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Full text of "Heidelbergische [afterw.] Heidelberger Jahrbücher der Literatur"

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Soc. SQY4 . 





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— — 


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en a EX ces 














Deidelbergifäe 
sahıdbüider: 


2 iteratır 


Vierter Jahrgang. 
Erbe Hälfte 


Zanunar bis Zunius. 


5 
g 


Heidelberg, on 
bey Mohr und Zimmer 
BE SE Ser Bee Pe Gr 


| 
| 


3 Chriffiche Dogmatifen v. J. C. E. Schmidt m. Auguſti. 


leicht, wenn ihm die Fromme Einfahhelt bes erfleren und bie 
glänzende Vielfachheit des zweyten diefer neuen Sewährsmänner 
fehie, fih. der Meinung erfreuen, daß felt der Einführung der 
kritiſchen Philoſophie und feit den Dogmatikern, die fo tuͤchtig 
in derfelben gearbeitet haben, wie Staͤudlin und Ammon, diefe 
Wiſſenſchaft ihr hoͤchſtes erreicht habe, oder vielmehr keines 
neuen Verſuchs weiter werth ſey. Ein ſolches conclamatum 
est ſchreckt die echten Theofogen fo wenig davon zuruͤck Hand 
anzufegen, als den wahren Kuͤnſtler der Zeitgeihmad, weicher 
die Bilder in Damenkalendern lieber mag, als einen firengen 
Albrecht Dürer. Willemmen find ung daher bie beyden vors 
liegenden Lehrbücher, deren Verf. auch ihren äußeren Beruf 
hierzu ſchon durch die Worte in den Vorreden beurkunden, 
welche wir ſtatt alles weitern bierher (sen wollen. Sn deu 
Schmidtiſchen heiße es: „von einem Zeitalter, wie das jeßige, 
wird uͤbrigens ein Buch diefee Art manche nachtheilige Urtheile, 
und zwar fehr entgegengefete, erfahren. Ein Theil der Seit 
genoffen wird es jedoch nicht verfennen, daß dem Verf. die 
fchwachen Seiten der bisherigen Dogmatik nit entgangen waren, 
and daß er wenigftens den ernfllihen Worfag hatte, ihren 
Beduͤrkniſſen adzuhelfen.“ In der Auguſtiſchen werden Leffinge 
Worte angeführte, welche verdienen Immer noch wiederholt gm 
werden: „ic möchte nicht behaupten, daß unfer altes Religions; 
fuftem ein Flickwerk von Stuͤmpern und Halbphiloſophen fen. 
Ah weiß kein Ding In der Welt, an weichen fih ber menſch⸗ 
Ihe Scharffinn mehr gezeigt und geübt hätte, als an ihm. 
Flickwerk von Stämpern und Halbphiloſophen ift das Religions; 
foftem, welches Einige jetzt an die Stelle des Altern feßen 
wollen, und mit weit mehr Einfluß auf Vernunft und Philos 
fophie feben wollen, als fih das alte anmaßt.“ Hierdurch gibt 
ſich die neue fo gemeinſame wie verfchiedene Richtung diefer 
Lehrbücher zu erkennen... Der Verf. des erfien gibt aus feines 
veihen Schage mit fparfamer, faſt farger Hand, das mit Liebe 
auswählend, worauf gr grade jetzt einen flärkern Nachdruck 
legen gu muͤſſen glaubts alles beſtimmt und zur Einheit feflges 





Eprifliche Dogmatiken v. J. C. E. Schmidt n. Auguſti. 3 


haften durch die Lehre und die Treue der Fichte ſchen Philo⸗ 
ſophie. Der Werf. des gwenten Lehrbuchs legt einen Apparas 
von theslogifchee Gelehrſamkeit wor, mit freugebiger Hand, 
und gibt Anleitung, wie man das. Befle daraus mählen fol; 
einer neueſten philoſophiſchen Schule fo wenig angehörig ale 
einer ältern. Jener geht von der Tonfeguenz der Altern Theos 
logen ans, er trägt fie in fih, und uͤbergibt dem Zuhörer ein 
feftes Reſultat. Dieſer weiſet den Zuhörer, der von den 
mannigfaltigen Zeitvorſtellnngen umſpielt iſt, zuruͤck auf die 
kirchliche Conſequenz. Auguſti fuͤhrt mehr in den Geiſt der 
aͤtern Theologen ein, und Schmidt laͤßt ihre Reſulte durch eine 
are Einkleidung ſprechen. 

Da wir keinen Plan der Dogmatik, der nur irgend bis⸗ 
ber eingeſchlagen worden, für kanoniſch ober für claſſiſch 
halten, ſo wollen bir es auch nicht tadeln, daß, jedes dieſer 
Compendien ſeinen eignen neuen erwaͤhlt hat. Daß auch diefe 
Mingel haben, laßt ſich erwarten, weil die Dogmatik feine 
reine Wiffenfchaft tft, Tondern vielmehr auf viele Puncte des 
theologifhen Wiſſens fd bezogen werden muß, daß ihre Ans 
ordnung immer etwas Relatives und nah Zweck und Zeit Zur 
fälliges "Hefommt. Wir müflen une nun auf jedes diefer Toms 
vendien einlaffen, fo viel es der Raum diefer Blätter geſtattet. 

Das Sch midtiſche enthält nad) der alten Weiſe Prolego— 
mena, welche einen beträchtlichen Theil des Buches ausmachen, 
aber ih dadurch Hanz von dem’ bisherigen unterfcheiten, daß 
fie zwar erſt den Begriff der Nelision aufftellen, aber nachher _ 
auf ähnliche Welle wie in des Verf. früheren Compendium 
die Religion nach den Grundfägen der Fichte ſchen Sittenlehre 
deduciren; noch mehr aber dadurch, daf er die Geſchichte der 
wligisfen Meinungen in ihren Grundlinien aufftelll. Der 
Anhalt iſt: =) Höhere Weſen; 2) Wirkungsart derſelben; 
3) Cultus; 4) Vergeltung; 5) Urfprung, der Welt und des 
Uebels in derſelben; 6) Leben nah dem Tode. Wir laſſen 
uns hierauf weiter nicht ein, um etwa die vorzüglicheren Ber. 
merkungen Hervorzuheben, wie z. B. daß der Monotheiſt oft 


6 Eprifiliche Dogmatifen v. 3. C. E. Schmidt u. Auguſii. 


nahe if. Doch der Verf. deutet auch darauf Hin, indem er 

fagt, daß weder bey den Wundern, noch bey der Schöpfung 

etwas zu verftiehen fey, umd beydes ind Gebiet des Glaubens 
gehoͤre. Er ruͤgt es mit Recht, daß: die Theologen einen gros 

fen Stein des Anfloßes an den Wundern fanden, da es -fie 
doch hoͤchlich befremdete, als ihnen angemuthet wurde, ein vers 
fändiges Wort Über die Schöpfung zu fagen; baß fie diefe 
für ein Wunder mußten gelten laſſen, dabey die Erhaltung völlig 
richtig ale eine forigehende Schöpfung anfahen, und doch in der 
Megterung alles bloß natürlich annahmen; endlich: „daß die 
den Glauben an Wunder überhaupt mit dem Glauben an bie 
hiſtoriſche Wahrheit gewiſſer Facten vermifcht haben, die doch 
nun einmal im Dunkel der Vorzeit lagen, fo daß es eitles 
Beginnen iſt, fie jetzt noch ans Licht ziehen, und alles ſonnen⸗ 
Har machen zu wollen.“ Wohl hat er Recht, „daß man dieſe 
Glauhensſache nicht mit fo leichter Hand, wie man es in unſern 
Tagen gewohnt iſt, abthun darf.“ Die Ideen aus der Schel⸗ 
ling’fchen Speculation würden hier dem. Verf. zufagen, wenn 
er fich Überhaupt auf die eigentlich fperufative Philoſophie 
eingelaffen hätte, $. 30, 3ı Handelt von Engeln und Dis 
monen. $. 52 ff. unter des Rubrik von Vergeltung, etwas 
unbeguem, vorerft vom Begriff der Sünde, dann non $. 36 ff. 
bis $. 45 von der Unsterblichkeit und dem Zuſtand nach dem Tode. 
Hierauf. mit dem Anfang des dritten Eapitels-$. 46 ff. von 
der Unfähigkeit und Untwürdigkeie des Menſchen überhaupt. 
Mir vermiffen hier die Lehre von dem göttlichen Ebenbilde 
ganz, dabey auch die bibliſche Lehre non dem emigen Leben, 
und manche Hinmeifungen fonft quf das, was zum Kirchlichen 
gehört; und da grade dieſer Artikel -fo wichtig iſt, fo muͤſſen 
wir diefen Abſchnitt für den mangelhafteſten des Buches erken⸗ 
nen. Hierauf folgt der Abſchnitt von ‚deu relisidfen Beduͤrf⸗ 
niſſen des Menſchen insbefondere, und zwar zuerfi in der 
Offenbarung, $. 56 ff. Hier mind fogleich fehr gut bemerkt, 
daß die Bibel Leinen. ſchulgerechten Lnterfchied zwifchen dem 
Natuͤrlichen und Uebernatorlichen beobachtet. Die Offenbarung 





—— | —“ - J 


Ehriſtliche Dogwratiken v. J. C. E. Schmidt u. Auguſti. 7. 


wird nach der Leſſing'ſchen Idee ale Erziehung des Menſchon⸗ 
geſchlochts angeſehen, mwÄhe mit dem Anfang deſſelben begon⸗ 
nen. Dee VWerf. findet es ſehr nachtheilig, daß man dem 
bifigrifchen Weg eingeichlagen habe, da man von dem Glauben 
an Offenbarung felbft hätte ausgehen muͤſſen. Anderen die aus 
Fichtes Maturrecht angeführte Stelle, welche allerdings verdient 
den Theologen Bekannt zu bleiben, nimmt doch etwas Hiſtori⸗ 
(des in der Dffendarung ala das Erſte an; die Bemerkung 
unſers Verf. ,„ daß der Stande an das Hiftorifche dad Herz gar 
niht beruͤhre, iſt aus feiner Anmerkung zu $. 65 zu berichtigen, 
w der Standpunct der Dienichen als verfchieden angenommen 
wird. Daß die - fortfihreitende Offenbarung bey einer Nation 
und die nachmalige des Chriftenthums als eine Erziehung des 
ganzen Menſchengeſchlechts anzufehn ſey, erlaubt doch mod 
einige Bedenklichkeiten, welchen ſelbſt die $. 66 angeführte 
Meinung der Kirchenväter zuſtimmt. Weiter von $. 6B an 
ſpricht der Verf. von dem Glauben an Sündenvergebung vor; 
bereitend, Das Weligidfe in demſelben rein ausfcheidend, und - 
zur chriftfichen Lehre hinweiſend. Mur können wir der Er—⸗ 
färung $. 69 nicht beptveten, nad) weicher die Möglichkeit der 
Cindenvergebung gezeigt werden fol. Es wird nämlich gefagt, 
bdaß die Allmacht auch das Gefchehene ungeſchehen machen könne, 
tder viermehe der fündhafte Menfch wird zu dieſem Glauben 
an Gott vorwieſen. Wie kann aber folher Glaube bey dem 
denkenden Menſchen ſtatt finden? Oder koͤnnte etwa auch die 
Almacht den Widerſpruch in ihm ſelbſt vernichten? Oder viel 
mehr warum ging hier nicht der Verf. um einen Schritt weite 
zu tieferen Vorſtellung ven ber göttlichen Gnade, und zu 
den Sedanfen Auguſtinus über die Allmacht? — Indeſſen 
hebt dieſe Nebenbemerkung die andern trefflichen Lehren des 
Verf. die Suͤndenvergebung betreffend wicht auf. Diefes wird 
bar, einen kleinen Abfchnitt von der Heiligung von $. 78 om, 2 
wieder unterbrochen, worauf dann has vierte Kapitel folgt von 
6.77 an, die Lehre von Jeſus Chriſtus. Hier iſt mit einen 
gan, vorzug lichen Klacheit Die bibliſche Idee Aber bie Perfon 


8 Epriftiche Dogmatifen v. J. €. ©. Schmidt u. Xugufl, 


Jeſu in die Birchliche hinuͤbergefuͤhrt, und auch mach des Rec. 
Ueberzeugung nach der wahrhaft ePriklichen Anſicht. Ueber⸗ 
haupt ift diefes ganze Kapitel dag gelungenfte und bad Werk 
einer Meiſterhand. Es fehlt uunr die neueſte ſpeculative 
Anſicht, die doch hiſtoriſch hätte beruͤhrt werden ſollen. Auch 
wuͤnſchten wie noch mehr hiſtoriſche Anfährungen bey ‘der 
Satisfartionsicehre, und beſonders die Hindeunng auf die 
noͤthige Eonfequenz hierin im proteflantifchen Lehrbegriffe. Daß 
aber weiterhin die Lehre von der Hechifertigung, diefer Haupt: 
punct des Proteſtantismus, fo gut mie ganz fehle (deun der 
fpätere kurze $. 125 vom Glauben und den guten Werten bes 
ruͤhrt fie kaum), iſt um fo mehr Schade, da er fo ſchoͤn 
vorbereitet ware Weiter folgt von 6. 97 am der Artikel von 
dem heiligen Geiſt. Bey dee fchönen eregetifchen Erdrterung 
befrembet os und, daß $. 100 von den Stellen Jah. 14, 16 ff.; 
- 25, 25 fi; 16, 7 ff. behauptet wird, man koͤnne fie nicht ohne 
Zwang als eine kühne Perfonification erklären ;- wie daͤchten, 
es fey nicht einmal eine kühne, wenn man nur an die Alexan⸗ 
driniſch⸗Juͤdiſche Perfonification ber göttlichen Eigenfchaften, 
namentlich der vopia benkt ; nicht einmal an die Stelle Joh. 7, 
59 zu erinnern, Auch die Tanfformel entſcheidet nicht für die 
Hypoſtaſe, und was . 109 ſehr gut für die Gottheit des heis 
ligen Geiftes angeführt wird, beweiſet gerade die Einheit ders 
ſelben mit der Heiligen Wirkſamkeit Gottes überhaupt. Auch 
kann die Stelle Matth. 10, 19 nah $. 104 nicht als unbe⸗ 
gweifelte Beweisſtelle für die Siufpiration angefehen werden, da 
man fie nach dem Sprachgebrauch und Zufammenhang fehr gut 
von einer Begeiſterung für die Sache Gottes nur im Gegenſatzz 
gegen eigne Zwecke und gegen ausfludiete ‚gerichtliche Reben 
erlären lann. Ueberhaupt iſt die Meinung derer, weiche den 
"Ausdru Heiliger Geift als gleichbedeutend mit dem religidſen 
Princip anfehn, hier feineswegs widerlegt. her flimmen noch 
die $. 115 ff. von der Heiligung des Menfchen jener Meinung 
gu. Die Eirchliche Lehre von der heiligen Schrift und dem 
Worte Gottes, fo wie auch die von der Freyheit des Menſchen 


l 


Chriſtliche Dogmatiken u. J. C. E. Schmidt u. Angufli. 9 


und den Gnadenwirkungen iſt zu kurz berähre. Ein Anhang 
ſtelt nun die kirchliche Trinitätsichre in einigen Paragraphen 
auf, Worauf dann in dem fünften Capitel einige Paragraphen, 
von dem Glauben und der moraliihen Befferung handeln, mil 
der nie ganz richtig ausgedruckten Behauptung, daß der 
Menſch ſich ſtufenweiſe zur Moralitdt und Neligiofltät, oder 
jum Glauben erhebe, da es eigentlich heißen follte, im Glauben. 
Bon der Kirche und den Sacramenten handeln die flekzehn 
ksten kurzen Paragraphen, die aber fämmtlich fehr gehaltvoll 
find. Gewuͤnſcht Hätten wir, daß der Verf. die höhere Anfiche 
der duch Die Meformation fih umformenden Kirche und noch 
mehr Hinweiſung auf die ſymboliſchen Gebräuche des Alters 
thums nicht verſagt hätte, weil jenes insbefondere tiefer in den 
Geiſt des proteftantifchen Lehrbegriffs eingeführt, beydes aber 
ju wiffen zu den Beitbebärfniffen gehört. 
Dee Berf. Hat in diefer Umarbeitung feines Lehrbuch 
vieles buͤndiger zufammengefaßt, aber auch manches Treffliche: 
| ans jenem, namentlich die meiften eregetifhen Erörterungen, 
wveggelaſſen. Es erfheint eine gewiſſe Unverhaͤltnißmaͤßigkeit 
imn der Ausſtattung nnd Zuruͤckſetzung einzelner Materien. In⸗ 
deſſen beſcheiden wir uns wohl, daß uns Hein allgemeines 
Uetheil über ein zu Vorleſungen beſtimmtes Buch in diefer Hins 
Ahr zuſteht, da nur der Verfaſſer willen kann, was für feinen 
Zuhörer mehr im Kompendium und mehe mändlich gefagt wers 
ven muß. Seine Sprache hat eine mufterhafte Klarheit. 
Nicht bloß Für die Zuhörer, fondern für das ganze theologische 
Publicums it dieſes Compendium ein gang vorzuͤgliches Lehrbuch. 
Der reine Ernſt des Chriſtenglaubens in einer Dogmatik eines g 
unferer erſten Theologen iſt in dieſer Zeit hoͤchſt erfreulich. 
Das A uguftifhe Lehrbuch ſieht die Prolegomena als 
ine Unvollfommendeit an, und hat vieles, was fonft in den» 
ſilben vorkommt, in das Syſtem ſelbſt gebracht. Die erkien : 
42 Paragraphen enthalten indeſſen eine ‚Einleitung, welde 
) ſegleich den gelehrten Apparat aus der Altern Theologie der 
dutheraner eröffnet. Mach 6. 5 wird die Unterſcheidung de@ 








10 Eprifffiche Dogmatifen v. J. C. ©. Schmidt #. Uugüfi. 


theoretifchen und praktiſchen Thells ber NMeligton als die der 
theoretifhen und praktiſchen Theologie angefehen , welches Rex. 
nicht richtig findet, da die Theologie als gelehrte Behandlung 
ber Religionslehre auch einen andern Einthellungegrund zuläßt, 
ber fi) Hrauchbarer beweist. %. 13 ff. folte bey der Unter⸗ 
ſcheidung der Artic. fidei primar. und secundar. doc, bemerkt 
feun, daß fie bey andern anders iſt, und daß fie wegen der 
Streitigkeiten fehr wichtig war (j. B. Baier. prol. cap. I. 
6. 30 ff.). Nah $. 26 wird der Peg, den bie fumbolifchen 
Bücher vorzeichnen, zur Methode der Dogmatik vorgeſchlagen; 
allein da nah des Verf. eigner Bemerkung biefelden keine 
foftematifhe Anordnung Baden, fo ik doch nicht abzuſehen, 
‚wie fie zu einem architektonifchen Plane dienen können. Hierauf 
ſtellt der Verf. das „Dirertorinm eines Spftems ber chriftlichen 
Glaubenslehre * auf. Wir haften diefes für verfehlt. Schon 
‚die Verwechſelung ber Theologie mit der Meligionsiehre führe 
hierbey irre, aber Hier iſt auch noch die letztere, die objective 
Darftelung der Religionsbegriffe, mie der fubjectiven Religion 
yerwechfelt, mit der Entftehung der Religion ſelbſt; und was 
in der Dogmatik wiſſenſchaftlich ſeyn fol, müßte, bey vollkom⸗ 
mener Confequenz fih in eine Ascetit verwandeln. Wenn 
daher ber Verf. die Theologie für eine medicina mentis 
erklärt, fo kann er nicht mehr an ein Syſtem derſelben deuten, 
denn ſelbſt die populäre Religionslehre iſt dieſes nicht, fondern 
‚ fegt vielmehr fchon jenen Zuftand des Bemüthes voraus, wel⸗ 
eher hier erft durch ſcientifiſche Erkenumiß bewirkt werden fol. 
Die Religion.mag wohl eineseheils durch Selbſterkenutniß und 
Gefuͤhl der natürlichen Unſeligkeit entficehen, aber darum ents 
ſteht doch nicht das Syſtem berfelden aus dem Gap: der 
Menſch ift Sünder; denn ein anderes iſt das Princip eines 
Seyns, ein anderes das Princip eines Betrachtens, oder einen 
Reihenfolge von Gedanken, welche ans dem hoͤchſten Princip 
dee Wiſſenſchaft herzuleiten find. Auch iſt es nit einmal 
gauz richtig, daß die Religion nur duch Selbſterkenntniß 
entſtehe (wodurch die. Pietiften einſeitig wurden), denn eben 


‚ 


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khriliche Dogmatifen v. J. C. E. Schmidt u. Auguſti. Ik 


fo nothwendig gehört dazu bie Erfeunmiß Gottes, und in 
einem findlichen Gemuͤthe it nicht erſt von Bewirkung einee 
Bußtraurigßeit die Rede. Wenn alfo. doch einmal das Sub⸗ 
jative der Religion zum Princip dee objertiven Wiſſenſchaft 
dienen fol, fo. hat der GSatz: «6 iſt ein Bart, wenigſtens 
gleiches Nee am der Spige zu fichen, mie dee Sag, den 
unfer Verf. als den erfien erflärt: der Menſch id Sünder. 
Ir jener Sau hat auch In wiſſenſchaftlicher Hinſicht einen 
Verzug, indem er cher ohne deu letztern, als der letztere ohne 
den erſteren verſtanden werden kann. Wirklich hat dieſe, wie 
uns ſcheint, verfehlte Richtung eine Unfoͤrmigkeit in der ganzen 
Anordnung hervorgebracht. Der erfie Theil nom Stande ber 
Eimde enshält nur 18 Paragraphen, und doch Ift vieles auf 
km zweyten in ben erflen voraus genommen, und anderes iſt 
unbegräntet geblieben; der zwente Theil vom Stande der 
Gnade Hast Dagegen 108 Paragraphen, und enthält wiederum 
vieles zum Verſtaͤndniß deg erfien. Die hiſtoriſchen Belegſtellen, 
weiche der Verf. anführt, reden nur von der Wichtigkeit jener 
&hre von dem Sündenelend, und die Stelle des Serharbus 
ſpeicht gar nicht von eiuer Anordnung ber Dogmatik ſelbſt, 
ſondern von einer Propaͤdeutik zu derſelben, wie er denn auch 
ſelbſt zuerſt won der, heiligen Schrift, dann von Bett, und 
hieenuf won Der Perſon Chriftt redet, und hierauf erſt zum 
örtlichen Eben bilde, und weiter zur Erbſuͤnde kommt. Barum 
nicht licher die Anordnung Melanchthons (loci-comm.) oder 
hes Calbinus UInstit.), mo alſobald von Erkenntniß Gottes 
geſprochen wird, nur mit der Bemerkung der menſchlichen 
Suͤndhaftigkeit im Gegenſatze? Daß uͤbrigens dieſe Einleitung 
einen trefflichen Ueberblick der Geſchichte der Dogmatik onthaͤlt 
und ſo manche andere gelehrte Belehrungen, laͤßt ſich von 
inem Auguſti erwarten. Die Dogmatik ſelbſt Hat drey Haupt⸗ 
theile. 1) Vom Stande ber Sünde, mit einer ausführlichen 
und gelehrten Auseinanderfegung der dahin gehhrigen Begriffe," 
Bas die biblifche Lehre von der Erbfünde betrifft, fü wird 
doch belanutlich nach manches dagegen eingewendet, und nament/ 


43 : Eprißtiche Dogmatiken v. J. C €. Schmidt u. Auguſti. 


ih würden wir die pautinifche nicht fo unbedingt ertennen als 
eine Annahme, „daß alle Wienichen“ (3. B. auch die Kinder %) 
„um Adams willen als Sünder angefehen würden, auch 
. wenn fie, im gefeßlihen Sinne, Feine Sünde begangen. * 
Der zweyte Theil Handelt vom Stande der Gnade in folgender 
Ordnung: 1) Meligion, 2) Offenbarung; 3) Theopneufkie, 
oder goͤtiliche Eingebung der heiligen Schrift; 4) Gebrauch 
der Vernunft in Religionsſachen, oder Verhaͤltniß zwiſchen 
Vernunft und heiliger Schrift; 5) Lehre von Bott; 6) Eins 
beit und Dreyeinigkeit im göttlichen Wefen ; 7) Schöpfung der 
Belt; 8) Borfehung; 9) Engel und Dämonen; 10) Anthrer 
pologie; 11) Chriſtologie oder Soteriologie; 12) Efchatologie. — 
6. 59 werden bie beyden Principe des Menſchen unter dem 
Bilde der Repulfivs und Attractiofraft vorgeftellt, was allenfalls 
gehen mag, aber die Unſchicklichkeit hätte vermieden werden 
möüffen, die Gottheit als den Indifferenzpunct anzufehen, da 
diefer vielmehr an der Freyheit des Moenſchen liegen müßte; denn 
wie kann, ohne den ärgften. Prädeflinstionismus, der Abfall als eine 
von Gott ausgehende Repulſivkraft angefehen werden ? 6.79 und 
do werden die Geheimniſſe als das Wefentliche der Offenbarung ans 
gefehen, wodurd die nöthige Beflimmung der Form, in wiefern fie 
mit zum Wefen der Offenbarung gehört, zuruͤckbleibt. Hier⸗ 
durch aber wird der Gegenſatz und wiederum die Vereinigung 
von Vernunft und Offenbarung nicht tief genug gefaßt, obgleich 
die Religion ſelbſt als Offenbarung angefehen wird. Ueberhaupe 
tonnte dieſes Capitel noch mehr Gebrauch von den neueften 
Ideen über diefen Gegenſtand machen. So iſt auch der tiefere 
. Zufammenhang ber Religion mit den Künften und Willens . 
fhaften überhaupt micht berührt worden. Uebrigens liegt auch 
bier die Leffingifche Anfihe zum runde Die Hinweiſung 
auf Auguftinus Bemerkung, daß das Ehriftenthum von Anfang 
in der Welt war, verdient wegen manchen jegigen Anſichten 
"vorzüglihen Danf, Der Unterſchied gwifchen allgemeiner und 
beſonderer Offenbavung, fo wie ihn ber Verf. macht, heine 
fehr fruchtbar zu ſeyn. Ueber den $. 85 angegebenen Unters 





Chriſtliche Dogmatiken v. J. c. F. Schmidt u, Auguſti. 13 


ſchied zwiſchen revelatio und inspiratio wollen wir gerade 
night rechten, Daß aber $. 87 auch die Juſpiration der Worte 
als nothwendig angenommen wird, mußte uns befcemden, da 
weder die angeführte Stelle aus Neinhard’s Dogmatik die 
Sache beweiſet, noch alles das, was dem Verf, darüber bekannt 
it, ihm zuſtimmen fann. Wie er aber die Individualität der 


Schriftſteller Damit vereinigen will, wenn man fie auch für 


nichts ald amanuenses Sp, S. halten follte, bleibt uns wenigs 
fens unbegreiflich. Daß nad $. 88 die Fundamentalartikel nue 
die befonders theopneuſten ſeyn follen, verwickelt bie ſchwierige 
Sache mit der fchwierigen Frage, welche dieſe ſehen, in einen 
hernmlaufenden Zirkel. Man weiß ja wohl, mie wenig fich 
ſelbſt Luther Hierin gleih blieb. In dem 5. Eap. $. 100 ff. 
fihlt in der Lehre von den Beweiſen für das Daſeyn Gottes 
bt ex idea innata, mie bey Schmidt, und bey dem ethiko⸗ 
theologiſchen Beweis fehlt die Hiftoriihe Nachweifung über 
Sant hinaus. SG. 210 ff. wird mit dem lobenswärbigßen Nach⸗ 
drud an die Anthropomorphismen den dem Pape Eigen . 
fhaften erinners. Die Paragraphen 118 u. f. enthalten bie 
Trinitaͤtslehre, mit reicher sheologifher Gelehrſamkeit ausger 
ſteuert. Eben fo weiterhin die Schre von der Schöpfung u. f. m. 
Bey der Berrachtung über das Uebel in der Welt 6. 148 ff. 
hätte noch Die Höhere Anſicht angeführt werden mögen, weiche 
auf den bloßen Glauben hinfuͤhrt Hey dem. Bewußtſeyn, daß 
man hier nichts begreifen koͤnne, als die Lnbegreiflichkeit. 
Auh vermiffen wir die Angabe bee Vorſtellung, welche den 
Teufel als Urheber des Uebels anfah, wie auch die Vorftels 
‚lungen des Pantheismus. In der Lehre von den Engeln, $. 250 ff. 
Bären vornehmlich des Pseudodionys. Areop. hierarch. 
coel. und die Zoroaſtriſche Lehre als Quellen angefuͤhrt werden 
hen. Vorzuͤglich Benfallswerch finden wir es, daß $- 168 
auch von einer Praͤexiſtenz des menfchlihen Bell es geſprochen 
wird. Die Lehre von dem göttlichen Ebenbilde hat, fo vie 
Schoͤnes der Verf. and darüber beybringt (wobey indeſſen 
dech eine Höhere Anſicht vermißt wird) , dadurch viel verlosen, 


\ 


% 


ah Ehrififiche Dogmatifen v. 3. C. E. Schmidt u. Auguſti. 


daß fie zu weit von der Lehre über die Sünde getrennt iſt. 
Gleiches Uebel, das aus ſolcher trennenden Anordnung entſtan⸗ 
den il, drück das 11. Kap. von der Chrifkologie, weiche 
durch) das ı2. Cap. über die Eichatologie von der Lehre Über 
die Perfon Ehrifti entferne worden; welches wir um fo mehr 
bedauern, da diefe Lehre hier fo treffüich in tärer altteſtam ent⸗ 
Then Begründung aufgeſtellt wird. Bey der Lehre von ber 
Accomodation und den Typen 8. 171 ff.‘ fegeint der Verf. die 

altreligiöfe Anfiht ber beyden auf einander ſich beziehenden 
Weltalter Überfehn zu Haben, denn ſonſt würde er dieſe Lehren 
nicht für fo unerheblich erfiären. Sin dem dritten Theil, dev 
von den Tharfachen des Chriſtenthums und dem Inſtitut der 
ehriſtlichen Kirche handelt, wird das Poſitive des Chriſtenthums 
mit Recht feſt gehalten, und mit der zweckmaͤßigſten Ausfuͤhr⸗ 
lichkeit ſtellt auch Hierin der Verf. dae Kirchliche auf: wir 
haͤtten nur noch erwartet, daß er die Eonfequenz unferer Kirche 
4. B. im Gegenſatz gegen ben Socinianismus auch in Bezie⸗ 
hung auf die Lehre von Gott gezeigt, die Höhere Anfiht der 
. Berföhnungsiehte angeführt, und mehrere andere Vorſtellungs⸗ 
arten nicht weggelaffen Hätte. Dagegen aber entfhädigt er 
ung wieder reichlich durch die Mündliche Ausführung der Lchre 
von der. Rechtfertigung. Der Bagriff der Gnade hätte etwas 
tiefer und dadurch mehr bibliſch gefaßt werden können, ale 
durch den allgemeinen: Verhaͤltniß des Höheren zum Niederen. 
Bey den Begriffen der Vocatio, MIluminatio :. fonnte daran 
erinnert werden, daß die Theologen hierin ſehr variiren. — Doch 
wie mäffen mit Gewalt abbrechen in dee Aufzählung deſſen, was wir 
gerade darum wänfchen, weil diefes reichhaltige Werk ung jo unges 
woͤhnlich viel gibt. Dass. Cap. diefes legten Theil Handelt eben 
fo delehrend von der Kirche. Gewiß verdient es Beyfall, daß der 
Verf. auch hier dem Beyſpiel der aͤlteren Dogmatiker folgt, und 
ainen Artikel von der weltlichen Obrigkelt und dem Hausſtande 
‚anfügt, welches zu der unter andern von einem Erneſti ges 
wuͤnſchten Wiedervereinigung der Dogmatit und Erhit mit 
Binführen kann. Das 4. Cap. Handels von den Gnadenmitteiln, 


Eprikfiche Dogmatiken v. J. C. E. Schmidt, m. Augufit. 15 


Borte Gottes und Sarramenten. Die Iutherifche Anficht des 
AWendmahls iſt mit einer gewiffen Modificattion behaupter. 
Unfer Verf. nimme no ein deittes Sacrament an, und zwar 
nah dee Apologie der Augsburger Confeffion die Buſſe, oden 
Abſolution, wobey er aber feldft bemerkt, daß fie Lucher im 
großen Katechismus in das Sacrament der Taufe habe eingehen 
laſſen. Er ſucht es finnreich zu begründen, daß der Abfolution 
kin Merkmal eines Sacraments fehle, Indem ja das Auflegen 
der Hände, das fo oft im N. T. verordnet worden, für das 
inferliche fichtbare Zeichen gelten inne. Es braucht kaum 
itianert zu werden, daß bdiefes Argument viel zu viel bemeist, 
denn fonft müßten wie wenigſtens auch die Priefterweihe als 
Sarrament annehmen, indem wir faft wörtlich das Argument 
des Verf. Hierauf anwenden: „Chriftus ertheilt feinen Sängern 
und Apofteln auf eine feverliche Weife die Macht zu lehren. 
Daß aber mit dieſer Neligionshandlung die Verheißung und 
Mittheilung der goͤttlichen Gnade verbunden fey , ift feinem 
Zweifel unterworfen. Das im N. T. fo. oft empfohlene und 
noch Öfter* (namentlich für dieſen Fall) „in Ausübung ger 
brachte Auflegen der Hände kann mit Recht für das aͤußerliche 
fötbare Zeichen gehalten werden.“ Dee Verf. wollte die 
heilige Trias Hier geltend machen, allein wir bächten, fis 
fıhe ſchon da, indem die Taufe der vocatio, das heilige 
Abendmahl der illuminatio, und das Wort Gottes der sancti- 
ſicatio entfprechen mag. Genug, echt proteſtantiſch muͤſſen 
wir gegen die Einfuͤhrung eines dritten Sacramentes proteſti⸗ 
ten, im Damen des Geiſtes ſelbſt, in welchen des Verf gelehrte 
Dogmarif einführt. . | 
Gerade das iſt ber Charakter diefes Lehrbuhs. Es ſetzt 
den Studirenden in den Stand, fi aller der dahin gehörigen 
hiſtoriſchen Kenntniſſe bemächtigend,, unfern kirchlichen Lehrbes 
griff in feiner Hohen Einfachheit einzufehen. Wäre die höhere 
dee, welche hin und. wieder nahe daran war, hervorzutreten, 
.B. in der Lehre von den Kirchen und von den Sacramenten, 
beſtimmt hervorgetreten, fo würde die Einheit des Ganzen 


Q\ 


A 





! 


16 Chriſtliche Dogmatiken v. J. C. ©. Schmidt u. Auguſi. 


entſchiedener ſeyn. Das ganze theologiſche Publicum findet 
in dieſem Compendium Belehrungen, an welche es kaum noch 
gewoͤhnt iſt, und welche zur inneren Feſtigkeit der proteſtanti⸗ 
ſchen Kirche beytragen muͤſſen. Wir vernehmen darin einen 
ihrer vorzuͤglichſten Gelehrten. Gediegene Worte ſprechen fuͤr 
den evangeliſchen Geiſt unſerer kirchlichen Lehre, 

| Beyde Lehrbücher mögen einander ergänzen, und dieſes 
theils dur den Stoff, worin das Auguftifche das reich 
haltigſte iſt, theils durch ihre Form, worin das Schmidtis 
ſche als das einfachere daſteht. Das Auguftifche hat fein 
beſtimmt philofophifches Syſtem zur leitenden Idee genommen, 
und neigt ſich deshalb doch zu jener „ſynkretiſtiſchen Vielſeitig⸗ 
keit*, welche es nach der Vorrede verwirf, Das Schmid; 
tifhe wird durchaus durch die frühere Fichtiſche Philoſophie 
‚geleitet, und meigt fi daher mehr zu jener „ſyſtematiſchen 
Einfeitigfeit =“, welche jene Vorrede vorzieht, Mir fagen, fie 
neigen fih nah. diefen verfchiedenen Polen, wie ein jedtr 
Charakter feine Vorneigung haben muß. Daß durch bende 
die Dogmatik weiter gebracht ift, als durch Henke und Eder 
mann, als dur Store und Reinhard und jene oben genann 
ten andere vorzuͤgliche Dogmatiker, ergibt ſich Leicht bey der 
Vergleichung. Sie enthalten beyde ein folides Studium diefer 
Wiſſenſchaft, und tragen viel dazu bey, um die Worte Aus 
guftts zu gebrauchen, „daB die Theologie im Eefühle ihrer 
wiedererlangten Grepheit fih zu ihrer vorigen Wärde als Koͤni⸗ 
gin der Wiſſenſchaften erhebe.“ Kierzu aber wird bey dem 
Gebrauche diefer Lehrbücher allerdings noch das Eingehen auf die 
neueften ſpekulativen Anfichten erforderg, Denn das Ideal einer 
Dogmatik bleibt doch immer ein aus feinem eigenen Princip 
architektoniſch geordnetes Syſtem, welches aber nichts Hiſtoriſches 
and Poſitives zuruͤcklaͤßt. 


— ie 


No. 2. | Seidelbergiſqche 1811. 


Jahrbuͤ uͤcher der Literatur. 


EEEEEEEEEXEEEEEXXXXEXXEEXXEEXIXEEE 


Reber die Sprache und Weisheit der Indier. Ein Beytrag zur Be⸗ 
gründung der Altertbumstunde von Friedrih Schlegel. 
Rebſt merrifchen Ueberfebungen indifcher Gedichte. Heidelberg 
bey Mohr und Zimmer 1805. XVI S. Vorrede und Anhalt . 
anzeige. 324 ©. Mi. 8. (2 fl. 30 fr.) 


De Persidis Lingua et Genio. Conımentatigges Phaosophico-» 


Persicäe Auctore Othm. Frank, Prof, Phil. Bamberg.’ 
Norimbergae in Bibliop. Steinio. 1809, 3236, gr. Gl > 


D.a einen Zufall haben ſich unſete Jahrbuͤcher mit der 


| Inpige der erfteren wichtigen Schrift verfpätet, welche indeß 
ine neue Degfamkeit unter ben deutſchen Gelehrten erweckt, 





und ein lebhaftes Streben nach einem Ziel hervorgebracht hat,’ 
beffen Erreichung gewiß jede Mühe befriedigend lohnt. Der 
Berf, wird bey dieſer Wirkung feiner Schrift gern die Geringe 
ſchaͤzung ertragen, mit welcher Beſchraͤnktheit, oder Selbſtſucht 
fine Verdienſte hie und ba herabzuwuͤrdigen geſucht hat. 
Denn feine prä war, wie fein Buch ſelbſt beweist, und 
die Vorrede S. IV bezeugt, keinesweges, das Ganze der 
Anterfahung Über das indifhe Alterthum in feinem vollſtaͤn⸗ 
digen Iimfange*barzuftellen, als vielmehr durch einzelne Reſui⸗ 
tate feiner‘ Unterſuchungen die Aufmerkſamkeit des gebildeten 
HYublicums ſowohl, als der eigentlichen Gelehrten nach dem 
Utlande unſerer Cultur zu lenken, und die Beruͤhrungen ahns 
den zu laſſen, welche zwiſchen den Voͤlkern des Abendlandes 
und des fernften Morgenlandes in ihrer Kindheit am heiligen 
Ganges ſtatt gefunden. Ein gelehrter " Apparat (ohne 
Biden in Deutfchland freylih Fein Buh aligemein als 
gruͤndlich geachtet wird) konnte demnach diefem Zwecke nur 
hinderlich ſeyn, und die weiſe Sparſamkeit, mit welcher gegeben 
wurde, wo gewiß reichlich gegeben werden konnte, kann 
Ra 


48 Sr. Schlegel ueber die Sorache und Weitheit der Jadler. 


ficherlich ihrer Abfiht, den Lefer zu erwecken, nicht verfehlen. 
Daher war ein dumpfes Veruhenlaffen, ein träges Acquiefciren 
bey den gegebenen Anfihten nicht lohnend für den Berf.; nur 
reges Nachforſchen und lebhafter Widerſpruch konnte ihn mit 
der erfreulichen Ueberzeugung lohnen, daß ſein Samen nicht 
auf unfruchtbares Land gefallen ſey. Wir ſtellen daher mit 
Schlegels Schrift die Schrift des Hrn. Frank zufammen, 
deifen Plan ganz umverholen darauf gerichter iſt, niht nur 
die Behauptungen des erftern als unhaltbar darzuftellen, fons 
dern überhaupt Indien von dem Range als Urland unferer 
Cultur zu verdräfßen, und entweder Farſiſtan, oder Medien 
zu diefem Range zu erheben. 

Möge nun das Reſultat biefes Streits fenn, welches es 
wolle, ſo zeigt ſich ſowohl durch dieſen Streit ſelbſt als durch die 
Bemuͤhungen anderer Gelehrten in dem letzten Jahrzehend, 
wie duͤrftig unſere bisherige Univerſalhiſtorie war, und wie 
wenig Aufſchluß uͤber den Gang der menſchlichen Caltur das 
"bloße Zuſammenreihen von jüdifchen, griechiſchen und roͤmiſchen 
Nachrichten Über die Staaten der alten Weit gibt. „Die 
Sprachen, fagt Schlegel (S. 157) ſehr fhön, find eine 
Urkunde der Dienfchengefchichte, Ichrreicher und zuverläfliger, 
als alle Denkmale in Stein, deren halbverfalleggg Riefengröße 
bie fpäte Nachwelt zu PDerfepolis, Sloure, oder an dem 
ägyptifchen Thebae mit Erflaunen betrachtet.“ Es kann daher 
nichts erfreulicher feyn, als der große Eifery mie weichem 
mehrere Gelehrte die Sprachen unter ſich vergleichen, und es 
wäre hierbey nur zu wünfchen, daß man es vermiede, Nefultate 


„iu sieben, bevor bie Materiatien reichlih genug angehäuft 


und gefichtet find. Es iſt fehr leicht in verfchiedenen Sprachen 
ähnliche Leute und ähnliche Wörter zu finden; aber eben des⸗ 
wegen nur defto fehwerer, das Wefentliche von dem Zufälligen, 
das Eingemifchte und fpäter erfi Gebildete von dem urſpruͤng⸗ 
lich Gemeinſchaftlichen, das an fi Achnlihe von dem durch 
Umbildung, oder Verbildung zu ähnlichem Tone Geformten zu 
unterſcheiden. Es muß daher nothwendig, falls man zu ſichern 





+ 


/ 


Ge. Schlegel Ueber die Sprache und Beisheit der Indier. 19 


Reſultaten gelangen will, bie Gefchichte jedes einzelnen Wortes, 
das ih mit gleichem Laute und mit aͤhnlicher Bedeutung in 
mehreren Sprachen findet, ergränbet ‚werden. Schon dazu 
(ud noch aus andern Gruͤnden) iſt vor allem erforderlich, 
daß die Unterſuchung fi nicht auf Einen Dialekt der Sprache 
beſchraͤnke, am allerwenigften auf den durch unendliche Umbil⸗ 
dungen verfeinerten und bereicherten Dialekt der gebildeten 
Eonverfation , oder der Schriftſteller, fonders daß die Ders 
seihung , fo weit als es. möglich, alle Dialekte einer Sprache, 
und am allermeiften die ungebildetften Dialekte umfaſſe. Indeß 
ik für die Höheren Refultate, weiche befonders die Gefchichte des 
menfchlichen Geſchlechts aus der Wergleihung der Sprachen zu 
hoffen Hat, noch bey weitem nicht alles mit dem Aufiammeln 
und dem Aufraffen von gleichen und ähnlichen Wörtern gethan; 
eine viel merkwuͤrdigere Zufammenflimmung der Sprachen liege 
ſchon in der grammatifhen Structur, aber noch mehr, wohin 
die grammatifhe Structue nur zum Theil führt, in tiefem . 
Anfichten von der Welt und dem menfchlihen Leben, in eins 
dringenderen Philoſophemen, in urfprüngfihen Richtungen 
des menſchlichen Geiſtes, welche in der Genealogie der Bedew - 
tungen von Wörtern, in ſymboliſchen und bildlichen Bezeich⸗ 
nungen der Sprachen von den Gegenfländen der finnfichen 
und ber geifligen Welt fih abipiegeln. Um dieſe Zuſammen⸗ 
flimmung, der Sprachen zu erforſchen, dazu genägt nicht fluͤch⸗ 
tiges Durchirren einiger Woͤrterbuͤcher, oder Sprachlehren, nicht 
ein blendender ethmologiſcher Witz, nicht ein geiſtreiches Zus. 
ſammenſtellen von Aehnlichkeiten, ſondern es erfordert eine 
unbefangene, mit weiſem Sinn andeſtellte Betrachtung des 
innerſten Heiligthums der Sprachen. Dieſe wird ung die 
Bälferverbindungen, die religioͤſen und philoſophiſchen Mittheiluns 
gen unter den Völkern in der grauen Urzeit, ehe Schrift und 
Stein für das Andenken ihrer Thaten in Krieg und Zrieden 
forgen fonnten, wenn gleih nicht mit Gewißheit erkennen, 
doch mit Hoher Wahrſcheinlichkeit ahnden laſſen. Darum mar 
es auch ein glüdlicher Gedanke Schlegels mit der Betrach⸗ 


J 


20 Fr. Schlegel Ueber die Sprache Ind Weisheit der Indier. 


tung der indiſchen Sprache die Unterfuchung über -bie Philor 
fophie der Indier zu verbinden. 

Wenn au die Schlegetfihe Schrift fein anderes Vers 
dienſt hätte, als diefen Weg der Sprachforfehung, meicher fs 
eben von uns ift bezeichnet worden, zum Theil beſtimmter, ale 
Bisher geſchehen, angedeutet zu Haben, fo würde fie ſchon dadurch 
eine der wichtigſten Erfcheinungen in der Literatur des lebten 
Derenntums ſeyn. Mit einer mufterhaften Zuruͤckhaltung gibt 
der Verf. die fcharffinnigften Beobachtungen, ohne vorlaut 
fogleih Reſultate zu ziehen, wie es bey dem jebigen Stand: 
pımfte dieſer Unterfuchungen noch gefchehen muß. Wir mins 
ſchen, der Verf. möge einfl die Fortbildung indiſcher Philos 
fophie auch zugleich in der indiſchen Sprache nachweiſen, und 
das begründen, was &. 58 von dem tiefen philofophifchen 
und refigtöfen Gepräge der indifhen Sprache angedeutet wird. 

Die Schlegelſche Schrift zerfällt in drey Bücher: 
3) von der Sprache; a) von der Philoſophie; 3) hiſtoriſche 
Ideen. Ein vollftändiger Auszug der hier mitgetheilten Ber 
merfungen würde nunmehr zu fpät nachkommen, indem wir 
überzeugt find, daß alle wiſſenſchaftlich gebildere Männer mit 
dem Inhalte diefes Werkes bereits befannt find, oder fich 
damit bekannt machen werden. 


In den erfieh dreh Kapiteln wird bie Verwandtſchaft des 
Andiſchen Samſkrito, oder Gronthon mit der Nömfichen und 
Griechiſchen, fo wie auch mit der Sermanifchen und Perſiſchen 
Sprache zuerfi in den Wurzeln, dann auch in der grammati- 
Shen Structur nachgewiefen. Es laͤßt fi him Einzelnen Manches 
gegen die hier gemachten Bemerkungen erinnern, und tft auch 
zum Theil von Frank erinnert. worden, z. ® daß S. 7 
mehrere Indiſche Wörter aufgeführte werden, welche der Gers 
manifchen Sprache eigenthuͤmlich ſeyn ſollen, weiche ſich aber 
auch im Meuperfihen finden, wie Bhruvo, Augenbrauen, 
im Neup. boru; fEhiro unbeweglich, flier, im Neup. esthüs 
Bar, ſchvo pno, Zeländ. [weffe der Schlaf, imMeum chas 


9 


gr. Schlegel Ueber die Sprache und Weisheit der Indier. A 


hen Auch: zweifeln wir, daß die ©. 17 gewagte Ableitung 
des Namens Nom aus dem Indiſchen allgemeinen Beyfall 
finden werde. Was wir aber am meiften, befonders im zweyten 
Capitsl, vermiſſen, iſt die Vergleichung der Zend und Pehlvis 
fprehe , welche dem Indiſchen noch mehr verwandt find, als 
bas Neuperfiiche,, und deffen Mergleichung daher hoͤchſt lehrreich 
gewefen feun würde Die Wöärterbücher in Kleufer’s Zend⸗ 
aveſta Th. 3 waren hier eine nit ganz verwerfliche Quelle. Wir 
führen nur einige Beyſpiele au von Indiſchen Wörtern, welche 
ſich bey Schlegel finden, und weihe auch in Zend und 
Dehlvi angetroffen werden. ©. 8. Sind. vetſi, vetti, bu 
mißt, er weiß, im Zend und Pehlvi vedeſch, wiſſend, 
Heedem verſtaͤndlich, Eug, vedevue, der alles weiß. ©. 13. 
Arch das Waſſer, Neup. ad, Zend apem; Ind. kamoh 
Begierde, Neup. kam, Pehloi kameh; Sind. podo oder 
padoh der Fuß, Neup. pa, Zend pade; Ind. janu das 
Knie, Griech. Forv, Lat. genu, Pehlvi Dſchanuh, Zend 
jume; Ind. tvon ihr, Neup. ſchuma, Zend thvanm; 
Ind. eſchoh, eſcha, etot, der, die, das, Lat. is, ea, id, 
im Zend und Pehloi oſch, er, Wovon fih im Neuperſiſchen 
pur das Sh, welches als pronomen possessivum der dritten 
Herſon gebraucht wird, und das daraus entftandene X suf- 
iixum erhalten Kat, welches fehr oft die Stelle des Pronomens 
vertritt. Much iſt die Aehnlichkeit des Deutſchen, ſelbſt des 
Lateiniſchen mit dem Zend faſt noch auffallender, als mit dem _ 
Neuperſiſchen, wie folgende Bepſpiele beweifen: Zend Jare 
das Jahr, (weiches Wort gelegentlich S. 75. angeführt wird) 
Rep. fal; Zend nafo.der Nabel, Neup. und. Pehlvi naf; 
gend Dentano Zahn, Lat. dena, Neup. und Pehlvi Dans 
dan oder Dendan; Zend Fedre der Vater, Pehlvi Abi— 
der, Meup. Fader; Zend Dogde bie Tochter, Neu 
Dochther, Pehloi bonteman; Zend ffaranm (Plur.) 
die Sterne, Engl. star, Neup. estharan, Pehloi fetaranz 
Zend mad (Präpofition) mit, Neup. beh Pehloi rotemans 
Ind mate die Mutter, Neun. mader, Pehlvi amider; 
Zend Do ue zwey, Neup. und Pehlvi du; Zend thee drey, 


x 
“u 


22 Fr. Schlegel Leber die Sorache und Weisheit. ber. Judier. 


Neup. und Pehloi ſeh; Zend Gueone Kuh, Meup. und 
Pehlvi Bao. So der ganze Satz, welcher im Zendaveſta ange⸗ 
fährt wird (Kleukerſche Ueberſ. An. B. II. Th. 2) S. 17. Esmo 
Khenueto efheono freveſchim jezmede, buchſtäblich: 
Nominis puri pulchris vigoribus laudes ago⸗ wo bie Achns- 
lichkeit von eſcheono ſchoͤn und freveſchim friſch ohne 
Hinweifung auffällt, und Esmo an das hebraͤiſche DI erins 
net. In der Structur if, fo viel wie urtheilen können, 
das Zend dem Indiſchen wenigſtens eden fo verwandt, als Das 
Neuperſiſche. Es läßt fih daher bie Einmifchung jener Geis 
manifchen Wörter in die Zendſprache eben fo wenig aus dem 
Durchzuge und Aufenthalte der Sermaniſchen Stämme in dens 
fenigen Streichen Nord⸗ und Weſtaſiens, welche von jeher_ber 
Sammelplag der Völker und die Bühne ihrer Wanderungen 
waren, erffären, wie der Verf, S. 76 will, inden er nur 
Bas einzige Wort Jare anführt, ats fih die Berwandt⸗ 
ſchaft des Neuperfifchen und Indiſchen mit dem Germants 
ſchen daraus erklaͤrt. Nur eine nähere Unterfuchung des Zend 
konnte auch wohl den, vom Verf. ©. 31 gemwänfhten Aufs 
ſchluß über die ehemalige VBefchaffenheit der Perfiihen Gram⸗ 
matik geben, und ansmachen, ob die Perfliche Grammatik fich 
vielleicht in einigen Stuͤcken geändert has, und einft der Indi⸗ 
fhen und Griechiſchen noch ähnlicher war, als fie es jegt.ift. Denn 
es iſt bekanntlich kein Werk in der Neuperſtſchen Sprache vorhanden, 
Bas vor dem zehnten Jahrhunderte der chriftlichen Zeitrechnung, wo 
durch die Samaniden, und nach ihnen durch die Dynaſtie von Gazna 
erft eine Neuperſiſche Literatur erweckt wurde, verfaßt wäre. 
Aber fchon das Abgefchliffene und Abgerundete des Menperfls 
Ihen gibt es mehr als deutlich zu erkennen, daß dieß:eine 
Sprache if, welche ‚bereits viele Veränderungen erfahren, und 
ſelbſt die Vergleichung der wenigen oben mitgetheilten Zend⸗ 
wörter beweist, wie viel das Neuperſiſche in der Politur dem 
‚Zend voransgeeilt iſt, fo daB wir faſt geneigt wären, das 
Verhaͤltniß des Zend zum Neuperſiſchen anzunehmen, nis das 
Verhaͤltniß des Deutſchen in den Minnefangern au anferer 
jeßigen Schriftſprache. 


gr. Schlegel Ueber die Sprache und Weisheit der Yadier. 23 


Eine ſehr fruchtbare Unterſcheidung der Sprachen in zwey 
Sunptgartungen wird Im vierten Capitel aufgeflellt, nämlich 
1) folge‘ Sprachen, welche die Nebenbeſtimmung der Bedeu⸗ 
tmg durch Innere Veränderung des Wurzellauts, ober duch 
Flexion anzeigen, ımd 2) ſolche, welche durch ein eigenes bins 
zugefuͤgtes Wort, mag biefes einzeln fichen, oder mit dem 
Vorte als Praͤfixum, oder Ouffixum vereinigte, oder endlich 
fe den orten ſelbſt eingeflochten ſeyn, ‚die Verhaͤlt⸗ 
aißbegriffe bezeichnen. Wir möchten aber dennoch nicht 
diefen Unterſchie urſpruͤnglich annehmen, föndern - in 
den Sterionen N nen böhern Grad der Ausbildung, oder 
vielmehr der Verſchmelzung bezeichnet finden. Denn es wird 
fh doch nicht ‚leicht eine Sprache mit Flexionen Aanfähren 
laſſen, welche nicht noch mehrere Mebenbefimmungen dur 
einzeine Woͤrter autdrädte, und in mehreren Sprachen laͤßt 
fh auch, ohns daß man zu etyhmologiſchen Gauckeleyen, weiche 
der Verf. mit Recht verwirft, feine Zuflucht nimmt, die Flexion 
in das einzelne Wort, woraus fie entflanden if, auflöfen. 
Wir wollen nur an die Flexion des Perſiſchen Verbums erins 
un, das offenbar buch Anhaͤngang des verbi substantivi 
entkanden if: em, ih bin, i, est, ihm, id, end, 3. B. 
kuschthem (as ber Wurzel kuschth tödten) ich töbtete, für 
kuschtheh em, kuschthi, kuschth, kuschth im, kuschthid, 
kuschthen d; und fo ließe ſich auch ohne Zwang das Griechiſche 
und Römische Verbum größtentheils auflöfen; und die Aehn⸗ 
lichteit der Indiſchen Flexion des Verbums mit der Perfifchen 
laͤßt auf einen gleichen Urſprung der erſtern ſchließen. Gelb 
in deu femirifchen Sprachen iſt, wie die Flexion des Futurums 
beweist, ſchon ungeachtet ihres Hangs zu Präfisen und Affixen, 
der Uebergang zu Blerionen ganz unverkennbar. Daß die Auf 
fung von vielen Flezionsfermen uns unmägiih iſt, kann 
wohl nur ‚dem Alterthume der Sprache zugefchrieben werben. 

Schoͤne Andeutungen enthält das fünfte Kapitel: vom 
Urfprange det Sprachen. je mehr man das wunderbare Ger 
be ‚der menſchlichen Sprache betrachtet, deſto mehr wird man 


24 Br Schlegel ueber die Sprache und Weiehen der Judier. 


wohl ſich Aberzengen, daß niemals eine Abademie durch die 
hoͤchſten Preiße ſich eine vollſtaͤndige Erklaͤrung von ihrer Ent 
ſtehung verſchaffen wird. Der Verf. leugnet nicht einen natärs 
den Urfprung der Sprache; Ihre Entſtehung ſcheint ihm ſchon 
bedingt dur den Zuſtand klarer und lichter Befonnenheit, 
‚mit weicher der Menſch won Sort in Die Welt geſetzt wurde. - Die 
‚indische Sipracge Hält er für diejenige, welche entweder dem Urquell 
‚aller Sprachen, oder doch dem Urquell ihrer Zamilie am nächfien 
kommt. In weichen Verhaͤltniß fie zu derſelben ſtehe, werde ſich aus⸗ 
‚maphenlafien, „wenn mir die Veda's in Adyyay Geſtalt ſammt den 
alten Wörterbüchern vor uns Haben, welde Vie beträchtliche Ver⸗ 
‚fhiedenheit der Sprache in den Veda's ſelbſt vom Samſkrit 
fhon in frühsen Zeiten norhmendig machte.“ Auch laffe-Die 
Sage von Ramo als Eroberer. über wilde Stämme. im Suͤden 
‚nnd die Anwefenheit der. Cingaleſen, eines fremden Stammes 
‚auf Ceylon, ber fih fruͤherhin vielleicht nach weiter erſtreckte, 
einige, wenn auch nicht gewaltſame Einmiſchung in die Indiſche 
Sprache nicht ohne Wahrſcheinlichkeit vermuthen. Wenn die 
onomatopoetiſchen Woͤrter sinen unedleren Urſprung der Sprache 
verrathen (wie S. 61 angedeutet wird), fo muͤrden die klangnach⸗ 
ahmenden Wörter, welche nach dem, von dem P. Paullinns a. ©. 
Bartholomaeo herausgegebenen Woͤrterbuch (Amazasingha, sectio 
prima de coelo etc. Rom. 1798..4.) in der Indiſchen Sprache Ad) 
finden, (wasauh K. Sprengel in feinem Programm de loquela 
humana, Hal, 18098, bemerkt hat) z3. B.Krfhra, das Geſchrey, 
Kukada die Henne m, a. auch einer ſolchen Einmiſchung zu⸗ 
zuſchreiben ſeyn. Darnach wuͤrde jedoch des Verf. Behaup⸗ 
sung (S. 62), daß im Indiſchen die ſchallnachahmenden Wörter 
ganz verſchwunden, zu beſchraͤnken ſeyn. Die klangrachah⸗ 
menden Wörter im Deutſchen und Perfiſchen iſt der Verf. 
nicht abgensiat, aus der Einmiſchung tatariſcher, ſlaviſcher 
und anderer nordiſchen Sprachen zu erklaͤren. Aber warum ſollen 
wir den Isbendigften Theil Der Sprache, dieſe oft fo. glüds 
lihen,, der Poefie fo günfligen Bezeichnungen ber Natur zu 
einem unedleren Urſprunge ‚binmweifen? Umriſſe von Meiſter⸗ 


St. Schlegel Neber die Sprache und Weisheit der Indien, 25 


hand, einſtens durch genauere Forſchungen auszufüllen, gibt 
das fehle Kapitel: von der Verſchiedenheit der verwandten 
and von einigen merkwuͤrdigen Mittelſprachen. 

Sm zweyten BDuch, welches von der Indiſchen Philoſophie 
handelt, verläßt Der Verf. deu rergleichenden Weg, um eine Days 
fellung der orientaliſchen Denkart nach ihren wichtigfien Stufen 


und Verſchiedenhetten zu geben, ale die Grundlage zu einer künftis 


gen vergleichenden Analyfe der Mythologieen, wozu es noch zu 
früh fey. - Wir wollen zwar nicht in Abrede ftellen, daß wir niche 
uͤber die Indiſche Neligion und Mutholegie mit Beſtimmtheit 
artheilen kſsanen, bevor wir nicht in ben Beſitz ber echten 
Veda's gekammen ind (dena auch den Oupnekhat möchten wie 
wicht ſo baſtimmt, als 6 von Goͤrres in feiner gehaltvollen 
und geiftveichen Mythengeſchichte geſchehen, mit dem Charakter 
einer authentiſchen Quelle Indiſcher Religion und Weisheit 
ſtempeln), aber ahne durch täufchende Aehulichteiten irre ge⸗ 


führt zu werden, wie es der Colcuttijchen Geſellſchaft allerdings 


häufig begegnet iſt, haͤtte doch auch Hier in der Religion und 
dem, wad damit zuſammen hänge (3. B. in den Gottesurthei⸗ 
kn), "die Uehereinſtimmung des Indiſchen und Germaniſchen 
nahgemiefen werden Binnen. Der Berf, nimmt vier Stufen 
ber oriensalifchene Denkart und Philoſophie an; das Emana⸗ 
tonsfpfes, Dem aftrologiſchen Aberglauben und wilden Natur⸗ 
dimft, den Dualismas und den Pantheismus. Als das ältefie 
Syſtem und als zuverlaͤſũg Indiſchen Urſprungs betrachtet bee 
Baf, des. Suften der Emanation und Seelenwanderung, weis 
ches im erſten Buche der Geſetze Monu's vorgeiragen wird, ganz 
verſchladen von Dem ſpaͤtern Emanationsſyſtem bey den Chaldaͤern 
und Griechen. Vom Pantheiemus fen dieſes Soſtem weſentlich 
dadurch verſchieden, daß es die Individualität nicht vernichte, 
daß die Ewigbeit der Hoͤllenſtraſen nicht nur damit keinesweges 


| unerpinbar ſey, fanden vielmehr einen meisntlichen Beſtand⸗ 


theil deſſelben ausmache, daß es nicht durch die reelle Aufhe⸗ 


bung des Unterſchieds zwiſchen Guten und Beſen einem fo. zer⸗ 


Keen Einfluß auf has wenſchliche Leben wie iener habe. 


/ 


25 Fr. Schlegel ueber die Sprache und Weisheit der Judier. 


"Die Grundlage dieſes Syſtems ſey die Ueberzengung von der 
Unſeligkeit alles Dafeyns, und der Verderbtheit der Welt, die 
Weberzeugung , daß alles nichts fey, als ein teauriges Herab⸗ 
finten von der volllommnen Seligkeit des göttlichen Veſens. 
Daher denn auch in den Emanationen, deren erſte Brohma, 
der große Vorvater aller Geiſter ſelbſt it, von Stufe zu Stufe 
die Verſchlimmerung ſteigt. Dabey herrſcht nicht nur in dieſem 

GSyſtem die Erkenntniß des wahren Gottes; ſondern bie leben⸗ 
dige Ueberzeugung von der Unſterblichkeit der Seele; die klare 
Gewißheit von einem andern Leben, deſſen Vorbereitung Das 
irdiſche Leben if, macht ſelbſt die Grundlage und das Ziel 
aller Geſetze und. jedes einzelnen in den Geſetzen Monu’s 
befohlnen Gebrauche ans. Als natürliche Entwidlung ber 
Vernunft, ſchließt der Verf., iſt das Indiſche Soſtem der 
Emanation durchaus unerklaͤrlich, als mißverſtandene Offenba⸗ 
rung iſt alles darin ganz begreiflich.“ Mit einer herzerheben⸗ 
den Begeiſterung zeigt er die ſchoͤnen fruchtbaren Keime; welche 
dieſe Weltanſicht in ihrer Reinheit umſchließt, und wie Re den 
Menſchen erinnert an die Mädkehr zu Gott, und ihn mahnt, 
fi) die Wiedervereinigung mit der Gottheit als einzigen Zweck 
aller feiner Handlungen und Beftvebungen zu feßen. Aus der, 
in dern Emanationsſyſtem herrichenden Meinung von ber mas 
raliſchen Verderbniß und Unſeligkeit aller Wefen und nothwen⸗ 
digen Beinigung und Räckkehr aller Weſen zu Gott fliehe 
von ſelbſt die Meinung der Seelenwanderung. Daß wir. ganz 
unter denfelden Bedingungen in ber Lehre des Pythagoras 
biefe Meinung wiederfinden, diene zum fihern Beweiſe, daß 
fie keine Heflenifche Erfindung war, obgleich bald hernach mit 
Helleniſchem Geiſt und Scharffinn angerignet und umgebildet. 
Zuletzt noch kurze Andeutung anderer Völker, bey denen bie 
"Meinung von der Geelenwenderung fih gefunden. 

Aus dem Fatalismus , ber fih dem Emanationsfuflem ſchon 
in feiner älteften Zeit beymiſchte, dem Kreislauf ber Dinge 
ſelbſt, wie dem Wechfel zwiſchen Schlafen und Baden des 
hoͤchſten Weſens, ven auch Monn lehrt, entwickelte fi die 





Ge. Gchbegel Lieber bie Sprache und Weisheit der Indier. 27 


Aſtrologie ſanmt aller ihrer Begleitung von Vorbedeutungen, 
Augurion, unglüdlihen Tagen, Beſchwbrungen und dunkeln 
magifhen Känften und die materielle Ans der Natur, - 
auf weiche fich der Naturdienſt gründet, der auch bey den 
Sndiern in dem Dimft des Sivo und der furchtbaren Durga, 
bey den Sprifchen und Punifchen Volkern in dem Baal und 
Moloch u. ſ. w., ſelbſt Hey den Griechen und Römern, obs 
gleich darch ſtrengere Sittlichkeit gegügelt, erſcheint. 

As die höochſte Stufe dee Orientaliſchen Denkungsart als 
„die Wisderherfiellung des urſpruͤnglichen, erſt ſpaͤter verloren 
gegangenen Lichtes goͤttlicher Wahrheit“ Hezeichnet der Verf. 
den Dnaltomus, oder die Lehte von zwey Principien (die 
Wilsfophifehen Schwierigkeiten derſelben nicht verkennend), welche 
in den Purana's herrſcht, und deren Charakter durchaus Ideas 
liſtiſch (d, welche „Thätigfeit, Leben und Freyheit allein als 
wahrhaft wirkliche anerkennt, tobte Ruhe aber und unbeweg⸗ 


liche Beharrlichkeit als nichtig und leer verwirft“, „in der Natur 


| 


nicht das Wilde, Zerſtoͤrende, nicht Wolluft und Tod, fondern 
dee Reine und Wohlchaͤtigſte, Feuer und Licht, überhaupt das 
fiege Leben und- den inneren Geiſt (daher nicht bloß die Ele⸗ 
mente, fondeen auch bie Helden) verehrt“; „we die blutigen 
Iper verfchwinden, und die Weihung und Genießung bes 
reinen Hom und Detesd durch den Prieſter am Altare die innige 
Gemeinſchaft mit Gett durch die edeifte Frucht: und Kraft der 


biuhenden Gewoaͤchſe bedeutet.“ Zoroafter war nur der Wieder⸗ 





herſteller dieſer Lehre, und auch als folcher nicht der erſte. Ein 
großer und. zwar der ſchoͤnſte und lieblichſte Theil der indiſchen 
Mithologie gehoͤrt dieſer Denkart an, Viſchnu mit ferner 
Orgleitung , dem Kamoh (Sott der Liebe) und Indroh 
(Vonnengost, Freund der Menfchen, wie Mithras im Zendas 
va), auf der Einen, Siva und die fruchtbare Kali auf 
der andern Seite. Schon im Zendaveſta zeigt ich diefe Deuts 
art in ihrer Entartung durch die Heiligung der Elemente ſelbſt 
(p B. in dem Verbot des Begrabens in der Erde), noch mehr 
aber zeige ſich dieſe Verderbtheit in dam aſtrologiſchen Glauben, 


J ' 
N 





23 Gr. Schlegel Ueher die Sprache und Weisheit der Yndia 


der fih dem Dualismus anſchloß, und in dem Mißbrauch d+ 
Myſterien. 

In eine Nehr ſcharfen Contraſt ſetzt der Verf. gegen die vorig 
Weltanſicht den Pantheismus, die jängfte unter allen orien 
salifhen Philoſophieen, welcher am frühften in China entſtanden 
and aus dem Dualismus entwicelt, ſich in der Lehre der Buddhi 
fien und iv dem Bhogvotgita, fo wie auch in der Sankhyolehre, ode 
der Zahlenphiloſophie des Kopilo, aufs deutlichſte zeigt. Den 
Pantheismus fey alles Boͤſe nur leere Taͤuſchung, fo wie leicht un! 
natürlich aus der Lehre, daß Alles Eins fey, die Meinung ber 
vorgehe, daß Alles Nichts fen.“ Alle andre Orientaliſche Lehr 
Begriffe gründen und berufen ſich auf göttlihe Offenbarung, ft 
sutfteflt auch alles durch Zabel und Jerthum ſeyn mag. Dei 
Pautheismus iſt das Syſtem der reinen Vernuuft, und üı 
fofern made er den Uebergang von der Drientakfhen Dhile 
ſophie zur Europälfhen, Er fchmeichelt dew Eigendankel dei 
Menſchen fo fehr als feiner Traͤgheit.“ Aus dem Pantheis 
mus entfiehen bey kraftvollen lebendigen Naturen die fchredi 
lichften frepwilligen Selbſtkaſteyungen und Martern (find abeı 
diefe niche eben fo fehr nothwendig mit dem Dualismus ver: 
bunden?) , bey gefchwächten und kalten ein falſcher Schein von 
Seiterfeit und innerer Zufriodenheit. Der Verf. nimmt den 
Dantheismus offenbar in feiner aͤußerſten Entartung und Den 
derbrheit; denn es laͤßt fih nicht nur ein edler erhabener Danı 
theismus denken, der weder zu ſtarrer Traͤgheit, noch zu wilder 
Wernichtung des irdiſchen Lebens führt, und in der Idee darf 
doch ein Soflem nicht non feiner nachtheiligften Seite ergriffen 
werden; auch muß das Emanationsfuflem ſelbſt am Ende doch 
wohl zum: Pantheismus als feiner urfpränglidden Grundlage 
führen. In mwiefern aber hiſtoriſch dieſe Scheidung der Indiſchen 
Denkungsarten: gegruͤndet, und ob in dem Pantheiemus, weh 
hen der Verf. fchildert, die ſpaͤteſte Verſunbenheit des alte 
Indiſchen Geiſtes ſich dargeſtellt, ob nicht auch bey den Indiern 
ber Dantheismus ſich einſt in edlerer Geſtalt gezeigt habe, 
wagen wir nicht zu entſcheiden. Denn die Stelle, welche das 


Fr. Schlegel Weber die Sprache und Weisheit der Indier. 28 


Owuck hat aus dem Atrvan Bedam gibt, und mit welchen 
Sirres (Mytheng. Th. J. ©. 74) das Alterthun des Pan⸗ 
Cheismus beweiſen will, möchte Rec. nicht als völlig die Schle⸗ 
gelfhe Meinung miderlegend annehmen. 

Einen großen Reichthum von den herrlichfien und feuchte 
Barſten Andeutungen gibt das dritte Buch: hiſtoriſche Ideen. 
Im erſten Tapitel, von dem Urſprunge der Poeſie, wie ſich 
aus dem natuͤrlichen Gefuͤhl ſowohl (vergl. unter den Leber 
fegnngen Indiſcher Gedichte &. 266) als aus mythiſchem Stoff 
bie Poefle und ihre gleichartig die plaſtiſche Kunft bildete. Das 
zweyte Kapitel: von den älteflen Wanderungen ber Voͤlker entı 
halt wahrhaft goldene Worte, Die bey künftigen Unterfuhungen. 
der aͤlteſten Voͤlkergeſchichten nicht zu uͤberſehen find. Mehrere 
allgemeine Betrachtungen über Entfiehung von Colonieen finden 
fih auch im dritten Capitel: von den Indiſthen Colonieen und 
der Indiſchen Verfaſſung. Eine fhöne Stelle iſt &. 180 und 
ıdı. Die Spuren von wichtigen Revolutionen in Indien werden 
in der Verfaffung ſowohl dis in einzelnen Sagen nachgewieſen, 
md niemand wird ‚ohne Vegeifterung den geninien Blicken 
auf den Weg folgen, auf weichem die Indiſche Cultur nach 
dem Abendlande gelangen konnte. Reich an fchönen Betrach⸗ 
tungen iſt auch das vierte Capitel: : vom Orientaliſchen und 
Indiſchen Studium überhaupt: und deſſen Werth und Zwei, 
wenn auch beſonders gegen das, was der Verf. Aber den Einfluß 
dis Orientaliſchen Studiums auf die Behandlung der Ars 
kunden des Chriſtenthums ſagt, die gewöhnliche Anficht des 
A. und N. T. manches einzuwenden haben follte. „Der Ges 
genfag des Irrthums, heiße es S. 196, zeige uns die Wahr⸗ 
heit in einem neuen noch hefleren Lichte, und überhaupt iſt die 
Geſchichte Der Älteften PhHofophie, d. h. der Orientaliſchen 
Imtungsart, der ſchoͤnſte und lehrreichſte äußere Commentar 
für die Heil. Schrift. So wird es z. B. denjenigen , der bie, 
Religionsſyſteme der älteften Völker Afiens kennt, nicht befrems 
den, daß Die Lehre von der Dreyeinigkeit, befonders aber von 
der Unſterblichkeit der Seele im A, T. mehr angedeutet und 





0. Frank De Persidis Lmgua et Genio. 


nur beruͤhrt, als ausfuͤhrlich und ausbrüdtich entwickelt, un 
als Grundſaͤulen der Lehre aufgefellt werden, indem Mofei 
nicht mit diefen in Afien allgemein verbreiteten Lehren unbe, 
kannt feyn konnte. Auch für die typiſche Erklärung des A. T 
redet der Verf. S. 205 sin kräftiges Wort. Wenn überhaup| 
ber Weg verfolgt wird, welchen der Verf. für das Orientaliſch 
Studium fo fhön und fo eindringend bezeichnet (md wii 
wiſſen, daß viele find, welche feine Worte verfichen und be 
herzigen), fo koͤnnen die Früchte nicht lange ausbleiben, un! 
das Orientaliſche Studium wird ſicher auch die Aufere Beguͤn 
ſtigung finden, deren es bedarf, um den Rang einzunehmen 
welchen ihm der Verf. mit unmiderfiehlichen Gründen vindicirt 
Möge er doch auch den Plan (Vorr. S. VII), durch eine Grammati 
und eine durch ein Gloſſarium erläuterte Indiſche Chreſtoma 
thie das Studium ®%ber Indiſchen Sprache zu ‚befördern, nid 
aufgeben. An deſſen Ausführbarkeit zweifeln wir im gegen 
wärtiger Zeit, wo die Aufmerkſamkeit fo vieler auf India 
gerichtet iſt, keinesweges. | 

Die angehängten Weberfegungen Indiſcher Gedichte ſin 
nicht bloß als die erſten Verſuche, Indiſche Gedichte moͤglich 
treu und unmittelbar in unſere Sprache zu Übertragen, mer 
würdig und lehrreich, fondern auch als Erläuterung mehrere 
Behauptungen des Werkes felbft, des ernften Studiums werth 
Sin dem, aus dem Geſetzbuche Monu’s überſetzten Städte finde 
ſich beträchtliche Abweichungen von der Jones ſchen Uebe 
ſetzung. (Institutes of Hindu LawN or, the ordinance 
of Menu u. f. w. London 1796. 8.) Wir möchten hierau 
ſchließen, daß der Kritik noch ein meites Feld auch bier geöffn 
ſey, um fpätere Zufäge und fpäter hineingebrachte Aenderunge 
und Umſtellungen von dem Urfprünglichen zu fcheiden. 

Hr. Frank dar fh mit Waffen aus der Ruͤſtkamm 
Schelling'ſcher Philofophie verfehen, und diefe in der Werkhtat 
feiner Phaoſophie neu polirt, um Fr. Schlegel zu beſtreiten 
Wir geftichen dem Verf. gern eine nicht gewöhnliche Kenntnl 
der. Perfiihen Sprache und einen nicht überall ungluͤckliche 


> 


Frank De Persidis Lingua et Genio. a 


«nmologifhen Scharffinn gu, aber, um mit einem ſolchen 
Gegner in die Schranken gu treten, dazu war nod mehr ers 
forderih. Die Schrift enthält vier Abhandlungen. In der 
erten wird von den Spuren ber Phaofophie des Werf. (weiche 
er in feinem Licht des Orients kund gethan) in der Perſiſchen 
Sprahe gehandelt. Schon bier wird der Sag aufgeftellt, das 
Neuperſiſche ſey die aͤlteſte Sprahe, und Zend und Pehlvi 
deren Töchter, wovon wir weiter unten reden werden. Die 
allerdings Haren und unverfenndaren Spuren ber Philofopheme 
des Zerduſcht in der PDerfiihen Sprache, auch ſelbſt in der 
eigenthämlichen Myſtik der neuern Perfiihen Dichter (4. B. 
dee Hafiz) deutet der Verf. alle nach feinem Syſtem; auch 
gegen einzelne Erläuterungen laͤßt fih manches einwenden. Daß 
M, weiches ſich in allen femitifhen Dialekten findet, von 
Perſiſchem Stamme entſproſſen fey, iſt wohl nicht fo ausges - 
macht, als der Verf. es nimmt. Eine merkwuͤrdige Erläutes 

rung giße der Werf. von dem Epitheton des Weins bey 
den Perſiſchen Dichten 5 (za5f, naſſes Feuer, denn auch 
hierin offenbart fi ihm die „unio ignis et aquae a luce 
uniente orta.“ Darnach laͤßt fih nunmehr (was mander 
ziht recht verſtanden), fhön und natuͤrlich in Schillers 
Punſchlied der faftige Stern der Eitrone, die brems 


nende Kraft des Arrak, und der fprudelnde Shwalk . 


des Waſſers erklären? Ueberhaupt ift dieſe Abhandlung ein 
merfwürdiger Beweis, wie leicht der menſchliche Geiſt alles 
der Herefchaft eines Syftems zu unterwerfen vermag, wenn er 
die Schwierigkeiten umgehen will, welche ſich erheben. Wer 
mie glaͤubigem Sinne dieſe Abhandlung liest, wird am Ende 
die Ueberzengung davon tragen, daß In der jegigen Perfiihen 
Sprahe und befonders in den Perſiſchen Dichtern, des Verf. 
Phaoſophie mit dem Selbftbeleuchtenden, dem Selbftbeleuchteten 
und der Selbftbeleuchtung und allem übrigen Formeinweſen ausges 
bilder ſich darftelle. Einen Anhang zu der Abhandlung bilden: 
Ideae quaedam phaosophicae-historicae. Die erfie Idee, weiche 
hier durchgeführt wird, gibt der Verf. ©. 59 alfo-an: Emim- 


, -. 


32 Frank De Persidis Lingua et Genio. . » 


sero in Phaosopbia Orientis non differt naturae divinae 
Pantheismus ab emanatione ipse divina, neque ab unitate 
in dualitate, neque a dualitate in unitate, atque ideae 
istae intime conjunguntur Cum haturae purae cultu net 
non Sabeismi vetustissimi fonte. So wären alfo alle vier 
Denkungsarten, welhe Er. Schlegel annimmt, in dem 
Einen Pantheitmus zufammen gefhmelgen Daß nun über 
Schlegel’s Anfchuldigungen des Pantheismus ohne Schoi 
Hung die Geißel gefhmwungen wird, dürfen wie nicht erſt eri 
Innern, Sr. Frank erMläre fih hierauf, nachdem er über Dicht 
Einheit der Syſteme wmehreres bemerkt, ſehr nachdruͤcklich 
(was wir ihm nicht veraraen wollen) gegen Schlegel's Anı 
nahme einer urfpränglichen Offenbarung, von welcher alle nadıı 
herige Denfungsarten nur Entartungen ſeyn; er nimmt aber 
dafür eine efoteriihe Anfiht von der Phaoſophie bey Den 
Brahmanen und Magiern und eine eroterifche Anficht beym 
Volle an, aus welcher alle DVerfchiedenheit der Serten, insbe: 
fondere auch der eigentliche, Dualismus, nicht minder der Un: 
terfchied zwiſchen Katholiten und Proteflanten in Europa 
(©. 117) entfprungen ſey. Hierauf wird der Hiſtoriker, 
„etiam oculos animumque ad omnia naturae. phaeno- 
Mena excoecans“, ermahnt eingedenf zu feyn ber ehemale 
geſchehenen Neigung der Erdachfe. Die Wichtigkeit dieſes 
Sreigniffes wird alfo befchrieben: „Si autem cum terra est 
versa et inclinata natura ipsa humana, aliam quoque 
faciem; magis (?) astronomicumy antiquitatis inprimis 
historia vetustissimae ut induerit necesse est. , In axis 
terrae elusque magnetismi directione mutäta necessaric 
quoque variata est ea, quam habet diagonalis accubus 
terrae inscriptus; atque etiam puncta in superficie 
terrae inde dependentia eorumque sıtus, vis et ratiac 
aliaque momenta multa commutata sunt, et quidem 
lucis id fieri debuit et solis legibus juxta mathesin 
naturae vivam. Sine hisce autem quomodo vere con- 
cipi possumt vetustatis monumenta in terra et codici- 
bus? Der Verf. bat von der Neigung der Erdachfe die deut 
lichſten Spuren in Zendavefta und im Dabiſtan gefunden. Ei 
führt auch manches an, mit alleriey Philoſophemen vermiſcht 
aber nichts davon Überzeugt uns von ber Neigung der Erdachſe 
Dergleichen und vieles andere-zu behaupten ift zwar leicht; dei 
Hiſtoriker aber will Belege und Beweiſe und kein leihtgläubi, 
ger Philofoph wird ohne dieſe den Stral feiner Erleuhtun 

in die Augen und ih den Sinn des Hiſtorikers zu bringen 
vermögen. ! 
2 ¶ Der Berchluß folgt. ) 


— — EEE © 


No. 3. Heidelbergiſche 1811. 


Jahrbuüͤcher der Literatur. 


M AM 


i) Cours de droit Frangais. Par Mr. Proudhon, anden 


Docteur en droit, Professeur de premiere chaire du 


Code Napoleon, Doyen de la Faculté de Droit de Dijon 
ete, Dijon chez Bernard - Dafay. T. I, 1809. 361 ©. 
T. 1I. 1810. 3766. 8. 


VErnk Spangenbergs, D. d. %., Gteffier und Privatlchrer 
m Göttingen , Commentar über den Coder Napoleon. Göttin⸗ 
gen bey Nöwer. 1810. Erfler und Zweyter Band. 404 und 
ess S. 4 (4 Rthlr.) 


3) Ausführlicher theoretiſch practifcher Sommentne über dem Code 
Napoleon von Dr. C. C. Dabelow, nebſt einem Anbange, 


die Ahmeichungen des Weflphälifchen Rechts betreffend von ' 


Sribunaleichter Dryander in Halle Leipzig bey Schwickert. 
1810, Zwey Binde 374 u. 700 S. 4 (3 NH) 


A) Ausführliches Handbuch über den Code Napoleon. Zum Gebrauch 


wiffenfchaftlich gebildeter deutſcher Geſchäftsmänner entworfen 
vom Oberappellationsgerichtsrath Dr. Grolman. Erſter 
Band. Sießen und Darmſtadt, bey Heyer. 1810. LII und 
3 ©. & (5 ſ. 6 kr.) 


M, verbinden hier biefe vier, im fehe verſchiedenem Geiſte 
gearbeiteten Commentare Ader den Code Napoleon um fo lieber 
mit einander, da fie faft gleichzeitig find, wenigſtens keiner der 
Verfaffee den andern benugt hat, und da der ausgezeichnete, 
durchaus uͤberwiegende Werth des letzten Werks uns das Necht 
gibt, die Beurtheilung der übrigen, minder bedeutenden Schrifs 
ten deſto kuͤrzer zu fallen. 

