangt 
er  die  Geschosse  der  die  Mordwafien  nach  ihm  schlendecnden  Göfttec 

Nichts  vermag  ihn  sa  verwanden 
Im  Bereiche  der  Natur; 
Alle  Weaen  sind  gebunden, 
Welche  leisteten  den  jSchwnr  (S.  55). 


352  Sch&lk:    Balder's  Tod. 

Aber  der  aaf  Rache  sinnende  Loke,  in  der  Versammlang  der 
Götter  weilend,  eilt  hinaus  in  den  Hain,  wo  er  die'  gestern  noch  so 
schwache,  jetzt  schnell  erstarkte  Mistiitein  fällt.     Er  sieht  den  blin- 
den, aberstarken  Hödur,  Odin's  Sohn,  Balder's  Bruder,  ein- 
sam stehen,  und  ermuntert  ihn,  den  geliebten,  unverwundbaren  Bru- 
der im  unschuldigen  Waffenspiele  zu   necken.    Loke   weist  Bäl- 
de r   das  Ziel,  und  drückt  ihm  die  Mistiitein  in  die  Hand.    Der  von 
ihm  nach  Balder's  Herzen   geschleuderte   Mistelzweig   tödtet  den 
edelsten  der  Äsen  (S.  57).    Der  trauernde  Odin,   auf  dem  Rich- 
terstuhle sitzend  und  die  Götter   um  sich   versammelnd,   erkennt  in 
Loke  den  tükischen  Verderber,  und  verbannt  ihn  aus   dem  Asen- 
reiche.    Balder's  Leiche  ist  im  Trauersaale  aufgestellt.    Ueberali  her 
kommen  Götter,  Dämonen  und  Riesen,   Balder's  Leichenmafal  zu 
verherrlichen.     Nanna  tödtet   der  Schmerz   über  den   Verlust  des 
geliebten  Gatten.    Balder's  und  Naunas  Leichen  werden  in  fest- 
lichem Zuge  von  den  Göltern  zum  Meere   gebracht,   und   auf  dem 
Ringhorn.   Balder's  goldenem  Schiffe,  verbrannt  (S.  68).  Frigga, 
Odin 's  Gattin,  sie,  die  durch  ihre  Unvorsichtigkeit  Balder's,  des 
geliebten  Kindes,  Tod  herbeiführte,  ruft  den  Heldengöttern  zu,  ob 
keiner  unter  ihnen  zur  Befreiung   des  geliebten,   todten  Sohnes  den 
Weg  zum  kalten,  starren  Schattenreiche  der  Heia  zu  betreten  den 
Muth  habe.     Alle  ihre  Schätze  bietet  sie  dem  Kühnen.     Da  erhebt 
sich  Her  mode  (Hermod)  zum  verwegenen  Ritte  auf  dem  Heiwege. 
Nach  sieben   Tagen   gelangt  er  auf  Odin 's   Rosse,    Sleipner, 
zum    Gjallstrome,    einem    der  zwei   und    dreissig  Höllenflusse, 
welcher  die  Gränze  zwischen  der  Ober-  und  Unterwelt  bildet.    Ueber 
ihn  führt  die  goldene  Gjallerbrücke.    Modgudur,  die  Höllenjung- 
frau, welche  an  der  Brücke  Wache  hält,  weist  ihm  den  Weg  nach 
Hela's  Reich.     Sie  ruft  ihm  S.  73  zu: 

Gestern  ritt  der  schOne  Ase 
Langsam,  traurig,  ernst  und  bleich 
Auf  der  breiten  Todtenstrasse 
In  der  Schrecken  grauses  Reich. 
Wenn  Entsetzen  nicht  und  Grauen 
Dich,  o  Fremdling,  dort  erfasst, 
Magst  du  Balder's  Antlitz  schauen 
Von  des  Todes  Hauch  erblasst. 

Er  setzt  mit  seinem  Pferde  über  die  Thore  Ton  Hei  wed,  dem 
Aufenthalte  der  Heia,  der  Königin  der  Schatten.  Hermode  fin- 
det Haider  und  Nanna  starr,  unbeweglich,  ohne  Leben  im  Reiche 
der  Todten.  Es  war  durchaus  passend,  in  einer  vom  Mythos  ab- 
weichenden Gestalt  Bai  der  und  Nanna  im  Schattenreiche  starr, 
unbeweglich,  ohne  Leben  vorzustellen.  An  ihrer  Stelle  unterhandelt 
Hermode  mit  Heia,  der  Herrscherin  des  Schattenreiches. 

(Schiuu  fdgQ 


fr.  23.  HEIDELBERGER  1857. 

jahrbOcher  der  litbratdr. 

Schutt:     Balder's  Tod. 

(Schtatt.) 

Bai  der  yerUtet  in  der  DichtoDg  den  ihm  ingewlesenen  Ehren- 
citi  in  der  Unterwelt,  so  lange  er  ihr  angehören  soll,  nicht,  wfthrend 
Dach  der  jungem  Edda  bei  Simrok  S.  282.  Balder  den  Her- 
rn o  d  a  r  aus  der  Todtenhalie  geleitet,  und  Odin  den  Ring  D  r  a  u  p  n  i  r 
loni  Andenken  sendet,  und  Nanna  der  Frigga  einen  Ueberwurf 
und  noch  andere  Gaben,  so  wie  der  Fulla,  einen  Ring  schickt 
Dies  passt  wohl  mehr  für  ein  kindlich  naives  Mfthrchen,  als  für  ein 
Epos,  und  ist  daher  Ton  dem  Hrn.  Verf.  mit  Recht  dadurch  be- 
aeitigt  worden,  dass  er  Bai  der  und  Nanna  im  Schattenreiche 
j  dem  lebenden  Hermod  gegenüber  bleich,  kalt  und  starr  darstellt 
i  £l>en  so  war  es  dem  Ernste  des  epischen  Charakters  gemSsser,  dass 
Dach  dem  Hrn.  Verf.  Odin's  Ring,  Draupnir  (Draupner),  so  ge- 
nannt, weil  in  jeder  neunten  Nacht  acht  gleich  grosse  Goldringe 
TOD  ihm  träufelten,  nicht  von  Balder  Hermode  im  Todienreiche  über- 
geben, sondern,  dass  er  S.  69  von  Odin  bei  der  Todtenfeier  der 
geliebten  Kinder  auf  den  Holastoss  des  brennenden  Schiffes  gelegt, 
«D  Morgen  nach  der  Nacht  des  Leichenbrandes,  auf  des  Meeres  Grund 
geborgen,  schimmernd,  hell  und  unversehrt  liegt 

Nur  Eines  soll  nach  Hela's  Ausspruche  Balder  dem  Leben 
nrück  geben,  wenn  alle  Wesen  ohne  Ausnahme  seinen  Tod  be- 
weinen. Ueberall  hin  eilen  Götterboten,  die  Stimmung  aller  Wesen 
der  Natur  über  den  verlorenen  Geliebten  au  erforschen.  Glückver- 
hdssend  scheint  diese  Stimmung  au  sein. 

Seinen  frühen  Tod  beweinen 
Alle  Wenen  der  Natur.  ' 
Still  ist*8  in  den  Wildem,  Hainen, 
In  den  Triften,  auf  der  Flur. 
Bäume  neifpen  ihre  Wipfel; 
Welpen  Bai  der 's  hartem  Loos 
FlieMen  von  der  Berge  Gipfel 
Thrlnen  in  des  Heeres  Schooss 

Ein  Jotenweib,  Töck,  unter  deren  riesiger  Gestalt  sich  der 
b5se  Loke  verbirgt,  klagt  um  den  Todten  nicht 

„FQr  den  schönen  Balder  trauert 
TOck,  die  gute  Alte,  nicht** 

Es  war  gewiss   zweckmässig,   dass   der  Hr.  Verf.   das   schöne 
Gedicht  nicht  mit  Balder* s  Vernichtung  schloss.    In  Strophe  85 
L  Mhrff.  5.  Beft  S8 


354  Scbtttt:    BaMw'f  Tod. 

bifl  88  wird  der  auf  Bai  der 's  Tod  erfolgte  Untergang  der  Äsen 
und  seine,  Nannas  und  der  Äsen  Verklärung  Im  neuen  ewigen 
Götterleben  geschildert. 

Bai  der  sitzt  schweigend  und  im  Frieden  mit  dem  bleichen, 
ernsten  Antlitze  im  Schattenreiche: 

Bis  dereinst  die  HidgardsschlaDge 
Erde,  Luft  and  Meer  nmschlingt, 
Bis  der  Ruf  vom  Untergänge 
Asgard's  zu  den  Todten  dringt; 
Dann  schmOckt  frisches  GrOn  die  Hatten, 
Und  inm  Leben  selinell  erwacht 
Steigt  mit  ihrem  achdnen  tiattea 
Nanna  aus  der  Grabesnacht. 

Bald  er  vereint  sich  mit  Hödur,  dem  geliebten  Bruder,  der 
ohne  bösen  Willen  durch  Lok  es  Tücke  ihn  tödtete.  Nanna,  die 
geliebte  Oattin,  ist  an  seiner  Seite. 

Wie  die  Ros'  in  jenen  Thale, 
Wo  des  Lichtes  Quelle  fliesst, 
Aufgeküsst  vom  Sonnenstrahle, 
Duftend  ihren  Kelch  erschliesst, 
Blüht,  befreit  von  ihrer  Hülle, 
Mit  dem  iltherfeinen  Leib 
Jetat  in  frischer  LebensfttUe 
Nanna,  Balder's  edles  Weib. 

Mit  der  Schilderung  des  Lebens  und  Wirkens  der  wieder  er- 
standenen Äsen  in  Strophe  88  schliesst  das  Gedicht. 

Dem  Gedichte  sind  Anmerkungen  zur  Erklärung  der  mytho- 
logischen Gegenstände  in  den  drei  Gesängen  S.  83 — 90  beigefügt. 
Gewiss  sind  dieselben  zum  Verständnisse  des  Ganzen  ftir  solche, 
welche  die  skandinavische  Mythologie  nicht  kennen,  sehr  branchbar; 
nur  dürften  sie  gerade  für  solche  Leser  etwas  weniger  spärlich  sein, 
da  sie  sich  gewöhnlich  nur  auf  wenige  Worte  beschränken,  und 
manche,  mehr  bekannte  Gegenstände  aus  diesem  Gebiete  nicht  er- 
klärt sind.  Ein  acht  deutscher  Stoff  aus  der  Religion  unserer  nordger- 
manischen Vorfahren  ist  in  dieser  Dichtung  dem  Inhalte  und  der 
Form  nach  in  würdigster  Weise  behandelt,  in  einer  Dichtung,  weiche 
nach  altskandinavischer  Weltanschauung  eine  religiös-sittliche  Wahr- 
heit, einen  philosophischen  Gedanken  von  der  Vergänglichkeit  auch 
des  Schönsten  und  Trefflichsten  unter  den  Formen  der  Endlichkeit, 
vom  Fortbestande  alles  Lebens  im  Reiche  der  ewigen,  unendlichen 
Verklärung  der  Götter,  von  der  Macht  des  Bösen  und  dem  endlichen 
Siege  des  Guten  über  dasselbe  im  Farbenreichthume  schöner  Bilder 
und  in  durchdachtem,  logischem  Zusammenhange  entwickelt. 

T«  Relelillii  Hilden« 


Amiiiaira  de  ta  foc^  areMolof iqiie  de  ConiUmtlne.  8Si 

JMmaire  de  Ja  SoeiiU  areJi^ologique  de  ia  prcvifue  de  OamUmUne. 
Ann4e  1858,  Constantine,  F,  Ouende^  libraüre  Place  du  Fc^ 
lais.  Paris,  A.  Ldeux,  librairej  Rue  de$  Poiievim,  ü.  MDCCCLUl. 
8.  142  pp.  und  XVJJJ  lUhograph.  Tafeln, 

DasB  man  von  dem  franzötischen  Mntterlande  her  den  Restea 
dee  Alterthoms  in  Algerlen  die  verdiente  Animerkeamkeit  sehenkti 
itm  beweisen  die  beiden  gröeeern  litererisoben  Untemebmimgen,  die 
ExpioreMon  sdenäftgue  de  FAlgerie  and  Leon  Reniers  £ueHp^ 
Hans  romamee  de  FAlgSrie.  In  der  oben  angegebenen  Dnicksehrilt 
Hegt  nnn  aber  aoch  eine  Sammlung  von  Arbeiten  über  denselben 
G^Senataiid  ans  Algerien  selbst  vor.  Es  hat  sieh  nflmlieb  an  Coo- 
itantine  eine  arcbSologische  Gesellschaft  gebildet,  deren  Statuten  das 
vorliegende  Annuaire  eröffnen.  Ilir  Zweck  ist:  die  historischen  nnd 
arehSologischen  Denkmftler  der  Provioa  Constantlne  so  sammein,  sa 
erhalten  nnd  au  beschreiben.  Die  aus  ungeClhr  30  Mitgliedern  he* 
stehende  Liste  dieses  ersten  Jahres  ihrer  Gründung  entliAlt  Milit&r- 
penonen,  namentlich  aus  dem  Geniecorpe,  Geistliche,  Angestellte  des 
Civils,  Äerate,  meistens  zu  ConstanUne  selbst,  aber  auch  an  andern 
Orten  der  Provinz  wohnhaft  Es  ist  unverkennbar,  von  welclien 
Vortheil  solche  Localvereine  zur  Auffindung,  Eihaitnng  und  Erfor* 
BchoDg^  der  Denkmfiler  sind.  Die  Bemühong  der  Autoritfiten  und 
einzehier  reisender  sachverständiger  Gelehrten  reichen  bei  allem  EHer 
zu  dem  angegebenen  Zwecke  nicht  aus.  Diese  Bemühung  konnte 
Biebt  verhindern,  dass  eine  Menge  Inschriften  aus  Ol^chglitigkeit 
und  Unwissenheit  zerstört  worden,  oder  von  ihrem  Fandorte  ent* 
iMt  nch  in  Privatsammlungen  verloren  (Annuaire  p.  20).  Diesem 
Miwtande  wird  durch  ehien  Verein,  wie  der  zu  Constantlne  gebildete 
ist,  entgegengewirkt  Nidit  minder  werden  dadurch  manche  Notizen 
über  den  frühem  Znstand  der  Localitäten  und  Denkmäler,  welche  jetzt 
verindert  oder  verloren  gegangen  sind,  erhalten.  Ein  Beispiel  dar* 
von  geben  die  von  dem  Genie-Commandanten  Foy  raltgetheiiten  No* 
tiaen  über  die  römische  Strasse  von  Rasicade  (Philippville)  nadi 
Oita  (Constantlne),  welche  er  aus  den  Jahren  1888,  1889  nach 
schien  Erinnerungen  mittheilt,  aas  einer  Zeit,  als  dort  noch  mandbe 
Reste  nnd  Spuren  sichtbar  waren,  welclie  inzwischen  durch  Cultnr- 
und  Befestigungaarbeiten  verschwunden  sind.  Als  Präsident  der  Ge« 
seUsohaft  ist  Herr  C reu  11 7  unterzeichnet,  Oberst  (jetzt  General) 
des  Qenieoorps  und  als  Secretär:  Hr.  Cherbonneau,  Professor 
der  aralrisdien  Sprache  und  Literatur  zu  Constantlne.  Von  diesen 
beiden  rfihrt  auch  grössteatfaeils  der  Inhalt  des  vorliegenden  Heftes 
her.  Der  Eingang  des  ersten  Aufsatzes:  Coup^cToeil  sur  le$  anU* 
qmUt  de  la  Ptovince  de  Ckm/Biantine  (p.  13 — 20),  welcher  zugleich 
als  Vorwort  des  ganzen  Heftes  gelten  kann,  äussert  sich  in  folgen* 
der  liescheidnen  und  angemessnen  Weiie:  La  crtetion  d'une  sociAtf 
scieatlique  dans  un  pays  k  peine  ouvert  aus  conqu^tes  de  la  elvi* 
lisation  est  une  entreprise  qui  peut  sembler  tdmtfraire.    Aussi  n'est 


3M  ADBU«irQ  de  la  00c.  arehöologiqve  de  CoDStantÜMi 

ce  poiDt  nne  acadtoie  qae  hodb  avons  prAeoda  fonder.  Mous  im 
sominesi  la  plupart,  ni  des  drodits,  ni  m^me  sealement  des  geos  de 
loisir,  deuz  espbces  ä  peu  pr^s  ioconnues  sor  cette  terra  d'Afirique, 
0%  chacon  est  par  ^tat  toot  entier  aax  afifaires,  soft  publiques  soit 
priytfes.  Mais  dans  le  cercle  restreint,  que  nous  sommes  trac^  et 
qol  est  defini  par  ces  mots:  recaeiUir,  conserTer,  decrire  la  bonne 
▼olontj  ponrra  sappltfer  au  defaut  de  savoir.  Le  manque  de  teins 
sera  compensj  par  les  fadlitä  que  procure  a  plosiears  d'entre  qous 
Texercice  des  fonctions  publiques.^  Man  würde  sich  jedoch  irreo, 
wenn  man  in  diesen  Blättern  nur  einfache  Zusammenstellungen  iiod 
Beschreibungen  erwartete ;  bei  allem  Mangel  an  Müsse  und  an  literari- 
schen Hilfsmitteln  haben  hier  Kenntniss  des  Gegenstandes,  Liebe 
sor  Sache,  unmittelbare  Anschauung  und  Beobachtungsgabe  sich 
vereinigt,  um  sehr  schätzbare,  interessante  Beiträge  zur  Kenntmas 
der  Alterthümer  jener  Gegend  und  der  Alterthumskunde  überhaupt 
zu  liefern,  wie  aus  dem  folgenden  Bericht  über  das  vorliegende 
Werk  hervorgehen  wird. 

Der  erste  Aufsatz  mit  der  oben  angegebenen  Ueberschrrift  wirft 
efaien  allgemeinen  geschichtlichen  und  archäologischen  Blick  auf  die 
heutige  Provinz  Gonstantine,  welche  aus  dem  alten  Numidien  und 
einem  Theil  von  Mauretanien  besteht.  Hier  finden  sich  die  zahl- 
reichsten und  bedeutendsten  Denkmäler  aus  der  römischen  Zeit; 
ausserdem  aber  Denkmäler  phönizischen  und  eines  einheimischen 
libyschen  Ursprunges.  Zu  den  letztern  gehören  die  zahlreichen,  in 
der  ProvinE  Gonstantine  zu  Tage  gekommenen  Grabsteine  mit  euier 
von  dem  Phönidschen  ganz  abweichenden  Schrift,  von  welchen  meh- 
rere Proben  mitgetheilt  werden ;  so  wie  femer  Dolmensteine,  ähnlich 
denen  in  Nordfrankreich«  Darauf  werden  die  in  archäologischer  Be- 
ziehung wichtigsten  Orte  der  Provinz  nach  ihren  alten  und  jetzigen 
Namen  aufgezählt  und  die  dort  noch  vorhandenen  Reste  und  Denk- 
mäler kurz  angedeutet.  Zu  Gonstantine  waren  bei  der  Eroberung 
durch  die  Franzosen  bedeutende  römische  Ruinen  übrig,  welche  in- 
zwischen der  Cultur  und  der  militärischen  Befestigung  weichen  muss- 
ten.  Am  bedeutendsten  von  noch  vorhandenen  Denkmälern  sind  die 
Inschriften.  Von  den  drei  andern  mit  Gonstantine  verbundenen  rö* 
mischen  Colonien,  Rnsicade  (Philippville) ,  Milevis  und  GhuUn,  ist 
nur  die  erste  in  archäologischer  Beziehung  etwas  genauer  bekannt 
und  untersucht  Auch  hier  ist  vieles  seit  der  französischen  Erobe- 
rung verloren  gegangen;  doch  sind  viele  interessante  Denkmäler, 
namentlich  Inschriften,  übrig.  Unter  vielen  andern  genannten  Orten 
werden  besonders  Tebessa  (das  alte  Theveste);  Tifunhe,  nach  der 
gewöhnlichen  Annahme  das  alte  Tipasa,  mit  vielem  phönicischen 
und  libyschen  Inschriften,  und  vor  allem  cUe  grossen  Reste  von  Lan- 
besis  hervorgehoben. 

Darauf  folgt  eine  nähere  Betrachtung  der  Localität,  Denkmäler, 
Baureste  und  Strassenzüge  der  römischen  Colonie  Busicade  und  Um- 


AmiMire  de  la  soe.  treh^olofiqiie  de  Covfleiitiae.  S57 

gegmä  in  dem  Anfsatse:  2)  NoUee  aur  U$  vetHgea  de  foeeupoHan 
romame  dam  Je  eerele  de  Philippville  (p.  30—38). 

Die  nSehste  AbhandlaDg :  3)  InseripUaiude  ConstatUine  (p.  89 — 
80),  TOD  dem  Genie-Oeneral  Creully,  wie  man  aus  Renier'a 
Inseriptiam  de  FAlgSrie  erfährt  (die  Abhandlung  In  dem  Annualre 
ist  ohne  Angabe  eines  Verfassers)  ist  ein  werthvoUer  Beitrag  aar 
rGmiseben  Epigraphik,  da  hier  eine  Anzahl  römischer  Inschriften  anm 
eistenmal,  oder  In  verbesserter  Gestalt  mitgethellt  wird.  Aber  auch 
amgekehrt  werden  einige  wenige  der  hier  mitgetheilten  Insofariften 
durch  die  spätere  Poblieatlon  Renier's  berichtigt  (Inscr.  Alg. 
Cah.  6  et  7).  Greully  gibt  85  Inschriften  von  Constantine;  in- 
zwischen hat  sich  seit  1853  durch  neue  Funde  die  Zahl  derselben 
•of  349  Termehrt:  denn  so  viele  gibt  Renier  in  der  sechsten  und 
siebenten  Lieferung  seines  Werkes  unter  der  Rubrik  Girta.  Aber 
•Qeh  von  diesen  später  hinzugekommenen  Inschriften  verdankt  der 
seuste  Herausgeber  viele  der  Mittheilung  der  Herrn  Creully  und 
Cherbonneau,  wie  jedesmal  angemerkt  ist.  Die  Abhandlung  in 
dem  Annnaire  gibt  von  Jenen  85  Inschriften  den  Text  gedruckt  und 
in  lithographirten  Fac-simile ,  tbeilweise  mit  Anmerkungen ,  welche 
zwar  keinen  gelehrten  Apparat  enthalten,  aber  Sachkenntniss  nnd 
epigraphische  Praxis  auf  eine  für  die  Erklärung  der  Denkmäler  sehr 
fSfderllcbe  Weise  bewähren.  Unter  jenen  85  Inschriften  befinden 
sieh  mehrere  Dedications- Aufschriften  mit  Namen  von  Gottheiten, 
ein  paar  Aufschriften  von  Brflcken  und  Meilenseigem ;  die  bei  wei- 
tem gr5s8te  Zahl  bilden  wie  gewöhnlich  Aufschriften  von  Eliren- 
bildsäulen  und  Grabsteine;  endlich  auch  ein  Fragment  einer  poeti- 
schen Inschrift  in  einigen  sehr  lieblichen  Versen.  Zu  allen  diesen 
Deokmälem  haben  wir  in  dem  schönen  Werke  von  Renier  (Inscrip- 
tiODs  de  TAIg^rie)  bei  seiner  weitern  Fortsetzung  die  Erklärung  an 
enrarten.  Wir  beschränken  uns  darauf  hier  diejenigen  Inschriften 
hervorzuheben,  weiche  sich  auf  eine  politische  Vereinigung  von  vier 
rihuischen  C!oIonien  und  auf  das  Gemeindeamt  des  Triumvirates  in 
der  Stadt  Cirta  beziehen. 

Dass  die  römischen  Provinzen  in  der  Kaiserzeit  ausser  den  Ge- 
riebtssprengeln  (conventus)  häufig  noch  andre  politisch-administrative 
Abtheilungen  unter  sich  begriffen,  Landschaften  oder  Kreise  (com* 
mmila  xoiva),  welche  meistens  auf  alten  ethnographischen  und  po- 
litischen Verhältnissen  beruhten,  durch  gemeinschaftliche  Feste  und 
Opfer  vereinigt  waren  und  ihre  damit  verbundene  Land-  und  Kreis- 
tage (condlia)  hatten,  ist  im  Allgemeinen  eine  bekannte  Sache,  ob- 
gleich hier  im  Einzelnen  noch  Vieles  näher  zu  erforschen  und  dar- 
zustellen ist.  Eine  Uebersicht  des  bis  jetzt  dazu  vorhandenen  Ma- 
terials gibt  Marquardt  in  Becker's  Handbuch  der  röm.  Alterthümer 
m,  1.  8.  267—375.  In  diese  Kategorie  von  politischen  Einrlcb- 
toagen  gehört  nun  auch  die  hier  in  Frage  stehende  Vereinigung  von 
^r  römischen   Colonlalstädten  In  Numidien,   wovon  wir  nur  durch 


968  Anrnuke  de  k  ioc  archMogiqoe  de  CositaitiM. 

die  ia  jener  Gegend  anfgefaodenen  Ineehrlfteii  Kenntnies  etbalteB 
haben  und  worüber  wir  die  ans  diesen  Denkmttlem  gewonnenen 
MoCisen  hier  nnMmmenBtellen  wollen.  Die  besagte  Einnng  begriff 
die  Tier  Golonlaletädte  Cirta,  Euskade,  Milevü  und  (yiuüu,  welche 
unter  der  Bezeichnung:  quatuor  coUmiae  oder  auch  coUmiae  Cifr- 
iOMCB  (Annuaire  n.  XXVI.  p.  53.  Renler,  Inecr.  deTAlg^rie  n.  1868) 
vorkommen.  Die  Art  und  Weise,  in  welcher  die  Veremigung  der 
vier  Colonien  stattfand,  ISsst  sich  ans  den  bis  jetat  vortiandenea 
Denkmälern  nicht  genauer  darstellen;  aber  es  verlohnt  sich  doeh 
der  Mühe,  nach  den  Spuren  zu  suchen,  welche  sich  auf  dieses  Ver- 
hiÜtniBs  besiehen.  Dazu  rechnen  wir  folgende  Notizen.  Wo  bei 
Einwohnern  dieser  vier  Colonien  der  Name  einer  römischen  Tribos 
angegeben  wird,  ist  es  immer  für  Alle  die  Quirina.  Die  vier  StSdte 
hatten  zusammen  gemeinschaftliche  Patronen.  So  finden  wir  P.  Poi^ 
tumeku  Clemens  genannt  als  Patromu  quatuor  eoUmiarum  (Annuaire 
p.  42.  V.  Realer  Inscr.  1812J;  desgleichen  TUua  CaeaerrUus,  einer 
der  Legaten  der  Provinz  Africa  (An.  50.  n,  XVIII.  Renier  n.  1817). 
Ein  gemeinsames  religiöses  Fest  oder  eine  solche  gemeinsame  Feier- 
lichkeit der  vier  Colonien  wird  nicht  erwähnt.  Doch  kommen  mehrere 
Flamines  vor  auf  Steinen  von  Cirta  und  RusUade^  eine  Flammiea 
zu  Busicade,  ein  Sacerdos  utbis,  ein  PonÜfex  (Renier  2175)  von 
höherer  Bedeutung,  indem  der  Inhaber  dieser  Würde  einf  ^umma  bo- 
noraria  von  55,000  Sesterzen  bezahlte,  da  doch  für  die  höchsten 
Gemeindeämter  in  den  vier  Städten  nur  20,000  Sesterzen  gegeben 
wurden.  Ferner  werden  erwähnt  hidi  FloräUs  (Renier  1875),  welche 
Festlichkeit  vielleicht  zu  den  gemeinschaftlich  gefeierten  gehörte. 
Deutlicher  sind  die  Spuren  der  Gemeinsamkeit  in  den  politischen 
Einrichtungen.  So  wird  zu  Rusicade  genannt  ein  Decurio  quatuor 
eoloniarum  (Renier  2175.  Exploration  de  VAlgMe.  Atchiol  pL 
XXIX,  4.),  wornach  es  einen  gemeinschaftlichen  Oemeinderath  Hir 
die  vier  Colonien  gegeben  haben  muss,  oder  doch  eine  Kategorie 
von  Decurionen,  welche  mit  dem  Decurionat  in  einer  der  vier 
Städte  zugleich  das  Decurionat  in  den  übrigen  erhielten,  in  dem 
letztern  Falle  wohl  eine  Ehrenauszeichnung,  so  wie  man  ja  auch 
jetzt  Ehrenbürger  in  mehreren  Städten  sein  kann.  Ferner  finden 
wir  sowohl  zu  Cirta  als  zu  Rusicade  dieselben  Namen  der  höchsten 
Gemeindeämter,  nämlich :  Aedilis  und  Triumvir  (zu  Cirta :  Annusire 
53.  n.  XXVI.  Renier  1868.  Ann.  56.  n.  XXXI.  Renier  1835. 
Ann.  68.  n.  XLIV.  Renier.  n.  1832.  Renier  1875.  zu  Rusicade: 
Henzen  bei  Orelli  n.  6956  aus  der  Exploration  de  TAlg^rie,  aber 
vollständiger  bei  Renier  n.  2169).  Bemerkenswerth  ist  überdlstf, 
dasB  gleichwie  Cirta  als  Hauptort  erscheint  schon  durch  die  Be- 
zeichnung Coloniae  Cirtenses,  welche  neben  Coloniae  quatuor  ver- 
kommt, so  auf  dasselbe  Verhältniss  der  Umstand  hinweist,  dass  nnr 
von  den  drei  Orten  ausser  Cirta,  nicht  ^on  Cirta  selbst,  Praefeed 
iuri  dicundo  auf  den  Inschriften  vorkommen :  Annuaire  p.  51.  XXXI. 


Aamnire  de  k  loc.  arditelofiqve  de  CeniUBliDe.  899 

Beiler  1835.  Caecilm$  ...  Pmef.  €oloniai%im  Miüeväanae,  iiuiiea- 
ämtii  ei  ChuUüanae.  Anuuaire  8G.  Kealer  2323.  SitUuM  Faustut 
M.  Pracf,  L  D.  coL  Veneriae  Btaieade  et  eoL  Sam.  MiUv,  et  cot 
Mmerviae  Chuüu.  Reoier  1375.  IIonor€Uu8  Badnanus  ebentOi  wo 
jedoch  wegen  Beschädigiing  des  Steines  nar  noch  die  Namen  Jhi* 
tieadensü,  ChuManae  übrig  sind;  Ann.  €3.  XLIV.  Renier  1833. 
BiUktt  Flavianu»  ...  Praefeetus  coloniarum  ohne  Beifügung  ron  Na* 
men  ist  gewiss  gleichfalls  von  den  drei  Colonien  zu  verstehen.  Dem* 
Bich  scheint  es,  dass  von  dem  Haupt-  oder  Vor*Orte  Ciria  aas  In 
die  drei  andern  Colonien  Praefeeli  L  D.  geschickt  wurden.  Was 
Dim  aber  das  Gemeindeamt  des  Triumvir  In  den  genannten  vier 
Colonien  betrifft,  so  erscheint  es  auf  so  rielen  Steinschrilten  der» 
selben,  dass  es  ausser  allem  Zweifel  steht.  Bekanntlich  kommen 
•naser  den  Duoviri  und  Quahiorviri  als  Mnnicipalobrlgkeiten  auf 
Inscbriften  auch  Triunwiri  als  solche  Obrigkeiten  Tor.  Orelll  stellt 
ci4>.  XVL  ^.  7.  n.  3828  fif.  eine  Anzahl  von  Inschriften,  welche  solche 
Muaicipal-Triumvire  enthalten,  zusammen.  Henzen  In  der  Fort* 
letznng  von  Orelli.  Vol.  III.  p.  418.  bestreitet  mehrere  der  von 
Orelll  gegebenen  Beispiele.  Allein  es  bleibt  immer  noch  eine 
Anzahl  anbestreitbarer  Beispiele  des  Vorkommens  solcher  Municlpal« 
Triumviro  übrig;  zu  diesen  gehören  nun  auch  die  Triumvim  der 
Cirtensischen  Colonien.  Man  sieht  daher  auch  keinen  hinreichenden 
Grand,  warum  inan  mit  Henzen  (Orell.  69563  ^^^  ^^^^^  Inschrift 
TOD  Rusicade,  wo  dem  Namen  des  C.  C(ueiUus  Q albus  unter  andern 
Amtstiteln  auch  beigeschrieben  ist:  PRAEF.  PRO  m  VIR.  mi 
(Praefeetus  pro  Triumviro  qiiater)  U  VIR  oder  Uli  VIR  emendl- 
rea  solL  Renier  (Inscr.  Alg.  2169),  welcher  die  Inschrifl  selbst 
eopirte  und  sie  vollstSndiger  gibt  als  die  frühem  Herausgeber,  hat 
gleichfalls  PRO  III  VIR.  In  den  Gemelndeordnungen  von  Salpensa 
und  Malaga  heissen  die  Stellvertreter  der  Duoviri,  welche  bei  der 
Abwesenheit  df  letztern  von  ihnen  ernannt  werden,  Praefectu  In 
gleicher  Weise  haben  wir  hier  einen  Mann,  welchem  viermal  das 
Zutrauen  geschenkt  wurde,  dass  er  für  einen  Triumvir  als  Stellver« 
tieler  inngirte.  Mommsen  in  einer  Note  zu  der  angeführten  In- 
schrift bei  Orelli  hält  lU  VIR  aufrecht,  versteht  aber  unter  dem 
m  vir  hier  einen  Triumvir  monetalis  und  theilt  die  AmtsprXdicato 
des  CaeeHita  GaUuf  in  der  Weise  ab:  Juxbens  equum  publieumß 
Aedilii  habens  iuriscUetionem ,  Quaestoris  pro  praetore  Prctefectue 
pro  III  viro  quater  und  nicht  wie  die  Uebrigen  abthellen:  AediU$ 
habetie  iurisdiaionem  Quae$tori$  pro  praetore,  Praefectui  etc.  Nach 
dieser  Vermuthung  Mommsen's  soll  CaeciHua  Oaüus  gewesen  sein: 
PraefeeiuM  an  der  Stelle  eines  Triumvir  monetalis  bei  einem  Quaes^ 
tor  pro  praetore.  Diese  Erklärung  scheint  etwas  zu  gesucht,  je- 
denfalls sehr  unsicher.  Was  das  Verhältniss  des  Triumvirates  zur 
Adilität  ui  diesen  Colonien  betrifft,  so  könnte  man  auf  den  Gedan- 
ken kommen,  dass  daselbst  jedesmal  drei  Äedilen  als  die  höchste 


360  AnnQaire  de  !•  soc.  arcböologique  de  Constantine. 

Obrigkeit  an  der  Spitze  der  Gemeinde  standen,  wie  dieses  zu  Arpi- 
nnm,  zu  Formiä  und  zu  Fundi  der  Fall  war  (Orell.  Henzen  7033 
bis  7037).  Wenn  diess  auch  sich  so  verhielt,  so  sind  jedenfalls  die 
Triumviri  Yon  den  drei  Aedilen  unterschieden.  Wohl  aber  darf  man 
vielleicht  annehmen,  dass  die  Triumvirn  in  ihrer  dreizahl  mit  den 
drei  Ptaefecti  L  D.  der  drei  ColonialstSdte  ausser  dem  Vororte 
Girta,  im  Zusammenhang  stehen.  Es  ist  femer  denkbar,  dass  das 
Triumvirat  mit  der  Einung  der  drei  Golonien  mit  und  unter  Girta  in 
Verbindung  steht  und  erst  dadurch  eingeführt  wurde.  Wenigstens  fin- 
det sich  ein  Grabstein  zu  Girta  eines  P.  Sütius  Dento  Aedüis,  II 
vir  und  zwar  mit  besonders  schönen  Schriftzügen  und  darum  wohl 
aus  früherer  Zeit,  wo  die  Vereinigung  der  vier  Golonien  noch  nicht 
geschehen  war  und  das  sonst  in  Golonien  gewöhnliche  Dnovirat  auch 
hier  bestand.  Zu  den  vier  Girtensischen  Golonien  muss  zu  einer 
gewissen  Zeit  auch  die  Golonie  Cuiculum,  das  heutige  DjimUa,  in 
einem  nähern  Verhältnisse  gestanden  sein.  In  einer  dort  gefunde- 
nen Inschrift,  welche  Henzen  bei  Orelli  6592  aus  der  Exph- 
roHon  sdentif.  de  VAlgSrie,  ArchiöL  pl.  107,  4  mittheilt  wird  ein 
jfC,  Julius  Creacens  genannt  omnibus  honoribus  in  V  coUmüs  fvnC' 
tus''  und  vorher  FL.  P.P.  (flamen  perpetuus)  Uli  viRi  ET  CVIC. 
PONT,  (et  Cuiculitanorum  Pontifex)  wo  Henzen  emendirt:  IIL 
VIB.  I.  D.  (Quatuorvir  iuri  cUcundoJ,  Mommsen  dagegen  liest: 
im  GIRT.  ET.  GVIG.  PONT,  (quatuor  artensium  et  CkUeuU  Pon- 
tifex), wobei  die  Auslassung  von  coloniarum  vor  Girtensium  auffallen 
kann^  aber  die  Vermuthung  im  übrigen  durch  die  gleich  daraaf 
folgende  Anführung  von  fünf  Golonien  unterstützt  wird. 

Unter  den  Inschriften  von  Gonstantine,  welche  das  Annnaire 
gibt,  befindet  sich  ausser  den  bisher  angeführten  unter  andern  eine 
Inschrift,  welche  auch  Henzen  zu  Orelli  gibt,  nach  einer  Ab- 
schrift von  Herrn  von  Grabow,  mitgetheilt  von  Prof.  Gerhard  so 
Berlin,  wobei  man  nur  bedauern  kann,  dass  der  Herausgeber  nicht 
dazu  vielmehr  dieses  Annuaire  benützte  oder  benützen  konnte. 
Henzen  konnte  nämlich  aus  seiner  Quelle  die  Inschrift  nur  gun 
verstümmelt  und  lückenhaft  aufnehmen,  so  dass  man  sich  wundert, 
wie  er  sie  überhaupt  nur  aufnehmen  konnte  (Orelli  Vol.  IIL  p.  439. 
n.  7162).  Der  Stein  ist  auch  wirklich  sehr  beschädigt,  wie  man 
aus  dem  in  dem  Annuaire  mitgetheilten  Fac  simile  ersieht  (P.  I^* 
n.  VI).  Ungeachtet  dessen  hat  der  französische  Offizier  die  ver- 
witterten Schriftzüge,  welche  der  gelehrte  deutsche  Reisende  nicht 
lesen.  Iconnte,  ganz  richtig  erkannt  und  ergänzt  (Ann.  p.  42.  VL); 
seine  Abschrift  wurde  später  von  Renier  mit  dem  Original  ver- 
glichen und  ganz  richtig  befunden  (Inscr.  Alger.  n.  1870).  Da 
manchen  Besitzern  der  Fortsetzung  der  Orelli'schen  Sammlung  die 
eben  genannten  Quellen  nicht  zu  Gebote  stehen,  die  Inschrift  selbst 
aber  zu  den  interessantem  gehört,  so  ist  es  vielleicht  nicht  nngd- 
eignet,  die  Abschrift  und  Ergänzung  Greully's  hier  mitzutbeilen: 


Annisire  de  )•  mc.  •rch^oloffqne  de  CoDstaDline.  301 

GENIO  POPVLI II  M  ROCCIVS  FELIX  ||  M  PIL  QVIR  EQ 
PVßLilin  Vm  SAG  Vltß^FL  DIVI II  MANTONINI  STATVA^ 
QVAMJjOB  HONOREM  lü  VIRATV8  PR0MI8IT  jj  EX  HS  VI 
MIL  NSVAPECVNIA  ||  POSVTT  AD  CVIVS  DEDICATI  ONEM  || 
SPOßTVLAS  DENARIOS  SINGVLOS  Jl  SECVNDVM  MATRICEM 
PVBLICAM  II  CIVIBDS  DE  SVO  DEDIT  ITEMQVE  ||  LVDOS 
SCAENICOS   CVM  MISSILIBVS. 

Geoio  populi  M.  Rocciuj  Felix  ll(arci)  fil(ius),  Qnir(ina  tribn),  eq(no) 
Rabl(ieo),  triuiDvir,  Mc(erdof)  Urb(tt),  fl(ameo)  divi  M(«rcO  AntODiai,  fUtuam, 
^B  ob  hoDore Dl  triumviratii«  pronifit,  ex  aestertium  sex  mil(libut)  D(anniuin) 
na  pecnnia  pofQi't,  ad  cuiui  dedicationem  aportolaa  denarioa  finfrolof,  s«can- 
doBi  Datricem  pttblicam,  civibua  de  aoo  dedit,  itemqae  ladoa  acaenicoa  cum 
■biiltbai. 

Nach  der  Mittheilang  der  Iiiflcbriften  von  ConsUDÜoe  gibt  dM 
AoDQaire  noch  folgeode  AufsStze: 

4)  Note  8ur  de»  objets  antiquea  trouvi»  ä  FhUvppevilU  (p.  81 — 
83).  Die  Gegenstände,  um  die  es  sich  hier  handelt,  sind  Antica- 
güeo  von  Blei,  geformt  gans  wie  Metallknöpfe,  wie  wir  sie  jetzt 
•0  uQsern  Kleidern  tragen,  mit  einer  kleinen  runden  Scheibe  worauf 
io  roher  Arbeit  allerhand  Figuren  sind,  und  mit  einem  durchlöchere 
toi  Fuss  um  damit  durch  Drath  oder  Zwirn  irgendwo  befestigt  wer- 
dtt  zu  können.     Der  Zweck  derselben  ist  unbekannt. 

5j  Deux  viües  Numido-rornaines  (p.  84 — 90)  (von  General 
Creolly).  Diese  beiden  Städte  sind:  die  Ruinen  in  der  Nähe  von 
Gonstantine,  welche  den  Namen  Ehaney  führen  und  früher  von 
Manchen  für  das  alte  Cirta  gehalten  wurden,  und  Oucfjel  bei  Con- 
Btaatlne.  Die  erste  Localität  wird  aus  einer  dort  gefundenen  In- 
Bcbrift  als  die  alte  Stadt  TicUüs  erkannt  (res  publica  Tidditanorum) 
^d  die  andere  als  die  alte  UseUi  (res  publica  Uzelitanorum).  Von 
beiden  Orten  werden  einige  Inschriften  mitgetheilt,  darunter  auch 
die  Inschrift  au  Ehren  des  Q.  Lollius,  Legaten  von  Germania 
inferior,  welche  Hensen  bei  Orelli  n.  6500  nach  einer  von  Ger- 
bard mitgetheilten  Abschrift  des  Herrn  von  Grabe w  gibt  Diese 
Abschrift  ist  aber  so  fehlerhaft,  dass  Renier,  welcher  dieselbe  In- 
Kbrift  nach  der  Copie  Greully's  und  nach  eigner  Ansicht  gibt 
(Inscr.  Alger,  n.  2319),  sagt,  die  Abschrift  des  H.  von  Grabow 
könne  nicht  von  dem  Denkmal  selbst  genommen  sein,  sondern  sei 
wahrscheinlich  nach  einer  handschriftlichen  Sammlung  von  africani- 
Bchen  Inschriften  copirt,  wie  es  deren  mehrere  von  Offizieren  redi- 
g;irt  gebe;  die  Inschrift  sei  ganz  gut  erbalten  und  für  den  sachver- 
ständigen Leser  kein  Buchstabe  zweifelhaft.  Wir  glauben  auch  diese 
Inschrift  mit  ihrem  wahren  Texte  hier  mittheilen  zu  sollen. 


303  Annuaire  de  la  soe.  arch^olopiqae  de  Couta&tuia. 

C.  LOLLIO.  M.  FIL  ||  QVIR.  VRBICO.  COS  ||  LEG.  AVG. 
riiOVINC.  GERM  II  INFERIORIS.  FETIALL  LEGATO  ||  IMF. 
HADRIANL  IN.  EXPEDITION  ||  IVDAICA.  QVA.  DONATÜS. 
EST  II  HASTA.  PVRA.  CORONA.  AVREA.  LEG  ||  LEG.  X  GE- 
MINAE.  PRAET.  CANDIDAT  ||  CAES.  TRIB.  PLEB,  CANDIDAT. 
CAES.  LEG  II  PROCOS.  ASIAE.  QVAEST.  VRBIS.  TMB  ||  LAU- 
CLAVIO.  LEG.  XXII.  PRIMIGENIAE  ||  IUI  VIRO.  VIARVBL 
CVRAND  II  PATRONO  ||  D.D.  P.P. 

6)  Indication  de  la  route  de  Tuggurt  ä  Tombouctou  et  aus 
tnonts  de  la  Lune;  document  iraduit  de  VArabe  (p.  91—101),  von 
dem  Secreträr  des  Vereioes,  Hr.  Prof.  Cberbonneau.  Ein  in- 
teressaDter  kurzer  Reisebericht  eines  Theilnehmers  einer  Caravane^ 
ans  unbekannter  Zeit.  Das  Verdienst  dieses  Journales  besteht  darin, 
dass  man  daraus  ohngefahr  zwanzig  neue  Namen  ron  Stationen 
zwischen  Tuggurt  und  Tombuctu  kennen  ]ernt,  und  dass  darin  nenn 
grosse  bevölkerte  Plätze  von  Tombuctu  zu  den  Mondsbergen  vor- 
kommen. 

1)  Constantine  et  sea  antiquitis  (p.  102 — 131)  von  Cherbon- 
neau.  Diese  anziehend  geschriebene  übersichtliche  Darstellung  der 
Geschichte  und  Alterthümer  Constantines  hat  den  doppelten  beson- 
dem  Werth,  dass  sie  auf  eigner  Anschauung  beruht,  und  dass  da- 
bei ausser  den  Stellen  aus  römischen  Schriftstellern  auch  arabische 
Quellen  benutzt  werden.  Bekanntlich  sind  von  vielen  und  grossen 
öffentlichen  Bauten,  welche  das  alte  Cirta,  wie  jede  grössere  antike 
Stadt  hatte,  nur  ganz  wenige  Trümmer  übrig,  welche  hier  aufge- 
zählt und  beschrieben  werden.  Nachdem  von  den  Resten,  welche 
die  Oberfläche  des  Bodens  zeigt,  die  Rede  war,  spricht  unser  Ver- 
fasser von  den  Bauten  unter  der  Oberfläche ;  denn^  wie  er  sich  aofl- 
drfickt:  II  y  a  une  Constantine  vmble  et  une  Constantine  tncon- 
nue.  Unter  der  ganzen  Stadt  sind  nämlich  die  ausgedehntesten 
Substructionen,  welche  jedoch  wegen  der  Schwierigkeit  der  Sache 
noch  nicht  untersucht  sind.  Nach  der  Meinung  des  Verfassers  ist 
das  Ganze  ein  System  von  Abzngskanälen.  Auch  in  diesem  Aufeatce 
werden  mehrere  Inschriften  mitgetheilt  und  besprochen,  ron  welchen 
wir  uns  nicht  versagen  können  zwei  hier  hervorzuheben.  Die  erstere 
derselben  ist  eine  Inschrift  zn  Ehren  christlicher  Märtyrer,  eingehauen 
in  einen  Felsen  in  der  Nähe  der  Stadt.  Dieses  Denkmal  ist  sonst 
schon  bekannt  (Renier  Inscr.  Alg.  2145);  das  vorliegende  Annuotre 
gibt  aber  davon  eine  Copie  mit  genauer  Nachbildung  der  Schriftzfige 
(pl.  XVII.  p.  79.  LXXXV).  Die  hier  genannten  Märtyrer  Marta- 
nuSj  Jacobus  u.  a.  Gärtner  (Hortenses)  aus  Cirta  oder  der  Umge- 
gend erlitten,  wie  man  annimmt,  259  den  Martertod.  Hr.  Cberbon- 
neau macht  bei  dieser  Gelegenheit  (p.  109)  die,  die  wie  uns  sdieint 
beachtungswerthe  Bemerkung,  man  möge  doch  zum  Schutze  dieses 


Ammtke  de  li  mc«  «reUolcf  i^«e  de  CenitaDttoe .  S63 

dmdi  Aiter  niid  Inhalt  ehrwürdigen  Schriftdenkmalee  durch  den  An- 
bin  einer  Kapelle  aa  den  Felsen  oder  sonst  sorgen  und  daduich 
wagkkk  den  Ringebomen  leigen,  dam  das  Cbrlstentbinn  vor  dem 
hkm  SU  Constautine  herrschte,  und  dass  die  Christen  ihre  Märtyrer 
Bsd  Heiligen  nicht  weniger  ehren  als  die  Eingebornen  ihre  Marabnt. 
Die  andre  Inschrift,  welche  wir  hier  herTorheben,  ist  das  Fragment 
eines  Gedichtes,  welches  den  rerlomen  Theil  sehr  bedanern  ISsst. 
Im  Nordwesten  Ton  Constantine  ist  hi  der  Nähe  der  Stadt  ein  einzeln 
tteheoder  Hügel  mit  frischen  Quellen  und  schattigen  Bäumen  ver- 
isbeo.  In  dieser  Umgebung  legte  ein  früherer  türkischer  Sutthalter 
Salah-Bey  TOr  ohngefähr  sechsig  Jahren  einen  Park  an.  Aber  schon 
ein  Bewohner  des  alten  Girta  moss  dort  durch  den  Reis  des  Ortes 
bewogen  einen  ähnilchen  Landsits  gehabt  haben,  wie  man  aus  fol- 
gendem Fragmente  einer  Inschrift  ersieht  (Annuaire  p.  129.  p.  76. 
LXXIX.     Reaier  Inner.  Alg.  2133): 

(Deqoe)  mei»  tonuli»  avis  Aui€«  parvula  venit 

El  futiata  tbymo  ftillaDtia  mella  relinquit 

Mi  Tolucrei  hie  duice  canuot  viridantibua  antrif. 

Hie  Tiridat  tamulia  lauroa  prope  Delia  noatris, 

Et  auro  aimilet  pendent  in  vitibus  uvae. 
S)  Note  sur  ie$  poteriea  de»  condmtes  cPeau  romaine»  ä  Oon- 
9tmtme.  In  der  Umgebung  von  Constantine  findet  man.viele  irdne 
Leitungsrohren  der  dortigen  römischen  Wasserleitung,  welche  sur 
Beseicbnung  ihres  FabrilLortes  die  Namen  TidiUani,  UzeUtani^  Au- 
iurmsts  und  Cemellenses  trngen.  Das  Interessanteste  bei  diesen 
Boliren  ist  aber  nicht  ein  antiquarisches,  sondern  ein  technologisches 
Factam.  Die  Znsammenfügungen  dieser  in  einander  gestecicten 
Bohrern  sind  nämlich  mit  Mörtel  bestrichen  und  auf  diesem  Mörtel 
imd  häufig  noch  Spuren  von  Leinwand,  so  dass  man  daraus  ersieht, 
i»m  dieser  Mörtel  mit  Stücken  Leinwand  umwiclielt  war.  Wie  nun 
te  Verfaaser  des  vorliegenden  Aufsataos  nachweist  wendeten  damit 
die  Römer  ein  Verfahren  an ,  welches  in  der  neuesten  Zeit ,  ohne 
dsss  man  davon  Etwas  wusste  cum  sweitenmal  erfunden  werden 
aosite.  Es  gibt  nämlich  für  die  Anwendung  bei  Bereitung  des 
Mdrtels  aweieriei  Kalk:  den  hydraulischen,  welcher  im  Wasser  er- 
blrtet  und  den  gewöhnlichen  Kalk,  welcher  im  Wasser  zerfliesst. 
Veranlasst  durch  die  Untersuchungen  eines  französischen  Ingenieurs, 
Hm.  Vicat  über  den  hydraulischen  Kalk,  kam  ein  anderer  Inge- 
nieur, Hr.  Ghanoine,  auf  den  Gedanken,  gewöhnlichen  Kalk  in 
einem  Säekchen  von  Leinwand  versuchsweise  in  das  Wasser  zu  legen, 
uui  er  fand  nach  einer  gewissen  Zeit,  dass  sich  der  so  durch  Leinwand 
gesehntste  Kalk  wie  hydraulischer  Kalk  verhärtet  hatte.  Offenbar  um- 
wickelten die  Römer  den  Mörtel  der  Leitungsröhren  zu  gleichem  Zwecke 
mit  Leinwand  und  sie  thaten  dieses  aus  einem  sehr  guten  Orunde. 
Nsfih  unserm  jetzigen  Verfahren  nimmt  man  gewöhnlich  zur  Bedeckung 
der  Zttsammenffigung  solcher  leitenden  Röhren  den  besten  hydrau- 
lisctien  Kalk,  den  man  finden  kann.  Aber  dabei  tritt  der  doppelte 
^fisstand  ein,  dass  dieser  schnell  verhärtete  Mörtel  auf  den  Zusam- 


364  Annuaire  de  1a  aoc.  arch^olof  ique  de  ConatavliD«. 

menfügungea  bei  dem  Einsinken  einzelner  Stellen  des  Bodens,  das 
nicht  aasbleibt,  und  bei  der  dadurch  erzeugten  Unebenheit  des  Bodens, 
auf  dem  die  Röhren  liegen,  bricht  und  das  Wasser  darchlSsst;  fe^ 
ncr  dass  Theiie  dieses  hydraulichen  Kalkes  in  die  Röhren  selbst 
eindringen,  sich  dort  sofort  verhärten  und  den  Abfluss  des  Wassen 
bindern.  Beide  Missstände  werden  durch  Mörtel  aus  gewöhnlicbon 
Kalk  mit  der  Leinwandbedecknng  vermieden. 

9)  De  quelques  inseripHona  tumulairei  recueUUes  en  AlgSrie 
et  des  lumih'es  qt/eües  peuverU  foumir  sur  la  durie-  de  la  vie 
moyenne  des  Romains  dans  ce  pays  (p.  137 — 142).  Der  Verfas- 
ser, der  nicht  genasnt  ist,  bat  au  seinem  Zwecke  500  Grabscbrif* 
ten  aus  Lambesis  und  der  Umgegend  verglichen,  anter  welchen 
470  das  Alter  der  Gestorbenen  anaeigen.  Er  hat  nach  dem  ge- 
wöhnlichen arithmetischen  Verfahren  zur  Auffindung  von  Durch- 
schnittszahlen, die  Gesammtsumme  der  Lebensjahre  auf  allen  diesen 
Grabschriften  mit  der  Zahl  der  Gestorbenen  (470)  dividlrt  und  als 
mittlere  Lebensdauer  gefunden  437i2  Jahre;  eine  Zahl,  welche  sieh 
nicht  viel  entfernt  von  dem  durchschnittlichen  Lebensalter  von  48 
Jahren,  welches  man  jetzt  für  Frankreich  annimmt  Der  Verf.  madit 
seibat  darauf  aufmerksam,  dass  jenes  Rechnungsresultat  nar  als  un- 
gefähr und  ohne  sichere  Bestimmtheit  geltend  anzusehen  ist,  da  die 
zahlreichen  Sklaven  und  Armen  der  damaligen  Bevölkerung,  welch« 
keine  abgesonderte  Grabstätte  hatten,  nicht  in  den  Calcul  aufgenom- 
men sind.  Eine  besondere  Eigenthümlichkeit  ist  aus  der  hier  ge- 
gebenen Zusammenstellung  der  Gestorbenen  mit  gleichem  Lebens- 
alter ersichtlich;  nämlich:  dass  von  dem  zehnten  Lebensjahre  aa 
die  Altersstufen  von  fünf  zu  fünf  Jahren  (15,  30,  25,  30  u.  s.  w.) 
unverhältnissmfissig  zahlreich  vertreten  sind.  Man  hat  sich  diese 
Erscheinung  dadurch  zu  erklären,  dass  in  sehr  vielen  Fällen  dal 
Lebensalter  nicht  genau,  sondern  nur  ungelllhr  und  dann  nach  den 
oben  bezeichneten  Altersstufen  auf  den  Grabsteinen  angegeben  wor- 
den ist.  Das  höchste  Alter,  das  bei  dieser  Znsammenstellung  vo^ 
kommt,  ist  bei  einem  Gestorbenen  das  Alter  von  110  Jahren. 
Unter  den  Grabschriften  von  Gonstantine  aber  kommt  eine  Frau  vor, 
CreptaUisa,  mit  120  Jahren  (Annuaire  p.  60.  n.  XXX VII.  Renier 
Inscr.  Alg.  1970). 

Man  ist  den  Männern  gewiss  Dank  und  Anerkennung  schuldig, 
welche  bei  ihren  übrigen  Geschäften  und  Berufsarbeiten  in  der  Ge- 
genwart, den  Denkmälern  der  Vergangenheit  eine  so  eifrige  und 
einsichtsvolle  Theilnabme  widmen.  Wir  wünschen  daher  auch  der 
archäologischen  Gesellschaft  zu  Gonstantine  und  ihren  Pnblicatiooeii 
das  beste  Gedeihen  und  den  besten  Fortgang.*)  aEell. 

*)  Nachdem  diese  Anieige  dem  Drucke  überifeben  war  kam  dem  Ver- 
fatier  dertelben  durcli  gOtige  MittheilaDg  das  folgende  Heft  des  AnniMiro 
lu  fer  1854—1855.  184  pp.  mit  20  lithographischen  Tafeln ,  worüber  dev 
nächst  Bericht  erstattet  werden  soll. 


PaTn:    TrMiUeMMiii  de  terra  tn  1856.  M5 

Mänoire  mr  U$  tremblemenla  de  terre  resaetUtB  en  1866,  par  Ä. 
Favre  Profeeuur  ä  VAeademU  de  Qmh)t,  Txr€  de  la  BMio^ 
tMque  unwenelle  de  Qenh)e.  69  pag.  in  8.  Avee  une  Carte 
de  fetpaee  ihraviU  par  le  iremblement  de  terre  du  26  JvHUi 

^      1866,     Qenive,     Imprimerie  Rambox  et  Sehuchardt^  1866. 

VttgleiGht  man  die  Zahl  der  Erdbeben,  woTon  Sagen  und  Ge* 
KhiehtfbQcher  reden  mit  den  Ereigniaaen  in  jüngster  Zeit,  so  er* 
gibt  sich,  daaa  aolcher  im  Jahre  1855  ongewöbnlich  viele  stattge- 
fnidaD.  Nach  einer  Zuaammenatellang  der,  durch  Historiker  Ter* 
«idmeten  Boden  Erschütterungen  sind  deren  in  Europa  und  Syrien 
ntti  Jahre  306  bis  snm  Jahre  1800  neunhundertsiebenundachtaig 
Maont;  nach  dem  Berichte  unseres  Verfassers  wurden  1855  an 
«iBbaadertdreiondsiebenaig  Tagen  Bebungen  wahrgenommen,  auch 
IS  gewissen  Tagen  dreissig  St5sse  gesihlt,  und  diese  chronologische 
Äolklblang  ist,  wie  Favre  gesteht,  nicht  als  ganz  vollständige  su 
brachten,  ungeachtet  der  sorgsamsten  Benutsung  sämmtlicher  Denk- 
itbrifteo  und  Abhandlungen  und  nicht  weniger  aus  achtbaren  Quellen 
im  aogekommenen  Privat-Mittheilungen.  Bis  jetzt  galt  das  XVin. 
Jahifattodert  als  besonders  reich  an  Katastrophen  wie  die  beiragten, 
Bod  dennoch  waren,  in  diesem  langen  Zeitverlauf,  nicht  mehr  als 
Minnderl  und  sechs  eingetreten. 

Oeffentliche  Blätter  brachten  Kunde  über  die  Ereignisse  im 
Mire  1855,  demungeachtet  finden  wir  es  geeignet,  bei  einigen  vom 
Verfuser  erwähnten  Thatsadien  zu  verweilen ;  es  sind  Einzelnheiten, 
iD  dieser  oder  jener  Hinsicht  bedeutend,  unseres  Wissens  auch  we- 
slior  zur  allgemeinen  Kentniss  gelangt.  Die  Bemerkung  sei  voraus- 
glBdückt,  dass  bis  zur  JahreshWte  das  Morgenland  mehr  heimge- 
BBdit  wurde,  später  war  die  Schweiz  Mittelpunkt  der  Erdbeben. 

Am  23.  Januar  1855  Erschütterung  eines  Gebietes  von  über- 
gnaer  Ausdehnung  in  Neu^Seeland.  Unfern  Wellington  erhob  sich 
iiBs  Landstrecke  von  4600  Quadratmetern  um  9  Fuss;  in  der  Rieh- 
toag  von  Norden  nach  Süden  konnte  man  90  Meilen  weit  das  steile 
QAioge  dieser  Ebene  verfolgen.  Nach  der  Katastrophe  stieg  die 
Radi  nicht  mehr  im  Huttstrom  an,  sondern  drang  im  Wiürau  aufwärts. 

Am  28.  Februar,  Nachmittags  gegen  3  Uhr,  heftige  Erschütte« 
nng  der  weit  gedehnten  Flächen  von  Adrianopel,  Smyma  u.  s.  w. ; 
ib  ging  sehr  starkes  Brausen  und  Toben  voran.  Ein  gewaltiger 
8idost-Wind  legte  sich  plötzlich.  Die  Richtung  der  Schwankungen 
war  aus  SOdwest  in  Nordost.  Bei  jedem  Schritt  zitterte  der  Boden 
ttitsr  den  Füssen.  In  Konstantinopel  stürzten  drei  Minarets  znsam- 
nen.  Der  Mittelpunkt  des  furchtbaren  Natur-Erelgnisfles  schien  Brussa. 
Hier  waren  die  senkrechten  Stösse  so  gewaltig,  dass  Menschen,  in 
Strasstti  sich  bewegend,  umgeworfen  wurden  oder  emporgeschleudert 
in  die  Luft.  Viele  Quellen  verschwanden ;  das  Erdreich  bekam  Risse 
v4  schmikelte  während  vierundzwanzig  Stunden  wie  das  Verdeck 
tBies  Fahrzeuges:  in  Zwischenzeiten  von  fünfzehn  zu  fünfzehn  Mi« 


366  Favre':    TienbleniBts  de  terre'en  1655. 

nuten  veniahm  man  unterirdiache  Detonnlionen.  Bli  com  sf.  Mftn 
nicbt  ein  Tag  ohne  fünf  oder  sechs  Bebnngen.  —  Unermesslichen 
Schaden  litt  Brussa  durch  die  Erschötterong  am  28.  Februar.  Achtsig 
Minarets  und  Moscheen  starteten  nieder,  mehrere  öffentliche  Her- 
bergen wurden  gänsUch  zerstört.  Leichte  Hols-Banwerke  widentan-^ 
den  besser,  als  die  aus  Steinen  aufgeführten.  Ungeheuere  Fela- 
Blöcke  fielen  von  den  Höhen  ins  Stadt-Viertel  Bolouk  Basar,  aach 
brach  hier  Feuer  aus.  Die  Bewohner  flohen  und  lagerteD  anter 
Zelten  in  der  Umgegend.  Bemerkenswerth  ist,  dass  von  nahen  IKSr* 
fern  einige  völlig  unbeschädigt  blieben. 

Den  11.  Mars  um  7  Uhr  40  Minuten  Abends  bebte  das  ganae 
Küstenland  des  Archipels  heftig.  In  Brussa  dauerte  ein  senkredMer 
Stoss  ungefähr  (ünfundzwanaig  Secunden;  ihm  ging  starkes  unter- 
irdisches Getöse  voran.  Jetzt  litten  auch  Holz-Gebäude  mehr  oder 
weniger,  bis  dahin  verschoot  gebliebene  Minarets  und  Mosebeea 
brachen  zusammen.  Die  Bebungen  reihten  sieh  so  sdmell  an  ein* 
ander,  dass  man  während  fünfzehn  Stunden  deren  etwa  einbnadert« 
undfünfzig  zählte.  Sämmtliche  Quellen  der  Stadt  versiegteo,  nur 
Thermen  und  Schwefelwasser  zeigten  sich  ergiebiger.  —  In  Smynia 
hielt  die  Erschütterung  lange  an ;  ihre  Richtung  war  eine  westlicbei 
Zu  Nasildi,  Provinz  Ai'dai,  verspürte  man  binnen  wenigen  Stundea 
sechs  oder  sieben  Bebungen ;  in  Metelin  und  Adrianopel  folgte  deo- 
selben  plötzlich  Südwind;  zu  Konstantinopel  war  der,  etwa  acht 
Secunden  dauernde,  erste  Stoss  weniger  stark,  als  jener  am  28.  Fe- 
bruar; Mauern  und  Hausgeräthe  knarrten  und  krachten;  Ab^ids 
noch  zwei  Erschütterungen. 

Am  29.  Juni  wiederholte  Bebungen  zu  Tiflis  und  zn  Fraacaü; 
letztere  wurden  theils  selbst  in  Rom  wahrgenommen,  jedoch,  aea- 
derbar  genug,  nur  auf  dem  linken  Tiber^Ufer. 

Den  10.  Juli  mehrere  Erschüttemngen  zu  Georgetown  in  Ca* 
lifornien  in  Zwischenzeiten  ron  zwei  bis  drei  Secunden.  An  ym* 
schiedenen  Orten  wurde  der  Boden  gespalten  und  gemauerte  Hllnasr 
sehr  beschädigt. 

Den  25.  Juli,  gegen  1  Uhr  Mittags,  ein  heftiges  ^  weit  anage- 
dehntes  Erdbeben;  es  betraf  einen  grossen  Theil  des  mittlem  Eace|»a 
und  suchte  am  schwersten  das  Walliserland  heim.  In  der  Nähe  too 
Visp,  etwas  südwärts  von  diesem  Dorfe  nach  Stalden  zu,  acbeiot 
der  Mittelpunkt  gewesen  zu  sein.  Starke  Detonationen  begleiteten  die 
Bebungen,  welche,  mit  viertelstündigen  Fristen,  bis  zum  felgaadea 
Tage  anhielten.  Visp,  St.  Nicolas  und  Stalden  wurden  beinahe  m»^ 
stört.  Auf  Bergeshöhen  war  die  Wirkung  der  Stösse  nicht  weniger 
bedeutend,  als  in  der  Ebene.  Mehrere  tiefe  Spalten  entstanden  In 
den  Wäldern  zwischen  Stalden  und  St.  Nicolas;  eine  derselben  iuUle 
einen  Kilometer  Länge.  —  In  Cknf,  Lausanne,  Yverdon,  Vevej, 
Neudiatel,  Bern,  Lucern  und  in  vielen  andern  Scbweizer-Orten  Üeaa 
sich  das  Erdbeben  verspüren ;  zu  Genf  war  der  erste  Stoss  stärker, 
als  irgend  einer  dessen  man  sich  erinnerte.    In  SteinkoUen^Graban 


FfliTre;    Tftmbltaentt  da  tarn  tm  185&.  807 

an  Mifdosan  in  Sarojen  empfanden  Bec^eote  Bebongen ;  die  FiMe 
einar  Strecke  spaltete  sieb.  —  Ueber  Ereignisse ,  welche  so  Tonn, 
Maiiaad,  Domo  d'Ossolm,  Lugano,  Gomo,  MaDtol^  Grenoble,  Lyon, 
LoB»-le-8aoBier,  Besannen,  Nancy,  Strasburg  und  an  Tielen  andern 
Orteo  dso  26.  Juli  sUttgef nnden ,  fehlen  die  Angaben  nicht  Zn 
mandien  beaehtungswertlien  Wahmehmongen  boten  diese  Eielg- 
liM  Stoff. 

Den  36.  Juli  in  Visp,  desgleichen  sa  St  Nicolas  und  Stnlden 
Detonationen  wie  am  vorfaergebenden  Tage,  Ton  Viertelstunde  an 
Viertelstunde,  später  in  Zwischenaeiten  von  ungefähr  fünf  Minuten; 
«me  besonders  heftige  wurde  im  ganzen  Walliserlande  verspürt,  in 
einem  Tiieiie  der  Schweiz,  au  Lyon  u.  s.  w. 

Am  27.  Juli  aählte  man  au  Visp  von  Mitternacht  bis  10  Uhr 
Morgens  aiebenundawanaig  schwache  Bebungen,  gegen  2  Uhr  Mach« 
mittags  begannen  wieder  Detonationen,  tbeils  durch  Stösse  begleitet, 
welche,  von  fünf  au  fünf  Minuten  eintretend  und  an  Stärike  stets 
nmehmend,  bis  nach  Mitternacht  dauerten. 

y'mp  blieb  an  jedem  der  folgenden  Tage,  wenige  ausgenom^ 
mee,  bia  gegen  Ende  des  Jahres  Schauplatz  ähnlicher  Ereignisse, 
darunter  manche  von  besonderer  Heftiglieit;  am  27.  November  ein- 
ooddretssig  Bebungen. 

Wir  verweilen  nicht  bei  Erschütterungen  an  andern  Orten  in 
der  Sdiweia,  in  nachbarlichen  Gegenden,  so  wie  im  Auslande,  nur 
jeuor  sei  gedadit,  die  am  28.  Juli,  20.  und  21.  August,  9.  Oeto* 
ber,  14.,  15.  und  16.  Deoember  abermals  Brussa  betroffen. 

Unter  gleichzeitigen  vulkanischen  Ausbrüchen  verdient  der  dee 
Moana-Loa  auf  den  Sandwich  Inseln  Erwähnung. 

Nachträglich  gedenlit  unser  Berichterstatter  einiger  Erdbeben 
im  Jahre  1856;  die  Angaben,  wohl  mancher  Ergänzungen  und  Be** 
riehtigungen  bedürfend,  reichen  bis  in  den  September^Monat  Den 
6.  FelM'uar  zitterte  au  Visp  der  Boden  ohne  Unterlass,  am  9.  folgte 
ein  heftiger  Stoss  und  in  der  ersten  März«  Woche  fanden  täglich  Er* 
adiötterungen  im  nahen  Thale  sUtt,  die  stärkste  den  9.  März  im 
Orte  selbst.  Ihr  ging  eine  so  gewaltige  Detonation  voran,  daas 
■anehe  Bewohner  ein  Abfeuern  schweren  Geschützes  zu  hören  vei^ 
meinte,  weUenförmige  Boden-Schwingungen  Hessen  indessen  keinen 
Zweifel. 

Man  hat  bemerkt,  dass  seit  dem  Anfang  des  Phänomens  die 
Biehtung  der  Schwingungen  stets  die  nämliche  geblieben,  vom  Wetoa- 
hom  ausgehend  gegen  Nordost  und  sieh  erstreckend  bis  in  die  Nähe 
von  Interlaken  Im  Bemer  Oberland.  Das  Dorf  Toerbel  dtlrfte  Mit- 
telpunkt der  Oscillationen  gewesen  sein  und  Visp  jener  der  Detona« 
tinien.  Zur  rechten  und  linken  Seite  dieser  Richtung  nahmen  die 
Stfisse  an  Stärke  ab.  Am  11.  September  noch  vier  Erschütterun- 
gen ZQ  Visp,  die  letzte  im  Jahre  1856. 

Von  hierher  gehörenden  Ereigniasen  in  fernen  Ländern  ist  der 
^  CaUfevnian  slattgefnndenen  zu  gedenken ;  genauere  Nachriditen 


368  GMammeite  Schriftoii  des  J.  N.  t.  Fiichf. 

• 
fehlen  noch.  —  Auf  der  Insel   Sanguir  am   2.  und  17.  liSrs  ge- 
waltige vulkaniache  Aasbrüche. 

Eine  Theorie  der  Erdbeben  sa  geben,  lag  nicht  in  anseres  Ver- 
fassers Absicht.  Er  scbliesst  mit  den  allgemeinen  Bemerkungen,  dass 
örtliche  Erschütternngen ,  und  theils  sehr  heftige,  hlufig  sind,  dass 
jedoch  anch  grosse  Strecken  der  Erdoberfläche  in  demselben  Augen- 
blicke Stösse  erleiden.  Nicht  selten  beobachtet  man  ein  sonderbares 
Zusammentreffen  zweier  Bebungen  an  von  ehiander  weit  entlegenen 
Stellen,  öfter  ist  eine  Coincidens  der  Art  nicht  wahrsEunehmen. 


Oesammdte  Schriften  des  Johann  Nepomuk  von  Fuchs.  Zum 
ehrenden  Andenken  herausgegeben  von  dem  Central-YertoaUungs- 
Ausschusse  des  polytechnischen  Vereifis  für  das  Königreich  Bayern. 
Redigirt  und  mit  einem  Nekrologe  versehen  von  seinem.  Schüler 
und  vormaligen  Assistenten  an  der  Universität  Landshut,  dem 
königl.  bayer.  ordentL  UniversUäts-  Professor  Dr.  Cajetan 
Georg  Kaiser.  XXVJIJ  und  297  S.  in  QuaH.  (MU  dm 
Bildnisse  sammt  Fac  Simile  und  einer  Abbildung  des  Geburts- 
hauses des  Verewigten.)  München  1856.  In  Commission  der 
Literarisch-artistischen  Anstalt. 

Eine  Vielen  ohne  Zweifel  willkommene  Gabe  ist  diese  Samm- 
lung der  Schriften  eines  Mannes,  welcher  sich  gerechten  Ruf  er^ 
werben  und  verdient  gemacht  durch  chemische,  mineralogische  oud 
geologische  Forschungen,  so  wie  durch  sehr  werthyoUe  LeistungeD 
im  Gebiete  der  Technik. 

Mit  Interesse  nimmt  man  Kenntniss  von  der  durch  Kaiser 
verfassten  ausführlichen  Lebensbeschreibung.  Die  gesammelten  grös- 
seren und  kleineren  Abhandlungen  und  AuMtxe  —  ihre  Zahl  be- 
lauft sich  auf  vierzig  —  waren  bis  jetst  zerstreut  in  den  Denlcschrif- 
ten  der  königlichen  Wissenschafts  -  Akademie  zu  München  und  in 
verschiedenen  Journalen.  Sie  wurden  geordnet  nach  den  beiden 
Orten,  wo  Fuchs  geweilt  und  gewirkt:  Landshut  (1805  bis  1833) 
und  München  (1823  bis  1866).  Ohne  in  Einzelnheiten  eingehen 
zu  können,  sei  hier  nur  der  wichtigen  Erfindungen  des  Wasserglases 
und  der  hydraulischen  Mörtel  gedacht.  Von  jenem  bewährten  Schuts- 
" mittel  gegen  Feuer,  zuerst  beim  neuen  königlichen  Hoftheater  io 
München  angewendet,  handelt  die  Abhandlung:  „über  ein  neues 
Produkt  aus  Kieselerde  und  Kalk^'  (S.  80 ff.),  in  Verfolg  kommen: 
jyBeveitung,  Eigenflchaften  und  Nutz  -  Anwendung  des  Wasserglsses 
mit  JKinschluss  der  Stereochromie^  besonders  zur  Sprache  (S.  260  ff.)« 
Der  Abhandlung  „über  Kalk  und  Mörtel*^  (S.  97  ff.)  reihte  sieb 
schon  nach  Jahresfrist  die  „über  Eigenschaften,  Bestandtheile  und 
chemische  Verbindung  der  hydraulischen  Mörtel^  an  (S.  132  ff.)* 
eine  von  der  holländibichen  Gesellschaft  der  Wissenschaften  zu  Haar- 
lern  gekrönte  Preisschrift  ^ 


fe,H,  BBIDELBERGER  m. 

JAHRBOCIBR  DBB  IITBIATUB. 


Da$  dadache  SUofnm^uUBysUm  nach  Meinem  Vreprunge  und   mnem 
Ytrlaufe,  wm  Dr.  Ludtoig  ZimmerU.     Tübingen  1857. 

Ein  tiefer,  eingeothttmlicber  Zug  des  älteren  deutschen  Beehts 
«t  die  hohe  Bedeotang  des  Orundeigenthums  ond  dessen  Inniger 
ZoMunmenhsng  mit  dem  gesammten  Erb-  und  Familienrechte.  Das 
lasse  Becfatsleben  des  deutschen  Mittelalters  Ist  von  diesem  PrUicip 
dsrehaogeo,  wenn  es  aach  an  ▼erschiedenen  2Mten  und  bei  ver* 
lehMeiieQ  Stimmen  in  abweichender  Form  auftritt.  Mit  dem  Ende 
des  Mittelalters  verliert  dieses  Frindp  an  Kraft  und  Bedeutung  und 
fmchwindet  alimälig  aus  dem  gemeinen  deutschen  Rechtssystem. 

lAan  gibt  die  Zerstörung  dieses  Prindps  oft  lediglich  dem  rö- 
Rechte  Schuld.  Allefai  wire  das  ältere  deutsche  RedH, 
den  Orundbesits  in  innigste  Beaiehung  aur  Familie  bradite, 
■ech  in  roller  ungeschwächter  Kraft  gewesen ,  so  würde  eine  Re- 
eeptiott  der  widersprechenden  römischen  Gmndsätse  unmöglich  ge- 
wesen sein;  aber  die  Entwicft:elung  des  deutschen  Rechts  neigte  be- 
Kits  TOD  selbst  aur  Lösung  des  Orundbesitses  yon  dem  Familien- 
▼erbande  bin,  es  strebte  nach  Oleichsetaung  der  Liegenschaften  mit 
der  Fabrniss,  ein  Entwicklungsgang,  welcher  die  Folge  jedes  gestei- 
gerten städtischen  Vericehrs  ist.  Die  Sudtrechte  des  14.  und  15. 
Jahrhunderts  beschränken  oder  beseitigen  die  Rechte  des  nächsten 
Erben  an  dem  Orundbesitse  ond  aiehen  denselben  immer  mehr  in 
den  freien  Verkehr.  Das  römische  Recht  beförderte  nur  seit  seiner 
Aofnahme  diese  bereits  selbstständige  angestrebte  Umbildung  des 
deutschen  Rechts. 

Diese  so  vom  römischen  Rechte  beförderten  modernen  Ver- 
kehrsprincipien  kamen  in  Deutsehland  im  allgemeinen  überall 
nun  Siege,  nur  in  einaelnen  Rechtsinstitoten  singulärer  Natur  blie- 
beu  noeh  Spuren  des  altgermanischen  Rechtsprincips  stehen,  welche 
gewissennassen  wie  Ruinen  des  Blittelalters  ans  unserm  modernen 
Bechtsleben  emporragen  —  so  hisbesondere  der  Retraot,  das  bür* 
gerliche  Erbgut  u.  s.  w. 

Anf  wunderbare  Weise  sind  endlieh  die  altgermanischen  Prin- 
dpien  von  der  Doctrin  des  17.  Jahrhunderts  an  ehiem  modernen 
Bechtsinstitute,  dem  Familienfideicommiss,  umgearbeitet  und 
wenigstens  äosserlich  in  ein  römisches  Gewand  eingekiddet  worden. 

Das  Familienfideicommiss,  als  modernes  Rechtsinstitut,  ist  nicht 
aar  thepretisch  eines  der  interessantesten  Probleme  für  die  Wissen- 
idiaft,  sondern  auch  noch  für  die  Gegenwart  Ton  bober  practischer 
Bedeutung.  Während  alle  andern  Ueberreste  des  deutschen  Stamm- 
gutspiindpsy  wie  s.  B.  der  Retraot,  das  bürgerliche  Erbgut,  im  Ab«: 

L  Jahrg.  5.  Hefk.  2i 


•V0  Ziamerto:    D01 

sterben  begriifen  Bind,  steht  das  Familienfideicommiss  noch  als  ein 
maobtroBes  und  eiafluaireiches  Bechtsinstitat  da. 

Dennodi  fehh  es  in  der  juristischen  Literatur  aa  einer  tiefer 
eindringenden  Monograpliie.  Die  wichtigste  Voranssetsung  so  ^ner 
wissenschaftlichen  Begreifang  dieses  Rechtsinstituts  ist  aber  eine 
klare  rechtsgeaehiebtUche  fintwidcelung  sefaier  Entstehnng.  Woid 
Icanm  bei  Irgend  einem  andern  Institute  laufen  die  Fäden  so  weit 
in  die  Vergangenheit  aurtidc  und  so  wunderbar  durcheinander.  Ob- 
gleich das  Famiiienfideleommlss  in  seiner  jetaigen  Gestalt  ein  mo- 
idernes  Gebftude  der  Doctrla  Ist,  so  haben  doch  die  Architecten  Bai»- 
steine  dam  Terwendet,  welche  sich  bereits  In  den  Sltesten  gefUMUii- 
achen  Volhsrecbten  rorianden. 

Der  Verfasser  der  vorilegeaden  Schrift  hat  das  Stammgata- 
«yatem  aa  seinem  Gegenstände  gewIUilt,  und  vemteht  darunter  alle 
(d^fenigcB  BwhtsaoraMn,  welche  die  Erhaltung  des  Grundeigenthama 
iB  der  FamiBe  beeweel^en. 

In  der  Einleitong  8.  1—38  erörtert  er  die  politische  Be- 
destmig  des  Grundeigenthamsi  als  Orandlage  des  StammgatssystooMi. 
Mit  fWsaiger  Benotaung  4er  nenesten  wlsseosehaltlicbea  Fonehim^ 
gen  von  Waita,  Sjbeli  Both  u.  s.  w.  gibt  er  einen  Ueberblkk  der 
germanischen  UrTerlissuag  und  weist  nach,  «dass  die  Deutschen  aekoa 
Ib  der  ältesten  Zeit  Sonderelgenthiim  gekannt  haben,  und  daas 
4er  BeeitE  eines  freien  Hofes  innerhalb  der  Hundertschaft  die 
Voranasetamig  aur  Theibiahme  an  dem  politischen  Verbände 

Der  Verfasser  verwirft  mit  Recht  jene  unklare  Vorstellung  von 
elnesa  Gesammtelgentbum  der  Familie;  er  führt  als  juristischen  Grand 
für  die  Rechte  des  nächsten  Erben  das  Interesse  an,  welches   die 
gesammte  Familie  an  der  Erhaltung  des  Grundbesitzes  hat.     Seine 
Ansicht  gründet  sich  auf  die  aliein  richtige  Erklärung,  welche 
her  bereiU  im  Jahre  1847  In  aelnen  Meditationes  ad  locum 
sazonid  ausgesprochen  bat,  nämlich  dass  das  sog.  Stammgutaprindi 
lediglich  auf  dem  Gedanken  bemhei  dass  eine  Familie,  um  als  aol< 
mit  voller  öffentlicher  Berechtigung  In  der  Volksgenossensehaft 
gelten,  nodiwendlg  eine  gemeinsame  heimatbliche  Stätte,  einen  Stami 
aiti  haben  müsse.    Der  Bechlssats.  hai  demnach  seinen  Uiaprn] 
in  der  politischen  Bedeutnag  der  Familie,  der  jedessudige 
her  des  Guts  Ist  »ar  allein  Eigenthttmer,  nicht  die  Familie; 
ohne  Eigenthttmer  au  sein,  haben  die  auwartendcB  Erben 
«■mitteibnr  gegenwärtige  Vortheile  von  dem  Grundeigenthnaie ,  dis 
in  der  Hand  eines  Familienglledes  vereinigt  Ist,  und  diese  au  achfitaei 
dient  das  Einspnichsrecdit 

Nachdem  der  Vertisser  hi  der  Einleitung  den  allgemeineo  G* 
alehtspunkt  üestgestellt  hat,  geht  er  zu  der  eigentlichen  geechichtll« 
dien  Darstellung  des  Stammgutssystems  über;  er  aerlegt  des 
Entwicklnngsgang  in  drei  Perioden: 

A.  Aelteste  gennaniache  Zelt 

B,  Mitdere  Zdt- 


391 

a  N«ia0t0  Ztit 
Vit  groaser  Klurbeit  geht  dir  VerfiMier  in  dar  erateo  Parioda  alle 
«ütteUageoden  StelleD  der  Volksrechte  durch;  wen  «och  eise  ba- 
ithunte  GoDftruelioii  des  Bechtsiostitats  nicht  möglich  ist,  so  läset 
iicii  doch  so  viat  mit  Gewissheit  erkennea,  dass  <bui  daotsche  Recht 
idion  cor  Zeit  der  Leges  die  Berechtigung  des  nfichsten  Erben 
kannte,  bei  Verftosserongan  tod  Orondstücken  aIs  sostimmend  oder 
widersprechend  mitxuwirken  ond  dadorch  den  Eigenthümer  in  seiner 
freien  Disposition  su  beschränken.  Allerdings  fehlt  mehreren  Volks* 
reehten  jede  Andeatung  eines  solchen  Einspruchsrechtes  das  nächsten 
Erben,  s.  B.  den  westgothischeni  bnrgundlschen  und  loogobardiacheo 
fiechten,  während  dasselbe  in  der  lex  Saxonnm  besonders  deutlich 
kerrortriu.  Es  ist  aber  falsch,  darin  eine  besondere  EigenlhümÜch- 
keit  des  sächsischen  Bechts  finden  zu  wollen;  es  ist  ein  allgemeines 
deolschaa  Rechtsprindp,  welches  sich  nur  bei  detgeoigen  Völkern 
Terloreo  oder  wenigstens  abgeatumpft  hat,  walohe  dam  Einflüsse  des 
Aknarthoms  am  meisten  ansgesetst  waren. 

Den  qnellenmässigen  Uebergang  von  den  Volksrachten  der  ersten 
Periode  in  den  mittelaUerlichsB  Bechtsbüchem  der  sweiten  Perfode 
bilden  die  Urkunden,  in  denen  regelmässig  die  Znstimmnng  oder 
venigstena  die  Anwesenheit  der  Erben  im  Gericht  erwähnt  wird; 
mä  dem  Einspruchsrechte  der  Erben  hing  die  Nothwendigkeit  dar 
Auflassung  im  Volksgerichte  eng  ausammen,  denn  nur  im  Volksg^ 
lichte  fand  der  nächste  Erbe  die  sichere  Gelegenheit  sur  Ausübung 
seines  Bechtes. 

Die  altgermaniache  Freiheit  ging  mit  der  Gauyerfassung  unter, 
es  entstanden  AbbängIgkeitsTerhältnisse  Freier  gegen  Freie;  ein  Theil 
der  Freien  stieg  zu  dem  bevorrechteten  Stoade  des  Adels  empor, 
wihrend  ein  anderer  Theil  in  die  Hörigkeit  herabsank;  doch  aeigt 
lieb  noch  im  Sachsenspiegeli  welcher  mit  grosser  Zähigkeit  an  dem 
Altbergebrachten  festhält,  die  rechtliche  Bedeutung  des  Grandbo- 
äties  als  VorausseUung  des  Standes,  indem  der  Sachsenspiegel  nach 
der  Berechtigung  an  Grund  und  Boden  zwischen  Landsasaen,  Pfleg- 
heften  nnd  Schöffenbaren  unterscheidet  LeUtere  sind  die  VoU» 
heieny  welche  sich  auch  ihr  freies  Eigen  bewahrt  haben ;  aus  ihnen 
können  allein  die  Schöffen  im  Grafengericht  genommen  werden,  sie 
haben  ihr  Waffenrecht  und  ihre  SteUung  im  Heerscfaild  behauptet 
Üicht  bloss  das  einzelne  besiteende  Individuum,  sondern  die  ganze 
Familie  hat  durch  die  Anwartschaft  auf  solches  voUfreies  Eigenthum 
eine  höhere,  vornehmere  Stellung.  Schon  die  blosse  Beziehung  an 
einem  Stammgute,  dem  sog.  handgemal,  gibt  einer  Person  dieSteJ* 
Inag  eines  Sdböffenbaren  (nicht  eines  Schöffen),  wie  Stobbe  i^. 
grfindlich  in  seinem  Aufsatze  über  die  Stände  des  SAchaenspic  ^^1^ 
nachgewiesen  hat;  es  liegt  dessbalb  im  Interesse  der  Familie  ^ 
Grundbesitz  zu  erbalten.  Demshalb  besteht  in  den  B^chtsb^ 
das  Eänsprucbsrecbt  des  nächsten  Erben  in  voller  Kraft  ^^^u^neih' 
Erbe  hat  ein  dingliches  Becht  an  den  Grundstücken  des  ^^  yfeies 


37i  2imm«rl6:    Du  deutMlie  StammgalMyilom. 

Erblassera,  yermöge  dessen  er  jede,  ohne  seine  Zostlmmang  erfolg 
Veräasserang  anfechten  ond  das  Grundstück  als  sein  Eigenthom  ans 
der  Hand  des  Erwerben  revoeiren  kann.  Nor  der  Erbe,  welcher 
aar  Zeit  der  Verftasserung  der  nächste  ist,  kann  das  Einsprucbsrecbt 
haben.  In  der  Regel  steht  ihm  das  Einspruchsrecht  bei  jeder  Ver- 
äusserung  von  Liegenschaften  zu;  die  Rechtsbticher  unterscheiden 
noch  nicht  swischen  gewonnenem  und  Erbgute.  Erat  in  den  Stadt- 
rechten, welche  das  Stammgutssystem  immer  mehr  beschränlLteii, 
wurde  das  Einspruchsrecht  bloss  bei  Erbgütern  augelassen.  I^ur  in 
Fällen  ächter  Noth  beschränkte  sich  das  Einspruchsrecht  auf  einen 
Verkauf  nach  vorausgegangener  Anerbietung;  das  Einspruchsrecht 
endet  durch  ausdrückliche  Entsagung,  Verjährung  und  Austritt  ans 
dem  Erbenverbältniss. 

Die  Klage,  durch  welche  das  Einspruchsrecht  ausgeübt  wird, 
•tüUst  sich  auf  die  Annahme,  dass  der  unrechtmässige  Veräusserer 
in  Bezug  auf  den  veräusserten  Grundbesitz  gestorben  sei  (FictJon 
eines  erfolgten  Erbgangs).  Die  Klage  ist  die  Vindication  ererbter 
Immobilien;  zum  Schadensersatz  ist  der  Veräusserer,  nicht  der  vin- 
didrende  Erbe  verpflichtet,  die  Klage  verjährt  binnen  Jahr  und  Tag 
von  Zeit  der  Auflassung, 

Dieses  Stammgutsprincip  steht  mit  den  übrigen  Rechtsinstitotea 
des  mittelalterlichen  Landrechts  in  engster  Verbindung ,  so  mit  der 
blossen  Gütereinheit  des  Eherechts  (mit  Gütergemeinschaft  ist 
es  nnTorträglich),  mit  der  Nicbthaftung  der  Immobilien  für  die  Schnl- 
den,  mit  dem  unmittelbaren  Vermögensübergange  ohne  Antretang 
(„der  Todte  erbet  den  Lebendigen^),  mit  dem  Ausschluss  der  Te- 
stamente, Je  mehr  nun  das  deutsche  Recht  von  diesen  Grundlagen 
abging,  je  mehr  die  Stadtrechte  eine  Aenderung  dieser  älteren  ger- 
manischen Rechtsprincipien  durchsetzten  und  so  dem  römischen  Rechte 
▼erarbeiteten,  um  so  mehr  musste  auch  das  Stammgutsprincip  er- 
schüttert werden. 

Da  sich  die  Territorien  immer  mehr  zu  Staaten  abschlössen, 
da  sich  der  in  den  Städten  entwickelte  Begriff  des  Staatsbürgerthams 
verallgemeinerte  und  sich  von  jeder  nothwendigen  Beziehung  zum 
Grundbesitze  losagte,  so  wurde  das  Stammgutssjstem  völlig  ge- 
brochen. 

In  der  dritten  Periode,  der  neuesten  Zeit,  S.  263 — 392,  be- 
spridit  der  Verfasser  die  Ueberreste  des  Stammgutsprincips,  welche 
sich  in  vereinzelten  Rechtsinstituten  erhalten  haben;  hierher  gehört 
besonders  der  Retract,  der  als  Familienretract  in  unmittelbarem  Za- 
'^mmenhange  mit  dem  alten  Einspruchsrechte  steht,  und  das  bür- 
gerliche Erbgut,  wie  es  sich  in  den  norddeutschen  Stadtrechten  ent- 
wickelt, hie  und  da,  ganz  anomaler  Weise,  sich  sogar  auf  Mobillen 
ausgedehnt  hat 

Dagegen  ist  das  adelige  Stammgut  ein  Erzeugniss  des  neuem 
Adelsrechts,  indem  das  Princip  der  ausschliesslichen  Saccee- 
slon  des  Mannesstammes  dem  altem  deutschen  Rechte  fremd  waTi 


Zinmflrle;    Dm  dtntidM  Staaagrtwygta«.  ftTS 


wddhes  nur  efaie  Berorsoganf  doi  MannacitaiiinM  kannte.  Ali 
te  saaere  Redit  immar  mehr  eina  GlaicfaiCallong  dar  Söhne  und 
TMitar  anbahnta,  bildeta  lich  Im  Oagansats  dasu  ain  alganthttouli» 
eh«  Adalaraehty  walehas  daaa  diente,  die  naoera  Bacbtaentwicklang 
TOD  dleaem  Stande  abmhalten.  Leider  hat  hier  der  Yerfaiaar  den 
ZoiamnieBliang  dea  öiTeDtlichen  Rechte  mit  dem  PriTatraehte  dea 
hoben  Adele  völlig  anbeachtet  gelaesen.  Die  Entotehang  dieeaa 
efgenthfimlichen  Standetrechti  lat  nur  im  Zusammenhange  mit  der 
Gtichlchta  der  Territorialbildung  and  der  Landeahohelt  richtig  wk 
rentehen.  Der  grenaenloae  Unfug  der  Landattheilongen  und  der 
dimit  verbnndene  Roin  der  reicheatfindischen  Hinter  war  nach  unearar 
Aniicbt  das  wichtigste  Motir  cur  Abfassung  der  filteren  Hausgesetea 
ond  cur  Ausbildung  einea  eigenen  Rechtea  des  reichsstlndischen  AdelsL 
Den  ganaen  Einfluss  der  goldenen  Bulle  auf  das  gesammte 
Haosrecht  des  hohen  Adels  (auch  der  nicht  churfQrstllchen  EUuser) 
liat  der  Verfasser  nicht  beachtet,  ebenso  die  grosse  Menge  von  Un- 
theilbarlLeitsverordnungen,  welche  bereits  seit  dem  Anfange  des  Wer- 
nkoten  Jahrhunderts  beginnen.  Ein  Blicic  in  unsere  Schrift  über 
das  Recht  der  Erstgeburt  (1851)  bStte  ihm  zeigen  mtissen,  wie  eng 
£e  Stammgutsentwicklung  beim  hohen  Ade!  mit  seiner  Regenten« 
Stellung  ausammenhängt. 

Ebenso  wenig  halten  wir  es  fUr  gerechtfertigt,  wenn  der  Yer- 
ÜMSer  behauptet  S.  971: 

^Ais  seit  dem  Sturse  der  deutschen  Gtorichtsverfassung  in  der 
I  iweUen  Hftlfte  des  15.  Jahrhunderts  das  römische  Recht  sich  fest- 
{  letzte,  war  die  Bildung  dieses  Adelsrechts  schon  vollendet^ 
I         Allerdings  waren  schon  Keime  cur  Entstehung  eines  solchen 
I  Aldelsrechta  Torhanden,  besonders  in  jenen  Untheilbarl^eitsverordnan- 
gen  des  14.  Jahrhunderts;  aber  die  Ausbildung  und  Vollendang  dieses 
j  ei^tbümlichen  Standesrechts  erfolgte  erst  später  und  allmSlig,  und 
I  svar  hn  bewussten  Gegensatse  zum  römischen   Recht,   dessen  un- 
passende  Satzungen  eine  halsstarrige  Doctrin  auch  auf  den   reichs-* 
Btlodischen  Adel  durchzusetzen  versuchte.     Wer  die  Hausgeschichta 
erlaoehter  Familien  studirt  hat,  weiss,  welchen  schweren  Kampf  in 
mlen  HSusem  die  Entwicklung  dieses  Hausrechts  selbst  noch  im 
16.  und  17.  Jahrhundert  mit  den  falsch  angewendeten  romanistl- 
sehen  Principien  durchzumachen  hatte,   bis  eine  unantastbare  Fest- 
stellung desselben  erfolgte.    Vereinigte  sich  doch  oft  genug  mit  dem 
doctrinSren  Eifer  der  Juristen  der  Egoismus  von  nachgebomen  Söhnen, 
▼on  Gognaten,  von  unebenbürtigen  Descendenten  u.  a.  w. 

Femer  können  wir  dem  Verfasser  nicht  b^pfllcfaten,  wenn  er 
te  Hausgesetzen  des  Adels  die  rechtserzeugende  Kraft  völlig  ab- 
spricht und  dieselben  bloss  als  Rechtsgeschfifte  behandelt 
(B.  274).  IHe  Form  des  Vertrags  darf  nicht  dazu  verleiten,  auch 
dem  Inhalte  nach  nur  Vertragsgeschttfte  in  den  Haasgesetzen  zn 
Hhea.  Allerdings  hat  man  In  früherer  Zeit  zwischen  Rechtserzeo- 
Snng  Qod  Rechtsanwendung  nicht  streng  unterschiede   und  vlelea 


9174  biWf :    FlaTtai  DoBÜkniu. 

ia  den  HaotgeBetsen  gehGrl  nur  der  letsteren  an ;  aber  Tidfaeh  wu* 
den  darin  auch  neue  Rechtsnormen  geschaffen.  Wie  kOnnten  die 
Hanaatatoten  wirlLÜehe  ProfaibitirgeBetze  Terletaen,  wenn  flmen  nicht 
dM  lecfatieraeogende  Kraft  inne  wohnte?  Wie  könnte  ein  bloss 
vertragnnissigea  RechtsgeschBft  nicht  nur  die  Gontrahentett,  sondern 
«idi  deren  entfernte  Nachkomesea  auf  Jahrhunderte  recfadich  ver- 
Mnden? 

Zum  Bchluaee  wirft  der  Verfaaaer  noch  einen  Blick  auf  die 
Entstehung  dea  FamilienfideicoaftmiBses ;  wir  halten  hier  seine  Ai- 
dentungen  für  sehr  gelungen  und  bedauern  nur,  dass  er  sie  so  sliii- 
Benhaft  gehalten  hat.  Eine  auBfOhrliche  und  durchgearbeitete  Eat- 
wicklQttgsgesdtichte  des  Fideicommisses  wSre  gewlssermassen  der 
Absehlusa  dieser  rechtshistorischen  Monographie  gewesen.  Ehie  widi- 
tige  Vorarbeit  für  die  Geschichte  des  Familienfideicommiases  hat  der 
Terlasser  jedenfalls  durch  seine  gegenwärtige  Schrift  geliefert,  weldie 
aidi  nicht  bless  durch  gelehrtes  Quellenatudium,  sondern  auch  durdi 
khu«  Sichtong  des  Stoffes  und  Uebereichtlichkeit  der  Darstellung  aos- 
xeichnet 

J^na.  Prof.  II*ra«iiii  SehulsKe. 


T.  Flavius  Damüianus.  Ein  Beitrag  ster  CtesehiMe  dir  rämü^m 
KaneneU.  Nach  din  QueUm  darpestdU  v^  Dr.  Albert  Jtn- 
ho  f.    HaOe,  WaUemhaw  1857.     VI  und  144  8.  y^  Thäier. 

Verliegende  Sdirift  schliesst  aicfa  an  ähnliehe  ArbeHea  von 
Franoke^  Gregorevius^  Barckhardt  n.  A.  an.  Sie  macht  dnen  woiü- 
thoewlen  Eiikbruck,  da  de  mit  seltener  Ansprucblosigkeit  auftritt 
und  gieichwohl  durchgehende  den  Stempel  eines  tächtigen,  eindrin- 
genden Studiums  trägt  In  der  That  erforderte  eine  befriedigende 
Regierangsgeschicbte  des  Domitianus  bei  dem  Verluste  der  besflg* 
lidMtt  Thdle  des  Taeitus  und  bei  der  Dürftigkeit  der  Exceriyte  aos 
Dio  Gaaslus  ungemein  vid  Aufmerksamkeit  und  Combination.  SdM 
Münxen  und  Inschriften  mossten  sorgsam  au  Rathe  gesogen  werden. 
Eine  Tolbtändige  Darstellung  jener  Zeit  ist  aber  in  manchem  Be* 
tradH,  namentlich  auch  für  die  Litteratuigeschicbte ,  dn  dringendes 
Bedfirfiiiss.  Herr  Imhof  bat  dieses  BedQrfniss  auf  eine  sehr  gdon- 
gene  Weise  befriedigt  Mit  grosser  VoUständigkdt  und  doch  mit 
Vermeidung  aUes  gdefartea  Baliastes  ist  in  seinem  Schriftchen  aas 
den  aUea  Quellen  nnd  den  neoen  Bearbdtungen  der  Stoff  gessm- 
melt,  zweckmässig  geordnet  und  in  einfacher,  Hohtvolier  DarsIdlaBg 
TOfgefiihrt 

Besonder»  aBeri[ennen8wertb  ist  es,  dass  sich  der  Verfssser 
dnrch  die  WaU  seines  Gegenstandes  nicht  hat  Terieiten  lassen, 
seinen  Hidden  mit  hdiem  Farben  au  malen,  als  demselben  seiner 
Wellgeschichtlieben  SteHong  nach  zukommen.    Er  lässt  den  dästerO) 


PMMlKMitfanf«  IVS 


Ckaneter  denelbeB  fibwmll  io  adMr  gtiiMo  BcbrwUieh- 
kail  banrortietea.  Ohne  alle  Polemik  ist  das  darchaos  verfeblte  Bili 
beriebü^  wdehea  Nfebolir  in  tehiaB  Vorleaangan  tm  DomitlawMi 
nd  Minar  Zeit  entworfen  hatte. 

Den  Stoff  Tertheilt  der  YerTaaier  in  14  Gapfte!,  too  wekhen 
efstge  Uographiaeh-biatoriaeh  behandelt  sind,  andere  Ober  Krie(0| 
Se^erangnystem ,  Oeeetsgebang ,  Glnrietenthuni ,  Litteratnr  n.  a.  f. 
Deberaichten  gewibren.  Den  Schlnis  leidet  ein  NamensTerneiehiyaii 
den  auch  eine  chronologlsehe  Tafel  bitte  beigegeben  werden  aoUeo. 

Im  Einaelnen  findet  sich  Ref.  an  folgenden  Bemerkungen  nnd 
Bericbtigongen  veranlasst. 

Ib  dem  Abschnitte  Aber  die  Familiengeschichte  des  Flarbchen 
Oeiehledites  heisst  es  8.  14  andeatlieh,  der  iUtere  Pllnlns  habe  die 
Regierongsgeschichte  des  Vespasianas  hi  31  BOchem  besehrieben. 
31  Elidier  zfihlte  das  ganae  Werk,  das  A  fine  Anfldii  Bassi  über- 
Khrieben  war;  aber  es  nmfasste  auch  die  vorhergeiienden  Regle- 
nmgen,  wahrscheinlich  von  Tiberios  an.  Pfir  Galigola  ist  die  Stelle 
da  Soetonius  in  C.  Cal.  8  beweisend.  Allein,  dass  Plinins  noch  die 
Zeit  des  TIberins  behandelte,  scheint  ans  M.  Seneca  Boasor.  p.  89. 
42  Bip.  gefolgert  werden  an  mOssen.  NSroÜch  noch  anter  TiberivSi 
um  d.  J.  34,  hatte  M.  Seneca  das  Werk  des  Anfidiae  Bassna  schon 
gelesen.  Dasselbe  wird  also  woU  nur  bis  aam  Todeijahre  des 
Aogustos  herabgegangen  sein. 

Von  einer  zweimaligen  Bekanntschaft  Vespaslans  mit  seiner 
Gattin  DomiHüa  8.  15  wissen  die  Schriftsteller  Nichts;  die  Inmng 
▼enwlasste  der  nachfolgende  Sats  Aber  GInis.  Die  erste  Oemah* 
Kd  des  Titas  hiess^  wie  wir  jetst  ans  einer  Inschrift  bei  Orelli-Hen- 
len  DO.  5429  wissen,  nicht  Arricidia,  sondern  Arrecina  Tertnlla. 

Zwei  Irrthümer  sind  8.  128  in  Betreff  der  Kaiserin  Domltia, 
der  Gattin  Domitians,  an  berichtigen.  Einen  Sohn ,  der  bald  starb| 
gebar  sie  ihrem  Gatten  nicht  im  aweiten  Jahre  seiner  Regiemng 
d.  i.  im  Jahre  82,  sondern  in  secnndo  sno  consnlatn  d.  L  im 
Jahre  78.  Spltter  scheint  sie  nicht  mehr  geboren  an  haben;  we- 
Bigsteas  enthalten  alle  angeführten  Stellen,  wie  Martialis  6,  8,  nur 
fronme  Wünsche  fSr  fernere  Nachkommenschaft,  und  die  Gonseer»* 
tfoDsrnflncen  mit  der  Inschrift  Divns  Gaesar  Imp.  Domitiani  f.  be- 
lieiiett  sich  eben  nachtriglich  aof  jenen  frflhverstorbenen  Sohn.  IMe 
Steile  des  Saetonins  in  Dom.  8  ist  allerdings  Ifickenhaft,  aber  erst 
kiater  tulerat.  Dort  mosste  angegeben  sein,  wie  lanaisch  der  Kaiaer 
Niae  Gattin  an  Anlang  seiner  Regiemng  behandelte.  Der  andere 
Intfamn  beaieht  sich  aaf  Domitia's  Lebensdaner,  die  riel  an  weit 
Ms  gegen  d.  J.  140  erstreckt  wird.  In  der  Inschrift  bei  OrriU 
no.  775  ist  nicht  gesagt,  dass  Domitia  erat  kürslich  Terstorben  sel| 
vielaehr  heisst  es  im  Gegentheil  von  dem  Stifter:  qni  iam  pridem 
extroxisset  templnm  in  honorem  ac  memoriam  Domitiae.  Einen  ana- 
McUichen  Beweis  aber,  dass  sie  an  Saetonins  Zeit,  d.  h.  im  Jahre 
MO,  tedt  war,  liefert  die  Stelle  des  Saetonins  in  Dl?o  Tito  10  extr. 


S76  Imbof:    Flavioi  Domitiftiiiii. 

Nicht  richtig  kaon  es  seiiii  wenn  8.  19  von  Titas  gesagt  wird, 
er  habe  gleicbseitig  mU  seinem  Vater  i.  J.  61  in  Britannien  gedient; 
dies  steht  auch  mit  S.  18  im  Widersprach,  wo  gesagt  ist,  Vesper 
sianiis  habe  seit  d.  J.  43  längere  Zeit  in  Britannien  verweilt  Da» 
Vespasianns  von  43  bis  47  in  Britannien  stand  and  anch  sein  S5bn- 
chen  Titos  bei  sich  hatte,  geht  aas  Dio  Gassins  60,  30  herror.  Hin- 
gegen als  Kriegstribnn  kann  Titas  Alters  halben  nicht  Tor  d.  J.  60, 
jedenfalls  erst  nach  d.  J.  56,  vgl.  Saetonius  in  Divo  Tito  8,  Dienste 
genommen  and  in  Germanien  and  Britannien  gestanden  liaben.  Eine 
nähere  Angabe  würde  in  den  Worten  des  Plinius  N.  H.  praef.  3 
liegen,  wo  von  dem  castrense  contuberniam  des  Jünglings  bei  PH- 
nins  die  Rede  ist,  wenn  wir  nur  über  den  Aufenthalt  des  Plinios 
in  Germanien  genauer  unterrichtet  wären.  Die  gewöhnliche,  aber 
so  viel  ich  sehe  unbegründete,  Annahme  setst  denselben  awischen 
45  und  52.  Allein  aus  N.  H.  83.  §.  63.  gebt  nicht  hervor,  dass 
Plinius  i.  J.  52  dem  Kriegsdienst  entsagt  hatte.  Er  konnte  damals 
auf  Urlaub  in  Italien  sein,  und  es  ist  unglaublich,  dass  Plinius  swi- 
schen  52  und  67  ohne  Anstellung  gewesen  sein  sollte.  Sicher  ist 
jedenfalls,  dass  Vespasianus  i.  J.  60  ff.  nicht  in  Germanien  und  Bri* 
tannien  stand,  sondern  Statthalter  von  Africa  war. 

In  dem  Abschnitte  über  die  auswärtigen  Kriege  spricht  sich 
Herr  Imbof  S.  49  auch  über  Domitian's  Verhältniss  au  den  Agri 
decumates  aus.  Ich  glaube  schon  i.  J.  1838  als  ein  sicheres  histo* 
risches  Resultat  festgestellt  au  haben,  dass  Domitianus  i.  J.  84  bei 
GMegenheit  seines  Feldsugs  gegen  die  Gatthen  Schwaben  zum  r5ffii- 
sehen  Reiche  schlug.  Der  Beweis  kam  damals  freUich  nur  auf  dem 
Wege  der  Combination  au  Stande,  wobei  als  das  Schlagendste  die 
Benennung  Arae  Flaviae  für  das  jetzige  Rottweil  hervorgehoben 
wurde.  Erst  i.  J.  1840  fand  ich  dann  bei  Frontinus  Strat  1,  3,  10 
die  bisher  von  Niemand  l>eachtete  Beweisstelle,  welche  die  Combi- 
nation zur  geschichtlichen  Thatsache  erhebt.  Durch  briefliche  Hit- 
theilung  setzte  ich  von  dem  Funde  mehrere  Gelehrte  in  Kenntnisfl, 
so  dass  zuerst  der  sei.  Pauly  in  der  Realencydopädie  2,  1201,  dson 
Stalin  in  der  Wirtembergischen  Geschichte  1,  14  die  Provincialisi* 
rung  Schwabens  durch  Domitianus  als  historisches  Factum  anerkann- 
ten. Die  Stelle  des  Frontinus  ist  entscheidend.  Die  dort  erwähn- 
ten limites  per  120  M.  P.  acti,  also  50  Stunden  lange  Gränzwftlie, 
durch  welche  der  römische  Boden  gegen  die  feindlichen  UeberiXUe 
der  Germanen  gesichert  und  zugleich  unterworfen  wurde  (snl)iedt 
ditioni  suae),  können  nur  von  der  s.  g.  Teufelsmauer  und  dem 
Pfahlhag  verstanden  werden.  Durch  diese  Stelle  ist  also  erwieseOf 
dass  dieser  Sinus  imperii,  vgl.  Tacitus  Grerm.  29,  durch  Domitianns 
und  zwar  i.  J.  84  zum  Reiche  geschlagen  und  den  beiden  angris- 
zenden  Provinzen  einverleibt  wurde.  Eben  dieser  Erwerbung  wegen 
legte  sich  der  Kaiser  den  Beinamen  Germauicus  bei. 

Die  Einwendungen,  welche  Herr  Imbof  gegen  diese  „Hypotheie' 
erhebt,  sind  durchaus  nichtig.    Domitianus  habe  mit  den   Agri  de« 


hilior:    FhTiai  Doaiitlmii«.  377 

tsmäM  vUktB  so  tboii  gehabt,  Mft  «r  angesichts  der  Beneii- 
Bi^  Arme  FbiTiae  und  des  50  StundeD  langen  Grlnswalls.  Li« 
■itibni  sei  swetfeihafte  Lesart  fOr  miUtibus,  meint  er,  als  ob  die 
Werte  milites  per  120  M.  P.  acti  lateinisch  ond  Tersttodlidi  wären, 
(Den  handsdirifiüichen  Scropel  mag  Oodendorp  sn  Fronthias  1,  6, 
10  oniTeni  a  limite  lösen.)  Gar  sonderbar  endlich  ist  es,  wenn  in 
Jer  Stelie  des  Snetonius  in  Dom,  6  ein  Gegeoargoment  liegen  soll 
teer  Statthalter  hatte  ja  eben  Schwaben  ond  die  Schwarswaldge- 
gcnden  preisgegeben,  nnd  gerade  in  Folge  daron  i^onnten  die  Bar* 
bim  an  den  Rhein  gelangen.  Für  den  Krieg  Domitian's  i.  J.  84 
lind  besonders  die  Stellen  des  Frontinus  I,  1,  8.  3,  10.  II,  8,  93. 
11,  7.  ra  benntien.  Zweimal  nennt  er  als  Feinde  allgemein  Ger* 
Bsol,  einmal  werden  cormpt  fines  cobioram  oder  copioram  erwShnt 
(nsB  hat  Ubiomm  oder  Usipiorom  vorgeschlagen,  aber  auch  Saebo- 
nim  liegt  nicht  weiter  ab),  and  einmal  nennt  er  die  Feinde  CatthL 
Ebenso  nennt  nun  anch  Suetonias  jenen  Erleg  einen  Eroberungskrieg 
gsgea  die  Catthen,  sponte  expeditionem  suscepit  in  Gatthoi;  auch 
Mirtialis  2,  2.  leitet  Domitlans  Beinamen  Germanicus  ausdrücklich 
Tso  einem  Kriege  gegen  die  Catthen  ab.  Nun  aber  nennt  ja  Ta* 
dtQi  Germ.  30  ausdrücklich  gerade  die  Catthen  unmittelbare  Oräna* 
Bidibam  der  Agri  decumates.  Es  ist  also  Alles  im  schönsten  Ein* 
Usag,  und  die  Stelle  des  Frontinus  1,  3,  10  wird  wohl  auch  fer- 
seihfo  dem  Domitianos  die  Ehre  der  ProTindallsIrung  Schwabens 
ud  der  Anlage  des  Gränswalls  sichern. 

Uebrigens  hStte  Herr  Imhof  nicht  wiederholen  sollen,  dass  in 
der  taciteischen  Stelle  Decumates  von  agros  getrennt  und  als  Nomi* 
satiT  gefasst  werden  müsse.  Es  gibt  nach  römischen  Begriffen  keine 
hemines  decumani  im  Sinne  von  Zehntpflichtigen ,  wohl  aber  agrl 
decumani  oder  decumates. 

Hinsichtlich  der  Dacier  erscheint  Domitianus  in  gans  merklicher 
Weise  kleinlaut.  Auf  seinen  Münzen  gedenkt  er  ihrer  nicht;  weder 
ImebrifteD  noch  Schriftsteller,  mit  einsiger  Ausnahme  des  Schmeichlers 
Hsrüalis  in  der  Vorrede  seines  achten  Buchs,  kennen  den  Beinar- 
men  Dadcus.  Erst  Trajanus  nahm  diesen  Titel  i.  J.  103  an,  päd 
dssBcn  Goldfüchse  meint  JuTcnalis  6,  204. 

Für  den  sarmatlschen  Krieg  an  der  Unterdonau  konnten  die 
bschriften  bei  Orelli-Henzen  no.  3049.  5439.  6766.  6912.  ange* 
ftlirt  werden.  Aus  ihnen  erfahren  wir  wenigstens  die  offidelle  Be* 
ssnnung  des  Feldsugs;  dieselbe  war  Bellum  suebicnm  et  sarmaticum. 

Den  Namen  des  Feldherrn,  welcher  den  L.  Antonius  besiegte, 
hst  nerst  BorghesI  sull'  ea  di  Giovenale  p.  7  festgestellt.  Die 
Sdiriftsteller  schwanken  darüber  eigentlich  nidit,  sie  itihren  ihn  nur 
immer  fragmentirt  an.  Er  lautete  FolIstSndig  L.  Appius  Maximus 
Norbanus.  In  zwei  Inschriften,  bei  Orelli  no.  772  und  in  Cäsar's 
Zeltschrift  für  die  AW.  1854,  p.  513,  wird  dieser  Feldzug  Bellum 
Clemiauicum  genannt;  yielleicht  gehört  auch  die  Ezpeditio  Germa- 
nica bei  OreUi  no.  3569  hierher. 


978  Iinhof:    Flarins  Donitinv». 

Das  Epigramm  des  Eaennt,  toh  welchem  S.  99  die  Bede  iaC, 
wurde  niebt  In  verSuderter  Form,  sondern  b^chstfiblick  te  Umlaiif 
gesetsf.  Wenigstens  wird  man  eher  mir  betpffiehten,  wem  leh  in 
dem  handschriftlichen  cotKctp^a  das  dol  tgiyB  wieder  erkenne  i  ab 
dem  PolfClanne,  welcher  KeUffecpc  darana  machte. 

Auffallender  Weise  ist  8.  120  gesagt,  Suetonius  erwfinie  nichCs 
▼on  einer  Bethelllgnng  der  Kaiserin  Domitia  am  Morde  ihres  Q«- 
mahls.  Nnn  heisst  es  aber  doch  cap.  14  ausdrücklich:  Oppressos 
est  amicoram  libertorumqae  Intimorum  conspiratlone,  slmnl  et  nxo- 
ris.  Als  Todestag  Ist  S.  116  darch  einen  Druckfehler  der  15.  statt 
des  18.  Septembers  angegeben. 

Besondere  Erwähnung  verdient  der  Abschnitt  8.  130  ff.  über 
die  Autorschaft  der  Aratea  des  GermanIcas  GSsar.  Hier  wird  ge- 
gen die,  snletat  von  Bemhardy  vertretene,  Abfassung  des  Gedichts 
durch  Domitianus  besonders  auf  zwei  Punkte  Gewicht  gelegt  Etor' 
mal  wird  bewiesen,  dass  Domitianus  den  Namen  Caesar  Germaniene 
gar  nie,  den  Namen  Augustus  Germanicus  aber  erst  seit  d.  J.  88 
führte.  So  die  Münzen  und  Inschriften  und  Schriftsteller,  z.  B. 
IVontinus  2,  11,  7.  Martialls  2,  2.  Suetonius  In  Dom.  13  eztr.  Gatts 
aus  der  Luft  gegriffen  ist  die  von  Vielen  wiederholte  Behauptung, 
dass  er  diesen  Beinamen  schon  seit  dem  J.  70  getragen  habe;  nlan 
lieh  es  hätte  eben  das  Gedicht  eine  Jugendarbeit  Domitians  sein 
soRen.  Zweitens  macht  der  Verfasser  ^auf  auftnerlisam,  dass 
Quintilianus  10,  1,  55  unmögBch  hStte  so  kühl  über  Aratns  nrtbef- 
len  kOnnen:  AratI  materia  motu  caret,  ut  In  qua  nulla  rarietas, 
nullus  affectus,  nulla  persona,  nulla  cuiusquam  sIt  oratio;  saffieit 
tarnen  operi,  cui  se  parem  credidit,  wenn  sein  Gebieter  und  Gönner 
Aesen  Dichter  einer  so  speciellen  Beachtung  gewürdigt  hStte.  Von 
den  poetischen  Talenten  des  Domitianus  machen  freilich  die  Sdirift- 
steller  jener  Zeit  (von  Pllnius  an  Nat.  bist  praef.  $.  5  bis  auf  Sta* 
tlus  und  Quintilianus  herab)  viele  Worte,  aber  nirgends  wird  etwas 
Positives  angeführt,  so  dass  es  wohl  bei  Sueton's  Urtheil  Simnlavit 
etiam  poeticae  Studium  u.  s.  w.  sein  Verbleiben  haben  wird*  Hiemlt 
shid  nun  freilich  nicht  alle  Bedenken  hinsichtlich  des  Auters  gelM^* 
ben ;  auffallend  bleibt  namentlich  das  Schwanken  der  Ueberllefenragy 
indem  neben  den  Scfariftstellern ,  welche  Germanicus  Caesar  oder 
Caesar  oder  Julius  Caesar  anführen,  auch  noch  die  Handschriften, 
wenigstens  codd.  Basiliensis,  Bemensis  und  Puteaneos  Par.  788^ 
den  Claudius  Caesar  auf  dem  Titel  der  Aratea  nennen. 

Kleinere  Versehen  sind  8.  15  Mutter  und  Tochter  statt  Ghttia 
und  Tochter,  S.  29  Vespasianer  statt  Flavianer,  8.  81  Prudena  statt 
Pudens,  S.  94  Varonllla  statt  Varronilla,  S.  95  popäisch  statt  pep- 
pXisch,  S.  138  Aruntius  statt  Arruntfns. 

Bafel.  K.  li.  Ro«ll. 


IO«khr  mi  RM8w:  SfaiMaBff  m  Ctav'i  CoMwnlvm.  179 

BUüihmg  zu  C.  JuHu$  Cäsar^M  (hmmenianm  über  dm  gaM^ 
$chen  Krieg.  Yen  H,  Köchly  und  W.  Rü%iOi».  Ocfha. 
TeHmg  wm  Hugo  Schaibe.    ld&7.     VI  tmd  159  8.  in  gr.  B. 

Die  Verfiumr  dieser  Schrift  iMbeo  nollogsi  Cltoat*f  Commeo* 
iare  über  &m  fallisdieii  Krieg  In  einer  dentodienf  für  ein  gebOdelee 
Lasepalrtikiini  l>erecbneCen  UeiierseUnng  ertdieimii  iMten  ond  statt  der 
dort  feUenden  Einleitang  aof  die  (besondere  Behrift  verwiesen,  weldie 
As  aDg^eneinenf  In  einer  Einleiten^  m  verhandelnden  Gegenstinde  \m 
gr6sserer  AosfÜhrllchkelt  darstellen  werde.  8.  d.  Jahrbb.  S.  306.  Diese 
Schrift  liegt  onter  dem  oben  angeführten  Titel  jetst  vor  uns:  sie  wird 
US  mehr  als  einem  Grunde  die  Beachtung  Aller  derer  verdienen,  die  mit 
Charts  Schriften  sidi  beschftftigen  nnd  über  diese,  wie  selbst  über  die 
PeisOaliehlteit  GSsar's,  insbesondere  über  seine  politische  Stellung 
osd  Bedeotong  sn  einem  Urtheil  gelangen  wollen.  Sie  Ist  dabei 
ta  einem  so  frischen  und  lebendigen ,  Icrfiftlgen  nnd  entschiedene« 
Tone  gehalten,  dass  man  gern  bei  derselben  verweilen  wird,  aacb 
wsnn  man  nicht  hi  allen  einzelnen  Urtheilen,  namentlich  was  die 
Istwickelnng  der  politischen  VeriOlItnisse  in  dem  Leben  GSsar's  be- 
trill, mü  den  Verfassern  geben  und  eben  so  unbedingt  hier  mif 
iteen  fttr  CIsar  Partei  nehmen,  als  In  die  herl>en  und  wegwerfen* 
<SB,  nach  misem  Ermessen  selbst  ungerechten  Urtheile  einstimmen 
wird,  die  über  manche  der  (Jegner  G8sar*8,  namentlich  über  einen 
Fampejne,  über  einen  Gicero  gettUt  werden :  wie  dless  jetst  der  von 
isB  neuesten  Bearbeiter  der  römischen  Geschichte  angestimmte  Ton 
alt  sich  SU  bringen  scheint,  der  durch  einen,  dem  modernen  Lib^ 
nüsmus  unserer  Tage  entstammenden  Hass  gegen  die  aristoltrati* 
ichea  Institutionen  Roms  und  deren  Vertreter,  anm  Verth^diger  eines 
mülttrlschen  Absolutismus  und  Despotismus,  mit  allen  seinen  Grlu- 
flin  geworden  ist.  Wenn  also  in  diesem  mehr  gescbicfatlichen  Theile 
te  Bnleitnng  die  Verfasser  schwerlich  auf  unbedingten  Beifall  rech- 
■en  k5niien,  so  wird  ihnen  dieser  um  so  weniger  in  allem  Demje- 
Bigen  anableiben  können,  was  die  mehr  llterSrische  Seite  ihrer  Lei* 
itang  betrifft,  Ihre  durchaus  richtige  und  wohlbegründete  Ansicht 
fiber  GSsar's  Werk  selbst,  und  die  gerechte  Würdigung  desselben 
Sieh  seinen  verschiedenen  Selten;  das  Ganze  ist  freilich  nicht  so* 
woU  berechnet  für  Schüler,  als  für  Gelehrte,  für  gebildete,  urtbeils- 
Bhlge  Leser,  oder  auch  für  Lehrer,  die  zu  einer  richtigen  Einsicht 
oad  Auffassung  des  Ganzen  wie  selbst  des  EInzehien  gelangen  wol* 
Isn.    Mit  allem  Recht  werden   Cüsar's  Gommentare  über  die  von 

gsMirten  Kriege  an  den  vorzüglichsten  Erzeugnissen  der  rümi- 
Literatur  gezShlt,  die  aber  „eigentlich  nur  eine  Lecttfre  für 
dn  im  öffentlichen  Leben  durchgearbeiteten  Mann,  für  den  denken-* 
^  Fslitiker,  Ott  den  gebildeten  MUhär'  abgegeben,  wShrend  sie 
j«tst  „leider  vorzugsweise  eine  Lectüre  der  Schulmeister  und  Schul-* 
beben  geworden;  man  übt  an  ihnen  Formenlehre  und  Sjntax,  Etj- 
odogie  und  Synonymik,  Phraseolo^e  und  Styl  und  verdirbt  so  den 


380  Ktfchly  und  Rttitow:  Einleitnnf  Sit  CUai^t  Coinneittreil, 

MefBten  der  aaf  solche  Weise  durch  sie  Gedrillten  auf  immer  die 
Lust,  als  gereifte  MSnner  sii  ilmen  zurück zulcehreo.'  Wer  wollte 
In  Abrede  stellen,  das«  in  diesem  harten  Urthell  (das  hier  anf  eigene 
Erfahrang  gestützt  aasgesprocben  wird),  eine  Wahrheit  liegt,  die  wir 
uns  nicht  verhehlen  können  and  wollen,  eine  Wahrheit,  die  aber  auch 
eben  sehr  auf  andere  der  anf  anseren  Schalen  gelesenen  Schrift- 
steller Anwendung  findet  und  eben  zeigen  kann,  wie  der  so  ▼iei-' 
fach  in  unsem  Tagen  zar  Klage  gekommene  Mangel  an  Sinn  für 
die  alte  klassische  Literatur  und  an  Liebe  für  eine  gedeihliche  Pflege 
derselben  ihren  Grund  mit  in  der  Art  und  Weise  hat,  in  welcher 
diese  Studien  auf  unseren  Schulen  betrieben  werden,  die  statt  Liebe 
und  Sinn  für  diese  Literatur  zu  erwecken,  nur  Widerwillen  und  Ab* 
neigung  in  der  Seele  des  Jünglings  hervorrufen,  der  statt  in  den 
Geist  der  alten  Literatur  eingeführt  zu  werden,  mit  philologischen 
Grillen  nnd  Düfteleien  geplagt  wird,  die  ihm  am  Ende  Alles  zuwider 
machen.  Es  haben  nun  die  Verfasser  dieser  Schrift  mit  detselbeD 
den  Zweck  verbunden:  „einem  jeden  Gebildeten,  welcher  CSsar*! 
Gommentarien  im  Originale  oder  in  der  Uebersetzung  liest,  eine 
fasslicbe  Anleitung  zu  diesem  lebendigen  Yerständniss  za  geben/ 
So  mag  dieselbe  allerdings  efaie  nützliche  Zugabe,  ein  wahres  Sup- 
plement zu  jeder  Ausgabe,  wie  zu  jeder  Uebersetzung  des  Cfisar  bilden. 
Es  beginnt  die  Einleitung  mit  einer  Betrachtung  des  WerlceB 
selbst,  seiner  Veranlassung  wie  seiner  Veröffentlichung  und  den  dieser 
zu  Grunde  liegenden  Tendenzen,  indem  dadurch  allein  eine  rieh« 
tige  Würdigung  des  Ganzen,  nach  seiner  Ausführung,  wie  nach 
seiner  Anlage,  erzielt  werden  kann.  Zuerst  machen  die  Verfasser 
auf  den  Titel  des  Werkes  (Commentarii)  und  dessen  Sinn  und 
Bedeutung  aufmerksam.  Es  sind  eben  „ErzShlungen  von  Selbstge- 
sehenem, Selbsterlebtem,  Selbstgethanem,  welche  einfach  und  schmuck- 
los eben  nur  die  Erfahrungen  des  Verfassers  als  Material  für  eines 
eigentlichen  Geschichtschreiber  geben  sollen^  (S.  2);  eben  dadureb, 
dass  sie  nur  Thatsächliches,  für  dessen  Wahrheit  die  Persönlichkeit 
des  Verfassers  einsteht^  geben  sollen,  unterscheiden  sie  sich  von 
derjenigen  Thätigkeit  der  Alten,  die  wir  In  das  Gebiet  der  politi- 
schen Tagesbrochüre  verlegen  würden,  wie  sie  in  manchen  Reden 
und  ähnlichen  Productionen  uns  entgegentritt,  ebenso  wie  von  der 
vollendeten  Form  eines  Geschicbtwerkes ,  das  zugleich  ein  Kunst- 
werk sein  und  seinen  rein  objectiven  Charakter  In  Allem  kund  ge- 
ben soll,  während  hier  gerade  der  mehr  subjective  Standpunkt  sidi 
geltend  macht  und  ins  Auge  gefasst  werden  soll.  Dass  aber  Cässr 
keineswegs  In  Rom  der  erste  war,  der  mit  derartigen  Memoiren 
hervortrat,  zeigt  die  ganze  Reihe  Derjenigen,  die  vor  ihm  dieses 
Feld  in  ähnlicher  Weise  und  selbst  zu  ähnlichen  Zwecken  betretes 
haben;  die  Verfasser  weisen  auf  diese  Vorgänger  hin,  um  zu  zei- 
gen, „wie  schon  seit  einem  Jahrhunderte  diese  selbstbiograpbiscbe 
Schriftstellerei  zu  Wehr  und  Waffe^  in  dem  alten  Rom  geworden, 
und  knüpfen  daran  eine  Darstellung  des  ganzen  Lebensganges  dei 


Idddy  md  Rttttow:  BialeitaBf  n  Citer^a  CwuMttutm.  381 

Okmtj  iiMbeBOiidere  der  von  ihm  seit  den  Jahren  dee  ersten  Aa^ 
treCaoB  befolgten  politisehen  Hmndlongsweieei  die  allerdings  nur  aof 
Ein  Ziel  gerichtet  war,  nur  dieses  In  Auge  gefasst  hatte  and  nur 
durch  das,  was  sur  Erreichung  desselben  förderlich  schien,  sich  in 
AJlem  bestimmen  Hess.  Eben  aus  dieser  gansen  Darstellung,  wel- 
che mit  einer  Betrachtung  der  Verhältnisse  Galliens  au  Rom  und 
emem  Blick  auf  die  Entwickelung  der  politischen  Parteikimpfe 
Roms  scfaliesst,  soll  es  deutlich  werden,  wie  eben  die  Veröffent- 
fiehung  der  Commentare  über  den  gallischen  Krieg  durch  einen 
poütischen  Zweck  hervorgerufen  war,  und  zwar  durch  denselben, 
den  Cisar  in  seiner  gansen  vorausgegangenen  politischen  wie  mi«- 
litSrischen  Thfitigkeit  stets  vor  Augen  gehabt  und  mit  seltener  Aus- 
daner  wie  Klugheit  verfolgt  hatte;  dieser  Zweck  aber  war  anerkann« 
termassen  dodb  kein  anderer,  als  der  sich  zum  Oberhaupte  des  welt- 
beherrschenden Staates  zu  machen;  ein  Zweck,  zu  dessen  Erreichung 
nicht  bloss  rohe  Waffengewalt,  also  militärische  Mittel,  sondern 
eben  so  gut  politische  Mittel  dienen  mussten ;  wie  denn  Cäsar  beides 
geschickt  mit  einander  zu  vereinigen  wusste.  Wie  Cäsar,  sagt  der 
Verfasser,  durch  die  Eroberung  Galliens  sich  die  militärischen  und 
pecuniären  Mittel  erwarb,  um  mit  Waffengewalt  den  Kampf  mit« 
leben  politischen  Gegnern  zu  führen  und  diese  darniederzuwerfen, 
10  sollte  die  Erzählung  davon  gleichsam  der  moralische  Hebel  sein, 
nm  die  Herzen  der  Bürger  Rom's  noch  vor  dem  ausbrechenden, 
Dothwendig  gewordenen  Kampfe  selbst  zu  gewinnen ;  es  sollte  diese 
Erzählung,  als  ein  Rechenschaftsbericht  dessen,  was  er  selbst  gethan, 
die  öffentliche  Stimme  für  sich  gewinnen  and  die  Gegner,  mit  allen 
ihren  schweren  Anklagen  wider  Cäsar,  als  Feinde  des  Vaterlandea 
brandmarken:  am  Vorabend  eines  schweren  Bürgerkrieges  galt  es 
ihm,  eine  thatsäcbliche  Rechenschaft  über  seine  ganze  amtliche  Thä- 
tigkeit  nnd  über  die  grossen,  von  ihm  zur  Verherrlichung  wie  zur 
TergrOsserung  der  römischen  Macht  vollbrachten  Thaten  abzulegen ; 
mit  dieser  unmittelbar  an  das  Volk  sich  zu  wenden  und  dadurch 
dieses  für  sich  und  seine  Zwecke  zu  gewinnen  (Vgl.  S.  7  ff.  51.  85). 
Im  Sommer  des  Jahres  52  vor  Chr.  ward  der  letzte  Versuch  der 
Gallier  niedergeschlagen;  in  dem  Winter  51 — 52  schrieb  er  die 
Commentarien  über  die  sieben  verflossenen  Jahre  nieder  und  publi- 
eirte  sie  wahrscheinlich  schon  im  Frühlinge  des  Jahres  51  vor  Chr. 
(8o  die  Verfasser;  gegen  eine  spätere  Abfassung,  etwa  erst  um  49 
vor  Chr.  scheinen  nns  ebenfalls  gar  manche  ernste  Bedenken  vor* 
sollegen).  Es  fällt  also  die  Veröffentlichung  dieser  Commentare  un- 
mittelbar in  die  Zeit,  wo  der  drohende  Bruch  mit  Pompejus  Nie* 
mind  mehr  verborgen  bleiben  konnte,  und  die  Stunde  der  Entschei- 
dong,  also  auch  die  Rüstung  zum  offenen  Kampfe,  die  mit  dem 
Outergange  des  einen  der  beiden  Häupter  der  römischen  Welt  enden 
mnaste,  bevorstand;  die  Veröffentlichung  ist  aber  bestimmt  für  das 
römische  Volk  selbst,  an  welches  Caesar  mit  seiner  Darstellung 
dch  wendet|  die  einfach  und  schmucklosi  durch  die  blosse  Darlegung 


383  KMrir  «ad  RMawx  Bbrieilimff  so  Cifar'i 

4er  TbatMcheo,  ibm  sei^n  soUi  was  CSäaar  gaUum,  w«f  er  toBt 
bracht,  ihoi  also  einen  riduigen  Begriff  der  ganien  Wirktainkeit 
GXsar'e  geben,  nnd  damit  auch  den  richtigen  MaaBaatab  der  Würdi- 
gung dieser  Thaten  in  die  Hand  geben  soll  Wenn  in  so  fem  also 
diese  Gommentaren  ,,mit  Bewosstsein  vom  rein  subjectiFen  Stand- 
punkt aus  geschrieben  sind^,  so  ist  doch  ihre  ganae  Fassung  und 
Haltung  eine  so  rein  objective,  dass  sie  uns  eine  gerechte  Bewun- 
derung abnöthigen  kann ,  da  Cäsar  fiberali  nur  die  Thatsachen  selbst 
sprechen  lässt,  nur  diese  berichtet,  bald  mit  mehr,  bald  mit  minder 
Ausführlichkeit,  wie  diess  bei  der  ziemlich  kurzen  Zeit,  in  welcher 
die  Aufzeichnung  geschah,  wohl  kaum  anders  zu  erwarten  stand, 
indem  kaum  ein  fester,  in  Allem  gleichmfissig  durchgeführter  Plan 
der  Arbeit  vorliegen  konnte:  Cäsar's  Person  tritt  freilich  oft  mehr 
aeheinbar  als  wirklich  in  den  Hintergrund;  eben  so  kommen  nur 
wenige  Stellen  vor,  wo  Cüsar  auf  die  NoUiwendigkeit  geführt  ist, 
«ich  selbst  ausdrücklich  zu  rechtfertigen.  Bei  dieser  Objectivitftt  dar 
DarstelluBg,  in  der  sich  eben  Cfisar's  grosse  Kunst  der  DaratelluQg, 
«eine  auagezeichnete  Redergabe,  wie  die  grosae  Gewandheit  des 
Oeiatea  kund  gibt,  und  die  Leiclitigkeit,  nait  der  er  Allea  zu  behand- 
len  Feratand,  treten  freilich  andere  Forderungen,  die  man  an  eineo 
Oeaehiehtachreiber  zu  atellen  wohl  berechtigt  aein  mag,  in  den  Hin- 
iergrund:  daa  gltnzliche  Schweigen  über  die  tiefer  liegenden,  innerea 
Beweggründe  der  handelnden  Pm^onen,  über  die  Innern  Verhältnisse, 
kurz  über  die  letzten  Uraachen  der  Dinge,  die  una  hier  in  ihrem 
thataächlichen  Verlauf  geachildert  werden;  wir  glauben  aber,  daas 
Cäaar  abaichtlich  dieaa  unterlieaa:  er  woUte  eben  nichta  weiter  als 
daa  Thataächliche  liefern,  die  Thataachen  aelbat  sollten  reden  nnd 
lür  ihn  ein  Zeugniaa  ablegen,  aprechender  ala  alle  und  jede  andere 
Begründung  deraelben,  durch  auaführliche  Entwicklung  und  Ausehi- 
deraetzung  der  ihnen  zu  Grunde  liegenden  Motive.  Und  konnten 
am  Ende  dieae  aelbat  in  aller  ihrer  Nacktheit  dargelegt  werden? 
wir  bezweifeln  es  und  finden  es  daher  von  seinem  Standpunkt  ans 
gewiss  zuträglicher,  dass  er  sich  bloss  auf  das  Thataächliche  be- 
schränkt, und  dieaea,  wie  wir  ebenfalla  glauben,  auch  im  Ganzen 
der  Wahrheit  gemäaa  daratellt;  daaa  er  Einzelnea  mit  mehr^  Aoa- 
IQhr)ichkeit,  Anderea  aber  kürzer  una  achüdert,  lag  wolil  eben  ao 
aebr  in  der  Natur  der  Verhältnisse  wie  in  der  Individoalität  das 
Schreibenden,  der  auf  das  Eine  mehr  Werth  legte,  als  auf  das  An- 
dere, der  bei  der  Erzählung  des  Einen  länger  verweilen  und  diese 
Thatsache  mehr  hervorheben  zu  müssen  glaubte,  als  jene,  der  auch 
vielleicht  selbst,  bei  der  im  Ganzen  schnell  auf  einander,  in  kurzer 
2«eitfriat  erfolgenden  Aufzeichnung,  manchmal  darch  den  Zufall 
beatimmt  wurde,  ao  dass  die  in  dieser  Beziehung  allerdings  hervor- 
tretende Ungleichheit  uns  nicht  allzusehr  befremden  kann.  Und  was 
den  von  Aainina  PoUio  dem  Cäaar  gemachten  Vorwurf  der  Entatel- 
Inng  der  Thataachen,  oder  mancherlei  Ungenanigkeit  und  Nacfaiis- 
•igkeit  in  der  Erzählnng  betrifft,  ao  fehlen  alle  näheren  Beweise, 


lilillrlMbe  Ktife  ifapck  ^  Mmm.  TUW  «lt.         388 


in  des  CommenUraa  über  deo  galliseben  Kriagi  um 
itaar  aolchen  Behaoplong  Baan  so  gtlMi.  Aocb  die  Dntersachoiif 
Im  VariMM  (8.  93—102)  h«!  dien  nur  aub  Neue  beeÜUigt  Die 
AnahoMi  dm  Clear  noch  beeoodere  Tagebficher  (Epbemeridee) 
fefttrt  Qod  TeröffeDtliehl,  wird  tod  den  VerfMeera  gleicbfalls  and 
■k  galem  Oronde  Terworfen,  soletit  noeh  die  Autorschaft  dee  achten 
Bildet  m  Ounflten  dee  Hirtiue  entachieden  (S.  104 ff.)»  ihm  auch 
iu  Bach  über  den  alezandriniscben  Krieg  beigelegt,  wihrond  die 
SdiUderoag  des  africaniachen  Krieges  dem  OppioSi  die  des  spani- 
fehen  Krieges  einem  anbel^aanten  Verfasser  beigelegt  wird  (S.  108). 
Dsmit  soblieast  der  erste  Theil  der  Einleitong. 

Der  aweite  Theil  [8.  101—152)  gibt  eine  gute  Ueberaicht 
Jer  einaeinen  Feldaäge  und  der  einaelnen  luriegerischea  Operationen, 
via  sie  in  diesen  Commentaren  geschildert  werden »  mit  besonderer 
Bsrficksichtigong  der  geographischen  nnd  strategischen  Verhältnisse, 
welcbe  lüer  in  Betracht  lEomaen;  sie  mag  als  eine  gute  Anleitung 
nr  richtigen  Auffassung  und  mm  klaren  Verständniss  dieser  Feld- 
ifigs  dienen,  nnd  wird  in  dieser  Beaiehuog  dem  gebildeten  Laien, 
der  sich  eine  nShere  Kenatniss  dieser  kriegerischen  Unternehmung 
§ßtk  Tersebaffiaa  will,  eben  so  nütalich  sein  können,  wie  dem  Lehrer, 
der  mit  sdnen  SchiUem  CMsar's  Commentarien  liest  und  vor  Allem 
doch  auch  daran  an  denken  hat,  neben  dem  sprachlichen  Verständ- 
siis noch  einen  richtigen  Blick  In  die  ganse  Kriegsfiihrung  des  Ca- 
aar,  und  daanit  in  die  beschriebenen  Ereignisse  selbst  bei  seinen 
SdiEllem  hervorannilen.  Denn  wir  hoffen  und  wünschen,  dass  auch 
hmer  noch  Cäsar's  Commentare  auf  unsem  Schulen  gelesen  werden, 
ds  sie  niclit  leicht  durch  irgend  etwas  Anderes  ersetat  werden  könn- 
te; aber  wir  hoffen  and  wünschen  auch,  dass  diese  Leetüre  Ton 
der  Art  sei,  dass  sie  dem  Schüler  das  ganse  und  volle  Verständniss 
bilQge,  nicht  bloss  auf  einaelnes  Grammalische  sich  beschränkei^Jasa 
«e  vielmehr  in  der  Seele  des  Schülers  ein  richUges  Bild  der  Thf 
Ügkeit  eines  der  grossesten  Geister  hervorruCe,  die  hi  der  alten  Wtit 
tt^Setateo  sind.  €Mw. 


Militärisehe  Rase  durch  die  Europäische  Türkei,  die 
Krim  und  an  den  öeüiehen  Ufern  dee  eeheoar»en  Meeree.  Mü 
BtraUffißchen  Bemerkungen  über  den  Sehauplaia  der  Operationen 
der  verbündeten  ExpedUiensarmee.  Aus  dem  Englisehen  dee 
Generalmajors  Ä.  F.  Macintosh.  Mü  Karten,  Riga  tmd 
Läp9ig  1855.  Fr.  v.  Bötticher^s  Verlag.  1851.  XI  u.  404  8.  iu  8. 

Der  Krieg  in  dem  Orient  ist  zwar  beendigt:  aber  das  Interesse 
aa  den  Gegenden,  welche  der  Sdiauplata  dieses  Kampfes  waren,  ist 
darum  nick  minder  auch  noch  jetat  rege,  und  swar  eben  so  sehr 


884         Macintoih:    MflitirUehe  Reue  dnrch  die  Eorop.  Tttiket  ete. 

im  Hinblick  auf  eben  diese  Vergangenheit,  wie  auf  die  nSchste  Zu- 
kunft Dieses  Interesse  kann  und  wird  am  besten  durch  die  ge- 
nauesten Schilderungen  dieser  Gegenden,  in  denen  noch  grosse  Er- 
eignisse für  die  Zukunft  sich  vorbereiten,  befriedigt  werden,  wena 
anders  diese  Schiiderungen  von  Männern  ausgeben,  welche  Alles  an 
Ort  und  Stelle  selbst  erforscht  und  untersucht  haben,  und  dazu  eban 
so  sehr  die  nöthigen  Kenntnisse  und  die  nöthige  wissenschaftliche 
Bildung,  wie  den  gesunden,  richtigen  Blick  mit  bringen,  der  sich 
in  keiner  Weise  beirren  Ifisst.  Der  Verfasser  der  vorliegenden  ^mi- 
litärischen  Reise^  gehört  jedenfals  unter  diese  Classe,  und  dieser 
Umstand  gibt  seinem  Werke  einen  besondern  Werth,  selbst  soi 
richtigen  Würdigung  der  ganzen,  nun  beendigten  KriegsführuDg. 
Es  ist  dasselbe  durchaus  nicht  auf  blosse  Unterhaltung  berechnet, 
wie  wohl  sich  Alles  gut  liest  und  in  einer  Weise  dargestellt  ist,  der 
auch  der  Laie  su  folgen  vermag;  es  ist  vielmehr  auf  eine  getreoe 
Darstellung  der  einseinen,  wichtigen  Lokalitäten  und  Gregenden, 
insbesondere  von  dem  militärischen  Standpunkt  aus,  abgesehen,  nnd 
daran  knüpfen  sich  Bemerkungen,  welche  über  die  Art  und  Weise 
sich  verbreiten,  in  welcher  diese  Gegenden  für  militärische  Opera- 
tionen überhaupt  benutzt  werden  können.  In  dieser  Beziehung  wen- 
det sich  das  Werk  an  die  Zukunft,  während  es  auch  der  nächsten 
Vergangenheit  in  so  weit  angehört,  als  es  von  denjenigen  Gegenden, 
welche  den  Kriegsschauplatz  zum  Theil  bildeten,  ein  Idares  und  ge- 
treues Bild  gibt,  wie  es  eben  nöthig  ist,  um  die  daselbst  vorgefal- 
lenen Ereignisse  richtig  zu  erfassen  und  zu  beurtbeilen.  Die  Dar- 
danellen und  Gonstanlinopel  mit  den  Umgebungen,  die  ganze 
Route  von  hier  ans  nordwärts  zum  Balkan  und  über  denselben  bis 
zur  Donau,  so  wie  der  untere  Lauf  dieses  Flusses  selbst  mit  den 
daselbst  gelegenen  Städten  und  Festungen,  wird  in  sieben  Abschnitten 
Ton  dem  bemerkten,  militärischen  Standpunkt  aus  dargestellt,  in  den 
übrigen  fünfzehn  folgen  Sinope,  Trapezunt  und  die  landeinwärts  ge- 
legenen Strecken  Armeniens  bis  zu  den  Persern  bin,  mit  besonderer  ^ 
Berücksichtigung  der  Kurden,  darauf  die  kaukasischen  Länder,  die 
Krim  und  Sebastopol.  Eine  grosse  aber  nicht  ganz  deutliche  Karte 
des  an  dem  schwarzen  Meere  sich  liinziehenden  Theils  der  europäi- 
schen Türkei  mit  Einschluss  der  Donauländer,  eine  gleiche  Karte 
der  kaukasischen  Länder  und  eine  dritte  der  Halbinsel  Krim,  dann 
ehie  Skizze  der  Dardanellen  und  eine  andere  über  die  zum  Schutze 
Gonstantinopels  anf  der  europäischen  Seite  anzulegenden  Vertheidl- 
gungslinien  bilden  brauchbare  Zugaben. 


k.  B.  HEIDEIBERGBB  IK7. 

aiRBOGHER  DIR  LITERATUR. 

Literaturberichte  aus  Italien. 


Daf  KOoifreicli  Sardiniea  dttrft«  jetii  deijtaife  Staat  Italieaf  leio,  der 
!■  neiateii  die  Aufmerksankeit  auf  fich  lieht.  In  Italien  apricht  man  ebea 
■ehr  Ton  Piemont  ala  von  Sardinien ,  da  dieaer  Theil  dieaea  KOnigreiehea  nieht 
aar  der  bedentendate,  aoodem  auch  der  in  der  Bildung  am  owiaten  rorf  e- 
•chrittene  iat  Daher  hat  auch  der  neneate  Geaehichtachreiber  dieaea  Landea, 
Gallerga,  aein  Buch: 

M  Fimmmte  dm  fnm  iempi  äl  SO  Mono  1856  di  Antonio  GaUerga^  Tth- 
18Sß. 


4ie  Geacbichte  ron  Pienont  genannt  Sie  nmfaaat,  nach  romnafeachickter 
korxer  geof raphiacher  Ueberaieht,  die  Geachichte  deaaelben,  von  den  frOheatea 
Zeiten  bia  anm  Frieden  von  Paria  in  der  morgenlindiachen  Aagelefenheit. 
Der  Yerfnaaer  hatte  daa  Werk  snerat  in  London  in  englischer  Sprache  herauf 
fegeben,  wo  ea  aehr  geftel,  er  hat  ea  daher  jetat  ftkr  aeine  Landalente  nnige- 
trheitet  Der  Verfaaaer  hat  in  der  lettten  Zeit  eine  für  ihn  aehr  achmera- 
Ifehe  Celebritit  erlangt  Alf  junger  Menach  gehörte  er  nemlich  an  den  gehei- 
Ben  Verbindnngen  in  Italien,  welche  durch  Silvio  Pellico  und  andere  allge- 
aietne  Theilnahme  erregt  haben.  Damala  war  Gallerga  von  Maaaini  anaer- 
wlhlt  ^rorden,  den  Konig  Carlo  Alberto,  den  treueaten  der  Verbündeten  von 
Don  Carlof,  au  ermorden.  Don  Carloa  war  damala  daa  Banner  dei  Abaolu- 
tiam,  nod  der  Miniater  von  Carlo  Alberto,  Graf  Solar  della  Margharitta  hat  in 
aeinen  Memoiren  alle  die  Monarchen  aufgeaUhlt,  welche  dieaen  Pritendenten 
anl  an^eheuren  Summen  unteratfttzten,  woher  man  aich  die  unerwartete  Ver- 
mehmiig'  der  Staata-Schnlden  mancher  Staaten  im  tiefen  Frieden  erklilren  kann, 
■an  aieht  dabei  au  gleicher  Zeit,  wie  wenig  auf  die  Veraehwiegenheit  der 
Dtplomaten  au  rechnen  iit;  denn  der  gedachte  Miniater  dea  Anawirtigen  er- 
BiMr  ^ns  offenhenig,  daai  der  Geiandte  Graf  fff  ihn  gebeten  habe,  nicht 
weiter  sn  ersShlen,  wie  viele  Millionen  an  Don  Carloa  geaandt  worden.  Der 
iaaanb  rerabredete  KOnigamord  wurde  durch  Verwickelung  der  UmatAnde 
rerluBdefft.  Gallerga  ging  nach  England,  achrieb  dort  daa  auch  in  daa  Deut« 
lehe  TOD  Seiht  lo  gut  aberaetste  Werk  „Italien  und  die  Italiiner"  unter  dem 
lanen  Mariotti,  und  verheirathete  fich  dort,  ao  daaa  er  erat  nach  beinah 
lineai  Viertbeil  Jahrhundert  nach  Italien  aurttckkehrte.  Er  wurde  bald  ala 
ftif fied  dea  Parlamenta  dea  Konigreicha  Sardinien  gewtthlt  und  aeichnete  aich 
lerch  aeine  Mftffigung  und  feine  monarchiach  oonftitotionellen  Geainnungen 
fl^meiii  auf.  Ueberall  gibt  ea  Leule,  welche  nur  die  Uebertreibung  lieben, 
iersleichen  befinden  fich  auch  in  Italien ;  f o  wie  in  Deutschland  Mttnner,  welche 
hr  Leben  daran  gewandt  haben,  den  Fortschritt  au  befordern,  seit  1848  ala 
(eadionaiire  verschrieen  wurden,  weil  sie  nur  das  Mögliche  wollten,  und  die 
'ttnten  onangetaatet  lieaaen,  indem  dieae  viel  weniger  achadan  konnten,  ala  eine 
U  i«teg.  6b  Heft  8» 


Partei,  welche  fich  denelben  bemiehtigt    Scbon  die  HeriOf^  tm  N^veft 
f^^:  „i^li  Hi^H  dd^  Beipfti^  deiyi  4b  bewel^  iin«  vo«  der  OUfaiobie  dei 
Pendalweiens.'*     Diese    Freisinnigen     sahen    jeiit    auch     unsem    Gallerga 
ib  «iB#ft   MrtfUBBigf*  m  ,   wid  dia  Pmei  Kauwl'«  aaadUe ,  «■  sieh  ai 
ihm  in  rftchen,  bekannt,  dapf  Gallenp.  damal^  %nfa  ^Onifsmorde  entocbloisea 
gewesen  wftre.    So  wurde  auch  Gallerga  von  seinen  ehemaligen  Verbttndelen 
als  Hochverrttther  nnd  KonigsmOrder  (|er  OelTentlicbkeit  Preis  gegeben.   Mit 
grossartiger  OiTenheit  gestand  Gallerga  seinen  damaligen  jagendlichen  Irrthnm 
ein,  und  obwohl  seine  seitdem  bewiesene  politische  Haitang  seine  Reue  hia- 
reichend  bekundete,  erklärte  er  doch  dieselbe  Öffentlich,  legte  sein  Amt  sIj 
Abgeordneter  anr  sweiten  Kammer  nieder,  nnd  erklärte  dem  Könige,  da»  er 
sich  ttat  unwürdig  erachten  mftsse,  seinen   Orden  fernerhin  su   tragen.    Der 
KUnig  TOB  SnrdinieB,  Victor  Bmanuel  H.,  ein  wahrhaft  constitutioneller  Konif, 
eröffnete  ihm,  dass  sein  Vater,  Carlo  Alberto ,  allen  Feinden  yersiehei,  et 
Iffin^.  if)m>  rtl  ffP.»eR  Wmi.  «WT  AUf«  dea  VergeasÄph(Pit  ttbw^eben.   Mash 
dieser  Nachricht  Ikber  den  Verfasser  bemerken  wir  über  das  vorllB^endo  W«k, 
dass  der  Verfasser  die  Laf:e  des  Landes  dem  Leser   al|  ein  wal|rea  Gesfild« 
Torgelegt  hat,  indem  er  ina  Hittelpunfc^te  <)ess<^lben,  ti^t  dem  sich  ttbi^r  Toiiii 
erhebenden  Berge,  wo  die  Superga  die  I(Oniffs|jrttber  entbttlt^  eine  klar^  Uel^ 
sieht  nebst  Angaben  der  physischen  Beschaffenheit  gibt    Ueber  die  ürlii^TA^ 
kemng  dieses  Landes  beruft  sich  der  Verfass.er  auf  fiiebubr,  wornach  tif>  U- 
gnrer,  ein  rohes  Volk^  waren,  welche  ^ich  aber  d^e  Alp^n  und   Apei^^iii^ 
bis  an  der  Bbene  des  Po  ausdehnt<;n,  ao4  dass  aupl^  die  Allobfoger  au  Ün^jNl 
gehorten.    Die  Hetrurier  waren  bis  su|n  Ticin  und  Ph^ien  vorgedniog<}ni^  tߧ 
die  Gallier  ttber  die  Rhone  und  den   Simplen  vordrangen.    Den  Einfall  voq 
Bannibal  halt  der  Verfasser  nach  Ukert  fOr  wahrscheinlich  ttber  den  IMq^ 
Ctonis.    Nach  der  Eroberung  dieses  Ifguri^cben  Landes  eröffneten  sie  die  n« 
Ligustica  ttber  den  Col  di  Tenda ,  oder  längst  des  Meeres ,  auch  via  Donieii 
genannt,  wodurch  es  dem  Marius  möglich  wurde,  die  Teutonen  bei  Ai^^  und  diq 
Cimbern  bei  Vercelli,  oder  Verona  zu  schlagen.  Den  Zweifel  ttl>er  diese  bei4c.a 
Orte  leitet  der  Verfasser  von  der  Verwechselung  der  Flüsse  Athesis  CXicino)  ud^ 
Atison  (Tosa),  her.    Unter  der  Römerherrschaft  hatte  sich  das  Königreich  dai 
Cottier,  daher  der  Namen  der  Cot^ischen  Alpep,  swischen  dem  Monte  Vifft 
und  dem  M.  Cenis  erhalte^.    Der  KOnig  mit  Augustu^  sur  Zeit  der  Schl^cbl 
von  Actium  verbunden,  litBs  in  seiner  Resident  Siusa  den  noch  dort  vqrhaa- 
denen  Trinm^fbogen  errichten.    Der  Verfasser  nennt  dies,  di^  erstp  Pipmpv^ 
sische  Dynastie.  Unter  Claudius  war  hier  Juliys  Cottius  KOnig;  Nero  b.estlD|Stffi» 
dass  dies  abgesonderte  Reich  aufboren  soll^p.    Dennoch  behielt^^  4^e  Ug^fK 
den  Ruf,  dass  der  schwächste  ders^lb^n  es  mit  den)  stärksten  Qa^Mqit  aiMlIff)^ 
men  kOnne,  dass  die  Frauei^  hier  Mttnnpr  wUren,  di^  Mt^nn.e^  abj^r.  r^tsfin^^ 
Thiere.    Bald  aber  nahmen  auch  di^  Ligurer  die  Sit^n  der  Qo.q^r  a^,  V^lpki 
das  Stadtleben  vorzogen,  und  das  Landleben  der  rohen  Leben^irt  ^leichac^ 
teten;   an  die  Stelle  des  Pennnischen  Gottei^  war  Jupiter  mit:  seinem  Gefel|ft^ 
getreten,  bis  das  Christenthum  hier  eingeführt  wurde,  woran  sich  die  Si^e  vot 
der  Thebanischen  Legion  knttpft,  welche  von  Maximifui  lu  Agaunp,^  dem  i^tfjr 
gen  S.  Mauritius  in  VTallis,  geopfert  wurde.  Piemont  geborte,  in  der  Er^^iO^c^ 
Mailand,  die  von  dem  Apostel  Barrabas  g;estiftet  worden  sein  soUi  oofl  «A 


ln|t  VMü  Fteptl  «Babhtofiff  «rU^k;  ^^  WülNni  von  TorUM  (lleiiltoiMi>  mB 

mIm  i«  Jskr  TS  ro«  4cm   MlifMi  Maearkw  f«illft«t  fPorJbD  ««io;   flew 

■■4  Cfaerw  (Nim)  im  1  Jabrh«ii4«rt,  TdHb  onler  ilem  beillf  an  Ylolor  91^ 

Am  »5,   AHm   Ml    AnHiBf   4ei    rierteD   Jtbrima^ertf.    Bald    Mftm   U«r 

«f  *e   Gallien  dia   Lanfabarden  asd   Bwfindar,   dnm  dfa  FNmlen.    Bai 

ümaa  farmaaifcbaii  V«llif ro  war  das  Geffaii«bail  dar  kalilnar,  dia  In  SCBdte« 

labten,  ftwObaKcb,  nad  ibr  Simi  war  ao  weniir  dam  Scaat^-iaban  aqfawaedt, 

dma  ibra  Konifr«  eiganllieb  nnr  laarfbbrar  im  Krieifa  waren;  dabar  dia  Brb* 

iebbail  nicbl  natbwandifr  war.    Den  Gemeindan  wurde  ibre  9atfaalrerwahmig 

fffiaaaen,  nnd  nnr  die  Viaal  rafii  voHzoiren  die  Befeble  der  Anftlbaat  dieaat 

^amebratiaeban  Bande«.    Bald  macblen  aie  aiefa  la  nnabbftnglf,  daaa  van  6m 

30  Haraagan  ader  Grafen,  wekbe  daa  Lonfabardanaeieb  a»  revwnltett  battaa, 

4ar  Henof  Ton  BentTenl  heinem  andern  Maaaraben  mebr  gebombte ;  aieb 

larengnr  von  PriaDi,  Guido  und  Lambert  Ton  Spalata,  Berengnr  nnd  Albert 

van  irren,  beaondera  aber  neeb  ibnen  Ardnin  folgten  demaelben  Beiapiel«. 

Senneb  beben  die  germanif  eben  EinwaBdenmgen  den  Grand  in  der  SpaHnng  daa 

AMambenncbell  in  hauen  gegeben,  nnd  nnr  die  Bornmider  wäre»  naeb  dena 

▼eriaaaor  diaienigen^  welebe  am  BMiiten  fcr  ein  ataatKebea  Lebea  geeignet 

mmn,  da  aie  akb  gwne  in  Sitdten  (Btargen)  niadeaKeaaen ,  mid  daher  mmb 

ftran  Hmnen  eriüelton.    Dia  Buignndar  nabmen  daber  aucb  bald  die  aomi» 

laben  Geaelaa  an,  nnd  babnndelten  die  nnterw^ene»  Volker  menacbliebery  ala 

üa  enden  nerdiaehen  Barberan,  beaonden  die  Franken^    Deabalk  wir  dia 

tiwiianhiMg  mit  dem  romaniacben  EleaMnt  bei  den  Bargnodem  aobad  «all* 

•Mndig  ina  Leben  getreten,  ala  die  Pranben  nnter  Chlndewig  aieb  ¥Mitcv  atA» 

beb  nnadebnten;  beaondera  aber  iJtaat  der  Yerflaaaev  den  Gelben  mrter  Tbna«» 

daiieb  im  Vergleicb  mit  den  Pranben  Gerecbtigkeit  widerfbbren{  ao  daaa  et 

Mbeiat,  ala    wenn   die   arianiacbe   Lebre   mebr   auf  die   Hbmonilt  gewirkt 

tetia,   nie   die    rOmiacbe,  welcber  die  wüden  mid  robea  Prenben.  bald  na« 

Anfang  folgten.   Die  Longobarden  hatten  ibr  Reieb  in  Anatria,  gega«  Morgan^ 

lanalrin,   gegen  Weaten,  nnd  Tnacia,  gegen  Soden  getbeUt   Piemont  gabOMa 

»a  Nenatrien,  und  war  in  feigende  HemegtbttnMr  getbeilt)    Maibind,   PaTi% 

Oita,  Tortn,  Aati,  ivrea,  Lomello,  Veaeeltt,  Aqui^  Alba,   Bredulo  und  Anriete« 

Macb  dem  Tode  der  verebnen  Königin  Tbeadelinde  kam  die  eiaeitte  Uro«» 

im  Le«tobarden  an  ibre  nirbiten  Verwandten»  die  Hersoge  Agilalf  «ad  Afflo«> 

vald  To»  Tnain.    Daa  von  Carl  dem  Groaaan  gestiftete  Beleb  gjtog  bnM  nebe« 

Lebnaweaem  unter,  daa  aeinen  denMeratiicbe«  üwpmng'  «lebt 

bonnl«,  ao  dna»  die  Vorwal longabennten  daa  Kaiaeaa^  die  ttaiftgra- 

fr«  VD«  Jvrea  nnter  Ardni«  die  Kaone  von  Jtellen.  aieb-  anmamen  konntem   Um 

da«  ■■rhHgen  Lebnabearen^  entgegen  in  treten,  linmian  die  deutaebe«  Biiaar 

DiaelMtfen  k  ibre«  S|irengeln  nneb  and  naeb  dio  Beehte  dea  Venwaltnng»^ 

aim,  nnd  a»  erbiali  Ualien  nebe«  dem  Leboweaen  ein  iweilea'  gor* 

amniaelMa  Gesebenk,  die  weltacbe  Macbt  der  Oeiatliebkeit.     Die  Deutaebe« 

baben  die  Hierarebie  groaa  geaogen,  dieas  können  die  itniiener  den  DenUcben 

niebt  vorgcaaen.    Ardnin  war  der  KOaig  der  Volker,   Kaiaer  Heinncb  wurde 

dar  Heilige  apottweiae  genannt,  da  er  «eb  auf  die  Geistlicbkeit  atotate,   bin 

AffdUfto  freiwillig  1014  abdanbte.  Die  Lebnabarren  bioitan  bald  mH  dem  einen, 

bntd  Mi»  dorn,  nndesa^  die  denlaobe  HitteiiBetto  bat  aiefa.  daiier  i«  Halio«  oba« 


8M  Lilentarberieto  «Hi  Ilalii^ 

keinen  lehr  ebrenvolleo  Namen  genaclit,  nnd  der  Bbcbof  ron  Hiilind  hatte 
ieben  90  riel  Machl  erlanfrt,  daaa  er  fegen  den  Willen  der  Hebrheit  Con- 
rad II.  den  Salier  inm  KOaif e  Ton  Italien  anarief.  Die  Bttrfer  yoa  Pavia  Maf- 
ien ihre  Anhftnf  liehkeit  fftr  den  KOnig  Arduin  ans  den  Piemonleaiaehen  dadurch, 
daaa  sie  Conrad  II.  ihren  Thron  Terachloaaen,  und  den  Pallaat  Heinrich's  IL  iM^ 
atOrlen.   Aber  die  clericale  Parlei  siegte  und  die  Fremdherrachaft  braebte  teil 
d^B  11.  Jahrhundert  vollkommene  Finatemiaa  nach  dem  claaaiachen  Italiea. 
Daa  germaniaehe  Lehnweaen  und  die  gerühmte  Tapferkeit  der  ungefeUachtea 
Ritter,  die  nicht  acbrelben  gelernt  hatten,  hinderte  nicht',  daaa  die  Saraiea« 
daa  Piemonteaiache  Paradiea  nngeatraft  plündern  konnten,  und  die  Alpen  Aber- 
atiegen,  und  aelbat  bia  nach  Graubttndten  Tordringen  konnten.    Eben  so  we- 
nig konnten  aie  aich  der  Ungarn  erwehren,  die  bia  Meraebnrg  und  an  die 
Grftnie  Ton  Sehwaben  vorgedrungen  waren,  und  ebenfalla  Streifxllge  bii  nach 
Pienont  machten.    In  dieser  Zeit  wuchs  die  Macht  der  Kirche  und  die  des 
Kaiaera  sank,  so  daaa  aie  Lehnaleute  dea  Papates  worden.    Der  Verfaaser  er- 
kennt die  durch  dieaen  Uebermnth  herbeigeführte  Verderbnias  der  Geistlich- 
keit an;    allein   er  neigt,    daaa   die    Schuld    an    dem    germantachen    Leha- 
weaen   lag,   denn   die   Italiiner  aind,   wie    der   Verfasser  auch   nach  Sil- 
Bondi   beweiat,    viel    weniger   aberglfluhig   als    die    germaniaoken    Volker, 
danm   hatte    auch    Italien    auaaer   der  vom   deutachen    Kaiaer    begrtndetea 
weltttchen    Herrachaft   des    Papatea   keinen   einaigen   geistlichen    Monarchen, 
wikrend  Dentachland  deren  so  viele,  von  den  geistlichen  Knrfllraten  an,  ar- 
kieh.    Der  Verfaaaer  weist  nach ,   daaa  die  Rettung  ana  der  Finatemiaa  des 
Mittelalters  lediglich  dem  Gemeindewesen  au  danken  iat.    Er  halt  daa  6e- 
meindeweaen  keineswegs  fttr  germanischen  Ursprungs,  sondern   für   das  alt 
rOmiache   Municipalweaen ,    das    sich  unter  der  Monarchie  frei  entwickelte. 
Damm  ist  auch  daa  Bftrgerthom  aeinem  Wesen  nach  die  Stutze  der  Monarchie; 
denn  die  Borger  werden  zur  Vereinigung  unter  einem   Oberhaupt  getrieben, 
wihrend  das  Feudalweaen  nach  Unabbttngigkeit  strebt,  welche  am  Ende  dea 
Stnatenverband  auflöst.    Denn   die  naturgeinllsse  Gliederang  der  Geaellachaft 
iat:     Familie,    Gemeinde,   Staat,    wenn    auch   deutsche   gelehrte    Theoreti- 
ker  nachweisen   wollen,  daaa    dieae  Gliederung^  in   Volk,    Adel   und  Staat 
beateht  Der  Verfasser  weist  nach,  daas  vom  IL  bis  14.  Jahrhundert  daa  Ge- 
owindeweaen  in  Italien  dem  Feudalweaen  ein  finde  machte,  und  die  Mo^cb- 
kelt  kerbeifithrte,  dieaes  Land  wieder  der  Cultur  aogfinglich  au  machen«  die 
nicht  von  den  Borgen,  aondera  von  den  Handelaatidten  anagegangen  irt,  wenn 
auch  Manche  darüber  anders  denken.  Ans  diesem  Wirwarr  dti  Mittelalten  konunt 
der  Verfuaer  endlich  auf  die  Geachichte  von  Piemont  aurttck.    Unter  Con- 
rad IL  waren  die  bedeutendsten  Lehnsherrn  dieaes  Landes  Odalrich  Mnafrel 
Graf  von  Turin  und  Humbert  von  Maorienne  und  Savoien ,  beidea  Theile  von 
Bnrgnnd,  welches  dem  Namen  nach  unter  dem  rOmiseh-deulachen  Kaiaer  ntmd. 
Der  Sohn  HnmberU,  Odelo,  heirathete  die  Toditer  dea  Manfred  nm  dna  Jnki 
1044,  und  so  wurde  die  Dynastie  von  Savoien  »begründet.   Der  Verfaaaer  neigt 
nun  aehr  nasatOndlicb,  wie  dieaea  Haus  sich  nach  und  nach  vergrOsserte ,  nnd 
seine  Herrachaft  im   13.  Jahrhundert  über  die  Schweita  und  einen  greaaem 
Theil  dea  südlichen  Frankreichs  auabreitete,  vrMhrend  die  Macht  der  deotadien 
Kaiaer  im  Lehnweaen  und  der  Hiemrehie  dermaaaen  unterging,  daaa  Dentpchlni^ 


Lltoraturberidite  tu  luKen.  MI 

!■  $0  viele  kleine  nnd  frOtsere  SouTertoiCftten  rerfleL  Der  VerfiiMer  liai  mekr 
eiM  Geechlelite  de«  FortachriUeB  des  Volkes,  alc  eine  bleise  Refenten  -  und 
Eriegffeecbiclile  fefeben,  daher  er  auch  aaf  die  Sefaiekaale  der  Waldenaer 
fceaa  und  anparleiifeh  einfcht,  welche  dem  Urehriatentbume  treu  wie  eine 
Seele  aBgehOrt  haben,  daher  auch  ihre  Verfolganf  erat  la  Anfang  dei  13.  Jahr* 
hnderla  anfing;  anch  Tericbweigt  der  Verfaaier  nicht  die  treue  Anbtnglieb- 
leit  der  Waldenser  an  die  Monarchie,  obwohl  sie  einer  freieren  reKfiOaea 
liehtung  folgten.  So  führt  der  Verfaffer  die  Geschichte  dieses  Landes  bis  In 
die  neneate  Zeit  fort,  wo  besonders  die  Zeit  der  geheimen  Verbindnngen  in 
kalien  sehr  wichtig  ist,  in  welcher  der  König  Carlo  Alberto  sagte,  dass  er 
ebenso  von  dem  Dolche  der  Carbonari,  als  Ton  der  Chocolade  der  Jeaaitea 
Mroht  werde.  Hier  erHlhrt  man  die  Stiftung  des  geheimen  Bundes  des  jun- 
gen Italiens,  und  den  Versuch  diesen  KOnig  au  ermorden,  wosn  der  Verfasser» 
later  dem  Namen  Mariotti,  bestimmt  worden  war.  Dies  oifene  Gestlndniss  hat 
dem  Verfasser  die  oben  erwUhnten  Erlebnisse  sngexogen,  welcher  natttrlich 
nah  jetsl  ans  sehr  natürUchem  Schamgeftthl  gant  von  dem  offentliehen  Sehau- 
Halae  sarQcfcgeaogen  hat. 

Genoa,  freilidi  vor  allem  Handelsstadt,  bat  dennoch  seit  diesem  Jahre  ein 
recht  gvles  literarisches  Wochenblatt  erhalten.  Dieses  erscheint  unter  dem  Titel: 

JUfMta  iiffyre.  in  4. 
aaier  der  Redaction  von  Enrico  Gaillardi.  Man  wird  sich  tob  dem  guten 
hhalt  dieser  Zeitschrift  ttbeneugen  können,  wenn  wir  eine  Uebersichl  der  lotsten 
Tarli^genden  Blätter  geben.  Herr  Guido  Cinelli  hat  aus  ungedruckten  Briefen 
des  Cardinal  Alberoni  sehr  denkwQrdige  Mittheilungen  ttber  die  Zeit  des  Spn« 
Bisehen  Successionskrieges  gegeben.  Von  Erman  Salluani  ist  die  Lebensbe- 
schreibung des  Harkgrafen  Riccardo  Toppati,  welcher  als  Soldat,  Verwaltungs- 
heamter,  Chemiker  und  Mathematiker  ansgeaeichnet ,  in  die  Revolution  von 
1S21  verwickelt,  endlich  im  Irrenhause  au  A versa  starb,  lieber  Eleetricitll 
haben  R.  Pareto  und  Ober  geschichtliche  Volkerkunde  Constantin  Mini  gedie- 
gene AofsStse  geliefert.    Ausserdem  sind  Gedichte,  Theater -Naehrichten  und 

I  luBst^Notizen  beigefügte 

Ein  bei  den  jetzigen  Nespolitanischen  Verhttltnissen  sehr  wichtiges  Werk 
▼erdanken  wir  dem  jetat  zu  Turin  lebenden,  früheren  Neapolitanischen  Staats- 

:  naane  Leopardi: 

UmrtuiUmi  tUnidie  di  IWst/veifro  LwpardL    formo,  1856, 

[  welcher  seit  der  Regierung  des  Königs  Murat  an  den  Ereignissen  dieses  Lan« 
I  des  thitigen  Antheil  genommen  hat.    Murat  war  so  lange  nicht  geliebt,  ala 
1  er  unter  den  Befehlen  von  Napoleon  stand ,  während  die  Sieilianisehe  Con- 
'  Milntion  von  1818  dort  eine  freiere  Entwickelung  dea  Staatslebens  erlaubte. 
I  Man  war  wohl  anfriedeUf  dass  Murat  sieb  im  Jahr  181 4  von  Napoleon  ge- 
trennt hatte;  allein  höchst  unsnfrieden,  dass  er  sich  mit  Oesterreieh  verband. 
El  entstand  daher  eine  Verschwörung  in  den  Abmsien,  um  Murat  su  nöthi- 
fen,  eine  Constitution  su  geben,  und  alle  Fremden  aus  Italien  au  vertreiben, 
Üarestan  Pepe  wusste  darum,  Murat  schickte  ihn  von  Rologna  nach  Tera- 
■e,  wo  er  diese  Bewegung  damit  stillte,  dass  er  sie  nicht  für  unerlaubt,  son- 
dern für  onxeitig  erklärte.   Doch  Munt  verstand  im  Jshre  1815  dieselbe  nicht 


IM  UMnliuteriohlA  tit  Ilt&iM. 

Ml  beMlseD,  wortn  bisonden  die  b&idMi  friniOfiicheii  Generito»  Hoaticnr 
tnd  Hanlter  tciald  inrM,  ab  Hur«l  sich  wieder  gb§tü  Oeslerreieb  erklilite; 
M«li  Madile  KöDJir  F«r4iaaiid  Bourbon  von  SicilleB  im  VerapreeliMffeB  einer 
ibaMrbn«  GaosUMiUon  mi»  den  Worlea:  Ibr  eolll  die  Geeetee  «»oben»  ich 
wMpde  «le  «lisitthtet.  Auf  daeie  Weüe  wurde  er  ^lA  em^fimren »  Mcbdea 
Itorat  ftW^eben  Meeettte  und  Teieatiae  YOt  de«  Oeeterreiebeni  weiftben  neMle. 
Md6r  selcie  der  Kentf  Ferdimind  dee  tod  der  Königin  Caroline  und  den  CardiMl 
Rtffie  geeibaflbiie  Syatom  forkDer  Mlnieter  Fttnt  Canof a  und  der  OaleCTeiebifdM 
Qaneval  NugeMt  tteiKerlen  die  UnanfiriedeDlieit,  den  Freunden  der  ConatiUitiM 
nnd  der  Unnbbilnf  if  keit  Itallena,  welobe  sieh  in  der  (geheimen  GeaelUcbaft  dar 
CnrboBtri  attaanmen  fanden,  ward  die  geheime  Genellaehaft  der  Calderaji,  Keitel- 
flkkJDr,  von  der  Ref  ierunf  ent^egengeaetat,  bia  aie  von  dem  Papi te  Pins  YIL  di« 
Esoomnuinicaiian  der  Carbonari  erwirkte,  wobei  deraelbe  Papit  aagte :  es  sind 
denniMsb  gnle  and  religiöse  Italiener.  Nnn  brach  die  Revolution  von  1830  aast 
•o  wonif  halte  der  Baanatrabl  geholfen ;  mit  dem  bloasen  Marache  der  Brigade 
den  General  Wilhelm  Pepe  nach  Neapel  war  aie  unblutig  vollendet.  Die  Zu- 
friedenheit mit  der  von  dem  Könige  gegebenen  Conatitution  wnr  so  greis, 
dnia  der  ala  aehr  conservativ  bekannte  noch  lebende  damalige  Geaandte  Ssr- 
dlnievsf  Graf  Solar  della  Margnarittn  an  seinen  Hof  berichtete,  dasa  Allea  einen 
so  guten  Fortgang  habe,  daaa  man  aich  dea  besten  Erfolges  vergewiasert  hsl- 
ten  dürfe,  wenn  die  Leitung  gut  bliebe.  Doch  daran  scheiterte  Alles.  Der 
Bönig  verliess  nach  einiger  Zeit  das  Land  mit  den  besten  Versprechungea, 
und  tless  seinen  Thronfolger  als  Stellvertreter  zurück.  Dieser  gab  dem  Nea- 
politanischen Heere  solche  Befehle,  dass  das  gana  abgesonderte  Corps  dei 
General  Pepe  bei  Rieti  preisgegeben  wurde.  Europa  lachte  damals  über  die 
feige  Flucbt  der  Neapolitaner;  hier  seigt  der  Verfasser,  dass  es  nicht  anderi 
kommen  konnte,  da  der  Sohn  die  Befehle  gegen  den  mit  dem  Oesterreichischea 
Iteere  vorrufenden  Vater  zu  geben  hatte.  Obwohl  der  Verfasser  nicht  übertll 
den  General  Wilhelm  Pepe  vertheidigt;  so  stimmt  er  hierin  doch  gans  mit 
den  Memoiren  des  General  Pepe  überein,  welche  diese  Angelegenheit  vom 
militftrischen  Standpunkten  behandeln.  Der  Verfasser  theilt  in  diesem  Werke 
viele  nngedruckte  Urkunden  mit,  und  schildert  den  Nachfolger  Ferdinand'«, 
Franz  L,  aber  nicht  als  einen  besondem  Character.  Sein  Nachfolger,  der 
jetzige  König  Ferdinand  tl.  war  Anfangs  bereit  eine  conatitationelle  Regierang 
anzufangen;  und  die  von  dem  auch  im  Auslande  bekannten  Publicisten  Biaa- 
chini  herauagegebene  2eitachrilt:  il  progresso,  lieas  einen  andern  Weg  der 
Regierung  offen;  aber  auf  einmal  wurde  nach  dem  Jahre  1830  auawftrliger 
Sinfluaa  thAtig.  Das  frühere  Syatem  der  Konigin  Caroline  und  des  Caidiaal 
Rttffo  wurde  wieder  angenommen,  nnd  ao  die  Uniufriedenheit  gan&hrt,  wekha 
ai^  in  den  gehnimea  Verbindungen  Luft  machte.  Nunmehr  konnten  die  vea 
dem  Verfnaaer  nia  nnyeratftndige  Utopien  erklärten  Umtriebe  von  Haasini, 
ein^n  Genoveaer«  sich  geltend  mneben.  Dicae  führten  unter  dem  MüMf 
deir^rretto  im  Jahr  1833  aahlloae  Verhaftungen  herbei,  in  welch«  anch  dar 
Verfna^r  nnd  der  Mark|rraf  Dragttnelli  verwickelt  worden.  Seit  dem  bat» 
aich  de\Verfaaaer  nach  Paria  anrückgenogeh ,  indem  er  mit  den  repuMikani- 
aehen  Awchten  Maaaini's  nicht  einveratnnden  wnr,  und  gab  dort  aeine  Espd« 
rnncea  de\^Italie,   1844  bertua,  indem  er  mit  Chateaubriand,  Hontniambert, 

\.  i 


LiMMteiMridble  mk  ttoliea.  39i 

tiNpr^tüto  Attit  Ata^rA  beiadnl  'wtfitf,  tott  dort  au  beobachtete  er  den  dlabf 
kt  tMghiUt  Ih  ttilieo,  bia  Piug  IX.  aeine  ReTormen  anfiiif ,  welebe  die  Hotf- 
aaaf  gaben,  daaa  die  Italiener  ih\r  VkteVTand  Tön  Iremdem  fefnilnaae  frei  aehen 
«ttrdeA.  El  Wa^  den  daa  Gefühl  jj^eweckt  Worden,  wie  181$  in  Dentachünd. 
IHe  TOB  denk  toni|^  Ton  Neapel  aita  10.  Februar  184d  (alao  Tor  der  Pariaer 
ftetohitfon)  fl^iwiMig  fegebehe  Constitution  rief  Aen  Verfaaaer  in  aein  Tt- 
terürnd  zarttck,  welcher  am  1^4.  April  Tom  Könige  cum  Gesandten  in  tnrin 
ttter  der  Gefenieichnung  TOn  Dragonetti  ernannt  wurde;  sugleich  erhielt  er 
dieaelbe  Sendung  an  die  Schweitaeriache  Eidgenosaenaehah.  Ein  ao  TÖrbe- 
reitaler  Verfeaater  iat  dntter  wtthl  im  Sloiid^  üb  Breignina«  ItMlena  tei  JnW 
1848  lu  beachreiben ;  daher  diea  Werk  wohl  Terdiente  in  Deutaohland  bekann- 
ter xs  werden. 

Von  einem  geachichtlichen  Werke  gehen  wir  tu  einem  Romane  flt>er, 
abet-  einem  ebenfalls  ilaliädisfch-Tätet'lttndfachen,  trefflichen  ftomane:' 

il  Doüor  itiUania,  rmceonlo  ddl  Autors  äi  Lorttuo  Benont.   Omofta  iSSS,    Tifk 
FrmtM  Farrando. 

Der  Verfaaaer  heisst  6,  l^uffini  und  dttrfte  dieaer  Roman  nnatreitif  einer 
der  besten  der  Gegenwart  aein,  den  die  italiSniscbe  Literatur  aufiuweiaen  hak 
Die  Geschichte  ist  gani  einfach  folgende:  ein  stolaer  Lord  reiaat  mit  aeiner 
Tochter  ihrer  schwachen  Gesundheit  wegen  nach  Nisaa,  wo  in  der  Umgehend 
sein  Waffeta  mngeWorfbn  wird«  und  aeine  Tochter  Mn  Rdn  briehti  Bta  M* 
fiHbg  Torbeigehender  Arzt  iSsat  sie  in  ein  benaehbkrtea  WirttMkhni  brihfen, 
wo  er  sie  heilt.  Mit  der  treueaten  Wahrheit  wird  hier  daa  hochmilthige  We- 
lek  dea  aonal  ^defe  iM4a  geaehild«^  und  Wab^ft  Idylltach  fit  \äi6  gegeiaei- 
Mge  N^ignnf  dar  sehr  g^blMet^il  l^hgliilderin  fcH  dei^  Tun  edtd^  Tht^rlaltdiif' 
liebe  beaeelten  Artte,  einem  aehr  gesitteten  Mann,  geschildert.  Der  GhanrctMr 
leider  Volker  et«di^m  im  aehbtüMii  Ltehte,  uttd  daher  aneh  fttidel  aich  die 
il  den  italitniachen  Romanen  gewöhnliche  Zartheit,  mit  der  die  Liebe  behaA- 
lundeit  iat,  ao  dnsa  die  Trennung  erfolgt,  ohne  daaa  beide  aieh  darttber  anagoapro» 
eben  haben.  Unterdess  nimmt  der  Arzt  an  den  Bewegungen  in  Italien  Theii; 
<ü  Jahr  1848  findet  ihn  leicht  Torwundet  in  Palermo.  Die  Engländerin  kann 
der  iaOge  onterdrOekten  Neiguilir  nicht  wid^rsteheh;  Me  kMirt  nach  dem 
Tode  ibrea  atolzeb  Tateba  nach  Itelfen  lurttck,  Httdet  ihren  FTedikd  in  ]fei)>el 
neh  8  ialH^n  wieder,  ala  die  Revolution  dOH  stdHftind  und  sHtbt,  bdrküM 
roB  Dr.  Antonio.  Dier  Arat  hatte  die  unobtor^iiidlicbe  Akhtoijgbrig  dei  biölaUl 
Kag Mridera  besonders  atai  der  ^«legdMIiiih^A  Aeuisening  wiihtnehnihti  köhneü, 
te  er  aeine  Tochter  feelb^t  dett  beMbmttfki  R*fae!  nicht  gd|t^bM  hStt^  Br 
wandte  daher  alle  seine  Liebe  dem  Vaterlands  ku,  ir^it  «r  Töti  ätt  ibd  Ii«(»^iid6th 
Eadlin4nrto  gtWsA^t  Wnir.  Dor  Vbrfaa^er  hat  Tbratatideh  dielte  VM^Ialidihebo 
Bit  der  IcbendigMen  rarb^  to  adiitdOm,  itän  ai^itt  BHideT  #*f  ita  M  VM^ 
ichwOrung  der  Carbonari  gegen  Carlo  Alberto  verwickelt  f^dWolöii  M^ 
baue,  um  niiAt  den  Todt  dto  HOekverriiftbra  to  alerMi,  $i6h  in  dem  Oe^ 
ftngiüss  an  Genua  den  Hals  durchschnitten.  Mdft  kann  dieHO  RooMn  der 
Gegenwart  mit  unserm  deutschen  Romane  „Soll  und  Haben"  von  Frei« 
tltf  t^rirl^ichtin ,  der  §rmb  2eit  kennt,  unit  mit  der  figlaniine  von 
der  PrfüMiBin  y.  Hoiiteiü,  V^tth^ehd  die  ihfeisteh  deutochen  Romanschriftsteller 


39%  Literttvberidile  aof  Italien, 

entweder  eine  Theorie  darchfflhren  wollen ,  oder  dai  ebgedroiehene  Cnpitri 
des  Schimpfens  anf  die  reichen  Leute  bearbeiten,  weil  sie  selbst  arm  sind; 
Infeliz  paupertas,  quia  ridicnlos  miseros  facit. 

In  dem  constitutionellen  Staate  von  Sardinien  beschifUgt  man  sich  anter 
dem  Ministerinm  des  Grafen  Cavoor,  der  die  englischen  Yerhftltnisse  genas 
kennt,  yiel  mit  der  StaatswissenschafI,  aber  auch  sogar  in  Neapel,  wo  der 
jetnge  Hinister  der  Polisei  Bitter  Bianchini  den  vonttglichsten  Bof  in  die- 
sem Fache  beaittt.  Wir  erwähnen  eine  hieranf  Besog  habende  Schrift  voa 
Baron  Gallotti  unter  dem  Titel: 

IM  tibas»  M  uUort  permutabUe  d€Ü  oro,  pel  B.  G,  GtMottL    HopoU  18^, 

welcher  ttber  die  Folgen  der  Entwerthung  des  Goldes  sehr  acbtungswertbe 
Bemerknngen  macht. 

Dass  die  Kunst  in  Italien  stets  grosse  Verehrer  hat,  kann  man  ans  fol- 
gender Schrift  sehen: 
AiH  Mla  reale  Academia  Albertina  di  belle  arti  di  Torino^  1856, 

Die  Kunst  und  die  Wissenschaft  ist  in  dem  Königreiche  Sardinien  dif 
Lioblings-BeschilftigUDg  der  Vornehmen,  dies  kann  man  aus  der  Schrift  dff 
Grafen  Poniiglione,  Deputirten  des  Parlsments  lu  Turin  ersehen,  welche  ia 
diesen  Tagen  nntar  dem  Titel  erschienen  ist: 

I.'animiwiifiiBMOiig  del  pnft/too  uuegnamenio   del  etmie   H.  Ferrtro   Bnuijfiea» 
Tarwo^  iS56.    Tip.    Baeeo. 

Hier  wird  das  Ton  dem  Minister  Lnnsa  vorgelegte  Geseto  Ober  den  Offeat* 
liehen  Unterricht  vom  23.  Nov.  1855  nach  seinen  Gmndsitien  nnd  Folg» 
benrtheilt. 

Italien  ist  besonders  reich  an  Lebensbeschreibungen;  eine  der  neusten  iit 
die  des  General  Colli: 

VHa  del  Marehese  ViUorio  CM  <li  Falissana,  scrifta  di  Gi&rgio  Briano.   Tarif«, 
1856.    Lib.  Marieiii. 

Colli  war  der  Sohn  eines  tapfem  Generals  der  Piemontesischen  Annte« 
er  worde  unter  Massena,  nachdem  Alessandria,  seine  Vaterstadt,  unter  die  Herr- 
schaft von  Napoleon  gekonunen  war,  Offiaier  des  fransösischen  Heeres,  fochl 
bei  Eylan  nnd  Friedland,  in  Spanien  u.  s.  w.  Aber  im  Piemontesischen  sisd 
die  Soldaten  augleich  sehr  gebildete  Leute ,  und  so  hat  dieser  Colli  spilter  iai 
Parlamente  an  Turin  eine  bedeutende  Bolle  gespielt,  worttber  diese  Schrift 
ebenfalls  erwünschte  Nachricht  gibt. 

Eine  Arbeit  des  rühmlichst  bekannten  Geschichtschreibers  Hercules  Ri- 
cotti,  das  Leben  des  berühmten  Caesar  Balbo  enthaltend,  verdient  besonder« 
AuAnerksamkeit: 

Della  Mta  e  degli  serifte  del  eotUe  Cümre  Hafte,  rÜMmbrmue  di  EreoU  Bie&tA, 
I^Sranse,  i8i6.    Tip,  k  Mmmier. 

Der  Verfasser  ist  bekannt,  besonders  durch  die  Herausgabe  der  Urknndea- 
Sammlung  der  Kepublick  Genua  Qibtr  Jurium)  nnd  andere  Forschungen  ftbar 


Liioraterberidoe  iof  Italiei«  SM 

£•  Oaidbichle  ItaÜMM,  tiMMr  teineii  •Ufemeb  fMcUehtlidM  Werkm; 
I  ud  Cuu  Balbo  ww  kein  R«v«lalioDair,  kcio  Freifeift,  wi«  ■•>  g«w«hDlicb 
{  ^  lÜBBer  4«f  Fortocbritl«!  neBDt,  sondeni  eio  wshrliaft  edler  Mwuch »  •» 
b«aealeB<ler  Gelehrter  mid  ein  Mim  dei  ForUchritiei.  Die  Fanilie  dee  Gre- 
foi  Btlbo  fUBiml  an«  Chiert,  tod  wo  50  aeinea  Naaaena  f efen  Friedrick  de« 
ladibart  ie  der  Schlackt  Ton  Lefnaoo  fochteo,  ala  das  deetache  Lehnweaen 
Idee  deiD  Papate  »ehr  folfte  ala  deoi  laiaer.  Der  Vater  aoaeree  Grafe« 
Bilke  war  Rector  der  UiiiTeraitit  xe  Terin,  denn  ie  Pienoet  reckeea  aick 
fie  VoniehaiateB  rar  Ehre,  bb  der  Spitie  der  Gelehrten  x«  ateken.  Unaer 
Bilbo  werde  nater  der  Herraeheft  Napoleona  ib  Florens,  Leiback  und  Paria 
ab  Aaditor  und  Referendar  dea  Staataratkea  beackifiifl«  und  mit  Depeachea 
ib  ika  wikread  der  Scklacht  von  Leipiif  f^eaeadt.  Er  kam  bia  Beck  FbMb 
md  kekrte  oack  Paria  anrück,  wo  er  den  Wankelmutk  der  Pranaoaen  kennea 
n  lernen  Geloffeakeit  katte,  indem  damela  die  Gedichte  tob  Beraager  Mode 
wiren,  welche  Napoleoa  lächerlich  machtea.  Uaaer  Balbo  aah  dea  Eiaxaf 
^r  Verbfladetea  ia  Paria,  aad  ^nf ,  da  aeia  Vater  uaterdeea  Mitf  lied  der  pro- 
niorifckea  Verwaltuag  in  Tnria  (^ewordea  war,  ia  aeia  Vaterlaad  aarttek* 
Deck  Back  dem  Falle  Napoleona  flnf  anck  ia  Iteliea  die  Rerolatioo  «a,  aua 
vollte  aack  kier  aickta  feleraet  aad  aicku  rerfeaaen  kabea,  der  Vater  trat 
im  PriTatleboB  aarttck,  and  nnaer  Ciaar  trat  ala  Offisler  ia  die  Garde;  deaa 
■■aaiekr  bofana  eiae  aadere  Zeit.  Uaaer  Cflaer  Balbo  kam  ala  Ce- 
pitiio  Back  dea  bei  Greaoble  beataadeaea  Gefechtea  fefoa  die  Na- 
paleeiiischeB  Trappea  im  Jahr  1815  aarttck,  dea  Kriegadieaat  im  Frie- 
iea  Ueh  er  aber  aicht  ftkr  aehr  ehroBToll,  er  lebte  daher  der  Wiaaeaackaft, 
vid  ichrieb  mekrere  Draaiea ,  uater  andera  laea  de  Caatro ,  beaoadera  aber 
widmete  er  aick  der  Geackickte  aelaea  Vaterlandea,  aad  war  ea  ronttfliek 
'er  Kampf  der  dentackea  Kaiaer  ge^a  die  Städte  Italieaa,  weicker  aeiae  For- 
KhoB^n  ia  Ansprack  nakm;  darnm  koante  er  aick  ale  mit  dem  fermaaiackea 
Idewefea  befreunden,  and  aack  ihm  konnte  Italien  unter  der  Herrackaft  der 
Knaiden  nie  flOcklich  aein.  Balbo  befleitete  die  Geaandtachaft  nach  Spanien 
^  ak  lajar  aad  dort  schrieb  er  eia  Werk  Über  den  Krieg  der  Spanier  gegen 
^  ÜDterdrQckaag  Napoleooa.  Dock  anaaer  dieaem  militäriachea  Werke  ackrieb 
ar  anck  ein  enderea  Ober  die  apaaiache  Coaatitatioa  von  1812,  aad  blieb 
^rt  all  GeachäfUträger ,  währead  aein  Vater  dea  Geaaadtachaflapoatea  aaf- 
,,  xegebea  hatte.  Bei  der  ReToIntioa  im  Piemoateaiaehea  im  Jahr  1820  war 
Saibo  Gberat-Lieoteaaat  aad  maaate  aeia  Vaterlaad  ala  Aahäager  voa  Carlo 
t  Alberto  Terlaaaea.  Unaer  Balbo  wurde  Hiaiater  aad  Präaideat.  Seiae  Werke 
]  aiad  bekaaat,  die  vor  aad  währead  aeiaer  maaaigfiehea  amtlichen  Wirkaam- 
,  1^  «ackieaea  aiad.  Seine  «Hoffnangen  der  Italiäner'*  kaben  viel  tu  der  Be* 
vcgaag  im  Jakre  1848  beigetragen.  Ueberhaupt  iat  man  aehr  im  Irrthna^ 
weaa  man  glaubt,  daaa  die  Bewegungen  in  Italien,  wie  diesaeita  der  Alpen  de- 
■Mratiacher  Ifatnr  waren;  im  Gegentheil  aie  alnd  von  der  eraten  Claaae  der 
Geaellaehaft  aaagegaagea.  Daa  bodenteade  Staata-Lezieoa  Italieaa  hat  dea 
^fea  Vilaao  di  Portale  aum  Verfaaaer  (dixiooario  di  diritto  e  di  economia 
Pelitica  iadaatriale  e  commerciale),  nad  daa  erate  Werk  über  die  Eiaeabahaea 
^  Italien  ward  tob  dem  Grafea  A.  Piola  heranagegebeo  (delle  strade  ferrate 
«  deOa  loro  futara  iaflneBxa  ia  Europa).     Der  danulige  Hiaiater  aagte  Ober 


SM  Litortlarberiehte  tmi  ftalieA. 

Km  Bucht  df«t  feidd  Viniirei|iliiite!  uttd  ein  bedeatenAet  Sliitittittiitk  nuA 
SchrifÜMItoh'  ^Oftt  StaalnvlMenichart  Graf  Petiti  Ifcchte  ftbMr  diM  WeHL  Altoli 
MMiHi  tkh  pnkr  SAtth  *«bH^b  «r  leTbit  efn  tebf  a&rf»li|tlr«fcbeii  W»rk  ttb^t  ^ 
Ndlbweiidigkeil  ^el*  Kiaenbtihiieii.  draf  Phria  bat  daher  erfahren ,  wu  Msj^o- 
tetan  fe  Ami  «ehtieb:  Gebe  der  ZeH  voran,  aie  wird  dir  to\f^ehl 

l4i  IkaUea  ^trerden  jelst  terhUUniinnliilf  wenig  Bomane  (? eaehrieben ,  da 
man  aicb  mehr  mit  d«r  Pblitik  beicblfliitt.  Um  aber  den  Maufj^l  an  leidkker 
LeeMne  an  ersetfeen,  ^bl  Herr  Giro  d'At'ce  in  Tarin  alle  Woche  ein  Heft  vdn  I 
Beten  in  klein  8.  unter  dtom  Tittol  i6iner  Chronik:  J\  «roniita,  ToHno  1856. 
Nv  q*  Madontta  defli  Angeli*  herava,  welche  halbjlthrlich  nur  12Vi  ^'  hbitei, 
mitbin  nodi  nicht  4  Tbir.  Da  die  iulilniaehen  Damen  gern  Bücher  in  die  Haod 
nebmenf  ao  sieht  man  diese  kleinen  säubern  BXndchen  beinah  in  allen  fifinseni. 
Der  Inhalt  ist  aber  ebenhlls  mehr  ernster  Natur,  als  die  fi^wohnlicbo  Romanea- 
L^etnre,  da  #ehr  bedeutende  Krtfte  dabei  belheilift  sind.  So  findet  sieh  im 
16.  Heft  dat  Leben  des  General  Collegno,  der  seine  Laufbahn  unter  ttapolaon 
bei  Moaean  anflnf^  und  in  der  Krita  starb ;  von  demselben  bocbireachteten  Stub- 
■mnn  liest  mftn  im  24.  Hefte,  Leidenden  nnd  Erinnerungen  ans  dem  itafifini- 
adMn  Leben;  im  17.  Hefte  eine  Reihe  Berichte  ans  Hapten  von  dem  Grafen 
TidtaS)  dessen  Lebensbeschreibung  Graf  Balbo  beransfegeben  bat.  Yon  dem 
Herausgeber  selbst  ist  ein  Aufsatz  über  die  colossale  Bildsttole  des  Cartd 
Borromeo,  nnd  bei  si»  mannigfachem  Inhalt  schliesst  jedes  Bfindcheb  mit  (Attt 
kwrtten  literarischen,  geschichtlichen  nnd  Wissenschaftlichen  (Tebersicht. 

Die  Schrifton  von  dem  bekannten  Pietm  GioHahi  sind  in  vieifacbea  Attt- 
lagen  erschienen;  snletfct  ita  1  Bttndon,  in  Hailand.  A.  Gnskalli  hat  jetit  aüd 
die  bisheir  ungedrucklen  Werke  desselben  folgen  laisen,  deren  Anfang  d^a 
a  Band  der  ganten  iSnnimlattg  enthalt. 

Script  edUi  e  postumi  d»  Pietro  Qiordani  puUiciffi  da  ilnlonto  Gu$$täii,   Jfilansi 
1856.    Tip,  Borroni.     Vol.  /. 

n. 

Der  schönen  Sitte,  in  Oberitalien  ali  Hochieitgeschenk  in  der  efaten  fie- 
sellsfebaft  ein  Buch,  oder  auch  nur  eine  Abhandlung  drucken  tu  Hissen,  nia 
sie  mit  dem  Namen  der  Brtutleute  vertiert,  dem  Kreise  der  Bekannten  la 
verschenken,  verdanken  wir  manche  seltene,  gewöhnlich  sehr  reich  autgestat- 
teio  Monographie,  fein  solches  Hochteitgeschenk  ist  eine  Sammlung  von  Brie- 
fen, welche  berühmte  Itniilner  tu  Anfang  dieies  Jnfathttnderu  an  die  tsAbeih 
Tnoiochi  Atbritti  gerichtet  haben. 

Alcuni  teuere  di  Uiutiri  Itaiiani  ad  Itebella  teoiochi  AlirrmL    Firen»^  U  Me- 
nier,  1856. 

DiHe  hochirebildete  Frau  stand  mit  vielen  bedeutenden  Mftnnem  In  VerbllH 
düng,  OS  erscheinen  daher  hier  tum  erstenmAle  Briefe  von  Foscolo,  Canon, 
Barbierl,  Bertola,  Beltinelü  u.  a.  m.,  welche  über  jene  Zeit  des  Uebergaüff 
des  alten  Freistaates  Venedig  Nachricht  geben,  und  Aufschlüsse  bringen,  weMha 
bisher  unbekannt  waren.  Besonders  Ist  es  Herr  Nlccoio  Barotai,  Welcher  siek  ttia 


liMMtDrb«ricftle  ais  llaÜM.  IM 

JfeHmMfftlrafolfllmMnlreatoaffeiebtehtlichMDMAMlerBdKaM  Vm 

fan  SM  4iBfw  HoohieiliireflehenkeB  am  bemen  dato  Unteraakiad  4ar  QafWi»bie 
Wiea  «Ort  nad  ia  DaaUcklalid  abaaliaMa.  Wir  habaB  aoldba  Raduailiffa* 
Mhaaka  faaakaa,  walcba  deai  Bekamila«  der  Braal  CMa^aAeü  «abam  «Saa 
aiaaa  Odebnaa,  frricba  ar  aiaht  druckaa  laMen  kaaale,  phMÜvaH 
am  flaebsaitaiara  in  ala  paar  HaadeH  EzampUraa  sa  ttbarraiiliaa, 
«afeba  fiaUaicbt  aati^aariiche  Uatarataebaagaa  aber  aiaa  alte  faia^llrill  adaf 
fiiaa  IfanfniHia  antbieltan. 

Der  latsla  Iriaf  bal  beraüa  BM^rera  Galaffaabeiliaebriflea  raraalaaai;  abna 
Irttoiera  ZuiamaieBBtalluof  dar  diaaftilttigen  Braiffnifae  Ui  ia  diaaaa  Tafaa  att 
Teaedif  baraaagekoaimaB. 

£a  qtüttione  d^Orienit,  ttotia  coHümp&nmm  tU.     VauAa,  Tip,  GaiieL  i856. 

IKaaa  ebronolofifcbe  ZuaammaBiteiKiBf  aller  der  ib  dea  Miacbriftea  aiH- 
felbeOtaB  Tbataaeba%  giebi  eine  aapaitbeiiicba  Uaberaiebl  oad  wird  daher 
Yidea  aebr  willlLommeB  sein. 

Eia  EleaieBtar-Btteb  aar  EriemuBf  der  physikaKscbea  WiMeaicbaflea  raa 
AabraaoU  arfreat  aich  aiemlicbea  Beifailf  dar  Sacbkeaaer. 

htme  noäone  di  finea^  etposH  da  Giuseppt  AmbraaoH.  JfiJafia.  Ttp.  ^alhmdi.  1^5» 

Ein  Zweif  dar  LileraCar  ia  Italiea  wird  ricllafiabt  Beisiif  er  bearbaüei,  ab  in 
■aaabea  aMdera  Liadeni,  nimliab  dar  der  Krieyikaaat  Hier  gebart  aimliabdar 
Ottuaratabd  keiaar  baaaBderen  Klatae  aa,  aondera  ia  allea  Italiealaehaa  StaMea 
ladei,  salbtl  wana  aaefa  keiae  ffanaticha  Prttfatog  staMfladet,  aBi  OfBaiar  ti 
wardea,  dacb  ia  der  Refel  die  weitere  Beforderuaf  lu  dea  baberaa  Gradai 
aach  dem  Verdiaaate  atatt,  welches  im  Friedea  aaturlioh  aar  ia  der  Bildoaf 
lad  Wiaaeaiebafl  bettebea  kaaa.  Oaaa  kommt,  dati  ia  Italien  die  felebrtea 
Waffen  atcb  eiaea  n^aai  beaandern  Voraaga  erfreoea,  nnd  die  yaraebmatea 
jaafea  Le«tc  eine  Anateilung  ia  der  Artillerie  a.  8.  w.  fachen;  in  Italien  aber 
■au  BUB  geatehea,  daaa  die  erstea  Kiasfen  der  Gejellfohafl  auch  am  meiatea 
■at  wiifeaicbaftliche  Bilduag  haltea.  Welchen  ungahenren  Relchthum  tan 
Wefkmi  über  die  Kriegakasal  die  Italienische  Litaratar  aufiaweiaen  bat,  kann 
Bisa  am  beatcB  aas  der  Tan  d'Ayala  herausgegebenen  MilitaifBibliographie 


Miografia  mUiUart^ltalitma  amtica  e  moderna^  di  Mariano  iAytdOy  Tortaa  dMt 
Oamptria  reale.  1855,  XXXIL  und  450  S.  gr.  8, 

Daaa  dieser  gelehrte  Oflbier,  der  erst  in  dem  Neapolttanischea  Haare 
diente»  dar  aber  ton  dem  Graasbenoge  Yoa  Taseaaa  im  Jahire  1S48  aoM 
MnefBJniaier  ernannt  warde,  wohl  beAblgt  au  einer  solchen  Arbeit  ist,  kann 
■an  darani  entnehnMB,  dasa  er  1844  au  Neapel  das  Leben  der  beftthmtesiefe 
FaUbarran  und  Soldaten  jenes  Königreichs  heraosgab;  sodann  erschien  ton 
ihat  ebandasalbst  eia  Lehrbuch  mr  den  Italienisoben  Soldaten  im  Jahre  1845, 
ihaüah  dem  trefiichan  Lehrboche  des  Carallerie  -  Offixiers  der  Sardini* 
rnhea  Armee,  GMan  Biancho,  welcfaea  vor  ein  paar  lahren  tu  Toria  er- 
■ahieB,  n*d  bereits  ins  Deaucbe  abersetat  worden  ist.  Yoo  Ayata  erschien 
tenar  ein  Italianiscb-franaOsisches  MlHtair^Lezikon  sa  Neapel  1837  ia  49^  das 


SM  Literaliirberieiite  ans  ItsKen. 

hn  Jahre  1S53  fu  Genua  bereiti  eine  tweite  Aafla|;e  erlebte;  ferner  eine  Ab« 
bandlnng  Aber  National  -  Bewaffhoog  1850  au  Florenx;  daa  mililairiaebe 
Neapel  1847  nnd  mehrere  andere;  aowie  er  auch  in  mehreren  fetohichtliehen 
vnd  politiaehen  Zeitachriften  aehr  gediegene  AufaXtae  geaehichtiichen  nnd  bio- 
graphiachen  Inhalta  geliefert  bat  Beaoadera  aber  Terdient  aeine  Geaehichte 
der  Kriegaknnat  in  Italien  aeit  der  Wiederheratellang  der  Wiaaenaebaflen,  welche 
1851  SU  Florent  heranakam,  alle  Anfmerkaamkeit.  Er  hat  darin  naehgewieten, 
daaa  es  die  Italiener  waren,  welche,  nachdem  aich  die  Art  der  KriegffthniBg 
durch  die  Anwendung  dea  Schieaapulvera  dnrehana  geändert  hatte,  die  Werke 
dea  Xenophon,  Polybiua,  Frontin  and  Vegetina  wieder  hervorauchten ,  die 
unter  der  Barbarei  dea  germaniachen  Lehnweiens  gana  in  Vergeaaenbeit  ge- 
kommen waren,  welches  seine  Rittertreue  yon  dem  Ausspruche  dea  Papstes 
abhängig  machte.  Die  Italiener  hatten  den  ersten  Militair- Schriftsteller  der 
Neuseit,  den  Romer  Egidio  Golonna,  welcher  Lehrer  von  Philipp  dem  SehOnen 
geweaea  war.  Ihm  folgten  bald  andere,  selbst  eine  gelej^rte  Frau,  eine  Vene- 
tianerin,  Christina  de  Piasaro,  im  14  Jahrhundert,  deren  Werk  Aber  den  Krieg 
nnd  daa  Hilitair-Recht  1488  su  Paris  gedruckt  wurde ;  auch  ein  Moneh,  Fried- 
rich von  Padua  schrieb  ttber  Kriegswissenschaft,  ein  anderer  Coraai  Ton  ür- 
bino  obenfalla  1342,  ttber  den  Land-  und  Seekrieg  und  die  Belagerungani 
Damals  gab  ea  noch  keinen  Soldatenstand,  sondern  wehrhaft  war  Jeder  nad 
die  Fähigkeit  entaehied.  Damals  standen  in  Italien  die  Bandenfikhrer  anf,  die 
Unternehmer  ron  Kriegsschaaren,  die  Condottieri,  die  Capitani  di  Verteaa, 
ttber  welche  der  Profeasor  Ricotti  su  Turin  ein  so  auageseichnetea  Werk  ge- 
aehrieben  hat  Einer  der  ersten  war  Alberic  von  Barbiano,  Graf  von  Cnneo, 
welcher  ein  Heer  von  12000  Reitern  suaammenbrachte,  und  suerat  die  Pferde 
mit  Harnischen  bedeckte.  Von  ihm  stammt  die  Gräfin  Balbiano  (S.  dio  Heiralh 
dea  Markgrafen  Carl  von  Brandenburg  mit  der  Harkgräfin  Catharina  von  Bal- 
biano von  J.  F.  Neigebaur,  Breslau  bei  Kern.  1855).  Nach  ihm  wurde  Frans 
Sforsa  der  Schopfer  des  Italienischen  Fassvolkes.  Orso  OrainI,  ein  tapferer 
Heerführer  und  geschickter  Kriegs-Baumeister,  war  eben  so  ausgeaeichnet  als 
SchrifUteller  ttber  das  Heerwesen  im  Jahre  1447.  Hit  der  Verbreitung  der 
Bnchdruekerei  in' Italien  wurde  1487  Vegetius  au  Rom  gedruckt,  die  erate  Ue- 
beraetsung  deaaelben  ward  von  Bono  Giamboni,  einem  Florentiner,  gemacht; 
Popoleachi  ttbersetate  den  Cäsar.  Der  berühmte  Baumeister  Palladio  gnb  Be- 
trachtungen ober  den  Polybiua  heraus,  Xenophon  ward  von  Jacob  Braoeiolini 
ttbersetst,  und  Frans  Durantino  von  Urbino  ttbersetate  den  Frontin.  Der  Ruhm 
des  Johann  von  Medici,  genannt  von  der  schwanen  Bande,  ist  bekannt,  und 
ebenao,  daas  Maccbiavelli  auch  als  Militair-Schrifksteller  ausgeaeichnet  iat;  audi 
ein  Jeanit  Bombiai  Heas  1586  su  Neapel  ein  militairiachea  Werk  drnckea.  Der 
In  Ungarn  sich  ala  Soldat  bewährte  Cino  Spontoni  von  Bologna  hinterlieaa  ein 
Werk  unter  dem  Titel  Guerriero  novello.  Aber  vor  allen  glänat  der  Meiater 
in  der  Kriegakunsf,  Nonteenccnli,  während  wir  dieaaeita  der  Alpen  noch  wenig 
aufiiaweiaen  hatten;  denn  auch  die  Erfindung  der  Minen  iat  ein  Werk  der 
Italiener;  unter  mehreren,  denen  man  dieaelbe  suachreibt,  nennt  man  denLnigi 
di  Capua,  welcher  aich  derselben  bei  der  Einnahme  des  Castel  Nuove  au 
Neapel  bediente.  Die  Befeatigungaknnat  aber  ist  ea  besonders,  wodurch  sich 
die  Italiener  auszeichneten.    Wilhelm  Embriaco  zu  Genua,  Jacob  DegliAlberti 


LHtral«rb«rkkt6  «w  MiM.  89V 

n  fktWM,  PoHto  dt  Cleaeato  la  Reeenati«  4er  PloimltMr  Giorfio  Mtli0^ 
Jeeob,  Braadleeehi  Pift,  Loparelli  >«n  Cortooa  ud  BartolooM*  GeRffi  er- 
knlM  dto  Vette  Valette  auf  der  Inael  Malta,  Zitolo  die  Stadt  Padua.  DerVer- 
faiier  blh  aueb  die  Erriehtmif  tob  Battioaea  Hlr  eine  italilaifehe  Eriodonf 
k»  15.  Jahrhaaderttf  obwoM  bei  Salona  steh  derfleichea  befioden,  welebe 
nch  Carara  auf  deai  5.  Jahrbamlert  herrttbrea  aellea.  Wenifateaa  find  die 
■eiitea  aaaerer  bei  dem  Featanfibaa  fewiblten  Beaeichnaofen  italieoiaelie 
Warte,  alf  Citadella,  parapetta,  caMoiatta,  palliisaia,  baBobetta,  coatretearpa 
I.  •.  w.  Der  frcaae  Michel  Aa^elo  erbaote  die  Baitioaen  von  S.  Miniato« 
l^  ItalteniaeheB  Stidte  hattea  die  BurgeB  der  Ritter  febrocbea  aad  er- 
kantea  ftarke  Bellwerke,  am  sich  vor  dea  deutschea  LaBdikaecbtea  aa  acho- 
tiea,  weiche  bei  dem  Kampfe  der  Spaaier  aad  PraBaotea  am  diese  Halb- 
imel  Terweadet  wardeB.  Nbb  erachieaea  ia  Italiea  sahlreiehe  Werke  Itber 
Iflhair-WiaieBacbafI,  tob  deaea  wir  aar  die  voa  Tortaf lia,  Zaachi  Caatriotto, 
l4fi,  BolliBO  aaa  dem  16.  Jahrboadert  erwibaea  wollea.  Im  17.  Jahrhaa- 
iert  war  Giolio  Pariipi  Lehrer  der  Kriefsbaukanat  ia  Floreai,  tiaerriai  war 
eia  ebea  §o  tapferer  Held  aU  iBgeaiear,  tob  Neapolitaaera  wollea  wir  aar 
dia  deirAflitlo  Beaaea.  Aach  die  Artillerie  aad  FeaerwerkakaBat  hatte  im 
hfiea  die  entea  ScbrifUteller,  weaa  auch  ihre  Werke  aich  aoch  aafedrBckl 
iidaa  reieheB  Biblietbekea  der  Riecardiaaa,  Maflibeeciaaa  a.  a.  ib  Floreaa  a.  a.  w« 
Madea,  welche  der  fleiaiife  Verfasaer  dea  vorliefeadea  bibliofraphiacheBWerkea 
ibeiall  aoffeaucht  aad  veraeicbaet  hat.  Die  KriefakoBst  ward  aber  aaeh  aaaaer- 
blb  Italiea  tob  Italieaera  feiehrt  nad  fettbt.  Baailio  della  Scale  wirkte  filr 
im  VertheidlfaBfr  tob  Rhodos  1520,  Bellarmoti  d'Ippolito  baute  für  Fraoa  L 
HtTTe,  Scale  Valeaeieaaefl  oad  Geat.  Paciotto  baote  aater  Alba  die  Citadelle 
▼aa  Aatwerpea,  aad  machte  des  Plaa  in  S.  Juaa  d'Ulloa  ia  Amerika,  Caatri* 
•tte  baote  S.  Qaiotia  uod  Calaia,  SomauiriBO  Boalofae,  Soaaacebi  worde  ia 
Svigofia  Terweadet.  Nachdem  Wilhelm  tob  Nafaao  die  Freiheit  der  Nieder- 
Rader,  ala  GoataT  Adolph  die  der  Protestaatea  an  Tertheidifea  aafefaBipeB 
^tte,  wordea  FloriaBi  aod  Pieroai  aach  Wiea  berufeB,  am  dort  die  Befe-. 
■UgaafMrbeiteB  aa  leitea.  AlesaaBdro  del  Rocco  leitete  die  Belageraof  tob 
Sicttio  aad  Refeaaborf,  sowie  die  Vertbeidigaag  too  Prof.  Fraas  ABtooelU 
wnde  aaa  Ober-lafeBiear  der  aogarischeB  Festaagea  eraaaBt,  aad  Spada 
Wertifte  MaiBs.  Die  Trefflichkeit  der  Italiiaischea  Waffea  ist  bekaaBt  und 
anehe  habea  aierliche  Master  tob  dea  grOsstea  Kttastlem,  als  Celliai  o.  a. 
>afcaweiaea,  aad  es  fehlt  aiebt  aa  Werkea  für  die  BtIchseBmacher«  wekhd 
•leh  aosaerbalb  Raliea  bekaaBt  wardea.  Auch  fllr  die  Mariae  warea  die  Ita- 
li«er  die  Maslor  fftr  gaas  Eoropa,  welche  tob  Amalfi,  Geaaa,  Tracai,  Pisa, 
l^eaedif  aad  dea  SieiliaBlscbea  Hftfea  aosfiafea;  deaa  daaials  warea  dio 
taftaea  Sdnffer  aad  Kaafherrea  aach  tapfere  SeebeldoB,  aagleich  aber  fiadea 
wir  aach  bei  ihaea  die  erstea  Qaellea  des  Seerechts.  Gialio  Cdsare  Falco 
lims  achoB  1554  eia  Werk  ttber  dea  Krieg  aar  See  drackea;  ihm  folgtea  bald 
Ijtdaao,  Pifafetta,  SaTorgaro  u.  m.  a.  Ia  der  TbleraraBeikoade  ist  schoo  aas 
te  13.  iafarhaadert  der  Calabrese  Giordaao  Ruffo  bekaaat,  dessea  Werke 
iBHBt  ia  Veaedig  gedrackt  wardea,  Pier  dl  Gresceaso  schrieb  schOB 
var  1909  ttber  das  Marstallwesea ,  aad  Eastachio  d'Afütto  trat  eboa* 
fols  ab  S^rifksleUer  ttber  diesea  Gegeastaad  auf»  welcher  Tiele  reiche  Pferde 


SM  himmatk^ritakm  mü.  MkA 


UftbhaherWi  vidi«  BMito  ZbH  bBnif  Wdlttlliff«  h§k.  So  eMcyiii  yos lomen 
■iMattaod  Aar  perfetto  cftTsliero  twi  Looatelli,  •»  Werk  voll  Gelehnaoikoilwil 
praebtToIl  ausgcftattot.  Dort  tind  die  Dohlen  Ptflsioneo  mit  Gdohit»aiLeil  «14 
wifienfcilafllioher  Bildung  vorboadan.  Doch  habon  die  Ualieaer  nicht  alida  nai 
llbar  den  Krieff  (^eaehriabon,  wi*  daa  Torliegando  bibliograpbiacba  WeA  vaa 
d'Ayala,  aondani  anah  von  jeber  tapfer  gefocbten.  Wilhelm  von  Genua  leitaCe  fli 
die  Ereuifahrer  die  Belehrung  von  Jef  uaalen.  Paaii  ani  Ploreni  und  Rkoccki 
eratief  an  loars»  die  Mauern  der  heiligen  Sladi,  Bonagiuao  1208  die  Mauern  tob 
Damiette,  wo  er  nach  2jllhriger  Belagerung  die  Fahne  der  Freiatadt  Ftoreni 
anfpflanite.  Caatruecio,  Spare,  Monelli  machten  aich  durch  ihre  Tapferfctit 
in  Vaterlande  und  auawttrta  bertthmt  fibeaao  im  16.  Jahrhundert  auMar 
dem  Johann  Medici,  dem  Anftthrex  der  aohwaraan  Bande,  welcher  idaa« 
Sohn  CoaoMis  den  Weg  sum  Throne  bahnta,  Benrtivoglio ,  Proapero  wk 
Sieihno,  CoJonna,  Sanaeverino,  Carafa,  Galeni  der  Calabreaer,  weichet  aU  ger- 
langenai  Student  bei  den  Türken  unter  dem  Namen  OccbiaU  ein  bertthart« 
Coriar  wurde.  Wir  konnten  noch  mehreren  Helden  Namen  aua  Italien  aoMi- 
v&m,  beacbrinken  nna  aber  nur  auf  die  von  Piccolemini,  Ganaagn,  PallaviciaH 
Melai,  Trivulaio,  Galaaao  und  Sanvitale,  ferner  die  VcAatuuier  Moroaini»  Oal(* 
loom  und  del  Monte;  wer  kennt  nicht  de»  Doria  aua  Spinola,  wetohei  OMr 
endo  eroberte,  beaondera  aber  den  Prinsen  Bugan  von  Savoien,  den  a^en 
Bitter,  welche  eben  ao  tapfer  ala  gelehrt  waren.  Ueberbaupl  behielten  im 
BaKeniaehen  Heroen  ateU  eine  Beminiacena  der  olaaaiaohen  Huaaaitilit  bei.  Dar 
tapfere  und  gelehrte  Monteouculi  aagt:  der  Krieg  iat  eine  Landplage,  man  moM 
daranf  atudiren,  ihn  gut  au  führeak,  um  ihn  achnall  au  beenden.  Onaa  die  Itar 
Hener  in  der  Neuseit  nicht  autUckgekomraen,  darüber  kann  man  aioh  auf  dal 
Urtheil  einea  Sachveratflndigen  berufen«  den  Schlachtealeiter  der  Nenaeiti  Ha- 
poleon  L,  welcher  überall  den  Italieniachen  Soldatea  Gereohtigkeat  widerfahiaa. 
llaat.  Wir  haben  nach  dem  Congreaae  von  Laibaoh  und  Verona  einen  achlech- 
tan  Begriff  von  der  Italieniachen  Tapferkeit  erhalten,  weil  der  conatiUitionelle 
Geneeal  Pepe  bei  Bieti  keinen  Wideratand  au  biaten  vermochte.  Allein  die 
Berichte  darüber,  welche  jetat  erat  haben  bekannt  weiden  dürfen,  aeigen,  wie 
die  Militairbefehlshaber  damala  von  den  Peraoaen  gemiaabraucht  worden  aindi 
welehe  aie  fUr  ehriiehe  Leute  hielten.  Die  Kttmpfer  aua  der  Gegenwart  haha» 
eine  Yortbeidigung  von  Born,  einer  von  keinem  Soldaten  fOr  eine  Featung  ge- 
haltenen Stadt,  und  von  Venedig  aufauweiaen,  welche  der  früheren  Zeit 
nicht  nachateht  Seibat  die  Frauen  aeigten  wahre  Todeaverachlung,  Venedig 
mflinate  aein  Siibeiv  und  fiel  endlich  durch  Hunger  nnd  die  Choleaa. 

Die  voaliegende  mililirisohe  Bibliographie  beweiat  aber  hanptaftcUiaiw 
daaa  die  halianev  Aber  der  Tapferkeit  die  Wissenachafi  nieh^  vergaaaen.  D« 
Verlaaaer  befindet  aich  in  der  glttcklichon  Lage  in  den  li&erariach^aulitairia^haa 
Sehiltaen  aelbat  lo  leben,  fir  iat  jetat  nttmiioh  Bibliothekar  der  reichen  Bttghar* 
aammlung  dea-  Heraoga  von  Genua,  ttber  welche  der  ^naender  in;  No.  U  dai 
Snrtpenm  1856  Nachricht  gegeben  hat.  Unaer  gelehrter  Herr  d'Ayah  hat  da^ 
her  Gelegenheit,  daaa  ihm  viele  aonat  aohwer  au  benotaende  Werke  augingttch 
aiiid;  aneh  hat  er  die  Handachriften  in  dea  reichen  Bibliothekea  von  Floraaa 
und  die  bedeutenden  militaiviaohen  Bibliotheken  von  Heapd  au  benutnen  Gtr 
legtnheit  gehabt    Br  ha»  dna  vorliegende  Weik  in  7  Ahaahnülfi  gotheilt^  md 


ii  j«^  die  VortMM?  dm  iwgtftilyfn  Weri^  idplwteivMh  geoidiiit,  dia  an«» 
IfBfiil  ScMI^B  «^«c  J^MOBdcn  Mfclikfl.  WeM  eis«  frofM  Mwif  y«» 
KlitnifffcrillRtellefii  We»ToHL<iiB«ieo,  üvimiwib  daniu»aalMliiD««f  daMdMtV^t«- 
btbcbe  Yenmluiuit  der  Nun«  denelbeii  Si^eafffedradkle  groeee  0elev«6eiiM 
mipqM^  wel/riiet  «iif  leicb  dee  4a(tnelMii  aelir  erleMterl.  I>er  Veiftifeer  aeliital 
«Ms»«  Qwere  deMcbea  ScMftfteller  über  die  KriefiwiMesecbell,  vor 
tto  taderii  die  Werke  dee  EraiMnoce  Gert  to»  OeelerrekK  von  den  er 
aoidietkÜck  erwibvl»  deu  er  in  Italie»  feborea  i«*»  ew  Sob»  dea  tSretiher- 
l«|i  von  Tofceae.  Aeieerden  beeuUte  der  Verfaeter  danebe»  die  Litentar 
4er  Krie^wieaeaaebafi  too  Rempf  ud  andere  ibiUicbe  Werke  tther  dav-» 
Nlbee,  Gegeaataed.  Aaeb  lind  die  Werke  deuyeher  Sebrilttleller»  weWba 
\m  Italieniacbe  ttber^eUt  werden,  anffeMrt,  i.  B.  Heeker  ond  Blanarik 
b  der  Vorrede  bemerkt  unaer  bumaner  Yerfaaaer,  daaa  bei  vioien  leerea 
cia  Plord,  eine  Uniform  heber  anffefobleffan  wird  ala  ein  floldnl,  dean  jene 
Mea  Geld«  woffegen  laea  denRekraten  HMeml  ball  RerVerfnaaer  «Mt  am 
Mbime  aeiner  Vorrede  Naebricbt  von  den  btdanteadalea  miiileiMaoben  mMor^ 
tbekea  nnd  ifiebt  den  Ratb,  daraaf  an  wirken,  daae  der  Soldal,  «oa  obe»  bia 
miea,  aUtt  in  den  Kaffeebiaaere  ao  liefen,  f icb  eiil  Bttcbem  betcblflife,  dean 
■nreiir  iai  kein  Yerdlenit,  fondem  PflicbU  ^la  FleUa,  Ordnung  o.  a.  w.,  da- 
■it  er  liei  dem  Aaatritt  ana  dem  Heere  ein  nttlalicber  Borger  sein  kOnne. 
Pk  ecwlb^len  7  AbUieJlnafea  dea  Werkea  nmlaaaeii  O  ^  Kriegawiaaenacbaft 
\m  AJDfemeiiiea,  %)  dm  Kriefabwiknnali  3}  daa  Oeaebou/vaeaen,  4)  dai  Kriena^ 
Seeweiea,  5)  die  HeÜkande»  die  Reit-  ond  Peobiknaai  aod  Gyntnaalib,  6)  die 
Ujaetator  aber  die  Krjegawiaaenaebaft  aad  Ifria^tseaebieble«  7>  die  Geaol»«« 
lebaec  Verwaltaof,  Verordnnnfen  «nd  Einvlehlwifen  daa  Heerweaena  bo^ 
tiefend,  Uebrigea«  enibili  diene  Biblioffrapbie  niebft  Uoa  eiM  bk»aae  Infrah 
bof  der  Bttcber-Titel,  aondem  bei  den  meiaten  bedentenderen  finde»  aieb 
^ffliebe  Anmerkoaf aa  dea  Verfaaaera  dieiea  niebt  geang  aa  rObmenden  Wea* 
km  dea  «nageaeicbBetaten  Fleimea. 

Bodlieb  können  wir  too  einer  aebr  geinagenen  Satyrn  Naebriebi  gaben* 
4im  iat  allerdinga  eine  Art  der  Literatar«  welebe  aebr  acbwer  iat,  de  aio  niaia 
mr  genaae  Kenatniu  dea  Gegenatandes  erfordert,  aondam  ancb  nife  der  gnttMtea 
Feinbeil  bebaadelt  aein  will,  wen»  aie  niebt  der  Gmneinbeit  rerftdlen  wW« 
«der  aicb  ala  Paa^nill  gegen  euiaelae  Peraonen  daratellt  Die  TorliefMd» 
htgfre  iat  geg ea  den  jetaigen  Baraenaebwiadoi  geriebM; 

I«  Atrso,  fiwee  tefmeiM  ^iinoftaMO  Bmuemo.  Mihmc  1856.  Tif,  RedneüL 

■it  Tielem  Geiate  nnd  in  einer  lehr  gefalligen  Spraebe  iat  bler  allca  ge- 
tagt, waa  aicb  gegen  die  jetaige  Bibel  der  Welt,  den  Conra-Zettel,  aagen 
IlMt.  Bei  einer  Satyre  iat  die  Hauptfrage,  ob  ea  wirklieb  ein  Gebrecben  der 
Zeit  iat,  welebea  gegeiaaelt  wird  ?  und  darttber  wird  manwobimit  dem  geiat- 
reieben  Verfamer  einig  aein.  Aoeb  iit  ron  der  Wirkung  dieaer  Satyre  in  Ite- 
li«  nicbta  an  fBrebten,  da  dort  der  Reiehe,  der  Vomebme  niebt  ao  geharnt 
wild  ala  in  Deutacbland.  Aucb  in  Frankreicb  Iat  dieaer  Harn  niebt  ao  benror- 
iteebend,  deabalb  aagen  aucb  franiösiaehe  Staataaüinner,  dam  awar  ibre  Theo- 
retiker den  Commnniam  gepredigt  haben,  dam  ea  aber  die  deutaehen  Hand- 
weikabmcben  aiadi  welche  des  Franaoaaa  den  Gommoniam  praktiach  bei* 


400  LlteralQi1»erieh«e  ms  Itolien. 

bringen.  Wahr  iil  6f ,  daif  diMa  den  Haaa  iregfen  die  Reichen  ood  VornehMen 
aoj  Dentaehtaad  mitbrinpeD;  denn  in  keinen  Lande  hört  man  00  Tiel  auf  die 
Rothachilde,  die  Geldaflcke,  die  Krimeraeelen  n.  s.  w.  tchimpfen,  ala  in  Dentich- 
land,  wo  man  den  Kaufmann  beneidet,  der  es  in  Manchem  Andern  aavorthnn  kann. 
Mit  dieser  Masse  stimmt  ttberein  die  frosse  Zahl  der  ebenfalls  »eist  armen 
Gelehrten,  welche  noch  den  Geldstols  für  den  allerunleidlichtten  halten.  Dies 
sieht  man  in  andern  Lttndern  nicht,  denn  der  Geldstola  ist  am  leichtesten  in 
feine  Schranken  surUcksnweisen.  Jeder  kann  reicher  werden,  wie  der  Be- 
neidete und  dieser  wird  dann  bald  seinen  Stols  gegen  den  jetst  Reicheren  ab- 
legen. Darum  hat  Italien  nichts  von  Cummunism  in  fttrchten,  dort  wird  der 
Reiche,  der  Vornehme  geliebt  und  geachtet,  auch  ist  dort  die  Wissenschaft  ia 
den  ersten  Classen  der  Gesellschaft  mehr  heimisch  als  anderswo,  nnd  tob 
derselben  geachtet. 

Welchen  guten  Gebrauch  die  reichen  Leute  in  Italien  durch  BefOrderaag 
Ton  gemeinntttsigen  Anstalten  machen,  kann  man  aus  dem  jetst  erschienenes 
Berichte  des  Herrn  Possenti,  ttber  den  gedeihlichen  Fortschritt  der  Ackerbaa- 
Sehale  auf  dem  grossen  Gute  Corte  Palosio  entnehmen. 

AnaUti  dtUa  ftroposla  per  VAssociaUone  agricoU  Lombardü  di  Corie  dd  PalsM% 
'  de<  In^egnere  Carlo  Po$$tnii.    Mitane  i856.  Tip.  Salw, 

Solche  gemeinntttiige  Anstalten  kommen  in  Italien  sehr  leicht  nur  Au- 
fllhning,  da  dort  dar  Gemeindewesen  nicht  durch  das  Beamtenweseo  erstickt 
wird.  Man  wird  nicht  behaupten  wollen,  dass  die  Regierung  in  der  Lom- 
bardei Ton  revolutionären  Grundsfltien  ausgeht,  allein  sie  llisst  der  Gemeinde- 
Verwaltung  freien  Lauf.  Die  Polixei  hat  es  nur  mit  den  Pflssen  nnd  den  Ge* 
aetnes-Uebertretungen  au  thun;  alles  andere  ist  der  freien  Gemeinde-Verwal- 
Inng  ttberlassen.  Darum  nehmen  an  derselben  die  vornehmsten  und  reichsten 
Einwohner  der  Gemeinde  Theil,  die  daxu  durch  die  Wahl  ihrer  Mitbürger  be- 
rufen werden.  Darum  kommt  es  hliufig  vor,  dass  der  Markgraf  A...,  der 
reiche  Aret  B...,  der  reiche  Professor  G...,  der  reiche  Graf  D...  sich  nul 
aller  Anstrengung  den  Geschllften  eines  unbesoldeten  Stadtrathes,  einen  Borger* 
»eisters  (Gonfaloniere)  unterwerfen  nnd  es  sieh  oft  Tausende  kosten  lassen,  vm 
ihrer  Stadt  Ehre  an  machen.  Dieselben  wohlmeinenden  Gemeinde-Mitglieder 
würden  sofort  davon  abgeschreckt  werden,  wenn  ein  besoldeter  Beamter  sieb 
in  diese  Angelegenheiten  mischen  wollte,  a.  B.  wie  die  Farbe  eines  Gebindes 
fein  soll.  In  Italien  —  mag  man  noch  so  viel  an  tadeln  finden  —  besteht 
die  wahre  Gliederung  der  Gesellschaft,  in  Familie,  Gemeinde  und  Staat 


Ir.  M,  HEIDELBERGER  IK}. 

JAHRBOGHER  der  LITERATUR. 


Die  Actio  des  römisehen  CivUreehta,  vom  Standpunkte  des  heutigen 
Rechts,  Von  Dr,  Bernhard  Windseheid,  ord.  Prof,  an 
der  Umv,  zu  Grtifswald.  Düsseldorf.  Verlagshandltmg  von 
Julius  Buddaus.     1856,     IV.  und  238  S.  S.; 

in  Verbindung  mit: 

Die  ObHgaÜon  und  die  Singularsueeession  des  römischen  und  heuti- 
gen Rechtes.  Eine  eknlistische  Studie,  Von  Dr,  Johannes 
Emil  Kuntze,  Advoeat  und  PrivaJtdocent  der  Rechte  an  der 
Ufdversiiät  zu  Leipzig,  Leipzig,  Hermann  Mendelssohn,  1866, 
XVI  und  433  S.  8, 

Das  enta  dieser  Bücher  ist  das  jüngere.  Es  iiihrt  aber  xum 
sweiteo  hin,  und  wird  deshalb  als  der  Hauptgegenstand  dieser  Re- 
lation snerst  ins  Auge  gefasst.  In  der  Mitte  dieses  Baches  wird 
man  davon  onterrlchtet,  dass  es  von  der  Uebertragbarkeit  der  For- 
derung haiidle.  Um  cu  erkennen,  wie  dies  geschieht,  muss  man 
iDdess  daran  sich  erinnern,  dass  das  Wesen  der  Uebertragung  eines 
Rechts  davon  abhängt:  dass  derjenige,  welcher  das  über- 
tragene Recht  erworben,  der  A,  eben  dasselbe  Recht 
bat,  was  der  Uebertragende,  der  B,  vor  der  Ueber- 
tragung gehabt  hat  Man  wird  es  dann  auch  im  Auge  behal- 
ten, dass  die  subjective  Seite  einer  solchen  Uebertragung  ein  Per- 
lonenwechsel  ist  Der  Verf.  sagt  nun  darüber  (S.  157):  es 
verstehe  sich  von  selber,  dass  das  Recht  des  A  nicht  das  Recht  des 
B  sei;  es  gehe  nur  derselbe  Rechtsstoff  über.  Darüber  sei  man 
aneh  einig.  Es  handle  sich  nur  darum:  ob  es  der  richtige  Aus- 
druck sei,  au  sagen:  dass  das  Recht  des  Auctors  auf  den  Kaeh- 
folger  übergehe,  oder  nicht  Darin  wird  die  Differens  gefunden 
iwischeo  der  Ansicht  des  Verf.*s,  welcher  den  Rechtsstoff  übergehen 
Hast,  und  der  Ansicht  Kuntse  (a.  a.  0.),  der  vom  Rechtsstoffe 
einen  Vermögensstoff  untersch^et,  und  nur  den  letctern  über- 
sehen iXsst  (S«  60.  138  ff.).  Demnach  scheint  die  Differens  nicht 
bloss  den  Ausdruck  cu  betreffen.  Denn  K.  unterscheidet,  was 
W.  nicht  unterscheidet  K.  versteht  unter  Rechtsstuff  die  Rechts- 
vorschrift, und  das  rechtliche  Band,  welches  sie  swischen  den  Per- 
sonen knüpft  (a.  a.  O.),  unter  Vermögensstoff  den  Werth  oder 
Nutsen,  den  dieses  Band  dem  Berechtigten  aneignet  W.  verwirft 
diese  Unterscheidung.  Um  aber  dessen  ungeachtet  die  Uebertrag- 
barkeit (S.  172  ff.)  zu  vermitteln,  hält  er  sich  an  die  Uebertragbar- 
keit der  Actio,  der  Berechtigung  die  Forderung  gerichtlich  su  ver- 
folgen, die  das  römische  Recht  anerkennt;  und  wandelt  sie  in  eine 
U  lakrf.  6.  flsft  86 


40S  Windscheid:  Die  Attio  de*  rOnifl^heB  CiWIreditf  etc. 

Uebertragbarkeit  des  Rechts»  oder  des  RechtsverbSltnisses,  der  Obli- 
gatiOD,  indem  er  sagt:  es  stehe  die  Actio  an  der  Stelle  des  An- 
spruches oder  des  Rechts  und  sie  sei  nur  ein  Ausdruck,  niclit 
ein  Ausfluss,  des  letztern  (S.  3.  5 ff.);  und  zwar  £el  dies  der  Fall, 
wo  das  Recht  die  Obligation  sei  (S.  5).  Während  demnach  K.  die 
Obligation  bei  dem  Auetor  Ifisst,  knüpft  W.  sie  an  die  Actio,  welche 
der  Erwerber  empfängt.  Wenn  nun  die  Obligation  das  Recht  ist, 
so  wird  man,  wenn  man  der  Auffassung  von  W.  folgt,  sich  gaoi 
richtig  dahin  ausdrücken :  der  Erwerber  A  hat  das  Recht  des  Aacton 
B.  W.  verläugnet  also  seine  eigne  Ansicht,  wenn  er  diese  Auf- 
fassung verwirft,  und  den  Differenzpunkt  zwischen  ihm  und  anderen 
bloss  im  Ausdrucke  findet  Aber  im  Resultate  trifft  er  allerdiagi 
mit  K.  zusammen.  Denn  letzterer  identificirt  (vermittelst  dee  ^Schwung- 
brettes^ ?)  den  Yermögensstoff  mk  dem  Inhalte  der  Obligation,  also 
mit  dem,  was  zwischen  dem  Berechtigten  und  dem  Verpflichte- 
ten ist,  dem  rechtlichen  Bande,  der  Obligation  (denn  nur  da  kann 
der  Inhalt  sein;  und  es  ist  da  nicht  mehr  als  dies,  weil  allei 
übrige  eist  durch  die  künftige  Handlung  erzeugt  werden  soll),  sei- 
nem Rechtastoffe ,  so  dass  dieser ,  in  jenem  Inhalte ,  ebenfalto  vm 
Uebergehen  genöthigt  werden  würde.  W.  nimmt  an:  K.  meine: 
die  Obligatton  des  Gessionara  gehe  auf  eine  andere  Handlung,  als 
die  des  Gedenten.  Allein  E.  sagt  zwar:  es  sei  die  Handlung  Objeefc 
der  Forderungsberechtigung  und  von  dieser  untrennbar  (S.  73  ff.). 
Er  meint  aber  das  nicht.  Denn  das  Object  der  Obligation  mufli 
die  eine  Seite  ihres  Rahmens  sein.  Er  verlegt  die  Handlung  aber 
in  dem  Rahmen  hinein  (S.  73),  in  den  Inhalt;  eben  dahin  wo  der 
Yermögensstoff  nach  ihm  liegt.  Und  da  sie  in  der  Verwirklichung 
des  Vermögensstoffes  untergeht,  so  ist  sie  nicht,  sobald  der  Ve^ 
mögensstoff  da  ist,  sondern  wird  nur  als  in  ihm  verwandelt 
gedacht;  und  wenn  K.  dem  Gessionar  denselben  Vermögensstoff  so* 
achreibi,  den  der  Gedent  gehabt  (S.  329  ff.  und  138  ff.)  und  dieses 
Stoff  als  civilistisch  indifferent  zur  Individualität  der  Handlung  b** 
trachtet  (6.  143),  so  besteht  anch  keine  Differenz  der  Handlung 
mehr,  und  das  Object  der  Obligation  ist,  wie  W.  (S.  178)  es  wil\ 
nieht  «ine  bestimmte  Handlung,  sondern  eine  Handhing  von  eiaea 
bestimmten  Inhalte.  Man  muss  also  W.  darin  beitreten,  dass  dw 
Streit  zwischen  ihm  und  K  bloss  den  Ausdruck  betrifft,  obgleich  « 
ihn  als  einen  Streit  über  die  Sache  auffast.  Nach  ihm  sind  als« 
seine  Ansichten  und  die  von  E.  gleich;  seien  sie  nun  richtig  oder 
unrichtig.  Es  wir  indess  das  zweifelhaft,  ob  er  in  der  That  zu  er- 
kennen vermögt,  ob  der  Streit  den  Ausdruck  oder  die  Sache  betreffe. 
Die  Weise,  wie  W.  diesen  Bruderzwist  führt,  ist  die,  dass  er 
S.  1 — 119  Abscbälungen  von  der  Actio,  der  Litiscontestatio  und 
dem  Urtheild  vorlegt,  darauf  vom  Uebergange  der  Actio  handelt, 
und,  nach  einer  Einleitung,  S.  119 — 120,  zuerst  von  der  Cessiony 
S.  120—194,  dann  vom  gesetzlichen  Uebergange,  S.  194—202, 
darauf  vom  Schuldübergange,  S.  202—214^  und  endlich  vom  Ueber 


WlDdMb«i4 :   Die  Actio  4e§  römifchen  CirilreeliCfl  ete.  408 

gang«  d«r  actid  io  rem,  S.  214-— 221,  worao  sich  S.  921—238  ein 
SehloM  hingt.  Dabei  fallen  denn  mehrlach  Differeospunkte  swischen 
dem  Verfaseer  ond  anderen,  von  der  angegebenen  Beschaffenheit  ein. 
Durch  Herrorheben  einselner  derselben  wird  die  Bedeutung  dieses 
Bncbeg,  and  daneben  audi  die  einiger  anderer  Bücher,  einige  Er- 
keoDQDgsmerlcmale  gewinnen. 

Die  Rechtskraft  eines  richterlichen  Urtheils  tiat  die  Folge:  1.  dass 
eio  anderes  Urtheil  über  dasselbe  Rechtsverh&ltniss  (swischen  den- 
ielben  Personen)  nichtig;  nnd  2.  dass  ein  wiederholter  Rechts- 
streit Aber  dasselbe  Rechtsverbältniss  durch  ein  Berufen  aof  das 
Drtheil  abwendbar  ist.  In  der  ersten  Verrichtung  schliesst  der  In- 
halt des  Urtheils  den  entgegenstehenden  Inhalt  eines  andern  Urtheils 
durch  seinen  Widerspruch  von  der  Rechtskraft  ans ,  und  ent- 
liebt  dem  übereinstimmenden  Urtheile  die  selbständige  Rechtskraft. 
Inder  Bweiten  Verrichtung  schliesst  das  Dasein  des  Urtheils  das 
nkfioftige  Dasein  eines  Urtheils  über  dasselbe  RechUverhfiltniss 
dttin  ans,  wenn  das  Berufen  auf  sein  Dasein  dem  Einleiten  eines 
Bechtastreits  über  dasselbe  entgegengesetzt  wird.  Die  erste  Verrich- 
tag  legt  den  Grund  für  die  zweite ,  beide  sind  Aeusserungen  der- 
Mben  Verrichtungskrailt,  und  somit  nur  zwei  verschiedene  Weisen 
Inielben  Verrichtung.  Jenachdem  ein  neuer  Rechtsstreit  in's  Da» 
Md  getreten ,  beziehungsweise  durch  ein  Urtheil  beendigt  worden, 
tder  Dicht ;  kommt  die  erste  oder  die  zweite  zur  Anwendung.  In 
fo  sweiten,  die  mit  der  exceptio  rei  judicatae  geltend  gemacht  wird, 
bmint  der  Factor  der  erstem,  der  lobalt  des  Urtheils,  dann  zur  Er- 
idieinung,  wenn  ein  Kläger  diesen  Inhalt  zur  Grundlage  einer  Kla- 
(Stellung  nimmt,  um  von  dem  bevorstehenden  Rechtsstreite  dasje* 
^t  Stück  abzuscheiden,  welches  durch  jenen  Inhalt  bereits  ent* 
schieden  ist.  Und  es  kommt  dann  dieser  Inhalt  nicht  bloss  zur 
Brscheinung  als  ein  Merkmal  der  Identität  dieses  Stückes  mit  dem 
^eits  Entschiedenen,  sondern  als  der  Factor  eines  positiven  Mo- 
^ots,  einer  Gewissheit  des  entschiedenen  Rechtsverhältnisses.  Wenn 
in)  Keller,  wie  bekannt,  eine  positive  und  eine  negative  Func- 
^  der  exceptio  rei  judicatae  unterschied,  so  stellte  jene  als  die 
Wirkung  des  Inhalts,  diese  als  die  Wirkung  des  Daseins  des  Ur- 
^«ils  ^ch  dar.  Im  altern  römischen  Prozesse,  wo  dilatorische  Ein- 
^n  nach  der  Litiscontestation  gleich  peremtorischen  wirkten, 
^  die  Möglichkeit  gegeben ,  dass  das  Dasein  eines  Urtheils 
^ea  Rechtsstreit  ausschloss,  ohne  dass  das  Urtheil  eine  Gewiss- 
^  aussprach  über  das  Verhältniss,  welches  in  dem  beabsichtige 
^  Rechtsstreite  wieder  bestritten  werden  sollte.  Der  Umstand,  dass 
lieser  Fall  der  negativen  Function  nicht  mehr  eintrat,  gab  zi>- 
'Hcbat  die  Veranlassung  diese  Function  ganz  zu  längneo,  und  die 
^<^ze88nali8ehe  Consumtion  gleichzeitig  zu  bestreiten  (v.  Vangerow: 
•Arb.  d.  Pand.  §.  173.  Anro.  III.).  Auf  diesen  Schritt  folgte  ein 
'^terer,  neuilich  der,  die  Verrichtung  des  PräJudiciums  als  einen 
^weis  zu   behandeln:   Plank:    Mehrheit  der  Rechtsstreitigkeitdn 


404  Wiailfdieid:  Die  Aelio  4ef  röMiMhen  Cirilreditf  ete. 

S.  185  ff. ;  oder  das  Bedeoken  einzuwerfen ,  daas  die  res  jadicaU 
nicht  zar  Begründung  klagbarer  Rechte  beBtimmt  sei:  Pfeiffer: 
Arch.  f.  c.  P.  XXXVU.  S.  95  ff.  245  ff.  251.  Endlich  wurde  die 
Folge  der  positiven  Function:  bis  de  eadem  re  ne  sit  actio,  an  die 
Spitze  gestellt,  und  die  Function  selber  mittelst  eines  ausführlichen 
Buches  geiäugnet :  B  e  k  k  e  r :  d.  prozessual.  Gonsumt.  S.  6  ff. ;  dessen 
Verf.  (S.  110  ff.)  die  Ansicht  aussprach,  dass  der  £id  keine  consu- 
mirende  Kraft  habe,  weil  nicht  der  Umstand  tilge,  dass  geschwo- 
ren, sondern  dasjenige  getilgt  sei,  was  geschworen ;  aber  eine  Fietion 
der  Wahrheit  des  Beschwornen,  wie  des  durch  gerichtliches  6e- 
ständniss  anerkannten,  aufstellte.  Unser  Verf.  (S.  110 ff.)  tritt  der 
Beweiswirkung  bei,  indem  er  mit  ihr  die  Eideswirkung  in  Parallele 
gestellt  findet,  der  jene  Wirkung,  Nichtigkeit  eines  spätem  Urtheils 
hervorzurufen,  nicht  beigelegt  ist;  bei  welcher  also  der  Inhalt  nur 
als  ein  Merkmal  der  Identität  des  dem  fernem  Rechtsstreite 
entzogenen  Punkts  hervortreten  kann.  Dennoch  aber  vertheidigt  er 
eine  positive  Function  der  res  judicata  (S.  104),  muss  also  ober 
das  Wesen  dieser  Function  in  Unkunde  sein. 

Ein  Berechtigter  kann  im  Kreise  seiner  Berechtigung  seine 
Thfttigkeit  und  deren  Erfolg  einem  Andern  tiberlassen,  obgleich  er 
die  Berechtigung  von  seiner  Person  nicht  trennen  kann.  Zuweilen 
hat  für  die  Berechtigung,  welche  der  Träger  der  Ausübung  dadnrcb* 
erlangt,  sich  eine  besondere  Benennung  gebildet,  z.  B.  Emphyteuse, 
Pfandrecht.  Fehlt  eine  solche  Benennung,  so  Isann  man  nur  sagen: 
er  habe  die  Ausübung  der  Berechtigung.  Bereits  Hasse:  Revis. 
d.  Theorie  von  der  ehel.  Gütergemeinschaft  $.  16.  S.  35ff. ;  hat  ein- 
mal gesagt:  wer  die  Ausübung  eines  Rechts  habe,  der  habe  andi 
das  Recht.  Uns.  Verf.  ist  gleicher  Ansicht  (S.  173  ff.)»  scheint  al>er 
von  anderer  Seite  her  dazu  angeregt  zu  sein.  Bei  der  Forde^uDg^ 
berechtigung  haben  wir  für  die  Ausübung,  nemlich  für  das  Fordern, 
die  Benennung:  Forderung.  Delbrück:  die  Uebernahme  fremder 
Schulden  S.  5 ff.,  hat  gesagt:  im  deutschen  R.  trete  der  Begriff  der 
Obligation  im  Sinne  eines  persönlichen  Verhältnisses  völlig  zurück; 
die  Forderung  werde  Bestandtheil  der  Haabe,  Sache,  und  —  eben- 
falls die  Schuld.  Das  erstere  ist  auch  römisch.  Aber  der  For- 
derung correspondirt  nicht  die  Schuld,  sondern  die  Zahlung.  Man 
fordert  auf^den  Grund  der  durch  die  Obligation  begründeten  Schuld 
die  Zahlung.  Die  Klageforderung  geht  auf  Zahlung,  und  die  Ver^ 
urtheilung  ebenfalls.  Gegen  D.  opponirt  Kuntze  a.  a.  0.  S.  98ff.; 
aber  indem  auch  er  fest  darauf  hält,  dass  der  Forderung  die  Schuld 
correspondire,  läset  er  auch  die  Forderung  von  der  Obligation  nicht 
ablösen,  und  fabricirt  statt  dessen  seinen  Vermögensstoff,  den  er 
von  seinem  Rechtsstoff  ablöset;  worauf  nun  unser  Verf.  für  seine 
actio  =  obligatio  den  Platz  geräumt  verlangt.  Er  sagt:  der  Gessionsr 
sei  für  das  Gericht  Forderungsberechtigter  geworden,  sobald  denon« 
ciirt  oder  liscontestirt  worden,  indem  es  dann  dem  Gendenten  die 
Actio  wei{;ere;   er  stehe  in  dem  Verhältnisse  desjeni^^en^  dem  die 


Windf^eid:  Die  Actio  def  rdmlfchMi  aTflredito  «le.  40$ 

Aosfibong  eines  Nleesbranches  ttbertragen  sei,  doch  mit  dem  Unter- 
adiiede,  deas  bei  dieser  Uebertra^ung  der  Uebertragende  forlwShrend 
der  Berechtigte  bleibe  (S.  190  ff.  185  AT.  140  ff.).  Jene  Weigerung 
wird  Indess  doch  wohl  nar  In  Folge  des  Oebraaches  einer  Ezceptieii 
efaitreten  (^praeferendns  non  est  dominus  in  litem  morendam^:  L.  56« 
D.  de  proeor.  3.  3);  also  auch  ffir  das  Gericht,  eben  so  wie  Ar 
andere  Leute,  die  mit  dem  bekannt  sind,  was  Rechtens  ist,  das  Becbt 
selber  noch  bei  dem  Cedenten  sein.  Dass  deijenige,  dem  die  Ans-* 
Übung  des  Niessbranchs  übertragen  ist,  die  confessoria  actio  gar 
aidit  einmal  hat,  kann  dann  gleichgfiltig  sein.  Wie  kommt  aber 
unser  Verf.  dasu,  Ihn  einem  Cessionar  gleichanstellen?  So,  dass  er 
sich  auf  Zeugnisse  beruft,  welche  den,  dem  ein  Niessbraueh  durch 
eine  FIdeicommiss  Yon  einem  Legatar  hinterlassen  worden,  als  den 
Nutsnlesser  ansehen,  den  Legatar  aber  als  den  Trttger  der  Nuts- 
niessung,  jedoch  so,  dass  der  Prätor  den  in  der  Person  des  letstem 
eintretenden  Untergangsgründen  keinen  Einfloss  auf  die  Berechtigung 
des  erstem  gestattet  und  ihm  eine  utilts  actio  ansteht  (8.  138  ff.). 
Diese  Zeugnisse  meint  er  nun,  können  cur  Unterstötsung  seiner  An- 
sicht dienen,  dass  der  Cessionar  das  Recht  des  Cedenten  habe 
(S.  140).  Diese  Meinung  scheint  daraus  entsprungen,  dass  auch 
der  eine  utills  actio  hat,  der  einen  Anspruch  auf  die  Ausfibung 
der  Forderungsberechtigung  erworben,  ohne  eine  Cession  empfangen 
zu  haben;  worin  der  Verf.  den  Ausdruck  findet,  dass  der  Cessionar 
Dicht  GiSobIger  sei  (S.  147),  also  wohl  nicht:  Träger  der  Obligation. 
Ist  er  aber  dies  nicht,  so  sehen  wir  wieder,  dass  die  Opposition  des 
Verf/s  gegen  K.  ein  blosser  Streit  um  den  Ausdruck  Ist.  Auch 
stellt  sich  dasselbe  heraus,  wenn  swischen  jenem  fideicommissarischen 
Usufructuar  und  dem  Cessionar  eine  solche  Aehnlichkeit  gedacht  wer- 
den soll,  dass  das  Verhältniss  des  erstem  eine  UnterstOtsung  der 
Ansicht  nnsers  Verf.'s  über  den  Cessionar  sein  kann.  Denn  soll 
diess  der  Fall  sein,  so  müssen  doch  wenigstens  die  Berechtigungen 
beider  gleichartig,  beide  Berechtigungen  zum  Ziehen  eines  Nutzens 
sein.  Darauf  lauft  aber  grade  die  Auffassung  von  K.  hinaus,  dass 
der  Cessionar  den  Nutzen  des  Forderungsverhältnisses  zu  ziehen 
hat.  Das  Ergebniss  davon  ist  eben  nichts  weiter,  als  ein  von  der 
Dauer  der  Person  des  Berechtigten  unabhängiger  Niessbraueh  an 
einer  zukünftigen  fremden  Handlung.  Dass  K.  diesen  Niessbraueh 
in  dem  Inhalte  der  Obligation  versteckt,  ändert  nichts.  Ein  solches 
Zurückwerfen  des  Erfüllungsstoffes  in  die  Obligation  hat  sich  schon 
bei  anderen  in  der  Behandlung  der  Compensation  gezeigt.  Indem 
die  geschuldete  Handlung  diesem  Stoffe  als  Mittel  dient,  und  sn- 
gieich  als  Mittel  den  Schuldner  zu  befreien  Ihn  zum  Inhalte  empfingt, 
wird  Aese  Handlung  nnnöthig,  wenn  ohne  sie  der  ErfüHungsstoff 
in  seiner  Individualität  in's  Dasein  getreten  ist,  nemlich  als  ein  Aus* 
gleichungsmittel  des  Zustandes  des  Unberichtigt  seine,  weichen  das 
Schuidverhältniss  zwischen  dem  Gläubiger  und  dem  Schuldner  bildet 
Es  tritt  diese  Unnöthigkeit  ein,  wenn  zwei   gleiche  Oegenforderun- 


4M  WindM^Md:  Die  Actio  des  rOmiMken  CivilrechU  et«. 

gen  einander  gegenüberstehen.  Die  Tilgung  durch  Gompensationi 
welche  von  selber  (ipso  jurej  eintritt,  ergreift  aber  allerdinga  niu 
die  ObUgationgzustände  oder  Verhaftungen  im  Gegensätze  der  obli- 
gatorischen Rechtsverhältnisse,  die  gar  nicht  compensirt,  sondern  nur 
solvict  werden  können,  und  in  Folge  der  Gompensation  als  ipso 
jure  solvirt  angesehen  werden  (L.  4.  C.  de  comp.  4,  31).  Ihr  Gelr 
tendmacben  konnte  aber  ausgeschlossen  sein,  durch  eine  Einseitig- 
keit des  Stre&tverhältnisses  über  den  Stoff  einer  Zahlung,  über  eine 
peeunia  data,  die  mit  der  certi  condictio  gefordert  wurde  (Zeitschr. 
f.  Civilr.  und  Praz.  N.  F.  IX.  S.  122.  not.  15.  S.  144.  not.  68). 
Hier  bedurfte  es  der  Hülfe  durch  eine  exceptio  doli  (§.  SO.  J.  de 
aetioA.  4.  6).  Dass  sie  aber  geltend  gemacht  werden  (facto  homi- 
nis, wie  man  sagte,  geschehen)  musste,  um  soUiren  zu  könDen, 
▼ersteht  sich  ebenfalls  von  selber,  weil  die  Gegenrechnungen  sich 
Bwaf  von  selber  ausgleichen,  aber  nicht  aufheben.  Indess 
hat  bekanntlich  das  ipso  jure  neben  dem  ope  exceptionis  hier  viele 
Anstände  hervorgerufen  (Brinz:  d.  Compens.  S.  4.  9.  82 ff.).*) 
Christiansen  stellte  in  seiner  Wissenschaft  der  römischen  Rechts* 
gesohichte  eine  Gruppe  von  Zeichengestaltnngen  auf;  nominelle  Va- 
luten ohne  Deckung,  jedes  Zeichen  von  anderer  Valuta;  und  in 
schwächeren  Potenzen  in  seinen  Institutionen.  Forderung  aus  dem 
Kauf,  und  Forderung  aus  dem  Dar  lehn,  waren  zwei  verschiedenar- 
tige Valuten,  die  nicht  im  Prozesse  compensirt  werden  konnten 
(S.  475  der  Institut.).  —  Es  war  das  wahr  und  unwahr  zugleich. 
Aber  es  war  nur  in  einem  unwahren  Sinne,  und  dann  auch  nor 
Lttlb  wahr.  Hätte  zum  Zwecke  der  Gompensation  in  jenem  Falle 
eine  les  judicata  unmittelbar  über  das  Kaufverhältniss  und  über  das 
Darlehnsverhältniss  in  demselben  Prozesse  ergehen  müssen,  so  wäre 
sie  allerdings  nicht  möglich  gewesen.  Denn  jedes  Rechtsverhähniss 
hätte  einer  andern  Prozessart  angehört ;  und  endlich  kann  man  auch 
die  Rechtsverhältnisse  selber  nicht  miteinander  compensiren.  Die 
Verwirklichung  der  Handlung,  welche  Gegenstand  einer  Obligation 
ist,  kann  an  sich  nicht  mit  der  einen  oder  andern  compensirt  werden; 
wohl  aber  die  restituirende  Seite  der  Erfüllung  der  Obligation,  welche 
das  Erzeugniss  jener  Verwirklichung  dem  Gläubiger  zuwendet,  da- 
durch, dass  diese  Zuwendung  durch  das  Dasein  einer  andern  Obli- 
gation bereits  vermittelt  ist.  Dass  eine  solche  Seite  in  einer  ge- 
schuldeten Handlung  sich  findet,  folgt  schon  aus  ihrer  Natur.  Es 
nachzuweisen,  wie  sie  in  der   römischen   Obligation   hervortritt,  ist 


*)  Neuerdings  sagt  Brins,  iti  d.  Jahrb.  d.  gern,  deutsch  R.  v.  Bekker 
und  Mut  her  I.  S.  33  ff.:  et  wird  ipso  jure  compensirt,  d.  h.  die  Forde* 
Fangen  wS^en  sich  tuf,  aber  es  wird  nicht  ipso  jure  f^e tilgt.  —  Das  hiesss 
also:  „sie  bieten  sieb  ipso  jure  Schach,  werden  aber  facto  hominis  getilgt.' 
Ginge  aber  die  Sache  diesen  Gan^;,  so  mUsste  es  umgekehrt  heissen:  sie  bie- 
ten sich  ipso  fucto  Schach,  werden  aber  jure  hominis  getilgt.  Denn 
das  Tilgende  muss  doch  im  jus  wohnen.  Die  Sache  wird  sich  also  nicht 
anders  auffassen  lassen,  wie  oben  geschehen. 


Wlndtcheid:   Die  Aelio  dei  rOmitclien  Civilreehto  etc.  407 

hiff  lueht  der  Ort.  Hier  mnes  Nachfolgendes  genügen.  Jedes 
Beehisfttrhältniss  ist  seinem  Träger,  dem  Berechtigten!  ansscbliess» 
lieb  angeeignet,  und  kann  so  wenig  von  ilKn  einem  andern  als  ihm 
TOB  einem  Verpflichteten  als  Zahlung  angerechnet  werden.  Die  Za- 
itiode  aber,  welche  aus  dem  Dasein  der  Rechtsverhältnisse  entsprin- 
ges,  stehen  im  Gebiete  des  Rechtsverkehrs ;  nnd  der  römische  Pro- 
iMi  bat  Mittel  f^efunden,  weiche  die  Benutsung  solcher  ZustKsde 
auch  in  dem  Prosesse  gestatten,  dessen  Kiagegestaltnng  unter  der 
Herrschaft  des  RechtsYerhaltnisses  steht  (Arcb.  f.  c.  Prax.  XXXV. 
S.  101).  Cbristiansen's  Satz  war  also  unwahr.  Dass  Paulus 
R.  S.  II.  5.  §.  3;  eine  besondere  Belehrung  darüber  gibt,  dass 
aach  ex  causa  dispari  compensirt  werden  könne,  erklärt  sich  aus 
dem  Gesagten,  ohne  jenen  Satz  zu  unterstützen.  Dernburg:  die 
Compensation  nach  röm.  R.  S.  19;  erklärte  jenen  Satz  für  unrich- 
tig, gab  aber  der  Compensation  eine  so  anomale  Gestaltung,  dass 
»e  noch  beschränkter  würde,  als  jener  Satz  sie  einzuschränken  ver- 
möchte,  indem  er  sie  als  eine  Anomalie  bebandelte.  Demnach  fand 
er  die  Ansicht,  dass  die  Compensation  im  stricti  juris  Judicium  sich 
anders  gestaltet  habe,  als  im  bonae  fidei  Judicium  (Hasse:  Ardiiy. 
t  e.  P.  VII.  S.  16ff.;  Bethm.  Hollweg:  Rhein.  Mus.  I.  S.  360; 
Brinz  a.  a.  0.  S.  31;  Schenre:  Beitr.  S.  151)  im  Widersprudi 
Bit  der  geschichtlichen  Entwickeiung  des  römischen  Rechts;  und 
tteiote,  dass  die  Compensation  ipso  jure  eintrete;  heisse  nur,  dass 
aie  nicht  von  besonderen  Umständen  abhängig  sei  (S.  67  ff.  179. 
313).  Der  Unterschied  zwischen  Dernburg's  und  Knntze's 
Auffassung  ist  bloss  der,  dass  letzterer  den  Inhalt  des  Recbtsver- 
lAitnisses  statt  des  Rechtsverhältnisses  setzt,  und  damit  den  Einfluss 
^  Gestaltung  des  Rechtsverhältnisses  beseitigt.  Die  Erfolge  davon 
lisd  aber  allerdings  verschieden.  Dernburg  wird  von  der  Aus* 
Bchliesslichkeit  des  Angeeignetseins  des  Rechteverhältnisses  an  den 
Berechtigten,  genirt.  K.  hat  von  diesem  Hindernisse  durch  die  Ein- 
ftttaltigkeit  des  Vermögensstoffes  sich  frei  gemacht.  Dadurch  hat 
er  den  Vortbeil  errungen,  ganz  unbefangen  die  Auffassung  als  nn- 
gCDägend  bezeichen  zu  können :  dass  die  Correalobligation  eine  ein- 
zige Obligation  mit  mehrfacher  subjectiver  Beziehung  sei  (a.  a.  0. 
S.  118  ff.),  um  als  Vervollkommnung  die  Fassung  an  deren  Stelle 
zu  setzen:  Eorrealität  ist  Einheit  des  Inhalts  bei  einer  simul- 
Uoeo  Mehrheit  von  Obligationen  (a.  a.  0.  S.  147);  und  der  wei- 
tere Vortheil,  den,  der  die  Zahlung  einer  fremden  Schuld  übernimmt, 
all  den  Uebernehmer  dieser  Schuld ,  und  auch  noch  überdiess  als 
eiaen  Correus  des  ersten  Schuldners  (a.  a.  0.  S.  332  ff.)  aufstellen 
ZQ  können.  Denn  der  Inhalt  der  Obligation  ist  ihm  verschieden 
m  der  Obligation,  der  Schuldsustand,  der  der  Obligation  anhängt, 
ist  ihm  der  Sitz  des  Vermögensstoffes  der  zur  Erfüllung  dient ;  aus 
te  der  Gläubiger  ihn  fordert,  wo  er  ihn  findet  Wenn  man  ein- 
wendet, er  habe  durch  die  Uebernabme  der  Schuld  aufgehört,  bei 
desi  ernten  J5chuiduer  zu  sein;  so  kann  er  entgegnen:  nein,   er  ist 


408  Windfeheid:   Die  Actio  des  römifehen  CiTilrechlf  «te. 

anch  noch  hier,  denn  Correalitfit  ist  ja  Einheit  des  Inhalts;  and 
wendet  man  ein :  wie  kommt  denn  der  Olänbiger,  der  nnr  Kne  Obli- 
gation  contrahirt  hat,  dasn,  aus  mehreren  Schnldnersitsen  fordern  n 
können;  so  darf  er  entgegnen:  Correalitttt  ist  Mehrheit  der  OkM- 
gationen.  Sagt  man  ihm  femer:  aber  es  soll  doch  diese  Mehrheit 
eine  simultane  sein,  und  hier  tritt  der  Uebemehmer  ja  erst  spitsr 
hinsu,  die  Gleichseitigkeit  ist  also  eine  bloss  factische  ZnfUigkdt, 
und  nicht,  wie  bei  der  Gorrealobligation  eine  rechtliche  Wesenheit; 
so  kann  er  wiederum  entgegnen :  das  ist  doch  wohl  klar,  dass  solche 
Unterschiede  mich  nicht  angeben ;  ich  habe  ja  schon  den  Stoff  der 
Erfüllung  mit  dem  Inhalte,  und  die  Zahlung  mit  der  Schuld  ver- 
tauscht. Dass  dann  doch  in  der  Tbat  die  Obligation  nicht  ezistire, 
wagt  man  schon  nicht  mehr  eu  sagen,  nachdem  man  so  abgefertigt 
worden  ist.  Die  Vertauscbung  hat  aber  immer  durch  Identifidrung 
▼on  Zahlung  und  Schuld  die  Obligation  getilgt,  den  Stoff  dem  Gläu- 
biger zugeeignet,  und  den  Schuldner  zu  einem  Stuck  loskäoflichen 
Leibeignen,  zum  Geisseimanne,  gestaltet.  Man  könnte  zwar  das 
Verhältniss  auch  anders  ausdrücken.  Allein  das,  was  darin  liegt, 
würde,  wenn  es  verstanden  worden,  nicht  in  einem  so  vielfach  ge- 
falteten Gewände  versteckt  worden  sei,  wie  es  bei  K.  ausgebreitet 
wird.  Es  ist  immer  nicht  die  Obligation  des  Justinianischen  Rechts, 
▼on  der  K.  die  Unübertragbarkeit  herüberniromt;  für  die,  bei  dem 
eben  bemerkten  Ergebnisse,  gar  kein  Grund  vorbanden  wSre.  Da- 
hingegen müsste  der  Uebergang  der  passiven  Seite  entweder  aos- 
geschloBsen  oder  mit  Befreiung  des  ersten  Schuldners  verbunden  sein; 
jenachdem  man  den  Sitz  des  Stoffes  als  von  dessen  Person  unzer- 
trennlich betrachtete,  oder  nicht  Nur  im  letztern  Falle  könnte  von 
einer  Succession  die  Rede  sein.  Denn  ein  Nachfolger  kann  nnr  dt 
sein,  wo  ein  VorgKnger  hinweggefallen  ist.  Eine  Succession,  wie 
K.  sie  aufstellt,  bei  der  ein  Nachfolger  neben  dem  Vorgänger  steht, 
ist  keine  Succession.  Und  obgleich  er  dieses  Verhältniss  mit  dem 
Gorrealverhältniss  identificirt,  so  will  er  doch  auch  die  Succession 
retten,  und  verwirft,  vom  Standpunkte  der  Succession  aus,  das  £r^ 
forderniss  der  Zustimmung  des  Gläubigers  (S,  324  ff.  384).  Allein 
warum  muss  denn  hier  eine  Succession  sein?  und  hat  denn  E.  es 
überall  zu  einer  Succession  gebracht?  Es  bleibt  für  ihn  ja  der 
Rechtsstoff  bei  dem  Vorgänger  hängen.  Und  wenn  dies  der  Fall 
ist,  ist  dann  der  Personenwechsel  auch  eine  Succession?  Kehren 
wir  nun  zu  unserm  Verf.  W.  zurück,  so  meint  er  seinerseits :  wenn 
eine  Uebertragung  der  Schuld  stattfinde,  so  müsse  auch  der  Ueber- 
tragende  frei  werden  (S.  214),  man  müsse  aber  die  Einwilligung 
des  Gläubigers  dazu  fordern,  und  dürfe  es,  weil  dadurch  der  Be- 
griff der  Succession  nicht  aufgehoben  werde  (S.  208).  Man  sei 
berechtigt,  vom  römischen  Rechte  zu  erwarten,  dass  es  die  freiwil- 
lige Uebeirtragung  der  Schuld  ausgesprochen,  man  finde  sich  aber 
in  dieser  Erwartung  getäuscht  (S.  203).  Also,  Succession  um  jeden 
Preis I    Dass  wenn  sie  stattfindet,  der  Uebertragende  befreit  wer- 


Windicbeid:   Die  Actio  des  römischen  Civilrecbls  etc.  409 

dei  muis,  ist  riebtig,  und  daM  der  Consent  des  Berechtigten  deren 
Erfordemiee  sein  kann,  ohne  sie  sufsubeben,  ist  dann  richtig,  wenn 
.Miieh  nicht  am  eine  Obligation,  sondern  am  ein  Eontiesches 
Ersengniss  handelt.  Ist  die  Forderang  eine  Berecbtigang  dinglicher 
Art,  so  l^ann  der  Wechsel  der  Inhaber  des  Stoffes,  welche  durch 
dtssen  lanebaben  dem  Berechtigten  dienstbar  werden,  ron  dessen 
BnwilHgong  abhängig  sein,  ohne  dass  der  Wechsel  die  Eigenschaft 
der  Snccewion  yerllert  Ist  aber  die  Forderang  persönlicher  Art, 
10  bedarf  ein  Gegenstand  derselben  immer  des  Eraeagens  dorch 
eine  Fordernngsbegründang,  und  kann  nar  eine  cuklinftige  ThXtig* 
keit  der  Person  sein ,  welche  durch  Forderongsbegrfindung  ihre  Tbl- 
tigkeit  cum  Gegenstände  des  Forderoogsrechts  gestaltet  hat.  Hier 
kann  eine  Einwilligung  des  Gläubigers  als  solche  Rlr  das  Auf- 
treten eines  andern  Schuldners  von  gar  keiner  Wirksamkeit  sein, 
aondem  nur  dann,  wenn  sie  einen  Forderungserwerb  begründet,  eine 
Wirksamkeit  solcher  Art  äussern.  Und  da  das  röro.  Recht  das  For- 
derungSYerbältniss  als  ein  persönliches  ansieht,  bat  W.  sich  in  seiner 
Erwartung  Yon  demselben  getäuscht  gesehen. 

Er  meint  nun  zwar,  dass  die  Frage  von  der  Schuldübemahme, 
wenn  man  „strenge^  sein  wolle,  ^eigentlich''  mit  dem  Rechte  der 
Aetio  in  keinem  Zusammenhange  stehe,  aber  so  nahe  (wem?)  Hege, 
nd  eine  so  brennende  Frage  des  Tages  sei,  dass  deren  Umgehen 
Khier  Schrift  tum  Vorwurf  gemacht  werden  könne  (S.  208).  Dass 
der  Verf.  etwas  umgangen  haben  sollte,  was  gar  nicht  su  seinem 
Gegenstände  gehörte,  db'rfte  doch  wohl  nur  ihm  eingefallen  setai. 
Da  wo  die  Frage  brennt,  ist  es  aber  jedenfalls  nicht  Tag,  und  so 
wird  es  denn  su  erklären  sein,  dass  die  Frage  der  Schrift  des  Verf. 
sähe  liege.  Dass  nemlich  ein  Schuldner  sich  nicht  dadurch  von  der 
Schnid  befreien  könne,  dass  ein  anderer  sich  ihm  verpflichte,  seine 
Schnld  so  tilgen,  und  dass  nur  dann,  wenn  er  dies  könne,  eine  Sin* 
fehrsuccession  in  eine  Schuld  ermöglicht  sei;  das  kann  zu  einer 
Frage  nur  im  Zustande  der  ersten  Regung  der  unerweckten  Rechts- 
aMefaaoung  sich  gestalten.  Sie  wird  aber  dann  allerdings  nicht  bei 
Gelegenheit  des  Erscheinens  der  Actio,  sondern  bei  Gelegenheit  des 
Eneheinens  der  Obligatio  sich  anfwerfen.  Wenn  nun,  wie  bei  dem 
VerU,  die  Actio  eben  nur  der  Ausdruck  der  Obligatio  ist,  so  hört 
^  Frage  ja  aber  doch  snm  Rechte  der  Actio.  Jenes  Bedenken 
IM  also,  vom  Gesichtspunkte  des  Verf.  ans ,  unbegründet  Diesen 
Aasdmck  will  er  indess  aus  der  Gegenwart  verbannt,  und  in  die 
Beditsgeschichte  verwiesen  wissen,  weil  die  heutige  (wessen  ?)  Rechts- 
ttsdiauung  es  nicht  erfassen  könne,  dass  eine  Klage  auch  ein  An- 
Vmeh  sei,  also  dass  es  auf  eine  Verschiedenheit  der  Klage  an- 
koouBe,  wenn  man  überhaupt  nur  eine  Klage  habe,  was  dann  von 
te  Rechte  abhänge  (S.  938 ff.);  und  weil  das  Klagerecht  sich  erst 
^veh  die  Weigerung  gestalte  eine  Leistung  zu  macheu,  oder  eine 
Verletsnng  wieder  aufsubeben  (S.  222).  Ob  eine  Anschauung  die 
iHcht  erfasse,  dass:  wenn  man  eine  Klage,  oder  wie  der  Verf.  will: 


410  Windfcheid:   Die  Actio  des  rdmiacfaen  Civilrechti  etc. 

einen  Ansprach,  habe,  es  nicht  ^leich^ültif?  sei,  wi«  man  klag«; 
eine  Recbtsanschauung  sei,  und  wer  sie  habe;  kann  dahin  gesteUt 
bleiben.  Sie  würde  ToraosseUen,  dass  man  nicht  «i  sehen  yermogte, 
wie  eine  Absonderung  der  Klage  Tom  Ansprache,  und  die  daraus 
entspringende  Selbständigkeit  der  Klage,  den  gesammten  übrigea 
Inhalt  des  Rechts  aal  die  Verrichtung  eines  Mittels  für  das  Gestal- 
ten der  Klage  zurückfOhren  miisste ;  und  dass  jene  Weigerung  nicht 
das  Klagerecht  gestalte,  sondern  nur  die  Qaantit&t  des  Gegenstandes 
desselben  und  sein  Dasein  su  bestimmen  und  su  begründen  ver- 
möge. Der  Verf.  beruft  sich  indess  für  seinen  Gesichtspunkt  auch 
darauf,  dass  man  eine  Actio  haben  könne,  ohne  ein  Recht  an  ha- 
ben, and  bemerkt,  die  Actio  sei  nicht  da,  durch  das  Recht,  sondern 
darch  die  ThStigkeit  des  Magistrats,  der  dabei,  wenn  auch  nicht 
willkürlich,  doch  nicht  geradezu  nach  den  Vorschriften  des  Rechts, 
sondern  in  Anericennung  einer  Ordnung  der  Dinge  verfahre,  welche 
er  durch  seine  Thätigkeit  sur  Rechtsordnung  mache  (S.  4  ff.),  und 
sagt  ferner,  dass  wenn  die  Römer  auch  aus  der  Verletzung  eines 
dinglichen  Rechts  eine  Actio  entstehen  Hessen,  dies  eben  nur  da- 
her rühre,  weil,  sie  überhaupt  von  Gericht  sprächen,  wo  wir  (?) 
^Recht^  sagten  (S.  922ff.>  Der  Verf.  will  nun  nach  dem  Titel 
des  Buches  die  Actio  des  röm.  R.  vom  Standpunkte  des  heuti* 
gen  Rechts  darstellen.  Diese  Selbständigkeit  der  Actio,  die  ans 
diesen  Bemerkungen  hervortritt,  soll  aber  doch  wohl  römischer  Stand- 
punkt sein.  Sie  ist  aber  ebenfalls  vom  Standpunkte  des  beutigoo 
Rechts  des  Verf.  vorhanden.  Hat  demnach  der  Verf.  in  der  That 
eine  Verschiedenheit  der  Standpunkte  aufgefunden?  Der  Kern 
seiner  Meinung  wird  der  sein:  der  Inhalt  der  römischen  Rechtsaof- 
Zeichnungen,  den  wir  als  Rechtsregeln  ansehen,  hat  seine  Gestaltung, 
sei  es  nun  ganz  oder  theilweise,  durch  das  römische  Actionenrecht 
empfangen.  Weil  wir  nun  angegebenermassen  die  Sache  ansehen, 
sollen  wir  statt  von  Actionen,  von  den  Wirkungen  ihres  Daseins, 
als  von  Rechten  reden.  Abgesehen  nun  davon,  inwiefern  dies  der 
Sache  nach  schon  lange  geschehen  sein  möchte,  stellt  diese  Moti- 
virung  das  Verlangen  des  Verf.  als  ein  lediglich  auf  die  Ausdrucks- 
weise gerichtetes  dar.  Der  Verf.  will  aber  auf  den  Uebergang  der 
Actio  den  Uebergang  des  Rechts  gründen  oder  doch  wenigsten  je- 
nen und  diesen,  oder  jene  und  dieses,  ohne  dass  ein  anderer  Zweck 
dafür  hervortritt,  mit  einander  identificiren  (S.  146  ff.).  Ist  nos 
dieses  Recht  die  Wirkung  der  concreten  Actio,  die  aus  der  Weige- 
rung der  Leistung  oder  der  Wiederaufhebung  einer  Verletzung  ent- 
springt, und  vom  römischen  Magistrat  gestattet  wurde;  so  ist  jener 
Uebergang  unzweifelhaft.  Allein  die  Wirkung  des  Daseins  der  Actio- 
nen ist  nur  1.  die  Möglichkeit  der  Wirkungen  der  concreten  Actio- 
nen. Nach  ihr  kommt  2.  die  Verwirklichung  dieser  Möglichkeit 
fBeides  im  Rechtstoffe  Kuntze's  enthalten.)  Dann  kommt  3.  die 
Actio,  und  endlich  4.  die  Wirkung  der  Actio  (der  Vermögensstoff 
Kuntze's),   werde  sie  nun  hervorgerufen   durch   die  MögUchkett 


Wiadicheid:   Die  Aclio  def  rOmiicken  CivilreehU  etc.  411 

des  Gebraaeba  der  Actio  oder  durch  die  Wirklichkeit  des  Oebraaches. 
Uentifieirt  man  noa  2  ood  4,  die  Obligation  and  den  Stoff  den  die 
Actio  mit  ihr  verbindet,  so  wird  in  Verbindang  mit  dem  Satae  dei 
VerC^  daes  die  uülie  actio  des  Cessionars  dessen  eigne  sei  (S.  126 iL); 
dieseno,  mit  4,  aach  2,  die  Obligation,  angewendet,  und,  wenn  die 
Actio  kl  die  Rechtsgeschicbte  verwiesen  ist,  so  kann  sie  dem  nicht 
mehr  entgegenstehen.  Für  die  Gegenwart  steht  sie  nicht  mehr  swi- 
sehen  2  nnd  4,  trennt  also  auch  beide  nicht  von  einander.  Es  soll 
aber  der  Cessionar  das  Recht  eines  solchen  erst  durch  Ergreifung 
des  Besitzes  der  actio  erwerben  (S.  135  ff.  141  ff.).  Wird  er  das 
SQch  können,  wenn  die  actio  in  der  Rechtsgeschichte  ist?  Und 
wenn  das  nicht  gebt,  wie  soll  man  dann  noch  cediren?  Das  geht 
dann  off'enbar  nicht  mehr.  Man  muss  dann  die  Forderung  alieniren, 
wenn  ein  anderer  sie  haben  soU.  Auf  diesem  Standpunkte  stand 
die  Praxis  vor  Möblenbruch.  Sie  cedirte  so  gut  dingliche  Rechte 
als  Forderungen,  weil  sie  unter:  Cedireo,  eben  nichts  anders  ver* 
stand,  als  das  Alieniren.  Ist  dann  das,  was  alienirt  wird,  das  Rechts- 
rerhSltniss  der  Obligation,  so  muss  es  auch  dem  Schuldner  alienirt 
werden  können,  ohne  dass  es  untergeht  Abgesehen  davon  nnn^ 
dass  das,  was  bei  der  römischen  Obligation  durch  die  Zahlung  alle« 
Hirt  wurde  und  dabei  durch  Confusion  unterging,  aunächst  etwas 
anderes  war,  als  jenes  ReciUsverbältniss;  so  würde  das  wiederum 
au  einer  Ueberstimmung  führen  mit  der  Auffassung  von  K.,  dass 
jene  Confusion  eine  ^^mehr  oder  minder  willkürliche^  ...  „nationeil- 
doetrinaire  Anschauungsweise'  der  Römer  sei  (S.  336).  Von  jenem 
Standpunkte  der  Praxis  jener  Zeit  aus,  ist  aber  der,  welcher  eine 
Qtilis  actio  hat,  also  durch  Zif.  1,  die  Rechtordnung,  eine  solche 
empföngt,  gar  kein  Cessionar  mehr,  sondern  ein  Urgläubiger.  Jene 
atilis  actio  kann  also  auch  kein  Argument  mehr  dafür  sein,  dass 
der  Cessionar  eine  eigne  actio  habe.  Er  kann  dann  keine  andern 
haben,  als  die  des  Cedenten.  Er  ist  dann  wieder  blosser  Mandatar, 
wenn  er  nicht  das  Recht  des  Cedenten  hat;  und  dieses  soll  er 
nach  der  Auffassung  des  Verf.  nicht  haben,  sondern  mit  eigner  Actio 
eignes  Recht.  Wenn  nun  dies  der  Standpunkt  des  heutigen  Rechts 
Bein  soll,  von  dem  aus  der  Verf.  die  römische  Actio  betrachtet  haben 
will,  80  ist  ihr  Wesen  der  Cession  ganz  fremd,  weil  sie  es  nicht 
ist,  was  eedirt  ist.  Und  wenn  nun  auch  vielleicht  der  VerL  die 
Beiähigang  besitzt  auf  diesem  Standpunkte  su  stehen,  nnd  zugleich 
die  römische  Actio  zu  sehen;  so  muss  doch  von  diesem  Standpunkte 
die  Actio  eine  andere  Gestaltung  haben  als  die  römische.  Sie  soU 
^r  vom  römischen  Standpunkte  aus,  der  Ausdruck  des  Rechts  und 
anstatt  desselben  gewesen  sein  (S.  3),  und  das  muss  sie  auch  noch 
vom  Standpunkte  des  heutigen  Reclits  aus  sein ,  wenn  eben  darauf 
^ade  der  Uebergang  des  Rechts  de^  Cedenten  auf  den  Cessionar 
öeruhen  soIL  Dieser  Uebergang  scheint  ja  doch  dem  Verf.  von 
beiden  Standpunkten  aus  derselbe  zu  sein.  Demnach  ist  der  Stand- 
punkt des  heutigen  Rechts  wiederum  der  des  römischen.    Und  dür- 


4iO  Windicbeid:   Die  Actio  des  rOmucfaen  Civilrechts  ete. 

einen  Ansprach,  habe,  es  nicht   ^leich<rültig   sei,    wie  man  kiagi 
eine  Rechtsanschauung  sei,  und  wer  sie  habe;   kann  dahin  gestal 
bieibea.     8ie  würde  voraasseUen,  dass  man  nicht  xu  aeheo  yerm^gt 
wie  eine  Absonderung  der  Klage  vom  Ansprüche,   und  die  daia 
entspringende  Selbständigkeit  der  E^age,   den  gesammten  übri^ 
Inhalt  des  Rechts  auf  die  Verricbtong  eines  Mittels  fSr  das  Geiti 
tan  der  Klage  znrückfOhren  müsste;  und  dass  jene  Weigeraognic 
das  Kiagereoht  gestalte,  sondern  nur  die  Qaantit&t  des  Gegenstand 
desselben   und   sein   Dasein   zu   bestimmen   und   au  begründen  t 
mög^     Der  Verf.  beruft  sich  indess  für  seinen  Gesichtspunkt 
darauf,  dass  man  eine  Actio  haben  könne,  ohne  ein  Redit  loj 
ben,  und  bemerkt,  die  Actio  sei  nicht  da,  durch  das  Recht,  bod 
dureh  die  ThMtigkeit  des  Magistrats,    der   dabei,    wenn   aucb 
willktirlicb,  doch  nicht  geradezu  nach    den  Vorschriften  des 
sondern  in  Anerkennung  einer  Ordnung  der  Dinge  verfahre, 
er  durch  seine  Thätigkeit  zur  Rechtsordnung    mache   (S.  4£),^ 
sagt  ferner,  dass  wenn  die  Römer  auch  aus   der   Verletzung 
dinglichen  Rechts  eine  Actio  entstehen  Hessen,   dies  eben 
her  rühre,  weil  sie   überhaupt   von   Gericht   sprächen ,   wo 
^Recht^  sagten  (S.  222  ff.).    Der   Verf.  will   nun   nach   dem 
des  Buches  die  Actio  des  röm.  R.  vom   Standpunkte  des  hs| 
gen  Rechts  darstellen.    Diese  Selbständigkeit   der   Actio, 
diesen  Bemerkungen  hervortritt,  soll  aber  doch  wohl  römischer  Si 
pnnkt  sein.    Sie  ist  aber  ebenfalls  vom  Standpunkte  des  beü 
Rechts  des  Verf.  vorhanden.     Hat  demnach   der  Verf.  in  dw 
eine  Verschiedenheit  der  Standpunkte  aufgefunden?    Der  j 
seiner  Meinung  wird  der  sein:  der  Inhalt  der  römischen  Recht 
seichnungen,  den  wir  als  Rechtsregeln  ansehen,  hat  seine  Gestal 
sei  es  nun  ganz  oder  theUweise,  durch  das   römische  Actionea 
empfangen.     Weil  wir  nun  angegebenermassen   die  Sache  ani 
sollen  wir  statt  von  Actionen,   von  den   Wirkungen   ihres  Dai 
als  von  Rechten  reden.     Abgesehen  nun  davon,   inwiefern  diei 
Sache  nach  schon  lange  geschehen  sein   möchte,   stellt  diese  f 
virung  das  Verlangen  des  Verf.  als  ein  lediglich  auf  die  Ausd 
weise  gerichtetes  dar.     Der  Verf.  will  aber  auf  den  Ueberg 
Actio  den  Uebergang  des  Rechts  gründen   oder  doch   wenigste 
nen  und  diesen,  oder  jene  und  dieses,  ohne  dass  ein  anderer  ZI 
dafür   hervortritt,    mit    einander   identificiren   (S.    146  ff.)*    ^M 
dieses  Recht  die  Wirkung  der  concreten  Actio,  die  aus  der  W| 
rung  der  Leistung  oder  der  Wiederaufhebung  einer  Verletzoog  | , '': 
springt,  und  vom  römischen  Magistrat  gestattet  wurde;  so  1^1;*^ 
U«bergang  unzweifelhaft.    Allein  die  Wirkung  des  Daseins  der  M   «> 
nen  ist  nur  1.  die  Möglichkeit  der  Wirkungen  der  concreten  Ai  V 
neo.     Mach  ihr   kommt  2.  die   Verwirklichung  dieser  Mögliehl    11 
fBeides  im  Rechtotoffe  Kuntse's  enthalten.)   Dann  kommt  3..i  -^^ 
Actio,   und  endlich  4.  die  Wirkung  der  Actio  (der  Vermögeoii % 
Knntze's),  werde  sie  nun  hervorgerufen  durch  die  M(iglica<vj^ 


WJBdfcfcei4 :    Die  Acito   des  rOoMfchen  Ctvilrecbt«  ele. 

^  Mraudw  der  Actio  oder  durch  die  Wirklichkeit  des  Gebr« 
man  nm  2   and   4,    die  Obligation  und  den  Stoff  d 

1  jDJt  Ifar  Terbindety  so    wird  In  Verbindang  mit  den  Selj 
aus  die  atilie  actio  des  Cessionars  dessen  eigne  eei  (S.  1' 

B,  mit  4,  auch  2,  die  Obligation,  zugewendet,  und,  wei 
iß  die  Bechtsgasehlcbta  verwiesen  ist,  so  kann  sie  dem 
entgegeastehea.    Für   die   Gegenwart  steht  sie  nicht  meh 

2  nnd  4,  trennt  also  aach   beide  nicht  von  einander.     I 
der  Ceeaionar  das  Recht   eines   solchen   erst  durch   Ergn 

|fiesitxes    der    actio    erwerben    (S.  135  ff.  141  ff.).     Wird  c 
können,    wenn    die    actio    in    der  Recbtsgeschichte  ist? 
^^    das  nicht  geht,  wie  solt   man   dann  noch  cediren?     Das 
^  j^^ft  offenbar  nicht  mehr.     Man   muss  dann  die  Forderung  alie 
j^  i^^^  ein   anderer    sie  haben    soU.      Auf  diesem   Standpunkte 
vor  Möhlenbrnch.     Sie  cedirte  so  gut  dingliche  fi 
Forderungen,    weil  sie  unter:   Cediren,    eben  nichts  anders 
als  das  Alieniren.    Ist  dann  das,  was  alienirt  wird,  das  Ri 
Itniss    der  Obligation,   so   moss  es  auch  dem  Schuldner  a 
können,    ohne  dass    es    untergeht     Abgesehen   davon 
\  das,  was  bei  der  römischen   Obligation  durch  die  ZaUuni 
iisd  dBbei    durch    Confusion   unterging,   snnSchst  < 
w»/;  sIb  jenes   Rechts  verbäitniss;  so   würde  das   wied 
Ueberstimmung    führen    mit    der  Auffassung  von  K., 
ifasion  eine  „mehr   oder  minder  willkürliche^  ...  ,,nati« 
Anschauungsweise'   der  Römer  sei  (S.  336).    Von  j 
ikte  der  Praxis  jener  Zeit  aus,   ist  aber  der,   welcher 
Fnctio   hat,    also    durch  Zif.    1,  die  Rechtordnung,   eine  s 
t,  gar  kein   Cessionar  mehr,  sondern  ein  UrglSubiger. 
io  kann   also   auch   Icein    Argument  mehr  dafür  sein, 
**9ioDMr  eine   eigne   actio  habe.    E r  kann  dann  keine  ai 
%b  die  des   Cedenten.     Er   ist  dann  wieder  blosser  Manc 
meht  das  Recht   des   Cedenten  hat;  und  dieses  sc 
.' AnffMSVtnf^   des    Verf.   nicht  haben,  sondern  mit  eigner  . 
' Recht.    Wenn  nun  dies  der  Standpunkt  des  heutigen  R 
von  dem  aus  der  Verf.  die  römische  Actio  Leu  achtet  li 
iL  ihr   Wesen    der   CeBsion  ganz  fremd,   weil  sie   es 
J.       -  ^        Und     wenn     nun    auch   vielleicht   der   Ver( 
ÜL'^t   Mof  diesem    Standpunkte  zu  stehen,  und  ^g 
beetm   »       ^^h^n  -    so    muss  doch  von  diesem  Stalidpi 
9  AdiO   äu  Z^^^l^og  haben  als  die  rdmischa     Sie 
eine  «f  ^^tj^-Sounkte   »us,  der  Ausdruck  de.  Hc  cbts 
.    .  r9mlB€ben   ^^^    sein    C®-  ^)'  "°*^  ^**  "**"  "®  **"^^ 
^etBeUten   ^^^^^s^äo    Rechts  aus  sein ,  wenn  eben  d 
^onkte   deB  ^^"  joeetit»     de^  Cedenten    auf  den   C^m 
Vebergmnf:    ^f^  »J^^^ädä     »cheint  ja  doch    dem    VerJ- 
^  Ji      Äeser     ^^^^^fbe    a^u  sein.    Demnach  ist  der  ,-* 
^!!!iv^  der  des  römischen,    t 

s  des  heutigen  Beeb»    ^ 


414  WIndbcheM;  Die  htiw  iIm  rOmiieheD  Civflredils  etc. 

SO  hat  er  allerdings  Recht,  wcdd  er  sagt,  dass  die  Actio  nicht  ren- 
j^ren  könne,  dass  man  statt  Verjährung  der  Klage  sagen  müsse: 
Verjährung  des  Anspruches  (S.  27 ff.)«  Allein  wir  haben  gesehen, 
dass  der  Verf.  es  geläugnet  hat,  dass  die  Actio  Ausfluss  eines 
Rechts  sei.  Bei  dem  Uebergange  der  Actlonen  auf  die  Erben  aber 
sagt  er:  Actionen  die  nicht  Ausfluss  eines  Rechts  seien,  seien  die, 
denen  der  Uebergang  auf  die  Erben  versagt  sei,  und  diese  seien 
keine  Actionen  in  seinem  Sinne  (S.  27  ff.).  Dann  gibt  es  ja  aber 
gar  keine  Actionen  in  seinem  Sinne.  Und  wenn  die  Actio  so 
selbständig  ist,  wie  der  Verf.  sie  in  jener  Trennung  behandelt,  wie 
kann  denn  ein  Uebergang  auf  die  Erben  erforderlich  sein?  Jeder- 
mann hat  ja  jede  beliebige  Klage.  Und  wozu  braucht  denn  eine 
Klage  cedirt  zu  werden,  warum  muss  sie  sogar  Gegenstand  einer 
Besitzergreifung  des  Cessionars  werden,  damit  dieser  sie  erwerbe? 
Und  welche  Klage  soll  es  denn  sein,  die  mit  der  Obligation,  und 
ohne  dass  es  einer  Verletzung  bedarf  entsteht  (S.  2 ff.  41  ff.)?  Je» 
»er  selbständige  Ausdruck  doch  unmöglich.  Und  wenn  dieser  Aus- 
druck den  Römern  ein  Körperhaftes  war  (S.  229),  woher  empfing 
denn  dieser  Ausdruck  in  jener  Abtrennung  die  Körperhaftigkeit. 

Diese  Zerklüftungen  in  den  Ausführungen  uns.  Verf.  stellen  es 
in  Frage,  wie  sich  ein  Interesse  daran  knüpfen  kann,  überall  auf 
sie  erazugehen.  In  der  gegebenen  Zusammenhaltnng  mit  anderen 
Aasführungen,  ist  dieses  Interesse  dieses,  dass  sie  als  eine  Extre* 
mität  des  Bruches  erflcheinen,  der  in  mehreren  Schriften,  über  die 
theilweise  in  dies.  Jahrb.  berichtet  worden,  sowohl  den  Rechtszeug- 
nissen gegenüber,  als  auch,  und  insbesondere,  im  Verhältnisse  m 
dem  Leben  des  Rechts  in  der  gesellschaftlichen  Bewegung,  sich  be- 
merklich macht.  Das  ohnehin  mangelhafte  Band  zwischen  der  Theorie 
und  jenem  Leben  des  Rechts,  wird  in  ihnen  gradezu  zerrissen.  Das> 
jenige,  was  in  jener  Bewegung  dem  Rechte  ein  Dasein  gibt,  besteht 
in  der  Kraft  der  Anschauungen,  welche  sie  hervorruft,  den  Rechts* 
gestaltungen  eine  Wirksamkeit  beizulegen,  eine  Kraft  die  mit  dem, 
was  man  Staat  und  Gesetzgebung  nennt,  sich  verbinden  muss,  wenn 
diese  überhaupt  ein  Dasein  haben  sollen.  Unabhängigkeit  des  Rechts 
von  dieser  Kraft  ist  der  Standpunkt  den  Gerber  (s.  dies.  Jahrbb. 
Jgg.  1853.  S.  180 ff.)  und  Ihering  (s.  dies.  Jahrb.  Jgg.  1852. 
S.  842 ff.)  in  verschiedener  Weise  eingenommen  liaben.  Schmidt 
(s.  dies.  Jahrb.  Jgg.  1853.  S.  180ff.) -itiachte  einen  Seitensprung 
zur  Sittlichkeit  Wenn  Windscheid  (S.  161)  meint:  die  Quellen 
kennten  zwar  ein  Vermögen,  aber  keine  vermögensrechtliche  Per- 
sönlichkeit; so  hat  er  ein  leeres  Gewand  ohne  einen  Träger.  Das 
ist  nun  nichts  besser,  als  das  Rechtssubject  Ihering's,  das  ohne 
R^efalsnorm  die  es  schafft,  und  ohne  die  Bekleidung  die  die  Aner- 
kennung <ler  Gesellschaft  ihm  mittheilt,  als  blosses  Skelett  da  steht 
I>a8selbt''  findet  sich  in  dem  engern  Kreise  einzelner  Institute  in  den 
"vorhin  b^erührten  Schriften,  die  durch  deren  Entkräftung  eine  Bahn 
^ek  brecU^i>7   ^^^  ^^  °^°  durch  Entfernen  oder  durqb   Zerstückela 


WiBiMheM:   Die  Actio  dM  rdidMhra  CiTilraehü  ele.  415 


dar  fcraittrageoien'  El«meste.  Im  Gebiete  der  e.  g.  proiewoaliedbeD 
CewoiDtioii,  stellt  der  Hergang  davon  in  dem  vorliin  Gesagten  sich 
bereits  in  seiner  gansen  Einfachheit  heraus.  Im  Gebiete  der  Oblir 
iraftien  lässt  er  sich  in  gleicher  Einfachheit  erfassen,  hat  indess  hier 
das  Unterscheidende,  dass  cum  Theil  der  Gedanke  hervortritt,  als 
eb  die  römische  Obligation  und  die  deutsche  Forderung  dieselbe 
Natur  mit  einander  theilten.  Dass  der  römischen  Obligation,  als 
dem  Angeeignetseiu  einer  fremden  sukünftigen  Handlung,  eine  Zu- 
stSndlichkeit  com  Gmnpre  liege,  die  dieser  Idee  eine  Wirklichkeit 
verleihe,  folgt  aus  der  Beschaffenheit  dieser  Idee,  so  lange  man  ihre 
Wirkliehkeil  nicht  in  Abrede  stellen  kann.  Denn  sie  vermag  diese 
aur  durch  eine  solche  Zuständlichkeit  lu  empfangen.  Gang  abge- 
sehen nun  davon,  dass  das  Dasein  dieser  Idee  in  den  römisclien 
Rechtflieugnissen  sich  ausgesprochen  (Zeitschr.  f.  Givilr.  u.  Pros.  N. 
F.  IX.  S.  124  ff.),  und  in  der  Gestaltung  des  Formelprozesses  ihren 
Aasdraek  findet  (Archiv  für  civ.  Praxis  XXXV.  8.  101  ff.),  so  wie 
ebenfialls  davon,  dass  in  der  Gestaltung  des  Vermögens  der  Person 
als  pecunia,  der  vermögensrechtliehen  Persönlichkeit,  und  der  Vei^ 
liaftung  derselben  durch  das  nexum,  sich  die  stoffhaltige  ZnstJted- 
liebkeit  seigt,  welche  jene  Obligations*Idee  verwirklicht  (Arch.  f. 
elf.  Praxis  XXXV.  S.  406 ff.);  so  hätte  schon  allein  der  Dualis^ 
mus,  der  in  der  Compensation ,  in  der  Ausgleichung  der  Stoffseite, 
die  ipso  jure,  und  in  der  Solution  des  Rechtsverhältnisses  der  Obli- 
gation, die,  wie  es  ausgedrückt  wird,  facto  hominis  geschieht,  sich 
seigt;  es  berausfltellen  müssen,  welche  Verknüpfung  in  dem  römi- 
icben  Fordeningsverhältnisse  wohnt.  Auf  einem  Ueberseben  dieses 
Dualismus  beruht  es,  dass  Brinz  krit.  Blätter  Nr.  2.  (1853)  S.  3ff.; 
die  Obligation  von  der  in  ihr  liegenden  Macht  unterschied,  und  darin 
einen  Grund  fand,  es  zu  bestreiten,  dass  sie  eine  künftige  Ilandiung 
■am  Gegenstande  habe.  Knntze  trat  ihm  darin  entgegen  (S  4 ff.). 
Indem  er  aber,  wie  erwähnt,  die  Obligation  in  Rechtsstoff  und  Ver- 
mogensstoff  zerschlug,  und  diese  Stücke  in  umgekehrter  Ordnung 
wieder  zusammenfügte,  fiel  ihm  die  Handlung  auf  die  Seite.  So 
ftnd  er  kein  Hinderniss  mehr,  die  passive  Korrealobligation  als  eine 
Embett  aufzufassen,  ohne  die  Mehrheit  der  Obligationen  zu  beseiti- 
gea,  bei  der  Novation  den  Stoff  einer  alten  Obligation  in  eine  neue 
Mnübergefaen  zu  lassen,  ohne  beide  Obligationen  als  identisch  an- 
zusehen, und  eine  Uebernahme  einer  fremden  Schuld  ohne  ein  Con- 
trahiren  mit  dem  Gläubiger  zu  vertheitigen  (S.  147.  242  ff.  332  ff.). 
Darin  fand  er,  wie  es  scheint,  ein  ^Schwungbrett^  zu  der  lieber- 
tragbarkeit  einer  Forderung  deren  Uebung  den  Cessionar  zum  Cor- 
realgläubiger  neben  dem  Cedenten  macht  (S.  331).  Zu  einer  glei- 
chen Uebertragbarkeit  der  Schuld  ohne  Zustimmung  des  Gläubigers, 
war  der  Schwung  zu  schwach  (S.  333).  Kr  reichte  nur  so  weit, 
der  Schuld  desjenigen,  der  sie  von  dem  Urschuldner  über- 
nommen, eine  solche  Uebertragbarkeit  beizulegen  (S.  337).  Man 
sollte  nun  denken:  wenn  die  Forderung  übertragbar  wäre,  so  könnte 


416  WMfchetd:   Die  Actio  des  rttmisehen  Ciyilrediti  ete. 

nicht  auch  sogleich  die  Schuld  tibertragbar  seiu.  Denn  wenn  die 
Personen  der  Schuldner  eben  so  wechseln  können,  wie  die  der  GlSa- 
biger ;  so  gebt  die  Forderung  überall  gegen  keinen  bestimmteo  Schuld- 
ner; und  der,  dem  die  Forderung  übertragen  wird,  bekommt  nichti 
weiter,  als  eine  Anweisung  auf  einen  Schuldner,  die  nur  so  lange 
Werth  hat,  als  sich  noch  jemand  findet,  der  sich  dazu  bequemt 
Schuldner  geworden  und  geblieben  zusein;  also  gar  keine  For- 
derung. Denn  wenn  die  Schuld  übertragbar  ist,  so  wird  mit  der 
Schuld  auch  die  Berechtigung  des  Schuldners,  sie  zu  übertragen, 
existent.  Und  das  führt  zu  dem  obigen  Resultat,  sei  nun  beides, 
nemlich  Schuld  und  Berechtigung  des  Schuldners,  getrennt  oder  un- 
zertrennlich. Im  erstem  Falle  sagt  der  Schuldner  zur  Verfallseit: 
ich  kann  nicht  beklagt  werden,  weil  ich  Zeit  haben  moss  um  meine 
Berechtigung  auszuüben,  statt  der  Zahlung  einen  andern  Schuldner 
zu  stellen,  ohne  dass  dagegen  etwas  eingewendet  werden  kann.  Im 
letztem  kann  ihm  zwar  dagegen  eingewendet  werden:  dass  mit 
dem  Verfall  die  Berechtigung  erloschen.  Dann  hat  aber  der  Schuld- 
ner die  Antwort:  ist  dies,  so  ist  auch  die  unzertrennlich  mit  ibr 
verbundene  Schuld  untergegangen.  Wenn  nun  diese  Berechtigung 
die  Schuld  wäre,  so  könnte  man  freilich  mit  Delbrück  a.  a.  0. 
.S.  71.  117,  auch  die  Schuld  als  ein  besonderes  Stück  für  sich  und 
das  Passivvermögen  auch  als  ein  Vermögen  betrachten,  und  Ge- 
schäfte, die  ohne  selbständige  Schuldübertragung  nicht  gemacht  wer- 
den könnten  (ebendas.  S.  27),  wären  dann  solche,  bei  denen  der 
Schuldner  als  ein  Berechtigter  gegen  einen  dritten  Gläubiger,  den 
geschuldeten  Stoff  mit  einem  andern  verwechselte.  Dann  verhielte 
es  sich  aber  mit  Delbrück's  Schuld  und  Forderung  grade  eben 
so,  wie  mit  Windscbeid's  heutiger  Klage.  Alles  wäre  nur  Schat- 
ten; was  auch  Gegenstand  der  Gession  wäre,  es  würde  immer  nnr 
ein  Schatten  cedirt,  und  die  Haftung  des  Cedenten  de  nomine  vero, 
wäre  eine  Haftung  für  einen  wahren  Schatten.  Die  Forderungen 
wären  dann  sammt  und  sonders  gleich  Papiergeld  ohne  Deckung  der 
Valuta,  es  sei  denn,  dass  der  Cedent  schlechthin  Schuldner  für  den 
Betrag  der  cedirten  Forderung  würde,  für  den  Fall,  dass  kein  an- 
derer bereit  wäre  sie  zu  zahlen.  Durch  diese  Zuthat  gelangte  man 
aber  gradezu  zum  Werthpapier  in  der  Gestalt  des  Wechsels  (Arch. 
f.  deutsches  Wecbselrecht  I.  Nr.  IX.),  und  wenn  man  sich  der  Form 
des  schriftlichen  Wechsels  nicht  bediente,  zu  einer  Verbürgnng  fOr 
eine  eigne  Schuld,  die  im  Gebiete  der  römischen  Obligation  keine 
Wurzel  zu  finden  vermag,  weil  die  Bürgschaft  hier  Intercesaion  für 
die  Schuld  anderer  ist. 

(Schluu  folgt,} 


Ir.  n.  BEIDELBERGER  MSI. 

jahhbOgheb  der  literator. 

Windscheid:    Die  Actio  des  römischen  Civilrechts  etc. 

(Schlaff.) 

Di6M  Zuthat  fehlt  aber  nicht  allein,  sondern  auch  die  Haftung 
des  Cedenten  de  nomine  vero  muss  bei  der  Knnt feschen  Cession 
hinwegfalleo,  weil  unter  Correalgläubigem  eine  solche  Haftung  nicht 
besteht  Die  Kuntsescbe  Schnldüberweisung ,  oder  s.  g.  pauivo 
Ceasion,  weicht  indess  der  Wechselgestaltung  durch  die  Schöpfung 
einer  derivatiTen  Correalobligation  aus,  welche  die  Einreden  und 
Aecessionen  der  Urcorrealobligation  bei  der  derivirten  Correalobliga- 
fion  erbSit  (S.  330);  aber  nachdem  ihm  die  Urschuld  untergegan- 
gen und,  wie  bereits  bemerlLt,  an  deren  Stelle  ein  Oeisselverhältniss 
gesetzt  ist.  Während  er  so  ein  altgermanisches  Schuldverhiltniss  In 
die  nenrömische  Obligation  hineinbringt,  macht  er  die  Annahme  eines 
Wechselbriefes  sn  einer  Novation,  und  die  Novation  zu  einer  Tll- 
gvng  (S.  256  ff.).  Wenn  nun  ein  VerkSufer  um  den  Betrag  des 
Kaufpreises  einzuziehen,  von  dem  Käufer  eine  Tratte  nimmt,  so 
bst  er  sich  ein  Mittel  geben  lassen  um  seinen  Kaufpreis  zu  bekom- 
SMo ;  woraus  folgt,  dass  er  seine  Forderung  aus  dem  Kaufe  behalten 
htt,  sie  aber  so  lange  nicht  geltend  machen  kann  als  er  noch  den 
llbernommenen  Gebrauch  jenes  Mittels  auszuführen  hat.  Dass  dies 
min  eine  Novation  des  Kaafverhältnisses  genannt  werden  kann,  dass 
n  sogar  znm  Begriffe  einer  Novation  gehört,  dass  das  novirte  Ver- 
bikniss  fortbestehe,  well  das,  was  untergegangen,  nicht  er- 
»encrt  ist  (s.  Archiv  f.  clv.  Prax.  XXXIV.  S.  39.  not.  2;  Zeit- 
Mteit  f.  Civilr.  u.  Proz.  N.  F.  IX.  S.  140  ff.),  folgt  aus  dem  Sinne 
des  Ausdruckes.  Justinian  hat  zwar  den  Ausdruck  in  einem 
mdern  Sinne  genommen,  aber  seinen  Sinn  aufrecht  erhalten,  in* 
dem  er  vorschreibt:  Veränderungen  In  den  Vertragsbestimmungen 
|toUen  den  alten  Vertrag  nicht  tilgen,  es  sei  denn,  dass  diese  Tilgung 
aosdrfleklich  verabredet  worden  wäre;   und  indem  er  diese  Tilgung 

lorch  novatio   bezeichnet  (L.  8.  G.  de  novatt   8.  42).     Dass    die 

einer  Tilgung  an    solche  Veränderungen  des  Zustandes    der 

igation  sich  nur  dadurch  knüpfen   können,   dass   dieser   Zus    nd 

le  Gestaltung  von   der  Handlung  empüng,   welche   den   Oegen- 

'  des  Rechtsverhältnisses  der  Obligation  bildete,  und  dass  diese 

iandlung  durch  die  Veränderung  jenes  Zustandes  eine  andere  wurde; 
selgt  sich  darin,  dass  nicht  die  Entstehung  eines  zweiten  Rechts- 

'ttiiältnisses  der  Obligation  (so  des  der  Naturalobligation  eines  Sda- 

^)  die  Tilgung  bewirkte:  Oaj.  J.  m.  176;  sondern  alt  Veräo- 
L.  JiWf.  6.  Heft,  17 


^S  Windfchei4:  Pie  Actio  ,d^  rüip^icj^^  Civilreditf  elc. 

derang  des  Obligationscastandes,  wenn  auch  gar  dftf  RechtsverhUt- 
niss  de^  Obli^tion  nicht  eDtslasd,  so:  wenn  gar  keine  Handliug 
des  neaen  Paciscenten  versprochen  war,  weil  sie  erst  nach  seinem 
Tode  geschehen  sollte,  oder  weil  sie  von  einem  VermSgensträger 
versprochen  war,  der  zwar  das  aotonomische  commercium,  aber 
seinp  Qfi^dlQDg  nfcbt  zam  Gegeastande  fremder  Appigoung  goipacht 
hatte,  weil  die  nach  der  Bechtsnorm  dazu  erforderliche  tiitöns  aue- 
toritas  gefehlt:  Gaj.  J.  IH.  176;  L.  1.  §.  1.  f.  D.  de  novation. 
46.  2;  und  wenn  sie  eine  suspensiv  bedingte  Obligation  L.  8.  14. 
pr.  D.  de  novation;  also  nur  als  Zustand  wirksam,  wenn  auch  als 
Re,cht8verbäkni8s  wirl^llch:  ZeiUc^r.  f.  Civ.  R.  u.  P.  H.  f.  IX. 
3.  US  ff.  138;  und  daher  Veranlassung  z^  verschiedßner  Meinuf^g 
far:  Gaj.  J.  III.  179.  Piese  Verbindung  ist  aber,  wie  ausge- 
führt; in  djsr  Behandlung  ]^  nutze 's  gebrochen.  Er  kann  daher, 
auch  abgesehen  von  Justin ian's  Vorschrift,  in  der  Novation  keii^e 
Tilgung  Qnden.  Da  er  sie  dennoch  darin  findet,  mnss  er  bei  seiner 
jJeriyirteQ  Gorrealobligation,  die  durch  Gession  entsteht,  die  Novation 
^}xf  die  zigreite  Cessjon  beschräpfcen  (S.  332.  337),  um  ^ie  Stamsi- 
Obligation  und  ein  GorrealverbSltniss  zu  reiUpn.  Upi  ifiir  diese  Ver- 
schiedenheit einen  Unterschied  zu  gewinnen,  bezeicjmpt  er  61ß  ^en- 
virte  dorrealobligation  als  eine  Zweigobligaition,  die  er  der  römischen 
l^tio  f(djectitiae  qualitatls  gleichstellt  (S.  330.  239  ^.),  und  b^trac^et 
als  eine  solche  auch  4i|3  Obligatipi)  des  Pripßipals  aas  dem  Ge8ch4fte 
des  iÜanda^rS;  während  er  d||3  Stampiobligation  dps  letztein  apf 
äen  Grund  eines  pewplinheitsrechts  ^l9  eine  unwirksame  anaiefit 
(S.  289.  291).  Br  conßtruir^  daß  Ver|)ältnis9  so:  die  Stl^nI^oblI- 
gatipn  ist  pnzj^rtrennlicfi  von  der  Person  des  Stellvertreteirs.  Sojien 
derep  fVirkun^en  sjch  auf  d^p  Priucipfil  erstrecken,  so  musa  \^t  eine 
Z^eigolilig^tion  ^beifcesellt*'  werden,  ^s  kipp  ibrp  plntstehung  picht 
j)lqs9  durch  Vertrag  (Ces^ion^gpspl^äftjj  sondern  auch  durch  «pQsl- 
tiyen  Becfits^atz^  Verpiittelt  pnd  durch  Entkri&flung  der  ap  sich  fort- 
^l^uerndep  Stanimpbligatiop  ^verselbständigte  werden  (S.  290);  i^nd 
er  niipipt,  lyenn  picjits  anderes  verabredet  wordpn,  diese  Veiselbstfi«- 
c(ignng  und  eine  ^gesetzliche'^  Zyreigobligation  an  (S.  291  ff.)  D^ 
Gesetz  feblt.  Die  Gewohnheit  ist  da.  Eß  handelt  sich  aber  dfMnm 
die  Rechtsidee  zii  erklären,  dip  in  dpr  Gewohnheit  ihren  Sitz  hf/L 
Dabei  muss  das  Di^ein  der  Gewohnl^ei^  obpe  Einflpss  bleihen.  Es 
trägt  sich  alsQ,  w^p  ohne  diesen  Eiufluss  jenes  ]ßeigesellpp.  be- 
wirkt wird.  Qa  ups  E^untze  darüber  keine  Apfklärung  gibt,  so  l^leil^t 
nichts  tiorig  als  eine  Fictiop,  wip  siV  Buchka  angenommen  |^^ 
Diese  Annahme  wird  ipcless  von  Euntze  yerworfen,  mit  der  For- 
mel: dass  keine  Rechtswirkungen  sondern  nur  Thatsachen  fingirt 
würden  (S.  276  ff.).  Da  man  abier  die  Thatsachen  fingirt  um  Recfi^ 
Wirkungen  hervorzubringen,  so  kann  man  diesem  Einwände  dadivndi 
begegnen,  dass  man  fingirt:  in  der  Person  des  Vertreters  sei  durch 
dessen  rechtliche  Thätigkeit  thatsächlicb  der  Vc^etene  thät|g 
gewesen,    Di^nn  braucht  d|e  Obli^atiyn  nic^it  i^us  der  Peraop  d^ 


WiBdMk«id:  Die  Aette  4u  rOobtiien  CbflNoMi  lile.  419 

btetem  beartbeilt  m  wmleB,  wogegen  der  YerUhr  üoh  «tilhiben 
mJI  (S.  27  7  ff.).  Uad  erst  dann  wird  die  Fiction  f«n  thatsMUich 
geküteui  nicht  wenn  man  fingiit,  ea  aei  der  Vertretene  in  Mlner 
leehtiichen  Eigenaeliaft  thitlg  gewesen,  in  weldMai  Falle  die  ReehH- 
wirkoi^  ja  grade  bei  ihm  anßnge,  alao  eben  Gegenstand  4er  Fiecieii 
wOrde.  Grade  dann,  wenn  doroh  einen  nnncine  confvahirt  wird,  itt 
dw  Bechtewirkong  es,  was  fingirt  wird;  weil  das  Ausrichten  einer 
Betschaft  an  sich  kein  Gontrabiren  ist.  Eine  andere  Gedankenver^ 
teuschang  bei  Kuntse  ist  die,  dass  er  sagt:  in  Eraniigehing  einer 
za  noTirenden  Obligation  sei  die  MovmtionsstipnlatiOB  niditig  gewe- 
sen (S.  357 ff.);  sUtt:  sie  sei  dann  keine  Novation  gewesen.  WKre 
«isteres  richtig,  wie  hfitte  dann  die  LitisconteBtation  an  einem  rechts- 
kräftigen Urtheil  fahren  können?  Der  Nachweis,  dass  der  Vernr^ 
tbeilte  nichts  geschoidet,  bitte  dann  -  ja  immer  die  Litiscontestation 
all  nngtUtig  und  cüe  Verartheilung  als  nnkräftig  dargestelit.  In 
dieser  Weise  bringt  er  eine  Verschiedenheit  swisohen  der  römischen 
Stipulation  und  dem  Wechselvertrage  heraus  (8.  S57),  die  nidit  be- 
itebt ;  wihread  die  Verschiedenheit,  welche  besteht,  die  ist,  dass  der 
WediselTertrag  eine  tilgende  Novation  deshalb  nicht  bewirkt, 
weil  er  eben  nur  in  der  Schöpfung  eines  umsetabaren  WertheS  b^ 
Hebt,  der  von  Verhaftungen  getragen  wird,  die  allein  als  Mittel  die- 
ser Schöpfung  dienen.  In  der  Darstellung  von  Kuntse  erscheinen 
die  Wirkungen  dieser  Mittel  als  Wunder  geheimer  KrilAe  (S.  265 it), 
uad  die  Obligationen  als  dürre  Stöcke,  die  beliebig  cerbtochen  und 
sneinander  gereiht,  und  als  StUmme  und  Zweige  getauft  werden. 
Denn  dass  eine  Obligation,  die  eben  nur  als  Mittel  des  Andgnens 
besteht,  kein  Stamm  sein  kann,  der  Zweige  treibt,  ist  Idar,  weil 
ein  Mittel  fremden  Kräften  dient,  und  keine  eigne  Kraft  hat.  Und 
eine  Zweigobligation  miisste,  als  solche,  doch  den  Reohtstoff  der 
Stammobligation  theilen,  der  nach  den  Worten  von  K.  bei  dem 
Trfiger  der  letztem  bleibt,  weshalb  W.  es  nicht  bloss,  wie  er  g^ 
than,  bezweifeln  können,  ob  K.  den  Bechtsstoff  und  den  Vermögens^ 
Stoff  unterschieden,  sondern  auch  das  Gegentbell  nachweisen  können, 
wenn  w  die  Zusammensetsungen  der  Darstellung  von  K.  sergliedert 
hStte.  Zu  den  gedörrten  Obligationen  Kuntze's  hat  WindscbOid 
gedörrte  Actionen  hhizugefügt.  In  so  weit  bandeln  beide  einträdi- 
tig.  Die  Berechtigung  auf  den  Stoff  der  künftigen  Handlung  aber 
ist  dem  letztem  von  der  Obligation  untrennbar,  aber  trennbar  von 
dereo  Sobjecte  (S.  173 ff.),  während  der  Vermögensstoff  der  ObU^ 
gatioa  dem  erstem  durch  die  Zweigobligation  trennbar  von  der 
Stammobiigatton  werden  könnte,  wenn  er  tiberall  mit  der  Obligation 
noch  Stoff  verbunden  hätte.  Er  findet  seine  Zweige  biigatlon  tn  der 
aelio  adjectitiae  qnalitatis  (S.  249),  und  dass  derjenige,  gegen  den 
eine  solche  actio  gerichtet  werden  konnte,  sieh  im  ObKgatioos aus- 
stände befand,  einer  honoraria  obligatio  anterworfen  war:  L.  1. 
pr.  $.  24.  D.  de  ex»c  act.  14.  1.  L.  1.  pr.  D.  de  inst  act.  14. 
4;  L.  1.  L.  2.  pr.  D.  quod  COm  eo  fui  14.  5;  L,  91.  %.  5.  D.  dQ 


420  Windioheid:   Die  Aelio  dei  rOMifcheo  Civilreohtf  eie. 

V.  0.  45.  1;  dass  also  die  obligirenda  Handlang  einer  Person  eine 
andere  aus  einem  besondern  Grunde  in  diesen  Zustand  Yersetzen 
konnte,  nemlicfa  dann,  wenn  diese  so  angesehen  wurde,  als  ob  sie 
jene  statt  ihrer  handeln  lasse,  leidet  Iceinen  Zweifel.  Dass  aber  eine 
obligirende  Handlung  des  Glfinbigers,  wie  die  Gession,  den  Schuldner 
in  einen  solchen  Zustand  versetzen  könne,  folgt  daraus  nicht,  son- 
dern nur,  dass  eine  Person  eine  andere  an  ihrer  Stelle  bandeln 
lassen  kann;  folglich  auch  der  Gläubiger  als  solcher,  sofern  er  den 
Vertreter  dazu  in  den  Stand  setzt,  indem  er  ihn  ermfichtigt  gegen 
die  Entgegennahme  der  Handlang  des  Schuldners  diesen  zu  liberi- 
ren;  und  dass,  wenn  ein  Anspruch  auf  eine  solche  Ermächtigung 
gegen  den  Gläubiger  begründet  ist,  der  Träger  dieses  Anspruches 
so  angesehen  werden  kann,  als  ob  er  diese  Ermächtigung  erlangt 
habe.  Wenn  nun  jenes  Handeln  des  Gläubigers  eine  Ausübung  sei- 
ne r  Berechtigung  ist,  so  muss  auch  das  Handeln  des  Stellyertreten, 
obgleich  es  dessen  Handeln  ist,  eine  Ausübung  der  Berechtigung  des 
Gläubigers  sein.  Der  Name:  Zweigobligation;  kann  darin  nichts  ändern. 
Wenn  es  aber  eine^solche  Ausübung  nicht  sein  kann,  so  muss  der  Vertre- 
ter freilich  die  Obligation  des  Gläubigers  haben,  um  jene  Berechtigung 
ausüben  zu  können.  Und  er  muss  sie  haben,  ehe  er  sie  ausübt. 
Er  kann  sie  also  nicht  erst  durch  eine  in  der  Ausübung  durch  KU- 
genstellung  oder  dieselbe  vertretende  Denunciation  liegende  einsei- 
tige Besitzergreifung  erwerben,  wie  W.  es  will.  Und  wenn  er  dies 
muss,  80  kann  er  vor  derselben  nur  einen  Anspruch  auf  die  Aus- 
übung haben,  und  durch  jene  einseitige  Handlung  gegen  den  Schuld- 
ner sich  eine  Obligation  des  Gläubigers  nicht  aneignen.  Um  dies 
zu  vermitteln  musste  er  einen  Anspruch  auf  die  Obligation  haben. 
Wer  einen  Anspruch  auf  ein  Recht  hat,  der  hat  die  Berechtigung 
es  sich  anzueignen,  und  zwar  mit  rechtlicher  Wirkung.  Rechtliches 
Aneignen  einer  Obligation  geschieht  durch  den  Gebrauch  der  Klage. 
Dieser  Gebrauch  ist  wieder  Ausübung  der  Obligation.  Anspruch  auf 
die  Obligation  ist  also  eben  nur  ein  unbestimmter  und  daher  unja- 
ridischer  Ausdruck  für  Obligation  und  Ausübung  der  Obligation  zu- 
gleich. Der  Anspruch  als  Ausdruck  der  Obligation  oder  des  Rechts 
von  W.,  und  die  Zweigobligation  von  K.,  sind  also  beide  ganz  das- 
selbe, nemlich:  unrichtige  Ausdrücke  für  die  Ausübung  des  Rechts. 
Der  Eigenthumsansprucb,  den  W.  dem  zuschreibt,  dem  eine  Eigen- 
thumsklage  cedirt  ist  (S.  220),  oder  sie  utiliter  hat,  ist  nichu  an- 
deres und  nichts  besseres.  Jeder  Cessionar  hat  die  Klage  als  ein 
Mittel  um  den  Gegenstand  des  persönlichen  oder  dinglichen  Rechts 
sich  rechtlich  anzueignen.  Der  erste  Schritt  dazu  ist  ein  Fordern, 
das  Ihn  in  den  Zustand  des  ausschliesslichen  Aneignens  setzt.  Es 
ist  das  Klagen  oder  Denunciiren.  Sofern  indess  eine  dingliche  Klage 
cedirt  ist,  kann  die  Denunciation  diesen  Zustand  in  Ansehung  dee 
Gegenstandes  selber  nicht  begründen,  sondern  nur  bewirken, 
dass  der  Denunciat,  wenn  er  dolo  sich  des  Besitzes  entäussert,  oder 
l^uf  di«  Klage  des  Cedenten  dolo  sich  einlässt,  dem  Cessionar  ab 


Edurdt:    Eriimenmcmi  la  Sdiiller*!  Weflm.  42f 

6111  Boleher  ▼erhaftet  wird,  qoi  dolo  desüt  possid^re.  Dan  in  diMem 
Falle  die  Dennndation  eben  so  wirke,  wie  bei  der  persönlichen  Klage, 
wie  es  nach  W.  (S.  230)  der  Fall  sein  soll,  ist  unrichtig.  Ehe 
dieser  Schritt  geschehen,  kann  der  Cedent  dessen  Aneignen  noch 
dorch  seinseitiges  Aneignen  vereiteln,  aber  nicht  dadurch, 
dsss  er  sich  desselben  gegen  einen  andern  begibt  oder  die  Cession 
widerruft,  wie  W.  (S.  191.  920)  will.  BraeUeülioefft. 


Erläuterungen  »u  den  deutsehen  KlaaMem.  Dritte  AbiheUung.  Erläu- 
terungen  zu  Schiller^ $  Werken  von  Dr.  EekardU  Schüler' § 
Odeteagang.  Die  Räuber.  Jena,  Carl  EoehhauHn's  Verlag. 
1856,  195  8.  12. 

Der  Idealismus  der  Philosophie  und  PoSsie  ist  durch  die  Rie- 
wofortschritte  des  Realismus  der  Naturwissenschaft  immer  mehr  in 
den  Hintergrund  getreten.  Es  fehlt  eben  so  sehr  an  neuen  philo- 
lophischen  Weltanschauungen,  als  an  genial  produktiver  Dichtkunst 
Denn  unsere  Dichter,  selbst  die  besten,  sind  im  Vergleiche  mit 
Gotbe  und  Schiller  und  Anderen  der  klassischen  Zeit  immer 
oar  Dichter  des  zweiten  Ranges  su  nennen.  Ein  unverkennbares 
Zeichen  der  Abnahme  der  Poesie  zeigt  sich  in  der  Zunahme  von 
Bearbeitungen,  Erklärungen  und  Untersuchungen  der  klassischen 
Dichter  und  einzelner  klassischer  Dichtungen.  Die  Literatur  über 
Göthe'a  Faust  ist  allein  zu  einer  ganzen  Bibliothek  herange* 
wachsen.  Man  zehrt  von  der  Vergangenheit,  wenn  die  Gegenwart 
nichts  Bedeutendes  bietet.  Immerhin  sind  solche  Untersuchungen, 
weon  sie  mit  Geist  und  Sachkenntniss  geführt  werden,  gewiss  dan- 
keoswerth,  und  tragen  zum  Verständnisse  einer  Zeit  bei,  welche  den 
HShenpunkt  in  der  poetischen  Nationalliteratur  Deutschlands  bezeichnet 
Nor  dürfen  solche  Erläuterungen  nicht  in  förmliche  Schollen  aus« 
arten,  wie  v^ir  sie  über  die  alten  Klassiker  besitzen.  Noch  lebt  ja 
das  deutsche  Volk,  und  die  Werke  eines  lebendigen  Volkes  dürfen 
nicht,  wie  die  in  todten  Sprachen  abgefassten  Schriften  des  Alter- 
Ihams,  behandelt  werden.  In  dieser  Hinsicht  ist  z.  B.  Düntzer 
in  seinem  vollständigen Commentar  zu  Göthe's  Faust,  ohne  dass 
wir  seinen  sonstigen  Verdiensten  um  diesen  Gegenstand  zu  nahe 
treten  wollen,  viel  zu  weit  gegangen.  Der  Verfasser  wiU  nicht  allein 
die  Dichtung,  er  will  jeden  einzelnen  Satz,  ja  selbst  die  einzelnen 
Worte,  grammatikalische  und  syntaktische  Wendungen  u.  s.  w.  er- 
örtern. 

Wir  finden  hier  eine  Masse  von  Dingen  erklärt,  die  selbstver- 
ständlich sind,  und  sehr  Vieles  in  die  allzubreite  Untersuchung  auf- 
genommen, was  nicht  zum  Gegenstande  gehört.  So  erklärt  Dün- 
tser  die  Stelle  im  Göthe'schen  Faust: 

„Fttr  einen  Leichnam  bin  {eh  nicht  sn  Raus; 

Mir  geht  ea ,  wie  der  Katie  mit  der  Maoa.* 


4Mi  Edwwtf;    fiiÜtolMngeB  m  Sehilter*!  M^iImk 

dofob  den  g^mim.  aMMdiifen  BeiMte:  ^Die  Katse  nacht  steh  nicbfc 
a»  lodte  Mi&oae)  Modern  aa  lebendige,  die  sie  sich  seihst  (Sngt^ 
(Bd.  L  S*  163.) 

Wenn  Fausfr  di»  ^Bfüste  der  Natur^  und  die  „Qaellen  des 
I^ebens«"  fisssen  will,  wird  dazn  (11  a.  a.  0.  S.  174)  sehr  überflüssig 
bemeriO^  dass  hier  ^an  kein  handgreMiches  Fassen  (sie)  zn  denken 
seij^  Za  dec  Stella»  wo  Mephistopheles  als  Podel  am  Penta- 
gramm der  Tbürschwelle  „heramschnopert^,  werden  die  Formen: 
jySchnopern,  schnobern,  schnoppern,  schnuppem,  schnoben^  und„  schnau- 
ben^ cur  Yergjeichung  neben  einander  g.estellt  (a.  a.  0.  S.  212) 
Z^  ,^aa3te^  wird,  beigefugt,  dass  diese  Anrede  ^^^dle  VokatlvXorm 
des  lateinischen  Fauatus^  sei.  Mit  dem  Verse: 
„Hat  Para^aphos  wolil  einstudirt*^ 
wird  eine  Untersuchung  über  den  Ursprung  „der  Paragraphseichen 
in,  den,  Lehrbüchern^  (a«  a.  0.  S^  246)  verbunden.  Wenn  Fan  st 
Gxetcbßu  ,^eine.  liebe  Pnppe^  nennt,  wirdbeigesetst:  »Puppe  ist  ein 
Kosewort  für  kleine  Kinder'^  (a.  a.  0»  S.  266)  u«  s.  w.  Von  einer 
solchen  Art  von  Erklärung  selbstverständlicher  oder  nicht  hergehöriger 
Dinge,  haben  sich  die  Erläuterungen  unseres  Herrn  Verfassers,  der 
sich  bereita  durch  seine  Untersuchungen  über  Shakespeare' s 
B.amlet  und  über  Oöthe's  Tasso  um  die  ästhetische  Literatur 
sßhr  verdient  gemacht  hat,  durchaus  fem  gehalten.  Seine  Erläute- 
ruQgßn  sind  keine  Gommentare,  die  jeden  Satz  und  jeden  Ausdruck 
erklären  wollen,  und  durch  die  Breite  der  Paraphrase  ermüden,  son- 
dern zweckmässige,  mit  den  nöthigen  Sachanmerkungen  versehene, 
psychologisch-ästhetische  Analysen. 

Die  vorliegende  Schrift  ist  die  dritte  Abtheilung  eines  grösseren 
Werkes:  ,; Erläuterungen  zu  den  deutschen Elassiborn;^  Die  erste 
A.btheilung  enthält  Göthe's  Hermann  und  Dorothea, 
Werther's  Leiden,  Wilhelm  Meister's  Lehrjahre,  die 
zweite  Wieland.'s  Oberon.  Die  gegenwärtige  dritte  um- 
faflst,  Schiller's  Geistesgang  (besser  Geiatesratwickelung) 
uod  die  Räuber.  Der  erste  Theil:  Schiller's  Geistesgang 
enthält  meist  schon  Bekanntes,  da  dieser  Gegenstand  schon  genü- 
gend behandelt  worden  ist>  bisweilen  auch  Behauptungen,  welche 
ebeia  nur  subjektive  Absichten  des  Herrn  Verf.  sind,  und  sich  nach 
i^  Refer.  Meinung,  nicht  hinreichend  begründen  lassen. 

So  möchte  er  mit  dem  Herrn  Verf.  (S.  6)  nicht  nur  zwei  Män- 
ner nennen,  deren  Ideen  S  ch  i  1 1  e  r'  s  Genluf^  weckten  und.  kräftigten, 
„Bouaseau  in  Frankreieh''  und  |,KAnt  in  Deutschland.^  Einmai 
hat  der  Dichter  Kant  erst  kennen  gelernt,  nachdem  er  bereits  als 
Dichter  aufg^reten  war,  und  auch  später  hat  Kant  mehr  anf 
Schiller's  ästhetische  Theorie  und  seine  Leistungen  in  diesem  Felde,, 
als  auf  seinen  längst  vor  Kant's  Einfluss  zur  Entwickelung.  gekom- 
menen Dichtergenius  gewirkt.  Erst  im  Jahre  1791  achrieb  S  c  h  i  1 1  e  r  aa 
Körner:  „Du  erräthst  wohl  nicht,  was  ich  jetzt  lese?  Nichts  Schlech- 
teres, als  Kant.    Seine  Kritik  der  Urtheilskraft  reisstmich  hin  durch 


EcfttrA:    KittiiteniDfea  tn  SMRe^i  Werken.  M 

ilireB  oeiieD,  llehtvoUen  nnd  gfeTstreichen  lohalt,  and  bat  mir  du 
gitete  Verlangen  beig^racht,  mich  nach  nod  nach  in  seine  Philo- 
sophie hfnei^Knarbeiten.  Ich  ahne,  dass  Kant  für  mich  kein  so 
nnfibersteiglicher  Berg  ist,  nnd  ich  werde  mich  gewiss  noch  genaner 
mit  ihm  einlassen,^  und  im  Jahre  1793:  ^Meine  Vorlesungen  über 
Aestbetik  haben  mich  aiemlich  tief  in  diese  verwickelte  Materie  (das 
Verstehen  der  Kant'schen  Philosophie)  hineingeführt  und  mich  ge- 
nStbigt,  mit  Kant*s  Theorie  so  genau  bekannt  au  werden,  als  man 
61  sein  mnss,  um  nicht  mehr  Mos  Nachbeter  an  sein.^ 

Keiner  hat  aber  einen  grösseren  Einflnss  auf  Oöthe^s,  wie  auf 
Schiller's,  Dicfatergenius  geäussert,  als  der  nnsterblicfae  Dichter- 
geist des  grossen  Briten  Shakespeare.  Wieland  hatte  schon 
1764 — 1766  seine  Uebersetzung  ron  22  Shakespeare*scheil  Stücken 
Toliendet  Diese  Debersetzung  war  es,  die  aunSchst  auf  die  beiden 
jongen  Dichter  wirkte.  Sehr  richtig  ist,  was  ülrici  Über  diesen 
Elnflns»  in  Shakespeare's  dramatischer  Kunst  (2.  Au£ 
8.  803  ff.)  sagt. 

Die  Darstellung  des  Entwickelungsganges  eines  bedeutenden 
Dichters  iSsst  sich  leicht  vom  Streben  nach  historischem'  Pragma- 
fismus  zu  einer  einseitigen  Auffassung  hinreissen,  welche  darthun 
will,  wie  der  Dichter  geworden  ist  Das  Dichten  lässt  sich  nicht 
machen,  nicht  anlernen,  so  wenig  als  das  Philosophiren.  Es'  musi 
im  Geiste  liegen,  im  Innern  vorhandener  Funke  des  Genius  sein. 
Gewiss  sieht  man  dem  Gewordenen  nnd  Gemachten,  und,  wenn  die 
Einflüsse  von  Aussen  noch  so  günstig  sind,  die  MlttelmSsslgkeit  an, 
£e  ihm  eigenthümlich  ist.  Nicht  Kant  und  Rousseau,  nicht 
Lessing,  Herder  oder  Göthe  haben  Schiller  zum  Dichter 
gemacht.  Der  Hr.  Verf.  macht  allerdings  bei  der  Darstellung  von 
Schill  er 's  Geistesgange  auch  auf  das  in  dem  Dichter  ursprünglich 
Liegende,  das  zum  Werden  desselben  gehören  soll,  aufmerksam.  Er 
spricht  S.  13  von  Götbe^s  „Überströmender  Empfindung^  nnd  von 
Schi  11  er* 8  „Ideenfülle,  die  beide  zum  Dichten  trieben.^'  Allein 
mOgen  alle  die  von  dem  Hm.  Verf.  bezeichneten  Sussem  Einflüsse 
auf  eine  „überströmende  Empfindung^  einwirken ;  es  wird  deshalb 
aas  ihr  noch  lange  kein  Güthe,  so  wenig,  als  sich  ans  „Idöen- 
fülle*  bei  solchen  Einflüssen  etwa  ein  Schiller  entwickialn'  lilrd. 
Dnreh  „überströmende  Empfindung^  und  „Ideenfülle^  wird  das  cha- 
rakteristisch Uniersdieidende  der  Anhige  in  SchiUer^s  und  6Ö- 
tfae's  Dfchtergenius  nicht  bezeichnet  werden  können.  Deiin  man' 
wird  eben  so  gewisss  auch  in  Göthe  „Ideenfü]le%  als  in  Schil- 
ler „überströmende  Empfindung*^  als  inneres,  auf  des  Dichters  Ent- 
wicklung wirkendes  Element  annehmen  können.  Audi  darin  wird 
ildi  schwerüch  der  Unterschied  als  wesenhaft  nachweisen  lassep, 
diss  man,  wie  auf  S.  36,  in  Schiller  die  „männliche*  und  in 
Götbe  die  ..wcfiblidie''  Richtung  erkennt.  So  sagt  der  Hr.  Verf. 
daseibat:  ^Dti  mUnnliche  Scbiller  greift  nach  dem  Buche  der  Ge^ 
\j  md'  erketmt^  iir  ihr  die  mit  eiserner  BeharrUchkdt  fbrt- 


424  Eckardt:    ErlttaUrangen  sn  Schiller'f  Werkei. 

icbreitende  Entwicklung  eines  Weltplans;  Göthe  siebt  —  wie  das 
Weib  —  in  der  Geschichte  nur  eine  Reibe  schöner  undsüsalicher  (?) 
Vorgänge,  ohne  Innern  Zusammenhang  zu  erkennen.^  Gewiss  wird 
man  aus  Göthe's  Werken  nachweisen  können,  dass  auch  er  nach 
dem  Buche  der  Geschichte  greift  und  in  dieser  eine  fortschreitende 
Entwicklung  des  Weltplanes  erkennt  Der  Herr  Verfasser  nennt, 
weil  ^Göthe's  Held  der  Mensch,  Schi II er *s  Held  die  Mensch- 
heit sei^,  die  ^Menschheit  aber  höher  stehe,  als  der  einzelne  Mensch^, 
Schiller  S.  40  den  „dem  Stoffe  nach  (sie)  grösten,  deuUchen 
Dichter.^  Gewiss  aber  macht  nicht  allein  der  Stoff,  sondern  dei 
Gedanke,  die  Art  und  Weise,  wie  der  Stoff  ergriffen  nnd  behandelt 
wird,  womit  der  Hr.  Verf.  selbst  einverstanden  ist,  die  Grösse  des 
Dichters.  Und  selbst,  wenn  der  Stoff  als  Maassstab  gilt,  wird  Göthe 
gewiss  nicht  zu  seinem  Nachtheile  die  Vergleichung  mit  Schiller 
bestehen.  Der  Held  soll  bei  Schiller  die  Menschheit,  bei  Göthe 
der  einzelne  Mensch  nnd  darnm  der  Stoff  des  ersten  erhabener,  als 
der  des  zweiten  sein.  Ist  aber  nicht  gerade  bei  Göthe  vorzugs- 
weise in  seinem  grössten  Gedichte  des  Lebens  und  Wirkens  der 
Menschheit,  in  Faust  die  Menschheit  der  Held? 

Der  zweite  grössere  Abschnitt  dieser  Abtheilung,  welcher 
Schiller's  Käuber  behandelt,  ist  der  am  meisten  gelungene. 
Die  psychologische  Entwickelung  der  Charaktere,  des  Karl  und  Frans 
Moor,  der  Amalia,  des  alten  Moor  und  aller  übrigen  Personen  des 
Stückes  ist  durchaus  richtig;  nicht  minder  gelungen  ist  die  Ent- 
wickelung des  Aesthetischen  in  dieser  Dichtung  und  die  philosophi- 
sche Begründung  der  dem  Ganzen  zu  Grunde  liegenden  Hauptidee. 
Mit  ästhetischem  Geschmacke  weist  der  Hr.  Verf.  nach,  dass  man 
in  den  Räubern  nicht,  wie  Manche  noch  jetzt  irrthtimlich  meinen, 
eine  excentrische  Missgeburt,  sondern  den  ersten,  aus  Schiller's 
Sturm-  und  Drangperiode  hervorgegangen,  grossartigen  und  wahrhaft 
genialen  Aufflug  seiner  reichen  und  feuerigen  Phantasie  zu  erblicken 
habe.  In  dieser  Hinsicht  ist  sein  Urtheil  über  die  Räuber,  das 
überall  gehörig  belegt  wird,  richtiger  und  eindringender,  als  das 
vieler  bedeutender  Vorgänger.  Nur  möchte  Referent  mit  demselben 
den  Mangel  dieser  Dichtung,  in  der  allerdings  eine  gewisse  Maass- 
losigkeit  unverkennbar  ist,  nicht  in  der  Form  finden,  weil  die  Räu- 
ber nicht  metrisch  gedichtet  sind.  Eine  Dichtung,  fessellos,  wie 
diese,  könnte  sich  nicht  in  den  Fesseln  der  gebundenen  Rede  be- 
wegen, und  nicht  nur  in  den  Gedanken,  sondern  auch  im  Ausdruck 
der  Sprache,  als  der  diesem  Stoffe  angemessensten  Form,  zeigt  sich 
das  Geniale  der  Dichtung,  mit  welcher  der  Genius  des  grossen 
Dichters  die  Reihe  seiner  unsterblichen  dramatischen  Schöpfungen 
begann.  Mögen  die  Fortsetzungen  dieser  verdienstvollen  Erläuterun» 
gen  der  deutschen  Klassiker  recht  bald  erscheinen  1  Die  nächste 
Abtheilung  soll  Göthe's  Wilhelm  Meisters  Wanderjahre 
von  Dr.  Düntzer  und  Schiller's  Fiesco  von  Dr.  Eckardt 
enthalten.  w.  ReleUln  n^Men» 


Roth  ▼.  Schrackeiialeia!  Das  PitrUial  in  den  dMtMhen  Städte«.       435 

Da$  Pairuiial  in  den  deutschen  Stadien,  he^onders  Reiehstiädien,  aln 
Beitrag  zur  Oeeehichte  der  deutschen  Städte  und  de»  deutschen 
Ädd^.  Von  C.  H,  Freiherm  Roth  von  Schreckenstein. 
Tübingen  1656.  Verlag  der  H.  Laupp'aehen  Buchhandlung.  — 
Laupp  und  Siebeck.  —  XII  und  620  8.  8. 

Der  Verfasser  vorliegenden  Werkes,  er  selbst  einer  der  ältesten 
Patriiierfamilien  Deutschlands  angehörend,  die  den  ganzen  Ent* 
wieklongsgang  des  Patriziats  von  ehrsamen  Städtebürgern  bis  zum 
Hermelin  deutschen  Präiatenthums  und  den  höchsten  Holämtern,  bis 
siira  Edelsize  neudeutscher  Grundherrschaft  durchgemacht  hat,  tritt 
mit  demselben  zum  erstenmal  als  Schriftsteller  vor  die  Lesewelt. 

Fragen  wir  demnach,  zu  den  Vorbedingungen  eines  solchen 
Werkes  und  seiner  Billigung  übergehend,  ob  dasselbe  1)  einen  an- 
Behenden  Stoff  behandle,  ob  2)  dasselbe  nicht  durch  frühere  er- 
acfaöpfende  Arbeiten  überflüssig  gemacht  sei  und  ob  3)  der  Verfasser 
für  eine  to  tief  in  die  Verhältnisse  der  deutschen  Volksentwicklnng 
eingehende  Schilderung  durchaus  befähigt  scheine. 

Zu  unserm  grossen  Vergnügen  können  wir  sämmtliche  Vorfra* 
gen  befriedigend  beantworten. 

War  es,  um  auf  die  erste  einzugehen,  schon  lange  ein  Unse* 
gen  deutscher  Qeschichtschreibung ,  dieselbe  von  irgend  einem  ein- 
beitlichen  Punkte  aus,  etwa  wie  die  weströmische  oder  byzantinische 
Hofgeschichte  abzuthun,  so  macht  gerade  in  unserer  Zeit 
rückkommen  von  dieser  Behandlungsart  eine  eingängtgrl^rchfor- 
flchung  anderer  Faktoren  deutscher  Historiographie  nothwendig.  Solche 
aber  sind  wohl  unbestritten  für  die  3  ersten  Jahrhunderte  nach  der 
Losreissung  Deutschlands  von  der  karoüngischen  Westmonarchie  in 
Europa,  die  Geschichte  der  Volksstämme  und  Volksherzoge,  für  die 
3  folgenden  die  Geschichte  der  deutschen  Städte  und  ihrer  Entwicklung. 

Nun  ist  zwar,  um  zur  zweiten  Frage  überzugehen,  für  diese 
letztere  nicht  Unerhebliches  geschehen  und  sogar  in  Monographien 
geschehen,  welche  diesem  Gegenstande  besonders  gewidmet  waren, 
allein  „eine,  allen  billigen  Anforderungen  Genüge  leistende  Geschichte 
des  deutschen  Adels,  oder  des  deutschen  Bürgerthums  kennt  der 
Verlasser  nicht"  (Vorrede  S.  V). 

Ob  er  sellMt  nun  eine  solche  des  deutschen  Patriziats  gegeben 
habe,  ob  er  dazu  ausgerüstet  gewesen,  darüber  bekennt  der  Ver- 
fasser (a.  a.  0.)  in  aller  Bescheidenheit,  dass  er  keinen  Anspruch 
darauf  mache,  „das  unerschöpflich  reiche  Material  der  deutschen 
StSdtegeschichte  in  erschöpfender  Weise  benützt  zu  haben."  Es  wird 
sich  also  zunächst  darum  handeln,  ob  der  Verfasser  befähigt  war,  durch 
neue  Gesichtspunkte  einen  wesentlichen  Beitrag  zu  dem  mehrfach 
^on  Andern  Begonnenen  beizubringen,  ob  sein  Buch  demnach  eine 
nothwendige  und  erspriessliche  Bereicherung  des  ohnedies  fast  über- 
führten Büchermarktes  gewesen  sei. 

Und  auch  diese  Frage  zu  bejahen,  gibt  uns  der  Fleiss  und  die 
ieltene  Ausdauer,  mit  welcher  der  Verfasser  sidi  aller  Hilfsmittel  zu 


42^       RoA  ▼.  iSchreckeilftein:   Das  Patritiat  in  den  denUchen  Stidten. 

seiDem  gescbichtlicheti  Werke  bcmSchtigt  hat,  gibt  ans  die  klare  ein- 
driogende  Schärfe  seines  Urtbeils,  gibt  uns  endlich  der  durchaus 
entschiedene  StiEindpankt  desselben  als  Edelmann  nnd  Katholik  volle 
Berechtigung.  Denn'  mit  dlem  Verf.  ist  anch  Ref.  überzeugt,  dass 
eine  solche  fest  ausgeprägte  Sonderstellung,  wenn  sie  nicht  diirch 
unbedingte  Hingabe  an  das  Schiboleth  einer  Parthei  gerade  die 
charakteryolle  Selbstständigkeit  aufgibt  und  sich  zum  Echo  anilerer 
Ansichten  und  Pläne  macht,  eben  so  wenig  der  historischen  Treue, 
oder  der  schriftstellerischen  Würde  zu  nahe  trete,  als  wenn  Hero^t 
ganz  Hellene,  Thukydides  ganz  Athener  ist 

Nur  das  eine  hätten  wir  von  vornherein  anders  angelegt  wüit** 
sehen  mögen,  nemlich  dass  die  ursprünglichen  Quellen  seines  histo- 
rischen Stöflfes  klarer  zu  Tage  getreten  wären,  dass  die  Bearbeitung 
und  Beftaützüng  derselben  durch  Andere  weniger  eingängige  Berück- 
sichtigung ifeftmden  hätte.  Dann  wäre,  dessen  sind  wir  überzeugt, 
der  Polemik,  und  bei  eben  den  oben  geschilderten  autonomischen 
Vorzügen  des  Verfassers  manchmal  recht  scharf  ausgeprägten  Po- 
lemik manche  Stelle  entzogen  worden,  die  ohne  Schaden  für  dss 
Ganze  wohl  hätte  wegbleiben  mögen. 

Fragen  wir  nun  nach  dieser  etwas  langen  Einleitung  nach  dem, 
was  der  Verfasser  gegeben  hat,  so  zerfällt  sein  Werk  in  zwei  Theile: 
I.  die  eigentliche  Geschichte  des  Patriziats,  ü.  in  VI  Ezcurse,  gt^ 
eignet  erstere  zu  stützen  und  in  klareres  Licht  zu  setzen. 

-Det^ erste  Abschnitt  zerfällt  in  drei  Hauptstücke:  1.  Die 
Altbürger.     2.  Die  Geschlechter.     3.  Die  Patrizier. 

In  dem  ersten  Hauptstücke  wird  bei  den  römischen  Städten 
am  Bheine  begonnen,  zu  dem  besondern  Charakter  der  Städte  unter 
den  Karolingern  fortgeschritten  (S.  1 — 22),  der  Städtebau  Hein- 
richs I.  einer  sorgfältigen  Prüfung  unterworfen  (S.  23—85),  das 
Wachsthum  der  Städte  unter  den  Saliern  erörtert  (S.  36—47),  di^ 
Verfassung  der  Städte  in  der  sächsischen  Periode  hauptsächlldi  im 
Hinblicke  auf  die  Stendesnnterschiede  dargestellt  (S.  47—59),  die 
ältesten  Spuren  des  Patriziats  aufgesucht  (S.  59—76),  und  die  Le- 
bensverhältnisse der  Altbürger  entwickelt  (S.  77—88). 

Im  zweiten  Hauptstflcke  wird  das  Verbältnissr  der  Salier  zu  den 
Städten  und  deren  innere  Gestaltung  während  dieser  Periode  dargMellt 
(S.  8d— 139),  die  Stellung  der  äohenstaufen  ztt  den  Städten  in'dss 
richtige  Licht  gesetzt  (S.  l!29-'160),  die  Früchtef  des  Iht^rre^nfeBi» 
gezeigt,  König  Rudolfs  nnd  seiner  ersten  Nachfolger  Politik  den 
Städten  gegenüber  entwickelt,  endlich  sittengeschichtliche  und  soeiäi* 
politische  Ergebnisse  gezogen  (S.  160—236). 

Das  dritte  Hauptstüek  endlich  behandelt  die  Folgen  der  Kai- 
serkämpfe unter  Ludwig  dem  Baier,  den  Kampf  der  Geschlecbtef 
und  der  Zünfte,  den  Fürstenbund  und  sein  Auftreten  gegen  die  Städte 
(S.  237 — 354) ,  endlich  die  Kirchenneuerung  und  ihre  Folgen-  fS^ 
die  Städte  (S.  354—417),  die  Folgen  des'  aNgtaeinen  Verfalls  des 
Reiches  für  die  städtische  Entwicklung  und  die  Geburt  des  Jmd[fi^ 
thottis  in  Oäm  SchoOBse  (8.  417-509). 


Rolli  T.  StthradMMtoiA:   D»  PalriiiH  in  den  dralicfaei  Stldleii.       4ggT 

Sind  diese  Richtpunkte  der  ünteranchnnp:  nach  des  Ref.  Rracht4>n 
öberhaopt  gelungen  vx  nennen,  so  zeigen  eie  Eugleich  Mich  den 
gremn  Reickthn»  dessen ,  was  die  Benrtbeiiung  und  die  künftige 
Fonofanog  in  dienen  HanpUheiie  der  Unteienchung  lu  suchen  and 
m  finden  hat ;  —  einen  Rekhtbnni  frailich,  dessen  genmiere  Darlegmftg 
die  Grensen  unserer  Anseia:e  überschreiten  wiirde,  auf  welchen  wir 
daher  die  Leser  au  «eibststandiger  Einsichtsnabmo  verweisen  mlissep. 
Der  iweHe  Theil  gibt  seehs  wi*nigstens  eben  so  interessante  nnd 
trefflieh  angelegte  E^ienrae :  L  üeber  die  Stellung  der  Patrialef  aonr 
Landadel,  IL  fie  Patrizier  als  Orossbfindler,  m.  ihre  Stellung  su 
Wlasensehaft  nnd  Kunst,  IV.  das  Patriaiat  und  Kriegswesen,  V.  die 
Patriaier  als  Mngistratspersonen  und  endlich  VI.  Einiges  aus  der 
QeacMecliter-Geechichte» 

Und  hier  ist  denn  der  Verfasser,  ein  tüchtiger  deutscher  ArehM*- 
log»9  durch  Anisätze  in  diesen  Einzelgebieteo  schon  rühmlich  IH^ 
kanot,  so  redit  in  seinem  Felde  und  es  wird'  kaum  ein  Leser  des' 
Boches  sein,  der  nicht  seine  Forschungen  in  den  Hauptergebnissen 
m  unterschreiben  geneigt  wäre,  im  Einzelnen  Manches  Belehreode* 
daraos  geschöpft  zu  haben  gerne  bekennen  würde. 

Und  se  könnten  wir  denn  unsere  Anzeige  mit  der  gerne  g»- 
zollten  Anerkennung  schiiessen,  dass  von  dem  Verfasser  sehr  Er« 
bebliches  geleistet  worden  sei,  dass  sein  Buch  die  Berücksichtigung 
Aller  verdiene,  weiche  die  deutsche  Geschiebte  nicht  bloss  auf  ihrer 
Oberfläche  berühren,  sondern  in  das  Innere  ihres  Wesens,  in  die: 
tiefer  liegenden  Gründe  ihrer  Entwicklung  eindringen  wollen. 

Doch  möchten  wir  auch  noch  unsere  Achtung  vor  des  Verfas- 
sers Forschung  dadurch  bezeigen,  dass  wir  zu  einem,  oder  dem  an- 
dern Punkte  seiner  Ausfuhrung  aus  dem  Bereiche  unserer  Stadien 
einen  Nachtrag,  oder  eine  Bestätigung  der  von  ihm  aufgestellten 
Sätze  beibringen.  Wir  wählen  biezu  einen  Punkt  aus  der  Ge- 
schichte von  Constanz,  der  zugleich  die  Ergänzung  dessen  bietet, 
was  wir  gelegentlich  der  Anzeige  von  Stälin's  Wirtembergischer  Ge- 
schichte (IIL  Bd.)  in  diesen  Jahrbb.  (1856  S.  746)  niedergelegt  haben. 

Zum  Theil  als  ergänzend  zu  dem  Verzeichnisse,  welches  der* 
Verf;,  die  Nachrichten  in  der  von  Mone  edirten  Chronik  vervollstän- 
digend S.  617  über  die  Patrisier-Geschiecbter  zu  Constanz  gibt, 
zum  Theil  zum  Belege,  welche  A^ndenrngen  im  Stadtregiment  der 
S.  207  berührte  Aufrohr  der  Zünfte  auf  längere  Dauer  hinterlassen« 
hat^  dann  als  ehi  Bild  jener  Ansprüche,  welche  das  Bisthum,  be- 
sonders seit  der  Bisehof  Heinrich  von  Brandis  1352  sich  einen  Maebt- 
brief  von  König  Karl  IV.  hierüber  erworben,  an  die  Rechte  der 
Stadt  machte,  möge  der  Best  der  Prozessschrift  gegen  den  Bischof 
dienen,  dessen  Einleitung  folgende  ist: 

Nos  Johannes  in  der:  Bund  advocatus,  Ulricus  de  Rogwile^  Mi* 
nistor,  Ulricus  Haiaricos,  Conradus  dicti  in  der  B»nd  fratres^  Hein- 
rieus  et  BCathias  de  Sobafhasa  fratres,  Jobannes  de  Scbafhnta  eiusi- 
dsok.  Heinriei.  dn  Sch^  fiUuS)  Waltherus  de  Hol^  senior,  Jobannes 
Heinricus  et  Walterus  dicti  Schwarzen  fkatresy  Ruodoliibns die- 


428       Roth  V.  SehreckeDstein :   Das  Patriiiat  in  den  denteohen  Stidten. 

tUB  Linde,  Albertus  dictus  Blaror,  Ulricus  de  Tetikoven,  Heiiu'cas 
patruas  suus,  Goiiradas  Pfefferbart,  Dietbelmus  patruuB  soj»,  Jo- 
hannes S  t  r  0 1  i ,  Jacob,  et  Job.  dicti  de  Ueberlingen  fratres,  Ulrieos 
Hugo  et  Johannes  dicti  Schneweis  fratresi  Conradus  de  CrenzlIngoDy 
Conrad,  et  Ulricus  Betminger  fratres,  Ulricus  et  Walterias  dicti  in 
der  Bund  fratres^  Johannes  Tagwas,  Hugo  Tugwas,  Uiricoa 
et  Hainricas  ipsorum  patrui,  Johannes  et  Gonr.  de  Hof  fratres,  Wal- 
tefus  de  Hof  iunior  ipsorum  patruus,  Hainricus  im  Tum,  Johannes 
Augsbarger,  Heinr.  dict.  Harzer,  Hugo  Schmerii,  Rudolf.  Rahe, 
Radolf.  Engelli,  Ulric.  Raming,  Ripo  hinder  sant  Johann,  Johannes 
sen.  et  Joh.  jun.  dicti  Schwarzen,  Ulric.  Dnderschopf,  Heinric 
Tumenbach,  Heinr.  Spiser,  Rudolph,  am  Hörn,  Nico!.  Frei,  Jacob. 
Apothegarius ,  Burch.  Spezi,  Conrad.  Mangold,  Joh.  S umbrin- 
ger, Joh.  Nordewetn,  Ulric.  im  Stainhans,  Petrus  Ricken- 
bach,  Joh.  Hutter,  Jak.  de  Ulma,  Conr.  Egeli,  Jacob  Huober, 
Joh.  Zainler  et  Joh.  am  Buhel  consuies,  Friederic  Ober bo- 
fer,  Wilh.  Appenzeller,  Conr.  Murner,  Joh.  Schwertfnr- 
bei,  Nie.  Sigmaringer,  Joh.  Hag,  Heinr.  de  Nu  wille,  Steph. 
Schulder,  Heinr.  Oraf,  Conrad.  Schaden  et  Conr.  Luitsch, 
Scabini,  Judices,  rectores  et  gubernatores  civitatis  Constantiensis  ... 
ermSchtigen  den  discretum  virum  Johannem  dict.  Richenthal  nota- 
rinm  predicte  civitatis  Constant.  ^hre  Sache  zu  fähren  gegen^  den 
Bischof  Heinrich  v.  Brandis  AoT  dnT  1368  Pontif.  Urbani  Yao  VI 
ind.  VI  mense  febr.  die  vicesim.  V  hora  primarum,  praes.  honorab. 
et  perito  Magistro  Petro  Betmingaro  S.  Felic  et  Regnle  Thoric 
et  Heinrico  Livini  S.  Maurit.  Zoving.  ecclesiar.  Gonst.  didces.  cano- 
nicis  nee  non  discretis  viris  Conrado  dicto  Sumbringer  et  Völkino 
dict.  Phister  laicis  testibb.  ad  premissa  vocatis. 

Wir  ersehen  aus  diesem  Verzeichnisse,  dessen  unterstrichene 
Namen  in  der  Liste  der  Patrizier  bei  Eiselein  (Gesch.  u.  Beschrei- 
bung von  Constanz  S.  20—21)  fehlen,  dass  der  Rath  (Consuies), 
die  administrative  und  ftlr  Privatforderungen  auch  richterliche  Be^ 
hörde  aus  siebenzig  Mitgliedern  bestand  —  die  wenigen  an  der 
Zahl  fehlenden  mochten  durch  ELrankbeit,  oder  auswärtige  GeschSfte 
verhindert  sein  bei  dieser  Susserst  wichtigen  Verhandlung  zu  erschei- 
nen. Vergleichen  wir  die  Namen  mit  den  Zeugenunterschriften  der 
bischöflichen  Urkunden  des  XH — XHI.  Jahrhunderts,  so  finden  wir 
in  dieser  Behörde  sowohl  altbischöfliche  Ministerialen,  als  Altbürger 
vertreten ;  die  letzten  Namen  mögen  von  einer  den  Zünften  bleibend 
gemachten  Concession  ihren  Platz  im  Rathe  her  datiren.  Von  eben 
diesen  Geschlechtem  sind  der  (Reichs-)  Vogt  (advocatus)  und  (der 
bischöfliche)  Schuldheiss  (minister).  Nach  ihnen  aber  finden  wir 
zwölf  (der  eine  fehlende  mag  aus  oben  angeführtem  Grunde  weg- 
geblieben sein)  Beisitzer  und  Verwalter  des  Gerichts  (Scabini  et 
judices) ;  diese  nach  den  Namen  zu  schliessen,  zumeist  aus  den  Zonft- 
angehörigen  genommen.  Beide  Collegien,  das  administrative  und 
das  richterliche,  bilden  die  städtische  Gesammtverwaltung  (reciores 
et  gobematorei  civitatia). 


Bolh  ▼.  StfhreckearteiD:  Da«  Patriiiat  in  i%n  deutochen  Städten.       419 

Die  Amalgamirung  beider  getrennter  Stoffe  städtischer  Beröl« 
kerang  hatte  also  ein  Vierteljahrbandert  nach  deo  ersten  Zunfllan- 
roben  in  Constans  wobl  begonnen,  war  aber  nocb  nicht  so  weit 
vorgeschritten,  dass  nicht  beide  Factoren  noch  genau  erkannt  wer- 
den konnten.  Nur  die  Verwaltung  des  Vermögens,  die  Administra- 
tion hatte  das  Patrisiat  gerettet,  die  Verwaltung  des  Rechts  aber 
an  seine  Nebenbuhler  um  Regierungsrechte,  die  Zünftigen  abtreten 
mflssen,  denen  es  nur  im  Vogte  den  Vorsitsenden  in  Rechtsachen 
gab.  In  allen  allgemein-städtischen,  7on  beiden  Factoren  su  ord- 
nenden Angelegenheiten  gab  ihm,  wenn  nicht  der  Ehrgeis  Aposta- 
ten schuf,  wie  gerade  1342  den  Bartholomä  sum  Burgthor,  das 
Zablenirerhältniss  der  beiden  CoUegien  das  Uebergewicht 

Aber  auch  die  Punkte  selbst,  welche  wir  in  der  oben  berühr- 
ten Anzeige  nur  angedeutet  hatten,  scheinen  uns  für  die  vom  Ver- 
fasser berührten  und  behandelten  Materien  so  belangreich,  dass  wir 
die  noch  rückständigen  ausführlich  hier  niederlegen  wollen.  Sie  han- 
deln über  das  Münsrecht,  über  das  Verhältniss  einer  ehemaligen  Bi- 
schofstadt zum  Bischöfe,  über  Zoll,  Gerichtsbarkeit  des  Bischofs  und 
das  Verhältniss  seines  Clerns  zur  städtischen  Obrigkeit   und  lauten: 

Et  primo  ad  hoc  quod  ipse  dom.  Episcopus  asserit  quod  ad 
ipsum  et  Episcopos  Gonstantienses  pertineat  monetam  fabricare,  sie 
respondet,  quod  hoc  est  verum,  hoc  tamen  adhibito  moderamine, 
quod  moneta  non  fiat  nee  cudatur  nisi  sub  antiquo  pondere  consi- 
stat,  videlicet  quod  una  Marcha  argenti  valeat  IL  libras  cum  duo- 
bos  solidis  vel  ad  maius  IL  libras  cum  32  denar.  Gonstantiensis  monete 
et  sie  est  ab  antiquo  servatum,  sie  etiam  quod  denaril  sie  fabricati  et 
iterato  in  rüdem  massam  argenti  conflati  faciant  unam  Marcbam  puri 
argenti  (et  massa  tale  pondus  habeat  unius  Marche  argenti J.  Et 
olim  antequam  sedes  episcopalis  esset  in  Civitate  Gonstantiensi  col- 
loeata  Jos  fabricandi  monetam  in  dicta  civitate  pertinuit  dominis  Go- 
mitibus  de  Rordorf,  qui  etiam  eo  tempore  monetam  sub  ipsorum 
armomm  signis  fabricabant  ad  pondus  tale,  quäle  superius  est  ex- 
pressum,  de  qua  moneta  plures  Gives  Gonstantienses  adhuc  viventes 
denarios  habuerunt  et  viderunt,  nee  est  verum  quod  Gonsules  um- 
qaam  ullo  tempore  Episcopos  Gonstantienses  in  monete  fabricatione 
qnovls  modo  impediverint  vel  impedient,  dum  tamen  dom.  Epus  mo- 
dernus monetam  velit  antiquo  pondere  preexpresso  fabricare.  dicunt 
etiam  quod  ipse  dom.  Epus  monetarinm  in  Givitate  Gonst.  instituit 
videlicet  Gonradum  Betminger  civem  Gonst.  sibique  officium  fabri- 
candi monetam  pro  10  Marcis  argenti  obligavit  tali  addito  pacto, 
quod  fructus  oflßcii  non  commutentur  in  sortem  principalem,  qui 
etiam  eidem  dom.  Epo  Juramentum  prestitit,  Jus  monete  sub  anti- 
qua  eonsuetudine  conservare,  quod  similiter  ipsi  Gonsules  in  Juribus 
ad  monetam  pertinentem  (tibus)  non  perturbabant,  ymo  in  hiis,  a 
quibuB  «  Jure  ipsius  monete  per  inadvertentiam  monetariorum  de* 
vidatnm  existit,  ipsum  coadiuvant  et  iuvarunt. 

Diese  für  das  Münzwesen  der  Stadt  bedeutsame  Stelle  i  mit 
welcher  r.  Berstett's  badische  Münzgeschichte  zu  vergleichen  ist, 
gibt  eben  kein  |;UUuEondoi  Zen^fnlss  von  historischoD  Studien  |  oder 


430      Aoth  f.  JSelindMiMtttut   Ou  f«lrintt  in  den  dMl0db«ii  BVk%UK^ 

gesdiichdicheni  Bewuiatseiii  der  Väter  von  GoMUns.  Denn  bevor 
das  Biethiivi  von  Windisch  nach  Constans  verlegt  wurde,  gab  et 
natürlich  noch  keine  Grafen  von  Rordorf.  Den  letzten  aber  diesei 
Geschlechtes,  den  Grafen  Manegold  treffen  m\\  allerdinge  am  1200 
AB  einer  eigenthömliehen  Stellung  zu  Constanz.  Er  erbaut  dort  die 
Bheinbrücke  und  Ittsst  es  sich,  nach  einer  vesi  Ref.  in  den  Quellen 
und  Forschungen  zur  Gesch.  Alemanniens  herauszugebenden  Urkunde, 
iM^hwere  Opfer  kosten,  dass  der  Bischof  auf  die  Fähre  (pontonium) 
bei  Constanz  verzichte.  Dieses  Verhältniss,  zusammengehalten  mit 
unserer  Stelle  lässt  sieh  kaum  anders  erklären,  als  wenn  man  an- 
nimmt, dass  der  Graf  das  kaiserliche  Vogtamt  zu  Constanz  und  das 
Recht,  im  Namen  des  Herzogthums  Schwaben  Mfinze  zu  schlagen, 
von  König  Philipp  erhalten  habe,  welch'  letzteres  Recht  auch  die 
Bischöfe  schon  früher  hatten  (die  Moneta  Constantiensis  wird  in  der 
Urkunde  Otto  UI.  für  Villingen  999  erwähnt)  und  von  Kaiser  Fried- 
rich IL  aufs  Neue  bestätigt  erhielten. 

Secundo  ad  hoc  quod  ipse  dom.  Epos  Civitatem  Constantiam 
asserit  esse  suam,  iidem  domini  Consulee  sie  respondent,  quod  prout 
Consules  ab  antiquioribus  suis  diel  semper  nee  eins  contrarium  nm- 
qnam  audierunt,  locus  ubi  civitas  eadem  adhuc  est  situata  fuft  sicot 
etiam  est  die  hodierna  fortis  et  quasi  inexpugnabilis  et  insignis  et 
ideo  sedes  Episcopalis  ibidem  fuerat  coliocata  et  de  ioco  qui  dicitDr 
Wlndlsch  a  civitate  Constantia  ad  unam  dictam  comunem  distante 
tunc  fnit  translata  et  quia  de  more  est  antiquitus  observatum  quod 
prindpes  spfrituales  sicut  sunt  Epi  et  similes  In  tribus  prerogativis 
per  quos  principes  pre  ceteris  magnutibus  honorantur  insignantnr  et 
extoUuntur  videlicet  moneta,  Thelonio  et  silvis,  in  quibus  jus  ve- 
nandi  sibi  eompetere  debet,  ratione  principatus  Episcopatus,  que  pro 
tempore  translationis  sedis  episcopalis  possidebat.  In  dicta  civitate 
Constantia  moneta  et  Thelonio  et  extra  civitatem  prope  ipsam  sllfa 
prope  Weiden  insigniis  prinoipalibus  et  nomine  principatus  compe- 
tentibus  suo  et  successorum  suorum  nomine  fuerat  inslgnitus.  qoe 
tarnen  fundum  ipsius  Civitatis  ad  ipsum  episcopum  non  arguunt  per> 
tinere,  cum  multi  nobiles  extra  civitatem  ipsam  demorantes  ac  fpsins 
Civitatis  cives  areas  seu  curtes  in  ipsa  civitate  in  feudum  concedere 
solent  ac  conoedunt,  quod  non  facerent,  si  fundus  ipse  Episcopis 
pertineret.  Homines  quoque  et  incole  seu  habitatores  Civitatis  pre- 
dlcte,  in  quantum  Cives  existunt,  Imperatori,  sub  cuius  potestate  et 
advocatia  degunt,  servida  facere  tenebantur  et  tenentur  ab  antiqao. 
Immo  taliter  sacro  Imperio  sunt  adstricti,  quod  ipsi  in  quantum  Civee 
Conatantienses  Imperatori  thalias  vel  alias  stenras  exhibere,  solvere 
atque  dare  et  contra  dom.  Epüm  Constantiensem ,  qui  est  vel  erit 
pre  tempore,  pro  ipso  Imperio  vel  alias  ad  mandatum  Imperatoron 
«rmata  manu  resistere  tenentur,  mandato  Epi  in  contrarium  faeto 
aon  obstante. 

Auch  diese  freilich  wunderliche  historische  Deduction  der  bK 
adiöfliehea  Regalien  ist  gleichwohl  zur  Kenntniss  der  Gmndeigen- 
thumsveddUtnisse  in  der  Stadt  und  der  Bestandtkeile  der  freien  Be- 


Tölkenmg  weseptlicfa.  Dm  VerhältnJM  su  K»i«er  und  Bitich  büUe 
ireilicb  viel  eiofacher  durch  Citation  der  kaiBerlicbeo  Privilegieo  diM** 
geitellt  werden  können. 

Ter  ei  0.  Quod  idem  dorn.  Epos  asseriti  quamvis  ooinQS  vere, 
Qvee  Constaotienses  ipeum  Thelonio  impedire,  respondfnt  (Soc- 
iales, qaod  dorn.  Heinricus  £p.  Gonet  regimini  Cpnat  E^deaie  ifon 
XI  fere  aois  prefuit  et  in  primordio  bmi  adventna  et  intr4>itui  ^d 
pFitftjteip  Copet.  Thelonium  quod  ad  ipsum  pertinet  coneuUl^ue  eUain 
ioeopspltis  nee  eis  quomodolibet  resisientibus ,  quondam  Johani  de 
jCnriik  elvi  CoQsj^.  pro  certa  quantitate  ad  8  aiios  vendidit,  qoapi 
etiam  pecunle  qaantitatem  dictus  quondam  Johanes  eidem  dorn.  Epo 
complere  persolvit,  ipseque  Jobanes  Thelonium  per  eum  sie  emptam 
per  8  anos  postea  succesaive  lenavit,  quibus  quidem  8  anis  eÜuzis 
idem  dorn.  £p.  emolumeota  Tbelonii  predicti  similiter  Givibus  Irre- 
quiaitis  vendidit,  ipsis  etiam  nuUatenus  resisteotibus ,  cuidam  Civi 
Const  qui  dictus  Loper  nuncupatur,  qui  etiam  emolumenta  predlcta 
pro  teztu  emptionis  et  venditionis  buiusmodi  leuavit  et  adhuc  leniit 
Vernmtamen  certa  quantitas  Tbelonii  ab  antiquo  est  lenari  consueta 
q^od  dorn.  Ep.  pro  suo  libito  cum  aliter  ius  Tbelonii  non  acceperit 
i^ec  etiam  ipse  ^c  eins  predecessores  aliter  usi  fuerunt,  augmootitfi 
oop  debet,  ex  quibus  evidenter  apparet,  assercionem  ipsius  dorn,  ßpi 
ip  hac  etiam  parte  non  esse  veritate  subnixam. 

Qnarto:  ad  id  quod  dorn  Epus  asserit,  utramque  Jurisdjctio- 
9em  in  homines  dicte  Civitatis  exercere  sibl  competere,  responde^t 
domipi  Consules  quod  dorn.  Epus  hoc  habet  et  habuit  ab  aptiqoD, 
qnpd  ipse  ponere  potest  in  Givitate  Ministrum,  qui  alibi  3c^Ue(»8 
solet  appellari,  qui  duntaxat  Jurisdictionem  exercet  et  exercere  dob^t 
in  cauaa  pecuni^rum,  ex  aliqua  causa  solvi  debitarum.  non  dicuipt 
in  restitutione  debitarnm  sicut  est  in  actione  commodati,  depositi  ^t 
similioin.  quia  de  biis  ad  ipsos  Gonsules  etiam  pertinet  iudicare  ab 
^i^tiquo.  etiam  in  buiusmodi  iurisdictionis  exercitio  ipse  n^iq}|i(er 
Dumquam  ullo  tempore  de  quo  fit  mepioria  homiuum  fuerat  quopiQ- 
^opbet  ab  ipsis  consulibus  impeditus,  immp  dorn.  Epus  jap  judi- 
eandi  hqiusmodi  et  iurisdictionem  ipsius  ministri  Ulrico  de  {tpgwile 
civi  Const  pro  CGG  Marcis  argenti  alienavjt  civibus  irrpquisiMa  m 
qui  scilicet  Ulricus  de  Rogwile  si  ofTicium  iqdicandi  don^,  Epo  npn 
dimittit,  in  hoc  ipsi  cives  omnimodo  ioculpabiles  ^unt  pt  immunes, 
iipputat  quidem  sifii,  quod  iudicinm  idem,  sicut  et  alia  bona  ^t 
emolumenta  Ecclesie  Gonstantiensis  alienavit.  Similiter  iurisdictionem 
«piritoalem  fUctus  dom.  Epus  et  eins  oflficiales  in  causis,  que  nd  9QB 
de  iore  vel  consuetudine  pertinent,  libere  sine  quovis  obstacqlQ  ^er- 
c^eraDt  et  exercent. 

V.:  ad  id,  quod  dom.  Episcop.  memoratus  asserit,  quamvis 
minna  vere,  quod  Gonsules  contra  libertatem  eeclesiasticani  clerum 
Gonstantieps^  exiictiope  vexent,  quamvis  ab  huiusmodi  tballUi  ah 
antiqoo  fueiit  preservatus,  respondent  ...  quod  ipsis  clerieif  CoQ$t 
nnllo  ifflytwa  tempore  collectas  quaslibet  sive  steur^  iipposnerint| 
Tel  receperint  ab  eisdemi  nisi  ut  subscribitur.  pro  quo  est  sciendum| 


482       Roth  ▼.  Scbreckenstein:   Du  l^atrisiat  in  den  deuUclieii  Städten. 

quod  olini  domini  canonici  ecciie  Const.  et  aHi  clerici  domos  soas 
et  CQiias  Canonicas  interdum  honestos  eacerdotee,  Interim  etiam  pe^ 
sonas  alias  laicales  liberamente  sine  aliqua  pensione  sinebant.  Item 
qaod  domini  Canonici  predicti  nee  non  aliarum  eccliarum  dicte  Ci- 
vitatis Const.  Capellani  et  Clerici  alii  frumentum,  vinum,  panos  et 
alias  merces  nt  carius  distraherent  non  emerunt  nee  mercimonia  con« 
traxerant  In  eisdem  et  cum  eisdem.  Nunc  vero  dorn.  Canonici  ecciie 
Cathedralis  et  alii  Canonici  et  clerici  civitatis  Const.  cubilia  seo  cs- 
meras  in  domibus  eorum  pro  anua  pensione  locent  personis  etiam 
secularibus  et  vilibus,  ac  etiam  frumentum,  vinum  et  panos  et  slias 
merces,  ut  carius  distrahant,  comparant  et  postea  vendunt  et  nego- 
tiantur,  et  quod  deterius  est,  vendunt  ut  amplius  quam  tunc  valeant, 
certo  tempore  recipiant  pro  eisdem  et  etiam  alios  contractus  asoa- 
rios  invcrecunde  coinittunt  et  ineunt  et  quia  Cierus  Constantiensis 
predictus  in  aliis  oneribus  et  muneribus,  exactionibus  et  talliis  ad 
quod  cives  tunc  pro  custodia  Civitatis  tum  etiam  aliis  dicte  Givitati 
incnmbentibus  oneribus  sunt  astricti,  (fuit  et  est  anuus  census  durcl)- 
strichen)  dicti  Consules  ab  ipsis  Clericis,  sie  ut  premittitor  nego- 
ciantibus,  pro  negociatione  dumtaxat  coUectas  recipiunt  in  ea  quan- 
titate,  qua  hanc  ab  aliis  civibus  et  forensibus  recipere  solent.  et  sie 
est  ab  antiquo  observatum.  et  si  cierus  ab  huiusmodi  negotiatiODi- 
bus  desisteret  a  sturis  earum  negotiationum  nomine  sicut  cuDCtis 
aliis  muneribus  talliis  et  collectis  forent  imunes  et  liberi  sicut  isti 
Clerici,  qui  negotiationes  huiusmodi  non  exercent,  nee  etiam  dicti  eives 
seu  consules  propter  usurarias  coUectas  imponunt  nee  aliqnoTis 
modo,  quam  superlus  est  expressuni.  Et  sie  est  ab  antiquo  servs- 
tum,  Epis  qui  erant  pro  tempore  et  presenti  Episcopo  hodierno  haiofl- 
modi  observantiam  et  omnes  alias  consuetudines  et  observantias 
dicte  Civitatis  approbantibus  et  confirmanlibus. 

Der  Rest  der  Vertheidigungsschrift,  die  Ermordung  des  Bischofs 
Johannes  Windlock  betreffend,  hat  Ref.  bei  der  Anzeige  des  von 
Stftlin'schen  Werlces  gegeben.  — 

Von  ähnlichen  Zwistiglieiten  zwischen  Bischöfen  und  ihren  Städ- 
ten handelt  auch  der  Verf.  S.  175  ff.  und  an  andern  Orten.  Es 
dürfte  ihm  daher  nicht  unwillkommen  sein,  in  den  angeführten  Stei- 
len ein  in  alle  Einzeinheiten  angeführtes  Bild  der  nächsten  Beweg- 
gründe solcher  Streitigkeiten,  die  im  XIV.  Jahrhundert,  durch  eine 
missbräuchliche  Handlungsweise  des  Cierus  auch  in  nichtbischöüicbeo 
Städten,  wie  Zürich  u.  A.  häufig  vorkommen,  zusammengestellt  so 
finden.  Wir  aber  schliessen  unsere  Anzeige  mit  dem  Wunsche,  dass 
es  dem  Verfasser  recht  bald  gefallen  möge,  mit  seiner  Energie  der 
Forschung  sich  der  gleichzeitigen  Quellen  eines  andern  Abschnittes 
der  mittelalterlichen  Geschichte  zu  bemächtigen  und  das  Ergebniss 
seiner  Forschung  durch  den  Druck  zum  Gemeingnte  Aller  zu  ma- 
chen, die  in  solchen  Studien  etwas  mehr  erblicken,  als  eine  anti- 
quarische Marotte. 

Mannheim.  FIfkler« 


hü.  HBIDELBEROBR  IKT. 

jahbbOchbr  der  literatdb. 


Utber  die  iheologiBehe  Grundlage  dUer  phüoaophisehen  Syeteme,  Var^ 
getragen  »um  AntrUte  de$  RtctoraJU  v.  <.  w.  wm  Ernet  von 
LaaaulZj  d.  Z.  Rectcr.  München  1866.  Uierarieeh-aHuar' 
8che  Amtaä  der  J.  Q.  CoUa'$chen  BuehhandUmg.   27  8.ingr.4. 

In  einer  allem  Idealen  mehr  als  abgewendeten  Zeit,  in  weleher 
■an  auf  die  Erfindung  des  Düngers  mehr  Werth  legt  als  anf  die 
Erl^enntaiss  des  ewigen  Wesens  aller  Dinge,  in  einer  Zeit,  in  wd- 
eher  selbst  die  Philosophie  sich  verrannt  nnd,  weil  sie  Yon  der 
ridiern  Grundlage,  aof  der  sie  allein  gedeihen  kann,  abgewichen, 
den  Stadien  der  Jugend  immer  fremder  geworden  ist,  mag  es  wohl 
an  der  Zeit  seto,  anf  diese  Grundlage  anrückauweisen ,  und  so  die 
Jugend  selbst  wieder  an  der  idealen  Richtung  anrücksuftthren ,  die 
ia  den  Musterwerken  der  alten  t^hilosophie  der  Hellenen  ihren 
Gtand  und  Boden  für  alle  Zeiten  gefunden  liat  Denn  alles  wahre 
pbiloflophisehe  Studium  ruht  auf  diesem  Grund  und  Boden:  und  dar 
rom  hat  es  sich  der  Verfasser  cur  Aufgabe  gestellt,  diesen  Grand 
VBd  Boden  uns  auls  neue  vorsuführen  und  in  einer  vorzüglichen 
l>anteUung  su  zeigen,  wie  nur  auf  ihm  ein  Studium  gedeihen  kann, 
das  sich  die  Erkenntniss  der  höchsten  Gegenstände  mensehUchen 
WiMens  überhaupt  cur  Aufgabe  gemacht  hat 

Der  Verfasser  nimmt  seinen  Ausgangspunkt  von  Pythagoras 
nid  seiner  Schule:  er  zeigt,  in  welchem  Sinne  hier  zuerst  das  hier 
nm  erstenmal  uns  entgegen  tretende  Wort  Philosophie  genom* 
man  ward;  es  ist,  wie  der  Verf.  S.  S  sich  ausdrückt,  hiernach  die 
Philosophie  ursprünglich  nichts  Anderes  als  die  Bethätignng  der 
Freiheit  des  menschlichen  Geistes  und  seüier  ersten  Liebe  zur  Eiv 
kenntniss,  seiner  reinen  Freude  am  Wissen ;  so  bezeichnet  der  Ehren- 
Bttue  ^piloöoipog  „den  wahren  Gentleman,  der  mit  freier  liebender 
Seele  die  Weit  und  das  Leben  betrachtet,  und  ihr  inneres  Wesen 
SU  erforschen  sucht ^  Aber,  wird  richtig  hinzugefügt,  der  Glaube 
an  Gott  und  ein  anderes  Leben  wird  dabei  vorausgesetzt,  eben  so 
wie  die  Freäieit  des  menschlichen  Geistes,  sein  Streben  nach  Erkennt- 
lias  und  die  Möglichkeit,  das  ewige  Wesen  der  Dinge,  das  Unver* 
gingliche  in  dem  Vergänglichen  zu  erkennen.  So  erscheint  also 
bier  als  Vorbedingung  zum  ächten  Philosophiren  Dasjenige,  was 
Vi^  heutigentags  erst  von  der  Philosophie  bewiesen  haben  wollen ; 
und  es  ist  dne  weitere,  gewiss  richtige  Bemerkung  des  Verfassers, 
wie  eben  anf  dieser  Grundlage  alle  die  grossen  Denker  des  Altern 
thoms  philosophirten ,  von  ihr,  als  von  Etwas  feststehendem,  den 
Ausgangspunkt  ihrer  Forschung  entnahmen.  Diese  Grundlage  findet 
iieh  selbst  bei  Heraklttus  vor,  zu  dessen  Lehre  sich  der  Verfasser 
L.  Jsluf.  t.  Heft  88 


«i  B.  ▼.  LiMnlz:    GMlälätß  «er  tUUm^t^mk^n  SyiteM. 

nun  wendet:  die  Erkenntniss  Gottes  und  dessen,  was  in  der  Nator 
and  itn  Leben  des  Mensclien  gottlich  ist,  tritt  auch  kiet,  als  dis 
Atifgäbd  der  philosopfalscben  Forschung  hervor  (S.  3);  noch  mehr 
abar  tritt  diasa  Alias  bai  Plata  harrar,  daasaii  Lehre  aaah  wk  mt 
dem  Verfasser  als  die  vollkommenste  Gestalt  der  hellenischen  Phi- 
loaofphia  beirAcht^ ;  mit  gutem  Gmnde  verweilt  daher  auch  der  Ver- 
teaer  länger  hei  der  Erörterung  derselben,  nach  ihren  Haaptpank- 
tan^  so  wie  mit  Sückaiaht  aaf  die  in  dem  VerhSItniaB  dar  msosch- 
Kcbao  ßeele  au  Gott  nad  der  richtigen  Auffassung  desselben  der 
philosophischen  Forschung  gegebene  Grundlage.  ^Reinigung  der 
SabiiB  von  den  Leidensehaften,  Loslösnng  von  den  Banden  des  Lei- 
h^  Und  allem  IrdiacheA  ist  darum  die  nothwettdige  Vorb^dtagang 
IMes  ächten  Philosophirena«  Denn  nur  mit  reiner  Baele  ki^nnen  wir 
ias  Aeine^  Widire,  Ewige  berühren)  nur  dann  mit  der  Seele  selbst 
daa  wahre  ewige  Weaeti  der  Dinge  sdianen  und  erkennen  u.s.w.* 
(Gk  9).  Auf  Gott  und  das  GbtUlche  im  Weltall  ist  daher  alles  Dieb* 
lefe  nnd  Trachten  das  ächten  Philosophen  gerichtet  (8.  12>  Nach- 
dem der  Verfasser  in  diesem  Sinne  den  idealistischen  Charakter  dieser 
PhÜasophia  und  die  theologische  Grundlage^  auf  der  sie  rnht,  nach* 
gewiesen  und  daraus  ihr  Verhältniss  cum  Christenthum,  wie  es  sich 
hi  d4n  christlichen  Kirchenvätern  au  erkennen  gibt,  welche  die  be- 
Üan  Elemente  des  Platonismus  in  die  eigene  theologische  SpecaU*; 
tieit  aufgenommen^  erklärt  hat,  geht  er  au  ArtstoCelea  Ober,  am  ta ! 
laigeb)  wie  auch  bei  diesem  nüchternen  and  gelehrtesten  aller  Phi* 
loa^phto  des  Aiterthums  dieselbe  idealistische  Riehtnng  hervartrkt, 
wie  auch  seine  Lehre  aaf  gl eleher  Grundlage  nnd  anf  gleicher  V(n^ 
avaietaling  bernht  (B.  14 ff.):  er  wirft  znletst  noch  einen  Bück  auf 
Dahte  md  die  neuere  Pblleaophie,  und  gelangt  auch  hier  tu  deio 
Basnltate,  Wie  aber  d!«  letaten  Gründe  des  Daseins  and  iber  dl« 
haehaten  Problelne  des  Lebens^  bei  näherer  Betrachtung,  «awiseben 
allen  grossen  PUoaophen  aller  Zeiten  und  Völker  eine  wd 
giduere  Uebelelastfanmung  herrscht,  als  diejenigen  ahnen,  welcbe 
alattt  eine  falsche  Philosophie  durch  die  wahre  su  widerlegen,  is 
dein  seltsamen  Wahne  stehen,  sie  hätten  dann  die  wahrsy  wenn  «e 
gar  k««ne  iiaban''  (S.  84).  Und  wie  selbst  in  der  Methode  des  Pbl* 
liaeopbirena  der  Unterschied  awischen  allen  Philosophen  ersten  Baogci 
viel  geringer  sei,  ala  die  Nichtphiiosophen  Rauben,  wkd  weiter  dar- 
gaAaa.  Wir  sdiltessen  nnsem  Bericht,  indem  wir  die  schönen,  be- 
hemigiings#erthen  Worte,  mit  welchen  der  Verfasser  auch  seiaf 
Erörternhg  geschlössen  hat,  beifügen: 

Es  besteht  anf  Erden  ein  grosser  Zusammenhang  des  LebeoSf 
elM  Tradükm  dar  GeUtesbildang  unter  allen  culturfähigen  VÖlkent 
jade  apäMe  Generation  «herkommt  das  Erbe  ihrer  Varfahresii  m 
ea  aU  ein  ewiges  Fidaieommiss,  nicht  verschlechtert  sondern  verbef 
aert»  dar  teehMgenden  Generation  zu  fiberliefern.  Der  gröaste  Thel 
deteeH,  was  wir  heutige  Menschen  besitaeni  ist  ein  solahea  haitig«i 
Yermächtniaa  der  Vorwelt,  dessen  wir  uns  erfrenen,  und  weiden 


4a» 

irir  btfddbart  «oeh  mf  die  Naehwelt  bringen  foUen.  Diesei  grotMD 
Zonnmenhanget  der  menfchlichen  Bildimg  aof  Erden  nne  bewnnt 
M  seiA,  mit  Selbeibewuisttein  lagleich  und  mit  Weltbewnsstma 
uch  die  Pflieliten  so  erfülien,  welche  die  Tergengeoheit,  die  Zu* 
kaaft  ond  die  Gegenwart  nna  aoferlegen ;  uns  klar  lo  werden  über 
UM  leibet  und  unter  VerhftltniM  an  allen  tichtbaren  und  unsiclitb»» 
na  MIebten  des  Lebens:  dies  allein  ist  der  innere  Vonug,  welchen 
fe  mehr  Gebildeten  vor  den  weniger  Gebildeten  ▼orans  hab^ 
Der  mehr  Gebildete,  der  diesen  Pflichten  sich  entaiehti  und  statt 
▼OB  der  echten  Philosophie  vor  allem  Einfachheit  und  Lauterkeit 
ÜM  OemOthes,  Reinheit  und  reiigiöse  Strenge  des  Denkens  zu  1er- 
Mo,  sich  einer  frivolen  und  frechen  Sinnesart  hingibt,,  der  steht  der 
Valirheit  und  dem  Weltgeiste  viel  femer  als  ein  weniger  gebildeter 
«ber  sittlich  besserer  Mensch|  auch  wenn  der  ein  Tagelöhner  wBre. 


Plutarehi  De  Mtaiea  [Hbrum?]  edidU  Rieardua  Volekmann. 
IdpMtj  mmpHbuB  et  typis  B.  O.  Teubneri.  MDCCCLVl  XXJV 
und  171  8.  in  gr.  8. 

Die  Schrift  Plutarch's,  welche  hier  in  einer  neuen,  mit  der  h* 
trinischen  Uebersetmng  und  einem  umfassenden  Commentar  ausge* 
Mteten  Ausgabe  erscheint,  hat  sdion  aus  dem  Grande  für  uns 
eise  besondere  Wichtigkeit,  weil  sie  fast  das  Einaige  ist,  was  über 
£e  mosftalisdien  Bestrebungen  der  alten  Griechen  sich  erhalten  hat, 
vir  also  in  den  die  alte  Musik  der  Griechen,  ihre  ersten  Anfinge 
wie  ihre  weitere  Ausbildung  betreffenden  Fragen  auf  sie  lunlchst 
nrückgewiesen  sind.  In  diesem  geschichtliehen  Werthe  liegt  daher 
neh  für  uns  die  Hauptbedeutung  dieser  Schrift,  die,  wie  die  meisten 
tesitigen  Schriften  und  Abhandlungen  Plutarch's,  ^e  aus  ver* 
Bchiedenen  und  selbst  verschiedenartigen  Quellen  entnommene  Zusam- 
ONusteOung  liefert,  welche  hinwiederum  dadurdd  einen  um  so  grOsse- 
^  Werth  gewinnt,  als  diese  Quellen  verloren  gegangen  sind.  Zwar 
werden  diese  Quellen,  wie  dies  auch  In  den  ttidern  Sdiriften  Plutarch's, 
ramal  bei  den  Biographien  der  Fall  ist,  nicht  immer  angegeben:  im 
Gregentheil  in  dieeer  Schrift  erscheinen  derartige  Anfahrnngen  fast  kärg- 
^kbtTj  als  anderwärts,  da  sich  kaum  mehr  als  vier  bestimmte  An- 
Ssben  von  Schriftsteilem  vorfinden,  die  Plutarch  nicht  bloss  im 
Allgemeinen  benutzt,  sondern  vielmehr  in  den  einseinen  Theilen 
Beines  Werkes  fast  wörtlich  (wenn  wir  nSmlich  nach  andern  seiner 
Behfiftea  einen  Schluss  machen  dürfen)  ausgeschrieben  haben  mag; 
Hefuklidea  Ponticus,  Glancus  Italus,  Alexander  Poljiiistor  und  Ari* 
■tozenue  von  Tarent  sind  die  von  Plutarch  namentlich  aufgeführten 
Qoeüen,  denen  er  aber  auch  nach  seiner  Bitte  da  folgt,  wo  er  sie 
nkht  anadrücUich  nennt,  wie  es  denn  z.  B.  eine  gewiss  richtige 
Yinnmhnm  des  Herausgebers  ist  (S.  XII),  dass  aus  dem  luletst 


430  Vol«lnaai:    Ptoiwrdi.  t^ 

geiuuiDt«!  Schriftsteller  Alles  genommen  sei,  was  Ton  dem  15.  Qh 
pitel  an  ttber  die  Theorie  der  Musik   vorgebracht  wird.    Wie  den 
nan  auch  sei,  die  Masse  der  in  dieser  Piatarcheischen  Schrift  ent- 
haltenen Nachrichten  und  geschichtlichen  Notisen   über  die  Musik, 
erfordert  eine  nähere  Untersuchung,   Prüfung  und  Würdignag:  so- 
aal  da  so  Viel  mit  Sicherheit  angenommen  werden  kann,  dass  Plst- 
areh  Nichts  davon  ersonnen  oder  in  irgend  einer  böswilligen  Abdefal 
erdichtet,  sundem  aus  irgend  einer  Quelle  entnommen,  selbst  westf 
wir  denelben  nicht  alle  Glaubwürdigkeit  auerkennen    wollten:  « 
war  also  au  einer  näheren  Untersuchung  dieses  Gegenstandes  hio- 
reicfaender  Grund  für  einen  Bearbeiter  und   Erklärer  dieser  Schrift, 
welche,  wie  gesagt,  jetst  für  uns  selbst  die  Grundlage  unserer  For- 
schungen über  die  alte  Musik  der  Griechen  zum  Theile  bilden  muii. 
Der  Herausgeber  hat  daher  diesen  Punkt  bei  dem  Gommentar,  mit 
welchem  er  diese   Schrift  ausgestattet  hat,   insbesondere  ins  Auge 
gefasst,  und  hier  wohl  Nichts  übersehen,  was  zur  Aufklärung  der 
Schrift  und  zum  besseren  Verständniss  derselben  in  ihren  einzelnen 
Theilen  dienen  kann.    Er  legt  uns  zuerst  den  griechischen  Text  in 
einem  correcten   Abdruck   mit  der  darunter  stehenden   lateinischen 
Uebersetzung    vor;    handschriftliche   Hilfsmittel   standen    demselben 
nicht  zu  Gebote,  er  wollte  auch  nach  seiner  ausdrückUchen  Ver- 
sicherung (p.  XIV)  gar  keine  neue  Becension  des   Textes  Üefem; 
er  zog  es  daher  vor,  einen  Abdruck  des  Textes  nach  der  neuesten 
Pariser  Ausgabe  von  Dübner  zu  liefern,  benutzte  Jedoch   dabei  die 
von  einem  Freunde  mitgetheilte  Collation  der  Vaticaniscben  Hand- 
schrift GXGU,  welche  Franz  gemacht  hatte;  es  bat  dieselbe  aller- 
Aags  Einfluss  gehabt  auf  eine  Anzahl  von  Stellen,  welche  nach  die- 
ser  Handschrift   geändert   worden   sind   (s.  die  Zusammenstellung 
p.  XIV  seq.)-     Wo  anderweitige  Aenderungen  in  dem  mehrfach  sehr 
entstellt  auf  uns  gekommenen  Texte  stattfanden,   wird  man  in  den 
Gommentar  den  nöthigen  Aufschluss  so  wie  die  weitere  Begründung 
finden,  die  auch  da  nicht  fehlt,  wo  Einzelnes  dem   Verdachte  der 
Interpolation  unterliegt  und  desshalb  nicht  ausgeworfen ,  sondern  in 
eckige  Klammem  eingeschlossen  ward.    Uebrigens  ist  bei  Aufnahme 
solcher  Verbesserungen,  zumal  wenn  sie  auf  keine  handschriftliche 
Antorität  zurückgehen,  mit  grosser  Vorsicht  und  Behutsamkeit  ver- 
fahren worden.     Die  dem  Text  untergesetzte  lateinische  Uebersetzung 
Ist  die  von  Wyttenbach,  hier  und  dort,  wo  es  nöthlg  schien,  gein- 
dort  oder  berichtigt;  ein  früherer  Plan,  auch  die  französische  Ueber- 
setzung von  Amyot  beizugeben,  ward  später  aufgegeben,  wir  gbui- 
ben,  nicht  ohne  Grund,  da  für   Gelehrte,   für  welche  doch  zunächst 
diese  Ausgabe  bestimmt  ist,  dieselbe  nicht  den  Werth  besitsty  den 
man  in  andern  Beziehungen  dieser  Uebersetzung  gern  beilegen  wird. 
Das  Hauptaugenmerk  des  Herausgebers  war,  wie  bemerkt,  auf  die 
Erklärung  der  Schrift,  und  zwar  in  sachlicher  Beziehung  geriditet, 
ohne  dass  jedoch  darüber  die  eigentlich  sprachliche  Erklämng  und 
to  (Udurcb  l)ediBgtQ  riohtiye  Vmttadnw  iv  Spbjrift  y^rMamt  Yl9t\ 


m 

im  wir«.  In  Betog  auf  diese  Mchllche  ErkllniDf^  elod  «He  HllUb- 
BÜtely  wdcbe  die  gelehrte  Forsehuni^  bietet,  beiifitst,  nanient* 
Keh  aneh  Alles  dai,  was  der  gelehrte  Barette  in  deo  Abbaiid- 
hmfeo  der  Pariser  Akademie  bereits  in  der  ersten  Hälfte  des  yori- 
pnk  Jahrhunderts  tur  ErkllroniT  dieser  Sehrift  beigestevert  hatte; 
disB  freitteh  sdt  dieser  Zelt,  namentlich  In  der  jiingsten  Periode  ond 
issbesoadere  für  Alles  das,  was  die  literlr-hlstorisdie  Seite  des  Oan* 
na  betviliity  noch  manches  Andere  geleistet  worden  ist,  weiss  Jeder, 
te  aof  diesem  Gebiete  sich  nur  einigermassen  umgesehen  hat;  Alles 
dieses  hat  der  Herausgeber  an  Rathe  gesogen  bei  der  Abfassung 
des  Gommmtar's,  und  Einiges  von  ihm  frtther  Debersehene  noch 
■schtrigiidi  am  Schlnss  der  Praefatio  S.  XVII  ff.  mitgetheilt:  man 
wird  aber  die  literirisch-hlstorische  Seite  dieses  Commentar's  als 
iejenigo  an  betrachten  haben,  die  mit  besonderer  Aufmerksamkeit 
Md  fai  befriedigender  Weise  behandelt  worden  ist  Besondere  Be» 
Iige  dieser  Behauptung  ansufOhren,  dfirfte  um  so  weniger  nothwen- 
di^  erschefaien,  als  Jeder,  der  das  Buch  nachschlägt  und  gebranchti 
Ml  leicht  davon  flbersengen  kenn,  und  schwerlich  hier  Etwas  be* 
londeres  au  ergänsen  oder  nachzutragen  sein  wird.  Auch  das  Spraeii* 
liehe  und  selbst  Grammatische  ward  berücksichtigt,  wie  diess,  um 
daen  Beleg  ansnfabren,  die  cap.  IL  über  die  Weglassung  der  Be- 
dsplication  des  Augments  bei  dem  Plusquamperfect  gemachte  Be- 
nerkung  seigen  kann,  wiewohl  diese  Weglassung  bei  Plutarch  nicht 
etwa  Torsugsweise  das  Plusquamperfect  des  PasslTum's  betrifft,  wie 
der  Verf.  annehmen  su  wollen  scheint,  sondern  auch  eben  so  sehr 
des  Acut,  was  a.  B.  Stellen,  wie  Flamin.  21.  Pyrrh.  18.  PericI.  7. 
hinreichend  erweisen  können,  so  dass  also  auch  bierin  Plutarch  dem 
Beispiel  der  älteren  Schriftsteller,  wie  Herodotus,  Thucydides, 
Xenophon,  um  nur  diese  su  nennen,  sich  anschliesst.  Eine  gute 
Zossrnmenstellnng  der  Peripatetiker,  welche  über  Musik  geschrieben, 
ist  SU  cap.  3.  gegeben;  Erörterungen  ähnlicher  Art  werden  über 
die  nnaeinen  Musiker  und  Dichter  der  älteren  Zeit,  welche  bei  Plu* 
tsreh  erwähnt  werden,  so  wie  über  alle  die  In  der  Musik  der  Alten 
verkommenden  Ausdrücke,  die  eine  bestimmte  Bedeutung  in  An« 
Spruch  nehmen,  gegeben,  und  daran  weitere  Bemerkungen  geknüpft, 
wie  denn,  um  auch  einen  Beleg  der  Art  aniuführen,  der  Verfasser 
8.  83  lu  der  Ansicht  von  swei  in  der  ältesten  Zelt  hervortretenden 
Schulen  der  Musik,  aus  denen  die  vollendete  Musik  der  Griechen 
''^vorgegangen,  gelangt;  die  eine  derselben  erscheint  ihm  als  die 
Thracischef  an  die  Namen  eines  Orpheus  und  Amphlon  geknüpft, 
ehie  Citharödenschule ;  die  andere  eine  Phrygische,  an  des  Olympus 
Mimen  geknüpft,  und  swar  eine  auletische:  aus  der  Vereinigung 
beider  und  deren  Erweiterung  sei  die  Lesbische  Schule  des  Terpan« 
der  hervorgegangen,  von  dieser  die  ganse  Entwicklung  der  dorischen 
ÜBsik  im  Peloponnes  absuleiten.  Bei  dem  innigen  Zusammen- 
haag, in  welchem  Musik  und  Poesie  bei  den  alten  Griechen  stehen, 


«SB  VolekiuMft :    PlMifeL  D% 

ergeben  sich  daraas  für  die  let£tere  allerdings  FolgeroAgen,  die  flr 
die  geschichtliche  Entwicklung  derselben  nicht  genog  beabbtet  wqp^ 
den  können.  Wenn  aber  in  emer  Bemerkung  an  cap.  XIV.  p.  99, 
wo  Yon  den  Hyperboreern  die  Rede  ist,  diese  nach  dem  Vorgang 
von  Niebahr  für  Pelasger  gelten  sollen,  und  die  Herodoteiache  An- 
gabe von  den  Spenden  derselben  nach  Dolos  auf  die  älteste  Ver- 
bindung Pelasgischer  und  Griechischer  Rdigionen  sich  besiehen  aoll, 
so  wird  damit  wohl  kaum  ein  nSberes  Licht  über  diesen  allerdings  don- 
kein  Gegenstand,  der  aber  mit  den  Pelasgern  schwerlich  lusammen- 
hjiogt»  gebracht  sein.  Wir  übergehen  Anderes,  was  bei  einem  so 
Umfangreichen  Stoffe  Veranlassung  su  irgend  einer  Bemerkung  oder 
Urörtemng  geben  könnte:  das  Gesagte  mag  hinreichen,  den  Lesern 
einen  Begriff  voo  dem  zu  geben,  was  in  dieser  Ausgabe  wirkHeii 
gellBistet  worden  ist  In  dieser  Besiehung  haben  wir  noch  weKer 
01  gedenken  der  dem  Gommentar  beigegebenen  Abhandlung:  ^De 
organIs  sive  instrumentis  reterum  musids  Epimetrum*^  eine  gute 
Ztsammenstellung  aller  der  einseinen  Instrumente,  welche  in  der 
Musik  der  Griechen  vorkommen,  der  Schlag-,  der  Saiten-  und  der 
Btas-Instmmente.  Die  einaelnen  in  diese  drei  Abtheilongen  fallen* 
den  Instromente  werden  aufgeführt,  ond  nSher  beschrieben  unter 
Betugnahme  auf  die  betreffenden  Stellen  der  Alten ;  dabei  auch  die 
Ausdrücke  selbst,  welche  von  diesen  Instramenten  vorkommen,  erlln- 
tert.  Bei  der  mit  dem  Namen  ^potvtl^  beaeichneten  Art  der  Ljra 
(S  10)  war  auch  die  hier  übersehene  Stelle  des  Herodotus  IV,  199 
attsnführen. 

Was  endlich  die  von  Manchen  besweifelte  Autorschaft  des  Ha- 
tarchus  betrifft,  so  hat  der  Verfasser  auch  diese  Frage  in  der  Prae« 
fatio*p.  IX  seqq.  berücksichtigt.  Er  kann  aber  diese  Zweifei  niclit 
theilen;  Und  wir  glauben  mit  Recht.  Abgesehen  selbst  von  dem 
Inhalt  der  Sefarift^  welcher  für  einen  Plutarch  nicht  ungeeignet  und 
anpassend  erscheint,  ist  die  ganse  Ausführung  der  Art,  dass  sie  kei- 
nen näheren  und  bestimmten  Grund  des  Zweifels  Demjenigen  bieten 
wird,  der  fiberhaupt  mit  Plutarch's  Schriften,  seiner  Darstellunga- 
und  Redeweise  sich  näher  bekannt  gemacht  hat;  es  ist  durchaus 
kein  solcher  Abstand  von  den  übrigen  derartigen  Ausführungen  Plo* 
tarch's  wahzunehmen,  welcher  uns  nöthigen  könnte,  an  irgend  einen 
andern  Verfasser  za  denken  als  den,  welchen  die  urkundliche  üeber- 
lieferung  angibt;  dass  die  Schrift  aber  von  Plutarch  in  jüngeren 
Jahren  abgefasst  worden,  hat  der  Verfasser  wahrscheinlich  gemacht 
Die  nöthigen  Indices  aum  bequemen  Gebrauch  des  Ganzen  fdileo 
nicht:  die  äussere  Ausstattung  ist  in  jeder  Hbsicht  vorzüglich  zu 
nennen. 

Das 

Erklk 
ohne  «. 
daa  dadL 


I  Demo$ihene$  und  nine  Zeit.  Von  Arnold  Sehäfer  ph. 
Dr^  Frofe$$or  an  d.  k,  säehs,  LandesBchule  »u  Orimma,  Leip- 
»ig^  Druck  und  Vorlag  von  B.  O.  Teubner.  1856  in  gr,  8. 
Ertier  Band.   XVI  und  478  8.    ZweUer  Band.    X  und  684  8. 

1  /^flfao64^ipovg  at  /JfififffOifüu.  DemoBtheni»  Oontiones  guae 
eireumferuniur  cum  Liöanii  vUa  Dem.  et  ArgumenHi  Oraeee 
et  LaUne.  ReeensuU  cum  appctratu  erüico  eopioeissimo,  Pro- 
legomenis  grammatieU  et  nütitia  eodieum  ed^dU  Dr.  J,  Th. 
VoemeliuB.  Hali»  Baxoman,  in  Ubraria  Orphanotrophei 
MDCCCLVL     XXVJII  und  908  8.  in  gr.  8. 

Wir  eteilen  beide  Werke  sasamiiieB,  weil  sie  aof  einen  und 
denselben  grossen  Redner  der  helienisehen  Welt  sich  beiiefaeni  des- 
sen Stndfnm  allerdings  aaf  eine  Weise  nnn  gefördert  worden  Ist, 
welebe  die  gerechteste  Anerkennung  erheischt.  Beide  Werke  sind 
die  Fmeht  rieljfthrlger ,  umfassender  und  gründMeher  Stadien,  die 
lieh  scbon  vor  dem  Erscheinen  dieser  Werke  in  der  Behandivng 
afaisefaier  Tbeile  und  Gegenstände  des  grossen  Gänsen  fruchtbar 
erwiesen:  das  eine  dersriben  mag  selbst  als  der  Bcblussstein  Tiel- 
fscher  dem  Texte  der  noch  erhaltenen  Reden  sugewendeten  Be* 
aabnagen  gelten,  die  hier  sn  einem  gewissen  Abschloss  gebradit 
efscheinen.  Darauf  hinsuweisen  ist  der  Zweck  dieser  Anselge,  weldie 
ät  Freunde  der  alten  Literatur  auf  diese  gediegenen  Leistungen 
aafmerksam  machen  seli,  durch  welche  Demosthenes  uns  so  nahe 
gerttckt,  sein  Stadium  dem  Freunde  des  Alterthums  wesenttlch  er- 
leicbtert  ist,  weit  er  nnn  sichere  Föhrer  findet  in  Allem  dem,  was 
die  tossere  Form  der  Uel>erlieferung,  den  Text  des  Redners,  wie  In 
dem,  was  den  Inhalt  sehier  Reden,  «nd  die  politischen  BezieiMHigen 
derselben,  das  Verhältniss  su  der  Zeit,  in  welche  sie  fallen^  u.  s.  w. 
betrifft  Darum  wird  auch  Niemand,  welcher  die  Reden  des  Demoa- 
Aenes  lesen  und  Terstehen,  damit  aber  auch  die  ganse  denkwürcHge 
Perlode,  fai  welche  diese  Reden  fallen,  nSher  kennen  lernen  und 
richtig  würdigen  will,  des  Studiums  dieser  ihm  unentliehrllchen  Werke 
sieh  entacblagen  können. 

Das  an  erster  Stelle  oben  aufgeführte  Werk,  ausgeseiöhnet  auch 
▼on  Seiten  der  gansen  typograpbischen  Ausführung  in  Draek  und 
Papier,  soll  ein  umfassendes  und  voUstlndiges  Bild  des  Lebens  und 
Wirkens  des  Demoetfaenes  rorMiren:  es  soll  ein  Bild  der  geistigen 
wie  der  ^Utischen  Tbtttigkelt  eines  Mannes  geben,  der  in  die  Ge- 
schicke der  Mlenischen  Welt  leitend  und  bestimmend  eingegftfen, 
Bttd  die  letite  Periode  der  hellenlscben  Selbstüodlgkeit  in  seiner 
Person  darstellt,  und  es  soH  damit  auA  eine  richtige  Blnsicfat  In 
alle  die  durch  ihn  mit  bestimmten  Ereignisse,  e«ne  richtige  WOrdl- 
Smg  seiner  Leistongen,  sowohl  im  Gebiete  der  Politik,  wie  des 
GeiMs  und  der  Literatur  eralek  werden. 

Diese  In  der  That  iricbt  geringe,  lieloMfar  mk  grossen  Sehwie- 


440  Sehifer:    DemoftheaM. 

rigkeften  in  der  Ausführang  verknflpfte  Aufgabe  bat  der  Terianei 
in  einer  wobl  befriedigenden  Weise  in  den  beiden  vorliegenden  Bin- 
den SU  lösen  unternommen;  er  selbst  ging  freilieb  aucb  lücht  nn- 
vorbereitet  an  ein  solches  Unternehmen;  er  ward  vielmehr  durch 
die  früher  diesem  Kreise  der  alten  Literatur  überhaupt  zugewende- 
ten Forschungen  au  dieser  besonderen  Arbeit  geführt,  bei  welcher 
auch  Alles  das  berücksichtigt  ward,  was  von  Andern  auf  diesem 
Gebiete  geleistet  worden  |  das  allerdings  manche  schätabare  Vora^ 
beiten  im  Einseinen  aufzuweisen  hat,  aber  darum  doch  gar  Vieles 
an  seinem  völligen  Ausbau  erfordert  Der  Verfasser,  indem  er  dsi 
von  Andern  Geleistete  nicht  unberücksichtigt  Hess,  hat  aber  Tor 
Allem  den  Quellen  selbst  sich  zuwenden  zu  müssen  geglaubt,  ans 
den  Schriften  des  Demosthenes  und  der  ganzen  auf  uns  gekomme- 
nen hellenischen  Literatur  hat  er  den  Inhalt  seines  Werkes  absa- 
leiten  und  darauf  zu  stützen  versucht:  und  da  diese  Quellen  übersU 
in  den  betreffenden  Noten  unter  dem  Text  angeführt  werden,  so  ist 
Jeder  In  Stand  gesetzt  zu  prüfen,  da,  wo  in  ihm  ein  Zweifel  über 
die  Behauptungen  des  Verfassers  auftauchen  sollte.  Und  dass  bei 
Aufführung  dieser  Quellen  nicht  leicht  Etwas  übersehen,  oder  un- 
berücksichtigt geblieben,  wird  wohl  kaum  noch  einer  besbndem  Er- 
wähnung bedürfen:  dabei  Ist  die  Darstellung  klar  und  bestimmt,  sie 
lässt  die  gewonnenen  Resultate  bequem  überschauen. 

Jeder  der  beiden  BSnde  enthält  zwei  Bücher  des  Ganzen;  der 
erste  Band,  etwas  später,  und  erst  nach  dem  Erscheinen  des  zwei- 
ten ausgegeben,  befasst  in  den  beiden  ersten  Büchern  die  Vorgän- 
ger des  Demosthenes  in  seiner  rednerischen  und  poUtisehen  Lauf- 
bahn, und  dann  die  Jugend  des  Demosthenes  und  seine  politischeo 
Anfänge.  Eine  Einleitung,  welche  das  erste  Capitel  des  ersten  Buches 
bildet,  entwirft  ein  Bild  der  politischen  Lage  Athens  und  ssiner 
ganzen  Stellung  eben  zu  der  Zeit,  in  welche  das  erste  Auftreten 
des  Demosthenes  fällt:  sie  führt  damit  in  die  weitere  Darstellonc; 
ein,  welche  in  den  vier  folgenden  Abschnitten  die  nächsten  Vor- 
gänger des  Demosthenes  und  die  mit  ihrer  politischen  Wirksamkeit 
zusammenhängenden  Ereignisse  Athens  schildert;  Eallistratos ,  Ari- 
stophon,  Eubulos  und  Aeschines  werden  uns  vorgeführt,  ihre  ganie 
politische  Thätigkeit  in  der  Entwicklung  der  attischen  Verhältnisse 
dargestellt:  was  der  Verfasser  früher  über  diese  Gegenstände  in 
Schneidewin's  Philologus  veröffentlicht  hat,  erscheint  hier  in  einer 
gänzlich  umgearbeiteten,  dabei  mehrfach  erweiterten  Fassung.  Dss 
zweite  Buch  enthält  im  ersten  Capitel  die  Herkunft  des  Demosthe* 
nes,  seine  Erziehung,  seine  Vermögensverhältnisse  wie  die  Familien- 
verhältnisse überhaupt,  wobei  auch  die  Vormundschaft  und  die  da- 
durch herbeigeftihrten  Processe  näher  besprochen  werden;  das  fol- 
gende Capitel  befasst  sich  mit  der  rednerischen  Ausbildung  des  De- 
mosthenes, seinen  Studien,  seinen  Uebnngen,  seinem  Verbältniss  so 
älteren  Vorbildern,  namentlich  zu  Thucydides,  Plato  und  Isokrates; 


441 

W60D  DemotdieBeB  keineswegs  der  Schaler  der  beiden  letztem  ge- 
wesen ist  oder  rieimehr  gewesen  sein  luinn,  so  haben  doch  beide 
auf  die  ganie  innere  Entwickiang  des  grossen  Redners  in  dessen 
Jagend  einen  grossen  Einfloss  ausgeübt  (vgl.  S.  284  AT.).  Die  niehsten 
Alwchnitte  fahren  in  die  sachwaiterische  ThIÜgkeit  des  Demosthe* 
lies  ein,  naehdem  er  als  Rechtsanwalt  einmal  aofgetreten  war;  es 
werden  die  versdiiedenen  in  diese  Sphäre  fallenden  Reden,  insbe- 
•ondere  im  vierten  Gapitel  die  gegen  Leptines,  im  fanften  die  ge- 
gen Aristokraies ,  niher  besprochen  ond  der  Charakter  dieser  ge- 
richtlichen Reden  entwickelt  (vgl.  S.  312 ff.);  das  Ganae  schliesst 
mit  einem  schdneo  ROckblick  aof  diese  gesammte  Thitigkeit  des 
Demostbenes  (S.  405  ff.).  Es  wird  hervorgehoben,  wie  in  allen  den 
hierher  gehörigen  Reden  eine  volle  Herrschaft  aber  den  Gegenstand 
und  eine  erschöpfende  Behandlung  desselben  sich  kund  gibt,  wie  der 
Sachwalter  mit  scharfen  Waffen  dem  Gegner  su  Leibe  geht  ond 
jede  SchotBwehr  desselben  niederschlägt;  es  wird  auf  die  umfassende 
Gesetaesknnde  hingewiesen,  auf  die  Geschicklichkeit  und  Gewand- 
heit  in  Auslegung  der  Gesetae  und  ihrer  Benutsong  far  die  vorlie- 
gende Frage;  auf  das  Bestreben,  überall  in  die  Sadie  selbst  einin- 
diingen  and  so  die  gewünschte  Entscheidung  herbeisuführen.  y»So  fesselt 
OBS  sagt  der  Verf.  S.  406,  Demosthenes  durch  übersichtliche  Gliederung, 
Ichlagende  Beweisführung,  durch  tief  eindringende  und  umfassende  Ent- 
wickelang, endlich  durch  die  lebendige  Frische  ond  den  Rhythmus 
aäner  Rede.  Zu  allen  diesen  Eigenschaften  aber,  welche  Vonüge  des 
Anwalts  and  des  Redners  bilden,  kommen  endlich  solche,  welche 
dem  Charakter  des  Staatsmannes  angehören  und  diesen  Reden  erst 
efaien  unvergänglichen  Ehrenschmuck  verleihen.  Es  gilt  in  ihnen 
allen  mit  dem  positiven  Rechte  sugleich  nach  Pflicht  und  Gewissen 
die  Wohlfahrt  des  Staates  gegenüber  den  Machthabem  des  Tages  so 
wahren  ond  die  athenische  Bürgerschaft  heraossureiasen  aus  der  Willkür 
und  Leichtfertigkeit,  mit  der  sie  die  Finansen  des  Staates  verwahr- 
losen Hess  und  um  einer  kläglichen  Aushilfe  willen  bereit  war  Tren 
und  Glaoben  au  brechen  oder  leichtverblendet  in  Betreff  der  aus- 
wärtigen Verhältnisse  Beschlüsse  der  bedenklichsten  Tragweite  ge- 
nehmigte. So  handelt  es  sich  um  einen  Kampf  für  die  höhere 
Staatsmoral  wider  die  Günstlinge  des  Tages.  Nie  hat  Demosthenes 
aeine  Stimme  dasn  geboten  im  Dienste  der  Leidenschaft  das  Recht 
so  beugen,  nie  des  Beifalls  der  Menge  halber  Processe  angestellt 
and  den  Ankläger  gemacht  Das  hat  selbst  der  missgflnstige  Theo- 
pomp unverholen   anerkannt^ 

Das  folgende,  sechste  Capitel  führt  uns  in  die  Anfänge  der 
aUatsmännischen  Wirksamkeit  ein,  wobei  zunächst  die  Rede  von 
den  Symmorien  näher  besprochen  wird;  das  siebente  Capitel 
aetst  diesen  Abschnitt  fort  und  schliesst  gleichfalls  mit  einem 
Rückblick,  welcher  über  die  politischen  Ansichten  nnd  Grnnd- 
lätse  des  Demosthenes  sich  verbreitet,  S.  472 ff.  Bei  so  man- 
dien,  auch  in  der  neuesten  Zeit  laut  gewordenen  oder  viehnehr 


44S  SdUferi 

kek  hingeworfeDen  und  bei  näherer  Retraehtong  durelunie  gnindie» 
ecn  Urth^a  über  den  grossen  Redner  empfehlen  wir  diesen  Büdt* 
Uiek  insbesoBdere:  er  iet  darchans  mMg  nnd  besonnen,  ohne  alls 
Uebertreibang,  dagegen  in  allen  seinen  Theilen  durch  die  Qaellsa 
belogt;  er  leigt  die  edlen  Absichten  und  das  edle  Streben  eines  Pa- 
trioten,  der  mit  seiner  Zeit  nnd  deren  Vomrdieilen  nnd  Leidsa- 
Schäften  in  einem  steten  nnd  rücksichtslosen  Kample  steht,  und  selbsl 
durch  die  vergeblichen  Erfolge  seiner  Bemflhnngen  sieh  nicht  vea 
dem  abbringen  ifisst,  wodurch  er  allein  den  Freistaat  und 
Selbständigkeit  erhalten  und  gegen  äussere  wie  innere  Feinde  i 
lu  können  f^aubt  In  dem  ganzen  zweiten  Bande  wird  diese  Dar^ 
stdlung  bis  zur  Schlacht  von  Ghäronea  weiter  foitgeführt;  die  Ver« 
bältnisse  Athens  zu  Macedonien  und  dessen  König  Philifip,  wooa 
die  ganze  politisdie  nnd  rednerische  Thätigkeit  des  Domesthensi 
sich  anschliesst,  bilden  den  Inhalt  und  geben  uns  in  der  sorgfältigen 
Erärtomng  dieser  Gegenstände  ein  Bild  des  ganzen,  lOr  die  Ea^ 
wicktmig  der  macedonischen  Macht  wie  für  die  Geltung  der  hefls* 
nischen  Verhältnisse  so  wichtigen  Zeit.  Das  dritte  Buch  führt  As 
Ereignisse  bis  zu  dem  Frieden  des  Philokrates;  die  Anlange  dsr 
maeedenischen  Macht,  die  unmittelbaren  Vorgänger  des  König's  Phi- 
lipp und  dessen  Thronbesteigung,  dessen  Einmischung  in  die  helle- 
nischen  Verhältnisse,  wie  sie  die  Aufmerksamkeit  des  Demosthenas 
erregten  und  zu  der  ersten  Pbilippischen  Rede  nähere  Veranlassung 
gaben,  das  Alles,  und  was  daran  im  Einzelnen  weiter  sich  anknüpft, 
wird  in  den  beiden  ersten  Abschnitten  dargestellt,  dann  folgt  dsr 
onböisdie  Krieg  und  hier  auch  der  Streit  des  Demosthenes  mit  Msi- 
dias im  dritten  Abschnitt,  dann  im  vierten  der  olynthisohe  Krieg, 
wobei  die  oljnthischen  Reden  näher  besprodien  und  nach  üiresi 
Inhak,  wie  nach  Ihren  politischen  Beziehungen  gewürdigt  weiden  $ 
die  Bemühungen,  den  Frieden  zu  gewinnen,  und  die  darüber  gepie- 
genen  Veriiandlungen,  die  darüber  entstandenen  Streitigkeiten  «.8.W. 
bis  cu  dem  AbecUuss  des  Friedens  nach  dem  von  Fhilokrates  ver- 
gelegten Entwurf  am  16.  April  des  Jahres  846  vor  Chr.  O. 

Das  vierte  Buch  (8.  221  ff.)  hat  den  siebenjährigen  Friedsa 
und  den  zweiten  Krieg  der  Athener  mit  dem  Küoig  Philipp  an  sei" 
nem  Gegenstände.  Es  mag  daraus  auch  die  Wichtigkeit  dieses  Thsh 
los  bemessen  und  der  grössere  Umfang  dieses  die  Geschichte  bis 
au  dem  oben  bemerkten  Zeitpunkt  der  Sohlacht  von  Chäronea  dnrdi- 
fülirenden  Abschnittes  gewürdigt  werden,  zuomü  da  in  dieser  Periode 
die  politische  Thätigkeit  des  Demosthenes  sich  in  einer  Wöse  ent- 
faltet, die  freilich  ohne  eine  nähere  Darstellung  der  Ereignisse  selbst 
und  swar  im  Einaehiett,  nicht  vollständig  erkannt  werden  kann.  la 
dieses  Einzelne  hier  näher  einzugehen.  Hegt  nicht  in  der  Pestin- 
amng  dieser  Anzeige,  die  bloss  im  Allgemeinen  anf  das  in  dieseai 
Werloe  geleistete  aufmerksam  machen  nnd  damit  auf  das  Studium 
desselben  hinweisen  soll,  eben  darum  auch  Maaehes  übergeht,  wsi 


Mifer: 

! 

die  Bahandliiiig  eiiiEeliier  Punkte  betrifft.  DaUn  gebort  t.  B. 
aneb  die  ediöne  Vergleicbung,  wekhe  S.  287  iwischeD  Perikles 
mi  Demoetbeoei  angestellt  wird,  mid  wabrbaftig  Biebt  aom 
Naehtbeil  des  letstarn  aualiUlt.  So  wird  diese  Sebrift  aneb  dorcb 
die  omfasseDde  Bebaadlang  der  äussern ,  mit  dem  Leben  and 
dar  redneriscfaen  wie  politiscben  ThKtigkeit  ausammenbäogendeo 
Ereignisse,  ein  recbt  ntitslicbes  Hüllsmittri  bieten  sn  einem 
nXberen,  den  Reden  des  Demostbenes  selbst  and  ibrem  allsei- 
tigen Verstindniss  gewidmeten  Stadium.  Za  eine»  solcben  Stn^ 
dinai  aber  ist  aucb  weiter  erforderlicb  ein  gereinigter,  feblerfreier 
Text;  and  dies  mag  uns  lur  Besprecbang  des  andern  oben 
aogeaeigtea  Werkes  fObren,  welches  Torsugsweise  diesen  Zwecke 
bestimmt  ist,  und,  wie  der  Titel  besagt,  vor  Allem  den  Text  der 
Staaisreden  des  Demostbenes  In  mögliebster  Reinheit  vorlegen  seU, 
aber  damit  aneb  eine  lateinische  Debersetsong ,  so  wie  eine  nmbiH 
ssnde  Torlage  des  kritisoben  Apparates,  an  den  noch  manehe  an- 
I  dere  Bemerkongen  kritischer,  granunatlseber  und  spracblkher  Art, 
mm  besseren  Verst&ndniss  dos  Einaelnen  sieh  knüpfen,  yerbindet, 
nnd  dorcb  eben  so  nmfassende  Prolegomenen ,  welche  aneb  für 
dfe  kritische  imd  grammatische  Behandlung  anderer  Schriftsteller 
Vides  enthalten,  das  Oanae  in  angemessener  Weise  einlotet 

Der  Herausgeber  ist  su  diesem  UnternehmeD  wahrhafüg  nicht 
als  Neuling  geschritten:  fast  sein  ganaes  Leben  war  dem  Btodiom 
des  SchriAstellers  gewidmet,  dessen  Text  er  hier  vorlegt:  da- 
von gibt  Zeugniss  eben  so  sehr  die  Bearbeitung  einielner  Beden, 
wie  sie  mit  umfangreichen  Sache  nnd  Sprache  gleichmXssig  behan* 
delnden  Goasmentaren  ausgestattet,  schon  vor  fast  dreissig  Jahren 
endilenen  sind,  als  die  Herausgabe  des  ganaen  Demostbenes  in  der 
Pariser  Ausgabe  1843  und  1S45,  von  der  anob  in  diesen  BUttern 
die  Rede  gewesen  ist  (s.  Jahrgg.  1844.  S.  393  ff.,  1846.  S.  940 ff.); 
dMron  geben  aber  auch  Zeugniss  so  viele  einaehae  gelehrte  Unter* 
scchnagen,  dse  meist  in  Programmen  niedergelegt,  welche  die  amt* 
liebe  Stellung  des  Verfassers  hervorrief,  meist  auf  Demostbenes  sich 
besieben  und  mit  diesem  Schriftsteller  in  näherer  oder  entfernterer 
Beniehong  stehen.  So  iritt  uns  hier  die  gereiflte  Frucht  eines  Men- 
schenlebens entgegen;  in  Ihr  erscheint  allerdings  auch  die  Textes* 
kiüik  zu  einem  gewissen  Abschluss  gebracht,  wie  diess  bei  nur  we- 
nigen Scfarlftetellem  dtf  Fall  sein  dürfte,  wenn  anders  noch  der 
urkundlichen  Ueberliefernng  der  Werth  belassen  werden  seü,  den 
eine  verstftndlge  £ritik  ihr  wohl  lassen  wird,  da  sie  in  ihr  ihre  ein« 
aige  sficfaere  Grundlage  findet,  die  sie  ohne  Gefahr  nicht  verlassen 
kiuin.  Dass  damit  aber  fQr  den  Text  eines  Scbrlfistellers  nichts 
Serfnges  eruelt  ist,  wird  Niemand  in  Abrede  stellen  wollen.  Wir 
hAen  aber  eben  darum  noch  nSher  ansngeben,  aaf  weldbem  Wege 
und  dorcb  welche  Mittel  dieses  Ziel  au  erreicben  dem  Herausgeber 
geln^^  Ist 


444  DamoftheDli  ConHonei  ed.  Vdnel. 

Seit  dem  ErBcheioen  der  Pariser  Auegabe  dee  Demosthene« 
(1843 — 1845)  war  der  Herausgeber  unablässig  bemüht,  nicht  bloss 
sein  kritisches  Material  zu  vervollständigen,  sondern  aneh  dareh 
eigene  Einsicht  der  Pariser,  für  Demosthenes  so  berühmt  geworde- 
nen Handschrift  (27),  so  wie  der  ihr  zunächst  stehenden  Brüsseler 
Handschrift  (A) ,  und  durch  die  sorgfäitigste  Vergleicbong  beider 
sich  ein  durchaus  sicheres  Fundament  für  die  kritische  Behandlung 
des  Textes  zu  verschaffen.  Reisen,  nach  Paris  und  Brüssel  unter- 
nommen, wo  es  dem  Herausgeber  gelang,  die  seit  ihrer  Rückkehr 
von  Paris  verschollene  und  für  verioren  gehaltene  Handschrift  (ßi) 
wieder  aufzufinden  und  sich  später  durch  eigene  Einsicht  and  sorg> 
lllltige  Yergleichung  von  dem  Verhältniss  dieser  Handschrift  zu  der 
Pariser  zu  überzeugen,  führten  zur  Erreichung  dieses  Zweckes.  Von 
der  Pariser  Handschrift  ward  die  sorgfältigste,  auch  nicht  die  ge- 
ringsten und  scheinbar  unbedeutendsten  Punkte  übersehende  Golla* 
tion  gewonnen,  womit  denn  natüriich  eine  Reihe  von  Fragen,  welche 
mit  der  Benutzung  dieser  Handschrift  nnd  der  Bestimmung  ihres 
Einflusses  auf  den  Text  zusammenhängen,  Erledigung  fand.  Dss 
Schwanken,  welches  noch  in  Bekker's  neuester  Ausgabe  (bei  Tauch- 
nitz)  in  der  Einführung  mancher  Lesarten  dieser  Handschrift  be- 
merkbar ist,  wird  jetzt  aufhören,  und  wird  man  dem  Grondsatze 
des  Herausgebers  volle  Billigung  zuerkennen  müssen,  wenn  er  als 
Resultat  der  eigenen  nun  gewonnenen  Einsicht  sich  dahin  aasspricht: 
j, —  ita  pensitabam,  ut  £  codicis  anctoritatem  summam  gravissi- 
roamque  sequerer,  nisi  ubi  ratio  vetaret  vel  suspicionis  causa  mani- 
festa  esset.  ^  Und  darin  liegt  auch  mit  ein  Hauptunterscfaied  des 
Textes  dieser  Ausgabe  von  den  noch  kurz  zuvor  erschienenen  Aus- 
gaben des  Demosthenes,  die  zwar  auch  die  Autorität  jener  Hand- 
schrift anerkennen,  aber  in  der  Durchführung  nicht  die  Consequens 
erkennen  lassen,  die  eigentlich  nur  als  eine  nothwendige  Folge  je- 
ner Anerkennung  sich  heraus  stellt.  Jedenfalls  ist  damit  für  die 
Kritik  des  Demosthenes  Viel  gewonnen,  ein  sicherer  Grund  festge- 
stellt, und,  wie  schon  oben  bemerkt  worden,  ein  Abschluss  in  der 
kritischen  Behandlung  erzielt  worden.  Der  hier  gegebene  Text  der 
Staatsreden  des  Demosthenes  wird  die  Grundlage  eines  jeden  wei- 
teren Textesabdruckes  bilden  müssen.  Wenn  nun  damit  freilich  noefa 
nicht  alle  Kritik  des  Textes  erledigt  ist,  wenn  noch  eine  Menge 
von  kritischen,  grammatischen  und  sprachlichen  Punkten  übrig  blei- 
ben, über  die  man  sich  auf  der  durch  die  Pariser  Handschrift  ge- 
gebenen Basis  zu  verständigen  hat,  so  hat  der  Herausgeber  auch 
zur  Erledigung  dieses  Gegenstandes  sein  Möglichstes  gethan  und  dabri 
den  Weg  eingeschlagen,  der  zu  siebern  und  festen  Ergebnissen  füh- 
ren kann.  Er  hat  nämlich  dem  Ganzen  „Prolegomena  grammatiea' 
vorausgeschickt  und  auf  circa  hundert  sechzig  Seiten  alle  die  ein- 
zelnen grammatischen  Punkte,  mit  Anführung  der  betreffenden  Stei- 
len, behandelt,   welche  insbesondere  bei  Demosthenes  In  Betracht 


•4.  Y«mL  449 

luid  für  die  fomaUe  Behandloog  d«MeU>6o  ron  f rtoerer 
oder  geffipfeter  Wichtifkeil  sind,  eben  daniany  mögen  lie  ooo  aJe 
Bgenthflmlichfceitep  der  DenosUieiiischeD  Rede  eogeeeheo  werden 
oder  nicht,  jedenfmlis  eine  FestiteUnog  erfordern,  die  logieieh  Ittr 
4ie  Kritik  eine  Norm  in  der  Gestaltung  des  Textet  bildet,  dm  hier 
dae  granunntiecbe  ond  das  kritische  Element  an  einander  streifen 
and  mit  einander  snaammeniiXngen«  Dahin  gehören  alle  die  Fragen 
iber  Hiatus,  Apostroph,  Crasis,  Synalöphe,  Aphftresis  n.  dgl,  ober 
das  am  Ende  der  Worte  aageseute  v  oder  tf,  nicht  bloss  da, 
wo  diess  auch  bei  andern  Schriftstellern  statt  findet^  sondern  auch 
bei  einer  Ansahl  Wörter  wie  X(f6g^9v  und  x^fog^e^  ^^^V^tv  und 
^J^^vffii^  tavto  ond  tivrovy  touwto  und  towwav^  ovrm  ond 
wtmg  o.  s.  w.,  über  Jota  subscriptum  ond  dessen  Anwendung  in 
siaxehien  Worten,  üt>er  gewisse  Adverbialformen  (in  y)  und  veral- 
tete Dativformen^  über  die  Anwendung  des  Accentes  bei  gewissen 
Wörtern,  dann  einxelne  Formen  der  Declination  wie  des  Verbum'Si 
lasbeaondere  auch  die  Frage  nach  der  Anwendung  des  Augmentes, 
sumal  der  Bedupiication  und  manches  Andere,  was  noch  welter  geht 
■ad  die  Constroction  der  einaelnen  Modi  und  Tempora  berührt:  alle 
diese  GegenstSnde  werden  hier  erörtert  Eine  Reihe  von  einaehieu 
Wörtern,  aum  Theil  auch  Eigennamen,  welche  in  Beaug  auf  Schreib* 
«it  und  Gebrauch  ein  gewisses  Schwanken  erkennen  lassen,  folgt 
•bbald  nach:  ein  genaues  Verselcbniss  (S.  XVII seq.)  führt  aur 
bequemen  Uebersicht  des  Ganaen  alle  die  einseinen  Punkte  auf, 
die  in  diesen  Frolegomenis  aur  Sprache  gebracht  und,  in  Beaug 
auf  Demosthenes,  gewissermassen  erledigt  sind.  Welche  Folgerun- 
C«n  aber  daraus  auch  für  andere  Schriftsteller  derselben,  oder  doch 
aiaer  nahe  liegenden  Zeit  sich  ergeben,  mag  hier  nur  im  Allgemein 
aen  angedeutet  werden,  da  wir  uns  auch  hier  nicht  näher  in  das 
Ehuelne  einlassen  können. 

Eben  so  erschöpfend  in  der  That  ist  die  kritische  Einleitung 
(Prolegomena  critica  S.  161 — 298)  ausgefallen,  wie  dIess  schon  aoa 
der  blossen  Angabe  der  Seltenaahl  entnommen  werden  kann*  Man 
findet  hier  eine  eben  so  genaue,  wie  vollständige  Zusammenstellung 
aller  bis  jetst  bekannt  gewordenen  Handschriften  des  Demosthenes, 
geordnet  nach  Classen  und  Familien,  soweit  nemlich  dies  mit  eini- 
ger Sicherheit  au  bestimmen  überhaupt  möglich  ist;  dabei  haben 
auch  die  Handschriften,  nach  welchen  die  ersten  gedruckten  Texte 
des  Demosthenes  erschienen  sind,  und  die  sogenannten  Editionea 
priaclpes  selbst  die  gebührende  Berücksichtigung  gefunden;  sie  wer- 
den anerst  aufgefQhrt  bis  auf  Morel  (1570)  und  die  von  ihm  he* 
autsten  acht  Pariser  Handschriften,  an  deren  Aufaählung  sich  dann 
die  Veraeichnisse  der  von  H.  Wolf  ond  den  nachfolgenden  Heraus- 
gebern Ua  anl  Bekker  und  die  ihm  folgenden  Bearbeiter  des  De- 
mosthenes, den  Heransgeber  selbst  mit  eingeschlossen,  gekannten 
und  l^oUten  Hands^iften  aoschliesseni   mit  aller  der  Sorgfalt 


440  tif  inHnitii  CmMm«  «4.  YAaet 

QDd  Oeoauifkeit  Tenmataltet,  die  wir  durohweg  auch  bei  den  ttbii* 
gen  Theilen  dieses  Werkes  angewendet  gefunden  haben.  Eine  eigene, 
»an  kann  wohl  sagen,  erschöpfende  Erörterung  ist,  wie  in  enrar- 
ten  war,  den  schon  oben  erwähnten  beiden  Handschriften  27  und  U 
gewidmet  (§.  72.  S.  219 ff.  und  $.  88.  p.  243 ff.),  namentlieb  der 
ersteren,  und  wollen  wir  darauf  besonders  die  Freunde  der  De* 
mosthenischen  Kritik  aufmerksam  gemacht  haben.  Zurörderst  wird 
diese  Pariser  Handschrift,  auf  die  der  Text  des  Demoethenes  sidi 
Yorsugsweise  stdtzt,  näher  nach  ihrer  äusseren  Beschaffenheit  und 
ihren  Schriftsügen  beschrieben,  und  unter  Zustimmung  tod  Hsse, 
aus  paläographisehen  Orüttden  dem  sehnten  Jahrhundert  vindiclrt; 
dann  wird  die  Stichometrie  besprochen,  und  daran  schliesst  ridi  eine 
weitere,  gana  ins  Einselne  gehende  Erörterung  eben  so  sehr  der  Vor- 
zfige  dieser  Handschrift,  wie  auch  der  Fehler  im  Einseinen,  welche  an 
derselben  wahrgenommen  werden.  Die  andere  Brüsseler  Handschrift 
wird  als  dieselbe  erkannt,  die  nach  ihrem  früheren  Besitaer  Panti- 
nus  als  Pantinianische  gewöhnlich  bezeichnet  wird ;  sie  gehört  in  den 
Anfang  des  yierzehnten  Jahrhunderts.  Mit  dieser  vollständigen  An- 
gabe der  bisher  bekannt  gewordenen  Handschriften  hat  sich  der 
Herausgeber  indessen  nicht  begnügt:  er  gibt  weiter  ein  gesaus 
Yereeidiniss  der  von  Theodor  Heyse  in  den  verschiedenen  Biblio- 
theken Rom's  eingesehenen  Handschriften  und  knüpft  daran  ein  wä^ 
teres  Veraeichniss  aller  der  andern,  an  andern  Orten  Eur<^a's  be- 
findlichen, noch  nicht  verglichenen  Handschriften,  von  welchem  ihm 
irgend  eine  Nachricht  augekommen  war :  so  möchte  in  der  That  der 
Gegenstand  erledigt  sein  und  einer  weiteren  Nachforschung  nach 
Handschriften  des  Demosthenes  wohl  kaum  mehr  Etwas  zu  tboo 
übrig  gelassen  sein.  Es  folgt  nun  (S.  275  ff.)  die  schwierige  Be- 
stimmung ifft  Glassen  oder  Familien,  nach  welchen  die  bisher  be- 
kannt gewordenen  Handschriften  zu  ordnen  sind;  die  verscbiedeneB 
darüber  in  der  neuesten  Zeit  aufgestellten  Anstiften  werden  ange- 
führt und  besprochen,  als  Ergebnlss  aber  der  ganzen  Untersnchung 
eine  vierfache  Familie  der  Handschriften  aufgefunden  (S.  288) ;  die 
erste  bildet  die  oben  erwähnte,  vorzügliche  Handschrift  Ij\  die  zweite 
hat  an  der  Spitze  die  Venetianer  Handschrift  (F),  der  audi  die 
Aldiner  Ausgabe  grossentheils  gefolgt  ist;  bei  den  HandsclirifteD 
dieser  Olasse  werden  die  wenigsten  fremdartigen  Einschiebsel  gefun- 
den, wenn  auch  gleich  kein  vollkommen  reiner  Text  vorliegt;  an 
der  Spitze  der  dritten,  welche  durch  gelehrte  wie  ungelehrte  HSode 
mehrfach  verdorben  worden  ist,  steht  der  Aug.  I.,  dem  Relske  le 
seiner  Ausgabe  besonders  folgte;  die  vierte  Classe  ist  eine  Mittd- 
cAasse,  zwischen  den  beiden  vorhergehenden  in  der  Mitte  stehende, 
hidem  sie  bald  mehr  der  einen,  bald  der  andern  Richtung  sidi  an- 
schliesst;  ihre  beiden  Hauptvertreter  ^  jede  freilich  in  venchiedener 
Bicfatung,  sind  die  Pariser  Handschrift,  die  mit  T  bezeichnet  wird, 
und  die  oben  erwähnte  Brüsseler.    Es  folgt  nun  noch  am  BchloM 


dL  ViML  44T 


fi*  fBMoe  Angab«  im  doBaliieD  twi  dMB  Herwuigsber  fttr  jed« 
im  im  ditMBii  Band  «olbalunen  (tiebenaehD)  Reden  beoüUteD  Hand- 
ickriftai.  Nean,  dem  Werke  beigegebene  Tafeln  enlbaltm  die 
Faeiimile's  der  benutsten  Handscbriften  und  setien  dadurch  auch 
Andere  in  den  Stand,  die  Besebreibang  der  Handecbriften  nad  daa 
ttar  ihren  Werth  geUUlto  Urtheil  an  prflfen. 

Was  nan  den  in  dieeer  Aoagabe  vorliegenden  Text  betrifft,  so 
witderhelen  wir  hier  die  schon  oben  gemachte  Bemerkung,  daü  d«f 
msentliehe  Dntersehied  doMelben,  sowohl  Ton  der  früher  ron  dem* 
•oiben  Gelehrten  besorgten  Ausgabe,  wie  von  der  Bekker'selien  und 
iaderen  darin  au  soeben  ist,  dass  derselbe  sieh  mehr  an  die  Pariser 
Hsndsehrift  1,  ansehUesst,  und  deren  Autorität  voraugsweise  folgt: 
woaa  allerdings  die  nihere  Untersuchang  berechtigen  konnte,  welche 
über  diese  Handschrift,  so  wie  über  die  übrigen,  neben  ihr  in  Be* 
tiaeht  kommenden,  hier  geführt  und  nach  ihren  Hauptergebnissen  von 
ons  hier  mitgetheiU  worden  ist  £s  begleitet  dsn  Teit  die  iateinh* 
ttke  Deberseizuag  dee  Hieroajmus  Wolf,  natärlich  an  alien  den 
Stellen  berichtigt,  wo  sie  sn  der  jeut  hn  Texte  befindlichen  Lesart 
nkht  mehr  passen  würde,  und  so  dem  Texte  völlig  entsprechend | 
oatsr  dem  Texte  befindet  sich  der  kritische  Apparat  oder  die  Zm- 
laonnensteUong  der  Varietas  Lectionis  aus  den  vom  Herausgeber 
beaatsten  handsdiriftlichen  Quellen;  es  kommen  aber  noch  manche 
mdere,  die  Sprache  des  Demosthenes  und  die  firklärnng,  also  die 
ndnigs  Auffassung  nicht  weniger  Stellen,  wo  xum  Theii  die  Lesart 
lohwankt,  betreiende  Bemerkungen  des  Herausgebers  hinau,  durch 
welche  diese  kritische  Zasammenstelloag,  denn  diess  ist  nad  soll  sie 
naSchst  sehi,  an  mandien  Orten  die  Stelle  eines  Coaunentar's  ver^ 
Uat«  kann.  Der  mit  seinem  Schriftsteller,  wie  Wenige,  vertraate 
Hsmusgeber  hat  dabei  von  dem,  was  anders  Gelelirte,  es  sei  in  ihren 
Besrbeitongen  DemostiMnischer  Reden,  oder  an  andern  Orten  und 
Mhr  gelagentlich  fttr  das  Yentfindniss  einaehMr  Stellen  and  Ans** 
Mcke  geleistet  haben,  sorgfiütig  benntst  und  dadurch  den  Werth 
leiaer  Leistung  gewiss  erhöhet,  auch  dssshalb  ein  eigenes  Register 
Mgifügt  (&  889.  908),  welches  die  Beuntanng  erleichtert  Die 
in  der  Aasgabe  selbst,  ausser  dem  Leben  des  Demosthenes  von  Li* 
biaiai,  mit  weichem  das  Gänse  beginnt,  enthaltenen  Reden  sind 
felgeiide:  anerst  die  drei  Olynthischen ,  dann  die  erste  Phil^pische, 
dis  Rede  XBfl  tijg  sl^f^vtig^  die  aweite  Philippische,  die  Rede  über 
HatoaaesoS)  die  Ghersonitisöhe ,  die  dritte  und  vierte  Philippisehe, 
die  Rede  wider  den  Brief  des  Philipp,  der  Brief  des  Philipp,  die 
Bede  aaifl  #Mm(|fiSi^,  über  die  Symmorien,  über  die  Freiheit  der 
Bhodier,  für  die  MegalopoUten,  über  den  Vertrag  mit  Alexander, 

€lftr. 


448  HofiMMii:    Bkttfcaa  tpanielier  P^^iie. 

BUUhen  spanischer  Poesie,  mdriseh  übertragen  wm  Friedrieh 
Wilhelm  Hoffmann.  Dritte,  stark  vermehrte  Auflage, 
Magdeburg,  1866.     8.     XVIII  und  472  8. 

Die  erste  Auflage  dieses  Buehes  ist  im  Jahre  1841  erecbSenen; 
drei  Jahre  später  Ist  die  zweite  gefolgt  und  nun  ist  eine  dritte  mög- 
lich geworden,  Beweises  genug,  welch  anerkennende  Aufnahme  die 
Leistungen  des  Herausgebers  schon  gefunden  haben.    Zu  den  fisr 
und  fünfsig,  von  acht  Dichtem  herrührenden,  Stücken,  welche  die 
erste  Auflage  enthielt,  kamen  In  der  zweiten  noch  fünf  tou  Her- 
mando  de  Herrera;  in  der  nun  Yoriiegenden ,  ihrer  M^festSt  Donna 
Maria  Isabel  IL  von  Spanien  gewidmeten  dritten  sind   wieder  df 
weitere  Dichter  yertreten,  und  die  Sammlung  enthält  jetzt  hundert, 
mit  wenigen  Ausnahmen,  zum  ersten  Male  in  das  Deutsche  Aber- 
tragene,  grössere  und  kleinere  Gedichte  von  zwanzig   VerCusem 
und  bildet  so  ein  Florileglum,   dem  unsere  Literatur  kein  anderes 
von  gleichem  Umfange  an  die  Seite  zu  stellen  hat    Ihrer  Blüthe- 
zeit  nach  gehören,  den  einzigen  Juan  Melendez  Valdes  abgerechoat, 
die  Dichter,   welche  Hoffmann  bei  uns  einfahrt,   dem  16.  und  17. 
Jahrhundert  an.    Dass  über  die  Lebensverhältnisse  von  allen  sorg- 
flUtige,  auf  den  besten  Hilfsmitteln  beruhende,  Nachrichten  gegeben 
werden,  verdient  besonderes  Lob.    Was  Inhalt  und  Form   der  mlt- 
getheilten  Dichtungen  angeht,  so  ist  die  ausserordentUche  Manighl* 
tigkeit  rühmend  hervorzuheben,  auf  welche  nach  beiden  Richtungen 
hin  der  Uebersetzer  bedacht  gewesen  ist:    Ernst  und   Sehers,  die 
religiöse  Begeisterung,  sinniges  Versunkensein  In  die  Natur,  die  Wonne 
und  der  Schmerz  der  Liebe,  die  weise  Lebensbetrachtung,  der  pa- 
triotische Aufschwung  des  Spaniers,   das  alles  tönt  uns  in  Ottavea, 
Sonetten,  Madrigalen,  Canzonen,  Oden,  Episteln  und  Romanzen  ent* 
gegen.    Ich  sage,  das  alles  tönt  uns  entgegen;   denn,  in  der  Thtt, 
die  grosse  Sorgfalt,  mit  welcher  der  bescheidene  Herausgeber,  der 
ohne  Bedenken  In  einer  Reihe  mit  unseren  besten  Uebersetzem  ge- 
nannt werden  darf,  seine  Originallen  nmzudichten  gesucht  hat,  wird 
auch  den  des  Spanischen  unkundigen  Leser  etwas  von  der  Fraekt 
jener  südlichen  Sprache  ahnen  lassen.    Möchten  diese  wenigen  Worte 
dazu  beitragen,  den  spanischen  Dichtem  neue  Freunde  in  Deutsch- 
land  zuzuführen.    Möchten  auch  die  Gebildeten  in  Spanien,  denen 
an  der  Verbreitung  ihres  literarischen  Ruhmes  im  Auslande  gelegen 
sein  muss,  auf  das  seltene  Talent  und  die  Verdienste  des  üebe^ 
aetaers  aufmerksam  werden  I 

Tttblngen.  IT.  Mä.  WämUmaUL 


b.  n.  aaiDELBBRess  im. 

jahrbOchir  dir  litirator. 


DU  neuesten  reehUwiaeemehafUichen  Leutungen  in  Italien  in  Besug 

auf  Hypotkekenrecht 
L    SabaHni:  eistema  ipoteeario  toaeano.  U  vol.  Piea  1S87. 

2.  La  Temi,  Oiomale  de  legislanane  di  giuriaprudenafa  (unter  der 

Redaclion  des  Advokaten  PtmatUmL  Firente  seit  i849--18tS7) 
und  die  darin  enJthdlUnen  Aufeätite  über  Hypothekenweaen  voL 
L  p.  m.  U.  p.  102.  212.  264.  286.  3S2.  718.  Ul.  p.  671  IV. 
p.  6&6. 

3.  Magri:  Raeeolta  ddle  leggiy  decreti  e  Regolamenii  relativi  cl  9i$t&' 
ma  ipoteeario  publieati  dell  anno  1846  al  1848,  eronologiear* 
mente  ordonati  coli  anTwtationL     Bologna  II  voL  1868-^186^ 

4.  Qiovanardi:  il  Hglema  ipoteeario  eeposto  in  100  diBBertoMioni. 
hnola  1866. 

k    Chieei:  ii  eietema  ipoteeario  illuHrato.  Firen»e  1869*^6.  III  voL 

6.  Zanella:  euUo  stato  delle  ipoteche  in  Dalmatia  dai  iempi  an* 

Uehi  al  PresenU.     Veneaia  1860. 

7.  Diigo  Orlando:  md  eistema  ipoteeario  del  Codice  franeeee.    Pa^ 

lermo  1864. 
^.    L.  Boreari:  GiurUprudennra  ipotecaria  di  vari  ektH  d^MtoHa  eke 
eomprende  le  Uffielagioni  della  stato  pontifteioj  del  Regno  lon^^ 
iHirdo  Venelo  ete.     Ferrara  1866. 

9.  Ä  Ce^aheUi:  ü  diritto  ipoUeario  vigente  nel  Regno  Lombardo  ¥•» 

neto  trataUo  in  Relaaiont  aK  univereeUe  giurisprudenMO.  Mi^ 
lano  II  vol.  1866—67. 

10.  L'Imerio.  Oiomale  de  legieUunone  di  giurieprudenMa  eompil  dml 
Caigarini.  Bologna  1866.  AufeäUe  im  Februarheft  p.  66  und 
oHobre  1866  p.  228. 

Keine  GeeeUgebuog  hat  im  Hypothekoirecbt  mui  die  QeB^ii« 
gAmigeii  ftüderer  Staaten  von  Eoropa  einen  eo  g roasen  Einflnss  ge« 
äiMert  alfl  die  franaesiacbe.  In  FraniLreidi  sind  aber  die  Venudhe^ 
im  grossen  Mftngein  dieser  GreseUgebong  abaubelfen,  seit  einer 
ReSw  Ton  Jabren  gemacbtf  iiostbare  Vorarbeiten  für  jede  Gesetxge- 
bong  nm  die  Erfabrungen  Franlureicha  au  sammeln  liegen  in  dem 
Gatacbten  der  Gerichtshöfe,  wekhe  in  dem  Werke:  documens  rela^^ 
üfs  an  regime  bypotheqoaire  et  aux  r^formes  propos^es«  Paris  1S44« 
ToL  III.  gesamm.elt  sind.  Die  immer  vermehrten  Klagen  über  die 
geringe  Sicherheit,  welche  die  französ.  HypoÜiekengesetagelNing  bie^ 
tet,  in  den  deutschen  Bbeinprovinsen  veranlassten  in  Eheinbaiem 
oad  in  Bbeinpreusaen  belehrende  Vorarbeiten  für  die  Gesetigebung. 
Im  Jabr  1849  dnrlte  man  hoffen,  dass  die  Verhandlungen  in  der 
üansSe.  Nalionalveffsammlnng  an  dem  Ziele  fuhren  würden,  eine 
den  Bedfirfnissen  entsprechende  H^potbekeagesetagebiuig  an  begiüar. 
L  iskrg.  6.  Heft  89 


4f9         IKa  naoMtea  t0c|t«iHif«if|li|fU.  Müpiiea  in  IteüMi  «ce. 

im]  die  palitiMban  Zuitibide  and  die  PTttienkRippfc  Ivnderten  du 
Werk,  Die  neae  Regieruig  Frankreichs  Uelt  es  für  Dothwendig^ 
frühere  Arbeiten  wieder  aa£^^Behmen,  man  sachte  (freilich  sehr  ein- 
seitig) im  Zusammenhange  mit  den  begünstigten  Associationen  des 
eredil  (weißt  einigen  Fehlern  der  Gesetagebong  abaoheUen,  bii 
endlich  das  Gesetc  über  die  Transkription  wenigstena  einigennasseB 
eine  bessere  Grimdlaga  dem  Hypothekenkredite  stöberte.  Das  Heil, 
welches  man  von  den  Associationen  für  den  Grundkredit  erwartste, 
eBNUen  oiehti  denn  Alles  scheitert  an  dem  onseelifen  die  Mora- 
UtlU  natergrabenden  Specnlationsgeisti  nach  weichem  die  anf  Aktien 
gegründeten  iDutemehmongen  snm  grossen  Theile  nur  die  Mittel 
darbieten ,  damit  die  schlauen  Unterneluner  durch  Vermehrang  des 
Aktteaschwindels  und  durch  tttuscheade  Vorspieglungen  gewin- 
naat  unbAümsiert  darüber,  ob  demjenigen ,  für  welche  Dich 
den  angepriessenen  edlen  Gesinnungen  die  Association  wirken  soll, 
waMiaft  geholflBn  whd.  —  Nur  die  Gesetcgebnng  eines  Staste» 
Belgien  hat  mit  kräftiger  Hand,  wShrend  sie  den  gnien  Ebh 
riehtimgen  der  Iranaösiseben  Gesetsgebung  treu  biiebi  den  vielfacbei 
Gebrechen  abhelfen  wollen,  und  das  belgische  Geseta  vom  16.  Do& 
1851  wenn  es  auch  noch  Manches  au  wünschen  übrig  lüsat,  ist  ein 
wegen  der  eoneefuenten  Durchführung  der  awei  Hwptsätaei  der 
PnbUdtät  und  Spedalität  bedeutendes  Vorbild  für  jede  neue  Ge* 
setsgebMg  geworden.  In  den  Eanunerverhandlimgen  lie^  kostbe^ 
ies  liatmiaL  Es  ist  doppelt  iateressanti  die  Erfahrungen  in  Belgien 
(worüber  die  gute  Zeitschrift:  Belgique  jndiciaire  manche  sehr  be* 
aehtenawürdige  Nachrichten  liefert)  und  die  Beehtsübung  In  Belgiea 
imch  dae  fltndinm  der  Aussprüche  der  Grertchtshöfe  jenes  Lfiä» 
und  die  wissenschaftlichen  Leistungen  belgischer  Juristen  an  verfol- 
gen;  in  der  kinten  Beaiehung  machen  wir  wiederholt  auf  dasscbia 
Mher  von  uns  angeaeigte  Werk  von  Martou  des  privilegeSi  et  hj- 
poth^ques  Gommentaire  de  la  loi  du  16.  Dee.  1861  par  In  reiisioB 
du  reghne  hypotheq.  Bruxelles  1855 — 1857.  IIL  vol.  aufmerkssm. 
Der  eben  erschienene  dritte  Band  ist  reich  an  trefflichen  ErMemn- 
gen,  die  um  eo  bedeutender  sind,  je  selbetatftndiger  der  Verfasitf 
die  Fragen,  häufig  abweichend  von  den  Ansichten  der  franaösischea 
SchrtftsteHer,  und  ebenso  freimütibig  neu  ergangene  Rechtssprüehe 
belgischer  Goricbte  prüft  Zu  den  beaditangswürdigen  Erörterungen 
rechnen  wir  die  vol.  ni.  p.  57  enthaltene  über  das  Wesen  der  Bf- 
pothek  eis  ^ne  Vwlusserung ,  p.  94  über  die  Bedeutung  und  die 
Wfaknngen  des  Gmndsataes  der  Speeiaiität,  p.  111  über  die  Zuilss^ 
Mt  von  Bedingungen  bei  Gewllwung  der  Hypothek,  p.  117  über 
die  Frage:  wie  weit  Hypothek  für  Summen  aus  dem  conto  conente 
bestellt  werden  kann,  p.  168  über  die  wichtige  Frage  in  wie  fene 
die  Oataster  als  Grundlage  der  Hypotheken*£inschreibQngen  genom- 
men werden  soll  (bekanntlich  wurde  hi  Belgfen  ein  darauf  beatigU- 
cher  VorseUag  verworfen),  p.  905  über  Emeuerang  der  BEypothelcsa- 
BttNhreibnugen  (nOt  guter  Entwiektlttaf  der  Gründe  Ar  onl  wider; 


oMm  Erübxwmg  tlümml  mü  im  mgeg^brnm  Chrtodio  «bcv  4kl 
Kadubeiley  wenn  dM  G«mu  k^a  Eineoemng  forderti  mtbt  überete)! 
p.  242  über  die  LöMbiuig  der  Hypetbeken.  Jeder,  welcher  grönd«' 
lieh  mit  dem  Hjpolhekenweeen  und  der  sweekmiesigMo  Einriekh 
tag  deieelbea  eich  befreundeB  will,  darf  die  Fortbildatg  dea  iamat 
taiägticIieB  Rechts  ta  Italien  nicbt  onbeaehlel  lasaea;  nad  eimt 
iB  vierfadber  Hineicht,  nfimiieh  1)  der  gesohicbdicben  AuMdu« 
d«  Hypothekeoweeeiie  in  ItaÜen,  2}  der  GUsetigebni^  in  den  vet* 
whiedenen  Staaten,  3)  der  Bechtiöbeng,  4)  d«  wiieenecheftliehnn 
Ldetangen  der  ital.  Jurieten.  In  Besag  anf  die  Gescbiehte  bUt  ee 
ia  Italien  liemtioh  an  Bearbeitungen ,  wie  ühorhaopt  die  Bechtage* 
nhiobte  Italieas  yemacUäeeigt  iat«  und  da  wo  etwas  geleistet  wurden 
Aes  mehr  anf  die  Inssere  Geecbiebte  insbesendore  der  Rechts^aeUnn, 
ud  weniger  anf  die  Geschichte  der  aUmihiigen  Aosbildasi^  einnel* 
aar  lastltnte  sich  besieht  Insbesondere  mose  man  es  bedaaesD^ 
dMs  dae  Studiom  der  germanischen  Becbtagesohiohte  in  Italien  alobt 
gehörig  betrieben  wird.  Das  lengebardiscbe  Bechti  was  sich  bis 
ipit  in  ItaUen  erhielt,  hat  ebenso  wie  die  Gesetae  und  Gewehnhetr 
tsa  der  deatscben  Sttome  in  Deoischland  anch  nach  der  VerbseUang 
dm  röBsisehen  Beehts  sewen  Einflnss  auf  das  Aetht  geftussert,  Ibeils 
indem  sieh  germanische  Instttote  erhieUen,  tbeils  germanieehe  fieehte^ 
idsen  efine  Modification  des  röaaischeii  Inatitnis  oder  römische  Grande 
Mitae  bewirkten,  s.  B.  in  dem  Erbrachte.  Aach  in  Besag  anf  4as 
HypothetCMacht  ISsst  sieh  dies  naehweisMi;  es  ist  awar  rkh%,  4Mm 
ia  Italien  weit  mehr  eis  in  Dentsehland  das  römische  Secht  siegle^ 
weil  die  aaf  den  iteL  Universitäten  wirkenden  grossen  Juristen  nur 
ifmiaches  Becht  kanntea,  and  so  mir  röm.  Ansichten  in  die  Prasis 
dmngaii^  so  finden  sich  t.  B.  die  stillschweigenden  HypothetEen  na 
(kmstcaa  ^er  Ebefmuen  und  Papillen  früh  in  den  Ital.  Steinten;  laafi 
fcrmehrte  sogar  in  saanchen  Statatcn  die  Zahl  der  gesetdiehen  BiMd» 
nebte;  hi  manchen  Orten  z.  B.  in  Florens  war  die  yorhenttcbende 
Bifktang  der  Gesetageboag  aal  Begünstigmig  des  Handels  genehtel^ 
Sr  welchen  der  Bealkredit  keine  Bedeutaag  hatte.  Man  würde  nh«f 
eehr  irsen,  wenn  man  gUabte,  dass  in  den  Itaiiäaischen  SMUulen 
sieht  auch  Beweiee  vorkommen,  dass  germanische  Becbtsideen  itt 
Besag  auf  Hypethekeorecht  aieh  eihielien  oder  Veranlassung  aa 
Eimidttnngen  gaben,  welche  die  späteren  Gtundeätse  veranlasitMi» 
auf  weichen  das  medeme  HTpothekenrecht  f aht  Dies  beruht  we* 
•entlieh  auf  der  Pabiioität,  so  dass  ketaie  Hirpotbek  als  solche  an** 
erkannt  wird,  welche  nicht  in  öffentllefaen  daau  bestimmten  Büehsra 
eingetragen  ist;  in  dieser  Einrichtang  ruht  die  Idee  der  Garantie 
des  öientiiGhen  Bealkredits* 

Wir  freuen  aas  aasspcechmi  na  dihrfen,  dass  weaigsteBS  ia 
aenerea  italienischen  Weriten  der  Anfang  damü  gemaebt  ist,  daü 
ifiehtige  Schriftsteller  die  Bedeutnng  der  geschiehtlieben  f^emchang 
über  Hjpothefceareeht  in  ItaUen  aneckennen.  Eine  wiobtige  Sebrift 
ist  an  dieaer  Beaiebnng  die  aalet  Hr.  6  oben  MgeOhste.   Der  .¥e^ 


451  Die  aeiMitei  reekltwiftenfloMkL  Uutiittf«i  in  llaliwi  «le. 

Umet  ist  AppellationsrAth  in  Dalmatien  und  gibt  genaoa  Naehrick* 
teo   über   den  Inhalt  der   Terschiedenen  Statuten  in   Dalmatian  ia 
Bezug  auf  Hypotheken.     Man  erfährt,   dass  in  den  einaelnen  Lan* 
destheilen  sehr  abweichende  Statute,    darunter  viele  sehr  alte  vor» 
kommen,  z.  B.  (pag.  151)  in  der  Republik  Raguea,  wo  schon  1373 
ein  Statut  und   1309  die  Reformation  desselben   bestand   und  aus 
den  Rechtssprüchen  der  Gonsuln  ehi  Buch ;  Praxis  judiciaria  gesam* 
melt  wurde;  es  ergibt  sich,  dass  schon  früh  in  so  ferne   die  Publi- 
citftt  eingeführt,  war  als  alle  Rechtsgeschftfle,  In  denen  Hypothekeo 
bestellt  waren,  vor  einem  Notar  errichtet  werden  mussten,  dass  aa 
einigen  Orten  auch  die  Eintragung  in  öflfentiiche  Bücher   verordnel 
und  überall,  wo  ein  Landestheil  dem  venetianischen  Grebiete  einvei^ 
leibt  wurde,  sogleich  sein  seit  dem  XIII.  Jahrhundert   in  Uebuag 
bestehendes  System  eidgeführt  wurde,  nach  welchem  alle  Hypothe- 
ken In  die  öffentlichen  Bücher  eingeschrieben  werden  mussten.   Das 
Werk  von  Zanella  liefert  noch   merkwürdige  NachrichteD   über  die 
einseinen  Hypothekengesetze,  die  in  diesen  Gebieten  erlassen  wur- 
den und    über  den  Einfluss  der  spftter  eingeführten  französiscbea 
OesetBgebung.  —  Erfreulich  ist  es  zu  bemerken,  dass  auch  in  den 
neuesten   wlssenschafllichen   Arbeiten   über  Hypotheken   die  Bear- 
beiter die  Wichtigkeit  anerkennen,  zu  zeigen,  wie  die  Idee  der  Po* 
blioltlt  in   den  Statuten   der  ital.  Städte  sich  geltend  machte;  die 
merkwürdigste  Oesetsgebung  ist   in  dieser  Hinsicht  die  Venetiaiit- 
«ehe,  die  (nach  den  Sututen  von  1343)  schon  die  Bedeutung  e^ 
kennt,  die  Rechte  dritter  Personen  gegen  heimliche  Veriusaserungsa 
zu  sichern  und  daher    eigene  Beamte  (Esaminatori  genannt)  anord- 
nete, welche  nach  vorgängiger  feierlicher  Proclamation  in  der  Kireha 
und  auf  Strassen  die  Hypothekeneinschreibung  besorgen.     Sehr  g«t 
haben  Borsari  in  dem  oben  Nr.  8  angeführten  Werke  p.  123—134 
und  Carabelll  in  dem  unter  Nr.  9  genannten  Werke  p.  81  seqq.  die 
geschichtlichen  Nachrichten  benützt  und  die  Anfänge  der  Publizitit 
in  den  Statuten  Italiens  gezeigt.    Wir  bedauern  dabei  nur,  das^  dieie 
Nachrichten  nicht  vollständiger  sind,  und  eine  Reihe  der  wichtigsten 
Ital.  Statuten,  die  das  frühere  Vorkommen  der  Publlcität  zeigen,  nicht 
benutzt  wurden,   z.  B.  in  den    alten  Statuten  von  Sassari,  wo  die 
alte  germanische  Einrichtung  geschildert  ist,  dass  vor  der  Gemeinde 
In  feierlicher  Versammlung  die  Veräusseruugen   von  Liegenschaftes 
und  daher  auch  Verpfändungen  verkündet  wurden,  s.  CMIiee  deUs 
repnblica  dl  Sassari  edito  ed  illustrato  dal  Cav.  Pasquale  Tola.  0>* 
gliarl  1850.  p.  47  u.  185.    Nicht  weniger  bedauert  man,  dass  auch 
die  guten  Ital.  Schriftsteller  noch  immer,  wenn  sie  von  den  im  Mi^' 
telalter  vorkommenden  Gewohnheiten   sprechen,  sich   von   der  liei 
vielen   französ.  Rechtshistorikem  beliebten   Sitte  leiten  lassen,  die 
Einrichtungen,  welche  offenbar  ans  dem  germanischen  Recht  stam- 
men, mit  dem  Feudalismus  in  Zusammenhang  zu  stellen ,  statt  so 
erkennen,  dass  diese  Institote  nur  Entwickelungen  des  germanlsebes   | 
Beohtslebens  sind.   Würde  man  in  Italien  die  interessanten  deutteh- 


raeWksbaa  FimdiimgeD  Aber  die  GMcbichte  des  PfaodqrsleaM  ilo* 
•0  wfirdeo  rfele  BehaapCan^n  in  den  ital.  Werken  aaders 


Die  Kemitiiin  des  itel.   Hjrpotiiekeiirechts  Uü  «ber  aoeb  Mr 
I  aoslindiadieii  Joriaten  wichtig,  in  ao  ferne  In  den  IUI.  Staaten 
fgeirtfafimliehe  Hypotbekengesetae  rorkonmen ;  iwar  batten  die  po- 
ZoBtinde  Italieoa  bewirkt,  daaa  die  franaöe.  Hypotbekeng»« 
mg  einen  überwiegenden  EInflnaa  anf  die  Hjpothekengeaetae 
eittflelneQ  itaL  Staaten  erblelt,  nnd  aelbat  nacbdem  die  frani9i. 
in  Italien  untergegangen  war,  die  Geaetageber  nnd  die 
ler,    welche  auf  die  legislatiTen  Arbeiten  in  einielnen  Staaten 
loai  haben  von  der  Herrschaft  der  flraniöe.  Ideen  sich  nicht  loa« 
en  konnten  nnd  den  franads.  Schriftatellem  folgten ;  allein  den- 
Terdieoen  diese  ital.  Hypotbekengesetae  grosse  Beachtung,  nicht 
well  in  dem  Königreiche  Italien   ron  1806^1814  awar  die 
laSa.  Gesetigebnng  eingeführt  wnrde,   aber  doch  mit  manchen 
ifimlichkeiten,  aondem  auch  weil  in  der  seit  1815  erlassenen 
enordnang  von  Toskana,  in  dem  Kirchenstaat,  Parma,  Neapel, 
iedena  doch  manche  wesentliche  Verbesserungen  der  franatfsischen 
bung   vorkommen,    s.  B.   vorsügiicb    wegen  der  besseren 
rchfQhrang  der  Pablidtfit;   insbesondere  aber  verdient  die  Fort* 
ong  der  Oesetsgebung  im  iombardisch^venetianischen  Königreiche 
Beachtung.     Ein  sehr  willkommenes  Werk  ist  daher  das  unter  Nr.  8 
angeführte  Werk  von  Magri  (einem   geachteten  Advokaten  in  Bo- 
logna), dessen  Sammlung  nicht  bloss  die  in  den  einzelnen  Ital.  Staar* 
ten  verkündeten  Ujpothekengesetae,  sondern  auch  die  einseinen  Aus- 
führungaverordnungen    und    Eriftnterungsdekrete    mittheilt      Werth* 
voll  ist  die  mit  dem  Hefte  von  1856  gelieferte  ausftIhrliGhe  Vorrede, 
welche  den  Bechtsaostand  des  Hypothekenrechts  vor  der  tranaüs.  Herr* 
Schaft  achildert  nnd  eine  gute  Geschichte  der  Hypothekengesetagebung 
der  elnaelnen  Staaten  liefert    Die  Bedeutung  der  Hypotbekengeseta- 
gebuQg  wie  sie  in  der  Lombardei  und  im  Venetianischen  besteht, 
eigibt  sich,  daas   nacbdem  jene  Staaten   an  die  Krone  Oesterreleh 
fielen,  auch  die  üsterreichische  Gesetzgebung  ihren  Einfluss  übte,  nnd 
srfaebliebe  Verbesserungen  eingeführt  wurden.  Insbesondere  durch  die 
Verordnung  von  1834,    über  Vormerkungen  und  durch  Verordnung 
voflD  19.  Juli  1826,  wodurch  auch  die  Einschreibung  der  gesetalichen 
Plaodrechte  und  die  Specialisirung  der  generellen  Hypotheken  vor- 
geschrieben wurden,  und  dadurch  erst  einem  Grundfehler  des  fran- 
süaischen  Systems  abgeholfen  wurde,  während  die  Durchführung  einea 
Syatema  der  Transkription  aller  Veränderungen  des  Grundeigenthums 
vorerat  an  den  örtlichen  Verhältnissen  scheiterte;   eine   sehr  schöne 
Entwickelnng  der  Fortbildung   des   lombardischen   Hypothekenreohts 
durch  die  österreichische  Gesetagebung  findet  sich  in  dem  oben  unter 
Nr.  9  angeführten  Werke  von  Carabeili  voL  I.  p.  61—86,  wo  der 
Verfaaser  auch  mit  Freimüthigkeit  die  beatehendeo  Mängel  achil- 
dert   


ÜB     Roto :  IfoUr  4ie  heleroaiorplieo  Zumode  4«r  koU«BMV«n  lidkatde. 

EeooeeicheD  für  derartige  ZuatJiade.  Diese  beetehen  1)  in  ihrer 
Httrte.  AragODil  Ist  härter  als  Kalkspath.  Eia  Merkmal,  d«i  iodev 
bei  faserigen  Aggrctgateo  mit  Vorsicht  angewendet  werden  miuB, 
wenn  nicht  polirte  and  geschliffene  Flächen  yorhanden  siad«  3)  Du 
Verhalten  in  höherer  Temperatar :  Kalkspath  über  der  Spiritas*Lanipc 
bis  cum  Bothgliihea  erhitst,  bleibt  unverändert ,  während  Aragonit 
sich  aufbläht  und  au  Pulver  aerfftllt,  oder  doch  wenigstens  stark  rissig 
wird.  3)  Das  specifisohe  Gewidit  Wie  an  Härte,  so  ttberbetriffi 
Aragonit  den  Kalkspath  auch  an  Eigenschwere.  Um  dieselbe  aber 
recht  genau  au  ermitteln,  ist  es  nöthig  die  zu  iintersuehende  P»>be 
vorher  au  pulvern ;  namentlich  bei  faserigen  Abänderangen.  4)  D10 
Verlialten  unter  dem  Microscop  koadmt  besonders  bei  erdigen  Ag» 
gregaten  des  kohlensauren  Kalkes  in  Betraclit|  indem  sich  häufig 
die  für  beide  Mineralien  characteristische  Structur  deutlich  aeigt 
5)  Das  Verhaltwi  gegen  Säuren.  Eine  Reihe  von  Versudien,  welche 
der  Verfasser  aber  das  Verhalten  des  Kalkspathes  und  Ar^oaiti 
gegen  GtlorwasserstofiGiäure,  Essigsäure  und  andere  Aufl^ungs-Mittel 
anstaute,  führten  au  dem  Resultat,  dass  der  Kalkspath  durch  soldM 
in  weit  höherem  Grade  angegriffen  wird. 

Mit  Recht  hat  man  —  vom  chemischen  und  geologischen  Stand- 
punkte aus  —  in  neuerer  Zeit  der  Art  und  Weise  des  Vorkommeos 
von  Mineralien  in  der  Natur  als  bedeutend  für  deren  Entstehung 
grössere  Aufmerksamkeit  geschenkt.  Der  Verfasser  verfolgt  naii 
diesen  wichtigen  Gegenstand  in  Beaug  auf  des  Auftreten  der  koh- 
lensauren Kalkerde  mit  der  ihm  eigenthümlichen  GriiadUchkeit  und 
gibt  uns  aunäokuit  eine  ttöchst  interessante  Uebersictit  von  dem  Vor- 
kommen des  Aragonits  in  der  anorganischen  Natur.  Letaterem  steht 
—  im  Vergleich  cum  Kidkspath  —  eine  weit  geringere  Verbreitung 
an.  Während  dieser  in  seinen  körnigen  und  dichten  Abänderungen 
ganiee  Gebii^aiige  bildet,  tritt  Aragon  nie  als  Fsisait  und  in  grösse- 
ren Massen  «uL  Als  verschiedene  Arten  des  Vorkottsseae  amd  ke* 
sonders  an  nntersclieiden :  1)  £r  findet  sich  &a  eingewachseBen  Kff- 
stallen  in  Thon  mit  Gyps  und  Quara  au  Bastenes,  Depart.  des  Jjsn» 
des  in  Frankreich  und  bei  Molina  in  Aragonien  und  bei  MiagraaÜla 
in  Valencia  in  Spanien.  Es  sind  dies  die  bekannten,  sedisseitigeo 
Prismen  ähnlichen  Zwillingikrjrstalle.  S)  Der  Ari^onk  erscheint 
lemer  in  Spalten  und  Höhlungen  des  Eiseaspaths,  Delomits  und 
Braanspaths;  ao  in  dem  ersteren  —  der  stets  mehr  oder  weniger  so 
Brauneisenera  umgewandelt  —  au  Iberg  am  Hars,  Httttenberg  in 
KänitiMa,  Kamsdorf  nnd  SaalMd  in  Thüringen,  Werfen  im  Si^ 
borgiechen,  Aiston  Moor  in  Devonshire  u«  a.  a.  0.  Auf  Gängen 
in  Dolondt  trifft  man  recht  schön  krystallisirten  Aragon  au  Leogang 
im  Salaburgischen,  noch  ausgeseichaeter  au  Herrengnind.  3}  Unter* 
geordnet  ist  das  Vorkommen  des  Aragonit  auf  den  fichwelelgnibea 
wn  Sicüien  (Girgenti)  and  von  Caltanisetta  unfern  Palermo  und 
ebenso  4)  auf  Gängen  im  Serpentin  au  Baomgartea  in  Sehietfea, 
m  Aandteere  in  Piemont  und  m  den  Umgebungea  des  Monte  Besät 


r 


Hom:  UAf  4im helewwwpli»»  tnMmit  der  kebtoawrf  Kdkapde.      4M 

[El  diirAt  udi  noeh  ab  Ftudort  die  shelliirfiscbe  Iimi  Datt  n 
enrihntB  solii,  wo  krystallisirter  Aragon  aiit  Bnidt  in  Serpentin  fe- 
trelBB  wird.]  6)  Der  Aragonit  iet  jedoch  vorsagsweiBe  in  Spallen 
nd  anf  KMftea  neuerer  valkaaiecher  Gesteine  oad  beeondera  dea 
Bagahea  an  Hanse.  Hier  rerdient  snerst  daa  Mkmisclie  Mittelge- 
birge genannt  an  werden,  wo  die  schönsten,  einfaciien  und  ZwUlinga» 
KiyslaUe  in  den  Spalten  des  Basaltes  Torkosimen,  ferner  die  An« 
vergne  nnd  die  blane  Kuppe  bei  Esekwege.  Aneh  in  Htfblnngen 
Md  in  Biasenrininen  ▼nlkaaischer  Gesteine,  annial  des  Basalt,  er^ 
Nkefait  AragonU,  theils  mit  Sphlrosiderit,  theils  mit  Zeolitiien;  «nf 
«fitere  Weise  a.  B.  im  Siebengebirge,  im  Westerwald,  im  Leneit- 
•pfayr  am  Vesuv,  anf  die  andere  im  Basalt  und  Phonolitk  des  \Mt* 
arischen  Mittelgebirges  und  im  Basalt  des  Puy  Marmaat  bei  Glermont. 

6)  Von  Bedeutung  ist  femer  das  Vorkommen  des  Aragonit  ala 
IBrmliche  Sinter-Blldnng  in  den  ELlOften  des  Eisenspathes,  Dolomite, 
ia  den  Höhlen  des  Kalksteins,  und  auf  Stellen  nnd  Strecken  ron 
Gruben.  Hier  aeigt  er  sich  häuig  in  Gesellschaft  yon  KalkspaSh, 
sog«  in  förmlicher  Wedisellagening  mit  demselben,  wie  solches  a. 
B.  bei  Waiiitein  in  der  Ofoerpfala  der  Fall,  so  wie  an  der  Poita 
Weaipbalica  bei  Minden.  Hierher  gehören  denn  auch  die  merkwür- 
digen, unter  dem  Namen  iSisenblädie  bekannten,  fistigen  und  koral« 
isaforasigen  Geetaiten  —  deren  schon  r.  Paats  nnd  Atal  in  ihrer 
»Beadireibung  der  Torsiiglichen  Berg*  und  Httttenwerke  des  Her« 
logtlmms  St^eroMTk«'  (1814)  gedenken  —  von  Httttenberg  in  Kär»- 
ttoi  und  Eisenera  fai  Steyermark.  Der  Aragonit  findet  sich  an  den 
genannten  Orten  in  Klfiften  und  Höhlungen  des  Eisenspatties ,  aus 
dessen  Zeraetanng  er  ohne  Zweifel  hervorgegangen.  Beachteaswerth 
irt  der  Umstand,  dass  diese  sonderbaren  Aragonite,  nicht  wie  die 
gewMmlichen  etalactitischen  Bildangen  dem  Gravitatfons-GeseUe  M* 
gea,  aondem  in  die  Höhe  steigen  nnd  nach  den  mannigCachstett 
Bid^ngen  sich  veraweigen.  —  Wahre  Tropfsteine  von  Aragonit 
fiaden  Mtk  in  den  Kalksttin-Höhlen  von  Antiparos.  Die  einen  bis 
mehrere  Zoll  langen  Individuen  bestehen  aus  stfingeligen  Znsam* 
mensetasnga^Stücken,  nnd  enthalten  als  Axe  einen  kleinen  AiagonÜ- 
KiyatalL 

7)  Ala  Abeats  aus  heissen  Quellen  ist  endUch  Aragonit  keine 
seltene  Eracheinnng,  und  sein  ansgeaeichnetestes  und  bekanntestes 
Torkommen  —  von  welchem  in  den  meisten  Mineralien -Sammhin* 
gen  Probestücke  vorhanden  ~  jenes  au  Garlsbad.  Bfan  trifft  hier 
den  Aragonit  in  grosser  Micbtigkdt,  nicht  allein  in  den  Umgebnn- 
gen  des  Spmdels  und  der  übrigen  Quellen,  sondem  auch  unter  der 
gamen  Stadt,  wenn  man  nur  hinreichend  tief  in  den  Boden  gribt 
Er  lelgt  sich  in  faserigen,  flachnierenförmigen  gewöhnlich  so  feel 
verbundenen  Parthleen,  dass  sie  eine  verschleifbare  Masse  bilden, 
die  in  Osrisbad  vielfach  verarbeitet  wird  (sogen.  Sprudeistem).  Ehie 
sigentbümliche  Abänderung  desselben  ist  der  Erbsenstein,  aus  erb- 


464      Rose :  lieber  die  heleromorphen  ZuBtäsde  der  kohleiiMuirMi  KilkevdA. 

•engroflsen  Körnern  bestehend,  die  wieder  aas  concentritchen  Lfagea 
sneaumengeeeUt  sind.  Der  Garisbader  Sprudelstein  über  der  Spiri- 
tus «Lampe  erhitzt,  wird  schneeweiss,  verliert  alle  Festigkeit  und  ISsst 
sich  zu  Pulver  zerdrücken.  An  diesem  Verhalten  erkannte  Berie- 
lius  zuerst  die  wahre  Natur  des  Minerals,  denn  wie  überhaupt  alle 
Absätze  heisser  Quellen,  so  hatte  man  namentlich  den  Garbbader 
Sprudelstein  —  der  wegen  seiner  Schönheit  und  Verbreituug  schon 
frühe  Aufmerksamkeit  erregte  —  für  Kalkspath  gehalten  [Göthe, 
der  in  dem  durch  grossartige  Natur  und  interessante  geologische^ 
Verhältnisse  ausgezeichneten  Umgebungen  des  böhmischen  Badeortes 
gerne  weilte,  beschäftigte  sich  schon  zu  Anfang  dieses  Jahrhunderts 
mit  dem  Vorkommen  und  der  Bildung  des  Sprudelsteins;  er  sagt  io 
letzterer  Beziehung  von  ihm:  „dass  sich  solcher  noch  gegenwärtig 
im  Tiefsten  der  heissen  Bäumen  erzeugt,  bleibt  höchst  wahrscheio- 
lich,  da  hier  die  Natur  auf  eine  einfache  und  gleiche  Weise  immer 
fortwirkt^  Vergl.  Sammlung  zur  Kenntnias  der  Gebirge  von  und 
um  Garlsbad,  erläutert  v.  Göthe  io  Leonhard's  Taschenbuch  für  Mi- 
neralogie U.  (1808)  S.  19].  ^  Auf  Veranlassung  des  Verfassers 
wurde  eine  neue  Analyse  des  Garlsbader  Sinters  vorgenommen,  deren 
unmittelbares  Resultat  ergab:  Kalkerde  53,217;  Kohlensäure  41,064; 
Eisenoxyd  und  Phosphorsäure  1,503;  Fluor  und  Schwefelsäure  0,661; 
Wasser  3,555.  Mit  Becht  hebt  der  Verf.  als  bemerkenswerth  den 
Umstand  hervor,  dass  der  Aragonit  kein  kohlensaures  Eisenoxydol 
enthält,  und  glaubt,  als  Grund  hiefür,  dass  kohlensaures  Eisenoxydol 
in  der  Form  des  Aragonits  sich  vielleicht  nur  unter  ungewöhnlicfaeo 
Umständen  bUden  kann. 

8)  Pseudomorphosen ,  zu  denen  Aragonit  Veranlassung  gibt, 
oder  die  er  bildet«  Erstere  sind  viel  häufiger;  sie  bestehen  stets 
ans  Kalkspath  nach  Aragonit  und  man  hat  solche  an  mehreren  Orten 
beobachtet.  Das  ausgezeichnete  Beispiel  einer  Pseudomorpfaoae  vod 
Aragonit  nach  Gyps  bietet  der  sogen.  Schaumkalk  aus  dem  Mans- 
feldischen,  wie  der  Verf.  in  einer  früheren  Abhandlung  gezeigt  hat 

9)  Bergmilch.  Der  Verf.  stellte  endlich  eine  Reihe  von  Unter- 
suchungen mit  jenen  lockeren,  erdigen,  scbueeweissen  Massen  koh- 
lensaurer Kalkerde  an,  die  unter  dem  Namen  Bergmilch  oder  Mont- 
milch  gewöhnlich  für  eine  erdige  Abänderung  des  Kalkspaths  galten 
nnd  auf  Klüften  und  in  Höhlen  des  dichten  Kalksteins  der  vcrscbie* 
densten  Formationen  zu  Hause  sind.  Es  scheint,  dass  ein  grosser 
Theil  der  sogen.  Bergmilch  Aragonit  sei  in  mehr  oder  weniger  vcU* 
ständiger  Umwandlung  in  Kreide  begriffen. 

Die  vier  Kupfertafeln  enthalten  lehrreiche  und  treffüch  ausge- 
führte Abbildungen  von  Aragonit-  und  Kalkspath- Tropfsteinen,  so 
wie  von  erdigen  und  feinfaserigen  Absätzen  beider  Mineralien  bei 
360maliger  Vergrösserung. 


fe.  Nl  HEIDELBERGER  Utt, 

JAHRBOCHIR  der  LITERAT  DR. 


isndmSritrhmek  der  imieiniteken  Sprmekß.  Vmkr  Mitmkrkßm§  mm 
Ar.  Fr.  Lühker,  QjfmHMmIdirmmt'  m  Fmrtkim^  wU  Dt.  W.  F.  Umde» 
»«•«9  Cmu^eHrmLmr^  ktnm§$tpkmmom  Dr.  ti€ink0id  KUiA^  «iteA 
RftfuBfr  dtr  cfatfifoftcn  P%Uoioti$  ^n  d€r  I/niMnitfl  mi  JLfllpcM  Drw^^m 
■  hiiif.  J>nidl  imrf  Kcrlgy  mr  fiiwy  tfüfümaw.  iai7.  Br$ter  Bm^ 
Ä-^B.    UV  mmd  i7ia  8.    ImtiUr  Bmd.    i—T.    iSOO  &  m  fr.  A 

Wir  kabea  hier  ein  Werk  Tor  udi,  daf  ror  fait  lehn  Jahren  befonaea^ 
■■▼erdroMen  durch  alle  Stürme  der  Zeil  fortfeaeUt,  nnn  beinahe  an  aeiner 
Tolleadnnf  feianft  iat,  da  ao  den  Töllif en  Abfchlnai  dea  Ganaea  nar  aoeh 
eia  kleiner  Tbeil  fehlt*),  der  in  Koraem  nachfolgen  dttrfle;  jedeafaila  aber 
kaaa  daa,  waa  bereita  Torliegi,  an  einer  richtif  en  Wllrdlgunf  and  eineai  alchem 
Urtbeil  Aber  daa  Ganae  una  berechtigen.  Bald  nach  den  Bracheinea  der  eralea 
Lieferang ,  ward  dieae,  lo  wie  auch  die  nachfolgenden  bia  in  den  aweitea 
Band  hinein,  anaführlich  in  dieaen  Jahrbttchern  beaprochen;  ea  galt  damab,  dea 
Pitt  ind  die  Anlage  dea  Werfcei,  aeine  ganae  Einrichtang  daranlegen,  and 
teil  anch  den  Nachweia  au  geben ,  in  wie  fem  die  Zwecke ,  die  daa  gerne 
Uateraehnen  beatinmten,  auch  wirklich  erreicht  werden  aind:  ea  knttpflea 
nck  an  dieae  Darlegung  manche  einaelne  Bemerkungen,  Beriehtigungea  nad 
Kachlrlge,  wie  aie  bei  einem  Leiieon  nie  auableiben  werden  nnd  eben  ae 
wähl  in  der  Natnr  einea  aolchen  Werkea,  ala  in  den  aobjectiTen  Aaaichtea 
nd  Anachanangen  der  Bearbeiter  deaaelben  ttber  daa  dabei  einanhaltende 
Imm,  ihren  Grand  haben.^)  Nachdem  auf  dieae  Webe  die  Iritik  ihre  Aa^■ 
fibe  im  Eanaelnen  erfttllt  hat,  mag  ea  wohl  yergOnnt  aein,  noehmnla  einen 
Rikckbliek  auf  das  Ganae,  wie  ea  jetat  vorliegt,  au  werfen  nnd  den  Tetaleia- 
^k  aa  beaeichnen,  den  eine  unbefangene  Prüfung  dea  Ganaen  anf  naa  ge- 


llt aller  Befriedigung  kann  der  Herauageber,  dem  aich  im  Laufe  der  Zell 
■och  mehrere  andere  gelehrte  Hitarbeiter  aur  achneileren  Durchführung  dea 
Guten  angeaellt  haben,  auf  daa  wirklich  in  dieaem  Werke  Geleiatele  aa- 
rllckhlickea  i  bestimmt  von  Anfang  an  ein  Mittelglied  gewiaaermaaaen  an  bil- 
4m  iwisehea  den  grossen  unbehttiflichen ,  schwer  augttngUchen  Theaaaren 
lad  den  aahlreichen  für  den  Bedarf  der  Schule  gearbeiteten  und  bloaa  daraar 
berechneten  Wörterbüchern,  die  für  ein  fortgeaeutea  und  gelehrtea  Studium 
iieht  anareicben,  hat  dieaea  Handwörterbuch  allerdinga  eine  wesentliche  Ltteke 


*)  Nur  die,  unter  der  Preaae  befindliebe,  aiebenaehnte  and  letote  Liefe- 
niaf,  welche,  von  dem  Worte  tignariua  an  den  Rest  des  Ganaen  entbAll, 
Wt  noch. 

^)  S.  dieae  Jahrbücher  Jabrgg.  184a  S.  947  ff.  S41ff.  B78ff.  Jahrgg.  1849. 
^m9.  Hhrgg.  185a.  S.  908 ff.  Hhrfg.  1863.  S.5?»ft  Jahrfg.  18M.  S.78tft 
fin  sehwerea  Augenleiden  hat  dem  verehrten  VerCasaer  dieaer  Aaaeifen  Cor. 
Keeter  Ho aer  aa  Ulm)  eiae  weitere  FortaeUung  dieser  Berichte  nicht  ver- 


L  Jahrg.  8.  Hell.  80 


41^  noti:    B^frftfMrftf^  f«^  hlfii^MM  Sprache. 

aofgefllllt,  and  eben  fo  tdir  darch  den  Reiclithnm  and  die  FttHe  def  8toff^ 
itff  l^ci|  di^  Gepmiifi^t  un|l  Sofgfrit  In  der  Behandlang  def  Einselnen  eiA 
M  einem  UnentbehrHehen  Hutfcminel  Ibr  ein  grttndliehef  Stodinm  der  latohil^ 
•cbOA  Sim^bfi.  teninf ebildjt ;  und  wenn  es  anf  der  einen  Seite  allei  Da^Jenife 
bietet,  waf  der  Schüler,  zumal  in  den  hohem  Clasfen  einer  Mittelaehnle'  be- 
darf, wird  ea  auf  der  andern  Seite  dem  aafebenden  Philolafen,  dem  Leham 
wi*  «elbü  dem  belehrten  diejenige  Betehvoof  bielen,  die  er  aogar  in  dea 
nwaaare»  oft  verffebHch  aocht^  die  ihm  aber  die  kleinen  Soholwdr- 
her  Im  keine»  Weiae  bieten  können» 
\  Sie  VortOgedea  Weikoa  liegen  olao  attTftrdeyrat  in  der  V« I  la  tft  ndig k eit, 
mit  weleher  Wer  der  geaammte  Spraohaehatn  veneiehnei  iai,  welchen  die  la- 
teinische Literati\r,  so  weit  sie  uns  bekannt  ist,  auf  den  noch  zaijAnglichea 
Schriften  aufsuweisen  hat,  und  swar  ohne  Bevorzugung  der  einen  Seite  dieaer 
Literatur  und  Benachtbeiligung  der  andern.  Also  nicht  bloss  die  Schririatel- 
ler  der  sogenannten  clasaischen  Zeit,  oder  des  goldenen  Zeitalters,  wie  Cfisar, 
äalli^t,  Cicero  u.  s.  w.,  zu  welcheii  mehr  oder  minder  gute  SpecinlwOrter- 
bucher  vorhanden  sind,  die  als  nützliche  Vorarbeiten  fär  ein  solchea  grOaeeres 
Wörterbuch  benutzt  werden  kennen,  aondern  auch  die  Schriftsteller  der  yorctaa- 
aisfhe^  Zeit,  die  dahin  gehörigen  Diehterreste  insbesondere,  wie  die  Schrift- 
steller der  nachclassischen  Zeit,  von  Seneca  und  Plinius  an  bis  zu  Anaonloi 
und  den  panegyrischen  Bednern  herab,  kurz  bis  zu  den  Zeiten  dea  fifcnftea 
Jahrhun^erta,  wo  mit  dem  nahenden  Ende  der  römischen  HerrschafI  im  Abend- 
lande, auch  Sprache  und  Literatur  in  dasjenige  Studium  des  Verfalls  eintrat, 
wetcfc^a  den  Uebergang  zu  dem  Latein  des  Mittelalters  bildet,  sind  fbr  dieaef 
Wörterbuch  benutz!  und  durchgearbeitet  worden;  so  dass  es  nicht  zo  Viel 
gesagt  ist,  wenn  wir  behaupten,  daaa  der  ganze  eigentlich-lateinische  Sprach- 
schatz, so  weit  ihn  die  noch  vorhandenen  Denkmale  dieser  Sprache,  elwa 
mit  Auspahme  der  Inschriften,  bieten,  in  dieses  Handwörterbuch  aufgenoaunen 
ist:  aind^  doch  selbst  die  Ausdrücke  der  römischen  Bechtsquellen,  so  weil  sie 
noch  in  <|ie  gute  Zeit  fallen,  berflcksichtigt,  eben  so  alle  mehr  technischen,  ein- 
zelnen bestimmten  Fächern  angehörigen  Ausdrucke ;  endlich  auch  alle  Blgen- 
aiimen  nnd  Ortsnamen,  diese  in  angemessener  Kürze,  und  ohne  weiter  gebende 
Erklärungen.,  die  man  in  einer  Bealencyclopädie,  wie  wir  deren  ja  jetzt  mehrere 
besitzen,  a])er  nicht  in  einem  Handwörterbuch,  welchea  der  Sprache  znnöchst 
bestimmt  ist,  zu  suchen  hat.  Waa  die  Inschriften  betrifft,  so  haben  grOaaere 
nnd  bekapnter^  (wie  z.  B.  daa  sogenannte  Monnmentum  Ancyranuv)  in  dem, 
was  fie  PXr  die  Lezicographie  Bemerkenswerthes  enthalten,  zwar  anch  hier 
Bertikekaichtigung  gefunden:  dass  übrigens  auf  diesem  Gebiete,  in  Folge  der 
grossen  in  der  jüngsten  Zeit  gemachten  Entdeckungen,  noch  manche  Erwei- 
terung des  lateinischen  Sprachschatzes  zu  erwarten  steht,  theitweiae  nach 
schon  eingetreten  ist  (wie  z.  B.  in  den  Tausenden  von  Inschriften  ans  Nord- 
d^^a,  welche  jetzt  TeröffentNcht  werden),  Ist  unleugbar:  der  Bearbeitet  einea 
lateinischen  Wörterbuches  wird  aber  dann  erst  davon  den  gehörigen  GebrojBck 
m^tktn  Maneii,  it^n«  d^ue  |iMicbnft<)n  simmllich  in  f  elueuen  Copien  Ter- 
öAMliiehtaind  «ad  ie  gröaaeren  Werken  Tereiaigl,  kiec  nach  mil  des  o^lU* 
gen  IndM»  versetzen,  tu  einem  Geuieiagul  der  Wiaaenaeknft  gewordoa  niaA 


t   nMiiimiiMli  ta»lrtti 


Al«r  Mdi  swftil6Bt  in  BMtif  mI  4i»  , 
rakhM  8toA  wird  ■«!  dm  ia  dieatH  ■«■dwdrtcftedi  tieWiüeto«  «•  flcM* 
AvortMHMM  aichl  ■«  Tertaffea  Uhom.  Bier  wM  nmi  iMi  b«Medi|t  iodM 
•km  #•  aehr  in  der  Featotelhuif  der  nnprOiiKHckeB  Bedevtanf  eine«  jeden 
•ieielneB  Wertes,  wie  lie  enf  detnen  AbelaniHMNif  and  Ablcüanf  begiUndel 
•b  in  der  Emwlekelnnf  der  eoe  dieter  Gmod^edentnif  wefcer  her- 
Bedenlnnffen  in  flrenir  lefiicber  Folfe«  •»  wie  der  didnieh 
■it  kedinf  ten  Simcinr  cinee  jeden  Wertes.  Inr  riektigen  nnd  siekem  Pee»» 
iltlinnt  der  Cnudbedentunfr  wni  allerdinf^  die  Blymaiofie  herantneUen, 
•ken  so  wie  wm  weheren  Entwicklonir  der  Bedenlnnuen  die  Synenynitk, 
dann  nber  eneli  die  Grsnnalik  nnr  Anfabe  der  Simelnr,  wie  selche  sieii 
te  Spmefafebranebe  bei  jedeai  einaelnen  Worie  festveslelll  hei;  es  Isl  dlestn 
diel  Fonklen  eHn  Reebnnng  felrafen,  MTttrdersi  alien  den  die 
•nd  den  Ursfrunf  eder  die  Wuttel  eines  Wortes  beteelTenden 
wsbei  jedeeh  mil  «rosser  Versiobl,  aber  statt  aiH  fedrinfler  Angabe  der 
dariber  auffssteilten  Ansiekten,  yerfakren  worden  ist;  in  diesem  stynlafl 
siben  Tbeile  konnten  nur  sieliere  Ergebnisse,  wie  sie  bereits  gewonnen  wnp» 
dan  sind,  benutst  und  dann  anck  dnr  weiteren  BröMetang  sn  Grunds  gslaft 
werden;  jedes  kohne  Spiel  der  Phantasie  moiste  hier  entfernt  bleiben,  wo 
itbon  der  besehrinkto  iUuni  eine  natllrlieke  Sekranke  geseint  kak  War  akor 
\  die  nasprBnglleke  Bedeutung  des  Westes  dnrek  seine  Bnrieftkng  fsi^ 
so  warsn  die  weitet  daraas  kerrorgekenden  Bedevtnnfon^  in  ikreni 
Qtfeasokied  an  andern,  Wftrtern  ibniichen  Sinnes  nnd  Sehlagee,  mit  mehr  Sinkofi* 
hau  Win  in  einer  bessern  Ordnung  lu  entwiekeki  und  alle  die  Verseiiloden^ 
beüsn,  wie  sie  die  Synonymik  ansngeben  nnd  fsstanstellen  Iml,  genanek 
hsrrersobeben,  um  so  das  Genie  desto  fmcbtkarev  so  maeken.  Wenn  en^* 
Ksk  sar  Feststellang  der  yerschiedenen  Formen  eines  jeden  Wortes,  wie  im 
Anwandnng  derselben  im  Sprschgebraueb  aneb  das  grnmmntisebe  Blathem 
Uasngeaogen  werden  amssle,  so  ist  diess  dock  mit  deijenigen  Umsiekl  nad 
■it  dtarjenigen  Besebrlnknng  geschehf n,  die  in  der  Natnr  eines  Wdiferbnnks 
Ksgt,  das  keine  Grammatik  sngleich  sein  soll,  wohl  aber  denk  die  veisekie«* 
dsnen  tassereo  Formea  wie  die  rersebiedenen  Stmcturen,  die  bei  jedem  Worte 
im  Gekraneh  demelben  vorkommen  and  sngleick  auf  loine  Bedenteng  ron  Vn^ 
lam  sfad,  mit  aller  Sorgfalt  und  Geoanigkcit  angeben  soB.  Bier  ist  null  nHe^ 
diags  in  üesem  Werke  mekr  geleiste»  worden,  als  in  irgend  einem  iknUekek 
Wsrko  unserer  Zeit;  sorgftUiger  als  in  irgend  einete  aedem  Werke  dM*  Atft 
laden  wir  den  Gebranok  nnd  die  Anwendung  eines  jeden  Wortes  in  dan  TOf« 
lehiedcnen  Zeitaltem  der  Spracke  wie  naek  den  veMOkiedenon ,  Uer  in  B^ 
kaeht  konnnenden  ScfariCiMellern  untersekieden ,  nnd  genau  alle  Untnnekiadn 
der  Stvnctni,  die  dsranf  sich  beaiehen,  angegeben.  Demit  hingt  rasamatek 
die  Anlkbmng  von  BelegsteUen,  wie  sie  hier  mit  gromer  VoUstkudigkeit  and 
den  veinebiedenen  Schriftolellem,  aber  auch  aiit  gleieher  Genairigkeit  nod 
leigiik  in  Betttg  auf  den  Text  selbst,  bei  jedem  Werte  stnttfeftHidaa 
hM  nnd  uns  damit  den  Gebrauck  jedes  Wortee  nnd  seine  Anwendunf 
teeh  den  versekfttdenen  Bedeutungen  und  Struetttren  keqnmn  ikersekanaa 
Ukstf  nnek  kier  wird  maa  ein  Hekreres  geleistet  inden,  als  bei  andern  dof- 
der  FaU  ist,  dn  seken  der  firnift  dnr  BekfiBiteH«^  wnlekarkeft 


4flS  KiMi»    HMdfittrterihich  der  hmUbAm  SpnOm. 

ditoMi  YfiMoAMk  barttckiMtift  Ward«,  eia  MBgedelniterer  itt,  wie  wir  dien 
•Imh  Iber6ito  aofeirebeii  haben;  die  Scbriftiieller  des  filberaen  Zeilaliert  ond 
der  denn  »ich  weiter  reihenden  apftterea  Zeit  bU  su  dem  oben  bemeritteii 
Zeitraom  find  noch  in  keinem  andern  Werke  auf  eine  aelohe  Weite  neben  den 
Sehriftatellern  des  goldenen  Zeitalter»  benuut  worden,  und  dabei  der  Unfer- 
aeUed  dea  Gebraneha  von  den  lelilern  ao  fonau  aller  Orten  herrorfebobea 
weiden:  ao  daaa  wir  auch  darin  wohl  einen  boaondem  Vonof  dioaea  Hand- 
wArterbnoha  anerkennen  nllaiea,  dea  man  ihm  nieht  leicht  atreitif  machen  kaan, 
80  wird  anch  jetat,  nach  dem  Eracheioen  dca  faat  Tollendeten  Werkai, 
nar  Diejenige  wiederholt  werden  können,  waa  aehon  im  labre  1852  die  frühere 
Krilik  bei  den  JEracheinen  der  aechaten  Lieferung  dea  eraten  Bandoa  aaa" 
aprach,  wenn  aie  veraicherte,  Mdieaelben  Vorauf e  der  Gründlichkeit,  der  lief 
eingehenden  Foracbung,  der  richtigen  Anordnong  in  Aufatellüng  der  Beden* 
tangen,  der  Wahl  der  Beiapiele,  aua  deren  Stellung  achon  gleichaam  die  Ge* 
aohiehte  dea  Gebraneha  der  Wörter  und  in  den  Artikeln,  wo  dieaa  mOgliflh 
and  aasabriagaa  war,  anch  die  Entwieklang  der  Wortbildang  nnd  Oflhogra- 
phio  herrorgeht,  kura  Allea  daa  gefunden  an  haben,  waa  in  frttheren  Anaei« 
gen  ala  der  Charakter  dea  Werkea  dargeatellt  worden  war"  (a.  dieae  Jahibb. 
Jahrgg.  1858.  8.  004). 

Wer  die  groaaeren,  ja  kaum  an  bewiltigenden  Schwierigkeiten  kennt,  die 
mit  der  Anaführong  etnea  aolchen  Werkea  ▼erknttpfl  alnd,  der  wird  wahrinf* 
tig  fühlen,  waa  er  den  Mlnnern  an  danken  hat,  die  ein  aolchea  Untemehawa 
bogOBBen  nnd  seiner  Vollendung  nahe  gebracht  haben.  Um  die  mttbefolle 
Anfgnbe  doato  achneller  an  ihrem  Ende  au  fahren,  ao  weit  ea  ohne  Nachtheil 
dar  Grttndtichkeit  nnd  Sorgfalt  geachehen  konnte,  fSand  der  Herausgeber  aehea 
in  dem  enrten  Theile  dea  Werkes,  bei  der  Bearbeitung  einaelner  Artikel  das 
Bttchatabeaa C freuadlicbe  Uaterttfitanng  an  den  Herrn  Dr.  Geier  nnd  Hiser 
fta  Halle;  die  von  ihnen  bearbeiteten  Artikel  sind  mit  deren  NninenacUfta 
teraehen:  in  auagedehnterem  Grade  aber  fand  der  Herausgeber  dieae  Unter- 
attttanng  bei  den  beiden  anch  auf  dem  Titel  des  Werkes  genannten  Gelehrten, 
dem  Herrn  Rector  Lttbker  au  Parchim  und  dem  Herrn  Conrector  Hude* 
mann  an  Leer;  ihrer  tbatigea  Mitwirkung  verdanken  wir  die  raschere 
Vellendong  dea  Ganaen,  wie  dieaa  die  anhlreich  von  ihnen  gefertigten, 
ebenfalla  mit  ihrer  Namenschiifre  versehenen  Artikel  in  den  spitteren  Theilea 
dea  Werkea  erkennen  laaaen ;  waa  der  Herausgeber  selber,  abgeaeben  von  der 
ihm  aileia  augefallenen  Durchsicht  des  gesammten  Materiala,  der  Leitung,  An* 
Ordnung  nnd  Ueberwachong  des  Ganaen,  im  Einzelnen  geliefert  hat,  iat  daraa 
ebonialla  mit  daasen  Chiffre  beaeichnet  worden.  Aber  anch  der  Verleger  hat 
aoinerseiu  Alles  gethan,  um  die  typographische  Ausführung  in  einer  die  Be- 
dürfnisse derer,  far  welche  das  Werk  bestimmt  ist  möglichst  betriedigendea 
Weise  an  geatalten.  Ea  ist  ihm  gelungen,  bei  dem  grosseren  Format  uud  dea 
doppeltea  ColomncB  auf  jeder  Seite,  erstaunlich  Vielea  auf  einen  verhiltniaa* 
artaaig  geringen  Raum  ansammensudrilBgen,  unbeschadet  der  Deutlichkeit  nad 
dar  bequemen  Ueberaichtlichkeit,  wie  man  sie  bei  einem  Lexicon  mit  guteai 
Grande  verianfen  kann ;  Druck  und  Papier  entsprechen  billigen  Aniordema- 
gen;  die  deutschen,  scharfen  Lettern  erleichtern  den  Ueberblick  nicht  wenig, 
•o  dnaa  wir  aal  bald  and  leicht  aller  Orten  an  orientiren  vormügea,  worauf 


WM0AMI  ttber 


Mb  mA  bei  oiMM  sm  MtdueUagw  keüfanmlen  Werke  eiaif  ei  Gewid* 
n  lefee  iet. 

lieble  immtn  iletee  eene  HMftieriltel,  die  wir  alt  eine  wibre  Ferderneff 
tiaei  frtedlichen  StedieiM  der  leleieiacbeB  Sprache  belraehlee,  in  die  Hin- 
4b  reebt  Tieier  felanfee  and  eeiiien  Nolsea  bewf breo  |  ffrlledlicber  «ad  üb- 
fmreicber^  alt  die  naeb  kleinereas  Maaealeb  fefeatlen  fewobniieben  Scbal- 
neneibbcber  wird  ea  de«  weiter  Strebendes  ancb  Dasjenige  bieten,  waa 
j«ae  friaaeren  Tbeaavren  nnr  in  beaebrlnktem  Haaae  sn  bieten  rennefen, 
wlbrend  aie  in  der  Anordnnnf  nnd  Bebandlanff  dea  Binidnen  bei  Wetten 


itr  Bcmtridm^  mit  iUttr  AdcJbicM  auf  die  Er^vienmg  des  kätuiickm^  re^ 
KfiSim,  paHH$cken  und  krUgerucken  TMMkmdes  dea  heroUehm  Zeiialiefi,  mbii 
Brkiänmg  der  sehttiengtien  Steile»  und  aller  mgÜiologischeH  Mid  geograpk^'  , 
icken  Eigennamen.  ZmUlek$t  ßr  den  Sckulgebraaeh  auegearbeitet  von  O, 
Ck.  Cru$iug,  ireil.  Rtctor  am  Lyceum  %m  Hannover,  Fünfta^  netAear^ 
bettete  Anfiage  von  Dr,  E.  E,  Seiler,  Leifug  1859,  Bahn*»che  Verlage^ 
BmMumdhtng,    XIl  und  514  S,  m  gr,  8, 

Daa  Werterbncb,  daa  bier  in  einer  fünften  Auflage  vor  una  lieft,  hat 
ia  den  rier  Toranafefanfenen  Auflagen  eine  aolche  Verbreitung,  aber  ancb 
eine  aelche  Anerkennung  gefunden,  daaa  ea  wobi  kaum  nOtbig  aein  dürfte, 
Biber  in  eine  Würdigung  deaaellien  einaugehen ,  wie  aie  den  früheren  Aufla- 
ien nach  ihrem  Eraeheinen  in  dieaen  Blutern  (a.  inletit  Jahrgg.  1849.  S.  197  if.) 
ancb  an  Theil  geworden  tat,  wenn  niclil  die,  man  kann  wohl  aagen,  weaent- 
Ucbe  UaBarbeilnng,  welche  daa  Werk  durch  den  neuen  Bearbeiter  deaaelben 
BTÜMeD  bat,  dann  unwillkübrlioh  anffforderte.  Die  Aufgabe,  die  ihm  g»- 
fteHt  war,  ging  dahin:  „daa  Werk  einer  durchgreifenden  Prüfung  und  nach 
Beladen  einer  tbeilweiaen  oder  aucb  ginalieben  Unmrbeitnng  an  unterwerfen, 
doch  ebne  Im  Weaentliehen  von  dem  uraprünglicben  Plane  und  der  nraprüng^ 
beben  Kinricbtang  abiugeben  und  demaelben  eine  dem  heutigen  Standpunkt 
dar  bemeriacben  Exegeae  und  Kritik  moglicbat  entaprechende  Geatalt  au  ge- 
ben.* Wenn  man  ea  gewiai  nur  billigen  kann,  daaa  die  uraprünglicbe 
Anlage  dea  Genien  unverllndert  bleiben  aellte,  ao  waren  doch  auf  der  andern 
Seite  im  Einseinen,  d.  h.  in  der  Bearbeitung  einzelner  Artikel  manche  Miaa- 
ttinde  berrorgetreten ,  deren  Beaeitigung  nnr  durch  eine  genaue  Durch* 
aiebt  und  aelbal  ginxliche  Umarbeitang  einaelner  Artikel  au  eraielen  war^ 
ahgeaeben  davon,  daaa  für  die  Kritik  wie  für  die  Sprache  der  hemeriaeheo 
Gedichte  aeit  dem  Tode  dea  Verfaaaera  ao  Manchea  gdeiatet  worden,  überhaupt 
in  Vielem  die  Brkllmng  dieaer  Gedichte  in  neue  Bahnen  eingetreten  iat,  eine 
Beriekaiebtignng  Allei  deaaen  aber  für  dieaea  Würterbaeh  eine  Notbwendig« 
keit  war,  wenn  ea  aeinem  Zwecke  entaprechen  nnd  mit  gleichem  Erfolg  auf 
Sebnlea  inabeeoadere  benntal  werden  adlte. 

Der  Bearbeiter  dea  Werkea  bat  nun  aeiner  Seite  AHea  aollgeboten,  dieaen 
AnfiorderuBf en  bei  der  BeaorfUBg  der  nenen  Auflage  in  entaprechen,  die,  wie 


479    <;wiiwH>paw>  (Bfi«UNhp4>MiMk6»  WiiMitedi  ttb«r  Mum  tMi 


Dommeii  hat,  wie  die  ihr  vorautireheDdeii,  tod  denen  sie  sieh  wcfeAtUchi  und 
m  ihyem  nicfal  feringen  VorlheU  unlentheLtoC:  Im  jedeai  Wort  ift  «ttf  Er- 
mitfttlnDf  des  Urapni9fi  nnd  der  d«r««s  hervDr|t^e»den  Grundbedentainf ,  eise 
auf  da«  £(y»ol«gische|  unter  Benntsuf  der  Srgebnisse  neuerer  Ponchu|, 
beaendere  Rttcksieht  feaeaunen;  die  eidfeinen  Fortteli  aind  mit  mehr  Genaaif 
\tlX  und  grosaeier  Vellüftadickeit  anfgeflkhri,  dabei  ancb  das  Didektiadw 
iPrgfUliffer  beachtet  wprden ;  dann  snhiiesat  sieh  die  aoryAMgere  Untencher* 
dang  der  tfedeatanffea»  wie  sie  aoa  der  Gnindbedentanit  aicih  eutirickelBf  se 
wie  die  Angabe  des  Gebranehs,  ¥rie  s.  B.  namentlich  bei  den  Partikehi  md 
Pripoaitionen;  in  Allen  dem  wird  man  einen  grossen  Unterschied  mit  dea 
frttberen  Anlagen  wahrnehmen,  und  bald  erkennen,  wie  Manches  hier  umge- 
firbeitet,  mm  Theil  selbst  gai^  neu  gestaltet  worden  ist.  Dafs  bei  allen  Aa- 
fllhrnngen  die  neuesten  Recensionen  des  homerischen  Textes,  wie  sie  durch 
Bekker  und  Dindorf  gegeben  sind,  beachtet  wurden,  wird  man  wohl  eben  se 
begreiilch  finden,  als  die  Benutsung  dessen,  was  fUr  die  eigentüche  Brkli- 
mng  des  Dichters,  in  sprachlicher  wie  sachlicher  Hinsicht  in  den  verschiede- 
nen neuesten  Werken  Über  Homer  beigebracht  worden  ist:  und  da  die  rich- 
tige AttlTassung  jedes  Wortes  von  dessen  Ableitung  mit  abhtngti  ao  wird  mu 
die  grosse  Sorgfalt  nicht  misskennen,  welche  der  Bearbeiter  diesem  Theile 
seiner  Arbeit  angewendet  bat,  die  uns  lugleicb  die  Summe  dessen  bringt,  was 
in  dei|  Schriften  der  Gelehrten  in  der  jQngsten  Zeit  darüber  ermitldlt  werdea 
ist;  es  werden  daher  auch  die  Terschiedonen  Angaben,  so  wie  die  darauf 
geatotaten  ErklArnngen,  stets»  und  swar  mit  der  aOthigen  Vorwelsanf  auf  die 
betreffenden  Schriften  angeführt,  so  dass  auch  der  Lehrer,  der  daaBncli  gebraucht, 
nicht  geringOD  Vortheil  aus  demselben  sieben  kann;  wie  denn  ttberhaopt 
dieses  Wörterbuch  jetst  als  eins  der  wesentlichsten  HidCsmittel  bei  der  LedAre 
4or  l^omerisehen  Gedichte  xu  deren  richtigen  VerstSadnisa  und  AuflhaevBg  an- 
geaebeu  werden  vnaa,  daher  auch  Boi^eiugen,  denen  4ie  ganxe  (hier  benviBte) 
(iteratnr  der  Ober  Homer  erschienenea  Schriften  nicht  au  Gebote  siehl,  un» 
entbebriich  ist  Wir  wollen  daher  aneh  keine  Belege  dea  Bimteliei 
«aftthren,  da  Jeder,  der  daa  Baob  in  die  iknd  nimmt,  diese  leicht  «irf  jeder 
Seite  desaelben  finden  und  sich  dann  auch  tob  dem  Gesagte«  abetfaengen 
kann;  wir  wollen  aneh  nicht  einaeJae  Artikel  vornehmen  utad  duröbanetefu, 
um  eben  Dieses  oder  lenea  bincnanftlf en ,  waa  wm  übersehen  schiefi,  oder 
wu  nach  unaerer  Ansicht  in  eine  andere  Fassung  m  bringen  war;  dnau  wird 
hei  einem  Wortefbuoh,  daa  ans  Tauaenden  von  einaelnen,  gewiaaermasscB 
seJbstindigen  Artikel  besteht,  stets  sich  Gelegenheit  finden,  da  hier  nie  ein 
völliger  Abschluas  erreicht  werden  kann,  wenn  auch  gleich  das  Streben  nach 
einem  solchen  nie  ans  den  Angen  gelassen  werden  darf.  Dass  der  neae  Be- 
arbeiter in  dieser  Hinsiebt  sein  Kogliehstes  gethan,  dieses  Zeogniss  wird  ihm 
Nienand  vesaagen  können;  wir  haben  rielmehr  alle  Ursache,  dankbar  daa  Ge- 
leistete aaBoorkMuen  und  oaa  an  freuen  der  weaentlieh  verbesaerten  Geatal* 
tiing  wie  der  grOsaere»  VoUaUndigkeit,  welche  du  nMaiiche  Werk  in  aeiaer 
fttaften  Auflage  erhalten  hat.  Der  Droek  iat  awar  aebr  gedringt,  aber  deefc 
aebr  deutlich  und  eomet  «nageiattan. 


IStitn    Hyp«ridis  Oratio.  '^i 

^Tgt^'^9v  itfh^  Bvfnr^flnrdv  doayyMa^  anoXoyia  nffig  tloXvitnit^.  tfy- 
ff rillt«  9rmlari$  Attiei  fro  EtixaUppo  in  Poiyeuetmn  arüiio.  llec^^Novil, 
üffwr^tmn  criHeum  adSdii  Caroius  Guilitimut  Linder,  Üptatias 
Qrpw  ^Mcnjpnl  reg,  Aeaiemia§  iypograpku§,    MDCCCLVL    i7  S.  tu  ^.  Ü. 

Tm  den  beides.  In  aeaetter  Seil  iin«  A^in^ptii4;1ieb  Pa|(fhiü  w!t*der  üUm 
Ueht  gebraditeB  Redan  det  Ryperidea  (0.  dieae  Jalfbb.  1853.  ^,  etllt),  6r^ 
•cbeial  bier  dia  eine,  iwd  twar  dlejanifä,  welehe  TOiriUlBdiir  e^baltaiA  iit,  tb 
eiaeai  Abdracli,  dar  fchon  daram  unaere  Bliebe  auf  aicb'  siebea  ma|^,  ab  \A 
aas  dem  faraea  Nofdea  aianml,  mid  ^enigacaiia  ael^n  kdäa-,  welebea  Ab- 
tkeil  aMB  aacb  dort  an  Atteitt  dett  ninhiit,  Was  «ar  Forderung  der  clasai- 
fdwa  Studien  dea  AllertbtifBf  in  nteetter  Zeil  du  8k*  Tagteliobt  gebraebl 
werden  tat.  Ka  yerdieat  ttbrig^ns  dieser  Abdruck  aucb  aus  andern  Gründen 
uasere  AnfBerkaamkeiL  Was  aelt  der  Zeit  der  ersten  Veroffentlicbunf  dieaer 
lade  Ton  Teiacbiedenen  Seiten  her  fttr  die  Kritik  dieaer  neu  aufgefundenen 
lade  beigeatenort  worden  iat,  das  Allea  bat  der  Heransgaber  borikib- 
•iehtigt  nnd  Uemach  einen  Text  an  geben  gaaaaht,  in  weicbon  alfc»  die- 
jenigen Verbeaaemngen  der  Gelehrten»  die  mit  diofon  BruebntOek  aicb  be- 
ichiftigt  babea,  Aufnahme  gefunden  babon,  in  ao  weit  sie  dam  Vaifaasar 
wiiklicb  ala  Verbeaseningea  des  feblerbaften  Textes  nnd  darum  nothwendig 
enebienen,  nm  das  Gänse  in  eine  lesbare,  der  nrsprttugliell^n  GcAftlih  sieb 
darcbans  annlbenide  Form  an  bringen.  So  entfbrtit  sich  der  gegebene  'teSt 
sHerdlngs  mehrfach  von  dem  in  Deutschland  erschienenen  Abdruck  C^öVtfngeik 
1853),  der  ton  manchen,  hier  glttcklieh  beseitigt^  Fehlem  nicht  fl'et  Ist, 
Iberhaupt  sieh  meist  an  den  Papyrus  enge  anschHesst  und  so  auch  desseh 
▼erderbniaao  meist  wieder  (^bt.  Aber  bei  diesen  Aenderungen  oder  lrei1»ei^ 
lerangen  iat  die  Vorsfcbl  beobachtet,  die  nur  da,  wo  es  wirkHtb  noihig  Ist; 
eiaaebreltot,  wo  also  ein  WiikHcbes  Verderbüiis,  ein  iHratirMr  tMer  TMiegt; 
daher  manche  Terbeasemngtrorseblige  eines  scharlfeinnlgen  bolllndiscbM  Itri-^ 
Aers  (Cobei)  keine  Aufnihme  gefunden  haben,  (!bbn  wtoll  sto  nil^HI  liötte- 
•andlg  eraeki^nen.  Unter  dem  Texte  abet  Ist  die  gante  Varf^ti*  LectiOndoi, 
wie  sie  sich  bereits  durch  die  Berntthungen  der  Gelehrleik,  die  Ihre  TUtlgk'^ 
^ser  Bodo  angewendet  haben,  gebildet  bat,  aofgefilbn:  ihanebe  BitoerKnil- 
gan  krfHacber  An  nnd  aelbat  TerbesaerudgsTorAcMage  dei  kerauaii^bera  bi- 
haa  hier  Hne  Stelle  gefanden:  die  gelehrte  nkd  kritisch«  Behkhdian|r  h4t  di^ 
«B  eine  Grundlage  erhalten,  anf  der  üe  non  weiter  forlacbfeiten  kann. 

Ton  deasaelboa  Heransgeber  sind  nock  wailOr  ananieifbni 

Cara/i  Guiiielmi  Lindtri  üpuUitntis  CamUna  LaiUuL  üptMUf  iffi$ 
txacripseruni  WahUirotm  ei  toe.    MDCCCLV.    54  S.  in  8. 

In  dieaer  Sammlung  erscheinen  luerst  mehrere  lateinische  Bear()eitungea 
griechischer  Poesien,  und  zwar  in  einer  freieren  Weise,  die  von  der  Ge- 
u^dheit  des  Üebersetsers  in  dieser  Kunst  der  Üebertragüng  ein  rühmliches 
Zengnias  ablegen  kann;  es  sind  die  Plegien  des  tyrtäus,  Callinus  und  Selon 
(fit'Tno^fixri  tlg  avxov).  Daran  reihen  sieb  Carmina  varii  argumenti: 
iigene  Vtoucbe  anf  dem  Gebiete  def  laieiniscbea  Poesie,  und  awar  Toiiebio* 


€CI       BrandM  t  Aoiiaf  dwdi.4.  Silskaaifieqpl  n.  QaMia  stob  Tenedif . 

daner  Art  ud  ancli  in  veneliiedeiiein  Meknin;  »te  bofiMen  «it  etoem  ui 
üftmen  der  UniveniCit  iib|fefiissleii  Gedicht  auf  die  Vermihlonir  dei  kdniKlt- 
chen  Brbprioaen  Carl  mit  der  Princessiii  Laiae  von  den  Niederlanden ;  ea  fal- 
fen  daaa  swei  weitere  Gedichte  auf  daa  Gedftchknisa  dea  Ertbiachofi  Cari 
Friedrich  von  Wingard,  Proeanilera  der  Univeri ikit  Upaala  und  dea  beirfihmtea 
BeneUna«  ao  wie  eine  wohl  felanfcene,  dem  Oridina  nachgebildete  Epiatola 
ConjvftU  ad  Naaoneai  Exaalem;  einige  kleinere  Gedichte,  inbeaondera 
•nek  mehrere  Bpigramme,  bilden  den  Schhiaa.  Wir  laaaen  ala  Probe  eiae» 
detaelbe»  folgen: 

Qnid  nive  frigidioa,  quid  habea  fbnrenlina  igne, 

Dnrioa  avt  aaxo»  iumine  nobiliua? 
Mona  hoainia  nive  frigidlor,  ferreatior  igne, 

Dnrior  eat  aaxo,  flumine  vobilior. 


Amßitf  ibirek  doi  StMammtrifvi  imd  dk  Gmiiem  naek  Vmedi§  im  Sammv 
f8$6^  «an  Dr.  ff.  K.  Brandes,  Fr^umr  md  JleftJor  des  Gymmtuimu  m 
Lemgo,  Mit  etner  Karte,  Lemgo  und  Deimold.  Meifer*$che  Boßmekhaad' 
kmg.    i657.    IV  und  HO  S.  en  8. 

Dieee  Reiaoachildemng  eaipfiehlt  aich  durch  die  gleiehen  Eigenachaflea, 
welche  an  dea  firOher  erachienenen  ihnlichea  Daratellungen  dea  Verliüen, 
den  Aoaflügen  aaoh  den  PyrenMea,  nach  Schottland  and  England  (a.  anlelal 
dieae  Jahrbb,  1856,  p.  75),  mit  gutem  Grunde  hervorgehoben  worden  liad; 
aie  bilden  eine  angenehm  nnterbaltende  Lectttre  durch  die  Art  und  Weiae  der 
OarateUaag,  in  der  wir  gern  dem  Verfaaaer  aelbat  da  folgen,  wo  er  Bekaantei 
ana  enihlt  oder  ana  die  Begebniaae  aeiner  Wanderungen  achildert,  diadiaicf 
Mal  einer  aadarea  Bicbtnag  aich  aogeweadet  hattea.  Von  Regeaabnrg  am 
etile  der  Verfaaaer  aaf  der  Donau  aach  Lina,  von  da  nach  laehl  and  in  dai 
Salakaauaergnt,  voa  da  nach  Salsborg  und  Gaatein ,  dann  aber  die  Taneia  ia 
daa  Kirnthaerlaad ,  aber  Klageafurth  und  Laibaob  nach  Trieat  aad  Venedif« 
welcbea  dea  «naaeratea  Punkt  der  Reiae  bildet.  Die  Raekreiae  erfolgte  glf^ich- 
fklla  aber  Trieat,  von  da  railtelat  der  Eiaeababn  aber  Wien,  Prag  u.  a.  w.  dar 
Heimath  an.  Ref.  kennt  die  meiaten  dieier  Punkte  aua  eigener  Anachanuagi 
er  liai  aie  ebenfalla  aad  aum  Theil  au  Fuaa  durchatreift:  und  doch  hat  ar 
gera  bei  der  lebeadigen  and  frtachen  Enfthlung  dea  Verfaaaera  verweilt,  die  Ur 
dem,  der  in  gleichem  Falle  war,  eine  angenehme  Erinnerung  bereiten,  Andere 
aber,  die  dieae  herrlichen  Gegenden  aoch  nicht  kennen  (um  nicht  von  dem 
au  reden,  waa  die  groaaen  Städte  bieten),  aufmuntern  mag,  in  ähnlicher  Weii^ 
wie  der  Terfaaaer  dahin  au  wandern  und  dea  schAnen  und  groiaartigen  Bilto 
der  Natur  aich  an  erfreuen.  Und  kann  ea,  fragen  wir,  einen  erhebenderea, 
höheren  Gennaa  geben  ?  Vier  Wochen  halte  die  ganae  Reiae  gedauert  -*  je- 
denfalla  eine  der  achOnaten,  die  man  in  dieaer  Zeit  unternehmen  kann.  Ich 
aah,  ao  achlieaat  der  Verfaaaer  aeinen  Auaflog,  herrliche  Stromthiler,  daa  Be- 
aauthal  mit  der  Walhalla,  daa  Saliathal  mit  den  merkwardigen  Oefen,  aah  daf 
Salakammergut  mit  aeinen  freundlichen  und  romantlachen  Seen,  aeinea  Felaaa 
nad  grttnnea  Hattea,  aah  daa  Hochgebirge  mit  den  Schneealpea  and  ewigaa 


i  HiQgo  Parket  Jlabiea  i»  AMka.  499 

eaflUo^gni»  b«WMKleito  den  TravaCill»  de«  Collingfall  «id  di«  bniMratai 
FUfo  dtr  Gaflamer  Achc ,  «tief  in  die  Salibeift  und  in  die  wonderrolle  Grotte 
TM  Adelabeqp,  schaute  die  |n^>M«rtifen  Umgebungen  ron  licU  und  de«  Wild- 
bade Gaftein  und  Stidie,  die  durch  ihre  malerisohe  Leffe  oder  ihre  GrOeao 
oder  Wichtigkeit  oder  Gofchiehlo  fohenewerth  find,  Regenebuiig,  Peif an,  Lina, 
Salshorf,  Laibaeh,  Trieft,  Tenedif,  Wien,  Prag.  Hein  freundlicher  Leser,  ich 
nge  IHr  LobewohL  Und  wenn  Da  vioh  frtfen  woUtest«  wohin  eoU  fidi  rei- 
lea?  sonrfeichQirsn:  wanderexnm  Tranaseo  und  aber  dioBorff«, 
lad  wenn  nicht  bis  Rom,  doch  an  dem  Sl  Marcasplata  und  aal* 
aeai  Dom!    UehUn,  figan  wir  hiaaa,  diesem  Ruf  raafal  Viela  falgan! 


Mungo  Fmrk*i  Roiitn  im  Afriktk  Von  der  YFetMffs  wmn  Niger.  Neu  &s- 
orMfef  aoM  Dr.  Friedrich  Steger.  Leipug.  VerUtgtbMchhtmdbmg  wm 
Curi  B.  Lorek.  Leipug  1856.  XVI  und  322  S.  tu  B.  (Auch  mit  dem 
weiteren  Titel:  IKUSiofheft  itf lerer  Bdieen.  HenmsgogAen  9on  Friedrich 
Steger,    Erster  Band  u.  g.  w.) 


Uli  dieaam  Bande  ist  der  Anfang  oinaa  Unteraehmans  gemaeht,  welchea 
die  ?arsebiadenan  ilteren  Reisen,  die  als  wahrhaft  Kpoehe  machend  angcaahen 
weiden  können  und  den  Weg  gebahnt  haben  an  den  grossen  and  mnbsaen» 
den  Satdeckaagen  neuester  Zeit  auf  dem  Gebiete  der  Linder  und  Volker* 
kande,  in  geeigneter  Bearbeitung  einem  Leserkreise  ronnlegen,  dem  es  um 
siae  angenehme  und  ntttaliehe  Belehrung  in  thun  ist  Hit  Hungo  Park  «nd 
seinen  der  Erforaehnng  des  damals  noch  gar  nicht  gekannten  Innern  AMka^ 
mgewendeteii  Reisen  wird  jler  Anfang  gemacht,  weil  aaf  ihn  eine  Reihe  Ton 
waiterea  Versuchea  gefolgt  ist,  dia,  snm  Theil  mit  mehr  GiBck  nntemommen 
aad  ausgeführt,  jedenfalla  das  Inaere'  Afrika's,  wenn  auch  aieht  TOllig  er» 
seUessen,  so  doch  ungleich  nSher  uns  gebracht  haben:  wesahaib  wir  es 
aaeh  gana  sweekmttssig  inden,  dass  der  Bearbeiter  des  Ganaen  S.  150— 
W  hialar  dem  seehsxehnten  Kapital  eine  ttbersichtUohe  DarsteHuag  da 
MimU^  hat,  was  seit  Hungo  Park  ftlr  die  Bereianng  das  Niger  und  diel 
de  der  lligerlinder  geschehen  ist.  Von  den  beiden  Reisen,  welche  Mungo 
Pwk  in  diese  Gegenden  unternommen,  wird  die  erste,  wie  sie  es  auch  schon 
um  ihrea  wissenschaftlichen  Werthes  willen  Tordieote ,  ausftthrlich  nach  der 
von  Hnngo  Park  salbst  gegebenen  Beschreibung  hier  mitgetheilt,  die  iweite 
Reise  nur  im  Ansang  nach  dem  Tagebuche,  welches  niher  anssuarbeiten  dem 
aaglackliflhen  Reisenden  nicht  mehr  rergOnnt  war.  Was  dessen  trauriges  Ende 
hetriil,  so  hat  dar  Verfasser  die  verschiedeaen ,  darOber  eingehenden  Nach- 
richten in  den  Ictaten  Abschnitt  seines  Werkes  aufgenommen,  das  der  all- 
gemeinen Theilnahme  und  BerOcksichtigung  mit  allem  Grunde  empfohlen  wer- 
daa  kann. 


474        Gertticker:  WttdiftraifeiA  io  Aottrallen  ud  VuidioMBilttid. 

Wandenmgen  ik  Äütinäim  md  fähJkmenstani.  Nad^  G.  C.  Mmä^.  ttuM 
hearhtiUi  Mn  TriedricX  Gerstäcktr,  Ltipüg.  Vet iagthmkhandkat^ 
•PH  Cari  B,  LorcL  1856,  Xll  und  271  S,  in  8.  (Auch  mit  dem  weite- 
ren Titel:  ttauMUoAdi  für  Länder^  und  VMethmde,  Wmisyejfiucii  ••• 
Karl  Ändree,    Eilfttr  Band  u,  i.  wj 

ftei  dem  nfchea  aad  nugfeiieitoett  Aaffcfawnnit,  welchen  die  antnillfeheB 
UliderlfttiBBgen  {■  anf ereti  Tagen  genommen  haben,  bef  der  von  Tag  tn  Ta| 
■telfenden  Bedemnng,  welche  dfetelben  auch  fOr  Dentschland  nnd  die  dent- 
icho  Atti#andening  einnehmen,  die  jetat  immer  mehr  dorthin  sich  tu  #eHdM 
beginnt,  wird  die  hier  gegebene  Darttellong  dieaea  Landea  ein  doppeltet  h- 
tereaae  gewinnen  mttaaen.  Sie  beruht  auf  einem  engliachen  Werke*),  welchei 
in  drei  Binden  au  London  erachienen  ift  nnd  alabald  eine  groaae  Verbreitnaf 
fand,  welche  in  Kuraem  mehrere  Anflagen  nach  einander  herrorrief,  eben  weil 
dieaea  Werk  am  besten  und  treneaten  daa  Ten  Europtem  jetil  eolonisifk 
Attstrafien  nach  seinem  gegenwirtigen  Zustande  achildeii,  und  ein  naaprechea- 
dtB  Büd  des  Gänsen  vorführt,  von  seinen  eraten  Anfingen  an  bia  an  dem 
gegenwärtigen  Standpunkt,  anch  damit  eine  Reihe  von  Bemerkungen  verbin- 
det, welche  fbr  solche,  die  sich  dort  ansiedeln  wollen ,  eben  ao  wichtig  sind, 
wier  Oberhaupt  fOr  Alle  diejenigen,  welche  dieses  Land  und  seine  fortsehrei- 
mnde  EntWiekhing  nSher  kennen  lernen  wollen.  Dass  die  Frage  nach  def 
DefMirtation,  dnrrh  welche  die  ersten  Niederbssungen  hervorgerufen  wurden, 
Uer  niehrfaeh  berahrt',  und  nach  ihren  Folgen  gewürdigt  wird,  konnte  nntt 
ohn^in  erwarten.  Eine  genaue  Beachreibung  von  Sldney  und  aeinen  UaK 
gehangen,  von  dem  dortigen  Verkehr,  Handel  und  Wandet,  bia  an  den  gesell- 
iohnfttiehen  Verhiltnissen  herab,  bat  der  Verfasser  gegeben  und  damit  auch 
die  SehiHorung  einer  in  das  Innere  des  Landes  gemachten  Eieuraion  verbonden ; 
ein  weiter  Mch  Vandiemeosland  gemaehter  Ausflug  gibt  die  Vemniaianng, 
anofa  dieaea  Lahd  näher  au  beschreiben.  Den  Sehluaa  dea  eben  ao  interessan- 
ten wie  belehrenden  Boehleins  bildet  daa  Gold  in  Anatmlten,  dna  GoMftebar 
nnd  ein  Anaflng  naeh  den  Minen. 

Btr  denyobe  Bearbeiter  hat  Vielea,  was  bloa  ftlr  EngUnder,  nnd  seM 
bei  diesen  nnr  fftr  engere  Kreise  ein  Interesse  haben  konnte,  ^e^geliasee, 
nnd  gewüa  daran  woM  gethan,  im  UebHgen  aber  uns  eine  gute  Bekfb^Mttg 
d%§  engliacben  Original's  geliefert. 


JVmjps  MNi  ssjn  OsMm.  IL  An*f^ef8fs  MiuMhngm  4b$r  üb  neüiiftn  Amtfhh 
htm^  m  Muopttmmim  ean  Dr.  HBrmnnn  Jak.  Chr.  If  eiftsofiftarni 
Prtf.  mm  L  Gpnnn$him  m  BrfKrL  Mit  avai  Utkofftnpklrtm  Titfitn,  Erfm 
1856.    MmMmendmek  oo«  qtrhmrdt  md  «ckreifrsr.    3i  B.  in  fr.  4. 

Wir  erhalten  hier  eine  Fortaetanng  der  achon  im  Jahre  1851  unter  dear 
selben  Titel  erschienenen  Schrift,  welche  auch  in  diesen  Jahrbb.  Jabrgg.  185 L^ 

*)  Es  ffthrt  daaaelbe  den  Titel:  Onr  Antipodes,  or  residenee  and^ 
rambiea  in  the  Australien  Colonies,  with  a  glimpae  to  the  gold  ftelds  by  Lt.3 
Colonel  Godfrey  Charles  Handy. 


&  Tttf.  Mkar  letfroebM  Wtr4.  IM«  teifdem  iDf  dem  Bodeli  des  ilten  Ri- 
wft  flMIff MtiteD  MkchgiiibliM^f B  und  Nuchrorg chungeB ,  ibsbesoildere  durch 
Ltjrifd,  boten  tneh  anserm  TerfiMcr  reichen  ^tolT  sa  einer  weiteren  Fort- 
Nlsnf  der  in  lehr  1851  ufeirebeneB  UebcrMcht.  Wiis  feildeni  in  EnffliicheB, 
FirmCeiiriM«  and  Detttfchen  Blitteni  über  dleffB  Ge^fenstand  ertehien^n  iit, 
wtrd  ditB  TOB  den  Terfiisier,  dem  nicht  leicht  Etwas  entpnfen  sein  durfte, 
für  die  TOrfteiteBde  ZüMmmensteltuhf  benutst,  die  nns  bequem  Alles  das  über- 
Midei  liast,  was  durch  die  yerschiedenen  an  Ort  und  Stelle  angestellten  üb- 
ttMaehuBfCB  yewonBen  wordes  ist,  und  zu  weldien  Ergebnissen  diesi) 
feMirt  habe«.  Wer  dann  weitiir  die  Sache  verfolgen  will,  der  findet  U  der 
reidklidi  ittfeMrten  Liieratnr  die  Httlfsmittel  durchweg  bezeichnat.  Euerft 
tM  ti  dio  grOMiB  Entdechongen  Layard'i  bei  seinem  sweitfed  Besochd  Vi- 
iMi^  weMe  der  Verfasser  bespricht;  wir  gfanben  diese  um  so  ^her  liier 
Ibargehett  so  kennen,  als  daron  in  diesed  Jahrbb.  185S.  S.  487 ff.  bot  Be- 
ifteehoBg  des  ron  Layard  selbst  darOber  heraniigcgebenen  Werkes  (DiscoTeries 
ii  iie  mfM  of  Nineveh  and  Babylon  etc.)  die  Rede  war.  An  tweiter  Stelle 
bttprieht  dann  der  Terfasse r  die  von  dem  frantosiscben  Consul  Place  lu 
Kharsabad  seitdem  veranstalteten  Auiigrabongen  nach  dem,  was  darOber  durch 
IfcvtHehe  BtStter  bfs  jetzt  zu  unserer  Kunde  gelangt  ist;  der  Terfasser  gibt 
tan  Allem  hierher  Gehörigen  eine  gute  Obersichtlicfae  ZuaammenstellBBg;  auch 
dM  Aasaiht  Abbildungen,  meist  aus  Layard  entnommen,  sind  auf  einer  Tafel 
Wif^tMgt.  Möchte  dem  Terfasser  Gelegenheit  gegeben  werden,  uns  recht  bald 
■It  einer  weiteren  Portsetzung  dieser  notzllchen  Uebersicbten  zu  erfrenen; 
««na  auf  di*m  Boden  der  alten  Niuosstadt  die  Forschungen  und  Nachgrabun- 
|ct  seitdem  aosgeaetzt,  oder  doch  nicht  mit  dem  gleichen  Eifer,  wie  fWkher, 
hilgesetaC  erti^heinen,  so  treten  dagegen  andere,  nicht  minder  wichtige  Punkte 
jetzt  in  neuem  Lichte  hervor;  insbesondere  gehört  dahin,  was  über  das  alte  ^usa 
darth  Loftna  (Travels  and  Researches  in  Chaldaea  and  Susiana  etc.  London 
18i7)  verolTentlicht  worden  ist,  nber  mehr  als  eine  Anregung  au  weiteren 
lA  arid  Wnehfrabungen  ober  dieae  alte  HaopCattdi  des  Pemerroinboi 
weedrB  kann,  aus  dor  uns  fortgesetzte  ITntersachaBgeB  gewiss 
weh  BMBckea  Neve  und  Wichtijte  ai  den  Tag  bringen. 

Auswmhi  m$  der  DsN/jcJken  Dichtung  «on  isr  äiiuim  7^  hu  muf  iU 
Gtgemwart  m  ekronologitcker  Anorimtng ,  mtl  ibirsefi  Biofrafkim  isr  ilirfo- 
rea  wmd  Anfßknmg  ihrer  wnmehm$t€n  Werke^  wum  mrtim  ünleniekU  tu  isr 
Ottehirhie  der  Mchomem  LUertUnr  dm-  Deufichen,  Vom  Cmri  Oitrogge. 
LSmämrg  1857.  Hbrvld  msd  WMgl^'tehe  Bmhkimdku^  Ul  md  5i4  8. 
m  gr,  8.  (Aach  mit  dem  aadeten  Titel:  Hetilsdbet  Leuhud^  JVavs  At»' 
maUL     Vm  Carl  OUnggt.     Driümr  Thnk,    EnU  AMhmUmg.) 

Bio  Terachiedenen,  von  demselben  Gelehrten  herausgegebenen  dentschev 
Usebteher  haben  wie  andetwliriz.  so  auch  in  diesen  Blittem  steU  die  ver- 
diente Aoeikennung  gefunden,  die  sich  auch  in  der  Einführung  derselben  in 
*  vMe»  Schalen  bewahrt  hat.  Ifft  Aemsclbenr  Rechte  und  aus  gleichem  Gmnda 
Wir  Boeh  die  vorffegVBdo  ABswahl  empfehlen ;  sie  soll  nicht  blosa  nlr 

lonnfcwA  dfenmi.  ioiftdor«  den  ITiilerrlchr  ia  dor  Geaehtchte  der  dei4idMm 


Literatur  Hif  ein  Htlftbvch  begleüen,  da«  die  eiaielnen  Didter»  wekbe  die 
Gcichichte  Torführt,  nHher  kennen  lernen  llist,  nnd  in  einer  iweckmiitife« 
Aaewahl  einxelner  Prodakfte  Jedem  den  p^erechten  MasMtab  der  Würdifanff 
derselben  in  die  Hand  \tgU  Sclion  ans  diesem  Gmnde  maaato  die  \otwaU 
aelbst  und  die  Anordnung  dea  Ganien  der  cbronolofiaclien  Ordnung  feigen, 
ohne  aaf  den  Inhalt  der  eiaaelnen  Gedichte  nfthere  Rücfcaiehl  an  nehaMn;  aoi 
dem  gleiehen  Grande  konnte  aie  sich  nicht  aaf  einaelne,  inabeaonderi  herror- 
rag^nde  Dichter,  die  ans  der  Zeit  naeh  nilber  liegen  und  daher  auch  nehr 
interesairen,  beaehriüiken ,  aondem  aie  muaate  taa  jeder  Zeitperiode  Binaeh 
nea  Torlegen  nnd  doch  allerdings  auf  daajenige  Rttckaicht  nehmen«  was  eben 
in  dieser  Periode  als  besonders  herrorragend  erscheint  So  beginnt  der  Ver- 
fasser mit  dem  (nach  Simrocks  Uebersetsnng  mitgetbeiltenj  Hildebrandsliedc^ 
geht  dann  sum  Heiland  über,  theilt  ans  einselne  Stücke  aas  dem  Pardval, 
den  Nibelungen,  der  Gndrnm  n.  s.  w.  mit,  geht  dann  com  Mittelnlter  nnd  der 
darauf  folgenden  Entwicklung  der  Poesie  ttber,  welche  bia  in  die  neneite 
Zeit  herab  gefabrt  iai.  Von  etwa  hundert  und  dreisaig  Dichtem,  den  henror- 
ragendsten  eines  jeden  Zeitraums,  werden  einselne  LesestQcke  und  Gedichte 
als  Proben  mltgetbeilt,  die  mit  sorgfältiger  Auswahl,  den  Zwecken  des  Gsa« 
sen  angemeaaen,  getrolfen  sind.  Ueber  die  Persönlichkeit  der  einielBea 
Dichter,  von  welchen  etwaa  aufgenommen  ist,  sowie  Qber  ihre  Hanptweike 
giebt  die  dem  Abdrucke  rorausgebende  Uebersicht  (S.  XI.  — LII.)  die  nothigea 
Notiaen.  So  vereinigen  sich  hier  die  beiden  oben  bemerkten  Zwecke  eiam 
reichhaltigen  Lesebuchea  nnd  einea  brauchbaren  Hflifsbnches  bei  dem  Unter- 
richl  in  der  Geschichte  der  deutschen  Literatur,  sumal  der  poetiachen.  Fttr 
die  Geschichte  der  proaaischen  Literatur  soll  eine  ibnilcbe  Auswahl  demnldiit 
eracheinen,  die  nach  gleichen  Grundsfltaen  und  au  gleichem  Zwecke  ange- 
legt iat. 


JNsyrnpUtdbst  LwikoH  im  Kaitwüimu  Oeiisrraidk, 

Jsr  denkwürdigem  PtrtameH,  welche  i750  hit  i850  im  KmeereUuHe  mdim 
den  KroMndem  gelebi  haheH,  Von  Dr.  ConeUmi.  e.  Wunheiek.  BrOw 
TkeÜ,  A.—BlwnenOuU,  Wien,  1856.  Verlag  der  ümversitätfBMchdmdurm 
9on  L.  C.  Zarinski  (eormaU  J.  F.  Sollinger)  XIV.  und  482  S.  in  $, 
Auch  mit  dem  weiteren  Titel :  Der  grosse  Österreichische  BaussckaU.  BSm 
NaHonaUnblioihek  ßar  alle  Stande,  Zweiter  Band.  Biographisdies  Lenem 
des  Kaiserthums  Oesterreich,    1.  Theil. 

Mit  diesem  Werke  soll  eine  allerdings  fbhibare  Lttcke  ausgefüllt  und  eiaeai 
Mangel  abgeholfen  werden ,  den  Jeder  empfunden  bat ,  der  In  der  Lage  wsr, 
ober  Peritfnlichkeiten  des  österreichischen  Katserstaatea  nähere  Erkundigungea 
einaiehen  su  müssen,  namentlich  was  die  gelehrte  und  künstlerische  Welt 
und  deren  Leistungen  betrifft;  auch  daa  natürliche  vaterländische  Interene 
knüpft  sich  an  ein  aolches  Werk,  das  die  Bedeutung  erkennen  lAsst,  die  sack 
auf  dem  Gebiete  des  Geistes  ein  Land  ansprechen  kann,  das  durch  ein  frttbsr 
nur  au  lange  über  sich  aelbst  beobachtetea  Schweigen  nur  sich  selbst  Nseh- 
tbeil  gebracht  hat.    In  diesem  biographischen  Lexikon  sollen  nun  alle  tSaAfßf 


H^efer:  Noavelle  Biofnpbie  f^atole  etc.  477 

mMM  denkwttHi|t«D  Perioaeo  des  gei rntttM  Ktiterreleliei,  tlfo  einet  jeJen 
letner  Linder  and  aui  nlleB  SMnden  und  Schichten  der  Getelltchnfl ,  weiche 
m  irgend  einer  Weise  thicif  fe wirkt  heben,  eine  Stelle  finden,  die  Hanpf^ 
to  ihref  Lebens  sollen  ffenau  anfefeben,  ihre  Letstangen  reneichnet,  and 
Ar  di^enlfen,  welche  das  Einzelne  weiter  Terfotgen  wollen,  soll  dnreh 
Hb  Nachweis  der  Qnellea  nnd  HAirsnuttel ,  welche  sie  dato  benfiUen  kOnnea , 
wHIer  fesorgt  werden.  Dass  diese  Aufgebe  keine  geringe  ist,  dase  sie,  ra* 
Ml  was  6h  Tollstiadigkeit  in  den  Personen,  sowie  nnd  noch  aehr,  was  die 
fieasaigkeil  der  einxelnen  Angeben  betriSI,  grossen  Schwierigkeiten  in  dar 
Aiffbhrang  nnierliegt,  weiss  Jeder,  der  Aehnliches  Tersucht  hat,  abwohl  dae 
ferner  steheade  Pablikun  den  Umfang  dieser  Schwierigkeiten  ofl  nicht  gesvf 
n  #ttrdigen  and  ansaerkennen  im  Staade  ist.  Der  Verfasser  des  Torliege»- 
den  LezikoBs  hat  diesen  Schwierigkeiten  alle  Rechnung  getragen  nnd  keine 
lihe,  kein  Opfer  gescheut,  dieselben  auch  xa  ikberwladen,  was  dankbare 
Anerkennung  erheischt  nnd  denVerffisser  tnfinnntem  mag,  siit  gleicher  Ans*' 
teaer  da«  begonnene  Werk  fortinsctf en ,  das  in  diesem  ersten  Bande  dett 
Baehstaben  A  and  einen  Tbeit  too  B.  befasst.  Wir  empfehlen  daher  dasselbe 
eioer  gtnstigen  Aufnahme  nnd  wttnschen  baldige  Portsetanng.  Druck  und 
Papier  sind  sehr  befriedigend:  darch  die  doppelten  Cehimnen  aaf  jeder  Seile 
iit  wesentlich  an  Rtara  gewonnen  worden. 


KmnelU  BiögntfkU  §iKdrmU  depmt  Iss  lauf s  Us  fhu  rtaUh  pupfä  net  j§mr§ 
eeec  Ut  rmnlfmemenii  hihiiograpkiqtiet  9i  TmJßemHon  du  umrces  ä  omum^erp 
pMide  for  MM.  Virmin  Diioi  frk'u  $au»  U  Dirtetion  de  Mr.  U  Dr. 
Bosfer.  P<arts,  firmln  Didot  fth-ei,  4dUetnr$  efc,  ms  Jacob  iß.  Tema 
fdsjdms  9928,^  Tome  dix  iepHime  960  S.  Tomo  dis  kMhiu  960  8,  mfr.8. 

Diese  weiteren  Portsetsungen  geben  Zeugniss  Ton  dem  raschen  Portgaag 
•iaes  Unternehmens,  dsa  unter  tüchtiger  Leitung  begonnen  ist  und  in  einer  Weise 
CmtgeiAhrt  wird,  die  nach  eine  dereinstige  Tollendang  des  Gänsen  mit  aMhr 
Kchcfheit  uns  voraassehen  liest,  als  dies  bei  so  manchen  Unternehmungen 
ihuKehnr  An  der  Pall  ist.  Der  Charakter  des  Werkes,  das  mOgiiehate  Vel^ 
itiadigkeift  auf  der  einen  Seite  erstrebt,  auf  der  andern  aber  auch  die  An- 
ipriehe  der  Genauigkeit  in  den  einseinen  Angaben  wie  der  guten  Ordnung 
n  befriedigen  sich  bemOht,  iat  in  den  Anseigen  der  früheren  Binde*)  ange* 
gehen  worden;  die  hier  ansuxeigenden  Binde,  welche  von  Emmet  Mf 
Fryxell  reichen,  halten  sich  durchaus  an  die  in  den  früheren  eingehaltene 
Morm  und  lassen  eine  nHlgiichst  gleichmissige  Behandlung  in  den  einaelnen 
Artikeln  erkennen,  die  wie  in  den  früheren,  so  aach  in  diesen  Binden  thaila 
felbistindig  ron  nahmhsften  Gelehrten  Prankreicbs  bearbeitet,  theils  vom 
Herausgeber  nach  andern  Qaellen  und  Uülfsmitteln  geliefert  sind,  nnd  in  An-* 
lege  wie  in  AusfUhrung  den  Zwecken  des  Gänsen  angepasst  sind,  das  bei 
Ulf  eheaeren  Ansdeknung  allerdings  einen  Verein  Ton  Xriften  erforderte, 


*)  8.  diese  Jahrbb.  Jahrg.  1853,  p. 816 ff.  966  ff.,  Jahrg.  1865  p.  719  ft, 
18Ü6  ^  476  ft 


478        Neif«b»iir:  Ueber  dM  Zuiand  der  Uter^tor  i»  BrasiliM. 

dorch  den  ftlleln  die  Aqfffllireiiff  lelVrt  enpaf lichl  werden  kern.  Wir  Vdvm 
eiM»er  dieser  «llgemeinen  Verstcherani;  einer  gleichmHififeii  FoiteeUeng,  le- 
weU  waa  den  Stoff  selbsl  aU  die  sorgfäUige  Bebudlong  und  Anordmmf  de»- 
•elben  betrifft,  aacli  hier  ohne  besondere  Mühe  aof  eine  Anuhl  berrorrageir 
der  Artiliel  verweisen,  die  dem  Gänsen  eur  Zierde  gereicben;  wir  bescbrln* 
kea  aas  auf  wenige,  die  lich  lUirigens  leicbt  vermebren  Ueesen,  wenn« 
darsnl  anktme,  weitere  Belege  dessen  sn  geben,  was  aber  die  woU  gebn* 
fepe,  grOodlAche  Ausführung  im  Eiaselnen  bemerkt  warden  ist.  Wirieehaea 
dihip  die  Artikel  Eresme  (von  Hefer},  £rigena  (van  Hanrefm),  Bschyls 
£reii  Artend),  Bstienqe  und  awar  eben  so  sehr  Henri  Bstieane  wie  Ro* 
bei"^  Estienne  und  die  andern  dieses  Namens  (in  vorsüglicber  Weise  bearbei- 
tet von  A.  F.  Didot)  Enripide  (von  Artaud),  Fauriel  (von  Lee  Jeaheii) 
F4i|elon  (von  A.  R.)  die  verschiedenen  Franoeis  und  Pr6ddrie  (res 
versebiedenen  Verfassern),  Fröret  (v.  Leo  Jonbeit) ,  Froissard  (von  dflM* 
seU^n),  Franklin,  der  Amerikaner (hsaptsichlich  nach  Hignet)  Fraakli«, 
der  barüHmte  Nordppifahrer  (von  Alfred  de  Lacane>  Mage  es  der  rsitlosei 
Thi^liikeit  des  umsichtigen  Herausgebers  gelingen,  das  Werk  in  gleicher WtiM 
bis  aa  seinem  Abscblusa  hindurchsufübren ;  es  wird  ihm  dann  kein  ihntiehei 
ia  der  literarischen  Welt  an  die  Seite  gestellt  werden  kennen. 


Ueber  den  Zustand  der  Literatur  in  Brasilien. 

Dieser  amerikanische  Staat  von  5  llillionen  Einwohnern ,  enf  einer  vnfe- 
Wren  Ausdehnung  aerstreut,  bat  in  aller  Stille  bedeutende  Fortschritte  fs- 
mao|it,  seit  dort  das  constitotionelle  Leben  Worsel  gescblageo  bat,  welcbei 
%eit  hatte,  ^cb  während  der  lengen  vormundschaftlicbea  Regiemqg  ni^cb  der 
Abdankung  des  Kaisers  Pedro  L  d.  d.  April  1831  bis  snm  28.  Jnli  1840,  n 
enivickela. 

8o  ist  aaoh  der  junge  Kaiser  der  Constitution  steU  tre«  gebllebea  «il 
daraelkea  ergaben;  daher  das  Volk  Vertrauen  ao  ihm  hat,  und  er  ihm  ver* 
mal»  Aach  hat  der  Kaiser  eine  so  gute  Eraiehung  erhalten ,  dass  er  M 
faiewabiend  evnsthafk  beachgftigl,  statt  Spielereien  oder  andern  PassiaaH 
naehsngeben.  So  prilsidift  er  gern  selbst  in  den  SUsungen  des  geecbieUKeb* 
gaagraphischen  histitus  von  Ria  de  Jaaeira,  das  »einen  Sita  im  kaiserHebrt 
Schlosse  het^  Diese  gelehrte  Gesellschaft  giebt  eine  ZeiCsehrift  uaeer  dea 
TMelt  Revista  THmestral  de  Institute  Historico'^geograiica  de  DreiH,  foadtla 
aa  Rio  di  Jaaero  beraas ,  welche  sich  besonden  mit  vaterNlBdiscben  fiegea- 
sMadea  beschenigt  Damm  verleibt  auch  der  Kaiser  gera  Titel  mit  NaaM 
aas  der  (ieschiebte  des  Laades.  Wir  machen  auf  eine  Abbaadlong  ober  eiae 
ia  der  Provins  Maranho  stattgefundene  Revolution  auftnerksem,  wafllr  kf 
Prafeasor,  der  Ritter  t.  Nagelhaeas,  von  diesem  Institute  dea  Preis  erhielt 

Seit  der  EiaAlbraag  der  CansülutioB  Ise  sehr  viel  für  dea  effenlliehai 
Uataniehl  ia  Brasilien  gesebehen,  abwabl  elae  Universität,  dem  Namen  aaeh, 
nicht  besteht,  weil  man  die  Centralisation  vermeiden  und  mehreren  Prona- 
aaa  geistige  VortheOe  lawenden  wol)te.  Qabar  beiladet  sieh  eiae  hebe 
Schnle  für  die  ReehtfwIssensehtft  au  Rio  di  Janeiro,  eineandeve  laPeraMi* 


Raif  ohatr:  üeber  den  Zottind  4er  Lü«ra«pr  ii  Brwili«n,        479 

Um,  efB6  |lo4ieiB*Ma]e  la  Rio  und  eine  aBdere  iti  Baliia,  wo  dio  Doo- 
tonrnde  ertheilt  werden.  Bine  MiltCair-Aciidemie  befindet  »\eh  in  Rio»  wor 
Mlbfl  auch  eine  NaTifationa-Srhale  errichtet  tat.  In  den  18  Provinsen  aind 
aberall  lilitairachulen  ein^ferichtet,  welche  unter  der  Refierang  atehen;  die 
Geiitlichen  werden  in  den  hiaehoflichen  Seminarien  auafebild^t,  doch  atndi- 
rea  fehr  riele  auf leich  auf  den  obenerwähnten  Acadeniien.  Die  Coliefien 
ertheUen  den  Grad  der  Baccalanreata  nach  ttberatandener  Prttffnnf. 

Anaaer  der  Staatawiaaenachaft,  welche  in  dieaem  conatitotionellen  Staate 
VI  nothwendifaten  iat,  und  der  die  Hunaniora  Torherfeiien  mtlaaen,  iet  ea  bo^ 
laadera  die  Pichtkunat,  womit  aich  die  febildeten  Braailianer  in  Ihrer  Moai« 
betchlftifen.  Kben  jetst  iat  ein  Heldenffedicht  eraohienen,  welchea  ao  aehc 
felfellt,  daaa  ea  der  Kaiaer  in  einer  Pracbtauafabe  an  Geachenkon  ha|  drnehen 
tuten,  welchea  angleich  aeigt,  daaa  nan  in  Rio  aehr  wohl  reiateht,  def 
Bachdmckerkonat  alle  Ehre  an  machen.  Der  Titel  dieaea  Werkea  iat:  Jh 
eaaftderacno  da  Tamoyoa,  poema  per  domingo  Joae  Goncalea  de  Magel* 
hiena.    Rio  di  Janero  1856.  fr.  4.  S.  340.* 

Dieaea  Heldengedieht  fleht  noa  Veranlaaaunf ,  snerat  von  den  Dichtem 
Bmilieoa  an  aprcchen.  Sehr  fcachita  werden  die  lyrtachen  Dtehtanfea  to« 
Genenlea  Diaa,  ferner  Porto  Allef  rl,  der  anfleich  fnter  Maler lal»  te* 
ur  Doctoa  Macedo,  welcher  aiigleieh  Romane  feaehrieben  hal.  Odeai«A 
landea  «beraetate  <lie  Ae^eide  in  Verae»  und  mehaere  Tranenaplele  ¥0> 
Tehaire.  Von  alle»  brnNUaniachen  Dichtern  aber  dürfte  jetat  4er  hedeBtaadati 
dar  oheneiwAhme  Dr.  ▼•  Maf  elhaena  aeln,  weleher  aich  jetst  ab  braaiUnit 
aiidier  GeaehiftatrifOf  in  Tnrin  belndet  Schon  1836  gäh  er  in  Pwia  eAao 
SaaualiiBf  Gedichte  unter  dem  Titel:  Suaphroa  poeticoa  e  aandadea  hmmne^ 
aacböem  »^ü»  Bnlllnfe  lyriacher  Gedichle  an  Rio  nnter  dem  Tilel :  Poeaion 
1833  ofadhienen  waren.  Zorn  Beweiac,  daaa  in  Rraaitien  die  GciatlicUwIt 
keinen  der  hialoriaohen  Wahrheit  Tcrderbliehen  Binioaa  ibi,  fiÜirMi  wir  ola 
von  demaolben  Dichter  im  Jahr  1839  an  Rio  heranafefebenoa  Tmaenapiel  a% 
daaaett  Held  ei«  von  der  In4|niaition  verbrannter  Dichter  war:  ,, Antonio  Joac^ 
e  $00lfi  e  l'lD^i^ao.  Im  Jahr  1843  erachien  von  ihm  eine  UeboaaalBnBf  4ea 
Othello  Ton  Docia.  Ein  anderea  Tranerapiel  in  5  Acten  halte  er  kara  vorbei 
neuer  denn  Titel:  OJfiato  ebcRfaJIa  an  Rio  drucken  laaaen,  dcaaen  Gefeaatand 
aäie  wahre  Thaliacbe  ana  der  Mailendiaehen  Oeaehichte  aoa  der  Zeit  der 
Remebnil  der  Sforan  vom  Jahr  1476  iat 

Von  Geaehichtaehreibem  haben  aich  anafoseichnet:  Sanaa,  dareb  aeine 
omfaaaeado  Geecbicbte  Rraaillena;  eine  fleicbe  iai  Ton  Caramara  herana» 
gefaben  worden,  welche  ancb  Ina  franadaiaehe  ftberaetat  iat;  aoeb  Baailio 
da  Gnm«  und  Caldaa  aind  an  erwibnen;  Liaboa  fleht  anale  de  Rio  di 
Janero  borana,  von  denen  acbon  7  Bande  erachienen  aind. 

in  der  Hedicin  haben  aich  einen  Namen  femacht,  Silva,  Paula  Can- 
dida, Valladane,  Pimentelli  und  Correr  Homera. 

Ala  Botaniker  iatFreirAIIemanno  bereita  nnaerem  berttbmta^i  Hum- 
boldt bekannte 

Beaondera  iat  ea,  wie  feaaft,  die  Staatawiaaenachaft,  welche  wefen  der 
rerbandlniven  Viele  beaehiftlft;  unter  den  nnafoaeickneten  Rednern 


48Ö        Nöiirebtdr:  Ueber  den  Zu»Uind  der  Literatur  ia  BrafOien. 

nennen  wir  den  Vicomte  D'Umf  ai,  den  Meiose  da  Camera,  Ferrai  und 
den  Markgrafen  von  Abrantes. 

In  den  militairischen  Wisseniebaften  bat  sieb  beionders  der  Markgraf 
de  Caxis  aas^eseicbnet,  welcber  Kriegs-Hinister  und  Prttaident  des  Minifter- 
raths  ist. 

Rio  besiiit  eine  Academie  der  scbtfneu  Konste,  deren  Vorstand  der  obea- 
erwihnte  Minister  und  Dichter  Porto  Allegri  ist. 

Die  Tagesliteratur  ist  b'ei  dem  bier  stattfindenden  offentlicben  Leben  lehr 
reich.  Die  bedeutendste  Zeitung  von  der  Grösse  der  Times  und  den  andera 
^Ossten  Zeitungen  ist  das  täglich  erscheinende  „Journal  di  Comercio  aRio*, 
eine  andere  Zeitung  ist  „le  Mercaiitil**,  ferner  „Diario  di  Rio**  und  das  «Jonr- 
ntl  da  Tardi*,  eine  Abendseitung,  nebst  mehreren  andern.  Aaeb  in  dea 
ProvinzialstSdten  fehlt  es  nicht  an  Zeitungen,  und  Eiseobabnen  befördern  die 
Verbindung  im  Innern.  Nach  Hamburg  geben  mehr  Schiffe  aus  Rrasitiea  ab 
ans  Nordamerika  und  aucb  mit  Genua  steht  Rio  in  unmittelbarer  Verbindnaf, 
wosu  30  Tage  hinreichen. 

Die  Rechts-Pflege  ist  gehörig  geordnet,  die  Richter  mOasen  vor  ihrer  Aa- 
steHmig  Prüfungen  ablegen.  Die  unterste  Instana  findet  bei  den  Priedens-Ge- 
richten  statt,  ttber  ihnen  stehen  Tribunale  erster  Instana,  von  denen  die  Be- 
rnfang  an  Apellhofe  geht,  die  unter  dem  höchsten  Gerieht,  als  Cassa* 
Moashof  sieben.  AHes  wird  öffeatlicb  verhandelt  und  in  Strafsnehen  erfsigt 
die  Bntscheldmig  ttber  die  Schuld  durch  Geschworne.  Seit  der  ConaHtaHaa 
hat  Brasilien  gute  GesetsbQcher  erhalten;  denn  sie  moasten  alle  ne«  gesehaf* 
loa  werden.  Gesetslich  sind  die  Adels-Titel  nicht  erblich ,  sondern  der  Kaiser 
fierieiht  aio  nach  dem  Verdienste;  daher  auch  alle  Stellen  für  Alle  lugia^ 
Mdi  sind.  Die  Pressfreiheit  und  OefSentlichkeit  in  allen  Zweigen  der  Verwa^* 
Inaff  maohtf  daas  die  Beamten  unter  der  Aufsicht  des  Publikums  stehen  nad 
die  Gesetse  gehandhabt  werden.  Darum  halte  Montesquieu  Reebl,  welehe^ 
sagte,  ieh  frage  nie,  welche  Gesetie  in  einem  Lande  gelten,  sondern  wie  sie 
gehandhabi  werden.  Dabei  hat  in  Brasilien  die  Geisilicbkeil  keinen  vorwies 
genden  Bininss ,  da  sie  ebenfalls  die  OeffentUchkeit  au  scheuen  hat  and  unter 
deoa  Geaeue  steht. 

ffnr  ein  Ueberreat  der  schlechten  alten  Zeit,  die  man  hier  Dicht,  wii 
ndefwtrts,  die  gute  alte  Zeit  nennt,  ist  feblieben:  die  Sklaverei»  welche 
leider  das  Christentbum  keineswegs,  wie  manehe  behaupten,  abgeachafll  kM^ 
Bf  hat  die  freisinnige  oonstitutionelle  Regierung  swar  den  Sklavenhandel  ab* 
geschafft,  aber  die  Sklaven  beibehalten,  deren  Kinder  auch  zur  Sklaverei  ver 
dämmt  sind.  Man  ist  noch  jetat  dergestalt  an  den  Untersohied  der  Menschen- 
Ba9en  gewöhnt ,  dass  ein  Schwaraer  nicht  einmal  in  einem  Omnibus  fahren  darf* 
Bin  Freigelassener  oder  Mulatte  kann  nie  eine  bttri^erliche  Stellung  erhalten,  die 
ihn  den  andern  gleichstellt!  nur  Arst  darf  er  werden  und  auch  Geistliche 
sieht  man,  die  Neger  sind.  Dagegen  schadet  die  Verbindung  mit  den  Einger 
hörnen  nicht,  weil  dies  freie  Menschen  sind,  im  Gegentheil,  man  hält  es  fU 
eine  Ehre,  von  den  Ureinwohnern  abzustammen,  und  es  giebt  mehrere  Gra- 
fen nnd  Markgrafen  mit  ihrem  ursprünglichen  Namen.  ]¥el|^elMaiir« 


t.  3L  HEIDELBERGER  MST. 

JAHRBOCHIR  dir  LITERATUR. 


Aneedota  saera  et  profana  ex  Oriente  et  oecidente  allata  sive  No- 
tiUa  codieum  graeeorumy  arabieorumj  »yriaearum,  coptieorwn, 
hehraiconnn,  ciethiopieorum ,  latinorum,  cum  ezcerptia  multis 
mcLtimam  partem  graecis  et  triginta  quinque  aeripturarum  an- 
tiqinsnmarum  apeeiminibus,  Edidit  Aenoth.  Frid,  ConsL  Tt- 
sehendorf.  Lipnae,  E.  OraüL  1855.  XVI  m.  216  8.  gr.  4. 
(n.  8  Thlr) 

Alexaoder  von  Humboldt  sammelt  in  hohem  Greisenalter ,  am 
Spitabende  seiDes  Lebens,  wie  er  es  selbst  so  nennen  liebt,  die 
Ergebnisse  einer  langen  and  frUcbtereichen  Thätigkelt  in  seinem 
Haoptwerke,  dem  Kosmos,  und  sieht  so  selbst  gleichsam  das  Faclt 
oder  die  Summe  seines  der  Wissenschaft  geweihten  Lebens.  Einen 
loldien  Rechenschaftsbericht  enthält  auch  das  uns  Torllegende  Werk 
eines  in  seinem  Fache  nicht  minder  wirksamen  und  anerkannteni 
Bdt  Humboldt  innig  befreundeten  Gelehrten,  welcher  aber  noch  nicht 
die  Hfilfte  der  Jahre  jenes  Nestor  erreicht  hat,  und  dessen  Lebens* 
lonne,  nach  menschlichen  Berechnungen  und  Hoffiiungen  cu  urthei- 
len,  erst  dem  Zenithe  ihres  Laufes  zustrebt  und  darum  noch  zahl- 
r^he  und  köstliche  Früchte  sur  Reife  bringen  wird.  Humboldt| 
der  durch  seine  warme  Theilnahme  an  wissenschaftlichen  Bestre- 
bongen  jeder  Art  beinahe  zu  einem  Mittelpunkte  der  deutschen  Ge- 
lehrtenwelt geworden  ist,  hat  sich  selbst  durch  Annahme  der  Wid- 
mung dieses  Werkes  nicht  weniger  geehrt,  als  sein  allverehrter  Name 
dem  Buche  zur  Zierde  gereichen  kann.  Professor  Tischendorf  be- 
lidtet  In  den  Aneedota  sacra  et  profana  über  die  Erfolge  seiner 
Reisen,  die  er  nach  den  Klöstern  des  Morgenlandes  und  den  Blblio* 
theken  des  Abendlandes  gemacht  hat  zum  Zwecke  der  Auffindung 
bisher  unbekannter  Handschriftenschätze.  Und  fürwahr,  die  Aus- 
beute Ist  nicht  gering;  denn  es  werden  uns  MittheUungen  gemacht 
fiber  eine  sehr  beträchtliche  Anzahl  von  kostbaren  Handschrifteni 
welche  zum  Theile  vollständig,  meist  aber  nur  in  grösseren  oder 
kleineren  Bruchstücken  vorhanden  sind.  Die  meisten  griechischen 
darunter  sind  in  der  alten  Uncialschrift  geschrieben,  und  viele,  darun- 
ter namentlich  auch  die  zahlreichen  P^impfeste,  zeichnen  sich  durch 
hohes  Alter  aus,  ja  einige  reichen  bis  in  das  fünfte  und  vierte  Jahr- 
knndert  hinauf.  Während  Humboldt  in  seinem  Werke  die  neuesten 
Sesultate  der  Forschungen  vieler  Gelehrten  benutzt,  welche  ihm 
«am  TheUe  erst  bandschriftUch  mitgetheilt  worden  sind,  geben  viele 
|d«  Tisehendorfschen  Manuscripte,  z.  B.  die  zahbreichen  georgischen, 
femer  die  arabischen,  syrischen,  koptischen,  abyssinischen ,  drusi- 
~ien,  hebräischen,  slavonischen,  den  Kennern  dieser  Sprachen  Ge-. 
L.  Jakif.  7.  Heft  31 


4B%  Tifchendorf:    \B6cdota  sacni  el  profsna. 

legeDheit  zn  eigenen  Bearbeitungen,  wie  sie  schon  von  Minnen, 
wto  Fietocher,  GüdemeisteT ,  Tndi,  Seyffarth,  Petennann,  JelUnd, 
FCksl,  iMgowien  worden  sind.  Alle  hier  besprodienen  Handschrif- 
ten werden  genau  beschrieben  nach  Material,  Grösse  und  Anzalil 
der  Blätter,  Alter  der  Schriftsüge;  auch  wird  bei  den  allermeisteD, 
nur  di^enigen  ausgenommen,  welche  noch  nicht  haben  gelesen  wer- 
den können  oder  noch  nicht  genauer  untersucht  sind,  der  Inhalt 
sorgfältig  angegeben.  Vollständige  Text«-Abdröclce  oder  wenigstens 
mitgetheilte  Text-Proben  dienen  als  Inhalt  für  die  Beortheiiung  des 
Werthes  der  Manuscripte;  auch  sind  Stellen  aus  den  wichtigsten 
derselben  auf  vier  Steindrucl^tafeln  im  Facsimlle  mitgetheilt,  womit 
zugleich  eine  gute  Gelegenheit  zur  Uebung  im  Lesen  der  alten  Sdirif- 
ten  und  in  der  Unterscheidung  derselben  nach  den  verschiedenen 
Zeitaltern  geboten  wird. 

Das  Ganze  zerfällt  in  drei  Theile.     Der  erste  Theil  behan- 
delt diejenigen  Handschriften,  welche  Prof.  Tischendorf  von  8<un« 
zweiten  orientalischen  Reise  im  Originale  mitgebracht  hat  und  soffl 
Theile  noch  selbst  besitzt,  zum  andern  Theile  aber  an  das  britiadiie 
Museum  und  an  die  Bodley'sche  Bibliothek  zu   Oxford   abgegeben 
hat.   £s  befinden  sich  hierunter  mehrere,  meist  in  georgischer  Sprache 
überschriebene,  Palimpseste.    Einige  derselben,  von  denen  hier  Pro- 
ben  mitgetheilt   werden,    hat   Tischendorf   unterdessen    vollständig 
herausgegeben  in  seinen  Monumenta  sacra  inedita,  Nova  CoUeeüo, 
im  VoU  I.    Sie  enthalten   die  griechische  Uebersetzung  der  LXZ 
vom  vierten  Buche  des  Mose  ziemlich  vollständig,  sowie  BnichatüdLe 
vom  zweiten  und  dritten  Buche  der  Könige  und  von  Jeaaia,  ta^ 
ner  aus  dem  neuen  Testamente  Fragmente  der  Evangelien,  der  Ap(h 
Stelgeschichte  und  der  Briefe   des   Paulus.    Bei   dem  einen  dieser 
Palimpseste  ist  auch  die  zweite  noch  in  Uncialen  verfasste  grieehi- 
sehe  Schrift  bemerkenswerth ,   welche  eine  Lebensbeschreibung  der 
ägyptischen  Maria,  eine  Homilie   des  Johannes  von   Damascus  auf 
das  Geburtsfest  der  Maria  und  die  Lebensbeschreibung  eines  Xenophoa 
und  ehier  Maria  und  deren  Söhne  Arkadius  und  Johannes   enthält 
Unter  den  übrigen  Palimpsesten  sind  mehrere,  die  sogar   drtt  Mal 
beschrieben  sind,  z.  B.  zwei   Mal  griechisch  und  dann  slavoniseiH 
oder  zuerst  griechisch,  dann  syrisch,   dann  georgisch,   oder  syrisch 
und  dann  zwei  Mal  georgisch.   Ein  Palimpsest  von  52  Quartblätt^ 
aus  dem   5.   Jahrhunderte   bietet  eine   bisher  unbekannte  syrische 
Uebersetzung  der  Evangelien  dar,  welche  sich  dadurch  von  der  Pe- 
schiftho  unterscheidet,  dass  sie  sich  dem  griechischen  Urtexte  viel 
strenger  anschliesst,   wesshalb  sie  kritisch  von  höchster  Bedeutimg 
ist    Ein  anderer  Palimpsest  enthält  in  seiner  ersten  Schrift  ans  de* 
5.  Jahrhunderte  nach  Tischendorfs   Vermuthung   eine  noch  unbe- 
kannte Homilie  auf  einen  Heiligen.     Von  den  hieraus  mitgatfaettta 
Bruchstücken  lautet  das  erste  so:  tijv  t^iMav  xad^tQöw  ^uc^oiQSM 
Bv  tcj  lOQdavy  0  (lovoe  Hcc&ccQog  tuu.  oM/^^fcctos  (Ki^oe/  (es  ist  ss 
corrigiren  ayucioiyi/)  rjiiag  km  zu  väecta  X4u  tag  9t&fMAag  %ov  Sfth 


TiiebMdorf :    AneodoU  Mcra  U  |w«fui».  4Bi 

imtm^  ifwtQißmv  sni  rov  vdatoq.  Wir  finden  bler  die  mium  M 
I|piitiii8,  im  Briefe  an  die  Epheeer  Kap.  18  su  Ende,  TorkommeBde 
Voffstellang  wieder,  daaa  Cbristua  durch  seine  Taufe  dae  Waaeei 
geheiligt  habe,  nämlich  snm  Zwecke  nneerer  Taufe,  was  ohne  Zwei«^ 
fei  der  Sinn  dieaer  Vorstellung  ist  —  Die  übrigen  griechischen  Per* 
gamentcodices  geben  mehr  oder  minder  voUetändig  die  vier  ETaiip 
gelien,  die  Apostelgeschichte,  die  alezandrioiscbe  UeberseUmg  der 
Genesis,  des  Baches  Josua,  des  Buches  der  Richter  und  des  Boches 
Roth,  auch  ein  Fragment  aas  den  Psalmen;  ferner  Fragmente  TOO 
Efangelistarien  ond  dergleichen,  auch  siemlich  YoUatändig  zwei 
Schriften  Cassian's  in  griechischem  Texte.  Ferner  befindet  sieh 
daranter  ein  Fragment  aus  der  Genesis,  welches  su  dem  von  Ti- 
lehendorf  im  Jahre  1844  aufgefundenen  und  1846  unter  dem  N*» 
men  des  Codex  Friderico- Augustanas  herausgegebenen  Manascripte 
der  LXX  gehört  Bekanntlich  ist  diese  lür  die  griechische  Litera» 
tir  das  älteste  handscbriftliche  Denkmal  auf  Pergament,  walchee 
man  kennt  Eine  arabische  Handschrift  von  75  grossen  Blättern 
ans  dem  8.  Jahrhunderte  enthält  Brnchstiicke  einer  bisher  onbar 
kannten  arabisclien  Uebersetcung  der  paulinischea  Briefe;  eine  an» 
dere  in  derselben  Sprache  enthält  eine  Erzählung  aus  dem  iweileft 
Theile  des  Evangeliums  des  Nikodemus  und  den  Anfang  einer  Streir 
tigkek,  welche  aur  Zeit  Basilius  des  Grossen  die  Christen  aa  Sehaate 
Bit  ihrem  Bischöfe  Petrus  hatten^  der  in  einer,  wenngleich  jung«» 
friolichen,  Ehe  lebte.  (Irrthiimlidi  ist  su  Ende  von  Nr.  XVL  gtf* 
druckt:  oMtrimonii  specie  iuncti  statt  iunoto.)  Den  Sehlnss  dieser 
Abtheilong  i>iidet  die  Beschreibung  verschiedener  talmudiscber  und 
karaitischer  Handschriften,  welche  Commentare  biblischer  Bücher 
imd  andere  poetische,  liturgische,  homiletisebe  und  ähnliobe  Schrift 
ten  enthalten,  grösstentheils  noch  unbekannt,  aber  von  grossem 
Interesse. 

Der  zweite  Theil  des  Werkes  enthält  das  Verseichniss  von 
55  Handschriften,  welche  sich  unter  dem  Namen  der  Tischendorfsehen 
Maauscripte  in  der  Universitäts-Bibliotbek  zu  LeiiMdg  befinden ,  so» 
wie  acht  anderer,  die  anm  Theile  ebendaselbst,  zum  Tlieilo  in  .der 
königiieheD  Bibliothek  zu  Dresden  aufbewalurt  werden,  nachdem  ala 
von  den  Gelehrten  Ciot-Bey  und  Roth  als  Geschenk  für  die  sfteh* 
liKhen  Bibliotheken  in  Tischendorfs  Hände  übergeben  worden  wa* 
rsn.  Wir  finden  in  der  Tischendorfsehen  Sammlung  nicht  nur  griechi- 
sche, sondern  auch  syrische,  koptische,  arabische,  georgische,  karai* 
ÜBche,  abjssinische  und  drusische  Handschriften.  Zuerst  werden  ans 
den  griechischen  Handschriften  ausführlichere  Mittheilungea  ge* 
macht.  Ausser  manchen  liturgischen,  homiletischen  und  selbst  ma* 
aikaiischen  Sadien,  einem  umfangreichen  Palimpseste  ans  dem  9.  oder 
10.  Jahrhunderte  mit  einem  Evangelistarium  als  erstem  tmd  einem 
griechischen  Psalter  als  zweitem  Texte,  Anthologieen  aus  dassischei^ 
kiUisdheo  and  kirchliehen  Schriftstellern,  verschiedenem  kirchenge* 
scfaichtUehen  Maieriale,  patristischen  Stücken   und   mauoheriei  ahn* 


4d4  fifchendorf:    Anecdota  iacm  et  profanA. 

liehen  Diogen,  s.  B.  der  Berechoang  der  Kosten  einee  ETangelioi^ 
Codex  —  ausser  diesen  finden  wir  hier  Handschriften  für  die  alexan- 
drinische  Uebersetzung  der  Psalmen,  für  die  HomiJien  des  Gregor 
▼on  Nazians,  für  die  Biographie  desselben  vom  Presbyter  Gregor, 
für  Terschiedene  Schriften  des  Aristides,  Plutarch,  Libanius,  Nioe- 
phorus  Oregoras  aufgezählt  Aus  den  meisten  derselben  werden  die 
Varianten  zu  den  Lesarten  der  betreffenden  Ausgaben  angeführt 
So  auch  bei  den  meist  die  Beschreibung  und  Erklärung  von  Stand- 
bildern betreffenden  Ueberresten  von  Johannes  Lydus,  mit  denen 
sowohl  die  Bekker'sche  Ausgabe  der  Fragmente  dieses  Schriftstel- 
lers, als  die  bezüglichen  Excerpte,  die  sich  bei  Suidas  und  in  des 
Godinus  Schrift  über  die  constantinopolitanischen  Alterthümer  finden, 
vollständig  verglichen  werden.  Ganz  mitgetheilt  wird  ein  Decret 
Justfaiians  in  Bezug  auf  das  Kloster  des  Sinai,  mit  Vergleichang 
einer  Dresdener  Handschrift.  Zwei  Handschriften,  ein  Fragment  des 
Matthäus  und  eins  der  LXX  zum  4.  und  5.  Buch  des  Mose,  zom 
Buche  Josua  und  zum  Buche  der  Richter,  hat  Tischendorf  nach 
ihrem  ganzen  Umfange  im  ersten  Bande  seiner  Monumenta  at)drucken 
lassen.  Von  besonderem  Interesse  durch  seine  Reichhaltigkeit  ist 
der  360  Blätter  umfassende  Minuskel-Codex  Nr.  IV,  den  Tiscben- 
dorf  dem  10.  Jahrhunderte  zuschreibt.  Sein  Inhalt  ist  folgender: 
1)  Ein  Katalog  kirchlicher  Vorlesungen,  ödßßccra  und  TCVQuauäy 
mit  Zugrundelegung  der  alten  HBtpaXaia,  2)  Ein  Menologium  mit 
auffallend  wenigen  Festtagen.  Hier  begegnen  wir  -auch  in  den  Wor- 
ten ano  to  a  öaßß,^  ano  x6  naa%a^  der  Construction  der  Präpo- 
sition ino  mit  dem  Accusative,  welche  sich  in  dem  neuerdings  anf- 
gefundenen  griechischen  Texte  des  Hermas  —  den  der  berähmte 
Oikonomus'*£'AAi^a  ts  tuu  fi^^  '^EXXrjva  genannt  —  wiederholt  findet 
3)  Ein  Abschnitt  aus  dem  Chroniken  des  Hippolyt  von  Theben 
„über  die  Genealogie  der  heiligen  Gottesgebärerin.'^  Tischendorf 
^eilt  denselben  vollständig  mit,  weil  der  Text  von  den  bekannten 
Handschriften  und  Ausgaben  nicht  unbedeutend  abweicht.  Es  ist 
zunächst  eine  Chronologie  von  Christus'  Leben,  mit  einigen  will- 
kürlichen,  d.  h.  nicht  neutestamentlichen.  Hinzufügungen,  wie  z.  B.: 
der  Stern  sei  vor  der  Geburt  den  Magiern  in  Persien  erschie- 
nen, wie  Aphroditianos  ( Aphrodisianos ?)  sage;  in  Aegypten  habe 
Christus  mit  Joseph  und  Maria  in  Heliopoüs  gewohnt;  Archelaoa 
sei  in  Judäa  zu  derselben  Zeit,  wie  Augustus  in  Rom,  und  zwar 
26  Jahre  nach  Christus'  Geburt  gestorben  (von  seiner  Verbannung 
wird  Nichts  erwähnt).  Von  Maria  selbst  wird  berichtet,  sie  sei  59 
Jahre  alt  geworden  und  zur  Zeit  der  Bekehrung  des  Paulus  ge- 
storben; 15  Jahre  1  Monat  alt  habe  sie  Jesus  geboren;  sie  habe 
14  Jahre  im  Tempel  und  4  Monate  im  Hause  des  gerechten  Joseph 
gelebt,  als  der  Erzengel  Gabriel  mit  der  Verkündigung  zu  ihr  ge- 
kommen sei.  In  einem  Abschnitte,  der  beinahe  gänzlich  in  den 
andern  Handschriften  fehlt,  wird  nach  Sophronius,  Patriarch  von 
Jerq«alem  im  7,  Jahrhunderte^  erzählt^  Salome,  Joh^es  des  Theo- 


TischeDdorf;    Anecdota  nen  et  profraa.  465 

logen  Matter,  sei  eind  Tochter  Joseph'«,  des  Verlobten  der  llarhs 
TOD  seiner  ersten,  wirklichen  Gattin  Salome  gewesen.  Diese  näm- 
lich war  die  Tochter  des  Haggai,  des  Broders  des  Priesters  Zacfaa* 
rias,  Vaters  Johannes  des  Täufers,  Sohnes  Barachias',  des  Sohnes 
des  Priesters  Abias.  Von  dieser  Salome  habe  Joseph  vier  Söhne, 
Jacobas,  Simon,  Judas,  Jose,  and  drei  Töchter,  Esther,  Martha,  Sa* 
lome,  gehabt.  Jene  seien  die  sogenannten  Brüder  des  Herrn.  Die 
Stelle  Joh.  18,  15,  wo  gesagt  wird,  der  Apostel  Johannes  sei  dem 
Hohenpriester  beliannt  gewesen,  wird  so  erlilärt,  dass  er  nach  dem 
Tode  seines  Vaters  sein  Erbtheil  in  Galiläa  verlassen  and  sich  in 
Jerusalem  auf  Zion  ansässig  gemacht  habe,  aber  nach  dem  Tode 
{xoiiiT^ig)  und  der  Himmelfahrt  ((urdöraöig)  der  Maria,  die  auf 
Christus'  Befehl  bei  ihm  gewesen,  habe  er  in  Ephesus  das  Wort 
verkündigt  und  sei  dort  hinweggenommen  worden  (ai/eAif^'&i}),  was 
Cod.  Paris,  so  ausführt :  er  sei  entschlafen,  und  sein  Leib  sei  im  Grab* 
male  nicht  gefunden  worden.  In  jenem  Hause  des  Johannes  aof 
dem  Berge  Zion,  wohin  die  Apostel  aus  Furcht  vor  den  Juden  ge* 
flohen  seien,  habe  auch  Jesus'  Erscheinungen  bei  verschlossenen 
Thüren  stattgefunden.  Von  Christus'  Himmelfahrt  wird  Nichts  er- 
wähnt, sondern  erzählt,  dass  auf  dem  Oeiberge,  in  dem  jifQ(fCov 
FB^i(jLavfj  die  Apostel  das  erste  „Mysterium^  voUbracht  hätten, 
indem  sie  vor  Allen  Eum  Bischof  erwählten  Jacobus,  den  Bruder 
des  Herrn.  Auch  wird  gefabelt,  Christus  selbst  habe  den  Petrus 
getauft,  dieser  Andreas,  dieser  Jacobus  und  Johannes,  und  diese  die 
fibrigen  Apostel;  Maria  sei  von  Petras  und  Johannes  getauft  wor- 
den. Nicht  minder  wird  ernsthaft  bemerkt,  wie  Johannes  wirklich 
drei  Mütter  auf  Erden  gehabt  habe:  Salome,  den  Donner  und  die 
Maria,  letztere  beide  gemäss  den  Aussprüchen  des  Herrn.  —  Auch 
dieser  Auszug  aus  Hippolyt  zeigt  sprachliche  Singularitäten,  die  uns 
wiederum  an  den  griechischen  Hermas-Text  erinnern,  namentlich  die 
zur  Manier  ausgeartete  Construction  von  Verben  der  Ruhe  mit  Prä- 
positionen der  Bewegung,  z.  B.  i^rjösv  yag  r^  avd'QCDnorrjti  ^ 
TUtvayCa  d-fotoxog  hrj  vO*''  elg  fihv  xov  vadv  hr]  vS^  elg  di  tov 
olxov  TOV  SixaCov  *I(oo^(p  fifjvag  S^  —  ItV^^  ^'^  ^^  (ladiftcctg 
ilg  tov  olxov  tov  ayCov  ccTtoötoXov  xal  evayyshötov  ^Imawov 
toxi  ^soXoyov  hi]  im  —  i^Bvsv  iv  'leQOöolvfioig  eis  ^^'^  Xeyofii^ 
vrjfv  aylav  Ukdv  tjJi/  tSv  ixxXriöL^v  fititi^a.  Dagegen  werden 
Verba  der  Bewegung  mit  Präpositionen  der  Ruhe  verbunden :  rik^sv 
iv  'Eg)i0CDj  womit  Luk.  23,42  nicht  verglichen  werden  darf.  Anderes 
findet  sich  schon  in  der  Sprache  des  neuen  Testamentes,  wie  die 
Construction  des  Superlatives  mit  dem  Genitive  in  comparativischem 
Sinne,  ngtotog  tov  TIbxqov  riXd'sVj  und  der  Gebrauch  von  X(^f^* 
ti^Siv  in  der  Bedeutung :  heissen,  genannt  werden,  hier  jedoch  über- 
diess  mit  Hinzufiigung  einer  Präposition,  ßQOvtijg  vtog  ijuQiriiMetifSBV 
TtocQcc  tov  xvqIov.  —  Unsoro  Handschrift  enthält  ferner  4)  den  Brief 
des  Ettsebius  an  Earpianus.  Hieraus  werden  die  Varianten  zu  den 
Aasgaben  angeführt     5)  j^Ein  Programm  zu  dem  heiligen  Evange- 


486  TifoheHdorf:    Aneedota  twcra  et  profu«. 

liam^,  irelohes  Mebreres  umfasst.  Zuerst  die  ZahlaDgabe  der  titloi 
und  ouipaliua  der  vier  Evangelien.  Diese  Zahlen  können  wir  nicht 
cafttroliren,  aber  die  folgende  Angabe  der  Abfassungsseit  der  Eran- 
gelien,  das  8.,  10.,  15.  und  32.  Jahr  {xQovog)  nach  Christus'  Him- 
melfahrt (gleichwohl  ist  bei  Johannes  die  widersprechende  Notii 
hinzugefügt,  dieses  Evangelium  sei  unter  Domitian  geschrieben), 
atimmt  mit  der  Angabe  der  Codices  S,  E,  vgl.  6,  in  Ttschendorfi 
Ausgabe  des  neuen  Testamentes.  Es  wird  ferner  eine  Erlclfiranf 
dea  Namens  Evang^ium  gegeben :  ^Evangelium  wird  dieses  göttliche 
Buch  genannt,  weil  es  Aufhebung  des  Gerichtes  und  Lösung  dei 
Sünden  and  Gerechtigkeit  und  Heiligung  und  Erlösung  und  Kind- 
Bchaft  und  Erbe  des  Himmels  Allen  verkündiget^,  sowie  eine  Aus- 
einandersetzung der  verschiedenen  Namen,  welche  Christus  beige- 
legt  werden:  „Christus  wurde  er  genannt,  sofern  er  Fleisch  an- 
nahm ;  Jesus  wurde  er  genannt  mit  dem  Namen  des  Fleisches ;  Lo- 
gos, sofern  er  von  Jemand  herstammte;  Sohn,  sofern  ans  dem 
Vater;  ehigeboren,  sofern  Einer  aus  Einem;  Gott,  sofern  Schöpfer 
und  schauend  das  AlL^*^  Ein  Bericht  des  Mönches  Maximus  ubei 
Christus'  Kleidung,  welcher  sich  hieranreiht,  ist  leider  uns  nicht  mit- 
getheilt.  Auf  die  Canones  des  Eusebius,  über  die  wir  keine  aus- 
führlichen Mittheilungen  erhalten,  weil  sie  genugsam  bekannt  sind, 
folgen  in  der  Handschrift  6)  die  vier  Evangelien.  Einem  jeden  gehen 
voraus  die  titXoi^  griechische  Gedichte  auf  den  betreffenden  Evan- 
gelisten und  das  Bildniss  desselben ;  am  Schlüsse  werden  die  Stichen, 
übereinstimmend  mit  den  Codices  S,  G,  vgl.  K,  sowie  die  Zeit  der 
Abfassung  angegeben.  Die  Titelzahl  für  Matthäus  finden  wir  nicht 
angegeben,  aber  die  für  Lukas  und  Johannes  weicht  von  den  oben 
anter  Nr.  5  erwähnten  Angaben  ab,  und  nur  bei  Markus  stimmen 
beide  überein.  Der  Gedichte  sind  je  zwei,  eines  in  sechsfüssigem 
jambischen  Versmasse,  das  andere  in  Hexametern.  Da  die  letzteren 
Verse  schon  von  Matthäi  aus  einem  moskauer  und  von  Tischendorf 
selbst  km  einem  Codex  zu  Kairo  herausgegeben  sind,  so  werden 
nur  die  wenigen  Varianten  dazu  verzeichnet;  die  jambischen  Verse 
dagegen  werden  vollständig  mitgetheilt,  und  sie  sind  so  wohlgelun- 
gen,  dass  sie  des  Lesens  werth  scheinen.  Sie  lauten  in  deutscher 
Uebertragong: 

Der  wunderbare  Gottesredner,  Zöllner  jüngst, 
Zum  ersten  der  Evangelisten  auserwählt, 
Verliess  er  ird'scber  Sciifitze  schädlichen  Gewinn 
Und  er  gewann  dadurch  lebendig  Gottes-Wort, 
Traun  schöner  Zoll  —  der  Seelen  Seligkeit. 
Hatthftns  ist  es,  welcher  schreibend  lehrt. 
Und  wie  lum  Nets  im  gottgefalteten  Buch 
Verwebt  des  Wortes  GottessprQche,  das  sich  selbst 
EtttKoBsert  und  von  einer  Jungfrau  Fleisch  annimmt, 
Und  darch  sein  seelennfthrendes  lebendiges  Wort 
Lockt  er  das  menfchJiche  Geschlecht  cur  Frömmigkeit. 


Tlfclendorr:    AneGdota  ftcrt  «t  profani.  497  ' 

Die  Gnade  Gottet  macht  Harkua  lu  Petrui'  Sohn 
Und  aetsi  ihn  ein  ala  xweiten  anverrttckten  Fels 
Und  ala  der  Kirche  Grundatein  «nd  Veraief  einof , 
Ala  a weilen  GoUearedner  und  KTanfeUati 
Weshalb  er,  woblvertraut  den  gotteawttrdtfaten 
Groaathaten  Jesu,  auf  das  Buch  in  seiner  Hand 
Hinachant,  Christus  als  Gottea  Sohn  von  Anfang  an 
GÜOBend  erwelaend  Mid  reneichnend  welaheitovoM. 

Das  Brod  dea  Lebens,  Chriatna,  ward  ffewilrdiirt  er 
Zu  eaaen,  welches  dreier  Tafre  Nacht  durchatrahlt. 
Der  dritte  der  Evanirelislen,  Lokaa  iat'a, 
Dem  Panloa,  in  der  UimaMl  drillen  aelhal  entrtdKt, 
lo  jener  ObermenachlicheB  Brkennlnlaa,  die 
Von  oben  er  Temommen,  Unlerweianng  fibt; 
Durch  aolcher  hoben  Lehrer  Unterriebt  beglückt 
Schöpft  Lnkaa  seine  Kund'  aus  reinstem  Qoell, 
Berichtet  gottlich  Götilicbea,  mit  Fenerhanch 
£in  ichler  GoUearedner,  hehrer  WeiaheU  voll. 

Seht  da  den  jQngling,  der  den  ird'schen  Vater  llsat 
Und  ala  den  wahren  Vater  nur  Gott  aelbat  erwirbt. 
Denn  einer  Jungfrau  gleich  will  er  au  Cbristoa  bin. 
Der  den  Verwandten  ruft,  aelbai  einer  Jungfrau  Sobn. 
Seitdem  an  dessen  Brust  herxinnig  angeschmiegt 
Schlürft  er  dort  der  Erkenntnisa  unermessenen  Born 
In  vollem  Zug  und  spendet  für  die  ganae  Well 
Geheimnisse,  die  selbst  den  Engeln  unbekannt. 
Johannea,  unter  den  Evangeliaten  awar 
Der  Vierte,  ist  doch  seiner  Lehre  Hohheit  nach 
Der  Erste,  GrOsste,  Gipfel,  Anfang  und  Beschlnaa. 

Die  friecbiflchen  Verse  sind  sehr  regelmissig  gebanti  nur  dase 
mehrere  Male  auch  in  der  sweiten  Hälfte  der  Jambiachen  Dipodieen 
eine  \amge  itatt  der  gesetamäMigm  kurzen  Silbe  eraeb^nt  (8.  37. 
18t  im  5.  der  den  Markus  betreffenden  Verse  fivtfi'dg  irrthtlmllcb  ftir 
fiin^clff  gedruckt.)  —  Die  Beschaffenheit  des  sclir  beaohtenswertheo 
Efangelientextes  selbst  wird  durch  sahlreiobe  Naobweisangen  darge- 
thaa.  Wir  wollen  nur  das  Eine  hervorheben,  dass  aaeh  diese  Handschrift 
die  bekannte  Partie  des  Evangeiinms  des  Johannes  7,  58 — 8,  11  als 
ipSteren  Znsatz  kennzeichnet,  indem  das  ganae  Stück  erst  am  Ende 
des  Evangeliums  hinzugefügt  ist,  und  zwar  der  AbsebnMt  8,  3 — II, 
der  10.  Titolns  (S.  27  im  letzten  Absatz  ist  gedruckt:  neg).  i, 
wohl  minder  richtig),  Ton  erster,  der  Abschnitt  7,  53 — 8, 2  ron  zweiter 
Hand.  —  Den  Beschluss  dieser  höchst  interessanten  Handschrift 
macht  eine  angeblich  von  Epiphanias  herrObrende  Angabe  des  Ver- 
fassers, des  Ortes  der  Abfassung  und  des  8lnnt>ildes  (Cherob,  Stier, 
Löwe,  Adler)  eines  jeden  der  Eyang^en.  —  EadKcfa  müssen  wir 
noch  aus  dieser  Classe  der  Tlschendorfschen  OodSces  derjenigeA 
Handschrift  des  14.  oder  15.  Jahrhunderts  gedenke«,  welche  ausser 
einigen  schon  oben  mit  berührten  weniger  widitigen  Sachen  die 
griechischen  Acten  der  Synode  enthftlt,  die  1841  im  Angnat  au 
CoastaatiBopei  gehalten  wurde,  um  B«rlaam  und  Mtum  Schüler  Aetan 


4B8  Tischendorf:    AnecdoU  Mcra  et  profana. 

dynas,  die  Odgner  der  Hesychasten,  za  verartheileD.  Für  diese 
ziemlich  nmfSngliche  Verhandlung  waren  schon  mehrere  Handschrif- 
ten bekannt,  aber  sie  waren  noch  nicht  veröffentlicht,  wesshalb  es 
erfreulich  ist,  dass  wir  hier  einen  vollständigen  Abdruck  erhalten. 
Es  dürfte  nicht  unwillkommen  sein,  wenn  wir  daraus  das  Wichtigste 
über  diese  noch  wenig  bekannte  Angelegenheit  berichten.  Ausge- 
gangen wird  von  einem  Lobe  der  Demuth,  welche  zum  Frieden 
mit  Oott  und  Menscheti  und  zur  ewigen  Ruhe  führe  und,  die  e?ri- 
gen  Gränzen  der  Väter  achtend,  den  königlichen  Mittelweg  geben 
lehre,  der  unbeirrt  und  sicher  zum  Himmel  und  zu  Gott  hin  leite. 
Diese  Demuth  habe  der  Mönch  Barlaam  aus  Calabrien  nicht  besessen, 
welcher,  ans  thörichtem  Eigenwillen  sich  in  das  Meer  der  Meinun- 
gen stürzend,  sich  mit  der  Eenntniss  äusseriicher  Philosophie  gebrüstet 
habe  und  gegen  die  Lehre  des  Geistes  eine  psychische  und  falsche 
PhUosophie,  die  das  Geistliche  zu  fassen  gänzlich  unfähig  sei,  in's 
Feld  geführt  habe.  Unter  dem  Scheine  der  Wissbegier  habe  er  sich 
listig  an  die  Mönche  gemacht,  welche,  das  ruhige  Leben  erwähleod, 
alles  Uebrige  aufgebend,  auf  Gott  harrten,  und  zwar  nicht  an  die 
ausgezeichneteren  anter  ihnen,  sondern  absichtlich  an  die  einfälti- 
geren, um  nicht  selbst  widerlegt  zu  werden ;  sodann  habe  er  schrift- 
lich ihre  Meinung  angegriffen,  nachdem  er  sie  selbst  erst  verdreht 
Denn  wenn  Jene  gesagt,  sie  hätten  es  als  Ueberlieferung  der  heili- 
gen Väter  erhalten,  dass  Diejenigen,  welche  durch  die  Gebote  Gottes 
ihre  Herzen  gereinigt,  göttliche  Erleuchtungen  (^ikXafiiff£cg)  auf  ge- 
heimnissvolle und  unsagbare  Weise  empfingen,  so  klage  er  sie  an, 
als  ob  sie  sagten,  Gottes  Wesen  selbst  werde  mitgetheilt;  wenn  sie 
aber  dagegen  angeführt,  sie  meinten  nicht  das  Wesen,  sondern  die 
ungeschaffene  und  ewige  und  gottgemachte  Gnade  des  Geistes,  so 
habe  er  gesucht,  ihnen  den  Vorwurf  des  Dltheismus  anzuhängen. 
Aber  auch  in  die  Kirche  Gottes  sei  er  eingedrungen,  ihre  massvolle 
Rohe  QfiSTQiotfig)  mit  seiner  Sache  störend;  namentlich  habe  er 
den  geehrtesten  unter  den  heiligen  Mönchen,  den  Herrn  Gregorios 
Palamas  verklagt,  und  sich  bemüht,  dass  auch  jene  zu  der  heiligen 
und  göttlichen  Synode  der  Kirche  berufen  würden ;  jedoch,  als  diess 
geschehen,  sei  Barlaam  selbst  entwichen  und  habe  den  Mönchen, 
die  er  verklagt,  nicht  Rede  gestanden;  als  Vorwand  für  seine  Flucht 
habe  er  die  damalige  Abwesenheit  des  Kaisers  (ßaötksvs)  angeführt, 
in  Wahrheit  aber  habe  er  selbst  seine  Verurtheilung  gefürchtet 
Hierauf  sei  eine  Synode  in  der  Sophienkirche  {iv  rcS  tcequovviu^ 
vcc^  f^g  Tov  d'ßov  koyov  0oq)iag)  gehalten  worden  in  Gegenwart 
des  berühmten  und  seligen  Kaisers  (gern  eint  ist  Andronikos  UI,  der 
1328 — 41  regierte)  und  vieler  Archimandriten  und  Beamten.  Da 
nun  habe  Barlaam,  aufgefordert  seine  Anklage  vorzubringen,  die 
Hauptsache  zu  umgehen  gesucht  and  dogmatische  Fragen  und  Schwie- 
rigkeiten berührt,  indem  er  trotz  wiederholter  Erinnerung  hartnäckig 
jede  nähere  Begründung  seiner  Anklage  verweigert  habe,  bis  ihm 
Antwort  und  IMmg  jener  Fragen  geworden  sei.    Da  habe  es  die 


r 


Titcheiidorf:    ABeedola  i«crt  et  profaaa.  489 

Hia^^nng  (futgiorfig)  der  Leiter  der  Synode  geschehen  laseen,  dAas 
die  Ganones  öffentlich  yerlesen  würden,   welche  verbieten,  daet  Je- 
mand dogmatische  Fragen   anrege  oder   Andere  zur  Verantwortung 
darüber  nöthige,  oder  auch   über  kirchliche  Satsungen   eigene  Mei^ 
Dungen  lehrhaft  ausspreche;  denn  die  Gnade  von  oben  habe  diess 
allein  den  Hohenpriestern   Gottes  verliehen.    Nun  wird  der  64.  Ca- 
non der  6.  Synode  angeführt,  welcher  im  Anschluss  an  Aussprüche 
des  Gregor  von  Naaianz«  hinweisend  auf  die   verschiedenen   Gal>en 
usd  Aemter  verbietet,  dass  Laien  dogmatische  Lehren  aufstellen; 
sowie  der   19.  cbalcedonische  Canon,   welcher   verbietet,   dass  von 
den  von  den  Vätern  abgesteckten  Gränsen  abgewichen  werde.  Hierauf 
Hien  die  Beschuldigungen,   die  Barlaam   früher  den   Mönchen   ge* 
macht  habe,  vorgetragen   worden,   worauf  sich   der  heilige  Mönch 
Bsrr  Gregorios  Palamas,   als  vornehmlich  betheiligt,  zur  Vertheidi- 
ignog  angeschickt     Derselbe  habe  auch  dargethan,  wie  der  zwischen 
lihm  und  Barlaam  entstandene  Streit  von   letzterem   begonnen   wor- 
den sei,  und  er  seibat  sich  nur  gegen  ihn  verantwortet  habe.    Hierauf 
id  die  Schrift  Barlaams  gebracht  worden,  der  er,  um  zu  täuschen, 
die  Aufschrift  »Gegen  die  Masalianer'^  gegeben  habe,  worin  er  auch 
über  das  unnahbare  (^ujCQ60irog)  Licht  der  Verwandlung  des  Herrn 
mid  über  die   erwählten   Jünger,   welche   gewürdigt   worden  seien, 
dieses  Licht  zu  schauen,  spreche.    Seine  Worte  lauten  so :  „das  anf 
i  Thabor  strahlende  Licht  war  nicht  unnahbar ;  weder  war  es  in  Wahr- 
}ttai  Licht  der  Gottheit,  noch   durchaus  heiliger  oder  göttlicher  als 
lie  Engel,  sondern   sogar  geringer  und   niedriger   noch   als  selbst 
QQter  Denken.     Denn  alle   Gedanken  und   alles   Gedachte   ist  ehr- 
würdiger  als  jenes   Licht,   das   dem  Blicke  durch   die  Luft  zufällt 
;Uid  der  Kraft  der  Empündung  unterliegt  und  nur  das  sinnlich  Wahr- 
nehmbare den  Schauenden  zeigt,  indem  es  stofflich  ist  und  der  Ge- 
staltung unterworfen  und  im  Räume  und  in  der  Zeit  erscheint  und 
die  Luft  färbt,  und  jetzt  besteht  und  scheint,  jetzt  aber  sich  auflöst 
ond  in  das  Licht  verschwindet,  als  ein  Ding  der  Vorstellung,  theil- 
bar  und  endlich.    Desshalb  ward  es  auch  gesehen  von  Denen,   die 
eioe  Beraubung  der  Thätigkeit  des  Verstandes  erfuhren,   oder  viel- 
mehr noch  nicht  diese  ganz  besassen  und  noch  nicht  geläutert  wa- 
ren, sondern  unvollkommen  und  während  jenes    Gesichtes   auf  dem 
Berge  selbst  gleichsam  noch  nicht  gewürdigt  des  Schauens  der  gott- 
gestalteten Gedanken.     Wir  werden  aber  von  einem  solchen  Lichte 
SU  Gedanken  und   Erkenntnissen  hingeführt,   welche   unvergleichlich 
besser  sUid  als  jenes  Licht.     Nämlich   die  es   übervemünftig   und 
wahrhaftig  und  unnahbar  und    dergleichen  nennen,   sind   ganz   und 
gar  beirrt  nnd  nichts  Höheres  kennend  als  das  erscheinende  Schöne, 
ond  desshalb  unfromm  und  sehr  verderbliche  Lehren   in  die  Kirche 
einführe  nd.^  So  Barlaam,  fügen  die  Acten  hinzu,  offenbar  heterodox 
und  entgegen  Dem,  was  über  dieses  göttliche  Licht  von  den  Heili- 
gen gesagt  ist;  denn  die  Mönche  versichern  mit  ihren  AussprücheUi 
die  sie  auch  anführten,  übereinstimmend  zu  denken  und  zu  reden« 


490  Tifdendorf :    Aii«cdoti  mcra  et  prvftui. 

Am  aücn  dieeen  Stellen  des  Johannee  von  Damaekiit,  DIonyrf«!, 
Andreas  von  Kreta,  Oregor  von  Nazianz,  Maximus,  Bastilns,  Atha- 
nasiuB,  Gregor  von  Njssa  wollen  wir  als  Instar  omnium  nnr  gleich 
die  erste,  von  Johannes^  entnehmen.  ,>Heute  strahlet  den  Apostefai 
unnahbaren  Lichtes  Unermesslichkeit ,  heute  göttlichen  Glanzes  un- 
begrenzte Ergiessung  auf  dem  Berge  Tbabor.  Jetzt  ward  geschaut 
das  den  menschlichen  Augen  Unsichtbare;  irdischer  Leib  strahlt 
göttlichen  Glanz  aus;  sterblicher  Leib  Iftsst  Herrlichkeit  der  Gott- 
heit entquellen.  Denn  das  Wort  ward  Fleisch,  und  das  Fleisch 
Wort,  ohne  dass  aber  eines  der  beiden  aus  seiner  eigenen  Natir 
heraustrat  0  des  Wunders!  Nicht  von  aussen  kam  die  Herrlidh 
keit  an  den  Leib  heran,  sondern  von  innen,  ans  der  durch  ansns- 
sprechliches  Wort  mit  ihm  vereinten  nach  Wesenheit  Gottes  dei 
Wortes  übergöttlichen  Gottheit.  Denn  worauf  an  ihm  die  Engel 
den  Blick  unverwandt  nicht  heften  können ,  darin  schauen  die  Er- 
wählten unter  den  Aposteln  den  durch  die  Herrlichkeit  seiner  Ko- 
nigBwiirde  Leuchtenden.  Von  da  an  nimmt  er  die  Häupter  der 
Apostel  an  als  Zeugen  seiner  eigenen  Herrlichkeit  und  Gottheit;  er 
enthülit  ihnen  aber  seine  eigentbiimliche  Gottheit^  —  Als  Barisaa 
wiederholt  auf  die  Furcht  der  Jünger  hingewiesen  habe  als  auf  eis 
Zeichen,  dass  sie  selbst  unvollkommen  und  jenes  Licht  irdisch  ge- 
wesen, habe  der  Kaiser  selbst,  von  jenem  Lichte  ganz  erieuditet 
in  seinen  Gedanken,  das  Wort  ergriffen,  um  nachzuweisen,  wie  ei 
auch  eine  Furcht  der  Vollkommenen  gebe,  und  eine  solche  bei  des 
Aposteln  stattgefunden  habe,  die  ja  nicht  geflohen  seien,  senden 
dem  Fortgange  des  Wunders  beizuwohnen  begehrten.  Ferner  wird 
angeführt,  Barlaam  habe  in  seiner  Schrift  auch  Denjenigen,  welcher 
das  namentlich  bei  „den  an  die  Ruhe  Gewöhnten^  gebräuchliche; 
Gebet:  „Herr  Jesus  Christus,  Sohn  Gottes,  erbarme  dich  mebil' 
eingeführt,  der  Irrlehre  der  Bogomilen  beschuldigt,  well  er  iwsr, 
um  sich  nicht  zu  verrathen,  nicht  das  „Vater  unser ^,  dessen  die 
Bogomilen  sich  ganz  vorzugsweise  bedienen,  zu  beten  verordneti 
aber  in  jenem  kurzen  Gebete,  durch  welches  er  alle  anderen  Gebete 
zu  verdrängen  beabsichtigt,  statt  des  allgemeinen  „unser  Gott*  ge- 
setzt habe  „Sohn  Gottes.^  Hiergegen  werden  nun  die  Schriltstde 
Matth.  16,  16  ff.  sowie  Aussprüche  von  Ghrysostomus  und  Diadocbsi 
angeführt,  um  jenes  Gebet  zu  rechtfertigen.  Weitere  Aasföhrunges 
der  Mönche  schneidet  der  Kaiser  ab,  indem  er  wiederum  als  Ge- 
salbter des  Herrn  für  Den,  der  ihn  gesalbt,  Christus,  das  Woit 
nimmt,  um  die  sehr  richtige  Bemerkung  zu  machen,  dass  der  Mtv- 
brauch, den  Andere  mit  jenem  Gebete  treiben,  nicht  von  desMS 
Anwendung  abhalten  dürfe,  denn  auch  Abraham,  welcher  Gott  neoae 
„Gott  des  Himmels^,  sei  darum  nicht  zu  tadeln,  obwohl  auch  die 
Perser  dieselbe  Benennung  gebrauchten;  ebenso  werde  trotz  der 
Griechen,  die  Gott  für  eine  weltschaffende  Vernunft  erkUirs^ 
Gott  doch  richtig  Schöpfer  der  Welt  genannt;  nnd  dadurch,  dan 
die  Masalianer  und  Bogomilen  das  Gebet  des  Herrn  geh 


sbraufihtesü 


TiMbeadorf :    Aneedola  ücra  H  pnfaaa.  491 

dtrfe  man  sich  nicht  hMtimmen  laMen,  dasselbe  ihnen  preissugeben 
und  sieh  desaen  su  enthalten.  —  Hierdurch  nun  habe  man  Barlaam 
fottesifisterlieher  Irrlehre  ond  falscher  Anklage  gegen  die  Mönche 
/3r  fiberlührt  eraohtel;  die  Mönche  aber  seien  als  im  Einklänge 
mit  den  Ueberliefemngen  der  Väter  erkannt  worden«  Dem  Verur- 
tbeilten  habe  man  auf  sein  Bitten  Verzeihung  gewährt ,  wenn  er 
aafrichtige  Busse  thne  und  sich  bessere;  im  entgegengesetsten  Falle 
aber  und  über  Jeden,  der  ähnliche  Irrtümer  vorbringe i  habe  man 
die  Excommunication  aus  Christus  heiliger  katholischer  und  Aposto- 
lischer Kirche  und  dem  rechtgläubigen  Lehrgebäude  der  Christen  ausge- 
sprochen. Zugleich  wird  das  Verbot  jeder  Berührung  dogmatischer 
Punkte,  wodurch  nur  Unruhen  entständen,  wiederholt.  Endlidi  folgen 
die  Unterschriften  der  angesehensten  Kirchenhäupter.  —  Wir  sehen  ans 
diesem  Berichte,  der  noch  daau  von  einer  Partei  herstammt ,  «rie 
such  hier  der  Verurtheilte,  obschon  er  selbst  der  angreifende  Theil 
war  und  sich  manche  Uebertrelbungen  mochte  haben  su  Schulden 
kommen  lassen,  doch  von  der  Synode  Unrecht  erlitt,  indem  man 
feinen  dogmatischen  Einwendungen,  zu  deren  genügender  Begrün- 
dung und  Naehweisung  durch  die  nöthigen  Vordersätse  man  ihm 
nicht  einmal  Zeit  Hess,  rednerische  Ueberschwenglichkeiten  gegenüber 
atellte,  die  in  gar  keiner  genauen  Beziehung  zu  der  schwebenden 
Streitfrage  standen ;  einen  regsamen  Geist,  dem  Gedanken  des  Geistes 
mehr  galten  als  AfTectionen  der  Sinne  und  träumerisches  Brüten, 
suchte  man  nicht  von  seinem  Irrthume  zu  überzeugen,  sondern  nur 
itumm  SU  machen,  damit  nur  ja  lieine  Bewegung  entstände  und 
das  Hergebrachte  und  „Mittelmässige^  unangetastet  bliebe. 

Doch  wir  kehren  zur  Musterung  unseres  Werkes  zurück,  und 
zwar,  nachdem  wir  die  griechischen  Codices  der  zweiten  Abtheilung 
betrachtet  haben,  zu  den  syrischen.  Sie  sind  grösstentheils  11* 
turgischea  und  homiletischen  oder  sonst  patristischen  Inhaltes.  Z.  B. 
enthält  eine  Handschrift  von  8  Blättern  nestorianische  Hymnen; 
andere  enthalten  Stücke  der  Peschit'tho  aus  Genesis,  Exodus,  Mar- 
kos. Namentlich  ist  in  dieser  Klasse  ein  um  das  Jahr  1000  ge* 
Bcfariebenes  Manuscript  von  130  Blättern  bemerkenswerth ,  welches 
die  syrische  Uebersetzung  der  Evangelien  des  Markus  und  Lukas 
vollständig  und  deren  des  Matthäus  und  Lukas  zum  Theil  enthält 
mit  danebenstehender  Uebertragung  in  das  Arabische.  Endlich  ge- 
hört hierher  eine  Uebersetzung  der  Kategorteen  des  Aristoteles,  wo- 
von nur  die  zehnte  Kategorie  fehlt.  Die  koptischen  Codices,  meist 
von  sehr  bedeutendem  Umfange,  bieten  martyrologiscbe ,  liturgische, 
homiletische  und  ascetische  Schriften  dar.  Die  arabischen  Hand« 
Schriften  hat  zum  Theil  Prof.  Fleischer  genauer  untersucht  Neben  ver- 
sehiedenenMartyrien,  Biographieen,  sowie  homiletischen  und  liturgischen 
Schriften  sind  folgende  besonders  hervorzuheben.  Der  Cod.  Tisch.  XXXT, 
dessen  ausserordentliche  Alterthümlichkeit  aufs  9.  Jahrhundert  zu- 
rückführt, besteht  aus  4  Qnartblättera,  von  denen  Je  zwei  zusam* 
ttengiMiefc  Die  enten  beiden  eathalten  ein  Bruchetück  einer  bisher 


492  Tiicbendorf:    AneedoU  nera  et  profani. 

unbekannten  EirangelienübersetEung  in  arabischer  Ynlgärspracbey  imd 
zwar  aus  Matthäus;  die  andern  beiden  aber,  von  anderer  Hand  he^ 
rührend,  geben  einleitende  Bemerkungen  zu  den  Evangelien,  nSm- 
lieh  1)  den  zweiten  Theil  eines  Kapitelverzeichnisses  des  MatthSos; 
die  Kapitel  weichen  von  den  unsrigen  ab,  obwohl  sie  nngefSbr  deo- 
selben  Umfang  haben;  2)  apokryphische  Traditionen  über  Markos. 
Er  sei  ein  Levit,  und  zwar  aus  Aarons  Geschlecht  gewesen;  nadi 
seiner  Bekehrung  zum  Christenthume  habe  er  sich  den  rechten  Dau- 
men abgeschnitten,  um  nicht  mehr  zum  Tempeldienste  tauglich  so 
sein.  Auch  wird  von  einer  Logoslehre  gesprochen,  die  sich  in  sei- 
nem Evangelium  finden  soll.  Endlich  folgt  8)  ein  Kapitelverzeichniss 
dieses  Evangeliums,  von  welchem  dasselbe  gilt,  wie  von  dem  ol>en 
erwähnten  zu  Matthäus.  Der  Cod.  Tisch.  XXXII.,  ans  204  Qaart- 
blättern  bestehend,  enthält  Biographieen  der  Apostel,  welche  noA 
nicht  eingehender  untersucht,  auch  noch  nicht  mit  den  bekaooten 
apokrjphischen  Apostelacten  verglichen  sind.  Interessant  ist  andi 
der  Cod.  XXXVII.,  in  17  Blättern  Seidenpapier  aus  dem  13.  Jahr- 
hunderte, mit  einem  zweitheiligen,  Text  und  Commentar  enthalten- 
den biblischen  Werke ;  jeder  Theil  ist  besonders  numerirt.  Der  Text 
enthält  Bruchstücke  aus  den  Briefen  des  Petrus,  den  ersten  beiden 
des  Johannes,  denen  des  Paulus  an  die  Corinther  und  an  die  Epbe- 
ser.  Weil  aber  zwischen  den  katholischen  und  den  paulinischen 
Briefen  68  Blätter  fehlen,  die  nicht  durch  den  Römerbrief  und  du 
yom  ersten  Corintherbriefe  Fehlende  ausgefüllt  worden  sein  könneo, 
so  vermuthet  Prof.  Tischendorf,  dass  die  Apostelgeschichte  dazwi- 
schen gestanden  habe.  Indessen  spricht  er  selbst  noch  seinen  Zweifel 
darüber  aus,  und  in  der  That  zeigt  uns  eine  ungefähre  Berech- 
nung,  dass  nur  etwa  die  grössere  Hälfte  der  Acten  hätte  Platz  fin- 
den können,  wenigstens  nach  gleicher  Schreibweise  mit  den  anderen 
Theflen  der  Handschrift.  Der  Commentar  erstreckt  sich  über  Stellen 
ans  dem  Briefe  an  die  Römer,  dem  zweiten  an  die  Corinther  und 
dem  an  die  Galater.  Nach  jedesmal  vorausgeschickten  einleitenden 
Bemerkungen  (die  zum  Galaterbriefe  sind  noch  vorhanden)  werden 
dann  schwierige  Stellen  des  betreffenden  Briefes  in  einfach  erklS* 
render  Weise  erläutert.  Die  Noten,  deren  Hauptinhalt  uns  der 
Herausgeber  mittheilt,  sind  nicht  Übel,  obwohl  sie  einer  wissenschaft- 
lichen Exegese  nicht  Stand  halten.  Sie  sind  übrigens  nicht  sehr 
zahlreich;  im  ersten  Kapitel  des  Römerbriefes  sind  es  sechs,  im 
zweiten  zwei,  im  dritten  drei.  Die  Kapiteleintheilung  weicht  von 
der  unsrigen  ab.  In  der  Einleitung  zum  Galaterbriefe  werden  293 
qrquaxa  angegeben,  welche  Zahl  mit  der  der  gewöhnlichen  Stichen 
zusammentrifft,  wesshalb  man  wohl  auch  zu  den  (übersetzten)  We^ 
ten :  Numerus  capitum  huins  epistulae  Coptice  est  ,  wo  die  Zif- 
fer fehlt,  die  gewöhnliche  Zahl  der  xBq>alaia^  12,  ergänzen  darf. 
Aus  jenen  Worten  könnte  man  leicht  vermuthen,  diese  arabische 
Uebersetzung  der  apostolischen  Briefe  sei  aus  dem  Koptischen  ge- 
flossen, wenn  nicht  der  Heraoageber  ausdrücklich  (nach  Gildemeister) 


TiM^eodorf:    Aaeedota  Miera  et  probn«.  49S 

«nmarktei  der  Text  sei  in  den  paaliniacheo  Briefen  derselbe)  wie 
in  der  Aasgabe  des  Erpenius,  also  aus  dem  Syrischen  stammend| 
dagegen  in  den  Icatholischen  Briefen  seien  erst  die  Varianten  eines 
mit  dem  erpentscben  gleicben  Textes  von  einem  Späteren  als  Oloi^ 
sen  hinsu^efügt  Um  eine  Probe  von  der  Besehaffenbeit  des  Gom- 
mentars  zu  geben,  so  deuten  wir  an,  wie  die  früher  verbreitetste 
üeinong,  der  Galaterbrief  sei  von  Rom  ans  geschrieben  and  dnrch 
TUus  nach  Gaiatten  gebracht  worden,  sich  auch  hier  findet.  Femer 
sacht  der  Verfasser  im  sweiten  Kapitel  zu  zeigen,  dass  in  dem  Aus- 
dmcke  ol  doxovwsg  bIvcU  rt,  „die  Apostel  die  das  Ansehen  hatten^, 
kein  Tadel  liegen  solle,  auch  bestreitet  er,  dass  Petras  in  Antiochien 
eine  eigentliche  Zarechtweisung  von  Paulus  erfahren  habe.  —  En^ 
iich  ist  noch  zu  erwähnen  der  Cod.  XXXVIII.,  8  Blätter  Seiden- 
IMipier  ans  dem  13.  Jalirhanderte,  enthaltend  Fragmente  einer  bis* 
her  anbekannten  aus  dem  Koptischen  geflossenen  Uebersetzang  der 
paolinischen  Briefe,  und  zwar  sind  es  Stücke  aus  dem  zweiten  Briefe 
tn  die  Corinther,  dem  an  die  Epheser,  dem  an  die  Philipper,  der 
Brief  an  die  Colosser  ganz,  und  ein  Stück  aas  dem  ersten  Thessa- 
lonicherbriefe.  Die  von  Gildemeist^r  besorgte  Vergleichung  des  Go- 
ioeserbriefes  mit  unserem  griechischen  Texte  wird  in  dem  uns  vor* 
liegenden  Werke  vollständig  mitgetheiit;  die  Handschrift  stimmt 
meist,  jedoch  nicht  constant,  mit  den  Lesarten,  welche  jetzt  für  die 
besten  gelten.  Die  Zahlangabe,  312  Stichen  und  6  Kapitel,  weicht 
TOQ  der  gewöhnlichen  gänzlich  ab,  indess  ist  sie  vielleicht  nur  ein 
Imhum,  da  sie  mit  der  für  den  Epheserbrief  auffälliger  Weise  ganz 
fleichlaatet.  Die  Untersclirift  stimmt  in  den  Worten  iyQaqni  utco 
A^ip/wv  mit  der  koptischen  Uebersetzang,  weicht  aber  im  Folgen- 
den, dia  TvxiTiov  xal  ^Ovrfiliuyo  wxl  Ma(fxov^  in  der  Hinzufügung 
dieses  dritten  Namens  von  allen  bisher  bekannten  Handschriften  ab. 
Die  Unterschrift  des  Philipperbriefes,  wo  keine  Eintheilangen  ange- 
geben sind,  stimmt  ebenfalls  mit  der  koptischen;  ebenso  die  des 
Briefes  an  die  Epheser.  —  Noch  haben  wir  kurz  die  übrigen  Hand- 
schriften zu  erwähnen.  Die  georgischen  sind  martyrologischen 
lud  liturgischen  Inhaltes.  Die  karaitischen,  in  arabischer  Sprache, 
aber  mit  hebräischen  Buchstaben  geschrieben,  betreffen  ausser  der 
einen,  die  eine  apokryphische  Qeschichte  des  Mose  enthält,  das  ka- 
raitische  Ritual.  Mehrere  Papyrasblätter  enthalten  koptische, 
hieroglyphische,  hieratische  und  griechische  Schriftzüge.  Was  end- 
lich die  durch  Tischendorfs  Vermittelung  an  die  sächsischen  Biblio- 
theken geschenkten  Manuscripte  anlangt,  so  sind  sie  theils  abyssi- 
nisch,  theils  arabisch-drusisch.  Die  ersteren,  worunter  eines  mit 
zahlreichen  Gemälden  geschmückt  ist,  enthalten  Heiligenlegendeni 
Lobpreisangen  und  Gebete  au  liturgischen  Zwecken,  biblische  Lec^ 
tionen  und  Anderes;  auch  befindet  sich  darunter  ein  Amnlet  gegen 
böse  Geister.  Die  zweite  Klasse  dieser  Codices  betrifft  die  drusische 
Religion.    Ihr  Inhalt  berührt  sich  näher  mit  Handschriften^  welche 


404  TiifiheDdorf :    Aseedola  aacra  et  proftuia. 

Silrestre  de  Sacy  in  seinem   berühmten  Expos^  de  )a  rdUn^oo  d« 
Droees  genau  beschrieben  hat. 

Den  dritten  Theil,  den  nmfangreichsten  des  ganzen  Wer» 
kes,  bilden  Auszüge  aus  verschiedenen  Handschriften  europäischer 
und  orientalischer  Bibliotheken.  Wir  finden  hier  vollständige  Ab- 
drücke eines  Fragmentes  einer  lateinischen  Uebersetanng  des  Römer» 
brlefes,  welche  in  dem  wolfenbüttler  Ulfilaspalimpseste  der  gothlschen 
UebersetjBung  desselben  beigegeben  ist;  eines  umfänglichen  Frag- 
mentes des  Hebräerbriefes  nach  dem  Uffenbach'schen  Unöaloodex 
zn  Hamburg,  sowie  einer  zahlreiche  Fragmente  der  beiden  Corin* 
tberbriefe  enthaltenden  londoner  Handschrift,  weiche  wahrscheinlich 
q^it  dem  oben  erwähnten  Codex  ein  Ganzes  ausgemacht  hat;  end- 
lieh der  Lobgesänge  der  Maria  und  des  Zacharias  nach  Lukas  1. 
aus  einer  wolfenbütteler  Handschrift;  ferner  vollständige  Varianten- 
angaben aus  dem  im  ersten  Theile  beschriebenen,  jetzt  im  britiachen 
Museum  befindlichen  ausgezeichneten  Codex  der  Apostelgeschichte; 
sodann  Frohen  von  Lesarten  aus  einem  Evangelistarium  des  9.  Jahr- 
hunderts  zu  Carpentras;  aus  den  im  oben  erwähnten  wolfenbütteler 
Palimpseste  enthaltenen  uralten  Fragmenten  der  lateinischen  Ueber- 
setzung  des  Hieronymus  vom  Boche  Hieb  und  vom  Buche  der  Rich- 
ter; aus  einem  lateinischen  Lectionarium  des  5.  Jahrhunderts  in 
einem  anderen  wolfenbütteler  Palimpseste ;  aus  einem  bisher  nur  sehr 
fragmentarisch  benutzten  griechischen  Evangeliencodex  zu  Wolfoi- 
büttel.  Endlich  betrifft  noch  das  neue  Testament  eine  ausführliche 
Vergleichung  der  noch  wenig  bekannten  zugleich  griechischea  und 
lateinischen  Handschrift  der  paiüinischen  Briefe,  des  Codex  Augiensis 
zu  Cambridge  mit  dem  Börner'schen  Codex  zu  Dresden ;  es  wird  da- 
durch nachgewiesen,  dass  jedenfalls  beide  ans  einer  Quelle  geflosaea 
sind.  —  Hierzu  kommen  aber  noch  Mittheilungen  aus  ausserbiblir 
sehen  Schriftstellern.  Wir  besprechen  zunächst  die  kirchlichen  oder 
theologischen  unter  ihnen.  41  Sentenzen  Philo*s,  einer  sehr  altea 
cairiner  Handschrift  entnommen ,  werden  vollständig  gegeben  unter 
Beifügung  der  Varianten  der  Mangey'schen  Ausgabe,  soweit  jene 
Sätze  hier  zu  finden  waren.  Wir  erhalten  ferner  aus  einem  Cois- 
lin'schen  Manuscrjpte  Varianten  zu  dem  in  Petau's  Ausgabe  der 
Werke  des  Epiphanius  befindlichen  Aufsatze  über  den  Diamantea, 
den  der  jüdische  Hohepriester  getragen  habe,  was  bekanntlich  den 
Nachrichten  des  alten  Testamentes  widerspricht;  sodann  aus  dem 
fünften  Buche  des  Irenäus  gegen  die  Ketzereien  ein  Fragment,  des- 
aen  Hauptinhalt  ein  Auszug  aus  dem  2L  Kapitel  der  Offenbarang 
dea  Johannes  ist.  Aus  einer  koptischen  Papyrus-Handschrift  wer* 
den  die  Interessantesten  Partieen  des  Fragmentes  einer  nicht  mehr 
vorhandenen  Predigt  des  Erzbischofs  Theophilus  in  Peyron's  lateiai- 
aoher  Uebersetzung  mitgetheilt.  Es  wird  darin  mit  rhetorischer 
Abnndanz  die  Situation  behandelt,  wo  Christus  mit  den  Schachern 
am  Ereuxe  hängt,  besonders  das  BLreuzesholz  wird  in  überschwenr 
lieber  Weise  gepriesen,  sowie  auch  Christus  geradezu  Schöpfer  und 


TiaihaiitTf;    AnM^ota  men  et  pralwi.  486 

Gott  gmuküi  wird.  —  WiehUger  ist  Folgeodes:  Für  die  olemeDü- 
niieheD  Homillen  waren  belcaonÜiGb  bisher  nur  zwei  Handschriften 
beksBDty  die  pariser  und  die  Ton  Dressel  aufgefundene  ottoboni'sche 
10  der  vaticanischen  Bibliothek.  Tischendorf  aber  hat  noch  awel 
Mbr  wichllge  Codices  enideciit,  einen  in  Italien  und  einen  im  Oriente^ 
Zur  Probe  werden  die  sechs  ersten  Paragraphen  der  ersten  Homilie 
(S.  79,  Zeile  1  sind  nach  $1  dh  ydyovsv^  inthilmlich  die  Worte  wd 
kü&i^iSeTiUy  ansgeCallen)  und  einselne  andere  Stellen  mitgetheilt  nnter 
Vsrgleichnng  der  früherenAusgabeni  sowie  der  sogenannten  Epitooia 
Von  dieser  selbst  wird  femer  ein  nmflingliches  Fragment  aus  einem 
pariser  Codex  mitgetheilt ,  welcher  die  merkwürdige  Eigenthiimlich-* 
keit'  darbietet,  dass  die  mit  den  Homllieen  gemeinsamen  StellsD 
sidit  sowohl  der  bisher  bekannten  Epitome,  als  viehDohr  den  Ho- 
nilieen  selbst  entsprechen,  dagegen  die  aus  den  Recognitionen  ge- 
Bommenen  Stücke  mehr  als  Cotelier's  Text  sich  der  Rufin'schen  la* 
tofaiischen  Uebersetzung  cu  nähern  scheinen.  Sodann  werden  die 
SOS  einer  Handschrift  des  Sinai  geschöpften  Varianten  ni  den  apo- 
stolischen Constitutionen,  Buch  8,  Ki4)itel  32—34  und  42—46  an- 
gegeben. —  VoUstfindig  mitgetheilt  wird  aus  einer  venetiaaischen 
Handschrift  des  8.  oder  9.  Jahrhunderts  eine  ,,kurse  Abhandlung 
aber  die  Propheten^  in  griechischer  Sprache.  Es  ist  eine  Angabe 
des  Hauptinhaltes  der  eincehien  prophetischen  Schriften.  Jeder  Pro- 
phet wird  in  AtMchnitte  getbeüt,  die  mit  unseren  Kapiteln  Nichts 
gsmein  haben.  Die  Anfangs-  und  Endworte  eines  jeden  solchen 
Abschnittes,  welche  angeführt  werden,  stimmen  mit  Handschriften 
der  LXX.  gegen  die  recipirten  Lesarten.  Im  Arnos,  der  die  eiste 
Stelle  einnimmt,  werden  die  Stellen  1,  1—4,  5;  5,  4—8,  7;  8, 
13—9,  7  gans  übergangen ;  doch  ist  daraus  nicht  zu  schliessen,  der 
Verfasser  habe  diese  Stücke  nicht  gelcannt,  sondern  es  ist  nur  eine 
gewisse  NachlSssigkeit,  die  schon  beim  nächsten  Propheten  in  ein 
freieres  Verfahren  tibergeht,  indem  nicht  mehr  Anlang  und  Ende 
eises  jeden  Abschnittes  wörtlich  angeführt,  sondern  nur  einzelne 
herForragende  Aussprüche  namhaft  gemacht  werden.  Amos  hat  6 
Abschnitte,  Joel  4,  0ba4ja  1,  Jona  1,  Micha  6,  Nahum  1,  Habe- 
kak  2,  Zephanja  2,  Haggai  2,  Sacharja  14,  Maleaohi,  der  auCUli«- 
ger  Weise  Malachiel  genannt  wird,  3,  Daniel  4.  Die  übrigen  Pro^ 
pheten,  Hosea,  Jesaia,  Jeremia,  Ezediiel  fehlen.  Die  Weissague 
gen  werden  hier  und  da  christologiscb  gedeutet,  aber  stets  wird  auf 
die  geistige  Bedeutung  der  Orakel  hingewiesen,  oft  auch  die  noeb 
sieht  eingetretene  Erfüllung  der  Propheaeihungen  ausdrücklich  her- 
▼orgehoben.  —  Auch  einige  Curiosa  ans  dem  Gebiete  der  apob^ 
phischen  Literatur  finden  sich  hier.  Am  meisten  haben  noch  den 
Anstrich  des  Geschichtlichen  die  Partieen  aus  dem  griechischen  Chro- 
niken des  im  9.  Jahrhunderte  lebenden  Mönches  Georgios  Hamar- 
tolos,  welche  aus  zwei  pariser  Handschriften  mitgetheilt  werden, 
deren  Miteste  dem  10.  Jahrhunderte  angehört  Besonders  sind  solche 
Stücke  ausgewXhlty  die  aus  den  clementinischen  Honuliecn  geschöpft 


466  Tischenddrf:    Anecdota  fftcra  et  profana. 

und  wiederam  durch  Gedrenus  aus  unserem  ChroDikon  entlehnt  sini 
Der  Verfasser  beruft  sich  aber  auch  auf  die  apostolischen  Ckinsti- 
tutionen  und  auf  die  Kirchengeschichte  des  Sokrates.  Den  Inhalt 
bilden  unter  Anderem  das  Zusammentreffen  des  Petrus  mit  Si- 
mon dem  Magier  in  Rom,  wo  sich  beide  durch  Wunder  zq 
überbieten  suchen,  aber  doch  der  Apostel  den  Sieg  davon  trSgt 
Da  er  den  Tod  Simonis  veranlasste,  habe  fhn  der  Kaiser  Nero 
asum  Ereueestode  verurtheilt;  Petrus  aber  habe  sich  den  Kop(> 
nach  unten  gerichtet  kreuzigen  lassen ,  um  sich  nicht  dem 
Herrn  gleich  zu  stellen.  Nach  Vorgang  des  Eusebius  wird  unter 
Bezugnahme  auf  2  Timoth.  4,  16  von  des  Paulus  erster  V«thei- 
digang,  im  zweiten  Jahre  nach  Petrus'  Tode,  und  sodann  von  efaier 
zweiten  Gefangenschaft  gesprochen.  Am  29.  Juni,  dem  Jahrestage 
der  Kreuzigung  des  Petrus,  Markus,  Lukas  und  Jacobns  des  Gottes- 
bruders,  sei  Paulus  durch  das  Schwert  gestorben.  Von  Lukas  wird 
erzählt,  er  sei,  da  man  kein  trockenes  Holz  fand,  an  einem  frucht- 
tragenden Oelbaume  gekreuzigt  worden.  Ausführlicher  ist  der  Be- 
richt über  Jacobus.  Rein  aus  seiner  Mutter  Leibe  kommend  habe 
er  keine  geistigen  Getränke  genossen,  nichts  Lebendiges  (d.  h.  kein 
Fleisch)  gegessen,  nicht  gebadet;  seine  Kniee  seien  von  fortwähren- 
dem Beten  hart  wie  die  eines  Kameeies  gewesen;  daher  sei  er  ge- 
nannt worden  der  Gerechte  und  oßlücg  (die  andere  Handschrift  hat 
oßkCag),  welches  Wort  durch  tcsqiox^  tov  laov  xcd  dacaio6wq 
erklärt  wird.  Einst  sei  ihm  der  Teufel  erschienen  in  Gestalt  des 
Behemoth,  der  Hieb  40.  41  beschrieben  wird,  aus  welchen  Kapiteln 
bedeutende  Stücke  ausgeschrieben  werden  in  einem  Texte,  der  och 
dem  vaticanischen  sehr  nähert.  Endlich  wird  des  Jacobus  Tod  er- 
zählt. Die  Juden  stürzten  ihn  von  den  Zinnen  des  Tempels;  unten 
angekommen  habe  er  auf  den  Knieen  für  sie  gebetet,  bis  ihn  ein 
Tuchwalker  mit  einem  Stücke  Holz  auf  den  Kopf  geschlagen  and 
so  getödtet  habe.  Hierauf  sei  sofort  die  Belagerung  Jerusaiems  er- 
folgt. Den  Schluss  macht  die  von  Cedrenus  etwas  abweichende 
Erzählung  von  der  Begünstigung  des  Christenthumes  durch  den  Kaiser 
Tiberius,  und  der  Briefwechsel  des  Königs  Abgarus  mit  Christus. 
—  Noch  weit  deutlicher  aber  tragen  das  Gepräge  des  apokiyphi- 
schen  Ursprungs  zwei  andere  mit  phantastischer  Willkür  ausgestattete 
Schriften.  Die  erste  ist  die  pseudoepipbanische  Schrift  über  die 
Lebensgeschichten  der  Propheten,  welche  wir  hier  nach  zwei  pariser 
Handschriften  des  10.  Jahrhunderts  vollständig  abgedruckt  finden, 
da  sie  sowohl  unter  sich,  als  auch  von  der  Ausgabe  Petau's  In  den 
Werken  des  Epiphanius  beträchtlich  abweichen. 

(Sckhm  folgt.) 


Ir.  n.  HBIDELBER6BR  .    VKI. 

jahrbOghir  der  litiratdr. 

Tischendorf:    Anecdota  sacra  et  profana.    . 

(ScUhm.) 

Diese  Lebeosbesehreibangen  der  Propheten  enthalten  meist  nor 
Notisen  fiber  Ihre  (vermeintliche)  Herkonft  und  den  (sng^bllehea) 
Ort  ihres  Begräbnisses,  bei  etlichen  Terknüpft  mit  einigen  anderen 
ugenhaften  *Ersählangen  ans  ihrem  Leben.  Nach  den  16  Prophe- 
ten, welche  die  eine  Handschrift  in  der  gewöhnlichen,  die  andere 
ia  abweichender  Ordnung  aufführt,  fügt  die  erstere  noch  Elias  und 
Elisa  hinan,  die  letatere  aber,  mit  nen  beginnender  ZShlnng,  fol* 
sende:  Nathan,  Ahia,  Joab  unter  Jerobeam  (?  es  kann  wohl  kaum 
Mdo,  2  Chron.  12,  15;  13,  12  gemeint  sein),  Asarja  (2  Gbron. 
16,  1),  Elias,  Elisa,  Sacharja  (2  Chron.  24,  20),  jedoch  sind  Uer 
ngenhafte  Lebensumstinde  des  Propheten  gleichen  Namens  elnge- 
niecht,  von  welchem  wir  Orakel  im  Canon  haben,  Jadok  (?)  anter 
Josias  Ton  Jude,  andere  ungenannte  Propheten,  Simon  Klopas'  Sohn 
ond  Vetter  des  Herrn.  Am  Schlüsse  fordert  der  Verfasser  die  Leser 
•af,  um  der  Mühe  willen,  die  er  gehabt,  für  ihn  su  beten,  indem 
er  mit  seinem  Schriftchen  grossen  Nutzen  gestiftet  au  haben  meint, 
woria  wir  ihm  allerdings  nicht  beistimmen  können.  —  Noch  seltsa* 
meren  Inhaltes  ist  ein  Auszug  „ans  des  Römers  Elpins  (Helvios?) 
Archäologie  kirchlicher  Geschichte,  über  leibliche  Charaktere^,  des* 
len  Abenteuerlichkeit  sich  selbst  in  der  Sprache  su  erkennen  gibt, 
welche  nicht  nur  durch  gana  ungewöhnliche  Zusammensetzungen, 
Bondem  auch  durch  ganz  unerhörte,  wenn  nicht  unerklärliche  Wörter 
aoflfUlt  Es  sind  Beschreibungen  des  Aussehens  zuerst  Adams  und 
der  Propheten;  letztere  sind  die  16  canonischen,  nur  steht  statt 
Arnos  der  Name  Baruch,  die  Reihenfolge  aber  ist  eine  willkürliche. 
Die  Angaben  sind  kurz  und  geschehen  meist  mit  Hülfe  Ton  Adjec- 
tiven.  Eine  Hauptrolle  spielen  die  Barte;  die  meisten  Propheten 
haben  runde  Barte,  was  mit  ötQoyyvXoyivstog  bezeichnet  wird. 
Sehr  ausfuhrlich  Ist  die  über  Christus  mitgetheilte  Nachricht;  sie 
lautet  so:  „Ueber  das  herrschergleiche  Aussehen  unseres  Herrn 
Jesus  Christus,  was  über  ihn  die  alten  Historiker  {tötoffritaC)  ge- 
sehrieben  haben.  (Die  folgenden  Angabeu  sind  nun  Adjective  im 
Accasative«)  Von  schönem  Wüchse,  mit  zussammengezogenen  Au- 
genbrauen, schönen  Augen,  grosser  Nase,  krausen  Haaren,  gekrümm« 
ter  Haltong,  gesundem  Aussehen,  schwarzem  Barte,  gelbbrännlicher 
Farbe,  an  Gestalt  seiner  Mutter  ähnlich,  mit  schlanken  Fingern, 
idiöner  Stimme,  lieblicher  Sprache,  sehr  sanft,  ruhig,  langmüthig, 
L  Jakrg.  7.  Heft.  82 


^  Tifclifindorf :    Anecdota  «um  et  profan«. 

Unrecbt  duldend  und  mit  ähnlicheo  Vorzügen  der  Togend  geschmückt 
la  diesen  Eigensdiaften  stellt  sich  sein  gottmeDscbüchee  Wort  dsr, 
dass  nicht  ein  Schatten  des  Wandels  oder  eine  Veränderung  des 
XTefibafila  in  der  göttlichen  Vermenschllchung  des  Logoa  enthaiteo 
sei,  wie  die  Manichäer  schwatzen^  u.  s.  w.  Von  Petms  heisst  es, 
er  habe  ein  doppeltes  Aussehen  gehabt,  sein  Vorderkopf  sei  kahl, 
sein  Hinterkopf  aber  bis  in  den  Nacken  mit  Haaren  bedeckt  gewe- 
sen (r^  eidia  difioiQcctog,  avatpakag^  xov66%-q(J^,  er  habe  weis 
nnd  blass  ausgesehen,  habe  dupkle  Augen  gehabt,  ganz  graues  Haapt- 
und  Barthaar,  ainen  starken  Bart,  eine  lange  Nase,  ernsten  Blick, 
mfrechltt  Haltung  (?  «faxa^/Mf o^),  er  sei  einsichtsvoll,  jähzornig, 
leicht  Yeräiiderlieh,  feig  gewesen  und  habe  auf  Antrieb  des  heiligen 
Qeistea  geredet  Der  Apostel  Paulus  aber  war  von  GestaU  xov* 
i^täfiS  (?)»  kleiner  Statur,  ohne  Augenbrauen,  kahlen  Kopfes,  kmmm- 
beinig  {iyyvlBiXog  zaXq  Kviifucig')^  mit  graugemischteBi  Kopf*  und 
B«fthaare,  breitschulterig,  vscoylavxog  (?),  ernsthaft,  weisser 
Hautfarbe,  blühenden  Gesichtes,  starken  Bartes,  kräftig,  heiterer 
Mi«ne,  klug,  herzlich  (Cod.  '^iKog^  wohl  i)0-txo$);  gesellig,  ange- 
nehm, voll  Liebenswürdigkeit,  vom  helUgen  Geiste  begeistert  Da 
Bohluss  macht  die  Schilderung  mehrerer  Kirchenväter.  -^  Ans  einem 
der  beiden  ohen  erwähnten  pariser  Mannscripte,  welche  die  pseii» 
doepipitiaiisebe  Schrift  über  die  Propheten  enthalten,'  werden  noch 
folgende  Stücke-  vollständig  mitgetheilt  Erstens  eine  „Erkläroog 
hebräischer  Namen,  die  in  der  Apostelgeschichte  vorkommen,  In 
•ipbaJbetisoher  (ungenauer)  Ordnung.^  Es  sind  aber  andere,  nidit» 
hebräische  Wörter  darunter,  die  jedoch  ebenfalls  in  ziemlich  seltsa* 
iser  Weise  aus  dem  Hebräischen  erklärt  werden.  Dieses  Wortei* 
imeh  lat  derselben  Art  wie  Fragmente  eines  angeblich  origenisdisa  i 
LexiQOBfl  in  Hieronymus'  Weiken.  Der  Geist  und  Werth  des  Ganzen  | 
wird  ans  folgenden  wenigen  Beispielen  erhellen.    ^AliptOog  (>C]^)^) 

wird  erklärt:  iiadTjöigy  also  durch  das  Wort  h^J<,  lernen;  *Avccvia$: 

Xagig  uvqüw  ^  xagig  aitävy  also  durch  TJp|,    gnädig  sein,   nnd| 

^T=^jj^"!;   jdiQßri:  luKfftri'  fj  Xccha^  also   durch  •l^'^,   reden; 

Hierauf  folgt  zweitens  eine  „Erklärung  der  Namen  der  Propheten' 
in  ähnlicher  Weise.  Die  Propheten  stehen  mit  Ausnahme  des  Je- 
aala,  der  hier  die  letzte  Stelle  einnimmt,  in  derselben  Ordnung, 
welche  dieselbe  Handschrift  in  den  oben  erwähnten  Biographien  der 
Propheten  befolgt  Nur  Habakuk  fehlt;  vielleicht  gehört  aber  die 
nicht  recht  passende  Erklärung  des  Namens  Naovfi :  nariiQ  dysigtov 
vielmehr  jenem  Propheten  zu,   vgl.  !^^/3axoi;f»  mit  2X   ^^^  Dip* 

Hieran  schlleseen  sieh  eine  Erklärung  hebräischer  Namen  in  dir 
Offenbarung,  die  Angabe  der  Farbe  und  des  Aussehens  der  im  21.  Ka- 
pitel der  Offenbarung  erwähnten  Edelsteine,  und  eine  Erklärung  der 
Namen  der  vier  Ströme  des  Paradieses. 


KkwU•lHl^    €6ielii«bte  dm  Goll0iMel«iii. 

Sehttesslich  haben  wir  oocb  eine  sehr  heachteo9«rerthe 
tiADisehe  Handschrift  su  erwihnen.  Sie  enthfiit  die  Schrift  des  Pia-- 
tonikers  Theon  aus  Smyma  über  die  Astfonomie,  war  jed<KA  den 
enten  Herausgeber  dieses  Werices,  Martin,  der  tu  seiner  AnsgalM 
▼om  Jahre  1849  nur  eine  pariser  Handschrift  benntcte,  unbekannt 
geblieben.  Es  werden  daraus  mehrere  Varianten  mitgetbeilt,  sowie 
anch  die  berfifamten  Verse  des  Alexander  Aetolns  tiber  die  Plane* 
tea,  letztere  lugleich  unter  Benutzung  eines  zweiten  sehr  TorzÜgll* 
eben  ▼enetianiscben  Manuscriptes.  — 

Ueberblicicen  wir  nun  am  Ende  die  sfimmtlichen  dargebetenen 
Sehltse,  deren  Werth  allerdings  ein  sehr  verschiedener  ist^  se  haben 
wir  wohl  Grund,  dem  Terehrten  Herrn  Herausgeber  Glilelc  zu  wfin-> 
sehen  zu  dem  reichen  Erfolge  seiner  Bemühungen.  Wir  haben  bei 
onserer  Besprechung  unser  Augenmerk  vorzugsweise  auf  die  ausser** 
biUiscben  Docnmeate  gerichtet;  aber  ihre  Entdeckung  und  Mitthel- 
lang  ist  nur  ein  mehr  nebensächlicher  Gewinn  gewesen,  den  die 
Verfolgung  des  grossen  und  wichtigen  Hauptzieles  abgeworfen  hat, 
im  Zieles  nimlich,  Handschriften  zu  sammeln  zur  Hersteilung  eines 
rdchhaitigen  kritischen  Apparates  für  den  griechischen  Bibeltext, 
▼orzigllch  des  neuen  Testamentes.  Den  hierauf  beaügllehen  Urknn« 
den,  welche  das  uns  vorliegende  Werk  enthält,  hoffen  wir  recht  bald 
vieder  za  begegnen,  indem  wir  sie  verarbeitet  finden  werden  in  dee 
Heransgebers  neuester,  siebenter,  Auflage  des  neuen  Testamentes, 
welche  bereits  angefangen  hat  in  Lieferungen  zu  erscheinen,  nnd 
ibsitimint  ist,  die  vergriffene  zweite  leipziger  Ausgabe,  bisher  daa 
beste  teztkritische  Werk,  welches  über  das  neue  Testament  vorhanden 
irar,  zu  ersetzen  und  durch  ReicbhaitigiLeit  der  Hülfsmittel  weit  zu 
dbertreffen.  Das  Werk,  dessen  Besprechung  wir  hiermit  vollenden, 
itt  allerdings  nicht  bestimmt  für  den  gewöhnlichen  Handgebrauch, 
smnal  ea  in  mehreren  Stücken  nnr  erst  die  Keime  künftiger  PubK- 
cationen  in  sich  schliesst;  aber  wir  hoffen  durch  unsere  Darlegung 
gezeigt  zu  haben,  dass  es  für  die  über  die  nächsten  Bedürfnisse 
hbuusblickenden  gelehrten  Theologen  und  Philologen  des  Interessant 
len  gar  Vieles  bietet,  wodurch  es  geeignet  ist,  jede  grössere  and 
reichere  Bibliothek  zu  zieren.  Hierauf  ist  denn  auch  das  sehr  statt- 
liche Aeussere  des  Buches  berechnet. 

l^mimhLoUL 


Oachiehte  des  OoUesfriedens  von  Dr,  A.  Kluckhohn,  Leipsdg  hei 
Hahn  1857.     8.     X.  150  S, 

Der  Verfasser  dieser  Schrift  war  mit  der  Forschung  über  die 
Laadfriedensbündnisse  und  Landfriedensgesetze  in  Teutschland  be- 
schäftigt, als  er  durch  jene  Untersuchung  veranlasst  ward,  zuvor 
tbeils  den  Begriff  der  treuga  Dei  thells  ihre  Geschichte  zu  erörtern. 
Ich  unterscheide  nämlich  Landenfriedensbündnisse,   ausge- 


990  Kluckhohn:    GoMdiicIite  dea  6ottMfiri«dai«. 

h«nd  voD  dnzelnen  Beichsatänden,  und  LandfriedensgesetEe 
ausgehend  vom  König.  Somit  ist  vorliegende  Schrift  als  Einleitung 
eo  einem  folgenden  Werke  über  die  Geschichte  der  Landfriedens- 
bändnisse  za  betrachten.  Die  Aufgabe  des  Verf.  ist  darnach  auch 
die  gewesen,  den  Unterschied  zwischen  dem  Gottesfrieden  und  den 
späteren  Landfriedensbündnissen  in  ihrer  Entstehung  und  chronologi- 
schen Ausbildung  festzustellen.  Damit  im  Zusammenhange  sucht 
er  eine  queJlenmSssige  Geschichte  der  treuga  Dei  zu  geben.  In  der 
Vorrede  S.  IV  spricht  er  seinen  Zweck  dahin  aus:  ,,ich  fühlte  mich 
zu  dem  Versuche  aufgefordert,  die  Geschichte  des  Gottesfriedens 
darzustellen  und  zwar  in  dem  Sinne,  dass  ich  die  ihm  zu  Grunde 
liegende  Idee  aus  den  politisch-socialen  Verhältnissen  und  den  sittlich- 
religiösen  Zuständen  jener  Zeit  zu  erklären  suchte  u.s.  w.^  Er  mnsste 
der  herrschenden  Ansicht,  dass  die  Landfriedensconföderationen  ans 
der  treuga  Dei  entstanden  seien,  entgegentreten.  Vielleicht  hätte 
die  Definition  in  seinem  ganz  richtigen  Resultate,  etwa  so  znsam- 
mengefasst  werden  können.  Im  Gottesfrieden  lag  durchaus  nicht 
die  Idee  eines  christlichen  Conföderativstaates,  welche  dann  durch 
den  Landfrieden  etwa  verweltlicht  worden  wäre.  Der  Unterschied, 
vom  Verf.  mit  Recht  hervorgehoben  gegenüber  der  Ansicht  der  Jo* 
rieten,  liegt  im  Wesentlichen  darin,  dass  die  treuga  Dei  eine  £Sn- 
ricbtung  kirchlicher  Disciplin  ist,  der  Landfrieden  als  ein  politisches 
Substitut  den  fehlenden  Staatsschutz  gewähren  sollte.  Der  Gottes- 
firiede  geht  aus  kirchlichen  Vorschriften  hervor,  die  eben  gerade  in 
einer  Zeit  erneuert  oder  ausgesprochen  wurden,  wo  sie  durdi  die  ge- 
gesellschaftlichen und  politischen  Zustände  geboten  schien.  Der  Land* 
friede  dagegen  hat  nur  eine  politische  Nothwendigkeit  zur  Veran- 
lassung. Mithin  hat  die  treuga  Dei  mit  einer  politischen  Gonfödera- 
tion,  wie  sie  den  Landfriedensbündnissen  zn  Grunde  lag,  gar  nichts 
gemein.  Beide  sind  verschieden  in  ihrer  Ursache,  beide  verschiedeo 
in  ihrem  Zwecke.  Diess  ist  im  ganzen  das  Resultat  der  sorgfillti- 
gen,  mit  Fleiss  und  genauen  Kenntniss  der  Quellen  geführten  Un- 
tersuchung des  Verf.'s.  Die  bisher  aufgestellten  Definitionen  von 
treuga  Dei  muss  ich  alle  verwerfen  und  auch  die  des  Verf.'s  als 
za  enge  beanstanden.  Die  nominal  Definition  von  treuga  hat  bis- 
her alle  Geschichtsforscher  irre  geleitet  Die  treuga  Dei  ist  eine 
kirchliche  Disciplinarvorschrift,  anfänglich  uur  von  Bischöfen  erlassen, 
welche  an  das  Individuum  eine  Gewissenforderung  stellt.  Ueber 
den  Vollzug  dieser  Vorschrift  verlangte  die  Kirche  vom  Individuum 
einen  Eidschwur,  wie  er  bei  allen  Sakramenten  der  katholischen 
Kirche  geleistet  wird,  z.  B.  bei  der  Taufe,  eidlich  dem  Teufel  su 
entsagen,  bei  der  ersten  Communion,  Ehe,  Priesterweihe  u.  s.  w. 
Dieser  Eid  bringt  das  Individuum  in  ein  specielles  Bündniss,  treugs, 
zu  seiner  kirchlichen  Behörde.  Er  wurde  gewöhnlich  im  14.  Jahre 
abgelegt  Man  hat  also,  um  die  Wichtigkeit  der  Vorschrift  einsa- 
sdiärfen,  ihr  die  Aeusserlichkeit  des  Sakramentes  gegeben.  Das  ist 
das  Wesen  der  treuga  Del.    Der  specielle  Inhalt  der  klroUi^^o 


KlMkholiB!    Getduchte  det  GottMfriedeo«.  501 

Yoradirift  kommt  erat  in  zweiter  Linie  in  Betracht  Da»  sich  der 
Spraehgebranch  im  Mittelalter  daiiin  feetstellte,  nur  die  wichtigsten 
deser  kirchlichen  Gelöbnisse,  einzelne  Zeiten  durch  Waffenruhe  zu 
achten,  und  Torsöglich  diese  Vorschriften  und  Gelöbnisse  treuga  Dei, 
Gottesfriede  zu  nennen,  hat  seinen  Grund  darin,  dass  man  die  Na- 
men des  Allgemeinen  auf  den  wichtigsten  speciellen  Fall  anwendet 
Ich  folge  nun  den  Forschungen  des  Verf.,  wie  er  sie  in  der  Schrift 
dem  Publikum  vorlegt. 

In  der  Einleitung,  welche  von  den  Innern  Znst&nden  Frank* 
reichs  im  10.  und  11.  Jahrhundert  handelt,  sucht  der  Verfasser  ein 
Bild  Ton  der  staatlichen  Auflösung  beim  Untergang  der  Karolinger 
Dynastie  zu  geben.  Er  war  freilich  dabei  allzusehr  auf  Kfirze  an- 
gewiesen. Diese  Schilderung  der  verwirrten  Zustände  jener  Zeit 
Tcrritb  indessen  eine  gründliche  Quelienkenntniss.  Er  benüzte  da- 
f3r  die  Briefe  Fulbert's  von  Ghartres,  Gregorys  VII.,  einzelne  Vitae 
bei  Bouquet  und  die  Concilienbeschliisse*  Doch  sind  noch  andere 
Quellen  vorhanden,  ans  denen  die  Kenntniss  der  Zustände  im  10. 
und  11.  Jahrhundert  geschöpft  werden  kann.  Ich  führe  hier  nur 
sn,  dass  für  den  Verfall  der  Geistlichkeit  auch  die  Schriften  des 
Ratherins  920  -974,  gedruckt  bei  d'Achery  specilegium  hätten  her- 
beigezogen werden  können.  Sie  sind  besonders  auch  gegen  den 
Klerus  von  Anstrasien  gerichtet  Von  andern  Quellen,  die  für  die 
Reconstruiction  jener  Zeit  wichtig  sind,  will  ich  unten  sprechen.  Die 
Ursachen,  welche  die  staatliche  Auflösung,  die  Misachtung  jeder  po- 
iitischen  Autorität,  die  sittliche  Verwilderung  und  die  Abnahme  der 
Literatur  herbeiführten,  lassen  sich  aus  der  Earolingischen  Zeit  selbst 
erklären.  Die  ganze  Universalmonarchie  Karl  des  Grossen  und  die 
erwachte  Kultur  seiner  Zeit  war  gekünstelt  und  hing  nur  von  Per- 
sönlichkeiten ab.  Sobald  diese  fehlten  waren  die  gekünstelten  Zu- 
stände nicht  mehr  haltbar  und  die  Nationalitäten  regten  sich  im 
Staate  wie  auf  dem  Gebiete  der  Sprache  und  Literatur.  Es  lässt 
sich  indess  nicht  läugnen,  dass  noch  Umstände  hinzutraten,  welche 
den  begonnenen  Auflösnngsprocess  beschleunigten  und  jenen  Zerfall 
herbeiführten,  der  im  10.  und  11.  Jahrhundert  die  Wiege  eines 
nationalen  Lebens  in  Europa  ward.  Die  Ereignisse,  welche  den 
Verwesungsprocess  der  Karolingischen  Universalmonarchie  förderten 
waren :  Die  Einfälle  und  Ansiedinngen  der  Normannen  und  die  da- 
durch herbeigefQhrte  Unsicherheit  im  Besitz  und  Verkehr;  die  be- 
ständigen Kriege  im  Innern  des  Landes;  der  Mangel  eines  Rechts- 
Schutzes,  höchsten  Gerichtshofes,  einer  Executivgewalt  und  damit  die 
herbeigeführte  Nothwendigkeit  des  Einzelnen,  sich  selbst  Recht  zu 
nehmen.  Es  ist  in  der  Natur  der  Sache  begründet,  dass  ein  Lehn- 
Staat  eine  einheitliche  Spitze  haben  moss ,  d.  h.  einen  obersten  mit 
der  nöthigen  Macht  ausgestatteten  Lehnsherrn.  Fehlt  dieses  Ober- 
haupt, so  ist  die  Existenz  des  Lehnstaates  im  Innern  bedroht  Ein 
solcher  Zustand  war  nach  der  Theihing  der  fränkischen  Universal- 
moaarcfaie  eingetreten.    Da  der  einheitliche  Staat  keinen  Schuts  mehr 


504  KlndÜiokii:    GcMUchle  dei  GottetfirMeni. 

sfilnea  Bisehdfen  in  ihrem  Sprengeln  von  989  bis  sum  Condl  t(A 
Limoges  1031  noch  l^eine  treuga  Dei,  in  dem  Sinne  waren,  gewitse 
Zeiten  heilig  zu  halten  darch  Waffenruhe.  Es  waren  diese  Beatim- 
mungen  nur  getroffen  zum  Schutse  der  Kirche  und  ihrer  Dimer. 
Nach  meiner  Definition  fehlt  ihnen  das  wesentliche  Kriterium«  der 
Schwur  des  IndiFiduums  an  seine  kirchliche  Obrigkeit.  Jene  Frie- 
densgebote erklärt  der  Verf.  S.  18  ganz  riditig  so:  ^^um  der  her^ 
sehenden  Raublust  und  der  allgemeinen  Unsicherheit  die  nothdfirltig- 
sten  Schranken  zu  setzen,  gab  es  kein  anderes  Mittel  als  die  geistige 
Strafgewalt  ^  Den  Grund  da?on  kann  man  sogleich  beifügen,  weil 
ausser  der  kirchlichen  Autorität  gar  keine  andere  mehr  galL  Garn 
passend  scliliesst  er  dieses  Kapitel:  „Nur  wer  gewohnt  ist,  die  £^ 
scheinungen  der  Vergangenheit  nach  yorgefasster  Meinung  einseitig 
zu  betrachten,  kann  in  diesen  Massregeln  der  Kirche  zum  Schntie 
des  Friedens  eine  auf  den  Vortheil  der  Kirche  berechnete  Erfindung 
sehen.  ^  Diese  vereinzelten  lokalen  Bestrebungen  der  Kirche  durdt 
Bischöfe  und  Synoden  mit  Androhung  der  geistlichen  Censoren  die 
rohe  Haublust  im  10.  und  11.  Jahrhundert  zu  zügeln  und  die  Sitten 
zu  verbessern,  waren  weder  Friedensvereinigungen  noch  Gottesfrie- 
den, weil  kein  Eid  den  einzelnen  band.  Es  kommen  vielmehr 
solche  vereinzelte  Gebote,  wie  diese  von  989 — lOSl,  auch  in  an- 
dern Ländern  vor  und  neben  dem  Gottesfrieden  vor.  Das  Concil 
zu  Seligenstadt  v.  J.  1022  verordnet  z.  B.  in  seinem  8.  Kapitel: 
ut  nemo  gladium  in  eccIesi^Mu  portet.  (Würdtwein,  Elenchus  conciL 
Magunt) 

Auch  in  den  Friedensvereinigungen,  von  welchen  der  Verf.  im 
zweiten  Kapitel  handelt,  erkennt  er  nicht  den  Begriff  und  das  We- 
sen des  Gottesfriedens  an.  Es  waren  diese  Friedensvereinigungen 
von  1000 — 1041  eher  die  AnfUnge  der  Landfriedensbündnisse  als 
der  treuga  Dei.  Sie  gingen  aus  von  weltlichen  und  geistlichen 
Grossen  als  Inhaber  der  Territorialgewalt  des  Reiches,  die  sich  ge- 
genseitig das  Versprechen  gaben  bei  ausgebrochenen  Streitigkeiten 
den  Weg  der  Justiz  nicht  den  der  Gewalt  zu  betreten.  Dabei  war 
weder  die  Autorität  der  Kirche  betheiligt  oder  ein  Eid  des  Indi* 
viduums  an  die  Idrchliche  Behörde  geleistet,  noch  vielweniger  aber 
die  Autorität  des  Königs  die  Veranlassung.  Solche  freiwillige  Ver- 
einigungen zur  Förderung  des  Friedens  weist  der  Verf.  nach:  zwi- 
schen den  Amiensem  und  Gorbejensern  1021,  in  Burgund  1023  und 
im  nördlichen  Frankreich  als  Nachahmung  der  burgundischen  Gon- 
föderation.  Die  Quelle  für  die  leztgenannte  Friedensvereinigung  ist 
Balderici  chronicon  cameracense  et  atrebatense,  dessen  beste  Aus- 
gabe, von  Le  Glay,  Paris  1834  besorgt,  wol  verdient  hätte  von  dem 
Verf.  dem  Abdruck  in  den  Monumenta  vorgezogen  zu  werden.  Es 
haben  sich  diese  Friedensvereinigungen,  weil  sie  nur  vorübergehend 
eingegangen  wurden,  in  den  folgenden  Jahren  als  Erneuerungen  wie- 
derholt. Die  Bedeutendste  derselben,  die  von  1034,  welcher  der 
Verf.  das  dritte  Kapitel  seiner  Abhandlung  gewidmet  hat,  zeigt  in- 


KImUoIib:    Geiehicht«  dei  Gottafriedens.  50S 

deneo  nach  meinem  Daffirbalten  «Ilerdings  «chon  ein  Merkmal  der 
treoga  Dei|  weil  tie  ein  Gelöbniss   enthielt  die  Friedensgebote   der 
Kirche  sn  achten.    Zuerst  gibt  er  die  Veranlassung  dieser  grossen 
FriedensTerbrtIderung  von  1034  nach  dem  Berichterstatter  Rodalpbas 
Glaber.     Sie  dehnte  sich  aas  über  Aquitanien  Arles,  Lyon,  Burgund 
ood  fast  gans  Frankreich.     Es  war  ein  freiwilliges  6el5bniss  auf  je 
iSnf  Jahre  die  Gebote  der  Kirche  gegen  jede  Störung  des  Friedens 
itt  halten.    Der  Verf.  hat  daher  wol  Recht,  wenn  er  sagt,  es  ent- 
halte diese   Friedensrereinigung  nichts   neues.     Wenn   er  ihr  aber 
den  Ansprach  auf  den  Namen  treaga  Oei  S.  33  nimmt,  so  bin  ich 
nach  meiner  obigen  Definition  von  treaga  anderer  Ansicht   Es  liegt 
hier  allerdings  ein  (Jelöbniss,  ein  Eid  des  einseinen  vor.    In  folgenden 
Abschnitten  handelt  er   yon  dem   ersten  Auftreten  der   treuga  Del, 
welches  er  abo  ins  Jahr  1041  sest     Er  gibt  die  Urkunde  darüber 
Toa  den  Bischöfen  von  Arles,   Avignon   und  Nissa  und   des  Abtes 
Odile  von  Glagny,  wie  sie  bei  Mansl  und  Bouqnet  steht,   im  latei- 
nischen Texte  nnd  in  der  Uebersetaung.     Hier  h&tte  man   wol  er^ 
wartet  etwas  über  die  genannten  Persönlichkeiten  su  erfahren,  welche 
an  der  Spitze  der  ganzen  Bewegung  standen.    Besonders  htftte  Odilo 
von  Clngny   diess   verdient.    Der  Verf.   hebt  selbst  S.  45  hervor, 
dsM  gerade  jener  als  vorzüglicher  Urheber  der  treuga  Del  von  Hugo 
Flaviniacensis  bezeichnet  werde.    Welchen  Antheil  aber  an  der  Ver- 
breitung der  neuen  Idee  eines  Gottesfriedens   die  Gongregation   von 
Glagny  hatte?  Ist  aus  den  Quellen  nicht  nachzuweisen.     Der  Verf. 
möchte  S.  46  nicht  ohne  Orund  die  Verbreitung  auf  ein  Gondl  an 
der  spanischen  Grenze  anter   Mitwirkung  Odilo's  um  jene  Zeit  zu* 
riickföhren.     Man  könnte  auch  vermuthen,  dass  die  religiösen  Ideen 
von  Glagny  auch  die  Boten  der  treuga  Del  gewesen  seien.    Dieser 
Gesichtspankt,  wie  die  Verbreitung  geschah,  tritt  besonders  im  fünf- 
ten Kapitel,  worin  von  der  Weiterbildung  der  treuga  Dei  in  Frank- 
reicfa  die  Rede  ist,  hervor  und  muss  beachtet  werden.    Das  folgende 
bespricht  die  Einführung  derselben  in  Deatschland.    Der  Verf.  weist 
in  dem  Anfange  dieses  Kapitels  nach,  dass  die  Entstehung  des  6ot- 
tesMedens  in  Frankreich  nicht  zuföllig  war.     Es  ist  aus  zahlreichen 
Beispielen  bekannt,  dass  jede  grossartige  Idee  aus  Frankreich  stammte, 
im  Mittelalter,  wie  noch  heute.    Dass  Köln  aber  gerade  die  Brücke 
war,  über  welche  die  treuga  Dei  in  Deutschland  ihren  Einzug  hielt, 
ist  allerdings  auch  kein  Zufall.    Jene  Stadt  war  immer,  wie  Strass- 
borg  im  Süden,   Vermittlerin   der  französischen  nnd  deutschen  Gul- 
tar.    Die  frühere  Annahme,   dass  Konrad  II.  den  Gottesfrieden   in 
Dentschland  eingeführt  habe,  und  die  von  Stenzel,   wornach  Hein- 
rich IIL  diess  gethan  habe,  werden  mit  Recht  widerlegt.    Der  Verf. 
weist  ganz  richtig  nach,   dass  die  Rede  Heinrich  IE.  in  Gonstanz, 
wo  er  sor  Eintracht  ermahnte,   keine  Promulgation   des  Gottesfirie- 
dens  war,  sondern  eigentlich  eine  Art  Aufforderung  zu  einem  Land- 
frledensbündnlss,  8.  69  ff.  bis  63.     Diese  Kritik  des  vermeintlichen 


506>  KlaeUiohii:    Gefchiolile  dei  GotteifriedoBB» 

Gotteafriedeiis  von  Heinrich  IIL  hat  der  Verl  schUgend  und  traf* 
fend  gegen  Stenzel  darchgeftihrt. 

Die  erste  als  sicher  nachgewiesene  Einführung  des  Gottesfri^ 
dens  in  Deutschland  ist  die  von  1083  in  der  Grsdiöcese  Köln.  Die 
Urkunde  darüber  ist  erhalten  und  ausser  der  Monumenta  haben  sie 
auch  Erhard  in  seine  Regesten  von  Westphalen  und  Seibertz  in 
aein  Urkondenbuch  aufgenommen.  Die  Form  dieses  Aktenstück« 
ist  für  die  Veröffentlichung  einer  Kirchendisciplin  freilich  hoeint 
sonderbar,  es  ist  ein  Brief,  kein  Synodalbeschluss«.  Der  Vorgängtr 
des  Erzbischofs  von  Köln  glaubt  der  Verf.  sei  hierin  Bisdiof  Heia- 
rich  von  Lüttich  gewesen ,  der  in  seinem  Sprengel  die  treuga  Dei 
1081  einführte.  Davon  wird  S.  63—67  gehandelt  Ein  eidüches 
Qelöbniss  der  Einseinen  an  den  Bischof,  als  kirchliche  BeblMs^ 
kommt  nicht  darin  vor,  ich  bezweifle  es  also,  ob  jene  Urkunde  voa 
1081  nur  als  treuga  bezeichnet  werden  darf.  Sie  scheint  xagleieii 
eine  Friedensvereinigung  zu  sein.  Daher  sie  denn  auch  Kaiser 
Heinrich  IV.  bestätigt  hat  als  literae  pacis  zwischen  Cöln  und  M&i- 
•ter.  Jene  Urkunde,  welche  für  Köln  den  Gottesfrieden  proklaairt, 
ist  in  die  Form  eines  Friedens- Briefes  des  Erzbischofs  Slgiwin  an 
den  Bischof  von  Münster  eingeicieidet.  Die  Urkunde  und  ihr  reich« 
Inhalt  ist  hier  nun  ausführlich  besprochen.  Ob  ähnliche  Inatitnte 
vorher  in  Köln  waren,  was  man  daraus  schliessen  möchte,  weil  das 
vorliegende  Instrument  so  ausführlich  ist,  das  bleibt  unbestimmt  we- 
gen der  Mangelhaftigkeit  der  Quellen.  Den  siebenten  Abschnitt  hat 
der  Verf.  „das  Verbältniss  von  Gottes-  und  Landfrieden^  bettelt 
Darin  wird  der  wichtigste  Punkt  erörtert  und  die  Unrichtigkeit  der 
bisherigen  Annahmen  bewiesen.  Man  bat  nähmüch  aus  der  Ver- 
breitung der  treuga  Dei  und  gestüzt  auf  einige  miSFerstandeae 
Zeugnisse  angenommen  Heinrich  IV.  habe  den  Gottesfrieden  mm 
Reiohsgesetze  erhoben.  Man  hat  sogar  In  einem  unlogischen  Schlosse, 
weil  Bestimmungen  der  treuga  Dei  in  die  Statuten  der  Landfriedeas- 
bündnisse  aufgenommen  wurden,  die  lezteren  für  Fortsetzungen  des 
Gottesfriedens  gehalten.  Auf  der  Synode  In  Mainz  1085  haben  die 
Bischöfe  von  Deutschland  den  Kölner  Gottesfrieden  von  1083  fir 
ihre  Diöceaen  angenommen.  Die  Abweichungen  beider  uns  erhalte« 
nen  Instrumente  sind  unwesentlich.  Man  hat  für  die  Mainzer  Urkunde 
den  Namen  Coastitutio  Heinrici  IV.  imperatoris  bisher  angenommea 
und  beibehalten,  obwol  es  kein  Reichsgesetz  »t  und  auch  nicht  Ton 
dem  Kaiser,  in  der  Eigenschaft  als  deutscher  König,  erlassen  ist 
Der  Verf.  weist  S.  76  in  einer  Note  sehr  treffend  darauf  bin,  dass 
banno  nostro  in  jener  Constitution  sich  nur  auf  die  richterliche  6«^ 
wak  der  Bischöfe  bezieht.  Der  Eingang  der  Urkunde,  was  der 
Verf.  mit  Recht  anführt,  widerlegt  ganz  entschieden  die  Ansieht, 
als  sei  jene  Constitution  ein  vom  Kaiser  erlassenes  Reichsgesetz,  er 
lautet:  Deo  mediante  clero  et  populo  consentientibas  constitutum^ 
Es  fragt  sich,  welches  Recht  liegt  in  der  Benennung  Constitntio  in* 
peratoris.    Der  Kaiser,  als  oberster  Schirmherr  der  Kirche,  war  tor 


MM  ab  die  BiiohQfe  toq  DeoUchland  eine  kirchliche  DiacipHnar* 
Tarordnaog  entwarfeiL     Er  war  also   dabei   insofern   beiheiligt,   ala 
die  Kirche  eine  Masaregel  za  ihrem  Schutze  machte  und   er  diesen 
als  Inhaber  des  imperiams  auch  za  gewähren  hatte.    Seine  Zuatim- 
Doog  war  nicht  nöthig,  da  und  so  weit  es  nur  eine  rein  kirchliche 
Disdpiinarsacbe   war,   aber   es   rerstand  sich   von  selbst,  dass  der 
Kaiser  ala  Katholik  sich  dem  kirchlicben  Beschluss  der  Bischöfe  b»* 
tsrwart     Eine  aosdriiekliche  Bestlitigung  oder  Betheiligung ,  wie  ea 
der  Verf.  S.  77  erwarten   zu  können  glaubt,   lag  gar  nicht  in  der 
Vollmacht  eines  weltlichen  Fürsten,   da  es  eine  kirchliche  Discipli« 
•arsache  war.     Man  könnte  mithin  jene  Urkunde  Gonstitutio  Hein'' 
nä  rV.  nennen,  in  dem  Sinne,  als  sie  nicht  von  ihm,  aber  während 
aeioer  Regierung,  und  danach  datirt  und  unter  ihm  erlassen  wurde. 
Gans  ifchdg  erklärt  auch  der  Verf.  die  Erneuerung  der  treuga  Del 
sa  Nordhansen    1105   für  eine   von  Heinrich  V.  ganz   unabhängige 
Diseiplinverordnung.     Je  mehr  sich  in  dem  Zeiträume  von  1072-— 
1124  die  Kirche  vom  Staate  trennte,  um  so  weniger   war  bei  dem 
Gottesfrieden    an    ein   Eingreifen   der   weltlichen   Macht  in  die  Kir- 
cbendiBCiplin   zu   denken.    Der   Verf.   geht  S.  78  auf  die  Friedena* 
doigungen  weltlicher  Fürsten  in  Deutschland  über.    Daraus  entstaa« 
den  die  Landfriedensconföderationen  im  13. und  14.  Jahr- 
hundert und  endlich  die  Reichsgesetze  darüber.     Unter  dem  Namen 
die  Landfrleden  vermengt  man  gewöhnlich   die  Bündnisse  und  G^ 
•etze  deaaelben.     Es  sind   aber  in   ihrem   Ursprünge  und  der  Zeit 
oacb,  wie  ich  glaube,  verschiedene  Inatitotionen.   Die  ersten  Anfänge 
loleher   freiwilligen   Friedenseinigungen,    welcbe   Ihrer  Natur 
oich,  da  sie  noch  keine  Reichsgesetze  sind,   gewöhnlich  nicht  vom 
Oberhanpte  des  Reiches,  sondern  von  den  Schutz  bedürftigten  Reiche* 
itänden  ausgingen,  weist  der  Verf.  schon  In  früher  Zeit  nach.     Er 
irlaubt  den  Anfang  dieser  Friedensvereinbarungen  der  Reichsstände, 
Djoaaten  und  des  Adels  darin  finden  zu  dürfen,   dass  Heinrich  IL 
in  Zürich  auf  einem   Landtage    1004  und   zu  Merseburg   1011  aaf 
5  Jahre  um  Frieden  bei  dem  mächtigen  Dynasten  so  zu  sagen  ge- 
bettelt hat.    Ich  sehe  darin  nur  ein  offenes  Geständniss  der  Schwäche 
Heinrich's  IL,  worin  er  nicht  al8  Inhaber  der  höchsten  Macht  auf- 
trat, sondern  eine  vertragsmässige  Einigung  durch  einen  g^enseiti«- 
gen  Eidach wur  wie  jedes  andere  Mitglied   der  Reichsstände   bean« 
tragte.     Es  war  diesa   also   kein   vom   Kaiaer  durch  Befehl  aus- 
gehendes Landfrieden g es etz,  wie  bisher  die  Ansicht  darüber  war, 
sondern  nur  Anregung  zur  einer  Einigung.    Die  Landfriedens btt nd- 
nisse    waren   das  erste,   sie  beruhen  auf  den  literae  pads,  denen 
als  Gegensatz   die  Fehdebriefe  entsprechen,  nicht   auf  autorisirten 
Gesetzen.      Der  Kaiser  liatte  dazu  die  Macht  nicht,   er  machte  wol 
m  späterer  Zeit  die  Landfriedengesetze,  wie  sie  durch  die  Landfrieden- 
bondniaae  zuvor  faktisch  ins  Leben  getreten  waren,  zu  Reichsgesetzen* 
£a  liegt  mithin  in  jenem  Auftreten  Heinrich's  II.  mehr  die  damals  noch 
vorilbergehmde  Schwäche  des  deutschen  Köalgthums^  ala  eine  frei- 


SOS  noekholiB:    Geidiiehlo  des  GotlMfriedens. 

willige  Frledenseinfgang,  welche  aus  dem  Bedürfnlss  der  Dynasten 
herForgegangen  wäre.  Die  Nachfolger  Heinrich'a  11.  nSmlidi  Oon- 
rad  n.  und  Heinrich  III.  haben,  wie  der  Verf.  richtig  bemerkt,  dareh 
Gesetzgebung  und  Vollzug  der  richterlichen  Gewalt  die  Friedens- 
einigungen der  Reichsstände  ganz  überflüssig  gemacht.  Die  erste 
Friedensconföderation  fällt  unter  Heinrich  IV.  1093.  Dieselbe  ging 
Ton  Alamannien  aus  S.  80.  Stalins  Ansicht  darüber  als  Gottes- 
friede ist  irrig.  Aber  man  könnte  Bemold's  Worte,  dieser  ist  nSm- 
tteh  die  Quelle,  eingehender  interpretiren.  Der  Verf.  gibt  sie  fA 
der  Note  an,  sie  lauten:  den  Frieden  haben  sich  gegenseitig  gt- 
rantirt:  duces,  comites,  maiores,  minores,  das  sind  die  Herzoge  und 
Grafen,  beides  ursprünglich  Reichsbeamte,  dann  der  hohe  und  nie- 
dere Adel,  der  kein  Reichsamt  hatte.  Dieser  Umstand  Ist  sehr  zu 
würdigen.  Das  war  ein  gewaltiges  Zeichen  für  den  Wendepunkt 
der  teutschen  Geschichte,  dass  die  Reichsbeamten  zuerst  anfingen, 
daran  zu  zweifeln,  ob  das  Reich  noch  Schutz  und  Frieden  gewäh- 
ren könne?  Dadurch  bekam  die  Friedeneinigung  auch  eine  gewisse 
Autorität,  weil  Reichsbeamte  daran  Theil  nahmen.  Bemoid  sagt,  diese 
Oonit^deration  der  Dynasten  zum  Schutze  des  Friedens  habe  sich 
über  Baiern,  Ungarn,  Franken  und  Elsass  verbreitet,  und  habe  am 
meisten  in  Alamannien  geblüht,  weil  die  Fürsten  nicht  aufgehört 
hatten,  die  Gerichtsbarkeit  zu  üben.  Hier  hätte  es  aber  den  Verf. 
zu  weit  von  seinem  Thema  abgeführt,  wenn  er  sich  In  die  Lokalge- 
schichte Alamanniens  eingelassen  hätte.  Es  handelt  sich  nämlich  nm 
den  Beweis,  dass  gerade  die  mächtigsten  Dynasten,  mit  bedeuten- 
dem Allodialvermögen,  die  Inhaber  der  richterlichen  und  vollziehen- 
den Reichsgewalt  in  Alamannien  waren,  also  Grafen,  Herzoge, 
Pfalzgrafen,  Vögte,  wodurch  also  noch  eine  Execotivgewalt  da  war. 
Der  Verf.  hat  hierauf  erklärt,  wie  es  kam,  dass  der  König  an  die 
Spitze  solcher  Friedensvereine  trat  und  den  Landfrieden  wie  Hein- 
rich IV.  1097  und  1103  zu  Reichsgesetzen  erhob.  Es  war  dss 
Oeständniss,  dass  die  Gentralgewalt  des  Reiches  keinen  Schutz  mehr 
gewähren  könnte.  In  dem  öffentlichen  Frieden  Heinrich's  IV.  von 
1097  und  1108  liegt  durchaus  kein  legislativer  Akt.  Es  scheint 
mir  kein  Reichsgesetz,  sondern  ein  Zugeständniss  der  Schwäche  wie 
der  Verf.  ganz  richtig  hervorhebt,  also  wie  bei  Heinrich  H.  gewe- 
sen zu  sein.  Wären  es  Reichsgesetze  gewesen,  wozu  sollten  daon 
gleichzeitig  in  Gonstanz  und  Schwaben  1103  provinzial  LandfirledeD 
errichtet  werden?  Das  S.  84  aus  Pertz  Archiv  Bd.  VH.  S.  796 
mitgetheilte  Fragment  von  1121  (der  Ansicht  des  Verf.'s  gegen  Pertx, 
der  1122  annimmt,  muss  Ich  beistimmen),  betrifft  auch  wol  einen 
öffentlichen  Frieden.  Der  Kaiser  Heinrich  V.  befindet  sich  selbst 
unter  denen,  welche  diesen  beschwören. 

Pertz  sezt  jenes  Fragment  in  das  Jahr  1122  und  erkennt  da- 
rin einen  Beschluss  der  Reichsversammlung  zu  Speyer  vor  dem  Ab- 
schinss  des  Calixtinischen  Goncordates.  Klnckhohn  sezt  es  in  das 
Jahr  1131  naeh  Whrzburg  gestüzt  auf  einer  Angabe  von  Eökehsrd 


nackhoho:    GMchickt«  de«  GotMbiU^u.  500 

id  hoc  ftnnuiD,  in  welcher  es  heiist:  Ad  haec  praedones  ftireeque 
edktis  imperialiba«  persequendos  sive  legiboe  ADtiqnitas  constitatie 
eoercendos,  unaniml  coojuraüone  coDfirmatum  est.  Es  hat  diese  mehr 
Wahrscheinlichkeit  als  die  Perta'sche  Hypothese  fär  sich.  Ich  glaube 
aber,  dass  es  gestattet  sei,  jenes  Fragment  in  das  Jahr  1120  auf 
den  Färstentag  su  Bamberg  hinaufcnrücken.  Fickler  hat  in  se)nem 
Odalrich  II ,  Bischof  Ton  ConsUni  8.  87  diesen  bisher  nicht  be- 
kannten Fürstentag  ans  Schaffhauser  Urkunden  erwiesen.  Es  waren 
tngegen  Kaiser  Heinrich  Y.,  Otto,  Bisch,  ron  Bamberg,  Rüdiger, 
Bisch«  von  Magdeburg,  Reginhard,  Bisch,  von  Halberstadt,  Odalrich, 
Bisch,  von  Eichstädt,  Gebhard,  Bisch,  von  Wirabnrg,  ferner  die  Her- 
floge  Friedrich  von  Schwaben,  Heinrich  von  Baiem,  die  Markgrafen 
Diepald  von  Voheburg  und  Engelbert  von  Calw  und  Oraf  Bemgar 
von  Sulzburg  und  Andere.  Dortbin  möchte  ich  jenes  Fragment  ver^ 
legen,  da  gerade  damals  in  Bamberg  die  meisten  Bischöfe  wareoi 
und  die  Lage  des  Kaisers  so,  dass  er  sich  diese  Bischöfe  sweiten 
Banges  zu  Freunden  machen  musste. 

Zum  Schlüsse  dieses  Kapitels  gibt  der  Verf.  ein  Resam^  über 
Beine  bisherige  Forschung.  Das  folgende  handelt  von  der  Einfüh* 
rang  des  Gottesfriedens  in  Italien,  Spanien  und  England.  Der  Verf. 
ist  in  seiner  Untersuchung  nun  da  angelangt,  wo  die  Päpste  diese 
Disdplinarverordnungen  einzelner  Diöcesen  wegen  des  Friedens  zu 
einem  allgemeinen  Kirchengebot  erhoben  haben.  Der  Verf.  handelt 
davon  im  neunten  Kapitel:  „Der  Oottesfriede  als  allgeroemes  Ge» 
bot  der  Kirche.^  Es  ist  dieser  Abschnitt  vom  Verf.  mit  besonderer 
Sorgfalt  ausgearbeitet.  Anziehend  ist  der  kurze  Rückblick  auf  die 
Geschichte  des  Papstthums  vom'  9%  bis  12.  Jahrhundert.  Die  Nach- 
richt das  Gregor  VII.  den  Gottesfrieden  auf  einer  Synode  in  Rom 
verkündet  habe,  zieht  der  Verf.  S.  95,  wie  ich  glaube  nicht  mit 
Uorecht,  in  Zweifel.  Dass  auf  dem  Goncil  von  Glermont  Urban  II. 
die  Kreuzfahrer  unter  den  Schutz  der  Kirche  stellte,  ist  ein  natür- 
licher Schluss  aus  den  ältesten  Vorschriften  der  Kirche,  dass  Wall- 
fahrer unter  dem  Schutz  der  Kirche  stehen.  Mit  grosser  Gründ- 
lichkeit sind  die  einzelnen  Bestimmungen  der  treuga  in  ihrer  weitem 
Ausbildung  von  S.  99 — 107  nachgewiesen.  Daran  schliesst  sich  das 
folgende :  «Schicksale  des  Gottesfriedens  in  Frankreich  seit  dem  Gon- 
cil zu  Glermont^  Gewöhnlich  würdigen  die  Geschichtschreiber  des 
MiUelalters  die  treuga  Dei  nach  dem  Goncil  von  Glermont  1095 
keiner  weiteren  Forschung,  um  so  verdienstlicher  ist  die,  welche  der 
Verf.  hier  veröffentlicht.  Er  verfolgt  die  Schicksale  der  treuga  Dei 
auf  den  Synoden  und  Goncllien  zu  Trojes  1107  und  Rheims  1119. 
Eise  schätzbare  Urkunde  für  die  Gestaltung  des  Gottesfriedens  im 
12.  Jahrhundert  gibt  der  Verf.  S.  115.  Es  ist  ein  Dekret  des  Erz- 
bischofs von  Auch  um  1140  die  treuga  Dei  betreffend.  Daraus 
geht  hervor,  dass  der  Gottesfriede  von  der  Geistlichkeit  stets  ab 
^e  lürchliche  Dipllnarverordnung  angesehen  wurde,  was  er  auch 
war  und  ab  was  er  von  den  Zeitgenossen  geachtet  wurde.    Im 


51d  Kloökhotm:    Getdiiolite  dei  Ciott«ifri«4eiM. 

elften  Eaphel  f8t  von  den  Friedensinetitaten  in  Frankreich  neben 
und  nach  dem  Oottesfrieden  die  Rede.  Hierin  hat  der  Verf.  we- 
sentlich neues  gegeben,  indem  er  nachwies,  wie  die  treuga  Del 
im  Gegensatz  zu  andern  Institutionen  für  den  öfifentlichen  Fried« 
erscheint  und  von  diesen  ailmälig  verdrängt  ward  im  politisobea 
Leben.  Diess  Ist  besonders  wichtig  und  interessant  Die  Fortdaoer 
der  Icirchlichen  Verbote  gegen  die  Fehde  und  die  Erhaltung  der 
Vorschriften  über  die  Heilighaltung  gewisser  Zeiten,  fn  den  folgen- 
den Jahrhunderten  Ifisst  sich  zwar  nicht  läugnen ,  doch  hatten  jene 
Vorschriften  an  das  Individuum  Iceine  Folge  mehr  für  das  staatliebe 
Leben,  daher  der  Verf.  mit  Recht  hier  die  Grenze  seiner  Aufgabe 
sieht,  wo  der  Gottesfrieden  alimäiig  abicommt 

Aus  der  Betrachtung  über  das  folgende  Kapitel  ergibt  sich,  da» 
die  icirchlichen  Disciplinargesetze  in  die  Kirche  zurücictraten.  Eb 
sind  hier  die  späteren  Nachrichten  über  den  Gottesfrieden  in  des 
«ndern  Ländern  besonders  in  Deutschland  zusammengestellt.  Frei- 
lich sind  nicht  viele  Quellen  aus  diesem  Zeiträume  vorhanden,  wel- 
che direlct  von  der  treoga  Dei  im  13.  und  14.  Jahrhundert  haadelo.  ^ 
Nur  noch  Vorschriften  einzelnen  Diöcesen  und  anderes  erinnert  aa 
die  frühere  Ausdehnung  und  politische  Wichtigiceit  der  beschwöre^ 
nen  Disciplinarverordnung  de  pace.  Verordnungen  der  Kirche  nah- 
men von  einzelnen  Bestimmungen  des  Gottesfriedens  manches,  was 
noch  praktischen  Werth  hatte,  auf.  Es  sind  diess  die  Diöcesensta- 
tuten.  Ich  will  hier  die  Literatur  über  diesen  Gegenstand,  der  eine 
Beachtung  verdient,  hervorheben.  Obschon  ich  ausdrücklich  bemerke, 
dasB  sie  einer  Zeit  angehören,  wo  kirchliche  Disciplinargesetze  allein 
Dicht  mehr  den  fehlenden  Staatsscbuta  gewährten.  Die  Kirchenv^rord- 
nungen  der  Bistümer  sind  selten  in  autorisirten  Sammlungen  vorbanden, 
nur  Speier  hat  eine  solche,  welche  von  1397--<1720  reicht.  Aeltere 
Handschriften  von  dergleichen  Statuten  scheinen  zu  fehlen.  Ferner 
sind  einzelne  Diöcesanstatuten  publicirt  von  Würdtwein,  nov.  subsidia. 
8.  8.  294.  12.  S.  196.  Mone,  Zeitschrift  3.  S.  129  ff.  4.  S.  257  ff. 
Auch  sind  einzelne  Ausgaben  von  Constanzer  und  Mainzer  Verord* 
nungen  von  1568,  1549,  1701  vorhanden.  Auch  das  grosse  Werk 
von  Bchannat  und  Harzheim  nahm  solche  Statuten  auf.  Von  den 
bei  Mone  publicirten  Diöcesanstatuten  enthalten  z.  B.  das  Mainier 
von  1288  im  Artikel  10—13  und  die  andere  Verbote  wegen  Ver- 
geben gegen  den  Frieden.  Ebenso  wichtig  sind  das  Strassburger 
von  1251,  die  von  Mainz  und  Gonstanz  von  1248,  1256,  1257  lud 
1261  wegen  der  gleichen  Bestimmungen.  Es  ist  aber  durchaus 
falsch,  die  darin  enthaltenen  Kirchengebote  de  pace  auf  den  Land- 
.  frieden  zu  beziehen.  Der  leztere  ist  eine  weltliche  Institution, 
woriiber\die  Kirche  sich  nie  angemasst  hat,  ihren  Gläubigen  Gewis^ 
Sensvorschriften  zu  machen.  Man  darf  sie  also  nur  auf  die  treuga 
Del  beziehen.  Wenn  ich  hierin  von  der  Ansicht  anderer  auch  ab- 
weiche, so  kann  mich  diess  nicht  abhalten,  noch  ein  anderes  Bechts- 
institut  des  Mittelalters  mit  der  treuga  Dei  in  Yerbifidung  n  bila^ 


▼.  MOMad-Httrcker:    HomusmUi  Zo11enB&  Sil 

gm*  Die  AnsdeiiDUiig  und  Widitigkeit,  welebe  die  beidiwonien 
DiBcipiiiiargeietse  der  Kirche  über  die  Befriedigung  gewiner  Tage 
erliielten,  machten  eine  Ueberwachung  derselben,  einen  Gerichtshof 
vegen  ihrer  Uebertretangen,  nöthig.  Ein  solches  geistliches  Richter- 
eoUegiam  reicht  z.  B.  in  Speier  bis  ins  13.  Jahrhundert,  sein  Name 
ist:  Die  Geschwornen  zur  Gottes  Ehe  (das  isttentach,  was 
treoga  Dei  lateinisch  sagt)  anch  ad  legem  dei  jnrati  genannt.  Das 
Coileginm  bestand  ans  13  Mitgliedern,  der  Dompropst  steht  an  der 
fipitsa  desselben.  Später  zog  dieses  CoUegiom  auch  weltliche  Dinge 
Tor  sein  Fonun,  das  ursprfinglich  nur  Uebertretnngen  der  beschwomen 
Kirebengesetze  bestrafen  sollte.  Sein  Strafmittel  blieb  aber  immer 
^e  Excommnnicatio  minor  nnd  maior. 