Die, mit Dr. 2 Hezeichnete Franzoͤſiſche Schrift ift im 
Weſentlichen "ein Tommentar Aber den €. N., doch find 
darin manche Beſtimmungen der Eonflitution, des C. de Pr, 
und anderen. ſpaͤteren Geſetze nebenbey mit berührt. Bepde 

3 





a — —— 





x 


34 Commentare über den Code Napoleon. 


Bände gehen bis zu Art. 515, und fo wird denn das Ganze 
erſt in 5—65 Bänden vollend.t werden koͤnnen. Zur Cha; 
rakteriſtik des Werks bemerken wir dieß. Der Berf. hat unges 
führe eben die Methode befolgt, welde man in Delvins 
court's Inſtitutionen findet. Er legt nämlich in den Haupt⸗ 
theiten beynahe durchaus die Ordnung des Gefegbuhs zum 
Grunde, und referirt dann den inhalt der, nah eignem Plan 
geordneten Artikel faſt nur wörtlich. Eine hiſtoriſche Einleitung 
fehlt. So auch alle Literatur, ein Paar Fälle abgerechnet, Da, 
tie es fcheint, nur aus Verfehen, einige Eitate in die Noten 
gefommen find 15. ©. I. ©. 99, not. a.). Eben fo Wenig 
ift der Geiſt des Geſetzbuchs gründlih aus den Discuffionen 
entwickelt; auch mangelt der Schrift gänzlich Die Prärifion und 
Vollſtaͤndigkeit, welche beſſerk Deutſche Schriftſteller ſich immer. 
zur Pflicht machten. Auf eine Kritik der commentirten Vor⸗ 
ſchriften hat der Verf. ſich nirgend eingelaſſen; und eben fo 
wenig auf die Bildung eines Pars generalis aus den gelegents | 
(ichen Aeußerungen ‚des. Geſetzbuchs. Bloß eimige der triwialften 
Einteitungsbegriffe find vorangefchickt. Daß auch nicht eine 
einzige Idee irgend eines ausländifchen Juriſten benutzt iſt, | 
verſteht füh gang von ſelbſt. Die Sprache if, wie man fie in. 
der Negel immer bey gebildeten Zrangofen findet, vein und 
elegant, dabey aber auch fo wortreich, daß ein gewandter 
Dentſcher Juriſt den Inhalt der ganzen Schrift ohne Muͤhe 
auf die Hälfte reduciren koͤnnte. | 
Was das Materielle des Werks Betrifft, fo ſteht daſſeibe 
weit Über Delvincourt's Inſtitutionen. Denn wenn auch 
unfer Verf. im Ganzen nur das Geſetzbuch mweitläuftig wieder⸗ 
holt, fo dringt er doch auch nicht felten tief in einzelne ſchwie⸗ 
rige Rechtsfragen ein, und zeigt hiebey viel Gewandtheit und 
Scharfſinn. Aber oft fehlen auch grade da die Erbrterungen, 
wo man fie vorzüglich gern geſehen Hätte. Während z. ©. 
I. ©. 84—88 weitläuftig deducirt iſt, was ſich durch Zwanzig. 
Worte hätte beweifen laffen, nämlich, daß ein Fremder einem 
Franzoſen etwas ſchenken koͤnne, wird. ©. 69. 70, 78— de 
| 


⸗ 


Commentare über den Code Napolcon. 35. 


ben der Trage, was droits civils find? auch nicht ein einztges 
von vielen Problemen gelöst, und eben fo in Beziehung auf 
die Acten des Kivilfiandes Feine der Schwierigkeiten berührt, 
deren es in diefer Lehre eine Menge gibt. Ein gleiches Bey⸗ 
fpiel geben die Erdrterungen biefes Handbuchs über die aufs 
ſchiebenden und vernihtenden Ehehinderniffe (I. 240 ff.). Nice - 
einmal die Hauptfrage: ob es zur Nichtigkeit einer befonderen 
Andeodung derfelden bedürfe ? iſt mit einiger Gruͤndlichkeit 
erörtert, und gegen das eigne vom Verf. "angenommene Prins 
dp werden mehrere ber, im Geſectzbuch unbeſtimmt gebliebenen 
Zäle unter die vernichtenden Hinderniſſe geftelle, ohne daß 
entfernt anf die, dem Princip des Verf. fo vortheilhaften 
Discuſſionen einige Rüdkfiht genommen iſt. Dabey ift denn auch 
vieles in den Anſichten des Verf. faſt unbegreiflich willkuͤhrlich, 
wie z. B. die Ausführung I. 94 — 99, 194, 195, 275, 276, 
daße der, Fremde, welcher fih ohne Erlaubniß des Kaifers in 
Frankreich niederlaffe, im Ganzen alle droits civils genieße; 
daß Kinder eines Abweienden als ſolche anderen Verwandten 
wiht fuccediren koͤnnen: daß, wenn hundert Jahre vom Augens 
blick der Geburt des Abwefenden verfloffen waren , diefer ale 
wirklich geftorben behandelt werde; und daß -der Schenker 
dr, der Ehefrau ohne Austorifation des Mannes gemachtes 
Geſchenk zurückfordern könne. Indeß follen alle jene Bemers 
fungen nicht dazu dienen, das Publicum gegen diefe Schrift 
einzunehmen; denn ſie enchält, wie gefagt, manches Schaͤtz⸗ 
bare, und außerordentlich viel Nationales, welches Thon feiner 
ſelbſt wegen intereflant iſt, wenn es darauf anfommt, fl 
überhaupt in fremden Eigenthümlichkeiten zu orientiven, und 
ihren Geift zu durchdringen — 

Die zweyte Schrift, welche jetzt erſt Bis Art. 1100 geht, 
hat einen ganz andern Charakter: Der Mrf. hat, befcheiden, 
fot aller Individualität entfagt, und in der Regel nur die 
Meinungen Andrer (auch mit Ruͤckſicht auf die Weftphälifche 
Geſetzgebung) prüfend benust, und zufammengefielle, ungefähre _ 
in der Form und Manier des Inflitationen  Eommentars von 


“ ur 


N 


3 Gommentare über den Tode Napoleon. 


Höpfner. Zwar folgt er auch, wie die mehreſten Andern, 
der Ordnung des Geſetzbuchs, aber nirgend dem Buchſtaben 
deſſelben, indem vielmehr daranus flets mit andern Worten und 
Wendungen die Refultate abfteahirt find. Ueberall wird man 
vielen Fleiß in Benutzung ber bisherigen Literatur, und nicht wenig 
feinere Erörterungen finden (aber freyfih immer nur über die 
Duncte, worüber fih Andre ſchon erklärt Baben, und Häufig 
bloß referirend),, fo wie in der Pegel ein fefles und wichtige 
Urtheil bey der Prüfung verſchtedener Meinungen, obgleich 
freylich auch da und dort‘ manches vorkommt, was den Ken 


her nicht befriedigen wird, und nicht ſtets Vollſtaͤndigkeit vom 


Verf. erreicht if. Dieß alles aufsnzähfen, iſt aber unmöglich 
und unndthig, da das vorliegende Werk gewiß dem Verf. felbfl 


‚bald als unvolllommen erfcheinen wird, befonders in Anfehung 


der vorläufigen Begriffe, in Ruͤckſicht deren alles, was zu einem 
der wiſſenſchaftlichen Darftelung des €. N. fo nöthigen Alge 
meinen Theile gehört, fo gut wie gang und gar umgangen If. 
Miche einmal die naͤchſten Quellen der Erffärung des neuen 
Geſetzbuchs hat der Verf. gehörig beſchrieben, und fo aud) über 
die Literatur ſehr ungenügende Data geliefert. Was wir abet 
der Schrift auf allen Fall zum Vorwurf machen müffen, ift da 
gänzlihe Mangel eines beiebenden Geiſtes. Gräde das, wat 
dem Dentihen Juriſten jebt das hoͤchſte Beduͤrfniß iſt, di 
geſchichtliche Darſtellung, die Entwicklung des Seiftes des E. N. 
aus den Discuffionen, bie pragmatifche Zuſammenſtellung dei 
Mannigfaltigen unter herrſchende Grundbegriffe: das alles fehl 
ben Werke faſt durchaus; und fo koͤnnen mir daſſelbe nic 
fowohl dem Nichtkenner zum Selbſtunterricht, als vielmeht 
bloß dem Kenner zum Nachſchlagen umd Vergleichen empfehle® 

Die Anzeige des, unter Mr. 5 erwähnten, jetzt ſchon san 
vollendeten Commdtars ſetzt uns in eine faſt peinliche Verle 
genheit. Es iſt Höchft unangenehm, über denſelben Schrift 
fieller in berfelben Zeitfchrife immer mit Mißbehagen und Un 
äufriedenheit zu reden; aber der Simmel ift unfer Zeuge, dal 
wir and bey dieſer Gelegenheit den Ton zu ändern auße 


Kommentare über den Bode Napoleon, 37 


Etande Find. Wir können dem ganzen Werke nichts als den 
Namen einer Hichtſinnigen Arbeit geben. Schon dadurch hat 
ih der Verf. die Sache Leicht gemacht, daß er mehrentheils 
sanz und gar der Ordnung des Geſetzbuchs folgt, faft niemals 
das Material nad feften Gefihtspumeten ordnet, und dan 
les fo auf einander folgen läßt, wie es bie fluͤchtige Feder 
hergeben wollte. Er ſelbſt Hat die Gebrechen biefer Methode 
recht wohl gefühlt, ohne fi) gegen das tendimus in vetitum 
retten gu Bönnen. So bemerkt er z. ©. I. 137 woͤrtlich: 
„Ueberall iſt in der Lehre von der Ehe kein richtiger Plan bey 
dee Abfaffung, des Code Kefolgt worden, und verbienen daher 
die Schriftfieller alles Lob, melde die gerfiventen Stellen zu 
ſammeln und zu ordnen bemüht geweien find“; auch tadelt er 
&. 175 fehr, daß man die Formalien ber Ehe gerriffen in 
ſwey Titeln vorteug. — Aber nirgend bemüht fi der Verf. 
die, von ihm feld gerügten Maͤngel zu beffeen , oder einen 
Grund "anzugeben, warum denn biefer Commentar den Predis 
gen gleichen mußte, von denen Logan fagt: fie [ehren durch 
Worte was man thun, und durch Thaten was man meiden 
fill. — Auch in den einzelnen Sägen bes Werks findet man 
nirgend Präckfion und Vollſtaͤndigkeit, und an eine fleißige 
Venusung der. ganzen vorhandenen Literatur ift gar nicht zu 
denken. Nicht einmal die Einleitung, woran fi doch bie 
ftiihe Kraft am erften auszuzeichnen pflegt, tft mie Fleiß ger 
arbeitet, und ſelbſt über die Literatur fo oberflaͤchlich geiprochen, 
daß ganze Hauptwerke vergeffen find, Der Individualitaͤten 
des Verf. finden fi, freylich genug, und dabey mitunter auch 
wohl erträgfiche Bemerkungen; aber oft ift auch alles fo feiht, 
ae willkuͤhrlich, und an das Gemeine grängend, daB eine bes 
teiſche Geduld dazu gehört, dem Verf. mit Aufmerkſamkeit zu 
flgen. . Nur das, was der Gedanke des Augenblicke gibt, 
erhaͤt man. in der Regel; und fo iſt denn der Verf. gang ung 
belümmert um Beweiſe, wo Dritte deren. bedürfen, fo mie er 
es ſich nicht Übel nimmt, auch wohl bey einer andern Belegen: 
jet giade das Gegentheil von dem zu fagen, was er zuvor 


38 Gommentare uͤber den Tode Napoléon. 


recht ernſtlich vertheidigt Hatte. Go war 3. ©, ben Verf. 
gegen feine früheren Ideen Über das: EtrE traduit in Art. 14 
von einem erfahrenen Franzoͤſiſchen Juriſten ein bedeutender 
Einwand gemadt. Allein Here D. achtet das nicht, und vers 
fihert in $. 56: daß nach dem Stile de Barreau das traduit 
auf ungewöhnliche Zwangsmittel deute, ohne auch nur 
entferne anzugeben, von wem er berfh biefe Geſchaͤftsſprache 
gelernt habe. - Die Frage, ob der Art. 299 auf alle Schens 
Zungen gehe? wird in eben diefem Geifte, ohne alle Beweiſe 
wörtlich fo beantwortet: „das Geſetz redet freylich in fehr alls 
gemeinen Ausdrüden ; indeß fcheint es mir doch, daß die Ver⸗ 
fügungen deffelben fi nicht auf dergleichen Zuwendungen (Ges 
ſchenke aus Liebe) erſtrecken follen. Sich glaube vielmehr, es 
war Abſicht des Geſetzgebers, dem fchuldigen Ehegatten nur 
fotche Zuwendungen zu entziehen, Die Btipulattonen, welche 
"man In Eheconteacten anzutreffen pflege, gleichgefegt werden 
Zönnen“ (I. 24%, 248.). Gleih darauf (247) bemerkt ber 
Verf. über den Art. 508; ;icdh glaube, die Kinder der vorigen 
Ehe participiren bier ‚mit ben Kinderri der Ehe, die jegt ger 
trennt if, an der, auf bie Kinder fallenden Vermögenshälfte. 
Zwar ſcheint biefer Behauptung der därre Buchftabe des Ges 
fetses entgegenzuſtehen, allein bie Sefengeber dachten gar nicht 
an den Kall, den fie vernuͤnftigerweiſe, wenn ſie daran gedacht 
hätten, gar nicht anders als fo entſcheiden konntens!! Won 
combinirten Widerfprücen geben $. &ı und 45 ein Beyſpiel. 
Sin jenes werden die, nad) dee Erpatriation im Auslande von 
einem Srangofen erzeugten. Kinder von dem Art. 10 ausges 
nommen, und im $. 45 iſt grade das Umgekehrte aus Locre 
excerpirt. Wir müßten einen ganzen Quartanten [reiben 
um das krauſe und bunte Gemiſch diefes Commentars gehörig 
zu würdigen, und dazu fehlt es ung leiderl an Laune, wie 
uns ®agu Gottlob I diefe Zeitfchrift den Platz verſagt. Wer es 
fih fer zum Grundfag gemacht hat, alles zu prüfen, und Das 
Gute gu behalten, der ſtudire auch diefen Sommentar; aber 






Commentare über den Eode Napoleon. 39 


ee verlange nicht von uns, biefem ſchweren Geſchaͤft durch eine 
vollſtaͤndige Melation vorzuarbeiten. 

Hoͤchſt ungern ſprechen wir diefe Troftlofigfeiten aus. Denn 
nichts iſt uns erfreulicher, als den Arbeiten Andrer äffentlich 
ihre volle Ehre widerfahren gu laffen, wie wir glei zeigen 
werden, indem wir auf die Beurtheilung bes Grolmans 
(den Commentars übergeben. In der That! das ift ein Werk, 


welhes, des Namens feines Verf. würdig, unferer Nation in 


vieler Hinficht die größte Ehre macht! Keiner der, bisher in 
Stanfieich und Deutihland erfcdienenen Commentare über den 
GW N. kann fich mit diefem intereffanten Werk entfernt vers 
gichen , und feldft frangöfifche Suriften werden demſelben ihren 
Beyfall nicht verfagen koͤnnen. Zu den geringften Derdienften 
dieſes Werks gehört eine herrliche, claffifche Sprache, und eine 
nur felten von Deutfhen Schriftftelleen erreihte Ruhe und 
Vürde bey Prüfung fireitiger Meinungen. Der innere Gehalt 
der Ideen des Verf. übertrifft noch, wenn es möglich iſt, die aͤußere 


äorm. Ueherall die hoͤchſte Klarheit und Conjequenz des Sedans 


kenganges; ein tief eindringender Scharflinn; große Vollftändige 
kit; nnd. dabey ein feltenes Talent, die ideen der Legislation gang 
ju vergegenwärtigen, ihre Gründe zu entwickeln, und den Zuſam⸗ 
menbang des Ganzen bis in jeden kleinſten Theil zu verfolgen. Nir⸗ 
gend eine Spur von Flüchtigkeit und Lebereilung! Der Verf, 
gibt gereifte, von allen Seiten durchdachte Grundfäge, und fein 
Belreben, die Theorie mit der interpretation der Franzoͤſiſchen 
Praxis zu verflechten, werdient mufterhaft genannt zu werden. 
Seit zwanzig Jahren haben wir nicht zehn neuere juriftifche 
Werke mit folcher Befriedigung aus der Hand gelegt, wie diefe 
vortrefflihe Schrift, deren baldige Zortfegung und Vollendung 
Dir lebhaft wuͤnſchen; und daher halten wir es denn für unfre 
erſte Pflicht, ihren Inhalt kurz zu befchreiben, und genan alles 
anjugehen , was eine detaillirte Kriti erfordert, 

Der Plan ber Verf. Hey diefem Commentar ging dahin: 
bie Gründe und Zwecke der geuen Legislation volfändig zu 


40 Eopmmentare- über den Code Snpefesn. | 


entwickeln, daraus ihren Geiſt abzuleiten, und hienach wieder 
den Umfang ihrer Anwendbarkeit zu beflimmen. Das Ganze 
fol demnad im Wefentlihen nur commentirend feyn, und 
Daher har fih denn der Verf. Über die Puncte, weiche das 
neue Geſetzbuch der Wiffenfchaft Aberläßt, wicht raifonnirend 
verbreitet; doch referirt er bey folchen Gelegenheiten wohl Die 
Entfheidungen Franzoͤſiſcher Gerichte. Im Ganzen ſcheint die 
Titelfolge des Geſetzbuchs beybehalten werden zu ſollen; wenig⸗ 
ſtens iſt es in dieſem erſten Bande, welcher mit der Lehre von 
den Abweſenden ſchließt, Bis auf eine einzige Ausnahme ges 
ſchehen. Allein die einzelnen Artikel find durchaus in einen feeyen, 
hoͤchſt lichtvollen foftematifhen Vortrag gebracht, und dann 
hiſtoriſch, kritifch und mit Beziehung auf ihre. Anwendbarkeit, 
und ducch die neuere Franzöflihe Praxis vortrefflich erläutert. 
Am Einzelnen ‚geht die Erörterung überall in das feinfte Detail, 
und entwickelt die fchwierigfien Probleme mit mufterbafter 
Schärfe und Klarheit. Außer einer kurzen, fehr zweckmaͤßigen 
Darftellung der Franzoͤſiſchen Gerichtsverfaffung, hat der Verf. 
feine weitere allgemeine Einleitung gegeben, fondern in dieſer 
Hinſicht bloß auf Seidenſtickers Einleitung verwiefen. — Ju 
6— 8 Bänden fol das Ganze vollendet werden, aber gewiß 
werden doppelt foviel Bände nothig ſeyn, wenn die Fortfegung 
dieſem Anfange durch Gruͤndlichkeit und Ausführlichkeit gleich 
ift, befonders da die Literatur in diefem Bach glich fo ſehr 
anwaͤchſt. 

Nach dieſer kurzen Beſchreibung des vorllegenden Werks 
erlauben wir uns jetzt folgende kritiſche Bemerkungen. 

Sehr gluͤcklich hat Hr. G. den Gedanken aufgefaßt, daß 
die vollſtaͤndige Darſtellung des Geiſtes und der, danach sun 
beftimmenden Anwendbarkeit des neuen Geſetzbuchs das njige > 
Mittel ift, wie man Deutihe Sefhäftsmänner mit dem Inhalt 
des C, N. anf eine zweckmaͤßige Art befannt machen Tann. 
Allein fehr aufgefallen ift es uns, wie der Verf. fih gu einer 
bloßen Exegeſe entfchließen, und alles, was der C. N. ber 
Wiſſenſchaft übertäßt, ſo ganz und gar von feinen Eroͤrterungen 


\ 


"Gommsentare über den Code Napoléon. 4 


intfenen konnte. Die Winnfchaft und das Poſitive fließen 
bey jeder Legislation mannichfaltig mit einander zufammen, und 
mäffen ſich durchaus wechſelſeitig unterflägen. Denn im Pos 
ftiven wird es immer eine Läden geben, welche das freye 
Raiſonnement ausfuͤllen muß; und umgekehrt wirb da, mo das 
Sees im Ganzen ſchweigt, dennoch die Rechtsphiloſophie uͤberall 
wieder durch Analogieen des Pofltiven gebunden werden. Wels 
4 Zuſtand würde da erfolgen, wenn unfere Deutfchen Juri⸗ 
kın am Ende aus zweyeriey Arten von Werken ihren Unter 
sihe fchöpfen müßten, — aus rein pofitiven, und rein Philos 
ſophiſchen ? Außerdem gibt es noch befondere Sründe, wegen 
denen der Verf. in dieſem, der Wiſſenſchaft gewidmeten Werke 
die Wiffenfchaft gang hätte umfaſſen follın. Denn es ik vor 
lem mit dazu beſtimmt, den Deutſchen Juriſten zu orienticen, 
und richtige Auſichten Über die neue Legislation gu verbreiten. 
Dieſer bedürfen wir aber ganz befonders in Betracht deſſen, 
was der C. N. der Wiffenfchaft Akerlich. Während nämlich 
In den festen Fahren Deutſche Juriſten öffentlich immer mit 
den größten Lobpreifungen davon geredet haben, wie ein vber 
ngliches Verdienſt bes ©. N. darin beſtehe, daß er fo herrlich 
die Wiffenfchaft von dem Geſetz ſcheide, gibt es doch notoriſch 
anf der andern Seite viele recht achtbare Männer ; welche grade 
ber fogenannten Wiſſenſchaft durchaus nicht trauen, und in 
dem ſteten Verweiſen auf die Wiſſenſchaft nichts als bie Quelle 
einer völligen Rechtsungewißheit finden wollen. Dieſer Partey 
begegnet man wahrlich nicht durch die bisherige Methode. Es 
muß ihr in der Anwendung durch beſondere Beweiſe dargethan 
werden, wozu die Wiſſenſchaft gut iſt, und was ſie alles ver⸗ 
gs; und dazu wäre num recht der Platz in einem Werke ger 
wein, deſſen Verfaſſer als Rechtsphiloſoph fo vortheifhaft bes 
lannt iſt, und welcher jegt auch durch feine Eregefe gezeigt hat, 
daf er wor vielen Andern fähig wäre, die Wiſſenſchaft mit dem 
Pofitiven zu verbinden, fofern fi uͤberhaupt etwas durch 
Philoſophie leiſten läßt, mo man Hey unbeſtimmten, faf nur . 


42 Commentare über den Code Napolden, 


politiſchen Prämiffen, beynah an aller. juriſtiſchen Sewißheit 
verzweifeln moͤchte. 

Einen ferneren Zweifel haben wir Dagegen, daß Kr. © 
keine bifkorifch » literärifche Einleitung und feinen allgemeinen 
dogmatiſchen Theil gegeben hat, fondern von der kurzen Ans 

- deutung der Franzgöfiichen Serichtswerfaffung fogleich auf die 

Eregefe des Art. 1 übergeht. Die Verweifung auf Seiden⸗ 
Riders Einleitung kann Hier nicht genägen. Wir verkennen 
nicht die guten Betten diefes Werks, befonders in Beziehung 
auf. den Zeitpunct, da es erſchien; allein völlig ungenägend if 
es dach als Einleitung zu dem vorliegenden Commentar, da fi 
in demfelben feine grügdliche äußere Gefchichte des Franzoͤſiſchen 
Rechts, und eben fo menig eine gehörige Beſchreibung ber 
Literatur finder, auch fpäter manches befannt geworben iſt, 
"worauf Seidenſticker feine Ruͤckſicht nehmen konnte. Ohnehin 
ik ja deffen gedachte Schrift ihrem Zweck zufolge eine bloß 
hiſtoriſch⸗ literaͤriſche Einleitung , keineswegs aber ein dog ma⸗ 
sifcher allgemeiner Theil des Geſetzbuchs. Einen ſolchen 
hätte aber Hr, G. nach unſrer Einſicht durchaus liefern muͤſt 
ſen. Denn er will unſre Geſchaͤftsmaͤnner zu dem Studio des 
neuen Geſetzbuchs auf Die zweckmaͤßigſte Art anführen. Bey 
dieſem Vorhaben war es vor allen Dingen Pflicht, die Erdrs 
terung an die herrfchenden Begriffe anzufnüpfen, und ben 
Deutſchen Juriſten, welche von jeher an einem pars genera- 
lis gewöhnt find, nachzuweiſen, wo fie im C. N. das. Allges 
meine zerfireut finden, mas man davon ber Wiſſenſchaft übers 
laffen hat, und wie fich diefe benehmen muß, wenn das Ser 
ſetzbuch ale bisherigen pofitiven Rechte caffirt. Außerdem 
mußte nun aber auch der Verf. wegen der Wiflenfchaft an ſich 
einen ſolchen allgemeinen Theil vorangehen laſſen. Denn weit⸗ 
umfaſſende Grundſaͤtze gelegentlich bey einem einzelnen Artikel 
mitzunehmen, wie z. B. die unendlich wichtige Theorie uͤber 
Vindicationen bey Gelegenheit der paar Artikel, welche etwas 
von der Eigenthumsklage im Vorbeygehen ſagen, das iſt gegen 
alle Sefege der ‚Drönung, auch bedurfte der Verf. für viele 


Eommentare über den Code Napoleon, 43 


einzelne Puncte allgemeiner Praͤmiſſen,“ um ſich einen feſten 
Hoden. zu verfehaffen, 3. B. über Gewohnheitsrecht; die logi⸗ 
ſche Auslegung; die Benutzung der Discuſſionen bey Auslegung 
des Geſetzbuchs: Über den ſogenannten status naturalis; Aber 
culpa, und tanfend andre Dinge. Freylich geben wir es gern 
u, daß die Bildung eines foldhen allgemeinen Theile große 
Schwierigfeiten hat, befonders wenn man faft überall der Vers 
nunft, oder ſchwachen Analogieen ſich anvertrauen muß: allein 
de Sache ift einmal juriftifch nothwendig, und da muß man 
ales verfuchen „ was fid irgend verfuchen läßt, follte es auch 
nur fenn, um bemeiten zu fönnen, daß der Juriſt ohne höheze 
hülfe hier wenig oder nichts vermag. 

Was die Vollſtaͤndigkeit des Werks im Einzelnen betrifft, 
fe haben wir darüber fchon oben dem Verf. das gebührende 
E06 wiederfahren lafien. Indeß darf dieſes Lob nicht abfolut 
verflanden werden. Denn mande Erdrterung haben wir uns 
gem vermißt. Dahin gehören namentlich folgende Fragen: 
wie verhält es ſich, wenn statuta personalia des Franzofen 
und Ausländers collidiren? wie, wenn von einem gewefenen 
sranzofen in "Frankreich Kinder erzeugt werben ? wer ift Frans 
101e? wie wird es im Allgemeinen mit dem Indigenat unehelis 
ber Kinder gehalten? wie, wenn bie Eltern der Kinder ganz 
unbekannt, oder bürgerlich todt find? in wiefern fann man 
ten bürgerlich Todten Injurienklagen geflatten? wie verhält es 
fh im Fall des Art. 32, wenn dem Civilſtandsbeamten ers 
weistich Kein Verſehen zur Laſt fälle, und wie mit Art. 56, 
wenn nur die -unchelihe Mutter allein bey der Geburt gegens 
waͤrtig war? in wiefern ift der malae fidei possessor von 
Art. 127 anzunehmen? wie fell man es bey, Art. 129 halten, 
wenn em Hundertjaͤhriger verfchwinder? und in mwiefern haften 
die, proviſoriſch, oder definitiv in die Güter der Abwefenden 
Immittirten felbſt mit Ihrem eignen Vermögen wegen ber 
Schulden? — So ließen fih an noch manche Meine Erinne⸗ 
kungen daruͤber andringen, daß der Verf., obgteich er die befs 
kun Werbe benntzte, dennoch fo manche andre Schrift gar 


u Frank De Persidis Lingua et Genio. 


nicht erwähnt hat, beſonders nicht manche Deutſche Schriften, 
wie z. ©. Dabelow's Archiv, und faſt alle Lehrbucher Deuts 
ſcher Zuriſten. Allein wir finden es doch auch ſehr natürlich, 
daß man in dieſer, noch zur Zeit ſehr waͤßrigen Ateratur leichter, 
wie ſonſt irgendwo, durch Ueberdruß uͤberwaͤltigt wird, und 
teswegen wollen wie denn dieſe Erinnerung nur als hiſtoriſche 
Mebenbemerkung, und nicht als Tadel ausſprechen. 


( Die Gortiegung folgt. ) 





De Persidis Lingua et Genio. Commentationes Phaosophico- 
Persicae Auctore Othm. Frank, Prof. Phil. Bam» 
berg. 


{ Veſchluß der in No. 2. abgehrochenen Recenfion. ) 
In dee zweyten Abhandlung handelt der. Verf. de, cha- 


zactere linguae Persicae sensum naturae referente. Nach—⸗ 
dem er ſich gegen die Schlegel’fche Eintheilung der Spra⸗ 
‚en in folche, welche durch Flexionen, und folche, meldhe durch eins 
zeine Wörter die Nebenbegriffe ausdrüden, Bloß aus dem Grunde 
erklärt, weil in einer Sprache eines ber beyden Principe allein 
herrſchend fey , fo fest er den Charakter der Perfiihen Sprache 
barin, daß (weil im Orientaliſchen Alterthum der innere Sinn 
fh von dem äußern nicht fo ſehr fcheide, als in fpäterer Zeit, 
befonders in Europa) fie den abſtracten Begriff der Dinge ver, 
nachläffigeud, die in die Sinne fallende Einheit, oft in lebendi⸗ 
gem Bilde, barflelle, oder unter Einer Eigenſchaft das ganze 
Weſen des Dinges begreife (imitando indolem rerum divi« 
mitus individuarum). Der Berf. führt aber nur Beyſpiele 
aus Dichtern an (wie Schirdell Lowenherz, Gulroch 
Kofenwange u. ſ. w.), bey welchen jede Sprache, wenn fie 
ur der Poeſie fähig ifl, mehr oder minder diefen Charakter 
traͤgt. Denn der Perfer Hat ja auch Bezeichnungen von Abs 
Bracten wie Sepahi ein Krieger und Kenize ein 
Mögdchen, die er in der Profa gebraucht. Daran fchließen 
Gh einige wenige keinesweges erſchoͤpſende, bloß aus des Verf 


‘ 


frank De Persidis Lingua et Genio, 4 


Phaoſophie Hergeleitete Bemerkungen über Die Myſtik des Haſtz 
an, welche allerdings einer forgfältigern Erläuterung beduͤrfte, 
wozu fih die erforberlihen Quellen wohl am vollſtaͤndigſten 
jest in Paris finden. 

In dem erſten Eapitel der dritten Abhandlung fuche He. 
Fran? zu erweiſen, daß nicht bie Samſcritſprache die Urſprache 
ſeyn könne, fondern die PDerfiihe, und zwar die Neupers 
fifde Sprache, und daß daher nicht diefe aus jener, ſondern 
die Samferitfprache aus der Neuperſiſchen entftanden ſeyn muͤſſe. 
den Sreundfag, welchen er bier aufftellt, daß die Sprache, 
neihe längere Wörter habe, aus berienigen entiprungen ſeyn 
muͤſſe, welche ihe versandt, kürzere Wörter enthalte, oder wie 
er fih ausdrückt: composita ex simplicibus, non vero ex 
compositis simplicia oriri ac comprehendi, vwerwerfen wie 
durhaus in der Allgemeinheit, wie er hier aufgeftellt und durchs 
geführt wird. Dem Benfpiele des Verf., daß man, um einen 
Baum zu erforfchen „nicht von ben Blättern und Zweigen zur Wur⸗ 
jel, fondern von diefer zu jenem fortfchreiten muͤſſe, ſetzen wir das 
paſſendere Beyſpiel entgegen, daß wer die natürliche Beſchaf⸗ 
fenheit des Baums erkennen will, ihn in feiner wilden natuͤr⸗ 
lichen Ueppigkeit betrachten muß, nicht dann erft, nachdem ihn 
die Scheere des Kunſtgaͤrtners zu zierlicher Form gezwungen 
da. Wer das Ranhe, Voltdnige des Samfkrit aus dem aba 
geſchliffenen Neuperſiſchen durch Erweiterung abzuleiten wagen. 
konn, wer zu glauben vermag, daß Tuwara und Twari 
Im Indiſchen aus dem Neuperſiſchen Die die Thür, Kſchira 
aus Schir die Mich, aſchdaman aus heſchth abe 
n. fe w. entflanden ſey, der mag auch glauben, daß 
Chchlodmwig aus Louis, Ambaht aus Amt, viginti 
aus vingt und venti, entflanden ſey. Weberhaupt ift bie 
Unterfuhung über das relative Alterchum fehe altes vers 
wandter Spraden in ben meiften Fällen ein leeres, eitles, ja 
kindiſches Unternehmen; denn es kann bey Sprachen, deren 
Urfprung fich fo in das Dunkel der Vorwelt verliert, wie der 
Urfprung der Indiſchen und Perfifhen Sprache, welche durch 


[4 


4 - Frank De Persidis Lingua et Genio. 


gJahrtauſende fo unabhängig von einander unter verfchtebenen 
klimatiſchen, politiſchen, geographifchen Bedingungen fi forts 
bildeten, hoͤchſtens nur die Frage feyn, in wiefern die Eine 
oder die Andere von dem etwaigen Urquell in ihrer weitern 
Ausbildung fih am wenigften entfernt babe. Denn wenn auch 
‚die Eine Sprache durch Colonieen und Auswanderungen in andre 
Gegenden gebracht, fih in diefem als Tochterfpradye geflaltete, 
fo ſchritt doch eben fo gut als diefe die Mutterſprache in ihrer 
Ausbildung, Oder Verbildung fort, und entfernte id) dadurch 
eben fowohl von dem Urtypus. So gänzlid mißlungen wir 
das Hauptbeſtreben des Verf. halten, fo fehr ehren wir Bier 
Seinen Fleiß und feinen Scharflinn in der Zufammenflellung 
von Achnlichkeiten des Perfifchen und Indiſchen, weiche diefes 
Eapitel enthält. Das zweyte Tapitel diefer Abhandlung enthält: | 
notas quasdam necessarıas ad prima capita libri primi 
operis germanici, über die Sprache und Weisheit der Indier, 
von Fr. ©. Die Zufäge a Schlegel's Vergleihung des 
Indiſchen mit dem Deutſchen, in welchen Hr. Frank das 
erſiſche in ſeine Rechte einſetzt, ſind des Dankes werth; 
brigens kaͤmpft er in dieſem Capitel fuͤr das Alterthum des 
Neuperſiſchen in feiner jetzigen Geſtalt nicht gluͤckticher, als im 
—8 obwohl auch die Phaoſophie ſelbſt als Bundesgenoſſin 
auftritt. 
Der beſte Theil des Buchs iſt die vierte Commentatio, 
in welcher der Verfaſſer die Verwandtſchaft der Perſiſchen 
und Deutſchen Sprache genauer, als bisher geſchehen, bes 
weist. Nicht nur iſt eine fo große Anzahl von gemeinichafts 
lichen Wörtern der Perfiihen und Germanifchen Sprache noch 
von niemanden aufgeftellt worden, und der Verf. verfpricht 
noch Pünftig eine doppelt fo große Zahl zu liefern, fondern 
auch die Formen und die Structur iſt viel forgfältiger und 
fcharffinniger als bieher verglihen. Zwar laſſen ſich gegen 
manche verglichene Wörter Einwendungen machen, welche unfere 
Bemerkungen in der Einleitung zu diefer Beurtheilung beftäris 
gen. . Denn Acker ift doch wohl zunaͤchſt aus dem Lateiniſchen 
ager entftanden,, wenn aud zwifchen diefem und dem Perfiihen 
far eine Verwandtfchaft angenommen werden mag. Die Abs 
leitung von Baier aus. dem Perfühen pajah mathig, mag 
wohl nur in Oppofltion von Mannerts Bojoarien gemacht 


fepn. Das Wort sv AsL5 ©. 196 iſt Arabiih, ebenſo 
S | DIE: | B) ©2435, > S ©. 247. Die Ableitung von 


Bordell aus dem Perſiſchen perdah würde der Verf. beſſer 
begründet haben, wenn er die Artikel borda und bordellum, 
welches von dem erfiern (einerley mis Borte) das Diminitiv 


Geßner Der Chriſt in der Banerbite.‘ Ar 


RK, in Dufresnes oder Adelungs Gloſſar verglichen 
haͤte. Brazze (©. 204) ift gewiß zunaͤchſt von dem Latets 
nifden bracchium, nicht vom Perfiiden Bazu abzuleiten, 
u. . w. Auch die Idee, welche feinen Beſtrebungen zum 
Grunde liege, den edeln und alten Urſprung des Germaniſchen 
Volks aufzuklären, und dadurch Die Achtung vor dem Germa— 
nifhen wiederberzuftellen, welche die Hellenomanie bisher unters 
druͤckt, wollen wir aufrichtig (oben ; aber wir befennen, daß 
dennoch die wunderlihen Worte, welcher bey Diefer Gelegenheit 
(8. 286) vorkommen, wo ber Verf. diefen Nugen des Pers 
fihen Studiums der Nahlommen willen preißt, uns übers 
tfhten: „Hoc certe modo idea confoederationia 
Germanicae unione roboratur interna.“ Ein Ten- 
tamen etymologiae Persich- Germanicae, welches eine fehe 
Iharffinnıge Eromologie des Namens German auffielle, bes 
ſchließt dieſes Werl. Was die Latinitär betriffe, fo laͤßt ſich 
deren Charakter aus den, in diefer Anzeige ausgehobenen Stels 
kn, welche nicht zu den: fchledhtern gehören, Hinlanglich beur⸗ 
theilen; wozu aber ſchrieb der Verf. mit lateiniſchen Woͤrtern? 
Moͤge ſein Evangelium vors erſte ſich nur noch auf die Voͤlker 
Deutſcher Zunge beſchraͤnken! Hr. Frank wird wohlthun, 
wenn er ſich beſtrebt, in der Klarheit der Gedanken und in der 
Schoͤnheit des Ausdrucks ſeinen Gegner, wenn auch nicht 
iu übertreffen, doc ihm nachzukommen. 





Der Ehrift in der Bauerhütte. Ein Büchlein für das Liebe Landvolk 
und ſonſt alle ehriſtlich denkende Keute, von Georg Geßner. 
Zweyte, verbefierte und vermehrte Auflage. Winterthur, in dee 
Steinerfhen Buchhandlung. 1810. 92 &. 8. (30 fr.) 


Seorg Geßner mag den Ton getroffen haben, der ben 
Lkandleuten, beſonders dem alten treubergigen Molke, wie es im 
der Schweiz nod zu finden ift, gefällt. Seine Abficht geht 
hauptſaͤchlich dahin, anf das religiöfe Sefühl der Landbewohner 
zu wirfen , und an die gemeinen. Begriffe beffere Borftelluugens 
und Sefinnungen anzufnüpfen, als. man gewöhnlich ben dem 
andleuten findet. Das gelinge ihm. Er Hält fihb an die 
Bitte und Lebensweiie guter, vechtichaffener unsafrommer Dorfs 
leute. Ein braves Eiternpaar und ein vernünftiger Pfarrherr 
werden redend und handelnd aufgeführt, und den Stoff zur 
Rede nehmen file von den merkwuͤrdigſten Vorfällen, die auf 
dem Lande fich ereianen koͤnnen. — Fefttage, Naturverändes 
tungen, Geſundheitszuſtand, Lebenss und Sterbensfälle. Alle 
dieſe Vorfälle werden fo benußt, wie der gemeine Mann es 


48 Bertuch Bemerk. a. e. Reiſe a. Thüringen m. Wien. 


wünfhen muß, daß ein verfländiger und frommer Mann mit 
ihm Darüber ſprechen möge. Das gibt mande guse Lehre, 
mande Aufklaͤrung dunkler Begriffe und Gefühle, manche Aufs 
munterung zum Fleiß, zur flillen Ordnung und Zufriedenheit. 
Weiter geht es nun aber auch nit, und fo wie der Geſchmack 
em Alten dur die jüngere Zeit immer mehr verdrängt wird, 
fo wird auch diefe Schrift in der Schweiz fo wie an andern 
Drten, nad Verlauf von wenigen jahren in die Behälter ab⸗ 
genuster Sachen geworfen werden. 


vo . ante em PEN aan - 





Bemerkungen auf einer Reife aus Thüringen nach Wien im Winter 
1805 bis 1806, von Carl Bertuch. Zweyter Heft. Weimar 
1310, (1 Rthlr.) 


Känftler und Kunſtfreunde werben wuͤnſchen, diefen Heft, 
: am der fhäßbaren Nachrichten willen, von dermaligen Stande 
der Kunft in einer Stadt, die hierin dem größten Vollgenuß 
gewann befonders befigen und gebrauchen zu fünnen Das 

inmafige Durchlefen gibt ihnen zwar eime Weberficht Aber die 
vielen mannigfaltigen, zum Theil ganz vortrefflihen KRunftans 
ftatten, Schulen ſowohl als Mufeen und Sammlungen , fo wie 
von-dem dazu gehörigen Perfonal, woräber weder Menfel, noch 
Huber befriedigende Auskunft geben; allein mer mit der Kunfl 
felö vertraue werden will, dee muß das Verzeichniß der 
Maler, Bildhauer, Architekten, Decorateurs, Kupferfieher, 
Moſaikarbeiter und ihrer vorzüglichen Lieferungen, die hier mit 
einigen biographiſchen Notizen verfehen ausgeftellt worden find, 
öfters nachgefchlagen, und die weitern Zortichritte der Kunft in 
Wien mit; dem, was bisher ſchon geleiſtet worden ift, vers 
. gleichen koͤnnen. 

Nicht minder Intereffant werden dem Naturforſcher die 
Nachrichten von Schönbrunn und dem an ios 
rifhen Kabinett feyn, weiches am Joſephsplatze in dem, an 
die Hofbibliothek ſtoßenden Seitenflägel in drey Etagen aufges 
ftells it. Daß alle diefe Anftalten durch die leuten kriegeriſchen 
Auftritte weniger als ähnliche Anftatten an andern Orten ges 
litten haben, tft ein Gluͤck für die Kaiferfiadt, die duch ihr 
unermüderes Wiſtreben für alles, was Kunft und Wiſſenſch aft 
befriedigen kann, von ihrer Innern oft verfannten Geiſteskraft 
die unzweydeutigſten Beweiſe liefert. | 


— Ç enenn 


No. 4. Heidelbergiſche 1811. 
Jahrbuͤcher der Literatur. 


——————————x—x—xx—x—x—xxxxXxXRXREIEEEE u 





Dun N nn < 


Sul Ernie — Memorie anatomico “ chirargiche di Antonio 

Scarpa'‘, Chirurgo consulente di sua maesta imperiale 

e reale, Cavaliere del real ordine della corona di Ferro 

et della legione d’Onore. Membro de P’Instituto nazio - 

nale Italiano et Professore di Clinica chirurgica nella 

R. Universita di Pavia. Fascicolo I, et II. Milano dalla 

reale Stamperia, 1809, ‘fol. max. 

N, ſchaͤtzbare Verf. diefes Werkes, ein Dann von eben fo 
umfaffenden Kenntniſſen in ‚der Zergliederungstunft und Phys ' 
fiologie als in der Heilkunde und Chirurgie, überliefert dem 
äntlihen Publicum hier ein Werk, welches als. das erfte bie 
hierher im dem Bade der pathologiichen Anatomie genanne 
erden muß, indem es felöft die, bisher als Meifterwerke ans 
geſtaunten Zeichnungen eines Baillie, Cooper und Camper weit 
hinter ſich zuruͤcklaͤßt. 

Was den vorzuͤglichen Werth diefes Werkes ausmacht, 
find die richtigen Beichreibungen und Darfielungen ‚ser krank⸗ 
haften Veränderungen und Metamorphofen, welche in den, mit 
drücken behafteten Theilen vor fi gehen. Der Verf. beſchraͤnkt 
ſich bloß auf die wichtigften diefer organiihen Krankheiten, jene 
nmlih, weiche am Unterleibe flatt Haben, und zwar unter dies 
fen handelt er Befonders von den Leiftens, Schenkel, und Darm⸗ 
bruͤchen, dann von den angebornen Bruͤchen. &elbft das fonft 
gewiß nicht kleine Hofpital in Pavia, fagt der Verf., habe 
dm noch nicht Gelegenheit genug verfchafft, auch die feltneren 
Brühe am Mittelfleiſch, durchs ovale Loch, oder ruͤckwaͤrt 
duch die tichiadtichen Spalten gu bemerfen. Mit Necht ſagt 
er in der Vorrede: nichts fey dem Chirurgus, befonders 
dem operirenden, wichtiger, als die genaue Kenntniß des Organs, 
auf welchem er operirt; allein felten ſey eine bloße anasomifche 

Tg 


2 


so "Scarpa’ Sull’ ernie. 


Kenntniß des gefunden Baues des Drgans hinreichend; man 
rußffe auch die Form des, dutch die Krankheit ſelbſt mißgeflalteten 
Organs kennen, welche oft von der natürlichen Geſtalt Himmels 
weit verfchieden ſey. Wer follte ſich einfallen lafien, daß der 
Grimmdarm fammt der Urinblafe ohne Zerreißung eines Theile 
bis an den Hodenſack herabſinken könnte, daß der rechte Srimms 
darm durch den linken Bauchring, und der linke durch den 
rechten Bauchring austreten könne, dab In einem Nabelbruch 
Zugleich Leder, Milz und die Eyerſtoͤcke ſammt dem Nee und 
dem Dünndarm enthalten feyen? 

Die fchlechten Kenntniffe, nicht der Häute, der Därme 
und bes Teftitels, fondern der; pathologifchen Werwandlungen 
dieſer Häute war die Urfache, weswegen die Art, die Brüche 
zu behandeln, bey den alten Wundaͤrzten fo verworren und 
zum Theil fo grauſam Audfiel, daß man an Bruͤchen, bie im 
Augenblick nicht gefährlih waren, mit metallenen Fäden nähte, 
brannte, caftrirte, daß man jene umkommen ließ, welche an 
einem 'eingeflemmten Bruce Htten. Heut zu Tage iſt diefer 
Theil der Chirurgie durch die häufigen Beobachtungen an Leichs 
namen fo fehr aufgehelle, daß man als allgemeine Negel fefts 
ſetzt, jeden Bruch durch ein zweckmaͤßiges Band zurüdguhalten, 
und die Operation nur für jene auferordentlichen Faͤlle aufhebt, 
wo die, daurch einen unglüdlichen Zufall bewirkte Einklemmung 
das Zuräcddringen des Bruches auf andere Weile unmöglich 
macht. 

Bey allem diefem aber, fährt der Verf. fort, daß wir in 
der Hauptſache befehrt genug find, find doch noch viele Feine 
‚ Mmflände, z. ©. bey den Leiftenbrüchen, nicht gehörig erörtert, 
und von diefer Dunkelheit bangen oft wichtige Refultate der 
Behandlung ab. Die berähmteften Autoren über Brüdye übers 
gehen mir Stillſchweigen die] verſchiedenen Schichten, unter 
weichen die Eingeweide am Leiten, oder Im Hodenſacke liegen, 
wo der Samenflrang ſich Befinde und jedesmal fih befinden 
muſſe, wie die arteria epigastrica, und an weicher Seite des 
Bruchſackes fie jedesmal laufe 


Scarpa Sul! ernie. Si 


Diefe Umftände haben den berühmten Zergliederer in neuen 
Unlerſuchungen angetrieben, und da er nun zu gleicher Zeit 
wohl eingeſehen, daß es uns völlig an einer richtigen Darſtel⸗ 
lung der Bräche und ihrer Complicationen fehle, fo habe er 
die Zeichens und Kupferfteiherfunft, welde in anfern Tagen 
das Feld der Naturgeſchichte, beſonders der Botanik und Zoo⸗ 
logie fo [ehr erletuchte, in Anfpruch genommen, andy den patho 
logiſchen Theil der Veränderungen unſers Körpers zu verzieren, 
davon diefer ErkeMiniß fo oft das Beben des Menſchen abhängt: 

Die Tafeln follen alle mie dem einfachen Bruche beginnend, 
bie merfwärdigfien Complicationen darſtellen. Der Berf. ſagt 
ganz wahr, jeder. junge Wundarzt follte diefe voraus kennen, 
dan zu fpät iſt es, wen er es während der Operation erlers 
nen fl. Was kann er auch da, feldft went ein erfahrener 
aͤterer Wundarzt ihm aſſiſtirt, in dem Blute und zwiſchen den 
Fingern deutlich ſehen? 

Sehr neu und wunderbar kam es dem Rec. vor, die 
Rußerung zu hoͤren, daß Schenkelbruͤche am weiblichen Ge 
ſhlechte weit weniger gefaͤhrlich ſeyen, als an dem maͤnnlichen, 
und das nicht wegen irgend einer Gefahr der Verletzung der 
arteria epigastrica, ſondern wegen der arteria spermatica, 
wilde ih vom Bruchfac nicht leicht trennen läßt. Der Verf. 
bat darüber eine fehr Inftructive Zeithnung gegeben. 

eher den Nabelbruch, feinen Unterſchied von jenem der 
weißen Linie, ferner Über den angebornen und nachher entftans 
denen Nabelbruch wird der Verf. fehr Lehrreiche Abhandlungen 
lieſern. 

Dann hat der Verf. in Leichnamen, welche nad Zuruͤck⸗ 
laſang eines kuͤnſtlichen Afters, vder auch einer Kothfiſtel 
tatirt worden waren ohne Zuthun des Wundarztes, die Art 
m Weife diefer wunderbaren Erſcheinung bemerkt, nach wel 
hr oft, nach vorhergegangenem Brand, große Stuͤrke des 
Darmcandis eingebüßt wurden, bas ganze fi auf eine Tells 
ſame Art Hey Erhaltung des Individuums jur Korhfiftel um⸗ 
bildete. 








53 Scarpa Sull’ ‚erhie. 


Zuletzt hat det Verf. über dad Bruchband alles vorgetras 
sen, was anatomifche und mechanifche Kenntniffe zur Verbeſſe⸗ 
tung beffelden vereint beptragen konnten. 

Die erfie Abhandlung (Mermoria prima) handelt vom 
Leiſten/ und Hodenſackbruch. 

Der Verf. wiederholt hier die Klage, daß wir uͤber die 
Veraͤnderungen, welche die organiſchen Theile, die mit in einen 
Bruch hineingezogen werden, erleiden, noch keinen genauen Begriff 
und feine richtigen Zeichnungen beſitzen. Selig die von Camper 

"find fehr fehlerhaft, und es fehlen beſonders die wichtigen 
Complicationen, an welchen dem jungen Wundarite alles gelegen 
ſeyn muß. 

| Eben fo unvollftändig find auch die Veſchteibungen der 
Bruͤche. Richter in ſeinem Capitel, das er ſelbſt uͤberſchreibt: 
genaue Beſchreibung des Leiſtenbruchs, ſagt: „der Bruchſack 
ſteigt, ſo wie der Leiſtenbruch an Umfang zunimmt, in den 
Hodenſack und in das Zellengewebe des Samenſtrangs, welches 
wir defien Scheidenhaue nennen. Die ganze Geſchwulſt, die 
wir den Bruch heißen, wird gebildet von dee Haut des Scros 
tums, von Zellgeweben und dem Bruchſack. Der Samenflrang 
und Hoden liegen allegeit außerhalb dem Sack; jener hinter dem 
Sack, diefer am hintern und untern Theil deſſelben.“ Richter mei⸗ 
det nicht, daß der Bruchſack auc) in dem musculus cremaster und 
in dem, von ihm gebildeten fehnigten Gewebe liege, weiches ein 
ſehr merkwuͤrdiger Umſtand if. So findet man bey Richtern 
‚Leine Erläuterungen, ob der Bruchſack allein, oder mit Zellge⸗ 
webe ſchon beBleidet vordringe;, dann ob nur das, vor dem 
Baudring liegende Peritoneum den Bruchſack ausmache, oder 
and) noch die nebenliegenden Theile des Bauchfells ausgedehnt 
mit zum Bruchſack "hervortreten, ob bie Eingeweide allegeit 
fhief in den Bruchſack fi, ſenken, oder mannichmal auch grade 
in. denfelben nach der Richtung der Are des kleinen Beckens 
eindringen? Ob bey alten und großen Brüden ſich wirklich im 
Bruchſack die Schichten vermehren, oder ob die Verdickung des 

Bruchſackes von dem Dichterwerden des Bauchfells, oder von 


Scarpa $ull’ ernie, 63 
einer andern Urſache Herräßre, db der Samenftrang allegeit 
dinter dem Bruchſack liege, ob derſelbe nicht auch zumellen 
an der äußeren ober inneren Seite, ja ſelbſt auf der vorderen 
Fläche des Bruchſacks vorkomme, von allem dieſen ſpricht Richter 
nichts, auch micht alle Biejenigen , die nach ihm fchrieben. 

Der Verf. gibs num in den folgenden Paragraphen diefer 
Abhandlung eine ſehr genaue Wefchreibung der Beſchaffenheit 
der äußeren Theile des Bauchs, vorzüglich dex Bauchringes, 
des Entfiehend des musculi cremasteris, des Einwickelns bes 
Samenſtrangs in diefen u. f. w. Das merfwärdigfie und 
anffallendſte waren dem See. bie, von dem Verf. angegebenen 
Sertfäge dee fascia latn, weiche fi fowohl an das vorgelegte 
Band, als auch ran dem untern Schenkel des Bauchringes ans . 
kst, und allem Eindringen nach innen widerſteht. Sehr wahr 
betrachtet der Verf. den Bauchring nicht mehr, als eine fimpfe 
Deffnung , welche durch die Sehnen des Außern fchiefen Bauch⸗ 
mustels gebt, fondern er iſt aentlich ein drey Zoll langer, 
von-den Seiten gegen die Mitte der Schambeine gerichteter 
Eanal, der ruͤckwaͤrts an den Lenden unter dem Muskelfleiſch 
des transversi abdominis beginnt, dann Einen Zeil vorwärts 
luft bis zu den unterm Muskelfaſern des inneren fchiefen 
Bauchmuckels, wovon bie davon abgefchiedenen Fafern den durch⸗ 
gehenden Samenſtrang als muscul. cremaster folgen, und dann 
ht nah vorn nnd unten nich Ein Zoll weiter endlich diefer 
Canal bis gur äußern Deffuung am äußern ſchiefen Bauch⸗ 
mudtel durch. Es iſt alſo gerade ruͤckwärts die Sehne des 
transversi und obliqui externi, vorwärts. die aͤußere Aponen⸗ 
vie des Bauchs, die den durchgehenden Samonſtrang an den 
Reiten‘ bedecken. 

Der Verf. gibt nun eine fehr ſchoͤne Beſchreibung dee 
Deritoneums. „ES ſcheint, fagt er, ale ſey diefe Haut blut⸗ 
ter und leblos, allein, wie wir durch wohlgerathene Fünftliche 
Einſpritzungen wiſſen, fe iſt biefe Haut ein feines Gewebe der 
zahlreichſten Arterien, Nerven und Inmphatifchen Gefäße; He 
befkt daher de Defandere Eigenfhaft, daß fie ſich auf einem 


& .Bcoarpa Sullꝰ ernie, 


angebrachten Mei leicht entzuͤndet, daß biefelße "eine Menge 
plaſtiſchen Schleimes durchſchwitzen läßt, welcher, wo er 
hinkommt, die Theile, die mit dem Peritoneum überzogen find, 
mit fih verbindet, und zuſammenleimt. Diefer wunderbaren 
Eigenſchaft des Bauchfelle Hat man es zu verdanfen, daß 
bey Stihen duch den Bauch, bey Schußwunden mit us 
gein, ja bey hramdigen Bruͤchen, wo ganze große Stücke 
‚ bes Darımsanals zerfiört werden, dennoch nicht Tod, fondern 
Wieberherfiellung erfolge, welches in jeden andern Nicht fo 
. grganifisten Theile nicht wohl flats finden könnte. Im gefuns 
den Zuftande erhält daher auch der Bauchfellſack einen großen 
. Grad von Elaſticitaͤt, wodurch die, in demfelben enthaltenen 
Eingemeide mehr nach als durch die Mustelihichten der Außes- 
ven Bauchdecken eingefhränft werden. Diefes Peritoneum ift 
nicht Aberali gleih Hark, am flärkften ifl es an den enden, 
und oberhalb dem Nabel, wo es durch die Innere Scheide, an 
‚ welcher. der musculus rectug abdominis liegt, und weiche von 
‚ber Verwebung der fehnigten Faden des inneren fhiefen und 
queren Bauchmuskels entſteht, verſtaͤrkt wird; unterhalb dem 
Nabel fehle dieſe Scheide, und der gerade Bauchmuskel liegt 
‚unmittelbar auf dem Peritoneum. — Am wenigſten wird. aber 
von äußern Muskelfleiſch das Bauchfell bedeckt unter dem Trans- 
vers, und oblig, internus abdominis am Bauchringe. 

Dans fpriht der, Verf. von der außerordentlichen us; 
dehnbarkeit dieſes Bauchfells, und führt als Bepfpiel den De- 
scensus testiculi in foetu an, mo das Zellgewehe bes. Peris 
toneums von der Lendengegend herab bis in den Hodenſack ſich 
- siehe, um bie Scheidenhaut des Hodens zu bilden. Rec. ges 
ſteht Hier zum erftenmal, daß er mit dem Verf. anderer Mei⸗ 
nung if. Es gibt nach ihm eine Verlängerung der Peritoneal⸗ 
Fortſaͤtze, welche von der Lehensenergie und der Producsion 
des Gefaͤßſyſtems abhängt, dahin gehören die omenta mesan- 
teria, fun, apermaticus etc. Eine andere if die, welche von 
Erihlaffung, Erweiterung der Zeilen des Peritonenms abhängt, 
Diefe fiehe man bey Bruchvorfaͤlen ir Mer Bat baräben, ein 


Ä Scarpa Sull’ emie Rs 


kleines Programm gefchrießen, de sacci peritonei proces- 
sibus eorundemque anamorphosi. Heidelberg. 18080. Sins 
deſſen geſteht der Verfaſſer felbft, daß bloß durch Verlaͤn⸗ 
gerung der Maſchen dieſer Membrane dieſelbe vom Huͤftbein 
bis ans Secrotum mit den, in ihm enthaltenen Eingeweiden 
hetabſinke, ohne Zerreißung zu erleiden. — Weitläuftig be⸗ 
(hreist der Verf. dann das Zeigemebe, welches die vasa sper- 
matica begleites, befonders bie häufigen und geoßen Zellen des 
Samenſtrangs (diefe find aber aus der, im loſen Zellgewebe 
aufgelösten Peritoneathaus des Samenſtrangs entſtanden, und 
beißen daher no Tun, vaginalis funiculi spermatici ), 
die in die Scheide der, vom cremaster herfommenden aponens 
rotiſchen Haut aufgenommen worden find. 

Zulegt redet der Verf. von dem Verlauf der arteria epir 
gastrica.. An der äußern Seite des Bauchrings läuft fie anfı 
waͤrts, und vorzüglich merkwuͤrdig iſt der Zweig, den fie unter . 
der Bedeckung bes cremasier an den Samenſtrang gibt, und 
der in feinem Zweige mit der arteria spermatica anaftomaflet. 

Der Verf. geht von dieſer Befchreibung der. Theile des 
Bauches im natürlichen Zuftande nun zu den krankhaften Abs 
Änderungen Derfefben über, 6. XIV. Die erfien Wundaͤrzte 
nnferer Zeit glauben mit Warton, Benevoli, Brendel, Mow 
gagni, Wwil’riete vorzuͤglichſte Urſache der Brüche in einem vers 
längerten Gekroͤſe zu fuchen ſey, weiches fi herabſenke, gegen 
die Bauchringe falle, diefe ermeitere, und fo. nah außen eine 
Geſchwulſt vortreibe. Diefes iſt aber nach des Verf richtiger . 
Memung wohl ein Effect der brucherzeugenden ueſece keines⸗ 
wegs aber diefe ſelbſt. 

Der Berf. ſucht nun zu beweiſen, daß ein gewigte Gleich⸗ 
gewicht der Kraͤfte der, in dem Bauchfellſack enthaltenen Eins 
geweide und der dußeren Wand des Bauches dazu gehöre, um 
ſeden Bruch gu verhäten, weicher augenblicklich entftshen muͤſſe, 
ſo bald jenes Gleichgewicht der Kräfte verloren gehe. 

(Rec. kann Hier nicht des Verf. Meinung grade zu unters . 
ſhreiben, denn nit bie Eingemeide des Unterleiba reagiren 


8 Scvarpa Sull’ ernis. 


gegen die Bauchwand, ſondern die, im Antagoniemus wirken: 
den Muskeln des Eins und Ausathmungsgeſchaͤftes: wenn 
nämlih im erfien Moment der Einathmung die Bauchwand 
hervorgedruͤckt wird durch das ſich ſenkende Zwergfell, fo wird 
im zweyten Dioment die Bauchwand angepreft, und bas 
Zwergfell in die Bruſthoͤhle hineingedruͤckt. Die. zwey einander 
entgegenftehenden Kräfte find alfo nicht die Eingeweide und bie 
Bauchmuskeln. Die wahre Urfache der Bruͤche liegt aber nicht 
in einem Mißverhaͤltniß dieſer Muskelkraͤfte, fondern an einer 
Schwäche der Verbauungsorgane, weiche fih dem Peritoneum 


- and allen feinen Fortfägen mittheilt, welche burch den beftäns 


digen Drud an denjenigen Stellen des Bauch, welche am 
wenigften mit Muskel⸗ und Sehnenfafern. beiegt ſind, alsdann 
am erſten hervorkommen.) 

Bas nun das Entſtehen ber Leiſtenbruͤche insbeſondere 
angeht, fo bemerkt der Verf. ganz richtig, daß. diefelben nach 
außen drey Zoll vom Baucheing eine lange Geſchwulſt Bilden, 
da nämlih, wo unter dem fleiichigen Rand bes. Quermuskels 
des Bauches der Darm das, nur mit ſchwachen Sehnenfaſern 
bedeckte Peritoneum hervortreibt bis zur aͤnßern Oeffnung des 
Bauchrings, welche Geſchwuiſt laͤnglich chlinderformig iſt, und 


beym Schneuzen, Huſten u. ſ. mw. ſich erhebt. » 


Grade unter dem Fleiſchrand des queren Bahanskels iſt 
es auch, wo der Samenſtrang ſich mit dem Bruchſack verbin⸗ 
det, weiche Verbindung bis. in den Boden des Hodenſacks 
bleibt, indem die Zellen der äußeren Wand des Bruchſacks ſich 
verlängern bis dahin, mo bie Samengefäße in dem Teftikel 
eintreten. Der Samenftrang liegt daher meiftens auch an ber 


inneren und hinteren Seite des Bruchfads, einige Fälle auss 


genommen. Ä 

Die Mustelfafern des Cremaſters erleiben bey großen 
und alten Brüchen eine große Veränderung , fie werden wohl 
noch fehsmal fo dick als im natürlichen Zufland , ‚Härtlich und 
von geldlicher Farbe, fie hängen feſt an dem Halſe dee Bruch⸗ 
ſackes, manchmal noch an den Seiten des. Bauchtings, ober 


Scarpa Sull’ ernie. 


der Schenkelbanbdesſehne, die ich gegen die Leiken, umd von- 
da ans Scrotum ſchlaͤgt. Die ‚älteren Chirurgen’, Sharp, 
Monro der äftere, Guͤnz mußten wohl, daß fowohl die Hoden 
als der. Bruchſack in einem andern fleifchigen Sad aufgenom’ 
men fegen, weiche won dem Eremaſter gebildet werde; allein die 
neueren, Richter, Walter u. ſ. w. vergaßen dieſes ganz; letzte⸗ 
rer meint ſogar, daß die ſehnigen Fäden, welche über den 
Bruchſack liefen, vom äußeren fchiefen Bauchmuskel herkaͤmen. 

Die fehnigen Querfäden des Bauchrings find bey Kleinen 
Leiſtenbr uͤchen dünn und aus einander gejogen, bey größeren 
Druͤchen ſchieben fi diefelben übereinander, und werden dichter 
und härter, Dadurch wird der fihiefe Canal, der vom Darm⸗ 
bein gegen dad Schambein geht, kürzer, und immer kürzer, je 
siößer der Bruch wird, fo daß diefer Canal in Hodenſackbruͤchen 
von großem Timfang emdlicd, ganz verſchwindet, und nun der, 
Bruch in gerader Nihtung vom Kreuzbein gegen das Scham⸗ 
bein herunter zu kommen ſcheint. 

Der Berf. widerfprict der gemeinen Meinung, daß bey 
alten Bruͤchen ber Bruchſack Bart, dick und ſchwielig werde. 
Dieſes, ſagt er, fey wohlsder Fall von den andern Decken bes 
Bruchs, beſonders den Fafern des Cremaſters, auch verdicke 
fd das Zellgewebe zwiſchen diefem und dem Bruchſacke, aber 
die Haut a peritoneo bleibe dann fell und halb durchſichtig 
wie das Peritoneum. Mur in dem Galle werde eine innere 
Shcwiele beobachtet, wenn andere Thelle z. ©. das Netz mie 
dem Bruchſack, zuſammenwachſen. 

Der Verf. behauptet gegen Louis und andre die PP 
bekannte Thatſache, ug der Bruch fammt dem Bruchſack for 
wohl duch Die Matur als durch die Kunſt zuraͤckzubringen fep, 
05 er gleich das Zuruͤckbeingen des Bruchſacks bey friſch ent⸗ 
Randenen Bruüchen nicht anräth. Anfangs, bemerkt der Verf., 
behalte bey Meinen Bruͤchen der Samenſtrang und das, dem 
ſelben einwickelnde Zellgewebe feine natürliche Beſchaffenheit 
ind Lage Hinser dem Bruchſack, wenn aber der Bruch groß und 
breit wird, fe wird das, den Samenſtrang einwideinde Zell⸗ 


ss $carpa SulP ernie. 


gewebe auseinander gezogen, und ſo auch die SGefiße, welche 
in dieſem Zellgewebe aufgenommen find. Dieſe nehmen oft die 
ganze hintere Wand ein, die arteria 'spermatica (legt gewöähres 
ih dem Ductus deferens an der innern Seite, die Venen 
an der äußern Seite. Dft laufen die Gefäße fogar gegen Die 
vordere Seite hervor , befonders nach unten, wo der Bruchſack 


ſich giekhfam in einen Kranz von Gefäßen hineinfekt, welches 


bey der Dperation das gänzliche Ansfchneiden bes Sruhfads 
hindert. 

Merkwuͤrdig für den operirenden Wundarzt il, was der 
Verf. $. XXV über die Weränderungen des Laufe der arteria 
epigastrica in Bruchen ſagt. — Im natärlihen Zuftende 


läuft dieſe Arterle ungefähr zehn Linien vom außern Rande 


des Bauchringes nah oben; aber, was wohl zu merken, der 


Samenſtrang läuft über fie weg. Da nun der Bruchſack in der 


Scheide des Eremafters enthalten, fo muß er auch Darüber wegs 
laufen, und alfo notwendig die Arterie an die innere Seite des 


Bruchringes hineindruͤcken; fo verhält fih die Sache in den 


allermeiften Fällen. Es gibt indeffen einen gewiffen Falk, 
welhen Bruch der Verf. lieber hernia ventrali inguinalis 
Rennen möchte, wo die Geſchwulſt feläft die ſchwache Sehne 
"des Transversus hinter den Annulus worfchiebt, und Daher der 
Bruch in gerader , mit der conjugata des obern Beckens paral⸗ 
leler Direstion hervorgeht, wo dann nothwendig die arteria 
epigastrica.. an der innern Seite des Bauchringes verbleiben 
muß. Unferm fleißigen und- gefchicften D. Heſſelbach laͤßt der 
Verf. Gerechtigkeit wiederfahren, Indem er feine Eintheilung 
lobt; nur meint er, man koͤnne beul großen und alten Brächen 
nicht mehr den äußern Bruch von dem inneren unterfcheiden, 
alfo auch nicht mehr den Lauf der Arteria epigastsica errathen. 
Nachdem der Verf. nun diefe- Veränderungen auch auf die ans 
gebornen Brüche angewendet‘, fpricht er auch von den Doppek 
bruͤchen, auf der. nämlihen Seite. Ob er nun gleich nicht 
Jeugnet, daß es möglich iſt, daß neben einem Bruche durch den 
orweiterten Leiſtencanal auch ein anderer, wie Petit und Jouitlle 


Scarpa Sull’ ernie. 39 


. ‘ 
bemerkt Haben wollen, durch die auseinander gedehnten Pibern 
der Bauchringaponenrofe durchgehen könne, fo meint er doch, 
daß die meiften Doppelbrähe aus einem angebornen Bruce 
und eine Leiſtenbruche beſtehen, der neben dem vorigen, in 
einem eigenen Sacke des Peritoneums aber, durd den inwens 
digen Canal hervordringt. Die Veränderungen, welche bey 
einem Bruche die Eingeweide erleiden, gibt der Verf. folgens 
bermaßen ans fält ein dünner Darm in den Bruch, fo biegt 
er ſich gewohnlich wie die Ziffer 8, fo daß man nicht weiß, 
weiches das vordere, und welches das hintere Stuͤck iſt. In der 
Bauchhoͤhle felbfk,ifk nichts veränhert, außer daß derjenige Theil 
des Gekroͤſes, an dem das oben genannte Stuͤck daran hängt, 
ſehr angezogen iſt, Hart, feft wird, feine Gefäße ſehr erweitert, und 
daß fih an Diefen Strich, andy bey dem magerfien Menſchen, viel 
Fett aniegt, welches der Verf. als die wahrfcheinliche Urſache 
der nachher erfolgenden Ginklemmung angibt, - Iſt auf dee 
rechten Seite das Ileum is den Bruch gezogen, fo folgt bald 
de Coscum mit feinem Appendix vermiformis nah, dadurch 
wird das Colon transversum an dem Magen aus feiner Lage 
gezogen. Das nämlihe finder nicht auf der Einen Seite flatt, 
weit der Flexus iliacus coli hier mehr nachgebe Monn. Faͤlft 
das Netz zu gleicher Zeit mit in den Bruch, fo bildet es ein 
Dreyeck im Bauch. Die Baſis am Colon und Magen, die 
Spige am Bauchringe u. f. w., Heine Netzbruͤche find. von 
der waſſer ſuͤchtigen Scheidehaus des Samenfirangs ſchwer zu 
unterfcheiden. 

Zulegt Handelt der Verf. noch von der Behandlung der 
keiſtenbruͤche. Bor einem Jahrhundert fehnitt man alle Brüche, 
auch diejenigen, welche nicht eingeklemmt waren, caflrirte die 
hesniofen und unterband den Bruchſack. Viele ftarben an diefer 
gefährlichen Operation, welche angeftellt murde, ohne daß irgend 
eine Gefahr für. das Leben de& mit einem Bruche Behafteten 
da war. Heut zu Tage iſt man menfchliher, man flellt die 
gefährliche Operation des Bruchſchnitts nur bey eingellemmten 
Brögen an, wo die dringende Lebensgefahr es heiſcht, Key 








| 60 D. Sroliman’s Handbuch über den Code Napoleon. 


jedem andern Bruce fucht man ben Kranken dur Bandagen 
zu unterflügen, denfelben vor den gefährlichen Folgen der Brüche 
dadurch zu fihern, ja oft völlig zu heilen. Der Verf. vers 
gleiht nun hier mit vieler Sachkenntniß, indem die Lehre 
des Hebeld auf die Bruchbaͤnder anwendet, Die gewöhnliche 
Haldzirkelförmige Bandage mit jener des Camper, welche bis 
auf die entgegengeſetzte KHüftbeinipige, wo der Wiuskel der 
Schenkelbinde herabkommt, verlängert iſt, und alſo im Umkreis 
1042 des Sanzen einnimmt. — Der Verf. beweist, bag zwar 
die erſtere Bandage demjenigen genägen könne, welcher nur 
mit einem ‚anfangenden Leiftendruche behaftet. fey; aber nicht 
bey größeren Bruͤchen, bey welchen, wenn aud dep feften 
Zuziehen des Riemens der Bruch Halte, diefes doch oft, und 

bey Netz⸗ oder Netzſchenkelbruͤchen gar nicht geſchehe. Freylich 
auch dann wuͤrde eine ſolche Bandage halten, wenn der Bruch⸗ 
kranke ſtill ſtehe, ſobald er aber den Schenkel hebt, weicht 
die auf dem Bauchring angelegte Pelotte nach außen, unb 
fo tritt der Bruch dennoch wieber hevvor. Diefer Fehler, fagt 
der Verf., iſt in der Camper'ſchen Bandage verbeffet; denn 
das Stuͤck der Feder, welches von der Lendens und Kreugbeins 
ſaͤnle fich en das entgegengefete Darmbein fartfeßt, hindert 
das Abweſchen von dem Bauchringe am Fräftigfien. Noch viel 
Schönes und richtiges fagt der Verf. Über die Conſtruction der 
Delotte, ihre Form, Anlage auf dem Schambein nach der 
ſchiefen Richtung der Außen Bauchwand, Dru nach außen 
beym entfichenden, nad oben beym alten Bruche.n. dgl. mehr. 

Die Sorsiegung folat. ) 








Yusführliches Handbuch über den Code Napoleon. Zum Gebrauch 

wiſſenſchaftlich gebildeter deutfcher Gefchäftsmänner entworfen 
von Dberappellationsgerichtsratb‘ Dr. Grolman. Erfier 
Band. Gießen und Darmfladt, bey Heyer. 1810. 


(Becchluß der in No. 3. abgebrochenen Kecenfion.) ) - 


Daß der Berf. in der Negel die befferen Anfichten zu den 
einigen gemacht hat, braucht kaum bemerft gu werden. Indeß 
werden nicht Alle bey jeder Gelegenheit durch die Brände Des 


- 


= 


D. Broftman’s Handbuch über den Code Napoleon. 61 


vorliegenden Werks uͤberzeugt fenn, und fo iſt es auch bey ung deu 
Gall geweſen. Es würde aber Unbeſcheidenheit verrachen, wenn 
wir hier, wo enge’ Srängen ein weitläuftiges Raiſonnement 
nmöglih machen, die Puncte ausheben wollten, bey denen 
fh viel für und wider fagen laͤßt, wie 5. ©. die Erdrterungen 
©. 265 — 275, 279, 285. Wir befchränten uns alfo bloß auf 
die Puncte, ben denen wir hoffen koͤnnen, durch eine kurze 
Erinnerung den Verf. zu Überzeugen, und dahin gehören ber 
ſonders folgende. ı) in Beziehung auf die Frage: melde 
Kıhte bürgerliche find, und was man daher Im Zweifel dem 
Fremden absprechen mäfle? antwortet Hr. G. fo: bie iura 
status länden ihnen nah Maßgabe ihrer vaterländifchen Ger 
feße zus was aber vom Sachens und- Obligationenrecht bärgers 
ih fen, wie Erbrecht und Schenkungen, darüber enthalte dag 
Franzoͤſiſche Hecht befondere Verfügungen. — Nimmt man die 
Franzoͤſiſche Praxis mir Hinzu, (denn dem Art. 3 wird faft 
Sewalt angetdan, wenn man Grundfäße über den status der 
fremden daraus abfeitet), fo geben wir im Ganzen die Rich— 
Hakeit diefer Anfihe zu. Aber. Doch hebt fie keineswegs alle 
Schwierigkeiten. Es kann nämlich Fremde ohne Vaterland 
geben, wie die, welche demfelben entfagten,, ober baffelbe nicht 
anzugeben wiffen. Auf welche Weife fol es nun da mit Rechten 
der Status gehalten werden? und wie weit geht.hier das nas 
türlihe Necht 3. B. in Betracht des status aetatis, und der 
väterlichen Gewalt? Dabey hätte auch der Verf. die fchwierige 
Frage loͤſen muͤſſen: wie die Rechte des Fremden aus feinen 
statutis personalibus gu behandeln find, wenn man in feinem 
Baterlande eben diefe Rechte dem Franzoſen nicht einräumt? — 
So können wir ferner in Beziehung auf diefe Erdrterungen 
die Behauptung des Verf. nicht billigen, daß die ganze Vers 
jaͤhrung, ſelbſt die erwerbende Verjährung des C. N., niche 
zu den bürgerlichen Spnftituten gehöre, weil fie nicht fo ſtreng 
ſey, wie die Mömifche usucapio, das Beſte ber Landwirthſchaft 
befördern folle, und die Geſetzgebung dabey durchaus nicht an 
einen Vorzug des Inlaͤnders gedacht habe. Der erfie Grund 
iR offenbar nicht entfcheidend, und aus dem zweyten Fünnte 
man eben fo gut herleiten, daß die ganze Erbfolge gleichfalls 
niht gu den bürgerlichen Inſtituten gehöre, weil nichts fo fehr 
Intereffe für Cultur des Eigenthums weckt, und Treue und 
Hauben befördert. Mit dem lebten Grunde verhält es fih 
aber gewiß fo: einmal, im Anfange der Discuffionen, ward 
jweifelnd berührt, was man von der Verjährung zu halten 
date? Es erfolgte aber fein Befhluß, und nachher fam die 
Sahe nicht. wieder in Frage. Die herrfchende Anfichr der 
Franzoſen iſt Hier gewiß ‚gegen die Ider des Verf., welcher 


— 





64 D. Grollman's Handbuch über den Eode Napoleon. 


‚ven Zurifien beſtehenden Staatsrathe unvermeidlich war.“ 
Allein was wird der Verf. antworten, wenn ihm die Fragen 
vorgelegte werden: warum faßte man benn das Geſetz nicht 
beſſer? Warum bat auch nicht ein einziger der jweiflifchen 
Stoatsraͤthe ein Wort fallen laſſen, um den fchwierigen Bes 
geiff gehörig zu beſtimmen, und die Irrthuͤmer des Nichts Sins 
riften zu widerlegen? Und warum findet fich felöft in Zreit 
Hards Rede keine Sylbe, wodurch man auf die richtige Anſicht 
geführt werden bunte? Noch auffallender ift es uns gewefen, 
daß der Verf. wahre Lüden des C. N. gänzlich leugnet, mit 
dem Zuſatz: „wie ließe fih auch eine ſolche Unvollſtaͤndigkeit in 
Anfehung ganzer, der Vernichtung nicht geweihter Lehren won 
einem Geſetzbuche erwarten, welches beſtimmt war, das" einzige 
Civilgeſetz Frankreichs su ſeyn, und weldes von den berähms 
teten Juriſten Frankreichs redigirt, von allen oberen Gerichts— 
höfen kritiſirt, und von den erfien Maͤnnern der Nation diss 
entire worden ifl“? Schon das lebte Argument muß Miß⸗ 
trauen erregen, wenn man erwägt, daß es mit der fpäteren 
Franzoͤſiſchen Jurisprudenz eben -nicht viel fagen wollte, am 
wenigften nach den Aberflandenen Stürmen einer langen furdhts 
Baren Revolution, und Daß die Dbfervatlonen der Tribunale 
oft ganz und gar nicht von kritiſchem Fleiß und gediegener 
Rechtskunde zeugen. Allein was werden die, deren Vorur— 
shellen der Verf. entgegen arbeiten wollte und mußte, nun gar 
denfen, wenn. fie ſehen, daß 3. B. neben der Definition zwey⸗ 
feltiger Verträge (Art. 1102) und neben dem Sag, daß man 
alles kaufen fann, was Segenftand des Handels ift (Art. 1598), 
eine ganze Reihe der wichtigften, unentbehrlichfien,, in Anſehung 
ihrer Srundfäge hoͤchſt fchwierigen Verträge gar nicht berührt 
ift, wie das Constitutum, der Trödelcontract, der Vorbehalt 
des Eigenthums, die addictio in diem u. f. mw. ? 

Wir Haben diefe Erinnerung um fo lieber gemacht, Da 
der Mame. des würdigen Berfaffers und der edle Ton, welcher 
durch dieſes ganze Werk herrſcht, jede Idee einer abfichtlichen 
Einfeitigkeie entferne, von unferer Seite aljo die Hoffnung 
fiatt finden kann, daß Hr. &. unfere Bemerkungen mir voller 
Unparteplichleit erwägen werde. 





nn] 


. Auf den 3. Bogen d. J. 1811 S. 48 iſt 2. 23 zu lefen: Dermaligem 
ſt. dermaligen, 3 4: den fl. dem, u 313 f nach se⸗ 
ſchlagen l.nachſchlagen. 


— 


⸗ 


No. 5. SHeidelbergiſche 1811. 
Jahr buͤcher deu Literatur. 


Hebräisch - Deutsches Handwörterbuch über die Schriften des 
Alten Testaments mit Einschlufs der geographischen . 
Nahbmen wnd der chakdäischen Wörter beym Daniel und 
Esra. Ausgearbeitet von D. Wilh, Gesenius, aufserord, 
Prof. der Theol, zu Halle. Erster Theil, X— 3. Leip» 
zig, 1810. ÄXXI u. 5098. gr. 6. (2 Rthir. 12 gr.) 


Na« nie ſah Rec. einem Werke mit fo geſpannter Erwar 
tung entgegen, und noch nie wurde ſeine Erwartung fo anger- 
nehm erfüllt, ja übertroffen,. ald es bey diefem Hebräifhen 
Lexikon der Fall war. Wir können der Hebräifchen Philologie 
und det deutſchen Literatur Überhaupt mit Aufrichrigfeit Gluͤc 
zu foldy einem Werke wünfchen, das von den Fortichritten dei 
bebrätfhen Studiums und dem noch nicht unterdräckten For⸗ 
ſchungsgeiſt in Deutſchland ein erfreuliches Zeugniß gibt. Die⸗ 
ſes Lexicon bezeichnet übrigens die Vollendung einer Revolution 
im Gebiet der hebraͤiſchen Philologie, welche ohne alles Geraͤuſch 
im Stillen begonnen und ſich entwickelt, aber nur um fo kraͤf⸗ 
tiger eine wohlthaͤtige Umwandlung der Grundſaͤtze des Ger 
ſchmacks und der Verfahrungeart bewirkt bat. Rec. meint die Ruͤck— 
kehr von der Schultens⸗Michaelis' ſchen Wortforſchungs⸗ 
und Interpretationsmethode. Indem wir die Grundſaͤtze, die 
der Verf. bey ſeiner Arbeit befolgt hat, und von denen er in 
der Vorrede Rechenſchaft abgelegt, prüfen, wollen wir und 
näher daräber erklären. Ä 
1) Bor allem war es dag erfie und vorzuͤglichſte Beftreben - 
des Verf. bey feiner lexikographiſchen Arbeit, den Sprachge— 
brauch des hebraͤiſchen Dialekts als ſolchen in feiner GSelbſtt 
Rändigeiit aufzuſaſſen, und in ein richtiges Verhaͤltniß gegen den 
Sprachgebrauch der verwandten ſemitiſchen Dialekte gu ſetzen, 
ein Beſtreben, weiches, fo einfach, neturlich und mit der Abſicht 


® 


L x 


66 Beſenins Hebräifch- Dentfches Handwoͤrterbuch. 


jeder Lexikographie coincidirend es if, dennoch nicht allen feinen 
Vorgängern zur Leitung Kdient zu haben ſchelnt. Daß die 
genauefte Kenntniß und Wergleihung der verwandten Dialekte 
eine der erften und unentbehrlichſten Bedingungen zur Erforfchung 
der hebraͤiſchen Wortbedentungen fey, verkennt unfer Verf. nicht. 
Dagegen want er mit Recht vor dem vagen und geſetzloſen 
Mißbrauche jener Vergleihung, der von Holland aus auch in 
mehreren Schulen Deutſchlands feinen Einfluß gezeigt hat, und 
ſuchte fi bey feiner Arbeit davon rein zu erhalten. Der Verf. 
verfpriche in der Vorrede des 2. Bandes ſich Über die Dialekts 


: yergleihung ausführlich zu erflären, worauf wir fehe begierig 


find; dort will er auch die Srundfäge, welche Ihn bey der Bu 
handlung und Deutung der feltenern hebräifhen Wörter, bey 
dem Gebrauch der Verſionen und hHebräifhen Ausleger und 
bey andern verwandten Wortforfhungen leiteten ,„ darlegen. 
Einſtweilen wollen wir die allgemeinen ſchaͤtzbaren Bemerfungen 
des Verf. hierüber beherzigen. „Schon aus dem Begriff einer 
einzelnen Mundart eines audgebreiteten Sprahflamms geht es 
hervor, daß eim jeder dieſer Diatefte feinen feftfiehenden, felbft 
fländigen Sprachgebrauh Haben muͤſſe, der, bey allee Der 
mwandefhaft mie dem der uͤbrigen Dialekte bald nur in der 
Form, bald in der Bedeutung, Bald in beyden, doch nur in 
Eingefnem, mit demfelben völlig coincidire. Der Lexikograph 
eines einzelnen Dialekts geräth auf Irrwege, fobald er will 
Führtih und ohne Beweis den Sprachgebrauch als einen Dias 
left den. andern aufdringt: den individuellen Sprachgebrauch ſei⸗ 
nes Dialekts zu erforſchen, und den verwandteh der Übrigen zu 
dergleichen, dieß liegt ihm einzig 06. Im Hebräiichen aber, 
wo der ganze uns erhaltene Sprachſchatz nur in einer Heinen 
Anzahl von Buͤchcen erhalten if, über die es vollfländige Con 
sordanzen gibt, iſt diefe Erforfhung (zumal bey häufig vor 
fommenden Wörtern) verhaͤltnißmaͤßig noch fehr erleichtert; ja 


- ber Umffand, daß man nach dem forgfältigen Gebrauche dieſer 


Dufsmittel gewiß feyn kann, jede Stelle, in der ung das Wort 
Arerhanpt erhalten iſt, zu kennen, gibt der Hebräifchen Lexikographie 


‘ 
—E 2 


Oeteniun Hebraͤiſch⸗Deutfches Handmoͤrterbuch. 67 


eine gewiſſe Volllommenheit, der Mich nicht leicht die einer ans 
dern Sprache rühmen kann.“ Diefer Berfahrungsart zufolge 
it laut der Verſicherung des Verf. ein jeder Artikel dieſes 
Voͤrterbuchs Das Reſultat deſſen, was eine zweymalige ſorge⸗ 
faͤltige Vergleichung aller in der Concordanz enthaltenen Stellen 
Über den Gebrauch eines Wortes ausſagte. Ter Verf. bat fi 
babey zuerſt der Concordanz des Marius Eatofius ‚bedient, die 
durch Die beugeichte (freulid zu Ührtiiche und daher oft finns 
lofe) lateiniſche Ueberſetzung und den großen Dtuck die Ueber 
fiht anfangs fehr erleichtert; bey jedem Artikel iſt aber. auch 
die Buptorfifche verglichen worden, deren Anordnung nach den 
einzelnen Werrietäten und Formen wieder andere eigenthuͤmliche 
Bequemlichkeiten darbietet. (Dec. hat fih den feinen Wortfor⸗ 
(dungen ebenfalls diefer beyden Hülfsmittel bedient, und fantıte 
ihren Nutzen, fo wie die Meühfeligkeit einer folchen NVergleis 
Yung; und es hat ihn Äberrafche, mit dem ihm bisher ganz 
unbekannten Verf. nicht nur in den Srundfägen, fondern aud) 
in der mechanifihen Verfahrungsart bey der hebräifchen Wort⸗ 
forſchung fo ſehr zuſammen zu treffen.) Diefe Unterfuhungen 
haben nun den Verf. (wie den Rec.) oft darauf geführt, daß 
unter den fogenannten neuen Entdeckungen und Erfindungen 
eins A. Schultens und 3. D. Micharlis fo manche unhalts - 
bare Hypotheſen find, die leider von ihren zahlreichen Anhaͤn⸗ 
gern und Nachbetern nachher fuͤr baare Wahrheiten verkauft 
worden find, von denen der Verf. aber nach reiflicher Pruͤfung 
zuruͤckgekehrt if. 3. ©. DEN nah Michaelis eigentlich 
PIBN, von 72) ſe v. a. XX, Duelle, wie der Verf. aber 
zeigt: 2) Thal, 2) Bach, 3) Flußbette, vgl. vieleicht 
G II, Rinne, Vertiefung machen. MEUN nah Mir 


. 4 % „ce 
chaelis Dreyfuß der Beduinen, we. u Sfr 
er 5 


nach den Verſſ. Miſt, nad: dem Verf. wahrſcheinlich Koh 
ider Staub. — nach Michaelis Unterwelt, nach dem 
Bf. (Roſenmaͤller m. a) Sqlechtigkeit, Verderben. 