Ich  schliesse  diese  Anzeige  mit  dem  Ansdrack  der  vollsten  Aih 
erkeanimg  der  eingehenden  Forschung  des  Verl.'s.  Wo  so  manche 
dhliehen  Vorortheile,  Terscbiedene  Ansichten  über  eine  Materie  be- 
liehen, wie  über  die  treoga  Dei,  ist  es  sehr  rerdienstlich  die  genaue 
Feststellung  des  Begriffes  zu  erörtern  und  den  ganzen  historischen 
Verlanf  jenes  Instituts  quellenmitssig  darzustellen.  Da  er  das  leztere 
mit  so  Tiel  Qoellenkenntniss ,  Kritik  und  Umsicht  dorchgoführt  hat| 
so  ist  man' berechtigt  in  der  folgenden  Forschung  über  die  Land<- 
eine  erschöpfende  und  erwünschte  Arbeit  zn  erwarten. 


Mimumenta  ZoUerema.  Urkunden-Buch  mtr  Otschichte  des  Henises 
HohensoUertu  Herausgegeben  von  Rudolph  Freiherrn  von 
Stillfried  tmd  Dr.  Traugott  Mär  eher.  Zweiter  Band. 
Urkunden  der  fränkischen  Linie,  1235  — 1382.  Berlin,  In 
Commission  bei  Ernst  und  Korn,  (Oroptut^sehe  Buch-  und 
Kunsthandlung.)     1856.     VllI  und  450  S.  gr.  4. 

Ref.  hat  in  einem  frühem  Jahrgange  dieser  Jahrbücher  den 
eisten  Band  des  oben  angeführten,  in  mehr  als  einem  Sinne  könig- 
lichen Werkes  bei  seinem  Erscheinen  begrüsst;  wir  können  nna 
daher  bei  der  Anzeige  des  zweiten  Bandes  schon  kürzer  fassen,  da 
in  der  höchsten  Veranlassung  des  Werkes,  in  den  Sanunlern  und 
BearbeiterB,  in  der  Art  der  Ausführung  «idlich  keinerlei  VerXnde« 
rang  eingetreten  ist. 

S.  M.  der  König  von  Preossen  hatte  vor  mehr  als  einem  De- 
eeaninm  den  Entschluss  gefasst,  den  Ahnherrn  seines  Hauses  in  einer 
Weise,  wie  sie  seit  dem  vorigen  Jahrhundert  hi  Deutschland  in  Ve^* 
gdSKnfaeit  gerathen  war,  ein  Denkmai  zu  setzen,  ein  Denkmal,  anf 
welchem  nicht  nar  der  künstlerische  Blick  mit  Wohlgefallen  ruhen, 
sondern  auch  die  Wissenschaft  der  deutschen  Geschichte  reiche  Ent- 
wicklungen als  auf  festem  Grunde  fortbauen  könnte.  Durch  jahre- 
lange Forschungsreisen  in  deutschen  und  ausserdeutschen  Archiven 
hatten  die  beiden  Herausgeber  ein  Material  zusammengebracht,  wel- 


512  V.  Slillfried-Mllrcker:    Moiitimeiita  Zollertiia. 

cbes,  wenn  je  bei  dieser  Forachang  der  Rahm  der  Vollständigkeit 
angesprochen  werden  kann,  auf  denselben  die  gerechtesten  Ansprä- 
che hat.  Sie  hatten  mit  einer  ausnehmenden  Sorgfalt  für  richtigai 
Text,  mit  jener  besonnenen  Auswahl  des  sur  Erklärung  nothwendi- 
gen  Stoffes,  auf  die  bei  so  weit  ausgedehntem  geographischen  Baume 
der  Fom  Schauplatze  der  dargestellten  Verhältnisse  mehr  oder  we- 
niger fem  stehende  Bearbeiter  sich  beschränken  mnss,  um  nicht 
Vermuthangen  für  Wahrheit  sa  geben,  die  Herausgabe  geleitet 

AU'  diese  günstigen  Verhältnisse  haben  auf  die  Entstehung  des 
Forliegeuden  zweiten  Bandes  in  gleichem  Maasse  eingewirkt,  wie  bei 
dem  ersten  und  namentlich  erfreulich  ist  es,  dass  wir  dem  Nameo 
des  erstgenannten  der  beiden  Herausgeber,  welcher  zu  diesen  hobeo- 
zoUerschen  Forschungen  den  ersten  Anstoss  gegeben,  auf  dem  'Rtel 
auch  dieses  Bandes  als  gleich  thätigen  Forscher  der  Vergangenheit 
wieder  finden,  obgleich  der  anstrengende  Wirkungskreis  eines  dtf 
höchsten  Hofämter  seine  Zeit  und  Kräfte  für  die  Gegenwart  mannig- 
fach in  Ansprach  nehmen  muss. 

Zu  diesen  erfreulichen  Verhältnissen  ist  für  den  gegenwärtigen 
Band  noch  die  weitere  Gunst  getreten ,  dass  „seit  Beginn  des  ISr- 
sdieinens  dieses  Urkundenwerks  nicht  nur  auf  dem  Gebiete  deut* 
scher  Quellenforschung  überhaupt,  sondern  auch  insbesondere  aol 
Bnrggräflichem  Gebiete  ausserordentliche  Fortschritte  gemacht  wor- 
den sind«*  (S.  V). 

Es  hat  dazu  die  ungewöhnliche,  durch  das  Germanisohe  Ma- 
seum  mannigfach  angeregte  Thätigkeit  der  deutschen,  zumal  frloki- 
schen  Geschichts-  und  Alterthums  Vereine,  die  Quellenförderung  ood 
Heransgabe  der  Gentralarchive  zu  Wien  und  München,  es  haben  die 
▼erdienstTollen  Beiträge  Riedels  zum  hohenzollerschen  Stammbaume 
im  Schoosse  der  Akademie  zu  Berlin  sich  in  dieser  Beziehung  die 
gerechtesten  Ansprüche  auf  Dank  erworben. 

Auch  für  geringere  Beiträge  aus  gedruckten  Werken,  in  wel- 
chen die  Burggrafen  als  Zeugen  auftreten,  fanden  die  Herausgeber 
Veranlassung  der  gefälligen  Beihilfe  v.  Stalins  zu  erwähnen,  dessen 
Name  der  des  Ref.  wohl  mehr  in  freundlicher  Anerkennung  seines 
guten  Willens,  als  der  Ergiebigkeit  seiner  Beiträge,  beigelügt  ist 

Der  grösste  Thell  des  bis  jetzt  unedirten  Materials  aber  ist  dem 
unermüdeten  Forscherfleisse  der  beiden  Herrn  Herausgeber  alldn  in 
verdanken,  von  denen  geh.  Archivrath  Dr.  Märcker  durch  Reisen 
zu  den  für  die  burggräfliche  Geschichte  überaas  reichen  Schätzen 
des  Königl.  Baierschen  Reichsarchives,  zu  den  Archiven  der  ehmali* 
gen  Fürstbischöfe,  Klöster  und  theil weise  Dynasten  des  Franken- 
landes einen  Reichthum  von  Urkunden  zusammenbrachte,  welcher 
durch  folgende  Uebersicht  klar  vor  Augen  treten  wird. 

(Schlu$$  foUft) 


k.3S.       HBIDBIBERGER        WT. 

JAHBBOCHEB  dir  IITBRATDB. 

y.  Stillfned-Marcker:   Monumenla  ZoUerana« 

(SeUaiflO 

Eb  sind  fflr  die  Zeit  von  1285  (Bar|:grar  Conrad  I.)  Ue  188S 
(Barggral  Friedrieh  IV.),  aleo  für  einen  Zeitraom  Ton  98  Jahren 
im  Ganaea  €81  Urkunden  nnd  Regesten  im  yoriiegenden  Bande  ent- 
halten. Diese  lerfallen  in  845  Regesten  und  886  vollBtSndlge  Ur* 
knnden  Auch  die  Regesten  sind  —  dieses  sei  gleleh  hier  bemerlrt 
ia  ndgliehster  VoUstSndigkeit  gegeben,  d.  h.  nicht  nur  mit  erschöpfen- 
der Angabe  des  Inhalts,  Datums,  sondern  auch  mit  AnfiShlnng  aller 
Zeugen  nnd  Beaelehnungen  der  Werke,  aus  welchen  sie  geschöpft 
wurden,  wenn  sie  nicht  etwa  Tom  Originale  entnommen  sind. 

Unter  den  886  ToUstSndIg  geS^ebenen  Urkunden  sind  S  pipet- 
Kdhe  Ballen,  56  Kaiser-Urkonden,  wovon  nur  21  schon  anderwirts 
fsaien,  oder  theUweisen  Abdrudc,  oder  regestenmissige  Behend« 
Isog  erhalten  haben.  Die  fibrigen  sind  yon  den  bischöflichen  Gans- 
Men  SU  Bamberg,  Wirsburg  und  EichstXdt,  von  dem  deutsdien 
Orden,  von  den  Abteien  des  Frankenlandes  ausgegangen,  oder  es 
sind  Wlllehriefe  deutscher  Ghurfiirsten  an  kaiserlichen  Hnldbeseugun- 
Sen,  oder  sie  gehören  endlich  den  Burggrafen  selbst  an. 

Schon  diese  AuMhlung  mag  hinISnglich  darthun,  dass  nicht 
bloss  die  Gescbldite  des  erlauchten  Königdianses  von  Preussen, 
ssndem  die  deutsche  (leschichie  überhaupt  einen  Gewinn  auch  aus 
diesem  Bande  der  Urkunden-Sammlung  au  sieben  angewiesen  ist, 
welche  die  Munifiaena  Seiner  Majestät,  des  jetzt  regierenden  Königs 
durch  eben  so  kräftige  als  beharrliche  Unterstützung  in's  Leben  ge- 
rufen hat  nnd  der  Vollendung  entgegenführt. 

Doch  wollen  wir  den  gleichen  Satz  noch  dadurch  darthun,  dass 
wir  beispielsweise  das  urkundliche  Material  erwähnen^  welches  sich 
aal  den  Burggrafen  Friedrich  IV.  besieht 

Am  Schlüsse  des  XIII.  Jahrhunderts  finden  wir  ihn  (Nr.  480) 
noch  minderjährig  unter  Vormundschaft  seines  Bruders  Johann,  mit 
dem  Beginne  des  XIV.  (15.  Mai  1800)  ertheilt  König  Albrecht  ihm 
die  Belohnung  mit  der  Burggrafschaft  und  der  Burg  su  Nürnberg, 
die  Bewachung  des  neben  der  Burg  gelegenen  Thores,  das  Provln- 
zialgerlcht  au  Nürnberg  mit  dem  Vorsitze  an  Kaisers  Statt,  den  mit 
dem  Schultheiss  von  N.  gemeinsamen  Vorsitz  bei  städtischen  Fällen 
dnrdi  einen  BcToDmächtigten  und  zwei  Dritthelle  der  Strafsätze,  das 
Etaikommen  eines  Solidus  von  jeder  Werkstätte  und  Hofstattzins  von 
dem  jenseiu  der  Brücke  gelegenen  Stadtheil ,  zur  fimdtezeit  einen 

U  Jahrg.  7.  Heft.  88 


Schnitter,  das  3.  Stack  Wildpret,  den  3.  Baum  im  Forst  and  aUes 
n||lfe«'lS|  dil  Forslgereeht^keit  Jenseits  der  Brü<&6,  dte  Orte  Weid 
mid  •Budh,  'den  befestigten  Ort  Bwant,  das  Sebloss  Krenssen  nnd 
die  Kloster- Yogtei  zu  Stein.  Zu  diesem  kleinen  Besitse  kommen 
^4463  der  Pfaudbesitz  von  Erbendorf  und  das  Albrecht  Rinckmaul'sche 
Burgleben  (437)  durch  den  König,  die  Wolfsberf'acben  Stiftsleben 
bei  Baireufh  durch  Bisclior  Andreas  von  Wirzburg  (457),  die  Veste 
Berg  mit  Gütern  zu  Zirndorf  dnreh  Kauf  von  den  Herrn  y.  Berg 
(1306.  Nr.  465),  ebenfalls  durch  Kauf  von  den  Vörtschim  von 
Thurnau  die  gleichnamige  Herrschaft  (466),  die  richtige  Verleihoog 
iriinimtliciber  epiöflb^ten  Speier^scber  Leben  in  Frunken  dwcb  fifscbof 
SU^oto  (1310.  Nr.  476)  qnd  die  Bestütignog  «immUiiher  Lehen 
diotfch  KJ^ig  Beinrich  im  gleichen  Jahre  (475),  der  Kauf  einiger 
Höfe  zu  Leuckerabeim  vom  Kloster  Heilsbronn  (1313.  Kn  496). 

]Ei  kam  jetzt  die  Nachricht  vom  Tode  des  Kaisers  naeh  Deatach- 
ii^ip  -^  der  Arm  eines  tapfero  und  mächtigen  Oefirn»  wie  Fried- 
liches war  .gesucht ;  die  Zeit  «u  Erwerbungen  gtinsUg.  Sehen  im 
P«t(Q^er  1313  vHurspjricht  er  seiiye  Hilfe  dar  Sladt  Seg«DstMiig  in 
einer  IkUssbeUjgkeit  mit  Nürnberg  (4d8)|  xugLeich  aber  achlieeit  er 
Bioen  en^en  Bund  mit  Nürithei^  (49  9),  verbandet  sieb  zun  Sehntie 
4#9  Bandeis  nut  (den  benacbbarten  edetn  Herrn  (500) «  TfliBpriekt 
UolMbnTg  Beinen  SfiUiuta  (501),  nobifesst  eineo  Bu«d  mit  Friednch 
den^  Gebissenen  von  Meissen  ^^en  den  Vogt  fnoa  «Gern  (1314 
Jiu  &06)  und  verschreibt  sich  dem  König  Lwdwig  «i  KriegsdiemC 
»nsser  Lands  auf  ein  Vi^rteljehr  njA  hundert  Helmen  t(13i6.  Si.  611). 
Dto  JBi^tsohftdjgmi;  fiii  diese  Dienste  int  nicht  AusgeMektt  mag 
aber  beträchtlich  geni^  gewesest  sein,  da  der  Burggraf  um  36  Mark 
Silbers  zwei  Jabr^  spftter  i^m  HelmUeini^d  das  Bracfcenhanptae  von 
Lüthold  von  BegaastMBCg  zu  erkaufen  überflüssiges  ^Md  haite  (521. 
523).  Die  £rw]arbung  der  Kirchenpaitroaate  zu  Wasser^Mungeaan 
und  Windsbach  vom  Bischöfe  von  EichatUdt  ist  wohl  nur  Enischi- 
digung  für  den  aufgegebenen  Besitz  von  Lehrherg  (525.  Ii26).  Die 
Belehnonjp  des  Vogts  von  Weida  nüt  Hof  und  Bfegnitdaad  (530— 
31)  sühnte  alten  Streit  und  gewann  deva  Borggraibn  einen  sireil- 
hanen  Lehensmann;  der  Schutz  der  Begensburgar  KaafieHte  (532) 
sicheres  Zolleinkommen  und  aar  einen  Monat  später  (17.  JniS  1313. 
Nr.  534)  erfolgt  um  6200  Pfund  Heller  der  Ejuif  von  Oekabsfg 
ppcl  LoHtersbaaseP  von  den  Grafen  v^on  Tmhending^n.  Der  Kaiser 
verwandelt  (536i)  dieselbe  aus  baierscben  in  Beicbslehen  und  ret- 
fprtcht  die  Einwilligung  seines  Bruders  Budolph  hiefür  zu  bewiifcea 
(537).  Als  Leben  trjigt  der  Nüinbarger  Patrizier  Conrad  der  Gm^ 
von  WjoUiberg,  eaifi  Eigen  zu  Neusftss  wd  Hohensehw&ra  4em  Bor^ 
gf^^ietk  auf;  ebenso  im  gleichen  Jahre  1820  Haawart  van  Tmstsat* 
barg  andere  Güter  (544—46).  Im  folgenden  Jahre  erkanft  er  mit 
den  Landgrafen  von  Leucbtenbarg  Wunaiedel  (550)  und  Graf  Be^ 
mann  von  Castel  verspricht  ihm  mit  dar  Borg  Castel  zu  dienen  «ad 
verpfändet  ihm  dieselbe  für  die  Bürgschaft  der  Kosten  mm  itaSt* 


Haerftsng  (561.  656);  iet  KircbonMte  ta  Ommb  wifi  w- 
M0  Mittel  Nichte  in  gnMiniMilgvr  EAIsekSdIfitag  lUr  Mm 
OiBliflte  unä  die  vor  Dadiait  eriilleo«ii  V«rhitl6  der  Kifeif^fcia  Borg«- 
«nte  IS  IMG  M.  8.  wofür  Lauf  and  der  doitige  Zoll  nifiteM 
wird  (U8>  in  700  PC  Heller^  auf  die  Judöiietetier  au  Wii«*arg 
angewieseDY  in  der  Judeneteuer  zu  Mümkerg  auf  «elti  Jahr  f  569«-^ 
660),  dar  YarpAidaiif  des  dehtiHbeisBeMiDtee  (571),  den  Mrgre- 
pd  aaf  aeinen  HerradMltan  (674),  »H  der  Belehnvag  mit  StadI» 
am  Her  (576)  iiaedi«ck]ieb  angeknöpft  an  aeitie  MWgr^MMnelea 
Dteneta  in  dar  KOaigadblaelrt  bei  Anrpfing.  Die  Erawei%e  sa  Ptai* 
«nbarg  (680),  die  Reidhealeaer  aa  Kttraberg  aaf  3  Jahr^  mit  M06«; 
and  die  von  Nöidtegen  mit  200  Pf.  Heller,  das  Pfand  von  SHs- 
teoh  tmd  dm  HUIte  dar  Judenatnner  an  Winbarg  für  1^00  PfL 
Oelkr  (676^79),  die  TerpfHndong  anderer  G««er  am  aOO  Pf.,  end- 
lich 5560  PL  TOD  der  Löaong  dee  Gefangenen,  Dietrich  PWiehder^ 
fers  (597)  und  1600  Pf.  auf  Windaheim;  SmHDen  die  immerhin  a6 
{»traehlliah  wann,  dam  nach  Abang  der  vom  BarggmÜBO  inawlechen 
fmnnthtan  Beaöge  der  König  6.  September  IBM  noch  19600  PI. 
Arn  aehnldig  blieb,  woaa  wettere  1000  Pf.  kommen  aeilten,  wemi 
dv  Bmggimf  daa  Sehuitheiisenamt  von  Nfimberg  le^g  gibe.  AH 
Mmd  kikben  ihm  Windheim  tmd  Weiwenbarg  (601)  nnd  «dia  WM^ 
lekiMe  der  dharläiaten  warden  m  diesen  Abtretung«  v^mpro^ben 
(60«> 

Die  Bestätignng  idi*  dieser  BegnadigangM  und  Erwerbnngea 
dmcfa  gnidene  Ballen  des  Kaisers  (6M«-^39.  641^^46),  die  beson- 
dere Bestätigung  sämmtlicher  Reiehapftuidsdmften  (664)  and  «hateU 
nir  Ijafaen  (669—66),  waren  lohnende  Anerkennang  für  den  R6- 
marsng,  welchen  der  Burggraf,  jetet  des  Kaisers  Q^heSmmtli,  aoft 
demselban  geaaaeit  liatte* 

Dass  diese  betrachtliehe  Beloknimg  treoer  Dienste,  aomat  da 
sie  aMist  aar  in  baarem  Geide  erth^H  wnrde,  nnr  dann  einen  blei- 
benden Kataen  f6r  das  borggraflidie  Hans  haben  konnte,  wenn  Me 
sogleich  aar  Erwerbung  von  Grundbeslta,  oder  der  BefMEgnng  usfd 
fiisheraiig  des  siihon  eiiiaitenen  rerwendeC  wmde,  ist  klar. 

Es  geben  aber  noch  eben  so  klar  die  vorKegendOb  ürkandMf 
den  Seblüsae)  aar  Erkttmng  der  gesebichtliehen  Erseh^immg,  äuä 
von  den  Dynnateii  Deatschlands  neben  Wirtemb^rg  behiahe  iia¥ 
allehi  die  Bmrggrafen  von  NUrnbeig  aus  den  beiHesen  KSmpita  doa 
XIV.  Jahrhunderts  nnverletat,  ja  gestärkt  imd  gemehrt  hetvorgtng«n> 
wahrend  die  ttbrigen,  welobe  bei  gleicher  politiseher  Haittmg  ihre 
Bienstgelder  in  Saus  und  Braus  aufgehen  Itessen  oder  in  PrfvWh 
fehden  aersplitterten,  mrfir  und  mehr  verarmten  nnd  die  Beate  ihrer 
Kaalibam  wurden. 

So  übemieunt  der  Burggraf  f6r  Whvborg  am  500  Pf.  die  Burg^ 
knt  von  Sehwamberg  (577—78),  erkauft  €Krfindlach  u.  A.  von  Matg. 
von  Briumeck  (608),  16set  venrotaie  B^iehnmtertfMmen  von  Offen- 
haosen  an  sich  (611),  erkauft   um  1150  Pf.  Oüter  vom  Stifte  aa 


AM  V.  fitUlfrio^llinkert    HmMMiM  Mlenu. 

f^ushtirMg  (&17\  «ndlieh  um  SdOOO  PL  die  Barg  Dombetg  imi 
Stodt  Onolsbaeh  (671).  Dabei  bleibt  ihm  immer  noeh  die  Gesfige 
fibvig,  1500  Mark  Silbers  seiner  Tochter  Margaretba  bei  der  Ehe- 
beredong  mit  Adolph  voo  Nassau  aar  Ehesteuer  sa  bestimmen 
(666)  und  mit  seiner  Gemahlin  dem  Kloster  Heilsbronn  1000  Pf. 
aa  ihrem  Seelgerette  aa  stiften. 

Gana  aasgezeichnet  aber  und  beaeichneod  iät  den  politischen 
n»d  öconomisdien  Scharfblick  des  Bnrggralen  ist  die  VeileihaBg 
•YOii  Stadtreehten,  welche  er  seinen  Orten  ertheüte.  So  an  Kirchen* 
iauniU  Wuosiedler  Sudtrecht  (582),  Eger'sches  Stadtreeht  an  Wnn- 
iMM  selbst  (609).  Die  Befestigung  und  Ertheilung  von  Markt* 
raehlten  durch  den  Kaiser  hfingt  auf  das  Innigste  mit  dieser  Poütik 
siisammen.  So  der  Wiederaufbau  von  Stauf  (647),  die  Ertheiinng 
▼on  Befestigungi  Blutbann,  MSrkten  und  Nürnberger  Stadtrecbt  aa 
Gitindiacb  (648),  Kaiendorf  (649),  Marktbergei  (650),  Müssen  (651), 
SosestaU  (652),  Wonsees  (653),  Wonsiedei  (654). 

Dieses  war  die  Politik,  durch  welche  aweihundert  Jahre  frOher 
die  Zftringer  gross  geworden  waren  und  den  Grund  au  einem  Beieii- 
ttuime  an  Geld  und  Kriegsmacht  gelegt  hatten,  der  erst  dann  sich 
aerspliuerte,  als  theils  die  angreifende  Ebnd  der  Hohenstaufen  diese 
jungen  Blüthen  für  sich  abbrachen,  theUs  die  ZSringischmi  Erben 
«attot  nur  das  Flittergold  von  Bergresten  und  Lehensieuten  behiel- 
ten, die  Ptt'len  der  aufblühenden  Städte  aber,  wie  Bern,  die  beiden 
Fceiborg,  VUliagen  n.  A.  fast  unachtsam  wegwarfen.  — 

Doch  eine  weitere  Ausführung  dieser  Verbilttiisee  imd  Ihrer 
Folgen  liegt  ausser  unserer  Aufgabe. 

.  Diese  war  nur  anaudeuten,  wie  beredete  Zeugen  von  den  all- 
feipeinen  Zeitverhfiltnissen  sowol,  als  von  der  Kräftigung  der  dy- 
nastischen Interessen  des  Jetzt  königlichen  Greschlechtes  aneh  ikr 
Torliegende  Band  der  Monumenta  Zollerana  darbiete. 

Was  die  Bearbeitung  und  Ausstattung  betriflft,  so  wurde  in 
derselben  Weise  fortgefahren,  wie  im  ersten  Bande  begonnen  nnd 
an  demselben  au  rühmen  war. 

Die  diplomatischen  Quellen  wurden  in  einem  kritisch  geUoter- 
ten  Texte  wieder  gegeben;  die  Schärfe  des  Dmdies,  die  Zierlich- 
keit der  Lettern,  der  Grad  der  Schwärze  ist  dem  Auge  eben  so 
wohlthuend,  als  mit  der  Reichhaltigkeit  des  freien  Baumes,  der  Fein- 
heit, Helligkeit  und  dem  Glänze  des  Papiers  verbunden,  dn  Zeng- 
niss,  dass  wir  ein  königliches  Werk  vor  uns  haben. 

Die  in  den  Urkunden  selbst  erscheinenden  geographischen  und 
statistischen  Vorkommnisse  haben  theils  in  den  Ueberschriften,  theilB 
in  Anmerkungen  unter  den  Urkunden  ihre  Erledigung  gefunden. 

Ein  Begister  der  Sachen,  Personen  und  Ortsnamen  wird  slclier- 
lich  zum  Abschlüsse  des  Werkes  beigegeben  werden  und  so  hat 
denn  auch  der  vorliegende  S.  Band  Alles  in  sich,  was  an  den 
grossen  Urkundenwerken  des  vorigen  Jahrhunderts  wünschenswerth 


Vir«    Er  ha/t  Am  andi  «ädere  Venfige,  weMie  jenen  onbefamnt 
geMJshen  waien. 


Wir  reduen  biesa  Tonril^ieh  die  Abblldann^  der  Siegel,  welche 
M  aller  Sebönbeil  der  Anafllhrun)^  von  einer  diplomatiecben  Treue 
ikid,  die  ebanaowol  bei  dem  ersten  Anblicke,  als  bei  genauerer  Be* 
tcMbtoog  in  Eretannen  setsen  mues. 

Wir  schlieisett  untere  Anieige  mit  dem  Danl^e,  weldten  die 
Winenecbaft  den  Heraoegebem  Mr  ihre  Anedaner  nnd  deren  echOne 
EiMge  in  reteimn  Maaeee  edraldet  und  hoffen,  dam  ona  recht  bald 
(Be  Preode  werde,  etnen  weitem  Band  ihree  Werkes  lu  begrüssen. 
Die  KMglielie  Mnniflceni  aber,  welche  dasselbe  hervorgerofen,  wird 
Blsitt  nnr  an  nnd  fBr  sieh,  sendem  anch  doreh  das  mit  Erfolg  An- 
dern gegebene  Beispiel  Ansprach  daraof  machen  können,  dass  die 
Geschichte  der  gnnaen  Nation  Akt  davon  nehme. 


The  «fß  of  PetroniuB  Arbiter,  By  Charles  Beck,  [From  fhe 
Mem&ir$  of  ihe  American  Academy  of  Arts  and  Sciences,  New 
Series,  VoL  VIJ  Cambridge:  Metcälf  and  Compagnyt  Prin- 
ters to  ihe  University.     1856.     158  8,  in  gr.  4. 

Eme  emenerte  Dntersachang  Ober  den  Verfasser  des  Satiricon 
war  schon  durch  den  Widerstrelt  der  Ansichten,  welche  in  neuester 
Zelt  Aber  die  Abfassung  dieses  Werkes  geltend  gemacht  worden 
sind,  inabeeondere  tber  die  Zelt,  in  welche  dieselbe,  so  wie  dann 
aaeh  der  Verfssser  selbst  su  verlegen  ist,  winschenswerth  nnd  ge- 
boten; dass  diese  Untersuchung  aus  der  neuen  Welt  au  uns  gelan- 
gen werde,  war  kaum  su  erwarten:  noch  weniger  aber  au  erwar- 
tstt,  dass  dieselbe  in  einer  so  umfassenden  Welse  uns  vorgelegt 
weide,  welche  die  genaueste  Bekanntschaft  mit  dem  (Gegenstände 
selbst,  so  wie  mit  der  gesummten  EuropSIschen  Literatur  darüber 
erkennen  USsst,  fiberdem  durch  eine  klare,  die  Ergebnisse  fest  prX- 
cisirende  Darstellung  sich  ansaeichnet,  der  man  bei  dem  ruhigen 
und  besonnenen  Gange  der  Forschung  allwegs  gerne  an  folgen  be- 
reit ist. 

Da  die  Schrift  selbst,  einem  grösseren  Oansen  akademischer 
AbhaDdlungen  gemischten  Inhalts  entnommen,  unter  uns  weniger 
verbreitet  sein  dürfte,  so  mag  es  wohl  erlaubt  sein,  den  Inhalt  der- 
selben, so  wie  die  Resultate  der  darin  geführten  Forschung  in  der 
Kllrae  unseren  Lesern  vorsulegen.  Mögen  sie  su  einer  weiteren 
Behandlung  des  Gkgenstandes  anregen,  der  noch  nicht  nach  allen 
SeÜen  hin  als  völlig  erledigt  und  abgeschlossen  ansusehen  Ist. 

Der  eiste,  einleitende  Abschnitt,  überschrieben:  „Contents  and 
Valae  ol  the  Satyrieon  of  Petronlus'',  verbreitet  sich  über  den  Cha- 
rakter und  Werth,  den  das  Satiricon  eben  so  wohl  in  sprachlicher, 
s^UsHseher  Hinricht,  wie  in  Beang  auf  andere,  seinen  Inhalt  be- 


Mt  AMkfti  /  IM.  ifl»»!»^  Pt«iwifa«r  AMm 

U/^Miß  PaakU  awupfecbeD  hat,  (kir4b  wekihe  daveihi  «b 
der  wichtigsten  Denkmale  der  römischen  Literatur  n 
i«tt;.  dass  der  Verfasser  ein  Mann  Foa  Talent  wtar,  ersehein*  nn^estreit* 
h^,  die  SrsSblong  ist  einfach  und  klar,  4m  Interesse  des  Lessie 
aii9fgeo4f  die  Besehreibung  der  Sitten,  beeendest  der  mlttLaMD 
dessen  der  römischen  Gesellschaft,  ist  für  dea  Alterthomnfoffeshsr 
noacIvKtihar  und  USsst  ihn  den  Werth  de»  Gawsen  nieht  heob  ge- 
nog:  stellen;  dabei  aeigt  sieh  eiae  yerattgliohe  Gbarakteriaftik  dir 
bi^r  auftretenden  Personen,  voU  Leben  und  Bewegnng.  So  der 
yei;f»  S.  a,  dessen  Ansieht  nidhb  keicht  eineos  begründeten  fiinsprudi 
qptgegenaehen  dMtßt  er  hat  daran  noeb  weiter  gekmipfl  eine  H»- 
samnoMteDung  des  verschiedenilieh  über  dienen  Punkt  anegeqprotle* 
neu  Ansichten  neneiser  Gelehrten^  und  geht  dann  über  &  7  an  den, 
was  er  als  „ExtemaL  bistoiy  of  the  Satyrieen*^  beaeicbBst. 

Bek^iiVtliAh  ist  ans  nur  noch  ein  verhältnissmSssig  geringer 
Theil  des  ganzen  Werkes  erhalten,  nach  unserm  Verfasser  kaum  der 
sehnte  Theil  —  und  dieser  Verlust  auch  durch  die  1662  zu  Traan 
gemachte.  Entdeckung  eines  weitesen  Brachstückes  (der  Goenai  T^ 
malchionis)  nicht  gehoben  worden ;.  da  Johannes  von  Salisbojry  Stel- 
len aus  dem  Satiricon  anführt,  die  in  dem  uns  erlnütenen  TheU  nicht 
Torkommen,  so  möchte  der  Veifasser  den  Verlust  dea  Ganaea  iwi- 
sehen  das  zwölfte  und  fünfsehnte  Jahrhundert  setzen:  einer  nftbem 
Uotecsodmne  der  Handschriften  der  noeb  yorbandenen  Tfaeile^  ins- 
besondere deiyenigen  Handschriften,  nadi  vmlcben  die  Editio  prin* 
ceiw,.  so  wie  die  Antwerpner  ¥on  1566,  die  Lekbier  von  15i75  mt 
djie  Pacter  von.  1577 ,  angeWieb  dnah  Pithöns  venneteltet  wen- 
den slAd,  dürftA  vor  AUom  nothwendtg  sein,  wen»  wir  über  dies» 
PwjUe  anfs  Reine  kommen  wollen»  Die  Editio  prineeps  Mit.  eher 
nieb(,  wie.  hier  angenommen  wird,  in  das  Jaha  1476 ^  sondei»  um. 
daa  Jabj:  lia2,  wo  der  noch,  sehr  mangelhafte  Tex*  des  BnUrieon 
des  Ausgabe»  der  Panegyrici  ¥0a  Fvanz  Pnteolanua  beigefügt,  n» 
ersten  Mal  im  Druck  ereeUenen  ist.  Der  Umstand,  dass  Erneute 
Exemplar  dia  JabresiEahl  MCCCOLXXVI  spiUer  hinzngednickt  bietet, 
mag  wohl  den  Irrthum  veranlasst  haben  (s.  Schweigen  HaDdbneb 
d.  dasa.  Bibliographie  II,  %.  pag.  720  und  13II>  An  der  Aech** 
heit  des  erwähnten  Trauner  Fragments,  das  bald  nach  seinenr  Br- 
sdieinen  so  «ielfaobe  Streiligk^ten  hervorgerufen,  werftber  ans  hier 
eine  auslüb^Uche  Darlegw«  milgetheilt  wird,  hegt  des  Veiteser 
seibat  keinep  Zweiiel:  wir  könnea  ihm  dwin  nur  beiitinmeny  mri 
helten  dieee  ganze'  Streitfrage  übeiibaupt  für  erledigt. 

Nach  dieeen  mehr  einleitenden  Bemerknngea-  wendet'  doh  um 
der  Verjas9er  zur.  Beantwortung  der  Hanytlrage,  derem  Lfiesqg  dv 
übrige  TheU  seiner  Schrift  gewidmet  ist,  zu  der  Fsag^  nneh  dv 
Zelt  des,  Petrepius.  mid  der  Abfassung  seines  Werkes.  «^Wbefr  did 
PetPoniw  live  avd  wrilte?^  so  lautet  die  Frage,  derea  BeantwsrMg 
mit  der  AAfiihfung  der  faslEMinten  Steile-  dea  Tacitos  AnnaU.  Xfl» 
17.£  t^oi^nii^  i9MK)fom  man  im  denv  hier  gasckildecten  Peneriü 


W&At  UM  «t6  #f  refmfM  Ariiltefj  Sft 

ivdb  deft  Veithmat  des  SatMeon^s  gvAind^o  eu  haMn  glaubte,  (mA 
hünacft  aiicli  desien  LebeturseVt  (unter  Nero,  bis  zum  Jahre  67  pj 
Ov.  dem  Todesjahr)  «bpeeCitnmte.  I«  der  Besiehong'  dieser  Stdie 
des  TaoMas  aaf  den  Verftifner  des  Satiriton't  treten  aber  mannicfa- 
faehe  Sdiwierigkeiten  und  Bedenken  hervor,  dre  wir  nidit  fa  Ab- 
rede stellen  wetten,  auch  w^nn  wir  nfeht  mit  Wrflaner  (In  deir 
Jahrbb.  für  PbHol.  ond  PSda^rog.  Buppl.  Bd.  X.  S.  197  ff.)' so  weit 
geben  mOcbten,  an  bebaa|)ten,  dass  von  Allem  dem,  was  über  Petronins' 
Tkdtna  eralblt,  auch  nicht  dae  Gierhvgste  für  denselben,  ab  Verfasser 
der  SatiHco»  spreebe,  fiberhaopt  Nicht»  anf  d^n  leti:tem  passe.  Unsei* 
Ve»faa»er  ist  im  Gänsen-  derselben  AnmeAt,  hictom  er  eine  Bestebung 
der  Stiele  des  Tadtns  und  des  darin  geschtiderten  Petronins  auf  den 
VerfaiMr  des  SaCMeon,  entschieden  in  Abreder  stellt;  er  führt  dann 
w^ter  die  yerBcbfedent^lr  In  der  neneren  nnd"  neuesten  Zeit  aber 
das  Lebensalter  des  Petronins  und  die  AbfassongasBerH  des  Sattricov 
saag«spmchenen  Ansichten  (S.  25  ff.)  bis  auf  Bemhanty  herab  an, 
desDcn  Ansieht,  wie  sie  in  der  aweiten  und  jetet  auch  in  der  dilt^ 
ten  Bearbeitung^  seines  Grundrisses  der  Hiniischen  Literatur  8.  5B^ 
▼SfHe^t,  allerdings,  wie  die  Sache  jetzt  steht,  massgebend  sein- 
dMte,  In  so  fem,  auch  bei  aller  üngewissbefV  über  die  Person  des' 
YerfaaseM,  doch  die  Abfassung  des  Satiricon  in  dem  enrten  Jafat^ 
hindert  der  Kalaeneit  sicher  stehen  dürfte;  aber  der  Terfesser  bleibt 
M  dem  negativen,  ans  der  Stelle  des  Tacftus  gewonnenen  Ergeb- 
oiui  nrfebt  stehen,  sondern  sucht  dann  auch  ein  positives  Resultat 
IQ  gewinnen,  Indem  er  au  diesem  Zwecke  in  ehie^  aweifache  Er5r- 
tem^  sieb  einifisst,  welche  an  dem  gleichen  Ziele  fübrtl  Die  erstto, 
geBdilclitlleb--antiigfnariecher  Art,  oder  wie  «r  es  nennt ,  „fa  ts  t o  r  i  c  a  1- 
evideace^  (8.  49—108)  führt  au  dem  Resultat,  dass  die  Abfas* 
sMig  des  Satiricon  zwischen  die  Jahre  6 — 84  nach  Chr.  falle,  bSbo 
faiaetfialb  dea  Zeitraum's^  den  die  acht  loteten  Regferungsjiihre  des 
Aufostua  und  die  ersten  ein  und  awanaig  Jahre  der  Regfernng  des* 
Tiberf 09  befassen :  ja  es  möchte  unser  Verfasser  sieb,  wenn  er  einem 
natflrMien  Gefttbl  des  Ehidrucks  M^e,  den  Inhalt  und*  Fassung  des' 
Saürfeen  auf  Ihn  gemacht,  noch  lieber  fthr  die  Zeft  des  Angoetus, 
wie  Mr  die  Zeit  des  Tiberius  entscheiden.  Diesem  Ergebniss  widet^ 
sprfchC  nun  aJI>erdings  nicht  die  Aber  die  Sprache  dbs  Satirfton ,  im 
Gängen  wie  isii  Einaelnen  eingeleitete  Untisnuchung',  welche  von- 
8;  104  an  bla  an  dem  SehiHsse  des  Ganzen  als  ^lingulstic  evi- 
d^nef^ji  fortgeführt  ist.  Allerdings  wird,  eben  bei  dem  Schwan- 
kia  nnd  d^r  Ungewisshefit  über  die  Person  des  Verfassers,  auf  den 
q^raichlieben  Beweis,  als  den  somit  allein  möglichen,  ein  weseirtii- 
diea  Gewfdft  au  legen  sein;  aber  auch  hfer  treten  uns  Scbwi^ig^ 
MSsa  gaaa  elgentbfitenchey  Art  entgcfgen,  die  itt  der  FRftur  des 
hiiPlertassdifea  WeriM  selbst  txt  etnem  grossen  Theil«  ibten-  Gnmd 
haben«  Daa  Satirieoa  steht  als'  ein  in  seiner  Art  eibzig^s 
Werk  in  disf  gtseamsitea,  uns  noch*  erhaltenen  römischen  Literatur 
daif  wir  habsK  Mm  AnhBlCspunkte  der  Vergfelchunr  br  Werken 


»0  BmAls    The  «§•  of  Pelr^Miiiii  Arytor^ 

timUcber  Art,  wie  denn  die  Metamorphosen  des  Appukiiw  le  vMHf 
▼erscbieden  sind,  daw  sie  hier  gar  nicht  in  Betraeht  konunen  köo* 
nen;  and  daza  kommt  die  Verschiedenheit  und  Mannigfaitigkeit  des 
Inhalts  selbst  und  der  in  dem  Satiricon  auftretenden  Personen,  welche 
natürUch  auch  ihren  Einfluss  auf  die  Sprache  äussert,  die  diesen 
Personen  in  den  Mund  gelegt  und  durch  die  diarakterseiehnaBig, 
die  wir  hier  in  vorsuglicher  Weise  durchgeführt  finden,  bestlaMnt 
ist  Der  Verfasser  hat  diese  Schwierigkeiten  keineswegs  verkannt: 
sie  sind  ihm  vielmehr  bei  seinem  Bemühen,  die  ganxe  schwierige 
Frage  auf  diesem  Wege  cur  Entscheidung  au  bringen,  in  ilirem  ganien 
Umfang  vor  die  Seele  getreten ;  er  hat  auch  darum  diesem  Geg^istaade 
eine  besondere  Aufmerksamkeit  angewendet,  und,  ahgesdhaa  von 
dem  näclisten  Zweclc,  dem  die  ganse  Untersuchung  dienen  soU, 
durch  die  gani  in  das  Einselne  gehende  Erörterung  der  Sprache  des 
Satiricon  mit  allen  formalen  und  stylistischen  EigenthümUchkeiteB, 
einen  äusserst  schfttxbaren  Beitrag  für  einen  bisher  von  diesem  Stand» 
punkte  aus  noch  wenig,  beachteten  Gegenstand  geliefen.  Was  aber 
das  ans  dieser  gansen  sprachlichen  Erörterung  gewonnene  Endei^ 
gebniss  betrifft,  so  ist  und  konnte  dasselbe  auch  kaum  anders,  als 
mehr  negativ  denn  positiv  ausfallen;  es  ist  von  der  Art,  dsss 
es  dem  auf  historischem  Wege  gewonnenen  Resultat  nicht  wider- 
spricht, wohl  aber  dasu  dienen  kann,  dasselbe  mehrfach  zu  bekril- 
tigen,  in  so  fern  man  im  Allgemeinen  die  Zeit  des  ersten  Jahr- 
hunderts nach  Chr.,  sonächst  dessen  erste  Hälfte,  als  diejenige  Periode 
nun  SU  betrachten  hat,  welcher  das  Satiricon  nach  seiner  Sprache, 
nach  Styl  und  Ausdruck  angehören  dürfte.  Um  su  diesem  Ziele  su 
gelangen,  gibt  der  Verfasser  auerst  (S.  106  ff.)  eine  Zusammenstelr 
lung  von  einseinen  auffiallenden  grammatischen  Formen,  oder  viel* 
mehr  Irregularitäten,  welche  in  der  Sprache  der  niedern  Personen 
des  Satiricon  vorkommen,  wie  s.  B.  coelns  für  coelum,  ma* 
lus  fatus  für  malum  fatum  u.  dgl.  m.,  (gerade  wie  s.  B.  auf 
pompejanischen  Inschriften  und  selbst  bei  Quadrigarius  intus  für 
lutum  vorkommt);  mag  auch  Einzelnes  darunter  als  Soiöcismus  and 
Vulgarismus,  wie  sich  der  Verfasser  ausdrückt,  erscheinen,  Einaebief 
aber  auch  selbst  absichtlich  von  dem  Verfasser  des  Satiricon  ange* 
wendet  worden  sein;  die  Mehrzahl  dieser  Abweichungen  von  der 
gewöhnlichen  Schriftsprache,  wie  sie  aus  den  noch  vorhandenes 
Sprachdenkmalen  bekannt  ist,  wird  sich  bei  näherer  Untersuchung  sls 
Archaismen  herausstellen,  die  in  früherer  Zeit  im  Gebrauch,  dann  in 
der  Periode,  in  welcher  die  Sprache  zu  ihrer  völligen  Ausbildong 
gelangte,  ausser  Gebrauch  gesetzt  wurden,  aber  darum  einselweiss 
bei  Dichtem  und  sonst  noch  sich  erhielten,  ja  in  manchen  FäUeo, 
wie  es  scheint,  schon  in  dem  Zeitalter  des  Augustns  und  noch  mehr 
in  der  darauf  folgenden  Periode  wieder  hervorgesogen  and  absieht- 
lieh  angewendet  wurden;  es  fehlt  daher  nicht  an  Belegen  aus  so- 
dem  uns  noch  erhaltenen  Resten  der  römischen  Literatur  für  solche 
in  dem  Satiricon  vorkommenden  Formen  und  Ansdrücke;  der  Ve^ 


Btckc    n$  9^  nf  fHtmhu  Aiifttar.  SSt 

hai  mk  «Uer  SorgttM  sieb  bemabt,  «ese  B«l6f«  beisobriagMi ; 
ind  aachdem  er  «af  diese  Weise  Alles  das  Ein^enthaailiebe,  was 
die  Sprache  dar  aiederen  Personen,  die  in  dem  Satlricon  yorkom* 
»sai  bietet,  BUMmmengesteHt  und  untersncbt  hat,  ohne  darin  einen 
Widersprach  mit  der  von  ihm  aofgesiellten  Ansicht  gü  finden,  wäh- 
rend Tielraehr  manche  Belege  im  Einzelnen  daraas  genommen  wer- 
dsn,  geht  er  aa  der  Sprache  fiber,  welche  Encolpias  nnd  die  ihm 
gleich  stebendenf  gebildeten  Personen,  die  im  Satirioon  voriiommeBt 
ßihren  (3.  134 — 151).  Er  aelgt  an  einer  nahmbaften,  hier  gesam'*- 
■eben  Aniahl  tob  Ansdrflcken,  Wendnngen  nnd  Phrasen,  dass  diese 
M  aeoslich  darcb  die  Autorität  der  besten  and  anerkannt  elassiseheii 
ScbriftateUer  sicher  gestellt  sind,  mithin  auch  von  dieser  Seite  dem 
froher  gewoonenen  Resoltate  keinen  Eintrag  thnn  können,  er  ver- 
bindet  damit  noch  die  Besprechong  einer  Anzahl  von  grammatisdiep 
ßgenthfimllchkeiten  (S.  151—157),  die  aber  aach  sa  keinem  an* 
d«rn  Endergebniss  führen.  Bei  jedem  Schriftstelleff  werden  gewisse 
Eigentbflmlichkeiten  des  Aasdrocks  und  der  Sprache  vorkommen, 
die  andern  Schriftstellern  fremd  bleiben,  und  eben  so  weaig  wird 
daraus,  dass  wir  su  einem  nur  bei  Einem  Schriftsteller  vorkommen- 
den Aosdrock  keine  Belege  bei  Andern  finden,  gegen  diesen  Ans-- 
dreck  sofort  eine  Einsprache  erhoben  werden  dürfen,  die  bei  den 
verhlltnissmässlg  schwachen  Besten,  welche  wir  von  der  römi* 
sehen  Literatur  im  VerbfiJtniss  lu  ihrer  Aosdehnnng  besitien,  im- 
BMrhin  sehr  bedenidich  erscheinen  dOrfte. 

Wir  beschränken  ans  aaf  diese  Mittheilangen ,  ohne  weiter  in 
das  Einaelne  dieser  sprachlichen  Erörterungen  und  Beweise  efaisa«- 
gshen,  die»  wie  man  auch  über  die  Abfassung  des  Satiricon,  dessen 
Cbaiakter  nnd  Verfasser  denken  mag,  diesem  merkwürdigen  Best 
der  rtadschen  Literatur  immerhin  seine  Stelle  in  der  ernten  Hälfte 
des  essten  Jahrhunderts  unserer  Zettreehnnng  anweisen,  und  uns 
keinesfalls  diese  Lhile  übersehreiten  lassen,  weder  vorwärts  noch 
rückwärts.  Von  einer  Abfassung  dides  Werkes  unter  den  Antoni« 
nen  oder  unter  Alexander  Severus  oder  gar  noch  später,  wird  In 
ksiaam  Falle  mehr  die  Rede  sein  können;  diess  nachgewiesen  au 
haben,  ist  ebenfalls  eines  der  Verdienste,  welches  sich  der  gelehrte 
Verfasser  dieser  Schrift  durch  seine  gründliche  Erörterung  erworben 
hat,  die  wenigstens  die  ganse  Frage  so  weit  geführt  hat,  als  sie 
ans  den  uns  noch  sugänglicben  Quellen  des  römischen  Alterthums 
und  ohne  neue  Funde,  überhaupt  mit  Sicherheit  wird  geführt  wer* 
den  können* 


CommmUniorum  Seminarii  pKQologiei  OUsensis  Speevmm  primum 
edidiU  Friderietts  Osannun^  Seminarii  director,  tifCsioe. 
MDCCCLVL  ti^  B.  D.  Br&hU  l.  typogr.  Acad.  W  8.  epe^ 
eimm  secundum  ibid,  15  8.  Speeimm  tertiunu  iMi 
MDÜCCLVIL     20  8i  in  4. 

Mm  wird  das  Bniehelnen  dieser  MlttheHangen  nur  mit  Vmt^ 
d«D  begrttssen  köaneiif  nieht  Mosse  Versuche,  ron  eelehen  anite- 
Bt/BÜkr  die  erst  noch  in  die  Alterthumewiesensdlaft  und  deren  Be- 
bMNkfig  eiasrefübrt  werden  solienv  also  keine  unreifen  Prüofate  eiiM 
eoMt  aaerkemieiiswerthen  Strebene  sind  es,  die  üib  hier  ifebetetf 
werden,  sondern  eine  Anvwaiil  Dessen,  was  innerhalb  der  Üebnnfs» 
de»  philologlsehen  Seminäriume  auter  der  Leieong  des  Meieiwrs  ver^ 
bandeüt^  f^m  ihnr  selbst  mit  aller  Sovgffalt  überarbeitet,  afieh>  lOr  wei- 
tete Kreise  ansprechend  und  anaiehead  sein  dürfte.  „Hormaf  eom- 
meDtarloraai',  schreibt  Derselbe,  tametsi  ea  ratio  esse  debeat,  et 
nMDBtnHi  et  priaeifiali»  laboris  pars  mea  s(t  omniaqae,  qaae  alieoe 
dourtni  «on  adscribaiPtttr ,  mea  pntanda  sint:  tatnen  qnldcenque  üi 
iis  exhibebituf ,  puta  xa  scholAs  ipsis  traeeatnm  secondisque  eni<i>r 
pesthae  recractatom  esse  ita,  nt  qaod  eoram  sodalibns  saepe  inchoaif 
magis  quam  absoiri  licnerat,  nunc  eatenus  prodeat  perfectnin,  qua* 
teMU  per  me  fteri  potait*^  Und  gerade  darin  liegt  der  Weith  dieaer 
Mlltheünngev,  die  sich  nach  yerschiedenen  Richtiingen  und  Seitev 
erstrecken  und  dem  gelehrten  Forseher  des  Alterthums  nicht  mindisr 
werthvoU'  w^den,  als  sie  ein  freundliches  Andenken  für  die  einzel- 
nen^ €Hietfer  sifld,  die  an  diesen  Uebongen  Tbeil  genomme»  tabea^ 
ananl'  wenn^  wie  wfr  es  geine  wttnsdien,  den»  hier  aos^esprocheiMfla 
Plate  gemKss,  an»  Schlüsse  eines  jeden  Semestera  ein  seichea  Heft 
amgebeD  kann,  welches  mit  den  kritisehen  Ergebnissen*  bekaiMfl- 
mmoht,  an  welchen  die  wibrend  d^s  Semesteni  veninetaHeten  Uebon^ 
gm  geführt  iNifoen.  Wir  wollen,  aom  Beleg  dei'  Gesagten,  aiaf  Bitof' 
ges:,  was  in  den  hier  ^erliegenden  drei  Heften  Torkommt,  ntter 
aofioerksam  machem 

ht  den  Specimea  primum  wird  der  VirgilieAe  Vera  Aea. 
VI,  242  (ande  leeum  Oraji  dixerunt  nomine  Aoivotf)  gegen  die  iesbe* 
sondere  Ton  Wagner  behauptete  UnfichAheit  desselben  ic  Schutä  ge^ 
DommeB,  namendfch  auch  ans  palttographischen  Grifodea,  und  bsi 
dieser  Gelegeiriieit  auch  sAif  der  Schreibart  Vergilfus  für  Yfrglliw 
bestanden,  die  man  «war  neuerdfnge  wiedler  hi  Sciuta  au  niAmoea 
gesucht  hat,  während  das  St  Galler  Palimpsest,  welche«  deeb  d» 
der  älteste  Rest  der  handschriftlichen  Deberliefernng  Yirglls  ange^ 
aehen  werden  muss,  die  Schreibart  Vergilius  bestätigt  Eine  kriti- 
sche Behandlung  des  neun  und  dreissigsten  Gedichtes  von  Gatnl- 
lus,  beziehungsweise  ein  Versuch,  den  Text  desselben  wieder  her- 
zustellen, und  damit  also  eine  neue  Recension  des  Textes  selbst  za 
liefern,  schliesst  sich  an  und  füllt  das  erste  Spedmen.  In  dem  Spe- 
cimen  secundnm  finden  wir  noch  eine  andere  MIttheiiung  (IV.  De 


Ottmni    CmimhImM  mhI«.  pUMif .  Mt 


Gikilil  po«Ue  immdIm)  deiMelbe»  Dtehtor  fewidoie^  mid'  tmat 
Y«n»nMD  dMselbeiiy  der  swiscban  Gaji»  und  Quintiii  fldiwankl; 
wann  di«  EntMkeidoiiff  für  d«n  «rttoreo  VonMunen  ansiaUt,  md  da** 
b«  auf  die  Zeagaiiae  dea  Appuleju»  (De  Mag.  10)  wie  des  Hiero-' 
aymas  (ia  der  Chronik)  sich  stttUsty  so  wird  dagegea  sebwerlidi' 
da  begründeter  Eiawand  sieh  erbeten  latfen,  eben  so  wenig  wiq 
gegen  die  bei  dieser  Gelegnnheii  aasgesprochene,  an  einem  andta» 
Orte  weiter  su  begriindeade  Yemiuthaag,  ipelehe  bereits  in  Anininai 
PoUio  einen  Erklärer  der  Gediciite  dea  GaUUlns  erkennt;  Bnapt  hat 
ia  dem  Index  Leett  Berolian.  irwaa  Sommer  lft65  eeebenfalis  glanbr*. 
fish  an  maeben  gesoehi,  wie  Asinius  PoUio  sich  mit  Gataüns  be»** 
aMftigl  and  an  ihm  wie  an  einem  SaUastias,  LiTias  und  aadetm 
dnaelne  Aasdrüeke  getadelt,  und  dadareh  vietteicbt  aül  beigetnigeDy^ 
da»  ai^ar  in  dem  Zeitalter  des  Angnstaa  die  Oediohte  dea  GatoUn» 
weniger  Leser  fanden,  eis  andere  Dichinngen  der  früheren  Zeit  £e> 
fiadel  aich  überfaanpt  hi  dem  Leben,  des  Gntellos  noch  ae  MancheS|. 
was  einer  weüerea  AafklSrang  ond  selbst  Beriehtigung  bedarf, 
Issa  eine  neue  Untersachong  seiner  Lebensverhältnisse,  wie  der  dar«* 
ndt  aaaammeahängenden  dichterisehen  ThätigkeM  sehr  wfinsebens^ 
westb  sein  dttrfte^  doi  sie  gew4se  auf  manebe  Stellen  seiner  Dkfa* 
tangen  ein  neues  Lieht  werfen,  und  manohe  SteUea  in  ihrem  räch«« 
ten  Lichte  zeigen  nnd  ihren  richtigen  Sinn  uns  ei^ennett  lassem 
würde.  Selbst  das,  was  die  hnndsehrtftliebe  Ueberiielerung  befriffik, 
llsst  noch  manche  AufsefaUisse  waasebea ,  namentüeh  in  Bemg  «af 
die;  dem  vieizehnten  Jahrhundest  vorausgehende  dunUe  Periodei 
etwa  bis  an  das  sehnte  Jahrhondert  sorüek,  aus  welcheai  Spurenr 
einer  Kenntniss  der  Gedichte  des  GatuUus,  also  auch  ihres  Vorhang 
dsnseina  uns  noeb  entgegentieten^  Jb  dem  dritten  Spechnen  findet, 
sieh  au  GatuU  noch<  ein  wekever  kif  tiseher  Beksag,  welcher  das  Gb^' 
dicht  LXI,  46  ff.  betrifft;  es  knüpfen  sich  daran  weitere  Btoierkunge». 
Den  gröseeren  Thetl  des  Speeimen  aeeundnm  föUefi  kri«* 
tische  BemerkoagcB  an  einer  Anaahl  von  Stellen  aus  dem  ersten; 
Boche  des.  Herodotns,  mit  besonderer  Rücksicht  auf  Interpolationen, 
wie  sie  bei  diesem  Schriftsteller  allerdings  vorkommen,  «nd  awM 
eben  so  wohl  absiohtslos,  von  gelehrten  wie  aogelehrten  Händen 
veianstnket,  wie  absichtliche;  die  letztern  werden  aUerdings  auf  eine 
fräbere  Zeit  aurüokgeben,  da  sie  mit  dea  Bestrebungen  der  Granun»« 
tiker,  die  nnt  Herodot  und  dessen  Sprache  sich  beschäftigten,  diese  aaeh 
dialektisch  behandelten,  aasamaaeobängen»  Es  werden  nun  hier  an- 
diesen  beiden  Arten  der  Interpolation  Beiträge  aue  eimEelnen  Steilen- 
dea  ersten  Buchea  geliefert,  und  wenden  wiBt^iese  um  so  höher  an^ 
zaaehlat^  haheuj  ale  sie  innerfaaiht  der  sicheren  Sdwinken  sieh  hal- 
ten, weldie  durch  die  Art  and  W^se  der  urkt^adlichen,  handschiiftH 
liebeu'  Uebeslieferangiaeihst  gesetat  sind,  und  von  da  ihren  AusgangBf  ' 
ponkt  nehmen,  ohne  irgend  wie  einem  Verfahren  Raum  ni  gebe% 
das  ähesallt  wo  irgend  ein  Weriy  irgend  dne  Phrase,  des  näheren 
EiUäffsag  odea  Enöcteaung:  «efeni.  aam. bMensn  Vstaiändni<!.  von. 


594  Ombu;    CoMindnttrtt  feaitt.  pMlokif. 

dem  Schriftrteller  hlnzagttUgt  worden  Ist,  ohne  streng  genonm« 
notbwendig  su  sein,  so  fort  eine  Interpolation,  ein  Einschiebsd  freoh 
der  Hand  wittert,  was  8u  beseitigen  wäre;  wobei  denn  frelRdi  der 
Charakter  des  Schriftstellers,  der  nicht  in  der  gedrungenen  wortksN 
gen  Weise,  wie  ein  Thucydides,  schreibt,  sondern  sich  eher  in  ein« 
gewissen  Breite  gefSIlt,  die  seinem  ganaen  Wesen  so  wohl  ansteht, 
▼erkannt  wird.  Diese  Richtung,  die  sich  in  einigen  sonst  beadi' 
tanswerthen  kritischen  BeitrSgen  bollSndfscher  Philologen,  welche 
die  Zeitschrift  Mnemosyne  gebracht  hat,  kund  gibt,  tritt  fast  noch 
mehr  In  einsehien  Versuchen  deutscher  Kritiker  herrori  die  ohne 
nUiere  Bekanntschaft  mit  dem  Schriftsteller  selbst  und  dessen  gas* 
aar  Darstellnngs-  und  Ausdrucksweise  gemacht  sind  und  dabei  ^es 
Ormid  und  Boden,  den  die  handschriftliche  Ueberlieferong  bietet, 
gaoa  verlassen  haben,  darum  auch  auf  die  Bessergestaltnng  des  rer^ 
dorbenen  Textes  keinen  Einflnss  da  üben  können,  wo  noch  Besoo- 
nenhelt  genug  yorhanden  ist,  um  nicht  ron  jeder  Wlllkfihr  subjee- 
tiver  Anschauungen  sich  bestimmen  und  fortreissen  an  lassen.  la- 
dem  whr  yon  allen  solchen  Versuchen  fOglich  abseben,  wenden 
wir  uns  lieber  au  den  hier  gegebenen  BeitrSgen ,  In  denen  wir  die 
OrundsStae  einer  gesunden  Kritik  nirgends  yermfssen,  die  yor  AUem 
die  handschriftliche  Autorität  berücksichtigt  wissen  will  und  yon  dieser 
ihren  Ausgangspunkt  nimmt.  Freilich  treten  uns  auch  hier  wieder 
bei  HerodotUB  Schwierigkeiten  eigenthilmlicher  Art  entgegen ;  die  hand- 
schriftliche Ueberlieferung  ist  im  Oansen  schwach  au  nennen,  aoch 
gar  nicht  yollstflndig  bekannt,  einzelne  Handschriften,  wie  z.  B.  die 
medieeische,  sind  noch  nicht  mit  der  Oenanigkeit  untersucht  und  Te^ 
glichen,  die  yor  Allem  yon  der  Kritik  yerlangt  wird,  um  Ober  die 
Stellung  und  den  Werth  einer  Handschrill,  im  VerhSItnIsa  lu  an- 
dern Handschriften,  ein  sicheres  Urtheil  abaugeben;  und  ^rde  da* 
her  der  yerehrte  Heransgeber  dieser  Gommentarii,  welcher  selbst 
'einer  (sonst  nicht  bekannten)  Handschrift  des  Herodotus  gedenkt, 
die  er  In  Rom  eingesehen,  durch  eine  nfihere  Mittheilung  €ber  diese 
Handschrift  sich  ein  grosses  Verdienst  erwerben,  aumal  da  dieselbe 
yon  ihm  bezeichnet  wird,  als  ;,cognltorum  nuUi  neque  aetate  neqne 
praestantia  cedens.^  Daraus  erhellt  aber  auch,  wie  schwierig,  ja  bei 
dem  jetzigen  Stand  der  Sache,  fast  rein  unmöglich  es  erschefaien 
muss,  die  Handschriften  des  Herodotus  nach  bestimmten  Oassen  sn 
ordnen,  und  hiernach  dann  auch  ihren  Werth  und  Ihren  Einflnss  auf 
die  Gestaltung  des  Textes  selbst  zu  bestimmen.  Wer  freilich  diese 
Schwierigkeiten  gar  nicht  kennt,  wie  diess  z.  B.  bei  dem  jungen 
Manne  der  Fall  au  selp^- scheint,  der  unlingst  Im  Philologus  (X 
p.  711)  mit  einem  solclien  Versuche  über  die  Glaaaificlmng  der 
Handschriften  des  Herodotus  aufgetreten  Ist,  der  mag  sich  die  Sache 
nach  Belieben  einrichten  und  zuschneiden ;  gewonnen  al>er  ist  damit 
gar  Nichts. 

Gehen  wir  nun  in  das  Einzelne  der  hier  gelieferten  Beitriige  In  der 
zwieiadieny  oben  bezeichneten  Richtung  näher  ein,  so  hnt  der  Sdisrf- 


äu  det  VerCuiert  einige  eolcher  laterpolatiooeo  recht  ÜberaengeiMl 
in  das  Lieht  gestellt,  wie  e.  B.  Herod.  I,  IS  das  Wort  Ikiivmtfiß 
k  deo  pareDthetisch  eiogeechobenen  Worten:  Iktivitt^s  yof  ovtog 
xtd  0  tav  xoIb^lov  ^  öwmiHiSj  wo  mit  dem  Verfesser  so  leeen 
annog  yag  mit  Auswerfung  von  JSailvarrfig^  eben  so  I.  2S  in  den 
Worten :  Ktna  ^  %av  nffog  Milrfiiovg  t$  xaL  0QMvfiovJiow  m6^ 
h^iov  ^Akvaxt'Q  äds  i6%Bj  wird  mit  Recht  an  dem  in  dieser  Ver* 
bindong  wohl  liaum  sonst  Yorlcommenden  Dativ  Anstosi  genommen, 
mmal  da  ovro  ia%B  auch  an  awei  andern  Stellen  (I|  70.  91)  in 
ihnlicber  Weise  ohne  einen  solchen  hinangesetiten  Dativ  vorkooMH. 
Da  niia  in  dem  Codex  S  (Sancrofti)  *Akvm7^  sich  findet,  so  wiird 
daraus  auf  ein  am  Rand  ursprünglich  bemerktes  Glossem  geschlos- 
fSB,  das  dann  in  den  Text  kam  und  hier  in  den  Dativ  vertatet  ward. 
Von  besonderem  Belang  erscheint  die  über  l,  7  geführte  Un- 
tsisuehung,  in  so  fem  hier  ein  Beispiel  einer  mehr  gelehrten, 
aber  absichtlich  gemachten  Interpolation  vorliegen  soll,  mit  welker 
die  Absicht  verbunden  gewesen,  den  Assyrischen  Ursprung  der  Ly- 
discben  Köuigsdyaastie  durch  Einmischung  einiger  Namen  in  die 
Genealogie  derselben,  au  beglaubigen.  An  einem  positiven  Grunde 
la  einer  solchen  Annahme  fehlt  es  in  so  fem  nicht,  als  die  Worte, 
die  hier  als  das  Ergebniss  einer  solchen  gelehrten  Interpolation  be* 
trachtet  und  demnach  ausgeworfen  werden  sollen:  6  Nivav  %ov 
JB^Xav  rov  ^Alxaiov  in  einer  Reihe  von  Blandschriften,  freilich  ge« 
riaigeren  Werthes,  fehlen,  in  dem  oben  erwiihnten  Codex  SsyneroOi 
am  Bande  gesdirieben  stehen,  aber  in  den  besseren  Handschriften 
(der  Florentiner,  Mediceer)  im  Texte  selbst  sich  finden;  woraus  aber 
encb  vermuthet  werden  kann,  dass  die  bemerkten  Worte  in  dem 
CJodex  S.  darum  am  Rande  beigeschrieben  wurden,  weil  sie  im  Texte 
rermisst  wurden,  wie  die  Vergleichnng  mit  bessern  Handschriften 
iehrte,  welche  diese  Worte  enthalten,  auch  überdem  die  Sorgfalt 
Ukd  Genauigkeit  au  berücksichtigen  ist,  mit  welcher  Herodot 
weh  sonst  bei  Angaben  ähnlicher  Art  an  verfahren  pflegt:  so  dass 
wir  noch  allerdings  einiges  Bedenken  gegen  eine  mit  Abrichte 
wie  hier  angenonounen  wird,  gemachte  Interpolation  hegen.  Aber 
m  bieten  sich  in  dieser  Stelle  auch  noch  andere  kritische  BchwSe» 
igkeiten  dar,  welche  ebenfalls  in  den  Kreis  der  Untersuchung  geio- 
p0D  sind;  man  wird  dem  Verfssser  beistimmen  können,  wenn  er  in 
ien  Worten  xoifa  zovtov  ^HQOKXadai  inix^ip^ivtsg  i6%ov  ttpf 
Iffxn^  *^  ^^^  Codex  S.  und  der  von  ihm  eingesehenen  römischen 
£uidsehr]ft  das  In  den  übrigen  Handschriften  fehlende  ii  nach  noQa 
:avT€9v  eingeschaltet  wissen  will,  obwolil  nach  des  Ret  Ermessen 
«ne  absolute  Möthigong  dasu  nidit  vorliegt,  auch  dieses  dd  selbst 
J»  ein  absichtlich  eingeschobenes  Glossen  angesehen  werden  könnte: 
ajui  wird  weiter  auch  in  den  folgenden  Worten  OQ^ccvtag  f»hf  ini 
fvo  t€  xcd  sbcoöi  ysvsas  avÖQäv^  hsa  jUvtb  %b  Tud  xbvtomo» 
r£gtj  Male  mofa  wxzfos  ixdBxoiupog  t^  ^^9XV^  ».  r.  A.  das  nacb 
l^ifionse  dngefügte  ^dv  nliAt  recht  pass^  flndeui  und  danua 


ttS  OyMM:    OottmeDtarir  Mintti.  pbüotof. 

fftneigt  sein,  es  auf  4ie  Atttoritlt  der  beiden  eben  scannten  Hrntt- 
Bobfiileii  biD,  ebenlulls  aussuaebeiden,  obwohl  eine  streng  N^tÜiguBg 
*daEO  «Boti  btar  «HB  Hiebt  voreuliegen   sebeint;  gerechteren   Anstott 
(iiebBieo  wir  mvt  dem  Verfasser  an  "der  ntm  ielgentfen  Bereebtiinf, 
w«lcbe  22  fsvBai  (deren  drei  2=^  hundert  Jahre  maehen)   2«  SM 
•jMiren  veebnet»    'I>er  Verfasser  nimmt  Qberhaapt  Antrtoss  an  ehieai 
«oleben ,  die  Zahl  der  Lebensalter  mit  der  «ntspreefaenden  Zahl  Tai 
Jahren  erkllrenden  Euc»tz,  und  entnimmt  gerade  aas  der  Art,  vis 
in  efiner  andern  Stelle  (il,  143)  eine  solche  Erklfeung  gegeben  H 
JtUmwn  Verda<jbt  gegen  diesen  Znsats  an   dieser  ^elle,   den  wir  je» 
idoch  nicht  g«na  theüen)  da  gerade  in  dieseiii  Theile  des   Werket^ 
«m  Anfang  der  £rsäbking,  es  gewissermassen  notfawendig  war,  dar 
4Rim  eratenmai  hier  eingeschlagenen  Berechnung  nach  LebensaltM' 
-aueh  die  betreffende  daraus  resuitirende  Zahl  Fen  Jahren  beizufügea» 
«m  den  Leser  nicbt  in  Dngewissheit  su  lassen,  in  welcbem  DmA^t 
«ine  yevsa  von  dem  Schriftsteller  genommen  werde.    Aber  der  VeiC 
^ftnbt  umgekehrt,   eben  desshalb   ein  fremdartiges,  absicbtiich  g^ 
macktes  Einschiebsel  in  den  Worten  Stsa  Tthrs  ts  xcA  ^tevtaxoM 
XU  erkennen,  die,  einmal  ans  dem  Texte  geschieden,  dann  mnA  ddl 
fierodot  von  ^inem  offenbaren  Rechanngsfehler  befreien,  den  er  dotflj 
wohl  kaum  begangen  haben  dürfte,  der  anch  wohl  kaum   dermjeulft 
gen  «sgesQhrieben  werden  darf,  welcher^   wenn  wir  der  bler  m 
stellten  Annahme  folgen,  diesen  erkürenden  'Zusatz  verfäiaal 
welcher  in  dem  Text  selbst  seinen  Platz  geftmden  hat    Eben 
halb  4mgen  wir  anob  Bedenken,  diese  Worte  wirklich  fClr  ein 
Einsdiiebsel  an  halten,  und  möchten,  unter  Befbebaltung  und 
kenniMig  derselben,  lieber  in  den  vorausgefaenden  Worten   (^srl 
tB  Kul  ^txjoiOi  yevsttg)  der  von  Laroher  gemncbten  Aendening 
fehlen,  Indem  wir  mit  Demselben  lesen:  Sid  nevtsHaid^ni 
yBvsag^  wodurch  zugleich  der  Bble  Recbnongsfebler  beseitigt 
dann  aber  auch  der  Anstand  gehoben  wird,  der  in  der  Verbind 
«weier  einfachen  Zahlen  durch  die  Partikeln  ta  xat^  statt  des 
fechen  xcci  gefunden  wird;  in  den  Zahlen  nivts  XBxal  neirn 
wo   dieselbe   Verbindungsweise  hervortritt,  mag  tb  allerdings 
ehier  Wiederholimg  der  Endsylbe  des  vorausgegangenen  Wortes  enl^ 
standen  sein,  vorausgesetzt,  dass  wh-klich  in  dieser  Verbindung  ved 
Kahlen   die  doppelte  Partikel   in  der  That  unsulSssfg  Ist     HWe 
üMgena  diese  ganae  Stelle  den  Sinn,  weicfaen  JaAo   (in  dem  M 
unserer  Ausgabe  angeführten  Programm)  in  dieselbe  legt,  so  w6rdd 
rotk  einem  Becbnungsfebler  eben  so  wenig  wie  von  einer  Interpol 
latien  die  Rede  sein  können ;  wir  hStten  dann  die  Stelle  so  m  vor» 
stehen:  „nach  den  Nachkommen  des  Lydos  herrschten  die  Heradh 
den  in  Lydien  505  Jahre,  nachdem  sie  schon  (anderwärts)  22  Ge* 
soUeobter  gehensebt  hatten^,  so  dass  diess  anderwärts  von  As* 
i^en  svnSelist  au  versleben  wäre,  dessen  Könige  nach  dem  GanoB 
dea  Enaebias  t2M  ^ahre  In  Allem  regierten^  wOrend  die  29  Q^ 
aeUechter  des  Hepodeti  eder  788^3  Jahre,  und  die  B05  Jahre  Hki 


BiMUs   Die  HMbtoag  aiA  MctamgiHWw  «•!«.  m 

&mmt,  \t»  1S38V3  Jubrea  gebea,  wmbU  a1«o  «iae  fewisa«  IJ«hiiw 
ajutfinamiing  der  b«i4ersaitigeB  Angaben  ersieJt  wäre,  die  wir  jedocb 
fchon  juis  dem  (rronde  nicht  siitiageben  TermSge»,  weü  im«  gpgfm 
«fine  Botebe  AuÜMeung  der  Herodoteiechen  Worte  weseDllicbe  giaBi- 
fluuiacbe  oiid  qiüraobUche  Bedenl^eD  entgegenireten*  Wir  könne» 
übcigen«  oor  onsem  Wiiwch  iriederbolen,  noob  öfters  eolche  geAe* 
§«M  Beiträge  für  die  Kritik  eines  Sobriftstellers  su  erhelten»  dM>f9 
IiBxt  Docb  keineswegs  derjenigen  sieberen  Onmdlnge  sich  erfrwtt 
weiche  andern  Scbriftstellern  dorch  die  Semilboagen  anserer  Zspt  m 
Theii  geworden  ist. 

In  dem  dritten  Specimen,   das  sugieicb  als  Dedicatioae* 
«hilft  sa  dem  Jubilenm  Böckh's  erschienen  ist,  findet  aiebf  aasser 
dem  oben  sehop  genannten  Beitrag  au   Gatulhis,  noch  Gioiges  m 
^  Gediefaten   des   Claudianus,    deren   VemichlBsejgong  aiDbt 
ohne  Grund  beklagt  wird,  wesshalb  die  sar  BessersteUnag  des  TeiUes 
hier  gegebenen  Mittbeilongen  dankbar  anaunetunen  sind;  auch  wird 
sof  eine  werthvolle  Pariser  Handschrift  des  IX.  JsficbuiDdetts  bi»« 
l^eeen;   ob  aber  aus  dem  Anticlaadianus  des  Alanas  ab  Insnlis 
etwaa  für  den  Text  des  Claudianus  selbst  au  gewinnen  ist,   möch- 
ten wir  bezweifeln,  da  dieses  Gedicht  des  Alain  de  Lille,  der  nichl 
m  das  eilfte  Jahrbundert,  sondern  in  das  zwölfte  und  Tielleicbt  noch 
h  das  dreizehnte  gehört  (er  starb  um  1202),  eine  Art  von  Ency- 
depädie  bildet,   welche  insbesondere   den   Nachweis   der  göttlichea 
Tirsehung  liefern  und  den  Weg  zeigen  aoll,  auf  dem  ein  neuer 
^Jtensch  berForgebracht  wird  (daher  auch  der  Titel:  Anticlaudianu$ 
^we  de  officio  viri  boni  et  perfeeti),  mit   Claudiaaus  aber,   dessen 
JSweifel  Qber  die  göttliche  Fürsebung,  im  Anlang  des  Gedichtes  in 
Bnfinum  hier  widerlegt  werden  sollen,   nur  wenig  zu  schaffen  bat; 
TgL  die  Hist  liter.  de  la  France  T.  XVI.  p.  405  ff.  —  Den  Scbluse 
ftfldet   die   kritische  Besprechung   eines   Aescbjleischen   Chorliedes 
ans  dem  Agamemnon  Vs.  749—776  ed.  Herm. 

Chr«  Bftbr. 


Die  Rechnung  mit  Riehtunga»ahlen  oder  geometriache  Be- 
hamdhmg  imaginärer  Grössen,  Van  Dr.  Fr.  Rieche^ 
Obergtudienrath  und  Professor  der  Mathematik  an  der  tand^ 
tmd  forstwMhsehaftlichen  Akademie  in  Hohenhdm.  Stuttgart» 
Verlang  der  J.  B.  Met9let^schen  BtidihandXung  1856. 

Mit  Recht  häU  der  Verf.  die  geometrische  Denttmg  der  ima- 
^infiren  oder  complexen  Zahlen  für  einen  der  beachtenswerthe« 
eleu  Fortschritte,  welche  die  Halheasatik  in  der  neusten  Zeit  ge- 
macht hat  —  und  die  Thatsache:  dass,  ungeachtet  Gauss  schon 
1831  sich  dafür  ausgesprochen,  es  noch  jetzt  viele  Mathematiker 
gebe,  denen  diese  Lehre  unbekannt  sei,  oder  welche  dieselbe  noch  ala 
picbt  hinreichend  begründet  betrachten  —  hat  dem  Verf.  znr  Bearbei'« 


"»"  ^ 


Itt  Riack«:    Die  Reebttuif  all  RiehtaDgiuMen  ete. 

inng  des  Yorttei^nden  Werkcfaeiu  Teranleset,  um  die  neue  hAn 
allgemeiner  zu  verbreiten,  ihr  eine  mSglicbst  einfache 
eelbständige  Form  en  geben,  Ihre  Anwendbarkeit  an  einer 
gHtosem  Anaabt  von  Beispielen  zu  zeigen,  und  endlich  die  dagegen 
erhobenen  Einwürfe  zu  beleuchten.  —  Eine  erschöpfende  Bearbeitung 
des  fraglichen  Oegenstandes  lag  nicht  in  dem  Plane  des  Verf.'s  und 
er  Ist  schon  ganz  befriedigt,  wenn  sein  Schriftchen  den  Erfolg  hat, 
Andere  zur  Besehftftigung  mit  demselben  anzuregen  und  so  an 
weitem  Fortschritten  Veranlassung  gibt.  — 

Nach  der  Meinung  des  Yerf.'s  soll  das  Zfihlen  urspriingHch 
die  Vorstellung  einer  geraden  Linie  und  ein  Fortschreiten 
In  derselben  nach  gleichen  Abstilnden  voraussetzen  —  und  er 
betrachtet  deshalb  jede  Zahl  als  eine  nach  einer  bestimmten 
Einheit  gemessene  gerade  Linie,  welche  verschiedene  Richtun- 
gen haben  kann,  so  dass  auch  die  Zahlen  verschiedene  Richtun- 
gen haben  sollen,  und  deshalb  Richtungszahlen  genannt  wer- 
den. —  Diese  Richtung  der  Zahlen,  oder  vielmehr  der  sie  dar- 
stellenden geraden  Linien,  deutet  der  Verf.  dadurch  an:  dass  er  |  BAC| 
AC  setzt,  wo  BAC  der  Winkel  ist,  welchen  die  betrachtete  Zahl  oder 
Linie  AC  mit  der  festen  Richtung  AB  macht  —  oder  Indem  er  die 
Linien  mit  kleinen  Buchstaben  bezeichnet  und  bloss  ac  setzt  — 

Das  Verfahren  des  Verf/s  besteht  nun  darin :   dass  er  die  nur 
ifbr  absolute  reelle  Zahlen  unmittelbr  evidenten  Definitionen  der 
Addition,  Subtraction,  Multiplication ,  etc.  ohne   Weiteres  auf  «seine 
Richtungszahlen  ausdehnt  —  und  dabei  als  Grundsatz  an- 
nimmt: ^dass  jede  zwei  gerade  Linien,  welche  gleiche  LSnge  und 
gleiche  Richtung  nach  demselben  Sinne  haben,  als  Zahlen  betrachtet, 
völlig  gleich  bedeutend  sind,  so  dass  die  eine  für  die  andere  geseüt 
werden  kann^  —  obgleich  sie  ganz  verschiedene  Lagen  in  der  Figtf 
haben.    Die  zuaddirenden  Linien   werden  in  ihren  resp.  Rich- 
tungen aneinander  gesetzt,  so  dass  der  Abstand  zwischen  den  bei 
den  Endpunkten  der  so  gebildeten  gebrochenen  Linie  die  gesucht 
Summe  darstellt  —  Die  Multiplication  der  beiden  Richtnogf 
zahlen  |  a  |  m,  |  ß  \  n  wird  dargestellt  durch: 

\a\m.\ß\n  =\a  +  ß\m.  n, 
d.  h«  man  muss  den  Multiplicand  m  In  seiner  Richtung  nmal  neil 
men  und  die  so  enthaltene  Linie  noch  um  den  Winkel  ß  drehen. 
Bpeclelle  Fftlle  hievon  sind; 

I  g  I  m  Xp=  I  «  I  ™D,  I  g  I  m.  |  — a  |  n  =  mn, 
I  a  I  m.  I  — «  I  m  =  m«,  I  a  I  m.  I  — «  j  iS  =  1. 


b.  M.        HKIDELBER6ER       USt. 

JAHRBOGHER  dir  LITERATUR. 

Riecke:    Die  Rechnung:  mit  Richtungszahlen  etc. 


(ScUiui.) 

Für  die  Division  Eweier  RichtUDgaeahlen  hat  man  demnach: 

|«|m:»Tiü=r«H»Tr' 
lör  das  Potensiren  derselben ;        

C  I  a  I  m)'  =  I  oa  I  m', 
UDd  nmgekebrt  für  die  Wurzelaussiehung: 

'v^Tim  =  \f\  Vi:  ^ 

Als  besoDders  wichtiger  specieller  Fall  hieroo  wird   noch  bemerkt: 

v^T^  =  r^M  1  =  v^^=i, 

ond  der  Verf«  fügt  hiosa:  „Man  hat  den  Beweis  dieses  wichtigen 
Satzes  ans  der  Proportion: 

+  l:y'i:i  =  V'=T:~l  f«) 

ableiten  wollen ;  aber  man  sieht  leicht  ein,  wie  gegen  diesen  Beweis 
mit  Recht  eingewandt  werden  kann,  dass  hier  ein  Satz,  der  nur  fDr 
absolute  Längen  bewiesen  worden  ist,  ohne  Berechtigung  auf 
Linien  ausgedehnt  wird,  deren  Richtungen  durch  Vorzeichen  unter- 
schieden ist.^  —  Der  Verfasser  ist  hierin  aber  noch  viel  w^ter  ge- 
gangen; denn  er  hat,  wie  schon  bemerkt,  die  nur  für  absolute 
Zahlen  evidenten  Begriffsbestimmungen  der  arithmetischen  Grund«« 
Operationen  auf  seine  Richtungszahlen  ohne  Weiteres  erstreckt  I  — 
Allerdings  ist  i  =  y^ZTi  eine  mittlere  Proportionalgr5sse 
zwischen 4- 1  Qn<i —  1;  denn  die  Relation  oder  der  Uebergang 
von  -f-  1  «u  V^ — 1  i»t  offenbar  ganz  derselbe,  als  der  von  y^ — 1  zn 
—  1.  Hiervon  muss  man  ausgehen,  um  zu  dem  Begriffe  der 
complexen  Zahl  a~|~b  y^— 1  zu  gelangen  und  es  ist  alsdann 
ganz  nnnötbig,  in  den  Begriff  der  Zahl  den  der  Richtung  mit 
aufzunehmen,  woran  Gauss  nicht  im  Entferntesten  gedacht  hat; 
denn-«:  sagt  ausdrücklich:  „Positive  und  negative  Zahlen  können 
nur  da  eine  Anwendung  finden,  wo  das  Gezählte  ein  Entgegenge- 
aetztes  hat,  was  mit  ihm  vereinigt  gedacht  der  Vernichtung  gldch- 
soatellen  ist.  Genau  besehen,  findet  diese  Voraussetzung  nur  da 
Btatt,  wo  nicht  Substanzen  (für  sich  denbare  Gegenstände),  sondern 
Relationen  zwischen  je  zwei  Gegenständen  das  Gezählte  sind. 
Postulirt  wird  dabei^  dass  diese  Gegenstände  aof  eine  bestimmte  Art 
In  eine  Reihe  geordnet  sind,  z.  B.  A,  B,  C,  D,  ...  und  dass  die 
Belation  des  A  zu  B  als  der  des  B  zu  G,  u.  s.  w.  gleicbbetrachtet 
1-  Jahrg.  7.  Heft  84 


$30  Riecke:    Die  Reehnang  mit  Ricbtungssahien  etc. 

werden  kann.  .Hier  gehört  nun  zu  dem  Begriff  der  EntgegenaeUung 
nlchta  weiter,  als  der  Umtaasch  der  Glieder  der  Reihe,  so  das« 
wenn  die  Relation  (oder  der  üebergang)  von  A  «u  B  als  -j-  1 
gilt,  die  Relation  von  B  zu  A  durch  —  1  dargestellt  werden  miuc 
Sind  aber  die  Gegenstände  von  solcher  Art,  dass  sie  nicht  in  eine, 
wenn  gleich  unbegrenzte  Reihe  geordnet  werden  können,  sondern 
sich  nur  in  Reihen  von  Reihen  ordnen  lassen,  oder,  was  dasselbe 
ist,  bilden  sie  eine  Mannigfaltigkeit  von  zwei  Dimensionen,  ver* 
hält  es  sich  dann  mit  den  Relationen  einer  Reihe  zu  einer  andern 
oder  mit  den  Uebergängen ,  aus  einer  in  die  andere  auf  eine  ähnliche 
Welse,  wie  vorhin  mit  den  Uebergängen  von  einem  Gliede  einer 
Reihe  zu  einem  andern  Gliede  derselben  Reihe;  so  bedarf  es 
zur  Abmessung  des  Ueberganges  von  einem  Gliede  des  Sjstemes 
zu  einem  andern  ausser  den  vorigen  Einheiten  ~f-  1  und  —  1  noch 
zweier  andern,  unter  sich  auch  entgegengesetzter  -|-  i  und  —  i. 
Offenbar  muss  aber  dabei  noch  postulirt  werden,  dass  die  Einheit 
i  allemal  den  Üebergang  von  einem  gegeben  Gliede  einer  Reihe  za 
einem  bestimmten  Gliede  der  unmittelbar  angrenzenden  Reihe 
bezeichnet.  Auf  diese  Weise  wird  also  das  System  auf  eine  dop- 
pelte Art  in  Reihen  von  Reihen  geordnet  werden  können.^  — 

„Der  Mathematiker  abstrahirt  gänzlich  von  der  Beschaffeih 
h  e  i  t  der  Gegenstände  und  dem  Inhalte  ihrer  Relationen ;  er  bat 
es  bloss  mit  der  Abzahlung  und  Vergleiehung  der  RelationeD 
unter  sich  zu  thun.  —  Zur  Anschauung  lassen  sich  diese  Verhält- 
nisse nur  durch  eine  Darstellung  im  Räume  bringen,  und  der  ein- 
fachste Fall  ist  der,  wo  kein  Grund  vorhanden  ist,  die  Symbole  der 
Gegenstände  anders  als  quadratisch  anzuordnen,  indem  man  eins 
nabegrenzte  Ebene  durch  zwei  Systeme  von  Parallellinien,  die  ein* 
ander  rechtwinklig  durchkreuzen,  in  Quadrate  zertheilt  und  die  Durch- 
Bchniltspunkte  zu  den  Symbolen  wählt.  Jeder  solcher  Punkt  hst 
hier  vier  Nachbarn,  und  wenn  man  die  Relation  desselben  zu  einen 
benachbarten  Punkte  durch  -[-  1  bezeichnet,  so  ist  die  durch  —  l 
zu  bezeichnende  von  selbst  bestimmt,  während  man,  welche  der  bei* 
den  andern  man  will,  für  -|-  1  wählen  oder  den  sich  auf  ~|-  ^  ^ 
ziehenden  Punkt  nach  Gefallen  oben  oder  unten  nehmen  kann. 
Dieser  Unterschied  zwischen  oben  und  unten  ist,  sobald  nun 
vorwärts  und  rückwärts  in  der  Ebene  und  rechts  und  linki 
in  Beziehung  auf  die  beiden  Selten  der  Ebene  einmal  (nach  Gefal- 
len) festgesetzt  hat,  in  sich  völlig  bestimmt,  wenn  wir  gleich. unsere 
Anschauung  dieses  Unterschiedes  Andern  nur  durch  Nachweisimg 
an  wirklich  vorhandenen  materiellen  Dingen  mittheilen  können.  Weaa 
man  aber  auch  über  letzteres  sich  entschieden  hat,  sieht  man,  diM 
es  doch  von  unserer  Willkühr  abhing,  welche  von  den  beiden  »i 
in  einem  Punkte  durchkreuzenden  Reihen  wir  als  Haaptieihe,  toi 
welche  Richtung  in  ihr  wir  ala  auf  positive  Zahlen  sich  beEiebea< 
ansehen  wollen.  Man  sieht  ferner,  dass,  wenn  man  die  vorhin  ab 
-j-  1  behandelte  Relation  für  -f-  1  nehmen   will,   man  nolhweadif 


Riecke:    Die  Rechnutig  mit  Ridhtang^iahleii  et«.  531 

die  früher  als  —  1  bezeichnete  filt  -\-  i  nebmen  muss.  Das  heisst 
aber  In  der  Spraclie  der  Mathematiker:  -f-  i  ist  eine  mittlere 
Proportionalgrösse  zwischen  -{-  1  und  —  1  oder  entspricht 
dem  Zeichen  y^ — 1.  Hier  ist  also  die  Nachweisbarkeit  einer  an- 
sehanlichen  Bedeutung  von  y^ — 1  vollkommen  gerechtfertigti 
und  mehr  bedarf  es  nicht,  um  dieseßrösse  in  das  Qe* 
biet  der  Gegenstände  der  Arithmetik  zuzulassen.  Bei 
dieser  Darstellung  wird  die  Ausführung  der  arithmetischen  Opera- 
tionen in  Beziehung  auf  die  complexen  Grössen  einer  Versinnlidiung 
fihigy  die  nichts  zu  wünschen  übrig  lässt.^  — 

Aus  diesen  wenigen  Worten  von  Gauss  erhellet  hinreichend, 
wie  sehr  seine  Ansicht  der  Sache  von  der  geometrischen  unseres 
Verf.'fl  und  der  ähnlichen  von  Andern  verschieden  ist  —  Was 
iBMer  Verf.  weiter  gegen  die  Zulässigkeit  der  Proportion  (a)  vor- 
I bringt,  ist  noch  grundloser;  denn  der  Uebergang  von  AB  zu  AN 
iist  nicht  derselbe,  als  der  von  AN  zu  A£,  und  folglich  ist  auch 
nicht  AN=  V"— 1.  — 
i         Und  in  §.  57  stellt  ja  der  Verf.  selbst  die  Proportion: 

jTTa:  ll^  a  =  llTf  a  =  |1«T  a 
oder:  ab  :  ac  =  ac :  bc,  (Fig.  87) 

aaf!   — 

Hierauf  ist  vom  natürlichen  Potenziren  und  Loga- 
rithodisiren  die  Rede,  wobei  der  Verfasser  seine  Betrachtungen 
so  die  logarithmische  Linie  knüpft  —  und  unter  andern  auch 
die  Relation: 

log.  nat.  fl  +— J  ==—  für  n  =  00    (ß) 

ableitet,  weil  er  dieselbe  bei  Ableitung  der  wichtigen  Relation: 


q)  I  r  =  e  .  r 


Döthig  bat,  wobei  aber  zu  erinnern  ist,  dass  der  Verf.  die  Relation 

{ß)   ohne  Weiteres  auch  auf  Imaginäre  Werthe  von—  erstreckt 

hat,  ohne  es  zu  bemerken,  was  daher  zu  rühren  scheint:  dass  er 
atatt  AD=  AB-{-BD  v^— 1  nach  seiner  frühem  Convention  ad» 
ab  -f-  bd  schreibt,  was  offenbar  unstatthaft  ist  I  —  Auch  ist  zu  be- 
merken: dass  die  Constructionen  des  Verf.'s  in  Bezug  auf  das 
Potenziren,  Extrahiren,  und  Logarithmisiren  seiner  Richtung^s* 
sabien  bloss  mechanische,  d.  h.  nicht  mit  Lineal  und  Zirkel 
ausführbar  sind.   — 

Der  zweite  Abschnitt  enthält  Anwendungen  der  Rechnung 
mit  Ricbtungszahlen,  und  zwar  1)  in  der  Arithmetik.  Hier  meint 
der  Verf.  die  Rechnung  mit  imaginären  oder  complexen 
Zahlen  finde  In  der  mit  seinen  Rieh  tu  ngs  zahlen  ihre  natür- 
liche Begründung  (?)  und  will  in  der  That  die  Richtigkeit  der 
Kesnltate: 


$Zi  Eiacket    Die  Eecluaiig  mit  Uehftiingiiahleo  elc 

(m  -|-  ni)  +  ("*  —  "^O  •=  ^™ » 

(m  -4-  ni)  X  («»  —  °0  =  n»^  +.n^  > 

(m  +  ni)  X  (o  +  pO  =  (mo  —  np)  -f  (mp  +  no)i 

etc.  etc. 

geometrisch  beweisen,  ja  sogar:  dass  aus  m-f-ni  =  o-f  pi 

folgt:   m  =^  0,   n  =  p,   als   ob  dies  aus  der  vorhin  mitgetheiiten 

Oauss'schen  Auffassung  nicht  unmittelbar  folgte!   ^ 

Die  ganze  Beweisführung  ist  aber  offenbar  illosoriscb; 
denn  der  Verf.  hat  ja,  wie  schon  bemerkt /die  nur  für  absolote 
Zahlen  unmittelbar  einleuchtenden  Definitionen  der  arithmetischen 
Grundoperationen  ohne  Weiteres  auf  seine  Rieht ungszalilen  aus- 
gedehnt! — 

Auch  die  ad  II  mitgetheiiten  Beweise  einiger  geometrischer 
Sfitse  haben  offenbar  keine  ursprüngliche  demonstrative  Kraft 
—  Um  s.  B.  den  Pythagoräischen  Lehrsatz  zu  beweisen,  constroirt 
der  Verf.  zu  dem  in  B  rechtwinkligen  Dreiecke  ABC  unter  AB  ab 
reelle  Richtung  ein  gleiches  Dreieck  ABD  und  setzt  statt: 

AC  =  AB  +  BC  v^— 1,  AD  ^  AB  —  BC  y^— 1 
wieder  in  kleinen  Buchstaben: 

ac  =  ab  -f-  hc,  ad  =  ab  -|-  bd, 
also:  ac  .  ad  =  ib*  +  ^^  •  *^^  +  *^  (P^  +  **<*) 

d.  h.:  AC*  =  Äb2  +  Bc2. 

Aehniich  yerhält  es  sich  in  den  übrigen  Beispielen.  • 

Die  unter  IV  mitgetheiiten  Anwendungen  der  Richtungszahleo 
In  der  analytischen  Geometrie  (die  algebraischen  Anwen- 
dungen unter  III  übergehen  wir  der  Kürze  wegen)  sind  noch  man- 
gelhafter.   —  Der  Verf.  meint:   man  müsse  in   der   Gleichung   des 

Kreises :  

x2  ^  y2  =  ri  oder  y  —  +  Vr»— x»  (y) 
y  V^ — 1  statt  y  setzen,  um  die  Richtung  der  Ordinaten  In  Bezn; 
auf  die  reelle  Abscissenrichtung  auszudrücken,  wodurch  man  er- 
hfilt:  x^  —  y3  =  r^,  welche  Gleichung  aber  gar  keinen  Kreis,  son- 
dern eine  gleichseitige  oder  rechtwinklige  Hyperbel 
ausdrückt!  — 

Wenn  in  der  Gleichung  (y)  die  Abscisse  x  >»  r,  also  die 
Ordinate  y=±  v^xa^r2y^  imaginär  wird;  so  drückt  diese 
Gleichung  ohne  \^—i  eine  Hyperbel  aus,  welche  in  der  durtk 
die  Abscissenaxe  gelegten,  auf  der  ursprünglichen  Ebene  sen  kr  eck- 
ten £bene  liegt,  wie  man  später  näher  sehen  wird.  — 

Auch  andere  Schriftsteller  haben  sich  hierbei  getäuscht  •—  So 
£.  B.  meint  Scheffler:  die  Länge  v^x^— r*  müsse  für  x^r  vom 
Endpunkte  der  Abscisse  rechtwinklig  gegen  die  Ordinatenriehtung, 
also  längs  der  Abscissenlinie  gemessen  werden  (?\  (lieber 
das  Verhältniss  der  Arithmetik  zur  Geometrie  etc.  S.  221}.  — 

Der  dritte  und  letzte  Abschnitt  enthält  allgemeine  Be- 
trachtungen über  die  Rechnung  mit  Richtungszahlen. 
•^  Zunächst  sucht  der  Verf.  seine  Definition  der  Zahl:  als  einer 


Hiecfcd!    Dia  Recbttimf  der  HfdrtiiBfiiahlea  •!«.  SSS 

aaeb  einer  bestiminteD  Einheit  gemefsenen  geraden 
Linie  (?)  xn  rechtfertigen.  NaTnentlicb  die  Betrachtang  der  ne« 
gatiTen  ond  imaginiren  Zahlen  soll  darauf  nothwendig  führen! 

-  Er  sagt:  ^Es  Hegt  etwas  Uniclares  in  der  Aufgabe,  eine  snb* 
tractive  Zahl  mit  einer  sabtractiven  Zahl  so  multipliciren.^  —  Daas 

—  4X  —  3  =  4-12  ist,  erheilet  aber  noch  nicht  durch  ein  biossei 
Vor-  und  Rückwärtsschreiten  in  der  Zahlenlinie  des  Verf/s  und  darf 
ebenso  wenig  durch  eine  dem  Anfltnger  wie  aus  der  Luft  gegriffen 
erscheinende  allgemeine  Definition  der Multiplication  erzwnn- 
(Cen  werden!  —  Es  muss  vielmehr  erst  bewiesen,  aus  Bekann- 
tem deducirt  werden :  dass  -|~*X  —  b  =  —  ^^j  —  ^X^^^^ 
-j-Bh  ist,  und  alsdann  kann  man  bemerken,  dass  die  frühere  nn* 
mittelbar  evidente  Definition  der  Multiplication  absoluter  Zahlen  auch 
sof  diese  Fülle  erstreckt  werden  darf!  —  Bei  jeder  Definition  muss 
das  darin  Ausgesprochene  als  etwas  Mögliches  und  Adäquates 
anmittelbar  klar  sein  —  und  nichts  ist  für  eine  richtige  und 
strenge  Behandlang  der  Mathematik  nachtheiliger,  als  willkür- 
liche, nicht  motirirte  Definitionen!  —  Von  einer  Begründung 
durch  Definitionen  kann  offenbar  gar  keine  Rede  sein!  —  Der 
Verf.  hat  sich  desshalb  sehr  getSnscht,  wenn  er  glaubt,  dass  seine 
{[eometrischen  Constructionen  „wirkliche  Beweise'  der  arithmetischen 
SStze  sind,  bloss  in  Folge  seiner  Definitionen  der  Zahl  und  der 
arithmetisdien  Grundoperationen!  — 

Dass  bei  der  arithmetischen  oder  analytischen  Unter« 
tQchung  stetiger  Grössen  (Linien,  Fl&chen,  etc.)  auch  die  ihnen 
entsprechenden  Zahlen  als  stetig  verSnderlich  betrachtet  werden 
müssen,  liegt  auf  der  Hand  —  und  ebenso,  dass  man  nur  den  durch 
Zahlen  ausgedrückten  Linien  einer  Figur,  aber  nicht  diesen  Zah* 
len  selbst  eine  Richtung  suschreiben  kann!  — 

Der  Verf.  kommt  nun  nochmals  auf  die  Beseichnung  der 
Richtungssahlen  und  die  arithmetischen  Operationen  mit  denselbeui 
so  dass  das  hier  Gesagte  gleichsam  als  eine  Vervollständigung  und 
Verbesserung  des  Frühern  erscheint  — 

Von  der  Beseichnung  r  (cos  q>  -f-  0in  g>»  y^ — 1)  sagt  der  Verf. 
^ßoe  solche  Bezeichnung  gleich  Anfangs  neben  der  Definition  einer 
Richtungszahl  einzuführen,  würde  wohl  mit  Recht  ein  Verstoss  (?) 
gegen  die  Methode  genannt  werden  müsse. ^  Dieser  Ausdruck  einer 
Richtongszabl  ist  aber  offenbar  viel  besser,  als  der  |  9»  |  r  des 
Verf/s.  -  Denn  bei  Anwendung  jener  Ausdrücke  der  Richtungs- 
sahlen  wird  man  erst  auf  die  für  die  Grundoperationen  von  dem 
VerL  gegebenen  Definitionen  oder  Constructionsregeln  geführt, 
wSbrend  sie  bei  dem  Verfahren  des  Verf.'s  als  will  kürliche , 
Dicht  motivirte  Verailgemeinerungen  der  bei  reellen  Zahlen  er- 
sebeinen.  —  Die  Bezeichnung  des  Verf. 's  durch  kleine  Buchsta- 
ben ohne  das  Zeichen  \<'~\  ist  noch  untauglicher,  weil  das  Setzen 
des  Zeichens  v^HT  gerade  das  Charakteristische  in  dieser 
Lehre  ist  —  und  In  der  That  hat  sich  der  Verf.  dadurch  zuweilen 


^i  RiecKe  t    Die  Ri»cb«uiig  mit  RIcbMuifffKahleii  eta 

get<aUct>t>  so  diM  er  Sätse  für  eomplexe  Zahlen  bevieeep  le 
htilb^n  meint,  während  dies  nur  für  reelle  Zahlen  geschehen  ist  ^ 

Hier  gesteht  der  Verf.  auch  die  Mangelhaftigkeit  des  be^ 
reits  oben  erwähnten  Grundsatzes  selbst  offen  ein,  indem  er 
ßagt:  „Mögen  zwei  gleichlange  und  in  demselben  Sinns 
gleichgerichtete  Linien  auch  in  der  Arithmetik,  womanbloa 
ihre  Länge  und  Richtung  (?)  in  Rechnung  zu  nehmen  hat, 
ganz  identisch  sein,  —  in  Bezug  auf  die  geometrische  Figu- 
ren,  die  sie  bilden,  kommt  es  aber  auch  auf  den  Ort  an,  wo  sie 
sich  befinden^  —  und  zeigt  dies  an  einem  Beispiele.  — 

Auch  auf  das  Potenziren,  Extrahiren  und  Logaritb- 
misiren  der  complexen  oder  Richtungszahlen  kommt  der  Verf. 
hier  nochmals  zurück.  —  Unsere  frühere  Bemerkung  ist  aber  sock 
hier  anwendbar;  d.  h.  der  Verf.  hat  auch  hier  nur  das  für  reells 
Zahlen  Gültige  auf  imaginäre  erstreckt.  —  Eine  ina  Detail  ge- 
bende Kritik  des  hier  Gegebenen  gestattet  der  Raum  nicht  — 

Hierauf  spricht  der  Verf.  im  Ganzen  treffend  über  „den  Wertb 
der  Rechnung  mit  Richtungszahlen ^  —  und  sucht  diess  auch  noch 
im  mehreren  Beispielen  zu  zeigen.  — 

Wenn  aber  der  Verf.  hier  sagt:  „Endlich  verdient  noch  ber 
▼oigehoben  zu  werden,  dass  die  Richtungszahien  in  vielen  Fäileo 
fmch  da  zum  Beweise  geometrischer  Sätze  mit  Vortbeil  (?)  g^ 
braucht  werden  können,  wo  es  sich  nur  um  reelle  Grössen  bau« 
delt  und  von  imaginären  Zahlen  gar  nicht  die  Rede  ist^  —  «o 
muss  Ref.  offen  gestehen:  dass  er  diese  Anwendungen  gr^uteü- 
tbeiis  nur  für  abusive  halten  kann  —  und  dass  auch  von  anders 
Schriftstellern  auf  diesem  Felde  von  den  imaginären  Grosses 
viel  Missbranch  gemacht  ist.  —  Der  eigentliche  Zweck  und  Ge- 
genstand dieser  Lehre  ist  vorzugsweise  dieser:  „Wenn  bei  Unter* 
auchungen  über  reelle  Grösssen  (Punkte,  Linien,  etc.)  unter  gewis- 
sen Bedingungen  die  analytischen  Ausdrücke  derselben  imagioir 
werden,  zu  wissen,  welche  o  b  j  e  c  t  i  v  e  (geometrische)  Bedeutung  diM 
imaginären  Ausdrücke  haben  —  d.  h.  welche  Lage  dieia 
Punkte,  Linien,  etc.  haben.^  —  An  etwas  anderes  hat  Gauss  n 
der  That  auch  nicht  gedacht;  am  allerwenigsten  an  Zahlen  mit 
Richtungen  (?),  wie  aus  seinen  oben  angeführten  eigenen  Wi»^ 
ten  klar  genug  erhellet.  — 

Endlich  spricht  der  Verf.  auch  noch  kurz  über  Richtungs- 
zahien im  Räume  —.wobei  er  aber  noch  sehr  im  Unklaren  zu 
sein  scheint  —  denn  er  sagt  ausdrücklich:  „Die  Anwendung  der 
bisherigen  Sätze  auf  Richtungszahlen  im  Räume  führt  auf  Wi<ier- 
spräche  (?),  weil  man  denselben  analytischen  Ausdruck  für  die  au^ 
der  Grundebene  senkrecht  stehenden  Linien  erhlät,  wie  früher  für  d>« 
in  der  Grundebene  auf  der  Grundrichtung  senkrecht  stehenden.*^  —  Dss 
wäre  ja  aber  ganz  richtig,  und  stimmt  ganz  mit  dem  von  Gauss 
Gesagten:  ^Dassdie  Relationen  zwischen  Dingen,  die  eine  Manoii^f^' 
tigkeU  von  mehr  als  zwei  Dimensionen  darbieten,  nicht  noch  sodere} 


EiedKe:    Die  Reetaiinf  mit  IMclitaBgsxalileii  ete.  535 

lider  «ngemeiBea  Arithmeük  zulässige  Artett  ron  Orltoseii  liefern  k9ii- 
neo*'  ^-  Qberein  I  —  In  der  That,  wenn  man  sich  zu  der  Qrundebene 
Aber  und  anter  derselben  anendlich  viele,  ebenso  wie  sie  durch  zwei 
Systeme  von  Parallelen  eingetheilte  parallele  unbegrenzte  Ebenen  dentt, 
80  dass  die  DurchschntCtspunkte  dieser  Parallelen  senkrecht  tiber 
fihiander  liegen  nnd  der  Abstand  der  Ebenen  dem  der  Paralleleii 
gleich  ist^  also  der  unendliche  Raum  in  lauter  gleiche  Würfel 
getheilt  wird,  deren  Ecken  zu  den  Symbolen  genommen  werden  — 
osd  die  Grundebene  die  reellen  Werthe  vom  x  und  y  enthXlt, 
welche  z.  B.  die  Coordinaten  einer  Linie  bedeuten  mögen,  etwa  die 
des  Kreises  y2-f-x2  =  r2  oder  y=  +  yr»-x«;  so  leuchtet  auf 
\ 4er  Stelle  ein :  dass  die  x >>r  entsprechenden  imaglnSren  Werthe 
iTOD  y=  +  v/'ia  —  r«.  V*^j  d.  h.  die  Längen  +  y x»  —  r»  reep. 
Iber  und  unter  der  Qrundebene  senkrecht  auf  derselben  ge- 
nommen werden  müssen  —  nnd  die  Gleichung:  x^  —  x^  =  r^  drückt 
jeiBe  gleichseitige  Hyperbel  aus,  welche  in  der  durch  die  Axe  der 
|X gehenden  und  auf  der  Grondebene  senicrechten  Ebene  liegt.  — 
I  Wenn  man  die  Gleichung  für  x  auflös%  so  ergibt  eich  ein  äha- 
I liebes  Resultat,  und  man  sieht:  dass  die  Gleichung  y3-|~x2=:r3 
nicht  bloss  einen  Kreis,  sondern  noch  zwei  gleichseitige 
Hyperbeln  aosdrückt,  wenn  x  und  y  alle  Werthe  tob  o  bis  +  oo 
umehmen.  — 

Es  bedarf  also  keines  neuen  Zeichens  ausser  y^— -i,  wenn  man 
tos  der  Zahlenebene  in   den  Zahlenraum   übergehen   mnssl  -^ 

Desgleichen,  wenn  man  z.  B,  für  die  Tangente  des  Winkels  a, 

welchen  eine  Gerade  mit  der  Axe  der  x  bildet,   einen  imaginä-* 

iren  Werth  tang  a:=av^~l  findet,  so  bedeutet  dies  weiter  niehts, 

i  lis  dess  diese  Gerade  in  der  durch   die   Axe   der  x  gehenden ,   auf 

Ider  Grundebene  senkrechten  Ebene  liegt,   und   mit  dieser    Axe 

einen  Winkel  bildet,  dessen  feigonometriscfae  Tangentn  =  a  ist.  *-  u.  s.  w. 

Wir  haben  im  Vorhergehenden  bloss  die  wesentlichsten 
Mangel  der  Bearbeitung  des  fraglichen,  hochwichtigen  Gegenstandes 
durch  unsern  Verf.  kurz  berührt;  nicht  um  ihn  zu  tadeln,  sondern 
lediglieh  in  rein  objectir  wissenschaftlichem  Interesse;  theils 
w^  die  Gauss'sche  Theorie  der  compleceu  oder  imaginfir^ 
ren  Zahlen,  selbst  bei  namhaften  Mathematikern,  wie  Plücker, 
Clitsles,  etc.  noch  keine  gebührende  Anerkennung  gefunden  «—nnd 
theils  weil  von  Andern  mehr  oder  weniger  abusiTe  Anwendungen 
dsToa  gemacht  sind,  gegen  welche  wieder  Ton  Andern  mit  Recht 
Bedenken  erhoben  sind.  —  Die  Literatur  dieses  Gegenstandes,  welche 
der  Verf.  in  einem  Anhange  noch  mittheilt,  zeigt,  dass  die  Idee  von 
der  reellen  Bedeutung  der  imaginären  Zahlen  schon  seit  einem 
Jahrhundert  aufgetaucht  --  und  doch  noch  nicht  zur  völltgen  Klar» 
heit  und  allgemeinen  Anerkennung  gelangt  ist  ^  obgleich  Gauss 
die  wahre  Metaphysik  derselben,  zwar  kurz;  aber  mit  einer  Tiefe 
und  Klarheit  schon  1831  angegeben  hat,  die  nichts  zu  wünschen 
übrig  läset   •-<   wogegen  die  Auffassungen  und  DarsCellniigea  der 


536  BamUller:    We^if^t^Mehit. 

frftl^liehen  Lehre  dvreh  Andere  sehr  weit  sariickstehen»  wesshalb  wir 
uns  erlaubt  haben,  seine  eigenen  Worte  oben  knrz  ansnföhren.  — 
Jedenfalls  wird  das  vorliegende  Werkchen  dam  beitragen:  den 
alten  Wahn  von  der  bloss  symbolischen  Bedeutung,  oder  gar 
Unmöglichkeit  des  v/'-T  auch  in  weitern  Kreisen  m  beseiti- 
gen, nnd  wir  empfehlen  dasselbe  angehenden  Mathematikem  nnd 
Lehrern  der  Mathematik,  ungeachtet  der  gemachten  Ausstellungen, 
weil  es  besonders  in  Becug  auf  die  geometrische  Construc- 
tionder  imagin&ren  Grössen  manches  dem  Verf.  Eigenthflm- 
liche  enthält  —  und  überall  sehr  klar  und  leichtfasslich  geschriebeo 
ist.  —  Auch  die  Ausstattung  ist  sehr  gut.  — 

Dr.  Selmuse. 


Die  Wdtgeschichie,    Ein  Lehrbuch  für  MUteUckulen  und  zum  Selbst- 
unterricht, von  Dr.  Johannes  Bumüller.     Vierte   verbes- 
serte  Auflage.     Erster  TheiL     Geschichte  des  Alterihums,    Frd- 
•     bürg,     Herder,     1857. 

Unter  den  zahlreichen  Handbticbem,  Gonpendien  und  Umrissen 
der  Geschichte,  welche  seit  einigen  Jahren  zu  Tage  gefördert  wur- 
den, steht  das  von  Bumüiler  unbestreitbar  in  vorderster  Reihe.  Es 
land  bei  seinem  ersten  Erscheinen  warme  Aufnahme  und  in  Folge 
davon  jedes  Jahr  eine  neue  Auflage. 

Referent  beabsichtigt  gelegentlich  der  4.  Auflage  des  Buches 
einen  Theil  nach  dem  andern  eingänglicher  zur  Sprache  zu  bring<^n. 
Bedürfte  er  einer  Rechtfertigung  für  sein  Unternehmen,  so  würde 
er  sich  erlauben,  auf  seine  practischen  Erfahrungen  hinzuweisen,  in- 
dem er  das  Werk  in  einer  Mittelschule  als  Grundlage  des  geschicht- 
lichen Unterrichts  zu  benützen  Gelegenheit  hatte.  Das  Ganze  zer- 
fällt in  drei  Theile,  deren  1.  die  Geschichte  der  alten  Welt  bis  zum 
völligen  Untergange  des  weströmischen  Reiches,  deren  2.  das  Mit- 
telalter, deren  3.  endlich  die  Zeit  von  Luther's  Auftreten  bis  aaf 
die  Gegenwart  behandelt.  Bevor  wir  daran  gehen,  die  vor  uns 
liegende  4.  Auflage  des  ersten  Theiles  zu  beurtheilen,  mögen  einige 
Bemerkungen  über  Greschichtsnnterricht ,  geschichtliche  Lehrbücher 
überhaupt  und  das  Bumüller'sche  Gesammtwerk  hier  Platz  finden. 
Warum  wird  in  Mittelschulen  Geschichte  gelehrt?  Wohl  nicht  da- 
mit die  angehenden  Jünglinge  Namen  und  Jahreszahlen  auswendig 
lernen  und  vielleicht  behalten,  sondern  dass  sie  den  Gang  der  Welt- 
geschichte d.  h.  die  Schicksale  des  menschlichen  Geschlechts  über- 
sichtlich  kennen  lernen.  Diese  Uebersichtlichkeit  wird  nicht  ver 
langti  wenn  die  Masse  der  vorgeführten  Einzelheiten  so  gross  ist, 
dass  eine  die  andere  wieder  aus  dem  Gedächtnisse  verdrängt,  wohl 
aber  durch  eine  klare  und  lebendige  Darstellung  derjenigen  Begeben- 
heiten und  Persönlichkeiten,  welche  auf  die  verschiedenartige  Ge- 
staltung der  Schicksale  der  Völker  den  meisten  Einfluss  ausübten. 


Bvnaller:    WellffMehleht«.  589 

Hierfiber  tet  mra  wohl  einig,  damit  aber  auch  über  den  ethischen 
HaopCsweclc  des  Geschichtonterrichtes ;  dieser  soll  wesentlich  den 
Charakter  des  jungen  Menschen  bilden  helfen  und  thut  es,  indem  er 
ihm  das  Walten  der  göttlichen  Vorsehung  und  Gerechtigkeit  in  der 
Weltgeschichte  nachweist,  ihm  Liebe  20m  Vateriande,  Achtung  vor 
Obrigkeit  nnd  Gesets  einprSgt  und  den  Wahn  ferne  hSlt,  als  ob 
je  etwas  Dauerndes  nnd  flrspriessliches  geschaflfen  wurde,  das  nicht 
sof  das  Bestehende  gebaut  war. 

Der  geschichtliche  Unterricht  ist  ein  mündlicher,  als  Hilf smit* 
tel  gibt  der  Lehrer  den  Schülern  eine  Tabelle  oder  ein  Buch  in  die 
Hand.  Methodisch  theilen  sich  die  geschichtlichen  Handbücher  in 
S  Klassen ;  die  einen  geben  in  Paragraphen,  kurzen  S&tzen,  Andeu- 
tungen nnd  Schlagwörtern  möglichst  viele  Daten,  die  andern  ersfth- 
len  znaammenhfingend,  stellen  gleichsam  in  Rahmen  geschichtliche 
Gemälde  auf. 

Die  Bücher  der  ersten  Klasse  werden  manchmal  als  diejenigen 
empfohlen,  denen  die  prägnante  Form  des  Schulbuches  allein  zu- 
komme. Das  BnmüUer'sche  Lehrbuch  der  Weltgeschichte  gehört 
aber  zur  zweiten,  folglich  könnte  Jhm  der  Vorwurf  gemacht  werden, 
seine  Form  tauge  nicht  für  ein  Schulbuch.  Dieser  Vorwurf  verlöre 
sber  schon  desshalb  sein  Gewicht,  weil  die  geschichtlichen  Handbü- 
eher  der  ersten  Klasse  denen  der  zweiten  entschieden  nachstehen. 

Jn  England  ist  man  längst  zu  dieser  Ueberzeugung  gekommen; 
hat  Herr  Bumüller  dieselbe  wohl  aus  eigenen  Erfahrungen  geschöpft, 
•0  ist  es  ihm  gerade  wie  uns  ergangen  und  wie  es  practischen  Schul- 
männern, falls  sie  nicht  etwa  selber  Verfasser  von  Handbüchern  der 
ersten  Klasse  sind,  oder  beim  geschichtlichen  Unterricht  Nebenzwecke 
verfolgen,  wohl  in  den  meisten  Fällen  ergehen  wird.  Bücher,  wel- 
che nur  möglichst  viele  Para^fraphen,  kurze  Sätze,  Schlagwörter  nnd 
dergleichen  geben,  setzen  beim  Lehrer  voraus,  dass  er  sich  an  je- 
des ihrer  Worte  halte  und  durch  mündliche  Erzählung  selbst  ein 
geschichtliches  Gemälde  bilde  —  oder  neben  dem  Handbuch  im  La- 
pidarstyl ein  grösseres  Geschichtswerk  recitire;  aus  unserer  eigenen 
Schulzeit  her  wissen  wir,  dass  z.  B.  neben  dem  geschichtlichen  Leit- 
faden von  Dr.  J.  Beck,  Becker's  und  Leo's  Werke  von  Lehrern 
wie  Schülern  mühsam  auswendig  gelernt  wurden.  Verschweigt  aber 
der  Lehrer  den  Schülern  die  Quelle  seiner  mündlichen  Vorträge,  so 
muss  der  Schüler  entweder  den  Vortrag  des  Lehrers  seinem  Ge- 
dächtnisse unmittelbar  einprägen,  oder  er  muss  nachschreiben,  we- 
nigstens viele  Notizen  machen.  Einen  halbstündigen  oder  auch  stun- 
denlangen Vortrag  unmittelbar  im  Gedächtnisse  behalten,  ist  für  die 
Schüler  mit  höchst  seltenen  Ausnahmen  unmöglich.  Das  Dictiren 
des  Lehrers  würde  jedes  Hilfsmittel  des  Unterrichts  entbehrlich  ma- 
chen, d'>ch  in  ein  paar  Stunden  wöchentlich  lässt  sich  kein  histori- 
sches Werk  dictiren,  geschweige  dem  Gedächtnisse  einprägen;  das 
Nachschreiben  oder  Notizenmachen  ist  in  Mittelschulen  die  Sache 
d«  Mehrzahl  der  Schüler  ebenfalls  nicht,  sind  ja  Hochschüler  in  den 


1^88  Bomldler:    Weitf^eidiieMt. 

meisteu  FfiUen  nicht  im  Stande,  das  Wesentliohe  aus  freien  Vor- 
trägen unmittelbar  herauszufinden  und  nachzuschreiben.  Solche  That- 
Sachen  liegen  allzusehr  aul  der  flachen  Hand,  als  dass  sie  einer 
weltern  Erörterung  bedürften. 

Handbücher  der  zweiten  Klasse  hingegen,  welche  znsammen- 
hängend  erzählen  und  geschichtliche  Gemälde  liefern,  hindern  den 
freien  Vortrag  des  Lehrers  keineswegs ;  kein  Bnch  gibt  so  vollstän- 
dige Darstellungen,  dass  an  denselben  nichts  mehr  zu  ergänzen,  sa 
erweitern,  zu  verdeutlichen  und  zu  erläutern  wäre.  Für  den  Schü- 
ler hat  aber  ein  derartiges  Handbuch  den  grossen  Vorthei),  dass  er 
darin  fast  alles,  oder  gar  alles  findet,  was  er  zu  merken  hat,  und 
hinsichtlich  des  Bumüller'schen  Lehrbuches  findet  er  dies  in  einer 
Form,  welche  ihn  niemals  abstösst,  sondern  im  Oegentheil  Immer 
mehr  anzieht.  Bumüller's  Werk  ist  von  vornherein  nicht  nur  zam 
Schulbuche,  sondern  auch  zum  Selbstunterrichte  bestimmt;  es 
ist  bereits  zum  Volksbuche  geworden  und  würdig,  dies  immer 
mehr  zu  werden,  auf  dass  beim  Bürger  geweckt,  gehegt  und  ge- 
pflegt werde,  was  zu  wecken,  zu  hegen  und  zu  pflegen  im  höchsten 
Interesse  des  Staates  wie  der  Kirche  liegt  —  historischer  Sinn. 

Der  Verfasser  hat  die  richtige  Behandlung  des  Stoffes  getrof- 
fen; er  versteht  es,  das  Passende  herauszufinden  und  mit  wenigen 
markigen  Zügen  trefflich  zu  characterlsireo,  fernliegende  Rechts-,  Staats- 
nnd  Volkszustände  in  seltener  Weise  anschaulich  zu  machen,  den 
Znaammenhang  festzuhalten  und  einen  sichern  Ueberbiick  zu  ermit- 
teln. Aus  dem  Ganzen  weht  uns  jene  Wärme  an,  die  nur  im  über* 
zeugungsfesten  Herzen  des  weit-  und  menschenkundigen  Patrioten 
und  Christen  wohnt. 

Die  in  4.  Auflage  vor  uns  liegende  Geschichte  des  Alter- 
thums  umfasst  die  4  ersten  Bücher  des  Bumüller'schen  Werkes; 
das  Ganze  zerfällt  in  10  Bücher,  deren  jedes  einen  wesentlieben 
Entwicklungszeitraum  der  Weltgeschichte  erzählt,  jedes  Bnch  ist  ab- 
getheilt  in  Kapitel,  das  Kapitel  durch  Aufschriften  wieder  in  Unter- 
abtheilungen geschieden.  Ein  Bück  auf  den  Inhalt  gewährt  wolil 
auf  dem  kürzesten  Wege  Einsicht  in  die  Art  und  die  Weise,  wie 
der  Verfasser  seinen  Stoff  vertheilt  und  behandelt.  Das  1.  Boeb 
enthält  in  7  Kapiteln  die  Geschichte  der  ältesten  Völker  bis  sor 
Gründung  der  Persermonarchie  dnrch  Cyrus  (Bumüiier  schreibt  Ej- 
rus,  huldigt  überhaupt  bei  vielen  Eigennamen  einer  Schreibart,  de* 
ren  Gründe  oder  Nothwendigkeit  wir  nicht  einsehen),  also  die  Urge- 
schichte.  Die  2  ersten  Kapitel  reden  von  der  Erde  als  Wohnplati 
des  Menschengeschlechtes,  von  der  Schöpfung  der  Erde  und  des 
Menschen,  vom  Sündenfall,  von  Abel  und  Kain,  von  der  Ausbrei- 
tung und  Verderbniss  des  Menschengeschlechtes,  Sündfluth,  Zer- 
streuung und  Verwilderung  der  Menschen.  Dass  die  Bibel  den  lei- 
tenden Faden  aus  dem  Labyrinthe  der  Urgeschichte  hergibt,  braaebt 
wohl  kaum  bemerkt  zu  werden.  Die  Kapitel  3 — 6  behandehi  In- 
dien, China,  Babylonlen,  Assyrien,  Medien,  Phönicien  und  Aegypteo; 


j 


Bvmaner:    WeU|r«Mlilelile.  689 

die  Geogrftpbie  dieser  Linder  ist  su  eSnselnen  Be8chreibong:eii  und 
Schi]deroQgen  ausgearbeitet,  die  Geschichte  der  Inder  und  Ghinest^n 
wird  bis  auf  die  Gegenwart  fortgeführt,  die  neuern  und  neuesten 
Ausgritbungen  uod  Entdeckungen  sind  nicht  vergessen.  Mit  practi* 
sehem  Biicl^e  belasste  sich  der  Verfasser  nicht  mit  detaiilirten  Aus- 
einandersetsungen  der  indischen  Götterlehre,  dafür  aber  mit  der  wich* 
tigsten  Folgerung  aus  derselben,  nfimlich  mit  der  Kasteneintbeilung, 
fibnlicb  bei  China  vorzugsweise  mit  der  Regierungsform.  Wer  er- 
fahren will,  wie  sehr  es  ßumüller  versteht,  das  graueste  Aiterthum 
dem  Verstände  und  Herisen  unserer  Jugend  und  unseres  Volkes 
nahe  zu  bringen,  der  lese  die  Beschreibung  des  Lebens  und  Trei* 
bens,  der  Städte  und  Kunstfertigkeit  der  Babylonier,  vom  Handel 
und  der  den  menschlichen  Hochmuth  tief  beugenden  Religion  der 
Pfaönicier.  Ist  etwas  geeignet,  Achtung  und  Ebrfurcht  vor  den  Re^ 
iigionen  der  vorchristlichen  Völker  einzupflanzen,  so  ist  es  die  Ge- 
Mhicbte  Aegyptens,  seiner  Kunst,  Wissenschaft  und  riesigen  Tempel-* 
ruinen.  Die  Geschiebte  des  alten  Aegypten  bildet  die  naturgemässe 
Brücke  zur  Geschichte  eines  Volkes,  das  in  weitaus  den  meisten 
geschichtlichen  Handbüchern  zu  dürftig  behandelt  wird.  Freilich  hat 
dieses  Volk  keine  grosse  welthistorische  Bedeutung,  wenn  umfassende 
Eroberungen,  wichtige  industrielle  Erfindungen  und  Unternehmungen, 
Leistungen  in  Künsten  und  Wissenschaften  einzig  und  allein  den 
Uaassstab  für  die  Grösse  eines  Volkes  hergeben;  aber  dieses  Volk 
steht  hoch  über  allen  vorchristlichen  Völkern,  Griechen  und  Römer 
nicht  ausgenommen,  durch  seine  provldentielle  Bestimmung,  den 
Glauben  an  den  Einen  und  persönlichen  Gott  zu  bewahren,  Träger 
der  Verheissungen  Gottes  an  das  Menschengeschlecht  zu  sein,  allen 
Zeiten  thatsächiicb  zu  zeigen,  was  das  treue  Festhalten  am  geoffen- 
barten Gotte  uod  was  der  bewusste  Abfall  von  diesem  für  Früchte 
trägt.  Die  Geschichte  des  Volkes,  des  israelitischen  nämlich, 
stiefmütterlich  behandeln,  heisst  genau  betrachtet  destructiv  wir- 
ken; jedenfalls  wird  der  Schüler  durch  den  auffallenden  Wider- 
spruch verwirrt,  der  darin  liegt,  wenn  er  im  Religionsunterrichte  sehr 
viel  von  der  Bedeutung,  im  Geschichtsunterrichte  wenig  oder  nichts 
von  der  Geschichte  der  Israeliten  erfährt;  es  heisst  aber  auch  nn- 
historisch  sein ;  denn  die  israelitische  Geschichte  ist  so  originell  und 
zugleich  in  Bezug  auf  die  Quellen  so  sicher  wie  die  keines  andern 
Volkes  der  alten  Welt;;  dass  in  Schulen  von  den  jedenfalls  unsichern 
and  schwer  bekämpften  Ergebnissen  der  modernen  rationalistischen 
Bibelkritik  Notiz  genommen  werde,  wird  wohl  nicht  verlangt  wer* 
den.  Zudem  leben  die  Israeliten  heute  noch,  mitten  unter  uns,  wäh- 
rend entartete  Slaven  den  Raub  der  alten  Hellenen  zertreten  und 
die  heutigen  Italiener  mit  den  alten  Römern  wenig  zu  schaffen  ha- 
ben. Wir  betrachten  es  wohl  als  einen  Vorzug  des  Bumüller'schen 
Lehrbuches,  dass  es  die  Geschichte  Israels  verhältnissmässig, umfas- 
send gibt  (VU.  Kapitel:  Israel,  die  Zeit  der  Wanderungen,  Israel 
in  Palästina,  seine  Verfassung,  die  Richter  von  Josua  bis  Sani,  dai 


540  BamOller:    Weltffetehichte. 

Königtbum:  Saal,  David,   Salomo,  Roboem  und  die  Theilong  dm 
Reiches,  Reich  Israel,  Reich  Juda,  das  babyloniacbe  Exil). 

Das  2.  Bach  behandelt  die  Perser  und  Griechen,  den  8ieg 
Enropas  über  Asien,  das  3.  die  Geschichte  der  Römer  bis  auf  Aa* 
l^stas.  Diese  Partie  des  Werices  hat  grosse  Anerkennang  gefan- 
den  und  verdient  sie  in  vollem  MaAsse.  Es  ist  dem  Verfasser  ge- 
lungen, das  classische  Alterthum  würdig,  sachkundig  uud  geistreich 
darzustellen;  er  hält  das  richtige  Maass  zwischen  der  Vergötternni^ 
der  alten  Hellenen  und  Römer  einerseits,  ihrer  Verketzernng  an- 
derseits, desshalb  hat  sein  Werk,  weil  ihm  die  antike  Weltanschauung 
vollkommen  klar,  die  christlich  positive  vollkommen  wahr  ist  — 
einen  Vorzug,  der  leider  nur  gar  zu  selten  angetroffen  wird.  Der 
politischen  und  namentlich  der  Oulturgeschichte  der  beiden  dassischea 
Völker  ist  grosse  Sorgfalt  gewidmet,  der  Wechselwirkung  in  dv 
Wirklichkeit  entsprechend,  werden  beide  Seiten  der  historischen  Be- 
trachtung hSufig  ineinander  verwoben.  Die  in  Thatsachen  fortlau- 
fende Darstellung  der  gesellschaftlichen  Znst&nde  der  alten  Welt 
setzt  besser  als  jedes  Raisonnement  in  Stand ,  die  Licht*  und  Schatten- 
seiten, den  wachsenden  Zerfall  und  das  Elend  der  tüchtigsten  und 
genialsten  Repräsentanten  unseres  Geschlechtes  vor  der  Offenbarung 
durch  Christus  richtig  zu  würdigen.   — 

Das  bekannte  Geständniss  des  Livius  vom  Elende  seiner  Zeit 
Ist  die  triftigste  Antwort  auf  jene  humanistischen  Behauptungen,  die 
als  gescheid,  gut  und  bewundernswürdig  nur  gelten  lassen,  was  dem 
heidnischen  Athen  oder  Rom  angehört. 

Die  4  ersten  Kapitel  des  zweiten  Buches  behandeln  die  Stif- 
tung des  Perserreichs  durch  Cyrus,  das  Ende  des  Krösus,  die  Un- 
terwerfung der  kleinasiatischen  Griechen,  Babylons  Sturz,  die  Heim- 
kehr der  Juden,  Cyrus  Ende,  die  Eroberung  Ae^yptens,  Darios  Hy- 
staspis  und  die  Ordnung  seines  Reiches  sowie  Zoroasters  Lichtreli- 
gion mit  ihrem  wohlthätigen  Einflüsse  auf  den  Landbau,  menschliche 
Krfegsführung  u.  s.  w.  Wie  fast  bei  jeder  Gelegenheit  wird  auch 
hinsichtlich  der  Pelasger,  der  Heroen  u.  s.  w.  den  Ergebnissen  der 
neuesten  Forschungen  Rechnung  getragen,  Vater  Homer  als  Hel- 
denbuch und  Reiigionslehrer  seines  Volkes  selbst  dem  minderbegab- 
ten  Schüler  interensant  und  verständlich  gemacht;  was  über  die  grie- 
chische Nationalität,  die  Götter  und  deren  Feste,  die  Orakel  und  My- 
sterien, die  ältesten  Dichter  und  Philosophen  der  Hellenen  hier  aof 
5  Seiten  (91 — 96)  gesagt  wird,  schlägt  laut  der  vielfältig  erprobten 
Ueberzeugnng  des  Referenten  besser  an  als  die  Leetüre  manches 
dickleibigen  Werkes. 

Wir  beschränken  uns  daran/,  noch  einige  in  der  That  ebenso 
allgemein  verständliche  als  interessante  Schilderungen  zu  bezeichnen: 
Verfassung  des  Lykurg  (S.  97— 102),  Gesetzgebung  des  Selon  (105 
«-110),  Athen,  die  erste  Stadt  Griechenlands,  Zeitalter  des  Perikles 
(127  —  140),  die  griechischen  Philosophen  und  Sophisten  (163— 172), 
das  ganze  15.  und  16.  Kapitel,  die  Geschichte  Philipps  von  Malce- 
donien  und  Alexander  d  G.  enthaltend  (172 — 190). 


BoMttller:    Weltgeiciüehte.  541 

In  der  römischen  Geechichle  bat  der  Verfasser  noch  mehr  als  in 
der  griechischen  Gelegenheit  gehabt,  sein  aussergewöhnlicbes  Talent  su 
leigeo,  längst  entschwundene  und  fremdartige  Zustände  jedem  Schüler 
begreiflich  au  machen  und  au  vergegenwärtigen;  und  er  hat  diese 
Gelegenheit  trefflich  benutzt.  Die  Entwiciclung  der  römischen  Ver- 
isssung,  ihr  lebendiger  Zusammenhang  mit  der  äussern  Geschichte 
ist  hier  besser  als  irgendwo  dargestellt;  die  Heldengestalten  Hanni- 
hals  nnd  der  Scipionen  sind  mit  eben  so  viel  Verstand  als  Liebe 
gezeichnet  (S.  153  ff.),  die  Schilderung  der  Zustände  zur  Zeit  der 
Gracchen  (272 — 280)  befriedigt  in  jeder  Hinsicht,  ebenso  die  der 
eatilinariscben  Verschwörung  (293— 296),  beide  könnten  als  Mustei^ 
Stücke  gelten,  wie  dies  dem  Abschnitte  „die  Erfüllung  der  Zeit'' 
(323—334)  schon  mehrfach  widerfuhr.  Letzterer  gehört  bereits 
dem  4.  Buche  an.  Dieses  beginnt  mit  der  Schilderung  des  Umfan- 
ges  des  römischen  Reiches  zur  Zeit  des  Augustus,  der  Gewalt  der 
Cäsar  Augnstus,  redet  vom  Senate,  dem  Volke  und  der  Weltstadt  Rom| 
vom  Kriegs-  und  Finanzwesen,  von  den  Provinzen  und  den  verschie- 
denen Nationalitäten,  endlich  vom  goldenen  Zeitalter  der  römischen 
Literatur.  Christus  wird  als  Mittelpunkt  der  Universalgeschichte  an« 
erkannt,  der  Ausbreitung  des  Ghristenthums  und  der  Herrschaft  der 
Cäsaren  ist  der  ganze  Rest  des  1.  Bandes  gewidmet;  Welt-  nnd 
Kirchengeschichte  erscheinen  uns  hier  jedoch  zu  wenig  verbunden, 
die  Kirche  findet  vorherrschend  nur  als  emporwachsende  politische 
Macht  Beachtung,  die  Geschichte  der  Cäsaren  ist  überhaupt  etwas 
flüchtig  abgethan,  doch  Kapitel  wie  über  die  Christenverfolgungen, 
Machblüthe  der  römischen  Literatur,  Julianus  apostata  versöhnen 
mit  jenem  immerhin  noch  zu  verbessernden  Missstande.  Mit  dem 
Nachweise,  dass  Rom  keineswegs  durch  einen  Nationalkrieg  der 
Deutschen  in  Trümmer  ging,  stehen  wir  am  interessanten  Schlüsse 
des  Buches,  das  als  ein  wirklich  vortreffliches  sich  bereits  Bahn 
gebrochen  hat  und  noch  mehr  brechen  wird,  obwohl  es  so  wenig 
als  irgend  ein  anderes  Buch  der  Welt  von  jeder  Archillesferse  frei 
ist,  oder  je.  frei  zu  werden  vermag. 


GeäcMehte  der  Baukunst  und  Bildhauerei  Venedigs  von  Oscar 
Mothes,  Architekt.  Ztrei  Lieferungen,  Mit  zahlreichen  (bis 
jetst  47)  Holzschnitten  und  Radirungen,  Leipzig,  Friedrich 
\oigt.     1857,     96  8,  in  gr.  8. 

Das  Unternehmen,  dessen  erste  Lieferungen  uns  hier  vorliegen, 
erscheint  als  ein  eben  so  wichtiges,  wie  nützliches;  bei  der  Bedeu* 
tong,  welche  Venedig  auf  dem  Gebiete  der  Kunst  einnimmt,  bai 
dem  reichen  Schatz  von  Kunstwerken,  die  es  in  sich  schliesst,  nnd 
dem  grossen  Umfang  seiner  Bauwerke,  die  hier  sich  länger  erlialten 
haben,  als  an  andern  Orten  nnd  ein  Zeugniss  ablegen  können  der 
Terschiedenen  Formen,  in  welchen  die  Baukunst  hier  das  ganze 
Mittelalter  hindorch  sieb  versacht  bat|  wird  die  (feschichtUche  Dm^ 


642  Mothes:    Geschiebte  der  Baukunst  Venedi||f*s. 

stelloDg  der  io  diese  Gebiete  fallenden  Werke,  eine  wesentliche  Lücke 
in  der  Geschichte  der  Kunst  ausfüllen  können,  zumal  wenn,  wie  die» 
hier  der  Fall  ist,  ein  erfahrener  nnd  wissenschaftlich  gebildeter  Ka&st- 
1er,  der  Alles  an  Ort  nnd  Stelle   in   Folge   eines   längeren   Aufent- 
haltes untersucht  und   abgezeichnet   hat,   einer   solchen   Arbeit  sidi 
unterzieht,   die  natürlich  auch  mit   den  nöthigen  bildlichen  Darstel- 
lungen versehen  sein  muss.     Auf  zwei    Bände   ist   das   Ganze  be- 
rechnet; die  vorliegenden  beiden  Lieferungen  bringen  ausser  der  Ein* 
Jeitung,  die  einen  geographischen  Ueberblick  der  Lokalitäten  enthält, 
den  ersten  Abschnitt,  der  die  ältere  Kunst  behandelt,  von  den  ersteo 
Anfängen  Yenedig's  an  bis  zu  dem  Jahre  864  p.  Chr.  n.  und  einen 
TheSl  des  zweiten,  der  die  mittelalterliche  Kunst   bis   in    die   Mitte 
des  fünfzehnten  Jahrhunderts  darstellen  soll;  der  zweite  Band  wird 
in  vier  Abschnitten   die  Zeit   der  Renaissance,   der  Cinquecentisten, 
den  Verfall  und  das  Sinken  der  mittelalterlichen  Kunst,  so  wie  die 
moderne  Kunst  (von  1750 — 1844)  darstellen.     Die  bildlichen  Dar- 
stellungen sind,  wie  man  aus  diesen  ersten  Lieferungen  ersieht,  als 
Holzschnitte  dem  Werke  eingedruckt,  zur  Erläuterung  des  im  Texte 
Gegebenen:  ihre  Ausführung  kann  als  vorzüglich  bezeichnet  werden; 
es  sind  eben  so  wohl  Pläne  einzelner  Bauwerke   und  deren  Theile, 
als  Abbildungen  dieser  Werke  selbst,  wie  einzelne  Theile,  je  nach- 
dem der  Raum   diess   verstattete.     In   dem   bemerkten   ersten  Ab* 
schnitte  ist  es  also  die  ältere  christliche  Kunst,   welche  hier,  zamal 
in  dem  Bau  dör  Kirchen,   vorgeführt   wird   und   ist   hier   besondere 
Rücksicht  auf  die  Bauten  des  nahen  Ravenna ,  welche  in  diese  Zdt 
fallen,  genommen,  so  wie  auf  die  Basiliken,   als   die  älteste   Form 
der  christliche  Kirche  in  jenen  frühern  Jahrhunderten:  unter  andern 
ein  genauer  Plan  und  eine  Beschreibung   der  grossen   Basilica  San 
Apoliinare  in  Classe,  drei  Miglien  von  Ravenna  gegeben,  eben  weil 
dieses  nm  534  fallende  Bauwerk  den  voUändigsten  lateinischen  Ba- 
silikentjpus  darstellt.    Der  Verfasser  geht  dann  weiter  über  auf  das, 
was  die  Lagunenstadt  selbst,  seit  sie  ihre  völlige  Freiheit   und  Un- 
abhängigkeit erlangt  hatte,  von  Werken  dieser  Art  bietet,  insbeson- 
dere auf  die  erste   Anlange   der   St.  ^{arcuskirche ,    und    was   sonst 
noch  in  diese  erste  Periode  der  venetianischen  Kunst  fallen   dürfte. 
Dahin  gehören  die  Kirche  S.  Giacomo  di  Rialto,   Santa  Fosca 
auf  Torcello   um  970,    der  Dom  von  Murano,    der  schon  in  einem 
Documente  des  Jahres  999  vorkommt,  aber  seitdem  so   mancherlei 
Restaurationen  erlitten,  dass  von  dem  ursprünglichen  Bau  wenig  mehr 
erhalten  ist,  als  die  Disposition  und  die  dem  Hauptcanal  zugekehrte 
Aussenseite  des  Ghorbaues:  es  ist  von  dieser  Aussenseite   eine  Ab- 
bildung (auf  Tab.  IL)  beigegeben,  die  obwohl  nicht  in  Farben  — 
d^n  die  Farbenwirkung  dieses  Baues  soll  nach  der  hier  gegebtfieD 
Versicherung  eine  ausserordentliche  sein  —  doch  in  der  That  g^ 
nügt,  nm  einen  grossen  Eindruck  hervorzubringen.    Der  Verfasser 
geht  dann  in  eine  nähere  Beschreibung   der  Einzelheiten   ein  und 
adgt,  wie  nns  Manches  davon  eben  so  sehr  an   die  Mosdiemt  tob 
Toloun  m  Kairo,  wie  an  die  saracenisch^normannisehen  BMt<o  Si- 


Motbes:    Geaduehte  der  Bankonst  Veoedit'f.  S48 

eiliaD's  so  erinnern  vermag,  und  wie  es  überhaupt  gekomaaeD,  daes 
der  spSt  romanische  Styl  auf  den  reoetianisefaen  Inseln  eine  gewisse 
orientalische  Färbung  angenommen  und  dadurch  einen  ganz  andern 
Entwicklungsgang  eingeschlagen,  als  auf  dem  Festlande  Italiens :  die 
Art  und  Weise,  in  welcher  su  Venedig  die  Rundbogenform  allmähiig 
in  den  Spitsbogen  überging,  kann  dazu  einen  Beweis  liefern  (S.  54). 
Neben  den  kirchlichen  Bauten  werden  aber  auch  die  wenigen 
Beste  ausserkirchlicher  Gebäude  in  Betracht  gezogen,  welche  Vene* 
dig  aus  jenen  Zeiten  aufauweisen  hat,  insbesondere  der  Fondaeo  di 
Turcfai  und  mehrere  Paläste  und  Privatgebäude,  welche  sämmtlich 
mehr  oder  minder  Zeugniss  geben  von  dem  grossen  Einfluss  orien- 
tslischer  Formen  auf  die  Kunst  Venedig's;  dann  aber  geht  der  Ver- 
fasser über  SU  dem  Hauptdenkmal  venetianischer  Baukunst,  dem 
Dom  zu  S.  Mar^o  (S.  68  ff.),  dessen  genaue  und  detailiirte  Beschrei- 
bung in  den  vorliegenden  Tb  eilen  des  Ganzen  noch  nicht  volleüdet 
erscheint«  Die  erste  Anlage  dieses  Baues  knüpft  sich  an  die  Ueber- 
bringung  des  Leichnams  des  h.  Marcus  nach  Venedig  (828  oder 
831),  mag  auch  auf  demselben  Platze  bereits  (532  oder  553)  schon 
ein«  Kirche  (San  Teodoro)  gestanden  haben  oder  nicht;  nachdem 
in  diesem  Juhriiundert  auch  der  Bau  vollendet,  brannte  im  folgen- 
den (976)  das  Ganze,  das  wahrscheinlich  von  Holz  aufgeführt  war^ 
ab ,  um  dann  in  grösserer  Pracht  und  Solidität  von  Neuem 
alsbald  wieder  aufgeführt  zu  werden.  Die  Vollendung  des  neuen 
Baues  scheint  aber,  der  Hauptsache  nach  wenigstens^  erst  um  1071 
ni  fallen,  unter  den  Dogen  Silvio  oder  Seivo,  der  zur  Ausschmückung 
der  Kirche  Alles  zusammenbringen  liess,  von  nahe  und  ferne,  was 
dazu  dienen  konnte:  Werke  der  antiken,  wie  der  darauffolgenden 
christlichen  Zeit,  Gegenstände  heidnischer  Tempel,  altchristlicher  Kir- 
chen und  muhamedanischer  Bauten.  ^So  wurde,  sagt  der  Verfasser 
(S.  69  f.)  in  den  Details  der  Marcuskirche  ein  buntes  Durcheinan- 
der TOB  griechischen,  römischen,  altchristlichen,  byzantinischen,  ara* 
bischen  und  selbst  vorciassisch  asiatischen  Formen  erzeugt,  welches 
vereint  mit  der  Mischung  der  frühromanischen  und  byzantinischen 
Elemente  in  der  Anordnung  der  Hauptmassen  dem  Ganzen  ein  eigen- 
thümlich  fremdartiges  Gepräge  gibt.  Trotz  dieses  Vermengens  so 
heterogener  Elemente  ist  aber  doch  durch  die  grossartige  einfache 
Klarheit  der  Hauptanlage,  durch  die  Verwendung  gleichartig  präch- 
tigen Materials,  durch  geschickte  Vertheilung  der  fertig  zufliessen- 
den  TheilCf  durch  fein  gefühlte  Abwägung  der  Farbenwirkung,  durch 
kluge  Verwendung  des  Goldes  am  gehörigen  Orte  und  endlich  durch 
die  gleichmässige  Einwirkung  der  Zeit  auf  die  Farben  und  Formen 
dieses  Baues  seine  Wirkung  eine  solche,  daas  man  sie  durchaus  nicht 
unharmonisch  nennen  kann ;  auf  den  unbefangenen,  nicht  analysiren- 
den,  krittehiden  Beschaaer  macht  der  Anblick  dieser  Kirche  einen 
überwältigenden,  zauberhaft  ergreifenden  und  hinreissenden  Eindruck 
und  auf  den  ersten  Anblick  glaubt  man  den  Bau  in  einem  gana 
besondem,  vorher  nicht  gekannten  Styl  ausgeführt,  während  bei 
näherer  Betrachtung  die  Elemente  der  einzelnen,  darin  yertreteneo 


544  Mothe«:    Gefchiebte  der  Baukaiitt  Venedif's. 

Style  allmählig  sich  sondern  und  die  Entstehnngsweise  dieses  Ban« 
ahnen  lassen.''  Wer  wird  nicht  gern  dieses  Urtheil  onterschrdbeo, 
und,  wenn  er  anders  ja  die  Schwelle  dieses  Domes  betreten,  den 
gewaltigen  Eindruck  gefühlt  haben,  den  dieses  grussartige  Denkmal 
in  der  Seele  eines  Jeden  erregen  muss. 

Der  Verfasser  bat,  bevor  er  zu  der  Beschreibung  dieses  Domes 
nach  seinen  Eincelnheiten  übergeht,  auch  die  Frage  nach  dem  Mei- 
ster, der  dieses  Werk  aufgeführt,  einer  näheren  Untersuchung  unter- 
worfen, die  auch  ihn  als  einen  entschiedenen  Gegner  der  Ansicht 
betrachten  lasst,  welche  den  Architecten  von  S.  Marco  aus  Gonstan* 
tinopel  verschrieben  werden  lässt;  er  seigt  an  einer  Reihe  tob 
Gründen  die  Unhaltbarkeit  dieser  Ansicht,  er  weist  vielmehr  nach, 
wie  wir  hier  mit  dem  Werke  eines  Mannes  su  thun  haben,  welcher 
sein  Talent  in  Venedig  selbst  gebildet  hatte,  ^^auf  den  der  damalige 
Zustand  byzantinischer  Kunst  weniger  Einfluss  übte,  als  der  um  an- 
derthalb Jahrhunderte  früher,  aus  dessen  Influirung,  vereint  mit  an- 
dern Einflüssen,  auf  die  früheren  Bauten  Venedig's  jene  Vermischnng 
romanischer  und  byzantinischer  Formen  hervorgegangen  war,  die 
zwischen  der  spätromanisehen  und  byzantinischen  stehend,  doch  von 
beiden  wesentlich  unterschieden  ist  durch  die  bloss  In  Venedig  mög^ 
liehe,  aber  dort  auch  unvermeidliche  Umgestaltung  nach  den  eigen- 
thümlichen  nationalen  und  lokalen  Verhältnissen  der  Lagunenstadt '^ 
So  der  Verfasser  S.  72,  dessen  Ansicht  über  einen  so  wichtigen  Punkt 
wir  lieber  mit  dessen  eigenen  Worten  hier  mitthellen  wollten. 

Der  Verfasser  gibt  nun  zuerst  den  genauen  Grundriss  der 
Kirche,  und  geht  nach  den  darauf  bezüglichen  Erörterungen,  dann 
zu  der  Beschreibung  des  Baues  selbst  über,  zuerst  der  Aussenseite, 
dann  der  Vorhalle,  und  darauf  des  Innern  der  Kirche,  des  Haupl- 
altars,  des  Stuhles  von  Marcus,  den  er  nach  Technik  und  Zeichnung 
als  ein  Werk  des  X. — XI.  Jahihunderts  betrachtet,  das,  wenn  mao 
vom  Material  und  den  dadurch  bedingten  Modificationen  der  Formen 
absehe,  sehr  viel  Aehnliches  von  den  alten  hölzernen  Biscbefsstob- 
len  in  den  Holzkirchen  Norwegens  habe;  was  nun  freilich  gar  nicht 
zu  denjenigen  Ergebnissen  stimmt,  zu  welchen  Pater  Secchi  in  sei- 
nem umfassenden  1853  zu  Venedig  erschienenen  Werke  über  diesen 
Stuhl  gelangt  ist,  wornach  wir  hier  ein  Denkmal  vor  uns  haben, 
das  bis  in  die  älteste  Zeit  der  Christenheit  hinaufreicht,  der  aocb 
die  an  diesem  Stuhl  angebrachte  Inschrift  zuzuweisen  ist,  so  daas 
in  keinem  Fall  von  einer  so  späten  Zeit,  des  zehnten  oder  eilAen 
Jahrhunderts,  hier  die  Rede  sein  kann. 

Wir  wünschen  dem  Unternehmen,  das  sich  eine  so  schöne  Aof- 
gäbe  gestellt,  und  diese  in  einer  so  befriedigenden  Welse  in  den 
vorliegenden  Heften  auch  durchgeführt  hat,  einen  raschen  Fortgang 
und  eine  günstige  Aufnahme  von  Seiten  des  Publikums,  weil  es 
dieselbe  in  der  That  rerdient  Der  mehrfach  in  der  ersten  Lieferang 
vorkommende-  Schreibfehler  BizanZ|  bizantinisch  wird  zu  beriditigen 
sein. 


Ir.  K.  REIDElBEReBK  IM. 

JAHRBOGHBR  dir  LITERATUR. 

Literaturberichte  ans  Italien. 


Ea  wird  auffalleD,  d«M  unser  Bericht  sich  mit  einem  Msdehen  yod  kaum 
12  Jahren  beichfiftift,  einer  Dichterin,  Marianne  Costa  di  Prato  ^),  welche  Yon 
bedentendem  Talent  Zeuffoiss  gibt;  achon  froher  erregte  in  Neapel  eine  nicht 
Ütere  GioTannina  Milli  grosse  Bewunderung,  wobei  man  an  den  ISjihrigen 
Yalerini  Pndens  erinnert  wird,  der  lur  Zeit  Trajans  bei  den  OTympischen 
Spielen  den  Preis  als  Dichter  erhielt. 

Eine  Wochenscifrift  für  Wissenschaft,  Kunst  und  Industrie,  das  Echo  tob 
Europa*),  hat  schon  ihr  «weites  Jahr  erreicht,  was  in  Florens  selten  vor- 
kommt; dort  leben  so  viele  Fremde  im  Rausche  der  VergnOgungen,  dass  die 
Wissenschaften  sich  mehr  surücksiehen  aber  mitunter  sehr  Ernstes  leisten. 

Eine  mehr  den  Thaten  gewidmete  Zeitung,  welche  2  Mal  die  Woche  in 
Tnrio  erscheint,  wird  von  einem  recht  tüchtigen  Literaten,  Herrn  PaggialH, 
redlgirt  und  giebt  ausser  literarischen  und  Kunst-Nachrichten  hauptsSchlich  ~ 
Biographien  von  ansgeseichneten  Künstlern  und  Künstlerinnen,  von  den  Lei- 
stungen der  verschiedenen  Theater  in  Italien  und  dem  Auslande,  und  hat  den 
Titel  Trovatore  angenommen  «O* 

Die  grosse  Yonu-Bibllothek,  welche  die  Buchhandlung  Pomba  in  Turin 
vor  ein  paar  Jahren  angefangen,  ist  jetzt  schon  bis  su  120  Bänden  fortge- 
schritten*). Der  Preis  ist  so  niedrig,  dass  der  Druckbogen  nur  5  Pfennige 
betrigt,  wobei  die  Ausstattang  sehr  gut  und  die  Auswahl  ebenfalls  befriedi- 
gend ist.  Das  letzte  Werk  ist  die  Literaturgeschichte  seit  der  Wiederherstet- 
Inng  der  Wissenschaften  von  Corniant,  fortgesetzt  von  Predari*).  Von  Ue- 
berseiaungen  aus  dem  Deutschen  befinden  sich  in  dieser  Sammlung  K1opstock*8 
Messias,  Schiller's  historische  Schriften  und  Duller's  Deutschland. 

Dieselbe  Buchhandlung  giebt  jetzt  bereits  die  8.  Ausgabe  der  Universal- 
Gesehichte  von  Cesare  Cantu  heraus  ^,  Die  früheren  Ausgaben  in  10  Bandes 
kosteten  102  Franken  (wieder  ein  Beweis,  dass  die  vornehmen  und  reichen 
Italiener  Bttcfaer  kaufen),  die  jetzige  wird  12  Bände  enthalten. 

Eine  Gesellschaft  von  Rechts-Gelehrten,  an  deren  Spitze  die  beiden  Nea- 
politaner Mancini  und  Scialoja  stehen,  geben  einen  Commentar  zu  der  nenen 


^)  Poesie  di  Marianna  Costa  di  Prato.  Catanea  185Ö. 

S)  L'Eeo  d'Europa.  Firense.  1855. 

')  II  Trovatore,  giornale  artistico  letterario.  Torino.  1855.  Anno  11«,  mit 
Porlraita  und  satirischen  Darstellungen. 

*)  Nnova  Bibliotheca  popolare.  Vol.  CXX.  1855.  Tip.  Pomba. 

^  Comiani,  i  secoli  della  letteratnra  Italiana  doppo  il  suo  risorgimento, 
continoata  per  cura  di  F.  Predari.  YoL  V.  Tip.  Pomba,  jetzt  unter  der  Firma 
rUnione  tipografica.  Editrice  Torinese.  1855. 

^  Storia  universale  decavaliere  Cesare  Cantu;  ottava  edizlone  1»  piu  eco- 
nomica.  Torino.  1855,  ibid.  Die  Seite  wird  zu  1  Pfennig  berechnut,  derBogc^n 
also  nur  iVa  Sgr. 
L.  Jahrg.  7.  Heu,  99 


ffHt  IttertttrUHtlile  ai|  Ildien. 

SardiniicheD  Proieif-Ordnung  heraus»  welcher  in  mehreren  Bftnden  betteliead 
25  Thir.  kostet^).  Von  den  Tnriner  Reehtsfrelehrten  ist  es  besonders  Pisnseli, 
welcher  Bei  diesem  anerkanDt  flfrUndlichen  Werke  bethei1i|;t  ist. 

AnMevaeni  wim  Ten  flenaelneB  uelebfieB  eme  snmvnni^  ws  cFO^b^ 
Formularen  herausgegeben  ^), 

Eine  Monatsschrffl  encyelopSdischett  ItthaICs  wird  Yon  Giaseppe  1a  Farina 
in  Turin  herausfregeben  ^«  Hiebei  bemerken  wir,  dass  auf  den  unglttcklichen 
Umstand  des  Weglassens  eines  Saties  in  Nr.  126  des  Magasin  d^  L»  d.  Aus- 
landes eine  Verwechselung  mit  dem  Statistiker  Ferrara  Torgefallen  iet,  welehtr 
die  grosse  Bibliothek  der  Oeconomisten  herausgiebt. 

Ein  wissensehafklich  technisches  Lehrbuch  des  Ackerbaues  yon  Berti-Pichal 
in  6  grossen  BAnden,  mit  1800  eingedruckten  Abbildungen,  erscheüal  in  der- 
selben thfttigen  Buchhandlung^). 

Der  geschickte  Professor  der  Chemie  an  der  Univ<ersitüt  in  Turyn,  de 
Selmi,  giebt  die  Vorlesungen  über  die  Ackerbau-Chemie  von  Halaguti  heraus^). 

Eine  Fortsetiung  dieser  Vorlesungen  des  Malaguti,  Professer  sn  Renueiy 
giebt  der  Professor  Carlevaris  in  italienischer  Uebersetiung  heraus^). 

Eine  kurae  Einleitung  in  die  Ackerbau-Chemie  hat  der  obengenannte  Pro- 
fessor Selmi  herausgegeben.  Man  sieht,  dass  die  hiesigen  Gutsbesitzer,  obwoU 
sie  gewöhnlich  ihre  Güter  in  einseinen  Hofen  Terpacbten,  doeh  mit  der  Ver- 
besserung des  Ackerbaues  beschftftigt  sind ;  es  werden  daher  die  PacbtrertrSga 
gewöhnlich  so  gestellt,  dass  der  Pachter  sich  nach  den  Anweisnngen  des  Var- 
pflchters  lu  richten  habe^. 

Derselbe  Professor  Selmi  hat  eine  Mineral-Chemie ''J  und  auch  eine  Org»' 
nische  Chemie^  herausgegeben;  und  in  Gemeinschaft  mit  dem  Profenaor  Ai^ 
pesani  die  Elementar-Chemie  von  Reynault  ttberaetit').  Ein  Hendbach  der  Cheak 
auf  die  Künste  angewandt  hat  Ascan  Sobrero  in  4  Banden  mit  vielen  Abbil- 
dungen herausgegeben  ^^'j  und  Vegessi  RnccaUa  eine  Uebersetsung  doa  Kate- 
chismus der  Geologie  und  Agrar-Chemie  von  B.  Johnston  ^K  Endlich  die  An- 
fangsgründe der  praktischen  und  theoretiachen  Geologie  des  Prof*  Collegno  ^ 


0  Gommentario  del  codice  de  procedura  civile  per  i  stati  Sardi.  Toriao. 
iaS5.  T^.  Ponba. 

*)  Formulario  agli  atti  di  procedura  dvtle.  ib. 

^  Rivista  encyclopedica  Italiana,  di  Giuseppe  la  Farina.  Toriao.  ib.  18(i& 

^)  Instituaioni  di  Agricoltura,  di  C.  Berti-Pichat.  1855.  ib. 

*)  Lezioni  di  chimica  agraria  di  Faustino  Malaguti.  ediaione  Itatiana  dd 
Pr«  Selon.  Torino.  186». 

^  Nuove  lesioni  ect.  versione  di  Prospero.  Carlevaris.  ib. 

>)  Principii  elemenCari  di  chimica  agraria  per  Antonio  Selmi.  ib. 

'}  Principii  elementari  di  chimica  minerale  per  Franeeeco  Scrfmi.  fidit. 
Pwba.  185^ 

^  Principii  elementari  di  chimicd*  organica  per  Fr.  Selmi.  id.  Beide  wlt 
vielen  Abbildaagen. 

*)  Corso  di  chimica  elementare  dt  M.  V.  Reynault,  tradusione  ttaliaaa  dd 
^r.  Sfimi.  id.  mit  1700  Abbildungen.  20  Franken. 

^^J  Manuale  di  Chimica  applicata  alle  arti  di  A.  Sobroro.  IV.  Vol.  id. 

^^)  Catechismn  di  Geologie  e  di  chimica  agraria  di  J.  Johnaton*  Tradotto 
da  G.  Vegeui-Raccalla.  id. 

^)  Elementi  di  Geologie  pratica  e  teorica  dall  Prof.  Giacinto  CoOegne.  ii 


LitenitfirWiclite  tas  Italleii.  54t 

Me  UnivenHit  cn  Törin  halte  BielB  gute  Latinisten,  ent  Bocheron  ond 
feinen  SeKöler,  Tomnoto  YelHrari.  Dieser  hat  ins  von  Anton  Basiarini  an- 
fefcofene  und  Yon  Bemard  Bellini  fortfi^efetzte  lateinisch  italienische  IfOrter- 
bnck  neu  durcbfeaehen  herausfrej^ben  ^).  * 

Ein  sehr  (rrOndliches  Werk  ttber  die  Reform  des  Gefangrnisswesens  ist 
Ton  dem  Director  des  Straffrefftni^nisses  soOnefrlia,  dem  Advoeaten  MinghelliO 
iwranafef^eben  worden.  Er  hat  seine  Erfabronf^en  mit  den  darüber  früher  er- 
ffUeneoen  Sehriflen  sorfrftltij;  verglichen,  nnd  in  diesen  beiden  Bttnden  eine 
»Irr  beaehlentwertbe  Arbeit  {^liefert.  Er  wiTf  alle  Strafen  in  Preiheits-Be- 
raybonf  verwandelt  wissen,  und  dabei  alle  infamirenden  Strafen  abschaflTen, 
Br  hitt  es  fkr  nothwendi|r,  die  Verbrecher  abzusondern,  httit  aber  das  Isoliren 
derselben,  nicht  für  das  einsiire,  noch  für  das  beste  Mittel  daiu.  Der  Verfasser 
hat  'in  10  fp'oasen  Kupfer-Tafeln  vorfresehlagen,  wie  ein  Geffln^iss  sweek-' 
■Isai^  einzoriehten  ist,  und  in  sefnero  Werke  (fanz  genaue  Anweisunji^en  für  dip 
YerwaltunfT  solcher  Gefünj^nisse  fregfeben.  Besonders  beachtenswerth  sind 
seine  VorschlS^re  darüber,  wie  das  Publicum,  besonders  die  Gemeinden,  %u 
dem  Endsweck  der  Bessern ngsbttuser  mitwirken  können,  wobei  freilich  von 
dem  Verfasser  Linder  vorausfresetzt  werden,  wo  überall  Gemeinden  ezistiren 
und  ein  ifemeinsames  Interesse  aller  Orts-Einwohner  stattfinden  kann.  Aul 
diesen  guten  Willen  Aller  rechnend,  giebt  er  Mittel  an,  wie  durch  die  Er- 
ziehung, durch  Aufsicht  auf  Unbeschäftigte,  auf  Verdilchtige,  Verbrechen  vor- 
gebeugt werden  kann,  nnd  endlich  wie  durch  Aufsicht  und  ünterstOtiung  der 
entltssenen  Sträflinge  auf  ihre  Besserung  eingewirkt  werden  kann,  indem 
ihnen  die  Veranlassung  genommen  wird,  durch  Elend  wieder  auf  schlechte  Wege 
EU  gerathen«  Der  Verfasser  setzt  hier  nicht  Beamte,  sondern  Staatsbürger 
voran«,  die  gleichea  Interesse  am  Wohl  Aller  haben  können. 

Sin  sehr  lesenswerthes  Werk  ist  in  diesen  Tagen  von  dem  berühmten 
Venettnner  Niceolo  Tommaseo  ttber  einen  Crhninalfall  in  Corfu  herausgegeben 
worden.  Er,  einer  der  Hiupter  der  Revolution  in  Venedig  im  Jahre  1848, 
war  dorthin  ausgewandert,  und  befand  sich  daselbst,  als  im  Jahre  1853  von 
Errichtung  einer  firemden  Legion  auf  den  Sieben  Inseln  die  Rede  war.  Die 
Bewohner  dieaes  griechischen  Freistaats,  die  gern  mit  dem  Königreich  Grie- 
chenland verbunden  wfiren,  welches  stets  die  HolTnung  nährte,  sich  noch 
Weiter  ausdehnen  lu  können,  sind  durchaus  Russenfreundlich  und  standen 
stets  mit  den  Agitatoren  gegen  die  Türken  in  Verbindung,  welche  anch  die  be- 
kannte Maassregel  wegen  Paeifieo  veranlassten,  als  England  erfuhr,  dass  da- 
nnrlf  sekon  eine  Revolution  gegen  die  türkische  Regierung  angebahnt  worden 
war.  Bei  dieser  Stimmung  der  Corfioteo  gab  es  mit  den  auf  jenen  sieben 
Inseln  lebenden  Italienern,  die  sich  als  Nachbarn  dort  aufhielten,  um  so  piehr 
starke  Reibungen,  da  diese  eben  nicht  sehr  russisch  gesinnt  sind,  auch  die 
Vericiriedenheit  der  Religion  dieser  Insel  die  Griechen  mehr  zu  Russland  hinzieht. 
Bei  einem  solchen  Wortwechsel  wurde  ein  Grieche  erstochen,  und  ein  Ita- 


^}  Vocabnlario  Universale  latino  italiano  e  italiano  latino,  riveduto  per 
Cavaliere  Tommaso  Vallauri.  Torino.  1855»  Edit.  Pomba. 

^  Sulla  riforma  delle  careeri  e  l'assistenia  publica,  saggio  Hell'  avvo- 
eato  Giovinni  Mingfaelli,  Direttore  del  penitenzionnrio  d'Oneglia.  Torino,  presjo 
Ginseppe  Bocca*  II.  Voll. 


m  Literfttarbericbte  auf  tulieo, 

liener  defhalb  lum  Tode  verurtheilt.  Der  gelehrte  TommMeo  hat  aieh  dei 
Hing^erichteten  nach  ieinem  Tode  anjpeDooiBiieD,  und  in  der  DarstelUing  dei 
ProzeMoa  geffen  diesen  ieinen  Landamann  0  die  Ungerechtigkeit  dieaea  Er- 
kenntniaaea  daraathun  gesucht  £in  wahrhaft  edlea  Unternehmen  fOr  einen  Hin- 
gerichteten, der  aich  nicht  einmal  dafür  bedanken  kann. 

Ein  grOaseres  Werk  von  dem  Botaniker  Franz  Ambroai  —  Flora  del  Ti- 
rolo  meridionale,  Padova.  Vol.  L  1856  —  aoll  noch  einen  zweiten  Band  er- 
halten. Der  gelehrte  Herr  Verfasaer  hat  hierin  beaondera  anf  die  Flora  Ita- 
liana  von  Pariatone  und  auf  die  deutsche  und  schweizeriache  tob  Koch  Benf 
genommen,  und  faaat  zugleich  ttberaichtlich  die  gesammte  Flora  von  dem  Adiia- 
tiacben  Meere  bia  zum  Liguriscben  Meerbusen  Ober-Italiena.  Von  Grasart» 
allein  aind  100  Speciea  angeführt. 

Ueber  die  in  der  Provinz  Friaul  wild  wachaenden  Pflanzen  hat  sckoa 
A.  G.  Pirona  zum  Behuf  dea  Gymnaaii  zu  Udine  eine  Botanik  unter  dem  Titel: 
Florae  Forumjnliensis  Syllabus,  zu  Udine  1856  herausgegeben. 

Ein  anderer  rühmlich  bekannter  Botaniker  Italiena,  Herr  Mnaanlongo,  kat 
eine  Monographie  der  Lichen-Arten  beaondera  in  der  Gegend  von  Yeraai 
unter  dem  Titel:  Simmicta  Lichcnum  novorum  vel  minua  cognitornm,  Veroai. 
1856,  und  eine  andere  Monographie  Über  fossile  Nereiden  ebendaaelbst  er- 
scheinen lassen  (Monografie  delle  Nereidi  fossili  del  M.  Boica,  mit  6  Kapfer' 
tafeln),  welche  aich  auf  dem  Berge  BoIca  finden» 

Im  Ganzen  acheinen  in  Italien  weniger  Romane  geachrieben  zn  werden, 
als  in  Deutschland;  es  scheint,  als  wenn  der  Italiener  zu  emathaft  fbr  so 
leichte  Waare  sei.  Allerdings  mögen  in  Italien  weniger  gelehrte  Werke  er- 
scheinen, allein  im  Ganzen  herrscht  mehr  Würde,  wenigatena  mehr  Anataad; 
man  befindet  sich  stets  in  guter  Geaellachaft.  Man  mag  manchmal  nnseia 
Kraft  Genies  dort  vermissen,  dafür  findet  man  aber  nie  einen  bnrachikosea 
Auadruck,  der  in  Deutachland  manchmal  mit  unter  läuft.  Dieae  Gedaakei 
fielen  uns  ein,  ala  wir  einen  neuen  Roman,  die  Denkwürdigkeiten  eines  Laad- 
mannes,  von  einer  Schriftatellerin  in  die  Hand  nahmen;  er  ist  zu  Veoedif 
unter  dem  Titel  „Le  memorie  di  un  Contadino,  scene  domestiche  di  Loifh 
Codemo-Gerstenbrandt,  tip.  Antonelli  1856^  erschienen.  Wer  nicht  z«  hahs 
Forderungen  an  die  Schilderung  einea  Familienlebena  macht,  wird  das  Back 
recht  gern  lesen.  Uebrigens  fangen  die  Frauen  in  Italien  an,  aich  jetzt  aishr 
als  sonst  zu  beschäftigen.  Wir  wollen  nur  die  Dichterin  Laura  Mancini-OUn 
erwähnen,  deren  Inea  für  ein  klassisches  Stück  gehalten  wird,  die  Oliaipii 
Savio-Roaai  und  Frau  Colombini,  welche  aämmtlich  in  Turin  sich  einen  aickt 
unbedeutenden  Namen  gemacht  haben.  Daselbst  können  wir  auch  ala  Liah- 
haberinnen  der  Maler-Kunst  erwähnen  die  Gräfin  Antoana,  Fräulein  Gerrasaai 
und  Frau  Melchioni-Tagliacarne.  Die  Müsse  zu  solcher  ausdauernden  Beschiß 
tigung  mit  den  Künsten  finden  die  Italienischen  Damen  hauptaächlich  ia  dar 
Art  ihres  Landlebens.  Der  Italiener  ist  vor  Allem  Stadtbewohner,  dort  ist  «r 
zu  Hause  und  geniesst  das  gesellige  Leben.  Auf  das  Land  zieht  er  sich  n^ 
rück,  um  einige  Monate  von  dem  Geränache  der  Welt  auazurnhen;  dort  fia<M 


^)  H  supplizio  d'nn  Italiano  in  Corfu,  eaposizione  e  diacuaaionO  di  Niocel* 
Tommaseo,  Pirenze.  1855.  Tip.  Barbera« 


Ul^rMorberfehle  tot  llall^tt.  M9 

ck«  bMi  ^m  feiolKfre  Üben  wie  in  deo  Undhiotern  Ea^aods,  Poletti  und 
selbH  DeoUehland«  stell,  sondero  man  lebt  dann  fraoz  fttr  sieb,  gani  fOr  die 
Fanilie,  selbst  um  fbr  den  Winter  Ersparnisse  su  maehen.  Weniger  ist  es  hier 
aneh  Sitte,  im  Sommer  die  Po*Bider  zu  besacheo,  obwobi  dasu  in  Italien  Gele- 
^enbeil  fonng  ist,  denn  die  Seebider  abferechnet,  hat  besonders  Ober-Italien 
die  aosfeaeiehneUten  Heilquellen,  wir  dürfen  nur  Aix  les  bains,  Courmajenr 
and  Aqai  erwihnen,  nebH  der  auf  Grafenber^er  Art  eingerichteten  Abtei 
Pesio  bei  Mondori  unter  dem  Col  di  Tenda.  Daher  fehlt  es  euch  nicht  an 
balneofraphischen  Schriften  in  Italien. 

Bine  solche  ist  die  Beschreibunf  des  Bades  tu  Valdieri  von  dem  Dr.  6a- 
reHi  (Valdieri  e  le  sne  aquo  per  Giovanni  Garelli.  Torino.  Tip.  Pranco.  1856] 
Diese  Heilquellen  von  64  Grad  Hitse  nach  Reanmnr  liegen  unter  den  Heer- 
Alpea,  welche  Plemont  von  der  Provence  scheiden,  in  dem  Thfile  von  Gesso, 
dessen  Gewisser  in  die  Stura  fallen.  Man  ipelanitt  hierher  mit  der  Eisenbahn 
nach  Cnneo,  und  von  dort  aber  Borge  di  8.  Dalraaiio.  Die  Umgegend  ist 
reisend  und  die  Anstalten  für  die  Besuchenden  hinreichend.  In  einem  herr- 
Kcben  Tbale  ist  das  Grabmal  Merlins,  freilich  nicht  des  berühmten  Zauberers  ans 
Schottland  von  Arthurs  Tafelrunde,  sondern  nach  einer  trefflichen  Romanze 
war  es-  ein  von  den  Barbaresfcen  bei  ihren  Landungen  an  den  KUsten  Italiens 
weggefahrter  srmer  Banernknabe.  Dieser  führte  sich  als  ScTave  so  gut  auf, 
dass  er,  nach  der  wahrhaft  patriarchalischen  Art  der  Huhamedaner,  welche 
ausser  dem  Kampfe  mit  ihren  Peinden  die  grOsste  Menschlichkeit  zeigen,  von 
seinem  Herrn  nach  einigen  Jahren  freigelassen  und  in  der  Magie  unterrichtet 
wurde.  Die  Wohlthfltigkeit  des  ungiftubigen  Herrn  ging  so  weit,  dsss 
sie  diesem  Fremdlinge  Mittel  zur  ROckkehr  in  die  Heimath  gab.  Hier  nahm 
er  den  Namen  Merlins  an,  naeh  dem  dritten  Gesänge  des  rasenden  Roland, 
and  gewann  durch  seine  Vorhersagungen  das  Vertrauen  von  Galeazzo  Vis- 
conti, bis  derselbe  in  der  Stephans  Kirche  zu  Mailand  ermordet  wurde.  Nach- 
her stand  er  in  giefcher  Gunst  bei  dem  Herzoge  Amedens  IX.  dem  Heiligen, 
and  zog  sich  in  diese  reizende  Einsamkeit  vor  seinem  Tode  zurttck. 

Satiren  sind  in  Italien  selten;  daher  wir  einer  eben  erschienenen  er- 
wihnen mUssen.  Der  Titel  dieser  literarischen  Seltenheit  ist:  Le  odierne 
Magie.  J  Taonulloni.  Sermoni  di  Anastasio  Bonsenso*  Milano.  1856.  Tip. 
Raetaelli.  Die  erste  dieser  Abhandlungen  geisselt  den  Glauben  an  die  in  den 
Tischen  wohnenden  Geister,  welche  in  Deutschland  und  Nordamerica  schon 
ganze  Binde  dictirt  haben.  In  Italien  hat  es  damit  keine  Noth,  dort  ist  nicht 
das  Land  der  Gespenster,  der  Kobolde,  der  Geistererscheinangen  und  Hexe- 
reien. Die  Italiener  beschuldigen  uns,  dass  die  nordischen  Barbaren  solchen 
Aberglauben  in  die  Religion  gebracht  haben,  welche  zuerst  lehrte,  die  Gesetze 
der  Kaiser  zu  achten,  bis  die  Kirche  die  Kaiser  sich  unterwarf,  nachdem  die 
Religion  in  der  Kirche  aufgegangen  war.  Das  Drehen  der  Tische  in  Italien 
beschiftigt  nur  wenig  und  dürfte  bald  vergessen  sein,  wenn  nicht  Beobachter 
des  Magnetism,  wie  Graf  Sanvitale  in  Genua,  und  der  Canonicns  dei  Gonsoni 
in-  Florenz  sich  veranlasst  ftthlen  sollten,  darüber  Forschungen  anzu- 
stellen. Die  zweite  Abhandlung  macht  sich  über  die  reichen  Lombarden  lustig, 
welche  ohne  Zweck  leben,  um  nichts  zu  thun,  als  um  gut  zn  leben,  d.  h.  den 
Sardanapal  zn  spielen.    Da  die  andern  Italiener  den  Lombarden  Bequemlichkeit 


IfiO  Ljiemtorbendkte  mm  iMüik«. 

und  Genuwsneht  vorwerfen,  nug  diese  Satire  nicht  olinn  Ceg><at«tid  Hf 
Ef  itt  aber  der  Zweck  der  Satire,  einen  nicht  nnbedeuteadftii  GogtnMn 
snm  Vorwurf  su  nehmen. 

Eine  ^allade  von  Ghiaoni,  „Maria  Avefno,  Ballata  di  Antonio  Gkisei 
Pavia  1856.  Tip»  Fusi**  i^efttlJt,  da  der  Dichter  sich  von  den  Ueberireibnnfi 
freigehalten  hat,  welche  man  an  den  Nachahmern  von  Prati  tadelk 

Eine  poetiache  Novelle  von  Rifhi  behandelt  die  Versehw6nui|f,  in  Fol| 
deren  der  Hersog  Gaieaazo  Maria  Sforaa  an  der  Schwelle  der  Stefans  Kird 
ermordet  wurde,  unter  dem  Titel:  „Bice  Olgiata,  oanti  ^oatro  di  fitftore  Se 
pione  Ri|^hi.  Yerona  1855.  Tip.  Antonelli^,  man  findet  die  Spraehe  mitanU 
etwas  vernaoblilssigt. 

Ein  Gedicht  von  Bnono  „La  Donna,  carme  di  Michele  B«oao«  Triecli 
1856.  Tip.  del  Loyd^,  seift  den  Einfluss  der  Frauen  im  bftnalichen  «ad  Fi 
milien-Leben,  so  wie  in  der  Geschichte. 

Ein  geschichtlicher  Roman  von  Venesta,  „Corrado  o  il  castello  4i  Teglii 
di  Feiice  Venesta.  Milauo.  1856.  Tip.  Bononi",  findet  keinen  besonderen  Beifal 

Dagegen  erfreuen  wir  uns  einer  neuen  Gabe  des  gelehrten  Bibliotheksi 
Thomas  Gar,  welcher  aus  der  Geschichte  des  Fttrstenthums  Trient  einen  deiA 
würdigen  Abschnitt  mittheilt.  Der  Verfasser  ist  nflmlieh  mit  der  Geschicbi 
dieses  FUrstentbums  beschäftigt,  wosu  ihn  die  Stadt  Trient  beauftragt  ha 
welche  eine  reiche  Bibliothek,  das  Fllrstenthum  betreffend,  besitst,  worin  ss 
gleich  die  Werke  der  Trientiner  Verfasser  aolbewahrt  werden.  Nicht  viel 
Stttdte  in  Deutschland  durften  sich  einer  solchen  Anstalt  su  erfreuen  habca 
aber  dort  war  der  Bürger  stets  bei  der  Verwaltung  seiner  Stadt  betheiligl 
wahrend  besonders  im  Norden  von  Deutschland  alle  Theilnahme  in  Beamtet 
wesen  untergegangen  ist.  In  diesem  Werke  „Episodio  del  medio  evo  Trea 
tincs  narrata  da  Tommaso  Gar.  Trento.  1856.  Tip.  Bononi,**  aeigt  der  Yar 
fassef,  wie  das  Schloss  Pergine  im  Tbale  von  Fersina  von  dem  Kaiser  Coniw 
von  Schwaben  dem  Bischof  von  Trient  lur  Verwaltung  ttbertragen  wordes 
dass  es  aber  bald  darauf  in  die  Gewalt  eines  Baierischen  Ritters  gekomoMi 
welcher  die  Bewohner  dieses  Thaies  au  seinen  Unterthanen  gemacht  habe,  o« 
sie  dermassen  bedrückte,  dass  sie  sich  zu  befreien  sachten,  als  1166  der  da 
malige  Feudal-Herr  Gundibald  von  Friedridi  dem  Rothbart  an  dem  Römer 
Zuge  aufgefordert  worden  war.  Die  armen  Unterdrückten  suchten  bei  da 
Stadt  Vicensa  Hülfe,  wie  monarchisch  aber  damals  noch  das  Volk  war,  seif 
sich  in  dem  dessfallsigen  Vertrage,  nach  welchem  man  sich  ansbedung,  nisli 
gegen  den  Kaiser  zu  kämpfen.  Anf  diese  Weise  hat  der  gelehrte  Herr  Ver 
fasser  gezeigt,  wie  feindselig  das  deutsche  Lehnweaen  nach  unten,  und  wi 
wenig  zuverlässig  es  nach  oben  war;  auch  der  Bischof  von  Trient  macbK 
sieh  endlich  zu  einem  der  weltlichen  ReichsCUrsten,  welche  zoletzt  die  kaiser* 
liehe  Gewalt  ganz  vernichteten. 

Sehr  willkommen  für  die  Linguistik  ist  ein  eben  erschienenes  Werk  vm 
Peter  Monti,  vormals  Professor  in  Mailand;  seine  Forschungen  über  die  Cel* 
tische  Sprache  nnd  deren  Verwandtschaft  mit  dem  Sansorit  und  dem  Lembsr* 
dischen  Dialecte  sind  jetat  unter  folgendem  litel  erschienen :  tSaggio  di  voct- 
bularie  della  Gallia  Cisal|Mna  e  Celticai  e  appendice  al  vocnbukria  del  dia- 
letto  di  Cono,  4i  Piairo  MontL  MUano.  1856.  Tip.  dd  Clafaini. 


LÜCMliiiteMki  MM  Mim.  BSt 

Anck  in  Mkm  fiebt  et  aoMe  tttiilicbe  DMilarlbge,  wi«  ^vir  ato  <■• 
babM,  4ie  des  VOf  leM  leere  Worte  ableoselMii  asi  tbr«  blMpm 
•bne  Ciertdi  eit  Coldfobaltt  4r«cäeii  laMea;  eiB  soteber  üicbter  iü 
fr  Ii«Bsa,  von  dem  »Affetto  e  eeolo,  poeate  di  Merco  Lenuu  VeaoMu  18M« 
li^  Aotonelli''  erMhien* 

Aaoli  »yüiecbe  Dicbler  Irelen  ia  Jtaliett  aaC;  wesD  tkt  eaeb  ■iobi  io  ba*> 
ferdert  werde«,  wie  bei  «m  ;  wir  erwAbaea  daber  aar  4ea  foaMaliaoh-*frOBaaea 
iCeMBf :  Die  Hitteraacbl  tob  BarMaao.  «Meuanotte,  eaalo  di  Aolonio  Ao^e- 
bal-Bafbiani.  Veneaia.  1956.  Tip.  NaraldTiale.*' 

lieber  dea  Unpmair  der  Florealiaiaehea  Repablik  bat  Herr  Vaaaaeai  eiae 
feadUltita  Sebrift  beraaegegebea.  „I  primi  lea^yi  Mla  lapabliea  ftoreaÜMi» 
di  Otto  Vaaaaeei.  Fireaae.  1856.  Ti^  Le  Moaaier, . 

Fttr  die  Literator-Geacfaicbte  iit  folf eade«  oacbffelaaaene  Warb  tob  Ufoai 
iebr  wicbUf,  da  ea  aieb  mit  der  aweilea  Hiifte  dea  18.  Jahrbaaderti  beadbif- 
tigt:  ^della  lelteratara  Jcaliaaa  nelta  aecoada  aieta  del  aeeolö  XVyi,  di  Carlo 
Uffoai.  Milaao.  1856.  Tip.  Benardcai.'' 

Der  aaa  Aacoli  febttriife  Capitaia  Anfotto  Vecchi  hal  die  Revebüo«  ib 
baliea  ia  dea  Jabreo  1648  oad  1849  aiit  vielem  Gebt  beaehriebea.  „Lllalia, 
Moria  di  doe  aani  1848  e  49«  aerilta  da  C.  Aaffoüo  Veoobi,  11  Edüioii.  Toriaa. 
1856.  II  Vol.  Tip.  Fraoeo,^  mit  aebr  ipitea  Zeicbnaair en.  Vooobt,  kaia'  Freaad 
der  Herracbaft  ia  Born,  belle  skeCa  auf  beiaere  Zeitea,  iadem  ar  viele  Beiaen 
■achte;  a1«  er  licb  Terbeiratbete,  alellte  er  «eiaer  reicben  Braat  die  Bodin* 
fBBff,  daaa  sie  «teb  f efallea  laaaaa  nOaae,  iba  die  Waffen  ergreifiaB  lo  laaaeBt 
waan  ea  In  Italiea  a«  eiaem  Anfitande  kommen  aetite.  Aoeb  trat  er  ab 
gUkeklicber  Famtllenvaterv  ab  tapferer  Vertbeidif er  der  Maaern  ftoam  ffafea  die 
Fraaaoiea  auf.  Die  lebeadigo  BeacbreibuDf  dieser  Zeit  bU  a«  dem  abea« 
teaeriicben  Zage  Garibaldi'«  maobt  dea  lahalt  dieaei  Bacboi  aaa,  arelcbea 
an  die  dentacbe  Beit  im  Jahre  1813  erinaert 

Der  aebaaderbafk  Proieaa  der  nnglflcklicben  Ceaei  bat  wieder  etaam 
Sabrillateller  Veraalassoog  gegeben,  eine  Schrift  über  4enaelbeB  der  Oetea^ 
Kebkeit  an  Abergebea.  Dies  bat  Herr  Scolari  getbaa,  welcher  auf  der  Marcaa 
Bibiioibek  dain  die  Berichte  der  Veaetiaaiachen  GeaandUcbaft  ab  neoe  Qnelleo 
beaatat  bat  Leider  bt  er  aber  an  dieae  Arbeit  aaü  dem  WUbn  gegaagmi, 
naehsaweben,  daaa  dieae  von  ihrem  eigenen  Vater  gomliibrauchte  Tochter 
Bit  Recht  aum  Tode  verdammt  worden ;  daher  diese  Arbeit  nur  ab  eine  Par« 
«bebebrift,  beaondeni  gegen  Goerrazsi  aogeaebeo  werden  kaan.  Haa  iber^ 
Koagl  sieh  imaMr  mebr,  dasa  4ie  Ubgittokliebe  bei  ailea  HaHern  4tr  Feber 
den  Tod  dem  Gestllndnbs  der  Schande  vorgCKOgen  hat.  Der  Titel  dieses 
Baches  ist:  Beatrice  Cenci»  causa  celebre  criminale  de!  secolo  XVI.  memoria 
•terica  di  Filip^  Scolari  MBano.  1856.  Tip.  Borroai. 

IL 

Zu  den  geschichtlichen  Erinnerangen  an  das  Auftreten  der  Germanischen 
Broberer  in  Italien,  welche  ea  erklären,  dass  die  Italiener  eben  keine  grpsse 
Neigung  an  den  Dentscben  haben  künneo,  gebort  avob  das  Verfiahmn  des  von 
^  dem  Groaaen  in  Breacia  angeatellten  VorwaItangs«>Boa»teii,  42nfen  !•« 


56^  Litenttrberiishce  am  ItoK«». 

iMn^  welcher  der  Tafend  der  «diOnen  Scomborf«,  der  Tochter  Dirvd^noi, 
üMfaftellte,  welche  nur  dadurch  vor  dem  Gewnlthaber  ifefchattt  werde«  kenie, 
daia  aie  ihr  Vater  aelbft  entach.  Dieaen  Geifenattnd  bat  Marlelli  im  eieen 
Tranerapiel  benutit  and  den  tchwerf^lliften  LoiiKobarditHien  Namen  Scembmft 
in  den  wohlklingenden  „Romilda  von  Brescia**  0  Terwandelt.  Eine  befonden 
gute  Meinunf  kann  man  aber  schon  desabalb  von  dem  Verfanaer  nicht  babea, 
da  er  den  frinkiacben  Grafen  aU  frantOiiachen  General  beieiebnef. 

Turin  iat  auch  in  dem  verganfenen  Jahre  wieder  aehr  reich  ao  Velka- 
Kalendem  von  allen  Farben  gewesen,  der  National-Almanach  *)  für  die  Freunde 
dea  Fortaohrittes  enthalt  Lebenabeacfareibunfen  der  in  der  Krim  gebliebeaea 
Generale  della  Mamora  ond  Antonini;  eine  illuatrirte  Beadirelboug  der  wiik- 
lich  iprosaartigen  Eisenbahn,  von  Genua  nach  Turin  und  dem  Lage  maggiore; 
verschiedene  Dichtungen  a.  s.  w. 

Daa  Geirenatttck  lu  diesem  Kalender  iat  der  Ton  einem  Priester  bersat- 
gegebene  Parlamentarische  Almanacb'}  anter  dem  Titel  „daa  GeschwllE*,  weria 
sich  die  grtfsste  Abneigung  gegen  die  constitntionelle  Monarehie  von  Seiten  dar 
Prieaterparthei  ausspricht. 

Dagegen  tritt  der  Almanaeh  des  Fisehietto  mit  scharfer  Satire  auf,  weria 
die  Sohwichen  der  geistlichen  Herren  aofgedeekt  werden^. 

In  sehr  woblwollendetai  und  versöhnlichem  Sinne  ist  der  Hausfreund*), 
der  Almanaeh  der  Waldenser,  geschrieben,  ond  kann  fUr  einen  Volkakal ender 
angesehen  werden,  wie  wir  sie  in  DeuUchland  haben. 

Herr  Armand  hat  eine  kritische  Lebensbeschreibung  von  Shakespeare  ber- 
auagegeben,  ond  den  Italienern  die  Forschungen  von  Schlegel  bis  Guisot  sa* 
ginglieh  gemacht ').  Dieser  Arbeit  ist  ein  Gedicht  ttber  die  Themse  beife* 
fbgt,  doch  behmiptet  man,  dass  demaelben  wahrer  poetischer  Schwang  fehlt 

In  Florenx  gab  Herr  Marcucci  eine  in  dem  doKigen  Archiv  aofgefcndeae 
Sammlung  von  Briefen  des  weit  gereiaten  Sassetti  heraus.  Dieser  wir  1540 
tu  Florens  geboren  worden,  hatte  in  Pisa  studirt,  und  widmete  sich  spSter 
dem  Hsaadei,  der  ihn  nach  Spanien  nnd  Ostindien  führte.  Ein  Theil  seiner  ia 
die  Heimath  geschriebenen  Briefe  ist  fOr  die  Geschichte  seiner  Zeit  sehr 
wichtig,  noch  mehr  aber  derjenige  Theil  derselben,  welchen  ein  so  gebildeter 
Reiseoder  in  jener  Zeit  Ober  die  fernen  Linder  geschrieben  hat,  die  er  be- 
suchte. Auf  diese  Weise  bat  der  Herausgeber  der  Reise*Literatur  einen  groMea 
Dienst  geleistet  0. 

Nachdem  unser  gelehrter  Bopp,  Leo,  Holtimann,  Steub  u.  s.  w.  über  die 
Romanischen  nnd  Celtischen  Sprachen  so  bedeutende  Arbeiten  geliefert  haben, 


0  Romilda    da  Brescia,  tragedin  di  Enrico  Hartelli.    Präto.    1855.    Tip. 
Giacchetti. 

Almanacco  nazionale.  Anno  7.  Torino.  1855.  Tip.  della  Gasetta  del  popolo. 

La  ciarla,  del  G.  Hongibello.  per  1856. 

Strenna  del  Fisehietto.  per  1856. 

L'Amico  di  casa.  HI  Jahrgang  fttr  1856* 

Shakespeare.  Saggio  biografico  critico  di  Giuseppe  Armand.   H  Tamigi, 
carme  dello  stesso.  Milano.  1855.  Tip.  Arzione. 

J)  Lettere  inedite  di  Fitippo  Sassetti,  raccolte  ed  anaotate  da  Ettore  Mar 
cneeu  Pirease*  18&&.  Tip.  Lemonier. 


? 


LUertior^riehte  im  TtaKett.  559 

Meer  tn  Triett  «eine  Fortchaniren  Aber  i\t  Roranniiclien  Dlatefte*) 
benof^afcbeB ,  welcher  sich  haaptsAfhIich  mit  Etymolofifie  nnd  selbat  eot« 
femlen  Ann1o|H«n  heMblflifrt. 

Das  Buch  Tom  Fürsten  von  dem  berahmten  Florentiner  Staatsmann  Mfac« 
chiaYelK  bat  sehon  so  manehe  Erkiftrer  ipefunden;  auch  der  Professor  Frap- 
porti  hat  dies  in  seinem  Werke  Ober  das  YerstSndnIss  dieses  Buches  *)  aufs 
Nene  versoebt  Doch  scheint  er  damit  nicht  so  ((locklicb  irewesen  in  sein, 
wie  der  avch  in  Deotichland  rUhmllchst  bekannte  Professor  Haneinl  in  seinen 
Voriesnnfen  Ober  das  Volkerrecht,  Ober  welche  die  Kritische  Zeitschrift  fOr 
die  Hechts  Wissenschaft  des  Auslandes  in  Heidelberit  in  dem  von  dem  Unter« 
nMinetee  mitfetheilten  Berichte  Nachricht  ifiobt. 

Die  Stadt  Trient  im  italienischen  Tirol  zeichnet  sich  durch  ein  sehr  rühm- 
liebes  wliseaachaftKches  Streben  ans.  In  Oesterrelch  haben  die  StSdte  stets 
eine  aehr  freie  Autonomie  ^abt,  so  dasa  die  Poliiei  sich  ledii^lich  om  die 
Pisae  M  bekOmmern  hat,  die  fcsammte  VernraUoni;  aber  der  Stadtfremeinde ' 
selbal  oberlassen  blieb.  Ohne  solche  fremde  Einmischonir  hat  auch  Trient 
eine  eicno  Bibliothek  Yon  Werken  über  ihre  Geschichte  und  von  Arbeiten 
ihrer  MitbOrirer  fr^stiftet,  der  sie  den  oben  irenannten  Gelehrten  T.  Gar 
zom  Bibliothekar  Torgesetit  bat,  welcher  sich  loirleich  mit  der  Bearbeitunff 
einer  Geschichte  der  Stadt  nnd  des  Bisthums  Trient  llescbi flirrt.  YorlOuflg  bat 
er  die  Schriften  einea  an  Anfsogf  dieses  Jahrhunderts  Yerstorbenen  IfitbQrgers 
dieser  Stadt,  des  Grafen  Carl  Martini  3),  mit  Nachrichten  über  sein  Leben  her- 
ansirafroben,  welcher  sich  mit  der  Geschichte  und  den  Alterthflmem  der  Reste 
Hetniriscber  Zeit  im  sttdiichen  Tirol  und  der  Colonia  Trentina  besehflfiifte, 
dessen  Arbeiten  aber  ifr^^astentheils  noch  onbekannt  waren.  Auf  diese  Weise 
bat  sieh  der  liebenswttrdiffe  Gelehrte  T.  Gas  ein  besonderes  Verdienst  um  die 
Geaehlehte  des  allen  RhOliens  erworben. 

Bei  dieser  GelcKenkeit  mOssen  wir  noch  eines  (gelehrten  Werkes  Ober 
diese  Gcfend  Yon  dem  Herrn  Telani  in  RoTcredo  erwflhnen^). 

In  dem  Krioipe  iwiachen  Venedig  und  Mailand  wurde  Brescia  von  dem 
bekannten  Bandenführer  Piccinino,  im  Solde  des  Mailündischen  Visconti,  im 
Jahre  1436  belai^ert.  Die  Bttri^er  der  Stadt  Ycrthelditten  ihre  Mauern  so  tapfer, 
dasa,  nachdem  das  schwere  Geschfltz  die  Mauern  darnieder}(eworfen  hatte, 
20,000  Mann  Sturm  liefen ;  allein  die  Bttrf|rer  wankten  nicht,  selbst  die  Frauen, 
Ton  der  Brif^da  von  Aroifadro  angeführt  (ron  deren  Familie  noch  jettt  Ab- 
kömmlinge vorhanden  sind),  setzten  einen  so  tapfern  Widerstand  entgegen, 
dass  7000  feindliche  Soldner  auf  dem  Platze   blieben.    Diese  ruhmvolle  Be- 


0  Dell  orifine  e  della  natura  dei  dialetti  commvnemente  chiamati  ro- 
manici  del  Profeas.  D.  Gioaeppe  Giorgio  Sulzer.  Trento.  1855. 

')  Sngli  intendiroenti  di  Niccolo  Maccbiavelli  nello  scrivere  il  Principe,  del 
Prof.  G.  Frapporti.  Vicenaa.  1855. 

*)  Scritti  di  storia  e  d'ArcheoIogia  del  conte  Carlo  MaKini,  ordinati  da 
Tomauso  Gar,  con  nn  discorao  intomo  alla'  vita  ed  alle  opere  deir  antore. 
Trento.  Tip.  Ilonauni.  1855. 

*)  Intorno  ad  alcnne  opinioal  dei  ^re  illostrateri  del  monumento  a  C.  V* 
Mariano:  diacorse  doe.  Baasano.  1855.  Tip.  Baseggio. 


IM  Iiler«liirberkht«  au  Italieii. 

lafenuf  der  Stadi  Breicia  <)  hat  Fr.  Odorici  bMchrieboa»  waUer  Mit  im 
Awarbeitiuig  einer  aofführlieben  Geschichte  dieser  Stadt  besebifkigi  ial. 

Hit  der  Gedfenwart  beschfifli|^  sich  Herr  Heneffhini«  welcher  V«rseU|fe 
macht,  dem  Abfabeweseo  eine  i^na  andere  Gestalt  lu  feben'). 

Auch  der  Pseudonym  Ausonio  Franohi  hat  aeine  aiemlich  ntofiisliseh« 
Ideen  ittber  Staats- Verfassung  bekannt  gemacht*). 

Von  dem  Herrn  Garcaro  ist  eine  Uebersetaang  von  Beinridi  VOL  voa 
Shakespeare  erschienen ,  welche  sehr  geftllt»  da  schon  die  Araber  ecachieaoaa 
Uebersetaong  von  Richard  UI.  durah  denselben  Uebersetser  den  Beruf  dm 
Ueberaetsen  bewihrt  hat;  auch  l«sat  man  dem  diehterisehen  Talent  deasalbaa 
▼olle  Gerechtigkeit  widerfahren,  welches  er  bei  seinen  UeberselMingen  ge- 
seigt  bat«). 

Ueber  psychische  Annei-Kande  müssen  wir  ein  sehr  geaeht«tes  Veik 
von  Frana  Booucci  erwähnen*),  welcher  besonders  Idler,  Bnrdaeh  ond  Hsia- 
roth  folgt,  dessen  Beurtheilnng  wir  aber  den  Sachveiatändigen  nberlaaaen  mOsrnn. 

Von  allgemeinem  Interesse  ist  ein  geschichtliches  Schauspiel  von  Chimo- 
lini,  wekhes  in  die  Zeit  der  Longobarden-Herrsehaft  in  Italien  ffellt,  wo  die 
rohe  Gewalt  herrschta,  die  sioh  spiter  in  Deutschland  das  Faostreeht  neoam 
Hess.  König  Ariport  war  so  unvorsichtig  gewesen,  das  Longebarden-Heidi 
in  seinem  letzten  Willen  untar  seine  SObne  Godobert  und  Bertarit  an  theUea. 
Dies  benutste  der  Heraog  Grimoald  von  Benevent,  sich  zum  Herrn  des  Longa- 
barden-Reiches  nach  Vertreibung  beider  Brilder  zu  machen.  Diesen  Gegen- 
stand hat  der  Verfasser  zum  Gegenstand  eines  Dramas  unter  dem  Titelt  Gri- 
moald von  Benevent  auf  dem  Lougobardischen  Throne')  gemacht,  wobei  er 
Gelegenheit  genommen  hat,  die  germanische  Barbarey  mit  der  dassisehm 
Civilisation  und  die  Gränel  des  Lehnwesens  mit  dem  alten  Gemeindewesea  n 
vergleichen,  das  sich  in  den  Nunicipien  unter  hartem  Druck  zu  erhalten  anehtSb 

Endlich  haben  wir  Gelegenheit,  einmal  eines  Buches  aus  dem  VeltÜn  ii 
erwähnen,  das  von  Reisenden  selten  besucht  wird,  da  die  Strasse  ther  du 
Stilfser  Joch  die  höchste  in  Europa  ist  und  den  Oesteireichischen  Straasea- 
Banmeistam  alle  Ehre  macht*  In  Sondrio  ist  nSmlieb  ein  statiatiscbea  Jahr- 
bach herausgekommen  7),  welches  ttber  das  Wenigen  bekannte  Thal  der  Addi 
schätabare  BeUrSge  zur  Erdbeschreibung  und  Kande  dortiger  auageaeiehaeler 
FersOnlkbkeitan  gieht« 

Auch  eines  in  Wien  eben  erschienenen  Werkes  mOasen  wir  ab  der  ilt' 


0  L'assedio  di  Brescia  del  1438,  di  Federico  Odorici.  Brescia.  1855. 

*)  I  bilanci  e  la  riforma  delle  imposte  del  Andrea  Meneghini.  Toriso. 
1855.  Tip.  Favale. 

^  n  nasionalismo  del  popolo  per  Ausonio  Franohi.  Ginevra.  18(6. 

*)  Arrigö  VIH.  tragedia  di  GuiMmo  Shakespeare,  tradisiooe  di  Ginllo  Csr- 
coro*  Milane.  1855.  Tip.  Pirola. 

^}  Fisiologia  e  patologia  dell'  anima  umana  per  Francesco  Bonnoei.  Fireaie 
1855.  n.  Vol.  Tip.  Bencini. 

')  Grimoaldo  duca  di  Benevento  al  trono  dei  Longobardi.  Dramma  storieo 
in  5  Atte,  di  G.  Chizzolini.  Milsoo.  1855.  Tip.  Ventini. 

0  Cenni  statiatici  e  netizie  patrie  Valtellinesi,  Strenne  per  amm  1856. 
Sondrio.  Tip. 


Ulemufli^ialrte  «m  IteUon.  WS 

li0awcliea  Literatnv  mgthörlg  hier  erwfthnen,  oMmlieh  4tM  T«g«l»«€h  der  B«« 
IiS«nuif  TOB  CoBiUoiinopel  von  1453,  vom  Niccolo  Barbvro^).  DiM  Tagebiioli 
iu  Balaffening  von  CoatUntinopel  frord  durch  die  Beatthunfen  de«  9m  Ve-« 
lodi^  Gescbiclile  jo  verdienten  Cicogoa  fttr  die  dortige  Bibliothek  de«  heilig en 
Bereu  erworben,  welcher  der  alle  Fremden  ao  gern  imteratatsende  Biblio*« 
thekar  ValeirtineUi  vorateht^  Der  vormalige  Bibliothekar  au  Padna,  Todum«9 
Gar,  lieaa  dieae  Abachrift  von  der  Uncbrifk  fertigen,  welche  der  in  Venedif 
feborene  Coroet,  obwohl  von  fraoadaischer  Abatammung«  jetat  aum  araten 
Male  veröffeatKcht.  £r  hat  wichtige  Urkunden  aua  andern  Archiven  beh- 
fefttgty  auch  achon  früher  Berichte  dea  Jeaapbat  Barbero  bekannt  gemacht» 
w«lehe  dieaer  ala  Geaandter  in  Peraien  im  Jahre  1473  an  den  Seoat  an  Ve- 
nedig erstattete. 

Von  den  Novellen  aua  der  (segenwart  von  Beraeaio  ')  iat  jetat  der  2.  Theil 
Bo  TariB  eraohienen.  Der  er«te  Theil  war  in  dem  Sinne  der  neuen  frana^H 
•Mohen  Bomane  gehalten,  der  vorliegende  aber,  mit  dem  Titel:  die  FaaHli«» 
uit  wieder  zu  der  italienischen  Beinheit  zurückgekehrt,  nach  welcher  man  aioh 
ia  den  italieniichen  Bomanea  gewöhnlich  in  guter  Geaellaehaft  befindet,  wäh- 
rend man  dort  den  Deutschen  manchmal  burschikose  oder  niedrige  Ankllng* 
Schuld  giebt. 

Herr  Tallachini  hat  eine  Uebersetaung  der  Iphigenia  von  Bacine  hertna*- 
gegeben  0«  nachdem  von  ihm  sehen  eine  der  Phadra  im  vorigen  labre  er^ 
schienen  war. 

Herr  Majocchi  bat  auf  die  Notbwendigkeit  aufmerkaam  geamieht,  vater* 
Üindiscbe  Altertbfimer  nicht  ausser  Lands  geben  au  lassen^),  zu  welchem  Behnf 
er  vorschlugt,  eine  Gesellschaft  cur  Erhaltung  deraelben  zu  grOoden. 

Von  einem  militärischen  Schriftsteller,  dem  Hauptauinn  Bertoni,  habe« 
wir  die  Anüangsgrttnde  der  Geograpbie  mi4  einem  Atlas  au  erwähnen^). 

Unerschöpflich  ist  der  Schaiz  der  Urkunden,  welche  in  ItaBen  fortwährend 
veröffentlicht  werden.  Eine  solche  Sammlung  hat  vor  Kurzem  der  Archivar 
Salal^J  herauagefeben. 

Nach  den  hier  Ober  die  Geachichte  des  Erzbistbnins  von  Mailand  gege- 
benen Nachrichten  befand  sich  schon  im  5.  Jahrhundert  unter  andern  au  Be- 
doro  auf  dem  Berge  Bedole  eine  Kirche.  Besonders  wichtig  sind  viele  dieser- 
Urkunden  fttr  die  Geschichte  der  Sprache  und  der  Hierarchie.  In  einer  hier 
ntilgetheilten  Predigt  aua  dem  13.  Jahrhundert  kommt  folgende  Stelle  vor:  So 
wie  die  Seele  wichtiger  ist,  als  der  Körper,  so  steht  auch  der  Geiatliehe  Ober 
dem  Kaiser. 

*)  fiiornala  del  assepdio  di  Coastaatinopoli  1453,  di  Niecolo  Barbaro«  oerre- 
dito  di  note  e  documenti  per  Enrico  Cornet.  Yienna.  1856.  Tip.  Tendier. 

')  U  Noveiliero  oontemporaneo  di  Vittorio  Beraeaio.  Torino.  1856.  Tip. 
Ceeaoni. 

^  Ifigenia,  Tragedia  di  Giovanni  Bacine,  tradizione  di  Lucio  Tallachini* 
Milano.  1855.  Tip.  ManiaL 

4)  Del  dover  di  vietare  l'esportaaione  della  antichiia,  etc.  di  Domenico 
Majoeehi.  Milano.  1866.  Tip.  Colombi* 

^)  filementt  di  Geografia  illnstraii  da  incisioni  e  oarte  geografiohe  per 
uao  delle  scuole  primarie,  dal  cap.  BertonL  1855.  Torino.  1855.  Tip.  Benedetto. 

*)  Documenti  per  la  storia  della  dioceai  di  Milano  pubblicali  dal  canonico 
Ariaiide  Sala.  Milano.  1855.  Tip.  Agrelli* 


SM  Literabrbericbte  au  futimi. 

In  Florem  hat  Herr  StaDislao«  Morell!  ein  geschiditliebei  Drama  heraas* 
fefeben,  welehea  darch  Erfind anfr,  Anordaunj^  und  Spruche  sehr  fronen  Bei* 
ftill  findet.  Die  Handlanflr  füllt  in  die  Jahre  1352  bi«  54,  in  die  Zeit  imi 
Cola  Rienii  nnd  hat  Eom  Helden  den  wilden  IValther  von  HontreaM),  dea 
Provenialiichen  Bandenftthrer  der  sogenannten  gössen  Compajpiie;  alleia  der 
Terfaaaer  hat  den  Geist  jener  Zeit  nicht  (fehOrtf  beachtet ,  ao  daaa  er  nit- 
nnter  jene  Leute  ao  reden  Iftaat,  wie  Politiker  der  Getrenwart. 

Nene  Lnstapiele  sind  in  Italien  selten,  man  sacht  daher  die  alten  hervor, 
und  so  ist  jetzt  in  Florem  eine  Sammlung  aller  dramatischen  Werke  yod  dsn 
Lustspiel-Dichter  Cecchi  aus  dem  16.  Jahrhundert  herans^geben  wordea*), 
nachdem  knn  vorher  4  bisher  ungedruckte  Lustspiele  desselben  Dichters  her* 
aus|[[egeben  worden  waren  3). 

Auch  ein  In  einer  deotschen  Stadt  gedrucktes  italienisehea  Bneh  man 
hier  erwähnt  werden,  denn  Triest  gehört  su  Deutschland.  Dies  sind  die 
IVoiie  eines  Unwissenden  an  die  Gelehrten.  Dieser  Unwissende  ist  H.  Zel* 
mann^). 

Der  Uebersetser  der  Odyssee,  Herr  Maspero,  hat  jetst  eine  SammhiBf 
poetischer  Uebersetsungen  ^)  herausgegeben,  nttmlich  Hero  nnd  Leander  tob 
Mosaeus,  swei  Trauerspiele  von  Racine  und  eine  Satire  von  Boileaa;  Kenaer 
loben  die  Verse  des  gewandten  Uebersetsers. 

Zu  den  neu  aofgefundenen  Sprachproben  des  jetzigen  Italienischen  ge- 
hört ein  Codex,  welchen  der  Abt  Rossi  in  Perugia  bekannt  machen  will,  der 
14  verschiedene  Abhandinngen  enthalt,  die  wenigstens  aus  der  ersten  Hftike 
des  13.  Jahrhunderts  herrühren  nnd  theils  in  Originalen,  theils  in  Uebene- 
tiungen  bestehen«  Er  hat  von  diesem  literarischen  Funde  ^)  nicht  nur  Naeh* 
rfcht  gegeben,  sondern  auch  verschiedene  Proben  mitgetheilt. 

Auch  Tirol  hat  sein  gesehiebtiiches  Jahrbuch  fttr  1856  aufanweisen,  indeia 
au  Udine  zum  Besten  der  Waisenkinder  ein  solches  herausgegeben  wordea 
ist^).  Es  hat  zwar  nur  lokalen  Zweck,  enthalt  aber  auch,  wie  gewöhnlich 
die  anderen,  schätzbare  Nachrichten  über  die  Geschichte  der  Stadt  und  Proviat. 

Herr  Saochi  hat  zu  Mailand  eine  wohlgemeinte  Jugendschrift  heraasgegebea, 
die  2  Brzahlongen  moralischen  Inhalts  enthalt,  die  Zwillinge  und  eine  Thrilne^)i 
welche  zum  Vortheil  einer  Erziehungs-Anstalt  gedruckt  worden  ist. 

Ao  Gedichten  fehlt  es  in  Italien  niemals,  daher  wir  noch  die  Gedicht- 
Sammlung  des  Professorz  Liveriero  kurz  erwtfhaen  müssen  ®),  welche  an  Bidls, 


^)  Fra  Unreale  dramma  storico  di  Stanislaus  Morelli.  Firenze.  1856.  Tip* 
Morionl. 

*)  Le  opere  draromatiche  del  Giovani  Maria  Cecchi.  Firenze.  1856.  Tip. 
Le  Monnier. 

^  Quatro  comedie  inedite  di  6.  Cecchi.  Firenze.  1855.  Tip.  Barbera. 

*)  Le  parole  di  un  ignorante  ai  dotti  di  S«  V.  Zelmann.  Trieste.  1855.  Tip. 
del  Loyd. 

')  Tradizioni  poetiche  del  dottore  Paolo  Maspero.  Milsno.  1855.  Tip.  BedaeE 

9)  Una  noviM  letteraria.  Perugia.  1855.  Tip.  Bartelli. 

?Strenoa  Frinlana  a  beneficio  dei  orfanelli.  Udine.  1856.  Tip.  Trombet^. 
I  due  gemein  —  Una  lagrlma,  Racconti  morali  di  Giuseppe  Sacchi.  1>- 
lano.  1856.  Tip.  Berrardau. 

®)  Emilio  Liveriero,  Versi,  con  prefasione  di  Giacomo  Bertini.  BioUi* 
1856.  Tip«  Amesso. 


Lilentorb^ridble  aoi  tialieiL  Sit 

eiMr  kletDen  Stadt  »  Pieiiiolit«fUcbe%  gedrocki  worden  ift*  Hier  hat  bei-* 
oalie  jede  Stadt  eine  Buchdruckerei,  und  nAckatens  wird  auch  eine  fiifeDbahn 
▼OB  Tarin  hierher  führen,  da  diea  Land  wie  Belfien  ganx  eit  EiionhahaeD 
4arclischi|itten  ist 

In  Torin  kommt  eine  Sammlung  politischer  Bio|praphien  heran«»  welche 
mit  dem  Miniater  Carl  Albert'«,  dem  Grafen  Giemen«  Solar  della  Margheritt« 
aallnft,  de««en  claaaiache  Bildung  seigt,  wie  «orgAltig  die  Ertiehang  der  Vor- 
nehmen im  Piemonteatachen  i«t.  Darum  inden  «ich  auch  unter  den  Schrift 
itellem  in  diesem  Lande  die  bedeutendaten  Namen,  Ton  denen  wir  nur  die 
Grafen  Portale  und  Aragadro  nennen  wellen.  Der  leiste  hat  ein  «ehr  g<e~ 
lehrte«  Werk  in  4  starken  Quart-Binden  über  die  gewichtloaen  Körper  ge- 
schrieben, weshalb  ihn  die  Kaiserl.  Leopoldino  Carolinische  Academie  der 
Naturforscher  in  ihrem  Mitgliede  ernannte.  Der  erstere  hat  ein  sehr  umfange 
reichea  AYOrterbueh  Ober  Staats-Hauahalt  gesehrieben;  er  war  Staatarath  und 
hat  in  diesem  Werke,  welches  dem  von  Hartleben  an  die  Seite  su  stellen  ist, 
sich  ala  ein  kenntnissretcher  Xann  geaeigt.  Wenn  die  Wissenschaft  in  solchen 
Binden  ist,  steht  sie  auch  in  der  Gesellschaft  höher.  Auch  Graf  della  Marg- 
heritta  0  kat  mehrere  Schriften  über  die  Verwaltungageschlchte  des  Königreich« 
Sardinien  herausgegeben,  worin  besonders  merkwürdige  Aufschlösse  Ober  das 
Verhiltaiss  des  heiligen  Alliance  au  Don  Carlos  vorkommen. 

Die  Geschichte  kann  nicht  so  viel  Gutes  von  der  Aristokratie  der  ehe- 
amligen  Republik  Genua  sagen,  welche  durch  die  Intriguen  derselben  von  ihrer 
Grösse  herabfiel.  Dieaes  Trauer-Gemilde  hat  der  Dr.  Bargellini  in  seiner  Ge** 
schichte  von  Genua  von  dem  Ursprünge  dieser  Stadt  bis  auf  unsere  ZeltO 
TorgefOhrt,  von  welcher  bis  jetst  30  Hefte  erschienen  sind,  und  welche  «idi 
haoptsichlich  mit  den  innem  Unmhen  und  Partheiungen  besehiftigi. 

Der  gelehrte  General  Graf  Alberto  della  Marmore  su  Turin,  welchem 
wir  da«  beste  Werk  ttber  Sardinien  verdanken,  der  dort  General-Gouvemenr 
10  wie  sein  Vater  Vicekönig  war,  hat  über  die  Bedeutung  des  Durchschnittea 
der  Landenge  von  Sues  fUr  diese  Insel  in  Verbindung  mit  dem  unterseeischen 
Telegraphen')  eine  sehr  beachtenswerthe  Schrift  herausgegeben.  Bine  bei-^ 
gegebene  Telegraphenkarte  von  Europa  seigt,  wie  wichtig  jetzt  fllr  die  Scbiff- 
fahrt  der  in  der  Mitte  des  Mtttelmeeres  gelegene  Hafen  von  Cagliari  ist,  der  bereit« 
mit  allen  Hauptstidten  Europas  in  ein  paar  Stunden  in  Verbindung  steht.  ^Eine 
Gesellschaft,  wosu  der  unternehmende  Graf  Beltrami  gehört,  macht  Vorberei- 
Inng  sur  Anlegung  grossartiger  Colonien  in  Sardinien. 

Die  Vorzeit  dieser  Insel,  vom  6.  bis  9.  Jahrhundert  sehr  dunkel,  welohe  dem 
gelehrten  Herrn  Martini  so  viel  verdankt,  ist  von  demselben  durch  seine  ge- 
schichtlichen Studien  über  Sardinien  aufgehellt  worden  4).  Es  findet  sich  dabii 
ein  Fncsimile  des  Rhythmus  über  deuKönig  Ihaletus  v.  Sardinien,  de««en  Aeehl* 


0  Galleria  di  ritratti  italiani.  (Solar  della  Margheritta)  per  M.  Saredo« 
Torino.  1SÖ6.  Tip«  de  Georgia* 

^  Storia  popolare  di  Genova  dalla  aua  origine  fino  ai  noatri  giorni,  del 
dottore  Mariano  Bargellioi.  Genova.  1856.  Tip.  HonnL 

O  L'istmo  di  Sues,  la  stasione  telegrafico  elettrica  di  Cagliari,  ragiona- 
mento  del  T,  G.  Alberto  della  Marmora.  Torino.  1856. 

*)  Studi  storici  sulla  Sardegna  per  P«  Martini.  Torino.  1856.  Stimp.*Real«^ 


5Sd  Uteniturt»6rielif«  an»  Mim. 

heit  dl  Deittochland  aiiffefocbteii  worden,  dessen  Uriclirlft  aber  Ton  der  Ae»- 
demie  rwn  Tarin  nach  dem  hfer  voHienr^nden  Bericht  aich  bewihrt  hat.  Du 
merkwllrdff^  Gedieht  wurde  noph  fn  Berlin  gedrnckt^. 

Der  berühmte  Professor  des  Völkerrechts  Ritter  Mancini  hielt  dieses  Jihr 
in  Turin  Yor1esun|(en  Aber  das  Seerecbl.  Der  Ton  ihm  bekannt  femtcht« 
Leitfaden  darüber  sei^t  dte  Reichhfftti(|r|teft  dieses  Gegenstandes*). 

Die  Herzogin  von  Genua  hat  die  BibHothek  ihres  yerstorbenen  Genahli 
-^  eines  sehr  irelehrten  Artillerie-Offiziers  —  der  OeffentKchkeit  bestimmt; 
fie  bat  zum  Bibliothekar  den  als  Militair-Schriftsteller  rtthmlicbst  bekamrtca 
eBemalifpen  Grossherzogi.  Toscanischen  Kriegs-Ninisler  Mariano  d'Ayala  er- 
nannt, von  dessen  Schriften  wir  hier  nur  seine  Geschichte  der  Kriegskunst  ii 
Italien*)  erwfthnen,  worin  er  beweist,  dass  besonders  nach  dem  Wiederssf* 
loben  der  Wissenschaften  Italien  in  der  Kriegskunst  die  Lehrerin  der  anden 
Volker  wnrde.  Das  Germanische  Feadalwescn ,  demokratischen  Urspruaft, 
hatte  die  Monarchie  nm  allen  Halt  gebracht,  es  wurde  von  den  italientscbes 
StHdten  gebrochen,  welche  so  lange  dem  Kaiser  tren  blieben,  bis  die  Psbste 
gie  mm  Aufstand  brachten*  Da  waren  es  die  Bürger  von  Brescia,  welche  als 
Anhinger  des  Pabstes  sich  zum  ersten  Male  der  Erfindung  des  Schiesspohen 
bedienten,  nm  dem  Kaiser  Heinrich  dem  Ltttzelborger  Widerstand  zn  leisten. 
Auch  die  Bürger  von  Florenz,  wo  aus  den  reichen  Handelsherren  die  Mediceer 
hervorgingen,  die  dnrch  Heirath  bald  in  Verbindung  mit  den  grOssten  Mo- 
Harehen  Enropas  kamen,  hatten  1326  bereits  Kanonen,  die  von  Perugia  be- 
dienten sieh  schon  der  kleinen  Pistolen  neben  grobem  Geschütz  im  Jahre  1351 
lind  die  von  Piadna  beschossen  Mestre  1379  mit  Racketten.  Die  classischea 
Werke  von  Poiybitts  und  Vegez  waren  unter  der  Herrschaft  der  nordischen 
Barbaren  ganz  vergessen  worden,  da  war  Egidio  Colonna  aus  Rom,  Professor 
des  Staatsrechts  in  Paris,  Erzieher  PhiKpps  des  Schonen,  der  erste,  welcher 
M»er  Kriegskunst  schrieb,  und  der  Markgraf  von  Montferrat  folgte  ihm  1330 
nach.  So  führt  unser  gelehrter  Ayala  fort,  die  Kriegskunst  in  Italien  und  ihre 
Literatur  bekamt  zu  machen,  nachdem  wir  ihm  schon  mehrere  Werke  über 
feine  Wissenschafl  verdanken^). 

Ein  treffliches  Werk  ist  von  Stephan  Jacini  über  den  Grundbesitz  und  die 
Bevölkerung  der  Lombardei^)  zu  Mailand  herausgegeben  worden,  welches  über 
die  Frage  des  getbeilten  Eigenthums  sehr  wichtige  Aufschlüsse  glebt.  Wir 
erwftlmen  hieraus  nur,  dass  die  Lombardei  ntchst  Belgien  die  meisten  Grusd* 
besitser  hat«  Dort  ist  der  7.  Mensch  Grundbesitzer,  in  der  Lombardei  der  8., 
dn  man  hier  345,000  Grundbesitzer  zählt;   werden  hiervon   die  HansbesUzcr 


^)  Ibaletus  Sardiniae  Rez,  carmen  inceunte  seculo  VOI  compositum,  a  6* 
Mai^ni  pnbllcatum,  repetendum  cnravit  J.  F.  Neigebaur.  Vratislaviae.  1352. 
apnd  F.  E.  G.  Lenckart. 

')  Introduzione  alla  studio  del  diritto  publice  maritime  dal  G.  S.  Msa- 
ctei«  Teritto*  Tip.  Fenrero. 

p  Della  arte  militare  in  Italia  di  M.  d'Ayala.  Firenze.  Tip.  Le  Monnier. 

*)  Le  vite  de  piu  celebri  capitani  e  soldati  Neapolitani« 
Lottere  del  soldato  Italiano« 
Degli  esaerciti  nationaü. 

»)  La  proprieu  fondiaria  e  le  popolazioni  «ffrieoU  delU  Lombardh,  d 
Stefano  laelni«  Milno«  1856.  Tip.  CivellS.  ' 


•bfiiafeii,  00  btoflieB  «loeb  n«oh  28S,0(N>  Besilnr  llndHeher  GnmflgtftdEe, 
nf  jedes  keenei  Doeh  ober  3  Hectaren  Land,  und  eine  durcbtefanittHche 
reite  Einnahme  von  438  Livree.  Hier  iet  der  Garten  Bnropaa,  ttfcerall  die  Ge* 
■cinde^Tevwaltnnf  in  beeter  Ordnnnit,  ao  data  kein  Henach  verbongert,  Au 
Alf  die  Aman  aelbat  Aente  beaoldet  werben,  denn  für  WoblCbfltifkeita^An« 
Halten  verwenden  die  Lombardiaeben  Gemeinden  jfthrlich  2,000,000  Thaler. 

Der  bekannte  philoaophiaebe  Schamacber  von  Florens,  Gelli,  der  bei 
Cosmo  di  Mediei  in  yroaaer  Gunat  atand,  bat  an  Agenore  Gelli  einen  nenen 
Hertnafeber  gefunden,  der  deaaen  Schriften  ^aammelt  hat,  von  denen  bereitt 
van  1590  an  fransOalache,  apaniache  und  lateiniache  Ueberaetiunipen  erachienen^). 

Der  Tnriner  Geachichtacbreiber  Carutti,  bekannt  durch  sein  Werk  ttber 
die  Gmndattse  einer  freiainniiten  Re^erunip,  hat  jettt  die  Geacbichte  den 
Koa{|;s  Victor  Amedena  IL  herauagcfreben  ^3,  welcher  den  Kampf  fegen  die 
Debermacht  Ludwig  XIV.  wagte,  und  aieh  daiu  mit  England  und  Preuaaen 
verband,  welche  demselben  unter  dem  Markgrafen  Carl  ein  Uulfaheer  znaandte. 
Beionderi  merkwürdig  ist  die  Geacbichte  der  letiten  Lebenajahre  dieaea  KOnig% 
welcher  die  Krone  niederlegte,  seine  frühere  Geliebte  Cumiana,  Markgrifin 
von  Spigno,  helrathete,  den  Thron  wieder  beateigen  wollte  und  im  Gefilnf* 
Bisse  starb,  wo  aein  Sohn  ihn  eingeaperrt  hatte. 

Vallauri  hat  eine  kune  Geschichte  dea  Königreioha  Sardinien  lateiniach 
beraasgegeben  3),  welche  Sprache  er  mit  vorsügliohem  Geschmack  schreibt» 

Auch  der  treffliche  Pietro  Hartini  hat  seine  geschichtJicben  Studien  anli 
aeae  benutzt,  und  ein  Compendiam  der  Geacbichte  der  Insel  Sardinien  berana- 
fegeben.    Der  Name  dieses  Gelehrten   reicht  hin,  dies  Werk  sa  empfehlen  ^)i 

Der  gelehrte  Advocat  Achill  Gennarelli  aua  Rom,  welcher  aeit  der  Revo«« 
lation  von  1848  in  Florens  lebt,  bat  ein  Werk  von  ungeheurem  Umfange  an- 
gefangen, nimlich  die  Herauagabe  einer  Sammlung  von  gedruckten  und  un* 
gedruckten  Urkunden  und  Gescbichlachreibern  Italiens,  von  dem  6.  bia  inm 
16.  Jahrhundert*).  Da  diese  Sammlung  nach  Jahrhunderten  und  nach  den 
verschiedenen  Ländern  abgesondert  erscheinen  aoU,  so  hat  er  sieh  bei  der 
Herauagabe  nicht  gebunden,  aondern  mit  dem  Tagebuche  dea  Johann  Burcard, 
Ceremonienmeiaters  am  pftbatlicben  Hofe^)  angefangen,  welcbea  die  Regier 
rangen  von  Innocens  VIIL,  Alezander  VL  und  Pius  IIL  umfaast.  Der  Tbeil, 
welcher  Alezander  VL  betriffi,  war  achon  früher  von  Leibnitz  und  spftter  vo» 
Eckard t  bekannt  gemacht  worden* 

Eine  der  vielen  in  Italien  heranakommenden  Stftdiebescbreibungen  verdient 


0  Opere  di  Giovanni  Battista  Gelli,  publicate  per  cura  di  Agenore  Gelli» 
Pirenze.  1855.  Tip.  Le  Monnier. 

*)  Storia  del  regno  di  Vittorio  Amedeo  11.  di  Doroenico  CaruttL  Torino. 
1856.  Tip.  Paravia. 

')  Epitome  hiatoriae  patriae  auctore  Thoma  Vallaurio,  Augustae  Taurinoruro* 
1856.  Tip.  reale. 

0  Compendio  della  atoria  di  Sardegna,  del  Gar.  Pietro  Martini.  Cagliari» 
1855.  Tip.  Simoni. 

*}  Glt  aeritteri  e  i  monoaMnU  della  atoria  Italiana,  editi  e  inedtti  dal 
aeato  eet.  Firenze.  1856. 

^  DitH»  di  Giovtmii  BnicirdiK  Flreiie.  1616. 


560  Mteratiu^nebie  •tu  ItalM. 

beachlat  sn  werden,  weil  fie  die  Wenig««  bekannte  Stadt  Milaiio  inSiciUca^ 
betrifft  un«!  sich  beaonders  mit  den  Sitten  und  Gebriuchen  der  Einwehner  dieicr 
Stadt  nod  Umgegend  befchttfligi. 

Wegen  der  trefHicben  Schreibart  ist  die  Beschreibung  der  Stadt  Tedi,  im 
alten  Tader,  von  LeonüO  au  empfehlen. 


Handwörterbuch  der  lateinischen  Sprache,  Unter  Mihrirkimg  von  Dr.  Fr»  LühktTi 
Gymnasialdireclor  «u  Pm'chim,  und  Dr.  F.  F.  Hudemann ^  ComtOn  m 
Leer^  herautge$eben  von  Dr,  Reinhold  Kloi!^,  ordentl,  Profestor  der  d»-  1 
sischen  Philoh^  an  der  üniverntät  au  Leipüg.  Zieeiler  Band,  SiAmr 
tehnte  Lieferung,  Braunschußeig,  Druck  und  Verlag  von  George  Ifeikr* 
mann,     1851,    gr,  8, 

Noch  früher  als  wir  erwartet  hatten,  sind  wir  in  der  Lage,  die  gfiniliclM 
VollenduDg  dieses  in  Nr.  30  S.  465  ff.  naher  besprochenen  Werkes  ansueigei 
mit  dem  Erscheinen  der  letiten,  siebensehnten,  die  sechsaehn  letzten  Bogea 
(101—116)  deA  zweiten  Bandes  enthaltenden  Lieferung,  welche  von  dem  Ver- 
leger, der,  wie  schon  früher  bemerkt.  Alles  aufgeboten  hat,  um  auch  seiner- 
f  eita  durch  eine  vorzügliche  typographische  Ausführung,  und  einen  so  billig,  tU 
möglich  gestellten  Preis,  dem  gründlichen  und  nützlichen  Werke  Eingang  and 
Verbreitung  aller  Orten  zu  sichern,  gratis  den  Abnehmern  zugestellt  werdet 
Ist  Es  reicht  diese  letzte  Lieferung  von  dem  Worte  tignulum  bis  Zythna 
(S.  1601— 1B44),  bearbeitet  ist  sie  in  Allem  durchaus  gleichförmig  den  flrt- 
heren  Theilen,  ebeg  so  wie  die  llussere  Einrichtung  natürlich  dieselbe  gebliebeB 
ist :  die  beiden  auf  dem  Titel  genannten  Gelehrten  haben  bei  der  Bearbeitnnf 
der  einzelnen  Artikel  dieser  Lieferung  insbesonders  hülfreiche  Hand  geleistet) 
und  in  den  namhaften  und  wichtigen  Artikeln  mit  dem  Herausgeber  des  Ganiei 
sich  getheilt;  wie  dieser,  um  ein  Beispiel  anzuführen,  Wörter,  wie  uter, 
nt  u.  f*  bearbeitet  hat,  so  hat  Herr  Lübker  ähnliche  Artikel,  wie  tum,  oi- 
q u e ,  Herr4.Hudemann  vel,  venio,  verbum,  versus  u.  s.  w.  bearbeitei 
Das  wohl  vollendete  Ganze  liegt  nun  vor  uns,  entsprechend  den  Anforde- 
mngei>,  die  an  ein  solches  Unternehmen  unsere  Zeit  zu  stellen  hat;  möge  die 
Theilnabme  des  Publikums  den  Bemühungen  der  Hftnner,  die  ein  für  die  Förde* 
rang  der  classischcn  Studien  so  erspriessliches,  aber  auch  so  höchst  mOke- 
volles  und  schwieriges  Werk  zu  jStande  gebracht,  die  gebührende  Aneiker 
nung  zollen  und  diesem  Handwörterbuch  Eingang  und  Verbreitung  an  allfli 
den  Orten,  wo  dasselbe  noch  minder  bekannt  sein  sollte,  namentlich  auf  va- 
seni  gelehrten  Schulen  und  Univeraitftten,  zuwenden. 


0  Ulnstrazione  di  Hilazzo  e  atudi  aalle  monle  e  costüme  dei  vilkai  ptf 
Gioseppe  Piaggio.  Firenze.  1856. 

*)  llemorio  steriche  di  Todi«  per  Lorenso  Leonii.  Firenso^  1S56, 


h.  M.      HEIDELBERGER        NM. 

jahrbOgheh  dbr  litebatdr. 


Verhandlungen  des  naturhistorisch-medudnischen  Vereins  n 

Heidelberg. 

IL 

tl.    Mittheilnng  des  Herrn  Prof.  von  Dasch  ^tlber  ei- 
nen  Fall   ron   Sehimmelbildang   In  der  menschlichen 
Lnnge^  am  1.  Mal  1857. 

Es  reiht  sich  dieser  Fall  an  die  von  Slnyter,  Hasse,  Welckeri 
Virchow  und  Friedreich  beschrlebnen  von  AspergUlas-BIldang  In  der 
Lunge  an. 

In  einem  nmscbriebenen,  oberflichllcb  gelegenen  Brandheerde  ein« 
in  Toberknlose  des  Uro-6enitalapparates  nnd  der  Longen  rerstor* 
benen  Fran  ron  69  Jabren,  fand  sich  an  einer  mehr  trocknen  Stelle 
die  Verschimmlnng  schon  äasserlich  für  das  Aage  erkennbar.  Die 
▼on  Dr.  Fagenstecher  nnd  dem  Redner  vergenonmene  Untersochong 
lieatltigt  im  Allgemeinen  die  von  Virchow  (Archiv,  Bd.  IX.)  gelle* 
ferte  Beschreibung  voilständig.  Der  Pilz  bildet  schon  an  feuchteren 
Stellen  pIn  Oewirre,  weiches  aus  dem  Mjcelium  (Worsellager)  be- 
steht; an  den  trocknem  Orten  erheben  sich  lange  Fruchtstiele,  welche 
die  Köpfchen,  Receptacnla,  tragen,  mit  den  dicht  gedrXngt  aufsitzen- 
den Basidlen  und  8porenk5mern.  Die  gehäuften  Fruchtstiele  nnd 
Kopfchen  bilden  hier  die  grau  grOnlichen  Basen. 

Herrorsuheben  ist,  dass  die  beiden  Untersuchendeii  die  Tön 
Andern  beschrlebnen  Sdieldewände  an  dem  Halse  des  KöpHohena 
nur  für  Knickungsfalten,  besonders  an  etwas  welken  Stielen  erklä- 
ren müssen,  durch  welche  überhaupt  mancherlei  efgentbümlldie  Fi- 
goren  schein  bar  im  Innern  von  oben  gesehener  Köpfchen  erschei- 
nen. Die  Basidlen  stehen  mit  einer  sechseckigen  Basis  auf  dem 
reeeptaeulum  auf,  was  ans  der  Untersuchung  mit  Hebung  and  Sen- 
kung des  focus  und  bei  starker  Vergrösserung  klar  wird. 

Im  Allgemeinen  zeigt  dieser  Fall  eine  grosse  Ueberelnstimmung 
But  den  früheren  Beobachtungen,  da,  mit  Ausnahme  eines  einzigen 
FaUes  Ton  Virchow,  In  welchem  der  Pilz  In  den  Bronchien  sass, 
die  Sehlmmelbildung  sich  In  circumsk'ripten ,  oberflächlichen  Braad- 
heerden  entwickelte,  welche  ans  hämorrhagischen  Infarkten  entstan- 
den waren.  Für  eine  solche  Entstehungsweise  der  Brandheerde  spricht 
in  diesem  Falle  die  neben  dem  Brandheerde  in  einem  andern  Thelie 
desselben  Lungenlappens  vorgefundne  frische  sekundSre  Thrombose 
in  Folge  eines  Embolus.  Für  die  Bedingungen,  unter  welchen  sich 
dieser  immer  noch  seltene  Pilz  entwickelt|  mag  herrorgehoben  wer* 


MI  YeriumdhiDgen  dci  iiat«rlriilorlifii<i«i«4i»Uicheii  TereiBf. 

den,  daas  die  Entwlcklnng  yod  Brandgaseo  dem  Pike  achldlieh  «i 
M0n  icMnti  inSeBi  er  biAer  nur  in  FlÜlen  von  gerochlosem  Brande 
gefunden  wmrde.  Auch  irar  eine  Weiterentwickhing  desselben  uf 
dem  aufbewahrten,  faulenden  Lungenotückchen  nicht  su  bemerken. 
Ist  dies  der  Fall,  so  würde  hieraus  sich  die  Seltenheit  des  Yorkom- 
mens  ertitfreo. 

(Eine  ausfahrlichere  Besebrelhaag  des  Falles  ist  vorbehalten.) 
Herr  Dr.  Moos  erwähnt  cur  Unterstütcung  der  Theorie  über 
etwaige  Entwicklnngsbedingungen  des  Pilzes  einen  Fall,  in  welchem 
bei  Lungenbrand  weder  in  den  sehr  stinkenden  sputis,  noch  bei  der 
Sektion  kn  Heerde  selbst  eine  <Spur  von  Pilsen  gefunden  werden 
konnte.  Herr  Dr.  Pagenstecher  zeigte  der  Versammlung  die  Piks 
in  mikroskopischen  -Präparaten  und  theilte  mit,  dass  nach  einer  Pri- 
vatmittheilung Herr  Dr.  Fresenius  in  Frankfurt  a.  M.  fflr  dieselben 
iUq  Kiwen  Aspergillus  lussigatus  viorschlage. 


3%.    Gebertshaiflicbe  Mlttheilangen  des  Herjrn  Prot 

Lange,  be,gKeitet  von  epikritiscben  Bejnerknngen  am 

l&.  Mal  1857. 

1)  .^lieber  eiann  seltnen  Gebnrtsfall  mit  Vorfall  einer  Hand 
lies  Kindes  durch  den  After  der  Gebacendeo.^ 

8)  «UebsT  einen  gleicbfalls  seltnen. Fall  von  voUstSndlgrer  Hefr* 
lui^  einer  ziemlkh  nmfluigroiohen,  nach  einer  acbwietiffen 
EtttUednng  mit  dar  Ziaog«  entstandnen  BAeiden^Hamblar 
senhelefiateL«' 

Der  *rsle  Feil  .betrs/  eine  18  J.  alte,  krSftige,  gesunde  Erst- 
yebMweede  mit  gerSumigem,  aber  sehr  wenig  geneigtem  Becken  «nd 
bnsüem  llittelfleische,  bei  welcher  nach  schleichend  erfolgtem  Ab- 
flüsse idcB  Fruchtwassers  ond  nach  geschehener  Erweiterung  des  Mnt* 
teraifmdea  bis  aum  Umfange  eines  Thalers  die  HaRang  and  Btel* 
Inog  des  ^rorllegenden ,  noch  anf  dem  Beckeneingange  stehenden 
Kopfes  insofern  als  eine  ungewöhaliche  erkannt  wurde,  ala  den 
eigentlich  viorUegenden  Theil  des  SehidelgewOlbes  nicht,  wie  gt- 
wohnlich,  die  >hinlere,  eondero  die  vordere  Scheitelgegend  und  die 
Süro,  /reriu^swelse  die  Letatere,  bildete.  Man  ffihke  nfimlicli,  und 
airer  deis  Verlaufe  des  reeht'en  aohsfigen  Durebmessers  des  Be- 
ekenelaganges  entsprechend,  die  Stimnebt,  welohe  den  sie  naoh  redda 
binien  vefffioigenden  Finger  «n  tdie  grosse»  etwas  hinter  der  Müsa 
des  iJmfangs  des  Beekeneinganges  std^ende  Fontanelle  führte,  eine 
dass  es  jedoch  m€iglich  war,  die  genannte  Naht  nach  vom  links  Us 
an  die  üasenwncael  eu  verfolgen.  Man  hatte  es  hier  demgemisi 
mit  -einer  Lage  au  thnn,  bei  welcher  der  Kopf  aus  seiner  gewSbt* 
Uehen  Haltnog  gerathen,  nämllchy  anstatt  mOk  vom  mtt  deas  Knni 


4m  aitaihiiioiJMh-MdUifaiiidM  Itette  MI 

m  «6  BrMt,  UMMB,  je*>di  siebt  im  so  bobm  Grade,  wie  bei  4« 
Gericfatslege,  aach  rückwftrtg  gebeogt  wer,  mit  einer  Lage  eoeecl^ 
welebe,  swischeB  der  Scheitei-  und  Geeiehttlege  gerade  in  der  Jtfitte 
flteheod,  die  Uebeigaiigaioroi  voy  der  eipen  lar  andern  bildend,  eine 
Sllrnlage  im  eigentliobeten  Sinne  des  WortM  genannt  werden 
iuuyit  uod  «war  eine  Sürnlage  mit  nach  vorn  (links)  gekehrtem 
Oeiichte.  Diese  anomale  Hahnng  eowohl,  ale  die  lobrige  Stellong 
aaeb  in  den  tieferen  Beckeaabschnitten  beibehaltend,  war  der  Kopf 
nach  endiieh  la  Stande  gekommener  vollkommener  Vorbereitung  des 
lioUermandes  durch  die  allmUig  immer  krüfUger  sieb  entwickebde 
Wehenthit^keit  bis  in  den  Bsckenansgsog  herebgetrieben  worden, 
ja  er  kam  sogar  sehen  in's  Einsebneiden,  ohne  jedoch  auffallcttder* 
wciaa  noch  die  Drehung  mit  der  Stirn,  beciehangsweise  mit  dess 
Gesichte,  nach  hinten  gemacht  zu  haben,  welche  im  Mecbanismas 
alier  Kopflagen  mit  der  Bichtung  der  Stirn  und  des  Gesiebtes  nach 
vom  (links  oder  rechts)  Oberhaupt  die  Norm  bildet,  and  durch  welche 
eben  das  den  Austritt  des  Kopfes  aus  dem  Beckenausgange  er- 
schwerende, in  der  nach  vom  gerichteten  Stirn  gelegene  Moment 
beseitiget  wird,  als  die  Bcene  in  einer  Weise  sich  linderte,  wfe  m 
wekJ  Niemand  erwartet  h&tte.  P15tsllch  nSmIich,  wShfead  einer  «ehr 
iLTifitigen  Wehe,  kam  die  rechte  Hand  des  Kindes  durch 
den  After  der  Gebärenden  bis  aum  Handwaraelgelenke 
inm  Vorschein.  Glücklicherweise  gelang  die  aolort  vorgenom^ 
mene  Zurtckführung  derselben  in  den  Msstdarm  und  aus  diesem 
durch  den  geschehenen  Seheiden-Mastdarm-Biss  in  die  Vagina  gleich 
beim  eisten  Versuche  vollkommen,  und  schon  w&hrend  der  nJMisten 
Wehe  schnitt  der  Kopf  unter  sehr  starlcer  Ansdehnang  das  vocaüg* 
lieh  gegen  >  seine  Mitte  hin  sehr  verdännten  Mittelfleiscbes  dpr^i, 
wobei  die  linke  HUfte  der  Stirn  in  den  Schambogsn  su  liegen  kam* 
Das  Kind,  aasgetragen  und  von  mittlerer  Grösse,  kam  schein- 
todt  BOT  Welt,  konnte  jedoch  nicht  cum  vollen  Leben  gebracht  wer- 
den, obgleich  sein  Hersschlag  noch  längere  Zeit  wahrnehmbar  blieb. 
An  der  Stirn,  namentlich  an  der  linken  Hälfte  derselben,  aeigte 
dssselbe  eine  ziemlich  beträchtliche  Anschwellung  von  blanrotlier 
Farbe.  Die  nach  Abgang  der  Nachgebort  vorgenommene  Untersu- 
chung ergab  eine  bis  in  den  Mastdarm  dringende  Durchr 
reisaung  der  hinteren  Wand  der  Vagina,  welche  eine 
sweifaehe  Bichtung  hatte.  Etwa  V2  ^^^  oberhalb  des  Scheideaeia- 
gangea  nämlich  bildete  sie  einen  Quer-,  so  aiemlich  von  der  Mitte 
dieses  Qaerrisses  ans  dagegea  einen  etwa  2  Zoll  langwi  Längsriss 
mit  saekigen,  jedoch  nur  selir  wenig  blutenden  Bändern.  Das  Mit* 
tilfleifleh  seigte  ausser  einer  höchstens  2  Linien  tiefen  Anreissnng 
seines  vorderen  Randes  keine  Verletzung.  Die  Schliessrauskehi  des 
Afters  waren  gleichfalls  unverletzt.  Sofort  wurde  zwar  cnr  Verei« 
nigmig  der  Wandränder  mittelst  der  Knopfnaht  geschritten  und 
es  gebmg  die  Anlegung  der  Letzteren  Uotz  der  nicht  geringen  mit 
Sw  verbundenen  Schwierigkeiten  gaas  gut    MichtadestoMniger  ^ 


M4  VerhftBdlanffeii  Ae§  natarlibtorMeb-iiiedisiiiifolieB  VeretBi« 

doch  und  allen  Bemflhangen  sam  Trotze,  durch  fleissige  reioigende 
iDJectieneo  in  die  Vagina  snm  Zwecke  der  Wegspülong  des  Lochial- 
secrets  bei  andauernd  eingehaltener  Seitenlage  und  durch  ISogere 
Hintanhaltung  der  ersten  Stnhlentleerung  mittelst  wiederholter  Ver- 
abreichung von  Opium  in  kleinen  Gaben  möglichst  günstige  BediD« 
gungen  für  die  Heilung  des  Risses  herbeizuführen,  kam  dieselbe 
nicht  zu  Stande,  w&hrend  eine  am  2.  Tage  hinzugetretene  Baacli- 
fellentziindung  mit  nachweisbarem  Exsudat  bald  eine  solebe 
Abnahme  zeigte,  dass  diessfalls  eine  günstige  Pragnose  gestellt  wer- 
den konnte.  Ueberraschend  war  es  daher,  dass  nur  bei  den  erBten 
4,  am  10.,  12.,  14.  und  16.  Tage  erfolgenden,  durch  Oelklystiere 
bewirkten  und  erleichterten  Stuhlentlehrungen  ein  geringer  Theii  dei 
Darminhaltes  durch  die  Vagina  abging,  noch  überraschender  aber, 
dass  nach  ^Ablauf  von  4  Wochen  der  Riss  vollständig  ge- 
heilt sich  zeigte,  ungeachtet  man  denselben  einstweilen  ganz  sick 
selbst  überlassen  hatte,  weil  man  sich,  so  lange  der  Wochenbettsn- 
stand  dauerte,  weder  von  einer  Wiederholung  der  Naht,  noch  tob 
der  zwar  versuchten,  aber  nur  zweimal  angewandten,  Aetsoog 
der  Rissränder  mit  Höllenstein  Erfolg  versprach.  Die  Stuhleutiee- 
rungen  erfolgten  vom  18.  Tage  an  von  selbst  ohne  jede  Behinde- 
rung. Die  an  der  hinteren  Wand  der  Vagina  deutlich  zu  ffihieade 
Narbe  bildete  2  Abtheilungen:  eine  kürzere  quere,  etwa  V^  ^^ 
oberhalb  des  Scheideneingangs,  und  eine  bedeutend  längere,  welebe, 
Ton  jener  ausgehend^  ein  wenig  nach  rechts  von  der  Mittellinie  der 
hinteren.  Vaginal  wand  in  gerader  Linie  von  unten  nach  oben  verlief. 
In  den  an  die  Geschichtserzählung  dieses  auf  der  hiesigen  ge- 
burtshülilichen  Klinik  vorgekommenen  Geburtsfalles  geknöpften  Be^ 
merkungen  sprach  der  Vortragende,  den  Mechanismus  desselben  an 
einem  Becken  mit  der  Phantompuppe  demonstrirend,  zunächst  seine 
Ansicht  aus  über  die  Entstehungsweise  dieser  grossartigen,  ohne  jede 
manuale  oder  instrumentale  Einwirkung  entstandenen,  einzig  und 
allein  durch  den  Durchgang  des  Kindes  bewirkten,  somit  ganz  spon- 
tan geschehenen  Zerreissung  einer  gesunden,  von  jenen  Anomalien 
ganz  freien  Vagina,  welche  eine  besondere  Disposition  dieses  Organi 
zur  Berstung  begründen.  Er  fand  die  veranlassenden  Momente  in 
der  angegebenen  anomalen  Haltung  des  Kopfes,  in  der  nicht  erfolg- 
ten Drehung  desselben  mit  dem  Gesichte  nach  rückwärts,  in  der 
während  der  Geburt  nicht  zu  erkennen  gewesenen  Anlagerung  des 
rechten  Anns  an  den  hinteren  Theil  der  rechten  Seite  des  Kopfes, 
wodurch  eben  jene  Drehung  des  Letzteren  unmöglich  gemacht  wo^ 
den  sei,  endlich  in  der  geringen  Neigung  des  Beckens,  beziehungs- 
weise in  der  grossen  Breite  des  Mittelfleisches,  und  entwickelte  dis 
Gründe  für  diese  Annahme  in  weiterer,  umständlicher  Ausführonig. 
Er  wies  ferner  nach,  dass  unter  den  gegebenen  besonderen  UmstJbi- 
den  leicht  auch  ein  Centralriss  des  Mittelfleisches  hätte  entstehen 
können,  unterzog  die  Frage  einer  Betrachtung,  was  wohl  geschehen 
yder  notkwendig  gewordeq  sein   würde,   wenn  die  Reposition  def 


TarbandliiiifeB  def  Bataryftorifek-medhtiBifefaoii  Terelal  665 

doith  den  After  der  GebSrenden  TorgefaHenen  Armee  'mmiiBftlhrbtf 
geweeeo  wSre,  hob  das  seltone  Vorkommen  yon  Scheidenrieseni 
welche,  ohne  mit  voüstlndiger  Dnrchreiasang  dee  Mittelfleisches  oom» 
piicirt  80  sein,  bis  in  den  Mastdarm  dringen,  im  Allgemeinen,  daa 
ohne  Zweifel  noch  viel  seltenere  von  spontaner  vollstlndiger  Hei«* 
lang  so  ausgedehnter  Yerletanngen  dieser  Art  insbesondere  berror 
Dod  sprach  schliesslich  seine  Ueberiengung  dahin  ans,  dass  das 
haoptskchlichste  Moment,  durch  welches  es  der  Natur,  nach  frucht- 
los gebliebener  Unterstfltsnng  von  Seite  der  Kunst,  ermöglicht  wurde» 
einen  so  grossen  Schaden  überhaupt  und  in  so  kurzer  Zeit  insbei* 
sondere  wieder  gut  tu  machen,  in  der  puerperalen  Rückbildung  der 
Vagina  gesucht  werden  müsse.  — 

Der  zweite,  gleichfalls  auf  der  hiesigen  Gebärklinik  beobach« 
tete,  Fall  ereignete  sich  bei  einer  20  und  etliche  Jahre  alten,  g^ 
Bonden  Erstgebärenden  mit  rhachitischem  Becken,  dessen  Co^jngata 
auf  3V2''  geschätzt  wurde.  Der  Kopf,  in  erster  Hinterhaoptslage 
eingetreten,  wurde  im  Beckeneingange  eingeklemmt  und,  als  die 
Anschwellung  desselben  zunahm  und  die  Kreissende,  vorzügfich  wäh^ 
reod  jeder  Wehe,  über  einen  fixen  Schmerz  hinter  der  Schoossfnge 
immer  lautere  Klagen  erhob,  ohne  Zögern  nicht  ohne  bedeutende 
Hohe  mit  der  Zange  zu  Tage  gefördert.  Das  ausgetragene  mit« 
telgrosee  Kind  war  während  der  Operation  abgestorben  und  zeigte 
sm  linken  Seitenwandbeine  einen  ziemlich  tiefen,  vom  Promontoriun 
bewirkten  Eindruck.  Schon  am  nächsten  Tage  entwickelte  sich  an 
den  äusseren  Schamtheilen  unter  Hinzutritt  von  Fiebererscheinungen 
ein  entzündliches,  später  steilenweise  gangräoescirendes  Oedem,  wel- 
ches rasch  so  zunahm,  dass  es  eine  Untersuchung  durch  die  Vagina 
unzuliasig  machte.  Zugleich  trat  Harnverhaltung  ein,  wesshalb  der 
Harn  mit  dem  Katheter  entleert  werden  musste,  dessen  Einführung 
mit  bedeutender  Schmerzhaftigkeit ,  vorzüglich  gegen  den  Hambla- 
senhala  hin,  verbunden  war.  Als  die  Geschwulst  der  äusseren  Gre* 
nitalien  unter  der  Anwendung  von  erweichenden  Umschlägen  so 
weit  sich  gemindert  hatte,  dass  nun  per  vaginam,  in  welche  fleissig 
lauwarme  Einspritzungen  gemacht  wurden,  ezpjorirt  werden  konnte, 
und  mittlerweile  der  Ausfluss  aus  den  Geschlechtstheilen  sehr  reich- 
lich geworden  war,  überdiess  zuerst  eine  eiterformige ,  dann  eine 
mehr  jauchige  Beschafifenheit  mit  sehr  üblem  Gerüche  angenom* 
men  hatte  und  kleine  Partieen  brandig  zerstörten  Gewebes  mit  ihm 
ausgeführt  wurden,  entdeckte  man  am  obersten  Theile  der  vorderen 
Wand  der  Vagina  einen  Brandschorf  etwa  von  der  Grösse  eines 
Silbersechsers,  nach  dessen  bald  darauf  erfolgter  Abstossung  der 
Urin  ununterbrochen  durch  die  Scheide  abfloss  und  die  nun  jvieder 
vorgenommene  Untersuchung  an  dieser  Stelle  eine  C^hel^^n- 
Harnblasenhals-Fistel  von  solcher  Umfänglichkeit  ergab^^ass 
der  Zeigefinger  bequem  durch  dieselbe  geführt  werden  konnte.  -Unter 
von  Dun  an  angeordnetem  Liegenlassen  eines  metallenen  ^jSiatMters 
in  der  Harnblase  und  fortgesetztem  Gebrauche  i^nigender  Injectii^ 


566  VtAanilongtoB  dfei  natuAiHoriMk^MdlifaiiMhatt  VwtfliK 

Miki  fll  a^  8cbeM«f  fing  die  FisteKSitaiig  balfl  ah  iicb  n  ireAkI* 
neitt  nnd  ]A  denuelbeD  YerhSUnisBe ,  als  sie  sich  oMhf  ud  «ehr 
BUMimneiiflOgy  wurde  der  Scheidentheil  dea  Ulems  i^er  md  ifiitr 
ao  die  Tdrdere  VaginalwaDd  herangesogen,  bis  er  endlich  mit  ilir 
veifWtieha  mid  so  den  durch  die  Fistel  gesetaten  SobstaiisTerliist  er- 
setaen  half. 

Als  es  80  weit  gekommen  and  eine  Oeffheng  nicht  mxia  so 
flildea  war,  'wurde  der  Katheter  weggelassen  und  man  hielt  die  Fi- 
aftet  nm  so  mehr  für  geschlossen,  als  die  Kranke,  wahrscheinlich 
aoa  Furcht  ror   der  Wiedereinlegung  des  Katheters,  den  sie,  weil 
er  ihr  listig  war,  iräher  öfter  heimlich  herausgesogen  hatte,  Teni- 
cherte,  nunmehr  wieder  willkürlich  and  auf  gehörigem  Wege  nrioh 
ren  au  können.     Nach  mehreren  Tagen  jedoch  machte  man  die  selir 
miwillkommene  Entdeckung,  dass  Urin  noch  immer  dnreh  die  Yagios 
abging  und  bald   fand  man    die  Erklärung   dieser  Erschehiong  is 
einar  flbrig  gebliebenen,  schwer  au  entdeckenden,  sehr  feinen  spatt- 
fitrmlgen   Oeffnung    in  der  Torderen  Vaginalwaad   dicht  untertialb 
der  an  die  Letstere  angelötheten  Vaginalportien.    Sofort  wurde  mr 
Einftthrung  des  Katheters  mit  dem  Yorsatse  geschritten,   denselben 
abermals  liegen  und  die  unfolgsame  Patientin  strenge  überwachea 
au  lassen.   Eine  neue  nichts  weniger  als  angenehme  Ueberraschong! 
Etwa  1"  oberhalb  ihrer  Mündong  zeigte  sich  nun  die  Harnröhre 
nnditfcbgttngig.    Der  Katheter  stiess  hier  nämlich   auf  ein  niebt  n 
umgehendes,  jedoch  weiches,  elastisches  Hindernisse   ohne  Zweifel 
bedingt  durch  eine  durch  plastisches  Exsudat  bewirkte  Yerklebong 
der  Hamröhrenwände  mit  einander,  die  jedoch  glückli^herweiae  nocii 
frisch  genug  war,  um  mit  dem  Katheter  durch  wiederholtes,  allmüig 
kühneres  Andrängen  desselben,  wenn  auch  nur  unter  heftigem  Schmeri 
für  die  Patientin  und  unter  Abgang  von  etwas  Blut,   durchbrochen 
werden  au  können.    Während  von  nun  an  der  Katheter  von  Neuem 
liegen  gelassen  wurde,  erfolgte  die  endliche  vollständige  Schliesaung 
der  Fistel  bald  und  11  Wochen  nach  ihrer  Entbindung  wurde  Fat 
mit  wieder  erlangter  Fähigkeit,  den  Urin  willkürlich  auf  natürlichem 
Wege  zu  entleeren,  entlassen. 

Dieser  Geschichtserzählung  liess  Prof.  Lange  zuvörderst  die 
Bemerkung  folgen,  dass  er  diesen  Fall  vorzügli(;h  desshalb  dem 
Ersteren  angereiht  habe,  weil  er  insofern  ein  Seitenstück  au  dem- 
selben bilde,  als  die  Natur  auch  hier  die  Heilung  einer,  wenn  audi 
auf  eine  andere  Weise  zu  Stande  gekommenen,  so  doch  gMchfalli 
sehr  erheblichen,  Yerletaung  der  Yagina  und  eines  ihr  benachbarteo 
Organs,  zwar  nicht  ganz  ohne  fremde  Unterstützung,  aber  doch  unter 
ehier  jyir  jghr  einfachen  künstlichen  Nachhülfe,  glücklich  zu  Stande 
gebjJmt  flj^,  eine  Heilung,  zu  deren  Herbeiführung  die  Kunst  nicht 
seltffi  fruchtlos  nach  einander  und  wiederholt  alle  ihr  zu  Gebote 
stebteden  Mittel  in  Anwendung  ziehe.  Er  erklärte  sich  femer  Ar 
übdKugC  dasa  die  Heilung  auch  in  diesem  Falle  durch  die  pner- 
l^rale  Kaokbilduqf  der  Yagina  ganz  vorzüglich  begünstiget  werdea 


■mrtiüniiiiili  ■iHlhiiliiito  Ifibnäm  9W 


mtf  wi60  ma  den  4aM  M$Hg9lUnimkmj  eben  so  Hikmm  A 
WM<iJ»i  tai  nwmw  Zek  «uch  scboo  von  der  Kunst  dnMfc  NfluAh 
ämomg  deeeelkeo  MNgebe«le(eO|  Vorgang  hin,  bei  iretehaai  di^  Mi^ 
im  nir  Seblieseoog  eoicher  Fisteln  die  naebbarliehe  VaglnalperHoir 
mk  Terwendet,  npd  deutete  cum  Schlüsse  i&e  arge  TeslegenMc  mti 
welche  dieser  Fall  bewirtet  bfttl^,  wena  es,  was  Batilriftb  nichl  aus- 
febliebeo  sein  wfirde,  so  einer  fSrmllehen  Verwachsung  der  EaatH 
rdhre  geiKosaaien  wAre,  ehe  man  die  Versicherang  der  Fat,  nui^ 
wieder  gehörig  nriairen  su  liSnnen,  als  eine  falsche  erkannte,  spMer 
alimilig  aber  auch,  was  wenigstens  geschehen  bitte  Ictenen,  die 
Doeh  Torhandene  kleine  FisteJöffnung  sich  gänalich  gescbioasen  eder 
wenigstens  noch  weiter  so  verengt  hätte,  dass  sie  dem  Barne  weif 
einen  tfaeilweisen,  nicht  aber  einen  genügenden  Abfioss  sn  gewfihreei 
las  Stande  gewesen  wire.  — 


23.    Mittheilungen  des  Herrn  Dr.  H.  A.  Pagensteeker 

jun,   ans  der  geburtshfllflichen.  Praxis.     «Ueb^eir  Ver* 

letiungen  der  Scheide  bei  deii  Oeburtealfite^ 

am  11^.  Mal  1857. 

Der  Redner  knüpfte  diese  Mittheihmgen  innftehst  an  die  be^ 
littfige  Bemerkung  des  Herrn  Prof.  Lange  an,  dass  ami  sieb  ver- 
woadem  müsse,  dass  die  Scheide,  in  ihrem  gewöhnlichen  Zustande 
von  so  geringem  himen,  eine  solche  Ausdehnung  ertrage,  wie  der 
Gebnrtsakt  es  Teriange.  Herr  Dr.  Pagenstecher  ist  qua  der  Ansicht^ 
dass  allerdings  die  Scheide  wohl  öfter  wiUirend  diese»  Aktes  be« 
sch&digt  werde,  dass  dies  aber  iii  vielen  Fttllen  nicht  entdeckt  weide 
und  eben  dtuA  jene  giüekUche  Disposition  des  Wochenbettes  im 
raschen  BückbildmigsproBesse  die  Schiden  verschwinden.  So  entH 
deckte  derselbe  in  drei  F&llea  theils  die  VerieUungeD  selbst,  theila 
ihre  q)ftterea  Felgen,  rein  aal&llig. 

1)  I»  ersten  Falle  wurde  er  sugesogen,  als  bei  einer  Uhk 
terendlage  darch  die  Hebamme  die  Geburt  so  weit  v>ol}eDdee  war, 
dMS  aar  die  Extraktion  des  Kopfes  übrig  blieb.  Das  Kind  war  ib 
der  verstricbnen  Frist  zu  Orundii  gegangen.  Der  Kepf  konnte  nicht- 
mit  L^ch^keit  mit  den  Händen  herausgeführt  werden,  folgte  aber 
der  Zange  ohne  alle  Schwierigkeit  Oleich  hinter  ihm  stürme  die 
Nachgeburt  hervor.  Sie  war  aicht  etwa  darcb  die  Nabelsdinur  von* 
geaerrt  worden  i  sondesa  der  be&  sofortiger  Exploratioa  veUsUndlg 
koatrahirt  gefnndoe  Muttermund  bewies,  dass  sie  mit  dem  Kopf  k» 
der  Sckeide  gelegen  hatte.  War  es  nna  diese  überaiSssige  Ans«> 
dehauag  oder  ein  anderes  Moment  gewesen,  welches  die  ScIibM 
trug :  es  fand  sich  ehi  Riss  quer  über  die  vordre  Scbsydenwand  £ohi 
am  Halse  des  nterus,  durch  welchen  mai^  mit  mebteren  Fingern  be^ 
quem  an  die  vordere  Wand  des  Körpers  der  Gebärasutter  hinaafgeha 
koantew   Die  Rinder  der  Wunde  waren  dünn  und  aackig»   Es  wttr#e 


568.  V«rk«B41iiH«n  <1m  ottiurkiMriicIi^aediuBiicIieii  YeraiM 

cUesaB  EreigDiia  lue  au»  Mineii  Folgen  erkannt  worden  aeia,  deai 
am  vierten  Tage  war  die  Wunde  kaum  noch  seehaergroas;  nack 
Ablaof  der  ergten  Woche  war  die  Heilnng  voUaUüidig.  Ee  wer 
allerdinga  keine  Verletzung  der  Blase  eingetreten  und  hierdorch  dne 
traurige  GompUkation  erspart 

2)  Das  vollständige  Gegenstück  an  diesem  Fall  bot  ein  awei- 
ter,  an  einer  altem  Frau  beobachteter.  Diese,  an  wiederholtee 
Anfallen  von  Osteomalacie  leidend,  hatte  schon  das  ietate  Mal  dareb 
den  Bedner  mühsam  mit  der  Zange  entbunden  werden  müssen.  Es 
war  damals  gelungen,  das  Kind  wieder  aus  dem  Scheintode  in'i 
Leben  snrücksuführen.  So  begnügte  man  sich  auch  dies  Mal  mit 
Anwendung  der  Zange,  obwohl  ihr  Gebrauch  durch  die  Unllhigkeit 
der  Patientin  die  Schenkel  nur  irgend  erheblich  im  Hüftgelenk  su 
bewegen  sehr  erschwert  wurde.  Die  Operation  dauerte  länger  di 
gewöhnlich  und  lieferte  ein  todtes  Kind.  Die  Nachgeburt  folgte 
nicht  und  als  sie  mit  der  Hand  aufgesucht  werden  sollte,  fand  sich 
hinter  d6r  Gebärmutter  ein  Scheidenriss,  durch  welchen  man  leicht 
in  den  Donglas'scben  Baum  eindringen  und  sogar  Darmsehlbgeo 
berühren  konnte.  Der  Muttermund  setzte  der  Einführung  der  Hand 
einige  Schwierigkeit  entgegen,  doch  wurde  die  Placenta  entfernt  und 
gleichzeitig  der  uterus  in  das  kleine  Becken  möglichst  herab  gezo- 
gen, um  den  Biss  zu  schliessen  und  eine  Verlöthung  leichter  zu 
machen.  Trotz  der  grossen  Schwäche  dieser  Frau  trat  auch  nicht 
die  geringste  nachtheilige  Folge  dieses  Ereignisses  ein.  Auch  hier 
war  Dr.  Pagenstecher  erst  zur  Hülfe  gerufen  worden,  als  die  Fran 
schon  über  24  Stunden  in  dem  Geburtsakte  zugebracht  hatte.  Um 
so  weniger  Ursache  ist  zu  glauben,  dass  die  mit  aller  Buhe  ange- 
legte Zange  den  Bis^  verursacht  habe. 

8)  Ein  dritter  Fall  verrieth  nach  zwei  Jahren,  dass,  wemi 
auch  keine  eigentliche  Zerreissung  der  Scheide  stattgefunden  hatte^ 
doch  eine  Quetschung  oder  Beschädigung  derselben  vorhanden  war, 
welche  zu  einer  eigenthümlichen  Narbenbildnng  führte.  Der  Vortra* 
gende  hatte  mit  grosser  Anstrengung  eine  Frau  mit  der  Zange 
entbunden  nnd  ihr  darauf  gerathen,  vorkommenden  Falles  durch 
frühzeitige  Meldung  die  künstliche  Frühgebart '  möglich  zu  macbea. 
Dieser  Bath  wurde  nicht  beachtet  und  nach  zwei  Jahren  kam  der 
Ehemann  mit  der  Bitte,  ihm  von  der  Hebamme  gewünschte  Pulrer 
zur  Unterstützung  der  Wehen  für  seine  gebärende  Ehefrau  zu  ver- 
ordnen. Da  er  der  frühern  Entbindung  gar  nicht  gedachte,  aocii 
die  Hebamme  als  pflichttreu  bekannt  war,  wurde  ihm  willfahrt  Er 
kam  nicht  wieder  und  Pagenstecher  glaubte,  die  Sache  sei  erledigt 
Da  erscheint  der  Mann,  mirabile  dictui  genau  vier  Wochen  nach 
jenem  Tag  mit  der  Botschaft,  seine  Frau  sei  immer  noch  nicht  ent- 
bunden. Die  vierte  Hebamme  war  bereits  vergeblich  in  Ansprach 
genommen  worden.  Die  Wehen,  sonst  fortwährend  mit  Pausen  wie« 
derkehrend,  hatten  seit  24  Stunden  ganz  aufgehört;  die  Frau  sei 
ansserordentlich  matt.    Die  Untersuchung  ergab,  dass  bei  ganz  sdüsf 


▼«rhtdllnfMi  te  naliiHiiiloriach-iiedtsiiiifcbeo  Yerefu.  569 

km  O60«Medit8th«l1en  sich  ein  fast  fingerdicker  ond  an  iwei  Zoll 
langer  lellgewebiger  Strang  von  der  hintern  Scheidenwand  nahe  der 
Comminnr  aar  vordem  Mattermundlippe  erstreckte  und  straff  änge- 
spaoat  den  Uterus  in  einer  tiefen  Lage  fixirte.  Er  wurde  auf  dem 
Zeigefinger  mit  einem  Bistouri  mit  höchst  unbedeutender  Blutung 
durchsebnitten.  Es  aeigte  sicii  nun  der  Uterinmund  wie  eine  Tasse 
gross  geöffnet,  in  ihm  eine  schlaffe  Blase,  in  dieser  ein  Arm  des 
Kindes.  Die  nähere  Ueberlegung  machte  es  wahrscheinlich,  dass 
die  Zerrung  an  der  Uteriniippe  einerseits  eine  Ursache  gegeben  habe 
lar  Her?orrnfung  Toraeitiger  Wehen,  da  das  Kind  entschieden  noch 
la  klein  erschien,  um  ausgetragen  au  sein,  dass  sie  femer  aber  die 
gehörige  Ausdehnung  des  Muttermundes  gehindert  habe.  Ein  direktes 
Gebortshindemiss  hatte  der  Balken  nicht  abgegeben,  der  Kopf  oder 
Körper  war  noch  nicht  eigentlich  gegen  ihn  angedrängt  worden.  In 
Anbetracht,  dass  das  Kind  noch  lebte,  dass  es  eine  unrichtige  Lage 
hatte,  und  dass  bei  dem  erschö|ften  Zustand  der  Frau  nicht  leicht 
ordentliche  Wehen  su  erwarten  standen,  wurde  die  Wendung  ge- 
macht und  das  Kind  entfernt.  Nur  das  stark  vorragende  Promon- 
torium machte  einige  Schwierigkeit.  Die  Nachgeburt  folgte  leicht, 
doTcb  eme  kalte  Injektion  in  den  Uterus  wurde  dieser  aur  Contrak« 
tion  angeregt  und  eine  eintretende  leichte  Blutung  gestillt.  Das 
Kind  erwies  sich  als  Tolle  sieben  Monate  alt,  es  starb  nach  6  Wo- 
chen, wohl  an  mangelhafter  Pflege.  Der  zellgewebige  Strang  war 
bei  der  ersten  Entbindung  nicht  vorhanden;  er  war  wahrscheinlich 
eine  Folge  einer  ausgebreiteten  Ulceration  der  Scheidenschleimhaut, 
herTorgerufeu  durch  die  Quetschungen  oder  gar  Zerreissungen  wäh- 
rend einer  angestrengten  Zangenoperation.  Hier  hatte  die  Heilkraft 
der  Natur  des  Guten  au  viel  gethan;  die  vordere  Muttermundiippe 
war  an  den  unrechten  Fleck  angelötbet. 


24.    Vortrag  des  Herrn  Dr.  von  Holle.  „Ueber  den  Zel- 
lenkörper  der  Lebermoose**  am  29.  Mai  1857. 


Diese  Mittheilungen  betreffen  ein  den  Lebermoosen  eigenthOm- 
llches,  in  anatomischer  und  chemischer  Hinsicht  noch  wenig  unter- 
suchtes, von  Oottsche  „Zellenkörper^  genanntes  histologiches  Element 

Die  Zellenkörper  bilden  einen  Theil  des  festen  in  den  Zellen 
der  Blätter,  peripherischen  Stengeltheile  und  Blüthenhiillen  mancher, 
insbesondere  der  beblätterten  Arten  der  Lebermoose  enthaltenen 
Gontentums. 

Sie  zeigen  sich  gewöhnlich  in  den  meisten,  seltner  nur  in  ein- 
seinen Zellen  der  genannten  Theile.  Nicht  gar  selten  trifft  man 
Individuen,  in  denen  sich  keine  Spur  der  Körperchen  entdecken  lässt 

Sie  entwickeln  sich  in  einer  für  die  Zellen  gleicher  Grösse  bei 
jeder  Art  constanten  Durchschnittszahl:  z.  B.  in  den  lüeinem  Blatt- 


na  VMiMindliinf e»  ^m  aüailiifUfkA^MdiallilMbMk  TwAtfi 

adr«!!  der  Sca[Minia  namorofa  Nees.  am  HKafifrtaa  ia.4,  bi  dai 
groasern  meist  zu  6. 

FSrbiiftR.  —  Die  Farbe  der  KOrperchen  ist  geblick^weinf 
aoch  heller  oder  daokler  brauiL  Bei  den  eificeineD  Arten  pflegjt 
vorherrschend  die  eine  oder  die  andere  dieser  Farben  versokettHiMu 

Grösse.  —  Ihre  Grösse  im  Verhältniss  tar  Zelle,  in  welcher 
sie  sieh  befinden,  ist,  je  nach  den  Arten ^  osgemein  verachiedtt. 
Sehr  grosse  traf  ich  u.  A.  in  den  Blattselien  der  Radala  complaDsU 
Domort^  deren  >Lumina  einaelne  sie  fast  bot  Hälfte  erfüllende  Z«l- 
lenkörper  enthalten.  Sehr  kleine  bemerkte  ich  bei  Jangermsoma 
bicuspidata  L.,  Ptilidium  ciliare  N.  ab  £.  etc. 

Form.  —  Betreffend  ihre  Form,  so  erscheinen  sie  meist  all 
ctrciunscripte ,  längliche  (seltner  rnnde),  bisweilen  an  xwei  Seitei 
abgeflachte  Massen. 

Stractur.  —  In  Wasser  beobachtet,  erscheinen  manche  stnic- 
turlos;  andere  scheinen  ans  mehrern  nach  einer  bestimmten  Nsna 
verehiigten,  nur  durch  schattenartige  Streifen  und  seichte  latersls 
Einkerbnngen  getrennten  Stücken  zu  bestehen ;  bei  noch  andern  be- 
merkt man  einen  gelblichen  Inhalt,  der,  halb^  oder  ganzfiiiasig,  tob 
^aer  weissen  stellenweis  sehr  deatlicben  Membran  umschleesen  wiii 
(Mtttigobrynm  3  lobatum  Nees);  endlich  kommen  auch  köiuig^ 
maichttal  in  der  Mitte  mit  einem  oder  mehrern  Tropfen  Yersebese 
Zellenkörper  vor. 

Gequetscht,  erhalten  die  Körper  unter  dem  Microscop  das  An- 
sehen ölartiger,  vollkommen  structurloser,  balbflnssiger  Maaaen;  wo- 
von niur  die  körnigen  Zellenkörper,  welche  sich  in  Kömer  auflöaeii) 
eine  Ausnahme  machen.  —  Sowohl  hieraus,  wie  aus  dem  micros* 
copischen  Bilde  der  unverletzten  Körper  ^  so  wie  endlieh  ans  den 
Formen  *)  derselben  ergibt  sich  die  feste  Beschaffenheit  der  aussen, 
die  ganz-  oder  halbflüssige  der  inneren  Theile  der  Zellenkörper;,  ab- 
gesehen von  solchen,  die  ganz  aus  einem   körnigen   Stoff  bestehen. 

Im  Alkohol  scheinen  die  Körper  rasch  und  vollständig  gelSsl 
zu  werden.  Dies  zeigte  sich  an  etwa  30  in  dieser  Beziehung  voo 
mir  geprüften  Arten,  welche  der  hiesigen'  Flora  angehören.  Eb 
scheint  hiernach,  bei  diesen  Arten  wenigstens,  der  Zellenkörper  gani 
aus  ein«m  oder  mehrem  im  Alkohol  löslichen  Stoffen  zusammenge- 
setzt zu  sein.  Doch  glaubt  man  bisweilen,  ausser  diesem  Stoffa) 
noeb  eine  im  Spiritus  nicht  gelöste  Membran,  die  erst  nach  der 
Reaction  sichtbar  geworden,  zu  bemerken.  Diese  Membran  tritt  an 
so  hänfiger  auf,  je  energischer  der  Alkohol  auf  die  Zellen  wirkt: 
wie  sie  denn  besonders  leicht  in  den  Randzellen  der  Blätter,  in 
welche  der  Spiritus  von  drei  Seiten  zugleich  gelangt,  wahrgeness- 
raen  wird.     Die  Membran  ist  ein  durchsichtiges,  rollkommeii  färb- 


*)  Die  laiifrlichen  circumscriQ^en  Formen,  die  erat  bei  ziemHck  ataikea 
Druck  veriliidert  werden,  setzen  wohl  ohne  Zweifel  eine  feste  Peripherie  dar 
Zelliiikorper  vonos. 


▼erknAiMgini  4m  «iliirliiiloritelb-flieiififBiMAM  VereliM.  171 

hH$  BISftebefi,  tit  von  einer,  manchnial  auch  von  swel  Kontoaren 
begrioBt,  und  etwa  von  denn  2  -Sfachen  Volumen  des  betreffenden 
K^frpersY  ^  deeaen  Stelle  sie  encbeint.  Gtottscbe  blieb  im  Zireifel 
fiber  diese  Bliacben:  er  wuaste  niebt,  ob  er  sie  fttr  ebien  Theil  der 
Körper  baltcin  solle,  oder  nicbt*)  Neaere  Untersocboogeo ,  diesen 
Ponkt  betreflhnd,  fehlten  bislan«:.  —  Mr  sebeint  die^  erwibnte 
Membran  niebt  vorgebildet  so  sein,  sondern  sich  ans  dem  gümmj^ 
nnd  proteinhaltigen  Zelleneontentum  su  erseugen,  während  die  be- 
treffenden Körper  im  Spiritus  gelöst  werden,  and  indem  sugleich  die 
erwähnten  Stoffe  im  Alkohol  gerionen.  Letstere  eondensiren  sich 
in  Form  einer  Blase  in  der  Umgebung  des  vorhin  durch  die  ersteren 
ansgefOllten  Raumes,  der  weder  Oummj  noch  Protein  (oder  doch 
Bor  Meine  Mengen  dieser  Stoffe),  sondern  nur  die  im  Alkohol  ge- 
löste Substans  des  Körpers  enthalten  kann.  Für  diese  Ansicht 
sprechen : 

1)  Die  bräunlich-  gelbe  Färbung  der  Bläschen  durch  Jodtink- 
tur. Sie  färben  sich  durch  dieses  Reagens  den  proteinartigen  Stof- 
fen gleich;  beständen  sie  aus  Jnulin,  so  müssten  sie  geI6  gefärbt 
werden. 

2}  Der  Umstand,  dass,  wenn  man  das  geronnene  Protaplasma 
der  Zelle  durch  die  Einwirkung  eines  andern  Reagens  abermals  nm- 
gMaltet,  die  Bläschen  diese  Verwandlung  theilen.  Wenn  man 
s.  B.  Jodlösang  (wässrige)  oder  einfach  Wasser  dem  durch  Alkohol 
verdichteten  Zelleninhalt  Eusetzt,  so  treten  statt  der  frOher  erblick- 
fen  KSmchen,  Ballen  etc.  neue  Verdichtungsmassen  auf,  während 
iuglefcb  die  Bläschen  zertheilt  und  mit  den  neu  entstandenen  Con- 
cretionen  verschmolzen  werden.**)  —  Wenn  die  Bläschen  eine  or- 
ganisirfe  Membran  wären,  so  würden  sie  bei  Anwendung  von  Rea- 
gentien  (ausgenommen  etwa  concentr.  Schwefelsäure,  Kali  und  andere 
heftig  wirkende  Substanzen)  in  ihrer  Form  nicht  sogleich  wesentlicb 
verändert,  oder  sie  würden  doch  durch  dieselben  nicht  ganz  und 
gar  zertheilt  werden.  Betreffend  die  beiden  vorhin  erwälraten  Rea- 
gentien,  so  werden  die  Bläschen  durch  dieselben  nicht  etwa  bloss 
unsichtbar  gemacht:  denn  letztere  erscheinen  nicht  wieder,  sobald 
man  erstere  entfernt,  und  Alkohol  von  Neuem  zusetzt  (mit  Aus* 
nähme  der  in  der  Bemerkung  erwähnten  Bläschen). 

3)  Die  Tliatsache,  dass  es  nicht  gelingt,  die  fragliche  Membran 
in  einem  andern  Mittel  darzustellen,  als  im  Spiritus.  So  sieht  man 
keine  Spur  derselben  bei  der  Behandlung  mit  Schwefelsäure,  Kidi, 
Terpentin-  und  Mandelöl,  bei  directer  Anwendung  von  Jodlösung 
auf  die  Körper,  beim  Schmelzen  der  letzteren  in  Wasser  etc. 


^  Veritl.  Gottsclie's  anatom.  phys.  Unters,  über  Haplomitriam  Hoockeri  etc. 
In  H.  A.  V.  XX.  P.  I.  p.  28Ä. 

**)  AatfeBommeo  einEelne,  weiche  sich  hier  ond  da  erhalten.  Sie  find 
in  Wasaer  Canni  zu  sehen,  erscheinen  bei  Zusati  von  Alkohol  deutlicher  nm- 
grinit,  and  verschwinden  endlich  bei  nochmaligem  Einwirken  lueral  von 
Waner  und  dann  von  Akohol. 


579  V«riiaDd1aofeii  dei  Diitnrh{«(oriielMBe^isiB{fe1ieB  Yer^ba. 

Chemisches.  —  Die  chemischen  EigenschafteD  der  Zenk5^ 
per  waren  bisher  in  noch  geringerem  Grade,  als  die  anatomischen, 
erkannt  worden.  Was  mir  über  dieselben  ans  der  Literatur  be- 
kannt geworden  Ist,  beschränkt  sich  auf  Vermuthungen.  Nach  Gott- 
sche  (a.  a.  0.)  sind  die  Körper  ein  Hars  oder  Wachs:  da  rie  im 
Alkohol  sich  auflösen.  Schacht  dagegen  *)  meint,  dass  sie  in  ihreo 
allgemeinen  Verhalten  dem  Inulin  entsprechen;  an  welcher  Ansieht 
er  vielleicht  durch  die  Reaction  derselben  gegen  Jodtinctnr  Yeras- 
lasst  wurde. 

Erwägt  man  die  Löslichkeit  der  Körper  im  Alkohol,  die  Erfail- 
tung  ihres  Volumens  im  kochenden  Kali,  das  Schmelaeo  derselben 
im  gelind  erwärmten  Wasser,  so  wie  den  penetranten  Geruch,  den 
fast  alle  Lebermoose  (im  angefeuchteten  Zustand)  entwickeln,  m 
darf  man  wohl  vermuthen,  dass  Harz  und  aetherische  Oele  die  con- 
stitnirenden  Elemente  der  Zellenkörper  sind. 


Berichtigung  und  Nachtrag  sudenMittheilnngen  über 
den  Zellenkörper  der  Lebermoose. 

Der  in  dem  Vortrage  vom  29.  Mai  d.  J.  vorgekommene  Aot- 
spruch :  dass  die  an  der  Stelle  der  mit  Alkohol  behandelten  Zellen- 
körper sich  zeigende  Membran,  die  man  siemlich  oft  bemerke,  nicht 
vorgebildet  zu  sein,  sondern  durch  das  Gerinnen  des  Plasmas  der 
Zelle  sich  zu  bilden  scheine  —  diese  Ansicht  widerlegt  sich  bei  der 
Untersuchung  der  im  Wasser  faulenden  Zellenkörper  einer  der  klein- 
sten Jungermannienspecies.  Diese  Art,  welche  ich  erst  vor  Kurzem 
kennen  lernte  (leider  ist  sie  unbestimmbar,  da  ihr  die  Früchte  feh- 
len), überzeugte  mich  von  dem  Vorhandensein  einer  dem  ZelleDk6^ 
per  selbst  angehörigen  Membran,  Schon  früher  hatte  ich  versucht, 
über  das  Vorkommen  oder  das  Fehlen  einer  solchen  Membran  be- 
ddmmte  Aufschlüsse  mittelst  des  Fäulnissprocesses  zu  erhalten ;  aodi 
hatte  ich  an  verschiednen  Arten  der  Lebermoose,  welche  ich  absieht- 
lieh  der  Fäulniss  unterwarf,  keine  Spur  der  erwähnten  Haut  beole^ 
ken  können.  Dass  diese  dennoch  vorhanden  ist,  sah  ich  dageg^ 
wie  gesagt,  an  faulenden  Zellkörpem  der  später  untersuchten  Art 
—  Die  Membran  lässt  sich  an  den  betreffenden  Körpern  nicht  nseh* 
weisen,  so  lange  diese  frisch  sind;  letztere  scheinen  vor  der  Zer* 
Setzung  aus  einem  körnigen  compacten  harzähnlichen  Stoffe  zu  be- 
stehen. Wenn  man  dagegen  das  Moos,  nachdem  es  einige  Ta|e 
im  Wasser  gelegen,  in  Hinsicht  auf  die  Zellenkörper  untersucht,  eo 
erscheint  die  Substanz  derselben  aufgelockert,  die  Kömchen  haben 
sogar  stellenweis  ihren  Zusammenhang  verloren,  und  hier  und  dt 
bemerkt  man,  wie  sie  mit  lebhafter  Molecularbewegung  im  Laves 
einer  hyalinen,   äusserst  zarten,  ein  wenig  aufgequollenen  Hembru 


*)  Vgl.  Schacht,  Anst.  und  ?hjB.  S.  60. 


I 


VertiaD^liiMteii  det  natorhiiloriicbHBediiiDiicIiMi  Yereiof .  578 

sidi  hin  oBd  her  bewegen.  Jodtioctur  ertheilt  der  Membran  eine 
bräanlicbgelbe  Firbnng;  Chloriink-JodlOsung,  Schwefeli&are  nnd 
Kali  machen  sie  rersehwinden ;  daaseibe  gilt  von  kochendem  Wet- 
ter; dagegen  erhillt  sie  sich  im  Alkohol,  der  sie  verdichtet  und 
mit  schfirferen  Goniouren  erscheinen  IXsst 

Ich  habe  mich  durch  anhaltende  Beobachtung  von  der  Identitit 
dieser  Membran  mit  derjenigen,  weiche  man  bei  der  Behandlung 
frischer  Körper  mit  Alkohol  bemerkt ,  vollkommen  fiberseugti  und 
trage  kein  Bedenken,  diese  Membran  nicht  nur  bei  der  erwfthnten 
Art,  sondern  auch  bei  allen  übrigen  von  mir  beobachteten  Leber- 
moosen, denen  ein  Zellenkörper  sukommt,  aniunebmen.  Ist  die 
Membran  bei  einer  Art  vorgebildet,  so  wird  dasselbe  bei  den  übri- 
gen der  Fall  sein,  da  bei  allen  die  Zellenkörper  in  ihrem  Bau  sich 
im  Weeentlicben  analog  sind. 

Demnach  bestehen  die  Zellenkörper  nicht  in  ihrer  ganaen  Masse 
aus  einer  in  Alkohol  löslichen  Substans,  sondern  sie  enthalten  diese 
nur  in  ihrem  Lumen,  wogegen  die  Membran  aus  einem  gans  an- 
dern Stoff,  der  sich  im  Alkohol  condensirt,  susammengesetit  erscheint 
Von  welcher  Art  derselbe  sei,  kann  durch  microscopisehe  Beobach* 
tnngen  nicht  ermittelt  werden;  wenn  auch  die  angeführten  Reaetio* 
Ben  eine  Verwandtschaft  dieses  Stoffes  mit  dem  Inulin*)  vermu* 
tben  lassen. 


S5.     Vortrag   des   Herrn   Prof.   Nuhn.     „Ueber  die  Bil* 

düng  der   Absonderungsflfisslgkeiten   überhaupt   und 

der  Galle   insbesondere'  (II.  Abtheilung)  am  29.  Mai 

und  14.  Juni  1857. 

Prof.  Nnhn  wendet  sich  in  seinem  heutigen  Vortrage  an  die  Be- 
trachtung der  noch  Übrigen  Absonderungen,  welche  weder  in  die 
Kategorie  einfacher  Transsudate.,  noch  in  die  der  Diffusionserschei-' 
nungen  untergebracht  werden  können,  und  untersieht  besonders  das 
Secret  der  Talgdrüsen,  der  Milchdrüsen,  der  Hoden,  der  Magensaft- 
drfisen,  der  Schleimdrüsen  u.  a.  einer  nShern  Betrachtung,  welche 
lehrte,  dass  die  meisten  dieser  Secrete  unzweifelhaft  durch  U  mwand- 
lang  und  schliesslich  e  Auflösung  der  Drüsenzellen 
SQ  Stande  kommen.  Bezüglich  der  Beantwortung  der  Frage,  auf 
welche  Weise  die  durch  Auflösung  zur  Bildung  des  Secretes  ver- 
wendeten ZeUen  ergänzt  würden,  statuirt  der  Redner  sowohl  eine 
Zellenvermehrung    durch   Theilung   als   auch    eine   freie    Zellenbil- 


^)  Zwar  wird  dat  Inalin  dorcli  JodlOfung  gelb,  die  Membran  gelbbrinn« 
lieh  gefferbt;  doch  ein  fo  fiferinger  UDlericliied  in  der  FlrbanK  fcbeinl  mir 
weoif  ia  Betracht  aa  kommen,  seit  ich  kttnlich  mit  dem  Amylam  and  Jonlin 
frans  offenbar  verwandten,  durch  JodlOsung  felbbraan  gefUrbten  Körpern,  die 
in  den  Btattsellen  der  Vallisaeria  apirslii  vorkommeui  bekaniil  wurde« 


5^  VadwiidliuigflB  ^  BtturliiftQruoh-mediBiiiMheD  Veidsf« 

.duog.  Hio^icbtlich  letsterer  gibt  er  xwar  so,  dau  ao  Tielen  Orten, 
wo  man  früher  eine  freie  ZelleDfoüduDg  aDgenommen  hatte,  die 
jK>lohe  Bimachweislich  sei  und  wahrsoheiolicb  mir  eine  Zelleavermeih 
•ruBg  durch  Theüung  statt  habe.  AUeiD  das  Vorkommea  freier  Zsl* 
lenbilduQg  gänsiich  leugnen  au  wollen,  wie  dies  von  einigen  Neae- 
flOQ  gescbsbe,  daau  scheint  ihm  der  Stand  unserer  gegen wSrtigsD 
£riahrungen  noch  nicht  zu  berechtigen.  Dem  Sedner  liegen  wenig» 
«tons  Beobachtungen  vor,  welche  sich  nicht  gehörig  deuten  lasflea, 
•wenn  man  die  freie  ZeUenbildung  leugnet  — 

Hierauf  wendet  sich  Prof.  M.  an  die  Beantwortung  der  Frage,  Ib 
welche  der  vorgetragenen  drei  Kategorien  das  Secret  der  Leber,  die 
Galie,  gehöre?  Da  man  über  den  Bau  der  secernirenden  Theileerstim 
JBJaren  sein  muss ,  wenn  man  derartige  Fragen  über  die  Thfitigkeil 
einer  Drüse  erledigen  will,  der  Bau  der  Leber  aber  in  vielen  Be- 
siehungen noch  uniclar  und  dunkel  ist,  so  geht  der  Redner  vorerst  in  eioe 
genaue  Erörterung  der  Anordnung  des  secernirenden  Theiit 
der  Lebex  ein,  wie  sich  dieselbe  theils  aus  der  Untersuohung  Aar 
.derer,  theiis  aus  eigenen  l^achforaohungen  ergibt.  Nachdem  Pirol  N. 
4as  Bekannte  des  Baues  der  Leherlfippchen,  der  Anordnung  der  Le> 
l>eraeU0i,  der  Blutgefltese  und  der  s^r  Abiuhr  der  Galle  dienendes 
Ksjifiichen,  der  GallenglfaBge ,  so  wie  endlich  des  in  den  Ba«  dir 
Leber  mehr  oder  weniger  eingehenden  Bindegewebes  kurs  angedeu- 
tet, und  die  Unrichtigkeit  der  Behauptung  mancher  Forscher,  der  ca 
Folge  die  Interlobularzweige  der  Pfortader  miteinander  anastomo- 
diren  solKen,  so  dass  sie  die  Läppchen  ringförmig  umfassten,  darge* 
than  hatte,  —  so'  wirft  er  sich  die  Frage  auf,  wie  verhalten  täA 
diese  verschiedenen  Tbeile  zu  einander  beim  Vorgange  der  Gallen* 
absonderung?  Dass  die  Lefoerzellen  die  Werkstätte  der  Gallenbil- 
dung seien,  dass  ferner  das  in  den  Pfortadercapillaren  fliessende  Blut 
den  Leberzellen  das  Material  dazu  liefere,  und  dass  endlich  die  v<m 
den* Leberläppchen  abgehenden  Gallengänge  die  fertige  GaUe  wog- 
leiten,  betrachtet  der  Redner  als  eine  ausgemachte  Sache.  Es  er^ 
geben  sich  demnach,  wenn  man  von  dem  Wie?  der  GaUenbildfmi 
innerhalb  der  Leberzellen  vorläufig  noch  absieht,  zunäeliet  nacbiel- 
gende  Fragen:  nämlich  wie  wird  die  Galle  an  ihrer  Bildungestttli 
frei,  um  in  die  Gallengänge  zu  gelangen,  d.  h.  dringen  die  im  b* 
nern  der  Lefoeraellen  gebildeten  Gallenbestandtheiie  durch  die  etvt 
porösen  Wandungen  der  unversehrt  bleibenden  Zellen  heraus,  edu 
wird  der  Zelleninhalt  dadurdi  frei ,  dass  die  Zellen  sich  .auflösen? 
Und  wenn  das  Ehie  oder  Andere  der  Fall  wäre,  —  wie  gelangt  dii 
tetige  Galle  in  die  Abfuhrswege,  die  Galleng&ige,  d.  h.  wie  var» 
halten  sich  die  Leberzellen  zu  den  Anfängen  der  Gallengänge? 
Liegen  diese  Drüsenzellen  auch,  wie  die  Secretzellen  der  andern  Diff- 
sen,  auf  der  Innenfläche  einer  Membran,  welche,  einen  bläadben^  oder 
kanalförmigen  Hohlraum  nmschliessend,  in  ihrer  Fortsetzung  dirstt 
in  die  Wandung  der  Ausführungsgänge  übergeht,  oder  ist  die  Leber 
in  dieser  Begehung  in  einer  von  den  andern  Drüsen  «bweicbeatai 


VofliaHdlnfM  aM  Ml«rlü«tortMli««e4faDBMMi  Vmmm.  i9S 

Art  feiaal?  Der  Bedoer  gebt  lunichal  Mf  die  Er^vteniog  der  leU^ 
ttren  Frage  ein. 

Die  Meisten,  welebe  sldi  mit  der  Erforeeiumg  des  Baues  der 
Leker  Wesehlftigtenf  kennten  sich  nickt  Ton  der  gew^hnlteben  Ani^ 
isMMigsweise  des  Drfleenbaass  trennen  nnd  naliHMn  dein  ni  Folge 
sine  Membran  an,  weldie  die  DrfisenseUen  der  Leber  in  der 
einen  oder  andern  Weise  umgebe  und  schliesiltch  in  die  Wandung 
der  wegleisenden  Gnilenginge  übergehe.  Nnr  Wenige  steUten  eiae 
mMbt  Membran  in  Abrede  und  betrachteten  die  Leber  als  eine  Dirüse 
eigener  Art 

Frei.  Kuhn  gibt  nun  eine  kurae  MittlieilHng  der  Tsmchiedenen 
Aasiebten,  die  ober  die  Anordnung  des  secernirenden  TheUs  der  Leber 
bestehen  nnd  stellte  dieselben  in  folgender  Weise  «usammen. 

1)  Die  Leber  ist  gebaut  naoh  Art  der  tranbenförmigen  Drüsen 
(J.  MliUer,  Krause). 

i)  Die  Leber  ist  naeh  Art  der  röhrigen  Drüsen  gebaut. 

n}  Annahme  von  oetsförmig  verbundenen,  ans  einer  structnrlo* 
San  Membran  gebildeten,  Kanälen,  welche  die  reftenförmig  gelagert 
fesa  Lebersellen  umschliessen  und  die  Maschen  des  Blutgefüssnetees 
dnrekalricken  (Kieman,  Schroeder  van  d.  Kolk  nnd  Bäcker,  Betsins, 
Knikenberg,  Theile,  Weja  n.  A.). 

b)  Annahme  eines  gUterförmig  Terschlangenen  Netses  darmäbn* 
Kch  gewundener  Kanftle,  an  deren  Innenllfiehe  die  Lebenelien  naoh 
Alt  ekMS  Epithels  gelagert  sind  (Arnold). 

c)  Annahme  eines  Netzes  von  Gallenkaniiohen ,  welche  nicht 
von  einer  die  Zellen  umfassenden  Membrana  propria,  sondern  da* 
durch  gebildet  sind,  dass  die  relhenformig  mit  elaander  in  Verbin- 
dung ntebenden  Zellen  an  ihren  Berührungsflächen  mit  einander  vci^ 
wadieen  und  durch  Schwund  der  Zwischenwände  in  einander  sidi 
SAietan  und  dadurch  die  Zellenreihen  au  Kanälchen  wurden  (£• 
B.  Weber,  Lambron). 

8)  Die  Leberläppchen  sind  von  einem  Gallengangnetze  durch- 
sogen,  das  im  Innern  der  Läppchen  aus  Intercellulargängen,  -*-  im 
.peripherischen   oder  Bindentheile  dersdben  aber  ans  Kanäichen  ge- 
bildet wird,  welche  mit  selbstständigen  Wandungen   versehen  sind 
(Henle,  6eriach> 

4)  Das  Leberzellennetz  und  das  Blutcapillamets  bilden  die 
einsigen,  die  Leberiäppchen  zusammensetsenden  Bestandtheile.  Die 
QADengänge  beginnen  erst  an  der  äussern  Seite  der  Läppchen  blind 
(KeeUiker  nnd  grössten  Theils  H.  Jones). 

5)  Der  Lelier  liegt  ein  bindegewebiges  Gerüst  zu  Grunde,  das 
ein  eavernösee  Fäcberwerk  bildet,  dessen  grössere  und  klemere  F9r 
«lierrftume  die  Leberiäppchen,  die  Zelleoreihen  und  Balken  des  Zel'» 

enthaken  und  an  der  Peripherie  der  Läppdhen  in  die  weg- 
Oaliengänge  übergehen  (Hyrtl,  Leydig). 
Der  Bednar  unterwarf  nun  diese  verschiedenen  Aneichten  einer 
Belencbtung  und  stfgte,  wie  keine  desfelb^D  fons  Tiohtig 


176  Verhandkafen  def  nalariiiftoriicli-iBediiiiiifdien  Tereiai. 

oder  haltbar  sei,  und  wies  darauf  hin,  wie  die  meisten  Foisdicr 
überliaupt  sicli  bemClbten,  den  Bau  der  Leber  in  m5|;licbaten  Eia- 
klang  mit  dem  anderer  DrOsen  so  bringen,  om  so  den  8ebw{eH^ 
keiten  ausauweichenf  welche  sonst  bei  der  Lösong  so  mancher  daraof 
beaüglicber  Fragen  sich  entgegenstellen.  Ueberdiess  bemerkt  Prof.  N., 
dass  in  Erfahrungswissenschaften,  wie  der  unserigeni  man  leider  oft 
die  Wahrnehmung  mache,  dass  bei  der  Lösong  wichtiger  Frages 
vorgefasste  ^  und  lieb  gewonnene  Metnungen  man  h&ofig  an  sehr 
da  mitspredien  lasse,  wo  eigentlich  nur  die  Erfahrung,  die  mdiere 
Beobachtung  und  unzweifelhafte  Thatsache  entscheiden  solle. 

Der  Redner  weist  ferner  darauf  hin,  wie  überhaupt  eine  Auf* 
fassungsweise  gewisser  BanverhäUnisse,  wenn  sie  an  einer  allgemeio 
herrschenden  geworden^  stets  mächtigen,  bald  fördernden,  bald  hem 
menden  Einfluss  auf  die  Forschungen  und  Fortschritte  der  Wissen^ 
Schaft  übe,  je  nachdem  erstere  richtig  oder  unrichtig  sei.  So  ge- 
denkt er  beispielsweise  der  üblichen  Auflfassung  und  Deutung  der 
unter  dem  Namen  ^Epithelien^  belcannten  Zellenlager  auf  grössers 
bindegewebigen,  hftutigen  Ausbreitungen.  Wenn  man  auch  der  Uebsr» 
aeugung  sich  hingeben  könne,  dass  die  Zeit  nicht  mehr  fem  llegi^ 
wo  diese  Zellenlager  nicht  mehr  bloss  als  schütaende  Uebenögs 
dieser  Häute  gelten  werden,  —  so  sei  dies  eben  doch  gegenwärtig 
noch  die  allgemein  herrschende  Ansicht,  und  habe  als  solche  bii 
jetat  auf  fast  jede  darauf  beaüglicbe  Forschung  einen  mehr  oder  we- 
niger befangenhaltenden  oder  trübenden  Einfluss  geübt.  —  Oleichai 
gelte  auch  von  der  allgemein  üblichen  Auffassungsweise  des  Drfi- 
senbaues,  eine  Auffassung,  welche  aus  einer  Zeit  stammt,  in  der 
man  die  feinem  Elemente  der  Drüsen  noch  nicht  oder  doch  nicht  so, 
wie  jetat,  kannte,  und  welcher  gemäss  man  als  wesentlichstea 
Bestandtheil  einer  Drüse  eine  Membran  (s.  g.  Drüsenmembrao) 
betrachtet,  an  deren  einen  Fläche  Blutgefässe  liegen  und  deren  an- 
dere einen  mikroskopischen,  bläschen-  oder  röhrenförmigen  Hoblraoa 
umgrenat,  der  durch  einen  Ausfübrungsgang  irgend  wohin  aus- 
mündet. Der  Zellen  auf  der  Innen-  oder  Höhlenfläche  dieser  Drfl- 
senmembran  gedenkt  man  dabei  mehr  in  aweiter  Reihe  und  be- 
trachtet sie  mehr  als  eine  Art  Epithelauskleidung  der  Drfisenbläi- 
eben  oder  Drüsenschläuche.  Allein  Prof.  N.  kann  nicht  diese  Drüsen- 
membran,  sondern  nach  dem  Resultate  seiner  Erfahrungen  vielmehr 
die  an  der  Innenfläche  jener  liegenden  Drüsenzellen  für  die  wiclh 
tigsten  und  wesentlichsten  Theile  einer  Drüse  halten.  Dw 
Red.  führt  es  nun  weiter  aus,  wie  die  Membran  nur  mechanische  Zwecks 
nnd  Bedeutung  für  die  Drüsen  habe,  indem  sie  nor  ein  stütaendei 
Qerüsty  eine  tragende  Unterlage  für  die  Drüsenzellen,  wie  auch  eines 
Träger  für. Blutgefässe  und  Nerven  abgebe,  somit  auch  da  febka 
oder,  statt  in  Form  einer  Membran,  in  einer  andern  Form  aof- 
treten  könne,  —  wo  die  Lagerung  der  Zellen  und  die  Anordnung  dir 
Blutgefässe  eine  solche  ist,  dass  diese  Stütze  entbehrlich  wird  oder 
doch  die  Gestalt  einer  membranösen  Ausbreitung  nicht  in  hatal 
braucht  (SeUua  folgi,) 


k.  n.        BEIDELBER6EB       Mtl. 

JAHBBOCHER  dir  LITISATOB. 


Veriumdlongen  des  natnrhistorisch-medizinischen  Vereiofl  m 

Heidelberg. 

Vortrag  des  Herrn  Prof.   Nahn.     „üeber  dU  Bildung 

der    Absonderangtflüssigkeiten    überhaupt    nod    der 

Galle  insbesondere'  (IL  Abtheilung). 

(Seliliiii.) 

Um  den  Drüsenbau  richtig   aufzufassen,  darf  man  daher,  dem 

Redner  zu  Folge,  denselben  nicht   nach  Maassgabe  der  Anordnong 

der  fl.  g.  Drüsenmembran,  sondern   nach   der  Anordnung   der 

Drüsenzelien  beurtbeilen.  Von  diesem  Gesiehtspuncte  ausgehend, 

untencheidet  Prof.  N.  die  Absonderungsorgane  in  2  Klassen,  nimiich: 

L    Absonderongsorgane  mit  flächenförmiger  Lagerung  der 

Secretsellen  auf  einer,  aus  Bindesubstanz  gebildeten  mem* 

branösen  Unterlage. 

1.  Die  Zellen   umlagern    einen   grossem  (macroscopischen) 
Hohlraum   und  werden  von  einer  geilss-  und  nerrenfüh* 
renden  Blndegewebshaut  getragen  und  gestützt  (Schleim* 
hiute,  seröse  Häute,  Synovialhlute  etc.). 
9.   Die  Zellen  umlagern  kleinere  (microscopische)  bald  blüs- 
chen-,   bald  kanal-  oder  schlauchförmige  Hohlräume  und 
werden  von  einer,  meistens  structurlosen  Bindesubstana* 
membran  getragen  (eigentliche  Drüsen). 
IL  Absonderungsorgane,  bei   welchen  die   Secretzellen   eine 
lineare  Lagerung  haben  und  keinen  Hohlraum  umlagern, 
sondern  solide,  netzförmig  verbundene  Zellenreihen  bilden,  weiche 
von  keiner  Membran  umschlossen ,  sondern  von  einem  gelässe- 
haltigen    Bindegewebsgerüst    getragen    werden,    das  in  Form 
eines  Netswerkes  das  Zellennetz  durchwebet. 
Dies  sind   die  Gesichtspunkte,  welche  den  Redner  bei  der  Er- 
forschung des  Drüsenbaues  überhaupt   und   bei  seinen  Untersuchun* 
gen  über  die  Anordnung  der  secernirenden  Tbeile  der  Leber  insbe* 
sondere  leiteten,  und  durch  welche  er  bezüglich  des  Baues  der  letz* 
teren  Drüse  zu  folgendem  Ergebnisse  gelangte: 

Die  Leberzellen  bilden  mit  den  Blutcapillaren  die  wesentlichsten 
BestandtbeUe  der  Leberläppchen  und  haben,  statt  einer  flächenför- 
migen,  eine  lineare  Lagerung,  wodurch  sie,  statt  microscopi* 
sehe  Hohlräume  zu  umgeben,  solide  ZeUenreihen  bilden,  die  durch 
Danchüaltige  Verbindungen  unter  einander  ein  Zellennetz  erzeugen, 
deaaeD  Maschenräume  von  den  Blutcapillaren  ausgefüllt  werden^ 
1^  Jahrg.  8.  Heft.  87 


i^  VerhandhiiigeA  iei  iätinr^latbAiAl^beditiniidieii  Terefait. 

Die  ZeH«nreib«ii  and  die  Masehen  des  vm  ibneB  g^Udelea  Neties 
faftbed  eine  radtäre,  votai  Genttüm  nach  der  PeripHefrie  der  Ll^pth« 
gehende  Richtang,  und  nur  in  der  Nähe  der  letzteren  wird  die  La- 
gvi'uug  nnd  Rrciitung  etwas  nnregelosäsitg.    i^w  öefÄ#t|  wu^  flw 
einer  membranösen  Unterlage,  die  tragende  Stütze  für  die  Zellen  niid 
Am  S^H^nnet^  abi^ibtj  Wird  hier  von  einem,  die  Bltatg^ftftO  begüilMi- 
den  und  in  seiner  Form  dessbaib  mit  dem  Blutcapiilarnetze  susammefi- 
fallenden,  aus  Bindegewebe  bestehenden  Netswerke  gebildet 
Das  Bindegewebe,  in  welches  die  Blutcapillare  gleichsam  eingebettet 
Und,  ist)  wo  es  in  geringer  Menge  rorhanden,  m^istene  mehr  hom«- 
l(ell  und  desthdlb  schwierig  wahrnehmbar,  wo  es  aber  etwas  mftchti|er 
wird,  erscheint  es  ibriilftr.     In   den  Zwischeinraamea  awiscben  Le- 
berlftppchen  findet  sich  etwas  mehr  Bindegewebe  vor;  allein  immer- 
hin ist  seine  Menge  noch   sehr   unbedeutend   und   nur  so  reicbliefa, 
als  nothwbndig,  um  die  InteriobulargefÜsse  und  die  mit  dieseta  rer- 
läutbiiden  Oallengltnge  zu  utngeben  nnd  zu  begleiten.    Dieses  kk- 
tedobulare  Bindegewebe  kann  indess  auch  mächtiger  Werden  und 
daiitt  (Wit^  normal  bei  der  Leber  des  Schweins)  ansehnliche  BiSfcta 
bild^,  welfehe  die  Läppchen   von  einander  Scheiden  und  dtsrA  Ihte 
YJBrblndüügen   unter  einander  «in  Fäeherwerk  (in  de«  Sittoe  ton 
Hytil  und  Leydig)  zusammeneetzen ,   dessen  Fächer  <Me  Leberllpp- 
chen   enthalten.     Diese  Lobularfäcber  bilden   aber  nicht  noeh  m 
secundäres  MotB  Fächerwerk  aur  Aufnahme  der  LebenEellenreiheii, 
ilbhdeni  es  gehen  von  der  Innenfläche  dieser  grossen  Lobularf&eher 
Hfit  ^aht  tette  bindegewebige  Ansttufer  ab,  welche  die  in  die  Läpp- 
chen eindringenden  Blutgefässe  begleite».  -*-  Die  1  uteri  ob  ularea 
6  all  eng  äuge  empfangen  ihre  Wurzeln  (Ducti  lobuktte)  aus  dem 
Umfftttge  der  sie  umgebenden  Leberläppchen.  Dieselben  beginnen  aber 
nicht  an  der  Aussenseite  der  Läppehen,  sondern  in  ofer  Substanz  dei 
peripherischen  Thidäs  demselben  und  bilden  durch  zahlreiche  Anasto« 
toosen  dütin  ein  Netz.  Diese  feinsten  Lobulargalleagfingte  endb, 
tbrschieden  tief  In  die  Umftingsschichte  der  Läppchen  eindribgead, 
blind,  indem  sie  an   die  peripherischen  £nden  der  Zellenreiben  c 
stossen. 

Nbch  Darlegung  dieser  Bau  Verhältnisse  der  Leber,  wendet  stdi 
Prof.  N.  an  die  Erörterung  der  Frage  ^  wie  die  Gallenabscmdenrag 
2a  Stände  komme,  ^  ob  auf  dem  Wege  der  Diffusskm  oder  dnrth  Auf- 
lösung der  Seeretzellen  und  Uebergang  des  Inhaltes  dieser  in  dei 
Abfahrswe^e  —  und  wie  die  auf  die  eine  oder  andere  Weise  ge- 
bildete Galle  rn  die  Gallengänge  gelange?  Der  Redner  erdrtcrti 
zunächst  alles,  was  für  oder  gegen  die  Dtffosionstheorie  der  Gidlü*; 
ttb«t>ndernng  geltend  gemacht  werden  konnte  und  berührte  hierbei] 
auch  die  Frage  der  Zuckerbilduug,  ob  dieselbe  nämlich  in  den  h^\ 
berzellen  oder  im  Blute  vor  sich  gehe.  Besonders  deutete  er  dabeli 
auch  an»  wie  der  Umstand,  dass  der  Zucker  erst  im  Leberveoenbltili^' 
ttieht  aber  schon  im  Pfort&derblute  sich  vorfinde)  —  ao  wie  dwi 
M  Thierea^  denen  die  Leber  ausgeschnitten  wurde^  der  ZufJnr  !■ 


UwnrMenUvte  dau  aocii  feUto,  ^  wenig  b«w«lM^  daM  4«r  Znokar 
la  dea  Lebersellaa  g«bikl«c  werdt,  da  m  aacb  denkbar  wiro,  daas 
er  sich  im  Blute  selbst  bilde,  indem  da«  darch  die  LeiberlMppelieii 
atromende  Blut  etwa  nach  Abgabe  der  zur  Gallenbiidung  dienenden 
Stoffe  aar  Zuekerbildung  disponirt  werde,  dieae  BefXhigimg  aker 
so  laage  fehle,  als  das  PfaruderUnt  die,  die  Zuckerhildong  idso 
hindernden  Bestandtheile  noch  nicht  abgegeben  habe,  und  in  den 
FXUen  sie  gar  nicht  erlange,  wo,  wie  bei  ausgeschnittener  Leber, 
es  snr  OallenbUdung  gar  nicht  Icommt.  — 

Nach  allseitiger  PrGfung  aller  auf  die  Gallenabsonderang  be- 
sflglldien  Verhältnisse  kommt  Prof.  N.  zu  dem  Resultate,  dass  swar 
die  Dtffusionstheorie  nicht  geradesu  widerlegt  werden  k5nne,  aber 
doch  in  so  hohem  Grade  unwahrscheinlich  sich  erweise,  dass  man 
an  der  Vermuthung  gleichsam  gedrängt  werde,  die  GaJlenabsonde- 
rung  komme  durch  Auflösung  der  Leberaellen  zu  Stande« 
Der  Redner  sucht  nun  weiter  darzuthun,  wie  hiermit  die  Anordnung 
der  secemtrenden  Theile  und  der  ganze  Bau  der  LeberlSppchen  Im 
Bnklang  stehe.  Die  Auflösung  der  Leberzellen  könne  indess  nur 
an  den  peripherischen,  an  die  Wurzeln  der  Gallengfinge  unmittelbar 
anstoeeenden  Enden  der  Leberzellen  reiben  vor  sich  gehen.  Es  müsse 
daher,  um  an  die  Stelle  der  aufgelösten  Zeilen  wieder  andere  ge- 
langen zu  lassen,  in  den  LeberlSppchen  ein  fortwährendes  Geschiebe 
der  Zellen  in  der  Richtung  von  den  Centren  der  Läppchen  nach  deren 
Peripherie,  ähnlich,  wie  auch  anderwärts  dies  vorkommt,  statt  haben, 
wo  ebenfalls  die  Zellen  in  zahlreichen  Lagen  über  einander  liegen  und 
die  tieferen  in  dem  Maasse  zur  Oberfläche  stets  nachrücken,  als  die 
oherflichiieh  gelegenen  durch  Auflösung  u.  dgl.  abgängig  geworden 
sind.  Der  Redner  sieht  bierin  auch  den  Grund,  warum  die  Leberzellen 
m  Reihen  stehen  und  diese  in  radiärer  Richtung  verlaufen ,  da  ohne 
diese  Einrichtung  es  nicht  möglich  wäre,  dass  die  vorrückenden 
ZeDen  stets  wieder  genau  an  die  Stelle  der  aufgelösten  gelangten. 
Bezüglich  der  Frage,  wie  die  zur  Gallenbiidung  verwendeten  Zellen 
wieder  ersetzt  werden,  ob  durch  freie  Zellenbildung  oder  durch  Thei- 
Inng,  entschied  sich  Prof.  N.  für  letztere,  wofür  auch  das  häufige 
Vorkommen  von  Zellen  mit  doppelten  Kernen  spreche.  Dass  in 
der  Galle  nicht  ähnlich,  wie  in  andern  auf  gleiche  Welse  sich  bildenden 
Secreten,  häufiger  losgestossene  Leberzellen  oder  doch  Reste  von 
In  Auflösung  begriff^enen  Zellen  sich  finden,  erlilärt  steh  Prof.  N. 
aus  der  auflösenden  Wirkung,  welche  die  Galle,  den  Tersuchen  v. 
Dnach's  zu  Folge,  auf  die  Leberzellen  übt  Ob  die  Gallenbii- 
dung d.  h.  die  Auflösung  der  Leberzellen  unter  Einwirkung  von 
Nerven  vor  sich  gebe  oder  auch  nur  beschleunigt  werden  könne, 
vermag  der  Red.  nicht  zu  entscheiden;  doch  möchte  er  letzteres 
v^fmutlKn,  da  bei  efaiem  Hunde ,  bei  dem  er  die  Lebernerven  einige 
Zeit  etark  galvanislrte,  tüe  Lebergänge  In  den  Lappen,  deren  Ner- 
ven vorzugsweise  erregt  Wurden,  auffallend  viel  Galle  enthielten, 
web  diw^lbe  Fettküfeichen  umd  ieine  Körnchen|  die  ganz  mit  denen 


Mfi  VethaiidlaAgea  ddt  iialafytldHiek*'liMdldaiieliM  V«reüy. 

des  Inhaltes  der  Lebersellen  übereinstimmteo,  in  reichlicheitin  Masm 
sefgte,  als  in  den  Lebergftngen  der  andern  Lappen,  deren  Mervea 
nicht  djrect  erregt  wurden. 

26.  Mittheilungen  desHerrn  Prof.G.  Leonhard.  «Ueber 
einige  ausgezeichnete  Mineralien  unserer  Gegend'' 

am  26.  Juni  1857. 

Herr  Prof.  G.  Leonhard  legt  eine  Anzahl  Mineralien  aus  der 
Umgegend  Heidelbergs  vor  (theils  aus  seiner  Sammlung,  tbeiis  au 
jener  des  Hrn.  Professor  Blum},  begleitet  von  einigen  Bemerkangen 
über  das  Vorkommen  derselben. 

Bei  Auerbach  an  der  Bergstrasse  erscheint,  wie  bekannt,  k5T^ 
niger  Kalk  als  Ausfüllung  einer  Gangspalte,  mit  Gneiss,  Granit  ood 
Syenit  in  Berührung  tretend  und  längs  der  Grenze  gegen  diese  Ge- 
steine eine  grosse  Anzahl  von  Mineralien  enthaltend.  Es  sind  na- 
mentlich einige  Silicate,  die  sich  hier  ausgezeichnet  finden:  Granat, 
derb  und  krystallisirt,  von  brauner,  rother,  geblicher  und  weiiser 
Farbe;  Idokras,  Epidot,  Woliastonit,  Grammatit,  Kockolith,  Apo- 
phyllit.  Ferner  metallische  Substanzen,  die  sich  theils  als  Anflog, 
theils  eingesprengt  im  körnigen  Kalk  zeigen:  Bleiglanz,  Kupferkies, 
Eisenkies,  Magnetkies^  Fahlerz,  Kupferlasur,  Malachit,  Buntk^pfe^ 
erz  und  Kupfergrün.  Besonders  bemerkenswerth  ist  aber  das  Vor- 
kommen der  Kobaltbiüthe  in  kleinen,  wohl  ausgebildeten  Krystalleo. 
—  Der  Granit,  welcher  in  der  Nähe  des  Kalkes  meist  in  einen 
schönen  Schriftgranit  übergeht,  enthält  kleine  Krystalle  von  Tiiamt 
und  von  Zirkon,  so  wie  Körner  von  Ortbit 

Nachdem  Leonhard  einige  Exemplare  des  von  ihm  im  Jak 
1853  bei  Weinheim  aufgefundenen  Orthits  zur  Einsicht  vorgelegt 
hatte,  machte  er  auf  die  mannigfachen  Mineralien  aufmerksam,  welcbe  | 
im  Gebiete  der  Muschelkalk- Formation  unserer  Gegend  vorkommes.  | 
Es  ist  namentlich  der  Muschelkalk-Dolomit  bei  Ubstadt,  welcher  anfi 
Klüften  und  in  Drusenräumen  folgende  Substanzen  enthält:  Baryt- 
spath  in  tafeiartigen  Krystallen  und  kammförmigen  Massen;  Blei-i 
glänz,  meist  in  krystallinischen  Parthien  im  Dolomit  eingewachsen, 
seltener  in  Octaedern  in  Drusen;  Blende,  krystallynische  Parttiioo, . 
die  dodekaedrische  Spaltbarkeit  sehr  deutlich  zeigend ;  Bleivitriol  in  i 
kleinen  Krystallen;  Kupferlasur  und  Malachit  als  Anflug;  endlleb ! 
Asphalt.  —  Vor  kurzer  Zeit  ist  im  oberen,  dichten  Muschelkalk  bd  i 
Wiesloch  Schwefelarsenik  aufgefunden  worden ;  Realgar,  kleine,  kry- 
stallynische, nadeiförmige  Parihien  und  Auripigment  in  kleinen  Kug«tn 
von  strahliger  Zusammensetzung. 

27.  Vortrag  des  Herrn   Dr.  H.  A.  Pagensteefaer,  Jon. 
„Ueber   Milben,    besonders   die   Gattung  PhytoptnsS 

am  26.  Juni  1857. 

Der  Vortragende  setzte  zuerst  die  Schwierigkeiten  üuserDänder, 
welghe  die  anatomische  Untersuchung  der  Milben  bietet^  und  welcb9 


i9»  iiliirUil0rMe«iodisiBiietai  Verebt.  561 

*  geMgmißa  Beschreibiing^  und  Boologisefaen  Eintheflnng  im  Wege 
Von  besonderm  Interesse  sind  dieselben  da,  wo  sie  aas 
den  yerSndeningen  entspringen,  welebe  die  einselne  Art  nach 
dem  Alter  und  Geschlecht  erleidet,  und  diese  Verschiedenbetten  sind 
nicht  darch  hinlinglich  sahireiche  Untersuchungen  festgestellt. 

Das  Verdienst  in  sechsfüssigeii  Milben  die  Larven  achtfüssiger 
erkannt  zu  haben  gebührt  Dugtfs  und  Burmeister,  aber  mit  ihnen 
wQrde  man  zu  weit  gehen,  zu  sagen,  dass  alle  erwachsenen  Milben 
Tier  Fusspaare  besSssen.  Es  hielt  nämlich  Dug^  speziell  die  vier- 
fussigen  Milben,  welche  zuerst  R^aumur,  dann  Turpin  in  besondem 
Gallen  der  Lindenblätter,  andre  Forscher  in  den  Gallen  andrer  Blät- 
ter fanden,  fQr  Larven,  vermuthlich  eines  Tetranychus.  Und  noch 
in  diesem  Jahre  glaubt  Scheuten*)  zu  solchen  vermeintlichen  Lar- 
ven die  erwachsnen  Zustände  gefunden  zu  haben.  Die  von  Dujar- 
dhn  schon  1851  gebrachte  Widerlegung  dieser  Ansicht  scheint  nicht 
fSr  ausreichend  erachtet  worden  zu  sein,  wie  sie  auch  in  der  That 
keine  breiten  Grundlagen  hat.**}  Die  vom  Redner  in  der  Absicht, 
die  Berechtigung  der  von  Dojardin  mit  dem  Namen  Pbytoptus  be- 
zeichneten Gattung  zu  prüfen,  vorgenommenen  Untersuchungen,  be- 
stätigten die  Ansicht  jenes  Forschers  vollkommen.  Die  vierbeinigen 
Milben  dieser  Gattung  wachsen  nicht  zu  achtbeinigen  heran,  sie 
sind  in  sich  abgeschlossen. 

Die  Aufmerksamkeit  musste  sich  auf  drei  Punkte  richten: 

1.  Auf  die  Erkrankungen  der  Blätter,  an  denen  sich  die  Mil- 
ben finden,  Es  müssen  nämlich  nicht  allein  die  nagelformigen  Gal- 
len der  Linden,  und  äbnlicbe  oder  mebr  rundliche  der  Pappeln,  Wei- 
den, des  Faulbaums,  als  Wohnsitz  der  Milben  mit  zwei  Fusspaaren 
betrachtet  werden,  sondern  auch  die  Flecken  an  der  Unterseite  der 
Blätter,  welche  von  verscbiednen  Arten  der  Gattung  Erineum,  Per- 
soon,  gebildet  werden.  Solche  Flecken  kommen  an  Blättern  vor, 
welche  Gallen  besitzen  und  auch  an  gallenfreien  Blättern  derselben 
Bäume,  aber  gleichfalls  an  Pflttnzen,  welebe  nirgends  solche  Gallen 
haben,  so  am  Weinlaub.  Ausserdem  finden  sich  die  Milben  mit 
4  Fasspaaren,  wie  schon  Scheuten  nachwies,  an  den  schwarzen 
Brandflecken  kranker  Birnblätter,  vermuthlich  aber  auch  unter  an- 
dern ähnlichen  Verhältnissen.  Da  an  den  letztgenannten  schwarzen 
Flecken  das  abgestorbene  Gewebe  mit  zahlreichen  Pilzsporen  und 
Fäden  bestreut  ist,  so  würde  es  für  die  Verbältnisse,  unter  denen 
die  Milben  leben,  eine  schöne  Analogie  sein,  wenn  in  der  That  die 
mit  dem  Namen  Erineum  bezeichneten  Bildungen  auch  als  Fnngen 
betrachtet  werden  könnten. 


*)  Troscheri  Arehiy  1857.  i 

**)  Die  VerhaodluDireo  der  schlesischeD  Gesellscitaft,  in  welelieD  v«  Sie- 
bold 1850  eine  Hittheifunff  sowolt]  über  das  so  geoaoDte  Erioeam  brachte» 
als  auch  über  kleine  Milben,  welche  er  für  die  Ursache  dieser  Krankheit  der 
Blauer  hiell,  standen  dem  Redner  nicht  su  Gebote.  Ans  dem  Bericht  von 
Ctms  ersieht  man  nicht  ob  dies  vierbeinige  Hilben  waren. 


Betracbten  wir  jedoch  diese  BilduDgea,  loetet  ein  byrnsartigei 

Gewirr  von  Fäden,  genauer  und  vergleichen  wir  sie  mit  den  Haaren, 
welche  auf  Stielen  und  an  Blättern  deraelbea  nod  andarer  Pflanian 
normal  gefunden  werden,  so  finden  wir  die  gri^sste  Aebniichkeit  mit 
diesen,  wir  finden  vielleicht  k^a  Eigenschaft  an  krankhalteo  Veg^ 
tationen,  die  sich  nicht  auch  hier  oder  da  an  gesnnden  Haaren 
nachweisen  Uesse.  Zum  Vergleiche  unter  einander  lehrte  der  Redmr 
Abbildungen  normaler  Haare  von  verschiedenen  Pflanseo  sowie  dte- 
jenigeu  der  krankhaften  Produktionen  auf  den  Blättern  der  Linde, 
des  Weinlaubs,  des  Faulbaums  und  der  wahren  Schimmel  Vegetatio- 
nen von  kranken  Birnblättern  vor,  seigte  auch  die  Gallen  und  die 
sogenannten  Erineum-Arten  an  den  Blättern  selbst.  Die  Fädeo  von 
den  kranken  Flecken  an  der  Unterseite  der  Lindenblätter  sind  iden- 
tisch mit  denen,  welche  die  spitzen  Gallen  dieser  Blätter  auskleiden; 
durchaus  ähnlich,  vielleicht  nur  mehr  in  die  Länge  gezogen,  ia 
Vergleich  mit  denen,  welche  man  gewöhnlich  in  den  Qalien  der 
Blätter  des  Faulbaums  findet.  Von  einer  Breite  von  0,03  mm.  und 
mehr,  und  von  sehr  verschiedener  Länge  bilden  die  meisten  Fädoi 
einen  hohlen  Cylinder  mit  schwacher  Wand,  ohne  Scheidewände,  sie 
enthalten  oft  bei  Wasserzusatz  Luftblasen,  die  altern  ertheilea  durch 
eine  röthiiche  Färbung  zuweilen  ganzen  Abtheilungen  des  Flecks  ein 
feuriges  Ansehn.  Die  kleinern,  jungem  wurzeln  immer  noch  mit 
breiter  Basis  auf  den  Blattzellen  und  haben  einen  krümlichen  Inhalt, 
eingeschlossen  von  dickeren  Wandungen.  Alle  sind  am  freien  Ende 
geschlossen,  gröblich  zugespitzt  oder  abgerundet  Nie  eine  Spur  von 
Fruktifikation,  überhaupt  die  Verwandschaft  mit  den  Haaren  an  den 
Blattrippenwinkeln  der  Linde  nicht  zu  verkennen. 

Mehrere  Abweichungen  bei  entschiedener  Aehnllchkeit  im  aUge* 
meinen  Verhalten  zeigen  die  Vegetationen,  welche  die  schmutzig 
Weissen  Flecken  an  der  Unterseite  des  Weinlaubs  znsarnmensetzen. 
Die  Breite  ist  ähnlich,  bewegt  sich  nur  in  weiteren  Gränzen.  Die 
Fäden  bilden  jedoch  in  Zwischenräumen  von  0,3 — 0,4  mnu  Absätze, 
an  welchen  sie  knospenförmige  Hervorragungen  treiben,  oder  nach 
kolbiger  Anschwellung  umbiegen.  Mit  gleichen  Anschwellungen  war^ 
zeln  die  Fäden  in  den  Blattzellen,  vielleicht  findet  man  efaizeUie, 
welche  ohne  verletzt  zu  erscheinen,  an  diesem  kolbigen  Worzelende 
ohne  Zusammenhang  mit  dem  Blatte  sind.  Scheidewände  sind  in 
den  Fäden  nicht  selten.  Die  Jüngern  haben  auch  hier  einen  blassen, 
feinkörnigen  Inhalt,  die  altern  sind  hohl  und  werden  braun.  Sie 
enthalten  oft  zahlreiche  Krystalle  von  verschiedenen  Formen,  welche 
die  Ursache  des  sandigen  Anfühlens  der  Flecken  sind.  Man  findet 
häufig  Zellen  mit  scharfem  Rande  und  Kernen  in  dem  Inhalt  jun^ 
Fäden  eingebettet,  man  findet  deren  auch  frei  zwischen  den  Fäden. 
Sie  erscheinen  oval,  oder  keulenförmig,  haben  einen  doppelten  Con- 
tour,  die  Kerne  sind  einfach  oder  mehrfach,  glatt  oder  granolirt 
Man  findet  welche,  die  mehr  nach  einer  Richtung  bin  zu  einem 
blassen  Hofe,  wie  durch  Abhebung  der  Zellenwaad  ausgewaebsso 


I 


mcUiaett,  Die  WcovgirtDer  w^teo  dieie  Erkrankv^ig  iwt  W«iil* 
]«obe8  woit  zahlreicher  dort  gefunden  baben,  wo  mit  künstlicheDi 
Guano  gedüngt  worden  war»  wai  sieb  nicht  beetStigt^, 

Die  Vegetationen  von  der  Unterseite  der  Blätter  des  Fanlb^n* 
mea  aind  orsprünglich  aucb  von  cjUndrlscher  Gestalt,  etwas  weit^ 
und  knrz,  handscbnhfingerartig  und  yorn  abgerundet.  Sie  wacbseq 
daoD  i^r  nicht  In  die  Lunge  voran,  sondern  das  freie  Ende  bliUit 
sieb  auf,  bildet  Blasen  oder  Höcker  nach  den  verschiedensten  Rieh« 
tungeo,  die  alle  bohl  sind  und  in  oder  an  welchen  zuweilen  aucb 
kleine  ovale  Körner  liegen,  Sporen  vergleichbar.  Im  Alter  werden 
aie  ebenfalls  gelblicbbraun. 

Während  es  zulässig  erscheint,  in  diesen  Vegetationen  nur  krank- 
haft veränderte  Zellen  der  Wohnpflanze  selbst  au  aehen,  welche 
gleich  den  Haaren  frei  answachsen  und  die  vorfindlioben  Sporen, 
falla  die  erwähnten  Körperchen  deren  in  der  Tbat  sein  sollten,  für 
eine  zufällige  Beimischung  zu  halten,  sind  die  Sporen  und  heran« 
wachsenden  Pilze  das  Wesentliche  an  den  kranken  Birnblättem. 
Auf  den  schwarzen  Flecken,  ebenfalls  vop  der  Unterseite  dieser 
Blätter  ausgebend,  finden  sich  Vegetationen  jenen  Byssusf&den  ver- 
gleichbar durchaus  nicht  Dagegen  finden  wir  spindelförmige  oder 
ovale  Sporen  in  allen  Stadien  des  Auswachsens  zu  PilzfSden. 

Die  spitzen  Gallen  selbst  münden  sowohl  an  der  l4inde  wie  am 
Faulbaume  mit  einem  engen  Kanäle  auf  der  Unterseite  des  Blattes. 
Sie  sind  beim  Faulbaum  viel  weicher  als  bei  der  Linde  und  sitzen 
mehr  mit  einem  Stiele  nicht  mit  breiter  Basis  auf.  Die  blasig  auf- 
getriebenen Vegetationen  von  den  Flecken  findet  n^an  seltner  in  den 
Gallen  des  Faulbaumes  selbst.  Neben  den  spitzen  Gallen  der  Blätter 
fioden  sich  bei  der  Linde  rundliche  Gallen  der  Blüthensliele,  besetzt 
mit  Cynips-Larven.  Klein,  rund  und  weich  und  von  rother  Farbe 
waren  einige  wenige  Gallen,  die  sich  an  den  Blättern  einer  Weiden«» 
art  fanden,  und  auch  Exemplare  von  Phytoptus  bargen.  — 

2.  Alle  diese  Gallen  enthielten  ausschliesslich  Milben  mit  zwei 
Fasspaaren  und  deren  Brut.  Dieselben  fanden  fleh  gleichfalls  an 
allen  erwähnten  Flecken,  auf  welchen  dann  neben  ihnen  einzeln 
und  vorübergehend  sich  auch  andre  Milben  und  Aphiden  bewegten. 
Ana  dem  Safte  der  zarten  jungen  Fäden  oder  dem  reichlichen  De- 
tritus zwischen  denselben  können  die  Milben  gut  ihre  Nahrung 
ziehen.  Da  die  Zahl  der  Milben  nicht  mit  d^m  Umfange  der  Er- 
krankung Im  Veihältniss  stand,  so  muss  man,  falls  der  giftige  Biss 
der  Milben  auch  ursprünglich  Veranlassung  zur  Erkrankung  geben 
sollte,  doch  später  ein  selbstständiges  Fortwucbern  der  pflanzlichen 
Vegetation  annehmen.  Die  charakteristischen  Eigenschaften  dieser 
Milben,  also  der  Gattung  Phytoptus,  sind  folgende: 

Die  erwachsenen  Thiere  messen  0,101—0,245  mm.  an  Länge 
und  0,033 — 0,060  mm.  an  grösster  Breite.  Sie  verschmälern  sieb 
rsscher  nach  vorn,  langsamer  nach  hinten  und  sind  fast  so  hoch, 
ala  breit    Der  Körper  zeigt  in  der  Epidermis  über  hundert  quer- 


584  Verbudliisgeii  doi  natoriiiftorit^imdisiiiiKheB  Jtnäm. 

überiaufende  Binge  und  ISsat  meist  durch  sefne  dunkle  Ffirbung  üe 
innre  Organisation  nur  mangelhaft  erkenoen.  Die  Mundtheile  alehcD 
über  den  Rand  des  Körpers  vor,  sie  sind  nach  unten  und  Tom  ge- 
richtet, zu  einem  Kegel  verschmolzen.  Angedeutet  sind  seitlich  die 
unbeweglichen  falces,  vielleicht  (möglicherweise  nur  bei  den  Mlnn« 
eben)  an  der  Unterseite  zwei  feine  Taster,  welche  aber  di«  andern 
Theile  nirgends  überragen.  Die  Beine  sind  in  den  obern  Ofieden 
stärker,  sie  gehen  ans  von  einem  Panzerbruststück,  das  nach  hintai 
beiderseits  ausgebogen  in  der  Mitte  sich  zu  einem  Spiesse  (wenig- 
stens bei  dem  Phytoptus  Rhamni)  verlängert.  Die  Segmentimng 
der  Beine  ist  undeutlich,  wahrscheinlich  sind  nur  sechs  Segmente 
vorhanden.  Beide  Fusspaare  sind  gleich.  Das  letzte  Glied  endet 
in  eine  fast  gerade  Kralle,  neben  welcher  zwei  einfache  Borsten 
und  wenigstens  zuweilen  eine  gefiederte  stehn.  Das  vorletzte  Glied' 
trägt  eine  längere  Borste.  Die  Beine  sitzen  ganz  vorn,  nie  fiadtt 
sich,  auch  nicht  etwa  weiter  nach  hinten  gerüciit  eine  Spur  von 
unentwickelten  oder  verkümmerten  hinteren  Fusspaaren.  Der  K$i^ 
per  ist  in  grossen  Abständen,  besonders  dicht  vor  dem  HintM-ende, 
mit  spärlichen  langen  Haaren  besetzt,  welche  auf  einem  Knöpfcban 
aufsitzen.  Das  Hinterende  verbreitert  sich  wieder,  uni  dann  mebr 
rundlich  oder  grade  abgeschnitten  zu  enden.  Indem  hier  die  ober» 
und  die  untere  Fläche  des  Körpers  in  je  eine  Lippe  auslaufen,  enk- 
stebt  eine  horizontale  Spalte,  in  welcher  Darm  und  wohl  auch  Ge- 
schlechtsorgane münden.  Der  Verdauungsapparat  beginnt  mit  einem 
ovalen  oder  halbkugligen  Magen  und  besteht  weiterhin  aus  einem 
leicht  gescblängelten  Darm.  Feinkörnige,  drüsenähnlich  gnippirte 
Massen,  umgeben  dieses  System.  Was  die  geschlechtliche  Organi* 
sation  betrifft,  so  findet  man  allerdings  Tbiere,  welche  in  sehr  ge- 
ringer Zahl  die  ovalen  Körper  enthalten,  in  welchen  schon  Dujardin 
Eier  erkannte.  Aber  während  in  diesen  ein  weiterer  Einblick  ge- 
hindert ist,  findet  man  in  andern  Exemplaren  einen  grossen  ovalea 
mit  kernhaltigen  Zellen  gefüllten  Körper,  einen  Eierstock,  einen  aas- 
führenden gewundnen  Schlauch,  den  Eibälter,  der  in  eine  mit  seit* 
lieber  Ausstülpung,  der  Samentasebe,  versehne  Vagina  übergebt 
Eine  Samentasche  erscheint  allerdiugs  um  so  nöthiger,  als  nur  eins 
geringe  Zahl  von  Eiern  gleichzeitig  reift  und  doch  die  grosse  An- 
zahl von  Eizellen  und  beträchtliche  Menge  von  Eiern,  die  man 
in  Reihen  oder  Haufen  zusammenfindet,  wie  von  einem  Thier  her- 
rührend, auf  eine  grosse  Produktivität  schliessen  lassen.  Schlanker 
gebaute,  heller  gefärbte  Tbiere  können  wohl  als  Männchen  gedeutet 
werden.  lu  ihnen  liegt  ein  gleichfalls  unpaarer,  kleinerer  und  run- 
der Körper,  der  Hoden;  aus  ihm  führt  ein  Ausführungsgang,  der 
nur  durch  eine  Anschwellung  eine  Samenblase  bildet. 

Das  Tracheensystem   ist  höchstens   in  schwachen  Andeatunges 
zu  erkennen. 

Was  die  Lebensweise  des  Phytoptus  betrifft,  so  benutzt  er  zu- 
nächst seine  beiden   Fusspaare   fast  gar  nicht  zur  Bewegung  dm 


fMitAiBfem  dot  utnrUitoriielMBediiialfclMi  Yeretsi.  M5 

Kiipcn,  sondern  nnr  mit  ^ossem  Geschick  sar  Heranfllhnins  Ton 
Nfthning  cum  Mnnde.  Dagej;en  bewegt  sidi  der  lange  Leib  inebr 
wvmaitig,  er  krümmt  sich  zuweilen  so  ein,  dass  das  Hintertheii  daa 
Vordertheil  berührt  Eine  Begattung  wurde  nicht  mit  Sicherheit  be- 
obachtet, einmal  hafteten  swei  Thtere  der  Art  an  einander,  daea  der 
Vordertheil  eines  jeden  an  dem  hintern  Ende  des  andern  befestigt 
war.  Sollte  yielleicht  vorher  an  die  Taster  gebrachtes  Sperma  auf 
sokbe  Weise  eingeführt  werden?  Unter  den  ByssnsfSden  und  an 
dieselbeB  geheftet  liegen  nun  in  grosser  Zahl  die  Eier  von  kreis- 
förmigem Querschnitt  und  ovalem  Längsschnitt,  0,088—0,05  mm. 
lang,  0,034 — 0,04  mm.  breit,  selbst  bei  derselben  Art  etwas  schwan« 
kend  in  der  Grösse.  In  ihnen  sieht  man  Anfangs,  von  doppeltem 
Contour  uoMchlossen,  einen  Haufen  kleinster  Zellen,  von  welchem 
dsDD  ein  grösserer  Theil  cum  Gephalothorax ,  ein  kleinerer  lum 
abdomen  umgewandelt  wird.  An  jenem  bilden  sich  aus  rundlichen 
Höckern  Mundkegel  und  Füsse,  an  diesem  erkennt  man  bald  die 
Spalte  am  Hinterende,  während  das  Innere  mit  einem  Haufen  klarer 
Zellen  gefüllt  erscheint.  Das  kleine  Thierchen  liegt  ausammenge- 
rollt  im  Ei,  es  sprengt  die  Schale,  indem  es  sich  streckt,  ist  dann 
0,067  mm.  lang  und  0,02 — 0,087  mm.  breit  und  f^isst  lunächst  die 
in  den  Eihüllen  etwa  enthaltenen  Reste.  Beide  Fusspaare  sind  ge* 
bildet,  aber  kürser  und  noch  undeutlicher  gegliedert  als  Im  er* 
wachsnen  Zustande.  Schon  bei  einer  Länge  von  0,08  mm.  kommt 
die  erste  Häutung.  Es  scheint  ausser  der  sichern  sweiten  noch 
einer  dritten  Häutung  zur  Erreichung  der  Geschlechtsreife  zu  be- 
dfirfen.  Während  der  Häutung  liegen  die  Thlere  still,  die  Beinchen 
angelogen.  Zunächst  sieht  sieh  der  Hinterleib  von  der  Oberhaut 
sortick,  so  dass  diese  wie  ein  heller  Saum  übersteht,  dann  verlassen 
die  Befaie  die  alten  Hüllen.  Sieht  man  die  Thierchen  so,  so  kann 
aUerdIngs  der  verkürzte  Leib  und  die  Anwesenheit  der  alten  Hüllen 
der  Beine  neben  den  eben  frei  gewordnen  Beinen  selbst  den  Irrthum 
hervorrufen,  dass  nun  eine  In  Form  und  Zahl  der  Beine  den  andern 
reifen  Milben  gleiche  Entwicklungsstufe  vorliege. 

Indem  so  das  gleichzeitige  Vorkommen  aller  Entwicklungsstufen 
des  Fhytoptus,  der  Einblick  gewissermassen  In  den  ganzen  Lebens- 
laof  der  Thlere  es  nicht  länger  zweifelhaft  erschehien  lassen,  dass 
die  Gattung  als  solche  feststeht,  bleibt  es  noch  zu  untersuchen,  ob 
und  welche  Artverschiedenheiten  diese  Gattung  bietet.  Schon  das 
Vorkommen  an  so  verschiednen  Gewächsen  macht  die  Artverpchle- 
denheit  wahrscheinlich  und  es  können  in  der  That  Differenzen  nicht 
verkannt  werden,  wenn  sie  auch  zum  Theil  minutiös  sind  und  viel- 
leicht noch  von  denen  gereinigt  werden  müssen,  welche  die  ver- 
schiednen Lebenspertoden  und  Geschlechtsverschiedenheiten  derselben 
Art  mit  sich  bringen. 

Der  Fhytoptus  pyri,  welchen  Dr.  Pagenstecher  fand,  ist 
die  seltnere  Form  von  Scheuten,  ausgezeichnet  durch  dunkle,  schwärz- 
liche Färbung  und  seine  vor  Allen   am  stärksten  doppeltkonische 


UN  Yoite^Jnwfim  da«  tt»mtot9tiioli-«M>dig|iiiinhfin  ITi^c«^ 

GcMtalt.    Der  Pbytoptiis  pTri  ist  aelbit  der  kickte  und  Int  di« 

kleiDsteo  Eier. 

Bei  Phytoptue  vitis  «teben  die  Mandtheile  betr&chüich  wei* 
ter  vor  ab  bei  allen  andern  Arten;  er  ist  am  wenigsten  geiXrbt| 
voA  mittlerer  Grösse  und  bat  am  zweiten  Fasspaare  die  Federboiste 
am  deutlichsten« 

Etwas  grösser  ist  der  so  häufige  Pbytoptns  tiliae,  welcher 
den  Untersuchungen  am  meisten  unterworfen  wurde,  er  ist  gdbgrün- 
lich  bis  bräunlich,  die  letsten  Fussgiieder  sind  steiaenartig  dünn. 

Der  Phytoptus  Ebamni  ist  am  braunsten  und  der  grösste. 
Seine  Beine  sind  stark  und  lang,  die  letzten  Glieder  etwa^  breiter. 

Diese  vier  Arten,  ihre  Eier  und  ihre  Entwicklung  wurden  doreb 
Abbildungen  veranscbaulicht. 

3.    Es  wurde  endlich  den  auf  den  erwähpten  Pflanzen,  besonr 
ders  Linde,  Birnbaum,  Faulbaum  frei  schwärmenden,  achtbeinigea 
Milben  nachgeforscht,  um  zu  sehen,  wie  bei  diesen  die  EntwicUo^g 
verlaufe.    Es  wäre  eine  gar  angenehme  Hypothese  und  es  würd.e 
manche  Analogie  in  der  Naturgeschichte   der  Milben   finden,  anzu- 
nehmen, dass  die  jungen  Milben,   eingebettet  in  reichliche  Nahraog 
und  unter  dem  Schutze,  sei  es  der  Gallen,  sei  es  der  dichtverfilsten 
Basen  von  Fäden,   weder  um  Speise  zu   suchen   noch  um  Feinde« 
zu  entgehen  leicht  beweglicher,   zahlreicher   Füsae   bedürften,  uiii  1 
erst  später  diese  Füsse,  entwickeltere  Press  ^   und  Fangwerkzeogei 
vielleicht  Augen  bekämen,  um  nun  die  Verbreitung  der  Art  an  nen^ , 
Orte  sicher  zu  stellen.     Aber  auch   bei  den   Nachforschungen   aber ' 
die  Entwicklung  jener  achtbeinigen  Milben  fand  diese  Annahme  k^r 
nen  Halt.     Von  allen  Milben ,  welche  auf  den   erwähnten  Blätteiii  j 
leben,  sind  die  Eier  grösser,  ajs  jene,  aus  welchen  ein  junger  Phy- 1 
toptus  ausschlüpft  und  dort,   wo  Embryonen  in  ihnen  bemerkt  wi|r<> 
den  hatten  sie  sechs  Füsse.     Bei  der  Milbe,   welche   Scheuten  all , 
Flexipalpus  tiliae  aufführt,  und  von  der  es  bei  der  Mangelhaftigkeit 
älterer  Beschreibungen  und  Abbildungen  nicht  möglich  ist,  zu  sagen 
ob  sie  wirklich  neu  ist,  sind  oft  die  Eier,   selbst  bis  zu  0,14  mm.  1 
Länge  und  von  ovaler  Gestalt,  in  grosser  Zahl  im  Leibe  zu  sehen.  ^ 
In  einzelnen  Eiern  erkennt  man   dann   bereits  im  Mutterleibe  die 
Mundtbeile  und  sechs  Füsse  des  nicht  aufgerollt  liegenden  Embryo. 
Aasgekrochen,  0,125  mm.  lang,  ist  dann  das  Junge  der  Mutter  sehr 
ähnlich  und  gleich  sehr  rasch  in  seinen  Bewegungen.    Der  Kednsi^ 
konnte  hier  eine  Vermuthung  nicht  ganz  unterdrücken,  an  ds 
Entscheidung  erst  umfassendere  Untersuchungen  über  die  Geschlecbtsi 
eigenthümlichkeiten  der  Milben  zu  machen  sind,     Milben,  dem  I^^ 
phlodromus  pyri.  Scheuten,  gleich  oder  nur  ähnlich,  finden  sich 
dem  Birnbaum,  der  Linde,   dem  Faulbaum,   der  Heselnussstaodei 
Während  die  grössern  Flexipalpus,  die  sich  auch  auf  diesen  Höliera 
fanden,  alle  voll  Eier  waren,   enthielten  die  so  gen^u^nten  Typb]<H 
dromus  nur  einen  oder  zwei  ovale  mit  Zellen  gefüllte  grössere  Kk*\ 
per,  die  von  hellem  Rand  umschlossen  recht  wohl  für  unpaare  Hodsa| 


irit  odtr  «tee  SaneaUase  gebaitM  werden  konateo  and  di#  mit 
•i&ein  kleinen  nach  voru  gerichteten  Kegel  in  Verbindang  slandeui 
der  an  der  BaocbOttcbe  dee  Tbiere  Moe  enge  Spalte  niaeeUaee*  Di<^ 
•tm  Kegel  eotspraeb  bei  Flexipalpue  genau  in  der  Lage  ein  langer 
SebDia  umgaben  Yon  Falten,  rosetteagleich  geordnet,  weteber  wohl 
xemgoet  war,  die  groeeen  Eier  durcbsulaesen.  Weiter  sarüek  lag 
bei  beiden  Thieran  der  After.  Die  Dnteracbiede  beider  Thiere  lind 
alebl  00  groee,  vonngsweiaa  sind  die  bei  TTpblodrommi  atele  mit 
Scbeeren  aoegerüeteten  falees  bei  Flexipalpue  abgeetumpft,  verkümr 
nerty  die  Taeter  hier  statt  in  fünf  nur  in  drei  aber  längere  Glieder 
getbeiit»  die  Sangacheiben  der  Fiiaee  gane  schwach,  die  Krallen 
ilirfcer  entwickelt,  die  bei  Tjphlodromai  nur  angedeutet  sind.  Bau 
der^GUeder,  Lebenaweiae,  Farbe  ist  jedoch  aebr  Uuilich  und  a»an 
ftidet  die  Thiere  ganz  untereinander  gemiacht 

Obwohl  der  Redner  dnrcbana  aich  noch  nicht  berechtigt  hSU  a« 
behaupten  Typblodromna  aeien  nur  Männchen,  wahracbeinUch  au  Fle- 
xipalpua,  und  ea  kämen  veracbiedne  Unterarten  dieaer  Art  vor,  an 
ii^gt  er  dodi  nameatlich  am  Sareoptea  der  Maua,  welcher  Anfangs 
ir  der  Haut  In  Neatern,  reif  aber  an  den  Haaren  aeines  Wohnthtera 
lebt,  wie  rerachieden  junge  und  alte  Individuen,  Männchen  und 
Weibchen  deraeiben  Milbenart  aein  können.  Nachdem  die  Jungen 
dieaea  Sareoptea  aoent  daa  vierte  Fuaapaar  nachträglich  erhalten 
haben,  geataiten  aich  h>^>'  t^«>m  Männchen  die  awei  hintern  Fuaa« 
paare  au  atarken  Kletterfuaaen  um,  während  beim  Weibchen  die 
vordersten  Füaae  sa  gans  kurzen  mit  achweren  Krallen  bewaffneten 
GkablteBen  werden.  So  bewegt  aich  jenes  bebende  an  den  Haaren 
auf  md  nieder,  dieaea  vermag  die  Eier  in  die  Haut  einaubetten. 

Auch  für  dienen  Theil  dea  Vortraga  wurden  einige  Tafeln  mit 
Abhfldongen  cur  Erläuterung  beigebracht 


Tkwrie  der  Holw^  und  Ei$enkonstrükHonm  mit  bßstmderer  Rüek^ 
mM  auf  da$  Batntesen.  Von  Georg  Rebhann,  Ingenieur 
im  k.  t,  ögUrr,  Min.  für  Handel  «.  «.  w.  Wien.  Verlag  und 
Druck  wn  Carl  Gerold'a  Sohn.    1856.    (X  und  602  8.  in  8.) 