4 


68 Geſenius Hebraͤiſch⸗Deutſches Handwoͤrterbuch. 


— nah Mid. eigentl. Sonne und Mond verfins 
Bern, nah dem Verf. eig. Zauberformeln fpreden, 
wie im Sprifchen beten, dader zaubern. So ſthon Schinds 
er und Sqhaaf. Por nah M. auheben zum Militär, 
nah dem Verf. räften (viell. von von Lende, fih die. Lens 
‚den umgurten). NOT), mad Mich. Sonnenſaͤulen von 
| art Sonne, nad dem serf. Goͤtzenſtatuen, von unbefannter 
Etymologie. Br nah A. Schultens eigens. das Ange 
zudräden, daher fhonen, nah dem Verf. eigentl. Mits 


teid haben, vergl. das aramaͤiſche om und‘ June Su 
neigung, Mitleid Fühlen, dann fhonen, gerade wie Yon . 
TYP vom Auge, p D- Klagl. 3, 4B, wie das Arabifche 


.;, >, 


u r nah Schultens eigentl. oculus aquatum descendit im 
Betum , nad dem Verf; das Auge irdömtvon Thräs 
nen. Denn das Wort hat offenbar die Bedeutung fließen, 
einnen Auch in der Erklaͤrung bes D’JD ron gehe der 
Verf. von Schultens mit Gluͤck ab, Manche gewoͤhnlich ger 
wordenen Dialektsverg leichungen übergeht er gang mit Still 
fhweigen, und verwirft fie alfo wahrfcheintih., Z. B. DON 
wird einfach erklaͤrt durch Schub ſuchen, was es auch nur 
im SHebräifchen Heißt, ohne das, was A. Schultens 2. 
Harirt VI. ©. 182 m. 17., Rofenmäller . Pf. a, ı2 
und Frähn z. Nahum ı, 6 zur Vergleichung’des Arabifchen 


3 * 2 LI beygebracht Haben, zu beachten. Dagegen vernachläffigt 


> 
der Verf. die Dialektsvergleihung Peineswegs, und macht oft fehr 
paffende und erläuternde Kombinationen, wie die Beyſpiele 
PIDN, 582 und D' lehren, dergleichen ſich uͤberall darbie⸗ 
ten. Visweilen moͤchten wir mit ihm rechten über die under 
Yingte. Annahme arabifcher Bedentungen, 4. B. an nach 


wu 





Geſenius Hebtdiſch⸗ Deutfihes Handwoͤrterbuch. 79 


Bchaurrer: He DE 17, 10. a Pf. 18, 46 hervor⸗ 
gehen, wo andere Erklaͤrungen wenigſtens hätten angeführt 
werden follen. 

2. Abweichend von der Einrichtung der bisherigen Hebraͤi⸗ 
ſchen Wörterbücher hat der Verf. zum erflenmale die gang 
alphaberifhe Anordnung der etymologifchen vorgezogen. Diefg 
Einrihtung, obſchon fie oft und laut gewuͤnſcht worden, vers 
theidigt dee Werf. gegen diejenigen, welche bie mehr etymolos 
giſche Befchaffenheit der Hebrätihen Sprache als einen Grund 
für die Nothwendigkeit der Altern Einrichtung anführen. Er— 
ſtens: es llegt der Ueberzeugung von der Nothwendigkeit der 
etymologiſchen Anordnung meiſtens die völlige unrichtige Ans 
nahme zum runde, daß im KHebräifchen alle Wörter (etwa 
die praepositiones praefixae ansgenommeh) von Verbis, oder 
radicibus, triliteris abzuleiten feyen. Daß aber außer dem 





änfpligen Eonjunctionen und Partikeln, . ®& EI, 


N, ER und ben Pronominen, auch eine Menge von Subs 
ſtantiven, vielleicht die Mehrzahl derſelben (?), namentlich alle, 
welche die Glieder des thlerifchen Körpers, Thiere, Metalle ꝛtc. 
bezichnen, primitiva find, follte doch wohl anerkannt ſeys. 
Ohne alle Ausnahme rechner der Verf. hierhin die einfplbigen 
Subſtantiven, wie D7 , M Pu am Werden nun 
diefe als primitiva anerkannt, fo fälle der einzige triftige 
Grund für jene Anordnung weg, denn rechnet man jene mit 
Unrecht derivirten Wörter ab, fo möchte fich überhaupt nihe 
behaupten laſſen, daß die hehraͤiſche Sprache in dieſer Hinficht 
fi) von andern, bedeutend unterfcheide. Segen die alphabetiſche 
Anordnung ſelbſt wird yiemand etwas einzuwenden haben, doch 
wird der Verf. ſelbſt den etymologiſchen Zuſammenhang vieler 
Hebraͤiſchen einfachen Subſtantiven und ſelbſt Partikeln mi 
Verben nicht ganz leugnen, nur moͤgen oft auch die Verba 
abgeleitet feyn, . Sollte nicht 77 Sohn mit 12 bauen 
zuſammenhaͤngen, da dieſes von der Fruchtbarkeit des Weib es 
hebraucht wird, As auf zeugen, geb ären heißt? @e 


70 Geſenins Deutſch⸗ Hebräifches Handwoͤrterbuch. 

das gleichbedeutende a" mit 12 = x ia bilden, ſch afr 
fen. Daß Wortchen, wie vby auf, von einer Wurjel abget 
leitet werden koͤnnen, läßt fih wohl nicht leugnen, da 59 
auffteigen zu nahe liegt. nebrigens wird ſich freylich auch 
etwas Aehnliches in andern Sprachen zeigen.) Zweytens: 
Bey einer andern nicht minder großen Anzahl von Woͤrtern iſt 
die Etymologie voͤllig ſtreitig. Der eine Lexikograph hat es 
hier, der andere dorthin geordnet, fo daß ſelbſt der Gelehrte 
oft vergeblich fucht: bey manchem andern iff das Stammwort 
wenigftens für den Anfänger fer zu errathen. Hierdurch 
wird viele Mühe unnuͤtz verloren, Ja diefer erfchwerte Ges 
brauch Hat den Anfänger den Gebraud der Wörterbüher vers 
leidet, und den fo verderblichen clavibus Eingang verfchafft. 
Da es aber Drittens allerdings oft nothwendig ift, bey einem 
Worte auch alle Übrige Derivata diefes Stammes zu Überfehen 
und zu vergleihen, fo find bier die Vortheile beyder Einrichs 
tungen moͤglichſt vereinigt, und nicht allein ift bey jedem Deris 
vatum auf fein gebränchliches, oder ungebraͤuchliches Stamm wort 
hingewiefen, fondern auch bey Ben Gtammmörtern find am 
Ende der Artikel diejenigen Derivata, welche nicht ohnehin zus 
naͤchſt folgen, ‚angezeigt werden, und koͤnnen fogleih nachge ſehn 
werden. 


3 Daß eine der. erften Pflichten des Leritographen darin 
beſtehe, die Bedeutungen ‚eines jeden Worte in möglihft nas 
türlicher Ordnung, wie fle fih aus einander entwidelt haben 
mögen, nach einander auffuzählen, mit paffenden Beyſpielen 
zu belegen, daß diefes im KHebräifchen auch bey den einzelnen 
Eonfugationen gefchehen mußte m. f. w., bat der Verf. bey 
feiner Arbeit nicht aus den Augen verloren, wie beynahe jeder 
Artikel zeige. Liebhaber der Etymologie werden zwar mit Dem 
Berf. in manden Fällen unzufrieden ſeyn, wo er nicht von 
.hypothetiſchen Grunds und Zwiſchenbedeutungen, wie die meis 
fien bisherigen Wörterbächer, Gebrauch macht, fondern nur 
die gebraͤuchlichen Bedeutungen anfährt und ordnet. Allein 


Feſenius Hebrätfch- Deutſches Handwoͤrterbuch. 71 


wir wuͤſſen dieß eher Toben, als tadein. Unverbuͤrgte Hypothe⸗ 
ſen entbehren wir zum Nutzen der Wiſſenſchaft. Sehr zu loben 
iſſt es, daB er gewiſſe doppelte Wurzeln ganz auseinander 
gefondest Hat, als DAT, yan IE u 4. Hier wird 
dem Anfänger gleich durch das Auge,die Verſchiedenheit diefer 
in Kebräifchen in Eine orthograpfıfhe Form zuſaͤmmenge⸗ 
floffienen Wörter eindruͤcklich gemacht. Auch dadurch, daß 
die verſchiedenen Conſjugationen in eigenen Abiheilungen bes 
handelt werden, entficht eine große Bequemlichkeit. Auch 
rühmen wir vom Verf., daß er den Wörtern nicht zu viele 
Bedeutungen beylegt, ein Fehler, deffen fich treffiiche Lexiko— 
graphen ſchuldig gemacht haben. Beſonders war es dem Rer. 
erfreulich, die Partikeln mit ber, dem Genius der Hebräifchen 
Sprahe angemeflenen Freyheit behandelt zu fehen, da fie bisher, 
befonders von. Noldius, fo fehr gemißhandelt worden find. 
Einige Bepfpiele. u und on, Grundbedeutung: dres 


ben, fi drehen, vergleich IL, wovon pe 
tingeum , daher: Schmerz empfinden, vergleiche bar, 
239, torquere, woher tormentum; 2) gebären, vergl. 
bar (vielleicht auh kreiſen?); 5) zirtern, fih fürds 
ten, vielleicht durch den Nebendegriff ſchwindeln vor Furcht, 
vergleiche 5933; 4) tanzen (im Kreiſe herumgehen); 5) wars 
ten, entlehnt von SIT; 6) fih herabſſchleudern, Rürs 
jen, über etwas tommen, wie im Ehaldäifchen; 7) ſtark 
feyn, woher Di. — 122 2) Ehre, Ruhm, 
9) Herrlichkeit, Pracht; 3) Ueberfluß, Reich— 
tum; 4) das Edelfie des Menſchen, poetiih für 
Bere, Herz. Hier würden wir auf die im Verbum. erhaltene 


Grundbedeutung Schwere hirfgebeutet zu fehen woͤnſchen, 
aus ber ich die andern alle entwickeln. 12 in Kat zweifelhaft, 


wahrſcheinlich wird im Arabiſchen „> f eyn, nicht trans. 





N 


72 Geſenius Hebrälfch- Deutfches Handwoͤrterbuch. 


itive fhaffen, bilden (allein wenigſtens müßte die Grund⸗ 
bedeutung, ſtehen, aufrecht ſeyn, gewefen ſeyn, woher 
im Arabiſchen ſeyn, existere und im Hebrtaͤiſchen 2 = = 
DiP2 Drt, wo etwas ſteht, oder iſt; denn fonft wüßte Nec. 
nicht das Subſtantiv und Adjectiv 12 abzuleiten; übrigens And 
urfpränglich die Verben ttanſitiv und intranfitiv zugleich) Niph. 
2). bereiiet, bereit ſeyn; 2) ſchicklich feyn; 5) ges 
gründet, keſtgeſtellt ſeyn; 4) feſt, gewiß feyn. 
Poel.: ı) bereiten; 2) gründen; 3) feſtſtellen; 
9 richten, und ſo auch im Hiphil. Hier wuͤrden wir die 
Bedeutungen No. 3, 4 für die der Urbedeutung am naͤchſten hal; 
ten. Dem Wort yY kennen geben Manche die Bedeutung 
: Lieben: diefe kennt der Verf. nicht; in den Fällen, wo fie 
Rast finden könnte, nimmt er nur dje naheliegende: fih um 
etwas hekuͤmmern, wiſſen wollen, an. Mit dem 
Artikel MIN Bruder iſt Dec. nicht gang zufrieden. Dieß 


Wort hat ı nur Eine Bedeutung, Bruder, allein der Hebräer 
braucht es fehr Häufig, und haͤufiger als wir, tropifch für 
Derter, Landsmann ıc. fo wie ſich bey uns Cameraden, Eolies 
gen 20. Brüder nennen. Indeſſen hat der Verf. die Bedeu⸗ 
sungen noch immer ſehr ſimplificirt. ” ı) denn, weit; 
2) daß; 3) wenn, 4) wenn gleid; 5) denuad; 
6) foubern; 7) ale Anfährungspartitel der Rede jemandes, 
wie örı; 8) im Anfang des Nachſatzes, fo; 9) vielleicht 
prön. relativum, und wäre dieſt Bedeutung erwieſen, ſo waͤre 
ſie wahrſcheinlich die erſte. Hier vermiſſen wir nur die Be— 
merkung, daB es ſehr häufig Überfläfflg, wenigſtens nicht zu 
Aberfegen, oft auch Verſicherungspartikel: ja, if. (Man vers 
gleiche Hier Noldius!) — } und, „von einem bey weitem 
qusgebreiteteren Gebrauche, als ihn diefe Conjunction im Deuts 
(hen Hat, indem fie beunahe jede Art der Verbindung anzeigt. 
Unkundig der mannigfaltigen Naͤancen der Rede, welche dunch 
genau beſtimmende Partikeln in andern Sprachen hervorge⸗ 
bee werden, fühlte der rohe Sprachbildner bloß, daß eine 


Geſenius Hebraͤiſch⸗Deutſches Handwoͤrterbuch. 73 


Verbindung zwiſchen mehreren Sub jecten und Saͤtzen ſtatt 
faͤnde, aber nicht deutlich, ob dieſe Verbindung cauſal, advers 
fatin, disſunctiv u. f. w. fen, und drückte fie alle dur 1 aus: 


aber auch fpäterhin, als für alle diefe individuellen Verhaͤltniſſe 
befondere Partikeln ausgeprägte waren, hielt man ſich mie 
Uebergehung derſelhen noch häufig an das unbeffimmtere I, 
Wi mt — 

Vorzugliche Aufmertſamteit wandte der Verf. bey de 
Verben anf die werfchiedenen Verbindungen und Conſtructionen, 
in denen fie vorkommen, Insbefanderg auf die Partikeln, durch 
welhe fie mit Perſon und Sache verbunden werden. Ein 
Anfong war dazu in. mehreren Wörterbüchern gemacht, aber 
duchgeführe war es nirgend, und doc, bemerkt der Verf. 
if die genaueſte Kenntniß dieler Verbindungsweiſen vieleicht in 
kiner Sprache ſo unumgaͤnglich nothwendig, alsin den ſemitiſchen 
Dialekten, mo Diejenigen Modificationen, die im Griechiſchen, 
Lateiniſchen und Deutfchen durch) verba composita bezeichnet 
werden, größtentheils Durch dieſe Eonftructionsmeife mie Parse 
tikeln ausgedruͤckt werden. Um aber dieſe Verbindungsweiſen 
moͤglichtt zu verdeutlichen, reichte es nicht hin zu citiren, ſon⸗ 
dern es war nothwendig, fuͤr eine jede derſelben wenigſtens 
Eine claſſiſche Stelle auszuſchreiben, und mit einer genauen 
Ueberſetzung zu begleiten. Dieß hat denn der Verf. gethan. 
Dadurch nun, daß alle verwandte und parallele Stellen zum 
Theil ausgefchrieben, im Wörterhuche meben einander zw übers 
ſehen fi ind, erfheint erſt jede einzelne derfelben in einem ſo 
Karen Lichte, ale ihr nichts anders gewähren kann; und der 
Artikel des Woͤrterbuchs iſt meiftens der beſte gemeinſchaftliche 
Commentar für alle diefe Stellen. Schon Coccejus fah dieſes 
en, und fein Wörterbuch behielt dadurch einen bedeutenden 
Vorzug vor den meiftey übrigen , nur vermißt man noch paflende 
Anordnung, Die Auswahl der Stellen iſt, foweit die Prüfung 
des Rec. reicht, trefflih, und. die, Ueberſetzung ift geſchmackvoll⸗ 


wortlich, und zwar ſind immer die den Hebraͤiſchen Wörtern 


genau entfprechenden Deutſchen Ausdrucke gewaͤhlt, und ſovtel | 


x 


74 Geſenius Hehrälfch - Deutfches Handwoͤrtetbach 


als moͤglich durchaus beybehalten. So iſt 2 merten, 
bemerten (von Mark: Gränge, Unterſchied, wie 793 
eigentlich unterfcpeiden IR) TI traten, Tal sehen, 
"ON fagen, 1237 reden. 


4 Ein anderer Mangel, der unſere Woͤrterbuͤcher bisher 


druͤckte, und die meiſten in die Reihe wahrer Vocabularien 


herabſetzte, war die fehlende Sammlung und Claſſificirung der, 
mit einem Worte gebildeten Phrafen und Redeformeln : da 
diefe legten doch nicht minder, als die einzelnen Wörter, zu 
dem Formellen der Sprache gehören, und mithin ein Object der 
Leritographie ausmachen. Schon die Bearbeitung des Sir 
monis dur Eichhorn Tieferte Hierzu in den erſten Buchſtaben 
einige gute Beytraͤge; aber das Meifte Blieb den Commentacien, 


oder eigener Beobachtung Aberlaffen. Der Verf. Hat Hierin 


etwas fehr vollftändiges geliefert. 8. B. unter mb iſt nicht 


bloß die mit TEN gebildete Phraſe angeführe, ſondern auch 


Die mit ıuy ‚DPD , abe , D’I’Y u. ſ. w. Dan ver 
gleiche noch die Artikel un „Pe, Ide u. a. Hier richtete 


mit Recht der Verf. ſeine Aufmerkſamkeit auf die Formeln, die 
einer Erlaͤuterung bedurften, ſondern er nahm alles auf, was 


durch fein häufiges Vorkommen als etwas Stehendes in dir 


Sprache erfcheint, und als folches zum Formellen der Sprade 


. gehört. Hieraus entwickeln und erklären ſich bisweilen andere 


Redensarten. So erflärt der Verf. ſchon allein durch die 


‚Stellung unter andere Bedeutungen bie fchwierige Stelle X 
DO 4. Moſ. 11, 25; doch möchten wir dieſer Erklaͤrung nicht 


Evidenz zuſchreiben. 
5. Im Ganzen gibt der Verf. nur die Reſultate der Wort 


forſchungen, bisweilen aber hat er, und mit Hecht, die Unter 
ſuchungen felbft vor den Augen der Lefer angeftellt, was be 
‚fonders den angehenden biblifhen Philologen nuͤtzlich ſeyn wird, 
‚um daran zweifeln und forſchen zu lernen. In ſolchen Unten 


Gefenins Hebrůifch · Oeutſches Handwörterhuch. 75 


fahungen entwickelt. der. Verf. viel Bamfian Kritik und 
Dräciien. 

6. Das In der Bibel vorfammende Ehabbuſc⸗ mußte in 
das Hebraͤiſche WVoͤrterbuch aufgenommen werden, weil es fein 
einzeln Habhaftes lexikographiſches Huͤlfemittel füc die Chaldaͤi⸗ 
ſchen Abſchnitte der Bibel gibt. Der Verf. verſagte ihm aber 
mit Recht den Namen Hebraͤiſches und Chaldaͤiſches 
WVoͤrter buch. 


7. Dem Verf. war es befonders um eine genaue Agrar 
jung des Gebiets der Lerikographte Im Verhaͤltniß zu den ber 
nahbarten der Grammatik, Kritik und Exegeſe zu thun. 


8. Was die Grammatik betrifft, fo befolgte der Verf. dem 
richtigen Grundſatz, daß die Augabe aller nicht aus dem eins 
fahften Paradigma folgenden Bormen, aber auch der regels 
mäßigen, ſabald fich irgend eine doppelte Form für die Eonjus 
getion , ein Tempus, .einen numerus N. dal. denken läßt, dem. 
Woͤrterbuche gehöre. Hiernach mußte ſchon im regulaͤren Verbo 
bemerkt werden, ob das Futurum mit Ch.:lem oder Patach, 
das Piel mit Zere, oder Patach geſprochen werde; noch mehr - 
Aufmerkſamkeit war aber im irregulären Verbo und -in ber 
Flexion des Momen noͤthig; es mußte. darauf aufmerkſam ges 
macht werden, welche Formen und tempora von einem Worte 
ausſchließlich, oder vorzuͤglich im Gebrauch ſeyn. Hierbey hebt 
bee Verf. eine Erſcheinung in der Hebraͤiſchen Sprache hervor, 
die auch in andern Spraden vorkommt, daß von gemiffen 
Verben nur einige Formen im Gebrauch find, und die fehlens 
den aus verwandten Wurzeln erfegt werden. Merkwuͤrdig find 
in dieſer Hinſicht die Verba X ‚IE und W ‚ bie von einan⸗ 
der gegenfeitig die Formen entlehnen. Wefonders iſt der Verf. 
daranf aufmerkfam geweſen, daß gewiſſe neben einander beftes 
hende Formen burch den Gebrauch beſtimmt unterfhieden find, 
wie DT? fabricatus est, und vum tacuit u. 0. Dagegen 


brauchten "allerdings die regulären Formen nicht mit einem 
Heere won Citaten Gelege zu werden, wie by Simonis; ’ 


- 





76  Gefenius Hebräifih - Deutfihes Handwoͤrterbuch. | 
noch weniger durfte Die eitirten Skellen darnach geschne 
werden, wie bey Stod u. a. Einige treffliche Beytraͤge zur 
Bervolſkommnung der Grammatik, die eigentlich wicht in das 
„Wörterönd gehövten, hat ber Verf. aufgenemmen, da er fie 
nicht vorausſetzen konnte, z. ©. über den Plural NITDNR 
vn MEN die Magd, der nicht, wie gern sefchehen, von 
einer Form IMIEN abzuleiten, fondern aus dem Syriſchen zu 
erläutern if; "über die Form oa, J von 302, wozu viele 
Analogien gefammelt find. Ueber die Form und den Gebrauch 
des infinit, vor dem verb. fin. enthält die Vorrede eine ſchaͤtz⸗ 
boare Abſchweſfung, , die in die zukünftige verbefferte Baterſche 
Grammatik aufzunehmen iſt. | 
9. Die Gränzen zwifhen dem Woͤrterbuche und ben Fr 
Mirenden Commentarien, die der Verf. richtig angibt und 
beobachtet, find Bisher weniger von den Lerilographen, als von 
den Commentatoven (2 ©, Rofenmüller), aber zum Hal 
der Wiffenfhaft, überfcheitten worden. Nach diefem Wörter 
buch werden die Commentatoren nie mehr, oder doch nur 
felten das Amt deu Lerilographen übernehmen muͤſſen. In 
einigen Fällen, wo über nen anzunchmende Wörter, oder Bu 
Beutingen die Frage if, mußte fich natürlich der Verf. in ki 
tifche Erörterungen einlaffen, die aber weggelaſſen werden muß; 
‚sen, damit nicht die Graͤnzen eines. Handwoͤrterbuchs überfchric 
sen würden. . Ä | 
10. Die Wortkritik greift nach dem Srundfage des Verf. 
dann erſt in das Gebiet der Lexikographie ein, wenn die Gewißheit 
der Exiſtenz eines Wortes, einer Form, einer Bedeutung von 
der Richtigkeit und Annehmlichkeit der Lesart in einer Stelle 
abhaͤngt. Dem Lexikographen liegt es z. B. ob, zu unterſuchen, 


ob 32 Moſ. 10, 4 —A ‚oder D7371 gelefen werden muß, 


aber nicht, ob Ser. 9, 2o TAN oder MAYR zu leſen fen. 
Eonjecturen ſchloß den Verf. mit Het aus. "Hierbey eine be 
herzigende Anmerkung uͤber Conjecturalkritik, mit der nach des 
Betſ. (und unfeter) Ueberzeugung ſoviel Unfug getiteben wor⸗ 


\ 


Gefenius Sebräifch- Dentfihet Handwoͤrterbuch 77 


den iR. Beine Arbeit wird auch hier den Sieg des Beffern 
befördern. Nur wo ihm ber maſoretiſche Tert offenbare Schreibe 
fehler zu enthalten fcheint, hat er unter den fehlerhaften Woör⸗ 
tern die Tonjecturen aufgeführt. Auch blieben ausgeſchloſſen 
die, durch neu angegebene unhaltbare Ableitungen ſonſt vorkom⸗ 
mender Formen geſchaffenen Woͤrter, ferner die Hebraͤiſchen 
Woͤrter in den Apotgggpen und die Varianten bis auf das Keri 
und Ehetib. 

11. Auf die Eigenthumlichkeiten gewiſſer Gchrififtellerz 
eloffen glaubte der Verf. mehr ,. ale Bisher geſchehen, aufmerk⸗ 
ſan ſeyn zu muͤſſen, beſonders auf die Dichterſprache. 
€ folgt ein Heiner Catalog bloß poetifcher Wörter, und dabey 
ie treffende Bemerkung, daß der poetiſche Sprachgebrauch der 
Hebraͤer insbeſondere auch des Buches Hiob ſich zunächft an dem 
tamälfchen anſchließe, und die Ankündigungen einer kritiſchen 
Schrift über den Hiob: de aetate Jobi-, potissimum ex usu 
loquendi in hoc libro regnarite definienda, welcher Rer. 
mit Verlangen entgegen fiehe, da ihm ebenfalls Über das any 
gelih Hohe Alter und den Arabifchen Urſprung des Buche 
Iweifel aus der Sprache aufgeftiegen find. Wir bitten hierbey 
den Verf., den Unterfchied der Diction zwiſchen dem eigent⸗ 
lichen Buch Hiob und den Reden Elihus nochmals zu revidiren 
zut endlichen Entſcheidung der Frage Über die Echtheit dieſer 
Abſchnitte. | 

ı2. Allen benjenigen Artikeln des Woͤrterbuchs, melde 
fh auf Sachkenntniſſe des morgenlänbifchen Alterthums bezie⸗ 
hen, als eigentliche Alterthumskunde, Naturgeſchichte, Techno⸗ 
logie, Architektur u. dgl. iſt beſondere Auſmerkſamkeit gewidmet, 
und ſoviel Ausfuͤhrlichkeit gegeben, als der beſchraͤnkte Raum 
etlaubte. Hier ſind ſehr trefflich gearbeitete Artikel zum Theil 
auch nach eigenen Unterſuchungen. u 

13. Die gengraphifchen Namen Hat der Verf. mit Rebe 
alle aufgenommen; nur hat er fich eines Hülfsmittels bedient, 
deſſen Unvollſtaͤndigkeit er erſt nach dem Abdruck der erſten 
Vogen einſah, und ſich daher genoͤthigt geſehen, zum erſten 


78 Gefenins Sehräifeh -Deutfchei Handwoͤrterbuch. 


Theil einen Anhang zu Hefern. Der Verf. fährt‘ zuerſt bie 
von Boß und Bredow in der Welikunde der Griechen und 
ömer. geltend gemachte mythiſche Anſicht in die bibliſche 
eographie ein, wofür mir ihm den beften Dank fagen müffen. 
Nur fo wird fih in diefen hoͤchſt mißlichen und verwickelten 
YUnterfuchungen irgend ein wahricheinliches Neſultat finden laſſen. 
Auch find die nomina propria der Perfonen, die der Verf. 
anfangs (mit Unrecht) ausſchließen wolle, aufgenommen. 
14 Daß der Berf. alle En. Vorarbeiten benutzt 
habe, wird man, aud ohne feine Verſſcherung, nicht leugnen, 
ungeachtet er fh den Raum nicht verfperet mit prunkenden 
Citaten. Unter den neueren Eregeten rühmt er mit Recht 
befondere Rofenmäller, deffen Scholien unendlich mir zur 
Seförderung und Verbefferung des hebraͤiſchen Sprachſtudiums 
beygetragen haben. | 
15. Am Ende bes zweyten Theils fol als Anhang noch 
ein analytifcher Theil, oder ein alphabetiikes Verzeichnis folder 
Mortformen geliefert werden, welche durch irgend eine feltenere 






Aubvomalie fo verfieht find, daB der Anfänger wegen ihrer Abs 


feitung zweifelhaft bleiben könnte. | 

So fehr diefe Grundfäge die Zuftinimung aller gründlichen . 
und bedaͤchtlichen bibliſchen Philologen erhalten werden, fo; 
wacer, confequent und fleißig iſt auch darnach gearbeitet worden. 
Es ift ein Werk des reifen Alters werth. | | 

Noch wollen wir Einiges, was wir in der Furzen Zeit, 
da wir das Werk in Händen haben, bemerkt ift, ansheben. — 
Die Stelle Hiob 40, 2 (39, 32) Überjeßt der Verf: will: 
der Tadler (Gottes) nun mit dem Allmäctigen 
sehten? iD? nach der Analpgie von ZA , 120. 
active als Tadier, und I” ale infin, flatt des verb. infn. 
genommen; vwortrefflich! TUN ‚wid der Verf. nicht von UN 


ableiten ; feine Brände aber überzeugen uns nicht ganz; denn 
wenn es von einem nicht verbrannten Opfer ſteht, ſo if es 
wohl tropiſch gebraucht. TION iſt dem Verf. durchgängig | 


der Name der Aflarte, und was fi den Auslegern hie und 
da aufgedrungen hat, mödte im Ganzen wohl fchmwerlid zu 
Teugnen ſeyn. DI wenn es von Gögenopfern gebraucht wird, | 


in ihm Sößenaltar, niht Höhe, vielleicht auch Sacel- | 
Ium, Tempelhen, zwar heiße es urfpränglih Höhe, allein | 
der Urbegriff habe fih nachher ganz verloren. Uns ſcheint 
dee Gebrauch, nad welhem das Wort nicht die Hoͤhen ſelbſt, 
fondern die darauf fidy befindenden Altäre und Heiligthuͤmer 
Dezeichnet, nur tropiſch zu feyn, und wie möchen daher die 





Geſenius Hebräifch- Deutiches Handwoͤrterbuch. *79 
Ueberſetzung Köhe noch vertheißigen. immer, oder doch In 
der Regel bezeichnet 122 einen Altar oder Heiligthum auf 


einem Hügel und unter Bäumen, und ift mit dem Neben⸗ 
begriff Hoͤhe verbunden. — iſt dem Verf. nichts als der 


Syriſche Name der Prieſter, der im Hebräifchen vorgugsweile - 
den Sößenprieflern beygelegt wurde, meil der Goͤtzendienſt 


hauptſaͤchlich von den Syrern herfam. Weber BUN wird die 


Stelle 5 Moſ. 4, za 23 fo Überfegt: 20. Wenn ein Farft 
ſündigt u. ſ. w. fo bat er eine Schuld auf ſichz 
235. Wenn aber u. f. w. Der Verf. fpricht in diefer Stelle 
dem Wort mis Recht die Bedeutung: fih verfhulder 
fühlen, ab, nur möchten wir fie Zach. 11, 5 vertheidigen. 
Der Ueberſetzung de Wette's febt er entgegen, daß IM 
nicht und heißen fönne, doc, läßt fih dieß versheidigen aus 
Hiod 22, 11 an nad des Verf. Weberzeugung nur aus 
dem Zuſammenhange u deuten durch Getümmel. TINA 
1197 vielleicht das Jordansthal, von N”) Thal; allein in 


dee Stelle Zah. 11, 3 fcheint der Parallelismus für die Bea 
deutung Schmuck zu fprechen. D’NEN in der Bedeutung - 


die treuen, zuverläffigen hätt dee Verf. richtig für 
das part. Paul von TON, niche wie gemöhnlih für das 


Substant. plur., als abſtr. pro concreto. TON nah Caflels 
us, das Srän, das Laub, vergleiche das Aramätfche 
NY’OY „, nicht Aſt, oder Sipfel. — in der ſchwierigen 
Stelle Hiob 28, 4, vielleicht verfioßen ſeyn, nad der 
Analogie von YO ſchwach, fehlaff, verlaffen, verftoßen 
ſeyn. rn Joel 4, 14 Bericht, nicht Dreſchwerkzeug. — 


gibt der Verf. mit Recht die Bedeutung Jahr, die ihm Bas 
ter fireitig gemacht. ET befhneiden ‚ und NAT fingen, 


find ganz getrennt. 477 denominat. von men ‚fo wie 
wa von on (7, —*88 wahrſcheinlich etwas ſchuppen⸗ 
artiges , abgefchupptes, vergleiche 071 abblättern,, in 


NOT trocknen , ſich abſchuppende Kraͤtze, Arabiſch 5 — 


Sqheebe, Schuppe, unſtreitig dem Michae lis' ſchen: fihness 
Hımig vorzujiehen. . | 


- vor für die Anzeige des zweyten Theileg. 


9  Reufs Rep. Comm. & societ. litt. editt. . 


.Eine längere Lectäre wird Rec. -in Stand ſetzen, ein 
Mehreres im Linzelnen zu bemerken, und et behält es fich 


—— 





Repertorium Commentationum a Socittatibus literariis &ditarım, 
Secundum disciplinarum ordinem digessit J. D. Reufsi 
Tom. VIII. Historia etc. Gottingae apad Henr: Diete- 
rich. 946. 4 (4 Rthle. 16 gr.) 


Wenn wir «ine Buͤrgerkrone zu vertheilen hätten, mir 
würden fie dem hochverdienten Verf. diefes Nepertoriums dars 
reichen, der feine, für die Ausarbeitung von Werken dieſer Art 
guͤnſtige, oder vielmehr einzige Lage. fo patriotifh zum Heil 
der Wiſſenſchaften und der Gelehrten benutzt, mit Aufopferung 
angenehmerter und weniger mühfanter Befchäftigung, und ganz 
dem Geiſte unfrer Zeit entgegen, der nur ärnten, nimmer fden 
und pflangen will. . Troß mancher verdienten Vorwürfe , welche 

en die gelehrten Geſellſchaften, befonders in der neueften 
eit fo oft wiederholte worden, find ihre Commentarien reich 
an einzelnen Erdrternngen, reich an Materialien für einzelne 
Segenftände der Wiſſenſchaſten und Kenntniffe, und deswegen 
konnte wohl auf keine Weile dem Gelehrten ein größerer, mehr 
Zeit und Koftenanfwand eriparender Dienſt gefchehen, als durch 


ein Mepertorium, welches die Abhandlungen der gelehrtien Ga 


ſellſchaften nad den verfchiedenen Wiffenfchaften und deren 
: Berzweigungen claſſificirte. Dre Abtheilung diefes Repertoriums, 
welche wir anzeigen, enthält außer der eigentlichen Geſchichte, 
fowohl der fogenannten Profan- als Kirchengeſchichte, auch 
noch die Hiftorifhen Huͤlfswiſſenſchaften, die Mythologie und 
Literaͤrgeſchichte. Die Llaffification iſt ungemein zweckmaͤßig. 
Daß fih aber nicht hie und da gegen die Stellung tingelner 
Abhandlungen etwas erinnern ließe, kann nicht fehlen, und 
mie wollen nur einige Beyſpiele anführen. Die bekannte Abs 
bandlung von de Guignes Über den levautiihen Handel 
während ber Kreuzzuͤge würden wir nicht bey der Geſchichte 
yon Africa aüfgeführe Haben, obwohl fie fih auch auf den 
Aegyptiſchen Handel bezieht, und aub Münters Schrift, 
über die Müngen der Franken in Orient, ann nicht Allein bey 
Allen ihre Stelle finden, da fie auch auf die Münzen der 
Franzoͤſiſchen Kaifer von ‚Son ftantinopel fh erſtreckt. Die 
neueften Bände der Memoires de l’academie des Inscriptions 
And noch nicht denugt. Die Notices et Extraite des Mla- 
auscrits de la bibliotheque du Roy, deren vor der Revo— 
dution erfchienene Bände bekannilich von einer Commiſſtion der 
Alademie der Sinfchriften verfaßt wurden, hat der Verf. nicht 
in feinen Plan aufgenommen: * | 
j —— ELLI 


No. 6; Seidelsersifße 1811: 
FJahrbuͤcher der Literatur, 


Voyage d’A1. de Humboldtet Aim& Bonpland. Pres 
mitre Partie. Premier Volume. Essai sur Ta Geogra- 
phie des Plantes accompaghe d’un tableau physique des 
regions &quinoxiales. Redigd par A. de Humboldt 

A Paris chez Frederic Schoell. 1807. 15 &. gr. 4. 


Sin werben ſich Fleiß und Treue des Beobachters mit 
Seit und Scharffinn des echten Naturphilofophen vereinigt 
finden, wie in dieſer trefflichen Darftellung des Lebens an der 
Erdoberfläche, welche als das Reſultat aller feiner wiſſenſchaftt 
lichen Beobachtungen une Hr. von Humboldt unter allee 
Ausbeute feiner großen Unternehmung zuerſt bekannt machte. 
Die Abhandlung Aber die Geographie Ser Pflanzen weiſt 
uns in Andeutungen und Aufgaben, gu beren Aufloͤſung fle 
Mäterlalien fammelt, auf die großen Ueberſichten der Erſchei⸗ 
nung aller lebendigen Schönheiten der Pflanzenwelt Hin, die 
in dem gewöhnlichen Studium der Naturgeſchichte fü ofe Über 
den mühfamen Unterſuchungen des Einzeinen überfehen "werben: 
Das Gebiet der Vegetation verbreiter ſich von den Graͤnzen 
des ewigen Schnees bis auf den Grund bed Oceans und in 
die Tiefe der Erde in jene Höhlen, wo noch Kryptogamiſten 
wachſen, die bisher üben fü wenig bekannt find, als die Ins 
fecten, denen fie zur Nahrung dienen. Die Graͤnze der Ve⸗ 
getation in der Höhe ändert ſich nach der Entfernung der Länder 
vom Pol; eine Gränze in ber Tiefe ift noch nice bekannt. 
Kchnlihe Moos: und beſonbers Lihenarten find die Bekieidung 
der hoͤchſten Felſenſpitzen in der Raͤhe des eigen Schnees und 
die Vegetation unterirdifcher Höhlen: — Einen Hauptunter⸗ 
(hied in der Delonomie der Pflanzen finden wir barih, daß 
einige wie Bienen und Amelfen gefellig leben, ganze Erdflriche 
mit einer, oder wenigen Arten bedecken, i B. die Erdbeeren, 


83 Voyage d’Al. de Humboldt et Bonpland. 


Heidelbeeren, Heide, Kiefern und Fichten, andere hingegeen 
wachen nur eingeln und gerfivent, z. ©. golanum dulcamara, 
lichnis dioica, anthericum liliago, cratsegus aria. Die 
geſelligen Pflanzen find haͤuſtger In den "gemäßigten Zonen, in 
° den tropifhen Rändern Hingegen feltner, was dort der reichen 
. Begetation ein weniger einförmiges, mehr malerifches Anſehen 
Hißt. Vom Orenoro bis zum Amazonenfluß und zum Ucayale, tır 
einer Ausdehnung von mehr ala 50 Lieues, if der Boden mit 
To dichten Wäldern bedeckt, daß, wenn fie nicht von dem 
Strömen unterbrochen würden, die Affen, faft die einzigen 
Bewohner diefee Einoͤden, von Zweig zu Zweig aus der noͤrd⸗ 
lihen Halbkugel nah der ſuͤdlichen wandern konnten. Aber 
diefe unermeßlichen Wälder zeigen nicht den einförmigen Anblick 
Hefelliger Pflanzen, fondern bie verfchiedenartigfien Partieen, 
Biere von Mimofen, Pfvchotrien und Melaflomen, dort von 
Lörbeern, Zeigen, ben Arten der carolinea und hevea, wech— 
fein mit einander ab; keine Art bat die Uetermacht über die 
andere. Im nördfichen Mexiko iſt dieß anders, die ganze hohe 
Ebene von Anahuac iſt mit Eichens und Tannenmwäldern bes 
deckt, weil diefe hohe Ebene ſich gegen Norden abfenkt, und das 
feſte Land von Amerika fich fo Hoch nach Norden ansbreitet, 
weiches das Klima verhältnigmäßig fehr kalt macht. So find 
dort diefelben Eichen, Tannenarten u. f. w. won Sanada bie 
nah Mexiko verbreitet, während in Europa das mitteländifche 


Meier den Pflanzen von Nordafrika alle Verbreitung nah 


Europa wehrt. Die auffallendften Beyſpiele der Herrſchaft 
einzelner gefelliger Pflanzen über große Landftriche find die, nur 
mit erica vulgaris und erica tetralix, lichen icmadophila 
und haematomma bedeckten Heiden in Norddeutfchland, fo wie 
die heuern ‘von sphaguum palustre gebildeten Torfmoore. — 


Reime kryptogamiſcher Gewaͤchſe find die einzigen, welche fi 
in allen Klimaren frey entwideln können. Diefelben Moos 
Arten finden fi in Europa und unter dem Aequator, find von 
. Morwegen bis Peru verbreitet. Phanerogamifche . Pflanzen 

Fand He v. H. von keiner Art in Europa und Amerika zugleich 


J 


' 


Voyage d’Al.. de Humboldt ‘et Bonpland. 83 


wid wachſend. Uebtr Die reitung der Pflanzenarten zeigen 
fh uns Thatſachen ur ſchichte in den verfchtteten 
Trümmern. einer fruͤhern Pflanzenwelt in ben DVerfleinerungen, 
Steintkohlenlagern uud fofſilen Pflanzen. Der Verf. geht naͤher 


auf die Frage nad den Urſachen jener merkwürdigen Erfchels 


nung ein, daß fo Hoch ins Norden Pflanzen und Thierarten 
ehemals lobten, denen nahe verwandte jetzt nur dem heißen 
Klima gehören. Er verwirft ſehr richtig Die Verruͤckung der 
Erdachſe and die Erhöhung der . Tempera bey der ergen 
Keyſtalliſatrtion Der Gebirgsmaſſen. Er nennt dann noch Ders 
änderungen der Sutenfität des Gonnenlichtes. Dadurch ließe 
fh freylich alles erflären, aber wir wiffen nichts davon. Dem 
Rec. ſcheinen die feinen Veraͤnderungen, welche auf das Leben 
der Erboberfläcdhe den entſcheidenſten Einfluß haben, die Vers 
änderungen in dir Natur der Atmofphäre. Wie feine Nuancen 
unterſcheiden Hier das verheerende Miaſsma der Epidemieen 
von der gefundeften Luft. Aber noch haben wir feinen Anfang 
jur Befchichte der Atmofphäre. Unter den großen aftronomis 
ſchen Vethaltniſſen ſcheint une das einzige für geologifche Hy⸗ 
potheſen brauchbare, Die Periode des laͤngern Sommers der 
einen Halbkugel, welche von der Stellung der Apſidenlinie der 
Erdbahn gegen die Rachtgleichen abhaͤngt, deren Einfluß vor 
Jahrtauſenden gewiß ſtaͤrker war, als jetzt, weil die Eccentricitaͤt 
dee Erdbahn und die Neigung der Are gegen die Ekliptik beyde 


abnehmen. — Pflanzen find an den Boden gefeffelt, In dem 


fe wurzeln, fie wandern nur im Samen, dann über hicht 
une duch Winde, Ströme und Wögel, fondern vor allem 
duch den Menſchen. — Einige Gartens gb Beldfrächte folgen 
den Menfchen durch weite Lanbſtriche. So folgte den Griechen 
der Wein, den Römern der Weizen, den Arabern die Baunts 
wolle, in Amerika den Tultelen der Mais, ben alten Eins 
wohnen won Condinamarca' die Pataten und Quinoa. Hier 
Innen wir die Wanderung der Pflanzen, äber das Rand, we 
fie einheimiſch find, IN uns unbekannt. Das ganze Land Im 
Gaden und Meilen des Cacpiſchen Meeres iſt mit, Citronem 


di 


* 





x 


3 Voyage d’Al: de Humboldt et Bonpland. 


Graͤnataͤpfeln, Kirſchen und all uchtbaͤumen umferer Gärten 
bedeckt — uber find fle dort ei ſch, oder nur dur uralte 
Cultur? Europa empfing aus jenen Ländern zwiſchen dem 
Indus und Euphrat, dem Cadpiſchen Meere, dem Schwarzen 
Meere und Perfifhen Meerbufen alle diefe Löftlichen Gaben. 
Derfin gab uns Nußbaͤume und Pfirfihe, Armenien Aprb 
Polen, Kleinaſten Kirfchen und Kaſtanien, Gorien Reigen, 
Birnen, Granaräpfel, Del, Pflaumen und Maulbeeren. Zu 
Egyo's Zeit Fannten die Römer weder Kirſchen, noch Maul⸗ 
beeren. (Die NRebenarten,, nad) deren die Mormänner Nords 
vmerika das Weinland nannten, find gan, von unſrer vitis 
vinifera unterfhieden.) Luenllus brachte den erfien Kirfchbaum 
nah Rom, hundert Jahre nachher wir er ſchon in Deutſch⸗ 
fand, Frankteich und England verbreitet. Die Tolonien der 
Europäer maͤchten ſich den Arabifchen Kaffee, den Ehinefifchen 
Zucker‘, den Afrikaniſchen Indigo u. f. w. zu eigen. — Bon 
feiner der nuͤtzlichſten Pflanzenarten kennen wir’ das eigentliche 
Vaterland, nicht von ımfern Getraidearten und auch nicht von 
Kartoffeln, Mais, Bananaz', carica papaya und jathropha 
wianihoc der Amerifaner. — Die Arten der Organifationen 
fcheinen fi) in der Erde in ihren immerflen Anlagen nicht zu 
verwandeln, die Kartoffel blüht auf den Gebirgen von Chili 
wie in den Ebeñnen von Siberien; der Ibis aus ben Katäs 
komben ift derſelbe Vogel, der jeßt noch am Nil lebt. Zuletzt 
kommt der Verf. noch auf die natärlihen Familien der Pflans 


‚ gen und die Äfthetifche Bedeutung ihrer Formen zu fprechen. 


Den gemäßigten‘ Zonen fehlen einige der. fhönften Formen, die 
der musay dee Pgfmen, des Bambus, andre z. B. die der 
gefiederten‘ Blaͤtter find feltner und weniger fhönz die Baums 
arten überhaupt Tind kleiner, nicht mit den ſchoͤnen Bluͤthen 
geſchmuͤtkt, und es gibt ihrer weit wenigere. Die Formen der 
Vegetation in den tropifhen Ländern find Überhaupt majeſtaͤti⸗ 


ſcher, impofanter, die Pflanzen find faftreicher,, der Firniß ihrer 


Blätter tft glängender, die hoͤchſten Bäume tragen bie: größten, 
Ichoͤnſten, mohlriehendften Bluͤchen — aber das tiehliche Gruͤn 


d 


— 


Voyage d’Al. de Humboldt et Bonpland. &5 


unferer Wüiefengrände und das neun Erwachen der Veguation 
im Seäbling fehlt jenen Gegenden. 

Das tableau pbysique des regions &quatorialas (ent⸗ 
worfen nach Meſſungen und Beobachtungen an Ort und Stelle 
zwiſchen dem zehnten Grad noͤrdlicher und dem zehnten Grad 
ſuͤdlicher Wreite in den Jahren. 1789 — 1803) enthält die Bar 
ſchreibung und Erläuterumg einer fehr ingenioͤs erfunbenen Zeichs 
nung, welche und die Spitze des Chimboraffu (338 Toifen Hoch) 
und des Vulkan Cotopaxi (2958 Toiſen hoch) nebſt dem Abfall 
des Terraind nach Weſten gegen das Sudmeer und nach Oſten 
gegen die Ebene des Amazonenflufies zeigt. Die anfchauliche 
Darfieflang von ber Formation des Bodens iſt hier freylich 
nie fo guueisht, mie bey ben Durchſchnitten des Mexikanifcheg 
Terrains, denn bier flieht man nur Die Hoͤhenverhaͤltniſſe, gegen 
welche die horizontalen Dimenfionen ganz verfhwinden. Das 
gegen vereinigt das Blatt einen großen Reichthum geologiſcher 
Andentsungen. Der Hauptzweck ber Zeichnung gehört. der en 
graphie der Pflanzen, indem auf. dem Durchſchnitt des Gebir⸗ 
ges von hen Tiefen des Meergraſes und den, unterirdifchen 
Schwaͤmmen bis zu den Mooſen an den Graͤnzen des ewigen 
Schnees ſtufenweis die Hauptpflanzen jeder Höhe des Terraing 
unter dem Aequator angegeben find, Aber neben diefem zeigt 
uns das Blatt nad gar mancherley anderes, Die Refraction 
für 45° Höhe, die Weite, aus der man eine Höhe auf dem 
Meere noch fehen kann, ohne Ruͤckſicht auf Refraction, die 
Höhen ‚einiger Berge, dann die Stufen der elektriſchen Span 
nung der Atmoſphaͤre nach Der Höhe, die Stufen der Eultun _ 
des Bodens, die Stufen der Himmelsblaͤue und de& Druds 
dee Atmoſphaͤre, ferner die Abnahme der Schwere, der Feuch⸗ 
tigkeit, des Lichtes, die hoͤchſten und niedrigſten IThermometeys 
grade isder Höhe, die chemifche Befchaffenheit der, Atmofphärg, 
die Höhe der Schneegraͤnze unser verfihiebenen Breiten, den 
Waͤrmegrad den kochenden Waſſers, die Thiere jeder Hoͤhe und 
endlich eine allgemaine Anſicht der Structur der Gebirge, 


36 Voyage d’Al. de Humboldt et Bonpland. 


Die Formationen der Gebirge ind in der Andes ganz 
dieſelben, wie in Europa, dieſelben Lirgeblegsarten und biefelben 
fecundären Formationen; wenn ſchon die Aequatsrialgegenden 
die hoͤchſten Gebirgsſpitzen haben, fo iſt doch die Hohe des 
Terrains ihnen nicht ausſchließlich eigen, im nordweſtlichen 
Amerika iſt der Eliasberg unter dem 60° aı! R. ©. Bag T. 
und der pic du beautemps unter 0° 9. B. 9534 Tolfen 
Hoch, Aber die Art der Abſtufung des Lebens im Pflanzgens 
und Thierreich zeige fih hier ganz anders und viel größer als 
unter höheren Breiten, weil bie Mesresfläche und die Schnee⸗ 
gränze hier viel weiter aus einander ruͤcken; die Schneegraͤnze, 
die bey une nur 2500 Toifen Aber der Meeregflaͤche liegt, 
erhebt fih unter dem Aequator auf 2460 Toiſen; ferner unter 
dem Aequator hat jede Zone einer beſtimmten Erhebung über 
Bas Meer ihre fa unveraͤnderliche Wärme, fafl unveränderten 
Druck der Atmofphäre, Feuchtigkeit der Lu und elektriſche 
Spannung derſelben. So läßt ſich dort. das Land in Zonen 
von einigen Hunderte Toifen ſenkrechter Höhe theilen, deren 
jede ihren eigenthuͤmlichen Charakter der Megetatien von den 
Bäumen bis zu den Arten der Graͤſer und Moofe, und thr 
eigenthuͤmliches thierifches Leben Bis zu der Inſecten herab 
zeigt. Zu unterft liege das Gebiet der anterirdifchen Pflanzen, 
deren Arten von Schwaͤmmen und Moofen, von einigen Devs 
meflesarten belebt, in den Mexikaniſchen und Peruaniſchen 
Bergwerken biefelben find, wie in den Europaͤiſchen. Dann 
folgt von der Meeresfläche bis auf eine Höhe von 513 Toiſen 
das Gebiet der Scitamineen (musa, heliconia etc.) und der 
Palmen, dent viele Affenarten, ber Jaguar, fehwarze Tiger, 
felis concolor, die Fauftbiere, Amötfenfreffer , cervus mexi- 
canus, die Boafchlange, Krokodille u. T. w. eigenthuͤmlich find. 
Weber biefen von 200 bis Boa Telfen Höhe die baumartigen 
Barrenkräuter und mit diefen das Geſchlecht der cinchona (deren 
Rinde die China gibt), welches ſich aber bis auf 1600 Tolfen 
erhebt. Zwiſchen 500 und 1000 Toffen Beine Boa und Feine 
Krokodille mehr, aber neue Affenarten, Tapire, Sus tayassa, 


V oyage d’Al. de ‚Humboldt et Boypland. 8 


felis perdalis, coluber coccinaus. Die Lichen (quercus 
granatensis) fangen unter dem Aequator erft in einer Hoͤhe 
von d72 Toiſen an, in Mexiko fhon bey Aıo Toifen. Eine 
merkwuͤrdige Erſcheinung if Hier die Wachspalme (oeroxylon 
andicola,) weiche H. in den Andes von Quindiu und Tolim 
in einer Höhe von 950 bis 1470 Toifen entdeckt hat, während 
kine andere Palme auf 600 Toiſen Hoͤhe ſteigt. Große Bäume, 
deren Höhe 10 bis 16 Toifen uͤberſteigt, finden ih nur bis 
etwa 2400 Toifen Hoͤhe, und bey 1800 Toifen hört alle 
baumarkige Degetation auf, aber die Geſtraͤuche werden uuı fo 
mannigfalsiger. Don 1000 bis 2000 Toiſen if das Gebiet 
der Alpenpflangen, in dem große Hirſche, felis, tigrina, viche 
Enten und Taucher, und höher oben Heerden wilder ‚Lamas, 
kleine Bären wit weißer Stirn und einige Kolibri leben. 
Ueber 200o Toiſen Höhe big 2360 Toifen finden. fih nur noch 
Sräfer, die Arten der jaraya und stipa, und viele neue Arten 
von panicum, agrostis, aveng, dactylis, melche den wilden 
Heerden ber Vigognes, Guanacos und Alpacas zur Weide 
dienen. Endlich noch Höher finden fich nur nad Mooſe, unter 
denen die umbilicaria-pustulata und verrucaria geographica 
ſelbſt zwiſchen dem ewigen Schnee bie 9830 Toiſen Hoͤhe fleigen. 
Im Thierreich erheben ſich uͤber 2600 Toiſen nur noch der 
Kondor neb einigen Fliegen und Sphinxarten, welche nur durch, 
Luftſtroͤme Hinanfgeführe werden, Der Wer, fügt meiter dies 
Im Gemälde einige einzelne Angaben, uͤber his Alpen und . 
Pyrenaͤen ben; für die Pprenden iſt nach Ramond eine Tabelle 
der Höhe von Fundorten der einzelnen Arten aus ben Ger 
ſchlechtetn gentiana, daphne, primula, ranunculus, saxi» 
fraga, erica angegeben. Es folgt die Scale der Wärmegrabe 
und dann die der Barometerhoͤhen. Bey ber letztern vorzüglich 
eigne Verſuche uͤber die regelmäßigen täglichen Dscillationen 
des Barometers unter ber Linie. H. fand das Morimum 
gUhe Morgens, geringe Abnahme bis Mittgg, ſtaͤrker big 
4 oder 43 Steigen bis 12 Uhr Abende, wo ek nur wenig 
piedriger ſteht ats q Uhr Morgeng; dann füllt es wieder bis 


e 


. 


85 Voyage d’Al. de Humboldt et Bonpland. 


4 oder 41% Uhr Morgens, und fleigt bis g Uhr. Diefe Ber 
megungen bleiben fich gleich in der Höhe und Tiefe, bey aflen 
Temperaturveranderungen, und find an ber Suͤdſee dieſelben 
wie am Amazonenſtrom. Nichts ſcheint auf dieſe Vewegung 
Einfluß zu haben als der Stand der Sonne. — Ferner die 
Scale des Hygrometers. Die völlig heitere, wolkenloſe Luft 
einer oft fuͤnf Monate anhaltenden trocknen Jahreszeit enthält | 
In den tiefen Ebenen viel Waſſer, daher bie friſche Vegetation 
ohne Negen, Nebel und Thau. — Die Region ber gewoͤhn⸗ 
lichen Wolken iſt zwiſchen oo und 1800 Toiſen, aber die hohen 
feinen Wolken (gemein in Schafchen genannt) finden ſich in 
einer Höhe von 89900 Toifen über den Spitzen aller Berge 
Unter der Linie fälle jährlich 70 Zol Regen, während man in 
Europa nur 28 Zoll rechnet. Die elektrifche Spannung der 
Atmofphäre wäh mit -der Ssöhe. Unter 1000 Toiſen if fie 
fehr gering, nach 10 uhr Morgens kaum wahrnehmbar. Sie 
ſcheint fi) nur in den Bolten anzuhaͤnfen, daher die heftigen 
periodiſchen Exploſlonen zur Zeit der größten Hitze 2 Stunden 
nach Mittag, an großen Stroͤmen aber um Mitternacht. Zwi⸗ 
ſchen 900 und 1000 Toiſen Höhe find die Gewitter in den 
Andes am heſtigſten. Hoͤher ſind ſie ſeltner und nicht ſo regel⸗ 
mäßig, aber da bilder fich mehr Hagel, befondere in der Höhe 
son 1500 Toiſen, in welcher die Luft oft negativ elektriſch 
wird. Endlich in der Hoͤhe der Spitzen der Gebirge hat 
die trockne kuft immer eine Spannung von 4 bie I Grad 
bes ſauſſuriſchen Eleftrometerg. — In den allgemeinen geolo⸗ 
giſchen Anfichten behauptet der Ber. nicht mehr, daß die 
Schichten der Urgebirgsarten uͤberall ein gleiches Streichen und 
Fallen hätten ; er bemerfe, daß alte Hoͤhen beſtimmungen in den 
Ablagerungen der Gebirgsarten nur naͤch kleinern Localitaͤten 
angegeben werden koͤnnen. Amerika hat neben einander die 
hoͤchſten Gebirge und die weiteſten Ebenen. Die Gebirgetett⸗ 
der Andes naͤhert ſich beyden Polen bis auf 30 Grad. Die 
Höhe der Andes iſt weit mehr unterbrochen, als man meiſt ans 
pimmt. Sie zeigen vier Hauptmaſſen, eine unter dem 178. ®. 


s 


Scarpa Sull® ernie. 89 


in Peru, bann unter der Sinie bey Quito, Bann in Mexiko 
9 N. B. (zwiſchen dem die Berge in ber Landenge von 
Manama Bis auf Huͤgel von 100 Loiſen herabſinken) und viers 
tens Aflen gegenäber im 60° N. ©. Am meiften zeichnen 
fh die Undes durch ihre Maffe aus, ihre mittlere Höhe iſt 
2000 bis 2300 Toiſen, während die dee Alpen nur 1300 bis 
1400 Toiſen beträgt, und dabey die Breite in Quito zo kienes, 
in Peru' und Mexiko 40 bis 6e Lieues, in den Alpen nur 
10 bis 12 Lieues. Die Gehirgsarten und ihre Folgen find 
dieſelben wie überall, aber durch bie Maͤchtigkeit der Lagen und 
die Höhe, weiche die ferundären Formation erreichen , untet⸗ 
[heiten fie fich. Sen Huanuco in Peru kommen Steinfohlen 
8300 Toifen hoch vor; bey Zypaquira. Oteinfal; 1409 Voiſen 
hoch, und verfleinerte Muſcheln bey Micuipampa 6° 45 38" 
©. %. in einer Höhe von 2000 Torten ‚ bey Huancavelica fogen 
2007 Toifen. - 


EN —— 
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bull “Ernie — Memorie anatomico -chirurgiche di Antonie 
Scarpa etc. Fasc. I. Il. 


( Beſchlus der. in Na 4. abgebrochenen Recenfion. ) 

Zweyte Abhandiung, Über die Cowplicationen der Leiſten⸗ 
und Hodenſackbruͤche. 

Der Verf. liefert Bier bie Gertfekung der vorigen Abhands 
lang, und, ſpricht nun, von ber Dperation deg eingellemmten 
Leiſtenbruchs, doch ohne fih in das Detail dieſer in allen 
Lehrbuͤchern der Chirurgie beſchriebenen Operationsart einzulaſ⸗ 
fen, bloß von den Umſtaͤnden und Vorfaͤllen, welche waͤhrend 
der Operation den jungen Anfänger verlegen wachen koͤnnen. 

Bey kleinen Bruͤchen kommt es nicht fo ſehr darauf an, 
vw man deu Schnitt durch Haut und Bruchfad made, aber 
bey großen Skrotalbrauͤchen ſollte dieſer Schnitt genau in der 
Laͤngenachſe der Geſchwulſt ſeyn aus oben angeführten Gruͤn⸗ 
den, weil wir dann am wenigſten Gefahr laufen, die, von dem 
ausgedehnten Samenſtrang aus manchmal bis auf die obere 
dlaͤche deg Vrychlagẽs ſich verlaufenden Samenſchlagadern zu 


verletzen. 


go Searpa Sul’ ernie, 


VBeym Deffgen des Bruchfads fol man nicht zu verwegen, 
wie Eouls väth, denſelben mis Einem Meſſerzug aufſchneiden, 
fondesn die Häute nach und nad zerſchneiden. Erſtens die 
Haut, dann bis Sehnenhaut ber fascia lata, dann bie Apneu⸗ 
roſe des Cremaſtere, daun das Außere Zellgewehe bes Perito⸗ 
neums, und enblih den Bruchſack ſelbſt. — Die äußern Hoaͤute 
können in alten Brücken verändert ſeyn; das Bauchfell aber, 
weiches den Bruchſack bilder, behält feine natuͤrliche Dichte und 
Halbdurchſichtigkeit. 

Was nun den Einſchnitt u Bauchrings und des Beuch⸗ 
ſackhalſes angeht, ſo raͤth der Verf. nach der bereits vorgetras 
genen Theorie, weil bie arteria epigastrica bald auf der im; 
neren, bald auf der Außern Seite des Bauchrings verläuft, 
ba. man das Entſtehen des Bruchs oft nicht mehr wiſſen kann, 
den Schnitt weber nach außen, mod nad innen zu richten, 
fondern gerade in der Mitte der Geſchwulſt nad oben durch 
eine Linie, welche auf bem Serigontalaft. bes Schambeins 
— ſteht zu fuͤhren. 

Die Urſache der Einſchnurung dee Daͤrme ſetzt der. Kerf. 
im Ganzen weniger in eine krampfhafte Eontraction des 
Bauhringe, als in eine Veraͤnderung des Bruchſacks, beſon⸗ 
ders bey alten Brühen. Der Verf. hat mehrere abgebilder, 
wo die Verdickung der Faͤden des Tremafters den Bruchſack⸗ 
hals zufammengefehnärt. Haben, andere, wo der Bruchfack ſelbſt 
an feinem Halſe fig verdichtet und sufammengezogen bat. — 
Bey dem angebornen Bruche liegt gewiß, wegen ber großen 
Spannkaft diefes natuͤrlichen Sacks, die Urſache der Einklem⸗ 
mung mehr in bem Halſe ber tumica vaginalis, ale im Bauch⸗ 
ringe, wie dieſes der Verf, durch mehrere Beobaditungen er, 
fahren Bat. — Der Verf. zeigt auch in einen ſchoͤnen Zeichnung 
den Ball, wo die Einfhnkrung nicht am Bruchſackhalſe ſon⸗ 
dern in ber Mitte des Bruchſacks war.. In diefem Fall wii 
ber Verf., daß man nicht lange auf Repoſitionsverſuchen befkes 
den ſoll, fondern glei zuc Operation fchveiten müfe. Ag 
Urſachen der Einklemmung führe dann der Verf. auch an das 


/ 


Scarpa Sulł ernie, 9 


Imbreßen der Sebaͤrme und das Einſchnuͤren ber Dürme durch 
das Netz; Der Darm wendet ſich dann balb wie eine 8, un» 
es ifE ſchwer zu errathen, welches die obere, und welches die 
untere Portion fen; auch die Wendungen des Netzes um deu 
Darm , wenn auf: diefe Art Einklemmung hetvorgebracht wird, 
Der Verf. hat ſelbſt folgende Zälle bemerkt. ı) Das Neg 
füllt mit feiner ſchmalſten Thell durch den Bauchring, bilder 
ih wie ine Schnur, fett ih ungen im Bruchſack fe, läufd 
queer Über Die Gedärme, und umgibt fie einigermaßen, dann 
verwächft es aben wieder mit dem Bruchſack, das Nee nimmp 
bier eine dichte ſibroͤſe Beſchaffenhoit an, und druͤckt den Darm, 
der, wenn er Luft, Koth u. f. w. enthält, eingeklemmt wird 
9), Das MG fälls herunter in ben Boden, verwaͤchſt mit dem 
Bruchſack, der Darm fühle in die Qucere auf das Meg, und 
biefes gehe gerade über ihn weg, um noch einmal mil dem 
Bruchfackhals zu verwachſen. Hier iſt aller Verſuch zue 
Repoſition des Druches vergebens, deun man druͤckt immer 
wider das amgefpannte eh, wenn man -gegen den Bauchring 
hinaufdruͤckt; hier iſt nur nach gebffnetem Bruchſack bie Durchs 
ſchneidung bes Metzes queer über den Darm die einzige Huͤlfe. 

Don der felteuen, und auch von Richten beſchriebenen 
At, wo das Meg -gerriffen, und in der Spalte bie Därme 
eingeſchnuͤrt waren, führt der Verf. einen ſelbſt beobachteten 
Zell any — auch redet derſelbe won einer Einklemmung dee 
Ileums durch den, mis dem Belrdie werwachfenen processum 
vermiformis des Ylinddarms , melden der Verf, gleichfalls an 
einem Leichname, ber neh einer heſtigen Kolik verſtorben, 
ſelbſt geſehen hat. 

Die Einkiemmung ber Daͤrme in dem zerriſſenen Druchſae 
hat der Verf. niemals ſelbſt beobachtet, aber zwey merkwuͤrdige 
Veyſpiels and: Petit una: Nemond angeführt. 

Der Berf. beftseitet und widerlegt ganz Richters Mei⸗ 
nung, Daß es auch Einklemmungen gäbe von dem krampfhaft 
juſammengezogenen Bauchring, weil die Schneufüden auf keine 
Reife Theil nehmen innen an dem Krampf der Bauchmuskeln, 


93 Scarpa Sull' ernie. | | 


So wird bie Vera cava niemals eingeklemmt durch das Pr 
trum tendineum des Zwergfells, obgleich dieſelbe durchläuft; 
auch die arteriae perforantes femoris niemals in die Flechſe 
des adductoris magri u. f. w. Es ſcheint daher, daß Rich⸗ 
ter die ſpasmodiſchen Koliken, welche zuweilen bey Bruͤchen 
ſich einfinden, für eine ſolche Ginklemmung gehalten hat. 

Eine andere Complication bey Bruͤchen iſt das Anwachſen 
der vorgefallenen Darm⸗ oder Netzſtuͤcke. Der Verf. erkennt 
davon drey Arten, nachdem das Verwachſen entweder durch 
eine gallertartige Maſſe, oder durch ein haͤutiges, oder faden 
artiges Gewebe, oder durch einen dichten fleiſchaͤhnlichen Zwi⸗ 
ſchenkoͤrper ſtätt hat. Alle dieſe Verwachſungen find Folgen 
son vorhergegangenen Entzändungen. Bey der erſten iſt die 
Entzuͤndung noch nicht lange vor der Durchſchwitzung gefolgt, 
bey den beyden andern Verwachſungen aber iſt die Entzündung 
fon lange Zeit vorher geſchehen, und die Haut, ober falle 
Bänder haben fih nah und mach verbichtet, und organifiet. 
Der Berf. räth in allen diefen Faͤlen von Verwachſungen der 
Därme unter fih, oder mit dem Bruchſack, oder mit den 
Netz bey der Dperation des eingeflemmten Bruches die Falfchen 
Bänder zu gerflören und durchzuſchneiden, um die vorgefalle⸗ 
nen Theile in den Unterleib zurückbringen zu können. — Nur 
einen einzigen Fall nimms es davon aus, wenn nämlich, wie 
diefes meiftens geſchieht, die Eingeweide oben nahe und unter 
dem Bauchringe an der innern Seite des Bruchſackhalſes feſt 
gewachfen Mind burch eine fleifhartige Coneretion. Der Berk 
wii, daß hier nur der Bauchring und Bruchſackhals erimeitert, 
und, fo viel es feyn kann, in den Unterleib eingeführt werben. 
Dann fol man den Kranken in ber Rauͤckenlage laſſen, die 
Stuͤcke des Bruchſacks Aber die Geſchwulſt wegiegen, und Stuͤche 
von Leinwand, in ein lauliches Malvendecoct getaucht DBaräbsr 
weglegen. Der Verf. Hat beobachtet, daß durch dieſe Behand⸗ 
lungsart das Band am Bruchſackhals erſchlaffe, und die Därme 
allmaͤlig von ſeibſt in den Unterleib ſich zuruckzieherl; es wach⸗ 


Scarpa Sull’ ernie. 93 


Ten dann vom Darm aus Fleiſchwaͤrzgen, und das ganze ſchließt 
fi, ohne daß eine Geſchwulſt zuruͤckbleibe. 
Außer diefen wivdernatürlichen Adhaͤſionen ſpricht der Verf: 
noch von andern, welche er natärlidhe nenne, weil dieſe die . 
VShnder ſelbſt find, welche im gefunden Zuftande auch die Darm⸗ 
flüe an den großen Sad des Peritoneums feſtgeheftet Halten, 
und die nun, da ein Stuͤck des großen Peritonealſacks ſelbſt 
von der Stelle weicht, und durch den Bauchring geht, bier an 
Diefes als an ihren Bruchſack durch ihre natürlichen Bänder 
befeftige: find. Dee Verf. rechnet dahin vorzüglich auf der 
tehten Seite den Blind⸗ und das Ende bes Brimmdarıns, 
fommt dem wurmförmigen Anhang ımd dem Ende des Dürns 
darms, auf der linken Seite aber ben flexus iliacus coliy 
md das Meſoecolon, welches Diefen Darm auf ber linken Hüfte 
an den großen Sack des Peritoneums durch die Verdoppelung 
feiner Haut anheftet. Diefe Bruͤche geben unter der Operation - 
bie meiften Beſchwerniſſe, und gehören unter die Elaffen ders 
jenigen, welche nicht zuruͤckzubringen find, und mo ſich ber 
Vundarzt begnügen muß, nach aufgehobener Strictur der 
Banhringe, oder des Bruchſackhalſes die oben angezeigte Vers 
(ührungsart ‚anzuwenden. Wenn man aber durch Zeichen, 
meihe der Verf. Schr richtig angibt, gewiß if, daß die Eins 
ſhnuͤrung bloß vom Bauchıing fommt, und in einem alten 
volumindfen Bruce den Blinddarm fammt dem Ende des 
Dünndarms vermuthet, fo iſt es rathſamer, den Bauchring 
außerhalß des Bruckſacks aufzufchneiden, und den Bruchſack 
gar nie zu Öffnen. Merkwärdig iſt auch die Beobachtung, 
daß auf der rechten Seite zuweilen ein brandiger Inguinak 
bruh entſteht, wobey gar keine Stuhlverhaltung zugegen iſt. 
Ein fonher Bruch heilt zuweilen, Indem ſich das Brandige des 
Darmcanals abſtoͤßt, und der Bang der Nahrungsmittel bleibe 
ununterbrochen. Die Urfache ift, weil bloß der blinde Sad, 
ſammt dem wurmförmigen Anhang, in die Einklemmung ges 
kommen iſt, uber demſelben aber der Weg aus den Grimm⸗ 
Mm ins Ileum noch offen bleibe. Als Complication des 


94 Scarpa Sull’ ernie. 


Druchs meldet der Berf. nur no das Vorfallen des Detzes, 
welches nicht mehr- gurädhubeingen if. — Das Abfchneiden 
defielben bringe Verblutung, das Lnterbinden heftige Zufälle 
der Einklemmung hervor. Der Verf. raͤth ass Erfahrung der 
Mittelweg einzuſchlagen, naͤmlich um das vorgefallene Netzſtuͤck 
zuerſt ein. pännes, mit dem ungt. cereo beſtrichenes Stuͤck 
Leinwand zu legen, damit daffelbe nicht an andere Theile ans 
wachſen kann, und dann einen Faden darum zu legen, vielen 
aber nur loſe anzuzichen, alle Lage aber. feſter zuzuſchnuͤren, 
bis man flieht, daß die entzuͤndete rorhliche Netzmaſſe blau und 
ſchwaͤrzlich if, worauf fie dann nad kurzer Zeit von ſelbſt 
abfaͤllt. — Zuletzt foricht der Verf. noch von jenen. Compficas 
: tionen ber Brüche mit Waſſeranſammlungen in der Schetden⸗ 
Haut, am Bruchſacke, oder in eigenen Balggeſchwaͤlſten. | 
Es iſt Biefes Werk eines der erfien und widtigften, wel⸗ 
Ges bis jetzt erfchienen IR, und zwar in doppelter: 2) in wißı 
ſenſchaftlicher, 2) in arriflifher Hinſicht. Ä 
Was den erfien, Vorzug betrifft, fo hat ber vortrefflicht 
Verf. Hier ſehr viele Puncte erörtert, und durch feinen fichts 
vollen Vortrag und die. Entwicklung feinse praͤciſen Ideen auf 
dns reine gebracht, wie die Lefer aus dem Auszuge werden 
entnommen haben, welches - Bisher in der fo wichtigen Lehre 
von dem erſten und vorzäglichflen Wundaͤrzten, Arnaudl, 
Richter und anderen, als zweifelhaft und uneroͤrtert gurücı 
gefaffen wurde. Selbſt den Uefprung der Leiftenbräche, den 
fhiefen Tanal, indem die dislocirten Därme Bis zum Bauchring 
verlaufen, bie Art und Welfe, wie das Peritoneum zum Bruch 
ſack wird, die Vielheit der Hüllen, welche den Brady uͤberzie⸗ 
hen, und jeber Hülle eigne Beſchaffeuheit kannte man bis hieher 
nicht, und wenn man auch -in den chirurgifchen Handbüuͤchern 
von den Complicationen ſprach, fo waren diefe doch nicht Aberall 
fo deutlih und befimmt ausgeſprochen und erörtert. | 
Unnergfeichlich aber und über alles Lob erhaben find .die, 
diefen beyden Heften Bengefügten Rupfertafein von der Meis 
ſterhand des Ränftlers Ande 5 In ni, was Beſtimmtheit und Er 


| 


Keßler Briefe auf einer Reiſe Durch Euddentfchland ꝛe. 95 


nanigfeit dee Zeichnung ſowohl, ats Zartheit bed Stiches ans 
geht. Jedes organifche Gebilde, Ja jede Haut und Page des 
Belftoffe wird durch feine eigene Schraffirungen deutlich unters 
ſchieden. 

De erſte Tafel enthält einen entſtehenden Leiſtenbruch. 
Man fieht anf ihr den geſchwollenen Canal, die Erweiterung 
bes Ringes in der vorfaßenden Darmichlinge. Die zweyte 
Tafel zeigt die Hüllen, welche die vworgefallenen Haͤute umge 
ben: 2) die äußere Haut des Hodenſacks; 2) die fchnige Haut 
des Cremaſters; 5) ein florkiges Zellgewebe; 4) der Bruchſack. 
Die dritte Tafel enthält den Samenſtrang, der über die art. 
epigastrica hinweg geht, und ſie von der Äußeren gegen bie 
innere Seite drädt, wenn An ihm fich eine Bruchgefchwulſt 
bilde. Man flieht Hier den Samenſtrang hinaufgelest, die 
enseinandergezerrten Samengefäße an der Hintern Wand, und 
zwar nach außen die Venen, nach Innen -aber die arter. sper- 
matica und den ductus defereris. Die vierte Tafel zeigt die 
Einfhnärung des Bruchſackhalſes und des Darms. Die fünfte 
fiillt mehrere Einfhnärungen der Därme unter fi dur das 
Netz und den Bruchſachals vor, Die ſechſte Tafel endlich 
jeige die verſchiedenen Arten der Ashäflonen auf das allerdeut⸗ 
lichſte. 


N PER 





Briefe auf einer Reiſe durch Suͤddeutſchland, die Echmweis und ben 
italien, im &ommer 1808 von G. W. Keßler. Keipjig, ben 
Salfeld. 1810. 2841 ©. 3. (1 Kehle. 12.9.) 


Die Reiſe geht von Meiningen aus Aber Heidelberg, nad 
WBaſel und fo weiter durch den befuchteften Theil der Schweiz 
über den Gotthard Bis nad) Mailand und‘ Genua, dann über 
den Simplon zuruͤck durchs Walliſerland, Genf, Straßburg, 
Mannheim, Würzburg 9 

Man ſieht auf den erſten Blick, daß’ der Reiſende zu 
wählen verſtand, und fidy die Reiſe fo genußreich machte, wie 
jeder fie zu machen wänfchen würde, der nicht weiter ale bie 


— 


96 Keßler Briefe auf einer Reiſe durch Suͤddentſchland ze. 


Mailand gehen wollte. Allein eben darum konnte der Verf. 
dieſer Briefe fo leicht nicht einen Punct berühren ,. der nicht 
ſchon beſchrieben worden wäre Dadurch verliert die Reife 
beſchreibung fehr viel für den, der darin neue Ausbeute fucht. 
Dieb kann aber ihrem eigenthünilihen Werthe keinen Abbruch 
thun. Wer felbft die Schweiz bereifen, oder, weil er das 
niche Kann, ſich gern einen vollfländigen Begriff von einer 
inhaltsreichen Schweizerreife machen will, der hat, wenn er 
dieſe Briefe anfihtig wird, nicht zu fragen, die wie vielfie 
Meiſebeſchreibung iR das, fondern er hat, wenn ihm mehrere 
dargeboten werden, nur zu fragen: welches iſt die befle ? Und 
diefe Frage braucht der Herauégeber Biefer Briefe niche zu 
ſcheuen. W | 
Et veiſet zwar nur zu feinem eignen Wergnägen , er fchreibt 
feine Briefe nur zunaͤchſt für feine Freunde, er ſchreibt fie auf 
der Stelle ohne Vorbereitung, ohne Nachſorge. Aber alle dieſe 
Umſtaͤnde gaben feiner Beſchreibung eine Friſchheit, die unges 
woͤhnlich anzieht. Seine Gemälde find alle nad ber Natur 
. gezeichnet, alle in den Augendliden der Begeiſterung ſkizzirt, 
alle in die Farbe des Vertrauens zu ber lebendigfien Theil⸗ 
nahme eingefleidet. Der Reifende beobachtet fih feld auf 
jedem feiner Schritte, er gibt Nechenfchaft von allen Eindräß 
ten, die er empfängt, und läßt auf feinem langen Wege auch 
nicht das geringfie unbemerkt, was jeder, der ihm nächreifen 
wolke, on Ort und Stelle bemerkenswerth finden würde, 
Dadurch erringt feine Anfpruchsiofgkeit die Palme der moͤg⸗ 
lichften Treue und Wahrheit, verbunden mit einer Vollſtaͤndig⸗ 
Zeit, wie man fie in wenigen Reifebefchreibungen finden wird, 
Die uns durch die genannten, in gang Europa vielleicht amd 
meiften befuchten und befuchenswürbdigen Gegenden führen, 


. 
® 


-. 


\.. 
No.7-:- Seidelbersifhe : 1811. 
Jahrbuͤcher der Literatur. 


XXCEXAXXXR 





ü— — —— 


Lehrbuch der Geſchichte des Römiſchen Nechts vom Vrofeſſor Ritter 
Hugo in Göttingen. Vierte, verbefferte Auflage. Berlin, 
8 Mylius. 1810, VIII 0.5533 S. 8. -(1 Ahle. 16 gr) 


au Bann ooransfehen,, daß die fraheren Auflagen die⸗ 
ſes Werkes, welches ſich durch freyen Ueberblick, geiſtvolle Bes 
arbeitung und wichtige Berichtigungen der bisherigen Aufichten 
fo fehr auszeichnet, allen denen bekannt find , welche fich für Die 
Geſchichte des Römiihen Rechts intereſſiren. Aus dieſem 
Grunde iſt es nicht nothwendig, hier von der Einrichtung und 
den Eigenthämlichkeiten Des Buches zu ſprechen; der Rec. wird 
daher une Die Eigenheiten dee vorliegenden Ausgabe angeben; 
und einige Bemerkungen über einzelne Säge Hinzufügen. 
Diefe letztere follen ſich jedoch nicht auf das, jet neu Hinzuge⸗ 
fommene, oder Weränderte beſchraͤnken. Dieſe Jeregularitaͤt 
möge. die. Wichtigkeit des Werts und der Umſtand entfchuldigen, 
daß die frühern Ausgaben fo wenig beurtheilt worden find. 

Die gegenmärtige Ausgabe charakterifirt der Verf. voll 
kommen, wenn er fie in Der Worrede eine vermehrte und vers 
befferte mennt. Plan und Methode find ganz biefelden, wie 
fie ſchon in den vorhergehenden waren. Neuere Erinnerungen 
find hier nicht beachtet worden, aus Gruͤnden, welche der 
Verf. F. 15 Not. 2, $. 16 Not. ı angibt. Der Rec. hat am. 
- dem Streite über die Methode öffentlich Theil genommen; er 
enthaͤlt ſich daher hier alles Urtheils, ba er uͤber den bedeu⸗ 
dentſten Punct ohne Unbeſcheidenheit nicht urtheilen kann. 
Auch die Seellung der einzelnen Lehren if im Weſentlichen 
unverändert, fo, daß es vielleicht eine der bedeutendſten Neue⸗ 
rungen iſt, Daß die Gentilitaͤt nicht mehr in Verbindung mit 
der Inteſtat⸗Succeſſion, ſondern bey dem Patronate abgehan⸗ 
delt wird. Selbſt die Zahl und Ardnung der einzelnen Paro⸗ 

| 7 


* 


Ss Hugs Lehrbuch der Geſchichte des Roͤniſchen Nechts. 


graphen ſtimmt mit der vorigen Ausgabe vollkommen-überein: 
einige baven find. jedoch ganz, mehrere groͤßtentheils unge 
arbeitet. 

Die Vorzüge dieſer Auflage vor ben fruͤhern beſtehen 
gerade in biefen Umarbeitungen, in Zufägen, die zum Theile 
für die Wiſſenſchaft, oder doch für diefes Werk von großer 
Wichtigkeit And, und in Verbefferungen. Vorzuͤglich intereſſant 
find diejenigen Stellen, wo der Derf. feine Ueberzeugung gegen 
hm gemachte Einwärfe vertheidigt, (z. B. $. ı5 Rot. 1; 
6. 54, 57 Not. 3; $. 66 Not. 45 $. 71, 9, 161 Dot. ı; 
6. 168 Not. 5); felbft ba, wo man and jetzt noch wicht mit 
ihm üdereinfiimmt, wird man feine Rechtfertigung mit Ders 
gunuuͤgen tefen. Su bedauern iſt es nur, daß er fich nicht auf 
alle ihm gemachten Einwendungen eingelaffen hat. 