Daa  una  vorliegende  Werk  ist  ein  neuer  und  wichtiger  Beitrag 
anr  Ldure  vom  Gleichgewicht  der  festen  elastischen  Körper.  Ea 
kann  oattiriieh  hier  nicht  Aufgabe  des  Referenten  sein,  über  deige-* 
nigen  Theil  des  Werkes  sieh  au  verbreiten,  der  voraugsweise  auf 
die  Anwendung  Rücksicht  nimmt,  da  der  wissenschaftliche  Tbell  ihn 
fast  auaachlieaslich  zu  beschäftigen  hat,  und  von  diesem  Geaicbta*« 
punkte  aua  wird  er  auch  über  das  vorliegende  Werk  Bericht  erstatten^ 

Die  matheroatiscbe  Theorie  des  Gleichgewichts  und  der  Be« 
wegung  dastischer  Körper  ist  im  Wesentlichen  von  Mavier  be- 
gründet worden,  und  dieser  gelehrte  Praktiker  ist  es  auch  geweaeui 
der  die  bis  heute  im  Allgemeinen  befolgten  Methoden  der  näh^ 


SM  Rebhaniis    Theori«  der  Holx*  nad  fiseidtoiulraklln  «le. 

ropgsweise  wichtlfcen  Rechnung  In  setnem  klMBtoeheo  „B^samtf  im 
le^ons  8ur  1' Application  de  la  M^canique  ä  rEtablissement  des  Mi* 
chines^  anfgestellt  bat    Poisson  nnd  Gauch 7  haben  ihreneMi 
die  rein  mathematische  (genauere)  Theorie  yerfolgt  und  auf  einige 
leichtere  Fälle  angewendet,  wSbrend  eine  Anwendung  der  etreageni 
Theorie  auf  die  wichtigern  Probleme  der  Praxis  noch  nicht  eiorail 
versncht  worden  Ist,  wenn  wir  nicht  etwa  das  auch  bereits  In  die* 
sen  Blättern  besprochene  Werk  von  L  a  m  tf  hieyon  ausnehmen  wot* 
len.    Ich  habe  absichtlich  gesagt,  es  sei  die   Art  und  Weise  der 
Betrachtung,  wie  sie  seither  fast  immer  ist  angewendet  worden  oii 
auch  im  vorliegenden  Buche  angewendet  wird,  bloss  die  einer  nibe- 
rungsweise  richtigen  Rechnung.     Denn  diese  Methode  geht  ks^ 
neswegs  auf  den  innem  und  eigentlichen  Orund  der  Erscheinung«!^ 
die  gegenseitigen  Einwirkungen  der  Atome,  ein,  sondern  sucht  sich 
diese  Erscheinungen  in  einer  mehr  oder  minder  annehmbar  ersdisi- 
nenden  Weise  klar  zu  machen,  Indem  sie  dieselben  als  von  Kriftel 
hervorgebracht  ansieht,  deren  Wirlcungsweise  sie  siemlich  wälkOriiA  1 
feststellt.     Auf  diese  Kräfte   wendet  sie  nun  die  (resetse  der  Me- 1 
chanik  an,  und  sucht  die  Bedingungen  auf,  unter  welchen  dieselbea ! 
im  Gleichgewichte   sein  können.     Sie   gelangt   aber   bei   dieser  Be*  | 
trachtungsweise  zu  keinerlei  Kenntniss  über   die  Art   der  Wirksam^ ' 
keit  der  elastischen  Kräfte  in  den   einzelnen   Punkten   des  K5rpen,  i 
noch  nimmt  sie  Rücksicht  auf  die  besondere   Bedingungen,  denSi 
die  freie  Oberfläche  des  Körpers  unterworfen  Ist.    Dass   dabei  eftii 
genaues  Resultat  sich  herausstellen  kann,  Ist  nicht  abzusehen.    ÜB-I 
glücklicherweise  Ist  die  genauere  Theorie  mit  solchen   analjtisdien  | 
Schwierigkeiten  umgeben,  dass  bis  jetzt  noch  nicht  viele  erheblieksi 
Resultate   für   die  Praxis  daraus  erhalten   worden.    Dass  aber  sie  ^ 
allein  etwas  wahrhaft  Richtiges  liefern  kann,  ist  wohl  unbestreitbar. ' 

Dass  das  vorliegende  Werk  von  dieser  genauem  Theorie  nidil 
ausgehen  konnte,  ist  aus  diesen  Andeutungen  wohl  klar;  dass  m 
aber  derselben  mit  keinem  Worte  Erwähnung  thut,  ist  nicht  woki 
SU  rechtfertigen.  Denn  alle  diese  halbwegs  richtige  und  halbwegi 
unrichtige  Methode  der  Ermittlung  der  Gleichgewichtszustände  ela- 
stischer Körper  kann  ihre  endgUtige  Bestätigung,  wenn  dieselbe 
möglich  ist,  nur  aus  der  genauem  Theorie  erhalten,  und  bis  dafaii 
Ist  sie  der  Kontroverse  unterworfen,  wie  denn  ja  auch  unser  Bad 
sich  der  Theorie  Navlers  gegenübergestellt.  Neben  Naviernenil 
dasselbe  vorzugsweise  Redtenbacher,  von  dessen  Theorie  m 
spricht,  so  wie  sie  (wohl)  den  in  den  „Resultaten  für  den  Masd^ 
nenbau*  angegebenen  Bestimmungen  zu  Grunde  liegt;  denn  soMt 
Ist  unsers  Wissens  von  Redtenbacher  ein  eigentliches  Werk 
hierüber  nicht  veröffentlicht,  wenn  freilich  dessen  zahlreiche  Schüler 
seine  Lehren  weithin  verbreitet  haben. 

Worin  nun  dieser  Gegensatz  bestehe^  und  was  also  in  wisseo- 
schaftlicher  Beziehung  Neues  hier  gegeben  wurde,  wollen  wir  bei 
der  nachfolgenden  Uebersicht  in  möglichster  Kürze  anzugeben  sucheo. 


btbkMi:    ThMTM  4er  Bob«  mA  BimkMMlraklioB  Ht.  S69 


Kmth  eiDigen  aUgemeiDen  Erläaterungi»  betraditet  uDMr  Bach 
ii€D  WidMStand  fesUr,  elasUacher  Körper  gegen  Aasdehaung 
Süd  Zneammeodrückong.  Wird  ein  prismatiacfaer  Körper  einer 
im  Sinne  seiner  LSnge  wirkenden  epannenden  oder  pressenden  Kraft 
aiMgeseUt»  so  entslehen  Lftngenveränderungen  in  demselben,  und  in 
Feige  dieser  Aenderungen  werden  Kr&fte  in  ihm  erregt »  die  äch 
dsnetten  entgegenseUeni  mit  ihnen  sunehmen  und  also  diesen  Aen- 
teoBigen  im  Allgemeinen  ein  Ziel  setzen.  Was  nnn  diese  Aende- 
rnngen  seilet  anbelangt,  so  sind  dieselben  entweder  bleibend  (per- 
manent), oder  sie  hören  auf  mit  der  Einwirkung  der  fremden  Kräfte, 
ja  welehem  Falle  sie  elastische  Veränderungen  heiasen.  Von 
aika  diesen  Aenderungen  wird  nun  im  vorliegenden  Falle  ange- 
Msunen,  sie  seien  der  Länge  des  Prismas  proportional  und  von  der 
auf  die  Flächeneinheit  seiner  Grundfläche  wirkenden  Kraft  abhängig, 
•0  dass  wenn  ^^1«,  ^  die  permanente  und  die  elastische  Längen* 
.Inderang,  1  die  Länge  des  Prismas,  k  die  auf  die  Flächeneinheit 
wirkende  Kraft  ist,  man  hat:  ^1^  =  1  f^^  (k),  ^l,  =  1  f,  (k),  wo  i^, 
i^  awei  noch  unbekannte  Funktionen  sind.  Beseichnet  man  die 
Quotienten  ron  ^1|  und  ^ig  durch  1  mit  V|  und  v^i  *®  *^^  ^^^^ 
Qfössea  die  Verlängerung  der  Längeneinheit,  und  man   hat  T|  ss 

Betrachtet  man  die  Werthe  von  k  als  Abscissen  einer  Kurve 
und  die  aogehörigen  Werthe  von  r^  oder  v,  '^^  Ordinaten,  so  kann 
msn  den  Zusammenhang  swischen  diesen  Grössen  sich  durch  ^ne 
Figur  klarer  vor  Augen  stellen,  wie  dies  denn  von  nnserm  Buche 
in  kk^er  und  höchst  lobenswerther  Weise  geschieht  Unter  Zuhilfe- 
nahme von  Erfahrungsresultaten  und  andern  mehr  oder  minder  au* 
liasigen  Annahmen  gelangt  dasselbe  dadurch  su  dem  Resultate,  dass 
Imi  Ueinen  Aenderungen  man  die  Funktion  f(k)  der  Grösse  k  pro- 
portional annehmen  könne,  so  dass  etwa  v^  =  —  u,  s.  w.  su  setzen 

wäre,  wobei  m  den  sogenannten  Modulns  der  Elastisität  dar- 
stellt Dies  ist  nnn  auch  die  allbekannte  Annahme.  Dabei  ist  dieser 
Modulns  derselbe  für  Ausdehnung  und  Zusammendrückung  (entge- 
gen gewissen  sonst  schon  aufgetauchten  Annahmen).  Ist  dann  a 
die  grösstmöglicbe  noch  sulässige  Spannung  (auf  die  Flächeneinheit 
bezogen),  und  r  die  grösstmöglicbe  sulässige  Pressung,  damit  keine 
permanenten  Längenveränderungen  eintreten,  so  sind  die  äussersten 

Werthe  von  Vo:  —  und  - 
'mm 

Derjenige  Querschnitt,  In  dem  diese  äussersten  zulässigen  Werthe 

suerst  erreicht  werden,  bildet  den  gefährlichen  Querschnitt, 

dessen  Ermittlung  eine  der  ersten  Aufgaben  der  Theorie  ist    Die 

Berücksichtigung  des  eigenen  Gewichts  des  Prismas  ändert  kaum 

Etwas  an  der  angegebenen  Betrachtungsweise  (§.  27),  ^  also  nicht 


iri)l7eicht  ton  der  Behbörigen,  wena  t^  lükirAngs  8«hr  klar  «tardH 
gefühtt  ist,  «Bd  frellldi  die  Betrftchtfinf  twefer  venehMteber  Grfto^ 
seil  fitr  AQBdebnQDg  tind  Znsammendräekang  aiiliiiiDitit 

Die  ErmiHluiig  der  Fem  fiir  Körper  von  glekhem  WideMude 
gegen  Aasd^nuttg  und  Zotatti&ieAdi^kBtig  g^bt  ebeftfäUa  In  der 
bekanfiten  Weise  ror  sieh.  t)ie  (JfiMrsachtitig  der  Wlfkangs- 
grosse  („ttfechiniisches  Moment^  hi  tinberta  BvMlie),  die  twaiiw»- 
dig  ist,  Btt  eteen  prittnaftiscbeii  Kötper  sa  streekea  oder  sneaadeb- 
men,  ist  ganz  zwecktaissrg  aafgefioiBiBea,  vad  am  ao  wiehtifeTf  da 
sie  ebieig  and  allein  in  {9(and  setirt,  die  Witrkang  ven  Stönea  anf 
Körper  £U  ermessen.  Sie  fehlt  fti  den  Lehitiiichem  hOo^  (iddit 
aber  etwa  in  den  ren  Scheffler  Cibersetaten  ^^mediaolsdian  Ma* 
aipien  der  Ingeniearkanst  «nd  Arebftektnr^  ron  M oaelisyv  einem 
vortrefiflichen  Wetke),  ist  aber  aneh  namentlidb  von  B-edtenba- 
cher  in  Seinen  „Resaltaten^  dtfrebgeführt  irerden. 

Nach  der  Untersacbrng  über  Ansdebnnng  und  ZuaemmeadrOetai^ 
wendet  sieh  das  Baeh  nun  au  der  über  die  Bieg  nag  ^eeter»  «k- 
BtSscber  Körper.  Die  Voraussetzungen ,  die  gemaeht  ifwdea,  and 
die  folgenden  «weit  1)  Dit  Fasern  des  Priemas  aindaueb«MCh  der 
Biegung  unter  sieh  paraile),  und  bilden  ebene  Kurven  hi  der  RtalU— g 
der  einwirkenden  Kräfte  (die  senkrecht  gegen  die  LäageMxe  nad  ia  ^ner 
Ebene  wirken};  2)  die  Querecbfnitte  des  Prismas  «leben  ^rer  ond  nach 
der  Blegttng  senkteeht  anf  den  Fasern,  und  werden  ta  d^sr  firttee  med 
Form  nidit  verändert.  ^-  Diese  Veransseumgea  Ifegea  den  aeAt- 
lierigen  Annäfaenings^Theorien  HnmeT  aa  Grunde,  wem  sie  aoth 
yAdttt  hnmer  in  dieser  Bestimmtheit  ron  vern  herela  ansgasyaechep 
Vrorden  sftid.  Ein  Anderes  rreükh  Ist  die  Frage  Mob  dem  itaekte, 
anf  das  diese  Annahmen  sieh  etOteen.  Unser  Bad^  galit  datftber 
tlemKch  leiebt  hinweg.  „Eine  nlOiere  aMlytieehe  Dotersoebaig  Mrt 
zwar,  dass  dieselben  im  Allgemeinen  keineswegs  genau  vorhanden 
seien*^,  meint  dasselbe,  aber  wo  diese  Untersuchung  gefijhrt  worden, 
ist  aieht  angegeben«  Gauciiy  hat  nachgewiasen  (£xwcicaa  de 
'Mathtoat^pies),  dass  w^n  ein  aebr  dünner  Körper  eine  Ueiae  Fona- 
ändernng  erleidet,  eine  Linie,  die  vor  der  Foriaäaderani^  aeak- 
reebC  anf  der  beiden  begränaendea  Oberdiehen  stund,  auoh  nach 
detsel^ea  noch  auf  den  nenen  Oberflächen  senkrecht  siebt.  Daraus 
n«i  allerdings  kaiia  mit  einigem  Rechte  auf  die  Richtigkeit  obiger 
Aanabmen  geaehlossen  werden;  bewiesen  sind  sie  aber  dadarah  aiebt 
Wir  müssen  uns  hier  eben  mit  unserm  Buche  trösten,  es  veranlasse 
die  Benutzung  der  angeregten  Hypothesen  in  der  Regel  keinen  we- 
sentilcbeB  Irrthum  —  ein  Trost,  der  schon  in  vielen  Fällen  hat  aos- 
reieben  müssen ,  «ad  den  ^praktischem  Schriftsteller  bekanntlich  In 
.gebübiendem  Quantum  aar  Hand  haben. 

Diese  Voraassatanagen  zagegeben,  werden  also  awei  Quer- 
aebnilk^  die  arsf  rünglich  parallel  waren  und  sich  in  nnmittelbaier 
Kähe  von  einander  befanden,  nach  der  Biegung  eine  gegenseitige 


H^tig  aiitretioiiiiii«&  baben,  und  hn  AHg^meitoen  wird  «ia  TMl 
#er  Fiserii  «isgedehnt,  ein  a&derer  Theil  zusammetigedrOekt  mIii. 
Df«j«nig«tt  PaMTO,  in  deiMn  weder  dae  £lM,  nodi  das  Andere  slatt- 
la#ely  bilden  die  nentralen  Faaem;  verbindet  man  ^  neatnden 
Ftttem  deeielbeii  Qoervchnitte,  00  wird  man  eine  gerade  Linie  er- 
bidtw,  und  idle  eoicbe  gerade  Linien  aller  QnerBcbAitte  bilden  die 
b^wlrale  Schiebte. 

Geietat  nan,  der  prismatiaehe  Körper  aei  nnter  dem  Etefioaee, 
iet  iHe  angegeben  wlrltenden  ioesere  Krilte  gebogen  Worden  nnd 
habe  einen  Gleicbgewichtssastand  erlangt,  ao  mues  ein  jeder  Theil 
fleaaeiben  auch  flir  sKsh  Im  Gleichgefdcbte  sein,  wenn  man  die  an 
Am  wiffceaden  eiasllachen  KrXfte  mit  in  Betracht  aiebt  Denkt  man 
alao  hl  einem  Qnereebnitt  den  Körper  getrennt,  so  mnss  ein  Jedes 
der  swei  Stücke  im  Gleichgewichte  sein.  Sei  nun  R  die  Besulti- 
rende  aller  auf  das  eine  wirkenden  fremden  Kritfte,  99  der  Winkel, 
das  ihre  Richtung  mit  dem  Querschnitte  macht;  D  die  elastische 
Kraft,  die  parallel  mit  dem  Querschnitte  wirkt;  S  die  Resultirende 
der  apannenden,  P  der  pressenden  elastischen  Kräfte  im  Querschnitte; 
n,  T  die  Entfernungen  der  Angriffspunkte  dieser  Resnltirenden  von 
4er  nnntoalsn  Lhiie  fti  diesem  Querschnitte,  so  Ist  D  s=z  R  cos  %  S  «- 
P  =z  R  sin  9?,  RZ  =  8u  4*  ^^i  wenn  Z  die  Entfernung  des  Angriffs- 
pttnktas  der  Kraft  R  von  dem  Querschnitte  (gemessen  durch  eine 
Senkrechte  von  der  neutralen  Linie  auf  die  Richtung  von  R)  Ist. 
Die  erste  dieser  Gleichungen  wird  In  der  Regel  keiner  besondera 
Betrachtung  unteraogen,  da  eine  Verschiebung  der  Querschnitte  über 
«InMder  säten  m  besorgen  ist,  vnd  dieselbe  ndthhi  tteistena  ak 
erfüttt  angesehen  werden  kann;  in  gewissen  besondern  Fällen  träte 
jedeeh  die  Berücksichtigung  deiselben  in  den  Vordergrund,  wenn 
Dämlich  dM  Länge  des  Prismas  klein  wäre  im  Verhältniss  cu  den 
Querschnittsdimensionen.  Die  zweite  Gleichung  gibt  Auskunft  über 
die  Lage  der  neutralen  Fasern,  vielmehr  der  neutralen  Linie,  in  je- 
deni  Querschnitte. 

Denken  wir  «ns  awel  sehr  nahe  Querschnitte)  und  Set  in  dem 
Körperelemeate  daswlscheo  z  die  Entferming  einer  Faser  Von  der 
•entralen  Faser,  k  die  Spannung  (oder  Preasung)  in  derselben ,  ao 

wird  man  (nach  dem  Frühem)  annehmen  dürfen,  es  sei  —  die  Ver» 

lingemng  der  Faser,  wenn  Ihre  urspriingllche  Länge  ^=:  1  gewesen 
Ware.    Ist  aber  a  dio  Länge  der  neutralen  Faser  awisciMn  den 

Querschnitten ,  a  -}-  a'  die  der  betrachteten  Faser ,  so  Ist  —  die  so 

cc 

eben  angegebene  Grösse,  also  =  — ,  d.  b.  man  hat:  k  =  —  a', 

m  cc 

und  da  —  konstant  Ist,  so  Ist  k  geradesu  proportional  der  Verlan« 


992  Rebbanni    Theorie  der  Hols^  und  SisenkoDPtmktioii  «le. 

genxng  a^  Für  swei  Fasera  sind  aber  die  VwIJüigeroDgeD  propof- 
tional  dem  Abstände  tod  der  neutralen  Faser,  so  dasS|  wenn  \ 
und  bj  die  grösaten  Entfernungen  der  Fasern  diesseits  und  jenseito 
der  neutralen  Fasern,  s  und  p  die  dort  herrschenden  Spannungea 
und  Pressungen  sind,  man  hat :  k  :  x  =  s :  h^  ^=:  p  :  b^,  woiaus  k  ab 
Funktion  von  z  folgt.  Dieselbe  hat  die  Form  ex,  wo  e  eine  Kon- 
stante ist  für  denselben  Querschnitt.  Daraus  ergibt  sich  nan  leiefat^ 
daas  wenn  man  den  Querschnitt  durch  parallele  iJnlen  (mit  der 
neutralen  Linie)  in  unendlich  kleine  Rechtecke  abtheilt ,  die  Grosn 

»  —  <^lx9dx,  P  =  c  Ix9dx  ist,  wo  9  die  Länge  dieser  Linien  in 

der  Entfernung  x  ist.  Ist  nun  f  die  Fläche  des  Querschnitts,  e  die 
Entfernung  des  Schwerpunkts  von  der  neutralen  Linie,  so  ist  8  — 

Pbi  Plit 

P  =  c  I  x^dx  —  c  I  X9)dx  =  cfe,  so  dass  cfe  r=  Rsing).   Daraus  folgt, 


SS 


dass  die  neutrale  Faser  nur  dann  durch  den  Schwerpunkt  geht, 
entweder  R  oder  9  Null  ist.    Sie  ist  also  im  Allgemeinen  von  dem« 
selben  entfernt,  und  swar  gegen  die  gepressten  Fasern  hin.    Femer 

jSt  nach  bekannten  Sätzen:  Su  =  c  I  x^^dx, Py  =  c   I  x^dx, 

dass  wenn  T  das  Trägheitsmoment  der  Fläche  des  Querschnitts 
in  Bezug  auf  die  neutrale  Linie  vorstellt,  man  hat:  RZ  =  cT. 

Was  nun  die  Eonstante  c  anbelangt,  so  sei  q  der  Krümmungs- 
halbmesser der  neutralen  Faser,  also  9  4~^i  ^^^  ^™  meisten  ge- 
spannten Faser,  so  ist  die  Verlängemng  derselben  -=•  — ^,  und  da 

s  cbj  c         1  m 

dieselbe    auch  =  —  a  -=  — 3^  a,  so  ist  — -  =  — ,  c  =  —  ,    woraus 
m  tn  m        q'  p  ' 

auch  RZ  =  — . 
9 
Auf  diese  Resultate  gestützt,  wird  in  dem  Buche  eine  Unter- 
suchung über  die  Lage  der  neutralen  Schichte  in  einem  prismatl-> 
sehen  Körper  geführt,  deren  Ergebnisse  allerdings  bedeutend  abwei- 
oben  von  dem,  was  man  sonst  anzugeben  pflegt  Wir  wollen  hier 
nur  auf  eines  der  interessantesten  dieser  Resultate  aufmerksam  ma> 
eben,  wornach  im  Allgemeinen  die  Neutralität  der  Fasern  nicht  durch 
die  ganze  Länge  des  Prismas  in  einer  und  derselben  Faserschichte 
vorhanden  ist,  sondern  von  einer  zur  andern  übergeht,  so  dass  die 
neutrale  Schichte  nicht  mit  der  Längenaxe  des  Prismas  parallel  ist 

(Sehluu  folgt.) 


■r.3t.  BEIbELBERGER  tttl 

JAHRBOGHER  der  LITERATUR. 

Rebhann:   Theorie  der  Holz-  und  Eisenkonstruktionen  etc. 

(Sehlaif.) 

mT 
D- b««.  ^  «p„b-.  B-dW  EZ  =  - l-U.  »-». 

telbar  cur  BestimmoDg  der  Biegung  des  Prisinas.  Ist  nämlich  in  dem- 
selben Querschnitt,  fiir  den  o  gilt,  q*  der  Erfimmungshalbmesser  der 
Llogenaxe,  so  ist  (»'  =  (»  4~®}  ^  femer  t  das  Trflgheitsmoment 
des  Querschnitts  in  Bezug  auf  eine  durch  den  Schwerpunkt  mit  der 
nentraien  Linie  parallelgehende  Axe,  so  hat  man  (yergl.  Poisson,  * 
Mechanik  %.  374)  T  =  t  -f  e^f.  FSlIt  man  nun  vom  Schwerpunkte 
des  Querschnitts  auf  die  Richtung  von  B  eine  Senkrechte,  and  ist 

.         ..  ,   ^  Bsinco        Bsino»  Ttfnm 

s  deren  LSnge,  so  hat  maa  e  =s  — ^—^  =     ^    ^  p  =  — ;=-2- , 
*  '  fo  fm     ^  iZ     ' 

and  da  Z  =  s4-esfaio,  so  ist  also  ef=v_  •"— -^ — 2    woraoi 

unmittelbar  folgt  6  =  ^1^  und  mithin  Ii|2.  =  i^Ta==tZ, 
'  mt  mt      .  ,    mt        tsina>    ,   mt  t     /"mf    , 

•in  9>  J.    Nun  wird  immer  -^  fiberwiegend  gross  gegen  sin  9 

sein,  so  dass  man  setzen  kann :  o'  =:  -=7-.    Dies  ist  nun  die  Glel- 

^        Ba 

ehang,  von  der  auch  Kavier  (a.  a.  0. 1.  Artide  111,  79)  ausgeht, 

so  dass  von  da  an  die  Theorie  nun  dieselbe  ist,  wie  Mber  schon 

bei  dem  angeführten  Schriftsteller.    Die  Grosse  t  ilsst  sich  für  die 

verschiedenen  Querschnittsformen  mittelst  der  Integralrechnung  leicht 

bestimmen,  wie  denn  auch  unser  Buch  für  mehrere  solcher  Figuren 

dieselbe  ermittelt  und  einige  einfache  Ffilie  der  Biegung  betrachtet, 

wenn  nSmlich  das  Prisma  an  einem   Ende  horisontal  festgehalten 

nnd  an  andern  belastet  ist,  oder  wenn  eine  gleichförmige  Belastung 

fiber  dasselbe  vertheilt  ist,  oder  wenn  es  an  beiden  Enden  unter- 

attitit  und  in  der  Mitte  belastet  ist,  so  wie  wenn  in  letzterem  Falle 

eine  gleichförmige  Belastung  über  dasselbe  vertheilt  ist  —  Da  wenn 

X  and  j  die  Koordinaten  eines  Punktes  der  (gebogenen)  Längenaze 

shkd,  bezogen  auf  ein  rechtwinkliches  Koordinatensystem,  in  dem  die 

L.  Jahrg.  6.  Helt  38 


VU[«lKl|^«  LXpgjnii^^  Az6  der  z  ia^  nuui  hat  ^  =  L^  "^GkJ  J > 

'^     - 
dx> 

dy  -^ 

^  'S» 

dy  * 

~^  setien  und  hat  dann  cur  Bestimmung  von  e  dieGleicbong:  efiss 

dy 
tj^y  wonon  der  Differentialquotient  ans  der  gefundenen  Gloiehnng 

der  Biegnngsku^e  so  rateelnMi  let  8m  btsHiMit  diu  nnaen  Buch  , 
4{e  Lugo  der  neutralen  Fa«er  in  den  oben,  genannten  Fällen ,  eine 
BeaUmnmogi  die  in  dieser  Weise  wohl  noch  nichl;  durchgeführt  wurdet 
Jjieben  ^  Bestimmung  der  Biegung  ist  die  für  die  Präzis  eb^ 
n^  ip^tigjS  Folg«!  au.  bebandelui  in  welcner  Weise  das  Material  d^ 
g/^bog^en-  pQ^mas  in  Anspruch  genommen  wird,  also  namentlich  wo  dh 
am.  i^eist^ii  gc^apnten  oder  gepresstan  Fasera  FQrJu>mmen|  da.dqij|i 
ehen.4ie  geüibriichateq  Stellen  sind.  Bebalten  wir  die  oben  gebranpbi^ 
^l^a^lyAungen  bei,  40  sind  fgr  einep  bestimmten  Querschnitt  s  und  p  A 

grösste  Spannung  nnd  Pressung  und  man  hat-r^=-^r=e=:  —  =:s 

hj        ha  if 

-  =  -^aadas^aIso.=  ^-    P=  V'    I»*  ««^  *«  »^ 

die  Entfernung  "der  im  meisten,  gtepannten  Faoea  (de».  betreff«dsn 
Quersclinitto)  vom  SchwerpunlLt,  h''  dieselbe  Grösse  für  die  am  mei« 

Sien  gepresyte,  so  i^  hf  +  0.=  hi,  hf^—  ^as  b^^  und  da  ^  =  -^r^ 

._^           h'Rz     ,    Rsinm  h'^Ez        Rsin©      „      ^      . 

lö  ist  »sa— ? H--~#     >  *^^""t — "^    '  r     *•  *"^«w*^ 

PftPg  dj^er  Grössen,  muss:  man  die  Gestalt  der  Biegungskurve  ken- 

dy 
non,  nmd  BfiUt  dann  sin  y>  =^  ^;  zugleich  kann  man  bemerken,  d 

die  Kraft'  Rsifry  ak  naieb  der  Längeax#  wirkandl  kann  angesehsi 

RsiM 

wvdßUi,  und  in  den  n^isten  Fällen  wird  man  von  dem  Gliede  — r-^ 


absehen  l^önnen,  wodurch  natürlich  die  Reehnimg  sieh  sehr 
fiMhti.    Wie  wir  oben  geseh^Ui  ist  uqgefHbr:  ?'^=g'9  ^^  ^'^  ^ 

seinen  ^össt^n  Werth  erlangt,  wenn  ^  am  kleinsten  ist  In  Ae-* 
sem  Querschnitte  werden  also  auch  s  und  p  die  möglichst  grossesl 
Werthe  erlangen,  d«  h.  derselbe  ist  der  gefährliche  Querschnltil 
BestiiQiQt  man  nun  diesen,  und  ermittelt  für  ihn  Rs^  so  darf  dlSM 
letztere  Grösse  nicht  so  gross  sein,  dass  dadurch  die  £lastljsitit9*! 
gränzen  in  den  meist  gespannten  oder  gepressten  Fasern  übeiscM^H 


BthlMMi    lhMU#  dfer  ttib«  «i^JSUtyBan«niktini  #ii  M6 


i.  k  if«n  viMte  n  ona  T  die  Mkm^  BMäatmff  ktti 
ln%  M.  4tBf  Bi  nklm  gtöiftet  MiB,  al»  dfc  kldMM  öcv  ntti  Cb5iMa 

rr;  pj.    In  dieter  Poppelbeatimmun^  liegt  mn  eine  Abweiebun^ 

fcp  in  uMem  Bodle  dardigeflllMieii  HedN^de  töh  der  gewölknUcheiii 
dte  -^  wie  etwa  bei  Navier  —  nur  eine  einige  BMimmimg  bat 
bieae  I>op|^60liiiiiiiwig  aber  Ist  eAnbar  der  Natur  A»r  Baelie  an* 
feneeeeB,  und  der  Verftuner  madit  Tielfaeh  darauf  auftnerlLsanr,  daaa 
aar  dadurch  eine  Reilie  ven  Erscheitiiiii^ii,  die  bei  Versoeiieii  im 
ttraasett  angetreten  aind^  BMt  erlÜSren  fassen.  Die  CMtase  Rts  beissC 
hier  das  Tragmontent,  das  also  hdcbstens  einer  der  genamiten 
Gtoseen  gl^eb  sein  darf.  Für  HoIe  sei,  sagt  d^  Verfesseri  die 
tWeMe,  täf  Gnsseisen  die  erstere  die  kleinere  der  «wei. 

Bk  lassen  sidi^  wenn  man  diese  GFmndlrStfee  festüUt,  eine  Reibe 
bitoeasanter  Polgerangea  atis  denselben-  aiefaeiK  8a  naraentliüh  die 
9ittg«'  fi%er  Ae  Wiitong^  der  ünAebrung  dto  Qnersthnitfir  ir.  s.  w*. 
Sben  se  Ist  es  lelebt,  die  gi^sste  Belastung  zu  ermitteln,  die  mail 
«l^n  Airf,  nm  Üe  Granzen  der  Elastizität  nirgends  ztf  Aersdirel* 
IM)  indicm  dies  auf  Ae  Bestimttrang  TOn  Rz  itir  den  gjSiArtTchen 
^raebnitt  bfnansKaft.  Wir  wollen  für  diese  üntersncbtingen  auf 
das  Buch  selbst  Tetweisen,  da-  es  zlemlielr  einfatb  fcf,  dieselben  zu 


Fragt'  man  nnn  noch  naeb  der  Gestalt  deijenigen'  E9f|ifer„  die 
ier  Btegong  In  jedem  Qoersebnltte  denselben  Widerstand  entgegen- 
Mzeo,  so  lieisst  dies  die  Form  desjenigen  Körpers  sncMen,  der  iil 
Folge  der  Biegung  in  allen  seinen  Qnerschnitten  zngMcb  die  Blasti'* 
sitfttagrKnzen  erreleht  Die  wiiilicbe  Brmitthmg  wird  dbm  Wesen 
bmIi  in  derselben  Weise  gefQbrt,  wie  dies  ancfa  schon'  fröber  ge« 
lebelien,  wie  denn  auch  die  Resultate  analoge  sind,  so  dass  wir 
liier  darflber  weggehen  kennen. 

SebliessHch  wird  noch  die  WirkungsgrCsse  (Atbeft,  mecbaniscfaes 
H'oment)  berechnet,  üe  nothwendig  iist,  um  einen  prismatischen  Kör- 
^  za  biegen.  Diese  Untersuchung  ist  wieder  nothwendig,  um  die 
Ifitftimg  ermessen  zu  kennen,  die  ein  Stoss  auf  ein  efastifeches  Prisma 
inaznüben  im  Stande  ist.  Damit  sebfiesst  der  eigentiicbe  dleoreti* 
lebe  TM\  (S.  1-*170),  da  das  Uebrige  fm  Wesentlichen  eine  An^ 
irendung  der  aufgestellten  Grundsätze  ist  Was  diese  letztem  nun 
letstfl,  so  haben  wir  im  Yoretehenden  die  wiebtigst^n  derselben, 
plUeftdet  jeder  Zuthat,  dargestellt,  Indem  wir,  so  tiei  mdglidr  dem 
BodaDlcengang  des  Verfassers  folgten,  bt  nun  die  Theorie,  wie 
ie  kier  avfgesteUt  wird,  immerhin  nur  eine  AtfnSherangstheerie,  und 
•saidift  sie  auch  nicht  häufig  wesentlieb  von  dem  Seidierfgen  ab, 
I»  ist  doch  die  Darstellung  und  EDtwickinag  der  Prinzipien  eine 
iare  und  musterhalte^  und  sind  eine  Menge  mehr  oder  minder  all-^ 
faaasiner  Erscheinungen  in  einer  Weise  erklärt  oder  veranschaalicht, 
fo  wolti  vor  Brseheta>en  des  Werkes  in  dieser  Weise  noch  nicht 
ntasauria  worden  sind.  Es  muss  demnach  das  TorBegende  Werir, 
leben  dem  berühmten   Werke  von  Kavier,   das  wir  oben  schon 


8M  Bflkliuui}    tbMri«  der  tttli- iM  JiuMkMMlniktiMi  «Id 

aifettiirt  habtDt  alt  ein  fnndamantalas  «ifesohtti  irardao^  m 
dem  der  Larnbagifliife  sieh  Tolbttedig  AnfechioiB  über  A«  EndM» 
nangeo  an  den  elastiachen  Körpern,  in  so  weit  sie  in  den  Betrack 
tongekreis  des  Boches  gesogen  sind,  Terachaffen  kann. 

Der  sweite  Tbell  (sweitee  Hanpiatück)  beeoUUtigt  sich  mit  tei 
Anwendungen  der  aufgestellten  Tiieorie  bei  Beurtheiiung  der  Hob» 
und  EisenkouBtroktionen.  Beferent  wird  sich  aiso  bei  demselben  aof 
eine  mehr  übersichtliche  Inhaitsanaeiga  lu  beschränken  haben ,  ol^ 
wohl  damit  nicht  gesagt  sein  soll,  es  enthalte  derselbe  nicht  ascb 
der  rein  wissenschaftlichen  Parthieen  genug,  die  sein  Studium  ssdi 
für  den  blossen  Theoretiker  interessant  machen« 

Zunächst  werden  eine  Reihe  Terschiedener  Querschnitte  bemdh 
tet,  wie  sie  in  der  Anwendung  so  mannigfaltig  vorkommeni  und  <f 
TOn  der  Querschnittsform  abhängenden  Grössen  (t  bei  dar  DnterMK 
chung  über  Biegung)  berechnet,  so  wie  die  yenichiedenen  Besottsfel 
mit  einander  vergUchen«  Besonders  betrachtet  werden  dann  0 
Querschnittsformen,  die  Axen  der  Symmetrie  enthalten,  in  den  ▼•( 
schiedenen  Lagen,  namentlich  also  das  Trägheitsmoment  in  Bestt 
auf  eine  beliebige  Gerade  berechnet  Eine  grosse  Ansahl  praköw 
wichtiger  Untersochnngen  knüpft  sich  hier  gana  unmittelbar  aa,  oll 
sind  besonders  auch  die  Eisenbahnschienen  berücksichtigt. 

Genauere  und  ergänaende  Untersuchungen  über  die  Lage  dft 
gefXhrlichen  Querschnitts  bei  gebogenen  Prismen  folgen  diesen,  ul 
werden  besonders  auch  durch  graphische  Darstellung  deutlich  gemadi^ 
wie  denn  überhaupt  im  vorliegenden  Buche  von  solcher  ErUuterom 
häufig  Gebrauch  gemacht  wird. 

Von  praktisch  grosser  Bedeutung  ist  (He  folgende  Untersuchmi 
über  die  ewecknrässigsten  Querschnittsformen.  Dsb^ 
muss  auerst  auf  den  su  erreichenden  Zweck  Rücksicht  genommal 
werden;  ob  nämlich  die  Biegung  möglichst  klein,  oder  das  Trac^ 
vermögen  möglichst  gross,  oder  aber  die  au  einer  bestimmten  W 
gung  nothwendige  Wirkungsgrösse  die  grösstmögliche  sein  soll.  Eii^i 
nach  aerfäUt  die  Untersuchung  in  drei  einzelne  Untersuchungen.  U^ 
Biegung  nun  wird  im  Allgemeinen  dann  möglichst  klein  ausfsOaV 
wenn  das  Trägheitsmoment  des  Querschnitts  möglichst  gross  ist,  «i( 

ans  der  Gleichung  q  ==  —  auch  sofort  erhellt   Um  dann  die  Qoei^ 

schnittsform  zu  ermitteln,  muss  man  sich  über  die  Höhe  H  denitt 
ben  vor  Allem  verständigen.    Wird  dieselbe  sehr  gross  genomaM 
so  wird  die  Breite  au  lüein,  und  es  ist  ein  seitliches  Ausbiegea  4l| 
Körpers  au  befürchten ;  auch  kann  es  sich  ereignen,  dass  regelmäsrilil 
Polygone  am  sweckmässigsten  sind,  wenn,  wie  etwa  bei  einer  rol 
renden  Welle,  jede  Dimension  cur  Höhe  werden  kann.    Hat  m 
sich  aber  einmal   über   die   Höhe  des   Querschnitts  verständigt, 
wird  die  Form  desto  besser  sein,  je  weiter  die  einzelnen  Querschnitt 
theile  von  der  neutralen  Linie  (oder  auch  von  der  durch  den  Schire 
punkt  mit  ihr  parallelgehenden)  entfernt  sind,  und  je  mehr  der  gasi 


Rebhaim:    A^orfa  iw  U»»  ufed  Bbeak^MlniktioB  etc.  S9V 

QMiehnltt  durch  diese  in  swel  gleiche  llieile  gethellt  wird.  So 
nlerMicht  nno  das  Torllegende  Boch  eine  grosse  Ansshl  einzelner 
Qssnchnittsforaieii,  namentlicfa  anch  die  des  cannelirten  Blechs.  — 
h  Besog  auf  das  TragrermOgeii  erscheint  eine  Querschnittsform  als 

dato  besser  y  je  grösser  bei  ihr  der  kleinere  der  zwei  Werthe  -rjf 


it  r  ,     aT     rT^  ^^ 


wenn  wir  die  früher  angegebenen  Beseich* 

amgen  beibehalten.  Dieselben  Einzelnheiten,  wie  im  vorigen  Falle, 
erscheinen  hier  abermals.  Dass  der  dritte  Theil  der  Untersuchung 
io  Ihalicber  Weise  zu  erledigen  war,  ist  nun  leicht  abzusehen. 

^  In  den  seitherigen  Untersuchungen  sind  meist  nur  die  einfachem 
FUle  der  Belastung  eines  elastischen  Prismas  untersucht  worden; 
Be  mehr  zusammengesetztem  (mehrfache  Unterstützung  und  Bela- 
llnng  u.  s.  w.)  werden  nun  ebenfalls  einer  sehr  einlässlichen  Unter- 
bcfaung  (S.  304—418)  unterworfen,  und  an  jedem  betrachteten 
IPalle  die  Anwendung  der  früher  aufgestellten  Sätze  gezeigt  Wenn 
Selch  sehr  lehrreich»  bieten  diese  Resultate  theoretisch  natürlich 
pichts  besonders  zu  Erw&bnendes.  Die  einwirkenden  Kräfte  sind 
Jabei  immer  noch  normal  zur  Längenaxe  des  Prismas  gerichtet. 
.  Der  allgemeinere  Fall,  dass  die  fremden  Kräfte,  welche  die 
piegnng  hervorrufen,  nicht  normal  zur  Längenaxe  gerichtet  sind| 
lehliesst  sich  an  den  vorhergehenden  unmittelbar  an  (S.  417— 458). 

Ist  die  Verbindung  der  einzelnen  Theile  eines  prismatischen 
Prägers  nicht  eine  ununterbrochene,  wie  bei  Holzverbindungen,  Ver- 
Metongen  u.  s.  w.,  so  beurtheilt  man  das  Ganze  wie  einen  nnunter- 
^ebenen  Körper,  dessen  Stoff  jedoch  von  minderer  Qualität  ist 
30  werden  eine  Reihe  einzelner  Fälle  betrachtet 

In  ähnlicher  Weise  werden  die  allgemeinen  Sätze  auf  die  ver- 
idiiedenen  Arten  von  Brücken  angewendet,  in  so  ferne  hiebei  die 
Siegnng  der  einzelnen  Brückentheile  in  Betracht  kommt  Die  Unter- 
luchung  der  Kettenbrücken,  die  in  aller  Vollständigkeit  geführt 
rird  (8.  553—602)  schliesst  diesen  der  Anwendung  gewidmeten 
iweiten  Theil,  der  jedoch,  wie  schon  bemerkt,  des  theoretisch  Wich- 
igen noch  genug  enthält 

Es  zeugt  dieses  Buch  von  der  hohen  reinwissenschaftlichen  Aus- 
lOdnng  seines,  den  praktischen  Wissenschaften  gewidmeten  Verfas- 
Ih,  und  mag  die  Nothwendigkeit  einer  gründlichen  theoretischen 
iDdung,  zumal  in  den  mathematischen  Wissenschaften,  aufs  Neue 
kr  vor  Augen  stellen.  Ueber  die  Bedeutung  der  gefundenen  Re- 
Idtate  für  die  ausübenden  Künste  hat  Referent  kein  Urtheil  abzu- 
eben,  da  seine  Aufgabe  nur  sein  konnte,  den  wÜsenscbaftlichen 
!heil  des  inhaltreichen  Werkes  näher  zu  betrachten;  eine  Aufgabe, 
eren  Lösung  Ihm  fortwährend  angenehmer  wurde,  je  mehr  er  der 
rasterhaften  und  gründlichen  Darstellung  des  Verfassers  gefolgt  ist 


mnlaOmtgii^tifl  aar  i.  jmdffIMniMm  ßehak  in  «Mg^d  4»-4tf 
Mier  *t  BdmHi$IMu  Sr.  MäjeMt  des  KMjs  WükOm  Ml 
m[HUmd9r9  mtf  dtn  27.  8$pi.  1856,  MU  ntm^  Ahhammtfl$ 
Mi€t  dOs  VerOuütmg  ria  i^rucki  Im  /jiiKffl  rines  Körp&n  vm 
Prof.  Dr.  Carl  Holt  »mann  (18  8.  in  4.). 

Die  vorliegendd  kleine  Gele^eDheftsschrift  behandett  eine  fedm 
ttrehtfafcti  in  Angriff  gettotimiene  Aufgabe,  die  oamentlieli  Caa^lj 
und  Poiflaon  behandelt  haben.  Ist  ein  Körper  nnter  dem  £iB* 
flusse  äusserer  Kräfte  im  Gleichgewichte,  so  muss  jedes  £Ueae■ta^ 
iheilchen  desselben  in  seinem  Innern  yermöge  der  thfitig  gewerds- 
nen  (elastischen)  Kräfte  im  Oleichgewicht  sein.  Nimmt  man  nos 
an,  der  K(>rper  sei  eine  stetige  Masse,  so  ist  leichti  die  BediogoB^ 
gen  des  Gleichgewichts  dieser  Kräfte  aolzastellen,  d.  h.  die  Besiehiu* 
gen,  die  awiscben  diesen  KräCten  obwalten.  Dies  geschieht  dana 
auch  zunächst  in  der  vorliegenden  Schrift,  mit  wenig  Abweichnqgea 
in  derselben  Weissi  wie  in  dem  yon  uns  früher  angeaeigten  Weä* 
▼on  Lam^  über  die  mathematische  Theorie  der  elastischen  Kiipei; 
Eben  so  wird  das  sogenannte  Pressungs-EUipsoid  konstruirt  in  eiisr 
Weise,  die  gleichfalls  von  Lam€  nicht  wesentlich  abweichen  koaatc 
Diese  Sätxe  sind  also  nicht  neu ,  sollten  «s  aber  wohi  auek  nieht 
sein,  da  sie  der  nachfolgenden  Anwendungen  wegen  aufgeführt  ward«. 

Diese  Anwendungen  sind  nun  zuerst  eine  kurze  Andentmgi 
dass  die  Grundformeln  der  Hydrostatik  ganz  unmittelbar  aus  dei^ 
hier  aulgestellten  Grandgleichungen  fiiessen,  wenn  man  anmouB^ 
dass  bei  einer  vollkommen  verschiebbaren  Flüssigkeit  Gleiehgew<d4 
nur  bestehen  kann,  wenn  die  Kräfte  normal  auf  die  Begränzungsfll«! 
eben  eines  Elementes  wirken.  (Vgl.  Poisson,  Mechanik,  II.  §.481.1 

Die  zweite  Anwendung  ist  eine  bedeutend  aosföhrllcbere  an^ 
den  Druck  einer  gleichartigen  schweren  Erdmaisc 
'  Eine  solche  Masse  ist  nun  freilich  kein  stetiger  Körper,  so  dass 
Resultate,  die  man  erhält,  auch  nur  bedingungsweise  wahr  sind, 
so  ferne  man  so  grosse  Theile  der  Masse  betrachtet,  dass  man 
die  UnStetigkeit  der  einzelnen  Theilchen  nicht  zu  achten  braachil 
Dabei  wird  die  Erdmasse  als  oben  und  unten  horizontal  begrioili 
und  nach  allen  horizontalen  Bichtungen  in*8  Unbegränzte  ausgedehnl; 
angesehen. 

Die  dritte  Auwendung  endlich  ist  eine  Untersuchung  über  dii, 
Vertheiiung  des  Drucks  im  Innern  eines  (sehr  wenig)  gebogenfli 
elastischen  Balkens,  der  an  beiden  Enden  aufgestützt,  in  der  Hilil 
durch  ein  Gewicht,  and  über  seine  obere  Fläche  weg  durch  elaft: 
stetig  vertheilte  Last  belastet  ist.  Die  Untersachung  wird  ^MM 
so  geführt,  als  wenn  der  Balken  gerade  geblieben  wäre,  so  dass  A| 
Resultate  auch  nur  anter  dieser  Bedingung  gelten  können.  Soltatt 
sie  auf  einen  wirklidhen  Fall  angewendet  werden  wollen,  so  gek 
dies  eben  desshalb  nicht  an,  und  es  sind  also  die  schönen  Resultats 
fast  unbrauchbar.    Man  kann  allerdings  entgegnen,  es  seien  dieseU^es 


Bran»    Ae'iiiille.  nblMlb^  Sit 

liBiermiggwetee  wate.  AIhtn  ireldbes  ist  flet  Chmd  lle^  !{MMnhi|(u 
Bei  Aesen  überlianpt  Behr  klefnen  FormSnd^rangren  macht  eliie  kleine 
TenmchlSffiang  schoti  Vieles  aas.  Will  man  dai  Problem  freHich 
icbSrfer  l^sen,  bo  hat  man  ongeheare  analytlache  Bchwterfgkeiteit 
TOT  sich,  w!e  Refereot  aas  fieiner  eigetreo  Erfafat-ufig  weHis,  da  er 
sich  auch  sehr  viel  schon  mit  diesen  Problemen  beschäftigt  hat,  die 
m  den  interessantesten  Anwendungen  der  h5hem  Mathematik  ge« 
bSren.  —  Dann  aber  ist  Immer  noch  ein  anderes  Bedenken.  Wetfn 
nnter  dem  Einflnsse  Sasserer  KrSfte  der  elastische  Balken  ron  einem 
ffleichgewichtsznstande  in  einen  andern  tibergeht,  so  geschieht  dies 
einsig  dadurch,  dass  seine  einzelnen  Moleküle  (im  Aligemeinen)  ihre 
früfaere  Lage  verändern  and  sich  in  einer  neuen  Weise  grnppiren. 
Diese  Aenderung  des  Ortes  der  ehiselnen  Eörperpnnkte  muss  ^be* 
etfnnnt  sein,  wenn  die  Aufgabe  soll  gelöst  sein,  und  so  lange  dieH 
nfebt  der  Fall  ist,  kann  eben  nichts  ZuverlSssiges  ansgesproehen 
werden.  Biese  Verschiebungen  sind  die  fundamentalen  Gk^sen 
der  Betrachtung,  und  die  Pressungen,  Drucke  n.  dgl.  hangen  ven 
Haien  ab,  und  ergeben  sich  sofort,  wenn  man  jene  kennt.  In  dieser 
Beefimmung  aber  liegt  die  Schwierigkeit  der  Auflösung.  Die  in  der 
Iffer  angezeigten  Schrift  erhaltenen  Resuittfte  mögen  ziemlich  anbehm« 
bar  sein;  ob  sie  richtig  sind  oder  nicht,  bleibt  unentschieden.  Die 
Aufgabe  ist  nicht  geKist,  wenn  man  Krkfte  aufgefunden  hat,  die  den 
aül^emeinen  Bedingungen  des  Oleicbgewichls  genOgen;  sie  ist  es 
erst,  wenn  gezeigt  ist,  dass  in  Folge  der  gewaltsamen  Biegung  Ver* 
Schiebungen  eingetreten,  welche  jene  Krfifte  in  Thätigkeft  riefen. 
Davon  ist  aber  in  unserer  Schrift  keine  Rede;  sie  hfttte  auch  sonst 
anf  ganz  andere  Grundlage  gestellt  werden  müssen.  Lam^,  wenn 
er  auch  den  CiCnchj-Poisson 'sehen  Weg  nicht  eingeschlagen, 
hat  sich  gehütet,  in  diesen  Fehler  zu  verfallen,  woher  es  denn  auch 
rflfart,  dass  er  ähnliclie  Aufgaben  gar  nicht  löst.  Sie  sind  etwas 
Bcbwieriger,  als  es  aus  der  uns  vorliegenden  Schrift  scheinen  mag. 
Immerhin  ist  dieselbe  aber  ein  schätzenswerther  Beitrag  zur  Lösung 
der  Aufgabe,  und  wenn  anch  die  letztere  nicht  voHstSndig  gelöst 
iaty  BO  Hegt  dies  eben  in  der  Schwierigkeit  der  Sache  selbst. 

Heinriei  Brunnii   de  Audorum  indicibus  Ptinianis  disptdatio 
üagogiea,    Bonnae,     1856,     4, 

Es  war  me^  Absiebt  diese  Dissertation  in  einer  anderen  BehHll,  In 
welcher  meine  Potechungen  über  Plinius  «nd  dessen  naterallft  historla 
eiedielDen  werden,  ea  beartbellen.  Der  Wertb  Voiüegenier  BchrMk 
erferdert  jedoch  eine  efogebendere  Bespreebang,  ^  dieis  an  jenem 
Ofle  möiglieh  wtre.  Zugleich  mag  es  passend  «ein,  hier  die  Re^ 
eeoslon  ra  berücksiebtlgen,  wdche  Herr  Jm  tÜMr  Brnnn's  A^hasd- 
kang  in  den  MfiDcbner  Gelehrten  Anaelgen  gegeben  hm^  Itieo* 
im  deraelbe  mir  a.  a.  O.  8.  Ml  voraugsweise  die  Sj^^die  vor- 


600  Bnuui;  i»  uidie.  PHvitib. 

wirfti  iraleha  ich  gogenfiber  toh  aelner  Plinius  ABSgabat  ««teer  B«ie 
in  Hamburg  und  seiner  Beoension  über  den  Pliniuspalimiwesteii  ga^^ 
führt  habe.  Einem  jüngeren  Manne,  meint  er,  etünda  dieaa  nicht 
an.  Das  gehört  aber  nicht  «a  der  Sache,  aondern  der  Streit  drehte 
sich  nm  folgende  Punkte.  Jan  beaweifelte  die  Geechichte  des  Codex 
reacriptua,  sein  Alter,  hat  manches  misrerstanden  nnd  anderes  darin 
unbenüet  gelassen.  So  glaubte  ich  im  Interesse  der  Plinius  Kritik 
seine  Bemerkungen  nicht  unbeantwortet  lassen  au  können ,  weil  ja 
der  pal&ographische  Theil  die  wichtigste  Frage  bei  der  Ausgabe  des 
Palimpsesten  aunächst  war.  Da  nun  aber  Jan  die  Kriterien  dar 
Schrift  des  4»  und  6.  Jahrhunderts  nicht  unterscbeiden  will,  die  Exi- 
stena  einer  langobardischen  Schrift  im  7.  und  8.  Jahrhundert  l&o^ 
net,  und  dazu  meine  lateinischen  Worte  irrig  übersezte,  so  fa£tts 
ich  freilich  ihn  als  incompetenten  Richter  hierin  ignoriren  könneai 
wenn  nicht  seine  anderweitigen  Verdienste  um  Plinius  mich  sa 
einigen  Bemerkungen  veranlassen  müssten.  Was  nun  weiter  dsn 
Tadel  eines  andern  Kritiker's  betriflft ,  welcher  die  von  mir  ge- 
brauchte Form  Ecclesiasticns  in  Ecclesiastes  verwandelt  sehen  wiBi 
so  bemerke  ich  folgendes:  Es  gibt  zwei  solcher  Schriften,  wd- 
che  Ecclesiasticns  und  Ecclesiastes  heissen,  die  erstere  wird 
Jesu  Sirach  zugeschrieben,  sie  enthält  51  Kapitel,  die  andere 
heisst  auch  Coheleth  und  hat  nur  12  Capita;  von  dieser  lezterea 
ist  gar  nicht  die  Rede.  Anders  verhält  es  sich  damit,  waa  Jao 
über  die  Geschichte  des  Codex  als  Bedenklichkeiten  erhoben  hat, 
wo  für  ihm  gar  keine  Beweise  ziä  Gebote  standen.  Er  hat  bezwei* 
feit,  dass  der  Palimpsest  von  Verona  stamme,  konnte  aber  keine 
andere  Geschichte  geben.  So  ward  ich  genöthigt  zu  einem  lang^ 
Beweis  für  mein  Resultat,  das  auch  vorher  vollkommen  fest  stand, 
zu  geben,  um  Allen,  die  sich  als  unberufene  Richter  hierin  aufwer- 
fen konnten  zu  begegnen.  Die  strenge  Beweisführung  von  meiner 
Seite  kann  desshalb  Niemand  beklagen.  Etwas  anderes  ist  die  Aus- 
setzung an  Jan's  Ausgabe,  wie  er  meinen  Palimpsesten  benuzte  und 
in  seine  Ausgabe  aufnahm.  Wenn  er  sich  bisweilen  Lesarten  wählte^ 
die  Andere  unwahrscheinlich  fanden  oder  bei  den  offenbar  entstell- 
ten stehen  bleibt,  nun  so  kann  man  nichts  dagegen  einwenden,  es 
beruht  dless  auf  subjektiver  Ansicht  Ich  bin  aber  nicht  der  einsige, 
der  in  Jan  s  Ausgabe  eine  höchst  parteiische  Auswalil  der  Emea- 
dationen  gefunden  hat. 

Endlich  fühlt  sich  Herr  Jan  durch  mich  beleidigt,  weil  ich  be- 
merkt  habe,  er  lasse  den  Leser  seiner  Ausgabe  ganz  im  Unklaren, 
in  Betreff  der  Ansicht,  welche  der  Herausgeber  über  die  Eatstehuag 
des  Pllnius'schen  Werkes,  besonders  des  I.  Buches  habe.  Nun  ick 
glaube,  dass  man  heute  an  jede  neue  Ausgabe  des  Niebelungenlie* 
des  die  Anforderung  stellen  darf,  dass  in  der  Vorrede  oder  Einlel* 
tung  der  Standpunkt  des  Herausgebers  ausgesprochen  sei,  ob  er 
Lachmannianer  oder  Gegner  von  Lachmann  sei  ?  Bekanntlich  iit 
aber  die  Kritik  über  des  Plinius  naturalis  historia  und  über  ihfes 
Verfasser  noch  viel  complicirter  als  die  über  der  Niebelungen  Not 


IkttUi:  id  küc.  ndmäi.  IM 

Ol»  aiteyalto  hisloriii  ist  der  Sehacht,  am  waldram  TMsnMr  te 
Lüeratargetekichte  aweier  CultorTÖlker  beraotsfearbeiiet  wwdea.  Dia 
▼aracUadanalaD  Hjpothesen  staben  sich  tfber  dieses  Work  gegeoiibar. 
Was  isl  also  natOrlkber,  als  dass  der  Herausgeber  eines  solcbeo 
Astors  sogleich  seine  Ansicht  am  Eingang  aosspriebt,  damit  der 
Leaar  nicht  nach  langen  Vermathnngen  sich  endlich  fragen  moss, 
bat  der  Herausgeber  eine  Ansicht  oder  nicht  und  welclie  hat  er? 
Dasa  ich  soldie  Forderungen  an  eine  Ausgabe  des  Piinius  stellCei 
wird  ausser  Herrn  Jan  Niemand  «einen  Vorwurf  in  nicht  sehr  aar* 
ter  Welse^  oder  «eine  Beschuldigung^  nennen. 

Die  Dissertation  von  Bronn  seigt,  wie  wenig  die  Kritik  über 
PHnius  und  besonders  sein  erstes  Buch  als  abgeschlossen  betrachtet 
werden  darf.  Je  mehr  sich  die  Forschung  dem  Werke  zuwendet, 
um  so  mehr  Biösen  entdeckt  man  an  der  hergebrachten  Ansicht 
darfiber.  Der  Verf.,  Heinrich  Brunn  hat  desshalb  ein  grosses 
Verdienst  um  die  Kritik  des  Plinins,  dass  er  einen  und  vielleicht 
den  wkhtlgslen  Punkt  einer  eingehenden  Untersuchung  unterworfen 
hat.  Aber  durch  seine  Arbeit  sind  nur  wieder  neue  Fragen  aufge- 
teadit,  weiche  ihrer  Lösung  entgegensehen.  Gerade  der  Anfang 
der  Plinianischen  Realencjklopädie  bietet  die  grössten  Schwierigkei- 
teil  ffir  die  Kritik.  Die  yorausgehende  Dedikation  an  Vespasian  hat 
eioen  Stil,  wie  er  einem  Römer  dem  Kaiser  gegenüber  gewiss  nicht 
anstand.  Sie  ist  ein  aus  Fragmenten  von  Piinius  eigenen  Worten 
anaammengeschraubter  Brief,  mit  versteckter  Polemik,  voller  Anspie- 
loDgen  und  mit  den  interessantesten  Andeutungen  für  die  römische 
Literaturgeschichte.  Das  s.  g.  erste  Boch  oder  die  indices,  die  epop- 
aia  des  gansen  Werkes  enthält  die  Anfsählung  der  Artikel  und  die 
Verfasser  derselben.  Mithin  einen  Realindex  und  ein  Schriftsteller 
(Mitarbeiter)  Verseichoiss.  Hierüber  sind  aber  verschiedene  Fra* 
gen  lu  beantworten.  Sind  die  Indices  von  dem  Verfasser  oder  dem 
Herausgeber  des  Werkes?  Was  war  ihr  Zweck, -sollten  sie  das  Sy- 
stem der  Encjklopftdie  geben?  Sind  sie  nur  ein  Entwurf  für  den 
ersten  Ausarbeiter  gewesen?  Oder  sind  sie  das  lahaltsverseichniss, 
daa  nach  Realien  geordnete  Register?  Sie  konnten  auch  swei  Zwecken 
aagleich  diraen,  für  die  Artikel  das  System,  für  die  Autoren  das 
Itthaltsverseicbniss  sein.  Endlich  kommt  die  Frage  in  Betracht,  ist 
das  Verseichniss  der  Autoren  ein  Renomierstücicchen  des  Piinius, 
oder  ist  es  ein  Abriss  Literärgeschichte,  nicht  nach  Chronologie,  oder 
Wissenschaften  geordnet,  sondern  nach  dem  materiellen  Inhalte?  Da 
im  Texte  der  naturalis  historia  die  einselnen  Gitate  nicht  immer  mit 
den  Autoren,  aus  welchen  sie  entlehnt  sind,  angegeben  werden,  so 
ist  die  Untersuchung,  was  Piinius  aus  dieser  oder  jener  Quelle  ge* 
schöpft  habe,  sehr  erschwert.  Es  haben  sich  daher  über  das  erste 
Bueh^  das  die  Quellen  und  das  System  oder  den  Inhalt  des  gansen 
Werkes  nennt,  mit  der  Zeit  folgende  Ansichten  gebildet:  1)  Die 
ältere  des  gelehrten  Jesuiten  Harduin,  das  erste  Buch  und  die  De* 
dikation  sind  unächt  2)  Die  spätere  Ansicht  desselben,  das  erste 


Bifth  tat  ▼WReidit  Hieb«  «ellbflt  dra  Plinitev  mm  ¥« 
I)  Die  ^twiSiinlicho  AMieht,  der  «ich  Jan 
YMwd«  «Bd  «rates  Bach  stod  lebt  mid  das  ieatere,  wi6  ü  der  fie> 
dflurtioa  steht»  tw  Pliidu  selbst  bet^eOgt.  Aber  PUniiis  wv  ete 
M  t>beriichllcber  Se«mlery  dass  seto  Werk  «nd  Jene  TbeBe  hSehsl 
tfltt^el massig  ansfislea.  4)  Brann's  Ansiebt ,  die  ich  jeat  niber 
bespreebeo  iHU,  gtkki  dabin,  beide  Tbetle  sied  ton  Plfaifau  seihst, 
aiar  lanss  man  die  Manier  kennen,  in  der  er  arbeitete^  um  sie 
riditig  m  beurtbeilea.  5)  Bergk  «babt  das  Werk  and  die  ladwss 
waren  y  oll  endet  and  erschieiien,  aber  PÜnnis  arbeitete  an  einer 
B weiten  Ausgrabe,  schrieb  sich  in  sein  Exemplar  Nachtrige,  welche 
dann  eine  veae  Edition  nach  seinem  Tode  cur  Folge  hatten.  Dieie 
Edition  ist  mislnngen  and  liegt  ans  Tor.  6)  Meine  Ansicht^ 
PlInhiB  starb  während  er  an  seiner  natnralis  bisteiia  arbeitete, 
^man  gab  seine  Arbeit  heraas  nnd  hat  mir  ein  quid  pro  qno  davass 
gemacht^  Eine  «adgttltige  Lösang  dieser  Fragen  wird  Teraos* 
slebMsh  noch  nicht  so  bald  eintreten.  Sobald  die  Kritik  einen 
PtiiAt  glanbt  ins  Reine  gebracht  zu  haben,  so  wartet  sebott  ^ae 
nene  Frage  ihrer  Lösoog,  so  ist  es  aach  dem  Tert  voiiiegsadsr 
Bdirlft  gegangen.  Seine  Untersnchnng  hat  die  ZweiM  an  der  Ui^ 
herigsn  Annahme,  die  Ich  miter  drei  a«ifgelUut  liabe,  noch  vsr^ 
mehrt,  so  dass  »an  geneigter  ist,  Bronn  beiaastlmmen  als  an  der 
bisher  herrsclienden  Mehiang  festsnlmlten. 

O.  Malier  hat  In  der  Bede  cur  Gdttinger  Säkakrlbier  1M4 
sich  dahin  geänssert:  Piinios  benflste  die  Schriftsteller,  weldie  er 
in  den  Indices  nennt,  in  folf^ender  Weise:  I)  einEelne  Werke  der- 
selben, 3)  Sammelwerke,  Pandekten,  wie  sie  jest  noch  von  den 
Geoponikern,  Meebanikem  und  Physiognomikern  bekannt  sind.  DesB* 
halb,  glaubt  er,  sei  es  nicht  schwer  diess  im  Catalog  der  Antoren 
noch  EU  erkennen  und  stellt  den  Satz  auf.  Die  ein  sein  benfisteo 
Antoren  nennt  PL  nach  ihrem  Werthe,  nach  der  Ohroneio- 
gie  oder  in  der  Reihenfolge,  wie  er  sie  in  seinem  Werke 
excerpirte.  Ferner  aShlt  er  bei  den  Sammelwerken  in  alphabe- 
tischer Ordnung  die  Aoloren  aal.  Wie  0.  Müller  aa  dieser  An- 
sicht kam,  erhellt  aus  der  Betrachtung  über  das  IL  Capilel  ▼ocKe* 
gender  Schrift.  Brunn  knüpft  seine  Abhandloag  an  diese  Aeosse- 
rang  von  Müller.  Er  will  im  L  Capitel  die  Untersuchung  nach  der 
zweiten  Andeutung  Mttlhir's  führen.  -^  Die  Reibenlolge  der  Antores 
stimme  mit  dem  Werthe  «ad  der  Zeitfolge  der  Autoren  oder  der 
Reihenfolge  der  Exoe^te.  *--  Die  Andentang  MüUer's  wegen  der 
Sammelwerke  ist  im  li.  Capitel  behandelt.  Ich  wende  mich  soent 
dem  {.  Capitel  von  Brunnes  Forschung  au. 

Sefa  Resultat,  das  er  gieieh  fan  Eingang  mitthelit,  stimmt  mit 
Müilmr's  Ansicht  nidit  tibereiB.  Brunn  ist  nimKch  dahin  gelsoft, 
dass  er  sagt:  „Plinhis  hat  nur  in  der  Reihenfolge  die  l^aman  der 
Antoren  in  den  Indlees  aagegelMQ,  wie  er  Are  Eicerpte  nach  eis* 
In  seil  W«rk  eingereiht  hat    Natürileh  Utoat  aich  dieaw  Be* 


tl»  teile.  MünfiL  m 

MMt  4rtcM  %te  Im  Mlfaste  DeitaH  geiMrallfllreii  «md  dta^biffi  ffigt 
d«r  Y^vf.  flofk^h  selbst  die  »«ibigeti  Einsehrlnlmiige»  M.  D«tBtt 
tMi  s«itieii  ao%este)lteii  Bäte  nicht  rnfsverstehe,  gfibt  er  p.  2  einige 
Ariq>iele^  die  mm  YenMndufss  der  gmiwk  Sdirift  wmeiilitch  sIb^ 
Wdesbiüb  idi  ste  liier  nvlederhole:    Wenn 

Itn  tndet  Im  Tnt 

M.  Varrofie  I  S-  ^  I  S*  1^* 

üebti  so  bat  Plitiins  schon  hei  der  ersten  Anlaufe  yon  $.9  an  den 
VstTO  ezcerpirt.    Wenn  eich  aber  das  VerhSitniss  so  gestaHet, 
im  Index  im  Text 

M.  Varrone  |  ?  |  §.  18 

so  hat  PIiDi«8  vor  §.  16  den  Varro  schon  exiftrpirt  ohne  seinen 
Namen  sn  nennen.  Ist  aber  dfe  Reihenfolge  im  Indei  nnd  Text 
Ten  der  Art,  dass 

im  Index  fm  Text 

M.  Varrone  §.  9  |  $.  18  |  folgg.  %%. 

yerkemmt,  so  hat  Plinius  bei  seiner  ersten  Bearbeitung 
tM  f.  18  die  Varro  Exeerpte  eingeführt,  „bei  der  xweiten  Reoeft« 
«IM  hat  sich  aber  noch  vor  •dein  $.18  befm  f.  9  eine  Stelle  deii 
Vasto  eingedrängt.^  Gestaltet  sieh  das  Terhältniss  der  Indices  anm 
Vexte  aof  diese  Art: 

im  Index  im  Text 

M.  Varrone  I  —  I  §•  ^^ 

eo  hat  PHnias  bei  der  ersten  Recension  den  Varro  gar  nicht 
bentlst,  erst  in  der  zweiten  eine  Stelle  von  ihm  bei  §.  18  ein- 
Urefeehalte^t.  Es  folgt  also  ans  der  Brunn'schen  Forschnng,  „dass 
Plinitts  sein  Weric  geschrieben  nnd  nachtrSglich  noch  ZusStse  ge- 
macht habe*  (Bergk'sche  Ansicht).  Brunn  gibt  selbst  die  Vermn- 
thmsgen,  welche  er  über  das  Entstehen  des  ganzen  Werkes  hat. 
Er  sagt:  „t>as  Plinius'sche  Werk  konnte  seiner  Natnr  nach  und  ist 
auch  wirklieh  nicht  aof  einen  Worf  vollendet  worden.  Daher  man 
^iSpnren  eiber  Eweitea  Redaktion  darin  findet.  Bei  der  Umarbeitung 
hat  Plinius  nicht  nur  verbessert^  verändert,  sondern  aach  Kapitel 
verseat  und  sogar  Bücher  nea  abgeCh^ll.^  Bei  dieser  Ansicht  des 
Verf.  über  das  ganze  Werk  des  PHnins  scheint  Ausarbeiten  nnd 
Hel-aiiegabe  verwechselt  zu  sehi.  Zudem  „ist  es  nicht  bewiesen, 
tfast  Plinins  tefbst  Jene  zweite  Redaktion  vornahm.^  Hierin  ist 
Branti's  Ansteht  nnr  Hypothese.  Er  kehrt  nnn  nach  der  Annahme 
der  aweHen  Redaktien  durch  Plinhis  selbst  zn  dem  I.  Buch  zurück. 
Plinius  habe,  glanbt  er,  auch  hier  Autoren  beigefügt,  die  er  später 
exccrpin  und  als  Randglossen  seinem  Exemplare  angereiht  habe. 
Di^sse  seien,  über  nicht  mehr  in  üebereinstlmmung  mit  seinem 
IBcirema  gebracht  worden  nnd  eben  so  wie  sie  sich  vorfanden  in 
die  zweite  Beiirbeitung  übergegangen.  Es  ist  diess  wieder  im  Grunde 
«ie  BergVsche  Hypothese. 

Nachdem  Brunn  so  den  Leser  vorbereitet  hat,  eröffnet  er  die 
Kritik  der  Antoren^Verz^ichnlsse  vom  IIb.  n — XXXVI.  Ich  folge 
Ihm  Buch  für  Bach. 


r  de  Mie.  PtttlMin 

Madi  to  B«mi8nhraD«  des  Verf.'t  bitte  «bo  «1»  IL  Bach 
PHahis  naebtrlglich  benttst:  den  Fabianos,  die  Pythagorid,  Anaxi- 
maaderi  Aristoteles  nod  Tbeopomp.  Dass  er  dagegen  die  am  Ende 
der  rdmlsohen  Autoren  genannten:  Caecina  bis  Seigins  gar  aicht 
benüst  habe,  unterliegt  keinem  Zweifel,  wie  der  Verf.  gani  richtig 
beoierl[t.  Dasselbe  findet  sich  auch  in  den  andern  Indices  mit  Aus- 
nahme von  Hb.  XIX.  W08U  aber  die  Autoren,  die  Pi.  nicht  gele- 
sen liat,  genannt  werden,  ist  nioht  klar.  -^  War  es,  nm  so  prab- 
len^  geschah  es  aus  Polemik^  war  es  im  Entwurf,  sie  noch  su  lesen 
und  hat  der  Tod  die  Arbeit  unterbrochen,  oder  sind  sie  als  Kotis 
ftir  die  Literärgeschicbte  genannt?  Der  Verf.  hat  sich  darauf  nicht 
angelassen.  Dagegen  gibt  er  eine  schXtsbare  Andeutung  p.  '4;  wo 
er  sicher  nachweist,  welche  Notia  aus  Tubero  oder  Tullios  Uro  ent- 
lehnt ist.  Ich  glaube  man  kann  wol  weiter  gehen  und  mit  Bestimmt- 
heit sagen,  dass  die  Worte:  lib.  IL  $.  186:  In  Gatilinariis  — 
icttts  est,  der  „Lebensgeschichte  Gicero's  von  Tnllins  Tiro'  ent- 
nommen sind.  Nach  Brunn's  Zusammenstellung  wSren  folgende  Au- 
toren nachträglich  benüst  worden  im  III.  Buche  vielleicht  Mueianofl, 
L.  Piso,  Gellian  und  Valerian,  im  IV.  Isidor,  im  V.  Mncianus  und 
Timosthenes.  Gerade  der  Umstand,  dass  ein  Schriftsteller  in  awei 
oder  mehreren  Büchern  nachträglich  benüst  war,  wie  Fabian  und 
Mucian,  gibt  der  Ansicht  von  Brunn  eine  Bestätigung.  Um  noch- 
mals auf  das  IV.  Buch  zurückzukommen,  muss  ich  Brunn's  Angabe 
in  einem  Punkte  berichtigen.  Plinius  benüzte  den  Agrippa  schon  ^ 
für  §.  28,  nicht  erst  von  §.  45  an.  Femer  ist  es  gans  auffallend, 
dass  PI.  den  Livius  für  die  teutschen  Stämme  nicht  excerpirte,  was 
war  der  Grund?  Nebenbei  erlaube  ich  mir  eine  Bemerkung  gegen 
Jan's  Ausgabe.  Jan  hat  p.  177  die  alte  Lesart  mit  Unrecht  beibe- 
halten: Istiaones,  quorumCimbri.  Es  muss  beissen:  Istiaeo- 
nes,  quorum  Gambri  vi,  wie  schon  Zeuss,  die  teutschen  Stämme^ 
nachgewiesen  hat.  Das  Verschwinden  der  Silbe  vi  ist  aus  den  pro- 
legomena  p.  XXIV  m.  PI.  Ausgabe  erwiesen,  dass  c  für  g  sidi 
findet  aus  p.  XXIL  p.  94,  9.  240,  1  ibid.  bekannt 

Das  VI.  Buch  stimmt  ganz  zu  Brunn's  Ansicht  Im  VTL  ist 
aus  Callimachus,  im  VIII.  aus  Varro  und  Ktbesias  Ergänzung  ge* 
geben,  im  IX.  aus  Fabianus,  Mucfanus  und  Sebosus.  Um  das  Re- 
sultat des  Verf.'8  ganz  sicher  zu  stellen,  mussten  zwei  Punkte  unter- 
sucht werden :  1)  dass  es  für  mehrere  Bücher  immer  dieselben  Au- 
toren sind,  welche  nachträglich  benüzt  wurden,  also  einer  für  meh- 
rere Bücher,  bei  der  Nachlese  ausgebeutet  worden;  2)  dass  diese 
sp'äteren  Einschiebsel  im  Texte  nicht  in  das  System  (die 
logische  Ordnung)  der  Realien  passen,  wie  die  Indices  sie  ent- 
halten. Das  leztere  ist  noch  nicht  durchgehends  bewiesen.  Bein 
XX.  Buch  hat  der  Verf.  dafür  mit  vielem  Scharfsinn  ein  Beispiel 
gegeben.  Auf  p.  15  bei  dem  XL  Index  gibt  der  Verf.  dem  Plinita 
Schuld  an  der  Tautologie  Attalo  rege  und  Philometore  rege  oder 
medico.    Das  kann  ich  nicht  billigen,  hier  muss  die  Schuld  an  einem 


finukn :  de  in^c.  t^linianii«  M 

0plM6ik  Abidureibtr  liegen.  Wie  diaee  Tautologie  entetandeii)  Utost 
äiA  aue  der  BecoMtrnktlon  dee  Archetypon  Ideht  ^weisen.  Der 
Terf.  gibt  p.  19  selbst  die  Brücke.  Dass  Br.  Aristophane  lnOlesio 
p.  15  für  Mailote  sebreibt,  Ist  UDmotivlri  Es  waren  viele  GMechea 
oacb  swel  Orten  benannt,  dem  der  Geburt  und  woher  die  FamiUe 
stammte.  Eine  Notbwendigkeit  der  VerSnderung  sehe  ich  also  nicht 
ein.  Der  Index  des  XIII.  Buches  glaubt  der  Verf.  mit  Recht,  sei 
eine  Wiederholung  des  XIL,  weil  beide  Bücher  In  der  Anlage  nur 
eines  sein  sollten.  Eben  so  Tortreflnich  ist  die  gleiche  Nachweisung 
Tom  XIV.  Buch  und  vom  XV.  p.  33 — 27.  Indessen  kann  ich  p.  21 
dem  Verf.  nicht  beistimmen,  Fabio  Froculo  fallen  xu  lassen,  wenn 
ich  auch  die  Unmöglichkeit  der  Urlichs'schen  Argumentation  einsehe« 
Es  ist  doch  wahrscheinlicher,  dass  es  einen  älteren  Fabius  Proeulus 
gegeben  habe,  den  Flinius  hier  meint,  als  dass  er  den  Flavius  Pro* 
eilius  im  Auge  gehabt  hat.  Dass  der  Verf.  p.  28  und  SO  ohne 
alle  Begründung  und  gegen  den  Palimpsesten  der  RItschl'schen  Hj- 
pothese  mit  dem  Maccius  Plautus  in  blindem  Vorurtheiie  huldigt,  ist 
kaum  8U  entschuldigen.  Im  folgenden  beweist  er  beim  XVI.  Bach 
die  nachtrigliche  Benützung  des  Cremutius,  Sextius  Niger  und  Ho- 
mer, im  XVUL  des  Cato.  Bei  lib.  XIX  kann  ich  dem  Verf.  nicht 
beistimmen,  dass  er  einen  Castritius  aufführt  Dabei  mnse  Ich  au-* 
gleich  auch  seine  Sclilttssbemerkung  p.  60  verwerfen.  Plinlus  hat 
alierdings  itia  Apicius  benüct,  wie  der  Verf.  p.  60  angibt,  und  ee 
lag  aooh  dem  Plinios  ein  anderer  Text  des  Apicius  vor,  als  wir  ihn 
jest  haben,  aber  Plinlus  verschwelgt  nicht  den  Apicius  unter 
seinen  Autoren  im  XIX.  Buch.  Denn  Gastritioitem  ist  nach 
der  vortrefflichen  Emendatlon  von  Ronlin  in  Paria  C.  Apitio. 
Wm  man  palXographisch  die  Corruptel  Gastritio  nachweisen,  so  ist 
sie  ans  G.  Appftio  entstanden.  Wo  der  Verf.  p.  31  von  den  Bfl^ 
ehern  XX— XXVII  spricht,  äussert  er  ganz  richtig:  Im  XX.  Buch 
hat  PI.  den  Celsus  und  Antonios  Gastor  bei  der  ersten  Textrecension 
nicht  angewendet,  diese  muss  man  aus  der  Disposition  der  Excerpte 
In  dem  Texte  und  dem  Index  schliessen.  Er  erklärt  diese  treffend 
so ;  die  Brauchbarkeit  des  Gelsus  erkannte  PI.  beim  Ausarbeiten  des 
XXI  Buches  und  hat  ihn  dann  nachträglich  für  das  XX.  benüst. 
Es  hat  diess  viel  Wahrscheinlichkeit  für  sich.  In  diesen  Büchern 
seines  Werkes  scheint  PI.  Gollektivaosgaben  von  Orpheus  und  Py- 
tbag oras  d.  h.  Schriften,  welche  diesen  jEUgeschrieben  wurden,  und- 
Homer,  Hesiod  und  Musaeus  aniudeuten.  Denn  jene  Namen  folgen 
mehrmals  auf  einander.  Diese  Sammelwerke,  von  denen,  das  eine 
den  Orpheus  und  Pjthagoras,  das  andere  Homer,  Hesiod  und  Mu- 
saeos  enthielt,  sind  wol  unter  dem  in  der  Vorrede  als  exquisiti  auo* 
tores  centnm  angeführten  verstanden. 

Was  der  Verf.  p.  38  vom  XXX.  und  XXXI.  Buch  sagt  Ist 
mit  seiner  Hypothese  nicht  so  ganz  vereinbar.  Er  selbst  hat  nicht 
visrkannt,  dass  nach  dem  XXIX.  Buch  die  Unordnung  in  dem  Indices 
grösser  wird,  so  dass  eine  leitende  Xdee  kaum  m^  nachau weisen 


Mftü  Vmm^  umi  9lB  Qmwi  Anton:  qmA  Ptttf«  tfi^mlt^  MlH» 
g«i4ior  Fideinv  v«r«iUiis  eflOA,  ich  wAcbk^  iar^ii  ntfi  ^  f»>niiht 
yoJLin4et#»  £0  werden  iia  Texte  Aniiveai  wie  Ceto,.  mit  I^otm 
dtirt  und  in  lode^^  übergangen.  &o  micb  Seneea  nnd  Vecgily  d^p 
gegen  0?id  i«  Indei  lib,  ZXIX  genannt^  aber  im  Texl^  linft  in 
XXX*  Bufili*  So  aeheint  es  aUerdingf,  d«M  der  Index  XXIX  BMki 
gemftiiht  ilt)  nm  eben  wie  für  die  andern  BCcber  «Uien  Index  im 
babeo,  ab-  nadi  einer  inoern  Nothwendigkeit.  Gana  irolead  oiackt 
Br.  aber  auch  anl  den  unterbrocbeaen  Zu8an^.menbaag  id  diesen 
^cbe  eeUmt  anfmerkaam«  Na^ii  mejnei;  Hypotfceae  erkMrt  aiofe  dien 
leicbi  und  ioh  beaweifle,  ob  eine  andere  Annabaie  «um  Sdilüesel 
gabnden  werde,.  daiDit  dieea  offenbat  planlose  ZaeammeaaMiuag 
FUnianifcber  E^cecpie  dinrcl)  dritte  Band  erklärt  weiHle.  So  yerfaih 
n»  «ich  Aoeb  he»  üb.  XXXIV,  wire  der  Verf.  8.  48  eagti  einaab* 
gekfirei»  naohltfielgiB  WiederJioluAg  von  indaiL  XXXUL  Btfmiecfce 
nnA  grtaehiiche  Autoren  eind  nii^hA  mehr  genAiedeo»  fto  kontfit 
denn  der  Verf.  pw  45  seUMii  an  dem  fiorolut,:  UUioaa  eiyna  FÜntaai 
eiperlB  pam  omni  eU  edita  poet  ipeiua  mortem»  petAnant^eerte^indiefii 
qwiqea^  boram  llbreram  peat  mortem  eaee  eonleeti«.  Dnria  «liin«! 
Br.  miit  meiner  acbon  früher  anagaflpiQebenea.H7PQthmi9  nberein,  neu 
da«8  ich  den  Tod  des  Plinina  nach  dem  Brecheioen  daa  Uk  finebü 
annehme».  Noah  nuiea  ieh  bemerken,  daan  gerade  da»  Anterenim^ 
aeicimjaa.  von  lib.  XXXVn.  die  Annalnne  voa  Br.  beetlüg».  Man 
ißU  daher  an  dem  Soblnaaei  gentthi^  daaa  beim  Tode  dee  PL  aiafa 
dea  leate  Bneb  aitt  Indei  acbon  gana  oder  anm  gtöartan  Theil  ani^ 
see^beit^t  varfand.  Ieh  gehe  nm  xu  dem  II.  OeptteLdac  Snhfift  ibaa» 
Diaaes)  bandelt  von  den  Sammelwerken,  welche  fU  hanünia» 
Müller  nennt  ale  Fandecten.  Der  Name  Oneim,  den  Etemijwna 
iüx  dioke  Bündn  gebraucht,  w£re  TielleMil  geeigneter  für  Jena  ge« 
wiaa  uncpitiacbe  Anagaben  von  viel  geleaenen  Aot^en^  Meeh  dar 
Vorrede  nur  hiat  aat  aebeinen  sie  aber  den  Titel  gefiifariao  kabent 
a^cfoiaiti'  antoiaea  eantnm.  Alao  eine  Gentena,  die  vieUeieht!  in!  2>ar 
ks^m  ab^beilt  war.  0.  MüJler'a  Aeneaeaong^  voa  dec  Brunn  aua* 
ging,  iat  niebta  weiter  ala  die  Umaehreifonng  jener  Stelle  de«  Vpi* 
rede^  Qer  Verl.  dea  Briefea  an  Veapaaian  sagt,  wenn  man  eobN 
Wofte  kriUaeb  behandelt,  felgnades:  1)  Er  habe  2QfiOQ  Aütihel 
(jrea  dignae  eora)  in  aeine  £iu;yklopädie  au^enommen;  V)  dien» 
3(^000  Artikel  aalen  ana  2000  Bünden  entlehnt,  w«khe*  aber  wc«en 
der  enttarnter  Ucüendan  Oegenatiiade  nur  wenigen  der  aa  geamm» 
im.  G«bildiGiten  unter  die  Hftnde  kommen  (atqdioai  attingantXf  S)  ee 
habe  den  Kanon  oder  die  Auewabl,.  Blttlhenleae  oder  Paadeoten^  wie 
Müller  übwaaat,  der  100  Xlaaaiker  in  86  Bücher  exaerpirt.  £x.qu^ 
aiti  auctorea  ceutom  ist  ein  Kauen  von  100  anflgawlEhltnA,  ver^ig' 
Üebop  Scbrtfiatellem.  Dieaea.  Sammelwerk  führte  vSelleiebt  wie  ich 
oben  geengt  habe  gerade  dieaen  Titel  $  4)  au  dornen  BacerpAan^  Mi 
den  .2000  Büehean  and  aua  der  100  ABtorenaammhmg  tet  er  ooeb 
eigene.  Artikel  gnmadii^  «naa  priorea  ignorayernnU  MfiUet  oaMobaeiM 


de  Mo.  PUaMttti^  Mf 


ikm  Mcimchm  Agiritaton  el  mioQMMm  kioci»  ini«  eMerpHi 
4iipOiBh;  5)  euUiob  ha*  er  Mch  beigtfnfft  scdobft  Artikfll»  «Mü 
jMloii  imreneral  ^Ita,  d.  k  v«lcke  nach  dem  EribheiiMn  des  109 
kalUgen  Kaaott  aicil  aoeh  vo»  Wiekti^eit  io  dw  neoealcvi  lilerUr 
lieclkiii  Emheimmgtti  faaden.  Er  bat  abo  Elf  ibimigeiiefte  gtoielk- 
Muii  ^ür  Jens  Kmnonee  gemacht.  Maeh  dieaer  AoAsühloog  ta  der 
Torrede  miuB  aian  die  Aulorenveraaicluiieae  des.  PUaiiia  Hb.  L  be^ 


Man  kaaa  die  Rohbell,  womit  die  Römer  Ulf  GooTeraatioan- 
leadkoD  machtea ,  sieht  ignodreiu  8le  gingen  gana.  mUitliriach-  aa 
IBerke»  Zaerat  «dfd  nor  geaähk,  wi«  riete  A^ttibal,.  dawn  au«  wie 
lUL  Binde»  anaaaDmengeaehleppt,  dann  eine  gewiaa  aebr  Alf  daa 
gsosan  PnUiknm  berechnete  AutOBenaaminlmg  aaagenrhrinbent  nod 
endlioli  Naditrige  dami  gemaebt  Daa  erimMrt  riet  an  jene  Hand^ 
achriflea^yerpnebttng  mid  Traaspeit  von  Moakau  nach  Petembnrg, 
fueloben  man  eteer  Abtbeilnng  Koaahen  übertet«.  B»  läUten  die 
SSaten  mil  EandachriAeDy.  wie  man  befohlen,  wo^  ateh  dann  wKh 
ein  JdeiBea  Flitaehen  fand^  Teracbnitten  ale  die  Cbdieea,  um  mit  den 
TtUmmeiB  ea  geaa«  anaaniüllen.  80  iat  PUniis  mü  seinen  CiMen 
nun  Thaii  m  Weit  gegangen.  Er  Iml  seine  Aitikel  nlck^  gewogM^ 
aondem  geaäUt  Dabei  hat  er  nber  dooh  daa  Yerdienal.  seines  Zfejt 
etwna  Bnatea  geboten  an  haben,  wArend  seine  Zeilgeneaaen  artt 
4er  giieehisehen  Fem,  der  Phikringie,  ihre  HnbäsHlli  na  verdecken 
anclitea  Man  ktaMe  attsrdinga  anf  den  ernten  Anblieb  jene»  SteU» 
newnntben  <-«  exquinti  andorea  oentnm  -^  ea  würden  sieb  nwr 
MO  Antoseanamenin  den  Indleea  finden,  doch  Brnnn  aagfe  miliReeh^ 
ea-  sind  nieht  mehr  als  400  aagegebeii.  Dock  ist  diess.  gana  icjcbt 
mü  den  Worten  des  Vorrede  an  Tereuiigett,  wo  3.000  and  dann;  die 
100  haitige  Bammhing  erwähnt  wird.  Oliae  Zweifel  aber  kSwaen 
noch  aoa  den  Autoren veraeiehniBsen  die  Kamen  jener  100  Aoloceo 
sieh  nasammenetellen  lassen«  Br.  weist  anerat  nach^  dasa  die  Ter« 
matlrang  Mttiler'e  nur  anf  das.  Snouneiwerk  der  Qeopomei  pnaie 
p«  46.  £r  gibt  sodann  p.  47  den  gewiaarichfcigen  Soblüaael  nam 
VerstindttiSB  jener  Antorenlisten.  Er  sagt:  man  kommt,  au  dem 
Resultat,  Piioina  habe  aoa  Prahlerei  die  Hamen  der  Antonan  ans 
Vnnm  in  seine  Indioes  eingereiht,  ebaehon.  er  die  Bücher  selbt*  wkkt 
einmal  ttehtig  nur  gesehen  hattn  Bnmn  bttlt  aber  doeb  dieses  £f^ 
gebnkn  för  an  bar«  nnd  weniger  wahr.  Er  stellt  den  gewiss:  ricbi» 
tigen  Ornndsata  aal«  Plhiiiis  hat  hti  jedem  Qegenstaod,  der  etwa 
in  einem  Bocb  abgesMoht  werden  konnte  sich  winftohat  an.  einen 
v9misehen  Schriftsteller  als  Leitfaden  gahaltenp  Von  diesen 
römischen  Antoren  aus.  hat  er  dann  auch  OciScben  nnd  andere  in 
aeiae  Qnellenlese  bereiagesegen.  Der  Verf..  stellt  nun  die  Materie 
nnd  ^  den  PlioioS'  dabei  leitenden  AuSsren  sosammen.  Dabei  «eih 
rStb  sieb  eine  gründliche  Kritik  und  zweckoiKHigea.  Stndium  des 
Piinies.  Es  faStte  also  für  Bieneazncbt  Pliniaa  den  Hfgioi 
nam  Fttirer  gehabt,  (ät  die  Medici  iba.  Pompejaa.It^enAnani 


606  BnniMI  d«  k^Ac  PMMk. 

für  damedlciiils  ez  aniaiftlfbag  donNifidim,  Ar  de  h•^ 
bi0  den  Saztius  Niger,  für  d«  rebtte  Alexaiidri:dei  9e« 
bo8ii8,  ftltOeogra^pheadenlfiieläDa-s,  V^vr^md  Agcipf«, 
endikh  für  die  Kunst,  de  pyramidibne,  lei  er  dem  Apion  ah 
Leitfaden  gefblgt    Bei  Pompejos  Leaaeoe  gibt  er  den  Gnmd  an, 
wie  Piiniofl  mit  so  leichter  Mähe  medicinlsehe  Sehriftsteller  citint 
konnte  ohne  einen  einsigen  davon  in  kennen.    Pomp.  Lenaeos  hatte 
nämlich  bei  den  Excerpten  schon  die  Namen  der  Autoren  gegebio. 
Es  findet  dagegen  aus  dem,  was  Br.  aber  Nigidius  and  Sezdus  Ni- 
ger sagt,  das  Verbältniss  des  PI.  in  Scribonlus  Ton  Bbodns,  de 
eomposittone  medicamentomm  keine  entsprechende  Eriü&rnng.    Mi 
führe  hier  die  Ansicht  eines  Mannes  an,  der  sich  mit  den  medidnlBcbeB 
Schriftoteltem  riü  befasst  hat,  aber  leider  dorch  den  Tod  an  der  Heniuh 
gäbe  des  Apldus  und  Scribonlus  gehindert  ward.    Mein  Terstorbener 
Freund  Prof.  Sc  buch  schrieb  mir  über  das  VerhftHziiss  des  Plinisi 
aa  den  schriftstellemden  Aeraten  folgendes:    „Plinius  hat  die  WsAe 
«einer  jüngeren  Zeltgenossen  benust  ohne  sie  anauführen.    Er  M 
ein  Zeitgenosse  des  Scribonlus  und  dieser  diente  ihm  als  Qoelia 
Aber  Plinius  nennt  den  Scribonlus  so  wenig,  ak  den  Dioakorldes 
«md  andere  junge  Autoren,  was  unclihlige  SteUoi  beweisen,  weiche 
ich  unter  dem  Texte  aufsählen  werde.^     Es  ist  also  erwiesen,  da« 
Blelien  des  Scribonlus  im  Plinius  alch  finden,  diese  können   nldit 
ans  den  Sammelwerken  des  Nigidius  oder  Lenaeus  sein,   beide  skri 
Slter  ahi  Scribonlus.    Es  bleibt  ahio  nur  die  Annahme  einer  geoMia» 
sebaftUehen  Quelle,  oder  man  mnss  die  Ansicht  Schuch's  als  beaUh 
tigt  hinnehmen.    Für  Geographie  und  y()lkerkunde  hat  Plinius  nar 
mentUch  an  Varro  und  Agrippa  sich  gehalten.     Was  in  der  nat 
bist,  über  den  Teutschen  gesagt  ist,  kann  nur  aus  Agripj^  sein. 
Denn  zur  Zeit  Varro's  war  Germanien  noch  zu  wenig  bekannt   Der 
Verf.  hätte  daber  gut  gethan  die  Stelle  bei  Tacitus  Germania  mit 
der  betreffenden  von  Plinius  über  die  teutschen  Stämme  au  yergl^ 
ehen,  um  au  prülen,  wem  PUnius  dort  folge.    Es  scheint,  dass  Tar. 
eltus  an  jener  Stelle  gerade  den  Plinius  und  Agrippa  widerlegei 
wollte.    Dureh  die  Benützung  des  Apion  wird  Schuch's  Ansicht  vom 
Vevhiitniss  des  Plinius  zu  seinen  Zeitgenossen  allerdings   auf  dil  . 
medicinlsehe  Literatur  beschränkt.    Aber  die  Benutzung  des  Apioft  | 
zeigt  auch  auf  der  andern  Seite,  nach  dem,  was  in  der  Vorrede  fSr 
sagt  ist,  dass  Plinius  auch  die  gewöhnliche  Modelektüre,  über  welche ; 
er  sogar  spottet,  nicht  von  seiner  Excerptensammlang.  ausschlosa. 

Das  HL  Gapitel  Ist  für  die  Art,  wie  Plinius  ezcerpirte,  lehrreich.  . 
Der  Verf.  stellt  den  VitruT  und  Plinius  Tezt  neben  einander.    Den  ' 
Schluss  der  Schrift  habe  ich  schon  oben  bei  Apicius  erwähnt,  westr 
halb  ich  hier  mit  einem  Resum^  schliesse.   Der  Veri.  hat  sich  dureh 
diese  Schrift  nicht  allein  um  die  Plinius  Kritik,  sondern  ganz  be* 
sonders  um  die  griechische  und  römische  Literaturgeschichte  blei- 
bende Verdienste  erworben.    In  dieser  Hinsicht  wäre   es  sehr  at  - 
irünadien,  dass  er  sich  auch  femerlün  dem  Pliniua-Studium  anwende 

Fr*  Hone« 


Rr.  n.  HEIDELBERGER       US7. 

jahrbOchir  dir  litiratdr. 


Der  Preusgiache  Civüprozas  nach  den  Qtsttzen,  Verordnungen,  Mir- 
msierialverfügungen,  Entscheidungen  des  Königl,  OberirümncUsj 
und  mit  Beruckaiehtigung  der  legislatorischen  Materialien^  dar- 
gestellt und  erläulert  von  Adolf  Frants.  Ein  Handbuch  für 
Juristen,  auch  jeden  Beamten  und  Bürger.  Magdeburg  1855. 
1856.     Verlag  von  E.  Fabricius.     796  S. 

Dieses  Werk  ist  erschienen  in  9  Heften,  von  denen  8  und  9 
ein  Doppelheft  bilden.  Die  Umschläge  der  Hefte,  von  dem  des 
3.  an,  enthalten  bereits  günstige  Beurtheilungen  der  Arbeit  aus  ver- 
schiedenen Zeitungen  Preussens.  Die  Drangsale,  weiche  aus  Ver- 
•chiedengestaitigiceit  und  Zerstreuetheit  der  Gesetzes  Vorschriften  ent- 
springen, erzeugen  eine  Nütziichlceit  solcher  Arbeiten,  die  ihnen  die 
Verdienstlichlceit  sichert,  sofern  sie  Treue  und  Voliständiglieit  er- 
relehen.  Inwiefern  diese  Eigenschaften  erreicht  sind,  wird  indess, 
M  einer  aus  so  gestalteter  Quelle  geschöpften  Stoffaggregation,  bei 
der  ersten  Durchsicht  fast  nur  zufällig  erkennbar,  und  es  wird  ein 
Drtheil  darüber  hier  umgangen.  Die  Einleitung  (S.  1 — 53)  geht, 
nach  einer  kurzen  Skizze  des  Geschichtlichen  des  preuss.  Givilpro- 
zetsrechts  und  des  Rechtsgebietes  desselben  (S.  1 — 8),  zur  Justiz- 
Verfassung  und  Verwaltung  (S.  3—21)  über,  und  schliesst  mit  der 
Competenz  der  Gerichte  (S.  21—53).  Der  Inhalt  ist  durchweg 
ron  particulair  rechtsstatistischer  Natur.  Der  zuletzt  genannte  Ab- 
schnitt bandelt  zuerst  von  der  Ausschliessung  des  civilen  Rechtsweges 
in  allen  Sachen,  die  nicht  privatrechtlicher  Natur  sind.  Sie  wird 
gestützt  darauf,  dass  die  Proz.-O.  in  allen  Sachen  solcher  Art  jenen 
Rechtsweg  gebiete  einerseits,  und  auf  eine  Reihe  von  Ausschlies- 
sungsbestimmungen  in  Ansehung  einzelner  Sachen  andererseits.  Einen 
Versuch,  in  diesen  einzelnen  Sachen  das  Dasein  der  Gesaiumtheit  aller 
der  privatrechtl.  Natur  entkleideten  Rechtsachen  nachzuweisen,  wird  der 
Verf.  dem  Zwecke  des  Werkes  nicht  entsprechend  gehalten  haben.  Es 
dürfte  indess  angemessen  gewesen  sein,  von  den  Sachen,  in  denen  jener 
Rechtsweg  ausgeschlossen,  weil  sie  der  Erledigung  anderer  Behörden 
Eogewiesen  sind,  diejenigen  Privat  Verhältnisse  auszuscheiden,  denen 
die  Klagbarkeit  entzogen  ist,  wie  sie  S.  37.  38  unter  Zif.  11.  18 — 
16  sieh  finden.  Der  erste  oder  allgemeine  Theil  (S.  54—320), 
itellt  die  Bestimmungen  über  das  regelmässige  Verfahren  zusammen. 
Der  Verf.  findet  mit  anderen  in  der  Preuss.  Proz.-0.  die  Unter- 
mchungsmaxime  herrschend,  und  meint,  dass  sie  auch  noch  im  ge- 
genwärtigen Preuss.  Proz.  Anwendung  erleide,  sofern  sie  der  Even- 
loal-  und  der  Verhandlungsmazime  nicht  widerstreite  (S.  54).  Dass 
iber  eine  Dntersuchun^smaximey  die  ia  4er  That  diese  Eigenschaft 
L.  Jahrg.  8.  Hell.  89 


ItO  Fraata:    D«r  preoiskoto  Chrflproseti. 

bftti  irgendwie  wlt  der  VerhaadlungBinaxiine  verdnbarlich  sd,  wird 
aieh  InißBB  echwerlieh  naebwdsetw  laMen,  Entweder  iit  keine  i^bre 
Untereacbungsmazime  herracheDd  gewesen,  oder  sie  mass  durch  die 
VMftBdiuifeiiiaziflM ,  aofem  eie  hemcbead  gewiMden  iat|  verdiisft 
sein.  Die  Veränderung,  welche  die  ietstere  der  erstem  gegenSber 
gestellt  haben  soll,  findet  der  Verf.  in  der  Aofbebong  einer  Be^OT- 
tnundang  der  Partheien,  die  darin  bestanden  haben  soll,  dass  früher 
der  Richter  ffir  die  Hersteüang  der  Wahrheit  der  partbellichen  Be- 
hauptungen thXtig  gewesen,  er  jetst  aber  In  dieser  Besfehnng  nch 
darauf  beschränke,  die  Beweisaufnahme  zu  yerftigen  (S.  55}.  Um 
indess  In  jener  frühem  Thätigkeit  des  Richters  eine  BeTormoodang 
finden  au  können ,  miisste  das  ZugestSndniss ,  von  der  Geltung  ib 
Prämisse  abgesehen,  wirkungslos  sein,  was  auch  Im  älteren  Preusf. 
Pro2.  (S.  119)  ja  keinesweges  der  Fall  war.  Jene  s.  g.  üntens* 
chiingsmazime  hat  neben  dem  Suchen  des  Richters  demnach  »M 
in  Beziehung  auf  den  Beweis,  noch  ein  gutes  Stück  Verhaudlmip- 
tnaxime  übrig  gelassen,  und  es  dürfte  ein  Suchen  des  Richters  um 
Beweisgründen  für  eine  Wahrheit,  welche  von  einer  Parthd  W 
liauptet  ist,  der  Verhandinngsmaxime  gar  keinen  Eintrag  thmi,  1^ 
bald  diese  Beweisgründe  nur  mit  dem  Willen  dieser  Parthei  In  |lhi| 
Stoff  der  Verhandlungen  hinübergezogen  sind.  Der  Verf.  sdiiN 
auch  die  Mitwirkung  des  Richters  in  der  Gestaltung  von  Oppo^ 
neUi  die  der  von  der  partbellichen  Thätigkeit  dargebrachte  Stoff  Sfl 
rechtlichen  Beurtheilung  darbietet,  nicht  vereinbarllch  mit  der  jH» 

Sern  Prozessgestaltung  zu  halten ,  wiewohl  er  deren  Fortdauer  t 
erselben  zugibt  (S.  101.  102).  Ob  eine  solche  partheUfche  W 
tigkeit  der  Stellung  des  Richters  entsprechend  sei,  das  ist  äUerSn^ 
eine  FragCi  aber  eine  andere.  Es  ist  also  jene  Unterscheidung  der  Vä 
tersuchungs  und  Verhandlungsmaxime  keinesweges  eine  passende  di 
Zeichnung  für  dasjenige,  was  sie  ausdrücken  soll.  Sie  scheint  $M^ 
auf  die  Zusammenstellung  des  Verf.  keinen  Elnfiuss  geübt  zu  hat 
der  alsbald  (S.  59)  zum  Gerlcbststande  sich  wendet,  dann  (S. 
zur  Partheifähigkeit,  (S.  77)  zur  Parthei  Vertretung  mit  Einsc^ 
der  Thätigkeit  der  Anwälte,  (S.  90)  zu  den  mit  grosser  Kürze 
gestellten  Partbeistellungen,  und  endlich  (S.  93)  zur  InstroctioB) 
Prozesses.  Klage,  Einreden,  Repliken,'  Dupllken,  Beweismittel,  ^ 
handlung,  Protokollaufnahme,  Decrete,  Requisitionen  und  Edic 
tatlonen  finden  hier  ihren  Platz.  Dann  folgen  (S.  216 — 320} ' 
kenntniss  und  Rechtsmittel  nebst  Execntion.  Der  zweite  oder  ' 
«ondere  Theii  wird  eingeleitet  mit  der  Anführung,  dass  der  or 
liehe  Prozess  der  allgemeinen  Gerichtsordnung  v.  6.  Juli  1793  i 
die  Verordnungen  v.  1.  Juni  1833  und  21.  Juli  1846  sefnen'1 
tergang  gefunden,  indem  der  In  jener  Gerichtsordnung  entha 
summarische  Prozess  an  die  Stelle  des  ordentlichen  Ih^ozesäes'; 
setzt,  dass  derselbe  nebst  dem  Bagatellprozesse  und  dem  Ma 
Prozesse  den  gemeinen  (preuss.)  Prozessarten  angehöre,  ea  au 
dem  aber  auch  noch  ein  schleuniges  Verfahren  und  endlieh 


ffkni:    Der  pMmtlf oh«  CSTUpvoMfi.  4tti 

d«r»  ProMUttteB  gebe  (S.  821---dSS).    NaebAm  dae  VerhlltniM 
der  ▼enofaiedeoen  gemeinen  Proseeearten  lu  einaiider  dargeeiellt  ist 
(8.  Mdf.),  folgt  die  Darstellung   der  BeftlrnnrangeD  Ober  dieeelben 
(S.  384),  und  darauf  die  der  Voreehrifoen  Über  das  scUeunige  Ver- 
fahren (S.  825—402),  als:  Wechsel  -  Proeese,  Klagen  ausHandbii* 
lets  nnd  kaafmänniscben  Assignationen,  Ezecutivprozess,   Arrestver« 
fahren^  Merkantilsachen,  Besitsstreitigkelten,  Bausaeben,   Mfetbstrei- 
tigkehea.     Die  Reihe  der  besonderen  Proiessarten  ist  nicht  ktintef. 
£s  folgen   nach  einander:    Diffamations-  und    ProTocationsprosesB 
(8.   403 — 408),    Aufnahme   des  Beweises  mm  ewigen  Gediebtniee 
(S.  408—410),  Injorien-Process  (S.  410-   417),  flsealisebe  ProKeeee 
und  Untersnebangen  (6.  417 — 418),  Gonfiseationsprosess  (0,  418), 
Todeserklürangen  (8.  418—438),  Blöd-  und  WafaMinnlgfeeitseikl»- 
mögen  (8.  423—426),  Prodigalitütserklttrang  (8.  427*^489),  iror- 
I  mundsebaftliche  Prosesse  (8.  481—484),  Sponsaiien  und  Eheeaobea 
(8.  484^481),  Gemeinheitstheilnngen,  Ablösungen,  Regniirting  gat»- 
fherrlleh^bänerlicher  Verhftkni8se(6.4dl--456),  Untertbanen^PfoneMe 
XB.  466  f.>  Oreni-  und  Bausachen  (8.  457  f.),  Paabt-  nnd  Mietiie«- 
atreitigkeiten  (8.  458—462),  Rechanngssaeben  (ßk  4881),  SitM^ 
|deningeny  Auseinandersetenngen   zwischen  Erben,  IfiCeigeiithdbevii, 
I  Caafleoten  (8.  464—466) ,  nnd  daran   sehlieesen  sich  öflanttiebe 
I  Anfgeboie  mid  Vorladungen  verechiedener  An  (&  466*-4M)  und 
^«ndHoh  das  SubhastaHomYerfabren  (8.  486—628).    Der  Verf.  ImC 
I  hd  dieser  Eintbeilnng  sich  an  die  Proeessordniuig  ren  1798  giAaK 
^len,  was  bei  einigen  Gegenständen  dabin  geführt  bat,  dass  nnr  die 
[•Bemerkung,  dass  sie  hinfällig  geworden  oder  dem  gemeinen  Verfafa* 
y  nn  ssgewiesen  seien,  nebst  einigen  Nadiwefsungen  geaetzlieher  Be- 
^etimoiungen ,  Plats  gefunden  bat.    Es   folgt  darauf  der  Text  der 
i  Goneareordnnng  v.  8.  Mai   1855   mit  hinangefOgten   Anmerkungen 
i(8.  528—704).    Der  dritte  Theil  (8.  706-751)  handelt  von  dem 
I  Kosten*,  Gebühren-  und  8tempdwesen  des  Oivitpresesses,  der  rierte 
[•TheB  (8.  758—770)  enthält  einen   Abdruck  eines  PrezessgesetzeB 
yt.  24.  Juli  1849  resp.  30.  April  1851,  welches   einigen   vereinzek 
r^ebaheaen  Landesstüoken  bestimmt  ist.  Des  Ganze  bietet  eine  grosse 
ilfannigfaltigkeit  von  Imld  umrissartigen,  bald  abgerissenen  Prosessbe* 
^Stimmungen  dar,   denen   zuweilen   Bestimmungen  hincugeffigt  sind, 
^ie  wn  Gestaltung  der  Rechtsverhältnisse  gehören,  a.  B.  wann  dem 
i  Abwesenden  ein  Vormund  oder  Corator  su  bestehen,  wann  der  An- 
^4rag   aof  Todeserklärung  nnd   von  wem   er  gestelh  werden    kann 
l(8.  418  fl)  n.  dgl.,  wann  die  Aufbebnng  einer  ProdigaTitätserklärang 
perwklct  werden  kann  (8.  480)  n.  s.  w.     Entwlekelungen  der  Be- 
fÄentnag  der  prosessuaiiechen  Mittel   nnd  Wkkangen    werden  nur 
^ärllcb   gefunden,   und  treten  in  nacbhülfebedürftiger  Gestalt  auf. 
So  wird  a.  B.  die  eigentliche  Litispendenz  in  eine  Prävention   ein- 
Md^det,  nnd  dahingegen  die  Begründung  der  Fortdauer  dei'  Znstän- 
Jfgkeit  des  Gerichtee  die  Litispendenz  genannt  (8.  78.  199). 


61t  Coraelkui:    UeWr  di«  BiMwf  ^er 

Dr.  0.  T.  OorneliuB:  üeber  die  Bildung  dtr  MalUm  mm  ibl 
einfache  EUtnmten.  Oder  das  Problem  der  MaUrie  imi 
ihren  chemischen  und  physikalisehen  Beeiehungen  mü  Buekm 
auf  die  sogenannten  ImpondercUnlien.  Leipzig.  Verlag  M 
OUo  Wigand.    1856. 

Die  Atomuilik,  die  fast  so  alt  ist  wie  die  philoBopbiscIie  Fl 
sciiiing  überhaupt,  ist  nicht  nur  trota   aller  Weiterachreitnngeo 
philosophiachen   Speiculation   von  manchen  Philosophen  der 
Zeit  ernstlich  wieder  aufgenommen  und  vertheidigt  worden, 
sie  hat  lidi  auch  für  die  empirische  Maturforschung  als  eine 
bare  Hypothese   erwiesen,   von   der  zur  Erlclärung  des  Details  dl 
Maturerscheinungen  bis  auf  diesen  Tag  die  vielfältigsten  Anwendifl 
gen  gemacht  werden.    Hieraus  Icann  man  Beweisgründe  dafSr  m 
nehmen,  dass  sie  eine  Vorstellungsweise  ist,  auf  welche  die  Tli 
saehen   der  Erfahrung  sunXchst  hindrängen,  und  welche 
gewisser  Gkänaen  auch  dem  wirklichen  Sachverhalt  entsprechen 
Nichtsdestoweniger  würde  man  zu  weit  gehn,  wenn  man  ein 
Zttgestftndniss  fcnrser  Hand  dahin  ausdehnte,  als  ob  damit  allen 
die  Atomenlehre  hinausgehenden  spekulativen  Versuchen  der 
gebrochen  wäre«    Im  GegentheU  der  Begriff  des  Atoms  ist 
nnr  eine  Abschlagszahlung  an  das  Denken,  dem  man   auf  Qm 
der  in  der  Erfahrung  vorkommenden  Theilungen  des  KörpeiMl 
zwar  aufgibt  die  Materie  bis  auf  ihre  letzten  Bestandtheile  an  ik 
len,  dem  man  dabei  auch  nicht  wehrt  die   Gränzen   der 
Wahrnehmung  und  der  mecbanich-möglichen  Theilung  zu  fil 
ten,  dem  man  aber  doch  nicht  gestatten  will  bis  an  das  letale 
reeller  Theilbarkeit  zu  dem  absolut  Einfachen,  Unausgedehnten, 
tuellen  vorzudringen,  weU  man  fürchtet  oder  gar  gewiss  glaubt, 
solches  besfisse  keine  RealitSt,  sei  geradezu  Nichts,   und  weil 
die  Verlegenheit  vermeiden  will,  in  die  man  sogleich  verwickelt 
wenn  man  aus  unausgedehnten  raomlosen  Wesen   die  aosg 
raumerfüUende  Materie  rekonstruiren  sollte.     Gleichwol  ist  die 
lltät,   wie  befremdlich  es  auch  dem  von  räumUchen  Anschani 
stets  umdrängten  und  damit  beschäftigten  Menschen  zuerst  vorköiil 
men  mag,  von  der  Ausdehnung  gänzlich  unabhängig*    Niemaadd 
wird  es  bei  näherer  Ueberlegung  einfallen,  die  Bealität  eines  KSrpuj 
nach  der  Grösse  des  Saumes  zu  schätzen,  den  er  einnimmt.    MM 
mand  wird  anstehn  einen  Körper,   der  den  zehntausendmiUioostej 
Thell  eines  EubikzoUes  einnimmt,   für  ebenso  real  zu  halten,  lÜ 
einen  andern,  welcher  einen  zehntausendmilllonen  Mal  grossem  Bsni 
füllt    Nur  für  das  sinnliche  Anschauen   und  Vorstellen  macht  siii 
das  am  meisten  Massenhafte  am  stärksten  geltend,  und   erscfaeU 
das  kleiner  Werdende   als  ein   mehr  und    mehr   Verschwindende 
Djirfte  man  nun  in  der  Erforschung  und  Bestimmung  des  wahikal 
Realen  das  Gebiet  des  Anschanbaren  nicht  verlassen,  so  wäre  asd 
nicht  emmal  von  Atemen  zu  reden ^  die  so  klein  sein  sollen,  i$H 


GnmilfMS    Ctber  die  BiMang  der  MiMi^.  613 

i  viciit  wahrgoioiDiiieD  werden  kdnnen.  Liegt  dag^egen  eliM  118- 
tgang  vor,  die  letzten  Bestandtheile  der  Materie  and  das  wahrhaft 
«de  fifoerhanpt  jenseits  der  Wahmehmnng  an  soeben,  so  bat  man 
ih  auch  dem  einmal  angefangenen  Denken  konseqnest  an  üb«r- 
Ben,  wenn  anders  man  den  Weg  exakter  Forscbnng  geho  will, 
id  dies  führt  schliesslich  auf  gänzlich  unaosgedehnte ,  pnnktaelle 
Fesen:  nur  diese  sind  wirklich  einfache  Elemente  und  im  strengen 
kme  Untheilbarey  Atome.  Diese  Konsequenz  ist  schon  Iftngst  ge* 
igen  worden,  z.  B.  von  Leibniz,  der  sich  dabei  anf  den  einleucb- 
pden  Gedanken  stützt,  dass  das  Zasammengesetzte ,  als  welches 
P  jedes  gegebene  materielle  Ding  darstellt ,  das  Einfache  yorans- 
Rke.  Herbart  hat  sie  in  anderer  Weise  begründet  und  ihre  Folgen 
Mckelt.  Nach  ihm  ist  nämlich  die  Realität  oder  das  Sein  im 
itogmetaphjsischen  Sinne  nichts  anderes,  als  absolate  Setzung 
les  Was.  Würde  man  ein  solches  Was  als  dnrcb  den  Raum  hin 
gegossen,  als  ausgedehnt  denken,  also  dem  Qoale  des  Seienden 
Btität  beilegen  wollen,  so  wäre  das  nicht  nur  ein  ganz  fremd- 
Gedanke,  sondern  sogar  ein  solcher,  der  sich  mit  der  abso- 
D,  unbedingten  Setzung  gar  nicht  verträgt.  Denn  das  Aosge«^ 
ste,  wie  unendlich  klein  es  auch  gefasst  würde,  ist  ein  Vieles, 
[jedoch  in  diesem  Falle  ein  stetiges  Ganze,  ein  Atom  sein  soll, 
den  Theilchen  desselben  würde  keiner  ohne  den  andern  sein 
n,  und  das  Ganze  wäre  eine  Einheit,  die  ihre  Theilchen  in  sich 
nnd  sich  auf  diese  vielen  bezieht.  Man  denkt  also  nur  etwas 
tiTes  and  keinen  Gegenstand  einer  absoluten  Setzung.  Desshalb 
idss  Seiende  im  strengen  Sinne  nichts  Ausgedehntes,  kein  Atom 
demokritischer  Vorstellungsweise.  Bweits  haben  sich  selbst 
i[e  anerkannte  Physiker,  wie  unser  Verf.  S.  VI  berichtet,  mit 
Gedanken  wahrhaft  einfacher  ausdehnungsloser  Elemente  be- 
Ddet,  nur  dass  die  weitere  Verbeitung  und  Anwendung  desselben 
durch  die  Meinung  aufgebalten  wird,  als  Hesse  sich  die  Ma- 
nur  aus  selbst  ausgedehnten  Atomen  konstruiren.  Jedoch  längst 
Üben  wendet  man  zu  diesem  Bebufe  nicht  die  nakten  Atome  in 
JMr  ursprünglichen  Fassong  an.  Sie  könnten  nur  Sandhaufen  ohne 
k  Kohärenz  ergeben.  Die  wirkliche  Materie  ist  aber  mehr ,  als 
k  Anelnanderliegen  von  Theilen ;  diese  müssen  aufeinander  warten. 
Nn  hat  sieh  desshalb  genötbigt  gesehen  den  kleinsten  Theilen  der 
M^e,  Bohin  auch  den  Atomen  Ansiehungs-  und  Abstossungskraft 
knscbrelben.  Ja,  diese  sind  in  der  naturwissenschaftlichen  Be- 
■ehtang  so  sehr  zur  Hauptsache  geworden,  dass  man  die  soliden 
Rme  der  Atome  zu  gar  nichts  Weiterm  braucht,  als  dass  die  Kräfte, 
pman  nicht  für  etwas  Selbständiges  gelten  lassen  mag,  nicht  In 
b  Luft  schwe1>en,  sondern  an  jenen  ihre  reellen  Stützpunkte,  ihre 
ihtantiellen  Träger  haben.  Debrigens  werden  die  Eigenschaften 
Hr  Materie,  namentlicb  auch  ihre  Undorchdringlichkeit,  auf  die  Wirk- 
Mceit  jener  Kräfte  zurückgeführt    Desshalb  konnten  sogar  Kant*s 


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*Nm  iw>l4l    Weo»  es  oa«h  dar  gavöbalipbea  Denkweise  ae^ 
oMBlIich  UAler  den  Nalurforechern  keine  SohwiengkeU  hat  för  die 
deiaokrilieebeQ  (neeh  aiMgedehotea)  Atome  gewiaae  RraftTefhältniata 
aaauiiehaken»  aue  denen  man  efgeatlich  allein  jetat  die  EncbeiDung  * 
dee  aMierMleii  Daeeina  ableitet,  ao  übertrage  man  doch  -diese  Vor^ 
BteUimgaireise  auf  die  wahrhaft  einfaehen  anr&amliobea   Elemente: 
damit  vermeidei  man  den  Widerspruch  und  die  petitio  prineipii,  die 
in  dem  alten  Begriffe  der  Atome  Uegen,  and  behSlt  die  Mittel  in 
der  Hand,  die  raumfüliende  Materie  zu  konatruiren.  Von  vornherein    ' 
betrachtet,  kann  ein  solcher  Versudi  um  so  weniger  Anstand  haben, 
als  jene  Kraftverbältnisae ,   welche  der  Wechselwirkung  der  Atome 
au  Grunde  gelegt  werden,  nicht  ursprünglich  durch  die  Ausdebnuiig 
det  Atome  bedingt  sind.   Man  setae  also  abaolnt  einfhche  EZemente, 
ttnanagedebote  Atome,  die  anziehend  und  abstosseod  zugleich  aaf- 
einaader  wirken:  diesem  gegenseitigen  Einflüsse  gemäss  werdea  aie 
sich'  ii>  besC&mmtea  Absti&nden  voneinander  au  erbalten  aneben,  nnd 
aus  den  Funkten,  worin  sie  sich  befinden,  nur  durch  Ueberwiadaa^ 
einea  bestimmtep  Wideititandes  vordringt  werden  können.    Sie  ww* 
dea  so  eia  Glanaes   darstellen,  das  den  Raum  koatinab-lich  erfüllt^ 
freilich  nicht  mit  absoluter  KontlnuitSt,   üie  ins  unendliche  theiibar 
irttMi  welcher  Begriff  ohnehin  der  wirklichen  Materie  nicht  entaptielil. 
Das  sind  die  Grundgedanken,  mittelst  deren  in  vorliegender  SchiUI 
eine  im  Weaeatlicben  neue  Lösung  des  Problems  der  Materie  var» 
suoht  ist« 

Zuvörderst  kann  man  diese  Ansicht  als  eine  physikalisehe  Hy* 
potbese  ansehn  und  gebrauchen,  was  §.  0  besprochen  ist.    Der  Ver-  i 
fasser,  obwol  selbst  Physiker,   geht  indessen  noch  ein  guten  Stüek 
weiter.    Er  suoht  die  Hypothese  auch  zu  bewahrheitea  als  nothwasi» 
diges   Gedankeaerzeugnias,    das  aus  dem    Boden    der   Thataachea 
hervorwächst.     Wie  wichtig  bei  der  Bildung  neuer  Körper  die  Var- 
schiedenheit  der  Qualität  der  sieh  verbindenden  Bestandtheile  ist,  m^ 
dass  die  quantitativen  Verhältnisse  davon  abhängig  zu  sein  Bchei»«9| 
das  lehren  die  chemischen  Thatsachen  deutlich  und  bestimmt  gaimg^  | 
um  die  denkende  Betrachtung  von  diesem   Punkte  ausgehn   lasaa»; 
zu  können.     Demaufolge  wird  hier  das  Entstehen  der  Kräfte  nach; 
Herbart'e  Vorgang  zurückgeführt  auf  das  Verbalten  von   qaaliudir: 
entgegengesetzten  einfachen  Elementen,  die  zusammen  d.  h.  üieiü* 
ander  sind«     Dann  nämlich   werden  sie,   weil  ihre  Qualia  deakeml; 
betrachtet  sich  gegenseitig  vereinen,   doch  aber  ab  absolut  greaetsAa 
oder  seiende  in   Wirklichkeit  nicht  aufgehoben   oder  umgewaisdMl 
werden  können,  nicht  gleichgültig  ineinander  verharren,  aondam  te 
Konflikt  geratben  und  dergestalt  au   gegenseitiger  Reaktion    r^nOt- 
lassen,  daas  sie  sich  nun  jedes  in  seiner  Qualität  wider  daa  «ndeaai 
behaupten,  und  zugleich,  weil  jedes  durch  die  Gegenwart  des  andei» 
zur  Wirksamkeit  herausgefordert  ist,  ineinander  zu  halten  streben,  falla 


Coim^iw:    UtW  dift  BIMII0C  dir  Ibltrif^  fW 

Bit  ah«  tecb  irgind  «ine  UnMh»  g^aOlhlgl  wSmr  nuMliMlidffr 
btiautitttreten,  eine  Tendeas  sur  Bewognng  «o  eioaDd«  hki,  karmai 
gegoMoitife  Anaiebangikraft  habtn.    Dergieiebafi  Benktio»«» 
dar  EleiMDte  gegeDOtnaodar  aisd  jedacb  selbatventäadtich  kataer  Stai*^ 
gerang  loa  Uneodliebe  fSblg,  aoodara  aia  kaban  ihr  noänrandigaa 
Mass,  das  nicht  übersehrittan  wardan  kaait    bt  nun  dar  Gaganaats 
zwelar  Elamenia  A  and  B  geganseitig  glaioh,  so  daas  im  Fallai 
dass  sia  eosammea  aind,  jadaa  vom  andern  cum  Maximon  aataar 
Reaktion  erregt  wird,  so  würde  darch  awai  A,  die  mit  B  aaaamfl»an 
wiren,  dem  letstern  eine  doppelt  so  atarke  Reaktion  sugamutbat  ala 
es  leisten  kann.    Daher  werden  die  beiden  A,  indem  sich  jedes  ge^ 
gen  das  andere  im  B  an  behaupten  sucht ,  gageneinander  drängen 
uod  nach  entgegengesetzten  Richtungen  aua  B  hinaus  verdrängen» 
so  daaa  B  oder  auch  die  beiden  A  gegeneinander  eine  Repulsion 
ausüben.    Nach  einer  solchen  Expnlsion  mnss  indessen  die  Attrak- 
tifkraft  swischen  den  dreien  vorzugsweise  oder  auascbUasslieh  wia^ 
der  zar  Wirksamkeit  kommen:  die  A  werden  sich  wieder  naeh  B 
zorflckbewegen ;   in  dem  Momente  der  Vereinigung  daseibat  aanaa 
abermals  Repnision  eintreten,  der  wiederum  Attraktion  folgt  u.  a.  f.| 
so  daas  die  beiden  A  eine  oazillatorlsobe  Bewegung  volU 
zieheDi  die  ihr  Zusammen  mit  B  abwechselnd  aufhabt  und  wieder 
herstellt.    Ist  hingegen  der  Gegensata  unter  den  Elementen  sehr 
ungleich,  so  daas  eine  grössere  Vielheit  von  Elementen  ^aar  und 
derselben  Beschaffenheit  a  erforderlich  ist,  um  ein  einaiges  B  zum 
Maximum  der  Reaktion  gegen  sie  zu  bringen,  so  wird  B  von  den 
vielen  a  umhüllt  werden  in  Form  einer  Kugel,  die  sich  bald  mehr 
zusammenzieht,  bald  mehr  ausdehnt,  jenachdem  die  Attraktion  oder 
die  Repulsion  das  Uebergewicht  gewinnt.    Diese  nmhtillendea  Eie* 
mente  bilden  das,  was  die  Naturforscher  Aether  nennen.    Wenn 
nun  in  der  angegebenen  Weise  diejenigen  einfachen  Elemente,  welche 
zu  einander  in  starkem,  aber  gleichen  oder  doch  nicht  sehr  nnglel** 
chen  Gegensatze  stehn,  die  Kernpunkte  von  Aethersphären  bilden, 
so  können  deren  wiederum  mehrere  theiiweise  ineinander  eingreifen, 
sich  anziehend  und  abstossend,  bis  sich  ein  gewisses  Glelehgewioht 
des  Drängens  von  aussen   und  innen  hergestellt  hat,  bei  welchem 
dann  wenigstens  die  kernbildenden  Elemente  In  bestimmten  Abstän- 
den voneinander  verharren,  und  so  materielle  Moleküle  oder  kleinste 
Masaentbeilchen  von  bestimmter  Gestaltung  gebildet  sind. 

Hinsichtlich  der  genauem  Begründung  und  ausführlichem  Ent- 
wicklung dieser  Hauptsätze  muss  auf  die  Schrift  seihat  verwieaen 
werden.  Hier  mag  nur  noch  bemerkt  werden,  daaa  dar  H.  Verf. 
durch  seine  Lehre  von  der  osziUatorisoben  Bewegung  der  einfaobaa 
Elemente  in  Folge  der  Kraftverhältnisse,  welche  aus  ihrem  ersten 
ZuBammensein  hervorgehn,  in  der  Konstruktion  der  Materie  von 
Herbart  abweicht  Dieser  lässt  sie  nämlich  aus  einer  theilweisen 
Durchdringung,  einem  unvollkommnen  Zusammen  der  Elemente  ent- 
stehen, ein  Gedanke,  über  dessen  Widerspruch  gar  Mancher  nicht 


616  Natorgafcyehte  T»!!  Cftebel»  BoAiaiui  «i 

bat  kinwegkommen  kSnaeo.    Allerdlogs  tet  auch  daa  fon  mnrtii 
Yerf.  SU  Grunde  gelegte  Prinzip  der  oszUlatoriBcheD  Bewagaag  ba- 
reits  yoti  Herbart  in  der  Scbrifi  Theoriae  de  attractione  alaai««ta- 
rdm  principia  meUphysica  $.  37  (sämmtlicbe  Werke  IV,  568)  be^ 
rührt  worden,  aber  ohne  Benützong  zur  Seite  liegen  gelassen.    H. 
Corneüu«  hat  es  selbständig  gefunden,   wie  es  scheint;  es   gebfibrt 
ihm  jedenfalls  das  Verdienst  es  angewendet  und  entwickelt,   und  so 
einen  Weg  gezeigt  zu  haben,  die  Bildung  der  Materie  aus  einfach« 
Elementen   ohne  die   intrikate   Vorstellung  ihrer  theilweisen  Dareh- 
dringung  zu  begreifen.     Freilich  finden  wir  die  Sache  noch  leichtir 
hingestellt,  als  sie  ist    Einmai  nämlich  wird  für   die  Elemente  der 
leere  Raum   yorausgesetzt ,   ohne   ein  Wort  der  Rechtfertigang  fit 
dieses  seiende  Nichtseiende.    Sodann  kann  man  eine  eigentliche  na* 
thematische  Entwicklung  der  neuen   Theorie   fordern.     Gar  maaAe 
Leser  werden  freilich  dem  H.  Verf.  das  Eine  oder  das  Andere  gera 
schenken,   und  wahrscheinlich   hat  er  selbst  Beides  absichtlich  tsb 
Plane  seiner  Schrift  ausgeschlossen,   um  den  Lesern   nicht   za  nd 
zuzumuthen,  und  ihre  Aufmerksamkeit  vorerst  für  die  nur  begrifflich 
entwickelten  Grundgedanken  zu  gewinnen.    In  dieser  Absicht  mnsiitt 
er  auch  viel  mehr  darauf  bedacht  sein  zu  zeigen,  dass  seine  1%eerie 
fruchtbare  Anwendungen  gestattet.    Damit  beschäftigen  sich  die  spi- 
tern  Parthien  der  Schrift.     Wir  finden  da  erklärende  Bespreobangea 
verschiedener   chemischer   und   mechanischer  Verhältnisse,   des  Im« 
morphismns  und  der  Isomene,  der  Elastizität,  der  verschiednen  Aggre- 
gatzustände  der   Materie   und   vor   Allem   der  Imponderabilien,  te 
Wirkung   in    die   Ferne   sammt  der  Gravitation.     Es  Ist  unmüglick 
hier  darüber  zu  referiren ;  nur  das  muss  bemerkt  werden,  daaa  siok 
die  aufgestellte  Theorie  überraschend  leicht   und  eng  an  die  Resid» 
täte  der  exakten  Naturwissenschaften  anschiiesst,  ein  Umstand,  dsi^ 
wenn  irgend  einer,  geeignet  ist,   die  Theoretiker,    die  das  Gewiehl 
der  Thatsachen,  wie  die  Empiriker,  die  das  Licht  der  Theorie  ridillg 
schätzen,  auf  diesen  Versuch  über  die  Bildung  der  Materie  ans  eia» 
fachen  Elementen  hinzuweisen,  um  ihn  einer   weitem  Untersachasg 
und  Prüfung  zu  unterwerfen.  SchlUiagk 


Darmstadt   hei  Diehl:     Zum   Gebrauche   beim   Unterricht  ir. 
Schulen  und  höhern  Lehr- Anstalten : 

C.  0'  Giebel:     Lehrbuch  der  Zoologie  {2328.  mit  124  exngtdrvA' 

ten  Holzschnitten). 
Herrn.  Hoffmann:    Lehrbuch  der  Botanik  (251  8.  mit  92  JMk 

schnitten). 
A,  Kenngott:  Lehrbuch  der  Mineralogie  (184  8.  mit  55  naU(9ehmtti&^ 

Vor  uns  liegt  ein  neues   Lehrbuch   der  Natnrgesdiichte ,  m 
ihren  drei  Haupttheilen  gegliedert  und  für  Schulen  und  höhere  Ld^ 


PaloffMoldohM  Ton'  GiehtY,  Bolbiim  a.  Keui^tt.  617 

AMiftitei  bestiiDiDt,  eine  neue  Vermebrang  der  grossen  Zahl  dfesem 
Zwecke  gewidmeter  Schriften.   Ob  es  diesem  Zwecke  besser  entspre- 
(Slwii  wird,  ale  die  andern  ?  ob  dessen  Erscheinen  mithin  gerechtfertigt 
Mie?     Diess  sind  Fragen,   deren  Beantwortang  sunScbst  von  dem 
Staadponkte  abhängt,  weichen  man  dieser  Wissenschaft  an  den  ge- 
nannten Lehranstalten  catheilt,  und  über  welchen  die  Ansichten  fast 
eben  so  mancbfaltig  sind,  als  die  Lehrer,  weichen  den  Unterricht  er- 
theilen,  oder  als  diese  Anstalten  selbst.  Denn  in  keinem  Lande  besteht 
unseres  Wissens  eine  allgemeine   die  Lehranstalten   desselben   nach 
ihrer  Terschiedenartigkelt  berücksichtigende   Vorschrift.     Sehr   viele 
Lehrer  haben  leider  noch  immer  selbst  nie  einen  naturgeschicfatlichen 
Dntwricht  nach   seinen   verschiedenen   Verzweigungen,    ausser   auf 
dem  Lyceum  oder  Gjmnasinm,  genossen,  nie  sich  selbst-arbeitend, 
beobachtend  und  forschend   in   der  Natur   und  der   Naturgeschichte 
umgesehen ;  sie  ertheilen  diesen  Unterricht,  wenn  ihnen  derselbe  von 
der  Direktion  der  Lehranstalt  übertragen  wird,  nach  dem   nächsten 
besten  Lehrbuche,  das  sie  auswendig  lernen  lassen,   oder  aus  wel- 
ehern  sie  Einzelnhciten  ausheben  und  allenfialls  in  der  Schule  dikti- 
.  reo.    Diese  können  keine  Liebe  su  ihrem  Lehr-Gegenstande  haben 
.   aod  mithin  auch  keine   für  denselben   beim  Schüler  erwecken,   der 
Tieimebr  davon  abgeschreckt  werden  muss.   Diesen  Lehrern  ist  auch 
;   durch  kein  Lehrbuch  su  helfen.    Andere   tragen  das  Heft  vor,  das 
,   sie  von  der  Universität  mitgebracht  haben,  und  ertheilen  mithin  einen 
'    akademischen  Unterricht  in  der  Schule,  der  es  an  Hilfsmitteln,   und 
,   an  Schüler,  welchen  es  an  Reife   dasu  gebricht.     Ihr  Verfahren  ist 
,   nicht  weniger  unglücklich,  als  das  der  vorigen.    Noch  andere  gehen 
'   weiter  und  führen  den  Schüler  in  irgend  ein  wissenschaftliches  System 
^n,  welcher  indessen   dabei  von  alle  dem  nichts  lernt,   was   er  im 
Leben  braucht,  obwohl  er  vieles  brauchte,  das  er  nicht  lernt  I    Das 
l  dringendste  aber,  was  dem  Schüler  in  der  Schule  noth  thut,  ist  nach 
.  unserer  Meinung  1)  beobachten  lernen,  2)  mit  den  allgemeinen  na- 
torgeschichtlichen  Erscheinungen  im  Leben  vertraut  werden  und  sie 
^  vorkommenden  Falls  richtig  beurtheilen,  —  wenn  die  Zelt  dazu  aus- 
^  reldit,  auch  solche  des  Auslandes,  auf  welche  man  beim  Lesen  je- 
der  geographischen   und  Reise- Beschreibung  stösst,  und  3)  die  Na- 
turgeschichte und  Kennzeichen  der  fürs  praktische  Leben  wichtigsten 
Arten  von  Naturkörpem.     Alles  Weitere  gehört   entweder  In  Fach- 
^  schulen  oder  auf  die  Universität.    Die  Forstschulen ,  die  Landwirth- 
sehaftsschulen,  die  Gewerbs-  und  die  Handels-Schulen,  die  Bergschu» 
len,  alle  haben  besondere  Wege  der  Naturgeschichte  weiter  zu  ver- 
*  folgen,  zu  deren  allseitig  genügender  Ausführung   die  gewöhnliche 
Anaahl   von   Unterrichtsstunden   weder   an   Lyceen   und  Gymnasien 
'  noch  an  Universitäten  ausreichen  würde.     Der  ersten  jener   obigen 
Forderungen  zu  entsprechen,   dazu  genügt  kein  Lehrbuch,   mag  es 
^  in  seiner  Art  auch  noch  so  vortrefflich  sein ;   dazu  gehört  ein  vor- 
gebildeter Lehrer,  der  mit  Liebe  an  seiner  Wissenschaft  arbeitet,  und 
"  nnaosgesetzt  damit  fortschreitet,  mithin  auch  nicht  mit  su  vielen 


I 


6tB  NtaifMihigte»  rqm  Giebel»  Bpft»«»  ».  EtMftlft. 

fr#tt4«rtlgen  LehrOcheni  tUMrbftiift  »efa  darL  Für  di«  swei 
Aufgaben  kömitea  daua  freilich  gute  I^elirbücber  vieioe  leiiteni  anh 
bald  ftir  alM  gewisee  AnaaU  von  SohidaD  aiaa  gleich«  Auahi  Tea 
LahrflUodea,  ein  gleicher  Iiehrpiao  uod  eia  gleichaa  Lebrsel  fei^ 
gaeetst  wäce.  So  lange  Oieaa  aber  der  Fall  nicht  iat  und  daa  Lehr* 
buch  entweder  nur  die  Ansicht  de»  Ver/aeaers  in  dieser  Besiehaiig 
aoadrüekty  oder  aber  gana  verschiedenen  Lehranstalten  augleieh  lu« 
sagen  soU  oder  muss,  da  ist  auch  in  dieser  Bedehnng  wenig  sa 
hoffen»  iails  sieh  nicht  der  Lehrer  selbst  an  hellen  und  für  das  Be- 
därihiss  seiner  Anstalt  ausreichend  au  sorgen  weiss.  Daher  komnl 
esi  daaa  die  meiaten  Lehrbücher  —  wenn  auch  des  Guten  —  sa 
Tiel  geben,  indem  theils  der  Verfasser,  wenn  er  nicht  selbst  Lehrer 
an  einer  entsprechenden  Lehranstalt  ist,  nicht  das  rechte  Maasa  i&i 
die  verfügbare  Lehrzeit  besitst,  theils  auch  noch  beabaicfatigt  eis 
Werk  au  liefern»  welches  über  die  Schulaeit  hinaosraichen  uod 
somit  eigentlich  ein  aum  Nachschlagen  und  Nachlesen  dieneodea 
Ebuidbuch  werden  soll,  —  ein  Zweck,  der  indessen  doch  wieder 
nur  da  erreicht  wird,  wo  der  Lehrer  das  Interesse  seiner  Schüler 
ffir  den  Gegenstand  an  gewinnen  verstanden  bat,  wo  er  nlmlich 
selbst  etwas  davon  versteht.  Derjenige  Lehrer,  welcher  sieh  daini 
derartiger  Lehrbücher  bedienen  will,  muss  ausserdem  die  richtige 
Auswahl  der  Materie  ans  dem  Buche  selbst  an  treffen  im  Standfi 
sein*  So  sind  denn  auch  die  Anforderungen  der  Lehrer,  die  Ver- 
langen  derselben  in  Besug  auf  Einrichtung  und  Umfang  der  Leh^ 
bücher  überall  verschieden,  und  es  ist  immerhin  gut,  wenn  eine 
grössere  Ansahl  und  Mancbfaltigkeit  solcher  Schriften  zur  AnswaU 
für  die  Lehrer  vorliegt,  mögen  sie  nun  auch  nicht  alle  für  all« 
passend  erscheinen. 

Was  nun  die  drei  vor  uns  liegenden  Lehrbücher  betrifft,  so 
ist  an  ihnen  empfehlend,  dass  sie  aUe  von  tüchtigen,  mit  ihrem  Ge- 
genstände vollkommen  vertrauten,  selbstforschenden  FacbgelelirteD 
herrühren,  die  auf  der  Höbe  der  Wissenschaft  stehen,  sie  vollstfindif 
überblicken  und  sich  frei  darin  bewegen,  wenn  gleich  es  vielleicht  noch 
besser  wäre,  dass  diese  Gelehrten  alle  damit  auch  die  Erfahrung  vos 
praktischen  Schulm£nnern  zu  verbinden  vermöchten«  Sie  zeicbneo 
sich  durch  einen  gleichmässigen  Plan  und  eine  klare  übersichtliche 
und  nicht  allzu  weitläufige  Bearbeitung  aus,  die  gerne  das  Allge- 
meinere neben  dem  Speziellen  hervorhebt  Sie  sind  zur  ErlSuteronf 
des  Inhaltes,  da  wo  daa  blosse  Wort  nicht  ausreicht,  mit  einer  zweck- 
massigen  Auswahl  vortrefflich  ausgeführter  Abbildungen  zwischen 
dem  Texte  selber  versehen.  Alle  haben  ein  voUsU&ndiges  und  reiches 
Begister,  mit  dessen  Hilfe  der  Leser  sich  alsbald  in  den  Stand  ge- 
setzt sieht,  über  eine  Menge  von  Naturkörpem  nachzuschlagen  und 
vorkommenden  Falles  darüber  Belehrung  zu  suchen.  Ihr  Preis  ift 
endlich,  wie  es  bei  Schulbüchern  nöthig,  äusserst  billig  im  Yerbäit- 
nisse  zu  der  Ausstattung.  In  kleineren  Einzelnheiten  ist  ihre  Aus^ 
fUhrung  ungleich,  wie  wir  z.  B.  für  zweckmässig  eraghtet  haben 


wirdtli,  dait  die  Aksentnirvig  der  fremdaD  NsnMn  üborall  tmg^g^F»' 
bea  «ordra  w&ra,  dass  lOMtclie  luis  fremdso  Spradieti  entiehme 
KimaftMndriMt  (ood  dabei  Sehreibfebler,  wie  «Boeefsteak^)  ver* 
mieden  oder  dorob  deatscbe  erseUt  wmrden  ufftreo,  nnd  daea  sieh 
vor  alleo  eiBe  qrsteiDaiiicbe  üebereiobi  dee  Inbalts  bettade.  In 
mancbe  Einaelabeiten  greitai  sie  viel  weher  ein,  aia  ffir  den  Bcbul« 
Gebraucb  anwendbar  isl;  —  dieee  mag  der  Lehrer  der  apSleren  Pd« 
valbentitzong  Torbehalten. 

In  eine  genane  Analyse  einaageben  dürfte  naeb  dem  im  Eiof* 
gange  Gesagten  nutaloe  sein,  da  au  vielerlei  Aasichteo,  voa  ver^ 
schiedenen  Standpunkten  aus  mit  gleiehem  Recbte,  über  die  £ki» 
riciituog  geltend  gemacbt  werden  können.  Jedenfislls  dürfen  wir 
aber  diese  Lehrbücher  den  Lelirern  aur  Beachtung  bei  der  von  ihnen 
au  treffenden  Wahl  angelegeatliob  empfehlen.  Ohne  Demonstration 
iat  freilich  kein  anregender  Unterricht  mögUcb,  und  wir  hören  Dless 
oft  als  EnCschnldigung  oder  Einwand  von  Seiten  der  Lehrer  vor- 
bringen. Aber  diejenigen  Gegenstände,  welche  am  dringeadsten 
daau  notfa wendig  sind,  pflegen  weder  selten  noch  theuer  zu  sein} 
der  Lehrer,  welcher  sie  kennt  and  auf  Exkursionen  au  beachten 
weiss,  kann  sie  sieh  meistens  leicht  verschaffen,  und  selbst  wo  kleine 
Geldmittel  erforderlich,  lisst  sich  leicht  so  viel  ausammenbringen, 
um  allmiGblich  eine  passende  Sammlung  anaulegen.  Wir  haben  mehr« 
mais  SU  sehen  Gelegenheit  gehabt ,  dass  die  Schüler  mit  Freuden 
ia  jedem  Sebul-Semester  einen  kleinen  Beitrag  leisten,  wenn  es  sieb 
darum  liandelt,  ein  von  dem  Lehrer  einmal  angeregtes  Interesse  au 
befriedigen  und  net>en  dem  GedKchtniss  auch  das  Ange  zu  besekif- 
tigen  nnd  das  erste  durch  das  letzte  zu  erleichtem.  Wir  zweiflen 
daher  nicht,  dass  diese  Bücher  bei  angemessener  Benfitaung  von 
Seiten  der  Lehrer  ihrem  Zwecke  ganz  entsprechen  und  eine  dank« 
bare  Aufnahme  finden  werden.  H«  Cl.  Braun« 


Xenophon^s  Anahasis,  wüh  ßxplanatory  notes,  for  the  uae  of 
SehooU  and  Colleges  in  the  nnited  statea  by  James  R.  Boise, 
Professor  of  Oreek  in  ihe  umversity  of  Miekigan,  WUh  Kie- 
perts Mapf  shomng  ihe  enlire  rouU  of  the  ten  thousand  and 
an  iniroducHon  io  the  Anabasis,  translaUd  from  HeriUin.  New^ 
York:  D,  Appl^Um  and  Company  346  et  848  Broadway  185f. 
XXI  und  S98  8.  in  8. 

Wir  sweifeln  nicht  i  dass  es  deufscben  Lesern  von  Interesse 
eehi  werde,  Kenntniss  au  erhalten  von  einer  Ausgabe  der  Xeno* 
phontei'schen  Anabasie,  die  aus  dem  fernen  Westen,  aus  Michigan, 
efnem  der  westlieben  Staaten  Nordamerikas,  noch  hunderte  von 
Meilen  hinter  New- York  and  der  Küste,  zu  uns  gelangt,  und 
jedenfalls  zeigen  »kann,  wie  die  classische  Bildung,  die  von  Deutsch- 
land aus  bauptsichlicb  stach  dem  neuen  Erdtheile  vei|iflanat|  dort 


020  XeMphoM*i  AMkMb  by  J.  BalM. 

imaier  fesUra»  Fom  gswlnnt  und  mnf  den  d«rt  «llerwUi  9kh  ar* 
hebenden  BUdongsanstalien  mit  allem  Eifer  und  alier  SergfaÜ  ge* 
pflegt  wird.  Der  Herausgeber,  Professor  der  grlecfalechen  Spndis 
und  Literatur  an  der  Universitttt  ron  Michigan,  auf  deotaehen  Oni* 
▼ersitäten  selbst  gebildet,  seigt  eine  gründUehe,  philologische  BUdunir» 
so  wie  die  genaue  Beltanntschaft  mit  Allem  dem,  was  anf  dem  Ge- 
biete der  cÜMsisohen  Philologie,  und  speciell  was  ttber  Xenoplioa 
und  dessen  Anabasis  in  Deutschland  geleistet  worden  ist;  er  baU 
davon  einen  Oelnraoch  gemacht,  wie  er  den  Studien  seiner  Land** 
lente  nach  der  dort  üblichen  Behandlungsweise  der  alten  Aotorea 
erspriesslich  und  förderlich  ist  Unter  den  verschiedenen  BeariMtum- 
gen  der  Anabasis  ist  es  insbesondere  die  sweite  Ausgabe  von  Hert- 
lein,  die  ihm  bei  der  seinigen  vorschwebte:  und  da  dieser  aweitea 
die  neueste  spftter  erschienene  Ausgabe  Dindorfs  (su  Oxford  1U53, 
namentlich  im  Texte,  sich  sehr  annMhert,  so  kann  man  wohl  sagen, 
dass  der  amerikanische  Herausgeber,  welcher  In  dem  Text,  den  er 
gibt,  wesentlich  dem  von  Hertlein  in  der  sweiten  Ausgabe  (s.  diese 
Jahrbb.  1856.  S.  795)  gelieferten  folgt,  auf  die  neueste  OesUltang 
des  Textes  diejenige  Rficksicht  genommen,  die  von  einem  neaen 
Herausgeber  dieser  Schrift  nur  immer  verlangt  werden  konnte;  a«! 
einigen  dem  Texte  folgenden  BlSttem  sind  sogar  die  Abwelchnngea 
dieses  (Hertlein'schen)  Textes  von  dem  Dindorf  sehen  (in  der  Teub- 
ner'schen  Ausgabe  1851)  sorgfältig  verseichnet  und  so  ist  gewiss 
Alles  gethan,  was  man  für  die  Kritik  des  Textes  von  einem  am^i^ 
kanischen  Herausgeber  erwarten  konnte,  dem  keine  neuen  kritisehen 
Hilfsmittel  zu  Oebote  standen,  der  daher  gewiss  am  besten  tbai, 
skA  an  diejenige  Recension  ansuschliessen ,  welche  als  die  relativ 
beste  jetst  erscheinen  kann.  Auch  musste  Derselbe  auf  sein  ameri- 
kanisches Publilcum  Rücksicht  nehmen,  das  auf  kurse,  bestimmt  und 
mit  alier  Priicision  gefasste  Erklärungen  des  Textes,  der  emaelnen 
Worte  sowohl  wie  der  Sachen,  mehr  Werth  legt,  als  auf  kritische 
Erörterungen.  Dem  Texte  geht  voraus  die  ins  Englische  übersetste 
Einleitung  anr  Anabasis  aus  Hertlein's  Ausgabe:  der  Herausgeber 
hatte  sich  wohl  auch  überseogt,  dass  Dasjenige,  was  überhaupt  amr 
Einleitung  in  die  Leetüre  der  Anabasis  dem  Schüler  au  wissen  nötihi^ 
ist,  nicht,  leicht  in  einer  bessern  und  die  Hauptmomente  gnt  er- 
fassenden Darstellung  gesagt  werden  konnte :  es  liegt  darin  aueh  an- 
gleich  eine  gerechte  Anerkennung  der  Verdienste  des  deutschen 
Herausgebers.  Auch  die  Karte  von  Kiepert^  welche  der  Hertlein'sclien 
Ausgabe  hinzugefügt  ist,  ward  hier  in  einem  säubern  Nachstich  ge- 
liefert Auf  den  Text  und  das  oben  erwähnte  Verzeichniss  der  ^ab- 
weichenden Lesearten  folgen  die  „Notes''  S.  227—398.  EHese  sind 
eingerichtet  nach  dem  Bedürftiisse  des  amerikanischen  Unterrichts 
und  der  in  den  dortigen  Schulen  üblichen  Behandlungsweise  der  aUen 
Autoren.  Es  sind  meist  kurze,  aber  ganz  bestimmt  und  prScis  gefasste 
Erklttrungen  von  einzelnen  Worten  oder  SStzen,  sie  helfen  durch  An- 
gabe der  Verbindung  und  Besiehung  der  einzelnen  Worte  zu 


XenopliOA'i  Awibatfk  by  J.  Böfae.  6» 

dar,  äbo  düMB,  wm  wir  die  Straeter  des  BalMi  und  den  Bau  der 
Perioden  nennen,  dem  YentSndniBe  nach,  geben  selbst  grammatisebe 
ErkUUnngen,  aber  in  aller  Kurse  und  mit  entsprechender  Verwel** 
snng  anf  Köhner's  grieehiscbe  GrammatilE,  d.  b.  auf  die  englisdie, 
sa  Mew-Tofk  erscbienene  Uebersetanng  dieser  Grammatik,  die  sieb 
ia  den  Hftnden  aller  Scbiiler  nnd  Studierenden  befindet:  weitere 
Verweisungen  auf  andere  Grammatiken  oder  Werke  Sbnlidber  Art 
■ad  eben  so  weggefallen,  wie  alle  die  Gltate  aof  grössere  Werke, 
die  doch  nielit  in  den  Blinden  Deijenigen  sich  befinden,  welche  die 
Attsgabe  gebrauchen  and  für  die  sie  zunächst  bestnnmt  ist;  nur 
eiaaelne  Verweisungen  auf  Stellen  des  Xenophon,  selten  auch  anf 
aadere  Schriftsteller  wie  a.  B.  Herodot,  kommen  hier  und  dort  vor. 
Aach  die  sachlichen  Punkte,  die  einer  Erklärung  bedürfen,  die  ge* 
sehichtlichen  wie  insbesondere  die  geographischen,  werden  eben  so 
befriedigend  lerörtert:  der  Herausgeber  hielt  sich  insbesondere  an 
das,  was  Hertlein's  Ausgabe  durch  Kiepert's  Mitwirkung  bietet:  er 
spricht  sich  in  dieser  Hinsicht  geradeau  dahin  aus:  „thus  we  have 
in  Hertlein's  edition  unqnestionabljr  the  most  complete  and  accurate 
geegr^hical  eommentary,  which  has  ever  been  published  with  a 
sekeol  edition  of  the  Anabasis.  ^  Ueberhanpt  hat  der  Herausgeber 
auch  m  den  übrigen  Theiien  der  Erklärung  von  dem,  was  seine 
Voigäiiger  bieten,  denjenigen  Gebrauch  gemacht,  den  seine  Zwecke 
snnächst  mit  sich  brachten;  er  ist  übrigens  hier  mit  derjenigen 
Seibstlodigkeit  und  Freiheit  Terfahreu,  die  ohne  die  fremde  Quelle 
ia  Abrede  zu  stellen,  doch  in  der  Art  und  Weise  der  Benutzung 
derselben  sich  bald  erkeunen  und  würdigen  Ifisst,  eben  weil  sie  auf 
eigenen  gründlichen  Studien  und  einen  darauf  gestützten  sichern  Takt 
in  der  Behandlung  des  Einzelnen  beruht ;  nur  Eines  fand  der  Heraus- 
geber in  dieser  Hinsicht  zu  bemerken  für  nöthig:  dass  nemlich  die 
classiseben  Schulen  seines  Vaterlandes  noch  in  Manchem  den  Schu- 
len Deutschlands  nachstehen^  daher  manche  Erklärungen  mehr  ele- 
mentarischer Art  oftmals  nöthig  geworden  sind  in  einem  für  ameri- 
kanisdie  Schulen  bestimmten  Werke:  er  bittet  diesen  Gesichtspunkt 
nicht  ans  den  Augen  zu  verlieren  bei  der  Beurtheilung  seiner  AuB^ 
gäbe,  lunächst  der  Anmerkungen,  wie  wir  diess  auch  schon  oben 
bemerkt  haben ;  zunäcltst  mochte  der  Verfasser  hier  an  manche  Be*- 
me^ungen  denken,  welche  sich  auf  die  Bestimmung  einzelner  gram- 
matiscber  Formeln  oder  Regeln  beziehen,  üebrigens  ist  man  auch 
in  Deutschland  in  diesem  Punkte  zum  Theil  anderer  Ansicht;  man 
hat  den  frühem  Standpunkt,  der  für  die  Schule  und  deren  Gebrauch 
nur  blosse  Texte  yerlangte,  verlassen  und  will  jetzt  Ausgaben  mit 
Noten,  die  für  diesen  Zweck  eingerichtet  sind  und  dem  Lehrer  sein 
Amt  erldclitem,  den  Schüler  aber  zugleich  weiter  fördern.  Ob  aber 
dieser  Zweck  wirklich  erreicht  wird,  wollen  wir  dahin  gestellt  Sein 
lassen;  wir  wollen  nur  darauf  aufmerksam  madien,  wie  schwer  es 
sein  wird,  hier  das  richtige  Maass  zu  treffen  oder  den  richtigen 
Mneasslab,  in  Besu^  auf  das  zp  Viel  oder  an  W^jf  eben  so  sehr 


m  UtoitmbtrfahN  mit 

wfo  in  Beug  auf  A»  Fimg«  wm  In  dan  NoftaB  hihiiiiilf  werin 
woüj  and  was  niebt,  ansnlagaai  dam  aobjaatiraB  EimaMen  -^  den 
fieMf an  Takt  dai  Haraaagebara  wird  man  liier  am  Ende  doeh  dai 
Jffaisto  ID  Hberlamen  haben:  aiaa  naIiirUehe  Folge  davon  kt  dann 
iraillcb  eine  ftwiaee  Ungleichbeit,  wie  eie  aleb  dann  aoeh  in  derer* 
iiC^n,  in  Deatsehland  veraostaltelen  Unteniehmangen  knnd  gibt  In 
diesen  ameilkanieehen  Sehalanegaben^  die  dnreh  die  Nothwendigkeü 
dea  Bedarfee  beryorgenifen  sind,  ttellc  eicb  die  Baebe  anden:  bler 
liegen  bestimmtere  Oeeiebtspnnkte  vor,  die  ein  gescliiekter  Heraaa- 
geber  au  beaebten  bat  nnd,  wie  wir  diem  von  der  vorliegeBdan 
Aasgabe  wobl  sagen  dürfen,  aucb  an  beaebten  verstanden  bat,  «m 
nein  Werk  an  einem  nätalleheDy  den  elassiscben  Unterriebt  nnd  die  dna<> 
siscben  Stadien  seines  Vaterlandes  wabrbaft  fördernden,  wie  wir  diaee 
hoffen  und  wünschen,  aa  machen.  Zwednnfissig  sind  auch  die  kör- 
nen, jedem  Bneb  nnd  jedem  Capital  in  den  Noten  vorgesetsten  üa- 
baltsangaben,  weil  sie  die  Ueberslebt  des  Qaaaen  wesentlich  erleiab* 
ien.  Die  typographische  Anaüttbrung  ist  voraügücb  an  neimnB^ 
mid  gibt  den  besten  deutaeben  Abdrüeken  l^iabts  naefa;  die  griechi** 
achan  bei  dem  Texte  angewendeten  Lettern  aind  awar  nicht 
gveas,  aber  desto  deutUeher  nnd  das  Anga  nngemein 
die  Lettern  in  den  Anmorkongen  aind  noch  kleiner ,  aber  sin 
steh  dach  ao  gnt  und  sind  so  dentlieh  nnd  coirect, 
fem  bei  der  Leetüre  verwelit 


Literntarberichte  aru9  Italien« 


Die  €ei«hicbte  dea  Lombardifchen  Mdte^^aades,  dicfSi  Cbr  Deabddaad 
«e  widitigea  Zeit«lMohniMe#,  iil  von  einem  Gdehrtsn  in  Savona  eut  etno  «elw  : 
beaehteMwerthe  Weise  dargeüelll  worden,  nämlieii  von  dem  ifflri|tr|riirtigrfcna 
SiasdiHinkle«  wn^  biiker  in  iltUeniseJier  fi^reebe  selten  der  Fall  war;  w«W 
■ngleich  die  Gründung  der  Siadi  Alemandria  und  deren  Sokiekaale  in  Yeriar- 
grand  geslellft  werdea  sind* 

AUisandria  e  ta  lega  Lomharäa,  di  l^iccoh  Ceuwe  Üarofu.  Tarino  1856, 
CasuMtako, 


Ea  iat  dieses  Bach  ein  Zeichen  der  Seit  in  Icaiiett  nnd  anob  ftkr 
laad  nicbl  onbedeatend.  Wai  abar  besonders  die  GiUadnng  der  8la4l 
seadria  betriifl,  an  deren  besserer  Vertheidifnng  hi  dem  Kdnfgfeiehe  Sarifaisa 
jetzt  vea  dlea  gelten  Italiens  Beitrage  eiaffeben,  so  können  wir  ein  naehasoas 
enehBiaendes  VTark  ankttadigeD,  weiebea  diese  Stadt  betrifft.  Die  Gceellsehidt 
rar  fleransgabe  TateriSadisefaer  GesobicbtsqBeUea  des  Keaigreiebs  Saidhden  fisis 


iMiillMi  «!«•  Cbr^nik  ^m  Atotsimdrii  iMmiM,  -wvleh«  der  itelekrie  Graf  fmi- 
it9f1ioiie,  4tt  SecTDlafr  dieser  GeseÜMlitflt,  eisleitet    Onf  Gerrere  dl  PdAtt- 
fKoB«  I«  TvrfD  iü  elser  der  refclifleii  Yemelimeii  dfewr  Stade,  w«le1ie  fttr 
die  Wisienscfaaft  leben,  Hiebt  Ten  denelben;  tondem  ihr  freiee  Opfer  brhi|^,   ^....^ 
wit  die  Herenegtbe  def  Urkanden-Scbtliea  fai  der  LebewbetehreibuBf  einei  \. 
seiner  Vorfsbren  beweist:  \ 

DsÜn  ttl0  e  dsi  Umipi  di  Mmngnor  Cr.  Ftrrtro^FmiaiflUom^  di  G,  AdriamL  T»- 
fMO  1856,  Tip.  RiboUa,  foL 

Von  der  Art,  wie  der  jetsige  Graf  Ponsiglione  die  Jateiniscbe  Spnebe  xq  be- 
bandeltt  rerstebt,  sei|(t  seine  Biofraphie  des  felebrten  Grafen  Cisar  Salosso, 
des  ebemaligen  Prüstdenten  der  oben  erwAbnIen  GesellscbafI  der  raterUnd^ 
adien  Gescbicbtdcnnde: 

He  Cdiore  SahtHo  commmiarmM    VmeeniU   Perreri    PonmUom,    eomUU   Bmrgi 
JJmm»,  Au§,  TfwrtNor.  iSSß.  tat  öffiema  regio. 

Dieser  gelebrle  GonTemear  der  Tnriner  Milttair-Acadeniie,  ans  dem  vAeb* 
tigen  Gescbleebte  der  Markgrafen  reo  Salnno,  Sobn  eines  eben  se  gelebrtep 
Taten,  verdiente  einen  Biograpben  su  finden,  der  die  lateiniscbe  Spraebe  mit 
solcher  Slegann  nn  sebreibeo  rerstebft,  ak  der  niebi  minder  gelehrte  Verfasaer, 
welcher  sich  als  Secretair  der  Gesellschaft  xnr  Hennsgabe  der  raterlAndischen 
Gescfaichtsquellen  Terdient  macht,  deren  PrAsident  der  Mafigraf  Salnsse  war» 
dessen  Leben  hier  Torliegt,  nach  dessen  im  Jahre  1863  erfolgten  Tod  der 
dnrch  seine  Gesddchte  des  ROm.  Rechts  bis  aof  die  neue  Zeit  und  andere  ge- 
schichtliche Arbeiten  rühmlichst  bekannte  Graf  Sclopis  diese  Stelle  einnahm. 

Die  bbher  nngedrockten  Schritten  Yon  MaeebiaTelli  sind  jettt  an  Ftoreni 
erschienen,  welche  den  Ar  die  Geschichte  jener  Stadt  so  wichtigen  Zeitab* 
■dmftt  Ton  1499  bis  1513  umfassen. 

Seriell  inedili  di  Niccolo  MacckiatelUf  riiguardtmH  la  Uoria  e  la  iwlma  da  (7tu* 
Seppe  Canettrdli,  Firenu  1857,  freuQ  Barhera. 

XacrtiarelK  war  damals  Secretair  der  Zehn-MAnner,  welche  die  UnabbAnglg» 
keit  dieses  Freistaata  rertheidigten ;  die  ▼oifiegenden  ActansMeke  sind  dem 
Stants^Archire  entnommen,  welches  sich  bekanntlich  in  Terlreffliehem  Stande 
befindet  Der  Henmsgeber  Crescentias  hat  eine  sehr  veidienslvoHe  geiehlebl» 
liebe  fiSnleitnng  nnd  viele  erlAnterade  Anmeilningen  beigefügt»  Bier  finden 
sich  znvorderst  38  Briefe  und  Befehle  an  die  UnterbehOrden  nnd  BeAeblshüir 
in  dem  Kriege,  welchen  Plorens,  von  wo  Peter  von  Medici  vertrieben  worden 
^'^^i  K^g^^  ^^n  Heraog  von  Valentino,  den  Sohn  des  Pabstes  Alezander  VI. 
an  fähren  hatte.  In  den  Ausgaben  von  den  Werken  Maccbiavelli's  Boden  sich 
nnr  BmehstttckA  diener  Correspondens  nntar  dem  Tüei:  Commismoon  a  Aresso« 
weiche  Stadt  damals  nehst  dem  Vol  dl  Chiana  gegen  Floreos  im  Aafstnnde  be>- 
griifen  war.  Bben  so  vervoIlstAndigt  dsr  Absehnilt  Aber  die  Sxpeditio»  Mbpb 
Pisa  von  1490  nnd  1504—5  die  bisher  bekannten  Briefe  in  den  Cesammt» 
ausgii1>en  von  VacchiavellTs  Schriften.  Die  andern  ftal.  StAdte  beklagten  die 
damaligen  Verhiiltnisse  Italiens,  wo  die  mAchtigen  Borghias,  die  Fran- 
zosen nnd  Spanier,  einzelne  Fttnten  nnd  Lehnsherren,  so  wie  die  verschie* 


eU  XiMnlurbariditd  tOi  Ittlieii. 

deiieQ  Bandanftkhrer,  Condottieri,  otpiUtni  di  rtntvn,  IhUm 
du«  FloresE  sicli  lelbft  Teriheidiife«  nranle.  Datier  d(e  hier  nili^elhetke  Or- 
Ctniaation  de«  Florendniiehen  Heeres  «ehr  wiektiif  i«t,  und  beweusi,  wie  en 
ISHter  Soldat  MaecbiaTelli  und  jeder  «einer  Mitbllrifer  war. 

Die  Kirchenfefchichte  i«t  durch  eine  Geachiehte  de«  Biathoma  Ton  Niiia 
bereichert  worden: 

£tf  8tde  «etcDai/e  di  Num,  il  capiioh^  la  eatudraie^  noütie  siorieke  d/d  JVaR^i 
EM§mio  fifiMMUie/.  Nivta  1856.  Tip.  (kuitm. 

Nach  dem  Verfasser  ist  der  erste  bekannte  Bischof  su  Nizta  der  heilige  Basie 
im  Jahre  250  gewesen,  obwohl  Godena  ia  seinem  Werke  Ober  die  Cathedralen 
Enropas  von  einem  hiesigen  Bischöfe  aus  dem  Jahre  170  spricht.  Der  Pab«l 
hat  sechs  hiesigen  Bischöfen  Altftre  su  errichten  verstattet.  Der  erste  ist  der 
erwithnte  heilige  Basso,  femer  der  heilige  Ponsio  im  Jahre  260,  Valerio  433» 
Valeriano  443,  Duterio  490  und  Siagrio  777,  welcher  Heilige  fUr  eiaen  Vetter 
von  Carl  dem  Grossen  gehalten  wird,  welcher  übrigens  auch  seinen  Aller 
als  Heiliger  hat.  Die  Bischöfe  von  Nizza  fahren  den  Titel:  Grafen  voa 
Droppo,  da  ihnen  1073  diese  Grafschaft  geschenkt  wurde.  Die  Dosherrea 
waren  von  1137  an  MOnche  vom  Augustiner  Orden,  denen  Innocenz  II.  nsch 
einer  vom  Verfasser  mitgetheilten  Urkunde  besondere  Vorrechte  verlieh. 

Ein  treffliches  Vl^erk  ist  das  Handbuch  des  ersten  Jahrhunderte  der  ita- 
lienischen Literatur: 

Mmuale  della  UUeratura  del  ffritno  iecdo  deUa  lingua  JtalimM  dai  IVo/ess.  Fm- 
seiuo  Nammcci  IL  VoU.  Firenn  i856.  Tip.  Barbara. 

Die  Zeit  unsere«  grossen  Hohenstaufen  und  «eine«  Hofe«  bezeichnet  den  An* 
faiig  dieser  Sprache  und  Literatur  mit  Ciullo  d'  Alcamo  und  Pier  delle  Vignc, 
und  schliesst  dies  Werk  mit  Divo  Gompagni,  indem  von  allen  hier  anfo- 
führten  Dichtem  AuszUge  mitgetheilt  werden.  Diese  Arbeit  erfreut  sich  einei 
bedeutenden  Rufes  in  Italien,  und  ist  dies  schon  die  zweite  Auflage. 

So  selten  die  Franzosen  deutsche  Werke  einer  Uebersetzung  wtkrdigen, 
obwohl  ihre  Gelehrten  sie  zu  würdigen  wissen,  so  hftullg  werden  in  Italtea 
dentsche  Werke  übersetzt.  Während  der  bekannte  Uebersetzer  von  Dnller's 
Deutscher  Geschiehte,  Herr  Sandrini,  mit  der  Uebersetzung  von  MoauBsoa'a  Rfl* 
mi«eher  Geechichte  in  Turin  beechäftigt  i«t,  erscheint  bereits  der  Anfang  dei 
Zimmermann'schen  Werkes*)  über  die  Erde  vor  der  Erschaffung  des  Hen«chea 
lurter  dem  Titel: 

li  Mondo  primo  della  creatione  ddT  UomOf  dd  celebrc  sctetUKUo  DoUort  Zmumr' 
numn.  Torino  1857,  Stamp.  deUa  Gatella  di  popolo. 

Die«  Werk  «oll  in  82  Lieferangen  mit  230  Abbildungen  fortgeeetol  werdea. 
Aneh  da«  Ertenen  der  deut«chen  Sprache  nimmt  in  Turin  dergeatalt  zn,  da« 
«ich  die  dentoche  Buchhandhing  de«  Herrn  Hohmana  erhalten  kann. 

*)  Eine«  übrigen«  wenig  empfehlen«werthen  Buche«,  mit  dem  die  dentfche 
Wissenschaft  keinen  Ruhm  in  Italien  einerndten  wird. 

C8Mm$  fdgt.) 


Ir.  40l  HEIDELBERGER  lOT. 

JAHRBOGHBR  der.  LITERAT  OL 

Literaturberichte  aus  Italien. 

(ScUussO 
Der  gelehrt«  Ant  RiUer  Trompee  su  Tarin,  Mitglied   der  Academie  der 
Nttarfortcber  su  Breslan,  hat  in  diesen  Taigen  eine  Abhandlung  ttber  die  Noth- 
wendtfkeit,  den  lopoin^phischen  Einfloss  auf  den  GesnndheiUinatand  in  er* 
feraefaen,  heransgegeben« 

Sa^  suW  uHlUä  degli  shtdi  ddle  cosUtiuiam  medicke,    Toritio  1857.    preao 
FavaLt, 

Der  Verfaifer  hat  die«  hanptsAchlich  aoä  den  VerhAltnifaen  der  Prorins  Biella 
oachgewieaen,  wo  er  empfiehlt,  auf  die  achldliche  Bewüsaernng  der  Reisfelder 
und  auf  die  Nothwendigkeit  Bäume  su  pflanten,  ca  wirken,  indem  er  bemerkt, 
daas  Rom  nach  Plinius  (XX)  Jahre  lang  ohne  Aerste,  aber  nieht  ohne  Gesetie 
war,  welche  auf  den  Gesundheitssnstand  Rücksicht  nahmen. 

Es  ist  wohl  eine  seltene  Erscheinung,  dass  ein  Minisler-Prftsident  sngleich 
bedeutender  Schriftsteller  im  Fache  der  Staats- Wissenschaften  ist  Dies  ist  der 
Fall  mit  dem  Grafen  Cavour  im  Königreiche  Sardinien.  In  dem  rierten  jettt 
eben  erschienenen  Theile  seiner 

O^ere  po/Mco-economtche  deil  Conu  CamiUo  Bmto  M  Caooiir,  Vol.  IV,  Cmteo 
i856.  Tip.  GolimberH 

befinden  sich  mehrere  seiner  im  Parlamente  ttber  die  betreffenden  Gegenstfinde 
gehaltenen  Reden,  s.  B.  ttber  Straf- Gesetsgebung,  aber  den  Handelsvertrag  mit 
Frankreich,  ttber  eine  transatlantische  SchilFrahrt-Geiellscbaft  u.  s.  w.  Er  ist 
ein  wahrhaft  constitutioneller  Minister. 

Eine  der  sorgftlltigsten  Monographien,  welche  die  Liebe  sur  Wissenschaft 
den  reichen  Verehrern  derselben  verdankt,  ist  die  Geschichte  der  kleinen  Stadt 
Castiglione,  unfern  des  Garda-Sees: 

Sloria  di  Coiiiglione  delle  JUviere  toUo  il  dmninio  dei  Oanaaga^  da  Bariohm, 
Arrighi.  MatUora  1856.  Ttp.  TiegrelU.  11  Vol. 

Diese  Local-Gescbichte  entbftlt  sngleich  Forschungen  ttber  die  Familie  der 
Gonzaga,  die  der  Verfasser  nach  Peter  Diaconus  Ton  dem  Longobarden-Konige 
Agilmnnd  aus  dem  Geschlechte  der  Gonginger  herleitet,  das  sich  in  Mantna 
festseUte. 

Der  Generalstab  des  Königreichs  Sardinien  hat  fttr  die  Gesammt-^Verwal- 
tang  ein  sehr  nttttliehes  Werk  herausgegeben,  nimlieh  ein  genaues  Entfern 
nongs-Veraeichniss  aller  Gemeinden,  Cantone,  Prorinsen  und  Abtheilungs- 
Banptorte  von  einander,  unter  dem  Titel: 

lüaerorto  generaU  degU  Haii  di  S.  M.  Sarda^  ad  U90  degli  amminithxuiotiii  ei- 
9iÜ  s  mUiiari.  Torino  1857.  pr.  4.  509  S. 
L.  Jahrg.  8.  Heft.  40 


00  litenlDrbeiichte  «w  Italfon. 

Dies  mit  Tielen  Karten  und  Tabellen  Terschene  Werk  enthtlt  die  genaue 
Vermeasunn^'der  Entfernungen,  welehe  die  Verwaltunifs-Behörden  in  allen  ani- 
Hchen  VerbSltnissen  nOthig  haben,  wozu  ^  auch  die  Harsch- Etappen  des  Hill- 
tMff  falMipeB.  Daa  leate  Land  dieaea  KoniffreMlia  ia4  in  39  Provinsea  ge- 
theilt,  welche  4,308,975  Einwohner  Kühlen,  von  denen  die  fpröaste,  Törin, 
411,000,  Genua  285,000,  die  roeiaten  tkber  100,000,  manche  aber  auch  weniger 
Einwohner  zählen,  z.  B.  die  in  den  Hochalpen  gelegenen  Promaen  bia 
35,000  herab.  Die  Insel  Sardinien  zählte  nach  den  neuesten  Ermittelungen 
647,112  und  die  Inael  Capraja  750  Etnw«  Zugleich  findet  man  hier  den  Fort- 
gaag  d«r  Eiaenbahnen,  welche  ungeachtet  der  grOsaten  Schwierigkeiten  dies 
tteflniche  Land  durchachneiden.  Die  grOsate  Linie  ist  die  von  Tarin  «ach 
Genua,  von  20  Heilen  Lftnge,  mit  dem  grOssten  Tunnel  in  Europa,  we  die 
Apenninen  |  Heile  lang  durchbrochen  wurden,  so  dass  man  jetzt  vom  Hitlel- 
meer  an  den  Lago  Uaggiore  in  6  Stunden  gelaugt,  indem  man.  Torin  links 
lassend,  von  Alessandria  nach  Arona  gelangt,  wo  sich  bereits  die  am  Bodea- 
see  durch  die  Schweia  geführte  Eisenbahn  ftber  Cbur  nfthert.  Die  Ge- 
nauigkeit dieses  Werkes  wird  sehr  gerühmt,  so  wie  überhaupt  die  Genend- 
Slabs-Offiziere  des  Sardinisehen  Heeres  sehr  geachtet  werden.  Ea  gehOraa 
dazu  die  beiden  gelehrten  Professoren  Menabrea  und  Ricotti,  ersterer  nia  Är- 
chitect  und  Hathematiker,  der  andere  als  Historiker  rObmliohst  hekanni. 

Unter  den  vielfaehen  Schriften,  welche  die  gegen w Artigen  Verhftltnijw 
Italiens  behandein,  verdient  eine  beaondere  Aufmerksamkeit  daa  nsebgeUineac 
Werk  von  Livie  Hariani,  welcher  einer  der  Triomvirn  der  Römischen  RepsblOt 
war,  welche  die  Revolution  von  1848  hervorrieft 

Hkdia  pombile^    eonsiderawme  storieth-foUliei  di  Lteta  MurianL  Torino  1857. 
Tip.  Biancardi. 

Mach  dpm  langeq  Widerstände,  welchen  die  Rümer  auf  eine  Uberrascheada 
Weise  den^  franzüsischen  Heere  entgegensetzten,  dem  sie  natürlich  unterlieget 
mussten,  wanderte  der  Verfasser  nach  Athen  aus,  von  wo  sein  Freund  Mor- 
andi  nach  dem  am  22.  Juli  1855  erfolgten  Tode  dea  Verfassers  die  Handsdirift 
an  den  Neapolitanischen  Gelehrten  Giuseppe  del  Re  schickte,  welcher  dea 
Draek  beaufsichtigte,  indem  auch  er  als  Verbannter  in  Turin  lebt«  Ea  iat  dies 
derselbe,  dem  wir  die  trelTliche  Reise  von  Neapel  nach  Castellamare  rer- 
danken,  in  welcher  beinahe  bei  jedem  Schritte  auf  die  Erinnerungen  an  das 
claasische  Alterthum  auftnerksam  gemacht  wird,  mit  dem  er  nach  den  überall 
angeführten  Stellen  in  hohem  Grade  vertraut  ist.  Der  Verfasser  diesea  Werkes, 
heurtheilt  die  verschiedenen  Verhältnisse,  unter  denen  das  Schicksal  Italiens 
eine  befriedigende  Lüsung  finden  kann,  nnd  seigt^die  Fehler,  die  in  dieaer 
Beaiehung  vor  Allem  gemacht  worden. 

Wie  sehr  der  Canal  von  Suez  für  Italien  wichtig  ist,  kann  man  aas  der 
sehr  rälah  ausgestatteten  Uebersetaung  des  Lessepschen  Werkes  Über  dieaea 
Gegenstand  entaehment 

Aperhtra  e  canaliiMiione  delV  htmo  di  Sue%  deU  Ferd.  de  Lesseps,  traätaionm  M 
Prof.  ügo  Calindri.  Torino  1856.  Stamperia  deU  tmione  tipagraf.  508  Se 
mit  Plänen. 


Lileratorbericbte  aoB  Italioii.  6^7 

Die  lUiHener  ahnen,  daia  die  unmittelbare  Verbindan;  des  Mttteliiieerea 
mit  Ostindien  fUr  ihr  Vaterland  von  höchster  Wichtigkeit  ist«  Die  Italiener 
waren  unsere  Lehrer  in  der  SchiflTahrtskunde ;  ihre  Seefahrer,  ihre  Kaufleute 
waren  Helden,  Gelehrte,  Erfinder,  Entdecker.  Wenn  erst  dieser  Weg  geOffnel 
srin  wird,  dann  werden  die  Hafen  Italiens  aufs  neue  au  boheoi  Glans  kommen, 
der  jetzt  schon  durch  die  von  dem  strebsamen  Geiste  der  Genueser  eröffnete 
onniittelbare  Verbindung  mit  Brasilien  sich  in  den  letzten  Jahren  sehr  gehoben 
hat  und  noch  mehr  zunehmen  wird,  wenn  erst  die  Eiaenbahn  vom  Bodenaee 
nach  Chur  beendet  sein  wird;  denn  dann  wird  Genua  alle  andere  Häfep 
des  Mittelmeeres  überragen,  da  das  Herz  von  Deutschland  auf  dem  kürzesten 
Wege  erreicht  wird.  Selbst  Hamburg  hat  zu  -  fürchten ;  denn  Vs  ^^^  Jahres 
beiaahe  ist  dort  die  Schifffahrt  gehemmt. 

Diese  Verbindung  deB  Mittelländischen  Meeres  mit  dem  Rothen  Meere  hat 
10  dem  Königreiche  Sardinien  einen  so  bedeutenden  Anklang  gefunden,  dasa 
diesem  Unternehmen  eine  eigne  Zeitschrift  gewidmet  ist: 

BolUiino  del  hhno  di  Sua.  Torino  1856  Vol.  /.,  1857  Vd.  IL  Tip.  dell  uniane. 

Seit  dem  Juli  1856  bis  zum  Februar  1857  sind  bereits  14  Hefte  dieses  mit 
vielen  Planen  reich  auagestatteten  Werkes  erschienen,  das  Ton  dem  Herrn 
Hugo  Calindri  hernnsgegeben  wird,  wozu  ihn  der  geistreiche  Reisende,  ge- 
lehrte Professor,  Ritter  Baruffi  zu  Turin  aufgefordert  hat,  der  mit  den  aegyp- 
tischen  Verhältnissen  wohl  bekannt,  sich  für  alles  Gemeinn&tzliche  lebhaft  be- 
getsterU  Hier  findet  man  den  Firmen  des  Vice-Konigs  von  Aegypten,  welcher 
dieses  Unternehmen  bestätigt,  Vorschlage  zur  Verbessernng  der  Hafen  im 
Adriatischen  Meere  zur  bessern  Benutzung  der  Verbindung  mit  Egypten,  von 
dem  Minister  der  Staatsbauten,  Paleocopa  zu  Turin,  die  Verfügung  zur  Aus- 
baunng  des  Hafens  von  Genua  durch  den  Ministerpräsidenten  Graf  Cavoor 
veranlasst;  die  Berichte  und  Verhandlungen  der  Pariser  Commission  zum  Behuf 
dieses  Canals,  die  dieserhalb  gemachten  Forschungen  der  englisehen,  hollän- 
dischen nnd  andern  Regierungen.  Hierher  einschlagende  Aufsätze  von  Scara« 
helli,  Boccarda,  Harkgraf  v.  Brlgnole,  Pareto  und  viele  andere.  Besonders  beach- 
tenswerth  ist  die  Rede,  welche  der  obenerwähnte  Baruffi  über  diesen  Gegenstand 
gehalten  am  3.  September  1856  in  dem  wissenschaftlichen  Congresse,  der  für 
Prankreich  zu  Rochelle  abgehalten  wurde,  ferner  die  Bemerkungen  des  ge- 
lehrten Generals  Grafen  della  Marmore,  der  in  Deutschland  durch  seine  treff- 
liehen Arbeiten  über  Sardinien  rühmlichst  bekannt  ist;  ferner  über  die  Eisen- 
bahnen im  Piemontesischen  von  Intendonata  ;  endlich  sehr  viele  Abhandlungen 
Über  die  Zustände  Aegyptens,  über  die  Handels-Verbältnisse  und  die  Meinungen 
anderer  Volker  über  dieses  Unternehmen. 

Die  Theilnahme  des  Königreichs  Sardinien  an  dem  letzten  Kriege  gegen 
Rossland  hat  ein  grosseres  Werk  von  einem  Ungenannten  hervorgerufen, 
Welches  naeh  den  Zeitungsberichten  diese  Zeit  nicht  vollständig  dargestellt 
hat,  ohne  gerade  auf  einen  hohern  Werth  Anspruch  zu  machen. 
U  PiemorUe  nella  lega  Occidenttde  commeniarü.  Torino  1856,  Tip. 
Den  Anfang  dieses  Werkes  macht  die  Sendung  des  Fürsten  Menscbifcoff  im  J.  1853» 
nnd  so  schreitet  der  erste  Band  bis  zu  den  Ereignissen  im  h  1854  im  schwar- 
ten Meere  und  in  der  Ostsee  fort*    Erfreulich  iat  ea  fikr  nna  Devischei  daai 


t26  Literatarberichte  mu  tulieii. 

in  diesem  Werke  des  Preosseii  Brück  aoi  Elberfeld  mit  aller  AnerkemiiiBf 
Ifedacht  wird,  welcher  aeinem  Vaterlande  aohohe  Ehre  macht,  aber  aach  der 
Oeiterreichiachen  Regierung,  welche  es  y erstanden  hat,  einen  aoleben  hock- 
begabten Mann  auf  die  rechte  Stelle  su  setten,  was  in  manchem  andern  Lande 
fBr   unmöglich  gehalten  worden  wire. 

Auch  tu  einer  sehr  wichtigen  rechtlichen  Erörterung  hat  dieser  Kricf 
Yeranlassnng  gegeben,  worüber  der  bekannte  Rechtsgelehrte  Maneini  in  Taria 
•ine  sehr  gelehrte  Abhandlung  herausgegeben  hat: 

Raggionamenio  pei  Süftiori  Frateüi  Ro$d  di  Gmota  amlra  il  CapUamo  mmiuimt 
ÄugusHno  Maggiolo,  ManU  in  woprtma  Corte  di  Cossafiofie.  Tortao  i8SI. 
Tip,  Fwöole,  in  4. 

Der  Fall  war  folgender:  Das  Haus  Rossi  in  Genua  miethete  daa  Schiff 
des  Haggiolo,  um  in  Kertach  eine  Ladung  Getreide  einzunehmeD,  um  sie  aich 
Genua  au  bringen.  Als  der  letzte  im  schwarzen  Heere  ankommt,  findet  er 
den  Krieg  ausgebrochen  und  die  Ladung  unmöglich;  er  verlangt  daher  die 
Fracht  von  Rossi*  Dergleichen  Prozesse  waren  bisher  in  Livorao,  Neapel  aad 
Marseille  verschieden  abgeurtheilt  worden. 

IL 

Einer  der  vornehmen  Liebhaber  der  Gelehrsamkeit  in  Italieo,  der  Fttit 
Baldassare  Boncampagni  entdeckte  in  der  Bibliotheca  Ambrosiana  tu  Hailaad 
angedruckte  Werke  des  berühmten  Mathematikers  Leonardo  Pisano  ans  des 
13.  Jahrhundert,  welche  er  bekannt  gemacht  hat,  und  wovon  eben  die  I 
Auflage  erschienen  ist: 

Ojpvsco/t  a  Leonardo  Pitano,  publicaH  da  BaUassare  Boneampof/ni  secondä  k 
leaione  di  un  codice  deiia  inblioleca  AmbroMiana  di  Miiano,  Firetne  i856' 
Tip,  CMmU, 

Der  Herausgeber  hat  dabei  über  die  vorhandeoen  anderweitigen  Handschriftea 
dieses  in  der  Algebra  sehr  erfahrenen  Gelehrten  Nachricht  gegeben  und  nach- 
gewiesen, dass  ein  Theil  dieser  Schriften  dem  Kaiser  Friedrich  H.  gewidnel 
worden,  als  sich  derselbe  in  Pisa  aufhielt.  Mit  vieler  Sorgfalt  hat  der  Henut- 
geber  das  Jahr  festgestellt,  wo  dies  der  Fall  war,  und  Nachricht  über  des 
Leben  und  die  anderweitigen  Schriften  dieses  Pisaners  gegeben,  dessen  Lebei 
von  Filippo  Villani  beschrieben  worden,  wovon  eine  Handschrift  in  der  Ber- 
berinischen  Bibliothek  zu  Rom  sich  befindet.  Hierbei  bat  der  gelehrte  Herasf- 
geber  eine  Menge  Nachrichten  über  die  Geschichte  der  Arithmetik  und  der 
Algebra  gesammelt  und  es  ist  zu  bewundern,  welche  Menge  von  Bibliotbekea, 
Handschriften  und  Werken  der  verschiedenen  Zeiten  er  dazu  zu  benutzeu  ge- 
wusst  hat;  so  ist  das  grössere  Werk  desselben  Fürsten  Boncampagni,  wdcbei 
er  über  diesen  Mathematiker  noch  besonders  herausgegeben  bat,  den  Gelehrtea 
gewiss  willkommen:  „Intorno  ad  alcune  opere  di  Leonardo  Pisano,  lat- 
tematico  del  secolo  dezimoterzo,  Notitie  raccolti  da  B.  BoncampagnL  Roatt 
1854.  con  facsimile.  8.  VUl  und  409  Seiten. 

Ein  sehr  gelehrtes  Werk,  freilich  nur  für  ein  kleines  Publikum,  wolfoa 
Wir  nur  kurz  erwfthnon,  nftmlich  eine  Grammatik  der  Sanscrit-Spnche; 


Llterttarb«riehl0  am  Ttalien,  639 

OrmmuUiea  Santeriia  di  QUmanni  flecekitL  Torino  1856,  frtuo  MorieU. 

Herr  Flecchia  bat  diese  Sprache  beaondert  nach  den  deuUchen  Kennem  der- 
telben  (^'ündlich  erlernt,  und  sein  Werk  erfreut  sich  des  Beifalls  der  wenif^en 
Kenner  dieser  Sprache.  Er  ist  in  Turin  als  Professor  des  Sanscrit  anirestellt, 
nchdem  Herr  Gorresio,  der  bekannte  Professor  der  orientalischen  Sprache,  von 
dort  nach  Paris  übergesiedelt  ist,  um  das  berühmte  Gedicht  Ramayana  auf 
Kosten  der  Sardinischen  Rei^ierung  herauszugeben«  Der  Text  in  der  Ursprache 
omfasst  5  Bände,  unter  dem  Titel: 

Aamayafuf,  poema  indkmo  di  Vaimici,  per  0.  Gorresio.  ParigL 

Die  Uebersetxun(p  in  4  Bttnden  ist  bereits  bis  zum  3.  ausgegeben. 

Ein  merkwürdiges  geschichtlich-geographisches  Worterbnch  ist  vor  kurzem 
io  Turin  erschienen;  nimlich  ein  alphabetisches  Verzeiehniss  aller  Gemeinden 
io  Italien: 

Vnionario  generale  dei  cotnuni  ^Ilalia,  per  G.  MartoroA,  Torino  1856. 

Dies  kleine  und  sehr  enggedruckte  Wörterbuch  verdient  eine  besondere  Er- 
Ilatemng.  Es  soll  dasselbe  keins  der  gewöhnlichen  Stidte-  nnd  Dorfer-Ver- 
leichnisse  sein,  welche  man  in  allen  Lflndem  findet,  sondern  ein  Verzeiehniss 
tiler  Orte,  welche  ein  selbststündiges  Gemetndewesen  besitzen.  Wir  sind  in 
einem  grossen  Theile  von  Deutschland  auch  gar  nicht  daran  gewohnt,  jedes 
Dorf  als  eine  Gemeinde,  oder  zu  einer  Gemeinde  gehörig  anzusehen,  sondern 
stnil  cum  Theil  mit  dem  Gedanken  daran  aufgewachsen,  dass  jedes  Dorf  seinen 
leidigen  Herrn  hat,  und  der  Patrimonialherr  die  Gemeinde  ist,  wie  Ludwig  XIV. 
sagte:  La  France  c*est  moi !  Der  Italiener  erklärt  das  Wesen  dieses  Buehec 
folgendermassen :  Die  classischen  Volker  waren  vorzugsweise  Städte-Bewohner, 
welche  sich  als  ein  Monicipium  selbst  verwalteten;  die  Umgebungen  der  Städte 
waren  mit  Zubehör  desselben  Gemeindewesens,  das  seine  Gonsnin,  Proconsnin, 
Prätoren,  Adilen,  Decnrionen  n.  s,  w.  beibehielt,  als  die  nordischen  Barbaren 
das  Romische  Reich  zerstört  hatten.  Wenn  diese  auch  auf  den  festen  Burgen 
ticb  gegen  das  eroberte  Volk  schützten  und  in  ihren  Umgebungen  die  soge- 
nannten Rechte  des  Lehnwesens  ausübten,  welche  oft  viel  drückender  waren, 
als  es  die  heidnische  Sciaverei  gewesen,  so  wurden  doch  bald  die  Staut-Ge- 
aieinden  so  mächtig,  dass  deren  tapfere  Bürger  die  RaubscblOsser  brachen  nnd 
mitunter  die  stolzen  Burgherren  zwangen,  Bürger  zu  werden,  wie  dies  die 
Geschichte  der  Stadt  Cherasco  beweisst,  und  der  Hnth  einer  Bäuerin,  welche 
ihre  Unschuld  mit  dem  Dolche  vertheidigte.  Wo  im  Laufe  der  Zeit  eine 
Anzahl  Häuser  entstanden  war,  bildeten  sich  neue  Gemeinden,  ohne  Unter* 
schied,  ob  Stadt-  oder  Land-Gemeinden,  und  die  nicht  zerstörten  Burgen 
wurden  dazu  gezogen,  da  nur  wenige  der  kaiserlichen  Beamten  in  Italien  sich 
zu  Landesherren  machen  konnten,  während  dies  in  Deutschland  sich  anders 
gestaltete.  Auf  diese  Weise  ist  ganz  Italien  in  selbstständige  Gemeindewesen 
vertheilt,  die  hier  namentlich  aufgeführt  sind.  Selbst  dergleichen  von  300  Ein- 
wohnern bestehen  als  solche;  die  zn  einer  Gemeinde  gehörenden  kleinem 
Dorfer  heissen  Borgate« 


tJO  Literathriiericit«  «ni  Italien. 

Die  Gemeinde-Ordnung,  gewöhnlich  Stataten  genannt,  nach  denen 
Vorfahren  ihr  Gemeindewesen  ordneten,  sind  grOsstentheils  in  dem  Streben 
des  Generalisircns  unterg^egangen,  welches  eu  den  Codificationen  der  Neuzeit 
führte.  Darnach  haben  diese  Statuten  einen  bedeutenden  geschichtlichen  Werth 
und  die  Gesellschaft  zur  Heraus|;abe  der  vaterlandischen  Geschlchts-Quellea 
für  das  Königreich  Sardinien  hat  einen  Band  der  Monumenta  historiae  patriae 
einer  aolchen  Sammlung  von  Stadtrechten  gewidmet,  damit  aber  nicht  fort- 
gefahren, weil  man  fand,  dass  viele  derselben  ziemlich  gleichen  Inhalts  waren. 
Doch  hat  man  andererseits  den  hohen  Werth  solcher  Urkunden  fttr  die  Ge- 
schichte anerkannt  und  Professor  Bonaioi  in  Pisa  bat  sich  einen  bedeulenilen 
Rnf  durch  die  Heransgabe  der  Statuten  jener  Stadt  erworben,  so  wie  Herr 
Angelo  Pezzana  durch  die  von  Parma  und  Piazenza.  Es  ist  daher  ein  iriUck* 
Heber  Gedanke  des  Herrn  Advocaten  Boilati,  Secretair  des  Staata-Rallis  za 
Turin,  dass  er  sich  mit  mehreren  Rechtsgelehrten  verbunden  hat,  die  Statuten 
der  Gemeinden  des  Königreichs  Sardinien  einzeln  abdrucken  zu  lassen,  und 
mit  den  unedirten  anzufangen,  wodurch  zugleich  ein  grosseres  Werk  entstebt, 
welches  den  Titel  fuhrt: 

Momunenii  Ugali  del  Regno  Sardo  dal  Secoio  XU.  at  XV.  raccolH  ed  aUusfraii 
per  cura  di  una  societa  di  GiureeonsulU,  Fascicolo  L  ^i  tMuU  di  Aiie.  X»- 
Tino  i856,  Tip.  BoUa. 

Jedes  Statut  soll  ein  Ganzes  bilden,  wie  das  vorliegende  Heft  von  der  Stadt 
Aglie.  Wenn  durch  diese  einzelnen  Hefte  der  Vorrath  der  bekannten  Snrdi- 
nischen  Statuten  erschöpft  sein  wird,  von  denen  Herr  Boilati  bereits  eine 
grosse  Menge  gesammelt  hat,  da  ihm  zugleich  die  Bibliothek  des  Staatsrat hes 
in  Diensten  steht,  deren  verdienstvoller  Bibliothekar  er  ist;  dann  wird  dct^ 
selbe  eine  geschichtliche  Zusammenstellung  derselben  geben,  die  zeigen  wird, 
wie  die  Gemeinden  hier  nach  und  nach  sich  des  germanischen  Lehnwesena  zu  er- 
wehren vermochten,  dem  die  Gemeinden  in  Deutschland  und  Frankreich  der- 
gestalt unterlagen,  dass  es  dort  Grundsatz  wurde  :  nulle  terre  sans  seiirnenr! 
Unser  gelehrter  Savigni  hat  bedauert,  dass  bisher  diese  Quelle  der  Rechtsffe- 
schichte  im  Mittelalter  nicht  genug  bearbeitet  worden.  Herr  Boilati  wird  da- 
her diese  Lücke  für  diesen  bedeutenden  Theil  Italiens  ausfüllen,  wo  die  Ita- 
lienischen Könige  Berengar  und  Arduin,  in  Ivrea,  heimisch  waren,  die  sich 
sowohl  vor  der  kaiserlichen  Macht  schützten,  als  auch  hier  lange  die  Frei- 
heiten der  Ambrosianischen  Kirche  zu  Mailand  vor  dem  Einflüsse  des  Pabat- 
thums  bewahrt  hatten.  Die  vorliegenden  Statuten  der  Stadt  Aglie  sind  übr]«fenB 
im  Jahre  1448  in  lateinischer  Sprache  verfasst.  Dieser  Ort  ist  sehr  unbedeu- 
tend, war  aber  ebenfalls  sonst  der  Sitz  eines  möchtigen  Feudalherrn,  dessen  Nach- 
kommen noch  jetzt  den  Grafen-Titel  davon  führen,  aber  ebenfalls  nicht  ver- 
hindern konnten,  dass  sich  auch  dort  das  Gemeindewesen  vollständig  ausbildetet 
wahrend  ihre  Herrschaft  in  der  des  Hauses  Savoien  unterging,  der  sich  auch 
die  grössern  Städte  AstI,  Chieri  u.  s,  w.  unterworfen  hatten. 

Ein  Genosse  des  in  Deutschland  hochverehrten  Silvio  Pellico,  dessen 
engelgleiche  Geduld  die  Leiden  seines  Gefängnisses  überstehen  Hess,  und  dessen 
Werk  mit  dazu  beitrug,  manche  Vorurtheile  gegen    die  Italiener  in  Deutsch- 


Literaturberidtte  bq#  Ilali^a.  631 

laid  IQ  beieiliffen,  hat  jetzt  dieselbe  Zeit  seiner  Gefanfreascbart  bescbiieben« 
Dies  ist  der  Markf^raf  Geor^  rallavicino-Trivulzio  ans  Mailand,  ge{|^enwärtif 
Abgeordneter  der  zweiten  Kammer  zu  Turin. 

SpUlberqo  e  Gradisea,  scene  dtl  carcere  duro  in  AuUria  di  Giorgio  Paliamcino. 
Torino  1856,  Sutmpmia  dell  nnione  Tipogr, 

Der  Verfasser  weibt  uns  hier  in  die  Geheimnisse  der  Carbonari  ein,  welche 
in  Jahre  1820  mit  der  französischen  (geheimen  Gesellschaft  der  AdeYfia  in  Ver* 
binduni^  standen.  Am  10.  März  1821  kam  in  Alessandria  im  PtMnonteaiscbea 
diese  Verschwörung  zum  Ausbruch,  wttbrend  der  Graf  Gonfaloniere  in  Mailand 
aa  der  Spitze  der  Verbündeten  in  der  Lombardei  stand,  tu  denen  auch  der 
Verfasser  gehörte.  Der  Harkgraf  St.  Marsano,  den  ersten  Familien  Piemont« 
angehOrin^,  brach  mit  seinem  Regimente  von  Alessandrla  auf  und  schüchtert« 
den  General  de  la  Tour  in  dem  festen  Novara  dergestalt  ein,  dass  dieser  sich 
ergab.  Gonfaloniere  schickto  auf  diese  Nachricht  sofort  den  Pallavicino  dort« 
bin,  um  zu  bitten  sich  nach  der  Lombardei  zu  wenden ;  allein  die  Piemontesen 
hatten  genug  mit  sich  selbst  zu  thun«  Carlo  Alberto,  damals  Prinz  von  Ca- 
rignan,  fand  mehr  Anhänger  des  alten  Fendalwesens  als  er  geglaubt  hatte  und 
konnte  nicht  helfen.  Dennoch  musste  die  Polizei  in  Mailand  von  dieser  Mis- 
sion Nachricht  erhalten  haben,  der  Verfasser  wurde  einige  Monate  darauf  im 
Theater  sn  Mailand  verhaftet,  welches  auch  dem  Gonfaloniere  widerfuhr.  Beide 
mit  mehreren  andern  wurden  zum  Tode  verurtheilt,  doch  die  Strafe  wurde  in 
SOjfihrige  Festungsstrafe  verwandelt. 

Die  Frafre  über  die  Freiheit  des  offen tKchen  Unterrichts  hat  bei  den  Ver* 
handlungen  des  Sardinischen  Parlaments  im  Anfange  des  Jahres  1857  Viele 
sehr  lebhaft  beschäftigt.  £iner  der  Abgeordneten,  Graf  Ponziglione«  Verfasser 
der  oben  erwähnten  sehr  fut  geschriebenen  Biographie  des  Markgrafen  Caesar 
Salozzo,  hat  seine  Meinung  über  diesen  Gegenstand  in  einer  besonderen 
Sehrift  ausgesprochen: 

Vamminiitrazione  superiore  dtU  puhlico  inse^amento,  ottervasioni  del  ConU  Fer^ 
rero  Ponüglume.  Torino  1857,  pre$$o  Bocco, 

Er  weist  nach,  dass  schon  der  König  Victor  Amedeus  IL  zu  Anfang  des  vor, 
Jahrhunderts  befohlen  hatte,  wie  kein  Lehrer  im  Lande  eher  Unterrichtzu  ertheilen 
befugt  sei,  bis  er  seine  Fähigkeit  dazu  dem  Staate  nachgewiesen,  dass  Kaiser 
Joseph  IL  denselben  Grundsatz  befolgte,  ebenso  wie  Kaiser  Napoleon  I. ;  dennoch 
behauptete  Lamenais,  dass  vor  Napoleon  kein  Monarch  diese  Tyrannei  ausgeübt 
habe.  Der  Verfasser  erklärt  sich  im  Sinne  der  katholischen  Kirche  für  die  grösste 
Freiheit.  Er  sagt,  der  Mensch  war  früher  als  der  Staat,  der  Mensch  gehört 
zuerst  der  Familie,  nur  diese  hat  die  Erziehung  zu  leiten;  die  Spartaner  hatten 
den  Grundsatz  auf  die  Spitze  gestellt,  dass  die  Kinder  dem  Staate  gehörten; 
aber  dieser  Staat  hatte  auch  keine  Lebensdauer.  Wie  der  damalige  Bischof, 
■achheriger  Diplomat,  Fürst  Talleyrand,  in  der  constituirenden  Versammlung 
des  Jahres  1791  darauf  antrug,  Jedem  die  Freiheit  zu  geben,  sich  zu  unter* 
lichten,  wie  e^  i^olle,  und  sodann  ebenfalla  Unterricht  zu  ertheilen;  so  ver- 
langt  der  Verfasser  auch  diese  Freiheit   für  die  religiösen  Körperschaften, 


633  Limalarberi^te  au  Ilaliea. 

welcbe  Unterricht  ertheilen  wollen.  Der  VerfiMer  ist  ein  so  febiUeter  iia4 
ein  so  rechtlicher  Mann,  dass  man  bei  ihm  die  Ueberzeagung  Toratiseelxe« 
moss,  wie  er  auch  verlangt»  dass  diese  religiösen  Körperschaften  ihre  Pfliclit 
so  gewissenhaft  erfüllen  werden,  wie  der  Stifter  des  Christentbnms  beabsiclr- 
tigte,  als  er  das  Sittengesets  zum  ersten  Gesetz  der  neuen  Lehre  erhob* 

Das  Drainieren  macht  auch  in  Italien  Fortschritte,  woTon  ein 
schienenes  Werk  Zeugniss  giebt: 

Mmmale  dil  fogtuUoref   la  ^pruiiiea  M  dreitäggio^  di  Carlo  BerH  PiduU,    T« 
1856.  preuo  Pomba. 

Der  Verfasser  ist  im  Fache  der  Landwirthschaft  schon  vortheilhafl  dor^ 
seine  Istitntioni  d'Agricoltara  bekannt.  Wenn  auch  in  Italien  keine  so  grosse 
Landwirthschaften  betrieben  werden,  wie  in  Deutschland,  so  versteht  bwb 
doch  sein  Eigenthum  gut  zu  benutzen ;  und  es  fehlt  hier  weder  an  rationelien 
noch  an  gelehrten  Landwirthen. 

Der  gelehrte  Canonicus  Ritter  Spano,  in  Cagliari,  hat  wieder  einen 
neuen  Beweis  seines  unermQdlichen  Fleisses  in  Erforschung  seiner  ralerlin- 
dischen  AlterthUmer  gegeben,  indem  er  eine  Geschichte  und  Beschreibang  des 
Domes  zu  Cagliari  mit  mehreren  sehr  dankenswerthen  Abbildungen  veröffent- 
licht hat: 

Quida  M  Duomo  di   CagUari^  dd  Canonico  Q,  Spano,   Ca^ßiari  i856,   prcsj» 
Timon, 

Der  Verfasser,  bekannt  durch  das  erste  vollstMndige  Wörterbuch  der  Ssr- 
dinischen  Sprache  und  sein  Bulletin  der  Sardinischen  AlterthOmer,  ist  Vorstand  des 
Nationalgymnasii,  das  an  die  Stelle  des  Jesuitencollegü  zu  Cagliari  getreten  ist, 
welches  leider  auf  die  Insel,  wo  {sich  das  Feudalwesen  so  lange  erhalten  hatte, 
nicht  den  besten  Einfluss  gehabt  hat,  bis  die  Glieder  in  Folge  der  von  Carlo  Alberto 
gegebenen  Constitution  vertrieben  wurden.  In  den  Httnden  eines  so  nnterrichtetea 
und  anfgeklttrten  Mannes,  wie  Ritter  Spano,  wird  die  Erziehung  der  Jagend  io 
der  Hauptstadt  dieser  Insel  die  besten  FrUchte  tragen.  Auch  verspricht  derselbe 
einen  Wegweiser  für  Cagliari  und  die  Umgegend  zu  bearbeiten,  da  darober  noch 
sehr  wenig  in  das  Einzelne  Eingehende  vorhanden  ist*)  Die  von  H.  Spano  be- 
schriebene Cathedrale  wurde  unter  der  Herrschaft  der  Pisaner  im  Jahre  1312  er- 
baut, der  byzantinische  Styl  derselben  erlitt  mannigfache  Abänderungen  in  der  Zeit 
des  gesunkenen  Geschmackes  im  Anfange  des  18.  Jahrhunderts;  doch  blieben  die 
schonen  Marmor-  und  Granit-Saulen,  welche  den  zerstörten  antiken  Tempeln 
entnommen  worden  waren.  Die  Verzierungen  an  den  Kapellen,  Altären  nad 
Tabernakeln,  zeigen  von  ausserordentlicher  Pracht,  wfibrend  das  im  tiefsten 
Drucke  der  Lehnsherren  lebende  Volk  in  bitterer  Armuth  schmachtete,  so  dass 
man  hier  viel  Spuren  von  Frömmigkeit,  aber  wenig  von  Menschlichkeil  findet. 
Hier  ist  auch  das  Grabmal  des  Königs  Martin  IL,  welcher  mit  einem  starken 
Heere  ans  Spanien  hierher  gekommen  war,  seine  Mitbewerber  besiegte,  aber 


*)  Die  Insel  Sardinien  Ton  J.  F.  Neigebaur.  Leipzig   1856.  IL  Auflage 
Dyk'sche  Buchhandinng. 


Litentarberiohte  am  Italien«  639 

■K  CD  reichlich  frenotfenen  Lebensfreuden  starb.  Betondera  wird  hier  eine 
Madonna  mit  dem  Leichnam  Christi  bewundert,  welche  der  Franzose  Valery  t\\r 
ein  Meisterstück  aus  der  Schule  Rafaels  halt,  das  aber  weit  älter  ist*  Auch 
hier  finden  sich  classische  Bildwerke,  welche  in  Bebaltnisse  von  Reliquien 
Terwandelt  wurden.  Unter  andern  sieht  man  hier  eine  Urne  mit  einem  Relief, 
daa  eine  Men|[;e  verschiedener  musikalischer  Instrumente  darstellt,  und  viele  Ge- 
nien, die  ein  Opfer  befrleiten,  im  schon  verderbten  Geachmacke  des  3.  Jahr- 
handerts.  Ein  anderer  Sarcopha^  war  für  einen  Redner  bestimmt,  jetzt  be- 
finden sich  darin .  die  Gebeine  von  Heiligen.  Von  diesen  finden  wir  hier  be- 
sonders den  heilifren  Saturnin,  so  wie  den  heiligen  Lucifer,  welcher  einer  der 
ersten  Erzbischofe  in  Sardinien  war. 

in. 

Vornehmlich  ist  es  die  Politik,  die  in  den  Theilen  Italiens,  wo  darüber 
irg^end  etwas  gedruckt  werden  darf,  welche  die  Literatur  in  Anspruch  nimmt. 
Eine  solche  Erscheinung  ist  die  Schrift  des  bekannten  Geschichtachreibera 
Farini  über  die  italienische  Frage  in  einem  Schreiben  an  den  englischen  Mi- 
nister Gladstone  in  Folge  der  Verhandlungen  auf  dem  letzten  Friedens-Con- 
gresae  von  Paris: 

La  dipiomatia  e  la  quesHane  Italiana^  kttera  dei  Luigi  Carlo  Farini  al  ii^nor  Gu- 
glielmo  Giadstone,  Torino  t856,  Tip.  Scoloiiica, 

Der  Verfasser  hat  durch  sein  grosseres  Werk,  die  Geschichte  Italiens  von 
1814  bis  auf  unsere  Tage,  dessen  erster  Band  zu  Turin  im  Jahre  1854  heraus- 
kam, seinen  Beruf  dargethan,  über  die  Verhaltnisse  Italiens  das  Wort  zu 
nehmen;  besonders  aber  durch  die  Geschichte  des  Kaiserstaats  von  1815  bis 
1850,  Vrovoo  der  4.  Band  im  Jahre  1853  zu  Turin  herauskam.  In  der  vor- 
liegenden Schrift  erwähnt  der  Verfasser  des  grossen  Verdienstes,  welches  sich 
Gladstone  dadurch  erworben,  dass  er  die  Mängel  der  Regierung  von  Neapel 
vor  den  Augen  des  gesammteo  Europas  dargelegt  hat;  er  macht  aber  auch 
auf  die  Mängel  der  andern  Regierungen  in  Italien  aufmerksam.  Dabei  lAsst 
er  dem  guten  Willen  der  verwittwetcn  Herzogin  von  Parma  alle  Gerechtigkeit 
widerfahren. 

Von  der  Jetztzeit  wenden  wir  uns  der  Vergangenheit  zu,  welche  ohner- 
aehtet  des  Dranges  der  Gegenwart  in  Italien  viele  Gelehrte  beschäftigt,  und 
die  Literatur  mit  so  maochen  schätzbaren  Monographieen  bereichert.  Eine 
solche  ist  die  Geschichte  der  alten  Herren  von  Sarmatorio,  besonders  der  Fa- 
milie Operti  di  Tossano. 

Hapfi   anlieft   Signori  di  Sarmatorio,   Mansano  e  Monfahone,   ifüU  de^i  OperH 
Tosumesi,  memorie  tlorico  genealogiehe  per  0,  B.  Adriani.  Torino  i855. 

Dies  ist  aber  keine  der  kleinen  Monographieen,  wie  man  sie  gewöhnt  ist,  son- 
dern ein  Band  von  566  S.  im  grOssten  Quart-Format.  Besonders  wichtig  ist  die 
geschichtliche  Forschung  für  die  Gründung  des  Stammschlosses  Sarmatorio,  jetzt 
Salmona,  im  Piemonteaischen,  an  der  Stora  in  der  sonst  Sarmatia  genannten 
Landschaft,  von  dem  unter  Arcadius  und  Honorioa  hier  hausenden  Präfecten 
Sarmatorom  gentilicium  in  Liguria  PoUentia.  (S.  die  Heün|th  dea  Markgrafen  von 


Ad4  Literaturberichte  tos  Italien. 

Brandenburg  mit  der  Markgrilfln  Balbiano,  Ton  J.  F.  Neigebaar.  Breilaa  bei 
Kern.  1855,  wo  ein  anderer  Ursprung  dieses  Nameos  erwähnt  wird).  Der 
Verfasser  fOhrt  die  Geschichte  dieses  Schlosses  bis  aum  Jahre  901  urkundlich 
zurück. 

Ein  Prachtwerk  ron  demselben  Verfasser  ist  in  diesen  Tagen  in  Turin 
erschienen,  welches  der  Buchdrnckerkunst  nicht  blos  in  Italien,  sondern  Oberall 
Ehre  machen  muss;  dessen  reiche  Ausstattung  ein  Beweis  ist,  dass  hier  die 
ersten  Blassen  der  Gesellschaft  die  Wissenschaft  achten  und  derselben  ein 
Opfer  zu  bringen  geneigt  sind.  Da  das  Werk  nur  in  200  Exemplaren  gednidtt 
worden,  ist  natarlich  von  Gewinn  nicht  die  Rede,  sondern  es  ist  hauptsichlich 
zu  Geschenken  bestimmt,  so  dass  es  nur  selten  in  Bibliotheken  zu  sehen  sein 
wird,  dabei  ist  es  mit  Kupfern  und  Facsimilen  ausgestattet«  Obwohl  dies  Werk 
nur  als  eine  Biographie  erscheint,  ist  es  doch  ein  Buch,  welches  den  Stoff 
zu  mehreren  BUcbern  enthalt,  der  in  den  gründlichen  Anmerkungen  zu  den 
vielen  meist  ungedrnckten,  hier  zum  erstenmale  bekannt  gemachten  Urkunden 
enthalten  ist«    Der  Titel  dieaer  Pracht-Ausgabe  ist: 

Memorie  della  viia  e  det  iempi  cfi  Monsignor   Gio»  Secondo  Femro^PonUgGone^ 
da  GiamhaHMta  Ädriani,  Torino  1856»  ffreuo  Ribotta,  gr,  4.  pag,  702, 

Der  Inhalt  ist  das  Leben  und  die  Zeit  des  Haus-Geistlichen  des  Pabstes  Un- 
ban  VIII.,  Geheimen  Rathes  des  Cardinais  Moritz  von  Savoien.  Die  Abstanr» 
raung  dieses  damals  bedeutenden  Mannes  giebt  dem  gründlichen  Forscher  der 
Geschichte  des  Mittelalters  Gelegenheit,  bis  in  die  Zeit  zurückzugehen,  iro 
Kaiser  Otto  I.  noch  in  Italien  mfichtig  war.  Allein  die  kaiserliche  Macht  wnr 
bereits  in  dem  germanischen  Lehnwesen  untergegangen.  Die  Diener  Kainer 
Carls  des  Grossen,  seine  Bamten,  waren  unter  seinen  Nachfolgern  Landesherren 
geworden  und  jeder  Ritter  anf  seiner  Burg  machte  den  Despoten  Ober  seine 
Nachbarn.  So  waren  auch  in  Ober-Italien  damals  schon  die  VerhSltnisse  g^e«- 
staltet;  die  Kaiser  suchten  damit  Aushülfe  zu  schaffen,  dass  sie  zn  Verwaltung- 
Beamten  hfiufig  Bischöfe  einsetzten,  weil  diese  wenigstens  ihre  Herrschaft  nicht 
auf  ihre  Kinder  vererben  konnten.  Das  vorliegende  Werk  enthalt  für  die  Zeit  des 
Kampfes  der  Stfidte  gegen  das  Feudalwesen  bOchst  merkwürdige  Mittheilungeai. 
In  dem  fruchtbaren  Thal  des  obern  Po,  voll  von  festen  Burgen  der  germaniachen 
Feudalherren,  die,  wenn  auch  dem  Lande  selbst  mitunter  angehOrig,  diese  fremde 
Einrichtung  angenommen  hatten,  war  die  gerühmte  Tapferkeit  der  Bitter 
nicht  im  Stande,  das  Land  ror  den  Verwüstungen  der  Sarazenen  zn  schlitzen; 
von  diesen  so  hoch  gepriesenen  Rittern  unangefochten,  streiften  diese  kühnen 
Seefahrer  bis  in  die  Thaler  der  Alpen.  Aus  alter  Zeit  hatten  sich  die  Stidte 
Turin  und  Asti  bei  ihrem  früheren  Municipalwesen  erhalten,  und  auch  jetsi 
besitzen  sie  noch  ein  von  der  Stadt  gewähltes  Collegium  der  Aedilen,  und 
hatten  ihre  Selbst-Verwaltung  nicht  verloren,  wie  dies  in  Deutschland  der  Fall 
gewesen  war,  wo  noch  jetzt  in  manchen  Staaten  das  Gemeinde wesen  zieh  der 
Bureancratie  nicht  erwehren  kann.  Unser  Verfasser  nimmt  von  der  Abatan»- 
mung  der  Familie  Ferrero  Veranlasaung,  von  ihrer  Burg  oberhalb  der  jetsigem 
Stadt  Cherasco,  am  Tanaro,  zu  sprechen,  welche  von  der  Stadt  Alba,  die 
«nterdess  eine  machtige  Gemeinde  gebildet  hatte,  dahin  gebracht  wurde, 
der  Schloaaherr  am  id.  Februar  1199  Bürger  werden  mvaate*    Spiter 


Lftentarberichte  ans  Italien.  035 

lie  fich  zar  BOrifertreue  i^eiren  dfe  in  der  Nfthe  enUtindeoe  neue  Stndt  Che- 
rasco  verpflichten.  Doch  scheint  der  BUr^ereid  des  Ritters  nicht  von  I&ii- 
leerer  Dauer  ifewesen  zu  sein,  als  seine  Rittertreue  für  den  Kaiser  (rewesen 
war;  denn  die  Bur(;  Hansano  wurde  im  Jahre  1246  von  den  tapfem,  damnis 
stets  wehrhaften  Burf^ern  terstort,  und  batd  gfewöhnten  sich  die  ehemaligen 
wilden  Ritter  an  die  Ordnnn};  de^  Gemeindewesens,  dass  schon  nach  einiiren 
Jahren  ein  Ferrero  aus  diesem  Stammschlosse  zu  den  7  Gemeinde-Aeltesten 
(Sa vi),  also  zu  deren  7  Weisen  gehörte,  und  spater  zwei  dieser  Familie  im 
Jahre  1294  mit  10  anderen  Vätern  der  Stadt  gewShU  wurden,  um  die  Statuten 
von  Cherasco  auszuarbeiten.  So  treibt  der  Geist  des  Burgerthums  dasselbe 
zur  Unterordnnnfir  unter  das  Gesetz,  wilhrend  das  Ritterwesen  nach  Unabhän- 
gigkeit strebt,  welche  zuletzt  das  Staatsleben  untergrübt.  Darum  blieben 
dieae  BUrfrer  auch  dem  Kaiser  treu,  wie  eine  Urkunde  vom  12.  Novbr.  1243 
beweist,  nach  welcher  Unterthanen  der  Herren  von  Bra  nach  Cherasco  zogen, 
weil  der  Fendaldruck  zu  hart  auf  ihnen  lastete:  propter  injnrias,  quaa  eis  in- 
jnste  inferebant,  und  weil  sie  dem  Kaiser  untreu  wfiren,  qnia  inimici  Domini 
imperatoris,  onde  noientes  esat  rebelles  Domno  Imperatori,  sed  fideles.  Es 
beisst  darin  weiter:  ad  honorem  et  laudem  et  gloriam  Domini  Imperatoris 
villam  constrnere  ceperant  et  eam  ad  utilllatcm  Domini  Imperatoris  consiruxe- 
rant  sub  custodia  et  protectione  Domini  Imperatoris.  Leider  wurde  aber  bald 
die  Hierarchie  so  mächtig,  diiss  sie  die  Unterthanen  des  Kaisers  von  ihrem 
Eide  freisprach,  und  die  deutsche  Treue  ihre  Kaiser,  aus  Furcht  vor  dem 
Pabste,  so  schlecht  unterstützte,  dass  die  italienischen  Stfidte  endlich  auch  von 
der  Treue  gegen  den  Kaiser  abwendig  gemacht  wurden.  Doch  wurde  in  Ita- 
lien das  Lehnwesen  damals  schon  gründlich  gebrochen,  wflhrend  in  Deutsch- 
land die  durch  den  Feudnldruck  zu  den  sogenannten  Bauernkriegen  gebrachten 
Unterthanen  der  Ritter  als  Rebellen  behandelt  wurden,  obwohl  sie  dem  Kaiser 
nie  untreu  werden  wollten.  Den  schlechtesten  Namen  unter  den  in  Italien 
eingefallenen  Barbaren  haben  sich  die  Franken  gemacht,  welche  besonderi 
in  den  fruchtbaren  Thälern  unter  dem  Col  dl  Tenda  und  an  der  Stura  ihre 
Schlosser  hatten,  wo  sie  das  Lehnwesen  systematisch  ausübten,  und  reiche 
Klöster  stifteten,  dabei  aber,  wie  gesagt,  das  Land  so  wenig  gegen  die 
Sarazenen  vertheidigten ,  dass  Konig  Hugo  den  Kaiser  von  Byzanz  bitten 
musste,  mit  einer  Flotte  und  griochischeni  Feuer  zu  Hülfe  zu  kommen»  um 
die  sich  hier  so  fest  eingcnistelcn  Sarazenen  zu  vertreiben,  dass  sie  von  allen 
aus  Frankreich  nach  Italien  Reisenden  Zoll  erhoben.  Dies  geschah  zu  Ende 
des  10.  Jahrhunderts,  während  die  deutsche  Ritter,  die  vom  Stegereif 
lebten,  noch  mehrere  hundert  Jahre  später  die  Kaufleute  auf  den  Heer- 
atrassen  ausraubten.  Alle  diese  Verhältnisse  beförderten  die  Entstehung  der 
meisten  Städte  im  Piemontesischen,  und  den  Fall  des  Lehnwesens,  worüber 
in  dem  anliegenden  Werke  des  Prof.  Adriani  die  schätzbarsten  urkundlichen 
Nachrichten  mitgetheilt  werden.  Er  hat  dabei  mit  seiner  Ansicht  über  unsere 
deutschen  Verhältnisse  nicht  zurückgehalten;  indem  er  unter  den  Mitgliedern 
der  alten  Familie  Ferrero-Ponziglione,  Aerzte,  Syndici,  und  Bürgermeister  auf- 
führt, sagt  er:  der  Piemontesische  Adel  hat  es  atets  für  ehrenvoll  gehalten, 
•ich  durch  Wisaenaobaft  anazuaeicbnen,  und  dnrch  Handel  im  Groaaen  ihre 
Familie  im  Wohlstande  zu  erhalte«;  aömit  war  er  weit  von  dem  jeMeitt  der  Alpen 


1 


98$  Literatiirberichie  •»  llaliea. 


bettebondon  Vorortbeile  eotfernt,  wornacb  Nicbtilbao  edler  iei  alt  D&tilidie 
Beichiftiftan^ ,  ond  dass  der  Kriegsdienst,  selbst  im  Frieden,  der  einxige 
Beruf  des  Adels  sei.  Tapferkeit  des  Soldaten,  besonders  des  Offisiers,  ist  kein 
Verdienst,  sondern  eine  Pflicht! 

Ansser  der  Lebensgescfaichte  dieses  Staatsmannes  aus  dem  17.  Jahrhandeit 
und  den  geschichtlichen  Anmerkungen,  aus  denen  wir  das  Vorhergehende  ent- 
nommen haben,  enthttit  dies  gelehrte  Werk  eine  Menge  nngedruckter  Urkunden 
und  Briefe,  welche  in  Besiehung  auf  diese  Thatsachen  aus  den  Familien-  und 
öffentlichen  Archiven  entnommen  sind*  Dasu  gehört  unter  andern  ein  Brief 
des  Kaiser  Carl  V.,  aus  Burgos,  vom  20.  April  1524,  in  spanischer  Sprache, 
worin  er  einen  Ponziglione  dem  Costa  Herrn  von  Bene  und  Carru  empieUt 
Dies  in  einer  Pracht- Ausgabe  von  so  wenig  Exemplaren  gedruckte  Werk  eal- 
hlllt  ausserdem  Abbildungen  von  dem  Grafen  Ponsiglione,  den  dies  Werk  be- 
trifft und  von  dem  jetzt  lebenden  Mitgliede  dieser  Familie,  welcher  die  Kosten 
lu  dieser  typographischen  Seltenheit  hergegeben  hat,  so  wie  von  einigen  Fa- 
milien-Grabmfllern.  Der  gelehrte  Herr  Verfasser  ist  jettt  besehiftigt,  die  Ge- 
schichte des  Cardinal  Moriti  von  Savoien  cu  schreiben,  wozu  er  als  Mitglied 
der  Gesellschaft  snr  Herausgabe  der  vaterlttndiscben  Geschicbtsquellen  die 
beste  Gelegenheit  hat,  indem  ihm  das  trefflich  geordnete  Staats-Archiv  zu 
Turin  geöffnet  ist. 

Auch  von  einer  italienischen  Schriftstellerin  können  wir  wieder  einmal 
etwas  erwilhnen,  nümlich  eine  Gesebichte  der  italienischen  Literatur  der  erste« 
vier  Jahrhunderte  derselben,  vom  13.  bis  zum  16.  Jahrhundert  einschliesslich: 

I  pnmi  qwUro   secoli  diUa  hftertUura  llaliana  da   Catarina  Ferrucci,    Firtnu 
1856,  iL  Voll  presso  BianchL 

Die  Verfasserin,  Franceschi-Ferrucci,  hat  sieh  bereits  durch  mehrere  schrili- 
stellerische  Arbeiten  einen  guten  Nemen  gemacht;  sie  ist  die  Gemahlin  des 
ebenfalls  geachteten  Prof.  Ferrucci  in  Pisa.  Sie  hatte  eine  sehr  gefchatste 
weibliche  Erziehungs-Anstalt  in  Florenz  errichtet,  wo  sie  anfing,  ihre  Zög- 
linge auch  in  der  Muttersprache  zu  unterrichten.  Denn  in  Italien  wurden  bis- 
her, besonders  aber  in  Piemont  und  Toscana,  die  jungen  Damen  nur  in  der 
französischen  Sprache  ausgebildet.  Dies  kam  von  dem  Einflüsse  der  Höfe, 
denen,  wie  in  Deutschland,  die  Muttersprache  missfiel;  daher  die  Ersiehnng 
den  französischen  Nonnen  vom  heiligen  Herzen  anvertraut  wurde,  welche 
nur  adelige  Zöglinge  aufzunehmen  pflegten,  so  wie  dies  auch  in  den  Jesuiten* 
Convicteu  der  Fall  war.  Jetzt  sind  in  Piemont  dagegen  National-Collegiea 
errichtet  worden,  wo  auch  weltliche  Lehrer  angestellt  sind,  und  der  Zutritt 
Alien  gestattet  ist.  Auch  fur  das  weibliche  Geschlecht  ist  jetzt  gesorgt  worden. 
Namentlich  hat  die  Harkgräfin  Therese  Doria,  geb.  Durazzo,  in  Genua,  eine 
Pensions-Anstalt  gegründet,  welche  zum  Zweck  hat,  gute  Italienische  Frauen 
SU  erziehen. 

Ein  junger  Neapolitanischer  Gelehrter,  Bonghi,  hat  in  einer  eben  jetil 
erschienenen  Schrift  nachgewiesen,  warum  die  italienische  Literatur  in  Italien 
selbst  nicht  volksthttmlich  ist: 

I'Clfere  crtlicike  di  Rugqiero  Bangki^  perche  la  Utterahwu  lUüama  nm  sm  ptf^ 
lare  in  iuUia,  Miiano  iS50.  presso  Mombo, 


Literatarberlehte  aai  Italien.  037 

Dieser  ffelehrte  Schriftsteller,  von  welchen  wir  Uebersetsun^en  griechi- 
scher Tragiker  kennen,  ist  einer  von  den  zahlreichen  Beweisen,  dass  die  Ita- 
liener die  Wissenschaft  aus  reinem  Eifer  betreiben,  nicht  des  Brod-Erwerbes 
wegen.  Freund  der  Philosophie,  sog  er  den  Aufenthalt  in  dem  kleinen  Städt- 
chen Stresa,  am  Lago  Maggiore,  dem  in  Paris  nnd  Turin  Tor,  wo  ihn  der 
Einsender  abwechselnd  fand,  weil  dort  Rosmini  lebte,  in  dessen  Umgang  er 
lieh  sein  philosophisches  System  aneignen  wollte. 

Fflr  Liebhaber  von  Volksliedern  erwähnen  wir 

CmH  popolari  Tosctmi,  raecolU  da  Gfiiiscppe  7i^  Ftrsnae  iS5S.  frt$to  Btoitdkt. 

Far  GeacbäftsmäDner  ein  Buch  Qber  das  Rechnungswesen  in  Kanfmanns- 
nd  andern  Geachftflen,  das  bereit«  die  6.  Aufl.  erlebte: 

Comfendio  di  ariimeficti-i^tica  da  GiambatHsia  ScoUi,  Tonno  1857,  preuo  Franco. 

Der  Verfasser  ist  Professor  am  Natlonal-CoHeginm  zu  Genua,  wo  man  stets 
sehr  wohl  zu  rechnen  verstanden  hat 

Von  Uebersetzangen  ist  zu  erwähnen  das  vom  Professor  an  der  katholi- 
schen Universität  zu  Dublin,  Newman,  herausgegebene  Erbauungsbuch  „Ge- 
winn und  Verlust  eines  Bekehrten". 

PerdUa  e  guadagno  di  un  ContertUOf  Ad  R,  E.  IVetrman,  tradoito  ddU  A.  S.  Mi" 
loMO.  i857.  presso  Viepoto. 

denn  die  Presse  ist  auch  von  Seiten  der  Geistliehkeit  nicht  mttssig,   in  ihrem 
Sinne  zn  wirken. 

Einer  der  bedeutendsten  SchrifUteller  der  Jesuiten  dürfte  jetzt  woU  der 
Pater  Ludwig  Tapparelli  sein.  Er  ist  der  Bruder  des  als  einer  der  Vorkäm- 
pfer der  italienischen  freisinnigen  Bewegung  rühmlichst  bekannten  ehemaligen 
Ministers  Hassimo  d'AzegÜo,  aus  der  alten  reichen  Familie  der  Markgrafen 
Azeglio  im  Piemontesischen.  Von  diesem  Jesuiten  Tapparelli  ist  jetzt  der  2. 
Band  aeines  Naturrechts  erschienen: 

Saggio  ieorico  di  diritto  naiuraU  applicaio  sul  faUo,    daU  Lvigi  Tapparelli,  Roma 
i855,  IL  Vol.  in  der  Druckerei  der  Civilla  catlolica. 

Von  welchem  Geiste  dieses  Naturrecht  ausgeht,  kann  man  ans  dem  Werke 
daaaelben  Verfassers  über  die  constitutionellen  Regierungen  entnehmen: 

Esame  criüco  degU  ardim  repreienkUivi  nella  iocieta  modema,  per  Luigi  Taippa^ 
rein,  Roma  i854,  11  Vol.  Tip,  d,  Civ,  caiU 

Auch  fehlt  es  in  Italien  jetzt  unter  den  Katholiken  nicht  an  Werken, 
welche  die  Missbräuche  der  Kirche  ungescheut  aufdecken,  seit  in  den  katho- 
lischen Staaten  des  wahrhaft  constitutionellen  Königs  von  Sardinien  Press- 
freiheit herrscht;  wir  machen  nur  aufmerksam  auf  die  Schrecken  der  In- 
quisition von  Latty,  welcher  Uebersetzungen  aus  den  bekanntesten  spa- 
nischen und  französischen  Werken,  mit  bedeutenden  Zusätzen  vermehrt^  her* 
ausgegeben  hat: 

GU  arrüri  delT  InqmsUime  e  h  arH  ddla  corfe  Romana^  per  Giu$efpe  LaUy^ 
Tarmo  iSSO,  pretMo  Perrm^  mit  vielen  Abbildungen« 


638  titeritfarb«ricfate  auf  Italien. 

In  Italien  genieMen  beaonders  die  Neapolitanischen  Recbtsgelehiten  eiaen 
bedeutenden  Ruf,  welche  an  Vico  ein  berühmtes  Vorbild  haben.  Hehrere  der- 
selben, durch  die  Revolution  von  1848  aus  ihrem  Vaterlande  vertriebeo,  bal^n 
sich  jetzt  in  Turin  niedergelassen,  von  denen  Scialoja,  sonst  Hinister  des  Hair 
dels  in  Neapel,  jetzt  mit  Arbeiten  im  Fache  der  Gesetzgebung  bei  dem  Sar- 
dinischen Hinisterium  beschäftigt  ist.  Mancini  ist  als  Professor  bei  der  Turiacr 
Universität  angestellt,  und  seine  Vorlesungen  Über  Volker-  und  Seerecht  ge- 
niessen  grossen  Beifall,  ausserdem  ist  er  aber  auch  ein  sehr  beschifli(^ 
Advocat.  Arbarolla  de  d'Afflitto  wurde  mit  dem  ehemaligen  römischen  Geist- 
lichen, de  Sanctis,  Stifter  mehrerer  italienischer  evangelischer  Gemeinden  in 
Piemontesischen.  Das  von  dem  ersteren  verfasste  Glanbeosbekenntniss  wnrde 
bei  G.  Bähnisch  in  Leipzig  1856  von  J.  F.  Neigebaur  herausgegeben.  Auch  dar 
Advocat  Tosano  ist  in  Turin  als  beliebter  Sachwalter  eingebürgert.  Besondeis 
aber  müssen  wir  auch  den  Advocatcn  Pisanelli  erwähnen,  da  er  in  dieses 
Tagen  ein  Werk  über  die  Elnfttbmng  der  Geschwornen-Gerichte  herauige- 
geben  hat: 

Dell'  hUhmone  d$*  GiuraU  per  Vavvocalo  Giuseppe  PisaneUi,  Torino  1856.  preu» 
Fomba. 

Man  beabsichtigt  nämlich  in  dem  Königreiche  Sardinien  die  Geschwornen  all- 
gemein einzuführen,  und  ist  es  auffallend,  dass  in  Italien,  dem  Vaterlands 
Beccarias,  bisher  das  Bedürfniss  dieser  Einrichtung  nie  gefühlt  worden  ist. 
Bei  allen  Bewegungen  für  den  Portschritt  ist  in  keinem  Theile  Italiens  daaa 
der  Versuch  gemacht  worden,  selbst  nicht  in  dem  Königreiche  Neapel,  wo  die 
Napoleonische  Gesetzgebung  nicht  nur  eingeführt,  sondern  auch  beibehalten 
worden  ist  Auch  im  Königreiche  Italien  wurden  die  Geschwornen  unter  Na- 
poleon nicht  eingeführt.  Was  aber  am  meisten  auffallen  rauss,  fit,  dass  in 
dem  Piemontesischen,  welches  einen  Theil  von  dem  Kaiserreiche  unmklelbar 
bildete,  in  dieser  Beziehung  eine  Ausnahme  gemacht  worden  war,  obneraebtat 
Napoleon  sonst  auf  Gleichheit  in  seinem  weiten  Reiche  hielt.  Wenn  man  nach 
der  Ursache  dieser  auffallenden  Erscheinung  fragt,  erhält  man  zur  Antwort, 
dass  die  italienischen  Juristen  nie  dafür  gewesen,  und  gestehen  muas  man, 
dass  auch  in  Deutschland  die  Geschwornen  unter  den  Rechtsgelehrten  die 
meisten  Gegner  fanden.  Pisanelli  spricht  sich  für  die  Einführung  der  Ge- 
schwornen aus.  Uebrigens  giebt  derselbe  mit  den  genannten  Herren  Mancini 
und  Scialoja  den  Comentar  zur  Sardinischen  Gerichts-Ordnung  heraus, 

Commentario  dd  codice  di  procedura  civiU  per  gli  staii  Sardi.  Torino  1856,  presto 
Fomba, 

wovon  bis  jetzt  21  Lieferungen  erschienen  sind. 

Auch  ein  bedeutender  Rechtsgelehrter  aus  Sicilien,  Herr  Fr.  Ferrara,  ist  bei 
der  Universität  zu  Turin  als  Professor  der  Staats  Wissenschaft  angestellt;  er 
giebt  eine  Sammlung  der  bedeutendsten  Werke  über  diesen  Gegenstand,  die 
ausländischen  in  italienischer  Uebersetzung,  unter  dem  Gesammt-Titel:  Biblio- 
teca  dell  Bconomista,  heraus: 

ScOiä  coüeüone  däfe  piu  mporituUi  produHOm  dl  §co»omia  polkica.  fork»  18$f. 
preuo  Fomba, 


Literatarberichte  auf  Italien*  630 

Von  diesem  groaaeq  Werke  lind  bereits  13  Binde  erachienen» 

Von  der  Geschichte  der  italienischen  Literatur  von  Corniani,  mit  den  Zu- 
sltxen  Ton  U|^oni  und  Ticozzi  ist  jetxt  der  8.  und  letzte  Band  erschienen: 

/  Secoli  della  Letieratura  Italiana  dopfto  il  tuo  risorgimenio  di  Giambattisfa  Cor- 
nianif  eaniutuaia  di  T.  Prtdaru  Tortiio  1856.  presto  Pomba. 

Herr  Predari  hat  einen  bedeutenden  literarischen  Ruf,  und  gab  sonst  in  Turin 
eine  Literatur-Zeitung  heraus.  Jetzt  widmet  er  sich  ganz  der  Herausgabe 
des  grossen  italienischen  Con versa tions-Lexikons,  welches  der  onternehmende 
Buchhändler,  Ritter  Pomba,  in  Turin  gegründet  und  wovon  jetzt  die  4.  Aofl« 
erscheint,  welche  um  mehrere  Tausend  Artikel  bereichert  ist: 

fiuova  Enciciope^Ua  popolare  Italiana  owero  duiönario  ^meraie  di  scisims^  /el- 
Icre,  orA^  sioria^  elc  Torino  iS57.  preuo  Pouiba. 

Dies,  von  den  bedeutendsten  Kräften  Italiens  ausgestattete  Werk  enthält  Tau-> 
sende  von  Illustrationen ,  die  in  den  Text  eingedruckt  sind ,  und  werden  5 
Personen  allein  mit  der  Redaetion  beschäftigt,  an  deren  Spitze  Herr  Predari 
steht,  dem  eine  ganze  Bibliothek  von  ähnlichen  Werken  angewiesen  ist.  Hier 
findet  man  das  Conversations-Lezikon  von  Pierer,  Brockhaus  u.  a.  m.,  aus 
allen  Sprachen.  Der  erste  fertige  Band,  im  grOssten  Lezikon-Fermat,  reichte 
noch  nicht  fQr  den  Buchstaben  A  aus,  und  das  Ganze  wird  24  Bände  um- 
fassen, und  da  jeder  Band  20  Franken  kostet,  auf  480  Franken  au  stehen 
kommen ;  so  dass  dies  Werk  mit  dem  Einbände  einen  Aufwand  von  150  Thir. 
erfordern  wird.  Man  sieht,  dass  die  italienischen  Bochhändler  auf  Käufer 
unter  den  reichen  Leuten  rechnen  k(»nnen.  Dies  ist  natürlich,  denn  in  Ita- 
lien alnd  im  Allgeineinen  die  Vornehmsten  ancb  die  Gebildetsten  und  ip  den 
ersten  Klassen  der  Gesellschaft  findet  man  die  grössten  Gelehrten,  und  ein 
Professor  von  bedeutendem  Rufe  wird  in  den  ersten  Zirkeln  gesehen  und 
geachtet.  Hier  hört  man  nie,  wie  der  Einsender  in  Deutschland  horte,  als 
von  Briefen  eines  Verstorbenen  die  Rede  war,  über  den  Verfasser,  den  Für- 
sten Pockler,  sagen  t  Schade,  dass  ein  so  vornehmer  Herr  sieh  mit  Schreibe- 
reien abgiebt!  Seine  Standes-Genossen  hielten  dies  für  ein  Herabaieigen  von 
seiner  Würde,  wogegen  dies  in  Italien  für  eine  grosse  Ehre  gerechnet  wird. 

Aber  auch  für  wohlfeile  Ausgaben  wird  in  Italien  gesorgt,  an  welchem 
Ende  die  genannte  Buchhandlung    eine   „Biblioteea  popolare**    gestiftet  hat, 
deren  letzten  Bände  eine  Uebersetzung  der  englischen  Geschichte  von  Macau- 
Uiy  enthalten. 
Storia  d^InghÜterra^  di  J,  ßaUnglon  Macauly^  versione  di  E.  E.  NicoU,    Torino 

1856.  presto  Pomba. 

Diese  bedeutende  Bachhandlung  hat  jetzt  die  Firma  des  Turiner  Verlagsver- 
eins angenommen;  Unione  Tipografica - Editrice  Torinese.  Eine  Tochter  des 
würdigen  Begründers  dieses  verdienstvollen  Unternehmens  ist  jetzt  in  Con- 
stantinopel  als  die  Gemahlin  des  Sardinischen  Gesandten  an  der  Hohen 
Pferte,  des  General  Durando. 

Wir  müssen  noch  eines  grösseren  Werkes  ans  dieser  Anstalt,  4m  Lehre 
▼«HB  AakflffbaB  im  weitesten  Umfange  erwähnen,  welches  in  6  Bänden  erseheint^ 
▼on  denen  bereits  61  Lieferungen  avsgegeben  worden  sind« 


640  Literatarberichle  ant  Italien. 

/jfttostOfit  tcienlifiche  e  iecuiche  ogsia  corso   di   AgricoUitra  Übri  30,^  di  CWio 
Berti-Pickai.  Torino  1857.  presto  Pomba. 

Aach  diesei  Werk  iat  mit  1800  in  den  Text  einipednickten  Holaachaitteo 
veriehen. 

Von  dem  Handbuche  fttr  Gewerbe-Chemie  von  dem  Ritter  Sobrero 

Manuale  di  Chimiea  appUoata  aUe  arti  dal  Profenore  Ageanio  Sobrero.  ib. 

und  von  den  Anfangsgründen  der  Mineral-Chemie  von  dem  gelehrten  Pro- 
feaaor  Selmi  lu  Turin 

PrincipU  eUmeniari  di  Chimioa  minerale  per  Franoeeeo  Selmi.  ib, 

iit  eine  zweite  vermehrte  Auflage  erachieoen. 

Von  der  allgemeinen  Weltgeachichte  von  C.  Cantn  ift  die  8.  Aoflage  in 
demaelben  Verlage  in  Arbeit: 

Storia  univereaU  di  Ceeare  Caniü.  ib, 

wovon  bereit«  3  Bflode  eraehienen  find;  das  Ganze  wird  16  Binde  umfafiea, 
die  dazu  gehörigen  Urkunden  und  Belege  in  9  Bänden. 

DocumenH  aUa  ttoHa  uni»er$ale  di  Ceeare  CanUu  ib^ 

haben  bereitf  in  der  8.  Aufl.  zu  erscheinen  angefangen,  und  von  dem  neaea 
Werke  desielben  Verfassers,  die  italienische  Geschichte, 

JStoria  degli  Italiani  di  Ceeare  CanHi.  ib, 

welches  6  starke  Bande  umfassen  wird,  sind  bereits  4  Bfinde  ausgegeben. 
Von  dem  grossen  Lateinisch-Italienischen  Wörterbuch  zum  Schulgebraad 

Vooabtdario  tmivereale  Latino-ltaUano   e   ItaUano-Latino  da  A,  BazMorüU  e  B, 
BeUini  riveduto  dal  C,  T,  Vallauri,  ib, 

sind  bereits  50  Lieferungen  ersehienen.  Ritter  Vallauri,  Professor  der  kteh 
nischen  Beredsamkeit  an  der  UniversitHt  zu  Turin,  hat  als  Latinist  einen  sslff 
bedeutenden  Ruf. 

Ein  9  grosse  Bflnde  umfassendes  Werk,  die  Geschichte  von  Polybioa,  nacfc 
dem  griechischen  Text  von  Schweighiuser,  von  Dr.  Koben  zu  Triest  ins  Ita- 
lienische Übersetzt,  ist  bereits  bis  zum  8.  Bande  fortgeschritten: 

Storie  di  PoUbio  da  MegalopoU,  volgarizzaia  dal  Dr,  J.  Koken,  ib. 

Beigefügt  sind  neue  Fragmente,  welche  zum  erstenmale  von  dem  Profesior 
Domenico  Capellina  übersetzt  worden  sind. 

Von  dem  verlorenen  Paradiese  von  Hilton,  von  Bellati  übersetzt,  erseUci 
die  2.  Auflage: 

n  Paradieo  perduto  di  O,  MiUon,  iraduHone  di  A,  BeUati,  ib. 

mit  dem  Leben  Miltons  von  dem  Uebersetzer. 

Aueh  erschien  in  einer  neuen  Aufl.  das  Leben  Dante's,  von  dem  trefllichea 
Guar  Balbo. 
Tita  di  Dante,  eorUta  da  C.  Balbo.  ib.  ]VeiselMl«r# 


h.  4L  HEIDELBERGER  IWI. 

JAHRBOGHER  der  LITERATUR. 


i.    Ddacroix:     AleHa   (d^couverU   d'Alesia)^   extrcM   des  mem.  de 

la  BOcUU  d^emtdaiion  du  dep.  du  Douhe,    Besannen  1866,  ÖS  8. 

gr,  8.  mU  Plan  und  Karte, 
2.     Victor  ReüiUaut:    Etudes   critiques  mr  la   dieouverte  d'Alesia* 

Besan^on  1866,  84  S.  8. 
8,    D&y:    AleHa,  Auxerre  1866,  68  S.  8. 
4.    Rosngnol:   Alüej  etudes  sur  une  campagne  de  JitUa-C^ar,  Dijon 

ei  Paris  1866,  122  8.  4.  mü  Plänen  und  Karten. 
6.     Victor  Revülout:    Ahme,  AHse,  m  ^un  ni  V andre  ne  peut  Üre 

AUsiGj  itudee  criiique$  cPhistoire  et  de  topograpkU,  Paris,  1866, 

71  8.  8. 

Die  Frage  über  das  durch  Julius  Cäsar's  Eriegafahrong  in  Gal« 
Aen  80  berübnit  gewordeue  Alesia  hat  in  jOngster  Zelt  die  Altern 
thumafoncher  und  Gescbichtafreunde  Frankreichs  emstlith  beschäftigt, 
eine  Anzahl  Denicschriften  und  Zeitungsartikel  hervorgerafen  und 
gewiss  auch  jenseits  des  Rheins  Anklang  gefunden.  Schon  früher 
auf  Shnlicho  Stadien  geleitet*),  wollen  wir  uns  jetst  bemühen,  den 
Stand  des  neuen  gelehrten  und  patriotischen  Streites  nach  Massgabe 
der  wichtigsten  oben  verzeichneten  Schriften  übersichtlich  darzulegeni 
ohne  unsre  eigne  Ueberzougung,  wie  sie  sich  ans  der  Prüfung  des. 
Für  und  Wider  festgestellt,  zu  verschweigen. 

Als  Mittelpunkt  der  letzten  Kämpfe  zwischen  Cäsar  und  Ver- 
ielagetorix  und  jener  kühnen  CircumTallation,  welche  dem  römischen 
Imi^rator  seinen  edelsten  und  gefährlichsten  Feind  in  die  Hände 
beferte,  galt  allgemein  bis  auf  dieses  Jahr  der  s.  g.  Berg  Auzois  in 
der  Bourgogne,  ein  angebautes  Ifingliches,  scharf  abgekantetes  Plateau 
roa  100  Hektaren  Flächeninhalt,  an  dessen  westlichen  schmalen  Ab- 
hänge, dicht  unter  der  Spitze,  der  Flecken  Alise  oder  St.  Reine  auf  einer 
Höhe  von  150  Metern  die  Ebene  übersieht,  in  welcher  sich  die  zwei 
Bäche,  Ose  und  Oserain,  mit  der  von  Süden  kommenden  Brenne 
rereinigen,  und  die  sich  weiterhin  als  Thal  der  Brenne  bis  Mont- 
iMird,  sodann  des  Armanden  und  der  Yonne  fortsetzt.  Ose  und 
Dserain  haben  nördlich  und  südlich  tiefe  Thäler  an  den  Längensei-^ 
ten  des  genannten  Plateaus  durchlaufen,  das,  so  völlig  isoliert,  an 
»einem  schmälsten  östlichen  Ende  nur  durch  einen  sehr  niedern  Hals 
Dit  dem  dahinter  gelagerten  Berg  Plevenel  zusammenhäpgt.  Dieser 
>Udet  mit  einigen  andern  Anhöhen  einen  fast  geschlossenen  Ring  um 
leo  Berg  Auxois,  so  dass  nur  die  Westseite  mit  der  bezeichneten 


*)  Vertf.  m.  Abliandlong  ttber  Gergovia,  Leipng  1855. 
L.  Jahrg.  9.  Hefi.  41 


eiir    ^  S«hfltei.iib0rAl«lib 

Ebene  offen  bleibt  B&nmdiche  Anhöhen  sind  antar  eich  niid  mil 
dem  PlateaQ  der  Mitte  von  ungefShr  gleidier  Erhebung.  Am  Zt» 
sammenfluss  der  Ose  und  Brenne,  eine  kleine  Stunde  von  St.  Beine^ 
liegt  der  Weiler  les  LaumeSi  jet£t  eine  Station  der  Ljoner  Eisenbahn, 
58  Kilometer  yon  Dijon  in  der  Richtung  von  Paris;  die  Eisenbahn 
geht  duroh  daa  Osetbal  und  hat  an  dessen  oberem  Ende  oiehrere 
Tuiuiel  in  passieren,  jenseits  deren  sich  das  Saonegebiet  eroflhet 

Eine  bald  zweitausendjährige  Ttadition  knüpft  an  diese  Cregend 
die  im  VII«  Buche  de  b«  GalL  cap.  68—89  eraftblten  Begebenhei- 
ten« Selbst  zu  den  Römerzeiten  war  Alesia  nicht  vom  Boden  ver- 
schwunden, und  obgleich  Florus  in  seiner  hastig- rheiorischen  Weise 
die  EinSscberuDg  dieser  Stadt  in  diesem  Feldzuge  meldet  —  eis 
Zeugniss  das,  aHaser  dem  StiUschweigen  Cäaar'Sy  sdion  dadurch  aa 
Erhebllcbkeit  verliert,  weil  Florns  Avaricum  and  Alesia  in  einen  Athesi 
nennt,  «ad  mit  sonderbarer  Begrift Verwirrung  daa  um  Aleaia  Ge- 
schehene auf  Gergovia  bezieht  ^~  so  erhellt  doch  aus  asdein  Er- 
wähnungen, bei  Strabo,  Diodor,  Plinius,  aus  Spuren  von  hier  sich 
kienzendeii  Staatsstrassen,  aus  Bautrümmern,  Andkaglien  und  Mfin- 
zea,  dass  wenigstens  bis  In  die  Zeiten  des  Theodeaius  heiab  eil 
Aleaia  auf  dieaem  Berge  bestand  nnd  ein  Sita  gallisch- rteischsi 
Kultur  war.  Auch  das  Mittelalter  blieb  nicht  stumm.  Unter  des 
Karolingern  besingt  ein  lat  Dichter  Herrloh  im  Leben  dea  heil.  Qm 
num  V*  Anaerre  die  Gäsar'a  Lagern  verhängnissvoll  gewesene  FeslM 
Te  quoque  Caesareis  fatalis  Alesia  eastris,  • 

am  Eingange  des  Aeduergebietea  gelegen, 

Te  fines  Heduos  et  iimina  summa  tuenlemi  .-| 

von  welcher  er  noch  die  Ruinen  sah:  .| 

Nunc  lestant  veterls  tantum  vestigia  caatri. 

Wir  übergehen  andre  Stellen  in  Biographien,  Chroniken, 
ten,  in  denen  der  Name  der  Stadt  auf  den  ganzen  Bezirk  -* 
Alisiensis,  Alsensis,  Auzois  —  übergetragen  ist,  und  heben 
die  Legende  der  heil.  Regina  hervor,  deren  in's  11.  Jahrh.  reicht 
Abfassung  ganz  bestimmt  Cäsar's  Kämpfe  an  dem  Leidensorte 
Märtyrin  ina  Gedächtniss  ruft«    Dieae  Heilte,  deren  Gebeine  a« 
mäls  in  daa  nahe  Fiavigny  verbracht  wurden,  wird  noch  in  der 
gend  verehrt  nnd  ihr  Namoe  (St.  Beine)  hat  sich  dem  alten  N 
Alise  beigesellt.    Dieselbe  Ueberzengung  von  der  Identität 
Orte  ward  von  den  Gelehrten  der  Renaissanceaeit  festgehalten, 
um  1741  glaubte  Bellejr,  der  Verfasser  der  unter  d'Anville's  Ai 
eien  heransgegebnen  Eclaircissements  gtegr«  sur  l'ancienne 
die  Sadie  durch  umständliches  Studium  der  topographischen  Mi 
für  immer  gesichert  zu  haben.    Hier  folgen  seine  eignen  Wi 
8«  438  der  angeführten  Schrift:    J'esp^ie  faire  voir  dans  cet 
que  totttea  les  circonstances  qui  sont  si  bien  d^erites  dans  les 
mentaires  se  retrouvent  encore  sur  le  territoire  d' Alise;  et  par 
comparaison  on  sera  convaiacu  que  C^ar  est  aussi  ezact  daas 
relaUons  q[u'll  fut  grand  g^ndral,  et  qu'on  ne  peut 


ilt^rer  Im  faiti  qu']]  expoee.    t>'Aii?file  86lb«t  hili  «ich  Ans  Br»^ 

gfIMBB  dfeser  Untersaobung  voüstSndig  an^eef^et  und   Itt   ieltl^ 

Notioe  de  la  Oanle  p.  49  aofgenomtnen.    Ders^lbett  Afraicfat  blieb 

Napoleon   in  seiDem   Abrisse   der   Feldstfge   GSsar's   ^etreb,    nwS 

um  1889,  bei  Gelegenheit  der  Lattdesrermessungi  suchten  die  Qe-* 

neralstabsofficiere  die  Spur  der  römischen  Belagerangslmfeii  auf  dettt 

Terrani.    Herr  Major  Du  Mesnll  lie^s  demiiufolge  elneti   Anfeat«  ttt 

den  gpectatenr  railitolre,   Bd.  XXVII,  p.  681—680  nebst  Kaite 

etnriieken.    Obgleich  von  Casar's  Arbeiten,  aussei  2  titibedentendei! 

uad  sweiffelhaften  Anseichen  (einer  eirkelruttden  Senkung,  vfeli^fcfat 

ThurmimtersatB,  too  8  Metern  innerem  Dnrchmeiteef  iiuf  dem  Berg 

Plerenel,  und  einem  16  Meter  Inreiten  Querschnlitt  durch  cffnen  F^lsetf 

io  der  Nahe),  nichts  mehr  ersiditlich   ist,  so  erkentit  döctif  diesem 

irfindüch  nrthellende  Officier  ans  der  Vergleichung  detf  T^ti^  und 

der  OertliehkeU  die  Oenanigkeit  von  Cätfar's  Beschreibung  titid  dered 

T5Hige  Anwendbarkeit  auf  die  Lage  dei*  Oegetid.  S^iue  BeititIbuAg, 

die  LinSeiA  in  der  dem  Bodden  gtinstigstefi  Weide  ttt  teköttstrüfren, 

bHngt  flm  zn  dem  Schlüsse,   dase  Cäsar  wohl  2116  Toheu  turiel 

Ar  die  innere  Linie,  ttnd  1588  Tdisen  zuviel  fti^  die  äussere  Liftid 

ki?lchte  angegeben   haben.     Ehie  DetailansfOhfung   diesem   Kalkufä 

toangelf  und  es  war  uns  nnmöglleh,  denselben  durch  eijfhe  Medemn^ 

IQ  kontroliren.    Wir  glauben  aber,  dass  es  Just  11000  uhd  14000 

Sehritte,  wie  Cäsar  sagt,  sein  müssen  (denn,  was  Fusb  für  Ftrsif 

msgegraben  ward,  musste  dem  Feldberm  auch  dem  Masse  nach  b^ 

irannt  sein  und  konnte  von  ihm,  bei  detn  Daseid  so  vieler  Zeogeti, 

lieht  willkürlich  erhöht  werden),  und  dass  hiemach  eher  die  graphi-^ 

iche  Restitution  zu  ändern  ist,   was  bei  der  Unbödeuteudheit  des 

Jntersebieds  gewiss  wenig  Mühe  macht.    Audserdem  Wagt  Hr.  Du 

iesnil  das  Bedenken,  es  möchte  die  Zahl  der  zu  Alesia  eingdschlos- 

enen  Krieger,  80000  nach  Cäsar,  Übertrieben  sein:  eiü  Punkt,  aUf 

len  wir  später  zurückkommen  werden. 

So  standen  die  Bachen,  als  im  verflossenen  Jähre  ein  Arcliltekt 
B  Besannen,  Präsident  eluer  Art  litterarischen'  GelierKcbaft  (Soci^td 
VaiQlation  du  d^pt  du  Doubs)  es  unternahm,  die  gätte  bish^rfge' 
irfahf nng  umzustossen  und  ein  neues  in  den  Scfaluchteti  des  Jura  aufg- 
estöbertes Alesia  der  gelehrten  Welt  und  seinen  Landsleuteu  anzu- 
let^n.  Fünfundzwanzig  Kilometer  südlich  ton  Besangob,  in  der 
fShe^  der  Quelle  des  Lison  und  der  Berge  von  Salinid,  liegt  die  Gegend 
m  Alaise,  eine  fast  unzugängliche  Felsmasse.  Biet  dind  zwischen 
h^eheuem  Wäldern  die  Weiler  Alaise  und  Safraz  verborgen.  Ün- 
säelrfet  der  Nähe  von  Nans-sous-St.  Anne,  Wohin  die  Freunde  der 
Kti^neir  l^afur  aus  Franche-comttf  und  Bntgnnd  zu  ihrem  Tetgnü* 
«a  reise»,  wagt  sich  selten  einer,  Alaise  zu  besuchen,  er  niüsste 
rott  Fiskalbeamter  oder  WilAscfaweinsjäger  sein.  So  sehr  ist  äei 
^t  vereinsamt.  Dennoch  sind  die  Einwohner  weit  entfernt,  ihrö' 
^mat  gering  zu  achten.  Sie  bewahren  die  Erinnerung,  dads  Alaiäe 
Mt    eine  Stadt,  eine  Zuflucht  in  aehweten  Zeitläuften  ^ewesdU 


M  tichrüle»  i^  AM«. 

d«i8  «ioe  Meiic«  VoUb  in  dtoaer  WIIdniM  sicfa  Mlgthaken;  \mim 
verbindeo  Vorstellungen  voo  Hongersnotb  mit  denen  eines  früheres 
GlMises.  80  beginnt  Hr.  Delacroiz »  VerCssser  der  Schiift  ür.  1, 
seine  firsäbiung,  wie  er,  einst  in  dieser  Gegend  beschäftigt,  bü  sor 
fUliger  Lesnng  Ton  CHsar's  Commenterien,  auf  den  Gedanken  g«* 
kömnien  sei,  es  möchte  bier  das  berühmte  Alesia  der  Msndobkr 
gestanden  haben.  Um  diesen  Widerspruch  gegen  die  herköoimliche 
Ansieht  an  sttttaen,  sammelt  er  sorgflütig  alle  Anklänge  aas  Volks- 
sagen  und  Ortsnamen,  und  versucht  sogleich  Cäsar's  Text  auf  Mis 
Terrain  ananwenden.  Was  die  erstem  betrifft,  so  ist  es  semlidi 
geringfügig  und  rechtfertigt  durchaus  keine  bestimmte  Deutung  svf 
die  Ereignisse  um  Alesia,  wenn  man  den  Leuten  von  Alsiie  in 
Dialekte  des  Landes  nachsagt:  ceux  qu'miugent  las  bermeodiii 
(Schmaizbutterfresser).  Nicht  glücklicher  sind  die  Erklärungen  da 
Ortsnamen,  in  welchen  Hr.  D.  vielen  Wita  und  Schsrisinn  aufwis* 
det  und  dabei  celtiscbe,  römiache,  deutsche  Wuraeki,  heutiges  Fns» 
aösisch  und  Patois  der  Freigrafochait  bunt  durcheinander  wirft  Si. 
sollen  die  Handubier  die  Mannen  des  Dubis,  Doubs  sein;  an  Piiius, 
die  den  Mamen  Ile  de  Bataille,  Camp  de  Guerre,  Gsmp  de  la  Vis" 
toire  tragen,  findet  er  Beaiebungen  auf  Cäsar's  Kämpfe;  einePIsill 
unter  einem  Berggipfel,  le  Plan  genannt,  wird  als  die  Planitiss,  il 
vor  der  Feste  lag,  beseichnet;  ein  Abbang  Gharfoinge  ist  ihm  clissv 
lbuie*en*gey,  ctuür  enfouie  dans  la  röche,  von  dem  Gemetsel  1» 
Beitergefecht;  eine  Stelle,  le  Gonat  kömmt  von  Conatus,  derleUt« 
verzweifelten  Anstrengung  der  Belagerten,  die  Linien  zu  durchl»e' 
eben ;  Montfordes  und  Mouriots  sind  Reste  von  Fortifikationen  onl 
Munitionen;  in  einem  engen  Tbale,  la  Foye  =  la  foule,  wsr  4i» 
vertriebne  Volksmenge  der  Mandubier  eingesperrt;  Camp  de  Mi8% 
Camp  Gassar,  sind  Gastra  Munita  Gaesaris,  u.  dgl.  In  dieser  Wein 
wird  auch  beiläufig  der  Name  Besannen  als  B^ze-anse-on ,  p\i  ^ 
dans  l'anse  de  la  rlvibre  erklärt. 

Wichtiger  ist  der  andere  Theil  der  Beweisführung,  welche  is 
folgender  Form  sich  darstellt.  Hr.  D.  lässt  unten  auf  jeder  Mtk 
die  authenüscfae  Erzählung  Wort  für  Wort  abdrucken ,  und  gibt  ii 
seinem  Texte  nicht  etwa  eine  einfache  Uebersetzung  des  Lateish 
sehen,  sondern  eine  Art  Uebersetzung  zweiter  Potenz ,  welche  Ofr 
sar's  Berichte  zugleich  der  vorgelegten  Oertlichkeit  anpassen  wü 
So  z.  B.  lesen  wir  über  die  leUte  grosse  Schlacht  bei  Gäsar  (VI^ 
85):  Gaesar  Idoneum  locum  nactus,  quid  quaque  in  parte  geist^ 
cognoscit;  bei  Hr.  D.  S.  36:  G^sar  monte  au  ch^teau  du  Mse|r 
Mahoux,  d'oii  l'oeil  plane  sar  tont  le  pays,  et  ne  s'arrSte  qa'sMf; 
Alpes,  auz  Vosges,  auz  montagnes  des  Lingons  et  des  Edoens.  Dioiji 
Art  Uebersetzung  Ist  sehr  verführerisch  und  nimmt  bei  der  ersttl 
Lesuug  den  Besonnensten  gefangen:  auch  können  wir  nicht  umbi% 
der  ausnehmenden  Einbildungskraft  des  Hrn.  D.,  die  sich  in  d« 
ganzen  Ausführung  zeigt,  unsre  ungeheucbelte  Bewunderung  zu  zob 
len.   Allein  bei  näherer  Besichtigung  der  Karte  zeigt  sich:  Erhebof 


Mrifleft  flt»0r  Atetfr.  M 

An  Camp  de  Mine  610  Meter,  f>hebQiig  des  Schlosses  Ment-Maboüt 
SM  Meter,  Unterschied  920  M(»ter,  horisontale  Entferoung  4  Ktto* 
meter.  Diese  Ziffern  sind  noch  beredter  als  Hm.  D.'s  hinrelssender 
Yortrag,  nnd  beweisen,  dass  in  jenem  kritischen  Augenblicke,  wo 
<Aie  Minute  Vertag  alles  verderben  konnte,  dtoar  keine  Zelt  %ni 
Erstelgnng  solcher  Aussichtspunkte  hatte.  Eine  gleiche  Prüfung  des 
weiteren  Gremäldes  wird  noch  manchen  Zug  des  anmuthigen  Romans 
ftrstOren.  Doch  begütigen  wir  uns  vorerst,  die  Hauptpunkte  der 
senen  Theorie  objectir  darzulegen. 

Hr.  D.  geht  von  dem  Satze  aus:  Nach  dem  Abfalle  der  Aeduer, 
Hfigs  von  Feinden  bedringt,  mnsste  Cäsar  eine  feste  vertheidlgende 
Stellung  einnehmen,  in  welcher  es  Ihm  möglich  war,  die  Hilfstrnp- 
pen  aus  Germanien  lu  erwarten  oder  anoh  schnell  den  Rttckaug 
fber  Genf  nach  Italien  zu  bewerkstelligen.  Eine  solche  Stellung 
war  ihm  von  der  Natur  in  den  Stufen  des  Juragebirges  vorzüglich 
auf  dem  linken  Saoneufer,  und  um  den  Doubs  angezeigt  Der  Ein- 
fang dieser  Erdfeste  ist  für  Hrn.  D.  schon  durch  das  vielbespro- 
chene Amagetobria  (Berge  von  Broye,  am  Einfluss  des  Ognon  in 
die  Saone)  gestempelt,  wo  Ariovist  unangreifbar  den  vereinigten 
Balliem  getrotzt  hatte.  Kurz,  nur  das  Sequanerland ,  die  heutige 
VraDchecornttf  biete  solche  natürliche  Bollwerke,  wie  sie  CSsar  in 
seiner  kritischen  Lage  bedurfte.  Hier  ward  er,  wie  Dio  Cassiaa 
deatlich  sage,  in  Sequanien,  von  Vercingetonx  angegriffen,  der  ihm 
tu  gleicher  Zeit  zwei  Rückzugsstrassen,  die  eine  sOdöstlich  über 
Besan^on,  die  andre  südlich  über  Salins  sperrte.  Ruffey  also,  auf 
f^ner  steilen  Anhöhe  am  Ognon  gelegen,  sei  der  Punkt,  den  der 
gallische  Feldherr  besetzte,  und  auf  dem  nördlich  davon  sich  deh* 
iienden  Hügellande  ward  die  erste  Schlacht  dieses  sequanischen  Krieges 
geliefert,  welche  zum  Nachtheile  der  Galller  ausschlug.  Ihren  Rück- 
sag könne  man  nun  unmöglich  nach  dem  90 — 100  Kilometer  ent- 
fernten Alise  im  Auxois  wenden;  derselbe  ging  nach  Süden,  wo 
wir  in  der  halben  Entfernung  auf  Alaise  bei  Salins  treffen.  Die 
Verfolgung  erreichte  am  selben  Abend  noch  den  Doubs :  Tags  darauf, 
als  V^cingetorix  bereits  in  Alaise  sich  festgesetzt  hatte,  gewann 
(Xsar  das  für  ihn  viel  vortbeilhaftere  Plateau  von  Amancey,  östlich 
von  Alaise,  den  Schwerpunkt  seiner  weitern  Operationen. 

Um  diese  nach  dem  Sinne  des  Hm.  D.  zu  verstehen,  müssen 
wir  ans  die  Oertlichkeit  vergegenwärtigen.  Das  Plateau  von  Aman- 
sey  ist  im  Grundplane  ein  ungeheures  Kreissegment  mit  20  Kllo- 
ttetera  Sehne  und  10  Kilometern  grösstem  Abstand  vom  Bogen. 
Als  Sehne  bildet  die  Kette  der  Mayot-  oder  Mahaut-Berge  die  süd- 
kehe  Begrenzung.  Der  Bogen  ist  grösstentheils  durch  den  Lauf  der 
tioue,  eines  Nebenflusses  des  Doubs,  bezeichnet,  der  aus  den  tief 
angeschnittenen  Abflllen  dieses  Plateaus  zahlreiche  QnellbSche  anf- 
fiimmt.  Der  bedeutendste  dieser  QuellbSche,  der  Llson,  entspringt 
im  westlichen  Ende  des  Plateaus  und  trennt  dasselbe  von  dem  viel 
kletnem  Plateau  von  Alaise ,  welches  sonach  als  ein  Anschnh  der 


ff»WB»a|(W» «wb^t  »Seide  FblA^ux,  «igt  Br*  )>-  &  l^.ffimm^ 

g^  UBi  300—400  Meter  deo  Spiegel  der  uniAlröioeiadeQ  Bicbf,  «ad 
«isid  «elbfllt  durob  die  Bergketten  ihier  Sttdgreyise  üherrnft,  den» 
iQipfel  Ki^  einer  Höbe  von  525—550  Meiern  über  den  Waaewstro- 
men  ewftnteigeii.  Von  diesen  Gipfeln  geeebeni  ecbeinen  dif  Gbii* 
fw  Hügel  TQn  Alaine  und  Amaooey  eine  kaum  roa^e  Ebaaean 
liildoQ«^  Aof  diese  DoebeaheiUn  des  Terraias»  weicbe  sieh  aof  bei* 
deiQ  Flatoaux  ]a  gleichen  Proportionen  wiederholen  i  beatehi  Hc  IX 
den  Ausdruck  Cisar's,  dass  der  Hügel  Alesiaa  von  gleich  hohen 
HügelQ  umgeben  sei.  Die  Qeutung  ist  etwas  elastisch.  Ana  der 
gansen  Anlage  des  Hrn.  Del.  ergibt  sich  aber  eine  Grimdvarachie* 
denheity  nämlich  dass  jetst  nicht  mehr  die  Circumvallation  Aleeias 
sämmtiiehe  Arbeiten  Cfisar's  allein  ia  sich  fasst,  sondern  dass  seii^ 
Befestigung  auf  dem  Plateaa  von  Aniancey  die  Hauptsache  und  äia 
Circumvallation  der  feindlichen  Stadt  nur  ein  verhältnisamäaaig  ge- 
ringfügiger Anbang  au  seinen  sonstigen  Werken  ist.  Wirklich  eoll 
CäsAT  dieses  Plateau  fast  in  seiner  ganzen  Ausdehnung  besetaen  nnd 
durch  23  Kastelle  (Forts),  deren  Spuren  wieder  in  den  Ortsnamea 
nufgesucht  werden,  die  weite  Fläche  vertheidigen.  Auf  dia  Nord- 
spitze  dieses  Plateaus  und  nicht  auf  ein  in  der  Doppeliinie  liegendes 
Lager  soll  auch  der  letate  vereweifelnde  Angriff  der  GaUier  gericbtil 
sein»  Die  Entfernung  dieses  Punktes  von  Alaise  betriigt  11  Sile- 
ineter  und  von  dem  angeblichen  äussern  Lager  der  Galijar  15  KilopiaUK. 
Was  naa  das  Plateau  von  Alaise  selbst  angeht,  so  ist  daaaeUie 
von  allen  Seiten  scharf  begrenst  Ein  Trapea  oder  abgestumpftes 
Dreieck,  wird  es  im  Osten  und  Norden  durch  die  liefe  und  enge 
Schlucht  des  Lison  von  dem  Plateau  von  Amancey  abgeachoUtaD 
und  fallt  30  gleichsam  eine  Kerbe  dieser  weiten  Fläche  aus.  Die 
südliche  B(^is  von  4  Kilometern  Längenentwicklung  fällt  auf  eins 
Seitenschlucht  des  Lisas,  Vaux  mourants  genannt,  ab  und  hängt 
nur  am  südwestl.  Winkel  durch  einen  schmalen  Rücken  mit  dar 
höher  ansteigenden  Bergkette  der  Mayot  zusammen.  An  dieser  Stalle 
soll  Vercing.  die  Reiter  vor  der  völligen  Einpferchung  entlaseea 
haben*  Der  Abstand  dieser  Basis  von  der  Nordspitse  ist  5  Kilo- 
meter. Am  westlichen  Abhang  schlängelt  sich  ein  schwacher  äi 
Sommer  vertrocknender  Bach,  der  -Todeure,  und  wirft  sich  am  nourd- 
Westlichen  Winkel  des  Plateaua  in  den  Lison.  Diese  Westseite  bietet 
auf  ^ner  geringen  Strecke  (Charfoinga  und  gegenüber  Le  Pi^ 
etwea  sanftere  Abdachungen,  in  welchen  Hr.  D.  die  3000  Do|ipal- 
schritte  lange  Ebene  vor  der  Festung  erblkkt.  Tiefet  breite  roe 
Süden  nach  Norden  ziehende  Forchen  im  Felsgestein  werden  ifi 
Spuren  tteils  von  Cäsar's  Gräben,  theils  von  Vercingetorix'  Y#f 
schanzungen  gedeutet.  Ob  nun  gleich  die  Circumvailation  des  Pia* 
teaus  von  Alaise  nur  ein  Nebenwerk  ist,  so  überschreitet  doch  Hnk 
D.'s  Zeichnung  die  von  Cäsar  gegebenen  Masse  um  ein  Beträdiük 
Uches,  während  die  fragliche  Ebene,  in  welcher  erfolgreiche  £ämpl% 
bedeutende  Reiterevolutionen  statt  hatten,  bei  ihm  in  nichts 


SdnMeB  Iftet  UMit.  SM 

MBfldiiiniipfl*  B6i  dfoBoni  WMcTSpraohd  kann  60  nfcate  holfeüi  sich 
wf  eio  aaderei  von  pes  und  passos  ▼enehiedenes  Mast  zn  berofett, 
weidies  eIgMtHoh  greMot,  MüitSrachrttly  g^eheissea  ^haba  und  vos 
deo  Sdiriftstillera  hiaflg  «nter  beiden  entern  Ausdrucken  fwetanden 
mL  Dieee  BegrUbrerwtrmng ,  einem  so  geotaen  Aator  wie  CSsir 
ntr  BdisM  gelegt,  klingt  iesserst  sonderbar:  noch  sonderbarer  abe^ 
Witt  es  ans  bedflnken,  wenn  Hr.  D.  (S.  10)  meint,  Ton  der  Messnng 
der  Qtadelle  Ton  Besannen  diesen  neuen  Fass  abnehmen  und  auf  0|77 
Meter  (über  das  doppelte  des  gewöhni.  r6m.  Fasses)  bestimmen  en 
können.  Mit  diesem  grösseren  Fasse  werden  denn  auch  die  Spuren 
der  Orttben,  die  sonst  zu  breit  wSren,  gemessen.  Bekanntiieh  ist 
die  Breite  des  BergbalseSi  auf  welchem  die  Gitadelie  Ton  Besan^on 
Hebt,  jenes  Berghalses,  der  den  nm  die  Stadt  geschlungenen  Doubs 
Tcn  seinem  obern  Laufe  scheidet,  von  Jal.  C^ar  (de  b.  gall.  I,  88) 
mit  600  Fass  zu  schwach  angegeben.  Dieselbe  betrSgt  878  Meter 
oder  1227  röm.  Fuss.  Ist  nun  die  Textesstelle  verderbt  oder  hat 
sich  CSsar  im  Vorübereilen  mit  einer  sehr  oberflächlichen  Schätzung 
i>egnügt  ?  Dies  ist  wohl  die  einzige  Altematiye.  Wem  aber  möchte 
SS  ehifallen,  aus  dieser  zweifelhaften  Grösse  den  unverrOckbaren 
Etalon  römischer  Längenmasse  zu  machen,  der,  wie  die  Pariser  Meter 
im  Otieervatoriom,  Revolotionen  und  Katakiysmen  überdauern  soll, 
wogegon  die  Wertbe  pes  und  passus  längst  nach  den  siehern  Auf- 
gaben der  MÜiiarien  auf  der  appischen  Strasse  u.  s.  w.  mit  relativ 
hoher  Genauigkeit  bestimmt  sind!  (S.  D'Anville  Eclalrofssements 
g€ogr.  sur  Fancienne  Oaule,  Paris  1741,  Im  Vorwort.) 

Von  dem  Plateao  von  Alaise  gibt  nun  Hr.  D.  (S.  16  u.  17) 
eme  aosfährllche,  ins  Einzelne  gehende  Beschreibung.  Gerade  dies 
hindert  uns  aber,  die  so  kurz  und  klar  von  Cäsar  geschilderte  Lage 
Aiesias  hier  zu  erkennen.  Vom  Todeure  anfangend  bildet  eine  Reihe 
von  Erhebungen  und  Senkungen  mehrere  Vertheidigungslinien ,  bis 
denn  Alaise  selbst  von  Schluchten,  Felsen  und  Anhöhen  umgeben 
ersefaeiot  und  hinter  demselben  Ghataillon,  der  östliche  Theil  des 
Üateans,  an  den  Lison  gelehnt,  wo  Vercing.  sein  verschanztes  La- 
gehabt haben  soll.  Cäsar  sagt  einfach ;  ipsum  erat  oppidum  in  colle 
summo,  admodum  edfto  loco,  und  es  ist  unmöglich  diese  so  scharf 
hervortretende  Lage  an  einem  'untergeordneten  Platze  in  diesem 
umfaaaenden  Systeme  von  Bergfläche,  Thal  und  Kuppen  wiederzu^ 
tnden.  Was  aber  noch  schlimmer  ist,  die  voran-  und  umhergela- 
gerten  Hügel  shid  fast  sämmtfich  höher  als  die  mit  Alesla  bezeich- 
nete Stelle  selbst,  und  weder  von  hier,  noch  von  ChaUttlon  vermag 
der  Blick  westlich  hi  das  Thal  des  Todeure  und  drüber  hinauszn- 
dringen.  Dies  Ist  aber  eine  conditio  sine  qua  non.  Denn  von  dieser 
Seite  kam,  wie  Hr.  D.  selbst  ausfahrt,  die  gallische  Bntsatzarmee; 
dieselbe  ward  von  Alesia  aus  gesehen  und  entflammte  die  Belager- 
ten zn  neuem  Iduthe  (Caes.  bw  g.  VII,  79):  erat  ex  oppido  Alesfa 
iespeetus  in  campum.  Conenrritur,  bis  auxiliis  visis :  fit  gratulatio  inter 
aas  atqae  omnlum  animi  ad  laetitiam  excitantnr. 


IM  Sdwtfte«  ihM  AlMii, 

Pia  Oeididdcall  ist  die  Beel«  des  BeweiM.  Wi4m|ifkkl  4b- 
telbe  ineiirereD  oder  nur  einer  wesentlichen  Bedingung  des  Tez^ 
•Q  wird  die  neue  £ntdeekunf  Uebst  Terdiohüg,  oftd  «Uer  Aiiiwand 
Yon  Seberfelnn/  das  UnverträgUcbe  lu  idiBeni  ei«  dbertiiariges  Spiel 
des  Witees.  Wir  übergehen  duher  die  gerne  mit  anbeetreltlMiT«B 
Telente  ausgemalte  ScbUdernng  der  KMmpl^  die  auf  diesem  Terrain 
aiattgefttndeo  haben  soUeo,  und  berMhreo  nur  noeh  einige  Nebea^ 
Bttitaeo  der  neoea  Theorie.  Gross  sei  der  Widerhall  der  Ereignism 
um  Alaise  gewesen:  das  freilieh  verlorene  Gedieht  des  Varro  AUr 
oiDUS  de  hello  Seqaanico  habe  unstreitig  deren  Yerherrlichnog  «m 
Zwecke  gehabt:  die  Bedeutung  yon  Alaise  habe  in  der  Rfimerwdt 
fortgedauert  und  sei  durch  Strassenailge  und  Ortsnamen  bestltigt: 
in  einer  Relseschildernng  des  Augonius,  in  seiner  Idylle  ron  der  Hess! 
werden  die  wichtigsten  PlStse  des  sequanischen  Kriegstheaten  er- 
wähnt: die  Nava, 

Aequarit  Latias  ubi  quondam  GalHa  Cannes, 
aei  der  Nans  oder  Lison ;  Dumniesus  die  Tenise,  ein  Nebenfinss  der 
Saono,  an  welchem  die  feindlichen  Armeen  aum  ersten  Mal  sneaia- 
meng«;sto8sen ;  Novomagum,  das  Ziel  jener  Reise,  sei  Neufdiatean 
in  den  Yogesen:  der  Name  des  Ortes  sei  in  einem  Scerbreginlv 
▼.  Salins  a.  1272  noch  Alesia  geschrieben,  und  nur  in  Besang 
aei  derselbe  gegen  Alasia  vertauscht:  die  heutige  Form  Alaise  enft 
spr^ehe  auch  besser  der  griechischen  Schreibang  "j^Xtfita  bei  Plutardi, 
Dio  Gass.  etc.  (wir  würden  lieber  zugeben  ^Alcuala^  wie  Peljla 
Vni,  23,  wenn  überliaupt  darauf  so  Tiel  ankäme)^  an  Monumentsn 
sei  erst  von  der  Zeit  eiue  befriedigende  Ausbeute  su  erwarten ;  doch 
seien  schon  viele  Waffenfragmente  um  Amancey  gefunden  worden: 
Todteohtigcl ,  Reste  von  Steinwällen,  Druidensteine  werden  in  der 
ganzen  Gegend  angetroffen. 

So  ist  es  dann  mit  der  Entdeckung  Alesias  durch  Hm.  Dela- 
croix  bewandt  Es  ist  leicht  zu  begreifen,  mit  welchem  Jubel  die- 
selbe von  den  Geschichtsdilettanten  der  Franchecomt^  aufgenommen 
ward,  die  hier  eine  ungeahnte  Verherrlichung  ihrer  Provinz  begrfist- 
ten.  Doch  auch  zwei  Stimmen  aus  höheren  Kreisen  lieseen  aish 
rasch  für  die  neue  Theorie  gewinnen  und  verschafften  derselben  eine 
ephemere  Geltung  In  der  eigentlich  gelehrten  Welt.  Hr.  J.  Qoiche- 
rat)  Director  der  Ecole  des  Chartes  zu  Paris,  jener  hShera  AiiBtaifl^ 
welche  junge  Antiquare  und  Archivisten  bildet,  widmete  der  ArMt 
des  Hrn.  DeU  einen  empfehlenden  Artikel  im  französ.  Athoiäam 
vom  10.  Mai  1856,  den  das  Journal  general  de  l'Instr.  pubL  vom 
21.  Mai  1856  wiederholte.  Durchdrungen  von  zartem  Interesse  I8r 
diese  unglilcklichen  Waldbauern,  die  seit  Jahrhunderten  angstveü 
den  Gelehrten  das  Räthsel  ihrer  dunkeln  Lokalsagen  abfragten,  prdst 
er  sie,  endlich  den  Oedipus  ihrer  Geschichte  bekommen  m  haben, 
und  sieht  in  der  Darstellung  des  Hrn.  D.  so  viele  Beweise  der 
Wahrheit,  dass  man  darauf  verzichten  müsse,  dieselbe  auf  anderem 
Wege  zu  finden.    Und   warum   vermochte  Hr.  Qu.  diese  nidit  sa 


Sehriften  «ber  Aleiia.  AM 


\ 


Albe  in  Burgnnd  so  sehen?    Unter  seinen  ZweiMn  fiel  ans  einer 
auf,  d«ss  nttmliefa  dort  eine  Circumrallatfon  zu  leidites   Spiel   wäre 
wbA  des  Aafhebens,  das  man  daron  gemacht  habe,   nieht  würdig 
•il?    Wir  lassen  Unberufenen  des  Altwthnms  and  der  Nenceit  die 
Mtihe,  Aoflieben  in  machen  von  Begebenheiten,   welche  Gftsar  etn« 
lach  nnd  nngeschminkt  nnd  mit  dem  Aceente  der  Wahrheit  eralhlt. 
Gewiss  aber,  wenn  wir  Posaunenstdssen  begegnen,  wie  bei  Vellejos 
Fat  n,  47:  Circa  Alesiam  vero  tantae  res  gestae,   qoantas  andere 
?fa[  hominis ,  perficere  paene  nullius ,   nisi  Dei  fuerit ;   werden  diese 
nicht  auf  anser  Urtheil   vom   Sachverhalt   einwirken.     War  es  die 
phantastische  Ausschmückung,  weiche  Hr.  Qu.  bestach,  so  mag  viel- 
leicht der  Reiz  der  Neuheit  die  andere  Zustimmung   erklSren,   die 
von  Hm.  Desjardins  in  der  Revue  de  Tlnstr.  pnbl.  vom  19.  Juni  1856 
abgegeben  ward.  Hr.  E.  Desj.,  Prof.  am  Lyc^e  Bonap.  zu  Paris,  rühm- 
lichst  bekannt  durch  topographische  und  antiquarische  Forsdiungen 
(G^ogr.  de  Latium,   De  tabulis  alimentariis) ,   und  seit  kureem  von 
^er  officiellen  Sendung  nach  Italien  zurückgekehrt*),  machte   be« 
sonders  auf  die  neue  Ansicht  aufmerksam,  die  aus  Hrn.  Del.'s  Ent* 
decknng  über  den  ganzen  siebten  Feldzug  Gäsar's  gewonnen  werde. 
Beruht  aber  gerade  diese  ganze  Ansicht  nicht  auf  einer  petitio  prin« 
ciptt?     Wie  Ittsst  sich   auch   darthun,   dass   Cäsar   durchaus   gentt- 
tbigt  gewesen  sei,  sich  in  die  Bergstöcke  des  Jura  zu  seiner  Yer*- 
AeidignDg  zu  flüchten?     Der  hohe  Gefangene   von   St.  Helena  be- 
spricht bei  dem  Angriffe  des  Ambiorix  auf  Q.  Oicero's  verschanztes 
Lager  (Prfcis  des  gu.  de  J.  C.  p.  79  ff.  Paris.  Ausg.  v.  18M)  den 
schneidenden   Kontrast   der  alten   nnd  der  modernen  Eriegsführung 
hl  Beang  auf  Lagerung,  Positionsnahme,  Angriff  nnd  Vertfaeidigung. 
),Ehi  römisches  Lager,  sagt  er  S.  27,  ward  ebne  Rücksicht  auf  die 
TerrainverhSltnisse  aufgeschlagen:  jede  Lokalitftt  war  brauchbar  fflr 
Armeen,  deren  Stärke  allein  auf  der  blanken  Waffe  beruhte;  es  be- 
durfte weder  Scharfblick  noch  Feldherrngenie,   um   gut   zu   lagern: 
wogegen   die   Wahl   der  Positionen,   die   Art  und  Weise  solche  zu 
besetzen  und  die  verschiedenen  Waffen  mit  Benutzung  der  Terrain* 
verfaXltnisse   aufzustellen,   eine  Kunst  ist,   welche   einen  Tbeil  des 
Genies  des  modernen  Feldherrn  ausmacht.'    Bei  diesem  Aussprache .- 
des  Genies  können  wir  uns  bescheiden,   ohne  für  CÄssinrtrirtSgrsart'''*'***«*» 
Opemtionen  sucl>en  zu  wollen,   an  die  er  nie  gedacht  und  zu  den* 
ken  Dicht  Noth  hatte. 

Wir  wenden  uns  nun  zu  den  Widersachern  des  Hrn.  Del.,  die 
ehiem  Unternehmen,  das  sich  als  Revolution  aller  bisherigen  Rechte 
askfisdfgte,  natürlich  nicht  fehlen  konnten,  und  deren  gründlich  ein- 
gebctide  Kritik  uns  einer  persönlichen  Schätzung  fast  überhebt.  Auf 
diesem  Wege  begegnen  wir  zuerst  einem  jungen  Mitbürger  des  angebli- 
ehen Entdeckers  v.  Alesia,  Herrn  V.  Revillout.  Weder  von  Lokaltnte- 


*3  S.  bereit«  einen  Bericht  über  dessen  Untersacbungen  zu  Yelela  in  der 
Hevae  de  1'  Instr.  pabl.  vom  11.  Dee.  1856. 


m  SoIrllleB  aber  Akffai. 

nafen  verfflbrt,  a6di  von  den  reiMDdeii  Gtiwaftde  iet  Bonn  ThcKh 
rie  oder  der  Autorität  ihrer  Verfechter  geblendet,  nur  von  jagendlK» 
diem  Dnrtle  nach  Wabrliek  getrieben,  eilte  Hr«  iUv.  oaeh  Alidn, 
studierte  die  Frage  an  Ort  und  Stelle,  and  Teröfflnitlicbte  das  kleine 
aber  bemerkenswerthe  Sehriftehen  Nr.  2.  Das  ErgebnieB  seiner  Uth 
teranchaDg  tot,  dam  die  Lage  Ton  Alaiie  der  Idee,  die  wir  nm  a 
priori  ron  den  Kriegeereignissen  nm  Aleeia  machen,  nicht  entspri^ 
daaa  ein  Blokos  in  der  von  Hrn.  Del  geschilderten  Weise  daeribst 
unBiügllch  war,  dass  die  Vergleichong  des  Textes  mit  der  Darstel- 
lang  des  Hm.  Del.  auf  sahllose  Widersprüche  stösst,  dass  endüch  alle 
ftasseren  Sparen  ron  dem  Dasein  einer  gallisch-  römischen  Stadt  mii 
ehemaliger  Belagerongswerke  anf  dem  Plateau  von  Alaise  mangehk 
Was  nttmllch  Hrn.  Del.  als  alte  LaufgrSben  erschienen,  sind  FmdMB 
im  Gesteine,  s.  g.  Komben,  durch  die  langsame  Wirkung  dw  Zsit 
und  des  Begens  ausgehöhlt ,  oder  Bisse  von  Felsschichten ,  wie  sie 
sich  häufig  im  Gebirge  (auch  um  Besan^on)  finden,  Vorboten  oft 
gefährlicher  Bergstfirse.  Sehr  unsicher  sind  auch  die  übrigen  Me- 
numente.  Bausteine  sind  um  Alaise  gar  keine  zu  finden,  die  Strassen 
führten  in  grösserer  oder  geringerer  Entfernung  vorbei ,  and  es  ist 
eher  lu  vermntben,  dass  eu  den  Bömerseiten  alles  hier  dichte  WaK 
düng  war  (p,  10).  Die  Annahme  eines  Blokus  in  dieser  Ghsgend 
widerspricht  aller  vernünftigen  Strategik.  Alles  war  der  VerdMl» 
dignng  der  Bömer  entgegen  und  begünstigte  einen  Angriff  der  Gat- 
lier  (p.  13).  Hr.  Bev.  hebt  besonders  swei  Stellen  hervor,  die  abei 
vollkommen  beweisend  sind,  nämlich  die  südliche  Linie  der  Oirem»- 
vaUation  und  das  Lager  bei  Amancey.  Jene  ist  nach  der  Zeicbnang 
des  Hrn.  Del.  in  der  engen  fast  eine  Stunde  langen  Thalklinge  der 
Vaux  Mourants  eingesperrt,  und  wird  von  beiden  Seiten,  nördBch 
vom  Plateau  von  Alaise,  südlich  von  der  Fortsetsung  der  Mahaut- 
berge  so  gründlich  beherrscht,  dass  wenige  Menschen  auf  den  An- 
höhen genügen,  eine  ganze  Armee  in  dieser  Tiefe  su  vernichten.  Ei 
ist  unl>egreiflieb,  wie  römische  Soldaten  in  diesen  Pass  eindringes 
und  unter  Vercingetorix'  Augen  Belagerungsarbeiten  ausführen  konn- 
ten; unbegreiflich,  wie  sie  sich  hier  selbst  in  Yerschansung^n  be- 
haupteten und  nicht  einem  ersten  Aasfalle  der  Belagerten  unteria- 
gen;  unbegreiflich,  dass  die  äussere  Armee  der  Gallier  mit  ihrsr 
Uebermacht  nidit  von  Süden  gestürmt  und  die  schwache  Linie  dorcb- 
brechen  hätte.  Mit  einigen  Felsstücken  und  Baumstämme»,  auf 
diesen  steilen  Abhängen  hinabgewälet ,  war  ein  Wallgraben  «usge* 
fflUt,  eine  Mau^r  eertrümmert,  und  der  Ein-  und  Aussng  frei.  ^Diei 
aUein,  schliesst  Hr.  Bev.  p.  14,  möchte  hinreichen,  jeden  GMankso 
einer  Belagerung  von  Alaise  au  zerstören:  das  Dasein  einer  atoa- 
denlangen  Linie,  welche  die  röm.  Soldaten  nicht  behaupten  konn- 
ten, und  welche  Vercingetorix  freien  Ausgang  oder  der  HHIiarmee 
freien  Eingang  verstattete.  ^  Ebensoviel  lässt  sich  gegen  Gäsar's 
Stellung  auf  dem  Plateau  von  Amancey  einwenden.  Abgesehen  von 
der  ungeheuren  Ausdehnung  der  Arbeiten  und  der  Auseinandezlag« 


der  F«rli|  di«  iioh  in  «iiiAni  KuoMDkriege  wohl  denken  Utart,  mber 
bei  der  geringen  Tragweite  der  alten  Waffen  keinen  Nutoeo  gewährte, 
bitte  CttMii  naeh  Hrn.  Del-,  gerade  den  7on  Nator  festeetea  Pinikty 
die  N<»depitae|  am  gewaltigsteo  versehanati  nnd  die  Sfldeelley  weiebe 
ainem  Angriffe  von  deo  Mabantbergeo  anegeeettt  war,  rWig  Mos 
gelamen^  Von  hier  ans  konnte  die  überlegene  Menge  der  Koaaeni 
Veiiide  leicht  das  Piauaa  von  Amancey  überacbwemaMn,  die  vor* 
eiaaeiten  Forte  abaebneiden  luad  das  GeatTttm  der  röm.  Positionen 
nüt  £rfelg  bestürmen*  I>nrcb  die  Vaax  moorants  setale  man  lidi 
angleieh  in  Verbindung  mit  den  Belagerten.  Was  aber  noch  wnn* 
derüeber  ist,  auch  die  Gallier  der  Entsatsarmee  hSiten  diese  SchwSehe 
der  röm.  Stellang  gans  übersehen,  und  sieh  versteift  von  Norden 
anaugreifen,  wo  man  übrigens  die  von  Cäsar  ang^ebene  absebtts* 
sige  und  seinen  Leuten  ungünstige  Lage  des  Terrains  vergebens 
sucht,  wo  vielmehr  oben  alles  flach  ist,  das  Aufsteigen  hingegen  durch 
die  engen  und  verwinckelten  Thalsebhichten,  die  nach  der  Loue  su- 
laafea,  unüberwindliche  Schwierigkeiten  bietet.  ,)An  diese  nniU"* 
gänglicben  Oerter  also,  ruft  Hr.  Rev.  aus  p.  16,  welche  nur  eine 
9«hr  enge  und  wohl  bewachte  Angriftlinie  aufwiesen,  hätten  die 
galUsQhen  Häuptlinge  die  Blüte  ihrer  Mannschaft  gesandt,  vermuthf* 
lieh  um  des  grösseren  Ruhmes  willen,  wenn  sie  sich  gegen  alle 
Wahrscheinlichkeit  eines  solchen  Postens  bemächtigten.  Und  geseAat 
sie  hätteu  endlich  mit  Anfreibopg  ihrer  Kräfte  eine  von  Gäsar's 
Schancen  über  den  Haufen  geworfen  und  sich  Amaneey  genttiert, 
so  war  es  ihnen  damit  nicht  gelungen,  wie  aal  der  Südseite^  die 
Tcnppen  Cäsar's  von  einander  su  trennen,  das  Plateau  mit  einer 
siegenden  Stärke  von  250000  Mann  zu  besetsen  und  alle  jene  klai* 
nen  Garnisonen  zur  Ohnmacht  zu  bringen:  nein  sie  kamen  in 
geringen  Haufen,  ermüdet,  erschöpft,  durch  einen  unnützen  An« 
griff  decimiert,  vor  das  Lager  Cäsar's  hu  das  Centrum  seiner 
Armee,  mitten  unter  frische  Truppen,  welche  Zeit  gehabt  hätten  aus 
den  entlegensten  Schanzen  herbei  zu  eilen.^  —  Nur,  wenn  man 
dem  Texte  Gäsar's  die  grösste  Gewalt  anthut,  vermöclite  man  sich 
in  das  Terrain  von  Alaise  au  schicken.  Dies  zeigt  Hr.  Rev.  unter 
anderm  an  der  Position,  die  Hr.  Del.  dem  Lager  des  Vercingetorix 
neben  Alesia  angewiesen  halte.  Da  dasselbe  nach  Oäsar's  aosdrückM- 
chen  Worten  auf  der  Ostseite  liegen-  musste,  so  kam  es  bei  Alaise  an 
den  nnangänglichsteu  Theil  des  Plateaus,  wo  es,  durch  die  tiefe 
Felaenschiucht  des  Lison  im  Osten  vor  den  Römern  gesehtitst,  sich 
eigentlich  nur  gegen  die  Stadt  selbst  zu  vertbeidigen  hatte  in  dem 
Kckwer  au  denkenden  Falle,  dass  die  .von  Cäsar  selbst  unüberwind- 
lich geheissene  Feste  beim  ersten  Angriffe  den  Römern  in  die  Hände 
gefallen  wäre.  Dieser  Angriff  ward  von  Westen  aus  der  s.  g.  Ebene 
oder  dem  Todeuretbale  geführt,  und  während  dessen  entfaltete  Cäsar 
seine  Hauptmacht  auf  dem  über  eine  Stunde  östlich  hinter  Alaise 
gelegenen  grossen  Plateau,  um  die  seinigen  zu  ermnthigen,  die  nichts 
davon  sehen  konnten,  und  um  Veocingetorbc  in  seinem  Lager  zu 
schrecken,  der  durch  die  Natur  des  Ortes  hinlänglich  gesichert  war« 


p.  96  IT.  -—  Kaehdem  Hr.  Rot.  bo  die  ftaffaU«nd«teii  0Crat6f^ltelieii  md 
antiquarischen  VerBtösse  bekSmpff,  stellt  er  saletzC  ancb  dfe  riditige 
Ansicht  Ton  den  s.  g.  Kastellen  wieder  her,  wo  uns  das  GmndfiM 
des  Delacroix'schen  83rBtenis  sn  liegen  seheint.  Tor  jeder  Verwlr- 
mng  mit  heutigen  Kriegshegriffen  (forts  d€tach&,  fen  croistf  n.  dgt.) 
warnend,  fragt  er  schliesslich  p.  82 :  ,,Was  waren  denn  die  98  Ka* 
stelle,  Ton  denen  GKsar  spricht?  Es  waren  einfach  eine  Art  Wadn 
stoben,  in  passenden  Zwischenräumen  im  Innern  seiner  Wei^e  er* 
richtet,  in  welchen  Nacht-  und  Tagwachen  den  BelagerungsarbeifeSB 
Schnts  verliehen  und  einen  ersten  Stoss  des  Feindes  aoshaltend  des 
flbrigen  Truppen  Zeit  Hessen  sur  Vertheidigung  berbelEukommen. 
Dies  ist  wohl  die  einsige  yernOnftige  Manier  CSsar's  Ersählnng  is 
▼erstehen.^  Dies  ist,  setzen  wir  hineu,  gewiss  auch  die  Ansicht 
die  sich  jeder  Unbefangene  bei  der  blossen  Lesung  der  Gommenta- 
rien  gebildet  bat. 

Wenn  nun  schon  im  eignen  Lande  die  Schenkung  des  Hrn.  Del. 
mit  Vorbehalt  des  Inventars  und  gründlichem  Protest  aufgenommsi 
ward,  80  Hess  sich  natürlich  nicht  erwarten,  dass  Bnrgund  raUg 
bleiben  würde,  und  sich  seines  köstlichen  Otites  so  leicht  begelmi 
m^^obte.  Wirklich  erhob  sich  auch  suerst  Herr  De^  su  Aozerre, 
Verf.  von  Nr.  8,  mit  Nachdruck  gegen  die  willkürliche  Neuermg 
eines  wohlbegründeten  Besltsstandes.  Nachdem  er  in  einem  1.  Kapilri 
das  strategische  System  des  Hrn.  Del.  auseinandergesetst,  bespridit 
er  im  2.  den  ersten  Zusammenstoss  der  beiden  feindlichen  Herre. 
Wo  sollte  dieser  stattfinden?  Nach  Hrn.  Del.  bitte  sich  GXsar,  nach 
der  Vereinigung  mit  Lablenus,  gegen  Genf  über  Langres,  die  obere 
Saone,  Mantoche,  Alaise  und  Mores  gewandt?  Warum  diesen  Weg? 
Um  schneller  ansukommen?  Er  ist  der  weiteste.  Um  die  deutscbea 
Reiter  au  erwarten?  In  Mantoche  war  Cäsar  weiter  von  ihnen  ent* 
femt  und  in  Feindesland.  Wegen  der  Richtung  der  Strassen?  Diese 
war  eine  andre.  War  es  GSsam  um  eine  feste  Position  zu  thun? 
Er  sagt  selbst^  dass  er  der  Provins  Hilfe  bringen  wollte.  War  dies 
wirklich  seine  Ansicht,  so  begreift  man  wahrlich  nicht,  wie  er  die» 
sen  Weg  einschlagen  konnte,  wo  ihm  besonders,  wenn  die  Schluch- 
ten des  Lison  besetst  waren,  durchsadringen  unmöglich  gewesea 
wäre.  Dabei  sind  vor  allem  die  historischen  Zeugnisse  in  Anschfaig 
au  bringen,  und  wenn  auch  Cäsar  als  ehrgeiziger  Feldherr  ms 
manchmal  ein  kopfschütteindes  Zweifeln  erregt,  so  ist  er  dodi  als 
Geograph  ein  glaubwürdiger  Gewährsmann.  Cäsar  sagt  aber  deut« 
lidi:  (Vn,  66)  quum  Caesar  in  Seqnanos  per  extremes  Lingonnn 
flnes  iter  faceret,  als  er  nach  Sequanien  durch  das  Grenzgebiet  iHt 
LIngonen  biniog;  und  wenn  Dio  Cassius  dafür  iv  Ihjxovavo^  (In 
Sequanien,  Francbecomttf)  gibt,  so  hat  dies  gegen  die  aothentiiMira 
Eraählung  kein  Gewicht.  Es  ist  bekannt,  wie  unzuverlässig  oft  die 
Angaben  des  griechischen  Eompilators  sind,  und  wir  haben  ihn,  bei 
der  Belagerung  von  Gergovia,  in  einem  ähnlichen  Widerspruche  mit 
der  römischen  Quelle  gefunden.    Die  hieher  bezügliche  Stelle  Plntareb's 


SdvülMi  «b«r  Alma.  68f 

(Vit  Cii.  eip.  26)  achdai  swiseheii  beiden  Beriobtea  su  Bchvrankeii  luid 
ist  such  von  Hrn.  DeL  für  seine  Theorie  ausgebeutet  worden.  Hr.  Dejr 
«eigt  alMT  durch  TolÜLommen  logische  Auslegung  des  Wörtchens 
ifftav^a^  dess  Plutarch  mit  Gttser  übereinstimmt,  nämlich  hrvav^Oy 
welches  als  Ortspartikel  xweideutig  wäre,  ist  als  Zeitpartikel  lu  las- 
sen, und  heisst:  damals,  als  er  nach  Seqoanien  weiter  sieben  wollte. 
Cäaar  war  also  nicht  in  der  Fraochecomttf,  in  welcher  alle  Opera* 
tionen  des  Herrn  Delocroix  stattfinden.  Die  Gitate  aus  Aosonius 
fuhrt  Hr.  Dey  auf  ihr  richtiges  Verständniss  surück :  es  ist  daselbst 
darchaus  nicht  von  diesen  Begebenheiten  und  diesen  Oertern  die 
Bede,  sondern  die  Mava  ist  die  Mähe,  Dunmissns  die  Stadt  Denssen, 
und  MoTomagum  Neomagen,  wie  die  Peutinger'sche  Tafel  beweist 
Was  nun  die  Station  an  Mantoehe  betri£ft,  so  stellt  Hr.  Dey  S.  61 
die  verschiedenen  Meinungen  über  die  Lage  von  Amagetobria  (Ma** 
getobria?)  in  einer  lelirreichen  Anmerkung  lusammen,  die  wir  nne 
aieht  versagen  können  hier  ansauschreiben,  da  dieselbe  einer  küaf« 
tigen  Untersuchung  über  diesen  Gegenstand  sur  Grundlage  dienen 
dürfte.  ,|Amagetobria  soll  sein  1.  am  Ufer  des  Bheins  nach  Gilbert 
Cansin  (GÜberti  Gognati  brevis  ac  dilucida  Burgnndiae  soperioria 
dascdptao.  Baslleaeap.  Oporln.  1652.  8.).  2.  au  Mantoehe  und  Amanga 
nach  Gbüflet  (J.  J.  Chffleti  Yesontio  civitas  in4>eriali8  libera.  Lug«* 
dnni  Giayne  1618.  4.  Dunod  de  Chamage,  Histoire  des  S^qnanais 
et  du  comt^  de  Bourgogne.  Dijon  et  Besannen  1735—40.  4.  Gra-* 
vier  M^moires  de  TAcad^mie  de  Besan^on  1843.  8.).  3.  zu  Poren- 
truy  nach  Dunod  (Lettres  h  l'abb€  B.  sur  les  decouvertes  qu'on  a 
üaites  sur  le  Rhein  1716.  12.).  4.  zu  Montbeliard  nach  Romain 
Joly  (La  Franche-eomtd  ancienne  et  moderne.  Paris  1779.  12.). 
5.  an  Broye  nach  Bergier  (Dissertation  sur  ceite  question:  quelles 
^taient  les  princlpales  valles  de  la  S^quanie.  Lons-le*Saulnier ,  An- 
nuaire  du  Jura  1839.  8.).  —  Vergl.  M^moires  sur  divers  objets 
d'antiquit^  trouv^  k  Mantoehe  pr^s  de  Gray,  par  Marnote,  dans  les 
Aetea  de  rAcad^mie  de  Besan^on,  Besangen  de  St.  Agathe  1847.  & 
M&noires  sur  la  langue  celtlqae  par  Bullet  Besangen,  Daclin  1754  fol. 
T.  L  Rapport  de  Mr.  de  Golbtfry  sur  un  memoire  reiatif  k  l'empla- 
cement  d'Amag^tobrie  par  Mr.  Gravier  dans  les  M<$moires  de  l'Ao»-* 
d<mie  de  Besangon  1843.^  Man  sieht^  schliesst  Hr.  Dey,  wie  miss* 
lach  es  ist^  einen  so  vielfach  bestrittenen  und  äusserst  zweifelhaften 
Punkt  zur  nothwendigen  Basis  strategischer  Operationen  für  Julius 
Cäaar  au  machen,  und  aus  dem  Grunde,  weil  derselbe  schon  Ariovist 
cor  Vertheidignng  gedient  hatte,  dessen  Zwecke  gar  nicht  dieselben 
waren;  denn  Ariovist  wollte  die  Verbindung  mit  dem  Oberrhehie 
aieh  offen  halten,  Clsar  die  Rhone  gewinnen.  Ausserdem  wäre  es 
hikhst  befremdend,  dass  Cäsar  die  Saone,  die  er  auf  diesem  Wege 
so  tiberschreiten  hatte,  nicht  mit  einem  Worte  erwähnte,  und  noch 
Hiefar,  dass  Vercingetorix  sich  dem  Uebergange  nicht  an  den  Ufern 
des  Flusses  widersetzt  hätte.  —  £in  drittes  Kapitel  des  Hrn.  Dey 
iat  Ubeischrieben:  Topographie  et  si^e  d'A16na.   Die  näehste  Frage 


baferilk  hier  die  ICmdttbier:  weMta  fiteste  gebarten  ele  eü«  €«i 
Aedueru  oder  den  Lingonen,  mit  andero  Worten,  den  Emptirten  oder 
den  R&merfreandiichen?  Der  beiläufige  Satt;  qni  eoa  reeeperast, 
will  Hni.  Dey  andeuten,  dasa  eie  oicbt  {an  Bande  waren,  ud  daM 
Vercfngetorix  ibnen  nicbte  an  befohlen  hatte.  Decb  möchte  hier 
den  Verf.  sein  Scharfsinn  an  weit  geführt  haben.  Ans  iolch  Tti^ 
einaelter  AeQaaeniog  ist  nicht  an  Tiel  sv  scblieasen,  und  die  ganie 
Darstellnng  GSsar's  gibt  ca  erkennen,  dass  er  den  gallischen  Airf- 
aland  mehr  als  ein  Werk  des  Terrorismas  als  freiwüljg  fiatriotiaeher 
Eihebang  ansah.  Jener  Sata  möchte  also  nichts  als  ein  SchlaKÜcfat 
weiter  sehi,  nm  den  heldenmüthigen  Führer  v^n  gehXsaiger  SsM 
so  aetgen.  Es  erhelit  aas  andern  Gründen,  dass  die  Maadohte  eta 
Scbotavolk  der  Aedner  auf  der  Orenae  gegen  die  Llngonea  woran 
Ein  aweitor  Ponkt,  die  Unteienchvng  des  Temtina,  ist  Hm«  Dey 
besser  gelangen.  Mit  grosser  Bchärfe  werden  die  drei  Hanptmetfc* 
nude  in  OXsar's  Texte  herrerg^^ben:  1.  die  beiden  Fliaee,  die 
den  Fuss  des  Berges  bespülen,  9.  die  Ebene,  die  sich  auf  ehier 
Seite  «ffnet,  8.  die  Umalonang  dutch  Berge  gleicher  Höhe.  Wen» 
ann  die  beiden  ersten  aar  Noth  um  Alaise  wieder  gefandeti  werdstf 
mögen  (nnd  wir  könnea  dies  kelaeewegs  in  Beaog  anf  die  Ebene 
lagebeD),  so  fehlt  das  dritte  Merkmal  der  Gegend  utd  Alaiee  gian* 
Mob.  Hr.  Dey  Tcrgiekht  die  Erhebung  der  vOrattgliohsten  Punkte 
Aber  die  umgebenden  WassedSafe,  wie  tolgt: 


Für  Allse. 

Mont  Aokois  155  Meter. 

„    R^  166  « 

^    PMvenel  158  » 

«     Grdsigny  181  „ 

„     dcFlavigny  183  „ 

Aeuaserete  Differena     27  • 


Für  Alaise. 

Alaise  186  Mden 

Ba^tbereaux        158  ^ 

Mont  de  Uslne  205  „ 

Le  Fori  274  « 

Camp  Baron       281  „ 

„     de  Mine   285  « 


Diese  Zahlen  sprechen  von  selbet*  Ueber  die  Lagenmg  beider  Th^ 
um  Alisa  Forweist  Hr.  D.  auf  den  oben  angeßthrten  Bericht  du 
Hm.  Da  Mesail  fan  Spectateur  miUtaire.  Die  Besdiaffenbett  dct 
Terrains  rechtfertigt  vollkommen  die  Vertbddigungsanataiten  des  geh 
liacheu  Feldherm:  denn  die  östliche  Seite  des  Mont  Auxols  ist  affl 
leichtesten  augSnglieh;  hier  waren  also  improvisirte  Grftben  und 
Manem,  wie  sie  Cäsar  beschreibt,  dorchans  nothwendig.  GXsar^ 
Arbeiten  selbst  lassen  sich  ner  auf  dem  Terrain  um  Alise  rersteiietf' 
Hier  gibt  Hr.  D.  die  Möglichkeit  au,  dass  die  Wahrheit  etwas  unter 
der  Beschreibung  geblieben  sei;  unmöglich  aber  könne  man,  wie 
Hr.  DeL  tt^at,  über  Cäsar  hinausgehen  und  solch  ungeheure  Arbei- 
ten träumen,  au  welcheü  dem  römischen  Imperator  Zeit  und  Mittel 
fohlten.  Um  dies  noch  treffender  ^u  erweisen,  Hess  sich  Hr.  D.  von 
Ikii.  Architekten  Lorin  an  Auxerre  einen  Kostenfibenching  der  De» 


fltkrfftai  ««lAltiiik  IM 

lacffois'fldMn  Werte  anfetügen,  d«n  et  in  der  Note  34  ¥01111110«« 
mittbeilt  Es  waren,  naeh  Hm  Lorin,  7,660000  Kubikmeter  atUh 
flograben;  dam  braacben  63760  Mann  40  Tage  bei  10  Stunden 
tftglieluMr  Arbeit  CSear  aber  lag  nor  30  Tage  vor  Aleeia,  hatte  nur 
60,000  Mann,  und  konnte  sie  nieht  alle  aur  Schaniarbeit  Terwen«- 
deo.  — -  In  einem  4.  Kapitel  entwickelt  Hr.  Dej  die  SeiiidcBale  Ale«* 
Sias  nach  der  Belagerung,  und  stellt  ausführlich  nach  SehriftsteUem^ 
Urkunden  und  Denkmälern  die  traditionellen  Reclite  des  bu^andl* 
sehen  Alise  wieder  her.  —  Eine  anmuthige  Zugabe,  gleichsam  ein 
Satyrdram  nach  der  ersten  Trilogie  der  Beweise,  Ist  sein  6r  Kapitel: 
AMsia  daus  les  Ceyennes.  Im  Jahre  1716  hatte  nämlich  ein  An* 
tiqnar  aus  Languedoc,  Ours  de  Mand^jor,  eine  höchst  wundetUdM 
Schrift  Iteransgegeben :  Eclaircissements  sur  la  dispute  dAlyse  en 
Bonrgogne  et  de  la  Tille  d'Alea  dans  ies  Bevennes  en  Laagued»e^ 
an  anjet  de  la  famevse  Alesia  aasi^^  par  Cäiar:  wo  mit  Vetkeh«' 
mag  aller  Topograi^e  Aleäa  nach  Alais  bei  Nismes  Fersetat  wkrdi 
Daicfa  diese  PaittUele  mit  einer  ältetn  Meinung,  die  einet  emstha^ 
teo  Widerlegung  nicht  bedarf,  wird  die  neue  £ntdeck«ig  von  Alesia* 
▲laise  mit  Lächerlichkeit  iiberschüttet  und  um  ein  Mal  mehr  ge? 
Mlgty  wie  weit  es  der  übertriebene  Ortspatriotismus  bringen  kann^ 
wenn  er  die  soliden  Führer  verlässt  and  die  ansichem  Zeugnisse 
•chlecht  unterrichteter  Spätlinge  anabeatet  Seinen  Sehlnss  formst 
liert  Hr.  D.  in  diese  Worte:  C'est  k  Alise  qu'il  fant  appliquer  oes 
parolea  de  Mr.  Quieherat:  II  faudrait  renoncer  h  chercher  la  väritd 
s^  n'^tait  pas  permis  de  dire  qn'on  la  poss^de  lorsqu'on  a  reeueiUi 
tani  de  eignes  manifestes  de  sa  pr^sence.^ 

Wir  kommen  zu  dem  ausführlichsten,  grüncHlchsten  Werke,  das 
sich  mit  dieser  Frage  beschäftigt,  die  Delacroix'sehe  Theorie  vollf* 
ständig  widerlegt  und  die  Rechte  des  bnrgundischeii  AJSiBe  endgiltig 
rettet  Hr*  Bossignol,  Archiyar  zu  Dijon,  hat  unter  den  Anspiden 
der  dortigen  Akademie  und  der  antiq.  Kommission  ebendaselbst  die 
Denkschrift  Nr.  4  erscheinen  lassen^  welche  ein  Muster  besonnen 
ferscfaender  Methode  und  gesunder  lebhafter  Polemik  ist  Es  ist 
alelit  unsre  Absicht,  unsre  Landsleote  jenseits  des  Bheias  der  Le* 
BODg  dieser  gediegenen  und  klassisch  geschriebenen  Abbandluqg  n 
«beigeben,  überzeugt,  dass  dieselben,  wie  wir,  nicht  aar  willkooBi« 
mnne  Belehrung,  sendiern  aneb  wahres  Vergnügen  hier  finden  wer« 
den.  Die  topographischen  Zugehen,  mit  welchen  sia  aasgesialtet 
ist,  machen  sie  tib^us  dem  Stadium  dieses  ganzen  Feldaaga  wm^ 
entbehrlich.  Dean  ausser  der  genauen  Aufnahme  des  Terrains  von 
Alise  begrelfeD  diese  eine  Uebersichtskarte  der  strategischen  Opera^ 
ttenen  und  einen  Plan  der  kurz  Tor  der  Betagerung  gelieferten 
Schlacht.  Lassen  wir  denn  zunächst  nur  die  Ueberschriften  der  Ka^ 
pitel  folgen.  I.  Exposition.  IL  De  la  valeur  des  documents.  UI.  Jules^ 
C^sar  arrive  de  Tltalie.  Ses  premi^res  Operations.  lY.  Marcheiid 
C^sar  apr^s  la  lev^e  da  si^ge  de  Gergovie.  V.  Marche  de  V^den 
gAorix  apris  la  lev^e  du  si^e  de  Qergovie.    VL  C^sar  seerung« 


MO  ScIurilkeB  «ber  Aleiku 

Ott  üMTche  BftiB  9LV0k  puBi  rVoone*  Sa  difection.  VIL  CMsar  et 
VarciDgftoriz  se  reocontrent  en  avant  de  Montbard;  reirdte  des 
Oaalois  sur  Alise.  YIIL  Du  som  d'Alise  et  des  Mandubiene;  tra* 
ditioQ  DOD  interrompDe  qui  les  Signale.  IX.  Description  comparfe 
de  la  sitaation  d'AIise  avec  les  textes  de  C^ar.  De  ses  eoars  d'eau, 
de  ses  plaines  et  du  camp  de  Yercing^torix.  X.  Camps  des  Ro- 
mains; redoutes,  lignes  de  circonvallation.  XI.  Camps  des  Gaalois 
de  l'arm^e  ext^rieure.  XIL  Soumission  des  Edaens;  autorit^  de 
Yarron  et  d'Ausone  dans  la  question  d'Alise.  XIII.  Ruines  d* Alisa 
XIY.  R^capitulation.  Man  sieht  die  Reichhaltigkeit  des  Stoffes. 
Oenüge  es,  einige  Punkte,  die  durch  Hrn.  R.'s  Ausführung  beson- 
deres Licht  gewonnen,  hervorsuheben.  Yortrefflich  ist  die  Eotwick- 
long  der  strategischen  Momente.  Denn  da  die  Belagerung  und  die 
vorausgegangene  Schlacht  sich  wechselseitig  bestimmen ,  so  ftsgl 
Hr.  R.  suerst  nach  dem  Schauplats  der  letztem.  „Um  ein  Schlacht 
feU  zu  finden,  sagt  er  S.  6,  gibt  es  ein  sehr  einiaohes  Mittel:  msi 
folge  dem  Marsche  beider  Armeen  Schritt  für  Schritt,  mit  gutes 
Fiärern  und  mit  Prüfung  des  Terrains.  Wo  beide  Linien  sidi  be- 
nignen, da  ttittss  gewiss  das  Schlachtfeld  sdn.^  Dieses  Programa 
wfard  gewissenhaft  ausgefüllt  und  zuerst  mit  siegender  Logik  darge- 
than,  dass  Cäsar,  auch  nach  dem  Abzüge  von  Gergovia  und  den 
Abfalle  der  Aeduer,  nimmermehr  daran  gedacht  habe  CentralgaUiea 
au  verlassen.  Er  selbst  erklärte  dies  für  eine  Infamie  (B.  6.  YHi 
56).  Napoleon  hat  es  ebenso  verstanden.  „Es  war,  sagt  dieser,  nur 
BWischen  zwei  Dingen  die  Wahl:  mit  Kühnheit  bezahlen  oder  in 
die  römische  Provinz  sich  zurückziehen.  Doch  hiermit  war  allei 
verloren.^  Cäsar  bezahlte  also  mit  Kühnheit  Unter  den  Augen 
des  Feindes  bewirkte  er  den  schwierigen  Uebergang  über  die  Loire 
(bei  Nevers),  rückte  weiter  nordwärts,  und  vollzog  seine  Yereiniguag 
mit  dem  von  Paris  kommenden  Labienus.  Er  blieb  nun  an  de« 
Ufern  der  Yonne  und  des  Armangon  liegeiii  wo  er  an  den  befreun- 
deten Lingonen  und  Remem  einen  Rückhalt  hatte,  sich  reichlich 
verproviantieren  und  den  Zuzug  germanischer  Reiter  von  Trier  her 
erwarten  konnte*  Diese  Stellung  war  ihm  aber  auch  aus  efaneni 
andern  Grunde  sehr  vortheilhaft.  Yon  hier  aus  beobachtete  er  das 
nahe  Aeduerland,  wo  nun  die  aufständische  Armee  ihr  Hauptquartier 
aufgeschlagen  und  bereits  Zeichen  von  Eifersucht  und  Zwist  sich 
kund  gegeben  hatten«  Denn  Yercingetorix  war  von  neuem  zu  Bi^ 
brakte  als  Oberhaupt  des  Nationalaufstandes  bestätigt  worden  und 
die  äduischen  Edlen  unterwarfen  sich  unwillig  dem  Befehle  des 
Aiverners  (YII,  63).  Welch  günstige  Aussicht  für  Cäsar,  wenn  es 
ihm  gelang,  durch  Emissäre  Misstrauen  zu  säen  und  den  ^^alten  Freon**' 

i  den  des  römischen  Yolks^  die  Rückkehr  zum  früheren  Bündniss  an* 

Biiehmbar  zu  machen  I 

S.;«.  ^^«""  ^"^'-^ 

Ikii.   Afi 


■r.  41  BEIDELBKRGER  IHt. 

JAHRBOCHSR  der  LITERATUR. 

Schriften  Aber  Alesia. 


(SehluM.) 

Welch  wichtiger  Grand  in  der  Nähe  bu  verharren,  aod  wer 
möchte  ihn  non  noch  in  den  Schluchten  des  Jura  suchen ,  wo  er 
mindestens  verhungert  wäre  I  Indessen  beschliesst  Vercingetorix  zwei 
Diversionen  nach  der  römischen  Provins,  die  eine  gegen  die  Heivier 
Jenseits  der  Gevennen,  die  andere  gegen  die  Allobroger,  die  sich 
durch  die  Rhone  schützten,  aber  die  er  der  Verführung  zug&nglich 
zu  finden  hoffte  (VII,  64).  Gegen  solche  Angriffe  hatte  Cäsar 
82  Kohorten  in  der  Provinz  gelassen:  es  schien  ihm  zweckmässigi 
mit  der  Hauptarmee  sich  derselben  zn  nähern,  um  ihren  Vertheidi- 
gern  leichter  die  Hand  zu  bieten.  Es  handelte  sich  also  wieder 
nicht  um  Flacht,  wie  Vercingetorix  in  Gallien  aussprengte  und  die 
Hro.  Delacroix,  Qnicherat  und  Deq'ardins  ihm  zu  leicht  geglaubt 
haben  I  sondern  nm  eine  einfache  Positionsveränderong,  wie  auch 
Napoleon  richtig  gesehen  hatte.  Und  so  gross  war  die  Ktthnheil 
des  römischen  Feldherrn;  in  seiner  MarschrichtuQg  streifte  er  das 
Land  der  Aeduer  und  wollte  so  zu  sagen  unte*  den  Augen  des 
Feindes  vorüber  defilieren,  um  in  das  Saonegebiet  seine  Quartiere 
zu  verlegen.  Anders  kann  die  Hauptstelle  des  Textes:  quum  Caesar 
;in  Sequanos  per  extremes  Lingonum  fines  iter  faceret,  quo  facilins 
Bobsidiom  provinciae  ferri  posset  (VII,  66),  nicht  genommen  wer- 
den. Wo  sind  diese  extremi  fines  Lingonum?  Sie  sind  durch  das 
ganze  Mittelalter  in  der  Diöcesaneintheilung  fest  gebalten  worden: 
bei  Montbard  scheiden  sich  die  Diöcesen  von  Autun  und  Langres, 
und  hier  geben,  wie  anderwärts,  Dörfer  des  Namens  Fins  (Fins-Iez* 
Montbard  und  Fins-lez-Moutiers)  Zeugniss  von  der  alteiT  Abgren* 
zung.  Hier  also  wird  Vercingetorix  sich  dem  Durchzug  der  Le* 
gionen  widersetzen  und  hier  kömrot  es  zu  der  Kap.  67  beschriebe- 
nen Schiacht.  Es  ist  zu  vermuthen,  dass  der  gallische  Obergeneral, 
als  kluger  Mann,  seine  Stellung  absichtlich  in  der  MiUie  einer  Fe- 
stung gewählt  habe,  in  welche  er  sich  nach  dem  unglücklichen 
Ausgange  der  Schlacht  wirft.  Diese  Festung  ist  Alise,  ein  Schatz- 
ort der  Aeduer,  also  der  Konföderation  unterthan:  nicht  100,  nicht 
50  Kilometer,  sondern  4  Stunden  bloss  vom  Schlachtfeld.  Denn 
Vercingetorix  erreicht  sie  noch  am  selben  Abend,  nach  heissem  und 
gewiss  langwierigem  Kampfe,  und  Cäsar  lagert  sich  am  folgenden 
Tage  vor  ihren  Manern.  So  weit  die  Vorgänge  vor  d^  Belagerang. 
L,  Jahrg.  9.  Heft  42 


Wie  kUr»  wie  natörlicfa  verkettet  eich  alles !  Mit  inethemetiecto 
Sieherheit  wird  man  auf  Ali«e  hiDgefOhrt,  and  von  allea  lepogrt» 
phischen  und  antiquarischen  Beweisen  abgesehen,  könnten  die  stra- 
tegischen Gründe  allein  hinreichen,  den  Plats  zu  bestimmen.  In 
dieser  Weise  hat  sich  uns  in  einer  gründlichen  Besprechung  Herr 
Ouigniaut  geäussert,  von  dessen  bekannter  Autorität  wir  so  glud^ 
lieh  sind,  hier  Gebrauch  machen  au  dürfen.  —  Ebenso  umsichtig 
verfasst  als  angenehm  zu  lesen  ist  die  topographische  Ausführung. 
S.  46  gibt  in  grossen  Umrissen  ein  gelungenes  Bild  von  der  Ge- 
gend. „Cäsar's  Beschreibung  passt  in  allen  Stücken  auf  das  T«- 
rain,  wo  eine  ununterbrochene  Ueberlieferung  immer  Alesia  erkannt 
bat.  Das  längliche  Plateau,  auf  welchem  die  Feste  ruhte,  ist  von 
Katur,  wie  nach  den  Commentarien,  durch  4  Stücke  begrenzt:  xw4 
Flüsse,  die  Ose  und  den  Oseraln,  eine  Ebene  davor,  ante  id  oppl- 
dum  planities;  —  Berge  dahinter.  Man  blicke  auf  die  Karte :  dieser 
vereinzelte  Hügel  stellt  ehi  grosses  Kriegsschiff  dar,  welches  sidi 
von  einer  Flotte  abgelöst  und  in  das  Bett  der  Brenne  eintreten  wüL 
Es  stützt  sich  rechts  nnd  links  auf  zwei  Wasserlänfe,  die  Cäsar 
Flumlna  nennt.  Sein  Vordertheil  strebt  über  die  schöne  Ebene  von 
les  Laumes,  die  sich  vor  ihm  eröffnet  und  es  zu  erwarten  scheint: 
ante  id  planities  patebat.  Sein  Hintertheil  lässt  wellenförmige  HQgd 
turück,  gleicbsam  die  Wogen,  die  es  auf  seinem  Wege  aufgerührt; 
reliquis  ex  partibus  colles.^  Es  ist  uns  unmöglich  in  aHe  Eind- 
holten  ehizufehen:  wir  verweisen  daher  auf  das  schöne  Werk  des 
Bm.  R.  selbst,  in  weldiem  bis  ins  kleinste  die  Uebereinstimmong 
des  lateinischen  Textes  mit  dem  Terrain  voq  Alise,  so  wie  die  Du- 
Statthaftigkeit  der  Delacroix'schen  Belagerung,  zuweilen  mit  de» 
herberen  Schlägen  einer  ereiferten  Wahrheitsliebe,  dargethan  vrird. 
In  der  Schilderung  des  letzten  entscheidenden  Kampfes  schliesst  sich 
Hr.  R.  mit  Recht  ganz  an  den  Bericht  des  Hrn.  Du  Mesnil  im 
Spectateur  militaire  an,  dessen  Aufnahmskarte  und  eigene  Worte 
wiederholt  sind.  In  der  That  tritt  der  äusserste  Hügel  nördtick 
von  Alise  etwas  weiter  als  die  übrigen  von  dem  Centrum  der  Ope* 
lationen  zurück,  und  man  begreift,  wie  Cäsar,  um  seine  Linien  nicht  i 
zu  sehr  auszudehnen ,  sich  hier  mit  einer  unvollkommenen  Befestt« 
gnng  begnügte  (YII,  83).  Die  Spitze  des  Hügels  blieb  also  von 
der  Circumvallation  ausgeschlossen,  und  dies  Versehen  brachte  die 
römischen  Legionen  an  den  Rand  des  Verderbens.  Denn  hierher 
rückte  in  der  Nacht,  von  den  Feinden  ungesehen,  die  auserlesene 
galYische  Maomschaft  unter  den  Befehlen  des  Vercassivellaunus,  und 
bestürmte  mit  aller  Macht  von  oben  das  am  Abhänge  befindUcho 
Lager  des  Aatistius  Reginus  und  Caninius  Rebilns.  Versprach  null 
dieser  Angriffsplan  einen  günstigen  Erfolg,  so  ist  auch  die  Thätig^ 
kelt  und  Gewandheit,  mit  der  Cäsar  seinen  Fehler  verbesserte,  an- 
zuerkennen.  Er  sandte  Verstärkung  auf  Verstärkung  nach  dem  be« 
drohten  Punkte,  er  erschien  in  eigner  Person  auf  dem  Felde  dw 
Gefahr;  was  »her  den.  Ausschlag  gab,  war  eine  geschickte  Reiter-' 


Mkriflen  ttber  Atealt.  UMI 

bewegQDg  durch  das  Tbal  des  lUhtfSi.    Dieses  Thal,  in  das  Ose- 
tbal  mandend,  macht  nämlich  eine  fiefe  Forche  zwischen   dem  be- 
seichoeten  Hügel   and  der  weitern  um  Alesia  gelagerten  Reihe:   es 
verbarg  den  Theil  der  cisarianischen  Reiter,  der  aus  den  Verschan- 
songen hervorbrach  und   den  Oaliiem  in  den  Rücken  fiel  (VII,  87 
and    88).     Der   Anblick   des  Terrains   stellt   diese   Bewegung,    für 
welche  Cäsar  nur  zwei  Worte  hat,   in   das   glänzendste  Licht  und 
liefert,  wie  s<^  oft,  den  bündigsten  Kommentar   zu  dem  kurz  abge- 
brochenen Texte.  —  Nach  der  Uebergabe  Alesia's   ist   erst   wieder 
von  den   Sequanere   die   Rede;   T.  Labienus  wird   mit  2' Legronen 
nnd   der  Reiterei   beordert,   seine  Winterquartiere   da   zu   nehmen. 
Wem  möchte  es  also  einfallen,  Alesia  in  Sequanlen  (Fraocfae-eomt^Q 
zu  suchen?   und  was  hat  es  nun  mit  dem  Gedichte  des  Varro  Ton 
Atax  de  hello  Seqaanico,  dessen  unbekannten  Inhalt  Hr.  Del.  hieber 
bezieht,   für   ehse   Bewandniss?    Ein  Krieg  in  Sequanien  ward  mit 
ArtoTfSt,   nicht  aber  mit   Vercingetorix   geführt:   ein  Krieg  gewiss 
ebenso  würdig  des  epischen  Gesanges  durch  seioe^  grossartfgen  Per- 
sOdltchkeiten    und   bedeutenden   Ereignisse,    der  einzige  in  Cäsar^ 
Siegesläufe,  der  unter  diesem  Namen  einen  Varro  begeistern  konnte. 
In  gleicher  Art  wh-d  auch  die  verkehrte  Deotung  Ton  Ansons  Jdylle, 
die   wir  schon   besprochen,   abgewiesen.  —  Ein  sehr  ausfOhrliehes 
Kapitel  ist  den  späteren  Sehicksalen  A leslas  und  den  antiquarischen 
Funden  gewMmet.     Ob  die  Btadt,  wie  Florns  behauptet,  von  OBsat 
niedergebrannt  ward,  mag  zweifelhaft  bleiben :  Plinius  sah  sie  blühend 
nnd  gewerbthätfg  (H.  N.  XXXIV,  17).    Die  yersehiedene  Lage  der 
Mfinsen,  deren  noch  heute  in  Masse  aufgegraben  werden,  läset  auf 
zwei   spätere  Einäscherungen    der  Stadt  scfaliessen.     In   der  ^  Puss 
tiefen  Erdkruste  nämlich,  welche  antiquarische  Ausbeate  liefert,  an» 
terscfaeiden  sich  drei  Schichten.    In  der  untersten  finden  sieh  aasser 
sehr  seltenen  Münzen  Ton  JuHus  Cäsar  unzählige  Kaisermünzeo,  die 
meisten   von   Tiber,   dann   von  Nero,  Vespasian,  Trajan,  Antonio. 
Alle  diese  Münzen  sind  mit  einer  Aschen^  und  Kohienlage  bedeckt: 
es  mag  also  unter  dem  letzteren  Kaiser  eine  Feuersbnmst  stattge** 
fmideB  haben.     Eine  neue  Folge  Ton  Münzen  reicht  bis  Theedos, 
weraof  wieder  eine  Aschenschichte  ausgebreitet  Ist.    In  der  obersten 
Schichte  worden  noch  Münzen  der  merovinglschen  Könige  entdeckti 
unter  andern  ein  Goldsous  mit  dem  Namen   Aiisia,   der  auf  einer 
der  tepographtschen  Beigaben  abgebildet  ist  (S.  107).    Selbst  elgent- 
Kth  eehlsche  Reste   mangein   nicht  (S.  110).     Ausser   den   Spuren 
der  Staatsstrassen,  Gebäude,  Antikagüen  aNer  Art,  wird  mit  Recht 
anf  die  zu  Alise  gefundenen  Inschriften  Torzügllches  Gewicht  gelegt 
Mehrere  werden  beschrieben  und  commentiert.    Besonderes  Interesse 
erregt  eine  noch  unerklärte,  vermuthlich  celtlsche,  die  im  Jahr  1839 
entdeckt  ward  und  von  der  ein  Facsimile   in  den  Text  gedruckt  ist. 
Wenigstens   ist  das   Aherthum   der  Aussprache   AliBia  statt  Alesf« 
durch  sie  bewiesen.     Hier  folgt  sie: 


MARTIALIB.DANN7li 
lEVRV .  VCVETE .  SOSN 

CELICNON       ETIC 
GOBEDBI .  DVCIIoNT-Io 
YCVETIN 
IN  ALISnA 

Aogesichts  dieser  Beweise  und  der  fast  sweiUiiBendjShrigei 
Tradition,  deren  Urkunden  er  alle  geprüft  bat,  glaubt  Hr.  R.  dss 
Ergebniss  seiner  Untersucbung  gesicbert,  und  empfieblt  es  in  einesi 
warmen  Schlussworte  der  Behersigung  seiner  Leser.  Was  branelrt 
es  mebr?  ruft  er  aus  (S.  122).  Cfisar  und  Napoleon,  das  Fd4- 
herrngenie  und  die  Dichter,  die  Geographen  und  die  Historiker,  der 
Scepter  und  der  Altar,  die  Völker  und  alle  Jahrhunderte,  die  Rui- 
nen selbst  haben  gesprochen.  Es  gibt  meines  Wissens  kein  feier- 
licheres, kein  einmtithigeres  Zeugniss:  ja,  Cäsar's  Alesia  ist  Alise  in 
dem  Lande  Auxois.  Wir  stimmen  mit  ToUer  Ueberceugung  be^ 
und  haben  nach  allem  den  von  Hrn.  Delacroiz  angeregten  Streit 
nicht  EU  bedauern,  da  derselbe  eine  so  treffliche  und  beredte  für 
alle  Folge  genügende  Vertheidigung  der  alten  Wahrheit  herrorge* 
rufen  hat  Wir  hStten  nur  einen  Wunsch,  nämlich  den,  daas  die 
Aufnahmskarte  von  Alise,  selbst  auf  die  Gefahr  den  Masssiab  wm 
verkleinern,  etwas  mehr  Terrain  umfasst  und  die  Termuthiichen  Be- 
lagerungslinien deutlicher  beaeichnet  hätte. 

Hiemach  übergehen  wir  die  verzweifelten  Versuche,  die  in  der 
Franchecomt^  gemacht  wurden  und  noch  gemacht  werden,  um  das 
System  des  Hrn.  Delacroix  ^u  retten ,  können  aber  von  der  suleUt 
erschienenen  Schrift  Nr.  5  nicht  schweigen.  Die  erste  Hälfte  der- 
selben ist  ein  Wiederabdruck  der  bereits  besprochenen  Schrift  Nr.  S 
desselben  Verfassers.  In  der  aweiten  Hälfte  nimmt  Hr.  Rev.  den 
eigentbümiichen  Standpunkt,  auch  gegen  Hm.  Ross.  und  die  Ansprüche 
des  burgundischen  Alise  die  verneinende  Kritik  su  kehren,  die  er 
mit  Glück  gegen  Hrn.  Del.  und  das  juranische  Alaise  geltend  ge» 
macht  hatte,  und  somit  einem  aut-ant  ein  doppeltes  neque  entgegen 
SU  setzen.  Schade,  dass  durch  diesen  zweiten  unberechtigten  An* 
griff  die  Kraft  der  zuerst  mit  Erfolg  geführten  Waffen  abgeschwäcM 
wird  und  an  der  ganzen  kritischen  Thätigkeit  des  Verf.  ein  so  ua» 
befriedigendes  Endresultat  zurückbleibt  I  Denn  was  shsd  die  Gründe^ 
die  Hr.  Rev.  gegen  Alise  vorzubringen  vermag?  Ein  Hügel,  res 
zwei  Wasaerströmen  bestrichen,  ist  nicht  sehr  beweisend ;  man  finde! 
dies  überall,  n^ng  sein,  wenn  man  bloss  auf  allgemeine  Umriean 
sieht,  und  Hr.  Del.  hat  etwas  Aebniicbes  in  den  Schluchten  des 
Jura  aufgewiesen.  Wo  aber  in  dieser  scharfen  Individualität,  oül 
allen  Nebeomerkmalen,  wie  in  Cäsar's  Text  verglichen  mit  dem  Tei^ 
rain  von  Alise?  Der  Beweis  ist  noch  zu  liefern.«  —  Die  Hügel  um 
Alise,  die  durchaus  nicht  tiefgründig  sind,  widerstreben  jeder  Sehens- 
arbeit.    „Hier  wird  also  für  zu  schwer  erklärt,  was  Hr.  Qulchent 


Mirinen  über  Aletla«  M 

EU  leicht  Torkam.     Wir  bleiben   in   der  richtigen  Mitte»  nnd  wenn 
Hr.  Rev.  sich  auf  seinen  eignen  Augenschein   und   mehrtägige  Un- 
tersnchnng  beruft,  so  haben  wir  für  uns  die  Officiere   des  General- 
stabs, die  an  mehr  als  einem  Ort  Ihre  Messstangen  aufgesteckt  und 
die  volle  Anwendbarkeit  der  authentischen  Urkunde  auf  dieses  Ter- 
rain behauptet  haben.    Dies  technische  Gutachten  hat,  meinen  wir, 
doch  seinen  Werth.     Und  sagt  Cfisar  nicht  selbst,  dass  an  mehreren 
Orteo,  wegen  der  Beschaffenheit  des  Bodens,  seine  Befestigung  un- 
volistSndig  geblieben  und  nur  in  den  Niederungen,  wo  er  auch  den 
nassen  Graben   ausführte,  in  allen  Theilen   vollendet  gewesen  sei? 
(Vn,  84:  quae  minime  visa  pars  firma  est,   huc  concurritur,  yergl. 
86:   interiores   desperatis   campestribus  locis   propter   magnitudinem 
munitionum  loca    praerupta    ex    ascensu    temptant,    und   72.)^   — 
Die  3000  Schritte  lange  Ebene  vor  der  Stadt   wird  bei  Alise   ver- 
gebens gesucht:  hier  ist  ein  endloses  Thal,  in  welchem  man  je  nach 
der  Richtung  der  Linien  ebenso  gut  4000,  5000,  6000  etc.  Schritte 
messen   kann.     „Hr.  Kev.  verschweigt,   dass  gerade   im  Angesicht 
Ton  Alise,   wo  Ose  und  Oserain  in  die  Brenne  fallen,  dieses  Thal 
sich  answeitet.     Diese  weitere  Tbalöffnung  allein   ist  es,   die  Cisar 
vernünftiger  Weise  unter  dem  Worte  planities  begreifen  konnte,  und 
ihre  Linge,  nach  dem  Wasserzuge  der   beiden  Fitisschen  bestimmt| 
betrügt  wirklich  3000  Schritte.    Sie  wird  gerade  westlich,  Alise  ge- 
genüber, von  den  Hügeln  begrenzt,   auf  welchen  die  gallische  Ent- 
satzarmee sich  lagerte.     Herrn  Rev's  Einwürfe  gleichen  hier  einer 
wahren  Schikane.^  —  Die  Ebene  vor  der  Stadt  muss  auf  derselben 
Seite  liegen,  wo  Vercingetorix  sein  Lager  befestigte :  dies  war  aber 
naeh  GSsar's  deutlicher  Angabe  auf  der  östlichen   Seite:   die  Thal- 
5ffDung  vor  Alise  ist  dagegen  auf  der  westlichen.  „In  Cfisar's  Teite 
lat  nichts,  was  zu  solchem  Postulate  berechtigt :  wenn  Hr.  Rev.  sieh 
es  so  einbildet,  so  möge  er  seine  Phantasien  nicht  zum  gemeingll- 
tigen  Gesetze  machen.     Man  lese  Kap.  69.     Vor   der  Stadt,   ohne 
Angabe  der  Himmelsrichtung,  lag  die  Ebene;   vor  der  Stadt,   das 
faeiest  doch  wohl  auf  der  Seite,  von  welcher  CKsar  herannahte  d.  i. 
Ton  Westen.     Wenn  nun  Cäsar   weiterhin    die  Stelle  des  gallischen 
Lagers  mit   den  Worten   sub   muro,    quae   pars  collis  ad  orientem 
aolem  spectabat,  näher  bezeichnet,  so  macht  dies  eher  den  Eindruck, 
dass   er  eine   von    der   erstem   verschiedene  Lage   habe    bestimmen . 
wollen.     So  ist  es  bei  Alise,  wo  übrigens  der  sanftere  Abhang  der 
Oatseite  und  ihre  grössere   ZugSnglichlceit   ganz   die  Vorsichtsroass- 
regeln  des  gallischen  Feldherrn  erlilärt.    Cäsar  hat  aller  Wahrschein- 
lichkeit nach  sein  erstes  Lager  auf  der  Südseite,   welche   die  beste 
Position   bot,   bei    Flavigny   aufgeschlagen.     Um   diese  Position   zu 
behaupten  und  auszudehnen,    fand   das  im  Kapitel  70  beschriebene 
Reitertreffen  statt,  welches  sich  längs  dem  Oserain  das  Thal  hinauf 
unter  den  Augen  der  römischen  Legionen   bis   zu  den  bezeichneten 
Verschanzungen  der   Gallier   fortsetzte.  —    „Der   Flächenraum   auf 
dem  Berge  Auxoia  ist  zu  klein  um  80000  Mann  in  herbergen,  zu 


klelo  für  die  vrabre  Absicht  und  Bedeatunf  des  Torchigttoilxisdisn 

Ysitbeidiguagsplanes.^'  Schon  Napoleon,  schon  Turpin  de  Criuee 
hatten  die  Frage  aofgeworfen :  Wenn  Vercingetorixi  ausser  der  Rei* 
terei»  noch  80000  Mann  Fussvolk  hatte,  warum  hält  er  nicht  du 
Feld|  warum  Ifisst  er  sich  mit  dieser  bedeutenden  Truppenzahl  ein- 
scbilessen?  Hrn.  Be^.'s  Antwort  ist  ebenso  scliarfsinnigi  als  ehrend 
für  den  heldenmüthigen  Verfechter  der  gallischen  Nationalsacbe.  Ver- 
cingetorix  wagte  seinen  Kopf  und  die  Freiheit  der  erlesensten  Krie- 
ger aus  allen  Stämmen  Galliens,  um  die  feindliche  Hauptmadit  so 
einer  Stelle  festxabalten :  die  Gefahr  dieser  80000  sollte  dea  Land- 
sturm von  gana  Gallien  herbeiaiehen  und  mit  dieser  Macl&t  heifte 
er  Cäsarn  eu  erdrüclien  und  den  ganzen  Krieg  mit  einem  Schlage 
au  beendigen.  Wenig  fehlte,  so  hätte  der  Erfolg  diesem  Plaoe 
Recht  gegF^ben.  Hätte  er  besser  gethan,  die  Versammlung  des  Land- 
flftnrmes  in  Person  su  betreiben  ?  Seine  Befehle  wären  ohne  Zweifel 
basser  ausgeführt  worden,  als  es  in  Wahrheit  der  Fall  war  (s.  Ka- 
pitel 75).  Aber  wfs  ward  inzwischen  Alesia?  Unstreitig  hielt  Vercinge- 
toriz  seine  Gegenwart  in  der  Feste  für  nothwendig.  Hier  war  die 
härtere  Aufgabe:  die  Gedult,  die  Ausdauer  der  Besatzung  durch 
sein  persönliches  Beispiel  zu  wahren,  ja  sie  gegen  den  Muth  der 
Verzweiflung  im  Interesse  der  allgemeinen  Sache  zu  sichern.  Wai 
mag  es  dem  jungen  Helden  an  Kämpfen,  an  Ueberredungskuost, 
an  moralischer  Kraftaustrengung  gekostet  haben ,  da  die  Noth  bis 
zu  dem  kannibalischen  Vorschlage  eines  Gritognatus  gestiegen  warl 
Wodurch  missgliickte  der  so  klug  erdachte  und  so  heroisch  verfolgte 
Plan?  War  es  nichts  als  plötzliche  Entmuthigung  nach  dem  ver- 
eitelten Angriff  auf  das  nördliche  Lager,  was  die  noch  immer  zahl- 
reiche und  d«n  Römern  überlegene  Entsatzarmee  zum  Ausreissea 
veranlasste?  Hr.  Rev.  denkt  an  Verrath,  und  in  der  That,  mao 
kann  sich  dieses  Gedankens  nicht  erwehren,  wenn  man  sich  ans 
denik  ganzen  Verlauf  der  Geschichte  erinnert,  wie  sehr  die  einzelnen 
gallischen  Staaten  in  Parteien  zerspaltet  waren,  welchen  Theil  der 
Terrorismus  an  Vercingetorix'  Verfahren  iiatte,  wie  bei  den  Aeduem, 
ja  bei  seinem  eignen  Volke  des  arvernischen  Häuptlings  Anaehea 
keineswegs  unbedingt  fest  stand,  so  dass  nach  der  Uebergabe  der 
Sieger  es  vorzog,  Aeduer  und  Arverner  durch  Massregeln  der  Oe- 
Ibidigkeit  und  Gnade  zu  gewinnen,  statt  sie  sanunt  und  sonders  ais 
Empörer  zu  strafen.  Diese  Ausführung  ist  ohne  Zweifel  der  gelaa- 
genste  und  anerkennenswertheate  Theil  an  Hrn.  Rev.'s  kritischer 
Studie.  Wir  finden  aber  darin  kein  einziges  Moment,  das  nicht  aaf 
das  Terrain  von  Alise  zu  beziehen  wäre.  Der  verbältnissmässlg 
enge  Raum  auf  dem  Berg  Auxois  ist  allerdiogs  der  scheinbarste 
Einwand  gegen  die  Identität  von  Alise-Alesia.  Schon  Hr.  Major 
Du  Mesnil  wollte  deswegen  eine  Uebertreibung  in  der  Zahl  8OO00 
vermuthen*  Cäsar  specificiert  diese  Zahl  zu  genau,  als  dass  wir  in 
diese  Vermuthung  einzustimmen  vermöchten.  Er  behielt  davon  2OOO0 
(Aeduer  und  Arverner)  «urück,  und  vertheilte  die  äbrigen  Mann  for 


S«lurifKMi  nier  AIomi^  W 

MMm  an  seine  Soldaten,  deren  Zahl  doch  wenigstene  aoeb  auf  €0000 
(10  Le^onen  und  Hilfsvölker)  angenomoieQ  werden  mues.  Wir 
haben  alao  den  streitigen  Punkt  einer  neuen  Berechnung  unterwor- 
fen und  gefunden,  dass  80000  Mann  auf  dem  Berg  Auxois  nicbft 
mehr  beengt  waren,  als,  nach  Napoleons  Ausetnandersetaung ,  eine 
römische  Legion  in  ihrem  Lager.  Wir  haben  selbst  den  Zwischen« 
raam  swischen  den  Befestigungslinien  Gäsar's  berechnet,  und  sind 
nngeffthr  auf  dasselbe  Ranmverhältniss  gestossen. 

Dies  genüge  über  den  letzten  Versuch,  das  bargundische  Alise 
ans  seinem  Besitsrecht  zu  verdrfingen,  Ueberhaupt,  war  es  mit 
einer  blossen  Verneinung  getban?  Alesia  kann  nicht  ausser  der 
Welt,  nicht  ausser  Gallien,  nicht  ausser  einem  bestimmten  Bezirke 
Galliens,  den  Cfisar's  Heerfahrt  berühren  musste,  liegen.  Ebenso 
leicht  wäre  es  zu  behaupten,  dass  Gallien  nicht  existiert  habe,  oder 
das«  Cäsar  nie  nach  Gallien  gekommen  sei.  Man  zeige  ans  also 
eia  besseres  Alesia;  wo  nicht,  so  lasse  man  sich  gesagt  sein,  was 
Qr.  Rossignoi  am  Schlüsse  seinen  Gegnern  zuruft: 

Si  quid  novisti  rectius  istis, 
Candldus  imperti;  si  non,  bis  utere  mecom* 

Orleans  1857.  1ü.  A«  nseher. 

Nachschrift. 

Im  Augenblicke,  da  wir  diesen  Bericht  absenden  wollen,  erhal- 
ten wir  eine  neue  Aeusserung  des  Herrn  De^rdins  in  der  Reyue 
de  rinstr.  publ.  vom  26.  März  1857.  Wir  ersehen  daraus  mit 
Vergnügen,  dass  dieser  Gelehrte  von  seiner  vorschnell  gefassten  und 
Hrn.  Delacroix  allzu  günstigen  Meinung  umkehrt  und  sich  mit  eini- 
gen Behutsamkeitsformeln  den  gewichtigen  Gründen  des  Hrn.  Ros- 
eignol  ergibt,  dessen  strategischen  Betrachtungen  er  besonders  volle 
Anerkennung  widerfahren  lässt.  Aus  Hm.  Desjardins  Artikel,  der 
dea  Bericht  des  Hrn.  Alfred  Maury  an  die  geograph.  Gesellscbafik 
über  die  Arbeiten  des  Jahres  1857  bespricht,  vervollständigen  wir 
xQ^leich  die  Litteratur  dieses  Streites.  Für  Hrn.  Delacroix  und  ge- 
gen Hrn.  Hossignol  kämpfte  noch  Hr.  Emm.  Bousson  de  Mairet,  Da 
la  Position  reelle  de  i'Al&ia  de  Jules  G^sar.  Arbois  1857,  18.  Für 
Aiise-St.  Reine  erklärten  sich  Hr.  Jomard  im  Bulletin  der  geograph. 
Gesellschaft  Nr.  68  et  69,  August  und  September  1656,  Herr  R. 
Coynart,  Major  im  Generalstab:  Etüde  historique,  topographique  et 
miUiaire  sur  la  cit^  gauloise  d'Al^sia  im  Spectateur  militaire  3.  Serie, 
T.  XVI,  2.  Liefrg.  vom  15.  Nov.  endlich  ein  ungedrucktes  Memoire 
dea  Generals  Duiour,  welches  von  Hrn,  Jomard  in  der  Akademie 
der  Inschriften  am  6.  März  d.  J.  gelesen  wurde.  Diese  zwei  Stim- 
men von  Sachverständigen  haben  vorzüglichen  Wertb.  Wir  erfah- 
ren zugleich,  dass  die  SoctAtf  d'^mulation  des  Donbsdepartamea^ 


64S  GroBOvtt  Uctt  TnlL 

0feh  eifrig  mit  der  antfqnariscben  Erforscbong  der  (3e;end  von  Ahdse 
besebfiftigt  Zu  unsrem  grossen  Bedauern  worden  wir  yon  Beean^n 
abberufen,  eben  als  wir  an  die  Untersucbung  der  Denkmiler  yon 
Alaise  gehen  wollten.  Möglich,  dass  diese  Denkmäler  snr  Entdeekang 
interessanter  historiflcher  Fakten  aus  einer  andern  Reihe  Fon  Bege* 
benbeiten  fähren :  was  aber  Aiesia  und  seine  RSmpfe  betrifft,  so  ist 
es  nirgends  anders  als  auf  dem  Berg  Anxois  in  Burgond  an  finden, 
und  wir  empfehlen  den  Geschicbtsfreundeu ,  die  im  künftigen  Som* 
mer  awischen  Paris  und  Lyon  reisen,  den  kurzen  Halt  an  der  Sta- 
tion les  Laumes  so  machen  und  das  nahe  gelegene  Alise  au  besn- 
chen.  Sie  begegnen  daselbst,  ausser  anmuthtgen  Landschaftsbllden, 
ehfier  frischen  naturkräftigen  Bevölkerung,  welche  das  Andenken 
ihrer  historischen  Weihe  treu  bewahrt  und  energisch  Fertheldigt,  und 
unter  dem  Bauemkittel  unterrichtete  nnd  gediegene  Antiquare  auf- 
weist. Wir  bitten  insbesondere  nach  Herrn  Callabre  au  fragen,  6et 
•ine  hübsche  Sammlung  Antikaglien  ans  seinen  Grundstücken  auf- 
gegraben hat  nnd  sich  mit  grosser  Gefälligkeit  den  Fremden  aar 
Verfügang  stellt. 


Johannit  Frederiei  Oronovii  Ledionum  TüUianarum  Par- 
tieuki.  Totiua  operis  moz  edendi  Prohudo.  Addita  prfufa- 
Hone  edUioni$  curam  geasU  W,  H.  D.  Suringar  HtL  DocL 
reetar  gymnasii  Lädensis.  Leidtu,  Ex  typographeo  J.  0.  La 
Lau.     1866.     VIII  und  28  8.  in  gr.  4. 

Die  hier  aunächst  als  Probe  und  Anbang  eines  grossen  G^ansen 
erstmals  yeröffentlichten  Lectiones  Tullianae  des  Johannes  Fried- 
rich Grononlus,  des  feinsten  Kenners  der  Latinität,  den  die 
ältere  holländische  Schule  der  Philologie  anfzoweisen  hat,  haben  antii 
jetzt  noch,  nach  zwei  Jahrhunderten,  ihren  Werth  nnd  werden  daher 
auch  die  Beachtung  verdienen,  die  man  mit  Recht  Allem  dem  an- 
zuwenden hat,  was  yon  diesem  grossen  Meister  und  Kenner  der 
ciassischen  Literatur  ausgegangen  ist ;  man  wird  eben  desshalb  dem 
Herausgeber  dieser  Lectiones  sich  zu  allem  Danke  verpfliditet  fülfr- 
len  und  nur  wünschen  können,  dass  es  ihm  möglich  werde,  das, 
wovon  er  hier  nur  einen  Theil,  als  Probe,  vorgelegt  hat,  vollständig 
der  gelehrten  Welt  mitzutheilen,  da,  auch  nach  Allem  dem,  was  ta 
den  letzten  Zeiten  für  die  Kritik  wie  für  die  Erklärung  des  GicerOt 
namentlich  auch  in  sprachlicher  Hinsicht  geschehen  ist,  doch  immer 
noch  Manches  zu  thun  übrig  bleibt,  namentlich  in  den  mit  diesen 
Lectiones  Tullianae  zunächst  bedachten  Briefen,  deren  handscbrift« 
liebe  Grundlage,  wie  bekannt,  so  schwach  ist,  eben  desshalb,  selbst 
für  die  Herstellung  des  Textes  die  genaueste  Kenntniss  der  Sprache 
nnd  der  ganzen  Ausdrncksweise ,  auch  ganz  abgesehen  von  alien 
den  Beziehungen  zur  richtigen  Auffassung  und  zum  richtigen  Ver* 
ständniss  des  Inhalts,   von  so  grosser  Wichtigkeit  Ist    Diesen  nnd 


droBOYÜ  Ledt  TqU.  949 

kdneii  andern  Btandpankt  hatte  auch  der  grosse  Kritiker  ond  Spraeh- 
kenner,  dessen  Bemerkungen  zu  den  zehn  Episteln  des  ersten  Bachs 
der  sogenannten  Briefe  ad  Familiäres,  und  zwar  kritische  wie  sprach« 
liehe  und  grammatische,  uns  hier  in  einem  correctea  Ahdrucko  vor* 
gelegt  werden.    Sie  sind  offenbar  dem,  was  wir  ein  Goliegheft  nen- 
nen würden,  entnommen  nnd  haben  darum  einen  ähnlichen  Charak- 
ter, wie  die  aus  einer  ähnlichen  Quelle  abgeleiteten  nnd  durch  den 
Druck  in  neuerer  Zeit  bekannt  gewordenen  Bemerkungen  des  Kuhn- 
ken  zu  Terentius  und  andern  Autoren,  nur  dass  sie  zum  Tbeil  aus- 
führlicher  gehalten   sind,   eben   dadurch  aber  ein  um  so   grösseres 
Interesse  gewinnen.    Ein  glücklicher  Kauf  war  es,  durch  welchen  der 
Heransgeber  in  den  Besitz  zweier  Manuscripte  gelangte,  welche  die 
von  dem  Lehrer  den  Schülern  während   des  Vertrags   dictirten  Be* 
merkungen   zu  Cicero's  Briefen    ad  Familiäres  enthielten,    und  bald 
als  eine  Aufzeichnung  von  Dictaten  des  Johann  Friedrich  Gronovius 
erkannt  wurden;    das  eine  dieser  Manuscripte   enthielt   fortlaufende, 
anf  die  Kritik  und  Erklärung  der  genannten  Briefe  bezügliche,  aber 
kurz  gehaltene  Bemerkungen,   wie  der  Herausgeber  vermuthet,   für 
die   neu   eingetretenen   Schüler   in  öffentlichen  Vorträgen  bestimmt; 
in  dem  andern  finden  sich  der  Zahl  nach  zwar  weniger,  dem  Umfang 
nach  aber  weit  ausführlicher  gehaltene  Bemerkungen,  für  die  schon 
vorgerückteren  Schüler  und  den  Privatunterricht,  wie  der  Verfasser 
vermuthet,  bestimmt.    Nur  weniges  war  von  diesen  Dictaten  bisher 
in  die  Oeffentlichkeit  gelangt;  sowohl  In  der  Ausgabe  des  Orävius, 
wie  in  der  des  Verbürg   finden   wir  nur  an  wenig  Orten   auf  diese 
in  des  Gronovius  Vaterland  handschriftlich  verbreiteten  Dictate  Rück- 
sicht genommen;   was  bei  Orelli  vorkommt,    erscheint   hinwiederum 
diesen    beiden   entnommen.     So  konnte  wohl   in   dem   Herausgeber 
der  Wunsch  rege  werden,  einer  Veröffentlichung  dieser  Dictate  sich 
zu  unterziehen,   die  wir   mit   um   so   grösserem   Dank  anzunehmen 
haben^  als,   wie  schon  oben  angedeutet  worden,  für  die  Kritik  nnd 
Auslegung  der  Ciceronischen  Briefe  jeder  neue  Beitrag,   zumal  der 
eines  so  ausgezeichneten  Kenners  der  lateinischen  Sprache,  erwünscht 
sem  Biuss.     Bei   dieser   Veröffentlichung   hat  nun  der  Herausgeber 
das  folgende,  gewiss  beifallswürdige  Verfahren  eingeschlagen :  er  hat 
den  Inhalt  der  beiden  ihm  vorliegenden  Manuscripte  oder  Colleghefte 
mit    einander   in   dem   Drucke   zu   vereinigen  gesucht,  d.  h.  er  hat 
das  eine   derselben,   welches   die  ausführlicheren  Bemerkungen  ent- 
hält, seiner  Veröffentlichung  zu  Grunde  gelegt  und  daraus  fast  Alles 
aufgenommen;  ans  dem   andern  Hefte  aber  Alles  das,  was  zur  Er- 
gänzung  oder  Vervollständigung    und    Erweiterung   dienen    konnte, 
beigefügt,  mit  Wegfall  dessen,  was  in  dem  andern  Hefte  sich  gleich- 
falls findet  und  daraas  in  den  Druck  aufgenommen  war;  er  hat  dann 
weiter  bei  diesem  Geschäfte  noch  z^vei  andere  Hefte  dieser  Dictate, 
die  sich  in  dem  Besitze  des  Hrn.  Huüeman  befinden,   benutzt   und 
sorgfältig  verglichen,  obwohl  diese,  so  schön  und  nett  sie  auch  ge- 
schrieben waren,  doch  nicht  so  vollständig  erschieneni  wie  dto  bei- 


6Ö0  Orosovii  Leell.  TalL 

den  ob«Q  erwUmten  IdAnaseripto  in  dem  Betitle  des  Heraosgebers 
selbst,  daher  auch  nicht  diese  Ausbeute  lieferten.  Ferner  ward  voa 
dem  Herausgeber  das,  was  an  mehreren  Orten  aerstreut  sich  fand 
und  doch  seinem  Inhalte  nach  auf  einen  uod  denselben  Gegenstand 
sich  besog,  zusammengestellti  um  unnütze  Wiederholung  la  Fermei- 
den.  Einzelnes  auch,  was  unpassend  oder  ungeeignet  erschien,  weg- 
gelassen; insbesondere  aber  wurden  alle  Citate  genau  nacbgeseheo 
und  entweder  berichtigt  oder  doch  genau  nach  dem  Buch  und  Ca- 

£itel  und  Vers  oder  Paragraph  angegeben,  eine  gewiss  sehr  dank- 
are  Nachhilfe,  die  den  Werth  der  Mittheilung  allerdings  erhöbet 
bat.  Diese  selbst  aber  kann  uns  nur  den  Wunsch  wiederholen  las- 
sen, auch  die  übrigen  Tbeile  dieser  Dictate  oder  Bemerkungen  des 
Gronovius  zu  Cicero's  Briefen  ad  Familiäres,  in  gleicher  Wdse  be- 
handelt, veröffentlicht  zu  sehen.  Um  übrigens  unsern  Lesern  einen 
Begriff  von  Fassung  und  Inhalt  dieser  Bemerkungen  zu  geben,  wol- 
len wir  nur  einiges  Wenige  daraus  anführen.  Zu  Brief  I,  1.  ^  1 
Cd^H^^  causa,  si  qui  sunt,  qui  velint^  etc.)  werden  Erörlerungeii 
und  Belegstellen  über  die  Phrase  volle  alicujus  causa,  deren 
8inn  und  Bedeutung  gegeben,  eben  so  über  voluntas,  ferner  im 
Verfolg  über  die  hier  vorkommenden  Ausdrücke  calumnia  und  de^ 
cernere.  Weiter  wird  §.  3  in  der  Stelle,  die  nach  der  gewohn- 
lichen Lesart  lautet:  «quod  commodo  rei  publicae  facere  poasis^ 
▼•rbessert:  ,,quod  commodo  rem  facere  possis*^  (wie  bekanntlieh 
auch  die  Mediceiscbe ,  dem  Gronovius  wie  es  scheint,  nicht  niher 
bekannte I  Handschrift  hat),  und  der  Gebrauch  von  quod  (i.  q. 
qnoad,  quantum,  qnatenus)  wie  von  commodo  aus  Cicero 
und  andern  Schriftstellern  erläutert.  Ein  ähnlicher  Fall  ist  §.  4  wo 
das  fehlerbaite  «praesentisque  tui^^  in  praesentes  tui  verbessert 
wird;  dieses  hat  aber  Orelli  bereits  ans  der  Mediceischen  Hand- 
schrift aufgenommen. 

Aehnlicher  Art  sind  weiter  die  beiden  von  Gronovius  in  dem 
zweiten  Briefe  vorgeschlagenen  Verbesserungen  „cui  rei  jam  obsisti 
non  poterat^  für  cnique  rei  etc.  uod  omni  mea  cura  für  omnia 
mea  cura;  beide  sind  von  Orelii  bereits  aufgenommen:  wir  würden 
daher  bei  der  weiteren  Veröffentlichung  dieser  Bemerkungen  und 
Verbesseruagsvorschläge  Gronov's  es  erspriesslich  finden,  wenn  von 
dem  Herausgeber  in  einer  Note  oder  sonstwie  kurz  angegeben  würden 
da  wo  diese  Verbesserung  mit  der  Mediceischen  Handschrift  oder 
mit  den  neuesten  Texten  von  Orelli  und  Klotz  zusammentrifft  und 
in  unsere  Texte  Aufnahme  gefunden  hat.  Die  Mehrzahl  der  Bemer- 
kungen Gronov's  sind  sprachlicher  Art  oder  sie  beziehen  sich  auf 
die  Erklärung  schwieriger  oder  dunkler  Stellen;  wir  unterlassen  es 
weitere  Belege  anzuführen,  das  Gesagte  mag  hinreichen,  die  Freunde 
des  Cicero  und  die  Forscher  der  lateinischen  Sprache  auf  diese  Be* 
kannntmachung  aufmerksam  zu  machen,  und  die  weitere  Veröffentli» 
chung  des  Ganzen  durch  einen  so  umsichtigen  und  sorgsamen  Herans- 
geber zu  veranlassen. 


RiBkefl  el  Bool:    De  Cl^eroBis  orat.  I  in  CatiL  654 

L  Diaput&tio  phäoloffica  inaugurälü  de  oratione  prima  in  Caü' 
liimm  a  Cicerone  abjudicanda  j  quam  —  publico  ac  solemni 
ezcanim  submütet  Simko  Heerts  Rinkes,  Joura-Frisiite* 
Lugduni  Batavorum,  apud  E.  J.  Brülj  MDCCCLVL  L  und 
66  S.  in  gr.  8. 

2.  Oratio  prima  in  L.  CatUinam,  RecensuU  et  a,  Af.  TüUio  Ci- 
eerone  male  abjudicari  demonstravü  J,  0.  O,  Boot.  Ämsle- 
lodami  in  libraria  Seyffardiiana,  anno  MDGCCLYIL  XX  und 
78  8.  in  gr.  8. 

Die   conservative  Kritik,   wie  sie  in  der  älteren  hoUändischea 
Schule    der   Philologie,   nameDtllch   von   den   Coryphäen   derselben, 
;:eäbt  worden  ist,  hat  in  der  neuesten  Zeit  in  die  entgegengesetzte 
Eicbiung   umgeschlagen,   und   in  dieser  Besiehung  selbst  staunens- 
werthe  Producte  geliefert;  wie  diess  so  manche  der  Unächtheits-  und 
Verdächtigungsericläruogen  zeigen  können,  wie  sie  bald  gegen  ganze 
Schriftsteller  und  deren  Werke,  oder  einzelne  Theile   derselben  er- 
lioben  worden  sind,  um  nicht  von  der  stets  wachsenden  Masse  von 
Interpolationen  und  Glossemen  zu  reden,  die,  wenn  wir  den  Wort- 
führern dieser  Kritik  und  ihren  Adepten  Glauben  schenken  wollen, 
bei  faat  allen  Schriftstellern  des  Alterthums  jetzt  erst  zum  Vorschein 
kommen,  nachdem  sie  dem  Stumpfsinn  so  mancher  Jahrhunderte  ver- 
borgen geblieben;  die  Conjeoturalkritik  nimmt  in  gleichem  Masse  an 
bisher  nicht  gekannter  Ausdehnung  lu,  da  sie  nicht  bloss  allein  da 
angewendet  wird,  wo  sie  bisher  vorzugsweise  angewendet  ward  oder 
(loch  angewendet  werden  sollte,  wo  nemlich  die  urkundlichen  Quel- 
len der  lieber  lieferung  uns  völlig   im  Stiche  lassen,   und  wir  genö- 
ihigt  sind,  um  die  Stelle   lesbar   und   verständlich   zu   machen,   an 
irgend  eine  Verbesserung  zu  denken,  die  aber  doch  den  Grund  und 
Boden  der   positiven  Ueberlieferung  nicht  verlassen  darf,  ja  von  ibm 
zunächst  ihren  Ausgang  nehmen  soll,  sondern  auch  an  allen  Orten, 
wo  uMin  überhaupt  glaubt,  der  alte  Autor  hätte  sich  besser  so  oder 
so  auslassen,    dieses  oder  jenes  Wort,  das  nicht  streng   noth wendig 
ist,   eher  weglassen  können,   und  in  dieser  subjectiven  Ansicht  ge- 
nug Grund  zur  Vornahme  eines  Streiches  und  angeblichen  Glossems 
oder  Interpolation  oder  doch  einer  Aenderung,  die  eine  Verbesserung 
heiasen  soll,  gefunden   zu  haben  meint    Wir  könnten   manche  Be- 
lege des  Gesagten,  aus  dem,  was  auf  diesem  Wege  in  neuester  Zeit 
zn  Tage  gefördert  worden  ist,  anfuhren,  wir  beschränken  uns  jetzt 
auf  die  oben  erwähnte  Sehrift  des  Herrn  Rinkes,    die  wir  wohl  als 
ein  Product  dieser  kritischen  Richtung  betrachten  dürfen,  zu  welchem 
einer  der  Führer  dieser  Richtung,   Herr   Bake,   die  Veranlassung 
gegeben  haben  mag;  denn  das  Verdammungsurtheil,    das  hier  über 
die  erste  Catilinarische  Rede  des  Cicero  ausgesprochen  wird ,  erscheint 
nur  als  eine  nähere  Ausführung   eines   von  dem   Meister  hingewor- 
fenen Gedankens,  der  somit   also  eigentlich   die   Verantwortung   tüx 
dieses  Verdammungsurtheil  i  und  vielleicht  selbst  für  die  zur  Be« 


(^53  Elnkei  et  Boot:    De  Ciceronis  ont  I  in  CatS. 

grOnduogf  deeselben  aafgetotenea  oder  doch  Tersncbten  Beweise  ei 
tragen  hat     Von  diesem  Lehrer  des  Verfassers,  der  in  der  Vorrede 
ihm  seine  dankbare  Anerkennang  ausspricht,   heisst  es  dann  weiter 
bei  dieser  Gelegenheit:  „Amplius  enim  trienniom  est,  ex  quo  signi- 
fioasti,  primam  orationem  in  Catilinam  Cicerone  indignam  tibi  videri; 
postea  lectionlbus  academicis  cui  ita  censeres,  nobis  erpliciiistt  mihi- 
que,  quam  te   de  dissertationis   argumento   consulebam,   non  solom 
veniam  dedisti,  ut  id,   quod  tu  inrenisses,   ac  si  mea  Inventio  esiet 
öderem  in  publicum,   Terum   etiam  ut  egregiis   Ulis  subsldiis,  qaae 
tu  nobis  suppeditaveras,  pro  libitu  uterer.^     Wobei  wir  freilich  aoi 
wundern,  dass  der  Scharfsinn  des  Meisters  keine  besseren  and  schU' 
genderen  Gründe  aufzufinden  rermocht  hat,  sondern  mit  solchen  sidi 
begnügt  hat,  die  fär  den,  welcher  mit  wahrem  Ernst  und  Gewisses- 
haftigkeit  an  die  Behandlung  solcher  Fragen  schreitet,  nimmeriBeiir 
bestimmend  oder  entscheidend   ausfallen   därften.     Für  die  fraglich« 
Rede  des  Cicero  fehlt  es  wahrhaftig  nicht  an  Zeugnissen  dw  Alte^ 
thums;  Cicero  selbst  hat  in  einer  Stelle   der  Briefe   an    Atticas  eis 
solches  Zeugniss  niedergelegt  —  darum  muss  diess  anScht  sein  und 
die  Stelle  als   fremdartiges   Einschiebsel    —    ohne    weiteren   Gmod 
—  ausfallen.     Nicht  besser   ergeht   es   dann   auch   einem   Ascooiiif 
Pedlanus,   der,   wenn  wir  den  Verfasser  h5ren,   sich   hat  täusches 
lassen  durch  ein  falsches,  unter  Cicero's  Namen   gehendes   Prodact, 
nicht  anderes  wie  Quintilian,   dem   in  dieser  Beziehung   ein  langet 
SQndenregister  vorgehalten  wird,  um  zu  beweisen,  dass  auch  er,  wo 
er  Stellen  aus  der  vorhandenen  Rede  unter  Cicero's  Namen  anführt, 
Im  Irrthum  gewesen  und  ein  rhetorisches,  später  entstandenes  Pro- 
dact für  ciceronianisch  angesehen,  d.  h.  dass  er  verkehrt  genug  ge- 
wesen, die  noch  vorhandene  Rede  für  die  von   Cicero  wirklich  ge* 
baltene   und   auch  herausgegebene  zu  halten,   welche  Sallustius  sk 
eine  oratio  luculenta  atque  utilis  rei  publicae  bezeichnet,   was  nach 
der  Ansicht  des  Verfassers  doch  nimmermehr  von   der  vorhandeoes 
Rede  gelten  könne ,   die   nichts  als  eine  „inepta  et   ridicnla    decla«  \ 
matio^  (S.  iV)  sei,  demnach   später  entstanden    und   an   die    SteKi  I 
der  wirklichen,  aber  verlorengegangenen,  gesetzt  sein  müsse.    Demi  j 
dass  jene  „oratio  luculenta  atque  utilis  reipublicae*^  nimmermehr  ii  | 
der  vQfhandenen   Rede   erkannt   werden   könne,   dass   sie   demnach-^ 
müsse  für  verloren  gehalten  werden,  steht  dem  Verfasser  von  vort*  | 
herein  eben  so  ausser  allem  Zweifel,  als  die  ihm  daraus  resultirenda  ; 
Noth wendigkeit,   die  vorhandene   Rede,   als  ein  elendes   Machwerl^, 
als  einen  armseligen  Betrug,  der  späteren  Zeit  eines  Augnstua  oder  | 
Tiberius  zuzuweisen.    Auf  eine  solche  Weise  und  bei  einem  solches  | 
Verfahren  wird  kein  Zeugniss  des  Alterthums  seine  Geltung  behaltea' 
können ;  auch  das  für  Cicero's  Rede  vorliegende  Zeugniss  des    Msf^ 
tialls  (IX,  70),  auf  das  wir  noch  zurückkommen  werden,  kann    daflt 
keine  Geltung  ansprechen.    Die  subjective  Willkühr  kann  dann   ma- 
chen, was  sie  will,  selbst  wenn  sie   nicht    den   geringsten  pcaitivea 
Grund  hat.     Darum  können  wir  die  ganze  ausführliche  Darsteilmiff 


Riaket  el  Boot:    De  Cieeronif  orat  t  in  Catil.  663 

welche  die  für  die  Äothendcitttt  der  Bede  eprechenden  Zeogen  des 
AJterthums  beseitigen  soll,   Dur  als  eine  gens   verfehlte   betrachten, 
and  vermögen  auch  keine  andere  Ansicht  zu  gewinnen,   wenn  sich 
der  Verfasser  weiter  bemüht,  sumal  in  den  dem  Text  der  Rede  un* 
tergestellten  Bemerkungen,  diese  Rede,  als  das  Machmerk  eines  arm* 
Heiigen  Literaten  aus  der  Zeit  des  Aagustus   oder  Tiberius  (vergl. 
8.  IV)   darxustellen ,   insofern   in   den  einzelnen  Theilen   der  Rede 
kein  Zusammenhang   herrsche,   sogar  Widersprüche  sich  vorffinden, 
Abweichungen   von   dem   Sprachgebrauche  und   der  Redeweise  des 
Cicero,    trotz   aller  der   versuchten   Nachbildung,   ja   manches  ab- 
gesebmackte  Zeug,    das  nicht  einmal  Lateinisch   sei*3^     ^^   ^^^^ 
in  der  Tbat  sind   doch   selbst  Diejenigen   nicht  gegangen,   die  in 
ihrem  Bestreben,   den   Cicero   herabzusetzen,   auch  an  dieser  Rede 
allerlei  gemSkelt  haben,   die  sie  „ein  Meisterstück   der  rhetorischen 
Koaet^  —  „aber  eben  durch  die  Vernachlässigung  alier  rhetorischen 
Regeln^  (weicher  Widerspruch  I)  genannt,  oder  ihr  die  sittliche  Würde, 
die  Innere  Haltung  u.  dgi.  absprechen,  aber  doch  immer  anerkannt 
haben,  dass  der  Redner  seine  Zwecke  erreicht  habe.     Diese  Rede 
aber  für  nnächt  zu  halten,   für   ein   Machwerk   einer  nachciceroni- 
sdien  Zeit  ist  selbst  diesen  Kritikern  nicht  eingefallen,   deren  Vor- 
wQrfe  noch   unlängst  eine  so  umfassende,  genaue   und   gründliche 
Widerlegung  in  dem  Programme  des  Heilbronner  Gymnasiums  vom 
Jahre  1855**)  erfahren  haben,   dass  man  wahrhaftig  doch  glauben 
aaUte,   dieses  und  ähnlichen  Geredes   für  die  Zukunft  enthoben  za 
sein.     Denn  es  ist  darin  so  schlagend  und  überzeugend  nachgewie- 
aen,  wie  diese  Vorwürfe  aus  der  Luft  gegriflfen  sind,  wie  Cicero  ge- 
rade in  dieser  Rede  eben  so  sehr  männlichen  Muth,  wie  edle  Hai- 
lang  zeigt,  wie  er  durch  wahre  Thatsachen  seine  Angaben   zu  be- 
gründen weiss,  und  die  Erfolge  erzielt,  die  der  Verschwörung  den 
ersten  entscheidenden  Schlag  beibringen,  indem  Catilina's  Umtriebe 
offen  aufgedeckt  und  er  selbst  aus  der  Stadt  zu  fliehen  genötbigt  ist, 
kurs  wie  in  Allem  der  Ausspruch  des  Sallustius  sich  bewährt,  dass 
Cicero  eine  oratio  luculenta  atque  utilis  rei  publicae  gehalten.   Diess 
aind  die  Ergebnisse  einer  mit  aller  Schärfe  geführten  Untersuchung, 
die  nur  die  Vertheidigung  des  Werthes  der  catilinarischen  Rede  ge- 
gen neidische  Verkleinerung  bezweckte,  und  die  Aechtheit  der.Rede 
für  unangefochten  hielt,  weil  man  eben  es  nicht  für  möglich  hielt,  auch 


*)  Wir  wollen,  zum  Beweise,  datswir  nicht  zu  viel  gesagt,  die  Worte 
dee  Verfassers  S.  XLIX  selbst  beifügen:  ^rationem  quam  inii,  ut  osteuderem, 
>ratiooem  primam  esse  Cicerone  indignam,  baec  est,  conatus  sum  demonstrar«, 
nnguU»  oralionis  partes  nequaquam  inter  ae  cohaerere,  immo  saepius  decla- 
Bsfeorem  sibi  obloqui :  seDteotias  atque  verba  plorima  Inveniri  a  Ciceronis  usa 
ibborrenlia,  multa  prave  insuiseqne  enuntiata,  immo  ne  Latina 
|uidem  tB»t.*^ 

**^  Abhandlung  über  den  rednerischen  und  staatsraSnnischen  Werth  der 
»rvten  catilinarischen  Rede  von  Prof.  Adam,  Ephorus  des  k.  Penaionats  1855. 
t7   8.  in  4u 


654  llinkei  et  Boot:    De  Cleermüf  onl.  I  in  Catfl. 

nor  einfgermasten  Grdnde   ffft   die   Dnithtfieit  bMsobringeii.    Dm 
aber  dem  nicht  so  ist,  kann  diese  die  Idee  dea  Herrn  Bake  weiter 
aasführende   Abhandlung  seigen,  in  der  wir  freilich  keine  Grünäe, 
wohl  aber  absprechendes  Urthei),  keck  hingeworfene,  bei  Lieht  nSher 
betrachtet ,   grundlose  Behauptungen  erhalten ,  in  welehe  n&her  ekh 
sngehen,  schon  aus  eben  dem  Grunde  tiberflüssfg  sein  dörfle,  wol 
aller  Grund  und  Boden  fehlt    Es  gehört  in  der  That  kein  besoniefK 
Scharfsinn  dasu,  um  auf  solche  Weise   eine  jede  Red«  des  Gicsre 
au  TerdSchtigen  oder  als  onächt  darzustellen ;  das  Resultat  wird  itt- 
mer  dasselbe  bleiben.    In  dem  Abdruck  des  Textes  der  Rede  seÜMt, 
den  der  Verfasser  folgen  IKsst,  schliesst  er  sich  an  Madrfg's  sweile 
Recension  (vom  Jahr  1848)  an;  die  Abweichnngen  voi»  Halm  lisi 
unter  dem  Texte  angegeben.     Wenn  er   in  Bezug   auf  diese  Sede, 
die  in  der  neuesten  Zeit  allerdings  nach   der  Mehraak)   der  SiMNi 
Bandschriften  aufgenommenen  Aufschrift:  Invectira  in  CatiHoaS) 
nicht  billigt,   so  kann   Referent  darin   nur  beistimmen^  auch  KM 
hat  in  der  neuesten  (Tenbner'scfaen)  Ausgabe  diesen  Titel  mit  Back 
vermieden ;  denn  dieser  Ausdruck  ist  erst  nach  Cicero  in  Umlaof  ge- 
kommen,  und  ist  den  Grammatfirem   und  Kritikern   einer  spStCfei 
Zeit  zuzuweisen;    von  Cicero   aber   Hibrt  er  gewiss  nichfe  her.    Dil 
zum   Theil  sehr   umfassenden    Anmerkungen  unter  dem   Texte  be* 
ziehen  sich,  wie  wir  schon  angedeutet,  ihrem  Inhalt  nach  mehr  ote 
minder  auf  den  vom  Verfasser  versuchten  Nachweis  der  DnäebtM 
dieser  Rede;  aus  einzelnen  Stellen  und  Aeossernngen,  ans  elnceloet 
schlecht  angewendeten  oder  gar  unlateinischen  Worten  soll  die  Ud- 
ächtheit  dieses   dem   Cicero  fälschlich   beigelegten  Machwerkes  hfl^ 
vorgehen.     Wir  haben   schon   oben  unsere   Ansicht   über   diese  Alt 
und  Weise  der  Verdächtigung  ausgesprochen,  mid  wollen  diess  Uit 
nicht   wiederholen;   dass   wir,   wenn  wir  z.  B.  bei  den  Worten  d» 
ersten  Capitels:  „o  tempora,  o  mores^  die  Bemerkung  lesen:  „notti** 
sima  est  haec  exclamatio,  nostro  loco  inepte  et  tnsnlse  posfiH^i 
und  darauf  die  Stelle  des  Martialis  angeführt  finden,  der  dieee  WefHl 
(IX,  70)  ausdrücklich  anführt,  in  unserer  Ansicht  nicht  irre  werihf  | 
konnten,  da  solche  Bemerkungen   zur  Widerlegung  von  bestimiBtel| 
Zeugnissen   des   Alterthums   doch   nicht   werden  ausreichen  k^nsa^j 
wird   keiner   weiteren   Erörterung   bedürfen;   wer  wird,   wer   kafl^j 
selbst  abgesehen  von  diesem  Zeugniss  des  Martialis,  glaubeo-,  diiir 
Worte  seien  inepte  et'insulse   hier  gesetzt?   eher  möchte  msi^: 
diess   auf  der   Bemerkung   des   Verfassers  anwenden;   nicht  andsd^j 
können  wir  urtheilen,  wenn  es  in  demselben  Capitel  zu  den  Worteaf 
jyVives   sed   vives  (so  schreibt   der  Verfasser   mit  Madvig  atatt  ii 
Tives)  iia  nt  vivis^  heisst:   „inelegans   repetitio^,   um  auch   daiatt^ 
ihren  ft-emdartigen  Ursprung  aus   dem   Kopfe   eines  Rhetor'a  iuh^ 
zutbun ;  oder  wenn  es  bei  den  Eingangsworten  des  vierten  Capitebs 
5irecogiiosce  tandem^  heisst:  ,ytandem  Inepte  h.  L  ponltnr  prs 
deniqne^f  und  die  dann  weiter  folgenden  Worte:  »dico  te  priors 
nppte  venisse  inter  falcarios  etc.**,  wi«  überhaupt  das  gai»# 


Rinke«  et  Boot:    De  Cleeronii  ont  I  in  Cttll.  655 

Oapitel  aus  Cicero'B  Rede  pro  Sjlla   18,  §.  &2  EüsammengeatoppeK 
sein  soll:  „  —  totum  Dempe  eap.  4  eonflatam  est  ex  oratfoDe  lauda« 
ta.^    Oder   wenn   es   z.  B.   cap.  XII   am   Ende   bei   den   Worten: 
^nanc  intelllg^o,   si   iste,   qiio   intendlte,  In  MalHana   castra  perve- 
Derit*  etc.  heisst:  ^tn  Malliana  castra.    Haec  verba  sunt  super- 
yacna  et  Snsolse  interposlta^ ;  von  dem  eap.  XIIT,  dem  Schlasscapt» 
tel  der  ganzen  Rede  heisst  est:    ^totum   enfm  caput  languet^;   die 
efDselnen  Ausdrücke  und  Wendungen  des  Redners  werden  natürlich 
bald  Mcfaerlich,   bald  verkehrt  und  unpassend   angebracht  gefunden, 
imd  dem  Verfasser   dieser  Rede,   sogar  dumme  Lüge  Forgewer- 
fen:  j^imprudenter  mentitur  personatus  Cicero^  (S.  48)  oder 
Absurdität,  wie  sie  namentlich  in  den  am  Schlüsse  der  Rede  ge- 
brauchten Ausdrücken  sich  finden  soll:  ^aeternis  suppliciis  rivos  mor«> 
toosque  mactabis^  (S.  50).     Die  dem  „personatus  Cicero^  hier  ge- 
machten Vorwürfe   werden   also  auf  den  wirklichen   Cicero  zurück- 
fiillen!     So  Hesse  sich  noch  Manches  aus   diesen  Bemerkungen   ao- 
filhren;  sie  können  in  den  Augen  eines  jeden  Unbefangenen  nur  so 
Viel  beweisen,  dass  man  mit  derartigen  Aussprüchen  oder  Beweisen 
Alles  auf  der  Weit,  eben  darum  auch  Nichts  wird  beweisen  kön- 
nen ;  jeder  Verständige  aber  wird  wünschen  müssen,  dass  man  dock 
fernerhin  von  einem   solchen   in   der  That  leichtsinnigen   Verfahren 
(mn  keinen  stärkeren  Ausdruck  zu  gebrauchen)  zur  Ehre  der  Wis- 
senschaft ablasse,  und  nicht   den  Namen  und  die  Würde  der  Kritik 
In  einer  solchen  Weise  missbranche. 

Als  ein  Anhang  erscheinen  die  beiden  (S.  Bl — 68)  aus  einer 
Leidner  Handschrift  erstmals  abgedruckten  Reden:  „Inveetiva  Gl- 
eeronis  in  Catilinam^  und  „Inveetiva  CatiHnae  in  Giceronem^  als 
Antwort  auf '  den  vorausgegangenen ,  im  Senat  gemachten  Angriff. 
Beide  Reden  sind  von  geringem  Umfang;  die  zweite  an  Fassong 
und  Inhalt  der  ersten  weit  nachstehend;  die  erste  wird  jedenfalls 
EU  den  vorzüglicheren  Productionen  römischer  Rhetorik  zu  zählen 
lein,  verdiente  daher  auch  eine  Bekanntraachnng.  Zum  Schlüsse 
bigen  8.  59 — 66  sieben  und  fünfzig  Theses,  welche  zum  grossen 
Fheile  Verbesserungs vorschlage  zu  einzelnen  Stellen  griechischer  Red- 
ler (des  Ljsias,  Andocides,  Aeschines,  Demosthenes  u.  A.)  und 
Bteinischer  Schriftsteller,  namentlich  des  Gicero,  enthalten;  manche 
larunter  erscheinen  ansprechend,  manche  aber  auch  unnüthig,  man- 
he  sogar  sehr  bedenklich  und  selbst  gewaltsam,  wie  z.  B.  wenn 
lei  Virgiüus  Aen.  II,  281  ff.  die  Worte:  „ut  te  post  mnlta  tuorum 
>*anera,  post  vartos  bominumqne  urbisque  labores  Defessi  adspi- 
imus^  ohne  Weiteres  herausgeworfen  werden  sollen  I  Wir  meinten, 
ftch  Allem  dem,  was  über  ähnliche  Versuche  eines  andern  hotUfan- 
isebett  Kritikers  bei  Virgiüus  und  Horatius  geschrieben  und  nach- 
ewresen  worden,  wäre  es  jetzt  wohl  an  der  Zeit,  diese  Baha  nidtt 
OD  Neuem  wieder  einzuschlagen. 

Die  Schrift  des  Herrn  Boot,  welche  eine  Widerlegung  der  von 
[ra.  Rinkes  wider  die  Aechtheit  der  cIceronischen  Rede  erhobenen 
Aflchuldigungen  enthält,  bat  ebeofalla  damit  einen  Abdruck  des  Textes 


«ftS  äiakes  el  Bo«t:    De  CitenrntB  «nt  I  in  Cctfl. 

rerbunden,  was  um  so  notfa wendiger  erecbeinen  mnaete,  ils  ohM 
oteteo  Bückblick  auf  den  Text  selbet  die  ganse  Streitfrage  ülw- 
hanpt  nicht  wohl  verhandelt  oder  erledigt  werden  konnte.  Die  Wi- 
derlegung selbst,  welche  in  einem  an  den  befreundeten  Gegner  ge* 
richteten  Schreiben  zunächst  enthalten  ist,  geht  dem  Abdruck  der 
Bede  voraus:  es  müssen  damit  aber  auch  dann  weiter  verbundeo 
werden  die  auf  den  Abdruck  des  Textes  folgenden  Bemerkonges 
(S,  21 — 70),  welche  sich  die  Aufgabe  gestellt  haben,  das,  ww  io 
den  der  Bede  untergesetzten  Bemerkungen  des  Gegners  (von  wel- 
chen wir  oben  Belege  mitgetheilt  haben)  gegen  einzelne  Ausdrfieke 
and  Wendungen  vorgebracht  war,  in  einfacher  und  gedrängter  JSpraebe 
XU  widerlegen,  und  die  Grundlosigkeit  der  Beanstandung  oder  Vi^ 
dächtigung  nachzuweisen.  In  dem  erwähnten,  vorausgestellten  Sekret 
ben  sind  es  zunächst  die  für  Cioero's  Bede  und  deren  Autealbii 
sprechenden  Zeugnisse  der  Alten,  welche  hier  besprochen,  in  Schott 
genommen,  und  gegen  die  leichtsinnig  und  unüberlegt  („negligeotir 
et  imprudenter^  S.  X)  erhobenen  Einwürfe  vertbeidigt  werden;  der 
Verfasser  schliesst  mit  den  Worten:  „vix  uUam  Cieeronis  orationea 
Invenies,  quae  a  pluribus  et  locupletioribus  testibus  confirmeUii, 
quam  prima  Catilinaria,  qoam  Salustii,  M.  Senecae  vel  potius  IL 
Tullii  filii,  Asconii  Pedlani  auctoritate  monitam  vidimus.^  Dieili 
Zeugen  wird  aber  eben  so  noch  weiter  das  Zeugnisa  des  Martisli| 
angereiht  werden  dürfen;  ja  selbst  Quintilian  wird  unter  den  Zst- 
gen  für  die  Aechtheit  der  Bede  kaum  die  gänzliche  Abweisung  Te^ 
dienen,  die  ihm  von  Hrn.  Binkes,  dem  Hrn.  Boot  darin  nicht  ent- 
gegen  ist,  zu  Theil  geworden  ist.  Weil  nemlich  Quintilian  einigei 
Andere  unter  Gicero's  Namen  anfuhrt,  was  für  zweifelhaft  angesefaea 
wird  (z.  B.  die  Briefe  des  Cicero  und  Brutus,  die  Bede  de  Hamer 
picum  responsis),  so  soll  auch  sein  Zeugniss  für  diese  Bede,  aus  du 
er  wohl  mehr  als  ein  Dutzend  mal  Stellen  anführt  und  als  6e* 
lege  seiner  Sätz<}  und  Begeln  benutzt,  geradezu  für  Nichts  gekeos 
ein  Schluss,  den  wir  nicht  für  gerechtfertigt  halten,  weil  wir  is 
der  That  nicht  glauben  können,  dass  Quintilian  sich  in  Bezug  sif 
eine  Bede  Cicero's,  aus  der  er  vorzugsweise  Belege  und  Beiapiele  eal- 
nimmt,  so  sehr  versehen,  dass  er  sich  durch  das  elende  Maehwe^ 
eines  Bhetors  habe  täuschen  lassen  nnd  dieses  für  eines  der  Mei- 
sterwerke Cicero's  gehalten;  wir  glauben  vielmehr,  dass  Quintiliü 
sieh  mindestens  so  gut  wie  wir,  ja  wohl  besser  wie  wir,  auf  du 
Beurtheilung  dessen  verstanden,  was  Ciceronisch  sei  und  was  fik 
ein  von  ihm  nicht  ausgegangenes  Geistesprodoct  anzusehen  sei;  d« 
Gegentheil  anzunehmen,  wird  doch  in  der  That  anzunehmen  nicht 
erlaubt  sein  können  bei  einem  Manne  von  der  Gediegenheit  oad 
jGründlichkeit,  y<^n  den  umfassenden  Studien  und  der  ganzen  ge* 
2^{{rten  Bildung  eines  Quintilian.  Sein  Zeugniss  für  die  Authoilie 
^^«^-Ciceronischen  Bede  wird  darum  nach  unserm  Ermessen  eben- 
deui^'^  volle  Gültigkeit  verdienen,  die  wir  einem  auch  der  Zei 
nQpte  f^  °*^®  stehenden  Zeugnisse  zu  versagen  nicht  berechtigt  sind. 


Ir.  43.  BBIDCLBERGCR  IIS). 

JAHBBÜGBER  DER  IITBRATOR. 

Rinkes  et  Boot:    De  Ciceronis  orat.  I  in  Catil. 

(SchluM.) 

Der  aodere  Theil  dieses  Schreibeos  des  Hrn.  Boot  bezieht  sich 

«■f  die  Ansahme  des  Gegners,  welcher  die  Rede  voq  irgend  einem 

Ftfladier,  der  unter  August  oder  Tiberius  lebte,   verfertigt  werden 

lisat;  ond  da  der  Gegner   keineswegs  gelSugnet   hatte,   oder   yiel- 

Mehr  liberhaopl  hatte  Iftugnen   können,   dass   Cicero  wirklich  eine 

Eede  gehalten  und  diese  auch  herausgegeben,   so  macht  Herr  Boot 

•of  den  innem  Widerspruch  aufmerksam,  der  in  der  Annahme  liegt, 

4mm  diese,  jedenfalls  wichtige,   berühmte  und  gefeierte  Rede,   die 

SftUiistius,  der  Gegner  Gicero's,  doch  immerhin  als  eine  ^loculenta 

oratio^  beseichiiet,  so  bald  schon   in  Vergessenheit  gerathen   odw 

gar  Yarloreo  gegangen,  dass  irgend  ein  Fälscher  mit  seinem  Product  — 

der  nach  TOrhaDdenen  Rede  —  hfitte  auftreten   und  dieses  an  die 

Seilte  der  ächten  Rede  habe  setzen   können.     Wir   müssten  wahr- 

bafüg  die  alten  Röoser  aur  Zeit  4les  Augustus  für  gar  an  elnlftltig 

iiod  nrthellslos  ansehen,  wenn  sie  wirklieh  sich  auf  diese,  man  kaoa 

woäl  sagen,  plnmbe  Weise  hätten  tänschen  lassen,  mid  überhaupt 

psr  irgend  ein   verkommener  Literat  es  nur  hätte  wagen   können, 

mit  solchen  Fälschungen  vor   dem  römischen  Publikum  aofsutreteo, 

in  einer  Zeit,  wo  die  Literatur  allerdings  einen  grossen  Aufschwung 

genommen,  aber  auch  die  Kritik,  früher  wenig  gekannt  und  gepflegt, 

einer  strengeren  Pflege,  wie  wir  a.  B.  aus  Asmius  Pollio  und  seinen 

Bestrebungen   ersehen,   sich   erfreute.     Die  ganse  Annahme,  auch 

abgesehen,  dass  sie  alles  positiven  Grund  und  Bodens  entbehrt,  ist 

vielmehr  in  sich  selbst  so  unwahrscheinlich,   dass  kein  nur  einiger- 

naassen  besonnener  Kritiker  su  einem  so  vulgären,   wenn  auch  be* 

qoemen  Ausknnftsmittel  sich  wird  entschliessen  können. 

Indem  Hr.  Boot  auf  diese  gänzliche  Unwahrschelnllchkelt  und 
BDdere,  damit  in  Verbindung  stehende,  mit  gleichem  Leichtsinn  auf- 
gestellte Behauptungen  näher  eingeht  und  daran  erinnert,  wie  in 
keiner  Rede  des  Cicero  es  an  einzelnen  Stellen  fehlCi  in  denen  man, 
somal  wenn  man  auf  solche  Dinge  ausgeht  und  so  zu  sagen  Jagd 
ociacht,  auch  irgend  etwas  Anstössiges  oder  Befremdliches  finden 
irerde,  eben  weil  auch  bei  Cicero  so  wenig,  wie  bei  andern  grossen 
Seistem  Alles  den  Stempel  der  Vollkommenheit  an  sich  trägt,  und 
letzen  wir  hinzu,  bei  dem  Untergang  eines  grossen  Theils  der  Schrif- 
ten des  Cicero,  namentlich  auch  seiner  Reden,  Manches  jetzt  be- 
fremdlich erscheinen  mag,  was  uns,  wenn  diese  ganze,  jetzt  uDter- 
U  Jahrg.  9.  Heft  43 


m  Einke  et  Bm|:    0e  d^mtlB  «fi*i  t  in  CttiL 

gegangene  Literatur  vorlftge,  weniger  befremdlich  oder  antSnig  «- 
aeheihen  wQrd«^  ao  sdneut  er  aich  nicht  am  Schloase  mIms  8M- 
bens  S.  XXIV  seine  eigne  Ansicht  in  folgenden  Worten  niedenn- 
legen,   die  anch  unsere  Ansicht  ansaprechen:     «Etsi  niiiU  est  tau 
Incredibiloi  qnod  non  dicendo  Tel  scribendo  fiat  prolMbilCf  ton  ti- 
men  über  nondum   ma  adduxiti  u%  orederem  eratignem  a  Cioerooe 
in  causa  illnstri  habitam  et  postea  editam  paucis  annis  post  ex  im* 
minnm  manibus  excnti  et  nesdo   ci^us   declamatoris  opellae  locam 
cedere  potuisse.   Ipsa  autem  oratio  perpanca  continet|  quae  CiCfiine 
indigna  sint  habenda,  id  qaod  ad  singnios  locos,  in  quibos  tu  offen- 
diaü,  oateadiase  mihi  videor.«   Das  letalere  besiebt  sieh  aal  die  das 
am  folgenden  Texte  dieser  ersten  CatiliDarischea  Bede  (der  hi«  in 
Ganaen  nach  Halm's  Becension  in  der  3.  Aosgabe  Orelil's  gibsfert 
ist,  mit  einseineQ  Abweichungen,  die  unter  dam  Texte  selbst  sage* 
mhrt  sind)  weiter  nachfolgeaden  Erbrterungen,  deren  QianüUer  «ii 
sehen  oben  angegeben  haben;   der  Verlasser  hofft  in   ihnen  du- 
dings  ehien  Beitrag  geliefertau  haben  ^ad  sanam  iateniretatloiNB 
monumenli,  quod  omnes,  qui  in  antiquis  üterie  aon  plane  bespüii 
anal,  legerunt,  fere  omnes  admirantur^  (Worte  4er  PraeCatia);  aU»- 
diaga  galt  es  hier,  die  saaa  ratio,  dea  geaanden  Msaaoheavetatssi, 
ia  Sehats  an  aehmen  gegen  allerlei  geaaeble  aad  herbelgeaigiM 
Verdüebtigangen,  die  näher  bei  dem  Liehia  beteaehtei,  allea  iMm 
Oniodes  eatbehrea.    Und  diese  ist  atierdk^^s  ia  dieaea  BrMenaK« 
geaeheheD,  die  überhaupt  fttt  ^w  richtige  VenttMndBlBa  der  Bsii 
aMBche  achttsbare  BeuMihuag  enthakea  und  aaoli  in  dieasr  Bi- 
aiefanng  ein  dankenawertiier  Beitrag  aar  „sana  iaterpretatta^  dlssv 
Bede,  au  aenaen  sfaid.    Bin  eigener  Index  reram  et   TertaraB  ü 
diesem  EHösterangen  beigefügt)  und  erleiefatest  die  Efaslcht 


9i$put<aiü  de  genU  FdHa.  Seripsü  G.  N.  Du  Rieu.  AeeeM 
Fabiorum  Pictonem  eA  Servüiani  fragmenta,  Lugduni  Bdt^ 
vorum,  apud  Fratres  van  d$r  Hoek.  MDCCCLVL  VM  mt^^ 
4ß0  8.  in  gr.  8, 

Diese,  fast  Moltehalbbundert  Sdten  einaehmwide  MoBog 
iber  daa  fabisebe  Geschlecht  ist  jedenfalls  ala  ein  Wedc 
der  Studien  und  ausdauernden  Fieisses  m  betrachten, 
darch  eine  von  der  Universität  ao  Utrecht  gegebene  PiBisfrage^ 
welche  der  Verfasser  an  \&Ben  uatemttbm,  in  ^ner  Weise,  die  IM 
den  Sieg  über  einen  Mitbewerber  versidiaffte:   diese   Arbeit  büMJ 


*)  Diese  kotece:  «BxUbeatar  ditpotatio  de  gente  Pabia  ^aqae  ü  4 
aucloritate  in  civilate  Romami,  per  tonpora  liberae  rei  poblicae^  Qua  ütffi 
latioaa  tajD  ipsioi  gentia  antiquitaa,  ratio,  inaHtuta  ezponantnr,  quam  piiäM 
^m  ex  ea  virorum,  qui  vel  in  republica  vel  artium  et  literarum  ataditf  iiq 
clatüerunt,  acta  commemorentur,  cum  notatione  moDQtnentorum  tarn  privatortSli 
quam  pabKoonun,  qaibuf  rea  iHee  teatatae  ei  prodifae  Aierint." 


iHi  III0M    D«  fem»  9M%.  m 

AeOnndteg«  dai  weMeren  hier  fr^sobenea  AmMhraiig,  dl4  cl«i 

▼eftoser  mehrere  J*brer  bei  der  Auedeborag  iiDd  dcim  umfang  des 

fiegeutoades,   beeehfiftigte.    0eoa  er   welke   eicb  nicbt    bloee  aal 

eine  eiofacbe  Arnfzäblviig  der  verechiedeoeD  Zweige  des   iabischea 

fiescUecbts  and  der  hier  ▼orkomoaeaden  nahmhafteD   Pereöolichkei** 

teo  beeebrilokeD,  sendern  er  wellte  aueb  sagieioh  hervefbebeo,  was 

TOB  diesen  eittselneD,  uahmhafte»  Oliedem  des  Geschlechtes,  Her* 

▼orragendes  im  Staate,   wie  im  Felde,   wie  selbst   in   der  Literatar 

gefeislet  worden,  um  so  aa  einer  Gesammtwibrdigting  des  Gesohledites 

und  seiner  Leistungen  zu  führen*     Dessbalb  wird  aasdnicklieb  be* 

merkt,  dass  bler  nieht  alle  die  Römer,  die  unter  dem  Namen  Fa- 

bina  ans  entgegealreten,  nach  ihrem  Leben  and  nach  ihren  Thaten 

gesehlldert  seien;  |,de  gente  Fabia,  bemerkt  der  Verfasser,  tantnm 

dispnlabo,  id  est  de  iie  patrieUs,  qui  ab  saeeoto  urbie  condiue  tertio 

medio  naqae  ad  Aogasti  principwtam  inclaroerunt.^  DeoMufolge  sollen 

aaegeschlossen  bleiben   alle  diejeaigeD  dieses  Namens,  die  während 

der  Zeit  der  Bürgerkrieg«,   ans  gaaa  niederem  Stande  entsprossen, 

entweder  durch  miütftrische  oder  andere  Leistungen  sich  den  Weg 

ao  hohem  Aemtem   oder  Stellungen   im  Staat  gebabut  haben,   und 

swar  sie  seihst,   wie  ihre  Naohkommen;   eben  so  sollen  die  in  den 

laeeiarlfteii  Torkommendea ,   und   nur   dem   Namei»  nach  bekannten 

Fabii  gieiebfalls  aosgesehlossen  bleiben;  und  als  Endpunkt  die  Kai- 

aeRseit  gelten ,  in  so  fern  von  da  an   keine   bestimmte  Genealogie 

aytaiiff  slob  reifolgeo  Ineet.    In   eines  Bialeitung  verbreitet  sieb  der 

Vecteassi  über  den  Ahnherrn  des  QeseUeohts,  der  frdlicb  nichi  in 

dam»  ayyttiiscbeii  Bercnies  gelnaden  wird,  den  die  spätere  Sage^  of ea^ 

bav  ia  de»  Abaiebl  das  Geechleeht,  au  Terhef riichen ,  aum  Stmnas* 

Fatar   des  Oeecbiecbtes   erheben   hat,   über  die  Herluinft  das  Ge* 

aehlechtea,  dann  über  die  Fabii  Luperd,  die  Tribus  Fabia,  die  Sa» 

«ra   gentilicia   Fabierum  uad   die  Gommentarii   gentilieii  Fabiorunu 

ta  Basug  auf  den.  emen  Punkt  hält  sieh  der  Verfasser  an  Plinim, 

iiiid    erlKennt  in   dem  Gründer  des  Gieschlechtee  den  Bebauer  und 

Pfleger  der  Bohnen   (fabaram  sator);   in  Beaug  auf  die   Herkunft 

das  Gveschkechtes  schlioBSt  er  sich  an  Niebnbr  an,  welciier  dem  G^ 

schlechte  der  Fabier  Sabinischen  Urspvuag  anweist.    Im  ersten  Buch 

Mgeo  dann  in  acht  Kapiteln  eben  so  viele  bedeutende  Männer  des 

ZiraigeB  der  Vibnlani   (Fabius  Vibulanus),   im  aweiten  Buch  in 

aalua  Abschnitten  eben  so  viele  nalunikafte  Fabier  von  dem  Zweige 

Aer  Ambusti;  das  dritte  Buch  hat  es  in  awei  Kapiteln   mit  swei 

Fabiam  des  Zweiges  der  Dorsones,  das  vierte  ebenso  m«k  awei 

Pablem  aas  dem  Zweige  der   Licini  au  thun;   das   fünfte   Buch 

enthält  die  Fabii  Pictores  in  sieben  Gapp.,  das  sechste  die  Fabii 

Boteoaes,   das  siebente,   das  umfasseacbte  von  Allen  (S.  234 — 

433),  die  Fabii  Maxi mi  in  einundawanaig  Abschnitten;  in  diesem 

Buebe  kenunen  natürlich  die  bedeutendsten  Männer  des  Geschlech- 

tea  vor,  die  durch  kriegerische  Thaten^   wie  durch  poUtische  WirJe« 

Hamkeit  dem  Gesobleeht  der  Fabier  einen  solchen  Namen  in  dei 


600  Da  RiMt    De  iwM  fM$. 

Qeschichto  Rom's  verliehen  haben ;  so  nimmt  e.  B.  die  LebcUKU* 
dernng  des  Fablas  Cunctator  im  fünften  Kapitel  über  fiinfiig  Sdtfli 
ein   (S.  300— 354).     Den    Bescbloss   macht  die   dritte  Gattin  to 
Ovidios,  Fabia,  wie  man  gewöhnlich  annimmt:  aber  der  ZweiU 
des  Verfassers  an   der  BichtigiLeit   dieser  Annahme   scheint  nur  la 
sehr   begründet;    darum   auch  Ovid's   Tochter   wahrscheinlich  einer 
früheren  Ehe,  als  der  dritten  und  letsten  auauweisen  ist    Eine  groaie 
genealogische  Tafel,  welche  beigefügt  ist,  gibt  einen  guten  Ueb«* 
blick  über  das  „Stemma  gentis  Fabiae.^     Von  jedem  der  in  ta 
einseinen  erwfihnten  Abschnitten  aufgeführten  Fabier  wird,  so  weit 
es  möglich  ist,   ein  Lebensabriss  geliefert,   es  werden  die  yersehi^ 
denen  Würden  und  Aemter,  die  er  bekleidet,  angegeben  so  wie  da% 
was  in  jedem  Amte  geleistet  worden ,   und  werden  dabei  eben  lO 
die  Zeugnisse  der  Alten,  wie  selbst  die  (in  einem  eigenen  Abscbsitt 
jedesmal  behandelten)  Münsen  benutat,   und  zu  einem  Gänsen  ?e^ 
bunden.    Die  literarischen  Leistungen  haben   eben  so  Berücksiditt- 
gung  gefunden,   und  diesem  Umstände  wohl  ist  es   zuauschreibeBi 
warum  bei  Q.  Fabius  Pictor,  dem  angeblich  ältesten  römiedtei 
Annalisten,   wiewohl   er  in  griechischer   Sprache   geschrieben  (wie 
auch  unser  Verfasser  anzunehmen  geneigt  ist,  s.  S.  165  ff.),  dierer* 
schiedentlich  vorkommenden  Bruchstücke  seiner  Annalen  zasanunes* 
gestellt  werden  (S.  170 ff.),   eben  so   wie  bei   SerTius  Fabiol 
Pictor  die  Fragmente  seiner  Schrift  De  jure  pontificio  (S,  203£)k 
und   bei  Q.   Fabius    Maximus    Servilianns    die  Fragmente 
seiner  Annalen  (S.  396  ff.),  denen,  wie  wir  glauben,  mit  vollem  Becbte 
auch  die  Stelle,  die  Gellius  V,  4  aus  dem  vierten  Buche  der  Annskn 
eines  Fabius  anführt,  zugewiesen  wird,  so  wie  auch  der  j^Servilisnos 
historiarum  scriptor^,  welchen  einer  der  von  Mai  edirten  alten  Aofl^ 
leger  zu  Virgil's  Georgica  HI,  7   nennt,   ebenfalls  mit  Recht  sei 
diesen  Fabius  bezogen  wird.    Eben  so  müssen  wir  es  billigen,  da« 
sieh  der  Verfasser  nicht  hat   verleiten  lassen,   noch  einen  anden 
Annalisten  oder  Geschichtschreiber  Numerius   Fabius   Pictor, 
wegen  der  Stelle  des  Cicero  De  divinat  I,  21,  anzunehmen  (S.  149  £}> 
denn  dass  in  dieser  Stelle  an  Quintus  Fabius  Pictor  zu  den- 
ken, ist  hinreichend,  zuletzt  noch  von  M.  Hertz,  nachgewiesen  wo^ 
den.     Bei  den  Fragmenten  eben   dieses  Q,  Fabius  Pictor,   wekiio 
der  Verfasser  in  chronologischer  Ordnung  auf  einander  folgen  ISflili 
da  wie  er  glaubt,  eine  Eintheilung  des  Werkes  nach  Büchern  nicM 
stattgefunden  und  desshalb  die  Fragmente,  in  welchen  Zahlen  dll 
Bücher  genannt  sind,  sogar   diesem  Fabius  abzusprechen  sein  (ei 
ist,  wenn  wir  nicht  irren,  nur  das  eine,  oben  erwähnte  aus  Gallia% 
wenn  man  nicht  noch  das   bei  Servius  zur  Aeneis  I,  3  unter  de» 
Namen  des  Fabius  Maximus  erwähnte  hinzurechnen  will,  das  jededk 
unbestritten   dem  Fabius   Serviiianus  zuzuweisen   ist),  scheint  dem 
Verfasser  die  von  C*  Müller  im  dritten  Bande  der  Fragmenta  histo* 
ricorum  Graecorum  p.  83  ff.  gelieferte  Zusammenstellung  nicht  bi- 
kAQAt  gewesen  zu  sein,  ebea  so  wie  seiner  sonst  Alles  umfassend«! 


^ 


Der  Gntndbefiti'iii  der  LombtrdeL  66f 

Beleaenheit  auch  die  Erörternngen  entgangen  sein  mögen,  welche  über 
diese  Annalen   oder  Gommentare  (nach   der  Verroothang  des  Ver- 
fassers fährten  sie  den  Titel  ^lütogüu  oder  'TTeofivrjfuxtcc^  s.  p.  169) 
Ton  M.  NägeM:   altitalisches   und   römisches   Staatsleben   S.  325  ff. 
L^on  de  Closset:  Essai   sar  l'hfstoriographie   des  Romains   (in  den 
Annales  des  UniFersit^s  de  Belgiqne,  die  zu  Brüssel  1851    erschie- 
nen sind)  p.   437 ff.,    Bröcker    (Untersuchungen   über    die   GHaub- 
wflrdigkeit  der  altrömischen  Geschichte  S.  57.  65  ff.)  in   zum  Tbeil 
beachtenswerther  Weise   gegeben   haben,     lieber   die   Quellen,    aus 
denen  Fabius  PIctor   seinen   Stoff  entnommen,  wie  über   diejenigen 
späteren  Autoren,   die   ihn  als  Quelle  benutzt   haben,   hat  sich  der 
Verfasser  S.  160  ff.  ausgelassen  und  dabei  die  schwierige  Frage,  in 
wie  weit  Diokles  von  Fabius  benutzt  worden  (nach  Plutarch's  An- 
gabe Vit.  Rom.  3  coli.  8)  nicht  übergehen  können :  er  vermeidet  es, 
eine  Entscheidung  in   dieser   auf  verschiedene  Weise  beantworteten 
Frage  zu  geben,  und  schliesst  mit  der  Erklärung :  „litem  adhuc  sub 
Jadiee  esse^ ;  im  Ganzen  aber  macht  seine  Darstellung  den  Eindruck^ 
dass  Ihm  Plutarch's  Angabe  nicht  von  der  Bedeutung  erscheint,  um 
auf  dieselbe   weitere   und   besondere   Schlüsse  hinsichtlich   der   von 
Fabius  benutzten  Quellen  zu  bauen.  —  Der  gut  geschriebenen  Ab- 
handlung,  die  durch  eine  klare,  deutliche  Sprache  sich  dem   Leser 
empfiehlt,   folgen  zweiundsechzig  Thesen,   die  zum  Theil  Verbesse- 
mngsvorschlfige  zu  einzelnen  Stellen   alter   Autoren  enthalten,   zum 
Theil  sich  auf  einzelne  streitige  Punkte  aus  dem  Gebiete,  dem  der 
Inhalt  der  Schrift  selbst,   die  Geschichte  der  gens  Fabia,  angehört, 
bestehen.  Clir*  Bfthr* 


Orundbesits  und  Landvolk  in  der  Lombardei  von  Stephan  Jaeini, 
Nach  der  dritten  Italien,  Originalauflage,  übersetzt  von  Dr,  P, 
Franco,  TransUxtor  bei  der  k,  k.  Statthalterei  der  Lombar^ 
deL     Mailand  1857. 

Wer  hat  nicht,  wenn  er  in  den  schönen  Gegenden  der  Lom- 
bardei verweilt  hat,  das  Land  mit  der  Ueberzeugung  verlassen,  dass 
es  von  einem  intelligenten,  strebenden  und  arbeitsamen  Volke  be- 
wohnt wird,  dass  dort  Einrichtungen  besteben,  wie  sie  vergeblich  in 
SDdem  Ländern  gesucht  werden,  Einrichtungen,  in  Bezug  auf  welche 
Vieles  von  der  Lombardei  zu  lernen  ist,  z.  B.  in  Ansehung  der 
Wiesen  Wässerung,  des  Katasterwesens,  dass  insbesondere  die  Art 
der  Benützung  des  Grundbesitzes  in  der  Lombardei,  wie  schon  der 
treffliebe  Burger  In  seinem  Werke:  die  Landwirthschaft  in  Oberita- 
lien anerkannt  hat,  wegen  der  Vielseitigkeit  der  Betreibung  die 
grbaste  Aufmerksamkeit  verdient?  (wir  erinnern  an  den  Reisbau, 
an  die  Seidenaucht).  Wer  aber  war  nicht  auch  vom  Gefühle 
durchdrungen,  dass  gerade,  weil  die  Lombardei  berufen  ist,  zu 
etnetn  höheren  Grad  des  Wohlstandes  zu  gelangen,  soviele  rf^\ch^^ 
Elemente   des   Fortschritts,   deren   sich    das   Land    rühmen   kann, 


66t  Der  GhmObmiU  Ih  4^  tMuteitbL 

«  besser  benutzt  and  mancbe  Hiodemisse,  welche  der  femereii  Entwieb*' 
lungnoch  entgegeDsteheo,  beseitigt  würden?  Vergleicht  mnnloiDbar- 
dlsche  Zustände  mit  dem  Aufschwünge,  welchen  in  England  uni  'm 
Belgien  die  Landwirthschaft  genommen  haben,  stodirt  man  den  h5dat 
wichtigen  belehrenden  Berichti  welchen  der  erfahrene  Chadwick  T<m 
London   über   die  Erfahrungen   in   Beeug  auf  Landwktbscbaft  «id 
die  bewunderungswürdige  H5be,  bis  zu  welcher  der  Ertrag  der  Lasi* 
wirthschaft  in  England  gesteigert  wurde   bei  dem  Gongr^  de  bin- 
fiaisance  in  Brüssel  1856  erstattete  (rArenir  de  T Agriculture  et  to 
travailieurs  agricoles,  abgedruckt  im  Moniteur  Beige  1857.  Nr.  66-- 
69  und  aus  späterm  Beriebt   von  Chadwick   Trial   Works  at  Pirii 
in  the  application  of  Town  Mannres  to  agricultural  ProdnctioD,  ab- 
gedruckt im  Sun  1857.  13.  June  Nr.  80275),  so  kömmt  man  tm 
Ueberseugung,  dass,  wenn  solche  Zustände  und  VerbesserangoD,  der« 
sieh  England  erfreut,  in  der  Lombardei  beständen,  die  dortige  Land- 
wirthschaft auf  einer  nicht  weniger  hohen  Stufe  stehen  würds.  — 
Die   Gesellschaft  für   Hebung   der   Wissenschaften    nnd    Künste  ia 
Mailand  hat  die  hohe  Bedeutung  der  Frage;  wie  in  der  Lombarfd 
noch  ein  höherer  Aufschwung  bewirkt  werden  kann,  richtig  ge1r<^ 
digt  nnd   am  8.  Mars   1851   einen   Aufruf  erlassen:  es  sollen  (Ha 
ökonomischen  und  moralischen  Zustände  der  ackerbaatreibenden  Ba* 
YÖlkerang  der  Lombardei  in  ihren   Beziehungen   mm  BesHnataada 
und  8u  den  versdiiedenen  Galturgattungen  mit  besonderer  Rücksiekt 
auf  den  Einflnss  geschildert  werden,  weichen  die  hier  Im  Lande  ilbfi* 
eben  Facht-  und  Colonatsrerträge  auf  dieselben  Üben  nnd  die  sowohl 
für  den  Besitier  als  für  den  Landmann  erspriesslicbsten  Einrichtangas 
unter  Hinweisung  auf  die  wirksamsten  Legislaturen  und  nationalökono 
mischen  Reformen  und  unter  Erörterung  der  Fragen  angegeben  we^ 
den,  ob  die  landwirtbschaftlichen  Creditanstalten  unmittelbar   In  der 
Lombardei  Anwendung  finden  könnten.  Hr.  Jacini,  der  durch  genana 
Beobachtung   der  Zustände   seines   Vaterlandes   und   durch   die  aof 
grösseren    Reisen   durch    Europa   gesammelten   Beobachtungen  mA 
tüchtig  vorbereitet  hatte,    unternahm  die  Bearbeitung  der  geMelltea 
Aufgabe:  seine  Arbeit  wurde  von  der  Gesellschaft  gekrönt,  erscbici 
zuerst  1855  italiäniscb,   erfreute  sich  eines  so  allgemeinen  BeifalH 
dass  1856  die  dritte  Auflage,  und  1857   die  oben  angezeigte  deot» 
scbe  Uebersetzung  erscheinen    konnte.     Das   Werk  ist  volIkomnMi 
des  ihm  zuerkannten  Preises  würdig,  nnd  verdient  die  Aufmerksair 
keit  eines  Jeden ,  welcher  Erfahrungen  eines  so  bedeutenden  Lapdai 
wie  die  Lombardei  und  die  Wichtigkeit  der  Entwicklung  der  Laa<* 
wirthschaft  in  ihrem  Zusammenhange  mit  Orundbesitz  nnd  mit  alias 
sittlichen,    politischen  und  socialen  Zustände  des  Landes   zu  würdi- 
gen versteht.    Um  sich  zu  überzeugen,  dass  der  Verfasser  mit  UfiiK 
sieht  seinen  Gegenstand  erfasst,  und  die  Aufgabe  sieh  klar  gemacht 
hat,  bedarf  es  nur  einer  Betrachtung  der  Anordnung  seines  Werkea 
Nachdem  der  Verf.  im   ersten   Theil   das   lombardische   Gebiet  oad 
seine  Bewohner  geschildert  hat,  entwickelt  er  im  zweiten  IheOe  dis 


D«r  fitwdbMiti  ht  im  LMbirM.  IM 

MI«QWiitig«i  «UgenieineD  VerblltiiiM«  des  Orandeis^nüintnt  and 
dar  «ckerbaatTtibenden  Bevölkerung  der  Lombardei,  geht  dum  im 
dritten  Tbeile  sar  SehilderuDg  des  Berglandesi  im  vierten  mr  Dar* 
iteUnng  der  Verhfiltnisae  Im  Hügelland  und  der  Hoehebene,  im  fünf- 
ten  der  Tiefebene  über,  und  spricht  im  sechsten  Theile  von  den 
wirksamsten,  allgemeinen  Mittehi  aar  Fördemag  der  Interessen  des 
Srondbesitses  und  der  landwirtbschaftlichen  Bevölkenuig. 

Es  war  am  Platse  in  der  Erörterung  des  ersten  Theiis  nach 
einer  allgemeinen  Betrachtung  über  den  Einflnss,  den  landwirthsehAft- 
iiche  Verhältnisse  auf  die  Völker  und  ihre  bürgerUche  und  poli* 
tische  Entwicklung  ausüben,  die  materielle  Grundlage  des  aatio* 
Aalökonomischen  Wohlstaades  der  Lombardei,  das  Clima,  die  Man- 
nigfaltigkeit der  Bodenprodukte ,  die  geschichtlichen  Schicksale  der 
Iiombardd  su  schildern  und  statistische  Nachricbten  daran  sn  knüpfe** 
Im  sweiten  Theile  fand  es  der  Verfasser  aötfaig  die  huidwirthsobaft- 
liche  Prodttktion  der  Lombardei  (S.  35),  die  moralischen  und  inteUek* 
toellea  VerhSltnisse  der  landwirthschaftUchen  Bevölkertiag  (S.  88> 
das  WohlthStlgkeiUwesen  (S.  97)  und  die  staatsrechtllohea  und  öko- 
aoosiachen  Elgenthumsverhiltnisse  der  Lombardei  sn  erörtern  (8. 107). 
Da  in  der  Lombardei  die  höchste  Verschiedenheit  der  Landstriche 
herrscht,  das  Bergland  die  Hälfte  der  Oberfläche  der  Lombardei 
umiasst  (cHe  Provina  Sondrio  und  den  grössten  TheU  der  Provhiaen 
von  CoHio  und  Bergamo)  das  Hügelland  mit  seinen  herrlichen  Ge* 
geoden  vom  Lage  Maggiore  bis  Gardasee  (den  Hügelstrkh  cwischeii 
dem  Tcssin  and  der  Adda  umfassend),  die  Tiefebene  mit  ihrem 
merkwürdigen  Bewässerungssystem  (im  malländischen ,  den  Provin* 
sen  Pavia,  Lodi,  Cremona,  Mantua),  in  jeder  dieser  Gegenden  aber 
durch  die  Oertlichkeit  eingentfaümitche  Gultur  und  sociale  Verhältnisse 
hervorgerufen  werden,  so  ist  es  ein  grosses  Verdienst  des  vorliegen- 
deo  Werkes,  dass  der  Verf.  im  3—5.  Theile  jede  dieser  Gegenden 
mit  Ihren  Eigenthümlichkeiten  und  Culturarten  in  allcB  Einaelnbei- 
teo  schildert  (was  a.  B.  höchst  wichtig  in  Besug  auf  das  Verbält- 
nisB  des  Daseins  grosser  oder  kleiner  Wirthschaften  wird).  Das 
sorgfältige  Eingehen  in  alle  Einaelohelten,  die  Masse  genau  gesam- 
melter statisüschen  Nachrichten,  die  offene,  würdige  Weise,  mit 
woleher  der  Verf.  (wir  werden  dies  vorzüglich  in  Bezug  auf  den 
6*  Theil  hervorbeben)  die  Ursachen  der  Gebrechen  angibt,  und  die 
Mittel  der  Abhülfe  lehrt,  die  Füile  nationalökonomiscber  und  anderer 
praktischer  Bemerkungen  sind  Eigenschaften,  welche  dem  Verf.  zur 
Ehre  gereichen  und  dem  vorliegenden  Werke  einen  grossen  Werth 
geben.  Gerne  verweilt  man  bei  der  zwar  kurzen,  aber  alle  wichti- 
gen Punkte  hervorhebenden  geschichtlichen  Darstellung  (S.  21) 
der  in  den  versdiiedenen  Zeitaltern  und  unter  den  verschiedenen 
Völkern,  welche  die  Lombardei  bewohnten,  so  wie  der  Herrscher 
des  Landes  entwickelten  Verhältnisse  in  ihrem  Einflüsse  auf  Grund* 
besitz I  uamentlich  wie  der  röm.  Golonat  sich  ausbildete,  wie  unter 
4«n  LMigobaKdeii  neue  Verhältnisse  des  abhängigen  Gnmdbesltaes 


•M  D«r  finndbeikB  in  te  U«b«i4«L 

antetooden,  Im  MiUeialter  durch  das  Aufblüheo  der  oMdbÜfva  Cto* 
BMittderepoblikeD,  Vernichtaiifi^  de«  Fei^datismus  bewirkt,  durch  dit 
Terderblicbe  •panitebe  Herrschaft  dagegen  der  Wohlstaad  schwer 
bedroht  wurde,  während  durch  die  folgenden  Forsten  in  der  Lo»* 
bardei  bessere  Zustande  angebahnt,  wichtige  Einrichtangen  s.  & 
Kataster  eingeführt  und  durch  grosse  Männer  s.  B.  Beccaria,  Verri, 
Neri,  Carli  ein  geistiges  Leben  und  bessere  nationat5koo.  Ansichtso 
Terbreitet  wurden.  Sehr  dankenswerth  sind  die  von  dem  Verf.  mit- 
getheilten  statistischen  Nachrichten.  Wir  wollen  unsere  Leser  ui 
einige  derselben  aufmerksam  machen.  3.  40  findet  sich  eine  stati- 
stische Tabelle  über  den  Bevölkernngszustand  der  Lombardei  1864 
(darnach  beträgt  die  BcFÖlkerung  2,835219  Personen  auf  eiosa 
Flächenranm  ▼.  30,617794  Mailänder  Ruthen);  merkwürdig  ist  dtf 
Wechsel  im  Steigen  der  Bevölkerung;  Im  Jahre  1818  aählte  ^e 
Lombardei  2,167782  Einwohner,  In  den .  einielnen  Provinsen  wfi 
sich  in  Besag  auf  die  Zunahme  der  Einwohnercabl  eine  auffallenäs 
Verschiedenheit  (die  Bemerkungen  des  Verf.  darüber  S.  43  und  da- 
mit cusammenhängende  Verhältnisse  sind  schätsbar);  der  Stand  4cc 
Orundbearbeiter  (Bauernstand)  umfasst  502205  männliche  PersoMS 
über  18  Jahre.  In  der  Pro?ina  Mailand  kommen  auf  je  100  Eis- 
wohner  14  männliche  über  18  Jahre  alte  Bauern,  in  Sondrio  SS 
auf  100.  S.  57  ist  eine  Tabelle  über  die  Verbältnisse  der  Bodtn- 
fläche  (nach  dem  Kataster,  der  alle  ertragsfähige  Grundstöcke  on- 
fasst  30617794  Mailänder  Ruthen,  beiläufig  2004000  Hekurs). 
Merkwürdig  ist  wieder  die  grosse  Verschiedenheit  des  BedfirlDiasei 
der  Arbeiter;  in  manchen  Besirken  bedarf  man  gar  keine  fremdes 
Arbeiter  (S.  60).  Wenige  Länder  geniessen  den  Vortbeil  ausgedehn* 
ter  für  die  Landwirthschaft  wichtigen  Comunikationsmittel  (Strassea 
und  Kanäle,  S.  62),  von  Bedeutung  ist  der  Kataster,  bei  dem  der 
Verfasser  S.  66  die  wichtige  Bemerkung  macht,  dass  die  GesetsgfS* 
bung  nur  dann  weise  handelt,  wenn  der  unternehmende  Landwirtb  dia 
Gewissheit  hat,  dass  er  den  erhöhten  Ertrag  seiner  Grundstücke  na* 
geschmälert  geniessen  kann.  Aus  der  Tabelle  (S.  67)  sieht  naa, 
dass  der  geschätcte  Ertrag  der  Grundstücke  und  Gebäude  in  der 
Lombardei  52193264  Lire  ausmacht.  S.  71—84  liefert  der  Verf* 
eine  allgemeine  Uebersicht  der  In  der  Lombardei  1854  und  wäfaresd 
der  Periode  1842—1851  durchschnittlich  gewonnenen  Bodenprodul^t«. 
Wie  gross  der  Reichthum  ist,  ergibt  sich,  wenn  man  erfährt,  dass  18M 
an  Mais  der  Betrag  46400064  Lire,  an  Reis  21770734,  an  Kastanies 
1575545,  an  Wein  7941435,  Olivenöl  496620,  an  Leinöl  2958lM| 
an  Lein  5195417,  an  Gocons  61540270  Lire  ausmachte.  Der  Verl 
würdigt  die  Wichtigkeit  der  moralischen  und  Intellektuellen  Verhiit 
nisse  in  der  landwirthscbaftlicben  Bevölkerung  (S.  88).  In  Besag  a» 
Sittlichkeit  steht  die  Lombardei  keinem  anderen  Lande  nach ;  unehe 
liehe  Geburten  kommen  vor  im  Verhältniss  1  cu  26  ebelichen,  woIm 
au  bemerken,  dass  in  das  Findelbaus  viele  eheliche  Kinder  gebraeh 
werden.   Eine  Ursache  der  EnUittUchang  liegt  in  den  Gränabesiik« 


i)er  ärandbesftz  in  6tt  Lonlmrd«f.  tM 

M  dem  8chfnagii:e1handel.  Ein  guier  Charaktersug  Ist  die  Sparsam- 
keit  der  Lombarden;  für  die  Schalen  wird  zwar  in  der  Lombardei 
Vielee  getban,  dennoch  erhielten  1850  48148  Knaben  und  64016 
MSdcben  keinen  Scbnlanterricht.  Der  Verfasser  bedauert  den  Mangel 
land wirthscfiaftlicher  Schulen.  Das  Associatiouswesen  ist  nicht  gefördert, 
der  Geistliche  übt  auf  den  Landmann  grossen  Einfluss,  er  ist  häufig 
Ratbgeber  In  weltlichen  Interessen,  allein  der  Verfasser  fügt  hinza 
(8.  94),  dasa  wenn  der  Geistliche  den  Standpunkt  seines  Berufes 
rerlässt,  auch  der  einfachste  Bauer  das  Individuum  von  dem  Geist* 
Heiken  zu  unterscheiden  weiss.  Wie  gross  der  Sinn  für  Wohlthätig^ 
keit  In  der  Lombardei  ist,  wie  reich  dies  Land  an  solchen  Anstal- 
ten ist  hat  der  Verf.  dieser  Anzeige  schon  in  seinem  Werke:  ita- 
liantsche  Zustande  (S.  191 — 332)  bemerkt;  interessante  Mittheilun- 
gen über  den  neuesten  Zustand  liefert  die  vorliegende  Schrift  S.  99 
nU  wichtigen  Btoerkungen  S.  103.  Reich  an  bedeutenden  Erör- 
terangen  ist  das  Kapitel  (S.  103)  über  die  gegenwärtigen  Staats-- 
rechtlichen  und  ökonomischen  EtgenthumsverhSltnisso  der  Lombardei| 
welche  der  Verf.  wohl  mit  Recht  das  Land  des  Mittelstandes  nennt; 
die  Gleichberechtigung  aller  vor  dem  Gesetze  und  die  freie  Concor- 
renz  sind  zwei  Ideen,  die  mehr  oder  minder  klar  im  allgemeinen 
Bewnsstsein  der  Lombardei  sind,  sie  haben  wie  der  Verf.  S.  109  sagt 
Hire  wohlthStigen  Früchte  getragen.  Familien-Fideikomisse  sind  sel- 
tene Ausnahmen.  Es  ist  interessant  zu  bemerken,  dass  in  der  Lom- 
bardei viele  vermögliche  Familien  von  den  untersten  Klassen  sich 
emporgehoben  haben,  wShrend  durch  die  Tbeilung  des  Vermögens 
reicher  Familien  die  Zahl  der  Mitglieder  des  Mittelstandes  sich  ver- 
mehrt. Man  rechnet  in  der  Lombardei  350000  Grundbesitzer  und 
darunter  nur  3000  Adelige;  wie  sehr  durch  die  Zerstückelung  des 
Bodens  die  Zahl  der  Grundbesitzer  wächst,  lehrt  eine  Tabelle  (S.  110), 
nach  welcher  1838  in  der  Lombardei  385826  und  im  Jahr  1850 
457723  Grundbesitzer  vorkamen;  allein  gerade  in  Bezug  auf  die 
wichtige  Frage  über  Bodenzerstückelung  liefert  der  Verf.  S.  111  ff. 
bedeutende  Materialien  und  praktische  Bemerkungen;  es  zeigt  sich 
eine  grosse  Verschiedenheit  in  den  einzelnen  Provinzen,  jenachdem 
nach  klimatischen  Verhältnissen  und  ökonomischen  Bedürfnissen  die 
Zerstückelung  sich  als  wohlthätig  oder  nachtheilig  zeigt;  es  ist  auf- 
fallend, wenn  man  die  Provinz  Pavia  mit  der  in  Sondrlo  vergleicht. 
"Der  Verf.  kömmt  S.  113  zu  dem  wichtigen  Punkt  der  in  der  Lom- 
bardei vorkommenden  Güterverhältnisse,  der  Erbpacht  und  Erbzins- 
g^üter.  Hier  hätten  wir  eine  ausführlichere  Nach  Weisung  gewünscht; 
as  bedarf  hier  geschichtlicher  Erfahrungen  und  statistischer  Nach- 
w^eiaungen  über  die  Gegenwart.  In  Ansehung  der  Ersten  würde  der 
"Verf.  In  dem  (zwar  vorzüglich  auf  Toskana  sich  beziehenden,  aber 
auch  für  ganz  Italien  wichtigen  Werke  von  Poggi  Cenni  storici  delle 
leggi  suU  agricoltura  Firenze  1845.  1848.  2  vol.)  viel  Treffliches 
gefunden  haben.  Mit  Interesse  folgt  man  der  Darstellung  des  Verf. 
S.  116  ff.  über  die  lombardlsohe  Einrichtung,  nach  weldier  die  6e* 


•a  9m  Gnn«Mite  »  der  Unlniai 

meiDdererÜMtoiig  mU  dar   Vertretung  der  QrundbetiUir  im  i0g4' 
saDAten  Convocat,  wo  jeder  solcher  BesiUer  gleidies  Sdonnredit  hat» 
Im  ZusanuBenlMUig  steht    Dadurch  erbalten  die  Orundbesiuer  aal 
die  öffentllcbea   Angelegenheiten  einen  grossen   Einflnss  (s.  jedoA 
über  die  Erfahrungen   S.  117).     Wer th voll  sind   die  Mittbeiloogsa 
über  die  auf  den  Gütern  haftenden   Lasten  (S.  123) ,  immer  mebr 
gesteigert  und  (wie  auch  in  andern  LSndem)  doppelt  drückend  dareh 
die  Gemeindeumlagen.    Der  Gesammtbetrag  der  direkten  und  indi- 
rekten Steuern  in  der  Lombardei  ist  80  Millionen  Lire.     Der  TecC 
gibt  S.  130  ff.  eine  Tabelle  über  den  Vermögensstand  der  einselm 
lombardischen  Provinaen:  der  approximative  Werth  der  unbewefü-  ' 
eben  Güter  ist  2,424000000  Lire,  der  Betrag  der  Hypothekaraebnl- 
den  601000000«    Der  Werth   der  Mittheilungen  des   Verf.  ist  bs* 
sonders  erhöht  durch  die  abgesonderten  sorgfältigen  Kaehwdauogea 
der  einseinen  Theile  der  Lombardei,  des  Berglandes,  des  H&gsilaa- 
des  und  der  Tiefebene.  Alles  was  irgend  daau  beiuagea  kann,  oa 
den  Znstand  des  Grundbesitaers  in  der  Gegend  genau   kennen  a 
lernen,  ist  hier  angegeben,  a.  B.  Forstwesen,  GemeindeeigeDÜiiyB 
(S.  143).   Man  bemerkt,  dass  die  lombardischen  Gemeinden  groM« 
Gemeindeeigenthum  besitaen,    dessen   Verlnsserung  die  Begienisf 
immer  melv  begünstigt.     Wir  empfehlen  die  Beachtung  der  danoi 
beaüglicben  Machrichten  über  Erfahrungen  (S.  155)  und  Torsugüi^ 
über  die  in  den  verschiedenen   Gegenden   vorkommenden  Arten  der,  1 
Oolonats vertrage  (S.  177);  während  in  einigen  a.  B.  in  Veltiin  dii 
Pachtverträge  namentliöb    Erbpacht  am   häufigsten  sind   (S.  179}^ 
kommen  in  anderen   Gegenden  a.  B.  im  Hügelland   die   Haibtheä* 
wirthschaften  am  häufigsten  (S.  198)  vor.     Bemerkenswertfa  ist  & 
Schilderung  der  dabei  vorkommenden   patriarchalischen  Golonenvtf- 
eine,   deren   Licht»  und  Schattenseiten   der  Verf.  trefflich  (S.  200) 
schildert.     Wir   geben  dem   Verf.  Becht,   wenn   er  (S.  206)  diaee 
Halbtheilwirthschaft  als  eine  Eigenthümiichkeit  der  latinischen  Vöikir 
schildert   und   vor  Nachahmung  der  fremden  Einrichtungen  waiiti 
s.  B.  der  englischen.    Der  Verf.  der  die  Gründe  für  und  wider  scUI*  \ 
dort,  zeigt  aber  seine  UnpartheiUehkeit,  wenn  er  awar  anerkennt,  wii  | 
das  System  in  früherer  Zeit  aus  den  alten  Verhältnissen  nothweaj|{  | 
hervorging,  dass  er  es  nicht  mehr  für  das  beste  Bewirthscbaftungssjsten 
für  die  Gegenwart  erklärt.    Wir  haben  da,  wo  es  besteht  als  Haupt«- 
nachtheile  gefunden,  theils  dass  dadurch  der  Fortschritt  und  die  noi 
von  dem  Eigenthümer,  der  für  sich  arbeitet,   ausgebende  gesteigert» 
Tbätigkeit  gehindert  ist  (wer  die  PfäUer  Wirthschaft  und  einen  M 
unglaublich  gesteigerten  Fleiss  kennt,  weiss  dass  dieser  nur  als  dis 
Freiheit  des  Eigenthnms  sich  erklärt),   theils  dass  dadurch  die  Uo» 
ralität  des  Colonen  auf  eine   harte  Probe  gestellt  wird.    Vieles  in 
Ausland   Unbekannte,  theilt   der   Verf.  S.  211  über   das   im  Obe^ 
mailändischen  Gebiete  geltende  gemischte  Sjstem  mit,   wonach  dis 
Produkte  der  Pflanzungen  zur  Hälfte  getheilt  und  die  ucmlUelbarso 
Bodeneraeugnisse  gegen  Naturalien  verpachtet  werden. 


Sottbare  Nachriehten  afhIU  der  Leser  von  S.  241  an  In  Be** 
ng  auf  die  Tiefebene  Qber  die  Eigenthümliebkeiten  dieeer  Oe» 
genden,  yorsflglicb  über  die  BewIesemngBansUütea  und  die  G»* 
breehen  derselben  ebenso  8.  250  über  den  dortigen  Wiesenbaa 
Hsd  6.  260  über  die  durch  die  dortigen  Verbältnisse  (c.  R 
wegen  des  Eabireicken  Ylebstandes  der  durch  Bewissemng  beding* 
ten  Feldereintheilnng)  heryorgerufenea  grossen  Wirthschaften.  Hier 
finden  wir  die  grosse  Zahl  der  in  nngünstigen  Verfalltnissen  leben«- 
den  Taglöhner.  —  Einen  Schata  ron  Andeutnngen,  Vorschliigen 
und  praktischen  Beobachtungen  findet  der  Leser  in  dem  6.  Tbeile 
aber  die  Mittel  der  Verbesserung  der  Zustände.  Der  Verf.  steht 
VDparteiisch  swischen  den  Terscbiedenen  Parteien,  die  er  gana  rieh* 
üg  charakterisirt;  er  bewährt  seine  praktische  Natur,  wenn  er  S.  308 
seigt,  dass  manche  gutgemeinten,  die  Verbesserung  der  Lage  der 
Bauern  beaweckenden  Vorschläge  in  ihrer  Ausführung  an  den  ein* 
mal  vorhandenen  Verhältaissei^  scheltern.  Der  Verf.  bekennt  sich 
in  der  Theorie,  welche  yon  dem  Staate  verlangt,  dass  er  dem  vor- 
handenen Outen  keine  Hindernisse  In  den  Weg  lege,  alle  aur  FOr» 
dsningr  der  moralischen  und  materieilen  Interessen  geeigneten  mdi« 
rekten  Mittel  anwenden,  die  Formen  unter  denen  Privatverträge  an 
Stande  kommen,  üfoerwaehen  (ohne  sich  efaiaumengen)  und  Privat- 
•aternehmungen  kräftig  unterstützen  solL  Dies  ist  gewiss  richtig«, 
aber  wir  fordern  noch  mehr.  Uns  erscheint  nach  unserer  Erfahrung 
wesentlich  für  die  Entwicklung  besserer  Zustände  ein  Regiemngssystemi 
welches  von  dem  unseeligen  Misstrauen  frei  sich  hält,  die  Elemente 
i^eier  Bewegung  schütst  and  durch  Anerkennung  der  Presslreihelt 
die  Entwicklung  des  öffentllehen  Sinnes,  die  Freiheit  der  Aeusserung 
über  mangelhafte  Einrichtungen  und  vorsüglich  durch  Freiheit  der 
Anociatlon  die  Vereinigung  von  Privatpersonen  su  Unternehmungen 
erweckt  Vieles  ist  in  neuester  Zeit  in  der  Lombardei  geschehen 
und  der  Verf.  hebt  richtig  S.  309  den  bedeutungsvollen  Einfluss  der 
Eisenbahnen  auch  auf  Ackerbau  hervor ;  er  will  ein  Landwirtbscbafts- 
gesetzbüch,  er  fordert  colleglalische  Eiurichtung  der  Gerichte  (S.  311) 
and  wünscht  Gesetze,  welche  die  Ablösung  und  Umwandlung  der 
Colonatsverbältnisse  begünstigeu. 

Nach  dem  Verf.  S.  316  müssen  die  Hauptelemente  des  Natio- 
nalreichthoms ,  das  Brennmaterial,  das  Futter  und  die  dadurch  zu 
gewinnenden  Produlcte,  der  Cocons,  Wein,  Reis,  Lein,  Getreide,  be- 
nützt, ihren  Produktionen  und  ebenso  wie  ihrem  Verkehr  die  rechte 
Hülfe  gegeben  werden.  In  welchem  Zusammenhange  eine  zweck- 
mässige Forslwirthschaft  mit  dem  Landbau  steht,  ist  gut  angedeutet 
(S.  317),  und  die  Bedeutung  der  Viehzucht,  die  gute  Benutzung 
der  Milch wirthschaft  (S.  319),  die  Bedeutung  des  Seidenbaus  (S. 
323),  der  Zusammenhang  des  Reisbaus  mit  dem  Gesundheitszustand 
(S.  328)  bemerkt  Mit  Freude  verweilt  man  bei  den  Schlussbetrach- 
tiingmf>  des  Vf^tf^^  wenn  er  ein  Hauptmtttei  der  Verbesserung  landwirtb-* 
schaftlieher  Zustände  In  der  Erhöhung  des  Einflusses  geistiger  Fail- 


M  Sohreibars    Oeidilelito  6m  PHbmrfer  Unhrentttt 

■chritte  findet,  daher  die  WiebtigVeit  des  Unterrichts,  nftmenfitdi  dei 
tecbniseheD  Unterrichts,  die  Verbreitung  nützlicher  VoIksbQcher  hcr- 
Torhebt  und  auch  S.  338  die  Bedeutung  des  Einflusses  der  Geist* 
lichiceil  andeutet,  swar  wie  Recens.  glaubt,  so  beschränkt,  indem  der 
Verf.  nur  will,  dass  in  den  8eminarien  Landwirthschaftslebre  vorge- 
tragen werde ,  während  nach  unserer  Erfahrung  von  der  Geist- 
lichkeit nicht  weniger  grosser  Einflnss  dadurch  erwartet  werden  kanSf 
dass  sie  überhaupt  gegen  Vorurtbeile  und  Aberglauben  auftritt  (das 
letBte  ist  wichtig,  wo  das  Landvolk  noch  an  Zaubereien  oder  as 
den  Einfluss  gewisser  Zeichen  oder  Segnungen  glaubt)  und  nidit 
suTiel  durch  Zwang  zu  äussern  Andachtsnbungen  die  nothwendtg« 
Arbeitsamkeit  hindert  Dass  gut  geleitete  Wohhhätigkeitsanataltei 
und  nicht  einseitig  zur  Erreichung  gewisser  eigennützigen  Zwe^e 
heilsame  Förder ungsmittel  der  Cultnr  sind  (8.  341}  verkennt  der 
Verf.  eben  so  wenig  als  die  hohe  Wichtigkeit  einer  weisen  Volks* 
wirthschaftslehre,  vorzüglich  die  Nothwendigkeitslehre  der  Verbesse- 
rung des  Hypothekensystems.  Der  Verf.  hat  Recht  S.  355,  wenn  er 
bedauert,  dass  in  der  Lombardei  noch  so  viele  Ueberreste  der  fran- 
zösischen Gesetzgebung  beibehalten  sind  (wichtige  Warnungen,  En 
Nahrungen  8.  336).  Dass  landwirthschaftliche  Creditanstalten  woU- 
tbätig  wirken  können,  erkennt  der  Verf.  an  (8.  339),  aber  er  Ter- 
schweigt  nicht,  dass  die  Einführung  derselben  in  der  Lombardei  m 
manchen  bestehenden  und  nicht  schnell  urozuwandelndep  VerbXlI- 
nissen  leicht  scheitern  kann.  Rezens.  setzt  den  Wunsch  hinzu,  dssi^ 
wenn  die  Lombardei  solche  Anstalten  und  Associationen  bekomml^; 
sie  nicht  in  die  Hände  der  Spekulanten  fallen  mögen,  die  dabei.: 
weniger  das  Interesse  der  Landeigenthümer  als  vielmehr  ihre  eigne^i 
Vortheile  und  den  Gewinn,  den  sie  mit  ihrem  Gelde  machen  könne%J 
im  Auge  haben.  —  Unsere  Anzeige  mag  hinreichen,  um  zu  zeigen 
welch  inhaltreiches ,  praktisches  Werk  Hr.  Jancini  geliefert  hat  fOr 
Jeden,  der  das  hohe  Interesse  der  Landwirtbschaft  zu  würdigen  wete 

nilttermaler* 


/.    Oesehichte  der  Albert- Ludwig^ s-  Universität  zu  F-rest-i 
bürg  im    Breisgau.     Von   Dr.   Heinrich    Schrei6er^\ 
Erster  Theil.    Von  der  Stiftung  der  Universität  bis  xur  Refor^ 
mation.     Freiburg.     Verlag  von  Franz  Xaver   Wangler.    ItiöJmX 
Vni  und  246  5.  8.  ■  '  -i 

//.  Geschichte  der  Stadt  Freiburg  im  Breisgau.  Vom 
Dr.  Heinrich  Schreiber.  Erster  TheU.  Von  der  äHmUSf^ 
Zeit  bis  zum  Tode  Herzogs  Berthold  F.  von  Zähringen.  MSt- 
drei  Beilagen  und  sechs  Uihoqraphirten  Blättern.  Freibur^ 
Verlag  von  Franz  Xaver  Wangler.  1857.  VHJ  und  HO  Ä 
und  Beilagen  62  8.  8. 

I.     In  dem  vorliegenden   Werke,   welches  «der  Fe?er  dfs  s«^ 
rückgelegten   vierten  Jahrhunderts  der  Albert-LudwIg^s-UniTersitlft« 


aokMikflKS    GMcUdito  de^  FMibnifttr  thiivifenittt  §69 

fvwidnet  ist,  erbalten  wir  eiue  grötsUn  Theils  atw  bis  jetst  nodi 
nicht  beDuixien  Quellea  geschöpfte  Geschiehte  der  Dnireraität  Frei* 
bürg  ¥on  ihrer  Stiflang  bis  sar  Reformation. 

Lilogst  schon  beschfiftigte  sich  der  Hr.  Verf.  mit  der  Geschichte 
dieser  Hochschule,  welche  eine  so  grosse  Bedeutung  für  die  Hebung 
der  Wissenschaften  in  den  österreichischen  Vorianden  hatte.  Es  beweist 
dieses  eine  ganse  Reihe  von  Monographien,  welche  der  Herr  Ver« 
fasser  bearbeitet  und  herausgegeben  hat  und  ihm  für  die  Gesammt-* 
gesehichte  der  Universität  selbst  nur  als  werthyolie  Vorarbeiten  die- 
nen konnten.  Wir  rechnen  unter  anderm  hierher  dessen  Rede  über 
den  Geist  der  Stiftung  der  Universität  Freiburg  (1830),  seine  Vor-* 
träge  bei  der  Gedächtnissfeier  der  Stifter  an  der  Albert-LudwigV 
Hochschule,  über  die  Stifter  des  Hauses  snm  Frieden  (1830),  auf 
Joseph  Lucas  Meyer  (1831),  auf  Melchior  Fattlin  (1882)9 
auf  Matthäus  Hummel  im  Bach  (1833),  auf  Joachim  Myu- 
Singer  von  Frundeck  (1834),  auf  Heinrich  Loritti  Gla-» 
Keknus  (1837),  auf  Gustav  Friedrich  Wucherer  (1844). 

Die  Universität  Freiburg  verdankt  ihre  Gründung  dem  Ersher* 
sog  Albert  VI.  von  Oesterreicb,  und  awar  nicht  ohne  Mitwirken 
von  dessen  Gemahlin  Mathilde,  welche  die  WissenscIiafteD  lieble 
nnd  ihnen,  wie  ein  guter  Genius  an  ihres  Gatten  Seite,  dessen  frei«» 
gebigen  Sinn  anzuwenden  wusste*).  Die  Autorisationsbulle  aar  £r- 
ifcbtnng  dieser  Hochschule  wurde  von  dem  Papste  Gaiixtus  UL 
schon  unter  dem  20.  April  1455  gegeben,  in  welcher  er  jedoeit 
lugleich  auch,  ohne  selbst  sich  auf  Näheres  einzulassen ,  dem  Bi* 
ichof  Heinrich  von  Constanc  die  Vollmacht  ertheilte,  nach  ge- 
sauer  Erkundigung  und  Befond  der  Umstände  das  Nöthige  au  ver* 
(figen.  Dieser  forderte  nun  als  Bevollmächtigter  des  apostolischen 
Stuhles  durch  ein  öffentliches  Ausschreiben  d.  d.  17.  April  1456 
lUe  diejenigen  auf,  innerhalb  30  Tage  vor  ihm  zu  erscheinen,  weldia 
Itwas  gegen  die  Errichtung  dieser  Hochschule  einzuwenden  hätten, 
lud  als  in  dieser  Frist  keine  Einsprache  geschehen  war,  machte  er  durch 
iln  neues  Ausschreiben  vom  3.  September  1456  bekannt,  dass  nun- 
aehr  die  Errichtung  der  Universität,  in  der  Theologie,  dem  Kirchen« 
md  bürgerlichen  Rechte,  der  Medicin,  der  freien  Künste  und  in 
«der  andern  erlaubten  Facultät  genehmigt  werde. 

Die  Mittel  zur  Dotation  der  Universität  wurden  In  der  Ueber* 
raguog  Habsburgischer  Klrehenleben  an  sie  aufgefunden.  Der  Erz* 
lerzog  Albert  erklärte  nämlich  von  Wien  aus  unterm  28.  August 
M56  durch  eine  besondere  Urkunde  sowohl  in  seinem  eigenen  als 
S  des  Hauses  Oosterreich  Namen,  dass  er  der  von  ihm  gestiftetea 
Jniversitäl  die  Pfarrkirchen  von  Freiburg,  Breisach,  Ensisheim,  Win- 
srthor,  Ehingen,  Rottenburg^  Warthausen,  Metteuberg  und  den  Altar 


^)  Spftter  wurde  sie  noch  einmal  mittelbare  Stifterin,  indem  sie  ilirea 
oIhi  »OS  enter  Eiie,  den  Grafen  Eberhard,  dasn  beweg,  seinem  Würtem* 
erg  eine  gleiche  FreiaUtte  bolierer  Cnltar  in  Tübingen  (1477)  lu  errichten« 


www  MMKNUf     vWniilM  vW  PfWMMW  IIWV%IWML 


ra  EmmAati  iMorpMire.    Splt«r  (IS.  Mfrt  1457)  kM  mdkmA 
Ae  Kitoiie  aod  dw  Kinheimt«  der  Stadt  ViliiDiren  das«. 

Diese  Dotation  uad  die  damit  v^rbondeae  Bniclitiiag  der  IM» 
TonitlU  wurde  noeh  in  demeeiben  Jabre  (18«  December  145^J  tm 
dem  Kaiier  Friedriehi  dem  Bruder  Erahernoge  Albert's,  ebeuo 
für  sieb  aelbst  wie  aacfa  für  daa  Haas  Oesterrekh  beetltiift  kwk 
Bietbol  Hein  rieb  tod  Oeoeiaoa  ertbeilte  aater»  21.  Juli  UH 
eelaa  Zaatimmaog. 

Zar  VerwirkUcboag  dieser  iDcorporationeB  wwrde»  Mattb&ai 
Hammel *)i  ^geisdicber  Reebto  und  der  Araoeikaade  LebTsr*  wA 
MarscbaU  Tfiriag  von  Hallw^l,  beide  RIthe  dea  Sraberaegs,  fti 
demselbeo  ab  Beroiknlebtigte  (1456)  anffesteilt 

Der  eigeDtUebe  Stiltangabrief  der  Uoi^emitSt  wurde  aa  fnt 
bürg  am  21.  September  1457  ausgefertigt  Darob  diesen  weidii 
der  Uoiversittft  alle  die  GkiadeD,  Preibeiten  und  Recbte  srtbeül^ 
welcbe  die  UnireraitäUn  Paris,  Wien  und  Heidelberg  bauen.  DaUi 
gebtörea  unter  andern  sleberes  Geleit  and  ativersogsnes  Recht  wi 
den  Amtleuten ;  sieb  selbst  Gesetae  und  Statuten  sa  gebea ;  Meata 
und  Scbttler  eiaculangen  stebt  nur  dem  Rector  oder  dem  ro,  ^ 
dbem  es  von  der  Hocbschule  aufgetragen  ist;  alle  UnlveisItitsiBgi' 
bttrige  Bind  frei  ron  Zoll,  Steuer,  Uageld  uad  jegHeber  Beschweml 

Zum  Kanaier  der  Universität  wurde  (S.  Seplember  1456)  Bl» 
scbof  Hein  rieb  von  Gonstana  vom  Papste  bestimmt.  Seine  Aof* 
gäbe  besland  darin,  die  strengen  Prifui^en  aur  Eriaagnng  des  U^i 
eaatials  in  allen  Faealtäten  au  überwacben. 

Den  erateo  RecUr  ernannte  (21.  September  1457>  der  Enbw» 
aag  salbst,  and  a^rar  in  der  P^non  des  Mattblas  Hammel^ 
der  Feige  unter  dem  Beinamen  Im  Baob  cum  Rittet  erbobeil 
rSomte  jedoch  der  Universität  aogleicb  das  Redit  ein,  ilife  küotfi 
gen  ^Reetoren,  Deeane  und  Ampleute^  selbst  au  eroeaaeBb 

Die  feieriksbe  Eröffnung  der  Universität  fand  am  26.  April  14II| 
statt,  wekher  die  freie  WabI  des  ersten  Rectora,  die  aaf  Humas^j 
fielf  vorausgegangen  war.  Dte  Eröffnungsrede  bielt  der  neue  Bw» 
tor.  Diese  aehr  interessante  Rede,  aus  welcher  man  aueb  den  Gtü 
erkennt,  in  welchem  die  Universität  gestiftet  worden,  ist  noeh  voi> 
banden,  und  da  sie  über  Viele  Verbältnisse  der  damaligen  Zeit  M 
bittre  and  deutlicbe  Anscbauoag  gewährt,  so  kann  man  es  dem  Hraj 
Veciasser  nur  Dank  wissen,  dass  er  sie  (S.  20—28)  ihrem  Bsapi^ 
Inhalte  naeb  gana  in  seiner  Schrift  aufgenommen  bat 

Nach  damals  üblicher  Sitte  wählte  sich  Hummel  znm  T«ii»| 
seiner  Rede  den  Yorspruch:     „Die   Weisheit   hat  ai«b  ei«! 


*)  Hummel,  id  der  Stadt  Villingen  i.  J.  1425  geboren,  kam  all  IGji^.i 
riirer  Jttnglinfr  (1441)  auf  die  Universitttt  Heidelberg,  wo  er  •chonoachS; 
Jahren  Baccalaureua  der  freien  Künste  und  nach  5  Jahren  Magister  derpeU^' 
wurde.  Auch  spater  (1455)  kam  er  wieder  nach  Heidelberg,  wo  aber  itü 
Anfontfatlt  aar  sehr  kun  wai; 


Ba»0  erbaut*  (Vspimtra  aadtfiMTlt  ÜIM  aedMchiiii).  Der  erste 
TheU  der  Rede  behandelt  die  Frage:  ^^Waa  gewSfart  die  Weräh^ 
and  somit  auch  das  Haas,  welches  sie  sich  erbaut  hat,  für  Von* 
dbaiie?  oad  der  swelte  Theil  verbrettet  sieh  über  die  damalige  Zeit 
In  ihrea  Verhftitnisse  aar  Weisheit  und  aam  öffentlichen  Haose  der* 
selben.  Ans  diesen  hier  näher  geschilderten  Verhftltnissen  socht  der 
Bedner  dann  nachcoweisen,  warnm  es  nfHhig  sei,  dass  sich  die  Weis« 
heit  in  Freibnrg  ein  Haas  baue  und  warum  gerade  dort  die  Stiftung 
einer  DalTeiaitit  Bediirfniss  sei."" 

Dem  Rector  stand  ein  engerer  Rath  (Oonsiiiiim)  lor  Seite. 
Piessr  halte  auch  den  Rector  an  wählen,  wobei  jedoch  der  Tomas 
in  den  Facaltäten  beobachtet  wurde. 

InoMUsicalirt  wurden  schon  im  ersten  Jahre  (?om  I.  Mai  1460 
bia  dahin  1461)  234  Stodenten. 

Die  Disetplinargesetxe,  wie  auch  wohl  der  Stiftongsbrief  der 
Universitltt  selbst  (8.  18),  Ton  Hammel  entworfen,  worden  am 
Itf.  Angost  1460  bekannt  gemacht  (S.  S9).  Sie  sthnmen  im  AJlge- 
meinen  mit  denen  fär  andere  Hochschulen  gegebenen  überein. 

Hand  in  Hand  mH  den  ältesten  Gesetzen  der  Universität  übeiw 
gingen  auch  jene  der  Bnrsen  insbesondere.    Sie  beoieben  sieb 
oU  anf  die  Yontände  (CottTentt^es ,  Regentes),  als  auf  deren 
Umeigebene  (S.  88). 

Die  folgenden  Abschnitte  (V— VIII)  handeln  tiber  die  rier  Fa- 
ettItiteB»  ttber  deren  Einvichtnng,  über  die  In  denselben  angesteMen 
Prafessoren.  Es  sind  diese  Mittheiluogen  aber  um  so  wiehtiger,  ate 
ala  Tide  meistens  frttbet  gans  unbeicannte  Nachfiehte»  enthalten  und 
üe  ersten  Lehrer  der  Hochschule  In  Freibnrg  und  Sure  NaehMger 
Ml  den  gefeiersten  Männetn  Ihrer  Zeit  gehören  and  noch  Jetit  au 
tat  Gelehrten  eisten  Rangea  geiählt  werden. 

Als  die  eiste  Facaltät  wird  die  phllosophisdie  (Facultas  Artlum) 
iMtIgelährt  (S.  42 ff.),  ond  sie  erscheint  unter  allen  Facultäten  der 
mm  gestifteten  Universität  als  die  MQhendste.  Sie  allein  wurde  mit 
4  Professoren  eröffnet,  denen  noch  2  andere  an  die  Seite  traten« 
Die  Namen  derselben  sind:  Wolf,  Seolnhofer,  Mölfeld, 
Arnold,  Kerer,  Sttirsel  (die  beiden  lotsten  kamen  Ten  Hei- 
ielberg).  £He  ersten  Lehrer  der  theologischen  Facultät  waren: 
Pfeffer  von  Weidenberg,  Mösch  von  Altiiein^  und  Mats  von 
hüchelBtadt.  Von  diesen  war  der  Erste  von  Heidelberg  gekommen 
ODd  die  beiden  Andern  aus  Wien. 

Der  erste  and  bis  zum  Jahr  1496  einsige  Ordinarius  der  Juri« 
Men^^Faenltät  war  Konrad  Odernheim  aus  Frankfürt  (S.  170). 
£^äter  als  die  übrigen  Facaltäten  trat  die  medicinische  in  Wirk- 
samketty  obgleich  aoch  sie  am  30.  April  1460  mit  der  Vorlesang 
aber  die  Aphorismen  des  Hip poerate s  eröffnet  warde.  Ihr  OnK* 
aarius,  Dr.  Hammel,  war  durch  andere  Geschäfte  ffir  die  Vvtvm* 
lität  überhaupt  allzasehr  in  Anspruch  genommen,  ala  dass  er  Zeit 
genug  hatte,  sich  Vorlesungen  zu  unterziehen. 


(Itt  '  SAt^iMi    aeMkiahld  der  Siaii  Vt^büfg  !•  tnktn. 

Der  IX«  AbBchnUt,  mit  welchem  der  erate  Thetl  schHent,  sehD» 
dert  die  LeUtuagen  der  UnirersiUU  und  Sudt  Freiburg  lur  BütiaS 
druck  uod  Laridkarteo. 

Hiermit  haben  wir  einen  kurien  Ueberbliek  über  den  reich« 
Inhalt  dieser  Schrift  gegeben ,  welche  der  Herr  Verfasser  mit  deh 
selben  Gründlichkeit  ausgearbeitet  hat,  die  alle  seine  bis  jetit  e^ 
schienenen  Schriften  rühmlichst  ausseichnen.  Um  so  mehr  wänseheo 
wir  daher  auch,  dass  die  an  diesen  Theil  sich  anschliessendeo  wai» 
teren  Hefte  recht  bald  folgen  und  so  das  ganse  gewiss  höchst  m- 
dtenstvolle  Werk,  weiches  wohl  eine  der  würdigsten  und  wertb- 
vollsten  Gaben  zur  nahe  bevorstehenden  Säcularfeier  ist^  «um  ScfaluM 
geführt  werden  möchte  1 

II.  Hatte  der  Herr  Verfasser  durch  eine  Reihe  von  grflodli- 
eben -die  Universität  Freiburg  betreffenden  Monographien  sieh  sif 
das  Beste  für  die  Bearbeitung  der  Geschichte  dieser  HochsdiBl»  i 
vorgearbeitet^  so  geschah  dieses  in  gleicher  Weise  durch  sein  schätieH» 
wertbes  ^Urkundenbuch  der  Stadt  Freiburg  im  Breisgau,  2  BEo^ 
Freiburg  1828,  1829^,  für  die  Geschichte  dieser  Sudt. 

Längst  schon  wurde  der  Wunsch  ausgesprochen!  dass  dasvcH^ 
liegende  Werk  erscheine.  Det  Grund  der  Versögerung  liegt  in  eiatf 
dreimaligen  Ueberarbeituug ,  wodurch  jedoch  das  Werk  selbst  s« 
gewonnen  bat  Mit  Recht  führt  dessbalb  auch  der  Herr  VeHsaMi 
(Vorrede  S.  VI)  an:  „Nur  längere  Beschäftigung  befreundet  wA 
einem  so  detailreichen  und  eben  dadurch  schwierigen  Gegenständig 
wenn  etwas  Gediegenes  dabei  au  Stande  kommen  soll.  Historisekl 
Forschungen  nehmen  Mühe  und  Zeit  in  Anspruch;  ihre  Frückls 
kommen  nur  langsam  zur  Reife.^ 

Der  vorliegende  erste  Theil  der  Schrift  enthält  die  GescMcfals 
der  Stadt  von  der  ältesten  Zeit  bis  aum  Tode  des  Herzogs  Ber«! 
thold  V.  von  Zähringen  (1218).  Die  4  Abschnitte,  in  weicfas 
diese  Schrift  eiugetheilt  ist,  umfassen  die  älteste  Bevölkerung  aoste; 
Römeraeit,  die  Fntstehung  des  Schlosses  und  Dorfes  Freiburg,  * 
Stadt  Freibnrg  und  deren  Verfassung,  den  Münsterbau,  die  BldAi 
und  den  Ausgang  des  Hauses  Zähringen. 

Dasu  kommen  noch  3  Beilagen  über  den  zähriagisehen  Adlei^| 
die  älteste  Verfassungsurkunde  der  Stadt  Freiburg,  das  Müoaweiflft| 
der  Stadt  Freiburg  und  ihrer  Genossenschaft  der  Rappenmfinze.     'j 

Beigegeben  sind  noch  5  lithographirte  Blätter,  ein  Plan  dtf*! 
keltisch-römischen  Tarodunum  und  Abbildungen  zähtingischer  SiegiL 

Wie  wir  den  Wunsch  um  rechtbaldiges  Erscheinen  der  weit**  \ 
cen  Lieferungen  bei  der  Geschichte  der  Universität  ausgesprochen  habfl%  { 
so  thnn  wir  es  auch  hier  bei  der  Geschichte  der  Stadt  Freiburg.      ^ 

Sobald  uns  die  weiteren  Lieferungen  werden  zugekommen  seiSf 
werden  wir  nicht  ermangeln  von  denselben  weitere  Mittheilungen  i* 
diesen  Blättern  zu  machen,  und  es  kann  uns  nur  zur  Freude  gvtth 
eben,  dieses  recht  bald  thun  zu  können.  Ilautst 


k.  M.  HEIDELBERGER  ISSl. 

JAHRBOCHER  dir  LITERATUR. 


Dr.  C.F.Alb.  Koppen.    Die  Erbschaft,  eine  eMlüUache  Ab^ 
handitmg.    Berlin  1866.     8.     VIU.  167  8. 

Der  Verf.  des  genannten  Werkes  glaubt  (S.  6),  die  ganse 
I^dire  van  der  Persönlichkeit  der  faereditas  habe  in  den  Qneiien  kel* 
HB  weiteren  Anhalt,  als  jene,  allerdings  aiemlich  salilreicheB  Stol<- 
m,  wo  es  heisst:  hereditas  personae  vice  fuagitur.  Und  der  Be^ 
üis  dafür I  dass  es  beim  Antritte  der  Erbschaft,  wann  immer  der^ 
iibe  gescheben  möge,  so  anzusehen  sei,  als  wäre  die  £rbsohaft 
lAoD  in  dem  Momente,  wo  der  Erblasser  starb,  erworben,  beschränke 
leh  auf  den  einigemal  so  oder  ähnlich  lautenden  Ausspruch:  qui 
lestea  heres  extitlt,  ridetur.ez  mortis  tempore  defuncto  successisse. 

Zu  einer  klaren  Einsicht  über  das  wahre  Wesen  der  hereditas 
0  römischen  Rechte  gelangen  wir  nur  dann,  wenn  wir  erkennen, 
Irte  sich  der  eigentbümüchc  Begriff  derselben  auf  der  Grundlage 
lis  eigenthümlichen  civilen  römischen  Familienrechts  entwickelt  hat 
Üfe  lamilia  war  sunächst  der  Inbegriff  von  Personen  und  Sachen 
fler  Vermögensstücken,  die  von  einem  paterfamiiias  beherrscht,  durch 
Jessen  Willeu  au  einer  Einheit  susammengehalten  wurden.  Die  fa^ 
liiUa  oiachte  sich  aber  auch  als  ein  höherer  darüber  stehender  Rechts** 
IMgriff  geltend.  Sowohl  das  connubium,  wie  das  commercium  des 
iivis  Romanus  bestimmte  sich  durchaus  nach  der  Stellung  desselben 
lls  einer  sui  juris  oder  alieno  juri  subjecta  persona.  Und  in  dem 
j^onubium,  in  der  Fähigkeit  eu  einer  editen  römischen  Ehe,  die  die 
frandlage  aller  persönlichen  Familienrechte  war,  und  in  dem  com» 
iprcium,  d.  i.  der  Fähigkeit  zu  allen  civilen  Vermögensrechten,  in 
Itsen  beiden  Seiten  und  Zweigen  der  familia  konsentrirte  sieh  die 
psamnate  bürgerliche  Privatrechtsfähigkeit.  In  der  familia,  die  und 
|le  sie  der  römische  Bürger  hatte,  lag  also  seine  ganae  Prlyatrechts-' 
lU^eit,  seine  Rechtspersönlichkeit.  Beim  Tode  des  paterfamiiias  soll 
m  aber  diese  seine  familia  als  hereditas  auf  einen  neuen  künftigen 
leros,  auf  den  heres  übergehen.  Freilich  müssen  die  gerade  auf  die 
pdividualität  des  Verstorbenen  gebauten  Rechte,  es  müssen  seine 
üESöniichen  Rechte  jetst  untergehen,  und  die  familia  defuncti  schrumpft 
liber  auf  ihre  vermögensrechtliche  Seite  zusammen.  Im  Uebrigen 
jril  sie  aber  ganz  die  nämliche  famUia,  die  nämliche  Person,  die  sie 
ei  Lebz^ten  des  Erblassers  war,  sein  und  bleiben  und  als  solche 
91  dem  £rl>en  einen  neuen  Träger  erhalten.  Deshalb  muss  während 
^  hereditas  jacens  die  Ihres  seitherigen  Repräsentanten  beraubte 
miUa  defuncti,  die  erst  einen  neuen  Vertreter  erhalten  soll,  bis 
sm  Antritte  der  hereditas  allerdings  als  eine  juristische,  d.  h.  als 
Ine  nicht  leibliche  Person  erscheinen.  Die  fingirte  Persöulichkeit 
L.  Jakr|.  9«  Heft.  4^ 


tfi  lOnM:    Mi  IriHdMft 

der  hereditaa  jacans  also,  welche,  wena  einmal  eiae  aokke  V««- 
bun;,  wo  der  Erbe  In  die  TermögeDsrechtltehe  PeraüBUdikelt  d» 
Erblassers  selbst  eintrat  bestehen  sollte,  nothwendig  angeDommsi 
werden  mosste,  bestand  nicht  darin,  dass  eine  neue  jorlatiiBche  P«- 
son  an  Stelle  der  des  Erblassers  getreten  sei,  sondern  dass  die  uMmr 
Mke  Beeblspersöniichkeit,  die  der  Veretorbeoe  iMie  gehabt  hitts^ 
Ton  sebier  physischen  Persönlföhkeit  anabhftngig  jetst  nosk  fftitbe- 
stehe  als  ein  unsterbliches  Wesen,  bestimmt  in  dem  Erlien  and  kfinf- 
lig  weiler  in  dessen  Erben  fortnlebeB.  Beim  Antritte  der  beMdiki% 
wann  iosmer  deraelbe  gesebeken  mag,  erhiüt  der  Erbe  darmn  is- 
mer gana  dieselbe  famiüa,  die  lebendig  gebliebene  PeraMidMtd« 
ErblasMrs,  so  dass  es  dadwch  gerade  so  ist,  als  habe  er  die  £ib- 
sehaft  sehon  im  Todesmomente  des  Erblassers  erwerben.  Wie  4i 
Bttmer  an  diesem  eigentbttmlichea  Begriffe  der  heredüas  als  te 
fsmilin,  «Is  der  Rechtspersönilchkeit  des  Erblaesera  kamen,  dssi^ 
klXrt  Sich  daraus,  dass  arsprüngiioh  nur  die  Familiengiieder,  snalM 
die  sai  heredes  erbten.  Bei  den  sui  heredes,  die  bei  den  LebscM 
ihres  paterlamilias  ja  in  ihrer  gansen  privaten  BechtoOfaigkeit  ai 
uad  dareh  dessen  lamilia  gebunden  waren,  war  es  gans  natfitM 
und  nothwendig,  dass  ihnen  diese  lamilia  auch  lemerhki  erhalM 
blieb ,  nnd  dass  sie  jetst  selbst  heri,  Herrn  dieser  iassffia  mr 
den,  in  und  auf  der  von  Anfang  an  alle  ihre  prlTaten  Rechte  fcf 
ruht  hatten.  Dass  man  dann  auch  auf  den  weiterea  Familfeakfsi^ 
den  die  Agnaten  und  Gentilen  bildeten,  ebenso  diese  famiüa  defasif 
ak  Eriischaft  übergehen  Hess,  war  bei  der  Innigkeit  «nd  Festt|^ 
des  aaeh  unter  diesen  sich  eo  Tielseitig  geltend  machenden  Am^ 
lienTsdilltaieses  kein  an  grosser  Schritt  Dase  man  sogar  auf  dfll 
testamentarischen  Erben  die  lamilia  defuncti,  die  Persönlichkeit  *i 
Tersterbenen  selbst  fibergeben  liess,  ist  nicht  so  auffallend,  alt « 
auf  den  ersten  Blick  erscheinen  möchte,  weil  bei  den  Römera  i»*' 
längs  (nKmlieh  bis  «i  den  XU  Tafeln)  die  Möglichkeit  sich  einen  Mv» 
mentarlschen  Erben  au  ernennen  nur  dadurch  gegeben  war,  dass  ma 
hl  ealatis  comMis  den  einansetienden  Erben  arrogiren  konnte,  d.  h 
dass  aMn  ihn  schon  bei  seinen  Lebseiten  in  seine  lamilia  aoAishi 
and  aom  saus  heres  machte.  So  auffallend  und  eigenthfimlich  dahor 
in  unserer  Zeit  der  römische  Begriff  der  heieditas  als  einer  Bediü« 
pemönlichkeit  ersehemt,  so  natur-  und  sachgeraSss  war  diese  As^ 
faseung  uad  Gestaltung  der  Erbschaft  und  der  Erbfolge  vom  aHm 
sömisehen  Standpunkte  aus.  Eine  nShere  Darlegung  und  die  Bewtiü 
dieser  unserer  Ansicht  geben  wir  in  einem  augenblicklich  unter  M 
Presse  befindlfchen  grösseren  Werke  fiber  „das  römische  Erbrstkl 
in  seiner  geschichtlichen  Entwickelung.  (Heidelberg  bei  Mciir.)« 

Wenn  nmn  sagt,  es  sei  eine  Persönlichkeit  der  hereditas  jae« 
hei  den  Römern  angenommen  werden,  um  den  Uebergang  der  re 
mligensrechtilohen  Persönlichkeit  des  Erblaesers  auf  den  Brbea  i 
ermögUohen,  so  ist  damit  freilich  die  Eigenthümüchkeit  des  römtselM 
Erbeseins  erkannt,  aber  es  ist  die  Sache  doch  nidbt  hfaireicheod  $ 


klftri  Deoo  die  wetore  Frage  itt  wieder,  warHai  denii  f  erade  die 
•IgeDthiittilidie  Erbrecht?  warum  dieser  kUmdiohe  Reefatobefriff  der 
£rbMbafl  ak  Vermktolmg  des  U<eb«r|:aiige8  des  Naehltoses?  Am« 
wort:  «6  war  das  Allee  nur  eise  Gonsequeiiz  der  eigenihümlieheli 
fiilwickelaag  der  römieebeD  lamilia,  ja  des  ganzen  f imere»  i^oifBebee 
SlluitBlebeDa,  too  wo  aos  stob  dal  römische  Erbreobt  eotwHsbeHe. 

WttB  aber,  seitdem  Safigny  die  Leiwe  ron  der  rabendeil 
Erbschaft  wieder  nea  ia  Amregung  brachte,  viele  Sd^iftsteller  (welche 
M  Koppen  6.  lt.  aafgeaähU  sind)  aik  Rticksfcht  bald  aaf  diesen 
b*ld  auf  jenen  Zweck  in  mannigfaltiger  Verschiedenheit  der  here* 
dl«as  den  Charakter  einer  Pers()nlicbk^  beilegten,  so  bitten  skAk 
jmmm  Zwecke  tbeiis  auch  ohne  eine  ^ersontfiKfreng  der  heredItM 
moi  andere  Weise  erreichen  lassen,  nnd  tbeiis  würden  jene  Zwecke 
gar  nkht  bestanden  haben,  wenn  nicht  eben  die  besendere  Obstat- 
tmng  der  rSmisehen  famiila  nnd  im  Zasammenhange  damit  der  ge- 
ananaüen  eivllen  Prlratrechtefähigkelt  zu  einer  «eichen  EntwIckeking 
4es  Erbrechts  hingedrängt  blllte.  Die  in  der  Natur  and  dem  Wesen  d^r 
ENage  selbst  liegenden  inneren  Beweisgründe  für  die  Anffassnng  ^^ 
hereditai,  als  der  KechtspersOnlicbkeit,  ab  des  Inbegilffs  der  priraten 
EenhtilKhIgkelt  des  Erblassers  waren  bisher  sehr  ungenügend  er^ 
kMMt  nnd  an  wenig  richtig  dargestellt,  so  dass  K5ppen  in  sehM^ 
rodüegenden  cirillstischen  Abbandlang  über  die  Erbschaft  einen  ItH* 
nemn  Beweis  als  gar  nicht  vorhanden  ansieht.  In  seiner  Ittaagn^ 
raldlaaertation  (De  natora  beredithtis  nondum  adltae.  BeroKni  1656^ 
R6  pp.  te  S.)  hatte  Koppen  selbst  die  RocfaUp«rs«n!fehkbft  der 
iieredftaa  als  der  ftMnilia  delancti  vertheidigt  and  sich  dabei  auf 
wAebe  QueUensStze  gestützt,  die  schlechthin  and  geradezo  ron  der 
RareStdiehkeit  der  hereditas  oder  von  ihrer  FIHHgkeit  Rechte  zn  er^ 
srerben  and  au  verlieren  reden.  Er  ignorirt  diede  seihe  fHihere  Arbett 
ettt  völlig  nnd  verwirft  nnn  ganz  entsdileden  die  Abnahme  (tinfW 
tecfatapeiaönilchkeit  der  hereditis. 

Dem  in  der  herrschenden  Iiehre  anerkannten  nnd  fn  dei^  Natwr 
[er  INn^e  liegenden  Satze,  dass  jedes  Recht  zu  seiner  Btistenz  ein 
Inbjekt  voranssetze,  stellt  Koppen  ($.  L  0.  9 ff.)  die  Bebaup^ 
eag  gegenüber,  dass  einmal  zur  Entstehung  gelangte  Rechte,  sofern 
ie  iii<^t  ihrer  Natnr  nach  untrennbar  mit  einer  bestimmten  Indivi- 
vaHtÜt  verbunden  seien,  recht  wohl  fortbestehen  könnten,  ohne 
nft weilig  Jemanden  zuzustehen.  Nacb  dem  Begriffe  der  Rechte 
Hde  der  angenblickllcbe  Mangel  eines  Sdbjects  keinen  inneren  Gmnd 
ires  Unterganges,  faodem  dadurch  bloss  die  Realisirnng  der  rechtii'' 
ben  Hemcfaaft,  nicht  die  recbtlicbe  Herrschaft  selbst  snspendftt 
«rde.  Ihrem  Zwecke  nach  existirten  aber  alle  Rechte  nicht  tim 
irer  aelbst^  sondern  nur  um  der  Menschen  willen ;  und  so  existirten 
abschaftarecbte  nacb  dem  Tode  des  Erblassers  ald  eine  von  ihm 
Ir  andere  Personen  rechtlich  begründete  Herrscliaft,  wenn  auch  noch 
leht  solort  im  Todesmoment  gewiss  sei  ^  wer  diese  Personen  sehi 
ttrden«     Hierbei  ist  übersehen  worden  ^  dass  wenn  mit  dem  Tode 


$f$  Koppas:    Dit  BrfcMball. 

des  Erblawerf  das  Rechtaaubjekt  wegfiUlt,  dann  jedenfaUa  «ach  dia 
rechtliche  Herrachaft  wegflillt,   nicht  bloaa  die  faktiaehe  AuaObonf 
daraelben.    (Jod  ao  wenig  überhaupt  bei  irgend  einem  Beehte  danwB| 
daaa  ea  um  der  Menachen  willen  da  iat,  d.  h.  daaa  jede  rechtafiUiige 
Person  daaaelbe  haben  ond  erhalten  kann,  folgt,  daaa  es  aognr  b%- 
stehen  kann,  ohne  gerade  Jemanden  auauatehen,  ebenaowenig  rechte 
fertigt  sich  ein  solcher  subjektloser  Fortbestand  der  ruhenden  Erb- 
achaft  dadurch,  dass  sie  für  den  oder  die  £rben  bestimmt  iat,  d.  h. 
daaa  aie  einen  Herrn  erhalten  aoll ,   den  aie  aber  noch  nid^i  hat. 
Koppen  baut  nun  cwar  auf  aeinen  irrigen  Schlussfoigerunges  «nii» 
ter  und  meint,  auch  im  römischen  Rechte  sei  eine  ?orflbergeheiiia 
Existenz  subjektloser  Rechte  vollkommen  aulissig.     Dm  die   Naiv 
der  römischen  obligatio  mit  jener  Ansicht  in  Einlüaag  an  aetae^ 
llngnet  er,  daaa  daa  Wesen  der  Obligationen  in  dem  vmculnm  joiii 
awischen  ihren  beiden  ursprünglichen  Subjekten  bestehe,  indeoi  ja^ 
aonat  beim  Tode  des  Glttubigers  oder  Schuldners  nicht  sowohl  im, 
Mangel  eines  neuen,  sondern  schon  der  Wegfall  ihrea  biaheiigan 
Sabjektes,  dieser  Wechsel   des  Subjekts,   ihren  Untergang  bewUM 
mtisste.    Es  ist  nun  gewiss  gar  nicht  der  Fall,  dass  beim  Tode  das 
Erblassers  dn  Wechsel  des  Rechtssubjekts  eintritt,  sondern  die  P«b> 
son  des  Verstorbenen  lebt  fort  in  der  hereditas  und  geht  mil  dtaaat 
und  durch  diese  auf  den  Erben  über.   Darum  wird  auch  kein  naiias 
vinculum  juris  konstituirt  und  es  ist   daher   diese   Argumentation 
Koppen 's  über  die  Natur  der  Obligationen  falsch. 

Ebenso  falsch  ist  auch  die  auf  seine  vorigen  BehauptuDgea  gß^, 
stütste  weitere  Lehre  von  der  Natur  der- Obligationen  wie  er  aie  Ü 
$.  2.  3.  (S.  13—22)  darstellt,  indem  er  fthnlich  wie  achon  fruM 
Delbrück  (die  Uebemahme  fremder  Schulden.  Berlin  1853)  '^- 
Obligation  als  positiven  und  negativen  Saehwerth  auffasat. 
lumn  awar  mit  Rückaicht  auf  den  au  ersielenden  Erfolg 
falle  sagen  (vgl.  S.  16  f.),  „eine  Schuld  ist  ein  im  Vermögi 
Schuldnera  befindlichen  fremder  Saehwerth,  der  das  ganae  V( 
gen  des  Schuldners  ergreift^  Vgl.  bes.  1.  50.  §.  1.  de  jodic  fti 
1.  Daa  Letstere  kommt  daher,  weU  es  die  famUia  iat,  die  alch  mtt^ 
alle  vermögensrechtlichen  Seiten  des  Schuldners  oder  Ol&ubigera  9ti 
streckt,  Alles  aber  was  sur  familia  gehört,  durch  den  Willen  ilneil 
Subjektes  au  einem  Oancen  vereinigt  wird.  Durchaus  verkehrt  Mlj 
aber  die  Folgerung  des  Verfassers  (S.  17  f.),  dass  „sich  dorcii  44 
Obligationen  unter  dem  persönlichen  vinculum  juris  awischen  GMM 
biger  und  Schuldner  auch  ein  sachliches  Band  zwischen  ihren  beJMl 
den  Vermögen  knüpfe;  jenes  gehe  notb wendig  unter  mit  den  Pef*; 
sonen,  zwischen  denen  es  bestehe,  dies  aber  überdauere  aie.  I>eMl 
indem  die  Forderungen  und  Schulden  ihren  Auadruck  im  Vermdge^l 
erhielten,  würden  sie  von  der  Existenz  ihrer  Subjekte  unabh&ngfsil 
Dinge.''  In  Note  1  auf  S.  17  bemerkt  der  Verf.  selbst:  »die  stti 
mischen  Juristen  bezeichnen  nur  das  persönliche  VerlüUtiiiH^ 
awischen  Qlttubiger  und  Schuldner  durch  obligatio  (pr.  InaL  M 


KOppes:    Die  Erbiehift.  077 

Mg.  3.  18.  1.  B.  pr.  de  O.  «t  A.  44.  7.).^  Wenn  aber  dieMtf 
pmlnKche  Verbältniss  nach  dem  Auaaprucbe  der  römischen  JarlsCen 
gwide  das  Wesentliebe,  Haaptsftchlicbe  der  obKf^atio  ist,  dann  würde 
jk  mit  Untergang  dieses  Bestandtbells  beim  Tode  des  Subjekts  aacb 
ik  ObKgation  selbst  untergehen,  dieselbe  also  nach  Koppen 's 
neorle  folgerecht  anch  nicht  auf  den  Erben  per  uniTersUatem  über- 
fehen  kSnnen.  In  Wahrheit  wird  die  Existenz  der  einmal  begrQn- 
i^mt  Obligationen  nach  dem  Tode  des  Glftnbigers  oder  Scbnldners 
isr  dadurch  ermöglicht ,  weil  dessen  famiüa ,  dessen  Rechtsperson- 
fcbleit  fortlebt,  und  gerade  so  wie  sie  beim  Verstorbenen  war,  auf 
te  Erben  übergeht  Und  wenn  Koppen  S.  50 f.  behauptet,  swi* 
nImd  der  Erbschaft  dessen,  welcher  ein  Erbschaflssklave  angebOre, 
km  ^n  Legat  hinterlassen  sei,  und  der  Erbschaft  dessen  der  das  Legat 
Unterlassen  habe,  bestehe  von  vornherein  ein  obligatorisches  Ver- 
UUtniss  nicht  als  dn  Tlncolnm  juris  awischen  swei  bestimmten  Per» 
tonen,  sondern  zwischen  zwei  bestimmten  Vermögen,  so  beruht 
Hei  bloss  auf  falschen  Voraussetzungen  über  die  Natur  der  Erb» 
iebsft.  Inter  tIvos  unübertragbar  sind  die  Obligationen,  weil  nie- 
■«od  bei  seinen  Lebzeiten  seine  Rechtsfähigkeit,  seine  familla  selbst, 
nlne  Rechtspersönlichkeit,  die  durch  die  Obligation  Terstriekt,  be- 
lügt oder  verpflichtet  Ist,   auf  einen  Anderen  übertragen  kann. 

Wenn  wie  der  Verf.  (S.  18 f.)  meint,  eine  Singularsuccession 
•  Forderungen  desshalb  unmöglich  wSre,  well  „die  Uebertragung 
Nm  Rechten  nach  natürlicher  Anschauung  nur  durch  Uebertragung 
kres  Gegenstandes  geschehen  könne,  weil  nur  an  ihm  der  Akt  der 
Übertragung  möglich  w8re^;  wenn  dieses  sich  so  verhielte,  dann 
Nb'e  es  ebensowenig  zu  begreifen,  warum  denn  nichtsdestoweniger 
le  Forderungen  des  Erblassers  auf  seinen  Erben  übergeben.  Wenn 
hm  Koppen  (S.  19)  von  den  Schulden  sagt:  „weil  sie  fremde 
i^hwerthe  seien,  so  stehe  dem  Debitor  die  rechtliche  Disposi- 
bo  fiber  dieselben  nicht  zu,  und  weil  sie  sieb  nicht  als  spezifische 
lettandtheile  in  seinem  Vermögen  befSnden,  so  vermöge  er  sie  auch 
Icht  faktisch,  wie  eine  fremde  Sache,  aus  seiner  Herrschaft  In 
is  eines  Anderen  zu  bringen,  wenn  Koppen  hiermit  die  Nicht* 
bertragbarkeit  der  Schulden  zu  begründen  sucht,  so  mag  so  viel 
ihr  sein,  dass  aps  diesen  Oründen,  während  bei  den  Forderungen 
eh  das  Institut  der  Cession  ausbildete,  dagegen  für  die  passive 
llte  der  Obligation  ein  entsprechender  derartiger  Ausweg  in  Be- 
ftff  ihrer  Untrennbarkelt  von  der  Person  des  Schuldners  unmög* 
h  blieb. 

Femer  erklärt  Koppen  (S.  20 f.),  es  sei  verkehrt,  das  römi- 
he  Prinzip,  welches  die  Oontrahirung  von  Obligationen  durch  Stell- 
rtretnng  ausschllesst ,  daraus  herzuleiten,  weil  die  ObügaÜon  von 
fea  ursprünglichen  Subjekten  untrennbar  sei.  Aber  da  die.  Obli- 
ition  ihrem  Wesen  nach  auf  einer  persönlichen  Beziehung  zwi- 
hen  Gläubiger  und  Schuldner  beruht,  so  können  Subjekte  der 
HIgation  auch  nur  diejenigen  sein,  in  deren  Person  der  obllgato- 


H*  KiMMi    Die  ErhMhalt 

ilfdie  GnMJ  ctefetreten  ist  Udd  weun  Eöp^pen  imlBt,  dieMi 
Princip  berflbre  überhaupt  nicht  die  Natar  ^ner  beitehendei 
OUigation,  -^  bei  weicher  doch  allein  erat  daye»  dfe  Sed»  am 
kÖM6  eb  lie  mit  ibfen  Si^jekten  weaeatikih  Yerkaäpll  eel  edcr  nidit, 
sonder«  es  stelle  lediglich  hinaiehtlieb  der  EntstebvosT  ▼<»  ObUgt* 
tieneB  eine»  Sata  amS:  so  irrt  ^  sehr,  denn  eine  ObU^on,  dto 
nicht  besteben  bann,  die  kebie  Wirlimg  lasserli  liann,  ist  asdk 
§aM  keine  Obttg^UoD  und  von  ihr  kann  auch  niobt  gesagt  veidiB, 
daet  sie  entstanden  sei,  vielmehr  müsseo,  damü  eine  OhKgsta 
wirkljch  entstehe,  nucb  die  Erferdemisse  da  sein,  die  in  ihrem  Bar 
sfiehen  gebörenw  Obendrein  ancb,  indem  der  Verfasser  weiter  saft 
die  CoobrahtffHtig  von  Obllgationeii  durch  Stellvertrrtaiig  sei  amg^ 
acUossen,  w^il  hier  wie  bei  dsr  ursprüngiieh  allgemeine»  Dnsolfi» 
fl^fkeit  der  St^lvertrelnng  im  röm.  R.  der  natitrliebe  GS«danke  m 
Gknnde  li^ge,  ijdass  die  unmittelbare  Wirkung  einer  Handlung  flr 
d6B  Handelnden  eintreten  müsse^ ;  so  gibt  er  damit  ja  die  RiebÜf- ' 
ksit  der  communis  opinio  zu,  nSmlieb  dass  die  Obligatfoii  auch  isr ; 
unter  dea  Contrahenten,  anler  den  ursprünglichen  Subjekten  besisbm  1 
könne  and  also  von  diesen  untrennbar  sei. 

Klippen  hat  sich  also  vergebliche  Mühe  gegeben  im  iDdlIL 
die  Fortezäitena  temporfi»  subjektloser  Rechte  naefa2nweise&.  Br 
wendet  jedoch  jene  verkehrten  GrundsStae  nun  auch  auf  die  bsis- 
ditas  jaoeaa  an  und  sagt  (§.  4.  B.  22):  ^die  jura  hereditaria  sM 
wirkllcb  Reckte,  welche  wie  im  Leben,  so  auch  im  Rechts 
kosin  Subjekt  hätten,  und  gerade  aus  diesem  Grunde  seien  ni 
Evwerbsgegenstände  für  ein  anderes  Subjekt,  für  den  erwartetet 
Eiben.  Ihre  Existena  nach  dem  Untergange  ihres  Subjekts  beniki 
ledigUch  darauf,  daes  dardi  den  Tod  die  juristischen  Tiiatsacbmi| 
durob  welche  sie  entstanden  seien,  nicht  aufgehoben  wärden.^  Ml 
die  Möglichkeit  der  Vermehrung  und  Vermindemng  der  ErbeebaiS' 
rechte  habe  ihren  Grund  theils  allein  in  der  selbstifndsgen  Portdaasr| 
dea  Vermögens  nach  dem  Tode,  theils  aber  in  dieser  and  saglciA; 
in  der  Continuität  der  noch  bei  Lebseiten  des  Erblassers  .utUftir' 
kenstKuirlen  Rechtsgeschäfte,  deren  vermögensrecbtliebe  Wirkungcil 
aus  irgend  welchem  Grunde,  z.  B.  wegen  einer  binzugeffigtea  Be*! 
dingung  nicht  sofort  eintreten  konnten.  Koppen  will  hier  eissi 
Anwendung  von  Paul.  1.  85.  J.  1.  de  R.  J.  finden:  „Non  est  ns- 
vom,  ut  qiiae  semel  utiüter  constituta  sunt  durent,  licet  ille  caMS 
e^ltltedt,  a  quo  inidum  capere  non  potueriut.<^ 

Es  ist  nun  allerdings  eine  Thatsache,  dass  während  der  b^ 
redttas  jacens  die  Erbschaftsrecbte  fortbestehen,  ohne  dafjs  ein  k^ 
periidies  Subjekt  derselben  hervortritt.  Mit  dieser  blossex^TbatsacAs 
kann  sieb  abir  die  Jurisprudenz  nicht  begnügen.  Der  Jurist  msm 
dieas  Thatsache  mit  den  juristiseben  Begriffen  in  Etnklanlg  zu  brfu^ 
gen  suchen«  Und  dies  kann  nicht  anders  geschehen  als  dveh  An» 
nähme  eia#r  fingirten  Persönlichkeit  der  hereditas  jacens.  1i.  a  «. 
Ibaring,  Jahvb.  fdt  Dogmatik.  Bd.  I.  S.  28f.  Note  8.  lOtats^ 
die  Obligation  und  die  Singularsuccession.   Leipzig  1856*    $.  3SSL 


3    DieBrbMMI.  17» 

Die  fSmlaehai  Jofisten  der  klassisehen  Zelt  noch  hette  miäber- 
troffme  Mwrter  tob  Sebarfeinn  konnten  und  wellleB  sieh  übrigeM 
mü  einer  solehen  rein  iaiferiicben  Betraditangeweiee  wie  wir  sie 
hei  Windacheid  nnd  Koppen  finden,  ond  die  Ihering  a.a.O. 
Uli  fieehi  ala  das  Baieonnement  einea  Laien  bezeielmet  bat,  nieht 
benuilgeni  sondern  die  sahlreichstea  und  answeidentlgsten  Qiielle»- 
rtellen  anerkennen  bei  den  yeracbiedenstra  Veranlassongeii  te  jeder 
IMehMig  direkt  nnd  indirekt  die  Natnr  der  bereditas  als  der  veo 
te  phyoiscben  Person  des  Erblassers  nnabiiftngig  loftlebenden  Becbts« 
pers^ilchkeit  desselben.  (M.  -wgh  mein  röm.  Erbrecht:  Eiq».  HL 
&  $6 ff.)  Windscheid  (die  actio  8.  987 ff.)  hat  äch  eigendlcb 
«eben  adlist  widerlegt,  indem  er  zugibt,  dass  es  ein  unnatibrttciier 
Zustand  sei,  wenn  Rechte  nnd  VcsbindHchkeiten  ohne  bersehtiflea 
tt>d  yerpfliditetes  Subjekt  bestfinden,  nnd  wenn  die  römischen  Ju- 
risten sagten,  dass  die  Erbschaft  den  Verstorbenen  darstelle,  so  seiea 
sie  durch  ein  naheliegendes  Qefiihl,  welches  allerdings  ein  Snbjekt 
iür  das  Yennögen  verlange,  und  aosserdem  durch  das  Bedürfiiise 
geleitet,  lÜr  gewisse  Fälle  des  Erwerbes  durch  ErbscbaftssaeheB,. 
welche  in  die  Person  des  Berechtigten  Eigenschaften  erfordern,  die 
nur  einem  Menschen  zukommen,  sagen  zu  können,  ob  der  Erwerb 
sulissig  sei  oder  nicht  Und  wenn  Koppen  der  Idee  der  Persön- 
lidikeit  der  Erbsehaft  anch  für  die  Vorstellung  der  römischen  Jwi- 
Sien  nicht  (was  er  jedoch  in  Wirklichkeit  zu  thun  scheint:  vergl. 
8.  87)  diejenige  Bedeutung  beilegen  wolie,  welche  er  [Wind- 
scheid] fär  sie  in  Anspruch  nehme,  so  gebe  Koppen  wie  Wind- 
scheid (S.  28S  Note  9)  erklärt,  hierin  doch  zn  weit 

Koppen  will  nnn  ausser  jenen  bereits  erörterten  aUgemelneD 
(künden,  welche  angeblich  jedes  fingirte  Subjekt  während  der  here* 
ditas  jaoens  überhaupt  unzulässig  erscheinen  lassen  seUen,  anch  nooh 
einen  spesiellen  anführen ,  welcher  die  Fiktion ,  dass  die  hereditaa 
selbst  dieses  fingirte  Subjekt  sem  soll,  ausschllesse.  Er  sagt  (§.  5. 
&  23),  «wegen  ihrer  gemeinsamen  Bestimmung,  GegMstand  der  Erb» 
Mge  zu  sein,  treten  die  von  einem  Ventorbenen  bintotiasseaeii  Ver«« 
Biögeosstüdu  im  Becht  als  eine  ttnirersitas  auf.  Dieser  uolTersitAa^ 
der  Erbschaft,  gehört  jedes  einzelne  Vermögensreebl  in  solern  aa, 
als  es  ein  Theil  derselben  ist,  aber  keineswegs  in  dem  Sinne,  ala 
ob  die  Erbschaft  selbst  ein  Subjekt  sei ,  dem  die  einzehiev  Rechte, 
ans  denen  sie  besteht,  zustehen.^  Es  wäre  allerdings  ehi  innerer 
Widerspruch,  wollte  man  demjenigen,  was  keine  andere  Besthnmnng' 
hat,  ala  die,  Gegenstand  rechtüeher  Herrschaft  zu  soId,  und  desshalh 
res,  Bechtsobjekt  ist,  diese  Herrschaft  über  alle  seine  eiweineB 
Thaile  und  damit  über  sich  sdbst,  also  zugleich  auch  BechtssaJH 
jektiTität  beizulegen.  „Ein  Bechtsobjekt,  welches  sein  eigenes  Rechts- 
subjekt ist,  ist  ein  Unding.^  Darin  hat  Koppen  Recht  j, Niemals 
kann  eine  juristische  Sadie  auch  zugleich  eine  juristische  Person 
und  als  solche  das  Subjekt  der  einzelnen  Tbelle  sein  aus  den^a  sie 
besteht.^    Ja  «es  kann  auch  die  Anschauung,  welshe  daa  Veiafr^ 


Ma  KIhm:    Die  Brbidiafi 

gin  des  V«rtlorbeB6n  den  MeDschen  [d.  h.  insofern  er  eine  Pereon 
lil]  an  die  Seile  feist,  unmöglich  eine  littlieh  höhere  g^uonit 
werden. «^  Selbel  hierin  möchten  wir  Koppen  ($.  19.  6.  90)  bei- 
sthnmen.  Wohl  aber  liann  darom  für  eine  Mehrheit  von  Sacheo 
ein  eigenes  über  und  bei  jenem  Vermögen  nnsicbtbar  wofaii«ideB 
Beehtaenbjekt  angenommen  werden,  und  so  mnif  es  bei  allen  reeht- 
Heh  anerkannten  jaristischen  Personen  geschehen.  Dagegen  biM«l 
bei  der  hereditas  nicht  einmal  das  Vermögen,  die  SaebengeeamiBt'* 
holt  eigentlich  das  Subttrat  der  Persönlichkeit  derselben,  sonden 
wie  die  Quellen  sagen,  hereditas  etiam  sine  oüo  corpore  juris  Sa- 
tellectnm  habet.  Im  Unterschiede  Ton  den  anderen  nidit  an  eiaen 
Menschen,  nicht  an  einen  natfirlichen  Träger  geknöpften  Recfatq>er> 
s&nychkeiten  besteht  das  Wesen  der  hereditas  eben  bloss  hi  der 
Vermögensrechtsphäre,  in  der  Vermögensreehtstflhigkeit,  in  der  veii» 
mögensrechtliohen  Persönlichkeit  des  Erblassers,  einerlei  ob  dieae 
aueh  wirklich  materielles  Vermögen,  res  hereditariae  nach  ^efa  sieht 
oder  niobt.  In  dieser  Besiehung  hätte  Koppen  die  trefflichen  Er- 
öttemngen  von  Neuner  (die  heredis  institutio  ex  re  certa.  Qiewen 
1853)  nksht  unberücksichtigt  lassen  sollen.  Dadurch,  dass  der  Erbe 
die  Vermögensherrlichkeit  des  Verstorbenen  erhält,  fallen  ihm  auch 
die  Sachen  sn,  auf  die  sich  dieselbe  besieht;  aber  wenn  der  Etta 
durch  die  Erbschaft  so  materiell  etwas  (rem)  erwirbt,  und  aus  die* 
sem  Grunde  vorsiiglicb  auf  die  Erbsciiaft  Anspruch  macht  *)^  so 
lässt  sich  darum  noch  nicht  sagen,  die  Erbschaft  seilest,  weil  oder 
wenn  sie  den  Erwerb  von  Sachen  nach  sich  sieht,  sei  sellNit  noch 
nur  ein  Erwerbsobjekt  für  den  berufenen  Erben  als  eine  joristisdie 
Sache.  Was  rechtlich  ein  Rechtsobjekt  ist,  unterliegt  auch  jedwe- 
der Privatdisposition.  Die  hereditas  dagegen,  weil  sie  keine  Sache, 
sondern  eine  Rechtspersönlichkeit,  unterliegt  keiner  Privatdieposftion 
und  namentlich  auch  erscheint  die  testamentifactio  durchaus  als  ein 
Öffentlich  rechtlicher  Akt  (Vgl  mein  röm.  Erbrecht  S.  68 ff.)  8e  ' 
wenig  irgend  eine  Person ,  wenn  sie  Sachen  besitst ,  ForderuDge%'  | 
Sdiulden,  darum  selbst  auch  eine  Sache,  eine  Forderung,  eine  Schnli  ! 
ist,  elienso wenig  ist  die  hereditas,  die  vermögensrechtliche  Penea  | 
des  Verstorbenen,  wenn  wirklich  materielle  Objekte,  Sachen,  Forde* 
rungen,  Schulden  an  ihr  hängen,  darum  selbst  auch  Sache,  Forde- 
rung, Schuld. 

Ein  ebenso  grosser  anderer  Irrthum  ist  es  freilich  auch,  weaa 
man  nidit  die  hereditas  selbst  für  die  Rechtspersönlichkeit  erklM^ 
sondern  die  hereditas  selbst  für  einen  blossen  Vermögensinbegrli^- 
fiir  den  man  jedoch  ein  über  und  neben  demselben  stehendes  Sab» 
jekt  aa&tellen  wollte  (vgl.  S.  24):  eine  solche  Behauptung  lieeM 


*)  Dies  ist  der  Gesichtspunkt  Id  den  von  Koppen  S.  23^ Note  4  ange- 
«ORenen:  I.  16.  D.  37.  6.  1.  2.  f.  8.  D.  38.  17.  I.  84.  D.  29.  2.  In  I.  2-  §.  S, 
cit.  wird  obendrein  geradesu  swtschen  dem  nomen  heredis  nnd  dem  Sachen* 
erwarb  nnlerschieden. 


KOppes:    Die  ErlwebaH.  6St 

iich  freilidi  weder  ans  inneren  GrOndeD  rechtfertigen ,  nech  mit 
den  QaeIlenao0q>rudi  hereditae  peraonae  defüneti  vicem  suttinet  io 
Einklang  bringen. 

Koppen  glaubt  nnn  Qbrigens  ans  seinen  bisherigen  falschea 
Afgoraentationen    den    Schluss   sieben    zu    dttrfen    (8.   94  g.  E.): 
, jedes  einselne  Erbsehaftsreeht  gehöre  der  univerdtas  an,   welche 
den  Gegenstand  der  Beerbung  ausmache^  andererseits  aber,  es  habe 
niehtsdestoweniger  Icein  Subjelct^    Zur  queHenmSssigen  Begründung 
dieses  ungereimten  Saties  sieht  er  allerhand  Stellen  herbei,  die  wenn 
jene  vorgefassten  Meinungen,   die  er  aus  allgemeinen   Gründen  be- 
wiesen SU  haben   glanbt,  richtig   wSren,   bisweilen   wohl   den   von 
Koppen  behaupteten   Sinn   etwa  haben   könnten;   aber,   da  diese 
Yoffaussetsnng  nioht  eintritt,  in  Wirklichkeit  nicht  haben   und  sich 
ungleich  besser  und  einfacher  mit  der  richtigen  Ansicht  von  der  Na* 
IBT  der  hereditas   vereinigen   lassen.     Jene  Quellenaussprtiche,   die 
ves  hsreditariae  seien   nullius   oder   sine  domino   erklärt  Koppen 
(8.  25 — 29)  daraus,  dass  Ihnen   ein  physischer  Dominus   mangele, 
daas  sie  su  keines  Menschen  Vermögen  gehörten  und   es  spr&chen 
daher  diese  Stellen   allerdings  weder  f6r  noch  gegen   ehi  fingirtes 
Subjekt  des  res  hsreditariae.     Aber  swei  Stellen  hat  Koppen  ge* 
fanden,  aus  denen  hervorgehe,  dass  den  römischen  Juristen  eine  fin- 
girte  Persönlichkeit  der  hereditas  unbekannt  gewesen  sei,   weil  sie 
sonst  derselben  auch  bei  dieser  Gelegenheit  hätten  Erwähnung  thun 
süssen,   nämlich  Ja  vol.  1.  86.  de  stip.  serv.  45.  3.  (vgl.  8.  24  f.) 
mad  Gajus  II.  200.  (vgl.  S.  29—32).    Die  erste  Stelle  sagt,  swi* 
idien  einem  derelinquirten  und  einem  Erbschafts -Sklaven  bestehe  ein 
grosser  Unterschied,  indem  an  dem  derelinquirten  kein  Eigenthnmsrecht 
Dsebr  bestehe  (,«qui  pro  derelicto  rem  habet  omni  modo  a  se  rejecit 
leic  potest  ejus  operibns  uti,  quem  eo  jure  ad  se  pertinere  noluit; 
roluntate  domini   derelictus  non  potest  ad  usum   ejus  pertinere,  a 
|ao   relictus  est.'*)    Dagegen   an   dem   servus  hereditarius   bestehe 
las  Eigenthnmsrecht   fort  (hereditatis  jure  retinetur),   und 
Beeea   sei   in   dem   htnterlässenen  Universum  jus,   das  die  hereditas 
insmaeht,  enthalten   (nee   potest  relictus   videri   qnl   uni- 
rerao  hereditatis  jure  continetur).    Wenn  aber  gerade  das 
panse  Gewicht  der  Entscheidung  darauf  beruht,  dass  das  eine  Ding 
Inen  Herrn  hat,   das   andere  keinen,   dass   in  einem  Falle  Eigen- 
kamsrecht  besteht,  in   dem   anderen  nicht:  so  ist  es   wohl   gans 
Inerlei,  ob  dann  das  Eigentbum  einer  physischen  oder  einer  juristt- 
dien  Person  sustebt ,  und  dass  die  hereditas  das  Subjekt  von  Rech- 
SD  sei,  beseichnet  Javolenus  auch  schon  hinreichend  mit  dem  Aus- 
raeke  Universum  hereditatis  jus.    Obschon  er  nicht  noch  ausdrück- 
eil  hinsniiigte,   die  hereditas  sei  eine  fingirte  Person,  so  brauchte 
r  doch  nicht  su  fürchten,  dass  seine   Zeitgenossen  ilim   die  unna^ 
lrli<^e  Meinung  unterlegten,  dass  subjektlose  Rechte  irgend  existi- 
«  könnten.    Sodann   bei  Gajus  (II.  200)   wird  die  Gontroverse 
sriehtety  welche  unter  den  Sabinianem  und  ProkulejanemQüber  die 


M  Kinpes:    Di»  Erbiohdl. 

Fraise  bistaiid,  wtm  Mcb  ätun  Antritt  des  Erb«i  in  Bgoittni 
«iner  tintw  einer  Bediogung  per  vindioationem  legirtio  Seele  kk 
mm  Eintritte  der  condicio  soitehe.  Während  jene  andi  dkiet  Sigoh 
tlmiDBrecht  einetweilen  anf  den  Erben  übergehen  Jasaen,  schfieem 
dieae  aefeie  SneceaaiMi  in  daaaelbe  aua  und  engen  nnlllaa  iaterin 
eam  rem  ease»  d.  h.  nKmlich  weder  dem  Erben,  noch  den  Les^tir, 
Indem  das  Jfegirte  Eigenthnmaredit  iwar  weU  v^n  der  famtfa  de- 
ftmoä  eingeaolileneB  bleibt  nnd  an  dieser  sein  Subjekt  hat,  iaden 
ja  sonst  auch  der  Erbe  Ternaöge  seines  Erbreehts  defieienle  oosfi* 
eiene  keinen  Anspruch  darauf  geltend  machen  könnte;  aber  elaii- 
weilen  weiss  man  noch  nicht,  ob  der  Erbe  als  &be,  als  RepiiMB* 
taut  des  Verstorbenen  das  Elgenthumsrecht  erhalten  oder  behaitti  i 
wird,  oder  eb  das  bedingte  legatum  per  rindlcationem  durch  Eifi* 
long  der  Bedingung  su  Kraft  kommen  und  dadurch  nadb  der  Mte 
dieses  Legates  alles  Zwisdienrecht  (wenn  ich  so  sagen  daif)  am 
Erben  ausgeschlossen  wird.  Weil  der  Gedanke  eines  snbjekdtMi 
Bechts  gana  nnjurlstiscb  und  widersinnig  ist,  so  lag  auch  hier  wie^ 
der  keine  Mödaigung  vor,  daas  noch  weiter  ausgdiihrt  wurde,  « 
sei  dies  aber  nicht  so  misszuverstehen  (wie  dies  Koppen  S*dO 
thttt),  als  ob  das  legirte  Eigentiiumsrecht  inswiscben  gar  kein  Sib- 
jekt  halM.  Die  ganae  Ansicht  der  Prokolejaaer  war  allerding[s  eai 
leere  Spitafindigkeit  Mit  Becht  wurde  die  Ansicht  der  SabiDiaaer 
die  herrschende. 

Koppen  ist  min  also,  wie  wir  gesehen  haben,  su  der  faisdbca 
Ansicht  gekommen,  dass  durch  den  Tod  nur  das  wenigstens  tempo- 
rär wohl  entbehrliche  Snbj^t  des  Vermögens,  nicht  auch  das  Vfl^ 
mögen  selbst  nntetgehe.  Es  könne  aber,  ikbrt  Koppen  (f.  i 
8.  33  ff.)  fort,  daa  Vermögen  eines  Menschen  auch  ohne  eine  danst 
gerichtete  Thktigkeit  seines  Subjekts,  bloss  Termöge  des  positini 
Kechtes  einen  Zuwachs  oder  eine  Abnahme  von  Bechten  und  Schil- 
den erfhhren  (was  a.  B.  bei  der  s.  g.  acquisitio  immediata  der  Fil 
sei),  so  weit  es  sich  nicht  um  solche  Bechte  handele,  die  Ihrer  Nar 
tnr  nach  au  ihrer  Existena  ein  physisches  Subjekt  voraussetaen  (a 
B.  die  persönlichen  Servituten).  Solche  unmittelbar  fitt  daa  Vfl^ 
mögen  eintretende  BechtsverKndernngen  seien  dessfaalb  auch  bei  dir 
hereditas  nicht  ausgeschlossen,  da  sie  ein  Vermögen  sei  und  easif 
ein  Subjekt  desselben  hierbei  nicht  ankomme.  Die  Quellenauss|ffl* 
che  hereditas  personae  vicem  sustinet,  defnncti  Jocnm  obtinet,  demli^ 
habetur,  domiaa  est,  sieht  Koppen  dann  als  blosse  bildliche  Am- 
drücke  dafür  an,  dass  auch  nach  dem  Tode  des  Erblassers  aoeh 
sem  Vermögen  in  vielen  Fällen  dieselben  Bechtsvwändemngen,  sie 
bei  dessen  Lebseiten  erfahren  kann,  dass  mch  die  hereditas  um^ 
wisse  Rechte  und  Schulden  erweitern  kann.  Hier  wäre  es  dsss 
aber  gewiss  an  der  Stelle  gewesen,  dass  die  römischen  Juristen  sieb 
genaner  ausgedrückt  und  irgendwie  beseichnet  hätten,  dass  jene  se 
geradehin  ausgesprochenen  Behauptungen  nar  zur  VeransohauUeiMUCr 
als  ein  blosses  Bild,  gans  ohne  wörtiiehe  Bedeutung  ge 


■ftppM:    Die  ErbMkaft  M8 

w«d«i  nüBste»^  Aosserdem  ist  Koppen  |ft  aach  den  Beweis 
•ebolAg  geblieben,  dass  überhaupt  bei  irgend  einem  Termögenaerwerb, 
»Bch  bei  dem  ipso  jure  erfolgenden,  das  Beatehen  eines  Subjektes 
ittr  das  Vermögen  irrelevant  sei.  Es  ist  eine  blosse  petitio  princt- 
pü,  dass  Ae  Erbsehafl,  well  es  an  einem  änsserliohen  pfaystoeheo 
Repräsentanten  ihrer  Persönlichkeit  fehlt,  subjektlos  sein  soll  und 
deaooeh  Reeble  haben,  erwerben  und  verlieren  kann. 

In  ^  7—19.  S.  36  ff.  werden  die  Stellen  betraditet,  weiche 
▼OB  Vermehrungen  oder  Verminderungen  der  Erbschaft  durch  Ver- 
mittelttiig  von  Erbselialisklaven  reden.     So  viel  ist  riditig,   es  g^t 
mit  dem  Tode  des  Erblassers  dessen  leibliche  Person  anter,   dessen 
ftuniiia  variiert  ihren    physischen   ReprSsentanten   und   die  während 
der  hereditas  jacens  ohne  einen  leiblichen  Träger  fortlebende  Rechts- 
peisönlichkeit  soll  einen  solchen  erst  in  dem  Erben  wieder  erhalten. 
Es  kann  daher,  sobald  die  familia  des  Erblassers  mit  dem  Tode  des 
paterfamilias  ihren  seitherigen  Träger  verloren  hat,  dieser  als  solcher 
nach  seiner  leiblichen  Person  gar  nicht  mehr  in  Betracht  kommen, 
und  ebensowenig  kann  auch  der   Erbe,   kann   die  leibliche  PersoOi 
welche  des  Verstorbenen  Rechtspersönlichkeit  an  sich  nehmen   soll, 
vor  Antritt  der  Erbschaft   als   Vertreter   der  hereditas  in   Betracht 
kommen.     Aus  diesem  Grunde  mnsste  das  römische  Recht,   wie  es 
gethan,  sowohl  die  auf  den  Namen  des  Verstorbenen  als  die  schon 
aof  den  Namen  des  künftigen  Erben  lautenden  Stipulationen  oder 
sonstigen  Erwerbungen  der  Erbscbaftsklaven   für  ungültig  erklären. 
(Vgl.  bes.  1.  41.  de  reb.  cred.  1.  2.  1.  1.  18.  §.  2.   de  stip.   serv. 
45.  S.  1.  16.  cod.)    Ebendesshalb  konnte  auch,   da  „usnsfructns  ex 
froendo  consistat,  id  est   facto   aliquo   ejus,   qui   fruitnr^  (1.  1.  pr. 
^uand.  dies  nsusfr.  leg.  ced.  7.  8.),  ein  ususfructus  nicht  von  einem 
servns  hereditarius  gültig  stipulirt  werden;  1.  26.  de  stIp.  nerv.  45. 
3.  Fragm.  Vat.  §.  55.     Aber  dass  darum  wenngleich  auch  mM  der 
physisehen  Person  alle  die  Rechte  untergehen,  welche  ein  bestimmtos 
leibliches  Individuum  als  Träger  voraussetzen,  dennoch  nicht  über* 
haupt  aoch  die  früher  an  ein  solches  geknüpfte  und  mit  dem  Antritt  an 
eine  solche  su  knüpfende  Rechtspersönlichkeit  unterging,  wie  Kop- 
pen §.  7.  S.  36 — 41  folgern  will,  das  erhellt  eben  aus  der  fbrt- 
dttoermlen  für  die  hereditas  jacens  bestehenden  Rechtsfähigkeit,  aus 
ilwer  Fähigkeit,  Rechte  haben,   erwerben  und   verlieren   su  können. 
Eben  darin  besteht  ja  das  ganze  Wesen  einer  Persönlichkeit.     Und 
dass   es  gerade  die  Rechtspersönlichkeit  des  Verstorbenen,  welche 
in  der  hereditas  vorliegt,  das  gibt  Koppen  selbst  der  Sache  nach 
vollkommen  zu,  indem  er  in  §.  8  ff.  S.  42  ff.  aus  den  Quellen  den 
Satz  begründet,  „dass  auch  die  Erbschaft  noch  von  dem  Gommer- 
ciom  des  Erblassers  beherrscht  und  nach  diesem  bei  Rechtserwer- 
heu  hereditate  jacente,  die  Frage  ob  sie  mögHch  sind,  beantwortet 
Werden  muss.^  Dies  gilt  wie  bei  der  Stipulation  und  sonstigen  Erwerbs- 
eeeebäften  ($.  8.  S.  42 --44),  so  auch  bei  der  Erbeinsetzang  efaiea 
Sklaven  (§.  9.  S.  44— -49),  und  bei  der  Zuwondniig  von  Legaten 


684    '  Koppen:    Die  Erbtcbaft 

an  desselben  (§.  10.  S.  50—54.  §.  11.  S.  54—58).  Wenn  wir 
nnn  aber  den  Umfang  der  ErwerbBfMbigkeit  des  ErbechaftedilaTen 
fortwfihrend  durch  die  Recbtaffthigkeit  dee  Erblaseera  beding  Bdwn, 
eo  ergibt  sieb  daraus  klar,  dass  die  Rechtspersönllcbkdt  des  &b- 
lassers  als  hereditas  fortlebt  and  fortwirkt  nnd  hier  also  das  Subjekt 
dufcbaos  nicht  irrelevant  Ist. 

In  §.  12.  (8.  58  ff.)  geht  der  Verf.  an   den  VermögensTerifai- 
dernngen  über,  welche  die  Erbschaft  ohne  Vermittelang  ron  SkltTCs 
erfahren  kann,  nämlich  den  ipso  jare  erfolgenden,  wohin  der  Eiges« 
thamserwerb  an  den  Früchten  der  Erbschaftssache  und  an  dem  per- 
tns  der  Sklavinen   und   Thiere   gehört.     Ulpian   (1.  178.  8.  $.  1. 
de  V.   8.  1.  30.  §.  3.  1.  37.  de  R  P.  5.  3.)  bitte  Indem  er  hier 
die  Erbschaft  für  flhig  erklSrte  Rechte  au  erwerben  und  abngd»«, 
noch  ausdrücklicher  deren  Peraönlichkeit  herhorheben  sollen.    Fermr 
gehört  hierher  derjenige  Erwerb,  welcher  durch  ein  darauf  gerichtettf  | 
Rechtsgeschäft  swar  begründet,  dessen  wirkliche  Entstehung  aber  oadi  ; 
dem  Inhalt  desselben  von  ipso  jare  eintretenden  Thatsachen  abhSngtf 
gemacht  Ist,  wie  z.  B.  Forderungen  und  Schulden,  welche  anter  eiiur 
Bedingung  kontrahirt  wurden,  wenn  die  conditio  nach  dem  Tode  d« 
Ollnbigers  oder  Schuldners  eintritt,  Ipso  jure  der  bereditaa  snfalles; 
ein  Punkt  dessen  Erörterung   später  noch   der  §.  17.  S.  85  f.  sps« 
siell  gewidmet   Ist,  nachdem   in    don  §§.  14 — 16  (S.  73—85)  dl« 
der  hereditas  ex  delicto  und  quasi  ex  contractu  angehenden  Forda* 
rungen  und  Schulden  besprochen  worden,  welche  su  ihrer  EntstehuBf 
einer  Mitwirkung  des   Gläubigers  oder  Schuldners   überhaupt  nicht 
bedürfen.     Schwierigkeiten  findet  Koppen  auch  nicht  hi  der  Fort* 
setsung  der  vom  Verstorbenen  begonnenen  Usukapion  während  der 
her.  jacens,   indem   er   im   §.  13.  (S.  61—73),   wie  früher  scface 
I bering  (Abbandl.  S.  347 ff.)  annimmt  es  sei  hier  durch  aingnii- 
ren  Reditssata  das  sonst  in  der  Natur  der  Usukapion   liegende  Er* 
fordemiss  der  possessio  und  damit  einer  besitzenden  Person  erlassest 
Folgerichtig  würden  (vgl.  S.  68.  Note  80)  auch  die  Erfordernisse  der 
Usukapion,  soweit  sie  die  Person  des  Usukapienten  betreffen,  fibe^ 
haupt  nicht  in  Frage  kommen.    Es  ist  nun  allerdings  richtig,  Ulpia« 
(l.  1.  $.  17.   D.  47.  3.)   spricht   einer   hereditas   die   possessio  sb^ 
indem  diese  facti  et  aotmi  sei;  aber  ausdrücklich  wird  von  ihm  der 
hereditas,  der  Besitz  nur  in  Bezug  darauf  abgesprochen,   dass  keia 
furtum  an  einer  hereditas  vorkommen  könne.    Ein  furtum  kann  nänh- 
lieh  seinem  Wesen  nach  nur  invito  ei  cui  fit  geschehen,  und  woQei 
kann  die  hereditas  nicht.     Aber   wenn   die   zur  Erbschaft  gehörifS 
Sache  sich  in  der  Detentatlon   eines  Anderen  befindet,   so  iat  anA 
gegen   die  liegende  Erbschaft   ein   furtum  möglich   (1.   68 — 70  da 
furtis.  47.  3.).    Und  Gajus  (1.  37.  §.  1.  de  usurp.  41.  3.)  beielcih 
net  entsprechend  die  Besitzergreifung   eines  alienus  fnndus  als  eias 
nicht  gewaltsame,  wenn  dominus  sine  successore  decesserit  Hieraus 
erhellt,  dass  die  hereditas  als  Besitzerin  gilt,   insoweit  es  die  Fort* 
Setzung  der  Persönlichkeit  des  Vorstorbenen  durch  sie  mit  sich  brhigt 


Koppen:    Die  SrbMiiaü  685 

Aaeh  der  UmBtand,  dMs  darch  die  liegende  Erbschaft  die  Osaka- 
pion  fortgesetat  wird,  ist  daher  ein  Beweis,  dass  die  hereditas  jae., 
wenngleich  sie  keine  Willensfäbigkeit  hat,  dennoch  als  ForUetaerin 
der  Persönlichkeit  des  Verstorbenen,  insofern  es  au  diesem  Zwecke 
Döthig  ist,  als  fiesitserin  erscheint. 

Die  Bedeutung,  welche  Koppen  dem  Satse  hereditas  parsonae 
defuBcti  vicem  snstinet  beilegt,  bestätigt  sich  also  nirgends.  Diese 
Anwendung  eines  blossen  Bildes  (vgl.  §.  18.  8.  87  ff.),  dessen  sieh 
die  röm.  Juristen,  wenn  sie  von  Erwerbsfähigkeit  der  hereditas  re- 
deten, regelmässig  bedienten  „theils  weil  sie  sowohl  den  ans  der 
vulgären  Anschauung,  welche  für  jeden  Rechtserwerb  einen  Erwer- 
ber fordert,  als  auch  den  ans  dem  blossen  Wortlaut  eines  Hechts- 
sataea  möglichen  oder  wirklich  erhobenen  Bedenken  über  einen  erb- 
schaftiichen  Erwerb  in  der  küraesten  Weise  dadurch  begegneten^: 
die  Anwendung  des  Bildes  komme  freilich  auch  vor,  wo  die  Theorie 
über  die  Erwerbsfähigkeit  mehr  in  den  Hintergrund  trete,  nämlich 
in  L  22.  de  fidej.  46.  wo  die  Erbschaft  mit  dem  municipium  zu- 
aammenges teilt  sei.  Koppen  meint,  „weil  die  Bürgschaft  eine 
^ysische  Person  fordert,  für  die  man  sich  verbürge,  so  sage  Flo- 
renttous,  die  Erbschaft  vertrete  hier  dieselbe  und  füge  hinzu,  so  wie 
auch  ein  Municipium,  eine  Decuria,  eine  Societas  eine  physische 
Person  vertrete.  Diese  Beispiele  sollten  nichts  weiter  darthnn,  als 
daaa  auch  sonst  noch  eine  Bürgschaft  für  Schulden  möglich  sei,  ob- 
wohl keine  physische  Person  existire,  für  welche  man  sich  verbürge.^ 
Diea  bloss  sagt  auch  in  Wahrheit  die  1.  11.  pr.  de  pecun.  const, 
18«  5.  in  den  Worten:  „etiamsi  nullus  appareat,  qui  Interim  debeat.^ 
Koppen 's  Folgerung,  dass  weil  in  der  hereditas  keine  physische 
Person  vorliege,  sie  überhaupt  keine  Person  sei,  ist  aber  durchaus 
ungerechtfertigt  Augenscheinlich  spricht  die  1.  22.  dt.  wie  dies 
aonst  auch  allgemein  angenommen  wird,  für  eine  juristische  Persön- 
lichkeit der  hereditas,  wie  sie  es  ähnlich  dem  Municipium,  der  De- 
euri«  und  der  Societas  der  Natur  der  Dinge  nach  ja  auch  nicht  an- 
ders sein  kann,  wenn  man  sie  als  Persönlichkeit  gelten  lassen  wollte, 
BO  lange  der  Erblasser  nicht  mehr  und  der  Erbe  noch  nicht  der 
loibliche  Träger  dieser  Rechtspersönlichkeit  war. 

Koppen  hat  also  mit  seinen  Einwendungen  gegen  die  juristi- 
leha,  vermögensrechtliche,  fingirte,  substantirte  Persönlichkeit  der 
kereditas  nichts  erreicht.  Er  beschränkt  den  Begriff  der  Persönlich- 
keit eben  zu  sehr,  indem  er  ($.  19.  S.  89  ff.)  denselben  auf  willena- 
Khige  Subjekte,  d.  h.  auf  die  Menschen  beschränkt.  Er  verwirft 
Iberhaupt  alle  juristischen  Persönlichkeiten,  die  nicht  auf  Gesammt- 
selten  von  Menschen,  sondern  bloss  auf  Vermögensgesammtheiten 
»eh  bezögen,  setzt  sich  also  auch  hier  mit  der  richtigen  communis 
loctorum  opinio  und  den  unzweifelhaftesten  Ansichten  des  röm.  Rechts 
n  Widerspruch.  Und  so  wird  denn  auch  seine  dem  entsprechende 
koBlcht  über  die  Natur  der  hereditas  und  seine  Begründung  dersd? 
len  schwerlich  Anhänger  finden  können« 


Bei  einer  so  nnricbtigeii  AoffaMUif  dar  Erbeekaft, 
neÄürlich  auch  das  Wesen  der  Erbfolge,   zu  deren  BetmehtaBg 
der  Verf.  (§.  20  ff.  S.  91  ff.)  jetat  abergefat,   uamöglieb   ricbtig  tob 
demselben  gewürdigt  werden.    Das  Recht  des  Deiaten,  das  Erbraobt» 
sei  ein  Recht  an  einem  Vermögen,   wie   es   auch  das  Reebt   einea 
GlKnbigeia  sei,   wübrend   wie  wir  seben,    weder  bei  der  Erbachaft 
noch  bei  der  Obligation  direkt  und  eigentlich  das  Vermogan  aia  dar 
Gkigenstand  des  Rechtes  angesehen  w^den  kann.   N«r  durch  aeioaa 
Inhalt  soll  sich  das  Erbrecht  als  das  Recht  auf  Sttccession   in   «im 
durch  den  Tod  herrenlos  gewordenes  Vermögen,  von  dem  Rechte  des 
Gttubigers  am  Vermögen  des  Schuldners  unterscheiden,  welebaa  nur 
Anspruch  auf  einen   bestimmten  Sachenwerth  gebe.    Es  habe  ^am 
Erbreobt  (S.  91  f.)  als  ein  Ausfluss  natürlicher  oder  durch  Teetanaeat 
ktinstUeh  geschaffener  Famillenbande  also  wegen  seines  Un^rwiga  die 
Natur  der  Familienrechte :   es  sei  wie  diese  einerseits  UQTareffbliel^ 
andererseits  unübertragbar.     Auf  diese  Weise  erkllure  sich  die  Zs» 
l&stfigkeit  der  in  jure  cessio  einer  deferirken  hereditas  legitiniat   aa 
(S.  92)  dass  eine  nicht  erworbene  hereditas  legitima  wie  eine  kir» 
perliche  Sache  Gegenstand  des   Verkehrs  sein  könne.    Daa   Baeht 
des  testamentarischen  Delaten  habe  naturlich  an  sich  dieselbe  Msrtor, 
wie  das  eines  gesetzlichen.    Seiner  Uebertragung  auf  einen  AndeieA 
stehe  aber  hier  der  Wille  des  Erblassers  entgegen.   Hit  dem  Weg^ 
lall  der  in  jure  cessio,  mit  dieser  Form  der  Uebertraguag  sei  (8.  92  £} 
nicht  auch  die  Uebertragbarkeit  der  lege  deferirten  Erbschaft 
gefallen.    An  Stelle  der  in  jure  cessio  sei  ja   bekanntlich   anch 
anderen  Fällen,  wo  nur  sie  ursprünglich  aulSssig  gewesen,  ^ter 
blosse  Vertrag  die  Form  der  Rechtsübertragung  geworden^    D< 
iSsst  sich  aber  für  die  Erbschaft  kein  Schluss  sieben;  ErbveiUl|g»  \ 
kennt  das  römische  Recht  doch  nicht.    Die   ia  jure  oenio   eine» 
Rechtes  konnte,  wie  Koppen  weiter  unten  (S.  110)  selbst  aDffihi% 
ihrer  Matur  nach  nur  an  dem  Gegenstande  desselben  vorgenommeift 
werden.  Gaj.  IL  24.   Die  in  jure  cessio  hereditatis  mosste  desAelfc 
abkommen,  sobald  man  sich  bewusst  wurde,  dass  die  Erbsohaft  asa» 
nttchst  und  wesentlich  nicht  in  dem  materiellen  VermögensnacUaaait  < 
sondern  In  der  Vermögensffibigkeit  des  Verstorbenen  selbst  bestaheib. 
Tg!^  a.  mein  röm.  Erbr.  S.  78  Note  2.     Die  L  4.  §.  S8.  de  doK 
esc  44.  4,  wodurch  nach  Koppen  (S.  93)  noch  im  Jusiinianiaelw^L 
Rechte  die  Veräussernng  einer  deferirten  hereditas  legitima  auedHieiB»  - 
lieh  für  sulässig  erklärt  sein  soll,  besieht  sich  auf  die 
der  dem  Delaten  zuvor  erworbenen  Erbschaft,  also  des  blossen 
teriellen  Vermögensnachlasses.  M.  &•  a.  Arndt 's  Pandekten.  2. 
§.512«  Anm.  1.     Wie  nun  der  Begriff  des  Erben  eine  höhere 
nige  familienmässige  Beziehung  zum  Erblasser  in  sieh  schloes  (r^L 
mein  röm.  Erbr.   S.  81  ff.),  das  wird   hier  ganz  übersehen. 
Erbfolge  (§.  21,  S.  96  ff.)  ist  nach  Koppen 's  Theorie  nichts 
ter  als  der  Eintritt  in  die  einzelnen  Erbs<^ftsrecbte.    Diese 
der  Delat  auf  Grund,  aber  auch  an  Stelle  seines  blsherf|ea 


ittoKMB!  Die  EriMchift.  wr 

AD  ier  Erbscfaail  «ki  toloher.  Die  Erbfolge  sei  cUmf  eine  Uoeee 
firwerbewt  von  Rechten  and  das  Erbrecht  ihre  joeta  cania.  Dem* 
gemäss  iäfare  die  Universalsnccession  ebenso  zu  einem  nnmittelbarea 
Erwerb  von  Bechten  wie  die  Singalarsnccession.  Der  Unterschied 
von  beiden  bestehe,  wo  sie  nicht  ipso  jore  eintrftten,  lediglich  dn* 
ria,  dass  bei  jener  für  den  Erwerb  einer  Gesammthett  der  vetsehi^ 
densten  Rechte  ein  einziger  Akt  avsreiche,  wäfaurend  diese  einem  je* 
den  eiftselnea  Recht  eotsprechende  Uebertragnngslonnen  fordere.  Aach 
dieser  Untenehied  eriilärt  sich  aus  Köppen's  Aaschauangsweise 
der  Erbschaft  nicht.  Gar  nidit  beachtet  hat  er  die  der  Natar  der 
heieditas  ais  einer  Persönlichkeit  entsprechende  nach  allen  Sekeo 
hio  sich  geltend  machende  Untbeiibarkeit  derselben  (vergl.  mein 
rtai.  Erbr.  S.  102 ff.).  Und  weil  Koppen  die  Eiistena  subjektioser 
Rechte  für  möglich  hiüt,  so  folgert  w  (S.  99 f.),  die  Natur  Am 
Shmeession  erfordere  ja  nur,  dass  zwischen  Erben  und  Erblasser  kein 
anderer  Berechtigter  in  der  Mitte  stelle,  und  bei  der  Sabjektlosigkeit 
der  rnhenden  Erbschaft  sei  darum  eine  Socoesslon  recht  wohl  mög* 
Üoh,  ohne  dass  der  Erbe  der  Zeit  nach  unmittelbar  aaf  dm  Erb^ 
ia«Nur  folge.  Und  die  UnzalSssigkeit  der  heredis  institotio  ex  die 
eoli  nicht  mit  der  von  der  Zeit  unabhängigen,  vermögensrechtUdien 
Dnsterblichkeit  des  Erblassers  zosammenhängen,  sondern  der  Qrand 
dftTon  sei  nur  der  (S.  101),  weil  ffir  seine  Hinaafiigong  kein  be- 
gröndetes  Interesse  des  Erblassers  denkbar  sei  [?1],  in  derselben 
vtelmehr  nur  eine  Chikane  [?I]  gegen  die  Erbschaf tsglänbiger  er- 
büekt  werden  könne,  deren  Befriedigung  dadurch  hinaasgescholien 
werde.  Femer  indem  Koppen  den  Erben  nicht  in  die  vermö* 
pmareditliche  Persönlichkeit  des  Erblassers,  sondern  bloss  anmlttei« 
bar  in  die  jura  liereditaria  eintreten  lässt,  so  behauptet  er  seiner 
Sniachen  Ansicht  über  die  Natar  der  Univemalsaccession  des  Erhnn 
Misprechend  weiter  auch  (§.  22.  S.  101),  ^dtms  der  Erbe  neben 
Inr  dnrch  die  Delation  erhaltenen  allgemeinen  Berechtigung 
Mieli  den  einaehien  Erbsebaterechten  gegenüber  die  Fähigkeit  bn* 
wn  müsse  dieselben  für  seine  Person  erwerben ,  za  können.  Be- 
laden sich  daher  in  der  Erbschaft  Rechte,  deren  Sobjekt  der  Erbe 
ninei:  Reebtsfithigkeit  nach  nicht  zu  werden  vermöge,  so  würden  auf 
ha  durch  den  Antritt  zwar  alle  Schulden,  aber  nur  die  Rechte  über* 
^then,  deren  Erwerb  für  ihn  möglieh  sei,  die  anderen  dagegen  müss- 
en wÜB  evbiose  Güter  an  den  Fiskus  fallen.*^  Die  Quellen  sprechen 
her  ganz  entschieden  gegen  diese  Behaoptung  (vgl.  bes.  1.  62  de 
u  R.  D.  41.  1.),  aber  das  bindert  Koppen  nicht.  Er  sacht 
feh  nu  helfen,  indem  er  annimmt  (S.  103),  „die  res  quaram  ali* 
Hin  commerciam  non  habet,  würden  durch  Erbfolge  ans  dem 
sin  äusseren  Orunde  erworben,  weil  das  betreffende  Verbot  aus 
^cksichten  der  Billigkeit  auf  den  Singularerwerb  eingeschränkt  seL^ 
äne  Inkonsequenz  ist  es  freilich  wie  Koppen  richtig  hervorhebt^ 
^enim  man  zwar  behauptete  (S.  101  f.)  i  »dass  mit  der  Person  des 
dblassers  nothwendig  alle  ihr  zustehenden  Rechte  an  den  Erben 


668  Kappen:    Die  Erbfchaft. 

gelangen  müssten,  anch  diejenigen,  die  er  fflr  seine  eigene  PMi 
SU  haben  unföbig  sei,  aber  nicht  zugeben  wollte,  dass  er  diese  Bec^ 
dann  auch  als  Repräsentant  des  Erblassers  behalten  dürfte,  son-j 
dern  ihn  für  verpflichtet  halten  wolle,  dieselben  zu  verfiassern,  ohne 
dass  man  jedoch  den  Grund  hinzugefügt  hätte,  wesshaib  jene  Re* 
Präsentation  nur  das  temporäre,  nicht  das  dauernde  Haben  diesei 
Rechte  für  den  £rben  zu  bewirken  vermöge.^ 

Da  nun  aber  nach  Koppen 's  Argumentation  ($.  23.  8. 105 ff.^ 
„die  Erbfolge  nichts  als  eine  Erwerbsart  von  Rechten  sein  soll, 
höre  daher  auch  (vgl.  S.  167)  durch  die  Succession  des  Erbr^ 
fernere  abgesonderte  Existenz  der  Erbschaft  auf;  so  wenig  c!iu 
Jemanden  emtione,  donatione  u.  s.  w.  erworbenen  Rechte  eiae 
sondere  universitas  in  seinem  Vermögen  bilden,  ebensowenig  td 
dieses  mit  den  hereditate  jacente  erworbenen  Rechten  der  Fall  W 
ihrem  Erwerb  gehe  die  Erbschaft  in  dem  Vermögen  des  Erben  tä 
und  es  icönne  desshaib  dieser  nicht  mehr  ebenso  wie  der  Delat  eis 
Erbschaft,  sondern  nur  noch  jura  bereditataria  erworbene  RscM 
veräussern.''  In  dieser  Weise  sucht  der  Verf.  (8.  108  ff.)  zu  « 
klären,  dass  eine  in  jure  cessio  hereditatis  aditae  nur  die  WtrkMj 
haben  konnte  >  dass  von  den  ererbten  Rechten  diejenigen  auf  dl 
Vindlkanten  übergingen,  welche  eine  Uebertragnng  in  jener  Fon 
zulassen,  gleichviel  ob  die  Erbfolge  ab  intestato  oder  ex  testanMofl 
angetreten  war.  Ebenso  leitet  er  (8.  110  f.)  den  8atz  semel  herci 
semper  heres  und  die  Unzulässigkeit  von  Resoltttivbedingangeo  bi 
der  Erbeittsetzung  kurzweg  von  der  mit  dem  Antritt  erfolgendi 
Verbindung  der  Erbschaftsschulden  mit  dem  bisherigen  Vermögt! 
des  Erben  her.  Warum  und  inwiefern  eine  Vereinigung  des  V« 
mögens  des  Erblassers  und  des  Erben  eintrete  (vgl.  darüber  meil 
röm.  Erbr.  8.  86 ff.),  das  kann  von  dem  falschen  Standpunkte  t^ 
auf  dem  Koppen  steht  nicht  genügend  beantwortet  werden«  Wfli 
die  hereditas  nicht  die  Persönlichkeit  des  Erblassers  enthielte,  A 
mit  dem  Erbschaftsantritt  auf  den  Erben  übergeht,  diesen  nun  and 
zum  Repräsentanten  der  Vermögensrechte  des  Verstorbenen  maeU 
wie  er  es  bisher  schon  der  seiner  eigenen  war,  zum  Träger  dl 
familla,  welche  erst  beim  Tode  ihres  seitherigen  Inhabers,  als  iM 
reditas,  durch  Vererbung  auf  einen  neuen  Träger  übertragen  wen 
den  kann;  wenn  die  Erbschaft  nicht  diese  Natur  hätte,  sondeii 
weiter  nichts  wäre  als  der  Inbegriff  des  nachgelassenen  Vermögesi 
dann  würde  es  konsequenter  Weise  auch  keinen  Unterschied  iä 
Betreff  der  Veräusserung  der  Erbschaft  machen ,  ob  dieselbe  scfaoä 
angetreten  ist  oder  nicht. 

(Schlusi  folgt  J 


HEIDELBERGER  ISST. 

^hrbOgher  dir  litiratdr. 

Koppen:    Die  Erbschaft. 


(Schluss.) 

löDüOD  VM  hier  nicht  auch  noch  näher  einlatten  aaf  die  «mfMirlichereB 
r  fikr  die  richlifre  Erkenntnis«  der  Natnr  der  römischen  hereditas  liemlieh  un- 
ibIbareB  BenMrkniiKen,  welche  Koppen  (S.  111  ff.)  in  Betreff  der  Contro* 
^  noter  den  Prokniejanern  und  Sahinianern  tther  die  von  einem  saus  heres 
HBnommene  in  jure  cessio  der  Erbschaft  maoht,  und  ebensowenig  auf  die 
leren  Erörterungen  ttber  die  Bedeutung  der  alten  usucapio  pro  berede  und 
|ia  geschichtlichen  Verlauf  (S$.  24.  25.  S.  115—123).  Nach  seiner  fint» 
Ikelaog  bat  die  usucapio  pro  berede  ihren  Entstehungsgrund  bloss  in  reli- 
M  Verhiltnisseo ,  denen  gegenüber  ihre  juristische  Anomalie  nicht  habe 
Ikoeehlag  gebracht  werden  können.  Wie  viel  Wahres  daran  ist,  erhellt  ans 
irPenteUung  in  meinem  röm.  Erbr.  S.  17 f.  S.  73  Note  2. 
iiZnm  Schlüsse  bespricht  der  Verf.  ($.  26—32  S.  123 ff.)  diejenige  Wir- 
m  der  Erbfolge,  welche  beute  mit  dem  Ausdrucke  der  retrotraktiven  Fik- 
I  oder  der  rückwirkenden  Kraft  des  Erbschaftsantritts  auf  dem  Todesmo- 
pl  dee  Erblassers  beseichnet  wird.  Koppen  hatte  diesen  Gegenstand  be- 
ll iD  «einer  Habilitationsschrift  (De  vi,  quam  retro  ezerceat  aditio  hereditatis 
^mealatio.  Jenae  1853)  erörtert,  bezieht  sich  jedoch  nirgends  auf  diese 
b  frtthere  Schrift  Auch  in  dieser  Schrift  hatte  er  wie  in  seiner  Inaugu- 
Inerlation  die  Natnr  der  Erbschaft  und  der  Erbfolge  nach  dem  röm.  Rechte 
pr etentltcben  richtig  bestimmt.  Der  Erbe  nehme  des  Verstorbenen  persona 
jUerie  in  sich  anf,  die  nicht  erst  im  Momente  des  Todes  des  Erblassers 
IfMIge  einer  Fiktion  xu  existiren  beginne,  sondern  schon  bei  seinen  Leb- 
|mb  »tina  totius  personae  pars*'  [vgl.  pag.  15  fg.  not.  2.  pag.  48]  wflre. 
jlfa  den  Erbscbafksantritt  werde  der  Erbe  identisch  mit  jener  Person  und 
l»rbe  dann  diejenigen  Rechte,  welche  im  Momente  des  Todes  des  Erblas* 
li  sar  ErbschafI  gehörten  und  die  wfthreud  der  hereditas  jacens  erworben 
Ib.  Desshalb  werde  von  dem  heres  Toluntarins  swar  nicht  der  Thal- 
ke  oder  der  Zeit  nach,  aber  dem  Rechte  nach  des  Verstorbenen  Person 
t  deeeen  Tode  ab  fortgesetct,  und  so  sei  das  ,,defuncto  heredem  succedere 
»ortia  tempore**  so  verstehen.  Wenn  gar  kein  Erbe  eintrete,  dann  habe 
h  niemals  eine  familiaris  persona  des  Verstorbenen  nach  dessen  Tode  be- 
iden. Desshalb  sei  entweder  überhaupt  keine  hereditas  vorhanden  gewe- 
^  oder  dieselbe  sei  de  jure  vom  Momente  des  Todes  eine  Person  mit  dem 
bn.  Demm  seien  anch  wilhrend  der  hereditas  jacens  der  heres  und  die 
ieditai  nichts  Anderes,  als  verschiedene  Namen  für  dieselbe  PersönHchkefl. 
i  darana  ergebe  sich,  dass  wenn  die  römischen  Jnristen  lehrten:  „qnipostee 
U  Jahrg.  9.  Hefk.  45 


060  Koppen:    Die  Erbieiiift 

beres  extitit,  ridetiir  ex  mortu  tempore  defoneto  foeeeMitm*,  dati  diem 
nielit  TemOge  einer  jnriftischen  Fiktion  getcheke ,  lOBdem  Tenndfe  enff 
Reehtfooliiwendtgkeil.  Denn  et  folffe  dies  nothwendfg  aus  der  Einheit  4a 
Penon  dea  Erben  mit  der  persona  familiaris  des  Verstorbenen,  das  heisst  m 
dem  ErfolfB  nnd  ans  der  Natnr  der  Unirersalsneoeasion.  In  diesem  Sinne  id 
jener  Sata  ebensowohl  im  filteren,  als  [was  Ihering  Abb.  S.  167 ff.  dt 
Unrecht  gelftuirnet  hatte]  im  neueren  rOm.  Rechte  beirrttndet.  Eine  Fikliai 
aber,  womach  der  Erbe  nach  dem  Antritt  angesehen  werde,  als  sei  ertksh 
silcblicb  und  der  Zeit  nach  schon  wehrend  der  hereditas  jaoens  Erbe  gewem, 
habe  weder  im  filteren  noch  im  neueren  röm.  Rechte  bestanden.  DtM»SM» 
erörtert  Koppen  in  jener  HabiUtationsschrlfl  spesiell  an  der  beredllas  ei» 
paterfamilias  und  einer  mulier  sui  juris  (pag.  14--49),  sodann  an  de■Te^| 
mögen  und  der  hereditas  eines  captivns  (pag.  49*-56)  nnd  endli^  an  It 
hereditas  eines  fillnsfamilias  (pag.  57—66).  Vorher  geht  eine  Untersactail 
Über  die  Unterschiede  der  Singular-  und  der  UniTersalsaccession  (pag.7— 14| 
und  in  einer  Einleitung  (pag.  1—7)  ist  eine  Uebersicht  der  aeitberigea  lih 
en  Über  die  Rückwirkung  des  Erbschaftsantritts  gegeben.  Aneh  ie  itj 
Yoriegenden  neuen  Schrift  ttber  die  Erbschaft  berichtet  der  Verf.  jettl 
nlc^^  (S*  26.  S.  123—131}  die  heutigen  Ansichten  ttber  die  rttek^ 
Krafift  des  Erbschafksantritts,  und  wendet  sich  dann  (in  $.  27 — 30.  S.  1 
1441  SU  einer  Widerlegung  derselben  (rgl.  a.  mein  rOm.  Erbr.  S.85i). 
Einwendungen,  welche  Koppen  von  seiner  falschen  Gnwdbge  aas, 
Reob|e  ohne  Subjekt  sollen  existiren  können,  und  von  seiner  falncbea  kt 
fassang  der  Matur  der  Erbschaft  und  der  Erbfolge  aus,  sowohl  im 
als  in  der  Auslegung  der  Qnellenstellen  macht,  stehen  und  fallen 
mit  dieser  zusammen.  Koppen  sucht  uns  su  Überreden^  dass  das  rOa^  M 
sn  keiner  Zeit,  in  der  Praxi«  so  wenig  wie  in  der  Theorie,  eine  Vendi 
gekannt  habe,  welche  die  Zurückdatirung  des  Erbschaflsantritts  auf  dieW 
desaeit  des  Erblassers  fordere;  dass  also  die  Quellenstellen ,  welche  mit  Ü 
ren  Worten  jenen  Sats  aussprechen,  eine  andere  Bedentong  gebebt  hMM 
In  $.  31.  S.  145  IT.  ergeht  er  sich  in  sehr  kunstlichen  Vermnthnngen,  womi 
es  (S.  149  fr.)  Erwerbungen  (vgl.  L  28.  §.  4.  de  stip.  servor.  44.  S.  L' 
ad  leg.  Aquil.  9.  2.),  bei  denen  man,  befangen  durch  den  Wortlaut  eines  # 
settes  oder  des  pritorischen  Edikts  nach  diesem  ihre  Erfordernisse  bitte  li 
stimmen  wollen,  gewesen  sein  durften,  welche  zuerst  den  Sata,  qni  peil^ 
beres  extitit «  videtur  ex  mortis  tempore  successisse  hervorgerufen  hMM 
Er  habe  früher  nachgewiesen,  dass  die  Sfltxe  hereditas  personam  deM 
sustinet,  domina  est  u.  s.  w.,  gerade  diese  bildliche  Fassang  ans  dem  Grad 
erhalten  hätten,  weil  man  dadurch  auch  der  bloss  Ausserlichen  Betracfatoaf  i 
Recbtsverhttllnisse  oder  den  auf  den  blossen  Buchstaben  einer  RechtsvorKbi 
gesUltaten  Einwendungen  Rechnung  tragen  und  die  wissenschafiliobea  JSrwrf 
ternngen  des  Rechts  auch  mit  dem  Ausdrucke  der  bestehenden  Gesetse  fcM 
in  Einklang  bringen  wollen.  Derselbe  Grund  habe  auch  dem  Sstxe  mi^ 
Form  gegeben,  um  den  es  sieb  jetst  handele.  Und  es  habe  durch  die^ 
Salz  (vgl.  S.  151  f.)''  nicht  ein  neuer  Weg  des  Erwerbs  fikr  den  befesfo«^ 
gebahnt  werden,  sondern  nur  der  bisherige  von  Einschränkvngen ,  die  90 
mit  einigem  Schein  Ii9tt0  machen  können,  frei  erbalten  werden  sollei.  M 


EOppM:    Die  Erbfcbaft  6Q1 

Prindp,  dMm  aodi  die  Brbicheft  noeh  mannigfaelie  VemifeetreriederaiifeQ 
erfalven  kenne,  and  daia  diese  per  heredttalem  an  den  Erben  felangen,  bil- 
dete seine  Gmndlage  und  aollte  durch  ihn  nur  in  dem  ilun  febUhrendea  aber 
baslrittenen  Umfanfc  sur  Geltung  gebracht  werden.    Jene«  Priniif»  wäre  alfo 
llter  ab   nnaer  Sali.    Eine  Beatttifung  dafttr  gebe  Labeo  (in  L  9.  de  foen. 
Miot  22.  2.  vgl  mit  I.  13.  %.  6.  qaed  vi.  43.  24).''    Jedoeb  hfttte  wie  Köp- 
fen (8.  153  f.)  weiter  meint,  die  spttere  Jariapradenz  den  Bedenken»  deren 
Beseitigung  der  ursprüngliche  Zweck  unseres  Satzes  hervorgerafen  halten,  nicht 
■ehr  entgegen  zu  treten  gehabt  und  der  fragliche  Satz  hatte  daher  zu  einer 
kieeaen  Beminiazena  herabainkeo  müaaen,  wenn  ihm  nickt  Caaaiua  (L28  $.4. 
eil.)  eine  analoge  Auadehnung  gegeben  hatte,  welche  auch  bei  den  späteren 
Inristen   Anerkennung  gefuaden  habe  (Modest.  I.  35.  de  stip.  {«  3).    Von 
dem  Gedenken  ana,  dasa  das  Vermögen  eines  Verstorbenen  von  der  Todeaaeü 
an  ein  aeinem  Erben  bestimmtes  sei,  aei  ea  namlicb  kein  an  weiter   Sekriti 
feweaen,  zu  aagen  ($.  32.  S.  153)  „wenn   Alles  was  die  Erhsckafit  erwirbC, 
ihrer  Bestimmung  nach  fUr  den  künftigen  Erben  erworben  wird,  so  kann  ancb 
ein  wahrend  der  hereditas  jacens  überhaupt  möglicher  Erwerb  ans  dem  Grnnde 
niehl  für  nngUltig  gehalten  werden,  weil   ihn  der  servua  bereditarina  für  den 
Jfaben  atipnlirt  bat."  Uebrigens  sei,  wie  Koppen  S.  157  folgericbüg  bemerkt, 
der  Sein   qui   poatea  herea  extitit  etc.   im  heutigen   Rechte  nicht  mehr  an- 
ivendber,  weil  er  in  aeiner  uraprttnglicben  Bedeutung  in  dem  Satae  bereditaa 
fersonee  viee  fungitur  aufgegangen  aei»  in  seiner  analogen  Auadehnnng  aber 
mr  Erbachaft  gehörige  Sklaven  voraussetze.    Schliesslteh  will  der  Verf.  anck 
aoch  noa  1.  Id.  $.  2.  de  stip.  servor.  45. 3.  folgern  (S.  160),  „dusdie  rdmisehen 
Jiristen  an  der  selbständigen  Fortdauer  eines  Vermögens  und  seiner  Vermeh- 
inng  nai  Bechte  wahrend  derselben  auch  da  keinen  Anstoss  genommen  hatten« 
wo  sein  Inhaber  durch  capitis  deminutio  seine  Rechtsfähigkeit  verloren  habe 
.nnd  deaawegen  nicht  mehr  als  Subjekt  seines  Vermögens  habe  betrachtet  wer* 
den  können.^    Es  unterliegt  aber  keinem  Zweifel,  dass  auch  hier  wie  bei 
der  bereditaa  jacena  nur  durch  Fiktionen   mit   Hülfe  dea  joa  postliminii  und 
der  lex  Cornelia  dies  gerechtfertigt  werden   konnte.    Nur  mit  Hülfe  dieser 
Fiktionen  ward  es  ja  erat  möglich  von  einer  hereditas  des  eaptivus  zu  reden 
(vgL  Koppen,  de  vi  quam  retro  etc.  pag.  49sqq.),  wahrend  atrenge  genoa»- 
BMO,  wer  in  der  Gefangenschaft,  also  als  Sklave  sUrb,  keine  hereditas  «i- 
^kliesa.  (Ulp.  L  3.  $.  1.  de  V.  S.) 

Es  thut  uns  leid  um  den  Fleiss  und  die  gewandte  Daratellnng  des  Ver- 
liMsera»  wenn  die  Resultate  seiner  Schrift,  welche  er  im  f.  33  (S.  164**  167) 
^«isammenfaast,  leider  nacb  allen  Seiten  hin  sich  als  unrichtig  erweisen. 

Verliiff« 


^9%  Lndwig:    GeolofUcke  SpeciaikaHe  d.  GroMhsgUi.  Heisn. 

Geologische  Sfteiaikorto  dot  QrotskereogikHms  Htsttn  und  itr 
angrenzenden  LandBsgekieie  im  Maatssiabe  eon  i:500ÖQ, 
Heramagegeben  vom  miUelrheiniidien  geoiogi$cken  Verein,  Section  Bi- 
dingen  der  Karte  des  Grossk,  Hess.  Qeneral^Quartierwuister-Siabs  (See-  I 
ftofi  Gelnhausen  der  topographischen  Karte  des  Kurfikrsienihmna  Bstu^ 
geologisch  bearbeitet  von  R.  Ludwig,  Inhaber  des  hurf.  Hess.  WUkde»  ' 
Ordens.  Mit  einem  Höhen^Vermehniss.  Darmstadl  1851.  Hofbuchha»ämi 
von  G,  Jongham,    S,  47. 

Et  ist  der  fUdwetlliche  Tbeil  de«  Vogelsgebirgei,  walehen  die  Torliefvii 
Seotion  umfaiat.  Wie  bekannt,  bildet  datselbe  einea  der  ansgedehnteatea  !■• 
aall^Terriiorien  Devticblands,  naheaa  einen  Raum  von  40  Quadrat-Meilea  di* 
nehmend,  ein  flachet  Plateau,  mit  vielen  itolirten,  rundliehen  Kuppen.  Vst 
aelten  bringt  ein  ateil  emporsteigender  Kegelberg  Abwechaelung  in  die  eial* 
dende  Einförmigkeit  jener  Baaalt-Regionen,  denen  ea  übrigena  weder  n 
Fruchtbarkeit,  noch  an  Quellen-Reichthum  fehlt  und  die  dennoch,  bei  ä« 
hohen  Lage,  aur  Feld-  und  Waldkultur  gut  geeignet  sind« 

Unter  den  sedimentftren  Formationen  eracheint  ab  älteate  daa  Botkir 
gende  in  den  Umgebungen  von  Büdingen  und  Gelnhausen,  bald  ab  duatal* 
rother  Sandstein  und  Schieferletten,  bald  als  Conglomerat  mit  Quarz-Geickip; 
ben  auftretend.  Rundliehe,  von  stellen  Schluchten  durchschnittene  fll|i 
characteriairen  das  Gebiet  des  Rothliegenden.  Zwischen  letsterem  und  dal 
bunten  Sandstein  aeigt  sich  als  schmales  Band  die  Formation  dea  Zechstdi^ 
Ihr  tiefstes  Glied,  der  Kupferschiefer,  erreicht  höchstens  eine  Httcbtigkeit  ni 
einem  Meter;  er  enthalt  auf  kleinen  Kluften  Fahlere,  Kopferkiea,  Buntkapi» 
en,  Schwefei-Arseneisen,  Speiskobalt,  Kupfemickel,  gediegenes  Kupfer,  KojAn 
lasur  und  Malachit.  Nach  der  Ansicht  des  Verfassers  sind  die  Scbwefd- 
Arsenikmetalle  durch  splltere  Infiltration,  durch  Einwirkung  pflanilicher  Reit 
auf  Metallsalae  entstanden.  Der  fast  güniliche  Hangel  an  VersteiDeningea  ä 
den  Kupferschiefern  am  Yogelsberge  —  so  bemerkt  Ludwig  —  llsst  te 
Vermuthung  Raum,  dass  hier  die  kohlig-bituminOse  Ablagerung  einem  aoige* 
dehnten  flachen  Lagunensysteme  am  Strande  der  Grauwacke-Insel  ihre  Bi^ 
stehung  verdankt,  dass  die  aus  Kalkincrustationen  und  Torf  bestandene  Scfaldt 
spater  unter  marine  Bedeckung  gelangt,  mit  Schwefelmetallen  erfüllt  wari^ 
indem  die  metallsalaigen  Lösungen  des  Heerwassers  in  der  kohlenbaIti|li 
Schicht  reducirt  wurden.  ^  Wo  wie  au  Riecheisdorf  und  Maosfeid  meerbr 
wohnende  Fische  in  grosser  Henge  im  Kupferschiefer  vorliegen,  oder  ^ 
wie  bei  Frankenberg  und  Tbalitter,  die  Kupferschiefer-Schichten  swiicMli 
marinen  Kalkabsfitzen  liegen,  kann  ein  solcher  Bildungsweg  der  Ablagemf 
naturlich  nicht  behauptet  werden,  wenn  auch  hier  noch  die  nachträgliche  kr 
filtration  der  Schwefelmetalle  nachzuweisen  ist.  —  Selten  erscheint  der  Kaplan 
schiefer  in  dem  Grade  mit  metallischen  Substanzen  imprftgnirt,  dass  deiü 
Ausbeutung  sich  lohnt  Gegen  die  Mitte  des  vorigen  Jahrhunderts  war  ki 
HaingrUndau  Bergbau  auf  Kupferschiefer,  erlangte  aber  keine  bedeotea^ 
Ausdehnung.  I 

Auf  den  Kupferschiefer  folgt  der  Zechstein,  welcher  ausser  kohlensaartt  | 
Kalke  nur  geringe  Quantitttten  kohlensaurer  Magnesia ,  ab^r  fiisenoxydnl  aM 


Ladwiip:    Geolofische  Speciatkarte  d.  GrofsIiEi^  Heifeii.  M^3 

BiseDOxyd,  Thonerde  und  Kieselerde  enthllU.  Bitamen  i«l  stete  durch  die 
Hasse  des  Zechsteins  vertheilt,  dessen  Mächtigkeit  swischen  8  und  16  Meter 
sehwankt  -^  Graugelber  Dolomit  bildet  die  oberste  Abtheitung  der  Zechstein* 
Formation;  thcils  dicht,  theils  porös,  eeigt  er  auf  Kluften  und  in  Drusenrilo-* 
men  häufig  die  characteristischen  Bitterspath-Rhomboeder.  Der  Verfasser  glaubt, 
dass  die  Zeohstein-Dolomite  über  Pflanaen  niedergeschlagen  seien,  eine  An- 
sicht, welcher  die  spätere  Umwandelang  des  Gesteins  nicht  im  Wege  steht. 
Bie  Zechstein- Formation  am  Rande  des  Vogelsberges  ist  durch  einen  grossen 
Reichthum  an  Fetrefacten  aasgeseichnet ;  eine  nicht  geringe  Ansah!  denelhen 
worden  durch  ROssIer  aufgefunden,  welcher  sie  auch  bereits  in  den  „JahrbU- 
cfaeni  der  wetterauischen  Gesellschaft^  beschrieben  hat.  Die  Zahl  der  Specis 
betragt  54,  die  hauptsHchlich  im  Zechstein  vorkommen. 

In  nnroittelbarem  Zusammenhang  mit  der  gegen  Osten,  in  Pranken  so 
aosgedehnten  Trias  erscheinen  im  Gebiete  vorliegender  Section  bunter  Sand- 
stein und  Moschelkalk,  der  erstere  als  ein  wahres  Strand-  oder  DUnen-Gebilde, 
dem  Meeresmuscheln  gftnzlich  fehlen,  während  die  bei  Aura  und  Schwarzen- 
fels  nachgewiesenen  Thier-Fahrten  auf  eine  über  dem  gewöhnlichen  Wasser- 
stand gebildete  Ablagerung  hindeuten,  dass  diese  Sandsteine  kein  unmittel- 
barer Absatz  aas  Wasser,  sondern  durch  Luftströmungen  zusaromengefCkhrte 
Baufwerke  von  Sand  seien,  wie  wir  solche  in  den  Dünen-Regionen  häufig 
finden.  Dem  Wellenkalk  und  Huschelkalk  steht  nur  geringe  Verbreitung  zu. 
Die  Tertiär- Formation  der  Wetterau  spielt  auf  der  Section  Bttdingen- 
Gelnhausen  nur  eine  untergeordnete  Rolle,  in  vereinzelten  Parthien  auftretend, 
die  an  den  Hageln  des  Todtliegenden  endigen.  Es  sind  snnfichst  plastische 
Thone,  kalkhaltig  und  nicht  feuerbeständig,  hin  und  wieder  kleine  Braunkoh- 
fen-FIOtee  enthaltend;  femer  Ablagerungen  von  Sand  und  Sandstein«  Einen 
Theil  dieser  Gebilde  betrachtet  der  Verf.  nicht  als  Niederschläge  aus  bracki- 
ifehem,  sondern  aas  süssem  Wasser,  Ablagerungen  in  Sümpfen  und  Flüssen, 
welche  mit  der  brackischen  Lagune  der  Main-Gegenden  und  mit  dem  noch 
ilfirker  salzigen  Golf  von  Alzei  und  Flonheim  in  Beziehung  standen.  Der 
jene  llmnischen  Miocän-Gebilde  bedeckende  plastische  Thon  hängt  mit  mari- 
nen Ablagerungen  im  nördlichen  Deutschland  zusammen. 

Von  eruptiven  Gesteinen  treten  im  Bereiche  unserer  Section  Basalte,  Do«* 
Mle,  Phonolithe  und  die  sie  begleitenden  Conglomerate  auf.  Basalt-  und 
hakgonlt-Tolfe,  geschichtete  basaltische  Conglomerate  zeigen  sieh  haoptsäoh- 
idi  an  den  Rändern  der  Trapp-Formation.  Sie  sind  ohne  Zweifel  älter,  als  ^ 
lie  Basall-Eruptionen ;  namentlich  zeigt  sieh  Palagonit-Tuif  stets  als  Unterlage 
lea  Basaltes.  Ein  Theil  der  Vogelsberger  Basalte  erscheint  in  Platten  ge- 
iehichtet,  als  eine  unter  Wasser-Bedeckung  ergossene  Lava,  ähnlich  wie  die 
nYkaniachen  Gesteine  Islands.  Solche  Basalte,  meist  dicht  oder  körnig,  dnn- 
(alfarbii;  und  häufig  Olivin-Kugeln  enthaltend,  herrschen  im  südlichen  Vogels- 
[ebirffe  vor.  Jüngeren  Alters  sind  die  über  sie  hervorragenden  Kuppen  dich- 
Bn  und  krystallinischen  Basaltes  und  die,  jene  plattenförmigen  Basalte  dorch- 
efzenden  Basalt-Gänge.  Ob  die,  als  Spalten-Ausfüllungen  im  bunten  Sand- 
lein  aoftretenden  basaltischen  Massen,  welche  die  bekannten,  denkwürdigen 
^erllnderungen  in  jener  Felsart  veranlassten,  der  jüngeren  oder  älteren  Periode 
ngefaOren,  lässt  der  Verf.  unentschieden.  ^  Die  Dolerite  nehmen  ausschÜess- 


6#4  BeoUiiif  I    0ie  Galanifcheii  lultetiMet-CoiameiiitriM. 

Uoh  iB§  ittdwMtliche  Eck  der  vorKeirendeo  Sectfon  ein ,  aa  die  der  SeeliM 
FfH/ib^rg  sich  anreihend.  Sie  liad  iheiU  diehl,  Iheib  blasig,  nd  eethilMB 
in  letilereDi  Falle  in  ihren  Blasenrinmen  mincherlei  Miseralien,  wie  Grta- 
erde»  Bol,  Aragonil,  Sphlrosiderii  u.  a.  Noch  beschrankter  in  ihrer  Teikä- 
Minf  als  die  Dolerile,  sind  die  Phonolithe,  nur  an  wenigen  Stellen  Aber  im 
Basalte  in  kleinen  HOireln  emporragend*  Ob  sie  vor  oder  nach  den  Büahn 
den  Tiefen  entstiegen  sind,  ISsst  sich  nicht  ermitteln. 

Es  seilen  nnn  bald  noch  mehrere  der  tom  mittelrheinischeD  geelogiicki 
Verein  anfgenommenen  Karten  folgen;  tunlchst  werden  rrscheinen:  Sedioi 
Olfeahich-Hnnau-Frankf urt ,  bearbeitet  von  R.  Ludwig  nnd  G.  TheobaUi 
Seotion  Schotten,  bearb*  von  Tasche;  Biedenkopf-Laasphe  und  Batlenkit, 
bearb.  von  V.  Dechen;  Allendorf-Treis,  von  B.  Dieffenbach  und  R.Li4- 
wig;  Fanerbach-Usingen ,  von  Ludwig  nnd  Mains,  bearb.  von  YeltL 
Die  Sectien  Heidelberg  wird  hoffentlich  auch  im  nichsten  Jahra  vollendet  M 


Die  <9«kmiichen*)  InsHiuUonm'CommeHkirim  (AerHiU  ton  Dr,  F.    W.  Kft, 
BBekhänt.    B&nn.    Verlag  wm  Henry  ei  Cohen,  1857,    IV  w.  ^72  8.  kl 

Von  den  Institutionen  dei  Gaius  ezislirt  unseres  Wissens  nur  eine  eiBii|i ; 
deotsohe  Uebersetiung,  die  sudem  nur  das  erste  Buch  enthilt,  and  nil  N 
umfassenden  Erklirungen  begleitet  ist,  dass  wir  darin  wohl  mit  einen  Cmi 
Baden  kennen ,  waram  diese  Uebenetzung  (von  Ch.  Ulr.  6.  von  Brack* 
dorf,  Sehlesvrig  1824)  nicht  weiter  fortgeführt  und  voHendet  worden  ist  Ki 
vorliegende  Uebersetiong,  mithin  die  erste  vollständige,  hat  sich  eiaii| 
gani  andern  Standpunkt  genommen;  sie  will  beitragen  das  Studium  derli*| 
stittttiouen  des  (laius  zu  fOrdera  und  ui  erleichtern,  und  sacht  diesen  Zwed 
nicht  sowohl  durch  einen  ansftohrlicben  Commentar,  mit  dem  jeder  einalhi 
Salk  ausgestattet  ist,  su  erreichen,  als  durch  eine  wortgetreue,  ricbtife  Uetar» 
^gnog  des  lateinischen  Textes,  welche  das  Verstindniss  des  Originels  De»* 
jenigen  erleichtert,  der  sich  eines  solchen  Hulfsmittels  bei  seinen  Stadien  be» 
dient.  Denn  als  ein  wahres  Httifsmittel  dürfen  wir  wohl  diese  UeberseCsmf 
beaeiehaeui  sie  hllt  sich  mit  aller  Strenge  an  das  Oirginal,  und  gibt  diaM 
mit  glei«*her  Genauigkeit  und  Treue  in  deutscher  Sprache  wieder,  sie  IM: 
aber  auch  dabei  dem  Genius  der  deutschen  Sprache  alle  Gerechtigkeit  wtedsr* 
fahren  and  liefert  damit  allerdings  den  Beweis,  wie  msn  genau  und  ridd^ 
einen  lateinischen  Text  mit  aller  Treue  auch  in  unserer  Nnttenprache  lltessedl 
und  ohne  irgend  einen  Anstoss,  wieder  geben  kann:  denn  dieses  Zeugahi 
kana  man  dem  Uebersetser  nicht  versagen,  dass  er  seine  nicht  leichte  Arkft 
in  einer  sehr  befriedigenden  Weise  durchgeführt,  indem  er  den  Foide* 
rangen  der  Treue  und  Genauigkeit  wie  denen  der  deutschen  Sprache  sHi 
Rechnung  getragen  hat;  die  Uebersetzung  liest  sieb  gut  und  lisst  fcsaa 
fühlen,  dass  sie  eben  eine  Uebersetzung  und  kein  Original  ist;  sie  wird  di- 
nun  auch,  wie  wir  hoffen,  ihre  Zwecke  erreichen,  sie  wird  die  wttnschew* 


*)  Warum  aieht:  Die  Institutionen  «~  des  Gajas'? 


Parel:    Flairiiu  JoMphof  Werke.  HK 

IMrarihe  Verbreltaag  finden,  vnd  sa  dem  Stadioni  der  Qnellen  des  römischen 
^edttf  de«  Hiri^e  beitragen. 

Uebrigens  darf  man  die  Uebertragang  dieser  Institutionen  fttr  ein  nicht 
!•  gaas  leichtes  Werk  aasehens  die  im  Ganien  gedrttngte ,  and  dabei  sehr 
^cise  Sprache  des  Originals,  die  mancherlei  technischen  Ausdrücke  er- 
Kehweren  das  CSeschift  des  Uebersetiers  nicht  wenig,  abgesehen  auch  von 
4eB  aahlreichen  Locken,  welche  das  Original  an  so  rielen  Stellen  enthalt: 
lliese  worden  so  weit  es  möglich  war,  ausgefüllt  nach  ihrem  muthmassUchen 
Inhalt,  dieser  aber  in  eckige  Klammern  eingeschlossen.  Zu  Grande  gelegt 
jirard  der  Ten  der  vierten,  Im  Jahr  1855  au  Lclpiig  erschienenen  Ausgabe 
[^ma  Böching:  in  der  Uebersetsung  selbst  wurde  oftmals  —  wo  es  auf  den 
leohniacben  Ausdruck  ankam  —  dieser  in  Klammem  der  deutschen  Ueber- 
•etaang  beigefttgt,  um  so  jedes  Missyerstindoiss  oder  eine  irrige  Deutung  an 
vermeiden;  wo  die  Lesart  bestritten  ist,  ersehen  wir  aus  der  Note,  welcher 
Lesart  die  Uebersetsung  gefolgt  ist:  dann  aber  auch  finden  wir  in  diesen 
Hoten  neben  eintelnen,  kuraen  Erklärungen,  die  sich  nur  auf  Noth wendiges  be- 
schränken, die  betreifenden  Parallelstellcn  ans  den  Justtnianeiscben  Institutionen 
nnd  ans  den  Fragmenten  Ulplan's  (ebenfalls  nach  der  4.  Bocking*sehen  Aus- 
gabe von  1855)  beigefttgt,  was  gewiss  sehr  zweck mttssig  ist.  Auch  an  ein- 
seinen Verbesserungsvorschlägen  des  fehlerhaften  oder  Ittekenhaften  Textes 
fehlt  ea  nicht,  die  ein  httnftiger  Bearbeiter  des  Textes  wohl  au  berücksichti- 
geii  haben  wird,  s,  B.  S.  153  au  Ell.  f.  94.  95 :  wie  man  denn  aus  Allem  er- 
sieht, dass  die  Uebersetsung  mit  aller  Sorgfalt  und  Genauigkeit  und  unter  Be- 
rftckaichtigung  aller  vorhandenen  Mittel  veranstaltet  ist.  Auch  an  einem  guten 
fiegister  .fehlt  es  nicht.  Wir  wttnschen  daher  dem  ntttslieben  Werke  Aner- 
kennung und  Verbreitung,  und  wollen  zum  Schlnss  als  Probe  der  wohlge- 
Inngenen  Arbeit  den  Anfang  der  deutschen  Uebertrag  hier  beifügen. 

I.  Ueber  Jus  gentium  und  civile.  Alle  durch  Gesets  nod  Herkommen 
regierten  Volker  bedienen  sich  theils  ihres  eigenthümlichen,  theils  des  allen 
Henachen  gemeinschaftlichen  Rechts.  Dasjenige  Recht  nämlich,  welches  sich 
jeden  Volk  selbst  setzt,  ist  sein  eigenthümliches  und  wird  jus  civile  genannt, 
Hleichsam  das  eigenthttmliche  Recht  gerade  dieses  Staates;  was  dagege«  das 
oalOrliche  Reehtsbewusstsein  (naturalis  ratio)  unter  allen  Menschen  festsetst, 
daa  wird  bei  allen  Volkern  gleichmässig  beachtet  und  jus  gentium  genannt, 
gleichsam  das  gemeine  Recht  aller  Nationen.  So  bedient  sich  denn  auch  das 
rAnaiache  Volk  tbeib  seines  eigenthümlichen,  theils  des  allen  Menschen  ge- 
meinaohaftlichen  Rechtes.  Welcher  Art  die  einseinen  Rechtseinrichtungen  sind, 
dna  wollen  wir  jedesmal  an  seiner  Stelle  bemerken. 


Des  Flavius  Josephns  Werke.  Siebentes  Bändchen.  IL  Üeber  dat  hohe 
Aller  des  jüdischen  Volkes,  gegen  Äjnon*y  überseM  van  Heinrich  Paret, 
Diakonus  in  Brackenheim.  StuUgari.  Verlag  der  J.  B.  MeUlei'sfihen  Buch^ 
handbing  1856  in  kl.  8. 

In  den  vorausgehenden  sechs  Band  eben  ist  des  Josephus  jüdischer  Krieg 
Toll0tändig  in   dotttscber  Uebersetsung  mttgetheilt,   Ober  welche  in   diesen 


_J 


606  Oertel:    G«Beai9gt»clie  T«fol«  m  SUalMfetdiichte  etc. 


! 


BUtttern  Jabrgir-  i^6.  S.  1853  ff.  bereiu  4u  Nfttbiire  bMMtkl  w«»rdMi  kL 
Dm  Lob,  du  dort  dieser  Ucberseliung  ertbeiit  ward,  wird  «iicb  aaf 
Forttetaung  aufsadebnen  sein,  die  eine  ftlr  noi  ia  so  aMmebea 
nicbt  minder  wicbtlge  Schrift  des  Josephus  entbAlt  aad  aaeb  dieae  ia 
deutseben  Uebertragung  vorlegt,  der  nan  alle  AaerkenaaBg  tcbaldig  m| 
Der  mit  seinem  Schriftsteller  wobl  vertraate  Ueheraetaer  bat  den  Siaa  de« 
Originals  richtig  wiedergegeben,  die  Forderungen  naaerer  Sprache 
bei  ihm  stets  BerUcksicbtigang  gefunden»  ao  dess  die  Oeberaetaaag ,  die 
sieb  reebt  gut  liest,  such  iasbesondere  aum  Gebraacbe  und  aar  Lect&re  De^* 
ienigen  empfohlen  werden  kann ,  welche  nicht  die  oOtbiga  Kenntaiss 
Gewandtheit  besitsen,  um  du  griechische  Original  geläufig  an  Icaeo  und  riebt 
tig  tu  verstehen.  Eine  iweckmissige  Eioleitung  hat  der  Uebersetaer  tmsw 
geschickt;  sie  soll  in  das  Game  einführen,  and  ist  ttberdem  von 
goten  Analyse  des  Inhalts  dieser  Schrift  begleitet,  die,  als  eine  wahre  Apib« 
gie  des  Jodentboms  ebensowohl  dessen  wehren  Charakter  darstellen,'  ab 
der  andern  Seite,  namentlich  in  ihrem  ersten  Tbeiie  die  irrigen 
anderer  Volker  des  Altertbums  ttber  die  Juden  widerlegen,  die 
und  selbst  yerllurodersichen  Angaben,  die  über  die  Juden  ia  Umlauf 
waren,  lurQckweisen  soll,  und  dabei  so  manches  Andere  cur  Spraclie  brit 
waa  dieser  Schrift  für  die  gesammte  Alterthumskunde  eine  besondore  Bede^ 
tnng  gibt.  Auch  darauf  ist  in  der  Einleitung  wie  in  den  der  Uebenetaiyl 
beigefügten,  erkittrenden  Noten  stets  die  gebührende  Bttcksichtgenommeawordd 


Geiuaiogische   Tafeln    tttr  8taatettge$chid^e    des  neuntdmien  JahrkvnderU 
einer  genealogiieh^stüüstitchen  Einleitung  wm   Dr,  Friedrich  Maxim 
lian  0er t elf  wioeUem  Frofeuor  und  Lehrer  der  Geschichte  an  der   köni 
Landesschule  St  Afira  wu  Meisten.    Zweite  berichtigte  und  vermehrte  Auf'^ 
läge.    Leipug.    F.  A.  Brockham  1857.    XLVIU  u.  119  S.  in  kl.  QuerfcUe. 

Das  erstmals  1845  erschienene  Werk  hat  sich  als  ein  nOtdiches  und 
brauchbares  in  der  Weise  bewihrt,  dass  eine  neue  Auflage  nöthig  gewrordea 
ist;  der  Verfasser  bat  die  ihm  auf  diese  Weise  gebotene  Gelegenheit  bennUt, 
nicht  bloss  einselne  Versehen,  welche  in  der  ersten  Auflage  mit  untergelaa- 
fen  waren,  zu  berichtigen,  und  diejenigen  Personal  Veränderungen  betaufbgea, 
welche  seit  dem  Erscheinen  der  ersten  Auflage  stHttgefnnden ,  sondern  er  hat 
das  Ganze  einer  neuen  Durchsicht  unterstellt,  welche  ohne  in  der  Anlage  und 
dem  Plane  des  Ganzen  irgendwie  eine  Veränderung  herbeizuführen,  daaadbe 
doch  mehrfach  vervollständigt  und  seinem  Zwecke  entsprechender  gealaltet 
bat.  In  der  genealogisch-statistischen  Einleitung  sind  die  Angaben  über  dea 
Flächenraum  und  die  Bevölkerung  der  einzelnen  Staaten  nach  den  genaaeatea 
Messungen  C^unacbst  nach  Engelhardt:  der  Flächenraum  der  einzelnen  Staatea 
in  Europa,  Berlin  1853),  so  wie  nach  den  Ergebnissen  der  in  neuester  Zeit 
veranstalteten  Zählungen,  so  weit  sie  zur  Oeffentlichkeit  gelangt  sind,  durchweg 
berichtigt  und  vervollständigt;  jede  Veränderung,  die  seit  1845  eingetreten, 
ist  sorgfällig  bemerkt  worden.  Ueberbaupt  wird  man  hier  sowohl  wie  in 
I  den  Tafeln  selbst  Alles  das,  was  in  den  seit  dem  Erscheinen  der  ersten  An^ 


Sebifer:    Geichiehtatabelleii.  697 

lafe  TttrüffNitKolilen  Naditriffen  TorkotDint,  anffrenommeD  and  irehOriffen  Ortet 
eio^Mchaltel  finden.  Was  die  genealogUchen  Tafeln  selbst  betrifiTI,  die  dss 
WeaenUicbe  der  Sebrift  bilden,  so  sind  hier  allerdinfrs  f^össere  Veränderun- 
l^eQ,  die  der  nenan  Auflai^e  sum  Vorlheil  gereichen,  einii^etreten ;  sie  belreffea 
theils  die  wQnschenswerthe  ErOrterun^f  mancher  in  der  ersten  Auflage  nnr 
mangelhaft  und  unvollständig  gegebenen  (xenealogien,  so  wie  die  mit  dadurch 
zam  Tbeil  berbeigefllhrte  Umgestaltung  mancher  Tafeln,  welche  gttnxUch  um* 
gearbeitet  erseheinen,  wobei  auch  die  verluderte  Stellung  einzelner  Dyna- 
stien, so  wie  selbst  der  bequeme  Ueberblick  de»  Ganzen  in  Betracht  kam.  In 
Folge  dessen  wurden  aber  auch  mehrere  ganz  neue  Tafeln  hinzugefügt,  weiche 
zunächst  die  Htfuser  Baiern,  Leuchtenberg,  Lippe  und  einige  andere  betreflfen, 
ebenso  auch  eine  Anzahl  von  Tabellen  eingeschalten,  welche  die  Genealogie 
einiger  halbsouverainen  fttrstlichen  Familien  behandeln,  die  in  der  neuern  Zeit 
zu  einer  gewissen,  früher  nicht  gekannten  Bedeutung  gelangt  sind ;  die  Fa- 
milien der  Herrscher  von  Montenegro  (Crnagora),  von  Servien,  von  der  Moldau 
and  Wallachey,  in  Deutschland  das  Haus  Aldenburg-Bentink  geboren  in  diese 
Claase.  Dass  auch  die  Pübste  hier  aufgenommen  sind,  wird  man  eben  so  sehr 
billigen,  wie  die  Aufnahme  der  Prfisidenten  der  vereinigten  Staaten  von  Nord- 
amerika; und  so  wird  anch  in  der  neuen  Auflage  das  Buch  als  ein  nützlicher 
Rathgeber  auf  dem  oft  verworrenen  und  verschlungenen  und  doch  für  die 
£rOrterung  so  mancher  Fragen  so  wichtigen  Gebiete  der  Genealogie  benutzt 
werden  können.  Dankbar  rühmt  der  Verfasser  die  Unterstützung,  die  ihm 
zar  Vervollständigung  des  Ganzen,  wie  zur  Berichtigung  einzelner  IrrtbUmer 
von  so  manchen  Seiten  zugekommen;  wir  wünschen,  dass  ihm  dieselbe  auch 
femer  nicht  ausbleiben  möge,  bei  allen  den  Verfinderongen,  die  im  Laufe  der 
Zeiten  nicht  ausbleiben  können.  Auf  den  Druck  selbst  und  dessen  genaue 
Durchsicht  ist  von  Seite  des  Verfassers  möglichste  Sorgfalt  verwendet  wor- 
den, durch  welche  sinnstOrende  Fehler  vermieden  worden  sind. 


Geickichtitahellen  tum  AutteendiglemeH  een  Dr.  Arnold  Schäfer ^ 
Profeisor  an  d§r  k,  »id^.  LanäenckuU  w  Grimmn,  Seeibis  verheutrie  und 
mii  einer  Qetckickisiafel  vermehrU  Äußage.  Leipug.  Ämoldud^  BuMtmd" 
img,     1857.     64  S.  m  gr.  8, 

Wir  haben  der  fünften  Auflage  in  diesen  Jahrbüchern  Jahrgg.  1855. 
fir.  35.  S.  545  gedacht,  und  gedenken  auch  darum  gerne  der  sechsten,  deren 
£r8cheinen  wir  um  so  freudiger  begrüssen,  als  sie  ein  neuer  Beweis  der  Ver- 
breitung ist,  welche  diese  für  den  geschichtlichen  Unterricht  so  brauchbaren 
und  nützlichen  Tabellen  mit  Recht  gefunden  haben;  das  günstige  Urtheil,  das 
wir  früher  gefttllt,  hat  auch  darin  seine  Bestätigung  gefunden.  Wir  können 
daher  auch  die  sechste  Auflage  bestens  allen  denen  empfehlen,  in  deren 
Hfinde  der  geschichtliche  Unterricht  an  unsern  höhern  Bildungsanstalten  gelegt 
ist;  an  einer  sorgfältigen  Durchsicht  des  Ganzen,  ohne  Veränderung  des  %a 
Grunde  gelegten  Planes  und  der  Anlage  überhaupt,  hat  es  der  Verfasser  auch 
diesmal  nicht  fehlen  lassen ;  die  neu  hinzugekommenen  Geschlecbtstafeln  des 
römischen  Kaiserhauses  des  Augustus,  des   russischen   Kaiserhauses   und   des 


698  Herwerden:    Dispntatio  liteniri«  etc. 

Hcuaes  Habtbarf  biMen  eise  sehr  dankeiwwerte  Z«f»be.  Kiiie  tbnliche  Ge- 
sckleebtstafel  der  KurAlrtten  von  Brandenburi^  und  Köaige  tob  Preusieii  fia- 
den  wir  beigefttft  der  eratonab  von  den  Verfasser  berausge^benen,  ia  Aalac« 
und  Ausrübrunir  ^ans  g^leicb  ^baltenen  ond  darom  fttr  den  Uaterricbt  ebea  m 
braucbbaren 

Tahelie  wur  Preuttitehen  Geschickie  9<m  Dr.  Arnold  Sckäfer^ 
Professor  an  der  L  $ächt.  LamdB$MckmU  m  Orimma,  Mit  tm€r  GtmMeddf 
tafd,    Läpüg.    AmolSscke  ßuckktmdimg.    1857.    15  8.  in  gr.  B. 


Ditputalio  /i/erona,  eonHtuns  observaiioHes  crUictu  m  fragmetUa  Comioorum  Grar- 
cortim^  quam  —  puhlico  ac  Molemni  examini  submitHi  Benrieus  «an  Btf 
werden^  e  pago  BeeUtertUDoogo  —  Frtnusv  iMgduninBaUitorwn^  apud  £.  7. 
Britl^  acad.  typographum.  Till  und  Ut  8.  in  gr.  8. 

Die  zahlreicben  auf  uns  gekommenen ,  aber  zum  Theil  in  sebr  entstelhec 
Gestalt  vorliegenden  Reste  der  griechischen  Komiker  bieten  aUerdiogs  »ock 
nach  dem,  was  in  Meineke's  Zusammenstellung  derselben  geleistet  wordei 
ist,  ein  reiches  Feld  für  die  Conjecturalkritik,  die  hier  bei  dem  oft  so  ftkV 
baren  Mangel  urkundlicher  Nachhülfe  eintreten  muss ,  um  in  den  oft  kaum  ei- 
nen Sinn  bietenden  Stellen,  diesen  zu  ermitteln  und  herzustellen.  Die  in  die- 
ser Schrift  gegebenen  Mittheilungen  beztehep  sich  auf  lauter  solche  Stellea 
aus  diesem  Kreise ,  welche  in  ihrer  urspränglichen  Fassung  mehr  oder  minder 
entstellt  sind,  und  nur  auf  diesem  Wege  der  Conjecturalkritik  hergestiBt 
werden  können,  was  bei  den  meist  einzelnen,  aus  dem  ZusammenhaDg  d» 
(uns  unbekannten}  Ganzen  herausgerissenen  Stellen  allerdings  nicht  so  leidt 
ist,  jedenfalls  auf  genaue  Bekanntschaft  mit  den  Schriftstellern  dieses  ganzes 
Gebietes,  so  wie  insbesondere  mit  der  Sprache  derselben  und  ihren  Eif^entbiai- 
lichkeiten  begründet  sein  muss.  Beides  vermissen  wir  nicht  bei  dem  Verfasser 
dieser  Schrift,  welehe  eine  Reihe  von  solchen  Verbesserungsvorscliligm  a 
eiBielneo  Stellen  der  Fragmente  der  griechischen  Komiker  enlhAlt,  und  zwar 
ia  ersten  Kapitel  zu  den  Stellen  solcher  Dichter,  welche  der  ftUeres  Ktf- 
mtfdie  angeboren,  im  zweiten  zu  ftbnlichen  Stellen  der  mittleren,  mmd  im 
dritten  zur  neueren  Komödie.  Im  ersten  Kapitel  werden  einzelne  Stelltf 
des  (sogenannten)  Susarion,  Cratinus,  Grates,  Pherecrates  u.  A.,  einige 
auch  von  Eupolis  und  Aristopbanes  bebandelt ,  im  zweiten  (S.  434)  Stellen  asf 
den  Dramen  des  Antiphanes,  Anaxandridas,  Anstophon,  Epikrates,  Alexisa.  A4 
im  dritten  (S.  834)  Stellen  des  Philemon  und  besonders  des  Menander  (S.  (^5— 
100) ,  des  ApoDodorus  von  Carystos,  Archedicus,  Euphron,  Machon  u.  A.  Daaa 
folgen  (S.  122)  einige  Addcnda  und  darauf  (S.  126)  achtzig  Theses,  welche 
zum  grosseren  Theil  Verbesserungsvorschläge  zu  einzelnen  Stellen  grteebbcher 
Dichter,  namentlich  der  Komiker,  von  nr.  64  an  aber  auch  zu  Livius,  Ciaar  and 
Cicero's  Rede  pro  Dejotaro  enthalten.  Es  kann  nicht  in  der  Aufgabe  dieser 
Anzeige  liegen,  alle  die  zahlreichen  Verbessern ngs vorschlage,  wie  sie  in  die-  | 
ser  Schrift  enthalten  sind,  im  Einzelnen  hier  anzufahren  und  prüfend  zu  dnreh* 
gehen ;  im  Allgemeinen  aber  wird  man ,   wenn  auch  bei  einzelnen  derselben 


MendelMoho:   Plrildoii  oder  über  die  Uosterbliebkeit  der  Seele.        ^ 

noch  Bedenken  eintreten  sollte,  wie  es  in  der  Natur  der  Seehe  liegt,  sich 
mit  der  Mehriahl  leicbt  befreaoden,  und  dem  Verfasser,  der  mit  rieler  Vor- 
sicht und  Umsicht  zu  Werke  ^tf^nnf^en ,  und  alle  WillkQbr  rermieden  hat,  frern 
dio  gebührende  Achtung  zollen. 


PkädoH  oder  üdtr  dU  ünsterblickkeU  der  Seele,  Von  Moses  Mendels" 
söhn.  Herausgegeben  und  mii  einer  Emleitung  versehen  ton  David  Fried" 
länder.  Siebente  Avßage.  Berlin.  Verlag  der  liikolai'schen  Buchhand" 
lung  1856,  XXXVI  und  749  S,  in  kl,  8, 

Ea  ist  gewiss  eine  erfreuliche  Erscheinung ,  wenn  ein  Bueb ,  das  vor  bald 
bondert  Jahren  erschienen  —  Hendelssohn's  Phldon  erschien  erstmals  1767  in 
deraelben  Offictn  zu  Berlin  —  das  seitdem  in  mehreren  Auflagen  wieder  ge-> 
druckt,  auch  jetzt  noch  eine  neue  Auflage  erlebt,  durch  welche  die  Verbrei- 
tung, die  das  vorliegende  Werk  gewiss  verdient,  gefordert  werden  kann ;  sind 
doch  gerade  die  Fragen,  die  den  Inhalt  dieser  Schrift  bilden,  durch  die  ma- 
terialistischen Richtungen  der  Zeit  unter  uns  aufs  neue  angeregt  und  bespro» 
eben  worden:  darum  wird  auch  die  Schrift,  die  ihr  Verfasser  selbst  schon 
ganz  richtig  als  ein  Mittelding  zwischen  einer  Uebersetzung  und  einer  eigenen 
Ausarbeitung  betrachtete,  jetzt  von  neuem  wieder  Leser  finden,  wie  sie  die« 
selbe  mit  Recht  auch  bisher  stets  gefunden  hat.  Die  fiassere  Ausstattung  ist 
vorzüglich  und  auch  für  weitere  Kreise  berechnet,  die  darauf  mehr  Werth 
legen ,  und  sich  dadurch  selbst  eher  zur  LcctUre  bestimmen  lassen. 


AI,  Buttmann,  Professor,  Die  deutschen  Ortsnamen  mit  besonderer  Berück" 
sichtigung  der  ursprünglich  wendischen  in  der  Mittelmark  und  Niederlausiti, 
Berlin,     Ferd.  Dümnüer's  Verlagshandlung,     1857,     S.  IV,  182,     8, 

Das  vorliegende  Büchlein  ist  allerdings  in  Bezug  auf  eine  gewisse  An- 
xiihl  von  Etymologien  der  H\r  die  Sprachwissenschaft  höchst  wichtigen  Orts- 
iiumen,  insofern  dieselben  zu  den  Ältesten,  dem  Schriftthum  unbereohenbar 
lauge  voransgegangenen  Spracbzengnissen  geboren,  ein  recht  scbitzbarer  Bei- 
trag. Allein,  wie  weiter  unten  nachgewiesen  werden  wird,  es  ist  dem  Verf., 
trotB  theilweise  als  richtig  anzuerkcnuenden  Strebens,  nicht  gelungen,  das  zu 
6rnnde  liegende,  die  Ansiedler  leitende,  höchst  praktische,  einheitliche  Princip, 
welches  das  die  Ortlage  beschreibende  ist,  von  nicht  wenigen  irrefUhrendeu 
Nebenvorstellungen  zu  entblossen,  wesshalb  denn  auch  er  in  hohem  Masao 
von  dem  Willklkrstrudel  der  Scylla  fortgerissen  wird.  Einige  Beispiele  mOgen 
dieea  begründen. 

Sagen  leitet  er  von  zn,  an,  hinter  und  gon,  Feldweg  ab  und  muss  diess, 
abgesehen  von  inneren  unhaltbaren  Gründen,  durch  eine  willkürliche  Deutung 
dea  Eweiten  a  statt  o,  zu  rechtfertigen  suchen.  Der  Wechsel  aber  von  g  und 
h  ist  im  Slavischen  ungemein  hftnfig.  Bedenkt  man  nun  vom  practischen  Le- 
bensstandpnnkte  aus,  dass  selbst  in  der  kleinsten  Flur  mindestens  ein,  vom 
Ort  aus  in  dieaolbe  führenden  Feldweg  vorhanden  sein  musa,  so  ergibt  sich 


700  BdtUttano:  Die  deaUchen  OrUnuien. 

diese  Ldaiini^  ab  so  vair,  unpraktisch  tu  einer  OrUbeseichnanfc  Cftr  die  Be- 
wohner nur  etwa«  entferoterer  Landschaft,  das«  die  OealuDg  achoa  deshalb 
geradeso  verworfen  werden  muss.  Die  Ortsnaofien  hatten  doch  auch  des 
Zweck,  zu  einer  möglichst  leichten  Orieutirung  zu  dienen ,  xumal  in  jenea 
Zeiten,  da  es  keine  anderen  Orientirungsmittel  guh,  als  guten  Ortssinn  iiad 
treues  Gedichtniss.  Eines  Namens  aber,  den  ausnahmslos  jeder  Ort  fuhren 
konnte,  bedienten  sich  die  in  allen,  namentlich  den  agrarischen  Einrichtoagea 
so  practischen  alten  Landleute  am  allerwenigsten.  Sagan  liegt  nun  an  einer, 
die  Stadt  im  Halbkreis  umfassenden  Krümmung  des  Bober  und  ausserdem  ia 
Cenirnm  einer  nahen,  halbkreisförmig  umschliessenden  Hitgelkette.  Böhm, 
sähati,  auch  sähnauti,  poln.  sagiac,  heisst  u.  a.  um  sich  greifen,  sah,  das  rings 
nm  schliessende  Klaftermass,  sähan  u.  a.  der  Meeradler,  Falco  halietos  L, 
mit  seinen  scharf  sugreifenden,  umschliessenden  Krallen.  Was  liegt  nan  niher, 
als  den  Namen  der  doppelt  umfasaten  Stadt  auf  diesem  Wege  na  erklftren? 
—  Die  mit  wes,  diminut.  weska,  Dorf,  Dorfchen,  gebildeten  Namen,  wie 
Weska,  Wesnika,  Weaniti,  sollen  „vollkommen  aur  Beseichnuog  einer  Ort- 
schaft ausgereicht  haben**!  Als  Suffix  von  appellativer  Bedeutung,  ja,  als  No- 
men proprium  aber  nicht;  denn  das  wfire  gerade  so  gehandelt,  wie  wena 
man  verschiedene  Gewttchse  mit  dem  generellen  Nomen  „Pflanze"  bezeich- 
nen und  so  als  gehörig  von  andern  unterschieden  hinstellen  wollte.  Wo  Wes 
nicht  eine  corrunipirte  Form  eines  filteren,  anderen  Ausdruckes  ist,  r&hrt  es 
von  wys,  Hohe,  Berg,  her.  —  Orte  wie  Blieskendorf,  „dicht  bei  Kalaa*, 
Bliskau,  Blieschow  n.  ähnl.,  werden  durch  blisko,  nahe,  erklfirt;  sollen  das 
Verhttitniss  der  Nlihe  so  einem  anderen  Orte  besagen.  Wie  sehr  doch  wie- 
der lediglich  anf  ein  bloss  relatives  Verhfiltniss  gestQtst!  Kann  denn  der  Verf. 
beweisen,  dass  z.  B.  Kalau  eher  als  Blieskendorf  entstanden  ?  Blisko  scbliesst 
auch  den  Sinn  von  bald  ein,  z.  B.  bobm.  bijz  trj  noh,  heisst  zwar  wOrtlidi: 
nahe  drei  Fuss,  gibt  aber  denselben  Sinn  wie:  bald  drei  Fuss.  Es  ist  hier 
in  topographischem  Sinne,  zur  Bezeichnung  eines,  die  Umgebung  marquiren- 
den,  blis-ko,  plötzlich,  abfallendem  Hanges,  angewendet.  Ich  kenne  die 
Loealttit  zwar  durchaus  nicht,  kann  aber  diese  TeminbesehalTenheit  ans  rei- 
cher Kartenerfahrnng  behaupten.  —  Weimar  soll  weinreich  bedeoles, 
„obwohl  diese  Bedeutung  auf  die  Gegend  der  Stadt  Weimar  jetzt  nicbt  la 
passen  scheine,  so  sei  sie  doch  wenigstens  nicht  widersinnig  und  kOove  so 
Zeiten  vollkommen  wohl  begründet  gewesen  sein/  Welcher  Gmnd !  Ich 
glaube  nicht  nur,  Weimar  sei  riel  ftlter  als  der  frQheste  Weinbau  in  Thftrn- 
gen,  sondern  frage  auch:  wesshalb  kommen  denn  Ähnliche  Namen  dorehaas 
nicht  in  den  nahen  weinbauftthigen,  thatsilehlich  weinreichen  Gegenden  nn  der 
Saale  und  Unstrut  vor  ?  Da  es  mir  noch  an  Belegen  zu  einer  plauaibelei 
Entstehung  der  Silbe  mar  aus  einer  lllteren  Form  für  diesen  oder  einen  ganz 
gleichen  oder  Ähnlichen  Fall  gebricht,  so  lasse  ich  den  Namen  zur  Zeit  o»- 
erklfirt.  Die  Mittel  .werden  sich  aber  wohl  noch  finden  —  Die  meisten  mft 
Dober  gebildeten  ON.  will  Verf.  durch  dobry,  gut,  im  Sinn  von  fruchtbar,  er- 
klären. Ist  Verf.  nicht  eingefallen,  da  diese  Namen  gar  nicht  zu  den  Selten- 
heiten geboren,  sich  zu  erkundigen,  ob  nach  Massgabe  der  allgemeinen  fird- 
besohafTenheit  der  betreffenden  Districte  der  Boden  dort  wirklich  durch  Fmchl* 
barkeit  sich  auszeichnet?    Er  würde  sicher  oft   das  Gegentheil  vemehaen. 


Buttmami:   Die  doutschen  Prtsoamdil.  701 

L»g  es  ihm  nicht  nahe ,  dann  auch  die'  ON.  Schlichow ,  Schlewitt ,  Schleii, 
Schlei  (p  07),  statt  durch  ssliwaf  Pflanmenbaum ,  oder  durch  aaluwiiza, 
Scfalehdorm,  lieber  durch  bhm.  slicny,  pa säend,  schon,  oder  durch  sljt,  Schleim, 
an  BchlnpfriKeo  Boden  denkend,  oder  gar  von  zly,  schlecht,  schlimm«  ttbel,  da 
die  Bodenbeschaifenheit  der  Mittelmark  und  Sl.  Lansita  sehr  überwiegen- 
den Thells  mehr  schlecht  als  gut  genannt  werden  mnss,  zu  erkllren?  An 
allen  Orten,  deren  Namen  mit  Dober  u.  Hhnl.  gebildet  sind,  wird  man  scharf, 
schroff  abfallendes  oder  eingeschnittenes  Terrain  finden.  Der  Namen  rührt 
daher,  weil  Dober ,  Dobr,  aus  do ,  an ,  bei ,  und  einem  beschreibenden  Ans* 
drock  gebildet  ist,  der  auf  brio,  bald,  im  Sinne  von  schnell,  rasch,  abschüssig, 
ähnlich  wie  obiges  blisko,  turückzuführen  ist,  und  sich  durch  brausiti,  schir* 
fen,  brees,  Wetzstein,  sinnlich  mehr  veranschaulicht.  So  führt  in  Böhmen 
denn  auch  das  Dorf  Dobruska  den  Doppelnamen  Btsstanie,  woraus  man  sieht, 
daas  sich  brzo  und  blisko  als  topographische  Synonyme  vertreten.  In  Blssta- 
nie  bedeutet  tanie  die  Umziehung  des  Dorfes  mit  einem  Zaon,  von  tahnuti, 
ziehen:  einer  der  mehrfachen  Gattungsausd rücke  für  das,  bei  den  Slaven,  bis 
auf  einen  einzigen  Zugang,  rund  umschlossene  Dorf.  An  Dobruska  ist  ka 
Diminutivendung. 

Solcher  synonymer  Doppelnamen  von  Orten ,  die  durch  eine  oder  die  an- 
dere Form  von  Dober  gebildet ,  welche  Formen  sich  durch  Nachlilssigkeit  der 
Aussprache  ziemlich  mannigfsch  verschliffen  haben ,  konnte  ich  noch  einige  an- 
führen« Man  kann  aber  auch  an  Dobern,  in  f.  dobrati.  greifen,  (nehmend) 
kommen  (Jongmann),  auskellen,  zusetzen,  z.  B.  bis  aufs  Blut,  also  überall 
auf  die  gewaltsam  abgerissene  Terrainbeschaffenheit  anwendbar ,  denken.  Hier 
ist  do  Partikel,  aus,  zu,  er,  be ausdrückend  ,  ba,  und  beru.  perf.  bral,  inf- 
briiti,  das  Zeitwort  nehmen,  greifen.  Brzo,  bald,  und  beru,  an  sich  reisaen, 
hnben  den  Sinn  des  Schnellen ,  Hastigen ,  Scharfen ,  offenbar  miteinander  ge- 
mein. 

Diese  polemischen  Beispiele  mOgen  für  den  hier  beschrünkten  Raum  ge- 
nOgen.  Sie  beweisen,  dass  der  Verf.  es  in  der  Meisterschaft  der  Beschrün-* 
kang ,  bei  übrigens  anerkennenswerthem  Streben  auf  derselben ,  ea  noch  nicht 
bla  zum  Meister  gebracht  hat.  Er  mnss  als  Geselle  noch  auf  die  Wanderschaft 
lieben,  dorch  schärferen  Blick  den  Zusammenhang  zwischen  Ortsbeschaffen- 
hcit  und  deren  Ausdruck  sich  draussen  in  der  Natur  oder  in  guten  Karten, 
die  er  theilweise  auch  schon  mit  Glück  benutzt  hat,  sich  klar  machen.  Das 
Buch  des  Rec:  Die  Bedeutung  der  böhmischen  Dorfnamen,  Leips/ 
bei  Herm.  Schultze,  1856,  dürfte  ihm  dazu  einige  Dienste  leiiten.  Wenig- 
stens hat  ein  Rec.  in  der  Milit.  Lit  Zeit.,  S*  142  d.  J.,  der  ein  Officier  und 
und  im  Besitz  von  guten  Karten  so  wie  der  Kenntniss  des  Slavisohen  zu  sein, 
nllen  Anschein  hat,  also  ein  practiscb  recht  geeigneter  Rec,  von  dem  Buche 
Q  a.  geurtheilt:  „der  von  mir  erwartete  Federkrieg  werde  seiner  Ansicht  nach 
nicht  sobald  eintreten,  da  die  Sache  wohl  zu  tief  in  sich  begründet  sei,  um 
ao  leicht  angefochten  werden  au  können."  Auch  der  Red.  d.  Jahrb.  f,  alav. 
Lift.,  Hr.  Schmaler  in  Bautzen,  welcher  als  Grammatiker  eine  theoretiaohe 
Competanz  ist,  hat  mir  versprochen,  sidi  in  seinem  Organ  in  diesem  Sinne 
▼emehmen  an  lassen ,  da  er  sich ,  nach  gründlichem  Stadium  dea  Bnchea,  von 
der  Richtigkeit  »einer  Lehre  ttberteugt  habe,    Dan  icb  bio  iwd  wi^d^r  «In« 


70)  BoUniami : '  Die  deottcben  OrtomaieB* 

Losung  jetst  anden  geben  wttrde,  verhehle  ich  nicht;  d«in  ich  bin  seit  der 
Heransgsbe  Ober  Ursprung  und  Bedeutung  mehrerer  Namen  anderer  Ansiebt 
geworden;   aber  das  Princip  bewahrt  sich  mehr  und  mehr.    Mitunter  haben 
Bekannte  meine  Lösungen  allsu  natttriich   finden  wollen.    Dawider  M%t  ich, 
dass   die  Orts-,   Thier-   und  Pflanzennaroen  aus  einer  Zeit  rühren,  da  die 
Menschen  ungleich  ausschliesslicher  auf  den  Verkehr  mit  der  Natur  angewiesen 
waren  und  deren  unmittelbarer  Untersttttsnng  ungleich  mehr  beduiilen,   als 
jeltt.    Auch  die  Sprache  war   noch  nicht  Sache  gedAcbtnissmIssiger  Gewohn- 
heit» sondern  solche  des  lebendigen  Sinnbewusstseins  im  Volke  und  konnte  ei 
sein,  weil  sie  viel  weniger  durch  nachlässige  Aussprache  verOlischt  und  rid 
wortHrmer  war.     Auch  setse  ich   diesem  eigenthttmlichen   Vorwurf,  den  le 
schlagenden  a  posteriori   Beweis  gegenüber,   dass   ich,  wie  ieh   es  oben  bd 
Blieakendorf  gethan,  aus  viel  schlimmer  entstellten  Namen  die  Territorialbe- 
achaffenheit,  natürlich,  ohne  sie  früher  irgendwie  gekannt  au  haben,  in  Besaf 
auf  den  hervertrctendsten  Thoil   derselben  ansugeben  vermag,  weno  der  Ort 
nicht  neueren  Ursprungs  ist.    Will  man  diess,  bei  dem  Zutreffen  deo  meistea 
FVlIen  gegenüber  allzu  natürlich  nennen   —  dann   freilich,  dürfen   wir  trolt 
der  a  posterioristiechen  Natur  des  Beweises,  die  augenscheinlichste   Beweis* 
führnng  für  ungenügend  erklären.   Ich  bin  noch  auf  einen  neuen  Besttttigmnft- 
grund  für  die  topographische   Bedeutung  der  Ortsnamen  vorfaistoriacher  Eot- 
stehung  verfallen,   den  ich  mit  einer  jüngst  mir  begegneten  Thatoache   aas 
Peter  mann 's  Mitth. ,  S.  121,  1.  J.,  einleiten  will.    Bei  den  Tnngnaen  an 
der  Mündung  der  sibirischen  Lena,  werden  für  die  Jagd  awei  oder  drei  ge- 
schickte Schützen  vom  Dorfe  mit  Flinten  oder  Bogen  versehen.    Die  erlegtes 
Thiere  werden  dann  heimgeholt  und   vertheilt.     Das  Fell  erbalt  der  Rttha 
nach  immer  Biner,  nie  der  Schütze  selbst.    Nun  wissen  wir,  dass  die  alten 
Colonisten ,    die  zum  Anbau  ausersehene   Flficbe ,    gemfiss  dem  Grundsetae: 
„gleiche  Rechte ,  gleiche  Pflichten'' ,  als  Actienuntemehmen   unter  sich   nadi 
dem  Loose  vertheilten,  so  zwar,  dass  kein  dauerndes  Privateigentbam    den 
zugefallenen  Parcellen  beigelegt  wurde,  dieselben  vielmehr,  zur  mOglichatcn 
Ausgleichung  der  nicht  ganz  zu  vermeidenden  Benachtbeiligungeo ,  nach  Um* 
lauf  einer  gewissen  Reihe  von  Jahren  wieder  verloost  werden  konnteo.  Aocl 
kam  es  vor,  dass  alle  Cultur-   und  Erntearbeiten  gemeinsam  vollzogen  and 
der  Brtrag  gleichmüssig  vertheilt  wurde.    Fasst  man  diese  strenge  Gleicbbe- 
reehtigung  scharf  ins  Auge,  so  muss  es   schon  daraus  bervorleuchteD ,   dass 
man  einem  einzelnen  Hitanleger  nicht  den  Ehrenvorzug  der  Beoennaag  das 
Dorfes  nach  seinem  Namen  eingeräumt  haben  werde ;  denn  daraus  vrire  nidU 
nur  Neid  und  Streit  entstanden ,  sondern  man  mnsate  auch  vorbauen ,  daaa  däe 
betreffende  Familie  nicht,  gegenüber  den  Nachkommen,  wichtigere  PrftUoaie- 
nen  abzuleiten  auf  den  Gedanken  kommen  mOgte*    Solche  Taufen  mil  Pene- 
aeBBamen  konnten  erst  viel,  viel  später  eintreten,  als  sich  aus  der   petrinr- 
chalisch  geleiteten,  conservativen  Demokratie,  eine  Aristokratie,   nnter  gmu 
anderen  Verbältnissen ,  emanoipirt  hatte  und  Herrenhüfe  gebildet  wurden.   Um 
aber  Zwiespalt  über  den  Namen  nach   allen  Seiten  müglichst  Tonuikebrei, 
mnsste  es  den  praktischen  Leuten  als  das  Gerathendste  erseheinen ,  deo  Ort 
möglichst  naturgemäsi  ,   d.  b.  nach  einer  möglichst  UBTeräBderiidien,  anfen« 
fUligen  Terrainbeschalfenheit  seiner  Sohle  oder  feiner  nicbaIeD  Umgebang  n 


Battmann:   Die  deatscfaen  OrUnameM.  703 

bcoeoiiMi  oder  vielmebr  zu  beschreiben,  was  zafleicb,  in  der  daniali|?en,  an 
fchriftlicben  öder  kartographischen  Hulfsmiltel  fttr  die  Topographie  baaren 
Zeit,  ein  AnskuofUmittel  aar  Orientirun(p  abgab.  So  zei|(t  sich  denn  auch 
hier,  wie  io  den  iranseo  Agrar-  and  Socialweaen  der  uralten  Ackerbaoge- 
meinden,  ein  so  recht  Alles  überlegender,  planniflasig  ordnender,  also  prak- 
tischer Verstand.  Bei  der  Einfachheit  der  damaligen  Verkehrtverhültniase 
schadete  auch  die,  aas  dem  Princip  hervorgehende,  noch  jetst  sich  bin  and 
wieder  findende,  hiofige  Wiederholung  ein  ood  derselben  Beschreibongsaoa^ 
drücke  oder  Namen  wenig.  Man  verstand  ea  auch,  sehr  praktisch,  der  all- 
sahUufigeD  Wiederholung  durch  Anwendung  synonymer  Ausdrücke,  s.  B.  Berg, 
Hohe,  Schroffheit,  Riss,  Steilheit  u.  s.  w.  für  benachbarte,  gleichartige  Lo- 
calitsten  ausxawcichen ,  half  sich  ausserdem  gewiss  durch  Beiftkgung  der  6au« 
namen  und  endlich  sorgte  fur  Vermannigfaltigung  der  Formen  das  Uebcl 
selbst,  indem  es  sein  eigenea Heilmittel  dadurch  eraeugte,  dass  sich  verschie- 
dene Aussprachen  einschlichen  und  einbilrgerten,  und  dass  man  sieh,  wie  oben 
an  Dobruaka  und  Blsstanin  nachgewiesen  ist,  aweicr  synonymer  Beschreibungs- 
aosdrttcke  (Doppelnamen),  für  eine  und  dieselbe  Oertlichkeit  bediente,  Dieas 
findet  sich  sehr  häufig.  Schliesslich  darf  man  nicht  nnerwogen  lassen,  daaa 
in  einem  Terrain,  welches  im  Allgemeinen  flach  ist,  kleine  Anhöhen  und 
Hfinge,  welche  sich  nur  etwas  bemerkbar  machen,  hier  denselben  Beschreibungs^ 
werth  hatten 9  wie  in  gebirgigen  Landschaften  die   ansehnlichen   Vorragungen. 

Soll  ich  noch  auf  einen  wesentlichen  Fehler  des  Verf.  aufmerksam  ma-*- 
chen,  so  besteht  derselbe  darin,  dass  er  den  Wortschats  des  Lexikons  seinen 
Formen  nach  viel  au  deterroinirt  auf  die  Etymologie  der,  oft  ganz  unglanb« 
lieb  corrumpirten  Formen  der  Ortsnamen  anwendet.  Diese  Gefahr  erkannte 
ich,  Gott  sei  Dank!  sehr  bald  nach  Beginn  meiner  eigenen  Studien;  zugleich, 
daaa  ich  einerseits  die  Ortsnamen,  sowohl  hinsichtlich  ihrer  Formen  nnter  sich, 
ala  der  gemeinschaftlichen  Lage  der  entsprechenden  Dörfer,  dann  aber  gleich- 
zeitii;  den  Wortschatz  des  Lexikons,  sowohl  hinsichtlidi  der  Laote,  als  der 
Bedeutung,  mit  dem  Mamenschatze  der  topographischen  Register  und  der 
Landkarten  unter  steter  Berücksichtigung  der  Ortslage  vergleichen  müsse«  So 
erachloas  mir  allmSlig  das  Lexikon  die  Etymologie  der  Ortsnamnen  und  nm- 
fekeJut  das  Ortsnamenregister  die  Etymologie  des  Lexikons.  Nur  als  grosaen 
Vortheil  kann  ich  es  bezeichnen,  dass  mir  damals  das  böhmische  Lexikon  vo]|- 
atilDdi^  böhmische  Dörfer  enthielt,  dass  ich  noch  nichts  vom  Slaviachen  ver- 
stand; dass  ich  also  nicht  mit  gelehrten  Schulvorurtbeiien  zu  der  Sache  kam, 
aoodem  auf  dem  Wege  der  eigentlichen  Originalität,  und  mit  dem  Interesse, 
welches  jeder  kleine  Fortschritt  hier  doppelt  erhöbt.  Der  vorzüglichste  Ge- 
winn aolchen  Verfahrens  ist,  dass  man  hinsichtlich  der  Bedeutungslehre  zu 
weit  einheitlicheren  Resultaten  kommt  und  zugleich  auf  selbststfindigem 
Wege  in  den  neckischen  Einfloss  des  Spieles  der  Laute  eingeführt  wird. 

Leipzig.  VIrior  JfaeoMy  Prof. 


704  Kemiipotl:    Lebrbach  der  Mineraloge  etc. 

Lehrbuch  der  Mineraiogie  stim  Gebrauch  beim  Ünierrichi  an 
Schulen  und  höhern  Lehransialien  wm  Dr,  Ä.  Kenngeii^  IW- 
/efflor  der  Mineralogie  an  dem  etdgenöetiMdtm  Poiylechmeum  und  an  ür 
ünivertiiät  in  Zürich.  Mii  55  in  den  Text  gedruckien  Äbbädmgen,  —  Darm- 
Uadiy  1S57.     Verlag  wm  Johann  Philipp  DieU.    8.  iS^. 

Vorliegeode  Schrifl  reibt  licb  in  würdiger  Wei»e  den  früberen  des  tbth 
tigen  VerfsMeri  an;  wir  nennen  bier  nur  deiseo  „Lebrbuch  der  KrystiUo- 
grepbie",  „dea  Mobs'sche  Mineraltyitem  dem  gegenvrftrtigen  Standpunkt  dar 
Wisaenacbafi  gemflaa  bearbeitet",  die  ,,Ueberaicbt  der  Reaoltate  ninonlogi- 
scber  Foraebongen^  und  namentlich  die  „mineralogiachen  Notiaen",  wei<^ 
letitere  eine  Fülle  bOchit  wichtiger  und  intereasanter  Unterauchuniren  oad 
Beobachtungen  entbalteo. 

£a  ist  gewiss  keine  leichte  Aufgabe  auf  einem  Raum  von  eilf  Druckbo- 
gen die  Mineralogie  aacbgemlias  au  behandeln;  der  Verfaaaer  bat  aie  aber 
glücklich  gelost  und  mit  vielem  Geschick  alle  die  Klippen,  welche  bei  des 
Ausarbeitung  einea  „Lehrbuchs**  drohen  vermieden.  Die  Terminologie  oder 
Kennaeichen-Lehre  der  Mineralien  umfaast  fünf  Bogen,  alao  nahean  die  Hslfte 
des  Boches.  Dass  der  Krystallographie  —  ein  Feld,  auf  welchem  Kenngolt 
schon  so  Ausgoaeichnetes  geleistet  —  besondere  Aufmerksamkeit  gewidmet 
wurde,  ist  sehr  au  billigen ;  es  musste  —  wie  der  Verf.  mit  bemerkt  —  wenn 
auch  für  die  aur  allgemeinen  Bildung  nothwendige  Kenntniss  der  Mineralien 
eine  weniger  ausführliche  Behandlung  der  Krystall-Gestalten  auagereicht  hätte, 
wenigstens  ao  viel  gegeben  werden,  als  der  Chemiker  bedarf,  welcher,  ohne 
spater  auf  die  Mineralogie  weiter  einaugehn,  die  wichtigsten  krystallographiachen 
Verhältnisse  erkennen  und  bestimmen  will.  In  der  Mineral^Physik  und  Mi* 
neral-Chemie  wurden  nur  die  wichtigsten  Eigenschaften  ausführlicher  behan- 
delt, weil  ohnehin  der  Unterricht  in  der  Physik  und  Chemie  das  Fehlende  er^ 
g&nat,  ausserdem  bei  der  Angabe  der  chemischen  Reactionen  nur  der  Weg 
angedeutet,  wie  dieselben  au  bestimmen  sind,  weil  die  Beschreibung  der  Mi- 
neralien  gleichseitig  die  Reactionen  enthalt,  durch  welche  die  geschilderten 
Mineralien  erkannt  werden.  Dass  endlich  der  Verfasser  nicht  alle  bis  jetit 
bekannt  gewordenen  Substansen  ausführt,  sondern  eine  sorgfiiltige  Aaawahl 
der  bedeutenderen  getroffen,  ist  sehr  lobenswerth. 

Wir  aweifeln  nicht,  dass  das  gründliche  und  practische  „Lehrbuch  der 
Mineralogie**  eine  günstige  Aufnahme  finden  möge,  wie  es  solche  in  hoheai 
Grade  verdient. 

Q«  lie^iftlaard* 


Ir.  41.  HEIDELBERGER  IKJ. 

JAHRBÜCHER  DER  LITERATUR. 


Das  Nibelungenlied  in  der  ältesten  Oealalt  mit  den  Verände- 
rungen des  gemeinen  Textssj  herausgegeben  und  mit  einem  Wör- 
terbuch versehen  v.  A.  Holtzmann.  Stuttgart  bei  Meteier  1867. 

Es  iBt  zwar    in   diesen   Jahrbüchern    noch  nicht  von    meinen 
Untersachangen  über  das  NibelungenHed  (Stuttgart  bei  Krabbe  1854) 
and   von   den   zahlreichen,   zum  Theil  sehr  heftigen  Streitschriften, 
welche  dadurch   veranlasst  wurden,    die   Rede  gewesen,   ich   kann 
aber  wohl  als  bekannt  voraussetzen,   dass  es  sich  zunächst  um  den 
Werth   und   die   Abstammung  der  verschiedenen  Texte  und  Hand- 
schriften des  Gedichtes  handelte.  Lachmann  hatte  die  kürzere  Münch- 
ner Handschrift  A  seiner  Ausgabe  zu  Grund  gelegt;  nach  ihm  ent- 
hltlt  diese  allein  den  alten  Text,  aus  dem  alle  andern  durch  Erwei- 
terung und  Umarbeitung  geflossen  sind,  und  zwar  zunächst  der  ge- 
meine  Text  N,  welcher   dann   noch  einmal  in   der   Lassberg'schen 
EUtndschrilt  C,  die   also   den   abgeleitetsten  jüngsten   Text  enthält, 
verändert  und  erweitert  wurde.     Ich  suchte  nachzuweisen,  dass  der 
Weg,   den  die  Geschichte  des  Textes  durchlief,   gerade  der  umge- 
kehrte sei;   C  gebe  den  echtesten   und  ältesten  Text;   aus   ihm  sei 
der  gemeine,  und  aus  dem  gemeinen  erst  der  Text  von  A  geflossen. 
Der  Streit   kann   nicht  anders   als   mit    Anführung    von  Beispielen 
geführt  werden.    Es  muss  aber  immer  der  Verdacht  entstehen,  dass 
|ede   Partei   die   Auswahl   der   Beispiele  in  ihrem  Interesse  mache, 
DDd  eine  endgültige  Entscheidung  kann  erst  getroffen  werden,  wenn 
licht  einzelne  Beispiele  ausgehoben,  sondern  die  verschiedenen  Texte 
rollständig  einander  gegenüber   gestellt   werden.     Diess  ist  es  nun, 
WOB  meine  neue  Ausgabe  des  Gedichtes  leisten  soll.   Zugleich  wollte 
ch  das  neu  gewonnene  kritische  Material,  das  in  meinen  Händen 
rar,  zum  Gemeingut  machen.     Natürlich  musste  es  auch  mein  Be- 
treben  sein,   den   Text  selbst  mögliclist  von  Fehlem   zu  reinigen 
md  der  ursprünglichen  Gestalt  so  nahe  zu  bringen,  als  die  vorhan- 
bnen  Mittel  erlauben.    Doch  musste  ich  mich  in  letzter  Beziehung 
»rerst   innerhalb    des   Bereiches    der   Handschriften   der  Klasse   G 
iten,  und  durfte  den  gemeinen  Text  nur  zur  Verbesserung  offen- 
rer  Fehler  benutzen,   und  nicht   ohne  durch  den  Druck  die  Ent- 
inting   anzuzeigen.     Denn   einmal  war  es  ja  der  Zweck  der  gan- 
a  Ausgabe,   den  gemeinen  Text  im  Ganzen  mit  dem  alten  Text 
i  vergleichen,  und  sodann  sind  uns  noch  zwei  Handschriften,  die 
ihrache^ch  für  C  von  grosser  Wichtigkeit  sind,  unbekannt  ge- 
eben.   Ich  hoffte,  dass  die  neue  Ausgabe  den  Streit  über  die 
r<^c1i1edenen  Texte  zur  Entscheidung  bringen,  und  für  Vorlesun- 
ti   nnd  für  Jeden,  der  sich  des  Gedichtes  freuen  möchte^  erwünscht 
$^  Jahrg.  10.  Heft  4Q 


/ 

\ 


1P       J  Dai  NibelangeiiUed,  v.  A.  BolUmftiiii. 

sein  wflrde.  Es  hat  nmi  aber  Herr  Zaracke  im  Centralblatt  37  ge- 
faoden,  dasa  die  Wflnsclie  und  Hoffnongen  der  Faehgenoasen  lebr 
eottäascht  seien,  und  zwar  weil  ich  nicht  einen  vollständigen  Imti- 
sehen  Apparat,  sondern  nur  eine  Auswahl  Ton  Varianten  gebe.  Ich 
glaube  vielmehr,  dass  die  Fachgenossen  mir  es  durchaus  nicht  ver- 
Übeln,  dass  ich  nicht  die  Lesarten  aller  Handschriften  aufgeoonmes 
habe;  denn  diess  wäre  ohne  allen  denkbaren  Nutzen  gewesen  m&d 
hätte  die  Ausgabe  vom  Gebrauch  bei  Vorlesungen  ausgeschlosaen. 
Dass  Ich  aber  nur  eine  Auswahl  von  Varianten  gebe,  ist  sekr  on- 
richtlj^  ansgedrückt.  Ich  gebe  die  Lesarten  der  Handschriften  da 
alten  Textes  ganz  vollständig,  und  ebenso  den  Text  von  A  ohne 
alle  Auswahl  ganz  vollständig.  Dagegen  habe  ich  von  den  saU- 
reichen  Handschriften  des  gemeinen  Textes  nicht  alle  Lesarten  sai- 

Senommen,  und  ich  denke,  dass  die  Fachgenossen  damit  einverst»- 
en  sind.    Die   meisten   dieser  Lesarten  sind  ohne  allen  Wertb;  ei 
genügt^  dass  sie  einmal  verzeichnet  siud,  und  das  ist  bei  Lachmvu 
geschehen;   ich   habe   aber   meinem   Buche   absichtlich   eine  soldie 
Einrichtung  gegeben,  dass  die  Anmerkungen  Lachmann's  sich  leidi 
zu  demseloen  benutzen  lassen.     Es  konnte  sich  nur  darum  handelO) 
einmal  alles  aufzunehmen,  was  möglicher  Weise  das  echte  sein  ksoBt 
und  sodann  nichts   zu   übergehen,    was  die  allmählige  Verändenug 
des  Textes  von  C  zu  A  kennen  lehrt.     Prüft   man    meine  Auswahl 
von  diesem  Gesichtspunct  aus,  so  wird  man,  denke  ich,    sufriedca 
sein,  und  dass  ich  mirs  bequem  gemacht  habe,   wird  ausser  Hsrn 
Zamcke  schwerlich  Jemand   entdecken.     Ich  kann  es  überdiess  iiu& 
meinen  Begriffen  von  Recht  und  Eigenthum   nicht  vereinigen,  das 
ich  die  Arbeit  eines  andern  geradezu  mir  aneignen,  also  den  gansea 
von  Lachmann   gesammelten   Apparat  aufnehmen  durfte.     Dass  leb 
die   von  Lachmann  unter  seinem   Text  gegebenen   Lesarten  nicht 
iibergehen  durfte,  versteht  sich  doch  wohl  von  selbst.    Meine  G^ 
ner   wären  sonst  sogleich   bereit  gewesen,   mich  zu   beschuldigaa» 
dass  ich  mir  einen  für  meinen  Zweck  dienlichen  gemeinen  Text  A 
recht  gemacht  habe.    Dass  ich  aber  viel  mehr  gebe,  als  den  Laeb- 
mann'schen  gemeinen  Text,   ist  wahrscheinlich   eine  Folge  meliMt 
von  Zamcke  entdeckten  Bequemlichkeit.    Uebrigens  müssen  die  Lo- 
ser jener  Anzeige  des  Centralblatts  Im  Auge  behalten,    dasa  HflB 
Zarncke  mir  nicht  nur  mit  einer  kleinern  Ausgabe  zuvorgekomnMi 
ift,  sondern  auch  im  Centralblatt,  1856  N.  51  bereits  eine  grdsBan 
in  Aussiciit  gestellt  hat.     Bei  ihm   war  es  also   eine  zum   VoMii 
beschlossene  Sache,   meine  Ausgabe  ungenügend  zu  finden. 

Es  war  vor  Allem  mein  Bemühen,  den  Codex  C,  die  wichtig4|| 
oft  einzige  Urkunde  des  alten  Textes,  mit  der  Ausgabe  Ijasabetdl 
21t  vergleichen.  Leider  konnte  der  Codex  bei  dem  Uebergang  «^ 
Bibliothek  in  die  Hand  des  neuen  Besitzers  nicht  sogleich  Tenaajl 
werden,  und  eine  huldvolle  Einladung,  die  Arbeit  auf  dem.räaQpAill 
Öchloss  ^eiligenberg  vorzunehmen,  traf  mich  zu  ^ät  leb  li^ 
aber  so  glücklich,  einen  genügenden  Ersatz  zu  erhalten  in 


Dm  Nl»ol«iig6]ilted,  V.  A.  HdhMiaAtt.  7ll9 

Stemplar  der  LaflBberg'sehen  Aus^ftbe,  in  wetcbesi  mit  dt^r  p'SsB«* 
teD  Sorgfalt  bis  auf  die  unbedeuteodBten  KleiDigkeiteD   die  Vefglef* 
cbimg  der  Haodschrift  eingetragen  ist  Obgletcb  der  Abdruck  bei  LaM- 
berg  sorgfältig  Ist,  so  ergab  doch  diese  Vferglelebuttg  ftiAncbe  wich- 
tige Belehrung,  wie  aus  der  Einleitung  meiner  Ausgabe  nitd  Ans 
des  Lesarten  in  ersehen  ist.    Ich  hebe  besonders  hervor,  diiss  86d| 
3  das  Wort  fDortherte,   das  schon  zu  einigen  Terhandlungen  Yer- 
anlassong  gegeben  hat,   nicht   von   alter  Hand,   sondern   auf  einer 
verwischten  Stelle   von   neuerer  Hand,   wahrscheinlich  von  Bodmer 
geschrieben  ist,  und  also  keinen  Werth  hat    Ebenso  ist  854,  2  die 
von   den   Oegnern  des  Textes  C  mir  entgegengehaltene  Lesart:  ir 
suU  mich  ez  län  tensldn,   die   deutlich  schlechter  ist   als   die  ge-^ 
meine:  i¥  mät  noch  stiUe  stdrij  von  derselben  Jüngern   Hand  einge- 
schrieben.    Ebenso   steht  1839,   4  nicht  enchunder^   dits  zu   Tadel 
Yeranlassung  gab,  sondern  ganz  richtig  enchunde. 

Ich  benutze  die  Gelegenheit,  um  nachtrSglich  einen  andern 
Fehler  Lassberg's,  der  sich,  ich  weiss  nicht  wie,  leider  in  meine 
Ausgabe  eingeschlichen  hat,  zu  verbessern.  2087,  1  steht  bei  Lass- 
berg nach  riUerlicher  sit;  es  ist  diess  die  einzige  Stelle  des  Qe- 
diehts,  wo  nt  als  femininum  vorkommt.  Im  Codex  steht  aber  Hf- 
teriMie,  also  ritterUchem;  Lassberg  hat,  wie  Öfters,  die  Abbreviatur 
falsch  aufgelöst;  a  liest  ritterlichen  süen. 

Ich  habe  sodann,  durch  die  unermüdliche  Qüit  meines  edeln 
Frettndes,  des  Herrn  von  Löffelholz,  die  vollstMndige  Vergleichnng 
der  Handschrift  a  benutzen  liönnen.  Der  Text  hat  dadurch  wesent- 
lich gewonnen.  Diess  läugnet  Herr  Zarncke,  und  er  muss  es  läug- 
neti,  wenn  er  nicht  zugestehen  will,  dass  er  voreilig  seine  kleine 
Ausgabe  hinausgesandt  hat.  Nach  ihm  hat  a  neben  C  absolut  kei- 
nen Werth.  Ich  habe  behauptet  und  behaupte  noch,  dass  t  die 
spMtej  schlechte  Abschrift  einer  sehr  werthvollen  Handschrift  sei, 
die  Bwar  mit  C  sehr  nahe  verwandt,  aber  doch  in  vielen  Punkten 
inarsäglicher  als  diese,  und  wahrscheinlich  die  unmittelbare  Vorlag« 
oder  doch  eine  Schwester  derselben  war.  Herr  Zarncke  hatte  früher, 
ehe  er  den  Text  von  a  kannte,  behauptet,  sie  sei  eine  Abschrift 
von  C  und  habe  also  durchaus  keinen  Werth  neben  C.  Jetzt  muss 
er  Zügeben,  dass  a  wenigstens  nicht  unmittelbar  ans  0  geflossen 
sei  ;  er  nimmt  Zwischenglieder  an ,  und  lässt  die  Schreiber  Ergän- 
Bittfegen  und  Besserungen  machen.  Richtig  ist,  dass  der  oder  die 
STciirelber  von  a  sehr  oft  völligen  Unsinn  zu  Stand  gebracht  und 
E^altti  und  Vers  zerstört  haben.  Wenn  nun  aber  nichts  destowen!«- 
^Bir  tL  oft  gegen  C  mit  N  übereinstimmt,  wenn  oft  In  a  das  in  G 
f^Bi&ne  Metrum  hergestellt  wird,  so  haben  das  offenbar  nicht  die 
M9iteiber  gethan.  sondern  c^e  müssen  es  in  ihrer  Vorlage  gefunden 
ibkIMfi.  Solche  Beispiele  führt  Zarncke  selbst  an;  und  sie  shid  röl- 
§g  geBl^end  um  Jeden  zu  überzeugen,  dass  die  Vorlage  von  a 
Toditer  von  C  war.  Ich  will  hier  noch  einige  Beispiele 
Di9  Falle,  wo  a  gegett  0  die  Hchüge  Lesart  von  N  h^ 


11t4  Dti  NÜMlanfenlied,  t.  A.  Holtattaon. 

wfthrt,  Bind  liemlich  h&ufig  und  es  wird  Niemand  aosaer  Zanieke  an 
das  Wunder  glauben,  dass  das  zufällig  sei.     Ich  will  hier  nur  swei 
gans  schlagende  Beispiele   nachtragen.     1867,   2   stn  C,   t^  aN. 
1992,  2  Üb  C,  heim  aN;  das  soll  Zufall  seini    Aber  es  fehlt  aach 
nicht  an  Stellen,   wo  a  gana  allein   das  Richtige  hat.     507,  4  hat 
G  als  im  »In  tugerU  gebot,  was  metrisch  unrichtig'  ist    N  stellt  dsa 
Metrum  her  durch  Einschiebung  von  daz.    a  aber  liest  allein  mmi- 
heit  statt  tugent.    Wie  kommt  nun  der  Schreiber   von  a,  der  doch 
iLein  Gefühl  hat  Hir  metrische  Feinheiten ,   hier   dazu,  statt  tugeot 
ein  anderes,  passendes  Wort  au   setzen,   durch   welches  der  V«a 
hergestellt  ist?    Er  hat  es  nicht  gethan,   sondern  das  Wort  staod 
in  seiner  Vorlage,   die  also  hier  besser  war  als  G,  während  N  auf 
C  zurückgeht.  —  2050,  4,  Giselher  ruft   dem   Rüdiger  zu:   ir  suU 
gemächliche  mit  iuwem  friunden  hinnen  gdn;  sie  sollen  unbelüstigt, 
gemftchltche  den  Saal  räumen.    Dafür  bat  G  getncifüiche ,  was  deut- 
lich aus  gemächliche   verschrieben   ist,   und  keinen   Sinn    gibt    8 
setat  dafür  wieder  besser  unangestltcben.    Soll  das  vortreflniche  ge- 
mächliche eine  Besserung  des  Schreibers  sein,  der  doch  an  unzahli- 
gen Stellen  getrost  den  völligsten  Unsinn  schreibt?     523,   1  hat  s 
allein   das   richtige  in  dem   für  in  eime,     1356,  2  ze  tal   statt  des 
gleich   wieder   kehrenden   nider  ist  nicht  Besserung  des  Schreiben. 
Wie  soll  1448,  1  der  Schreiber  von  a  au  dem  veralteten   von  tew 
kommen,   wo  alle  wävon  lesen,   wenn   er  es  nicht  in  seiner  Voi^ 
läge  fand?    1904,  4  fehlt  in  C  ein  Wort,  nicht  für  den  Sinn,  son- 
dern für  den  Vers;  wie  kommt  a  dazu,  den  Mangel  zu  fahlen  uod 
8tin  zu  ergänzen.     N  geht  wieder   von  G  aus  und  ergänzt  auf  an- 
dre Weise.     Aehnlich   ist  2023,  4  mit  strtt;   und  in   2054,  4  hat 
nur  a  das  allen   fehlende   notbwendige  hie.    Solche  Beispiele  geno- 
gen,  um  zu  zeigen,   dass  die  Vorlage  von  a  eine  ganz   vorsüglichs 
Handschrift  war.     Es  muss  daher  jede  Lesart  von  a,  die  zu  gut  ist 
für  den  Schreiber,  schwer  ins  Gewicht  fallen;  und  es  ist  auch  unter 
den  Lesarten,  die  leb  nicht  in  den  Text  aufgenommen  habe,    man- 
ches sehr  zu  beherzigen.     484,  4   halte  ich   das  ja  von  a  für  dss 
richtige;   es  gibt  in  Verbindung  von  er  aus  J  das  Mittel  aar  Hei- 
lung dieser  übel  zugerichteten  Stelle. 

Herr  Zarncke  hat  sich  wirklich  in  eine  bedauerliche  Lage  ge- 
bracht Er  darf  in  keinem  Falle  zugeben,  dass  a  von  Nutaen  sei; 
denn  damit  würde  er  seiner  Ausgabe  das  Todesurtheil  sprechea 
Er  darf  die  angeführten  Beispiele  nicht  sehen ,  darum  hat  er  ä« 
auch  glücklieb  nicht  gesehen.  Aber  schon  die  von  ihm  seihst  aus- 
gewählten Beispiele  zwingen  ihn,  wenigstens  die  Möglichkeit,  daiS 
a  von  einer  Schwester  von  G  abstamme,  zuzugeben;  und  demiock 
behauptet  er,  dass  selbst  in  diesem  Falle,  den  er  übrigens  noch 
einmal  entschieden  leugnet,  a  durchaus  keine  Eücksicht  vefdlenfli- 
würde.  Man  hat  fast  Mitleiden  mit  dem  armen  Mann,  der  vtti 
einer  Art  von  Todesangst  gezwungen  ist ,  das  deutlichste  nicht  A 
sehen,  und  das  unmöglichste  zu  behaupten.    Nur  eine  Stelle i  f«i 


Dtj  Nibelmigeiilied,  t.  A.  Holtimtm.  725 

» 

der  er  glanbt,  da»  eie  unrichtig  angegeben  sei,  würde  fflr  ihn  wich- 
tig sein  für  das  VerhSltnise  Ton  a  zu  C:  es  ist  2012,2.  Wenn 
hier  die  Worte:  waz  die  recken,  wirklich  in  C  fehlen,  so  würde  a 
an  Werth  gewinnen.  Er  glaubt  aber,  trotz  meiner  wiederholten 
Versicherung,  dass  C  die  Worte  habe,  da  Lachmann  und  Hagen 
sie  geben.  Diese  ist  nun  erstens  nicht  gans  wahr.  Die  Worte:  wax 
die  recken,  die  in  a  stehen,  finden  sich  nicht  bei  Lachmann  und 
Hagen,  sondern  beide  geben  als  die  Lesart  von  C:  swax  die  Ezeln 
rechen.  Diese  Worte  stehen  aber,  wie  Ich  hiemit  zum  dritten  Mal 
Yersichere,  nicht  in  der  Handschrift;  mein  yerglichenes  Exemplar 
bestätigt  mit  ausdrücklichen  Worten  den  Druck  bei  Lassberg;  diese 
Worte  sind,  wie  schon  das  unrichtige  Swaz  vermuthen  Hess,  eine 
Ergänzung  von  Bodmer,  und  sowohl  Lachmann  als  Hagen  haben 
sie  nicht  aus  der  Handschrift,  die  sie  beide  nicht  kannten,  sondern 
ans  der  Ausgabe  von  Bodmer  von  1757.  Wird  mir  endlich  Herr 
Zamcke  glauben ,  oder  wird  er  femer  unbesorgt  auf  Lachmann's 
Angabe  vertrauen? 

In  der  Einleitung  meiner  Ausgabe  war  es  mir  nicht  darum  so 
thun,  den  Werth  und  Nutzen  von  a  zu  beweisen;  ich  dachte,  dass 
das  ganze  Buch  den  Beweis  liefere.  Nur  auf  einen  wichtigen  Punkt 
habe  ich  hingewiesen,  nSmiich  auf  den  grossen  Gewinn,  dass  der 
Wert,  auf  welchem  Siegfried  stirbt,  und  der  eine  Vorstellung  der 
Localität  unmöglich  machte,  durch  a  glücklich  beseitigt  ist  Herr 
Zarncke  nun  nimmt  wie  gewöhnlich  den  Mund  sehr  voll  und  ver- 
theldigt  ^rt.  Er  hat  zweierlei  Systeme  der  Vertheidigung.  Das 
erste  geht  davon  aus,  dass  Wert  nicht  bloss  eine  Flussinsel  bedeute, 
sondern  jede  feste  Erhöhung  zwischen  Niederungen ;  das  zweite  aber 
beruht  darauf,  dass  Siegfried  nachweislich  auf  einem  Wert,  einer 
Rheininsel,  ermordet  wurde.  Natürlich  müssen  wir  uns  mit  der 
cweiten,  überraschenden  Entdeckung,  allein  beschäftigen;  Herr 
Sarncke  will  damit  einem  verbreiteten  Irrthum,  nämlich  dass  Siegfried 
-em  vom  Rhein  am  oder  im  Gebirge  gestorben  sei,  begegnen. 
!>ie  Sache  ist  sehr  einfach :  Odenheim,  sagt  Herr  Zamdce,  liegt  auf 
ifnem  Wert,  „wie  man  schon  daraus  wissen  kann,  dass  bekanntlich 
br  Rhein  früher  westlich  von  Odenheim  lief,  gegenwärtig  aber  öst- 
keh  läuft. ^  Ein  Odenheim  am  Rhein?  Wir  hier  zu  Lande  kennen 
ieines.     Wo  hat  Herr  Zarncke  dieses  Odenheim  gefunden?    Er  hat 

t;h  dunkel  erinnert,  bei  Grimm  von  einem  Odenheim  gelesen,  und 
i   Dahl  ein  Ottincheim  gefunden  zu  haben.     Das  letzte  nun,   das 
f   mit  Odenheim   verwechselt,   ist  Edigheim   bei   Frankenthal,  und 
feses   Dorf  also   soll   das   Otenheim  des  Liedes  sein.     Es  verdient 
Bse  Entdeckung   keine  ernstliche  Widerlegung.     Richtig  ist,   dass 
les  Edigheim   früher  auf  einer  Insel   gelegen  haben   mag;   der 
[frhein   ist  noch  jetzt  zwischen   Frankenthal  und  Edigheim  nicht 
rtrocknet,   und   wenn   früher   der  Hauptstrom  des  Rheins  durch 
l^ses  alte   Bette  ging,  so  mochte  doch  schon  ein  kleinerer  Arm 
KU  jetzigen  Laufe  folgen«    Den  Wert  also  geben  wir  au.    Aber 


• 
C!(||gh^t  «It  Ottindieimi  konnte  nie  Otenheim  heüMBi  und  mr 
eine  gefiogstigte  Phantasie  kann  in  dieser  Gegend  sprndeinde  Qoel* 
lea  erblicken ;  nie  konnte  ein  vernünftiger  Mensch  tegen,  diesei  Mg- 
beim  liege  vor  dem  Odenwalde;  unmöglich  konnten  die  Borgoadni 
die  in  den  Bergen  jagten,   937,  4.  9i8,  3.  949,  3,   in  so  giosi« 
Entfernung  ihren  Subeplatz  haben.     Wie  sonderbar  wären  sie,  od 
ins  Gebirge  zu  kommen,  rheinaufwärts  geritten.     Der  B8r,  der  io 
die  Küche  gerathen  ist,  verursacht  so  grossen  Lärm,  dass  das  Ge- 
birge erdröhnt  969,  4.    Die  Küche  ist  also  an  oder  in  den  BergeiL 
Siegfried,  der  bei  Tafel  Durst  leidet,  heist  den  Tisch  rücken,  dein 
er  wolde  für  die  berge  %uo  dem  brunnen  gän  »79,  2,  und  dieser 
Brunnen  soll  auf  einer  Rheininsel  zu  finden  seini    Siegfried  roit 
ans  977,  4  do  solde  man  uns  näher  hän  gesideü  an  den  Rhtn,  nod 
er  sitzt  zu  Edigheim  am  Altrbeinl    Hat  Herr  Zarneke,  der  nück 
über  den   Zusammenhang   belehren    will,   alle  diese  SteUen  nicht 
gesehein?    Freilich   hat   er   sie   gesehen,   aber   er   darf   sie  nicht 
gesehen   haben,    denn  um   keinen   Preis  darf   eine    Lesart  von  i 
von   Werth   sein!     Es    ist   aber   nichts   desto    weniger    unbegreif- 
lich,    dass   Zarncke   in   den    krampfhaften    Anstrengungen,    seiae 
Ausgabe  zu  retten,   mit  so  zuversichtlichem  Ton  so  gänzlich  nich- 
tige,  wahrhaft  lächerliche  Belehrungen   ertheilen   will.     Kicht  ?e^ 
bergen  will  ich  noch,  dass  bei  dieser  Gelegenheit  wir  auch  erfali- 
ren,   dass  die  Gegend  von  Worms  bis  zum  Odenwald  aus  weiUft 
Niederungen»  aus  Wiesen   und  Sumpfgrund  besteht,   aus   welcbeo 
einzelne  grössere  und  kleinere  Werder  hervorragen,  welchem  man  aol- 
suchen  muss,  wenn  man  sich  nicht  ins  Nasse  setzen  will.    Vielleicht 
finden  wir  in  unsern  sumpfigen  Niederungen  doch  die  Mittel,  dea 
Herrn  Ztn^cke  —  aufs  Trockene  zu  setzen! 

Dass  also  die  Handschrift  a  von  Werth  ist,  und  dass  ihre  Lee- 
arten nicht  selten  aufgenommen  werden  müssen,  das  wird  troU 
der  Versicherung  des  Herrn  Zarncke  schwerlich  bezweifelt  werdea 
Wenn  Zarncke  die  Besserungen,  die  der  Text  aus  a  erhält,  zurüd- 
weist  und,  um  nicht  wegen  seiner  Ausgabe  den  Tadel  der  leicht- 
sinnigen Uebereilung  zu  verdienen,  zurückweisen  muss,  ao  ist  te 
seine  Sache;  seine  Ausgabe  wird  dadurch  nicht  besser. 

Ich  habe  mich  femer  bemUht,  die  Bruchstücke,  die  m  C  gt* 
hören,  so  weit  es  möglich  war,  selbst  zu  sehen.  Das  eine,  n^ 
R  (für  welchen  Buchataben  in  den  Lesarten  einigemal  S  stehen  ge- 
blieben ist)  habe  ich  selbst  erworben;  das  andre  £  habe  ich  nes 
verglichen;  doch  sind  sie  zu  kurz^  um  erheblichen  Gewinn  an  hd^ 
gen.  In  Bionn  war  ich  vergeblich;  die  Handschrift  b  ist  vorerat 
noch  unerreichbar.  Ebenso  konnte  ich  über  Feifalik's  Haodsduift 
keine  Auakunfit  erbalten. 

Für  die  Handschriften  der  Noth  musste  i^id  durfte  ich  mtck 
bei  den  gedruckten  Hülfsmitteln  beruhigen. 

Nachdem  ich  so  alles  mögliche  gethan  hatte,  um  in  don  vcffi- 
gen  Be^itfB  des  kritischen  Materials  zu  galwgeo,  «luaste  ich  wk 


Das  Nibelnngeiilied»  ▼.  A.  Holtunann.  727 

den  Sprachgebrauch  des  Lied's  durch  ein  vollständige^  W5rterbiidi 
äbersichtlich  machen,  um  für  zweifelhafte  Stellen  8iciere  Hülfe  aa 
finden.  Wie  ich  gearbeitet  habe,  zeigt  das  gedruclcte  Wörterbuch, 
das  zwar  manche  Verbesserung  und  Erweiterung  erhalten  kann, 
aber  schwerlich  einem  andern,  als  dem  Herrn  Zarncke  den  Eindruck 
macht,  dass  ich  mirs  bequem  gemacht  habe.  Richtig  bemerkt  hat 
übrigens  Z.,  dass  der  Artikel  rieme  ausgefallen  ist  Ich  hatte  zu 
1609,  4  einige  Parallelstellen  angemerkt,  von  denen  eine  hier  stebao 
möge,  da  sie  vielleicht  zu  Benecke*s  Wörterbuch  für  Herrn  Zarndce 
brauchbar  ist.    Wolfdieterich  cod  pal.  373  fol  55: 

do  für  wolfdieterich  wider  über  des  mores  stran 
in  dem  griffen  schiffe  daz  er  an  dem  staden  hete  gelan. 
Er  zoch  selber  die  rijemen  der  uszerwelde  man 
bisz  daz  er  zu  der  alten  troye  wider  ze  lande  kam. 
Durch  diese  Vorarbeiten  glaubte  ich  mich  hinlänglich  befähigt| 
einen  Text  zu  geben,  der  einiges  Vertrauen  verdiente.  Herr  Zarncke 
kann  mein  Verfahren  nicht  loben;  er  findet,  dass  ich  mir  Zeit 
und  Mühe  zu  einer  planmässigen  Erwägung  der  Einzelheiten  nicht 
genommen  habe.  Es  ist  bei  einem  so  mühsamen  langwierigen  Ge- 
schäft gewiss  verzeihlich,  wenn  einiges  zu  bessern  und  nachzuholeii 
bleibt;  ich  bin  weit  entfernt,  meine  Arbeit  für  eine  vollkommene 
zu  handeln;  aber  es  gereicht  mir  doch  zur  Befriedigung,  dass  unter 
der  veihäitnissmässig  sehr  kleinen  Zahl  von  Ausstellungei^ ,  die 
Zarncke  zur  Begründung  seines  Urtheils  vorbringt,  auch  nicht  eine 
einzige  ist,  die  mich  zu  einer  Aenderung  veranlassen  kann.  43,  4 
tadelt  er  workte,  die  Stolle  gehört  zu  den  schwierigsten,  und  ich 
weiss  wohl,  dass  mein  vorhte  mit  meiner  Interpunction  nicht  ohne 
Bedenken  ist.  Aber  die  Lesart  worhte  mit  dem  Punkt  am  Ende 
gibt  einen  höchst  erbärmlichen  Sinn,  der  nicht  einmal  grammatisch 
gerechtfertigt  '  werden  kann ,  wie  ich  unter  vürhten  gezeigt  habe  j 
ich  habe  worhte  nach  langer,  wiederholter  Ueberlegung  in  den  Text 
aufgenommen,  und  der  Widerspruch  Zarncke's  und  seine  ganz  un- 
gehörige Farallelstelle  können  mich  nicht  irre  machen.  Es  ist  aber 
unmöglich,  in  einer  Ausgabe  ohne  ausführlichen  Commentar  den 
Text  zu  rechtfertigen.  1034,  2  tadelt  Zarncke  wänden:  er  will 
wände;  aber  in  C  ist  wie  häufig  nur  das  n  weggeblieben,  und  su" 
meltehe  ist  nicht  auf  die  Frauen,  sondern  auf  die  Männer  zu  be- 
ziehen. Warum  habe^  fragt  Zarecke,  zu  1004;  er  hat  zu  tfüchtig 
gelesen,  um  zu  bemerken,  dass  ich  nicht  stne  aus  N  genommen, 
sondern  atner  aus  Ca  beibehalten  habe,  getarte  1558^  4  findet  er 
abentheuerlich.  Aber  volche  steht  im  Dativ  wirklich  im  Codex  j 
lind  getarn  mit  dem  Dativ  ist  ein  gutes,  wenn  schon  seltenea  Wort. 
Es  ist  ein  häufiger,  aber  sehr  unerlaubter  Fehler  der  Herausgeber, 
dass  sie  seltene  Wörter  durch  Emendation  entfernen,  mende  mit 
Diphthong  erlaube  ich  mir  nach  der  Handschrift;  es  ist  aber  eini- 
gemal vitende  also  dreisilbig  stehen  geblieben,  wo  entweder  vtnde 
oder  t^i^nde  stehen  musfl. 


738  Du  NibeluBirenlied,  t.  k,  Holtsmami. 

Zameke  ist  ferner  imsafriedeD,  daM  ich  die  yerkehrte  herge- 
brachte iDterpunction  in  923  beibehalte.  Die  Sache  rerdient  one 
Icorce  Beleaditang.    Die  Strophe  lautet: 

dd  die  vil  angetriawen  üf  geleiten  einen  tdt, 
si  wistenz  algemeine;  Gtselher  unt  6§rndt 
weiden  niht  jagen  rtten;  ine  weis  durch  weihen  ntt, 
das  si  in  niht  en  warnden:  idoch  erameten  eis  stu 
Das  yerstehen  wir  so:  Alle,  also  auch  Giselher  und  (remot, 
wussten  um  den  Mord- Anschlag;  die  beiden  genannten,  die  ihn  nicht 
billigten,  enthielten  sich  der  Jagd.  Aber,  meint  der  Dichter,  das 
war  nicht  genug;  sie  hStten  Siegfried  auch  warnen  sollen;  und 
weil  sie  das  nicht  thaten,  war  ihr  Tod  bei  den  Hunnen  nicht  nn- 
yerdient.  Herr  Zarncice  findet  diese  Auffassung  verwerflich ;  sie  ver- 
wickle, meint  er,  in  Widerspruche,  da  doch  Giselher  und  Gemot 
sich  nachher  auf  ihre  Unschuld  berufen.  Er  set&t  also  nach  al  ge- 
mäne  nur  ein  Comma  und  nach  rtten  einen  Punkt  Nur  Günther 
und  Hagen  wussten  von  dem  Mordplan;  Giselher  und  Gernot  wiir- 
den  Siegfried  geschützt  haben:  daher  wurde  die  Jagd  auf  dne  Zeit 
festgesetzt,  in  welcher  die  jungem  Bruder  des  Königs  yerhiadert 
waren.  Nach  dieser  Auslegung  bezieht  sich  al  gemeine  nur  auf 
Günther  und  Hagen,  und  damit  ist  schon  hinlänglich  das  Unstatt* 
hafte  derselben  dargethan.  Was  aber  soll  denn  nun  der  Schluas  der 
Strophe  bedeuten?  Diejenigen,  welche  nicht  warnten,  können  nun 
nicht  Giselher  und  Gernot  sein,  die  ja  von  Nichts  wussten ;  es  sind 
also  Günther  und  Hagen.  Kann  man  sich  aber  etwas  Einflltigeres 
denken,  als  was  hier  Zarncke  den  Dichter  sagen  lässt,  die  Mordtt 
hätten  ihr  Opfer  nicht  einmal  gewarnt?  Auch  hat  Zarncke  die 
Strophe  890  übersehen,  in  welcher  deutlich  gesagt  ist,  dass  Gün- 
ther nicht  bloss  mit  Hagen,  sondern  mit  stneri  friunden  den  Mord- 
plan verhandelte.  Ich  hatte  also  meine  guten  Gründe,  die  neae 
Interpunction  nicht  anzunehmen.  Dagegen  will  ich  auf  Strophe  1271 
aufmerksam  machen,  welche  bloss  durch  Aenderung  der  hergebrach- 
ten Interpunction  einen  ganz  andern  Sinn  erhalten  hat.  Die  Ver- 
wandten dringen  in  Grimhilde,  sie  solle  Etzers  Werbung  annehmen; 
"Sie  kann  sich  aber  nicht  entschliessen : 

dd  bat  si  got  den  riehen  füegen  ir  den  r&t, 
daz  si  ze  gebene  hSte  golt  silber  unde  wät 
sam  bt  ir  Srsten  manne,  dS  der  noch  was  gesunt: 
si  gelebte  doch  nimmer  m€re  stt  sd  vroeltche  stunt. 
Sie  wird  also   von  sehnlichem  Verlangen   ergriffen,   wieder  so 
reich  zu  werden,  wie  sie  früher  war,  und  bittet  Gott,  ihr  dazu  za 
verhelfen.    Nun  da  durfte  sie  nur  Ja  sagen;   Gott  hatte  ihr  Grebet 
schon  erhört.    Aber  im  Gegentheil,  sie  will  durchaus  nicht  und  bm^ 
gleich  darauf:   gaeb   er  mir   elUu  rtche,   so  ist  ez  immer  ungetm. 
Das  ist  unbegreiflich;  zudem  weiss  man  bei  dieser  Auffassung  nichlt 
mit  der  vierten  Zeile  anzufangen,   die  eine  ganz  müssige  Betrach- 
tung des  Dichters  enthalten  müsste.    Ich  habe  nun  nach  der  ersten 


Daf  NibeluBgenlitd,  y.  A.  HoUsmann.  7^9 

Zettd  Stark  interpnngiert,  und  nach  der 'dritten  schwach.  Jetst  ist 
der  Sinn  ein  ganz  anderer.  Auf  die  dringenden  Vorstellangen  ihres 
Bruders  und  ihrer  Mutter  antwortet  sie,  sie  stelle  die  Sache  Gott 
anheim,  das  heist,  sie  folge  ihrem  Bath  nicht.  Denn  wenn  schon 
sie  als  EtzeVs  Gemahlin  wieder  so  reich  würde,  wie  früher  bei 
Siegfried,  so  würde  sie  doch  nie  mehr  so  glücklich  werden.  In 
diesem  Beschloss  bestärkt  sie  sich  durch  den  Gedanken,  dass  Etzel 
ein  Heide  sei;  wenn  er  ihr  auch  alle  Reiche  gäbe,  sie  würde  doch 
nie  Peine  Gemahlin.  Bei  diesem  Beschluss  verharrt  sie  trotz  aller 
Vorstellnngen,  bis  Rüdeger  heimlich  mit  ihr  spricht,  und  ihr  schwört, 
ihr  Leid  zo  rächen.  Da  erst  erwacht  ihr  der  Gedanke,  dass  diese 
Vwmählang  ihr  zur  Rache  Tcrhelfen  werde,  und  es  ist  ihr  nun 
gleichgültig,  was  die  Leute  reden  mögen;  sie  entschliesst  sich. 
Weit  entfernt  also,  Grimhilde  als  habsüchtig  zu  schildern,  hebt  der 
Dicbter  im  Gegentheil  aufs  nachdrücklichste  hervor,  dass  der  Reich- 
thum  Etzel's  keinen  Eindruck  gemacht  habe,  und  dass  es  nur  der 
Gedanke  an  die  Rache  war,  der  sie  bewog  Etzel's  Gemahlin  zu 
werden.  Ich  hoffe,  dass  meine  neue  Interpunction  auf  Zustimmung 
rechnen  darf. 

Wenn  ein  Mann,  der  seine  Absicht,  meine  Ausgabe  schlecht 
zu  finden,  zum  voraus  gezeigt  hat,  seinen  Tadel  so  wenig  begründen 
kann,  so  darf  ich  meine  Arbelt  wohl  für  gelungen  halten.  Doch 
weiss  ich  selbst  am  besten,  wie  weit  ich  noch  vom  Ziele  entfernt 
bin.  Ich  benutze  die  Gelegenheit,  um  einen  von  Z.  nicht  bemerk- 
ten Fehler  zu  verbessern;  728,  3  ist  entweder  degenes  zu  lesen, 
oder  nach  C  herzustellen,  er  was  ein  degen  guot, 

Dass  meine  Noten  nicht  zuverlässig  seien,  zeigt  Herr  Zarncke 
an  einem  einzigen  Beispiel,  ertwelte  468,  4  ist  ein  Druckfehler 
für  eriwelten.  Was  soll  man  dazu  sagen,  wenn  ein  Kritiker  eine 
höchst  mühsame,  sorgfältige  Arbeit,  die  viele  tausende  von  Lesarten 
umfasst^  wegen  eines  einzigen  Druckfehlers  zu  verdächtigen  wagt? 

Ein  ausführliches  und  ausgeführtes  Verzeichniss  der  Eigenna- 
men wird  für  Untersuchungen  über  die  Sage,  wie  ich  hoffe,  er« 
wünscht  und  brauchbar  sein. 

In  der  Einleitung  wird  über  die  Handschriften,  über  ihre  Be- 
nützung und  über  das  Verfahren  bei  Herstellung  des  Textes  Re- 
chenschaft gegeben ;  mehr  habe  ich  nirgends  versprochen.  Dass  sie 
flüchtig  geschrieben  sei,  wie  Herr  Zarncke  behauptet,  muss  Ich  ent- 
schieden in  Abrede  stellen.  Mit  Recht  jedoch  rügt  er  den  Satz 
S.  IX,  2,  er  muss  gestrichen  werden.  Ebenda  Z.  9  ist  zu  ändern: 
igt  nicht  ohne  Wichtigkeitj  sie  folgt  dem  Text  N  mit  einiger  Hin- 
neigung zu  C.  Dass  Ladimann  seine  metrischen  Regeln  nur  aus 
der  NibelungeuDoth  ahstrahirt  habe,  habe  ich  nirgends  gesagt,  son- 
dern nur,  dass  die  Noth  grossentheils  die  Grundlage  der  Lach- 
mann'schen  Metrik  war,  und  das  sage  ich  noch. 

Ich  habe  für  nöthig  erachtet,  der  Beschuldigung  gegenüber 
meine  Arbeit  zu  rechtfertigen;  ich  hoffe,  dass  die  Faofagenossen  be- 


TSO  Sehlottmaiiii:    1.  v.  HaiuB«r. 

friedig  sein  werden.  Wenn  aber  Herr  Zarncke  sich  nicht  enffiB- 
det,  die  grosse  Mühe,  die  ihn  seine  Ausgabe  gekostet  hat,  meiner 
angeUichen  Bequemlichkeit  entgegenzuhalten,  so  darf  ich  das  Urtheii 
andern  Überlassen,  und  begnüge  mich,  einen  Unglimpf,  dessen  un- 
edle MotiFe  nicht  einmal  verhüllt  werden,  entschieden  Eurücksuweiseo. 

it.  Hell 


Joseph  van  Hammer ^PurgstalL  Ein  kriUeeher  Beitrag  sur  Ge- 
schichte neuerer  deutscher  Wissenschaft  von  Prof,  Konstan- 
tin Schlottmann.  Aus  der  Monatsschriß  des  Zuritt 
wissenschaftlichen  Vereins  besonders  abgedruckt.  Zürich  1857, 
73  S.  in  8. 

Der  Verf.  ist  durch  mehrere  Artikel,  welche  die  Augsb.  allgen. 
Zeitung  nach  dem  Tode  des  H.  t.  Hammer  über  diesen  Orienuli- 
sten  brachte,  veranlasst  worden  vorliegende  Schrift  zu  Tag  zu  fSr- 
dem.  „Dass  man  die  Verdienste  eines  Verstorbenen  preise'  sa^t 
er  „ist  alte  gute  Sitte.  Wenn  aber  das  Lob  vor  der  ganzen  wei- 
ten Welt  einerseits  in  maaslos  übertriebener  Weise  ausgesprochea 
wird,  andrerseits  (was  wir  dem  Aufsatze  Fallmerayers  vorwerfei 
müssen)  mit  Bitterkeit  auch  gegen  berechtigte  und  achtungswertbe 
Tadler,  so  fordert  die  Gerechtigkeit  dem  entgegenzutreten.^  Der 
Verf.  verkennt  zwar  keineswe|!:s  die  Verdienste  des  H.  v.  H.  on 
die  orientalische  Wissenschaft  in  Europa,  er  bewundert  seine  geistige 
Arbeitskraft,  spricht  ihm  eine  geniale  Begabung  und  geistvolle  Blicke 
in  den  Gang  der  politischen,  literarischen  und  besorders  poetischai 
Entwicklung  der  islamitischen  Völker  zu.  Er  weiss  ferner  die  Idr- 
dernde  Anregung  au  schätzen,  weiche  der  Verstorbene  der  Beschiß 
tigang  mit  dem  mohammedanischen  Orient  gegeben  hat.  Alle  diese 
und  andere  Eigenschaften  genügen  aber,  nach  seinem  Dafürbaltes 
nicht,  wie  es  geschehen,  ihn  als  Koryphäen  der  Wissenschaft  einem 
Alexander  von  Humbold  an  die  Seite  zu  setzen.  Denn  konnte  nuu 
ihn  auch  in  Bezug  auf  seine  unermüdliche  Arbeltskraft  und  seinen 
Btaanenswerthen  Unternehmungsgeist  mit  einem  orientalischen  & 
oberer  vergleichen,  so  blieben  doch  seine  Schöpfungen  höchst  mso- 
gelhaft  Denn  gerade  weil  er  sich ,  statt  auf  wenige  Punkte  m 
coscentriren,  allzusehr  zersplitterte,  fehlt  seinen  Werken  jene  TMe 
und  Vollendung,  welche  wesentliche  Elemente  wirklicher  Meister- 
werke sind.  Darum  haben  dessen  historische  Arbeiten  einen  melr 
oompilatoriscben  als  kritisch  pragmatischen  Wertb,  und  darum  selea 
seine  Uebersetsungen ,  besonders  die  der  Poesien,  so  häufig  unge- 
nau^ und  darum  hafte  überhaupt  an  allen  seinen  Werken  der  Hackel 
der  Oberflächlichkeit  und  Flüchtigkeit.  Um  dieses  Urtheii  zn  be- 
gründen, wendet  sich  der  Verf.  zuerst  zu  dessen,  von  Fallmerayer 
ganz  besondf)»  als  ^gediegen  und  gewissenhaft^  gepriesen»  SbWft 


ScU^ttnaMi:    J.  ▼.  Bunmor.  TSt 


nKAoataatiDopel  udcI  der  Boaporos^  und  weist  dareh  mehrere  Bet* 
a|MeJe  nach,  daes  H.  v.  Q.  in  seiueo  Aogaben  selbst  da  unzuver« 
Itaig  ist,  wo  ihm  aus  eigner  Anschauung  und  Beobaehtnng  das 
Sichtige  bekannt  sein  mnsste.  Ausserdem  deckt  er  auch  in  diesem 
Werke  manche  ungetreue  Uebersetsungen  yon  Inschriften  und  ein- 
gestreuten  Versen  auf,  was  ihm  Veranlassung  gibt,  überhaupt  von 
der  Leichtfertigkeit  su  reden,  mit  welcher  „der  Nestor  der  Orienta- 
listen^ morgenlfindische  Autoren  ins  Deutsdie  übertragen  hat  und 
die  80  weit  gehe,  dass  selbst  bei  mtaigen  Schwierigkeiten,  die  er 
leicht  su  lösen  im  Stande  gewesen  wäre,  er  sich  lieber  mit  dem 
ersten  besten  „ä  peu  pr^s^  begnügte;  daher  auch  yon  seinen  gros- 
sem Werken  über  die  arabische,  persische  und  türkische  Literatur, 
iMir  einzelne  geistvolle  Ueberblicke  und  die  aus  seltenen  Handschrif- 
ten zusammengetragenen  biographischen  Notizen  für  die  Wissen- 
schaft brauchbar  seien,  während  die  in  allzu  grosser  Masse  mitge* 
theilten  PoesieD,  wegen  ihrer  Ungenauigkeit  weder  dem  Literatur- 
freund  noch  dem  Orientalisten  yon  Nutzen  sein  können. 

Obgleich  der  Verf.  in  Bezug  auf  die  philologische  Schwäche 
der  y.  Hammer'schen  Uebertragungen  sich  nicht  nur  auf  deutsche, 
sondern  auch  auf  berühmte  ausländische  Orientalisten  beruft,  so  hält 
er  es  doch  ^»um  den  Einfluss,  welchen  dessen  Panegyriker  in  wei- 
teren Kreisen  ausüben,  zu  paralysiren^  nicht  für  überflüssig,  dieselbe 
dareh  einige  concreto  Züge  nochmals  anschaulich  zu  machen.  Er 
beginnt  mit  der  türkischen  Literatur,  weil  Fallmerayer  behat^tety 
auf  diesem  Gebiete  sei  die  Gediegenheit  und  Gewissenhaftigkeit  sei- 
ner Ldstungen,  mit  Ausnahme  der  deutsch-russischen  Akademiker 
▼en  St.  Petersburg,  nur  wenig  oder  gar  nicht  angefochten  worden. 
Sowohl  in  der  Uebersetznng  Baki's  als  des  Humajun-Nameh 
werden  schwere  Fehler  nachgewiesen,  die  zum  Theil  schon  früher 
▼on  Diez  gerügt  worden  sind.  Hierauf  geht  er  zum  Hafiz  über, 
wobei  gelegentlich  gezeigt  wird,  dass  Fallmerayer  den  in  der  allg. 
Zeit,  angeführten  Vers  gar  nicht  aus  dem  Diyan  cidrt,  wo  er  ganz 
suiders  lautet,  und  dass  seine  Verbesserung  sowohl  grammatikalische 
als  lexikalische  Fehler  enthält.  Auch  hier  werden  manche  Mängel 
gerügt,  jedoch  anerkannt,  dass  diese  Arbeit  zu  den  Bessern  des 
Verstorbenen  (gehört,  weil  er  ihr  mehr  Zeit  und  Sorgfalt  widmete 
und  an  dem  trefflichen  Gommentare  Sudi's  einen  zuverlässigen  Füh- 
rer hatte.  Der  Verf.  wendet  sich  dann  zu  den  Leistungen  des  BL 
▼.  H.  auf  dem  arabischen  Sprachgebiete,  weil  auch  jetzt  noch,  ob^- 
gleich  H.  y.  H.  auf  diesem  Felde  so  manche  Niederlage  erlitten, 
H.  Fallmerayer  das  deutsche  Publikum  glauben  lassen  wUl,  es  handle 
sich  hei  der  Polemik  gegen  den  berühmten  Mann  nur  um  pedanti* 
sehe  Erbärmlichkeiten.  Er  führt  zuerst  einige  unrichtig  übersetzte 
Stellen  im  „Oemäldesaal^  an  und  geht  zu  den  „goldnen  Halsbän- 
dem  Samaehschari's  über^  indem  er  die  ganze  Polemik,  welche  diese 
Schrift  erzeugte,  yon  der  ersten  Recenaion  in  der  Jen.  Literatur- 
seltong,  bis  zur  Erwiederung  des  H.  y.  BL  in  den  Wiener  Jahsbü* 


733  SehlotHntnii:    J.  t.  Hamnmr. 

ehern,  im  extenso  mittheilt  Hier  wird  ron  ihm  nachgewiesen,  im 
H.  V.  H.  wegen  gans  Ferkehrter,  sinnentstellender  Dehertragmifi 
nicht  wegen  Schreibfehler  und  dergleichen  sich  so  herbe  Rüge  n- 
gesogen  hat,  dann  aber  auch,  dass  er  die  von  Falimerayer  aa  ihn 
gepriesene  „Urbanität  im  Ausdruck  und  weises  Maass  in  der  Ge- 
genwehr^ keineswegs  überall  betbätigte.  Da  eine  solche  FlttdiCi^ 
keit  bei  der  Uebersetzung  aus  den  drei  Hauptsprachen  des  Xslani 
nothwendig  auch  manche  seltsame  Schnitzer  in  den  ans  Orientale 
sehen  Quellen  compilirten  historischen  Werken  zur  Folge  habei 
musste,  so  glaubt  der  Verf.,  dass  auch  diese  in  ihren  Einzelnbeitel 
kein  unbedingtes  Vertrauen  beanspruchen  können;  diess  sef  frfiher 
sogar  Ton  Falimerayer  nicht  unerwähnt  gelassen  worden ,  {ndem  er 
sagt,  dass  v.  H.,  ^wie  der  Sultan  Sindjar  in  seinen  Regieruogif«- 
schälten ,  das  Detail  vernachlässigte ,  dass  er  mehr  in  die  Tiefe  tli 
in  die  Weite  hätte  arbeiten  und  mehr  Sorgfalt  auf  das  Schnitz-  ofii 
Schnörkelwerk  und  auf  die  Arabesken  seiner  literarischen  Fracbt« 
bauten  verwenden  sollen,  femer,  dass  er,  von  seinem  brennendeB 
Thatendrang  und  ungeduldig  tobenden  ingenium  getrieben,  Blfitsea 
gibt,  die  man  an  diesem  Manne  mit  Erstaunen  bemerkt^  Indessea 
kann  der  Verf.  mit  diesen  Zugeständnissen  sich  nicht  zufriedeo  stel* 
len,  nach  seiner  Ansicht  geht  den  historischen  Werken  v.  Hammer's 
nicht  nur  Zuverlässigkeit,  wissenschaftliche  Gründlichkeit  nnd  eise 
sorgfältigere  Cultur  der  Form  ab,  sondern  auch  eine  genOgeode 
Verarbeitung  des  gesammelten  Stoffes,  und  eine  umsichtige  Kritik, 
wenn  er  auch  nicht  läugnet,  dass  wir  häufig  ehizeinen  Spuren  elo« 
hervorragenden  Geistes,  einzelnen  charakteristischen,  scharfsinniges 
und  geistvollen  Zügen  begegnen.  Hiezu  kommt  noch,  wobei  der 
Verf.  sich  auf  das  Urtheil  Frähn's  und  Schmidt*s  beruft,  die  öftere 
Anhäufung  eines  der  Aufgabe  fremden  Stoffes,  ein  Fehler,  der  auch 
in  der  mit  mehr  Fleisj«  verfassten  Osmanischen  Geschichte,  den  Ge- 
brauch derselben  erschwere.  Der  Verf.  glaubt  das  Mangelhafte  ta 
den  literarischen  Produkten,  bei  einem  Fleisse  nnd  einem  Geiste  wie 
die  des  v.  H.,  lasse  sich  nicht  genügend  aus  dessen  fieberhaftem 
Drange  der  Tbätigkeit  erklären,  sondern  mehr  noch  aus  seiner  eis* 
seitigen  Jugendbildung,  indem  die  orientalische  Akademie  zu  WieOf 
welcher  er  seinen  ersten  Unterricht  in  den  morgenländischen  Spra- 
chen verdankte,  damals  mehr  den  praktischen  Zweck  der  Aosbll- 
dang  von  Dollmetschem,  als  die  grammatikalische  Gründlichkeit  ioi 
Auge  fasste.  Hier  erlangte  er  bald  eine  grosse  Zungenfertigkeit 
und  Belesenheit,  begnügte  sich  aber  häufig  mit  dem  halben  oder 
eingebildeten  Sinne  seines  nicht  gründlich  analysirten  Autors.  Dais 
kam  noch,  fährt  der  Verf.  fort,  dass  die  Früchte  seines  Geistes  ood 
seiner  immensen  Belesenheit  ilim  bald  Erfolge  verschafften ,  die  ilni 
blendeten  und  Ihm  zu  frühzeitig  eine  gewisse  Selbstgenügsamkeit 
gaben  und  die  Lobeserhebungen  seiner  Freunde  und  Landesgeooi- 
sen,  so  wie  ihre  leidenschaftliche  Abwehr  gerechter  Angriffe}  be* 
stärkten  ihn  in  sefaier  Selbsttäuschung.    Das  sei  anch  der  Grund 


Schlottmann:    J.  t.  Hamner.  733 

warum  er  der  Belehrung  über  seine  Ungründlichkeit  unsng&nglich 
geblieben  und  er  seinen  Ruhm  mehr  in  der  Masse  als  in  der  Vol- 
lendung seiner  Leistungen  gesucht.  Auch  von  einer  gewissen  Eitel- 
keit kann  der  Verf.  den  Verstorbenen  nicht  freisprechen.  Als  eine 
selche  betrachtet  er  die  in  seiner  Qrabschrift  zur  Schau  getragene 
Sehreibfertigkeit  in  ölf  Sprachen  und  seine  in  den  Fundgruben  mit- 
gethelJften  polyglottischen  Ezercitlen,  bald  in  dieser  bald  in  jener 
Sprache,  ferner  das  Aufzählen  der  Geldopfer,  welche  er  der  Wissen- 
schaft gebracht  und  deren  urkundliche  Belege  er  sogar  in  die  Hand 
eines  Freundes  niedergelegt.  Diese  reisbare  Eitelkeit  gilt  dem  Verf. 
auch  als  Schlassel  sur  Erklärung  des  unedlen  Verfahrens  zU  dem 
er  sich  in  seiner  Polemik  gegen  achtungswerthe  Orientalisten  hin- 
reieaen  Hess.  Ausführlich  werden  als  Belege  hiezu,  wie  früher  die 
Samachscharifehde,  nun  auch  die  Diezischen  Streitigkeiten  nochmals 
vorgeführt. 

Wir  sind  bisher  dem  Verf.,  der  in  keinerlei  Beziehung,  weder 
persönliche  noch  literarische  zu  H.  v.  H.  gestanden,  und  sich  darum 
um  so  eher  für  berufen  hielt,  den  lobpreisenden  Stimmen  auch  das 
Urtfaeil  der  strengen  Wissenschaft  gegenüberstellen  zu  müssen,  treu- 
lich gefolgt  und  haben  sowohl  die  Schatten-  als  die  Lichtseiten  die 
ej  an  dem  Verstorbenen  an  den  Tag  fördert,  nach  bestem  Wissen, 
so  weit  es  in  einer  Recension  geschehen  kann,  ihrem  Wesen  nach 
wiedergegeben.  Wenn  er  aber  als  Unbetheiligter  dem  Lob  wie 
dem  Tadel  fern  Stehender,  sich  für  besonders  berufen  glaubt,  ein 
unpartheiisches  Urtheil  zu  fällen,  so  glaubt  Ref.,  der  mit  dem  Ver- 
storbenen in  vielfache,  sowohl  freundliche  als  feindliche  Berührung 
gekommen  und  der  in  vorliegender  Schrift  von  dem  Verf.  nur  zu 
hoch  gestellt  worden  ist,  dass  es  auch  ihm  zusteht  seine  Ansicht 
über  dieselbe  unverhohlen  auszusprechen.  Er  darf  um  so  eher  von 
Seiten  des  Verl.'s  voraussetzen,  dass  er  ihn  für  competent  hält  sie 
SU  beurtheilen,  als  sie,  wahrscheinlich  nicht  ohne  sein  Wissen,  der 
Redaktion  dieser  Blätter  zur  Anzeige  geschickt  wurde  und  er  doch 
der  gewöhnliche  Recensent  von  Werken  ist,  weiche  in  das  Gebiet 
der  islamitisch-orientalischen  Philologie  gehören.  Ueber  die  Mängel 
ao  denen  die  literarischen  Produkte  des  H.  v.  H.  leiden,  kann  un« 
ter  Sachverständigen  kein  Zweifel  mehr  obwalten.  Ref.  selbst  hat 
wiederholt  darauf  aufmerksam  gemacht,  theils  in  seinen  Werken, 
welche  denselben  Sto£f  behandelten,  theils  in  abgedrungenen  Recen- 
siouen  und  Vorreden.  Nimmt  er  aber  auch  weder  ein  allgemeines 
Urtheü  noch  eine  einzelne  thatsächliche  Rüge  zurück,  so  hat  er  doch 
selbst  längst  bedauert,  dass  er  in  seiner  Kritik  nicht  die  mildere 
Form  gewählt,  die  er  sich  später,  bei  gleich  streng  wissenschaftli- 
chem Urtheil,  über  neuere  Arbeiten  des  H.  v.  H.,  wie  dessen  ara* 
biache  Literaturgescliichte ,  die  Ta^jeh  und  Wassaf,  angeeignet  liat 
Re£  kann  indessen  sein  früheres  Verfahren  damit  entschuldigen,  dass 
er  damals  auch  die  grossen  Verdienste  des  H.  v.  H.  nm  die  mor^ 
genUndische  Wissenschaft  noch  nicht  in  ihrem   ganzen  Umfange 


m  SeUotlAlaiiii:    J.  ▼.  IbttiMr. 

kiiOBle,  uBd  daas  der  Zufall  wollte,  daes  gerade  so  jener  Zeit  ii 
goldüeD  Halsbftnder  SamacbBcbarrs  ertebienen,  offenbar  das  aehiedi- 
teste  Produkt  das  aus  der  Feder  dee  grosaen  Maones  berrocgapn* 
gen«  Da  konnte  er,  in  seinem  ersten  Jugendeifer,  es  für  seine  PflidU 
kalten,  ganz  rücksichtlos  gegen  einen  Mann  aufzutreten,  der  €■! 
allgemein  als  nnfeblbarer  Meister  galt  und  doeh  ein  so  scbilerbtitei 
Werk  zu  Tage  gefördert  Da  aber  inzwischen  auch  Flefaeher^  HiHif, 
>  Ewald,  FrShn,  Schmidt,  de  Sacy  und  Andere  sieb  siemlich  übsreio- 
stimmend  in  den  verbreitetsten  Zeitschriften  über  die  Mingel,  wekfce 
an  den  Werken  des  H.  v.  H.  haften,  ausgesprochen  haben,  so  ]am 
es  wahrlich  dem  H.  Fallmeraier,  der,  wenn  er  sich  anch  das  Schiedi* 
riohterarot  über  andre  Orientalisten  anmesst,  doch  ala  OrientsÜtf 
noch  gar  nichts  geleistet  hat,  einem  Manne  der  in  seinem  UrAdI 
über  H.  t.  H.  sich  selbst  schon  häufig  widersprochen  bat  und  der 
überhaupt,  so  hoch  auch  seine  Gelehrsamkeit  geschätzt  wird,  doeh 
als  Kritiker  und  Recensent  schon  längst  viel  Credit  eingebüsst  hit, 
▼iel  zu  viel  Ehre  erweisen,  wenn  man  es  für  nöthig  hielt,  sasa 
übertriebenen  Lobrede  willen,  eine  so  umfangreiche  Schrift  zo  nt- 
fiMsea,  die  doch  auch  wieder  ihre  bedenklichen  Seiten  hat.  Wir 
nennen  Fallmerayer's  Aufsätze  als  Veranlassung  zu  dieser  Sckrift, 
obgleich  der  Verf.  im  Eingang  derselben  auch  Umbreit  enrihst 
Doch  sagt  er  selbst  später  (S.  64)  ^Umbreit  zwar  hätte  man  sdM 
Lobsprüche,  als  Ausdruck  des  Schmerzes  über  den  frischen  Vertaü 
eines  verehrten  Freundes ,  gern  zu  Gute  gehalten,  nachdem  ab« 
Failmerayer  .•«.  seinen  eben  so  unbedachten  als  bombaatiaciien  Pao^ 
gyrieus  hinzugefügt  bat,  scheint  es,  dass  man  nicht  länger  von  Sit- 
ten der  Wissenschaft  die  Berichtigung  eines  so  masslosen  Lobn 
schweigend  der  Zeit  überlassen  dürfe.^  Umbreit  bedarf  übrigsü 
nach  unserm  Dafürhalten  einer  solchen  Entschuldigung  gar  niditi 
denn  er  hat  sich  ausdrücklich  in  seinem  Aufsatze  dagegen  verwslirt 
H.  V.  H.  als  Gelehrten  beurthellen  zu  wollen.  Umbreit  glaubt  dies 
müsse  der  Zukunft  überlassen  werden,  und  machte  es  sich  nor  zur  Auf* 
gäbe  von  seinem  verstorbenen  Freunde  ein  treues  Lebens^  und  Qsfr 
raktei'gemälde  zu  entwerfen,  wie  es  sich  bei  der  Kunde  vom  Tode 
eines  ausserordentlich  thätigen,  geistvollen  und  charakterfesten  6e- 
lehrten,  auch  abgesehen  von  seinem  Orientalismus,  wohl  gesiemta 
Auch  finden  wir,  bei  nochmaligem  Durchlesen  des  Umbreit'sclMS 
Nekrologs,  nichts  in  Bezug  auf  Hammer's  Gelehrsamkeit,  was  wir 
nicht  selbst  mit  unterzeichnen  könnten.  Er  spricht  ja,  vielleicht  nü 
Vorbedacht,  nur  von  seiner  rastlosen  Thätigkeit,  von  seinem  glfibsn- 
den  Etler  für  die  Wissenschaft  und  von  der  erstaunliehen  M«M 
sefaier  literarischen  Schöpfungen,  pretot  aber  nicht  die  VollkommeiiM 
dieser  Schöpfungen,  noch  wirft  er  einen  Tadel  auf  die  llterarisdHi 
Gegner  seines  verstorbenen  Freundes«  Wenn  er  ihn  einen  hechberfthai- 
ten  Gelehrten  nennt,  was  er  ja  auch  sicherlich  war,  so  hat  er  nicht  ü^ 
die  vielen  gekrönten  Häupter  hinter  sich,  die  ihn  mit  den  h(M«W 
Orden  scfarnttckten,  sendem  anch  die  bedeutendsten  Akademien  mif^ 


Schlottnaiiii:    J.  v.  Hammer«  73S 

lehrten  Gesellschaften  Europas,  die  ihn  zu  ihrem  Mitgliede  wählten. 
Ob  der  Verstorbene  mehr  oder  weniger  eitel  war,   und  in  welchem 
Sinne  diese  Eitelkeit  zu  verstehen   ist,   darum   wird   sich    wohl  die 
Nachweit   wenig  kümmern.     Das  Erwähnen  der  peenniären   Opfer, 
welche  er  der  Wissenschaft  gebracht,  als  Eitelkeit  deuten,  scheint 
uns  übrigens  nicht  ganz  gerechtfertigt,  namentlich  wenn  man  weiaSi 
dass  H.  V.  H.  fortwährend  sowohl  gegen   die  Akademie   als  gegen 
die  Regierung  zu  kämpfen  hatte,   welche  er  um  eiue  Beisteuer  zur 
Herausgabe  von  Werken  angieng,  die  vermöge  ihres  streng  wissen- 
schaftlichen Charakters   nur   für  ein    kleines  Publikum  geeignet  wa- 
ren und  doch  bedeutende  Druckkosten   ansprachen,   da  durfte   und 
mtisete  er  doch  wohl  sagen,    wie  viel  er  schon  aus  seinen  eigenen 
Mitteln  der  Wissenschaft  geopfert,   und  von  dieser  Seite   betrachtet 
Crifift  gewiss  auch  Umbreit  kein  Vorwurf,  dass  er  es  erwähnt,  oder 
gar  dass   er  nicht  seinen   Freund  deshalb  zurechtgewiesen,   wie   es 
der  Verf.  ihm  zumuthet.     Reizbar  war   wohl   der    Verstorbene   und 
diese  Reizbarkeit  mochte  ihn   in  seiner  Polemik   zuweilen   auch   m 
Aeusserungen  hinreissen,  die  man  ungern  von  einem  so  feingebilde« 
ten,  grossen  und   sonst  so  gutmütbigen  Manne  vernimmt,  aber  der 
grosse  Mann  hatte  doch  ein  kindliches  Gemüth ;  war  die  erste  Auf- 
wallung vorüber,  so  erkannte  er  bald  sein  Unrecht  und  scheute  sich 
auch  nicht  es  gelegentlich  offen  zu  bekennen.    Schonte  er  auch  seine 
Gegner  nicht  in  der  Stunde  des  Kampfes,  so  liess   er  ihnen   doch, 
wenn    die  Waffen   wieder  ruhten,   volle  Gerechtigkeit   wiederfahreo. 
Der  Verf.  selbst  erwähnt,  dass  v.  H.  wiederholt  de  Sacy's   in  wür- 
diger Weise  gedacht  hat,  obgleich  dieser  kurz  vor  seinem  TodeeUi 
hartes  Urtheil  über  die  Hammer'sche  Uebersetzung  des  Samachschari 
gefällt.     Wir  können  hinzufügen,   dass   er  Ref.  selbst  gegenüber 
noch  weit  grössere  Beweise   von  Versöhnlichkeit  und  Edelmuth  ge- 
geben.   De  Sacy  war  mit  Recht  als  Meister  aller  Meister,   wie  ihn 
H.  V.  H.  selbst  einmal    früher  genannt,  anerkannt,   auch   hatte  er 
früher  sich  stets  mit  äusserster  Schonung  über  seinen   Freund  und 
CoUegen  in  Wien  geäussert,   bei   der  Samachscbarifehde  musste  er, 
von  Ref.  und  wir   glauben   auch   von   Fleischer  gedrängt,   mit  der 
ganzen  Wahrheit  herausrücken.     Dass  H.  v.  H.  ihm  diess   verzieh, 
rechnen  wir  ihm  nicht  hoch  an,  er  konnte  schon  aus  Klugheit  eines 
Mannes  wie  de  Sacy  nicht  anders  als  in  würdiger  Weise  gedenken. 
Wenn  er  aber  Ref.  gegenüber,  der,  nach  persönlich  freundlichen  Be- 
siehungen *) ,  ohne  Noth,  in  seiner  ersten.  Schrift  ihn  in  seiner  gan* 
seo  Sohwäclle  darstellte,   und  seine  Polemik  Jahre  lang  fortsetzte, 
silsh  eben  so  edel  und  versöhnlich  zeigte,  so   beweisst  diess  nicht 
nur,  dass  es  ihm  mit  der  Wissenschaft  ernst  war,  sondern  anch^ 
dass  seine  Eitelkeit  keineswegs  eine  solche  gewesen,   wie  sie  Ihm 
von  dem  Verf.  dieser  Schrift  vorgeworfen  wird.    H.  v.  H.  hat  sich 


^Ref.  hatte  ihn  vor  «einer  zweiten  Reife  nach  Egypten  in  Wien  mehr- 
«ochl  und  war  von  ihm  stets  freundlieh  aufgenommen  worden. 


736  Schlottmann:    J.  v.  Hammer. 

Dämlich  zuerst  io  seiner  Literaturgeschichte  der  Araber,  bei  mehtt- 
ren  historischen  Thatsachen,  auf  des  Ref.  „Geschichte  der  Chalifoi' 
berufen,  \ras  bekanntlich  in  der  gelehrten  Welt  schon  als  ein  freund- 
liches Entgegenkommen,  jedenfalls  als  eine  Anerkennung  der  Zo- 
▼erlässigkeit  des  citirten  Werkes  angesehen  wird.  Ref.  recensirte 
mehrere  Bände  dieser  Literaturgeschichte  und  obgleich  er,  bei  aller 
Anerkennung  der  Verdienste  dieses  Werkes,  doch  wie  früher,  sor 
in  milderer  Form,  wie  es  dem  reifern  Alter  und  geübtem  Kritiker 
eigen,  manche  Flüchtigkeiten  und  besonders  viele  Cebersetzungslehler 
rügte,  sandte  er  ihm  doch  später  seine  „Taijjeh^  zu.  Ref.  dankte 
ihm  und  sprach  natürlich  seine  Freude  darüber  aus,  das«,  wie  ff 
aus  dieser  freundlichen  Gabe  schliessen  djiirite,  er  seine  frühere  Po* 
lemik  gegen  ihn  vergessen  habe.  Darauf  sandte  ihm  H.  v.  H.  meih 
rere  andere  seiner  Schriften  und  schrieb  unter  Anderm:  „Sie  ken- 
nen das  türkische  Sprichwort^,  duss  abgeleitetes  Wasser  immer  wie- 
der seinen  alten  Rinnsal  findet,  „und  ich  freue  mich  dass  dasseliw 
sich  in  unseren  Verhältnissen  bewährt  hat,  indem  diese  zur  eratei 
Freundlichkeit  unserer  persönlichen  Bekanntschaft  wiedergekehrt  sind.' 
Im  folgenden  Jahre  als  H.  v.  II.  in  Heidelberg  war,  beehrte  er 
Ref.  alsbald  mit  einem  Besuche,  traf  ihn  aber  nicht  zu  Haoie. 
Beim  Gegenbesuche  war  II.  v.  H.  ausgegangen.  Aber  wenige  Tage 
nachher  ward  Ref.  von  EI.  Geh.  Kirchenralh  Umbreit,  bei  weichem 
H.  V.  H.  wohnte,  mit  einigen  andern  hiesigen  Gelehrten,  unter  An- 
dern auch  Schlosser,  der  ihn  sehr  hoch  schätzte  *)  zu  einem  Mittag- 
essen geladen  und  zur  Rechten  des  hohen  Gastes  placirt,  was  ihm 
als  Beweis  galt,  dass  auch  keine  Spur  von  Groll  mehr  in  dessea 
Brust  übrig  geblieben.  Wir  verkehrten  nun  aufs  Freundlichste  mit 
einander,  er  kam  am  folgenden  Tage  noch  auf  die  Bibliothek  und 
lud  Ref.  ein  ihn  recht  bald  in  Wien  zu  besuchen.  Auch  mit  Flei- 
scher stand  der  Verstorbene  später  wieder  in  freundlichem  Brief- 
wechsel, obgleich  auch  dieser  Gelehrte  früher  in  eben  so  derbei 
Weise   wie  Ref.  gegen   ihn   aufgetreten   war. 


*)  Schon  in  einer  Reeension  des  erstro  Bandes  der  Geschichte  des  Oi- 
manischen  Reichs  (S.  Jahrb.  1828  S.  369j  freute  er  sieh  über  die  ErscheioosC 
eines  Werkes  „das  dem  Vaterlaode  eben  so  viele  £bre  als  dem  Verfasser  flur 
chen  wird  und  das  aas  reinem  Eifer  für  Wissenschaft  und  wahre  Ehre  her* 
vorge|f<»ngen.^  Unsere  Nation,  sagt  er,  „hat  wenig  Werke  aufzuweisen,  die  m 
viel  Forschung,  welche  sugleich  nätzlich  und  brauchbar,  enthalten  und  so  vd 
Neues  an's  Liebt  bringen  das  zugleich  passend,  verstandig  and  nicht  gfJocH 
fOndcrn  gefunden  genannt  werden  kann.** 

(Sehku$  folgt) 


fr.  41.  HEIDELBEReER  im, 

jahrbOgher  der  iiteratdr. 

Schlottmann:  J.  v.  Hammer. 


(Schlass.) 

H.  V.  R  hat  sich  gewiss  oft  sagen  müssen,  dass  er  sich  in  Folge  sei* 
ner  aUcugrossen  Eilfertigkeit  manche  Blosse  gegeben,  denn  er  hielt  sich 
keineswegs  ffir  infailiible,  and  war  einer  in  schonender  Form  ange- 
brachten Zarechtweisung  nicht  so  unzugänglich  wie  der  Verf.  glaubt, 
seine  Kritiker  aber  haben  eingesehen,  dass  ein  Mann  wie  H.  v.  H. 
der,  trotz  seiner  Unvollkommenheiten,  zur  Förderung  der  orientali- 
schen Wissenschaft  so  unendlich  yiel  gethan,  doch  eine  gewisse 
Sehonung  und  Nachsicht  verdiente,  dass  sie,  wenn  auch  im  Einzel- 
nen, weil  sie  ihre  geistige  Kraft  mehr  concentrirt,  gründlicher  als  er, 
ihm  doch  vieles  verdanken  und  im  grossen  Ganzen  der  orientali- 
schen Philologie  weit  hinter  ihm  zurückstehen  müssen.  Der  Verf« 
wnaste  wahrscheinlich  von  den  weitern  Beziehungen  des  Verstorbe- 
nen zu  Ref.  und  Fleischer  nichts,  sonst  würde  er  gewiss  die  ganze 
Snmachscharifehde  nicht  nochmals  in  extenso  mitgelheilt  haben,  denn 
Bef.  wenigstens  macht  es  gar  keine  Freude,  was  er  vor  zwanzig 
Jahren  gegen  H.  v.  H.  oder  dieser  gegen  ihn  geschrieben,  obgleich 
äleee  Polemik  keinen  persönlichen  Charakter  trägt ,  jetzt  nochmals 
aufs  Neue  zu  lesen  und  den  Verwandten  und  Freunden  des  Ver- 
storbenen wieder  ins  Gedächtniss  zurückgerufen  zu  wissen.  So  viel 
Ausföhrlichkeit  erforderte  eine  Widerlegung  des  Fallmerayer'schen 
Aufsatzes  nicht.  Männer  der  Wissenschaft,  nicht  gerade  Orientali- 
sten, sondern  auch  Historiker  und  selbst  andere  Literaten,  din  nur 
sinigermassen  mit  der  Tagesliteratur  vertraut  sind,  kennen  längst 
oUe  Grenze,  innerhalb  weiclier  H.  v.  H.  in  Wahrheit  gepriesen 
und  bewundert  werden  kann,  und  wissen  auch  recht  gut  das  über- 
Itrömende  Lob  seines  Panegyrikers  in  sein  Bett  zurückzuführen,  so 
wie  dessen  Tadel  über  frühere  Gegner  des  Dahingeschiedenen  auf 
»n  rechtes  Maas  zu  reduciren.  Einiger  gewöhnlichen  Dilettanten 
ivfllen  ein  förmliches  Todtengericht  halten  wo  schon  beim  Leben  des 
Serichteten  manch  gewichtiges  Urtheil  gefällt  worden  ist,  scheint  uns 
»ine  überflüssige  Arbeit,  für  die  Nachwelt  aber  sind  die  Werke  des  H. 
r.  H.  selbst,  so  wie  die  seiner  Kritiker,  manche  frühere  Aufsätze 
[er  Allg.  Zeitunpr,  Recensionen  der  hiesigen  Jahrbücher,  der  Göttin- 
rer  Anzeigen,  des  Leipziger  Repertoriiims ,  der  Jenaer  Literatur- 
Eeitung,  des  Journal  des  Savants  und  anderer  Zeitschriften  voll- 
lomnien  genügend,  um  sie  vor  einem  allzublinden  Glauben  an  den 
^achraf  des  H.  Fallmerayer  zu  bewahren.  Diesem  hätte  höchstens 
in   andrer  kurzer  Aufsatz,  In  welchem  auf  das  Urtheil  sachverstäa- 

h.  uhTf.  10.  Htn.  i7 


798  Sehloltttftiift:    J.  Y.  Hinmiir. 

diger  OrientaliBten  in  Kürze  hiDgewiesen  worden  wire,  aitgegeiig«r 
setEt  werden  sollen,  oder,   wollte  man  einmal  H.  ▼.  H.  weaigitti» 
als  Gelehrten  allseitig  beleuchten  und  damit   einen  ^kritischen  Bei- 
trag  sar  Geschichte   neuerer   deutscher  Wissenschaft^    liefern,  so 
hStte  man  auch  mehr  auf  die  wissenschaftliche  Thätigkeit  desselben 
eingehen  sollen.     Man  mnsste  wenigstens  seine  grossem  Werke  der 
Reihe  nach  nennen  und  charakterisiren ,   auf  seine   unzähligen  An- 
zeigen und  Abhandlungen   in  den  Wiener   Jahrbüchern   und  in  an- 
dern in    und  ausländischen  Zeitschriften  aufmerksam  machen,  seine 
ausgedehnte  Correspondenz   mit   den  hervorragendsten  Mäonem  an- 
■erer  Zelt  berühren,  so  wie  auch  seine  Stellung  in  Wien  sowohl  der 
Akademie  als  dem  Ministerium  gegenüber  berücksichtigen.    In  ihrer 
jetzigen  Gestalt  scheint  vorliegende  Schrift   eher  einen   Beitrag  lor 
Geschichte  neuerer  deutscher  Kritik  als  einen  kritischen  Beitrag  nr 
Geschichte  neuerer   deutsclier   Wissenschaft  liefern   zu   wollen.    ^ 
ist   als   Widerlegung  Fallmerayer's   zu   umfangreich   und    selbst  all 
kurze  Biographie  v.  Hammer's  unvollständig   und  darum  etwas  in- 
seitig.    So  sehr  auch  der  Verf.  einen  objektiven  Standpunkt  eiosa* 
nehmen  sucht  und  so  gross  auch  sein  Bemühen  ein  unpartheHsch« 
Urtheil  zu  fällen,   lässt  er  sich  doch,   nicht  aus  Feindsdiaft  gegis 
H.  v.^H.   sondern  aus  Aerger  über  Fallmerajer,   hinreissen,  aUci 
wieder  heraufzubeschwören  was  je  Ungünstiges  über  H.  v.  H.  vsr* 
gebracht  worden   ist,    während   er   andrerseits  über  die  Liehtseiten 
desselben,  die  ihm  zum  Theil  gar  nicht  bekannt  waren,   eich  dock 
nicht  in  gleichem  Maasse  verbreitet.     Seine  Literatorgeschlchte  der 
Araber,  auch  abgesehen  von  den  darin  entbaltenen  Uebersetzungen 
arabischer   Poeten,   ein  wahres  Riesenwerk,   das   allein  ein  anderes 
Menschenleben  ausfüllen  inüsste,  ist  kaum  erwähnt,  eben  so  wenif 
seine  Geschichte  der    Assassinen   und   der  Mongolen  in  Persien,  üi 
zu  den   bessern  Arbeiten   des   II.  v.  H.  gehören.     Bei   einer  geho* 
rigen  Würdigung  der  Stellung  des  H.  v.  H.  in  Wien  am  Hofe  und 
in  dem  Diplomatenkreise  wäre  doch  Manches,    was   ihm  als  Eitel- 
keit und  Ehrsucht   angerechnet   wird ,  in   ganz   anderm   Liebte  er* 
schienen.    Er  wollte  in  seiner  Person  die  Wissenschalt  die  er  ve^ 
trat  geehrt  wissen,  nnd  es  musste  ihm  daran  liegen,  an  Titel,  Rani 
und  Orden  nicht  dem  ersten   besten  Rittmeister   oder  Kanunerbem 
nachzustehen.     Ein  anderer  Punkt  ist  von  dem  Verf.  nicht   gehoi|( 
hervorgehoben  worden,  der  mehr  noch  als  das  von  ihm  angefüMl 
das  Räthsel  lösen  kann,  wie  ein  Mann,  der  so  tief  in  den  G^st  dff 
Orients  gedrungen,  häufig  die  poetischen   Erzeugnisse   der    Oritfilr 
len  so  ungenau  wiedergegeben;   wir  meinen  seine  eigene  poetisibtf 
Natur  und  glühende  Phantasie,   die  ihm   zwar  eioersetts  das   7e^ 
ständniss   der   morgeniändischen   Quellen   erleichterte  nnd  Um  mete 
als  manchen  gründlicheren    Philologen  befähigte,   sie  in  ihrer  Reit- 
heit  und  in  ihrer  ursprünglichen  Frische  nach  dem  Oocident  bmübm^ 
zuleiten,   andrerseits   aber   doch   häufig  mit  so  unbesähmternr  Qt^ 
walt  hervortrat,  dass  sie  das  Original  verdrängte  und  ihm  gaai  an- 


ParlMh:    Uetor  dMi  gcbwanea  Sim  in  dmr  KmOmi  bu  IMik«.        789 

Um^mat  ddflien  Stelle  eionabm.    Die  eigene  dichfteriscbe  Kr«ft  war 
bei  Ihm  so  f  roes,  daas  er  eieh  nicht  ganz  suna  Werkieuge  Fremder 
maeben  konnte,  selbst  da  wo  er  Beioem  Voraatze  genäM  sieb  ihr 
bfitte  ganz  unterwerfen  sollen.    Er  war  kein  grosser  Graponatiiceri 
doch  wären  seine  grammaticaliscben  Kenntnisse  gewiss  ausreichend 
gewesen  um   ihn   vor  dem  grösseren  Theil  seiner  Uebersetzongs- 
fehler  zu   bewahren,   wenn   der  in  ihm   wogende  dichterische   6e- 
Dias  ihm  gestattet  hätte   von   denselben   mehr   Gebrauch   au  ma- 
chen.   Auch  die  Wörterbücher  hat  er  aus  demselben  Grunde  nicht 
fleissig  genag  benutzt,  er  irrt  aber  selten  wo  er  in  nüchternem  Zu- 
stande beide  gehörig  zu  Rath  zieht.     Bedauern   auch   wir,   dass  er 
sicfa  nicht  mehr  concentrirt  und   beherrscht  hat,   machen  wir  ihm 
dber  keinen  Vorwurf  daraus,  denn  mit  seinen  Natnranlagen  konnte 
er  kaum  Andres  bieten  als  er  getfaan,  und  bedarf  auch  der  grössere  ^ 
Theil  seiner  Arbeiten  einer  kritischen  Sichtung   und  Läuterung,  so 
hat  er  uns  doch  wie  keiner  vor  ihm  durch  seine  unbegrenzte  Pro- 
ductivität  den  Weg  gebahnt  zur  Bewältigung  eines   Stoffes   den   er 
In  nie  gekannter  Ausdehnung  vor   uns   ausgebreitet.     Wir  zweifeln 
keinen  Augenblick  an   der  redlichen    Absicht  des  Verf.'s   bei   Ver- 
SiFentlichnng  Torliegender  Schrift,   sie  hat  wissenschaftlichen  Ernst 
und   Wahrheitsliebe  zur  Grundlage.     Mag   auch   er  glauben,   dass 
diese   Bemerkungen  aus  unsrer  innersten   Ueberzeugurig   geflossen, 
und  dass  wir  es  um  so  mehr  für  eine  heilige  Pflidit  hielten,   einen 
kleinen  Beitrag  zur  Milderung  seines  Urtheils  über  H.  v.  H.  au  lie- 
fern, als  wir  selbst  durch  unsere  frühere  Polemik  zur  Bildung  des- 
aelben  so  Manches  beigetragen.  W^ell. 