Soviel zar Charakteriſirung dieſer Ausgabe. Es bleibt 
feßt nue noch Äbrig, einzelne Säge des Werkes, fü wie es uns 
hier gegeben if, herauszuheben, und zu beurtheilen. Ben der 
Wahl diefer Saͤtze Hat der Rec. aus ſchon oben angegebenen 
Gründen keine Ruͤckſicht darauf genommen, ob fle Zeeignet find, 
das Berk zu charakterifiren, oder nicht. Eben fo wenig har er 
befonders gelungene Darfielungen ausgezeichnet: denn wer wird 
wohl bey einem bekannten und anerkannt vortrefflihen Buche 
noch einzelne Säge herausheben, um dieſe beſonders zu foben ? 
Seine Bemerkungen betreffen vielmehr vorzuͤglich ſolche Stets 
fen, wo er anderer Meinung iſt, als der Verf., oder me 
er Mangel in der Darfiellung zu finden glaubt. Dienen fie 
daza, den Verf. bey einer neuen Ausgabe zu neuen Eroͤrterun⸗ 
gen zu veranlaffen,, und wenigſtens fo die Aufklaͤrung mancher 
Puncte herbeyfuͤhren, fo haben le ihren Zweck vollffändig 
erreicht. , Ä | 

Erfte Periode. Schon in den fräfern Ausgaben hatt 
der Verf. mit fehr vielem Scharfſinne wine neue Theorie dei 
Bentttitkt aufgeſtellt. Dieſe vertheibigt er nun ($. 54) gegen 
wenere Einwuͤrfe mit überwiegenden Gründen , jedoch jebt mi 
einem Zulage, der wohl fehwerlich gerechtfertige werben kann 


Hugo Lehrbuch der Gefchichte des Roͤmiſchen Rechts... 99 


md dem er aud in der Zoige ($. 4B Pot. 2) ſelbſt zu miß⸗ 
trauen fcheint. Der Patron und feine Defcendenten follen als 
Sentilen zur Vormudſchaft und zur Succeſſion in das Ders 
mögen ihrer Freygelaſſenen gerufen morden fern. Dieß iſt 


(den au ſich unwahrſcheinlich, da wohl bey fehr vielen Patro⸗ 


wen die DBedingungen der Gensilität (Cic. Top. c. 6) 

singeszeten fenn mögen, und wird auf Durch die Brände Les 
Verf. nicht erwieſen. Sein vorzüglichftes Argument wird darnus 
abgeleitet, daß in keiner Gitelle der zwölf Tafeln dem Patroms 


diefe Rechte namentlich zugeſprochen wärden. Diele Voraus⸗ 


ſetzung iſt aber in Hinſicht auf das Erbrecht uncichtig, Ul- 
pian og. $. ,4, 6; Toll. 16. $. ult.; Pr. J. 8, 4 (8): 
fr. 12. D. 37. 14.3 fr. 199. D. Se. 16.; Theoph. I. 27. 
und für die Tutel une gewiſſermaßen wahr: fr. 2. p. fr: 5. m 
D. 26, 4. Inst, I. 17: Ob etwas Aber Die Enratel ber Das 
Ikone verorduet geweien, wiſſen wir. nit. Und ſo ſcheint 
denn dieſe Meinung norhmendig verworfen werden zu muͤſſen. 
— Das die Frau bey ber Coomtio ihren Mann nicht gefauft 
habe, dafür ſpricht fraglich der Geiſt bes. Inſtituts ($..65):.fe 
gang ſchwach find jedoch die Argumente der Gegner nicht, da 
fie außer. den Stellen won. Cacero (de Orat. I. 56.; pro 
Muraen. ©, 392) das. ausdruͤckliche Zeugniß mehrerer Schrift⸗ 
Geller für ſich haben. Servius ad Georg, I. 51; al Aen, 
IV. 1045; Nom, XI, 50; Isidonm XIV. Orig. 24. No. 80. 
fagen. gan beſtimmt: maritus et uxor se invicem. emebant, 
— Der Entſtehungéeamen ber. Tutel gibt es wahrſcheinlich nach 
nicht fo viele, als der Barf. ($. Ga) annimmt. Die, won den 
Neuern ſo genannte tutela dativa findet wohl. jet nach nicht 
Ratt, und bie tutela testam. mag bey Frauenzimmern wohl 
noch nicht vorgekommen fern. Wenigſtens ſcheint bie der 
einzige Zweck dieſer Tutel, die Erhaltung des Werkögens Mm 
ber Familie, zu erfordern. Anch finden wir in der Folge die 
tutoxis oprio, welche eine währe, wiewohl ganz eigene tutela 
testamentaria il, als etwas Neues, das ſogar nur. bey ber 
ſtrengen Ehe vorgekammen zu ſeyn ſcheint, wis aus ame em 


"200 Hugo Lehrbuch ber Geſchichte des Romiſchen Rechts. 


gleichung von Liv. 59, 19 mit Cic. Top. c. 4. wahrſchein⸗ 
(ih wird. 

Dem Grundfage nah war nur ein Röimifger Bürger des 
Moͤmiſchen Eigenthums fähig. Hiervon nimmt der Verf. eine 
Ausnahme an, wenn einem Peregrinen das Commerchum ges 
geben worden ($. 67). Rec. häls diefe Ausnahme für unge⸗ 
gründer. Living, Ulptan und Theophiluec fagen nur, 
daß in biefem Falle der Nichtroͤmer das Recht erhatten Habe, 
in Nom zu kaufen und zu vorfaufen, und hierauf ſcheint auch 
diefes Recht beſchraͤnkt werden zu muͤſſen. Daß ein Römer, 
wenn ee von fo einem Fremden auf die gehörige Weile kaufte, 
Mömifcher Eigenthuͤmer wurde , iſt hiegegen Beine Inſtanz, da 
wir bey dem Connubium, einem ganz ähnlichen Verhaͤltniſſe, 
daſſolbe finden. : Wo dieſes ſtatt fand, konnten ih Römer und 
Meregrinen zwar giltig heurathen: ‚eine Roͤmiſche Ehe aber 
tonntse dann doch nur der Römer mit der Peregrinen, wicht 
‚aber der Peregrine mit einer Romerin abfchließen. — Bach 
dem einſtimmigen Zengniſſe der Alten erbten die Weiber jetzt 
‚gerade .ebenfo ab. intestato, wie die Maͤnner. Diefe Abwei⸗ 
chung von den, bey andern alten Völkern geltenden Srundfäsen 
ik doppelt auffallend, wenn man bie Eigenheiten des Römis 
ſchen Staats beruͤckſichtigt. Hierauf macht der Berf. ($. 84 
Tot. 3) aufmerkfam, ohne jedod die Schwierigkeit zu (öfen. 
Der Erund hiervon ſcheint einzig in der tutela sexus zu fliegen, 
‚durch welche die Römer alles das erreichten, was andere Bolker 
darch Berfagung des Erbrechts bewirken wollten. Hieraus er⸗ 
klart es fih auch, wie Weränderungen bey der Tuteleinſchrän—⸗ 
ung die Erbfähigkeit der: Frauenzimmer zur Folge haben konn⸗ 
ten ; woonn in der Folge. — Die Anmerkung, daß neben dem 
»exum jeßt noch feine Realcontracte, feine Stipulationen vor; 
:getommen feyen ($. go Det. 4), ſtimmt fehr wohl mit dem 
Geriſte des jegt geltenden Rechts Absrein, und wird durch gar 

Manches untesflügt: hierzu feheint «6 aber nicht ganz gu paffen, 
wenn ſchon im Diefer. Periode die Srundzaͤge der Theorie beyder 
Arten von Vertraͤgen vorgeitagen werben. Neben dem nexum 


Hugo Lehrbuch der Geſchichte des Roͤmiſchen Nechtt. 104 


exiſtirt ohne Zweifel ſchon jegt der contractus nominum dur 
rationes domesticae, den der Verf. weder hier, noch fonfk 
angibt. — Wen der Erärterung, -mer unter den Decemvirn in 
der L. Horatia verfianden werde (S. 159), hätte noch ers 
wähnt werben können, daß biefer Ausdruck in mehreren Dias 
nafceripten des Living fehlt: ſollte er echt feyn, fo bleibt «6 
doch immer noch zweifelhaft, ob diefe decemviri für die Juftig 
von Bedeutung waren. Daß es die decemviri stlitibus ju- 
dicandis gemefen feyen, flieht wenigſtens mit fr. 2 6. 29 
D. 1, 2 in Widerſpruch. 

Zweyte Deriode, Eine merkwürdige Srfcheinung if 
in diefer Periode die L. Voconia, über deren Inhalt, Gruͤnde 
und Verhaͤltniß zur frühern Legislation unſere Schrififteller ſich 
bis jegt noch nicht Haben vereinigen können. Auch das, vons 
Berf. ($. 1357) Geſagte fcheint unbefriedigend, und fo find denn 
einige Erörterungen über diefen Gegenſtand wohl bier nicht am 
anrechten Orte. Von dieſer Lex find drey Capitel auf uns 
gefommen. 1) Kein Römer foll ein Zrauenzimmer .in feinen 
Tetamente zum Erben einfegen dürfen. Cic. in Verr. I. 42. 
— Dem Verf. Scheint es zweifelhaft, ob die Worte bes Cicero: 
„qui post Postbumium et Fulvium censores census esset“ 
den hier angegebenen Sinn haben könnten, da Afconius 
fagt, diefe Lex fed nur auf Reiche, in der erſten Claſſe Cen⸗ 
firte, d. i. folche gegangen, die wenigfiens 100,000 H. S. im. 
Vermögen Hatten. Diefe Nachricht des Aſconius if fiher 
untihtig, da gewiß weder in den Zeiten, ma bie Lex Vo- 
conia gegeben worben.ift, noch in denen des Cicero a00,aocHH, S. 
den hoͤchſten Cenſus ausgemacht haben, da Eicerg felöft in 
diefer Mede unter Census denjenigen verfieht, ber in die 
Mufterrolfe eingetragen war (was in den Zeiten der L. Voc. 
nicht aber im denen des Cicero noch bey jedem Römer varı 
tum), und von einem Senator, d. i. einem Manne, der we 
nigſtens Boo,o0o H. S. befigen mußte, und. einer reichen Sram 
fügt, fie feyen im Sinne der L. Voconia nicht censı gewefen, 
Seht man Hiervon aus, fo bleibt nur die hier gegebene, mit 


403 Hugo Lehrbuch der Gefchichte des Nömifchen Rechts. 


dem Sprachgebrauche vollfländig Äbereinftimmende, auch von 
Afconins angeführte Erklärung Abrig. @) Keinem Beide 
fol mehr fegirt werben därfen, wie 100,000 H.$. — Diefes 
Eapitel, welches Dio Caſſius ausdruͤcklich angibt, dient ſehr 
die, bey dem Nichtjuriſten Aſeosnins herrſchende Verwirrung 
zu erflären. — 5) Keinem Legatar foll mehr Binterfaffen werden 
Binnen, als dem Erben. — Die Gründe diefer fo außers 
ordentlichen Legistation fcheinen zu ſeyn a) Veränderungen in 
der Lehre von der Tutel. Schon feit einiger Zeit war bie 
. tutoris optio entflanden. ine nothwendige Folge Hiervon 
war es, daß die Tutel gerade In dem Falle, wo am erfien 
Mißbrauch zu befärdten war, nicht mehr hinreichte die Erhal⸗ 
tung des Vermögens in der Familie zu bewirken. Wollte man 
den, auch jet noch fo bedeutenden Grundſatz, man müfle das 
Vermögen der Familie zu erhalten fuchen, nicht aufgeben, fo 
mußte jetzt nothwendig die Erbfähtgkeit der Franenzimmer eins 
gefchräntt werden. b) Der zunehmende Lupus, dem nad Aufs 
hebung der Lex Oppia jeßt, wenigſtens bey Frauensimmern, 
‚Bein bedeutender Damm mehr entgegenftand. c) Das Häufls 
gerwerden der laxen Ehe. Gell. XVII. 6. — Was den Ins 
Halt diefee Lex betrifft, fo Hat fie wohl an dem Snteftats 
Erbrechte der Frauenzimmer, das jest noch wie zu den Zeiten 
der zwölf Tafeln befand, nichts geändert. Wenigſtens ſchwei⸗ 


.. gen hiervon alle Nachrichten, und auch ber Zweck der Lex, 


Abwendung der, den Agnaten durch die tutoris optio drohen⸗ 
den Gefahr, fcheine dieſe Vermuthung zu beflätigen. Erſt 
fpäter,, da die Weiber Hey der Veräußerung der res nec man- 
cipi, nicht mehr an die auctoritas ihrer Tutoren gebunden 
waren, als die Erfahrung gezeigt hatte, daß das Erbrecht 
eines Frauenzimmers, das die tutoris optio ſchon hatte, doch 
immer gefährlich werden könne, ward auch die Snteflats Sucs 
eeffion jure civili, Voconiana ratione befhräntt. Paul. IV, 
8. $. ae. Ebenſo wenig find wir gepwungen, noch fonftige 
bedeutende Verfügungen anzunehmen, welche nicht auf uns 
gefommen wären; da die befannten einen vollffändigen Cyklus 


. > 


Huge Lehrbuch der Gefchichte des Mömifchen Rechts. 103 


bilden, and durch ihre Zuſammenwirken alles das erreicht wers 
den fan, was durch dieſe bewirkt werden ſollte. j 

Zu dem Roͤmiſchen Eigenthume gehören zwey Fälle, das 
in hᷣonis esse umd bag b. f. possidere., Damit in beyden 
gillen Römifches Eigenthum entfiehe , mar bie Uſucapion eins 
geführt. Bey den praediis provincialibus war dieſe unmägs 
ih. Um dem b. f. possessor ſolche Grundſtuͤcke ſodiel mögs 
ih zu ſichern, entfland die long. temp. possessio, Welche ia 
der Folge auch in andern Fällen und bey Rechten angewandt 
wurde. Sie fehte eben fo gut natärlihes Eigentum voraus, 
wir die usucapio, und bewirkte theils Exceptionen gegen jeden, 
theils daß die actio Publiciana ſelbſt gegen einen b. f. pos- 
sessor als weniger Berechtigten angeftellt werden konnte. Hier⸗ 
aus läßt ſich die Frage des Verf. (S. 955) beantworten, 06 
die longi temporis possessio eine adquisitio naturalis gewes 
m fen? Uebrigens fcheint es zu früh, wenn jetzt ſchon von 
dem Termine von gehen und zwanzig Jahren geſprochen wird. 
fr. 76. 9. 2: D. 18. 1. — Auch die operae serworum ſchei⸗ 
nen als eigene Servitut noch nicht Hierher zu gehören, da 
Juriſten der Folgenden Periode fie noch theils zum Uſuefeuctut, 
f. 3. 4. D. 7. 7., theilß zum 'usus fr. 5. D. ood. rechnen. 
— Die dos kommt nicht allein jetzt, fondern auch [on in ber 
vorigen Periode vor. Dief beweist zwar nicht die $. 166 
N. 2, angeführte Stelle, wohl aber Cic. Top. c. 4 „Cum 
mulier viro in manum convenit, omnia, quae mulieris 
fuerunt, viri Aunt dotis nomine,* Ob man damals das, 
durch dieſe successio universalis erworbene Vermögen ſchon 
dos genannt babe, 06 bey der Taxen Ehe fchon in der vorigen 
Periode eine dos vorgelommen tft, das iſt eine andere Frage. 
— Die bona receptitia gehören der Frau eigenthämlih : bey 
der Arengen Ehe fommen fie daher fiher nicht vor. 

Die B. P. iſt befanutlich von den Verf. vortrefflich ba 
geftelle worden. Ihm allein verdanken mie eine vichtigere Ans 
fiht diefes Sinfiruts. Gerade aus diefem Grunde haͤlt es deu 
Rec. für nothwendig, hier einige Punct⸗ zur Sprache zu briu—⸗ 


’ 


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- 


N 


104 Hugo Lehrbuch der Gefchichte des Römifchen Rechts. 
‚gen, wo der Verf. nach feiner Meinung geirrt hat. Zu Biefen 


- gehören vorgäglih: 1) die Entfiehung bee B. P. — Hier 


nimmt der Derf. an, daß das Beſtreben Concurfe zu verhin⸗ 
dern, den erſten rund diefes Inſtitutes enthalten habe. Dieſe 
Anſicht erklärt die Sache nicht. Wenn man auch zugibt, daß 
der Praͤtor bey völligem Mangel an Civilerben das Vermögen 
andern Perfonen habe anbieten können, um die gehafte mis- 
sio in bona zu verhindern, fo bleibt es doch unerflärt, wie 
gerade die. Form der B. P. entfianden, wie ſolche, die nicht 
Erben waren, den Erben vorgezogen werben konnten. Voͤllig 
undegreiflich fcheint bey dieſer Vorausſetzung die eingeſchraͤnkte 

Succeſſion der Cognaten. Auch die angeführten Beweiſe find 
fo bedeutend nicht, daß fie diefe Meinung begründen konnen. 
Cic. ad. Att. VI. 1. geigt nur, daß die B. P., welche unter 
der Form det missio ex secundo decreto vprfam, im Edicte 
unter die Miſſionen geftellt war. Der 6. 4 J. 3, 9 (10) 
aber und das ganz aͤhnliche fr. 1. pr. D. 38. 9 enthalten 
nichts wie den Bag: ber Prätor habe kurze Friſten vorge 
ſchrieben, damit die Ereditoren bald .wüßten, ob es zu einem 
Concurſe komme, oder nicht. Dem Rec. fheint es viel natuͤr⸗ 
Ticher, wenn man annimmt, bee Prätor habe bey Einführung 
der B. P. am gar! nichts Neues gedacht, fondern nur, dem 
heres verfprochen, er wolle ihn fehleunig in den Befitz feßen, ' 
wenn er gehörig darum nachſuche, d. i. B. P. agnoſcire. Syn 
der Folge ward biefer Befig in zwoy Fällen auch Nichterben 
‚gegeben, a) wenn gar keine Erben da waren, und b) wenn 
nad) der Lage der Sache und der jegigen flatt findenden Bitten 
einem ‚andern ale dem heres das Vermögen gebührte. In 
dem letztern Falle reichte jedoch Die bloße agnitio niche hin, 
fondern es bedurfte einer causae cognitio pro tribunali und 
eines Decrets. Erſt nachdem fih auf diefe Weiſe ein Gewohn⸗ 
heitsrecht gebildet hatte, kam biefe B. P. in das Edict. Diefe 
Anſicht flimme’ fehr wohl mit der ganzen Entflehungsart des 
prätorifchen Rechts überein, und wird durd) das, was wir von 
ber B. P. . deerstalis . wiffen, nicht unbeutlicdh. -unterfläßt. 


es 


Hugo Lehrbuch der Geſchichte des Roͤmiſchen Rechts. ſos 


8) Das zweyte, worin der Dec. nicht mit dem Verf. übers 
einftimmen Tann, find- die Wirkungen der B. P. Viele anger 
ſehene Zuriften, von denen.etwa hier Cujacius, (XXI,-56), 
Salvanus (de usufr. c. 25 No. 11), Greve (exercit 
ad x. loca diff. XXI. 05. c), Cofla, Vinnius nnd 
Otto (ad $. 2 J. 5.9. (10)) genannt zu werden verdienen, 
hatten den Srundfag aufgeftellt, der bomorum possessor, der 
nicht nach Civilrecht berufen, fen nicht Erbe, d. i. nicht wir, 
licher Repräfentant des Verfiorbenen, fondern der Prätor ber 
handle ihn nur als folchen, indem er Ihn ex secundo decreto 
in possessionem bonorum wie den Erben insmittire. Aus 
dieiem Grunde erhalte er denn auch nur natürliches, nicht 
Römifches Eigenthum, bie actiones (im eigentlihen Sinne), 
die von Der Perſon der Strenge nach nicht getrennt werden 
Kinnen, und daher nur auf den wahren successor universalis 
übergehen (fr. 25. $. 2. D. 7. 3. und eine Menge Anwens 
dungen) , gingen’ weder active, nod) passive auf ihn über; fie - 
fonnten daher auch nur utiliter von ihm und gegen ihn ans 
gefellt werden. Diefem Satze widerſprach nun der‘ Verf. im 
den vorigen Ausgaben ausdrädlih, und -fucht feine Meinung 
auch jet noch gegen neuere Einwuͤrfe zu vertheidigen. Auch 
dem Rec. ſcheint die entgegenfiehende Meinung den Vorzug zu 
verdienen. Für dieſe fpriche nämlich a) die gange Analogie, 
indem das Ediet des Prätors Beine civilrechtlichen Wirkungen 
begründen konnte; b) die Terminologie, da die Ausprüde 
possessio, bonorum possessio, hereditatis possessio, melde. 
zur Bezeichnung dieſes Inſtitutes gebraucht werben, unbedingt 
auf ein ſolches Verhaͤltniß hinweiſen; c) Yte Form, unter welcher 
das prätorifche Erbrecht gegeben wird. Diefe ift die Missio 
ex secundo decreto, welche befanntfich nur pratorifcheg Eigens 
tum begrändet. fr. 5. pr. fr. 12. 15. $. 16. fr. 28. 6. 15. 
fr. 44 $. ı. D. 39. 2. fr. 5 $. ult. D. 41. 2. d) Die 
Definition der B. P. in fr. 3. $. 2. D. 57. 1. e) Das aus⸗ 
druͤckliche Zeugniß Ulptans (XXIX. 12), der Inſtitutio⸗ 
nen ($. 0. J. 5. 9 (10) und des Theophilus. (Dev 





106 Hugo Lehrbuch der Geſchichte des Roͤuſchen Rechts, 


Verf. ſucht Diefe Stellen durch die Bemerkung gu entfernen, 
eine vindicatio utilis fey doch etwas ganz anders, als gar 
Leine. Allein cheils IM hier nur von eigentlichen Actionen bie 
Rede, theils iſt es noch eine ſehr große Frage, ob nicht auch 
dem natürlichen Eigenthämer eine vindicatio utilis nach den 
Umfänden gegeben werben ſey, gerade fo wie dem Emphyteuta, 
dem Superficiar, dem Pfandglaͤubiger u. m. a.) f) Endlich die 
Stelle von Varro (deR.B.II.10), weiche niet fo ganz unbes 
dentend ift, wenn man bedenkt, daß Varro bier genauer und mebr 
juriftifch ſprechen will, wie in den frübern Stellen, wie dieß der 
Zufammenhang gibt. Gegen biefe Gründe koͤnnen au nicht ans 
geführt werden fr. 1.D. 57. 2., fr. 1. pr. D.38.9., fr. 70.$. ı. 
D. 50. ı6, da aud) vom missus ex secundo decreto häufig ges 
fügt wird, er fey dominus. fr. 7.6. 1.D.7.1.,f.5. D. 10. 
3., fr. 2. pr. D. s3. 5., fr. 15. $. 17. fr. 58. D. 39. a. — 
Die Eintheilung der B. P. in ordinaria und extraordinaria 
wird nirgends angegeben, was doch bey den mancherley Hier 
Berrfchenden Mißverkändniffen wohl. doppelt nothwendig gewes 
. en wäre Dabey ſcheint es fa, als wenn, der Verfaſſer 
die B. P. quibus ex legibus faft gleichbedeutend mit der ex- 
traordingria betrachtete. Iſt dieß, fo fcheint dieſer Begriff 
theile zu eng, theils zu weit. Können Sprachgebrauch und 
Analogie nur irgend unfere Faͤhrer ſeyn, fo muß unter ber 
f 9. B. P. extraordinaria (der Ausdrud felbf finder ſich bey 
Ben Römern ‚nirgends, wohl. aber der Gegenſatz: B. P. ordi- 
naria) eine ſolche B. P. verfianden werden, welcher keine beſtimmte 
Stelle durch das Edict angewielen iſt, melde vielmehr neben 
werfchiedenen B. P. ordinariae vorlommen fann. Diefes findet 
aber nicht bey jeder B. P. quibus ex legihus flatt, fr. a. 
6. 4, fr. 3. D. 38. 7. Der Begriff if alfo zu weit. Um⸗ 
gekehrt treten dieſe Eigenthuͤmlichkeiten nicht allein bey Ber B. P, 
ein, die durch ein Privilegium einem Nichterben. gegeben wird 
(fr. x. $. 1. D. 38. 14); fondern auch bp der B. P. ex 
Edicto Carboniano, welder fogar die B.P. unde liberi als 
ordinaria entgegengefegt. wird, fr. 5. $. 3. D. 37. &., fr. 3, 


% 


Hngo Lehtbuch der Geſchichte des Mömifhen Rechts 107 


. 15. 16. D. 37. 10), und bey der B.P. contra tabulas und 
contra suum Des Patrons. Der Begriff IR alfo auf der am 
dern Brite zu eng. — Diefe B. P. des Patrons ſteilt der Werf. 
fo dar, als wenn fie unbedingt flatt gefunden hätte, ſobald ber 
libertus ohne leibliche Defcendenten mit Hinterlaſſung eines 
Teftamentes , oder von suis verſtorben. Auch dieſes fcheint 
nah fr. 2o. D. 37. 14, C. J., C. Th.4. 4 C. 2. C. 6. ı3. 
unrichtig. — Zu den Stellen, wo fih Spuren von ber Eins 
fhellung der B. P. in B. P. cum re und sine re finden, 
hätten woßt and no fr. 12. D. 28. 8., fr. 8.D. 8.6 
jugefege werden koͤnnen. 

Deiste Pertode Vielleicht Hat der Dec. ſchon jetzt 
bie Srängen einer Anzeige üserfchritten:: baher im dieſer und. 
der folgenden Periode nur einige Bemerkungen üder die Ger 
ſchichte der Legislation. Es If gewiß fehr richtig und fehe 
folgereich , wenn der Verf. darauf aufmerkſam made, daß jetzt 
noch keine Art Baiferlicher Conflitntionen als Verordnungen von 
obenherab zu betrachten ſeyen, fondern nur wie ähnliche Ver⸗ 
fügungen eine® magistratus, von denen fie ſich allein durch das 
Anfehen und bie länger dauernde Herrſchaft bes Erlaſſenden 
auszeichnen. Biere Bemerkung folgt aus einem richtigen. Be⸗ 
griffe der Oberherrſchaft des Auguſts (welche durch Vereinigung 
der bedeutendften obrigkeitlichen Stellen und duch ihre Extheis 
lung auf Lebenszeit begründet war), und wird durch die Ges 
ſchichte der Legislation unmwiderfprechlich erwiefen. Demungeachtet 
bleibt es Für die Rechtsgeſchichte doch Immer von Wichtigkeit, 
nicht affein die Edicte, fondern auch die übrigen Conſtitutionen 
zu kennen, welche Gelegenheit zu einem Gewohnheitsrechte 
gegeben haben. Diefe flellt nun der Verf. mit den einzeinen 
Leges und Scta nad den Kaiſern zufammen, weburd bie 
Ueberſicht ſehr gewonnen Hat. Dieſe würde noch mehr erleichs 
tert worden fern, wenn er hier, wie in der folgenden Periode, 
die einzelnen Beſtimmungen ſyſtematiſch geordnet hätte. 

Ganz vellftändig iR diefe Zufammenftellung nicht; und fo 
ſcheint ein Heiner, wenn gleich mangelhafter Nachtrag hier 


108 Suge Lehrbuch der Geſchichte des Minifchen Rechte. 


nicht Äberfiüffig. Uebergangen find — unter Anguf: Ulpian. 
XX. 10. 61.3. 2. 0. — fr. 21. D. 40. 2. — unte Claus 
dins: Sueton. c. 18. 19- 25 — Ulpian II. $. 1.6. — 
fr. 2. D. 16. 1. — Sr. 6. pr. D. 57. 14. — fr. 4. $. ı. 
D. 40. 16. — fr. 3. 6.8. D. 47.9. — C. 3. C. 5.30. — 
C..1.C. 7. 19.5 — unter Veſpaſian: fr. 7. pr. D.37, 14.; 
unter Tttns: Sueton. Tit. c. 8. — fr. 1.9.3. D. 49- 14.5 
— unter Domitian: Sueton. Dom. c. 8.; — unter 
Nerva: Ulpian. XXIV. 98. — fr. 4. pr. D. 40. ı5.; 
— unter Trajan fehlen das Sctum Rubricanum, Dasu- 
mianrum, Articulejanum und Apronianum, das Edictum 
qui se ipsos deferunt und die in fr: a. D. 28. 5. fr. 5. 
D. 357. ı2. und fr. 14. D. 50. ı2. enthaltene Verfügungen ; 
— unter Hadrian: fr. 9. D. ı. 6. — Spartian. Hadr. 
ce. 18. — fr. 8.9.5. D. a8. 5. fr. 18. pr. D. 26.5. — 
fr. 5. D. 40. 5. — fr. 425. $. 1. D. 37. 14. C. 2. C. 7. 4 
— fr. 24. $ 21. D. 40. 5. — fr. 20. $. 4. D. 40. J. — 


C. uk. C.-7. EM 1. 6.2. D. 40. 15. — Ulpian IIJ. 3. 
— f.3.62.D958— fr. 1. 9. 8. 9. D.27.B — 
$. 0. 1 Mn ie Dep 57 14 fr. 8. £. 8. fr. Q2. 
D. 36. 9. fr. 19. D. 49. 14. fr. 16. p- fr. w. $. 3.D. 49 
gm u using 
rn 1.6. 2. D. 2g. ı. — Ulpian. XXIV. 08. 

fr. 14. $. ı ——— 


7 

6. 2. — — —4 er 
5.5. D. 4.00. — α 
5. 10. fr. 15. 9. 2. 3. D.9 4 — fra. 1 eod. — 
fi. 7. $. 4 D. 38. hr. 9. 5. 4. D. 14.6. — fr. 7 
6.1. D. 42.4 — fr. 1.9.2, D. 49. 8. — fr. 7. p. D. 
49: 5. — Unter ihm finden fig endlich die erften Spuren davon, 
daß die Tutel als ein Munus publicum betrachtet werden fey, 
was. unter den folgenden Kaifern immer mehr hervorgehoben 
wird. — Bey Pius find uͤbergangen viele Beguͤnſtigungen 
der. Freyheit, fodann fr. 12. $..1..2. D. 26. 5. fr. ı. §. ı. 
D. 27.10. — fr. 13. % 1. D. 1. 18. — fr. 6. D. 27. 8. 


N 


Hugo Lehrbuch der Geſchichte des Roͤmiſchen Rechts. 109 


5. 9. J. 2. 6. fr. 3. 6. 8. 15. D. og — fr 3: 
p. $. 1. D. 74: 8. fr. ı2. D. 49. 14. — 6. 4. J. 2. 20. — | 
fi. 77. D. 30. fr. 8%. $. 5. D. 50. — fr. 17. $. 2. D. oa. ı. 
fr. 59. 6. ı. D. 35. =. fr. 3. 574. D. 49. 14. — fr. ı. 
6.6. D. 42. 6. fr. 11. $. 2. fr. 14. $. 2. D. 56. 1. — fr. 
ı. p- D. 37. 7. — fr. 30. D. 39. 1. $. 4 D. 357. 18. 
— fr. 7. 23. D. 37. 5. fr. 7. D. 37.8. — fr. 1. $. 15. 
fr. 6— 7. D: 25.35. — fr.3.9.4.D. 53. 6. fr. ı. pr. fr. 
9. pr. D. 26. B. — Ferner manches über das forum, . da® 
beneficium competentiae, die Erecution. — C. ı. C. 7. 43. 
Aus den Regierungen von Marcus und Commodus, Die 
nit wohl getrennt werden koͤnnen, hätten vielleicht .. eine 
Erwähnung verdient: fr. 3. $. 3. D, 38, 16. C. 2. 3. C. 4. 
5. — fr. 4 pr. fr. 5. p. D. 40. 1. Das Scrum Jam 
ecianum. — fr. 1: D. 40.9. — fr. 1. $. 3. D. 40. 15. — 
ft. 2: D. 40. 16. — Capitolin, Marc. c. g. ı0. C. 3. C. 
7. 11. — fr. 1.p. D. 25.4 — fr... g. 14. D. 25.5. 
— C. 25. C.5. 4. — C. 6. 12. C. 5. 17. — Das Sctum, 
wodurch fo ſehr viel Aber Tutel beftimme worden — fr: 3. 
6. 10. D- 46. 14. — fs. 62. $. 10. D. 17. 2. — fr. ı. D. 
20. 2. — fr. 3.$. 2. D. 28. 3, 

fr. 4. p- D. sß. 6. — fr. 20. D. 

4 — 9 D. — Cm 0.6.56. — 
fr. 38.6. 3. D. 36. — ie. ı. $. a. D. 55. 2. — 
fr. 197. p. D. 97. 14. ke 16, $. 1. .D. 38. 2. — fr. 4. D. 
37.8. — fr. 24. $. ı. D. 48.5. — fr. 8. 10. pr. D. 2. 14. 
— fr. 56. D. 42. ı. fr. 6.9.2. D. 48. 2. — C. 2.C.o. 13. 
fr. ı. D. 49.9. — fr. 1.2.97. D. 2. 18. Unter Pertis 
nar finden wir ein mertwürdiges Senatusconfalt: $. 7. f. 2. 
17., unter ‘den Megierungen des Septimius Severus und Tas - 
raralia noch gar manche Bekimmungen, von denen etwa 
die folgenden Hier angegeben werden können: C. 16. pr. C. 
7.9. — Pr J. 2. 14. — fr. 9. 25. D. 4g. 15. — mancher⸗ 
led Beſtimmungen über Tutel, namentlih auch fr. 2. $. 9. 
D. 36.6. — fr. 49. D. 19-0. — fr. 19. D. 2.2. — Cod. 


— 


"#10 . Hugo Echrbuch der Geſchichte des Roͤmiſcher / Nehtt. 


Greg. lib._8. tit. 2. c. 1. — fr.11. $.6. D. 13.6. — 6.12. J. 
8.6. — fr. 9. D. 44 3. — C. 6. C.7. 8. fr. 5.9 D. 27.4, — 
fr. 3. p. D. 35. 1. — fr. 1. fr. 2. 9. 1. D. 34 9 fr 61.5.2 
D. 31. C. 4. C.6. 49. — fr. 61. D. 29. 0. — $. 5. 15.00. 
J. 2 20. — 6. 3. J.2. 15. — 2). 2. 17. —C,5C 
6. 50. — C. 6. C. 6. 54 — fr. 26. $.1.D.6.5.- 
fr. 2, $. 6. fr. ıB. $. 8. fr. 85. D. ag. 14. — fr. 46. D, 
38. 1. — fr. 15. D. 39. 5. — C. 8. C. 9. 3. — GCi. c. 
8. 36. — Sodann hatten bey den, der Zeit nach ungewiſſen 
Scten die Senatusconfulte, welche Ulpiau (XI. $. 0— 23) 
aufgezaͤhlt, wohl allerdings eine Stelle verdient. — Mic din 
Zufägen muͤſſen noc einige Erinnerungen über das Gegeben 
verbunden werden. — Die Lex Cornelia de injurüs 
(9. 217), welche entweder eine eigene Lex, ober ein Theil der 
L. Cor». majestatis iſt (Cic. ad divers, III. 11.) ſcheiut 
nicht hierher zu gehören, da fie rein ciminaliſtiſch if. — O5 | 
durch die Lex Julia repetundarum bie Mſucapion nnterſagt 
worden, ſcheint zweifelhaft. — Ebenſo, daß nach ber L. Aeli 
Sentia der libersus ingratus wieder Sclave geworden. Kim 
gegen ſcheint wenigſtens zu fprechen, daß man in den Zeiten 
yon Claudius dieſen Sag nach nicht als entſchleden bettan: 
tete. — Dur die L. JIunia Velleja if das adcrescers 
scriptis heredibus wohl nicht eingeführt worden ($. ası) | 
Ale Stellen, welche von diefer Lex ſprechen, beobachten hi 
Über ein gänzliches Stilfchweigen: und ſelbß durch Analogie 
wird diefe Vermuthung nicht unterftuͤtzt; indem die flarfe Treu 
nuug des Sohnes von andern Defcendenten. vielmehr zu dem 
Geiſte des Rechts, wie es bald nad den zwoͤlf Tafeln ſtatt 
fand, als in die jegigen Zeiten paßt. Auch der Umſtand, dab 
die B. P. contra tab. fi nad andern Grundſaͤtzen richtett, 
Scheint hiegegen zu ſprechen, und auf einen Zeitpunct hinzu⸗ 
weiſen, der Alter iſt, wie die B. P. — Unter abeignatio 
libertorum ($. 224) ſcheint nicht ſowohl eime Freylaſſung Im 
Mamen des Kindes; als eine Lebertragung der Patronatrechle 
Aber einen Freygelaſſenen auf eins von mehreren SKiabern ver 


⁊ 3 


Hugo Lehrbuch der Geſchichte Des Römtfchen Rechis. 111 


Randen werten zu mürfen. ft. 3. p. D. 38. 4. — Das 
Sctum Tertullianum ($. 228) gehört wohl unter Hadriam. 
$, 2. J. 5. 3. Der Umfland, daß unter dieſem Kaiſer fein 
Conſul Tertufiius in den fastis vorkommt, rechtfertigt Diefe Werfen 
jung wohl nicht, da diefes Sct, fehr wohl unter einem Consud 
suffectus gemacht worden ſeyn kann. — Daß Bajıs nie 
eitire ($. 25x), iſt wenigſtens ungegruͤndet. fr. 3 D. 38. ı7. 
fr. 73. $. ı. D. 30. fr. ge. D. 55. ı. fr. 56. D. 3ı. fr. 
11.:-D. Q. h fr. 85. D. 4. 8. fr. 46. D. 25, 2. U. de de 
Stellen. ., 


Vierte Periode. An der jeßigen Periode find die 
Conſtitutionen der Kaifer die einzigen Quellen des gefchriebenen 
Rechts. Bis auf Conſtantin find jedoch die Edicte, bie 
wohl ſchon vor ihm wahre Verordnungen geworden find, ſehr 
felten: mir ihm dagegen werben fie haͤufig, befonders während 
feiner Regierung und unter denen non Theodoe II. und 
Suftinian. Dieß muß man jedoch nicht fo verfiehen, als 
wenn alte Conflitmtionen von dieſem Zeitpuncte an Edicte ges 
weien , oder als wenn man nachher in die beyden Codices von 
dieien Kaiſern nur Edicte aufgenommen habe, wie dieß ber 
Verf. zu nehmen fcheint; viele find nur Mandate, Decrete 
oder Reſcripte, nur daß auch diefe nach der veränderten Vers 
faffung in der Regel an obrigkeitlihe Perfonen addreffirt find 
(Gothofred. prolegomena ad Cod. Theod. c. 2.); und fo 
it denn auch die Sache nicht ganz fo arg, wie fie der Verf. 
darftellt. Eine Zufammenftellung diefer Eonftitutionen ift vorzägs 
fih wichtig für das Studium des neueften Römtichen Rechte, 
weiches gerade durch fie feine eigenchämliche Geſtalt erhalten 
hat. Demungeachtet bat man in den Werken über Rechts⸗ 
gefchichee fehr wenig Ruͤckſicht auf diefeiben genommen; ein 
Umftand,, der‘ es vielleicht zum Theil erklaͤrt, warum fo viele 
die Kenntniß des alten Rechtes als unbedeutend für dag Stu— 
dium Des neuern betrachten. Der Verf. iſt der erſte, der 
hieranf befonders aufmerffam gemacht, und eine Zufammenfiels 
fung verfuht Hat. Bey diefer Lage der Sachen läßt es fi 
nun wohß.weder verlangen , noch erwarten, daß er hier etwas 
Bollftändiges oder Vollendetes gelieferte Habe. Dieles iſt au 
nit der Fall; wie freplih Hier wegen Mangel an Raum nicht 
erwiefen werden kann, wie es aber der Verf. ſelbſt zugibt. 
Nichts defto weniger verdient er auch in dieſer Ruͤckſicht uniern 
vollen Dank; fo wie wegen des ganzen Buchs, das ſchon 
fange dem, freylich im Allgemeinen leider fehr vernachläfligten 
Studium der Nechtsgefchichte eine andere und beffere Richtung 
gegeben har; wie dieß auch Diejenigen zugeben, die in Hinſicht 
auf Methods anders denten, als der Verff. 


\ 


442 VProteſtant. Geſangbuch f. das Oroßherzogih. Würzburg, 


Zum Schluſſe nun-noch eine aßgemeine Bemerkung. Ss 
dieſer, fo wie in den bisherigen Auflagen find, um Raum zu 
fparen. lange niche für alle Säge die noͤthigen Beweisſtellen 
angegeben worden. Auch dem Kenner iſt es intereſſant, wenn 
er die Brände des Verf. vollſtaͤudig Überfieht. Dem Anfänger, 
für welchen denn doch dieſes Buch ganz vorzüglich beſtimmt if, 
find ſolche Augaden unentbehrlich, wenn er gründlich fEudiren 
- will... Gewiß wärbe fih der Verf. neuerdings ſehr um uns 
verdient machen, wenn. .er .fich entfchließen wußte, bey einer 
neuen Ausgabe auch diefem Mangel abzuhelfen. 





Gefangbuch zur kirchlichen und häuslichen Gottesverehrung für die 
proteflantifchen Gemeinden im Großberzogthum Würzburg, nebſt 
einer Sammlung von Gebeten. Mit allergnäbigften Brivilegie. 
Bamberg und Würzburg , bey Guchhardt. 1810. 640 ©. 8. 


Ein neues Geſangbuch für Proteflanten im Jahre ıdıo, 


für lein ganzes Großherzogthum, mit einem Privilegium auf 


zwanzig Jahre, das follte fürwahr beffer ſeyn, ‘als «6 if. 


. Es iſt die gemeinfte Liederfammlung , wie man fie aus neuen 


Geſangbuͤchern ohne alle Auswahl nehmen kann. Es ifk dafür 


| 


geſorgt, daß kein Andächtiger in poeriihen Schwindel gerarhe 


Die erhabenften Lieder unferer vorzuͤglichen Dichter Haben hie 
feine Aufnahme gefunden. Gemeine Gedanken, daß der liebe 
Sorte nah Willlähr die Geſetze der Natur aufhebe (16) — 
jeder Tag dar feine Plage — du bift morgen dach vielleicht 
ſchon erbleihe, warum willſt du forgen? — die Seelen find 
ihm gugezähle, dem Lehrer (512) — bleibe bey uns, lieder 
®ott (526), auh mich ſprachſt du von meinen Sünden und 


ihren Strafen völlig freu (200) — und eben fo gemeint 


Ausdrud: Fleiſch und Gnade und Steafgerechtigkeit, Kreuzes 


Mein, 1. find in dieſem Buche vorherrihend, und fichen oft 


mit dem Beſſern im feltfamen Contraſt, z. ®, (371) Sott 
erleuhte mid, damit ich mir micht eine Höfe That verzeibe 


Tod gemeiner und des neuen Jahrhunderts völlig unwerth 
find die angehängten Gebete. Man verbeflert ja die Kalender 
in unferh Tagen, wird man nicht auch Gebetbuͤcher verbeſſern 
lernen ? 


No. 8. Heidelbergifäe 1811. 
Jahrbuͤcher der Literatur 


ATELIER TE ET 


1) Shafveards won Schlegel noch unfiberfebte deamatiſche 





Werke , überfeht von mehreren Verfaſſern. Erſter Theil 


(Eymbelin und Ende gut, alles gut beyde von ©. 
W. Keßler). Berlin, bey Hizig. 1810. — Zweyter The 
Biel Lärmend um Nichts von Keßler; Winter: 
mahrchen von 8. Kraufe) 1510. — Dritten The erſte 
Hälfte die luſtigen Weiber von Windfor von H. 
K.Dippold). 1810 8. (4 Rthk.) 


2) Machetb , ein Trauerſpiel von Shakſpeare, überſetzt von 8. 8. 
W. Möller Hannover, in Commiſſion bey den Gebrüdern 


Hahn. 1810, 8. (8 gr.) 


3) Schaufpielt vn William Shakfpgare, aberfett wn Heinrich 
Voß und Abraham Voß. Erſter Theil (Macbeth von H. 
V. Cymibelin von A. V.) Tübingen bey Cotta. 1810. gr. 8. 
@ A. As te) | 


ie Sammhing Nr. 1 "wurde vor yurfwehr zwey Sahren 
von Ira. Kepler eröffnet, der Cymbelin und Ende gut 
alles gut in zwey befonderen Bänden herausgab, ohne . 
ih geradezu als Fortfeger des unterbrochenen Schlegel‘ (gen 
Shaffpegse amzufündigen; allein die Abſicht lag ſchon in dem 
innen Format und Drucke vor Augen. Zu ihm Haben 
fih bis ip: zwey andere gefellt,, und wahrſcheinlich merden ung 
die folg ben "Bände noch mehrere Theilnehmer nennen. Ob 
A das Recht Hatten, einen Titel gu waͤhlen, der 
ct erklärt, Schlegel habe feine Hand vom 
"aeg; dieß laſſen wir als etwas den. Werth 
hg nichts angehendes ununterſucht. Die Bemüs 
hungen der drey Verfaſſer, die mit Kraft ausgeruͤſeet an ihr 
Berk gingen, „Rd des waͤrmſten Dankes werth. — Ob Hr. 
Möller feine Machethüberſetzung mit innerem Beruf unters 
nahm, iſt wicht recht Hat, — Die Gebibder Voß glauben ſich 













8 





314 Neberſetzungen von Sbalpeare's dramat. Werken. 


hier das Zeugniß geben. zu "dürfen, vs fle mit großer tiede 
gearbeitet Haben. 

Vor allem wird vom poetifchen Ueberſeher gefabert, daß 
er ein kritiſcher Kenner der Urſchrift ſey; denn ohne das iſt 
das Eindringen in’ den Gerias des Dichters nicht möglich. 
Bon dieſer Seite leiſtet uns Hr. Keßler vollklommen Senuge. 
Der Sinn iſt faſt durchgehends getroffen, auch an ſolchen 
ſchwierigen Stellen, wo die Englifhen Commentatoren ſtill⸗ 
ſchweigen und Eſchenburg nicht befriediget. Einzelne Fehler 
der Uebereilung in Cymbelin und Ende gut alles gut 
hat ein ſprachkundiger Rec. der Sen. Literaturz. (1809 Nr. 216) 
gerägt, mir fügen auß: Biel Lärmens um nichts, fol 
gendes hinzu. & 27: „Ich wundere mid, dab du — — 
umhergehſt, und ein moralifches Mittel gegen ein zödtliches 
Anheil anwenden willſt. “Dieß ſollte heißen: daß du Damit 


umgehſt (gaest about to apply) eine morallſche Arzney | 
u. ſ. w. — ©. 39: „der Küfter Hat geantwortet“ fagt | 


etwas anderes als; der Küfter Hat feine Antwort, und 
nur dieß paßt zu: the clerk is answer’d. — ©. 47: „fie 
hätte Herkules dazu: gebracht, den Braten zu wenden; ja und 
feine Keule zu fpalten um Beuer Darunter zu machen.“ 


She would have made Hercules have turn’d spit; yea and 

have cleft his elub to make the fire too — dieß Heißt, 
meinen wir: ja, fie Hätte ihm noch die Keule ges 
fpalten, um Feuer damit zu maden. _ & 255 | 
ſteht: „Antiäger“ flatt Verbrecher, offenders, und 
S. 1957: „baare Meineidigkeie“ ſtatt: baarer Ein; | 


bruc, flat burglary. . * 


Ein gleiches Lob muͤſſen wie Hrn. Dippold und Hrn. 


Möller zugeſtehn. In den luſtigen Weibern iſt uns 
nur folgendes aufgeſtoßen. & 46: „erbarme dich“ ſtatt 
bedaure mid. S. 37: „Welches unachtfame Benehmen | 
hat dioſer aufgelefene flämifhe Saufaus (in's Teufeis Namen) 
aus meinem- Gefpräch herausgepickt.“ Wir vermuthen hier 
eine Eorrsgorfändes da. die Ueberſezung von rbat an un- 


| 
| 











Webesfegunggn von Shalſpeare v dramat: Werken. 115 
weigh’d hehaviour "has this Fleamisk drunkard' pick’4 
(with the devil’ s näme) out of my 'eohversation, nicht 
die mindeſte Schwierigkeit hat. Was für ein unuͤberlegtes 
Betragen Bat diefer flaͤmtſche Saufaus Ein’s Teufels Namen) 
ans meinem Sefpräge‘ herausgepickt Caufgelefen). — Gleich 
darauf moͤchte: „ſo gewiß als fein Einu eide aus Darmen 
beſteht ſchweriiq ju as sure as his guts Are made of 
puddings flinmen, Wir ſchlagen Würfe von — Im 
Möller ſchen Maächerh fanden wir gar keine Verflöße. Act. 1 
Sc. 4: the rest i$ labour, which is not us’d for you 
üderfegt Kr. M.: „das übrige iſt Arbeit, die für euch nicht 
taugt“, womit auch unſere Ueterſetzung übereinftimmt: „Was 
jeßt- hun iſt, ſchickt ſich nicht für euch.“ Dem freundliche ‘ 
gefinnten Rec. im Morgenblatt, der die Efchenburgifche Uebers 
fegung : „die Ruhe ift Arbeit, welche nicht für euch gebraucht 
wird“ zu vertheidigen fucht, Heben wir zu bedenken, ob ſich 
dieß mit dem Artikel vertragen inte. Aufmerkſamkeit verdies 
nen noch Hru. Möller's Erklaͤrungen von Act. 2 Sc. 5: 

as from your graves rise up, and walk like sprights > 
to tountenance this horror. 
„Die Graufen zu vollenden“ 
und von Act, 4 Sc, 55 
there ran a rumour 
snäny worthy fellows that were but P 
* viele Wackre in den Waffen ſtünden. 
die allerdings beſſer paſſen, als die unſrigen: „um anzuſchaun 
den edel“ "und „viel wackre Leute fein beyſeit gefhafft“ — 


—34 ſich nur erweiſen ließe. 


kauſe ſteht an Kenntniß der Shakpeariſchen 
— n Mitherausgebern etwas nach. Zwar fanden wir 
manche Bonn: er zuerft Licht gebradht, 'wie Act. © Sc. 2; 
here is such‘, ado,. to make no stain a stain, As passes 
colouring: ADdier quift man ſich, um weißes ſchwarz zu Für 
ben , wie fela ein Färder nicht.“ "Act. 4 am Schluffe! to 
him will I present them, there may he matter in tt 






















416 Ycherfehnngen von Ehiencı dramat. Beten. 


Ihin will ih. fie. vorfiellen, dag Tann fein Gutes haben u. a. m. 
Doch ift die Zahl ber mißverſtandenen Stellen viel bedeutender, 
als uns lieb war. S. 6: „ich ſpreche es in ber Freymuͤthig⸗ 
keit unferer Bekannefhaft; I speak it in the freedom 
of my knowledge heißt: Ich fage es mit ber Freymuͤthigkeit 
meiner Webergeuging. — ©. ıı: 


gch liebe feinen Glockenſchlag dich lan ger} 
Wie eine Frau den Mann. 


Bas heißt das? — Shaffpear’s: 


I love thee not a jar 0’ the clock behind 
What lady she her lord 


ſteht ſpruͤchwoͤrtlich, und verfarfgt durch ein ähnliches ws 

wort erſetzt zu werden. Bielleicht: - 
ch liche dich kein Haarbreit weniger. 

— ©, 19: „Wir fprähen zum Himmel: Nicht ſchulbig! bes 
freiten von der Buͤrd uns, die unfer Erbtheil iſt.“ Dieß 
‘fagt, fo viel wir fehen, grade das Gegentheil von: the im- 
position clear d, hereditary oürs: die Erbfünde ausge; 
nommen. — ©. 14: „geht nur“ untichtig flat: fahrt 
fort, go on. — S. 17: „Wie nun, du Hurenkalbe! 
Shakſpeate fagt angemeffener: Wie ſteht's, mein luſtig 
Kalb, wanton calf. — Ebendafelöft: „Weiber ſagen's; das 
heißt ſchon was.“ Das Enslifche lauter: Weiber ſagen's, die 
fagen alles, women say.so, that will say any Ming. 
— Gleich darauf: „wie Äbertändte Mähren“ iſt wohl ein 
Druckfehler. — ©. 195 „Willſt Eyer kaufen gehn? Mam. 
Nein Here, will fehten.“ Darin liegt ſchweriich nur a er 
trägliher Sinn. Shakſpeare's Worte; will you "take egg's 
for money: Mam. No, my lord, Tl fight — ſich einzig 
richtig von Smith und Steevens erlaͤutert worden. — 
S. 20: „an Stirn und Ohr ſchon Hoͤrner gibt ein vers 
wuͤnſcht poſſierliches Bild. O’er head and.ears a fork’d one 

ſagt wohl nichts weiter als: über Halt una For ge⸗ 
hoͤrnt? — ©. Ar. 


. : / 
Ueberſetzungen von Shalſpeare's dramat. Werlen. 447. 


„doch es wohnt · 

Hierin der ebrenreiche Schmerz, der wehr I 

Als Thränen brennt.“ 
das Original redet vom Schmerz der wilder brennt, als. 
daf ihn Shränen Id ſchten, which buxns worse than 
tears drown. — ©, 54: für „[hußfrey“, welches gar 
nit, paßt, leſe man ſchußfeſt, plot- - proof — ©, 55: 
„der vochte Geiſt der Wade, dringt heram auf diefem 
Beıg“ Das’ Engliſche: the very thougth of my revenges 
that way recoil upon me, wuͤrden wir ſo geben: Schon 
der Gedank' ay Rache prallt dieſes Wegs auf 
mich zur uͤck. — ©. 57: „dir geb’ ichs auf, fie nicht zu 
mir zu Sagen; ih weiß fe will’s.“ Beſſer: Ich 
band dir ein — ih dacht's vorher, I charg’d 
thee — I knew she would. — S. 68: „Entfiegelt 
von Apoſlo's Prieſter“; ta seal up if verfiegeln. — ©. 73: 
fatt; „denn, euer Thun bezeugt es“ fagt das Original: those 
of your fact are so, mie alle deines Schlags, und 
gleich, darauf ftatt: „für ſich allein“, like to itself, das Kind, 
das ſich nur gleicht. — ©. 79: 

whereof I reckon. 

the easting forth to crowg thy baby. daughter . 

to be or none or little; though a devil 

would have shed water out of fire, ere-dont ; 


die Uebsrfegungi 


„wohin ich vechne, . J 
Daß Preis den Kraͤhn dein Töchterlein du gabſt 
Zu Tode oder Schmach; obgleich ein Teufek 
&h feurig Daffer weint" ch” ev’& getban® - : 


ft ungewöhnlich dunkel. Wir ſchlagen vor: .” 
worunter ic, " 
Daß du den Kraͤhn preisgabſt dein zartes Kind 
Nicht rechne, oder kaum— obgleich ein Teufet 
Eb Thraͤuen aud der dollenglut gemeine on 
Als dieß /gethan. | » u: N: ne 


ER 


— S. 218: „Liebeslied n.. mit einer sole. —Se 








. | \ 
118 Ueberſetzungen. von Shalpeare⸗ dramat. Werfen. 


Laſt von Herzen und Scherzen.“ Burden iſt hier Shhlußz⸗ 
vers, wie im Sturm: and, sweet sprites, the burden 
bear. — S. 116: „Er hat Bänder von allen Farben des 
Regenbogens, handelt mit Zeugen mehr als womit alle Rechts⸗ 
gelehrten von Böhmen gelehrt verhandeln koͤnnen, odgtei 
er fie im Großen befdmmt.“ Wenn nicht alles trägt, 
fo fagt das Driginal etwas viel paffenderes: points, more 
than all the lawyers in Bohemia can learnedly handle, 
though they come to him by the grols, Spißen, mehr 
als atle Advocaten in Böhmen zu ihrem Kram 
verbrauchen fönnen, wenn fie gleih zu ihm Täs 
men in hellem Haufen. — Ebendaſ. „NRupel: Ihr Habe 
ſolche Kraͤmer, die ihrer mehr (naͤmlich gottloſer Reden) fuͤh⸗ 
ren, als ihr‘ glaubt, Schwerter. Perdita. Ey, guter Bru⸗ 
der, geh und befinne dich.“ "Hier ift der Sinn durchaus vers 
fehlt, wenn wir nicht etwa annehmen, Kr. Kr. habe fein 
Original abſichtlich verlaffen. Clown. You have of these 
pedlers, that have more in ’em than you'd think, sister. 
Perd. Ay, good brother, or go about to think, Mi: 
pel. Es gibt unter dieſen Krämern, die mehr Hinter den 
Ohren haben, als du glaubſt, Schweſter. Perd. Oder als ich 
je Luft haben werde zu glauben, mein guter Bruder. — 
©. ı22: „Laßt den Gefang nur gleich von ſelbſt aufhören.“ 
‚Richtiger: Wir wollen das Lied gleih unter ugs zu 
Ende fingen, well have this ‚song out anon by our- 
selves. — S. 123: „die nichts weiter Können ald Kegeln, 
bowling fags Shakſpeare, und bowling bezeichnet hier den 
ehrbaren Menuertenfhritt. — S. 198: „Vernunft, 
mein Sohn, ermählt ſich feläft ein Weib, doch als Mernunft 
muß doch der Water — — — ein. Wort mitfprehen.“ — 
Ser unverſtaͤndlich! Reason’ bedeutet in unſerer Stelle: eg 
i ſt recht; und as good reason, eben fo Let. — 
©. 137: „Welch ein Panier TOR ich Far den VBeſach aufs 
fielen ihm.“ Das Driginal ſagt gang eitifadhi” mit wel⸗ 
he Vobwande ſoll ich meinen Beſuch bemänteln:* Wit ahn⸗ 


Veberſetzungen von Shalfpeare’s dramat. Werfen, 119 


ben ungefaͤhr was Hr. Kr. gewollt hats aber er verdanft die 
ganze koſtbare Medensart bloß einer Verwechſelung von colour 
und colours. 

Diefe Bepſpiele werden hinreichen, um unfern Ausſpruch 
ju rechtfertigen. Da wir ſelbſt dießmal die Rolle von Verfaffer 
und Recenſent in Einer Perfon vereinigen, ‚fo mag das Bors 
ſtehende zugleich als Maßſtab gelten, wie viel, uder wie wenig 
der kundige Leſer von unferer eigenen Kenntniß der Shakſpea⸗ 
riſchen Sprache zu erwarten habe. ' 

Gegmärhtit in der Mutterſprache ift das zweyte Erfors 
derniß des poetifchen Ueberſetzers, und ein fo nothwendiges, 
daß wir nicht anſtehn zu behaupten, der Grad unferes poeti⸗ 
(den Auͤffa ſſangsvermoͤgens richte ſich nach dem Grade unferer 
dFortſchritte Im jener. Unter Sprache aber verfichen mie nicht 
eben jene todte, maſſenweis sufammengefchleppte un thurmhoch 
aufgeſchichtete, womit ſich mancher bruͤſtet, dem Soͤtt eine 
derbe Sitzkraft verliehn Hat, fondern jene lebendige Seelen⸗ 
ſprache, des das fihtbare und horbare Wort nur zem Symbole 
dient. Mit Diefer inneren Sprache, der auf den feileften Bhf 
das bezeichnende Wort zu Gebote flieht, muß der Ueberſetzer 
begabt ſeyn; nur dieſe kann ihn in die Feinheiten der Urſchrift hins 
einführen, und des Dichters Genius auf ihn herabrufen, ohne 
deſſen Beyſtand keine Nachbildung eines Kunſtwerkes moͤglich 
Den wahre Ueberſetzer gleicht dem begeiſterten Topiſten 
einer Rafaet fen Madonna, der wie fein Meifter die Him⸗ 
melekdaigin im threr Glorie gefehen, mährend der üngeneihte 
Verdeutſcher, der bloß bie äußere Erfcheinung mähfam nach⸗ 
pinſelt, die Kunft dom Handwerke erniedriget. 


die drey Herausgeber der Berlin ſchen 
dortſ 


einer IA der andere weniger, ein hohrs Idedl 
vor Außer gehabt Haben, Shrre Aufgabe war, den Shakſpeare 
mit der Geblegenheit und der Anmuth zu übertragen, die wie 
m Schlegel ſchen Shakſpeare beioumdeen, Alle dreh Haben 
Iren Vorgaͤntzer gruͤndlich ſtudirt, und ihm viele Vortheike 
abgelernt, Die er vor nunmehr dreyzehn ve dis erſtet 













420 Ueberſetzungen von Spakipeanet dramat. Werkz⸗ 


Schoͤpfer der Shakſpear'ſchen Gprade, aus Nichte aufbringen 
mußte. ‚Erreicht bat ihn indeß keiner, und mo wir auch 
Schlegel'ſche Tüchtigkeit finden, fheint es do an der aumm 
thigen Leichtigkeit zu fehlen, die immer wit jener ſchweſterlich 
vereint gehn follte. Der gebiegenfle vor den dreyen iſt unſeres 
Meinens Keßler; ee weiß fo recht den paſſenden Ausdruck 
zu finden, und, wie man fagt, ben Magel auf den Kopf zu 
treffen, z. B. ©. 72: „Wenn er ſich hierauf nicht in ſie vers 
ſchießt, fo will ich niemals meine Grwartung trauen.“ Aber 
‚Häufig kann er die Perlen, die er herbeyfuͤhrt, nicht gut ord⸗ 
sen, die lebendigſte Wortſtellung nicht finden. Dazu Sommt, 
daß er noch mit dem Rhythmus vingt, der ihm anfangs, wie 
der Cymbelin beweist, trotzigen Widerſtand geßoten Bat. 
Obgleich die Werte in Btel Lärmen um Mirchte um vieles 
Beffer find, wie die im Eymbelin, ſo ik das Ziel dab immer 
noch unerreicht. 8. B. S. 1925: | 
„Das Schickſal fo meine Mittel geplündert.“ 
Auch Hat der Rhythmus mitunter einen dunkein Ausorud her⸗ 
bepgefuͤhrt, wie: 
„Dein iſt ja meines Liebe; lehr fie wie, “= 
Oder eine Wortverfegung; wie S. 117: 
Schuld ihr Erröthen ik, nicht Sittſamkeit.“ 
die wir wohl taͤndelnden Liederchen, nicht aber dem dramati⸗ 
fihen Dialoge geſtatten. Am meifien befriedigen ung die pro⸗ 
‘‚faifchen Scenen, benen wir nur hin und wieber-etwad: mehr 
dramatifche Lebendigkeit wünfhen. So much ade ab, noth. 
‚ Act: 2 gegen das Ende: that's the scene that I would see, 
which will be meerly a dumh. show. Keßler Überfegt: 
„diefe Scene, welche bloß ſtummes Spiel, ſeyn wird, moͤchte 
ich fo gerne mit anſehn.“ Viel lebendiger hat Eſchenburg: | 
„die Scene möchte ic ſehn, es wird eine wahre Pantomime 
fen." — So duͤnkt uns auch fleif.und ſchleppend ©. 140: 
„O daß es mir niedergefchrieben worden waͤre — ein Efel“ ! 
© that-I had been wrir down — an 295,.D, wenn’s dod) 
nur protokoſlirt wäre — ein Ejell Die Seenen, we Kart: 


Iicherfegungen von Shalieare’s dramat. Werfen. 421 


viegeb und‘ Holzapfel — trefiih Aberſeahte Namen — 
ihr Weſen treiben, find mit vieler Laune Übertragen, 5. B. 
©. ı34: Is our whole dissembly-appear’d — „ift unfee 
ganzer] Kovent erfhienen“? Vielleicht aber iſt Here Keßler 
in den geradhrechten Worten ein Haarbeit Äher die Linie ge’ 
teten. ©. 188 wenigſtens muß Kondemmiſatſchon 
wit Redemption vertauſcht werben, 

Im Teeffen. des richtigen Ausdruckes ſtehen Si pypolb 
md Kreauſe; beſonders der fchtere, ihrem Freunde nach. 
Ben Dippold ſinden wie S. 58: „o er iſt ein kurriger 
Ritter“, iv -is.a merry knigkt, mo viefkit Furrig. und 
fnucrig verwechfels And. — S. 54: „Elendsritters, gewiß 
eine unfſchickliche Wortverknüpfung für palıry knight. — &. 99 
ud andersbo: „Laugekorb“ fat Waſchkoörb. — ©. 
201: „ungefhlahtes Maß“ für ungefunde Feuch⸗ 
tigfeis, unwholesome humidity. — ©. 43: „es gibt noch 
fo eine Blanno“ ſtatt: es iſt eine Blitzbirne dieß Annchen, 
good faish, is is such another Nan. — ©. 106: „verwirrt“ 
Rat Gekürgt, oder verduzt. — ©. 128: „Gelichter 
von Bedienten“ für Paar. — ©. 143: „erfehen“ 
Rtt ausfiedn u. f. w. — Auch möchte der „gehörnte 
Siaygfriad“ ©. 1926 als Gezeichnung eines Hoͤrnertraͤgers 
(nit Keßlere Telle für Schuͤze B. zo viel Lärm. iſt 
der Jall anders) ganz unpafiend- feyn. Doch von diefem abs 
chen, Ton und Zarbe der licherfekung "find kraͤftig und 
frifch , aud oft wird fle Bis zum Muthwillen üppig, wie immer 
wenn Hr. Ehen Hugo Mus anfteitt, dem Hr. D. eine 
gu reiuich Portion von Schwaͤbiſchen und ſelbſtgemachten 
Prov en in den. Mund legt, Auch. in den Jamben 
verdiene: Hr. Dippold Lob, wobey wir jedoch bemerken muͤſſen, 
daß geade in ben luſtigen Weibern die Zambiſchen Partieen 
licht zu bezwingen waren, Bier alfo zwifhen Dippold und 
Keßler Beine eigentliche Vergleichung kann angeflellt werden, 
de dieſer ganz andere Schwierigkeiten zu belämpfen hatte. — 





422 nberſetzuugen von Shathbeares dramut Berten. 


Bir theilen ans ben Infiigen Beübern folgende paar 
Bellen mit. &. 159: 
8 geh’ zum Doctor; denn ibm will ich wohl, 
Für feinen andern it mein Jenchen ba. 
Der Spärlich if ein Pinfel, reich an Landerei'n, 
Und bat vor allem meines Mannes Bunfl. . 
Doc Geld auch hat der Doctor, und am Sof 
Gar mächt'ge Freunde; "Ber allein nur kriegt ſie, 
nd wählten saufend andre um Bericht ſie. 
Ein feiſches Colorit muͤſſen wir auch Hın. Kaufe zu 
‚gefichen, : zumal in den prajalfgen Scenen. Den luſtigen 
Hauſirer Auteiycus Hat er gar trefflich aufgefaßt, ſo auch in 
der Schlußſcene des dritten Astes. Sie -beyäen Rupel, Kater 
‚und, Sohn, die er, ohne zu übertreiben, in ifter. ganzen 
Muͤpelhaftigkeit zeihmer. Bisweilen nimmt er, „mas Qeßler 
und. Dipposd verfehmähen, und auch wir micht billigen, zu 
aͤußeren Mitteln feine. Zuflucht, um Leben in dan Dielog zu 
bringen. Dahin rechnen wir bie häufigen Oimimetine, wie 
S. 89: „Schau ein Tauf deckchen für ein Urofralind.- — 
.S. 101: „den ich ſonſt Habe herumlaufen fehn ud Miem— 
hen fliehen“ (wo, beyläufig gefagt, der Sinn richtig getroffen 
iſt) ©. 117: „Ligen nd Shlößhen“ m. f. m. aud 
‚Redensarten, wie ©. 88: „um Sotteswillen, Junge, Wweunchr 
war dag“, die an fich recht. gut find, gu denen aber das Ori⸗ 
ginal keine Veranlaſſung gab. — ©. 108: „in. dem Muncte 
A mein Ger) foofh“, I am false at heast that way, 
‚möchte aud wohl anderen anftößig fyn. Warm wicht: „Syn 
dem Punete flieht es ſchlecht mit mir“, was im Zuſammenhange 
das engliſche ganz ausdruͤckt. Sonſt möchten wir den Hru. 
Krauſe (viel ſeltener Hen. Kepler) u ab iſchen 
Anhaͤnglichkeit an den Formen des Originals beſchuldigen. 
Gewiß iſt es (um und gang in feine Anſichten hineinzuverſetzen) 
ein hoͤchſt falſcher Grundſatz, daß ein fremdes Kunſtwerk ſich 
in der Ueberſetzung ganz in ein einheimiſches verwandeln muͤſſe. 
Das hieße. Shakfpeare'n zu einem echten Deutſchen machen. 
und dann müßte man vor allem das. nationale Gepräge dieſes 


. Ueberfegungen von peffpesrc's dramat. Werten 128 


einzigen Manns verwifchen. Mein grade das national Yubink 
duelle eines ausländifchen Dichters ſoll mie Überfet werden, 
und um dieß möglich zu machen, muß unfere Sprache, je 
nachdem wir balb einen Griechen, bald einen Engländer vor 
ung haben , Bald -rine Grtechifche bald eine Engliſche Biegung 
amehmen. Und Preiß unferer biegfamen Sprade, die ohne 
ihre Selbſtaͤrcdigkeit hinzuzeben, zu den Karben und Schatti⸗ 
tungen eines jeden Himmelsftriches ſich bequemt. Aber hier 
grade muß eine beſtimmte Sraͤnzlinie gezogen werden; denn die 
erſte Pflihe eines Ueberſetzers Bleibt immer , daß es inner halb 
dem Bezirke der Deutſchen Sprache bleibe, und alles zuruͤck⸗ 
weile, was feiner inneren Natur mad nie Deutſch werden 
kann. Hr. Krauſe haftet nicht felten gar peinlich an Neben⸗ 

Dingen, wo er denn wohl aus Beforgniß nichts aufzuopfern, 

alles aufopfett; wie das zum Theil ſchon aus ben obigen Bey⸗ 

ſpielen lerhellen wird, zu denen wir noch folgende hinzufügen. 

©. 106: 

„Nach meines Sinne Model‘ ſchneid ich die Reinheit 
Des ſeinen aus.“ 

Dieß iſt freylich getren nad dem Engltſchen: en 
by the pattern of mine own thaugts Icuout ° 
The. yarity of bis, J 

Aber wie fragen, wird wohl je unfse Syroqhe zu einer hia-- 

Redeferm ſNch Meen? Hier war es am Orts, cine Metapher 

wit eider audern zu vertaufchen; und wenn wis uͤberſetzen: 
Der Sypiegel meines Verzens keigtt ne — 

Die: Lauterkeit des Seinen. 
& ra: Shakiorans Sinn weit genaues 
m ba 137: . 

F Daß fell er täime 


nres Vaters Buſen dort / 
Und forächt ganz feinen Siun.“ . 


Klingt poſſierlich bey aller buchſtablichen Treue — 


that you, shall not perceivg, 
but that you have your father’s bosom 2 there, 
And peak his very heart, . I, 


128 Ueberfebungen von: Shulifpeare” 4 dramat, Werken, 


Schon eher ange: 

Als brächtet ihr des Waters Liebe wit, 

Und fpeächs fein ganges ver " . 
©. 169 heißt si. ur 


Pa it fo ihrer Bildung vorgeht, als fe 
Im Nachtrab dex Geburt.“ 


Se darf Ohafiprare dm -Deutkhen nit. oben ,: Des Orb 


ginak: 
’ She is as forward of her breeding, z=£ 
She is ithe rear of birth. , 


‘ konnte gang einfach fo gegehen werben: nn 
Sie iſt fo weit voraus an Bildung, wie 
Zurück an Abfunft. 
Ber kann für; ren 
I hayetremor cardis on, mei my heart. dances; 
welches bamals wohl ernſthaft gefagt werden burie, feigende 
Ueberſetzung dulden ? 
„ðch fühle tremor cordis, mein Her; büpft.“ 
da das beſſere fo nahe liegt: 
Sch fühle Seelenangſt, mir hüpft das ben. 
und wer wird bey: „I muß nur meinen Hauſfirer⸗Un-⸗ 
flach (!) einpaden“ &. 147, auf den Gedanken kommen, 
daß Hier: der falfhe Haufiresdbart gemeint ſep? Wenn 
pedier's exerement noch durch Hauſirerra Us wuchs üben 
ſetzt mare! HOe. Krauſe geht in der buchſtäblichen Treue fo 
weit, daß er Act. a ae. 12 I will tell it softw; yon 
crickets shall not hear it uͤberſedt: „daß jene Heimchen es 
niche Hören“, und bald darauf bie Hermione ihr neugebornes 
Kind: „armer Gefangener , ich bin ſchulblos, wie ihr“, Iam 
Innocent as you anreben laͤßß — Hr. Dippold Hat mit 
dem du und ihr beſtaͤndig vichtig gewechſelt, nur S. 51 in 
der Rede Piſtols muß geaͤndert werden: 
Sir Hohn ſtellt de in em Weibe nach. 
Daß Hr. Möller ein” beftimmtes Ideat · vor Augen ge 
habt Habe, glauben wir wicht... Der erſte Ausdruck iR ihm der 


“ J 


\ 


Wicherfegungen von Shakfyenre’s dramat. Werlen. 125 


bee, und Shakſpeare muß fi gewöhnlich zu dem niedrigfen 
Sprechton hinabbemähen. Leichtigkeit und gemeinfaßliche Vers 
ſtaͤndlichkeit ſcheinen fein Augenmerk geweſen zu ſeyn; und doch ift es 
ihm damit nicht „gelungen ; vielmehr lege er faft auf jeder Seite 
ein fprechendes Zeugniß ab, daß die Leichtigkeit, eine gar 
fdwere Kunſt fy. Mit dem MAhythmus will es auch nicht 
vorwaͤrts, und am wenigften mie den Reimen. ©. 104, 
nachdem er muͤhſam noch ein paar erwifcht hat, gehen fie am 
Ende ganz aus. Die Hexenſcenen find (wenn anders ein Mit⸗ 
werber Glauben verdient) durchgängig matt und hölgern, und’ 
auf das entferntefte nicht mit dem was Eſchenburg, Buͤrger 
und Schiller geleiftet Haben, zu vergleihen. Daß ſich Abrigens 
Bin und ‚wieder mancher gute Ausdruck eingefunden, foll hier⸗ 
mit nicht geleugnet werden. S. 5ı iſt: come in taylor; , 
here you may roast your goose gut gegeben durch. „komm 
herein, wenn du gleih ein Schneider biſt, Hier ſollſt du nicht 
frieren“; und ©. 148 leſen wir: 

Saym, läutet Sturm! Blaſt, Winde! komm Verderben! 

Sm Harniſch doch, und fechtend wii ich flerben. 
velchem wir vor unferer eberfeßung : 

Schlagt Sturm! will uns des Schickſals Hand zetdrücken, 

So ſterhen wir den Harniſch auf dem Rüden. 
mit Freuden den Vorzug geben. 

Bow unſerer eigenen Heberfehung ziemt ung nicht zu reden. * 
Bohin wir geſtrebt haben, erhellt aus.bem Sefagten. Ob es 
und gelungen ifi, gu meiden, was wir an andern getadelt, 
und dem gleichzukommen, was wir gelobt haben, darüber 
mögen Kenner und die: alles richtende Zeit entfcheiden. 

Ueber ME Behandlung des Jambus konnten wir, durch 
ben Raum beſchraͤnkt, nur beyläufig reden; wir Behalten ung 
vor, zu anderer Zeit darzuthun, wie Shakfpesre Mannigfal⸗ 
tigkeit in diefe ziemlich beſchraͤnkte Wersart zu bringen gewußt 
bat, und wie verfchieden feine Jamben find, je nachdem ein 
Heißſporn, ein Macbeth, eine Julia, ein Piſtol, 
nie Caliban fih in ihnen bewegt. — Von den vorliegenden 


126 Ueberfehungen von Ghakfpeare's Dramas. Merken, 


Ueberſetzern befriedigt am meiſten Dippobod, nachſt ihm 
Kraufe, dann Keßler, gar nicht Möller. Ob Krauſe 
und Keßler die eigentliche Einrichtung der Shakfpear’ihen 
Verſe nicht gehörig unterfucht haben, oder ob nur die Schwie⸗ 
rigfeit der Nachbildung ihren Leiftungen Eintrag that, willen 
wir nit. Den Trochäns im erfien Fuße, dee manchmal eine 
ſchoͤne Wirkung hervorbringt, wie in Schillers; Raſet ihr 
Stärme“, den Choriambus im der zweyten und dritten Re: 
gion laſſen fie dann und wann zus Doc fcheinen uns dieſe 
und ähnliche Wergänfiigungen mehr durch Zufall. und Noth 
als mit kuͤnſtleriſcher Abſichtlichkeit herbeygefuhet. Segen 
Verſe, wie: | 
„Laßt michs nicht denken! — Schwachheit dein Wa’ iſt Weib.“ 

Die an ihrer Stelle, 3. B. in paufenvollen Monologen eine 
herrliche Wirkung thun, haben beyde eine ungerechte Abneigung. 
Den fchönen moloffifchen, oder palimbacchtiihen Ausgang, 
den Bürger fogar in den vierfüßigen Jambus aufnahm („Sie 
Fade mie Gottes Borfehung”), fanden wir einige 
mal mit Gluͤck gebraudt. 
Die Lieder find von den Hrn. Dippold, Keßler und 

Kraufe im Ganzen recht gut uͤberſetzt. Wie heilen folgentes 
Terzet aus dem Wintermährden mit, das unter die ſchwierig⸗ 
ſten Aufgaben gehört : ‚ 


Lied des Autolheus, der Mopfa und det Dorcas. 
Aut. Packt euch nur, denn ich muß gehn: ' 
Wo, das braucht ihr nicht zu fehn. | 
Dorc. Woils? Mop. D mo if’s? Dore. Wo iſt es? 
Moy. Wohl geziemt es deinem Eid, | 
Daß du gäbe mir Beſcheid. 
Dore. Mir auch, weißt wie gern ich wüht ed. 


‚Mop Wird zum Hof, zur Mühle ſeyn; 

Dorc. Wärs, das wäre gar nicht fein. 

Aut. So iſt's. Dore. Wie fo iſt's? Aut So iſt es. 
Dorc. Schworſt zu meinem Liebſten dich! 

Mop. Höher ſchworſt du es für mich; 

Drum füge mo iſt's? Sag mir wu if es? 


Heberfegungen von Ghalſpeares dramat. Wierten, 127. 
Das Original lautet: 


A. :Get you hence, for I must go; 

Where , it fits nat you to know. 

D: Whither? M, Q, whither? D.. Whither? 
M. It becomes thy oath full well, 

Thou to me thy secrets tell: 

D. Me too, let me go thither. 


M. Or thou go’st to the grange, or mill: 
D. If to either, thou dost ill. 


A. Neither. D. What, neither? A, Neither. 
D. Thou hast sworn my love to be; 
M. Thou hast sworn it more to me: 
Then , whither go’st? say whither? 


Ar. Krauſe Hat richtig gefehen, daB in der erſten OStrophe die 
ganze Naivetaͤt der dritten Zeile auf dem doppelten whither 
der Domas. beruht; ob aber wo bier ein wohin vertreten 
dürfe, bezweifeln wir. Ein Wohin muß ſchlechterdings in 
die dritte Zeile, und lieber laſſe fih die legte einen Fleinen Zus 
(6 gefallen. Das neitber in der zweyten Strophe hat- 
Herr Krauſe mißverftanden. Wir Haben folgende Ueberfegung 
verſucht · 

Aut. Pakt euch fort! Sch muß nun gehn; 

Doch wobin dürft ihr nicht ſehn. 

Dove. Wohin? Mon. Wohin? ſage! Dorc. Wohin? 

Mop. Soll auf deinen Schwur ich baun, | 

Mußt du mic dein Herz vertraun. 

Dorc. Und auch mir — ich eile froh bin.” 


Mop. Geht's zur Scheune, geht's zur Mühl’ ? 

Dorc. Nun das gäh' ein faubres Spiel. 

Hut. Nicht doch! Dorc. Nicht doch, fagf du? Aut. Nicht doch! 

Darc. Treue ſchwurſt du mir ſo febr. 

Mop. Treue ſchwurſt du mir noch mehr ; 

Nun, wohin denn geht du? ſprich doch 

Es iſt eineer freuliche Erſcheinung, daß jetzt ſo viele Kräfte 
in Bewegung find, den ganzen Shaffpeave; in feiner wahren, 
Geſtalt unter uns einzuführen. Auch Schlegel. hat endlich das 
Verſprechen gegeben, er wolle fein faſt zu lange unterbrochenes 


128 Niſchylos Tranerfpiele .Aberf. bon Faͤhſe. 


Werk fortſetzen. Dieß möge aber die Hm. Dippekb, Leßler 
und SKraufe nicht abhalten von ihrem rühmlichen Streben; 
denn des Guten iſt viel zu Schaffen, wo es Shakſpeare's Ruhm 
und Verherrlihung gilt, und des eirhelnen Menfchen Blich, 
fen er auch der ſchaͤrfſte, reiche niche Hin, mm Die ganze 
Shakſpear ſche Schöpfung In allen Theilen zu überfehen. Ken, 
Möller fordern wir nicht auf zum Weiterüberfegen : vielleicht 
thut er’s felber, was wir denn als ein Zeichen feines eintre⸗ 
senden Berufs anfehn wollen. — Zum Scluſſe verfprechen die 
Brüder Voß, daß auch fie mit rafchem Eifer in der Nachbil⸗ 
dung ihres Lieblingsdichters fortfahren werden , wovon nod im 
Laufe diefes Jahrs ein neuer Band, der fihon zum Drude 
fertig liegt, das beſte Zeugniß geben wird. A. E. 





Aeſchylos Trauerſpiele überfetzt von M. GSottfried Faͤhſe. Leipzig 
b. Reclam. 1809. (2 Rthle.) 


Dem alten Aeſchylos if ein moderner Rock umgehängt, 
in weldyem er fich gar poffierlih geberdei. Ein ganz ſeitſames 
Gemiſch von Poefie, Plattheit, Treuberzigkeit, Naivetaͤt, Kraft 
und Ohnmacht! Man höre nur: S. 802: Prahle dreiſt 
gteich einem Hahne, bey dem lieben Hennechen! 
S. 277 ſagt Kaſſandra: Und Abergeug ih nicht, je nn, 
die Zukunft lehrt's. — ©. Bo: Wie ihr noch klein 
auf ihrem milden Shooß rumkrocht. — ©. 436 
ſagt Apollon zum Oreſtes: 

Den Muth nur nicht verloren, Weltdurchirrender. 
wobey er ihm treuherzig die Hand zu ſchuͤtteln ſcheint. — 


. 347: 
7 Vermag denn wohl ein Windelkind 
Zu ſagen: wenn es hungert, durſtet, piſſen will? 
wobey wir ausrufen moͤchten: „Liebe Natur, du biſt doch gar 
zu natürlich“ ! | 
Bom Rhythmus verfieht Br. F. gar nichts. Wer folgen 
des liest: „Aber ich finde doc wahrlid fo unwärdig nicht fein 
Todesloos! Brachte er denn micht die liftige Ate ins Haus.“ 
wer wird glauben, daß er Anapäfte geleien habe? Kr. F. 
weiß, fo wenig wie Molieres Madame Jourdain, daß. er fein 
Lebelang nichts als Profa gefchrieden- 
Aber wodurch Hr. F. alles wieder vergütet, iſt feine Ber | 
lehrſamkeit. Diefe wollen wir auf das waͤrmſte zu jeder Zeit 
anerkennen. Unter feinen Emendarionen find einige wicht um 


Bedeutende. D, A. E, 
— — 
| 


n | 


No. 9. 8eidelbergiſche 1811. 
Jahrbuͤcher der Literatur. 





Die Wiſſenſ qafuiedre in ihrem allgemeinen umriſſe, dargeſtellt von 
8.6. Fichte. Berlin, bey Hibig. 1810. 8. 46,6. (8 gr.) 


Mar Heine Schrift ift für die Geſchichte unſerer Philoſo⸗ 
phie doppelt wichtig, ſchon durch ihren berühmten Verf., und 
dann vorzüglich darin, daß er Hier wieder auf fein verwandel⸗ 
tes erfies Thema zuruͤckkommt. Det Inhalt iſt folgender. 

„Die Wiffenfhaftsichre kann fich nicht verbergen, daß nur 
Eines ſchlechthin durch ſich feld iſt — Gott — daB lautere 
Leben, welches ſich nicht veraͤndern und beſtimmen kann, in 
und außer weichem: kein neues Seyn entſtehen kann. — Das 
Bien kann daher nur Gottes Seyn gußer feinem Seyn — 
ein Bild, An Schema Gottes feym Ein ſolches Schema 
if ſchlechthin dadurch, daß Gott iſt, und es fan, fo gewiß ee 
iſt, nicht nicht ſeyn. — Wiederum kann anfer Eytt ſchlechthin 
nichts ſeyn als fein Schema. — Das wirkliche Wiſſen erfcheine 
aber nicht als Eins, ſondern als ein Mannigfaltiges. Davon 
muß als Grund das Weſen des Wiſſens dargelegt werden: — 
Nimlih das Seyn des Schema ift Leben, ein bloßes reines 
Vermögen gur Verwirklichung nur defien, was in ihm liegt, 
ins Schema, — Ba einem wirklichen Seyn außer Gore kommt 
es alfo nur duch das abſolut freye Vermoͤgen als Wiſſen 
dieſes Vermoͤgens und in feinem Wiſſen. — Zu emem wirk⸗ 
lichen Wiſſen aber gehört, daß durch das Vermoͤgen Schlechte 
weg ein Schema vollzogen, und dieſes als Schema ‚ats unfeldftz 
Rändig, zu ‚feinem Daſehn eines Seyns außer ſich beduͤrf 
tig erkannt werde. — 

Dem wirklichen Biffen kom men aber das 
Schema und Bas Vermögen als das Erfchaffende 
deffelgen nicht zum Bewußtſeyn, daher wird in 

. — 9 


130 Fichte Die Bifieufchopstepre in ihrem Umeife. 


demfelben ein objectio unabhängig vom Wiſſen ſeyn Sollendes 
erkannt. — Es bleibt dieſem zufolge im wirklichen Wiſſen 





| 


manches unſichtbar; fol nun dieß Linfichtbare auch in das 


Wiſſen eingeführt werden, fo kann dieß nur in einem andern 
Wiſſen geſchehen — und das geſammte Wiſſen wuͤrde in ver— 
ſchiedene Städe nothwendig zerfallen. — Ferner 
iſt innerhalb dieſes feines formalen Seyns das Vermoͤgen be 
ſtimmt durch ein un bedingtes Soll, es ſoll ſich ſehen als 


Schema des goͤttlichen Lebens durch Vollziehung des Vermoͤgens. 
— Soll es ſich ſehen, als ſollend, ſo muß es vor dieſem bu 


flimmten Erfehen feiner als Princip voraus ſchon überhaupt 


fehen — es fallen alfo Hier zwey Arten des Willens aus ein 
ander, das Wiſſen durch das unmittelbar unfihtbare Princip, 
die Anfhauung, und das Wilfen, buch welches das Boll 
ihm fihtbar wird, das reine Denfen, das Sntelligiren. 
— Das Anfhauen ift ein unbeſtimmtes, ungebundenes, jedoch 
abfolutes, unendlihes Vermögen, welches ſich fchematifirt hin 


ſchauend ein unendlihes in einem Blide (den Raum), dem 
nach als in derſelben ungetheilte Anfchauung fi zuſammenzie⸗ 


. hend auf eig in der erflen Unendlichkeit begraͤnztes — bie 


Materie — bie undegrängte materielle Welt im Raum. — 
Berner, am fid) als abſolut anfangendes Princip zu fehemati 
ſiren für die Anihauung, muß es, vor feiner Wirkſamkeit 
voraus, ein mögliches Wirken erblicken, das es vollziehen 
tönnte, oder auch nicht — es muß fi fchematificen als Trieb. 
— Durd den Trieb wird eine Wirkſamkeit gefordert, welche 
nur eine Wirkſamkeit auf bie Körperwelt feyn kann. 
— Sn der Wirkſamkeit iſt das Vermögen fih nur gegeben als 
das Eine und felbige in der Selbſtbeſtimmung, aber Durch fein 


| 





Hirten zu erfehöpfen, und fo Wermögen bleibend ins Lnends 


tihe — fo entficht die Anſchauung umendlicher auf einander 
folgender Glieder feines Wirkens, die Zeit. — &8 liegt im 


Vermögen ferner die Beftimmung ſich zu erheben zum Erſehen 


des Soll. Wie aber wird diefe Erhebung geſchehen? Die 


Wurzel der Anfchanung If eigentlich der Trieb. Der eigentlihe 


Fichte Die Wilfenfchafssichre in ihrem nurife 131 


At bes num vollziehbaren Vermögens wären alſo Vernichtung 
des Diebes, als unſichtbaren Triebes des Schematiſtrens, ſomit 
Vernichtung des Gehaltenſeyns in der Anſchauung. Das Wiſſen 
Rinde alfe nun da, als Eins, fo wie die Wiſſenſchaftslehre 
bey ihrem Beginnen es erblickt; es würde im reinen Denken 
eingefehen in feiner Weſens⸗Einheit als unſelbſtſtaͤndig und 
beärftig eines Trägers, des Einen, das da iſt ſchlechtweg 
duch ſich. — Das Vermögen ift durch die Selöftanfhanuung 
im Ich geworben; indem nun das Denken hinzukommt, 
findet es ſich nicht als Ein Ich, ſondern es zerfaͤllt in eine 
Belt vom Ichen, es finder ſich als Einzelnes tn einer Welt 
ihm gleicher Individuen, welche leßtere es als ſolche nur durch 
einen Schluß aus ihrer Wirkungsweiſe auf die Sinnenwelt 
etlennen koͤnnte. — Am. Denken habe ich das Wiſſen nicht 
anmittelbar, ſondern nur in einem Schema; noch weniger uns 
mitielbar das goͤttliche Leben, Tondern dieſes nur in einem 
Schema des Schema, in einem doppelt ertädteten Ber 
griff Aber durch das Denken befinne ich mich, daß ich 
Sl. — Im Denken denke ich bloß das Wiſſen als Schema 
bes göttlichen Lebens feyn koͤnnend und follend ; keineswegs aber 
bin ih es. Es wirklich zu ſeyn, kann Beine Gewalt mi 
mithigen. — Wenn ih nun fallen laſſend das nichtige Ans 
hauen und leere Intelligiren mit abſoluter Freyheit mein 
Vermögen voßgiehe, was wird erfolgen? Ein Schema; ein 
Viſſen als das Schema Gottes, ein Wiſſen, was ich fchlechts 
weg fol, das da iſt durch ich ſelbſt fchlechtweg, mie es ifk, 
fo wie das göttliche. Leben. — Nun weiß ih, mas ich foll, 
aber dad Seyn iſt noch nicht vollzögen. Sch fol ſeyn? Wer 
iſt diefee Ih? Offenbar der feyende, der in der Anſchauung 
gesehene Ich, das Individuum. Diefer fol fern. Was ber 
denter fein Geyn? Der Slinde Trieb iſt zwar vernichtet, und- 
Hart deſſen ſteht nun da, das Hell erfchene Soll. Aber die 
Kraft, Die erſt den Teich. in Bewegung febte, bleibt, daß 
nun das Sell fie in Bewegung feße. — Der abfolut eins 
fahe Wille iſt es, der das eben fo einfache Sol zum tıeis 





132 Fichte Die Wilfenfchaftsichee in ihrem timeife, 


benden Princip dee Kraft erhebt. So If denn ber Wille der 
jenige Punct, in weichem Intelligiren und Anfchauen fi thnig 
durchdringen.“ - " 


| 


So finden wir alfo ben. Verf. noch nahe am berfelden | 
Stelle, wis ehedem. Das alte Bormelfpiel ift verlaffen, aber 


nur ein zwar leichter zu handhabendes, ſonſt ganz aͤhnliches an 


deffen Stelle geſetzt. Dabey noch immer dieſelbe poſtalirende 
Methode, welche nen einer erfien Hypotheſe fi nur durch 


immer neue, abgebrochene Huͤlfehypotheſen muͤhſam weiter hilft. 


Merkwuͤrdig iſt es, daß vor dem Scharffinn des Verf. eine 


einfacher Irrthum immer fort fiehen bleiben kann, beſonders 
da man uns in der Philofophie jetzt fo haufig an Vergleichnn⸗ 
gen aus ihrer Gefchichte erinnert, und eben. wor dieſen die, 
Lehre des Verf. gar nicht beſtehen kann. Die ganze Philoſe⸗ 
pbie iſt nach diefer neuen Darkellung des Verf. reine Lehre 
von dem Urfprung der Welt aus dem görtlihen Weſen, alie 
nur eine Art der Emanations lehre, und zwar eine aͤrmliche 
nur anf menfchlihe Pſychologie beſchraͤnkte. Wie weit vorn, 
"nehmer nimmt fih da die alte Kabbala aus. Wo iſt Bier der, 
Adam Kadmon, der erfigeborne des Alten ber Alten? Wo find, 
die reinen Lichtſtrͤme der Welten Aziluch, Jezirah und Brief 
mit ihren Ihronen und Engeln? Pur von der Rindenwelt 
Aſiah, der concrescirteften Verdunfelung der Sephiroth, if hier 
die Rede. Oder meint der Verf., daß das der Welten zu vick 
“ feyen? Wir meinen immer noch eher zu wenige. Wer mil 
dem Verf. das Geheimniß der Erfchaffung, oder Schematii 
zung der Welt aus dem göttlichen Weſen zu: durchdringen ver 
mag, ber muß fehr viel wiffen. Aber. dee Verf. macht ſchon 
den Menfhen zur Krone des geiftigen Weltall. Wer wird 
bas wohl glauben? Oder wenigſtens, welche Beſchraͤnkung 
der Phantaſie liegt darin! Sollen denn au die Seraphim 
am Throne Jehovah's, die Amfchafpands am Lichtthron. des 
großen Könige nur in räumlichen SZerfplitterungen das Gil 
der Sottheit denken und fchauen? Doc wenn dieſe Verglei 
Hungen dem Verf. zu bunt ſcheinen, fo fehe er naͤher nut 


Sichte Die Willenfchaftsiehre in ihrem Umriſſe. 433 


nad Leibaitzens Monadologie. Die iM fchon eine vollendetere 
Lehre von der Schematiſtrung ber Gottheit in der Welt, als 
die feinige. Bey Leibnig iſt doch noch Die ganze unendliche 
Gtufenleiter für veinere geiftigere Weſen Aber dem Menſchen in 
der erfhaffenen Welt offen getaffen. Nach dem Syſtem des 
Verf, hingegen foll ja die Gottheit fih einzig und allein durch 
Bilder ihrer ſelbſt Uußern koͤnnen, und biefe muͤſſen mit 
ſtrenger Nothwendigkeit eben im Wiſſen befichen, das koͤn⸗ 
nen fie aber nur thells durch Anfhauen, und zwar unter 
ben Formen von-Maum. und Beit mit Wirken in die Körs 
perwelt, theils durch Denken, deren Bereinigung denn 
endlich zum Wollen fährt, als dem alleinigen vollſtaͤndigen 
Bild der Gottheit. Das Heißt: gerade nur die individuellen 
Elemente meines geifligen Dafeyns werben zu den nothwen⸗ 
digen, einzig möglichen Seſetzen des göttlichen Weſens erhoben. 
Vahrlich Maan Hätte nicht erwarten follen, einen fo beſchraͤnk⸗ 
ten Anthropomorphismus unferer Zeit noch für ein wahres 
Gyſtem der Philoſophie von einer unferer erſten Meiſter ausges 
geben zu ſehen. Welche Thorheit, das göttliche Weſen an biefe 
Nothwendigkeiten und Schickſale zu binden! Menſchliche Phans 
tafle langt ja fchon über die Möglichkeit dieſes Weltalls Hinaus; 
ſchon des. Menſchen Geiſt ifk, mie der Engel im Koran, größer, 
als diefe ganze erfchaffene Welt, Mer. will weiter nur noch 
auf die große Unbeholfenheit der Methode aufmerkfam machen. 
Der Verf, geht von der Hypotheſe aus: Gott ift dad Eine 
Geyn, außer dem nichts iſt, das Wiſſen muß alfo ein Seyn 
Gottes außer feinem Seyn ſeyn. Was daraus folgt, wußte 
Zenophanes fchon weit beſſer, als unfer Verf. Außer Gott ift 
nichts, das Wiſſen müßte außer Gott ſeyn, alfo iſt das Wiffen 
anmoͤglich, es gibt Beine Wiſſenſchaftslehre, der Menſch muß 
Rd mit eräglichem Wahn begnügen — fo wären wir am Ende, 
che wir nach angefangen haben. Dech der Verf. vimmt dag? 
„Außer Gott iſt nichts“, nicht fo genau, ein Bild Gottes 
vird noch zugegeben, ohne nach einem Spiegel zu fengen, der 
# aufjugehmen "vermag, Wir sehen meiter: das Bild iſt 








434 | Plank Die Lehre vom Beſitze. 


‚außer Gott, alfo Sott au außer dem Bllde, folglich gibt eu 
für das Bild ein Senn außer ibm. Das wire nm 
eigentlich das reine goͤttliche Seyn, aber fo kaͤmen wir mich 
weiter,. es wird alfe ‚grobe entgegengefebt zum Seyn Ber 
Dbjeste gemacht. Hier wären wir nohmals am Eade, da 
Hilfe die neue Hypotheſe von der Unſichtbarkeit eines 
Theils im Wiffen, zu dem noch bad Anbedingte Sotlen 
“ ebenfalls ohne Zuſammenhang mit dem Fraͤheren himugenommen 
wird, und fo fowt bis man himlaͤnglich viele Begriffe ans 
. empirifher Pſycheo logie herbeygezogen Hat, um fich mit 
ihnen weiter beifen zu koöͤnnen. — Vielleicht hilft grade dieſe 
einfache Darftellung der philoſophiſchen Geundichre unfers Verf. 
den erfien Fehler feines Philoſophems — Verwechſelung der 
empirischen Pſychologie mit mn Idreniehre — allgemei⸗ 
ner klar a“ machen. 
— 0 


Die Lehre vom Besitze, naqh den Grundsätzen des französi- 
schen Civilrechts dargestellt von D. W. Plank, Bey- 
sitzer des k. Distriots- Tribunals und der Juristen - Fa- 
ouliat zu Göttingen. Göttingen, bey Dietrich. 4811. 
18068. 6. 


Der gelehrte und fcharffinnige Verf. dieſer intereffanten 
Abhandlung, dem wir eine ähnliche Abhandlung Über die neu 
Franzdſiſche Verjährung verdanken, deren In diefen Jahrbüchern 
bereits mit dem gebührenden Lobe gedacht iſt, hat ſich Hier an 
eine Lehre gewagt, welche unter die ſchwierigſten des C. N. 
gezählt werden muß, da in dem Geſetzbuch Überall nur gele 

gentlih Einiges vom Beſitz vorkommt, die Discuffionen und 
 Meben faft nichts erflären, und unter dem -Alterer beliebten 
Breanzöffchen Civiliſten, 3. ©. bey Domat, fa unglaubliche 
Irrthamer über den Beſttz am der Tagesordnung waren. Sr. 
DI. gefteht es ſelbſt, daß „der Stoff ſelber im Geſetzbuch ji 
dürftig behandelt, und der Wiſſenſchaft zuviel auszufüllen über 
Aaſſen fey“, eine Klage, worin auch Franzoͤſiſche Jesriften öffent 
Uch vorangegangen -ind»- Er hat fi daher moͤglichſt bemuͤhet, 





Blanf Die Kebre vom Beñihe. 135 


Wells ans den Diecuſſtenen und Reben, theils aus ben älteren 
Geſchen und civiliſtiſchen Schriften die Luͤcken zu ergänzen, 
und fo zum einer vollflänbigen Theorie gu gelangen, wobey benz 
der Verf. ich wiederum durch Scharfſinn, Fleiß und Gelehr⸗ 
ſamkeit ſehr vortheilhaft ausgezeichnet hat. In Beziehung auf 
das Roͤmiſche Recht find faſt durchaus Savigny's Anſichten 
zum Grunde gelegt. So handelt denn auch der Verf., nach⸗ 
dem er erſt die Natur, dann die Entſtehung, und dann bie 
Zoetſetzung und ben Werluft des Befiges entwidelt bat, im 
käten Abſchnitt von deu Wirkungen des Beſitzes, bloß in Be⸗ 
schung auf Verjährung und pofiekerifche Klagen, und übers 
geht alles Lebrige, was fonft wohl dahin gezählt ward, wie. 
die Begänftigung des Beſithers im zweifelhaften Zell, und dag 
Retentionsrecht. Die Dosen find zwar nicht fo überfüllt, wie 
In dee Schrift Über Verjaͤhrnch, aber Doch zu lang, als daß 
man nicht vieles davon in ben Text verwebt gu fehen wünfchen 
muͤßte. 

Mit Vergnügen erklaͤren wir, daß auch das Studium ber 
vorliegenden Schrift eben fo beichrend als intereſſant für uns 
Bar, um fo mehr, da der Berf- noch zur Zeit faft der Einzige 
iR, welcher das neue Franzbſiſche Recht durch gediegene hiſto⸗ 
the Auſichten zu erlaͤutern ſucht. Allein Zweifel find uns 
doch wicht wenig aufgefioßen, und gar manches Lönnen wie 
nach unfrer . Webergengung nicht billigen, wie wir auch manche 
wichtige Erörterung ungern ganz vwermißt haben. Der Haupt⸗ 
vorwurf, den wir dieſer Abhandlung machen mäflen, iſt fols 
gender: der Verf. verführt zu Hifterifch; er ‚trägt aus dem 
Üben Recht, den Discnfkonen und Reben zu viel in das 
Geſetzbuch hinein, und bemüht ſich zu wenig, durch firenge 
Interpretation bie Reſultate zu bilden, und das, was fehlt, 
duch Philofophie und freyes Raiſonnement gu ergänzen, oder 
I zeigen, daß die Rechtsphiloſophie da und dort nichts ent; 
Keiden inne. . Das Neuframoͤſiſche Recht caſſirt nun einmal alle 
Äheren Rechte, und verweist allein auf Vernunft und Inter⸗ 
preiation. Bey der leuten koͤnnen aber die Discuſſionen und 


436 Vrlant Die Lehre vom Beſihe. 


Reden gegen das Geſetzbuch nichts entſcheiden, weil Me nicht 
als Geſetze puͤblicirt find. Ohnehin iſt die wichtigfte unter 
alien Reden, welche bdiefe Materie Betreffen (von: Bigot⸗ 
Dreamenen- Aber Praͤſcription), hoͤchſt flüchtig gearbeitet, und 
‚nicht‘ frey von offenbaren Mißgriffen, wie 3. ©. in Bu 
giehung ‘auf Art, 2089, deſſen Inhalt der Redner grade 
umgekehrt geſtelt Hat. Wenn man es nun auch für den 
zweifelhaften Ball, befonders wo von Worterfiärungen bie 
Rede iſt, zugeben kann und muß, daß ber geichrte Apparat, 
deſſen ſich Here Pl. zur. Aushälfe bedient hat, nicht vernach⸗ 
Käfige werden darf, fo iſt dom -zunächkt nur auf das Seſetz 
ſeibſt und die Bernunft gu fehen, und gegen das, was beyde 
an fich ergeben, durchaus nichts von außen hinein zu tragen. 
Solcher wiltührkichen "Ergänzungen finden fi aber in der 
vorliegenden Abhandlung eine Ganze Reihe. Wir wollen nur 
folgende, als die bedeutenden anführen: ı) nad) S. 99—ı02 
fol Pustichtät und Aufhören der Gewaltſamkeit des Beſitzes 
zu den allgemeinen Erforderniſſen des Beſitzes gehören. Aber 
ein Geſetz ſagt dieß weiter, als in Beziehung auf Die Ber 
jährung ‚und davon läßt ſich durdans kein allgemeiner Schluß 
"auf die poffefforifchen Klagen mahen. Denn ber proviforifhe 
Schuß täße ſich, der Ordnung wegen, als chthlicdh denken, wo 
die definitive Erwerbung ungerecht fenn würde. a) Eben fo fommen 
dem Verf. die Reſultate nur von außen, wenn er &. 15, 21,50, 
61 — 65 bey beweglichen Baden einen befonder Beſitz und 
poffeffurifche Nechtsmittel verwirft, und dieſe daher auch für 
das Fauſtpfand, -und im Fall einer Beſitzuͤbertragung für das | 
Depösitum Teugnet. Den Grund: nach Art. 2079 coincidire 
ja bey beweglichen Sachen Beſitz und Eigenthum, können wir 
gar nicht gelten kaffen. Denn der Hauptſatz iſt ausgemacht 
nicht abſolut, und gewiß wäre es dem Beſitzer folder Sachen 
hoͤchſt wichtig, als bloßer Beſttzer proviſoriſch ſchnelle Schäg 
zungsmittel zu haben. Ohnehin geht ja der Act. narg nur auf 
. den, Eigenthumsbefiß, paßt alfo gar nit, wo 5. B. nur ein 
Pfandbeſitz behauptet wird. Mad Art. sazd bezieht ſich aber 


- Plank Die Lebre vom Beſttze. 437 


der Beſitz nicht bloß auf das Eigenthum. 3) Auf gleiche Art 
fann nach unfrer Ueberzengung aus dem Geſetzbuche nicht bes 
wiefen werden, was S. ı4, 15 behauptet if, nämlich daß an 
den, nach Art. 557, 540, 714 des Privateigenchums unfählger 
Sagen fein Bes ſtatt finden Einne. Denn abfolut find dieſe 
Sachen des Eigenthums nicht unfaͤhig, ſondern groͤßtentheils 
nur bis dahin, daß ſie der. Staat nicht veräußert hat. We 
nun dieſe Beräußerung denkbar if, da enthält auch der provis 
foeifhe Schutz des Beſitzers Leinen Widerſpruch. 4) Selbſt 
darin. tönen wir dem Verf. nicht beyflimmen, daß die nad 


Art. 6gı unverjährbaren Realſervituten auch in Anfehung dee - 


pofiefforifhen Mechtsmitiel des Beſitzes unfähig fenn ſollen. 
Der -Schtuß von der ‚Verjährung auf den Beſit Überhaupt 
paßt, wie gefagt, gar nicht; wohl aber geht bie Definition des 
At. 22028 auch auf Servituten jener Art, zumal da ſelbſt ins 
Eigenthumsbeſitz michts liegt, was fihtbar, oder ununters 
brechen iſt. Aenßere Gründe hat der Verf. freplich für feine 
Theorie, aber nirgend"’wird -fle durch Gefege der Interpretation 
wuterägt. .5) Ehen fo möflen wie die Behauptung (©. 5ı 
—54, 61-68) leugnen, daß die Antichrefe keinen Beſitz übers 
tage, umd daß diefe Beflgäbertragung Überhaupt ohne Geſetz 
nicht. gelte, Freylich paßt dieß gu den Vegriffen über bas 
Roͤmiſche Recht, welche Hr. DE adoptirt hat. Allein wo liege 
dafie der Grund im C. N.? Die gefeglihe Definition des 
Beſitzes, weiche in Betreff der Atttichrefe nirgend beſchraͤnkt if, 
ſtreitet dawider, und eben ſo die, für den Beſitz nirgend aufs 
schobene Regel, daß Jeder das Seinige ganz, ober zum 
Theil andre übertragen kann. 6) In Anfehung der Frage, 
welche Perſonen den Beſitz erwerben koͤnnen, wird S. 35 uns 
beſtimmt auf das Roͤmiſche Nacht verwieien. Dieß kann fi die 
Arenge Auslegung nun gar nicht gefallen laſſen. Es fcheine 
uns, daß. hier drey Zälle gu umterfcheider find ,. nämlich den 
Uebergang des Wefiges nach den neuen Peincipien der Suität; 
die Erwerbung deſſelben durch bloßen Vertrag; umd endlich deu 
hall, da der Beſitz wirklich animo et corpore erworben wer⸗ 


2 


438 Vlank Die Lehre vom Beige, 


den muß. Im enften Ball genägt die Guccefflonsfähigkeit : im 
zweyten muß der Erwerber zu: Verträgen fähig ſeyn, wie es 
bey moraliſchen Perſonen, aber nicht bey Minderjaͤhrigen der 
Hall if; im legen Fall hingegen kommen bie bisherigen, aus 


dem urſpraͤnglichen Begriff bes Beſitzes folgenden Brundfäße 


zue Anwendung, Dabey gibt es benn freylich für den €. N. 
große Schwierigkeiten, da dieſer über die Groaͤnzen bee durch⸗ 
gängigen Willenloſigkeit Unmundiger nichts beſtimmt. 7) Auf 
gleiche Art fcheint uns der Werf. nur duch Anhaͤnglichkeit an 
herrſchende Begriffe gefeitet gu ſeyn, wenn er ©. B bie bloße 
. Dereliction des Repräfentanten als Aufhebung bed Beſitzes 
gelten läßt, indem er die bloße Entfernung des: Principals 
von der Sache noch niet dahin rechnet (©. 67, 68). Denn 
diefes bloße Verlaſſen iR eine auftragewidrige Handlung, und 
Bann in fofern nur als reine Diichtigkeit behandelt werden, went 
man allgemeine Sirundfäge anwendet. Hietgu muͤſſen wir noch 
8) die Bemerkung hinzufügen, dag uns wiederum um Geſetzz⸗ 
buch kein Grund für die Behauptung (B. 66, 67) zu exiſtiren 
fheint, daB die fingulären Vorſchriften bes Art. ans3 auch 
auf den Fall anzuwenden find, da der Beſitz bloß ducch phys 
fiſche Unmoͤglichkeit aufgehoben wird. Nach dem Begriff des 
Beſitzes iſt diefer dann fofort aufgehoben, und ſelbſt die, von 
ben Rednern angegebenen Gruͤnde bes Art. 224,3 paflen gar 
nicht auf jenen Fall. Denn weber der präfnmirte Irrthum, 
noch die gefuͤrchtete Unordnung kann hier in Frage kommen. 
Eben jene Anhänglichleit. an das Herkommliche, und jene 
Vernachlaͤfſigung einer feften und freyen Ableitung der einzelnen 
Saͤtze Hat denn aud dem Verf. Gelegenheit gegchelßbnerichier 
dene fehr wichtige. Puncte ganz und gar, oder fo gut wie ganz 
auf fih beruhen zu laſſen. Namentlich gehört dahin bie Lehre 
vom Mitbeſitz (S. 21 — 23); der Erwerb des Beflges durch 
Mittelsperfonen , in Anfehung befien nur unbeflimmt auf die 
Srundfäge vom Mandat verwiefen iſt (S. 63, 64), . fo fehr 
auch die Frage einer Eröiserung bedurft hätte, wie es werden 
foll, wenn der animus des Bevollmächtigten" widerrechtlich iſt: 


mn 


Loͤhr Kleine Weltgefchichte, 139 


und endlich die Lehre von dem abzeſonderken Beſt aceeſſoriſcher 
Sachen, und ben Verluſt deſſelben buch Gpecifkcanlon. 

Wir bemerken dieß alies um fo Meber unverhohlen , da der 
KBerf. des Lobes fo viel verdient, daß einzelne tadelnde Bemer⸗ 
tungen ihn nie kraͤnken innen, und da feinen Anſichten 
immer dieß zur Seite ſteht, daß die Richtung der neueren us 
risprudenz fart unvermeidlich dahin führen wird, den C. N. 
grade Im Werft dieſer Abhandlung zu bearbeiten. Allein dieß 
alles kann und nit hindern, der Wahrheit frey zu huldigen, 
und offenhersg die Geſtaͤndniß abzulegen: das nene Geſetz⸗ 
buch bedarf in der Lehre vom Beſitz einer gaͤnzlichen Revifion. 
Denn die wörtlihe Auslegung führt gu Nefultmten, welche nur 
das Gedaͤchtniß interefiren, und die Philoſophie tft außer 
Stande Bier irgend einen Fehler zu Heilen, da die Lehre vom 
Berk, wie fie feyn muß, fat durchaus auf Politik und Gil 
lügkeit beruht, denen durch wahre juriflifche Beweiſe gar Peine 
Graͤnze gefeht werben Tann. 

| i 





Kleine Weltgefchichte für den erfien Anfang beym Lernen und Schul» 
unterricht, von 3.9. C. Löhr. (Auch mir dem Zitel: der 
erſte Lehrmeiſter u. f. mw. dritter Theil.) Leipzig, bey G. 
Zleifcher dem Büng. 1811. XXXVIw 246. 8 (8 9) 

Wenn jebt bey dem großen. Ueberfluß Hiftorifcher Lehrs 
bädher für die Jugend ein neues erſcheint, fo iſt man berechtigt, 
von diefem etwas auggezeichnetes zu erwarten. - Das Gegen⸗; 
theil verdient ſtrengen Tadel, nicht bloß als vergebliches, ſon⸗ 


dern auch ſchaͤdliches Unternehmen, indem dadurch dem Beſſern 


der Eingang erſchwert wird. Der Verf. des vorliegenden 
Buchs Hat diefes auch gefühlt, wie Die Worrede ausweiſet, die, 
ohne anzugeben, wodurch fich diefes vor fo vielen andern auss 
zeichnen folle, jeden Tadel zum voraus abzuwenden ſucht. Wer 
wollte auch wicht gern eingeflehen, daß nicht nach etwas Beſſe⸗ 
tes gegeben werben koͤnne, als uns bisher in diefer Art ges 
reiht warde? — Aber dem NWerfuch des Verf. ſtoͤnnen wie 
diefes Lob nicht ertheilen. — Bey einem ſolchen esften Lehr⸗ 


. 440 Loͤhr Kleine Weitgeſchichte. 


buch, weiches nach des Verf. Ausſage für den haͤustichen Li - 
terricht in der Gefchichte und für bie fogenannten Deutfchen 
und Lateinifhen Schulen beſtimmt feun ſoll, if bie Auswahl, 
Anorhnung und Darkellung ber Materialien die Hauptſache. 
Auch ein eines Lehrbuch kann und fol ein „Bud, voll- Leben 
und Zarbe“ feyn, und es bedarf dazu nit, wie dee Verf. 
meint, fo vieler Bände als biefes Buch Bogen enthält. Auch 
die kleinſte Pflanze ſteht in zweckmaͤßiger Organtfation der größs 
ten Eiche nicht nad, und nur der Geiſt macht lebendig. Der 
Anfänger in der Geſchichte bedarf niche der Menge der Bege⸗ 
benheiten (daran gebricht es biefem Buche nie): vielinehe 
kann dieſes leicht den Geiſt erbrüden, vder zerficeun. Ein 
erſtes Lehrbuch der Geſchichte ſollto nach unferer Meinung eine 
Anleitung ſeyn zu einem lebendigen Anfchauen und Umfaſſen 
Des, mit weifee Sparſamkeit auserlsfenen Einzelnen, damit 
baraus ein geiftiges, wohlgefügtes Gebaͤn des Ganzen hervor⸗ 
sche. Auf diefe Weile kann auch allein nur ber Jugend ein 
bleibendes Intereſſe für die Hiſtorie erweckt werden. Durch 
bloßes Aufzählen von Ereigniſſen wird es nicht bewirkt, viel» 
miehr verhindert. Und weiter enthält doch diefes Buch nichts. 
Sibt z. DB. das, was von Aegypten erzählt wird, wohl einis 
germaßen eine anſchauliche Vorſtellung von biefem Lande. und 
Wollte? Es find nur disjecta membra, bie wohl einen Aus 
genblick die Neugierde reizen, aber denen das höhere Hiftorifche 
Intereſſe fehlt. Eben fo verhält es fih mit den Griechen und 
Roͤmern. Dieſer Mangel an hiſtoriſcher Kunft, bie, nad 
unferm Dafürhalten, au dem erſten Lehrbuche vor allem nicht 
abgehen follte, ‚offenbart ſich überall, und das Buch charakteris 
Pre ſich dadurch, daß es die Begebenheiten wie Rechenerempei 
numeritt, wovon wie nicht den mindeſten Nutzen abfehen. 
So wie das Ganze, fo fcheint auch das Einzelne größtencheils 
mißrachen, und mit Fluͤchtigkeit bearbeitet zu fenn. Wie dürftig 
iſt die Beſchreibung der Geſetzgebung des Lykurg (S. Qı), 
und wie wenig geeignet, der Jugend einen wuͤrdigen Begriff 
von der Idee und Kraft des großen Mannes beyzubringen? 


— 


Loͤbr Reine Weltgeſchichte. 1 


Diogenes if weiter nichts, als „ein Sonderling, der aufer 
Efien und Trinken alles entbehrlich fand.“ — Die Griechen, 
fo Heißt es ©. 30, „waren ein Appiges, neugieriges, ſchau⸗ 
derhaftes (vielleicht pianderhaftes?) Weit, das Luft und Uns 
terhaltung ſuchte. Man badete, faldte, bekraͤnzte fih; hielt 
fh Pfauen, Affen, Hunde, Pferde, Teppiche, Gemälde und 
viele Selaven, und liebte Mahlzeiten und Tänze; hörte Fibte 
und Leyer fehr gern. Die Schaubfhne zu befuchen war ein 
Hauptvergnuͤgen.“ — Alerander von Macedonien wird bloß 
als ein wilder," halbwahnfinniger Wuͤthrich und Schweiger 
dargeſtelt. Regulus (©. 48) Heißt nur der Hohmäthige. 
— Bey dem erfien Geſchichtsbuche, das der jugend in bie 
Hand gegeben wird, kommt es jeher darauf an, daß großen 
und ausgezeichneten Männern ſolche Epitheta beygelegt werben, 
die ihnen gebuͤhren. Denn diele bleiben für bie Zukunft, und 
das Gegentheil kann zum kecken Abfprechen verleiten. — Auf 
den Stil iſt andy ‚nicht die gehörige Sorgfalt verwendet wors 
den. Ganz gegen die Biftorifche Schreibart und Würde iſt die 
oftmalige, durch das ganze Buch fortlaufende, Tangweilende 
Verwehfelung der "gegenwärtigen Zeit mit der vergangenen. 
Es it zuweilen, als. ob man die Capiteluͤberſchriften eines alte, 
Romans läfe, z. ©. ©.5g: „Eäfar landet in Aegypten, mache 
die Eleopatra zur Königin, wird noch einigemal durch die 
Begenpartey ins Gedränge gebracht, gewinnt noch eine Haupt⸗ 
ſchlacht 20. wobey in fünf Zeilen das Wort noch dreymal 
vorkommt. — Unedel iſt der Ausdrud, daß Themiftofles die 
Stichen durch „die finnreichften Finten“* gerettet habe. — 
®. 174 heißt es von ben Zürften nah dem Bauernkriege: 
„fie ließen gleichſam zum Vergnügen noch nachkoͤpfen.“ Bons 
derbar Hinge es, wenn ©. 166 die Erzählung von Heinrichs IV. 
Thaten mie den Worten beſchloſſen wird: Ruhen wollte ee 
nicht, fagte er, bevor micht jeder feiner Unterthanen Sonntage 
fin Huhn im Topfe Habe.“ Quid tanto dignum feret hie 
promissor hiatu! möchte man bey diefer Schluß s Inverfion 
ausrufen. — Unrichtigkeit find une nicht aufgeftoßen. Undes 


“ 


442 Reinhold Der Gelflliche alt Beamter des Civilſtandes. 


dachtſam Bänke es uns, wenn über die Orakel der riechen 
dahin abgeurtheilt wird, daß fie in der Schlauheit der Priefter 
ihren Grund gehabt hätten, oder wenn der Trojanifche Krieg 
mit den Balgerenen der Wilden verglichen wird, oder wenn 
Darius Hoſtaſpis dadurch König wird, baß fein Hengſt eines 
Morgens auf einem Spazierritt wiehert. Daß das alte Gallien 
immer Frankreich genannt wird, iſt auch nicht hiſtoriſch. Aken 
(&. 74) ſtatt Aachen wird woßt ein Drudfehler feyn. — 
Ein Anhang (&. 207 — 224) enthält die Geſchichte der chrifts 
lichen Kirche, oder vielmehr eine Aufzählung der auffallendften 
Streitigkeiten in derſelben ſammt Entſtehung der fpätern Dos 
gmen und Lehrmeinungen, Drden, Kiechengebräucdhe ıc. und 
fliegt mit dem Efelsfefte. So wahr alle diefe Dinge fen 
mögen, fo fönnen fie do, wenn fie, wie hier, in einem grellen 
Lichte zufammengedrängt, und ohne Kenntniß bes Zeitafters 
dargeſtellt und aufgefaßt werden, leicht der Jugend eine dem 
Ehriftenehum und der Wahrheit ſelbſt ſehr unguͤnſtige Stim⸗ 
mung und Anfiche erzeugen. Das puero maxima debetur 
reverentia — gilt nicht minder von Schrifien als Hands 


fungen. 





un} 


Her Beifiliche als Beamter des Civilſandes. Bon G. F. Reinhold, 
Superintendenten u. erſtem Schlofipechiger zu Oflerrode. Hans 
nover, bey den Gebrüdern Hahn. 1810. 31 ©. 8. (8 gr.) 


3 Zn dem Königreich Weftphalen iſt den Pfarrern das Ges 
ſchaͤft des Beamten des Civilſtandes vorläufig Abergeben, und 
in dieſer Qualität find fie mit Abfafung und Eintragung ber 
Geburts; Heuraths⸗ und Sterbenrkunden beauftragt. Diefe 
Meine Schrift zeigt die Vortheile und Nachtheile diefer Eins 
richtung. Vortheite: viele Maires, vorgäglih auf dem 
Sande, würden nicht im Stande feyn, jene Megifter mit der, 
vom Geſetz vorgefchriebenen Ordnung zu führen. — Diejenigen 
Derfonen, welche eine Urkunde aufjunehmen haben, werden 
von dem Pfarrer cher Richtigkeit und Sicherheit erwarten, 
als von den Maires auf dem Lande, denen fie gemöhnlich nicht 
mehr Geſchicklichkeit zutrauen, als ſich ſelbſt. — Auch die alte 
Gewohnheit macht, daß die Landbewohner ſich lieber an ihre 
Geiftlihen wenden, als an Jemand anders. Ferner ſey in 
dieſem Fall weniger zu befürchten, daß Leichtſinnige, zum gras 
Ben Nachtheil der Moralität, die bürgerliche Trauung für Hins 
reichend halten, und um ihre Pflichten als chriftliche Eher 
teure ſich nicht befümmern werden, wodurch die Anzahl der 
ungläctichen Ehen vermehrt werden würde. In fofern ſey es 


. 


Mage on Ei. nögivet of Rahbek 143 


für den Seiſtlichen wichtig, daß er zugleich Civilbeamter if. 
Auch fein Anſehen ale moralifher Lehrer gewinne dadurch, 
und ir die Bildung des Geiſtlichen ſeibſt könne die Abfaflung 
der Urkunden nüäßtih werden, indem fie an Ordnung und 
Praͤciſion gewoͤhne. — Nachtheile: das neue Clivilamt if 
der wiſſenſchaftlichen Fortbildung des Geiſtlichen nicht zutraͤglich, 
indem es ihm Zeit und Heiterkeit raubt, woraus nachtheilige 
Folgen für ihn ſelbſt und für feinen Wirkungskreis entſpringen. 
Vor allen wird dieß der Kal feyn bey folchen Geiftlihen, 
deren Zeit burch vielfeitige Arbeiten, Beſuche, Oekonomie, Er⸗ 
jiebung der Kinder ıc. fchon vorher beſchraͤnkt war. Wie viel 
Zeit raubt nicht sine einzige Todtenbeſchauung in einem Außen⸗ 
dorfe 26. Der Verf. ſagt, ee kenne Geiſtliche, die jährlich 
wohl tauſend Urkunden aufzunehmen haͤtten. Vor allem muß 
es den Greiſen beſchwerlich fallen. Emolumente find fo gut 
wie gar Feine mit diefem läftigen Giefchäfte verbunden. Seibſt 
dafür, wenn er fih 5. B. zu einer Tobtenbefichrigung oft in 
ſchlechtem Wetter nach entlegenen Orten verfügen muß, wird 
nichts gut gethan. Außerdem berührt der Verf. noch einige 
andere mit Diefem Gefchäft verbundene Nachtheile und Unbe⸗ 
quemlichkeiten, jedoch ohne ſich eine Entſcheidung Aber das pro 
und contra anzumaßen. Uns duͤnken die Nachtheile, die aus 
diefee Vermiſchung des Geiftlihen mit dem Weltlichen entiprins 
gen, größer, als die Vortheile, und dag dem Maire gegeben 
werden mäe, was des Maire if. Gibt diefem der Himmel 
das Amt, fo wird er ihm and Verſtand geben; kurz wie 
halten es in diefem Puncte mit dem alten Moſaiſchen Geſetze, 
daß nicht die e mit dem Leinen gemifcht werde. Hätten 
die Geiſtlichen fi aud hieran gehalten, fo würde ihnen eine 
weife und gerechte Regierung ſolche fremde Beſchaͤftigung nicht 
zugemuthet haben. Aber wir Pfarrer Haben das feit alter Zeit 
fo an uns, daß wir, während die eine Hand nach einem 
höhern Departement hinweiſet, gern mit der andern in das 
weltliche greifen. | 


— 4 u 





Ange og Elfe, en gammel Ballade, udgivet af Profefior og Nidder 
af Dannebsog 8.2. Rahbek; fom Pröve No. 2 paa den 
au Skitkelſe, hvori Abrabamfon, Nyemp, 09 Nabbek agte 
as ndgive den fan Faldte Kiempeviſebog. Kiöbenhavn. 1810. 
se 8 | 


Diefe Probefchrift enthält ein kurzes Lied von breugehn 
Strophen, welches Sandvig in einer Papierhandfchrift des 
ſechzehnten Jahrhundekts in der Suhmiſchen Bibliothek fand, 


444 Aage og Elfe udgivet af Rabbek. 


und in feinen Leuninger af Middelalderens Digtekunſt, forſte Haͤfte 
a-Bo bekannt machte. Dehlenfhläger benußte es neuerbings in 
den Trauerfpiel Axel und Waldborg, und Biefer Umſtand ver 
anlafte den Herausgeber, nachdem fchon in ber erfien Probe⸗ 
ſchrift Ruͤckſicht auf dieſe Dichtung genommen war, es als 
zweyte Ankündigung der neuen Ausgabe der Kämpeväfer nah 
Sandvigs NRerenfion abdrucken Fi laffen, mit den Varianten 
von Dehlenfchläger , der einer mündlichen Veberlieferung gefolgt 
gu fern fcheint. Das Lied weicht In etwas von der Manier 
der Kaͤmpevuͤſer ab, indem es runder und fließender iſt; es 
drückt eigenthämlich fchön. jene Sage aus, daß der Bräutigam 
im Grab die Ringe feiner Braut gehört, aufgeflanden in der 
Nacht, zu ihr gefommen, und fie mit fich gegogen; tief und 
wunderbar iſt der Zug, daß er fagt, er fühle ihre Sedanken: 
wann fie ſich freue, fen fein Sarg mit Rofendlättern angefült, 
wann fie traute, aber ganz mit geronnenem Blut. Auch bier 
endigt, wie immer in nordifhen Sagen, der nenfchrey das 
Geiſterreich. Auf die Aehnlichkeit mit Bürgers Zenore wird in 
der Einleitung aufmerkſam gemacht, auch daß diefem einzelne 
Laute eines Deutſchen Volkslied vorgeſchwebt; wir fügen hinzu, 
daß das ganze in dem Wunderhorn II. 19 mitgetheilt worden. 
Es if gleichfalls bemerkt, daß bie Engländer ähnliche Volks 
lieder hätten, wovon eins bey Percy fiebe (III. 126. Herder 
208), eines andern im Monthly Magazine 1796. Sept. ges 
dacht werde. Ganz richtig. wird. der Schluß abgewehrt, bag 
‚eins von diefen Liedern Driginal, bie andern von diefem ents 
lehnt feyen: allen drey Voͤlkern gehört diefe Sog. zu, als ein 
Zeugniß ihrer Verwandſchaft, jedes hat fie Rgenthuͤmlich bes 
handelt, und ſchon biefes würde eine ſolche Behauptung abs 
weifen. Don einem. andern Dänifchen Liede werben drey Zeilen 
aus Oehlenſchlaͤgers Palnatoke angeführt: 


NMond ſcheinet/, 
todte Mann greinet: 
wird die nicht Angſt? 


Mir erinnern uns einiger Zellen aus einem Dentfchen Liede, 
die Ahnlih damit lauteten. Daß eine Melodie von Dehlens 
ſchlaͤger mitgethetlt worden, fehen wir als eine Artigkeit gegen 
diefen an; ben allem Werth, den fie haben kann, gehbrt fie 
nicht in eine Sammlung alter Volksmelodieen, und wir zweis 
feln nicht, daß Fünftig nur auf diefe wird Näcfihe genommen 
werden. on ber Herausgabe ber Kaͤmpevuͤſer theilt dieie 
Schrift die angenehme Nachricht mit, daß fie nicht länger auf 
gehoben, fondern begonnen werden fol, | 

n % ’ 







No.10.  Heidelbersifhe A811. 
Jahrbuͤcher der Literatur, 





Nuſeum fuͤr altdeutſche Literatur und Kunſt. Herausgegeben von D. 
F. H. v. d. Hagen, 8.8. Doeen und D. 8. ©. Büſching. 
Erſter Band. Berlin bey Nuger. 1609 (und 1810). 648 ©. 8. 


syn neue Journal darf nicht. mit der unfeligen Menge 
anderer unnüser und Zeistödtender Sjournale vermifcht werden. 
Das Publicum fol Burch daffelbe ganz neue Reſultate erfahren, 


die aus der Literatur des Mittelalters zu fchöpfen find, vor 


allem fellen die vieleriey Meinen und großen Quellen, aus einer 
unglaublichen Zerfplitterung und Vernachlaͤſſigung gefunden, ers 
gaͤnzt, geſichert und beſprochen werden. Keiner diefer Zwecke, 


befonders der fette kann ohne Außerliche Mitwirkung gleiches 


finnter Arbeiter bewirkt werden. Ans diefem Stunde wünfchten 
wir, daB fi die Vorrede beſtimmt erflärt hätte, wie, und 
unter welcher Bedingung anderen kurzen Anfragen und Aufs 
fügen der Eingang nerflatter ſey. Der mehrmals verfuchte, 
aber fchiecht. unterſtuͤtzte Iiterarifche Anzeiger, der für das alts 
deutſche Zach eine Vorneigung gezeigt, hatte freyern und all 


gemeinern Zutritt, gewährte aber bey vielem Fremdartigen einen 


ju befchränften Raum. &6 wäre wohl auszuführen, dab alles, 


was über die altdeutſche Wiflenfchaft zu fragen und zu vers 


handeln wäre, in einem ſolchen Wedazin geſammelt würde, 
Wir wollen indeß unfer Urtheil über den vorliegenden erſten 
Band freymuͤthig und aufmerkſam in diefen Blaͤttern niederlegen. 
1. weder Wolfram von Eſchenbach, fein Leben und 
feine Werte. Von Buͤſching. Wegen den Zwei und 
vornehmlich gegen die Ausführung diefer Abhandlung hegen wir 
manchen Zweifel. Die Nede ift von einem der größten Dichter 
unferes Alterthums, von deſſen Lehen wir eigentlich nichts 
wien, von deſſen herrlichen Gedichten zum Gluͤck viele 

19 





Fe v 


146 . Muſenm f. Audeutſche Literatur u. Run 


wahrt worden find. Nun Hat Hr. B. gu feiner Arbeit durds 
aus kein neues Kälfsmittel gefunden, - fondern, was Tadel 
“verdient, nicht einmal alle zugängliche genutzt, wie Necenfent 
nachher beweifen wird, in der erften Abhandlung aber dis 
beginnenden Buchs ließ fi) etwas volllommmeres erwarten. 
Saft alles, was hier über das Privatleben des Dichters vers 
fuche wird, ift aus feinen Gedichten zu fchöpfen, weder Ge 
burts noch Sterbejahr kann ausgemittelt werden, ein alter Ber 
ehrer Wolframs, Püterih yon Neicherzhaufen nenne uns nut 
den Ort des Begraͤbniſſes. S. a7 meint Hr. B. nad) 1907 
oder ı20B haͤtte er gewiß noch gelebt. Daran mirb gern jeder 
landen, zumal da ans dem Tpturel hoͤchſt wahrſcheinlich if, 
daß er Landgraf⸗Herrmann (7 1216) überlebt. Die weitläuf 
tige Unterſuchung (2 — 15) über die fchweizerifche, ober baicı 
fche Familie ift überfläffig, weil des Dichters eigene Angabe 
längf und beflimmt enticheider, und Johannes Mällers Met 
nung (die aber hier doch nach der erſten Ausgabe ber Schwei 
gergefchichte ausgeführt wird, ungeachtet er fie feitdem geände) 
verdiente deshalb keine Widerlegung. Weber die Namen des 
Dichters wird in der erflen Note vielerley beygebracht, 1 
hätte aber noch bemerkt werden follen, daß er häufig unter 
dem erfien, ohne beygefuͤgtes Geſchlecht, vorkomme, wie er im 
Tyturel ſelber damit fpielt: 

mein Freund Hear RNam der Wolf e 

ihr ſolt mein nit ſo ramen 
zum Beweis, daß die alten Wortfpiele gern von den Eigen! 
namen abgenommen wkrden. Im Tpeurel kommt j. ©. noch 
vor: 

den von Anſchauen (anjou) anzuſchauen. 
Barum „Wolfram von Eſchenbach und Plelenfelden“ di 
allein vichtige Orthographie feyn fol, flieht niemand ein, da 
es damals mit der Schreibart felbft in Diplomen nicht ge 
au gehalten wurde. Hätte es Hr. Buͤſching in einem aW 
dern Sinne etwas genauer damit genommen, fo würde et 
+ ©. die bepden erſten Saͤtze feiner Abhandlung in ein Pre 


Muſenm f. Altdeutſche Literatur u. Kunſt. 4147 


Borte zufamniengegogen haben. Wie geſagt, Aber das viel 
feige einfache Leben und Schickſal des Dichters bleiben wir im 
Dunkel, ein Paar trockene Länders und Städtenamen könnten 
uns zu kritiſchen Puncten dienen, wenn wir eine unkritiſche 
Geſchichte Wolframs aufgefunden und zu mürbdigen hätten. 
Dennoch Siege in fo Wenigem und Seringem, was wir erfahren, 
dießmal ein eigener Reitz, von vielen andern feiner Zeit Hätten 
wie daran nur eingefchränftes, Hifkorifches Intereſſe; Hier iſt 
es uns um feinetwillen befonders lieb zu hören, welche Städte, 
Linder und Wälder er alle betreten, daß er einen Bruder, 
mit dem er nur eine Seele gewefen, eine Frau und nur ei 
Kind zehabt, und me zuletzt feine Gebeine begraben liegen. 
Die dürren Namen tragen hier eine Art von Ruͤhrung mit ſich⸗ 
Benn sin Anderer der alten Sänger fingt oe 

ich ſas uf einem fleine 

do dahte (deckte, verſchraͤnkte) ich Dein mit beine 

daruf falle ich min ellenbogen 

ich hete in mine bant gefmogen (gefchmiegt) 

das Finne und ein min Wange 

do dehte ich mir vil ange (aängſtlich) 

wie man zer werlte folte. leben. 
(6 vernehmen wie zwar nichts, mas in feine hiſtoriſche tor 
graphie taugte, aber es tft ein beftimmter, Höchft treuer Zug 
aus feinen Leben, ein rührendes Bild; er hat einmal fo ges 
feffen und geforgt, nun lleger fein Sinnen und Trachten iind 
feine Ang um den Weltlauf in diefem ſchon fechshundert 
Jahre begraben. Mehr Nachrichten hätte Hr. ©. ohne Zweifel 
auch in dem gedruckten Wilhelm Oranſe des Dichters, ſo wie 
etwa in dem nicht unzugaͤnglichen, wenn ſchon zweifelhaften 
Trojaniſchen Krieg finden koͤnnen, allein er hat ſich nur mit 
dem Parcifal und Tyturel begnuͤgt. Nee. muß fi in nach⸗ 
ſtehenden Zufaͤtzen auf den Oranſe beſchraͤnken. Dir Sram 
&. 27 Note 36 fälle weg, indem der Dichter‘ (Stanfe & .162) 
ſeines Toͤchterleins gedenkt, welches Damals noch mit der Puppe 
geſpielt, zur Zeit des Dyturel aber gebßer gewachſen war, Da⸗ 
el CS 86 a) erwaͤhnt erh ffines Metfters Veidect 


148 Muſenm f. Wiedentfche Literatur u. Rank 


(Büfäinggn. 41); eine Intereffante Stelle Aber feine Frangöftice 


GSprachkenntniß ©. 12078. Daß Eſchenbach den Plate, we 
nigſtens namentlich, vijellelcht genauer durch die Kirchenvaͤter 
gekannt habe, 4 Seweist doch Dranfe ©. 95h uud fogar Parcifal 
B. 1589457 än beyden Orten wird er mit der‘ Gpbilla zuſam⸗ 
wmengeſtellt, was ſich aus den Kirchenvaͤtern erläutert, die haupt⸗ 
ſachlich in den Spbilliniſchen Orakein und bey Piato das Chri⸗ 
ſtenthum vorher fanden. Andere entſtellte Namen wärdn 


Abrigens fo wenig gegen des Dichters Gelehrſamkeit beweiſen, 


als richtige dafuͤr; folgende aber, die der Verf. nor. 55, 9 
nicht zu erklären weiß, laſſen ſich erläutern. Maſſer naͤmlich 
iſt ohne Zweifel der Juͤdiſche Arzt Maſer Jawaichus, von Su 


hurt ein Syrer, der am Ende des ſiebenten Jahrhunderts lebte, 
und Aarons Pandecten aus dem Syriſchen ins Arabiſche über 


trug. Der Herkules ſollte freylich im Lateiniſchen Idiom 


eigentlich herculitus heißen, und iſt Heraklit von Sichon, der | 
zwey (verlorene) Bücher von den Steinen gefchriehen hat, fo dab 


Plutarch's Zeugniß durch unfere Altdeutfchen Dichter wiederholt, 
oder beftätige wird. — Leber das ſchwierige Verhaͤltniß Wolframs 
zu einem audern Meiſterſaͤnger, von dem alles untergegangen iR, 
der Ruhm ausgenommen, zu Klinſor hätte billig geredet wer 
den follen. Im Dranfe ©. 1874 Pr ber Dichter des 


Landgrafen Hermann von Thüringen, ©. ı6ga bes Bodens | 
ſees, 1784 eines Turniers zu Kigingen, worüber Rec. gerade 
nichts nachichlagen kann, ©. 171 a des Streites der Welfen 
in Thüringen (woraus ſich bey dem damaligen Schwanken der 
Parteyen und befonderd des Landgrafen kein ſicherer Schluß 
machen läßt) und 176b des Kalfers Otto, dem der Dichter 
zu feiner Weihe dis Folge gegeben. Dieb war Otto IV., der 
»on 1297 bis 1018 als Kaiſer auftritt, es iſt daher nicht ganz 
sichtig, wenn Hr. B. zu einer Parallelſtelle aus Tyturel be⸗ 
hauptet (S. 2a n. 28 coll. &,27), daß diefer Otto ınod zur 
Megierung gelangt» da er zu Aachen gewiß früher geweiht worı 


‘den, obgleich zu Rem er 1000. Eintgemal gibt fih Kr. ©. 


dergebliche Muͤhe aus manchen Aeußernugen Woiftams in 


% 


Muſeum f. Altdentſche Literatur m. Kunſt. 4149 


fein Leben hineinzuſchauen, und wir halten bes Dichters Un⸗ 
läd in Liebeshaͤndeln für eben fo wenig ausgemacht, als (mas 
&. 3 ſteht) daß er durch eine eigene Durdforfhung der 
Bibel und Kirchenväter den religiöfen myſtiſchen Sinn erlangt. 
Dieſe Myſtik und Religion war bazumal echt vollsmäßig,, die 
Disputation zwiſchen Noland und Feragut iſt eben fo tief und 
herrlich, als was in Reinbots &. Georg ficht, und was diefer 
wiederum nicht alles ans ſich felber hat. Und wie will Hr. ©. - 
bweifen, daß die phufllalifchen Kabeln duch die Krenzfahrer 
ans dem Drient gelommen (©. 34)? Bon den Schriften des 
Dihters wird erft in der Fortſetzung der Abhandlung geredet 
werden. Dec. ift alsdann auf bie Löfung vieler Schwierigkei⸗ 
ten begierig, namentlich der fonderbaren, dab, da Wolfram 
den Parcifat früher als den Dranfe, und benbe vor dem Wart⸗ 
burger Krieg gedichtet zu haben fcheint, im Parcifal dennod, 
fo wie im Tyturel die befannten Anfpielungen auf Klinfor 
vorfommen. Entweder mäßte der Sänger feindfeliges Zuein⸗ 
anderfichen früher da geweſen, oder die Stellen müßten fpäter 
hingugefäge ſeyn, denn überhaupt gefällt fich der veiche Dichter In 
Lieblingswendungen und Steichniffen, die man im Parcifal, 
Oranfe und Zyturel immer wiederfindet. Der Abdruck des 
Echmgrin und mehr Aufklaͤrung über den Wartburger Krieg 
möhre wor allem wohl abzuwarten ſeyn. II. Galerie *) 
Altdeut ſcher Dichter von Docen. Hr. D. macht ben 
Verſuch, in einer Reihe von Bildern die Eigenheiten der vor⸗ 
züalichſten Aitdeutfchen Dichter, fo wie flo ſich aus ihren Werken 
fish darchun, aufzufaſſen, und fängt. hier mit dreven am, 
wobey er gugleich eine gewiſſe Stufenfolge von unten gu dem 
höheren auffteigend, beabfichtigt zu haben ſcheint. Nichts ift 
Aioagter, als von außen her in die innere, Werfätte der 


nn 





) Mir glauben beffimmt zu wiffen, warum uns folche Lieblings: 
ausdrůcke des Verf. der Mifcellaneen, wie: Galerie , Verſo⸗ 
nalin, Marginalien, Gpicilegien, Nhodonia zc. in des akt 
deniſchen Poeße ober als ſoni zumider And. 


t 


150 Muſtum f. Altdeutſche Literatur u. Kunſt. 


Dichter hineinzudringen; ein allgemeines Urthell iſt balb fertig, 
ein Verftändiger wird fo nicht darin fehlen. Aber num die 


einzelnen Gaben, bie einem mehr, andern weniger zu Theil 
geworden, in Worte zu Faffen, und wieder aus einem Punct | 
ausgehen zu laffen, das muß in der alten Zeit noch hundertmal 


ſchwerer feyn. Damals war das Unglück der falfchen Poche 
noch wenig oder nicht in die Welt gekommen, es gab faſt keinen 
Dichter, der nicht aus dem Trieb feines‘ Herzens gefungen 
Hätte. Daraus erklärt ſich zweyerley: die Eintbnigkeit und 
Menge der Miinnelieder. Alfo kann man wohl fagen, Gott: 
feied und Wolftam ſeyen poetifch begabter gewefen, als viele 
andere, und feldft den Unterſchied fühlen, der zwiſchen der 
Manier beyder if, allein man wuͤrde fehr Unrecht thun, wenn 
man die Lieder eines Wenzel von öhmen, eines Heinrichs 
von Breslau im geringſten unter die jener Meifter ſetzte. Wir 
"begreifen kaum, wie man einzelne darunter mehr lieben koͤnne, 
als chen das, was ihnen allen gemein if. Auf erzaͤhlende 
längere Gedichte hat der Stoff einen bedeutenden Einfluß, was 
ift Eſchenbachs Dranfe neben feinem Parcifal! Niemand wird 
es Hrn. D. verleiden wollen, daß er bie drey hier ausgezeich⸗ 
neten verfchiedentlih mit beſonderer Morliebe genannt Hat. 
Allein wir fiehen nicht an, die Charakteriſtiken Conrads und 
Rudolfs für mißlungen und untreffend zu erklären, Was hat 
Frühling, Sommer und Herbſt Hier zu thun, und wer geist 
das, daß die Geſchichte der Kunft nur drey Jahrszeiten, nam 


lich keinen Winter habe? Zu geigen wäre vielmehr, daß die 











Matur. ein Iebendiges Volk au flets mit neuer Poefle befruch⸗ 


tet; die Formen werden mißbraucht und entftellt, aber zur Zeit 
des erflarrenden Meiftergefangs lebte eine Fülle herrlicher Volks⸗ 
lieder und eine Menge Geſchichten in Deutſchland auf. Rus 
dolfs Wilhelm von Orleans ſteht doch weit unter der Verglei⸗ 
Hung mit dem Triftan, in der Sage iſt ſchon das Gezierte und 
Höfliche, welches ben fpäteren Roman von Galmy fo ausneh⸗ 
mend langweilig macht. Was Gottfried von Strasburg an 
geht, fo hat Hr. D. die. Schönheit feines Gedichts herjlich gw 


- 


Ruf f. Wirdegtfche Literatur m. Kunt. 151 


fühlt, und sreffend daruͤber gefprohen; aber Wolfram von 
Eſchenbach würde fih durdy eine Hier auf ihn anzuwendende 
Stelle des erfiern fo wenig betroffen fehen, als bie proteflans 
tiſche Landpfarrer den auf fie geworfenen Seitenblick lefen wer⸗ 
den. Daß das hier (S. 54) für unbekannt gegebene Englifche 
Driginal des Thomas von Brittannien noch jeßo exiſtirt, if 
nicht nur aus den Aufichläffen darüber, welhe Ellis und 
ver Herausgeber der Schottiihen Volkslieder ( Edinb. 1803 ) 


gegeben ,„ bekannt, fondern es ift von Score wirklich edirt, 


und ſchon einigemal aufgelegt worden. Mit dem fpäteren 
Thomas Malore, wofür ihn einmal Nyerup gehalten, iſt unfer 
Thomas von Ereildenn nicht zu verwechfeln. Bon dem Triſtran 
des Segehart nachher neh einige Worte. Noch müflen wir 
eine gezwungene Bemerkung, womit die Galerie anhebt, ruͤgen; 


nach welcher man es fuͤr ein Gluͤck fuͤr die Geſchichte unſerer 


Poeſie Halten ſollte, daß wir fo keine moͤnchiſche (?) Lebens: 
befhreibung von unfern alten Dichtern Hätten, wie bie Pros 
vergafen von Noftradam. As wenn dergleichen unfchägbare 


Nachricht das Studium ber Gedichte felöft verhindern kännte, 
wo nur die Gefchichte der Poeſie ernfihafter getrieben wird, - 


als bey Franzoſen. Wird diefe Galerie fortgefegt, fo wuͤnſchen 
wir, daß ihr Verf. lieber einzelne Spuren von Leben, Seyn 
und Kunſt der Dichter, weiche ihm feigg Belefenheit an die 
Hand gibt, einfach zufammenftelle, ſtatt ſie in entfcheidinde und - 
unterfcheidende- Urtheile nicht ohne Zwang zu verbinden. 
IT, Sin Gedicht von Eonrad von Wirzburg. Wohl 
gemacht, Bie herbfilihen Nebelgedanken zu gerfireuen, die Hr. D. 
über diefen Meifter verhängt hat. IV und VIII. Ueber den 
Unterſchied der Minne und Meifterfänger, von 


Docen. Ueber diefen Aufſatz mag ſich Hier Rec. nicht aͤußern, 


da er gegen ihm ſelbſt gerichter iſt, und ihn bewegen wird, 
nächftens darauf ausführlich zu antworsen. Nur fo viel, daß 
Hr. D. die alten Meifterfänger alsdann für keine hält, wenn 
fit — Minnelieder gemacht Haben. Am Schluß des im erflen 


Heft abgebrochenen Aufſatzes wird den Leſern ganz unverhoft . 


⸗ 


[4 


452 Muſeum f. Alidentſche iteratur u. Kunf. 


ein Minnelied aus dem ſechszehnten Jahrhundert, jedoch als 
ein: erotiſches Gedicht, zum Beſten gegeben. V. Alpbabes 
tiſches Verzeichniß Altdeutſcher Dichter, vom 
Anfang bis ins ſechezehnte Jahrhundert, von 


Docen. Unftreitig der fleißigfte Auffag des ganzen erſten 


Bandes, und eine. mühjame Arbeit, welcher inskuͤnftige eine 


zweyte, bie anonymen Gedichte umfaſſende Abtheilung nad 
fölgen fol. Auch foll das Ganze Überhaupt nur Vorarbeit gu 


einer Handbibliothek unferer altpoetifchen Literatur fern. Im 


Allgemeinen ift folgendes auszuſetzen. Der Verf. Bat außer | 
dem eigentlichen Verzeichniß hinten noch eine Tabelle hinzuge⸗ 
fügt, worin die Dichter mis zufammengefeßten Namen in ent 


gegengefeßter Ordnung eingetragen find. Allein er hätte cons 


fequene in das Hauptverzeichniß nun auch alle folhe Dichter, 
entweder bloß nach den Vornamen, oder nach den Zunamen 
bringen follen. Jetzt if es eine Unbequemlichkeit, daß man 
nicht immer weiß, unter welchem man zu fuchen hat, Billman 


aber annehmen, daß Dichter aus höheren Ständen unter ben 


Vornamen, desgleihen Buͤrgerliche unter den Bornamen, ohne | 
angehängten Stadtnamen, und bloß die Adelichen unter dem 


der Stämme zu alphabetifiven ſeyen, fo iſt diefe Unterfcheis 


dungsart vorerſt gweifelfaft anzuwenden (3. ©. bey Gottfried 
von Hohenlohe), gg daun bey einem für bloße Bequemlich⸗ 
keit eingereichten Inder unerforderiih. Auf jeden Fall hat 
Hr. D. felbft dann nicht immer confequent verfahren, fon 
bürften Albrecht von Kemenat und Scharfenberg nicht umter I. 
und Bligge von Steinach nicht unter dem B. fiehen u. f. w. 
Sodann. hat er ſich beſtrebt, ben den meiften Minnefängern 
die Zahl ihrer eingelnen Gedichte anzuführen. Dieß iſt nicht 


fo leicht, weil die Bodmeriſche Ausgabe alles verwirft, aber 


auch nicht fo fchwer, weil das Versmaß die nöchigen Abtheiluns 


gen an die Hand gibt, nur alsdann wäre es zweifelhaft, wenn 
mehrere Lieder ‚in demielden Maß unmittelbar auf einander 
folgten, wie einigemal. Nicht felten hat fih Hr. D., deſſen 


Muͤhe wir. fonft nicht verkennen, damit geholfen, fo bald ihm | 


Muſcum f. Altdetzeſche Literatur u. Km:  453- 


die Sache zweifelhaft ſchien, daß er nicht die Lieder zaͤhlt, 
fondern geradezu die Strophen; es mag aber mit feiner Ans 
fht von Meiſterſaͤngerey zuſammenzuhaͤngen, baf er einzelne 
Strophen, ja fogar zwey Strophen miche für Lieder gelten 
laſſen will, fondern eher Fragmente voransfeht. Beym Burg⸗ 
graf Rietenburg if bemerkt: drey unvollſtaͤndige Strophen und 
ein Minnelied. Warum ſollen doch die erſtern keines ſeyn? Das 
Ganze find zwey oder drey Minnelieder, je nachdem man bie vier 
erſten in zwey theilt, oder in eines vereinigt. Denn bie zwey letzten 
des eigenen Maßes wegen bilden ein eigenes Lieb. Bey mehr 
seen, 3. B. Dietmar von Aſt, Bligge von Steinah u. a, iſt 
weder die Steophen:, noch Liedergahl angegeben. Munegtur has 
offenbar drey Lieder, nicht zwey. Bon Rumelant wird gejagt: 
daß er drey Lieder, acht Strophen, einen Traum und ein 
Gedicht auf Maria enthalte! Die Nachweiſungen ber Stellen, 
wo fih manche Minnelleder ganz, oder in einzelnen Strophen 
wieder gedruckt finden, find keineswegs vollſtaͤndig, wie ch das 
von ſelbſt verſteht. Ninius Lied o. 118 ſteht ſchon ı. 35 
bey Rudolf von Rotenburg. Sieben Strophen, melde im 
dritten Band der Mull. Sammlung S. XLVIII unter Reimars 
Namen befinblih, enthält die Maneßiſche unter Dietmar vom 
At und Walter von. Mezze. Ebenſo gehören Friedrich von 
Hufen fieben Strophen ebendaf. S. XLVII bey Maneße dem 
Honberg 1. u7. Milons von Gevelingen letztes Lied findet 

ſich ſchon Früher unter. Reimars. Desgl. Wachemuths von 
Kinzingen Lied: we warum ꝛc. bey Cunz von Roſenheim u. ſ. w. 
Zu dem Verzeichniß ſelbſt folgende Erinnerungen. Der Verf. 
hat etwa zwanzig aus Vogts und andern Fiften befannte Dichs 
ternamen ausgelaflen, Dagegen einige daraus eingeräckt, 4. ©. 
Maienihein, «Zorn. Dieb wäre allenfalls inconfequent, und 
die Abrigen mögen noch fo verderbt ſeyn, wie fie wollen, fo 
hätten fie billig gu Erleichterung künftiger Conjecturen in einem 
Anhang nachgeholt werden können, beſonders feitdem bie Er⸗ 
fahrung manche davon gerechtfertigt hat, wie den Bquͤheler. 
Hinzuzufuͤgen wären noch: Herzog Leopold von Defiers 


4154 Mufenm f. Atbentfche Literatur u. Kunfl 


sei, aus dem funfjehnten Jahrhundert; Niclas von Wyle 
Bat in der Vorrede zur zwölften Ueberſetzung Stellen aus defien 
Liedern. Dee Waineßhafft von Kingftein (Konigſtein) 
Berfaffer einer alten Allegorie über die Liebe. Dagegen find 
andere Namen anszuftreihen. Geradezu folgende beyde: Ri— 
hart, welches eine falfhe Lesart für Nithart, mie Ar. D, 
feitdem felber irgendwo auf Tiels Berfiherung berichtigt hat, 
fodann der von Yfunde, ein unerhörter Name Es heißt 
bey Sonnenburg: 

das riet mir der von Dfunde ander gute Meifter nicht, 
man lefe: d. e.m. der von Nyf unde anderg.m.n. Auch 
der, durch v. d. Hagen Hinzugefügte Würgendräßel if 
kein Dichter, fondern der Name eines Tons von Frauenlob. 
Zu unterfuchen bleibt, ob die angeführten vier Reim ar (der 
alte, der junge, der von Zweter und der Ziedeler) oder die 
dir Meifner. (der Markgraf, der alte und junge, und 
Meifter Heinrich von Meifen genannt Frauenlob) nicht vielleicht 
in einigen Gliedern zufammenfallen. Fehlerhaft erfcheinen etwa 
Bier zwey Rumelant, und daß der Meifterfänger Robin 
gewiß von dem Minneſaͤnger Rubin verfchieden ſeyn fol, Liegt 
wieder an Hrn. D. Meinung vom Meiftergefang. Ein und 
biefelde Perſon find fiher Segehart von Babenberg 
and Eilhart von Hobergen, denn die zwey Bearbeituns 
sen des Triſtan, die unter Ihren Namen zu Rom und Dress 
den liegen, find Ein Werk. Nach der Anmerkung des unge 
nannten Verfaſſers unferes profaifchen Romans, die nicht in 
der von Hagen abgebruften- Ausgabe von 1587, wohl aber in 
dem ihm gänzlich unbekannt gebliebenen Wormſer Druck von 
549 in Quart, und vermuthlih auch in dem Augsburger von 
2498 fleht, wird der genaue Zufammenhang des Dresdner und 
Roͤmiſchen Triftans mit der Proſa ganz offenbar. „Von bifer 
Hiftori Hat von erſte geſchriben der Meilter von Brittannie 
and nahmals einem fein Buch geliehen mie Namen Filhart 
von Oberrt, der bat es darnach in. Heimen gefchriehen. 
Aber von der Leut wegen, bie ſolcher gereimter Bücher nicht 


Muſeum f. Altdentſche Literatur u. Sunf. 158 


hoch achten, auch eilich fo die Reimen nit eigentlich verſtehen 
kunden, habe ich Ungenant (7 Ungenannte) dieſe Hiſtori in 
die Form gebracht.“ Daß alſo die Proſa aus Segeharts oder 
Filharts Reimen gemacht worden, iſt gewiß aber eine neue 
Dunkelheit: wie dieſe Recenſion auch von Thomas von Br. 
zuerſt ausgegangen feyn will, da fie doc von Gottfrieds Ges 
dihe fo ſehr abweicht? Das Altenglifche Gedicht wird bald 
darüber Aufichluß geben. Bey Hans Raininger und einigem 
andern bätte die Quelle der Nachricht angegeben werben follen, 
sermuchlich kommt fie ans einem Weimarer Coder, wo aber . 
Ramiger (an: Regimar ?) ſtehet. Das if fehr gefucht, 
daß das Wort Sänger by Dietrih von Baſel eim 
Eigenname ſeyn fol. Graf Werner von Honbreg wird 
in dem Gedicht von den ſechs Farben, Maͤller ſche Sammi. III. 
geruͤhmt. Der Römer von Zwidau iſt nicht gerade Reins 
mar nom Zweier, vielmehr gab es in Zwickau ein Geſchlecht 
Namens Nömer, in Schmids Zwidauifher Chronik &. 66, 
67 wird ein Martin R., welland Stadthaupmann, erwähnt. 
Der Ehrenbor, Ernpot vom Rhein könnte wohl Reinmann 
von Zweter feyn, oder etwa der Erkenbold, der den Ritter 
von Staufenberg gedichtet, und in diefem Verzeichniß gan 
fehlt. _ An den Reinbot von Doren hier zu denken, wärs 
etwas gewagt, ungeachtet Hrn. v. d. Hagens Meinung, daß unter 
Doren nicht Thüringen, mit Recht bezweifelt werden könnte, 
Bey dem Ernball Spiegel liegt wohl eine ſchlechte Lesart 
zum Grand, es iſt der-Ehrender, deffen Spiegelton Efters 
vorkommt: Sollte das Wert: Appet in Jacob Appet auf 
einen Abt vermuthen laſſen? Muſcabluͤts Gedichte fichen 
noch vollſtaͤndiger angeführt in Mylii Luftgarten, uͤberſetzt von 
Lycoſthenes Diellionorus, Strasburg 1601. 8. (cap. 17 vom 
Mufestbaum). Bon Mügelins Gedichten bemahrt viele eine 
Handſchrift in Bättingen, Den Roſenbluͤt nennt Wagens 
ftil de Civ. Norib. lib. ı. c. ı. einen prior coenobii daminica» 
zorum. Leber Dtto den Bogner könnte eine Urkunde eints 
gen Auffchkuß geben, die Rec. irgendwo excerpirt, aber das nähere 


\ / 
* 


456 Mufenm f. Altdeutfche Literatur u. Kunſt. 


Eitat vergefien bat, worin vorkommt, daß ein Graf Gottfrieb 
von Hohenloh den Otto Pognern zu Aügsburg mit einem Stuͤck 
Land, genannt das Leutfriedgefäß belehnte, gegen jährliche 
Entrihrung eines Paares Hofen. — Zum Schluß eine Beſtaͤt 
tigung der Docenifhen Meinung, daß Ulrich von Tär— 
beim und Ulrih von dem Turlin gwen verfchiedene 
Dichter find. Wir Hatten das bezweifelt, weil zu der merk 
würdigen Webereinflimmung ber Vor⸗ und Zuname biefer 
Dichter hinzutritt, daß Sende an demſelben Werk gedichtee has 
ben, wie man ed doch betrachten kann, und von jeher be 
trachtet hat, außerbem aber, daß fhon Püteri das erfte und 
dritte Buch des h. Wilhelm nur einem und demielben eis 
fer zuſchreibt, mämlich dem Tuͤrheim. Und diefes Tuͤrheim 
ſchien der gemähnliche richtigere Name zu fen, indem Wirk 

von dem Turlin nur Einmal vorfommt, obgleich ohne Schreibe 
fehler als Reims welchem gu Sefallen er aber au gerade ges 
ändert ſeyn konnte. Allein man leſe die etwa 36.008 Reime 
des ſtarken Rennewarts durch. In diefem unbefchreibftch Tangs 
weiligen Gedicht nun erwähnt Ulrich von Tärheim, obwohl er 
öfters von fih und feinem Dichten ſpricht, nirgends feiner 
früheren Erweiterung des Wotframifchen Werks; und daß er fir . 
früher hätte ſchreiben möäflen, fieht man Thon daraus, Daß 
er beſtimmt erfiärt, das Werk, nämlich unfer dritter Theil 
ſolle fein letztes ſeyn, er wolle nun mit Gemach leben, „benn 
das Dichten großer Mähre thue weh.“ Berner, fo finder ſich 
im erften Theil eine befondere Form; nad) dreyßig gewöhnlichen 
Reimzeilen fallen drey Schlußreime aufeinander, bergleichen 
Kanſtlichkeit im Rennewart fehlt, und was mehr, als alles 
bieſes, der beyden Dichter Art ik durchaus verfchleden. Ohne 
daß wir erſt eines befferen”Tertes bedärften, muß ſogleich ers 
kannt werden, daß Tuͤrheim ein trockenes, geſchwaͤtziges Gedicht 
liefert, das keinen Abdruck verdient, und nur In den Kloſter⸗ 
ſcenen ertraͤglich iſt, welche man aber ſchon wieder beſſer in 
den proſaiſchen Lateiniſchen Legenden findet. Wogegen Turks 
weis ergoͤtzlicheren Stoff, zwar weitſchweiſig, doch anmuthig 


> 


x 


Biofeum f. Miidentfhe Literatur u. Auut. 157 


verarbeitet. Zu allem Uberſluß iſt Hier noch ein directer Beweis: 
Als Kyburg ihr Leben in dee Klauſe zu ſchließen wuͤnſcht, ſa 
betruͤbt ſich Wilhelm, und hält ihr vor, was er alles um ihrent⸗ 
willen ausgeftanden, wie fie ihm erſt nebſt einem Sperber 
heimtiche Botſchaft gefandt, daß fie gern chriflih werden 
wollte, und er fih doch möchte mis Fleiß von Tybald gefangen 
nehmen laffen, damit er fie aus der Heidenſchaft entführen 
Einnte, und mis folches alles gefährlich ausgerichtet worden. 
Das widerfpriht der Turlinifhen Erzählung offenbar, erſt 
durh das Sehachſpiel mit dem Gefangenen entſteht in Arabele 
der Sedante zum Chriſtenthum, die Sefangenfchaft iſt durchs 
aus nicht angelegt, und Wilhelm Hält fie anfangs für ein 
großes Ungluͤck. Was übrigens diefe Abweihung der Ger 
ſchichte angeht, fo berußt fie auf den welſchen Quellen und 
VWolfram; alleg in die einzige Zeile: 
„Arabeln Willehbalm erwarb* 

faſſend esstfcheidet für keinen von bepden. Aelter und einfacher 
if des, Tärheimers Erklaͤrung, feiner die des fpätern Dichters, 
denn ohne Zweifel har Turlin nachher erft gelebt und gedichtet. 
VIJ. Beptraͤge gu Sörres Schrift, Aber die Volkes 
bäder, von v.d. Hagen. An fih mag man über bieles auss 
gezeichnete Werk, immer urcheilen, daß es zu früh conſtruiren, 
und aus ungleiher Grundlage mit gleicher Sicherheit folgen 
wolle, weiches vielen eine ängftlicye und manchmal unangenehme 
Empfindung verurfachhen kann. Mar urtheile man fo aus einem 
ganz andern Grunde, als hier Hr. v. d. H. shut. Es frage 
fh, ob es ibm zugeflanden, die reiche Gabe diefes Schrifts 
Aellers mit der „Familienaͤhnlichkeit eines unerfreulichen Stems 
pels der Zeit“ abyufertigen, und mit dem bioßen Tadel einer 
uͤberſchwenglichen Schreibart anzuftoßen. Das if vielmehr das 
Verkehrteſte mit in der Zeit, daß fie das Treffliche nicht rein 
ehren kann, fondern ihren Tadel daran für weit höher 
bat. Ohne voliftändige Hiftoeifhe Ergründung, die ihm in 
der karzen⸗ Zeit, ohne alle Vorarbeiten nicht möglich war, 
iſt Goͤrres In die Wahrheit alter Poefle hineingedrungen. 


458 Der-Randpfarrer in Hinſicht a. d. Untervicht d. Jugend. 


Andere haͤtten vermuthlich durch eine Menge von Citaten 


And Noten noch nicht fo hell auf dem Grund geſehen. Görres 
Hat ſelbſt manche merkwürdige literarifche Aufichläffe. gefunden, 
ob wir gleich gewuͤnſcht, daß er feine gelehrten Unterfachungen 
zu diefem Merk noch verborgen gehalten hätte, weil fie and 
im Lefen ftören. Zu literarifhen Berichtigungen und Zufäken 
fheint und das Buch gar nit gemacht, obgleich fein Verf. 
felö darauf angetragen,, dazu gehört ein äußerer feſter Plan, 


welcher die ſchwaͤchſte Seite des Werks if. Das -beflätigen 


die Hier gelieferten Notizen, die ſich hHauptfählich über die | 


Neifefagen im Montevilla, Kortunat und Ernſt verbreiten. 
Daß fie umfaffend angelegt worden, wäre zu oben, aber 
wie ſehr ſteht die Ausführung dahinten! Wir mahen uns 
anheifhig, eben fo viel andere fleifige Anmerkungen dazu 
zu liefern, oder anzufnäpfen, welches dann wieder Seren 


H. oder: andern Deranlaffung zu einem neuen Supplement 


geben würde. Hier kann nur eine aus dem Alfgemeinen feſt⸗ 
geſetzte Arbeit nuͤtzen, nicht ein zufälliges Anerbieten. Die 
Hauptarbeit Über die alte Geographie gehört aber nicht in dies 


es Sournal, worin nur Eroͤrterungen ein zelner ſchwerer Puncte 


an ihrer Stelle find, und keine Auszüge aus bekannten Büchern, 
die jeder ſelbſt beſitzt. Auch können wir e& nicht billigen, daß die 
Maufpiele des Hans Sachs auf ganzen Blättern ausgezogen wer⸗ 
den, ohne zu Überlegen, aus welchen Quellen diefer Dichter ges 
fchöpft? wo fi) dann zeigen würde, daß wir folhenod eben fo gut 
felber benugen fönnen. Nyerup hat vor Jahren ſechs brauch⸗ 
bare gelehrte Nachrichten über Volksbuͤcher in einer Dämifchen 
Zeitfchreift geliefert, wir Hoffen aber nicht, fie im Fortgang 
diefer Beyträge auf die von Goͤrres angewendet, und uͤberſetzt 
zu ſehen. Dafür gebe uns von der Hagen mehr eigene Arbeiten, 
woju es ihm weder an Stoff, noch an Gelehrſamkeit mangelt. 
¶ Der Beſchluß folgt. ) - 





Das kann der Landpfarrer dem Staats und der Neligion in Hinſicht 
auf bürgerlichen, ſittlichen und religiöſen Unterricht der Jugend 


leiſten, und wie koͤnnte er es dabey anfangen? — Eine Erzaͤh⸗ 





Der Landpfarrer in Hinficht n. d. Unterricht d. Iygend. 459 


ans ber Febder eines geweſenen Ranbpfarcers, feinen Amts 
en zur Vrüfung und al en en vorgelegt, 
aaa *. Ki Seidelfchen Buchhandlung. 1810. VII m. 


Wir Haben diefe eine Schrift mit Vergnügen gelefen. 
Sie euthält die einfache Erzählung eines katholiſchen Landpfars 
ers von feinen Bemühungen um eine durchaus vernachläffigte 

"Dorfichule, deren er ſich väterlih annimmt, und wo er der 
jugend den auf dem Titel benannten Unterricht ertheilt. Wer 
den Zuftand des fo oft verfäumten Landvolls aus Erfahrung 
kennt, und Zeuge davon gewefen iſt, wie ein einfacher, väters 
lich ernfter und freundlicher Iinterricht auf die Seelen der Lands 
jugend zu wirken vermag, den muß es erbarmen, fie an mans 
hen Drten der Ehriftenheit noch eben fo vernachläffige zu fehn, 
wie wir im Anfange diefes Buchs lefen; aber um fo erfreulis 
her ift auch der Anblick eines folhen Mannes und Strebens, 
mie unſer Büchlein zeige. Es enthält drey Abfchnitte. Der 
erſte: büärgerliher Unterricht, zeige, wie der Pfarrer 
die Kinder zum Leſen, Schreiben, Rechnen anführte, wie er 
dem Aberglauben entgegenarbeitete, wie er der Jugend alleriey 
gemeinnäßige Kenntniffe beybrachte, und fie zu einem verftäns 
digen Landbau, zur Obſtbaumzucht, zur Anlegung ‚lebendiger 
Hecken 20. anleitete, und mie dadurch „die dortige oͤde, im 
hoͤchſten Grade unfreundlihe Gegend, wie in ein Paradies 
verwandelt worden fey.“ Daß lekteres nicht übertrieben fen, - 
könnte Rec. durch das Benfpiel eines würdigen proteftantifchen 
Landpfarrers de einer der Ödeflen Gegenden Weftphalens bewei⸗ 
fen. — Der pte Abſchnitt: firtlicher Unterricht, zeigt, 
wie der Verf. auf eine einfache Weife — und bdiefe ift immer - 
die beſte — in den Herzen der Landjugend die möralifchen 
Gefühle und Begriffe entwickelte, und fie lehrte, gerecht und 
götig Handeln“ Sp einer Anmerkung erzählt der Verf., wie 
er unter feinen Bauern eine Art Friedensgericht fliftete, welches 
den Zweck, Proceffe gu verhüten, auf das ſchoͤnſte erreichte. - 
Der dritte Abſchnitt: veligidfer Unterricht, zeigt, auf 
welche Weile er den Kindern die fünf Hauptſtuͤcke des katholi⸗ 
hen Katehismus und andere religiöfe Begriffe beybrachte. 
Hier wünfchten wir, daß der Verf. erwas umftändlicher gezeigte 
haben möchte, wie er die Dogmen- feiner Kirche den Kindern 
praktiſch entwickelt, und Mißbraͤuche verhätet Habe. So hätte 
der Satz: „wenn der farholifhe Ehrift alle feine ſchweren 
Sünden beichter, diefelbe bereuet und ernftlihe Beſſerung vers 
fpricht, fo werden fie ihm aud) nadhgelaflen“, wohl einer nähes 
ten Erläuterung "bedurft. So vermiflen wir, was denn ein 
wuͤrdiger Genuß des heiligen Abendmahls fen. Gewiß haͤtte 
der Verf., der Bein Freund eines todten Mechanismus ift, hier 








360 Lewezow Leben u. Kunſt d. Frau M. 2. Schick. 


mehr geben koͤnnen, und vor allen Dingen geben ſollen. — 
Möchte dieſes einfache Buͤchlein in Die Haͤnde recht vieler Bas 
tholifher Landpfarrer und Volkelehrer kommen, und die Frucht 
bringen , die der Verf. beabfiihtige, und wozu er fie am Ende 
mit Herzlichkeit auffordert. Auch um ihrer eigenen Selbf: 
bildung willen wäre ben katholiſchen Landpfarrern eine folche 
vaͤterliche DBeichäftigung mit Kindern anzurathen, damit nicht 
die Natur, die dem Mann den Hohen Berufgab, Vater und Erzieher 
der Nachkommenſchaft zu feyn, wozu vor allen der Landpfarrer fo 
viele Selegenheis bat, ſich nicht an ihnen raͤche, wie an dem 
Vorfahren unfers Verfaſſers — „weicher, wie Vorrede S. VIL 
erzähle wird, alles ‚Zeitliche feiner Ausfage nah für Koth 
achtete, nur das Geld ausgenommen, das er alle Sonntage 
nah Mittag aus drep wit frischem Waller gefuͤllten Schüffeln 
gu feiner Unterhaltung ‚forgfältig wufch und reinigte.“ 





Leben und Kunfl der Frau Margarete Luife Schick, gebornen Hamel, 
K. Br. Kammerfängerin und Mitgliedes des Nationaltheaters 
gu Berlin; von Kont. Levezow. Mit dem Bildniſſe der Künk- 


lerin nach ber Bütte von F. Wichmann. Berlin, bey Bunter 


und Humblot. 1809. 75 ©. 8, (16 ge.) 