TJeber  den  sehwaraen  Stein  in  der  Kaaha  $fu  Mekka.  MügeiheiU 
aii8  den  hinterlcusenen  Schriften  des  tüirkliehem  MUgliedes  Paul 
Part8ch,  Vorstand  des  k^  Ar.  Hiriefttdiein^GahinAie».  Aus  dem 
XIIL  Bande  der  Denkschriften  der  mathem,  naiurw,  Glosse  der 
k.  Akademie  der  Wissenschaften^  besonders  abgedruckt.)  Wien, 
k.  k.  Hef'  und  Staatsdruckerei.     1857, 

Wk  dürfen  nicht  unterlassen ,  den  Lesern  unserer  Jahrbücher 
SUHUitnias  au  geben  von  dieser  sehr  willkommenen,  wichtigen  Nach* 
csobt  über  den  ältesten  aller  noch  vorhandenen  Meteorsteine,  welcher, 
MO  vieler  Gefahren  ungeachtet,  denen  er  ausgesetzt  gewesen,  der 
Zerstörung  durch  Menschenhände  entging. 

Der  berühmte  Stein  findet  sich  an  der  Nord-Ost-Ecke  der  EaaUa 
.—  kleines  steinernes  Gebäude  inmitten  der  Moschee  —  eingemauert« 
Von  mobammedanischen  Wallfahrern  nach  Mekka  wird  derselbe, 
mlB  böehstes  Heiligthum,  mit  der  Stirne  berührt  und  sodann  efar- 
furehtvoll  geküsst.  Er  ist  dermalen  ohne  Zweifel  der  yerebrteste 
aller  Steine  des  Erdbodens  und  galt,  schon  lange  vor  Mohammed's 
Av^treten  ids  Beligions-Stifter,  den  heidnischen  Bewohnern  Arabien! 


740        Partfcb :    Deber  4ea  iehwanra  Stein  in  der  Kiabi  mn  lekka« 

ftlr  ein  Sanctnariam.  Lebenden  lassen  den  schwanen  Stein  au 
dem  Paradiese  stammen,  wo  er  ursprünglich  ein  aar  Bewacfamif 
Adam's  bestellter  Engel  war.  Zar  Strafe  für  Adam's  Sfindenfall 
wurde  der  Engel  in  den  schwarsen  Stein  verwandelt,  and  dies« 
Tom  Engel  Gabriel  sam  Aofbaa  des  Haases,  das  Abraham  Gott 
weihte,  überbracht.  Der  Stein  wird,  so  lautet  die  Sage  w^ter,  sb 
Aaferstehungs-Tage  wieder  in  den  Engel  ans  dem  Paradiese  amge- 
schaffen  werden,  welcher  als  Zeage  für  die  frommen  Pilger,  die 
Mekka  besuchten,  auftreten  soll. 

Dass  der  viel  besprochene  „heilige^  Stein  ein  Aerolith  sei, 
▼ermuthete  schon  Chiadui,  und  die  unserm  Verf.  durch  Hr.  tob 
Laurin,  ehemals  k.  k.  General-Consul  in  Aegypten  lugekommeneo 
Nachrichten  bestätigten  solches,  Er  sah,  bei  Mehmed  Ali,  dem  Vi- 
cekönig  yon  Aegypten,  ein  Bruchstück  des  Steines,  herrührend  ?oo 
der,  durch  die  Wahabiten  versuchten  Zertrümmerrung  desselben. 

Nicht  ohne  Interesse  sind  die  über  das  GeschichtUche  des  Stei- 
nes gegebene  Andeutungen. 


üebersieht  der  fyrogeneten  künstlichen  Mineralien  namentlich  der 
krystcUlisifien  Hütten- Er zeitgniase  von  Dr.  Adolph  Ourll 
XII  und  100  8.  in  8.  Freiberg,  Verlag  von  J.  O.  Engd- 
hardt.     1857, 

Unbedingt  ist  dem  Verfasser  beizustimmen,  dass  der  Werth  dei 
Studiums  pyrogeneter  künstlicher  Mineralien  für  yerschiedene  Wie- 
senschafts*Zweige,  namentlich  für  Chemie,  Oryctognosle  and  Geoi<K 
gle,  keiner  Beweisführung  bedürfe.  Sehr  serstreut  sind  die  bislie- 
rigen  Erfahrungen  über  Bildung  und  Gehalt  der  befragten  SubsUih 
sen,  Hn  Gurlt  erwarb  sich  das  Verdienst  einer  kritischen  Zussm- 
menstelluttg  des  Thatsfichlicben,  die  gebotenen  literarischen  HflUh 
quellen  sorgsam  benutzend.  Besonders  beabsichtigte  er  Hüttenleated 
ein  Mittel  an  die  Hand  au  geben  ^  über  den  Werth  gemachter  Bei 
obachtungen  sich  aurechtaufinden. 

Im  ersten  Theile  vorliegender  Schrift  kommen  namentlich  ä 
Bildungsweise  künstlicher  Mineralien  und  deren  allgemeine  Eigea 
Schäften  zur  Sprache.  In  jener  Hinsicht  werden  unterschieden :  Eol 
stehung  aus  flüssigem  Zustande  durch  Auskrystallisiren  aus  deisettw 
chemischen  Zusammensetzung,  oder  aus  Massen  von  versehledeBfl 
Zusammensetzung,  sodann  Entstehung  aus  gasfl^rmigem  Zustsall 
durch  Sublimation  der  Substanz  selbst,  welche  das  Mineral  bildet 
oder  durch  gleichzeitige  Sublimation  der  ein  Mineral  constitulreode 
Bestandtheile ,  welche  entweder  schon  allein,  oder  in  Verbindo^ 
mit  andern  Körpern  bei  hoher  Temperatur  flüchtig  sind,  femer  EM 
stehung  durch  Einwirken  gasförmiger  Substanzen  auf  feste,  oder 
flüssige  Körper. 

Die  betrachteten  allgemeinen  Eigenschaften  sind:  ErystaUfoi^ 
Spaltbarkeit  and  Bruch,  HUrte  und  specifisches  Gewicht    In  ^ 


GMo^e  da  iiid-68t  de  rEspapie.  741 

kr3rBtaUogrftphiflch«n  Angaben  findet  man  die  Beseldmangs-Metho- 
deD  Ton  WeiBB  and  Naumann  neben  einander  durchgeführt. 

Bei  Beschreibung  der  einzelnen  pyrogeneten  künstlichen  U ine- 
ralien,  welche  den  zweiten  und  bei  weitem  den  grössten  Theil  ein- 
nimmt, ging  unser  Verf.  in  der  Anordnung  des  Materials  von  che* 
mifchem  Gesichtspunkte  aus. 


Geologie  du  md-est  de  VEspagne.  Resum/  mecint  dPune  exeur- 
Hon  en  Mureie  et  mr  la  frontiere  d'Andalousiej  accompagn^ 
d^un  tableau  de»  hauteurs  du  boI  au-deaeus  de  la  mer,  par 
M,M.  de  Verneuil  et  Collomb,  54  pag,  in  8,  Parie,  che» 
MarHnd.    1857. 

Die  Verfasser ,  welche .  bereits  friiher  mehrere  Gegenden  Spa- 
niens durchwanderten,  auch  über  ihre  geologischen  Forschungen  Be- 
richt erstatteten,  wfthlten  neuerdings  für  solche  Zwecke  das  König- 
reich Murcia  und  die  östliche  Grenze  Andalusiens.  Von  Paris  folg- 
ten sie  der  Heerstrasse  nach  Bayonne  und  Burgos.  Wir  müssen 
uns,  den  weiter  eingeschlagenen  Weg  andeutend,  auf  Bruchstücke 
der  mannigfaltigen  Bemerkungen  beschränken,  diese  und  jene  That- 
oacben  von  Wichtigkeit,  oder  von  besonderem  Interesse  hervorhe- 
ben, denn  in  allen  Einzelnheiten  einzugehen,  ist  hier  der  Ort  nicht. 

In  der  Sierra  de  Guadaramma  steigt  Granit,  einem  Eilande 
gleich,  inmitten  des  Kreide-Gebietes  empor  und  scheint  dessen  Schich- 
ten aufgerichtet  zu  haben.  —  Bis  Madrid  bedeckt  rother  Diluvial- 
liCtten  den  Boden,  er  umschliesst  Rollstücke  in  Menge.  —  Von 
Madrid  nach  Albacete  führte  die  Eisenbahn.  Nordwärts  zeigte  sich 
die  granitische  Kette  des  Guadaramma  ganz  mit  Schnee  bedeckt  — 
ee  war  der  25.  April  —  während  das  Tajo-Thal  bei  Aranjuez  in 
g;18nzendem  Frühlings-Schmuck  prangte.  —  Von  grosser  Einförmig- 
keit ist  das  Land  zwischen  Alcazar  und  San- Juan,  nur  hin  und 
wieder  niedere  Hügelzüge  und  selbst  diese  verschwinden  im  östlichen 
Tbeile.  —  Vom  Gipfel  des  Monpichal  erbüclcten  unsere  Wanderer 
eine  Öde,  unfruchtbare  Gegend,  in  welcher  sich  mehrere  Salzsee^n 
befinden;  einer 'derselben,  nicht  fem  von  Patrola  wurde  besucht,  er 
trügt  mit  Recht  den  Namen  „Bittersalz-See'^,  denn  das  im  Sommer 
Terdnnstende  Wasser  hinterlässt  Bittersalz-Krystalle.  —  Einige  Ki- 
lometer südwärts  von  Fortuna  überraschte  der  Cabezo  negro,  ein  nur 
ffinfzehn  Meter  hoher  Hügel  scharf  geschieden  durch  seine  Schwärze 
von  den  ihn  umgebenden,  weiss  und  roth  gefärbten  Gypsen  und 
tertiären  Mergeln.  Es  ist  dieser  Cabezo  negro  ein  alter  vulkani- 
scher Krater,  kreisrund  von  etwa  fünzig  Meter  Durchmesser;  Rand 
nnd  Inneres  bestehen  aus  schwarzem,  schwammigem  Gestein,  ähn- 
llcb  den  Schlacken  neuer  Feuerberge.  —  In  Murcia  führte  der  Zu- 
fall die  Reisenden  zusammen  mit  zwei  wotüunterrichteten  spanischen 
Bergwerks-Ingenieuren ;  sie  gaben  ihnen  das  Geleit  bei  der  Wande- 
rung darch  die  „metamorphiscbe^  Kette  von  Carrascoy  im  Südosten 


V4t  Hartaif :    Lenfaroia  «nd  FtciUrvaitart. 

d«r  Stadt.  Zahlreiche  Gange  platonisdier  Fetoarteo  Mtsen  ia  den 
Gebirge  auf,  die  diorltischen  Auebrüche,  so  lehrte  die  Erftdimiif, 
werden  fast  ohne  Ausnahme  tob  Kopfer- ,  die  tracbytIadieQ  tob 
Bleierxen  begleitet  —  In  Hoescar  eingesogene  Erkandignngeny  über 
die  beste  Art  auf  die  Höhe  der  Sagra  Sierra  m  gelangen,  waren 
angenügend,  Niemand  ans  dem  Orte  hatte  die  Bergfahrt  unterBOVH 
men,  ja  es  schien  im  Lande  irgend  ein  gehelmnissTolles  Vonirtheil 
dagegen  su  bestehen.  Die  Eeisenden  Hessen  indessen  nicht  ab  tob 
Ihrem  Vorsatz  und  erreichten  den  Gipfel,  welcher  den  Meeresspiegel 
um  2400  Meter  überragt.  Hier  geht  ein  durch  Ammoniten  und 
Belemniten  bezeichneter  Liaskalk  zu  Tag.  Sonderbar  genug  fand 
sich  fast  unter  dem  Schnee  eine  Münze  mit  dem  Bilduiss  eines  Ro> 
mer-Kaisers.  —  Auf  dem  Wege  von  Zieza  nach  Segura  sind  er- 
giebige Zink*Gruben;  die  Erze  haben  Ihren  Sitz  zwisdien  Dolomit 
und  einem  mergelig*kaiklgen  Trümmer-Gestein. 

Am  Schlüsse  folgt  eine  Uebersicht  der  Eegionen  oder  Gebirg»- 
Systeme  Süd-Spaniens.  Sie  zerfallen  in  Murcia  und  in  Andmluslen 
-—  so  weit  y  er  neu  11  und  Collomb  letztere  Provinz  kennen 
lernten  —  aus  geologischem  Gesichtspunkte  betrachtet  In  drei,  and 
jede  dieser  Regionen  Ist  charakterisirt  durch  Felsarten,  eben  90  ver- 
schieden,  was  ihre  mineralogische  Beschaffenheit  betrifft,  als  hin- 
sichtlich der  orögraphischen  Verhältnisse.  Die  südlichste  Region, 
die  ,|metamorphls€he^,  der  Küste  mehr  oder  weniger  nahe,  fahrt 
vorzugsweise  Erze,  liefert  Silber  und  Blei  in  bedeutenden  Mengen; 
sie  wird  mit  sachgemSsser  Ausführlichkeit  besprochen.  Daran  reihen 
sich  Bemerkungen  über  die  Trias-,  Jura-,  Kreide-,  Nummuliten-  und 
Tertiär-Formationen.  v  lie^nkmrfl. 


DU  geologischen  Verhältnisse  der  Inseln  Lansarote  und  Futtiatfen- 
iura.  Von  Georg  Härtung.  Mit  XI  Tafeln  und  einer 
geologischen  Karte.    Härtung.     Königsberg,  1857.    8.  16S. 

Seit  L.  V.  Buch  (1815)  die  Canarien  zum  Schauplats  seiner 
Untersnehungen  wählte  und  in  seinem  berühmten  (1825  erschienenen) 
Werke  den  Grundstein  zur  geologischen  Kenntniss  der  merkwürdi- 
gen Insel-Gruppe  legte,  haben  wir  manche  weitere  schätzbare  MK- 
theilungen  und  Aufschlüsse  von  Naturforschern  der  Terschledensl» 
Nationen  erhalten.  Als  ein  solcher  Beitrag  darf  die  voiiiegiMide 
Schrift  Ton  Georg  Härtung  gelten.  Es  waren  zwar  nicht  die  Ab* 
sichten  jenes  grossen  geologischen  Meisters,  die  ihn  hinanstrleben 
auf  die  fernen  Eilande;  Gesundhelts- Rücksichten  bestimmten  Har- 
tong,  Madeira  im  Herbst  1850  zu  seinem  Aufenthalt  zu  wählen. 
Dort  verlebte  er  fünf  Monate  zusammen  mit  Oswald  Heer;  die  Ge- 
sellschaft des  Züricher  Gelehrten  musste  natürlich  das  schon  vor* 
handene  Interesse  an  den  mannigfachen  dortigen  Natur- Erscheinun- 
gen noch  steigern,  bo  dass  unser  Verfasser  in  den  b^den  nXchetea 


Harlwif :    Uaiarole  i»d  FuerUYMilva.  7i3 

WiDieni  lieh  nur  mit  Beobachtongen  über  Flora ,  Faoiia  und  G«o» 
logie  TOD  Madeira  beschäftigte,  auch  Ausflöge  nach  Porto  Santo 
und  Teneriffa  machte.  Im  Winter  1853/54  war  Hartnng  so  glttek"* 
lich|  Charles  Lyell  auf  seinen  Wanderungen  auf  den  Canarien  su 
begleiten  und  einen  reichen  Schats  von  Belehrung  und  Erfahrung 
au  sammeln.  I^amentlich  waren  es  die  vulkanischen  PhAnomene 
aal  aweien  der  Inseln,  die  ihn  besonders  anzogen  und  deren  ge- 
treue Schildemng  er  uns  hiemit  übergibt. 

Die  Eilande  Lansarote  und  Fuertaventura  sind  die  östlichsten 
des  Archipels  der  Canarien,  die  der  afrikanischen  Küste  aunächsl 
gelegenen.  SorgflUtige  längs  den  Gestaden  von  Afrika  so  wie  der 
genannten  Inseln  angestellte  Peilungen  haben  ergeben,  dass  die 
Tiefe  bis  su  einer  gewissen  Entfernung  vom  Ufer  sich  nur  bis  au 
50 — 70|  in  allen  Fällen  aber  weniger  als  100  Faden  steigert,  wäh- 
rend eine  geringe  Strecke  darüber  hinaus  bis  120,  150,  selbst  oft 
bei  200  Faden  kein  Grund  erreicht  wird.  Es  ist  daher  wahrschein- 
lich, dass  die  Inseln  die  über  das  Wasser  emporragenden  Theile 
eines  susammenhängenden  Höhenzuges  bilden. 

Der  Verfasser  unterscheidet  vier  scharf  von  einander  ge- 
sonderte Formationen,  nämlich  die  jüngste,  die  jüngere  und 
älteste  Basalt  •  Formation ,  sowie  die  Syenit-  und  Trapp  -  Forma-» 
tion.  Vor  Betrachtung  derselben  ist  die  Rede  von  den  kalki- 
gen Ablagerungen,  welche  namentlich  auf  Fuertaventura  eine  nicht 
unbedeutende  Rolle  spielen,  und  die  oft  einer  Sinter-Decke  gleich, 
über  die  basaltischen  Massen  ausgebreitet  erscheinen,  selten  aber 
grössere  Mächtigkeit,  als  von  ein  paar  Fuss  erreichen.  Es  ist  meist 
ein  kalkig-sandiges  Gebilde,  welches  häufig  Brocken  vulkanischer 
Gesteine,  hin  und  wieder  auch  Reste  von  Landschnecken  enthält; 
nicht  selten  aeigt  dasselbe  Oolith-Structtir.  Schon  L.  v.  Buch  ge- 
denkt dieser  Schichten  und  bemerkt  hierüber :  ich  wäre  sehr  geneigt 
£U  glauben,  dass  diese  Kalkstein -Formation  ihre  Entstehung  den 
befugen  Nordweststürmen  des  Winters  verdanke,  welche  die  Wellen 
der  See  als  Nebel  über  die  ganze  Insel  hinführen  und  an  den  Ber- 
gen absetzen.  Der  salzige  Antheil  löset  sich  durch  Regen  auf  und 
wird  weggeführt.  Die  Ealkerde  setzt  sich  als  Sinter  ab,  umwickelt 
kleinere  Körner  als  Rogenstein,  grössere  als  Conglomerat  und  häuft 
aich  endlich  als  weit  verbreitete  Schicht.  —  Nach  Lyell's  Ansicht 
sind  diese  Kalk-Gebilde  aus  der  Zersetzung  der  basaltischen  Massen 
hervorgegangen  und  es  lieferte  hiezu  namentlich  der  Kalk-Gebalt 
des  Augit  Material.  Eine  Reihe  von  Härtung  angestellter  Beobach- 
tungen widerspricht  einer  solchen  Annahme  nicht.  Es  treten  näm- 
lich die  Kalke  nie  auf  frischem,  sondern  stets  auf  zersetztem  Ge- 
stein auf.  Auch  trifft  man  sie  nie  auf  den  Höhen,  sondern  an 
AbhängeUi  am  Fusse  der  Hügel  an,  wo  sie  als  ganz  dünne  Schicht 
encheinen,  nach  unten  mächtiger  werden,  und  sich  dann  an  die 
durch  vulkanisches  Blaterial  immer  mehr  vwnnreioigten  Tuff-Bildun- 
gen anschliessen I  wie  besonders  auf  Teneriffa,  wo  sie  unter  dem 


744  Htrtnnf :    Lansaroie  lud  Pnerttvetttart. 

Namen  Tosea  bekuint  8iod.  Dmb  dieae  kalkigen  Ahlagenuigen 
durch  die  im  Laufe  der  Zeit  erfolgende  Zersetzung  der  SdbneekeB* 
Schalen  vermehrt  werden,  dürfte  kaum  eu  beiweifeln  «ein. 

Die  jüngste  Basalt-Formation  ist  auf  die  Mitte  der  Inad  Lan- 
sarote  beschränkt  und  enstand  wfthrend  der  Ausbrüche  in  den  Jah- 
ren 1730 — 1736y  wodurch  nahezu  ein  Viertheil  der  Gesamm^-Ober- 
flftche  verwüstet,  mehrere  Dörfer  verbrannt  wurden,  wesshalb  sal^at 
die  unglücklichen  Bewohner  der  Insel  nach  Ganaria  flüchten  mnas- 
ten.  Aus  dem  Lavenfelde  erheben  sich  30  Schlackenkegel,  deren  be- 
deutendster, die  Montana  del  Fuego  in  der  Mitte  der  Reihe  bis  zu 
1760  F.  Meereshöhe,  oder  etwa  1000  F.  über  das  Lavafeld  empor- 
steigt. Fünf Kratere  lassen  sich  hier  unterscheiden,  von  denen abernur 
drei  noch  vollständig  erhalten.  Schon  auf  der  Höhe  der  hügeligen 
Bergmassen  an  der  Montana  de!  Fucgo  fühlt  sich  der  Boden  heisa 
unter  den  Füssen ;  ein  bis  zu  zwei  Zoll  in  die  Lapilli  hineingesche- 
bener  Thermometer  stieg  augenblicklich  über  den  Sledpnnkt  des 
Wassers.  Der  Hauptkrater  ist  etwa  300  Fuss  tief.  Besonders  in- 
teressant ist  die  Schilderung,  welche  uns  der  Verf.  von  dem  Anblick 
gibt,  welchen  der  1755  Fuss  hohe  Gipfel  der  Montana  del  Faego 
auf  die  aus  dem  etwa  3  Quadratmeilen  bedeckenden  Lavenfelde 
emporragenden  Ausbruchskegel  gewährt  So  weit  man  von  dem 
erhabenen  Standpunkt  in  die  Kratere  hinein  sehen  kann  —  so  be- 
merkt Härtung  —  zeigen  sie  denselben  Bau.  An  sämmtlichen  be- 
merken wir,  dass  ihr  südöstlicher,  der  vorherrschenden  Windearich- 
tnng  abgekehrter  Rand  bei  weitem  stärker  entwickelt  ist,  als  der 
gegenüberstehende,  welcher  oft  niedergebrochen,  den  aus  dem  Innern 
abfliessenden  Laven  einen  Ausweg  bot.  Dieselbe  eigenthümliche  Er- 
scheinung zeichnet  noch  die  älteren  Kegelberge  der  Montana  blanca- 
Kette  aus,  welche  zu  der  jüngeren  Basalt-Formation  gehören.  Diese 
letzteren  sind  ausserdem  noch  mit  schwarzer  Asche  bedeckt,  welche 
die  Winde  von  den  Krateren  nach  S.  0.  über  das  Land  fortf&hrten 
und  dort  mehrere  Fuss  hoch  anhäuften.  Es  schliesst  sich  also  in 
dieser  Richtung  noch  eine  schwarze  Aschendecke,  aus  der  nar  die 
Spitzen  der  älteren  Kegelberge  her  vorsehen,  an  das  unheimlicfa  dun- 
kele, weit  ausgedehnte  Lavenfeld,  das  starr  und  todt,  ein  Bild  grauen- 
voller Verwüstung  bietet.  Innerhalb  desselben  zeichnen  sich  ge- 
legentlich von  den  Lavaströmen  freigelassene,  mit  Asche  bedeckte 
Flächen  ab,  welche  sich  wie  Teiche  oder  Seen  in  der  düsteren  Land* 
schail  ausnehmen.  Im  Uebrigen  hebt  sich  das  Lavenfeld  scharf  ab 
von  den  hell  gefärbten,  baumlosen,  nur  hl*e  und  da  mit  einem  leich- 
ten, grünen  Auflug  bedeckten  angränzenden  Strichen.  Aus  ihm  ragt, 
ausser  den  zu  einer  Kette  an  einander  gereihten  25,  noch  eine  kleine 
Anzahl  zerstreuter  Ausbruchs- Kegel  hervor.  Einige  von  diesen  — 
wahrscheinlich  fünf  —  entstanden  im  vorigen  Jahrhunderts,  einer, 
der  Yolcan  nuevo,  sogar  noch  während  dieses  Jahrhunderts;  die 
übrigen  gehören  der  vorhergehenden,  jüngeren  Basait-Formation  sd. 
—  Die  Oberfläche  der  Ströme  ist  ausgezdchnet   durch  taaartige 


Hartttiigi    LttBiar«t6  aad  PuertaventoTt.  745 

KrSiiieluiig,  i\e  dort  in  seltener  Vollkommenheit  in  den  yersehiede- 
nen  Stufenfolgen  beobachtet  werden  kann.  Hier  hat  eich  die  dOnne, 
erkaltende  Kroate  erat  leicht  in  einer  Falte  abgelöst  und  wurde  als 
Folge  der  Fortbewegung  wie  ein  schwerer  Stoff  Eusammengeschla- 
gen ;  dort  hingegen  ist  sie  schon  tauartig  gewunden  und  bildet  pla* 
stisdie  Strftngei  von  denen  oft  zwei  bis  drei  in  einander  geschlon* 
gen  sind.  Die  Formen  sind  in  der  Regel  so  vollkommen  ansgebil* 
detj  dass  man  noch  ganz  in  der  NAhe  Schiffstaue  vor  sich  zu  sehen 
glaobt.  —  Die  letzten  vulkanischen  Katastrophen  auf  Lanzarote 
fallen  in  das  Jahr  1824;  es  ist  der  bereits  erwähnte  Volcan  nuevo, 
der  sich  südwestlich  von  Tinguaton^  innerhalb  des  Lavafeldes  er- 
hebt. Die  Masse  des  letzteren  erfuhr  indess  durch  die  leichten  Aus- 
brüche keine  bedeutende  Vergrdsserung. 

Die  jüngere  Basalt-Formation  hat  ihre  Haupt-Entwickelung  auf 
Lanzarote;  die  Ausbruchskegel  stellen  eine  in  der  Richtung  der 
Längsaxe  der  lusel  verlaufende  zusammenhängende  Kette  dar;  iso* 
Hrt  erscheint  dieselbe  auch  noch  im  Norden  der  Insel.  Die  hier 
wahrnehmbaren  Kratere  schliessen  sich  im  Alter  unmittelbar  an  die 
eben  betrachteten.  Durch  seine  Gestalt  —  der  eines  abgestutzten 
Kegels  gMch,  dessen  oberer  Rand  so  scharfkantig  ist,  dass  man  ihn 
la  Corona  (Krone)  nannte,  macht  sich  besonders  ein  etwa  700  F. 
hoher  Berg  bei  Haria  bemerkbar.  Seine  Regelmässigkeit  verdankt 
dieser  Krater  wohl  dem  Umstand,  dass  die  nicht  unbedeutenden 
Aasbrüche  aus  der  nämlichen  Oeffnung  kamen,  und  nur  ein  einziger 
tiefer  Krater  blieb.  Die  Laven-Ströme  wurden  hauptsächlich  in 
südöstlicher  Richtung  bis  in  die  Nähe  des  Meeres  ergossen.  Beach- 
tOQg  verdient  das  Lavenfeld  der  Corona  durch  die  unterirdischen 
GSnge,  La  Cneva  de  los  Verdes  genannt,  welche  es  umschliesst. 
(Der  Verf.  gibt  auf  Taf.  VIII  eine  Abbildung  dieser  Höhle,  auf 
Taf.  VII  eine  vom  Lavenstrome  der  Corona  und  der  Umgebungen 
von  Haria,  von  dessen  eigener  wohl  geübter  Hand  entworfen.  Wir 
haben  bereits  bei  einer  früheren  Gelegenheit,  als  wir  der  werthvol- 
len  Abhandlung  von  Oswald  Ileer  über  die  fossilen  Pflanzen  von 
St.  Jorge  in  Madeira  gedachten,  auf  das  schöne  Zeichnen-Talent 
Hartnngs  aufmerksam  gemacht.)  Die  genannte  Höhle,  von  Anfang 
22  F.  breit  und  15  hoch,  erweitert  sich  später  zu  40  Fuss. 

Die  älteste  Basalt -Formation  unterscheidet  sich  hauptsächlich 
dadurch  von  der  jüngeren,  dass  die  Formen  der  einzelnen  Aus- 
bruchskegel, Kratere  und  Lavenströme  nicht  mehr  zu  erkennen 
sind.  Schlacken  Gebilde,  Conglomerate  und  compacte  Masse  setzen 
hauptsächUch  diese  Formation  zusammen,  auf  welche  Atmosphäri- 
lien und  Wogen  des  Meeres  ihren  zerstörenden  Einfluss  in  unver- 
kennbarer Weise  ausgeübt  haben.  Die  ältesten  Basalte  sind  na- 
mentlich auf  Fuertaventure  sehr  verbreitet,  wo  sie  gleichsam  halb- 
mondförmig die  ältere  Syenit-  und  Trapp  Formation  umgeben,  und 
nnfem  der  Landenge  von  Jandia  2770,  bei  Chilegua  2240  Fuss 
Meereshöhe   erreichen.    Jenseits  der  —  V/^  bis  2  geographische 


746  Hartoiif «    Lamaroto  und  FaertkTMtwra. 

Meilen  breiteo  und  in  der  Mitte  20  Faden  tiefen  Boceayni^Meerenfei 
welche  Fuertaventura  und  Lanzarote  trennt,  erhebt  eich  die  Forma- 
tion aaf  letzterer  Insel  zu  einer  Höhe  von  1860  Fues,  senkt  nch 
dann  bis  auf  wenige  100  Fuss  über  dem  Meere  und  bildet  eadlick 
bis  zu  2240  Fuss  am  Monte  Tamara  sich  erbebend,  das  nordest« 
liebe  Dritthell  von  Lanzarote.  £s  scheint  demnach,  dass  die  älte- 
sten Basalte  eine  in  der  Längenaze  der  Insel  fortlaufende  Beihe 
▼on  Höhezügen  darstellen.  —  Aus  den  mannigfachen  Bemerkungen 
über  die  älteste  Basalt  -  Formation  heben  wir  hier  nur  noch  eine 
hervor,  da  sie  uns  unwillkübrlich  an  analoge  Phänomene  erinnert, 
welche  gewisse  Porphyre  bei  Weiuheim  an  der  Bergstrasse  xeigen. 
Die  Basalte  der  Berge  vou  Chilegua  auf  Fuertaventura  sind  häufig 
säulenförmig  und  ausserdem  in  dünne,  V4,  V2  bis  ^4  Zoll  starke 
Platten  abgesondert,  die  in  verschiedener  Weise  geneigt,  die  senk- 
rechten Fugeu  unter  verschiedenen  Wiukeln  schneiden.  Aebniiche 
Erscheinungen  beobachte  vor  geraumer  .Zeit  Poulet  Scrope  an  Tra> 
chyten  der  Ponza-Ellande.  —  Im  Allgemeinen  machen  Schlacket* 
Gebilde  oder  j,Scblacken-Agglomerate^  den  unteren  Theil  der  älte- 
sten Basalt-Formation  aus;  auf  ihnen  ruhen  die  Massen  compacter 
Gesteine,  und  ihre  Mächtigkeit  steht  zu  der  der  letzteren  in  be- 
stimmtem Verhältniss,  indem  jedes  fast  die  Hälfte  der  Geeammt* 
Mächtigkeit  der  ältesten  Basalt- Formation  zeigt,  die  in  Fuertavea* 
tnrk  auf  der  Halbinsel  Jandia  2770,  bei  Haria  auf  Lanzarote  xa 
2240  Fuss  ansteigt. 

Die  älteste,  die  Syenit-  und  Trapp- Formation  ist  einsig  auf 
Fuerteventura  beschränkt,  wo  sie  etwa  den  fünften  Theil  dea  FlS- 
chenraumes  einnimmt.  Sie  wird  characterisirt  durch  Syenite  and 
Tracbyte,  durch  meist  gangförmig  auftretende  Basalte  und  durdi 
den  gänzlichen  Mangel  schlackiger  Bildungen.  Die  Syenite,  tob 
geringer  Verbreitung,  zeigen  sich  im  Mittelpunkt  der  Formaüoa 
beim  Dorfe  Rio  Palma  entwickelt,  als  festes,  aus  gleichen  Theiiea 
Hornblende  und  Feldspath  bestehendes  Gestein.  Zahlreiche  Güage 
einer  grüngefärbten,  sehr  dichten  basaltischen  Felsart  von  1  bis  S 
Fuss  Mächtigkeit  durchsetzen  den  Syenit.  Die  Tracbyte  erscheinen 
gleichfalls  in  gangförmigen  Massen  aber  von  bedeutenderer  Mfich- 
tigkeit,  wie  z.  B.  an  den  Atialya-Bergen. 

Wenn  wir  die  vier  von  dem  Verfasser  unterschiedenen  Forma- 
tionen mit  der  Entstehung«- Weise  der  Inseln  in  Einklang  su  brin- 
gen suchen,  so  erkennen  wir  in  ihnen  die  Resultate  verschiedener 
vulkanischer  Katastrophen ,  die  sich  bald*  durch  den  wirklichen  £r- 
gnss  von  Material,  bald  durch  Hebungen  äusserten.  Man  kann  da* 
her  die  ganze  Gruppe  der  canarischen  Inseln  nicht  anders  betrach- 
ten —  sagt  L.  Y.  Buch  in  seinem  classischen  Werke  —  als  eine 
Sammlung  von  Inseln,  welche  nach  und  nach  und  einzeln  aas  de» 
Grunde  der  See  erhoben  worden  sind.  Die  Kraft,  welche  eine  «o 
bedeutende  Wirkung  hervorzubringen  vermag,  muss  sich  lange  im 
Innern  sammeln  und  verstärken,  ehe  sie  den  Widerstand  der  darairf 


GnetseiuMm:    BerfbtnkiiBü.  147 

driickdodeii  Maase  ttberwUligen  kann.  Daher  reisst  ne  die  auf  dem 
Grunde  des  Meerea,  wobi  anch  tiefer  im  Innera,  zwiedien  andereD, 
gebildeten  basaltischen  ond  Cooglomerat-Schichten  bis  über  die  Ober* 
fliehe  empor  und  entweicht  hier  durch  den  gewaltigen  Erhebungs« 
Krater«  Eine  so  grosse  erhobene  Masse  fällt  aber  wieder  aurüek 
und  verschliesst  bald  die^  nur  für  solche  Kraft-Aeusserung  gebildete 
Oeffnung.  Es  entsteht  kein  Vulkan.  Der  Fic  aber  steigt  in  der 
Mitte  eines  solchen  Erhebungs-Eraters  als  ein  hoher  Dom  ^on  Trar 
chyt  auf.  Kun  ist  die  fortdauernde  Verbindung  des  Innern  mit  der 
Atmosphäre  eröffnet;  Dämpfe  brechen  fortdauernd  aus  und  steht 
Ihrem  Ausbrechen  ein  Hinderniss  entgegen,  so  können  sie  es,  am 
Fnsse  des  Vulkans  oder  in  einiger  Entfernung,  als  einaelne  Lava« 
ströme  hervorschieben  und  bedürfen  nicht,  um  es  eu  überwältigen, 
ganze  Inseln  au  erheben.  Der  Vulkan  bleibt  der  Centralpunkt  die* 
ser  Erscheinungen,  der  nur  in  der  Höhe,  nicht  in  der  Tiefe,  durch 
Erkältung  und  Zurückfallen  der  geschmolzenen  Masse  verstopft  wird. 
Daher  gibt  es  nur  einen  Vulkan  auf  den  canarischen  Inseln,  den 
Pico  de  Teyde:  —  es  ist  ein  Centralvulkan. 

Die  eilf  das  Hartung'sche  Werk  begleitenden  Tafeln  enthalten 
theiif  Profile,  tfaeils  Ansichten,  sämmtüdi  von  dem  Verfasse  mit 
Kunst-geübter  Hand  entworfen.  Ausser  den  bereits  oben  erwähn* 
ten  machen  wir  besonders  aufmerksam :  auf  die  Rundsicht  von  einem 
grossen  Theile  von  Fuertaventura ,  aufgenommen  von  dem  Rande 
des  im  Mittelpunkt  der  Insel  gelegenen  Kraters  £1  Volcan;  auf  die 
lehrreiche  Rundsicht  des  Lavenfeldes,  welches  durch  die  in  den 
Jahren  1730  bis  1786  erfolgten  Ausbrüche  auf  Lanaerote  entstand; 
auf  die  Abbildung  des  Lavastromes  aus  dem  verflossenen  Jahrhun« 
derty  der  bei  Puerto  del  Arrecife  das  Meer  erreicht.  —  Die  schönet 
geologisch  colorirte  Karte  der  beiden  geschilderten  Inseln  ist  von 
Härtung  entworfen  nach  den  vom  englischen  Marineoffiaier  Arlett 
im  Jahr  1835  aufgenommenen,  mit  grosser  Sorgfalt  ausgeführten 
Seekarten. 


Die  Auf'  und  ünterauehung  von  Lagerstätten  nutst- 
barer  Mineralien,  Von  Moris  Ferd,  Oaetsehmann, 
Professor  der  Bergbaukunst  und  Bergamts-Assessor  in  Frdberg. 
Mit  116  in  den  Text  eingedruckten  Holzscknittm.  Freiberg, 
Verlag  von  J.  0.  Engelhardt     1866.     Ä  VJJI  und  480. 

Es  bildet  die  vorliegende  Schrift  den  ersten  Theil  der  bereits 
im  Jahre  1846  mit  der  „Gewinnungslehre'^  begonnenen  „vollstän- 
digen Bergbaukunst.  ^  Ursachen  mannigfacher  Art  haben  das  Er- 
seheinen dieses  Werkes  versögert,  dessen  einzelne  —  immer  für 
sich  ein  Ganzes  ausmachende  —  Theile  nun  bald  folgen  sollen,  und 
Bwar  sunächst  die  Lehre  von  der  Aufbereitung. 


741  GaeticluuBii!    Bergteokontt 

Wir  wollen  Teraucben,  ent  eine  Uebenicfat  von  dem  rddwi 
Inhalt  zn  geben  and  alsdann  Einiges  hervorheben,  was  für  unsen 
Leser  von  Interesse  sein  dürfte.  In  der  Einleitung  bespricht  der 
Verfasser  zonKchst  Vortheile  and  Nachtheile  des  Bergbanes,  msdit 
anf  die  Wichtigkeit  des  Stadiams  der  Bergbaakanst  und  namenütdi 
einer  practischen  Behandlung  derselben  aufmerksam ,  gibt  die  ESn- 
ihdlung  dieser  Wissenschaft  und  die  ErklKrung  einer  Anzahl  borg- 
mSnnischer  Benennungen.  Alsdann  wendet  er  sich  dem  eigentliclMD . 
(Gegenstand  und  Bereich  bergmännischer  Forschangen  zu;  diese  nid: 
I.  Untersuchung  eines  unverrizten  Gebirges.  Der  Bau  der  Gebirg«, 
die  Yertbeilung  nutzbarer  Mineralien  in  den  verschiedenen  Formi* 
tlonen,  das  Auftreten  von  Quellen  wird  betraditet  Daran  relltf 
sieh  eine  ausführliche  Schilderung  der  Arten  des  Vorkommens  nnto* 
barer  Mineralien  in  den  Gebirgen,  erläutert  durch  eine  grosse  Aik 
zahl  treffiicher  Holzschnitte  und  begleitet  von  reichhaltigen  litersri* 
sehen  Nachweisnngen.  Alsdann  folgt  eine  sorgsame  Aufzihlung  sD« 
Erkennungszeichen  und  Hnlfsmittel  zur  Aufsuchung  nutzbarer  Mi- 
nerallen. II.  Untersuchungen  einer  Gegend  mit  altem  auflSssigea 
Bergbau.  Hier  sind  ~  ausser  den  bereits  angedeuteten  Merkmales 
—  besonders  zu  berücksichtigen:  Die  Ueberreste  des  alten  Berg^ 
baues,  so  wie  alle  sonst  noch  von  demselben  vorhandenen  Merk* 
male.  III.  Benrtheilung  des  untersuchten  Gebirges.  Die  ErgebeiNe 
der  bisher  angestellten  Forschungen  gewähren  das  AnhalteD  für 
Bauwürdigkeit  und  weitere  Untersuchungs- Würdigkeit  und  für  Er- 
tragsfähigkeit als  endliches  Ziel  der  Ermittlung.  Es  werden  nun  be- 
sprochen: Die  Grundlagen  zur  Beurtheiinng  noch  unverrizten  G^ 
birges;  die  Gegenstände  der  Berücksichtigung  bei  Wiederaufbsbsie 
eines  alten  Bergbaues  und  endlich  die  Grundzüge  des  Plan-Entwurfti 
zu  einem  Bergwerks-Unternefamen. 

Eines  der  lehrreichsten  und  mit  grosser  Vollständigkeit  abge* 
handelten  Kapitel  ist  jenes  über  die  Erkennungs-Zeichen  und  Hülfr- 
mittel  zur  Aufsuchung  nutzbarer  Mineralien.  Berücksichtigt  man  dli 
Oberflächen  -  Verbältnisse  einer  Gegend  überhaupt  —  ehedem  mü 
die  wichtigsten  Merkmale  —  so  muss  man,  bei  Betracht  ihrer  Ge- 
ringfügigkeit, über  die  Richtigkeit  staunen,  mit  welcher  die  Vorfib- 
ren  In  früheren  Jahrhunderten  manche  schwer  erkennbare  Eiges* 
thümlichkeiten  zu  beurtheilen,  wie  sie  von  zerstreuten,  unregelmäolg 
▼«rtheilten  Erzmitteln  die  ausgiebigsten  aufzufinden  wussten.  Kein 
Wunder,  dass  damals  der  Glaube  ein  sehr  verbreiteter:  es  gehSre 
zum  Aufsucheo  von  Erz-  und  anderen  Lagerstätten  „ein  gewisMr 
Instinkt,  ein  gewisses  Hellsehen.''  —  Oertliche  Höhe  irgend  eioer 
Punktes  über  dem  Meeresspiegel,  geographische  Höhe  über  den 
Aeqnator  haben  keinen  besonderen  Einfluss  auf  das  VorhandeoMiD 
nutzbarer  Mineralien;  eben  so  wenig  sind  letztere  nach  geograplii- 
sehen  Breiten  vertheilt.  Diese  Ansicht,  welche  hauptsächHcb  vi 
gewissen  alchemistischen  Ideen  beruhte ,  ist  sogar  \jt  neuester  7  " 
hin  und  wieder  aufgetaucht;  z.  B.  dass  das  Gold  haopt^ddidi 


1 


fiaetfehoiaDA:    BergbaiikaMt.  749 

Oebirgen  vorkomme,  Welche  den  Meridian  Richtungen  folgten ,  in 
den  sog.  Meridianketten,  was  von  Erman  mit  Sicherheit  widerlegt 
wurde.  •—  Als  die  ersten  Anhalts*  und  Ausgangspunkte  müssen  die 
allgemeinen  und  namentlich  die  besonderen  Profile  einer  Gegend 
betrachtet  werden ;  alle  die  characteristischen  Berg-  und  FelsformeUi 
in  welchen  einselne  Gesteine  aufzutreten  pflegen.  So  ist  es  z.  B. 
eine  alte  Bergmauns-Regel ,  dass  in  sanft  ansteigenden,  sich  ohne 
Unterbrechung  weit  fortziehenden  Gebirgen  weit  eher  grössere  und 
reiche  Lagerstätten  zu  erwarten  seien,  als  in  zackigen,  schroffen. 
—  Noch  wichtiger  zeigen  sich  aber  die  Entblössungen  der  Gesteins- 
Oberflttche,  es  seien  nun  natürliche  oder  künstliche.  Wir  finden 
häofig  in  Mauer-artigen  Uervorragungen  Felsmassen,  deren  Festig- 
keit sie  gegen  ihre  Umgebung  vor  dem  zerstörenden  Einfluss  der 
Atmosphärilien  schützte,  die  in  vielen  Gegenden  unter  dem  Namen 
jiTeufelsmauem^  bekannt  sind.  Nicht  selteu  (der  Verf.  führt  eine 
Reihe  von  Beispielen  an)  stehen  auf  solche  Weise  erzführende  Gänge 
über  die  Erdoberfläche  empor.  —  Das  erste  Zeichen  zur  Aufsuchung 
von  Lagerstätten  haben  schon  häufig  sogen.  Fundstücke  gegeben. 
(So  war  z.  B.  die  erste  Veranlassung  zum  Angriff  der  schnell  sehr 
ergiebig  gewordenen  Silbererz- Gänge  von  Hiendelaencina  in  Spanien 
in  einem  kleinen  Dorfe  ein  Block,  der  lange  Zeit  zum  Besteigen 
der  Maulthiere  benutzt,  bis  ein  Franziscaner  in  solchem  Spuren  von 
Silber  erkannte,  und  alsdann  weitere  Nachforschungen  anstellen  liess« 
In  Wisconsin  wurden  im  J.  1850  Kupfererze  entdeckt,  indem  ein 
Viehtreiber  mit  dem  Fuss  an  einen  aus  der  Erde  hervorragenden 
Körper  stiess,  darüber  strauchelte  und  bei  näherer  Betrachtung  eine 
50  Pfund  schwere  Stufe  gediegenen  Kupfers  erkannte.) 

Ein  dem  Bergmann  sehr  bedeutsames  Anzeichen  verdeckter  oder 
schwer  erkennbarer  Lagerstätten  gewährt  der  sogen.  Schweif  —  eine 
eigenthümliche  Färbung  des  Bodens.  Es  wird  solche  meist  durch 
Oxydation  der  die  Ausfüllung  der  Lagerstätte  bildenden  metallischen 
Substanzen  erzeugt.  Am  häufigsten  ist  die  rothe  Färbung,  welche 
meist  von  Eisen  herrührt,  aber  nicht  nur  Eisenerz-Lagerstätten,  son- 
iem  auch  anderen  angehörL  Sie  zeigt  sich  zumal  bei  den  Gängen 
mit  dem  „eisernen  Hut^  (d.  h.  solchen,  die  in  oberer  Teufe  Eisen- 
erze, in  unterer  Kupferkies,  Bleiglanz  u.  s.  w.  führen).  Rostige 
sder  rothe  Färbung  des  Bodens  gilt  ferner  in  vielen  Gegenden  als 
erstes  Merkmal  beim  Aufsuchen  von  Goldschutt.  —  Als  ein  weite^ 
^ea  Kennzeichen  verdient  Erwähnung  das  Ausblühen  oder  Answit* 
lern,  Resultat  chemischer  Zersetzungen.  Es  stellt  sich  bald  als  rdf- 
irtiger  Ueberzug  der  Oberfläche,  bald  in  Gestalt  farbiger  Flecken 
iar.  (So  geben  sich  z.  B.  die  mächtigen  Zinkgänge  bei  Schön- 
itein  in  Steyermark  durch  weisse  Ausblühung  kund.) 

Weiter  darf  den  durch  die  Oberflächen-Verhältnisse  gebotenen 
dLerkmalen  der  Pflanzenwuchs  zugezählt  werden.  Es  war  ehedem 
lio  viel  verbreiteter  Bergmanns-Glauben:  dass  auf  Beschaffenheit 
Iw  Bäume,  der  Saat,  des  Grases  von  darunter  vorhandenen  Lager» 


7Sd  (htteCilHMBii :    Beif faaiikaMt» 

itSU«ii  ein  gewisser  EiDfiuss  ansgeübt  werde;  spirlieher,  gielchssn 
▼erseDgter  PflanseDwuchs,  gelbe  Hdme,  Terkriippehe  B£iime  gmlte 
«le  untrügiiches  Zeichen  aufsetiender  Ginge.  Noch  benlxtiUge  gäf 
in  Chili  ärmlicher  Pflansenwachs,  Unfruchtbarkeit  als  bestes  Merk- 
auü  für  vorhandene  Silbererz-Gänge.  Als  Ursache  davon  ninmt 
man  in  Peru  —  wie  uns  Pöppig  berichtet  —  einen  ausg^iaucbtiei 
Dnnst  an.  —  Die  Umgebung  mancher  Lagerstätten  wird  bisweilen 
von  gewissen  Pflansen  cbaracterisirt;  dies  ist  namentlich  mit  den 
sog.  Salspflanzen  der  Fall,  welche  Soolquellen  oder  unter  der  Obet^ 
fläche  liegendes  Steinsalz  fast  stets  begleiten.  Aber  auch  aof  Bises- 
werken  hat  man  die  Beobachtung  gemacht,  dass  Haufen  gewona»- 
ner  Eisensteine,  welche  längere  Zeit  aufgeschüttet,  sich  mit  ein« 
Decke  malvenartiger ,  roth  und  gelb  blühender  Pflanzen  betdeiden. 
Noch  eigenthümlicher  ist  die  Viola  calanünaria,  das  sogen.  Galnwi* 
Veilchen,  welches  auf  den  beigischen  und  westphälischea  Galrae- 
Lagerstätten  so  regelmässig  und  nur  dort  gefunden  wird,  dass  noi 
danach  schon  bergmännische  Versuche  mit  Erfolg  anstellte. 

Nebel  und  Dünste  die  sich   über  dem  Ausgeheaden  voq  Gin- 
gen erheben  sollen,  sind  oft  von  Bergleuten  hoch  gehaltene  Zeichsn, 
ebenso  Streifen  auf  Gras  und  Saaten,   auf  denen  am   Morgen   keia 
Thau   oder   Reif  liegt,    im   Winter   der   Schnee   bald    wegschaiilflU 
Sdion  Agricola  macht  in  seinem  bekannten  Werke  (deutsche  UebeOi 
1657,  S.  28)  auf  solche  Erscheinungen  aufmerksam  und  der  Varf. 
hebt  es  mit  Recht  hervor,  dass  wenn  sie  aach  nicht   die  von   den 
Allen  zogeschriebene  Zuverlässigkeit  besitzen,  sie  keineswe^  ganz 
unbeachtet  bleiben  dürfen.    Denn   die   Gangklüfte   bieten   aaweilaa  , 
dw  höheren  Temperatur  des  £rdinnem  einen  freieren  Weg  nach  dm  I 
Oberfläche,  wo  sie  den  in  der  Atmosphäre  enthaltenen  Wasierdäniifez  ^ 
nicht  erlauben,  sicli  als  Reif  oder  Thau  an  diesen  Stellen  oied^sa- 
schlagen,  so  wie  auch  die  nämliche  höhere  Temperatur  die  auf  dea 
Gange  enthaltene  Feuchtigkat  als  Dunst  aufsteigen  und  in  der  kfilh 
leren  Abendluft  sichtbar  werden  lässt. 

Auch  die  Licht  -  Erscheinungen ,  die  sogen.  WitteningeD  od« 
Bergfeuer,  die  sich  über  dem  Ausgehenden  von  Gängen  zeigen  ael^ 
len,  verdienen  Erwiüiaung.  Besonders  zur  Zeit  des  AeqniiiocIiaMi 
will  man  das  Phänomen  beobachtet  haben,  das  vielleicht  in  ge» 
wissen  electro-chemischen  Wirkungen  seinen  Grund  hat 

Als  das  eigenthümlieliste  Uülfsraittel  zur  Auisuchung  von  fisr 
lagerstätten  galt  schon  frülie  und  gilt  noch  jetzt  in  mandien  Ge- 
genden, die  berüchtigte  Wünschelrnthe,  auch  Berg--  oder  Gläcksmtfte 
genannt.  (Nicht  zu  verwechseln  mit  der  sog.  Sprtngwurzel.}  Dz 
man  ihr  ehedem  grosse  Wichtigkeit  beilegte,  ganze  Bücher  über  sie 
schrieb,  Streitschriften  für  und  wieder  sie  weciiselte,  durfte  ei 
für  unsere  Leser  wohl  von  Interesse  sein,  Einiges  ans  der  sehr  vofi- 
ständigen  und  lehrrtichen  Zosammenstelluag  des  Verf.  zu  hOiea. 
Wie  bekannt  ist  die  Wünschelrnthe  ein  achwacher,  biegnamer  Stak^ 
welche  durch  gewisse  Bewegungen  dem  ihn  tragteden,  dem  ^Ba* 


!    fiergitakttiiü  Üi 

db6B|^g«r^  die  NIhe  ▼•rborgviier  Lagerstfttten  andeutet.  Sie  be- 
iteiit  in  der  Regel  aae  H0I2;  die  gabelförmig  Ton  einem  Schosse 
aufgewachsene  Ruthe  wird  so  gehalten,  dass  man  die  beiden  Enden 
der  Gabel  —  ^die  Hömer^  —  mit  geschlossenen  Hftnden  in  der 
Art  faast,  dass  letstere  eine  Fanst  machen,  die  Finger  nach  oben 
gewendet  Die  Rathe  steht  dabei  aufgerichtet  and  biegt  sich  in 
dem  Masse  gegen  die  Erde  nieder  — -  ^^sie  schlägt^  —  als  sie  sldi 
den  gesuchten  Gegenstlnden  nähert  Die  Ruthe  darf  nicht  au  gross 
sein,  etwa  IV2  Paw  lang  und  einen  Finger  dick;  sie  Ist  gewöhn» 
Uefa  eine  haselne,  aber  nur  ein  Jahreswnchs.  Manche  geben  Iflr 
die  yerschledenen  Metalle  auch  verschiedene  Holzarten  an.  Die 
Ruthe  mnss  an  gewissen,  besonders  geeigneten  Tagen  geschnitten 
werden,  dabei  gebrauchte  man  mancherlei  Spruche  oder  Beschwör 
rungon.  Sie  soll  nach  Einigen  nur  auf  Ersgänge,  nach  Andern  auch 
ani  taube  Gänge  schlagen,  ausserdem  aber  auf  Quellen,  vergrabene 
Metalle,  Schätae  alier  Art,  gestohlene  oder  verlorene  Gegenstände 
jeder  Gattung,  auf  Ermordete  und  ihre  Mörder  —  kurz  sie  soll  auf 
AUes  Antwort  geben.  Kenntniss  und  Gebrauch  der  Wünschelrudie 
lind  —  wie  aus  verschiedenen  Schriften  hervorgeht  —  in  Deutsch* 
land  sehr  alt;  sie  ist  nicht  erst,  wie  von  Manchen  behauptet  wiitf, 
Im  drei8sig)ährigen  Kriege  durch  die  Schweden  nach  Deutschland 
gelcommen,  die  sich  ihrer  zur  Auffindung  versteckten  Goldes  bedient 
haben  sollen.  In  Frankreich  kam  sie  ums  Jahr  1630  zum  Aufsn«- 
efaen  von  Wasser  und  Erz  in  besondere  Aufnahme. 

Ebenso  verschieden,  wie  die  Erscheinungen,  welche  die  Ruthe 
hervorbringen  soll,  sind  die  Erklärungen  dafür.  In  älterer  Zeit 
hegte  man  nicht  den  geringsten  Zweifel  über  Ihre  Wirksamkeit  und 
aebiieb  solche  dem  Teufel  zu.  Andere  erkennen  darin  eine  gewisse 
C^mpatbie,  eine  unmittelbare  Einwirkung  der  verborgenen  Stoffs 
durch  sieh  von  ihnen  verflüchtigende  Theilchen  auf  die  Ruthe; 
aneh  soll  die  Einwirkung  durch  die  von  dem  Wasser  aufeteigenden 
Dünnte  vermittelt  werden,  weiches  gewöhnlich  auf  Gängen  enthal- 
Un  iat  Die  Ausströmung  der  Erze  soll  aber  auf  den  RuthenschNk 
ger  aelbst  ihren  EInfluss  ausüben  und  durch  Zittern  und  Zuckungen 
deeeelben  sich  zu  erkennen  geben.  —  In  neuester  Zeit  ist  bei  Er« 
klämngs* Versuchen  an  die  Stelle  der  Sympathie  der  Alten  die  Ele<s 
tricff  ät,  die  auf  Erzgängen  stattfindende  galvanische  Strömung  zu  HOlls 
gesogen  worden  —  jedoch  nur  von  Nicht-Physikern.  (Ein  erst  vor 
BiBem  Deoeuinm  neu  erstandener  Adept  ging  sogar  so  weit,  den 
¥ofBchiag  zu  machen,  es  solle  der  Ruthengänger  ^ganz  unbekleidet, 
die  Fnsstohlen  und  den  Leib  mit  Blattgold  belegt^  sein  gelieimniss« 
volles  Werk  treiben.)  —  Eine  letzte  Erklärung  ist  endlich  die  durch 
ins  unbewttsste  Wollen,  die  Kraft  des  Gedankens,  welche  die  Hände 
in  Bewegung  setzen ;  sie  kommt  zusammen  mit  der  schon  von  Kir- 
eher  im  17.  Jahrhundert  aufgestellten  Annahme  der  Mitthätigkelt 
iee  PuJsschlages.     In  dieser,  übrigens  nicht  abzuleugnenden  Thätig- 


75d  (itetochmaim;    EergbaduuMt. 


1 


keit  Uegt  —  wie  der  Verf.  richtig  bemeitt  —  die  nimUii«  QtteUtt 
▼on  Selbstt&usdiaDgeD,  von  denen  ehedem  die  schwingenden  Pan- 
del, in  neuester  Zeit  die  rückenden  und  klopfenden  Tiedie  Kimde 
gaben.  ^yMeg  übrigens  —  so  heisst  es  am  Schluss  des  Capitdi 
über  die  geheimnissvolle  Ruthe  —  eine  oder  die  andere  der  ge- 
nannten Ursachen  die  wahre  sein,  so  ist  wenigstens  nachgewieseo: 
dass  der  Glaube  an  die  Wahrheit  der  Wünschelruthe  immer  aa  den 
Zeiten  und  in  den  Kreisen  am  stärksten  war,  wo  die  Keuntniss  der 
Naturgesetse  und  der  Naturwissensdiaften  überhaupt,  das  Bestreb« 
den  wahren  natürlichen  Zusammenhang  aller  Vorginge  m  ergrün- 
den, geringer,  das  Gefallen  an  geheimaissvollen  Dingen  erhöhter, 
die  Neigung  zu  ungestörtem  geistigem  Halbschlaf  vorherrschend  wsr.' 
—  Die  Wünschelruthe  wird  nun  in  Zukunft  mehr  und  mehr  den 
Gebiete  der  Geschichte  angehören,  hat  sie  doch  bereits  ihre  eigese 
Literatur.  (Wir  nennen  hier  nur,  ausser  dem  oben  schon  erwSla- 
ten  Werke  von  Agricola:  Wille,  von  der  Wünschelruthe  1694;  ZeU- 
1er,  Pantomysterium  oder  das  Neue  im  Jahr  von  der  Wünachebirike 
1700;  Albinus,  das  entlarvte  Idol  der  Wünschelruthe  1704 ;  AretlB, 
Beiträjge  zur  Geschichte  der  Wünschelruthe  1807;  ChevreuU,  de  b 
baguette  divinatoire  1854.) 

Mit  gleicher  Vollständigkeitr,  wie  der  Abschnitt,  welchen  w^ 
eben  etwas  nfiher  betrachteten,  sind  die  übrigen  abgehandelt,  or 
mentlich  jener  über  die  Untersuchung  einer  Gregend  mit  altem  sof- 
iSssigem  Bergbau,  wesshalb  wir  jedem,  der  sich  mit  bergmibinisdMB 
Unternehmungen  und  Projecten  befassen  will,  ein  eifriges  Stndiam 
dieses  Buches  und  insbesondere  des  dritten  Abschnittes:  Grmndiagei 
zur  Beurtheilung  noch  unverrizten  Gebirges,  anrathen.  —  Uebe^  j 
haupt  können  wir  in  jeder  Beziehung  dem  Urtheil  beistimmen,  wel- 
ches ein  bewährter  Fachmann  über  Gaetschmann's  Schrift  nnlingit 
in  der  „borg- und  hüttenmännischen  Zeitung^  gefällt  hat:  das  Weil 
gibt  eine  sehr  vollständige  systematische  und  kritische  Zusammez- 
stelluttg  aller  über  diesen  wichtigen  Abschnitt  der  Bergbaukoadi 
bis  jetzt  bekannt  gewordenen  Kenntnisse  und  Erfahrungen  mit  ge- 
nauen Quellen -Angaben  und  das  Studium  dieser  griindlidien  uri 
durchaus  tüchtigen  Arbeit  ist  jungen  und  alten  Bergleuten  um  le 
mehr  zu  empfehlen,  da  ein  solches  Buch  nach  dem  neuen  Stznii- 
punkte  der  Wissenschaft  und  Kunst  gar  nicht  existirt.  D^  Heir 
Verfasser  war  aber  in  seiner  Stellung  als  Lehrer  der  Bergbaokuail 
an  der  berühmten  borg-  und  hüttenmännischen  Hochschule  au  Frei- 
berg besonders  zur  Ausfüllung  dieser  wesentlichen  Lücke  in  der 
Literatur  der  Bergwerkskunde  geeignet  —  Das  Aenssere  des  Wer- 
kes, Druck,  Papier  und  Abbildungen,  sind  sehr  gut 

€i.  lieoiilMirdla 


Ir.  41.  HEIDELBERGER  IHI. 

JAHRBOCHBR  der  LITIRATOB. 


Dr,  F.  Kober:  der  Kirchenbann  nach  den  Qrundaäisen  des 
canonischen  Rechts  dargeeiellt  Tübingen,  1867.  Verlag  der 
H.  Laupp'echen  Buchhandlung,  —  Laupp  ^  Siebeek, 

Es  war  ein  doppelt-gater  Gedanke  ansres  Verfasaera,  zwei 
Punkte  anaaregen,  dasa  einmal  die  Constroirung  des  Kirchenrecfata 
und  des  canonischen  Rechts  für  unsre  Zeit  so  aiemlich  vollen- 
det sei,  wie  wir  gleich  noch  näher  darthan  werden,  sodann,  dass 
unter  den  jetst  an  fördernden  Detailarbeiten  die  Lehre  vom  Kir- 
chenbann eine  der  wichtigsten  sei.  Es  ist  nämlich  nicht  au  leug- 
nen, dass  in  Hinsicht  auf  die  kirchliche  Discipiin  dieses  fein  aasge- 
bildele  Strafmittel  dasjenige  ist,  was  die  Kirche  selbst  zusammen- 
hält, und  ebensosehr  den  Zweck  der  Besserung  wie  den  der  Präven- 
tion gibt,  was  in  geistiger  Besiehung  ein  geistiges  Institut  schütsEt. 
Die  Kirche  hat  sich  in  den  verschiedenen  Zeiten  ihres  Regiments 
besonders  mit  Rücksicht  auf  den  Staat,  welchem  eine  andere  Ten- 
dena  au  Grunde  liegt,  mancherlei  Mittel  bedient,  natürlich  aber  be- 
sonders diejenigen  vorgekeht;,  die  ihr  entsprechend  schienen,  und 
so  hat  dieses  auch  das  Goncilium  von  Trient  anerkannt,  welches, 
ohne  die  älteren  Einrichtungen  umzuwerfen,  die  Bedeutung  des  Kir- 
chenbannes ganz  besonders  hervorgehoben  bat  Was  aber  die  erste 
iD  der  Vorrede  des  Verf.  S.  V  angedeutete  Richtung  betrifft,  so 
hätten  wir  gewünscht,  dass  auf  die  Verschiedenheit  der  dort  ange- 
deuteten Werke  des  Kirchenrechts  einige  Rücksicht  genommen  wor- 
den wäre.  Die  fünf  ersten  Werke  von  Walter,  Richter,  Permane- 
der,  Phillips  und  Schulte,  vielleicht  mit  Ausnahme  des  Werkes  von 
PbiUips  und  der  durchblickende!!  Richtung  von  Schulte  umfassen 
dasjenige,  was  man  in  dem  letzten  Jahrhunderte  jus  ecdesiasticum 
insbesondere  genannt  hat,  also  das  Verhältniss  der  Kirche  an  sich 
ond  zum  Staate  In  moderner  Ansicht:  während  der  Recensent  eine 
andere  Richtung  genommen  hat,  und  ausser  dieser  besondem  Be- 
deutung auch  noch  den  Einfluss  des  canonischen  Rechts  als  zweite 
Recbtsquelle  überhaupt  angedeutet  und  ausgeführt  hat  Wenn  derselbe 
auch  mehr  übersichtlich  als  deta^lirt  vorgegangen  ist,  so  kann  er 
eben  von  diesem  Gesichtspunkte  noch  manche  Nachfolger  erwarten 
and  die  Brücke  bieten  zu  demjenigen,  was  Hr.  Prof.  Kober  im 
Sundpunkte    seiner   Monographie  mit  Recht  durchgeführt  wünscht 

Das  Werk  Kober 's  ist  mit  sehr  grossem  Fleisse  gearbeitet 
und  man  darf  aussprechen,  dass  In  materieller  Hinsicht  nicht  das 
Geringste  au  wünschen  übrig  ist,  und  zwar  sowohl  in  der  Darstel- 
lung des  Inhalts,  wie  in  der  Richtung  auf  die  Gesammtliteratur  der 
l.  Jahrf .  10.  Heft  48 


754  Kober:    Dor  KirdbelilMaflL 

Lehre,  die  sehr  fleissig  benutst  iat    Bei  einer  neaen  Auflage  des 
Werkes  wünschten  wir  nur  noch  zwei  Nachträge: 

1)  Eine  geschichtliche  Darstellang  der  Literatur  in  chronologi- 
scher Gestalt:  die  bedeutendsten  Werke  mit  Rücksicht  auf  die 
Stellung  ihrer  Verfasser  und  mit  einem  Blicke  in  die  Hauptqaelle 
die  Jeder  benutet  hat  ^  wie  dieses  die  juristischen  Civilisten  in  der 
neuesten  Zeit  gethan  haben,  fis  könnte  hier  auch  auf  lexieogn- 
phische  Werke  z.  B.  auf  Lipenius  de  censuris  verwiesen  werden. 
Man  glaubt  gar  nicht,  wie  die  canonische  Literatur  in  Deutschlud 
unkenntlich  geworden  ist.  Wach  1er 's  Literaturgeschichte  weiBi 
nichts  davon,  und  selbst  unsere  Kirchenrechtslehrer  kennen  dfefün- 
zelnheiten  der  Kirche  nicht. und  die  meisten  Bibliotheken  haben  die 
Bücher  nicht;  z.  B.  Alterius  de  censuris  und  andere. 

2)  Die  Quellen  angäbe ,  woraus  der  Leser  leicht  finden  wird, 
wie  das  Institut  selbst  mit  der  gesammten  Kirchenlehre  und  des 
verwandten  Instituten  zusammenhängt:  namentlich  auch  mit  d» 
Di($cesan8ynoden  im  Allgemeinen. 

Der  Verf.  hat  wohl  allerdings  S.  168  auf  die  apostoÜsdieD 
Constitutionen  verwiesen,  und  hfttte  auch  damit  anfangen  können: 
aber  besser  hStte  er  geüian,  wenn  er  das  Corpus  juris  can.  besitf 
hervorgehoben  und  mit  der  causa  24.  des  Decrets  angefangen,  so- 
fort alle  Quellen  bis  zum  Conc.  Trident  dargestellt  bitte. 

Auch  hätte  der  Verfasser  aufmerksam  machen  k^nen  auf  dis 
Terhältniss  des  Kirchenbanns  zur  Säculargewalt  vor  der  Reform- 
tion  und  seit  der  Reformation.  Beiläufig  bat  er  dieses  gethan  S.  117. 
Im  Uebrigen  wollen  wir  diesen  Punkt,  wie  die  Neueren  sich  ans- 
drtfcken,  nicht  zu  sehr  betonen,  wir  wollen  keinen  uans  mcfiet- 
nus  des  Kirchenbanns,  namentlich  in  Beziehung  zu  den  protesun- 
tischen  Staaten,  die  ihn  in  der  That  nicht  hoch  anschlagen,  oad 
wobei  sich  nicht  selten  zpigt,  wie  wenig  man  die  Seibstständigteü 
der  Kirche  achtet.  Das  Princip  der  Gewissensfreiheit,  welches  Fried- 
rich II.  von  Preussen  zur  That  erhoben  hat,  wirit  nattiriich  den 
Kirchetibann  weg,  und  man  sieht  dieses  zunächst  aus  den  neuesten 
Schicksalen  der  protestantischen  Kirche :  und  ans  den  Kämpfen  der 
protestantischen  Staaten  mit  der  katholischen  Kirche.  Unser  Veil 
verweisst  wohl  S.  16  auf  Luther  und  Calvin:  allehi  er  hätte  bei 
den  Neueren  z.  B.  Stahl  über  die  Khrcbenzucht  finden  können,  wie 
wenig  man  jetzt  auf  den  Bann  achtet. 

In  der  Einleitung  ist  der  $.  3  der  wichtigste:  während  der  $.2 
mehr  eine  historische  Bedeutung  hat.  Im  §.  8  wäre  eine  Vergisi' 
chung  mit  der  römischen  infamia  gut  gewesen ,  nidit  weniger  eise 
Verweisung  in  die  Diöcesansynoden  des  15.  und  16.  Jahrhunderts. 
Theil weise  hat  der  Verfasser  auch  dieses  gethan,  z.  B.  Mainz  1549, 
8.  143.  Die  ezcommnnicatio  latae  sententiae  liätte  noch  genaoer 
untersucht  werden  können,  Pichler's  Schrift  ist  ungenau  und 
steht  auf  dem  Index  (Glück,  Praecog.  pag.  384},  und  dem  groeses 
Benedict  ist  ntcfat  gelungen,  die  arbiträre  Jnridpmdent  Her  so  b^ 
seitigen  (S.  60,  61> 


Kober:    Der  Eivchtitan«  755 

Das  erst«  Capitei  iet  der  Saefa«  nach  gntz  iMfriedigeiMJ ,  nur 
wtffMchteD  wir  eine  bessere  Definitioa  der  jartsdiotio  propria  ud 
ordinaria.  Den  Aposteln  und  resp.  dem  Episoopate  stekt  die  eiste 
unbedingt  za,  also  dem  Pabste:  die  andere  ist  ron  dem  Episcopale 
an  ein  bestimmtes  territorinm  gebunden  und  losofeme  Debartra- 
gnng:  diese  jnrisdictio  Icann  dann  decb  insoferne  «ine  propria  sein, 
als  sie  dem  Bischof  selbst  zulcömmt,  welchem  sie  tob  Ghristtts  od- 
mittelbar  verliehen  ist;  sie  kann  aber  eine  ordinaria  sein,  indem  sie 
dem  SteUvertreter  des  Bischofs,  dem  olReiaiis,  zakömmt.  Von  bela- 
den EU  noterscheideu  ist  dann  die  delegata.  In  etwas  Terschiedeo 
sind  also  nnsere  Ansicfaten  von  denen  des  Verf.  Allein  man  mnss 
aof  sie  achten  wegen  der  Verhängung  der  Exoemmunication  nnd 
wegen  der  Absolution.  Der  Pabst  kann  jeden  absolviren,  der  Bi- 
sehof aber  nur  den,  welchen  er  excommuniokt  hat :  nnd  der  lieber» 
tragang  nach  weiter  geht  sein  Recht  zur  ordinaria  des  offldaÜB  nnd 
sor  delegata.  Das  zweite  und  dritte  Capitei  ist  mit  grosser  Umsieht 
g^sehrieben :  nur  der  der  Excommunication  vorausgehende  TiuUbestaad 
des  Ungehorsams  bald  zu  viel  specialisirt,  bald  zu  viel  generaiisirt : 
ein  Süsseres,  Vollendetes  schweres  Verbrechen  In  dem 
letiteren  Worte,  dem  eben  diese  Ansdrüoke  efttscheideB  nicht  genü- 
gend, und  andrerseits  führen  die  specieli  angegebenen  Fälle  in  eine 
pure  Casuistik:  Aul  den  Proeessgang  wollen  wir  aas  nieht  einlaa- 
aen,  denn  dieser  hing  gar  sehr  mit  der  Entwioklong  des  kirchlichen 
Prozesses  überhaupt  zusammen,  und  daher  möchten  wir  nicbt  eigent- 
lich sagen,  dass  der  Prozess  zuerst  müff»dlich  gewesen  sei,  nnd  spä^ 
ter  schriftlich  hätte  werden  müssen.  Sodann  hat  sieh  der  Verf.  anf 
den  gegenwärtigen  Zustand  der  Dinge,  wozn  er  Veranlassung  in 
den  neuesten  Excommunicationsurtheüen  finden  kennte,  gar  nicht  eia^ 
gelassen.  Der  Prozessgang  bildet  eben  das  vierte  Capitei,  wobei 
wir  auf  die  Lehre  von  der  Appellation  besonders  aaimerksam  mar 
ehen.  Dazu  g^ört  das  fünfte  Capitei.  Das  Gediegenste  wird  im 
sechsten  Capitei  g^iefert,  und  hier  wollen  wir  nur  anf  zwei  Punkte 
hinführen :  1)  auf  das  Princip  m  der  Entziehung  der  stt£Fragia  ecele- 
^ae.  Der  gut  gewählte  technische  Ausdruck  hätte  in  Beziehung 
mrf  das  Wort  suffiragium,  welches  auch  im  römischen  Rechte  ak 
sogen.  Grundrecht  vorkommt,  noch  etwas  näher  ausgeführt  werden 
können.  Die  Kirche  entzieht  den  Excommunicirten  ihre  HUfe  bis 
sum  articulus  mortis:  ebendesshalb  hört  er  aber  doch  nicht  auf, 
eventuell  zur  Kirche  zu  gehören:  die  andern  Beaiefaungen  sind  nur 
EntWickelungen  des  Princips  S.  280—433.  2)  Die  Constitution  des 
Pabstes  Martin  V.  ad  evitanda.  S.  auch  die  Bamberger  Diöcesan  • 
^ynode  v.  1491  bei  Rosshirt  can.  R.  S.  980.  Sehr  wichtig  ist 
die  richtige  Darstellung  bei  Kober  S.  272.  ^In  derselben  Weise 
nnd  aus  denselben  Gründen  ist  das  öffentliche  Gebet  und  die  Dar- 
bringung des  heil.  Messopfers  für  Akatholiken  untersagt,  denn  aUe 
gehören  zu  den  excommunicaiis  to lernt is.  Nur  m  Betreff  des 
Landesfürsten  gestattet  die  Kirche  tine  Ausnahmei  sie  betet  für 


756  Kob^:    Der  KirchenbiBtt. 

ihn  bei  dem  Öffentlichen  Gottesdienst  nnd  bringt  ffir  ihn  an  gewiiM 
festlichen  Tagen  das  heil.  Messopfer  dar :  denn  so  lange  der  Ludei- 
fürst  am  Leben  ist,  tritt  er  der  Kirche  nicht  als  blose  physische  Penon 
gegenüber,  sondern  es  Icommt  vor  Allem  seine  Stellung  als  Regoit 
des  Landes  In  Betracht,  das  Gebet  für  den  Landesherrn  ist  sogleieh 
ein  Gebet  für  den  Staat  und  umgeicehrt.  In  einem  gans  anden 
VerhUtnisse  dagegen  steht  der  bereits  verstorbene  LandesfOrst  m 
Kirche:  er  erscheint  nicht  mehr  als  der  Trfiger  der  Staatsgewalt, 
für  deren  Gedeihen  sie  betet,  sondern  lediglich  als  Privatperson.' 
Wenn  Gesetze  und  Praxis  su  allen  Zeiten  dieses  Princip  gebanö» 
habt  haben,  so  Usst  sich  daraus  noch  manches  andere  ableiten,  s.  & 
wegen  mancher  Indulte,  die  der  Pabst  dem  Staate  und  resp.  skt> 
tholischen  Landesherm  geben  kann,  sofern  die  nöthigen  Cautiosei 
geleistet  werden,  nnd  wobei  es  etwa  auf  die  Natur  des  Pri?atp«r 
tronatrechts  gar  nicht  anicömmt:  zu  jenen  Gautionen  gehört  dioi 
auch,  dass  der  akatholische  Landesherr  in  der  Regel  durch  katholi- 
sche Unterthanen  nicht  nur  mit  dem  Pabste  unterhandeln,  sondeii 
seine  Rechte  auch  durch  katholiche  Unterthanen  ausführen  ISnt 
Auch  die  protestantischen  Staatsrechtsschriftsteiler  über  das  deutsche 
Reich  erkennen  dieses  an.  Moser  im  IIL  Band  seiner  Zasüse. 
Katholiken  berufen  sich  daher  mit  Recht  auf  diese  Schriftsteller. 
Rosshirt  can.  Recht  S.  210  in  der  Note. 

Es  ist  hier  weder  der  Ort  noch  die  Absicht  des  Recenseateo 
in  die  grosse  Masse  einzelner  Gontroversen  des  Buches  einzugeben} 
um  so  weniger,  als,  wenn  auch  das  Resultat  zugegeben  werden  ksnn, 
doch  nicht  immer  die  Gründe  stichhaltig  uns  erscheinen:  z.  B.  ge- 
ben wir  gerne  zu,  dass  auch  ein  excommunicirter  Pfarrer,  der  ooeh 
im  Besitz  des  Pfarrechts  ist,  die  Erklärung  der  Eheleute  nach  den 
Conc.  von  Trient  annehmen  kann ;  auch  geben  wir  zu,  dass  er  keine 
Jurisdiction  ausübt,  sondern  als  Zeuge  erscheint,  dass  er  aber  docb 
ein  gültiger  Zeuge  ist,  obgleich  der  Verf.  selbst  anführt,  dass  die 
Excommunicirten  vom  gericbtlichen  Zeugnisse  im  Allgemeinen  am- 
geschlossen  sind:  denn  dass  hier  ein  öffentliches  —  wir  wollen  go> 
rade  nicht  sagen,  gerichtliches,  Zeugniss  vorliegt:  ist  klar  —  dan 
dieses  Alles  aber  so  sei,  geht  daraus  hervor,  weü  sonst  Elien  ab* 
zuschliessen ,  oft  eine  Unmöglichkeit  wäre,  indem  sonst  eben  der 
parochus  proprius  fehlen  würde.  Dieses  Alles  ist  aber  gewiss  mdit 
auf  die  Laienzeugen  anzuwenden ,  auch  nicht  auf  tolerati  wdl  ei 
an  orthodoxen  Katholiken  nicht  fehlen  kann,  obgleich  gerade  wieder 
hier  der  Verf.  gegen  sein  eigenes  Princip  anderer  Meinung  ist* 
Dieses  soll  nun  als  ein  Beispiel  gelten. 

Das  siebente  Gapitel  von  der  Absolution  ist  wieder  selir  reiek- 
haltig:  nur  hätten  wir  gewünscht,  dass  das  forum  poli  und  das  fo- 
rum fori  besser  unterschieden  wären :  besonders,  weil  das  erste  fibar 
diese  Erdenwirkung  hinausgreift  Zeigen  würde  sich  hier,  weldM 
Beschränkung  die  Kirche  selbst  in  dieser  sogenannten  Ansschliesss«; 
sich  desshalb  auferlegt  hat;  weil  ihr  Zweck  kein  anderer  ist  als  die 


Ariilophanef  FrOsche  von  Tb.  Kock.  757 

Wohlfahrt  der  Christen.  Immer  kt  der  Excommonfeirte  schlimm 
genug  daran,  denn  wer  erkennt  die  Stunde  des  Todes?  Man  yer- 
gleiche  dazn  das  Bncb  S.  18  ff.  —  Das  Concilium  von  Trient  hat 
bekanntlieh  in  dieser  Lehre  nichts  verändern  wollen.  Einige  Röck- 
sleht  bitte  aber  doch  anf  die  Verbftltnlsse  genommen  werden  kön- 
nen, die  in  jener  Verhandlung  vorkamen.  Das  Bach  wird  gewiss 
eine  aweite  und  weitere  Auflage  haben.  Sollte  es  einige  der  hier  ge- 
machten Bemerkungen  berücksichtigen  wollen,  und  namentlich  würde 
der  Verfasser  noch  .ein  gutes  Register  geben,  was  am  so  nothwendiger 
iat,  als  eine  Menge  einaelner  Fälle  hier  behandelt  sind,  nnd  jeder 
das  Buch  gerne  nachschlägt:  so  wird  dieses  Buch  für  das  canonische 
Recht  des  neunzehnten  Jahrhunderts,  als  ein  Muster  der  Behand» 
lung  einer  Detaillehre  erscheinen  —  eben  so  wie  dieses  im  Anfang 
dieses  Jahrhunderts  für  das  Civllrecht  durch  die  Arbeiten  Savig- 
n  y '  s  und  anderer  der  Fall  war.  Der  deutsche  Schriftsteller  möge 
sieh  nur  hüten,  in  die  unglückliche  Constructionsmethode  zn  fallen, 
welche  jetzt  in  der  Erklärung  des  römischen  Rechts  so  manche 
Nachtheile  herbeiführt.  Indessen  die  Behandlung  des  canonischen 
Rechts  ist  von  solchen  Gefahren  auf  andere  Art  bewahrt. 


AuspefmhUe  Komödien  des  Aristophanes^  erklärt  von  Theodor 
Kock.  Drittes  Bändehen.  Die  Frösche.  Berlin.  Weid- 
mann'sche  Buchhandlung  1856.     221  8.  in  ,8. 

Es  bildet  diese  Bearbeitung  der  Frösche  des  Arlstophanes,  wel- 
che aof  die  ähnliche  der  Wolken  und  Ritter  gefolgt  ist,  einen  Theil 
der  für  Schulen  zunächst  berechneten  Sammlung  Griechischer  und 
Lateinischer  Schriftsteller  mit  deutschen  Anmerkungen,  welche  von 
den  Herren  Haupt  und  Sauppe  herausgegeben  wird.  Wenn  wir  nun 
gleich  der  Ansicht  sind,  dass  es  einem  besonnenen  Lehrer  wohl 
kaum  in  den  Sinn  kommen  kann,  mit  Schülern,  d.  h.  Gymnasiasten 
oder  Lyceisten,  die  Stücke  des  Arlstophanes  in  der  Schule  zu  lesen, 
zu  deren  Verständniss  und  richtiger  Auffassung  ihnen  so  Vieles  ab- 
geht, so  halten  wir  doch  auf  der  andern  Seite  die  Leetüre  und  das 
Studium  dieser  Dramen  für  unerlässlich  bei  jungen,  angebenden 
Philologen,  wie  überhaupt  bei  allen  denen,  welche  die  Attischen  Zu- 
stände, Attisches  Leben  und  Treiben  näher  kennen  lernen  wollen, 
und  darum  vor  Allem  an  den  optimus  magister  morum  Atticoruro, 
wie  schon  Casaubonus  den  Arlstophanes  nannte,  zu  verweisen  sind. 
Wer  nun  nicht  die  grösseren  Ausgaben,  namentlich  diejenigen,  in 
welchen  die  Schollen  und  die  Anmerkungen  aller  der  Gelehrten,  die 
mit  Arlstophanes  sich  beschäftigt  haben,  zusammengestellt  sind,  zur 
Hand  hat,  oder  auch  noch  nicht  so  weit  ist,  um  von  denselben  den 
gebörigen  Gebrauch  zu  machen,  wird,  wenn  es  ihm  um  die  Leetüre 
des  Arlstophanes   wirklieh   Ernst  ist,   das  Bedürfnis«  einer  ihn  för- 


TS8  AtiMpknw  FrilMh»  tob  Tk  lodk. 

deraden  ErUlmiig,  so  wie  überhaupt  ekier  zwwkmäaag^n  Anleüime 
bald  empfindoi.  Einem  solchen,  und  zwar  wirklichen  BedürfnisB 
wird  dann  aUerdings  «ine  Ausgabe ,  wie  die  oben  angezeigte  der 
Frösche  entqirechen ;  einen  solchen  Zwedc  scheint  auch  der  Bear* 
beiter  derselben,  wenn  wir  anders  aus  der  Art  und  Wei^e  seiner 
Bearbeitung  einen  Schinss  au  machen  berechtigt  sind,  Tor  Aogea 
g^abt  zu  haben:  wir  glauben  auch  für  einen  solchen  ZweA  seine 
Bearbeitung  mit  allem  Rechte  empfehlen  zu  können;  denn  sie  ist 
iB  eiaer  fttr  solche  Zwecke  befriedigenden  Weise  ausgelallea;  der 
Bearb^ter,  dem  bei  diesem  Stücke  allerdings  gute  Hülfomittel  wr 
6eite  standen,  wir  erinnwn  nur  an  Fritzsche's  Ausgabe  und  Com" 
mentar,  hat  davon  den  für  die  genannten  Zwecke  entspreebendes 
Gebrauch  gemacht,  ohne  jedoch  die  Selbständigkeit  der  eigenen  Be* 
arbeitnag  aufzogeben,  die  wir  allerdmgs  an  mehr  als  einer  Stelle 
wahrnehmen«  Eine  ausführliche  Einleitung  (S.  7 — 42)  geht  dem 
Texte  Toraus:  sie  behandelt  zuerst  die  historischen  Verhältnisse,  unter 
welehen  die  AusAihrung  des  Stückes  statt  gefunden  und  ohne  demt 
nähere  Kenntniss  das  Verständniss  des  Ganzen  unmöglich  ist,  be- 
spricht dann  auch  die  literarischen  Beziehungen,  namentlich  das  T«- 
hältniss  an  Euripides,  und  giebt  darauf  (p.  IV)  eine  genaue  lieber- 
Sicht  des  Ganges,  den  der  Dichter  in  diesem  Stücke  genomnaen  hat, 
der  Handlung  selbst  und  deren  einzelne  Theile  und  Abschnitte. 
Darauf  folgt  der  Text  mit  den  darunter  gesetzten  deutschen  An- 
merkungen, welche  das  Sprachliche  wie  das  Sachliehe  gleichmässig 
berücksichtigen  und  damit  dem  Leser  eine  wirkliche  Nachhülfe  und 
eine  Unterstützung  bieten,  die  ihm  allerdings  zum  vollen  Verstand» 
niss  des  Ganzen  nothwendig  ist.  Wir  müssen  auch  rühmend  aner- 
kennen, dass  der  Verfasser  in  diesen  Bemerkungen  ein  gewisses 
Maass  zu  halten  verstanden  hat,  wodurch  eine  gewisse  Gleichmfiss^ 
keit  in  seinen  Anmerkungen  erzielt  ist,  wie  wir  sie  nidit  insser 
bei  solchen  mit  dentschen  Anmerkungen  versehenen,  für  die  Schule 
oder  die  Privatlecttire  bestimmten  Ausgaben,  vorfinden,  wo  bald 
ZQ  Viel,  bald  zu  Wenig  für  die  Erklärung  geleistet  ist,  eben  weil 
man  sidi  des  Zweckes,  dem  diese  Erklärung  dienen  soll,  nicht  ganz 
klar  und  sicher  bewusst  ist.  Wir  wollen  keine  Beispiele  des  Ge- 
sagten anführen,  uns  vielmehr  freuen,  in  der  vorliegenden  Bearbei- 
tung eines  Aristophanischen  Stückes  diesen  Missstand  vermieden  sa 
sehen.  Was  vom  sprachlichen,  und  theilwelse  selbst  grammatisciien 
Standpunkt  aus,  eine  Erklärung  für  die  oben  bemerkte  Classe  tob 
Leser  erheischte,  wird  erldärt,  aber  mit  einer  gewissen  Kürze  und 
Präcision,  öfters  selbst  mit  Angabe,  oder  vielmehr  wörtlicher  An- 
führung von  Parallelstellen,  die  für  die  Erfassung  solcher  Gegen- 
stände erspriesslich  und  selbst  nothwendig  sind,  jedoch  nicht  ohne 
weitere  Verweisung  auf  gelehrte  Werke,  welche  dem,  der  diese 
Ausgabe  benutzt,  doch  kaum  zu  Gebot  stehen.  Mit  gleicher  Ge- 
nauigkeit finden  auch  die  sachlichen  Punkte  diejenige  Erklären^ 
weldie  den  Zwecken  der  Ausgabe  entsprechend,  nicht  in  weitläufige 


ArutopküBoi  Fröicb«  voo  Tk  Kock.  759 

Erörtenuigeii  (was«  hier  allerdinga  mancher  Anlwe  g^eben  war) 
•ich  eialSsati  sondern  das  Wesentliche  in  gehöriger  Weise  mitlheilt. 
Dass ,  wie  schon  oben  bemerkt ,  der  Gommentar  voo  Fritaschf 
vielfach  hier  benutzt  worden,  wird  vom  Verfasser  nicht  in  Abrede 
gestellt,  es  wird  daher  auch  der  Name  dieses  Gelehrten  gegen  die 
io  dieser  ganaen  Sammlung  von  Ausgaben  eingeführte  Uebang,  hier 
nnd  dort  insbesondere  angeführt;  diesem  Gelehrten  folgt  der  Ver- 
fasser auch  meistens  in  der  Bildung  nnd  Gestaltung  des  Tbxtes ;  die 
Kritik  selbst  wird  in  den  Anmerkungen  nnr  da  berührt,  wo  die  ver- 
schiedene Lesart  auf  die  Auffassung  und  den  Sinn  der  Stelle  von 
wesentlichem  Einfluss  ist,  und  darum  in  den  erkUirenden  Afimer« 
kungen  nicht  übergangen  werden  konnte.  Ueber  dam  hat  der  Ver- 
fasser am  Schluss  seiner  Ausgabe  auf  m'cht  ganz  drei  Seiten  ein 
Verzeichniss  der  Abweichongen  seines  Textes  von  dem  der  Poetaa 
»cenici  von  Dindorf  (1830)  beigefügt.  Diesem  Verzeichniss  geht 
voran  eine  nützliche  Uebersicht  der  hl  den  einzelnen  Theilen  des 
Stückes  von  dem  Dichter  angewendeten  Metra,  in  den  dialogischen 
Abschnitten  eben  so  wie  in  den  lyrischen,  so  dass  man  das  Me- 
trum eines  jeden  einzelnen  Verses  hier  angegeben  findet. 

Wir  könnten  mit  diesem  Bericht  über  die  Anlage  und  den 
Charakter  dieser  Bearbeitung  schliessen ,  um  so  mehr ,  da  die 
Anmerkungen ,  wie  wir  schon  oben  angemerkt  haben ,  im  Gan* 
zeo  meist  befriedigend  ausgefallen  sind :  wir  glaubten  jedoch, 
dem  Verfasser  wie  unsern  Lesern  gegenüber ,  die  Besprechung 
einiger  Steilen  nicht  übergehen  zu  dürfen,  in  welchen  wir  die  An- 
sicht des  Verfassers  nicht  theilen  können.  So  hat  er  z.  B.  Vers 
404  die  Vulgate  6vyaQ  xarsöxiöai  (uv  inl  ydlan^  —  xa^ßVQ^^ 
welche  Fritzsche  und  Dindorf  beibehalten,  verlassen,  und  weil  in 
der  Ravennatischen  Handschrift  steht  xataöxf^0  fji^v  und  i^tuf^g^ 
aus  den  ersteren  beiden  Worten  xara6xt,6afi€vog  gemac»it  und 
dieses  in  den  Text  aufgenommen,  wir  zweifeln  ob  mit  Recht,  da 
wir  den  ersten  Theil  dieser  Periode  6v  yä^  7taxBiS%Cß(o  x,  z.  L  als 
einen  selbständigen  Gedanken  auffassen,  zu  dem  dann  als  eine  daraus 
weiter  hervorgehende  Folge  das  mit  einem  nachdrucksvollen  nutl 
aogeknupfte  xal^evQag  (für  7^1  ilav^sg)  sich  passend  anreiht.  Eben 
so  halten  wir  auch  die  zu  Vs.  414  ff,  ausgesprochene  Vermuthung, 
welche  Vs.  414  und  415  nicht  dem  Dionysos  und  Xanthos  beige- 
legt  wissen  will,  sondern  annimmt,  dass  zwei  Jünglinge  auf  dem 
Chor  selbst  mit  diesen  Worten  sich  unter  die  Mädchen  gemischt, 
für  unbegründet,  und  selbst  unwahrscheinlich ;  eben  so  wenn  Vs*  569  ff. 
eine  jede  der  beiden  navdoTcavxQuu  noch  eine  Magd  bei  sich  ge- 
habt, also  nicht  allein,  sondern  von  einer  Magd  begleitet  aufgetre- 
ten sein  soll,  welche  Mägde  dann  nach  der  Meinung  des  Verfassers 
abgeschickt  werden,  um  Kleon  und  Hyperbolos  zu  holen:  während 
die  TCaväoHsvtQiat  es  selbst  sind,  welche  beide  herbei  holen  wollen; 
auch  lüer  vermissen  wir  die  Grundlage  zu  einer  solchen  Annahme, 
die  aus  den  Worten  des  Dichters  selbst  sich  nicht  erweisen  lässt. 


700  Arbtophuief  FriMche  von  Th.  Kock. 


1 


Eben  so  wenig  können  wir  der  ErkUrong  des  Ver&aien  bettrelen 
Vb.  948.  Enripides  rühmt  sich  im  Vorhergehenden  der  Art  and 
Weise,  in  der  er  das  Drama  behandelt,  nnd  wie  er  die  anflfeteo- 
den  Personen  habe  reden  lassen  nicht  Beliebiges,  wie  es  der  Zafali 
gegeben,  sondern  wie  der  zuerst  auftretende  Schauspieler  gleich  das 
^y^vog^  —  das  Oeschlscht,  den  Charakter  des  Stückes  angegebea 
(mit  Bezug  auf  Aescbylus,  der  in  seinen  Stücken  diess  vernachlis- 
sigt  und  die  zuerst  auftretenden  Personen  verhüllt  und  schweigend  - 
auf  die  Bühne  gebracht  Vs.  911  ff.,  so  dass  die  Zuschauer  in  ihrer' 
Erwartung  getSuscht,  nicht  den  weitern  Verlauf  des  Stückes  ahnea 
konnten);  darauf  fiüirt  Euripides  fort:  ijutv  d«6  top  x^^m&p 
ixäv  oÄ6h/  «ocgiiH  av  agyov^  aXX  iJieyev  ij  ywi^  t£  (KH  jm 
dovlog  ovdhv  rjfcxov  x.  r.  A.  Hier  glauben  wir  die  Worte  am 
räv  7CQcitG}v  inäv  nur  so  verstehen  zu  können:  von  den  eralen 
Worten  an,  also  den  Eingangsworten,  vom  Anfange  an,  wo  sehoa 
der  Charakter  des  Stückes  (ro  yivoi)  angedeutet  war,  Hess  ich  jede  ; 
der  auftretenden  Personen  nichts  Müssiges,  üirem  Charakter  nicht 
Zusagendes  vorbringen,  sondern  alle  gleichm&ssig  an  der  Handlung 
Antheil  nehmen ,  und  so  sprechen ,  wie  es  ihre  Rolle ,  ihrem  Cha»  - 
rakter  zukommt ;  es  trat  also  dann  keine  Pause,  kein  Stillstand  ein,  * 
wie  etwa  bei  Aeschylus,  der  am  Anfang  des  Stückes  seine  Personen 
verhüllt  uns  vorführt  und  sie  nichts  reden  iSsst,  dagegen  mit  unge- 
messen langen  Chorliedern  dann  gleich  einf&llt  Der  Verfasser  da- 
gegen glaubt,  dass  ano  räv  xpcitcn/  iTtäv  heisse:  »von  der 
Hauptrolle  angefangen",  ja  er  vermutbet  sogar,  dass  der  s 
Text  nicht  richtig  sei ,  sondern  zu  lesen :  insvta  XQogmyt(ov  xmv ' 
^ftcSi/;  dann  wSren  also,  auch  wenn  wir  diese  Erklärung  von  sprach- 
licher Seite  für  richtig  ansehen  wollten,  die  nachher  angegebenen  Rol« 
len,  i;  ywii^  dann  o  dovXo^^  6  dsanonjs^  ^  nagO'ivog^  ^  yQocv^  als  lanter 
Nebenrollen  zu  fassen,  was  aber  gewiss  nicht  indem  Sinne  des 
Dichters  liegen  kann,  der  nur  das  besagen  will,  dass  alle  die  anf- 
tretenden  Personen,  welcher  Art  sie  auch  gewesen,  glelchmSssig  den 
gebührenden  Antheil,  wie  er  ihrer  Bolle  zukam,  an  der  Handlung 
genommen,  keine  solche  Bevorzugung  (wie  etwa  bei  Aeschjlua  hi 
übermässig  langen  Reden  und  Chorliedem)  statt  gefunden,  sondern 
die  Oekonomie  des  Ganzen,  wie  die  Charakterhaltung  stets  gewahrt 
worden.  Hiemach  werden  wir  also  auch  den  Verbesserungsvoraehlag 
nQogdneyif  xmv  ifiäv  abzulehnen  haben,  eben  so  wie  wir  auch  Vs.  957 
(yo€tv^  OQcev^  JspviJvcu^  ötQitpBiv^  igav^  npfalBiv)  den  Vorschlag, 
statt  igav  zu  lesen  di^Biv  herunterreissen,  wie  Vesp.  485,  nicht 
geeignet  finden  können,  da  wir  nicht  recht  einsehen,  was  damit 
überhaupt  Besseres  gewonnen  vrird  statt  des  von  andern  Erklärem, 
namentlich  auch  von  Fritzsche  beanstandeten  iQÜv^  welcher  am 
liebsten  0rifoq>wv  i^äv  lesen  möchte ,  wenn  es  die  Handschriften 
brächten,  vorerst  aber  sich  begnügt  0tQd(pHv  mit  igav  zu  verbinden 
und  von  letzterm  abhängig  zu  machen,  was  uns  aber  auch  nicht 
recht  zusagen  will,  da  hier  lauter  für  sidi  bestehende  Infinitive,  deren 


^         AriftophaBM  PrOtche  yoii  Th.  Koek.  7«! 

jato  MineD  Tollen  Verimlbagriff  in  sieh  schliesst,  Torgebracht  wer- 
d6Q.  Und  am  Ende  sehen  wir  nicht  ein,  waram  nidit  in  dieser 
VerbindoDg  mit  dem  0tfiq>siv  und  mit  dem  rexyiißiVj  mit  dem 
sich  drehen  und  wenden,  mit  dem  Ansetteln  von  Ränken  jeder  Art, 
aneh  das  epov,  das  Ansetteln  von  Liebschaften  und  Liebelejen, 
seine  Stelle  behalten  könnte.  Ein  ähnliches  Bedenken  trifft  eine 
andere  so  Vs.  1001  vorgeschlagene  Verbesserung.  Es  ist  die  An- 
sprache des  Chors  an  Aeschyius,  sich  ruhig  In  der  Erwiederung  auf 
des  Euripides  Angriff  sn  halten,  nicht  von  seinem  Zorn  sich  fort* 
reiflsen  eo  lassen,  sondern  die  Segel  (des  Zorns  gleichsam)  ehian- 
siehen  und  nur  die  Spitxen  derselben  In  Anwendung  au  bringen 
d.  i.  am  Anfange  mit  grösserer  Buhe  in  der  Widerlegung  zu  ver* 
fahren,  dann  aber  wird  er  aufgefordert :  slra  luillov  [ucXXov  Sj^eis^ 
was  doch  nur  den  Siun  babep  kann:  darauf  wirst  du  die  Segel 
wieder  mehr  aofaiehen  und  also  mit  volleren  Segeln  gegen  ihn  an- 
dringen; woran  sieb  dann  der  weitere  Rath  knüpft:  xtd  q^vla^sigy 
rpfix  av  %6  xvevfux  Xalov  xal  xa^i0T7ix6g  Äaßys  d.  i.  dann  aber 
wirst  du  sorgsam  zu  achten  haben,  einen  mehr  steten  und  einen 
mehr  gleichmfissigen  Wind  zu  gewinnen,  uro  mit  desto  mehr  Sicherheit 
und  Erfolg  auf  den  Gegner  einendringen.  Nun  will  aber  der  Ver- 
fasser in  den  Worten  elra  fucXXov  iiaXXov  aj^eig  lesen  eX^Big  für 
«$£!£,  weil  man  sage  Shtsiv  tä  türia ,  die  Segel  aufziehen ,  öffnen, 
wie  Odyss.  11,  426,  wo  allerdings  dieser  Ausdruck  vorkommt,  aber 
mehr  das  bezeichnet,  was  wir  das  Segel  aufhissen  nennen; 
dieses  aber  passt  nicht  in  unsere  Stelle,  wo  das  schon  aufgehisste 
Segel  erst  eingezogen  und  dann  wieder  gehen  gelassen  werden  soll; 
wir  möchten  daher,  da  a^ßig^  von  ayto  abgeleitet,  allerdings  Schwie- 
rigkeiten macht,  lieber  mit  Fritzsche  lesen  aieiq  seil,  xa/tg  htioig^ 
d.  L  du  wirst  in  die  Segel  hineinfahren,  d.  l  stürme  mehr  mit  den 
Segeln,  segele  also  wieder  schneller;  weshalb  wir  auch  die  deutsche 
Ueb€rsetzung  bei  Pemice  nicht  richtig  finden  können:  j^treibe  dann 
ganz  sachte,  sachte^,  weil  sie  uns  gerade  das  Gegentheil  von  dem 
au  besagen  scheint,  was  der  Sinn  der  Stelle  und  der  Zusammen- 
hang des  Ganzen  erheischt.  -  Eine  andere  sogar  in  den  Text  auf* 
genommene  Verbesserung  Vs.  1301  will  uns  auch  nicht  zusagen. 
Aescbylns  will  die  Quellen  der  Euripideischen  Poesie,  die  Stoffe, 
aus  denen  er  seine  Dramen  zusammengestöppelt,  angeben,  und  spricht 
diess  in  folgenden   Worten  aus:  ovrog  (Euripides)  &  ano  navrmv 

^ff^^av^  jf>QBÜav.  Hier  tritt  in  noqvidCcav  ein  metrisches  Beden- 
ken uns  entgegen,  das  schon  Fritzsche  näher  besprochen  hat,  ohne 
jedoch  eine  bestimmte  Aenderung  sich  zu  erlauben:  „Nondum  tamen, 
sagt  er,  hoc  Vitium  emendare  contigit.^  Herr  Kock  schreibt  dafär 
nafOivCmv  nnd  will  die  na(foivia  ^on  den  gleichgenannten  0x6- 
ha  in  der  Weise  nnterschieden  wissen,  dass  letztere  die  von  Ein- 
zelnen gesungenen  Lieder  seien,  jene  dagegen  solche,  welche  von 
Allen  gesungen  werden:  die  zur  Begründung  angeführte  Stelle  des 


7M  Braim:    Vh  Trojapcr  ap  RWi. 

AtfaenKtui  XV.  p.  694  A  beMgt  diesi  ab«  oiv  dorcb  «•  tm  V«> 
CaMer  bai«iiig«legte  Dentaag;  Athentkia  i^bt  dia  Art  und  Weue  «i, 
in  der  die  Tdnklieder  gasoogen  werden,  bald  so  daa«  Alle  sDgMeh, 
oder  Einselne  abwecbeelnd  in  der  Beibeofolge  daran  TheU  neboMD, 
dann  ftthrt  er  fort:  t^ov  6d  (nenilich  ydvos)f  ov  ft^t^ov  ovxiu 
guivtesj  iX£  ot  Cwetoi  iloKainnr^^  slvtu:  und  dieü  aollen  non  uA 
da«  Verfaatera  Meinung  die  6x6iuc  sein. 

Allein  einen  solchen  Beweis  wird  man  niebt  wohl  als  genfigwi 
anaaerkeonen  im  Stande  sein,  und  noch  weniger  daranlhin  äse 
Aandarung  in  dem  Texte  seihst  begründen  wollen.  Der  Vennolhsiii) 
welche  die  Verse  1460—1466  für  ein  fremdartiges  Einschiebsel  Ul^ 
können  wir  ebenblls  nicht  beipflichten,  weil  wir  dies«  Verse  sag« 
ffir  notbwendig  in  den  Zusammenhang  des  Oanaen  halten. 

Chr.  flUlkr. 


{Braun^  Prof.)  DU  Trojaner  am  Rhein,  Fest -Programm  « 
Winkdmann's  OdmrMage  am  9,  Dec.  1866  ß  her€KMge§t^ 
vom  Vorstimde  des  Verem  von  AUerthums-Freunden  im  Rkm 
lande.     Bonn  1866.     8.  IV.  63.     4. 

Es  ist  noch  nicht  lange  her,  dass  nicht  sagenhaft,  nicht  pos- 
tisah,  sondern  schier  im  historischen  Oewande  der  trojanische  Kmg 
sogsir  wie  im  Ernste  an  den  Rhein  und  die  benachbarten  Linder 
verlegt  worden:  in  so  weit  hatte  sich  hie  und  da  die  aUe  Ssgl 
yeistKrkt,  während  fast  sogar  an  Ort  und  Stelle  jeder  Znaann«- 
haag  mit  den  alten  Trojanern  geleugnet,  und  die  Sage  als  ein  eoi , 
apitt  eatstaadenes  Mährchen  angesehen  wurde.  Um  nun  in  distfj 
schwanlieaden  Ansichten  eine  gewisse  Festigkeit  zu  bringen,  ist  tot 
Allead  notbwendig ,  die  einxehien  Nachrichten ,  die  wir  fibeiraU  le^ 
streut  finden,  au  sammeln,  um  auf  dieselben  ein«i  richtigen  SeUM 
au  bauen.  Hiesu  dürfte  nun  kaum  ein  Anderer  geeigneter  aein»  ib 
der  geldirte  Verfasser  gegenwärtigen  Programms,  dem  wir  sebii 
so  manche  schöne  Aufschlüsse  über  niederrheinische  AlterthiM 
und  Anderes  verdanken.  Der  Gang  seiner  Untersuchung  ist  fol- 
gender. I 

Zuerst  werden  die  Quellen ,  worin  das  jetaige  Xanten  Tmqi 
oder  Klein^Troja  genannt  wird,  genau  aufgeführt,  die  älteate  in  <«• 
An^eiled  um  d.  J.  1170,  oder  vielmehr  eine  Urkuiide  vom  J,  1047; 
in  äUerer,  namentlich  der  römischen  Zeit  findet  sich  diese  Beaai' 
sung  nicht,  wenn  man  nicht  Traja  im  Geogr.  Bavenn.  für  eiü* 
Fehler  des  Abschreibers  für  Troja  halten  will,  wie  umgekehrt  w^ 
einer  Makiser  Inschrift  leg.  Trojana  stett  Trajaaa  steht,  wie  te 
Verfasser  richtig  bemerkt,  und  wie  schon  Opitz  den  Namen  Tr^ 
am  Niederrhein  aus  Trajanus  durch  Verwechslung  eines  Bucbstsbisi  \ 
herleitete.  An  den  Ort  ^o  knüpfen  sich  nicht  faste  NachridiM  | 
dagegen  bemeri^t  der  Verf.  richtig,  dass  daa  Dasein  Elein-Troj»^ 


Bnia:    Dit  Trojaner  am  Rhais.  763 

Ml  unteni  Rbeio  auf  aineiD  breiteren  Grunde  beruhe  oad  ao  wen- 
clet  er  sich  zu  den  Franken,  welche  mit  jener  Sage  in  enger  Ver- 
bindung stehen:  indem  nun  der  Verf.  Yon  dem  alten  Frankenbnnde 
ansgefat  und  zeigt,  wie  bei  manchen  Tugenden,  welche  die  Franken 
von  den  tibrigen  Germanen  voraus  haben,  die  labrica  fides  dersel* 
ben  schon  von  den  Alten  erkannt  war;  wird,  da  Ghlodowig  bei 
leiaer  Taufe  au  Rheims  Sycamber  angeredet  wurde,  auf  dieses 
alte  Volk  tibergegangen,  das  den  Römern  bekanntlich  immer  snm 
Schrecken  gereichte,  wobei  wir  lieisetaen  wollen,  wie  sie  vor  Allem 
4i6  Ursache  gewesen  au  sein  scheinen,  dass  die  Römer  und  schon 
Drnsus  so  grosse  und  starke  Vertheidigungsmittel  am  Rheine  in 
Anwendung  brachten;  denn  wenn  schon  Mainz  lange  Jahrhunderte 
hindurch  der  Hauptaitz  der  rlieinischen  Streitmacht  gewesen  an  sein 
aehwnt:  so  war  doch  Köln,  das  den  Sygaml>em  gegenüber  liegt, 
der  Ausgang^unkt  jener  Vertheidigungen  und  fortwftiireod  neben 
Mainz  der  Sitz  eines  Legaten  u.  s.  w.  Die  gewöhnliche  Meinung, 
daas  Tiberius  alle  Sygamber  an  das  linke  Rheinufer  versetzt  habe, 
wird  als  irrig  zurückgewiesen,  indem  ein  kleiner  Theil  wenigstens 
wie  Strabo  sagt,  aber  ein  immer  furchtliarer  zurückblieb,  was  aus 
apfttem  Diditerstellen  hervorgeht,  welche,  wie  der  Verf.  sagt,  ins 
LSeberliche  fielen,  wenn  man  nicht  eine  Existenz  der  Sygamber  am 
rediten  Ufer  annehmen  dürfte  oder  vielmehr  müsste.  Ebenso  kann 
die  Ansidit,  dass  der  Name  der  Franken  an  die  Stelle  der  Sygam» 
ber  getreten  sei,  nur  also  gefasst  werden,  dass  wohl  alle  Sygamber 
Franken,  aber  nicht  alle  Franken  Sygamber  waren,  doch  bildeton 
sie  den  Kern  der  Franken  und  der  alte  Ruf  ihrer  Tapferi^eit  trug 
sidi  anf  diese  über,  daher  mag  auch  Ghlodowig  mit  diesem  Namen 
genannt  worden  sein:  ja  von  den  alten  Sygambern  mag  sogar  das 
jetzige  Wappen  der  Bourbonen,  die  drei  Lilien,  herstammen;  denn 
da  dfie  Sygaml>em  namentlich  in  der  spätem  Zeit,  wo  sie  zu  den 
Franken  zählten,  in  den  Sümpfen  des  Rheines  in  den  Niederlanden 
wohnten,  so  wird  ihr  Wappen:  drei  Frösche,  eine  für  Snmpfbe- 
wohner  recht  passende  Bezeichnung,  von  den  Franken  in  das  er- 
oberte Land  gebradbt  worden  sein,  denn  „in  der  eigenthümliclien 
Abbildung  der  französischen  Lilien,  wie  sie  sich  bis  in  die  jüngste 
Zeit  erhalten  haben,  kann  man  eben  so  leicht  drei  Frösche  als  drei 
Iiilien  erkennen*^  (S.  29).  So  wie  aber  die  Franken  von  den  Sy- 
gambern abstammen,  so  stammen  diese  von  den  Trojanern  her, 
„welcher  OIaul>e  nicht  etwa  ein  poetischer  ist  wie  in  dem  AnnoHede, 
aondem  ein  solcher,  den  sich  auch  die  geschichtliche  Mittheilung 
angeeignet  hat  und  der  bis  in  die  spätem  Zeiten  fast  unangefoch- 
ten worden  ist^;  und  so  werden  von  dem  sorgfältigen  und  fleissi* 
gen  Verfasser  aus  den  alten  Geschichten  und  Chroniken  die  einzel- 
nen Nachriditen  ausgehoben,  welche  Sagen  über  die  Wanderung 
der  Trojaner  nach  der  Zerstörung  ihrer  Stadt  an  die  Donau  und 
den  Rhein  enthalten ;  hier  fignrirea  Antenor,  der  an  die  Donau  ver- 
setzt wird,  Priamus,  nicht  der  alie  Troer  König,  sondern  ein  Enkel 


764  Brtan:    Die  Trojtner  am  Rhein, 

oder  Urenk«!  des  Antenor,  ein  Tiel  apäterer  NacUommen  Fraadr  XL 
8.  w.;  unter  Antenor  schon  nannten  eich  die  Trojaner  Sygamber,  doch 
BOit  Franek  kam  statt  dessen  der  neue  Name  aUmShlig  aaf ;  and 
wenn  gleich  die  Chronologie  hie  und  da  um  500  Jahre  und  mehr 
TornachlSssigt  wird,  die  Chroniken  merken  es  nicht,  und  wir,  die 
wir  die  Fehler  einsehen,  denken,  sie  hfitten  aus  Unwissenheit  gefehlt 
wie  schon  die  Alten,  e.  B.  Justinns  bei  Ersählung  dff  jQdisdMB 
Geschichte;  wir  könnten  aber  auch  eine  andere  und  Tielleicht  rich- 
tigere Ansicht  haben,  von  der  weiter  später.  Schon  Fredegar,  der 
älteste  Geschichtsschreiber  der  Franken  nach  Gregor  von  ToQn,  In 
7.  Jahrhunderte,  will  ganz  genau  den  Ursprung  der  Franken  Toa 
Troja  kennen;  ob  die  Sage  aber  damals  schon  j^vollkommeii  aos- 
gebildet  war^  wie  der  Verf.  S.  84  annimmt,  möchten  wir  Dickt  ge- 
rade sagen ;  Fredegar  bcEieht  sich  auf  den  h.  Hieronymus,  aber  is 
dessen  Schriften  findet  sich  keine  solche  Notiz,  dagegen  hat  der 
Verf.  wahrscheinlich  gemacht,  dass  Fredegar  im  Sinn  habea  modil» 
eine  Bemerkung,  die  wir  im  Chronicon  Frosperi  Tironis  lesen,  wof- 
nach  im  J.  383  Priamus  qnidam  regnat  in  Francia,  wobti  aber 
keine  Verbindung  auf  den  alten  Troer  König  angebracht  wird.  Wenn 
wir  aber  hierin  eine  solche  finden:  so  hätten  wir  die  Sage  bis  ins 
▼ierte  Jahrhundert  hinaufgebracht;  und  nun  sucht  der  VerC  weitar 
in  den  alten  Klassikern  ähnliche  Spuren,  welche  einen  noldiea 
Zusammenhang  haben  oder  andeuten  könnten :  und  wmin  aach  diese 
nicht  ausdrücklich  jene  Abstammung  beweisen,  so  scheinen  aie  doch 
dem  Verf.  die  späteren  Annahmen  der  Chroniken  zu  bestätigen  oder 
zu  erhärten:  so  findet  er  in  Ulyxes,  dessen  Altar  Tacit  Germ.  3» 
am  Rhein  in  Asciburgium  erwähnt,  eine  Beziehung  auf  die  Frankeai 
indem  „unermüdliche  Ausdauer  mit  unvergleichlichem  Muthe^  sowie 
▼öllige  Missachtung  der  Wahrhaftigkeit  bei  ihm  wie  bei  den  Fran- 
ken als  Character  gerühmt  wird;  auch  die  rothe  Farbe  der  Ebyoe 
bei  den  Franken  (Deutschen),  die  sich  beim  nämlichen  Odyssee^ 
bei  dem  Trojaner  Ganymed,  bei  Achilles  u.  A.  findet,  und  bei  den 
spätem  Griechen  selten  war  und  für  schön  galt,  auch  das  rheini- 
sche Kleid  (der  Kittel,  welches  Wort  von  ;|r£TQ}i/  herkommt),  der 
Farbe  und  der  Form  nach  mit  dem  griechischen  verwandt,  weiss 
der  Verf.  in  den  Kreis  seiner  Untersuchung  zu  ziehen.  Doch  aus 
dem  Umstände,  dass  die  Aeduer  fratres  und  consanguinei  von  dem 
römischen  Senate,  wie  Caesar  berichtet,  genannt  worden  seien,  wiQ 
er  nicht  gerade  dieselbe  von  den  Trojanern  herleiten,  sondern  jenes 
Ausdruck  mehr  für  ,,Consobrini^  halten,  wie  unsere  Fürsten  und 
Könige  sich  Brüder  und  Vettern  nennen,  wenn  sie  auch  durch  keia 
Band  der  Verwandschaft  verbunden  sind^,  wiewohl  auch  Timage- 
nes,  ein  Geschichtschreiber  zu  Augustes  Zeit  (nach  Amm.  XX.  9] 
dieselben  Aeduer  und  einige  andere  gallische  Völker  wenigstens  voo 
den  nach  Troja's  Zerstörung  in  alle  Gegenden  verschlagenen  Grie- 
chen herleitete.  Und  somit  kommt  der  Verf.  auf  die  älteste  QueUt 
dieser  Sagen,   auf  Homer  selbst,  dessen   Weissagung   über   Aene» 


2iller:   BiolettoBg  b  die  allfemeiDe  l^idifofik  9tt 

d«  des  tQchtIgen  Herrn  and  Wiederhersteiler  des  trojanischen  Beiehee 
•0  gläaaend  In  ErfOUang  ging,  ide  denn  die  Aeneide  ,,ein  Oedieht, 
welches  von  den  Römern  neben  die  Diade  und  Odyssee  gestellt 
und  selbst  diesen  vielfach  vorgezogen  wurde^  (mit  Unrecht,  fügen 
wir  bei)  jene  Trojasage  für  alle  Zeiten  weit  verbreitete,  nnd  wSh- 
rend  fortwlihrend  das  römische  Volk  seines  Ursprungs  von  Ilium 
eingedenk  blieb  and  daher  die  Einwohner  von  dem  spätem  Ilinm 
in  Kriegen  und  bei  andern  Gelegenheiten  manche  Berückdchtlgung 
fanden  —  wie  der  Verf.  genau  angibt  —  ebenso  war  die  Erinne- 
rung an  Aeneas  In  Latium  tief  eingedrungen,  wenn  auch  die  Stadt 
KleJn-Troja,  die  er  suerst  dort  in  der  Nähe  von  Lavinia  erbaute, 
in  der  historischen  Zeit  längst  verschwunden  war,  indem  fast  kein 
anderes  Land  so  viele  Völkerschaften  nach  einander  untergehen  sah, 
als  gerade  Latiom.  Aber  nicht  nur  hier,  auch  in  Spanien,  Britan- 
nien (dessen  Marne  von  Brutus,  einem  Urenkel  des  Aeneas  herge- 
leitet wird),  Schottland  u.  s.  w.  leiten  Völker  und  Fürsten  aus 
der  trojanischen  Zeit,  von  den  Trojanern  oder  deren  Feinden  ihren 
Ursprung  ab,  und  so  sehen  wir  schliesslich^  welchen  grossen  Weg 
die  Trojasage  genommen,  dasa  sie,  wie  wir  sutetzen,  fast  im  gan- 
zen Westen  —  vielleicht  auch  im  Osten?  —  verbreitet  war,  und 
man  flberall  sich  bemühte,  Völker  und  Fürsten  mit  ihr  in  Zusam- 
menhang zu  bringen ;  diess  aber  ist  uns  eben  verdächtig ;  wenigstens 
werden  wir  zu  einem  sichern  Resultate  niemals  kommen.  Das  Er- 
gebniss  jeglicher  Untersuchung  wird  hier  immer  ein  negatives  blei- 
ben; diess  zeigt  sowohl  die  fleissige  Abhandlung  des  scharfsinni- 
gen Verfassers,  der  wir  manche  Belehrung  verdanken,  als  auch  ein 
etwas  früher  erschienener  Aufsatz  von  Roth  in  Basel  „die  Troja- 
sage der  Franken  (in  der  Germania,  L),  worin  trotz  der  tiefiiten 
Gelehrsamkeit  der  Verfasser  zu  dem  Schlüsse  kommt:  „Zu  bestim- 
men jedoch,  wie  die  gallische  Trojasage  ausgebildet  wurde,  wie  sie 
mit  der  der  Griechen  und  Römern  zusammenhing,  und  vollends  was 
am  Ende  der  Kern  aller  Trojasagen  sein  dürfte,  das  überschreitet 
die  Gränzen  unseres  Vermögens.^ 

Kleiii. 


Einleitung  in  die  allgemeine  Pädagogik  von  Tuiaco  Zilltr^  Pri- 
vatdoeerden  an  der  ünivereität  Leipsig.    Leipzig  1866. 

,,Dle  vorliegende  Schrift  soll  eine  Darstellung  der  allgemeinen 
Pädagogik  nach  Herbartischen  Grundsätzen  vorbereiten^,  der  Verf. 
verspricht  die  Haupthelle  dieser  Wissenschaft  zu  bearbeiten  „und 
dabei  der  Erfahrung  etwas  näher  zu  treten  als  es  im  Plane  Her« 
bart's  lag.^  Ueber  den  Plan,  welchen  er  selbst  der  biet  vorliegen- 
den einleitenden  Untersuchung  zu  Grunde  legte,  hat  er  sich  leider 
nidit  näher  ausgesprochen.  Wir  sind  genöthigt  denselben  aus  der 
Ausfüfanmg  zo  entnehmen. 


9M  IROeri    SiaMMag  ib  die  aHgMeine  Pldafofik. 

Zaent  bestimmt  er  den  Begriff  der  Ersiekang  «k  ein«  ^äb- 
sichtilche  und  planmlaaige  Einwirkang  auf  den  ZSgltag,  nadi  am 
Eltb  sein  geistiges  Innere  gestalten  soH.^  Dieser  J^riff,  dar  nr 
nSchst  als  ein  gegebener  festgehalten  wird,  ist  eine  blosse  Ns- 
minaldefinition,  welche  sowohl  den  Zwedc  als  auch  die  MSgliehWt 
der  Erziehung  noch  anbestimmt  Usst;  es  liegt  aber  In  ihm  bereHs 
die  Voraussetsang  der  BUdsamkeit  des  Zdgliags  ($.3),  wie  dto 
Abweisung  einerseits  latalistiscfaer  Ansichten  Ton  der  inner««  fitf> 
Wickelung  des  Menschen,  anderseits  der  Lehre  von  der  tranacendsn 
talen  Freiheit  (§.  3).  Hierauf  wurd  (§.  4)  tob  der  Ehifaeit  4es  &<* 
eiehungflfiweckes,  dann  (§.  5)  von  den  HfllfswissenschafleB  der  Fi- 
dagogik  gehandelt:  Ethik,  Psychologie,  Religionslehre.  Ferner  »igt 
der  Yerf.  (§.  6)»  wie  wenig  die  Erfahrung  für  sich  ailein  geeigml 
sei  sum  Führer  auf  dem  Grebiete  der  Ersiehnng  zn  dienen ,  ad  • 
dass  der  Erzieher  sich  an  eigene  und  fremde  Erfiihrangen  es  hd» 
ten  suche,  welche  ausserhalb,  oder  an  diejenigen  welche  isneriMI 
seiner  „persönlidien  pSdagogischen  Wirksamkeit  liegen :  daher  heätd 
er  zum  Gelingen  seiner  Th&tigkeit  des  Tactes,  weldier  auf  dv 
rechten  Art  der  Anwendung  und  der  rechten  Verbindung  swisehsi 
Theorie  und  Erfahrung^  beruht  ($.  7).  AuA  dieser  hebt  ün  jede* 
nicht  hinweg  über  die  Schranken,  welche  durch  die  Natur  dm  JSschs 
gegeben  sind,  denn  der  Erzieher  hat  keine  nnbeschrSakte  Mabht 
über  den  Z5giing  und  kann  aus  diesem  nicht  Alles  machen,  «• 
er  will.  «Fene  Schranken  liegen  zuerst  in  der  anftngüehen  B^ 
stimmtfaeit  des  Zöglings,  die  sich  während  seines  späteren  Lebsv 
zum  aller  grössten  Theile  unverändert  gieich  bleibt,  in  dessen  ss- 
ttirlidier  Anlage  oder  Individualität  Indessen  der  Seele  als  tamm 
einüuhen  realen  Wesen  sind  weder  ursprüngliclie  Kräfte  odv 
Vermögen,  noch  Keime  der  geistigen  Entwickelung  eigen,  Bocb  lit 
in  potentia  etwas  vorhanden,  was  der  Erzieher  zur  Actnalitit  über- 
zuführen  hätte;  vielmehr  liegen  alle  angeborenen  Anlagen  nur  ii 
den  Eigenthümlichkeiten  des  Organismus  (%,  8—10).  Zu  jen« 
Schranken  kommt  femer  hinzu,  was  der  Verf.  wMil  unpassend  j^dte 
erworbene  Natur  anläge^  nennt,  nämlich  die  Gesammüieit  der  io£- 
viduellen  Besonderheiten,  welche  das  Kind  schon  in  frühester  Zei 
in  Folge  der  eigenthümlichen ,  sachlichen  und  persönlichen  Umge- 
bung bleibend  erwirbt,  in  die  es  sich  durch  seine  Gabsrt  und  mim 
frühesten  LebensveAältnisse  versetzt  findet  ($.  11),  es  kemmC  eid- 
lich zu  ihnen  hinzu  eine  Summe  von  äusseren  Missverhältnissen,  mit 
denen  das  wirkliche  Leben  Immer  nnd  überall  das  Erziehugsge- 
achäft  belastet  und  die  natumothwendige  Abnahme  der  BesUundMV- 
keit  des  Zöglhigs  mit  fortschreitendem  Alter  (§•  12).  „Die  Beobach- 
tung der  Folgen,  die  diese  Beschränkungen  bei  der  Erziehung  haben, 
gewinnen  nicht  selten  einen  schädlichen  Einfluss  auf  die  OmndsSb» 
des  Erziehers*;  daher  liegt  die  üeberlegung  darüber  nahe,  wie  er 
sldh  jenen  Schranken  gegenüber  zu  verhalten,  wie  er  sie  anfnte- 
sen,  zu  ertragen  und  gewähren  zu  lassen,  sie  m  benuta^  mid  n 


Mar:    tthMtaafr  m  die  »t%ett»iiie  Pldaf ogik.  9M 

Tenrerthea,  ofcr  ihDM  en^egeoBa wirken  habe  ($.  18  f.).  Naeh 
wenigen  Worten  über  „Uanieren  der  ErEiehung*^  ($.  15)  gibt  der  Yerf. 
dne  Reihe  ^on  rein  psyehologieeben  Erorteraogen  über  die  verechie- 
dcnea  VoretellimgemasseDi  die  im  Lmem  des  Z5gHng8  wirluem  aind, 
iber  ihre  Verbundenheit  oder  Unverbundenheit  nnter  sieh,  Aber  ihre 
BeeiehuKge«  «i  den  eogenanoten  Seelenvermdgen ,  über  Ihre  Con- 
itruelioB  im  Efnaelnen,  endlich  über  die  Art,  «nf  welche  efeh  die 
Sewegungen  ond  Verbältnieee  der  Voretellongen  im  sprachRchen 
Amdrack  der  Gedanken  abspiegeln  und  in  charakteristischer  Weise 
liondgeben  ($.  16—18).  In  der  nachgewiesenen  Beweglichkeit  und 
Yerinderliehkeit  der  Vorstellungsmassen  liegt  der  psychologische 
Grand  der  Bildsamkeit  des  Zöglings:  hieraus  ergibt  sich  die  Mög- 
llehkek  der  Erdehung,  während  zugleich  aus  der  Festigkeit  und 
Bestimmtheit  der  Form,  welcher  sich  die  Ck>nstraction  der  Massen 
ailmlUig  Buneigt,  die  nach  und  nach  eintretende  Abnahme  jener 
BiMsamkeit  klar  wird  (§.  19);  daraus  aber,  dass  die  f)Bste  Form, 
welche  den  Yorstollungsmassen  im  Laufe  des  Lebens  eigen  wird, 
nicht  dem  Zufalle  flberiassen  bleiben,  sondern  sittlichen  Zwecken 
entsprechend  gestaltet  werden  seil,  ist  die  Nothwendigkeit  der  Er- 
xlchung  ersicfcilich  (§.  20).  Von  aussen  indessen  und  bloss  durch 
Thitigkeit  eines  Andern  liest  sich  Sittliebkeit  im  Innern  eines  Men- 
schen gar  nicht  her?orbringen ,  sondern  nur  durch  dessen  eigene 
nstigkeit.  Gleichwohl  aber  soll  es  das  Thun  des  Erziehers  sein, 
deich  das  der  Zögling  sittlich  wird:  dieser  Widerspruch  löet  sich 
darch  die  zweifaeäe  Zurechnung,  welche  einerseits  dem  sKtÜchen 
Wollen  des  letzleren,  andrerseits  aber  nicht  minder  dem  des  ecsteren 
gilt  (§.  21).  Eise  besondere  Beriicksichtigung  fördert  ron  Seiten 
der  Erziehung  die  Individualität  des  Zöglings,  der  sie  mit  der  nöthi- 
gen  Feialieit  und  Geschwindigkeit  Ihr  Verfahren  anpassen  soll.  Es 
ist  diese  immer  um  so  mehr  möglich,  auf  Je  Wenigere  sich  die  Er- 
ziehung zu  Tortheilen  hat:  in  der  Familie  am  meisten,  in  der  Schule 
am  wenigsten  ($.  22).  Um  den  Uebergang  zum  besonderen  Inhalte 
der  aUgemeiBen  Pädagogik  selbst  zu  machen,  ist  endlich  noch  ein 
BöekUiek  auf  den  Zweck  der  Erziehung  und  eine  nähere  Bestim- 
mnag  desselben  erforderlich.  Dieser  Zweck  ist  das  Ideal  der  Per« 
sönlidifceit,  die  Tugend  oder  die  Liebe  im  christlichen  Sinne  als  die 
ia  einer  Person  realisirte  und  zu  beharrlicher  Wirküdikeit  in  ihr 
gekomtneae  Idee  der  inneren  Freiheit,  und  zwar  so,  dass  innerhalb 
dieser  allgemeinen  Aufgabe  für  die  Entwicklung  der  indiriduellen 
BgeDthtfmlichkeiten  der  EinzeHien  nicht  allein  noch  Raum  gefrag 
bleibt,  sondern  dass  die  Entwickehing  dieser  letzteren  sogar  selbst 
aki  eine  elhisclie  Forderung  erscheint  ($.  28).  Die  allgemeine  PS^ 
dagogik  hat  sich  nur  mit  der  Dnlersuchong  der  Grni^begrilfe  zu 
besdiäftigen,  die  zugleich  ihre  Haupttheile  bezeichnen  (Regierung 
oder  Disdplln,  Unterricht,  Zucht  oder  Characterbildung) ,  wogegen 
die  specielloi  der  Erfahrung  um  Vieles  näher  tretend,  ^^in  den  Zu- 


766  Zitter:    fiinleituaf  in  di«  aUfeneiii«  Pidago^ 

SAmmenBeUBUDgen  der  Begriffe  weiter  fortschreitet,  oboe  sie  jedock 
IQ  erschSpfen  oder  erecböpfen  za  können^  (§.  24). 

Es  iat  nicht  leicht  aas  der  TorsteheodeD  Inhaltsangmbe  ein  BiU 
▼OQ  dem  Plane  an  entwerfen,  nach  welchem  die  Sdirift  gearbeitet 
ist.  Es  scheint,  dass  sich  mit  der  Aoseinandersetiong  über  den  Be- 
griff der  Ersiehung  (§.  1)  die  Erörterung  über  Möglichkeit,  Noth- 
wendigkeit  und  Zweck  derselben  (§.  19,  20,  28)  am  paaseadstea 
verbanden  haben  würde,  und  dass  jedenfidls  die  Einheit  des  letale- 
ren (§.  4)  nicht  früher  an  besprechen  gewesen  wäre  als  dieser  lels- 
tere  selbst.  Hängen  $.  1—3,  6—14,  16—21  unter  sich  wobl  ood 
auf  natürliche  Weise  sasammen,  so  erscheinen  dagegen  $.  4  und  S, 
15^  22  als  anmotivirte  Einschaltungen.  Man  wird  geneigt  sein  tob 
einer  Einleitung  in  die  allgemeine  Pädagogik  entweder  eine  Torlis- 
fige  Orientirung  über  die  Wissenschaft  selbst  oder  eine  wissenachaft- 
liche  Erledigung  der  Vorfragen  zu  erwarten,  welche  den  Zngaag 
derselben  erschweren:  im  ersten  Falle  eine  mehr  populär  gehdteae 
Uebersicht  über  die  Lehre  der  allgemeinen  Pädagogik,  über  ihre 
Besiehungen  zu  anderen  Gedankenkreisen,  zu  den  Verhältniasen  dss 
wirklichen  Lebens  und  über  die  Berührungen  pädagogischer  Tbl- 
tigkeiten  mit  Thätigkeiten  von  anderer 'Art;  hn  andern  Falle  mat 
Untersuchung  über  die  Verhältnisse  der  Ueber  ,  Unter-  und  Nebea- 
ordnnng,  In  denen  die  Pädagogik  zu  andern  Wissenschaften  steht, 
über  den  Ursprung  der  pädagogischen  Hauptbegriffe  aus  der  Ethik 
und  Psychologie,  über  die  Voraussetzungen,  welche  der  Begriff  der 
Erziehung  einschliesst  oder  abweist,  insbesondere  die  Freiheüi- 
lehre  u.  s.  f.  Der  Verf.  hat,  wie  es  scheint,  die  Lösung  beider  i 
Aufgaben  mit  einander  verbinden  wollen  und  dadurch  seiner  Sache 
geschadet.  | 

Diess  zeigt  sich  hauptsächlich  an  den  psychologischen  Anseia-  ' 
andersetzungen,  die  er  §.  16  ff.  gegeben  hat,  denn  diese  sind  weder 
populär  noch  ausführlich  genug  für  den,  der  von  Herbartischer  Psy- 
chologie noch  wenig  oder  nichts  weiss,  sondern  erst  in  dieses  Ge- 
biet eingeführt  werden  soll,  sie  sind  aber  auch  zu  sehr  bloese  Be- 
Jationen  für  feststehend  geltende  Lehren  und  zu  wenig  principidl 
gehalten,  als  dass  aus  ihnen  mit  der  nöthigen  Klarheit  hervorgehen  1 
könnte,  auf  welche  Weise  sowohl  die  Theorie  als  die  Praxis  der  | 
Pädagogik  an  jedem  Punkte  von  den  Gesetzen  bis  ms  Kleinste  ab- 
hängig sind,  von  welchen  das  Seelenleben  beherrscht  wird.    Es  lIsBt 
sich  diess  in  der  That  auch  nur  einsehen,  wenn  man  die  Psycholo- 
gie ganz  und  ungetheiit  studirt    Was  p.  3  8  f.  von   dem   Sitze  der 
Seele  in  der  Varolsbrücke  und  von  ihrer  Beweglichkeit  Im  Mittei- 
gebfane  gesagt  wird,  hätte  am   wenigsten  in  so  doctrinärer  Weiie 
vorgetragen  werden  dürfen  als  geschehen  ist. 

(Schkui  folgt)  I 


i 


■r.  41.  HEIDELBERGER  lUT. 

JAHRBOCHEB  beb  LITEBATVa 

'  4B9HBB^SSS9BnBBB^aS9^99SaBS9BBSiHHHBB99iHB9HilH9iBSHnHHi^ 

Zilier:    Einleitung  in  die  allgenneine  Pädagogik. 


(ScbluM.) 

Nicht  minder  problematisch  ist  ein  Theil  dessen,  was  über  den 
EinfiusB  des  Leibes  auf  die  Seele  gelehrt  wird,  das  nicht  Proble- 
matische dagegen  ist  za  allgemein  gehalten,  als  dass  es  psychologisch 
oder  pädagogisch  fruchtbar  werden  könnte.  So  z.  B.  das  Haupt* 
resultat  dieser  ganzen  Erörterung  p.  43:  „der  psychologische  Ein- 
flasB  bewirlct  im  Allgemeinen  bloss,  von  welcher  bestimmten  Stelle 
des  Leibes  er  auch  kommen  mag,  dass  die  geistige  Regsamkeit  des 
Kindes  dadurch  gehemmt  oder  begünstigt  wird,  und  somit  nach  irgend 
einer  Seite  hin  schwieriger  oder  leichter  von  Statten  geht  und  ge- 
ringere oder  grössere  Erfolge  herbeiführt.^ 

Aehnlich  wie  mit  den  psychologischen  Erörterungen  verhält  ei 
sich  mit  den  ethischen  über  den  Zweck  der  Erziehung:  ohne  die 
Idee  der  inneren  Freiheit  selbst  zu  entwickeln,  wie  man  wohl  von 
einer  Einleitung  in  die  Pädagogik  fordern  dürfte,  stellt  sie  der  Verf. 
in  rein  dogmatischer  Weise  als  Erziehungszweck  hin.  Nur  wer  mit 
Herbart's  praktischer  Philosophie  bereits  näher  bekannt  ist,  begreift 
und  versteht,  woher  diese  Idee  selbst  kommt  und  worauf  ihre  Be- 
rechtigung beruht  an  die  Spitze  der  Pädagogik  zn  treten,  wenn  ihm 
auch  nicht  so  unmittelbar  klar  sein  dürfte,  weshalb  die  erste  der 
fünf  praktischen  Ideen  mit  Ausschluss  der  übrigen  diese  Stelle  ein- 
zunehmen habe.  Wollen  wir  mit  dem  Verf.  auch  nicht  darüber 
rechten,  dass  er  auf  abweichende  Ansichten  fast  gar  keine  Rück- 
sicht nimmt,  da  ja  innerhalb  der  Herbartischen  Schule  das  System 
der  Philosophie  als  solches  nun  einmal  für  abgeschlossen  gilt,  so 
muss  sich  der  Unterz.  doch  wenigstens  gegen  den  ihm  gemachten 
Vorwurf  (p.  9.  Not)  eines  Missverständnisses  von  Herbart's  Lehre 
yerwahren.  Der  Verf.  würde  in  der  von  ihm  citirten  Stelle  bei  ge- 
nauerer Erwägung  statt  des  von  ihm  angedeuteten  Sinnes,  vielmehr 
die  Behauptung  gefunden  haben  (bei  der  der  Unterz.  auch  jetzt 
noch  beharren  zn  müssen  glaubt),  dass  Herbart  sich  einer  Inconse- 
qnenz  schuldig  gemacht  habe,  indem  er  bei  aller  Betonung  der 
Einheit  des  Erziehungszweckes  dennoch  zugleich  vom  Erzieher  for- 
dert, dass  er  ausserdem  auch  noch  für  die  bloss  möglichen  Zwecke 
arbeite,  die  der  Zögling  in  Zukunft  sich  setzen  werde.  Ganz  den- 
selben Widerspruch  zwischen  der  Einheit  des  Erziehungszweckes  und 
der  nnverbundenen  Mannigfaltigkeit  „der  besonderen  Zwecke  des 
Zöglings^,  denen  der  Erzieher  ebenfalls  dienstbar  werden  soll,  finden 
L.  Jahrg.  10.  Heft.  49 


wSr  $,vlA  beim  Verf.  (p.  105),  g«ns  abgeiehen  daTon,  dasa  Ae 
Einheit  de«  Eriiehongtsweckes  bei  Herbart  dareh  die  FSofsahl  der 
praktischen  Ideen  gefllhrdet  wird,  die  auseinander  anableitbar  sbid, 
so  dass,  wie  der  Verf.  selbst  anerkennt  (p.  11),  die  Einheit  des 
pädagogischen  Zweckes  wie  die  Einheit  der  Idee  des  Guten  sdbst 
nichts  Heiter  ist  als  eine  blosse  „Zusammenfassung  eiaer 
Mehrheit  ursprünglich  evidenter  Musterbilder  für  den  Willen',  sa 
welcher  „die  Einheit  des  persönlichen  Bewusstseins  binaugedacht 
ist^,  d.  b.  die  Einheit  ist  eine  gänslich  subjective,   blos   coUectiTe. 

Der  Verf.  erstrebt,  wie  er  schon  im  Vorworte  bemerkt,  „äse 
Ausgleichung  mit  der  religiösen  Richtung  der  Pädagogik.^  Diesi 
hat  ihn  zu  der  einzigen  bedeutenderen  Abweichung  von  Herbsrt's 
Ansichten  vermocht,  die  sich  in  seiner  Schrift  findet:  sie  besteht 
darin,  dass  er  die  Religionslehre  (die  lutherische  Dogmatik?  oder 
eine  andere?  eine  Religionsphilosophie?  und  welche?)  als  Hülb- 
wissenschaft  der  Pädagogik  bezeichnet,  die  Religionslehre,  die  bei 
Herbart  wenigstens  keine  Wissenschaft  ist.  Wie  der  Verf.  (p.35) 
das  „Factum  der  Erbsünde^  mit  seiner  Leognung  einer  der  Sede 
angeborenen  Bildung  zum  Guten  oder  Bösen  in  Einklang  zu  briz- 
gen  weiss,  ist  uns  unklar  geblieben;  nicht  minder  wie  er  (p.  96) 
das  Ziel  der  Erziehung  in  ein  ideales  Jenseits  verlegen,  aua  mors- 
liscben  und  religiösen  Elementen  zusammensetzen,  und  doch  dab« 
nicht  allein  die  Einheit  des  Erziehungszweckes  festhalten,  sondero 
diesen  auch  mit  Herbart  aus  der  Ethik  allein  abzuleiten  versuchen 
könne. 

Je  mehrere  Ausstellungen  wir  genöthigt  waren  an  der  vorlie- 
genden Schrift  zu  machen,  desto  tiefer  fühlen  wir  die  Verpflichtung, 
schliesslich  auch  das  Lobenswerthe  hervorzuheben,  das  ihr  eigen  ist 
Nicht  allein  ist  die  Darstellung  im  Einzelnen  klar,  einfach  und  prädi) 
sondern  es  fehlt  auch  nicht  an  einer  Menge  von  werthvollen  Be- 
merkungen, welche  zeigen,  dass  der  Verf.  mit  grosser  Umsicht  und 
Feinheit  die  so  äusserst  abstract  gehaltene  Pädagogik  Herbart's  fSr 
die  Praxis  der  Erziehung  fruchtbar  zu  machen  verstanden  hat  — 
eine  Leistung,  zu  welcher  nur  wenige  Pädagogen  der  Jetztzeit  eine 
gleiche  Befähigung  besitzen  dürften.  Besonders  interessant  und  Idir 
reich  wird  er  da,  wo  er  den  allgemeinen  Begriffen  den  Rücken  wendet 
und  der  Erfahrung  näher  tritt;  als  am  besten  gelungen  darf  wolii 
das  §.  6  über  die  Erfahrung,  und  das  $.  22  über  die  Behandloa; 
der  Individualität  Gesagte  bezeichnet  werden,  und  insofern  es  ge- 
rade der  Hauptzweck  des  Verfl's  war,  die  abstracto  Pädagogik  der 
Praxis  des  Lebens  näher  zu  führen,  dürfen  auch  wir  von  seiMP 
Werke  sagen,  dass  es  seines  Zieles  nicht  verfehlt  habe. 


Ziller:    Die  Rei^eraof  der  Kinder.  ^1 

Die  Regierung  der  Kinder.  Für  gebildete  Aeltem,  Lehrer  und 
Studirende  hearbeüei  von  Dr.  Tuisco  ZtUer^  Privatdocenten 
an  der  Universität  Leipzig.     Leipzig  1867.     2^2  8.  8. 

Das  vorliegende  Buch,  welches  unter  der  grossen  Menge  all- 
Jährlich  erscheinender  pädagogischer  Schriften  sich  in  vieler  Beziehung 
auszeichnet  und  der  Aufmerksamkeit  der  Lehrerwelt  warm  empfoh- 
len zu  werden  verdient,  gehört,  wie  schon  der  Titel  diess  hervor- 
treten ISsst,  der  Herhart'schen  Schule  an :  von  den  drei  Hauptzwei- 
gen des  Erziehungsgeschäftes,  Regierung,  Zucht  und  Unterricht,  er- 
fährt hier  der  erste  eine  specielle  theoretische  Bearbeitung. 

Zuerst  (p.  1  —  20)  wird  der  Begriff  der  Regierung  untersucht. 
Dieser  ergibt  sich  daraus,  dass  schon  das  Kind  wie  der  Erwachsene 
Olied  einer  Gesellschaft  ist,  die  zu  ihrem  ungestörten  Bestehen  von 
jedem  Einzelnen  Beschränkung  in  mannigfaltiger  Weise  verlangt. 
Zu  dieser  ist  das  Kind  selbst  nicht  aufgelegt  noch  fähig,  daher  die 
Nothwendigkeit  einer  Regierung  desselben,  die  ihrerseits  noch  nicht 
Erziehung,  sondern  nur  eine  der  äusseren  Bedingungen  derselben 
ist,  da  sie  das  Kind  erst  fähig  machen  soll,  Glied  einer  geordneten 
Gesellschaft  zu  werden  und  sich  durchgängig  innerhalb  der  Grenzen 
zu  bewegen,  von  deren  Einhaltung  das  Bestehen  der  letzteren  ab- 
hängig ist. 

Hierauf  geht  der  Verf.  dazu  fort  die  Massregeln  der  Regierung 
im  Allgemeinen  zu  besprechen  (p.  21—43).  Diese  sind  von  dreier- 
lei Art.  Zuerst  die  verschiedenen  Beschäftigungen,  die  dem 
Kinde  dargeboten  werden,  um  es  von  Unordnungen  abzuhalten  und 
seine  Unruhe  abzuleiten,  denn  unzählige  Unarten  gehen  einzig  aus 
Mangel  von  Beschäftigung  und  aus  Langweile  hervor.  Dieses  sanfte 
Regierungsmittel  zeigt  sich  aber  oft  als  unzureichend:  es  muss  dann 
die  äussere  Gewalt  hervortreten,  um  die  Ordnung  besser  zu 
sichern.  Diess  geschieht  zunächst  in  der  Form  von  Befehl  und 
Verbot,  denen  sich  zu  grösserem  Nachdruck  die  Drohung  zugesellt. 
Die  Drohung  und  die  Strafe,  welche  im  Uebertretungsfalle  auf  sie 
folgt,  disponiren  das  Kind  zu  Verheimlichung  und  Lüge ;  daher  macht 
sich  Aufsicht  nothwendig,  die  den  verlangten  Gehorsam  zu  überwa- 
chen Jiat.  Durch  alle  diese  Mittel  wird  gleichwohl  noch  nicht  ein 
pünktlicher  und  williger  Gehorsam  erreicht,  auf  den  die  Regierung 
jedoch  nicht  verzichten  kann,  weil  Sicherheit  der  gesellschaftlichen 
Ordnung  nur  durch  Willigkeit  des  Gehorsams  verbürgt  wird.  Daher 
bedarf  die  Regierung  endlich  noch  der  Autorität  und  Liebe, 
deren  Wirksamkeit  deshalb  eine  starke  und  zuverlässige  ist,  weil  durclr 
sie  die  Geistesrichtung   des  Erziehers  dem  Zögling  mitgctheilt  wird. 

Im  dritten  und  letzten  Theile  des  Buches  (p.  43  179),  der 
wohl  zweckmässiger  mit  dem  vorhergehenden  in  Eins  verschmolzen 
worden  wäre,  werden  den  eben  bezeichneten  Hauptgedanken  ihre 
näheren  Bestimmungen  hinzugefügt,  um  die  Moralitäten  ihrer  prak- 
tischen Ausführung  gehörig  überblicken  zu  lassen.    Die  Darstellunfir 


772  Zilltr:    Die  R^fieranf  d«r  Kinder. 

gewinnt  hier  die  fUr  den  Praktiker  wiinscheneirerdie  Breite,  ohne 
jedoch  weitschweifig  su  werden.  Sie  ist  klar  and  wohlgeordnet, 
benutzt  sar  Beleuchtung  des  Gegenstandes  in  zweckmässiger  Weiie 
die  Parallele,  welche  sich  zwischen  der  Regierung  der  Kinder  uod 
der  der  Erwachsenen  im  Staate  ziehen  lässt,  und  hält  darchgaagig 
die  Hauptaufgabe,  den  Begriff  und  die  Massregeln  der  Regierung 
zu  entwickeln,  mit  Strenge,  vielleicht  mit  zu  grosser  Strenge  fest) 
indem  sie  in  Rücksicht  alles  dessen  auf  spätere  Arbeiten  des  Verü 
verweist,  was  über  die  Art  und  Weise  zu  sagen  wäre,  auf  welche 
die  Regierung  mit  der  Zucht  und  mit  dem  Unterrichte  un  Verlnn- 
dang  zu  setzen  ist,  und  selbst  über  das  Verhältniss  jener  beides 
zueinander  sich  nicht  ausführlicher  ausspricht.  Ueberall  finden  wir 
die  aufgestellten  Lehren  wohl  motivirt  und  begründet  durch  psychih 
logisches  Räsonnement  and  es  fehlt  ebensowenig  an  tüchtiger  Kennt- 
niss  des  Schülerlebens  und  Schülertreibens.  Als  besonders  gelungen 
darf  §.12  ^die  Aufsicht  als  ein  Glied  in  der  Reihe  harter  Regie- 
rungsmassregeln^  bezeichnet  werden. 

Bei  so  vielen  Vorzügen  des  Buches  ist  es  billig,  auch  von  dos 
nicht  zu  schweigen,  was  keinen  Beifall  verdient.  Nach  dem  von 
Herbart  eingeführten  und  von  seinen  Anhängern  beibehaltenen  Spracb- 
gebrauche  werden  mit  dem  Worte  „Regierung^  die  pädagogischen 
Masaregeln  bezeichnet,  welche  ausschliesslich  der  Erhaltung  der 
äusseren  Ordnung  dienen,  welche  nicht  ergriffen  werden  im  Interesse 
des  zu  Erziehenden,  am  wenigsten  etwa  um  ihn  selbst  innerlich  za 
bilden,  sondern  allein  im  Interesse  der  Gesellschaft,  in  der  er  lebt 
und  die  er  mit  seinem  undisciplinirten  willkürlichen  Handeln  nicht 
stören  soll;  die  „Zucht^  dagegen  hat  ihre  Zwecke  im  Innern  dei 
Zöglings  selbst  und  strebt  ihn  geistig  und  sittlich  zu  bilden.  Diess 
widerstrebt  zunächst  dem  gemeinen  Sprachgebrauche  vollständig, 
denn  „Ziehen,  Züchten,  Züchtigen»  in  der  Zucht  halten,  Zuchtmei- 
ster,  Zuchtlosigkeit^  und  alle  ähnlichen  Wörter  weisen  entschieden 
auf  Thätigkeiten  und  Verhältnisse  hin,  die  nur  wenig  gemein  haben 
mit  den  höheren  geistigen  Zwecken  der  Erziehung  und  Bildung; 
sie  bezeichnen  nur  die  äussere  Seite  der  letzteren  und  die  änssereo 
Massregeln,  die  ergriffen  werden  können,  um  die  Vorbedingungen  all« 
Erziehung  sicher  zu  stellen.  Dagegen  steht  das,  was  zum  „Regie- 
ren'' erforderlich  ist,  dem  eigentlichen  Erziehen  offenbar  viel  näher: 
man  zieht  Pflanzen  und  züchtet  Hausthiere,  aber  regiert  werden 
können  nur  Menschen,  denn  man  regiert  nicht  mit  physischer  Ge- 
walt, die  den  Schwachen  zwingt,  drückt  und  in  der  Zucht  hält,  son- 
dern nur  mit  geistiger.  Es  regiert  nur  der  geistig  Deberlegene, 
gründe  sich  seine  Deberlegenheit  auch  nur  auf  Vorurtheile,  gdstige 
Schwäche  oder  geistige  Trägheit  der  Regierten.  Deshalb  hat  der 
Unterzeichnete  jenen  von  Herbart  angenommenen  Sprachgebrandi 
umkehren  zu  müssen  geglaubt,  und  es  wäre  vom  Verf.  eine  Erklä- 
rung wenigstens  darüber  zu  erwarten  gewesen,  aus  welchen  Grün- 
den er  sich  dem  nicht  angeschlossen  hat.    Bei  einem  Blicke  auf 


Ziller:    Die  Regierang  der  Kinder.  773 

die  reichen  Cita(e  des  Boches,  die  faet  ausschh'esslicb  der  Herbart'schen 
Schule  von  stricter  Observanz  entnommen  sind,  scheint  es  fast,  als 
strebe  auch  der  Verf.  nach  einer  möglichst  festen  Abschliessung 
aller  philosophischen  Deberlegungen  innerhalb  der  von  dem  Meister 
einmal  gezogenen  Grenzen,  nach  einer  Abschliessung,  die  der  Fort- 
bildung der  Wissenschaft  nicht  eben  günstig  sein  dürfte. 

Wichtiger  noch  als  das  eben  Bemerkte  erscheint  die  ans  der 
Begriffsbestimmung  de^  Regierung  in  Herbart's  Sinne  sich  ergebende 
Frage,  ob  denn  eine  Thätigkeit,  die  ausdrücklich  nicht  im  Interesse 
des  zu  Erziehenden  selbst  ausgeübt  wird,  noch  zur  Erziehung  ge- 
rechnet und  wie  sie  dem  Zöglinge  gegenüber  überhaupt  gerechtfer- 
tigt werden  könne.  Die  Regierung  „sucht  keine  bildende  Wirkung 
im  Gemüthe  des  Zöglings  hervorzubringen^,  sie  fordert  jyden  stren- 
gen unbedingten  blinden  Gehorsam,  der  durch  Furcht  und  Zwang 
hervorgebracht  werden  kann^,  es  sollen  in  sie  nicht  ^Rücksichten 
auf  die  eigentliche  Erziehung  und  Characterbildung^  eingemischt 
werden  (p.  36).  „Die  Regierung  rouss  bloss  als  Macht  empfunden 
werden^  (p.  59),  sie  Ifisst  nur  den  Druck  empfinden  „den  die  Ge- 
sellschaft auf  ihre  Glieder  übt^  {p.  62),  „setzt  nur  die  stärkere 
Kraft  gegen  die  schwSchere  in  Bewegung*'  (p.  63).  Der  Verf. 
geht  in  strenger  Festhaltung  dieses  Begriffes  so  weit,  dass  er  (p.  71) 
die  Strafen  der  Regierung,  die  er  von  denen  der  Zucht  unterscheid 
dot,  sogar  nur  nach  dem  angerichteten  Schaden  abgemessen  zu 
sehen  verlangt  —  abgesehen  selbst  davon,  ob  der  Thftter  ihn  an- 
richten wollte  oder  nicht I  Wird  denn  aber  das  Kind  dann  nicht 
gestraft  für  unverschuldetes  Unglück,  das  ihm  begegnet  ist?  Wirkt 
dann  nicht  die  Regierung  bisweilen  völlig  unpädagogisch?  Gilt  ihr 
nicht,  wenn  sie  in  dieser  Weise  von  der  Zucht  abgesondert  und 
isolirt  wird,  der  Vorwurf,  den  freilich  der  Verf.  p.  63  abzuwenden 
sucht,  dass  sie  den  Zögling  durch  ihre  Zwangsmassregeln  im  sinn- 
lichen Gebiete  festhalte  und  es  begünstige,  dass  er  seine  Handlun- 
gen von  sinnlichen  Impulsen  abhängig  mache?  Ist  doch  kurz  vor- 
her sogar  von  der  Regierung  verlangt  worden,  dass  sie  beim  Stra- 
fen selbst  ^die  schlechte  Gesinnung,  die  der  That  zu  Grunde  liege, 
vollständig  ignorire^I  Wehe  der  Erziehung,  die  sich  hierzu  verlei- 
ten Hesse!  Wo  schlechte  Gesinnung  herrscht,  da  findet  zwar  die 
Regierung  wohl  noch  zu  thun,  aber  alle  ihre  Massregeln  wird  sie 
nicht  selbstständig  zur  Anwendung  bringen  dürfen,  sondern  von  andern 
ihr  selbst  fremden  Gesichtspunkten  aus  sich  bestimmen  lassen  müs- 
sen. Wir  zweifeln  kaum,  dass  der  Verf.  hierin  uns  beistimmen  werde, 
aber  er  ist  der  Ansicht,  dass  es  für  das  pädagogische  Handeln  nicht 
möglich  sei,  das  Wohlwollen,  welches  straft  in  der  Absicht  zu  bes- 
sern, mit  der  Regierung,  welche  straft  um  Ordnung  zu  halten,  ver- 
einigt hervortreten  zu  lassen  (p.  74).  Geben  wir  ihm  aber  auch 
die  ganze  scharfe  Begriffsscheidung  zu  zwischen  Zucht  und  Regie- 
rung, so  müssen  wir  doch  nur  um  so  stärker  darauf  dringen,  dass 
das  pädagogische  Handeln  nicht  einseitig  verikbre,  dass  es  prak- 


774  Ziller:    EinleitUQg  io  die  al]|femeine  Pida^ ogOu 

tiflcb  mögUcbst  Tereinige»  was  theoretisch  etreng  geechledeo  ist  — 
aod  sollte  denn  nidit  gerade  darin  das  eigentlich  Künstlerische  beim 
Ersiehungsgescb&fte  so  suchen  sein  ?  Eine  solche  Vereinigang  scheint 
aber  sogar  Tom  Verf.  selbst  wenigstens  indirect  sogegeben  za  sein, 
wenn  er  auch  der  Regierung  (gewissermassen  trots  ihres  Begriffes) 
eine  ersiehende  Seite  sugestebt  und  wenn  er  ferner  Autoritit  und 
Liebe  für  die  Zwecke  der  Regierung  wirksam  werden  llsst;  denn 
was  er  auch  dagegen  sagen  mag,  dass  „ein  ideales  Element^  selbst 
bei  diesen  Antrieben  fehle  und  so  sehr  er  versichern  mag,  auch 
die  Wirksamkeit  von  Autorität  und  Liebe  beruhe  hier  „noch  ganz 
und  gar  auf  dem  psychischen  Mechanismus^  —  ein  Gegensats,  des- 
sen Bedeutung  schwer  klar  su  machen  sein  dürfte  —  das  ideale 
Element  eines  höheren  sittlichen  Antriebes  ist  und  bleibt  da  vorban- 
den, wo  Autorität  und  Liebe  zum  Gehorsam  leiten,  wenn  auch  noch 
nicht  in  voller  Reinheit,  und  man  ist  streng  genommen  mit  diesen 
Antrieben  bereits  über  das  hinaus,  was  der  Verf.  Regierung  genannt 
hat,  über  das  äussere  Ordnung  halten  durch  äussere  Mittel. 

Leicht  dürfte  dieses  letztere  überhaupt  aus  der  Pädagogik  so 
verweisen  sein,  wenn,  wie  der  Verf.  behauptet,  die  Nothwendigkeit 
des  Regierens  sich  aus  dem  Begriff  der  Erziehung  nicht  ableiten 
läast,  weil  es  nur  um  der  Gesellschaft,  nicht  um  des  Zöglings  selbst 
willen  geschieht.  Der  Verf.  hätte  alsdann  die  Frage  su  beantwor- 
ten, ob  und  wesshalb  die  Ethik  es  erlaube,  Kinder  dem  Drucke  der 
Regierung  su  unterwerfen,  gans  abgesehen  von  der  socialen  Noth- 
wendigkeit davon.  Vielleicht  hätte  er  dann  gefanden ,  dass  (wie 
der  Unters,  anderwärts  hervorgehoben  hat)  die  dem  Begriffe  der 
Regierung  von  Herbart  gegebene  Stellung  unhaltbar  ist,  dass  Druck 
und  Zwang  auch  gegen  Kinder  nur  aus  sittlichen  Zwecken,  die  in 
und  mit  den  Gedrückten  selbst  erreicht  werden  sollen,  sich  vor  der 
Ethik  rechtfertigen  lassen,  dass  also  das  Kind  der  Regierung  um 
seiner  selbst  willen  su  unterwerfen  ist,  nämlich  um  ersiehungsi&hig 
im  engeren  Sinne  su  worden,  nicht  um  der  Gesellschaft  willen, 
ausser  etwa  insofern  als  geselliges  Leben  selbst  ein  unentbehrlichei 
sitth'ch  bildendes  Element  für  das  Kind  ist,  dass  also  auch  die  Re- 
gierung allerdings  Zwecke  „im  Gemüthe  des  Kindes  zu  erreichen 
hat^  und  zwar  sehr  wichtige,  und  dass  sie  demnach  aus  der  Päda- 
gogik auch  nicht  ausgestossen  werden  darf,  etwa  um  der  Poltzei- 
wissenschaft  zugewiesen  zu  werden. 

Marborg.  TH.  IValte. 


Schröder,  der  Graf  ZiDiendorf  and  Perrnl^ft.  775 

Schröder,  der  Graf  Zinsendorf  und  HerrnhvL    Nordhausen  1867* 

lo  wie  weit  „ein  paar  neuere,  Ton  Brädem  selbst  verfasste 
Schriften  über  die  Brüdergemeine  desshalb  nicht  so  allgemein  be- 
kannt geworden  sind,  als  sie  es  verdienen,  weil  sie  das  grössere 
Publicum  als  Parteischriften  angesehen  hat^,  ist  dem  Referenten 
nicht  bekannt.  Das  aber  werden  wir  ziemlich  zuversichtlich  aus* 
sprechen  dürfen,  dass  derjenige  dem  nicht  archivallsche  Quellen  zu 
Gebote  stehen,  sowohl  über  Zinzendorf  als  über  die  Brüdergemeine 
schwerlich  etwas  neues  sagen  wird,  nachdem  uns  das  von  Kölbing 
herausgegebene  Schrautenbach'sche  Leben  Zinzendorfs,  sowie  das 
Leben  Zinzendorf's  von  Verbeek  und  die  Brüdergeschichte  von  Crö  - 
ger  schon  seit  geraumer  Zeit  vorliegen.  So  finden  wir  denn  aller- 
dings auch  nicht,  dass  das  vorliegende  Schröder'sche  Werk  etwas 
neues  darbiete,  weder  in  Beziehung  auf  Thatsachen,  noch  in  Be- 
ziehung auf  Beurtheilung  der  historischen  Erscheinungen.  Es  soll 
damit  übrigens  kein  Tadel  ausgesprochen,  sondern  nur  constatirt 
werden,  dass  der  den  Quellen  schon  irgendwie  näher  getretne  Ken- 
ner der  Kirchengeschichte  eine  neue  Belehrung  in  dieser  Schrift 
schwerlich  finden  wird.  Dagegen  erkennen  wir  lobend  an,  dass  der 
Verfasser  die  ihm  vorliegenden  Werke,  als  namentlich  Spangenberg's 
Leben  Zinzendorfs  u.  A.  mit  grosser  Genauigkeit  und  grossem  Fleiss 
excerpirt  hat.  Es  ist  schon  oft  geschehen,  dass  in  solchen  Werken 
über  die  Brüdergemeine,  welche  nicht  von  Mitgliedern  derselben 
verfasst  waren,  nicht  unbedeutende  Missverständnisse  und  Unrich- 
tigkeiten untergelaufen  sind,  eben  weil  es  nicht  leicht  ist,  sich  in 
die  Eigenthümlichkeiten  der  Brüdergemeine  recht  hineinzufinden.  Dies 
ist  nun  dem  Verfasser  des  vorliegenden  Werkes  fast  gar  nicht  arri- 
virt,  denn  er  besass  genug  Selbstverleugnung,  fast  gar  nichts  eige- 
nes zu  geben.  Einzelne  kleine  Ungenauigkeiten  sind  kaum  nen- 
nenswerth,  so  z.  B.  wenn  der  Verfasser  S.  239  den  Bqiideakelch 
und  die  Agapen  oder  Liebesmahle  für  jdpqtisch  hält,  was  sie  doch 
in  der  Brüdergemeine  niemals  waren;  wenn  er  S.  949  seinen  alte» 
ren  Gewährsmännern  folgend,  d^s  Fusswaschen  ala  9ine  noch  be- 
stehende Uebnng  anführt,  während  dasselbe  doch  schon  lange  gar 
nicht  mehr  besteht;  wenn  er  S.  276  Barby  als  eine  Brüdergepieine 
aufführt,  nachdem  dies  Etablissement  schon  zur  Zeit  des  napoleoni- 
schen Königreichs  Westphalen  aufgehoben  worden;  und  so  noch 
anderes.  Doch  dies  sind,  wie  gesagt,  kaum  nennenswertbe  Kleinig- 
keiten. Es  ist  darum  kein  Zweifel,  dass  Leser,  welche  mit  der  Ge- 
schichte Zinzendorfs  und  Herrnhut's  noch  nicht  weiter  bekannt  sind, 
aus  diesem  Werke  viele  Belehrung  werden  schöpfen  können.  Ob 
es  aber  solchen  Lesern  gelingen  werde,  sich  aus  dem  vorliegenden 
Buch  ,)ein  Bild  von  Zinzendorf  zu  entwerfen^,  wie  4er  Verfasser 
in  der  Vorrede  sagt,  das  möchten  wir  beinahe  in  Zweifel  zieheQ. 
Ob  es  gut  war,  dass  der  Verfasser  das  Leben  Zinzendorfs  ^ einfach 
chronologisch  in  seinen  Einzelnheiten  verführte '^y  oder  ob  es  besser 


776  Redienbtcher:    Dti  Dyoamiden-Sytlein. 

gewesen  wäre,  wenn  er  dasselbe  doch  «unter  sogenannten  grossem 
Gesichtspunkten'  dargestellt  hätte,  darüber  möchte  sich  streiten  las- 
sen. Kaum  aber  darüber,  dass  Fon  der  ^^Stnnesweise^  des  Grafen 
viel  SU  wenig  Zusammenhängendes  gesagt  ist,  als  dass  sich  darauf 
ein  Gesammtbild  jenes  so  unendlicli  originalen  Mannes  construiren 
Hesse.  Selbst  was  die  Thatsachen  betrifft,  so  ist  doch  die  aus  des 
Ezcerpten  des  Verfassers  gegebene  Darstellung  gar  su  aphoristisch, 
als  dass  sie  einen  tieferen  Einblick  in  die  Entwickelung  des  Grafen 
und  seiner  Gemeine  gewähren  könnte.  Ja  gar  manches  bedürfte, 
um  recht  yerständlich  zu  werden,  geradezu  einer  näheren  Erläute- 
rung. So  wird  nach  der  yorausgegangenen  Geschichtsersähluhg  noch 
kein  Leser  wissen,  was  es  mit  manchen  der  S.  235  angeführtes 
^Gcdächtnisstage^,  z.  B.  mit  dem  13.  August,  dem  16.  September 
und  dem  13.  November  für  eine  Bewandtniss  habe.  Es  wäre  su 
wünschen  gewesen,  dass  der  Verfasser  den  gesammelten  Stoff  vid 
mehr  verarbeitet  hätte.  Denn  wenn  man  freilich  ein  historisches 
Werk  nicht  wie  eine  Spinne  ans  sich  selbst  produciren  kann,  so 
soll  man  doch  auch  nicht  wie  eine  Ameise  den  Stoff  coacervirea 
Nach  allem  nun  können  wir  das  Schröder'scbe  Werk  grade 
nicht  für  eine  bedeutendere  unter  den  kirchenhistorischen  Monogra- 
phieen  anerkennen.  Aber  wir  können  auch  nicht  umhin,  unsre 
Freude  auszusprechen  einmal  über  die  freundliche  und  billige  Be- 
urtheilung,  welche  der  Verfasser  dem  Grafen  Zinzendorf  und  aeiner 
Gemeine  widerfahren  lässt,  und  sodann  über  den  groasenSamm- 
lerfleiss,  mit  welchem  er  gearbeitet  hat,  so  dass  in  Rücksicht  auf 
diese  beiden  Funkte  das  Werlc  des  Herrn  Dr.  Schröder  gewiss 
empfohlen  werden  kann.  IPlltt. 


Das  DynamidenrSysUm.  Orundsuge  einer  mechanischen  Physik  von 
F,  Redtenbaeher^  Grossh,  Bad,  Hofrath  u.  s.  tr.  Mit  einer 
lühographirten  Tafü.  Mannheim,  Verlagsbuchhandlung  von 
Fr.  Bassermann.     1857.     (X  und  142  8.  in  4\) 

Die  Erscheinungen  des  Lichts^  lehrt  die  heutige  mathematische 
Physik ,  haben  ihren  Grund  in  den  Schwingungen  eines  äusserst 
feinen,  allverbreiteten  und  nicht  schweren  Mediums,  das  man  Aether 
genannt  hat;  die  Erscheinungen  des  Schalls  beruhen  auf  den  Schwin- 
gungen der  Luftatome;  die  der  elastischen  Körper  auf  den  Schwin- 
gungen der  Atome  der  festen  Körper.  Es  hat  also  die  hea- 
dge  mathematische  Physik  zweierlei,  wesentlich  verschiedene  Träger 
der  Schwingungen  angenommen  —  Körperatome  und  Aetheratome. 
Wie  sind  nun  die  beiderlei  Atome  gegen  einander  gelagert?  Gibt 
es  Schwingungen  im  Aether,  welche  auf  die  Körperatome  keinen 
bewegenden  Einfluss  äussern  und  umgekehrt?  Wie  steilen  sich  die 
einen   oder   andern   dieser  Bewegungen  dar,   wenn  sie   an  unsere 


Redlenbacher :    Das  Dynamiden-Syslem.  777 

Wahrnahmuog  herantreten?  —  Diese  and  eine  Menge  anderer  Fra- 
gen haben  die  seitherigen  Bearbeiter  der  mathematischen  Physik 
sum  grössten  Theil  unbeantwortet  gelassen,  wie  denn  namentlich 
C  a  a  c  h  y  y  der  wohl  am  Meisten  in  diesem  Theile  der  Wissenschaft 
geleistet,  es  gant  unbestimmt  iSsst,  wie  man  sich  die  innere  Zn- 
sammensetsung  der  Körper  denken  will,  und  erst  in  seiner  letsten, 
unvollendet  gebliebenen  Arbeit  einen  Anfang  dasu  macht,  obwohl 
auch  hier  ^on  einer  anschaulichen  Klarheit  noch  nicht  die  Rede  ist. 
Und  doch  iSsst  sich  ohne  eine  klare  Vorstellang  über  die  innere 
Organisation  der  Körper  —  mag  sie  nun  die  richtige  sein  oder  nicht  — 
keine  Erklärung  der  wundervollen  Erscheinungen  geben,  die  aus 
der  Wechselwirkung  der  Kräfte,  die  in  den  Körpern  ihren  Sitz  ha- 
ben,  entstehen.  Hat  allerdings  die  mathematische  Optik  die  Er- 
scheinungen des  Lichts  erklärt,  ohne  sich  Iclare  Rechenschaft  zu 
geben,  wie  die  Lichtbewegungen  beschafTen  sind,  so  rührt  dies  da- 
her, dass  bei  der  Unbestimmtheit,  die  in  ßezug  auf  die  innere  An- 
ordnung der  Körper  —  und  Aetheratome  gleich  anfänglich  obwal- 
tete, man  im  Laufe  der  Utitersnchungen  sich  in  dieser  Beziehung 
den  Thalsachen  anbequemen  konnte.  So,  um  nur  Eines  zu  erwäh- 
nen, ist  es  nach  den  gewöhnlich  gemachten  Annahmen  (wenn  man 
von  solchen  bei  der  herrschenden  Unbestimmtheit  sprechen  kann) 
geradezu  unericlärlich ,  wie  ein  Körper  mit  ungleicher  Elastizität 
nach  verschiedenen  Richtungen  entstehen  kann.  Denn  sind  alle  Kör- 
peratome in  Bezug  auf  Gestalt  und  Masse  gleich,  so  kann  nur  ein 
nach  allen  Richtungen  hin  gleichartiges  Medium  entstehen,  und  doch 
ist  man  gezwungen,  die  vorhin  erwähnte  Thatsache  gelten  zu  las- 
sen. Man  hilft  sich  eben  dann  damit,  dass  man  sie  einfach  znllsst, 
ohne  zu  fragen,  woher  diese  Erscheinung  rühre. 

Diese  Unbestimmtheit  nun  zu  entfernen,  ist  eine  der  Hauptauf- 
gaben des  vorliegenden  Werkes.  Es  zerfällt  aus  diesem  Grunde  in 
zwei  getrennte  Theile  —  einer  ^Einleitung^  und  dann  den  mehr 
fragmentarisch  folgenden  mathematischen  Ausführungen.  Die  Ein- 
leitung setzt  die  Ansicht,  die  der  Verfasser  sich  über  die  innere 
Beschaffenheit  der  Körper  gebildet,  in  allgemein  verständlicher  und 
lichtvoller  Darstellung  aus  einander,  während  der  übrige  Theil  des 
Buches  (S.  29—142)  eine  Reihe  mathematischer  Ausführungen  ent- 
hftlt,  die,  obgleich  in  gewissem  Zusammenhang,  doch  kein  abge- 
schlossenes Ganze  bilden,  und  auch  nicht  bilden  sollen,  da  —  wie 
der  Verfasser  im  Vorwort  sich  ausdrückt  —  ein  vollendetes  Ganze 
jetzt  noch  gar  nicht  gegeben  werden  kann.  Diese  Ausführungen 
und  Entwicklungen  sollen  eben  die  „Grundzüge^  sein,  von  denen  aus 
die  mathematische  Theorie  der  Erscheinungen  sich  weiter  entwickeln 
soll,  und  es  war  also  nur  Aufgabe  des  Verfassers,  die  Fundamen- 
talbätze  mit  vollständiger  Klarheit  hinzustellen  und  etwa  an  einer 
oder  der  andern  spezielleren  Aufgabe  die  Tragweite  der  Theorie  zu 
erproben.     Dass    diese   Aufgabe   hier   gelöst  wurde,    brauchen   wir 


77^  Redlenbtcher:    Dm  DyiM«üd0n-Syfteiil. 

Dicht  besonders  aDsugeben;  dagegen  wollen  wir  Tereachen,  ein 
Uehereicht  über  das  Geleistete  sa  liefern. 

Der  beobachtende  Naturforscher  sieht  immer  nnr  das  Aensser« 
der  Dinge,  wie  es  sich  ihm  als  Erscheinung  offenbart,  den  Gruad 
dieeer  Erscheinungen  vermag  er  mit  seinen  Sinuen  nicht  wahrm- 
nehmon,  und  er  muss  durch  das  Auge  des  Geistes  das  zu  erblicken 
suchen,  was  sein  leibliches  Auge  ihm  nie  enthüllen  kann.  Die  Er- 
scheinungen aber  der  Sinnenwelt  haben  wohl  alle  ihren  Ursprtnig 
in  Veränderungen,  die  im  Innern  der  Körper  vorgehen,  sowohl  in 
Bezug  auf  Zusammensetzung  als  Lage  der  einzelnen  Körpertheil- 
chen.  Die  Gesetze,  nach  denen  solche  durch  gewisse  Kräfte  her- 
vorgerufene Aenderungen  vor  sich  gehen,  werden  in  der  Mechanik 
gelehrt,  und  diese  Lehren  sind  es  demnach,  mittelst  derer  man  aof 
den  innern  Grund  der  Erscheinungen  zurückgehen  kann.  Soll  man 
dieselben  aber  anwenden  können,  so  muss  man  vor  Allem  eine  klsre 
Anschauung  vom  Wesen  der  wirkenden  Kräfte,  so  wie  von  der  Be- 
schi^ffenheit  der  Körpertheile  haben,  auf  welche  dieselben  wirkea. 
Es  drängt  sich  also  hier  die  Nothwendigkeit  auf,  in  Bezug  auf  diese 
beiden  Punkte  eine  Hypothese  zu  bilden,  und  dann  mit  Hilfe 
der  mathematischen  Forschung  die  Folgerungen  aus  derselbe  sa 
ziehen.  Stimmen  dieselben  mit  den  Thatsachen  überein,  so  wird  die 
Hypothese  in  Geltung  zu  bleiben  haben,  und  wird  desto  wahrschein- 
licber  werden,  je  mehr  Thatsachen  mit  ihr  übereinstimmen,  oder 
besser  gesagt,  je  mehr  Thatsachen  sie   zu   erklären  im  Stande  ist 

Von  dieser  Nothwendigkeit  getrieben,  hat  man  denn  auch  vob 
jeher  seine  Zuflucht  zu  Hypothesen  über  die  Beschaffenheit  der  Kör- 
per genommen  und  das  vorliegende  Buch  gibt  eine  geschichtliche 
Uebersicht  der  seither  aufgestellten  derartigen  Hypothesen,  ehe  es 
zu  der  Hypothese  des  Verfassers  übergeht,  die  er  nicht  als  eine 
neue  eigenthümliche  Erfindung  ausgibt,  vielmehr  nur  als  eine  Com- 
bination  der  Theorien  der  Vorgänger  betrachtet.  Es  handelt  sich 
also  hier  nicht  darum,  das  zu  verwerfen,  was  die  Frühem  gesagt^ 
vielmehr  das  Vereinzelte  zusammen  zu  fassen  und  von  einem  höheia 
Gesichtspunkte  aus  darzustellen. 

Der  Verfasser  nimmt,  wie  wir  zu  Eingang  gethan,  zweierlei 
ihrep  Wesen  nach  verschiedene  Atome  an  ■—  Körperatome  nai 
Aetheratome.  Diese  Atome  sind  der  Sitz  von  Kräften ,  welche  ja 
auf  die  Masse  eines  andern  Atoms,  nicht  aber  auf  die  dea  Atons 
wirken ,  in  weichem  sie  ihren  Sitz  haben.  Man  kann  dies  auch 
kürzer  so  ausdrücken,  dass  man  sagt,  die  Atome  wirken  auf  ein- 
ander, aber  nicht  auf  sich  selbst,  und  es  nimmt  nun  unser  Baek 
an,  ein  Aetheratom  wirke  auf  ein  anderes  Aetheratom  i^batosaeod, 
dagegen  auf  ein  Körperatom  anziehend,  während  ein  Körperatosi 
ein  anderes  Körperatom  anzieht.  Dass  .diese  Wirkung  gegenseitig 
ist,  versteht  sich  von  selbst.  Die  Aetheratome  sind  gewichtloa,  aber 
die  Wirkung  derselben  ist  eine  sehr  intensive,  namentlich  die  aof 
die  Körperatome;  die  Körperatome  sind  schwer,   dabei  in  Entfer- 


Redtenbacher:    Dw  Dyoamidon-Syflein.  779 

mmgen  von  eicander,  die  in  Bezug  aui  ihre  Abmeaaungen  sehr  gro«8 
sind.  Was  die  Gestalt  der  Eörperatome  anbelangt,  so  kann  sie  — 
nach  dem  dermaligen  Stande  der  Wissenschaft  —  nieht  genauer  be- 
stimmt werden ;  nur  so  viel  ist  klar,  dass  bei  Körpern  von  verschie- 
denen Elastizitätsrichtungen  die  Gestalt  nicht  die  einer  Kugel  sein 
wird.  In  Folge  der  mächtigen  Wirkung  der  Körperatome  auf  die 
Aetheratome  ordnen  sich  die  letztern  um  die  erstem  herum  atmoa- 
phärenartlg  an,  so  dass  die  um  ein  Körperatom  befindlichen  Aether- 
atome in  sehr  grosser  Anzahl  sind,  und  jede  solche  Atmosphäre 
eine  durch  die  Gestalt  des  Körperatoms  bestimmte  Form  und  Be- 
^änzung  haben  wird.  Ein  Körperatom  nun  mit  der  dasselbe  um- 
g;ebenden  und  zu  ihm  gehörigen  Aetherhiille  nennt  der  Verfasser 
eine  Dynamide.  Vereinigen  sich  (als  Folge  eines  chemischen 
Prozesses)  zwei  oder  mehrere  verschiedene  Körperatome  und  sind 
dann  von  einer  gemeinschaftlichen  Aetheratmosphäre  umhüllt,  so 
beisst  diese  Gruppe  ein  Molekül.  Die  Zustände  in  den  Dyma- 
niden  sind  statische  oder  dynamische  (Gleichgewicht  oder  Bewegung). 
Die  letztern  sind  dreierlei  Art,  d.  h.  es  sind  drei  verschiedene  Be- 
iregungsweisen  für  uns  zu  untersuchen:  1)  Bewegung  des  Schwer- 
punkts des  Körperatoms,  2)  drehende  Bewegung  des  Körperatoms 
lim  seinen  Schwerpunkt,  3)  relative  Bewegung  des  Aethera  der 
Bullen  gegen  die  Oberflächen  der  Körperatome.  Aus  diesen  ver- 
ichiedenen  Bewegungen  sollen  nun  die  Erscheinungen,  zumal  der 
Mgenannten  Imponderabilien,  erklärt  werden,  während  die  Gleichge- 
wichtszustände, so  wie  der  (mehr  oder  minder  tumultuarische)  Ueber- 
gang  von  einem  solchen  Zustand  zu  einem  andern  die  Erscheinun- 
gen der  Chemie  werden  zu  erklären  haben. 

Die  Wechselwirkungen  zweier  Dynamiden  A  und  B  sind  die 
folgenden:  1)  jedes  Tbeilchen  des  Körperatoms  in  A  zieht  jedes 
(olche  des  Körperatoms  in  B  an;  2)  jedes  kleine  Theile  des  Kör- 
peratoms in  A  zieht  jedes  Aetheratom  der  Hüllen  in  A  und  B  an; 
))  jedes  Aetheratom  in  A  stösst  jedes  in  B  ab ,  und  in  Folge  dieser 
eichen  Kräftezahl  entstehen  nun  die  mancherlei  Bewegungen,  von 
lenen  wir  vorher  sprachen.  Will  mau  nun  aber  diese  Bewegungen 
Bit  Hilfe  der  Mathematik  aus  der  Wirkung  der  Kräfte  ableiten,  so 
reten  sofort  solche  Schwierigkeiten  der  Ausführung  entgegen,  dass 
Dan  sich,  bis  jetzt  wenigstens,  mit  mehr  oder  minder  scharfen  An- 
tähemngen  begnügen  muss;  namentlich  ist  es  der  Einfluss  der  Ge- 
italt  der  Körperatome  auf  die  verschiedenen  Zustände,  der  durch 
leehnong  kaum  festzustellen  ist.  Trotzdem  aber  gewährt  dies  oben 
n  kurzem  Umrisse  angegebene  System  der  Dynamiden  den  weaent- 
ichen  Vortheil,  dass  man  klar  sieht,  um  ^as  es  sich  bandelt,  und 
üso  auch  sagen,  was  man  berücksichtigt,  und  was  man 
itwa  vernachlässigt. 

Nachdem,  wie  schon  geaagt,  in  mustergiltiger  Darstellungsweise 
Ue  zu  Grunde  liegende  Anschauung  der  Innern  Organisation  der 


780  Redtenbaeher:     Da«  Dynamiden-System. 

Körper  aus  einander  gesetzt  worden,  folgen  dod  die  mathematlschtt 
Entwicklungen,  welche  in  drei  Abschnitte  lerfalleiL 

Der  erste  handelt  von  der  WSrme.  Ist  ein  Körper  im  voll- 
Btändigen  innern  Gleichgewichtszustand,  so  besteht  die  Wirkung  dei 
Aethers  bloss  darin,  die  Djnamiden  in  bestimmten  Entfemongeo 
und  Lagen  zu  halten;  alsdann  ist  ein  Körper  absolut  kalt  und  es 
ist  uns  nicht  möglich,  den  Aether  mittelst  unserer  Nerven  wahmi* 
nehmen.  Anders  jedoch  verhält  sich  die  Sache,  wenn  der  Aetfa« 
in  Bewegung  ist.  Schwingen  dabei  die  Aetheratome  der  Hulleo  lo 
.  senkrechter  Richtung  gegen  die  Kerne  (Köperatome  oder  Moleküle), 
80  entsteht  für  uns  bei  der  Wahrnehmung  dieses  Zustandes  das 
Gefühl  der  Wärme.  Die  Intensität  dieses  Zustandes,  oder  die 
Temperatur  setzt  unser  Buch  proportional  dem  mittlem  Wertk 
des  Quadrats  der  Geschwindigkeit  aller  Atome  einer  Hülle,  so  wie 
der  Masse  eines  Atoms,  indem  nur  diese  Annahme  mit  den  Thal*' 
Sachen  harmonire.  Eben  so  erklärt  unser  Buch  die  spezifische 
Wärme  gleich  (eigentlich  proportional)  der  Anzahl  der  Aetbc^ 
atome,  welche  in  der  Gewichtseinheit  des  Stoffes  enthalten  ist,  wik- 
rend  Dichte  des  Aethers  die  Anzahl  der  Aetheratome  genanst 
wird,  die  in  der  Yolumseinheit  enthalten  ist.  Später  wird  gesdgt, 
dass  die  von  den  Physikern  sogenannte  spezifische  Wärme  bei  kOD- 
stantem  Druck  bei  den  Gasen  dasselbe  sei ,  wie  die  so  eben  defi* 
nirte  spezifische  Wärme,  woraus  sich  dann  in  Bezug  auf  das  Ent*; 
weichen  des  \ethers  bei  chemischen  Verbindungen  interessante  SchlSise  | 
ergeben,  Indem  man  den  von  Regnault  gefundenen  Sats  zu  Hilft  { 
nimmt,  dass  das  Produkt  aus  der  spezifischen  Wärme  (bei  konstaih  | 
tem  Druck)  und  dem  spezifischen  Gewichte  für  alle  Gase  kon- 
stant sei. 

Drei  beigefügte  Tabellen  enthalten  für  Gase,  einfache  und  sihj 
sammengesetzte  Körper  dh  Zahiwerthe  der  hieher  gehörigen  Grössen  ^ 

Wenn  man  sagt,  es  solle  ein  Körper  erwärmt  werden,  so  heiatf 
dies  also  hiemach,  den  Aether  in  Schwingungen  versetzen,  die  wift 
angegeben  gerichtet  sind.  Nimmt  man  nun  an,  dass  bloss  dioi 
Schwingungen  entstehen,  ohne  irgend  welche  Ausdehnung  u.  s.  w., 
so  lässt  sich  leicht  zeigen,  dass  die  zur  Erwärmung  des  Körpen 
Ton  der  Temperatur  t  zu  der  T  nöthige  Arbeit  gleich  ist  Q  e  k 
(T~t),  wo  Q  das  Gewicht  des  Körpers,  c  die  spezifische  Warne 
und  k  ein  konstanter  Koeffizient  ist,  welch  letzterer  das  sogeoaniilt 
mechanische  Aequivalent  der  Wärmeeinheit  ausdrficM 
(Arbeit,  um  die  Gewichtseinheit  eines  StolTs,  dessen  spezifiseht 
Wärme  1  ist,  um  einen  Grad  in  der  Temperatur  zu  erhöhen),  mii 
aber  ein  Körper  erwärmt  und  ausgedehnt,  so  besteht  die  Gleicfani 
kdW  =  kcQdt+NdV  +  dJ-f-dL,  wo  dW  die  Wärmemenge  I 
ist,  die  in  einer  unendlich  kleinen  Zeit  dem  Körper  mitgetheiit  wä4;  < 
K  c,  Q  wie  so  eben;  d  t  die  Erhöhung  der  Temperatur;  N  der  anf  j 
die  Flächeneinheit  der  Oberfläche  normal  ausgeübte  Druck ;  d  Y  «tt 
Aenderung  des  Volumens  des  Körpers;   d  J  die  innere   Arbeit,  de 


Redteilbacher:    0«f  Öyotoiiden-Syitem*  781 

einer  Volumäaderung  ohne  Temperaturerhöbung  entspricht;  dL  die 
Aenderuog  der  lebendigen  Kraft  des  BewegungssuBtandefl  der  Kör- 
peratome. Wird  diese  Formel  auf  die  langsame  Erwärmung  und 
Aosdebnong  eines  Gases  angewendet,  und  nimmt  man  an,  dass  das 
Mariotte'sche  nnd  Gay-Lussac'sche  Oeseta  gelten,  so  findet 
man  den  oben  angeführten  Satz  von  der  spezifischen  Wärme,  so 
wie  die  numerische  Bestimmung  von  Ilse:  424,  welchen  Werth  auf 
anderm  Wege  auch  Person  gefunden.  Die  Formeln  Poisson's 
fSr  die  Ausdehnung  eines  Gases  ohne  Wärmeabnahme  (Mechanik  ü. 
§.  638)  ergeben  sich  ebenfalls  hieraus,  so  wie  sich  dann  auch  die 
Formeln  zur  Berechnung  einer  kalorischen  Maschine  leicht  dadurch 
aufstellen  lassen.  Ist  eine  Gasmenge  in  einem  Gefässe  eingeschlos- 
sen, und  vergrössert  sich  ihr  Volumen,  wobei  durch  die  Wände 
Wärme  einstrOmt,  so  wird  der  Temperatursustand  durch  eine  slem- 
lieh  verwickelte  Formel  gegeben,  die  wir  hier  nicht  aufführen  wol- 
len (S.  48).  Einiges  über  den  Vorgang  bei  der  Uampfbildung 
sehliesst  den  ersten  Abschnitt,  der  sich  also  über  die  Fundamentale 
erscbeinungen  bei  der  Wärme  verbreitet. 

Der  sweite  Abschnitt  handelt  über  das  Gleichgewicht  eines 
Djnamiden  «-Systems. 

Die  Berechnung  der  Wechselwirkung  aweier  Dynamiden  ge- 
schieht zunächst  unter  Voraussetzungen,  die  nur  näherungsweise 
richtig  sind.  Es  ist  nämlich  angenommen,  dass  eine  jede  Verbin- 
dangslinie  Jiwischen  einem  Aetheratom  einer  Hülle  und  einem  der 
andern  Hülle  parallel  sei  der  Verbindungslinie  der  (Schwerpunkte 
der)  beiden  Körperatome.  Diese  Voraussetzung  ist  freilich  dann 
anläasig,  wenn  man  annimmt,  es  seien  die  Hüllen  sehr  klein  im 
Verhältniss  zu  den  Entfernungen  der  Dynamide,  was  denn  hier  an- 
genommen ist  Femer  ist  angenommen,  es  habe  eine  jede  Hülle 
die  Gestalt  eines  Würfels  und  es  sei  der  Aether  in  ihr  gleichförmig 
▼ertheilt  Diese  Voraussetzung  weicht  offenbar  von  der  Wahrheit 
weit  ab;  allein,  der  Meinung  des  Verfassers  nach,  hat  eine  solche 
Abweichung  doch  nicht  zur  Folge,  dass  die  erhaltenen  Resnltate 
nicht  als  annähernd  richtig  betrachtet  werden  dürfen. 

Ist  so  die  gegenseitige  Wirkung  berechnet,  so  wird  vermitteist 
des  Prinzips  der  virtuellen  Geschwindigkeiten  die  Gleichung  des 
Gleichgewichts  für  ein  nach  allen  Richtungen  gleich  elastisches  Dy- 
aaoildensystem  aufgestellt,  wenn  dasselbe  durch  Einwirkung  eines 
losserD  Druckes  im  Gleichgewicht  ist  Referent  hat  dazu  nur  zn 
bemerken,  dass  die  Bezeichnungen  9)(r),  ^(r)  in  den  Gleichungen 
(5)  nnd  (6)  auf  S.  58  analytisch  nicht  angehen,  da  die  zweiten 
Seiten  der  (5)  von  r  (als  Summen)  ganz  unabhängig  sind.  In  der 
Untersuchung  über  das  Mariottesche  Gesetz,  die  hierauf  folgt,  wäre 
eben  desshalb  in  den  Formein  (8) — (10)  eine  Aenderung  in  der 
analytischen  Form  nothwendig,  wenn  gleich  die  Resultate  gerecht- 
fertigt werden  können.  Da  aber  derselbe  Gegenstand  sofort  wieder 
in  ander«  Form  aufgenommen  wird,  so  ist  es  nicht  nothwendig, 


782  Itedteiibaclier :    Dm  Dyntmiden-Syitem. 

dabei  länger  zu  verweilen.    In   dieser  swelteir  Form  nimiich  wM 

die  Funktion,  weiche  das  Ansiehongs-  oder  Abetossangsgesets  am- 

a 
drückt,  spesieller  von  der  Art  der  Gr^Mven  —    yorauagesetit  ud 

darnach  gerechnet.  t)abei  wird  dann  wieder  die  VorauasetsuDg  ge- 
macht, es  seien  die  einzelnen  Dynamiden  um  jede  in  konzentrisdieD 
Kugelschichten  gelagert  Unter  dieser  Voraussetzung  wird  nun  die 
Gleichung  des  Gleichgewichts  (ür  den  oben  genannten  Fall  aufge- 
stellt (S.  64).  Daraus  wird  dann  eine  Formel  gezogen,  welche  der 
Verfasser  das  w a h r e  Mariottesche  Gesetz  nennt,  so  wie  asdi 
der  Modulus  der  Elastizität  bei  festen  Körpern  bestimmt 
wird.  Dabei  taucht  jedoch  abermals  für  den  Ref.  eine  analytiscbe 
Schwierigkeit  auf.  Sollte  nämlich  das  gewöhnliche  Iffariottesche  Ge- 
setz aus  der  allgemeinen  Formel  folgen ,  so  miisste  das  Gesetz  der 
Abstossung  zweier  Aetberatome,  deren  Entfernung  v  ist,   durch  die 

n 
Formeln   —  gegeben  sein   (a  =  1    nach   den    Bezeichnungen  de 

1  ^— 

Buches).    Nun  erscheint  aber  eine  Grösse  A  =  -^f  o J 

2 —,  wo  die  Summe  von  n  =  1  bis  n  =  oo  zu  nehmen  sein  seil 

(S.  63,  65);  ist  oben  a  =  1,  so  ist  diese  Summe  unendKeh  groü, 
und  es  kann  also  sicher  der  Ausdruck  für  den  Modolus  der  Elifli- 
«itSt  nicht  gebraucht  werden.  Es  ist  allerdings  wahr,  daas  mS 
nicht  gerade  bis  n=  oo  zn  gehen  hätte;  allein  es  wird  hto  iiknner 
eine  Schwierigkeit  verbleiben,  wie  man  sich  auch  wenden  mi^. 

Für  den  Fall  eines  Dynamidensystems  mit  Elastizftätsaxen  wa^ 
den  nicht  die  Tollständigen  Bedhignngen  des  Gleichgewichts  au^ 
steUt,  da  dies  zu  weitläufig  würde,  sondern  nur  mittelst  des  Prinz^ 
der  virtuellen  Geschwindigkeiten  einige  derselben  ermittelt,  die  ft^ 
mentüeh  später  benutzt  werden.  Als  spezieller  Fall  wird  die  B^ 
Rammendrückung  eines  parallelepipedlschen  Körpers  betrachtet,  * 
wie  die  Arbeit  ermittelt,  die  nöthig  ist,  einen  Körper  gewaltsam  li 
andere  Form  zu  bringen,  wobei  speziell  die  Drehung  ehies  zylindt* 
sehen  und  die  Zusammendrückung  eines  parallelepipedischen  StaMi 
behandelt  wird,  freilich  unter  den  bekannten  Voraussetzungen,  ft 
die  Rechnung  sehr  erleichtern. 

Der  dritte  Abschnitt  behandtit  die  Bewegung  eineti  Djp^ 
namldensystems,  und  zwar  in  doppelter  Beziehui^f.  Za(rt 
werden  nämlich  bloss  die  Bewegungen  der  Körperatome  und  dA 
die  Aetherschwingungen  betrachtet.  Im  Wesentlichen  den  Wljti 
Gauchys  verfolgend,  werden  die  allgemeinen  Dffferentialgleidni^l 
gen  der  Bewegung  eines  Körperatoms  aufgeistellt,  und  dann  die  np^ 
stellen  Fälle  eines  linearen  Systems  (biegsameir  gerader  Kette)  » 
eines  ebenen  Systems  (ebener  Membrame)  darius  abgeleitet    Bt 


Redtenbtclier:    Des  Dynamideo-Syftem.  983 

die  Integration  dieser  Gleichungen  namentlich  von  Lamd  in  dem 
früher  in  diesen  Blättern  angezeigten  Werke :  „Leyons  sur  la  th^orie 
math^matique  de  TElasticit^  des  corps  solides^  ausführlich  behandelt 
wurde,  so  begnügt  sich  unser  Buch,  kurz  diese  Integrationen  anzu- 
deuten und  dann  auf  das  genannte  Buch  hinzuweisen. 

Ausführlicher  werden  die  Gleichungen  der  Bewegungen  des 
Aethers  untersucht,  wobei  jede  Aelherhülle  als  in  ein  in  ihrem 
Schwerpunkte  konzentrirtes  Ganze  betrachtet  wird.  (Die  Empfin- 
dung dieser  Schwingungen  ist  in  der  Regel  Licht.)  Diese  Gleicht^ 
gen  nehmen  jetzt  freilich  eine  andere  Gestalt  an,  als  seither,  wenn 
man  die  gegenseitigen  Einwirkungen  der  (ruhenden)  Körperatome 
und  des  Aethers  beachtet.  Sind  |,  v,  g  zur  Zeit  t  dfe  relatfveta 
Koordhiaten  eines  Huiienschwerpunkts,  dessen  Körperatom  als  Koor- 
dinaten X,  y,  z  hat;  g  +  z/J,  v  +  ^v,  6  +  ^6  die  ähnlichen 
Grössen,  die  sich  auf  einen  andern  Hülienschwerpunkt  beziehen,  des- 
sen Eörperatom  zu  derselben  Zeit  die  Koordinaten  x  -|-  z/x,  y  -f-  ^  y, 
z-^-  ^Ü  z  hat,  so  findet  man : 

g_j.(A  +  «)H-Fv+E54--S(A,^4+Pi^T  +  Ei^e)=<r, 
p-  +  (B-|-«)T+PH-De-|-2;(F,^S+B,^/v  +  D,^/ö  =  o, 

WO  A,  B,  C,  D,  £,  F  Konstanten  sind,  die  von  der  Einwirkung  der 
(fremden)  Klxrperatome  anf  eine  Hülle  herrühren,  b  von  der  Ein- 
wirkung des  eigenen  Körperatoms;  A|,  ...,  F^  dagegen  yon  der  Ein- 
wirkang  der  Hüllen  auf  einander  abhängen  und  die  Summe  sieh 
«of  alie  Dynamiden  erstrecken. 

Die  Integration  dieser  Gleichungen  wird  nun  durch  Anwendung 
der  allgemeinsten  Fouri  er 'sehen  Integrale  für  Funktionen  dreier 
Yeränderlicher  (in  analoger  Weise,  wie  Cauchy  in  s^nem  „Me- 
moire sur  Ja  dieper^n  de  la  lumi^re^)  durchgeführt  Liast  sich 
dagegen  aaeh  Nichts  einwenden,  so  gesteht  Referent  doch,  daas  er 
in  den  Integrationen  mittelst  bestimmter  Integrale  die  Durchsichtige 
keit  yermisst  und  es  daher  vorziehen  würde,  partikulare  Integrale 
in  geschlossener  Form  zu  ermitteln  und  von  da  aus  erst  cur  allge- 
meinen  Integration  überzugehen,  ein  Weg,  der  sich  hier  leicht  an- 
schlagen lässt.  Ohnehin  kommt  unser  Buch  in  Wahrheit  dodi  hieirauf 
(S.  127)  zurück,  wo  nun  die  Elementarwellen  näher  betrach- 
tet werden,  und  eä  ergiebt  sich  dann  der  Zusammenhang  zwischen 
der  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  und  der  Weilenlänge,  worauf  die 
Piflpersion  des  Lichts  beruht,  die  dann  besonders  betrachtet 
wird.  Die  Erklärung  derselben  kann  nur  gegeben  werden,  wenn 
mao  ein  doppeltes  Medium  annimmt,  und  würde  in  der  frühern 
Weite  Gauchys  niemals  genügend  erhalten  worden  sein. 


784  Binder:    Ueber  Tiroon. 

Haben  wir  hiernach  In  dem  vorliegenden  Werke  des  dorch  setiie 
Arbeiten  im  Gebiete  der  angewandten  Wissenschaften  beröhmteo 
Verfassers  keine  vollständige  und  abgeschioasene  Erledigung  der 
Theorie,  so  sind  doch  ~  und  dies  war  ja  die  Absicht  des  Verfaa- 
sers  —  die  Grundlagen  genau  bezeichnet,  von  denen  aus  sich  weiter 
fortbauen  iKsst  und  ist  dadurch  ermöglicht,  mit  vollem  Bewusstsefai 
der  GrXnzen,  innerhalb  derer  die  Resultate  zulSssig  sind|  fortsa- 
schreiten.  Das  ist  aber  eine  Errungenschaft,  die  nicht  hoch  genag 
angeschlagen  werden  kann.  Dlcnirer. 


Ueber  Timon^  den  Misanthropen^   von  Prof.  Dr.  Binder,     Ulm 
1856.    Druck  der  Wagnerischen  Buehdruekerei.    26  S.  in  pr.  4, 

Timon,  der  Menschenhasser,  ist  eine  in  der  alten  Welt,  wis 
fast  eben  so  in  der  neueren,  der  er  sogar  den  Stoff  zu  dramattsches 
Darstellungen  gegeben  bat,  bekannte,  ja  stereotyp  gewordene  Pe^ 
Bönlichkeit,  dass  es  sich  wohl  der  Mühe  lohnte,  historisch  and  kti* 
tisch  das,  was  wir  von  seiner  Person  und  seinem  Leben  wiesen,  n 
sichten  und  zu  ordnen,  um  daraus  mit  einiger  Sicherheit  wenigstens 
diejenigen  Aufschlüsse  zu  gewinnen,  welche  zur  richtigen  Würdigung 
dieser  Persönlichkeit  dienen  können.  Die  vorliegende  Untersnchung 
sucht  durch  eine  Prüfung  aller  der  über  Timon  in  den  alten  Schiift- 
stellern,  von  Aristophanes  an,  vorfindlichen  Nachrichten  dieses  Re- 
sultat zu  gewinnen,  geht  aber  dann  näher  ein  in  die  besonden, 
dieser  Persönlichkeit  gewidmeten  Schriften  des  Luciaous  wie  des 
Libanlus,  von  welchen  der  erstere  insbesondere  dazu  beigetrageit 
der  Persönlichkeit  des  Tlmon  auch  für  die  spätere  Zeit  di^enifs 
Verbreitung  und  Bedeutung  zu  verschaffen,  welche  gefeierte  Dic^ 
ler  der  neueren  Zeit,  wie  Shakspeare,  zu  ihr  zurückgeführt  bat 
Dass  wir  freilich  bei  Lucianus,  und  noch  weniger  bei  Libaoitis  aif 
ein  der  Wirklichkeit  in  Allem  entsprechendes  Bild  in  keiner  Weii0 
Anspruch  machen  können,  dass  wir  vielmehr  bei  dieser  Art  vis 
Novellen,  wie  wir  solche  rhetorische  Aufsätze  wohl  nennen  dürfes, 
der  Phantasie  des  Rbetors,  der  sich  seinem  Zwecke  der  Unterhsl- 
tung  gemäss,  an  die  Schranken  der  Wirklichkeit  nicht  binden  konnto 
und  wollte,  das  Meiste  zu  Gute  halten  müssen,  wird  auch  hier  nach- 
gewiesen (vgl.  S.  15).  Eine  Darstellung  und  Würdigung  der  Art 
und  Weise,  wie  Shakspeare  diesen  Gegenstand  behandelt,  bildet 
den  Schluss  der  gründlichen  Untersuchung,  auf  die  wir  dardh  dieis 
Anzeige  um  so  mehr  aufmerksam  machen  möchten,  als  dieselbe  in 
der  Form  einer  Gelegenheitschrift  erschienen,  weniger  in  weiteren 
Kreisen  bekannt  geworden  sein  dürfte,  als  sie  es  verdient. 


Rr.  SO.  RElDELBERGBIt  tUt 

JAHRBOCHER  dir  LITERATUR. 

Literaturberichte  aus  Italien. 


Le  UUere  dd  Bealo  Giov.  CoUmtbini  da  Siena,  pubUcaie  per  cura  di.  Adolfe  Bar- 

ioU,  Lucca  Tip.  Balafresi  i856. 
Von  diefem  aseetiscben  Schriftsteller  tai  dem  14.  Jahrhundert  waren  bifber 
nur  Bruchstücke  bekannt ,  jetst  endlich  hat  Herr  Bartoli  die  vollständij^e  Samm- 
lung seiner  Briefe  herausgegeben,  da  man  in  Italien  jetit  allen  Sprachdenk- 
malen aus  jener  Zeit  die  grOsste  Aufmerksamkeit  zuwendet,  und  dieses 
Werk  für  einen  kostbaren  teste  di  lingna  hftit;  lugleich  aber  dienen  diese 
Briefe  auch  lur  Kenntniss  des  damaligen  Bntwickinngsganges  der  Yolks-Bil*- 
dung  in  jener  Zeit,  wo  die  Tapferkeit  der  italienischen  Bürger  die  Burgen 
des  germanischen  Lehnwesens  gebrochen  hatte  und  dadurch  die  Wiederher- 
stellung der  Künste  und  Wissenschaften  ermöglicht  wurde.  Damals  kam  aber 
auch  die  religiöse  Schwürmerei  auf.  Unter  diesen  religiösen  Schwiirmern 
gab  es  aber  auch  damals  wohlmeinende  Hfinner,  wie  der  heilige  Bonaven- 
tura, der  seraphische  Doctor  genannt,  der  in  seinen  der  Maria  gewidmeten 
Psalterien  als  ttberschwftnglicher  Enthusiast  erscheint.  Auch  von  diesem  la- 
teinischen Werke  ist  eine  Uebersetinng  unter  dem  Titel: 

PsdUmio  Mariano  di  8*  BofiaoenAiri»,  iradoUo  da  ÄgotUno  Zandla,     Vertma,  Tip* 

Samido 
erschienen,  welche  auch  su  den  pietistisch-mystiscbeD  Schriften  jener  Asee* 
ten  gehört. 

Zu  den  in  Italien  so  hfinflgen  Biographien  gehört  eine  Leichenpredigt 
niif  den  Architecten  Yantini: 
Nette  esseqwe  ddl  architeUo  Rodßlfo  VanHm;  discarto  dell  abh,Pieiro  ZambeiU» 

Bre$cia  1857.  Tip,  VescacilOy 
welcher  sich  durch  den  Bau  des  Campo  santo  seiner  Vaterstadt ,  Brescia,  einen 
]»edeutenden  ^amen  gemacht  hat,  welches  bereits  von  Arici  besungen  worden 
imU  Vantini  war  aber  nicht  blos  Baumeister,  sondern  er  hat  sich  auch  um 
die  Erliluterung  vateriftndischer  Alterthömer  verdient  gemacht;  zugleich  war 
er  einer  der  wohlhabenden  Gelehrten  Italiens,  der  eine  unentgeltliche  Schule 
fOr  Baukünstler  eröffnete.  Brescia  verlor  mit  ihm  seit  Kurzem  die  bekannten 
Mflnner  Nicolini  und  Ugoni,  die  ihrer  Vaterstadt  Ehre  machten. 

Eine  llhnliche  Biographie  hat  der  Graf  Sanseverino  über  den  aus  Cre- 
mona  gebürtigen  Cardinal  Zurla  herausgegeben : 

PioÜMie  tuila  tita  e  le  opere  di  Placido  Zwrla,    Milano.  Tip,  BmcheUi  i857. 

Zurla  war  Benedictiner-MOnch  aus  Cremona,  wurde  xuerst  Professor 
der  Theologie  in  dem  Kloster  S.  Hichele  in  Murano»  dann  Studien -Director 
jjD   der  Propaganda  su  Rom.    Besonders  beichäftigte  ^r  fich  mit  der  Erdbe^ 
jU  Jahig.  9.  Heft  (Q 


VM  Liüraliwliericlii«  «nt  HaUePr 

•ehreibmi^  und  machte  bedeutende  Forschungen  fiber  die  Reisen  alter  Vene- 
tianer.  WichÜK  besonders  war  seine  Blustration  einer  Wekkarta ,  die  faa 
14.  Jahrhundert  von  einem  Camaldoleoser  Honche  entworfen  worden  wir. 
Der  Biograph  Graf  Faustin  Sanseverino  beschtfligt  sich  hauptsichlich  siit 
diesen  geographischen  Arbeiten  dieses  18S4  verstorbenen  Cardinats. 

lieber  einen  Bächerdiebstahl  ist  in  diesen  Tagen  eine  Schrift  erschieaeB, 
welche  den  Geschichts^reiber  Cesare  Cantu  angreift,  der  den  Bossi  beschul- 
digt,  sich  an  der  Bibliothek  lu  Venedig  in  der  Fransosen-Zeit  vergriffen  lo 
haben : 
Intomo  ad  un  ptuso  äi  un  Umhardo  negU  Archivi  di  Venaia  tU  Cetare  ConAi, 

Uiiera  di  G.  B.  Caria.    Tip.  VaSentini.  i857. 

Der  Verfasser   vertheidigt    mit   vieler  Wftrme    das    Andenken    seiaei 
Ffeupdes  Bossi. 

Berr  Biaggi  hat  ein  sehr  gelehrtes  Werk  fiber  die  religiöse  Mosik  her- 
ausgegeben: 

Dtiim  fnmiea,  rtü^iCMO^  s  düU  fussfione  tnsrcnli;  di  Genimno  AUtiomdn  Bi^ 
MUoM.  i»a.   Ttf .  Luceo. 

Auch  über  die  bildende  Kunst- Geschichte  haben  wir  Gelegenheit  neae 
Forschungen  in  Italien  mitsntheilen ,  nemlich  eine  Arbeit  eines  Geistlicbea 
Carlo  Annoni  unter  dem  Titel : 

Saggi  di  pofria  areheologia  con  racceUo  di  monumetUi  inediU^  MiUmo.  f857.  Ttff. 
OmgUdminih 

Bisher  glaubte  man  gewöhnlifh»  daas  seit  dem  Sinfalie  der  gerasaBischea 
Barbaren  in  Italien  die  Malerei  beinahe  gans  verloren  gegangen  sei ,  bis  Giotts 
die  byzantinische  Haierei  eingeführt  habe.  Der  fleissige  Forscher  Annoni  hat 
nachgewiesen,  dass  man  im  9.  Jahrhundert  zur  Verzierung  der  Abtei  vos 
Monte  Gassino  niehl  Maler  ans  Constantinopel,  sondern  aus  Amalfl  und  aas 
der  Lombardei  kommen  Mes».  Auch  aus  den  Anzogen  der  Geistlichkeit  und 
andern  Unstinden  beweist  Annoni  das  AHer  der  noch  vorhandenen  Male- 
reien und  weist  mehrere  derselben  aus  dem  8.  Jahrhundert  in  Brescia  uai 
an  andern  Orten  nacfc.  Unler  anderem  beweist  er,  dass  aneh  in  Italien  hii 
lum  Jahr  1000  die  Taufe  der  Erwachsenen  durch  voUstfindiges  UnleHaucbea 
(geschah.  Waren  die  Tü^flioge  Frauensp«rsonen ,  so  mnssien  nach  der  Ver* 
Ordnung  des  Kaisers  Valentinian  von  390,  Justinians  und  des  heilige»  ClcnMai 
und  Soaomon  Piacqqissinnen  Beistand  leisten,  die  spAtar  nicht  mehr  bei  der 
a|>^ndltodi4chen  Kirchs  vorkamen,  seit  das  Untertauchen  aufhorte.  Der  Var* 
fasser  kann  als  Beweis  angeführt  werden,  dass  schon  nach  dem  Jahr  iW» 
4a  wo  das  Gemeindewesen  der  italienischen  SMldte  siegreich  auftritt,  die  Kuasl 
sich  wieder  erhob. 

Eine  eb«nfa)b|  beacbteBswertbe  Forschung  aus  4em  Mittelalter  ist  folgeB« 
des  VITerk: 

DoeimmA  »hkI^  ri$pmr^i^  tu  tiona  MU  t^#/saMMMi,  dß  Gm^pp^  Artism. 
MikMO.  1857.  Tip.  Pirola. 
Der  Verfasser  hatte  schon  früher  eine  Geschichte  des  Thaies  ValsHO"* 
gegeben^  welches  rwischen  dem  Thale  von  Teilina  und  LeccQ  liegt,  wehii 


Lifientnrberiehto  tM  tialieiL  M? 

•ich  die  KöniipD  der  LoBfobcrdeo,  Tbeodellnde ,  ittrifcekgMOfen  Iwtte.    Vom 
doli  stanmen  die  Torrieni ,   die  iwei  Jahrhunderte  laof  die  IIil«pter  der  pfkptu^ 
lich-Welfiacben  Partei  in  Mailand  waren. 
In  dem  3.  Bande  der 

Monumema  historica  ad  provincias  Parmensem  ei  Flacentinam  pertmenHa^  Parma 

i85B, 
findet  gich  eine  Parmesan ische  Chronik  abgedruckt,  welche  von  1212  bia  1287 
geht,  die  der  Hinorit  Salirobene  di  Adam  durch  aeine  Nickte,  Afnes«  eine 
Carmeliitar  Nonne,  schreiben  liess.  £r  befand  sich  wlihrend  der  Belagernof 
Ton  Parma  durch  Friedrich  IT.  in  dieser  Stadt,  welche  der  pSpstlichen  Partei 
aagehOrte.  Der  Chronist  nennt  nntfirlich  den  aufgekittrten  Kaiser  einen  Ketzer, 
Schismatiker  und  verfluchten  Epicurlier.  Von  Ezzelino  sagt  er,  dass  er  mehr 
als  der  Teufel  gefürchtet  wurde,  dass  eben  damals,  1247,  die  Romagna  durch 
die  fortwährenden  Kriege  dergestalt  verwüstet  gewesen,  dass  sich  die  Wölfe, 
Wfldschweiae,  Füchse,  Hirsche  und  Fasanen  auf  ausserordentliche  Weise  ver- 
mehrten. Im  Jahr  1216  wnr  der  Po  dergestalt  gefroren,  dass  schwere  Wagen 
darüber  fuhren. 

Neben  der  grossen  Liebhaberei  der  Italiäner  für  ihre  alte  Geschichte  er- 
scheinen doch  verhflltnissmttssig  mehr  Uebersetzungen  ans  dem  Deutschen, 
als  bei  den  Franzosen;  einen  Beweis  giebt  die  Uebersetznng  der  Balladen 
unseres  Bürger: 

BallaU  di  G.  A,  Bürger^  recate  in  eersi  ittdiam  da  G.  Varete,    Vicenaa,   Tip. 

Porom  1856, 
welcbe  von  Kennern  der  Dichtkunst  geschätzt  wird. 

Dagegen  gefallen  die  Utopien  nicht,  welche  in  dem  Werke  von  dem 
Doctor  Formenton  vorgetragen  werden: 

Vwtmo  feUce^  di  Francesco  Formenion,    Vtcenia  i857,    Tip.  Porom. 

man  zieht  geschichtliche  Gegenstllnde  vor. 

Ein  aolcher  ist  die  Geschichte  von  Gemeinden  oder  selbst  von  einzelnen 
Familien,  wie  s.  B.  die  früher  erwähnte  Special -Geschichte  der  Familien  in 
Snrmatorio  von  dem  gelehrten  Forscher  Adriani.  Eine  solche  Familien -Ge- 
«cbiehte  ist: 

1  Saoorpumiy  Storia  di  B.  VoUo,  VeneUa  iS51.    Tip,  Coochini, 

Ef  werden  hier  sehr  viele  alte  bisher  unbekannte  Urkunden  raitgetheilt, 
maa  denen  hervorgeht,  wie  das  Gemeindewesen  in  Italien  die  Roheit  des 
germaDischen  Lehenswesens  besiegte.  Hier  wird  geieigt,  wie  im  Jahr  1014 
Trevino  bereit«  ein  geördnetea  Communalwesen  hatte,  die  autonomische  Yer- 
wnllODg  war  dem  Kaiser  treu ,  besiegte  aber  die  benachbarten  Ritter  auf  ihren 
Burgen.  Am  15.  Sept.  1219  erschienen  mehrere  der  benachbarten  Feudal- 
Herren ,  unter  ihnen  ein  Savorgnano  auf  dem  Rathhause  zu  Treviso,  um  sich 
•b  Bürger  dieaer  Stadt  an  erklären,  und  ihre  Bürger  und  Bauern  der  Ge- 
richftebnrkeit  dieser  Stadt  zu  unterwerfen;  unter  dieaen  Feudal-Herren  war 
mach,  ein  Deutscher  Leonhard  ▼.  Tannenberg.  Doch  hielten  die  Herren  von 
SaTorgnaiH»  ihr  Bitterwort  io  schlecht,  daea  ale  sieh  too  den  Patriercben 


788  Litenlorberiohte  uu  Italien. 

▼OD  Aqniiejs  ab  ein  Recht  betUtifen  liefsen,  tod  den  Reitenden  die  Abgabe 
dea  Geleitet  lu  fordern,  weichet  teinen  Urapmng  ron  den  Raubrittern  hatte, 
die  tich  Geld  von  den  Reitenden  zahlen  lieaaen,  die  tie  yorher  beraabt  hal- 
ten. Auf  diete  Weiae  dehnten  die  Herrn  v.  Savorgnano  ihre  Macht  bit  ftber 
Otopo  aut,  detten  Bürgern  1589  verweigert  wurde,  Waffen  in  betitaen.  Da- 
bei nnterttttUten  tie  die  Republik  Venedig  1511  gegen  den  denttch-romitchea 
Kaiter. 

Der  prtktitchen  Philotophie  gehört  folgende  Schrift  einet  Herrn  Dona- 
telli  an: 
Fem,  &€!»,  heUo,  Verona  i857.    Tip.  VicmÜm. 

Der  Yerfatter  findet  in  der  Verbindung  det  Wahren ,  Guten  und  Schönen  die 
wahre  Glückteligkeitj  doch  tcheinen  hier  mehr  Worte  alt  tiefer  Sinn  gefoa- 
den  werden  zu  dürfen,  und  dürfte  wenig  praktitcher  Nutzen  davon  zu  er- 
warten tein,  da  die  Antichten  darüber  to  vertchieden  tind,  data  tie  bii 
zum  grOttten  Untinn  auaarten,  wie  aut  dem  oben  genannten  Werke  der 
durch  Bartoli  veröffentlichten  Briefe  Golombinrt  hervorgeht.  Et  ist  be- 
kannt, datt  im  vierzehnten  Jahrhundert  eine  Sekte  von  Frömmlern  aaf- 
ttand,  welche  durch  Verachtung  aller  irdischen  Güter  eine  betondere  Heilig- 
keit zu  erlangen  tuchten.  Sie  zogen  alt  Bettler  in  tcblechten  Kleidern  na- 
her, enttagten  der  Welt,  ihren  Familien,  allen  weltlichen  Dingen  und  fflaob- 
ten  durch  Armuth  und  Unwitaenheit  dem  Verderben  der  Zeit  zu  ateuern,  in- 
dem tie  den  Reichthnm  eben  to  wie  die  Wittentchaft  verachteten,  ond  für 
verderblich  hielten.  Colombini  lebte  to  in  Siena  in  der  Mitte  dea  13^  Jahr- 
hunderte, und  war  einer  der  Haupt-BefOrderer  dieter  Lehre,  welche  die  Well 
wieder  auf  den  rechten  Weg  bringen  tollte.  In  teinen  Briefen  tagt 
Golombini ,  datt  man  tich  nicht  mehr  um  dat  Leben  und  den  Tod  teiner  Ver- 
wandten bekümmern  mtttte ,  sondern  lediglich  ein  geistiget  Leben  zu  führet 
habe.  Vornehme  Damen  gingen  damalt  im  Hemde  und  junge  Herren  glaubtea 
ein  recht  verdienttlichet  Werk  zu  thun ,  wenn  tie  in  tolchem  nimlichen  Aaf- 
zn^e  von  dem  Volke  verhöhnt  wurden.  Colombini  zog  alt  Miationair  dieta 
Frommen  in  Toskana  herum  und  rühmt  betondert  die  Bereitwilligkeit,  ut 
welcher  teine  Lehren  in  Pisa  aufgenommen  wurden;  wo  viele  Frauen,  wen 
tie  gedurft  hatten ,  tofort  ihre  Familien  verlatten  wollten ;  to  dass  er  dort  dai 
Terrain  für  aeine  Mittion  viel  günstiger  fand,  alt  in  teiner  Vaterstadt. 
Doch  nicht  (kberall  wurde  dietelbe  to  günstig  aufgenommen.  Peb- 
vicino,  damalt  Herr  von  Mailand,  liett  an  der  Grenze  aeinea  Gebietet  flOO 
Galgen  errichten,  um  die  Mitglieder  tolcher  frommen  Prozettionen  anfzohsa- 
gen,  welche  die  Wittentchaft  und  den  Wohlttand  für  verwerflich  hielten.  Ca- 
lombini  klagt  darüber,  datt  er  die  meitten  buttfertigen  AnhUnger  nicht  unter  dea 
ruhigen  Bürgern  und  ordentlichen  Leuten,  tondern  unter  Dieben  und  Bekf6* 
gern  gefunden  habe.  Diete  wftren  viel  genei|^ter  geweten,  teine  Lehren  an- 
zuhören. Colombini  fand  übrigent  bald  nach  seinem  Tode  einen  Biographen, 
den  Teo  Belcari,  deaten  teltenet  Werk  erzählt,  datt  dieter  fromme  Maaa 
ein  vornehmer  Wucherer  war,  dem  teine  Frau  oft  Vorstellungen  machte,  dit 
endlich  aeine  Bek^brnng  herbeiführten ,  die  aber  bald  zu  den  erwähnten  IV 


Literatarberichte  «lu  Italiei.  789 

bertref bongen  führte,  so  dtu  fie  dai  totkanisehe  Sprichwort  anwandle:  loh 
hatte  Regen  gewünscht  and  erhielt  einen  Wolkenbruch.  Diese  Bekehrung 
ging  so  weit,  dass  Colombini  sich  freute,  als  sein  12jilhriger  Sohn  starb, 
weil  er  sich  jetzt  mehr  den  gottlichen  Dingen  zuwenden  kOnne.  Die  Borger- 
Vorsteher  von  Siena  waren  so  aufgeklirt ,  diese  frommen  Uebertreibnngen  der 
Öffentlichen  Ruhe  wegen  zu  verbieten.  Colombini  lOg  daher  von  1355  bis 
1367  in  Toscana  herum  nnd  warf  sich  dem  Papst  Urban  V. ,  der  von  Avifl^ 
non  nach  Arezio  kam,  zu  Füssen.  Bei  seinen  frommen  Missionen  Hess  er 
seine  Anbanger  keineswegs  als  Kopfhanger  erscheinen,  sondern  sie  mussten 
singen  nnd  tanzen ,  um  zu  zeigen ,  dass  sie  sich  nach  Ablegung  aller  irdischen 
Dinge  sehr  wohl  befunden,  om  noch  mehrere  zu  solcher  Herrlichkeit  ansn- 
locken;  desshalb  begleitete  ihn  auch  ein  Violinspieler  Boccia,  am  die  Ge- 
sänge zu  begleiten,  und  den  Leuten  Lust  zu  machen,  die  beängstigenden 
Fortschritte  der  Wissenschaft  aufzugeben  und  zu  der  ursprünglichen  Reinheit 
der  ersten  Christen  zurückzukehren.  Doch  starb  dieser  Pietist  und  Mystiker 
wenigsteos  als  ehrlicher  Mann;  er  starb  in  Aquapendente  tren  seiner  Lehre, 
und  verordnete,  dass  sein  Korper  mit  derselben  Verachtung  alles  Irdischen 
behandelt  werden  sollte,  wie  er  gelehrt  hatte. 

Bei  dem  Uebergange  von  solchem  Überschwang] ichen  Glauben  snr  Philo- 
sophie, die  in  dem  Verdacht  steht,  weniger  zu  glauben,  als  zn  forschen, 
müssen  wir  die  Arbeit  eines  der  bedeutendsten  Mitglieder  der  Academie  der 
italiünischen  Philosophie  erwähnen.  Dies  ist  der  Baron  Ondes-Reggio  Ton 
Palermo,  welcher  in  Genua  das  constitutionelle  Recht  liest.    Der  Titel  ist: 

Introduwmi  ai  principii  tUll  timane  toeieta*,   dal  Baront  Ondes'Reifgio.     Gsfieea 
1857.    Presto  Lavagmno, 

Der  Verfasser  ist  einer  der  Beförderer  der  Sicilianischen  Revolotion, 
welche  Anfangs  nichts  anderes  wollte,  als  die  Aufrechthaltang  der  von  dem 
Könige  Ferdinand  L  gegebenen  Constitution  von  1812.  (S.  Sioilien  von  J. 
F.  Neigebaur.  Leipzig  1848,  U.  Aufl)  Die  dortige  Revolution  ging  von  den 
vornehmsten  Sicilisnern  aus,  die  jetzt  als  Ausgewanderte  meist  in  Turin  nnd 
Genua  leben.  Hier  ist  Ondes-Reggio  als  Professor  in  der  juristischen  Facu)- 
tat  angestellt,  der  gelehrte  Historiker  Aman  lebt  als  Privatmann,  wfthrend 
der  Herzog  Serra  di  Faico  sich  in  Florenz  niedergelassen  hat.  Graf  Mamiani 
delle  Rovene,  den  Pius  IX.  zum  Hinister  im  Jahr  1848  ernannte,  stiftete  in 
Genua  die  Academie  der  italienischen  Philosophie,  deren  thfitiges  Mitglied  der 
Verfasser  dieses  Werkes  ist;  wie  der  Markgraf  Cavour,  der  Bruder  des  Mini- 
ster-Präsidenten Grafen  Cavour  zu  Turin,  ebenfalls  eines  der  bedeutendsten 
Mitglieder  dieser  Academie  ist. 

Ein  geachteter  Philosoph,  Herr  Rossi,  hat  wieder  eine  gerühmte  Arbeit: 
DM  Ofwarty  da  Luigi  Rossij  Tarino  1857, 

heransgegeben ,  nachdem  seine  1853  erschienene  Rechts -Philosophie  grossen 
Beifall  erhalten  hat 

Ueber  den  Öffentlichen  Unterricht  haben  wir  ein  Werk  von  dem  Ritter 
Bertini  zu  erwähnen: 


^90  Lilentiirfterichte  au  Mlen. 

Mia  htnmiom  ffiAHca  a  Piemente,  Consideraume  e  pr&po€li,  Jkrmo  i957,  Tip. 

francOf 
welcber  fleh  fbr  Retl-ScImleD  auMpricht. 

Endlich  haben  wir  noch  ein  Trauerspiel  tu  erwähnen: 
Coia  di  RienMO,  iro^edia  di  ÄleMsandro  Annarratime.  ValemaiSS?,  PresmMordii 

Weil  der  Ge^^enstand   populflr  iat,  werden   keine  i^rosse  Ansprache  la 
daMelbe  gemacht;  es  scheint  ein  erster  Versuch  su  sein. 

n. 

Ab  Dichtem   fehlt  ea  in  Italien  nirgends ,   selbst  nicht  auf  der  noch  der 
Blutrache  eri^ebenen  Insel  Sardinien.    Herr   Filippo  ViTanet  hat  eine  SamB- 
IiftAf  Gedichte,  unter  dem  Titel: 
Arm<mi9,    Sassari  1857 

beransifeffeben ,  welche  aber  von  Kennern  noch  ziemlich  schülerhaft  befan- 
den werden;  was  nicht  zu  verwundern  ist,  wenn  man  bedenkt,  dass  erti 
seit  1848  durch  die  Constitution  die  Volksbüdunf^  sich  hat  Bahn  brechen  kOc- 
nen.  Die  kleine  Stadt  filaluzzo ,  welche  so  viele  ans^^ezeichnete  MSnner  her- 
fttbracht  hat,  ist  daher  auch  reich  an  DenknUlem  auafeseiohneter  Mitbftreer. 
Ein  Dichter  aus  Genua  hat  von  den  in  dem  Stadthause  bu  SalnzKO  zur  Ehre 
derselben  aufgestellten  Marmortafeln  Veranlassung  genommen,  diese  Minncr 
Ml  beeingeir 

Le  tseHsJefH  Sahuueny  Carme  da  LiHgi  Posst.  Oenova  iS57.  8, 
Saluzao  ist  awh  die  Vateraladt  des  Silvio  Pellice,  welcher  in  gans  Enropt 
TheilnahmefOr  die  Italifiner  erweckt  bat.  Hier  ward  auch  Goffredo  Casalisa 
geboren,  welcher  das  grosse  geographische  Wörterbuch  der  sardinischen  Städ- 
ten herausgab.  Auch  die  sehr  geschtttzte  Dichterin  Deodata  Salozso  geholt 
dieser  Stadt  und  dem  ausgezeichneten  Gescfalechte  der  Markgrafen  von  Saluzao 
an ,  welche  die  erste  Buchdruckerei  im  Piemontesischen  anlegten.  Graf  Cissr 
Salozzo  war  Präsident  der  Gesellschaft  zur  Herausgabe  der  vaterlfindisdiea 
Geschichtsquellen  des  Königreichs  Sardinien. 

Dnimatien  liefert  uns  wieder  eine  willkommene  literarische  Erscheinuaf, 
nemlich  die  Lebensbeschreibung  des  rühmlichst  bekannten  Antiquaren  Dr.  Fn. 
Carrara : 
DeUa  vita  s  degli  scritH  dell  Äbbate   Dr.  Francesco   Carrara,     Ceiuii  di  A,  Dr, 

Bajamonü,  Spalato  1854.  Tip,  e.  OlivettL 
welche  wir  in  unseren  Bericht  mit  aufnehmen,  obwohl  sie  nicht  mehr  gans 
neu  ist;  da  sich  Carrara  um  die  Kenntniss  seiner  Vaterstadt  Spalato  sehr  ver- 
dient gemacht  hat,  wo  er  Direetor  des  dortigen  antiken  Museums  war,  dis 
sfch  innerhalb  des  Ungeheuern  Pallastes  des  Kaisers  Diocletian  befindet.  Car- 
rara war  1812  geboren  und  starb  in  Venedig  1853,  Tiel  von  seinen  Lands- 
leuten  angefeindet ,  aber  im  Auslande  sehr  geachtet.  Seine  Dalmatia  deacritta, 
Eara  1846.  Tip.  Battara,  ist  von  dem  berühmten  Balbi  sehr  gewürdigt  wer- 
den; sein  Archivio  capitolare  di  Spalato.  Zara  1846.  Tip.  Battara  hat  etan 
grossea  Schatz  von  bisher  uabekannten  Urkunden  zu  Tage  gefordert.  Ikn 
waren  die  Ausgrabungen  der  639  von  den  Hunnen  aerstOitea  alten  Stadt  St* 


Lücil^yiWricÜ»  mä  fciJiefc  TM 

Uoa  ttberlraffe»  w«r4e»,  woribdr  er  ia  »tiaer  Topofraia  e  «eavi  di  SaloBa» 
Trieste  1850.  Tip.  del  Loyd,  Nachriebt  geireben  bat,  welcba  er  in  den  Jabre» 
1840  bia  49  ▼orfeBommen  batte.  Sein  Beriebt  ttber  die  Anamraboagett  yon 
1850  eracbieoen  su  Fngi  de'  fcavi  di  Salooa  nel  1850  ^  memoria«  Praya 
1852.  Tip.  Uaaae  in  4.  Die  GrÜa  A.  Haahagen  bat  dieae  Scbrift  mit  einer 
Vorrede  von  dem  Unterteichnetea  eh  Leipaifr  in  dar  Dyck'aaben  Buch- 
bandlong  beraasgegeben.  Carrara  erhielt  den  Auftrag  eine  Chreatomathie  ftlr 
den  Unterricht  in  der  italittniscben  Sprache  auszuarbeiten,  Weasbilt^  6r  afcb 
von  Wien  nach  Venedig  begab,  wo  er  in  der  Mtfrcian«  die  best«*  Quellen 
fand ,  deren  Bibliothekar  der  treffliche  YaleBCiaelli  iat,  den  alle  Ffemden  we- 
gen seiner  aaaserordentlichen  Gefiilligkeit  liebon  muaaeif,  ao  wie  anob  aaino 
Verdienste  um  die  Bibliographie  von  Dalmatien  bekanal  aiad«  Carfara  batta 
seine  Arbeit  in  3  Bftnde  getheilt,  von  denen  jeder  %  JahrbUndortd  enthalte» 
sollte.  Der  erste  erschien  als  Antologia  italiana  propoata  alle  ütut  de*  giw- 
naat  liceali.  Vienna  1853.  Tip.  Ueberrenter  in  8.  nnd  amfoaat  von  Danta 
anfangend,  das  13.  und  14.  Jahrhundert.  Das  Gänse  aollte  mitXadaoni  acbliea* 
sen;  allein  er  starb  der  Wissensobaft  und  sehwn  Frennden  an  frabob  Die 
vorliege  ade  Lebensbeschreibung  aeigt  die  Theibiabme  seiatea  ^lehrten  Lands- 
mannes nnd  die  uhlreichen  Subacribenten  die  Hdnge  seiner  Ver4btfer  aur  Bo- 
scbflnung  seiner  Feinde.  Unter  den  beigefügten  Tranergaaingoa  nnd  Denk* 
nilern  fOr  den  braven  Carrara  findet  sich  auch  ein  Denkmal  von  nnaoror 
deouchen  Diehterin  Ida  Baronin  Reinsberg^Dnringsfeld,  deren  neueatOa  Werk 
sieh  mit  dem  Vaterlande  Carrara's  beacbnfügt.  S.  An«  DAlntellan  tete  Ua  voft 
Doringsfeld.  Hrt  Amnerkangea  von  Otto  Freiherr  v.  Rainaberg*  Fraf  1857.r 
B.  Carl  BeNmann.  1r  Band.  So  lebendig  uml  treu  das  GenriMe  de#  geial- 
reicben  Verfasserin  Ober  Land  und  Leute  der  Gegenwart  iat ;  a«  dinkbar  Bana4 
man  die  statistisch<*gesclucbtlicben  und  KterarischeD  Anmerkungen  ihres  grttnd- 
Hcbbn  Gemahls  aufnehmen ,  der  sich  besonders  mit  dem  Studium  der  slaviacben 
Sprachen  befasst 

Wenn  in  Dalmatien  das  Andenken  an  die  Herrschaft  von  Venedig  eben 
nieht  lu  den  erfreulichsten  Erinnerungen  gehört,  so  muss  man  doch  auf  die 
Zeit  Rücksicht  nehmen,  wo  diese  Repoblik  sich  nur  mit  grOsater  Kühe  swi- 
achen  der  päpstlichen  und  weklicheo  Macht  su  erbalten  suchen  mnsste,  und 
genothigt  war,  ihre  Feinde  mit  denselben  Mitteln  w  bekimpfen,  welche  sich 
jene  erlaubten ,  und  die  leider  so  oft  durch  höhere  Staatarttcksicblen  entsobnl- 
digt  wurden.  Deshalb  müssen  wir  auf  einen  gescbichtlicken  Roman  aubierk- 
aam  machen,  der  das  innere  Gelriebe  des  Venetianischen  Staatshaaabakea  klar 
vorlegt.  Dies  i«t: 
ABm  Bmoxm,  oeeera  wm  eonymtm  wotim  ii  iofs  Fi&f  Gradamg»^  rtUcmOo  Fe- 

naitmo  id  cemfa  GiiOm  FdU,     Vmmh  pruto  Quitopf  UnM  18M. 

HL  VoB,  8. 
Bi  reicht  bin,  an  sagen,  daaa  der  gelehrte  Bibifothekar  der  Karoiaoav 
Valenlinelif  dieses  Bach  empflebü,  das  teehr  al#  Roman  iak  Es  enthalt  ein 
treoca  Bild  der  ZeÜ,  in  der  die  geistige  Bewegang  in  Italien  anfing.  Eine  jnnge 
deotsche  Dame  hat  diesen  Roman  ttberaetst,  und  er  dnrfle  bald  aneb  una  b»- 
knnni  werden;  er  verdiant  ea  um  so  aaah»,  dn  leider  der  dentsche  Geaobanttk 
der   franaOfiiahtti   üteratnr  anwende»,  wo  bm*  afoh  la  oft  in 


9§9  Liteffttnrbericliie  auf  Itdlea« 

•dllechter  GeielUchaft  befindet ,  wührend  die  UalÜnif chen  Romtiie  sieh  dirch 
Reinheit  ansBeichnen, 

Es  durfte  auifallen,  daw  in  unserem  Bericht  über  italiiniache  LHeratir 
ein  in  Agram  fpednicktes  Werk  vorkommt,  es  ist  dies  ein  sehr  gedie^ 
nes  Werk  des  eben  genannten  Bibliothekars  der  Marciana ,  des  Herrn  Pro- 
fessor Valentinen!  au  Venedig,  nemlich  die 

BibUö^afia  della  Dahuaia  t  del  Bfontene^.    Sag^  di   Giuseppe   VaienUmBi. 
Zagrabia  1855.  pretto  L.  Gay,    8.   S.  339, 

Dalmatien  hat  das  Glttck^  eine  Bibliographie  tn  besitsen,  wie  norwenif 
Liinder,  uns  ffillt  im  Augenblick  nur  Belgien  ein.  Dalmatien,  das  merkwür- 
dige Land,  welches  eigentlich  ein  slavisches  Land  ist,  hat  ganz  italiinische 
StAdte  und  eine  deutsche  Regierung.  Es  ist  merkwürdig,  dass  Oesterreich, 
obwohl  nur  der  kleinste  Theil  seiner  Einwohner  aus  Deutschen  besteht,  doch 
fbr  die  Ausbreitung  der  deutschen  Sprache  am  meisten  gethan  hal.  In  den 
Slavo-Italittnischen  Dalmatien  findet  man  in  jedem  Dorfe  Leute,  die  deutsch 
sprechen ;  denn  sie  waren  Soldaten.  In  der  Bukowina,  einem  Lande  der  Ro- 
manen, da  wo  die  Kaiserreiche  von  Russland  und  der  Türkei  mit  Oesterreich 
grfinsen ,  findet  man  Überall  Leute ,  die  deutsch  sprechen ,  und  Cxeraowäs 
besitzt  eine  sehr  gute  deutsche  Buchhandlung.  Darum  findet  man  aach  in  den 
vorliegenden  gründlichen  Werke  von  Valentinelli  ausser  lateinischen  Werkes 
und  andern  aus  andern  Sprachen  Europas  auch  sehr  viele  deutsche  Scbri^ 
ten,  die  sich  mit  Dalmatien  beschäftigt  haben.  Hier  hat  nemlich  der  gelehrte 
Verfasser  Alles  gesammelt,  was  über  Dalmatien  geschrieben  worden  ist.  Er 
halte  schon  früher  ein  Specimen  bibliographicnm  de  Dalmatia  et  agro  etc. 
Venetiis  1842  herausgegeben. 

Die  sttdslavische  Gesellschaft  in  Agram,  deren  Vorsteher  der  Bann  von 
Croatien,  der  wissenschaftlich  gebildete  Jellacich  ist,  und  die  in  dem  Dr. 
Kukuljevich  zu  Agram  einen  eben  so  gelehrten  als  fleissigen  bestlindigen  Se- 
cretair  besitzt,  hat  auf  ihre  Kosten  diese  neue  Bearbeitung  unseres  Valenti- 
nelli drucken  lassen.  Man  sieht,  dass  es  dort  an  Leuten  nicht  fehlt,  welche 
für  ihre  Nationalität  Opfer  bringen.  Der  gelehrte  Valentinelli  hat  in  dieser 
Bibliographie  unter  1969  Nummern  nicht  nur  alle  Werke  aufgeführt,  welche 
sich  mit  Dalmatien  beschilftigen,  sondern  auch  die  bedeutenderen  Artikel  aui 
den  verschiedenen  Zeitschriften  angeführt,  welche  sich  mit  Dalmatien  he- 
schuftigen.  Er  ist  dabei  ganz  systematisch  zu  Werke  gegangen.  Zuerst  f^hrt 
er  alle  Werke  an,  welche  Dalmatien  im  Allgemeinen  behandeln,  etngetheill 
nach  allgemeiner,  militairischer  und  Kirchengeschichte,  nach  Geographie, 
Statistik,  Topographie,  Hydrographie,  mit  Anführung  aller  Zeitungen  nnd  Zeit- 
schriften, nebst  der  Literatur-Geschichte.  Hierauf  führt  er  von  der  Haopl* 
Stadt  Zara  in  gleicher  Weise  die  vorhandene  Literatur  an,  und  so  fort  von 
Ort  zu  Ort,  bis  nach  Montenegro;  so  dass  man  hier  Alles  vereinigt  findet, 
was  in  allen  Sprachen  über  das  Land  erschienen  ist.  Gleichzeitig  mit  Valen- 
tinelli hat  ein  gelehrter  Deutscher,  der  Baron  von  Reinsberg,  eine  ShBliche 
Arbeit  in  Brüssel  in  dem  Bibliofile  Beige  bekannt  gemacht,  indem  er  ein  Ver- 
zeichniss  der  Dalmatinischen  Schriftsteiler  bekannt  machte.  Sein  und  senMr 
Gemahlin  Werk  über  Dalmatien  haben  wir  oben  sohon  genannt.    Wenn  wir 


Litentarberiehte  rat  Italien.  793 

Aw  tttdflavuches  Geselljcluift  dtfttr  lehr  dankbar  find,  dass  fie  dieaea  Werk 
hat  eraeheinen  laaaen,  können  wir  nur  wOnacben,  daas  aie  den  Unterschied 
awiachen  den  verschiedenen  Sudalaven  beachte,  der  sich  nicht  in  der 
Sprache  noch  in  der  Religion,  sondern  in  der  büri^erlicheD  Stellang  auss- 
spricht.  Der  Croat  und  der  Serbe  ist  himmelweit  verschieden  in  seinen  bOr- 
gerlichen  VerbtUoissen.  In  Groatien  finden  sich  Herren  und  Knechte, 
bei  den  Serben  dagegen  herrscht  das  Burgerthum.  In  Serbien,  in  dem 
Österreichischen  Banat,  in  Slavonien ,  in  der  Militairgrenae  herrscht  das  BQp- 
gerthom,  das  Bttrgerthum  aber  htit  es  stets  mit  der  Monarchie.  In  dem  be- 
nachbarten Bosnien  war,  wie  in  Deutschland,  das  Verhültniss  der  Gutsunter- 
tbinigkeit  ausgebildet  worden;  die  Folge  zeigt  sich  heute  noch.  Die  Gnta- 
herm.  um  die  Herrschaft  Über  ihre  Gutsunterthanen  zu  behalten,  nahmen  den 
Islam  an,  die  letzteren  blieben  dem  christlichen  Glauben  treu.  Sie  werden 
von  den  Türken  weniger  geplagt,  als  von  ihren  froheren  christlichen  Guts« 
herren.  Diese  haben  schon  wiederholt  Aufstand  gegen  den  Grosssullnn  ge- 
wagt, weil  dieser  so  revolntionair  ist,  dass  er  den  christlichen  Bauern  den- 
selben Schutz  zukommen  lassen  will ,  wie  den  muhamedanisch  gewordenen 
Gntaberm.  GlQckllcher  Weise  macht  Oesterreich  jetzt  so  grosse  Fortschritte 
in  seiner  aocialen  Ausbildung,  dass  die  Gleichheit  vor  dem  Gesets  den  jetzt 
noch  bemerkbaren  Unterschied  zwischen,  Croatien  und  Serbien  bald  ver- 
wiacben  dürfte. 

m. 

Für  die  Literatur  des  Osterreichischen  Theils  von  Italien  besitzen  wir 
jetzt  einen  trefflichen  Leitfaden  an  der  bibliographisch-statistischen  Uebersicht 
der  Literatur  des  oesterreichischen  Kaiser-Staates  von  1855  von  dem  eben  so 
gelehrten  als  gründlichen  Doctor  C.  Wurzbach  v.  Tannenberg,  Wien  1857  in 
der  Staats-Druckerei  in  2  Bünden*),  worin  wir  besonders  auf  die  Uebersicht 
der  in  den  Lombardo-Venezianischen  Provinzen  herauskommenden  Zeitschrif- 
ten aufmerksam  machen.  Diese  beiden  Provinzen  besitzen  12  politische  Zeit- 
schriften, wozu  noch  2  in  Dalmatien  herauskommende  geboren.  Denn  in 
Dalmatien,  welches  zwar  eigentlich  eine  slavische  Bevölkerung  hat ,  bestehend 
ans  Serben,  Morlaken,  nnd  andern  verwandten  Volkern,  ist  die  Sprache 
der  gebildeten  Welt  die  italittniscbe  und  man  kann  sagen,  dass  die  Stfidte 
italiänisch ,  die  Dörfer  slavisch  sind.  (S.  die  Süd-SIaven  und  ihre  Länder  von 
J.  G.  Neigebaur.  Leipzig  bei  Castenoble  1853).  Nach  dem  Wurzbach*8chen 
Werke  besitzen  die  Österreichisch  -  italianischen  Provinzen  7  literarische  nnd 
bibliographische  Blätter.  Die  Lombardei  hat  2  theologische  und  Kirchenblat- 
ter. Die  Gegenden  Venedigs  besitzen  kein  theologisches  Blatt;  dagegen  für 
Untenricht,  Erziehung  und  Schulwesen  eine  Zeitschrift,  wogegen  die  Lom- 
bardei deren  3  besitzt.  Für  Hechtswissenschaft ,  Geaetzgebungs-  undVerwal- 
tunga- Wissenschaft  hat  das  Venezianische  6,  die  Lombardei  nur  1  Zeitschrift; 
für  Statistik  die  Lombardei  nur  eine,  für  Geschichte  haben  beide  Provinzen 
keine  Zeitschrift;   denn  die  meisten  Freunde  der  Geschichte  sind  ao  wohl- 


^  S.  diese  Jahrbücher  S.  229  dieaea  Jahrgaoga. 


m  Litmtarbttidu«  um  IMm. 

habeod,  data  sie  dieser  dort  setir  ifeiMfte»  Liebbeberei  irerae  ■olche  Opfer 
brittfren,  das«  solche  AufsMtze  als  Monographien  auf  ibre  Koalen  eraebei»e9, 
die  anderwirto  kaum  Raum  in  einer  Zeitochrifl  fladea.  Fflr  NalarwisseatiMI 
hat  jede  dieser  Provinsen  2  Zeitschriften.  Fttr  Mensehen-  and  Tbier-Heil- 
knnde  hat  Venedifp  eine,  die  Lombardei  aber  4  Zeitschriften.  Por  Landwirtb- 
schaft, Garten-  und  Ber^rhau,  so  wie  fUr  Forstwesen  bat  die  Lombardei  4, 
das  Venezianische  2  Zeitschriften.  Für  Handel  und  Gewerbe  nnd  derfficichei 
blosse  Anzeif^en  hat  die  erste  Provinz  1  Blatt,  die  letzte  3  Blätter;  dai^^aa 
ftar  Kunst  nur  die  Lombardei  deren  3.  Sonach  haben  diese  beiden  Proriatei 
03  Zeitschriften,  zu  denen  noch  eine  Dalmatisehe  tkber  Reebtswiaaenaebalt 
kommt.  Ungarn,  das  grOsste  Kronland  Oesterreichs,  hat  deren  mir  52;  dm 
rührige  Böhmen  nur  44;  so  dass  Italien  nur  von  der  Hauptatadt  mit  Nieder- 
Oesterreich  mit  105  Zeitschriften  tkbertroffen  wird. 

Eine  Zeitschrift  Ober  Staats  Wissenschaft  rerdient  eine  bcaoadere 
Erwähnung,  nemiich: 

Regulatore  amminittratico  dedicalo  ai  Communi   Lombardo-VeneH,    Mllano  iS$7, 
Tip,  Ctee/Zt. 

Von  dieser  Zeitschrift,  welche  Joseph  Givelli  herausgiebt,  ersebeiat  seil 
dem  September  1856  wöchentlich  ein  Bogen  fikr  Verwaltung  sowohl  des  Staa- 
tes, als  der  Gemeinden  in  Bezug  auf  Gesetze,  Wissenschaft  und  Literatar. 
Ausser  den  amtlichen  Gesetzen  und  Verordnungen  werden  hier  alle  Gegen- 
stünde  des  hllrgerlichen  Lebens  besprochen,  und  Nachrichten  aus  den  ver- 
schiedenen Landestheilen  des  Lombardisch-Ve nezianischen  Königreiches  mitge- 
theilt;  auch  Abhandlungen  von  allgemeinem  Interesse,  z.  B.  geschichtKche 
Studien  Ober  die  Staatswirthschnft  und  Verwaltung,  welche  der  franzOiischea 
Revolution  vorausging  und  sie  beschleunigte.  Lesenswerth  ist  besonders 
ein  Aufsatz  über  das  Armenwesen  in  Europa.  Hier  werden  auf  36  Millionen 
Oesterreicher  1,400,000  Arme  gerechnet,  1  auf  25.  In  Preussen  auf  15  MilL 
Einwohner  500,000  Arme,  1  auf  27.  In  dem  t^brigen  Deutschland  1  auf  20. 
In  Frankreich  bei  39,000,000  sollen  1,900,000  Arme  sein  mithin  ebenfalls 
1  auf  20.  In  England  soll  der  6te  Mensch  zu  der  Classe  der  Armen  gehören. 
In  ItRÜen  werden  auf  24  Mill.  Einwohner  1,000,000  Armen  gerechnet,  so  dass 
1  auf  25  kommen  soll;  in  Spanien  auf  30,  in  Belgien  und  Holland  auf  7 
Menschen  ein  Armer,  in  Portugal!  1  auf  25.  In  der  Schweiz  wird  aof  10 
Menschen  ein  Armer  gerechnet,  in  der  Türkei  aber  auf  40  Menschen  erst  ein 
Armer.  Hier  hat  man  also  die  Wahl  zwischen  Civilisation  nnd  Unordnung. 
Auch  über  neue  Werke ,  die  diese  Gegenstände  betreffen ,  wird  Nachricht  ge- 
geben, und  da  die  Gemeinde -Verwaltung  sich  einer  grossen  Autonomie  er- 
freut, wird  an  dieser  Zeitschrift  überall  lebendig  Theil  genommen. 

U  Veierinario  tH  Loren»  Cotrim,    MiUmo  1857.    8.    Tip,  CmoBi, 

Diese  seit  1854  bestehende  Zeitschrift,  welche  besonders  der  ländlichen 
Verwaltung  und  dem  Ackerbau  gewidmet  ist,  wird  von  dem  Doctor  Corviai 
herausgegeben ,  welcher  in  der  Anstalt  für  Thierarzneikunde  in  Mailand  an- 
gestellt ist;  es  erscheint  davon  monatlich  ein  Heft  in  2  Bogen,  bisweilen  aiit 
Abbildungen,  und  enthttit  auaser  wisMBiehaft&cheD  und  |»nkUfoheik  Abband- 


Litenliirberichto  toi  Italien.  705 

laBjreD,  die  diese  Ge^^eostflnde  betreffenden  amtlichen  Verordnoogen  und  Nich- 
richten,  fo  wie  Besprechaneen  von  hierher  (rehOriiten  Hterarisehen  Erscbei- 
nnnifen.  Daa  vorliegende  Maihefl  enthttU  unter  andern  eine  Abbandlonif  über 
die  Geachichte  der  Thierartneikunde,  und  über  den  Werth,  den  die  Alten  auf 
die  Haaatbiere  lef^ten. 

Das«  man  in  Italien  immer  mehr  Sorgfalt  auf  die  weibliche  Erziehung 
wendet,  kann  man  aua  der  wiederholten  Auflage  des  folgenden  Lehrbachea 
Ober  die  beste  Art  sich  mündlich  und  schriftlich  auszudrucken ,  ersehen: 

Eserdui  <fi  süh  e  Uihtra  prapotte  alU  ^iovinetle  dal  sacerdale  GvUio  Cesare  Pa-" 
Tulmu     Miiano  1857.  presto  0.  Cinocchi.    3  VoL 

Dies  Lehrbuch  nach  dem  Alter  in  drei  verschiedene  Klassen  etngetheilt, 
enCbält  aber  ausser  den  Styl-Uebungen  zugleich  Vorschriften  der  Moral,  welche 
aber  mehr  für  das  Kloster*  Leben  als  fQr  das  Leben  in  der  Welt  berechnet  sind. 

Wir  haben  schon  wiederholt  Gelegenheit  gehabt,  zu  bemerken,  dasa  in 
Ilalien  verhiltniasmAasig  viel  mehr  Ueberaetzungen  ana  dem  Deutschen  er- 
scheinen, als  in  Frankreich.  Dies  beweist  wieder  die  zweite  Auflage  der 
Literatargeschichte  von  Friedrich  Sshlegel : 

Sioria  detta  letterahira  tmüca  e  modema  di  Federico  Schlegel  y  iraduüone  S 
Francesco  Ambrasoli,    iL  EdsL     Miiano  i857,     Tip,  di   Chusici  kaiiani. 

Die  erste  Auflage  erschien  1828  und  ward  so  gut  benutzt,  dass  sich  der 
Verfasser  zu  einer  neuen  verbesserten  Auflage  veranlasst  gesehen  hat. 

Zu  den  vielen  in  Italien  erscheinenden  Lebensbeschreibungen  gehört  auch 
die  des  Bernhard  Sacco: 

Natisie  della  vita  e  delle  opere  di  Bemardo  Sacco,  Patete,  raecolu  e  esposie  doli 
Ahh,  Pieiro  TerefiMO.     Pavia.  Tip.  Bivumi  1857, 

Sacco  war  ein  bedeutender  Staatsmann  im  15.  Jahrhundert,  der  in  Auf- 
trügen seiner  Stadt  in  Frankreich  und  Rom  tbfitig  war,  auch  in  lateinischer 
Sprache  mehrere  Werke  herausgegeben  hat,  von  denen  besonders  Ticinensis 
hiatoria  zu  beachten  ist.  Tirahoschi  schlägt  den  literarischen  Werth  dieses 
Gelehrten  nicht  hoch  an;  es  zeigt  aber  von  der  Liebhaberei  der  Italiener  fCkr 
die  Kenntniss  der  Lebensverbültnisse  ihrer  HitbUrger,  es  sei  in  mehr  oder 
weniger  bedeutendem  Kreise. 

Die  Italiiner  reisen  im  Ganzen  weniger,  als  die  Deutschen  und  Englän- 
der, daher  dort  das  Bedürfniss  nach  Reisehandbüchern  für  die  Einheimischen 
geringer  ist;  doch  ist  jetzt  ein  solcher  Führer  für  den  Langen-See,  den  wir 
auch  gewöhnlieh  den  Lago  Haggiore  nennen,  erschienen: 

tl  Lago  maggiore  con  viaggi  ai  Ughi  e  monti  ctrconetcini,  per  Luigi  BonifonH, 
Torino  e  Miiano  1857, 

Der  Herr  Verfasser  hat  schon  früher  einen  Führer  von  Arona  und  die 
nach  diesem  See  führenden  Strassen  herausgegeben,  welcher  bereits  2  Auf- 
lagen erlebt  hat.  Auch  dieses  sehr  gut  geschriebene  Werk  enthält  Alles,  was 
dem  Reisenden  in  und  um  diesen  See  wichtig  ist;  besonders  aber  sind  die 
geachichtlichen  Nachrichten,  welche  nicht  nur  über  diesen  und  die  benach"* 


796  Literatarberichte  tat  Italien. 

btrten  Seen  (gegeben  werden ,  sondern  auch  auf  die  Alpen-Straaaen  aich  er 
strecken,  sehr  beachtenswertb. 

In  Mailand  besteht  ein  literarisches  Unternehmen  seit  6  Jahren  zur  Ver- 
breitung der  katholischen  Religion,  unter  dem  Namen  Poliantea  Cattolica,  ub- 
ter  welchem  Titel  bereits  eine  bedeutende  Anzahl  von  Schriften  ersckieaea 
ist,  von  denen  wir  nur  die  geschichtlich-philosophischen,  kQnstlerischea  und 
literarischen  Forschungen  des  fleissiiten  Grafen  Dandolo  erwfihnen  wollen. 
Bine  der  neuesten  Bekanntmachungen  dieser  Unternehmnnfr  ist  eine  Ueber- 
setzung  der  Geschichte  des  Papstes  Innocenz  III: 

Storia  di   Papa  Innocmzo  Uh  e  de  tuoi  anOemporanei  di  Federico  Burttr^  is 
F.  Guiseppe  Cliemone.     Milano  1857,    presto  BatteitaH.    8.    308  8. 

Schon  vor  dieser  waren  in  Italien  zwei  Uebersetzungen  dieses  Weiics 
erschienen ,  eine  von  dem  Geistlichen  Rovida  zu  Mailand,  die  andere  von  den 
Professor  Toccagni  zu  Brescia;  beide  aber  wurden  nach  der  franzOsisehei 
Uebersetzunsr  des  Saint-Cheron  bearbeitet;  diese  aber  wurde  nach  der  IV 
fchrifl,  und  zwar  nach  der  neuesten  dritten  Auflage  gefertigt 

Sehr  wichtig  für  die  Dramaturgik  ist  folgende  Schrift: 

Studi  teorico~poetici  tuiT  arte  di  recUare  e  di  declamarey  di  C,  L.  Fmnccsefci 
MUano  1857,   pretso  SÜteOri,    8. 

Dieses  Lehrbuch  der  Redekunst  mit  besonderer  Beziehung  auf  Dramaturgie 
und  Musik  hat  einen  in  diesem  Fache  wohl  erfahrenen  Verfasser;  Hr.  Frac 
eeschi  ist  nerolich  als  Lehrer  bei  der  Filodramatiscben  Gesellschaft  zu  Mai- 
land angestellt.  Seit  lifngerer  Zeit  besteht  nemlich  in  dieser  Hauptstadt  eine 
Gesellschaft ,  welche  nicht  nur  ein  eigenes  nicht  unbedeutendes  Theater  ei^ 
baut  hat ,  worauf  sich  Liebhaber  zeigen ,  sondern  die  auch  eine  Erziehnngs- 
Anstalt  fOr  solche  Personen  unterhält ,  welche  sich  der  theatralischen  Laafbaha 
widmen  wollen.  Wer  Gelegenheit  gehabt  hat,  den  Vorstellungen  beizawoii- 
nen,  wozu  die  Mitglieder  bfliifig  auch  Fremde  einladen,  muss  gestehen,  dasi 
hier  die  Liebhaber,  wenn  auch  selten  solche  auftreten,  besonders  aber  die 
ZOgUnge,  Tüchtiges  leisten.  Die  in  diesem  Lehrbuche  fttr  angebende 
Schauspieler  und  Sänger  gegebenen  Vorschriften  gründen  sich  daher  auf  eigae 
Erfahrung. 

In  Vereelli  hat  der  gelehrte  Domherr  Mora  wieder  ein  philosophisches 
V^Terk: 

La  vt/a  deUa  scienw  umana,  dal  Canonico  Tommaso  Mora,  VerceUi  1857.  pret» 
Deumdenü 

herausgegeben;  dieser  Theoretiker  ist  schon  durch  die   Enciclopedia  acienti- 
fica  bekannt,  welche  er  mit  dem  Francesco  Lavarino  herausgab. 

J  Feudi  ed  i  Commtmt  deUa  Lomhardia  di  Gabriele  Rota.  IL  EdiL  Bergamo 
1857.  presso  Pagnoncelli.  8.  p.  312. 
Der  mit  der  deutschen  Sprache  wohlvertraute  Herr  Verfasser  fUngt  seine 
Geschichte  des  Lehowesens  mit  dem  Eintritte  der  Longobarden  in  Italien  an, 
deren  höchstens  20,000  im  FrUhjahr  568  ihre  früheren  WohnsiUe  iwiachen 
GOrtz  und  der  Donau  veriieaaen.    Jiutiniaii  hatte  ihnen,  ala  Söldnern,  jenen 


Litentarberichte  iu  Italien.  797 

Uüdfltrich  anfr^wieteD ,  um  ihn  ffeiren  die  andern  Barbaren  in  yertbeidi|ren ; 
8ie  waren  dort  42  Jabre  (gewesen,  und  hatten  dies  Land,  das  ihnen  alf  rO- 
miachea  Beneficium  an^^e wiesen  war,  unter  sich  vertheilt;  die  an  Pferde  foch- 
ten, das  waren  die  reichem,  die  Armen  dienten  als  Fossvolk,  ihrer  waren 
14,000,  nnter  dem  Namen  Aldi;  die  Vornehmem  aber  bildeten  desshalb  keine 
Kasten  nach  der  Gebort,  da  die  Könige  aus  ihrem  Gesinde  ihre  Günstlinge 
and  obersten  Beamten  ernannten,  die  nach  der  römischen  Einrichtung  Comi- 
ter  genannt  worden,  wie  schon  anter  Honorius  309  die  hohem  Beamten  ge- 
nannt worden,  die  aoch  mitunter  aas  den  besiegten  Nationen  genommen  worden. 
Hit  dem  deutschen  Namen  worden  solche  Comites,  Gefährten,  die  Umgebun- 
gen des  Herrschers  Gefaro,  Geführte,  Geraflo,  oder  Gerafa  genannt,  woraus 
endlich  Graf  wurde.  Die  römischen  Kaiser  hatten  schon  die  frühere  Auto- 
nomie der  Gfmeinden  oder  Municipien  beschränkt,  um  unumschriinkter  au 
herrtchen,  daher  sie  ihre  Umgebungen,  Comites,  immer  hoher  stellten;  daau 
gehorten  aoch  die  Yerwaltungsbeamten ,  die  Leibtnte  und  die  Aufseher  des 
kaiserlichen  Pallastes,  die  Comites  Palatini.  Die  Lombardei,  damals  unter  den 
Kaifern  von  Byzans  stehend ,  hatte  fttr  jenen  christlichen  Poliaeistaat  eben  so 
wenig  Sympathie  wie  fOr  die  Longobarden.  Daher  widerstanden  mehrere 
Stildte  dnrch  eigene  Kraft,  wie  Hantua,  Cremona  und  Pavia,  welches  sich  3 
Jahre  lang  selbst  vertheidigte.  Die  ankommenden  Longobarden  bemficbtigten 
sich  nun  des  Landes  der  entflohenen  griechischen  Beamten  nnd  der  entflohe- 
nen Römer,  doch  Alboins  Nachfolger  griffen  noch  weiter  um  sich  und  vertheil- 
ten  diese  Lindereien  an  ihr  Heer  nach  Verschiedenheit  der  Grade,  und  blie- 
ben ihre  Grandstacke  nach  deutschem  Herkommen  steuerfrei.  Zur  Erhebung 
der  Staatsabgaben  wurde  das  eroberte  Land  von  Friaul  bis  Benevent  in  35 
HersogthQmer  getheilt,  wobei  man  meist  die  bischoflichen  Sprengel  an  Rom 
aniHihni.  Dieae  Eroberer  aber  hatten  aus  Deutschland  wenig  monarchischen 
Sinn  mitgebracht,  sie  waren  schon  unter  Clefa,  der  2  Jabre  nach  der  Erobe- 
mng  starb,  ao  sehr  republikaniach  geainnt,  dass  sie  sich  nicht  einmal  einen 
neuen  König  wfthlten;  sondern  10  Jahre  lang  herrschte  jeder  dieser  Beamten 
nnnmschrftnkt  und  jeder  Herzog  versuchte  seioe  Herrschaft  erblich  au  machen, 
wie  ea  aptter  die  Deutschen  auch  nach  Carl  dem  Grossen  thaten.  Endlich 
ward  die  Monarchie  wieder  hergestellt,  und  es  bildete  sich  das  Feudal  We- 
sen nnter  der  Monarchie  immer  weiter  ans,  bia  es  die  tapfern  Bürger  der 
italieniachen  Städte  abschafften. 

Fttr  die  Naturwissenschaft  ist  au  bemerken: 

Delle  FraUoni  riprodutiive  tUgU  animali,  ffer  F,  de  FilippL    MUano  1856. 

Der  Doctor  de  Filippi  bat  sich  bereits  durch  mehrere  Schriften  über  Na- 
tnrwiasenschaft  ausgezeichnet.  In  dem  vorliegenden  Werke  hat  er  die  italiä- 
nif  ehe  Uebersetzong  der  Anfangsgründe  der  Zoologie  von  Milne-Edwards  ver- 
vollständigt. Der  gründliche  Verfasser  verfolgt  die  Erzeugung  der  verschie- 
denen Thiere  von  der  ersten  Entstehung  bis  zur  Zärtlichkeit  der  Matter  für 
die  heranwachsende  Brut,  und  beschäftigt  sich  besonders  mit  den  Eingeweide- 
wfirmem  und  Infusorien. 

Sullo  üaio  geologico  MT  Ittäia^  di  GtoMimi  Omiom.    MiUmo  1856. 


798  Literalarbericyo  an«  lutlai. 

Der  Verfasser  hal  hier  die  Biidungs-Geschichta  der  iuliÜBiidieB  Battria« 
sei  mit  ihren  Inseln  in  6  verschiedene  Epochen  tb^etbeilt,  von  denen  die 
letzte  mit  den  vulkanischen  Erscheinungen  ausammenbAngt,  deren  Sehauplati 
eben  Italien  ist.  Viele  in  den  Text  eingedruckte  Abbildungen  erleichtern  du 
Verstau dniss.  Dabei  hat  der  Verfasser  eine  (jeschichte  der  Ausbüdni^  des 
Stadiums  der  Geologie  in  Italien  gegeben,  obwohl  dies  Buch  sich  nar  ab 
einen  Anhang  su  dem  Lehrbuche  der  Mineralogie  und  Geologie  von  Beodaat 
ankündigt. 

Coatptndio  di  Gtoyafia  fisiea  wpecialt  aiF  iMa^  da  CtUttmo   BkmckL    Fircaif 
1856, 

Der  Verfasser  bat  mit  dieser  Arbeit  die  italianische  Uebersetuag  der 
physischen  Geographie  von  Sommerville  vervollständigen  wollen,  nnd  Ist 
wirklich  über  die  Geologie ,  Gltmatologie  nnd  die  Eraengnis^  Italiens  eiai 
schfttzbare  Zusammenstellung  gemachL 

Ein  bedeutendes  Werk  ist: 

La  Proprielä  fondiaria  e  le  poftotoiioni  agnooU  in  Lomhardia,  $iy^  ecomomid  S 
Sufano  Jacinu    Mitano  1857.     3.  Äuß.    8,     Tip,  CiteilL 

worüber  S.  661  dieser  Jahrb.  bereits  ntthcrer  Bericht  erstattet  worden. 

In  der  Lombardei  verdient  weller  folgende  Zeitschrift  alle  Beaefatong: 
€Mda  gkUuUca  deUa  pnn>mcia  di  MUano.  pel  1857.    MUam.    Tip,  Ptnola. 

Seit  11  Jahren  erscheint  dieses  Jahrbuch  der  Statistik,  welches  von  daa 
Veränderungen  der  Bevölkerung  und  andern  Ereignissen  der  Hauptaladt  aad 
der  Provins  Mailand  Nachricht  giebt.  Die  Einwohneraahl  von  Mailand  ist  aaf 
147,359  angegeben,  während  die  Lombardei  2,837,638  Seelen  sählt  Maa 
sieht  hier,  dass  jede  Gemeinde  einen  Arzt  und  einen  Schoilehrer  hat;  bmi 
klagt  aber  über  deren  geringe  Besoldung.  Dagegen  hat  man  hier  nicht  notb- 
wendig,  die  Kinder  zu  zwingen  in  die  Schule  zu  gehen.  Man  kennt  hier  dea 
Yortheil  der  Bildung.  In  dem  Österreichischen  Italien  kann  es  jeder,  der 
Neigung  zum  Soldatenstande  hat,  durch  Geschick  und  Kenntniss  zum  Offizier 
bringen,  In  dem  Königreich  Sardinien  ebenfalls;  selbst  in  dem  Königreicbe 
Neapel  (5.  die  Insel  Sicilien  von  J.  F.  Neigebaur.  Leipzig  1848.  U.  Aoi 
2.  Vol.),  während  in  andern  Landern  die  Beförderung  des  gemeinen  Soldaten 
kanm  möglich  ist. 

IV. 

Die  grosse  Frage  der  Zeit,  die  Canelisirung  der  Landenge  von  Suez,  hti 
an  dem  dnrch  seine  Beiseberichte  rühmlichst  bekannten  Professor  Baniffi  eioei 
sehr  lebhaften  Vertheidiger  gegen  die  von  dem  englischen  Minister  Palmerftoi 
dagegen  erhobenen  Bedenken  gefunden,  welcher  in  diesen  Tagen  darüber 
folgende  Schrift  herausgab : 
Vl$imo  di  Sves,  leürme  popolare  di  G,  P.  Baruffl.   Torino  1857,  slamperia  rtak 

Der  für  jede  gemeinnützige  Unternehmung  begeisterte  Verfasaer,  ein  wah- 
rer Freund  der  Menschheit,  welcher  hier  die  nngeheuren  VortbeHe  dieser  Hv 
temehmung  auseinandersetzt,  widerlegt  die  im  englischen  Parlamente  erhoba- 
nen  SchwierigkeiteD ,  dnrch  den  von  England  selbst  in  der  Neuzeit  befolgtea 


Literatarbericlite  am  Italien.  799 

GraadsiU,  daaa  daa  wahre  Mittel  sicAi  zu  bereichern  darin  besteht,  dass  alle, 
mit  denen  man  in  Berühruni;  kommt,  sich  dabei  ebenfalls  wohl  befinden.  Man 
wird  nicht  reieb,  indem  man  die  andern  arm  aiaehL  England  hat  tu  seiner 
£hre,  wie  selbst  der  bedeutende  Franaose  Saint^Hilaire  snerkennt,  in  den 
letzten  Jahren  eine  Politik  eingeschla|(en,  welche  auf  den  Grundsütaen  erleuch- 
teter Freiheit  und  Gerechtii^keit  beruht,  so  dass  ein  bleibender  Widerstand 
keineswegs  zu  fürchten  ist.  England  beßndet  sich  im  Besitze  der  Httifte  4ee 
Welthandels,  Amerika  in  dem  eines  Viertheils,  in  das  übrige  Viertheil  theilen 
steh  die  andern  Volker.  Da  nun  der  Handel  durch  diesen  Canal  überall  un- 
endlich gewinnen  wird,  indem  die  zwei  Theile  der  alten  Welt  jetzt  in  nähere 
Verbindung  kommen  werden,  so  zeigt  sich  der  ungeheure  Vortheil,  der  dabei 
auf  England  kommen  muss,  wobei  auch  die  andern  gewinnen  werden,  beson- 
ders durch  die  Uflfen  von  Triest  und  Genua,  das  Herz  von  Europa:  unser 
Deutschland. 

In  Italien  findet  man  selten  Romane  aus  der  Gegenwart,  seit  Naosoni  für 
die  treffliichen  geschichtlichen  Romane  die  Bahn  gebrochen  hat.  Darum  maebt 
jetzt  ein  solcher  aus  der  Jetztzeit  ein  nicht  unbedeutendes  Aufsehen.  Der 
TStel  ist: 

Gli  Ultimi  Coriandoli,  Romatuo  coiUemparaneo ^di  CUuo  Ärrigki  MiUtmo  1857, 

Der  Verfasser  bat  seine  Aufgabe  glOcklich  gelost,  und  wird  wahrschein- 
lich in  dieser  Art  bald  Nachahmer  finden,  und  die  französischen  Romane  dort 
verdrangen,  welche  gewöhnlich  den  Reiz  der  Gegenwart  haben.  Allerdings 
ist  es  schwerer  einen  Gegenstand  zu  behandeln,  den  Jeder  kennt,  als  die  Ver- 
gnnirevheit»  wo  dem  Schriftsteller  nieht  sofort  ein  FehlgriiT  nachgewiesen  wer- 
den  kann. 

Auch  in  Toscana  dürfen  jetzt  Öffentliche  (legenstflnde  besprochen  werden, 
wenn  sie  nur  nichts  mit  der  äussern  Politik  und  de?  italienischen  Nationalität 
an  thun  haben.  Toscana,  ein  Land,  wo  1,800,000  Einwohner  anf  6784  ita- 
lienischen Quadratmeilen  leben,  hat  einen  ausgedehnten  Markt,  daher  freier 
Handel  nothwendig;  es  wnrde  daher  von  der  Ackerbau-Gesellschaft  zn  Plortnz 
eine  Commission  ernannt,  um  den  Congress  für  die  Zoll-Freiheit  in  Brüssel 
SU  besehicken.    Der  diesfallsige  Berieht  liegt  nunmehr  vor: 

Rapporte  inviato  al  Omgrtuo  iniemauonah  di  BrütseUes  per  U  riforme  doganaii^ 
deUa  commistitme  aeademica  a  cid  nomtnato,  e  pruentato  alla  JL  Acü" 
dania  dd  GeorgofUi,  neu  adunanza  deü  14,  Settembre  1856.   FirenM€  1857, 

Man  sieht  hieraus,  wie  die  Mediceer,  die  als  Kaufleute  durch  freien  Ver- 
kehr reich  und  mächtig  geworden  waren,  später  den  Verkehr  beschränkten, 
nachdem  sie  durch  fremde  Waffen  Herren  des  Landes  geworden  waren,  das 
durch  solche  beschränkende  Hassrogeln  von  dem  früheren  Wohlstande  zurüek- 
knm,  wie  noch  jetzt  in  seinen  grossartigen  Bauwerken  sich  darthut 

Ein  obwohl  nur  für  den  Bauer  bestimmtes  Lehrbuch  zur  praktischen  An- 
wendung bei  seiner  Landwirthschaft  im  Kleinen  verdient  erwähnt  zu  werden, 
dn  es  von  einem  Geistlichen  herrührt,  «nd  vor  Kurzem  in  Maihind  unter  fol- 
f enden  Titel  erschien:  « 

Ap-ariA,  kUura  per  contadini^  dd  mcerdole  Ptefro  ßucsom.    MUano  1857. 


dOO  Litaraivrbeiichte  au  Ilaliea. 

.  Ein  sehr  willkommenes  Werk  sind  die  jetai  bekannt  ^emachleo  uife- 
druckten  Werke  von  Guicciardini : 

Opere  medUe  ü  Prancesco  Guicciardini^  ilhutrale  da  Giuaeppe  Cimesiriiii,  e  p«- 
Ukali  per  cura  dei  canH  FiOro  e  Lmgi  GmcciturdmL  Firewte  1857.  presse 
Barbtra. 

Hier  finden  sich  suvOrderst  Betrachtungen  aber  die  Reden  MachiaTenfs, 
Ton  dem  er  abweicht,  sich  für  erbliche  Monarchie  erklärend.  Die  hieraof 
folgenden  Ricordi  politici  e  civili  sind  zwar  lum  Thell  schon  gedruckt,  aneia 
in  hohem  Grade  verstümmelt,  und  sind  für  die  Geschichte  des  15.  Jahrhoa- 
derts  besonders  wichtig. 

Die  sardinischen  Kammern  haben  sich  in  dem  letiten  Jahre  sehr  viel  Bit 
der  Verbesserung  der  Gefüngnisse  beschäftigt,  und  das  amerikanische  Zellen- 
System  lur  Ausführung  gebracht,  wobei  der  auch  als  gelehrter  Lingoiit  be- 
kannte Ritter  Vegessi  Ruscalla  sehr  thtttig  gewesen  ist.  Dieser  Gegenstand 
hat  such  einem  Ungenannten  Versnlassung  gegeben ,  seine  Ansichten^  zn  ver^ 
Öffentlichen : 
Le  Teorie  penali  e  racenircy  pensieri  di  im  giotme.    Müano  1856.    Tip.IUidadk. 

Der  wohlmeinende  Verfasser,  der  sich  auch  für  das  System  der  Bessemaf 
der  Verbrecher  erklart  und  von  reiner  Menschenliebe  ausgeht,  beleuchtet  die 
hierüber  bekannt  gemachten  Theorien,  beffonder«  Yon  Rossi  und  Romagnosl 


*)  Wir  bitten  die  folgenden  Druckfehler  in  früheren  Artikeln  dieses  Jabi^ 
gangs  an  berichtigen: 


Seite 

117 

ZI.  1  V. 

0. 

statt  Catoll  lies  Catull. 

n 

— 

.  It  n 

n 

• 

Stätten  1.  stücke. 

n 

118 

»1B„ 

n 

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Mavignano  !•  Marignano. 

9t 

120 

»     9  n 

» 

n 

Psnuatore  1.  Pammatone. 

n 

— 

.15« 

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n 

sucht  1.  sieht. 

n 

121 

»21  „ 

» 

n 

Antonio  1.  Ausonio. 

n 

124 

n     9„ 

ü. 

» 

gehörig  mitl.aus  den  verschiedenartigstea. 

» 

126 

»   11   n 

» 

ff 

Pass  1.  Press-Bureaux. 

V 

127 

»     7  „ 

0. 

» 

Oristana  1.  Oristano. 

n 

385 

n    11    n 

» 

» 

Gallerga  1.  Gallenga. 

n 

387 

n  13  „ 

ü. 

n 

neben  dem  1.  durch  das. 

^  » 

388 

.    5„ 

0. 

w 

Thron  1.  ihreThore. 

c.» 

389 

»    4» 

» 

n 

wie  eine  1.  nie  einer 

C 

390 

n     9„ 

u. 

ff 

den  1.  der  Freunde. 

» 

390 

» 11 » 

n 

offen  1.  hoffen. 

9 

393 

n   18» 

0. 

n 

Revolution  1.  Reaction. 

f) 

^- 

»Äl« 

ü. 

» 

Minister  und  1.  1848  Hinister. 

n 

394 

n     3„ 

(J. 

n 

Uebergangs  1.  Untergang, 

» 

396 

»22« 

n 

Vertosa  1.  Ventura. 

n 

478 

«    6» 

u. 

ff 

Professor  1.  Verfasser. 

n 

479 

«    4„ 

0. 

n 

Hilitair  1.  Mittel. 

n 

627 

n      6» 

ü. 

n 

nicht  1.  recht. 

n 

629 

»  18  n 

0. 

ff 

auch  1.  noch. 

n 

633 

»21  „ 

ü. 

» 

Kaiserstaat  1.  Kirchenstaat. 

■r.  51.  HEIDBLBER6EB  Ugl, 

jahrbOcher  der  litiratur. 


Der  Begriff  des  gemeinen  deutschen  Privatreehts.  Von  Dr,  Lud- 
toig  Rückeri,  Erlangen.  Verlag  von  Ferdinand  Erdte,  1857. 
IV.  und  121  8.  8. 

Die  Grundidee  des  VerfaBsers  ist  diese:   ^das  Recht  ist  zu- 
nächst keine  Sache  der   Ueberzeugung ,  d.  h.  des  theoretischen 
Geistes,  sondern  des  Willens;   oder  anders  ausgedrückt:    Es 
ist   kein  blosser  Ideencomplex,   sondern   ein  System 
realer  Triebe  oder  Bedürfnisse^  (S.  14.  36).  —  Dass  das 
Recht  kein  Mittel  ist,  eine  Ueberzeugung  zu  erlangen,  nemlich 
dazu  nicht  bestimmt  ist,  kann  hier  zugegeben   werden.    So  lange 
es  nicht  besUitten  ist,  dass  der  Sitz  des  Rechts  im  menschlichen 
Bewusstsein  sei,  folgt  aber  aus  diesem  Satze,  dass  das  Recht  einer 
Ueberzeugung  entspringt.    Denn  wenn  das  Bewusstsein  das  Ge- 
biet der  geistigen  Thätigkeit  des  Menschen  ist,  diese  Thätigkeit  ent- 
weder Erscheinungen  gestaltet,   oder  von  den  Gestaltungen  der 
Eracheinungen  gestaltet  wird,  so  muss  sie  entweder  mit  unfer- 
tigen Gestaltungen  sich  beschäftigen,  oder  von  fertigen  Gestaltungen 
beBchäftigt  werden.    Sie  muss  demnach  auch,  wenn  die  fertige  Ge- 
staltung die  Ueberzeugung  ist,  da,   wo  sie  keine  Ueberzeugung  zu 
erlangen  strebt,    ihren  Ursprung  in  einer   Ueberzeugung   nehmen. 
Sofern  sie  nach  Ueberzeugung  strebt,  ist  sie  theoretisch;  und  man 
mag  sie  dann,  mit  dem  Verf.,  den  theoretischen  Geist  nennen.   So- 
fern sie  aus  Ueberzeugung  entspringt,  ist  sie  practisch.    Es  kann 
aber  diese  practische  Thätigkeit  wiederum  eine  theoretische  erzeu- 
gen, wenn  auf  den  Grund  einer  fertigen  Ueberzeugungsgestaltung 
eine  andere  gesucht  wird.     Es  kann  andererseits  jene  theoretische 
Thätigkeit  auf  das  Erzeugniss  einer  practischen  Thätigkeit  gerichtet 
aein,  wenn  eine  fertige  Ueberzeugungsgestaltung  gesucht  wird.    Im 
letstern  Falle  wird,  wenn  wir  uns  zu  einer  Richtung  auf  eine  Mehr- 
geataltung  wenden,  allerdings  kein  blosser  Ideencomplex  erzeugt, 
aber  es  wird  dessenungeachtet  ein  Ideencomplex  gesucht.  Nach  dem 
Verf.  muss,  wenn  das  Recht  gesucht  wird,  ein  „System  realer  Triebe 
oder  Bedürfnisse  gesucht  werden.^   Triebe  oder  Bedürfhisse  sind  Er- 
xengnisse  eines  Eindruckes  oder  Leidens.  Das  Suchen  eines  solchen  Ge- 
genstandes hat  aber  eüie  ganz  andere  Richtung,  wenn  es  sich  handelt, 
am  diö  Triebe  oder  Bedürfnisse  des  Suchenden,  oder  um  die  Triebe 
oder  Bedürfiiisse  anderer.    Im  erstem  Falle  geht  es  auf  die  Er- 
seogi^e  des  Leidens  des  Suchenden,  welches  seinen  Willen  be- 
Biimmt,  und  das  Suchen  zum  Selberbestimmen  gestaltet,  so  lange 
die  gestaltende  Thätigkeit  ruht   Selberbestimmung  des  Willens  aber, 
L.  Jahrg.  11.  Heft,  61 


8#)l  Rttckert:    Der  Begritf  dtt  gemeineii  deaticlien  PriTitrecliki. 

ohne  eine  durch  Leiden  erzeugte  Zielgestaltang  desselben, 
den  Willen  nur  anf  sich  selber  richten,  und  ihn  mit  dem  s«  g.  p« 
tuellen  Ich  verschmelzen.  Der  Verf.  will  ihn  von  diesem  untersch 
den,  indem  er  dem  Willen  einen  Inhalt  gibt,  und  findet  so  d 
Freiheit  des  Willens,  die  zugleich  Nothwendigkeit  ist  (S.  7.  I 
Allein  die  Freiheit  der  Willensthätigkeit ,  ihre  Richtung  nach 
durch  das  jedesmalige  Leiden  hervorgerufenen  Zfdgestaltung  zu 
stimmen,  geht  verloren,  wenn  der  Wille  statt  der  Richtung 
Inhalt  bekommt,  und  sich  zur  Willensgestaltung  wandelt.  — 
zweiten  jener  Fälle  geht  das  Suchen  auf  die  Erzeugnisse  einer 
stauenden  Thätigkeit  anderer,  die  durch  Leiden  veranlasst  ist 
wenn  der  fluchende  die  Triebe  und  Bedürfnisse  anderer  zum  6^ 
Stande  seines  Suchens  macht,  so  sind  sie  nicht  m^r  Triebe  fl( 
Bedürfnisse,  sondern  Ideen,  die  er  von  ihren  Trieben  and  Badil 
nissen  sich  gestaltet.  Seine  eignen  Triebe  and  Bedürfnisse  als  soki 
bilden  ein  Wh'kangsgebiet,  einen  Organismus,  ein  Wie,  und  weii 
nie  zum  System,  zu  einem  zusammengestellten  mehrgestaltigen  Wi 
Nur  die  Ideen,  die  er  von  ihnen  gestaltet,  vermögen  ein  Syiti 
zn  bilden.  JMe  Triebe  und  Bedürfnisse  anderer  bleiben  in  der  8 
sammenstellung  so  lange  Bestandtheile  eines  Systems,  als  sie  nk 
in  der  Verbindung  mit  den  Ideen,  welche  sie  hervorgerofen  hM 
zn  einem  Wirkungsgebiete  sich  gestalten,  und  dadurch  ResGl 
empfangen.  Sie  bilden  aber  dann  nicht  ein  „System  realer  Trfi 
be^,  sondern  umgekehrt  einen  Organismus  real  geworded 
Ideen.  Es  haben  diese  Ideen  Realität,  weil  sie  Bewirktes  tSd 
Es  ist  in  ihnen  die  Willensfreiheit  unter,  und  der  Wille  In  eine  Wll 
lensgestaltung  übergegangen,  und  sofern  diese  mit  dem  Willen  i 
Märt  wird,  so  wird  er  ein  anderer,  wenn  eine  andere  Zielgestall 
zum  WiHensinhalte  wird.  Der  Verf.  verfällt  in  den  Wid 
darch  Verpflanzung  eines  Inhalts  in  den  Willen  in  die  Willensl 
heit  eine  Nothwendigkeit  hineinzutragen  und  dennoch  ein  ledij 
in  dem  Willen  liegendes  Recht  als  veränderlich  nach  Volk  and 
(S.  18)  zu  betrachten.  Er  nennt  die  Willensfreiheit  ein  Problei^ 
an  dem  die  Kraft  der  Dialektik  sich  geltend  mache,  indem  sie  Wi 
lensfreiheit  und  Nothwendigkeit  vereine  (S.  12);  was  aber  dtfsrf 
hinausläuft,  dass  diese  Kraft  das  Problem  erst  macht  Wenn  m 
Recht  eine  Nothwendigkeit  ist,  so  ist  nicht,  wie  der  Verl  (S.  I7jj 
sagt,  der  Character  des  Rechts  relativ,  sondern  es  ist  nar  relalH^ 
welches  Recht  hier  oder  dort  Recht,  oder  in  der  Ueberzeogung  i* 
Der  Verfasser  reicht  auch  damit  nicht  aus,  dass  er  (S.  12  f.)  sa^t: 
Wille  und  Denken  sei  dieselbe  Kraft,  mir  die  Weise  sei  verscbledfls, 
weil  verschiedene  Weisen  verschiedene  Verriebtungen  tragen. 

Der  Verf.  unterscheidet  ferner:  em  concretes  Wollen,  aus  6m 
das  Recht  entsteht,  und  ein  abstractes,  welches  gleichgültig  für  dit 
Entstehung  des  Rechts  ist,  wie  ein  Eifern  für  ein  ersonnenes  Piioc^ 
die  Begeisterung  für  ein  ausgetheiltes  Stichwort  (S.  14-  lö).  We« 
aber  ein  solches  abstractes  Wollen  bei  anderen  die  Id^e  einer  Notb» 


BllAktrt:    Ber  Begriff  des  gMioineB  dentoelieB  PrivilrMliti.  SOi 

Ipendifkeit  «im  Befolgen  erweckt;  was  ilelit  dann  ^utg^mif  daee 
)ß  Recht  erzeuge?  Und  wenn  das  eoacrete  WMlen  eine  solche  Idee 
iicht  erweckt;  entstdbt  dann  aas  ihm  auch  Recht?  Ist  nicht  der 
pnterschied  zwischen  beiden  nur  der,  dass  der  (s.  g.)  abstracto 
ffille  auf  die  Willensgestaltong  anderer  £inflos8  au  üben  bezweckti 
|sr  (s.  g.)  conerete  aber  nicht?  Und  wird  eine  solche  Unterschei* 
Isng  nicht  richtiger  dorch  den  Unterschied  zwischen  WUlensgestal*' 
pxkg  and  Oestaltnngswillen  gegeben  ?   Die  Willensgestaltung,  welche 

fi  Gebiete  des  Verhaltens  der  Menschen  an  einander  wirkend  go* 
Orden,  ist  Recht.  Der  Wille  zu  gestalten  aber,  ist  kein  Redit. 
Ilur  jene  Willensgestaitung  kann  der  Wille  sein,  ^welches  einen  lo* 
^digen  individuellen  Inhalt  hat"^,  der  Wille^  den  der  Vert  (S.  16) 
Kir  Entstehung  des  Rechts  fordert,  und  von  dem  er  sagt,  dass  es 
Ulf  geschichtlichem  Wege  sich  bilde,  und  in  der  Masse  des  Volkes 
legelmässig  nur  so  vorbanden  sei,  dass  das  in  dem  Besonderen  ver- 
steckten Allgemeine  noch  nicht  ungetrennt  von  jenem  gedacht,  oder 
ÜB  solches  doch  nur  gefühlt  oder  empfanden  wird.  Was  ist  denn 
per  aber  das  Allgemeine  was  in  dem  Besonderen  versteckt  ist? 
IrXhrend  man,  wenn  man  mit  dem  Verf.  ein  System  im  Ange  hat, 
poch  glauben  sollte,  dass  umgekehrt  das  Besondere  im  Allgemeinen 
Itecke.  Das  Allgemeine  kann  im  Besonderen  nicht  stecken,  es 
kann  aber  in  ihm  wirksam  werden.  Wo  es  nicht  getrennt  von  die- 
sem gedacht  wird,  da  kann  zwar  dessen  Quelle,  es  kann  aber  seK 
kr  noch  nicht  sein,  weil  es  erst  in's  Dasein  tritt,  wenn  es  dem 
Besondem  gegenüber  gestaltet  ist  So  lange,  als  dies  nidit  der 
Pall,  ist  in  den  Wiederholungen  seines  Gestaltwerdens  im  Besonde- 
len  ein  Stoff  für  sein  zukünftiges  Gestaltetsein  gegeben,  allein  es 
i»t  ein  Allgemeines  nur  dann,  wenn  an  die  Stelle  solcher  Wieder- 
^lungen  ein  Wiedorerscheinen  desselben  getreten  ist.  Nimmt 
ler  Verf.  ein  verstecktes  Allgemeines  an,  so  moss  er  auch  in  jenen 
(Wiederholungen  ein  Allgemeines  finden.  Seine  ganz  richtige  Auf- 
imong:  es  könne  vermöge  der  Gewohnheit  etwas  allgemein  gelten, 
Ihne  vermöge  einer  allgemeinen  Gewohnheit  zu  geUen  (S.  43  f.) 
irird  dann  unhaltbar.  Seine  Ansicht  aber:  dass  das  gemeine  dent* 
idie  Privatrecht  gebildet  werde  durch  den  den  deataehen  PastioiH 
larrechten  affectiv  gemeinsamen  Rechtsstoff,  wekher  aas  den  darin 
mthaltenen  abstracteren  Sätzen  bestehe,  und  somit  zugleich  parti- 
Milaires  Recht  sei  (S.  107);  wird  dann  haltbar,  wenn  das  gemeine 
Etecht  nur  eine  Gemeingestaltnng  des  Rechts,  nicht  aber  eine  ge- 
■eine  Rechtsgestaltung  ist.  Und  wenn  wiederum  eine  gemeine 
Bechtsgestaltung  kein  gemeines  Recht  ist,  so  ist  es  wiederum  richp 
fig,  wenn  er  sagt  (S.  64),  dass  das  römische  Recht  in  Deutschland 
BOT  ein  snbsidiaires  Particnlarrecht  sei.  So  wird  das  gemeine  Recht 
leijenlge  TbeU  des  particulairen,  der  so  abstract  gebildet  ist,  dass 
m  gemeinsame  Gestaltung  jedes  ParticuUrrechts  ist.  Der  lebendige 
and  individuelle  WUIe,  den  der  Verf.  zar  Entstehong  des  Rechts 
Isrdert,  ist  dann  nur  ein  particulairer.   Das  gemeiat  deotscha  Recht 


M  Rttckert;    Der  Begriff  def  geaieiDeii  dealMhea  Privitre^li. 

Wird  ein  System  Ton  Ideen,  und  bildet  kein  Syetem  realer  Triebe, 
wie  der  Verf.  es  ^Ib  Rechte  verlangt^  ist  auch  kein  Organismai 
real  gewordener  Ideen,  und  somit  gar  kein  Becht  Man  findet  dem- 
nach einerseits  den  Verf.  mit  sich  im  Widerspruch.  AndereraeitB 
Ist  der  Begriff  dieses  Rechts  seine  Negation. 

Dieses  Loos  wird  der  Idee  eines  gemeinen  Rechts  von  selber 
SU  Theil,  wenn  die  Wurzel  des  Rechts  nicht  in  einer  Debersengong 
gefunden  wird,  sondern  in  einer  Macht,  welche  der  Rechtsvorschrift 
als  Mittel  der  Verwirklichung  von  Aussen  hinzutritt.  Der  VerC 
findet  sich,  seiner  eignen  Meinung  nach  (S.  90  f.),  im  Resultate  im 
Einklang  mit  der  von  Gerber:  das  wissenschaftliche  Princip  des 
gemeinen  deutschen  Privatrechts  S.  272  fi".;  ausgesprochenen  Ansicht, 
dass  das  gemeine  deutsche  Privatrecht  ein  unmittelbar  anwendbarsB 
Recht  nicht  sei,  er  entfernt  aber  den  Inhalt,  mit  dem  diese  Theorie 
nach  Gerber  sich  beschäftigt.  Dieser  Inhalt  ist  das  Volksbe- 
wusstsein.  Der  Verfasser  räumt  einerseits,  wie  bemerkt,  die  Ueber- 
zeugung  aus  der  Grundlage  des  Rechts  hinweg.  Andererseits 
stellt  er  zwar  den  Satz  aui:  „es  müssen  sich  mit  fortsehreiten- 
der  EntWickelung  die  Einzelwillen  in  gewissen  Besiehnngen  zum 
allgemeinen  Willen  verdichten^  (S.  21).  Allein  er  erklärt  auch 
wiederum:  es  sei  der  Wille  nichts  Fertiges  (S.  18),  der  Stoff,  der 
in  das  Bereich  der  Rechtsordnung  falle,  sei  als  ein  abgegrftnzter 
nicht  anzusehen  (S.  21),  es  sei  zwar  derjenige  Stoff,  der  durch 
einen  relativ  fertigen  allgemeinen  Willen  erzeugt  sei,  in  jenes  Be- 
reich aufzunehmen  (S.  25),  es  könne  aber  dieses  Aufnehmen  nidit 
gleichen  Schritt  halten  mit  jener  Verdichtung  zum  allgemeinen  Wil- 
len (S.  26).  Die  Anschauung  des  Verf.  scheint  hier  in  unabge- 
schlossener Bewegung  deshalb  geblieben  zu  sein,  weil  er  nicht  die 
Thätigkeit  des  Willens,  von  der  aus  ihr  hervorgegangenen  Ge- 
staltung unterscheidet.  Jene  Thätigkeit  wird  nie  fertig,  so  lange 
der  Wille  da  ist.  Die  Gestaltung  ist  aber  fertig,  so  wie  sie  sar 
Erscheinung  kommt,  und  sie  kommt  als  eine  Gestaltung  des  allge- 
meinen Willens  dann  zur  Erscheinung,  wenn  jene  Verdichtung  der 
Einzelwillen  au  einem  allgemeinen  Willen  eingetreten  ist.  Einge- 
treten aber  ist  diese  Verdichtung,  wenn  die  WHlensthätigkeit  das 
Einzelnen,  nur  eine  Wiederholung  der  Willensthätigkeit  der  Geeammt- 
heit  ist;  was  dann  der  Fall  ist,  wenn  die  Erscheinung  ihrer  Ge- 
staltung aufgehört  hat,  eine  Wiederholung  ihres  Gestaltens  sa 
sein,  und  dennoch  eine  Wiedererscheinung  derselben  Gestaltung 
geworden  ist  Wiederholung  des  Gestaltens  und  Wiedererschetnen 
derselben  Gestaltung,  zweien  sich  aber  erst  dann  von  einander,  wenn 
die  Thätigkeit  des  Gestaltens  zur  Ruhe  gegangen  ist.  Wiederholnog 
gleichen  Gestaltens  der  Sonderwillen  in  der  Richtung  auf  das  Zu* 
sammenleben,  vermittelt  Nationalität;  ein  Ruhepunkt  dieses  Gestal- 
tens in  einem  Gestaltetsein  ein  Volksdasein.  Em  Ruhepunkt  in  dem 
Gestalten  des  deutschen  Rechts  ist  durch  die  Reception  des  römi- 
schen Rechts  hergestellt.  An  die  Stelle  des  Rechtsgestaltens  durcfa 
Kebeneinanderwirken  der  Sonderwillensträger,  ist  die  UeberzeDgiing 


Rtickerl:    Der  Betriff  daf  femeinen  dentMhen  PriTtlrecfalii  MS 

eiD60  GettaltetseiDB  des  Rechts  (getreten,  dessen  Oestaltongseisdiei« 
fiuDg  getragen  wird  von  dem  Jaristenstande,  der  das  gestaltete 
Recht  zom  Zwecke  des  AnwendeDs  aufsucht  Es  bat  jene  Ueber- 
xengung  der  Oesammtheit  sich  mltgetheilt,  in  der  Anerkennung,  daas 
jener  Stand  der  TrXger  der  Kunde  des  gewordenen  Rechts  sei.  Es 
bildet  dieses  Ereigniss  die  thatsichlich  ausgesprochene  Satsung  der 
Oesammtheit,  dass  das  Recht  ein  fertiges  sei,  und  eine  weitere 
Rechtsschöpfnng  allein  der  Thätigkeit  sugefallen  sei,  welche  diese« 
fertige  Recht  su  dieser  Verrichtung  bestimmt  habe,  sei  es  die  des 
Princeps,  mittelst  der  Gesetzgebung,  oder  die  des  Populus,  mittelst 
der  Gewohnheit.  Wie  stückweise  dieses  Ereigniss  aach  sich  fortbe- 
wegt bat,  oder  vielleicht  noch  sich  bewegt,  so  ist  doch  sein  Fort- 
gang nie  nach  den  Gränzen  der  particulairen  Rechte  gespalten  ge- 
wesen. Es  besteht  ferner  dieses  Ereigniss,  nemlich  die  Feststellung 
der  Weise  des  Rechtsdaseins,  ungeachtet  des  Mangels  an 
Kunde  des  Inhalts  des  als  geworden  gesatsten  Rechts,  und  diese 
Weise  ist  nicht  beschrfinkt  auf  einen  begränzten  Inhalt  von  bestimm- 
ter Gestaltung,  sondern  ergreift  jedes  Rechtsdasein  in  dem  geschicht- 
lichen Kreise  dieses  Ereignisses,  der  die  Gesammtheit  der  deutschen 
Rechtsbewegung  in  so  weit  umfasst,  als  nicht  ein  Rechtsdasein  in 
dieser  Bewegung  als  ein  particulaires  sich  von  jener  (oesammtheit 
abscheidet.  Dieses  Abscheiden  kann  bewirkt  werden,  entweder  durch 
die  Fortdauer  eines  Sondergestahens,  wie  sie  sich  s.  6.  in  der  Au- 
tonomie des  Adels  findet,  oder  dadurch,  dass  ein  Rechtsdasein,  wel- 
ches mit  dem  gemeinen  in  dessen  Weise  tibereinstimmt,  sich  nicht 
als  ein  Wiedererscheinen  dieser  Weise,  sondern  als  ein  Wiederholt- 
aein  derselben  darstellt;  ein  Fall  der  dann  gegeben  ist,  wenn  ein 
anderer  Träger  dieser  Weise,  als  jene  geschichtwüchsige  Satzung» 
sich  herausstellt  In  wie  weit  ein  solcher  Träger,  wie  ein  particu- 
Jairer  Gesetzgeber,  ein  Wiederholen  jener  Weise  oder  ein  Wieder- 
erscheinien  derselben,  durch  seine  TbStigkeit  bewirkt,  das  hängt  ab 
von  dem  Grade  der  Selbständigkeit,  welche  er  in  seiner  Trägerschaft 
erreicht  bat  Er  kann  gemeines  Recht  herübernehraen ,  er  «kann 
aber  auch  besonderes  Recht  dem  gemeinen  gleich  gestalten.  Und 
iDSofem  ihm  der  Grad  der  Selbständigkeit  mangelt,  der  zu  einem 
particulairen  Rechtsdasein  erforderlich  ist,  wird  ein  solches  auch 
durch  ein  Particulairsein  einer  Rechtsgestaltung  nicht  vermittelt,  son- 
dern nur  durch  diese  eine  Rechtsanwendungsgestaltnng  in*s  Dasein 
^ernfen,  die  weder  particulair  noch  universell  sein  kann,  weil  sie 
nnr  eine  zeitweilige  Erscheinung  des  Rechtsdaseins  in  der  Bewegung 
bildet,  die  da  wo  sie  ist,  eben  für  sich  allein,  und  daher  weder 
einem  Gemeinen  noch  einem  Besondern  gegenübersteht  Ob  aber  eine 
Rechtsgestaltung  eine  Gestaltung  des  Rechtsdaseins  oder  eine  Rechtsan- 
wendnngsgestaltung  ist,  das  hängt  davon  ab,  ob  sie  in  einer  Ueber- 
jsengung  wurzelt  oder  bloss  von  einem  äussern  Schutze  getragen  wird. 
Die  Gestaltung  des  Rechtsdaseins  wohnt  einzig  und  allein  in 
dem  Begriffe  der  Rechtsinstitution  und  ihrer  Bestandtheile,  der  ein- 


S06  licktHt    Dtr  B^ffrifT  det  femeiaett  denlidieB  PnTilrechto 


Roohiiitittftate,  weil  nur  in  Hnu  daa  ruhende  GestaltolMfai 
sich  renrirklicht)  welches  das  Ueberzeagtiein  yermittelt  Indem  die 
Ueberteagong  der  Oesammtheit  von  dem  Daaein  der  Kunde  dm 
fertigen  Becbta  bei  dem  JoriBtenstande,  diesem  die  Ausprigong  je- 
ner Begriffe  tnweiset,  wird  diese  eine  wissenacheftliehe  Operation. 
Et  ist  aber  das  Erzeugniss  dieser  Operation  innerhalb  ihrer  Giia* 
aen,  nemlidi  der  blossen  AusprSgnng  der  Glestaltong  des  Rechtada- 
seinsy  Mne  blosse  Doctrin  in  dem  Sinne,  dass  es  nur  Lehren  ent- 
hielte, welche  die  Ausrüstung  mit  der  Befähigung  zur  Erfcenntniss 
eines  Rechts  rermittelten.  Nach  Gerber  ist  es  eine,  wie  bemerkt, 
nicht  unmittelbar  anwendbare,  Darstellung  der  gegenwärtigen  Aeus- 
serungen  der  Rechtsiiberzeugnng  des  deutschen  Volks  auf  dem  Ge- 
biete des  Privatrechts  (a.  a.  O.  S.  269).  Der  Verf.  hat,  wie  ge- 
sagt, an  die  Stelle  dieses  Volksbewusstseins  den  abstracten  fiberein- 
Btimmenden  Theil  der  verschiedenen  Particulairechte  gesetzt,  aus 
dem  er  das  gemeine  Recht  bilden  will.  Gerber  spricht  von  einer 
Darstellung  eines  Stoffes,  der  erst  einer  Bildung  bedürftig  ist, 
wenn  man  nicht  den  Stoff  des  Verf.  darunter  versteht.  Der  Verl. 
spricht  von  der  Bildung  eines  Stoffes,  der  schon  unmittelbar  zur 
Darstellung  geeignet  ist,  wenn  man  nicht  etwa  den  Stoff  Gerber 's 
darunter  versteht.  Das  Hinderniss,  welches  der  unmittelbaren  An- 
wendung des  Gerberschen  gemeinen  Rechts  entgegensteht,  kann,  , 
sofisrn  nicht  particulaires  Recht  die  Anwendung  schlechthin  ausschliesrt, 
nur  darfo  liegen,  dass  es  blosse  Darstellung  ist  und  die  erforderliche  | 
Entwiokelung  nicht  empfangen  hat.  Das  Hinderniss,  welches  der  I 
unmittelbaren  Anwendung  des  gemeinen  Rechts  des  Verf.  entgegen-  | 
Bteht,  kann  nur  darin  liegen,  dass  das  particalaire  in  ihm  unerkenn- 
bar geworden  ist  Beide  stellen  ein  Recht  hin,  dessen  Schöpling  1 
eine  nntziose  Bemühung  ist,  wenn  es  nicht  als  eine  blosse  Doctrin  ! 
im  angegebenen  Sinne  dient.  Was  soll,  abgesehen  von  diesem 
Dienste,  denn  eine  Darstellung  der  Aeusserungen  des  Volksbewusst- 
seins, wenn  sie  nicht  eine  Entwickelung  zu  einem  anwendbaren 
Redite  enthält?  eine  Verwickelung  des  particulairen  Rechts,  wenn 
sie  zur  Anwendung  nicht  taugt  ?  Oder  gibt  es  etwa  noch  eine  mit- 
telbare Anwendung,  welche  von  der  Verrichtung  einer  solchen  Doc- 
trin verschieden  ist?  Nach  Gerber  hat  jenes  gemeine  Recht  auf 
keine  andere  Anerkennung  Anspruch  als  auf  diejenige,  welche  der 
Rechtsgeschichte  überhaupt  zukommt,  auch  nicht  auf  eine  s.  g.  hy- 
pothetische Anwendung  (a.  a.  0.  S.  272  ff.).  Nach  dem  Verf.  dient 
es  dazu,  das  anwendbare  Recht  zuzubereiten  für  die  Anwendung, 
und  nicht  dazu,  ein  in  Ermangelung  von  Particularrecht  anwendbare! 
Recht  zu  liefern  (S.  107.  111.  113).  Nach  der  Anerkennung,  die 
ihm  Gerber  vindicirt,  Ist  «eine  Verrichtung  die,  das  anwendbare 
Recht  zu  erklären,  also  die  Befähigung  zur  Rechtsanwenduog  | 
hervontorufen.  Diesen  Dienst  soll  aber  eine  Darstellung  der  ge- 
genwärtigen Aeusserungen  der  Voikstiberzeugung  übernehmen, 
die  entweder  in  dem  anwendbaren  Rechte  wohnt,  oder  demselbeii 


Ellckcrt:    Der  Befriff  de«  «Mieiiien  deaticbeii  PrivtUmte.  809 

gegentibersteht,  aho  entweder  das  anwendbare  Recht  selber,  oder 
auch  für  dessen  Bedeutung  ganz  gleichgültig  sein  moss.  Die  Za- 
bereitung  eines  anwendbaren  Rechts^  die  der  Verf.  will^  ist  aber 
gana  üb^flüssig,  weil  ein  Reebt,  welcbes  anwendbar  ist,  keiner  Zu- 
bereitung bedarf,  nnd  wenn  es  so  beschaffen  ist,  dass  der  Anwen- 
dende für  die  Anwendung  zubereitet  werden  muss,  diese  Zuberei- 
tuBg  eben  nur  eine  Befähigung  zur  Rechtsanwendung  ssum  Ziele 
hat  Der  Verf.  (S.  114  ff.)  sieht  In  der  Bearbeitung  eines  gemeinen 
Rechts  ein  Mittel,  mehrfacbe  Bearbeitung  des  Gleichen  überflüssig 
SU  machen,  und  den  Kreis  der  Verwendung  des  Products  der  Arbeit 
cur  Belehrung  zu  erweitern;  er  weiset  (S.  109)  dem  Fortgange  des 
Rechts  eine  Stufenfolge  an,  die  zerfällt  in :  Rechtsphilosophie,  Dar- 
stellung des  gemeinen  Rechts,  Darstellung  des  specifisch  Paiticulai- 
ren,  und  Thätigkeit  des  Praktikters,  und  bemerkt,  dass  das  gemeine 
Recht  allerdings  ein  anwendbares,  aber  noch  kein  zur  Anwendung 
fertiges  Recht  sei,  und  als  eine  Einleitung  in  die  Particularrechte 
bezeichnet  werden  dürfe,  welche  den  ganzen  Reichthum  logischer 
Entwlckelung  in  sich  aufnehmen  könne,  so  dass  dasjenige,  was  hia- 
autreten  müsse,  um  es  zur  Anwendung  zu  befähigen,  wissen^ 
Bchaftlich  bedeutungslos  sein  könne.  Sonach  scheint  seine  Mei- 
nung die  zu  sein,  dass  dem  Particularrechte  das  practisch  be- 
deutsame Recht  vorbehalten  bleibe.  Die  practische  Thätigkeit  kann 
sich  erst  dann  zum  Resultate  abschlipssen  wenn  die  beiden  Fragen 
beantwortet  sind:  was  das  Recht  vorschreibt?  und  ob  der  Fall  ein- 
getreten ist,  auf  den  eine  Rechtsvorschrift  geht?  Die  Beantwortung 
der  zweiten  Frage,  bedingt  die  der  ersten,  die  der  ersten  aber  eben- 
falls die  der  zweiten.  Es  zerfällt  daher  die  erste  wiederum  in  zwei, 
Demiich  in  die  Frage:  was  ist  überhaupt  als  Rechtsvorschrift  da? 
und  in  die  andere  Frage:  was  ist  davon  für  den  gefundenen  Fall 
vorgeschrieben?  Die  Frage:  was  ist  überhaupt  als  Rechtsvorschrift 
da?  kann  aber  wiederum  nicht  beantwortet  werden,  ohne  die  Frage 
zu  beantworten:  welche  Fälle  sind  Gegenstand  der  Vorschrift  des 
Rechts?  Da  nun  diese  Frage  beantwortet  werden  muss,  ehe  die 
einzelnen  Fälle  gefunden  sind,  so  muss  sie  sich  wandeln  in  die 
Frage:  welche  Eigenschaften  sind  es,  welche  die  Fälle  haben,  die 
Gegenstand  der  Vorschrift  des  Rechts  sind?  Sind  diese  Eigenschaf- 
ten bestimmt,  so  ist  das  Rechtsanwenden  beschränkt  auf  den  Fall 
ihres  Erscheinens.  Sind  sie  nicht  bestimmt,  so  ist  nicht  das  An- 
wenden des  Rechts,  sondern  nur  die  Weise  desselben  durch  die 
Rechtsvorschrift  gestaltet,  nemlich  die  Mittel  von  deren  Gebrauch 
und  Erfolg  der  Sieg  im  Rechtsstreite  abhängt.  Ein  Recht,  welches 
zur  Anwendung  nicht  fertig  wäre,  aber  dazu  fertig  gemacht  werden 
könnte,  ohne  ein  anderes  Recht  zu  werden,  ist  unmöglich.  Es 
könnte  vor  dem  Fertiggewordensein  noch  gar  kein  Recht  gewesen 
sein.  Eine  Unterscheidung  zwischen  einem  zur  Anwendung  fertigen 
ond  einem  unfertigen  Rechte,  wie  der  Verf.  sie  will,  prellt  sonach 
von  dem  Rechte  zurück  auf  die  Befähigung  deren  die  anwendenden 


808  Kttckert:    Der  BefHlt  dei  gemeine»  dentieleii  PriTttreehte. 

Sabjeet«  bedürfen,  spaltet  diese  in  Terfertigte  und  miyerfertigte,  und 
der  Lehrstuhl  des  particulairen  Becfats  tritt  zu  dem  des  gemeineo 
Rechts  in  ein  gleiches  Verhältniss,  wie  die  Scfauhmacherwerkstltte 
zur  Gerberei;  der  particulaire  Stofif,  der  dem  gemeinen  die  Anwend- 
barkeit verleiht,  wie  Drath  und  Pech  zum  Leder.  Es  wSre  m$g- 
lich,  dass  Terschiedene  Rechtsorganisationen  von  verschiedener  Trag- 
weite ftir  die  Anwendung  neben  einander  beständen,  und  die  Kunde 
der  einen  zu  der  Kunde  der  andern  in  Beziehung  auf  die  subjeetlve 
Befiihigung  zur  Anwendung  in  jenem  VerbäUnisse  zu  einander  stSn- 
den;  so  wenn  die  eine  nur  schutzempfftngliche,  die  andere  aber 
schutztragende  Rechtsgestaltungen  zum  Inhalte  hätte,  und  die  zweite, 
die,  weil  das  Oegebensein  des  Schutzes  die  Schutzempfängiicbkeit 
absorbirt,  dann  nur  als  besondere  neben  der  ersten  stehen  kdnnte, 
sich  an  diese  anschlösse.  Von  einer  solchen  Unterscheidung  ist 
aber  der  Verf.  schon  deshalb  weit  entfernt,  weil  das  allgemeine 
Recht  aus  dem  Stoflfe  des  besondem  nach  ihm  entstehen  soll.  Seine 
Unterscheidung  liegt  demnach  rein  in  dem  Gebiete  der  Verarbeitung 
jener  Subjecte  als  künftigen  Werkzeugen  der  Anwendung.  Die 
Stufenfolge  des  Verarbeitens,  ist  aber  keine  Stufenfolge  derselben 
Arbeit,  sondern  eine  Zusammensetzung  verschiedener  Arbeiten,  und 
das  Auseinanderreissen  derselben  Arbeit  in  verschiedene,  muss  die- 
jenige Seite,  die  zu  keiner  Vollendung  führt,  zu  einer  Abart  von  Arbeit 
gestalten,  die  in  der  belehrenden  Arbeit  das  ist,  was  man  Schul fucbseiei 
nennt,  weil  sie  die  Erscheinung  der  Vollendung  da  hervoruft,  wo  keine 
Vollendung  ist.  Sie  lässt  der  Verwirklichung  der  Vollendung  nicht 
allein  diese  übrig,  sondern  versetzt  sie  auch  in  die  Nothwendigkeit, 
die  Erscheinung  der  Vollendung  zu  vertilgen,  um  den  Raum  für  die 
Vollendung  zu  gewinnen,  oder  auch  neben  diese  Erscheinung  eine 
zweite  Erscheinung  der  Vollendung  zu  setzen.  Behauptet  demnach 
die  Darstellung  eines  gemeinen  Rechts  neben  der  Darstellung  des 
particulairen  einen  Platz,  so  liefert  sie  dem  Urheber  der  Anwen- 
dung zwei  Erscheinungen  als  Stoff  zur  Auswahl  oder  zur  Verbin» 
düng  für  die  Anwendung,  und  jenachdem  er  sich  leiten  iSsst  von 
dem  Eindrucke  der  Richtigkeit  einer  dieser  Erscheinungen,  oder  von 
der  Gestaltung  des  Eindruckes  des  Falles  oder  des  Thatsitchlfchea, 
tritt  diese  Wahl  in  der  Erscheinung  einer  Vorbereitung  in  die  Ver- 
richtung der  Anwendung,  oder  dje  Verbindung  in  der  Erscheinung 
der  Anwendung  in  die  Verrichtung  der  Vorbereitung.  Denn  im 
erstem  Falle  ist  die  Wahl  der  Erscheinung  nach  ein  Finden,  der 
Verrichtung  nach  aber  ein  Erzeugen  der  Richtigkeit  der  in  Frage 
stehenden  Rechtserscheinung.  Im  letztern  Falle  ist  das  Verbinden 
der  -Erscheinung  nach  ein  Fhiden ,  der  Verrichtung  nach  aber  ein 
durch  ein  Verdoppeln  vermitteltes  Erzeugen  der  Richtigkeit  der  Ge* 
staltung  des  Thatsächlichen.  Zeigt  mir  die  eine  Darstellung  als  Ge- 
gensUnd  des  Eigenthums  ein  Recht,  die  andere  einen  K(irper,  und 
wähle  ich  bei  der  Beurtheilung  eines  Anspruches  in  dem  nicht  beide 
Gegenstände  sich  verschmelzen,  einen  dieser  Eigenthumsbegriffe,  so 


Rttekerl:    Der  Befriff  Ae§  i^emeineii  deotfehm  PriTAlrecliU.  6M 

habe  kb  der  Eracbeinong  nacb  die  Ricbtigkeit  des  Eigentbamsbe^ 
griffe«  gefanden,  dem  Effecte  nach  aber  ihn  geschaffen;  wenn  aber 
beide  Gegenstände  yerecbmolEen  sind,  der  Erecbeinong  nach  Eigen* 
tbam  gefanden,  dem  Effecte  nach  dahingegen  das  gefundene  Eigen- 
tbnm  mit  einem  neu  erzeugten  zuBammengefiigt,  und  so  die  Rich- 
tigkeit des  thatsScblicb  gewordenen  Eigenthoms  erzeugt.  Solcher 
Zersetzung  kann  man  den  Eingang  öffnen,  wenn  man  die  Ueber- 
zeugnng  aus  dem  Rechtsdasein  entfernt.  Das  Erzeugen  der  einen 
wie  der  andern  jener  Richtigkeiten,  die  ohne  solche  Zersetzung  eben 
nur  Seiten  derselben  Richtigkeit  sind,  ist  die  Verrichtung  die  dem 
Reehtsdasein  gebührt.  Insofern  gemeines  Recht  und  particulaires 
Recht  verschieden  gestaltet  sind,  und  dennoch,  wie  der  Verf.  will, 
jenes  ein  abstractes  Stück  von  diesem  ist,  so  wird  die  Verschieden- 
heit für  die  Anwendung  entweder  eine  Controyerse,  oder  ein  Wi- 
derstreit der  Gestaltung  der  rechtlichen  Ercheinung  mit  der  Gestaltung 
des  ThatsSchlichen.  Im  erstem  Falle  tritt  die  Lösung  der  Contro- 
▼erpe  als  Vorbereitung:  in  die  Erscheinung.  Im  letztern  Falle  er- 
scheint das  Finden  der  Unanwendbarkeit  des  gemeinen  Rechts  als  ein 
Tfaeil  der  Anwendung,  ist  aber  eine  Negation  der  Anwendung;  und 
wenn  dennoch  die  Gestaltung  des  ThatsSchlichen  als  eine  rechtliche 
erscheint,  so  kann  diese  Erscheinung  nur  dadurch  rechtliche  Wir- 
kung erzeugen,  dass  sie  den  richterlichen  Schutz  für  oder  gegen  sich 
berrorruft.  Es  wohnt  demnach  die  Rechtlichkeit  allein  in  der  Er- 
scheinung des  ThatsSchlichen  im  Verhältnisse  zum  richterlichen  Schutze, 
and  das  gemeine  Recht  ist  eine  Rechtserscheinung  ohne  Rechtlich- 
keit, und  allerdings  kein  anwendbares,  Rondern  umgekehrt  bloss  ein 
abwendbares,  auch  kein  unfertiges  Recht,  sondern  eine  Unverferti- 
gnng  eines  fertigen  Rechts,  welche  nur  dazu  dient  einer  Beschäfti- 
gung mit  Erscheinungen  einen  Stoff  zu  liefern.  Das  geschicht- 
wiichsige  Fertigsein  des  gemeinen  Rechtsdaseins,  welches  durch  die 
Trägerschaft  der  Kunde  desselben  in  dem  Jnristenstande  sich  fest- 
gestellt hat,  ist  demnach  ein  Irrthum.  Dem  Verf.  ist  das  gemeine 
deutsche  Recht  auch  dem  Particularrechte  gegenüber  kein  subsidiai- 
res,  dahingegen  das  römische  Recht  ein  subsidiaires  Particularrecht, 
welches  überhaupt  kein  deutsches  Recht  aufgehoben  hat,  sondern 
nur  in  Lücken  eingetreten  ist,  indem  „das  corpus  juris  juristisch 
iSar  einen  Ersatz  gegeben  für  das  Recht,  das  es  factisch  aus  dem 
Bereiche  objectiver  Erkennbarkeit  verdrängt  hatte*'  (S.  62  ff.  7  6  ff.). 
Jene  Art  der  Geltung  des  römischen  Rechts  hat  indess  das  gegen 
sieb,  dass  eine  Spaltung  der  Reception  desselben  in  verschiedene 
particnlaire  Receptionen  der  einzelnen  Länder  nicht  zur  Erscheinung 
gekommen  ist ;  und  dass  eine  solche  Spaltung  ohne  eine  Vervielfäl- 
tigung des  römischen  Rechts  In  ein  Wiedererscheinen  derselben  Re- 
ception sich  aufgelöset  haben  würde.  Dass  es  in  Lücken  einge- 
treten sei,  und  zugleich  ein  aus  der  Erkennbarkeit  thatsächlich  ver- 
drängtes Recht  ersetzt  habe,  gibt  der  Reception  eine  Gestaltung,  die 
ihr  Gebiet  auf  das  der  theoretischen  Beschäftigung  beschränkt,  und 


StO  Rtkokert:    Der  Befriff  des  femeinen  deoifekeii  PriTitreeliti. 

das  Hämische  Recht  dem  Particularrechte  eben  so  gegeoüberatelk, 
wie  das  gemeine  deotsche  ihm  Fom  Verf.  gegenübergestellt  wart, 
abgesehen  davon,  dass  es  dem  Particularrechte  noch  ferner  atsht 
als  das  gemeine  dentsche,  und  daher  nicht  einmal  tauglich  ist»  eins 
Erscheinung  vom  particulairen  Rechte  hervorsubringen. 

Der  Standpunkt  des  Verf.  erscheint  demnach  gewonnen  dardh 
eine  Absonderung  ron  dem  geschichtlichen  Recbtsdasein ,  die  vet- 
mittelt  wird,  indem  er  das  Rechtsdasein  der  Ueberaeugung  entklei- 
det, dadurch  die  Rechtsgestaltung  in  das  Gebiet  der  tbaisSchlicbeD 
Erscheinungen  der  Triebe  hinüberträgt,  und  durch  Verweiseo  der- 
selben in  ein  System,  sie  als  das  Gebiet  der  Schulthätigkeit  von  den 
Gebiete  des  ThatsfichÜehen  abzuscheiden  versucht.  Ob  der  Veii 
den  Zweck  dabei  im  Auge  gehabt,  die  heutige  Bewegung  der  Rechts- 
literatur  mit  einer  Rechtsentwickelung  in  Einklang  au  bringen,  mag 
dahin  gestellt  bleiben.  Aber  so  geeignet  für  diesen  Zweck  die  Ope- 
ration des  Verf.  sich  darstellt,  so  ungeeignet  ist  sie,  um  einer  Dn- 
führung  in  das  Gebiet  der  Rechtsentwickelung  au  dienen.  Er  sagt: 
das  Recht  soll  nicht  auf  Vorrath  gemacht  werden,  weil  es  Qber- 
haupt  nicht  gemacht  werden  soll,  und  daher  ist  SubsidiaritSt  etwas 
Anormales  .oder  ein  noch  nicht  fertiger  Zustand  (S.  7l\  Sofern 
nun  der  Verf.  mit  dem  erstem  den  Sinn  verbindet:  dass  man  Schnl- 
thStigkeit  nicht  als  Rechtsentwickelung  ansehen  soll,  auch  wenn  sie 
von  denen  ausgeht,  welche  die  Rechtsentwickelung  zu  tragen  be- 
stimmt sind;  ist  es  richtig.  Sofern  es  aber  sagen  soll:  dass  man 
die  geschichtliche  Rechtsentwickelung  und  die  geschichtlichen  Deber- 
lleferungen  derselben  nicht  anerkennen  soll,  ist  es  so  lange  unrick- 
tig,  als  man  nicht  das  positive  Recht  ganz  negirt.  Es  ist  ferner 
das,,  was  der  Verf.  von  der  Subsidiarität  sagt,  insofern  richtig,  ak 
die  Reception,  durch  welche  sie  vermittelt  wird,  keine  Entwickelung 
der  Rechltsgestaltung,  sondern  nur  Begründung  einer  Rechtagestal- 
tungsweise  ist,  und  zwar  eine  solche,  welche  der  Schulthätigkeit  die 
Pforte  zu  dem  Gebiete  der  Rechtsentwickelung  öffnet,  and  ihr  die 
Möglichkeit  gewährt  die  Rech tsent Wickelung  zu  hemmen.  Es  aoJl 
auch  gar  nicht  geleugnet  werden,  dass  in  Deutschland  s.  g.  Schol- 
fuchserei,  zuweilen  in  einer  Weise  die  kaum  den  Schein  dea  An- 
gemessenen zu  bewahren  vermag,  in  üppiger  Fülle  sich  in  dem  ge- 
öffneten Räume  bewegt  hat  und  noch  bewegt.  Allein  die  geschidit- 
liche  Anerkennung  des  deutschen  Juristenstandes  als  Träger  dar 
Kunde  eines  fertigen  Rechts,  ist  einmal  da.  Wenn  der  Verf.  eine 
Repräsentation  des  Volks  durch  die  Juristen  in  Ansehung  der  Rechts- 
erzeugung  läugnet  (S.  49  ff.),  so  ist  ihm  darin  beizustimmen.  Der 
Gebrauch  der  Thätigkeit  des  Juristenstandes  als  ErkenntniaHnittri 
des  Rechts  ist  aber  damit  nicht  ausgeschlossen.  Denn  der  Ersan- 
ger  des  Mittels  repräsentirt  nicht  den,  der  sich  des  Mittels  bedient, 
sondern  leistet  ihm  Hülfe.  Der  Arzt  repräsentirt  nicht  den  Kranken. 
Und  wenn  jener  Gebrauch  sich  nicht  auf  die  Erkeantniss  der  Recht»- 
Gestaltung  erstreckt,  so  ist  er  in  Ansehung  der  Erkenntniaa   das 


Rttekert:    Der  Begriff  des  geaieineii  deutsclien  PriTatreebti*  811 

Bacbtodaseiiui  doch  so  lange  vorhanden,  als  der  EinfluBS  der  Tbä* 
tigkeit  der  Juristen  in  der  Bewegung  der  Aensserungen  des  Sonder- 
willens  als  eine  Richtigkeit  erkannt  wird,  wie  empfindlich  auch  der 
S<Mider8chmera  sein  mag,  den  seine  Gestaltung  hervorruft.  Die  Ent- 
fernung des  Ansehauens  der  Rechtsgestaltung  von  der  Gesammt* 
tfa£tigkeit,  verlegt  dieses  Anschauen  in  das  Gebiet  der  juristischen 
Sonderthätigkeit,  und  gestaltet  die  Anscbauungsthätigkeit  des  Juri- 
Btenstandes,  zu  einer  Ergänzung  der  Gesammtthätigkeit.  Sonder^ 
thitigkeit  an  der  Stelle  von  mangelnder  Gesammtthätigkeit  ist  eine 
Dneigentlichkeit.  Uneigentlichkeit  ist  aber  gerade  das,  wodurch  die 
Civilisation  von  der  Natürlichkeit,  nemlich  der  Eigentlichkeit,  sich 
scheidet.  In  der  Civilisation  hat  das  Uneigentliche  eigentliches  Da- 
sein, weil  es  in  die  Verrichtung  eines  Eigentlichen  eintritt;  und  sie 
nöthigt  die  erkennende  TbUtigkeit,  dieses  Dasein  der  Eigentlichkeit 
xnr  Seite  zu  stellen,  oder  sich  auf  Einseitigkeit  zurückzuziehen,  oder 
auch  sich  im  Weltschmerz  zu  verfläcbtigen.  Die  SonderthStigkeit 
«iner  Schule,  als  solcbe  eigentlich  Schulfucbserei,  wird  die  uneigent- 
Ifche  Entwickelung  der  Anschauung,  weil  in  ibr  diese  Entwickelung 
ein  eigentliches  Dasein  empfangen  hat.  Dem  Dasein  nach  eigentlich, 
der  Gestaltung  nach  aber  uneigentlich,  Rechtsentwickelung  zu  sein, 
das  ist  die  Bedeutung  der  deutschen  JuristenthStigkelt ,  deren  Ver- 
kennung  einen  juristischen  Weltschmerz  zu  erzeugen  nicht  ermangelt 
hat  Es  sind  nicht  bloss  Klagelaute,  in  denen  er  zur  Erscheinung 
kommt,  sondern  auch  Niederschläge  von  ihm  in  Anschauungsge- 
staltnngen,  die  die  Uneigentlichkeit  des  Gestaltetseins  in  die  Eigent  • 
lichkeit  des  Daseins  versetzen,  und  dann  bald  die  Uneigentlichkeit 
als  Eigentlichkeit  behandeln  oder  der  Eigentlichkeit  die  Anerkennung 
versagen.  Die  erste  Weise  ist  zur  Erscheinung  gekommen  in  der 
Annahme  einer  Repräsentation  des  Volks  durch  die  Juristan,  die 
bei  Gerber  hinübergescblagen  ist  in  die  Annahme  von  gegenwär- 
tigen Aensserungen  des  Rechtsbewusstseins  des  Volks  in  Ansehung 
der  Rechtsgestaltung.  Die  zweite  ist  zur  Erscheinung  gekommen 
bei  dem  Verf.  in  dem  Bestreiten  des  gemeinen  Rechtsdaseins.  In 
jeder  dieser  Weisen  verschwimmt  der  Punkt  der  Eigentlichkeit  des 
Rechtgewordenseins  und  damit  die  Gränze  zwischen  Rechtsge- 
sialtung  und  Rechtsanwendung,  indem  das  Gestalten  der  Theorie, 
welches  die  Anwendung  beherrscht ,  bald  in  das  abgeschlossene 
Rechtsdasein  geworfen,  bald  der  Anwendung  als  deren  Präparation 
beigegeben  wird.  Insofern  die  Theorie  das  Gestalten  des  Daseins 
des  Rechts  ist,  muss  das  erstere,  in  sofern  sie  aber  das  Gestaltet- 
sein des  Rechts  gestaltet,  das  zweite  als  das  Richtige  anerkannt 
werden.  Jene  Verrichtung  findet  ihre  Gränzen  in  dem  Gestalten 
der  Rechtsbegriffe,  in  denen  die  Ueberzeugung,  welche  als  der  Sitz 
des  Richtigseins  das  Dasein  des  Rechts  vermittelt,  ins  Dasein  tritt, 
lieber  diese  Gränzen  hinaus  tritt  die  Bewegung  der  Theorie«  hinüber 
in  eine  Verbeiständung  der  Rechtsanwendung.  Und  sobald  sie  die 
Trägerin  der  Kunde  eines  fertigen  Rechts  ist,  liegt  die  Versdüeden*- 


8i2  Rttekert:    Der  Be(rriff  def  iremeinen  deolidieii  PrivatreeliU. 

heit  zwischen  beiden  Verrichtungen,  nicht  mehr  in  der  Gestaltniig 
der  Tbätigkeit  allein,  sondern  sie  liegt  darin,  dass  die  erste  die  Be- 
wegung des  Rephtgewordenseins ,  die  zw^te  eine  Benatzong  dieser 
Bewegung  zur  Verbeiständung  der  Anwendung  ist  Das  Erzeagain 
der  ersten  ist  das  uneigentliche  Gestaltetsein  des  eigentlichen  Recht- 
gewordenseins. Das  Erzeugniss  der  zweiten  ist  eine  Regelnng  jenes 
nneigentlichen  Gestaltetseins  zur  Vermittelung  seines  Einflusses  ia 
der  thatsächlichen  Bewegung.  Die  Uneigentlichkeit  jenes  Gestaltet* 
sdins  ist  die,  dass  seine  Kigentlichkeit  ein  Gestaltetwerden  ist,  is 
dem  sich  das  Gestalten  als  ein  Wiedererscheinen  des  Rechtsdmseios 
wiederholt.  Daran  erkennt  man  eben  die  Allmacht  der  CiFÜisatton, 
dass  sie  ein  Ding  erzeugt,  was  jeden  Tag  anders,  und  doch  ünmer 
dasselbe,  eigentlich  und  uneigentlich  zugleich  ist.  Im  Gebiete  der 
Civilisation  ist  aber  das,  was  durch  die  Civilisation  ist,  eigoit* 
lieh;  wenn  es  auch  im  Gebiete  der  Erkenn tniss  der  CiviliaatioB 
nur  uneigentlich  ist  Die  von  jener  Theorie  gestalteten  Rechtsbe- 
griffe  haben  also  Dasein,  und  sind  in  der  Bewegung  nicht  Wieder* 
holungen  ihres  Werdens,  sondern  Wiedererscheinungen  des  Gewor- 
denen, welches  immer  ist.  Und  weil  sie  immer  sind,  werden  sie 
nicht  angewendet,  sondern  wenden  sich  selber  unmittelbar  durch  ihr 
Erscheinen  an.  Das  gemeine  Recht  ist  also  ein  unmittelbar  an- 
wendbares  nicht,  weil  es  überall  nicht  anwendbar  für  subjectire 
Thätigkeit  ist,  es  findet  aber  Anwendung  unmittelbar  durch 
sich  selber,  und  zwar  ehe  und  zuvor  ein  Boden  für  subjectives  An- 
wenden von  Hecht  gewonnen  ist.  Aliein  es  präparirt  nicht  das  an- 
zuwendende Recht,  sondern  es  prSparirt  den  cöncreten  Fall  für  die 
Anwendung  des  anwendbaren  Rechts.  Und  es  kann  dieses  Bedit 
nie  in  der  Theorie  des  Rechts  sein ,  sondern  nur  die  The<»ie 
in  ihm  Recht  sein,  oder  aber  Schulfnchserei  sein.  Wer  Recht 
anwenden  will,  muss  erst  die  Erscheinung  des  Begriffes  in  der 
thatsächlichen  Bewegung  suchen,  und  wenn  er  sie  gefunden, 
z.  B.  ob  sie  Reallast,  Eigenthum,  Erbfolge,  darstellt,  kann  er 
Regeln  über  das  gefundene  Institut,  welches  in  der  Erscheinung  sieh 
auFprägt,  anwenden.  Die  unterrichtende  Darstellung  der  Ge«taltii»- 
gen  dieser  Begriffe  ist  keine  Einleitung  in  irgend  ein  anzuwendendes 
Recht,  sondern  eine  Einleitung  in  das  Leben  des  Rechtsdaseins.  Dis 
GrSnze  zwischen  einem  gemeinen  und  einem  particulairen  Redht»* 
dasein  ist  aber  da,  wo  das  gemeine  Recbtsdasein  durch  den  Abschlaas 
des  gemeinen  Rechtwerdens  mit  der  Reception  des  römischen  Reehli 
fertig  geworden,  und  das  Rechtwerden  als  particulaire  Weise  des  Recht- 
daseins sich  von  ihm  geschieden  hat.  Inwiefern  die  Gestaltung» 
des  gemeinen  Rechtsdaseins  im  particulairen  Rechtsleben  als  Ge- 
genstände des  Rechtanwendens  vom  richterlichen  Schutze  der  fhnea 
entsprechenden  Wirkungen  getragen  werden,  ist  dahingegen  ein  Zu- 
stand, der  nur  der  Darstellung  der  Particularrechte  angehört.  Denn 
dieser  Zustand  gehört  nicht  zur  Gestaltung  des  Lebens  des  Redita- 
daseins, sondern   zur  Bewegung  seiner   Wirksamkeit    Ohne  jene 


Wusendilebeti:    Jvrutiiebe  AbhandlaDgett.  ftld 

Gffinfle  würde  es  einen  Gegensats  zwischen  einem  gemeinen  und 
einem  particalairen  Rechtedaeein  überall  nicht  geben.  Vielmehr  würde 
jede  £r8cheinong  eines  Rechtabegriflfes  in  der  thaUi&chlichen  Bewe- 
gung eben  nur  ein  Werden  oder  eine  Wiederholung  des  Werdens 
desselben  sein.  Nicht  anders  verhält  es  sich  mit  dem  Erscheinen 
des  römischen  Rechtsbegriffes  vor  der  Reception  des  römischen  Rechts 
in  complexu,  d.  h.  als  einer  Gestaltung  des  deutschen  Rechtsdaseins. 
Die  Trageweite  seiner  Reception  ist  aber  grösser,  als  die  des  Ab-* 
Schlusses  des  deutschen  Rechtwerdens,  und  zwar  daher,  weil  die 
römischen  Rechtsbegriffe  oder  Institute  schutztragende  Gestaltungen 
sind,  wShrend  die  deutschen  Rechtsbegriffe  oder  Institute  nur  mit 
SehutzempfängUchkeit  belcleidet  sind.  Daher  gibt  es  römische  In- 
stitute, welche  statt  des  Klageschntzes  nur  Einredenschutz  tragen, 
während  die  Empfänglichkeit  für  den  Schutz  bei  jedem  deutschen 
Institute  gleich  ist.  Das  römische  Recht  greift  daher  auch  in  die 
particulaire  Bewegung  der  Wirksamkeit  des  Rechtsdaseins  ein.  Der 
Eindruck  dieser  Verschiedenheit  hat  sich,  wie  aus  dem  Gesagten 
erhellt,  bei  dem  Verf.  dahin  gestaltet,  dass  er  das  römische  Recht 
als  ein  subsidiaires  Particularrecht,  und  das  gemeine  deutsche  Recht 
als  ein  Abstractum  der  ParticurrecKite  ansieht.  Verwechselt  man  Ge- 
sebütstsein  des  Rechtsdaseins  mit  Rechtsdasein,  so  bleibt  allerdings 
kein  anderes  Resultat  möglich.  Wenn  man  die  Ueberzeugung  ans  der 
Wurzel  des  Rechts  entfernt,  so  kann  man  kein  weiteres  Rechtsdasein 
all  das  Geschütztsein  erliennen.  Das  Recht  ist  dann  kein  krafttragender 
Organismus  mehr.  Es  ist  dann  weiter  nichts,  als  eine  durch  eine  Schul- 
diaciplin  geregelte  Polizei,  die  ihre  Abscheiduug  vom  Gebiete  der 
Handhabung  der  Polizei  nur  der  Gewöhnung  an  einen  besondern 
Namen  verdankt.  Das  Suchen  nach  einem  Begriffe  des  Rechts,  ist  dann 
nar  ein  Versuch  das  Terrain  dieser  Schuldisciplin  zu  fixiren.  Dass 
darauf  die  Arbeit  des  Verf.  hinausläuft,  erhellt  bereits  aus  dem  Ge« 
sagten.  Mit  einem  solchen  Begriffe  des  Rechts  stimmt  es  überein,  wenn 
der  Verf.  (S.  6  9  ff.)  Gemeinsamkeit  der  Recbtsquelle  für  die  Einheit 
des  Rechts  gleichgültig  hält,  und  eine  erzeugende  Rechtsqwelle  we- 
nigstens insofern  negirt,  als  er  meint,  dass  Rechtsquellen  zur  Er- 
aeagung  des  Rechts  nicht  bestimmt  seien.  Die  Kritik  der  bisheri- 
gen Ansicht  über  den  Begriff  des  gemeinen  deutschen  Rechts,  welche 
mehr  als  die  Hälfte  des  Buches  (S.  36—106)  ausfüllt,  einer  Re- 
lation zu  unterwerfen,  scheint  bei  dem  Standpunkte  des  Verf.  über- 
flüssig. Brackenheef». 


JurisUache  Abhandlungen,     Von  Dr.  Hermann    Wasserschle^ 
ben^  Prof,  der  Bechte  an  der  Universität  Qieasen.   Oieasen  1857^ 

Diese  Schrift  verdient  vor  vielen  eine  eingehendere  Anzeige, 
als  ihr  bisher  in  den  öffentlichen  Blättern  zu  Theil  geworden.  Ihr 
Zobalt  ist|  o(ich  d«r  Vorrede,  den  Entscheidungsgründen  entnommeO| 


§14  WMierwhtebM:    iwriftiflcke  AbliaBdUufwi. 


die  der  Verf.,  ato  Referent  in  der  dem  Gienener  Spmchcoliegium 
2om  ürtheil  überwiesenen  Gräflich-Bentinek'ichen  ProBeesaache,  im 
J.  1852  SU  seinem  Urftheilsentwurf  auegearbeitet  hatte.  Da  dar  ge- 
dachte Proxess  durch  Vergleich  beendet  worden,  eo  sei  es  ihm,  sagt 
er,  nicht  unangemessen  erschienen,  diejenigen  Abschnitte  jenes  Be- 
ferats,  welche  ein  allgemeineres  wissenschaftliches  Interesse  darbe* 
ten,  in  sachgemässer  Umarbeitung  als  besondere  Abbandinng«n  n 
▼eröffentlichen. 

Gleich  die  erste  Abhandlung:  ^Von  den  rechtlichen  Wlrkanges 
des  Bandesbeschlusses  vom  12.  Juni  1845  und  des  Bescfalnsaes  dsr 
proTisorischen  Gentralgewalt  für  Deutschland  vom  8.  Not.  1849 
auf  den  griflich  Bentinck'schen  Erbfolgestreit^  ist  auch  die  pnbli- 
dstisch  wichtigste,  indem  sie  die  früher  in  den  Zeitungen  ▼fielteb 
besprochene  und  von  beklagter  Partei  —  mit  wekfaem  Rechte,  wiid 
sich  unten  zeigen  —  stets  als  „Gabinetsjustis^  dargestdlte  Einmi- 
schung des  vormäralichen  Bundestages  in  jenen  Streit  betrifft. 

Zum  Verständniss  dieser  Einmischung  muss  die  Eraihhaig 
ihres  Ursprunges  vorhergehen.  Das  Object,  um  welches  in  des 
Bentinck'schen  Erbfolgeprosess  gestritten  wurde,  war  bekaantiich' 
das  8.  g.  Aldenburgiscbe  Fideicommiss ,  bestehend  aus  den  Beir- 
Schäften  Varel  und  Kniphausen,-  mit  verschiedenen  Rechten,  und 
uns  bedeutenden  im  Hersogthum  Oldenburg  und  der  HtmdmA 
rfever  belegenen  Gütern,  welches  der  Graf  (Hersog)  Anton  Oflntkei 
von  OldenlHirg,  einer  der  bedeutendsten  Fürsten  sdner  Zeit,  mit 
dem  sein  Namen  erlosch,  auf  berechtigte  Weise  für  sonen  1633  ge- 
borenen unehelichen  Sohn,  den  1651  vom  deutschen  Kaiser  in  den 
l'reiherm-  und  1658  in  den  Reicbsgrafenstand  erhobenen  GralsB 
Anton  von  Aldenburg,  gestiftet  hatte.  Schon  mit  dem  gleichnna^ 
gen  Sohne  dieses  Grafen  Anton  von  Aldenburg  erlosch  sein  Manns- 
stamm,  und  dessen  einsige  Tochter,  Erbgräfin  Charlotte  Sophie  (geb. 
1715,  gest.  1800),  vermählte  sich  im  J.  1733  mit  dem  durch  kai* 
Aerliches  Diplom  vom  29.  Dec.  1732  in  den  Reicbsgrafenstand  er- 
iiobenen  hoUändischen  Edelmann  Wilh.  von  Bentinck. 

Nach  dem  Tode  des  Grafen  Anton  Günther  von  Oldenbuf 
(1667)  icam  Jeverland,  zu  dem  Kniphausen  gehört  hatte,  an  An* 
halt-Zerbst,  die  Grafschaften  Oldenburg  und  Delmenhorst  an  DiUie- 
mark,  und  erst  im  Laufe  unsers  Jahrhunderts  fielen  alle  drei  an  ilen 
jetst  im  Grossliersogthuro  Oldenburg  regierenden  Zweig  der  jflngen 
Holstein- Gottorpschen  Linie.  War  es  eine  Handlung  politischer  Will- 
kür, dass  der  Grossvater  des  jetzt  regierenden  Grossherzogs,  Henog 
Peter  Friedrich  Ludwig,  nach  der  Vertreibung  der  Franzosen  und 
seiner  Rückkehr  ans  Russland,  dem  regierenden  Grafen  Willk  Grn* 
stav  Friedr.  von  Bentinck,  der  dalieim  durch  zu  frühe  kühne  Er- 
hebung gegen  die  Franzosen  nahe  daran  gewesen  war  sehi  Leben 
zn  verlieren,  den  demselben  durch  die  französische  GewaltiMRadbtfJI 
entzogenen  Besitz  von  Varel  ond  Kniphausen  vorenäiieh,  SD  war 
^  dagegen  nur  in  seinem  Recht^  wenn  er  in  einem   Vertrag  von 


Waaendilebeii:    JMulitcbe  AbhandlongoiL  Sl5 

J.  1835,  durch  deo  der  Graf  wieder  in  Beeiti  keflUi  dem  letstem 
^e  Eigenschaft  dee  hohen  Adele  und  der  Ebenbürtigkeit  nicht  la* 
^aeteben  wollte,  auf  welefae  der  Graf  wegen  der  bevoraugten  Stel« 
hing  Anspruch  an  haben  glauben  mochte,  die  ihm  der  Vertrag  ein« 
vSamte.  Dieser,  unter  dem  Namen  des  „Berliner  Abkommens^  b^ 
kanat,  war  awiscben  beiden  dorch  Vermittlnn/T  Oesterreichs,  Preussens 
and  Ruaslands  au  Stande  gekommen,  und  die  Grosshersogüch  Olden- 
bnrgsche  Regierung  berief  sich  noch  viel  später,  in  der  22.  Bun* 
destagssitsung  §.  102  vom  4.  Juli  1844,  auf  „die  Erklärung,  welche 
die  Minister  der  „das  Berliner  Abkommen  von  1825  vermittehideB 
Mächte  dem  Grafen  von  Bentinck  auf  seinen  Antrag,  dass.  dem 
Art.  L  jenes  Abkommens  eine  nähere  Bestimmung  über  seine  per^ 
adnlichen  Rechte,  die  Verhältnisse  seiner  Familie  und  seinen  Rang 
eingeschaltet  werden  möge,  erth^t  habe.  „„Gegenstand  der  Ver- 
handlnngen^'^,  sagen  sie,  ist  ^^„das  staatsrechtliche  Verhältnisa 
der  Herrschaft  Kniphausen  und  der  Gräflich  Bentinck'schen  Familie, 
ao  weit  es  mit  dem  Besitz  dieser  Herrschaft  im  nothwendigen  Ztne 
aammenhang  steht  ...  In  Rechten,  welche  dem  Hrn.  Grafen  und 
dessen  Familie,  abgesehen  von  Kniphausen,  durch  Geburt 
und  Abstammung  zustehen,  kann  nichts  zu-  und  abgesetzt  werden. 
Aus  diesem  Grunde  bat  man  sich  auch  in  dem  14.  Art.  der  deut- 
schen Bundes-Acte,  welcher  das  Verbäitniss  der  ehemaligen  reidis- 
stfindichen  Fürstlichen  und  Gräflichen  Familien  betrifft,  jeder  Be- 
stimmung über  den  künftigen  Rang  dieser  Familien  enthalten  und 
sich  nur  auf  die  Erklärung  beschränkt,  dass  dieselben  nichtsdesto- 
weniger, d.  h.  ob  sie  gleich  im  J.  1806  und  seitdem  mittelbar  ge- 
worden, zu  dem  hohen  Adel  in  Deutschland  gerechnet  werden  und 
ihnen  das  Recht  der  Ebenbürtigkeit  in  dem  bisher  damit  verbunde- 
nen Begriffe  verbleibe.  Zu  einer  solchen  Erklärung  ist  aber  Im  vor- 
liegenden Fall  keine  Veranlassung  vorhanden,  theils  weil  Kniphau- 
sen früher  keine  Reicfasstandschaft  gehabt  hat,  theils  auch 
weil  es  gegenwärtig  nicht  in  der  Art  untergeordnet  wird,  als  es  mit 
den  ehemals  reichständischen  Territorien  geschehen,  und  daher  auch 
die  Verwahrung  überflüssig  ist,  welche  man  zum  Besten  dieser  wegen 
ihrer  Mittelanwendnng  für  nöthig  gefunden  hat  Gehörte  die  Gräfl. 
Bentincksche  Familie  sonst  zum  hohen  Adel  in  Deutschland  und 
atnnd  ihr  das  Recht  der  Ebenbürtigkeit  zu,  so  geniesst  sie  beide 
nnbedenklich  auch  jetzt  noch;  entbehrte  sie  dieselben  auch  früher, 
ao  können  sie  ihr  durch  keine  Erklärung  der  hohen  Mächte  ver- 
liehen werden.  ^^ 

EUeraus  geht,  wie  auch  Oldenburg  dadurch  darthun  wollte,  un- 
widersprechlich  hervor,  was  sich  im  Verlauf  unserer  Berichterstat- 
tong  als  besonders  wichtig  ergeben  wird,  dass  die  Regierungen  von 
Oesterreich  und  Preussen,  welche  das  Berliner  Abkonmien  vermit- 
teilen  —  die  Prenssische  durch  den  damaligen  Diractor  im  Mini- 
sterium des  Auswärtigen,  spätem  Staatsminister  Eichhorn  —  im 
Jahre  1826  nicht  die  Meinung  hatten,  dass  die  Eigenschaft  des 


816  WawericUebeii:    Jarutii^he  Al»lMiii<lliuiseii. 

kohen  Adels  and  der  EbenbOitigkeit  suin  Besiis  von  KnipimMii 
erforderlich  sei.  Im  Jahre  1826  überDahm  auf  Antrag  Oldeoborgi 
der  deutsche  Bund  durch  einstimmigen  Beschlnss  der  Bunde8▼e^ 
sammlang  die  Garantie  des  Berliner  Abkommens,  und  als  zwei  Jshn 
später  der  Bruder  des  eben  genannten  regierenden  Grafen  Beotinck, 
der  Englische  Generalmiy'or  Graf  Job.  Karl  Bentink,  durch  eme  Ein- 
gabe bei  derselben  gegen  die  Successionsfähigkeit  der  in  einer  to& 
den  beiden  Geistlichen  Varel's  (des  Wohnortes  des  Grafen  Benthick), 
auf  ihren  Amtseid  als  bestanden  beglaubigten  Gewissensehe  init 
Sara  Margaretha  Gerdes  eraeugten  und  durch  nachfolgende  kircb- 
liehe  Trauung  legitimirten  Söhne  seines  Bruders  Einsprache  eihob 
und  demgemfisse  Anträge  stellte,  ward  von  der  Bundesrersammlmig 
in  der  Sitaung  vom  28.  Juli  1828,  „unter  allgemeiner  Zustimmii]^ 
EU  dem  Antrage  der  Elngabencommission,  auf  Vorschlag  des  PrSBi- 
dii  beschlossen :  dem  Herrn  Grafen  Job.  Karl  von  Bentinck  eq  e^ 
öffnen,  dass,  da  es  nicht  im  Berufe  der  hohen  Bundesyersammliing 
liege,  seinen  bedingten  oder  unbedingten  Beitritt  au  dem  zwischeB 
Sr.  Durchlaucht  dem  Herzoge  von  Oldenburg  und  dem  Hm.  GnL 
Wilh.  Gustav  Friedr.  von  Bentinck  abgeschlossenen  VerUag  tob 
8.  Juni  1825  anzunehmen  oder  über  die  Rechte  Dritter,  weldie  bei 
diesem  Vertrage  auf  irgend  eine  Weise  betheiligt  sein  möchten,  n 
entscheiden,  die  Bundesversammlung  auch  seinem  dermaligen  G«* 
suche  nicht  stattzugeben  vermöge,  sondern  ihm  überlasaen  mSae, 
seine  Ansprüche  auf  gehörigem  Wege  zu  verfolgen.^ 

Der  klare  Sinn  dieses  Beschlusses  wird  noch  durch  die  Motive 
verstärict,  womit  die  Eingabencommission  ihren  Antrag  auf  denaal* 
ben  begründet  hatte:  ^Die  verschiedenen  neueren  Eingaben  da 
Hrn.  Grafen  Job.  Karl  Bentinck  hätten  den  alleinigen  Zwee^ 
die  Einschreitung  hoher  Bundesversammlung  dahin  zu  bewirken,  das 
ihm  und  seiner  successionsfähigen  Descendenz  die  unmittelbare  Haät 
folge  in  die  Herrschaft  Kniphausen  nach  dem  Ableben  seines  altem 
Hrn.  Bruders,  des  Grafen  Wilh.  Gustav  Friedrich,  gesichert  werde. 
Die  Zulässigkeit  dieses  Anliegens  bei  hoher  Bundesversammlmg 
setze  vor  allem -voraus,  dass  Hochderselben  die  Befugniss  zustdMi 
eine  dem  Wunsche  des  Hrn.  Grafen  entsprechende  Verfügung  xb 
treffen.  Solle  aber  hohe  Bundesversammlung  hierzu  für  competest 
erachtet  werden,  so  müsse  der  Grund  dazu  sich  in  der  durch  ifaiii 
Beschluss  vom  9.  März  1826  übernommenen  Garantie  der  Uebe^ 
einkunft  finden,  welche  am  8.  Juni  1825  zwischen  Sr.  DorchL  den 
Herzog  von  Oldenburg  und  dem  Grafen  WIUl  Gustav  Friedr.  ves 
Bentinck  geschlossen  worden  sei.  Erst  durch  diese  Uebereinkiiiil 
sei,  wie  auch  der  2.  Art.  derselben  ausdrücklich  sage,  Eniphaofles 
ein  Bestandtheil  der  deutschen  Bundeslande  geworden,  mithin  Mi 
durch  die  Modalitäten,  unter  welchen  dtirin  das  Verhältniss  ven 
Kniphausen  zum  Bunde  festgesetzt  worden,  die  Einwirlnuig  dal 
Bundes  auf  diese  Herrschaft  normirt.^ 

{Schutte  (olgl,) 


Hr.  52.  HEIDELBERGER  ISSI. 