Ausgezeichnete Menfchen verdienen einen. ausgezeichneten 


Denkſtein am Ende ihrer fichtbaren Laufbahn. Es. intereffixt 
den Menfchen im edlern Wortfinn, den Freund der Wiſſen— 
ſchaften (namentlich der Enfturgefhichte, von der zu wuͤnſchen 
wäre, daß fie bald zum Range der Erdgefchichte ſich erheben 
möchte), und den Freund der Kunſt, fo wie ag Pipgolooen, 
den Erzieher, den Beobachter der Welt und Menſchen, von 
ſolchen Perfonen , deren Namen: Ehrerbietung fi erworben 
Haben, fo etwas zu leſen, wie man ‚hier von der allgemein 





bedauerten Schick gu leſen findet. Der Schriftſteller ift mie 


Geiſte zu Werke gegangen; er ſelbſt verraͤth allenthalben einen 
‚feinen und geübten Kunftfinn, und ſagt von feiner Heldin: bey 


aller Wärme, die er für das ausgezeichnese Talent empfand, 


niche mehr und. nicht weniger, als er mit Grunde der Wahıs 
heit fagen konnte. Ohne den weitern Nachforſchungen über die 
Ausbildung fhöner Anlagen sprängreifen, erzählt er uns von 
‚ihrem Leben fo viel, als nöthig war, um die Erfcheinung in 
‚ihrem Glanze zu begreifen, und von der Kunſt der Kuͤnſtlerin 
fo viel, als man verlange, um fi) einen angemeßnen Begriff 
davon zu erwerben. Mozarts Worte bey der Kaiferfrönung 
in Frankſurt: „nun will ich nicht weiter fingen hören“, und der 
Erfolg der erfien Productisnen von Glucks Meiſterwerken auf 
der Dentichen Bühne find ensicheidend. für ben Ruhm der Ders 


fiorbenen, welcher das bleibende Denkmal der seinen Liebelund 


Verechrung gebührt. 


No. 11. Seidelbergiſche 1811: 
Jahrbücher der. Literatur, 





4 


Muſeum für altdeutſche Literatur und Kunſi. Yerauggegeben bon D, 
3. 9. v. d. Hagen, 8. 8. Docen und D. 3. ©. Büfching. 


GBeſchluß der im No. 10 abgebrochenen Receufion, ) . 


VII. Beriqtigungen und Nachtraͤge gu Bod⸗ 
mers Ausgabe der Maneßiſchen Sammlung von 
Minneſingern nah der Urſchrift in der kaiſer⸗ 
lien Bibliothek zu Paris. ec. bezieht fich auf eine 
ſchon früher gelieferte Anzeige der Benedefhen Schrift, welche 
mit viel weniger Mühe -faft diejelde Ausbeute gibt, die und 
hier ein wenig feyerlich geboten und bereitet mird. Huf den. 
Vorwurf der Trübheit, welchen Hr. von der Hagen der Bremis 
en Quelle made, Haben die Soͤttingiſchen Anzeigen recht 
gut geantwortet, und noch mehr, fie haben bewirfen, daß 
Beneckens Text ſehr oft correcter ift, als der Gewinn aus -der 
Parifer Handſch.; befonders auffallend iſt (S. 360) eine -ganze 
Zeile, die Raßmann darin Überfehen. Daß. auch hier die ins 
nern lieder der Strophen, und befonders der Leiche nicht 
äußerlich adgefeht und hervorgehoben find, haben wir ſchon bey 
Benecke getadelt. Die Malerey der Anfangsbuchſtaben hätte 
jwar immer als behuͤlflich zur beffern. Abcheilung kurz bemerkt 
werden koͤnnen, aber nicht als fo wichtig bemerkt werden follen, 
Das Sylbenmaß entjcheidet viel fiherer. Niemand wird hiers 
nah die Strophen 12 — 18 des Veldeck für ein Lied halten 
dürfen, wenn fchon die Anfangsbuchſtaben alle blau find, und 
een fo wenig Binnen 39 — 45 bey dem wechfelnden Sylbens 
maß ein einziges Lied bilden. Mithin gerade in den Falen, 

v uns das Mittel Auskunft geven fol, ericheint es ſelbſt 
zweydeutig, in dem andern leih:en haben wir feiner gar nicht 
nothig. Ob unigte Vermuthung, daß mit den Venece ſchen 

12 


S\ 


f 


162 Muſeum.f. Altdentſche Literatur u. Kunſt. 


Supplementen das Beſte in der Sache gethan ſey, gegruͤndet 


iſt, muß Hr, Raßmann am erſten wiſſen, ber für. die Neu⸗ 


gierde ſeiner Leſer nicht beſorgt iſt. Dieſe haͤtten gar gern ge⸗ 


wußt, ob der neue Name Creiger auch neue Lieder mit ſich 
führe. Sonſt if die Pariſer Handſchrift mis unerſaͤttlicher 
Luft beſchrieben, bis auf das „hin und wieder, durch den Ser 


brauch etwas beſchmuzte Pergament“ und die „oft fehe ſchwarze, 


oft dis zur Unleſerlichkeit verblichene“, oder „abgefchelfern“ 


Dinte, wobey ſchwer auszumachen fern wird, ob Bodmer, 


oder Goldaſt, oder gar der alte Maneße ſelbſt dem Manuſcript 
nicht die gehörige Schonung bewiefen haben. Hoffentlich wer⸗ 


den die Herausgeber den gerechten Vorwurf, daß fle fich gar 


nicht mit Benecke befprochen, zukünftig nicht dadurd) wieder en 


wecken, daß fie Basjenige abdrucken, was leßterer ſchon woraus ges 


fiefert hat, indem fie die Varianten, wie zu dem Übrigen Tert, im⸗ 


merdar befonders liefern Binnen. IX. Der heilige Gral 


und feine Häter, von Bäfhing. Man fuche Hier keine 


Aufklärung über eins der tiefften Myſterien und Symbole ältı 
ver Zeit, das aus einer einfachen Wein s und Blutſchale fprie 
ßend ſich in ein flolges Tempelgebäu ausbreitete‘, und. im Wapı 


pen die reine Heilige Taube hegte, wie auf den älteften chriſt 


lichen Grabſteinen Reben aus dem Leib gewachſen ſind, und 
oben Tauben ſitzen. Wir enthalten uns hier, unſere Meinung 
darüber zu verſuchen, da Here B. faſt alle gelehrten Huͤlfs⸗ 
mittel entbehrt hat, ohne welche nicht einmal eine Zufammen 
ftelung der verſchiedenen Sagen moͤglich, gefchweige eine Hilo 


riſche Unterſuchung anzufangen war. Außer einigen andern 
aͤltern Abhandlungen Über das santo catimo wäre auch die 
neufte von Millin zu befragen geweien. Er hat eigentlich nichts | 
gekannt, als unfern Eſchenbachiſchen Tyrurel, woraus alles in 
Bezug auf den Stat fehr fleißig, jedoch, wie zu vermuthen, im 
einzelnen ungenÄgend ausgezogen wird. Der gedrudte Al 
frangöfifhe roman du S. Greal von Robert de Bouron if 
nicht genußt, fondern bloß ein unbefriedigender extrait deſſelben | 
aus der bibl. de romans Äherfegt, der ihn ng dazu verleitet, 


Muſeum f. Altdeutſche Literatur u. Kunfl. 4163 


das Buch ganz irrig dem Chretien de Troyes benzulegen. 
Diefes Franzöfifche Werk, wovon Rec. den zweyten Drud Pas 
ris 1503 beſiht, iſt ein wunderlich verwirrtes Buch, voll, zum 
Theil gewiß fehr after, Epifoden und Einfhiebungen, und bes 
fonders im zwenten Theil ohne das Mare Band einer durchge 
denden Geſchichte. Die Ritter von Sotteshand zu ihrer Bes .. 
fimmung: geletter, thun harte, heilige Arbeit, die Gräber find 
ihnen ſchon vorher gemacht, zwiſchen dem Lanzenftoßen, Sehe 
ten und. Knarren der Saͤrge fallen bedeutende Träume und 

Bunder ein, von denen manche fammt der Auslegung reizend 
und lebendig; gleich die Einleitung des Sarnen ift Dantifch zu 
nennen, gegen das Ende merkt man, wie ſchwaͤcher immer das 
Buh wird. In der Beſchreibung des Grals berührt er ſich 
einigemal mit unferm Deutfchen, in der eingewebten Helden⸗ 
geihichte beynahe gar nicht, oder hoͤchſt leife, etwa in dem 
König Fifeher und dem Perceval, dem aber noch ein anderer 
verſchiedener Perlesvaur zur Seite ſteht. Im übrigen, fo wie 
hler die befannteren Altbrittifhen Sagen von Lancelot, Saus 
voin, Artus eingegangen find, fo liegen wahrfcheinlih dem 
Tyturel Cataloniſche und Südfranzöfifche zum Grund, freylich 
mit Beymiſchung der andern von Artus. Joſeph wird nur 
zuletzt und zufaͤllig als erſter Bewahrer des Grals genannt; 
aber im rom. du Gral ſteht ausfuͤhrlich ſeine Geſchichte und 
die feiner Nachkommen Naſcien, Celidonins (Himmelgeweihter) 
Galaad u. ſ. w., dagegen nichts und Beine Spur von Tpturel 
und feinem großen Stamm, von Priefler Johann. Bor allem - - 
nihts von Sigune und Sigunatulander ,. und mit. ihnen fehlt 
alles wahre menſchliche, irdiſche, die ganze Löftliche Poeſie, 
die im Totueel gelegen ift. Wir verfiehen gar nicht, was Hr. 
®. ©. 501 mit dem Thomas von Brittania will, Deffen Werk 
über den Gral er nur aus wenigen Bruchſtuͤcken kenne, welches 
ober, wie fhon daraus erhelle, die verfchiedenen Mythen abs. 
ſichtlich vermiſche. Wenn Hier nicht zweumal Thomas für. 
Chriſtian von Troyes verdruckt if, fo hätte billig ein Citat für 
die Behauptung zbaften folen. Unbegreiflich bleibt es ferner, 





N Muſeum f. Altdeutſche Lucratur u. Kung. 


wie auf die hochſtunwahe cheisliche Comfertur,. in tem Sei‘ 


figen Mann Naſcien ſtecke der Wartburger Teufel Naſyon, 


gweymal (S. 499 und 505) Gewicht gelrgt werden kaum. 
Dagegen ſtimmen wir dem, ©. 507 vermutheten Bufammenhang 
Ger Ternpeleifen mit den Tempelherrn bey, worauf auch der im 


roman du Gral mehrmals vortommende Ausdend haut maistre 
hindentet, durch die Geſchichte der aͤlteſten Orden dürfte ber 
Gral viel Erläuterung erhalten. Herr B—e Hätte diefe Abhand⸗ 


tung von dem Gral noch einige Zeit dem Publicum vorenthal⸗ 


ten ſollen, und "braucht ihm, wenn er mehr daväber weiß, 
‚nicht einmal zu verſichern: (©: 492) „daß er nur gebe, was 





er näch beſtem Wiffen und Vermögen im Stande fey“; welche 


ganz Aberfläffige Aeußerring ſich auch zu Anfang des Aufſatzes 
Aber Wolfram befindet. Ueberhaupt tft auffallend, wie er von 
den Auszügen mit befonderm Nachdruck ſpricht, die er und 
- Hagen von Eſchenbachs Werken geben wollen, und wie fie fih 


beyde in die einzelnen Stuͤcke getheilt haben, was num vorweg 
genommen und was mod, nachfolgen ſolle. Das iſt ziemlich | 
gleichguͤltig; ſolche Auszäge haben für eigene Studien großen 
Wortheil, allein man follte fie nicht für andere druden laſſen, 
da fie ſich jeder nach Bequemlichkeit fetbft machen kann. X. Alt⸗ 


deutſche Handſchriften im Wien. Recht intereffante 
einzelne Nachrichten, aber immer noch ein ungenägenber Catalog 
von den Altdeutſchen Schägen in Wien. Zu den zerſtreuten gu 
druckten Narhweifungen von Lambek, Kollar, Denis, Pez und 
den handfihriftlichen von Gentilotti treten hier neue von Joh. 





Müller, einem Herrn Brun, der fie für Oberlin niederichrieb, 


md endlich von Seckendorf. Won der Hagen hätte mit einiger 
Mähe mehr Ordnung in die hier der Reihe nach abgedrudien 
Aufjäge ‚dringen, ſomit das unnoͤthig Wiederhotte vermeiden, 
das Abgethane wegſchneiden, und das Merkwuͤrdige hervorheben 


konnen. Freylich eine undankbare Arbeit; ein ganz neuer, vor 


einem Verſtaͤndigen angelegrer Catalog thur und Noth. Am 


- angenehmften waren uns bie mitgetheilten Steflen aus dem al’en 


Heldenbuch und dem Wartburger Krivg. Dawuͤtterers giched 


Muſeum f. Altdeurfche Literatur m. Kun, 165 


Bert von der Tafelrunde ſchwerlich ſobald gedruckt wird, ſo 
wäre hier einmal ein umſtaͤndlicher Auszug an Ort und Stelle; 
denn für die Abweihung der Gage maß es ſchon nach dem 
penigen Hier Abgedruckten aͤußerſt wichtig ſeyn. Weil es aber 
aus fpäterer Zeit, in rauher Mundart und ungefüger Poefle 
it, fo wird es vernachlaͤfſigt; eine ähnliche Meinung hatte 
bekanntlich auch Adelung, der das befte Gedicht geringſchaͤtzte, 
ſobald es ig einer Handſchrift des funfzehnten Jahrhunderts 
aufbehalten war. Denn nun gab es keine gewiſſe Ausbeute 
für die Sprache des dreyzehnten Jahrhunderts, ungeachtet die 
Vorte nur in eine andere Mundart umgefchrieben, und bie 
poeiihen Wendungen meiftentheils felöft geblieben waren. Allein 
für die wahre Geſchichte der Poefle iſt das Heldenbuch z. B. 
in feiner verderbten, entſtellten Sprache taͤuſendmal Höher zu 
ahten, ald die fprachteinften Handſchriften eines Trojanifchen _ 
Kriegs, oder einer Aeneis von Veldeck. Daß Ulrichs von 
Gaͤbenhofen Lanzilot. endlich einmal gedruckt werden fol, wird 
item Freund Altdeutſcher Literatur erwänfche feyn. Dec. hofft, 
daß ein gleiches dem Cod, 42 von Carls Geburt bafd widers 
fahren möge, der, nach allem zu urtheilen, ein altes Lied aufs 
bewahrt, Sedendorf, wie man bier feheg kann, bat auch 
etwas auf eine gute Manuſcriptenbeſchreibung gehalten, und 
die hier aufgeſtellten Muſter werden denen, welche dergleichen 
iu ſchaͤtzen verſtehen, nicht geringer duͤnken, als das obige 
Raßmanniſche. Wir theilen ihnen noch die freudige Nachricht 
nit, daß die nah ©. 617 abhanden gefommene meffingene 
Klammer feit dem Abdruck glücklich wieder gefunden worden, 
und alio eine nähere Beſchreibung derfelben allerdings zu. hoffen 
ft. Auch foll man in dem genannten Loder CCÄCIX (ms. 
ambras, 438) bey Nachtesgeit, „gegen das“ Ohr „gehalten“ 
einen Altdeutſchen Wurm vermerken, der ſchon eilf Löcher im 
Ne Holzdecke gebohrt hat, mit.dem folgenden; als dem zwölften, 
aber fein Werk zu befchließen gefonnen if; hierdurch und hierig _ 
Mm die zwoͤlf Dienfimannen Wolfdieterichs, die zwölf Streiter 
im Bofengarten, der Willinafaga und mehreres andere, freplig 


8 
“ 


166 Ideler Unterfachungen üb. d. Arabiſch. Sternnamen. 


auch die Zwölfboten erinnernd. Der Drud diefes Muſenms 
ift fehr correct, wie man von der Eorofalt Altd eutccher Her⸗ 
ausaeber vorausfieht: Aber das Papier war im gwenten Heft 
ſchlechter. Einige Druckfehler find doch fiehen geblieben, wie 
662 guerriero anftatt guerino. S. 571 Zeile 17 gehört das 
Wort „fürmar“ zu der folgenden achtzehnten. Die beoten 
Kupfer wären mehr werth, wenn fie nicht in Hegis mobernis 
firender Manier wären, fo wagt man es kaum, das merk 
‚würdige Bild vom Wartburger Krieg zu eiflären. 
Jacob Grimm. 





Untersuchungen tiber den Ursprung und die Bedeutung der 
Sternnamen. Ein .Beytrag zur Geschichte des gestirnten 
Himmels, von Ludwig ldeler , Astronomen der König- 
lich Preufsischen Akademie der Wissenschaften und 
Correspondenten der Göttinger Societät. Berlin, bey 
Johann Friedrich Weifs. 1809. LAXIL u. 45268. 8 
(2 Rthlr. 16 gr.) 


Ben dem Hänfigen Gebrauch der Arabiſchen Sternnamen 
in der Aſtronomie muß eine genaue, mit Sad) s und Sprach⸗ 
fennmiß angeftellte Unterfuhung über ihren Urſprung -und 
Bedeutung dem gelchrten. Publicum fehr milltommen ſeyn. 


Die Quellen, aus welchen man bisher fchöpfte, waren weder 


rein, noch vollftändig. und Lach (Anleitung zur Kenntniß der 


. ©ternnamen, Leipzig 17796. ) Übertraf zwar manche feiner Vor⸗ 


Hänger, ließ aber doc, bedeutende Fücen und Dunkelheiten 
zuruͤck. Diefen Mängeln und den Wünfhen des aflronomis 
fchen Publicums hilft Kr. Ideler durch dag gegenwärtige gruͤnd⸗ 


liche und muͤhſame Werk ab. Schon früher har der Verf. ſich 


als ein denkender und geſchickter Aſtronom gezeigt, hier tritt er 
als ein tiefer Kenner der Orientaliſchen Sprachen mit vieler 
Beleſenheit auf. Hr. Canzleyrath Tychſen in Roſtock und 
Hr. Legationsrath Beigel in Dresden, zwey Männer von den 
gruͤndlichſten Einfihten in dieſem Fache, unterftüßten dee Verf. 
Bemuͤhung mit ſeltner Bexeitwilligkeit. Möchte diefes rühm 
liche Beyſpiel doch aufs in der gelehrten Welt it nachgehn 
werden. 


Ideler Unterſuchungen üb. d. Arabiſch. Sternnamen. 167 


Einen Auszug aus ber gegenwärtigen Schrift zu liefern, 
die fich faſt' ganz mir Sprachforfchungen und kritiſchen Unter⸗ 
fuhungen befchäftigt, ift unmöglih. Man muß fle feldft lefen, 
und fludiren, um das große Verdienſt des Verf. gehörig zu 
würdigen. Wie viele entflellte und verflämmelte Namen wers 
den nicht theils durch glüclihe Vermuthungen, theils durch 
tieferes Eindringen in den Geiſt der Sprache hergeſtellt! Wie 
manche Bedeutungen durch feine Bemerkungen entwickelt! Für 
den Aftrognoften iſt diefes Wert unentbehrlich , ohne daſſelbe 
irrt er als ein unfundiger Wanderer am geflirnten Himmel 
umher, an der Hand des Verf. öffnen fih ihm alle neue Ans 
ſichten, die Dunkelheit verfchwindet, und man erblickt bie 
Bilder der Sphäre im fchönften Zufammenhang. — Sollte es 


einige geben, die ſolche Unterſuchungen fuͤr Mikrologie halten, 


denen wiſſen wir nichts Beſſeres, als die eignen Worte des 
Verf. am Schluß der Vorrede (S. X) entgegen zu ſetzen. — 
„Unterſuchungen — ſagt er — uͤber die Sternnamen ſind ihrer 
Natur nach zugleich Unterſuchungen uͤber die Sternbilder, und 
es iſt doch wohl der Mühe werth, ſich aus Der Geſchichte ber 
fehren zu laffen, wie durch alle. Zeiten der menfchliche Geiſt 
fi) über einen Segenfland ausgefprochen Bat, ber von jeher 
für ihn das hoͤchſte Intereſſe hatte — über ben geſtirnten 
Himmel.“ 

In der Einleitung gibt ber Verf. ſehr ſchaͤtzbare Nach⸗ 
richten uͤber die aͤltern aſtrognoſtiſchen Schriften. — Die aͤlte⸗ 
ſten Dichter Griechenlands, Homer und Heſiodus, nennen ſchon 
verſchiedene Sterngruppen und einzelne Sterne. Daraus, 
daß ſie weiter keine anfuͤhren, folgt gerade nicht, daß ſie auch 
weiter keine kannten (S. XI). Manche Sternbilder find ins 
deſſen nach dem Zeugniß der Schriftſteller erſt ſpaͤter einge⸗ 
fuͤhrt worden (S. XII). Der erſte Schriftſteller, dem wir 
ſichere Nachrichten vom Zuſtande des griechiſchen Himmels vers 
danken, iſt Eudoxus aus Enidus, der 370 Jahre vor Chriſti 
Geburt lebte. — Zwar find feine Werke bis auf einige Frags 
mente verloren gegangen, aber wir kennen ihren Inhalt aus 


— 


ce) 


468 Ideler Unterſuchungen uͤb. d. Arabiſch. Sternnamen. 
Arotus aſtronomiſchem Gedichte, welches nah Hipparch's Ver⸗ 


ſicherung eine trene, in Verſe gebrachte Ueberſetzung einer Ga 
ſtirnbeſchreibung des Endoxus iſt (S. XII, XIII). — Einen 
gedraͤngten Auszug aus dieſem, von den Römern ſehr ges ' 
fhägten Werke liefert der Berf. von S. XV—XXVII, und 
erteilt eine Nachricht von Eratoſthenes Katafteriemen (8. 
XXVIII f.). Timocharis und Ariftilus verfuchten zuerfi die 


Lage der Sterne gegen den Aequator und die Efliptit gu bes 
ſtimmen (300 Zahr vor €. ©.), 150 Jahr fpäter geſchah 
Diefes mie glüdliherm Erfolge durch Hipparch, den man ale 
den eigentlichen Gründer der wilfenfchaftlihen Aftronomie ber 
trachten kann. Seine beſten Schriften find aber verloren ge 
gangen, nur feine Firfterntafel Hat ung gluͤcklicherweiſe Proles 
mäus in dem Almagefk erhalten (S. XXXI, XXXII) denn 
daß diefelbe eigentlich dem Hipparch gehört, und Ptolemaͤus 


nur bie Arbeit feines Vorgängers vielleicht hie und da verbeft 


fort, zeigt der Verf. mit einleuchtenden Gruͤnden (S. XXXII, 
AXXIV). | 

Unter den Femern zeichnet ſich vorzüglich des Manilius 
aſtronomiſches Lehrgedicht aus, obwohl es bis auf das” erfte, 
den vier Adrigen zur Einleitung dienenden Bud mehr aflro 
kogiſchen, als aſtronomiſchen Sinhalts iſt (S. XXXLX). — 


ſaiſchen Roͤmiſchen Schriftſtellern gibt der Verf. kurze beleh⸗ 
rende Nottzen. Auf Ptolemaͤus folgt ein langer Zeittaum, 


. worin für die Erweiterung der Aftronomie faft gar nichts ges 


fchehen iſt. Mit den Arabern besinnt für fie eine neue Per 
tiode. Unter den Ehalifen Abu-Dſchafar Eis Manfur und 
feinen Nachfolgern überfegte man die Griechifchen Schriftſteller, 
und die hohen Schulen in den vornehmſten Staͤdten des Reichs 
verarbeiteten. die aus fremden Auchen gefhöpften Kenutniffe. 
— Die meiften Verdienfte um die Wiſſenſchaften erwarb ſich 
der Ehalife Abdallah El Mamun, welher von bis bis 833 
eegierte. Er ließ neue und ungleich vollkommnere Inſtrumente 
als die bisherigen verfertigen, und damit Beobachtungen ans 





- Bon den übrigen aftrognoflifchen, theils poetifchen, theils pro: | 


X 


J 


Ideler Unterſuchungen Ab. d. Arabiſch. Sternnamen. 169 


ſtellen, weiche die Grundlage neuer aſtronomiſcher Tafeln wur⸗ 
den, die men nach feinem Namen ©: Mamuni, auch Eis 
mumtahan, die gepräften, nannte. Seine Beſtimmung ber 
Schiefe der Ekliptik zu 23° 35°, und die von ihm in der Wüfle 
Sandſchar, zwiſchen Palmyra und Racca angeftellte' Grads 
meffung find eben fo bekannt als merkwürdig (&. XLIV, 
XLV). Obwohl aber die Araber durch Beobachtungen die 
Sterntunde erweiterten, fo ließen fie es doch in der Theorie 
srößtenrheils bey dem bewenden, was fie in dem aftıpnomis 
fhen Lehrgebäude des Peolemäus fanden. Dieſes Werk, dem 


fie den Namen Almageft, eigentlih Ei-medſchiſti, beulegten, 


wurde mehrmals in das Arabifche uͤberfetzt; zuerſt unter Has 
run EL: Raſchid, und volllommner in der legten Hälfte ded 
neunten Jahrhunderts von Iſhak Ebn Honain', und Thabet 
Ebn Korrah (unter dem Namen Thebit als Aftronom bekannt). 
Mit den Werken des Protemäus nahmen die Araber die ges 
ſammte Sternfunde, alfo auch die Sternbilder der Griechen 
bey fih auf. An den feßtern änderten fie weiter nichts, ald 
höchftens einige Namen. Da fie nämlich die Griechiſchen Dichs 
ter nicht uͤberſetzten, fo blieb ihnen auch die Mythologie ders 
felßen fremd , für die fie ohnebdieß feinen Sinn gehabt haben 
würden. Natuͤrlich festen fie dafür an die Stelle der Eigen⸗ 
namen: Andromeda, Caſſiopeia, Perſeus und Orion, bey denen 
fie nichts denken konnten, die Appellativen: die Gefeſſelte, 
die Sitzende, Träger des Teufelkopfs und der 
Nieſe. — Die Sterne bezeichneten fie wie die Griechen nad 
den Dertern in den Bildern. Dadurch erhickten fie eine Menge 
Sternnamen, mit denen fie die durch Tradition und National⸗ 
gefänge fFortgepflangte uralte aftrognoftiihe Terminologie der 
Arasifchen Nomaden verbanden (S. XLV, XLVI). 

Unter den Arabiſchen Aftronomen und Aftrognoften vers 
dient zuerft EI Fergani (Alfraganus) genannt gu werden, der 
in feiner Einleitung in die Sternkunde, den Inhalt des Almas 
gets nach einer faßlichen Methode vorträge (S. XLVIL) — 
Muhamed Ebn Dſchaber Ebn Senan Abu Abdallah El Ha⸗ 





x 


470 Ideler Unterſuchungen ab. d. Arabiſch. Sternnamen. 


runi, mit dem Beynamen El Vatani (Albategnius) machte 
ſich durch die Entdeckung ber Beweglichkeit des Apoqaͤt der 


Sondge, durch verſchiedene Verbeſſerung der Theorie der Sonne, 


des Mondes und der Planeten und durch mehrere am Schluß 
des neunten und im Anfange des zehnten Jahrhunderts zu 
Racca (Aracte) am Euphrat angeſtellte Beobachtungen beruͤhmt 
(S. XLVI). Eon Junis Aſtroneom Hakems iſt durch feine 
Obſervationen, und neue nach Hakem benannte aſtronomiſche 
Tafeln bekannt. (Conjunctionen der Planeten von ihm beobs 


achtet, finden fih in den Allg. Ephem. B. IT. S. 98 fe 


B. IV. &. 458). Etwas fräher als er, lebte Abdelrahman 
El Sufi, wie ihn Ulug Beigh abgekärze nennt. — Leider! 
kennt man von feinem Werke, aus welchem die Morgenläander 
noch jest ihre-aftrognoftifchen Kenntniſſe ſchoͤpfen, weiter nichts, 
als einige von Hyde in feinen Noten zu Ulug Beigh gelieferte 
Auszüge. — Ins kurze if diefes Werk von einem andern 
Derfer, Kazwint in Arabifher Sprache ins kurze zufammen 
gezogen. — Diefe Schrift iſt es, die Hr. J. ſowohl in der 
Ueberfegung als in der Urfchrift aus einem Coder der Bönigls 
hen Bibllothek zu Berlin Tiefer. Wie verfparen dafür bis 
zur Anzeige des Werkes. felöft einige Notizen über ihren In⸗ 
halt und über den Verfaſſer. 

Der unter dem Namen Naſir Eddin bekannte Arabifche 
Schriftſteller (geb. ı200 gefl. 2275) war der Verf. mehrerer 
Werke, die aber faſt ſaͤmmtlich in Europa unhekannt find. — 


In das Jahrhundert des Kazwini und Naſir Eddin fällt bie 


Verfertigung zweyer merkwuͤrdiger Arabifcher Himmelskugeln, 
wovon die eine in der Sammlung des Kardinals Borgia, die 
andere in dem koͤniglich mathematiſchen Salon zu Dresden 
eh befindet. Die erſte, von Aſſemani erläuterte Himmels: 
kugel von Metall Hält 8 Franzoͤſiſche Zol und 1 Linie im 
Durchmeſſer, und iſt im Sjahre Goa der Hegira, oder zacd 
nach unferer Zeitrechnung in Aegypten verfertigt. Die andere 
gu. Dresden iſt im I. 1889 ebenfalls ans Metall verfertigt, 
und hält 5 Franzoͤſiſche Zoll 4 Linien im Durchmeſſer. Hert 


Ideler Unterſuchungen uͤb. d. Arabifch. Sterunamen. 171 


Leg. Rath Beigel har fie im del. Aſtron. Jahrb. für 1807 
S. 97 f. beſchrieben. 

Einer der verdienſtvolleſten Afronomen des Morgenlandes, 
und zugleich der letzte aus der glaͤnzenden Periode der Araber 
it der unter dem Namen Ulng Beigh, d- I. Magnus Prin- 
ceps, befannte mogolifche Fuͤrſt. — Sein großes aſtronomiſches 
Werk ift unter dem Namen Zidfh Sultani, d. i. die Föniglichen 
Tafeln, im Drient fehr berühmt. Ein ſchoͤnes Exemplar diefer 
Tafeln brachte Beauchamp aus Aſien nach Paris (A. G. Ephem. 
B. IH. ©. 179 f.). Sein Sternverzeichniß, welches einen 


Theil dieſer Tafeln ausmacht, dat Hyde Perſiſch und Lateiniſch 


herausgegeben. Wir uͤbergehen, um nicht zu weitlaͤuftig zu 
werden, mehrere Nottzen des Verf. über: Arabiſche Schrift⸗ 
ſteller. 

In unſere heutige Aſtronomie find. Arabiſche Nemen von 
Sternen und Kunſtoͤrter vorzuͤglich dadurch gekommen, daß 
theils des Ptolemaͤus Almageſt (Liber quadripartitus) aus 
dem Arabifhen mit Bepbehaltung der Kunſtausdruͤcke übers 
fest wurde, theils die Alpbonfinifchen Tafeln diefelben ebenfalls 
brauchten. 

Bon Ptolemäus Almageft gibt es außer Georg's von Trapes 
zunt Ueberſehzung aus dem Driginal noch eine frühere aus dem 
Arabifhen , die auf Kaifer Friedrichs IT. Befehl um das Jahr 
10230 . verfertigt worden. — Mer. wird es erlaubt ſeyn, biefe 
Veranlaffung zur Mittheilung einer wenig Sefannten literarifchen 
Bemerkung zu benugen. Auf der Bibliothek zu Wolfenbüttel 
befand fi) ehemals unter Gudius Handfchriften ein Coder auf 
Pergament in Quart, Prolemaei Almagestum. .— Im Car 
talog war bie Anzeige mit ber Bemerkung begleitet: Codex 
antiquus ad tempus Friderici JI, referendus. — Wirklich 


überzeugte fih Rec. durch Autopfle, daß bie Schriftzäge denen 


des dreyzehnten Jahrhunderts glei, waren. Gudius hat eigens 


haͤndig die Nachricht vorgefeßt: Diversa est ‚ab. hac veteri 


versione illa Georgü Trapezuntii. Die Vorrede erzählt, 
mit welchen Schwierigkeiten man kämpfen mußte, um einen 


v 


472 Ideler :interfuchungen uͤh. % Arabifch, Sternnamen. 


Ueberſetzer zu finden, und nennt. ihn mie den Worten : inve- 


nimus — expositorem — Eugenium virum, tam graecae, 
quam arabicae linguae peritissimum, — &s ſcheint alfo, 


daß die Ueberfegung zwar ans dem Arabiſchen, aber mit Zus 
ziehung von Griechiſchen Handfchriften verfertige worden. O5 | 


num dieſe Ueberſetzung, die 1515 gu Venedig im Druck erſchie⸗ 


hen, oder, welches man aus der Sauberkeit des Codex faſt 


„vermuten möchte, nicht vielleicht gar das Original der auf | 


Befehl des Kaiſers Friedrich II. verfertigten ift, läßt fi) ohne | 


genauere Wergleichung und Unterfuhung fchwerlich ausmittein. 
— Her. glaubte indeffen, auf diefen- merkwürdigen, bis jetzt 
in allen Beſchreibungen ber .Wotfenbüstel’fchen Bibliothek nicht 
erwaͤhnten, alten Cover aufmerkfam machen zu müffen, dee den 
Aftronomen wichtig, und einem künftigen Herausgeber des 
Almageſts ganz unentbehrlich feyn muß. Einige Bemerkungen 
über Scaliger's, Hugo Grotius und Bajers Bemühungen um 
bie Aftrognofle machen den Beſchluß der Einleitung. 

Das Werk ſelbſt beficht, wie wir ſchon oben erwähnten, 
aus Kazwini Geſtirnbeſchreibung, mit erläuternden Anmerkun 
gen. begleitet. Der vollftändige Name dieſes Schriftftellers iſt: 
Omadeddin Abu Jahja Zakaria Ebn Mahmud Anfari El Kaz⸗ 
wini. Er ſtarb am 6. April 1283 nad unſerer Zeitrechnung. 
— Auf der koͤniglichen Bibliothek zu Berlin findet ſich ein 
Eoder in Quart, der aus 224 correct und leſerlich gefchrichenen 
Blättern: defteßt, und etwa ein Alter von 3oo Jahren Bat, 
In der Bibliochet des Eskurials, zu Paris und zu Dresden 


befinden fich ebenfans Handſchriften. Die letztere Hat der Verf. . 


zu vergleichen Gelegenheit gehabt, und fie nachläffig gefchrieben 
befunden. Der Verf. gebt eine fleißig gearbeitete Weberfeßung 
des Arabifchen Tertes, und fügt feine Anmerkungen hinzu, die 
einen Schag von Gelehrſamkeit und fcharffinniger Sprachfors 
fhung enthalten (S. 2 — 289). In Hinſicht der Ueberſetzung 
machen wir auf die Erinnerungen des gelehrten Rec. diefer Schrift 
"in den Goͤtting. gel. Anzeigen auſmerkſam. Hierauf folgerr Mich⸗ 
träge (©. 290—540) und in einem: Anhange (B,84:— 372) 











Rec. de Memoir. sur diff. Manusc. Grèes p. Hase. 173 


Nachrichten Aber‘ die Nomenclatur der neuen Gternbilder. 
Ein Abdruck des Arabiſchen Grundtertes nach der Verlinen 
Handfchrift, mit Benfügung der Varianten und einiger Era 
gänzuingen des Dresdner Codex, füllt &. 5735 — 406 aus, und 
endlich macht eine Abhandlung über die Seflirne der Araber 
(8. 407 —438) den Beſchluß dieſer gehaltwollen Schrift, 
die jeder Aſtrenom mit Vergnuͤgen und nicht ohne Belehrung 
lefen wird. - 


4 
— ——— e — 





Recueil de Memoires sur Siſférents Manüscrits Gröcs de ia 
‚bibliotheque imperiale de France par.C. B. Hase, Pre 
miere paitiee A Paris de Pimprimerie imperiale. 1810. 4. 

Diefe Sammlung enthält mit befondern Seitenzahlen 
folgende 3. Abhandlungen. Notice d’un Manuscrit de la 
biblioth®que imperisle,; contenant Touvrage de Dracon 
de Stratonicde sur les differentes sortes de vers (Hlepk 

Meroow) (Extrait du Tome VIII. seconde Partie des No» 

tices et Extraits des Manuscrits de la biblioth®que- im« 

periale) 45. S. Notice de I’histoire composee par Léon 

Diacre et contenue dans le Manuscrit Grec de la biblio- 

theque imperiale cotee ı712. Text et 'Traduction latine 

du VL livre de cette histoire. S. 43. Notice d’un Ou- 
vrage de l’Empereur Manuel Pal&ologue intitulé: Entres 
tiens avec un Professeur Mahometan 74. ©. Hr. Haſe, 
ein geborner Deutſcher, angeftellt au depöt des Manuscrits 
bey der K. K. Bibliothek zu Paris, vielfach verdient ums 
griechiſche Literatur, wie überhaupt, fo befonders auch durch 
die unermäderfie und zyvorkommenſte Gefälligkeit, mit der en 
feine Stelle benuzt, um inlaͤndiſchen und fremden Gelehrten 
den Gebrauch der Schaͤtze, an deren Verwaltung er Antheik 
hat, zu evleichtern und nügfich zu machen, Hat durch Bekannte 
mahung vorliegender Sammlung -einen neuen Anforuch auf 
den Dank der gelehrten Welt fih erworben, um jo mehr, ale 
der Zweig der Literatur, auf den fie dem größeren Tiyeil nad 
ſich beheht, in sieneren Zeiten faſt ganz iſt vernachlaͤſſigt worden. 


J 


J 


474 Rec. de Memboir. sur dıff. Manusc. Grecs p. Hase. 


Ungeachtet die erſte Abhandlung aus den Notices et Ex-' 


traits etc. ſchon bekannt iſt, glauben wir doch nichts Lebers 
flüffiges zu thun, wenn wir den Inhalt kurz angeben. Nach 
Burger Nachricht von dem Coder, in welchem Dracons Schrift 


enthalten iſt, theilt Hr. H. Wermuthungen mit Aber das AL. 


ser Dracons; denn Suidas und Eudocia, die ihn anführen, 
geben nur Nachricht von feinen Schriften. Da ber jüngfie 
Schriftſteller, welchen der Tractat de metris erwähnt, He⸗ 

rodianus aus Alepandrien iſt, welcher unter „Marc Aurel 
lebte, da keine Spur von Chriſtianismus in der Schrift ſelbſt 
vorfommt, und felbft der Name Peftdonins, an weichen die 
Schrift gerichtet iſt, auf einen Beidnifchen Verfaſſer hinweiſet, 
da 'endlih Kleinaſien, weldes’ wahrſcheinlich die Heimath 


des Verf. war, ſpaͤter von Saracenen uͤberſchwemmt, griechi⸗ 


ſche Bildung verlieren mußte, ſo kann das Zeitalter Dracons 
fuͤglich in die Zeit zwiſchen dem zweyten und achten, oder 
wohl eher noch, wegen ber zweyten Ruͤckſicht, in die Zeit 
gwifchen dem zweyten und fünften Seculo gefegt werden. 
Aber dieß, daß er Älter if, als viele von den griechiſchen 
Grammatitern, die fih bis auf unfere Zeit erhalten haben, in 
Verbindung mit einigen Fragmenten und Namen verlohrener 
Schriftfteller, die er aufbewahrt hat, macht aud feinen größs 
ten Werth aus, da er fonft weder duch Neuheit feiner Bes 
merkungen, noch dur planmäßige Ordnung fih vortheilhaft 


auszeichnet. Was Hr. Haſe hat abdrucken laſſen, beſteht in | 


der Einleitung, die allgemeine Regeln enchält, über urfprängs 
liche und durch die Stelle einer jeden Sylbe beſtimmte Quan⸗ 
tität, und in dem Anfange und dem Ende des erſten Abſchnit⸗ 
tes, der die Aufichrift Hat: zuepi xpovw» xara aroıyeiov. Gs 
iſt in dieſem Abfehnitt Die Quantität verfchiedener Wörter alpha⸗ 
betiſch mit gelegentlich eingeftreuten allgemeinen Bemerkungen 
“ angegeben. Won dem. Webrigen iſt der Inhalt nur kurz 
angegeben, und am Ende ein Verzeichniß angehängt von den 
Schriftftelleen , die bey Dracon citirt ſaid. Den abgedruckten 
Zert har Hr. Haſe mit Anmerkungen begleitet, welche theils 


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Rec. de Memoir. sur diff. Manusc. Grècs p. Hase. 175 


die citirten Stellen, theils auch andere Gtellen geicchifäer 
Scriftfteller erkäutern und berichtigen. 

Das Manufeript, in weichem: Die Geſchichte von Leo 
Diaconus enthalten iſt, ſetzt Hr. Haſe in den Anfang des 
zwoͤlften, oder gegen das Ende des eilften Seculums. Es 
enthält die Chronik des Simeon Logothetes bis Fol. 272, 
darauf. Bis Fol. 3gı die Sefchichte Leone, und endlich bie 
Fol. 422,, die Chronographie des Pfellus. Leos Gefchichte 
hat den Titel: Adovrog Araxovov ioropia Apxouevg And 
tũcç TEAEVTÄS TOD. abToxpaTopoG Kovoravrivov pexpı «ns 
zilevräs Inavyvov Too abToxp4TOpOG, tod Emıheyoutvon 
Taıpioxi. Kr. Hafe, der ſchon länger her im Sina hatte, 
diefe Gefchichte zu Warbeiten, und bereits ziemlich vorgeruͤckt 
war in den Vorarbeiten, wurde durch andere Geſchaͤfte ges 
hindert, dem Werke die legte Hand anzulegen, und gibt num ' 
hier vorläufig eine Probe von dem Werke. In der Einleis 
tung S. 1 —2ı, iſt Die Rede von Leos Leben, fehriftftelleris 
fhen Talenten und dem Inhalt und Umfang feiner Gefchichte, 
eo, geboren zu Caloe, einem Dorfe in Sonien, kam fehe 
frühe nach Eonftantinopel, er war, wie er felbft fagt, meıpa- 
2109 5» zugegen bey der Empörung gegen Nicephorus Phocas 
(a. 966.) woraus Ar. Haſe fhlieft, er ‚möchte um 090 ges 
bohren feyn. Als Diachn folgte er dem Kaifer Bafllius I. 
ins Feld gegen die Bulgaren. Alm diefe Zeit verfaßte er wohl 
eine Rede an eben diefen Kaifer, die Save erwähnt. Weitere 
Notizen über fein Leben fehlen, vielleicht find weiche zu finden 
in der oben ‚erwähnten Rede, die auf der Bodlejanifhen Bis 
bliothek iſt. Bey dem beften Willen fehle es ihm doch an 
Talent zu einem Hiſtoriker. Trog feiner vielen Beleſenheit ift 
feine Sprache doch nicht rein, einige gelungene Stellen abges 
rechnet, fein Stil bune und gegwungen. Er fpricht viel von 
Liebe zur Wahrheit, aber je mehr ſich die Geſchichte von Eon? 





fantinopel entferne, defto weniger ift ihm zu trauen, mit auss - 


laͤndiſcher Geſchichte ift* er ganz unbefannt. Dieß ift es uns 
geſahr was Dr. Haſe ganz unparteyiſch über ihn urtheilt. 


. 


476 Rec. de Memoir. sur diff, Manusc. Gr&cs p. Hase. 


Indeſſen entichädigt die Wichtigkeit der erzählten Begebenheit 
für die Fehler des Schriftſtellers. Die Geſchichte umfaßt die 
Jahre 959--979, alfo die Kaifer Nomanus II., Vticephorus 
Phocas, und Sohannes Zimiſces. Sie erzählt des Niu 
yhorus Feldgüge gegen Kreta und in Kleinafien, ſowohl die, 
weiche er als Feloherr unter Romanus II., als die, welche er 
als Selbſtherrſcher gemacht, und gibt eine mir Mäßigung und 
serfländiger Einfiht verfaßte Entwicklung der Urſachen, wel 
‚de die Empörung, durch die Micephorus geflürge wurde, bew 
beugefähre haben. Sie erzähle der Ruffen Einfälle in Buls 
garien und Vorräden gegen Thracien, fo wie den Krieg, 
weichen Zimisces mit ihnen giüdtich führte, und’ des Zimies | 
ees gluͤckliche Expeditionen in Mefopotamien und Syrien: 
Epifodifch gibt fie Beyträge, nicht nur zur Keuntniß des dus 
maligen Zuftandes des griechifhen Neiches, ſondern aud zur 
Kenntniß früherer Begebenheiten, & B. der Nevolution., wel 
de 929 die Vormundſchaft über Confladga VIL, dem Ro 
manus-Lerapenus verfchaffte. 
Leos Geſchichte har Cedrenus wahrfheinfih, gewiß Zo— 
naras benutzt. Inter den Neueren hatte fle zu bearbeiten im 
Sinn der P. Combéfis, die Ueberfegung war vollendet, an 
det Ausgabe felbft_ Hinderten ihn Krieg. und Tod. Jene kam 
in die Hände Pagts, der mehreres aus Ihr in feinen berich⸗ 
tigten Baronius einſchaltete. Won daher hat Hr. Haſe einen 
großen Theil der Lateinischen Ueberſetzung genommen, mit 
welcher ex das fechfte Bud) begleitet; wo Lücken waren, und 
es find deren mehrere, bat er ergänzt; geändert, nur in den 
Namen; wo der. Grieche nach Landesweiſe kuͤnſtelte, bat er in 
der Ueberfegung der Völker wahre Namen hingeſtellt. Das 
als Probe gegebene fehfte Buch entf, was nad) dem Tode 
des Nicephorus gefchehen ift, und unmittelbar nad des Jo—⸗ 
bannes Zimiſces Thronbeſteigung, nämlıh in den Jahren 
069 und 970, wie die ‚Anhänger des geftärzten Kaifers uns 
(hädlih gemacht, die des neuen belohnt morden find, unter 
welchen Bedingungen der Patriarch dem Kaifer die Krone ev 
theilt, wie diefer zur Bezeichnung feines Regierungsantritts 
Spitäler gebaut und erweitert habe, die Ernennung von ein 
paar Patriarchen, und den Anfana der Kriege mit Sephen: 
doslab, dem Fürften der Ruſſen. Wir haben in biefem Bruch⸗ 
ftücde Beſtaͤtigung gefunden von dem Urtheile, welches, wis 
‚wir oben angegeben, Hr. Haſe feldft über feinen Schrififteller 
ausgefprochen hat. Möge Hr. Hafe nur bald Muße finden, 
fein Verſprechen, den ganzen Leo herausjugehen, zu erfuͤllen. 
Der Beſchluß folst, J 


— — 





No. 12. Heidelberäifge 4811. 
Jahrbüͤcher der Literatur. 


Recueil de Memoires sur differents Manuscrits Grècs de la 
bibliothäque imperiale de France par C. B. Hase. 


€ Beſchluß der im Ne. 11 abgebrochenen Recenfion. ) 


J. den beygefuͤgten Anmerkungen hat Hr. H. Nachricht 
gegeben von ein paar andern noch unbenutzten Manuſcripten, 
namentlich von einem Fragment des Johannes Epiphanius, 
den Fabricius faͤlſchlich Antiochenus nennt, er war Zeitgenoffe 
und Verwandter des Geſchichtſchreibers Evagrius. Es hat den 
Titel: Iodvvov oyoAacrınod xal And indpyev, Erupa- 
vioß, sel Ti Tod vEov Xoopdov TPOXREKORaS TIPOX 
Mavpixıov, TbV Pauaiav abroxparopa, 'Ioropıöv Tonog 
ro@rog. Uebrigens vermuthet Hr. H., daß Theophylactus 
Simocatta im vierten und fünften Buch feiner Geſchichte vier 
fes Wert des Johannes copirt habe. Auch Anna Comnena 
ſcheint Kenntniß von dem Fragment, ober vielleicht vom ganzen 
Wert gehabt zu haben. Ferner findet ſich S. 19 Machricht 
von einem Manuſcript von des: Geſchichte des Inlins Pollug, 
in weichem dieſe, die fonft mir dem Kaifer. Valens aufhöre, 
fortgefege tft, bie auf den Tod Romanus II., wodurd eine 
bedeutende Luͤcke in dem Fortſetzer des Eonflantinus Porphy⸗ 
vogenetus ergänzt wird. Kerner finder fih Nachricht von einem 
Gedicht auf Micephorus Phokas in einem der aus dem Vatican 
gelommenen Manufcripte; von unedirten Scholien der Aleriade, 
von einem unedirten fasirifchen Dialog wahrfcheinlih aus der 
Periode der Comnenen, und einem Manufeipt des # Soannet 
Lydus epl Apxär nolırızar. 

Die deitte Schrift, mit welcher Sr H. und bekannt 
macht, hat den Titel: voö "Evoeßeozarov za Hihoypiarov 


Baoıldws Mayovi% Tos IlaAaıoloyov Tgög TOP TREPLIER“ 


19 


\ 


473 Rec. de Memoir. sur diff. Manuse. Grecs p. Hase. 


Inrov adroö AdeApbV TAVEUTDXIOTATOY deonornv» Hoo- 
probrivvnto > Ocödogor +09 Iladmioloyom, -AraAoyos. 
öv Enoıroaro era wıvog Ilepoov, vuv abiay MoBrepiin, 
iv "Aynpa wüs Tadarias. 

Die Einleitung S. 1 — 20 gibt Nachrigt von den drey 
Manufsripten, in welchen bdiefes Geſpraͤch enthalten il. Zwey 
derfelden waren. fhon zuvor auf der Laiferlihen Bibkiothek, 
das dritte und. jängfle gehört zu den neueren Acquifltionen. 
Außer diefen drey Manuferipten ift Hrn. H. nur noch Ein 
Manuſcript von diefen Geſpraͤchen bekannt, weldhes in Mais 
land ift, aber nur fehs von den ſechsundzwanzig Geſpraͤchen ents 
hätt. Weitere Nachrichten von Manuel find in feinen Schriften. 
Manuel, geboren 1348, geftorben 1425, lebte in den letzten 
drangvollen Zeiten des Dftrömifchen Neihs. Dem ungeachtet 
befchäftigte er ſich nah dem Beyſpiele mehrerer feiner edeln 
Vorfahren mie Literatur, fammelte Gelehrte um fih (von einem 
derfelben, Demetrius Eydonius, wird aus einer Handſchrift 
ein rief mitgetheilt,) und ſchrieb ſelbſt. Man zähle acht und 
zwanzig verſchiedene Schriften’ von: ihm, funfzehn hat Leuns 
dtavius herausgegeben, die andern find Im Vatican, zwey, die 
in der Eaiferlihen Bibliothek zu Paris ud, haͤlt Hr. H. für 
unecht; befkimmt iſt das, was Harles Biblioth. gr. vol. XI 
S. 620 mit dem Titel: Adlocutiones etc. aufführt, unecht; 
dehn dieſt Adldcutiones'. find von einem atidern Manuel, Herrn 
von Achaja⸗ Tin. tt 

Zu voͤrllegender Schrift; welche an Theodorus, Manuels 
Bruder und'Heren zu Lacedaͤmon, gerichtet iſt, und Daher 
nicht nad 1407, ih weichem Jahr diefer Prinz ſtarb, gefchries 
ben feyn ann, gab Veranlaſſung der Aufenthalt Manuels an 
dem KHoflager Bajazeths. Auch Ducas erzählt, daß Johannes 
Palaͤologus In den letzten Jahren ſeiner Negierung feinen äftes 
fen Sohn mit hundert Mann an den Hof Bajazeths Habe 
ſchicken müffen. Während nun Manuel den Winter an dem 
Höfe zu Antyra zubrachte, machte er Bekanntſchaft mit feinem 
Wirhe, einem muhammedaniſchen Profeſſor, welcher ihn über 


Rec. de Memoir. ‚sur. dif. Manusc. Grèes p. Hase. 179 


die chrifiihe Religion befragte, woraus fih In den langen 
BWinternächten oft tief in Die Nacht Binein in Gegenwart der 
Böhne des; Profeffors, welche Richter warn, und anderer 
geachteten Perfonen der Stadt die erwähnten Geſpraͤche ents 
fpannen. - Die Unterhaltung ging durch einen. Dollmetfcher, wo⸗ 
durch oft gerade in ben wicheigſten Gegenſtaͤnden die Unterhal⸗ 
tung ſehr erſchwert wurde, - 

Was nun ben Inhalt des Geſpraͤchs betrifft, o gibt es 
zwar keine nene Anſichten Aber chziftliche und muhammedaniſche 
Religion, aber manchs unterrichtende Nachricht über den Hof⸗ 
halt der Sultane uyd den. Verfall des Griechiſchen Reichs. 
Der Seil iR lebhaft, die Sprache ven, beyde verrathen große. 
Bekanntſchaft mit Profanſchriftſtellern eben ſowohl als mit 
heiligen, inſonderheit auch mit Plato, nichts deſto weniger 
finden ſich auch Spuren von Kuͤnſteley und Spitzndigkeit. 

Das Ganze ſcheint Hrn. H. nicht vollendet, beſonders da 
das ſechsundzwanzigſte Geſpraͤch etwas raſch abgebrochen ſcheint. 
Nah der von Hrn. H. gegebenen Ueberſicht des Ganzen find 
die eitf erſten Gefpräche mehr polemiſch apologetiſch, die legten 
funfzehn mehr apologetiſch⸗dogmatiſch. Die zwey erſten Ges 
ſpraͤche, welche zur Probe mitgetheilt, und mit einer ſehr ge⸗ 
lungenen Lateiniſchen Ueberſetzung begleitet ſind, handeln, nadıs 
dem in der Dedication und Vorrede geſprochen iſt von der 
Veranlaſſung des Ganzen, und von der Polemik gegen’ die 
Mufammedaner und ihrer Fruchtlofigkeit, von den heiligen 
Schriften der Chriſten und ihrer verfihiedenen Behandlung in 
Ruͤckſicht auf die Erklaͤrung bey Chriſten und Muhammedancon⸗ 
was den Grund gibt, mehr anf Vernunft die Unterhaltung zü 
begründen, als’ auf Schrift, fodann von den Eingeln und’ nes 
mentlich ihrer Unfterblichkeit, welche der muhammedantiche Pros 
feffor, nachdem die Begriffe von Sterbicchheit and Unſterblich⸗ 
keit gehörig beſtimmt find, endlich zugibt. Im zwenten Seas 
fprädy wird erft berichtet, wie Manuel, was von der Schöpfung 
und der erftien Geſchichte der Menſchheit bey Moſes vorkommt, 
erzählt, und Darüber Beyfall gefunden habe. Dann wird auf 





480° Neinhard's Geſtaͤndniſſe. 


Veranlaſſung der Dichtung Muhammeds ,; daß Enoch und Elias 
fortieben,, um Kleider ya machen für die Gläubigen im Para⸗ 
dies, welche widerlegt, und vom den. Anweienden als widerlegt 
anerkannt wird, ein Uebergang gemacht gu der Lehre Muham⸗ 
meds vom Parabies, weiche der mihammedaniſche Profeſſor erft 
darlegt, und dann Manuel namentlich aus der Idee der gätt 
„lien Gerechtigkeit widerlegt. Go weit Bas zweyte Geſpräch, 
im dritten wird die Materie fortgefeht. | 

Wir Haben in Nüdfihe auf Sprache und Darfiellung 
Ken. D. Urtheil beffätige gefunden. - Möge Ar. H. Muſe 
finden, feine Forſchungen, zu welchem die Schäge der Parifer 
Bibliothek fo vielen Stoff darbieten, zum Brommen. der Elite: 
ratür fortzuſeten. 








Geſtaͤndniſſe, ſeine Predigten und feine Bildung sum Prediger bes 
treffend , in Briefen an einen Freund, von D. Franz Volf- 
mar Reinhard. Gulsbach, im Verlage der Kommerzienrath 
Seidelſchen Kunſt⸗ und Buchbandlung. 183 S. 8. (1 fi. 15 kr.) 


Mit daakbarer Freude berichten wir unſern Leſern den 


"halt diefee Geſtaͤndniſſe des ehrwuͤrdigen Reinhard. Tie 


Nachricht eines ſolchen Mannes von allen Verhaͤltniſſen, Su 
eigaiffen und Studien, die auf-feine Beftimmung und Bil« | 
dung zum Prediger entiheidenden Einfluß gehabt Haben, muß 
wirklich „eine gemetifche Definition feineg Predigten“ enthalten; 
und es feuchter für fih ein, wie Intereffant, lehrreich und bil 
dend dieſelbe für alle ſeyn koͤnne, weiche die göttliche Gabe der 
Rede mit theilnehmender Aufmerkſamkeit betrahten, oder bes 
Tonders verpflichter find, in ihrem Wirtangetreiſe fie zu üben 
und anzuwenden. 

Reinhard wurde bis in fein ſechezehntes Jehe von ſeinem 
vortrefflichen Vater, dem Pfarrer zu Hohenſtrauß im Herzog | 
thum Sulzbach, Joh. Stephan Mathias Reinhard, unter 
richtet und geleitet. Aus eignee Bewegung fchrieb er, ſchon 
vom eilften Jahre an, des Waters fireng geordnete und Daher 








4 


Reinhard's Geftänduiife. 181 


leicht zu behaltende Prebigten nach: aber den Boben, in welchem 
fo fruͤhe die Neigung zum Predigen wurgelte, bearbeiteten des 
Vaters gründlicher Unterricht in der Lateinifhen und Griechi⸗ 
(hen Sprache, gelegentliche Unterredung über das Treffende 
und Schöne mander der erflärten Stellen, des Birgilius und 
Horatius Infonderheit; und, von dem drepgehnten Sabre an, 
vertraute Belanntfhaft mit den Gedichten Haller"s, „des 
gedankenreichen, ſinnvollen, jedes Wort forgfältig abwaͤgenden 
Dichters.“ Vielſeitiger, tiefer eindringend geſchah diefes vom 
ſechszehnten Jahre an, während fünftehalb Jahre in Regens⸗ 
burg, wo bie gelehrten Schutmänner Töpfer und Martini 
zu des bekannteſten Lateinifchen und Griechiſchen Claſſikern uns 
mittelbare Anleitung, oder doch Ermunterung gaben. „Hier 
offendarte auch Klop ſt ock s Meſſias dem aufſtrebenden Juͤng⸗ 
linge einen Reichthum, eine Kraft und Herrlichkeit ber Deut⸗ 
ſchen Sprache, von welcher er nod feine Ahnung gehabt harte. 
Diefer und Wieland. nebſt Ramler, ſpaͤterhin auh Fe⸗ 
nelon, Torneille, Boſſuet, und andere, gaben Voran⸗ 
laſſung gu lehrreichen Vergleichungen mit den geleſenen ©telien 
der Alten. Hiedurch, und durch poetiſche Merfuche in Lateinis 
fer und Deutfher Sprache, wurde auch der Stil gebildet. 
Aufterdem wird die in früher Jugend mit Liebe begonnene 
Lectuͤre der Bibel zur Erweckung und Velebung des religioͤſen 
Sinnes fortgefegt. Wiewohl es andy bier nihe an Spuren 
eines inneren Berufes zum Predigtamt feblte: fo waren. doch 
alle dieje Uebungen nicht eigentlich auf. daſſelbe gerichtet; „daß 
ich aber, fagt der Verf. S. 33, durch das Lefen der beſten 
Schriftſteller des Alterthums, welches mid damals fo ganz 
beichäftigee, für meine. Oklbung zum. Prediger gerade das 
Meile gewinnen miärbde, begriff ich damals ſelbſt nie; erft in 
der Folge lernte ich einfeben, daß ich meine Zeit, ohne «6 vn 
wiffen, recht zweckmaͤßig angewenbet hatte.“ 

Nachdem R. die Univerſitaͤt Wittenberg. bezogen hatte, 
entſchied ein gelungener Verſuch im. Predigem; für den Beruf‘ 
zum Predigtamt, aber auch für die Ausführung des Motfahes, 


462 Reinhard's Geſtaͤndniſſe. 


jeden Augenblick den Wiſſenſchaften zu widmen, mit welchen 
der Prediger vertraut ſeyn muß, wenn er feinem Berufe Su 


nuͤge leiſten will. Eine Homiletit- konnte er jedoch nicht hören, 
und auch nicht Theil nehmen an hömitetifchen Uebungen. Die 


fen Mangel mußte er durch fleißiges .Leien der alten Rhes 
toren und Redner und duch fleifiges Studium der 


Philoſophie erfeken. Mas hierüber von ©. 52 ff. gefagt 
wird, iſt fo Ichrreich als angiehend. Mit Erfiaunen bemerkte 
er 3. ®. im Demoſthenes, daß dieſer zunächft und hauptfaͤchlich 


bemunderungswärdig ſey durch die Klarheit und Stärke feiner 


‚Gründe, die Correctheit der- Dictton und die Hasmanie feiner 
Merioden. Es verfieht ſich, daß man diefe weſentlichen Vor— 
zuͤge des Redners ohne philoſophiſche Bildung nie erringen 
koönne: aber es iſt wohlgethan, daß ein R. ausdruͤcktich bezeu⸗ 
get, daß man auch nicht einmal faßlich, leicht und populär 
Her veitgibfe Wahrheiten fprechen koͤnne, wenn. man nicht eine 
echt philoſorhiſche Kenntniß von ihr habe, und aller dahin 
gehbrigen Degriffe völlig mächtig geworden fey. Diefer_philos 
fophifchen "Kenmenig des Lehrbegeiffis der evangelifchen Kirche 
bemächtigte er ſich nicht nur, fondern er bekennt auch, ©. 102, 
Idas eigentlich Ausgemachte und Entfchiedene in meiner Er: 
Tenntniß find die Grundwahrheiten des Evangeliums.“ Daher 
kommt 28, daB: die gelungenſten Predigten Neinhard’s auch die 
chriſtlichten genannt werden können. In denfelben gefchieht 
die Würdigung menſchlicher Sefinnungen und Handlungen, ber 
-Ereigniffe und Werhältniffe, welche im allgemeinen oder ſpeciell, 
auf die Höhere Wohlfahrr feiner Zuhoͤrer Einfluß Haben können, 
lediglich nach dem Inhalte und Geiſte des Chriſtenthums. Nur 
durch diefe genaue Kenntniß deſſelben, dieſe verteante Ge 
meinfchaft mit demfelben gelinzt es'ihm, eine folche Dede. vor 
zutragen,“ welche durch Ihre unleugbare Beziehung und Be 
grändung auf und durch das Chriſtenthum, für chriſtliche 
Buhdrer .ein. lichtgebendes, ein eroſtgewaͤhrendes Wort darreis 
chen kann... Dem’ die goͤttliche Krafe:des Evangeliind will 


durch die lebendigere und tiefere Ettenntniß des Predtyers ſich 





Hate Grundriß e. Geſch. d. Deutſch. peinl. Rechts. 183 


offenbaren und bewaͤhren. Daher liegt es ihm auch vor allen 
Dingen ob, durch anhaliendes Studium und durch gewiſſen⸗ 
haſte Beobachtung ſeines Innern in Beziehung auf das, durch 
das Chriſtenthums geoffenbarte Verhätinig des Menſchen zu 
Gott, die Einwirkung dieſer Kraft Sottes auf ſich ſelbſt zu 
befördern nnd zu erfahren, damit, fo viel: an ihm iſt, „durch 
ihn entſtehe die Erleuchtung von der Erkenntniß der. Klarheit 
Gottes in dem Angeſichte Jeſu Chriſti.“ = Eor. 4,6. — Der 
Prediger muß bey derjenigen Bildungsmethode bleiben, von 
weicher, meinen wie, auch Eicero, de Orat. III. 57." ein: tes 
tereffante® Wort fpricht: Vetus quidem 'illa doctrina, eldem 
videtur 'et..recte faciendi et bene dicendi magistra‘y nequè 
disjuneti doctores, sed iidem erant wivendi präeceptores 
atque dicendi. — Won &. 115 beginnt bie lehrreicheMit⸗ 
theilung Über die Einrichtung und Form ſeiner Prebigten. 
Wie R. es mit der Auffindung und Wahl der Aaupti 
füge zu halten pflege; wie er hiſtoriſche und didacti— 
ſche Terte behandle; nach welcher Methode er die Anlage 
zu feinen Predigten made, und fie disponire (naͤmlich dem 
Beufpiele Des Demoſthenes und Cicero gemäß, genau, mit 
immmerwährender Hinſicht auf den jedesmaltgen 
Zwedıder Rede); was er endlich über Kusführung, 
oder die Llocution mie eimbringender ſcharfer Kritik von 
Stellen aus feinen eignen Predigten wittheilet, — empfehlen 
wir (edielih zum forofäftigken Studium; koͤnnen uns aber 
nit enthalten, eine Stelle aus: Cicero: de Otat. II,'151, "mit 
Anmenbung auf diefe. vortreffliche Belphrungen Reinhard's and 
deffem Predigten Herzufegen: Sed — ei:demunm.— prodesso 
possient, qui est versatus in rebus, vel“usu, quemvastad 
deriquer.affert, vel auditione et cogitatione, ‚qua studio 
et diligentia praxurrit aetatem. Kr 


un I. ° “.. ’ ° ‘ ) - 





— — 


Brundriß einer Geſchichte des deutſchen veinlichen Nechts und der 
peinlichen Rechtsmiſſenſchaft. Ein Verſuch von Eduard Hentr, 


e 


2 





- 4854 Henke Grundriß'e. Geſch. d. Deutfch. peinl. Rechts. 


b. N. D.:u. Pewatdocent auf d. Univ. Landsbut. Sutzbach, 
b. Seidel. 1809. I. Th. XXXII u. 326 €. (2. 30 fe) 


1. 2.110.492 ©. 8 Sf.) 


' .Der- Kerf, hat in ‚dem vorliegenden Werke einen ruͤhm⸗ 
fihen Beweis feines beharrlichen Fleißes nicht nur, fondern 


aud) feiner . genauen Bekanntſchaft mit der Wiſſenſchaft des 
gemcinen Deutfhen peinlihen Rechts dargelegt, und zugleich 


manchem angehenden Schriftfieller ein Muſter der Beſcheiden⸗ 
heit gegeben. Seine Abficht war, hier bie erſten Grundzüge 
einer inneren Geſchichte des Deutichen peinfihen Rechts und 
defien„mwiffenichaftlicher Ausbildung zu ‚liefern; Ausführlickeit 
und eine auch mur- relative Vollſtaͤndigkeit lagen gänzlich, wie 
er fast, außer feinem Plane. Nur Umriffe, welche bey den 
Borlefungen uͤber die Geſchichte des peinlichen Rechts nuͤtzlich 
fon koͤnnten, fol man erwarten. Das ganze Werk ift nun, 
nad). einer kurzen ‚Einleitung, in fünf (durch diefe Einleitung 


angeheutete) Perioden abgetheilt; in einer jeden derfelben aber | 


ifk der Zußand und die Veränderung der Eriminalgefeßgebung, 
fo wie der Criminalrechtswiſſenſchaft in Deutfchland durchge⸗ 


gangen worden. Die Perioden ſelbſt find folgendes. 5) von 


den älteften Zeiten bis auf die große. Völkerwanderung; 2) von 
diefer His auf des Eılöfchen der Carolinger; 3) Todann bis auf 
die Eyrichtung der peinlichen Gerichtsordnung (Th. 1.); 4) von 
deren Abfaffung.. Me: auf das achtzehnte Jahrhundert, und 
endlich 5) .neuele Seit. — Da es nun unfere Abſicht wicht fern 
dann, dem Verſ. in das. Einzelne gu folgen, und dieſe, ode 
jene Behauptung zu prüfen, fo mögen einige allgemeine De 
mertungen das Publicum in den Stand fegen, richtig zu bei 
flimmen,, was es hier eigentlich finden werde. Der Vorf. dat 
offenbar mehr geleifket, als er ſelbſt angibt, und man: lönnte 
feinem Werke ehe den Namen eines Handbuchs, als einer 
Skizze, oder eines Grunbriffes geben. Er tft ziemlich aus 
führtiy in die mehreften einzelnen Gegenftände einer Ge— 
fchichte des Criminalrechts eingegangen, und wir haben in 
dieſer Ruͤckſicht nur einen Wunſch unbefriedigt ‚gefunden, deſſen 


Maͤnter Bon den Servituten. 485 


Gewaͤhrung freylih mannigfaltige Schwierigkeiten gu überſtei⸗ 
gen Haben würde, deſſen Wichtigkeit für die Aufklärung der 
yeinlihen Hechtsgefchichte aber dennoch ihn ſelbſt rechtfertiget. 
Wir Hätten nämlih mehr Ruchicht auf die Territorials 
Sefeggebung in peinlichen Sachen Hier zu finden gewuͤnſcht; 
als bey ber eigentlich nur angeftellsen Betrachtung der Reichs⸗ 
legislation von dem Verf. erwartet werden kann, weicher ſelbſt 
das lUingenügende des wenigen, was er von einzelnen Deus 
hen Territorien gefagt har, nicht verfennen wird. Ya Ree. 
muß behaupten ‚ daß die Geſchichte der Eriminalrehss Wifs 
ſenſchaft nicht anders vollftändig geliefert werden kann, ale 
wenn auf den Zufland des Criminalweſens in anderen Europäts 
(den Staaten jederzeit ebenfalls Nädfiht genommen wird, 
woran es Bier doch gänzlich fehlt. 

Sodann aber mißfält uns die Anordnung der gelieferten 
Materialien durchaus, indem der Verf. leichte Leberficht des 
Ganzen fo wenig vorbereitet, als ſelbſt allgemeinere Anſichten 
in den einzelnen Perioden aufgeftellt Hat, fondern ſich in ein 
ermüdendes Detail nicht felten verliert. Selbſt die Erleichte⸗ 
rung, welche dem Lefer durch eine zweckmaͤßige Abcheilung des 
Werkes in Paragraphen, ober eine tabellariſche Angabe des 
Inhalts, ſpeciellere Eolummentitel und ein Regiſter gewährt 
werden koͤnnte, vermißt man ganz, und Dec. rugt das. um fo 
mehr, je haͤufiger jetzo diefe Nachläffigkeit bey jungen Schrift 
ſtellern einzutreten feheint, weiche doch die zweckmaͤßige Form, 
worin fie vor dem Publicum auftreten, am wenisfen fo san 
vernachläffigen follten. 

Benutzt ber Werf. biefe. unfee Winfe, fo wird er bey einer 
neuen Ausgabe dieſes Werkes nicht bloß gute Materialien, wie 
jet, ſondern etwas Weiftändiges und Lehrreiches An angewehmem 
Sewande lleſcen. 


— 


Bon den Servituten nach dein reinen Sinne der Römifchen und Na- 
poleonifchen Gefehgebung , ohne Kückblick auf Boctoral: Mei 
nıngen. Ben 8. C. E. Münter, Doctor und Privat⸗Docent 





1866 Muͤnter Don den Servituten 


in Göttingen. Zweyter Theil. Hannnover, b.den Gebruͤdern 

Hahn. 1810. 356. kl. 8. (1 fl. 30. Fk.) 

Der erſte Theil diefes Werks, ein Büchlein von.fichen 
Bogen, erihien im 3. 1806, und enthielt die Realferoituten, 
bey denen er fi nach der damaligen Lage ber Geſetzgebung 
bloß auf das Roͤmiſche Recht beſchraͤnkte. In dieſem zweyten, 
fuͤr die Perſonalſervituten beſtimmten Theile ſchien es dem 
Verf. nothwendig, auch das Franzöfifche Recht mitzunehmen, 
und dabey dann auch deſſen Srundfäge über die Realſervituten 
nachzutragen. Daher zerfällt diefer zweyte Theil, außer einer 
kurzen Vorerinnerung, worin bie Vorzuͤge der neuen Legisla 
sion angepriefen werden, in. drey Abfchnitte. Der erfie (©. | 
g9—58) handelt die. Realſewituten nach Franzoͤſiſchem Rede 
at; der zweyte (S. 59— 288) enthält die Perſonalſervituten 
wach Römifchem Rechte, und der dritte (&..2dg — 334) eben 
dieselben nach Franzoͤſiſchem Nechte. Der Verf. hat feine Theorie 
durchgehende aus den Seſetzen ſelbſt zu entwickeln gefucht, und 
andere Scheiftfieller werden nur ein paarmel bezunn⸗ ange⸗ 
fuͤhrt. | 
Ber. aus den frübern Schriften bes Berk weiß, wie viel, | 
aber vielmehr wie wenig man von Ihm erwarten dürfe, der 
Wird auch die gegenwärtige richtig beurtheilen, welche wenig 
Kens um nichts beifer iſt, und fi weder. Dunch, Praͤciſion und 
Klarheit, noch durch ſcharfſinnige Ideen und meuz Aufſchluͤſſe 
empfehle Nicht nar. fehlt es dem Verf. an gründlichen Kennt 
niffen,, fondern er hat auch nicht den mindeſten Fleiß auf feine 
Arbeit verwendet, und fo ift denn die game Ahhandlung ſchief, 
verworren, unvollländig und veller.Behler aupgeſallen. — Bir 
begnügen uns einige Beyſpiele der legten amszubsben,, die ih 
leicht noch mit einigen Dugenden vermehren beßen. - ©. Bı 
meint der Verf., daß die Nömifche Missio in bona dem 
Glaͤubiger einen Nießbrauch an den Gütern des Schuldners 
verſchaffe. S. &o ſaͤſit er fih durch die befennte L. 19. D. 
de. usu et usufrugtu leg. zu.der. Behauptung verleiten, daß 
fo oft einem Legatar der Mießbrauch eines Werundſtuͤckes ohne 


Muͤnter Bon den Servituten. 4897 


nähere Beſtimmung vermacht werde, er denſelben mit dem 
Erben theilen muͤſſe, und wunder: fih ©. 115, daß L.'4g. 
D. de usufructu diefer Regel zu widerfprechen fcheine. Aber 
L. 29. redet ja nur von dem Zalle, wenn einem Legatar der 
Nießbrauch des Grundſtuͤcke, und einem audern das Grundſtuͤck 
ſelbſt vermacht If. Nah S. ade follen L. Sıs D. quibus 
modis ususfructus und L. 22. D. de legat. I. ſich über die 
Erage ‚widerfprechen, ob der ususfructus von eimer Heerde 
noch fortdaure, wenn nur noch ein, oder ein paar Städe 


davon übrig find. Allein Die eine veder vom Legat des Nieße 


brauche, und die andere vom Legat des Eigenthums, und diefe 
beyden Rechte werden hier ganz confequent nad) verichiebenen 
Grundſaͤtzen beurtheilt, da das Eigenthum auch an den Reften 
einer zerſtoͤrten Sache noch fortbauert, nicht aber der Nieß⸗ 
brauch. S. 277 will der Verf. den Srundfag, daß eine ha- 
bitatio durch non usus nicht verloren gehe, nicht-gelten laffen, 
weil L. 10. D, de capite minutis nichts bavon enthalte. 
L. ı0. pr. De usu et habitat. enthält ihn jedoch mit duͤrren 
Worten. ©. 85 ff. mill der Verf nicht zugeben, daß zwi⸗ 
fhen dem usufrnctuarius und dem bonae fidei possessor ty 
Anfehung des Fruchterwerbes ein Unterſchied flatt finde, und 
frage dabey ganz naiv, ob denn ein Nießbraͤucher nicht auch 
honae Adei possessor ſey? Aber die enefcheldende Stelle ig 
L. 425. 6. ı. D. de usuris hat er ganz überfehen. — Die 
ganz leichte, L. 76. $. a. D. de legat.-II. interpungirt der 
Derf. ſo: Dominus, herede.. fructyario scripto, fundum 
sub conditione legavit; voluntatis ratio non patitur, ut 
haeres, ex «ausa fructus, emolumentum retineat diver 
sum in caetgris ‚praediorum servitutibus. Responsum est: 
quoniam. frugtusa. portionis instar ‚obtinet, und erklärt fie 
nun fa: der Teſtirer habe feinem Erben an einem Grundſtuͤcke, 
worauf dieſem bishes eine Realſervitut zugeſtanden, den Nieße 

btauch reſervirt die Proprietaͤt aber einem andern sub con- 
ditionelegirt: in dieſem Falle ſolle, wenn die. Bedingung 
eintritt, der Erbe nach dem: muthmaßlichen Willen des Teſtirers, 





188 Münter Bon den Serpituten. 


nungeachtet des ihm Ausgelehten Nießbtauches, doch die bie 


herige Realſervitut in eben der Maße beybehalten, mie fle ihm 
bey Lebzeiten des Teſtirers zuſtand. — Vorzuͤglich aber haben 
wie über ©. 126 u. 2553 lachen mäffen, wo ber Verf: «in 
paar Stellen aus dem Pomiponius ad Sabinum anfährt , und 
dabey bemerkt, daß fie aus dem Schreiben des Pomponius an 
den Sabinus entlehnt feyn. 

Nicht beſſer iſt das Frangäfliche Recht behandelt. Buy 
den Realfervituten bat der Verf. die drey Claſſen derfelben, 
welche der C. N. fo forgfältig ſcheidet, die natürlichen, geſetz⸗ 
then und gewillkuͤhrten, völlig dur) einander geworfen, und 
zugleich auch fchon Die einzelnen Fälle bes geſetzlichen Nieß— 
Brauch mitgenommen, weil, wie er ©. 14 meint, bey diefem 
Punct die PDerfonals und RKealſervituten fih nicht wohl tren⸗ 
nen ließen. Gleichwohl kommen ©. 29% aße dieſe Fälle ein 
gwentesmal vor, und zwar unter den Mechten der Nießbränder. 
— Nah ©. 15 follen die servitudes continues et apparen- 
tes nur durch Urkunden, und niht durch Verjährung erwerben 
werden können. Wir würden dieß für einen bloßen Druckfehler 
sehalten Haben, wenn es nit S. 45 ein gweptesmal mit 


beflimmter Anwendung auf die S. sfillicidii recipiendi von 


kaͤme. — ©. 26 mird bemerkt, daß der värerlihe Nießbrauch 
am Vermögen der Kinder bey Adoptivfindern arg. art. 86. 
570. nicht eintretet Freylich nicht, denn der vaͤterliche Mich, 
brauch endigt fich mit dem achizehnten Jahre, und die Adoption 
fupponirt nothwendig Broßjährigkeit des Adoptivklindes. Art. 
‚965 u. 370 reden aber von der tutelle officieuse. — ©. 55 
u. 39 erflärt der Verf. den Art. 652 von Bauern, die im 
alleinigen Eigenthum Eines Nachbarn flehen: allein er redet 
ja ausdrüdfich von einem mur mitoyen, und die Bedeu⸗ 
tung diefes Ausdrucks kann nach Art. 653, 660, 66: durchaus 
feinen Zweifet haben. — S. 45 u. 46 will der Werfı gar den 
Mömifhen Unterſchied gwifhen der S. lumihum und" pro 
'spectus im Art. 677 und 678 wieder finden: denn L. 16. 
D. de S.P.U. ſage: interest inter lumen et prospectum: 


Leonhard Taſcheubuch f. d. gef. Mineraiggie. 459 


pam prospectus etiam ex inferioribus locis est, lumen ex 
inferiore Ioco esse non potest, und eben biefen Unterſchied 
machten auch beyde Artikel des C. N. — ©. 56 verwechſelt 
der Verf. den acte contraire im Art. 707, womit der Verluſt 
einer Servitut durch Nichtgebrauch anfängt, mit ber inter- 
ruption bey dee: Verjährung, und lehrt daher: der Nichtge⸗ 
brauch fange bey 8. continuis vom Augenblick einer eingetres 
tenen Uſurpation am, biefe gefchehe aber naturaliter oder civi- 
liter; das erfle dann, wenn der Beſitzer äber Ein Jahr lang 
feines Genmuſſes beraubt worben; das lebie durch eine Eisation, 
einen. Arveſt us f. w. ' 

Doch genug und übergenug, um Iöermann vor dieſen 
llenden Noorvet zu warnen. 


he 





a 2 wo j 


Taschenbuch für die gesammte Mineralogie, mit Hinsicht auf 
die ‘neusten Entdeckungen, herausgegeben von Carl: 
Cäsar Leonhard, Assessor bey der Rentkammer 
et — Dritter Jahrgang. Mit Hauy’s Bildnifs und vier ' 
Kupfern. Frankfurt a. M. 1809. 408 ©. 8. (2fl. 45 hi 


Dasselbe ,„ ‚herausgegeben von C. C. Leonhard, Kammer- 
rath ctc. Vierter Jahrgang. Mit Blumenbachs Bildnifßs 
u. drey Kupfern. Ebendas. 1810. 415 ©. 8, 


Der dritte Jahrgang biefes ſchaͤtzbaren Taſchenbuches, 
welches ung jährlich mis den neueſten Entdeckungen und Beobs 
ahtungen in dem, einer größeren Bolltommenheit immer mehr 
entgegenfchreitenden Fache der Mineralogie bekannt macht, ents 
hätt folgende - Originalabhandiungen.. 1) Einen Aufſatz des 
Herrn Geheimenraths von Goͤthe über den befannten Kammers 
berg ben Eger In Böhmen. Mit vielem Scharffinn ſucht zwar 
dee beruͤhmte Herr Verf. feine Anſicht zu rechtfertigen, nad 
welcher er jenen Berg für einen, zur Zeit der Waſſerbedeckung 
des Egerthales unter dem Waſſer entſtandenen, und unter dem 
Waſſer thaͤtig geweſenen Vulkan (soumarin), deſſen Krater 
ſpaͤterhin im ſich ſelbſt zuſammengeſtuͤrzt ſey, zu halten geneigt 
iſt. Allein, wenigſtens Nec. hat ſich nicht uͤberzeugen koͤnnen, 


| 





490 Leonhard Taſchenbuch f. d. gef. Mineralogie. 


daß die hier aufgeſtellten Vermuthungen hinreichend waͤren, die 
von dem verdienſtvollen Bergrath D. Reuß im bergmaͤnniſchen 
Journale 1790 S. 303 f. für dns Gegentheil angeführten 
Graͤnde, auf welche der Hr. ER. v. ©; gar keine Ruͤckſicht 
genommen, zu widerlegen. Unter andern ſpricht fuͤr die Hy⸗ 
potheſe des Hrn. ER. Neuß, welcher die Erſcheinungen an 
Kammerberge einem, durch entzündere Braͤunkohlenlager ent 
fandenen Erdbrande zuſchreibt, auch die Geſſalt der dortigen 
vermeinten Laven. Rec. hat eine vollſtaͤndige Suite davon 
vor ſich liegen, und finder an keiner derſelben Ben echten Cha⸗ 
rakter der Vulkanitaͤt, nämlich das Gefloſſenſeyn, die Ausdeh⸗ 
hung der Poren nah Einer Richtung. Alle gieichen mehr 
oder weniger den in der Nähe des Mittelgebirges in Bohmen 
fo Häufig vorkommenden. Erdfhladen. So wenig dieſe durch 
Feuer veränderten Steine alio dem echten Laven aͤhnlich find, 
eben ſo wenig kann man ſie fuͤr Auswuͤrflinge (Rapilli) eines 
Bulkans halten, da fie zum Theil ats feſtes Geſtein in Floͤtz⸗ 
lagen fi finden. — 2) Beſchluß der in den früheren Jahr⸗ 
gaͤngen angefangenen Abhandlung des Hr. D. Schneider in 
Hof Aber die Diineralienfammlungen in Paris, nämlich über 
die Sammlungen von Delametherie, Brochant, Brogniart, 
Beſſon, Vata und Tondi, mit allgemeinen Bemerkungen und 
einer Vefchreibung der vorzüglichften Mineraͤlienhandlungen 
von Forſter, Launby, Lambotin ıc. — 5) Ueber die Indivk 
duen im Mineralreihe, vom Prof. VBernharbl, — 4) Der 
Amtmann Weppen zu Wikkertshauſen beſchreibt noch einige 
merkwuͤrdige Nerfteinerungen ‚feines Sabinets, welche aus der 
Trebra’fchen Sammlung herrühren, und aus dem räfonnirenden 
Verzeichniffe der letztern größtentheils bekannt find. — 5) Berns 
hardi's kryſtallometriſche Beſtimmung ber Kryſtalle des Zinn: 
ſteins, Grauſpießglanzerzes und Uranglimmers ‚ nad feine 
Methode. — 6) Der Bergrath Hacquet befhreibt: 1) eine 
feltene Verfeinerung, eine der Venus ponderosa, oder gigan- 
tea verwandten Bivalve , und 2) einige noch wenig bekannte 
Steinarten, einen mit Menfcenblätterähnlichen Stecken befäcten 
Hornſtein und einen Kieſelſchiefer von aͤhnlicher Zeichnung, 


Leonard Tatchenbuch f. d. gef. Mineralogie. 491 


teren erfter in dem Fuffe Molveznaja in der Nogaifchen Steppe, 
der andere am Berge Iſchaterdagk in der Krimm gefunden worden. 
Der vierte Jahrgang liefert an eigenthämlichen Abhands 
lungen: 1) die Beſchreibung einer feltenen Tribolitenart vom 
Kammerpräf. von Schlottheim zu Gotha. — 2) einen, dem 
Mineralogen hoͤchſt ſchaͤtzbaren Aufias des Hrn. Generalins 
ſpectors D. Hausmann in Eaffel, über die Unterfüchung des 
Berhaltens der Folien vor dem Löthrohre, mir Beyſpielen 
belegt. — 3) Mineralooifche Notizen vom Hrn. Oberbergmeiftee 
Selb zu Wolfach. Diefe Notizen find aus dem raifonnirenden Tas 
talog feiner Mineralienfammlung entlehnt, und betreffen vornehms 
lih den Schorl, die kubiſchen Afterkryſtalle des Duarzes (nicht alle 
Quarzwürfel Pbrine man geradezu für Afterfruftalle halten. 3. ©. 
werden einige fchöne Amethyſtwuͤrfel von Schapbad angeführt, 
deren Beſchreibung jedoch gerade dad Gegentheil beweifen duͤrfte, 
da die, den Seltenflähen des Würfels parallelen Abfonderungen, 
und die im hohlen Mittelpuncte des Würfels anfigenden Krys 
fallen eine ſecundaͤre Bildung durch allmälige Ausfällung des 
praͤexiſtſren den :wütfelförigen leeren Raumes nur zu deutlich 
beurfunden) ; — ferner den Arragonit vom Kaiferfluhl in Breis⸗ 
gau, eine beföndere Art Braunſpath und das auf der Grube 
Hans Baden bey Badenweiler vorkommende honigs und 
citeongelde, auch fleifhs und: morgenrorhe Dieyerz. Ferner. 
theilt 4) Kr. D. Schneider in Hof oryktognoſtiſche und geos 
guoftifche Beobachtungen über den Bayreuthifchen Zoiſit, (der 
in eine et Granit eingewachſen nefleriweife in Hornblendegeſtein 
vorkommt) und über den Ehalcedon und Amethyſtquarz auf 
dichtem und: fafrigem -Brauneifenfteine aus dem Sayrentäfchen 
mit. — 5) Etwas üSer das Vorkommen des Altern Floͤtzkalk⸗ 
feins an’ dem nördlichen Fuße -des Thüringer Waldgebirges, 
vom Hrn. ER. von Hoff zu Gotha, mit einem geognoftiichen 
Chärthen der Gegend von Waltershaufeh. — Sur le blätt- 
riger Augit des MM. Werner et Karsten, — sur 
l’Arsenie sulfure (Rauſchgelb) — sur le Cuivre phosphate 
— drey Abhandlungen des verbienftüollen Hauy, von deren 
erfter der Verf. einen beſondern, weit vollffändigeren Abdruck, 
groß Auart in-Parid veranftatter hat. Der Zweck diefer drey 
Abhandlungen iſt, zu zeigen, daß der blättrige Augit zur Horns 
biende (Amphibole) gehöre, das rothe Rauſchgelb ein Rhom— 
boidalprisma zur Grundgeftalt, und einen doppelten, den Dias 
gonalen der Grundfläche dieſer Säule aleichlaufenden Durchs 
gang der Blaͤtter Habe, und die Srundgeftalt des phosphor— 
fauren Kupfers eine Ahnliche Sänle, deren Seitenflähen unter 
Winkeln. von ungefähr ı21° und 69° zuiammenftoßen. — 
7) Wederfiht der im Herzogthum Anhalt: Bernburg vorkom— 
menden Soffilien, vom Bergſecretaͤr Paͤßler zu Harzgeroda. 





192 Leonbard Taſchenbuch f. d. gef. Mineralogie, 


Dielen Abhandlungen folgen in beyden ZYalwgängen des 
Taſchenbuches zwey Leberfihten der neuen Entdeckungen und 
DVeränderungen in der Mineralogie, und zwar: a) im Fade 
der Oryktognoſie, Beſchreibungen neuer, oder auch bereits frü« 
ber befannter, nah Selb, Hausmann, Stift, Karfien, Wer⸗ 
ner und andern. Um nicht gu weitläuftig zu werden, erlaubt 
fih Rec. hierbey eine einzige Bemer „, daß nämlich Karſtens 
Eiäslith und Werners Zeuflein (IV. Jahrg: ©, 186 u, 189) 
ein und daſſelbe Foſſil fey, was fräßer zum Arctizit ober Wer⸗ 
nerit gerechnet, nah ben neuerlih vom Mineralienhändler 
Mepperfhmidt aus Kopenhagen. nach Verlin und Frepberg 46 
brachten Eremplarien aber fowohl von Klaproth und Karfien 
als von Werner für eine befondere Gattung anerkannt, und 
feines ausgezeichneten Fettglanzes halber von jenen Oelſtein 
(Elaͤolith), von diefem Fettſtein benannt worden iſt. Auch laſſen 
fid) die a. a. O. angegebenen Äußeren Kennzeichen, beſonders 
wenn man fie mit dem Foſſil felb vergleicht, fuͤglich mie eins 
ander vereinigen. — Bey dem Verzeichniß der neuen Beſtim 
mungen ber Eigenſchwere verſchiedener Foſſtlien ik ©. 230 des 
IV. Jahrgangs ein Drudfehler eingeſchlichen, der nirgends 
verbeffert il. Die fpecififhe Schwere des Allochroits iſt naͤm⸗ 
ih zu 5,6550 angegeben, kann aber. nur 3,6550 beteagen. 
- Wenigftens fand ihn Rec. bey 15° Neaum. — 8,6576, fo wie 
d’Andrada — 3,575 und Schumacher — 3,731. 8) Im 
Fache der Geognoſie werden ſehr ſchaͤtzbare Nachrichten geliefert, 
bey welchen jedoch Dec. wegen des beſchraͤnkten Raums gegen: 
wärtiger Anzeige fi nicht verweilen kann. Dielem Abfchnitts 
folgen 3) die neuſten Analyſen mineralifcher Körper, 4) Mike 
cellen, die vieles Intereſſante enthalten; 5) eine Darftellung 
der neueften Mineralfpfieme, und zwar im 3. Jahrgange die 
neueften Spfteme von Hauy (mach deſſen Handſchrift) und 
Werner, (mas ſeitdem wieder manche weientliche Veränderung 
erlitten hat), und im IV. Jahrgang Karftens Syſtem der 
mineralogiſchen einfachen Foſſilien (follte wohl eigentlich heißen: 
der orpktognoſtiſchen einf. Foſſ.) nach deſſen Tabellen a. Aufı 
lage und Hausmanns Syſtem der unorganifirten Naturkoͤrper, 
auf welches letztere wir zu einer andern Zeit zuruͤckkommen 
werden; 6). Beförderungen, Ehrenbegeugungen 26.; 7) Nekro 
log; 8) MWeberfiht der neuſten Literatur; 9) Eorrefpondeny 
Nachrichten, die gleichfalls viele nene, zum Theil wichtige 
Anfihten und Winke enthalten. Dec. fchließt dieſe kurze -Auı 
geige mit dem Wunfche, daß dem Herausgeber es nie an Muſe, 
und dem Verleger nie an Abfab dieſes Taſchenbuchs fehlen 
möge, damit das mineralifhe Publicum fiher auf deffen Fort 
fegung rechnen könne. 

— — 


N0.13.° S9eidelbergiſche A811. 


Jahrbücher der Literatur. 


RAUF TUT 











Bier und zwanzig Bücher Allgemeiner Gefchichten befonders ber Euro⸗ 
päifchen Menfchbeit. Durc FJoh an nes von Mül ler. Starsua 
cuique dies. Virgil. 1797. Herqusgegeben nach des Verfaßers 
Tode durch deſſen Bruder, Fohann Georg Müller. Tür 
bingen, in der J. G. Cotta'ſchen Buchhandlung. 1810. Erſter 
Band (ohne das Süubſcribentenverzeichniß) XXX u. 540 ©. 


Zweyter Band. VIII nnd 552.©. Dritter Band. VIIL und 


5326. 8”) ’ , 


Die Anfgabe eines gangen Geſchichtlebens gedraͤngte Re⸗ 
ſultate aus mehr als achtzehnhundert alten und neuen Schrifts 
ftellern, unter originellen Anfihten vereinigt, durchaus mit ben 
echabenften und ſchoͤnſten Gedanken begleitet, liegen in biefen 


drey Händen ‚vor und. Des Gefchichtfchreibers der Schweiz _ 


„jüngere, größere. Tochter, die Gefchichte des menfhlichen Ge⸗ 
ſchlechts⸗“ (Wergk.; Thl. V. der fämmtlihen Werte S. 358.). 
Zufäfligkeiten, welche nicht mehr in des Verf. Gewalt find, 
mahen nöthig, erſt von der Form und Art, wie das Bud 


nun ericheint, gu reden, ehe dem Inhalt die Selbfianfändigung 


uͤberlaſſer werde... Daß des Verf. Abſicht nie geweien, das 
Merk in dieſer Geſtalt in des Publicums Hände zu geben, ift, 
wenn «8 nicht ſchon hinreichend .befaunt, und durch die Vorre⸗ 
den dersumentirt wäre, aus den Grundzuͤgen, ſelbſt näher zu 


erfehen. Es gehörte unter die hoͤchſten Wünfche:des Verf. , 


ob er gleich Bas Werk einigemal umgearbeitet, und fortwährend 


R 1 





*) Wir, hoffen, über dieſes wichtige Bart künftig noch eine andre 
Bautgei ilung unſern Leſern vorlegen zu fönnen, um auch unfere® 
* dazu beyzutragen, daß die Stimmen der geachteſten Hiſto⸗ 
riker unſrer Nation das Publieum zu dem richtigen Urtheile über 
den Ba Diefes Nachlafies von Koh. v. Müller lenken mögen, 
’ ‘ ur wur wo. ., me 
| 15353 


v 











194 Qop.n. Möller Bier und yoanjig Mächer allg. Gefhice 


verbeffert Hatte, noch eine lebte Hand daran zu legen, eben 
‚tene hoͤhern Anſichten wa gereiften Erfahrungen in Ein 
Ganzes zu vereinigen“: voll der Gegenwart beffen, ber die 
Steger bey Zama, Leuktren und Murten, und jenen Eifer 
und Trajan und Tacitus begeiſterte, jedem feine Stelle an 
weifen, und den Finger und Die Wege Gottes anzujeigen 
(Bore. XVI f. vergl. TH. V 109, 346). — Dies ward ihm 
nicht mehr vergönnt. So fehlt dann auch das zweyte, ohne 
das das Werk für viele nur eine anzuſtaunende Hieroglyphe 
ſeyn mag, die ſammtlichen Belege, welche, ebenfalis nach den 
Plane des Berf., als. Anhang, oder auch als befonderes But 
(h iſtoriſche Bibliothek), ſowohl zur Erklärung einzelner 


Siellon, als zu mannigfaltiger Aufhellung der Geſchichte aberhaudi 


folgen ſollie. Bey allen dieſen Unvollkommenheiten, woruͤber hät 


die merbittliche Parce anzuklagen iſt, bleibt dad Werk immerhin, 
‚zugleich mit der Schweiergeſchichte, ein unvergaͤngliches Deut 


mal des Verf., deſſen Geiſt, je größer die zu belebende Maſſe 
war, zu nur um fo hoͤhern und umfafiendern Ideen fh aufı 
zuſchwingen vermochte; umd öffentlichen Dank gebährt den 
würdigen Bruder deffeiben, daß er dieſe, „aus dem Ghifi 
bruch feiner Sachen *gerettete Reliquie, zuerſt unter da 
posthumis, mit aller ihm möglichen Sorgfalt miisgetheilt hat. 
Die verſchiedenen Auſichten und Erwartungen eines mät 
immer billigen Zeitalters muachen zur Pflicht, bey der Anjeige 
eines foichen Werks zuerſt den Geſichtspunct zu beſtimmen, 


._. ans dem er nach feiner wahren Geſtalt und Werth näher 8 
beurtheilen iſt. Diefer lege in der Entflehung und dem 77 


fondeen Zweck des Werks. Es if nice die Rebe etwa von 
einem bloßen Ideal der fogenannten Univerfalgefchichte; miät 
von allen jenen Fragen, Aber die bald Philoſophen, bald fimple 
Hiſtoriker, jeder Theil gewöhnlich nur einſeitig, abſprechen: 
ſondern von der Sache; von der eigentlichen Tendenz bey dem 
Vortrage allgemeiner Gefchichten für unſer jetziges, Europhiſches 
(befonders Deutſches) Zeitalter; um vorzuͤglich Juͤnglinge auf 
das Weſen des Geſchichtſtudiums, Männer auf die Zwech 





t 


Job. v. Noͤler Vier und zwansig Bücher allg: Gelchichten. 195 


heſſelben hinzuleiten. Daher if gleich in der Einleitung keine 
kere Definition von Univerſalgeſchichte, fondern vielmehr eine 
deduction ihres Gegenſtandes ſelbſt und der Srundfäge, von 
weichen alle, Gaſchichte ausgeht, und auf die fie wieder zurüdk 
kmmt; für die Beurtheilung ihrer Zwecke find ferner .alle 
formen ber bürgerlichen Geſellſchaft, nicht bloß, wie fie au 
k4 find, der Theorie nach, rein und ungemiſcht, fondern wis 


he bewoͤhnlich in der Erfahrung erſcheinen, ohne Vorliebe für 


hieſes, oder jenes Syſtem vorausgeſtellt. Kurz, nicht allein 
Bag und Wie allgemeine Geſchichte ſeyn foll, fondery 
Bozu? Die Beziehung auf die wichtigften Intereſſen des ges 
häihaftligen Zuſtandes, und auf unfere gegenwärtige Page 
laicht ſowohl pragmatiſch, ale wahrhaft praktiſch), das iſt Die 
Hanptaufgabe; oder, um des Verf. eigene Worte zu gebrauchen, 
„wie den Thatſachen nach aus den zuverlaͤſſtgſten Quellen, fo ſollte 
dieſe Geſchichte dem Seiſte nach aus dem tiefften Gefühle der. Be⸗ 
birfniffe- unſers Zeitalters geſchrieben ſeyn, und eingedenk Der 
Vachwelt* (Vergl. Th. IV. ©. 285, 287, V. ©. 314) 
Nah dieſem Geſichtspunct wird das Werk auch auf ‚Nichts 
hiſtoriker den Eindruck machen, der großen Auſichten nie fehl 
Für das Forum der —** iR, neben dieſer Auszeichnung, 
nech beſanders wichtig, zu erfahren, wie der Verf. in Erfor⸗ 
Mung Der Tharfachen feine von wenigen erreichte Selehriams 
bit genußt, ‚umb wie er bey der Anordnung der ‚grängenlofen 
Dafe gu Werk gegangen. Wenn auch gu jenem, wie wir 
bereits bewerte haben, der Schläffel größtentheils fehle, fo liegt 
berin defte mehr Aufforderung, denſelben felb zu. finden 
(wo aur Imser die ‚Außern Umſtaͤnde es begünfigen;) was 
aber Die Verhindung und den Plan des Ganzen betrifft, fo 
llgt dieſer, ungeachtet das Wangerüfle abgebrochen ift, offen 
genug da; gerade dasjenige, mas. die Univerſalhiſtoriker ſchon 
kit geraumer Zeit vorzuͤglich heſchaͤftigt. Wir heffen daher, es 
wide nicht garz ohne Verdienſt fegn, wenn wir nach Maßs 
gabe dieſer Welärter vorzüglich auf das Leitere hier Ruͤckſicht 
uhmen „werden: . Indem wir aher. Lem Gange des Verf. 





196 Koh, v. Müller Vier und zwanzig Bücher allg. Gefchichten, 


folgen, wird fih von ſelbſt Selegenheit geben, auch auf die 
Kritik wenigftens hinzuweiſen, und überall auf den Geiſt, als 
das Unftecblihe des Werks. 

Der Zufap des Titels Europaͤiſche Menſchheiter Hat ſchon 
dem J. Buch eime von der bisherigen Darfiellung der Allee 
meinen Geſchichte abweichende Form gegeben. Alles, was fonf 
unter der Geſchichte der alten großen: Monarchieen vorfommt, 
iſt Hier nur in jener Beziehung nach den wichtigſten Mom 
ten zufammengefaßt, vom Urfprung des menſchlichen 
Geſchlechte bis auf den Trojanifhen Krieg, al 
der erfien, nach dem Pan des Verf. anzmehmenden - Periode 
in den Verhäftniffen zwiſchen Afien und Europa, fo wie bereitt 
die allgemeine Periodirang vorne in der Einleitung mit wenigen 
Sügen, auf die neueften Revolutionen Europa’s hinweißt. 
Freylich ſchließen auch ſchon die erften Capitel von der Hs 
kunft unferes Geſchlechts ganze Commentare in fih, besgleichen 
die dem Verf. eigenthümliche Zeitrechnung, worüber wirklich 
im VII. Theil der fämmtlichen Werke eine nähere Abhand⸗ 
lung erfchienen iſt. — Perſien, ein Land von uralter, hohe 
Cultur (das afiatifhe Sermanten ?), dann Aſſyrien, die Gefſilde 
des Weberfluffes, find zwar an den Anfang. der Geſchichte ger 
ſtellt, Cap. 4. 5. Bon: ihnen fällt aber dee Blick ſofort auf 

die Kuͤſte, von welchen alle Kenntniffe des Innern Aflens nah 
Europa kamen. Dazwiſchen ein Seitenblick auf Kolchis und 
Scythien; von den Arabern und Inden einſtweilen nur ihre 
Eriftenz, Cap. 6-8, Bis fie wirklich in der Geſchichte auftreten. 
An den Phöntciern iſt zuerft gezeigt, „daß die größten Ding 
durch die kleinſten Völker geſchehen, weil diefe der Anſtrengung 
bedürfen“, &. 35 Aegypten und Kleinaſien, Cap. 9, 20, geben 
den Uebergang auf Griechenland; deffen erſte Wenölferung, 
Cap. 11; Kreta, Cap. 12; den Zrojanifchen Krieg, Cap. 13; 
und auf die Altefte Gefchichte Italiens, Cap. 14. Wir fehen 
alfo, wie von Anfang an vorzuͤglich diejenigen Voiker ausge: 
hoben werden, welche auf Enropa Einfluß Hatten, fo mie der 
gegebene Impuls fortwirkte Das erſte Buch kann als Eim 





Joh. v. Müller Bier und zwanzig Bücher allg. Befchichten, 497 


leitung zur Geſchichte ber alten Freyſtaaten, dem Segenfland 
der ſieben folgenden Bücher (des erſten Bandes), betrachtet wers 
dem, Ueber einzelne Stellen bemerken wir, daß die Sage vom 
alten Lektonien auch von dem Verf. als wahrſcheinlich ange⸗ 
nommen wird (vergl. ſaͤmmti. Werke Th. V, 152). Es 
moͤchte alſo auch die Hypotheſe von De Lus (in den Briefen 
on de la Metherie) hieher gehören, fo lächerlich Heinſe 
bie Voeſtellung auch gefunden bat (Gleims Nachlaß 3. Bd. 
®. 2ı). Hoͤher Hat vor. einigen Jahren Schelling die 
See aufgefaßt. — Was für univerſalhiſtoriſche, bisher von 
wenigen beachtete Folgen Joſua's Waffen Hatten, ift von 
dem Verf. ©. 40 angedeuter, und mit den näheren: Gränden 
in den Briefen. Th. V S. 79 ausgeführt. — Ob Reſan, 
ein Vorfieher der Rhaͤtier, ©. Sı nicht eine eben fo fabelhafte 
Perſon fey, wie andere angebliche Volksſtifter, Shaut (Diet 
wird noch im dreyzehnten Jahrhundert für Volk gebraucht), 
oder auch der Phöniciihe Thor, Thayıb, ©. 30, laffen wir 
dahin geftellt. — Der Name Tusken ſcheint uns eher deu 
Keltiſchen, als der Griechiſchen Sprache anzugehören, ©. 51. 
— eher die Kenntniffe der alten Völker Staliens verdienen 
befonders. die Stellen des Livius I. od. 80. 31. näher ver⸗ 
slihen zu werden. ’ 
Das. II. Buch umfaßt die wenigen fabelhaften, aber doch 
nicht ſehr befannten. fechs Jahrhunderte von Troja's Zerftörung 
bis auf Solon, oder die Zeiten des Urſprungs freyer 
Berfaffungen. Der Verfall des alten Aſſyriſchen Reichs, 
die Entſehung neuer Staaten Ms bemfelben, die politiiche 
Abnahme Aeghptens, werben in den zwey erfien Eapiteln nur 
nah dem Wefentlihften, und fogleich die Entfiehung und Bil⸗ 
dung von jenen, Eap. 3.ff., gezeigt. Die Erhebung Laccedaͤ⸗ 
mons; Lykurg's Geiſt, befien Wert 706 jahre lang fland, und 
wovon noch jet in den Mainotten Spuren find; gegenüber 
Athen unter feinen Geſetzgebern; „Solon liebte feine Mits 
menſchen, und hätte fie über die Lebensmühe tröften mögen‘; 
©. 74. Die Rergleihung der Heyden Zrenftaaten (wie Zürich 





193 Joh. v. Müller Bier und swanzig Bücher allg. Geſchichten 


und Bern) fält Hier zum Vortheil des erfiern aus; „dh 
fommt es auf die Idee an, bie man vom Zweck der Menſch 
beit hat.“ Im 6. Cap. find bie übrigen Lienen Republiken 
in Griechenland und Kieinaflen aufgegähle, und durch ihre 
Eolonieen den Uebergang gemacht auf zwey noch in größerm 
Eontrafte ſtehende Republiten. Rom (wie es von ben Griv 
hen unbemerkt den Srund feiner künftigen Größe gelegt (Las 
tium!); doch gab es auch Römer, welche fi im der Ablei 
tung von Griechen gefielen); Erſte Verfaſſung ber tat, 
Cap. 8. Karthago, unter den Puniſchen ColonteenSemporfts 
bend, aber mit Afrikaniſchen Sitten, Eap. 9. (Wie weit ihr 
©eefahrer gelommen find, kann noch weniger entfchieden wer 
den, als bey den Phoͤniciern ſelbſt. Die durch Plato aufbe 
haltene Aegyptifche Gage von einem Im Weltmeer verſunkenen 


Land (©. 107) gehöre auch noch zu dem, was oben von 


Lektonien vorgefommen If. ! 
Ehe die Geſchichte der Griechiſchen und Römifhen Frai 


| Heit weiter verfolgt wird, find in zwey befondern Bädern, 


IH. und V., die Quellen ihrer Geſchichte aufgeſtellt. Drandıs 
haͤtte ſich freylich auch ſchon im Zufammenhang anbringen laſſen, 
wie es zuvor bey den Homeriſchen Geſaͤngen geſchah, ©. 47, 
und beym Siciliſchen Krieg über Thnchdides, S. 247, Allen 


es iſt dem Verf. die claſſiſche Literatur auch eine Welt, bie in 


der Geſchichte ihre eigene Stelle einnimmt, oder vielmehr uͤder | 
ihr ſtralt. Daher dieſe zwey befondern Abſchnitte zwiſchen 
den übrigen Buͤchern. Wir finden hier auch die erſten Ein 


driuͤcke von dem Studium DÄP Alten wieder, welche ser Verſ. 


in feinen Briefen mit fo wahren und friſchen Farben gegeben 
hat, nur durch fpätere Prüfung theils beſtaͤtigt, theils berich 


‚ tigt. Der Raum verbietet uns aber, hier weiter darauf ein 


zugehen. 
Nah einer ſehr einfachen Periodfrung ber Griechiſten 


und Noͤmiſchen Geſchichte (Anf. des III. Buchs) folgen die 
Nevolntionen Griechenlands von Sotons Zeit 


Bis auf die Romiſchen Eroderungen. IV. O4 


Joh. v. Muͤller Vier und zwanzig Bücher allg. Gefchichten. 199 


Don dem Athenienſiſchen Begebenheiten unter Pifiratns, Cap. 2, . 
eht Die Geſchichte zuruͤck auf die Perſer, Cap. 2, da der 
Zufammenhang «6 nöthig macht, wie bey Herodot, der hier 
Driginalquelle und. Mufter zugleich if. Bey dem Perſiſchen 
Kriege, Cap. 3, „wo die Kraft eines freven Volks für das, 
was ihm das Theuerfte ift, ſich gezeigt“, gebt die Darſtellung 
der That des Leonidas, wie fih erwarten läßt, über alles, 
An der Oberherrſchaft Athens werden zwey dunkle Seiten aus⸗ 
geſtellt, ihr eben fo Harter Druck, als der Perfifhe, „ein auf 
Freyheit eiferſuͤchtiges Volk gönnt le ſelbſt feinen Angehörigen 
nihe“ (mie die Schweizer ihren Unterthanen); denn der 
Undant einer aus Handwerkern und Meatrofen beſtehenden 
Gemeinde gegen eine Reihe der verdienteſten Männer, neun 
große Beyſpiele bis auf den Mater des Geſchichtſchreibers Laos 
nitus Chalkondylas. „Die leute eigene That; vor der gaͤnz⸗ 
lihen Unserjohung durch die Türken war Undant.“ Cap. 4 
"OMiurrog Ispixdäs, Cap. 5, und fein Werk, der Pelopons 
nefifche Krieg, Cap. 6. . Der Bicilianifhe, von Alcibiahes 
angeathen, Cap. 7. „In diefem hätte Athen ein Rom wers 
ben können, wenn es nicht ſelbſt feinen Untergang befördert 
hätte, Schonung der Lacsdämonier gegen die Stadt, welche 
Griechenland von den Perfern befreyt hatte, Cap. 8, und wie: 
erſt nach dem Verluſt der Oberberrichaft in den Gärten bes 
Lyceums und.der Akademie ein fchöneres Reich bluͤhte. Obers 
hertſchaft und Ausartung der Lacedaͤmonier, Cap. 9. Epas 
minondes. fliegt vermitteiſt ber fchiefen Drbnung, deren Ges 
Heimniß die größten Helden mach ihm Bis auf Friedrich IL, 
benutzt, Cap. 10. Bein Fall, Griechenlands lingläd, Cap. 11. 
Soldaten, Zeroi, ſchon im Peloponeſiſchen Krieg entſtanden 
(8. 153), mehren fih, S. 156. Diefe, nur dem Krieg 
lebenden Menſchen veränderten die Lage ber Welt, Griechiſche 
Miethſoldaten erhalten zuletzt noch das Perſiſche Reich ( wis 
Germanen das Römiihe). — Philippns, ein Schaͤler des 
Epaminondas; die Phalanx, Tap. 10. Alexander, nach. der 
Zerſtoͤrung des rebelirenden Theben,. „ang aus won Pelle, und 


200 ob. v. Müller Bier und’ zwanzig Bücher allg. Gefdhichten, 


übertvand Allen His an den Ganges.“ Wende Welttheile dürch 
Vermifhung der Gefchlechter und Bitten zu Einem Bolt zu 
verbinden, dazu war wohl ber Schuͤler bes generalifirenden 
Ariftoteled am meiſten aufgelegt, Cap. 13. Nah ihm aber 
erfcheinen „bloß kriegeriſche Talente, wodurch ‘gemeine Schu 
ten, vermittelt Bravheit und Verſchwendungen, Herren der 
Völker wurden, welche bie Unkoſten tragen mußten. — Dee 
Menſch kommt nicht mehr vor, nur Truppen, um fo fteahafter, 
je mehe fie Maſchine find.“ S. 161. Die aus der Maredos 
niſchen Monarchie entflandenen Neiche find nach den Haupt 
ſchickſalen der Fuͤrſtenhaͤuſer (deren Geſchichte an ſich nicht 
wichtiger iſt, als die der Theikingen nach Earl dem Großen; 
ihre Vergleichung zeigt nur, „daß es für den Menſchen ein 
Ungluͤck ir, allen feinen Willen thun zu koͤnnen“, ©. ıqı) 
in gedrängter Kuͤrze dargeſtellt; und es iſt dein Verf. auch die 
Macedoniſche Weltherrfchaft, wie die ältern Monarhieen. nidt 
fowohl Zweck, als vielmehr Mittel und Vorbereitung zu der 
. daraus hervorgehenden Geſchichte. | 

Die Republik Rom, im VI. Bud, iſt nad der Grin 





viſchen Geſchichte wohl mie der meiſten Liebe behandelt. Der | 


WVerf. geht zurüd auf die anfänglich geringe Macht unter den 
Königen, Cap. ı, „kein Dann, kein Staat, welcher Beharr⸗ 
lichkeit hat, laſſe ſich durch anfängliche Mittelmaͤßigkeit ſchrecken“, 
S. 206. Die innern Veraͤnderungen und die Kriege ſind 
‚ parallel miteinander fortgeführt. Vom Volkstribunat heißt es, 

Cap 3, ihm ſey zu danken, daß bey allen Gährungen und 
Ausbruchen in diefer milltatriſchen "Stade His in ihr Gas. Jahr 
fein blutiger Auftritt geweien. Voraus if bemerkt, S. 208, 
„der mehrhunvertjährigen Freyheit und der noch längern Welt 
herrſchaft fen Rom dadurch am würdigfien geweſen, weil nicht 

. det ein Semeinweien mit gleicher - Standhafrigkeit ‚fo wie 
Gelehrigkeit für Maßregeln, die ‚feinen liebſten Sitten Abbruch 
zu thun ‚dienen , und für ‚die Amalgamirung befferer Einrich⸗ 
tungen mit einheimifer Yet und Kunſt verband.“ — Wie die 
Guallier hereingekommen (mas auch. ſchon bey der. Maced. Cu 








Joh. v. Muͤller Vier und zwanzig Guͤcher allg. Gefchichten. 201 


fhichte, IV. ©. 15. Cap., berührt worden,) und die Übrigen 
Kriege diefer Periode erzählt das 4. Eap., hin und wieder 
auch die Gleichzeitigkeit mie Griechiſchen Geſchichten berührend ; 
namentlich wird bemerkt, was wohl gefchehen feun würde, 
wenn Ateranders Phalanx gegen den Befleger Samniums fi 
verfucht Hätte, S. Sıı, und wie Pyrrhus mit wenig Gluͤck 
an jenes Stelle trat, Eap. 5. Nach der Bezwingung Staliens 
zeigt das 6. Cap. die innere Verfaffung der Stadt, Geſchichte 
dee XII Tafeln, und das 7. Cap. Roms Verfaſſung übers 
haupt. Ihre Vorzüge: genaue Abwägung und Verhältniß der 
Sewalten. Im Conſulat die Würde und Kraft ber Monarchie; 
die Ariſtokratie im Senat, in der Gemeinde die Demofratie; 


400 Jahre nicht mißbraucht bis zum Aflatifhen Sietenverderbs 


nid. Senat und Volk, wie Vater und Kinder. Jenes allein 
das bleibende Collegium, alle andere Staatsſtellen vorüberges 
bend. In der Noch immer am größten, zeigten die Römer 
alle Kraft eines Volks und die Behendigkeit einer concens 
trirten Gewalt. — Noch ein ausführliches Tapitek If dem 
Mikttairweien gewidmet, für Nom fo charakteriſtiſch, wie für 
England das Seeweſen. Einrichtung der Heere: WBergleihung 
ber Legion: mit der Phalanr, die Taktik. In Betreff des 
cuneus wird Kaiſer Leo’s VI. Beſchreibung berichtige. (Es 
durfte bengefügt werden, daß dieſe Art Schlachtordnung im 
ganzen Norden gefunden wird.) Es find auch Eap. 9 noch 
be ontes-die fpätern Schriftſteller vom Roͤmiſchen Kriegsweſen 


bis auf Q. Icilius und Algarotti, Friedrich's II. Freunde, | 


aufgezählt: Kein Volk Hat Rom fe nachgeahmt, oder erreicht; 
ed gehörten dazu, Roͤmiſche Sitten, Cap. 10. Die Darftellung 
von dieſen if :mehr als irgend eine aus der Fülle der Alten, 
und eben Daher keines Auszugs fähig. - Vom 11. Eap. an die 
answärtigen Kriege, welche die Weltherrſchaft begründet. Karı 
thago, fchon im Verfall der Sitten, Miethtruppen bedürfend, 
batte doch Hamilkar, Hasdrubal, Hannibal. Der Anlaß, aus 
denen die. Römer das Cisalpiniſche Sallien erobern, ©. 249, 


MR nicht gefagt. - Nach dem zweyten Puniſchen „Kriege der 


/ 


202 Job. o. Dlüßer Vier nad mwannig Bücher allg. Geſchichten. 


©taatsfehler des Maceboniichen Königs, daß er Karthago. nicht 
bengeſtanden, Cap. 15. Wach aber wollte Rom lieber Königs 
veiche geben, als beherrfchen, zur Zeit des Siegs über Antio⸗ 
Aus und Perfeus, Cap. 15. Dazwiichen der Ausgang Sci⸗ 
pio's und Hannibal's, Cap. 14. Beym dritten Punifchen 
Krieg, Cap. 16, der alte Cato; Karthago’s Ball in wenigen 
Zügen ſchauderhaft; ; der gleichzeitige von Korinth, Cap. 17. 
Mad dem Achälfchen die Spanischen Kriege, Tap. 18, welche 
wehr als irgend ein Land, in kriegerischen Anſtrengungen übten. 
Die Srachen, Eap. 19. Seit dem. Heimfall von Kieinaflen 
Anfang der Innern Verderbniffe. „Die Weltherrſcherin Rom, vom 
Blut der Nationen trunken, fing an, in ihre Eingeweide zu 
wuͤthen.“ — Nordiſche Kriege; die Cimbern, Cap. 20. Mi 
thridates großer Plan, Cap. 22. Im aa. Eap. die gleichzeitis 
gen Innern Unruhen. Beym Aufſtand aller Italieniſchen Städte 
gegen Rom zugleich Die Nachricht der Ermordung. von Bo,000 
Römern in Kieinafien, und der Bewegung des Pontiſchen 
Königs und des ganzen Norden. Schwer ift, auch nur die 
größten, Zäge in den folgenden Eapiteln (aa —30) auszuzeich⸗ 
nen. Marius, im Kerker von Minturnum, zu dem bewaffue 
ten Eimber, der ihn toͤdten follte: „Wer bil du, o Menſche! 
©. 281. Dann feine und des Oulla Schreckensſcenen, nad 
welchen der Ichtere den Zunamen des Gluͤcklichen nahm. — 
- Dompejus mir Caͤſar verglichen, erinnert an bes Werfaflers 
fräbere Aeußerung (Briefe an Bonſtetten:), „ich fühle, daß 
Caͤſar noch Helvetien überwinden“; doch ift auch, des erſtern 
Größe im Ungluͤck fo beſchrieben, daß man glaubt, wie Caͤſar 
benm Aublick feines: Hauptes weinen Eonnte*, S. 3:3. — 
„Wenn Cicero nah der Befreyung Noms von Catilina den 
Muſen gelebt hätte mit feinem Atticns, fo muͤrde mancher ſchwache 


Bug feiner ſchoͤnen Seele nicht erichimen fun‘; &. eo. — 


„Mit mehr Nachgiebigfeit wärde Ca to vieleicht. feinem Va— 
serlande müslicher geweien ſeyn, wenn er Caͤſar uͤberlebt hätte; 
ober ein Cato warde der Seſchichte der Menſchheit fehlen.“ 
©. 997, 316. (Dan muß die lezte Osite ganp lefen.) — 


> 


Joh. v. Muͤller Bier und zwanzig Bücher allg. Gefchichten. 203 


„Wenn Caͤſars große Seele alles ſehen konnte, was nad ihm 
geſchah, ob er fi felbft anflagen mäßte“? &. 320. — Diefes 


VI Bud, ſchließt mie der Bereinigung aller Macht in Einem, 


„der die Roͤmer funfjig Jahre um ihre Republik betrog“, 
©. 327. 

Die Aufichrift des VII. Bus: das Romiſche Reich unter 
Kaifern , fo lang die Formen der Republik blieben, wisd durch 
die Bemerkung ©. 335 gerechtfertigt, daß die neue Monarchie 
bie Srundfäge der Monarchie nie eigentlich aufnahm , wie denn 
‚ou; beym völigen Verfall des Geiles und der Sitten der 


Republik nichts war, was das planlofe Wert vom Zufams 


menfturg abhielt. Erſt unter Diocletian, heißt es ©. 362, 
wurde die Form der Verwaltung wefentlich geändert, daher 
mit dieſem das VII. Buch endigt. (Sollte aber nicht ſchon 
die Abſchaffung der Tomitien unter Tiberins, unter welchem 
die Romiſche Geſchichte bereits „traurig" zu. werden anfängt, 
als der erſte Schritt zu jenen Veraͤnderungen zu betrachten 
ſeyn?) Diefes Buch beſchaͤftigt fih hauptſaͤchlich mit der 
Charafteriftit der Kaifer (da auch die Staatsverwaltung größs 
tencheils mit ihren individuellen Cigenfchaften zufammentrifft) 
Dreyerley Perioden , alte Kraft in auswärtigen Kriegen, innere 
Darteyungen in offenem Ausbrud , und hinterliftige Grauſam⸗ 
keiten fehen wir wechfelsweife ih wiederholen, nad der Ber 
ſchaffenheit des an dee Spige fichenden. Nah Nero bes 


reits Buͤrgerkriege. Unter den Flaviern beffere Zeiten, ale je; 


Uebergang des Stoicismus in das Öffentliche Leben ( jedoch 
nicht ganz ohne nachtheiligen Einfluß, versl. S. 351). Da 
fhienen die Kaifer nur ‚die beflen und. weileflen Bürger zu 


feyn. Nah ihnen Verwirrung, befchleunigt, umter eben fo . 


ſchnell wechſelnden Kaiſern. 

Zu dieſer Charakteriſtik (wovon wir einige Züge (don im 
T. Theil der Schweizergefchichte lafen) gibt das VIII. Bud 
eine "Schilderung des alten Röimifhen Reis, 
bes Anfangs der Völkerwanderung and verfhies 
denen Innern Veränderungen. In Ruͤckſicht des er⸗ 


/ 


N 


204 ob. v. Müller Bier und zwanzig Bücher allg. Geſchichten. 


fern braucht der Verf., wie überall, mo etwas Beftehendes zu 
üderfehen iſt, die Methode einer in die Runde gehenden Bu 
ſchreibung; fängt hier an bey Afrika und den Veraͤnderungen 
dieſes Welttheils unter den Roͤmern; geht herauf nach Syrien 
und SKleinafien, vdeffen großen und herrlichen Städten, und 
tommt, nah allgemeiner Vergleihung des Süden und des 
Drients (Tap. 4), auf das NRömifche Europa vor dem Zerfall, 
Eap. 5. „Ein herrlicheres Neich hatte nie geblüht, — es war ein 
Harter Schlag für die Menfchheit, als es fiel, ja wohl, da es 
errichtet, und über fo viele Millionen die. hoͤchſte Gewalt Einem 
Sterblichen anvertraut wurdes! &. 384. „Stalien, fagt w 
vorher bey der Durhmwanderung der einzelnen Staaten, „dei 
Sieg des Weltreihs nach Virgil und Plinins zu loben, wäre 
eine unndthige Kühnhelt“, (&. 577). „Wie groß und ſchoͤn 
war alles unter Trajan“! — Nun von den barbarifchen Läns 
dern im Morben überhaupt, Cap. 6, und von Deutfchland 
Befonders, Cap. 7, nicht allein nach den Nömifhen Quellen, 
über die hier noch eine nähere Kritik vorausgeht (als oben im 
V. Bud), fondern nad der vertrauteften Bekanntſchaft, auch 
mit den fpätern Belegen aus dem Innern der Nation. Oben 
in der Geſchichte Edfars möchte man. vermiffen, daB beym 
Sallifhen Krieg zu wenig von den Germanen gemeldes wird, 
und bey der Pharfaliihen Schlacht, mo bekanntlich folche 
Soͤldner entfhieden, nichts, wie dieſe in Eäfarg Heer gekom⸗ 
men? Hier iſt num alles in feinem Zufammenhange. Wehr 
reres aus der Deutihen Kriegsgefchichte, Cap. 8, Tann zur 
Erläuterung des VII. Buchs dienen. Gteich tiefe Aufichläffe, 
wie das 7. Cap. von den Deutfhen, gibt das g. von ber 
Herkunft der Gothen bis gu iheer Erfcheinung an der Roͤmi⸗ 
fhen Graͤnze. „Diefe Voͤlker find es, die in wenigen Jahr 
Hunderten der halben Welt eine andere Beftatt gaben“. &. 384. 
Die bereits beruͤhrten Veränderungen in der Roͤmiſchen Ber 
"faffung haben ihren Grund in ber von biefer Seite entflande. 
nen Gefahr. Mitregenten, Cäfarn, gerheitte Gewalt follten die 
Behauptung erleichtern; verurſachen aber bald noch groͤßere 


‘ 


Job. v. Muͤller Vier und zwanzig Bücher allg. Gefthichten. 205 


Verwirrungen. Eonftantin’s Uebergang zum Chriſtenthum gibt 
Anlaß, die Religionsgefhichte, im IX, Buch (als 
Epifode) zu geben. Ungeachtet dieſes Städ, nad) der Wors 
rede, zuerf eine neue Umarbeitung erhalten follte (der Ent⸗ 
wurf dazu ſey verloren gegangen), fo geficht doch Diec., daß 
fhon die Hier. vorgelegten Anſichten, nebft der Darfiellung, in 
ihrer Art ihn befonders angegogen haben. ‘ Leber Moſes 3. ©. 
hat er nie etwas Schöneres gelefen: aber der Kaum gebietet 
immer mehr Verkürzung diefer Anzeige. Wir bemerken nur, 
daß ber Verf. für eine genffenbarte Urreligten ik, oder füs 
„dem Alteften Menſchengeſchlechte vom Schöpfer eingegebene 
Wahrheiten“, die, nach vielfältiger Entßellung, von Moſes 
und Jeſus besichtigt wurden. Ferner, daß er die Bücher 
Mofis nah ihrem Inhalt, wenn auch nicht nach ihrer Form, 
für echt hielt, und eben fo die ewangelifhe Geſchichte, wenige 
fiens nach ihren wefentlichen Theilen, für. hiſtoriſch wahr, auch 
die Himmelfahrt, wiewehl er ſich nicht weiter darauf einläßt. 
Zu ben vortrefflichfien Stellen gehört das Bild, . in welchem 
Jeſu's Ankunft befchriehen if, S. 457 fe Das chriſtliche Re⸗ 
ligionsſyſtem möchte wohl einigen zu einfach fcheinen; im Grund 
kann aber nicht mehr gefagt werden, als S. 460. Eublid 
leitet der Verf. die erfien Veranſtaltungen des Chriſtenthums 


ans einem hödft felten auf unſern Welttheil einwirkenden Lande, 


aus dem Außerfien Aflen her; Gnoſticismus, ©. 463. | 

Das X. Buch nimmt den Faden des VIII. wieder auf, 
fhlldere in den vier erfien Kapiteln die weitern Kaifer bis 
Valens, im fünften den Verfall des Reichs. Nahdem der 
Conſtantinopolitaniſche Hof angefangen, ſich zu orientalifiren, 
entihtwand auch dem Heer der militairifche Geiſt; das größte 
Uebel aber war die Öffentliche Immoralitaͤt und Bedruͤckung. 
Unter dee Auffchrift: die Hunnen, Cap. G, ift gezeigt, wie . 
ein in Eina ſchon zur Zeit der erften Caſcen gefoͤhrter Krieg 
Veraulaffung zum Untergang des abendländifchen Reichs wurde; 
zugleich find bie Reſultate Aller Unterſuchungen über die Hun⸗ 
niſche Geſchichte Hier zufammengebränge. Als erſte Folge des 


206 Joh. v. Waller Vier uud zwanuig Bücher alle. Gefehichten, 


Hunniſchen Stoßes die Gothen im Nömifchen Reich, Cap. 7. 
Sin den zwey folgenden Capiteln Hält fih der Verf. noch an 
die Kaiſernamen von Theodoflus bis Walentistan IEL, um in 
dem von allen Selten gegen Rom und feine Provinzen herein: 
brechenden Gewuͤhl einen Leitfaden zu haben, wiewohl auch 
ein Capitel die Auffchrift Attila verdient hätte. Zu den ex 
habenften Darkellungen gehört namentlich die Schlacht bey 
Chalons, Anita’s Anrede, und am Schluß des 9. Edp. fein 
Ende, und feib feine geheime Beſtattung; „alle Arbeiter am 
Grabe Cin der Nacht) wurden nusgebracht, auf daß kein Sterb⸗ 
licher verrathe, wo ber Hunnenheld ruhe.“ (Der Weſtgothe 
Alarich wurde unter einem zupor abgegrabenen Fluß bey⸗ 

gefeßt, „auf Daß nicht Romiſcher Betz ihn Abeee, ©. Sao). 
Das legte Capitel beſchreibt den Untergang bes. abenbihnbifien 
Kaiſerthums. Im Uchergang auf die folgende Periohe fast 
bie Schlußbemerkung: „das Geſchaͤft der: Berhichtfchreibung 
wird traurig nah dem Untergang dee Freyheit Roms: Eabis 
nete verbergen die Triebfedern der Geſchaͤſte; Aber Prinatvori 
theil vergeffen die Schriftfichier das gemeine Weſen, usb. über 
haupt if} bey wenigen Voͤlkern und Regierungen. Man bemerk 
ih, Hauptgegenſtand bleibt bie Verhaltniß der Mat 
verfhiedener Staaten, und das, worauf dieſelbe bes 
ruht, darunter auch ber Charakter ber Nationen (wo einer 
esiftire).“ 

Sm XI Bud (Anfang des 2. Bandes) dient wa vr 
alte Umfang des Nömifchen Neichs zur Grundlage wenigſtens 
negativer Einheit. Was andere das Germauiſche Zeitalter 

nennen, oder auch das Ende der Voͤlkerwanderung, heiße Hier: 
allmälige Einrichtung der barbarifchen Voͤller Aber bes Truͤm⸗ 
mern des abendländifhen Kaiferthums. Es werben demnach 
aufgezaͤhtt die Oſtgothen und Langobarden in Italien, das 
Neich Burgundien, die Alemannen, das Reich ber Franken, 
die Weſtgothen in Spanien, die Angellachfen in Grisanuie, 
in eben fo vielen Capiteln, jedoch fo, daß bey dieſer, wie dep 
den folgenden ethnographiſchen Darſtellungen immer die allge⸗ 


\ 











ob. v. Muͤller Bier und zwantig Buͤcher allg Geſchichten. 267 


meinen, oder mehrern zugleich betreffenden Verhaͤltniſſe im 
Ange behalten werden‘ Hier iſt noch befonders gezeigt, wie bie 
Altgermaniiche Verfaſſung, bey jedem diefer Völker unter eiges 
nen Deodiftcationen, geblieben. (Nur ſcheint uns Allodium 
nit von Loos herzutommen, IL. ©. 19, fondern von dem 
olten Wort Odel, freyes Erbgut, woher auch die Adelihen 
(nicht von bloß perſoͤnlichen Vorzuͤgen, vergl. I. ©. 390) ihre 
Benennung haben. Vom übrigen mitternädtlihen Lande ift 
gut geſagt, &. 40, „es leuchte nur einige Helle nach und nach 
hervor, nicht wie von Gonnenlicht, Tondern wie Nordſchein.“ 
Zulegt Sommt der Verf. auf Eonftantinopel, Cap. B, oder die 
Ueberreſte des Nomiſchen Reichs. Diefe Ordnung iſt im Gan⸗ 
zen auch in ben naͤchſtfolgenden Baͤchern befolgt. Hingegen 
fielle ſich noch ein neuer, ſelbſtſtaͤndiger Theil der allgemeinen 
Geſchichte der Germanifhen Völker gegenüber, dr Mus 
bammedanismus und das Chalifat. Den Urfprung 
von jenem, die Errichtung von diefem, und wie die dadurch 
bewirkte Revolution die größere Hälfte der alten Weit umfaßte, 
zu zeigen, gehe die Geſchichte im Anfange des XII. Buchs 
abermals nad Aſien zurüd, Wenn der Verf. Arabien bes 
ſchreibt, Cap. ı , fühlen wie uns eben fo umter jenen Simmel 
verfeßt, wie zuvor unter den Sriechifchen und Italieniſchen, 
oder ſelbſt auch bey den Hiognu unter den ihrigen. — Der 
Islam, nicht eine neue Lehre, nur eine der Vorftelungen und . 
Deigungen der Morgenlaͤnder angemefiene Ausmalung der 
Lehre, die fo alt iſt, als die Welt, Cap. 2, und doch iſt niche 
einmal ausgemacht, ob der große Prophet lefen und fehreiben 
konnte, vergl. S. 67. — ‚Chalid ſchonte auch die Chriften, 
nur nicht die Mönche" „das gefcherne Satansgeſchlechte“; &.60, 
Bey der Ausbreitung des Arabifchen Reihe, Cap. 3—7, 
werden etwas unbequem die Araber in Hinduſtan, Cap. 6, 
zwiſchen die in Spanien umd Frankreich, Cap. 5, 7. vergl. 11, 
gefeht. Hingegen vor dem Zufammentreffen von Abdorrahman 
und Earl Marteli bey Poitiers wird mit Bleche erft die Lage 
und Verfaſſung ber germaniſchen Volker nach ber bereit) be⸗ 


205 Joh. v. Müller Vier und zwanzig Bücher allg. Seſchichten. 


merkten Ordnung beſchrieben. „Das Chriſtenihum und ber 


Islam wurden zur ſelbigen Zeit durch die gleichen Mittel anti | 


gebreitet.“ ©. „3. 

Bon felbkt "ergibt fi nun, im XIII. Sud, daß die Se 
fhichte, wie die Welt, getheilt ift unter Carl dem Großen 
und Harun al Rafhid. (Oder Norden und Süden, wie 
zuvor das Abends und Morgenländifhe Reich.) Die feht 
erften Capitel zeigen, umgekehrt gegen das vorhergehende Bud, 
zuerſt die Ansbreitung des Fränkifchen Reichs in Beziehung 
‘auf Iralien, wo unter vortrefflichen Paͤpſten ein neuer, frever 
Mittelpunct anfing, und die Herſtellung der Kaiſerwuͤrde, nebſt 
der Verfaſſuug des Reiche. Auf die naͤmliche Are folgt vom 
7. Cap. die Ausbreitung der Araber im Mittelmeer und im 
Oſten, wo der Türkenname nun bekannt wird; -und nad 
der Schilderung des Arabifhen Reichs, der Wiſſenſchaften uud 
Kuͤnſte unter Haruns Enkeln, yugleich eine hoͤchſt ſcharffinnige 
Vergleichung der Arabiſchen und Fraͤnkiſch⸗Deutſchen Kultur. 
(700 Jahre vor den Franzoſen hatten die Araber ſchon Poſter.) 
- England, unter Egbert, Carls Schuͤler, vereinigt, in den Wiffen 
fhafzen noch über Frankreich, fleht polarifch dem erfchlafften Con 
ftantinopel am Schluffe des Buchs gegenäser. Um fo ſchwieriger 


wird aber die Darſtellung der allgemeinen Geſchichte nach dem Zer 


fall der großen Reiche, nach dem eigenen Geſtaͤndniſſe des Verf., 
©: 124.. Das XII. Buch kann ſich jedoch noch einigermaßen 
an die alte Form halten, indem (mie zuvor bey der. Romiſchen 
Geſchichte), die in dem Umfang der alten Reiche entflandenen 
fleine Staaten aufgezählt werden. Zuerft die. verſchiedenen 
Stämme und Häufer, in welche das Arabifhe Reich ſich aufı 
‚ gelöst, nachdem voraus die allgemeinen Urfachen davon. (ſchwache 
Regenten und befonders Die Statthalterſchaften), genannt ſind, 
Cap. 1 — 10. Die Bemerkung dringt ſich auf, daß, wie im 
Roͤmiſchen Reich fremde Milizen, Germanen, fo hier Tuͤrken 
zum letzten Stuͤtzpunct dienen; und die Bergleichund mit der 
Fraͤnkiſchen Dynaſtie zeigt das nach härtere Joch der Taͤrkiſchen 
Minifter und Oberften der keibwaqhe, als das der Fraͤnkiſchen 
Großhofmeiſter, S. 128. 
tDie Fortſetimg folgt.) 


v ‚ . «. 
«tt 
- N ⸗- 
% 





No. 14. Heidelbergifäe 1811: 
Jahrbuͤcher der Literatur 


mare rar terra garrat —e 
t v 


Bier und zwanzig Bücher Allgemeiner Gefchichten befonders ber Euro⸗ 
päiſchen Menſchheit. Durch Fohannes vonMüller. Statsua 
cuique dies, Virgil. 1797. Herausgegeben nach des Verfaffers 
Tode durch deſſen Bruder, Johann Georg Müller. ri 


( veriſerude der in No. 13. abgebrochenen Recenſivn. > 


yon Periode geht, da bie entfernten Staaten zuerft abfal⸗ 
len, Bis auf die Entſtehung wener chriſftlicher Reiche und Hel⸗ 
der in Spauien, und bie. grauſame Einnahme von Syrakus 
durch die Araber. Vom :ı3. Cap. an, bie Theilungen im 
—— Reich und die neu aufgekommenen Maͤchte. Den 
 Berän (der gewöhnlih, aber unrichtig,. nis Ans 
* des Deutichen Reichs angeſehen wird) betrachtet der 
Verf., Wegen des dadurch entflandenen Lotharingifchen Reiches, 
als den. Schläffel eines großen Theilg der Geſchichte einer bis 
jest (1783) noch unentſchiedenen Folge von Kriegen zwiſchen 
den Deutſchen und Franzoſen, S 142. — Bey der Erihäß 
terung der Fraͤnkiſchen Reiche find. die Hungarn (ein feems, 
des Voß, Ausländer), die Normanngen und Wenden: 
Siangn, was die Araber im. Süden waren. Bas find 
die zeisch Heinrichs J., der Karls des Soßen für wilde Völker - 
einig tanglihen Plan -erneustte, Cap. 17 ff Die Macht war. 
(den da, als Otto die Baiferliche Krone dem Throne der Deutr . 
{hen ausſchlleßtich erwarb, Cap. 20. In Frankreich Erbmo⸗ 
narchie, Urbergang der alten Nationalherrſchaft in Territorial⸗ 
herrlichkeit, doch auch nicht nach einem feſten Plang „denn, 
fo demuͤchigend iſt für die Politik alle Geſchichte, das Großte 
führen die Umſtaͤnde herbey?, ©. 166. — Nachdem Carls 
des Großen Geſchlecht, wie das Haus Ehlodwigs, ohne Nies 
solution ‚"unbanwskt, nicht durch Bytanny, „[oRdeH Dusch 
⸗ 14 


210. Joh. v. Muͤller Vier und zwangzig Bücher allg. Seſchichten. 
Schwaͤche untergegangen, ziehen die großen Vaſallen in Deutſch⸗ 


wäre ); bey" Rußland erſcheint Wladimir, der Cyar 


ſqhrei⸗er⸗ Cap. ‚29 Conſtantinopel, in feiner: * 


= . * &0, Griechiſche Peingeffinnen auf dan —* el 
Auffiſchen Thron. Ungeachtet am Schluffe dieſes V 


* der Schirmvogtey üser. Nom, ausgtzeichnet wird, mb Deuiſche 
land and im folgegpen geiiffemafn ‚tee. -Mittcipunet . dei 


‚ liche vermeidend), fondern er ſtellt das potuuſat aber 





land und. Frankreich die Aufmerkſamktit auf Ach“; — „man 


fleht, wie bey aufgehender. Mprgenräthe von einer Alpenfpige 


zuerſt das niedrigere Gebirg, dann Gen, Burgen, Dtaͤdte, 
Huͤgel und Ebenen, ſo im ei Yen Jahrhundert erſtẽ hroße Re 
gentengeſchlechter, bald, einzelne Herten und Ritzer, . endlich 
den aus der leibeigenen Menge ſich erhebenden Barger ®. 
168, — Von den Niederlanden und Engiand ſchreitet die Be⸗ 


| trachtung fort auf den Norden; bemerkt bey Island, Eap. 3, 
- die Eutſtehung der Edda (mir Härten gewuͤnſcht, daß in 


dieſer, oder der folgenden Periobe, -Sep- den Hohenfapfen, 
au etwas vom Nibelungenlied, dbefſen gegenwaͤrtige 
Wiedererweckung hauptſaͤchlich dem Verf. gu: danken an AL 







zehnten Jahrhunderts (es fühlief umter fee 
Bannte.nur hölzerne Geraͤthe), und Neſtor, der 


a | 





Deutſche Meich. als der größte der chriſtlichen Staaken, — 








Europaͤiſchen Geſchichte. au bey dem Verf. Hehe, Sm feige 
doch währt dieſer, als Hauptidee (alles Weltmonarch 


m 


gewicht der Paͤpſte an die Spitze, und bag.Im 

ald Gegengewicht, in. den Hintergrund. Das XV. 

öffnen daher die Scene mit den Normannen in Staften.,. u 
der unabhängig gewordenen Papſtwahl, ‚Kap: ,% rege 
großer Mlan und Heinrich IV. ‚Aber Urban IT, dach 
nicht, „daß eben das Wättel, daß feine Macht Aber Zion au 
breiten folte, fie zu Rom -erniedeigen: würde“ (Die Lım 
zuͤge ſelbſt kommen ſedach erſt ‚weiter unten vorz) „Zu de 
owen Vewegungen umser. am Hehenheuſen um, Bela; 












Joh. v. Müller. Vier und zwanzig Bücher allg. Geſchichten. | 244 


Gap. 3, folgt im vierten die Verfafung des Deutſchen Neichd, 
wie zuvor die der päpfitichen Macht, Ueber dem 5. Eap. fichte 
dee Näme Friedrich Barbaroffa:; „ſeit Heinrich I. der größte 
Kaifer: res war Aber die. Forinen, aber er ehrte Me“, ©. 
20B. EHE feine Regterung” ganz -gefdilbert werden tank, 
wird eine. Aeberſicht der. Abrigen Roeiche und Staaten gegeben. 
In Frankreich Abt Suger; neuer Grund- zur Entwicdlung der 
Natlon und Befeſtigung der koniglichen Macht, Cap. 6. In 
England Veraͤnderung der alten Verfaſſung durch Normanniſche 
Lehengeſetze und Sotdaten, Brabanzonen und Nottierer (ſie 


verhielten ſich, wie Sulla's Soldaten zu den alten Republika⸗ 
ven, © 214). Die nordiſchen Voͤller, mehr durch ihre Er 
ebertzugen beruhmt, als in fi ſelbſt, Cap. 8. Wodans Ge⸗ 


02 72 die - Schwediſchen Herakliden, erloſchen; Moskau's 
Entſtihc Vergleichung der Byzantinermit den Abendläns 
ie Ebroftßellern, Cap. 9. Otto, Biſchoff von Freyſingen, 

Sieht vor, ©; ↄ201 u. 500. Nah dem Ueberblick 










Srruggäge bis auf Friedrich I., Cap. 11. (Haͤtte aber nicht 


dafe Sefammeunternehiunng der Euiropker,, bie einzige in diefer - 
Heriode, als eigentliche Reaction des chriſtlichen Weſtens gegen 


den Orlent als eigene Epoche ausgezeichnet zu werden verdient, 
und als Begeuſtuͤck u Per meſticch en Amſbreitung der Araber? 
— Hier iſt ſte nunmit der Geſchichte des leidenden Theilsin 


Zuſammenhang gebracht; worauf. auch Die. Beſchretbung der 


uͤbrigen Mahammedaniſchen Staaten in Afrika, Spanien,“ 


Portugau fortgeſetzt wird, jedoch ſo, daß das Endreſultat, „die 
alternbe Macht der Chalifen der Aufloͤſung nahe; der Papſt 


voſlſer Kraft neuer Gewalt“, die Hauptidee auch für das 
XVE Buch wieder voranſtellt. Es folgen nun die Veraͤnde⸗ 
tungen in Deuntſchland, welche Heinrichs des Löwen, Ar; 
unter Friedrich I. nad ſich zog, Ev. 1 — 6. Deutſche Erb⸗ 
fuͤrſtenthuͤmer "(aus den alten. Nationalherzogthuͤmern hervor— 


gegangen). neb den Hauptmomenten jedes Hauſes. Wien - 


And Bett, w gleicher a gegruͤndet, © 239. — Wie au 


— medaniſchen Reiche, Cap. 10, folgen die erſten “ 


a 








U 
& 


212 ob. v. Müller Bier nnd zwanzig Bücher allg. Geſchichten. 


Fun al Rafchid und Eärl der Große, fo ſtehen Hier Salaheddin 
‘und Friedrich I. einander gegenüber. Kreuzzug, Cap. 7. Den: 
pel und Sicillen zum Kohenftaufifchen Haus, Cap. 8. Papfl | 
Innocentius III., feine Vekdienſte, beſonders mm den jungen 
Frtedrich II., Gap. 9. Conſtantinopel von den Kreuzfahrern 
erobert, Cap. 10. Kaiſer Friedrich II., „an Heldenſinn den | 
alten Caͤſarn gleich, an Aufklaͤrung den meiſten überlegen“, | 
Cap. zı. Gregor IX., im fünfundachtziaften Jahre Papſt, 
bekämpft ihn vierzehn Jahre lang. Interregnum, Cap. ı2. 
(Es iſt gu wundern, daß der Verf. beym Rheiniſchen Städte 
bund nicht der gleichzeitigen erften Verbindung Schweizeriſcher 
Dete gedenft.) Bon der Erhebung Böhelme unter Przemysi 
Ottokar Handelt das 13. Cap., ehe der Untergang ber Hohen 
j Kaufen befchrieben wird, Cap. 14. „Ob nicht Ber Slthatten 
ber von Heinrich VI. hingerichteten Normannen eine ſolche 
Mache fodertes7 Der weitere Theil dieſes Buchs umfaßt bie 
übrigen Völker derſelben Periode. Der Hungarne Civitiſation, 
Kap. 15. Die Tataren oder Mungalen von ihrer Enkſtehung 
bis zur Erfcheinung an der Gränze der Chriſtenheit, Eap. 16 
(gleichzeitig mit Kaiſer Friedrichs großem Kampf in Italien.) 
Nah dem Sturz des Ehalifats zu Bagdad ſchrecken fie noch 
einmal die Chriftenheit am Mittelländifhen Meer. Durch 

Ludwigs IX. Kreuzzug kommt das 18. Cap. auf die Mams 
Inden, auch von den Drufen eine kurze Epifode; dann auf die 
LZranzöffhe Monarchie und den Charakter diefes Königs, „in 
feiner Sitteneinfalt fo liebenswärdig, wenn er nad) der Meſſe 
auf dem Raſen unter- einer Eiche des Waldes bey Wihcennes 
jedem Franjofen Gehör und Gericht gab; — diefer, durch feine 
Gottſeligkeit fo verehrungswärdige König, deſſen gerechtem Ur⸗ 
theil auswaͤrtige Fuͤrſten unverduͤchtig ihre Haͤndel unterwarfen, 
de in feinem Rath Sprüche der Weisheit redete, und unter 
feinem Rolf“ wie Vater und Hirte erfihlen, gab Geſetze 
(Etablissemens ), deren Webertretung eine Sunde fcyten“, ! 
Cap. 20. — Die Kreuzzuͤge gegen Tunis, ap. @ı, zugleich | 
gie Lage von Benefit („diefe- woreer hatten anoaenulver 















Joh. v. Müller Bier und zwanzig Buͤcher allg. Geſchichten. 213 


lang vor une“, ©. 285). Die Verfaſſung in Spanien, Por⸗ 
tugall und Caflilien nad Befiegung der Araber, Cap. oa, 25, 
Die „Fortfchritte der Franzoͤſiſchen Monarchie" (von Philipp 
Auguf an), im 24. Cap., könnten auch Kinleitung zum 2o. 
Cap. ſeyn, fliehen aber Hier als Gegenjas von der Engliſchen 
Sreyheit, Cap. 25. Vom 26. Cap. folgt der Staatenuͤberblick 
dee nördlichen Küfte bis Rußland, und fließt wieder mit Con⸗ 
ſtantinopel und. allgemeinen -Wetrachtungen Aber die Literatur. 

XVII. Bud. Uebergang vom Mittelalter; fährt 
fort bey Deutſchland mit den im vorigen Bud, über das In—⸗ 
terregnum, Cap. 12, gemachten Bemerkungen; „principes 
nihil de republica agebant, sed sua quisque stabiliebat”, 
Annal, "Hildesheim. ad a. 1265. — Rudolfs I. Verdienfte 
um das Reich und fein Haus, Cap. 2, Rec. ſtimmt ganz 
damit Äberein, nur ift zu bemerken, daß die Kaſtvogtey Ges 
fingen nicht unter Rudolf, S. 510, fondern unter Kaifer 
Albregt J. erworben wurde (Tſchudi Eidg. Geſch. S. 225), 
— Da Heinrich VII., der erſte nach den Hohenſtaufen, wieder- 
in Stalien erfcheint (für Habsburg war fein Haus, was ſpaͤter 
Preußen) ; fo wird die Lage der Ztalienifhen Staaten feit dem | 
Untergange der Hohenſtaufen vorausgefchieft, von Neapel aufs 
wärs bis Savoyen, Cap. 5—ı1. Als Heinrich bey Saje 
aus dem Gebirge Fam, und das herrliche Land fah, entfielen 
ihm Thränen bey dem Gedanken fein Parteyungen, &. 352, - 
Ueber feine Todesart wird nicht näher entſchieden. Bom 
12. Cop. an Fortſetzung der Kaifergeiichichte bis zur Wieder⸗ 
aufnahme des Defterreihifchen Haufes. Von Wenceslaf mird 
Cap. 14 gefagt, er feye unter ſehr [hlehtem Vorwand 
de6 Reihe entſetzt worden, ©. 535. Der ganze Charakter 
ſcheint uns gu guͤnſtig geſchildert. Das 47. Cap. führt wieder 
nach alien, in derſelben Ordnung, nme noch ausführlicher, alg 
In der vorhergehenden Periode. Die Däpfe, Cap. 18, (nicht 
mehr der Papſt) und die Eoncilien, Cap. 19, Bey Zloreng, 
ben Krvohyrionen unter den Medicis, fand die Literatur des 
Belalsse' einen lalenas⸗ Plat, dabey auch die Anfänge der 





» 


214 Koh. v. Müller Vier und zwanzig Bücher allg. Befchichten. 


Buch druckerkunſt in Deutſchland, Cap. 20 — da. Venedigs 
Fünfttiches Staatsgebaͤnde, obgleich nicht auf einmal entſtanden, 
wird hier vortrefflich bis ins Kleinſte gezeichnet, weil größere 
Europäiihe Staatsintereſſen noch nicht hindern, von der innern 
Adierung einer ejnigen Republik zu reden, ©. 371 — 382. 
So auch nad Genua die Einrichtung von Raguſa, Cap. 25. 
Kon Savoyen uebergang auf die Schweiz: „Tell und die drey 
Maͤnner in Ruͤtit, nicht der Anfang der Freyheit, nur ein 


nv Factum zur Behauptung viel aͤlterer Rechte.“ Die angräns 


gende‘ Geſchichte des. Kraufes Defterreich (das Zufammentreffen 
„feiner Linien), Cap. 29. führt weiter auf Eheim, wo Carls IV. 
fhon im 13. Cap. berührten Verdienfte ausführlicher wiederhott 
"werden; unter Sigmund Huſſens Tod (deffen aud Gen der 
Geſchichte der Concilien, Cap. ı9, hätte gedacht werden koͤn⸗— 


nen); bier aber im Zufammenhang mit den übrigen durd 


Sigmunds „niedriges Macdigeben“ entfianderfen Unfällen, Cap. 


30, endlich die uͤbrigen Deutfchen Fürftenhäufer, Cap. a—-34, 
mit der Schlußbemerkung, daß Aberali große Vafallen das 


Uebergewicht erhielten, ale Mittelmacht. Hierauf die Wander 
tung durch Europa, von Spanien angefangen, nach den vors 
gekommenen Veränderungen am Schluſſe des Mittelalters; bes 
fonders ausführlich iſt die Franzöfifhe und Englifhe Conſtitu⸗ 
tion, Cap. 37, 39, fortgefegt, und gezeigt, wie Parteyenwurh 
zuerft dort, dann hier , das Öffentliche Wohl gebrochen; bey 
jenem Land Burgund als bedeutender Zwifchenftaat, Cap. 18, 


bey diefem treten Scotlands Helden aus dem Nebel hervor, 


Eap. 40. In Scandinavien Ehrifttan, König der Dänen, 
aus dem Haufe Oldenburg, „das für eine Haupteroberung 


hielt, an feinen heimatlihen Ufern den Wellen ein Stück Lanı | 


des abzugewinnen, und nun (17835) von den Kolländifchen 
bis an die Sineflfhe Graͤnze herrfcht“, S. 455. — Ausſterben 
der Piaften (tin Polen) und der Arpads (in Ungarn), Cap. 
42, 435. Der Türken Herkunft und ihr Vorbringen in Europa, 
bis nach der, duch Wetteifer der Ftanzoſen unglücklichen 
Schlacht bey Nicopolis, Europa - der Osmaniſchen Macht nichts 


Ä 
| 
j 


ob, u. Müller Bier und zwanzig Bücher allg. Geſchichten. 215 


mehr .entgegenzufegen hat, Cap. 44. Dagegen die Mogolen 
untee Timur, . der zuerſt in Aſien die Areifferie brauchte, den 
Griechtſchen Kaiſer gegen Bajeffid vetten, durch Sprengung 
der goldenen Horde dem Czar Iwan zu Herſtellung der Ruſ⸗ 
ſiſchen Unabhangigkeit Gelegenheit ‘geben, .die Mamlucken. in 
Aeghpten ſchlagen, und ein Herr nach Sind ſchicken, Cap. a5. 

Eingeſchaltet find bie Zortfchritte der Türken bis zum Fall Cons- 
ſtantinopels, J. 1453, Cap. 46. Der Berhtuß: aber made 
die durch Timur (T 1406) angefangene Eroberung von Dis u 


dien, als Gegenſtuͤck zur Landung der Portugiefen, einer vor TUR 


denjemigen een, welche Die. neuere 

Drönung der 

genfland des XVIII. Buche, | Br 
Die beyden erften Capitel, Ludwig XI. und Mapimitln 1. 


inge befonders seranlaßten; Gr ce 


überfchrieben, weiſen ſchon auf die von dem. Durgundifchen ER 


Erbe ansgegangene fange und blutige Eiferfucht hin. Der. ' 


Schauplatz, anf welhen Frankreid in funfzigjährigem Krieg u 2. 
fh erichöpft, Italien, Cap. 5— 7 ,.zuerft bis zur Einnahme u 


Neapeis. (Beyloͤufig Gründe, daß das mal de Naples, wie 
die Kinderblattern, hoͤchſtwahrſcheinlich aus den heißen Gegen; 
den Afrikas herkam.) Bon dem Frangöfiihen Verſuch auf 
Matland, Cap. «o, .wie die Machtverhaͤltniſſe zum Vortheil 
Oeſterreichs fich änderten. Die Erbin von Ferdinand und 
Iſabella, Cap. B, ihre Reiche und Länder. Die Entdeckung 
von Amerika, Cap. 9. Mac diefer Weberficht, und. nach dem 
Verhälmiffen von. Mailand und der Schweiz, und Maximi— 
lians Schweizerkrieg: die Stalienifchen Kriege, Cap.ırn. Ges, 
genuͤber von Fran I. bis Karl V., Nachfolger ſeines Groß, 
vaters im Kaiſerthum, Erbe der Defterreichifchen und Burs 
gundiſchen Srblanhe und aller Macht Ferdinands in Spanien, 
Italien und Amerika. Sein Bruder, Rönig in Hungarn und 
Böden, So Hoch flieg Die Macht von Oeſterreich einige 
dreyßig Jahre nad. dem Tode Friedrichſs III., welcher außer 
Stand geweſen war, Wien zu behaupten.“ Zur völligen By 
lachtung der Neclode Carle werden nun ſaczmiſicen Europ 





2416 Joh. v. Müller Bier und swansig Vaͤcher allg. Geſchichten 


ſchen Staaten aufgezählt; angefangen, wie gewoͤhnlich, von 
Portugall, deſſen Emdeckungsreiſen, feinem ianern Zuſtand; 
beſonders ausführlich die Verfaſſung von Fraukreich, Cap. 14 


und der Schweiz, Cap. ıd, bis zur Niefenfchlacht bey Mur 


rignand , dem letzten Tag, an weichen die Eidgenoſſenſchaft in 
kriegeriſcher Wirkſamkeit gegen ausiändifche Heere erichien (bi 


1798). Die weitere Weberfiht geht dießmal nicht noͤrdlich, 


ſondern von den Italieniſchen Bagebenheiten auf Griechenland 
und die Tuͤrkiſchen Siege, dann auf Rußland unter Swan 


Waſiliewitſch, der den LXXII Städten (der Hanſe) Freyheiten 
gab: Hierauf durch Polen und Scandinavien zuruͤck nad Eny 


fand, welches aber wegen ber erſt beendigten Forgerlichen Kriege 
noch wenig Gewicht in den Europäifchen Angelegenheiten hatt, 
Zuletzt das Deutfche Reich (immer noch als Mittelpunct, be 
fonders vor der Reformationséperiode) nebft den Grundzuaͤgen 
der Verfoffung, hauptſaͤchlich in Ruͤckſicht auf Kaifergewalt und 
Kurfürflen, aus Beranlafıng der Wahl Karls V. 

Die fünf legten Bäder, weiche ben dritten Band. auf 
machen , haben fchon durch die Natur der Sache eine einfacher: 


Anlage, als die des zwepten Bandes. Die Namen Earls V. 


und Philipps IT. find hinreichend, die Verhaͤltniſſe des XI. 
und XX. Buchs bemerklich zu machen. Won jenen fagt dei 
Verf. Eap. 1: „ein König und ein Privatman flörten fein 
Plane, und vetteten die Europaͤiſche Freyheit.“ Luther, di 
Verf: Held von Kindheit auf (f. ſammtl. Werke IH. V. 285.) 
ſcheint uns hier in der erſtew Stelle, S. 4, weniger vortheil 
. haft gehalten zu ſeyn, als im 2. Cap. ©. 22. Die Eisfhictt 
der Reformation in diefem Capitel, nach kirchlichen und pol 
tifhen Verhältuiffen, finden wir vorzüglich befriedigend, mM 
über Kurfuͤrſt Moriz's wahren Plan wird (weil es wohl nidt 
möglich it) die nähere Entſcheidung nicht gegeben. Im 5. Cap. 
folgt dann. glei Carls Ausgang, und die gluͤckliche Tramanıs 
feines Baufes, - „weil — Welereiche der Diemfchheit vicht 
vortheilhaft ſcheinen*“ S. zı,. Unter den Religtomduerhäbt 
wifen Cap. 4, wird dor Charakter. der proteſtameiſchen Parvx⸗ 


gap. 0 Cäller Bicr md zwansig Bäcker alg- Ge(chichten. 217 


und der Jeſuitiamus (nach feinem Ideal), zuletzt, Cap. 5, 
der Zuftand der von Earl V. hinterlaſſenen Länder gezeichnet, 
Vom 6. Cop, an bie Lage des übrigen Europa’s, fo daß 
uͤberall die Einflüffe der Reformation und des Verhaͤltniſſes zwis 
fhen. Sark und Franz ducchgeführt werden. Daß zwilchen 
Frankceichs, Cap. 6, und. Portugals, Eap. 8, innerer Ges 
ſchichte das 7. Cap. vom Papſt in der Mitte ſteht, und erſt 
nach Portugall die Italieniſchen Staaten folgen, bat zur Ab⸗ 
fiht, zuerſt die nothwendigo Politit des Papſtes gegen diefe 
Höfe („fie kuͤßten ihm die Füße, während fie ihm die Hände 
Banden“), während. der Gründung des weltlichen Kirchenſtaats 
duch Waffen und Unterhandlungen, zu zeigen. Das übrige 
Stalien won der Spaniſchen Macht ums oder verfchlungen, 
Cap. 9. Genua's Freyheit; in den Revolutionen der Floren⸗ 
tiner Verluſt der republikaniſchen Form, Gap. 10. Savoyen, 
2556 von Franz J. erobert, die Wadt von deu Bernern; Genf 
frey; Savoyen dem „eifernen Kopf“ Philibert wieder zuruͤck⸗ 
gegeben, S. 61. Einfluß der Reformation in der Schweiz: 
popularere Regierungen, Wirshichaftlichleit, aber Verminderung 
der alten Kraft und’ Lebensfreudigkeit, In England die koͤnig⸗ 
lihe Wallkohr auch in den größten. Gewiſſensfragen hoͤchſt ges 
bieteriſch, Cap. 13. Erwahung der Gelehrſamkeit in den gas 
ringſten Ständen (ejneu, fludirte am Fluß, um des beraks 
ſchwimmende Holz für den Winter, aufjufangen). Im Norbeg 
seht, Guſtav Waſa aus von den Thälern Hedemora, be Ber. 
fieper der Schweden, Eap. 14. In gang Scandinavien bie 
Glaubtusreform Luthers. Preußen und Curland ſaͤeulariſirt, 
Cap. 16. Iwan, fo groß, aber roher, als Peter, haͤlt eine 
som Kaͤnig von Daͤnemark gefchenfie Wanduhr für ein „Zar 
berwark, das ſich nicht ſchicke für einen chriklichen Czar, wel⸗ 
cher einen Gott glaube, und mit den Planeten nichts zu ſchaffen 
habta wolle, ©. 67. Dennoch herrſchie bey feinen Erobe⸗ 
rungen Toleranz, maͤhresd ‚der Religianskriege in Europa, 
Solejman, der Großmaͤchtige, wie Iman, fein Volk erhebend, 
bung. deezathn Sqlochten der Scheecen Deuſchlande. Die 


\ 


4 


» 


318 Koh v. Müller Vier und zwanzig Bücher allg. Geſchichten. 


Aufftreßende Macht von Algier, Cap. 17 („hilft-dem. aler⸗ 
ehriftlihften König die. Küften bes katholiſchen plündern“):; 
Hierdurch kommt das XIX. Bud am Ende wieder auf deu 
Hauptnamen zurücd, gebft den Refultaten, Cap. ıB. 

Das Einleitungscapitel von Philipp IL im XX. Bud 
enthält, wie gewoͤhnlich, die Hauptzuͤge des Ganzen; die 
Spanifche Macht auf ihrer hochſten Stufe, aber ach ſchon 
mit dem Keime ihres Verfalls, vorzüglich in Philipps (treff⸗ 
lichſt entwickeltem) Charakter. Mit Hecht geht die Nieberlaͤn⸗ 
diſche Geſchichte, Cap. @, voraus; dann die Plane auf das 
muthloſe und erfchöpfte Frankreich bis zu deffen Wiederherftels 
fung unter Heinrich IV. und Suͤlly. Jener mit Morig von 
Dranien verglihen, S. 90. Was diefe beyde zu Fand, war 
den Spaniern England zur See, S. gı. Alle diefe Mächte 
im Steigen; nur. der mädhtigfte Staat (Spanien) zerfiel, weil 
fein König lieber die Welt verwirren,, ats durch edle Grund» 
- füge die Nation gläcdlih machen wollte“, S. 95. Portugals 
Einnahme, nachdem es durch den Afrikaniſchen Krieg geſchwaͤcht 
war, Eap. 3. 867 Jahre nad dem Untergange der Weſtgo⸗ 
thiſchen Monarchie wird die gange Halbinſel wieder unter 
"Einem Kaupte vereinigt. — Gegen bie Türken, Cap. 6, Don 
Juan's d'Auſtria Eühne Jugend; nachher durch Philippe 
Mißgunſt ungluͤcklich, wie der Herzog won Parma und “Don 
Carlos, feine Genoffen. — Der Zuftand Ztaliens, Eap. 7, 
beſchruͤnkt Hauptfächlich die dem Spanier nit unterworfenen 
Staaten. Die Schweiz, Cap. 8, wie fie unter Spaniſchem 
und Franzoͤſtſchem Einfluß, und dur Religionseifer getrennt, 
Anfehen und innern Gehalt zu verlieren anfing. - Nun folgen 
Die dem Antereffe Spaniens entiegenen Staaten. Selbſt Sep 
ber Deutfchen Linie Habsburgs war fechzigjäßriges Mißtrauen, 
Cap. 9. Am Deutſchen Reich iſt zunehmende Cultur ſichtbar; 
doch gewann der Reichsverband nicht; and nicht durch die 
„übelgenannte Eoncordienformel“, &. 110. In Polen nad 
"Sem Aöfterben der Jagellonen fremde Könige, Heinrich von 
WBalois und Sigmund Waſa, Cap. 20. Die -fährt-auf die 


- 








„“ 


ob. u. Miller Bier und zwanzig Bücher alle. Geſchichten. 219 


Schwediſche und Dänifhe Sefchichte, in Härze, mit dev 
Schlußbemerkung, daß es überall auf Eoncentrirung der höch⸗ 
fien Gewalt ging, ſelbſt in den Republiken wenigſtens auf 
Ariftofratie; alles nah Philipps IT. gyadominirendem Mofe, 
ber jedoch zugleich das erfte Beyſpiel einer Bankerute gab, der 
Herr der Goldgruben! 

Die Zeiten des brepßisgfährigen Kriege, 
XXI. Sud, eröffnet (als Refultar der benden vorhergehenden) 
eine vollfländige Ueberſicht der Lage des Habsburgiichen Hanfes, . 
mit Inbegriff der weitern beſonders Niederländifchen. Geſchichten, 
bis zur anerkannten Selbſtſtaͤndigkeit Hollande und zum Aus—⸗ 
bruch des Juͤlich'ſchen Erbfolgekriegt. Es wird auch noch Enge 
lands Bereinigung unter James Stuart, Cap. 3, vorausges 
hit, und duch des Koͤnigs Eidam, Pfalzgraf Friedrich, der 
Uebergang gemacht auf den Anfang des drehfigjährigen Kriege, 
Eap. 4, ehe die Übrigen Mächte eirigreifen. — Ausbruch zwis 
(hen Spanien und Frankreich über Mantua und Valtellin, 
Cap. 5. Der Eardinat Richelien, Cap. 6, nimmt Heinrichs IV. 
Man (zur Erniedrigung der Habsburgiſchen Macht) wieder 
auf, während Ferdinand fein Glück mißbraucht. Guſtav Adolph, 
Cap. 7. Die Fortfesung des Kriegs nach der Mörhlinger 
Schlacht Hat wieder zur Aufſchrift: Nichelieu, Cap: 8. Beym 
Weſtphaͤliſchen Frieden werden neben feinem wefentlichen In⸗ 
halt zugleich verfhiedene Theile der Deutfchen Reichsverfaſſung 
näher beſchrieben. — Der nur noch ſchwache Krieg zwiſchen 
Spanien und Frankreich, waͤhrend deſſen das Haus Braganza 
ſich losreißt, Cap. 11. — Englands Verfall in Buͤtgerkriegen, 
bis des Königs Haupt fiel, ein Entſetzen für ganz Europa: 
auh der Czar Alexej Michailowitſch, Peters Water, deſſen 
Meich nur langſam, aus einer der Portugiefifhen und Englis 
fhen ganz unähnlichen Mevointion fih erhob, nahm den Enge 
ländern ihre Handelsfreyheiten, Eap. 13. — Ob Frankreich 
und Schweden Beyſtand an der Deutfchen Oppofition hatten, 
©. 173, oder nicht, vlelmeht dieſe an ku, berüber wollen 
wir wicht rechten. 