JAHRBOCBER  des  LITERATUR. 

Wasserschleben :     Juristische  Abhandliuigen. 


(Scbluss.) 

^Hiernach  wolle  die  Gommission  nan  die  Zulässlgkeit  des  6e- 
soches  einer  ofiheni  Prüfung  unterziehen.  Durch  den  Berliner  Ver- 
trag sei  Graf  Wilh.  Gust.  Friedr.  von  Bentincli  in  Besiehung  auf 
Knipbausen  unter  näheren  Bestimmungen  in  den  Besits  und  Gecuss 
der  Landeshoheit  und  der  persönlichen  Rechte  und  Vorzüge  wieder 
eingetreten,  wie  ihm  dieselben  vor  Auflösung  des  deutschen  Reiches 
zugestanden  (Art  L).  Die  Hoheit  über  jene  Herrschaft  sei  so  wie 
sie  vorhin  bei  Kaiser  und  Reich  gewesen,  dem  Herzoglichen  Hause 
Oldenburg  zu  Theil  geworden  (Art.  2.).  In  allen  Civilstreitigkeiten 
der  Kniphausenschen  Unterthanen  solle  das  Oberappellationsgericht 
in  Oldenburg  die  Stelle  der  ehemaligen  Reichsgerichte  vertreten  und 
in  demjenigen  Fällen,  worin  die  Competenz  derselben  begründet  ge- 
wesen, nach  den  in  der  Herrschaft  geltenden  Rechten  erkennen 
(Art.  6.).  Denke  man  sich  nun,  dass  während  der  vormaligen  Reichs- 
Verfassung  ein  Mitglied  eines  mit  der  Landeshoheit  versehenen  Hauses 
irgend  einen  auf  die  Besitzungen  seines  Hauses  gerichteten  Succes- 
siousansprncb  erhoben  hätte,  so  wäre  dessen  Erledigung  in  verfas- 
sungsmiissigem  Wege  durch  die  angeordnete  Reichsjustizgewalt  — 
Austrage  und  oberste  Reichsgerichte  —  zu  bewirken  gewesen.  Jene 
Reichsjustizgewalt  sei  aber  für  alle  Civilstreitigkeiten  in  Bezug  auf 
Kniphausen  dem  Herzoglichen  Oberappellationsgerichte  zu  Oldenburg 
übertragen ;  einen  andern  Weg,  Civilstreitigkeiten  zu  erledigen,  wel- 
che sich  auf  Kniphausen  bezögen,  gebe  es  nach  dem  Vertrage  nicht. ^ 
„Schon  hiernach  würde  also  der  Hr.  Graf  Joh.  Karl  von  Ben- 
tinck  seinen  Successionsanspruch  der  Cognition  des  gedachten  Ober 
appellatiORSgerichtes  zu  unterwerfen  haben.  Der  Vertrag  weise  ihn 
aber,  zweitens,  auch  mit  ausdrücklichen  Worten  auf  diesen  Weg, 
wenn  es  in  dem  Art.  6.  dessdben,'  lit.  d,  heisse:  „j^In  allen  sol- 
chen Privatangelegenheiten  des  Hrn.  Grafen  und  der  Glieder  seiner 
Familie,  bei  welchen  zur  Zeit  des  deutschen  Reiches  die  höchsten 
Beichsgesetze  competent  gewesen  sein  würden,  sollen  diese  eben- 
falls durch  das  Oberappellationsgericht  zu  Oldenburg  vertreten  wer- 
den. ^^  Hier  handle  es  sich  aber  von  einem  Successionsanspruch, 
mithin  einer  Privatangelegenheit  eines  Gliedes  der  Gräflichen  Fami- 
lie, welche,  wie  oben  schon  bemerkt,  von  der  Art  sei,  dass  die 
höchsten  Reichsgerichte  darüber  zu  erkennen  gehabt  hätten.  Der 
Hr.  Graf  müsse  sich  freilich,  wenn  er  bei  dem  Oberappellationsge« 
L.  Jebrg.  11.  Hell.  gg 


•18  Watteiveklebcn:    Jarivtiidie  Abk«]i41i»ff«i. 

richte  zu  Oldenburg  gegen  selDen  Hm.  Bruder  klagend  auftrete,  ge- 
mKes  Art.  6,  Ht.  g  dea  Vertrages,  gefallen  lassen,  dase,  falls  site 
Gegner  darauf  antrage,  die  Acten  zar  Abfassung  eines  Urtheiki 
an  eine  deutsche  Jurlstenlacultftt  versendet  werden;  allein  wSre  sncli 
das  von  ihm  gegen  diese  Spruchcollegien  im  Allgemeinen  geäusserte 
Mlsstrauen,  wie  dies  gewiss  nieht  behauptet  werden  k9«ne,  dordi 
Erfahrung  einigermassen  begründet,  so  wurde  nichts  destoweniger 
die  Entscheidung  auf  dem  nun  einmal  bezeichneten  Wege  sa  er- 
warten sein^  ...  „Da  der  hohe  Beruf  einer  verehrlichen  Bunde8Te^ 
Sammlung  hochderselben  bloss  die  Handhabung,  Anwendung  ind 
Volistreckung  der  bundesgesetslicben  Normen  zur  Angabe  madie, 
so  könne  sie  sich,  ohne  durch  eine  dieser  Normen  dazu  auftoriiirt 
zu  sein,  das  Interesse  der  Legitimität  und  Ebenbtfrtigkeit  in  der 
Oräfllehen  Familie  von  Bentinek  nicht  als  Motiv  einer  deren  Eitel- 
tnng  bezielenden  Verfügung  dienen  lassen.^ 

„Alle^,  schloss  die  Commission  ihren  Bericht,  «bisher  nsdi 
Anleitung  des  eignen  Vorbringens  des  Hm.  Grafen  von  der  Goa- 
mission  erörterten  Beurtbeilungsmomente  führten  ihres  Ernchtens  « 
dem  Resultate ,  dass  die  Competenz  hoher  BundesversammloDg  tt 
keiner  Hinsieht  als  begründet  erscheinen,  «daher  dem  Hrn.  GeneMl- 
major  Grafen  Job.  Karl  von  Bentinek  zu  eröffnen  sei:  dass  setsan 
Gesuche,  als  an  sie  nicht  gehörig,  nicht  stattgegeben  werden  könza^* 

Die  beiden  Brüder  starben,  der  Graf  Job.  Karl  1833,  der  rs- 
gierende  Graf  Wilh.  Gustav  Friedrich  1835,  und  dem  letztem  folM' 
fai  Voraussicht  des  bevorstehenden  Prozesses  bedingnngsweiaa  vn 
Oldenburg  anerkannt,  sein  Sohn  Graf  Gustav  Adolf  von  BenlizA} 
gegen  welchen  non  der  älteste  Sohn  des  erstem,  Graf  Will».  Friede 
Christian  Bentinek,  königl.  niederländischer  Kammerherr,  der  Wa> 
sung  der  Bundesversammlung  gemäss,  seine  Ansprüche  auf  gehdi- 
gem  Wege  verfolgte  d.  h.  klagend  beim  Oberappellationageriehtt  k 
Oldenburg  auftrat  Im  Auftrag  des  letztern  entschied  in  erster  Is- 
stanz die  juristische  Facultät  von  Jena  im  Jahre  1842  ^in  der  Baspl* 
sache*^  dahin :  ;,dass  die  sämmtlichen  Klaganträge  des  Hm.  Klag« 
1)  auf  Heransgabe  der  Gräflich-^Aldenburg-Bentinckschen  Fld«cs0' 
missgüter;  2)  auf  Untersagnng  der  Führung  des  väterlichen  NaoMSik 
Titels  und  Wappens;  3)  auf  Ungültigkeit  der  von  dem  Hm  d^ 
klagten,  als  Inhaber  der  fraglichen  Fideicommissherrschalten  wi 
Güter,  vorgenommenen  Handlungen  nicht  stattfänden,  und  dass  dv 
Hr.  Kläger  die  gerichtlichen  Kosten  mit  Einschkiss  der  Versendwi»' 
kosten  und  Urtheilsgebühren  allein  zu  tragen  schnldig  seL*' 

Die  Gründe  der  juristischen  Facultät  von  Jena*)  hier  iifisl 
ausreichend  anzufahren  würde  der  Raum  fehlen*  Die  Faonkät  fSkm 
in  Debereinstimmung  mit  des  früher  angeführten  Ansieht  der  Vtf- 


*)  S.  Unheil  der  Juristeofacutlät  su  Jena,  befareffend  «lea  Üeicblffrllipt 
Beptinck'schen  Successioosfall.  Zum  Druck  befördert  durch  Dt.  C.  F.  Dlcdi 
Leipi.  hl  CommiBtiOD  bei  Beruh.  Tauchoitc  jun.,  1843. 


Wl0t6fff€lllMMn :     JVTlilitMM  AlHUIMhHI|f61l*  9t9 

mittler  des  Berliner  AbkommetiB  von  1825,  u.  a.  mn$^  9»^«««  die 
Reidiflfltandscliaft,  zu  welcher  Qraf  AntOD  y<Hi  AJdeobari^  besthmiit 
war,  nicht  zar  Wirltliehkeit  gfekommen  ist,  dase  die  Güter  dessel- 
beo  ...  nicht  au  einer  wiriclichen  Reichsgrafschaft  geworden  sind  ond 
also  die  darauf  beafiglleben  VerhanAongen  lieinen  Erfolge  mkI  lieia 
Object  mehr  gehabt  haben^ ;  femer  wies  si«  nach,  j^dass  die  Grafen 
Bentinck  keineswegs  in  die  Rechte  des  Aldenburg'schea  Qrafenbauses 
eingetreten  sind.  Ihr  Diplom  gibt  llmen  keineswegs  das  Recht,  sich 
mit  den  übrigen  (reichsständischen}  Grafen  an  versammehi,  8it8  nnd 
Stimme  anf  Reichs-  und  Grafentagen  au  führen.  B^  ihnen  wird 
die  Grafenwürde  nicht  an  die  Gebnrt  in  stehender  reehtmtfssiger 
Ehe  geknüpft,  sondern  der  Kaiser  erhebt  an  Grafen  des  Reitiis  und 
aeiner  erblichen  Reiehe  praenominatum  WilhelnHim  de  Benünek  am- 
oeaqne  et  singnlos  iiberos,  heredes,  posteroe  ac  descendentea  soos 
legitimes  utriasqne  sexoa,  natos  et  naseilttroa  etc.,  obgleich  der 
neue  Graf  damals  noch  nicht  yermäblt  war.  Es  heisst  alao  niciit 
legitime  natos,  ehelich  geboren,  sondern  diese  OrafenwUrde  soU  auf 
alle  legitime,  jetst  schon  vorhandene  und  künftige,  Naehkoonaen 
forterben,  woaa  die  durch  nachfolgende  Ebe  legitimirteB  nnalreitig 
gehören.^  Ans  den  Belegen  hierfür  in  den  Jena'seben  Eatsehei- 
dnngagründen  führen  wir  nur  Folgendes  an:  „Was  die  Saeoeseloii 
der  durch  nachfolgende  Ehe  legitimirteD  Kinder  im  AUgeoMine»  he* 
trifft,  so  kann  dieselbe,  zumal  wenn  nicht  von  Lehen  nnd  rei^ha- 
atitodisehen  Landen  die  Rede  ist,  keinem  Bedenken  unterworlea  sein. 
Wenn  der  Stifter  des  Pideicommiseea  darüber  nicbt»  Besewderea  ver- 
ordnet hatte,  so  bleibt  es  bei  dem  gemeinen  Rechte,  welches  den 
geehliehten  Kindern  dieselben  Erb-  nnd  PamÜieMrechte  aqgestehi, 
wie  den  in  der  Ehe  gebomen  nnd  sie  an  de»  ehelichen  Kindern 
reehnet  Dabei  begegnen  wir  auch  nur  einer  geringen  Meinang»» 
▼erscfaiedenheit' unter  den  Rechsgelehrten.  ...  Aocb  Mgt  die  nenere 
Gesetzgebung  der  Ansieht,  dass  die  nachfolgende  Ebe  den  aorrer 
gebomen  Kindern  volle  Successionsreebte  gebe.  Die  Freassi- 
echen  Gesetze  geben  den  durch  nachfolgende  Ebe  Legithnirten  Teile 
FamiTienrechte*).  Bei  Fideicommlssen  ist  davon  keine  Ausnahme 
gemacht  nnd  aUes  auf  die  Anordnungen  des  Stfllers  verwieeen^. 
Aber  da  geehlichte  Kinder  alle  Faraillenrecbte  haben,  so  kann,  in 
Ermangelung  beaonderer  Verordnungen,  die  Suecesslon  derselben 
^»en  so  wenig  wie  bei  Lehen  ^'^)  einem  Zweifbi  unterHegeuv  Im 
Kteigreich  Baiern  enthalt  das  Edict  vom  ^6.  Mal  1818  über  Fa- 
miUenfidetcommisse  Tit.  V.«$.  77.  die  ausdrückliche  Bestimmung: 
j,^die  durch  nachfolgende  Ehe  Legltimirten  werden  den  ehelich  Ge* 
bomen  gleich    geachtet.^^    Im   Oesterreiebiseben   Gesetzbneh 


^  ARvem.  ttadreckl,  tU.  ff,  Tit.O,  S-  506,  597,  598,  590,  $90.  Tit.  fll. 
§.  4.  Tit  IX,  S*  2ff. 

*•)  Dsfelbfi  ThL  11,  TiL  !V.  $.  IS^I, 

♦^)  Daielbit  TW.  I,  Tit.  XVin,  §•  360,  351, 


aSO  WMieiMUeben:    Jnriftuiche  AMiaadlttiige«. 

werden  die  durch  nachfolgende  Ehe  legitimirten  Kinder  unter  die 
ehelich  er  sengten  gerechnet  (§.  161)  und  die  Hinweiaung  auf 
die  Recbte  der  Erstgeburt,  80  wie  der  Umstand,  dasa  in  dem  X. 
Hauptst.  Th.  IL  $.  618  —  647  von  Nacherben  und  Fideicommissefi, 
ihrer  nicht  weiter  erwähnt  wird,  beweist,  dass  ihre  Suceessionsfäbig- 
keit  keinem  Zweifel  unterliegt^  Noch  zeigt  die  Facultät,  dass  keine 
besonderen  Statuten  des  Gräflich  Aldenburg-Bentinck^sehsD 
Familienfideicommisses  bestanden,  durch  welche  die  vor  der  Ehe 
gebornen,  aber  durch  die  Vermählung  der  Eltern  legitim  gewordeaco 
ausgeschlossen  wären. 

Gegen  das  Jenaer  Urtheil  legte  die  klägerische  Partei  Beru- 
fung ein,  und  die  Acten  wurden  zu  zweiter  und,  wenn  sie  jeoei 
bestätigen  würde,  die  Sache  rechtskräftig  entscheidender  Urtheibr 
fäilung  der  Giessener  RechtsiacuUät  übergeben.  Gleichzeitig  wandle 
jene  Partei  sich  aber  auch  wieder  an  die  deutsche  BundesversamD- 
lung,  und  wirklich  iiess  diese  sich,  ungeachtet  ihres  Beschlusses  foe 
1828  und  seiner  oben  mitgetbeilten  Motive,  so  wie  in  grellem  Wt> 
derspruche  mit  den  Jenaer  Entscheidungsgründen,  herbei,  durch  Be- 
schluas  vom  12.  Juni  1845,  zu  erklären,  „dass  der  Gräflichen  Fa- 
milie Bentinck  nach  ihrem  Standesverhältniss  zur  Zeit 
des  deutschen  Reichs  die  Rechte  des  hoben  Adels  und  der 
Ebenbürtigkeit  im  Sinne  des  Art.  14  der  deutschen  Bundeaacte  lo- 
stehen.'' 

Die  Wasserschleben'sche  Schrift  gibt  uns  für  eine  Anzeige  keise 
Veranlassung,  hier  zu  erzählen,  wodurch  und  auf  welche  Weise  eis 
solcher  Beschluss  ermöglicht  ward,   dies  und  wie   derselben  später 
zu  dem  von  Wasserschieben  erwähnten  ,) Vergleiche'  führen  konoter 
findet   der   Leser   in    zwei   Schriften    des     Unterzeichneten    mitga- 
theüt:  „Die  von  der  ehemaligeu  Bundesversammlung   und  der  ehe- 
maligen provisor.  Gentralgewalt  für  Deutschland  in  dem  GrSfl.  Bea* 
ünck'schen  Erbfolgestreit  beschlossen  und  auszuführen  versuchte  Ca-  ; 
binetajuatiz ,  aua  den  Bundeatagspcotocolien  etc.  dargelegt ,   FrankC, 
1850'   und:    „Zur   Kenntniss   und   Charakteristik   Deutsdilands  ie  | 
seinen    politischen,    kirchlichen,    literarischen    und    Rechtazuständee  | 
während  der  letzten  Jahrzehnte,  Frankf.,  1856',  S.  522—588.       \ 

Der  Beschluss  von  1845   war  nur   ein   Mehrheitsbeschlnss  gpr  1 
wesen,  und  von  den  ihm  zustimmenden  Regierungen   hatten   einige  I 
mit  mehr  oder  weniger  Bestimmtheit  erklärt,   dass  sie  damit   keiae  | 
Einmischung  in  den  obschwebenden  Rechtsstreit  beabsichtigten.   Nar 
mentlich  war  Oesterreich  dem  Beschlüsse  nur  mit  dem  Zusätze  btt-  ! 
getreten:     „Ob  und  welchen  Einfluss   die   Ausfertigung  dieser  Ba^  1 
stätigung  auf  anderweite,  dem  Bunde  nicht  vorliegende  Verhandloa- 
gen  haben  kann,  ob  und  welchen   Gebrauch  im  Prozesse  stehende 
Parteien  und  deren  Richter  von  dem  Bundesbeschlusse  machen  wer- 
den, ist  ein  wie  der  Cognition,  so  auch  der  Erwägung   des  Bnndee 
entzogen  bleibender  Umstand  etc.^    Gleichwie  jedoch  der  Anaschoee 
(Berichterstatter   der  damalige  holstein-Iauenburg'sche  Bundestage- 


WiMerselileben :    Juriatiidie  AMiaiidluiifeii.  881 

geBtoiäte  TOQ  Pecblln),  welcher  den  Beschlnss  vom  13.  Jnni  1845 
Torschlug,  in  seinen  Berichterstattungen  ganz  unverholen  für  den 
KlSger  gegen  den  Beklagten  Partei  genommen  hatte,  so  setzte  sieb 
auch  bis  zum  Jahre  1848  in  der  Bundesversammlung  die  Ansicht 
mehr  und  mehr  Test,  dass  mit  jenem  Beschluss  nicht  nur  die  Com- 
petenz  des  Bundes  erklärt,  sondern  der  Prozess  selbst  schon  ent* 
schieden  sei,  und  die  provisorische  Gentralgewalt  entnahm,  indem 
sie  eine  eigne  Prüfung  der  Sache  nicht  für  nöthig  hielt,  ibren  Be* 
scbluss  vom  8.  Nov.  1849  eigentlich  nur  den  vormärzlichen  Bau* 
defitagsacten ;  ihr  Beschluss  aber  lautete  in  der  Hauptsache:  „Die 
provisorische  Gentralgewalt  für  Deutschland,  als  Rechtsnacbfolgerin 
der  Bundesversammlung  und  kraft  der  von  dem  deutschen  Bunde 
dorch  Bundesbeschlnss  vom  9.  März  1826  tibemommenen  Garantie 
des  am  8.  Juni  1825  zwischen  Sr.  Kön.  Hob.  dem  Grossherzoge 
von  Oldenburg  und  dem  Hrn.  Grafen  von  Bentinck  wegen  der  staats- 
rechtlichen Verhältnisse  der  Herrschaft  Kniphansen  geschlossenen 
Uebereinkommens,  erklärt,  dass  die  aus  der  Verbindung  des  Grafen 
Wilhelm  Gustav  Friedrich  Bentinck  mit  Sara  Margarethe  Gerdes 
entsprossene  Deecendenz  als  der  Familienrechte  des  Gräflich  Ben- 
tinck'schen  Hauses  untheilhaftig  und  daher  als  unfähig  zur  Erbfolge 
and  Regierung  in  der  Herrschaft  Kniphansen  zu  betrachten  ist.^ 
Za  einer  Erklärung  dieser  Art  hatte  sieb,  wie  wir  oben  sabeu,  die 
Bandesversammlung  im  J.  1828  ans  demselben  Grunde  der  vom 
Bunde  übernommenen  Garantie  des  Berliner  Uebereinkommens,  für 
nicht  berechtigt  erklärt. 

Die  angeführten  Beschlüsse  der  Bundesversammlung  von  1845 
ond  der  provisorischen  Gentralgewalt  von  1849  waren  erst  nach 
dem  Urtbeil  erster  Instanz  und  im  Gegensatz  zu  diesem  eingege- 
treten.  Es  konnte  indess  nicht  zweifelhaft  sein,  welche  Bedeutung 
das  aliein  competente  und  durcli  einstimmigen  Bundesbeschlnss  als 
allein  competent  anerkannte  hohe  Gericht  beiden  beilegen  werde. 
Schon  vor  dem  Erscheinen  der  Schrift,  deren  Anzeige  uns  hier  be- 
schäftigt, hatte  ein  unparteiischer  Jurist,  der  keiner  der  beiden  Par- 
teien als  Gonsulent  gedient,  Zachariä  in  Göttingen,  in  der  2.  Aufl. 
seines  deutschen  Staats*  und  Bundesrechtes,  Göttingen  1853,  Bd.  I, 
S.  466,  bewirkt:  „Abgesehen  von  der  sehr  zweifelhaften  Gompe- 
tenz  der  Bundesversammlung  zur  Abgabe  einer  solchen  Erklärung 
(des  Bundesbeschlusses  v.  12.  Juni  1845)  wird  die  Bedeutung  der- 
selben für  die  gerichtliche  Entscheidung  des  anhängigen  Rechts- 
streites zweifellos  nach  den  anerkannten  Grundsätzen  über  Selbst- 
ständigkeit des  Rlcbteramtes  zu  beurtheilen  sein^  und:  „Ein  anf 
Aosführung  (?)  dieses  Beschlusses  gerichteter  leichtsinniger 
Erlass  des  Reichsjustizministeriums  vom  8.  Nov.  1849  hat  glück- 
licherweise keinen  Erfolg  gehabt.*' 

„Während  der  Hr.  Kläger^,  heisst  es  bei  Wasserscbleben,  ^in 
der  ersten  Instanz  des  Successionsstreites  und  noch  zu  Anfang  dei 
Verhandlungen  zweiter   Instanz  die  Zuständigkeit   des   Oberappelia- 


an  W«fMff*eUelka:    J«riftiMhe  AUandloMm 

UODtceriofafts  st  Oldenburg  für  die  rectatUebe  Entaebeidiiiig 
ober  tu  dieseoi  Prozesse  vorliegenden  Streitfragen  auf  Omnd  des 
Berliner  AbkeuMnens  (Art  VI)  nirgend  besweffelt  hatte»  seigeii  be> 
reite  seine  Gesuche  bei  der  BnndesFersammlitng  im  MSrs  und  Mm 
18i3,  dass  derselbe  die  Entscheidang  der  Prl^adlelalfrage  Ober  des 
hohen  Adel  der  ReiebsgrUich-Bentinck'sdieD  Familie  durch  die  Bm- 
desTersammlang,  mit  Umgehung  und  AnsschlieBsnng  des  Oberappel- 
latienagerichtSy  erstreble,  und  nachdem  der  oben  erwähnte  Bendes- 
beschlusB  ▼.  J.  1845  erfolgt  war,  wurde  wiederholt  nnd  anadrSek« 
lieh  Uftgerfscberselts  die  ausschliessliche  Gompetens  der  Bnndeaver* 
Sammlung  binsiditlich  jener  Frage  behauptet.  Hiernach  galt  also 
das  Oberappellationsgericbt  doch  immer  noch  wenigstens  aar  En^ 
aeheidung  der  übrigen  Streitpenkte  für  competent,  später  jedoch  ist 
auf  Grund  eines  angeblichen  Bundesbeschlusses  vom  8.  Nov.  1849 
die  Ansteht  aufgestellt  worden,  dass  nunmehr  die  Nachfolge  in  die 
Herrschaft  Eniphaosen  als  eine  Staatssache  anerkannt  und  jeder 
dvUrichterlichen  Gompetens  und  Entscheidung  entzogen  worden  ad, 
dass  überhaupt  der  Successionsproaess  In  einer  Sache,  welche  keias 
Juatfa-  und  Privatsache,  sondern  eine  Staats-  und  Regierung^aange* 
legenbeit  sei,  bisher  vor  einem  incompetenten  Gerichte  geföbrt,  mad 
soweit  er  Eniphaosen  und  den  Stand  der  Bentinck'schen  FamUfts  be- 
treffe, durch  die  allein  competente  Behörde  rechtskrIKfdg  entadiiedaB 
worden,  nnd  dass  diese  Entscheidung  auob  auf  die  tibrigen  Ben» 
tinek'scheB  Beaftrangen  and  Famiiienrechte  wenigstens  von  efoeoi 
präjudicirllchen  Einflüsse  sei.^ 

Nachdem  Wasserscbleben  sich  hiergegen  aul  das  Berliner  Ab- 
kommen und  die  schon  früher  von  uns  angesogene  Auslegung  dee- 
selben  durch  die  Bundesversammlung  selbst  bezogen,  fährt  er  fort: 
loschen  aar  Zeit  des  deutschen  Reiches  war  die  Unabhängigkeit  der 
Reichsgerichte  in  Ansehung  der  Rechtspflege  von  dem  Einfluaae  des 
Kaisers,  wiederholt  gesetzlich  anerkannt,  gegen  Eingriffe  der  Lai^ 
desherren  in  den  Wirkungskreis  und  die  Selbstständigkeit  der  Ge- 
richte gewährten  die  Reichsgerichte  den  erforderlichen  Schute,  ui 
auch  nach  Auflösung  des  Relcfas  gilt  in  Folge  eines  coastanten  Ober- 
all  anerkannten  Rechtssataes  jede  Einmischung  dea  Regenten  oder 
der  Staatsregiemng  in  die  Rechtspflege,  jede  Gabinetflgustis  ak  n- 
aoUssig,  worans  von  selbst  folgt,  dass  das  oos^ietente  Gericht  nicht 
verpflichtet  sein  kann,  sich  derartigen  in  sein  Richteramt  übergiei- 
fenden  Entscheidungen  zu  fügen.  Dieser  Grundsatz  der  Selbatatäa* 
digkeit  der  Gerichtshöfe  ist  durch  die  provisorische  Competensbeatim- 
mang  der  deutschen  Bundesversammlung  v.  12.  Juni  1817  lit  G. 
§.  5.  Nr.  3  a,  durch  die  Wiener  Schlussacte  v.  Jahre  1820,  Art.  29, 
und  auch  in  späteren  Protocolien  der  Bundesversammlung  wiedsr- 
hoit  anerkannt  und  bestätigt  worden.  In  den  ^j^Deutschen  Grend^ 
rechten««  endlich  Art  10.  §.  175  (Reichsgesetzblatt  Nr.  16)  war 
die  Selbstständigkeit  der  richterlichen  Gewalt  ausdrücklich  gerantift 
und  Gabtaieta^  so  wie  Ministerialjustiz  ausdrüekUch  für  itn«*,,^nft 


W«iMrMUd>ent    Jnriatiicbe  AMudluBgea.  823 

aildirt  wotden.  Da  non  auf  Grund  dM  Berliner  Abkommens  Art.  VL 
lit.  d.  die  Entscheidung  des  vorliegenden  Successionsstreltes  cur  ans* 
aeUiesslicben  Competenz  des  0.-A.-6ericbtes'  zu  Oldenburg  gehörte, 
0«  hatte  die  Bundesversammlung  sowohl  kraft  der  von  ihr  am 
9.  Mftrz  1826  ausdrücklick  übernommenen  Garantie  jenes  Abkom** 
mens,  als  wegen  Art.  29  der  Wien.-S.-A«  die  Verpflichtung  und  Be* 
fogniss,  falls  diese  Competens,  so  wie  der  durch  dieselbe  begründete 
Bechtssustand  verletzt  und  verkümmert  wurde,  auf  Anrufen  des 
Betheiligten  einzuschreiten  und  die  Einhaltang  des  geordneten  Rechts«- 
weges  zu  bewirken.  ...  In  keinem  Falle  hittte  die  Bundesversamm- 
lung ein  selbststfindiges  Entscheidungsrecht  des  Prozesses,  da  ein 
solches  sowohl  mit  der  übernommenen  Garantie  des  Abkommens, 
als  mit  den  Grundgesetzen  und  dem  rechtlichen  Charakter  des  Bun* 
des  selbst  im  Widerspruch  stehen  würde.  Wenn  daher  die  beiden 
Jüngern  Brüder  des  Hrn.  Klägers,  die  Grafen  Karl  Anton  Ferdinand 
und  Heinr.  Job.  Wiih.  von  Bentinck,  sich  unter  dem  23.  Aug.  1847 
SD  die  Bundesversammlung  wandten,  um  diese  zu  neuer  Entschei- 
dang  des  schwebenden  Prozesses  zu  veranlassen,  so  konnte  dies  auf 
das  Urtheti  des  allein  competenten  Gerichtes  Irgend  ^nen  Einfluss 
nicht  ausüben,  auch  war  zu  erwarten,  dass  die  Bundesversaonnlnag 
einen  ganz  ausserhalb  ihrer  Berechtigung  liegenden  Besehluss  im 
Sinne  der  Imploranten  nicht  fassen  werde.  Bevor  ein  Bescheid  er- 
ging, trat  in  Folge  der  polit.  Bewegungen  des  Jahres  1848  an  die 
Stelle  der  sich  auflösenden  Bondesvers,  der  Erzherzog  Johann  als 
Reichsvetweser  an  die  Spitze  Deutschlands.  Aul  ein  bei  der  «„pro- 
visor.  Centralgewalt^*^  erneuertes  Gesuch  der  beiden  genannten  Gra^ 
fen,  erfolgte  am  8.  Nov.  1849  eine  Entscheidung  des  Reichsver- 
wesers^  (oben  mitgetbeilt).  «Dass  diese,  übrigens  ohne  practische 
Folgen  gebliebene  «,^ Erklärung^''  juristisch  nichtig  ist,  bedarf  nach 
der  obigen  Ausführung  keines  Beweises  mehr.  Die  von  der  j^^pro^ 
▼isorischen  Centralgewalt''^  angetretene  Erbschaft  der  Bundesver- 
sammlung und  die  Garantie  des  Berliner  Abkommens  konnte  dem 
Baichsverweser  nimmermehr  die  Befugniss  zu  einem  Machtspruche 
vsrleiheBi  weicher  völlig  ausserhalb  der  Competenz  der  Buodesver- 
sasamlung  lag  und  eine  Verletzung  der  garantirten  Bestimmungen 
des  Abkommens  involvirte,  und  welcher  ausserdem  zu  dem  jede  Ga- 
binetsjostiz  ächtenden  allgemeinen  Rechtsbewusstsein  und  den  klaren 
Normen  der  n,, Grundrechte^^  in  dem  grellsten  Widerspruche  stand  ete.^ 
Nach  diesen  und  weiteren  Ausführungen  wfrd  bei  Wasserschie- 
ben «die  Frage  bejaht,  ob  das  O.-A.-Gericht  in  Folge  des  sogen. 
Buadesbeschiusses  vom  8.  Nov.  1849  überhaupt  noch  competent 
war  zur  Entscheidung  des  Prozesses.^  Eben  so  wird  die  andere 
Frage,  ob  diese  Competenz  sich  auch  auf  die  Entscheidung  des  den 
hohen  Adel  betreffenden  PrSjudictalpunktes  erstrecke  oder  diese  nicht 
vielmehr  der  Bundesversammlung  zustehe,  und  ob  nicht  in  Folge 
dessen  die  durch  den  Bundesbesdbluss  v.  12.  Juni  1845  für  die 
Gräfl.  Bentinck'sche  Familie  ausgesprochene  Zuerkennung  des  hohen 


824  WaMencUebent    JarUiUcbe  AblMUndlmigeB. 

Adels  ab.  prajadiclrlich  und  rechtsTerbindlieh  fttr  deo  in  der  Haupt* 
sacbe  erkennenden  Richter  zu  betracLten  aei^,  dabin  enscbiedea, 
^dasfl  das  0.-A.-6ericbt  durch  jenen  Bundesbeschlosa  in  keinem 
Falle  verhindert  war,  die  Frage,  ob  die  Gräflich  Bentinck*ache 
Familie  dem  hohen  Adel  angehöre,  völlig  unabhängig  and  sdbet- 
ständig  EU  prüfen  und  seine  hierdurchgewonnene  Ueberseugung  ia 
dem  Successionsstreit  als  Entscheidungsgrand  geltend  zu  maeben.* 
Die  dieser  Entscheidung  vorhergehende  ausführliche  Erörternng  der 
einschläglichen  Thatsachen  und  rechtlichen  Gesichtspunkte  achliesst 
wie  folgt:  Die  Bundesversammlung  hat  mithin  durch  einen  beson* 
dern  Gnadenact  der  Bentinck*schen  Familie  wegen  deren  Standes- 
verhältnisse zur  Zeit  des  Reichs  die  Rechte  des  hohen  Adels  and 
der  Ebenbürtigkeit  in  dem  Sinne  verliehen,  wie  die  sogen.  Mediati- 
Hirten  dieselben  auf  Grund  des  Art.  14  der  Qundesacte  besitseo. 
Diese  Verleihung  wirkt  natürlich  nur  für  die  Zukunft  und  lasst  die 
Frage,  ob  die  gedachte  Familie  bereits  zur  Zeit  des  Reichs  nun 
hoben  Adel  gehörte,  ganz  unberührt  etc.^ 

„Man  (Hr.  Dr.  Tabor  in  Frankfurt)  hat  endlich  dem  mehrer- 
wähnten Bundesbeschluss  wenigstens  die  Kraft  und  Bedeutung  ein« 
Zeugnisses  vindlcirt,  welches  der  Richter  auf  keinen  Fall  ganz  igno- 
riren  dürfe.  Allein  ganz  abgesehen  davon,  dass  dadurch  die  Gom- 
petenz  des  Richters  gerade  anerkannt  erscheint,  so  würde  soicbea- 
falls  der  Richter  sowohl  die  formelle  Statthaftigkeit,  als  das  mate- 
rielle Gewicht  eines  solchen  ,,,,  Zeugnisses  ^^  frei  und  selbstständif 
zu  prüfen  haben,  und  in  letzterer  Beziehung  würde  jener  Beschlaas 
für  die  vorliegende  Frage  völlig  irrelevant  erscheinen,  da  aus  dem- 
selben gar  nicht  mit  Bestimmtheit  hervorgeht,  dass  die  Familie  Ben- 
tinck  zur  Zeit  des  Reichs  sich  in  solchen  Verhältnissen  befunden 
habe,  welche  die  Bedingung  und  Voraussetzung  des  damaligen  hobeo  ' 
Adels  gewesen  sind.^  I 

Die  mehrerwähnte   ^Präjudicialfrage^,   „nämlich   die  über  den   ! 
hohen  Adel  der  Familien  Aldenburg  und  Bentinck^  nennt  die  Was-   | 
serschleben'sche  Schrift  „die   fast  wichtigste  und  zar  Entscheidali;   | 
in  der  Hauptsache  einflussreichste^,  und  beginnt  „die  Prüfung^  der- 
selben mit  der  aUgemeinen  Bemerkung:     „Es  ist  nicht  zu  verkea-   i 
nen,   dass,   wie  auf  andern  Gebieten,  so  auch  auf  dem  der  Joris-   | 
prudenz,  zahlreiche  irrthümliche,  einseitige  und  beschränkte  Ansich*   I 
ten  sich  von  einer  Generation  zur  andern  vererbt  und  so  traditioneB   ' 
erhalten  haben,  bis  in  unserer  Zeit  durch  tiefer  eingehende,  bis  da* 
hin  aus  Bequemlichkeit   oder  dem  hergebrachten   Autoritätsglaobea 
unterlassene,  Untersuchungen  der  bisherige  Nimbus  der  Unfehlbarktit 
durchbrochen  und  die  Mängel  und  Irrthümer   der   früheren   Aoffas^ 
sungen  aufgedeckt  worden  sind,  und  unläugbar  hat  gerade  der  Bes- 
tinck'sche  Erbfolgestreit  in  dieser  Beziehung  einen  sehr  wohlthätigen    | 
Reinigungsprozess  in  der  Rechtswissenschaft  veranlasst  und  befördert; 
allein  hinsichtlich  der  vorliegenden  Controverse  muss  gerade  umg^    1 
kehrt  behauptet  werden,  dass  die  bisher  herrschende  Theorie  in  Folg« 


Waiserflcbleben :    Jurittiiehe  Abliandlunfeii.  835 

des  klXgerischer  Seits  dagegen  erhobenen  Widerspruchs  und  der  da- 
doreb  und  ausserhalb  des  Kreises  der  Prozessschrifteo  igigeregten 
wisseoschaftllcheD  Untersuchungen  sich  als  begründet  bewährt  und 
an  Klarheit,  wie  überzeugender  Kraft  nur  gewonnen  hat,  obsdion 
einige  nnsrer  Rechtslehrer^  (doch  wohl  nur  solche,  die  zugleich  Con- 
sülenten  der  kISgerisehen  Partei  gewesen  sind),  ^dem  blendenden 
Wesen  der  Tabor'schen  Oegenlheorie  bis  jetzt  nicht  haben  wider* 
stehen  können.'^ 

Diese  Gegentheorie  führt  Zachariä  S.  449  a.  o.  a.  0.  mit  den 
Worten  an:  ^dass  sich  nach  dem  Reichsstaatsrecht   des  18.  Jahrb. 
efai  Theil  des  reichsunmittelbaren  Adels  als  ein  höherer  Stand  von 
dem  übrigen  unterschieden,   und   dass  das   Wesen   dieses   böhern 
oder  hohen  Adels  in  dem  Besitz  der  reichsf ürstiichen  oder 
reichsgrSf liehen  Würde,   verbunden  mit  der  Landeshoheit 
über  ein  reichsnnmittelbares  Gebiet,  also  in  der  Eigen«- 
schaft  eines  regierenden  Herrn,  oder  wenn  man  die  Reichs* 
Btandschaft  damit  in  Verbindung  bringen  wolle,   in  der  persönlichen 
und  dinglichen  Reichsstandschaftsfähigkeit  bestanden  habe.'' 
Zachariä  fügt  hinzu:  „Eine  Zeitlang   habe   auch   ich   diese  Ansicht 
IQr  die  richtige  gehalten,  muss   aber   bei   wiederholter   Prüfung   der 
Sache  bekennen,  dass  ich  zu  der  herrschenden  Meinung,  welche 
beeonders   durch   die  gründlichen  Ausführungen   der  Entscheidangi- 
^önde  des  Urtheib  der  Jenaer  Juristenfacultät  in  der  Bentinck'schen 
Sache  und  in  der  gründlichen  Schrift   von   Göhrum  (Geschicht- 
liche Darstellung  der  Lehre  v.  d.  Ebenbürtigkeit  etc.,   2  Bde.  Tüb. 
1846}  gestützt  worden  ist,  zurückzukehren  genüthigt  bin.^ 

Diese  „herrschende^  oder,  wie  Zachariä  sie  auch  nennt,  jgge* 
wohnliche**  „Meinung^  war  auch  von  der  Oldenburg'sehen  Re- 
g;ierung,  wie  früher  bei  den  zu  dem  Abkommen  von  1825  in  Ber- 
lin, 80  später  bei  den  zu  dem  Bnndesbeschluss  von  1845  führenden 
Verhandlungen  in  Frankfurt  festgehalten  und  so  eifrig  als  gründlich 
vertreten  worden.  Der  Unterzeichnete  in  der  zweiten  seiner  oben 
^eifannten  Schriften  sagt:  „Der  ehemalige  Oldenburg'sche  Minister 
nnd  frühere  Bundestagsgesandte  von  Berg,  Vater  des  jetzigen  Olden« 
bargisehen  Ministers  gleichen  Namens,  war  gleich  dem  Jenaer  Re- 
rerenten  (Staatsrath  Prof.  Schmid)  noch  zur  Zeit  des  deatschen  Rei- 
sbes  Professor  der  Rechte  an  einer  deutschen  Universität  (Göttingen) 
[gewesen  und  kannte  das  Reichsstaatsrecht,  über  welches  Bücher  von 
bm  vorhanden  sind.  Aber  das  jüngere  Geschlecht  der  Juristen 
connte  erst  durch  Fälle  wie  der  Bentinck'sche  Prozess  veranlasst 
rerden,  sich  mit  einem  Rechte  wieder  bekannt  zu  machen,  welches 
liebt  mehr  in  Uebung  war,  und  bis  sie  das  gethan,  gelang  es  dem 
gewandten  klägerischen  Advocaten  Tabor  für  eine  ganz  aus  der 
jtift  gegriffene  Theorie,  wie  sie  ihm  eben  für  seine  Partei  gepasst 
Lod  nothgethan  hatte,  den  Beifall  nicht  nur  einiger  Bundes- 
ngrsg^esandten ,  sondern  selbst  einiger  neueren  Staatsrechtslehrer  za 
"eirrinnen.' 


n 


836  WaMeneUcben:    JurittiMhe  AUumAiwgeB. 

Di«  EotseheldotigafrliDde  des  Jenaer  Drtheiis  waren  sofort  mhI 
die  geflJBBjMitlicliBte  Weiae  verlästert  und  in  Miseacfatong  gebimdkl 
worden.  In  der  durch  eine  von  Heffter  in  Berlin,  nie  einem  dar 
Ooneulenten  des  Klägers  und  seiner  Brüder,  verfaseien  Deukechrift 
untersttiuten  Vorstellung,  worin  diese  im  J.  1843  ihre  Bitte  im 
^Anerltennung''  ihres  hohen  Adels  bei  der  Bandesversammlnng  be- 
gründeten, wurde  n.  a.  gesagt :  Die  Jenaer  Urtheilsissaer  aeiea  bdt 
durch  ein  „unbegreifliches^  Missverständniss  oder  Uebersehen  ,ab* 
gehalten^  worden,  „zu  Gunsten  des  Klägers  su  entscheiden^  und 
älwHch  hiess  es  in  dem  entscheidenden,  von  dem  damaligen  holatain* 
lanenburgischen  Bundestagsgesandten ,  Hrn.  von  Pecblin  verlassteB 
Gommissionsgntachten ,  Buudestagsprot ,  1844,  S.  571:  „Tabor's 
„„Beitrag  aur  Bestimmung  des  Rechtsbegriffes  des  hohen  Adels'^' 
musste  von  der  Facuität  su  Jena  gänslich  missverstanden  werden, 
um  beseitigt  eu  werden.^  Der  Unterseichnete  iconnte  a.  o.  O.  er* 
wähnen,  selbst  andere  Bundestagsgesandten  hätten  Aergeroiss  danui 
genommen,  dass  der  Berichterstatter  der  Oommisslon  und  Abfasscr 
jenes  Gutachtens,  welches  eine  unverhüllte  Partei-  oder  Advocaten- 
Bohrift  für  den  Kläger  sei,  mit  diesem  und  seinem  genannten  Ad* 
veeaten  in  Verkehr  gestanden,  von  ihnen  das  Material  und  doch 
wohl  auch  die  Giedaalcen  au  seiner  Arbeit  erhalten  hätte«^ 

Auf  welche  Welse  der  Bentinck'sche  Prozess  durch  einen  nnr 
uneigentlich  so  zu  nennenden  Vergleich  beendet  ward,  in  welGhon 
der  bei  dem  competenten  Gericht  siegreiche  Beklagte  so  au  aagen 
unterlag,  gehört  nicht  hierher,  kann  auch  in  der  Schrift  des  Unter- 
zeichneten nachgelesen  werden.  Die  nachmärzliche  Bundeaversanun* 
lung  stellte  sich  zwar  (Wassersohleben  S.  8)  in  einigen  Commis- 
sionsgutaehten  auf  den  Standpunkt  des  Bundesbeschlusses  t.  24.  Jolt 
1828  zurück  und  begründete  u.  a.,  dass  die  provisorische  Central- 
gewalt  f.  D.  durch  ihren  Beschluss  vom  8.  Nov.  1849  die  der  Bon- 
desrersammiung  durch  ihre  Garantie  des  Berliner  Abkommens  an- 
stehende Berechtigung  überschritten  habe,  die  ganze  Sache  war  aber 
bereits  dem  Einflüsse  des  Bundes  anderweitig  entzogen,  und  ak 
Oldenburg  unter  der  Regierung  des  jetzigen  Grossherzogs  sieh  aBtt 
Aalig;ebung  des  bis  dahin  von  dem  Vater  des  letztern  stets  featga' 
haltenen  und  vertheidigten  Bechtsstandpunktes  plötzlich  za  d«n  An* 
sichten  der  entschiedensten  Anhänger  des  Baadesbeschluasea  von 
1845  bekehrte,  sah  sieh  der  Beklagte^  um  nicht  alles  eu  vediereni 
genöthigt,  in  die  Sistirung  des  täglich  erwarteten  Giesseaer  UrtbaSs 
zu  willigen,  und  sich  eine  „Abfindong^  gejalleo  zu  lassen,  aadh 
welcher  er,  neben  Anerkennung  seines  Familienstandes  durch  Olden* 
bürg  auf  Grund  des  kirchlichen  Diploms  von  1732,  etwas  über  ein 
Drittel  der  Geldsumme  erhielt,  für  welche  Oldenburg  das  gesanunta 
Aldenburgiache  Fideicommias  an  aich  nahm. 

Aus  der  Wasserschleben'schen  Schrift  führen  wir,  weil  wir  aidit 
noch  mehr  Baum  für  diese  Anzeige  in  Anspruch  nehmen  zu  durte 
glauben,  nur  noch  den  Urtheilsentwurf  an:    „Dass  sänimtlidie  Ein- 


Witi0ffiobl»bcii:    JartotiMke  AUnDdlttMreB.  817 

weBdniige&  des  Hm.  Klä(^ni  wider  die  SuceessioufähigkeU  des  Hrn. 
Beklmg^teo  nnbegröndet  und  nutbin  die  beiden  ersten  IdXgerischen 
AotrSge,  dabin  lautend: 

1)  dass  dem  Hrn.  Beklagten  die  Fttbrnng  des  Grlflicb  Alden- 
borgiscben  Namens,  Wappens  und  Titels  abzuerkennen,  und 

S)  dass  dem  Hm.  Kläger  die  Successioa  in  die  GrXflieb  Aiden* 
bnrgischen  Ftdeleommissberrscbaften,  Güter  nnd  Zabeh5mngen,  wie 
selche  Ton  dem  letstregierenden  Grnfen  besessen  wurden  oder  aiiai 
Griflich  Aldenburgischen  Fideicommisse  gehören,  Busnerkennen,  und 
demnach  der  Hr.  BdElagte  sur  sofortigen  Räumung  der  fraglichen 
Herrsdiaften  und  Güter,  so  wie  sur  Restitnirang  aller  gesogenen 
oder  zu  siebenden  Revenuen,  Zinsen  und  Früchte  schuldig  sei,  so« 
weit  nicht  in  der  Zwischenseit  hierüber  unter  den  Parteien  auf  reobls« 
beständige  Weise  translgirt  worden  ist,  au  verwerfen  sind. 
Anlangend  endlidi  den  Klageantrag:  „Dass  alle  seither  während 
des  unrechtmässigen  Besitzes  geschlossenen  Verträge,  erlassenen 
Gesetae  und  Verordnungen,  Dienstanstellungen  oder  sonstige  Be- 
gierungsbandlungen  für  den  Kläger  als  null  nnd  nichtig  zu  machten^, 
^ee  erledigt  sich  derselbe  nach  Zurückweisung  der  vorigen  Anträge 
von  selbst  ...  Ans  der  Zurückweisung  dieser  drei  ursprünglichen 
EJaganträge  folgt  von  selbst,  dass  die  Revistons-Hanptbesehwetden 
onhaltbar  sind,  und  das  vorige  Urthetl  in  der  Hanptsache  veilkom'^ 
Bsen  begründet  ist^ 

Haben  mehrere  deutsche  Juristen  nnd  Staatsrechtslehrer  als 
Gonsulenten  des  Klägers  öffentlichen  gerechten  Tadel  erfahren  kön* 
Den  und  ruhig  hinnehmen  müssen,  so  haben  dagegen  die  deutschen 
Rechtsfacultäten  in  Beziehung  auf  die  Bentinck'sche  Prozesssaehe 
das  Vertrauen  nidit  getäuscht,  welches  die  Bundesversammlung  von 
1828  in  sie  setzte.  „Der  Hr.  Graf  (Job.  Karl  von  Bentinck)  müsse 
steh  freilich^,  sagte  u.  a.  damals  noch  die  betretende  Bundescom- 
mission,  „wenn  er  bei  dem  Oberappellationsgerichte  zd  Oldenburg 
g«gen  seinen  Hrn.  Bruder  klagend  auftrete,  gemäss  Art.  6^  Ht  g 
des  Berliner  Abkommens  gefallen  lassen,  dass,  falls  sein  Gegner  darauf 
antrage,  die  Acten  zur  Abfassung  eines  Drdieils  an  eine  deutsche 
JnristeiiCBCuhät  versendet  werden;  allein  wäre  auch  das  ven  Ihm 
gegen  diese  Sprvchcollegien  im  Allgemeinen  geäusserte  Hisstrauen, 
wie  dies  gewiss  nicht  behauptet  werden  könne,  durch  Erfabrong 
eioigermassen  begründet,  so  würde  nichtsdestoweniger  die  Entschei* 
düng  auf  dem  nun  einmal  bezeichneten  Wege  zn  erwarten  sein.^ 

Nichtsdestoweniger  bat  man  die  auf  diesem  Wege  er- 
folgende Entscheidung  theils  für  nichts  geachtet,  theils  nicht  „er* 
wartet^;  und  wen  davon  die  Schuld  treffe,  wird  die  Geschichte  ra 
der  SchUdernng  der  deutschen  Rechtsaustände  unsrer  Zeit  nicht  un^ 
erwähnt  und  unbeachtet  lassen  können. 

Frankfurt  a.  N.  im  Octob.  1857.  AUS*  Bodeii, 


838  Pieehioni:    Del  mimo  illegorieo  della  Divina  Commedia. 

L.  Pieehioni,  Del  semo  attefforieo,  pratico  e  dei  vaUeb^  dSBa 
Divina  Commedia,  lesioni  due  reeitate  cUla  societa  academica 
di  Basüea.     BasUea  1857. 

Die  BoichSftfgong  mit  dem  Werk  des  grössten  Dichters  der 
Neuseit  ist  nie  ganz  anterbrochen  worden.  Das  17.  Jahrhundert 
allein  gibt  sehr  spftrliche  Beweise  des  Studiums  der  gSttlichen  Ko- 
mödie. Allein  dies  war  eben  anch  das  Jahrhundert,  wo  die  Kirche, 
aus  welcher  jenes  grosse  Werk  hervorging,  ganz  In  Verfall  gerathen  war 
und  nur  noch  durch  Süssere  Mittel,  durch  weltliche  Waffen  und  durch 
Sekten,  das  Machtgebiet  wieder  su  erobern  oder  zu  erhalten  suchte, 
das  sie  in  der  Ueberzeugung  der  Völker  verloren  hatte.  Das  Stu- 
dium des  Dante  ging  Hand  in  Hand  mit  der  mehr  oder  weniger 
lebendigen  Aoffasstmg  des  Berufs  der  Kirche.  Anfangs  begnSgte 
man  sich  nach  dem  Geist  jener  Zeit  mit  der  mystischen  Deutung 
der  Hauptfiguren,  kümmerte  sich  weiter  nicht  um  den  Zusammen- 
hang derselben  mit  den  meisten  Reden  und  Handlungen  der  un- 
zähligen historischen  Personen,  die  in  den  Gesängen  vorgeführt  wer- 
den, und  baute  im  Namen  Dante's  ein  System  auf,  das  Ober  der 
damaligen  päpstlichen  (wir  sagen  mit  Fleiss  nicht  katholischen)  KIrdie 
stand.  Später  nach  vielen  Veränderungen  in  den  Verhältnisseo  swi- 
schen  Kirche  und  Staat  fand  man  sich,  gleichsam  unter  dem  'Exor 
fluss  des  erwachten  staatlichen  Bewusstseios,  durch  die  bloss  mysti* 
sehe  Deutung  nicht  mehr  befriedigt,  und  wurde  durch  die  Wider- 
spräche und  die  Unsicherheit  derselben  auf  einen  andern  Weg  ge- 
leitet. Es  war  die  Zeit,  wo  das  ruhige  Glauben,  das  blinde  Unter- 
werfen, das  vorgeschriebene  enge  Gebiet  einer  mystischen  Beseligung 
nicht  mehr  genügte.  Der  Geist  wollte  wissen  und  verstehen,  auch 
in  religiösen  Dingen,  und  wandte  sich  mit  demselben  Bedürfniss 
auch  an  das  Gedicht  des  Dante.  Man  fasste  das  Verständliche, 
Klare  und  Feste,  die  historischen  Figuren  und  ihre  Beziehungen  zn 
den  weniger  schwierigen  Allegorien  auf,  und  suchte  von  dieser  Bote 
den  Hauptinhalt  des  Gedichtes  und  die  damit  in  Verbindung  stehen- 
den Symbole  zu  erforschen.  Beide  Schulen,  die  mystische  und  die 
historische,  sind  durch  die  Kämpfe,  die  sie  mit  einander  bestanden, 
und  beeinflusst  durch  die  Kämpfe  des  Staats  und  der  Kirche,  des 
Klassicismus  und  Romanticismus ,  die  auf  andern  Gebieten  gefOhit 
wurden,  in  solche  Einseitigkelten  verfallen,  dass  die  ernsten  Forscher, 
von  einer  neuen,  durch  die  Philosophie  bewirkten  Bewegung  der 
Geister  angeregt,  einen  dritten  Weg  einschlugen  und  eine  philoso* 
phische  Erklärung  des  Gedichts  versuchten.  Man  hielt  sich  nicht 
sowohl  an  die  Deutung  der  einzelnen  Allegorien  nach  einander,  viel* 
mehr  suchte  man  aus  dem  Totalinhalt  des  Gedichts  die  Grundidee, 
die  Bedeutung  und  den  Zweck  desselben  zu  erforschen,  und  naba 
die  zu  der  gefundenen  Grundidee  mehr  oder  weniger  passenden 
Deutungen  der  einzelnen  Allegorien  zum  Massstab  für  die  Richtig- 
keit des  Gefundenen.    Eine  solche  philosophische  Interpretation  wird, 


Picchioni:    Del  fenso  alleforico  dello  Divins  Comme<Ui.  B2A 

mit  angemeMeoer  Berücksichtigung  der  mystischen  und  historischen 
Erklärungen,  wohl  am  sichersten  sum  Ziel  führen.  Die  frühern 
Meinungen  üben  indess  noch  einen  beträchtlichen  Einfluss  aus,  daher 
unter  den  nenern  Bearbeitungen  der  Div.  Gommedia  die  verschie- 
densten Schattirungen  der  drei  Schulen  aur  Erscheinung  kommen. 

Der  Verf.  des  angeseigten  Werks  ist  von  Witte  zu  einer  höhern 
Anschauung  des  Gedichts  angeregt,  bekennt  sich  aber  in  der  Erklä«- 
,  mng  der  Hauptallegorien  au  den  Ansichten  Eopiseh's.  Er  bat 
seine  Deutung  dieser  Hauptallegorien  in  swei  Vorlesungen  vor  einem 
gebildeten  Publikum  in  Basel  dargelegt,  dieselben  aber  bei  der 
Herausgabe  durch  angeh&ngta  ausführliche  Abhandlungen  bereichert 
Wenn  Ref.  hier  ausspricht,  dass  seine  Ansichten  von  denen  des 
Verf.  weit  verschieden  sind,  so  erkennt  er  gern  die  Beweise  von 
fortgesetzten  umfassenden  Studien  an,  die  sich  fast  auf  jeder  Seite 
kund  geben. 

Die  erste  Vorlesung  verbreitet  sich  über  den  allegorischen  Sinn 
der  Div.  Gommedia  im  Allgemeinen,  über  die  Sendung  Dante's,  als 
Lehrer  der  höhern  Weltordnung  aufzutreten  und  das  verirrte  Men- 
schengeschlecht wieder  in  Uebereinstimmung  mit  seinem  Zweck  und 
seiner  hohen  Bestimmung  zu  bringen.  Der  Verf.  nimmt  dabei, 
wie  auch  schon  in  einem  frühem  Werk  (La  Div.  Gommedia  illus- 
trata  da  A.  Kopisch,  G.  Ficei  e  M.  G.  Ponta.  Genni  critid  di  Luigi 
Picchioni.  Milano,  1846),  mit  Witte  an,  dass  Dante  in  seiner  alle- 
gorischen Reise  durch  Hölle,  Fegfeuer  und  Paradies  im  Namen  und 
als  j^epräsentant  des  ganzen  Menschengeschlechts  auftritt,  dass  er 
in  sich  den  in  der  weltlichen  Eitelkeit  verirrten  Menschen  darstellen 
will,  der  durch  die  himmlische  Gnade  sich  aus  dem  Elend  dieses 
irdischen  Thränenthales  zur  ewigen  Glückseligkeit  erhebt 

Neben  diesem  allgemeinen  Symbol  legt  sich  aber  Dante  eine 
besondere  Rolle  für  sich  bei,  nämlich  die  des  Lehrers  der  Mensch- 
heit, und  den  Gegenstand  seiner  Lehre  erklärt  er  gleich  im  Anfange 
in  seiner  Unterredung  mit  Virgil.  Er  führt  seine  beiden  Vorgänger 
in  der  mystischen  Reise  an,  den  Aeneas  und  Paulus,  erklärt,  dass 
deren  Reise  zum  Zwecke  hatte,  das  Weltkaiserthum  zu  stiften  und 
auf  diese  organisirte  Verbindung  der  Völker  den  christlichen  Glau- 
ben und  die  einige  Kirche  als  den  Weg  alles  Heils  für  die  Men- 
schen aufzubauen.  Virgil  versichert  ihm,  sowie  seine  beiden  Vor- 
gSnger,  so  sei  auch  er  im  Himmel  zu  einem  ähnlichen  Amt  auser- 
sehen, nämlich  die  Nothwendigkeit  des  Weltreichs  zu  predigen  und 
die  Verderbtheit  der  kirchlichen  Lehren  zu  tadeln.  Referent  kann 
sich  mit  dem  Verf.  nicht  ganz  einstimmend  erklären,  und  glaubt, 
dass  hier  die  Absicht  Dante's  und  der  Beruf,  den  er  sich  beilegt, 
nicht  ganz  erschöpfend  dargelegt  und  ausgesprochen  ist  Dante  wollte 
ein  Gottesreich  predigen  und  hat  dieses  theoretisch  durch  die  drei 
Gesänge  seines  Gedichtes  und  in  seinen  philosophischen  Schriften 
dargelegt,  mit  Berufung  auf  die  grossen  Theologen  und  Metaphysi- 
ker  seiner  Zeit    Der  praktische  Theil  seiner  Lehre  beschäftigte  sich 


^0  Pieehtoiiit    Del  tenio  alfo^oiico  Mh  Divirni  Conme^a. 

mft  den  Mitteln  für  die  Meneebheit,  dietes  Gotteereich  «nf  Erte 
m  yerwlrklicben.  Dieae  Mittel  waren  ihm  ein  geordneter  weltii^ 
Zoaland,  in  der  Form  eines  Weltreichs,  sur  innigen  Verbindang  aller 
Völlcer  in  Liebe  und  FVieden.  und  auf  diesen  gegründet  ^  Kl^ 
cbenreteh,  welches  die  Menschheit  cur  Einigung  mit  ihrem  Schöpfer, 
sar  Erkenntniss  mid  eum  Genuas  des  hdchsften  Glücks  führte.  In- 
dem Dante  dieses  ideale  Kirchenreich  beschrieb,  wurde  er  allerdhip 
QnwiUkiibriich  aum  herbsten  Tadel  gegen  die  Verderbtiieit  der  ioa- 
sem  Ktrcbe  hingerissen;  aber  dies  gehörte  wohl  sehwerHeh  «uh 
schliesslich  zu  dem  ihm  vom  Himmel  übertragenen  Amt,  und  wIr 
ein  solches  auch  nicht  dem  des  Paulus  ^avialog^  gewesen. 

Mit  Dante's  Mission  bringt  der  Verf.  audi  dte  drei  symboB- 
sehen  Franen  in  Verbindung,  die  seine  Wanderung  leiten,  Maria, 
Lada  und  Beatrtee,  welche  er  als  Symbole  der  eQvorkomroe»dei^ 
der  erleuchtenden  und  der  wirkenden  Gnade  angibt.  Dieaeo  M 
Symbolen^  ist  in  dem  Anhang  ein  eignes  Kapitel  gewidmet  und  die 
oben  angegebene  Bedeutung  derselben  gegen  alle  andere  Ausiegos- 
gen  verthetdigt.  Die  Vertheidigung  ist  das  Resultat  anerkennens- 
werthen  fleissigen  Stadiums  der  Dir.  Oommedia,  alidn  Ref.  mvm 
bekennen,  dass  sie  ihn  nicht  öberseugt  bat  und  er  vorerst  bei  sei* 
ner  Auslegung  beharren  muss.  Die  Maria  ah  Himmeiskönigin  md 
Mutter  aller  Gnaden  macht  wohl  keine  Schwierigkeit  Allein  es  U 
bei  allen  scharftiinnigen  Erklärungen  des  Verf.  nicht  wohl  abrasebeD, 
was  bei  der  Innern  Organisation  des  Gediehtee ,  bei  den  swei  Le- 
bensweisen, der  praktischen  und  contemplattven,  die  jede  ihr  SymM 
haben,  bei  den  zwei  Reichen,  dem  weltlichen  und  geistigen,  denei 
aueh  zwei  Symbole  Torstehen,  die  Lucia  ganz  allein  als  erlenditeade 
Gnade  für  ein  Amt  haben  soll.  Ref.  müsste  hidessen  hier  seine 
ganze,  in  seraen  1S53  herausgekommenen  „Studien  über  Dante' 
enthaltene  Untersuchung  über  die  Bedeutung  dieser  Fignr  wiede^ 
holen,  was  aller  hier  um  so  unstatthafter  ist,  da  sich  nicht  ttugnes 
ISsst,  dass  auch  die  von  dem  Verf.  und  mehreren  Andern  angenom- 
mene  Deutung  ihre  Berechtigung  haben  mag,  sobald  sie  mit  der 
Grundidee  und  der  Organisation  des  Gedichts  in  lebendigen  &h 
sammenhang  gebracht  ist.  Alsdann  würde  freilich  die  ganze  Brkll- 
mng  des  Referenten  über  den  Haufen  geworfen.  Nur  ein  kleiier 
Irrd^utt  muss  berichtigt  werden,  der  dem  Verf.  hier  begegnet  Ist 
Er  stellt  den  Ref.  neben  den  berühmten  Grälen  Baibo,  indem  bsMb 
behauptet  haben,  Dante  habe  sich  in  dem  Gedicht  doch  nickt  d« 
Getreuen  der  erleuchtenden  Gnade  nennen  können.  Aüein  wess 
Balbo  einen  moralischen  Grund  für  seme  Behauptung  angibt,  dMi 
nSmlidi  Dante  sicl^  alsdann  des  Fehlers  der  Anmassung  und  Selbst' 
überi&ebung  schuldig  gemacht  hätte,  so  hatte  Ref.,  wie  aus  seM 
ganzen  Deihiktion  hervorgehen  muss,  nur  einen  logischen  Gnmd|  tr 
dem  ihm  dieses  VerhXltniss  Daate's  zu  Lucia  keikien  rediten  Ate 
m  haben  schien.    Bei  der  Widerlegung  des  Verf.  hätte  vieBiMi 


PicohiMi:    Dd  iaBM  •lieforieo  <MU  DIvIm  CMMdia.  m 

grada  auf  dieseo  lof^tocben  Grand  besondere  Rttcksicbl  fanomman 
waidea  soUeo. 

Die  Deotang  der  drei  Tbiere  verdient  nach  Aneiehl  des  Ref. 
aina  gröeeera  AnefUhrlichkalt  and  mehr  Belege  dee  Zoeammenhange 
and  dar  Basügliehkeit  zu  der  gamea  Anordnung  des  Gedichts,  ba- 
aondere  mit  der  oben  angegebenen  Gmndidee  deaeelben.  Der  Verf. 
Tarthaidigt  die  fthara  ErklSrnng,  wonach  dia  drei  Thiara,  Löwe, 
Panther  and  Wölfin,  dia  drei  Hanptlaiter  entweder  das  gansan  liai^ 
schengescfalechts  oder  Dante*s  bedeuten,  Hochmath,  Wollast  and 
Habsacht  Für  dia  Wölfin  als  Symbol  dar  Habsueht  sind  die  be- 
kannten Belage  ans  dem  Gedicht  aasammengaslellt.  Dass  Danta 
dar  Liebe  sehr  ergaben  war,  ist  in  dem  ersten  Kapital  des  Anhangs 
nachgewiesanw  Alldn  wir  sehen  nicht  den  Beweis  der  Nothwaadlg^ 
kelt  dieser  Deatnng  der  drei  Thiera  als  Beprisantantan  von  drei 
liastem  aar  Erklärung  des  ganzen  Inhalts  des  Gedichts.  Es  scbaiaC 
schon  einmal  Ref.  su  wenig  Gewicht  auf  die  drei  symboKschen 
Thiara  gelegt  au  sein,  wenn  es  hier  heisst,  es  sei  für  dia  Erlüftrang 
der  Allagorfen  gleichgfiltig ,  ob  die  Thiare  dia  angegebeoan  oder 
andere  Laster  bedautaa,  und  es  genüge  an  sagen,  dass,  wenn  die 
Wölfin  ein  Laster  bedeute,  dia  beiden  andern  Thiera  swei  asdeve 
Laster  darstallen  müssten.  Zweitens  ist  es  allerdings  ein  höchst 
sehwieriges  Untemehman,  bei  der  Erklftrung  einzelner  Allegesien 
den  Zasammenhang  mit  dem  ganzen  Plan  des  Gedichts  und  mk 
aUeo  übrigen  zu  wahren,  was  auch  der  Grund  ist,  dass  bis  jetst 
aina  ganz  genügende  ErkÜrnng  der  Div.  Gommedia  nidit  gelungen 
IbI.  Es  wirft  sich  zum  Beispiel  unter  Anderm  liier  die  Frage  aal, 
ob  es  wohl  ansonehman  ist,  dass  Dante  in  dem  Augenblick,  wo  er 
aeibst  Ton  den  drei  Haoptlastern  so  überwältigt  war,  dass  sie  ihn 
In  die  Tiefe  zurückwarfen,  von  der  dreieinigen  Gnade  zo  dem  hohen 
Barol  eingeweiht  worden  sei,  der  übrigen  sündigen  Welt  den  Wag 
mm  Glückseligkeit  zu  zeigen. 

Virgü  bedeutet  nach  dem  Verf.  die  erste  Regung  (moto)  des 
▼on  der  Gnade  berührten  allegorischen  Dante  zur  Tugend,  nntar 
der  Begleitang  der  Vernunft  ond  noch  ohna  Mitwirkung  des  Glaa* 
bena.  Virgil  ist  auch  dia  menschliche  Vernunft,  die,  wenn  nicht 
ganz  von  den  lasterhaften  Leidenschaften  verfinstert,  immer  noch 
das  Recht  and  Unrecht,  Gut  und  Böse  untersch^en  kann.  Mit 
dieser  Bagleituag  lernt  Dante  in  der  Hölle  die  Laster  kennen  and 
Terabschenen,  im  Purgatorium  lernt  er  von  der  erleuchtenden  Gnade 
die  Mittel  seine  Sünden  abzuwaschen,  und  im  irdischen  Paradies  er- 
tthrt  er  von  der  vallendanden  Gnade  dia  geoffenbarte  Lehre  and  wird 
iD  den  Himmel  eingeführt.  Der  Verf.  ist  der  festen  Deberzeugong^, 
dass  diese  Deutung  die  einzige  haltbare  ist,  die  mit  dem  Plan  das 
Gedichts,  mit  allen  Episoden  in  den  drei  Gesängen,  mit  alle»  An* 
apialungan  ond  Unterredungen  im  innem  Zusammenhang  steht  Da 
idbar  schon  manche  gegentheilige  Meinungen  mit  grosser  Ausführ- 
Behkait  und  «inar  Masse  von  Beweisen  sich  geltend  za  machen  ge* 


88)  PioekioBl*.    Del  mdm  alleforico  dell«  Diriiia  CowiMdit. 

flQcbt  baboDy  so  wSre  vtelleicbt  bei  der  grossen  Wicbtigkeit  gende 
dieses  Theils  der  Untersucbung  ein  näheres  Eingeben  des  Verf. 
wfinscbenswerlh  gewesen. 

Die  zweite  Vorlesung  beschäftigt  sich  zuerst  mit  den  politiseheB, 
besonders  Partbeiansichten  Dante's,  und  sucht  su  beweisen,  dan 
Dante  nie  seine  Ansichten  geändert  und  sowohl  in  dem  Oedicbt  ak 
auch  in  seinen  philosophischen  Schriften  sich  immer  aia  gemässipea 
philosophischen  Weifen  gezeigt  habe.  Dies  wird  ans  vielen  Steiles 
der  Dir.  Commedia  und  den  damit  übereinstimmenden  Sätzen  des 
vierten  Traktats  des  Convito  nachgewiesen,  dessen  Abfassnng  der 
Verf.  vor  1800  setzt.  Der  ganze  Streit  über  die  politischen  Ge- 
sinnungen Dante's,  der  allerdings  viele  Commentatoren  stark  be- 
schäftigt, scheint  Ref.  sehr  unerheblich  zur  wahren  Erklärung  des 
Gedichts.  Der  Kaiser,  den  Dante  als  Herrscher  über  die  ganze  Weh 
setzen  wollte,  sollte  sowohl  über  Republiken  als  Monarchien  herrseben. 

Die  Politik  Dante's  führt  den  Verf.  auch  auf  den  Cangrande 
von  Verona.  Seine  Meinung  gebt  dahin,  dass  dieser  durchaus  nicht 
unter  dem  Veltro  im  ersten  Gesang  des  Inferno  gemeint  sein  könne. 
Er  beweist  aus  den  Chroniken  jener  Zelt,  dass  Cane  eigentlich  sehr 
weifisch  gesinnt  war,  und  dass  ihm  die  grossen  Eigenschaflen  in 
jener  Prophezeiung  gar  nicht  zukamen.  Kürzer  gefaast,  kosote 
allerdings  der  Veltro  nicht  eine  damals  lebende  Person  sein,  wenn 
nach  dem  Verf.  die  Thiere,  die  er  verjagen  sollte,  abstrakte  Laster 
vorstellen.  Der  Verf.  bringt  diesen  Veltro  und  die  Prophezeionf 
über  ihn,  gewiss  ganz  richtig,  mit  der  sichern  Aussage  der  Beatriee 
im  83.  Gesang  des  Purgatorio  in  Verbindung,  dass  bald  der  Föof- 
hundert  zehn-nnd-fQnfer  (der  bekannte  D VX)  erscheine ,  der  die 
Kirche  reinigen  und  die  Welt  retten  werde.  Dieser  Retter  soll 
nach  der  dortigen  Prophezeiung  die  Fuja  (Diebin)  tödtan,  welche 
den  Platz  der  Beatrice  auf  dem  Triumpfwagen  der  Kirche  wegg9* 
nomroen  hat  und  nun  mit  dem  Riesen  buhlt  Da  Beatrice  die  wahre 
geofifenbarte  Lehre  bedeutet,  so  müsst^  die  Diebin  die  falsche  Lehre 
bedeuten,  die  die  Priester  zu  ihrem  Vortheil  und  zum  Verderhen 
der  Kirche  erfunden  hätten.  Der  Riese,  der  mit  dieser  falschen 
Lehre  buhlte,  wäre  die  weltliche  Herrschaft,  die  die  Päpste  sich  an- 
gemasst  hätten.  Von  beiden  Verderben,  der  falschen  Lehre  und  dsr 
weltlichen  Herrschaft  der  Päpste  mit  ihrem  Gefolge  von  Habgier 
nnd  Anmassung  solle  also  die  E^rche  bald  gereinigt  werden  dorch 
den  hier  von  Beatrice  bezeichneten  DVX  oder  den  von  Virgil  ge* 
nannten  Veltro,  welche  beide  dieselbe  Person  bedeuteten.  Der  Verf 
hat  hier  die  Meinung  des  Ref.  widerlegt  und  dargethan,  dass  cii 
solcher  Retter  durchaus  kein  Kaiser  sein  könne,  da  ein  soicher  i0 
Innern  der  Kirche  keine  Macht  habe  und  auch  dem  Rang  nach  ob- 
ter  dem  Papst  stehe. 

(SeUuu  folgt.) 


Wt.  a.  HEIDELBERGER  I8S1 

jahbbOcher  der  litbrator 

Picchioni:    Del  senso  allegorico  della  Divina  Commedia. 


(SchlDss.) 

Des  Ref.  Meinung  ging  allerdioge  auch  nicht  dahin,  dass  ein 
Kaiser  die  Kirche  Ton  ihren  Flecken  reinigen  könne,  und  Herr 
Picchioni  hat  mit  Recht  geragt,  dass  dieser  Ausdruck  nicht  ange- 
messen war,  indem  er  einen  falschen  Sinn  unterstellte.  Ref.  wollte 
die  Stelle  so  erklären,  dass  die  Pfipste  selbst  durch  die  zwei  ange- 
gebenen Umstände  aus  ihrer  Kirche  und  deren  Amt  und  Beruf 
herausgetreten  waren,  und  dass  ein  mit  Weisheit  und  Macht  ausge- 
rüsteter Kaiser  dadurch,  dass  er  die  Päpste  aus  dem  ganzen  weit- 
liehen  Gebiet  verjagte,  ihnen  alle  weltliche  Herrschaft  und  alle  Mit- 
tel zur  Befriedigung  der  Habsucht  raubte,  eine  Besserung  und  Rei- 
nigung der  Kirche  veranlasste.  Der  Verf.,  der  seine  Gründe  mit 
Belesenheit  vertheidigt,  will  aber  von  einem  Kaiser  nichts  wissen, 
und  bleibt,  wie  in  seinem  frühem  Werk,  bei  der  Ansicht  Kopisch's^ 
dass  der  Retter  Niemand  anders  sei,  als  ein  armer  und  niedrigge- 
borner,  aber  mit  Weisheit,  Liebe  und  Tugend  ausgerüsteter  Papst, 
der  freiwillig  die  weltliche  Herrschaft  aufgeben,  die  reine  christliche 
Lehre  wiederherstellen  und  die  Habsucht,  die  Wurzel  alles  Uebels, 
verjagen  werde.  Der  Verf.  fügt  diesem  Kapitel  freilich  hinzu:  ^.Es 
sind  nun  fUnf  Jahrhunderte  und  mehr  vergangen,  und  noch  lassen 
sich  keine  Vorzeichen  sehen,  dass  irgend  ein  Gottgesandter  die 
Dante'sche  Prophezeiung  bewahrheiten  werde.  Aber  wer  kann  be- 
haupten, dass  die  zeitliche  Herrschaft  der  Päpste  sich  noch  einmal 
fünf  Jahrhunderte  erhalten  werde?  Scheint  es  nicht  vielmehr,  dass 
das  Volk  (volgo)  anfange  den  in  der  Kapuzze  gewisser  Prediger 
eingenisteten  Vogel  zu  erkennen  (Parad.  XXIX,  118),  und  dass 
dieses  endlich  die  Päpste,  wenn  auch  nicht  freiwillig  doch  aus  klu- 
ger Vorsicht,  zu  dem  bringen  könne,  was  Dante  zur  irdischen  und 
ewigen  Seligkeit  nöthig  erachtete,  nämlich  sich  in  den  Gränzen  ihrer 
geistigen  Suprematie  zu  begnügen  und  die  Kirche  zu  ihrer  ursprüng- 
lichen Reinheit  zurückzuführen?''  Wenn  überhaupt  eine  solche  äussere 
Nöthigung  für  die  Kirche  vorauszusetzen  ist,  so  möchte  sie  wohl 
Dante  gewiss  eher  von  einem  gottgesandten  Kaiser,  der  allein  das 
Gleichgewicht  in  der  Welt  herstellen  konnte,  als  von  dem  Volk  er- 
wartet haben. 

Die  Auslegungen  der  Allegorien  werden  sieb  noch  viele  Jahre 

in  die  verschiedensten  Meinungen  aus  einander  spalten,   aber  jede 

mit   Ernst   durchgeführte   Arbeit   wie   die   des   Verf.  wird  ein  will* 

kommner  Beitrag  zu  der  ansehnlichen  Litteratnr  über  Dante  sein. 

L.  Jahrg.  11.  Heft.  53 


834  Plcehioni:    Del  femo  «lle|forioo  della  Diyina  Conmedia. 

E0  wird  vielleicht  Manchem  erwünscht  seiny  wenn  wir  diese 
Gelegenheit  benutzen,  hier  ein  französisches  Unheil  über  die  Dir. 
Commedia  mitzutheilen,  das  in  der  That  Alles  übertrifft,  was  bisher 
von  der  Unwissenheiti  dem  Ungeschmack  und  der  Anmassang  10 
Bezug  auf  Dante  vorgelcommen  ist,  und  wovon  man  doch  weg»i 
der  hohen  Stellung  and  Autoritftt  des  Beurtheilers  (er  ist  kein  Andrer 
als  der  grosse  Lamartine)  und  wegen  des  Bücks  in  die  geistigeD 
Zustände  des  heutigen  Frankreichs  Akt  nehmen  mass.  Wir  babea 
schon  früher  die  Bearbeitungen  der  Div.  Commedia  von  zwei  ber^ 
vorragenden  Franzosen,  Fauriel  und  Lamennais,  besprochen,  in  de- 
nen sich,  besonders  in  der  Arbeit  des  Letztern,  ein  sehr  geringee 
Eindringen  in  den  Sinn  des  Gedichts,  ein  oberflächUchea  Studium 
und  eine  vollständige  Unkenntniss  deutscher  Arbeiten,  ohne  die  maa 
sich  doch  kaum  mehr  an  das  grosse  Gedicht  wagen  darf,  offeDba^ 
ten.  Den  Franzosen  der  Jetztzeit  scheint  die  Befähigung  io  ein 
Gedicht  von  irgend  welcher  Tiefe  des  Gedankens  nnd  Inhalts  sich 
hinein  zu  denken  und  zu  fühlen,  die  Fähigkeit  die  erhobne  Stim- 
mung des  Geistes  und  Gemüths,  in  der  ein  so  grosses  Gedicht  ge- 
schaffen wurde,  zu  fassen,  verloren  gegangen  zu  sein,  die  sie  noch 
in  der  Zeit  vor  ihrer  klassischen  Form-  und  Manierperiode,  besoo- 
ders  während  der  Reformationskämpfe,  so  frisch  besassen.  Artaud 
de  Monthor  brauchte  den  Dante  für  seine  ultramontanen  Ergösse, 
Lamennais  brauchte  ihn  für  seine  Kämpfe  gegen  die  neue  päpstliche 
Kirche,  das  Gedicht  selbst  wurde  Nebensache ,  das  Verständni« 
desselben  ging  immer  mehr  verloren,  und  so  war  man  in  der  fran- 
zösischen Gelehrtenwelt  allerdings  reif  für  das  Urtheil,  das  Lama^ 
tine  in  einer  Nummer  des  Si^cle  zum  Besten  gab.  Es  heisst  darin 
unter  Anderm:  j^Man  kann  Dante's  Gedicht  unter  die  populäre^ 
d.  h.  die  localen,  nationalen  und  Zeitgedichte  einreihen,  weiche  as 
den  Glauben,  Aberglauben  und  die  untersten  Leidenschaften  der 
Masse  gerichtet  sind.  Es  war  daher  früher  verständlich  und  popa- 
lär,  ist  aber  jetzt  bei  aller  Anstrengung  der  Gelehrten  ein  Bäthsel 
und  konnte  daher  seine  Zeit  nicht  überleben.  Um  Dante  zu  ver- 
stehen, müsste  man  die  ganze  florentinische  Yolksmasse  seiner  Zeit 
wieder  erwecken,  denn  ihren  Glauben  und  ihren  Hass  hat  er  be- 
sungen. Er  ist  darin  gestraft,  worin  er  gesündigt  hat;  er  hat  fSr 
die  öffentlichen  Plätze  gesungen,  und  die  Nachwelt  versteht  ihn  nicht 
mehr.  Was  man  noch  allein  verstehen  kann,  das  ist,  dass  das  anS' 
schliesslich  toscanische  Gedicht  Dante's  eine  Art  Rache-Satyre  du 
Dichters  und  Staatsmanns  gegen  die  Männer  und  Partheien  ist,  de- 
nen er  seinen  Hass  gewidmet  hat.  Die  Idee  war  kleinlich  uiid  d« 
Dichters  unwürdig.  Das  Genie  ist  eine  Gabe  Gottes,  die  man  nickt 
mit  Geringfügigkeiten  profaniren  darf.  Dante  glaubte,  dass  die 
Jahrhunderte,  in  seine  Verse  vernarrt,  Parthei  nehmen  würden  ge- 
gen irgend  unbekannte  Rivalen  oder  Feinde,  die  damals  daa  Pflaster 
von  Florenz  traten.  Diese  Freundschaften  oder  Feindschaften  obscnrar 
Menschen  sind  der  Nachwelt  ganz  gleichgültig.    Sie  ziehen  eineB 


BaailiiM  Rei«  v,  t.  w.  von  LoUiholt.  835 

sehöiieo  VerSy  ein  scbönea  Bild  oder  Gefühl  dieser  ganzen  gereim- 
ten Chronik  des  Marktplatzes  in  Florenz  vor.  Anstatt  ein  episches 
Gedicht,  weit  und  unsterblich  wie  die  Natur,  zu  schniTen,  hat  Dante 
die  florentinische  Zeitung  iür  die  Nachwelt  geschrieben.  Dies  ist 
das  Laster  der  Hölle  des  Dante.  Eine  Zeitung  lebt  nur  einen  Tag ; 
aber  der  Styl,  in  welohem  Dante  diese  Zeitung  geschrieben  hat, 
ist  unvergänglich.  Setzen  wir  also  dieses  bizarre  Gedicht  auf  sei- 
nen wahren  Werth,  der  in  dem  Styl  oder  vielmehr  in  einigen  Frag- 
menten von  Styl  besteht  Wir  denken  in  dieser  Beziehung  wie 
Voltaire,  der  Prophet  des  gesunden  Verstandes:  Nehmt  von  dem 
Gedicht  Dante's  sechzig  oder  achtzig  erhabne  und  wirklich  unsterb- 
liche Verse  weg,  so  bleibt  nichts  als  Wolke,  Barbarei,  Trivialität 
qik)  Finsterniss  übrig.  Was  uns  betriiTt,  so  landen  wir  in  Dante 
nur  einen  grossen  Erfinder  des  Styies,  einen  grossen  Sprachschöpfer, 
der  in  einer  Conception  voll  Finsterniss  verirrt  war,  ein  ungeheures 
Dichterfra/rment  in  einer  geringen  Zahl  Fragmente  von  Versen,  die 
weniger  geschrieben  als  mit  dem  Meissei  dieses  Michel-Angelo  der 
Poesie  gravirt  waren;  eine  grobe  Trivialität,  die  bis  zum  Cynismua 
der  Wörter  und  zur  Unzucht  der  Bilder  herabsinkt ;  eine  Quintessens 
der  scholastischen  Theologie,  die  sich  bis  zur  Verdampfung  der  Idee 
erhebt;  kurz,  um  Alles  in  einem  Wort  zu  sagen,  einen  grossen 
Mann  und  ein  schlechtes  Buch.^ 

So  urtheilt  über  den  grössten  Dichter  Einer,  der  aoeh  ein 
Dichter  und  Geschichtschreiber  sein  will,  und  der  jetzt  einer  der 
gefeiertsten  in  Frankreich  ist  Auf  den  Blödsinn  ist  eigentlich  nichts 
SQ  erwiedern.  Doch  hat  ein  Herr  Benedetto  Castigiia  in  einer  eignen 
Broschüre:  Dante  Allighieri  ou  le  probl^me  de  Thomanit^  au  moyen 
ftge.  Paris  1857,  seinen  Dichter  gegen  den  Franzosen  wacker  ver- 
theidigt.  E.  Rutil. 


BasiliuB  des  Orossen  Rede  an  ehrisUiehe  Jünglinge  über  den 
rechten  Oebrauch  der  heidniechen  SehrifUteüer.  Oriechiaeher 
Text  mit  deutschen  Anmerkungen  van  Dr.  Gustav  LothhaJ^g, 
Professor  am  Gymnasium  sni  Weimar,  Jena,  Druck  und 
Verlag  von  Friedrich  Mauke  1867.    XJUl  und  163  8.  in  gr.  8. 

Der  in  nenester  Zeit  wieder  mehrfach,  in  Deutschland  wie  in 
Frankreich,  aufgetauchte  Streit  über  die  Leetüre  der  alten,  heidni* 
sehen  Classiker  auf  unsern  christlichen  Lehranstalten  hat  die  Auf- 
merksamkeit nnwiilkührlich  wieder  zurückgeführt  auf  die  Zeugnisse 
des  christliehen  Alterthums  selbst,  welche  in  der  ersten  Zeit  der 
sich  erhebenden  christlichen  Wissenschaft  und  Bildung  auf  die  Lee« 
tiire  der  altern  heidnischen  Schriftsteller  dringen  nnd  darin  ^ade 
die  nothwendige  Vorbereitungs-  und  Bildungssohule  zur  wahren  christ- 
Heben  Wissenschaft  erkennen.  Unter  diesen  Zeugnissen  nimmt  die 
Ansprache,   die  der   h.  Basilins  an  einige  ihm  nahe  stehende  junge 


636  Rasilioi  Red*  n«  t«  w.  von  Lolliheli. 

Leate  über  diesen  Oegenstaad  gehalten  hat,  dnrch  die  Beetimmtheit 
und  Klarheit,  mit  welcher  dieser  Kirchenlehrer  darfiber  sich  auf- 
spricht,  eine  besondere  Stelle  ein:  sie  gewinnt  einen  aligemeioea, 
auch  für  unsere  Zeiten  noch  eben  so  anwendbaren  und  pasaeodeo 
Charakter;  sie  verdient  darum  auch  heutigen  Tags  noch  eben  m 
sehr  gelesen  und  beherzigt  su  werden:  sie  verdient  es  nicht  bloM 
um  ihres  Inhalts  willen,  sondern  auch  selbst  um  der  schönen,  des 
besten  Mustern  der  classischen  Zeit  von  Hellas  nachgebildeten,  ji 
ohne  nShere  Kenntniss  derselben  kaum  verständlichen  Form:  nnd 
sie  mag  auch  in  dieser  Hinsicht  diejenigen,  die  in  unsem  Bildungi- 
anstalten  an  die  Stelle  der  alten  (heidnischen)  Glassiker  die  chriitr 
liehen  Kirchenväter  setzen  wollen,  belehren^  wie  diese  christlichen 
Lehrer  (die,  wie  uns  das  Beispiel  des  h.  Basilius  zeigt,  damit  gv 
nicht  einverstanden  wären)  gar  nicht  verstanden  werden  konneii) 
ohne  die  vorausgegangene  Leetüre  jener  heidnischen  Glassiker,  sof 
welchen  die  ganze  formale  Bildung  dieser  Kirchenväter,  um  von  An- 
derem nicht  zu  reden,  beruht.  Von  diesem  Standpunkt  ausgeheod 
hatte  zuerst  in  diesem  Jahrhundert  Nüsslin  in  dem  Mannheimer  Ly- 
cealprogramm  des  Jahres  1839  auf  die  Rede  des  h.  Basilius  über 
den  aus  der  Leetüre  der  (altern  heidnischen)  Literatur  Griechen- 
lands für  die  Jugendbildung  zu  gewinnenden  Nutzen,  in  einer  dettt- 
sehen  Bearbeitung  aufmerksam  gemacht:  es  sind  seitdem  mehrere 
Gelehrte  gefolgt,  welche  zum  Theil  von  andern  Seiten  aus  diesem 
Gegenstand  ihre  Sorge  zugewendet  haben  (s.  die  Anführungen  des 
Hrn.  Lothholz  S.  VH  in  der  Note);  man  wird  aber  hiemach  den 
Entschluss  des  Verfassers,  diese  Rede  durch  eine  neue,  umfassende 
Bearbeitung,  welche  neben  dem  in  möglichst  correcter  Form  gehal- 
tenen Originaltexte,  auch  die  zum  Verständniss  der  Sache  und  da 
Inhalts,  der  Form  und  der  JSprache  dienlichen  Erklärungen  bietet, 
zugänglicher  zu  machen  und  ihre  Leetüre  dadurch  zu  erleichten 
und  zu  fördern,  nicht  missbilligen,  man  wird  vielmehr  diesem  Str^ 
ben,  wie  es  hier  zur  Ausführung  gebracht  ist,  alle  Anerkennung  n 
zollen  haben.  Der  Verfasser  hat,  ehe  er  an  die  Ausführung  schritti 
Allem  dem,  was  auf  Basilius  und  seine  Zeit  sich  bezieht,  insbeson« 
dere  auch  der  gesammten,  einschlägigen  theologischen  LiteratoTi 
sorgfältige  Studien  zugewendet;  aus  diesen  Studien  ist  zunächst  die, 
als  Einleitung  gewissermassen  dienende  Darstellung  des  Lebens  def 
h.  Basilius  (S.  IX—XXIT)  hervorgegangen,  welche  den  ganzen  Bü« 
dungsgang  und  die  Studien  dieses  Kirchenvaters,  aus  den  Quell«! 
selbst,  mit  Benutzung  der  einschlägigen  neueren  Literatur  uns  vor* 
führt  und  damit  auch  Anderes,  damit  zusammenhängendes  passörf 
verbindet,  wie  z.  B.  S.  XIV  die  Darstellung  des  Lebens  der  Sto- 
deuten  zu  Athen  in  den  Zeiten  des  vierten  christlichen  Jahrhunderti. 
Darafif  folgt  der  Text  der  Rede,  im  Ganzen  und  mit  nur  geriogea 
Abweichungen,  nach  dem  neuesten,  In  Sinner's  Delectus  patrum  Gn^ 
eornm  saeculi  quarti  gegebenen  Abdruck,  so  wie  mit  Berücksichti- 
gung dessen,  was  Hess  in  dem  Hehnstädter  Programm  des  Jahrei 


Btiilioi  Rede  n.  t.  w.  ▼on  Lotiiboli.  837 

184S  für  die  Beeeentellung  des  Textes  beigetrageo  hattd;  aoefa  die 
älteren  Ausgaben  wurden  eingesehen.  Die  bedeutenden  Abweichun- 
gen des  Textes  werden  in  den  Anmerkungen  angefOfart,  die,  wie 
schon  bemerkt  worden,  insbesondere  dazu  dienen  sollen,  dem  Leser 
der  Rede  das  volle  Verständniss  derselben  anzubahnen ;  denn  darauf 
war  die  besondere  Thätigkeit  des  Herausgebers  gerichtet,  wie  diess 
schon  der  äussere  Umfang  dieser  Anmerkungen  (S.  21—126)  er- 
kennen iässt.  Alles,  was  von  sprachlich -grammatischer  Seite,  wie 
in  Bezug  auf  den  Inhalt  einer  Erörterung  oder  eines  Nachweises 
bedurfte,  findet  hier  seine  Erledigung;  insbesondere  ist  der  sprach* 
liehen  Erklärung  diejenige  Sorge  zugewendet,  die  eine  solche,  aus 
Reminiscenzen  der  antiken  Literatur  vielfach  gebildete,  in  den  ein* 
zelnen  Ausdrücken  und  Redensarten  ganz  an  diese  sich  anschlies* 
sende,  und  darum  auch  nur  aus  der  Eenntniss  der  Redeweise  jener 
Zeit  verständliche  Rede  verdient;  der  Verfasser  hat  es  sich  angele- 
gen sein  lassen,  jeden  Ausdruck,  jede  Phrase  und  Redewendung  aus 
der  entsprechenden  Ausdrucks  weise  der  classischen  Zeit  nachzuwei- 
sen und  zu  erklären;  er  hat  auch  weiter  jeden  einzelnen  Ausdruck 
und  jede  Construction ,  die  einige  Schwierigkeit  dem  Verständniss 
bieten  könnte,  erläutert;  und  wenn  er  vielleicht  in  dieser  Beziehung, 
namentlich  bei  grammatischen  Punkten,  zu  Viel  gethan,  wenn  er  hier 
über  Manches  sich  verbreitet  bat,  was  Andere  bei  Lesern  dieser  Rede 
voraussetzen  und  desshalb  lieber  weglassen  würden,  so  dürfte  es 
allerdings  schwer  sein,  hier  ein  bestimmtes  Maass  und  eine  nicht  zu 
übersteigende  Gränze  festzustellen,  da  wo  Jeder  seinen  eignen  An- 
sichten und  Ueberzeugungen  zu  folgen  und  diese  als  Massstab  zu 
nehmen  gewohnt  ist.  Wir  unterlassen  es  eben  deshalb  Einzelnes 
der  Art  hier  anzuführen,  weil  die  Urtheile  darüber,  je  nach  den  in- 
dividaellen  Ansichten,  doch  nur  verschieden  ausfallen  dürften.  Im- 
merhin erwünscht  sind  die  mehrfach  zum  Verständniss  der  in  dieser 
Rede  vorkommenden  Ausdrücke  und  Wendungen  angeführten  Be- 
lege ans  der  älteren,  classischen  Literatur.  Wenn  z.  B.  cp.  I.  zur 
Erklärung  der  Redensart  xad-ufra^dvoig  xov  ßCov^  von  den  Jüng- 
lingen, die  in  das  Leben,  in  die  Welt  eintreten,  zwei  Stellen  des 
Herodotus  VIII  (nicht  IX,  wie  hier  steht),  105  und  IV,  161  ange- 
führt werden,  so  ergibt  sich  daraus  zugleich,  wie  unnöthig  in  der 
ersten  dieser  beiden  Stellen  die  von  einem  Holländischen  Kritiker 
für  nöthig  erklärte  Aenderung  erscheint,  welche  statt:  oV  tijfv  iorfv 
xccTEiJtT^öaTOy  wie  die  Handschriften  haben,  setzen  will  xatsxtrjöaro ! 
In  demselben  ersten  Cap.  wird  mit  Recht  die  Schreibart  fyrviiCBtSd'ai, 
für  awinegd'ai,  abgewiesen;  was  aus  Reissig  und  Kühner  darüber 
angeführt  wird,  kann  aber  kaum  als  Grund  der  Abweisung  dienen. 
—  Gap.  n.  gegen  Ende  werden  die  koyoitoioC  gewiss  richtig  in  dem 
Sinne  von  Xoyoyga^poi^  o^^x  CvyyQa^pelq  d.  i.  Geschichtschrei- 
ber genommen  (nicht,  wie  Sturz  unrichtig  annahm,  als  Fabel- 
dichterl,  wie  diess  schon  der  Gegensatz  zu  den  vorausgehenden 
noifizcU  wie  den  nachfolgenden  (fijtoQsg  andeutet.  —  Cap.  III.  wird 


S3d  BaiilliiB  BMt  ■•  s.  w.  ton  LotUrali. 

der  AüBdroek  {Merwtijg)  ixetvog  6  nivv  richtig  erkllrt:  jener 
berühmte,  und  werden  als  Beleg  &bnliche  Stellen  SUerer  Schrift- 
steller, bei  denen  6  %avv  in  dieeem  Sinne  vorliommt,  mn^e- 
führt  Allehi  man  wird  in  der  Siteren  Literatur  diesem  6  sravv, 
wo  es  TorlLommt,  nicht  ein  ixstvog  heigefdgt  finden,  das  aa  den 
Gebranch  des  111  e  In  der  lateinischen  Sprache  in  solchen  FSllen 
nur  ZQ  sehr  erinnert,  und  in  dieser  Anwendung  jedenfalls  der  spS* 
teren  GräcitKt  angehören  wird.  Derselben  späteren  OrScitSt  ai5cli- 
ten  wir  auch  die  in  demselben  Gapitel  gleich  nachher  vorlcommende 
Redensart  iv  totg  xara  XQovoig:  in  späteren  Zeiten  suwelsen, 
wosu  sich  schwerlich  ein  ähnlicher  Beleg  in  der  älteren,  daasiadien 
Literatur  vorfindet:  In  den  beiden  vom  Verfasser  angeführten  Stel- 
len aus  Thucydides  VII,  5.  II,  120,  2  (es  muss  heissen  I^  120,  2), 
wie  in  andern  dieses  Schriftstellers  (s.  B.  I,  7.  II,  99.  I,  137)  bat 
xcctm  eine  gans  andere,  lokale  Bedeutung.  —  Bei  den  Cap.  V. 
von  Basilius  aus  Solon  angeführten  Versen  konnte  der  Verfasser 
sich  unbedingt  (S.  55)  fUr  die  Autorschaft  des  Solon  aussprechen, 
Indem  nur  durch  ein  offenbares  Versehen  die  hier  angeführten  Ver- 
se sich  auch  unter  die  des  Theognis  (vs.  316  ed.  Bergk;  der  Ver- 
fasser gibt  1180  an)  verirrt  haben,  und  daraus  aussuroerEen  sind, 
wie  auch  jetzt  anerkannt  wird;  vgl.  Bergk  so  d.  a.  St.  —  Wenn 
S.  64  EU  der  Behauptung^  dass  siccitas  auch  bei  den  Lateinern 
Tüchtigkeit,  G e d i e g e n h e 1 1  beEeichne,  aus  Cicero  Brut  S- ^^ 
siccitas  orationis  angeftlhrt  wird,  so  wird  bei  dieser  Stelle  doch 
wohl  an  etwas  Anderes,  an  die  Einfachheit  und  Schmuck- 
losigkeit der  Darstellung  und  des  Vortrags  zu  denken  sein.  — 
Gap.  Vn.  würde  es  wohl  kaum  nöthig  sein,  zu  oJov  die  Bemerknng 
hinzuzufügen:  ^per  se  solum  non  raro  significat  verbi  causa, 
exempli  gratia^  und  dann  als  Beleg  eine  Stelle  aus  dem  Pla- 
tonischen Phädrus  wörtlich  anzuführen  ohne  den  betreffenden  Nadi- 
weis  wo  sie  steht;  sie  steht  aber  pag.  240  B.  Von  Shnllchem 
Standpunkt  aus  möchten  wir  die  Bemerkungen  über  den  Gebrauch 
von  TElsvrdiv  p.  65,  von  i^ov^  xaQOv  u.  dgl.  S.  77  und  Anderes 
der  Art  ansehen;  hier  konnte  wohl  eine  einfache  Nachweisnng  auf 
eine  Grammatik,  wenn  sie  anders  überhaupt  nöthig  war,  genägea. 
Es  mag  diess  auch  von  der  Bemerkung  cp.  V.  p.  51  über  roaov- 
rov  äetv  gelten,  die  übrigens  zur  Rechtfertigung  der  cp.  VII.  mit 
Recht  aufgenommenen  Lesart  —  hier  haben  die  Handschriften  rcM^ov- 
tov  —  dienen  kann.  —  S.  22  werden  wohl  die  Worte  „Herod.  VIO, 
28  ec^eov  iüxCv^  zu  streichen  sein;  S.  71  ist  statt  j^^Herod.  hist. 
IV,  8"^  zu  setzen:  Herodian.  hist.  IV,  3,  um  die  Verwechslung 
mit  dem  durch  die  Abbreviatur  Hero  d.  sonst  bezeichneten  Herodo- 
tus  zu  vermeiden.  Wir  führen  diese  Stellen  an,  um  dem  Heraas- 
geber wenigstens  an  einigen  Proben  zu  zeigen,  dass  wir  mit  der 
gebührenden  Aufmerksamkeit  seine  Anmerkungen  durchgangen  ha- 
ben; manches  Andere,  was  wir  anzuführen  hätten,  unterlassen  wir, 
da  das  Bemerkte  genügen  kann;  auch  aus  Plutarch,  dessen  SohreOh 


Akoff:    De  litt.  Graecc*  et  Ronm.  ttadiii  etc.  839 

weise  so  maoches  Aehnliche  mit  der  des  Basilias  bietet,  unterlas- 
sen wir  weitere  Belege  ansoführen,  um  so  mehr  als  der  Verfasser 
bereits  an  mehr  als  einer  Stelle  solche  gegeben  und  überhaupt  die- 
sen Schriftsteller  richtig  gewürdigt  hat  in  der  auf  die  Anmerkungen 
folgenden  Abhandlung,  welche  unter  der  Aufschrift:  „Einiges  über 
Christentfaum  und  Heidenthum^  S.  127 — 158  den  Schluss  des  Oan- 
sen  bildet  und  cum  weitern  Verständniss  der  im  Allgemeinen  in  der 
Rede  des  Basilius  berührten  Gegenstände  dienen  kann. 

Wir  reihen  dieser  Anzeige  noch  die  einer  andern  Schrift  an, 
welche,  zur  Säcularfeier  der  Universitüt  Freiburg  unlängst  erschie- 
nen, eine  ähnliche  Aufgabe  sich  zum  Gegenstande  gewählt  und  diese 
mit  besonderer  Berücksichtigung  dessen,  was  auch  unsere  Zeit  in 
dieser  Beziehung  fordert,  behandelt  hat: 

Commeniaiio  de  liier aru7n  Oraeearum  atgtie  Romanartim  studüa 
cum  iheologia  ehrisiiana  conjungendis,  Seripsü  Joannes  AI- 
sog^  M.  D.  B.  a  consilL  eccless,  in  universit.  Frib.  th,  Dr. 
et  Professor  P.  0.  Friburgi  Brisigavorum  in  typographeo  Äeon 
demico  Hermanni  Meinhardi  Poppen,  MDCCCLVIL  36  8.  in  4. 

Diese  Schrift  ist  zur  Ankündigung  der  Ehrenpromotionen,  welche 
von  Seiten  der  theologischen  Faicultät  bei  der  erwähnten  Säcular- 
feier statt  fanden,  geschrieben;  sie  benutzt,  die  gewiss  passende  Ge- 
legenheit, um  die  Nothwendigiceit  der  Pflege  der  antiken,  classischen 
Literatur  als  Vorbereitung  für  eine  tüchtige  christliche  Bildung  und 
Wissenschaft  ans  dem  Munde  der  ersten  und  ältesten  Lehrer  christ- 
licher Bildung  und  Wissenschaft  selbst  darzuthun,  indem  sie  eine 
Zusammenstellung  der  betrefifenden  Aeusserungen  derselben  mit  den 
dazu  gehörigen  Erörterungen  in  einer  eben  so  fliessenden  wie  be- 
redten Darstellung  liefert.  „Quodsi  totum  genus  hnmanum,  sagt 
der  Verfasser  S.  2  in  seiner  Einleitung  „ex  decreto  providentiae 
divinae  illustratum  non  prius  est  sapientlae  christianae  luminibus, 
quam  subactum  et  praeparatum  sub  umbraculis  pbilosophiae  grae- 
cae  atque  romanae:  singulorum  quoque  hominum,  qui  ad  plenam 
christianae  humanitatis  laodem  via  et  ratione  adspirant,  Ingenium 
excultum  et  praeparatum  non  erit  nisi  praevia  antiquitatis  graecae 
et  romanae  cnltura.^ 

Durchgehen  wir  nun  aber  näher  den  Inhalt  dieser  Schrift,  so 
kann  uns  diese  Darstellung  zeigen,  wie  eben  die  ganze  Entwicklung 
der  christlichen  Oultur  und  Wissenschaft  durch  die  antike  classische 
Bildung  vermittelt,  ja  in  ihr  gewissermassen  begründet  ist:  eben 
darum  ein  wahres  Eindringen  in  die  christliche  Wissenschaft  ohne 
diese  vorausgegangene  Pflege  der  altern,  classischen,  formell  so  vol- 
lendeten und  in  sich  abgeschlossenen  Literatur  gar  nicht  möglich  ist: 
und  wie  es  eben  darum  das  Bestreben  alier  erleuchteten  Lehrer  der 
Kirche  in  deren  ersten  Jahrhunderten,  im  Orient  wie  im  Occident, 
war,  auf  diese  Quelle  der  BUdung  alle  diejenigen  hinzuwdsen  und 


840  AlMg:    Do  litt.  Graecc.  ei  Romm.  «tadib  etc. 

suräcksuführoD,  denen  es  um  die  wahre  Erkenntniss,  die  christliche, 
so  thon  sei.  Mit  dem  grossen  UeideDaposiel  beginnend,  an  deasen 
Bekanntschaft  mit  hellenischer  Literatur  und  Wissenschaft  nicht  za 
aweifeln  ist,  wendet  sich  der  Verfasser  zu  den  noch  vorhandenen 
Zeugnissen  der  folgenden  christlichen  Jahrhunderte;  Justin us  der 
Martyr  aus  dem  zweiten  Jahrhundert,  insbesondere  Clemens  von 
Alexandrien  und  Origenes,  deren  Ansichten  und  AufTassungsweise 
hier  des  Näheren  dargelegt  und  besprochen  werden ,  dann  Gregorios 
Thaumaturgus  so  wie  Basiiius  der  Grosse  bieten  einen  reichen 
Stoff  der  Darstellung,  die  insbesondere  auch  darauf  bedacht  ist,  den 
Sinn  nnd  Geist,  in  welchem  diese  Kirchenlehrer  die  Lectiire  der 
Glassiker  empfahlen,  so  wie  die  Vorsicht,  die  sie  anderseita  dabei 
angewendet  wissen  wollten,  darzulegen  und  zu  erörtern.  Ihnen  reihen 
sich  andere  Zeugnisse  an,  namentlich  die  des  Gregorius  von  Nazianz, 
der  selbst  bei  heidnischen  Lehrern  diese  Studien  machte,  und  seines 
Studiengenossen,  des  Kaisers  Julianus,  der,  um  den  Christen  und 
der  aufstrebenden  christlichen  Wissenschaft  Grund  und  Boden  zn 
entziehen,  die  Pflege  der  heidnischen  Schriftsteller  von  ihren  Scha- 
lem ausgeschlossen  haben  wollte  und  christlichen  Lehrern  darin  za 
unterrichten  verbot,  eben  damit  aber  auch  den  Widerspruch  des  ge- 
nannten Gregorius  in  den  noch  vorhandenen  wider  Julian  gerichte- 
ten Reden  so  wie  selbst  den  Tadel  von  Schriftstellern  hervorrief, 
die  bei  aller  der  Vorliebe  zu  der  Person  des  Julianus,  von  der  sie 
sonst  geleitet  sind,  doch  auch  eine  gewisse  Unpartheilichkeit  und 
Billigkeit  für  die  Christen  sich  bewahrt  haben,  wie  diess  bei  dem 
hier  angeführten  Ammianus  Marcellinos  der  Fall  ist,  bei  dem  es  frei- 
lich noch  nicht  so  ausgemacht  ist,  ob  er  wirklich,  wie  diess  die 
neuesten  Schriftsteller,  unter  andern  auch  Auer  annehmen,  als  Heide, 
das  geschichtliche  Werk  schrieb,  in  dessen  Verfasser  frühere  Ge- 
lehrte, wie  z.  B.  die  beiden  Valois  u.  A.  einen  Christen  erkennen  zu 
müssen  glaubten. 

Wir  übergehen  andere  von  dem  Verfasser  aus  diesem  Kreise 
hervorgehobene  Zeugnisse:  wir  wenden  uns  zu  den  Zeugnissen,  die 
er  von  S«  21  ff.  aus  der  lateinischen  Kirche  vorlegt.  Hieronjmos 
und  Augustinus  bilden  natürlich  die  Mittelpunkte  dieser  Erörterung, 
die  aus  den  Schriften  dieser  grossen  Kirchenlehrer  zugleich  die  Art 
und  Weise  nachweist,  in  welcher  sie  die  classische  Literatur  im 
Verhältniss  zur  christlichen  Wissenschaft  aufgefasst  und  behandelt 
wissen  wollten.  Ihnen  reihen  sich  Andere  an,  die  für  classische 
Bildung  und  deren  Pflege  thätig  waren,  ein  Aurelius  Cassiodorus, 
ein  Marcianus  Capella,  der  die  Pflege  der  sieben  sogenannten  freien 
Künste  durch  sein  Handbuch  auf  die  folgenden  Jahrhunderte  über- 
trug; gewiss  aber  ist  es  nicht  als  eines  der  geringsten  Verdienste 
Carl's  des  Grossen  anzusehen,  dass  er,  so  wie  das  alte  Römerreich 
von  ihm  wieder  aufgerichtet  worden,  nach  den  vorausgegangenen 
Stürmen  des  siebenten  und  achten  Jahrhunderts,  vor  Allem  darauf 
bedacht  war,  durch  Wiedererweckung  und  Wiederbelebung  der  Stn- 


Popikofer:    L«beo  und  Wirken  ▼.  Wehrli.  841 

dien  der  classischen  Literatur,  insbesondere  der  römischeD,  der  cbrist« 
liehen  Wissenschaft  ihre  GruDdla;;e  auf  alle  folgenden  Zeiten  zn  er- 
balten und  zn  sichern,  damit  selbst  dem  erneuerten  christlichen  Welt- 
reich die  SU  seinem  Fortbestehen  nöthige  Grundlage  zn  schaffen. 
Auch  diesen  Punkt  hat  der  Verfasser  nicht  ausser  Auge  gelassen 
und  dabei  das  Verdienst  Alcnin's  gehörig  hervorgehoben:  er  be- 
schliesst  seine  schöne  Darstellung  mit  Rhabanus  Maurus,  in  welchem 
Deutschland  den  Gründer  seines  höheren  Schulwesens,  nnd  der  auf 
der  Grundlage  classischer  Bildung  gestützten  Pflege  der  Wissen- 
schaft verehrt*) 

Wenn  also  hiernach  erwiesen  ist,  wie  einer  wahrhaft  christli-' 
eben  Schule  auch  die  ihr  nöthige  Unterlage  in  der  Leetüre  und  in 
dem  Studium  der  classischen  Muster  des  alten  Hellas  und  des  alten 
Rom  nicht  entzogen  werden  kann,  wenn  sie  anders  ihren  Zweck 
erreichen  soll,  so  kann  es  auf  der  andern  Seite  wohl  zweckmässig 
und  passend  erscheinen,  bei  gehörig  vorbereiteten  Jünglingen  an  die 
Leetüre  der  Musterwerke  der  alten  Welt  die  Leetüre  solcher  Schrif- 
ten aus  dem  Gebiete  der  christlichen  Literatur  jener  ersten  Jahr- 
hunderte zu  knüpfen,  welche  in  ihrer  Form  mit  auf  der  antiken 
Bildung  ruhen,  aber  in  ihrem  Inhalt  auf  die  christliche  Erkenntniss 
und  christliche  W^issenschaft  hinweisen,  wie  die  oben  erwähnte  Rede 
des  h.  Basilius,  oder  die  Reden  des  h.  Gregorius  von  Nazianz  und 
Anderes  der  Art:  der  Verfasser  beabsichtigt  desshalb  selbst  einen 
Versuch  der  Art  au  machen,  dem  man  den  besten  Erfolg  nur 
wünschen  kann.  Clir.  BAhr. 


Leben  und  Wirken  von  Joh.  Jakob  Wehrli,  als  Armener" 
züher  und  Seminardirector  v.  J.  A,  Pupikofer.  Frauen- 
feld,  Verlag  van  Ch.  Beyel.     1857. 

Das  ist  keine  Theorie,  wohl  aber  eine  lebendige,  anschauliche 
Anleitung  für  den  Beruf  eines  Volkserziehers  nnd  eines  Bildners  von 
Volkslehrern,  besonders  derjenigen  der  Armen.  Wer  das  vortreff- 
liche Büchlein  mit  der  rechten  Empfänglichkeit  liest  und  dessen  prak- 
tischen Inhalt  erwägt  und  sich  mit  Ernst  anzueignen  strebt,  kann 
und  wird  sicher  grossen  Vortheil  daraus  ziehen;  er  wird  einsehen 
lernen,  dass  blosser  Unterricht,  blosse  Belehrung  für  den  Zweck  von 
Volksbildungsanstaiten  nicht  zureiche,  sondern  Erziehung  hier  die 
Hauptsache  sei,  diese  aber,   um  zu  gelingen  und  gute  Früchte  zu 


*)  Von  gleicbem  Standpunkte  au«  hat  aucli  unlttofpst  Herr  Directur  Wie- 
nand XU  Worms  io  einem  an  der  dortiffcn  frelehrtrn  Anstalt  erscliienenen 
Froj^rarom  (Frülijahr  1856)  die  Verdienste  des  Rhabanus,  so  wie  seines 
Studienf^enossen ,  des  ebenfalls  in  des  AIcuinus  Schule  zu  Tours  gebildeten 
Abts  von  Lorsch  and  nachherigen  Bischofs  su  Worms  Samuel  hervorgehoben 
und  in  einer  recht  beacbtenawertheo  Weise  gewttrdigt;  t.  besonderf  p.  55  ff. 


842  Pnpikofer:    Leben  mä  Wirken  r.  WebrlL 

bringen,  auf  innige  religiöse  Gesinnung  nnd  anf  frendSge  Arbeitsani- 
keit,  auf  Liebe  und  Geschielt  zur  Arbeit  begründet  werden  müane. 
Die  Mittheilungen  Webrli's  enthalten  einen  reichen  Schatz  von  Er- 
fahrungen, Menschen-  und  Naturkunde  in  Beziehung  auf  das,  was 
in  solcher  Weise  für  die  Erziehung  geleistet  werden  kann  and  aolL 
vaterlich  warnt  er  vor  den  vielen  Versuchungen,  denen  der  junge 
Mann,  welcher  sich  zum  Lehrer  bilden  will,  ausgesetzt  ist  (Eitelkeit, 
Selbstdünkel  und  sinnliche  Gelüste)  und  in  gleichem  Maass  belehrend 
ist  das,  was  er  über  den  Gang  seiner  eigenen  Ausbildung,  sodaon 
über  den  Gang  und  die  Schicksale  der  verschiedenen  Anstalten  be- 
riditet,  deren  Leitung  nach  und  nach  ihm  auvertraut  wurden ;  zuerst 
der  Fellenbergischen  Armenschule  zu  Hofwyl  und  München-Buchsee, 
später  des  Schullehrerseminars  zu  Kreuzungen,  der  dortigen  land- 
wirthscbaftlichen  Schule  und  des  damit  in  Verbindung  stehenden 
Rettungshauses  für  verwahrloste  Kinder.  Hier  zeigt  sich  überall 
in  Wehrli's  Persönlich Iteit  eine  höchst  seltene  Vereinigung  der  dem 
Erzieher  nöthigen  Eigenschaften,  der  Fassungskraft,  des  klaren  Ver- 
standes, der  Gemüthlichkeit,  der  Mittheiiungsgabe,  der  Beharrlichkeit 
und  kindlichen  Herzenseinfall.  In  diesen  angebornen  und  Borgf&ltig 
schon  im  Elternhaus  gepflegten  Eigenschaften  bestand  Wehrli's  Ta- 
lent. Dazu  gesellte  sich  seine  fortgesetzte  Lernbegierde,  sein  Fort- 
bildungseifer. Das  von  ihm  dargelegte  Wissen  bestand  in  wirkli- 
chen erworbenen  Sachkenntnissen,  in  klaren  von  Geist  nnd  Leben 
durchdrungenen  Anschauungen.  Sein  Lernen  und  Wissen  stand  mit 
der  Ausübung  in  derjenigen  Wablverwandschaft ,  die  ihm  jede  neoe 
geistige  Erwerbung  zum  vollen  Eigenthum  machte  und  ihn  dadurch 
befähigte,  aus  seinem  Schatze  Andern  reichlich  mitzutheilen.  — 
Besondere  Aufmerksamkeit  widmete  er  den  Knaben  im  vierzehnten, 
fünfzehnten  Altersjahre,  beim  Beginnen  der  Entwicklung  der  Mann- 
barkeit. Wenn  die  heitere  Umbefangenheit  des  Knaben  in  stilles 
Sinnen  und  Brüten  oder  in  zeitweiligen  Trotz  überging,  dann  hielt 
er  es  an  der  Zeit,  mit  ihm  vertraulich  wie  ein  Freund  za  reden, 
nnd  ihn  über  die  mit  ihm  vorgehende  Veränderung  zuvorkommend, 
obwohl  mit  gehöriger  Vorsicht  aufzuklären.  —  Auf  den  Rellgions» 
Unterricht  legte  er  grosses  Gewicht,  als  Hilfsmittel  der  Erztehong 
und  als  Herzenssache.  Ihm  erschien  die  Welt  als  das  grosse  Va- 
terhans Gottes  und  die  ganze  Natur  als  eine  Offenbarung  s^ner 
Macht,  Weisheit  und  Güte,  aber  auch  die  Nothwendigkeit  der  ArbeM 
als  eine  segensreiche  Einrichtung  Gottes;  er  fühlte  das  Bedfirfniss, 
die  Lehren  der  Offenbarung  mit  der  Natur  und  der  Vernunft  im 
Einklang  zu  wissen,  und  fand  in  Christi  Lehre  das  Zeugniss  ISr 
solche  Uebereinstimmung.  Die  Vorschrift:  „Bete  und  arbeite!*^ 
machte  sich  bei  ihm  überhaupt  so  durchgreifend  geltend,  dass  b& 
ihm  Frömmigkeit  und  Arbeitsamkeit  zwei  Dinge  waren,  die  ohne 
einander  gar  nicht  und  nur  in  so  lange  zusammen  bestehen  können, 
als  die  Liebe  sie  mit  einander  verbindet.  Damit  die  armen  Zöglinge 
der  Dankbarkeit,  Bescheidenheit  und  Genügsamkeit  nicht  vergesMa 


Popikofer:    Leben  nnd  WiikeD  r.  Wehrli.  843 

und  nicht  mit  Neid  auf  die  Genüsse  der  Reichen  binbliclcen  mögen, 
machte  Wehrli  es  ihnen  zur  LebcDsaufgabe,  wie  er  selbst  in  seiner 
Jagend  mit  bestem  Erfolg  getban  hatte,  sich  durch  Streben  nach 
Arbeitstücbtiglieit  und  Beschränicung  seiner  Bedürfnisse  über  das 
Loos  der  DOrftiglceit  eu  etlichen.  —  Ein  vorzügliches  Erziehungs- 
mittel war  für  Wehrli  der  Gesang,  als  Quelle  der  Heiterkeit,  der 
Ermuthigung  und  des  frommen  Zartgefühls;  ' wobei  er  sich  einer 
sehr  einfachen  Methode  bediente.  Den  Ghorgesang  der  Kinder, 
worauf  er  am  meisten  hielt,  konnte  man  nicht  ohne  Rührung  hören. 
Die  Auswahl  der  Lieder  war  vortrefflich.  — 

Ohne  den  Lehrerberuf  irgend  einem  Armenschüler  aufzudringen, 
wusste  doch  Wehrli  aus  seiner  Anstalt  eine  Pflanzstätte  für  künf* 
ttge  Lehrer  zu  schaffen,  indem  er  sich  unter  den  Zöglingen  eine 
auserlesene  Jüngerschaft  zu  Gehülfen  heranbildete,  die  von  seinem 
Geist  durchdrungen  waren.  Unter  den  altern  Zöglingen  entwickelte 
sich  ein  männliches  Wohlwollen,  Liebe  zu  ihren  Jüngern  Mitgenos- 
sen, unter  diesen  ein  kindliches  Anschllessen  und  Vertrauen  zu  je- 
nen. Die  blosse  Bestellung  der  altern  zu  Monitoren  über  die  Jün- 
gern bewirkt  dieses  freundliche  Yerhältniss  nicht;  das  Verhältniss 
wird  zu  steif,  zu  herrisch,  zu  formell. 

Wehrli  bemerkt  überhaupt  sehr  treffend:  ^wir  Lehrer  und  Er- 
zieher lernen  viel  zu  wenig,  was  der  beste  Lehrer  und  Eraieher 
Christus  gewesen  ist,  um  eine  ächte  Jüngerschaft  zu  bilden.^  Was 
Wehrli  selbst  in  dieser  Beziehung  geleistet,  haben  verschiedene  Be- 
richte (z.  B.  von  Rengger,  von  Rieke  und  Andern)  dargelegt  Er 
besitzt,  heisst  es  hier,  eine  durch  keine  Fremdenbesuche  und  Lobeser- 
hebangen  zu  verderbende  Bescheidenheit  und  Gutmüthigkeit.  Sein 
freundliches  Betragen  gegen  die  Kinder  ist  so  natürlich,  dass  es 
nicht  anders  sein  isann,  die  Kinder  müssen  ihn  wieder  lieben  und 
seine  Gutmüthigkeit  muss  selbst  auf  sie  übergeben.^ 

In  Wehrli's  Armenerziehungsanstalt  bildete  sich  ohne  Zwang 
ein  Bundesverein  für  Ueberwachung  der  Disciplinarordnung,  wonach 
sich  die  Zöglinge  selbst  gegenseitig  belehrten,  ermahnten,  die  altern 
für  die  jungem  sorgten  und  diese  jenen  Folgsamkeit  und  Achtung 
erwiesen.  —  Ordnung  gewährt  überall  Lebenslust  und  Zufriedenheit, 
Unordnung  hat  Lebensüberdruss ,  Zeitverlust,  Misslingen  vieler  Un- 
ternehmungen zur  Folge.  Jedem  Zögling  ward  dafür  ein  kleines 
Amt  in  einem  gewissen  Kreis  übertragen.  —  Wehrli  gab  mit  Fel- 
lenberg zuerst  den  Anstoss  zur  Errichtung  vieler  andern  Armener- 
ziehungsanstalten in  der  Schweiz  und  auch  auswärts.  Die  gemein- 
nützige Gesellschaft,  aus  Gliedern  alier  Kantone  zusammengesetzt, 
die  In  jedem  Jahr  an  einem  andern  Ort  sich  versammelt,  wirkte 
treulich  für  diesen  Zweck.  Nur  durch  Verweilen  der  Zöglinge  in 
der  Anstalt  bis  zum  angehenden  Mannesalter  wird  es  möglich,  Ihre 
Erziehung  zu  vollenden.  Die  frühere  Entlassung  würde  sie  der  Ge- 
fahr blosstellen,  aller  Früchte  der  erhaltenen  Erziehung  verlustig  zu 
gehen. 


d44  Pupikofer:  Leben  und  Wirken  t.  Wehr». 

Neben  der  Armenachule  verband  Wehrli  nmch  FeUenberg'g 
Wunsch  eine  Vorbereitungsschule  für  solche  Jünglinge,  die  dem 
Schulamt  sich  zu  widmen  gedachten,  und  an  diese  schloss  uch  nodi 
eine  landwirthschaftliche  Lehranstalt  an/ 

Jährlich  kamen  wirklich  schon  angestellte  Schullehrer  aos  ver^ 
schiedenen  Kantonen  nach  Hofwyl,  um  sich  durch  eigene  Anschauung 
die  Vortheilo  der  dasigen  Unterrichts-  und  Erziehungsanstalten  an- 
zueignen und  das  ihrer  Bildung  Mangelnde  zu  ergänzen.  Dieee 
Fortbildungskurse  waren  für  die  Förderung  der  Landschulen  tob 
grossem  Nutzen. 

Den  Werth  der  pädagogischen  Fähigkeit  Wehrli's  und  seiner 
Leistungen  kennt  der  unterzeichnete  Referent  nicht  bloss  aus  Schrif- 
ten, sondern  aus  dem  wiederhohen  Resuch  seiner  Anstalten  su  Hof- 
wyl  und  Kreuzungen  und  a\is  dem  persönlichen  Umgang  mit  ihm. 
Das  von  ihm  begründete  Schullehrerseminar  zu  Kreuzllngen  ver- 
dient als  die  reifste  Frucht  seiner  Studien  und  Erfahrungen  ange> 
sehen  zu  werden.  Die  innere  Einrichtung  war  ganz  sein  Werk. 
Sie  war  höchst  einfach;  ihre  geregelte  Ordnung  beruhte  daraaf, 
dass  jeder  Zeittheil  des  Tages  für  jeden  Zögling  seine  bestimmte 
Verwendung  erhielt  und  alle  Zöglinge  biefür  durch  den  Jedem  zu- 
getbeilten  Antheil  zusammenwirken  mussten.  Auf  die  gemeinsame 
^fo^genandacht  folgte  das  Frübmahl,  abwechselnd  aus  Haferkruze, 
Milch,  Suppe  mit  Brod  oder  Kartoffeln  bestehend.  Das  Mittagmahl 
brachte  nur  3  oder  4  male  Fleisch,  nur  selten  ein  KellergetrSnk. 
Das  Nachtessen  beschränkte  sich  auf  Suppe  und  Gemüsse  oder  Kar- 
toffeln. Dem  Schlafengehen  zwischen  8  und  9  Uhr  Abends  ging 
eine  Selbstprüfung  über  das  Werk  des  Tages  voraus.  Die  Pflege 
der  Erkrankten  überwachte  die  Hausmutter,  Wehrli's  treffliche  Gat- 
tin. —  In  Bezug  auf  den  Unterricht  wurde  die  Grundanschauung 
festgehalten:  dass  der  Lehrer  auch  Erzieher  und  zwar  Gehülfe 
der  häuslichen  Erziehung  werden  solle,  deren  unerlässliches  Ziel  für 
die  unteren  Volksklassen  in  der  Befähigung  besteht,  sich  den  Unter- 
halt mit  eigener  Hand  zu  erwerben,  woran  die  moralische  Selbst- 
ständigkeit, die  leibliche  Gesundheit  und  das  kräftigste  Bewahret 
vor  unordentlichen  Gelüsten  bedingt  sind.  —  Zur  Uebung  der  Zög- 
linge im  Kindernnterricht  wurden  Abtheilungen  der  Ortsgemeinde- 
schule  benutzt. 

Mit  dem  Unterricht  über  Naturkunde  wurde  der  landwirthschaft- 
liche, mit  dem  über  Arithmetik  und  Geometrie  eine  Anleitung  zum 
Gebrauch  des  Messtisches  verbunden.  Die  Feldgärtnerei  bildete  einen 
Hauptkurs  des  praktischen  Unterrichts.  Gemüsse  und  Obst  für  den 
Bedarf  des  Seminars  lieferte  die  Arbeit  der  Zöglinge  selbst. 

Für  den  Unterricht  über  Naturkunde,  Geschichte,  Geographie, 
Zeichnen  und  Gesang  wurde  das  ausersehen,  was  jedem  im  Volks- 
leben am  Förderlichsten  ist. 

Die  Worte  der  Mahnung  und  des  Raths,  welche  Wehrli  seinen 
Zöglingen  In  einem   väterlichen   Schreiben   als   Leitfaden   für  ihres 


Ptapikofer:    Lebeo  und  Wirken  v.  Wehrli.  845 

kOnftigeo  Berof  mit  gab  (S.  190  ff.),  omfasflen  alle  GegeastSnde, 
welche  ein  SchoUehrer  an  jedem  Tag  erwägen  sollte,  um  seine  Be* 
fShigung  und  Wirksamkeit  immer  auf  einen  höhern  Grad  von  Vol« 
leoduDg  zu  beben.  Sie  bilden  eine  Tollständige  Anleitung  cur  fort- 
gesetzten Seibstprüfung.  Da  heisst  es  unter  anderm:  „Der  Lehrer 
muBS  ein  Seelenarzt  bei  den  Kindern  sein,  und  um  dies  zu  sein, 
muss  -er  die  Krankheiten  kennen  und  ihre  Ursache  erforschen  und 
die  rechten  Mittel  zu  ihrer  Heilung  wählen.  Trägheit,  Unreinlich- 
keit,  Schwatzhaftigkeit,  Eitelkeit,  Hochmuih,  Neid,  SchadenfreudC| 
Dogehorsam,  Schamlosigkeit  und  Lügenhaftigkeit  sind  die  vorzüg- 
khsten  Krankheiten,  mit  denen  der  Lehrer  zu  kämpfen  hat,  und 
ihnen  auf  die  rechte  Weise  beizukommen,  darin  besteht  seine  Lehr- 
weisheit'' 

Sehr  beherzigun^swerth  ist  das,  was  Wehrli  im  Seminar  darüber 
Tortrug :  wie  der  Landschullehrer  durch  seine  Betheiligung  am  Land«- 
baa  zur  Hebung  des  Bauerostandes  einwirken  könne.  yKein  anderer 
Beruf,  sagt  er  (S.  217),  wird  mit  so  viel  Schlendrian  betrieben,  wie 
der  Bauernberuf;  und  doch  bieten  wenig  andere  Berufsarten  so  schöne 
Gelegenheit,  die  leiblichen  und  geistigen  Kräfte  vielseitig  zu  gebrau- 
chen und  zu  bilden.  Die  Aufgabe  des  Landschullebrers  ist  es, 
Kftdchen  und  Knaben  durch  Lehre  und  Beispiel  für  den  Beruf  der 
Landwirthscbaft  zu  begeistern.^ 

Zu  diesem  edlen  Zweck  wurde  auch  von  Wehrli  die  Stiftung 
eines  landwirthschaftlichen  Vereins  und  hernach  einer  eige- 
nen landwirthschaftlichen  Schule  veranlasst,  in  welcher  Sohne  von 
Landwirthen  für  jede  Verbesserung  im  Landbau  Belehrung  und  prak- 
tische Anleitung  erhalten  (S.  229  ff.). 

Das  Büchlein  enthält  noch  eine  ausführliche  Darstellung  der 
Einrichtung  der  Rettungsanstalt  verwahrloster  Kinder,  die  in 
der  Nähe  des  Lehrerseminars  mittelst  freiwilliger  Beiträge,  einer 
jährlichen  Unterstützung  der  gemeinnützigen  Geseilschaft  und  der 
Kantonsregierung  zu  Stande  kam. 

Möge  das  Büchlein  von  recht  Vielen  mit  Bedacht  gelesen  und 
beherzigt  werden  I  Dann  wird  es  zu  den  wenigen  Schriften  gehö- 
ren, deren  segensreicher  Einfluss  auf  wahre  Volksbildung  nicht  aus- 
bleiben kann. 

Cooftani ,  den  34.  Juni  1857. 


846  V«  Kaeiebeck:  Perdipimd  Benoff  r.  Brnoüehweif . 

Ferdinand  Herzog  »u  Braunschweig  und  Länehurg  während  da 
siebenjährigen  Krieges.  Aus  englischen  und  preussischen  Ardir 
ven  gesammelt  und  herausgegeben  von  F,  von  dem  Knesebeckf 
ObersUieuienant  im  k.  hannoverschen  Qeneralsiabe.  Erster  Band, 
VL  497.  8.     Hannover^  bei  Hdwing,     1857. 

Die  Verschwörung  wider  das  feierlich  anerkannte,  selbst  ge- 
währleistete Erbe  der  Habsburger  enthält   den  ersten  Hauptact  des 
s.   g.   revolutionären   Principe   im   achtsehnten   Jahrhundert.     Denn 
man  fragte  nicht  dabei  nach  dem  Recht,  sondern   nach   der  Ge- 
walt und  zwar  vom  rein  materiellen  oder  territorialen   Standpunkt 
aus.    Politisch  konstitutionelle  Grundsätze,  etwa  der  republikaniscben, 
beschränkt  monarchischen  oder  absolutistischen  Gattung,  kamen  dt* 
bei  durchaus  nicht  in  Frage,     fben  so  wenig   griffen  kifchlich-reii- 
glöse  Hebel  und  Motive  mit  ein,   indem  ja  protestantische  und  ka- 
tholische Regierungen  gleich  willig  den  Anlass  für  Land-  und  See- 
lengewinnst  benutzten  und  nach  bestem  Vermögen  ausbeuteten.   Die 
territoriale  Kraft,  oder  das  unter  Ludwig  XIV.  mit  besonderm  Gluck 
in  die  Praxis  eingeführte  Arrondirungs-  oder  Abrundungsprincip  wirkte 
auch  hier ;  man  wollte  die  theils  unbequeme,  theils  verhasste  Reicht- 
und   Hausmacht   mindestens   in   engere  Gränzen  einschliessen ,   wo 
nicht  gar  zerstückeln ;  man  hatte  selbst  bereits  des  Bären  Fell  ver^ 
theilt,  bevor  er  erlegt  war  und  wusste  genau,   wohin  das  eine  oder 
andere  Stück  kommen  sollte.    Dieses  schändliche,   aller  Sittlichkeit 
und  Religion  Hohn  sprechende  Kunstwerk  der  modernen  Diplomatik 
kam  aber  nicht  zu  Stande,   theils  weil  Gott  die  Köpfe  der  Sändsr 
verwirrte  und  den  Bedroheten  Kraft  und  Klarheit  gab,   th^ls  weS 
der  geistvollste  und  charakterstärkste  Theilnehmer  von  der  Yerge- 
aellschaftung  (Association)  absprang   und   für  sieh   allein   Geacbäfti 
machte.    Diese   nun,   nicht  ganz  ohne  reohtliche   nnd   gemSssigts 
Grundlage,  gediehen,   während  die   völlig  boden-  und   reohtloeia 
Wagschaalen  der  Associ^s  in  die  Höhe  schnellten  und  zuletst  ionir 
Ich  Bankerott  machten.     Denn  der  Bedrohete  besass,  nachdem  er! 
sich  mit  dem  gefahrlichsten,  dabei  aber  immer  noch  billigsten  Wider*  I 
saoher  gütlich,  wenn  auch   nothgezwungen   verglichen   hatte ,   Kraft  I 
genug,  um  den  Rath  der  Bösen  völlig   zu  sprengen   und   mit  Aof  | 
nähme  des  angedeuteten  Theils  die  Gesammtheit  des  Erbes  zu  rei- 
ten.    Jedooh  blieb  bei  steigendem  Selbstgefühl  und  Wachsthnm  der  | 
verjüngten,  aus  langem  Schlummer   erweckten   Staatskräfte  der  Ge*  1 
danke  an  die  relativ  geringe  Minderung   des  Gebiets  stets  lebendif  I 
und  nagte,  abgesehen  von  der  weiblichen  Reizbarkeit,  wie  ein  Ge- 1 
Wissenswurm   so  lange   und   unbemerkt  an   den   Fäden   des  nenm 
Zwangvertrags^  bis  sie  von  Jahr  zu  Jahr  erschlaffend  dem  Zerreit'  { 
sen  naheten.     Der  drohenden  Katastrophe  zu  begegnen,  ergriff  der 
grosse  König,   jetzt  seinerseits  im  formellen  Recht,   das  nie  in  der 
kurzen  Friedenszeit  von  Spinnengeweben  umflorte  Schwert;  —  der 
siebenjährige  Krieg  für  und   wider  das  neue  Preussische  Be> 


y.  KiieMbeck:  Ferdinaiid  Henof  t.  Brtaafeliweif.  M7 

litztbnm  und  Erbe  brach  ans ;  alle  Wechsel  nnd  wunderbaren  Aben- 
theuer,  wie  sie  nur  in  einem  sonst  prosaischeD,  verständig  nüchter- 
nen Jahrhundert  in  Folge  des  kämpfenden  Titanen  aufgehen  konn- 
ten, setzten  Mit-  und  Nachwelt  in  gerechte  Spannung  und  Bewun- 
derung. 

Dieses  Interesse  ist  auch  jetzt  nicht  ausgegangen;  die  furcht- 
baren, so  oft  und  bis  zum  Ueberdruss  von  den  Epigonen,  nament- 
lich in  Teutschland,  literarisch  gefeierten  Kämpfe  der  ersten  franzö- 
sischen Exp e rimental-Revolution  und  des  ersten,  von  keinem 
zweiten  eingeholten  Napoleon-Kaiserthums  waren  nicht  im 
Stande,  den  bezeichneten,  militärisch-politischen  Act  für  immer  in 
den  Hintergrund  zu  drängen.  Denn  er  zeigt  ja  besonders  den  Teut- 
schen,  was  sie  bei  gehöriger  Leitung  vermögen,  selbst  im  schreck- 
lichen Bürgerkriege;  er  predigt  dann  stillschweigend  die  Nothwen- 
digkeit  der  Eintracht,  insonderheit  zwischen  Preussen  und  Oester- 
reich,  welchen  sich  die  kleineren  Staaten  doch  mehr  oder  weniger 
anzuschliessen  haben.  Denn  mögen  letztere  auch  souverän  sein, 
sie  können  gegenüber  dem  Auslande  keine  selbstherrliche,  auf  Festen^ 
Brücken  und  andere  Schirmanstalten  bezügliche  Verkommnisse  auf- 
richten ;  ihr  Wohl  und  ihr  Wehe  hängen  innig  mit  den  beiden  Gross- 
mächten,  den  einst  feindseligen  Brüdern,  zusammen,  von  gemeinsa- 
nem  Bunde  nicht  einmal  zu  reden.  Würde  man,  was  beinahe  un- 
möglich ist,  anders  denken  und  handeln,  so  müsste  über  kurz  oder 
[ang  ein  neuer  Zusammenstoss  erfolgen  und  mit  ihm  die  unvermeid- 
liche Mediation  gemissbrauchter  Souveränetäten.  — 

Für  die  Aufhellung  der  grossen  Streitfrage  aber,  welche  ge- 
»de  vor  einem  Jahrhundert  Teutschland  und  Europa  bewegte,  ist 
n  den  jüngsten  Tagen  manches  Löbliche  geschehen  und  wird  wohl 
loch  nächstens,  wenn  sich  auch  Oesterreichische  Archive  und  Denk- 
ichriftenquellen  öffnen,  weiteres  zu  Tage  treten.  Der  neulich  er- 
chienenen,  achtungswerthen  Arbeit  Huschberg's  und  W u 1 1 k e ' s 
Jahrbücher  Nr.  19)  schliesst  sich  mit  gleichem  Verdienst  das  vor- 
legende Buch  an.  Die  Actenstücke  desselben,  mit  musterhaftem 
^lelss  gesammelt  und  historischem  Sinn  geordnet,  erläutern  nicht  nut^ 
rie  sich  erwarten  lässt,  die  eigentliche  Kriegsgeschichte,  sondern 
cblldern  auch  eben  so  getreu  die  Denk-  und  Handlungsweise  der 
orzüglichsten  Persönlichkeiten,  mitunter  sogar  die  jeweiligen  Ver- 
lUtnisse  der  Diplomatie,  Völker-  und  Staatenlage.  So  erfährt  man 
stst  erst  vollständig,  wie  knickerig  und  warum  die  Englische  Re- 
ierung  den  nordwestlichen  Feldzug  gewöhnlich  unterstützte,  dann 
ber  wiederum ,  wenn  sie  im  Fluss  war ,  «mit  Kraft  und  Freigebig- 
elt bandelte;  den  unaufhörlichen,  dabei  höflichen  und  bescheidenen 
[abnungen  des  Herzogs,  welcher  regelmässig  an  den  König  Georg  IL 
Aiieb,  konnte  zuletzt  keine  listige  Kabale  und  eigennützige  Selbat- 
idbt  widerstehen.  —  Dessgleichen  treten  die  Unternehmungen  der 
Iranzosen  vielfach  in  einem  andern  Licht  hervor  als  die  schmähliche 
lederlage  bei  Rossbach  herkömmlich  angezündet  hat;  sie  erscheinen 


S4d  Y.  Knesebeck:  Ferdinand  Herzog  t.  Bnanschweig. 


I 


tapfer,  anstellig  und  mehrmals  gut  geführt ;  ihre  Erpressungen,  UBt» 
allerlei  Formen  verübt,  beltommen  dagegen  ein  höheres  Relief  als 
ihnen  bisher  zu  Theil  wurde;  sie  haben  namentlich  Hessen  so  ausge- 
plündert und  ausgefressen,  dass  man,  der  Hungersnoth  zu  wehren,  von 
aussenher  Getreide  einführen  muss;  es  idt,  wie  wenn  es  sich  Dicht 
um  den  siebenjährigen,  sondern  dreissigjährigen  Krieg,  wie  ihn  neu- 
lich für  Nassau  Keller  geschildert  hat,  handelte.  Selbst  der  gro^ 
König,  welcher  doch  Sprache  und  Literatur  des  damaligen  Kultur- 
volks so  hoch  setzte,  wird  darüber  bisweilen  böse  und  rSth  strenge 
Gegenmittel  an.  In  Betreff  des  fraglichen  Anklagepunktes  schreibt 
der  Herzog  neben  anderm  am  7.  December-1758  also:  ^^Der  Prioi 
von  Soubise  hat  Hessen  geräumt,  das  Land  jedoch  in  dem  eleDd^ 
sten  Znstande  zurückgelassen ,  indem  er  dasselbe  durch  seine  Be- 
quisitionen  so  ausgesogen  hat,  dass  es  unmöglich  ist,  auch  nur  dai 
geringste  Truppencorps  dort  zu  ernähren;  der  Fürst  von  Ysenburf 
sieht  sich  desshalb  genöthigt,  die  für  seine  Truppen  nöthigen  Sob-  | 
sistenzmSttel  aus  Hannover  herbeizuschaffen.  Da  ich  dieses  Eleod  | 
vorausgesehen ,  habe  ich  an  der  Weser  einen  Transport  Proviaot  ^ 
auf  vier  Monate  in  Bereitschaft  setzen  lassen ,  den  man  jetzt  nsdi 
Cassel  und  von  dort  nach  Fritzlar  zu  schaffen  im  Begriff  steht  u.  s.  w.^  | 
(S.  268).  —  Auch  im  Hannoverschen  und  Preussischen  hatte  mal 
arg  gehaust.  Der  König,  dessen  Heerschaaren  im  Feindesland  spfir 
ter  auch  nicht  immer  sehr  säuberlich  verfuhren,  dachte  daher  ernst- 
haft an  die  Bekanntmachung  einer  Denkschrift  über  die  völkerrechts- 
.  widrigen  Plackereien  seiner  frühem  Lieblinge  (S.  67),  und  meldete 
sogar  halb  scherzhaft  in  einem  Nachwort  dem  Herzoge  Folgendei: 
„Ich  wünsche  Ihnen  von  ganzem  Herzen  Glück,  mein  Lieber,  so 
Ihren. gesegneten  Unternehmungen.  Könntea  Sie  doch  allen  Frani- 
männern  die  Anfangsbuchstaben  des  Westphälischen  Friedens  lof 
den  Hintern  drücken  (sur  le  cul)  und  die  so  Gezeichneten  Ober  des 
Rhein  jagen  I^  (S.  64).  *—  Ueberhaupt  liebt  Friedrfech  in  den  Brie- 
fen an  Ferdinand  Witz  und  Humor;  er  streuet  in  die  Mitte  einei 
strengen  Geschäfts-  und  Militärschreibens  plötzlich  geistreiche  Wen- 
dungen nnd  Gleichnisse  ein,  welche  gewöhnlich  den  Nagel  auf  dm 
Kopf  treffen;  er  schwört  die  antiken  Schatten  herauf,  um  irgend 
etwas  Verbindliches  oder  Hoffnungsreiches  auszudrücken.  So  wird 
Ferdinand  wegen  des  damaligen  Kriegsschauplatzes  in  Westphald 
mit  Arminius,  Soubise  oder  Gontades  mit  Varus  verglichen  (S.  277); 
ein  andermal  der  junge,  aufstrebende  Held  an  Fabius  und  Hannil»! 
erinnert.  „ Vous  avez  bon  jeu ,  heisst  es  S.  69,  des  Fran^ois,  mw$ 
SLTtM  au  Rhin  11  faut  que  vous  deveniez  un  Fabius  pour  les  pn)- 
jects  et  les  dlspositions  et  un  Hannibal  pour  les  Rodimans  (?).' 
Das  soll  sicherlich  Romains  heissen^  welches  entweder  aus  absicbt- 
lichem  Scherz  oder  unwillkürlicher  Zerstreuung  in  einen  rSiker- 
schaftlichen  Unnamen  umgewandelt  wurde.  Der  Sinn  bleibt  jedoch 
Uar.  —  „Ihr  sollt,  ist  derselbe,  am  Rhein  nnd  jenseits  detfdbes 
vorsichtig  wie  ein  Fabius  und  kühn  wie  ein  Hannibal  sein.*  — 

(SdUuu  folgt.) 


Ir.  M.  HEIDELBERGER  IWT. 

JAHRBOCHER  der  LITERATUR. 


V.  Knesebeck:    Ferdinand  Herzog  v.  Braunschweig. 


(ScbluM.) 

Das  Benehmen  der  Rossen  in  Schlesien  (1758.  Jul.)  empdrt 
den  König  noch  stärker  als  das  der  Fransosen.  ,Sie  haben,  schreibt 
er  an  Ferdinand,  daselbst  geplündert  und  solche  Gräuelthaten  Ter- 
Qbt,  wie  sie  nur  die  grausamste  und  unerhörteste  Barbarei  den  wil* 
desten  und  rohesten  Menschen  einfiössen  konnte^  (S.  160].  Was 
diese  jedoch  mehr  aus  brutaler  Zerstörungslust  thaten,  ging  bei  den 
Franzosen  hin  und  wieder  aus  berechnendem  Raffinement  hervor. 
So  empfahl  1758  der  in  Versailles  noch  immer  sehr  einflussreiche 
Herr  von  Belleisle  dem  Marschall  Contades,  aus  den  Ländern  der 
verbündeten  Fürsten  so  viel  Geld,  Getreide,  Pferde  und  Menschen, 
als  nur  immer  möglieb,  zu  erpressen,  und  die  ganze  Länderstrecke, 
weiche  sich  bis  zum  Eintritte  des  Winters  noch  zwischen  der  fran* 
zösisehen  Armee  und  derjenigen  der  Verbündeten  befinde,  in  eine 
völlige  Wüste  umzuwandeln.  Nur  der  Weg,  auf  welchem  man 
muthmasslich  dem  Feinde  in  die  Winterquartiere  einfallen  werde, 
möge  verschont  bleiben  (S.  424).  Dieser  saubere  Plan  eines  wirk- 
lichen ^Cuhurbarbaren^  (barbare  cultivateur) ,  welcher  keine  Karte 
Europa's  ohne  Gedanken  an  Umgestaltung  betrachten  konnte,  kam 
jedoch  nicht  zu  Stande ;  Ferdinand*s  Sieg  bei  Minden  (!•  Aug.), 
welcher  in  dem  Briefwechsel  genau  beschrieben  wird,  fuhr  dazwi- 
schen. Auch  mochte  Contades  bedenken,  dass  die  Zeiten  der  ftho* 
lieh  haodthierenden  Sueven  und  Skythen  vorüber  seien,  der  Urhe« 
ber  des  Raths  aber  an  die  unheimlichen  Mondscheinnächie  denken, 
in  welchen  ihn  einst  im  Erbfolgekrieg  die  Oesterreicher  von  Prag 
bis  über  die  Gränze  hinaus  fortgescheucht  hatten.  Dass  aber  nichta* 
destoweniger  der  de  Belleisle  grimmig  blieb,  beweist  eben  die  obige, 
von  den  Verbündeten  aufgefangene  Instruction  an  den  Marschall 
Contades.  Das  alles  ist  jetzt  gerade  ein  Jahrhundert  alt  und  mag 
dem  Teutschen  Michel  nicht  besonders  tröstlich  vorkommen,  zumal 
er  nach  dem  Wink  seiner  Obern  hier  die  Schlacht  bei  Leipzig  feiern 
und  dort  die  St.  Helenamedaille  verschlucken  soll.  Beides  zugleich 
gehet  doch  nicht.  — 

Ein  helles  Licht  trifft  übrigens,  wie  sich  voraussehen  Iftsst, 
rücksichtlich  der  Charakteristik  besonders  die  zwei  Hauptfiguren,  den 
Herzog  und  König.  Jener  erscheint  trotz  seiner  Jagend  äusserst 
bescheiden,  vorsichtig,  besonnen  und  zur  Defensive  geneigt,  dieser, 
wie  gewöhnlich,  genial,  feurig,  zur  Offensive  angelegt,  heiter,  im 
L.  Jahrg.  11.  Hell.  54 


8G0  V.  finefebeek:  Ferdiaand  Hertog  t.  Braanschweif. 

Unglüek  rohig  und  unerschütterlich.  S^n  Gredanke,  ndthigeoUl 
als  König  zu  sterben,  springt  auch  aas  manchen  Stellen  dieser  TCh 
traulichen  Geschäftsbriefe  hervor;  seine  Seelenruhe  und  Geisten 
frische  werden  durch  die  wachsenden  Gefahren,  ja,  durch  die  er- 
kannte  NShe  des  Schiffbruches  und  Abgrundes  nicht  gebrocfacD; 
seine  ThStigkeit  steigt  Tielmehr  mit  der  Noth.  Dafür  sengen,  wi« 
der  Herausgeber  in  der  zweckmässigen  Einleitung  richtig  herTorge> 
hoben  hat,  namentlich  Depeschen  des  für  Preussen  unglncklicbes 
Jahres  1759.  So  meldet  der  König  bald  nach  der  Schlacht  (12.  Angi 
bei  Kunersdorf  dem  Herzoge,  dass,  wenn  letzterer  nicht  bald  eisl 
Abtheflung  zu  Hülfe  schicke,  die  ganze  Wirthschaft  (tonte  la  booti« 
que)  zusammenbrechen  müsse  (S.  434);  dass  eine  einzige  Scblsd 
nächstens  über  den  Krieg  und  Preussen  entscheiden  werde  (S.  444] 
dass,  er,  der  König,  ohne  Rettung  verloren  ftet,  wenn  ihm  nicht  flä 
Wunder  oder  der  Herzog  helfe  (S.  450).  „Dresden,  hei  st  es  neba 
anderm  (7.  Septb.)  ist  genommen,  die  Reichs  arroce  mit  einem  weiter 
österreichischen  Corps  zieht  längs  der  Elbe  heran,  während  noc 
4000  Mann  in  Leipzig  stehen  und  von  dort  aus  das  Magdeburgiscb 
verheeren.  Ich  selbst  kann  mich  kaum  noch  gegen  die  Russe 
halten,  während  Wunsch  nicht  stark  genug  ist,  um  sich  dieser  grosM 
Masse  entgegenzustellen.  Die  Schweden  stehen  zu  Prenzlau;  wei 
daher  Eure  Durchlaucht  mir  nicht  ungesäumt  zu  Hülfe  eilen,  i 
bitte  ich  Sie  doch  zu  bedenken,  dass  hiezu  später  keine   Zeit  md 

sein  wird.^ Ein  Mann  der  That,  beachtete  Friedrich,  wea^ 

stens  im  Kriege,  nur  das  Verdienst  und  die  praktische  ThStigkeitj 
Geburt  und  Rang  galten  ihm  an  sich,  wenn  die  höhern  Eigenschsl 
ten  fehlten,  so  viel  als  nichts;  ja,  es  schlich  sich  bisweilen  eis 
Art  Eingenommenheit  und  vorweg  urtheilender  Ansicht  bei  Ihm  eÜ 
^In  Bezug,  schrieb  er  dem  Herzog  Ferdinand,  auf  den  jungen  F& 
sten  von  Ysenburg,  den  Sie  mir  zur  Aufnahme  in  meine  Dlenil 
vorschlagen,  muss  ich  Ihnen  offen  gestehen,  dass  ich  keine  grotf 
Lust  habe,  mich  mit  Prinzen  zu  belästigen,  da  man  dieselben  ds 
zur  Plage  hat;  bald  werden  dieselben  abberufen,  bald  haben 
tausend  andere  Eigenheiten  und  glauben  deshalb  berechtigt  zu 
jeden  Augenblick  ihren  Abschied  fordern  zu  können.  Wenn 
genannter  Prinz  nicht  sehr  verständig  ist  (qu'il  ne  soit  nn 
ralsonnable)  und  nicht  sehr  hervorragende  Talente  für  das  Krie 
Wesen  kund  gibt,  so  danke  ich  Ihnen  recht  sehr  dafür*  (1758J 
16.  December.  S.  274). 

Neben  einzelnen  lehrreichen  Uebersichten,  z.  B.  der  politi 
Lage  im  Jänner  1758  (S.  285 ff.),  enthalten  die  Briefe  Friedric 
wie  sich  erwarten  lässt,  den  ergiebigsten  Stoff  für  Kriegsge^ 
schichte  und  Kriegskunst.  Dem  Herzoge,  welcher  als 
mittelbarer  Zögling  gilt,  werden  mannichfaltige  Belobungen,  ve., 
tranensvolle  Winke  und  freundschaftliche  Rathschläge  zu  Thdl,  bis« 
weilen  aber  auch,  wenn  der  junge,  vorsichtige  Mann  nicht  sogleidl 
die  Offensive  wider  den  an  Zahl  bei  weitem  starkem  Feind  nlmml^ 


T.  KneMbeck:  Ferdioand  flenog  r.  Bramfchweiip.  851 

Mttere  Kritiken  and  Vorwürfe.  ^Vergessen  Sie  dodi  nicht,  heisst 
if  einmal  1759,  da88  Sie  in  unseren  Campagnän  von  1757  and  1758 
alt  einer  Hand  voll  geschlagener  Trappen  grosse  Thaten  verrichte- 
en,  wShrend  Sie  jetst  mit  einer  treflflicben  nnd  zahlreichen  Armee 
Ich  auf  eine  Weise  benehmen,  welche  von  Leuten,  die  des  Krieges 
nndig,  unmöglich  gebilligt  werden  kann^  (S.  388,  vgl.  392).  Der 
Heg  bei  Minden  (1.  Aug.)  versöhnte  jedoch  den  ungeduldigen  K6- 
ig,  welcher  allerdings  den  etwas  zaudernden  Herzog  vorwftrts  zu 
ringen  verstand,  auch  gelegenheitlich  daran  erinnerte,  dass  grobes 
[esehüts  besonders  auf  Franzosen  günstig  zu  wirken  pflege  (S.  332). 
-  Aach  die  hier  zuerst  mitgetheilte  „Instruction  an  die  General- 
lajors  von  der  Infanterie*  (Breslau,  12.  Februar  1759)  entbilt 
lanches  Interessante;  überall  erkennt  man  den  kurz  angebotodenen, 
sotiichen  Meister  und  Herrn.  „Wenn,  heisst  es  z.  B.  $.  2.,  die 
imee  marschirt,  so  müssen  sie  (die  General-Migors)  nicht  vor  die 
rigaden  reiten  und  träumen,  wie  es  der  alte  Gebrauch  ist,  sondern 
imach  sehen  und  darauf  halten,  dass  ihre  untergebenen  Stabsoffi- 
era  die  Bataillons  zusammen  und  in  Ordnung  halten,  und  nadi  der 
irgeschriebenen  Disposition  marschiren  lassen.*  —  $.5.  wird  ver* 
Igt,  einen  Burschen,  welcher  Patronen  wegwerfe  oder  aus  den  Wa* 
sn  nicht  nehmen  woUe,  unvorzüglich  bei  dem  Regiment  zu  er- 
diieescn;  „und  soll  die  Execution  vor  dem  Regiment  geschehen, 
kne  das$  Ich  weiter  darüber  angefragt  sein  will,  der  Kerl,  habe 
Bchs  Fuss  oder  sechs  Zoll*  (S.  331). 

Schliesslich  ist  sehr  zu  wünschen,  dass  die  Fortsetzung  dieser 
IlitSrbriefe  bald  erfolge  und  aufmunternde  Thellnahme  nicht  not 
ü  den  Kriegern  vom  Fach,  sondern  auch  hin  und  wieder  bei  so* 
msDoten  Givilisten  finde.  Darum  hat  der  Heransgeber  wohl  ge^ 
lan,  die  Schriftstücke  mit  Ausnahme  der  eigenhändigen  des  KIhrigs 
Teatscher  Uebersetzung  vorzulegen. 


efrunren  des  königh  preusHschen  Generals  der  Infanterie  Ludteig 
von  Reiche.  Herausgegeben  von  seinem  Neffen  Louis  von 
Welisien,  oldenburgischen  Hauptmann  und  Brigademajor. 
Erster  TheU  von  1773^1814.  XIV.  S.  353.  ZweUer  Theü. 
VIU.  443.     8.     Leipzig  bei  Brockhaus  1857. 

Mit  den  vor . eilf  Jahren  veröffentlichten  Erinnerungen  des 
merals  Henkel  von  Donn^rsmark  (s.  Heidelberger  Jahrbü* 
er  Nr.  22.  Jahrgang  1847)  möchten  die  vorliegenden  Denkwür- 
fkeiten  leicht  das  wichtigste  Aktenstück  eines  norddeutschen  mit* 
adelnden  Zeugen  für  eine  vielbewegte,  wichtige  Zeit  bilden.  Man* 
JifAltigkeit  des  Inhalts,  gründliche  Einsicht  In  den  Veriauf  der  ml- 
frischen,  bisweilen  auch  politischen  Angelegenheiten,  Kenntnisa 
r  Personen  und  Sachen,  einfache,  klare  Darstellung  und  humaner 
m   seiehnen  besonders  den  Verfasser,  welcher  im  praktischen  Leben 


851  Memoiren  dei  CSenertlf  r.  Beiche. 

Fon  unten  nach  oben  durch  eigenes  Verdienst  aufsteigend  nirgtnib 
eine  Spur  von  anmasslicher  Dünkelhaftigkeit  zeigt,  auch  %ber  den 
Feind  gerecht  urtheilt   und   die   Schwäche  seiner  eigenen   Freunde 
ohne  Scheu  vor  der  Minderung  des  Nimbus  niemals  bemäntelt«    Nach- 
dem er  s.  B.  berichtet   hat,   wie   der   General  Bälow   das  jährlick 
abzutragende  Ehrengeschenk   der  Holländer   von    1000  Dukaten  u 
capitaiisiren  (60,000  Dukaten)  gewünscht  und  natürlich  erhalten  habe» 
wird  beigefügt:  ,,Diess  gab  mir  wieder  einen  Beleg,  wie  der  Mensch 
Im  Funkte  der  Ehre  und  des  Geldes  selten  zufrieden,  ja   mit   dem 
Gewinn  fast  stets  nur  noch  ungenügsamer  wird.    Ueberhaupt,  weim 
man  In  dieser  Besiehung  einen  Blick  in  das  menschliche  Herz  thut, 
wie  sehr  schwindet  da,  was  wir  im  gemeinen  Leben  Grösse  nen- 
nen*^ (II,  62)1  —  Allerdings  sehr  wahr.  —  Band  und  Geld  regie- 
ren die  Welt.   —    Wie  der   Verfasser,   Sohn  eines  HannoverscheD 
Hofraths  und  Landsyndicus  aus  Nienburg,  im  elterlichen  Hause  er» 
sogen,  dann  in  den  Preussischen  Militärdienst  (s.  1788)  aufgeDom- 
men,  geschult,  durch  die  Rheincampagne  praktisch  in   die  kriegeri- 
sche Laufbahn  eingeführt,  nach  geschlossenem  Frieden  als  Ingeniem^ 
Offizier  theils  als  Lehrer,  theils  als  Praktiker  wirkte,  wird  im  erstes 
Abschnitt  (1775^1805)  des  ersten  Theils  meistens  recht  ansieheni | 
und  lehrreich  erzählt.     Dasselbe  gilt  in   noch   höherem   Grade    toSi 
dem  zweiten  Abschnitt  (1805 — 1812),  welcher  „Preussens  Pru-| 
fungszeit   und   Fall^   tiberschrieben   ist.     Besonders   wird  mss 
sich  dabei   von   den   Lebensbildern   aus  damaliger  Zeit  (S.    146  iL] 
angesogen   finden;   denn   sie  ruhen  auf  Augenschein  und  Wirklich- 
keit, mögen  auch  einzelne  Striche   und  Züge  etwas  zu  matt  odv 
zu  stark  aufgetragen  sein.   Dürftig  und  unbefriedigend  ist  dagegen, 
was  über  das  Jahr  1809,   auch   in  Betreff  Schills  und   Dörnberg^ 
gemeldet  wird.     Charakteristisch   ist   die   bisher   unbelcannte    Nach-: 
rieht,  König   Friedrich   Wilhelm   habe  später   die  Errichtung    eines 
Monuments  in  Stralsund  mit  den  Worten  abgelehnt:  ,>Nicht  passend^ 
der  Insubordination  Ehrendenkmale  zu  errichten '^  (S.  210)1  —  AuA 
gut.  —  Der  dritte  Abschnitt   (1813)   euthSIt  Preussens   Erheboiy! 
und  Wiedergeburt,   beschränkt  sich  jedoch  nicht  auf  diesen  etwas| 
einseitig  gewählten  Titel.     Der  Verfasser,   damals  im  GeoeralsUbs| 
Torks,  welchen  er  recht  ordentlich  schildert,  und  später  BüiowSi 
konnte  vieles  sehen  und  mitmachen,   also  auch,  was  hier  geschieh^! 
der  Schrift  überliefern.     Diese  Sachen  sind  aber  so  vielfach  behan» 
delt,  in  Prosa  und  Versen,  besonders  von   der  jungem  Generalios 
erörtert  worden^  dass  es  doppelt  nötbig  ist,  Augenzeugen  und  Mit- 
handelnde, wie  es  hier  geschieht,   zu  vernehmen.     Man   läuft    sonst 
Gefahr,   inmitten   des  Reichthnms  arm  zu  werden,  so  sehr  werdea 
oft  die  Dinge  aufgeputzt  und  ausgeschmückt.     Was  hat  man   nidbt 
alles  über  York,  bisweilen  in  tiberscbwänglicher  Weise,  gesagt ;  hier 
in  den  Denkwürdigkeiten  (8.  288)  erscheint  der  Mann,  wie  er  leibü 
und  lebte.     ^Auch  bei  Gefechten,   heisst  es  da  neben  anJerno,  be- 
sonders je  bedeutender  sie  zu  werden   schienen ,   war  er  c«o   eigen- 


XemoireD  des  Generalf  t.  Beiohe.  653 

thflmKcher  Mann.  Grewohnlich  ritt  er  dann,  nachdem  er  Alles  an- 
geordnet hatte,  ernst  und  in  Gedanlten  vertieft,  eine  grosse  Aeht, 
bis  der  erste  Kanonenschuss  fiel,  worauf  sich  seine  Gesichtszüge 
erheiterten  und  er  zu  sagen  pflegte:  ^ Jetzt  nimmt  der  Debe  Gott 
sich  der  Sache  an  u.  s.  w.^ 

Neu  ist  die  beglaubigte  Nachricht,  der  Verfasser  habe  bei  Gross- 
heeren dem  General  von  Bülow  zuerst  gerathen,  ohne  weitere  Be- 
fehle vom  Schwedischen  Kronprinzen  auf  den  Feind  loszugehen 
[I,  305),  gleich  wie  eben  derselbe,  bescheidene  Mann  die  wirksa- 
men Geschütze  bei  Belle  Allianz  zuerst  in  die  Flanke  der  Franzo- 
sen  führte    und    dadurch    wesentlich   für    die   Entscheidung    wirkte 

(n,  215). 

Der  Verlust  bei  Leipzig  wird  hier  für  die  Verbündeten  ange- 
geben auf  15,000  todte  oder  wunde  Prcussen,  22,000  Rnssen, 
8,000  Oesterreicher  und  — 300  Schweden,  zusammen  45,300  Mann, 
eine  merkwürdige,  auch  noch  jetzt  beachtenswerthe  Rechnung,  welche 
dem  moderneu  Geschrei  wider  die  Russen,  als  hStten  sie  sich  ge- 
schont, auf  eclatante  Weise  Ziel  setzt  (I,  351).  Von  176,000  Fran- 
zosen entkamen  etwa  90,000  Mann.  Welch  ein  Morden ,  noch  ganz 
anders  als  in  der  Krimm!  —  Man  sollte  also  auf  letzteres  nicht 
gar  zu  stolz  sein,  zumal  weder  die  Karte  von  Europa  nach  der 
beliebten  Phrase  geändert,  noch  ein  folgenreicher  Effect  bewerkstel- 
ligt wurde.  Ohrie  höhere  moralisch-politische  Nothwendigkeit  aber 
bleibt  jedes  Blutvergiessen  ein  Frevel.  Wo  lag  denn  doch  hier  die 
Abwehr  der  Europäischen  Verknechtung?  Etwa  in  den  Gefahren 
der  hohen  Pforte,  welche  man  noch  jetzt  wieder  mittelst  eines  Mol- 
dau-Walacbischen  Quasikönigreichs  zu  beschneiden  trachtet? 

Der  zweite  Theil  schildert  im  vierten  Abschnitt  Deutschlands 
wiedergewonnene  Freiheit  (1814),  beschreibt  gründlich  den  Hol- 
iSndischen  Feldzng  unter  Bülow,  nur  in  der  Belagerungsgeschichte 
Antwerpens,  welches  Garnot  ruhmvoll  vertheidigte,  zu  flüchtig,  und 
(ibt  neben  anderni  zur  Physiognomie  der  Französischen  Hauptstadt 
interessante,  den  meisten  Lesern  wohl  zum  Theil  unbekannte  Züge. 
Oahln  gehört  die  Herabnahme  der  kaiserlichen  Statue  von  der  Van- 
lomesänle  unter  dem  Volksruf:  „  äbas  le  tyran!^,  das  Entgegenwer- 
en  weisser  Cocarden  in  den  Theatern,  der  Freudenschrei  zu  Gunsten 
ler  drei  verbündeten  Monarchen,  die  Henriquatremelodie  und  An- 
)a88ung  neuer  Wünsche  und  Gefühle  an  dieselbe,  wie  z.  B. 

„Vive  Alexandre, 

Vive  le  roi  des  rois. 

Sans  rien  prdtendre 

Sans  nous  dlcter  des  lois 

Ce  prince  auguste 

A  le  triple  renom 

De  b^ros,  de  juste 

De  nous  rendre  un  Bourbonl^  etc. 
V.ach  mir  tönen  diese  Leierkastennoten  mit  obligater  Begleitung  noch 


$64  Memoiien  def  Generali  t.  Reiehe. 

sehr  vemehailicb  in  den  Obren.  -  Sollten  ab«r  nidit  die  Zeiten 
kommen,  in  welchen  man:  «Vive  le  «rand  Mogull^  schrael? 
Penn  Begriff  und  Namen  Terkünden  doch  etwas  Neues  und  Pikantes, 
eben  die  Verbindung  des  tbeokratlsch- weltlichen  Prineips.  —  IndieD 
ist  gar  gross  und  passt  mindestens  für  swei  gleich  grosse  NatioDen. 

Der  fünfte  Abschnitt  erzühlt  ausführlich  den  Krieg  too  1815, 
wobei  mehre,  bisher  unbekannte  Nachrichten,  s.  B.  über  die  schoa 
oben  angedeutete  Wirksamkeit  des  Verfassers  bei  Waterloo,  eiBge- 
scbaltet  wurden ;  die  sechste  Abtheilung  tou  der  genannten  Schimcht 
bis  cum  Frieden,  schildert  die  weitere  Feindseligkeiten  und  Ereig- 
nisse in  Frankreich,  namentlich  au  Paris,  über  welches  wIederuB 
anaiehende,  wenig  bekannte  Züge  pikanter  Art  mitgethellt  werden. 
Im  siebenden  Hauptstück,  „die  Occupationsarmee  in  Frankreich*, 
gehet  die  lebiiaft-anschauliche  Erzählung  vom  zweiten  Pariser  Frie- 
den (1815)  bis  zum  Rückmarsch  des  Preussischen  Armeecorps  unter 
Ziethen  (1815)  yor  und  schildert  neben  anderm  auf  bemerkenawerthe 
Weise  die  damaligen  Zustände  in  Frankreich. 

Die  Scblussübersicbt  endlich  verfolgt  die  Schicksale  des  ehrea- 
werthen  Verfassers  bis  zum  Dienstaustritt  (1842),  indess  der  Heraus- 
geber die  weiteren  Begegnisse,  welchen  namentlich  die  AbfassuDg 
der  voriiegenden  Memoiren  (1842 — 45)  angehört,  bis  zum  Tode 
seines  wackern,  nun  auch  als  Schriftsteller  fortlebenden  Oheime 
nachholt« 

Ein  Anhang  mit  eilf  Urkunden,  welche  sfimmtlich  von  hisrori- 
schem  Werth  sind,  beschliesst  das  Werk.  Zeitgenossen  und  Nadh 
kbmmlinge  werden  demselben  verpflichtet  bleiben,  weil  es  mit  Sorg- 
falt und  Mfissigung  Begebenheiten  schildert,  von  welchen  aelbat  dii 
vorgeschrittene,  technisch-industriell  hochgebildete  Gregenwart  biswei- 
len zu  zehren  nicht  verschmähet. 


DmkwürdigkeUm  aus  dem  Leben  des  kais,  russ.  Generals^  Carl 
Friedrich  Grafen  von  Toll.  Von  Theodor  vosj 
Bernhardü  Dritter  Band,  VI.  524  8.  Leipzig  bei  Wi- 
gand  1867. 

I 
Da  die  beiden  ersten  Bände  dieses  verdienstlichen  Werka  be- 
reits ausführlich  besprochen  wurden  (Jahrgang  1856.  Nr.  4.  26  aal 
27);  so  mag  für  die  Fortsetzung  um  so  eher  eine  kurze  Anzeige 
genügen,  je  bekannter  die  Gegenstände  sind  und  je  geringer  ebes 
dessbalb  an  Zahl  und  Gehalt  die  etwaigen  neuen  Aufschlüsse.  Dahia 
gehört  z.  B.  die  aus  einem  Briefe  Toll's  (Hünfeld  31.  Oct.  S.  475)1 
hervorgehende  Muthmassung,  nach  der  Ansicht  des  verbfindelSB 
Hauptquartiers  und  auch  des  Baierischen  Heerführera  habe  der  b^ 
Leipzig  geschlagene  Franzosenkaiser  von  der  Hauptstraase  über  dii 
Seitengebirge  nach  Ooblenz  entweichen  wollen.  „In  Frankfurt,  lantst 
jene  SteUe,  stehen  6,000  Mann  vom  Feinde;  General  Wrede  hat 


DeokwttrdifkeiteB  dea  Genenls  Grafen  t.  TqH  Ki 

«ine  DivisioD  InfaDtarie  und  einen  Theil  seiner  Beiterei  dorthin 
ootsapdt  um  diese  Stadt  su  nehmen ,  mit  seiner  Hauptmacht  aber 
ist  er  gesonnen  nach  Wetzlar  xu  marschiren.  Er  setst  vorauSi  dass 
Napoleon  mit  seiner  ganzen  Armee  die  Richtung  auf  diesen  Punkt 
genommen  hat,  und  will  ihm  dort  zuvorlcommen.^  Darum,  meint 
nun  Herr  von  Bernbardi,  habe  Wrede  auch  die  zeitige  Besetzung 
der  Gelnhauser  Plisse  (Schlüchtern)  verabsäumt  und  zu  spttt  die 
Einsicht  gewonnen ,  dass  die  ganze  Französische  Armee  auf  der 
Strasse  von  Fulda  heranrüclte  —  Diese  Notiz  ist,  so  viel  ich  wetsSi 
durchaus  neu  und  trägt  allerdings  zur  Entschuldigung  des  Feldherm 
in  Betreff  der  freigelassenen  Engen  bei.  Der  verhältnissmSssig  lange 
Aufenthalt  vor  WUrzburg  wird  aber  dadurch  noch  nicht  gerechtfer- 
tigt. Hätten  übrigens  die  Franzosen  den  ungeheuerlichen,  im  Schwar- 
zenbergischen  Hauptquartier  angeblich  spultenden  Abweichunga* 
plan  über  den  Vogelsberg  nach  Wetzlar  und  dem  Niederrhein  wirk- 
lich gefasst  und  ausgeführt;  so  wären  sie  ganz  durch  Wege,  Wetter, 
Mangel  und  Feinde  zu  Grunde  gerichtet  worden.  Die  besprochene 
Hypothese  ist  also  wohl  nur  ein  gelegenheitlicher  Klatsch,  wie  ihn 
in  kritischen,  gespannten  Augenblicken  selbst  Hauptquartiere,  na- 
mentlich  wenn  sie  bunt  zusammengesetzt  sind,  lieben.  —  Immerhin 
bleibt  aber  die  briefliche  Notiz  verdanleenswerth. 

Uebrigens  behandelt  dieser  dritte  Band  ausführlich  und  oft  auf 
kritisch  räsonnirende  Weise,  natürlich  nach  den  brucbstückmässigen 
Mittheilungen  des  Helden,  den  Herbst-Feldzug  1813  und  erläutert 
ihn  durch  zwölf  werth volle  Beilagen,  meistens  wiricliche  Actenstücke. 

—  Eine  besonders  lehrreiche,  die  gewöhnliche  Ansicht  von  einer 
angeheueren  numerischen  Ueberlegenheit  der  Verbündeten  umstossende 
Untersuchung  wird  im  zweiten  Kapitel  über  die  beiderseitigen  Streit- 
kräfte nach  geliündigter  Waffenruhe  angestellt.  Der  Verfasser,  den 
authentischen  Berichten  Berthiers  folgsam  (Beil.  4),  berechnet  für 
den  Wiederbeginn  des  Kampfes  Napoleons  Macht  auf  330,000  Mann 
Fntsvolk,  72,500  Reiter,  33,500  Artilleristen,  4000  Pioniere  und 
Sapeure,  im  Ganzen  440,000  Krieger,  welche  nicht  weniger  als 
1200  Stücke  Geschütz  mit  sich  führten  (S.  65).  —  Man  ersiehet 
daraus,  was  Frankreich,  Italien  und  —  der  Rheinbund  (hört!) 
damals  noch  vermochten  und  wie  sehr  diejenigen  irren,  welche  wie 
Herr  Beitzke  den  Zahlumstand  entweder  ignoriren,  oder  zu  Gunsten 
des  in  unsern  Tagen  wieder  unbedingt  gefeierten  Eroberers   deuten. 

—  Nach  den  einzelnen,  genau  angegebenen  Etats  verfügte  der 
Band  (die  Liga)  über  364,500  Mann  Infanterie,  76,000  Reiter,  30,500 
Artilleristen  und  Pioniere,  22,000  Kosalten  im  Ganzen  über  493,000 
Mann  mit  1388  Geschützen  (S.  77).  —  „Es  ist,  wird  daher  mit 
Grund  bemerkt,  nicht  vorhanden  eine  ganz  unverhältnissmSssigei 
durchaus  überwältigende  Uebermacht,  die  den  Sieg  in  der  Art  sicher 
stellt,  dass  ein  Erfolg  des  Feindes  zu  den  ganz  ausserordentlichen 
Diogen  gehören  würde;  eine  solche  Ueberlegenheit  hat- 
ten die  Verbündeten  auch  nach  Oesterreichs  Beitritt 


856  Denkwürdigkeiten  dei  Generals  Grafen  r.  ToH 

nicht!  Es  ist  ohne  Grand,  dass  die  obwaltendeo  VerbMItniBae 
siemkich  allgemein,  —  und  niclit  etwa  bloss  von  franaSaiscben 
Schriftstellern  —  so  dargestellt  werden,  als  hStten  die  Verbändetea 
das  Heer  des  französischen  Kaisers  schon  durch  die  blosse  Masse 
ihrer  Truppen  erdrOcken  können.  In  der  Wahrheit  gehörte  TieL 
gehörte  Heldenmuth  und  Glück  dazu,  den  Sieg  an  ihre  Fahnen  zn 
fesseln  I  —  <« 

Allerdings  sehr  wahr;  denn  wenn  man  dazu  nun  noch  den 
Elfer  rechnet,  mit  welchem  namentlich  von  Völkern  Germanischen 
Stammes,  Teutschen,  Dänen,  Schweizern  stellenweise  för  die  fremde 
Fahne  geworben  und  gestritten  wurde,  den  unbedingten  Gebors^im 
gegen  die  Befehle  des  ohne  alle  Goncurenz  leitenden  Oberhauptes 
erwfigt,  dann  wird  es  klar,  dass  nur  theils  die  politisch-strategiscbefi 
Fehler  desselben,  theils  die  steigende  Begeisterung,  namentlich  der 
wider  den  Zwingherrn  bewaffneten  Teutschen  für  die  bessere  Sache 
entscheiden  konnten.  Jeder  Billige  wird  desshalb  auch  den  Gene- 
ralissismus  Schwarzenberg,  welcher  allerdings  oft  etwas  zu  bedScfatig 
verfährt,  gegen  unbegründete  Beschuldigungen  in  Schutz  nehmen. 
Auch  der  Verfasser  spart  sie  nicht;  er  spricht  dem  F-ürsten  beinahe 
alles  militärische  Talent  ab,  findet  fast  nichts  am  rechten  Fiats  und 
setzt  bis  nach  Leipzig  und  über  dasselbe  hinaus  seine  kritische 
Mäkelei  fort.  Er  legt  es  z.  B.  dem  Fürsten  als  innere  Anerkennt- 
niss  der  Unfähigkeit  aus,  wenn  er  im  Bewiisstsein  der  vor  Dresden 
gemachten  Fehler  sich  bei  Kulm  provisorisch  freiwillig  des  Oberbe- 
fehls entäussert  und  denselben  In  die  Hände  des  Russischen  Feld- 
herrn Barclay  übergehen  lässt.  Diese  Ansicht,  auch  unlängst  sehr 
scharf  von  Förster  in  seiner  Geschichte  des  Befreiungskrieges  aus- 
gedrückt, möchte  doch  nicht  überall  zutreffen.  Schwarzenberg,  ein 
milder,  ausgleichender  Charakter,  dem  es  aber  keineswegs  an  Ener- 
gie fehlt,  handelte  so,  um  dadurch  die  leidige  Spannung  mit  hoch- 
gestellten Russen  möglichst  für  den  laufenden,  gefährlichen  Augen- 
blick zu  beseitigen.  Ueberdiess  hatten  ja  auch  hauptsächlich  Ros- 
sen die  Hitze  des  ersten  Schlachttages  (29.  August)  ausgebalten. 
Der  mitbandelnde  General  Hofmann  (Feldzug  1813)  urtheiU  da- 
her ganz  richtig,  wenn  er  S.  174  bemerkt:  „Ein  ausgezeichnetes 
Kommando  unter  den  Augen  der  Monarchen,  durch  dessen  Ueber* 
lassong  der  Fürst  eben  so  edel ,  als  taktvoll  das  gute  Vernehmen 
wieder  herstellte.*'  — 

Auch  das  darf  man  dem  überaus  vorsichtigen  und  berechnen- 
den Obergeneral  nicht,  wie  es  hier  und  anderswo  geschieht,  rügend 
vorhalten,  dass  er  durch  einen  vertrauten  Eilboten  die  unlängst  sieg- 
reiche Schlesische  Armee  zur  schleunigsten  Hülfe  aufforderte.  Dens 
er  fürchtete,  Napoleon  werde  stark  und  rasch  nachdrängen.  Jener 
aber,  von  seinem  Un-  und  Missgeschick  geleitet,  blieb  still  sitzen, 
träumte  von  einem  glorreichen  Abstecher  auf  Berlin  und  überlieas 
den  General  Vandamme  entgegen  dem  förmüch  zugesagten  Bei- 
stand  seinem   bekannten,    übrigens   nicht   unrühmlich    beslAiideDem 


Denkwürdigkeiten  def  Genernls  Grafen  v.  Toll.  657 

VerhSo^niss.  Wenn  das  alles  mit  übersendender  Oröndlichkeit  von 
neaem  nachg^ewiesen  wird,  so  kann  man  andererseits  schwerlich  mit 
dem  herben  Unheil  übereinstimmen,  welches  hier  über  Ost  er- 
mann,  neben  Eu^en  von  Wirtemberg  dem  Helden  des  ersten 
Schlacbttages ,  gefällt  wird.  Jener  kühne,  obachon  vielleicht  stra- 
tegisch nicht  reich  entwickelte,  eigenwillige  Mann  rettete  nun  einmal 
die  Ehre  des  Tages  und  blieb  bis  zur  Verwundung  fest  auf  seinem 
Posten;  er  zeigte  allerdings  etwas  Spartanisches  und  gewann  rasch 
solchen  Ruf,  dass  Russen  und  Teusche  im  Laufe  des  Befreiungs- 
krieges sein  Verdienst  unumwunden  anerkannten  und  der  spätem, 
mäkelnden  Kritik  ziemlich  fern  blieben.  Freilich  hätte  auch  der 
Teutsche  Fürstensohn  ein  Denkmal  verdient,  aber  daraus  folgt  noch 
keine  Bevorzugung  oder  gar  Unwürdigkeit  Ostermanns,  für  und 
wider  welchen  neulich  sogar  eine  Zeitungskontroverse  entbrannte. 
—  Suum  cuique.  — 

Mit  Geschicklichkeit  und  Sorgfalt  schildert  der  Verfasser  be* 
sonders  auch  die  Begebenheiten,  welche  zur  Leipziger  Katastrophe 
fuhren  und  in  derselben  aufgehen.  Es  wird  hier  aus  dem  vielen 
Merkwürdigen  nur  ein,  nicht  sehr  bekannter  Zug  hervorgehoben, 
welcher  neben  so  manchem  Andern  für  die  diplomatisch-mimische 
BeHihigung  des  grossen  Franzosenkaisers  spricht. 

„Er  habe  geglaubt,  äusserte  der  betrogene  Sachsenkönig  dem 
ausserordentlichen  Bevollmächtigten  Toll  (19.  October),  man  habe 
die  Sache  (den  Beschluss  einer  vom  Leipziger  Magistrat  zu  veran- 
staltenden Friedensmission)  aufgegeben;  vor  einer  halben  Stunde 
aber  sei  sein  hoher  Verbündeter,  der  Kaiser  Napoleon,  bei  ihm  ge- 
wesen und  habe  ihn  versichert,  dass  er  Leipzig  nur  verlasse  um 
im  freien  Felde  zu  manövriren,  dass  er  aber  die  Stadt  in  zwei  oder 
drei  Tagen  entsetzen  werde**  (S.  467).  —  So  belohnte  der  ge- 
feierte Mann  seinen  treuesten  Bundesgenossen  in  den  letzten  Augen- 
blicken des  Zusammenlebens  mit  wissentlicher  Unwahrheit,  wenn  man 
will,  theatralischer  Kunstmeisterschaft.  Da  musste  er  wohl  endlich 
am  Ueberraass  seiner  Siege  (les  exc^s  de  la  victoire),  wie  eine 
heutige  Phrase  lautet,  zu  Grunde  gehen  und  zuletzt  auch  die  besten 
Freunde  stutzig  machen.  —  Das  bekannte  Wort:  ^parlez-nous  de 
Lni  grande  m^re!^  müsste  doch  nach  gerade  für  den  patriotischen, 
Ruhm  und  Frieden  liebenden  Nachwuchs,  —  die  neuen  Kaiser- 
m  ach  er,  diess-  und  jenseits,  seine  Gültigkeit  verlieren,  zumal  die 
Historie  noch  andere,  näher  gelegene  Dinge  und  Persönlichkeiten 
dem  gebildeten  Publikum  vorzuführen  hat.  Dahin  gehört  schon  der 
folgende,  von  Hoch  und  Niedrig  wohl  zu  beherzigende  Gegenstand, 
welcher  hier  jedoch  nur  ganz  kurz  berührt  werden  soll. 


86S  Merlekdr:    Mofolofie. 

Mu9olo<fU.  SystemaUsehe  üebersicht  de»  EnUoieklung9gang€»  dtr  SprO' 
chen,  Schriften^  Drucke,  Bibliotheken,  LehranstaUen,  lAieraiMr 
ren,  Wissenschaften  und  Künste,  der  Bibliographie  und  des  U- 
terarischen  Studiums.  Von  Karl  Friedrich  Merleker. 
XVL  439  S.     Leipsüf,  Brockhaus  1857. 

In  dieser  langen,  alle  Völker  und  Zeiten  umfassenden  Ge- 
dllcbtntss*  und  Ehrentafel  finden  sich  auf  sinnige  und  sor^fSUig« 
Weise  die  Nanoien  und  Verdienste  der  Arbeiter  im  geistigen  Wein- 
berge des  Herrn  aufgezeichnet.  Es  sind  nicht  die  Waffen  des  Ejaeni 
und  die  Thaten  der  leiblichen  Eroberung,  wodurch  sie  glfinsen,  son- 
dern die  stillen,  nichts  destoweniger  oft  harten  und  drangsal volles 
Künste  und  technischen  Handwerke  des  Friedens,  deren  erbliche 
Ueberlieferung  und  Geschlechtfolge  eigenth'ch  den  Bau  der  Mensch- 
heit, obgleich  häufig  unscheinbar,  stützt,  zusammenhält  und  vor  des 
bisweilen  nothwendigen  Invasionen  des  zerstörenden,  aufw-ublendeD 
Krieges  der  militärischen  Eroberer  schirmt.  Da  das  GedScbtnisi, 
oder,  was  hier  gleich  ist,  die  Schrift  nach  Aeschjlos  der  Mnsen 
Mutter  ist,  so  hat  der  Verfasser  seine  systematisch  oder  logisch  an- 
geordnete Heerschau  nicht  ohne  Grund  Musologie  geheissen.  Sind 
zwar  manche  Namen  der  Gegenwart  nicht  aufgenommen,  so  ge- 
schieht das  wahrscheinlich  nicht  aus  spröder  GieicbgültigkeU,  son- 
dern in  der  Hoffnung,  die  Uebergangenen  möchten  noch  w^ere 
Früchte  tragen  und  dadurch  erst  ihre  begonnene  Wirksamkeit  ab- 
schliessen,  ihr  die  Krone  aufsetzen.  Dass  eine  derartige  Arbelt,  wie 
sie  hier  auftritt,  die  Verbindung  der  mann  ichfaltigsten,  tiefsten  Kennt- 
nisse mit  Scharfsinn  und  vergleichender  Gombinationgabe  fordert, 
liegt  auf  der  Hand.  Schon  ein  flüchtiger  Blick  auf  die  v^:schie- 
densten  Stücke  und  Gänge  dieses  literarischen  Riesenlabyrinths  kann 
leicht  lehren,  dass  allen  billigen  Forderungen  Genüge  geleistet  wurde. 
An  einzelnen  Ausdrücken  und  Ueberschriften  muss  man  dabei  nn 
so  weniger  Anstoss  nehmen,  je  entschiedener  hier  in  manchem  Be- 
tracht wirklich  etwas  Neues  nach  Vorbedacht  und  Plan  unternom- 
men wird. 

Letzterer  erhellt  am  deutlichsten  aus  etlichen  Stellen  der  Vor- 
rede,  welche  auch  der  Hauptsache   nach  treue   Erfüllung    und   vA 
Ihr  empfehlende  Gründe   finden.     „Ein  wesentlicher   Tbeil    der  Cd- 
turgeschichte,  heisst  es  da,  ist  die  Musologie,    welche  den  inlsl* 
lectuellen  oder  scientifischen  Menschen  zum  Gegenstande  hat.    Polg- 
lich ist  Musologie   diejenige  Wissenschaft,   welche  in  sjstensatiselMr 
Ordnung  und  historischer  Reihenfolge  mit  den  literarischen  Erseof^ 
nissen  und  wissenschaftlichen  Leistungen  der  Menschen,  also  mit  der; 
Gesammtheit  der  in  Sprache,    Schrift  und  Druck    vorhandenen   Gci-i 
steserzeugnisse,  bekannt  macht,  ganz  abgesehen  von  dem  sachlidiiB ' 
und  formellen  Unterschied  derselben. 

Dieser  Unterschied  begründet  sofort  die  Unterscheidung  swisehon 
originellen  oder  ursprünglichen,   unmittelbar   aus  der  Bchöpferiaeiwi 


Ki^yiilct  Jonuf  Mofer.  M9 

Kraft  des  mentcblicben  Geistes  hervorgegangenen  und  swiscben  ^en 
aecond&ren,  dorch  die  erstere  bedingten  und  an  sie  anknüpfenden 
Geisteserzeugnissen.  Die  erstem  lassen  sich  der  Kürze  wegen  die 
positiven,  die  letztern  dagegen  die  negativen  Leistungen  nennen. 
Daraus  folgt,  dass  die  Musologie  nach  zwei  Richtungen  hin 
ihren  Weg  einzuschlagen  und  ihre  Aufgabe  zu  lösen  hat,  indem  sie 
einerseits  die  Literatur,  andererseits  die  durch  jene  veranlasste 
Gelehrsamkeit  so  vollständig,  als  es  nur  irgend  gelingen  mag, 
nachweisen  rnuss^  —  So  ferne  nun,  wird  nach  weiterer  Feststel- 
lang  der  scientifischen  Begriffe  und  Namen  z.  B.  Koinodoktologie, 
beigefügt,  das  vorliegende  Buch  mehr  biete  als  eine  Geschichte  der 
Literatur  oder  Gelehrsamkeit,  indem  es  beide  Richtungen  zu 
vereinigen  suche:  dürfte  auch  der  Titel  Musologie  gerecht- 
fertigt erscheinen.  —  Daran  wftre  auch  wohl  nicht  viel  auszusetzen 
und  eben  so  wenig  an  dem  eigentlichen  Zweck  des  Buches,  welches 
aus  dem  ungeheuren  Reich  des  orbis  doctrinae  sowohl  für  die  s.  g. 
positive  als  negative  Gelehrsamkeit  oder  Geistesarbeit  jedem  Ge- 
bildeten, namentlich  jedem  Studierenden,  eine  allgemeine  Uebersicbt 
des  menschlichen  Wissens  zu  verschaffen  sucht.  Diesem  Ziel  hat 
aieh  der  Verfasser  trotz  einzelner,  etwas  befremdenden,  vielleicht 
nnnl^thigen  Terminologieen  um  ein  namhaftes  sicherlich  angenfthert; 
seio  Buch  verdient  volle  Empfehlung,  da  es  Plan  und  verhäitniss- 
mXssige  Vollständigkeit  besitzt,  zwischen  dem  zu  viel  und  zu  we- 
nig die  schwierige,  didactische  Mitteistrasse  einhält.  — 


JusiuB  Moser.  OtsehUderi  van  F.  Kreyssig,  Mü  dner  Ab- 
bildung von  Möser^B  Denkmal  in  Osnabrück.  I\,  153,  8.  Ber- 
lin, Nicolai,  1857. 

Es  ist  zeitgomäss,  das  Bild  dieses  Kraft-  nnd  Ehrenmannes, 
welcher  für  gar  manche  Dinge  politisch-literarischer  Art  Bahn  brach, 
wieder  aufzufrischen.  Helfen  wird  es  zwar  wenig ;  denn  die  grössere, 
£^ebildete  Leserwelt  beschäftigt  sich  schwerlich  mit  den  Schriften 
nnd  Bestrebungen  des  Osnabrückers  vom  alten  Schrot  und  Korn. 
Dennoch  ist  es  nicht  überflüssig,  Leben  und  wissenschaftliche  Wirk- 
samkeit des  berühmten,  dennoch  jetzt  wenig  gekannten  Mannes  in 
einer  Skizze  beider  Richtungen  von  neuem  dem  Publikum  vorzu- 
/Obren ;  denn  dieses  hat  an  einem  kurzen,  übersichtlichen  Buche  ge- 
wiss mehr  Geschmack  als  an  den  gesammten,  in  der  That  vom 
heatigen  Denken  und  Schreiben  vielfach  abweichenden  Werken. 
Von  denselben  werden  hier  neben  den  biographischen  Nachrichten 
swecfcmässige,  nach  gewissen  Kategorieen  geordnete  und  erläuterte 
Anezüge  gegeben,  z.  B.  über  förmliches  und  wirkliches  Recht,  über 
Privalrecht,  religiöse  Bewegung,  Pädagogilc,  sociale,  literarische,  äst- 
hetische Verhältnisse.  Alle  diese  Stücke  sind  so  vortrefflich  ge^ 
wSlilt  und  erläutert,  dass  sie  auch  dem  weniger  Vorbereiteten  Nutzen 


860  Thietmari  peregrinatlo.  Ed.  LanNBi 

und  VergniigeD  gewähren  müsflen.  Dieas  gilt  besonders  toh  der 
aphoristischen  Zergliederung  des  Hauptwerkes,  der  OsnabrGckiscben 
Geschichte,  welche  in  mehr  als  einer  Rücksicht  für  den  politisch- 
rechtlichen Standpunkt  trotz  einzelner  Missgriffe  Bahn  gebrochen  hat 
nnd  noch  heutigen  Tags  frisch  bleibt.  Um  so  höher  muss  man  die 
Bescheidenheit  des  Verfassers  anschlagen.  In  der  Vorrede  zur  zwei- 
ten Ausgabe  des  ersten  Theils  (1780)  heisst  es  nämlich  also:  ^Nadi 
meiner  jetzigen  Empfindung  zu  urtheilen,  hätte  ich  mich  nie  in  das 
Feld  der  Geschichte  wagen  sollen ;  sie  erfordert  den  ganzen  Flei» 
eines  Mannes,  nnd  nicht  bloss  einige  Nebenstunden.  Indessen  glaube 
Ich  doch  immer,  manchem  einen  Stoff  zum  weitern  Nachdenken  ge- 
geben zu  haben,  und  einige  Nachsicht  zu  verdienen,  da  ich  mdoer 
Arbeit  keinen  höhern  Preis  setze,  als  sie  bei  Weisen  und  Ttioreo 
gelten  kann.'  Mit  diesem  merkwürdigen  nnd  liebenswürdigen  Selbst- 
bekenntniss  des  Helden  empfiehlt  sich^  sein  entsprechender  Schatten- 
riss  am  besten  der  Teutschen  Leserwelt,  gerade  weil  letztere  an 
derartige  Geständnisse  in  der  Gegen vvart  schwerlich  gewöhnt  ist 
Uebrigens  möchte  ich  keinesweges  mit  dem  Biographen  Möser's  Ao- 
aichten  über  den  ältesten  Zustand  und  die  ursprüngliche  ^Beanlagnog' 
seines  Volks  gerade  für  „idealisirt^  halten  (S.  31};  sie  ent- 
sprechen  vielmehr  dem  Kern  nach  der  ehemaligen,  auf  Zeagnl^es 
und  Schlüssen  ruhenden  Wirklichkeit,  welche  allerdings  später 
vielfach  in  den  Gegensatz  umschlug  und  dann  Stoff  zum  Zurüek- 
wünschen  oder  Idealisiren  gewährte. 


Mag.  Thietmari  peregrinatio.  Ad  fidem  codicis  Hamburgensis  cum 
aliia  libris  manuscriptis  collaii  edidit,  annotatione  Ulustravü 
codicum  rectnsum  scripiurae  discrepantiam  indicem  rerum 
et  verborum  adjecü  J.  C.  M,  Laurent,  Dr,  ete.  ffamburgi 
1857,     4.     80. 

Der  steigende,  auch  dem  blödesten  Auge  erkennbare  Eifer  fSr 
die  alte,  katholische  Mutterkirche  und  die  mit  ihr  verbundene  Wall« 
fahrt  macht  den  Abdruck  des  genannten  Pilger-  und  Touristenbüdf 
leins  doppelt  interessant.  Diejenigen  nämlich  würden  sehr  irrea, 
walche  da  vermeinten,  nur  Sehnsucht  nach  den  heiligen  Stattea 
und  dkenge  des  Gelübdes  hätten  ausschliesslich  gen  St.  Jage  ds 
Composteila,  Rom  oder  gar  Jerusalem  den  Sohn  des  Nordens  ge* 
führt;  Wissbegier,  Abenteurerei  und  Weltlust  im  bessern  Worlver» 
Stande  wirkten  neben  der  Frömmigkeit  und  dem  Gefühl  des  einige^ 
gegenüber  dem  Heidenthum  und  Islam  mit  Wort  und  That  schlag* 
fertigen  Christenbekenntnisses.  So  kam  es  denn,  dass  Reisetag«* 
bücher  im  Mittelalter  nicht  selten  die  Färbung  der  PilgerandaA 
trugen,  Touristen,  wie  man  heutigen  Tags  spricht,  mit  der  Tascba 
und  dem  Stabe  des  Wallbruders  angetban,  ein  Stück  der  Wdl 
durchstrichen  und  heimgekehrt   ihre   Beobachtungen   und   Erlebnisis 


HerteVerf :    Leben  dea  Afetilaof  Ton  Spartt.  801 

in  Schrift  setsteD,  dadurch  einem  grossem  oder  kleinem  Kreise  su* 
g2oglich  machten.  Derartige  anspruchslose  Erzeugnisse,  wie  in  Be- 
treff der  Isländer  des  zwölften  Jahrhunderts  bereits  vor  Jahren  Wer- 
lauff  in  Kopenhagen  Teröffentüchte  (1821),  enthalten  für  den  Histo- 
riker beachtenswerthe  Quellen  geographisch  -  ethnographischer  and 
kulturgeschichtlicher  Nachrichten.  Diese  sind  auch  in  dem  vorlie- 
genden Sehriftchen  vielfach  niedergelegt  und  nach  Verhältuiss  der 
damaligen  Bildung  in  anziehender,  einfacher  Sprache  (non  pompa- 
tice,  sed  simpliciter,  heisst  es  S.  2).  —  lieber  den  Verfasser,  Ma- 
gister Dietmer,  ist  nur  so  viel  bekannt,  dass  er,  ein  gebomer  Teut- 
Bcher,  aber  mit  Romanischer,  besonders  Französischer  Zunge  ynd 
Weise  wohl  bekannt,  1217  bald  nach  dem  für  das  Morgenland  ab- 
geschlossenen Waffenstillstand  eine  Pilgerschaar  gen  Palästina  führte, 
mit  Ihr  in  Accaron  vom  September  bis  zur  Mitte  Octobers  verweilte 
und  dann  die  heiligen  Stätten  besuchte,  bald  in  Gesellschaft,  bald, 
wie  es  scheint,  ziemlich  allein,  mit  besonderer  Aufmerksamkeit  auch 
den  Sinai  und  Zugehör  betrachtete. 

Der  Herausgeber  hat  philologische  Sorgfalt  und  exegetischen 
Fleiss  angewandt,  dieses  Immerhin  merkwürdige  und  lehrreiche  6e^ 
denkbuch  eines  mittelalterlichen  Touristen  der  heutigen  Leserwelt 
näher  zu  bringen;  vielleiclit  wäre  eine  Uebersetzung,  wenigstens  dex 
wichtigsten  Abschnitte,  hinlänglich  gewesen.  Indess  über  den  Ge- 
achmack  ist  nicht  zu  streiten;  möglicherweise  lieset  man  noch  in 
der  einen  oder  andern  Schule  Bruchstücke  des  Meisters  Dietmar  mit 
derselben  Theilnahme,  welche  etwa  die  Landesbeschreibung  des  Pau- 
«anias  findet. 


Das  Leben  des  König»  AgtsUaoB  IL  von  Sparta.  Nach  den  Quellen 
dargestellt  van  Dr.  Oustav  Friedrieh  Hertsberg,  Pri» 
vaidoeent  der  Geschichte  an  der  Universität  9u  Halle.  VL 
379.  8.     Halle,   Waisenhausbuchhandlung,  1H56. 

.  Der  Verfasser,  auf  dem  Gebiete  der  Griechischen  Geschichts- 
kunde schon  durch  den  Lebeoslauf  des  Alkibiades  rühmlich  bekannt, 
liefert  hier  ein  treffliches,  sowohl  stofflich  als  stilistisch  ausgezeich« 
netes  Charakterbild  des  bald  zu  hoch,  bald  zu  niedrig  angesetzten  und 
benrtheilten  Spartiatenkönigs.  Er  zeigt,  wie  derselbe  als  Sohn  sei- 
ner Zeit,  Naturanlage  und  Umgebung  nicht  wohl  anders  werden 
konnte  als  ihn  die  Rathschläge  und  Thaten  darstellen,  und  wie 
•elbst  bei  einem  allfällig  schwungvolleren,  gemein-  Hellenischen  Auf« 
tvitt  seines  Genius  die  Fittige  unter  dem  bleiernen  Gewicht  der  zeit- 
genössischen, Insonderheit  materiellen  Kräfte  sinken,  Held  und  Schick- 
sal endlich  nicht  sowohl  tragisch  denn  hundsföttich  endigen  muss^ 
ten.  So  gehet  es  gewöhnlich,  wenn  man  gar  zu  klug  und  verstän- 
dig handein,  alles  abwägen  und  zuletzt  vor  lauter  Selbststicht  und 
Geldirsamkeit  zu  nichts,  ja,  weniger  als  nichts  gelangen  wUL    Das 


MS  Denethii :    L«fiiiii  <|vae  ad  jnt  cirile  fpectom  frtpBenta. 

Leben  dieses  tapfern,  immerdar  thlti^eo  Fürsten  mit  hellem  Kopf 
nnd  muthigem  Herten  starb  haaptsSchlich  desshalb  fhichtloa  ab, 
weil  ibm  die  frische  Begeisterung  für  eine  gesammthellenische  Idee 
fehlte  und  mit  ihr  danerhafteSi  auf  Gerechtigkeit  und  Treoe  ruhen- 
des Glück.  —  Der  Verfasser,  durch  musterhaften  Fleiss  und  nidit 
selten  erfolgreiche  Combinationsgabe  änterstütst,  hat  dem  Leeer  ein 
anscbaoliches  Bild  der  immerhin  seltenen  Persönlichkeit  mid  gSh* 
renden,  zerrissenen  Zeit  vorgeführt,  Quellen  und  Hälfsmlttel  wohl 
ersrihSpfend.  benutzt  nnd  in  die  Anmerkungen  vertheilt,  den  That- 
bestand  tüchtig  gesichtet  und  gegliedert,  die  Erzählung  klar  ond 
einfach  mit  geringen  Ausnahmen  gestaltet.  Hinlänglich  vorbereitete 
Leser  werden  daher  das  Bnch  zu  verstehen  und  zu  würdigen  wis- 
sen ;  wer  aber  nur  leichte,  in  pilcanten  Urtheilen  und  flüchtigen  Um* 
rissen  sich  gefallende  Unterhaltung  sucht,  mag  sich  getäuscht  finden. 
Der  Stoff  ist  übrigens  so  geordnet,  dass  der  erste  Abflchnitt 
die  Schicksale  des  Königs  vor  seiner  Thronbesteigung  (442—397 
V.  C.)  behandelt,  der  zweite  die  Feldzüge  in  Klein-Asien  nnd  Nord- 
^Griechenland  (397 — 394)  darstellt,   der  dritte  die  militärisch* diplo- 

{satisiche  Thätigkeit  in  Griechenland  und  den  Höhepunkt  der  Madbt 
894 — 379)  schildert,  der  vierte  endlich  die  Folgen  der  angewand- 
ten Politik  und  den  Ausgang  ihres  Urhebers  (879 — 360)  besehreibL 
Ueberall  greifen  zweckmässige  Unterabtbeilungen  oder  Kapitel  in 
die  Hauptabschnitte  ein  und  halten  die  oft  sehr  verschlungenen 
Fäden  der  Begebenheiten  ohne  Zwang  zusammen.  Eine  nicht  ganz 
gelungene,  etwas  zerfliessende  Charakteristik  des  Königs  scfallesBt 
den  erzählenden  Theii  des  Werks,  welchem  dann  die  Quellen  nsd 
Hüifsschriften  nebst  reichhaltigen  Anmerkungen  folgen.  Eher  möchte 
hier  des  Guten  zu  viel  als  zu  wenig  geschehen  sein,  ein  Vo^hält- 
bIss,  ia  welchem  bei  der  steigenden  Gleichgültigkeit  gegen  Beweis» 
ftthmng  jedoch  mehr  ein  Lob  denn  Tadel  liegen  mag. 


Legum  quae  ad  jus  civile  spectant  fragmentaj  in  utum  pradedio- 
num  coUegit,  disposuüj  annotaiione  indruxU  Ousiav  Demt^ 
Hu 8.  Jur.  uir.  Dr.  Vismariae  MDCCCLVJJ.  60  pp.  in  ^ 
(Preis  10  Sgr.  36  Kr.  rhein.) 

Ein  sehr  brauchbares  und  nützliches,  mit  Geschick  nnd  Fleln 
abgefasstes  Werkchen.  Es  enthält  in  systematischer  Zusammeiistrf^ 
lung  die  Bruchstücke  des  Textes  nnd  den  Nachweis  der  Machrieh« 
ten  über  den  Inhalt  der  auf  das  römische  jus  civile  beaflglichcD 
Gesetze,  welche  sich  bei  den  juristischen  und  nichtjuristischen  Sohritt> 
steilem  des  Alterthums  vorfinden.  In  Anmerkungen  am  Fnsse  jeder 
Seite  sind  die  bei  der  Interpretation  der  einzelnen  Sätze  nnd  Stellen 
noch  In  Betracht  kommenden  weiteren  Quellenstellen,  nnd  ist  znglddi 
In  reicher  Auswahl  die  neuere  und  neueste  Literatur  angemerkt,  und 
hier  und  da  sind  auch  passende  kurze  Erläuterungen  beigelägt 


Demeliuf :    Lefoai  fsa»  »4  jua  driU  tp%e\»wit  frafnmta.  MS 

Den  ersten  Abschnitt  bildet  die  lex  XII  tabnlarom  (pag. 
1 — S2).  Die  Anordnung  ist  folgende:  L  Jas  pablicom,  mit 
mehreren  Unterabtheilungen,  nämlich  A)  De  legibos  publicis  jferen* 
die.  B)  De  judiciis  publicis:  a)  de  provocatione ,  b)  de  poenis. 
n.  Jus  sacrum.  HI.  Jus  privatum,  und  zwar  nach  dem 
Systeme  der  Gajanischen  und  Justinianischen  Institutionen:  1)  Jus 
quod  ad  personas  pertinet  mit  den  weiteren  Unterabtheiiungen :  a)  ser- 
Titua,  b)  patria  potestas,  c)  mauus,  d)  tutela.  2)  Jua  quod  pertinet 
ad  res :  a)  de  rerum  dominio,  b)  de  hereditatibus,  c)  de  obligationi- 
bus.  3)  Jus  quod  pertinet  ad  actiones.  Bei  den  einseinen  Sätzen 
des  XII  Tafelngesetzes  ist  am  Ende  der  Citate  in  eckigen  Elam* 
mern  die  Nummer  der  Tafel  und  des  Capiteis  angegeben.  Deber 
den  Inhalt  des  XII  Tafelngesetzes  erhielten  wir  schon  inEsmarch'a 
römischer  Rechtsgeschichte  (Göttingen  1851)  S.  46—52  eine  syate* 
matiache  Uebersicbt,  jedoch  ohne  zahlreiche  Quellenbelege,  und  so  wie 
diese  ganze  Rechtsgescbichte  neben  andern  Mängeln  auch  an  grosser 
Dürftigkeit  leidet,  so  war  auch  hier  der  Inhalt  der  XII  Tafeln  bei 
weitem  nicht  in  solchem  Umfange  dargestellt,  als  wir  dies  jetzt  bei 
D  e  m  e  1  i  u  s   finden. 

In  einem  zweiten  Abschnitte  (pag.  23 — 44)  folgen  unter  jedes» 
mal  der  Ueberschrift  beigefügten,  nach  den  Jahren  christlicher  Zeiir 
rechnnng  und  den  Consuln  bezeichneter  Zeit  ihres  Erscheinens  ata 
„aliae  leges  quae  ad  jus  civile  spectant^  im  Wesentlichen 
in  derselben  Ordnung  wie  das  jus  privatum  der  XII  Tafeln:  L  ata 
joa  quod  pertinet  ad  personas,  und  zwar  A)  Ober  die  servitus:  die 
[ex  Aelia  Sentia,  Junia  Norbana,  Furia  Oaninia,  Petronia;  B)  über 
las  matrimonium:  die  lex  Canuleja,  Mensia,  JuUa  de  adulterita  nni 
le  divortio;  C)  über  die  tutela  et  cura:  die  lex  Claudia,  Atilia, 
Falia  et  Titia,  Plaetoria.  11.  als  jus  quod  pertinet  ad  res,  A)  de 
erum  dominio:  die  lex  Atinia,  Julia  et  Plautia,  Julia  repetundaroai, 
ifaiDilia,  Scribonia;  B)  de  hereditatibus:  die  lex  Furia  testamenta^ 
I«,  Voconia,  Falcidia,  Cornelia,  Junia  Velleja;  C)  de  donationibua: 
Se  lex  Cincia ;  D)  de  obligationibus :  die  lex  Apuleja,  Publilia,  Furia 
te  sponsu,  Pompeja,  Cornelia  de  sponsu,  Poetelia,  Aquilia.  Jetzt 
ommt  nochmals  als  Dj  de  actionibus  (wohl  aus  Versehen  statt  der 
Jeberschrift :  III.  jus  quod  pertinet  ad  actiones) :  die  lex  Plaetoria, 
^iostria  Crepereja,  Silia,  und  es  wird  für  die  lex  Calpurnia,  Publiliai 
'nria  de  sponau  und  Furia  testamentaria  auf  oben  schon  gemadiM 
.n^aben  verwiesen,  worauf  dann  hier  noch  folgen:  die  lex  Mardai 
'aüeria,  Hostiiia,  Calpurnia,  Junia,  Aebutia,  duae  leges  Juliae  de 
tdi^My  und  zuletzt  die  lex  Julia  de  cessione  bonorum. 

Ein  eigener  dritter  und  letzter  Abschnitt  ist  nun  noch  (pag.  45—^ 
3^  der  lex  Jnlia  et  Papia  Poppaea  gewidmet.  Am  Ende 
»0  Caches  steht  ein  Index  über  die  Reihenfolge  der  angegebenen 
esetze.  Als  Druckfehler  fielen  uns  zufiülig  anf:  pag.  14  Zeile  2 
10     unrichtige  Citat  fr.  20  $.  1  eod.  und  auf  S.  38  die  Ueber^ 


8M  JUmanoh:    Die  p^IytechDudi«  Schule  so  Hauover. 

Bcbrift  de  heriditatibus.     Uebrigens  ist  der  Druck   und  die  Aussttt* 
tQDg  Bcböo  und  der  Preis  mäesig.  Friedrl^i  Vertef« 


Die  polytechnische  Schule  su  Hannover.  Von  Karl  Karmarschj 
Dr.  pK  erstem  Director  dieser  Lehranstalt  u,  s.  ta,  Ztoeiitj 
sehr  erweiterte  Auflage.  Mit  drei  Blättern  Abbildungen  des  Ge- 
bäudes der  Anstalt  Hannover,  Im  Verlage  der  Hahn^sek» 
Hofbuchhandlung  1856.     276  8.  in  gr.  8. 

Zur  Feier  des  fünf  und  zwunEigjäbrigen  BesUDdes  dieser  Sebole, 
die  bekanntlich   zu   den   bedeutendsten   der  Art  in  Deutschland  ge- 
hört, erschien  diese  Darstellung,  welche  über  die  ganze  £inricbtunf 
der  Schule,  wie  sie  jetzt  besteht,   und  über  alle  Tbeile  der  Anstalt 
seihst  sich   in   einer  äusserst  detaillirten   und   voUstäudigeQ    Weise 
Terbreitet,  so  dass  Jeder,  der  über  diese  Schule  sich  näher  belehreif 
und  von  ihren  Leistungen  ein  treues  Bild  gewinnen  will,   hier  alle 
Befriedigung  finden  wird.     Auf  die  Angabe   des   dermaligeo  Perso- 
nalstandes  der  Lehrer  folgt  die  nähere  Angabe  der  einzelnen  Lehr* 
gegenstände,  so  wie  Alles  Dessen,  was  auf  die   Aufnahme   in  die 
Anstalt,  das  Unterrichts^ eld   u.  s«  w.  sich   bezieht.    Dann   kommen 
die  disciplinarischen  Verhältnisse,   die  Schulgesetze,   die  ganze  Art 
ond  Weise  der  Unterrichtsertheilung,  die  Prüfungen,  Zeugnisse,  Pri* 
mien,  die  Stipendien  und  Freistellen  zur  Sprache,  wobei  die  betreffendes 
gesetsiichen  Bestimmungen  der  Reihe  nach  aufgeführt  werden,  über- 
haupt Alles,  was  die  innere  und  äussere  Stellung  der  Anstalt  betriffi, 
besprochen  wird«    Nähere  Angaben  über  die  der  Schule  zu  Gebote 
stehenden  wissenschaftlichen  Sammlungen  felilen  ebenfalls  nicht,  m 
wie  eine  genaue  Beschreibung  des  Gebäudes  der  Schule,  wozu  aock 
die  auf  zwei  Tafeln  beigefügten  Abrisse,  so  wie  die  dem  Titelblatt 
gefifenüberstehende  Abbildung   des  Gebäudes   von  der  vorderu  Seite 
gehören.     Weiter  beachtenswerth  erscheint  auch  der  Rechenschaft!- 
bericht  der  (S.  158—188}  über  die  Wirksamkeit   und   die  Erfolgt 
dieser  Schule   während   ihres   fünf  und   zwanzigjährigen   Bestandei 
gegeben  wird,  so  wie  eine  Schilderung  der  dadurch  hervorgerufen« 
Festfeier  selbst,  der  auch  ein  Verzeichuiss  alier  Derer,  welche  die 
Schule  bisher  besucht,  nebst  Angabe  ihrer  jetzigen  Stellung  beigeg 
ben  ist    Da  nun  alle  diese  Angaben  aus  ofiiciellen  Quellen  gescbs^ 
sind,  so  gewinnt  das  Ganze  dadurch  einen  offlciellen  Charalitef,  I 
seinen  Werih  und  seine  Bedeutung  nicht   wenig   erhöbt.     Bei  d« 
jetzt  überall  hervortretenden  Streben,  ähnliche  Anstalten  der  Arti 
gründen,  oder,  da  wo  solche  bestehen,  diese  zu  erweitern  und  i 
verbessern,  wird  diese  Darstellung,  abgesehen  von  dem  Werth,  ds 
sie  für  Jeden  hat,   der  diesen   Weg  der  Bildung  einschlagen    «fl 
von  besonderem  Nutzen  sein   und   die  wünschenswerthe  Belebra« 
geben  können.    Die  äussere  Ausstattung  der  Schrift  ist  eine  änsaeq 
anerkennenswerthe« 


k.  SS.  aeiDEiBeiiGEit  ntt 

jahbbOghsr  der  iiteratur. 


Su9ton$  Kaiterhiograpki^^  verdeut$clu  von  Rudolph  8tahr,     ZtctUes  Band" 

lAen.    Sluitgari,    Hoffmann'ühe  VerlagOuekhandlung  1857.    8.  225^495 

in  8. 
PUto's   mtsgoDdhlu    Werke.     DetOsch  von  K.   Pranil     FünfUr   Band.     Der 

Statu ;  UDtiU  Hälfte.    Stuttgart  u,  s.  uf.    8.  257—428. 
Xenophon'M  hellemtche  Geschichte.     üeberselU  wm  Dr.  F.  Rieckher,  Profeeear 

am  Obergymnasium  §u  Htübronn.    Stuttgart  u.  s.  u>.  XIV  und  258  8. 
Des  P.  Co\-nelius   Tacitut  Werke.     DeuUch  wm  Ca^rJ   Ludwig  Roth,  Ifc. 

Dr.  Gffmn,  Recior  u.  s.  u>.    Fünfter   Band.    Annalen  iL  bis  13.  Buch. 

Stuttgart  u.  $.  ir.    114  8. 
Paueaniat  Beschreibung  wm  Griechenland.     Aus  dem  GrieehisiAen  iAersetU  «o» 

Dr.  Joh.  Heinrich  Chr.  Schubart.    Erstes  Bändohen,    StuUgari  u.  s.  w. 

190  8. 
AwA  unter  dem  weiteren  Titel :  Neueste  SammUmg  ausgewMter  Qri^dns^ter  und 

RämsMcher  Classiher^  verdeutscht  von  den  berufensten  üeberseisem.    Liefg. 

aO— 54  inel. 

Nach  den  mehrmaligen,  auafuhrlichen  Besprechungen  der  früher  erschie- 
Denen  Tbeile  dieser  ganzen  Sammlung  (s.  noch  suletzt  diese  Jahrb.  Hr.  20), 
können  wir  ans  hier  auf  eine  kürzere  MiUheilung  über  die  seitdem  neu  hin- 
zagekommcnen,  oben  angezeigten  Theile  beschränken. 

Snetonius  erscheint  mit  diesem  zweiten  Bändchen  vollendet:  die  Ans- 
führung  ist  auch  in  diesem  Bfindchen  durchaus  gleichmttssig  dem  ersten  Band- 
eben,  worüber  an  dem  eben  a.  0.  näher  berichtet  worden.  Am  Schlüsse  ist 
eine  ^Uebersicbt  der  Julischen  Dynastie  von  Cäsar  bis  Nero*^  beigefügt,  wa« 
bei  den  verwickelten,  nicht  jedem  Leser  so  bekannten  Familienverhältnisfeil 
der  kaiserlichen  Familie  als  eine  nütiliche  Beigabe  anxasehen  ist. 

Die  neu  hinzagekommene  Uebersetznng  der  Hellenischen  Geschichte  Xe- 
lophon's  empfiehlt  sich  durch  die  Sorgfalt  nnd  Genauigkeit,  mit  welcher 
ier  Uebersetzer  sein  Werk  unternommen  hat,  über  dessen  Charakter  and 
Ifeirth  er  in  einigen  einleitenden  Bemerkungen,  denen  eine  Inhaltsanzeige  und 
Thronologie  der  in  Xenophon's  Werk  berichteten  Ereignisse  angereiht  ist,  den 
>ser  zweckmässiif  belehrt  hat.  So  wenig  er  die  Verschiedenheit,  welche  die 
iFeiden  ersten  Bücher  des  Werkes,  als  eine  Fortsetzung  des  Thucydideischen 
peschichtswerkes,  von  den  fünf  folgenden  trennt,  verkennt,  eben  so  wenig 
eheint  er  doch  der  Ansicht  zu  huldigen,  welche  desshalb  zwei  ganz  ver- 
chiedene,  getrennt  von  einander  abgefasste  and  ausgegebene  Schriften  in  den 
mn  jetzt  vorliegenden  Werke  erkennen  will:  einer  Ansicht,  von  der  sich 
ekiwerlich  Jemand  wird  überzeugen  können,  der  mit  Anfmerksamkeit  alle 
leben  Bücher  Hellenischer  Geschichte  durchgelesen  hat,  die  allerdings  nicht 
a  einer  und  derselben  Zeit  niedergeschrieben  worden  sind,  aber  darum  noch 
Ichk  als  zwei  verschiedene  Werke  gelten  können.    Uebrigena  glaubt  der  Yer- 

L.  Jahrg.  11.  Hef».  B& 


8M  WMafch: 

fuMT,  et  feien  die  beideii  ersten  Bftcher  „ohne  Zwetfel'  (?)  ragMch  mx 
dem  Wecke  des  Tlmcydidef  bekannt  femecbt  worden;  die  Aalkeicbniiiiit  and 
BekanntoMckonf  der  ikbrifen  geboren  eitem  splteren  Bntgchlntfe  Xenopkov 
an.  Die  in  den  beiden  ersten  Bachern  vorkommenden  Interpolelionen,  wdcbe 
der  VeriMser  te  apMere  Zuütee  oder  Binaeblebie}  ansah,  flanbt  er  naa  be- 
sten aus  dem  Texte  selbst  ansscheiden  und  nnter  denselben  verlegen  sa  mis- 
sen. Aneb  finden  sieb  hier  und  dn  nnter  dem  Texte  knrse  erkHirende  An- 
merkungen beigefflgl 

Die  Uebersetsnng  des  Pausanias  gebdrt,  selbst  abgesehen  Ton 
saehlieben  Sebwierfgkeiten ,  durch  die  mangelhafte  und  Ittckenbafte  ] 
heit  des  Textes,  in  welchem  dieser  Scbrihsteller  auf  uns  geko 
den  nnglcicb  schwierigen  Aufgaben ,  wfthrend  die  Wichtigkeif  und  die  1 
tung  des  Aalors  selbst  seine  Aufnahme  in  eine  Sammlung,  wie  die  ▼orliefeadc, 
nicht  umgeben  Hess.  «Es  ist  nun  aber  die  Lösung  dieser  schwierigea  Aufgabe 
einem  Hanne  anvertraut  worden,  der  seit  langer  Zeit  vorxugsweine  diesem 
Schriftsteller,  der  Kritik  wie  der  £AlArung  desselben,  seine  Krifle  ipewidmet 
und  in  swei  Ausgaben  desselben,  wie  in  einer  Reibe  von  andern  Anfnllaea 
und  Schriften  bewiesen  bat,  was  er  für  diesen  Schriftsteller  xn  leinten  Tcr- 
mag,  wie  er  darum  auch  vonugsweise  berufen  war,  denselben  in  eia  dei*- 
•ehes  Gewand  einankleiden.  Se  erscheint  diese  Uebersetsung  als  cime  mtod 
ticke,  woUvorbereitete  Leistung,  sie  sebliesst  sich  genau  an  die  Wort»  dm 
Textes  an  und  sucht  diesen  getreu  in  einer  fliessenden,  gut  venltadlioheB 
Sprache  wiederangeben,  da,  wo  derselbe  verdorben  ist,  den  mnthtu saiichea 
Sinn  so  ermitteln  und  da,  wo  er  lückenhaft  ist,  ihn  nach  Wabrscbeinlickkeil 
ansinfbllen,  wfthrend  in  den  unter  dem  Text  befindlichen  Noten  die  Grfin^ 
dieses  Verfahrens,  auch  mit  Nachweis  der  betreffenden  Literatur  kurE  nnge- 
geben  sind ,'  so  dass  Jedem  die  Möglichkeit  einer  genaueren  Prttfunf  gcgebea 
ist  Wir  wünschen  baldige  Fortsetzung  und  hoffen  am  Schlüsse  den  Gnnmn 
auch  die  nOthige  Erörterung  Über  den  Schriftsteller  selbst  und  seine  Persön- 
lichkeit, wie  Über  den  Charakter  seines  Werkes  in  erhalten. 


Dwischer  j^nus-  umd  $dUi/-jEromsr  fwr  die  Jugmd  nnck  E.  WiMmwek*M  aas**- 
toher  ÜAenroffung  bearbtiM  und  hgrmugegtbm  vmDr.  B,  W.  Wl^dmM^L 
MU  emm  Vorti>&rU  des  ObencMraAes  Fr.  KoUrmi9dL  Smtgmt.  W^ 
hf  dar  F.  0.  Mei9ikri$dtm  BuMandbmg.  i857.  ErsUr  TkeiL  iUm 
XImd240  S,  Ztoeiier  Theü,  Odyssee.  2$7  S.  DrUkr  Tkmi.  Jh^ 
läuUnmgen  mr  lUas  und.  Odyssu^  bearbeitet  und  henm^egebm  non.  Dr.  & 
W.  Wiedasch.    tö  S.  m  8. 

Der  Verfasser  will  es  versuchen ,  „in  einer  neuen  Weise  den  Homer  A 
Mittel  der  Ersiehung  und  Bildung  in  Schule  und  Haus  nutabar  so  mncfim*. 
wobei  er  von  dem  Grundsatse  ausgeht,  dass  Bibel  und  Homer  stets  die  Gmii^ 
bBcher  unserer  religiösen  und  ftsthetischen  Erilehung  bleiben  mOchtea*;  wcw 
die  eine  Seite  durch  Luther's  Bibelttbersetxung  Wahrheit  geworden,  ao  nei  dll 
andere  Seite  noch  nicht  so  vollständig  verwirklicht,  und  ungeachtet  aBer  Be- 


Mhmir»  w  mradier  Gelehrt«,  «e  Mbr  de«  >|Meieneii  Zweeke»  ier  «•- 

lohrten  Schule  ftafrewendet  wwdeB,  sei  Beaer  niehl  in  der  denlMhM  Jiife»d 

eiffeotlich  heiniach  geworden.    „Der  Umhreii,  fthrt  der  Yerlhieer  S.  VDI  ferl, 

m  welehem  die  homerijche  Dichtaiv  ihre  WiAmif  ftusem  keim,  blieh  immer 

iiech  auf  eia  verhflhoiiMBiwig  geringee  HeeM   beichriInkL    Den«  eben  d»^ 

derek,  d«M  man  an  dem  Hemer  in  der  UrqirMshe  feathMl,  (md  mit  allem 

Aecht),  moMte  überhaupt  der  Hemer  achen  fikr  ein  reiferes  Aher  ak  daa  vom 

sehnten  bis  eilften  Jahre  (fOr  welehe  Jahre  allerdings  Homer  niehl  paaat,  in 

denen  er  gar  nicht  Terstanden  werden  kenn ,  weil  alle  nethwendigen  Vorhe- 

dingnagen  fehlen)  verspart  werden ;  und  dann  hieiht  ja  offenbar  von  dem  6e- 

ooaae  dieses  BUdungsmiltels  diejenige  Jugend  heidetlei  Geaehleehts  gana  ana- 

gaacbloaaen,  deren  Bildnngsgeug  gar  nicht  dureh  die  griechische  Sprache  fHkrt'' 

Dleecm  Umstand  ahmheUen  und  so  die  Ltteke  auaaofhtten,  ist  das  Toriiegende 

Werk  bestimmt,  welches  die  beiden  Geüqge   dea  belleniechen  Altmebteea, 

niaa  und  Odyssee,  in  einer  um  circa  neun  tausend  Yeiee  Terhtesten  Fas-' 

snng»  in  einer  deutschen,  meuischen  Uebersetaung  verlegt,  welche  treu  des 

Original  aut  leichter  Verstttndlichkeil  der  Sprache  nachbilden  ,,aad  rhythmischen 

Wohllaut  und  gesehsMidige  Form  mit  Kraft  und  WOrde  Tereinigen'' ,  kors  eine 

nifentiiehe  ttachdiebtung  des  Hemer,  wie  sie  nur  ein  kindlich  ollbnea,  diek^ 

terieeh  begabtes  GeuOtth  tu  sehnffen  Teimflg»,  liefern  aelL    Ob  der  Yerfease*, 

deaaen  wohlgemeinter  Absicht  man  alle  Reohnung  Ingen  kenn,  mit  eine«  se 

sngestotaten  „deutschen  Haus-  und  Schul -Homer**   seine  Zwecke  erreichen 

werde,  sumal  bei  der  oben  beseichneten  Altersstufe,  die  dann  noch  gar  nieh 

die  Reife  besitst,  und  aller  formellen  Vorbildung  dasu  ermangelt,  beiweifeln 

wir;  um  den  Homer  in  unserer  deutseben  Jugend  recht  beimisch  au  machen, 

wird  es  nur  Ein  Mittel  geben,  wie  es  die  Schule  and  der  gelehrte  Unterrieht 

bietet :  fleissige  Leetüre  des  griechischen  Homer's,  welche  in  der  Altersstufe 

iieifinnt,  die  bereits  die  daau  nöthige  Kenntniss  der  griechisehea  Sprache  he- 

flitnl,  nnd  awar  eben  sowohl  in  der  Schule  salbst,  wie  aacbansaer  der  Schule, 

wenn  leichtere  Abschnitte,  die  nicht  in  des  Schule  gelesen  werden,  ausau- 

waUen  sind ,   und  wobei  der  Lehrer  durch  wisksame  Anleitung  und  geeig- 

nein  Naekhttlfe  Viel  thnn  kann,  wttbrend  er  »gleich  wohl  daran  tbun  wird, 

miobi  dnreh  apraekllcke  Gontroversen  und  Stymelegien  einaelner  Ajusdrtteke 

fwenm  die  Jogend  kein  Interesse  hat,  kein  Interesse  haben  kann)  nnd  eipe 

tümm  gelehrte  Behandlung  der  mehr  ei}rs/erischen  LecUkre  fiintrag  au  thnn. 

Fe^ilisk  und  Tor  Allem  muss  eine  tttchtige  sprechUcb^rammatische  Unterlege 

dnnn  Techanden  sein;  ein  Erforderaiss,  das  eUeidings  nicht  befriedigt  werden 

fcnma,  wenn  nun  den. Hemer  mit  jttngeren  Knaben  lesen  will,  als  diejenigen 

Mimd ,  adt  welchen  man  gewöhnlich  aal  unsei»  IKtteUchulea  den  Homer  au 

lesen  H^^gt,  denn  wir  sind  iuNnerhin  dev  Ansieht  4ms  es  hei  der  Lectttre 

4ßr  homerischen  Gedichte  nicht  blos  demuf  ankomme,   die  einaelnen  Worte 

mmät  Formen,  knrs  das  Sprachlich -Grammatische  an  verstehen,  «oudem  dass 

0m  nick  auch  dnhei  dnrnm  handelt,  eine  Einsieht  in  diese  Poesie  selbst,  ihr 

Wenen ,  ihratti  Charakter,  und  damit  auch  ihren  Weiih  und  Ihre  Bedeutung  fUr 

adle  feigenden  Zeiten  la  gewinnen:  daau  aher  wird  eine  gewisse  Reife,  und 

gelbst  ein  schon  vorgeettckteres  Alter  nothwendig  sein,  um  diese  GedichDe 

ala  bnatwerke^  wes  sie  In  dar  Tket  sind,  an  hegreifen  ue4  sm  wOrdigee- 


868  Peniice:  Die  PrOtdie  des  Ariitoptianee  -    , 

EadKdi  ndehten  wir  aocb  die  Ver|tleicbiiii(^ii  ond  Znsenineiistelliinfeii  ah 
der  lotberiscbeo  Bibel  bier  bei  Seite  laMen ,  weil  sie,  wie  wir  gflanben ,  we- 
der pafsend  nocb  ttberbaupt  Eulflssifif  sind/ 

Die  deutonhe  Uebersetinnfr,  welche  hier  ^liefert  wird,  ist  bereits  früher 
▼olUtKndig  im  Jahr  1853  erschieDen,  sie  ist  demnach  hinreichend  bekaavt; 
was  die  aosirelassenen  oder  aasfesehiedenen  Stellen  betrifft,  wodurch  Iliai 
und  Odyssee  in  der  oben  bemerkten  so  wesentlich  ab|rekQrtteB  Fasson^  er- 
scheint, so  sind  es  aunttchst  pAdairofrtsche  Rücksichten  (jr^wesen,  welche  da- 
bei obgewaltet,  nnd  S.  IX  des  Nttheren  anseinanderf^esetzt  worden.  Eise 
gute  EinleitnnK  oder  Einflihrunff  in  die  LectOre  der  homerischen  Gedidle 
Ifiebt  der  dritte,  auch  mit  besonderem  Titel  erschienene  Theil;  man  kau  sie 
ScbQlern  and  Oberhaupt  andrehenden  Lesern  der  homerischen  Gedichte  in  die 
Hand  ireben,  indem  in  einer  gedrilnirten  Fassung  die  Hauptpunkte,  welche 
aar  sachlichen  Auffassung  im  Allgemeinen  dienen,  ertüutert  werden.  Nach 
einigen  Bemerkungen  ttber  den  Dichter  selbst  und  seine  Werke  folgen  Br9r- 
terungen  ttber  die  homerischen  Gotter  im  Allgemeinen,  so  wie  ober  die  aa 
einaelne  derselben  sich  knttpfenden  Vorstellungen ;  dann  wird  von  den  BerMi 
nnd  Helden  gehandelt;  lule'tat  werden  die  homerischen  Vorstellnngen  iber 
Welt  und  Erde,  ttber  die  Menschen,  deren  Beschlftigungen ,  Sitten  nnd  Ge- 
wohnheiten n.  dgl.  erörtert  Ein  kurses  Verseichniss  schwieriger  geographi- 
scher Namen  macht  den  Beschluss. 


Die  Frötcke  des  Aristophanes.     Griechisch  und  Deutsch  mit  Einleitung  und  Com- 
menlar  von  Herbert  Pernicey    Doctor  der  Rechte  und  der  Pkilosofikk  ■ 
Ldpüg.     Verlag  von  Joh.  Ambr,  Barth.     1856.     2i2  S.  in  gr,  8. 

Der  Verfasser,  indem  er  diese,  frttber  der  philosephischen  Facnllit  n 
Leipzig  mit  andern  Leistungen  zur  Briangnng  der  philosophischen  Doktorwürde 
Torgelegte  Arbeit  einem  grösseren  Publikum  durch  den  Dmck  übersieht, 
glaubt  die  Rechtfertigung  des  eigenen  Unternehmens  in  der  Beachaffieabsii 
frttherer  Versuche,  dieses  Stack,  wie  Qberhaupt  die  Dramen  dea  AriaSophanei 
in's  Deutsche  zu  ttbertragen ,  hinreichend  begrttndet  zu  finden,  weaehaib  m 
im  Vorwort  in  eine  nfihere  Charakteristik  dieser  Versuche  eingehet,  die  ta^ 
weder  einen  deutschen  Styl  geben  „der  mehr  als  entsetzlicb  unter  der  Yei*" 
DOth  gelitten",  d.  h.  unter  dem  Bestreben  einer  ganz  wortgetreuen  Wieder* 
gäbe  4eB  Originals  sich  nicht  blos  die  Ärgsten  „rhythmischen  AbnoraiitSlen*, 
sondern  auch  „abscheuliche  Satzverdrehnngen** ,  „Flickwörter** ,  „nneiMiii 
Phrasen,  die  weder  jemals  Überhaupt  jemand,  noch  besonders  in  dem  unter* 
geschobenen  Sinne  gebraucht  hat",  sich  zu  Schulden  kommen  lassen ,  oder  atf 
der  andern  Seite  allzu  sehr  in  das  Gegentheil  umgeschlagen,  durch  eine  afr* 
zu  freiere  Behandlung,  die  oft  die  eigenen  Gedanken  an  die  Stelle  dea  frcv 
den  Originals  zu  setzen  sich  nicht  scheuet.  In  die  erste  Classe  werden  die 
Leistungen  eines  Weicker,  Voss,  Conz  gesetzt;  in  die  andere  Gfanae  fallt  die 
Uebersetzung  von  Droysen ,  die  der  Verfasser  für  weit  vorzuglieker  hftH,  nni 
im  Allgemeinen  auch  die  von  Malier,  denen  "dann  noch  die  von  Seeger  ange- 
reiht wird,  iQ  welcher  noch  mehr  wie.an  der  Maller'acbeD ,  nameatlicli  nch 


Penioe:  IN«  PrOtelw  dea  Arbtophanof.  861 

■I  BftlrMier  Hinsidbl,  wogen  des  an  di«  Stalle  dei  Trimeter  geteteten  fttniu 
t»amgm  Jasbat,  aaigMeUt  wird.  DerVerfasaar  der  ▼orllegandeo  Uel>anet»- 
oof  glaobta  an  dem  TriaieKer,  id  «treiif  erer  Beobacbtaog  dar  Lingen  und 
Kttnen  deaselben,  feathallen,  aber  die  grOaaeren  Preiheitea,  die  sieh  ■anoher 
kier  erlaabt,  darchaaa  yermeidea  iq  mttMen,  eben  weil  wir  dareb  die  Natur 
aaaerer  Sprache  darauf  hingewieaen  seien ,  den  mdglichst  reinsten  Wechsel 
Toa  Senknng  und  Hebnng  aufreebt  eu  erbalten.  Hftafig  eingelegte  Daktylen, 
sagt  der  Verfasser  (S.  Vlll)  und  Anapisten  geben  den  Verse  Etwas  an  Ryth- 
nouscbes  nnd  Deklamatorisches,  nnd  gerade  diess  muss  aufs  Sorgftltigste  ver- 
„sieden  werden,  da  wir  ja  nnr  die  Umgangssprache  an  geben  haben,  an  der 
«die  metriacbe  Form  als  ein  aiifklliges  Gewand  binsntritt.'  Eben  so  will  er 
bei  dieaem  Trimeter  die  Anwendung  hochtrabender  nnd  dem  Alltagsleben 
Iremder  Ausdrücke  oder  ungewöhnlicher  Satabildungen  vermieden  wissen:  „m 
moss  der  Uebersetaer  vielmehr  (so  lautet  seine  Vorschrift)  durchgängig  den 
einiichsten  Ton  und  die  anspmcbloseste  Sprache  vorherrschen  lassen**.  Nach 
diesen  Grundsätaen  bat  der  Verfasser  gearbeitet:  er  erklärt  sich  fbr  safrieden, 
"wenn  man  ihm  angebe,  dass  er  „mit  möglichster  Treue  eine  leidliche  Elegana 
des  Ausdrucks  und  der  Versiftcation  verbunden,  also  wenigstens  bis  auf  einen 
irewissen  Punct  hier  sowohl  die  Formfehler  seiner  Übrigen  VorgSnger,  als  die 
Freiheiten  Droysens  vermieden  habe*'  (p.  IX). 

Auf  das  Vorwort  folgt  eine  Einleitung,  welche  auf  16  Seiten  die  ftusaem 
Verhältnisse  bespricht,  unter  welchen  daa  Stack  entstanden  ist,  dann  die  An- 
lage und  den  Grundgedanken,  sowie  die  weitere  Ausfhhrang  entwickelt;   die 
iron  einem  andern  Gelehrten   aufgestellte  Behauptung,   als  habe  Aristophanes 
dm»  attische  Theatergericht  in  diesem  Stücke  lächerlich  machen  wollen,  wird 
Caoit  gutem  Grund)  beseitigt,  und  als  Zweck  des  Ganaen  die  auf  ^Verspottung 
des  Tagesschmackes,  d.  h.  der  Vorliebe  für  Euripideische  Dichtung,  und  auf 
eine  genaue  Kritik  derselben  im  Vergleich  au  der  Würde  des  älteren  Drama's 
liinaaslaufende  Absicht  des  Aristophanes  anerkannt  (S.  0  fL)    Auch  Ober  den 
Chor  der  FrOsche,  in  welchem  schlechte  Dichter,  wie  Manche  glauben,  ver- 
spottet sein  sollen,  verbreitet  sich  der  Verfasser,  indem  er  sich  der  Ansicht 
mrelckers  ansehliesst,  welcher  an  die  „iv  Xifivats**  gefeierten  Lenäen  denkt, 
in  Sümpfen  aber  die  WohnsiUe  der  FrOsche  suchen  will,  wozu  noch  die  Fahrt 
des  Dionysos  über  den  stygischen  See  oder  Sumpf  komme,  welche  den  ein- 
lachen Anhalt  gewähren  soll,  warum  der  Dichter  die  FrOsche  auf  die  Bühne 
bringe  (S.  11).    Ob  damit  aber  die  ganse  Erscheinung  und  das  Auftreten  der 
FrOaebe,  die  doch  wieder  den  Chor  der  Eingeweiheten  darstellen,  nach  sei- 
ner ganaen  Bedeutung,  und  nach  der  Stellung  des  Chors  in  allen  andern  Thei- 
leai  des  Stückes  hinreichend  erklärt   ist,   wird  man  so  unbedingt  schwerlich 
dem  Verfasser  angeben ,  da  hier  doch  wohl  noch  andere  Rücksichten  in  Be- 
tracht au  sieben  sind,  auf  die  wir  hier,  wo  wir  nur  einen  Bericht  über   eine 
neue  Uebenetaung  abaustatten  haben,  nicht  weiter  eingehen  können. 

Auf  die  Einleitung  folgt  nun  die  deutsche  Uebertragung  mit  gegenüber- 
sftebendem  griechischem  Texte;  es  schliessen  sich  daran  S.  181  ff«  einige  Ei^ 
glArimgen  an  einaehien  Stellen,  in  welchen  der  Verfasser  näher  seine  eigene 
Einsieht  über  die  Anffaaanng  nnd  Erklärung  derselben  entwickelt  hat;  einen 
l^rtUttfenden,  lom  Verständniss  des  Gänsen  dienenden  Commentar  hat  der- 


tM  FmfODtt  Üb  FffOiolM  dal 

ftUia  ■khft  Mfeg«tai;  «adi  Mbe  mh^,  mgi  er> 
w  fdkA  hab6»  A«9ibMiob6ret  ^if^nuskt,  MMt  Mck  fau  kwMr  Aato- 
1««  (Im  CMtikei»  oier  dar  AMpMhuify  auf  die  mir  bakaanta  baüa  Aail^ 
ffWf  oder  BeaprechaDf  dar  Aaigaban  verwiataa«  da  iab  ain  laafaa  ffaeUiaUa 
fiandar  WaiaMt  Air  Raamraracbwendaiif  hiM".  Wir  werden  daM  freiM 
aaab  wohl  frafen  dftrfen,  welebe  Claaie  voo  Leaem  der  Verfasser  kiartai, 
wia  itofcaapt  bei  der  Aalage  seiaes  Werkes,  dean  eifentlicb  tot  Amgm  ^ 
babi  liabe.  Sind  es  GeMrle»  Pbilolofea  «od  Mlaaer  des  Faches ,  so 
diaae  woU  fcami  einer  deviseben  Ueberselaiinf  bedarfso,  die 
mH  eineai  Abdmek  des  grieebisoheo  Textes,  den  sie  aoeh  in  andern  i 
besllaen»  veneben  ist;  sind  es  angebende  Pbilologen,  die  den  AriM^bsMs 
privalMB  nit  einer  aweckmlssifen  Anleitnng  nnd  NacbbaKe  lesen  w^ien«  m 
werden  diese  bier  bei  der  Brklftmaf  gar  Mancbes  vemaasen ,  wns  nie  dach 
wtoseben,  was  ibnen  aelbst  nOdug  isc,  an  erfabren,  was  aber  Mer  ahsicl^ 
Heb  Ton  dean  Verfasser  Abergangen  ist;  nnd  derselbe  Fall  dtrfte  noob  io  waü 
hObeieB  Gmde  bei  soleben  Lesern  eintreten,  die  des  Griecbiscben  entwete 
TdlHg  nnkundig,  oder  doch  nicht  in  den  Grade  händig  sind,  nm  daa  Süd 
in^  Originaltexte  an  leaen ;  aber  doch  von  der  komischen  Poesie  des  Aristoph»* 
■es  eine  Veratellang  und  einen  richtigen  Begriff  gewinnen  wollen.  LetaHif 
werden  allerdings  in  der  denischen  Uebertragung  sich  aiebrlaeh  befriedigt 
luden,  und  aelbst  in  höherem  Grade,  wie  dies  bei  den  frAberen  Debertra- 
gnogen  der  Fall  Ist:  aber  manche  aachlicbe  Beaiebung,  die  doch  mun  Ver- 
stlndato  dea  Gänsen  noihwendig  ist ,  wird  ihnen  entg^ea ,  nnd  so  anch  eins 
richtige  Anflassnng  des  Gauen  kaum  mOglioh  werden.  Auf  die  Uebertragnaf 
aelbat  sebamt  der  Verfasser  es  hanptsftohlich  angelegt  an  haben,  naa  wirf 
aoeb  hol  einer  näheren  Durchsicht  derselben  |nnd  einer  Vergletebnag  nsil  an- 
dern Uebersetanngen  bald  linden,  dass  er  Manches  besser,  wie  seine nldislaB 
VorgAnger  Oberselat  hat,  aneb  dass  er  meistens  in  einer  deutlichen  nnd  vci^ 
stilndlichen  Sprache  ttbersetat,  welche  die  Nachahmung  fremdartiger  Slmctnrss 
nnd  Wendungen  vermieden  hat;  wenn  es  aueh  gleich  an  einaelnen  SleDsa 
und  Ausdrucken  nicht  fehlt,  in  welchen  wir  Grund  au  einigem  Bedenken  An- 
den. Wir  wollen  indess  diese  Bedenken  Ibr  jetat  nicht  weiter  verfolgen  aaA 
lieber  als  Probe  den  Lesern  eine  grössere  Stelle  vorlegen ,  die  ana,  nncb  ia 
Beaug  auf  die  metrische  Gestaltung,  su  den  wohl  gelungenen  und  gloAM 
nncbgebildeten  au  geboren  scheint;  wir  meinen  die  Parabase  Vs.  687  ft,  dcNA 
eiater  Abaohnilt  also  in  der  Uebertragung  lautet: 

Es  geneasl  dem  beil'gen  Chore,  was  der  Stadt  som  Besten  ist 
Ansurathen  und  su  lehren.    Drum  aoerst  bedttnkt  es  uns. 
Sind  die  Bürger  aussngleichen,  ist  die  Schreckniss  abzuthnn. 
Die  nun  einst  durch  bose  Rilnke  Phrynichos  su  Fall  gebracfal, 
Denen  die  da  ausgeglitten,  ssg'  ich  muss  vergönnen  sein, 
Ihren  FeUtrift  an  versöhnen  durch  der  Schuld  Verantwortung. 
Dann  auch,  sag'  ich,  sei  im  Staate  niemand  ohne  Bürgerrecht; 
Schimpflich  ist's  swar,  dass  die  einmal  nur  mit  uns  aur  See  gekimpf^ 
Gleich  Platairrecht  geniessen  und  statt  Knechten  Herren  sind; 
Aber  dennoch  thAt  ich  schwerlich  hier  gerechten  Widersprach; 
Mein  ioh  lob'  es;  du  allein  ja  habt  Ihr  mit  Veraland  gelhan. 
Doch  viebnehr  ist's  recht  nnd  billig,  dass  die  oftmals  schon  sv  See 


Pornic«:  Die  FfCuh»  det  AiklopliaDef*  971 

Wie  «oeh  ilire  Viter  flir  Eoeb  kimpfte»,  die  «ocb  ftwmiyeii^fWidl, 
Üuß  Ibr  denen  auf  ihr  Bitten  dieien  einen  Fall  yerseiht* 
Wabrlich  onirea  Zorna  veripesaend,  o  Ihr  IHagaten  von  Natar, 
Wellen  fem  wir  n  Verwandten  jedermann  fewtenen  nna, 
und  wer  nna  anr  See  will  helfen,  anaiehn  in  daa  Bllrferreebl. 
Aber  aind  wir  anffeblasen,  rtthonen  wir  groaaprahleriaeh 
Unare  Siadt,  derweil  die  Woge  ihren  Arai  noch  nm  nna  achÜeaat, 
DttUi  eiacfaeinen  wir  in  Znknnfl  nie  mehr  ak  Yeratlndif e. 

Hier  koamt  aüerdinga  nnr  Wenigea  vor,  waa  Anatoaa  erregen  konnte; 
aben  ao  anch  bei  dem  andern  Abachnitt  der  Parabaae,  den  wir  f  leicbfalU  hier 
beifllfen  wollen: 

Ofimala  will  ea  nna  bedanken «  ala  ob  gleich  ea  mit  der  Stadt 

Sich  verhielte  und  den  Bürgern,  welche  brav-  und  gntgeainnt» 

Wie  ea  mit  den  alten  MOnaen  und  dem  neuen  Golde  atehti 

Jene  nimlicfa,  die  doch  grade  ohne  falachen  Znaata  aind, 

Ja  aogar  die  allerbeate  Sorte  Geldea,  wie  ana  acheiot , 

Die  allein  nach  Recht  geachlagen  und  in  ihrem  Klang  erprobt 

Bei  Hellenen  wie  Barbaren  ttberall  —  ja  jene  mag 

Niemand  haben,  aondem  dieae,  die  veraetzten,  kupfernen, 

Die  von  geatem  oder  neulich  und  vom  aehofelaten  Gehalt. 

Bbenao  iat'a  bei  den  Bürgern.    Die  ala  edel  wir  und  klug, 

Die  wir  ala  gerecht  erkannten  und  ala  gut-  und  bravgeainnt, 

Die  gebildet  in  der  Ringachul'  und  durch  Tana  und  Hinaenkunat, 

Die  yerachmahn  wir,  doch  die  fremden,  kupfernen,  rothkOpHgen 

Schlechte  Kinder  achleehter  Eltern  wenden  wir  an  allem  an. 

Jene  kaum  hier  eingexognen ,  deren  frtther  aieh  die  Stadt 

Wahrlich  kaum  ala  Sohnungaopfer  au  bedienen  fkhig  war. 

Doch  noch  jetat,  Ihr  Unveratind'gen,  Kndert  Euren  »lachen  Sinn; 

Die,  ao  branchbar,  brauchet  wieder,  und  gewinnt  Ihr  feiten  Piiaa, 

Dann  woU  Euch,  doch  tttuacht  die  Holbnng ,  faftngt  Ihr  doch  an  guten  Baum, 

Alao  wiid'a  den  Weiaen  aeheinen,  wenn  Ihr  einmal  hfingen  mtlaaL 

Wir  aetaen  noch  eine  andere  Stelle  ana  einem  Ghorliede  bei,  Ya.  634; 

^  Daa  geaiemt  aich  wohl  dem  Manne, 

Welcher  klng  iat  und  veratttndig 

Und, sich  viel  aar  See  bewegt, 
Lieber  nach  der  aichem  Seite 
Hierhin,  dorthin  nmanapringen , 

Ala  wie  eine  Malerei 
Steta  verharren  auf  deraelben 
Stelle ;  doch  aich  drücken  bücken, 

Wo  aich*0  am  bequematen  aeigt, 
Paaat  für  achlaogewandte  Leute 

Von  Theramenea  Natur. 

Wir  zweifeln  nicht,  daaa  die  vorgelegten  Proben  befriedigen  werden, 
and  bemerken  nnr  noch,  daaa  die  ganze  lluaaere  Anaatattung  dea  Bnehea  eine 
Tonllfliche  an  nennen  iat 


87t  Doimer:  Soplioklei. 

8op%0kie$.  ÜMilsdk  tu  dm  Vertnymen  dir  Ür9cknf(  «on  J.  J.  C.  Dünmr. 
Vierte  terbeutrU  Auflage.  Leipug  und  HeideÜUrg,  C.  F.  WiMttrtA» 
VerlagthanMung  iS56  und  i857.  Er$ter  Bamd  S30  S.  Zämtar  IM 
2i$  8.  M  8. 

Bei  der  Anzeige  einer  neuen  Auflage  dieser  UeberseUung,  der  vierten, 
bedarf  es  wahrbafUf  keines  nttheren  Eingehens  in  das  hier  Geleistete,  oder 
irgend  eines  weiteren  Nachweises  dessen,  was  man  hier  eu  erwarten  bit; 
es  liegt  nns  hier  ein  Meisterwerk  deutscher  Uebersetzungskunst  vor,  ein  Werk, 
das  unserer  Nation  und  unserer  Wissenschaft  Kur  wahren  Ehre  gereicht,  den 
unter  lahlreichen  Ähnlichen  Versuchen,  den  hellenischen  Dichter  in  deutschen 
Gewände  uns  vorsuftthren ,  unstreitig  die  Palme  gebtthrt.  Und  dabei  hat  di« 
sorgsam  nachbessernde  Hand  des  Verfassers  in  den  mehrfachen  Anflafei 
einxelne  Härten  oder  BKssstilnde  der  Form  sorgsam  zu  beseitigen  ge- 
wusst,  um  auch  von  dieser  Seite  den  harmonischen,  wardevollen  Eindradi 
des  Gänsen  au  erhöben.  Wir  machen  daher  auch  in  dieser  Hinsicht,  auf  dieie 
erneuerte,  hier  und  dort  im  Einseinen  verbesserte  Auflage  aufmerksam,  die 
in  allem  Uebrigen  den  vorhergegangenen  gleichmSssig  gehalten  ist,  woHei 
aber  dabei  nicht  unterlassen,  einige  Stellen  wenigstens,  wie  sie  mehr  der 
Zufall  als  absichtliche  Wahl  darbietet,  unsern  Lesern  mitzutheilen.  Wir  aeb- 
men  dasu  die  Schlussworte  des  Chors  im  König  Oedipus  1492: 

Ihr  Bewohner  meiner  Thebe,  sehet,  das  ist  Oedipus, 

Der  entwirrt  die  hohen  Rfttbsel,  und  der  erste  war  an  Macht, 

Den  die  Bürger  selig  priesen  und  beneideten, 

Seht,  in  welches  Missgeschickes  grause  Wogen  er  versank! 

Drum  der  Erdensohne  keinen ;  welcher  noch  auf  jenen  Tag 

Harrt,  den  letzten  seiner  Tage,  preise  du  vorher  beglückt. 

Eh'  er  drang  an's  Ziel  des  Lebens,  ohne  daas  ein  Leid  ihn  traf! 

Oder  den  herrliehen,  aber  für  den  Uebersetser  so  schwierigen  Chor  ans  der 

Antigene  332  ff.: 

ff 
Vieles  Gewalt'ge  lebt,  doch  Nichts 
Ist  gewaltiger,  als  der  Mensch. 
Denn  selbst  über  die  düstere 
Meerflut  sieht  er,  vom  Süd  umstürmt. 
Hinwandelnd  swischen  den  Wogen 
Den  rings  umtosten  Pfad. 
Die  höchste  Göttin  auch,  die  Erde, 
Zwingt  er,  die  ewige,  nie  sich  erschöpfende, 
Während  die  Pflüge  sich  wenden  von  Jahr  su  Jahr, 
Wühlt  sie  durch  der  Rosse  Kraft  um. 

Flüchtiger  Vögel  leichten  Schwärm 

Und  wildschweifende  Thier'  im  Wald, 

Auch  die  wimmelnde  Brut  des  Meers 

Fängt  er,  listig  umstellend,  ein 

Mit  netzgeflochtenen  Garnen, 

Der  vielbegabte  Mensch, 

Bezähmt  mit  schlauer  Kunst  des  Landes 

Bergedurchwandelndes  Wild,  und  den  mähnigen 

Nacken  umschirrt  er  dem  Boss  mit  dem  Joche  rings. 

Wie  dem  freien  Stier  der  Berghohn. 


Httinboldl;  Aetchylof  AgMneraiidtt.  W 

Und  dai  Wort  and  dea  Inftifen  Flog 

Des  Gedankens  erfind  er,  ersann 

Slaalordneode  SaUungen,  weiss  dem  ungastlichen 

Froste  des  Reifes  und 

Zeus'  Regenpfeilen  tu  entfliehen; 

Ueberall  weiss  er  Rath; 

Rathlos  triff!  ihn  nichts 

Znkttnft'ges,'  vor  dem^  Tode  nur 

SpSht  er  kein  Entrinnen  aus; 

Doch  wider  schwere  Seuchen  wohl 

Fand  er  Heilung. 

In  Erfindungen  listiger  Kunst 

Weit  über  Verhoffen  gewandt,  -  ' 

Neigt  bald  er  zu  Bösem,  in  Gutem  oald,  achtet  hoch 

Der  Ueimath  Gesets, 

Der  Gotter  schwnrbeilig  Rechr, 

Seiren  der  Stadt!  Aber  zum  Fluch 

Lebt  ihr,  wer,  gesellt 

Dem  Laster,  voll  Trotz  si'ch  bisht. 

Dem  wir  noch  als   dritten   Beleg,   ungern   uns  ein  Mehreres,  namentlich  ans 
dem  Ajas,  versagend,  die  Abschieds  werte  des  Philoktctes  1411  beifügen: 

Wohlauf  denn,  scheidend  begrüss'  ich  das  Land! 
Leb  wohl,  mein  Felsdach,  das  mich  geschirmt, 
Ihr  Nymphen  der  Bfiche,  der  Au'n ,  lebt  wohl , 
Du,  mächtig  am  Vorberg  brandendes  Meer, 
Wo  die  Flöten,  erregt  von  den  Stdssen  des  Süds, 
Oft  netzte  mein  Haupt  in  dem  Winkel  «ier  Kluft, 
Wo  den  klagenden  Laut,  wann  wild  anf  mich 
Einstürmte  der  Schmerz,  der  hermäische  Berg 
Im  Rückhall  oft  mir  herObergesandt! 
Ihr  Brunnen  umher  und  Apollon's  Quell, 
Ich  verlass'  euch  nim,  ich  scheide  von  euch. 
Der  nie  so  Kühnes  zu  hoffen  gewagt. 
0  Lemnos,  nmflutetes  Land,  leb*  wohl. 
Und  in  glücklicher  Fahrt  send'  harmlos  uns 
Hin,  wo  das  gewaltige  Schicksal  führt  ^ 

Und  der  Freunde  Geheiss  und  des  Gottes  Gewalt, 
Der  dies  allmächtig  verhängte! 


A€8chfflo»  Agamemnütif  metrisch  Übersettl  van  Wilhelm  e.  Humboldt. 
ZäDeiU  Auflage.  Leiptig.  Verlag  tum  Ernst  Fleischer.  (R.  Bentschel)^ 
i857.    93  8.    8. 

Diese  zweite  Auflage  ist  in  ihrem  Inhalte  unverändert  geblieben,  sie  ist 
»in  erneuerter  Abdruck  der  ersten:  denn  sie  ist  bestimmt,  ein  Denkmal  des 
fannes  zu  sein,  der  es  zuerst  (im  Jahr  1816)  unternahm,  von  den  Dichtungen 
\eB  Aeschylos  eine  den  alten  Metren  entsprechende,  wortgetreue  Uebersetzung 
IQ  lieben  und  die  Bahn  einzuleiten,  auf  welcher  seitdem  so  Manche  sich  ver- 
acbl  haben.  Der  Verleger,  indem  er,  wie  billig,  den  zu  einem  solchen 
Zwecke  bestimmten  Abdruck  anrirändert  gegeben,  hat  demselben  jedoch  eine 


«r4  Fk«k«r<  CSfiMUMh«  üitlipkigic. 

•llerdiDfi  den  AnfordeniBgM  wucnr  Zeit  «M  der  J^fteUeht  a«r  eia  irröMe- 
rei,  febildetes  Pablikom  eoUprecfaeiidere  Forai  fefebee:  er  Jmi  eis  kleieeni, 
paiseiideret  Format  gewihlt  nad  in  Pepier  md  Leitern  dem  Gnnaea  eine  m 
würdige,  innere  Anirtatlnnf  Terliehen,  daM  es  in  dieaer  Form  nllerdiaipab 
ein  Andenlien  nn  den  groaaen  Mann  und  aeine  Verdienate  gelten  nad  da 
Freunden  der  allen  Literatur  beateaa  empfeUea  werde»  kann. 


GritekUche  MfikologU  imd  AnüquUäim  nAti  dem  CmpM  fi&er  ffamer  «ad  mt- 
€rtMUm  AbiekmUm  fl&ar  dU  Ckr&noloffie,  LUerahrr^  Kwut,  Mhmku,t,9^ 
iAeri^M  aus  Oeorg  QtoU*$  grieeki$ckar  GtukkkU  eo»  Dr.  Theodor 
FtMcker^  Prwaidocentm  der  Mut.  Fltlafa9ia  mm  dm-  iL  preain.  iUkrte- 
Umearitldf.  Zwaifar  Band.  Leiptig,  Druck  mmdVeriag  ea»  B.  G.Tmh- 
mer^  1857.  .  A8i  8.  in  gr.  8. 

Der  erste  Band  dieses  Werkes  ist  in  diesen  Jahrb.  1856,  S.  800,  u^ 
neigt  worden :   der  nweile,  den  wir  hier  anaeigen ,  befaast  den  iweiten  TkeS 
des  Originalwerkea  nebst  einem  Absehnitt  des  dritten  Theils  (dem'  9.  Cap.  l 
IL  Theils),  also  von  der  ersten  Abthoilung  des  englischen  Originals  die  Capp. 
18—21  und  von  der  sweiten  die  9  ersten  Capp.;  die  vier  Sdüoascapilel  da 
ersten  Theils  bringen  bekanntlieh  den  Schluas  des  mythischen  Griechealaa^ 
mit  den  heraklidischen,  aeolisehen,  jonischen,  dorischen  Wanderungen  und  dea 
daran  sich  knüpfenden  obronotogischen  Untersuchunfen  ,*  und  veii>inden  da- 
mit eine  allgemeine   Darstellung   des  Zustandes  der  Geaellachaft  und  der  Sit- 
ten in  der  griecliischen  Sagenzeit,  sowie  eine  nähere  Betrachtung   (S.  XU) 
über  die  homerischen  Gedichte,  mit  Besug  auf  die  seit  dem  Auftreten  voa  Fr. 
A.  Wolf  darQber  angeregten,  Wesen  und  Gestalt  dieser  Dichtungen  betrefm*  i 
den  Fragen.    Der  iweite  Theih    „Das  historische  Griechenland''  besdiiftigl 
sich  nach  der  allgemeinen  Erörterung  und  Darstellung  insbesondere  in  dea  \ 
hier  mitgetheilten  Abschnitten  mit  dem  Peloponnes,  zunächst  mit  Sparta,  daa 
messenischen  Kriegen  und  der  lycurgtschen  Gesetzgebung;  Korintii,  Megara  und 
Sicyon  nebst  den  Tyrannen  bilden  den    Inhalt  des  letzten  Abschnitts.    IVk 
fuhren  dies  nur  im  Allgemeinen  hier  an ,  um  zu  zeigen ,  wie  in  diesem  Bande 
eine  Reihe  der  wichtigsten  Punkte,  die  insbesondere  in  neuer  und  neaesMr 
Zeit  Gegenstand  der  lebhaftesten  Controverse  geworden  sind,  behandelt  wiid, ' 
wir  erinnern  nur  an  den  Abschnitt  über  die  homerischen  Gedichte,   ncilcfear^ 
bereits  in  Deutschland  zu  eigenen  Schriften  und  Erörterungen  (von  FriedlU*' 
der,  Bäumlein  u.  A.)  Veranlassung  gegeben  hat ,  eben  so  an  den  Abichatt  1 
tlber  die  lycurgische  Gesetzgebung  mit  allen  den  daran  sich  knupfendea,  znm 
Theil  so  bestrittenen  Fragen ,  Ober  Aeckergleichheit  u.  s.  w«,  von  welckcn  I 
ein  Gleiches  gilt.    Es  mag  dies  diesem  Bande  eine  besondere  AufmerfcsiakaiK  | 
mit  Recht  znwendei^,  da  man  über  alle  diese  Punkte  nicht  verhandefai 
ohne  auf  Grote  lurQckzukommen ,  voransgeseUt,  daas  man  ea  nicht  voi 
an  die  Stelle  mühevoller  und  besonnener  Forschung  lieber  eigene 
zu  setaen,  und  die  alte  Geschichte  nach  eigener  WUlkttr  sn  gestalten.   Otia 
Ueberselaung,  wie  wir  dies  schon  bei  der  Anaeige  dea  eratea  Baadei  b^ 


Ribbeck:  Ueber  4U  «OtUm  ud  nmm  AltiMhe  Komödie.  Vi 

«M^  habM,  MiyMill  aldi  dyreb  Tum«  «nd  litfl  iM  reebl  «ol,  ebve  allo 
fliilM;  dto  iwoÜB  Awfftbe  dM  eoffliicIiM  Werket  iet  in  Grande  felegt; 
eieese  BeBerkeefen  ved  ErOrtemgee  oder  Nachweieoagen  bat  der  dentocbe 
Beaikeiter  siebt  beifelttffi,  eo  erwOnacht  anch  in  mucben  Fillen  ein  Ifaek- 
weia  der  Deneatee  Lilerator  oder  der  dveh  Grote'a  Aenaaerongeo  and  Be- 
baoptafee  berrorferefenen  GeffenaehrifloD  «od  Gegenbemerkangen  wire. 
Siae  Uebenicbt  dea  labalta  der  einxebieD  Abscbnitte  verraiaaen  wir  aucb  bei 
dieaem  Bande  nofera,  wenn  andera  nickt  eine  aelcbe  bei  der  Fortaetung 
aaohfolft  oder  aaa  Scbluaae  dea  Gänsen  gegeben  wird.  In  der  toaaeren,  dorcb- 
•na  befriedigenden  Anaatattong  nnteraebeidet  aieh  dieaer  Band  nicbi  von  den 


VAer  du  miiiiere  vnä  nmtre  AttUche  Komödie,  Oeffenükker  Vortrag  ^  gMUtn 
im  RalkkoMse  m  Bern,  wm  Otto  Ribheck,  Leiptigy  Druck  %md  Vertag 
von  B.  Q,  Teubitor,    i857.    56  S.  in  8. 

Dieaer  Vortrag,  vor  einem  gröaaeren  Publikum  gebalten ,  aotl  daan  dienen, 
dieaem  ein  treues  Bild  der  aogenannten  mittleren  und  neueren  Komödie  Atbena 
an  geben.  Ea  hk  bekannt,  wie  wir  auf  dieaem  Gebiete  ea  nur  mit  Bruek- 
atttcken  au  tbnu  beben,  die  bald  in  grOaaerem  bald  in  geringerem  Umfang, 
oft  mebr  darcb  die  Laune  und  den  blinden  Zufall,  ala  in  Folge  beatimmter 
Zwecke  und  Abaichten  auf  üna  gekommen  aind;  ea  wird  darum  die  Aufgabe 
desjenigen,  der  ein  Gesammlbild  dieaer  Komödie  entwerfen,  uns  ttber  den 
Cbarekter  und  Inbalt  derselben  niber  belebren  will,  auf  die  genaueate KennW 
niaa  aller  dieaer  einseinen  Bruehstttcke  gerichtet  aein  müssen ,  um  daraus  wo 
möglich  eine  richtige  Idee  des  Gänsen  au  gewinnen ,  die  einen  positiven  Grund 
und  Boden  hat  und  nicht  auf  blosser  Phantasie  oder  einer  bald  mehr,  bald 
minder  sichern  Combinationsgabe  beruht.  Der  Verfasser  dieses  Vortrags  be- 
altst  diese  Kenntnisa,  wie  Wenige,  er  hat  den  Bruchstücken  dieser  Komödie 
aelbat  ein  aorgsames,  theilweiae  für  ihre  iusaere  Gestaltung  aelbst  erspriesslichea 
Studium  gewidmet;  wie  dies  ans  jeder  Seite  dieses  rein  aus  den  Quellen  ge- 
floaaenen  Vortrags  sich  erkennen  Iflsst,  auch  ohne  dass  dieae  Quellen  aua- 
drftcklich  und  im  Einseinen  angeführt  wftren,  waa  der  Tendens  und  Bea^im- 
nnnig  dea  Vortragea  fera  lag.  Eben  deaabolb  glauben  wir  aucb,  dnaa  dieaer 
Torfrag  es  verdiente,  weiteren  Kreisen  durch  den  Druck  bekannt  sn  werden: 
die  gnse  Erörterung  und  Darstellung,  die  sich  so  gut  liest,  Iftsat  die  Schwie- 
rigkeiten, auf  die  wir  hier,  wenn  es  sich  am  die  Erkennmiss  des  Einselnea 
bandelt ,  stoasen ,  die  groasen  Lücken ,  die  jeden  Schritt  und  Fortgang  unwillr 
klirlich  kommen,  kaum  erkennen  und  feaselt  den  Leser;  die  veracbiedenen 
Seiten  und  Richtungen,  in  welchen  die  mittlere  Komödie  sieh  bewegt,  die 
Gegenatinde,  die  aie  erfasst  und  die  Art  und  Weise,  wie  sie  dieselbe  behan- 
delt, die  einseinen  hier  besonders  hervortretenden  Charaktere  und  Ronen 
Werd«B,  von  dem  Plntoa  dea  Aristopkanea  an,  der  den  Uebergang  in  dieae 
neae  Form  der  Komödie,  die  seibat  nur  ab  eine  Uebergangsatnfe  ansnaeben 
Ist,  yermittelt.  Im  Einseinen  mit  ziemlicher  Ansflihrlicbkeit  geachilderi  und  ge- 
neigt, wie  damit  sogleich  du  Entstehen  der  neueren  Komödie,  der  Mutter 


S76  Croo :  Platona  Vertb^diganfirede« 

unserer  Komödie,  vorbereitet  ward,  die  in  Ihrer  mehr  dem  bIntlidbeB  U« 
und  der  Familie  zugekehrten  Richtang  mit  dem  vOlli|fen  UntergaB^  de«  ^ 
tischen  Lebens  und  dem  Entstehen  wie  der  eigentlichen  Ausbildong  des  t^ 
vatlebens  zusammenhSngt,  und  darum  eben  Ireue  Bilder  des  bSasIichen  Lehe^ 
FamÜienscenen  u.  s.  f.  uns  vorftthrt.  In  welcher  Art  und  Weise  sie  dies  {#< 
than  und  wie  sie  im  Binzelden  ihre  Gegenstünde  anfgefasst  und  bebsadeUlnl 
wird  an  dem  Beispiele  der  beiden  Hanptcoryphäen  dieser  Komödie,  Phileol 
und  Henander  gezeigt.  Wir  unterlassen  es  aus  diesem  Vortrage  EiaseM 
hervorzuheben  oder  hier  mitzutheilen:  der  wobkusammenhüDgende  Vortn 
inuss  im  Ganzen  gelesen  werden;  darauf  hinzuweisen  ist  der  Zweck  dioi 
Anzeige;  wer  den  Vortrag  zur  Hand  nimmt,  wird  sich  in  seinen  Erwartatfri 
nicht  getfiuscht  finden. 


Plalons  Vertheidigungsrede  des  SokraUs  %md  Kriton.  Für  den  Sdmlgdgm 
erklärt  von  Dr,  Ckrittian  Cron,  Gymnasialprofessor  in  Äugdm^ 
Leipäg,  Druck  und  Verlag  von  B,  G.  Teubn^,  f857,  XIV  u.  132  S. 
(Auch  mit  dem  weiteren  Titel:  Plattms  autgeKählte  Sehriffen,  fwr  ä 
Schulgebrauch  erklärt  u.  s,  w.  Er$Ur  Theil.  Vertheidigungsrede  des  Sekm 
tes  und  Kritan.) 

Zu  den  Dialogen  Plato's,  welche  in  der  obersten  Classe  unserer  Gyad 
sien  gelesen  zu  werden  pflegen,  werden  mit  Recht  die  Apologie  des  S^ 
krates  und  Krito  gezfihU:  ja  eswSre  sehr  zu  wünschen,  dass  man  auf  diel 
und  ähnliche  Dialoge  geringeren  Umfangs  und  eines  fttr  diese  Altersstofe  ft 
eigneten  Inhalts  sich  beschränkte,  statt,  wie  dies  wohl  hier  und  dort  iv 
kommt,  grössere  Werke  Plato's  hereinzuziehen ,  welche  (wie  z.  B.  der  PMj 
den  *),  in  ihrem  vollen  und  wahren  Sinne  gar  nicht  von  Schülern  der  obentti 
Classe  gehörig  verstanden  werden  können,  einzelne  Partien  etwa  abgered^ 
net,  die  mehr  der  äussern,  scenischen  Einkleidung  des  Dialogs,  als  desMi| 
eigentlichen  Inhalt  angehören ,  und  iu  so  fern  eher  verständlich  sind,  wälii 
die  tiefer  liegende  Beziehung  des  Inhalts,  und  damit  der  Kern  des 


*)  Wir  bemerken  bei  dieser  Gelegenheit,  dass  eine  gute  Qbersicbtiid 
Znsammenstellung  der  in  diesem  Dialog  entwickelten  Gründe  für  die  Onsl 
liohkeit  der  Seele  unlängst  von  Herrn  Directör  Wiegand  in  dem  Ertthja 
Programm  des  Worms^  Gymnasiums  vom  Jahre  1856,  S.  27  ff.  gegeben  ' 
den  ist  unter  «Vorausschickung  der  im  zehnten  Buche  der  Politica  in  äholid 
Weise  für  die  Unsterblichkeit  enthaltenen  Gründe.  In  dem  Programm 
Jahrs  1857  hat  derselbe  eine  Uebersetzung  des  sechsten  der  PlatosiseM 
Briefe  mit. den  nöthigen  sachlichen  wie  sprachlichen  Erörterungen  geliefert: 
sie  soll  -als  Probe  einer  demnächst  erscheinenden  Uebersetzung  aller  dieser 
Briefe  gelten,  uud  wird  schon  darum  Beachtung  verdienen,  als  der  Verfasser 
wie  Wenige,  mit  diesen  Platonischen  Briefen  durch  vieljfthrige  Studien  be- 
freundet, damit  eine  genaue  Kenntnis«  Platonischer  Sprache  und  Lehre  rer» 
bindet,  wie  sie  zur  richtigen  Auffassung  dieser  Briefe,  und  insbesondere  lor 
Entscheidung  der  Frage  über  den  oder  die  Verfasser  derselben  von  besonderer 
Wichtigkeit  ist.  Wir  wollen  es  daher  nicht  verfehlen ,  bei  dieser  Gelegeakeil 
die  Freunde  des  Plato  darauf  aufmerksam  zu  machen. 


.  OroB:  PlatoM  VeHliei4iffiiB«ire4e.  879 

(womit  doch  »ch  wieder  die  iqaiere  Einkleidanf  sosaniiDeohiUict,  die  eben 
deasbalb  aacb  niclit  f  ot  sieb  devon  trennen  UmI)  dem  SebQler  /remd  bleibt ,  weil 
er  Docb  nicht  die  gebOrif^e  Reife  und  philosophische  DurchbtlduDf  besitEt,  nm 
In  diesen  Kerit  einzudrinfen.  Um  aber  dies«  tu  ermöglichen ,  muss  die  Lectttre 
der  kleineren  Dialoge  vorausgehen ,  als  einleitend  und  einführend  in  die  LectUre 
ier  grossem  und  schwierigeren  Werke,  die  den  eigentlichen  Kern  platonischer 
Philosophie  enthalten.  Man  wird  es  darum  s wcckmflssig  finden ,  dass  der  Ver- 
bsser  sieh  swei  dieser  kleinern  Dialoge,  die  ganz  gut  auf  Schulen  gelesen  werden 
können,  ja  gelesen  werden  sollen ,  zur  Bearbeitung  gewählt  bat:  diese  scblieasi 
lieh  in  der  iusseren  Form  an  diejenige  an,  in  der  wir  eine  Reibe  von  An- 
ioren  in  der  neuesten  Zeit  für  den  Gebrauch  der  Schule  bearbeitet  finden, 
■it  deutschen  Einleitungen  und  Anmerkungen,  die  den  möglichst  correetea 
Fest  begleiten  und  in  ihrer  Passung  durch  die  Rücksicht  auf  diejenigen  be- 
itimmt  sind,  welche  diese  Schriften  durchlesen  und  eine  Nachhülfe  für  die 
ichtige  Auffassung  des  Eiuzelnen  wie  des  Ganzen  erhalten  sollen,  damit  sie 
Be  Schwierigkeiten  desto  leichter  ttberwinden,  welche  einem  wllstftndigen 
Irfnsaen  6eB  Sinnes,  und  damit  dem  vollen  Verstttndniss  der  Schrift  entgegen- 
ieben.  Ob  dies  bei  Schulansgaben,  d.  h.  bei  solchen  Ausgaben,  welche  für 
S«  Schule  selbst  und  die  SchullectQre  bestimmt  sind,  in  dem  Grade  und  in 
ler  Ausdehnung,  in  welcher  jetzt  diese  Erklärung  angewendet  wird,  in  der 
rjiat  suträglich  und  erspriesslich  ist,  oder  ob  nicht  manche  Nachtheile  für  die 
Ürenge  eines  gründlichen  Unterrichts,  der  sich  mit  blossen  Texten  begnügt, 
brsoa  hervorgehen,  ist  eine  Frage,  welche  die  Schulmänner,  die  jetzt  selbst 
aebrfach  auf  die  Anlage  solcher  Ausgaben  dringen,  während  früher  die  ent- 
^engesetzte  Meinung  so  ziemlich  die  herrschende  war,  am  besten  selbst  zu 
eantworten  im  Stande  sein  werden,  zumal  da  ihnen  die  praktische  Erfah- 
fMng,  die  aus  der  Anwendung  und  dem  Gebrauch  solcher  Ausgaben  nach  einer 
'mibe  von  Jahren  hervorgeht,  zur  Seite  steht.  Wenden  wir  uns  von  dieser 
D^emeinen  Frage  zu  der  vorliegenden  Ausgabe,  sp  ist  der  Herausgeber  der- 
alben  keineswegs  gemeint,  durch  seine  Einleitungen  und  Erklärungen  der 
Mtigkeit  des  Lehrers  selbst  vorzugreifen  oder  sie  gar  unnütz  zu  machen:  im 
b^entheil,  er  will  ihr  forderlich  in  die  Hände  arbeiten  und  Alles,  was  dem 
kbeniligen  Erfassen  des  Ganzen  im  Wege  steht ,  bei  Seite  räumen*  Was  er 
■  diesem  Zwecke  getban  hat,  besteht  in  Folgendem.  Er  giebt  zuvOrderat 
Ine  Einleitung  (S.  1—39),  die  allerdings  etwas  weit  aushöhlt,  weil  sie  nicht 
Io0  eine  Einleitung  zu  den  beiden  hier  behandelten  Stücken  geben ,  sondern 
i^leicb  als  eine  Einleitung  in  das  Studium  der  Platonischen  Schriften,  so 
p«fit  diese  in  den  Bereich  des  Gymnasiums  fallen,  dienen  soll;  denn  der  Yer- 
mmeTy  nm  in  das  Verständniss  des  Sokratea  und  Plato  einzuführen«  von  deren 
»ben,  Lehre  und  Schriften  näherer  Bericht  gegeben  wird,  wirft  einen  aller- 
mga  nothwendigen  Blick  auf  die  Geschichte  der  früheren  griechischen  Fhilo- 
ipftie,  nm  daraus  das  Erscheinen  des  Sokrales^nd  Flato  zu  erklären,  dereu 
mRreten  allerdings  nicht  ohne  diese  vorausgegangenen  Erscheinungen  erklärt 
fea  verstanden  werden  kann.  S.  39-42  folgt  als  Anbang  Einiges  über  das 
ÜienUcbe  Gerichtswesen ,  zum  bessern  Verständniss  des  wider  Sokrates  er- 
»l»enen  Prozesses  und  seiner  Verurlheilung ,  was  allerdings  nothwendig  war. 
BT    griechische  Text  scbliespt  sich  im  Ganzen  an  den  von  C.  Hermann  in  der 


87«  toHbiMblt  XMopkMM  AMbMii. 


Tenlmer'fekeii  Aufgabe  ffaiMfertes»  ab  dm  je^eaftlb  r^traclt^ci 
unter  4en  bitherigea  Texten  an :  an  maneben  Stellen  glaobte  je4ocb  4er  Vtr- 
faaaer  abgeben  au  Mflaaen:  die  Reebtfeitifnng  eder  Tielmebr  die  nibcre  Bfr- 
filtoduDg  dieeer  Abweicbongen  hoA  der  Verfaiier  aa  einem  andeni  Orte  g^ 
ben  au  kdnnen,  da  in  dieser  Aaigabe  dasu  keim  Raum  war;  fkber  enige  8lil> 
len  Terbreitet  aicb  die  Vorrede  S.  XII.  ff.  und  Oberden  hat  der  YerlaMer-aaf 
einem  am  Scblnaae  beigefbf ten  Blatt  ein  genaues  Veraeichniaa  aller  der  Stel- 
len gegeben,  in  weleben  sein  Text  ron  dem  Hennann*scben  abweicbl,  nat 
man  in  jeder  Hinsiebl  nur  billigen  kann.  Unter  dem  grieehiscben  Text  alebm 
die  dentscben  Anmerkungen,  welche  sieb  mit  grosser  Genauigkeit  nnd-Seiff- 
falt  ttber  AHes,  was  in  spraebticber  oder  graaunatischer  Hinsiebt  BeucbtaBf 
YOrdienty  oder  Sebwierigkeit  maebli  verbreiten ,  den  Zusaamiwi bang  des  Ei»» 
lehien  naebweisen  und  eben  so  die  saebUeben  Punkte  in  betriedigondor  Weim 
bebandeln.  Wir  glauben,  dass  diese  Amnerkungen  fur  das  PrivatslndiuB  rssH 
Btttslicb  und  erspriemlieh  sind,  ttberbaupt,  dass  diese  Bearbeitung  der  Apole-  i 
gie  und  des  Krito  l>estens  Allen  Denen  empfoblen  werden  kann,  welebo  ftar  ihr 
PriTutstadinm  die  Leeture  dieser  Dialoge  wihlen  und  damit  sieh  aar 
der  gmsseren  Geisteswerke  Plato'a  vorbereiten  wollen. 


Xenopkom  Anahaiis,  Für  den  Sckdgdraudi  erklärt  9ön  Ferdin.  VolU 
breckt,  Reelor  m  OUemdorf.  Enies  Bdndcken.  Bwh  i—UI.  A 
sifiem  durch  Hoifktckniite  und  ur«i  Figurenlafeln  ertäuierten  Exeyr$t  iftr 
das  Heentesen  der  Söldner  und  mit  einer  Ueberekkukarte.  LeepwiQ^  Drmk 
und  Verlag  wm  B.  Q.  Teitbner  1857.    IV  u.  179  S.  m  8. 

Auch  diese«  mit  deutseben  Anmerkungen  unter  dem  gvlecbiselwii  Text  ans^ 
gesmttete  Ausgabe  hat  den  Zweck,  „das  schulmissige  Vemttndnisa  dadardi 
au  erstreben,  dass  der  Schüler  in  der  Regel  nur  lum  Finden 
AusdrudU  aad  einer  guten  Uebersetaung  angeleitet  wird.  Die  n^Mbigea 
matisehea  Bemerkungen  sind  dessbalb,  okno  eine  Grammatik  au  citiron, 
Aamerkungea  in  der  Welse  einverldibt,  dasa  ^e  augleieh  suf  den  Ui 
der  Spraoben  hinweisen ,  so  dass  die  Grammatik  aar  eia  Mittel  aam  VeiaUnd- 1 
alsa,  die  Leetttse  aicht  Vehikel  der  Grammatik  ist.  Aaf  diese  Webe  wisAd« 
0ebgler  nicht  nar  viel  Zeit  bei  der  PrIparatioB  eiapart,  soniata  aacb  eim 
BereiehernDg  der  Leetttre  eis trebl ,  die  Sieberbeit  des  Wisseaa  vermeitft  and 
die  Festigkeit  im  Verstehen  auf  einem  raseben  und  derb  grandlichea  (T>Wogt 
erxielt  werden  können.^  So  spricht  sich  der  Verfasser  in  der  Voriede  iber 
das  Ziel  aus,  das  er  durch  setao  Leistung  sa  eraeiehea  sucht,  so  wie  aber  dii 
GruadsMtae,  die  demgeaiflss  ihn  bei  seiner  Arbeit  Mieten.  la  wie  weii  dims 
Grandsttse  richtig  sind,  und  suf  allgemeinen  Beifall  rechnen  können,  w>aBsa 
wir  hier  nicht  uatersuehen;  wir  glauben  nar,  da«  in  der  Aaweadui^  dm 
Verfasser  hier  oad  dort  au  weit  geganj^ea  und  la  seiae' Aameshuagea  Man- 
ehea  aa^genommea,  was  nach  uaserem  JBmesse»  wegaulassen  war;  im 
gen  unbeschadet  des  der  Bearbeitung  au  Graade  Hegeadaa  Fkaas. 
rechacte  wir,  wenn  es  a.  B.  aa  11,  1,  1  heimti  .Av^  Dal.  ooaaaoda' 
aa  U,  6,  B:    ave<ß  „Dat.  e^c."*  oder  au  I,   b,  %  ei  di  v  witk  iüa 


^M  alM"  Slijq  €i0».  p«nll«  t.  tK*^  oder  so  I,  6,  16:  „«JUo»  «U«?^  tri«  4m 
L:  ftljoa  aUler/,  SQ  I,  7,  20:   .to  d^  «olo,  dhi  Gro«  dM  Hetref^  n  I,  8, 
34  «VOV9  «^  ßaöiXimg  xitmyiUvobg,  Coi^mietio'',  waf  eben  ao  m  lU,  d<,  14$ 
IQ  den  Worten  nai  innimv  beoierkl  tat;  I,  K),  §.  8  n/aacbv  ixmv\  i%Mtm  e. 
AdTerb.:=  MMt  habere**;  aa  I,  7,  2.  »tc-ko/  theila - theila**,  oder  an  I,  8,  12 
%uv^*  4i^v  ntKoiiftun  nVP^^  ^>^*  b.  Paaa.*  wtthrend  an  Tctuoifftai,  bemerkt 
wird:    „Perf.    beaeicbnet  die  beitimmte  Wirklichkeit.  Schiller:  „Jene  hat  ire- 
lebt,  wenn  ich  dieaea  Blatt  aoa  meinen  Binden  fj^ebe."    Und  wenn  wir  I,  i, 
19  an  den  Worten:  oxi  %al  xu  hifa  %ala  %al  %a  inpdyui  %aXd  i»  den  An- 
merknnf en  foaen :  »re^  Vorzeichen  ana  den  Einf eweiden ;  c<pdf$a  aua  den 
Bewefnnfen.    KaXa  mit  Nachdruck  wiederholt',  ao  wird  ea  nur  einoa  Blik- 
kea  in  die  fttr  Schüler  aehr  aweekmisaig  bearbeitete  Anaipabe  der  Anabaaia 
von  Hertlein  bdttrfen,   um  die  Quelle  zu   erkennen,  ana  welcher  dieae  Be- 
aMiknnf  i^efloaaen  iat.    Anderea  übergehen  wir;  der  Verfaaser  hat  im  Uebri- 
gen  ateta  die  Rttokaicht  auf  den  Schüler,  der  dieae  Auagabe  urobrauchen  aoll, 
featf ehalten »  und  dieaen  durch  die  Art  und  Weiae  der  Faaaong  der  Anmer- 
kunfem  weiter  an  fördern  geaucht    Alle   Yerweiaungen  auf  andere  Werke, 
und  aelbat  auf  Grammatiken  aind  (waa  wir  billigen)  weggefallen;  die  Regel 
aelbai  oder  der  Gebrauch  wird  knrz  angegeben,  eben  ao  bei  aachlichen  Ge* 
genatinden  in  der  Kürze  die  nOthige  Erklärung  angegeben.    Waa  den  griechi- 
acbev  Text  aelbat  betrifft,  ao  iat  der  Hecauageber  der  Dindorf  achen  kleineren 
Aasgabe  gefolgt,   jedoch  mit  einigen  VeräjiderungeQ ,   welche  durch  die  neue 
giOaaere  Auagabe  dieaea  Gelehrten,  die  in  England  erschienen  iat,  herbeige- 
ffihrt  worden  aind ;  wir  hoffen  und  erwarten ,  daaa  der  Herausgeber  am  Schluaae 
aeiner  Auagabe  ea  nicht  unterlaasen  werde,    ein  Verzeicbniaa  der  Stellen,  in 
denen  er  abgewichen,  beizufügen,   waa  in  keinem  Fall  viel  Raum  einnehmen 
kann ,  in  ao  manchen  andern  Beziehungen  aber  wttnachenawerth,  ja  nothwen- 
dti^  eracheint    Dagegen  iat  ein  nettea  Kärtchen,   auf  welchem  der  Hin-  und 
Hermarach  genau  verzeichnet  ist,  hinzugekommen,   eine  fttr  den  Schüler  ge- 
wiaa  recht  paaaende  Zugabe  bei  der  Lectttre  dea  Ganzen*    Weiter  aber  auch 
kal  der  VerCaaaer,  gewiaaermaaaen  ab  eine  zum  beaaern  Veratändniaa  der  Xe- 
aophonteiacken  Schrift  ndthige  Einleitung  unter  der  Aufachrift  „Heerweaen 
der  Soldner  bei  Xenophon**  (S.  1—41)  eine  genaue  und  ina  Einzelne  ge- 
hende Daratellung  dea  Kriegaweaena  der  Hellenen,  wie  ea  aich  in  der  hier  in 
Setracht  kommenden  Zeit  dea  Soldnerweaena  geataltet  hatte,  gegeben ,  nament- 
lich auch  mit  aorgfältiger  Erörterung  aller  der  taktiaehen  Verhiltniaae,  die 
siUB  richtigen  Veratändniaa  der  Harsch-  wie  der  Kampfordnungen ,  und  damit 
BOT  richtigen  Auffaasung  der  Xenophonteischen  Schilderungen  ao  wichtig  sind ; 
denn  daaa  neben  der  allgemeinen  Erörterung,  hier  insbesondere  auf  die  Ana- 
hm»iM  nnd  die  in  ihr  vorkommenden  derartigen  Schilderungen  (.bei  denen  der 
Schüler  aich  oftmala  nicht  au  helfen  weiaa)  Rückaicht  genommen  iat,  wird  wohl 
kaum  an  bemerken  nöthig  aeiu.    Köchly's  und  Rttatow'a  Leiatungen  aind  da- 
hei  allerdinga  zu  Rathe  gezogen  und  mit  dem   verbunden,   was  die   eigene 
Fovachnng  und  eine  vieljährige  Beachäitigung  mit  dem  Gegenatande  an  die 
Hand  gab.    Wir  glauben  immerhin  auf  dieae  achöne  Zugabe  beaonders  auf- 
neriuam  machen  au  müasen,  deren  Werth  durch  die  vielfach  eingefügten  Holz- 
acbnittCy  welche  inr  richtigen  und  leichtern  Auffassung  der  Marschordnungen 


BM  Ameii:  Homers  04yiM6. 

oder  der  vertchiedenen  AufsteUaDgatrteii  im  Kanpfe  dienen,  fo  wie  dardb 
EWei  besondere  Tafein  erhohel  wird,  welche,  nach  Antiken,  Abbildungen  vaa 
einzelnen  Theilen  der  Rüstung,  Waffen  o.  tigl.,  ja  selbst  von  Soldaten  in  ikrer 
rollen  Rüstung,  Leicht-  wie  Schwerbewaffnete,  liefern. 


HornerB  Odyiset,  Für  den  Sdmlgebrauck  erkläri  mm  Dr.Kari  Friedrich 
Ameii,  Frofenor  und  JVorecfor  am  Cymmanum  m  Mühlhmsen  m  ThiSh 
rmgen.  Ersitr  Band.  ZMcUes  Heft,  Guang  VU-XIL  Läpug^  Drndi 
und  Verlag  von  B.  0.  Teiibner,  -iSö?,    i80  &  in  gr.  8, 

Das  erste  Heft,  welches  die  sechs  ersten  Gesftnge  der  Odyssee  enl- 
jiält,  ist  in  diesen  Jahrbuchern  Jahrg.  1856,  S.  792  ff.,  angezeigt,  dort  auch 
Anlage,  Einrichtung  und  Ausführung  des  ganzen  Uotemehmens  naher  bespro- 
chen woiden.  Die  Fortsetzung,  die  wir  hier  anzuzeigen  haben,  schliestt  sich 
in  der  Anlage  wie  in  der  Ausführung  ganz  an  das  erste  Heft  an  und  kau 
daher  mit  gleichem  Grunde  empfohlen  werden,  namentlich  was  die  Passnnf 
und  den  Inhalt  der  zur  Erklärung  beigefügten  Anmerkungen  betrifft  Nirgend 
sinkt  die  Fassung  in  das  Triviale  der  Erklärung  herab,  wohl  aber  sucht  sie 
durch  sprachliche  und  grammatische,  mit  Schfirfe  and  Präcision  gegeben! 
Erklfirungen  oder  Andeutungen  das  Interesse  des  Lehrers  wie  des  Schttleii 
anzuregen,  während  auch  IkWea  das,  was  auf  Homerische  oder  Hellenisdia 
Sitte  Bezug  hat,  die  gehörige  Berücksichtigung  gefunden  hat.  Selbst  das  Me- 
trische ist  in  augemessener  Weise  berücksichtigt;  durch  einzelne  Fragen  die  Aof- 
merksamkeit  des  Schülers  passend  angeregt,  zumal  wenn  ein  erfahrener  Lehrer  iha 
zur  Seite  steht,  der  dies  zu  benutzen  versteht.  Ja  wir  finden  selbst  einzelne 
weiter  gehende  Erklärungen  sprachlicher  Art,  wie  z.  ß.  über  ccvtov  zu  VIS, 
68,  um  nicht  Hehreres  zu  berühren.  Von  dieser  zweckmässigen  Bearbeitung 
haben  wir  uns  bei  einer  wiederholten  und  genauen  Durchsicht  auch  dieses  zwei- 
ten Heftes  überzeugt  und  glauben  eben  desshalb ,  auch  ohne  dass  wir  weiter  ia 
das  Einzelne  eingehen,  wozu  uns  hier  der  Raum  abgeht,  auf  diese  Bearbo- 
tung  der  Odyssee  wiederholt  hinweisen  und  sie  empfehlen  zu  können,  wc3 
wir  von  ihrer  Benützung  wesentliche  Vortheile  für  ein  gründliches  Sta- 
dium der  Homerischen  Gedichte,  und  eine  gründliche  Kenntniss  der  Homeii^ 
sehen  Sprache,  es  sei  innerhalb  der  Schule  oder  ausserhalb  derselben  —  denn 
auch  zum  Privatstudium  wird  diese  Ausgabe  sehr  dienlich  sein  —  erwarten, 
und  desshalb  auch  der  weiteren  Fortsetzung  und  Vollendung  gerne  entgegen- 
sehen. Die  äussere  Ausstattung  ist  ganz  zweckmässig,  der  des  ersten  Heftes 
entsprechend ,  ausgefallen. 


Rr.  St.  HEIDELBERGER  IKI. 

JAHRBOCHBB  dbr  litbbatvb. 


Ulrich  Zasius»  Ein  Beitrag  sur  Geschichte  der  Rechttwissen- 
sehaft  im  Zeitalter  der  Reformation  von  Dr.  K  Siintzingj 
ordentL  Prof,  der  Rechte  an  der  Universität  Basel  (jetst  in 
Erjangen).  Basel,  Schtreighauser^scfie  Sortiments  -  Buchhand- 
lung 1857, 

In  unsern  Tagen,  wo  die  Bearbeiter  des  römischen  Rechts  so 
manches  Unnatürliche  und  Ungesunde  herausconstruiren ,  wird  man 
erfreut,  wenn  man  einen  jungen  Schriftsteller  als  Literaturkenner 
einer  gewissen  Zeit  die  Bedeutung  hervorheben  sieht,  in  welcher 
die  verständige  Behandlung  des  römischen  Rechts  zu  allen  Zeiten 
der  gelehrten  Welt  genügt  hat.  Leider  hat  der  Verfasser  schon 
auf  dem  Titel  seines  Buches  ein  Moment  angeregt,  welches  besser 
als  aecundäre  Erscheinung  hervorgetreten  wäre :  denn  wer  wird  laug- 
nen,  dass  im  Anfange  der  Relormation  auch  die  Rechtsgelehrten 
von  dem  begeisterten  Rufe  der  Verbesserung  ergriffen  wurden:  aber 
gerade  sie  waren  es,  welche  die  Gefahren  bald  einsahen,  die  die 
Ueberstürzung  bringen  musste,  und  dahin  gehört  nicht  nur  unser 
Zasins,  sondern  auch  der  berühmteste  Jurist  Cujacias.  Sie  wurden 
mehr  Gegner  der  Reformation,  wie  Anhänger  derselben.  Wollte 
also  H.  St.  —  einen  solchen  Standpunkt  als  einen  primären  erklä- 
ren, so  hätte  er  treuer  noch,  als  es  geschehen  ist,  die  Verhältnisse 
des  Zasius  auffassen  sollen,  und  etwa  auch  die  theologischen  Schrift- 
steller über  Reformation  nicht  übersehen  sollen,  selbst  wenn  diese  von 
einem  andern  Gesichtspunkte  aus  geschrieben  haben,  z.  B.  Döllin- 
ger  in  seinem  Buche  über  Reformation  I,  B  wo  wir  z.  B.  Herrn 
Stintzing  namentlich  auf  die  Artikel  Wilibald  Firkheimeri 
Ulrich  Zasius,  Vitus  Amerbacher  verweisen,  und  wo  Za- 
sius auf  das  vortrefflichste  gewürdigt  ist.  Wir  lassen  übrigens 
gerne  Jedem  seine  sobjectiven  Gedankenspäne,  wir  hadern  nicht  mit 
unserm  Verfasser  über  die  Bemerkung  S.  255.  „Diese  Vorgänge 
im  Breisgau  fallen  ungefähr  in  dieselbe  Zeit,  als  ein  Theil  der  süd- 
deutschen Fürsten  an  ihrer  Spitze  Ferdinand  von  Oesterreich  ihr 
Bündniss  in  Regensburg  am  6.  Juli  1824  gegen  das  Lutherthum 
schlössen  und  damit  den  Grund  zur  kirchlich-politischen  Spaltung 
Deutschlands  legten III  nicht  über  die  Ansicht:  die  Nationalitäten 
hätten  zumNutzenderWeltdie  Universalität  der  Kirche  umwer- 
fen müssen  S.  34,  während  es  allerdings  nöthig  war,  dass  die  katho- 
liflclie  Kirche  damals  mit  den  Säculargewalten  der  Nationen  durch 
Verträge  verhandelte :  — ■  es  tritt  dadurch  nur  dasjenige  hervor,  waa 
wir  eben  in  einer  andern  Schrift  lesen :  „so  lange  man  sich  über  den 
Staudpunkt  des  Partei-Interessea  nicht  zu  erheben  vermagi  wird  man 
U  Jahrg.  12,  Hefk,  66 


S8Z  StiBUing  Ulrich  Zasioi. 

iBuner  glaobeO|  die  eigene  Partei  dadurch  au  beben,  daea  man  alk 
bedeoteaden  f^scbeiDungen   der  Zeit  für  sieb   in  Anspruch  nimiat, 
wobei  man  gar  wenig  auf  die  eigentliche  Wirklichkeit  eingeht. '^  Dieses 
nnr  nebenbei.    Weniger  können   wir  dem   Verfasser   dasjeDi|[e  vv- 
geben,   was  er  in  gewohnter   Parteiansicht  von   der  scholastischen 
Methode  anführt,  worüber  er  andersdenkende  z.  B.  Möhler  nicht 
gelesen  zu  haben  scheint;   auch  nicht   dasjenige,   was  er  so  gele- 
gentlich von  I^ominalisten  und  Realisten  spricht  S.  13.     Dann  siod 
manche  Räsonements,  die  gewöhnlich  von  jungem  Männern  ausgehen, 
sehr  ungegründet:     Zasius   habe   mit  Wimpfeling   nicht   eingeben 
wollen,  weil  sie  im  verschiedenen  Alter  gewesen  seien  S.  27.   Wo- 
ber weiss  H.  St.  dieses?  bat  er  uns  nicht  selbst  gezeigt,   dass  Za- 
sius In  dem  spätesten  Alter  unendlich  freundUch  mit  den  jüngslen 
Männern,  seinen  Zuhörern  war  u.  s.  w.     Doch  auch  genug  hievon. 
Dem  Verfasser  als  Romanisten  ist  es  geglückt,  den  Standpunkt  an- 
zugeben, in  welchem  Zasius  die  Exegese  des  römischen  Hechts  so- 
wohl im  mündlichen  wie  im  scbriitlichen  Vortrag  bebandelt  hat,  uii 
dieser  Tbeil  seines  Buches  mit  Rücksicht  auf  die  angeführten  Schiif* 
ten   ist  der  gelungenste.     Allein  zwei  andere   Standpunkte  hat  er 
vernachlässigt:  nachzuweisen,  was  Zasius  in  tbeologiscb-canonistF 
scher  Hinsicht  gethan  hat.    Man  sieht  aus  den  von  Ri egger  edi^ 
ten  Briefen  pag.  169,  wie  sehr  Zasius  sich  hier  interessirte.  ^Ifir 
sind  die  juristischen  Studien  zum  Eckel,   die  theologischen  sind  e% 
die  mich  erfreuen.^     Dabei  hätte  der  Verfasser  selbst  nach  den  Er* 
scheinungen    unserer   eigenen    Zeit   wohl    bemerken    können,   ins 
die  grössten  Geister,   z.  B.   Erasmns  und   Zasius,  von   der   Süa^ 
mung   des  aufgereizten   Volkes  abhängig  wurden,  und   beide  sieh 
scheuten,  die  Grundsätze  ihres  Studiums  offen  vorzutragen.     Za* 
8 ins  sagt  dieses  selbst,  indem  er  deshalb  den  Erasmus  tadelt.   So> 
dann,  wie  konnte  der  Verfasser  dieser  Schrift  S.  96,  97  sagen:  des 
schleppende  und  unsichere  Gang  der  Prozesse,  sei   ein  Uebelstaai 
des  canonischen  Rechts:  das  schlechte  Verhältniss  Jener  Zeit  gehoa 
dem  canonischen   Recht,   und  zum  grösseren  Theil  den   damaligoi 
Vertretern  der  Rechtswissenschaft.    Wenn  wir  auch  den  letzten  Satt 
gut  heissen,  wie  kann  der  Verfasser  ohne  alle  nähere  Kachweiflaic 
vom  canonischen  Recht,  also  von  diesem   wohlgeordneten  Reseht  m 
sprechen?     Es  ist  die  Zeit  nicht,  dieses  hier  weiter  auszufühna} 
aber  bedauern  müssen  wir,  dass  unsere  jüngeren  Rechtsgelehrten  du 
canonische  Recht  gänzlich  vernachlässigen   und  während  sie   rom 
Ausgange  des  Mittelalters  schreiben,  auf  die  Hauptquelle  des  mHteif 
alterischen  Rechts  in  ihrem  Studium  gar  keine  Rücksicht  nehmen.  Wefr 
ter  war  nachzuweisen,  dass  Zasius  nicht  minder  der  Vater  des  jebl 
geltenden   germanischen  Rechts   theils  durch  seine  Bearbeitung  am 
Freiburger  Stadtrechts,  theils  durch  den  Einfluss  geworden  lat^  wel- 
chen er  auf  seine  Zuhörer  z.  B.  Fisch ard  hatte.    Dieses  Theaa 
hätte   in  der  Schrift  unsers   Verf.  näher  entwickelt   werden   8olle% 
z.  B.  die  L<^re  von  den  Verträgen,  auf  die  schon  Andere 


Stintsinft  ülricli  Zu iin.  ^ 

lieh  der  Recensent  aDrmerkgam  gemacht  haben.    W^  verweiBen  mit 
unsere  Dogmengescbichte  S.  159.  Bemerken  können  wir  dabei,  dasi 
üDfler  Verfasser  auch  darin  die  neaeste  Sitte  mit  sich  trigt,  daas 
er  anbarmherzig  mit  der  Oiosse  umgeht  S.  79  nad  816  —  wiflirend  es 
gana  natürlich  erscheint,  dass  gerade  ans  der  Glosse  das  Recht  sich  weT^ 
ter  entwickelte,  nnd  auf  nnaere  Zeit  anwendbar  wurde,  und  dass  die 
Achtung,  welche  die  Postglossatoren  verdienen  und  sp&ter  namentlich 
4ie  Bestrebungen  eines  Bartolas  so  gering  nicht  au  halten  «ind,  wie 
unser  Verfasser  cn  denken  scheint.     Wenn   wir  In  diesen  und  an- 
dern Besiehungen  dem  Verf.  Vorwürfe  machen,  so  soll  dieses  seinen 
Bestrebungen  keinen  Eintrag  thun,  wir  denken  nur  an  die  herrliche 
7on  H.  St  selbst  angeführte  (S.  176)  Stelle  des  Erasmus:     Ich  er- 
wartete nur  einen  Juristen   zu  finden,   zwar  einen   ausgezeidmeten 
und  bewunderungswürdigen,   aber  doch  nur  einen   Juristen.     Allein 
was  gibt  es   in  den   Geheimnissen   und  Lehrsätzen   der  Theologie, 
das  du   nicht  chirchsucht  und  durchdacht  hättest.    In  welchem  Theil 
der  Philosophie  bist  du  nicht  vollkommen  bewandert?  Solche  Rieh** 
tnng  muss  derjenige  haben,  der  sich  an  eine  Literargeschichte  macht 
Im  Uebrigen  müssen   wir   nicht  nur  den   ruhigen   und  gemessenen 
Styl  des   Verfassers,   als  auch   den  grossen   Fleiss  loben,  welchen 
deraelbe   auf   das   Buch    verwendet   hat    Namentlich   gehört   auch 
bieher  die  Znsammenstellung  der   ältesten   deutschefn   Universitäten. 
Auch  deren  Zustand  und  der  Geist  der  hier  gepflogenen  Lehre  ge^ 
hört  zu  den  Anfängen  der  modernen  Literaturgeschichte;  nur  müs^ 
aen  wir  auch  hier  weiter  bemerken,  dass,  wenn  der  Verifasser  z.  B. 
bei  der  Universität  Heidelberg  die  fünf  Programme  von  Wundt 
gelesen  hat,  er  wieder  nur  das  römische  Recht  in  das  Auge  gefasst 
bat,    keineswegs  aber  die  Art  und  Weise,   wie  nnd  warum  das 
canoniscfae  Recht  gleichsam   als   der  Deutschen  angestammtes  und 
^germanisches   Recht   bebandelt   wurde.     Mein  can.  Recht  S.  3 8 ff. 
Bebr  lieb  wäre  es  dem  Recensenten  gewesen,   wenn  H.  St,   wo  er 
lo  viel  und  schön  von  Bonifacius  Amerbach  handelt,  etwas  Näheres 
über  die  Universität  Avignon   ausgeführt  hätte?     Es  ist  dies   nur 
»In  ViTanscfal   Es  wäre  auch  löblich  gewesen,  wenn  H.  Btintzing 
n  die  grossen  Vorarbeiten   unserer  Zeit  für  Literargeschichte,  na** 
Deotlich  an  Savigny  nnd  Hugo  hätte  anknüpfen  wollen,  die  alle 
leide  gelehrter,  ruhiger  und  parteiloser  erscheinen.   Daneben  gebührt 
lern    Letztern   in  der  Darstellung   der  Neuzeit  kein  geringes  Lob, 
Kenn  er  ist  ein  grosser  Kenner  der  Personen,  der  Einrichtungen  und 
leine  Kritik  ist  wie  überall  treffend.    Btintzing  hätte  sich  besontJers 
larin  ihm  zum  Muster  nehmen  sollen,  dass,  obgleich  Hugo  ein  gn^ 
er  Protestant  ist,   er  wieder  billiger  aber  doch  auch  nicht  farblos 
^on   den  Katholiken  spricht   S.  Btintzing  S.  52.  320  u.  s.  w.  Mein 
Junonisches  Recht  S.  166.    In  der  Wissenschaft  muss  man  in  sol- 
iren  Beziehungen  höchst  nachsichtig  nnd  so  zu  sagen  grossmiithig 
ein  nnd  denken  t    Wie  fleissig  übrigens  der  Recensent  dieses  Bnch 
^eleflen  hati  mag  eine  kleine  Bemerkung  zeigen:  S.  314  nnten  steht: 


934  Casael:    ThQrtiigiiche  Orttntineo. 

Rasenbosch  sei  im  Jahre  1500  in  Landshat  (?!)  immatricidiit 
worden;  er  sei  dann  nach  Ingolstadt  aurückgekehrt  1  —  Da» 
diese  Darsftellang  kurz  gehalten  worden  ist,  liegt  allein  darin,  wd 
der  Becensent  auf  den  Raum  des  Liter&turblattes  Rücksicht  nehmes 
wollte.  RoMkivt. 


üeber  Thüringische  Ortsnamen,  von  Paulus  Cassel,  Beer»  d.  h 
Aeademie  der  Wissenschaft  zu  Erfurt.  Abdruck  a.  d.  vfim, 
Berichten  der  Erfurter  Aeademie,  Erfurt.  Willarel.  1S5S, 
8.  87—225.     8. 

Der  Verfasser,  fletssig,  gelehrt  und  gewandt,  strebt  im  allge- 
meinen Theil  fremde  und  eigene  Ansicbteu  über  Bedeutung  der  Orts- 
namen (ON.)  geltend  zu  machen,  folgende  Anlasspunkte  benrorhe- 
bend:  Ausdrücke  des  Natursinns,  sentimentale  Naturschilderuag 
alter  und  neuer  Zeit,  klimatische  Beacbaffenhelt  Widerbild  der  Ge- 
schichte, Einflnss  der  Gottheiten  und  Personennamen.  Was  ich  da- 
gegen principiell  zu  sagen  habe,  ist  in  meinem  Buche:  «Die  Be- 
deutung der  Böhmischen  Dorfnamen  iii  Bezug  auf  Sprache  uni 
Weltgeschichte.  Leipzig  1856.  I6V2  B.  8.^,  und  rhapsodisch  li 
Nr.  45  d.  Bl.  niedergelegt  Zwei  competente  Stimmen  (s.  Kr.  4S} 
habe  ich  für  die  Richtigkeit  im  Ganzen  schon  angeführt  und  sovid 
ich  für  das  grössere  Publikum  auch  in  der  Feder  habe,  muss  ick 
es  Ranmes  halber,  doch  unterdrücken.  Nur  Eins  will  ich  bemer* 
ken.  Die  Sprache  wurde  in  der  frühesten  Zeit  ron  den  MensebeB, 
welche  keine  Cretips  waren,  auf  Grund  der  Sprachanlage  angeleil 
und  so  angewendet,  auf  dass  Mit-  und  Nachwelt  das  Erzeugte  ver* 
stehe,  dass  es  ad  hominem  im  strengsten,  concretesten  Sinn  s& 
Alle  Etymologien  müssen  demnach  ad  hominem  sein  und  die  es  an 
meisten  sind,  sind  die  berechtigsten.  Was  die  Widerlegung  metnei 
orts* beschreibenden,  und  in  Bezug  auf  Thiere,  Pflanzen  u.  deigis 
eigentbümliche  Kennzeichen  beschreibenden  Priucips  betrifft,  so  msas 
ich  von  der  Kritik  verlangen^  dass  sie  mir  die  Berge,  SchroffUngi^ 
Sümpfe  n.  s.  w.,  bei  den  Thieren  Tatzen,  Geschwindigkeit  n.  der|^ 
bei  den  Pflanzen  Art  des  Wuchses,  der  Verbreitung  etc.,  aus  dir 
Welt  schaffe,  um  mich  ihr  bequemen  zu  können.  Oder  vem^ 
man  eine,  weniger  der  Phantasie  Spielraum  gebende  etymologiscka 
Methode  aufzuweisen?  Wo  nicht,  so  darf  ich  doppelt  Berückudi* 
tigung  meiner  Quellen  beanspruchen.  Lese  man  gründlieli  anck 
mein  Buch:  „Slawen-  und  Teutschthum  in  cultur-  und  agrarhiatir, 
risehen  Studien  zur  Anschauung  gebracht,  besonders  aus  Läneboig 
und  Altenburg.  Quellenmässige  Beiträge  zur  Geschichte  der  05ite 
und  Landwirtbschaft  in  Teutochland.  Nebst  drei  Tafeln  mit  Abhi^ 
düngen  von  Dorfgrundrissen.  Hannover.  C.  Rümpler  1856^,  oai^ 
frage  sich  dann,  ob  phantastische  Combinationen ,  oder  nicht  Tid^ 
mehr  ^ie  nttchten^ste  Forschung  meine  Art  sei?    Die  B ed.  dar' 


Cafsel:    TbQriogiche  OrUnameii.  885 

bOlim.  Dorfnamen  M  aus  den  Stadien  m  jener  Schrift  tito  Re* 
saltat  hervorgegangen,  so  dass  sieh  beide  wie  ZwÜiinge  verhalten. 
Die  ON.  wollen  als  Zeugnisse  der  ältesten  Sprache  and  dei  frühis^ 
sten  Lebens  nach  der  durchweg  practischen  Anschanungsweise  fh^er 
Zeit  aafgefasst  und  erlilärt  sein,  die  ganz  überwiegend,   wenn  nicht 
alle  topographischen  Anhalte   ausschloss.     Wer  Einsicht  in  die  fac- 
tischen  Vorgänge,  welche  sich  auf  die  Oesammtgestaltung  des  or- 
sprtinglichen  Ansiedlungswesens  der  Ackerbau  Völker  der  Vorzeit  be- 
ziehen, verstehen  will,  kann  dazu  nur  gelangen,  wenn  er  mit  ange- 
bornem,  besonderem  Interesse  für  speciellste  landwirthschaftliche  Gul- 
turgeschicbte  das  Glück  hat,  auf  ein  Material  zu  stossen,  in  welchem 
sich  die  Gesammtheit   solcher  Einrichtungen  In   ihrer   Ursprönglieh* 
keit  nnd  nach  den   wesentlichsten  Richtungen   noch   erkennen  iSsst 
Bringt  er  diese  Dinge  durch  persönliches  Ergründen  an  den  Tag,  so 
wird  dieser  selbstredend   in   seinem  Bewusstsein   zu  grösserer  Klar- 
heit mit  demselben  sich  zusammenleben,  als  wer  dergleichen  ResnK 
täte  nur  lesend  in   sich   aufnimmt.     Selbst   sehen,   selbst  artheilen, 
selbst  scbJiessen   nur  macht  practisch.     Ref.  ist  so  glücklich  gewe- 
sen, im  altenburger  Osterlande,   im  R.  Sachsen  und  namentlich  im 
lüneburger  Wendlande   auf  dazu  geeignete  Gebiete  za  stossen  and 
jene  Verhältnisse  aus  demselben,   mit  sehr  befriedigender   Anerken-* 
nung  von  Seiten  der  wissenschaftlichen  Kritik  ans  Licht  ea  ziehen. 
Kr  verweisst  deshalb  insbesondere   auf  seine   Schrift.     Als  Schluss*' 
stein  ist  daraus  organisch  die  vorhin  citirte  Schrift  hervorgegangen. 
Beide  Schriften  beruhen  im  Wesentlichen  nur  zum  mindesten  Theil 
auf  dem  Studium  anderer  Bücher,  sondern  auf  dem  der  unmittelba- 
ren, in  den  besten  Karten  sich  darlegenden  Wirklichkeit    Wie  man 
nun  die  Kritik  eines  Kunstwerkes  nur  dann  selbst  zu  würdigen  ver- 
mag, wenn  man  es  selbst  kennt,  so  ist  auch  zum  gründlichen  Ver- 
atändniss  obiger  Bücher  das  Studium   der  ihnen   zu  Grunde  liegen« 
den  Karten  und  des  böbm.    Ortnaroenregisters  von  Schäller  nöthig. 
Jedoch,   da   sich  die  ON.   als  Ortsbeschreibungen  allenthalben  wie- 
derholen, so  bedarf  man  zum  VerstSndniss  des  zweiten  Buches  nur 
sehr  weniger  der  dort  angeführten  Karten.    Versuche  man  es  selbst 
mit  nnr  einer.    Wer  diess  unberücksichtigt  iSsst  und  namentlich  als 
Sprachforscher  verneinend  über  die  Gültigkeit  des  weit  überwiegend 
ortflbeschreibenden  Princips  spricht,  entbindet  mich  der  Verpflichtung, 
ihn  ^u  beachten;  denn  meine  Quellen   BiT\ß.  vollständiger   und  zum 
wesentlichen  Theil  anderer  Art  als   die  scinigen.     Ihm  sind  Schrei- 
bungen der  ältesten  Schriftdocumente  vorwiegende  Quellen,  in  wel- 
chen ihm  jedoch  die  Namen  getrennt  von  den  Beschaffenheiten  der 
Objecto  vorgeführt  werden,   auf  welche  sich  erstere   beziehen.    Ich 
aber  habe  sie  in  der  sinnlichen  Verbindung  vor  mir,  in  welche  Ort 
und  Name  oft  Jahrtausende  früher,   als  jene   Documente   abgefasst 
worden,  von  den  Namengebern   in  Verbindung  miteinander  gesetzt 
worden.   Führe  man  mich  doch  ad  absurdum,  indem  man  die  Berge 
abträgt,  Flüsse  abgräbt:  dann  bequeme  ich  mich   gleich;  s^olange 


16$  CwmI:    fliQriaciMhii  Ortummm. 

M)lhft.  ZfMMi  "^4  yuwn  ft^tTfiftttJptnffMlfn  TJwiioilMunmMMli  IIAhi 
^f  tUbeo  gelMf«!!  werden,  nimicer  -^  im  Gänsen.  Dan  fie 
YedM  c  1600  y.  Gbr.  abgefaBst  sind,  beweist  nofi  dass  ihre  Sprache 
daouüs  schon  auf  einer  staanenswerth  hohen  Entwicklungstnfe  stand 
wd  d«)r  Fornrelchthnnn  des  SanArit  beweist  für  heute  aiemlich  da»* 
Siolbef  aber  Dncbt,  dass  das  vergleichsweise  sehr  unentwickelte  Sla- 
Wäsche  die  einfachen  gemeinsamen  Urformen  nicht  treuer  bewahrt  habe, 
für  die  Etymologie  der  Scbwestersprachen  weniger  geeignet  aeL  Viel 
eher  das  Gegentheil,  obgleich  beide  Sprachen  gleich  alt  sein  kSnaeo 
und  im  Beaug  auf  den  gemeinsamen  Ausgangspunkt  anch  sind. 
Soldten,  welche  behaupten :  ich  sei  zum  Etyolmogisiren  aus  dem  Böh- 
mlscheni  resp^  Slawischen,  unbefähigt,  weil  ich  die  Grammatik  und 
den  Geist  der  Sprache  nicht  kennoi  setze  ich  die  einfache  Thatsacbe 
entgegen^  dass  Hr.  Schmaler  (s.  Nr.  45.  d.  J.)»  der  slawische 
Grammatiker  ist  und  auch  mit  Etymologie  sich  beschäftigt,  mjr  nicht 
nur  beistimmt,  sondern  auch,  wie  er  mir  selbst  offen  eingestanden, 
durch,  mich  zuletzt  aufregendes  Wiederholen  schon  beseitigt  gewe- 
sener Einwendungen,  weitere  Aufklärungen  aus  mir  hervorzulockeo 
sich  angelegen  sein  Hess,  die  ich  ihm,  meinem  für  jetzt  wichtigsten 
und  nächstens  auftretenden  Recensenten,  auch  gerne  freiwillig  gege- 
ben haben  würde.  Doch  wird  allerdings  durch  sein  kluges  Verfahren, 
die  Ideenassociation  oft  viel  lebhafter  erregt  und  manches  im  Hio- 
targrqnde  lueines  Gedächtnisses  Liegende  wurde  so  hervorgezogen. 
Bei  der  Neuheit  der  Sache  und  dem  Widerspruche,  den  sie  bei 
manchen  Gelehrten  auch  deshalb  findet,  weil  sie  nicht  von  einem 
Sprachforscher  ex  professo  kommt,  war  diese  längere  Vorausschickung 
um  so  «pthwendiger,  als  ich  über  die  mehrfachen  Gesichtspunkte, 
yon  welchen  Hr.  Buttmann  (Nr.  45)  ausgeht,  im  Einzelnen  gar 
Qicliis  oder  nur  Summarisches  gesagt.  Auch  auf  diejenigen  Hrn. 
Cassels  kann  ich  Baumes  wegen,  im  Einzelnen  nicht  eingehen, 
sondern  nur  wiederholen,  dass  das  ortsbeschreibende  Princip  mit 
NotbwendjgkeU  aus  der  Denkweise  und  gesammten  Lebenslage  der 
uralten  Ansiedler  hervorging.  Wer  sich  in  deren  ganzen  Bildungs- 
stufe und  Anschauungsweise  an  der  Hand  von  greifbaren  Thatsa- 
chen  hineingelebt  hat,  dem  wird  es  sonnenklar,  dass  auch  ihre  Sprach- 
reste, d.  i.  die  Namen  der  Orte,  Pflanzen  und  Thiere  u.  s.  w.,  schla- 
gendea  Zeugniss  dafür  ablegen,  dass  sie  als  selbständige  Denker  — 
Gretins.  waren  sie,  ich  möchte  behaupten,  weniger  als  wir  —  ua 
Verhältniss  zu  ihren  schon  vorräthigen  Bildungsmitteln,  von  des 
inneren  und  äusseren  Sinnen  viel  scharfsinnigeren  Gebrauch  zu  ma- 
chen wus/itea,  als  die  späteren  Generationen,  zum  guten  Theil  selbst 
ala  unsere  Mitwelt.  Trotz  ihrer  beschränkten  Sprachnaittel  wuastea 
sie  niittelst,  derselben  alle  Dinge  und  Vorstellungen  ihrer,  an  sich 
nicht  armen  Aussenwelt,  also  bezeichnend  ausdrücken,  dass  die  Aus- 
drücke allgemein  verständlich,  ad  hominem  waren.  Was  nicht  ad 
bom.iiiep9r  war,,  konnte  keinen  Eingang  finden  und  alles  Unklare  in 
jenen  3prae)u^engnissen  rührt,  wie  diese  selbstredend,  aus  EntoteUnng, 


Cmef:    niOrliigifGlM  OrtinuMm  tB7 


Oedudb  mflirai  die  LStoogea  der  TUer-|  Pflaiiieii-|  Ohgamm  ote. 
andi  dem  praetifldieD  Bedfirfniss  der  Sprache  der  Alten  e&tipreehen, 
möglichflt  coDcrety  und  damit  ad  hominem  sein.  Sonst  taugen  sie 
nichts  und  deshalb  bin  ich,  zur  Kürze  gezwungen,  auch  gegen  die 
vom  Verf.  aufgestellten  Gesichtspunkte.  Die  speciellen  Gründe  ent- 
hält mein  Buch. 

Nun  zu  unserm  Schriftchen,  an  welchem  uns  speciell  nur  das, 
dem  Titel  gemäss,  angeht,  was  Verf.  über  Thüringische  Ortsnamen 
sagt.  Dessen  Inbegriff  sind  drei  Punkte.  1)  Beschäftigt  er  sich 
nur  mit  dem  auf  leben  endenden  Namen;  2)  hält  er  alle  diese 
Orte  deutschen  Ursprungs;  3)  sucht  er  die  Bedeutung  des  in  indi* 
▼idoellen  Theiles  derselben  stets  durch  einen  Personennamen  zu  er- 
klären; 4)  löst  er  jenes  leben  durch  bleiben.  Wir  haben  nur  g^ 
gen  Nr.  2,  3  und  4  zu  reden. 

Zu  Nr.  2.  Hier  ist  einzuhalten,  dass  BocklebeUi  5.  b.  Lüchow, 
und  Zargleben,  ö.  b.  Clentze,  beide  im  lüneb.  Wendlande,  durch  Ihre 
hufeisenförmige  Bauart  —  das  allgemeinste  Criterium  ist  die,  nur 
mit  einem  Zu*  und  Ausgang  versehene  Sackgasse  —  sich  als  rein 
slawischen  Ursprungs  ergeben.  Ersteres  liegt  am  Hange  eines,  für 
dortige  Verhältnisse  sehr  ansehnlichen  Berges  und  Bok  heisst  bhm. 
Abhang  (Ab-bieg-ung,  Ab-bösch-ung),  ist  also  Ortsbeschrei- 
bnng.  Zargleben  zu  erklären,  würde  hier  zu  viel  Raum  kosten. 
Da  Verf.  selbst  mehrere  lüneb.  Beispiele  anführt,  so  bekommt  sein 
erster  Satz  also  schon  hierdurch  einen  Riss.  Durch  gute  anhältische 
und  magdeb.  Karten  würde  er  vielleicht  noch  mehrere  bekommen. 
Nr.  3  habe  ich  meinen  Grundsatz,  dass  man  im  Allgemeinen 
alte  ON.  für  Ortsbeschreibungen  halten  müsse,  entgegenzustellen. 
Hier  kann  ich  nur  ganz  einzelne  Beispiele  für  die  thüringischen 
Orte  ausbeben  und  wähle  absichtlich  solche,  deren  Lage  ich  nicht 
kenne,  werde  aber  eines  ausführlicher  behandeln  müssen.  Für  Do- 
mersleben  b.  Wanzleben,  1135  Domeneslevo,  conjicirt  der  VeYf.  als 
ursprüngliche  Schreibung  Thancmarsleben.  Da  R  und  N  als  Er- 
zeugnisse am  palatum  durum  leicht  wechseln,  so  ist  der  Unterschied 
in  jenen  Schreibungen  nicht  wesentlich,  jedoch,  wie  wir  sehen  wer- 
den, die  jetzige  die  richtigere.  Ich  behaupte,  dass  eine  Abschüssig- 
keit dort  sei,  dem  bhm.  brz,  hurtig,  rasch,  unserm  presch,  aus  dem 
darch  Consumtion  rasch  entstanden,  analog  von  Prautok-Wrautok 
und  Rudik,  entsprechend.  Diess  brz  ist  nun  mit  der  Partikel  do, 
welche  in  der  Zusammensetzung  sehr  bedeutet,  verbunden,  wenn 
nicht  do  als  praep.  an,  bei,  zu  verstehen  ist.  Der  Name  führt  sich 
auf  das,  Nr.  45  erwähnte  Dober  zurück,  dessen  reinere  Form  wir 
in  Böhmen  als  Dobrz  finden.  Aus  diesem  Namen  haben  sich,  weil 
er  ein  sehr  häufiger  ist,  um  so  leichter  auch  sehr  verschiedene  Aus- 
sprachen und  Schreibungen  entwickeln  müssen.  Die  pag.  108 — 112 
ind.  in  Schaller's  top.  Lex.  d.  K.  Böhmen,  sind  davon  erfüllt, 
abgesehen  von  zahlreichen  anderen  Beispielen  unter  anderen  For- 
men.   Um  aber  zu  zeigen,   wie  daraus  PN.  entstehen,  namentlich 


888  Catsel:    Thüringische  Ortsnamen. 

TbocDas  uod  Tobias,  dieo^  die  unten' (olg^pde  Kebenelnanderetd- 
lung  meist  bbm.  ON.  Die  presche  TerrainbUchafTenbeit  wird  sidi 
tiberall  finden,  wo  nicht  in  vereinselten  Ffillen,  wie  s.  B.  roöglicber 
Weise  bei  dem  böbm.  Teiche  Topirz,  die  Grandbedeutung  von  pre, 
weibliche,  also  milchgebende  Brust,  prysstenj,  Hervorquellen,  pryss- 
tei^'y  prysst,  Geschwür,  prs,  Staubregen,  prst,  humose  Erde,  als  sich 
auf  fruchtbaren,  besonders  Gräser,  s-priess- enden  Boden  belie- 
bend, anzuwenden  ist.  Ich  führe  nun  fol<;.  bbm.  ON.  an.  Dobra- 
Dobba;  Dobr8ch=Dobescb  und  Dobess;  Dobrzenitz=:Dobronitz,-  Do- 
bieschitz;  Tobessowicze=Dobe8chowitz;  Tupas  -Tupes  und  Dupeseo; 
Tubus=Dubus;  Tubschan;  Dibischau  — Diwischau;  1)  Topisenreut, 
2)  TÖppesenreut  entsprechen  nicht  einem  Tobias,  sondern  e.  a.  ON. : 
Diewczy  Hrad,  auch  Diewin  gen.  Weiter:  Dobroalaw;  Tieberschlag 
=  Lomy;  Temerschlag  =  Demeschlag  (vgl.  u.);  Demeschwar,  Fer- 
ner hat  man:  Damietitz;  Damitsch;  Damitz;  Tomitz,  cf.  meckleob. 
Feste  Dömitz;  Tamit8chan=:Tomit8chau;  endlich:  DomasIaw=:Tho- 
masschlag  und  Thomaschlag;  Domaslowitz;  Tomaschitz=:Domaa- 
schitz;  Dmejschltz;  Domausnitz;  DomasIicze-=Tauss;  Domazliczek; 
Domislicz;  Domoraz;  Domrowitz;  Tomarzin;  Dumichsdf=Thomigsdf; 
Dumagitz.  Endlich  in  dem  Doppelnamen  Tiebersch]ag=Lom7,  ur- 
sprünglich, wie  wir  unten  sehen  werden,  sehr  wahrsciieinllch  Lobj, 
sind  Doppelnamen.  Man  hat  auch,  mit  S  u.  Z  präfixirt^  neben  Tie- 
berschlag:  Stiebrad ^=:Zdiebrad,  dem  wieder  SchiemerstrrScbamers 
entspricht.  In  Wssedobrowitz  ^Schedoprowitz,  ist  die  Beschreibung 
der  preschen  Lage  noch  durch  vorgesetztes  wys,  Höhn  verstärikt 
und  Dobritschon  heisst  auch  Woczehow.  Umgekehrt  von  jenem  ist 
in  Dobristroh  (Frankf.  a.  0.)  die  Beschreibung  hinten,  und  zwar 
durch  ostrz,  scharf,  schroff,  verstärkt.  Die  einzige  Lücke  in  den 
obigen  Uebergängen  der  Laute  liegt  in  dem  Mangel  eines  Bei- 
spieles, in  welchem  B  durch  nahverwandtes  M  vertreten  ist,  welche 
sich  aber  leicht  durch  Anführung  von  Wolmerich  f.  Wolkenbnrg 
und  Almerich  f.  Altenburg  ersetzt.  Nachträglich  finde  ich  Damer- 
kau=Dombrowsto  (Danzig),  wo  B  mit  M  wenigstens  noch  geseUt 
erscheint.  Man  wird  auch  leicht  einsehen,  dass  bbm.  wrch,  Berg, 
sich  ebenso  zu  brz  verhält,  wie  unser  „Berg*'  selbst,  obgleich  die 
deutschen  Etymologen  Berg  durch  das  vage  althd.  pritht,  prächtig, 
erklären,  was  doch  nur  eine  subjectiv  romantische,  in  zahllosen  Fäl- 
len gar  nicht  sich  rechtfertigende  Anschauung  entliält.  Im  Uebri^n 
darf  man  die  vorstehenden  Schreibungen  als  nur  durch  zwischenge- 
tretene Vocale  erfolgte  Auseinanderziehungen  von  Dobrz  and  Do- 
berzicz  betrachten.  Das  icz  besagt  lüneb.  Eitz,  Feld,  unserm  Esche 
entsprechend.  Stelle  man  nur  Dobraslaw  neben  Temerschlagt^rDe- 
meschlag  und  Domaslaw  und  Doberschien  neben  Tomarzin  und  be- 
merke, wie  in  Dumagitz  und  Damichsdorf=fThomigsdorf  das  in  Do- 
moraz noch  vorhandene  R  in  das  nahverwandte  6  und  dieses  in 
Domauschitz  In  Seh  übergeht,  um  sich  die  Entstehung  von  Tho- 
masdorf greifbar  zu   versinnlichen,    um  derartige    üebergänge   «o 


CaMol:    thurinjfftiAe  Ortsniimeii.'  MI 

«ntdeclen ,    war    es   freilich    nMfrIg ,    das    14,507    Bchreibiingeii 
enthaltende   Be^^ister   Schalters    vergleichend   doreh   engehen,   nach 
verschiedenen    Gesichtspunkten    zu    excerpiren    und    die    General- 
stabskartenblätter   über    den    grössten    Theil    Nord  -  Deutschlands 
durchzumustern    und   zu    vergleichen,    in    wiefern    ähnliche   Namen 
mit  ähnlichen  Terrainbeschaffenheiten  correspondiren.     Dabei  kommt 
es  auch   sehr   auf  die   topographische  Umsicht   im   Kartenlesen  an. 
Schliesslich  will  ich  noch,  da   sich  kein  Thomasleben   h»  Thüringen 
findet,  das  slaw.  =  law,  wie  wir  sehen  werden,   aber  unser  =  le- 
ben vertritt,  für  die  Controle,  namentüch  Köoigsberger   und  Bres* 
lauer  Gelehrter,   bemerken,   dass  sich  im  R.  bez.  Bromberg:   Do- 
rn aslaw    und   im   Breslauer:    Domaslawits    und    Dobrosia- 
wits  darbieten.     Ich  wiederhole  aber,   dass  man  durchaus   die  all- 
gemeine  Terrainbeschaffenheit    der    Landschaften    ins    Auge    fassen 
müsse,  um  kleine   Plateanabschroffungen  nicht   als  scheinbar   unwe- 
sentlich zu  übersehen.     Nun    will   ich   noch   zwei   andere   Beispiele 
des  Verf.  anführen,  die  ich  ebenfalls  grade  herausgreife   und   ledig- 
lich durch  meine  Erfahrung  gestützt,  interpretire:  1}  Wolmirsleben, 
a.  937  Wilmersleve  (S.  184)    was   Verf.  durch   Wilmar  Woldemar, 
und  2)  Germersieben,  alt  Germersleva  (S.  185),  was  er  durch  Ger- 
mar  erklärt.     In  dem  einen  liegt   wal,  Damm  (unser  Wall),  Sturz, 
Woge,  und  brz,  im  andern  gora  und   brz   zu  Grunde.     Weimar,  ao 
viel  kann  ich  jetzt  schon  mit  Bezug  auf  Nr.  45  sagen,  würde  rich- 
tiger Wampyr  geschrieben  werden.     (Nicht  in  Vampyr   zu   corrigf« 
reo.)     Dass  althochdeutsch  mar,  gross,  auch  hier  entspringe,  sieht 
sich  um  so  leichter  ein,  wenn  man  erwägt,  dass  höhere  Schroffhänge 
von  unten  gesehen,   den  grössten   Eindruck   der    Grösse   erwecken. 
Wie  mit  Domersleben  cet. ,    ist  es  mit  allen  anscheinend   Personen- 
namen führenden  Ortnamen  zu  halten,  wenn  nicht  Zeit  und  nähere, 
specielle   Umstände   ans  der  Epoche   der   Gründung   selbst   bekannt 
sind,  oder  wenn  sich  im  Terrain  gar  kein  Anhalt  zu  einer  entspre- 
chenden   topographischen   Erklärung    findet.     Zu   Thomasschloss    in 
Böhmen  sa^t  Schaller:  ^St.  Thomas  mit,    1252    unter  dem  Na- 
men des  h.  Thomas  erbauter  Kirche  und  einem  nächst  daran  liegen- 
den Schlosse,   so  ehedem  Wittinghausen  genannt  wurde,  jetzt  aber 
Insgemein   mit   dem  Namen    des   St.  Thomasschlosses  belegt  wird.^ 
Ehe  ich  mich  darauf  einlasse,    will   ich  bemerken,   dass  die  Kirche 
zu  Ajezd  dem  h.  Aegidius  geweiht  ist ,  und  dass  man  die  Kirchen, 
namentlich   die  isolirten  Capellen  des  h.  Paulus,   aus   den    Zeiten 
bis  zum  13.  bis  14.  Jahrh.  in  Böhmen,    stets  auf  Buhlen    finden 
wird.     Da  nun  Wittinghausen=Witkow   sich    auf  wys,   Höhe,    zu- 
rückführt, so  wird  ein  Doppelnamen  desselben,  ähnlich  wie  die  hhra. 
Ortnamen  Dobrass,  Domaratz,  gelautet,    die  Contraction   in  Thomas 
erfahren  und  daraufhin  den  Heiligen   als  Patron   zugewiesen   erhal* 
ten  haben.     Aus  solchen  Fällen  erkennt  man  den  historischen  Werth 
vieler  Ortsnamensagen.     Die  Beibringung  der  älteren   Schreibungen 
durch  den  Verfasser  hat  indess  immer  den  Werth,  mitunter  leichter 


■Bf  dto  nniirSiii^«  Form  topocrapUfdun  Bkmm  geflflirt  m  werte« 
Nr.  4.  des  Vert  eftlhllt  die  Belumptimgi  den  =lebai  in  ON. 
bleiben  bedeute.  Könnte  wohl  sein,  wenn  man  nicbt  stets  mit 
Anlegung  eines  festen  Wohnsitzes  die  Absicht  des  Bleibens  bodeu- 
st&ndig  ausgeprägt  hätte.  Legt  man  heut  zu  Tage  Orte  an,  so 
will  man  durch  den  Namen  meist  eine  Remiuiscenzi  Sentimentalität, 
eine  Spielereii  überhaupt  oft  etwas  Beliebiges  ausdrucken,  während 
l>ei  den  uralten  Landleuten  ein  nüchterner,  mit  der  ganzen  Verständ- 
lichkeit ihres  Gemeinwesens  harmonirender,  practischer  Ernst  allein 
massgebend  war,  so  dass,  während  der  individuelle  Theil  des  ON. 
die  Topographie,  der  generelle  den  agrarischen  Sinn  von  Dorf  und 
Flur  ausdrückte.  Die  Endung  =  leben  rührt  nun  von  bhm.  lapa, 
Fuss,  Pfote,  als  Gangwerkseug ,  beim  Wilde  als  Lauf,  Schenkel 
vorzustellen  und  man  besagte  dadurch  die,  das  Dorf  umlaufenden 
Zäune,  zugleich  die  Umgränzung  der  Flur.  (Vgl.  lat.  limes,  Grenze 
and  lumbes,  Lende,  Theil  des  Schenkels,  und  engl  limb,  Schenkri.) 
Auch  lässt  sich  an  Umlauf  in  der  Benutzung  der  drei  Fiurscblägt 
zu  Wintergetreide,  Sommergetreide  und  Brache»  auch  an  den  perio- 
dischen Wechsel  in  der  Benutzung  der  Ankerloose  unter  den  Hnf- 
nern  denken.  Es  hat  aber  die  Endung  mit  der  Zeit  sehr  verschie- 
dene Formen  angenommen,  von  denen  ich  folgende  erwähne:  So- 
bieslap=:SobochIeben;  Skrecbleb  .=  Strechlowa ;  Burgsleben  =:  Boris- 
lau;  Mislewa=:Misliw;  Meczlow  =  -  lini?,  -len  u.-lem;  Werklebitz 
=Werklowitz;  Nosylowr^Nosyly ;  Domaslaw=Thomasschlag;  Wus- 
leb =Woslem;  Waislow:=WaisBlein;  Wusleben  kommt  auch  vor, 
'und  Pohlemb  =: Polem  stellt  sich  zu  dreimaligem  Polep;  Zedlem  = 
Sedleim;  Kozochlow  =  Kozohlod,  und  Rozochlow  =  Rozohlod;  Tj' 
chodla  ^=r  Tychodil;  Koziow  =:  Gosslau  und  Kozl ;  Biadio  =  BladI, 
woraus  wir  uns  in  vielen  Fällen  das  ablautende  L  erklären  können. 
—  Bei  Schreibung  meines  Buches,  S.  107 ff.,  hatte  ich  lapa  als 
Stammausdruck  noch  nicht  erkannt.  Die  Lauenstein  u.  dgl.,  eine 
Berglage  beschreibenden  Ausdrücke  müssen  daraus  erklärt  werden. 
In  topographischer  Hinsicht  wird  lapa  in  dreifacher  Richtung  ange- 
wendet: 1)  um  den  Auflauf  des  Terrains  zu  bezeichnen,  wie  z.  B. 
in  den  Bergnamen,  Lewin,  Libenie,  Liebiechon,  Limberg,  Lobosk, 
Lubenecz,  wohin  denn  auch  die  sieben  verschiedenen  Olympe  der 
alten  Welt,  der  Libanon,  u*  ähnl.  Namen  geboren  werden.  2)  Den 
Zusammenlauf,  wie  in  bioub.  Tiefe  an  sich,  und  dem  Teichnamen 
Lawiczka;  auch  die  Schnee-* Lawine  gehört  in  die  Classe  der  Be- 
deutungen des  Niederlaufes;  3)  den  anscheinend  horizontalen  Hin- 
lauf, wie  in  den  Fiussnamen  Labe,  Leba,  Liban,  Lobitz,  Luppe. 
Als  Mannigfaltigkeit  einer  und  derselben  Schreibung  eines  ON.  führe 
ich  an:  Laubendorf=Lämberg ,  Lemberg,  Limberg,  Limburg  und 
Lindburg.  Aus  letzterem  erhellt  der  Zusammenhang  zwischen  lat  ^ 
lumbus  und  unserem  Lande.  Dass  bhm.  chlum,  Berg,  nach  Vor- 
tretung der  Aspiration,  wie  in  Libota=:Hlibotz  und  Hlubotz,  und 
Verwandlung  von  P  in  M  auch  von  lapa  rühre,  liegt  auf  der  Hand. 


CflMel:    ThOmgifcba  Ortoatneii.  881 

In  BiiiPtechaD=GIamttc!M»  ileltt  sieh  K  ein.  —  Id  folgenden  lezi- 
kaiieeheii  Wörtern  wird  man  stets  lapa  als  Stammaasdruck  und  die 
Eotlebnung  yon  Fuss,  Pfote,  Klaue,  Tatze,  beim  Menschen  Hand| 
dann  yon  Schenkel,  Lauf,  auch  von  pianzlichen  und  animalisch- 
organischem Auflauf  erkennen.  Leben,  Schädel  (Auflauf  der  Hirn- 
schale; lew,  Löwe,  mittelrhein.  Leb,  cf.  leo.  Hon);  low,  Jagd;  la* 
pati,  fangen;  s-lopec,  Falle,  namentlich  für  grosses  Wild  (entweder 
zum  Hineinlaufen  oder  weil  es  zunächst  auf  die  Läufe  abgesehen); 
s^lanp,  Säule  (ursprünglich  Baumauflauf);  s-laupUi,  od-lepiti,  abk- 
lauben; od-lupowati,  abschälen;  lupen,  Blatt  (Laub;  daher  die  vie- 
len slaw.  Waldnamen  Leuba};  od- laupnauti,  wegreissen;  lupic,  Räu- 
ber (cf.  lat.  lupus);  lupacka  =  k-lepot,  E-Iapp;  k-lopotati,  rennen; 
k'Iopotne,  jähe  Slawen,  bei  Procopiua  Ux-XaßrivoL^  scheint  mir 
einfach  Wandervolk  zu  bedeuten  und  zwar  In  Bezug  auf  die  acta 
migrantes,  von  denen  der  ^'ame  auf  die  Sessbaften  allmälig  über- 
tragen sein  wird.  Ein  Se  lave  ist  ein  unterworfener,  unterwürfiger, 
dem  Herrn  zum  Nachfolgen,  Nachlaufen  gezwungener  Mensch.  S-lowo, 
Wort  (Auslauf  desselben);  c-lowek,  Mensch  (Sprache  ausgehen  las- 
sendes Wesen) ;  m-Iuwlti,  reden,  t-lampati,  mit  durch  m  verstärktem 
P,  plaudern,  labberen.  Unsre  Lippe  kann  als  Hülfsorgan  zum  re- 
den, wohl  auch  als  geläufigstes  Organ  erklärt  werden,  wie  Kiefer, 
der  bewegliche  von  Kypry,  locker,  woher  auch  Käfer,  der  krab- 
belnd laufende.  Die  lockere  Rinde  der  Kiefer  unterscheidet  sie  von 
Tanne  und  Fichte.  Leben,  vivcre,  bedeutet  einfach  auf  den  Beinen 
sein,  nicht  bewegen;  denn  es  bewegen  sich  auch  leblose  Körper, 
während  der  Mensch  regungslos  im  Scheintode  daliegt.  Bewegen 
führt  sich  aber  auf  bhm.  behati,  gehen,  laufen,  mit  vorgesetztem 
be  (diess  mit  deutscher  Schrift)  als  viel,  dauernd  rege  sein,  zu- 
rück. Lat..  liber,  frei,  bezeichnet  den,  nach  Belieben  Laufenden, 
Gehenden;  liber,  Sohn,  den  Sprössiing,  Auslauf  aus  der  Ehe;  labor, 
Stfitigkeit  auf  den  Beinen.  Bhm.  ziwu  bjti,  moc.  et  sl.  ziti,  kann 
nur  aus  z-l!wu  byti  (bytirr-sein)  entstanden  sein,  analog  von  russ« 
BODtze  f.  poln.  slonce,  Sonne,  einst  aber  aus  einer  erdachten  Wurzel 
zj.  Ebenso  kann  zyb,  Schlammerde,  Sumpf,  nur  durch  z-lib,  ak 
zuBammengelaufene,  sch-lüpf-erige  Erde  sich  verständlich  lösen.  Aus 
zyb  muss  aber,  durch  Einfügung  von  M,  unser  Sumpf  entstanden 
aeiD.  Lat.  vivere  kann  ich  mir  nicht  anders  erklären,  als  indem 
ein  weiches  t  in  w,  später  v  übergegangen,  analog  der  wendischen 
Aussprache  von  woboko  für  hluboko,  tief,  und  swunce  statt  slunce, 
Sonne.  Yixi,  victum  muss  von  einem  andern,  mit  behati  stimmen- 
den Zeitwort  rühren,  wofür  lat.  vix,  eben  vergangen,  spricht.  Pix, 
Pech  ist  harziger  Auslauf,  unser  fix,  Schnellgang  und  Sichergang. 
Zu  ßtos  stellt  sich  ebenfalls  beb,  Lauf  (des  Daseins).  Niemand 
wird  es  als  undenkbar  behaupten  künnen,  dass  die  Uralten  ebenso 
gut  wissbegierig  waren,  was  die  trächtige  Gebärmutter  eines  gefal- 
lenen Wildes  oder  Viehes  enthielt;  ebensowenig,  dass  sie  allmälig 
erkenne  konnten,  der  erste  Anlauf,  Ansatz  des  Fötus,  sei  die  Leber, 


8Ö2  Cassel:    Hidringisclie  ÖrUnameiu 

Chm  jatra,  an  jUrinj,  frühe  und  jltro,  Morgen,  aicb  ansdillesaend. 
Im  lat.  jecur  könnte  sich  C  aus  T  gebildet  haben,  wie  In  Leuken»- 
dorf=Leidensdorf.  Jecur  würde  dann  jitro  sieb  anreihen.  Wenn 
es  erlaubt  ist  —  und  weshalb  nicht?  —  neben  Lemnik  =- Jemnik ; 
Leschin-rr Jeschin ;  Lankowitz=: Jankowitz ,  für  hepar  ursprüoglicheB 
jepar  und  lepar  anzunehmen,  so  stossen  wir  auch  hier  auf  sprach- 
liche und  sachliche  Uebereinstinimung.  Dass  der  GeniuV  bepatis 
lautet,  liegt  wieder  einfach  an  der  Umsetzung  des  R  in  T  am  pa- 
latum  durum;  in  Veibindung  mit  der  Zunge  eines  der  wichtigsten 
Sprachorgane,  da  sich  hier  durch  Brechung  verhSltnissmSssig  die 
meisten  Lautwandelungen  bilden  und  dasselbe  den  zahnlos  Gewor- 
denen beim  Sprechen  die  ZShne  vielfach  ersetzt.  —  Dass  unser 
Lampe  für  Hase  die  lapa,  den  Schnelllauf  des  Thieres  bezeichne, 
ist  klar.  Man  denke  nur  an  Lappen  und  Lumpen,  beides  Abgelan- 
fenes.  Abgerissenes  besagend  und  an  lat  lepus.  Lepus,  Scherz,  ist 
oft  meist  unverhoffter  Einfall  und  Auslauf  eines  Gedankens  zugleich. 
Wer  liebt,  hSngt,  geht  dem  Anderen  nach.  Recht  deutlich  zeigt 
sich  der  Zusammenhang  der  Sprachen  u.  a.  noch  in  bhm.  tipa, 
Linde,  so  benannt  von  lat.  über,  Bast,  der  lang  unter  der  Rinde 
hinläuft  und  als  sehr  brauchbares  Bindemittel  urfrüh  erkannt  gewe- 
sen sein  muss.  Linde  entspricht  wieder  bhm.  len,  lat.  linum,  Lein 
(Flachs);  Bast  lat.  passus  und  pes,  bhm.  beb,  Lauf,  pazaur,  Tatze. 
Ebenso  entspricht  Über,  Buch,  diesem  beb,  indem  dadurch  der,  In 
demselben  entwickelte  Lauf,  Hergang  der  Dinge  oder  Gedanken  dar* 
gelegt  ist.  Liber=:Bacchus  besagen  entweder  den  Wein  einlaufen 
Lassenden,  oder  der  Name  ist  vom  Ranken  und  Für bass gehen 
des  Weines  entnommen.  Bhm.  beisst  Bast  lycj,  mit  Idzti,  kriechen, 
zu  verbinden.  Die  ralsutis.  Rüster  aber  wird  nach  ihrem  nützli- 
chen Bast,  waz,  Band,  bedeutend,  genannt.  Tilia  scfaliesst  sich 
zunächst  an  ddl,  Weite,  Ferne,  insoweit  die  lange  Ausdehnung  des 
Bastes  dadurch  ausgedrückt  wird.  Man  kann  aber  auch  direkt  an 
dlauhy,  lang,  denken,  wenn  man  Einschub  von  J  zwischen  D  und 
L  annimmt.  DjI,  Theil,  führt  auf  Benutzung  des  Bastes  zur  Ab- 
theilung von  Land  u.  dgl. ,  wozu  auch  len,  Lein  (Leine),  nament- 
lich bei  Abgrenzung  von  lan,  Hufen  =  Land  diente.  DIauky  wird 
ursprünglich  iauhy  geklungen  haben,  analog  von  beut  gangbarem 
diapa  für  lapa.  Hier  wieder  Einfluss  des  palatum  darum.  —  We- 
gen der  Ableitung  der  ON.  Scblewitz,  Schleiz,  Schlez  in  Nr.  45  von 
ssliwa ,  Pflaumenbaum ,  will  ich  noch  bemerken ,  dass  Scblewitz 
jetzt  dem  Leser  selbstverständlich,  dass  aber  bhm.  sliwa,  Pfianme, 
von  dem  Ueberlaufensein  des  eigenthümlichen  Reifes,  pruina,  daher 
prunus,  benannt  ist;  Pflaume  sich  aber  nahebei  zu  sliwa  verhält, 
wie  slowo,  Wort  zu  nluviti,  reden.  Schleiz  und  Schlez  sind  mit 
bhm.  ON.  Czelitz==Strelitz  zusammenzustellen  und  bezeichnen  das 
Abscblüssige  im  Terrain,  indem  sie  mit  strela,  Pfeil,  strjleti,  schiessen, 
unserm  Strahl  verknüpft  werden  müssen. 


Wimmer:    Flora  yon  Schlesien.  S93 

Aach  die  Sprachforacher  vom  Fach  werden  hoffentlich  aas  dieser 
Kritik  eriiennen,  daes  man  sich  nicht  so  abstract,  wie  es  gewöhnlich 
geschieht,  in  den  Genius  der  Sprache  versetzen  dürfe,  um  £u  prac- 
tischen  Einsichten  in  denselben  £u  gelangen. 

Leipiig.  Victor  ilacaM,  Prof. 


Flora  van  Schlesien,  preussischen  und  öderreieküchen  AntheiU  oder* 
vom  oberen  Oder  und  Weichsel- Quellen-Oebut.  —  Nach  nor 
tiirlichen  Familien  von  Dr.  Friedrieh  Wimmer.  Dritte 
Bearbeitung.    Breslau.    Ferd.  Hirfs  Verlag.    1867.     696  8.    8. 

Zu  denjenigen  Fiorengebieten  Deutschlands,  welche  besonders 
in  neuerer  Zeit  auf  das  Sorgfältigste  und  mit  einer  Vorliebe  für  die 
sänimtlichen  Theile  der  Pflanzenl&unde  durchforscht  sind,  gehört  un- 
streitig Schlesien.  Wenngleich  die  Flora  dieses  Landes  schon  wie- 
derholt von  verschiedenen  Autoren  beschrieben  wurde,  so  hat  sich 
doch  mit  Recht  das  Weric  des  Verf.,  welches  in  erster  Auflage  1840 
erschien  und  nun  als  dritte  Bearbeitung  vorliegt,  eines  allgemeineren 
Beifalls  su  erfreuen  gehabt.  Auch  diese  neue  Auflage  ist  gewiss 
als  ein  werthvoUer  Beitrag  au  den  systematischen  und  geographi- 
schen Verhältnissen  der  deutschen  Flora  anzusehen,  denn  es  werden 
sowohl  einerseits  eine  grosse  Anzahl  von  wichtigen  MittheUungen 
über  kritische  Arten,  als  auch  andrerseits  mancherlei  Nachweise  über 
das  Vorkommen  und  Auftreten  interessanter  Pflanzen  Schlesien's 
gegeben. 

Da  die  vorliegende  Ausgabe  nur  den  systematischen  Theil  der 
Flora  (Geiässkryptogamen  und  Fhanerogamen)  behandelt,  so  macht 
der  Verf.  mit  Recht  als  auf  eine  wesentliche  Ergänzung  seines  Wer? 
kes,  auf  die  1845  von  ihm  erschienenen  Neue  Beiträge  zur  Flora 
von  Schlesien,  zur  Geschichte  und  Geographie  derselben  etc.  auf- 
merksam. Es  fehlen  daher  dieses  Mal  die  statistischen  Nachweise 
völlig,  auch  sind  die  aufgeführten  Arten  nicht  mit  fortlaufenden  Zahlen 
bezeichnet,  indessen  ergeben  sich,  wenn  wir  die  hinsichtlich  des  Vor- 
kommens etwas  zweifelhaften  Pflanzen  ausnehmen,  für  die  Flora 
Schlesiens*)  nunmehr  1391  Arten,  wovon  50  Gefässkryptogamen 
and  321  Monocotyledonen.  Wie  in  Deutschland  überhaupt,  so  sind 
auch  hier  die  Compositae  (mit  144),  Gramineae  (mit  97),  Cypera* 
ceae  (mit  90),  Papilionaceae  (mit  66  Arten)  am  zahlreichsten  ver- 
treten, doch  erscheinen  uns  im  Verhältniss  zu  anderen  deutschen 
Flerengebieten  die  Familien  der  Filices  (mit  33),  Cyperaceae  (mit 
90),  Umbelliferae  (mit  52  Arten)  besonders  artenreich.  Im  Ver- 
gleich mit  dem  westlichen  Deutschland  treten  die  Cruciierae  und 
auch  die  Orchideae  an  Artenzahl  etwas  zarück.  Von  den  letzteren 
sind  36  aufgeführt.     Da  aber  die  schlesiachen  Hochgebirge  mehrere 


*)  Die  Arten  der  auf  galizifehem  Gebiet  liegenden  Babia  Gera  mitgesiüilt. 


894  Wimmer:    Flor»  vfin  Schlesien. 

Seltenhetten  ans  dieser  Familie  besitzen,  so  wird  man  in  der  Flora 
Schlesiens  einige  sonst  weitverbreitete  Orchideae  verroisien,  z.  B. 
die  sftmmtHchen  im  westlichen  Deutschland  vorhandenen  Opfarys 
Arten,  Orchia  fusca  Jacq.,  Himantoglossum  hircinum  Spr. 

Die  seit  1840  im  Gebiete  neu  aufgefundenen  PflaoEen  sind 
vom  Verf.  in  der  Vorrede  Eusammen<2:estellt.  Als  neu  unterschieden 
werden  n.  A.  Alopecurus  hybridus  W;  Carex  aristata  Sieg;  Carex 
BuelcK  W;  Eophrasia  picta  W;  Cerastium  longirostre  Wich;  Diao- 
thns  Wimmeri  Wich ;  und  als  neu  auf<?efiinden :  Carex  evolata  Hartm; 
Wolfia  arhiza  Horic;  Aldrovanda  vesiculosa  Lam;  Erysimnm  repan- 
dum  L|  Agrimonia  odorata  Mill  etc.  bezeichnet  Das  Vorkommen 
mancher  früher  als  einheimisch  angegebener  Pflanzen  wird  bezw«- 
feit,  z.  B.  Nigritella  angustifolia,  Podospermum  laciniatum,  Hellebo- 
rna  viridis,  Helleborus  ni^er,  Adonis  vernalis,  Bupleurum  rotnndifo- 
linm;  von  anderen,  z.B.  ßeckmannia  erucaeformis,  Berberis  vulgaris 
wird  die  Einwanderung  nachgewiesen.  Nicht  ohne  Interesse  fSr  die 
achlesische  Flora  ist  sowohl  die  Seltenheit  von  manchen  bekannten 
deutschen  Pflanzen,  z.  B.  Arum  maculatum,  Trisetum  flavescens, 
Jnncus  obtusiflorus;  Aspernia  arvensis,  Erynginm  campestre,  ah 
auch  das  gänzliche  Fehlen  anderer,  z.  B.  Poa  dura,  Inala  dysen- 
terica,  Oaleopsis  ochroleuca  Teucrium  Scorodonia,  Tencr.  Chamae- 
drys,  Ghaerophyllum  aureum,  Clematis  Vitalba. 

Die  systematische  Anordnung  erfolgt  nach  Endlicher.  Der  spe- 
ciellen  Aufzählung  der  Arten  geht  eine  Uebersicht  der  Familien  nach 
dem  natürlichen,  und  der  Gattungen  nach  Linn^s  System  voran, 
um  dem  Anfänger  das  Bestimmen  zu  erleichtern.  Die  in  deutscher 
Sprache  gehaltenen  Diagnosen  und  Beschreibungen  zeigen  bei  höchst 
willkommener  Vollständigkeit,  doch  auch  hie  und  da  die  ao  notb- 
wendige  Kürze.  Insbesondere  darf  diesem  Werke  eine  recht  be- 
zeichnende, leicht  verständliche  Terminologie  nachgerühmt  werden, 
wie  n.  A.  die  Ausdrücke:  Grundblätter,  Aehrchendeckblätter,  Blu- 
mendeckblätter  u.  s.  w.  beweisen  mögen.  Aach  den  FamiKen-  Cha- 
rakteren ist  in  dieser  Fora  die  in  ähnlichen  Werken  häuflg  vermisste 
und  doch  ao  wünschenswerthe  Berücksichtigung  geworden.  Daas 
aber  die  Blumenkrone  bei  den  Borragineen  meist  etwas  unregd- 
mäasig  sei,  kann  der  Verf.  wohl  mit  Recht  nicht  behaupten. 

Die  langjährigen  Beobachtungen  und  Untersuchungen  dea  Verf. 
baben  natürlich  nicht  selten  zu  Resultaten  geführt,  welche  hinsicht- 
lich der  kritischen  Beurtheilung  mancher  Arten  auch  für  die  nicht 
in  Schlesien  lebenden  Botaniker  von  Werth  sind,  wie  z.  B.  die  so 
schätzenswerthen  Mittheilungen  über  Bastardformen  in  gewissen  Gat- 
tongen  und  die  wichtigen  Ergebnisse  in  Betreff  der  Gattungen  Carex, 
Salix,  Hieracium,  Rubus,  Viola  etc.  Eine  Monographie  der  euro- 
päischen Weidenarten  wird  vom  Verf.  versprochen.  Von  Einzeln» 
heiten  mögen  hier  noch  folgende  genannt  werden:  Rumex  arifolfos 
wird  als  eine  durch  Standort  bedingte  Varietät  von  R.  Acetons  L. 
erklärt   Viola  arenaria  DG,  Carex  poiyrrhiza  WaUr,  Eoeleria  glaoca 


Wiramer:    Flort  yod  Sdiletien.  899 

DO.  werden  für  wirkliche  Arten  gehalten  (womit  Ref.  nach  Beobaeh«- 
tangen  in  der  Heidelberger  Flora  völlig  übereinstimmt).  Grataegaa 
Oxjacantha  L.  und  monogyna  Ehrb.  werden  vereinigt,  eine  Annahme, 
gegen  welche  wohl  ebenso  wenige  Bedenken  eq  erheben  sind,  wie 
gegen  die  Vereinigung  der  Mentha  aquatica  Koch  und  M.  sativa 
Koch  SU  M.  aquatica  L.  —  Herniaria  hirsnta  L.  wird  von  H.  glabra 
L.  D.  A.  durch  stielartig  verschmälerte  Blätter  unterschieden  und 
von  der  ersteren  Art  die  Bemerkung  gemacht,  dass  sie  im  getrock- 
neten Zustande  den  Geruch  von  Anthoxanthum  odoratnm  besitae. 
—  Sednm  boloniense  Lois.  betrachtet  der  Verf.,  nicht  Im  Einklang 
mit  der  neuerdings  angenommenen  Bezeichnung  als  S.  sexangulare 
L.  —  Mit  der  Vereinigung  des  Thesium  montannm  Ehrh.  ond  Tb. 
intermedium  Schrad.  kann  Ref.  sich  nicht  einverstanden  erklären, 
ist  auch  nicht  der  Ansicht  des  Verf.,  dass  sich  Brumns  patulus  M. 
et  K.  von  Br.  arvensis  L.  nicht  unterscheiden  lasse.  (Die  Ghraa» 
nen  bei  Br.  patulus  sind  z.  B.  besonders  bei  der  Reife  weit  mehr 
nach  Aussen  gebogen,  als  bei  Br.  arvensis.  Im  blühenden  Zustande 
sind  beide  Arten  allerdings  leicht  zu  verwechseln.)  Die  Gattung 
Betonica  wird  vielleicht  mit  Recht  zu  Stachys  gezogen;  Hepatlom 
dagegen  gewiss  mit  Unrecht  von  Anemone  getrennt.  Die  Aofißih* 
mng  der  bekannten  Setarien  als  Pennisetum  Arten  dürfte  Manchen 
vielleicht  unbequem  erscheinen.  Einige  derartige  Verändemngen 
finden  sich  auch  nach  dem  Vorgange  Fenzrs  bei  den  Garyophyl- 
leen.  So  werden  Lychnis  vespertina  und  diuma  Sibth.,  auch  Silene 
noctifiora  L.  zur  Gattung  Saponaria  gestellt;  Saponaria  officinalis 
L.  wird  zur  Silene  Saponaria  Fenzt.  Wenn  übrigens  Silene  L.  durch 
3  Griffel  ausgezeichnet  sein  soll,  so  würde  die  letztgenannte  Art 
mit  ihren  stets  vorhandenen  2  Griffeln  wohl  nicht  mit  sich  den  übri- 
gen Silene  Arten  vereinigen  lassen. 

Zu  billigen  ist  es  gewiss,  dass  die  deutschen  Pflanzen-Namen 
nar  da  Erwähnung  finden,  wo  sie  als  Volksnamen  wirklich  noch  im 
Gebrauche  sind.  —  Druck  und  Papier  dieser  auch  an  Umfang  ge- 
wonnoden  neuen  Auflage  lassen  nichts  zu  wünschen  übrig.  —  Möge 
daher  diese  mühsame  und  verdienstvolle  Arbeit  des  Verf.  eine  Ver- 
breitung nicht  allein  in  Schlesien,  sondern  auch  in  weiteren  Ereisea 
finden,  eine  Anerkennung,  welche  dieselbe  so  sehr  verdient  und 
welche,  Im  Interesse  der  systematischen  Botanik  gewiss  mit  Recht 
gewünscht  werden  kann!  Sdunlflt. 


Sechster  Bericht  über  den  JUerthums-Verein  im  Zabergau  1853^- 
1857.  Von  Karl  Klunsinger,  Dr.  der  PhHosophiej  hor^ 
respondirendem  Mitgliede  des  tourttembergischen  atatistischr-topih' 
graphischen  Bureaus  u.  s.  w.  Stuttgart  ^  1857.  Druck  von 
Karl  Hauber.     28  8.  8. 

Dieser  Bericht  „über  den  Alterthums-Verein  im  Za- 
bergau^ steht  der  Geschichte  des  Herrn  Verfassers  über  diesen  Gau 


886  Klanzinger:  A]tertiiums-Y«rein  im  Zthtr^kn. 

und  das  jetzige  Oberamt  Brackenheim  ergfinzeod  zur  Seite.  Der 
Bericht  umfasst: 

1)  Das  Cisterzieoser-Fraoenkloster  in  Frauenzimmern  und  Kirch- 
bach (ß.  1—19); 

2)  Aelteste  Urkunde  über  die  Kapelle  in  Stockheim  (S.  19—20); 

3)  Verbältniss  zu  andern  Altertbums- Vereinen  (S.  20—23). 
Zu  den    12  Frauenklöstern,   welche   der  Cisterzienserorden  im 

jetzigen  Königreich  Württemberg  hatte,  gehört  das  Kloster  Fraoeo- 
jsimmern  oder  Marientbai  (Vallis  sanctae  Mariae),  von  seiner 
Verlegung  nach  Kirchbach  an  Kirchbach  genannt.  Eine  neue  Qaell« 
für  die  Geschichte  desselben  hat  in  neuester  Zeit  Herr  ArchiFdiree- 
tor  Mone  in  Karlsruhe  in  dem  noch  blühenden  Frauenkloster  Lich- 
tenthal  gleichen  Ordens  aufgefunden,  nämlich  ein  Copejbuch  aus 
dem  16.  Jahrhundert,  und  Herr  Archivrath  D  am  b  ach  er  hat  sol- 
ches im  4.  Bande  der  Zeitschrift  Mone 's  für  die  Geschichte  des 
Oberrheine  mit  den  nöthigen  Erläuterungen  hierüber  veröffenth'dit 
Dadurch  und  durch  andere  Originalurlcunden  aus  dem  König].  Staati- 
aichive  wurde  es  dem  Herrn  Verfasser  möglich  die  Geschichte  dieses 
Klosters  aus  urkundlichen  Quellen  mit  gewohnter  Gründlichkeit  s& 
bearbeiten. 

Die  Stiftung  dieses  Klosters  fällt,  wie  alle  übrigen  Frauenklo- 
ater  dieses  Ordens  In  Württemberg,  in  die  Jahre  von  1221—1267.  | 
Schirmherren  desselben  sind  zuerst  die  Herren  von  Magenheim, 
dann  von  1821  an  die  Grafen  von  Württemberg.  Sp£ta 
gelangte  es  (1360)  zu  eiuiger  Blüthe.  Um  das  Jahr  1443  wurde 
es  nach  Kirchbach  verlegt,  kam  aber  nachher  (1531)  in  Ver- 
fall und  wurde  im  Jahre  1543  aufgehoben.  Als  Aebtissinnen  we^  | 
den  genannt:  Elisabeth,  Agnes,  Mechtild  von  Gochs- 
heim,  Margaretha  von  Sachsenheim,  Dorothea  von 
Oöler  und  Agnes  von  Hohenheim.  i 

In  der  ^ältesten  Urkunde  über  die  Kapelle  in  ' 
Stockheim^,  welche  getreu  ihrem  Wortlaute  nach  mitgetheilt  wird, 
Urkunden  der  edle  Graf  von  Neufen  und  seine  Gemahlin  Eli- 
sabeth von  Stralenberg,  dass  in  die  Schenkung  des  Kircbeo- 
satzes  zu  Güglingen,  die  sie  dem  h.  Grabe  in  Speier  gemacht 
haben,  eingeschlossen  sei  die  Schenkung  der  Kapelle  zu  SiockheiiOi 
welche  seit  nn vordenk liclier  Zeit  zur  Pfarrei  Güglingen  gehört  hab«^ 
mit  Zehenten  und  Zugehör.  Die  Urkunde  ist  vom  20.  Februar  1296 
und  Abschrift  einer  früher  im  Deutsch-orden'schen  Archive  zu  Mer- 
gentheim befindlichen  Orglnal  -  Urkunde.  Sie  erscheint  jetzt  zom 
ersten  Male  im  Druck.  Auch  in  dem  König].  Staatsarchive  ist  sie 
nicht  vorhanden. 

Der  Abschnitt  |,Verhältnis8  zu   andern   Alterthums- 
vereinen^  theilt  die  in  Folge  fortgesetzter  freundschaftlicher  Ver-  | 
bindung  mit  andern   Alterthumsvereinen  dem   Vereine   Übermächten   | 
zahlreichen  und  schätzenswerthen  Gaben  mit. 


Rr.  iL-  HEIDELBERGER  MST. 

JAHRBOGHER  der  LITERATUR. 


Jäfähtü  der  Deutsehen  an  der  Entdeckung  von  Südamerika,  oder 
Abenteuer  des  Ambrosius  Dalfinger  und  des  Nikolaus  Feder- 
mann, beider  von  Ulm,  des  Georg  Hohemut  von  Speier  und 
des  fränkischen  Ritters  Philipp  von  Hütten  unter  der  Herr- 
schaft der  Welser  von  Augsburg  in  Venezuela.  Nach  den  Haupt- 
quellen  dargestellt  von  Karl  Klunsinger,  Dr,  der  Philo- 
sophiej  korrespondirendem  Mitgliede  des  württembergischen  sta- 
tistisch-topographischen Bureaus  u.  8.  tr.  Stuttgart,  1857*  In 
Commission  der  C.  A.  Sonnewald' sehen  Buchhandlung,  V  und 
116  S.  8. 

In  der  voriiegendeD  kleinen,  aber  inhaltreichen  Schrift  gibt  der 
durch  seine  hifltorischen  Schriften  rühmlichst  bekannte  Herr  Verfas* 
ser  eine  Reihe  abenteuerlicher  Züge,  weiche  der  kühne  Ambro* 
81U8  Dalfinger  und  der  thatkräftige  Nikolaus  Federmann, 
beide  Bürger  der  freien  Reichsstadt  Ulm,  der  ehrenhafte  Georg 
Hohemut  von  Speier  und  der  ritterliche  Philipp  von  Hütten 
aus  Franken  im  Dienste  der  Welser  von  Augsburg,  der  Rothschilde 
des  1 6.  Jahrhunderts,  unterkamen,  um  das  Eldorado  der  neuen 
Welt,  deren  Pforten  Christoph  Golumbus  erschlossen  hatte, 
aufzufinden.  £s  wird  damit  der  Beweis  geliefert,  dass  auch  Deut- 
sche sich  des  Ruhmes  der  Entdeckung  von  Südamerika  theilhaftig 
machten,  sich  durch  wunderähnliche  Thaten  und  riesenmässige  An- 
strengungen auszeichneten,  freilich  aber  auch  —  doch  nicht  ohne 
Ausnahme  -  an  Habsucht  und  Grausamkeit  den  Spanischen  Gon- 
quistadoren  gleichkamen. 

Die  Schrift  hat  einen  doppelten  Werth,  einen  historischen  und 
zwar  sowohl  im  Allgemeinen  als  auch  besonders  in  Beziehung  auf 
die  deutsche  Geschichte,  und  einen  geographischen.  Die  Bearbei- 
iQDg  selbst  ist  eine  durchaus  gründliche,  aus  den  besten,  bis  jetzt 
grossen  Theils  noch  gar  nicht  oder  wenig  benutzten  Quellen  und 
Hülfsmitteln  geschöpfte.  Die  wichtigsten  Quellen  und  Hülfsmittel 
sind  S.  1—6  genannt. 

Zu  den  wichtigsten  von  dem  Herrn  Verfasser  benutzten  Quellen 
gehören:  1)  Historia  General  de  los  Hechos  de  los  Castellanos  En 
las  Islas  i  tierra  firme  del  Mar  oceano  ecrita  par  Antonio  de 
Herrera.  Madrid  1601  —  1615.  4  Bde.  2)  Indianische  Historia. 
Eine  schöne  kurzweilige  Historia  Nikiaus  Federmanns  des 
Jüngern.  Hagenow  1557.  (Fe  der  mann*  beschreibt  darin  seine 
erste  Reise,  welche  er  1529 — 1532  von  Spanien  aus  nach  Coro  in 
Venezuela,  von  da  in  das  Innere  des  Landes  und  wieder  zurück 
h.  Jahrg.  12.  Heft,  57 


S96        Kluniin^dr :  Anlheil  4.  DenCBChett  m  d.  EntddGkoofr  v.  Sadamerila. 

machte.)  3)  Zeitnng  aos  India  Junckber  Philipps  von  Hotten 
and:  Ain  andere  Historia  tod  newHch  erfandnen  Inseto  der  Landt- 
Bchaft  Indie.  (Beide  Schriften  sind  Sammlangen  von  Briefen,  welche 
Hütten  in  den  Jahren  1538 — 1541  von  Coro  aus  an  seine  Eltern, 
Verwandte  nnd  an  einen  Frennd  in  Nürnberg,  Namens  Gender, 
geschrieben  hat.) 

Unter  den  Hfilfsroitteln  sind  besonders  Alexander's  ▼»« 
Humbold  kritische  Untersuchungen  über  die  historische  Entwieke- 
lung  der  geographischen  Kenntnisse  von  der  Neuen  Welt  Adb  dem 
Französischen  übersetst  von  Dr.  Jul.  Lndw.  Ideler.  3  Thle. 
Berlin  1835—1852  su  erwähnen.  (Mit  Recht  hat  der  Herr  Vtf- 
fasser  S.  4  die  grossen  Verdienste,  welche  sieh  v.  Humbold  am 
die  Geschichte  der  Entdeckung  von  Venesnela  erworben  hat,  her- 
vorgehoben.) 

Aus  dem  reichen  Inhalte  der  Schrift  theilen  wir  Folgendes  mit: 
Das  Land  Venezuela  wird  im  Jahre  1499  entdeckt  und  naeb- 
dem  bereits  der  Anfang  von  dessen  Colonisirung  gemacht  worden, 
sehllessen  die  Wels  er  mit  Kaiser  Karl  V.,  welcher  Ihnen  w^gca 
eines  Darleihens  von  5,  oder  nach  andern  von  12  Tonnen  GoMn 
verbindlich  war,  wegen  des  Landes  (1527)  einen  Vertrag  ab  mid 
schicken  sofort  (1528)  den  Ambrosius  Dalfinger,  welcher  so 
jener  Zeit  als  einer  ihrer  Geschäftsträger  am  Spanischen  Hofe  weihe, 
als  Statthalter  dorthin  ab.  Dieser  erbaut  die  Stadt  Veuesoeia  (EJeia- 
Venedig,  wogen  der  Aehnlichkeit  der  Lage  mit  Venedig  also  ge- 
nannt), legt  Maracaibo  an  und  unternimmt  seinen  ersten  Entdeekung»- 
zug.  In  folgendem  Jahre  (1529)  wird  ihm  Nikolaus  Feder- 
mann sur  Hülfe  mit  Soldaten  nnd  Bergleuten  nachgeschickt  und 
zum  Vicestatthalter  des  Landes  Venezuela  ernannt  Nach  seiner 
Rückkehr  von  seinem  Entdeckungszuge  erhält  Dalfinger  wieder 
den  Oberbefehl,  welchen  er  jedoch  bald  an  Federmann  abtritt  nnd 
nadi  St.  Domingo  geht.  Allein  nicht  lange  darauf  gibt  Feder- 
mann den  Oberbefehl  an  Dalfinger,  welcher  nach  knrsem  Auf- 
enthalt von  St.  Domingo  zurückgekehrt  war^  zurück,  macht  (1530J 
eine  höchst  beschwerliche  und  gefahrvolle  Entdeckungsreise,  ohne 
jedoch  das  gesuchte  Goldland  zu  finden  und  geht  unter  viel  Unge- 
mach nach  Spanien  zurück.  In  demselben  Jahre  unternimmt  andi 
Dalfinger  eine  zweite  Entdeckungsreise  und  findet  und  erptesst 
viel  Gold.  Er  gibt  dem  Thale  Ambrosio  seinen  Namen  und  Ist  der 
Erste,  welcher  in  Neugranada  eindringt,  in  den  Gefechten  mit  den 
Indianern  aber  eine  Wunde  erhält  und  nach  seiner  Rückkehr  ii 
Venezuela  (1532)  stirbt.  Nach  ihm  wird  Johann  der  Deut- 
sche zum  Statthalter  ernannt.  Dieser  aber  stirbt  bald  darauf  (1534), 
ohne  einen  Entdeekungszug  unternommen  zu  haben.  Darauf  wkd 
Georg  Hohemut  (Hohermuth)  von  Speier  von  den  Welsern  (1535) 
mit  der  Würde  eines  Statthalters  von  Venezuela  betraut  Dieser 
ernennt  den  wieder  nach  Venezuela  zurückgekehrten  Federmann 
zu  seinem  Vicestatthalter.    Er  selbst  macht  eine  mühsame  und  ge- 


Klaoiinger :  Aotbeil  d.  D«uttohttii  an  d«  Batdecka«ir  v.  Sttdunerika.        880 

fthrHche  EDtdeckangareite  bis  in  die  NShe  d«8  Maragooiiy  kehrt 
aber  (1537)  ohne  das  Goldland  gefondeo  sa  haben  zurück.  Da 
er  jedoch  so  lange  nichts  von  sich  hatte  hören  lassen,  wurde  ihm 
dieses  als  Nachlässigkeit  ausgelegt  und  die  Stattbalterschall  dem 
Federmann  übertragen,  weil  jikloch  Klagen  bei  der  Spanischen 
Regierung  gegen  diesen  erhoben  wurden,  durfte  er  seine  Stelle 
nicht  antreten.  £r  kehrte  desshalb  mit  grossen  Reichthümem,  welche 
er  sich  in  der  neuen  Welt  gesammelt,  nach  Spanien  snrück.  Naeh 
ihm  erhält  (1540)  Philipp  von  Hütten  die  Statthalterwiirde. 
Bald  nach  seiner  Ernennung  trat  er  einen  Entdecknngssng  an.  Das 
Unternehmen  schlug  aber  fehl.  Während  seiner  Abwesenheit  wurde, 
nach  mehrfachem  Wechsel  des  Oberbefehls,  Juan  de  Carvajal, 
welcher  einer  angesehenen  Spanischen  Familie  angehörte,  gegen  den 
von  den  Weisem  mit  dem  Könige  abgeschlossenen  Vertrage,  in  deseeo 
Folge  ein  Mitglied  der  Welser'schen  Familie  die  Statthalterwörde  be* 
kleiden  sollte,  cum  Statthalter  ernannt.  War  der  eben  genannte  Ver- 
trag bis  dahin  auch  nicht  in  seinem  ganaen  Umfange  beachtet  wor- 
den, so  übten  doch  bis  dahin  die  Welser  das  Emennungsreoht  und 
die  Krone  nur  das  der  Bestätigung.  Philipp  von  Hütten  hatte 
ein  unglückliches  Ende.  Juan  de  Carjaral  iässl  ihn  mit  eehicyn 
Lieutenant  Bartholomäus  Welser  (1546)  treulos  kinriohtea. 
Aber  auch  Juan  de  Carjaval  entgeht  seinem  Sohichgale  nidit. 
£r  wird  nach  einem  von  dem  königliehen  Untersuchungsricliter  gegen  ihn 
eingeleitetes  gesetsliches  Verhör  zum  Tode  vernrtheilt  und  enthauptet. 

Um  das  Jahr  1550  wird  Juan  de  Villegas  von  den  Wel- 
sern cum  Statthalter  von  Venezuela  ernannt  Allein  seit  der  Re- 
gierung des  Georg  von  Speier  wurden  die  Streitigkeiten  swi- 
sehen  den  Spaniern  und  den  Welsern  wegen  des  Besitzes  von  Van 
nezuela  immer  bedeutender  und  erwuchsen  zu  einem  förmlichen  Pro- 
■ease,  welcher  längere  Zeit  am  Hofe  zu  Madrid  geführt  und  im 
Jahre  1555  zum  Nachtheil  der  Welser  entschieden  wurde.  Dadurch 
ging  der  Antheil  der  Deutschen  an  Südamerika  verloren. 

In  dem  ersten  der  Schrift  beigefügten  Anhange  ist  der  Aniisog 
dee  Abschnittes  aus  der  bekannten  Schrift  des  Bartolom^  de 
las  Gasas,  des  eifrigen  Vertheidigers  der  Menschenrechte  der  In- 
dianer gegeben,  welcher  von  Venezuela  handelt  und  die  von  den 
Spaniern  (Deutschen)  unter  der  Herrschaft  der  Welser  daselbst  ver- 
übten Tyranneien  mit  den  schwärzesten  Farben  schildert.  Mit  Recht 
wird  aber  nur  der  Anfang  mitgetheilt,  da  in  dem  genannten  Ab- 
achnitte  viele  Irrthümer  vorkommen,  welche  von  Herrn  Klunzin- 
ger  als  solche  in  den  Anmerkungen  nachgewiesen  sind.  In  einem 
sweiten  Anhang  ist  ein  besonderer,  sehr  dankenswerther  geographi- 
scher Excnrs  beigefügt,  so  wie  auch  zur  möglichsten  Verdeutlichung 
eine  gut  ausgeführte  Charte  von  Venezuela  beigegeben  ist. 

Die  typographische  Ausstattung  der  Schrift  ist  lobenswerth  und 
so  verdient  dieselbe  eben  so  wohl  in  dieser  Hinsicht,  so  wie  auch 
wegen  ihres  höchst  interessanten  Inhalts  alle  Empfehlung. 


•00  Körner:    Getchiebte  der  Pidegegik. 

QuehichU  der  Pädagogik  v(m  den  äUesten  Zeiten  bis  tur  Qe^Or 
toart.  Ein  Handbuch  für  Geistliehe  und  Lehrer  heider  ekndr 
liehen  Confeseionen  von  Friedrich  Körner,  Oberlehrer  om 
der  RealichuU  au  Halle,  Zweite  Auflage.  Leipaig,  Hemuam 
CoetenobU.    1867.     VHI  und  888  8.  8. 

.  Wie  €8  für  jede  Wiseenschaft  DüUlich  iat,  wie  sich  aberiuui|it 
sur  ein  richtiges  Unheil  bildeo  JMsst,  wenn  man  den  gesciüebtli- 
chen  Verlauf  derselben  übersiebt,  so  bleibt  es  gerade  für  die  Pidt- 
gogik  ein  lehrreiches  Studium,  das  Schulwesen  in  seiner  geschicht- 
lichen EntWickelung  kennen  su  lernen.  Um  dieses  aber  in  rechter 
Weise  su  ermö{;licben  ist  eine  übersichtliche  Darstellung  nöthig.  Mit 
Becht  machte  es  sich  desshalb  auch  der  Herr  Verfasser  bei  der  Be- 
arbeitung des  vorliegenden  Werkes  cur  Hauptaufgabe,  Ordnung  ood 
Uebersicht  in  die  Masse  des  geschichtlichen  Mateiials  su  brioges, 
Perioden  und  Unterabtheilungen  festzustellen  und  su  charakterisireii 
indem  er  nur  das  hervorliob,  was  in  jeder  Periode  Neues  geschaf- 
fen wurde.  Zu  dem  beabsichtigten  Zwecke  thellte  er  seine  Schrift 
in  vier  Bücher.  Das  erste  Buch  umfasst  die  Periode  der  Er- 
siehung, das  sweite  die  Periode  des  Untorrichts  so  for- 
malen Biidungsz  wecken,  das  dritte  die  Periode  des  rea- 
len Unterrichts  su  practischen  Bildungsswecken  m^l 
das  vierte  die  Periode  der  wissenschaftlichen  Pädago- 
gik undMethodlk  von  Pestalozzi  bis  auf  unsereTage. 
Dieses  sein  vorgestecktes  Ziel  hat  der  Herr  Verfasser  durch 
die  von  ihm  eben  so  zweckmässig  gemachten  als  lehrreich  durchge- 
führten Unterabtheiiungen  im  Ganzen  gut  erreicht  und  nicht  Idcbt 
wird  Jemand  das  Buch  aus  der  Hand  legen,  ohne  durch  dessen  LectSre 
im  Wesentlichen  befriedigt  zu  sein.  Nur  wäre  zu  wünschen,  daaa  der 
Hr.  Verf.  bei  den  manichfachen  Vorzügen,  welche  seine  Schrift  hat, 
nicht  allzugrossen  Werth  auf  das  unmittelbar  Practische  legte  osd 
die  classischen  Studien,  wenn  auch  aus  den  Schulen  nicht  gersdesa 
entfernt,  doch  aber  möglichst  beschränict  wissen  wollte.  So  beklagt 
er  (S.  378)  die  Beschränkung  der  Realien  auf  den  Preussiach« 
Gymnasien  und  spricht  sich  (S.  279)  über  die  Gelehrtenschuleo  is 
Allgemeinen  und  die  Ertheilung  des  Unterrichts  an  denselben  f^ 
gender  Gestalt  aus: 

jyNoch  ist  der  Widerspruch  nicht  gelöst,  in  welchem  die  GyiB- 
nasien  stecken,  dass  sie  eine  christliche  Jugend  in  heidnischer  Aa- 
Bchauungsweise  unterrichten*),  dass  sie  Republikaner  studiren  ood 
ihren  Schülern  unsaubere  Bücher  in   die  Hand  gehen,  die  mao  in 


*)  Ueber  dteaeo  Punkt  ist  bereit!  von  anderer  Seite  her  das  Noihi^  > 
dieaen  Jahrbüchern  onlfingat  bemerkt  worden,  worauf  wir  verweisen;  s.  5r.59. 
S.  83Öir.  Vrgl.  auch  Jahn'sche  Jahrbücher  der  Philologie  und  PSdago^k  1857. 
B.  75.  u.  76.  IL  3.  S.  129  ff.  Protestantische  Kirchenseitang  für  das  enafeL 
Deutoohland,  1857.    Mr.  it.  S.  284  ff. 


lorner:    Gefcbiehto  der  Pftdafo^  901 

deotieher  Sprache  gewigf  keinem  Scbfiler  equi  Sta^fimn  aalii8tti]g;en 
würde.  Die  Jagend  musa  sich  Jahre  lang  mit  einer  Aoscbannngs- 
weise  beeehSftigen,  die  sie  nicht  annehmen  darf,  denn  nneere  Ge- 
aetse* bestrafen  republikanische  Gesinnnng  und  heidnischen  Glauben; 
so  dass  der  Schüler  nie  mit  dem  Gedanken  Ernst  machen  darf  und 
sich  mit  der  inhaltslosen  Form  begnügen  muss,  mit  Redefiguren  und 
Lesarten*).«. 

Referent  kann  die  Anseige  dieser  im  Gänsen  mit  umsichtigem 
und  besonnenem  Fleisse  ausgearbeitete  Schrift  nicht  schllessen,  ohne 
den  Wunsch  auszusprechen,  es  möge  der  Herr  Verfasser  in  der 
nScbsten  Auflage  derselben  auch  dem  gelehrten  Schul-  und  Dnter- 
rlchtswesen  die  ihm  gebührende  Rechnung  tragen!  Da  ein  Werk, 
welches,  wie  das  rorliegende,  ohne  alku  weitläufig  zu  sein,  die  ganze 
Geschichte  der  Pfldagogik  umfasst,  sich  —  was  auch  schon  wieder- 
holt Öffentlich  ausgesprochen  worden  —  immer  mehr  als  Bedürfniss 
herausstellt,  so  wird  dasselbe  gewiss  auch  in  einem  weiteren  Lese- 
kreise Eingang  finden,  zumal  wenn,  bei  der  grossen  Reichhaltig- 
keit seines  Inhaltes,  dessen  Gebranch  noch  durch  ein  zweckmässig 
eingerichtetes  Register  erleichtert  würde. 

Druck  und  Papier  der  Schrift  sind  gut  und  gereichen  der  Ver^ 
lagahandlung  zur  Ehre. 


*}  Gans  anders  artheilt  Justusvon  Liebig  jiber  den  Werth  der 
formalen  Ausbilduiiif ,  welche  die  Jugend  in  Gymnasien  erhtilL  Nach- 
dem er  Torausireschickt ,  dnss  er  30  Jahre  schon  technischen  Lehranstalten 
vorirestnnden  und  man  ihm  also  in  dieser  Beziehung  wohl  einii^e  Erfah- 
rung zutrauen  liOnne  ,  spricht  er  sich  in  seinen  in  der  Auipsburirer  All|;e- 
'moinen  Zeitung  (1857,  Beilage  Nr.  245,  S.  3914)  mitf^etheilten  „che- 
m«i  sehen  Briefen^  in  folgender  Weise  aus :  „In  allen  naturwissen- 
schaftlichen  ,  nberhaupt  in  allen  Gewerben,  deren  Ausüban^r  nicht  auf  einer 
manoellen  <teschicklrehkeit  bernht,  ist  der  Fortschritt  und  eine  jede  Verbesse- 
ruDg  bedini^t  durch  die  £ntwiclcelun^  der  eeistiiren  FShiifkeiteD ,  d.  h.  dareh 
die  Schule.  Ein  mit  gründlichen  wissenschaftlichen  Kenntnissen  wohlausire- 
rUsteter  junger  Mann  eif^nct  sich  die  Bekanntschaft  mit  dem  technischen  Be- 
trieb leicht  und  ohne  Anstrengung  an;  dem  am  Besten  technisch  gebildeten  ist 
das  VerstSodniss  jedes  neuen  ihm,  noch  nicht  vorgekommenen  Falles  oder 
eines  wissenschaftlichen  Grundsatzes  und  seine  Anwendung  in  der  Regel  ge- 
radezu unmöglich.  Ich  habe  bttufig  gefunden,  dass  Studirende,  die  von  gu- 
ten Gymnasien  kommen,  sehr  bald  die  von  Gewerb-  und  polytechnischen 
Schulen  auch  in  den  Naturwissenschaften  weit  hinter  sich  zurück 
lassen,  selbst  wenn  die  Letzteren  anfänglich  am  Wissen  gegen  die  An- 
dern  wie  Riesen  gegen  Zwerge  waren.^ 

Uebrigens  ist  von  Liebig  auch  gegen  die  Gewerb-  und  techni- 
schen Schulen  gerecht,  indem  er  unmittelbar  darauf  fortfährt:  „Ich  bin 
weit  entfernt  den  ausserordentlichen  Nutzen,  den  die  Gewerb-  und  technischen 
Schulen  fttr  uns  haben,  in  irgend  einer  Weise  in  Zweifel  zu  ziehen;  ich  halte 
sie  für  eben  so  unentbehrlich  wie  die  Gymnasien ,  denn  fttr  alle  Menschen 
passt  nicht  der  gleiche  Weg  und  die  Sprachen  sind  nicht  Jedermanns  Sache; 
für  so  vielerlei  Erz  bedarf  man  zum  Ausschmelzen  des  Metalls  und  zu  seiner 
Reinigung  von  Schlacken  mehrerlei  Oefen ,  und  das  Talent  ist  wie  das  Gold 
—  wo  es  vorkommt  in  der  Natur,  ist  es  immer  gediegen,  nie  vererzt  und 
jeder  Ofen  ist  ihm  recht. ** 


soft  Yomikftiim:    Bv«a|rel2M)ho  ScbalordMBfen. 

Emangtlitche  Sehülordnungen,  Herausgeben  vim  Reinheid  Vorm- 
bäum,  Pfarrer  sni  Kaisersfüerih  am  Jihein.  Ersier  Bamd. 
DU  evangelischen  Schulordnungen  des  sechesehnten  Jahrht^nderU 
Erste  Hälfte.  Gütersloh,  Druck  und  Yerltig  von  C,  Bertels- 
mann.    1658.     184  8.  gr.  8. 

Allgemein  ist  die  Wichtigkeit  und  Bedeutung  anerkannt,  welche 
ältere  Schulordnungen  in  kirchlicher,  pädagogischer  und  cuUnr-kisto- 
riaeher  Beaiehung  haben.  Längst  schon  wurde  desshalb  das  Be- 
dürfulss  einer  möglichst  vollständigen  Sammlung  derselben  gefühlt 
und  ist  der  Wunsch>  eine  solche  zu  erhalten  öfter  schon  laut  ^ewor- 
den^  ohne  dass  er  eine  Befriedigang  gefunden  hätte.  Darch  das 
vorliegende  Werk  wird  derselbe  nun  jetst  erfüllt,  und  so  glauben 
wir  denn  auch  dieses  als  eine  der  wichtigeren  Erscheinungen  auf 
dem  Gebiete  der  pädagogischen  Literatur  freudig  begruasen  sa 
dürfen. 

Die  vorliegenden  Schulordnungen  haben,  wie  sich  auch  der  Hr. 
Verf.  selbst  ausspricht,  reformirend  und  organisirend  auf  das  Leben 
der  evangelischen  Schule,,  auf  die  öffentliche  und  theilweiae  andi 
auf  die  häusliche  Eraiebung  eingewirkt,  und  aus  dem  Leben  für  das 
Leben  entstanden,  einen  unberechenbar  wobltbätigen  Eanfluss  auf 
Staat,  Kirche  und  Familie  geSussert.  Sie  lehren  uns  die  Bildongs- 
ideale  kennen,  welche  den  Erziehern  der  Jugend  in  den  verschie- 
denen Entwickelungsperioden  des  deutschen  Schulwesens  vorschweb- 
ten; sie  zeigen  uns  die  Wege,  auf  denen  unsere  Vorfahren  diesel- 
ben SU  verwirkliehen  bestrebt  waren.  Mag  die  heutige  PSda^o^ik 
noch  andere  Ziele  kennen;  mag  sie  in  klarerer  psycbologiseher  und 
anthropologischer  Erkenntniss  bessere  Methoden  ersinnen,  selten  ist 
6)0  aber  ihrer  erhabenen  und  segensreichen  Aufgabe,  dem  Reiche 
Gottes  als  bildendes  Mittel  zu  dienen,  bestimmter  bewusst  gewor> 
den,  als  dieses  in  den  Zeiten  der  alten  Schulordnung  der  Fall   war. 

Den  Einfloss,  welchen  diese  alte  Schulgesetzgebung  libte,  in 
seinem  ganzen  Umfange  kennen  zu  lernen,  reichen  allgemeine  An- 
gaben oder  Auszüge  aus  den  Schulordnungen  nicht  hin.  Nur  darch 
die  vollständige  Mittheiiung  derselben  wird  eine  frische  und  trene 
Anschauung  gewonnen.  Zu  dem  können  auch  Auszüge  aus  alten 
Acten  in  die  Darstellung  verwebt,  bäuüg  nur  als  Belege  subjectiver 
Ansichten  benutzt  werden,  während  eine  objectivs  und  dorcluMiB 
vorurtheilslose  Entwickelung  allein  auf  dem  Boden  der  ganzen,  na- 
geschmälerten  Mittheilung  der  Quellen  beruht.  Wir  können  daher 
dem  Herrn  Verfasser  nur  Dank  dafür  wissen,  dass  er  die  Schal- 
ordnungen in  ihrem  ganzen  Umfange  dem  Wortlaute  nach  mittheilt 

Erkennen  wir  hierin  nun  einen  wesentlichen  Vorzug,  welches 
diese  Schrift  bietet ,  so  hat  sie  aber  auch  noch  einen  weiteren ,  den 
Referent  hervorheben  zu  müssen  für  Pflicht  hält.  Dieser  besteht 
darin,  dass  jeder  einzelnen  Schulordnung  eine  kurze,  so  zu  sagen 
hii^torische  Einleitung  in  Anmerkungen  beigefügt  Ist.     Diese  Einlei- 


Conbe:    Die  WiiieMchaft  u.  •.  w.  903 

tODgefi  fäbr«n  Dicht  nur  su  einem  nähereo  VerständiiisBe  der  ein- 
selaeii  betreffeodeo  Schulordnungen  im  Allgemeinen,  sondern  sie 
erläutern  auch  einzeine  Stellen  derselben,  geben  die  Abweichungen 
an,  welche  einzelne  Schulordnungen  in  verschiedenen  Ausgaben  er- 
fahren haben,  und  weisen  auf  andere  Schulordnungen  hin,  mit  wel- 
chen eine  oder  die  andere  dem  Inhalte  nach  in  näherer«  Beziehung 
steht,  so  wie  sie  denn  ausserdem,  so  weit  dieses  möglich  ist,  übe^ 
die  Verlasser  nähere  Nachweisungen  mittheilen. 

Gehen  wir  nun  zu  den  einzelnen  Schulordnungen  selbst  über, 
welche  in  dem  vorliegenden  Hefte  in  chronologischer  Keihenfolge 
mitgetheiit  werden,  so  sind  es  folgende:  1)  Kursächsische  Schul- 
ordnung, 1528.  2)  Schulordnung  aus  der  Braunschweigischen  Eir- 
chenordnung,  1528.  3)  Schulordnung  aus  der  Ilam burgischen  Kir- 
eJxeDordnong',  1529.  4)  Schulordnung  aus  der  Wittenberger  Eu:- 
dienordnung,  1533.  5)  Markgräfl.-  Badisch-Durlach'sche  Schulord- 
noog,  1536.  6)  Schulordnung  aus  der  Hannoverischen  Kirchenord- 
oang,  1536.  7)  Hessische  Ordnung,  1537.  8)  Schulordnung  aus 
der  Schleswig- Holsteinischen  Kirchenordnung,  1542.  9)  Schulord* 
DUDg  aus  der  Brannschweig'schen  Kirchenordnung,  1543.  10)  Schul- 
ordnung aus  der  IIadeln*schen  Kirchenordnuug ,  1544.  11)  Gold- 
berger  Schulordnuug,  1546.  12)  Schulordnung  aus  der  Mecklen- 
bargischen  Kirchenordnung,  1552.  13)  Kurplälzische  Schulordnnngi 
1556.  14)  Schulordnung  aus  der  Württembergischen  Eirchenord- 
nung,  1559.  15)  Schulordnung  aus  der  Pommer'schen  Eirchenord- 
nungi  1563.  16)  Schulordnung  aus  der  Lüneburgischen  Eirchen- 
ordnnng,  1564.  17)  Constitution  und  Ordnung  des  Pädagogiums 
za  Heidelberg,  1565. 

Wir  schliessen  die  Anzeige  dieser  Schrift,  welche  sich  auch 
durch  äussere  Ausstattung  empfiehlt,  mit  dem  Wunsche,  dass  der 
würdige  Herr  Herausgeber,  welcher  weder  Mühe  noch  Opfer  scheut, 
um  das  Werk  in  möglichster  Vollständigkeit  und  Genauigkeit  er- 
scheinen zu  lassen,  recht  bald  die  Fortsetzung  desselben  folgen  las- 
sen mögel  / 

Hautz. 


JDie  Wissenschaft  in  ihrer  Beziehung  sur  Religion  von  Oeorge 
Combe,  Deutsche  Originalausgabe,  Leipzig,  Verlag  von  Eduard 
Heinrich  Mayer,  1857.     XXXIX  und  367  S.  gr.  8, 

Vorstehendes  WerE  ist  eine  Uebersetzung  der  vierten  Auflage 
des  englischen  Originals.  Der  Verf.,  Im  Jahre  1788  geboren  und 
gegenwärtig  in  E  d  i  n  b  u  r  g  lebend,  hat  durch  eine  Reihe  von  schrift- 
stellerischen Arbeiten  sich  in  England  und  Amerika  einen  berühm- 
tan  Namen  erworben.  Er  ist  ein  Schüler  Spurzheims,  des  be- 
kannten Phrenologen,    und  sucht  in  seinen  Werken  die  phrenoioglr 


904  Combe:    Die  Visienfchafl  n.  •.  w. 

sehen  Grundaätse  auf  die  verschledeDen  Zweige  des  Wissens  und 
Lebens  anzuwenden.  Sein  Hauptwerk  ist  das  „System  der  Phre- 
nologie^, weiches  mehrere  Auflagen  erlebte,  und  in  deutscher  lieber- 
Setzung  erschien.  Eine  grosse  Anzahl  von  Auflagen  seiner  durch 
humane,  geistesfreie  Gesinnung  ausgezeichneten  Constitution  of  man 
wurde  in  Amerika  und  England  verbreitet  Er  hielt  im  Sommer 
1842  sehr  besuchte  Vorlesungen  über  Phrenologie  an  hiesiger  Ont- 
versität,  und,  wie  man  auch  über  die  Haltbarkeit  seines  physiologi- 
schen Systemes  denke,  Geist,  Scharfsinn,  gelehrte  Bildung  und  Be- 
geisterung für  die  Freiheit  des  Menschen  von  politischem  und  reli- 
giösem Drucke  zeichnen  ihn  als  Schriftsteller  in  allen  seinen  wissen- 
schaftlichen Untersuchungen  aus,  und  diese  Eigenschaften  können 
gewiss  auch  vorliegender  Schrift,  deren  Grnndelemente  im  Jahre 
1847  entstanden,  nicht  streitjg  gemacht  werden.  Der  Hr.  Verf.  gibt 
uns  in  einer  anziehenden  Vorrede  Rechenschaft  über  die  Art  und 
Weise,  wie  seine  jetzige  religiöse  Weltanschauung  nach  und  nach 
entstand.  Seine  Zweifel  an  deh  Sätzen,  die  man  ihm  als  religi5s<e 
Wahrheiten  bezeichnete,  fingen  schon  in  frühester  Jugend  an.  £r 
äussert  sich  darüber  S.  VII  und  VIII  also:  „Als  ich  etwa  6  oder 
7  Jahre  zählte,  beschenkte  mich  ein  Freund  mit  einem  Stück  Kan- 
dis. Das  Kindermädchen  verlangte  von  mir,  ich  solle  meinen  jnn- 
gern  Geschwistern  etwas  davon  abgeben,  worauf  ich  es  ihr  reichte, 
um  es  unter  uns  zu  vertheilen.  Ein  Jedes  erhielt  davon  ein  Stück- 
chen, und  den  Rest  gab  sie  mir  mit  den  Worten  zurück:  „Du  bist 
ein  guter  Junge  I  —  Gott  wird  dich  dafür  belohnen  I^'  Diese  Worte 
'  gebrauchte  sie  natürlich  als  blosse,  für  ein  Kind  passende  Redens- 
art; mir  aber  gaben  sie  einen  Begriff,  —  denn  auf  praktische  und 
begreifliche  Weise  erhielt  ich  zum  erstenmale  eine  Idee  von  einem 
göttlichen  Lohne  für  eine  gute  Handlung,  und  ich  fragte  sie  sofort: 
„Wie  wird  mich  Gott  belohnen?"  „Er  wird  dir  Alles  geben,  was 
dir  dienlich  und  gut  ist.*  —  „Was  meinst  du  mit  „gut"?  —  ^Wird 
er  mir  mehr  Kandis  geben?"  „Ja  gewiss,  wenn  du  ein  guter  Junge 
bist!"  „Wird  er  dies  Stückchen,  was  ich  hier  habe,  wachsen  las* 
sen?"  „Ja;  denn  Gott  belohnt  Alle,  die  ein  gutes  Herz  baben.^ 
Ich  konnte  mich  mit  blossen  Worten  nicht  begnügen,  sondern  ging 
sogleich  daran,  die  Wahrheit  der  Versicherung  durch  Versach  und 
Beobachtung  festznzteilen.  Ich  untersuchte  genau  alle  Kanten  des 
Stückes,  nahm  das  Maass  desselben,  wi<<kelte  es  sorgfältig  in  ein 
Papier,  legte  es  in  eine  Schublade,  und  wartete  mit  der  grösaten 
Spannung  auf  dessen  Wachsthum.  Ich  liess  es  die  ganze  Nacht  io 
der  Schublade,  und  untersuchte  es  am  folgenden  Morgen  mit  der 
gr5ssten  Neugierde.  Keine  Spur  einer  Veränderung  war  zu  ent- 
decken; —  es  hatte  weder  zu-  noch  abgenommen.  Ich  war  sehr 
betrübt  und  euttäuscht,  mein  Glaube  an  die  Belohnung  jeder  Tu- 
gend von  Seiten  des  Weltregierers  empfing  den  ersten  Stoss,  und 
ich  begann  zu  fürchten,  dass  Gott  die  Welt  nicht  in  der  Art  and 
Weise  regiere,  wie  uns  das  Kindsmädchen  sagte.''  Später  las  Combe 


CoBibe:    Die  WiMenschafl  v.  f.  w.  905 

im  zehnten  Jahre  in  einem  zu  grammatischen  üebangen  bestimmten 
Scholbucbe  die  Worte:   Deue   gabernat   mundum   nnd   mundns  gu- 
bematur  a  deo.  Der  Lehrer  betrachtete  sie  bloss  als  ^zn  grammati- 
schen Uebongen'^    bestimmte  ^Phrasen^,  ^ohne   sich  je   auf  die   in 
ihnen  enthaltenen  Ideen  einzulassen.^     Die   Worte   machten  ^^einen 
unanslöschlichen  Eindruclc^  auf  ihn.     Das  „  Factum '^  der  Weltregie- 
rang erschien  ihm  unzweifelhaft;   aber  er  wollte  wissen,  ^wie  Oott 
sein  Gericht  ausübe.^    Etwas  später  las  er  im  Rdinburg  Advertiser, - 
dass  «Napoleon  Bnonaparte,    von    dem  Teufel   getrieben  und 
unterstützt,  wie  man  zu  sagen  pflegte,  Frankreich  regiere,  und  dass 
er  es  schlecht   regiere,   dass   die   Herrschaft   K5nig   Georg 's  IIL, 
Pitts  nnd  Lord  Melvilles   über  Grossbritannien  und  Irland  nicht 
Tiel  besser  sei'';  er  sah,   dass   sein  Vater  in  Schottland  sich  ^über 
die  nngerechten  Steuern  beschwerte,  die  ihn  fast  zu  erdrücken  droh- 
ten.^   Er  sah  ,,Un Vollkommenheiten^  im  eigenen  Haushalte  des  Va- 
ters und   der  Mutter,   und   konnte   unm5glich   bei   der   Betrachtung 
aller  dieser  Dinge  ,,6ottes  Ueberwachnng   oder  besondere   Führung 
bei  der  Verwaltung^  derselben   annehmen.     Wenn   sein   Lehrer  M. 
Fräser  in  der  Schule  seine  Regierung  ^.hart''  und  „pngerecht^  führte, 
vermehrten  sich  seine  Zweifel  an  dieser  Ueberwacbung.    Noch  mehr 
geschah  dies,  als  er  die  Geschichte   za   studiren   anfing;   denn  ^es 
erschien  ihm,  dass  alle  und  jede  der  in  der  Geschichte  auftretenden 
Persönlichkeiten  lediglich  that,  was  ihr  beliebte,  und  dass  Gott  sich 
um  ihr  Gebahren  in  dieser  Welt  wenigstens   durchaus   nicht   küm- 
mere,  wenn  er  auch  in  der  künftigen  mit  ihnen  abrechnen   sollte.'' 
Sie  ^«schienen  Alle  in  Worten  anzuerkennen,  dass  Gott  die  Welt  re- 
giere^;  aber  ^sie  handelten^,  als  wenn  sie  an  keine  Weltregierung 
und  an  keine  künftige  Vergeltung  glaubten.     Die  Lehre  des  ortho- 
doxen Kalvinismus,  in  welcher  man  unsem  Verfasser   unterrichtete, 
verwirrte  seine  Begriffe,  anstatt  sie  zu  ISutern  (S.  XII}.  Die ;, Schreck- 
nisse deiT  jüngsten  Gerichts  lasteten  auf  ihm^,  und  er  wünschte  ofi, 
^ein  Thier  zu  sein  und  keine  Seele  zu  haben^,  bis  er  durch  Lesen 
metaphysischer  und  naturwissenschaftlicher  Schriften   allmählig   eine 
andere  Anschauung  gewann.     Er  hatte   seither  d^n  Glauben  festge- 
halten, dass  Gott  die  Welt  regiere.     Nur  gestand   er  sich,   dass  er 
das  Wie  dieser  Regierung  nicht  einsehen  könne.     Durch  Studium 
der  Astronomie,  Anatomie  und  Physiologie  lernte  er  dieses  W  i  e  in 
der  Natur  kennen;  denn  überall  fand  er,  je  tiefer  er  in  diese  Wis- 
senschaften, besonders  auch  in  die  Chemie  eindrang,  die  innere  ver- 
nänftige,   zweckmMssige   Organisation   der   Welt.     So   erschien  ihm 
diese  Oottesregierung  nicht   mehr  im  Sinne   des  Orthodoxismus   als 
ein  übernatürliches  Eingreifen  in  die  Maschine  der  Welt  von  Aussen 
her,  sondern  als  die  natürliche  Einrichtung  aller  Dinge  selbst.     Nnr 
im  Reiche  des  Geistes,  in  den  von  der  Freiheit  des  Menschengeistes 
gesetzten,  guten  oder  bösen  Tbaten  konnte  er  diese  Gottesregierung 
noch    nicht   verstehen,   bis  er  durch    Spurzheim    die   G  all 'sehe 
Gebirnlebre   Icennen   lernte,    und  durch   den   eigenthümlichen  Bau 


906  CMibe:    Die  WiMODtclMfl  n.  s.  v. 

dar  Gehirne  und  einselnen  Gehirothelle   die  Temänitife  Abeicht  in 
den  geletigen  TbXtigkeiten  der  schöpferischen  Natur  erkannte. 

So  gibt  uns  die  Vorrede  des  gelehrten  Hrn.  Verf.  darüber  Auf- 
sehlüss,.  wie  er  durch  die  Naturwissenschaften  die  R^ierung  des 
göttlichen  Princips  in  den  sinnlich  greifbaren  Erscheinungen  der 
Materie  und  durch  die  Gehirnlehre  Galls  dieselbe  göttliche  Ord- 
nung und  Harmonie  in  den  innern  Erscheinungen  des  Geistes  ken- 
nen lernte.  So  fand  der  Hr.  Verf.  durch  die  Naturwissenschaften 
seine  Religion  wieder,  die  er  durch  den  Orthodoxismus  seines  con- 
fessionellen  Religionsunterrichtes  verloren  hatte. 

Die  Aufgabe  dieses  Buches  ist  somit  su  zeigen,  dass  die  Wis- 
senschaft der  Natur  des  Unorganischen  und  Organischen  und  beson- 
ders des  menschlichen  Gehirnes  die  wahre  Begründung  einer  aatüi^ 
liehen  oder  vernünftigen  Religion  sei,  dass  Alles  in  der  Natur  ver- 
nünftige und  sweckmitssige  Einrichtung  habe,  und  dass  des  Mensches 
Glück  und  Wohlfahrt  durch  das  Studium  dieser  Einrichtungen  der 
Natur  oder  der  Gottesregierung  erreicht  werde. 

Ein  kurzer  Ueberblick  wird  den  Leser  von  der  Reichhaltigkeit 
dieses  Buches  überzeugen.  Das  ganze  Werk  zerfallt  in  „zehn  Ka- 
pitel^ (Hauptstücke).  Es  untersucht  im  ersten  «die  Wisseo- 
Schaft  in  ihrem  derzeitigen  Verhältnisse  zur  Reli- 
gion^ (S.  1 — 20),  im  zweiten  „die  Erklärung  der  Be- 
griffe: Wissenschaft  und  Religion  und  Erläuterung 
der  Doppelnatur  des  Menschen^  (S.  20 — 31),'  im  dritten 
den  Menschen  hinsichtlich  seiner  physischen  Elemente,  geistigen 
Organe,  foesondern  Fähigkeiten,  seiner  Religiosität  und  Sittlichkot 
(S.  31 — 68),  im  vierten  die  Befähigung  des  Menschen, 
die  letzten  Elemente  und  das  Wesen  der  äussern  Welt 
zu  entdecken  (S.  68—89),  im  fünften  Gott  (S.  89—110), 
im  sechsten  die  Spuren  der  göttlichen  Weltregierang 
im  Physischen  und  Geistigen  (S.  110 — 234),  im  siebenten  die 
historischen  Beweise  für  diese  Regierung  (S.  234 — 245),  im 
achten  die  Institution  (Einrichtung)  der  Welt  (S.  245— 
262),  im  neunten  die  praktischen  Betrachtungen»  welche 
daraus  folgen  (S.  262 — 349).  Im  zehnten  fasst  er  das  Game 
zu  einem  „Schlüsse^  zusammen  (S.  349 — 360).  Dem  Werke 
ist  ein  „Ahang^  beigefügt  (S.  349— > 367),  welcher  die  «Nomen- 
clatur^  (Benennung)  der  phrenologischen  Organe  und  ihre 
Lage  im  Kopfe^  (besser  Gehirne),  die  Beweise  von  deoi 
Einflüsse  des  Gehirns  auf  Gefühle  und  Gedanken^  und 
unter  der  Aufschrift  „Himmel  und  Hölle"^  Auszüge  aus  de» 
orthodoxen  schottischen  oder  presbyterianischea 
Edinborger  Katechismus  umfasst. 

Der  Hr.  Verf.  beginnt  im  ersten  Kapitel  mit  der  Darstel- 
lung des  Glaubens  früherer  Jahrhunderte  an  die  übernatürliche  Ein* 
Wirkung  Gottes  und  des  Teufels  auf  die  irdischen  Dinge,  er  weist 
die  'Widersprüche  in  diesem  Glauben  nach,  indem  er  geachichtlicb 


CMibe:    J>i»  WiMflotchafl  a.  s,  w.  99T 

bele^  dasB  die  ein«  religiöse  Partei  im  GhrieCeiithQaie  als  ein  Werk 
Gottes  betrachte,  was  die  andere  als  ein  Product  des  Satans  ansehe. 
Nach  der  Meinung  der  froheren  Zeit  j^schaltete  nnd  wahete  Gott 
vlllkärlich  über  die  Elemente,  und  auf  diesen  seinen  Willen  glaubte 
man  durch  den  Glauben  und  durch  den  religiösen  Coltus  einsuwir- 
ken.^  Ein  ^tieferes*^  und  ^sorgsameres^  Studium  der  Natur  führte 
besonders  in  unserm  Jahrhunderte  au  einer  „andern  Ansicht  yon 
dem  Eingreifen  der  Vorsehung  in  die  Leitung  zeitlicher  Angelegen- 
heiten^ (S.  6).  Es  seigte,  dass  dieses  Eingreifen  sich  durch  die 
Gesetse  der  Natur  offenbare ,  und  dass  in  diesen  Gesetsen  der  Na- 
tur Gottes  ewige  Weltregierung  bestehe,  dass  man  also  dieses  Wie 
der  Weltregierung  erkennen  könne,  wenn  man  die  Gesetse  der  Ein« 
riehtung  aller  Erscheinungen  der  Natur  zu  erkennen  im  Stande  sei. 
So  erbSlt  in  unserer  Zeit  die  Naturwissenschaft  eine  besondere  Stel- 
laBg  sor  Religion,  Theologie  und  Philosophie.  Eine  Verletzung  der 
Natur  ist  darum,  wie  der  Hr.  Verf.  S.  8  sagt ,  eine  Verletzung  des 
göttlichen  Willens,  und  „führt  unvermeidliches  Elend  mit  sich.^  Mit 
vielem  Scharfsinne  wird  der  Widerspruch  zwischen  den  Auffassunf^en 
des  Orthodoxismus  nnJ  den  Naturwissenschaften  nadigewiesen.  Vor 
AUem  wird  durch  eine  Masse  anziehender  Beispiele  nachgewiesen, 
dass  das  meiste  Elend,  welches  den  Menschen  trifft,  vermieden  wer* 
den  kann,  wenn  man  die  göttliche  Wekregierung  oder  die  innere 
Einrichtung  der  Natur  und  ihre  Gesetze  erkennt,  um  sein  Betragen 
Bach  diesen  einzurichten. 

Im  zweiten  Kapitel  hält  sieh  der  Hr.  Verf.  in  der  Erklä- 
rung des  Begriffes  der  Wissenschaft  an  die  Natur,  und  versteht  dä- 
mm unter  Wissenschaft  „die  systematische  Auseinandersetzung  ge- 
nau beobachteter  Thatsachen  in  Betreff  der  Beschaffenheit,  der  Eigen- 
schaften, Kräfte  und  Beziehungen  der  natürlichen  Dlnge.^  Diese 
Definition  ist,  wie  man  es  in  England  liebt,  vom  empirischen  Stand- 
punkte gegeben,  aber,  was  in  der  Regel  ebenfalls  in  den  meisten 
englischen  Werken  der  Fall  ist,  nicht  genau.  'In  der  Beschaffenheit 
der  Dinge  liegen  schon  die  Kräfte,  Eigenschaften  und  Beziehungen 
der  Dinge  eingeschlossen,  und  der  Beisatz  ^natürlich^  ist  bei  den 
Dingen  überflüssig.  Religion  „nach  der  gewöhnlichen  Auffassung^ 
begreift  nach  dem  Hrn.  Verf.  S.  32  «ein  System  von  Gottesglau- 
beo  und  Verehrung."^  So  gebraucht  ^ drückt  sie  nur  Aeusserlich* 
keiten  aus.^  In  seiner  Weise  betrachtet  er  sie  als  „eine  geistige 
Disposition  (Anlage),  die  aus  gewissen  Gefühlsregungen  und  geisti- 
gen Wahrnehmungen  entstanden  ist"^  Von  der  Religion  unter« 
scheidet  er  S.  24  die  Theologie.  Es  kann  Jemand  religiös  sein, 
ohne  Theolog  zu  sein,  und  ein  grosser  Theologe,  ohne  Anspruch 
aof  Religiosität  machen  zu  können.  Die  Theologie  hat  aber  Einfluss 
aaf  die  Religion.  Das  „angeborne  Gefühl  der  Verehrung  und  Hin- 
neigung*^ zum  Göttlichen  ist  ihm  Religion.  Der  „Verstand  fügt  die 
Theologie  oder  die  besondern  Lieen  von  Gott  zu  dem  Gefühle^, 
und  „beide  vereint  geben,  was  man  schlechtbin  Religion  nennt*^ 


908  Combe:    Die  Wigfenicbaft  u.  0.  w. 

(8.  25).  Er  vergleicht  diese  Vereinigung  von  Religion  nod  Theo- 
logie mit  einem  Gewebe.  Der  ^  Aufzug^  des  Gewebes  oder  die 
^langen  Fftden^  desselben  sind  die  angebornen  religiösen  Gelllhie 
des  Menschen,  der  ^ Einschlagt  oder  ^die  KreuEfSden'  die  dazo 
kommenden  Verstandesbegriffe  oder  Ideen  der  Theologie.  Von  den 
Priestern  stammt  dieser  Einschlag  des  Gewebes,  und  darnach  riebtet 
sich  die  Beschaffenheit  des  Tnches.  Gewöhnlich  erkennen  die  Gifio» 
bigeo  „die  Doppelnatnr^  dieses  Gewebes  nicht  (S.  26).  Die  or- 
sprüngliche  Gefühlsbewegung  der  Religion  überwältigti  ,,von  kräfti- 
ger Anlage  angeregt^,  oft  den  Geist,  ;,entfernt  die  Vernunft,  erstikt 
das  Gewissen j  und  recrutirt  jede  Leidenschaft.^  Kommt  ^in  der 
Kindheit  der  Einschlag  des  Irrthums^  hiuEU,  so  ist  ^^daa  Gewebe 
des  Aberglaubens  fertig.^  „So  rauben  und  morden  barbariscbe  Na* 
tionen  zur  Ehre  und  zum  Ruhme  ihrer  Götter.^ 

Im  dritten  Kapitel  (Hauptstück),  welches  den  Menschen 
darstellt,  werden  zuerst  die  Elemente  der  organischen  Materie  des 
Menschen  bestimmt.  Sehr  richtig  wird  auf  den  Unterschied  des  le* 
bcndigen  und  todten  Körpers  in  seinem  Wesen  hingewiesen.  Es  ist 
darum  f(ir  die  Praxis  (das  Handeln  im  Leben)  wichtig,  „die  Ursache 
des  Lebens^  oder  ^das  Lebensprincip*^  (S.  36)  aufzusuchen.  Dass 
das  ^Spirituelle^  (Geistige)  nicht  unabhängig  vom  ,^Materiellen^  (Stoff- 
lichen) sei,  wird  S.  37  mit  Recht  behauptet,  und  selbst  im  Falk 
der  Annahme  eines  besondern  Lebensprincips  nachgewiesen.  "Der  Hr. 
Verf.  hat  auch  hierin  die  richtige  Ansicht,  dass  sich  der  Geist  im 
Menschen  nach  verschiedenen  Fähigkeiten  oder  Vermögen  9u8sere, 
und  dass  das  Gehirn  das  Organ  für  die  Thätigkeit  desselben  sei. 
Es  versteht  sich  übrigens  von  selbst,  dass  das  Gehirn  das  Orgsa 
des  Geistes  nur  im  Zusammenhange  mit  dem  Rückenroarke,  den 
Nerven,  dem  Blute  und  den  übrigen  Hauptorganen  des  menschllcben 
Körpers  sein  kann,  worauf  in  der  Schrift  des  Hrn.  Verf.  keine  Rück- 
sicht genommen  wird,  während  die  Section  von  Leichen  Gestörter 
häufig  beweist,  dass  bei  Geistesstörungen  ohne  Verletzung  des  Ge- 
hirns Desorganisationen  des  Herzens,  des  Rückenmarks,  der  Lange, 
Leber ,  Gedärme  n.  s.  w.  vorkommen ,  auch  seihst  üie  in  den  Lei- 
chen des  Geisteskranken  sich  zeigende  Gehirndesorganisation  keinen 
Beweis  dafür  liefern  kann,  dass  das  Gehirn  allein  und  ausschliessend 
das  Organ  des  Geistes  sei,  weil  sich  sehr  oft  die  Desorganisation  des 
Hirnes  erst  nach  dem  Beginne  der  Geistesstörung  entwickelt,  unge- 
fähr so,  wie  man  den  Zorn  als  Leidenschaft  nicht  die  Folge,  sondeni 
die  Ursache  der  mit  ihm  verbundenen,  im  Körper  stattfindenden 
Veränderungen  nennen  mnss. 

Die  Ansicht  vom  Geiste  leitet  den  Hrn.  Verf.  zu  seinem  phre» 
nologischen  Systeme  hinüber,  das  er,  wie  in  allen  seinen  Scbrifteo, 
so  auch  hier  als  den  Ausgangspunkt  für  alle  und  jede  erfolgreiche 
Thätigkeit  in  der  Wissenschaft  und  im  Leben  betrachtet.  Er  defi- 
nirt  den  Geist  S.  40  ^als  ein  Aggregat  (sie)  individueller  Kräfle 
der  Empfindung,  des  Gefühls,   der  Wahrnehmong  und  des  UrÜiei]% 


Combe:    Die  Wiiteofcbaft  u.  g.  w.  909 

dereo  jede  für  ihre  Tbätigkeit  in  dieser  Weit  von  der  Grösse  und 
Beschaffenheit  eines  besondern  Gehirntheiles.  abhSngt.^  Er  fügt  hinsu, 
dass  Jede  (dieser  individuellen  Kräfte)  in  bestimmten  Verhältnissen 
SU  den  andern  stehe,  und  dass  jede,  stark  oder  schwach,  gesund 
oder  krank,  ausgebildet  oder  nnausgebildet,  in  demselben  Individuum 
bestehen  kann.^  Es  lässt  sich  gewiss  nicht  bestreiten,  dass  der 
Mensehengeist  aus  verscbiedenen  Fähigkeiten  oder  Anlagen  besteht, 
dass  diese  mit  den  Thätigkeiten  des  Hirnes  ausammenhängen ,  und 
in  ihrer  Entwickelung  gewissen  Hauptpartien  des  Gehirnes,  z.  6. 
der  Basis  und  den  hintern,  mittlem  oder  vordem  Tfaeileu  der  Hirn- 
masse  entsprechen.  Allein  dadurch  sind  wir  nicht  au  dem  Schlüsse 
berechtigt,  den  Geist  au  einem  blossen  Aggregate  dieser  Anlagen  oder 
Fähigkeiten  zu  maeiien.  Dasselbe,  was  wir  am  lebendigen  Körper 
des  Menschen  auffinden,  dass  er  ein  Organismus  und  kein  Aggregat 
yon  Theilen  ist,  finden  wir  auch  am  Geiste.  Er  ist  ein  Organis* 
mos  von  Fähigkeiten  oder  Anlagen  und  kein  Aggregat.  Dadurch, 
dass  wir  die  Summe  der  einzelnen,  von  uns  aufgefundenen  Fähige 
keiten  des  Geistes  zusammenzählen,  haben  wir  noch  lange  den  Geist 
selbst  in  seinem  An  und  für  sich  sein  nicht.  Denn  allen  diesen 
einzelnen  Fähigkeiten  oder  Anlagen  liegt  eine  von  ihnen  verschie- 
dene, organische  Einheit,  das  Ich  oder  das  Bewusstsein  der  freien 
li^selpersönlichkeit  zu  Grunde,  welches  ein  anderes  ist,  als  jede 
dieser  sogea^nten  individuellen  Kräfte,  deren  Summe  nach  dem 
Hrn.  Verf.  deki  Geist  ausmachen  soll.  Derselbe  nimmt  auf  der  durch 
Spurzheim  erweiterten  Grundlage  der  Gall'schen  Schädellehre 
Dach  dem  gegenwärtigen  Standpunkte  der  anglo- amerikanischen  Phre- 
nologie 10  Triebe,  12  Arten  von  GefühleUi  J2  Arten  von  Erkennt- 
nissvermögen  und  2  Arten  von  Denkvermögen  an.  Die  erste  Frage 
Jet  nun  weiter,  ob  diese  von  ihm  angenommenen  Anlagen  wirklich 
Grundanlagen  des  menschlichen  Geistes  seien.  Referent  hat  dieses 
schon  in  seinem  Lehrbuche  der  Psychologie  bezweifelt.  So  können  wir 
anmöglich  Bekämpfungs-  und  Zerstörungstrieb,  Gegen- 
aftands-  und  Thatsachen-,  Gestalt*  und  Grössen-Zeit- 
und  Zahlensinn,  Fröhlichkeit  und  Hoffnung  u.  s.  w.,  als 
Ton  einander  getrennte,  an  sich  in  der  ursprünglichen  Anlage,  wie  der 
Hr.  Verf.  will,  verschiedene  Grundvermögen  des  Geistes  nachweisen. 
Denn  sicher  stammen  die  Triebe  der  Bekämpfung  und  Zerstörung  aus 
einer  vereinigten  Quelle,  wie  die  Sinne  des  Gegenstandes  und  der  That-> 
Sache,  der  Gestalt  und  Grösse,  der  Zeit  und  Zahl,  der  Fröhlichkeit 
nnd  der  Hoffnung.  Wie  kann  man  nun  in  verschiedenen  Hirnthei- 
ien  getrennt  nachweisen,  was  seinem  Wesen  nach  nicht  anders,  als 
in  einem  und  demselben  Geistesvermögen  vereinigt  gedacht  wer- 
den kann? 

Der  Hr.  Verf.  geht  in  sehiem  Systeme  der  Phrenologie,  dessen 
Omndprincip  er  auf  das  vorliegende  Werk  anwenden  wiU|  noch 
einen  Schritt  weiter,  indem  die  Grösse  jeder  dieser  individuellen  Gel- 
ateskräfte  von  der  Grösse  des  HimtheileS|  in  welchem  die  Kraft 


910  CoHbe:    Di»  Wiuetiteh«ft  v.  •.  w. 

iilren  Site  bat,  abhängen  soJl,  vorausgMeUt,  daaa  alle  sonetigeQ  ist- 
nern  und  äaasera  Bedingungen  vorhanden  sind,  die  cur  Entwickinng 
emee  gesunden,  normalen  Lebens  als  nölbig  betrachtet  werden. 
Offenbar  kommt  es  aber  bei  einem  Organe,  welches,  wie  das  Hirn,  mehr 
die  Natur  einer  Druse,  als  eines  Muskels  bat,  nicht  allein  «af  die 
Gkösse,  sondern  und  awar  vorzugsweise  auf  die  an  keinem  Seli&del 
absotastende,  durch  kein  Werkzeug  su  untersuchende,  lanere  Be- 
schaffenheit oder  Kraft  des  einseinen  Hirntheiles  an.  Weil  Goaibe 
zugleich  auch  der  Kranioskopie  huldigt,  will  er  die  Vermögen 
und  Anlagen  auf  der  Oberfläche  des  Schädels  nachweisen.  Sie  bil- 
den auf  derselben,  wenn  sie  stark  entwickelt  sind,  eine  erhabene, 
wenn  sie  nur  eine  mangelhafte  Ausbildung  haben,  eine  abgeplattete 
oder  vertiefte  Stelle.  Abgesehen  davon,  dass  nur  die  Quantität, 
nicht  aber  die  Qualität  der  Uirntheile  sich  auf  der  Knocbeoplalte 
ausdrücken  kann,  und  dass  es  bei  der  Entwiekelung  eines  Himtkeib 
durchaus  nicht  nur  auf  die  Quantität,  sondern  auch  undswar  ganz  vor- 
aüglich  auf  die  Qualität  desselben  ankommt,  zeigt  die  Physiologie, 
dass  viel  mehr,  als  die  auf  der  Oberfläche  der  Himmasse  vor- 
handenen Theile,  die  inneren  und  auf  der  Basis  ruhenden,  also  m 
ihrer  Eut Wickelung  auf  der  Knochenplatte  des  Schädels  nieht  es- 
kennbaren  Hirnorgane  mit  den  Richtungen  der  Oeistesthättgkeit  aor 
sammenbängen.  Auch  ist  man  von  der  Bildung  der  Scb&delkao*' 
chen  auf  die  Bildung  der  ihnen  entsprechen  sollenden  Hirathale 
nicht  zu*  schliessen  berechtigt.  Die  Schädelknochen-Bildimg  hingt 
nämlieh  nicht  allein  vom  Gehirne,  sondern  auch  von  ganz  andern  Ex- 
scheinungen  ab.  Einmal  haben  die  sich  aui  der  Fläche  des  Schädels 
ansetzenden  Muskeln  Einfluss.  Dieser  Umstand  ist  beeondera  b« 
Tfaieren  wichtig,  deren  Schädel  hinsichtlich  der  Erkenntniss  der  Gei- 
stesorgane die  Phrenologen  mit  den  Menschenschädeln  vergleichen 
wollen.  Dann  theilt  sich  das  untere  Stirnbein  in  zwei  Platten,  die  Tordeie 
und  hintere.  Zwischen  ihnen  befinden  sich,  die  Stirnhöhlen.  Diese 
geben  nun  je  nach  ihrer  Grösse  dem  Knochenkopfe  eine  eigenthfim- 
Uchö  Gestalt,  die  man  nicht  mit  der  Phrenologie  auf  das  GehiiB, 
sondern  auf  die  eigenthümliche  Entwickelung  des  untern  SiirnbeiDS 
zu  setzen  hat.  Auch  Krankheiten  der  Knochen  veranlassen  Erha- 
benheiten und  Vertiefungen  auf  der  Schädelplatte,  welche  den  Ge- 
hirnerhabenheiten und  Gehirnvertiefungen  nicht  entsprechen.  Die 
frühere  oder  spätere  Verwachsung  der  Knochennäthe  bedingt  suden 
eine  eigenthümliche  Knochenbildung  des  Schädels,  die  nicht  auf 
Rechnung  des  Gehirnes  kommen  kann.  Das  Gehirn  kann  in  ein> 
zelnen  Theilon  mehr  oder  minder  geschwunden  sein,  und  der  Kao- 
chenkopf  dauert  fort.  Man  beurtbeilt  in  diesem  Falle  das  Gehirn 
gewiss  falsch  nach  der  Entwickelung  des  Schädels.  Die  Kreiae  (giri) 
und  Furchen  (sulci)  auf  der  Oberfläche  der  Hitnmasse  sind  weder 
regelmässig,  noch  zeigen  sie  bei  der  Beobachtung  die  von  den  Phre- 
nologen angenommene  Abgränzung  der  Geistesvermögen.  DagOjgeD 
finden  sich  im  Innern  der  Hirnmasse  regelmässig  gegea  einander  ah- 


CoHb«:    Die  WineniclMift  o.  •.  w.  911 

^efrSncte  Uimorgane,  die  sieh  auf  der  SchädelpUtte  nicht  offenba- 
ren können.  Man  könnte  beinahe  zu  glauben  Tenncht  werden,  die 
Phrenologie  verlege  nur  deshalb  den  Sitz  der  Qeistesvermögen  auf 
die  Theiie  der  Hirpoberfläche,  damit  sie  dieselben  sodann  auf  der 
sieh  nm  die  Himmasse  ziehenden  SchSdelmasse  nachweisen  könne. 
Die  Erhabenheiten  und  Vertiefungen  des  Schädels  und  der  Hirn- 
masse entsprechen  sich  in  vielen  Fällen  nicht.  Die  meisten  Hirn- 
Organe,  welche  nach  der  Phrenologie  Sitze  von  verschiedenen  Geistes- 
anlagen sind ,  sind  doppelt  auf  den  beiden  Hirnhälften  vorhanden, 
8«  der  Geschlechtstrieb,  der  Bekämpfungs-,  Zerstörungs-,  Anhänglich- 
l;eits-,  Bau,  Verhetmlichungs-  und  Krwerbtrieb,  der  Gestalt-,  Grös- 
sen-, Farben-,  Gewicht-,  Zahlen-,  Zeit-,  Ort-,  Ton-  und  Sprachsinn, 
das  Sehlussvermögen.  Wenn  nun  eines  dieser  Himorgane  gestört 
ist,  so  ist  das  andere  noch  lange  nicht  aufgehoben,  und  es  kann 
das  eine  ohne  das  andere  verlest  werden.  Es  würde  also  das  G^* 
stesvermögen  auf  der  einen  Seite  verlest  werden,  während  es  auf 
der  andern  ganz  ungestört  bliebe,  was  undenkbar  ist  Die  Phreno* 
logie  will  femer  an  verschiedenen  äussern  Schädelstellen  verschie- 
dene Geistesvermögen  nachweisen,  während  diese,  auf  die8elt>e  An- 
lage zurückgeführt,  durchaus  keine  verschiedenen,  sondern  ganz  die- 
selben Geistesvermögen  sind.  Referent  rechnet  {lieber  Einheitstrieb 
«od  Ordnungssinn,  Bekämpfungs-  und  Zerstörungstrieb,  Gogenstands- 
md  Thatsachen-Gestalt  und  Grössen-,  Zahlen-  und  Zeitsinn,  Hoff- 
mmg,  Fröhlichkeit  n.  s.  w.  Die  Gehiratheile  liegen  auch  auf  der 
Oberfläche  über  einander,  die  untern  können  also,  wenn  sie  stark 
aasgebildet  sind,  die  obern  in  die  Höhe  drüclcen,  und  man  schiebt 
dann  auf  die  Entwickelung  der  obera  Organe,  was  den  untern  zn- 
geschrieben  werden  muss,  da  ja  zwischen  beiden  keine  Gränzlinie 
ist,  nnd  die  Theiie  der  weichen  Massen  in  einander  übergehen.  Die 
Vergleichung  der  Thier-  und  Menschenschädel  liefert  die  abenteoer- 
lidisten  ResulUte.  So  ist  das  Organ  der  Ehrfurcht  oder  Religiosität 
stark  am  Schweine,  das  Organ  des  Witzes  beim  Rindviehe,  bei  wel- 
chem letztern  an  der  Stelle  des  Witzorganes  sogar  das  Hörn  wächst, 
bedeutend  entwickelt.  So  findet  G  a  1 1  das  Organ  des  wissenschaft- 
lichen Bildungstriebes  nicht  nur  an  den  Köpfen  ausgezeichneter  Ge- 
lehrten, sondern  auch  an  den  zahmen  Schweinen,  Affen  nnd  Gän- 
sen. Aus  diesen  Gründen  ist  das  Unhaltbare  des  phrenologischen 
Princips,  von  welchem  in  der  vorstehenden  Schrift  ausgegangen  wird, 
leicht  erkennbar. 

Da  der  Hr.  Verf.  im  Gehirne  besondere  Organe  für  die  Reli- 
giosität (die  Organe  der  Wunder,  Idealität,  Ehrfurcht  und  Hoflbung) 
und  besondere  Organe  für  die  Sittlichkeit  (die  Organe  des  Wohl- 
wollens nnd  Gewissens)  annimmt;  so  will  er  hieraus  nachweisen, 
dass  der  Mensch  „von  Natur^  ein  religiöses  (S.  46—60)  und  ein 
sittliches  Wesen  (S.  60—63)  sei.  Es  wird  nun  S.  63  die  Frage 
«ofgeworfen,  ob  es  ^eine  natürliche  Richtschnur  für  moralische  ntid 
religiöse  Wahrheit  gebe.'' 


912  Combe:    Die  WiaMnscbaft  u«  •.  w. 

Der  Hr.  Verf.  sagt  8.  63:  , Wollen  wir  mit  dieser  Phrase'^ 
(Existens  einer  naturgemässen  Richtschnur  der  sittHchen  und  reli- 
giösen  Wahrheit)  ^^für  alle  religiösen  und  sittlichen  Regungen,  Ge- 
fühle und  Meinungen  einen  PrQfstein  aufstellen,  dessen  Entscheidung 
sich  alle  Menschen  zu  unterwerfen  hätten,  so  existirt  eine  solche 
Richtschnur  nicht. ^  Von  seinem  Standpunkte  ist  dies  gans  folge- 
richtig, da  ja  nach  ihm  die  religiöse  und  sittliche  EntwickeJang  bloss 
in  der  Entwickelung  einiger  abgegränster  Theile  des  Hirnbreis  Hegt. 
Hier  hört  die  Freiheit  auf,  für  deren  Wirklichkeit  gegenüber  der  Natur- 
nolhwendigkeit  sich  das  übereinstimmende  Bewusstsein  der  Vernunft 
ausspricht.  Er  will,  da  er  damit  immer  noch  nicht  die  religiösen  nnd 
sittlichen  Regungen  der  Menschennatur  läugnet,  die  j^slttliehen  und 
religiösen^  Wahrheiten  ^nach  Graden  der  Wahrscheinlickelt  ab- 
schätzen.^ Die  ^günstigste  Gebirnconstitntion'  90II  nach  ihm  die 
„Autorität^  in  Beantwortung  der  Frage  nach  der  religiösen  und 
sittlichen  Wahrheit  sein  (S.  64).  Wer  hat  aber  darüber  zu  entschei- 
den, welche  ^Gehirncoustitution^  in  diesen  Dingen  die  ngänstigste^ 
sei?  Die  Menschen,  meint  er,  werden  den  Ansichten  einer  solches, 
in  religiösen  Dingen  günstigen  Gehiriiconstitution  ^in  dem  Maasse 
huldigen,  wie  die  Beschaffenheit  ihres  eigenen  Gehirnes,  die  Aasbil- 
dung ihrer  eigenen  Fähigkeiten  und  die  Tragweite  ihrer  Beobach- 
tungen sie- jenem  Standpunkte  näher  bringt.^  „Verbessere  man  da- 
rum, fährt  derselbe  S.  65  fort,  die  Quellen,  aus  denen  Sittlichkeit 
und  Religion  entspringen,  und  diese  Wahrheiten  werden  fortgeaetit 
zuströmen,  so  wie  die  Menschheit  in  gleichem  Maasse  sich  der  Ein- 
tracht nähern  wird.^  Referent  glaubt,  dass  ein  ungünstig  orga- 
nisirtes  Gehirn  immer  ein  anderes,  als  ein  günstig  organisirtes  bleibt, 
und  dass  es  eine  Unmöglichkeit  sein  wird,  ein  schlecht  organisirtes 
Gehirn  in  ein  gut  organisirtes  zu  yerwandeln.  Da  die  Quellen  der 
sittlichen  und  religiösen  Wahrheiten  nach  dem  Hrn.  Verf.  die  Him- 
organe  sind,  so  lassen  sie  sich  nicht  verbessern,  weil  bei  allem  Stre- 
ben nach  Verbesserung  die  uns  angebornen  Hirnorgane  immer  die- 
selben bleiben. 

Die  Befähigung  des  Menschen,  „die  letzten  Elemente  nnd  das 
Wesen  der  äussern  Welt  zu  entdecken^,  wird  nach  dem  Tierten 
Kapitel  (Hauptstücke)  von  der  Ausbildung  gewisser  Organe  des 
menschlichen  Gehirnes  abgeleitet  (S.  68 — 89). 

(Schiuss  folgt) 


II.  Sa.  UEIDELBERGGB  1K7. 

JAHRBOCHEB  DBB  LITBBATOB 

■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■■^■^^■■■■■■■■■^■iHIHHHHHHSBIHHB 

Combe:    Die  Wissenschaft  u.  s.  w. 

(SchloM.) 

Im  fünften  Hauptstücke  handelt  der  Hr.  Verf.  Ton  „Gotf 
Ihm  ist  Gott  ^das  höchste  Object,  welchem  die  religiösen  Regangen 
eines  Volltes  sich  zuwenden.''  Die  Verschiedenheit  der  Gottvorstel- 
lungen wird  nach  demselben  durch  die  Verschiedenheit  der  Bildung 
der  Hirntheile,  in  welchen  die  Vermögen  der  Wunder  und  Ehrfurcht 
ihren  Sitz  haben,  und  durch  die  Mannigfaltigkeit  der  GegenständCi 
mit  welchen  sich  das  Wunderorgan  und  das  Organ  der  Ehrfurcht 
in  ihrer  Thätigkeit  verbinden  können,  erklärt.  Ueber  die  Entstehung 
des  Gottglaubens  lesen  wir  S.  99:  ,,Die  Erscheinungen  und  Ver- 
hältnisse der  Aussenwelt  rufen  in  dem  wohlorganisirten  Gehirne  eines 
Individuums  unwillkürlich  den  Glauben  an  eine  tibernatürliche  Macht 
hervor,  und  besonders  scheinen  die  Organe  des  Wunders,  der  Ehrfurcht 
und  Idealität  mit  ihren  Beziehungen  zu  den  äusseren  Gegenständen 
denselben  zu  begünstigen.  Die  Vernunft  mag  den  Umständen,  welche 
diesen  intuitiven  Glauben  entstehen  Hessen,  nachforschen;  sie  mag 
hn  ausdehnen  und  (ihm)  Tiefe  verleihen;  aber  seine  Quelle  ist  sie 
nicht«''  Der  Hr.  Verf.  setzt  nämlich  die  von  ihm  angenommenen 
innem  Quellen  der  Religion,  Wunder,  Ehrfurcht  und  Idealität  unter 
die  Kategorie  der  Gefühle.  Immer  aber  bleiben  diese  von  ihm  an- 
genommenen Quellen  nur  die  niedern  Quellen  für  die  sinnliche  Auf- 
fassung der  Religion.  Wir  gewinnen  damit  aber  nie  diejenige  Quelle, 
durch  welche  die  Religion  mit  der  Philosophie  auf  denselben  Ursprung 
zurückzuführen  ist,  und  ohne  welche  nie  von  einer  richtigen  Gott- 
verehrung gesprochen  werden  kantf,  die  Vernunft. 

Die  englische  Literatur  hat  bekanntlich  seit  Paleys  natural  theo^ 
logy  die  rationelle  Begründung  der  Religion  und  Theologie  durch 
eine  physikotheologische  oder  physikoteleologische  Richtung  vorzu* 
nehmen  versucht.  Man  will  aus  der  vernünftigen  und  zweckmässi- 
gen Einrichtung  der  ganzen  Natur,  der  Himmelskörper,  des  Erdkör- 
pert  und  aller  seiner  unorganischen  und  organischen  Producte  und 
der  Theile  und  Organe  derselben  im  Innern  und  Aeussem  die  gött- 
liche Weltregierung,  die  Annahme  eines  allena  Einzelnen  zu  Grunde 
liegenden  unendlichen,  göttlichen  Lebens  nachweisen.  Diesen  Weg 
schlägt  nun  auch  der  Hr.  Verf.  im  sechsten  Hauptstücke  ein,  in 
welchem  er  die  göttliche  Institution  (Einrichtung)  in  der  physischen 
(körperlichen)  und  in  der  intellectuellen  (geistigen)  Welt  nachzu- 
weisen bemüht  ist  Die  geistige  Weltordnung  wird  aus  der  Ursprung-- 
L.  Jahrg.  13.  Heft.  68 


'914  Combe:    Die  Wissenschaft  u.  s.  w. 

liehen,  tod  Gott  aasgehenden,  elgenthOmlichen  Organisaiion  dei 
menscblichen  Oehfrne  und  aller  ihrer  einzelnen  Lebenswerkxenge 
abgeleitet.  Er  sucht  dieses  nicht  nur  in  den  menschlichen  Ein- 
xelnheiten,  sondern  in  den  Völkern  und  MenschenstSmmen  tu  iei- 
gen.  Zu  diesem  Zwecl^e  gibt  er  im  siebenten  Hanptstack« 
jydie  göttliche  Regieruhg  der  Nationen.^  Das  achte  Ebtoptstilck 
stellt  nun  die  Welt  als  eine  ^»göttliche  Institation''  (Einrichtung)  dtf, 
und  das  neunte  knöpft  daran  die  daraus  hervorgehenden  «prak* 
tischen  Betrachtungen.^  Hier  wird  nämlich  die  Frage  auf- 
geworfen: Wie  sollen  wir  handeln,  wenn  diese  Welt  eine  Instifto- 
tion  ITgöttliche  Einrichtung)  ist?  (8.  262).  Er  meint,  dass  wir  in 
der  Hand  der  Naturwissenschaft  die  Süssere  und  innere  EinrictitQog 
aller  Dinge  und  die  ^ Adaptation^  (Anpassung)  der  AdBsenwelt  bb 
die  Einrichtung  des  sie  erkennenden  und  auf  sie  wirkenden  Heu- 
schengeistes  genau  kennen  lernen  und  alle  uns  vermöge  unserer 
Hirnorgane  erreichbaren  günstigen  Zustände  dadurch  gewinnen  sei- 
len, dass  wir  uns  zu  dem  ausbilden,  wozu  wir  Anlage  haben,  A«e 
Anlagen  möglichst  wecken,  in  Harmonie  bringen,  und  das  in  des 
Anlagen  liegende  Ungfinstfge  vermeiden.  Wenn  wir  wisaen,  wni 
unser  Hirn  da  ist,  wozu  die  Dinge  da  sind ,  werden  wir  nadi  der 
Erkenntniss  dieser  Einrichtung,  die  der  Hr.  Verf.  die  „göttliche  WA- 
regierung^  nennt,  nach  seinem  Dafürhalten  unsere  ZüstSnde  gewiss 
verbessern.  Viel  Beherzigungswertbes  und  Wahres  ist  in  ditteo 
Werke  über  ^ie  Art  mitgetheilt,  wie  wir  durch  eine  getiatne  Ktiuit- 

*  niss.  der  natürlichen  Einrichtung  der  Welt  unseren  ei^etten'ntid''da 
Volkes  Zuständen  eine  bessere  Entwickeludg  veirschaffen.  *%p"iMi- 
nen  die  Prediger  der  verschiedensten   fiekenninidse  hädfige  'Khlhk- 

' holten,  Tod,  Leiden  aller  Art  Strafen  Gottes,  anstatt, '^aaa  sie'aaf 
die  natürliche  £linrichtung  der  Dinge  hinweisen,  und  uns  dä'dlkt'eh'te 
Weg  andeuten,  woher  solche  Erscheinungen  stainimn^n,  wie  wir  sol- 
chen Uebeln  ganz  vorzubeugen,  oder  dieselben  zu  mfldem  Im  St&k 
sind.  So  werden  unberechenbare  Summen  zur  UnterstCitating  V« 
Armuth  und  Elend,  zur  Förderung  religiöser  Zwecke  verwendet,  vxi 
dadurch  dennoch  weder  der  Armuth  gesteuert,  noch  mehr  Prürnkbif' 
keit  befördert,  weil  uns  die  Kenntniss  der  äatürlith^n  EiiMchtinf 
der  Dinge  oder  j,der  göttlichen  Weltregierung«*  fehlt,  duhjh  wdefcs 
wir  in  die  Lage  gesetzt  würden,  das  Geld  wahrhaft  nützlich  zu  w- 
wenden,  und  der  Armuth  nicht  nur  vorübergehend  zu' helfen,  IM»- 
dern  ihr  Uebel  in  der  Wurzel  zu  heilen,  wahre,  vernünftige  Gott- 
andacht unter  den 'Menschen  zu  verbreiten,  und  Jedes  Voro3rtt4 
das  sich  unter  der  Maske  der  Religiosität  verbreitet,  in  der  G^biiit 
zu  erstict:en.  Zum  Belege  dafür  werden  von  denisieSlben'  wM^ 
statistische  Notizen  aus  neuern  englischen  Werken'  Äi^gtf^it.  ''Am 
seines  Bruders,  des  Dr.  Andrew  Combe  physiölogy' ä^ed  t* 
health  aud  education  (14.  Ausgabe),  S.  207  führt'der  HnYfeiCdfe 
Thatsache  an,  dass  in 'den  Arbeitshäusern  Londo'ns'^hdtfa  ^at'tltn 
100  Jahren  von  2800  aufgenommenen  EUidertit ''der 'Airäeil^Jli^ 


Combe:    Die  Wisienschaft  n.  f .  w.  915 

»iD  Folge  der  aqgesnoden  Luft,  Ue|)erfalIoDg  der  BSnme  ond  Man- 
gel an  gesunder  Kahrung^  2690  starben.   Seitdem  Dach  einer  Ver- 
ordnung des  Parlaments  diese  Kinder  auf  dem  Lande  erzogen  wer« 
,den,  und  die  Gemeindevorsteher   dafür   su   sorgen  haben,   fiel  die 
Sterblichkeit  auf '450   Fälle  herab,   und   ergab  also  eine  jShrliehe 
Verminderung  von  2240  Fällen  (S.  171).     Sterfoeregister  beweisen, 
jjass  da,  wo  ^Litelligenx,  Moralijtät,   Industrie,   Reinlichkeit  und  sfe- 
/egelte  Gewohnbeiten  einer  Gemeinde  eine  ernstliche  Verbesserang: 
erfuhren^,  (S.  134}  auch  die  Lebensdauer  der  Individuen  zugenom- 
men hat.     Im  Jahre  1786   fand   unter   42  Einwohnern  in  England 
und  Wales  ein  Todesfall  ^tatt     Bis   1H44  starb   in  sieben   Jahren 
von   46  Personen   und   im  Jahre    1854  von   43  eine  ^erson.^    Na- 
mentlich haben  „verbesserte  Gewohnheiten   und  Zustände  des  Vol- 
kes*^ und  „Verbesserungen  in  der  Hebammenkunst^  auf  (sine  merk- 
lieh bessere  Wendung  in   der   Sterblichkeit   der  Mütter  in   neuerer 
Zeit  Einfluss.     So  starben  in  zwanzig  Jahren  bis   zum  Jahre  1680 
ans  44  Entbindungen,  bis  1700  aus  56,  bis  1720  aus  6d,  bis  1740 
aus  71,  bis  1760  aus  77,  bis  1780  aus  82,  bis  1800  aus  110,  bis 
1820  aus  107  eine  Wöchnerin  (S.  135).    Eine  Sterbeliste  für  Edin- 
burg  und  Leith  stellt  heraus,   dass   von   der  Klasse   der  Gentry 
und  der  Beamten  die  Lebensdauer  durchschni(;tlich  43 y2  Jahre,  von 
der  Klasse  der  Kaufleute,  Schreiber  und  Werkmeister  Bßy^  J^^^j 
von  der  Klasse  der  Handwerker,  Arbeiter,  Dienstboten  2iy^  Jahre 
beträgt    Man  findet  also  in  der  Klasse  der  untern  Stände  eine  weit 
grössere  Sterblichkeit,  die  nicht  in  Goftes  Weltregierung  liegt,  oder, 
.wie  mandie  Prediger  ^gen,  zur  Strafe  der  Sünde  von  Gott  so'  ge- 
.  wollt  wird,  sondern  welche  durch  gei^ue  Kenntniss  unfl  Verwirk- 
lichung derjenigen  Bedingungen,   von  welchen  die  grössere  Sterb* 
Jlchkeit  abhängt,  leicht  beseitigt  werden  l(ann.    Die  Register  der 
Woibnungsverbesserungs-Geseilschaft  in  London  (society  för  the  im- 
.  .provement  of  the  dwellings  of  the  labouring)  lieferte  die  schlagend- 
,ateD  Beweise  in  dieser  Hinsicht  (S.  144  und  145).     Für  die  Ver- 
brechen in  einem  Volke  findet  sich,  wepn  die  Zustände  und  Gewohn- 
heiten dieselben  bleiben,  eine  gewisse  durchschnittliche  Summe,  welche 
sich  beinahe  immer  ganz  gleich  bleibt     Ans  einer  genauen,  S.  148 
und  149  mltgetheilten  Tabelle  geht  hervor,   dass   im   Jahre  1826 
von  100  Angeklagten  62,  vpn  1827— >1829  einschliesslich  von  100 
Angeklagten  jährlich  61  verurtheilt  wurden,  so,  dass  man  mit  Wahr- 
scheinlichkeit im    folgenden   Jahre   eine   ähnliche   Anzahl   erwarten 
konnte.    Durch  eine  genaue  Erkenntniss  der  natürlichen  Einrichtung 
4er  Dinge  müsssten  Zustände  herbeigeführt  werden  können,   durch 
.ifjolche  sich  die  Anzahl  der  Verbrechen   und  die  Fttlle  der  Verur- 
tfieUung  vermindern  Hessen.    Es  ist  allgemein  anerkannt,   dass   die 
WoUtMUgkeit  spl^ädliche  \ind  segensreidie  Folgen  liaben  kann.  Der 
(Hr.  Verf.  weist  S.  173  nach,  dass  es  in  London  4^1  wohHhätige 
,Aii#i^AUen  gibt,   und  dass  ihr  jährliches  Einkommen  nicht  wenfger, 
ala  die  Si^mme  Ton  1,765,000  Pfund  Sterling  betirängt.    Von  diSsser 


916  Combe:    Die  Wistenschtft  n.  «.  w. 

Summe  fallen  742,000  Pfund  auf  Stiftungen,  1,023,000  auf  Bei- 
träge. Auch  in  andern  Städten  und  Distrikten  Englands  steht  mia 
in  der  Wohithätigkeit  nicht  hinter  London  zurück.  Der  Hr.  Verf. 
glaubt,  dass  „dieee  Mittel  völlig  hinreichend  wären,  um  all  das  Elend, 
welches  der  Natur  gemäss  existiren  sollte  und  würde,  in  London  m 
beseitigen.*^  Dennoch  bemerkt  man  trots  aller  dieser  Maassregeln  kdne 
Ausrottung  der  Armuth  und  ihrer  Leiden.  Gerade  in  grossen  Städten, 
wo  am  meisten  geschieht,  die  Armuth  zu  verhindern,  herrscht  sie 
am  meisten.  Es  ist  eine  „Verschwendung  des  Wohlthuns'^,  welche 
durch  ,1  verkehrte  Anstalten^  ^^mehr  Elend  hervorruft,  als  besehwidi- 
tigt^  (S.  174).  Unterricht  der  Jugend  über  die  Einrichtungen  der 
Natur,  ihre  Zwecke,  die  Art,  wie  dieselben  zu  verwirklichen  sind, 
Unterstützung  nur  derjenigen,  welchen  körperliches  und  geistiges 
Leiden  die  Arbeit  unmöglich  macht,  Harmonie  der  öffentlichen  An- 
stalten hinsichtlich  Ihrer  Einrichtung  mit  der  Ordnung  der  Natur 
werden  heilsam  wirken.  Man  verschleudert  die  Unterstützangsgel- 
der,  weil  man  weder  die  Gebote  der  Physiologie  noch  der  Staats- 
Ökonomie  kennt.  Natürlich  legt  der  Hr.  Verf.  bei  der  Verbessenng 
aller  Uebelstände  nach  seinem  Systeme  ein  besonderes  Gewicht  auf 
die  stärkere  oder  mangelhaftere  Entwickelung  der  einzelnen  Gehirn- 
theile,  welche  die  Repräsentanten  der  verschiedenen  Geistesvennlh 
gen  des  Menschen  sind.  „Napoleon  Buonaparte,  sagt  der- 
selbe S.  154,  stieg  vermittelst  eines  grossen  und  thätigen  GehiriMi 
aus  dem  Privatleben  zu  dem  Beherrscher  eines  Reiches  empor.* 
^Louis  Philipp,  fährt  derselbe  fort,  hatte  ein  schlecht  baian^- 
tes  (sie),  theilweise  sogar  mangelhaftes  (?)  Gehirn,  und  er  wurde 
von  dem  Throne  gestürzt.^  Gewiss  haben  in  der  Zeit  der  erstei 
französischen  Revolution  noch  andere  Männer  ein  gleich  grosses  qdI 
thätiges  Gehirn,  wie  Napoleon,  gehabt,  und  doch  erreichten  sie 
dieses  Ziel  nicht,  und,  wenn  sein  Steigen  nur  von  diesem  GreUSroe 
abhing,  wurde  sein  Gehirn  ein  anderes,  als  er  seinen  Thron  ver- 
lor, hörte  es  desshalb  auf,  ein  grosses  und  thätiges  zu  sein? 
Nach  der  Handlungs- und  Denkweise  und  dem  Bildungsgrade  Louil 
Philipps  wird  man  sein  Gehirn  kein  mangelhaftes  nennen  könncBi 
Es  ist  den  Fhrenologen  leicht,  im  Gehirne  bekannte  Ursachen  u 
zeigen,  w^n  ihnen  die  Wirkungen  schon  im  Voraus  bekannt  sind. 
Schwerlich  würde  ein  Phrenologe  Napoleon  das  Besteigen  d« 
Herrscherthrones  und  Louis  Philipp  den  Sturz  von  demselbei 
aus  dem  Schädel  geweissagt  haben. 

Besonders  wichtig  ist  der  Abschnitt,  welcher  S.  301  ff.  die  Fol- 
gen enthält,  die. aus  den  „herrschenden  religiösen  Dog* 
men  erwachsen  sind.^  Die  Christen  zerfallen,  wie  er  dasdM 
auseinandersetzt,  in  verschiedene  Secten,  von  denen  jede  ^^ihre  eige- 
nen Ansichten  als  Basis  der  wahren  Religion  Christi  ausgibt',  wäh- 
rend sie  „die  Lehren  der  übrigen  Secten  als  dem  Seelenheil  geSbr- 
liehe  Irrthümer^  bezeichnet.  Die  orthodoxen  Protestanten  s.  B.  nen- 
nen die  ^»Lehren  des  römisch-katholischen  Glaubens*  (S.301)  ,fs* 


Combe:    Die  Wifienichaft  n.  i*  w.  917 

iihrlicha  Lrrihfimer^;  aber  auch  die  j,ünitaridr^  werden  von  ihnen 
als  j9 Ungläubige^  bezeichnet.  Indessen  sagt  John  Wesling  von 
der  Gnaden  wähl  des  orthodoxen  Kalvinismus :  «Die  Erwählten  sollen 
gerettet  werden,  sie  mögen  tbnn,  was  sie  wollen,  die  Yerstossenen 
sollen  verdammt  sein,  mögen  sie  than,  was  sie  können.  Das  ist 
der  Glaubenssatz  des  Kalvinismus,  der  wahrlich  mehr  den  Namen 
Diabolismus  verdient ;  denn  der  elendeste  und  blutigste  Götzendienst, 
der  je  die  Erde  befleckte,  enthält  nichts  so  Schreckliches,  so  Unge- 
heaerliches  und  Gottloses,  wie  dies  ist^  (S.  301).  Der  Hr.  Verf. 
stellt  nun  den  dogmatischen  Auffassungen  des  Orthoduxismns  seine 
eigenen,  auf  die  Sätze  der  Vernunftreligion  gestützten  Ansichten 
entgegen,  um  zu  zeigen,  dass  diese  mit  den  Forderungen  der  wah- 
ren Sittlichkeit  der  Menschennatur  im  Einklänge  stehen,  er  weist 
8.  325ff.  den  Unterschied  zwischen  Ueberzeugung  und  Glau- 
ben nach,  und  erwartet  von  der  Religion  nur  dann  wahres  Heil 
fOr  den  Einzelnen  nnd  alle  socialen  Zustände,  wenn  sie  durch  Läu^ 
terung  und  Prüfung  vermittelst  der  in  der  Menschennatur  liegenden 
religiösen  Elemente  und  der  Vernunft  Sache  der  wahren  Ueberzeu- 
gung wird.  Tritt  der  Hr.  Verf.  auch  mit  Entschiedenheit  gegen 
die  verschiedenen  orthodoxen  Formen  der  Religion  auf;  so  spricht 
er  doch  seine  von  diesen  abweichende  natürliche  oder  vernünftige 
Auffassung  der  religiösen  Elemente  der  Menschennatur  mit  Dnidung 
gegen  Andersdenkende  aus.  Er  sagt  nämlich  hinsichtlich  derjenigen 
^Gläubigen^,  die  „für  jeden  Zweifel,  den  man  gegen  ihre  Ueber- 
zeugungen  äussert,  so  empfindlich  sind,  als  gelte  es  einen  Angriff 
auf  ihr  Leben^,  und  die  „nicht  stark  von  Geist  und  über  das  mitt- 
lere Lebensalter  hinaus,  hinsichtlich  dieser  Gefühls-  und  Denkweise 
nur  dem  Gesetze  der  Natur  gehorchen^  (S.  348):  „Sollten  etwa 
einem  solchen  Leser  diese  Blätter  in  die  Hände  fallen,  so  thäte  es 
mir  wirklich  leid,  vielleicht  seine  Ruhe  zu  stören.  Ich  möchte  ihn 
Im  Gegentheile  auf  das  Beispiel  von  Rammohun  Roy's  Mutter 
verweisen,  und  ihn  selbst  ermuthigen,  fest  an  dem  Glauben  zu  hal- 
ten, welcher  ihm  Stütze  und  Trost  ist.^  Rammohun  Roy  war 
ein  Hindu,  der  den  indischen  Aberglauben  des  Brahmanenthums 
verwarf,  und  sich  mit  Entschiedenheit  für  die  in  dem  Christenthume 
Hegenden,  vernünftig-religiösen  und  sittlichen  Wahrheiten  aussprach. 
Er  gab  den  Vedant,  Schlüssel  der  Vedas  und  einzelne  Stücke  der 
Vedas  in  bengalischer  und  englischer  Sprache  im  Jahre  1816  heraus, 
und  machte  ganz  offen  und  vorurtheilslos  darüber  seine  eigene  Ueber- 
zeugung bekannt.  Natürlich  war  er  seinen  rechtgläubigen  Landes- 
leuten ein  Greuel.  Seine  Mutter  blieb  der  rechtgläubigen  Hindu- 
lehre zugethan,  und  hierauf  bezieht  sich,  was  der  Hr.  Verf.  oben 
von  ihr  anführt.  „Obgleich  diese  Frau,  fährt  derselbe  S.  348  wei- 
ter fort,  von  der  Wahrheit  der  christlichen  Lehre  überzeugt  war, 
so  konnte  sie  sich  doch  nicht  entschliessen,  ihre  heidnischen  Gebräu- 
che aufzugeben.  Rammohun,  sagte  sie  zu  ihrem  Sohne,  als  sie 
sich  zu  ihrer   letzten  Pilgerschaft  zum  Tempel  des  Juggernaut 


018  Combe:    Die  Wiiseiiflchftfl  a.  t.  w. 

rOstete,  da  b«st  Recht;  aber  ich  bin  ein  schwaches  WeSb  nnd  sa 
alt.  um  Gebräache  aafsugeben,  In  denen  ein  Trost  für  mich  Hegt* 
„tfnd  sie  hielt  mit  der  aufopferndsten  Hingebung  daran  fest  Sie 
litt  nicht,  dass  eine  Magd  sie  begleite,  oder  irgend  eine  andere 
Vorkehrung  sur  Erleichterung  Ihrer  Reise  getroffen  wurde,  nnd,  am 
Ziele  angekommen,  bescbSftigte  sie  sich  mit  der  Fegung  des  Götzen- 
tempels. Sie  yerlebte  dort  den  Rest  ihrer  Tage,  und  starb  etwa 
nach  Jahresfrist  In  fthnlicher  Weise  beruft  sich  der  Hr.  Verf.,  dem 
der  religlGse  Glaube  Anderer,  sobald  er  ein  ungehenchelter  genannt 
werden  muss,  heilig  ist,  auf  einen  berühmten  Reformator  des  16.  Jahr- 
hunderts. «Als  Helanchthon  einst  seine  alte  Mutter  besuchte, 
und  diese  ihn  frug:  Was  soll  Ich  eigentlich  glauben  Inmitten  der 
yieleo  jetst  herrschenden  MeinungsverBcbiedenheiten  ?  antwortete  er: 
Glaube  nnd  bete,  wie  du  es  seither  gethan  hast,  und  lass  dich  nidit 
stSren  von  dem  Zank  nnd  Streit  unserer  Tage.^ 

So  ist  der  Gedanke  des  ganzen  Buches,  dass  „ein  göttli- 
ches Regiment  in  der  Natur  erkennbar  sei'  (S.  357). 
Die  Naturwissenschaft  soll  uns  diese  Einrichtung  der  Natur  kennen 
lehren,  und  ein  Hauptthell  derselben,  von  dessen  Principlen  der  Hr. 
Verf.  in  allen  seinen  Untersuchungen  ausgeht,  die  Phrenologie  soll 
diese  göttliche  Regierung  im  Baue  der  Hirnorgane  zur  Entwickelung 
der  in  ihnen  liegenden  verschiedenen  Geistes-  und  Gemüthsanlagen 
und  in  der  Anbequemung  aller  äussern  Einwirkungen  zur  Entwicke- 
lung dieser  Lebenswerkzeuge  darthun.  Was  der  Hr.  Verf.  fiber  die 
verschiedenen  Anlagen  des  Menschengeistes,  über  die  Leitung  der- 
selben, über  die  vernünftige  und  zweckgemSsse  Anbequemung  aller 
Umgebungen  an  die  Entwickelung  dieser  verschiedenen  Geisteaver- 
mögeut  ^^^^  Privat-  und  Volkserziehung  in  politischer,  religiöser, 
wIssenschafUicher  und  sittlicher  Hinsicht  sagt,  ist  gewiss  vortrefflich, 
wenn  man  von  seinen  phrenologlschen  Grundsätzen  absiebt,  nach 
welchen  er  diese  Fähigkeiten  in  kleine,  abgegränzte  Theile  verlegt, 
ihre  Grösse  nach  der  Grösse  dieser  Theile  bemisst,  und  dieselben 
auf  der  Sussem  Enochenplatte  des  Schädels  erkennen  will,  eine  An- 
sicht, welche,  da  sie  keine  philosophische,  beziehungsweise  psycho- 
logische und  eben  so  wenig  eine  medicinische  Grundlage  hat,  we- 
der, worüber  der  Hr.  Verf.  und  sein  Uebersetzer  klagen,  in  Eng- 
land, noch  in  Deutschlandi  ungeachtet  sie  von  diesem  Lande  durch 
6 all  nnd  Spnrzheim  ausging,  jemals  festen  Fuss  fassen  wird. 

▼•  Relchlln  IHeldeffc« 


Schwan:    Verfoeh  einer  Philofophie  der  Hathemttik.  910 

Versieh  einer  Philosophie  der  Mathematik,  verbunden  mit 
einer  Kritik  der  Äusstdlungen  HegeVs  über  den  Zieeck  und 
die  Natur  der  hohem  Analysis,  von  Hermann  Sehwar», 
Halle,  Druck  und  Verlag  von  H  W.  Schmidt  1858^  VI  und 
193  S.  in  8. 

In  der  Vorrede  spricht  der  Verfasser  über  das  VerhUtniss  cwi- 
achen  Philosophie  und  Mathematik  —  hemerkt  ancfa,  wes- 
halb es  das  Altertham  zo  keiner  Philosophie  der  Mathematik  ge* 
bracht  habe  •—  und  fügt  hinzu :  dass  jetzt,  besonders  durch  die  Ent- 
deckung der  höhern  Analysis,  die  allgemeine  Form  der  ma- 
thematischen Methode  gewonnen  sei  —  und  es  könne  nunmehr  ge- 
fragt werden:  ob  sie  vor  der  Philosophie  bestehen  könne?  —  Die 
Erledigung  dieser  Frage  ist  der  Zweck  seiner  vorliegenden  Schrift, 
worin  sich  der  Verf.  jedoch  eigentlich  nur  mit  dier  Philosophie  der 
höhern  Analysis  befasst  hat,  weil  er  den  höhern  Oalcul 
mit  Recht  für  den  Mittelpunkt  hält,  in  den  alle  mathematischen 
Disciplinen  zurückgehen  und  schliesslich  ihren  festesten  Rechtsboden 
finden.  —  Das  HegePsche  System  ist  die  philosophische' Grund- 
lage, worauf  sich  der  Verf.  stützt  —  und  er  bat  es  deshalb  nicht 
vermeiden  können:  eine  Kritik  der  Hegel 'sehen  Urtheile  über  das 
Wesen  und  die  Methoden  der  höhern  Analysis  zu^eich  mit  zu  ent- 
wickeln. — 

In  der  Einleitung  spricht  der  Verf.  weiter  über  die  Unsicher^ 
heit  der  Resultate  det  philosophischen  Forschung  in  Vergleich  ge- 
gen die  Sicherheit  der  mathematischen  Resultate  ~  er  sagt 
aber  wohl  etwas  zu  viel,  wenn  er  behauptet:  „dass  das,  was  in 
der  Mathematik  dargethan  ist,  für  die  Denker  aller  Zeiten  denselben 
Grad  von  Gewissheit  behauptet,  den  es  in  der  Seele  des  Erfinders 
gehabt  hat  -  dass  die  mathematische  Gewissheit  alle  Zeiten  und 
allen  Wechsel  menschlicher  Ansichten  überdauert!^  —  Denn  na- 
mentlich die  Geschichte  der  höhern  Analysis  beweist  das  directe 
Gegentheil  —  die  Ansichten  und  Meinungen  können  wohl  kaum 
in  einer  andern  Wissenschaft  manchfacher  und  schwankender,  ja 
selbst  sich  widersprechender  sein,  als  hier  —  und  überhaupt  steht 
es  mit  der  fast  sprüchwörtlich  gewordenen  Evidenz  und  Strenge 
mathematischer  Beweise  sehr  oft  nicht  besonders!  ^  Dagegen  stim- 
men wir  dem  Verf.  vollkommen  bei,  wenn  er  meint:  „dass  die  Ma- 
thematik wohl  daran  thue»  wenn  sie  sich  nicht  einer  beständig  in 
Gegensätzen  sich  bewegenden  philosophischen  Entwickelung  preis 
gibt!^  —  Leider  muss  Ref.  schon  hier  bemerken,  dass  man  diese 
Vorsicht  auch  in  Bezug  auf  die  math.  Philosophie  des  Verf.'s  nicht 
ausser  Acht  lassen  darf,  weil  sie  sich,  wie  man  sogleich  sehen  wird, 
ebenfalls  in  schroffen  Gegensätzen  bewegt!  —  Auch  lässt  es  der 
Verf.  ^selbst  dahin  gestellt  sein,  ob  eine  bestimmte  ph9osophische 
Form  der  Entwickelung  namentlich  den  höhern  Theilen  der  mathe- 
matischen Wissenschaft  besonders  förderlich  sein  mö(Ate.^  —  Die 


020  Schwan:   Venach  einer  Philosophie  der  Malhematik« 

He  gel' sehe  aaf  keinen  Fall!  —  Ferner  bebt  der  Verf.  die  Be- 
deatoog  der  Mathematik  in  Bezug  auf  die  Erkenntnisa  der  Erschei- 
nungen der  wirklichen  Welt  mit  Recht  hervor.  —  Die  Unter- 
sucbungen  des  Verf.'s  sollen  namentlich  das  Verhältniss  feststellen, 
welcbes  die  Analysis  des  Unendlichen  zu  der  logischen  Kntwicke- 
Inng  des  Quantums  einnimmt  —  und  als  Ergebnisa  wird  schon 
zum  Voraus  bemerkt :  die  vollständige  Uebereinmstimmung  zwischen 
der  höheren  Analysis  und  Hegel 's  logischen  Bestimmungen  (!).  — 
Abschnitt  1  enthält  die  logische  Entwickelung  des  Be- 
griffes der  Quantität  in  HegeTscher  Dialektik.  —  In  der 
continuir liehen  Quantität  (dem  Räume)  sind  (nach  Hegel's 
Logik  oder  Dialektik)  die  sich  anziehenden  und  abstossen- 
den  Eins  (?)  nur  noch  ideell  vorhanden  —  sie  sind  zu  blossen 
Funkten  herabgesunken,  die  inninander  überfilessen  (?),  so 
dass  jeder  Funkt  in  seinem  Aussersichkommen  (?)  in  abstrakter 
Idealität  mit  sich  selbst  bleibt  —  lediglich  sich  selbst  fortcontinuirt(?). 

—  Die  räumliche  Quantität  ist  die  Einbeis  von  Discretion  und  Con- 
tinnität,  worin  jedoch  letztere  überwiegt  und  erstere  nnr  noch  als 
aufgehobenes  Moment  enthalten  ist  (?).  Deshalb  soll  es  noth- 
wendig  sein,  zu  dem  Gedanken  einer  solchen  Quantität  fortzugehen, 
worin   auch   die   Discretion   als   reale  Wirklichkeit  gesetzt  ist 

—  und  dies  soll  die  allgemeine  unendliche  Zahlenquantität 
oder  das  discrete  Quantum  sein,  welcbes  ebenfalls  die  Einheit 
von  Continuität  und  Discretion  sein  soll  (?),  worin  sich  jedoch  die 
letztere  auf  Kosten  der  erstem  realisirt  habe,  indem  erstere  in  der 
Gleichheit  und  Identität  der  Eins  (Einheiten)  wohl  noch  angedeutet  (?), 
aber  doch  in  der  Geschiedenheit  derselben  als  gebrochen  erscheine  (!). 

—  Auch  dieser  Mangel  muss  beseitigt  werden  —  d.  h.  es  muss  zu 
einer  continuirlichen  Quantität,  welche  zugleich  discret  ist,  und  zu 
einer  discreten  Quantität,  welche  zugleich  continuirlich  ist,  fortge- 
gangen werden.  —  Dies  soll  nichts  anders  als  die  begrenzte 
Quantität  oder  das  bestimmte  Quantum  sein  —  weil  die  con- 
tinuirlicbe  Quantität  nur  dadurch,  dass  ihr  continuirlicher  Fluss  un- 
terbrochen oder  begrenzt  wird,  zu  einem  sich  auf  sich  selbst  bezie- 
henden discreten  Eins  werden  könne  —  und  weil  ferner  in  der  dis- 
creten Quantität  der  Zusammenfluss  der  discreten  Eins  illusorisch 
und  in  einen  endlosen  Frozess  hinausgerückt  werde;  so  müsse  sie, 
um  das  Moment  der  Continuität  in  Wahrheit  zu  setzen,  begrenzt, 
und  folglich  eine  endliche  Menge  ihrer  Eins  zusammengefasst  wer- 
den (I).  —  Diese  Dialektik  soll  nun  so  mit  Nothwendigkeit  (?)  auf 
den  Begriff  der  begrenzten  Quantität  —  des  bestimmten 
Quantums  führen  —  so  dass  letzteres  der  zur  Auflösung  gekom- 
mene Widerspruch  von  Continuität  und  Discretion  —  oder  die  ver- 
wirklichte Einheit  dieser  beiden  entgegengesetzten  Bestimmungen 
Bei  (?I).  — 

Abschnitt  2   gibt   die   Entwickelung    des   bestimmten 
Quantums,  als  dessen  niedrigste  (?)  Stufe  das  räumliche  Quan- 


Sebwan;   Verroch  einer  Philofophie  der  Mathematik.  921 

tarn  bezeichnet  wird  —  und  ganz  richtig  bemerkt  der  Verf.,  dass 
die  wisBenscfaaftllchste  (yollständigste)  Erkenntniss  desselben  erst 
durch  seine  arithmetische  (analytische)  Behandlung  er- 
langt werde.  —  Das  dfscrete  Quantum  habe  die  volle  Bestimmt- 
heit an  sich,  welche  aber  in  ihrer  starren  Ausgeprägtheit  des  conti- 
nuirlichen  Flusses  noch  zu  sehr  entbehrt  --  das  spröde,  sich  iso- 
llrende  Eins  erscheine  als  der  absolute  Gegensatz  des  verfliessen- 
den  (?)  Punktes  —  und  sei  es  deshalb  nothwendig:  ein  Zahlen* 
quantum  zu  denken,  welches  den  Fluss  eines  continuirlichen  Yer- 
laafes  in  seine  spröde  Natur  hineingenommen  hat,  was  nur  dadurch 
möglich  sein  soll,  dass  man  die  Zahl  aus  ihrer  Isolirtheit  heraus- 
reiase  und  in  einen  Fluss  versetze,  worin  sie  zum  blossen  Mo- 
mente (?)  herabsinkt  —  als  Verflussprodukt  (?)  erscheint  — 
kurz  es  muss  zu  dem  Begriffe  der  Function  fortgeschritten  wer- 
den, d.  h.  nach  dem  Verf.  zu  dem  bestimmten  Quantum,  welches 
Discretion  und  Continuität  im  vollkommensten  Gleichge- 
wichte vereinigt  —  ein  discret-continuirliches  oder  continuirlich-dls- 
cretes  Quantum  ist,  also  das  discrete  und  das  continuirliche 
Quantum  in  vollständiger  Einheit  in  sich  vereinigt,  und  mithin  auf' 
diesem  Standpunkte  der  Unterschied  zwischen  Geometrie  und  Arith- 
metik verschwindet.  —  Das  aUgemeine  Problem  der  Differential- 
rechnung soll  darin  bestehen :  aus  dem  discret-continuirlichen  Quan- 
tum die  Contiuuität  zur  Darstellung  zu  bringen  (?)  —  und  das 
der  Integralrechnung  darin:  zu  untersuchen,  wie  es  aus  einem  con- 
tinnirlicben  Flusse  heraus  sich  in  die  Discretion  hineinbewegt  (?).  — 

Mit  diesen  Angaben  soll  jedoch  das  Wesen  des  höhern  Gal- 
en Is  noch  nicht  erschöpft  sein  (es  ist  noch  nicht  einmal  im  Ent- 
ferntesten angedeutet!  — )  er  nehme  vielmehr  die  Bedeutung  eines 
Ableitungs-  oder  Erzeugungscaiculs  von  Funktionen  an 
—  worin  die  Auffassung  desselben  von  Lagrange  liege  —  welche 
schon  deshalb  berechtigt  sei:  dass  die  Resultate  der  Differentiation 
nnd  Interpretation  einer  Function  immer  selbst  wieder  Functionen 
siond  (?I).  —  Damit  hält  der  Verf.  die  allgemeine  Charakte- 
riairung  seines  Gegenstandes  für  vollendet,  und  bemerkt  nochmals: 
dass  von  den  Momenten  der  Continuität  und  Discretion  in  der  all-  * 
gemeinen  Quantität  das  eine  immer  wirklich  gesetzt, 
das  andere  aber  nur  ideell  vorhanden  sei  —  dass  in  den  be- 
stimmten Quantum  beide  wirklich  gesetzt,  aber  noch  nicht 
zu  gleicher  Geltung  gekommen  seien  —  was  erst  in  dem  ana- 
lytischen Quantum  —  der  Function  —  der  Fall  sei.  — 

Im  Abschnitt  3  wird  nun  der  Begriff  der  Function  y=F(x) 
als  reale  Existenz  des  discret- continuirlichen  Quantums  weiter 
entwickelt  —  und  in  Bezug  auf  die  steti^^e  unabhängige  Verän- 
derliche X  wird  gesagt:  dass  die  discrete  Zahlenbestimmtheit  nicht 
fähig  ist,  den  Begriff  der  (stetig)  veränderlichen  Zahl  darzustellen, 
und  es  müsse  dafür  gleichsam  eine  ^fliessende  Verbindung 
von  Pnnktualität^  gesetzt  werden,  ohne  jedoch  dabei  der  Frei- 


02^.  Sohwais;  V«riiich  «iiier  Pbiloiopbie  der  MfOieiintikt 

heit  SU  eniMgen^  nach  BedürfoiBS  diesd  fliesiende  Verblndoiig  we- 
der zu  lösen  and  auseinanderstehende  Zahlenbestimmüieiten 
heranstellen.  —  Hierbei  Icommt  der  Verf.  anch  auf  die  stetige  an- 
endliche Zahlenreihe  oder  Zahlenlinie  durch  Interpolation  der  Reibe: 

—  00  ....  —  3,  —  2,  —  1,  0,  -f  1,  +  2,  +  ^>  —  +  °^' 
ohne  jedoch  der  imaginären  Zahlen  auch  nur  mit  einem  Worte 
zu  gedenken.  — 

Im  Abschnitt  4  ist  von  dem  Yerhältniss  der  vorherge- 
henden EntWickelungen  zu  Hegel's  Bestimmungen  die  Rede 
—  und  wir  wollen  hier  blos  bemerken:  dass  der  Verf.  nur  bis  zu 
der  Entwickelung  des  bestimmten  Quantums  mit  Hegel  ein- 
verstanden ist,  sich  dann  aber,  und  zwar  mit  Recht,  immer  weiter 
von  demselben  entfernt  —  und  zuletzt,  in  der  Kritik  der  Prineipien 
der  höhern  Analysis,  ganz  von  Hegel  abfällt  —  was  auch  nicht 
befremden  kann,  da  bekanntlich  fast  Alles,  was  Hegel  in  aoner 
Logik  über  diese  Wissenschaft  sagt,  nichts  als  absurdes,  oberflSdi- 
liches  Gerede  ist,  wie  Ref.  bereits  1845  in  der  Vorrede  zu  Cour- 
not*s  Theorie  der  Functionen  bemerkt  bat!  — 

Im  Abschnitt  5  entwickelt  der  Verf.  den  Begriff  des  Dif- 
ferentialquotienten nach  der  Methode  der  Grenzen«  — 
Zunächst  zeigt  der  Verf.,  dass  es  für  die  Zwecke  der  höhern  Ana- 
lysis  nicht  genügt,  dass  man  mittat  der  Gleichheit  7  =  F(x)  die 
gegebenen  oder  angenommenen  Werthen  von  x  entsprechenden  iso- 
lirten  Werthe  von  y  bestimmen  kann,  weil  beide  Werthsysteme 
noch  nicht  als  ^flüssige  Einheit^  in  vermittelter  Weise  ge- 
setzt seien  und  die  Verbindung  zwischen  unmittelbar  aufeinander 
folgenden  dieser  Werthe  noch  nicht  gefunden  sei  —  in  dieser  dia- 
creten  Besonderung  sei  der  Trieb  (?)  in  einander  überzugehen, 
noch  nicht  zum  völligen  Durchbruche  gekommen  ~  in  der  die 
Function  darstellenden  Curve  sei  diese  discrete  Besonderung  ganz 
und  gar  aufgehoben  —  die  Punkte  der  Curve  bilden  einen  „con- 
tinuirten  Fluss^  und  gehen  ineinander  über  (?);  aber  die  Un- 
mittelbarkeit dieses  Ueberganges  sei  der  Mangel  (?),  welcher  ans 
verhindere,  ihn  zu  begreifen  —  wir  können  die  in  einander  über- 
fliessenden  Punkte  nicht  von  einander  trennen  (ist  auch  nidit 
blos  unnötbig,  sondern  darf  gar  nicht  gesehen,  wenn  die  steligea 
Grössen  bleiben  sollen,  was  sie  sind!  — )  —  und  man  müsse  des- 
halb nach  Mitteln  suchen,  sie  in  ihrer  Discretion  wieder  ein- 
zeln zu  erfassen  (?)  —  aus  dem  Begriffe  der  Function  oder  Curve 
sei  eine  solche  Beziehung  zu  entwickeln,  welche  jeden  „Verfluss- 
act^  (?  was  man  sich  bei  diesen  Ausdrücken  zu  denken  habe  — 
wird  nicht  gesagt  —  so  dass  man  sich  wohl  mit  der  blossen  An- 
schauung des  Fliessens  einer  wirklichen  Flüssigkeit  wird  begnü- 
gen müssen  — )  eben  so  sehr  für  sich,  wie  auch  als  übergehend 
in  die  benachbarten  charakterisirt  —  sie  seien  deshalb  zu  wirk- 
lichen »Verflussmomenten^  oder  „Punctualitäten^  zn 
erheben  —  aber  dabei  zeige  sich  sogleich:  dass  der  angedeutete 


I 


:  ?^NfMdi  6Sm«  PbfloiopUe  der  VatktVMtik  933 

IVoxeii  ranächst  nur  ein  btosseB  Sollen,  eim^Ueeie  Farderung 
Miy  welcher  jedoch  wegen  der  In  ihr  liegenden  Unendlichkeit 
sebekibar  nicht  genügt  werden  kann,  weil  der  Wlderspiuch  darin 
liege:  einen  ^Floss^  mittelst  der  diecreten  Zahlenbestimmt- 
heit (?)  sn  begreifen  — ja  man  k5nne  fast  an  der  Möglichkeit 
der  Erfiillong  dieser  Forderung  von  vornherein  zweifeln  —  denn  sie 
setae  Toraus:  dass  jeder  Verflossact  sich  als  endliche  Bestimmtbmt 
durch  die  Einheit  der  Arithmetik  (aber  keine  endliche,  be* 
stimmte  —  sondern  eine  anbescfaränkt,  nnendlich  Uei- 
ne!  — ^  in  adäquater  Weise  angeben  lasse  —  allein  dieser  Zweifel 
werde  dadmxh  beseitigt:  dass  die  Arithmetik  durch  ihre  immanente 
Eotwickelung  seihst  auf  solche  Zahlformen  (irrationale  und  trans- 
eendente  Zahlen)  hinführt,  die  sich  nicht  geradeeu  durch  die  (^en4<^ 
liehe)  Einheit  ausdrücken  lassen  —  und  dass  sie  uns  in  der  u  n- 
endlichen  Reihe  das  Instrument  an  die  Hand  gebe,  diese  Be- 
stimmtheit gleichwohl  auf  ihr  Element:  das  Eins  (die  Einheit 

—  aber  keine  endliche,  bestimmte!  —)  zurücksuführen  oder 
a«f  ihrem  eigenen  Gebiete  zu  begreifen  I  —  Deshalb  sollte  man 
meinen:  dass  das  räumliche  Quantum  nicht  die  niedriegste 
Stufe  des  bestimmten  Quantums  sei!  — 

Der  Verf.  hält  so  den  erwähnten  Widerspruch  für  beseitigt 

—  aber  die  Unendlichkeit  steht  ihm  doch  noch  im  Wege  —  wes- 
halb er  zu  dem  Begriffe  der  Grenze  seine  Zuflucht  nimmt,  dessen 
Nothwendigkeit  er  durch  die  Behauptung  motivirt:  dass  sich  die 
wiasenschaftliche  Betrachtung  nicht  ohne  Weiteres  in  das  Wesen 
der  Dinge  versetzen  könne,  welches  vielmehr  in  unserer  subjectiven 
Anschauung  und  Auffassung  noch  mit  allerlei  fremdartigen  Begriffen 
verwickelt  erscheinen  (bei  Hegel  und  dem  Verf.  scheint  dies  aller* 
dings  der  Fall  zu  sein  —  allein  in  dem  fraglichen,  höchst  einfachen 
FaUe,  wo  es  sich  nm  die  begriffliche  und  analytische  Anf- 
(aseong  stetig  veränderlicher  Grössen  handelt,  bedarf  es  eigentlich 
gar  keiner  Einmischung  fremdartiger  Begriffe,  wie  der  der  Grenze 

—  8.  w.  unten!)  es  müsse  deshalb  alles,  was  der  speciellen  Natur 
des  menschlichen  Denkens  angefaUrf,  ausgestossen  werden  (wie  soll 
man  das  (anfangen?  — ),  und  das  Uebrigbleibende  sei  das  We- 
sen der  Dinge!  — 

Es  wird  deshalb  zunächst  der  Differenzquotlent: 

Ay_F(»+A')-F(x)Ci) 
Ax~  A« 

gebildet,  worauf  der  Verf.  /\x  nnd  mithin  auch  ^y  wieder  allmälig 
abnehmen,  und  zuletzt  „ganz  verschwinden^  lässt,  um,  wie  er 
sagt,  nicht  zwei  aus  einander  stehende,  sondern  zwei  in  einander 
j,  über  fliessende  ^  Punkte  oder  Zustände  zu  erhalten  (d.  h.  in  Wahr- 
h«t  doch  nur  einen).  —  Andererseits  sagt  der  Verf.  aber  auch :  dass 

Ay  0  dy 
lim.  -^^=-~-  =  ^   nur   eine   wesentliche   Bestimmtheit 

A^  0  dx 
(welcher  Art  sie  ist,  wird  nidit  angegeben)  des  Paaktes  (X|  y) 


924  Schwans   Venuch  einer  Pbilotopliie  der  MalheaiMik. 

oder  des  Werthsstistandefl  F(x)  sei  —  weil  dadorch,  daas  in  (1) 
die  unbestimmten  und  deshalb  veränderliehen  ^x  =  0,  A7  =  ^ 
gesetzt  werden,  die  sich  auf  einen  zweiten  Punkt  (z4~A^ 
y-f  Ay)»  ^^^^  auf  einen  zweiten  Zustand  F(x-|-A^)=y  + 
Ay  beziehende  zufällige  Bestimmtheit  aas  dem  Ausdrucke  (!) 
eliminirt  sei  —  es  bleibe  blos  die  Möglichkeit  eines  Fort- 
schreitens oder  Hhiausgehens  aber  die  Bestinuntheit  des  ersten  Punk- 
tes oder  Zustandes  (x,  y)  oder  y  =  F(x).  —  Diese  Bewegung 
werde  als  in  diesem  Zustande  der  Function  »  verschlossen  blei- 
bend'^ gesetzt  —  als  die  Ffihigkeit,  wohl  über  sich  selbst  hio- 
auszukommen;  aber,  sobald  es  sich  um  das  Hinaus,  das  Andere 
handle,  zugleich  als  das  Unvermögen  sich  in  dasselbe  hinein  n 
bewegen,  als  der  S  t  i  1 1  s  t  a  n  d  bei  sich  selber  (lautre  Widersprüche  wie 

dy 
b^iSnell).  —  Der  Differentialquotient  -p  sei  also  in  Wahrheit  die- 
jenige Beziehung,  welche  einen  Verflussakt  (Punkt,  Wertlusa- 
stand)  einer  Function  ebensosehr  für  sich,  als  auch  nach  seineD 
Uebergehen  in  die  übrigen  (Verflussakte ,  Zustände ,  etc.)  charaltte- 
risirtl  —  Dieses  Uebergehen  sei  aber  so  gesetzt,  dass  es  fürs  erste 
nur  die  Bedeutung  einer  Tendenz,  eines  Strebens  fä  la  SnelQ 
habe,  welches  über  die  eigene  Bestimmtheit  wohl  hinaus  wolle, 
aber  trotz  dieser  negativen  Beziehung  zu  ihr,  sie  nicht  zu  durdi- 
brechen  vermöge  I  —  Indem  der  Differentialquotient  die  Bestimmt- 
heit eines  Verüussaktes  (Wertbzustandes)  für  sich  enthalte,  sei  er 
discrete  Bestimmtheit;  aber  diese  nicht  mehr  starre  GJeichfaeit 
mit  sich  selbst  —  sie  sei  au  ihr  selber  „flüssig^^  geworden  und 
als  das  absolute  „Hin  aus  weisen^  über  sich  von  dem  Momente 
der  Continuität  durchdrangen  und  beherrscht!  —  Etc.  etc. 

Der  Verf.  gesteht  aber  selbst  zu:  dass  der  im  Begriffe  des 
Differentialquotienten  liegende  Widerspruch  durch  seine  Logük 
oder  Metaphysik  nicht  beseitigt  sei  —  und  es  sei  auch  eine  ve^ 
gebliche  Mühe,  dieses  anzustreben,  so  lange  man  nicht  über  seioeo 
Begriff  hinausgehe  (d.  b.  für  die  N u 1 1  incremente  unendlieli 
kleine  setzt  —  wie  der  Verf.  später  bei  dem  bestimmten  Inte^ 
grale  thut!  — ).  — 

Indem  der  Verl,  die  Sache  nun  auch  geometrisch  an  der 
Betrachtung  der  Curve  darzustellen  sucht,  wiederholt  sich  dasselbe 
widersprechende  Räsonnemeut  in  geometrischen  Ausdrücken:  keine 
der  unendlich  vielen  Richtungen,  welche  den  verschiedenen  Punkten 
der  Curve  entsprechen,  sollen  auch  nicht  in  der  geringsten  Ausdeh- 
nung zu  Ausführung  oder  Realität  gelangen  —  sondern  es  soll  bei 
einer  blossen,  nicht  zum  Durchbruche  kommenden  Tendenz  bl^ 
ben,  wie  bei  Snell.  —  Und  doch  soll  eine  continuirliche  Ridi- 
tungsänderung  auch  nur  so  denkbar  sein:  dass  sie  alle  aufeinander 
folgende  Phasen  „wirklich^  durchläuft!  —  Etc.  etc.  Sogar  von 
der  Richtung  eines  Punktes  ist  die  Rode!  — 

Im  Abschnitt  6  ist  vom  unendlich  Kleinen  die  Bede  — 


ScbwBrs:  Veraoch  eioer  Philosophie  und  Malbematik.  925 

auch   hier   wiederholt  sich  der  Verf.  sehr   oft   —   und   wir  wollen 

deehalb  nur  einige  seiner  w^tem  Behauptangen  hier  lEurz  anlühren. 

dy 
—  Zunächst  wird  gesagt:  dass  -^  nach  den   bisherigen  ErÖrterun» 

gen  eine  blosse  ^^Marke''  (einfaches  Zeichen)  und  kein  Quotient 
oder  Verhältniss  zweier  verscliiedener  Grössen  sei  —  jedoch  sei 
leicht  einzusehen,  wie  man  mit  diesem  Begriffe  der  Sache  in  den 
meisten  Fällen  nicht  viel  anfangen  könne  —  weshalb  der  Verf., 
nachdem  er  ein  wunderliches  Räsonnement  über  das  Verhältniss  zwi- 
schen der  Philosophie  und  der  positiven  Wissenschaft  entwickelt  hat, 

dy 
zu  der  Bedeutung  von  -p  als  Quotient  oder  Verhältniss  zweier  un- 
endlich kleiner  Grössen  übergeht  —  auch  sollen  dz,  dy,  wenn 

dy 
man  dy  =  Fi(x)  dx  statt  -~  =   P*(x)  setzt,  aus  dem  Begriffe  des 

Verhältnisses  herausgerissen  werden  (?);  aber  die  Methode  er- 
halte auf  diese  Weise  eine  Fliissigkeit  und  Beweglichkeit,  welche  die 
Erkenntniss  mathematischer  Wahrheiten  ausserordentlich  gefördert 
habe  —  trete  andererseits  aber  auch  mit  den  Lehren  der  Arithme- 
tik in  einen  scheinbaren  Widerspruch  (?)  —  die  Methode  des  un- 
endlich Kleinen  ändern  nichts  Wesentliches  an  der  frühern  Auffas- 
sung des  Differentialquotienten;  nur  werden  die  Reflexionen  (das 
Setzen  und  Vergleichen  von  /^x,  ^y),  welche  früher  lediglich  zu 
einer  Herleitung  dienten,  und,  nachdem  sie  diesen  Dienst  geleistet 
hatten ,  wieder  weggeworfen  (^z  =  0,  ^y  =  0  gesetzt)  wurden, 
nunmelir  im  Bewusstsein  festgehalten  (d.  h.  dx,  dy  nicht  als  ab- 
solute Nullen  betrachtet).  —  Demnach  werde  der  Grenzprozess 
jetzt  mit  in  den  Begriff  des  Differentialquotienten  hineingenommen 
(oder  vielmehr  nicht,  wie  früher,  zum  Abschluss  gebracht,  weil 
nicht  dx=:0,  dy  =  0  gesetzt  wird  —  „nempe  revera  infinite  par- 
tum longesume  abest  a  nullol'  — )  und  der  letztere  dadurch  un- 
aerer  Vorstellung  (oder  vielmehr  seiner  wahren  objectiven  Bedeu- 
tung) näher  gebracht.  —  Für  den  Verf.  ist  eine  unbeschränkt 
abnehmende  Grösse  gleichbedeutend  mit  der  absoluten  Null!  — 
Denn  er  sagt  ausdrücülich:  dass  die  Differentiale  dy,  dx  bis  zu  ihrem 
^gänzlichen  Verschwinden''  verkleinert  werden  müssen  — 
deshalb  werden  dx^,  dx^,  ...  gleichsam  eher  verschwinden  als  dx, 
und  fallen  daher  von  selbst  aus  der  Gleichung  weg,  insofern  es  sich 
lediglich  um  die  Bestimmtheit  handle,  mit  welcher  dx  gegen  dy 
verschwinde  (I  weder  das  eine,  noch  das  andere  darf  absolut 
verschwindenl  — ).  Früher  hat  der  Verf.  das  Princip  der  Ho- 
mogeneität  als  „Grund^  des  Hinweglassens  der  Glieder  mit 
dx^  dx3,  ...  angegeben  (während  sich  die  Sache  gerade  umgekehrt 
verhält:  nämlich  die  Homogeneität  der  Differentialgleichungen  erst 
eine  Folge  der  Principien  der  Imfinitesimalrechnung  ist  I)  indem  man 
F(x-4-dx)  —  F(x)  nach  den  Potenzen  von  dx  entwickeln  müssen  I 


926  Sehwani   Veniioh  eiaer  PUlofophie  der 

—  Die  weitere  EntwicUang:  werde  dmnn  «o  angehgli  dMt  das,  «ai 
eigentlich  schon  zum  Abscfalasse  gekommen  (d.  b.  yerflehwaa- 
den)  ist,  tum  Tlieil  noch  in  der  Vorstellung  festgehalten  werde 
(doppelte  Bachhaltungl)  —  er  nennt  ferner  dx  der  ^Bequemlich- 
keit^ wegen  auch  eine  ^sehr  kleine^  Grüsaei  daiasn  hSiiere  Po- 
tencen  gegen  die  erste  ▼eraaehlteigt  weiden  können  —  oder:  wo 
das  dz  als  selbständige  Grösse  auftrete,    sei  es  abaolnt=:0, 

d.x" 

weshalb     in     -; —  alle  Glieder  ausser  dem  ersten  verachwindett  » 
dx 

nnd  er  setzt  schHessHch  doch  dy  =  d.x"  =r  nx»^^dx  (d.  h.  0::sOl3 

—  gleichwohl  werden  dx,  dy  wieder  ^allgemeine  Elemente' 

—  „unendlich  kleine   ZusStze^   genannt  (I  — ).    Die  6W- 

dy 
cfaung  dy  =  Fi(x)dx  deute  also,  wie  -~  =  F*(x),  eine  Bewegung 

der  Function   über   eins   ihrer  momentanen   Verhftltniase  hina« 

an,  woraus  jedoch  das  andere,  in  weiches  hinein  ale  geschieht,  ^• 

nünirt  sei  —  oder  welche  noch   nicht  über  ihren  AuflgangspoBki 

hinausgekommen,   in  unserer  Vorstelliing   featgelialten   werde  (hui- 

ter  Widerspräche!  — )  Der  Verfasser  meint  nun  mit  dem  Vodiv- 

gelmiden  den  Beweis  (?)  geliefert  in  haben:   wie  man   dadard, 

4ass  die  Gleichung  zwischen  dy  .nnd  dx  homogen    gemacht  wird 

(d.  h.  in^  allen  Gliedern  dieselbe  Dimension  .in  Beaiig  mf  dy  aai 

dx  hat)  wieder  auf  den  : Begriff /des  Diieieatialqaotienten^i 

GTnndbegriff  (?)  sarOckgeführt  werde  —.aber. das  W^tn^  $»:\ 

'dass  den  Differentiiden  dy,  dx  eine  (relative  Selbstaadigkeit  rsogesl 

dy     I 
einander  zukomme  —  was  auch  schon  aus  der  '  Gleichung  ^  =1 

Um.  -^^' folge,  weil  kein  Grund  .vorlianden  «ei,  weshalb  ^\y  imi 

^x  in  dem  Momente  ihres  „absoluteri^Verschwind^iHi'  Ans 
Selbstfindigkeit  verlieren  und  einzeln  als  töliig  bedeutnngsloa -aage* 
sehen  werden  sollten  I?  —  Man  müsse  deshalb  dy,  dx  als  Noliei 
denken;  aber  als  Nullen,  die  ein  VerhSUniss  gegen  eiaandsr 
haben!  —  Dieses  Verhältniss  könne  Iceinen  andern  Sinn  haben,  aiii 
den:  dass  es  die  Bestimmtheit  der  Abnalime,  d.  h.  die  Gesehwin-' 
digkeit  oder  Intensitfit  bezeichnet,  womit  dy  und  dy  der  Nnll 
entgegen  eilen  (also  das  ist  der  Zweck  der  Differentialrediauog?  — ^: 

—  Wenn  man  diesen  Gesichtspunkt  festhalte,  so  sei  ofienbar  der 
Widerspruch  beseitigt,  welcher  scheinbar  in  der  Annalune  naeadlici 
kleiner  Grössen  verschiedener  Ordnungen  Kege!  -^  JUwät- 
dem  der  Verf.  die  bekannten  G an chy 'sehen  Sätze  Mber  das  Ver- 
halten der  unendlich  kleinen  Grössen  mitgetheilt  bat) 'Hut- er  «die 
Sache  wieder  geometristhauf  —  auch  hier  «oll  die  Tnftnüesh 
malmethode  auf  die  der  Grenzen  zuräekkommen^fmd  in 
Ihre  Begründung  finden  (offenbar  verhSit  sich  die  Saelie 
umgekehrt  -^  weil  die  Incremete  nicht  absolut '^enchvitfden^ 


Scbwari:    Verlach  etner  Philö«ophie  der  ÜRthematik.  927 

wenn  die  Greiumediode  nicht  sinnlos  werden  soll  —  aber  alsdann 

Ay 

sind  auf  ^   immer  noch  die   Principien   der  Infinitesimalmethode 

dy 
aniu wenden,  um  -p  daraus  zu  erhalten)  —  es  sei  ein  ^grober 

Fehler'  eine  Carve  als  ein  Polygon  von  unendlich  vielen 
unendlich  kleinen  Seiten,  die  Tangente  als  in  der  Nähe  des 
Berührungspunktes  mit  der  Carre  sttsammenfallend  zu  betrachten  — 
"dies  'soll  nur  gestattet  sein ,  wenn  sich  das  Ausgedehnte  in  das 
^  Ausdehnungslose'  umwandle  {jäx  =  0,  dy  =  0  gesetzt  werde)  - — 
das  ZufSUige,  AeusserHche  seines  quantitativen  Seins  abgestreift- habe 
und  nur  noch  die  innerliche  Natur  seiner  Bestimmtheit,  die  Innern 
Verhältnisse  seiner  Bildung  bewahre  (worin  diese  bestehen,  wird 
leider  mit  keinem  Worte  angedeutet  —  er  bleibt  bei  den  blossen 
Phrasen!).  —  Tiefer  sei  dies  allerdings  nur  darin  begründet:  daas 
von  der  gleichgültigen  Ausdehnung  der  betreffendeu  Quanta  abge- 
sehen werde  und  die  Momente  ihrer  innern  Selbstvermittlung  (?) 
mit  dem  Gedanken  erfasst  werden.  —  Die  unendlich  kleinen  Gr<$ssen 
'sollen  wesentlich  nur  qualitatives  Sein  besitssen  (was  das  für 
ein  Sein  ist,  wird  nicht  näher  angegeben)  und  können  daher  urith- 
~'metisch  nur  unter  der  Form  von  Verhältnissmomenten  auftreten, 
weil  in  dem  Verhältnisse  ebenfalls  die  Negation  der  quAnütativen 
'tuid  die  Rfickkehr  zur  qualitativen  Bestimmtheit  ^gesetzt  seil  -- 

fm  Afisthnltt  7  btepricht  der  Verf.  HegeTs  KMk  der  Me- 
'^itböde  der  Grenzen  und  der  des  unendlich  Kleinen,  worüber 
wir  hier  iü^lich  hinweggehen  k9Men,  weil  fast  Alles,  was  Hagel 
in  seiner  Logik  über  die  höhere  Analysis  geeagthat,  nichts  als  offen- 
bare UngefteimtheftenHind  —  jedoch  die  B^baupfiung  Heg^l'saus- 
'^gDnömmen:  „Andererseits  fällt  die  schiefe  Seite  für  sich  auf,  w^nn 
'  g^dsagt  witd,  dass  die  IncrenieAte  für  sich  Nullen  seien,  dass  nur 
'ihre  Verhältnisse  betrachtet  werden.   Denn  eine  Null  hat  über- 
''häupt  keine  Bestimmtheit  mehr.^  — -  Es  ist  allerdings  sinnlos,  das 
Gesetz  der  stetigen  Aenderung  einer  Function  durch  ein  Verhält- 
-tiss  Ton  absoluten  Nullen  ausdrücken  zu  wollen.  —  Wenn  die 
'Grenzmethode  nicht  zur  begriffiosen  Erschleichung  werden  -  soll ,  so 

Ay 

dürfen  ^x,  /\j  in  -—-  nicht  absolut  verschwinden,  sondern  nur 

'unendlich  klein  werden,  weil  sich  stetige  Grössen  nach  unendlich 
''kleiiken,  aber  nicht  nach  N u  1  Hncremtenten  ändern  I  —  Das  rich- 
tige Resultat  gibt  das  rr  allerdings,  und  man  weiss,  aus  wel- 
chem Grunde;  allein  deshalb  bleibt  die  Grenzmethode  doch  sinnlos, 
sobald  /\,:l  =  0,  Ay  =  ^  gesetzt  werden.  —  Es  ist  deshalb  auch 
das  ganze  weitläufige,  sich  oft  wiederholende  Räsonnement,  wodurch 

unser  Verf.  das  -  rechtfertigen  wiU,  offenbar  total  unbegründet  I  — 


938  Schwan:   Versach  einer  Philotophie  der  Mathematik. 

0 
Ebenso  ist  die  Bebauptuog  ouricbtig:  dass  msD  nicht  Aber—  hin- 
ausgehen dürfe  —  denn  der  reducirte  Aasdrack  von 
F(x  —  dx)  —  F(x)  _  F(x)  —  F(y  --  dx) 

dx   "  ""  dx 

gibt  den  Werth  des  DifferenüalquotJenten  =  ^-^ffellbar  eben- 
falls I  —  Aber  Nnll  dürfen  die  Inoremente  nicht  gesetzt  werden  1  - 
Im  Abschnitt  8  ist  von  dem  bestimmten  Integrale  & 
Bede.  —  Zanächst  wiederholt  der  Verf.  seine  frühem  Begriisbe- 
Stimmungen  der  Differentiale  als  Bildungsmomente,  Punetoalitfiteo, 
die  blos  über  sich  hinausweisen,  blosse  Möglichkeiten,  Tendemes 
über  sich  hinaussogehen,  etc.  etc.  und  sagt  dann:  ^Wenn  wir  abo 
die  qualitative  Beziehung,  welche  in  dem  Differentiale  oder  Ele- 
mente einer  Function  sich  darstellt,  trotz  dem ,  dass  es  für  sich  ab 
Quantum  „verschwindet^,  vermöge  der  analytischen  Methode  (?) 
als  in  die  quantitative  Bestimmtheit  hinein  sich  versetzend,  oder 
eintretend,  zu  fixiren  versuchen  (d.  h.  die  N  u  1 1  inoremente  fahroi 
lassen  — );  so  sind  wir  ebensosehr  mit  den  Thatsachen  der  Amt 
schauung  und  des  gewöhnlichen  Bewnsstseins ,  als  mit  den  Forde- 
rungen und  Frincipien  der  Logik  im  Einklänge  (allerdings!).  — 
Diese  Umsetzung  ist  schon  deshalb  nothwendig,  weil  sie  uns 
den  Boden  der  Wirklichkeit,  über  welchen  wir  uns  durch 
vorhergehenden  Akt  der  Abstraction  (das  ^x  =  0,  /^  =  0 
erhoben  hatten  (der  Verf.  gesteht  also  das  Unstatthafte 
bisherigen  Logik  doch  selbst  damit  eini  — )  wieder  zurückfübit 
—  Nullincremente  sind  nicht  blos  eine  Abstraction,  sondern 
offenbare  Ungereimtheit,  weil  stetige  Grössen  nicht  aus  abs»^ 
Inten  Nullen  gebildet  werden  können  —  und  jedes  bestimiBlIi 
Integral  =  0  wäre  I  Dies  scheint  der  Verf.  auch  einigermnssen  gti 
fühlt  zu  haben,  weshalb  er  diese  letzte  Schwenkung  offenbar  Ali 
nöthig  gehalten  hat  —  und  fügt  ganz  naiv  hinzu:  «Die  Analjii^ 
hat  es  (das  Differential),  um  der  Vorstellung  einen  bihalt  zq  « 
ben,  als  einen  unendlich  kleinen  Zuwachs  zu  definiren  füF^tfigsj 
messen  erachtet^  —  spricht  auch  nun  von  unendlich  kleinen  DIsM^ 
zen  —  versteht  unter  dem  Differential  F'(x)dx  einer  stetigen  Fiair| 
tion  F(x)  den  Zuwachs  derselben,  wenn  x  einen  unendlich  kW^ 
nen  Zuwachs  bekommt  —  und  gibt  nach  Moigno  eine  ziemÜdhl 
ausführliche  formelle  Erörterung  über  das  bestimmte  Integral,  woU^ 
natürlich  die  Differentiale  als  „absolute  Nullen''  nicht  gebrasdl 
werden  konnten!  — 

(SMuts  folgt  J 


fr.  a.  HEIDELBERGER  ISSt 

JAISBOGHEB  DBB  LITEBATDB. 

Schwarz:   Versuch  einer  Philosophie  der  Mathematik. 


(SchloM.) 

Hierauf  kehrt  der  Verf.  aber  doch  wieder  %n  seiner  frühem 
Dialektik  surtlck,  um  näher  anzugeben,  wie  sieb  die  analytische 
Methode  zu  den  logischen  Bestimmungen  verbält  —  Dielogiscbe 
Natur  des  höfaem  Calcnls  soll  einfach  darin  bestehen:  die  quanti- 
tative Bestimmtheit  aus  der  qualitativen,  ab  Ihrem  letzten 
Grunde,  herzuleiten  —  und  deshalb  soll  seine  Methode  in  der  un* 
verkennbarsten  Ueberelnstimmung  mit  der  Hegel 'sehen  dialektl-* 
sehen  Entwicklung  der  Logik  sein,  welche  auch  mit  der  Qualität 
beginne  und  weiter  als  ihre   wesentliche  Wahrheit  das  Uebergehen 
in  die  Quantität  nachweise.  Etc.  eto.  —  Die  HegeTsche  Logik 
und  Dialektik  versteht  die  Kunst:  sich  mit  Allem,  was  Ihr  beliebt 
fn^ ;, Ueberelnstimmung  zu  bringen'^  allerdings  besser,  als  jede  andere 
PhUosophle,  wie  namentlich  die  Hegel 'sehe  Naturphilosophie  ge- 
'  Mgsam  zeigt.  —  Die  Differentiale  sind  jetzt  wieder  blosse  über 
Meh  selbst  hinausweisende  Tendenzen  —  namentlich  das  Diffe- 
rential einer  Gurve,  Fläche,  euies  Körpers  habe  die  Tendenz:  resp. 
mit  der  Bestimmtheit  eines  Punktes,  einer  Linie,  einer  Fläche  zu- 
■ammenzugehen   —    dann   sollen   sie   auch   wieder  Nullen  oder 
▼  erfllessende  Eins  sein  —  denn  die  Linie  sei  das  DIffential 
einer  Fläche  —  auch  von  flächenhaften  Linien  ist  die  Bede 
—  die  punktuellen  Eins ,  welche  den  besondem  Werthen  des  Diffe- 
fentialqnotlenten  entsprechen,  seien  allerdings  identische  (?)  Eins, 
aber  als  auf  sich  selber  bezogene  und  negativ  gegen  die  übrigen 
gekehrte:  so  gehen  sie  ganz  und  gar  mit  den  „repellirenden^ 
liiDs  der  Logik  zusammen  —  und  der  Verf.  zeigt  auch:  dass  sie 
ab   „attrahlrende^  zu  fassen  sindl  —  Etc.  etc.    Wir  müssen 
offen  gestehen:  dass  es  uns  nicht  möglich  ist,  noch  länger  bei  die- 
ser Icht  Hegeischen  Dialektik  zu  verweilen  —  und  wir  gehen 
deshalb  sofort  zu 

Abschnitt  9  über,  worin  Lagrange's  Functionencal«- 
eul  besprochen  wird.  —  Aber  auch  hier  kehrt  das  frühere  wiU- 
klirliche  Oerede  sehr  ausführlich  wieder  —  und  endlich  kommt  der 
Verf.  dahin:  dass  die  Art  des  Zusammenhanges  zwischen  der  Inte- 
gral- und  Differentlalfunction  schon  allein  einen  Oaleul  gebe,  nnd 
deshalb  könne  es  nicht  weiter  auffallen:  dass  sich  dieser  Standpunkt 
▼en  Lagrange's  Thsorie  der  analztischen  Functionen  historisch 
geltend  gemacht  habe  (e.  oben  S.  920).  Der  Vert  philosopUrt  femer 
U  ^ahrg .  13.  Heft.  (• 


qß9  Schwan:  V^i^fiuOi  ^ia^r  PliQp4<^i4ul,<9  «^r  Madieinatik. 

auch  sehr  bequem  heraus:  dass  es  allerdings  mö^ich  sä:  den  Imp 
y<Nrbr9cl^d9Q  (reitneintlt^he«)  Wldersprudi  swat  niehl  anfttAn 
besi  aber  deoh  2»  umgehen  und'  i»  seiner  VerhdUlheÜ  1»  hekM 

—  man  lc(5nne  von  der  primitiven  Function  zu  ihrer  abgeldteli 
gpehingeni  ohne  die  rulitge  Etnhett  der  widerstreitenden  Betthnnü 
gen,  die  in  beiden  gleichmässig  enthalten  sein  sollen,  an  stören  h 
ja  diese  Mtihe^  könne  gan^  zwecklos-  eracheinen  (weshalb  hat  des 
Verf.  sich  so  sehr  abgearbeitet  und  ein  ganzes  Buch  Yon  193  8d 
ten  darüber  geschrieben?  — ),  weil  die  Zerreissung  ihrer  Eink 
am  Ende  doch  wieder  negirt,  die  getrennten  Bestimmungen  d« 
vM^r,  zu^nuneQ  giei^pmmen  werden  lojissen.  -^  Ipdem.  titß  i 
Qpera^ipnen  ifia,  kp^em  Calcul»  im  Gebiete  des  Analyais  auC 
BU.duBg  yon  Funpl|iQm9n  biua^slaiifen,  so  sei  allerdings  c 
denkbar  (sogar  uneudlicb  viele!)  und  bei^phtigt  (qood  noiil 
ateljien  e^x  dem  Qbjec^te,,  dßm  Zweqke  der  höhern.  AnaljBis: 
das  ajilgemei^e  G.e(E|etz  der  ungleichförmigen  stetigen  Ae^dening  #| 
Fuiiptiqn  i^iu^ud|ri|cken.  —  in  gi^r  keiner  Beziebu^ig.  — )  —  eol^ 
dei^  A,nw«i^d.a^gc^n  soll  diq  ScI^wierigkeit  wieder  zobd  Vamchi 
Ifommepi  (tra^lMon^ieile  9^ßPl  —  der  rein  anaijtiseha  Theil  I 
94cht^  ajia  eiu  wifl^ürliphes  Ab-  und  Zurii(Aleiteii.  von  FuncüeiM 

—  xwA  fl|0ga?  die  ^efleitung  der  i^u  Qfuucje  Uegeudeii  Taylor' 

i|cbe  B^ß  fQr  F(z -jr- b)>  >9t  völlig  unbegründet  — 

davoui  ^^8  der,  voyi  Llig ränge-  eingei^agene  Weg  ein  ol 

V9fkeb.rt,ei;  ist;   denn  4ßr  Taylor'ff^e  9$tz.  bildet  ni^^ht 

Gruii4^ag.e,  d^  DlfferentjairecbAuqg,  sondern  eine  A,ttw.^nd 

dy 
derselben  —  die  Grundlage  ist  die  Gleichung  -^  =  Fi(x).  oder 

7S3Fi(x)d]Ki  welche.  auQh>  bei  der  La<grang*e' sehen  AUeümg 
Tay  t.oiJB' sehen  Beihe  versteckt  angewandt!  ist  — r  aber  au-  der  1 
adieu  Yoranssetcong  von.  dx s=i>:=::o  !•-*<*). -*r  und  die 
mjllehit  welcher  Lagr&nge.  der  überall  hervorbreohendea 
ringelten  Herr  werde,  sei  eine,  durchaus,  pxeiswiirdig'e.  md  cM 
wahrhafte  BereiiCherung  der  Analysia  (?  — r  Im  OegendUl 
ttunütae^  unbrauch)>afe.  W^tlftttJ^keUen,  wie  die  alten  indiveelil 
gvieehiaehen  Methoden,  denen  sie.  bekaantlidi  ansdrttoiE^  aadiil 
MIdeft  sind  ~  und  die  Lag  ränge  in<  der  analjitistheA  Meodbaal 
seihst  wieder  aufgiegebeii  bati  weil  bei'  aUen  otwasicon^oHtai  Ui 
tArn^ungen  nichts  damit  aniuiimgen  iai  —  ond-  seibat  hi  dea  eil 
fachen  Fällen  der  Quadraturen,  Bectificationen,  etc.  bei  Licfal»  M 
sehen,  die.  venneintliehen  Sehwiad^loiiten'  der  InfinitasimahBetholl 
doch  nicht  bestitlgti  sondern  nur  veiäülit  sind ,  wb  uMgea  unM 
Yerf.  aelhst  zugestellt  —  denn  was  in  der  Natur  —  dem  Beg» 
--t  einer  Sache  liegt,  wie  die  Begsiffe  des/  unendlieh  EMmd  m 
Gnossen  in  dem  Gesetse  der  Stetigkeit  -r-  ist'  mefat  au  nmgshil 

—  ui|d  darf  nicht  umfangen  oder  iRemohwiegen  werden^  wenftiM 
Alch  nicht  der.  Heuchelei  oder  SeUmtMaeehing.  htesegehea  iil| 


t  VoiiMh  ^mm  FhllnMi|»U»  4er  MaikMMÜL  991 


le  n»  der  Makhemalik  --  imd  dec  Wiifliiediaft  ttbeihurp*  -^ 
rerderblieh  and  ferweBÜieii  is^  wie  km  soeialeip  Leben  t  -^ 

Um  Biber  sei  zeigen:  daa»  Lagvang»  dea Begriff  de»  nfieitd* 
leb  Kleinen  wenigstens  in  den  Anwendunge-n  ofeirt  gUtt»  habe 
ngeben  Icönnen,  erörtert  der  Verf.  die  Lsgraager'sohe  Btfiand- 
mg  dee  Quadfaturprebleaiee  eebr  aoiffitarlftob,  nnd  sagt  diM 
ieter  andern:  ^ie  IdeniMIt  swiaefaen  den  Beofafteoke  ondl  der 
Sarrenfllohe  hat  nur  statt,  indem  bMe  sn  bioesea  Ide»li't'J|l:#B 
Israbgesetzt  werden,  mit  dem  Verschwinden  der  Dimension  dm 
Ireite  (also  aaa  Ideaiitlten  setsen  sieb  die  GorVeAftchtiki  an- 
Inmen?  ->)  —  der  Diierentialcaioul  hat  fttr  Lagrange  norde* 
»ck,  ein  8}wtem  aoaljtiscber  Farmen  aufeastetten ,^  dlo  erst*  in 
ÄBwendangen  eine  bestimmte  Bedevtnng  gerwinaen  (daa  M 
das  Verkehrte,  WiHkürJieh«,  Unkvanckbare  dieser  Ansiokt  der 
I  —  Wie  können  bieese  Formeln,  die  ketoe  obiteotira 
igrilflicheGkandlaga  haben,  fiberbaopl  eia«  raellie  Bede«» 
lag  belboaimen?  —  Leider  iet  die  sinn-  und  bedeotaagsloBe'  Fo»^ 
^machere»  nur  noch  zu  sehr  in  der  AaaljfBiB  gangbar«  -^},  und 
ktt  daesae  zu  etrekhen,  ist  es  alierdhige  sMiialt,  ledigliol»  iaBjfth 


jlge,  was  aus  der  Annahme  i  =  o  (in    ^     »     .         >  '^ J    resulr 

|Et,  in  die  rein  analytische  Betraohtung  aufznaebaien.  (?  —  ^'^^ 

t  Grenzmethode  des  Verf.  ist  ja  dasselbe  —  und'  es  kann  des- 
b  nicht  im  Geringsten  auffallen,  eine  solche  grundlose  Behaup- 
keg  hier  zu  finden  I  — ).    FormeQ  ist  der  Begriff  des  Unendlichen 
IBciriich  umgangen ;  aber  sächlich  dürfte  sein  Vorhandensein  schwer- 
abgeieugnet  werden  k5nnen.    In  dem   Auseinanderhalten   der 
iden  allerdings  einander  widersprechenden  Momente  dieses  Be- 
Tes  (des  unendlich  Kleinen)  liegt   denn  auch  der  Grund  (?J| 
die  Strenge  (?)  "^^  Ueberzeugungskraft  (?)  der  (La- 

tange^sehen)  BewelsfQhrung  (womit  hat  denn  der  Verf.  das 
Gliche  Vorhandensein  dieser  beiden  Widerspräche  nachgewiesen? 
^  Beine  Worte:  „das  sich  Annulliren  und  die  Vermfttelung 
jbaeiben  durch  dbn  negatlTen  P^ocess  förtwShrender  VerlHeinerung^ 
l»  können  doch  nicht  aJs  ein  solcher  ITachweis  gelten  (^)  —  weil 
l*dem  richtigen  Begriffe  des  unendlich  ELleinen  von  einem  „Annul- 
len^  keine  Rede  istl  — );  —  aber  auf  der  andern  Seite  mochten 
l*  behaupten,  dass  die  Methode,  eben  um  das  Gewaltsame  dieser 
Ifennung  von  Znsammengehl5rigem  wieder  auszugleichen,  einen  so 
bssen  Aufwand  künstlicher  Mittel  erfordert  (z.  B.  bei  der  Recti« 
ktlon)  —  und  sie  mag  daher  wohl  ihre  Stelle  in  den  Elementen 
lAaupten  ...  namentlich  um  deswillen,  damit  sie  alle  etwiugen  noch 
Urigen  Zweifel  an  der  Begründung  der  Methode  des  unendlich  Elei- 
in  hebe  (?);  die  Letztere  dürfte  sowohl  wegen  der  Leichtigkeit  und 
bfacbfaeit,  die  ihre  Anwendung  in  so  hohem  Grade  au«zeiohnet| 


•3a  Miwmi   Vemeli  eiMr  PUlMopliie  der  MalfaeMlik. 

•Ift  «ach  wegen  der  VeriHuiftgeiDiBeheit  (1  abo  troU  der  Wider^ 
eprüche  doch  Teraönftig!  — )  ihres  «of  <JUe  Netur  der  Bache  gegrfis- 
deton  Gangee  wohl  unter  allen  Umsifinden  der  DerivatiooBinethodo 
vonraxlehen  aein,  ....^ 

Bef.  hat  dieeen  etwas  langen  Passos  absichtlich  wörtlich  ssit- 
gelheilti  am  den  Lesern  ao  selgen:  wie  zweidentig,  unsoTetUasig, 
welches  wonderliche,  bunte  Gemisch  von  Wahrheit  und  Irrthum,  wi- 
decsprochenden  und  treffenden  AQssprfichen  die  Pliilosophie  des  Vv^'s 
istl  - 

Im  Abschnitt  10  ist  von  Hegei's  Verhiltniszu  Lagrange's 
Derivationsealcal  die  Bede  —  worüber  wir  hier  blos  bemerken  wol- 
len: dass  der  Verf.  die  He  gel' sehen  Behauptungen  ausffiirlidi  und 
gründlich  widerlegt  (versteht  sich,  in  seiner  bisherigen  Aufoasung)) 
was  sich  eigentlich  nicht  einmal  der  Mühe  lohnt,  weil  die  Hegel'- 
schen  Ansiditen  zu  offenbare  Ungereimtheiten  smd,    als  dass  «te 
efaM  so  ausführliche  Besprechung  v^ienten.  —  Das  Endresnltal 
ist:  jpdass  die  Ansicht  Hegel' s  über  den  Zweck  der  Differential-, 
rechnung  durchaus  zurüduiuweisen  ist^  —  Aber  dennodi  soU,  wis 
der  Verf.  aus  voller  Ueberzeugung  wiederholt:  die  Analysis  des  Un» 
endlichen  in  voUkommner  Uebereinstimmung  mit  den  Principien  aeiB|  ^ 
welche  in  Hegel 's  Logik  mit  einem  solchen  Aufwände  von  tie- 
fem Denken  (?)  und  scharfer  Dialektik  (?)  abgeleitet  werden  — 
und  wenn  audi  Hegel  selbst  in  dem  Gebiete  ihrer  Anweodiimi< 
ihrer  concreten  Yerwirldichung  sie  nicht  wieder  gefunden  Iiabe  Qwm 
freilich  kein  gutes  Zeichen  von  ihrer  objectiven  Nothwendigkei 
und  Wahrheit  istl  — ),  so  sei  nur  umsomehr  die  Grösse  seines  G«^< 
nies  zu  bewundern  (?!),  welche  die  abstracten  Kategorien  der  Qiiatt»! 
tität  in  Wahrheit  aus  dem  Begriffe  heraus  ergründete  (s.  oh&i  Ah- 
schnitt  1  und  2  die  Tiefe  dieser  Dialektik!  •— )  und  tsotz  mangei»' 
der  Erkenntniss  in  den  realen,  sie  betreffenden  Wissenschaften,  ja 
zum  Theil  iu  schroffem  Gegensatze  zu  letztern,  doch  eine  im  We^ 
sentlichen  befriedigende  Theorie  des  quantitativen   Seins  schuf!  — ^ 
Nur  im  stolzen  Gefühle  der  Macht  des  dialektischens  Gedankens  (iBir 
sich  sogar  vermessen  hat:  Planeten  aus  unserm  Sonnensysteme  we^  m 
rSsonniren)  habe  sich  Hegel  an  den  Methoden  des  hohem  Caleiili 
versucht  (er  hätte  aber,  nach   dem  was  der  Verf.  selbst   darübei 
gesagt  hat,  keinen  Grund  gehabt:   stolz  darauf  zu  seini).     Abs 
die  Analysis  des  Unendlichen,  heisst  es  weiter,  sei  über  derartigs 
Versuche  hinaus  —  sie  sei  unvergSngiiches  Eigenthum  der  Wissen* 
Schaft,  und  eine  Phflosophie,   wie  sehr  sie  auch  sonst  die  Erkeani^ 
niss  fördere,  habe  nur  die  Wahl,  sie  entweder  ganz  zu  ignoiire% 
oder  so,  wie  sie  im  WesentlicheD  ist,  in  ihr  System   aufzanehmei^ 
sonst  werde  sie  spurlos  an  der  Entwickelung  der  Analysis  vorüber* 
gehen  (das  ist  allerdings  wahr,  und  möchte  auch  wohl  mit  der  Philoso- 
phie des  Verf.'s  der  Fidl  sein)  —  und  sich  selbst  eine  der  heftigsten  (wo-  i 
nigstens  rückhalts losen)  Angriffen  ausgesetzte  Position  veradnt' 
fcnl  —  Den  Verf.  wird  also  unsere  Kritik  nicht  überraschen t  — 


Sdkwm:  Vemcfa  einer  Philetophie  der  Mathematik.  fSS 

Dm  fat  doeh  wohl  wieder  eine  bfibeehe  Probe  von  doppelter 
Bachh«ltaDg^  —  Diese  Herrn  Hegelianer  kömien  riaoniren,  wie 
man  es  hören  wüll  —  Die  Hegersehe  Dialektik  ist  m  Allem 
fiUlig  —  sogar  Weltkörper  Juuin  sie  bekanntlich  vernichten  —  und 
andererseits  die  annuiigsten  Erscheinangen,  ja  sogar  Ae  offenbarsten 
Ungereimtheiten,  zu  dem  innersten  objectiren  Wesen  der  Dinge  er- 
heben I  —  In  dieser  Hegel 'sehen  Logik  oder  Dialektik,  wie  sie 
der  Verf.  in  Abschn.  1  nnd  2  gegeben  hat,  liegt  ja  keine  Spur  von 
Tiefe  und  Schärfe  —  von  einer  nothwendigen  Gedanken-  und 
Begriffsentwickelung  —  es  sind  ja  bloss  willkürliche,  nichtssagende, 
sich  oft  widersprechende  und  unwahre  Redensarten,  wie:  anjddiende 
und  abstossende  Eins  (Raumpunkte)  —  überfliessen,  aussersich- 
kommen  (statt  bewegen)  —  fortcontinuiren  —  Einheit  von  Disere- 
tion  und  GontinuitSt  —  als  aufgehobenes  Moment  existiren  —  ver- 
fliesseoder  Punkt  —  Verflnssakt  —  fliessende  Verbindung  von  Punk- 
tualitftten  —  über  sich  hinausweisen,  und  doch  ein  isoUrter  Punkt 
oder  Werthzustand  der  Cnrve  oder  Function  sein!  —  innere  Selbst- 
▼ermittelung  —  Umsetzen  der  qualitativen  in  die  quantitative  Be- 
stimmtheit —  etc.  etc.  Auch  von  Snell  hat  der  Verf.  die  j,Ten- 
denzen"  —  „Triebe^  —  etc.  zur  Begründung  der  hohem  Ana- 
lysis  berübergenommen !  — 

Man  sollte  es  kaum  glauben,  dass  es  möglich  wSre,  über  eine 
so  naheliegende,  evidente  Wahrheit:  „dass  sich  stetige  Grössen 
»ach  Incrementen  ändern,  die  weder  absolute  Nullen,  noch 
endliche  Grössen  sind,  sondern  die  als  unangebbar,  unbe- 
schränkt oder  unendlich  klein  gedacht  werden  müssen  — 
ond  dass  jede  ungleichförmige  stetige  Aenderung  objec- 
tlv  nichts  weiter  ist,  und  nicht  anders  gedacht  werden  kann,  als 
eine  unendlichn  Folge  gleichförmiger  Aenderungen  von  n n- 
•  n  dl  ich  kleiner  Dauer,  oder  Ausdehnung^  —  solche  Weitläufig* 
keiten  zu  machen,  sich  in  solche  Widersprüche  zu  verwickeln  — 
wie  dieses  fast  seit  zwei  Jahrhunderten  geschehen  ist,  und  noch 
tilglich  geschieht.  —  Ref.  hat  diesem,  namentlich  in  didaktischer 
Hinsicht  so  wichtigen  Gegenstand  schon  so  oft  in  d.  Bl.  besprochen, 
dass  es  überflüssig  scheinen  könnte,  immer  wieder  darauf  zurück- 
nkommen.  —  Aber  wenn  sich  die  alten,  traditionell  gewordenen, 
▼erkehrten,  oder  ungenügenden  Ansichten  täglich  wiederholen  (wie 
bei  den  historischen  Schriftstellern)  und  sich  noch  mit  neuen  schie- 
fen, täuschenden  Darstellungen  in  mehr  dialektischer  Form  (wie  bei 
Snell  nnd  unserm  Verf.)  fortwährend  vermehren,  und  den  wahren 
einfachen  Sachverhalt  entstellen  —  ist  es  da  nicht  die  Pflicht  der 
wiaaenschaftlichen  Kritik:  solche  Fehlgriffe  beharrlich  zu  beleuchten 
und  entschieden  zurückzuweisen?  — 

Unser  Verf.  scheint  sich  namentUch  dadurch  haben  täuschen 

lassen:  dass  das  --r  das  richtige  Resultat  gibt,  ohne  den  wahren 
Grrond  davon  eingesehen  zu  haben.  —  Zu  diesem  sinnlosen  Ver- 


Miffa,  v«kel  die  looeneato  absoUft  TertchWiiideB  ODDaD, 
•ionmt  mim  offenbar  dotbAlb  iebie  ZufladU,  um  anf  dar  reebtaa 

Ay 

Seite  der  Qleichung  -^-  = ..,.  Dag  /\x  gana  lortittschaffeD.  —  Ei 

iat  bekaABt,  wfie  die  Infinitealmalmetbode  die  abaolate  Genaolgkcit 

dr 

der  Gleichaog  ^  <=?  Fi(x)  oder  dy  z=  Fi(i)  da  oacbweiat,  indem  ile 

aeigt:  dass  durch  dae  Hinweglaasen  unendlf  ch  kleiner  (rrGssen 
gegen  endliche  kein  angebbarer,  noch  so  kleiner  Fehler 
—  also  überhaupt  kein  Fehler  —  entstehen  kann  (womit  je- 
doch  nicht  gesagt  ist:  dass  sich  der  DiflTerentialquotient  F^(x)  Itr 
jeden  Werth  des  x  v511ig  genau  berechnen  lässt  —  was 
offenbar  In  den  meisten  Fällen  nur  mit  einer  unbeschränkten 
Annfiherung  thunüch  ist).  —  Wenn  man  aber  den  Sata  festhalt: 
dass  jede  ungleichförmige  stetige  Aeoddrung  Talso  jeder  tob 
y=ax-f-b  verschiedenen  Function)  thatsSchlich  nichts  anders,  ab 
eine  unendliche  Folge  unendlich  kleiner  gleichförmiger 
Aenderungen  ist  (jede  Corvo  reell  weiter  nichts,  als  eine  Poly- 
gonallinie von  unendlich  vielen  unendlich  kleinen  Sei- 
ten), so  sieht  man  auf  der  Stelle :  weshalb  in  4^  =cs  E5±A^-J6} 

A^  A» 

fremdartige  Bestandtheile  zum  Vorschein  kommen  müssen^ 
indem  man  endliche  Incremente  setzt  und  vergleicht  —  oder  wem 
man  eiu  wirkliches,  sichtbares  Zeichen  dX|  äj  für  die  ngr 
denkbafen,  nicht  wirklich  darstellbaren  unendlich  kleinen 
Elemente  setzt.  —  Ganz  ebenso,  wie  eine  wirklich  gezeichnete  Figur 
mit  endlichen  (statt  der  unendlich  kleinen)  Incrementen  oder 
Flementen  die  Sache  niemals  völlig  adSquat  darstellt  (so  dass  die 
Sehne  nie  völlig  mit  dem  Curvenelement,  etc.  aUBammenf&Ut),  son- 
dern erat  in   der  Vorstellung  dabin  berichtigt  werden  muas  — 

ebenso  muss  ^^  oder  -^dadujehauf  seinen  wahren,  bestimm^ 

A^  dx  ' 

ten  Ausdruck  Fi(x)  gebracht  werden:  dass  man  die  fremdartig 

dv 
gen  Bestandtheile  entfernt,   damit  .'  wirklich  das  für  jedes  unend- 

lieh  kleine  Intervall  oder  für  jeden  elnaelnen  Werth  von  x  be- 
stimmte Verhältnlss  F^x),  abgesehen  von  spedellen,  einaelnea 
FiUlen,  ausdrückt.  — 

Auf  diese  Weise  allein  bekommt  man  eine  nnmitteibare, 
direkte  Einsicht  in  das  eigenüiche  innere  Wesen  der  Sadie, 
wiihrend  die  Leibnia'edie  Bechtfertigung  mehr  eine  apagogi- 
sche  ist  —  aber  beiweitem  nicht  in  dem  Grade,  wie  dia  attea 
gr&eehisehen  Methoden  -^  die  aber  ^  nota  bene  *-  aidil  blos 
hier,  in  der  eigentlichen  Differential-  und  Inte^gralrechnung  —  son- 
dern bei  allen  Untersuchungen,  wo  das  Unendliche  nach  setnea 
beiden  Bedeutungen  m  ßpiel  konuot  (in  dar  Geometrie  —  in  der 


Schwin:  Vemoh  iAa»  thdhutffilä»  der  Mathematik«  SOS 

LdM  TM  den  andndndkeh  fMIrtm,  elt.  ete.)  anwimiHMfir  i«t,  tttiS 

10  dfesea  letstea  Ftiten  allein  angewandt  werden  kann.  —  Der  Dif» 

dy 
ferentialqootient  -=^=:Fi(x),  oder  vielmehr  das  Differential  dy  == 

P^(x)  dx,  ist  allerdiDgs  ein  ^diarakteristlsches'  Merkmal  der  Vonc« 
tion  7  =  F(x),  wodurch  der  ganze  Verlauf  derselben  fixirt  wird 
(wobei  oft  auch  die  h5hern  Differentiale  ins  Spiel  kommen  ken- 
nen) —  und  sogar  ihr  Werth  vollständig  bestimmt  ist,  sobald 
nur  der  Werth  P(a)  von  F(x)  fOr  einen  eins  igen  Werth 
a  von  X  bekannt  ist;  allein  deshalb  ist  das  Differential  doch  nicht 
als  eine  blosse  „Qualität«  —  als  vöUig  siq^iantltälslos^ 
XU  denken  —  wie  Hegel  und  unser  Verf.  so  ohne  Weiteres  be- 
haupten! —  denn  mit  blossen  „Qualitäten^  kann  nSebt  ,)g6- 
reishnet^  werden  —  und  iiberidl,  'wo  in  der  MsAemalSk  blosse 
j^Eigenschaften^  der  Grössen  der  Re<Afnung  unterworfen  wer- 
den «ollen  fwte  s.  B.  bei  der  Verglelthuog  oder  Messung  der  Erttm- 
mung  der  Linien  ondFlSciien,  etc.),  da  mflssensie  durch  geeignete 
GrröBsen  (Quantitäten)  vertreten,  ersetzt  werden  (z;  B.  durch  den 
Krttmmnngsbalbmeeser,  etc.).  —  Es  ist  deshalb  Alles,  was  Hegel 
und  der  Verf.  über  die  Ableitung  der  Quantität  aus  der  Qua- 
lität —  «her  blosse  „Tendenzen*  und  "sogar  ;,Triehe*,  wo- 
durch die  Grössen  erzeugt  werden  soDen,  etc.  etc.  sa^en,  nichts 
als  Lari  farf  —  und  himmelweR  davon  entfernt?  das  Wesen  des 
hSheni  Galcnls  in  Wahrheit  zu  charakterisiren.  —  Es  ist  zu  be« 
dauern:  daes  nicht  ein  Gauss  mit  seiner  ebenso  efti^cfaen,  ah 
tiefen  mathematischen  Auffassnngs-  und  Darstellungsweise  und  durch 
das  Gewicht  seines  Namens  diesem  traurigen  Zustande  (wenigstens 
m  dem  grt5ssern  tbäth.  Publikum)  des  principiellen  Theiles  der  hohem 
Analjsis  eia  Ende  gemacht,  und  die  Welt  mit  dnem  ähnRöhän  text- 
book  beschenkt  hat,  wie  in  der  h6hern  Arlthmetft  oder  der  Theorie 
der  Zahlen.  —  Ref.  kann  nicht  unterlassen,  aus  iSinem  Gauss* sehen 
Briefe  vem  9.  Januar  1842  eine  hieher  gehörige  Stelle  wörtlich  an* 
zuführen:     „Was  Ihre  Frage  über  das  Dasein  eines   Grenzwerthes 

fiij      y  T    J ^  unendlich  abnebm^d,  betrifft,  so  kommt  es 

darauf  an,  wie  man  den  Begriff  der  Function  feststelh.  Mehit  man 
es  so,  dass  Fx  und  x  durch  wie  immer  complicirte  analytische  Ope- 
rationen von  einander  abhängen,  so  ergibt  sich  das  Dasein  (von 
particulären  Fällen  abgesehen)  bei  einiger  Ueberiegung  von  selbst, 
da  die  Operationen  sich  doch  immer  auf  eine  mehr  oder  minder 
grosse  Anzahl  einfacher  Operationen  zurückführen  lassen.  —  Fast 
man  aber  den  Begriff  der  Function  so  auf,  dass  dazu  nichts  weiter 
als  das  Bestimmtsein  des  Werthes  der  einen  Grösse  sobald  der  der 
andern  bestimmt  ist,  erfordert  wird,  so  lassen  sich  unstetige  Func- 
tionen denken,  wobei  der  Satz  gar  nidit  gilt;  Diricblet  führt 
eine  solche  in  Grelles  Journal  4.  B.  S.  169  an.  In  den  Fällen, 
wo  man  arbiträre  Functionen  nöthig  hat,  wird  man  dann  ge- 


wShülloh  MüdiflckHch  oder  iOlbcbwaifeiid  Ae  Bedisgnas 
müneD,  diM  sich  die  sa  beiracbiaDde  AoBdafaming  toq  x  weDig» 
•tons  in  eine  Aniahl  von  Interralldn  theilen  ISait,  da»  innerhalb 
jade«  derselben  überall  ein  bestimmter  Greven wertb,  vom  Zeieben 
des  m  nnabbSngIg,  wirlLÜcb  Statt  finden  müsse.  —  An  den  Gren»- 
pnnkten  jedes  Intervalls  können  dann  awei  ungleiche  Werthe  des 
Grensquotlenten  Statt  finden,  nämlich  ein  anderer  für  positive,  «a 
anderer  für  negative  a.  —  Will  man  anch  den  imaginSren  GrOosea 
vollkommenes  Bürgerrecht  hierbei  einräumen,  so  sind  noch  andere 
AoselnandersetEungen  erforderlich«  an  denen  hier  der  Fiats  fehlt.'  — 

an X 

«Gegen  Ihre  Ablettong  von  Grense  von  =  log  a  isl 

m 

doch  nichts  an  erinnemi  wenn  Sie  durch  die  Worte  j^in  didaktischer 
Rücksicht^  ansudeuten  scheinen,  dass  nor  von  Belehrung  von  A»- 
längern  die  Bede  sein  soll,  wobei  man  immer  sich  auf  den  Fall, 
dass  a  reell  nnd  positiv  ist,  beschränkt.  *  In  dnem  objectiv 
vollkommenen  System  der  Mathematik  muss  man  freilich  anders  aa 
Werke  gehen,  wobei  besonders  mit  Anerkennung  der  Unvollkom- 
menheit  unserer  mathematischen  Zeichensprache  sehr  leicht  alle 
Schwierigkeit  gehoben  wird.''  — 

In  der  Zeitschrift  für  das  Gymnasialwesen  findet  aidi 
eine  Besprechung  des  hier  beurtheilton  Werkohens  von  einem  An- 
hänger Hegels,  welcher  mit  der  Dialektik  unseres  VerL's  —  ah 
He  gel*  sehe  —  nidit  gana  zufrieden  ist  —  sonst  aber  auf  die  Sache 
nicht  näher  eingeht,  nur  die  auch  hier  angegebenen  Schluseworte 
nnseres  \^rf.'s  in  Besag  auf  Hegel  wörtlich  mittheilt  —  und  sn- 
letst  mit  der  allgemeinen  Bemerkung  Bchliesst:  dass  das  in  Rede 
stehende  Werk  für  die  Wissenschaft  wohl  epoche* 
machend  werden  dürfte!  —  Worin  aber  dieses  «Epoche- 
machen^  bestehen  soU,  wird  leider  nicht  gesagt!  — 

Die  typographische  Ausstattang  des  Buches  ist  recht  gut  und 
correct. 


Ostindienj  seine  OeeeMehte,  CuUur  und  seine  Bewohner.  Resul- 
tate eigener  Forschungen  und  Beob<iehtungen  an  Ort  und  Stelle 
von  Philipp  von  Mökern,  Deutsehe  Origina24tu9geibe, 
Erster  Band.  X  und  395  8.  Zweiter  Band.  827  8.  in  gr.  i. 
Leipzig.    Hermann  Costenoble.     1857. 

In  einer  Zeit,  wo  die  Blicke  Aller  auf  Ostindien  und  die  der 
brtitischen  Herrschaft  dort  unterworfenen  Länder  gerichtet  sind,  be- 
absichtigt der  Verfasser  des  vorliegenden  Werkes  Allen  denen »  die 
nicht  aus  eigener  Anschauung  dieses  Land  kennen,  eine  anschauliche 
und  dabei  auch  unterhaltende  Darstellung  desselben,  seiner  Bewoh- 
ner, ihres  Lebens  und  Treibens,  so  wie  aller  derjenigen  geschicht- 
lichen Momente  au  geben,    welche  eur  richtigen  Auffassung    der 


■Okera:    Oatinilieii.  99t 

j6lsig«D  Veibiknissa  aad  damit  selbBt  cur  ErklSrang  der  jetst 
dort  eingetreten«!!  Ereignisee  dienen  können.  Nicht  ans  Büchern 
oder  noB  den  Berichten  und  ErsXhlungen  Anderer  ist  diese  Dar« 
eteUnng  geschöpft,  sie  hernht  auf  einem  Material,  das  während 
eines  halbh ander tjfthrigen  Aafenthaltes  im  Lande  selbst  ge* 
sammelt  ward,  auf  Aafzeichnangen ,  an  Ort  and  Stelle  selbst  ge- 
macht, kors  aof  der  unmittelbaren  Anschauung  während  eines  mehr 
als  ffinf  zig  jährigen  Aufenthaltes  in  diesem  Lande  selbst.  Dieser 
Umstand  gibt  allerdings  den  Schilderungen,  wie  sie  uns  in  diesen 
beiden  Bänden  vorgelegt  werden,  einen  besondem  Charakter  und 
eine  besondere  Bedeutung;  es  sind  lebensvolle  Sehilderoogen ,  wie 
sie  eben  nur  ein  längerer  Aufenthalt  in  dem  geschilderten  Lande 
selbst,  ein  längeres  Leben  mitten  unter  den  Bewohnern  des  Landes 
selbst  SU  geben  vermag.  Mit  aller  Freimüthigkeit  spricht  dabei  der 
Verfasser  seine  Ansichten  aus,  er  gibt  getreu  und  wahr  die  Ein- 
drüeke  wieder,  die  in  ihm  die  Beobachtung  der  Zustände  Indiens 
and  der  hidischen  Menschheit  erregt  hat,  ohne  Hingebung  an  irgend 
eine  Nationalität  und  ohne  irgend  eine  Parteistellung.  Eb  whrd  da* 
her  das  vorliegende  Werk  keiner  besondem  Empfehlung  f&r  alle 
Diejenigen  bedürfen,  die  aus  einer  unmittelbaren  Quelle  das  jetst 
so  viel  besprochene  Hindusland,  seine  Zustände  und  seine  Verhält* 
nlsse  kennen  lernen  und  über  die  Geschichte  dieser  Länder,  insbe- 
sondere aneh  über  die  Oründe  und  Ausbreitung  der  brittisehen  Herr« 
sdiaft  sieh  belehren  wollen.  Der  Verf.  geht  in  seinem  Werke  bis  auf 
die  älteste  Zeit  snrütek,  in  der  ja  auch  die  ganze  heutige  Eintheilung 
des  Volks  nach  Gasten,  der  religiöse  Glauben  desselben,  \nd  selbst 
seine  gesellschaftlichen  Zustände  wurzeln;  allein,  wie  billig,  ist  die» 
sem  Theile  nur  der  zum  vollen  Verständniss  des  Ganzen  nöthige 
Umfang  gewidmet;  die  Hauptdarstellung  beginnt,  nachdem  die  mu- 
selmännischen Eroberungen  besprochen  worden,  mit  den  Zeiten,  in 
welchen  durch  Entdeckung  des  neuen  Seeweges  über  das  Cap  der 
guten  Hoffnung  Indiens  Länder  den  europäischen  Nationen  bekann- 
ter zn  werden  anfingen.  Die  portugiesischen  Niederlassungen,  die 
holländischen,  die  englischen,  wie  sie  nun  beginnen,  werden  uns  mit 
dem  Nachweise  des  Handelsverkehrs,  der  diese  Niederlassungen  her- 
rorrief,  vorgeführt,  und  der  Entwicklung  der  englischen  Gompagnie 
(vom  11.  Abschnitte  des  ersten  Bandes  an)  eine  besondere  Auf- 
merksamkeit zugewendet,  die  auch  zugleicher  Zeit  die  verschiedenen 
Bewohner  Indiens,  die  Hindus,  die  Mahratten,  die  Muselmänner,  die 
Seiks,  nach  ihren  'Zuständen  und  Verhältnissen  in  wohlskizzirten 
Bildern  vorführt.  Diese  Schilderungen  werden  im  zweiten  Bande 
fortgesetzt,  und  verbreiten  sich  über  die  Birmanen,  Malayen  u.  s.  w. 
über  Hyder  Ali  und  seinen  Sohn  Typo  Saib,  über  die  Kämpfe  der 
englischen  Gompagnie  mit  diesen  wie  mit  den  Mahratten,  über  My- 
sore,  Ceylon  u.  s.  w.;  den  französischen  Niederlassungen  in  Ostin- 
dien ist  ein  eigner  Abschnitt  (cap.  21)  gewidmet  Die  Beschrei- 
bnngen  des  ostindischen  Jagdlebens,  so  wie  die  Schilderungen  des 
Lnxus  indischer  Fürsten  i  an  dem  Beispiel  eines  Nabob  von  Oude 


01t  AndtnMm?    lebe  ki  Africa. 


(e«p»  97)  genigi,  and  Aodans  der  Art,  wm  wir  nUA  Ahm  übt 
anflÜHW  ktanao,  gawithran  eine  «ngenaluiie  Untoitekimf.  So  wM 
dlMM  Werk  Allen  denen,  welehe  aber  Indien  nnd  indiedie  YerUh- 
niiee  sich  nlher  nnterrichton  woUen,  eu  empfehlen  sein.  Die  iai 
AoBStettang  lit  elniiidiy  aber  reeht  befriedigend  anegeCden. 


Rebe  in  Südfctd  Africa  bis  sum  See  N^ami  in  den  Jahren  18SO 
bis  1S54  von  Charles  J,  Andersson.  Aus  dem  SdkcMdi- 
sehen  von  Dr.  Hermann  Lotme.  BRt  acht  SlahlsHdien  in 
Tondruck  von  Alexander  Alboth  und  zähirei^en  £Mr- 
schnitten.  Erster  Band.  Leipsig,  Hermann  Chslenohle,  165S. 
XVI  und  988  6.  in  pr.  8.  ZweUer  Band  mit  oM  StiMäi^ 
ehen  etc.  X  und  29S  8,  in  gr.  8. 

Das  Werk,  daa  hier  in  einer  dentachen  Bearbeitung  g^gnbaa 
lit,  eriioUen  aoeral  In  engliseher  Sprache  an  Lenden  im  Jahre  1866; 
es  fand  dort  eine  aolohe  gOnitige  Anfnahme,  daaa  Behen  im  folgen^ 
den  Jahre  ein  emeoerter  Abdruck  nStfaig  ward,  wihrend  ingleleh 
eine  Auagabe  in  schwediacher  Sprache  erschien,  in  welcher  Ton  4eB 
Verfaaaer  «^  der  aelbst  ein  Schwede  iat  -^  mandie  beriehtigenda 
Senerkongen,  aach  einselne  Zusätae  u.  dgh  fainaiigekonunen  waran. 
Es  kann  daher  auch  nnr  gebilligt  werden,  daaa  der  deutache  Be- 
arbeiter dieser  letatea  Auagabe,  der  schwedischen,  nnd  nicht  der 
englischen  gefolgt  ist;  dass  aber  überhaupt  eine  deutsche  Bearfaai' 
tong  unternommen  ward,  mag  seine  natürliche  Bechtfertigsng  In 
dem  Inhalt  des  Werkea  finden,  das  wahrhaftig  auch  in  deataehaa 
Kreisen  verbreilet  au  werden  Terdleat,  mag  man  van  dem  liSheni 
wissenacbaftlichen  Standpunkt  ausgehen  oder  den  einer  angenafaman 
Belehrung  und  Unterhaltung  im  Auge  haben.  Denn  die  hier  be* 
achriebeaen  Reisen  haben  die  Erfonchmg  eines  ganz  unbekamiteiif 
der  europSischen  Welt  bisher  verschlossenen  Landstriches  aam  Ge- 
genstände und  fOhren  damit  der  Linder-  und  Völkerkunde 
noch  so  wenig  gekannten  Erdthelles  neue  Bereicherungen  nnd 
sentliche  Erweiterungen  au.  Und  dabei  waren  diese  Reisen  mit  ao 
mandien  Abentheuern  und  Schwierigkelten  verknüpft,  und  bieten  dea 
Interessanten  und  Ansiehenden  in  der  lebendigen  DarsteUung  so  Vielaa, 
dass  auch  ein  grösseres  Publikum  gebildeter  Leser  gern  dabei  var- 
wi^en  wird,  ja  unwillkührlich  sich  davon  angesogen  finden  masa, 
Die  Ergebnisse  von  vierjährigen  Wanderungen  In  einem  bisher  noch 
gar  nicht  erforschten  Tbeile  Südafrica's,  unternomtaamen  in  den  Jah- 
ren 1850 — 1864,  sind  in  diesem  Werke  niedergelegt,  dessen  erster 
Theil  den  auerst  unternommenen  Zug  au  den  Ländern  der  Da- 
mara's  und  dieses  Volk  selbst  schildert,  der  aweite  soll  den  an- 
dern Thell  dieser  Wanderungen,  welche  auf  einem  Insher  unmög* 
lieh  gehaltenen  Wege  den  vor  kuraem  entdeckten  See  Ngami  er- 
reichten, enthalten:  und  glaubt  der  Verfasser,  dass  dieser  Weg  andi 


Amknawi   A«Im  In  AfHet.  MI 

itfj^Bige  jeiB  '«erila,  avf  irclcb«m  in  der  Folge  HanM  «od  C9vlU* 
MilloD  Id  die  diesen  13ee  umgebenden  Landgtriühe  im  laeera  des  sti^ 
lidbeB  Airica's  gelangen  werde.  Es  wird  daher  dieser  sweite  Band 
■^  Redit  eine  besoadere  Aofmerlnamkeit  ansprecben. 

Aber  «ach  der  erste  Tbeil  Icann  darauf  Anqnroch  nMcheo; 
der  AnsgangsponicC  der  hier  geschilderten  Wa»deraDgen  bildet  die 
an  der  Weeticfiste  Africa's  eiebenhnndert  (?  so  «tefat  B.  13),  geo- 
graphische Meilen  nördlich  to«  der  Kapstadt,  wo  sich  der  Verfasser 
Bor  Icurs  anfbiek,  gelegene  Wallfisdibai,  wo  nach  der  Landung  in 
der  Missionsstation  (seit  1846)  Scbeppmansdorf  die  ZnrüstinigeB  so 
der  weiteren  Reise  in  das  Innere  gemacht  wurden,  welche  den  Ver-^ 
iasser  mid  seinen  Begleiter  Oalton  zu  dem  Land  nnd  Volle  der  Da* 
■wra  ftthrten,  von  welchen  eine  nlthere  Beschreibmig  geliefert  wird. 
Aber  die  Wanderung  selbst  —  nrit  Ochsen ,  der  Landessitte  gemSss 
unternommen,  mitten  durch  unbeicannte,  von  wilden  Thieren  jeder 
Aet  angefSlke,  unwirthbare  Gegenden,  unter  vielfachen  Gefsliren, 
die  Natur  nnd  Klima  dem  Willen  des  Mensehen  entgegenstellen,  ist 
doch  auf  eine  so  anziehende  und  lebendige  Weise  geschUdert,  alle 
Abentheuer,  an  denen  es  wahrhaftig  hier  nidit  fehlte,  sind  in  einer 
so  ergreifenden  Weise  dargestellt,  dass  der  Leser  an  Allem  ein  dop- 
peltes Interesse  gewinnt.  Namentlich  sind  es  Jagdscenen  jeder  Art, 
webt  selten  ohne  Gefahr,  wie  die  Jagd  aof  L^wen,  aul  Bhino«tro« 
luod  diBEgleidkeB,  anl  die  wir  überall  hier  «teseen;  wie  denn  die  Schil- 
derung der  Thlerwelt  jener  Gegenden,  im  Grossen  wie  im  Kleinen, 
den  Verf.  viel  beschäftigt  und  manche  neue  und  interessante  Mit- 
theilung veranlasst  hat,  die  der  Naturforscher  wohl  zu  beachten  hat. 
Denn  der  Verfasser  kam  auf  seinen  Wanderungen  vielfach  mit  Lö- 
wen, wie  mit  Hyänen  und  Leoparden,  mit  Giraffen  und  Zebra's,  mit 
Qazeilen  und  Antilopen,  wie  mit  Geflügel  jeder  Art  zusammen,  und 
ednldert  nns  aus  eigener  Anschauung  Alles:  seine  eigenen  Erieb- 
nisse  «nf  der  Jagd,  wobei  er  einigemal  nahe  daran  war  sein  Le^ 
ben  zu  verlieren,  bilden  einen  sehr  interessanten  Theil  der  Erzäh- 
lung: der  Beschreibung  der  ßtrausse,  ihres  Fanges  u.  dgl.  ist  ein 
eigener  Abschnitt  (cap.  XX.  S.  372  ff.)  gewidmet 

Der  zweite  Theil,  der  uns  zu  kam,  nadidem  wir  Vorstehendes 
bereits  niedergeschrieben  hatten,  zeigt  einen  gleichen  Charakter:  er 
erzählt  von  den  weiteren  Wanderungen  des  Verfassers,  und  verbin- 
det eben  so  damit  interessante  Beschreibungen  aus  dem  Gebiete  der 
Völkerkunde,  wie  der  Thlerwelt  jener  noch  so  wenig  bekannten 
Strfdie  des  südlichen  Africa's.  Von  der  Wallfischbai  wendet  sich 
die  erste  der  hier  geschUderten  Wanderungen  erst  ostwärts  nach 
einigen  in  neuester  Zeit  gemacLten  Ansiedelungen,  dann  aber  in 
gerader  Richtung  nach  Süden  zu  dem  Oranjefluss  und  diesen  über- 
eehreitend  bis  zu  dem  Cap.  Eine  zweite  Wanderung,  ebenfalls  von 
der  W»Ilfischbai  ausgehend,  wendet  eich  in  östlicher  Richtung  dem 
Sdd  -  Africanischen  Binnenlande  zu  und  erreicht  den  See  Ngami: 
daran  siAiliesst  sich  eine  in  nördlicher  Riditung,  den  Fkiss  Teoge 


M0  Rich^rif    H«iMberR«r  8cU«ü. 

aafirttrts,  antorDommene  Rdse  nadi  LilMibe  und  dem  Laade.  te 
Bayeye;  sorückgekehrt  tod  da,  naeb  dem  See  Ngami,  eilt  der  kfifaoe 
Reisende  wieder,  Qnter  Uosend  Beschwerden  ond  Strapaaen,  ^rnek 
in  das  Namaqaa-Land ,  womit  dieser  Theil  schlieast,  der  an  man* 
chen  ansiehenden  Besdireibangen  reich  ist  nnd  das  Interesse  des 
Lesers  durch  das,  was  über  die  das  Innere  Africa's  bewcdmendeQ 
Völkerschaften,  wie  über  die  Thiere  (Löwen,  Flasspferd,  Elqiiiatt* 
ten,  Oryx  n.  s.  w.)  mitgetheilt  wird,  nicht  wenig  hi  Anspruch  nimmt. 
Und  so  empfehlen  wir  diese  ansiehenden  Schildeningen  ^nem 
gebildeten  Leserkreise,  der  sie  gewiss  mit  aller  Befriedigun^f  ans 
der  Hand  legen  wird«  Für  eine  vonügliche  äussere  Ansstnttnag 
hat  der  Verleger  gesorgt:  er  hat  überdem  Tiele  (40)  Holischnitte,  die 
an  den  betreffenden  Orten  eingedruckt  sind,  nnd  bald  Penonen,  bald 
Ger&thschaften  oder  Wohnstätten,  bald  Gegenden  daistellen,  ao  wie 
sechsehn  Stahlstiche  in  Tondruck  beigefügt,  welche  namentlidi  Ji^gd- 
scenen  und  Thierbilder  in  trefflicher  Ausführung  enthalten.  Eine 
grössere  Karte,  auf  welcher  die  Züge  des  Verfassers  bemerkt  sind, 
ist  ebenfalls  beigegeben,  so  wie  am  Schluss  des  sweiten  Theilea 
ein  alphabetisches  Register. 


Wanderungen  durch  die  Ruinen  de$  Heidelberger  Sefdosees  und 

Umgebungen,  Herauegegeben  von  Riehard-Janiilon,  Co- 
steäan  dei  Heiddberger  Sehleseee.  Heidelberg,  Im  SMdveriag 
de$  Herauegebera.     1857.    J58  8.  in  gr.  8. 

Die  Heidelberger  Jahrbücher  haben  so  mancher  Taterländiacheai 
Erscheinung  gedacht:  sie  werden  darum  auch  wohl  einer  Ihnen  ao 
nahe  liegenden  Schrift  su  gedenken  haben,  die,  nnserm  erlaaditea 
Fürstenpaar  gewidmet,  als  die  Frucht  sorgsamer  Forschungen  er- 
scheint, welche  der  Verfasser,  seit  mehreren  Jahren  mit  der  Lei- 
tung und  Beaufsichtigung  der  Heidelberger  Schlossruinen  sanunt  ihren 
Dependenslen  betraut,  in  diesem  seinem  Berufe  ansustellen  sidi  ver- 
anlasst fand.  Die  historischen  Erinnerungen  und  Beziehungen,  die 
an  das  Heidelberger  Schloss  sich  knüpfen,  sind  wahrhaftig  von  der 
Art,  dass  nicht  blos  der  Freund  der  schönen  Natur  oder  der  Künat, 
sondern  eben  so  sehr  auch  der  Freund  der  Wissenschaft  sieh  an* 
gezogen  fühlt  zu  einer  näheren  Kenntniss  des  Einzelnen,  das  mit- 
ten in  der  Umgebung  einer  grossartigen  Natur  hier  dem  Besdianer 
entgegentritt  Eine  solche  Kenntniss  in  nicht  zu  umfangreicher,  aber 
doch  befriedigender  nnd  gründlicher  Weise  zu  geben,  war  der  Zwedc, 
den  der  Verfasser  bei  dieser  Schrift»  in  deren  Abfassung  er  nur 
eine  mit  seinem  Beruf  ihm  zu  Theil  gewordene  Aufgabe  erkannte, 
vor  Augen  hatte,  und  er  hat  diese  Absicht  aufs  bestimmteste  in 
den  Worten  ausgesprochen:  „so  deutlich  und  einfach  als  möglich 
Alles,  was  in  diesen  herrlichen  Ruinen  durch  Kunst  und  Oeschicbte 
merkwürdig  ist,  zu  erklären.^    Der  Standpunkt,  welcher  bei  dieser 


Riditrd:    Il6idelber|fer  Sehloft.  041 

t 

ErklXrong,  und  überhanpt  bei  der  Bearbeitung  dee  Oaneen  mange- 
bend  war,  ist  in  Geschichte  und  Chronologie  begründet  und  darum 
wendet  licfa  die  Darstellung  nach  einer  Icurzen,  aber  zweckmSssigen, 
historischen  Einleitung,  zuvörderst  den  ältesten  und  ursprünglichen 
TheUen  des  Baues  zu,  welche  bis  in  das  vierzehnte  Jahrhundert 
anrttckgehen,  dem  sogenannten  Ruprechtsbau  nebst  der  Ruprechtini- 
sehen  Kapelle:  es  knüpft  sich  daran  eine  Schilderung  der  wichtigsten 
Momente  aus  dem  Lel>en  und  Wirken  des  £rbauer's,  des  Kurfürsten 
und  Kaiser's  Ruprecht  Es  folgt  dann  die  Beschreibung  des  sogenann* 
tan  gesprengten  Thurmes,  des  dem  Ruprechtsbau  gegenüber  liegenden 
Ladwigsbaues  aus  dem  sechzehnten  Jahrhundert,  so  wie  der  übri- 
gen in  diese  Zeit  fallenden  Bauten:  eine  nähere  Darstellung  ist 
dann  mit  allem  Recht  dem  Otto  Heinrichsbau  zu  Theil  geworden 
(8.  39  C)  aus  der  nächstfolgenden  Periode  der  zweiten  Hälfte  des 
sechzehnten  Jahrhunderts;  dass  das  so  berühmte  grosse  Fass,  dessen 
erste  Anlage  noch  in  dasselbe  Jahrhundert  fällt,  nicht  übergangen 
wird,  bedarf  wohl  kaum  einer  besondern  Bemerkung;  s.  S.  45 ff. 
Der  in  den  Anfang  des  siebenzehnten  Jahrhunderts  fallende  Fried- 
richsbau und  der  daran  sich  schliessendOi  unter  dem  Nachfolger 
(Friedrich  Y.)  erbaute  englische  oder  Eiisabethenbau  machen  den  Schlusa 
dieser  Darstellung,  die  zugleich  auf  alle  hier  in  Betracht  kommenden 
architektonischen  Verhältnisse  sorgfältige  Rücksicht  genommen  hat 
Zur  Veryollständignng  dieser  Beschreibung  dienen  dann  weiter  die 
beiden  folgenden,  eben  so  sorgfältig  bearbeiteten  Abschnitte:  die 
Wanderung  durch  die  Fortificationen  der  Ruinen  des  Heidelberger 
Schlosses  S.  63  ff.,  ein  um  so  lesenswerther  Abschnitt,  als  eben  die 
jetzige  Verwaltung  des  Schlosses  sich  um  die  Aufräumung  und  Auf- 
klärung dieser  merkwürdigen  nun  zugänglidi  gewordenen  Räume 
ein  wesentliches  Verdienst  erworben  hat,  und  noch  fortwährend  er- 
wirbt, wie  die  neuesten  Aufgrabungen  zeigen;  und:  Wanderung 
durch  die  Oartenanlagen  der  Heidelberger  Schlossruine  8.7  6  ff.;  die 
sorgsame  Pflege  dieser  Anlagen,  ihre  Erhaltung  und  Förderung  in 
Uebereinsümmung  mit  dem  Charakter  der  ganzen  ehrwürdigen  Ruine 
]0t  ebne  der  schönen  Aufgaben,  welche  die  gegenwärtige  Verwal» 
tang  nach  Kräften  zu  lösen  bemüht  ist 

Die  zweite  Abtheilnng  des  Ganzen:  „Wanderungen  nach  den 
Umgebungen  des  Heidelberger  Schlosses^  bezeichnet  in  den  zweck- 
mässig eingetheilten  vier  Wanderungen  alle  die  Punkte,  welche  in 
den  näheren  oder  etwas  entfernteren  Umgebungen  des  Schlosses,  es 
sei  durch  die  Natur  oder  durch  die  historischen  Erinnerungen,  die 
an  Ehizelnes  sich  knüpfen,  unwillkürlich  die  Aufmerksamkeit  an 
sich  ziehen;  an  die  zweckmässige  Anleitung  zum  Besuch  dieser 
Punkte  knüpft  sich  noch  eine  gedrängte  Darstellung  dessen,  was 
die  am  Fusse  der  Ruine  gelegene  Musenstadt  Merkwürdiges  bietet: 
so  dass  die  Schrift  zugleich  als  ein  Führer  durch  die  Stadt  wie 
Ihre  Umgebungen  betrachtet  werden  kann.  Als  eine  gute  Zugabe 
zum  besseren  Verständnis^  Alles  Dessen  i  waa  die  alte  Hanplst^d^ 


MI  Knteftr:    ftMiteiMi 

dK  Pfiüs.  mi  dos  alte»  Mn  MivtSite  «ta  ik«  FftrüM  MorkwMI- 
fM  «nIbUt,  betTAcbten  wir  das  am  SehloM«  befiodiicbe  VeowickaiH 
aller  r^^arattdeo  FOnten  übar  die  Rhelopfab;  es  ist  gcnignel,  doi 
mit  den  öflers  ▼eiwUkeUeD  VeihUlnitaeii  der  alten  Imyflaafawbaa 
t>jma$i»  nichl  Diher  bekanaten  Leser  aa  osEeaiireBi;  eodUcb  U 
auch  am  Sebtoase  «oter  der  Aubokrifi:  „die  gresse  Toar  dardi  dto 
Boiaea  des  Heidelberger  Schloseea^  eine  aweckmlarige  Ajüetattg 
fUMff  den  Beauch  dec  einzelnen,  oben  genau  besehriebttBOii  Theie 
dw  ganaen  Ruine  beigefügt;  in  einem  alphabetlacbaB  Vesaeidiiäai 
werden  dann  alle  elaaein  in  der  SohriCi  bebasdelten  Poniite  anfge* 
fiitact  Daan  kommt  nocb  ein  wohl  ausgearbetteter  Klnalioa»* 
idan  des  €bncen|  sa  wie  als  Titelblatt  die  in  HobMCbnÜt  woU  aar 
geführte  Abbildang  der  Ruineo;  ähidicbe  AbbiMangen  aiairelsMt 
TbeUe  (der  Slatue  Rupre^t's,  des  gesptengten  Tburmes,  dea  Per- 
taL's  des  Otto  Heiarieb's  Baaea,  des  grossen  Passes  und  dea  Elisas 
betbenpfofte)  sind  an  andern  Orten  der  aaeh  im  AensBerawoiil  aaa- 
Bestattetem  Schrift  beigeHigt. 


RömtBehe  Antiquitäten  von  3r.  Leopold  ECrahner^  Omh 
rseter  mm  Oymnadum  au  FriMand.  S^te  Hüße.  ifoffä^ 
hmy^  BmuiekihafMiehe  Suchhandhtng.  1857,  XN  u.  25J  A 
in  gr,  81,    Anefa  mit  dem  besondem  Titel: 

EneydOffädU  der  klam$ehen  Ali&rthmntkunde^,  mm  L^rbw^  /^ 
obm*eMlcmen  geiehrter  SehtdmfHntLudwitf  Sehaaff.  F^Snßt 
tnngeafi>eiM$  Ausgabe.  ZmmUn  Theüe»  «weiUe  AhtAmhmf). 
EömiMche  AntiqmtäUny  neu  hearbeUet  von  L.  Kr  ahner.  JSMk 
Hälfte 

KMhi  der  Erklfirnag  des  Verfassers  ist  dieses  ^Lehtbuak  deriG- 
mischaa  AntfqMitliteEn  füt  Leraendo  geschrieben.,,  welebe^  auf  dai 
Stufen  der.  geistigisn  Entwicklung  stehen,  auf  weldber  das  BadüabiBB 
wlssenachaftlwher  Aoffaasung  und  selbstttftndlger  Foraehong*  alah  dat* 
susteUen  pflegt^  Der  Verfaaaec  yemicbert  dabei  dtan  Stand|MinU 
eines  beOhigten  und  reichen  Prinumar's  tob  AugeA  gekabt  an  k»- 
be»;  „dnoh^setates  hlnau,  dürfte  diese  annäehst  bcnbsidMgto  DkMcb- 
harkeit  des  Buches  nieht  gerad«  lievden,  wannt  ea  aoob  Itter  diaasn 
Kreia  binaua  idoh  nd^lch  erwiese^  ja.  es  wflode  okm»  dies»  SlfSir 
sebaft  ajinU  seinaa  ersten  Zweck  nidit  n41fil2indig  erttllea»'^  Alkp- 
dings  ist  es  auoh  ansere  unmaasgeblicbe,  Meinung,  dass  diasea  I»eba» 
buch  der  rßmiscban  Antiqnltütaa,  wm  ee  der  Venfassec  baaaiAnsl 
•^  wir  winden  eS;  lieber  ein  Handbtueh  aennen  «-  nmdt  seiass 
genaen,  Anlage  wie  naab  seiner  Ausführung^  kaum,  füs  die 


*)  l>ie  erfte  Abtheilang,  welche  bereit«  1B54  erBcbieo,  ealbSR  in  einer 
uoltolteB  BearbeJtoiig  die  Griechiscben  AntiquitÄt^n  ▼air  E.  f. 
Sokiwalhfi;  «fi  kaaaJsvglfiicfMn  ahvtchaa  emptolQs»  wisrdem 


OrimM«  iffc  MittelMShole  bir^dbiei  seia  kiian.»  die  ohnehi«  die  sfi? 
miachen  AntiqpiititteBt  gar  aicht  ab  eiaen  besondßrn  Unterrkhtoger 
güiütand  «ufnehoMD  kaim,  ohaa  die  ihr  geetecklen  Griuuen  sa  über- 
aebneiiteQ,  »ttn«L  da  te»  waa  diec  Sehüler  eines  Gymnasioms  oder 
l^rceamsi  «aiaal  der  oboivleii  Classe^  anl  diaeeia  Gebiete  ea  wiaiea 
npihig  hat,  tbeils  bei  der  Leetllre  de«:  Claseiher  betreffeDdeo  Oitee 
T<«gebracht|  tbeils  aoit  dem  gescbicfatUcben  Untorricbt  yerbnadea 
werde«,  haus:  voa  eiiMDa  tieferen  EindsiDgen  in  den  ganaen  StaatSh 
orgapiemni^  wie  iba  das  Studiiun  der  AntiquitiUm,  wir  denkefibier 
inebesfiadeile  aa  dee,  waa  man  jetat  die  Staatsakettbümer  meant,  -^ 
eraielen  soll,  dmebin  abausehen  ist,  da  der  Schüler  die  daau  ger 
hSrige  Beife  noeh  nicht  beeitaen,  und  darum  aach  den  dasu  erfor« 
deprlichen  Sinn  nicht  mitbringen  kann.  Wünscht  der  eifrige  Schüler 
elaaelne  Gegenstände  aus  diesem  Kreise  näher  ]&ennen  an  lemeni  will 
eff  am  Zusammenhang,  der  in  den  einaehien  StaatseinriebtangisQ 
bMredM,  naber  erfassen^  so  wird  es  allerdings  gut  aein»  ihm  dafili;i 
alao  für  den  Zweck  seiner  Pri?atbelehrung  und  seinea  FriFatstudiuniai 
^  apgemeasenea  Hülisbnch  in  die  Hand  au  geben,  w<<n^aA8  er  die 
gewonsciite  Betebrong  in  der  für  ihn  passenden  und.  gseigner 
tcn  Weise  gewinnen  kann.  Es  kommt  bei  einem  solchem  HttUibncb 
iMbesondare.  auf  die  Art  und  Weise  ant  in  welches  dec  Gegenstand 
behandelt  ist»,  aal  die  dabei  angewendete  Methodoi  wie  seihst  auch  anf 
dem  Umfaogi  den  eini  aolchea  Buch  erhält ,  imd.  den  Grad,  seiner 
AnefübrUebkeit«  In  dieser  Beaiebung  aber  müchte  das  vorüegendf 
Bneh  wohl  Etwas  über  die  Gränce  eines  für  die  Schüler  beatinunr 
ten  Buches  hinausgehen,  und  weit  mehr  bieten,  als  man  verlangen 
Mnnt  aber,  auch  auf  dor  andern  Seite  an  den,  der  das  Bnoh  ge- 
bnaebeA  will,  ander«  Forderaogen  stellen.  Für  aokhe,  die  weUeir 
Iwrtgescbi4tten  sind«  und  in  ihnm  Studien  der  Philologie  wie  der 
Jieinspsndeaa  £e  erforderliche  Eenntniss  des  gaAnen^römiachen  Staatflrr 
gebftad«»  wie  dea  Staalslebens.  selbst  gewinnen  wAUen«  o'ag  der 
Verfasser  ober  gesehcieben.  haben:  sie  wercbn  diesen  AJIwiss  out 
«Uem  ^thig  bei  ihren  Priiratstudien.  benntaen  und.  in  ihm  auch  die 
MMtsl  ang€«pahen;  finden,  an  einem  tieferen  Eingeben  in  im  GegOir 
siMd,  wto  an.  nmfasaender  Behandlung  einselner  Punkte«  Oeibei.  ist 
es  a»niei)bflnnen,  daas  der  VerjEsseei  überall  bestrebt»  daa.  was  übei 
jeden  PonkA  ein  Ergebniss  der  bisherigen  Forscbus«  an  beirachten 
lü^  in  gediiKngter  und  klarer  Fassnng  mitautlaeilen,  ohM.  iq  eigene 
Gombinationen  oder  E^pothesen  sich  tinsulawen«  die  nnr  ein  sehr 
jeeüTea  QepHige  m  sich  tragen,  und  in  einen  solchen  Hsndr  oder 
Ifdiibnchi  übel  angebaracht  ersebeinen,  wftbreod  er  aitgleieb  niigends 
▼e«sä^mt^  ebtti  so  scbr  die  Bcdiegstellen  aoa  den.  altentA«iltoren«  wie 
dlei  verschiedenen,  in  neoerer  Zeit  esscbienenen  Schriften  aneuCübreni 
um  so  einem  Jeden  die  Mittel  an  bieten  i  einerseits  der  Prüfung» 
andererseits  der  weiteren  Verfolgung  und  Behandlung  des  Gegen- 
standes; darum  glauben  wir  auch,  daaa  Lehrer,  namentlich  solche, 
denen  kebe  grosse  Biblioihek  an  Gebote  stehti  dieses  Bnch|  in  dem 


H4  KftfcMTt    Etabche  AxU^Hmtm. 

sie  die  ErgebnisM  der  bieberifan  FersdiaDg  klar  and  CMriidi  Bie- 
dergelegt jBnden»  mit  aUem  Vortbeil  gebraoeben  werden. 

Waa  nan  die  Einricbtong  des  Werkes  betriffk,  so  bat  der  Ter- 
fasaer  den  Stoff  in  eloselneD  Abscbnitten  and  Paragraphen  bdiaa- 
delt|  aaf  welebe  dann  in  gedrängter  Sebrift  die  Noten  mit  der  An- 
gabe der  Belegstellen  wie  der  neueren  Literatur  folgen.  In  einer 
Einleitung  verbreitet  er  sieb  sunäcbat  über  die  Oesdiicbte  und  den 
Begriff  des  Studiums  der  Antiquitäten,  in  dem  aueb  er  ebie  Dar- 
steUung  des  rdmiseben  Lebens,  sumal  des  9ffentlicben  und  ataalll- 
eben  erkennt,  und  verbindet  damit  die  Angabe  der  au  diesem  Sta- 
dium vorbandenen  Htiifsmittel,  d.  h.  der  betreffenden  neueren  Lite- 
ratur. Auf  F.  A.  Wolf  und  B.  O.  Niebubr  gestütst,  betraditet  der 
Verfasser  die  rdmiseben  Anüquitttten  als  diejenige  Disciplin  der  pU- 
lologiseben  Wissenscbaft,  welebe  bestimmt  ist:  „eine  auf  begrfinde- 
ten  Tbatsacben  bombende  klare  DarsteUung  des  römiseben  Lebens 
SU  geben,  in  welcher  die  eineeinen  Lebensäusserungen  und  Formen 
sieb  SU  einem  yollstlndigen  Aasdruck  des  rdmiseben  Nationaleha- 
rakters  ergSnsen  und  somit  als  ein  geschlossener  Verein  ron  Mittefai 
erscheinen,  durch  welche  das  römisdie  Volk  es  vermocht  bat,  auf 
den  notbwendigen  Stnfen  seiner  nationalen  Entwicklung  bis  tur  Lo- 
sung dar  Aufgabe  au  gelangen,  welche  diesem  grossen  Volke  dfo 
WeltgeecUchte  in  der  Vereinigang  aller  Reiche  und  aller  Bikia^g 
der  a)ten  Welt  und  in  der  Hinüberleitung  der  Menschheit  aoa  dem 
Heidenthum  in  die  christliche  Welt  gestellt  hatte''  (S.  7 ;  sollte,  tnt- 
gen  wir,  eine  solche  Definition  fBr  einen  Schüler,  für  ein  Scbolbadb 
geeignet  erscheinen?) 

Als  nothwendig  vorausgehend  dieser  Darstellung  des  Lebens 
der  römischen  Welt  in  ihren  Öffentlichen  wie  hXosllchen  Verbftltni»* 
sen  betrachtet  der  Verfasser  eine  genaue  Kenntniss  des  Bodens  aelbet, 
auf  dem  dieses  Leben  sich  entwickelte,  so  wie  des  Volkes  mid 
seines  Charakters;  Land  und  Volk  bilden  aleo  die  ersten,  wenn  man 
will,  einleitenden  und  nothwendig  vorausgebenden  Abschnitte  des 
Oanaen.  Es  wird  darum  von  dem  Verfasser  eine  Topographie  des 
alten  Roms  gegeben  (S.  12—78),  die  aber,  wenn  anders  der  Zweck 
eines  Schulbuches  oder  Handbuches  festgehalten  werden  soUte,  kam 
In  dieser  Ausfabrlicbkeit  Fiats  finden  dürfte.  Denn  nachdem  luaat 
die  nicht  unbedeutende  Literatur  über  diesen  Oegenstand  ver- 
aeichnet  und  dann  im  Allgemeinen  über  die  Lage  des  alten  Bodh^ 
über  die  Bodenverhältnisse,  das  Klima  u.  s.  w.  gehandelt  Ist,  folgt 
eine  geschichtUche  Uebersicht  der  Entwickelung  der  Stadt  ven 
den  SItesten  Zeiten  an  und  von  ihrer  ersten  Anlage  an  bis  aaf 
die  Kaiserselt  herab,  ja  von  da  an  bis  auf  unsere  Zeit,  we- 
be! Umfang  und  Bevölkerung  der  Stadt,  Strassen  und  Brücken  aüt 
alier  Genauigkeit  verzeichnet  werden. 

(8chku$  fdgi.) 


Kr.  60:  HEIDELBERGER  mt 

JAHRBOGHER  der  LITERATUR. 

Krahner:    Römische  Antiquitäten. 

(SchloBf.) 

Nao  geht  die  DarBtellung  zu  den  einzelnen  Hanptstätten  des  po- 
liüschen  Lebens  (das  Fornm,  der  Campus  Martins  o.  s.  w.)  wie  des 
religiösen  Lebens  über,  wobei  die  Tempel  and  Kapellen  nnd  alle 
die  andern  heiligen  Stätten  so  wie  die  Theater  und  Amphitheater, 
die  Cirei  u.  s.  w.  beschrieben  werden ;  daran  reihen  sich  die  Stätten 
des  bürgerlichen  Verkehrs,  die  Märkte  und  Verkanfeplätze^  die  ge- 
meinnützigen Anlagen,  wie  Bäder,  Kloaken  u.  s.  w.,  dann  die  gross- 
artigen  Anlagen  nnd  Bauten  der  Kaiserzeit  zur  Verschönerung  der 
Stadt.  Eine  Uebersicht  der  Regionen  des  Augustos  so  wie  der 
nahen  Umgebungen  der  Stadt  Rom  macht  den  Beschluss:  der  bei- 
gegebene Plan  der  Stadt  Rom  in  ziemlicher  Ausdehnung  nnd  Grösse 
18t  zu  diesem  Abschnitte  des  Werkes  eine  passende  Zugabe.  Als 
zweiter  Abschnitt  dieses  vorbereitenden  Theiles  folgt  eine  Uebersicht 
der  Länder  und  Provinzen  des  römischen  Reichs  (S.  78 — 103),  die 
natürlich  ziemlich  allgemein  (jedenfalls  nicht  Im  Verhältnlss  zu  der 
Anslührlichkeit  des  der  Topographie  von  Rom  gewidmeten  Abschnittes) 
gehalten  ist,  und  eben  deshalb  z.  B.  bei  dem,  was  über  Africa  bemerkt 
Ist,  aus  den  neueren,  dort  gemachten  Entdeckungen  Manches  vermissen 
ISsst,  was  eine  Anführung  verdient  hätte,  wenn  anders  eine  solche 
geographische  Uebersicht  überhaupt  hier  am  Platze  war.  Als  d  r  i  t"- 
ter  Abschnitt  (S.  104—116)  folgt  eine  ethnographische  Uebersicht 
der  alten  italischen  Völkerschaften,  wie  man  sie  eher  vor  der  To- 
pographie von  Rom  erwartet  hätte,  wenn  anders,  wie  wir  auch  hier 
wiederholen,  eine  solche  überhaupt  hier  zu  geben  war.  In  diesem 
Abschnitt  nämlich  tbeilt  der  Verfasser  die  Ansichten  mit,  die  einige 
Gelehrte  neuerer  Zeit,  auf  die  sprachliche  Forschung  angeblich 
gestützt,  über  die  ursprüngliche  Bevölkerung  Italiens  aufgestellt  ha-* 
ben,  welche  hiernach  überhaupt  In  drei  Gruppen,  die  etruskische,  die 
messapische,  die  umbrisch-sabellisch- latinische  zerfallen  soll,  wäh- 
rend das  römische  Volk  aus  einer  Mischung  der  drei  Elemente  der 
letzten  Gruppe  hervorgegangen  sein  soll.  Der  Widerspruch,  in  wel- 
chem dieses  angebliche  Resultat  der  sprachlichen  (in  der  Tbat  noch 
nichts  weniger  als  gesicherten)  Forschung  mit  der  historischen  Tra- 
dition steht,  wird  freilich  dabei  ausser  Acht  gelassen;  wie  denn  über- 
haupt die  historische  Tradition,  die  doch  allein  noch  einen  festen 
Boden  abgeben  kann,  in  den  Augen  neuerer  Gelehrten  jetzt  nichts 
U  Jahr«,  12.  HeflU  60 


UA  Badiiobe  ProfrtiMe  6m  tthn  M7. 

mehr  gilt,  ond  man  bereit«  so  weit  gelangt  iiV  dass  man  die  rSmisdie 
QeBdUebte  ond  den  rOmiichen  Staat  beaaer  verstebea  will  ab  Cicero  und 
LMos,  md  dämm  aach  ohne  diese,  ja  In  Wlderapmcb  mit  deasd- 
ben,  die  römlacfae  Geschichte  und  den  römischen  Staat  an  constmiicn 
aneht  —  Eine  Daratelhmg  des  Oharaktera  des  römischen  Voifci, 
wie  es  in  seiner  Entwiclieinng  liervortritt,  bildet  den  Schlnss  diwi 
Abschnittes  8.  lU  ff. 

Von  dem  zweiten  Theile,  welcher  das  öffentliche  Leben  d« 
Römer  darstellen  soll,  ist  in  dem,  was  uns  vorliegt,  die  erste  Ab- 
theilung  enthalten ,  die  im  ersten  Kapitel  über  die  Ciaasen  der  Be^ 
wohner  (Sclaven,  Freie,  Freigelassene),  über  Civität,  über  die 
Stünde  (PaUieier,  Eqniteai  Piebeier,  NobUltftt  n.  s.  w.)  sowie  über 
Latini  undPeregrini  sieh  verbreitet;  im  aweiten  dann  su  denStail»- 
gewahen  und  damit  aar  Darstellung  der  Verfassung  nacli  ihrer  g^ 
schlehtlichen  £alwiclcelung  übergeht.  Hier  wird  also  im  EiMdsei 
▼en  den  Volksversammlungen,  insbesondere  den  Oenturiatconntitf 
und  deren  Verlauf,  dann  vom  Senat  und  seinem  WirlrangskreiBe, 
dann  Fon  den  Magistraten,  suerst  im  Allgemeinen,  dann  im  Bsm»' 
ietn  von  den  höheren,  ordentlichen  wie  ausserordentlichen  (also  tob 
Oonsnlat,  Präiur,  Gensur,  Dictatur  u.  s.  w.)  und  von  den  nieden 
und  deren  Dienern  im  Einaeinen  gehandelt 

Den  Sohiusa  macht  der  Abschnitt:  ^Princeps.  Der  Kaiser/ 
Wir  haben  uns  auf  diese  Angabe  des  Inhalts  hier  bescfarinkl, 
ohne  weiter  in  eine  Prttiung  oder  Kritik  des  Einseinen,  wosu  sUer- 
dinga  an  Oelegenbeit  es  nicht  fehlt,  oder  vieimelir  bei  G^tgsnstii- 
atlnden,  wie  die  in  dieser  Schrift  behandelten,  nicht  Müen  kasa 
einzugehen ;  es  liegt  diess  dem  Zwecke  dieser  Anaelge  fem,  wekki 
durch  ein  einfaches  Reteat  über  daa  verdienatiiche  Untemdiowi 
demselben  die  gebührende  Beachtung  luwenden  und  damit  deeMi 
Verbreitung  fördern  solL 


Badieche  Programme  de«  Jahrai  1857. 

Indem  wir  auch  in  diesen  Jalire  eine  Ziiaanunen#leUnag  der  wifeeaicW^ 
liehen  Beigaben  su  den  an  den  verschiedenen  Anatalten  de»  Laadea  enckit- 
uenen  Jahreiprogramnen  geben ,  haben  wir  nur  die  Drüber  abgegebene  Sr 
klining  au  wiederbohlen ,  daaa  wir  nna  hier  auf  ein  einfaches  Referat  ikm 
Inhalts  au  beschränken  haben. 

Dem  Programm  des  Lyoenms  in  Garlsrnhe  ward  beigegeben: 

Die  GpitMrverwandlungen,  Eine  Frage  der  komertMchen  Theoiogie*  ^^ 
C.F.  Flau,  Hofraih  und  Professor.  Karlsnihe.  Dmch  der  Q.  Brma'u^ 
Hofbuchdruckerei  1857.  4i  S.  in  gr.  8. 

Die  hier  behandelte  Frage  ist  eine  sehr  eoatiovefta,  k  versoftiediMa 
Sinne  von  den  verechiedenea  Aualegera  das  loBier,  die  abeihaapt  dwirtif* 


Ba4i««ha  rrogtaume  4m  Jahn  1867.  MV 

Gagafeftända  in  Batracbt  gmofen  haben,  beantwoiiela (  dewi  aie  batrifl  nicht 
aawoh]  die  Verwandlanf  der  Götter  und  ihr  Eradieinen  in  oMasehlicber  6e« 
•talt,  ali  Ttalaiehr  ihre  Verwandionir  in  thieritche  Gestalten  and  aelbst  lebleae 
Gcfenatinde,  wie  fie  tob  einigen  Gelehrten  angenoaroes,  ja  aeibst  pribctpieU 
in  begründen  Terancht  werden  ial,  von  andern  in  Abrede  geateUt  wird.  Ea 
iobnie  aieh  dalier  wohl  der  Muhe,  den  Gegenatand  von  Neoem  einer  m  ge* 
nanen  nnd  aorgftltigen  Prüfung  an  nntenielten,  wie  aie  in  anliegender  Sobr&ll 
■nternomnien  worden  ist,  in  einer  Weiae,  durch  welche  die  gnnie  controvetae 
Frage  an  ihrer  aicheren  Löaong  und  Entacheidong  gebracht  iat;  ea  war  dieaa 
aber  um  ao  nOIhiger,  ala  adbat  in  einer  der  Frage  nach  den  Venrandlnngen  der 
GMter  hei  Homer  überhaupt  gewidaieten  Scbrifi  (Conat.  Sehimmeiffeagt  De 
diia  in  eonapectum  hominum  venientibna  apnd  Hoaierum.  Marburg.  184&  p.  34. 
35)  dieaer  Punkt  keineawega  die  gehörige  Loanng  und  Beleuchtung  gefunden 
hatte,  nnd  eine  Verwandlung  der  Gotter  in  Vogel  n.  dgl.  angenommen  war,  wie 
aie  anch  in  denjenigen  grOaaeren  Werke  angenommen  wird,  daa  Ober  aolche 
Gegenatftnde  aunichat  einen  aicheren  Anfachtnaa  geben  aoUte  (die  honerifohe 
Theologie  von  Ntfgelabach),  in  welchem  bei  der  Yorliegenden  Frage  wie  in 
■anflw^  Ähnlichen  FttUen,  dem  allein  sichern  Ergebniaa  einer  streng  philole- 
giachen' Exegeae  eine  dogmatiache  Theaia  aubatituirt'iat,  die  afther  betrachtet, 
aWea  Grundes  entbehrt  Der  Verfaaaer,  indem  er  dieae  Theaia  beleochtel  und 
ihre  völlige  Grundlosigkeit  nachweist,  schlagt  dann  denjenigen  Weg  ein>  der 
alJeiB  hier  sum  Ziele  fuhren  kann:  er  unterwirft  alle  die  einaelnAli  Stellen, 
auf  welche  man  die  Annahme  von  Gottenrerwandlongei  in  Tbiergeatalleil 
au  aMtaen  geaucht  hat,  einer  genauen  Prttfung,  die  au  dem  ReaultaSe 
fikhrt,  daaa  anch  nicht  in  einer  einsigen  hoaMriaehen  Stelle  von  einer  Ver- 
wandlung die  Rede  ist,  oder  vielmehr  überhaupt  sein  kann,  aondem  dass  in 
allen  hierher  gehörigen  Stellen  ea  nur  um  eine  Vergleichung  sieh  handelt» 
welche  ttberdem  stets  dnrch  bestimmte  Wörter  ausgedrückt  iat,  in  deren  Sinn 
nnd  Bedeutung  gar  kein  Zweifel  gesetst  werden  kann,  ao  daaa  nur  ein  völli- 
ges Verkennen  dieser  Worter  und  ihres  allein  möglichen  Sinnes  an  der  en*- 
gegCDgesetaten  Annahme  führen  konnte.  Und  dieses  nnaweifelhafte  Ergebniaa 
wird  selbst  bestätigt  durch  daa,  was  bei  awei  der  entschiedensten  Nachahmer 
homerischer  Poesie  wahrgenommen  wird,  bei  Qointus  Smyrnäus  und  Apollo- 
nina von  Rbodus,  welche  beide  eben  so  wenig,  wie  Homer,  soldie  Verwand« 
lungen  der  Gotter  gekannt  haben  (s.  die  beiden  AahOnge  S.  33  ff.  37  ff.). 
Die  homerischen  Stellea,  aus  welchen  diess  nach  der  vom  Verfasser  gegebeneu 
Exegese  mit  anzweifelhafter  Sicherheit  hervorgeht,  sind  Odyss.  I,  320.  III,  371. 
V,  119.  352.  XXII,  239.  Ilias  IV,  75.  VH,  59,  XIII,  65.  XIV,  289.  Unter  diesen 
einaelnen  Stellen  gehört  diejenige,  mit  welcher  der  Verfasser  seine  Darstel- 
lung im  Einaelnen  beginnt,  Odyss.  I,  320  (wo  es  von  der  Athene  heiaat: 
1}  ph^  S^'  mg  ünovc  dnißrj  ylavurnrng  'Afhqpri^  op^K  ^  &g  avamma  [«yo- 
mti€c]  Siinraro),  allerdings  zu  denjenigen,  welche  in  Beaog  auf  den  hier 
vorkommenden  Ausdruck  tcvonaCa,  schon  im  Altertbum  einer  veraehiedeoc« 
Deutung  unterlegen  sind,  wahrend,  um  sogleich  unaere  Anaicht  unumwunden 
anasnaprechen ,  Aristarchns  auch  hier  daa  allein  richtige  erkannt  an  faahoii 
aelieint;  wie  die  von  nnserm  Verfasser  gegebene  ErOrtenmg  ia  ttbereengeiider 
Weiae  darthnt^    In  dieser  Stelle  nllmlich  haben  neue  Analeger  eine  Verwand-* 


948  Btdifdie  f rogramM  it$  Jahn  1857. 

hmf  der  Athene  in  einen  Vofel  finden  wollen,  welcher  dnreh  den  Raachhiff 
(die  in  der  Decke  de«  Saales  angebrachte  Oeffnnng )  oder  durch  die  Thtn, 
oder  gar  durch  die  Fenster  davon  geflogen,  weaihalh  sie  denn  auch  das  Wart 
tn^ontiia  trennen  in  dv  onaia^  und  aelbat  alte  Gloaaen  byaanliniseher  Sekrei- 
her  SU  Hülfe  nehmen ,  welche  hier  die  Erklirung  beigefttgt  haben  ova  fi^ 
^VifiStt,  ara  tag  ^v^^<9a$,  6ui  xmv  ^v^£dmv\\  die  Partikel  «d^,  die  dooh  in 
dieser  Verbindung  nichts  anderes  als  eine  Partikel  der  Vergleiehnng  sein  kau, 
wird  dann  au  0^19  genommen,  in  dem  Sinne  von:  „als  ein  Vogel*:  aiekt 
minder  arg  ist  aber  der  sweite  Verstoss  gegen  Grammatik  und  Sprachgebnock, 
«9«  (in  dv  oiraue)  für  di«  so  nebmen,  als  ob  dwa  je  in  der  Verbindung  ut 
einem  Aecusativ  ein  solches  durch  aussudrQcken  vermöge!  und  d<»ch  hat  eis 
neuer  Gelehrter  (s.  S.  39  ff.),  welcber  wohl  einsah,  das«  von  einer  Verwaad- 
lung  der  Athene  nicht  die  Rede  sein  könne,  wieder  diese  Deutung  aofgeaan- 
men,  indem  er  die  Athene  wie  einen  Vogel  „durch  das  Fenster'*  himai- 
fliegen  lisst,  als  ob  dvd  so  viel  wilre  wie  dut  und  onaia  die  Fenster  be- 
neiebnen  konnte!  Am  Ende  freilich  kommt  es  auf  eins  hinaua,  ob  mao  £« 
Athene  durch  den  Rauchfang  oder  Schornstein  wie  eine  Fledermaus  (eia  frei- 
lich seltsames  Bild !)  oder  durch  ein  Fenster  davon  fliegen  lässt  Man  Mcb 
aus  diesem  Beispiel,  dass  unsere  neueren  Ausleger  auch  bei  Homer  in  Maaebei 
mit  den  Coryphtten  einer  geistlosen  Bysantinischen  Hermeneutik  wahrhaft  n 
wetteifern  scheinen,  und  selbst  die  einfachsten  und  natürlichsten  Erkliruagei 
von  der  Hand  weisen  j  wir  kehren  darum  mit  nnserm  Verfasser,  dessen  klare 
Darstellung  das  Verkehrte  dieser  Deutungen  nachweist,  zu  Aristarch*s  Erklinag 
lurOck,  der  in  dvonaia^  das  er  darum  auch  richtiger  dvoneuu  sekreiH 
ein  lu  o^iq  gehöriges,  die  Gattung  und  die  Art  des  Vogels  bezeicknento 
Beiwort  erkennt,  welche  Erklärung  jedenfalls  der  des  Herodianus  vorzasiehBi 
sein  wird,  welche  dvonaia  als  ein  adverbiKliaeh  in  dem  Sinne  von  ao^atns 
gebrauchtes  Neutrum  Plurale  annimmt,  an  eine  Verwandlung  der  Athene  ia 
einen  Vogel  darum  schon  nicht  denken  konnte.  Die  Erklärung  des  Ariatar- 
chus  wird  aber  durch  die  vom  Verfasser  angeführten  Stellen,  in  welchen  iha- 
Hche  Beiwörter  mit  oqvi^  bei  Homer  verbunden  vorkommen  (Odyss.  V,  5L 
XIX,  548.  II.  VII,  59 j,  bestätigt,  und  wird  eben  so  weiter  geaeigt,  dass  in  rftf 
ganzen  Stelle  nur  von  einer  Vergleichung  der  Athene  mit  einem  Vegd 
die  Rede  sein  kann ,  und  dass  es  bei  dieser  Vergleichung  aunichat  um  des 
Begriff  der  Schnelligkeit  sich  handelt,  den  der  Dichter  hier  in  auadrocksvolkr 
V^eise  andeuten  wollte.  Wir  glauben  daher  auch  nicht,  dass  die  Deutung  d« 
Wortes  avonata  durch  aufwärts,  wie  sie  noch  unifingst  Seiler  in  der  neaea 
Ausgabe  von  Crusius  Homerischem  Wörterbuch  S.  56  angenommen,  und  wit 
sie  auch  Karsten  in  der  von  Eustathius  angeführten  Stelle  des  Eropedoolea 
(wo  nvQ  — >  dvonaiov  vorkommt)  angenommen  hat  (s.  Comment  in  Empedod. 
p.  233),  sich  rechtfertigen  Iflsst;  seibat  Ameis,  der  die  Stelle  aonat  gana  ricblif 
anfgefasst  hat,  scheint  durch  seine  Uebersetxung:  Blick  auf,  dieaer  Anaiehl 
noch  SU  huldigen.  Um  so  mehr  mag  es  auffallen ,  wenn  derselbe  Gelehrte  ia 
der  andern  Stelle  des  Odyssee  III,  371,  wo  doch,  wie  der  Verfasser  klar  nach- 
gewiesen, nur  von  einer  Vergleichung  die  Rede  sein  kann,  eine  wirkücke 
Verwandlung  annehmen  kann.  Dasselbe  ist  der  Fall  Odyss.  XXII,  239,  wo 
es  von  der  Athene  heias^:   iiez    dvcct^aca  x^^^ovi,  Bl^iXfi  ämpf:  da  hi«r 


Btdiscbe  Proi^mme  dei  Jahn  1857.  t4§ 

durch  tl%ilfj  die  V  er  gleich  üb  ff  za  devtlieh  amiredrttckt  wer,  um  yerkennf 
■a  werden,  haben  neuere  Aualeger  in  einer  wahrhaft!)^  der  Verkehrtheit  byian- 
tiniecher  Aualefrunfraknnat  entsprechenden  Weise  in  apvrjv  die  Nothwen- 
difkeit  erkennen  wollen,  an  eine  Verwandlung  zu  denken;  auch  hier  hat 
der  Verfasser  das  Richtige  ehen  so  klar  nachgewiesen,  wie  denn  auch  schon 
fiastatbius  jene  Ausleger  anf  das  Richtige  hStte  leiten  können,  durch  die  sn 
II.  I,  187  aber  Svxtjp  geroachte  und  weiter  ausgeführte  Bemerkung:  ngog 
mt^ißgiav  nsttat.  Wenn  aber  in  II.  IV,  25  der  Verfasser  der  homerischen 
Theologie  die  Athene  gar  als  Sternschnappe  (?)  erscheinen  Ifisst,  da  wo  doch 
so  klar  und  bestimmt  nnr  von  einer  Vergleichnng  die  Rede  ist  (s.  S.  ti  ff.); 
so  hat  anch  hier  wieder  das,  was  die  grammatisch  philologische  Auslegung 
als  allein  richtig  nachweist,  einer  ausgesponnenen,  anf  die  Begriff-  und  An- 
schauungsweise des  alten  Dichters  gar  nicht  anwendbaren  Theorie  weichen 
rnttsscD.  Hoffen  wir,  dass  die  vom  Verfasser  gegebene  Darstellung  alle  diese 
Theorien  als  beseitigt  fttr  immer  ansehen  tisst. 
In  Consta nz  erschien: 

Bericht  über  eine  AnuüU  im  Jahr  1849  aufgefundener  römitcher  Mümen  in  Grost- 
Mittel-  und  Klein-En  von  Prof.  Dr.  Wörl.  Constam  1857.  Druck  von 
Jacob  Stadler.  90  S.  in  gr.  8. 

Bei  den  wenigen  schriftlichen  Zeugnissen,  die  von  dem  Aufenthalt  der 
ROmer  in  unsern  vaterlllndischen  Gegenden  Kunde  geben,  bei  der  geringen 
Anzahl  von  Inschriften,  die  sich  aus  jenen  Zeiten  erhalten  haben,  werden  die 
ift  diesen  Qegenden  aufgefundenen  römischen  Münzen,  auch  abgesehen  von 
ihr«iin  sonstigen  Werth  und  ihrer  sonstigen  Bedeutung,  als  eine  Quelle  gelten 
mttsM^n,  auf  welche  die  Kenntniss  der  römischen  Urzeit  unseres  Vaterlandes 
sich  ^Q  stutzen  hat:  daher  werden  wir  die  Vermehrung  dieses  Quellenmate- 
riab  ilurch  neue  Funde  als  eine  Bereicherung  freudig  zu  begrüssen  haben. 
In  det  bewegten  Zeit  des  Jahrs  1849  wurde  durch  den  Verfasser  ein 
in  den  ^Umgebungen  von  Constanz,  in  dem  alten  Hegau,  gemachter  Fond  von 
rOmischvn  Mnnzen  dem  Untergang  oder  der  Verschleuderung  entzogen :  es  ge- 
lang ihnjy  aus  einer gröüsern  Zahl  von  etwa  zweitausend  solcher HUnzen  fünf- 
hundert in  seinen  Besitz  zu  bringen,  welche,  mit  aller  Sorgfalt  von  ihm 
ausgewtthl\  einer  kaum  nnterhrochenen  Reihe  von  romischen  Imperatoren 
fost  vier  Jah\iionderte  hindurch,  von  Aagnstns  bis  gegen  die  Zeiten  des  Theo- 
dosius  den  Grössen,  angehören ;  denn  von  dem  letztgenannten  Kaiser  fand  sich 
keine  Münze  mVhr  vor,  wohl  aber  von  Gratianus  (f  383),  zn  dessen  Zeiten 
daher  wohl  die  vranze  Summe  vergraben  worden  ist,  die  jetzt  erst  in  unsern 
Tagen  ein  glücklicher  Fund  ans  Licht  gebracht  bat.  Der  Verfasser  giebt  eine 
genaue  Beschreiliung  dieser  einzelnen  Münzen,  die  er  nach  der  Reihenfolge 
der  Kaiser  geordnet  hat,  aus  deren  Leben  zugleich  die  bauptsScblicheren  Data 
angeführt  werdio;  es  reiben  sich  daran  schfitzbare  Erörterungen  geschichtli- 
cher wie  numr^atischer  Art;  auch  ist  für  solche  Leser,  die  mit  dem  römi- 
schen Mttnzw/sen  nicht  nüher  bekannt  sind,  eine  daraof  bezügliche  Einleitung 
vorausgeschi^;kt,  wfihrend  am  Schlüsse  des  Ganzen  der  Verfasser  in  eine  nXhere 
Bctrachtui^  der  historischen  Punkte,  die  aus  diesem  Funde  sich  ergeben,  ein- 
geht. Er  glaubt  nämlich  (S.  80  ff.)«  dtss  diese  Münzen  nicht  sowohl  das  Eigen- 


^ 


•M  BMiMiM  rr«frtMia  4^  Jahn  18S7. 

Ihui  «iiMi  R<MMra  ftU  eiiiM  titrouiMB  ««wmmi  sind,  dar  Mue  Scfcit—  M 
4«M  Aniraag»  der  Rdner  verborfe«,  da  ar  «ia  aban  niala  aul  eich  acMappw 
koaala,  ond  danw  i$i  dar  Varfasier  wailar  f^amaiat,  dia  VarfralmBf  da«  lfh$ 
■H  daa  Nttaaaa  ia  dia  Zail  la  Tarkfan ,  io  walahar  Graliaa  mit  dao  liai- 
faaarn  (377—378)  ia  aiaaa  Kriag  varwickaU,  diaia,  aacbdam  ar  das  RMa 
abarachriltaB,  ia  ibraa  Gabinraa  bawiitlfl  uad,  sawaii  aia  sich  niebl  enraiMB 
iMilaB,  aar  FlaabI  gaaölhiipt  balla*  Da  malt  Tamuthal  ar,  mmf  dar  F1«ekt  var 
Graliaa'a  andring aadan ,  Allaa  varfaeareDdaa  Scbaaraa,  konola  aia  feckügar 
Liasgaaar  die«a  Noaian,  dia  ibn  —  deaa  sie  aind  alla  vaa  Bn  —  lum  Hl»- 
fcUe|ipaB  ta  icbwar  waraa,  vergrabaB  babaB,  wtthraBd  ar  dia  «ilberaan  Mab* 
aaa  aber  milgaaaaMiaa  babaa  naohta.  Wir  babaa  nur  die  HaopipBokta  der 
BflifaataBdaB  Fortcbang,  dia  aiaaa  sabr  daBkeafwartbeB  Beitrag  aa  der  aaek 
§0  daBkela  Gaacbieblo  BBaarar  rOaiiscbaa  Voraail  bildet,  uad  auf  dieee  mi- 
ffiab  ein  aeuea  Licht  wirft,  aagegebea  and  verweiaaa  Alle,  weicke  aa  aal- 
eben Foracbungen  Antbeil  nebmen,  aof  dia  Sckrifk  aelbal;  mOcbte  aia  die  Vo^ 
anlaaanng  geben  la  weiteren  Farachungen,  aber  auch  in  aargikitiger  Bewak- 
rung  und  Beachtong  deaaen,  waa  dorch  neue  derartige  Funde  aua  dem  Scbooae 
der  Erde  noch  ana  Tagealicht  gezogen  werden  kann. 

In  Frei  bürg  erschien: 

Annckim   d&ar   den  Ünienicki   in   dar  /ranwtucken  Spracke  von   LyetaOtknr 
Ern$t  Zipp.  Fraburg  i857.  Bei  Fron*  Xaver  Wangler.  2t  S.  m  gr,  S. 

In  Heidelberg  eraehien: 

Urkundliche  GeMckichte  der  Stipendien  und  Stiftungen  an  dem  groidier%ogUche» 
Lyceum  und  der  Universität  su  Heiddberg  mit  den  LtbensheMchreibungen 
der  Stifter,  Ndtst  den  Ehm* sehen  und  den  Bemhard^tchen  Pfälier-Siipendiea 
an  der  Universität  Basel  und  Utrecht,  dem  Neuspiiter sehen  FamUien-Sii' 
pendium  und  einem  Anhange  über  den  Geldverth  in  früherer  und  jetaiga 
Zeit,  Von  Johann  Friedrich  Häutig  Grossh,  Bad,  Hofrath^  Profes- 
sor und  attemirenden  Director  des  Lyceums.  Zweites  Heft.  Hesdelberf-l 
Gedruchi  bei  Julius  Groos  1857.  128  S.  in  gr,  8. 

Dieaea  i weile  Heft  bring!  die  Fortaetzung  und  den  Scbluaa  der  in  des 
eralen,  dem  yarjibrigen  Programme  beigegebenen  Hefte  begonnenen  aracka- 
pfenden  DaralelKung  dea  geaammten  Stipendien weaena  dea  Lyceama  wie  dcf 
llaiverailfll  Heidelberg;  ea  iat  damit  ein  Unternehmen  vollendet,  welebea  der 
Analalt  wie  dem  Yeriaaaer  aur  Ekre  gereicht,  ond  für  die  Kunde  der  Ver» 
gangenbeil  wie  der  Gegenwart  nicht  miader  Btttelicb  uad  wichtig  iai.  Wir 
haben  nnn  in  einem  mil  gleicher  Sorgfall  und  Genauigkeil  wie  VolUtiadig- 
keil  dnrehgeftthrlen  Ganzen  eine  wohlgeordnete,  Oberaichtliche  DarateUnnff 
aller  der  milden  Stiftungen,  womit  die  Vergangenheit  wie  die  Gegenwart  Hei- 
delberg in  aeinen  gelehrten  Anatalten  bedacht  hat,  zur  Forderung  der  Wiaaen- 
achaft,  wie  aur  UnteratUtzung  tüchtiger  and  hoflfnungavoller ,  aber  nnbenit- 
lelter  junger  Leute,  die  aich  dem  Dienala  der  Wiaaenaehaft ,  in  Kirche  aad 
Staat  zu  wMmen  gedenken.  Und  hoffen  wir,  daaa  der  verdienstlichen  na^ 
preiswürdigen  Arbeit  des  Verfasaera  nicbt  blas  dia  wohl  verdiente  Anerkeo- 
nang  zu  Theil  werde,  sondern  daa«  aie  aacbVeranlaainng  ond  Anregung  geh« 


Btdisch«  Pro^rnme  ^m  Jahn  1  SSt*  Ml 

SU  Denen  Stiftungen,  die  licii  den  hier  ureicbilderten  enreHieii.  Die  lettten,  •o-'' 
weit  sie  in  dem  ersten  Hefte  enthalten  sind,  wurden  in  der  Teijlhriifen  An* 
seige  (S.  958)  bereits  berührt:  in  diesem  iweiten  Hefte  feiftt  der  Schluss  der 
Privetstipendien  mit  Erwtthnuni^  der  Fe uih*  sehen  Stipendien,  die  noeb  in  die 
jfloirste  Zeit  feilen  und  ein  schönes  Denkmal  der  Pietät  bilden,  das  ein  frü- 
herer ZAfcling  der  Anstalt  —  der  Oberamtmann  Frans  Burkhart  Fauth  — 
TO»  dessen  und  seiner  Vorfahren  Leben  hier  die  tfenauesten  Naehriefaten  mit- 
getheih  werden,  sieh  gesetst  hat.  In  der  tweiten  Abtheiinng  ersehefnen  meh- 
rere, inr  Aufmunterung  hoffnungsvoller  Lyceisten,  ebenfalls  in  neuerer  Zeil 
gealiflele  Preise,  darunter  ebenfalls  einer  ron  dem  eben  erwähnten  Herrn 
Oberamtmann  Fauth.  In  der  dritten  Abtheilnng  erseheint  eine  zuniehst  fUr 
die  Wittwen  und  Waisen  evangelischer  Pfarrer  su  Heidelberg  gemachte  Stif- 
tung, an  der  aber  in  Folge  der  eingetretenen  bedeutenden  Vermehrung  des 
Sliflungskapitals  bis  sn  16^49411.  14  kr.  (von  ursprünglich  1500  fl.  im  Jahre 
1760)  nach  dem  Willen  des  Stifters  nun  auch  die  evangelisehen  geistlichen 
Lehrer  des  Lyceams  Antheil  nehmen.  Die  vierte  Abtheilnng  befssst  die 
Universitfitsstipendien.  Der  Verfasser  hat  es  nicht  rersflnmt,  zuerst  Kenntniss 
zu  geben  von  den  vormals  an  der  UniversitSt  bestandenen  Stipendien,  den 
öffentlichen,  wie  den  Privatstipendien!  die  grosse  Zahl  und  der  bedeutende 
Umfang  dieser  in  den  Stürmen  der  Zeit,  welche  die  alte  Rheinpfalz  betroffen 
haben,  fast  gUnztich  —  nur  ein  kleiner  Rest  hat  sich  in  dem  heutigen  Sapienc* 
fond  erhatten  —  zu  Grunde  gegangenen  milden  Stiftungen  kann  nur  betrübende 
Erinnerungen  erwecken,  aber  auch  zeigen,  wie  der  Umfang  dieser  milden 
Stiftungen  mit  der  grossen  Bedeutung,  die  Heidelberg  als  Universität  schon 
frühe  einnahm,  in  Einklang  stand ,'  uro  so  mehr  aber  richtet  sieh  der  Blick  auf 
die  neueste  Zeit,  die  in  erfreulicher  Weise  das  Verlorene  jetzt  wieder  zu  ersetzen 
bedacht  ist;  hat  doch  das  Jahr  1856  nicht  weniger  als  drei  solcher  Stiftungen 
gebracht!  Von  allen  diesen  einzelnen  Stiftungen,  soweit  sie  noch  an  der  Uni- 
▼ersitit  bestehen,  eben  so  von  den  anderweitigen  (zu  Basel,  zu  Utrecht)  be- 
findlichen Universititsstipendien,  werden  genaue,  und  in  Bezug  auf  Verleihung 
a.  a.  w.  offieielle  Nachrichten  milgetheilt,  so  dass  Jeder,  der  um  ein  solches 
Stipendium  sich  zu  bewerben  gedenkt,  ebenso  Wie  die  Behörden,  von  welchen 
die  Verleihung  abhfingt,  hier  Alles  das  zusammengestellt  finden,  was  sie  lu 
diesem  Zweck  zu  wissen  nothig  haben.  Eine  sehr  sch&tzbare  Zugabe  bildet 
der  Anhang  S.  114  ff.:  „Ueber  den  Geldwerth  in  früherer  Zeit  im  Vergleiche 
zu  der  jetzigen.*'  Die  Frage  nach  dem ,  was  der  Unterhalt  eines  Sfudfrenden 
auf  der  Universität  erheischte,  in  natürlicher  Beziehung  zu  den  dargereichten 
Stipendien,  femer  die  BesoldungsverhflUnisse  der  Professoren  werden  hier  ifi 
einer  auch  für  unsere  Zeit,  in  der  die  Besoldungsfrage,  besiehungsweite  die 
Bes«ldungserhOhung  überall  besprochen  wird,  interessanten  Weise  dargelegt 
durch  detaillirte  Angabe  der  Besoldungen  der  einzelnen  Professoren  im  seeh« 
lehnten,  siebenzehoten  und  in  den  verschiedenen  Stadien  des  achtzehnten  Jahr- 
hunderts unter  vergleichender  Berechnung  des  Werthes  des  Geldes  wie  der 
Naturalien  jener  Zeit  zu  dem  gegenwartigen  Werthe  derselben.  As  bedarf  da- 
her wohl  kaum  einer  besondem  Bemerkung,  um  auch  diesem  Ahschnitte  die 
allgemeine  Aufmerksamkeit  zuzuwenden. 


Wk  Badtoche  ProgranuBe  des  Jubri  1857. 

In  Ilalink  ein  enohien: 

Gnchichte  und  SkUiiHk  des  Lycemns  tu  Mannheim  von  der  Gründung  deudhen 
im  Jahr  i807  Us  Herhtt  1857.  Von  J.  P.  Behaghel,  Mannkeim,  Bveh- 
drueker»  von  J.  Schneider.     83  S.  in  gr.  8* 

Et  wird  hier  tuertl  eioe  Geschichte  der  im  Jabre  1807  ans  der  Vereiai- 
fOBg  dreier  confessionellen  Kclehrten  Schulen,  die  in  FoI|^  der  Kriefsaliirnie 
herabirekonimen  waren,  hervorffei^aof  enen  Anstalt  bis  au  dem  jetoii^en  Zeltpnakt 
fegeben,  dann  ttber  Disciplin,  Ferien  n.  a.  w.  in  einem  zweiten  Abscbnit 
(S.  22)  das  Notbige  bemerkt,  wahrend  im  dritten  (S.  24  ff.)  von  den  mit  dem 
Lyceum  in  Verbindung  stehenden  Anstalten  (unter  denen  insbesondere  die 
Deabülons|scbe  Bibliothek  au  nennen  ist),  im  vierten  (S.  28  ff.)  von  den  Sti- 
pendien und  Untersttttsungen  unbemittelter  Schuler  gehandelt  wird.  Der  fünfte 
Abschnitt  (S.  32  ff.)  giebt  die  genauesten  Nachrichten  von  dem  Leben  nnd 
Wirken  aller  der  Lehrer,  welche  in  dem  abgelaufenen  halben  Jahrhundert  der 
Anstalt  an  derselben  thfltig  gewesen  sind,  woran  sich  im  sechsten  Abechnitt 
(S.  71  IL)  eine  Ueberiicht  der  Lehrgegenstande  und  der  Lehrer,  die  «laria 
Unterricht  ertheilt  haben,  anreiht,  im  achten  (S.  79)  aber  eine  statistische  Ueber- 
sieht  der  Schttleraahl  wahrend  dieser  Periode,  welche  %u  der  Gesammtiahl 
3150  sich  erhebt,  unter  welchen,  wie  das  weiter  beigefügte  Verseichniss  nach- 
weist, sich  eine  Reihe  der  namhaftesten  und  bedeutendsten  Männer  in  allen 
Gebieten  der  Wissenschaft  wie  des  praktischen  Lebens  befiadet.  So  bildet  das 
Ganae  eine  würdige  Festgabe  su  der  Feier  des  halbhnndertjahrigen  Bealandes 
der  Anstalt. 

In  Rastatt  erschien: 

Veber  die  Bedeutung  der  Partikel  ydg  in  den  tcheinbar  vorgeschobenen  Sätzen. 
Von  Lyceumsdirector  J.  Sehr  au  t.  1857.  Buch"  und  Steindruckerei  von 
W.  Mayer  in  Rastatt.  57  S.  in  gr,  8 

Diese  Abhandlung  schliesst  sich  eigentHch  an  drei  früher  in  den  Jahren 
1847—1849  zu  Neuss  erschienene  Programme  des  Verfassers  an,  welche  unter 
der  Aufschrift :  „die  griechischen  Partikeln  im  Zusammenhange  mit  den  illestea 
Stimmen  der  Sprache**  zum  Zwecke  hatten  „die  Gestaltung  und  den  Gebrauch 
einer  Anzahl  von  griechischen  Satsndverbien  auf  eioe  wissenschaftliche  Grund- 
lage zurückzuführen'*,  und  diess  zunächst  mit  den  Partikeln  (liv  und  Si^  £p 
nnd  %svy  yi  und  a^a  versuchten.  Passend  schliesst  sich  an  die  zuletzt  gege- 
bene Darstellung  die  hier  über  das  ans  yi  und  Sga  gleichsam  zusammeafc- 
wachsene  ydg  an,  und  wird  desshalb  auch  aus  jener  Darstellung  das  Nöthige 
hier  aufgenommen,  als  Grundlage  der  weitern  Erörterung,  welche  zunickst 
die**—  namentlich  bei  Homer  und  Herodot  oftmals  vorkommenden  Fiile  in 
Betracht  nimmt,  wo  eine  Rede  mit  yocQ  eingeleitet  den  Causalsatz  gewisser- 
messen  voranstellt,  statt  dem,  was  durch  sie  begründet  oder  erwiesen  werden 
sollte,  nachgestellt  zu  werden,  was  man  gewöhnlich  und  in  Uebcreinstimmoog 
mit  dem,  was  schon  die  Alexandrinischen  Gelehrten  darüber  bemerkt  haben, 
als  Folge  einer  grosseren  Lebhaftigkeit  der  Rede  und  einer  gewissen  Eraphss« 
erklärt,  wodurch  eine  solche  Umstellung  der  Satze  hervorgerufen  worden.  Der 
Verfasser  hält  diese  Erklärung   für  ungenügend    und   bat    daher  den  Yersuib 


BtdJfcbe  Profrtnme  des  Jahn  1857.  C59 

l^emadilf  darttber  hiii»iuiiiirel>ai ,  indem  er  in  einer  sorgfftUigen  Bebandlnnf 
•Her  der  einielnen  Stellen,  in  welchen  bei  Homer  and  Herodot  yuQ  in  einer 
'  aolehen  Sielinnf  Torkommt,  za  leif^en  bemfiht  itt,  wie  in  diesen  allen  vielmehr 
die  in  i^  and  yi  liegende  Grandbedeulnng  wiederkehre,  welche  die  faktische, 
erfnhrongamttsaife  Gewtsabeit  in  dem  «^a  erkennen,  and  mit  dem  yi  ge- 
wiMermnaaen  erkliren  liast,  wie  man  an  diesem  answeifelhaflen  Paktom  eben 
deasbalb  festhalten  wolle.  So  felangt  der  Verfasser  in  dem  S.  57  bestimmt 
formulirten  Erirebniss,  1)  daas  die  Partikel  yuQ  arsprQnglich  nnd  ihrem  Wesen 
nach  dorchans  nicht  fleichbedentend  sei  mit  dem  deatscben  denn,  vielmehr 
f«nt  andere  Besiehuniren  ethischer  Art  aasdrOcke,  wie  sie  in  yi  and  a^a  ge- 
sondert enthalten  sind ,  von  denen  die  verstandesrolssige  Begründung  nur  in* 
direct  die  Folge  ist;  2)  dass  ya^  nor  da  durch  denn  wiedergegeben  werden 
könne,  wo  eratens  die  nrsprüngliche  Geltang  von  yi  und  iqa  sich  abgeschlif- 
fen nnd  blos  der  verstand esmissige  Anschloss  Qbrig  geblieben ,  sweitens  das 
Glied  mit  ya^  nachstehe;  so  dnss  also  in  allen  andern  Fällen,  wo  die  ethisehe 
Bedentung  irgend  wie  gefühlt  werden  kann,  im  Deutschen  auch  eine  andere 
entsprechende  Uebersetcung  gewählt  werden  milsse. 

In  Wertheim  erschien  und   zwar   als  Festgabe  für  die  Jubelfeier  der 
Universitüt  Frei  bürg*): 

lÜustritsimae  üniverataU  Litierantm  Friburgemi  Saecularia  quarta  die  IV.  M, 
Augusti  anni  MDCCCLVIl  cdebranda  ea  quae  decel  obtervantia  cangratU" 
lanlur  praeceptores  Lycei  Werihemiensis.  Ineit  Sptcimen  tunae  JuUam 
Caesarwn  edUionU,  Beidelberqae  1857.  Ex  officina  G.  Mohrü.  20  S. 
in  gr.  8. 

Nachdem   bereits   in    frtthem   Programmen   der   Verfasser   (Herr  Hofratb 
Hertlein)  dankenswertbe  Beiträge  cur  Verbesserung  des  noch  vielfach  entstell- 


*)  Sämmtliche  gelehrte  Anstatten  des  Landes  haben  sich  bei  dieser  Feier 
es  sei  durch  eigens  zu  diesem  Zwecke  abgefasste  Denkschriften  gelehrten  In- 
balts  oder  Denktafeln,  oder  abgesendete  Deputationen  in  erfreulicher  Weise 
betheiligt.  Ausser  der  hier  erwähnten  Festgabe  von  Werthheira  liegt  eine 
Ahnliche  Festgabe  gelehrten  Inhalts,  ebenfalls  in  lateinischer  Sprache  abgefasst, 
von  Heidelberg  vor  uns:  Academiae  Friburgensi  Saecularia  quarta  die  IV  M. 
Augosti  A.  MDCCCVU  riie  eeUbranda  ea  qua  par  est  observaniia  voluntate  pte* 
tote  grahäanhir  Lycei  Heidelbergenns  collegae.  Inest  disserlatio  de  anno,  quo  mor» 
fem  obierii  Jacobua  f rater  Domini,  avctore  Fr.  Koesting  th.  d.  Heiddbergae, 
Ex  o/ßcina  J.  Grott,  1857.  2i  8,  in  gr.  8.  —  Ebenso  liegt  von  Rastatt  ein 
in  lateinischeir  Sprache  als  Denktafel  abgefasstes  Gratulationsschreiben  der 
Lehrer  der  dortigen  Anstalt  vor  uns.  Wir  machen  darauf  aufmerksam,  indem 
wir  zugleich  die  in  Freiburg  selbst  an  der  dortigen  Universität  zu  dieser 
Feier  ausgegebenen  Festprogramme  hier  beifügen:  1.  Festrede,  den  4.  August 
i857  gesprochen  von  K.  H.  Baumgärtner.  Freiburg  1857.  4.  2.  Aliog  (Jo,) 
Commenlaiiö  de  litterarum  Graecanim  aique  Rnmanarum  studiis  cum  theologia  Ckri" 
Mtiana  conjungetidis.  ib.  1857.  4.  (••  oben  S.  384  ff.)  3.  Woringen  (Fr'  A.  e.)  f/efrer 
den  Begriff  des  fortgesettten  Verbrechens,  ib.  1857.  4.  4.  Schmidt  (Adolph.)  Dt 
originibus  legis  actionum.  ib.  1857.  4.  5.  Schvörer  (Ign.")  Statistische  Uebersicht 
der  venchiedenen  Geburtsarten,  ihres  Verlaufes  und  der  angefcandten  Hülfen  in 
der  Gesammtiahl  von  40,000.  ib.  1857.  4.  6.  Bergh  (Theod.)  Commentatio  de 
Sophoclis  po&ae  tragici  art€,  ib,  1857.  4. 


9M  IMiidia  Procvtnm  4m  Jalu*  iWf. 

|0D  Texlei  der  SebriAen  Juliaiif  imrel»«»  balto,  UmI  er  bier  eli  Probe  eiMf 
aeoen  Texietbearbeiluaf  die  ifebea  enlen  AbsehDiMe  der  Gteearet  folffw 
(p.  306 — 311  ed.  Spenh.)»  und  iwar  in  einen  beriehtiften  Texte,  eetcr  dm 
die  Varietät  leelionit  mit  eioiehien  karten ,  «nf  die  Herttellenir  dei  Texte« 
bexOfUcbea  Angaben  sieb  bemerkt  findet;  anf  den  Text  aelbat  felfen  8.12  ff. 
die  Annotationea ,  theila  kritiacber,  tbeila  apraehlieber  Art,  und  inaefen  lar 
BegrOndonff  des  berfeatellten  Texte«  und  in  deaaen  beaaeren  Verattadnimdiaa- 
lieb:  aie  können  allerdinfra  den  Wanacb  vem»1aaaen ,  bald  ancb  ein  grOmwM 
Ganae  dieaer  Art  van  dem  Verfaaaer  bearbeitet  an  aeben ,  dem  ea  bei  aeSaer 
Yertrautbelt  mit  Spracbe  «nd  Deakweiae  dea  Sebriftatellera  bereite  «ehiBfei 
iat,  ao  mancbe  verdorbene  Stelle  wieder  f^hlcklicb  berxuatcllen ,  weron  aack 
dieae  Probe  neue  Beleire  brini^i  wibrend  auf  der  andern  Seite  diejenifoTor- 
aiobt  eingehalten  iat ,  welche  von  Aufnahme  sweifelhefler  VerbeaaernngeB  n- 
rtkckbttlt*  So  finden  wir  ea  a.  B.  völlif  ir«reebtfertigt,  wen«  $.111  in  den  Wai^ 
tea:  S^a  —  f^if  ee  o  «vi^f  ovvog  vno  ^iXaQ%(ag  aipeXiti^t  «od  t^  ftitf 
UC9(,v  diavoti^siri  der  Sylbnrfriachen  Verbeaserunr  iuttfmfi'i die  Anf nahae, 
unter  Being  auf  eine  Ähnliche  SteUe  bei  Qarodot  VIK  103  nnd  andere  anderer 
Autoren  veraast  wird.  Wir  verweisen  auf  G.  Herauinn  (a.  uiiaere  Aoigibe 
T.  III  p,  588),  der  diesen  Optativ  hinreichend  erklärt  hat,  auf  BAiibMb, 
Griechische  Modi  S.  270,  und  fUi^en  eine  Ähnliche  Stelle  aus  der  nnlänf^st  von 
Frotacher  herauagef ebenen  Oratio  fuuebris  (Freiberg  1855),  cp.  L  bei: 
94doi%tic  fkri  ovTB  loyog  t  trj  p^oi  ttß  ndd'si  xutdXXrjXog  %.  t.  X.  Ein  Shnlieher 
Fall  ist  $.V:  inHgddQtcfiev  avtoCg  Ttßi^fiog  asfivog  td  nqoeana  %al  ßXoovgog, 
öatpQOv  te  apkCL  xal  nol^pkiinhv  ßXhtayv,  wo  Hemsterhuis  cmtpqov  t(  for  to  ' 
allein  richtige  ansieht,  während  der  Verfasser  an  der  Lesart  aller  Handscfarif- 
ton  feathttU,  die  er  gans  richtig  aua  der  Verbindung  dea  ßlhcsiv  mit  solcbn  ; 
Adjectiven  im  Neutrum,  welche  die  Art  und  Weise  dea  Biickes  dartbaai  er-  1 
ktiirt.  In  der  schwerlich  richtigen  Stelle  §.  VII:  rot^rcoy  xäv  fjkovdgxav  tor 
irjfirov  no&ev  i^evQars,  die  in  dieser  Fassung  keinen  rechten  Sinn  giebt, 
achlttgt  der  Verfaaser  vor,  statt  i^evfftiits  au  schreiben  i^'ggTJnaTi  ood  statt  j 
S^(U>v  mochte  er  lesen:  Sö(lov,  Dieaer  Verbessernsgavorscblaf  bat  viel  Aa-  | 
aprechendea,  wenn  man  an  die  Anwendnng  dieses  iopiog  in  bildlichem  Siaad  | 
denkt,  welche  bei  spttteren  Schriftstellern  ao  bfiufig  ist;  s.  Albert  Jahn  Aii- 
madverss.  in  S.  Basilii  Magni  Opera  (Bern  1842)  pag.  25.  Dann  köDOte 
vielleicht  auch  an  i^eysCgEts  (wie  bei  Sophodea Oed. R. 65)  gedacht  wer- 
den, atatt  i|avpavf. 

Von  dem  Gymnasium  zu  Bruchaal  erschien: 

Senalus  Romani  sub  primis  quinque  Caesaribus  quae  fuerii  forhina  ac  «fi^ar  ^ 
ipsis  vetentm  kitloriit  colligareac  prohareinsiUuitFranciac.  Xav.  Bitt' 
mann,  i857.  Buchdnickerei  von  Maisch  und  Vogel  in  KarltnAt,  Bi  S. 
in  gr.  8. 

Man   kann  sich  nur  freuen ,   hier  einer  wissenschaftlichen  ErOrteruaf  » 
begegnen,  die  in  lateiniaeher  Spracbe  abgefaast  ist,   da  mit  einaiger  Am- 
nahme  des  .ebenerwfthnten  Wertbelmer  Programmea,  alle  andern  Anslalleo  Je«    j 
Landes  nur  deutsch  geschriebene  Programme  geliefert  haben,  so  dsss,  wu 
wir  nicht  hoffen  wollen,  ea  den  Ansdielo  nimmt»  «Is  welHe  da#,  wai^« 


BcdiMhe  Froipnmmt  de«  J»lin  1857«  459 

leirel  an  einer  ffelekrtes  Aastalt  bilden  sollte,  jetei  la  einer  Antnahme 
nmi^ekehrt  werden.  Der  Verfasser  hat  darob  ein  näheres,  der  Refiemngsge- 
schichte  der  fttnf  ersten  Kaiser  i^ewidmetes  Studium  die  Ueberzenfrunf  ge- 
wonnen, dass  in  dieser  ersten  Periode  des  römischen  Eaiserthums  die  Lage 
des  Senats  keineswe((s  eine  so  armselige  und  traurige  war,  wie  sie  es  unter 
den  spatem  Kaisern  und  unter  den  Prätorianern  geworden  ist ;  er  glaubt  viel- 
mehr zeigen  zu  können,  wie  in  dieser  ersten  Periode  die  Kaiser,  zum  Theil 
durch  ihr  eigenes  Interesse  geleitet,  das  Ansehen  des  Senates  bewahrt  und 
aelbst  erweitert  haben,  wahrend  dieser  schon  von  Galba  an  in  eine  ganz  andere 
Stellung  gebracht  erseheint;  in  der  vOransgehenden  Zeit  stellt  er  sieh  noch 
immer  als  die  höchste  Behörde  des  Staates  dar,  durch  welche,  bei  aller  Ab- 
bfingigkeit  von  dem  Willen  des  Princeps,  die  ganze  Regierang  des  ausge- 
dehnten Weltenreiches  geleitet  wird,  in  welcher  die  ganse  Leitung  der 
innern  wie  der  äussern  Angelegenheiten,  die  Verwaltung  der  Provinsen,  die 
Gesetzgebung  wie  die  höchste  Strafgewalt,  das  Ernennungsrecht  zu  so  vielen 
Stellen,  die  Sorge  fär  die  Finanzen  sich  concentrirt  fand:  wobei  es  freilich 
nnr  darauf  ankommt,  zu  bestimmen,  auf  welche  Weise  die  Macht  und  Befug- 
nisa  des  Senates  in  dem  Willen  des  Herrschers  eine  grossere  oder  geringere 
Beschränkung  gefunden,  welche  die  AusObung  gehemmt  hat.  Diess  naber  zu 
bestimmen  hat  der  Verfasser  in  der  Weise  versnobt,  dass  er  die  einzelnen 
Akte  eines  jeden  Kaisers  durchgeht,  welche  auf  die  Stellung  und  Macht  des 
Senats  einen  Einfluss  geäussert  haben.  So  wird  bei  Augustus  gezeigt,  in  wel- 
cher Weise  er  bei  der  Wahl  der  Senatoren  verfahren,  um  einen  ihm  geneig- 
ten  und  von  seinem  Willen  abhängigen  Senat  sich  zu  verschaffen,  der  keines 
Widerspruches  gegen  seine  Massnahmen  fUhig  war,  wohl  aber  als  willfähriges 
Werkzeug  zur  DurcbfOhmng  derselben  sich  gebrauchen  Hess,  und  so  allerdings 
durch  eigene  Schuld  sich  aller  Selbständigkeit  beraubte.  Ein  noch  tranrigeres 
Bild  bietet  in  dieser  Hinsicht  der  Senat  in  den  Zeiten  des  Tiberiua  und  Gali- 
gola,  womit  die  beiden  nächsten  Abschnitte  sich  beschäftigen.  Claudius  war 
bedacht,  das  Ansehen  des  Senates  wieder  zu  heben,  wie  die  von  ihm  getrof- 
fenen Massregeln,  welche  den  Inhalt  des  nächsten  Abschnittes  bilden,  beweisen ; 
^rthrend  die  Regierungsperiode  des  Nero,  der  anfangs  dem  Senat  zu  begttn- 
sligen  schien,  um  nachher  desto  mehr  gegen  ihn  zu  wQthen,  uns  ein  desto 
trnnrigeres,  ja  abschreckendes  Bild  des  Senats  vorführt;  es  bildet  den  Schluss 
der  ganzen  Darstellung. 

In  Donaueschingen  erschien: 

I7s6sr  5t/len,  AMtdrüeke  und  Symbole  des  Gntesee  ctci/tstrfer  Völker  dZlsr  fmd 
neuer  Zeit.  Ein  Beitrag  stir  V^leichung  der  SiUen  %md  Thtihmgsart  d" 
vUisirter  Völker.  Von  Martin  Schaber^  Oymnanumalehrer.  L  Ahikeilung. 
Orientalische  Völker:  Ehräer,  Mvtlimen,  ClUneeen,  i857.  Buch- und  Stein- 
druckerei  von  W,  Mayer  in  Raslati,     56  S.  in  gr.  8. 

Nach  einer  Einleitung,  in  welcher  Grund,  Begriff  und  Vorstellungsarten 
des  Grusses  angegeben  und  ftber  Elntheilung  des  Grusses  dasNoythige  bemerkt 
st,  wird  eine  Uebersicht  der  Grttsse  bei  den  Ebrttern,  den  Muslimen  und  Chi« 
nesen  gegeben,  und  dabei  die  bei  dem  Gottesdienst  flblicheo  BegrOstanfen 


•5i  Kon:  Getdiielite  der  4e«liclimi  LftorMiir  ete. 

\on  denen  dcj  bOrf erlicben  LebeM  iorfMtair  «Bleriebi«d«i,  md  in  Buneliwa, 
n«cb  den  vencbiedenen  Arten  und  Betlimmonflfen  betmchtet. 
In  Lahr  erscbiM: 

Uebertragungen  einiger  deuischen  GedichU  int  LatekuMche.  Beigabe  svn  Btrkt- 
Programme  des  Lahrer  Gymnasiums  1857  foim  Hofraik  Gebkardt.  47  S. 
tfi  8. 

Ei  sind  vi  er  lehn  deutoehe  Gedichte  Ton  GAthe,  Schiller,  RflekeH,  Mn 
von  Schenkendorf,  Jottinng  Kemer  nnd  Borfor,  welche  hier  in  onttprecbend« 
Uteinitchen  Rhythmen  wiedergeifeben  sind,  und  sich  danit  den  Ihnlicben,  aehr- 
fach  in  neuester  Zeit  iremachten  Veraacben,  die  Meisterwerke  unserer  Poeiie 
in  ein  lateinisches  Gewand  etnsnkleiden,  würdig  anreihen. 

In  Offenburg  erschien  als  Beigabe  des  Programms  des  dortigen  Gyn- 
nasinm's : 

Die  laieinische  Wortfolge,  Von  Professor  Fr.  Schwab.  Druck  foon  J.  Ottern  u. 
Sohn  in  Offenburg  1857.  77  S,  in  8. 

Der  Verfasser  hat  als  Einleitung  eine  Zusammenstellung  der  vortchiedesW 
lieh  ober  die  Stellung  der  Worte  in  neuester  Zeit  von  den  gelehrten  tirsn- 
matikern  insbesondere ,  ausgesprochenen  Principien  oder  Hauptgrondsltie  ffe* 
liefert,  mit  besonderer  Rücksicht  auf  die  diesen  Gegenstand  behandelnde  Sdinft 
von  Wocher  (die  iBteinische  Wortfolge  nach  logischen  und  grammatischen  GroBÖ- 
sllzen  1848)  j  dann  aber  versucht  Derselbe  die  einzelnen  Regeln  festw 
stellen,  nach  welchen ,  dem  in  dieser  Schrift  ausgesprochenen  Grandsatae  ye- 
mftss,  die  Worter  auf  einander  folgen  sollen,  und  awar  zuerst  in  einem  eis- 
fachen  Satxe,  und  dann  (S.  55  ff.)  in  einem  lusammengesetzten ;  es  wird  ia 
dem  erstgenannten  Fall  die  gewöhnliche  Stellung  von  der  invertirten  wohl 
unterschieden,  über  das«  was  in  federn  der  beiden  Pfllle  gefordert  ist,  die 
nothige  Vorschrift  ertheilt,  und  eben  so  auch  von  der  Stellung  der  Priposi- 
tionen  und  Conjonctionen  gehandelt.  In  dem  Abschnitt,  der  von  dem  zasan- 
mengesetzten  Satze  handelt,  wird  von  der  Satzverbindung,  dem  SatsgefAf« 
und  dann  noch  von  der  Stellung  bei  Perioden  gehandelt;  und  wird  in  beides 
Abschnitten  jede  der  gegebenen  Vorschriften  durch  einzelne,  den  besten  Schrift- 
steilem  entnommene  Belege  erlttutert.  Chr.  Ilälir* 


Geschichte  der  deutschen  Literatur  nUl  ausgetcählten  Stücken  aus  den  Werken  der 
90niüglichsten  Schriftsteller  wm  Heinrich  Kur%,  Mit  vielen  nach  des 
6esfen  Originalien  und  Zeichnungen  ausgeführten  lHustrationen  in  HokschniiL 
Leipzig.  Druck  und  Verlag  von  B.  G.  Teubner  i856'-1857.  Ueferung 
22-31  (oder  Band  IL  S.  449—764.  Band  IIL  S.  1-320).  kl.  fol. 

Das  rühmliche  Unternehmen,  von  welchem  bereits  früher  in  diesen  Jahr- 
büchern (Jahrgang  1853  S.  467  ff.  1855  S.  633  ff.)  eine  ntthere  Nachricht  ge- 
geben worden  ist,  schreitet  in  einer  Weise  voran,  welche  aeine  baldige  Voll- 
endong  nahe  in  Attasicht  stellt  und  <lamit  eben  so  sehr  sum  Dank  gegen  dea 


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Knn:  €i«fcfaichte  der  deatoehen  Literttor  eto.  957 

Yerfafter,  der  die  •cbwierige  Arbeit  uDlernommen ,  wie  gegen  die  Verlagg* 
bandlung,  welcbe  dieselbe  in  einer  so  vorsUglicben  Weise  bat  ansführen 
lassen,  auffordert.  Es  kann,  nachdem  die  frQher  erschienenen  Theile  in  den 
bemerkten  Anzeigen,  nach  der  Anlage  des  Gänsen,  wie  nach  der  Ausfüh- 
rung näher  besprochen  worden  sind,  nicht  unsere  Absicht  sein,  Alles  dasje- 
nige hier  su  wiederholen,  was  dort  insbesondere  über  die  in  diesem  Werke 
durchgefahrte  Verbindung  des  Literargescbichtlichen  und  Biographischen  bei 
allen  den  einseinen  auf  dem  weiten  Gebiete  unserer  Literatur  hervorragen- 
den Persönlichkeiten  bemerkt  ward,  in  weiterer  Verbindung  mit  den  wohl 
ausgewählten  Proben  ihrer  Leistungen  selbst,  welche  Proben  zugleich  von  dem 
Umfange  sind,  dass  sie  in  der  That  ein  genOgendes  Bild  von  jeder  dieser 
Persönlichkeiten  su  geben  vermögen  und  den  Leser  in  den  Stand  setzen,  die 
Schilderung  jener  Persönlichkeit,  und  das  Urtheil,  das  über  ihre  Leistungen 
im  Allgemeinen  abgegeben  wird,  nun  auch  im  Einzelnen  gewissermassen  su 
controlliren  und  selbst  hiernach  zu  würdigen.  Wer  aber,  fragen  wir  billig, 
iat  in  der  Lage,  die  Werke  aller  der  hier  hervortretenden  Hftnner  zu  be- 
aitsen,  oder  vielmehr  gebrauchen  zu  können;  nur  Wenige,  denen  grössere 
Bibliotheken  zu  Gebote  stehen,  vermögen  diess  zu  thon :  und  selbst  diese  wer- 
den, schon  um  der  schwierigen  Mühe  des  Nachforschens  lieber  su  einem 
Werke  greifen,  das  sieb,  hindern  es  von  jedem  Schriftsteller  und  aus  jedem 
Zweige  der  poetischen  wie  der  prosaischen  Literatur  umfassende  und  darum 
genügende  Proben,  mit  aller  Sorgfalt  aus  den  betreffenden  Werken  derselben 
ausgewählt,  bietet,  als  eine  wahre  Anthologie  der  gesaramten  deulschen 
Literatur  darstellt,  die  es  uns  zugleich,  bei  der  streng  wissenschaftlichen  Ein- 
richtung des  Gänsen,  wornach  die  einseinen  Zweige  der  Literatur  und  Poesie 
Yon  einander  geschieden  sind,  möglich  macht,  bequem  das  su  übersehen,  was 
in  jedem  dieser  einseinen  Zweige  überhaupt  geleistet  worden  i$t,  Dasu 
dienen  nun  auch  gans  besonders  die  einem  jeden  einselnen  Abschnitt,  §o 
wie  jeder  Periode  vorausgeschickten  Einleitungen,  die  eine  allgemeine 
Charakteristik  enthalten,  welche,  indem  sie  den  Leser  auf  den  Stand- 
punkt führt,  von  welchem  aus  er  das  Einselne  su  betrachten  hat,  vor  Allem 
Berücksichtigung  verdient.  Wir  haben  schon  früher  auf  diese  Einleitungen 
aufmerksam  gemacht,  und  glauben  auch  jetst  auf  dieselben  wiederholt  auf- 
merksam machen  zu  müssen.  Eben  so  haben  wir  auch  bereits  in  den  früheren 
Anseigen  auf  die  vorzügliche  ilussere  Ausstattung  aufmerksam  gemacht  und 
kommen  gerne  auch  jetst  wieder  darauf  surück;  indem  es  auf  diese  Weise 
gelungen  ist,  auf  einen  verhftUnissmSssig  engen  Raum  so  Vieles  susammensu- 
drlingen:  die  herrlichen  Illustrationen  verdienen  gewiss  alle  Anerkennung, 
sumal  kaum  irgend  eine  Persönlichkeit  von  einiger  Bedeutung  in  unserer  Li- 
teratur vorkommt,  von  der  uns  hier  nicht  ein  getreues,  nach  Originalseich- 
nnngen  veranstaltetes  Bild  gelieferl  wftre,  neben  andern  Darstellungen  merk- 
würdiger oder  berühmter  Oertlichkeiten  (wie  s,  B.  S.  459  im  sweiten  Band 
des  freundlichen  Schulpforta). 

Nach  diesen  Bemerkungen  haben  wir  nur  noch  kurs  den  Inhalt  der  oben 
angeseigten  Lieferungen,  welche  die  andere  Hftifte  des  sweiten  und  den  An** 
fang  des  dritten  Bandes  bilden,  ansugeben.  In  dem,  was  noch  dem  sweiten 
Bande  angehorti  ist  sunttchst  enthalten  der  Sehlnis  der  fünften  Pariode  der 


968  Kon!  CMcMchK  4er  deiilMkai  Uleralv  tte. 

dMtichen  Litdralnr  nll  der  didakUtehee  aed  rhetorlecbeii  Preta.  Die  wn 
foigende  ieehate  Periode,  welche  die  Lileretur  Tem  iWMieii  Viertel  des 
ecktsehntee  iuhrhiuiderU  hin  ugefihr  sam  Jahre  1770  befiMSt«  ninrat  den 
ttbrifee  Theil  de«  iweitee  Beide«  ?on  S.  4S9  en  bie  764  eia.  Auf  die  eie- 
leilendee  Bemeffkoogee ,  welche,  unter  Attftbe  der  ftoitere  VerbllluMe,  die 
eaf  die  Geataltuiif  der  Literatar  ttberhaept  ibreo  Einflaas  i^eleaaert  habe«,  eie 
aUfemeinea  Bild  von  den  CSang  uod  den  Charakter  der  Literatur  wibread 
dieaes  Zeitraunes  so  gebee  veraacheo,  fel|^  noch  eise  beaeedere  Eioleiftag 
in  die  Poeale,  «nd  werden  hier  die  allf^eneinen  CSrundattge,  wie  aie  in  den 
Torker|(ehanden  Benerkungen  niedergelegt  aind,  fleiekaan  in  ibrer  Anwen- 
dung auf  die  Poeate,  nachgewieaen  und  in  Einzelnen  weiter  anagefokrt.  In 
aknUcber  Weiae  wird  dann  noch  eine  beaondere  Einleitong  in  die  lyriaeha 
Poeaie  gegeben,  nit  welcher  der  Verfaaaer  dann  beginnt:  hier  werden  die 
einaelnen  bervorragendeo  Lyrtkrr,  wie  Hagedorn,  Geliert,  Elopatock,  dein 
u.  A.  niker  beaprocben  und  Proben  ana  ihren  Dichtangen  beigefügt;  die  wei- 
teren Abacbaitle  enlhatten  die  didaktische,  die  epische  und  die  dranatiacke 
Poeaie  (hier  insbeeondere  Lessing).  Ebenso  aerftlU  die  Pr^an  in  die  Prosa- 
diebtong  (.Liacow,  Rabener,  Geaaner  u.  A«;  inabesondere  Wieland,  dem  nü 
Recht  eine  grössere  Ausdehnung  gegeben  ist),  in  die  historische,  didaktiacke 
nnd  rhetorische  Proaa» 

Der  aiebente  Zeitrann,  mit  welchem  der  dritte  Band  beginnt,  mH 
die  Literatur  von  dem  beseicbnetan  Eodpaakte  der  TorbeRgekenden  Periode 
bis  an  Gothe*s  Tod  (1632)  fuhren  nnd  beginnt  mit  einer  fthniichen  Einleün^g, 
welche  anerst  die  politiacken,  dann  die  religiOaen  oder  kirckUeken  Verkllt- 
nisae,  welche  auf  die  Literatur  ihren  Binfluas  flanerten,  beaprieht,  dan»  den 
Gang  der  Literatur  und  die  liteieriachen  Zuatftnde,  die  verschiedenen  in  der 
Literatur  sich  kundgebenden  Ricbtungan,  die  Ansbüdnng  der  Sprache  aelbal 
n.  B.  w.  schildert  und  bei  der  Bedeutung  dieaes  Zeitraumes  und  den  groasen, 
kier  kervortretenden  Erscheinungen  auch  etwas  mehr  Raum,  wie  billig,  beei»- 
apmoht  hat.  Gern  wttrdeo  wir,  wenn  der  Raum  es  verstattete,  durch  grAaacre 
Anaattge  diess  nacbweisen:  sie  wurden  aeigen  können,  wie  der  Verfaaaer 
bemüht  iat,  sorgfültig  und  gewissenhaft  Alles  abauwägen  und  mit  aller  Rnbe, 
aber  auch  mit  allem  Ernst  nnd  aller  Unpartbeilicbkeit  aeioe  Urtbeile  abangeben. 
Wir  wollen  nur  Eine  Steile  ausheben,  die  sack  auf  die  Hegel* acke  Phüoso- 
pkle  nnd  deren  nachtheiligen  Einfluss  beaiekt  und  dämm  insbesondere  beher» 
ligenswerth  erscheint. 

Ifoch  trauriger  wurde  es,  lesen  wir  S.2Ö,  ab  eine  von  Hegel  verkändete 
neue  Philosophie  erstand ,  die  auf  eine  rein  scbolastiscke  Methode  sick 
dend,  alle  Wisseosckaften  in  ihr  Bereich  zog,  und  indem  sie  dieselben 
bar  zu  philosophischer  Behandlung  erhob,  sie  in  einen  Formaliamns  einaclurilfte, 
in  welcher  aie  alle  Freiheit  nnd  alle  Bewegnng  verlor.  Aber  weil  die  weoent-* 
lieb  auf  acholastiscbem  Formalismus  beruhende  Philosophie  Hegers  es  Jeden, 
der  sich  in  derselben  gefunden  hatte,  möglich  machte,  ana  irgend  einena  be- 
liebigen Sata  eine  Reihe  von  Folgerungen  au  sieben,  und  zwar  mit  im  ao 
grösserer  Leichtigkeit,  als  strenges  logisches  Denken  kierbei  gar  nicht  erfer- 
derlick  war,  welches  übrigens  duroh  den  philoaophiseben  lai^a  der  Sckrie 
mit  gertnfw  Mühe  ertetat  wurde  und  da  der  UeiKer  aadem  die  rkikiM|iiiB« 


Klein:  Mains  und  seine  Um^febiuifen.  950 

dOTck  iein  System  tum  vollstindii^n  AbschloM  febracbt  tu  heben  ticb  rflhmte, 
00  beniehtigte  sieh  seteer  Aebttnfer  ein  ttbermOtbii^er  Dünkel,  der  sie  mit 
Veraehtunif  auf  alle  aasserhalb  der  Schule  Heftenden  Beatrebungfen  blicken 
lieaa.  Der  Verfasser  schildert  dann  weiter  diesen  Dttnkel  in  seinen  für  die 
Wisaenaehafl  nnd  deren  Pflege  so  yerderblichen  Fol|^n,  er  setgt  uns  dann,  wie 
iiese  so  verderbliche  Philosophie  doch  glücklicher  Weise  den  Keim  ihrer  Auf- 
l0ei»|t  in  sich  selbst  tniff,  insofern  bald  diejeni|;en  nicht  ausblieben,  die 
fleh  desselben  Formalismus  bedienten,  um  aus  den  ersten  GrondsMtcen  dieser 
Phileoopbie  die  fana  entiregenfesettten  Resultate  absnieiten ,  und  die  absola- 
tialiach  conservatiTe  frühere  Richtung  der  Lehre  In  eine  rein  revolutionäre, 
Ihren  angeblichen  Dogmatismus  in  Atheismus  und  Nihilismus  umzuwandeln, 
■■d  so  Bur  AuflOsang  alles  Bestehenden  zu  fuhren ,  und  in  der  Erreichung 
dieser  Zwecke  selbst  mit  gemeinem  Communismus  und  Socialismus  susammen- 
xQtreKen.  So  hat  freilieb  diese  ganse,  eine  Zeitlang  sogar  dominirende  Rich- 
tung der  Philosophie  nur  den  nachtheiligsten  Einlluss  auf  Wissenschaft  und 
Poesie  geäussert,  am  meisten  aber  der  Philosophie  selbst  geschadet  und  sie 
in  Miflscredit  gebracht.  Wer  diese  ganze  Periode  der  Hegel'schen  Philosophie, 
wie  Ref.,  mit  durchlebt  hat,  der  kann  sich  nur  freuen  Aber  die  wahre  und 
darebaus  gerechte  Würdigung,  welche  diese  Philosophie  bei  unserem  Verfasser 
gefunden  hat.  Was  den  Inhalt  im  Einzelnen  betrifft,  so  macht  auch  hier  die 
tyriBcbe  Poesie  den  Anfang:  der  gewaltige  Aufschwung,  den  dieselbe  während 
dieser  Periode  genommen,  die  reiche  Entwiekelung,  welche  dieselbe  in  ihren 
rerscbiedenen  Zweigen  und  Richtungen  gefunden  hat,  und  der  Gang  dieser 
Batwickelnng  wird  auch  hier  in  einer  Einleitung  dargelegt,  deren  grosserer 
Umfang  (S.  29 — 48  inel.}  durch  die  Bedeutung  des  Gegenstandes  hinreichend 
^«rechtfertigt  erscheint  Die  Darstellung  des  Einzelnen  wird  mit  Herder  be- 
gonnen, dann  folgt  Mathias  Claudius,  Bürger  n.  A.;  vor  Allem  aber  müssen 
vrir  auf  die  den  beiden  grossesten  Dichtem  Deutschlands,  Gothe  (S.  88  ff.) 
BBd  Schiller  (S.  109  if.)  gewidmeten  Abschnitte  verweisen,  an  welche  dann 
Hatlhisson,  Salis,  Hölderlin,  Tiedge,  Aug.  Wilh.  Schlegel,  Tieck,  von  Hardenberg, 
deuens  Brentano  u.  A.  sich  anreihen  bis  auf  Rttckert,  Platen  n.  A.  S.  261  IT. 
folgt  im  zweiten  Abschnitt  die  didaktische,  S.  292  ff.  im  dritten  die  epische 
Poesie,  von  welcher  ausser  der  Einleitung  erst  der  Anfang  gegeben  ist.  — 
Den  Wunsch  einer  baldigen  Fortsetzung  und  Vollendung  des  den  Herausge- 
ber und  den  Verleger  gleich  ehrenden  Unternehmens  konnenwir  am  Schlosse 
unserer  Anzeige  nur  wiederholen. 


Hiitiia  vnd  setne  Umgebungen,     OeMckilderi  wm  K.  Klein.    Main*,   Verlag  der 
Le  R(mx*$chen  Ho/buchhandlung  1857.     VIII  und  183  8.  in  8, 

Auch  ohne  die  traurige  Veranlassung ,  die  in  der  letzten  Zeit  die  Blicke 
AHer  gen  Mainz  gerichtet  hat,  würden  wir  dieser  Beschreibung  der  altrheini- 
achen  Stadt  zu  gedenken  haben,  da  sie  von  einem  Hanne  verfasst  ist,  der 
durch  seine  genaue  Kenntniss  Alles  dessen,  was  die  Geschicke  dieser,  seiner 
hoimathlichen  Stadt,  betrifft,  voriugsweiae  berofen  war,  eine  solche  Darstel- 


960  iOeta:  Miini  uad  teine  Umgebaifw. 

lang  ttt  liefern,  die  man  Jedem,  der  diese  Stadi  eben  00  sehr  in  ihren  jetai- 
gen  BesUnde  wie  nach  ihren  hiitoriachen  ErinnenuifeB  niher  kenaen  lernen 
will,  betCens  empfehlen  kann.  Auf  dieae  aber  weist  una  Überall  aaeh  die  Ge- 
genwart bin,  die  noch  so  manche  Spuren  der  allen  ROmersttttte  wie  des  Hil- 
lelaltera  bewahr!  hat,  in  welchem  Ilaina,  als  Sitz  des  ersten  geistlichen  Pilrslen 
Deutschlands,  eine  so  bedeutende  Stelle  einnahm:  und  wenn  nach  jener  Zeit 
der  Blathe  ein  Verfall  eintrat,  der  mit  der  Auflösung  des  deutschen  Reiches 
bis  in  das  sweite  Decenniuro  dieses  Jahrhunderts  hineinreicht,  so  ist  seit  der 
Wiedervereinigung  der  Stadt  und  ihrer  Umgebung  mit  Deutschland  ttbenül  ein 
neuer  Aufschwung  eingetreten,  der  durch  die  gänsttge  Luge  der  Stadi  nicht 
wenig  gewonnen  hat;  ein  Emporium  dea  rheiniachen  Handels  ist  sie  jelat 
auch  eins  der  schutaenden  Bollwerke  Deutschlands  geworden.  Was  nun  an 
einer  genauen  Beschreibung  der  Stadt  nach  allen  ihren  Eintelheiten  gehört, 
in  geschichtlich-antiquarischer  wie  in  topographisch-lokaler  und  statistischer 
Hinsicht;  das  findet  sich  Alles  in  diesem  Büchlein  auf  verhfiltnissminaig  ge- 
ringem Raunio  dargestellt;  keine  Merkwürdigkeit  ist  abergangen  oder  unerle- 
digt geblieben;  in  einer  lebendigen  Darstellung  treten  alle  die  einselneo  Tbeile 
der  Stadt  mit  ihren  merkwürdigen  Gebttuden,  an  welche  die  Erinncrongen 
von  Jahrhunderten  sich  knüpfen,  vor  uns:  dass  unter  diesen  dem  Dom  eine 
besondere  Aufmerksamkeit  gewidmet  ist,  insofern  mit  aller  Sorgfalt  die  ein- 
xelnen  Theile  desselben  und  Alles,  was  darin  merkwürdig  erscheint,  beschrie- 
ben werden,  wird  wohl  kaum  einer  besonderen  Bemerkung  bedOrfen:  ebenso 
Alles  das,  was  auf  Gutenberg  und  seine  Erfindung  sich  besieht;  ebenso  wenig 
ist  aber  auch  das  vergessen,  was  uns  an  die  rOnnsche  Zeit  noch  heutigentags 
erinnert  und  in  die  Zeit  der  ersten  Anlage  der  Stadt  lurOekfQhrt.  Und  über 
dem  Alten  und  Altertburolichen  ist  auch  die  Neuzeit  nicht  vernachlissi^t:  mit 
gleicher  Sorgfalt  wird  das  dabin  einschlttgige  behandelt  und  a.  B.  von  allen 
wissenschaftlichen  und  Kunst-Sammlungen,  die  jetst  in  Mainz  sich  befinden, 
genauer  Bericht  gegeben.  Wohl  aber  wird  Jeder,  der  diess  Buch  in  die  Hand 
nimmt,  daraus  ersehen,  wie  Viel  des  Merkwürdigen  aus  alter  und  nener 
Zeit,  trots  Alles  dessen,  was  im  Sturme  der  Zeiten  untergegangen  oder  der 
Zerstörung  von  Menschenhand  unterlegen  ist,  noch  immer  sich  hier  rereinigt 
findet:  auf  Alles  dieses  aufmerksam  zu  machen,  war  der  Zweck,  der  den 
Verfasser  zur  Abfassung  dieser  verdienstlichen  und  ntttzliclien  Schrift  geführt 
hat,  welche  auch  die  der  Stodt  zuniichst  gelegenen,  mit  ihr  selbst  in  vielfacher 
Berührung  stehenden  Ortschaften  (Weisenau,  Laubenheim,  Zahlbach,  Koatheim 
u.  a.,  insbesondere  das  auf  der  anderen  Rheinseite  gelegene  Castdj  berOcksichtigl 
hat;  eine  ausführliche  Geschichte  der  Stadt  Mains  gedenkt  der  Verfasser  dcm- 
nllchst  zu  liefern:  wir  sehen  derselben  verlangend  entgegen. 


Chronik  der  Universität  Heidelberg  für  das  Jahr  1857. 


Am  22.  November  beging  die  Universität  in  herkömmlicher 
Weise  das  Fest  der  Geburt  ihres  erlauchten  Restaurator's,  des  höchst- 
seligen  Grossherzog's  Carl  Friedrich.  Die  Festrede*)  ward  von 
dem  zeitigen  Rector,  Hofrath  Dr.  Renaud  gehalten,  nachdem  das 
Fest  selbst  durch  einen  musikalischen  Vortrag  in  würdiger  Weise  ein* 
geleitet  worden  war. 

Von  einem  Blicke  auf  die  Rechtszustände  des  alten  Frankreichs 
ausgehend,  beleuchtete  der  Redner  die  Bedeutung  der  seit  dem  drei- 
ssehnten  Jahrhundert  in  völliger  Ausbildung  hervortretenden  Einthel« 
Inng  des  Reichs  in  die  Länder  des  geschriebenen  und  in  die  Län«- 
der  des  Gewohnheitsrechts.  Der  gewöhnlichen  Ansicht  entgegen, 
nach  welcher  in  jenen  das  in  complexu  recipirte  corpus  juris  civilis 
das  alleinige  gemeine  Recht  war,  während  in  diesen  römisches  Recht 
und  germanische  Gewohnheiten  das  gemeine  Recht  bildeten,  führt 
er,  namentlich  auf  ein  Edict  K.  Phillips  vom  J.  1302  über  das 
Studium  des  Civil-  und  canonischen  Rechts  an  der  Universität  Orleans 
sich  stützend,  aus,  dass  die  römische  Gesetzgebung  nirgends  in 
Frankreich  in  complexu  recipirt  war,  so  wie  es  auch  daselbst  nur 
£in  jus  commune,  nämlich  ein  der  ganzen  Monarchie  angehöriges, 
die  „generalis  regni  consuetudo^  gab.  Dieses  Gemeine  Recht  um- 
fasste  nun,  von  andern  für  das  Frivatrecht  minder  wichtigen  Elemen- 
ten abzusehen,  sowohl  eine  Reihe  durch  Gewohnheit  recipirter  rö- 
misch-rechtlicher Institute  sammt  deren  Theorien,  als  auch  viele  Ge- 
Kvohnheiten  germanischer  Herkunft  „droit  qui  est  communs  ä  tos 
^s  Goustumes  de  France^ ,  nach  dem  Ausdrucke  Beaumanoir's. 
—  Der  Unterschied  zwischen  den  Ländern  des  geschriebenen  and 
denjenigen  des  Gewohnheitsrechts  b^tand  sonach  nicht  in  einer 
Verschiedenheit  des  in  beiden  geltenden  Gemeinen  Rechts,  und  eben- 
sowenig in  einer  ungleichartigen  Geltung  der  römischen   Gesetsge- 


*)  Diese  im  Druck  erscbieneDe  Festrede  führt  den  Titel:  Matalicia  di?i 
Caroli  Friderici,  Badarum  quondam  roa^^ni  ducis  die  XXIII.  Noyeinb.  MDCCCLVII 
ab  Academia  Heidelberf^eosi  rite  pieque  celebrata  simnique  praemia  commissio- 
nibua  victricibus  decreta  novasque  quaestiones  propoaitas  renunciat  Achil- 
les Rcoaod,  juris  utriusque  doctor.,  Ma^n.  Duc.  Badd.  a.  consil.  aul.  juris 
Professor  P.O.,  Universitatis  h.  t.  prorector.  Disseritur  de  or ig inibus  juris 
civilis  Franco-Gallici.  Heidelbergae,  typis  Georgü  Mohr.  HDCCCLVIL 
22  S.  in  4. 

U  Jahrg*  12.  Heft.  61 


963  Chronik  der  UDireniUW 

bang,  —  wohl  aber  darin,  dass  im  Süden  Frankreichs  die  partica- 
Ifiren  Gewohnheitsrechte  germanischen  Ursprungs  seltener  ond  we- 
niger aasgebildet  waren,  das  gemeine  Reichsrecht  and  mit  ihm  das 
römische  Recht  hXafiger  in  Anwendung  kam,  und  zwar  Letsterea 
um  so  mehr,  als  man  daselbst  Ton  den  germanischen  Instituten,  wo 
dies,  wie  es  s.  B.  hinsichtlich  der  Testamentsexecntoren  der  Fall 
war,  in  der  Willkühr  der  Privaten  stand,  keinen  Gebrauch  zu  ma- 
chen pflegte. 

Diese  Rechtssustände,  ftbrt  der  Redner  fort,  erhielte  sich  im 
Ganzen  unverändert  bis  zur  Abfassung  des  Civilgesetzbuchs  vom 
J.  1804,  dessen  Stoff  im  wesentlichen  aus  dem  alten  Rechte  ent- 
aommen  wurde.  Das  YerhJUtniss  der  Redactoren  des  Napoleonischen 
Gesetzbuchs  zum  bisherigen  Rechte  näher  bezeichnend,  hob  der 
Redner  hervor,  wie  dieselben  die  ihnen  durch  die  gegebenen  Vsr^ 
bältnlsse  gestellte  und  von  ihnen  auch  richtig  erfasste  Aufgabe  ver- 
folgten, Frankreich  ein  einheitliches  und  alle  bisherigen  Rechtsqael- 
len  ausschiiessendes  Gesetzbuch  zu  verleihen,  ohne  die  Bevölkeroog 
der  verschiedenen  Provinzen  des  Reichs  von  deren  althergebrachten 
Reehtsgebräuehen  zu  sehr  loszureissen.  Dieser  Zweck  war  nun  da- 
durch allein  zu  erreichen,  dass  man  zunächst  das  alte  Reichsrecht 
codiflcirte,  die  Lücken  aber,  welche  dasselbe  darbot,  mit  solchen 
partlottlären  Instituten  und  deren  Theorie  ausfüllte,  welche  den  die 
weitesten  Ländergebiete  beherrschenden  coutumes,  wie  nament- 
Ucfa  der  coutume  von  Paris,  angehörten;  wo  nicht,  wie  dies 
rfickflichtiioh  des  ehelichen  Güterrechts  der  Fa[U  war,  die  sänmitK- 
ohen  Hauptsysteme  der  verschiedenen  coutumes  In  das  Gesetz 
buch  In  der  Art  aufgenommen  werden  konnten,  dass  die  Wahl  des 
einen  oder  andern  für  die  einzelne  Anwendung  der  Deberelnkuoft 
der  Parteien  überlassen  wurde. 

In  dieser  Weise  entstand  ein  Gesetzbudi,  in  welchem  das  rO- 
miache  und  germanische  Rechtselement  gleichmässig  vertreten  sind 
Nur  in  einer  Hinsicht  behielt  auch  hier  die  römische  G^setzgebang 
ein  Uebergewicht,  welches  ihr  schon  in  der  Periode  des  alten  Rechto 
zukam,  insoferne  nämlich  als  die  germanischen  Institute  und  Redits- 
grundsätae  des  Oivilcodez  der  Form  nach  romanislrt  sind,  so  wie 
endlich  die  Anordnung  der  Materien  im  neuen  Gesetzbuche  nach 
dem  Vorbilde  der  justinianischen  Institutionen  geschah. 

Den  Schluss  der  Rede  bildete  nun  die  Naehweisung  des  bald 
römischen,  bald  germanischen  Ursprungs  der  wichtigeren  Institute 
des  Civilcodez»  wobei  der  Redner  jedoch,  wie  er  ausdrOeklidi  er- 
klärte, bei  der  Kürze  der  .ihm  zu  Gebote  stehenden  Zeit  auf  Voll- 
ständigkeit verziditen  und  sich  auf  die  Andeutung  des  bisher  weni- 
ger Beachteten  beschränken  mnsste. 


Chronik  der  Üoirertitlt.  §69 

An  der  XJn\retn\iäi  selbst  fanden  Im  Lanfe  des  Jahres  1857 
folgende  Verftndemngen  statt: 

Geh.  Rath  v.  Vangerow  erhielt  das  Oottmandetirkreixs  des 
Zlhrhiger  Ordens;  Hofr.  Bunsen,  Kirch.  Rath  Hnndeshligett, 
Geh.  Hofr.  Mohl,  Geh.  Hofr.  Lange  und  Prof.  Hänser  das 
Ritterkreuz  desselben  Ordens.  Za  ausserordentlichen  Professoren  wur- 
den ernannt:  J.  Jelly  in  der  juristischen ,  A.  Kussmaul  in  der 
medioiniaohen ,  G.  Leonhard  and  A.  Fr.  BorntrXgei'  in  der 
philosophischen  Facultät,  in  welcher  auch  Geh.  Hofr.  Sllepbake 
in  gleicher  Stellung  eintrat.  Es  habilitirten  sich  in  der  Juilsttschen 
FakaltSt  Dr.  Fr.  Vering,  fai  der  tnedicinischen  Wilh.  Wandt, 
in  der  philosophischen  die  Dr.  6.  von  Holle,  E.  Erlenmeyer 
und  J.  H.  M eidin ger.  Ans  der  Zahl  der  Privatdocenten  schieden 
ans  M.  Neil  und  H.  Fitting,  der  als  ausserordentlicher  Professor 
nach  Basel  berufen  ward. 

Im  Laufe  des  Jahres  1857  fanden  folgende  Promotionen  statt: 

In  der  juristischen  Facultät  am  8.  Januar  Hr.  Edaard  Fick 
ans  Genf,  am.  5.  Mfirs  Adolph  Burckhardt  aus  Basel,  am 
31.  März  Franz  Joseph  König  aus  Stuttgart,  am  28.  März 
Ernst  Rubo  ans  Berlin,  22.  April  Jakob  Rehfuss  aas  Hei- 
delberg, 28.  April  Friedr.  Wilh.  Schaaf  aus  Meckesheim,  am 
IS.  Mal  Georg  von  Stryk  ans  Pollenhof  InLivIand,  am  28.  Mai 
Edmund  Landauer  aus  Frankfurt,  am  30.  Mai  Albert  Fried- 
rich Scheleher  aus  Dresden,  am  4.  Juni  Emil  Berend  aus  Han- 
norer,  am  27.  Juni  Adolph  Jerosch  aus  Braunsberg,  aml4.  Jnli 
Arnold  Roth  aus  Teufen  in  der  Schweiz^  atn  1.  Angust  Otto 
Blattner  aus  Aaran,  am  10.  August  Paul  Jacob!  aus  Berlin, 
am  10.  Aug.  Karl  TOpfer  aas  Hamburg,^am  13.  Oct  P.  Schnap- 
per aus  Frankfurt,  am  15.  Oct.  Otto  Friedländer  aus  Beuthen, 
am  16.  Dec.  Otto  Staman  ans  Hamburg,  am  22.  Dec.  Adam 
Bock  aus  Aachen,  am  24.  Franz  Knisei  aus  Herhom. 

In  der  medicinischen  Facultät:  am  2.  März  Karl  Fried r.  Elch* 
1er  aus  Schwarzenbom  in  Cburhessen,  am  9.  März  Maxim  iL  La 
Boche  aus  St.  Domingo,  am  28.  März  Bernhard  Albert  van  der 
Kieft  aus  Utrecht,  am  29.  Mai  Carl  Bausch  aus  Halle,  am  10.  Juni 
Marc  Cammille  Desjardins  aus  St.  Mauritius,  am  12.  Juni 
Thomas  Dyke  aus  Liverpool,  am  8.  Angust  Nicol.  Wegleris 
mm  Gontantinopel ,  am  30.  Decb.  William  Hering  aus  London. 

Am  10.  März  wurde  dem  Mediclnalrath  Johann  GrSser  zn 
Mainz  zum  fünfzigjährigen  Jubileum  die  Doctorwürde  erneuert;,  und 
eben  so  am  S.August  dem  Dr.  Reinhold  Hirsch  zn  Bingen. 

In  der  philosophischen  Facultät:  am  26.  Januar  Ludwig 
Geisse  aus  Friedwald  in  Ohnrhessen,  am  2.  Febr.  vov  Thaler 
ans  Wien,  am  9.  Febr.  C.  Meyboom  aas  Assen  in  Holland,  am 
S.  Febr.  E.  Jäger  aus  Mainz,  am  13.  Febr.  Theodor  Kundig 
«uB  Basel,  am  13.  Febr.  Gust.  Strubel!  aus  Dresden,  am  13.  Febr. 


M4  C^nik  der  ÜBiTeriiltt. 

Profenor  Hidber  su  Bern,  am  4.  Juli  Friedrich  Koeh  aus 
Grunenplan  im  Braunschweigischen,  am  9.  Juli  Theodor  Bunsea 
aus  Rom,  am  28.  Juli  Albin  Weisbach  aus  Freiberg  in  Sachsen, 
am  31.  Juli  Carl  Marx  aus  Stuttgart,  am  31.  Juli  Hermann 
Lorberg  aus  Biberich. 


Die  im  verfiosseDen  Jahr  gestellte  Preisaufgaben  lieferten  folgen- 
des Resultat: 

Die  Aufgabe  der  theologischen  Facultät: 

«Exponatur  controversia  de  vi  et  usu  traditionis  in  ecclesia,  ita 
quidem,  ut  tam  origines  ejus  saeculo  sexto  decimo  enarrentur,  quam 
quae  nostro  aevo  ea  de  re  dispntata  sunt,  dijudicentur^ 
hatte  Ewar  einen  Bearbeiter  gefunden,  dessen  Leistung  jedoch  nicht 
für  genügend  zur  Ertbeilung  des  Preises  von  der  FacultSt  erkannt 
wurde: 

«Auetor  cum  quaestionem  ab  Ordine,  ut  ipsi  quidem  videbatur, 
arctioribus  finibus  circumscriptam  ex  superiore  quodam  loco  consi- 
derandam  ejusque  terminos  multo  amplius  proferendos  esse  profeasus 
Sit,  in  aliam  plane  rem  inquisivit  atque  Ordo  ab  eo  poposcerat 
Inde  factum  est,  ut  illis  quaestionibus,  ad  quas  tractandas  magnitu- 
dioe  quadam  ingenii  excitatus  sese  accinxit,  parem  se  non  exhiberet 
neque  id,  quod  suum  erat,  satis  accurate  et  circumspecte  perscruta*- 
retor  singnlarumve  rerum  rationem  haberet  idoneam.  Gravissima- 
rum  notionum  explicatione  neglecta  ne  ipsius  quidem  traditionum 
notionis  origines  ex  historia  satis  illustravit;  in  rebus  historicis  hand 
raro  graviter  peccavit;  ubi  sobrie  in  res  ipeas  inda^andnm  erat, 
praecoci  saepe  levitate  judicavit;  longinqua  petendi  studio  abreptus 
operis  voIumen  longo  prolfxius  extendit;  mira  qaaedam  et  plane  nova 
proferre,  res  pusillas  grandibus  effari  verbis  cupidus  formularum  eo* 
pia  lectorem  obrnit,  patrium  sermonem  novis  plane,  partim  ex  latina 
lingua  petitis,  partim  ab  auctore  ipso  effictis  vocabulis  foedavit  Hte 
de  causis  ordo  commentationem  praemio  ornandam  esse  non  censuit 
Nihilominus  cum  auctor  in  re  sua  magna  diligentia  et  multimodo 
studio  versatus  sit,  theologicarum  literarom  et  veterum  et  recentio- 
rum  cognitionem  haud  spernendam  coroprobaverit,  magnum  rerum 
apparatum  in  justum  quendam  ordiuem  redegerit  neque  judicio  ae 
sagacitate  In  aliquibus  locis  destitutum  se  exhibuerit,  bis  omnibos 
religiöse  perpensis  honorifica  mentione  dignam  esse  commentationem 
existimavit.  Accedat  igitur  auctor  intra  bidui  spatlum  ad  directo- 
dum  academicum,  ut  schedula  reclusa  nomen  suum  in  Prorectoria 
magnifici  oratione  typis  expressa  appareat.^ 

Von  den  beiden  Preisaufgaben  der  philosophischen  Facultät 
war  nur  die  eine,  den  Tacitus  betreffende  («Quid  Tacitus  de  phi* 
losophorom  suae  aetatis  placitis  senserit^)  beantwortet  worden,  je» 
doch  von  drei  verschiedenen  Bewerbern;  das  ürtheil  der  Facultät 
lautet : 


Chronik  dor  Upiventtii^  965 

«Tras  javeneti  quod  ralde  ladtamari  io  areBam  descenierant 
oertatari:  qui  oiddm  Uudabili  atadio  ao  diligaotia  in  bac  quaastioae 
traetanda  rersati  saot|  neqoe  vero  pari  soccessa.  Etenioi  iS|  iftü 
rerba: 

Pericukun  ett  oredere  et  non  endete 
Erit  iUe  tibi  natu»,  quem  per  te  cognoveris 
liballo  auo  adseripsiti  qaaestioois  proposiUe  v\nk  atque  ambitam  viz 
perapaxit  neqoe  eam  attalit  pbilosophiae  anüqoae  eognitionemi  qna, 
qni  banc  ad  quaestionem  aolirendam  aocediti  instroctam  eeae  oportet 
Itaque  licet  Taciti  scripta  dUigenter  perlegerit  indeqoe  singoloe  quos- 
dam  ad  quaestionem  propoaitam  pertinentes  loooe  attigeriti  tarnen 
id,  qaod  samnuun  rel  continet,  neglexit  neque  nilo  modo  ad  qoae- 
etionem  propositam  respondisse  patandae  est  Latina,  qoa  otitar, 
oratio  &oiUs  quidem  est  intellecta,  sed  minos  pnra  veraaculamqae 
lingoam  bic  illic  redolens. 

Alteri  qai  libellam  aobis  ezbibitam  inseripsit  verbis: 

Fories  enim  non  eolum  fortuna  adjuvat^  %At  est  in  vetere 

proverbio,  9ed  muUo  magie  ratio,   quae  quibusdam  quasi 

praeceptis  eanfimuU  vim  fortitudinis ; 
qnaestionis  v\m  melius  perspexit  eamqae  tribas  partibas  solvere 
studoit,  minas  ipsins  Taciti  scripta  secatas  qaam  recentioris  aetatis 
yjroram  doctoram  dispatationes;  qni  cum  in  Ethica  pbilosopbiae 
parte  fere  una  versatus  reliqoas  partes  praetermitteret  neque  Stoi- 
corum  aliorumqoe  illins  aetatis  philosophorom  eam,  quam  debebat, 
rationem  haberet  neque  eorumdem  placita  cum  Taciti  sententiis 
accurate  contendereti  totum  Epicureum  nobis  ezbibens  Tacitum, 
quaestioni  propositae  satisfecisse  judicari  nequit:  praetereft  sermone 
Latino  utitur  a  mendis  Titiisque  non  prorsus  libero. 

Qnibns  longo  praestat  auctor  libellii   cui  verba  sunt  inscripta: 

nil  tarn  firugiferum  est,  quam  magnorum  ingenia  hominum 

noseere, 
Etenim  recte  intellexit,  de  quo  quaesitum  erat  snmmaque  cura  ac 
diligentia  in  quaestione  traetanda  ita  versatus  est,  ut  primum  de 
singulis  Taciti  scriptis  accurate  ageret  et  in  ipsius  bistorici  eruditio- 
Dem  omnem  inquireret,  deinde  quaereret  quam  vim  pbilosopborum 
illius  aetatis  placita  in  Tacitum  rerum  scriptorem  babuerint,  singulis 
hujus  scriptoris  locis  summa  diligentia  allatls.  Itaque  per  tres  par- 
tes, quibus  continetnr  antiqua  pbilosopbia,  argumentum  est  perse- 
cutus  atque  sedulo  indagant,  quid  quaque  in  parte  Tacitus  ab  aliis 
snae  aetatis  philosophis  deprompsisse  videatur,  in  quo  dlfferat  et  ab 
.  iis  recedat;  iu  qua  disputationis  parte  et  Plinii  et  Senecae  praeci- 
puam  rationem  habuit  eoromque  placita  cum  iis,  quae  in  Tacito  re- 
periuntnr,  apte  contulit,  ita  ut  ad  laudem  proxime  accessisse  videa- 
tur.  Sermo  Latinus  purus  adeoque  elegans,  inTOStigandi  ratio  sub- 
tiliSi  Judicium  subactum  ubique  cernitur.  Quae  cum  ita  sint^  auc- 
torem  bujus  libelli  praemio  ornandum  esse  judicarit  ordo  pbiloso- 
pborum.^ 


llel  EröfAmng  des  Tenfegetten  Zettelt  ergtb  iMb  «It  Sieger: 
Jobftttii  Jvlfoe  Baomaniiy  itikl.  fteirfog.  «t  pUlolog.  aas 
F^kfsrt 

Aaf  das  nlohste  Jahr  shid  folgende  Fragsii  gesteBt: 

1)  Von  der  theologiieh^a  Faeohät: 

«Dteserator  de  praedestiaatioiie  Ha,  at  quid  Aogostimis,  Lu- 
dierus»  Cafthuis  et  Sehieiermaehems  de  kac  doettiiia  diverse 
statoerfati  prlnuiD  examlDectir  atquo  enarretnri  tmn  emii  GL 
Serlptarae  testlmoans  eomparetiir.^ 

S)  Ton  der  Jaristlseheti  FaealtSt: 

De  eottdStletie  femitianitii  secnndma  Jas  ruBiaauui  antiqnoiii. 

S)  Von  der  medleiaisehen  PaealtSt: 

^lodkgentar  persenttatioM  tnfcroseopiea  transformationes, 
qaae  in  grancdationibas  sapporatione  productis  finnt,  lade 
ab  eorain  orlgine  nsqve  ad  perfeetain  deatrisatioaem.^ 

4)  Von  der  pbllosophfseben  Paenltftt: 

i.  Diflseratnr  de  foederis  Rbenaai  a  Napoleons  If.  conditl 

origine,  legibus,  instttatis,  morfbns  et  tebtts  gestis; 
2.  Die  Landwirthsdiaft  des  Odenwaldes. 


Inhalt 

der 

Heidelberger  Jahrbttcber  der  Literatur. 


Fünftdgiier  Jahrganff,   1857. 


Seite 

Aticbylot  AgAmemomoB  yob  W.  v«  flmnboldl 87S 

ADdersaon:  Reise  in  Südafrika  v.  Lotze 938 

Alzog:  D«  liMnrOM  Graeee.  atqae  Ranami.  bMÜ»    .     •     .     «  83t 

A.Ddree:.  Die  Staaten  von  Central-Amerikft  •..«•••  167 

t^  Baenoi  Ayree  und  die  Aigentinlucliep  ProviuflB      »     •     •     •  157 

Aaaalen  des  historischen  Verein«  fOr  den  Niederrhein    ....  301 

Anoaaire  de  la  Soci^t€  archMogiqne  de  Constantine     .     .     •     •  865 

Arfetophanes  KomOdien  von  Koelu  3«  Bddm. 167 

•^  von  Minckwiti 306 

IMana  Anabasis.     Von  HarlüaBn •     .  146 

i^iu  der  Natur     •. • •  t 

lladiache  Programme      »    • 940 

Bambeigeri  Opuscola  philologicsi 73 

BaBilius  des  Grossen  Rede  u.  s.  w.  von  Lothbolz      •    «     •     •  886 

l^eck:  The  age  of  Petronius •     .  617 

«^  phQosophische  Propädeutik.  6.  Aufl.     <..».«..  67 

^  Hiatorisch-geographischer  Atias  II.  u.  III.  Abük 68 

l^ehagel:  Geschichte  des  Lyceuma  au  Mannheim    «     •     «    .     •  962 

Heilrage  zur  Statistik  von  Baden       .     .     •     •     • 216 

i.  Bernhard!:  DönkirOtdigkk.  «w  d.  Lebe»  d.  General  v.ToIU 

m.  Bd. 864 

Sifaliotheca  orientalis  Spreogeriena    •    •     .    « 207 

iedermann:  WIsseoediaflBlehre 91 

Inder:  Ueber  Timon,  den  MisanthropeB      ...•«..  784 

lock:  Geschichte  der  liturgischen  Gevftndet      •«....  18 

lonivardi  Fr.:  Advis  et  devfs  de  hi  aoiice  de Pidololttrie  etc.  268 

loot:  Oiat.  1.  in  Gatfl.  reeeos.  eta      .••......  661 

brandes;  Dmb  ethnogra|»ll«  Vetbiltaiss  dec  Kelten  u«  Ge^mMiea  293 


968  iBhdt. 

Seile 

Brandes,  Antflng  dnich  daa  Salzkammergat  u.  ■•  w«       ...  472 

Braan.  Die  Trojaner  am  Rhein 762 

Briefe  des  Grouherxogi  Carl  Aiucoat  and  Göthe'a 161 

Brioechi:  Theorie  der  Determinanteo 78 

Brann,  H.:  De  indicibne  Pliniania 596 

Bamflller:  Die  WeltgeKhichte.  4.  Aufl.  L 5S6 

Buttmann:  Die  deatachen  Ortonamen 699 

Ciaar't  Memoirien,  von  Röchly  and  Rfletow 305 

Caseel,  P.:  Ueber  Thflringieche  OrtoDamen 884 

Oieero  De  officiis,  von  Gm  her 77 

CiceroDis  Scripta  rec.  Klota.  F.  V 232 

Ciceronia  Tnscvll.  von  Koch.  2.  Heft 235 

Gombe:  Die  Wisaenichaft  in  ihrer  Beziehung  zar  Religion     .     .  904 

Cornelina:  Ueber  die  Bildung  der  Materie 612 

Cornelius  Nepos,  von  Siebeiis 305 

Cotta:  Kohlcnkarte  fQr  Sachsen 12 

Gmsius  Wörterbuch  zu  CSsar.  5.  Aufl 236 

Crusius-Seiler:  WOrterbuch  aber  die  Hoaserischen  Gedichte  .  469 

Dankwardt:  Nationalökonomie  und  JorlsprodeBZ 304 

Delacroix:  Alesia 625 

Del  esse:  Mat^riaux  de  consCracilon  de  rexpoeftien  aatvorselle   •  299. 

Demelins:  Legg.  fragmenta 662 j 

Demosthenis  Contiores.  Re«.  VOmel 439 

D€y:  AlesU 625 

Dornseiffen:  De  artienlo  Graeco 2S4 

Duhamel:  EliSments  de  Calcul  infinH^imal 14i 

Du  Bleu:  Disp.  de  gente  Fabia 656 

V.  Dusch:  Ueber  Schimmetbildnng  in  der  Lunge 961 

Eckardt:  Erlftuterungen  zu  Schillers  Werken          491 

Farina:  la  Diplomazia  e  la  Quistlone  lUliana 169| 

Favre:  Memoire  snr  les  tremblements  dt  teiie  ......  $65 

Flekler:  Berthold  der  Bftrtige 96 

-r^  Odalrich,  Bischof  von  Constaoz 99 

Flavios'  Josephus  Werke  von  Paret.  7.  Bd 695 

Fontes  rerum  Austriacamm       .     .     .     •     • 41' 

Frant^:  Der  preuasische  Givllprocese    .......••  666 

Frosche,  die,  des  Aristophanes  von  Pernice 866 

v.  Fuchs,  J.  N.:  gesammelte  Schriften  von  Kaiser   ....  366 

Gaetschmann:  AdfsnchoDg  von  LagersUtten  der  Mineralien      .  747 

Gajanischen  Instilutionen,  die,  von  Beckhane 69# 

Gebhardt:  Uebertragung.  einiger  deutsch.  Gedichte  ins  LatelDlsche  951 

Giebel,.  Lehrbuch  der  Zoologie 6ll| 

Grimm:  GrondzAge  der  Geognosle «'■ 

Gronovii,  Fr.,  Lectt.  TnUiaoae  ed.  Snrlngar 646. 

Grote:  Griechische  Mythologie  u.  s.  w.  von  Fischet.  IL  Bd.  67i 

Garlt:  Die  pyrogeneten  kansttlchen  MSnerallep 74i 


liiMt  00» 

Seite 

Härtung:  Geologüche  VerUiltiiiise  y.  Lansarofe  u.  FaertavAitiira  742 

Haatz:  Stipendien  q.  b,  w«  in  Heidelberg 9SC 

Heine:  Reise  nm  die  Erde  nach  Japan 154 

Heifl:  Sammlung  von  Beispielen  ans  der  Arithmetik  n.  Algebia  .  145 

Hannes:  Prinz  Eugen  von  Savoyen s     .  275 

Herrmann:  Senatna  Rom.  fortnna  etc 954 

Hertleln:  Specimen  nov.  Jnliani  Caesar,  edit 958 

Hertzberg:  Lei>en  des  Agesilaos  11 861 

Herwerden:  Obaervv.  in  Comicc.  Graecc 698 

H es e kiel:  Königliches  Martyrtham  n.  s.  w. 224 

Hessenberg:  Mineralogische  NoHzen 318 

H  oef er:  Biographie  gdn^ralc  T.  XVI.  XVII.  XVIII 477 

Hoffmann:  Blmhen  spanischer  Poesie 348 

—  H.:  Lehrbuch  der  Botanik 616 

V.  Uolle.:  Ueber  die  Zellenkörper  im  Lebermoose 569 

Hol tz mann:  Das  Nibelungenlied 721 

Holzmann:  Einladungsschrift  d.  Polytecb.  Schule  in  Stuttgart   .  588 

Homer^s  llias,  von  Donner 305 

—  Odyssee  von  Am  eis.   1.  Bd.  2.  Hft 880 

Horatius  Oden  und  Epodcn,  von  Nauck.  2.  Aufl 76 

Hyperidis  Oratio  pro  Euxenippo  ed.  Linder 471 

Jacini:  Grundbesilz  und  Landvolk  in  der  Lombardei       .     .     .  661 

Jansen:  Die  Geschlchtsquellen  von  Münster 301 

[Janssen:  HilversumVhe  Oodheden 107 

fimhoff:  Einfflhrang  in  das  Studium  der  Koleopteren  ....  3 

-^  T.  Flavius  Domitianus 824 

^Isarobert:  Anecdota  de  Procope 151 

^Kalender  fflr  den  Berg-  und  Hfittenmann •  315 

Karmarsch:  Polytechnische  Schule  zu  Hannover 864 

Keller:  Die  Drangsale  des  nassanischen  Volkes  Jm  SOJähr.  Kriege  282 

Kenngott:  Lehrbuch  der  Mineralogie 704 

—  A.:  Lehrbuch  der  Mineralogie 616 

Klein:  Mainz  und  seine  Umgebungen 959 

Klotz:  Handbuch  der  lateinischen  Sprache .  560 

—  Handwörterbuch  der  lateinischen  Sprache 465 

Kluckhorn:  Geschichte  des  Gottesfried ßns 489 

Klunzinger:  AUerthumsverein  im  Zabergau  VI 895 

' —  Antheil  d.  Deutschen  an  der  Entdeckung  von  Sfldamerika       .  897 

V.  Knesenbeck:  Ferd.  v.  Braunschweig  während  d.  80jfthr.  Kriegs  846 

v.  Kobell:  Die  Urzeit  der  Erde ♦     .     .     .  65 

Kober:  Der  Kirchenbann 753 

Köchly  und  Rastow:  Einleitung  zu  Cftsar's  Commentarten       .  379 

Koppen:  Die  Erbschaft 673 

Körner:  Geschischte  der  Pädagogik 900 

Krahner:  Römische  Antiquitäten 942 

Kreyssig:  Justns  Moser 859 


wn  Ml« 


Ktglet:  OeMddchte  Friedrich'«  des  Qnmm  • U0 

Kttlp:  Die  Differenzial-  und  Integnlredinaiig 2H 

Kuntie:  Die  Obligetion  und  die  SiDgolanuooeesioD      ....  401 

Kurz:  Ckichiclite  der  deoteehen  Literatur 95i 

Lange:  Gebartshalfliche  Mittheilongen 569 

V.  La  tau  Ix'  Grundlage  aller  pMlosophficIien  Systene       .     .     •  4S3 

Laurent:  Leben  des  Kaisers  Napoleon 169 

Lehrs:  Populire  Anfsätae  aas  dem  Alterthnia 74 

Leni:  Zoologie  der  Grfechen  nnd  ROser 14^ 

Leonhard,  6.:  Ueber  ansgeaeichnete  Mineralien  noserer  Gegend  SSO 

Llteratorbericht  ans  Italien  I.  II 115 

—                          —           LH. 88$ 

Uttratnrberichte  aos  Itsllen  L  IL  Von  Neigebaner  ....  54$ 

*-  L  n.  in.  Von  Neigebauer 622 

—  L  n.  111.  IV. m 

Linderi  Cannina  latina        471 

LIvlas,  Deotscb  von  Getlacb 305 

Ludwig:  Das  kohlensaure  Gas  zu  Nauheim  «od  Kissingen    .     .  I 

-^  Geologische  Specialkarte  Ton  Hessen 692 

Macintosh:  Heise  durch  die  fioroplische  Tflrkei  n.  s.  w.    .     .  383 

Martin:  Vorlesungen  aber  den  gemeinen  borgerl«  Prozess.  IL  Bd.  313 

Mendelsohn:  PhXdon.  7.  Anfl 699 

Merleker:  Mosologie ' 863 

Miftheilungen  des  literar.  Vereins  von  Steiermark 82 

V,  MOckern:  Osündien,  seine  Geschiehite  u.  s.  w.       ....  936 

Moaomenta  Zollerana  U.  Von  Stillfried  und  MSrker        .     .  511  j 

Mothes:  Geschichte  der  Baukunst  Venedig's 541  f 

Mundt:  Geschichte  der  Gesellschaft 88 j 

Neumann:  Elemente  der  KrystallogMphie 316j 

Novum  Testamentutt  rec.  Bottmann  .     •     .     • 2Slj 

Nabu:  Ueber  Bildung  d.  AbsonderangaftUss^keiten,  inebes.  d.  G»He  573 

Oertel:  Genealogische  Tabellen 696. 

Oltrogge:  Auswahl  aus  der  deutschen  Dichtung 476 

Osann:  Commentt.  seminar.  philcrfog.  Gisseneis  I.  H.  IH.       .     ..  521 

Pagenstecher:  Ueber  Milben ^ 567 

—  Ueber  Milben 580 

Part  seh:  Ueber  den  schwarzen  Stein  in  der  Kaaba  zu  Mekka  .  731 

Pausanias  von  Schub art .     •     ...  86S 

Pflug:  GesehidMe  des  Feldzugs  in  der  Krim 224 

PhUdrus,  von  J.  Siebeiis 305 

Picchioni  Del  senso  allegorico  della  divina  Gemedia       .     .     «  828  j 

Pisanelli:  Dell'  istituzione  de  Giuriti 33  ^ 

Plalons  Apologie  und  Crito  von  Cron «     .     .     .  871  ^ 

Plato's  Staat,  von  Prantl 306 

Pkto's  Werke,  von  Prantl 866 

Platz:  Ueber  Götterverwandlungen  bei  Homer 941 


I 


97ff 

Seite 

PloUni  Opera  reo.  Kirchhaff.  VoL  OL 23^ 

FlBtarch.  De  Muaica»  ed.  Volckmann 586 

Papikofer;  Lebeo  and  Wirken  von  Wehrli 841 

Bebhano:  Theorie  der  Holz-  und  EiacokonatniktioBeB     .     ,     .  587 

Rechtswissenaehaltl.  Leiatiagen  in  Ilalieii  in  Beng  auf  Hypathenrecht  44  f 

Eedtenbacher:  Daa  Dynamiden^ystem 776 

n  Kelche,  1^.,  Memouran,  von  L.  v.  Weltzien 851 

k^nard:  De  l'identitd  da  lace  des  GaiüoM  et  daa  GermaisB       •  M4 

Kevillut,  V.:  Etqdea  cdtiqaei  aar  Alaaia 825 

«^  Alaise,  AUse  eta 825 

BIbbe.ck,  0«:  Ueber  die.  mUtlen  nnd  neaere  attiaohe  Komidie  876 

lichard-Janiilon:  Wandenuigen  doieh  d.  Heidalbeiger  Schloaa  940 

liecke:  Die  Rechoang  mit  Richtongezahien 527 

linkes:  De  orat.  I.  in  Catil.  a  Cicerone  abjndicanda  ....  851 

loae:  Ueber  die  heteromorphen  SüoBtftnde  der  kohlentaorta  Kalkerde  481 

lOfsignol:  Aliae,  Etodoe  etc. 625 

loth  Y.  Schreckenatein:  Daa  Patridat  in  den  dentich.  SOdten  425r 

Ittckert:  Der  Begriff  die^  gemeine»  deatachen  Privatreckts     .     .  80r 

tndhardt:  Taschenbuch  für  yatevlindiache  Ctesohiohte      .     •     .  226 

kiM^hse:  Wörteibnch  deatacher  Synonymen 282 

(arappe:  Weimarische  Scholreden «     .  147 

loh  aber;  Ueber  den  Gross 956 

lokftfer:  Demosthenea  and  seine  Zeit 588 

h^  Geschichtstabellen.  6.  AofU 697 

K*  Tabelle  zqr  preuae.  QeaGhickte 698 

|<l&lottmann:  Joseph  v.  Hammer-Porgatall     «...*•  730 

Ichmidt»  A«:  Die  Gmppen  der  Eorop.  Claoaüien 808 

khmidt,  EL:  Etüde  aar  Hecdec 280 

tehoemaoAi  De  Apolline  costode  Athenamm  ••....  818 

lahrant:  Ueber  die  Partikel  ya(f  n.  s.  w« 958 

lehr  ei  her:  Geschichte  d.  Albert<»Lvdwiga*Universiai  su  Fniborg  668 

^  Geschichte  der  Stadt  Freiburg ^    •     .     .     •  668 

|4sliT5der:  Der  Graf  Zinsendorf  and  Hexrnhiit  ......  776 

chfitt:  Balders  Tod 840 

aohwab:  Die  Lateinische  Wortfolge    •     .     •    » 058 

^hwara;  Versuch  einer  Philosophie  der  Mathematik  •    «     .     •  918 

^pbokles  von  Donner.  4.  Aufl.     «     * «    #    .  812 

^phokleSy'.Too  SchCll     .,.•.»•»«•»•*  806 

^fthelin;  Uebertcitt  KQoig  HeisHch'a  IV.  ven  Fraokaelch    .     .  56 

Itaring:  De  Boden  van  Nederland     • 1 

^cget:  Mungo  Parkens  Reisen  in  Africa 478 

lernberg:  Forschungen  über  hochdeataote  Lavtlehre      »    .    •  133 

Ifnzing:  Ulrich  Zasius 881 

K>baei  Florileg.  rec  Meineke.  VoL  IIL 282  ' 

toll:  Haadb*  der  Mythole^e.  %.  Aofl 75 

traboy  von  Forbiger      .••••••••••••  805 


§78  Ittbali 

Seite 

SuetOD^s  Kaiserbiographien  von  Stahr 86l 

Snetonios,  voo  A.  Stahr SOS 

Tadtus,  von  C.  L.  Roth 865 

Thietmari  peregrinatio.  Ed.  Laurent 8$a 

Tfaoluck:  Akademisches  Leben  des  XVfl.  Jahrh.  2.  Abth.  .     .  M 

Thomas:  Nene .  Glas-Krystall-Modeile 317 

Thomas:  Bilder  aus  der  Länder-  and  VOikericude     .     .     •     .  169 

Thncydidis  libd  etc.  ed.  Poppo.  IV,  8.  (Comment  Thacydid.)      .  70 

Tisch endorf:  Anecdota  sacra  et  profana 481 

Tr^r  de  V^erie  etc Itf 

Ueber  den  Zustand  der  Literator  in  Brasilien 471 

Verhandlungen  des  naturhistorisch-medicinischen  Vereins      •     .     .  241 

II 541 

Verneuilet  Collomb:  Geologie  da  Sad-est  de  l'Espagne     .  741 

Vlrgilios,  von  Binder 301 

Vischer,  W.:  Erinnemngen  nnd  Eindrflcke  aoa  Grieehenland     .  277 

Vitruvii  libri  de  architect  ed.  Lorentzen 14€ 

VOgeli:  Geschichte  des  EuropKischen  Staatensystems   ....  9t 

Vormbaam:  Evangelische  Schalordnangen 901^ 

Washington  Irving:  Das  Leben  G.  Washingtons    .     .     .     .  89^ 

Wasserschleben:  Jaristische  Abhandlangen 8131 

Weinholz:  System  der  Philosophie iM 

Weisaenborn:  Ninive  and  sein  Gebiet  IL 47^ 

Weil  CT,  Wörterbuch  der  Pseudonymen 231 

Wen  zig:  Kränze  aas  dem  böhmischen  Dichtergarten     .     •     .     .  IH 

-^  Studien  über  Stltn^ IM 

Wiedasch:  Deutscher  Haus-  und  Schalhomer 861 

Wiegand:  Zu  Plato's  Phädon  und  Briefen 87^ 

Wilhelmi:  JGeschiehte  von  Sinsheim 221 

Wimmer;  Flora  von  Schlesien 891 

Windscheid:  Actio  des  rOnu  Civilrechts 401 

WOrl:  Bericht  aber  römische  MOnzen  u.  s.  w. 94l 

Wrighton:  Geschichte  des  neuem  Italiens  v.  Seybt       .     .     .  174 

V.  Wurzhach:  Biographisches  Lezicon  von  Oesterreich    ...  471 

Wurzbach  v.  Tannenberg:  Uebersieht  d.  Literatur  v.  Oesterr.  221 

Wuttke:  Die  drei  Kriegsjahre  1766  ff.  Von  Huschberg    .     .  ^Sl 

Xenophon's  Anabasis,  von  Voll  brecht.  1.  Bd 871 

Xebophon's  Anabasis,  by  J.  Boise     .     • 611 

XenophonU  hellenische  Geschichte  von  Eieckher.     .     .    •  88S 

Zeller:  Philosophie  der  Griechen  I.     .     • iH 

—  Philosophie  der  Griechen  U 181 

Ziller:  Einleitung  in  die  PSdagogik "M 

-—  Die  Regierung  der  Kinder      •     • 7*^ 

Zimmerle:  Das  deutsche  Stammgutssystem Sti 

Zimmermann:  Geschichte  des  Bauemkriegee.    Neue  Auflage    .  284 


urT' 


AUü  1 :'  1S41 


AUü    1  :'  1941