Grrleichterung des Ueberblicke, daß ber Leſer innerh 





2. 
220 Zah. v. Muͤller Vier und zwanzig Vuͤcher allg. Geſchichten. 


Das XXI. Buch begreift den faſt hundertjaͤhrigen Zeit⸗ 
raum vom Weſtphaͤliſchen Frieden bis 1740, während deſſen 
Die Konige von Frankreich in den Europaiſchen 
Befhäften Bas Uebergewicht zu haben. ſchienen. 
Offenbar eine der verwickeltſten Perioden in Ruͤckſicht auf die 
Anordnung, auch bey jener leitenden Side. Wir bemerken zur 
dieſes 
Beitraums dreymal die Wanderung durch die Stain Euros 
pens zu machen hat, um theils die Vorbereitungen, theils dis 
Wirkungen Ber dazwifchen einfallenden allgemeinern Ereignifie, 
die Vor⸗- und Ruͤckſchritte eines jeden und bie Verhältniffe zur 
einander, zu fehen. Sin den neun erfien Capiteln: . Ludwigs 
des Großen Charakter, Zeldheren, Miniſter: die Herrſchaft dee 

Franzoͤſiſchen Sprache (ungeachtes die tieffinnigften Schriftſteller 
: des Zeitalters Ludwigs Feinde waren; aber die beredteſten wers 
den am meiften gelefen, &. 180). Spaniens Entvölferung 
und lächerlich bigotte Regierung, die wicht einmal die Unord⸗ 
nungen in Portugall zu benutzen wußte In Deutſchland unter 
dem Titel: Germaniſche Freyheit, eine die Katfermacht wie die 
Bolksfrepheit untergrabende Ariſtokratie. (Diefem Capitel wird 
doch Here von Woltmann in Berlin — wegen Zuſammen 
ſtimmung mis feinen Anfihten — einige Gerechtigkeit wider 
fahren laſſen?) — Auf dem Thron der Chriftina Carl Guſtav, 
Pfalzgraf zn Zweybruͤcken⸗Kleeburg, deffen väterlihes Erbe ig 
zwey Schlöffeen, Einem Flecken, zehenthalb Dörfern beftand, und 
ber den Norden erfchätterte, ©. 194. Kiuperli, Muhanı 
mieds IV. Großvezier, bey St. Gotthard durch den Wetteifer 
bee Deutſchen und Brangofen befiegt (ein Gegenſtuͤck zu der 
Schlacht bey Nicopolis). — Durchaus entweher Alliirte Lud⸗ 
wigs XIV., oder geſchwaͤchte und getheilte Gegner. Zu den 
erſten gehören auch die Schweizer; dis Holländer werben eben⸗ 
falls hier aufgezaͤhlt, in fo fern fie nach dem Frigpen immer 
mehr der Schweizerifchen Verfaſſung ſich nähesten. (Sohann d4 
Wprt (Spinoga’s Freund), Großpenfienär von Holland, ‚Hatte 
nur Einen Bebienten, und Mupter, na dep Truumpb, trug 
5 | 





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God. v. Müller Vier und zwantig Bücher allg. Geſchichten. 221 


feinen Mantelſack ſelbſt ans dem Shift, S. 198.) Endlich 
Englands Kraft: unter Cromwell; die Wiederbefeſtigung des 
Throns und der Verfaſſung- 11. — 18. Cap. die Kriege von 
1667 bis 1714. Die beyden erſtern durch Franzbſtſchen Webers 
fall der Niederlande eröffnet, und ebendaſelbſt beendigt; Aach⸗ 
ner und Nimweger Friede. Nach diefen neun Zwiſchenjahren, 
welche dir Nothwendigkeit einer allgemeinen Vereinigung gegen 
Ludwigs XIV. Schritte zeigten, und die Engliſche Redolution, 
welche nur zwey Monate vor dem Kriege der Alliirten aus⸗ 
brach, und Wilhelm von Oranien auf den Thron hob. In 
wenigen, aber ſchrecklichen Zügen iſt die Verbrennung der Pfalz 
geſchildert, aber bie Schuld nicht auf Louvois gelegt, ©. 219 
vergl. S. 17B f. Die wenigen Jahre vom Ryswicker Frieden. 
die zum Ende des Jahrhunderts find befonders abgehandelt; - 
dann der Spaniſche und Nordiſche Krieg, jener zwölf, diefer - 

zwanzigfaͤhrig, gleichzeitig. Vom 19. Cap, at’ folgt, was 
während biefer Kriegsperiode im Innern der Staaten geſchah. 
Ein Spanien blieb auch die neue Regierung dem Seifte der 
eiten tren, Cap. 20. Vorzuͤglich herausgehoben iſt die Feſtig⸗ 
beit Papſt Clemens XT.; bey der Lage des uͤbrigen Italien iſt 
duch der Zuwachs der Corſiſchen Bevoͤlkerung durch tanſend 
Mainotten nicht berſehen, Cap. 25. — Von Saboyen leuche 
bet das Anſehen Victor Amadeus 1. hervor; in der Schweij 
junehmende Neligionsparteyung. In Deutfchland mehtere Fuͤr⸗ 

ſtenhaͤuſer (drey erhaltet Kronen); in Schweden Carl XII., | 
‚„als Menſch hoͤchſt intereſſant, nicht gu entſchuldigen, wind. 
man ihn als König betrachtet“, S. 255. (Sein Tod wird 
einem feiner Leute beygelegt.) Czar Peters Geiſt und Kraft, 
Tap. 2B, auch das Verdienſt von Lefort. Eingeſchaltei iſt die 
Sefchichte der Türken und Perſer, Cap. 29. Dann Peters 
Tod, das Mädchen von Mailenburg, umd Für Menczitoff, 
ein geweſcner Bäcerjunge, Cap. 50. (Meter. der Größe fo 
ehr wälluſtih geweſen ſeyn, ©. 270.) — Am Schluß feiner 
Regierung iſt geſagt: : „bie meiſten andern, zus feiner Zeit und 
vor ihin · geoh genannten Kürten verd denen kaum mit Ihm dere 

we g 
® 


220 Ich. u Maͤller Vier uud zwanpig Böker ads, Befchichten. 


glichen zu werden.“ (Ein noͤrdlicherer Gefchichtfchreißer dürfte 
eben ſowohl das Jahrhundert nah ihm nennen, als andere 
nad) Ludwig XIV.) Mach der Erhebung des Hauſes Brauns 
fhweig und Hollands Friedenszuſtand fieht ein allgemeines 
Eapitel (32) von der Lage der Geſchaͤfte (dev Europaͤiſchen 
Angelegenheiten) nad dem Uerechter Frieden. Alle Maͤchte, 
beſonders Frankceich, flärkten ih, um ben Frie zu be 
Baupten. Died führe auf Carls VI. pragmatiſche Manction, 
Eap. 54. Noch befonders wird das Ende Könige Victors ges 
geist, Cap. 35. Dann der Krieg von 1755 und der Zufland 
der Mächte, als Earl VI. farb. Hier wären wir bereits am 
Schluß diefer Periode (des XXI. Buchs); aber noch find 
bie Mordifchen und Drientalifhen Staaten guräd. Geſchichte 
des Ruſſiſch⸗Tuͤrkiſchen Kriegs, 1936. Der Kaiferin Anna 
Tod, Cap. 42. Schah Nadir, Cap. 41, 45, „Im Orient, was 
Ludwig XIV. in Wefteuropa, Peter in Norden war”; nur 
ſchrecklicher. Bey der Einnahme, von Dehli wurden hundert 
taufend Menſchen auf Einen Tag umgebraht: „ein Gott bin 
ich nicht, daß Ich vergeben, noch Prophet, daß ich lehren follte, 
und euer König bin ich nicht; der, den Gott fendet, in ſeinem 
Stimm zu frafen die Nationen der Erde, der bin ih“! — 
Ueber Rom, Stalin, Schweiz, Hollgnd, England, Scandu 
navien kehrt der Ueberblick zuruͤck auf den Schauplag, den 
Eari VI. verlieh. W | 

XXI Bud. Thereſia, Friedrich und Norbds 
amerika. Broße Namen und allgemeine Begebenheiten 
machen die, in den fpätern Zeiten öfters vorgekommene, bloß 
ethnographifche Darflelung uͤberfluͤſſig (dieſe wird nur noch im 
XXIV. Bud, als zur Schlußüderfiht vorzüglich paſſend, ges 
Braucht.) jene wechleln mit einander. Zwiſchen ben zwey 
Schiefiihen Kriegen ſteht Earl VII. und nach dem Aachner 
Frieden Elifaberh, Ruſſiſche Kaiferin. (Leſtocq gginnert an 
Peters Lefort.) Genua’s Wiederbefreyung und ber. Jungling 
Paoli geben eine kurze Epifode von fpecieller Geſchichte, Cap. 6: 
Nun der Urſprung des fichenjäprigen, Kriege und dig Gans 


“ 






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30% m Mauer Bier und zwanzig Bücher allg, Geſchichten. 223 


des Kri⸗egs ſelbſt, in 2. Cap, S. 246 - a67, fo umfaffend 
und geifteoll , als es von dem Bewunderer Friedrichs und Pitts, 
und Verehrer der Maria Therefia zu erwarten war. Mie 
Mühe enthalten wir uns, ins einzelne zu gehen, um diefe 
Anzeige nicht allzuweit auszudehnen. Ben den Refultaten bez 
merkt der Verf. S. 367, daß der Krieg den König ſieben 
Jahre Anes thätigen Leben gekoftet , dieß fey der Hanptveriuft 
geweſei' Diefem großen, verderblichen Krieg, der, merkwürdig 
genug! im Ganzen nichts änderte, wird an die Seite geſtellt 
die mit dem Sturz der Sefuiten begonnene große. Veränderung 
in den. Sefinnungen der ganzen katholiſchen Welt nad) dem 
eben ſo furch tioſen, als nergeblichen Widerfiand Elemens XIIE, 
(„Wie grreing meine Mache ift, weiß ich — aber ich will lieber. 
mein Lehen im Elend beſchließen, als am Rande des Grabes 
meine. ‚grauen Haare ſchaͤnden durch Verraͤtherey an meiner 
Pflicht?, S. 576. — Folgen: die Fuͤrſten bekamen größere 
Macht uͤber die Geiſtlichkeit, doch für die Voͤlker war der Ges 
winn nicht ſo ara, als er, haͤtte ſeyn können; vorher war dee 
fuͤnfunddreyßigſte Menſch in der katholiſchen Welt geiftlich, nun 
ſah man die Caſernen in gleichem Maße zunehmen, wie die 
Kloͤſter eingehen, und es ſchien mit den Jeſuiten ſelbſt eine 
gemeinichaftlihe Vormauer aller Autoritäten gefallen zu feyn‘, 
©. 370 ff. Der Name Eatharina II» mit Inbegriff ver Bar 
ſchichte des ungluͤcklichen Iwan, Cap. 10, eröffnet die Scene 
der Unfälle Polens, Cap. 11, „Gott wollte damals die Mo— 
talität der Großen zeigen“, S. 403. Der Taͤrkenkrieg, 1768, 
die Ueberlegenheit disciplinirter Heere zeigend, die Schwebiſche 
Menolutton 1772, und bie Baieriſche Succeſſionsſtreitigkeit, 
ein Beweis, daß für kleinere Staaten alles davon abhängt, 
ob die größern ſich vereinigen koͤnnen, — folgen chronologiſch 
aufeinander. Endlich Nordamerikas Freyheit, vom Urfprung 
dieier neuen Republiken, bis zum Ende des Kriegs 1709. — 
Mir welchem Recht mancher fehnfuchtsvolle Bl anf die andere 
Hemifphäre gerichtet war, fol das folgende zeigen. 

XXIV, Buch. Zuſtand von Europa im J. 1783, 
Die Einleitung claffifisive die prädaminirenden See s und 


294 Joh. v. Müller Bier und simansig Biicher alle, Geſchichten 


Landmaͤchte und die kleinen Staaten nach dem Verhaͤltmiß zum 
Glieichgewicht. Hierauf die Schilderung der einzelnen Staaten. 
Zuerſt Frankreich, Cap. 2 — „es koͤnnte allein den Maͤchten 
Gzeſetze geben, und die Nationen vereinigt. halten, wenn ein 
vernünftiges und confequentes Syſtem die unermeßlichen Machts 
quellen in wohlthaͤtiger Wirkſamkeit Hiölte.“ Die Verfaſſung 
ansfährlih, dazu gedrängee ſtatiſtiſche Nachrichten, wie dich 
auch bey den meiften übrigen Staaten. geihieht. — Dann 
Spanien durch die Pollitik der Ferdinande und Phllipp ge 
ähmt, und Neapel, noch In etwas Befferm Zuftande, Er. 3, 4. 
Auf die Bourbonifhen. Stenten folgen die Schweizer, ale 
ältefke Freunde des Haufes, Cap. 3, und die Holländer, nun 
benfalls der Franzoͤſiſchen Politik gegen England fih nähernd, 
Gar. 6. Die Sährung nah der Schlacht bey Doggersbant 
zeigte, mas noch nicht erſtorben war, Daß ber edelſte Theil der 
Nation fähle wäre, dem Beyſpiel der Phocaͤenſer zu folgen“, 
©. 494. Das Gegentheil Portugall, Cap. 7. Der Turiner 
Sof durch Frankreich und Oeſterreich unthätig, Tap. 8. Nun 
Großbritanntens Macht, zur See dem Haufe Bourbon das 
Sieichgewicht haltend, Cap: 9. Die zwey Capitel vor Dion 
tesquien,, der Geiſt feines Geiſtes der Geſetze, geben den 
Schläffel zu allem. Was würde diefe Nation ſeyn, Die beym 
Adfall ihrer Colonteen, Innern @ährungen, 'untrineßfichen 
Schulden, allein da ſtand, wenn unter den Schaͤtzen des ge 
plünderten Hinduſtans Mäßigung und Gerechtigkeit die Grund 
feiter ihres Suftems würden“! &. 505. Nach den (er 
höpften) &temächten, bey’ welchen Freyheit, wo nicht gu 
Handeln, doch zu reden, wenigſtens die Meinung von Freyheit 
it, geht die Betrachtung auf die drey großen Landumächte, 
weichen Landbau und Volksmenge das wichtigſte feyn muß, 
„wiervohl nicht die Maffe Kraft gibt.“ „Sehe vereinigt, 






fürdten niemand; im Kriege nur ſich ſelbſt.“ — „Auf die 


großen Höfe hat auch die Öffentliche Meinung feine. Sewalt, 
weil die meiften Schriftfteller in dem Lichte darſtellen, das man 
wänfht“, ©. 510. Endlic diejenigen Staaten, welche von 
den gedßern alles fürchten. Im Körper des alten Deutfchen 
Reichs Länder und Städte, herrlicher Früchte der Aufklärung 
und Induſtrie genießend. „Wenn fle alle — mas auswärtigen 
Einfluß durd die größten Anftrengungen verhinderte — auf 
Finerley Zweck vereinigt wären, welch ein Reich und MWoft 
„wäre dad Deusihe“! ©&. 520. — Scandinavien einigten Pole 
gZJerſchwunden, die Türken ohne Die Kunft, ide Geld und Voll 
zu gebrauchen. Zulegt ein Ueberblid auf Aſien und Afrika, 
20 C Der Beſchluß folgt. ) j 


® 





No. 15. Seidelbergiſche 1811. 
Jahrbuͤcher der Literatur. 


F . 
ùV 





ö—XXXCIXLObGRXEXEXEXIXR 


Vier und zwanzig Bücher Allgemeiner Geſchichten befonders der Euro⸗ 





Menſchheit. Durch Jobannes von Müller. Stat sua 
e dies. Virgil. 1797. Herausgegeben nach des Verfaſſers 
Tode durch deflen Bruder, Johann Georg Müller. 


” 


C Beichluß der In No. 14. abgebrochenen Recenſion.) 


.genwärtige ſoviel möglich gedrängse Darfiellung von dert 
Sange des Verf., der Art des Vortrags, der ‚Anordnung und 
Verbindung des Ganzen, fo wie von dem darin wohnenden Seifte, 


hat keinen andern Zweck, als anfchaulich zu machen, daß erſt 
bey näherem Studium ein volftändiges Urtheil ber Joh. v. . 
Müller nachgelaffenes Werk ſich bilden koͤnne. Wir haben, um ' 
den Ruͤckblick beym kleinſten anzufangen, Beyſpiele gegeben, 


dag fein Ausdruck umfonft dafteht, daB oft eine einzige Wens 
dung dem Verftändigen für eine fange kritiſche Anmerkung gilt. 
Ehen fo iſt die Sprade, um auch dieß noch zu bemerken, 
keineswegs, wie fie noch bey einigen von den eriten Theilen 
der Schweigergefchichte im Ruf ſteht, hart und affectire: im 
Gegentheil fehr viele Stellen des Werks find echt claſſiſch, und 
das meiſte iſt fo fließend, daB neben der Vorliebe zu den Alten 


auch der Geſchmack an der Franzäfifchen Literatur nicht vera 


tannt werden kann, jedoch unbeſchadet der Driginalisät. 

In der Anordnung (dem haupfächlichen Gegenftand unfres 
Relation) mag hin und wieder etwas willführliches fenn; wes 
nig liege daran, iR welche und wie viele Capitel eine Periode 
getheilt, und welche Weberfchrifien gewählt find; aber darau 
liegt alles, daß die eigentlich univerfalhiftorifhen Facta nicht 
nur, fondern auch die zum Grund liegenden Anſichten vichtig 


gefaßt, und durch das Gewirr der Wegebenheiten mit feſten 


Blick und in ihrem wahren Sinn hindurg geführt find. Wie 
4 











“. f} 


226 Ih. v. Müller Bier und zwanig Bücher allg. Geſchichten. 


haben es zu bewundern gehabt, wie der Verf. in den verwik⸗ 
keltſten Perioden, befonders des Mittelalters, wo der Charakter 
der Geſchichte felbft in Trennung und Theilung beſteht, jedes 
mal am Schiuffe Die gerfirouten Fäden zu verrinigen wußte. Es 
muß auch noch einmal geſagt werden , daß der Verf. nicht die 
allgemeine Gefchichte Überhaupt, fonbern nur allgemeine Ge⸗— 
fehichten, eine Darflellung der auserlefenflen, zu jenem Ideal 
etft zuſammen zuftellenden, beabfihtigt hat; und, foviel wir 
dabey verloren haben, fo. iſt es vielleicht in anderer Hinſicht 
wieder als nuͤtzlich zu betrachten, daß auch diefer Entwurf, 
durch aͤußere Umflände verhindert, Bein vollendetes Ganzes 
wurde, das durch feine Autorität leicht beſchraͤnkend ſeyn Lonnte, 
in einem Gebiet, wo doch alles nur Verſuch bleibt. Eigen 
bleibt dem Verf., daß er, wie im Einzelnen feine Hiſtoriogra⸗ 
phie, nach einigen nur zu aͤngſtlich, den Ercerpten folgt (um 


‚keinen bezeichnenden Ausdruck verloren gehn zu laffen) , eben | 
- fo im ganzen Plan diefer Geſchichte durchaus das Ethnogra⸗ 
phiſche und das fogenannte Specialhiftorifche mit dem Univers 
ſalen gewiffermaßen zu verweben, oder vielmehr die gegenfeitige 


Durhdringung des Allgemeinen und Beſondern überall zu 
zeigen bemüht geweſen if. Allein eben jenes firenge Feſthalten 
am Realen des Buchſtaben, bey den überall durchbrechenden 
Ideen, gibt feiner Darftellung ein Gepraͤge von Wahrheit und 
Größe, und eine Fülle von Lebendigkeit, zu ber ähnliche Werke 
nur ſelten fh erheben. Was einige verdrießen mag, daß der 
Verf. überall feine a prioriihen Beflimmungen, oder gewiffe 
abftracte Begriffe ausgeftecdt hat, in welche, als in des Pros 


J kruſtes Bett alle ſchoͤnen Geſtalten eingezwaͤngt werden ſollten 


(fo daß er nicht einmal die in den Essais historiques, Th. 
VIII gebrauchte allgemeinere Periodirung anwenden wollte), 
daß er alles mit dem eigenen Namen genannt hat, und daß 


Aberhaupt, trotz der befonderen Zwecke, kein wirkliches Syſtem 


hineingelegt iſt; gerade das wird fein Werk alle gemachten 
Syſteme uͤberleben laſſen. Es kann Überhaupt nicht wohl einer 
der neuern univerſalhiſtoriſchen Verſuche mit demſelben ver 


Salats praftifche Philoſophie. 907 


glihen werden (fo wie ohnehin der nicht leicht erfcheinen wird, 
der fo, wie Joh. v. Müller, dieſem Berufe fi widmen kann 
und wis). Am meiften möchte der Werf., dem Geifte nad), 
einigen Alten nahe fenn, jenen, welche zuerft, nicht nach dem 
äußern Umfange, fondern nach dem Verhäftniß zur Humanitaͤt 
und Frepheit die Geſchichte gemeſſen haben; "welche auch im 
kleinſten Die ewigen Gelege fanden, wie die Seraclitifhen 
Orakel, in welchen nah Müllers Ueberzeugnng, was von 
Afur und Elam gefage iſt, nicht Bloß accomodationsweife, 
fondern ipsissimis verbis aud uns gilt; vergl. Th. V. ©. 
485, BA 0 J I 
Einſender dieſes fühle ſich erhoben durch den Gedanken, 
daß dieſes Werk, gegenwaͤrtig in den Haͤnden ſo vieler Freunde 
des Verf., unvertilgbare Eindruͤcke, auch bey der aufſtrebenden 
Generation hinterlaſſen wird; und daß von den Prinzen im 
SGubſcribenkenverzeichniß bis zum einſamen Landprediger jeder 
Stärkung für feinen Beruf finden wird in der Schlußlehre 
diefes Johannes: „Erfülle treffüch die vom Schickſal bie. 
angewiefene Stelle; hierin ſcheine dir nichts zu hoch, daß 
du es nicht erreichen koͤnnteſt, nichts fo gering, daß du es 
vernahläffigen dürfte. Dadurch werden Könige groß, das 
durch erwirbt der Mann von Geiſt ewige Lorbeeren; dadurch 
erhebt der Hausvater feine Familie über Armuth und Pier 
drigkeits; die größte Lehre aber in dem Gebot der Weisheit, 
das au Iautefien die beſchwornen Schatten der Voͤlkertreiber 
verfünden: „Mäßigung und Ordnung! Wer es Überhärt, der 
ifk gerichtet. Menſchen von Erde und Staub, Kürften von 
Erde und Staub, wie fehrerflich dieſes geſchehe, das zeigt die 
Geſchichte.“ 
pr 


ac. N 7 CHE ERDE GL HEER.S ERREGER 





% . | B 
Die Moralphilösophie. Dargestellt von Dr. J. Salat, geistl, 
4 Rath und ordentl. Prof. der Phil. zu Landshut. Lands- 
hut bey J. Thoman. 1810. VHL u. 398 ©. 8. (1fl. 30 fr.) 


Die Religionsphilosophie, Von Demselben. Landshut bey J 
Thoman. 1811. 68 XIV n. 416 G. 8 Gf.30f) | 





228° Galms prokuſche Whilofophie 


Bon den Urfachen eines neuern Kaltſinns aegen die Boilofopbie auf 
deutichem Boden. Bon Brof. Salat. Kandeput bey Thomas. 
1810. 516. 5 (24 fr.) | W 


Betrachten wir, wie billig, das Spiel mit phoſikaliſchen 
Bildern, vermengt mit fragmentariſchen Ruͤckerinnerungen an 
‚alte Theoſophie und Mythologie, welches einige umter ung für 
Ppitofophie Halten, als eime kindiſche Verirrung durch Mangel 
an Disciplin im wiffenfchaftlichen Denten veranlagt, fo wird 
fih finden, daß die neue Deutſche Philoſophie, unggagitet 





alles Streites üm. Sprache und Merhode, über die Haupt. 


sbahrheiten der’ Philoſophie doch weit einiger iſt, als die 


moderne Porter hie in irgend einer ihrer frühern Epodin. - 


Als NReſulrat der Kantiſchen ind Jakobiſchen Unterſuchungen 
erkennen wie alfe auf gleiche Weiſe das Recht der fittlichen und 
religidfen Vebergeugungen einer philoſophiſchen Wiſſenſchaſt, 
dabey die Nothwendigkeit der Scheidung von Wiſſen und Stau: 
ben, Begriff mund dee, Verſtand und Vernunft an. Diefe 
Unterſcheidung aber ift doppelfinnig. Wir fegen den Verſtund 


der Vernunft entgegen, ‚um die Reflexion, das Auffaſſcn uk 
ferer Webergeugungen vor dem Bewußtſeyn, von der’ unmittel⸗ 


baren, lebendigen Ueberzeugung ſelbſt zu unterſcheiden; wie 


fegen aber den Verſtandsbegriff dem Wernunftbegriff entgegen, 
um die Erfcheinung der Dinge. für. ‘den —— dem 
wahren Weſen der Dinge zu unterſcheiden. Ueber das erſte 


hat uns Jakobi, uͤber das andere Kant‘ beſtimmter belehrt, 


allein unfer öffentliches Urtheil Hat ſich über diefen Doppelfinn 
noch nicht Hinlänglich verfländige. Die Unterſcheidung zwiſchen 


Reflexion und unmittelbarer Vernunft iſt zwar jedem kiar, aber 
welche Anfprähe nun beyde an einander zu machen haben, if | 


.  flreitig‘, und wird meift zu unbeſtimmt gedacht; fo daß darüber 

‚Kante wichtigfte Entdeckung, welche der ganzer Geſchichte der 
Philoſophie die veränderte Richtung fihern follte, naͤmlich die 
Entdeckung der einzig richtigen Methode des Philoſophirens, 
wieder von den meiften vergeffen worden iſt. Was aber das 
zweyte besriffe, fo wird poleiniſch gegen die fiühere Vernaqh⸗ 


Statt praftifche Pbhiloſordie. 229 


Uflisung des vefgiöfen Sefahls unſrer Zeit dieſem MB: ein 
zu großer Anſpruch an Die Wiſſenſchaft gefodert. \ 

Diafe allgemeine Schilderung bezeichnet uns auch Teiche 
den Staändpunct der Philsfophie unfers Verf. Er Hat fih 
unfre neuere Einfiht in das Verhaͤltniß der religloͤſen, firtlichen 
and natürlichen Weltanſicht des Menſchen zu eigen gemacht; 
mis ruͤhmlichem Nachdtuck macht er überall auf den Unterſchied 
von Verftand und Vernunft aufmerkſam, befonders begegnet 
ans oft willkommen die feinere Anwendung der Wahrheit, daß 
‚eine hoͤhere Bildung des Geiſtes ſchon vorausgefeht wird, wenn 
man ſich jemand Über die wahre Philoſophie mittheilen wolle. 
Aber das richtige Verhaͤltniß des Verkandes gg Vernunft, und 
daß die genannte höhere Bildung des. Geiſtes Ja· haut nur 
Werk der Reflexion ſey, ift ihhm nicht hinlaͤnglich deutlich. Auch 
dent falſchen Verhaͤltniß des ‚religtöfen Gefuͤhls zur Wiſſenſchaft 
dient die Unbeſtimmtheit feiner Ausdrucke. Mit dieſen Mäns 
geln, don denen feiner unter und ganz frey fegn wird, koͤnnte 
unfer Verf. feiner Zeit immer eine fehr fördernde Bearbeitung _ 
der ptektiſchen Philoſophie gegeben haben (beſonders da er jene 
dehler gar nicht uͤbertreibt, da ihm Rec. gern zugibt, daß er 
nach ſeinen Ausdruͤcken zwifchen Sophiſtit und Myſtik meiſt 
nahe gu der Mitte bleibt, und gegen ältere und neuere Ein⸗ 
ſeitigkeiten, viele treffende Bemerkungen gefammelt hat), wine 
KM. fd) nicht, na der Meinung des Rec. in der Manier der 
Darfkelung einen durchgreifenden, fehr großen Fehler zu Schul⸗ 
den kommen ließe. Die Hauptgedanken der Wiſſenſchaft wers 
den far durchgaͤngig nur als etwas ſchon befanntes angedeutet, 
und nicht erörtert, die Darflellung verliert fi, in Bemerkungen, 
und Bemerkungen zu Bemerkungen. Daher theilt fih der 
Berf. dem Lefer nur aͤußerſt unvolllommen mit, es fehl: allzu⸗ 
oft an einem feſten, fortlaufenden. Gedankengang. Dazu kommt 
nun noch, daß, fo gern er fih bey Wortbeflimmungen aufs 
haͤtt, doch Die feinigen ganz gegen die Regeln philafophifher 
Sprachbildung entworfen find. Oft erlaubt er fich einen Sprach⸗ 
deöpotismus, indem er Worten nur eime Vedeutung als die. 


3 


230. Salate praftifche Philoſophie. 


beſte M. laſſen will, wiewohl fie in der Sprache mehrer 
haben (3. B. bey Offenbarung, Glaube u. a.), uneingebenk, 
daß der Einzelne in der Phtlofophie fo viel Gewalt gar niht | 
über die Sprache hat. In andern Fällen macht er ſich him 
gegen ' die Wortbeflimmungen viel zu fchwer, und hebe durch 
noch fo ausführliche Eroͤrterungen die Linklarheit nicht, weile 
außer Acht läßt, daB die Worte ja nicht unmittelbar die Sachen 


ſelbſt, fondern nur unfere Vorftellungen von demſelben, nur 


die Degriffe des Werftandes bezeichnen. 

Die Moratphilofophie zeigt ſchon in der Einfeitung die 
fhlimme Wirkung. dieſes tumultuarifhen Verfahrens. De 
Verf. ftelt die wahre Philoſophie zwiſchen die Philoſopheme 
der Sophiſtik“, welche nur aus einſeitiger Bildung des Ver 
ſtandes entſpringt, und: ber „Wepftit“, welche die idealiſche 
Ueberzeugung der Vernunft nut mit mangelbafter Bildung des 
Verſtandes anertennt, Darauf folgen Andeutungen des Ben 
haltniſſes zwiſchen Begriff und Idee ſehr unklar, wie Yo wich | 


u andere Auseinanderfeßungen des Verf. durch jenen fogifchen 
-,rZehler in der Wortbeflimmung, ‘den er, wie fo mancher andere, 
aus. den Gleichfegungen der Wiſſenſchaftslehre mit heruͤber gu 


aommen hat. Dadurch bekommen wir oft auf die Hauptfragen 


fo gut wie gar Leine Antwort. Hier gleich wird auf die Frage 
nad dem Verhältniß zwiſchen oral und Religion nur geant 


wortet: fie find ur ſprunglich, aber nicht ſchlecht hin eine. 
Was foll uns das frommen? Worin unterfcheiden fie fih? 
— das ift allein die wichtige Frage, welche der’ Verf. über 
feinen leeren Formeln hier gang vernachläffigt hat. Diefer Fehler 
kehrt nur allzuoft wieder. Die Moralphiloſophie erklärt der 
Verf. als befonderes Hervorheben des Abfoluten in der Form . 


"des Guten — das verfteht niemand, der "wicht ohnehin fon 


weiß, was der Verf. will. — Die Moralphiloſophie feldſt theilt 
der. Verf. in die reine, welche von den Innern moralifdyen Ber 
Bältniffen, und in die empiriſche, welche von den aͤußern Mer 


. Hältniffen zur That handelt. Der reine Theil ſpricht dann nad 


einander von der moralifchen Anlage, dem moralißhen Seſeh, 


Galats praktiſche Philoſophie. 231 


ber moralaſchen Triebfeder und dem Verhaͤltniß der Moralitaͤt 
zur Sluckſeligkeit. Wie wollen mit dem Verf. nit über die 
Damen, fireiten, und geben ihm dann die Brauchharkeit feiner 
allgemeinſten Eintheilung zu. Allein dem gemaͤß iſt die Baſis 
der Unterſuchungen feines reinen Theils durchaus pſychologiſch. 

Nur unter Vorausſetzung einer genauen Kenntniß des menſch⸗ 

lichen Willens kann man über moraliſche Anlage und Trieh⸗ 
ſeder, mus unter Vorausſetzung einer Kenntniß aller unſrer 
ſpeculativen und praktiſchen philoſophiſchen Anlagen kann man 
über Das moraliſche Geſetz wiſſenſchaftlich beſtimmt urtheilen, 
Dieſe Baſis ſehlt nun aber hier, alle dieſe Unterſuchungen ſi nd 
daher hoͤchſt unbefriedigend, oder oberflächlich ausgefallen. Wir. 
erfahren hier won der maraliſchen Anlage nichts näher, als daß 
ſie auf irgend eine Weiſe von „der phyſiſchen verfchieden fey, 
und auf irgend eine Welle Vernunft: and Zreyheit ‚su Veſtand⸗ 
sheiten habe. Ruͤckſichtlich des moraliſchen Geſetzes ſdigt nach 
einigen Vorbegriffen, bey denen man aber auf das Weſen des 
Willens und ſeiner Thaͤtigkeit nach Zwecken gar nicht naͤher 
eingeht, eine Kritik der gewoͤhnlichern Formeln, unter denen 
das Sittengeſetz ausgeſprochen worden iſt. Sehr oberfiͤchlich 
werden die ſechs Formeln: handle vernünftig, folge dem Seas 
wiſſen, die beyden Kantifchen, che naturgemäß, und huldige 
dem abſolut hoͤheren, neben einander gelobt; nachher aber etwas 
ſchaͤrfer die Principien der Organiſation, Gluͤckſeligkeit, Voll— 
konnnenheit, des ſittlichen Geſuͤhls, des ſittlichen Geſchmacks 
und der Befolgung des Willens Gottes beurtheilt. Im dritten 
Abſchnitt wird durch einen aͤußerſt verworrenen Gedankengang 
angedeutet, daß die moraliſche Triebfeder ans Achtung in Liebe 


übergehen folle. Im vierten Abſchnitt werden wir. ganz abges 
brochen auf die Zunge nach dem Verhältniß zwiſchen Moralitie ' 


und Gluͤckſeligkeit geführt, wobey einige allgemeine Begriffe 
nad Kantiſchem Sprachgebrauch, gut und boͤs, im Gegenfag 
mit wohl und übel; Würde und Preiß; Verdienſt, Schuld, 
Zurechnung u. fe w. erörtert werden; der eigne Gedankengang 


des Verf. aber fo unklar bleibe, daß wir ſelbſt nicht willen . 


5 
, 
4. 


. 


⸗ 





232 Salats praktiſche Philo ſophie. 


ob mir ihm nicht unrecht thun, wenn wir Ihm, wie es uns 
ſcheint, Schuld geben, die ethifche Frage nad der Nebenord⸗ 
nung von Meigung und Pflicht in der Handelsweile des Mens 


ſchen mit der religiäfen nach der Vertheilung der Gluͤckſeligkeit 
nach Wuͤrdigkeit durch den Weltlauf verwechſelt zu Haben. In 


Ruͤckſicht der letztern folgt er ganz der Kantiſchen Anſicht. — 
Die Unterſuchung der aͤußern Verhaͤltniſſe (in feinem empiru 


ſchen Theil der Moralphiloſophie) eroͤffnet ſehr zweckmaͤßig das 
Verhaͤltniß zwiſchen Moralitaͤt und Legalitaͤt als Uebergange— 
ſtufe von dem nur Innerlichen zur That. Anfangs werden 


einige Nachweiſungen über die Willkuͤhr nachgeholt, um den 
Unterſchied zwiſchen Geſinnung und äußerer That klar gu machen, 
dann wird die Frage, ob der Menſch gut, oder boͤſe ſey, aus 
führlicher erörtert. Ungeachtet mancher einzenen guten Bemen 
tung gibt uns der Verf. auf die Frage ſelbſt nur die Antwort: 
die Freyheit ift der abfolnte Erklaͤrungsgrund fo wohl des Guten 
ale des Boͤſen. Das wird niemand leugnen, Aber das ent 


ſcheidet ja nicht, ob der Menſch gut oder böfe ſey, und gibt 
ung weber eine moraliſch noch religiös befrichigende Lehre. Nach 


unſrer Meinung gehoͤrte die ganze Unterſuchung nicht hierher, 


ſondern in die Religionslehre, aber Mangel an Unterſcheidung 
des ethiſchen und religioͤſen Geſichtspunctes führe den Verf. 
endlich gar zu dem Ausſpruch: Gutes und Boͤſes könne in 
einem Menfchenherzen wie wahres und. falfches in einem Men 
ſchenkopf yzufammenwohnen, welches, veligiös verſtanden, die 
‚reine Idee des Guten ganz vernichten würde. Beylaͤufig wird 
gegen Kant geſagt: zugegeben, daß die Untericheidung eines 
thieriſchen, menſchlichen und perfänlichen Triebes für den nie 
drigern Standpunst der Reflexion, Beobachtung, Paͤdagogik 
u. ſ. m. einigen Werth haben möge, fo ſcheint fie’ doc aus 
dem Sefihtspuncte der Philofophie ganz verwerflich.“ Aler⸗ 
dings find diefe Triebe nur verfchtedene Aeußerungsarten eine 
Grundtriebes, aber ohne auf diefe "Unterfhiede der Aeußerung 
unfrer willkuͤhrlichen Thaͤtigkeit Ruͤckſicht zu nehmen, wWird ſich 
nie eine verſtaͤndliche Moralphiloſophie darſtellen laſſen. Dr 


“ 


Galats pratsifche Philoſophie. 233 


Verf. fett ihn ja. von Anfang an im Gegenſatz von Moralitäe 
und Sluͤckſellgkeit voraus. — Berner Sitilichkeit im Verhaͤlt⸗ 
niß gegen Auſtand, "Sitte, Grazie, Odoͤnheit, Adel, Groͤße 
der Seele — eine reichhaltige Zuſammenſtellung. Endlich 
Moralitaͤt, Legalitaͤt, Rechtlichkeit. Sehr unzulaͤnglich werden 
hier Rechtslehre und Moral nur durch den Gegenſatz von 
Legalitaͤt und Moralitaͤt unterſchieden. — Die Abhandlung dee 
empiriſchen Moral ſelbſt theilt er in Pflichteniehre, ZTugende 
lehre und. Weisheitslehre. Ein Eintheilungsgrund if dafuͤr 
nicht angegeben; die Theilung ſcheint für den Verf. ein ent⸗ 
lehnter Gedanke, indem faſt alles Material in die Pflichten 
lehre fälle. Diefe euthaͤlt manche gut gelungene Ausfährung, 
fie folge mit wenigen Abweichungen der Kantifhen Tugends 
iehre, nur daß die Lichter gelegentlich durch den unbeſtimmten 
Lieblingsausdruck des Verf.: „Vli auf das Höhere“, veligide 
aufgehoͤht werden, und die Kantifchen Pflichten des Zufande® 
im eingelnen für Staat, Kirche und Haus ausgeführt find. 
Die Lehre von der Tugend hat Hier gar Bein eigenchämliches 
Thema, Die einzelnen Bemerkungen beziehen ich alle auf Mo—⸗ 
mente, die in der Pflichtenlehre fehon da waren. Weisheis 
nimme der Verf, ungefähr im Kantifchen Sinne, als Verbin 
dung von Klugheit und Sittlichkeit. Uns fdyeint es nicht recht 
paſſend, daß er fie über die Tugend erheben will. Tugend 
gehört der Handlung, Weisheis der Erkenntniß; eine foldhe 
quantitative Vergleichung findet alfo zwiſchen beyben nicht ſtatt. 
Was er unter dem Titel: Weisheitslehre, gegeben hat, ift nur 
Erörterung ihres Begriffs, ohne auf bie Klugheitslehre Teil 
einzugeben. 

In der Einteltung zur Religlonsbhilo ſophie ſcheint uns der 
Verf. den: Einfluß der Wiſſenſchaft auf die religidfe Ueberzeut 
gung zu gering anzufeßen. Allerbings vermag die Phtlofophie 
nicht zu fchaffen, fondern nur zu entwiedeln. Aber dem roheften, 
wie dem verfildetfien Irreligibſen fehlt es ja nur am Lebendige 
werden der in ihm liegenden rellgiäfen Ueberzeugung, es fehle 
ihm nur au ber Entwicklung, feines eigenen Glaubens, une 


f} 
) 


234 Salats praftifche Philoſephie. 
Diefe wird fich bey dem Verbildeten allerdings auch durch wih 


fenfchaftliche Deutlichkeit der Begriffe einleiten laſſen. Daß de 


Verf. die Religionsphitofophie als Metaphyfik der Nekigion der 
Metaphyſik der Sitten an die Seite fegt, finden wir paflend; 
feiner allgemeinen Unterſcheidung von Metaphyſik als Lehre 
von ben ideen des Weberfinnlihen, Phyſik als Lehre vom 


Sinnlichen, und Logik als Verſtandeslehre koͤnnen wir nit 


beypflichten, indem fo bie Naturphiloſophie gang Übergangen, 
voder faͤlſchlich von der Philoſophie ausgeſchloſſen wird. Sehr 
aut bemerkt der Werf. ©. oo m. a. a. O., daß die Idee der 
Ethik wiſſenſchaftlich der Neligiondiehre nothwendig vorausgehen 
muͤſſen, aber die religidfe Idee ſelbſt ſcheint er uns in de 


ganzen Schrift zu eng beichräntt zu baden, indem er die Jia 
Ber Gottheit zum alleinigen Thema der Religionsiehre macht. 


Gibt es denn nicht auch neben der ethifchen eine religioͤfe Idee 


von der Beſtimmung des Menfchen, und vom Guten und 


Bbſen? Und von einer andern Seite behält feine Nede uͤberal, 
fo richtig fein Gedanke auch feyn mag, etwas ſchwankendes, 


untlares, dadurch, daß feine Sprache bie religidſe Ueberzeu 


sung (als Wiſſenſchaft, sber bloß als religioͤſes Gefuͤhh von 
Ser Religisfiät ale Tugend nicht gehörtg ſcheidet, wiewohl er 
der letztern eine eigene Unterſuchung gewidmet hat. Die Ru 
Ugionslehre felbft wird in einen reinen Theil, weicher ‚die rei 
giöfe Idee felbfk zum Gegenſtand bat, und in einen empiriſchen 
Zeil getheilt, welcher ihre äußeren Verhaͤltniffe zur Erfehels 
wung betrachtet. Der erfie Abſchnitt des erſten Theis Handelt 
von der religidfen Anlage. Worzuͤglich wird ihr Verhaͤltniß zur 
moralifhen Anlage näher erörtert, und ſehr gut gegeigt, wit 
Sende aus ber gleihen Quelle unfers geiſtigen Lebens fliehen, 
und nur in der Entwicklung aus einander weten. Allein auf 
Bier ſchadet dem Verf. feine Manier der Wortbeſtimmungen. 
Das Wort Religion bleibt fo vieldeutig, daß- dadurch haͤufig 
Die Beſtimmtheit der Gedankens verloren geht," z. ©. in ber 


yanıım Nachweiſung, baß bie ‚religidfe Anlage fi durch ein 


Gefonderes Verhaͤltniß su Gefühl und Phautaſie von bi 


‘ 


Galats praktiſche Sollofopbin — 2386 


moraliſchen Unterſchlede. Oder wenn er ſagt: „jeder moraliiche 
ſey religiöss, jeder veligiöfe moraliſch.“ Freylich der Anlage 
nach. Aber in der Entwidiang unfrer Geiſtesbildung iſt Im⸗ 
moralitaͤt ſedesmal Schler des Eharakters, Irreligioſitaͤt kann 
oft nur Fehler des Urtheils, Irrthum ſeyn, und in ſofern ſind, 
des Verf. Behauptungen unrichtig. Offenbarung und Vernunfi⸗ 
religion werden einander gleich geſetzt durch das bekannte Wort⸗ 
ſpiel, indem man Offenbarung. nicht in der eigenthämlichen 
Bedeutung ber. Religionslehre, fondern in dir allgemeinen 
philsfophifchen nimmt, wo das Wort eine unmittelbare Webers 
jengung dee menſchlichen Vernunft bedeutet. So fagt der Sup 
das Begeutheil von dem, was er zu fagen fcheint. "Durch die 
dabey erwähnte Idee der Erziehung des Menſchengeſchlechts 
dur) die Vorſehung wird Hier auch nichts gewonnen. JR 
denn die allmaͤlige Ausbildung des menſchlichen Geiſtes in det 
Zeit nicht eben fo gut eine Raturerfheinung, wie jede pſycho⸗ 
logiſche? Auch den Ausdruck natuͤrliche Religionslehre lehnt 
der Verf. aus unzulaͤnglichen Gruͤnden ab. Denn er fest fie 
nicht wie der allgemeine Sprachgebrauch als eine durch eigne 
Einſicht zu erhaltenpe Lehre der pofitiven-auf fremde Autoricät 
Stgrändeten entgegen, fondern bemerkt nur, daß der Gegent 

Rand der Neliyionsichre das uͤbernatuͤrliche ſey, was hier nichts 
entfcheidbet. Der zweyte Abfıhnitt Handelt won der unmittelbes 
ren Ueberzeugung, daß ein hoͤchſtes Weſen ſey. Vorzuͤglich 
wird weitlaͤuftiger erörtert, von welcher Art unfre religiäfe 
Ueberzengung fen. Der Verf. nennt fie’ eine Vereinigung von 
Stauben und Wiſſen, fcheint uns aber darin dem Sprachges 
brauch mehr Gewalt anzuthun, als dem einzelnen Philoſophen 
erlaubt if. Er will nur eine Bedeutung des Wertes Glaube, 
naͤmlich Ueberzengung der Vernunft gulaffen, dagegen das Wiſſen 
die Ueberzeugung des Verftandes fen. Hierbey iſt die gewoͤhn 
liche ſogiſche Bedeutung des Worte Glaube ganz vernachläffige, 
und die Erklärung des Willens als Ueberzeugung des Berflans 
des, können wir ihm gar nicht gelten laffen. Eigene Ueberzen⸗ 
gung des Verſtaudes iſt ja nur Die in den leeren Denkgeſetzen 





236 BGaalats prattiſche Philoſerbie. 


ber. Logik, oder wenn er es fo nicht. nehmen milk, nur die 
Deutlichkeit deg Erkenntnis im Gegenſatz der dunkeln Worfich 


fung, womit bier gar nichts gewonnen wird, und zwiſchen 
welchem der Verf feine Gedanken unbeſtimmt gelaffen bat. 
Bey der Kritik der gewöhnlichen Beweiſe früherer Schuien für 


das Dafeyn Gottes herefcht eine Machgiebigkeit gegen unbe 





holfne Ausdruͤcke und ein Nichtachten der logiſchen Otrenge 
deſſelben, welche man. der Wiſſenſchaft nie geſtatten ſollte. Dear 


dritte. Abſchnitt fpeicht von den Eigenfchaften Gottes. Dear 
Werf. fagt: man muͤſſe Heiligkeit, Sütigkeit, Gerechtigkeu 
als primäre, Alwiffenheit und Allmacht als ſecundaͤre anfehen; 
Folgen diefer ‚find Weisheit, Worfehung, Seligkeit. Endlich 


Gott ale abſolute Vernunft, Perſoͤnlichkeit, Geiſt. Vierter 
Abſchnitt. Verhaͤltniß Gottes zur Welt. Der Gottheit als 


Uebild wird der Menſch als Nachbild, die aͤußere Natur als 
Sinnbild an die Seite geſetzt. — Verhaͤliniß dee Schöpfere 
zum Gefchöpf, dabey die Linfterblichkeit des Deenfchen, dann 
Vorſehung, Weltregierung, Sieg des Guten, religidfe Tugend, 
Froͤmmigkeit, Demuth, Geduld, Hoher und ſtarker Murh — 
Glaube, Hoffnung, Liebe — Belehrung, Neue, Wergebung, 
Verſoͤhnung, Stenfe, Genugthuung — Andacht, Gehe, Wun⸗ 
der und Geheimniß. So viel gute Bemerkungen gegen neuste 
moſtiſche Borfiellungsarten in Deutſcher Philofophie. hier vor 
Sommen, fo fcheint uns doch der Verf. in. feiner unklaren 
‚Sprache den herfömmlichen Werftellungsärten zu viel nachzuge⸗ 
ben. Seine Lehre von Unſterblichkeit und Weltregierung en 
hebt fich nicht Über Raum und Zeit, und ‚das beſchraͤnkt Bild⸗ 
liche der Vorſtellungen von Verſoͤhnung und Strafe tft nicht 
Tenntlich gemacht. — Der. zweyte heil betrachtet die Religion 
im Gebiet der Erſcheinungen. Weſen und Form im Abſicht 
auf das Religioͤſe. „Ext da kann Religian erſcheinen, wo ſich 
die Cultur bis zum Gewiſſen, zum Bewußtſeyn des Sittlichen 
erhoben hat.“ — Monotgeismus und Polytheismus,. Chriftens 
tum und Heidenthum — Pofition in Abficht bes veligidien, 
Dogma, Dogmatisuns, Aberglande. — Negation. in Abfidt 





Galats praftifche Philoſophie. 237 


des Religioͤſen, Religionsfreyheit, Skepticismus, Unglaube. — 
Kirche, Katholicismus und Proteſtantiemus, Staat und Kirche. 

Die dritte Meine Schrift enchält nur einige Andeutungen 
über ihe Thema. „Einfeitigkeit des Werfiandes und Mißbrauch 
feiner Formen mußte verderblih auf die praftifhe Phitofophie 
wirken, und die. Oftentation mit leeren Formen mußte bald 
ermuͤden.“ Der Verf. thut unrecht, dieſen Fehler eben dee . 
kritiſchen Philoſophie zur Laft zu legen. Er ift weis Alteg, die 
fritifche Philoſophie hat uns gerade darüber zum Selbſtver⸗ 
ſtaͤndniß gebracht. „Als man biefen Fehler kennen lernte, griff 
man nach dem andern Extrem, indem man das Leben mit der 
Schult verwechielte, Naturlehre und Religion, Philoſophie 
und Dichtung mit einander verwirrte. Auch dieß vernichtete 
die praktiſche Philoſophie und ſchreckte in ſeinen Uebertreibun⸗ 
gen von aller Philoſophie, ab.“ Aus dieſen nennt dann bet 
Verf. als Gruͤnde des gefunfenen Intereſſes an der Philoſophie 
die drey: Wechfel der Mode, beleidigtes Gefühl fo manches 
beſſeren, den die Ausfläfe der Einfeitigkeit zuruͤckſtießen, und 
betrogene Hoffnung bey dem befländigen Wechfel der Oyſteme. 
Wir würden neben dieſem zweyerley für das enticheidentfte hal⸗ 
gen, zum guten, den für Die Schule wiedergefundenen Glauben, 
zum ſchlimmen, die verlorne Sprache. Nach des Rec. Mei⸗ 
nung koͤnnen naͤmlich philoſophiſche Unterſuchungen erſtens nur 
dann ein lebendiges, oͤffentliches Intereſſe behalten, wenn dag 
Öffentliche Urtheil eines Volks philoſophiſche Fragen aufgibt, 
ohne die Antwort gleich Hinzu zu finden, Denn Fragen beantr- 
worten, die niemand aufgegeben hat, erregt feine Theilnahme, 
und Antworten geben, die jedermann kennt, eben fo wenig; 
zweytens, ‚bey uns kann fih die Schule mit philoſophiſchen 
Unterfuchungen nur geltend machen, wenn fie im Beſitz einer: 
unter firenger logifcher Discipfin gehaltenen Sprache if, denn 
nur dadurch kann flejüber philoſophiſche Gegenftände mehr und 
beſtimmteres wilfen, als was durch bie allgemeine Ausbildung 
unfrer Sprache ſchon im gemeinen Leben in die Bemalt eines 
jeden: omint. Wergleichen wir damit den jetzigen Zuſtand der 


238 Galats praktiſche Bhilefophie. 


Philofophie in Deutſchland. Die philoſophiſchen Fragen, welche 
allein ein oͤffentlich lebendiges Intereſſe erregen, ſind die Grund⸗ 
fragen unfeer religioͤſen Ueberzengung, die Fragen nach dem 
ewigen Leben und nach dem Daſeyn Gottes. Dieſe fachten 
auch das neuere Leben in Deutſcher Philoſophie an; indem die 
kritiſche Philoſophie dem darüber ſeit lange desorientirten 
oͤffentlichen Urtheil verſprach, zur Ruhe und erwuͤnſchten Ge 
wißheit zu verhelfen. Sie hat auch Wort gehalten; aber nicht 
mit geometriſchen Demonſtrationen, ſondern dadurch, daß ſie 


den Glauben wieder in die Schule einfuͤhrte. Allein eben du 


‚durch iſt nun die Schule um nichts Mäger geworden, als ſich 
ein jeder ohne fie auch dunkt, natürlich mußten alfo ihte lin 
terfuchungen mit der Entfcheidtung der Sache ihr populäres 
Intereſſe verlieren. Dazu kommt nun noch eine Rächwirkung 
vom Verderben der Sprache. Durch diefes wird es niemand 
Mar, wozu die Philoſophie den gelehrten Befchäften eigentlich 
dienen folle, und damit mache fich jest das ‘öffentliche Urtheil, 
fie nuͤtze uͤberall dem Leben nichts, philoſophiſche Religionslehre 
»tauge dem Theologen fo wenig als Naturrecht dem Suriften, 
und Naturphilofophie dem angäbenden Arzte. Das der'®gale 
gefährtiche an der Sache ift denn eigentlich der, im ber ger 
wiſſermaßen herrſchenden Schule vorhandene Ruin der Schul⸗ 
ſprache, durch die Zerbrechung aller Feſſeln der Logik. Dieſes 
Verderben geht von den Formeln des ſetzenden und entgegen 
fegenden Ich in Fichte's Wiſſenſchaftslehre aus, erhält fih 
durch alle Abänderungen der Formelſprachen in der fogenannten 
Naturphilofophie, und fpriche fh am naivſten bey denen aus, 
die den Sag vom Widerſpruch in das Gedankenſyſtem der 
Spießbürger verweiien, um ben Genius der Philoſophie feiner 
Herrſchaft zu entziehen. Seitdem fo die philoſophiſche Schul⸗ 
- fprache alle feſte Regel verloren hatte, mußten die meiſten 
Schüler unter dem Philofophiren wicht mehr. die Kunſt tie 
Wahrheit deutlich darzuſtellen, fondern die Geſchicklichkeit ven 
ſtehen, gewöhnliche Gedanken fo auszuſprechen, daß fie nad 
Wunder was Klingen. Beſonders geht da den Bchälen die 





Galats praltiſche Philoſophie. 239 
Kenntniß deſſen verloren, was philofsphifche Ableitung der 
Wahrheit feyn fol, daher fehen wir fo manchen Anfänger in 
der Meinung, er Habe auch. fein Syſtem der Philoſophie, ine 
dem er fich die Begriffe aus dem Regiſter philoiophifcher, oden 
phufitalifcher Werke nach Dupficitäten geordnet hat, ohne irgend 
eine wahre Abfolge der Gedanken. Eben in ber norhiwendigen 
fitengen logiſchen Disciplin der Sprache liegen die Schwierige 
keiten eines feſten Fortſchrittes in der philofophifchen Ausbile 
dung. Sn einer Sprache mit ſchwankenden Wortbedeutungen, 
in einer Sprache, in der die Bilder mit ber Sache ſelbſt vers 
wahren find, laͤßt ih nur philofophiih träumen, aber nicht 
philofgphiren. So if aber die energifchte die aus Fichtes 
Spradhverwirrungen hervorgegangene Kunſtſprache beichaffen. 
Da ſpricht man phllofophiih von einer Geburt Gottes, oden 
nennt die Gottheit einen ewigen Abgrund, aus dem die Dinge 
geboren werben, und. bedient fh, wie Schelling in feiner 
neueften Abhandlung über die Freyheit, jenes alten Kunſtgriffa 
der Myſtiker, daß man den Gedanken zwifchen die Segenfäße 
eines Widerſpruchs einflemmt, und fi einbildet, fo das uns? 
ausiprechliche ausgefpeodhen zu haben. 3. ©, das Böfe iſt im 
der Welt nicht eine Bedingung des Guten, fondern damit das 
Sure ſich zeigen koͤnne; Gott iſt der Urgrund, oder eigentlich 
der Ungrund aller Dinge, ein Nichtſeyn ohne Nichts zu ſeynʒ 
die Liebe verbinder folhe, deren jedes für ſich ſeyn eönnte, 
und ‘doch nicht iſt und feyn kann ohne dag andere. So mache 
man leicht lange tönende Neden, deren ganzer einfacher Sinn 
deutlich ausgeſprochen lautet: lieber Freund, das verfiehe- ich 
fo wenig als du. Solches rhetorifhes Spielzeug kann eine 
Zeit lang unterhalten; wird nachher aber feine Leerheit gefühlt, 
ſo erſcheint es abgeſchmackt und wird dann leicht der naͤchſt 


folgenden Zeit das Intereſſe an philoſophiſchen Unterſuchungen 
gberhaupt verleiden. | 


« % 








. © 
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240 Arndt Briefe an Freunde. 


Briefe an Freunde, von E. M. Arendt. Altena, bey SH. F. dam 


merich. 1810. 308. (1 Rthlr. 4 gr.) 


Zwey Sammlungen von Briefen voller Feuer and Flamme, 
geihrieben in den Jahren 1805 und 1807 an zwey gleichführ 
lende liebe Ereunde, über Gegenflände des Lebens und das 
Leben ſelbſt, Briefe, die aus dem Herzen kamen, und auch 
wieder zu Herzen gehen, jedem zu wuͤnſchen, und zu empfeh⸗ 
In, dem Individualität etwas if. Wir fagen: Indi⸗ 
vidualitaͤt, weil heut zu Tage man nur nad Allgemeinheit, 
um nicht gar zu fagen: &emeinheit, fireben foll. Hier erblickt 


Man einmal wieder einen Mann, den Schulweisheit nicht bu 


thoͤrt, dem Zrauenempfindelen den Sinn nicht verkehrt, ben 
Weltklugheit nicht ab geichliffen, ben Ereigniffe und Begeben⸗ 
heiten nicht gebeugt haben ; immer den alten, feflen, troßigen 
‚und weihen Mann, der dem Leben kühn entgegentritt, und 
es handhabt, der aber auch weiß, wie TÜR und Schön Das Leben 
iſt. Viel iſt in diefen Briefen niedergelegt‘, das jeden, bädte 
er bierüber auch von dem Verf. noch fo verfchieden, im San 
zen dennoch anziehen muß; viel wird der finden, der einmal 
on der Welt RG uͤberlaſſen, und ähnliches erfahr 
ven Hat. . 

Sollen wir den Inhalt beyder Sammlungen angeben, 
fo fagen wir: die erfte fey eine Warnung über, vor und bey 
"allem Gehen und Hören und Sprehen das Denten, und bey 
and über diefem das Leben niche zu vergefien , was leided.nur zu 
vielen begegnet. Die zweyte ift eine Apologie der Kennen 
ohne daß ihre ‚minder vortheilhaften Seiten weiter in Schuß 
genommen mürden. Nebenbey find aber, wie fich erwarten 
aß, noch viele fhöne Bemerkungen über deal, Schoͤnheit, 
Studententhum, Nachrichten über die Jugend des Verf., und 
ſcharfe, doch gerechte Urtheile Über Deutſche Schriftfteller, als 
Goͤthe, Sciler, Jean Paul mitgetheilt. Won der Behandlung 
and Darftellung fprehen wir kein Wort, da fle ja eben im 
Aeußern die Individualität.ung fund thun. Und wer follte au 
Arndt nicht iennen? Auszuͤge können wir auch nicht geben, 
weil ein ſolches Unternehmen ein verfehrtes feyn wärde Wir 
fodern nur alle auf, die dieß Werk nicht kennen folten, es 
fogleih gur Hand -zu nehmen, und zu lefen, und find uͤber⸗ 
zeugt, daß fie es nicht eher weglegen werden, ale big es In 
ihnen Zleifh und Blut geworden iſt. Und iſt dieß der Sal, 
dann freuen wir uns für unfern Anıheil, etwas zur allgemeß 
nen Bekanntmachung dieſes Buchs beygetragen zu haben. 


— — 








No. 16. Heidelbergifche 1811. 
Jahrbuͤcher der Literatur. 


Rechtsfälle, zur Erläuterung der Gerichtsverfaffung und Proceßord⸗ 
nungen Weſtphalens. Herausgegeben von D. B. W. Pfeiffer, 
Eubilitut des königlichen Generale Brocureurs am Appellaions⸗ 
hofe des Königreichs Weſtphalen. Erſter Band, Erſtes Stück. 
1410 ©. Zwevytes Stück. 141 — 200 S. Anbapg 52 ©, 
Hannover, bey den Gebrüdern Hahn. 1810. 8. . 


Sean ganz mit neuen Rechtsformen verfehenen Staate, 


und ben der Einführung einer fich über die mehrften Rechtsge⸗ 
genſtaͤnde erſtreckenden, zum Theil ganz neuen und eigenthuͤm⸗ 
lihen ®egislation, muß alles, was zur genaueren Kenntnig und 


zur richtigeren Anficht diefes neuen Nechtszuftandes in. feinen | 


mannigfaltigen Beziehungen beyträgt, und wodurch eine vers 
beſſerte Einficht deffelben verbreitet wird, mit Dank aufgenoms 
men werden. Solche Bemuͤhungen erhalten gerade durch den 
Zeitpunct, in den fie fallen, noch einen eigenthüämlichen Werth 
und eine befondere Wichtigfeit; einmal wegen des großen Eins 
fluffeg, den fie auf die weitere Ausbildung der neuen Formen, 
und auf die Nichtung, welche die angehende Praris nehmen 
wird, zu haben pflegen, und der ihnen bey der, durch Die 


Ungewohnheit der neuen Verhaͤltniſſe erhöheten Empfaͤnglichkeit 
und Bildſamkeit nie ſehr ſchwer fallen kann; fodann aber aud) .: 


deswegen, Weil nicht leicht zu irgend einer andern Zeit dag 
Beduͤrfniß nah ihnen fo dringend iſt, wie gerade in diefem 
Augenblide, wo das dur fo verſchieden., zum Theil in der 
Natur der Sache liegende Umftände begänftigte Auftreten fo 
vieler unbderufener Lehrer und Meifter, die bey dem Drange 
des augenblicklichen Bedärfniffes flets ihr Publicum firden, 
einer im echten Geifte der neuen Ordnung der Dinge zu beförs 


dernden weiteren Ausbildung derfelben fo schädlich und gefährlich 
u ı6 . 


u | 


242 Pfeiffer Rechtsfaͤlle. 


gu werden drohet. Rec. hält daher die vorliegende, zur Erı 
läuterung ber. Serichtsverfaffung und der Procefordnungen 
Weſtphalens beſtimmte Sammlung von Nechtöfällen. fr ein in 
jedee Hinſicht fehr verdienfieolles Unternehmen. Zwar wird 
fih einem unbefangnen Beobachter des Ganges der neueſten 
juriftifchen Literarur über die neuen Franzöfifchen Sefeßgebungen 
leicht die Beforgniß aufdrängen, ob nicht durch eine zu große 
. Aufiperffamteit und zu ängftlihe Anhänglichkeit an den jebes 
maligen Gang und die jedesmalige Richtung der Praxis der 


. Gang der · freyen Unterſuchung gehemmt, und das ſelbſtſtaͤndige 


Studium unterdruͤckt, und fo durch Arbeiten, wie die vor 
liegende, mehr gefchadet, als genußt werden dürfte, — eine 
\ Beſorgniß, die nicht nur in vielen Hinſichten durch unſere 
‚Bisherige Schriftſiellerey in dem Felde dieſer neuen Geſetzge 
bung, fondern auch durch die ganze Beſchaffenheit unfger jur 
ſtiſchen Lectuͤre, und eime fchwerlich richtige Beurtheilung und 
Schaͤtzung des Werthes und Anfehens der Entfcheidungen 
unfrer Ueberrheinifhen Nachbarn gerechtfertigt ſcheint. Allein 
dem Verdienfte des Verf. kann dieß um fo weniger. Eintrag 
thum, als die ganze Einrichtung des vgrliegenden Werkes deut 
lich zeige, daß die fammtlichen in demfelben mitgetheilten Env 
fheidungen, wenn nicht gleich anfangs in Folge des vom Lerf. 
befleideten Amtes unmittelbar aus feinen eignen Unterfuchungen 
hervorgegangen , do in jedem Falle nachher durch. diefelben 
gewiſſermaßen fein Eigenthum geworden find. Meiftens geht 
namlich einem jeden Rechtsfalle eine wiſſenſchaftliche Unterſu— 
chung über den in Stage ſtehenden Rechtsfall vorher, fo daß 
durch die nachher folgende richterliche Entſcheidung nicht fomohl 
die Nichtigkeit des vorher ausgeführten Satzes beweifen, als 
vielmehr derfelbe nur deutlicher, und die ihm zum Grunde lie 
genden factifhen Verhaͤltniſſe anſchaulicher gemacht werden 
folen. Nur fehr wenige Stellen haben beym Nec. den Wunſch 
erregt, daß der Verf. die oben berährten Ruͤckſichten lebhafter 
wor Augen gehabt haben möchte, wie eine detaillirte Anzeige 





Pfeiffer Nechtsfaͤlle. 243 


des Inhalts, zu welcher Mer. nun absrgeft, noch naͤher zeigen 
wird. 

Heft I. At handl. 1. Bey Beſtimmung der Ap— 
ptllationsſumme werden auch Zinſen, in ſofern 
fie [bon Gegenſtand der Klage waren, mitge— 
tehnet. Die. Nichtigkeit dieſes Sabes für die Franzoͤſi ſche 
Prozeßordnung it feinem Zweifel unterworfen, weil ihr zu— 
folge die Beurtheilung der Frage, ob eine Sache zur Appellar 





tionsinftang -erwachfen fen, Tediglich nah dem Betrage. des 
Prozeßgegenſtan des ohne Ruͤckſicht auf den der Beſchwerde, DEE 


benscheite wird. - Der Verf. fucht dieſen Satz auf) in Anſe⸗ | 
hung der Weftphälifchen Proceßordnung zu vertheidigen, öbr 
wohl der Art. 353 ausdrücklich die Wefchwerdenfumme als 
Maßſtab der Devsiution aufftellt. Doc) vermißt man pofitive - 
Gruͤnbe, und die in dem, im koͤnigl. Decrete vom 27. San. 
1808 Tit. III. Art. 4. vorkommenden Ausdrude: Haupt⸗ 
fumme, enthaltenen Einwuͤrfe werden vorzuͤglich mit der Be⸗ 
merkung beſeitigt, daß hier ein Mangel an Genauigkeit im 
Ausdrucke zum Grunde liege, und es ſtatt Hauptſumme, 

Hauprgegenſtand heißen muͤſſe. Allen in ber neuen, 
vorzäglih in Anfehung der Deutſchen Ueberſetzung ſehr ſorg⸗ 
faͤltig revidirten Ausgabe der Geſetzbulletins iſt dieſer Aus⸗ 
druck, wie es ſcheint, nicht ohne Abſicht beybehalten, und in 
einem Schreiben des Juſtizminiſters vom 2. Maͤrz 1810 wird 
ausdruͤcklich erklaͤrt, daß die Zinſen, als bloße Nebenſache, bey 
der Beſtimmung bee Competenz nicht mit in Berechnung Toms 
men koͤnnten. Der Verf. hat daher auch felbft Heft II. No. 
XV. feine Meinung zurückgenommen. — H. Die Infinuas 
tion der Appellationsangeige an den In erfier 
Inſtanz beftellten Anwald ift nichtig, und die 
Appellation ſeübſt wird in diefem Kalle mit dem 
Ablaufe der gefeßlihen Frift deſertz S. 9—23, 
vorzüglich aus dem Grunde, weil die auf die erite Inſtanz 
beſchraͤnkte Anwaldsbeftellung mit erfolgte Urtheil aufhört, 








244 Pfeiffer Rechtsofaͤlle. 


und mit ihr auch die Vermuthung des bey dieſem Anwalbe 
gewaͤhlten Wohnſitzes wegfaͤllt, die Appellationsanzeige aber 
ſchon die erſte Handlung der zwepten Inſtanz iſt, durch zwey 
Rechtsfaͤlle belegt, wovon der letztere noch die Frage mit be 
ruͤhrt, in wiefern der Appelat noch während des Lanfes der 


Appellationsfrift eine Audienz auswirken koͤnne, um Die gu 
fhehene Appellationsanzeige für nichtig erfiären zu laffen. Dre 
App:lationshof entfchied verneinend, wogegen jedoch der Verf, 


wie Rec. glaubt, gegründete Zweifel erregt. III. Kann bey 
Berechnung der Appellattionsfrift der Tag bet 
Sinfinuation des Urtheils und der Des Ablaufs 
der Friſt mitgezählt, auch dabey auf die Entfers 
nung der Wohnfige Ruͤckſicht genommen werden. 
Der Verf. äußert nicht beſtimmt, wie wir gewuͤnſcht Bätten, 
feine Meinung über diefe fehr beftrittene Frage, ſondern theilt 
nur ein Erkenntniß des’ Appellationshofes zu Bourdeaux vom 
16. Zebr. 1808, und. ein anderes des Appellatienshofes zu 
Beſançon „vom 27. Dec, 1807 mit, welche beyde die aufge 


ſtellte Frage verneinen, es kam jedoch beym zweyten Fol, 
welcher die bey dem Verfahren über die Arreſtanlegung aufm 


mobilien vorgejchriebene beſondere Appellationsfrift betraf, noch 


der Umſtand Hinzu, daß, wenn man auch den Tag der Ins 


nuation wegnehmen wollte, dennoch die Appellation nicht bin 
nen der gefeßlichen Frift interponirt war. IV. Summari— 
ſche Sadhen werden in der Appellationsinftanz, 
ohne vorgängige Snfinuation einer Beſchwer— 
denfchrift, zur Audienz gebracht, und bloß mündı 
lich verhandelt. ©. 35—5g, denn die bloße Appellationes 
anzeige leifter bier das nämliche, was die fummarifche Klage 
In der erften Inſtanz leiſte. V. In wiefern if eine 
Vorladung gültig, welche nicht dem Vorzuladens 
den in Perfon infinuire worden if. S. 59—50 
Diefe Abhandlung betrifft den Art. 18 der Proceßordnung, we 
bioß Verwandte und Dienftbothen als diejenigen genannt find, 


} 


Pfeiffer Rechtsfaͤlle. 245 


an welche in Abweſenheit des Vorzuladenden die Inſinuation 
rechtsbeſtaͤn dig geſchehen kann; der Art. 68 des C. de pr. fügt 
ihnen noch die Nachbarn hinzu. Der Berf. ſucht den Geiſt 
dieier Beftimmungen duch Mittheilung mehrerer Urtheile Frans 
zoͤſiſcher Appellationshöfe' zu entwickeln. Ihnen gufolge ges 
fhieht die Snfinnation nicht gültig an einen mit dem Vorzu— 
ladenden in dem nämlichen Haufe wohnenden Miether, fo wie 
an den Bruder des Vorzuladenden, wenn er einen von dem— 
felgen verſchiedenen abgefonderten Wohnort hat, gültig aber 
an den Dienftbotyen eines mit dem Vorzuladenden zufammens 
wohnenden Bruders. Mit dem vom Verf. hier angegebenen 
Srunde diefer Deutung, daß nämlich der Gefesgeber bey Be— 
fimmung ber Perjonen, an welche eine Sjnfinuation an der 
Stelle des Vorzuladenden ‚bewirtt werden koͤnne, vorzüglich 
darauf gefehen habe, ob diefelßen mit diefem sufammenwehnten, 
und daß die wirklich genannten nur beyſpielsweiſe als ſolche, 
bey denen dieſe Vorausſetzung gewöhnlich eintrete, angegeben 
ſeyen, kann Rec. nicht einverſtanden fern, ſonſt müßte ja die 
Vortadung auch an die Miether deſſelben Hauſes guͤltig ger 
ſchehen koͤnnen. Außer dem Factum des Zuſammenwohnens 
ſcheinen noch andere Verhaͤltniſſe mit dem Vorzuladenden be⸗ 
ruͤckſichtigt zu ſeyn, wodurch es wahrſcheinlich wird, daß dem 
Vorzuladenden die Inſinuation auch wirklich zugekommen ſey. 
Ueberhaupt ſieht Rec. nicht ein, warum die an den Miether ger 
ſchehene Infinuation nicht aus dem Geſichtspuncte einer an einen 
Nachbar geſchehenen Inſinuation aufrecht erhalten werden kannte. 
VI. Der Mangel einer genauen Bezeichnung der 
Derfon, welder eine Borladung zugefteltt 
wurde, macht die Sinfinuation nichtig. Durch diefe 
Bezeichnung foll das Inſinuationsdocument zugleich den Beweis 
enthalten, daß die Worladung einer ſolchen Perfon zugeftelle 
worden, welcher fie gültig. gugeftelle werden konnte. Wie diefe 
Bezeichnung gefhehen muͤſſe, fchreibt der Art. Gı der Franyds 
ſiſchen Proceßordnung nicht vor, daher der Verf. aus mehreren 


a 
N 


246 Pfeiffer Rechtsfaͤlle. 


ErfenntniffenSeangöfifher Gerichtshöfe einige Regeln hierüͤber 
zu abftrahiren bemüht if, denen zufolge diefe Bezeichnung 
nicht nothiwendtg durch die Angabe des Namens zu gefchehen 
braucht, fondern auch gültig durch eine Befchreibung der Per 
fon, nah ihrer Eigenfhaft und ihrem Verhältniß zu dem Bor 


"geladenen, ‚gefchehen kann. Der Art. 7 der Weſtphaͤliſchen 


Prozeßordnung fordert aber beſtimmt die Angabe des Na— 
mens der Perfon, welcher die Vorladung zugeſtellt wonrde, 
und Rec. glaubt daher nicht, daß in deren Ermangelung eine 
der vorher erwähnten Arten der Bezeichnung die Inſinuation 
als gültig aufrechte erhalten könne. VII. Unter den von 
einer Behörde der öffentlihen Verwaltung eins 
gegangenen Verträgen find nur diejenigen der 
gewöhnlihen Berichtsbarkeit entzogen, welde 
auf den Öffentliher Dienft unmittelbar Bezug 
haben, und ihrer Natur nah von dergleichen 
Behörden abgefhloffen werden fönnen. ©. 87-69. 
Durch ein Erkenntniß des Weftphälifchen Appellationg » und 
Eaffationshofes beſtaͤtigt. Nach dem königlichen Decrete vom 
24. Des, 1807 Art. 25 muͤſſen fih We, Parteyen, die in 
foihen Fällen durch die Operation der Regierung beeinträchtigt 
zu ſeyn behaupten, mittelft Bittſchriften an den Staatsrath 
wenden, und das Verfahren vor demfelben iſt eigentlich nur 
eine Entſchaͤdigungsklage. VIEL Kein Staasbeamter 
fann wegen Dienfiverlegungen, oder Vergehen, 
fo geringfügig - und “ohne Einfluß auf feine 
Amtsverrihtungen bdiefelben auch feyn mögen, 
vor Gericht geſtellt werden, ohne vorgängige 
Entfheidung des Staatsrarhs. Durch zwey Erkennt 
niſſe des Weſtphaͤliſchen Kaffationshofes beftätige. Rec. Meis 
nung nad) hätte der Verf. diefen Sag noch genauer beſtimmen 
müffen, als es S. 7ı gefchehen iſt; er will nur an die Um 
tegelmäßigkeiten der Huiſſiers bey ihren Amtsverrichtungen, der 
Notarien, ja auch an die Weberfchreitung der Sporteltare voR 








Pfeiffer Nechtofäne. 207 


Seiten der Friedensgerichte erinnern. IX. Die, bey Eins 
führung der neuen Gerichtsverfaſſung, in ihrem 
vorherigen Geſchaäftskreiſe vorläufig beybehals 
tenen Handelsgerichte find an die allgemeinen 
Borfhriften Über das gerihtlihe Verfahren 
gebunden, Facultatsurtheile, welche nach Eins 
führung der neuen Gerichtsverfaſſung publicirt 
wurden, find nihrig, wenn gleich foldes im Nas 


men Des jeßt competenten Tribunals gefhah. 


S. 77-—-8. Mit einem Erfenntniffe des Caſſatio*hofes 
belegte, welcher ein Erkenntniß der Göttinger Suriftenfacultät 
aufhob, welches nad dem, die Serichtsverfaffung anordnenden 
Eönigl. Decrete vom 27. Jan. 1808 publichrt worden mar. 
Das Rechtsmittel der. Revifion, worüber die Goͤttinger Suriftens 
facuftär fprach , war aber bereit am 26. Sept. 1806 eingelegt, 
dee Actenſchluß und deren Verſendung vor Einführung der 
neuen Serichtsverfoffung erkannt und nachgeſucht, und die Acten 
vor derſelben bey der Facultaͤt eingelangt. A. Dem Appel— 
lanten ſteht es frey, die Fehler einer nichtigen 
Appellationsanzeige durch deren Wiederholung 
binnen geſetzlicher Friſt zu verbeſſern, wenn 
gieich über jene Nichtigkeit von dem Gerichte 
nicht zuvor erkannt worden if. S. 85—9ı. Der 
Gegner berief fih vorzuͤglich auf die, durch die‘ frühere Appels 
lationsangeige begründete Litispendenz, die auch durch eine Ents 
fagung jener nicht gehoben werden könne, weil ber Abſtand 
von einem rechtshaͤngigen Proceſſe nur mit beyderſeitiger Ein 
willigung sgefchehen könne. Der Appellationshof nahm indeffen 
ganz richtig an, daß die Nichtigkeit der früheren Appellationss 
anzeige der Begräudung einer Litispentdenz obftire, und folglich, 
da von einem Abflande vom Proceſſe nicht die Rede feyn koͤnne⸗ 
eine einſeitige Entſagung allerdings zulaͤſſig ſey. XI. An wie 
fern kann in peinliden Sachen die Behauptung, 
daß der Richter die Eriftenz, eder Michterifteng 


ww 


N 


218 Pfeiffer Rechtsfaͤlle. 


eines Verbrechens ohne hinreichenden Srunb 
angenommen habe, zur Begründung eines Eafs 
fationsgefuches gebraudt werden. ©. ge — 111. 
Die Frage hätte wohl etwas genauer befiimmt werden können, 
denn jo, wie fie geftelle iſt, follte man glauben, es fey Bier 
. bloß von der Conftatirung eines Corpus delicti im allgemeinen 
die Rede, da es doch vorgüglic auf die Frage, ob und wie 
weit ein Verbrechen einem beftimmten Individuum imputirt 
„werden koͤnne, ankommt. Der Verf. gefleht felder, daß das 
die peinliche Gerichtsordnung enthaltende Gefeg vom 19. Aug. 
1808 über die aufgeftelte Frage feine beſtimmte Vorfchrift ents 
Halte; nichts defto weniger deducirt er aus zwey mitgetheilten 
Erkenntniſſen des Caſſationshofes eine ‚Theorie, von deren 
Richtigkeit fih Res. keineswegs überzeugen kann. Es foll 
nämlich darauf anfommen, ob die Entſcheidung über die Epifteng 
oder Nichteriftenz eines Verbrechens die Eröffnung einer peins 
lichen Anklage gegen den Angefchuldigten, oder deffen endliche 
Verurtheilung oder Losfprehung zum Zweck habe. Sin diefem 
Falle fol keine Caſſation ſtatt finden, wohl aber in jenem, weit 
hier in. dem gefeßlichen Gange bes Verfahrens gefehle fey, und 
zwar. in Bolge des Art. 17, des Gefeßes vom ıg. Aug. 1808, 
worin es heißt, daß das peinlihe Bericht, wenn es hinlaͤng⸗ 
lie Verdachtsgründe, um auf die Einleitung des peinlichen 
- Verfahrens zu erkennen, wahrnehme, die Verfügung über Die 
Aufſetzung der Anklageurfunde erlaffen folle. Im Geſetz 
ſelber iſt dieſe Diſtinction nicht begründet, denn das Fönigliche 
Decret vom 24. Decbr. 1807, Art. a8, laͤßt nur in dem Falle, 
wenn offenbar dem Geſetz zuwider erfannt, oder erweislich 
gegen die Kormalitäten gefehlt worden, Cafation zu. Die 
unter dieſem allgemeinen Grundſatze enthaltenen einzelnen Fälle 
find zwar in dem Gef. vom 19. Aug. ı808, Art. 119, 113, 
und in dem fönigl. Derrste vom 2o. May 1809, Art. ı8, 
ſpeciell aufgeführt, allein “der Verf. gibt zu, daß der hier in 
Frage fiehende Fall unser keinen derfelben gebracht werden könne. 





Pfeiffer Rechtsfaͤlle. 249. 


Sie der Verf. nun bloß durch die Worte des Art. 17 db 
Sefeges vom 19. Atıg. 12808 feine Diftinction rechtfertigen 
will, ſieht Rec. nicht ein, denn fo wie ohne hinlängliche Des. 
weismittel kein condemnatorifhes Urtheil abgegeben werden 
darf, eben fo wenig darf ohne. hinlängliche Werdachtegrände 
die Aufjeßung der. Anklageurkunde verfügt werden, wie daraus 
aber ein Schluß auf die Starthaftigkeit des Caſſationsgeſuches 
in dem letztern Falle, und auf die Unftatshaftigkeit deſſelben 
in dem erſtern Falle gemacht werben koͤnne, iſt ſchwer zu bes 
greifen. Auch in der Befchaffenheit beyder Fälle felber. finder 
Rec. nichts eigenthümliches, welches in Anfehung des in Frage 
fiehenden Punctes bey beyden eine befondere Beſtimmung nöthig 
machen koͤnnte; denn in beyden Fällen kommt es auf die bloße 
Beurcheilung von Thatſachen an, und in bepden Fallen wirkt 
die bloße fubjective Uebergengung,, die nach dem einmal anges 
nommenen- Srundfage in diefer Lage. der Sache feiner höheren 
Beurtheilung unterworfen if. Dec. hält den im angeführten 
zweyten Rechtsfalle vom Lafiationshofe aufgefellten Satz für 
die buͤndigſte Widerlegung feiner anmaflihen Competenz in 
dem erſtern Falle. XII. Ueber die Anwendung der 
dbie Mitwirkung der Sefhwornen zur Entſchei— 
dung peinlidher Fälle betreffenden geſetzlichen 
Borfhriften ©. 112 — 140. Der Berf. gibt hier zuerſt 
eine beichrende Anweifung über die Ausuͤbung des Amtes dee 
Geſchwornen aus dem Circufarfchreiden des Suftigminifters vom 





09, Decbr. 1808, und theilt dann drey Rechtsfaͤlle mit, in 


welchen allen die nachgefuchte Saffation verworfen wurde, und 
zwar in den beyden erften Zällen um deswillen, weil, wenn 
gleih in der Sorm gefehlt war, Das Geſetz doch dieſe Ueber— 
tretungen nicht mit Nichtigkeit bedroht hatte, in dem drit⸗ 
ten Falle aber aus dem Grunde, weil der Generalprocus 
reur bier in mehreren Puncten Werlegungen der Form zu 
erbliden glaubte, die es an und für fih nicht waren. 
X Im Eontumacialverfahren trifft den auss 


250- Pfeiffer Rechtsfaͤlle. 


bteidenden, Beklagten nicht der Nachtheil des 
Siwgeftändnifles, fondern nur der der negativen 
Litisconteftation. ©. 141 — 161. Die Art. 105, 104 
der bärgerlihen Prozeßordnung fchreiben vor, daß im Falle 
des Ausbleibens des Beklagten dem Anträgen des Klägers dann 
gemäß erkannt werden folle, wenn dieſelben in den Rechten 
gegründet, und bewiefen (prouvées) erachtet würden. Statt 
diefes letztern Ausdruckes heißt es im Art. 148, 149 bdes 
. C. de pr. verifides. Der Verf. zeigt nun den Unterfchied 
zwiichen beyden Ausdrüden; daß nämlich der letztere keinen 
förmlihen Beweis der, der Klage zum Grunde liegenden That 
ſachen, fondern nur eine allgemeine Prüfung der Rechtlichkeit 
des Klagantrages bezeichne, und folglich durch die in ber Well 
phaͤliſchen Proceforinung vorgenommene Abänderung ein fürms 
licher Beweis nöthig gemacht ſey, und an ein Eingefländniß 
als Strafe des Ungehorfamd gar niche mehr gedacht werden 
dürfe. Hierauf werden einige in einer kleinen Schrift (von 
Den. Vezin) Über das Eontumacialverfahren im Koͤnigreich 
Weſtphalen hiegegen vorgebrachte Einwuͤrfe fehr gründlich wis 
derlegt, und endlih wird Die vorgetragene Meinung durch ein 
Erfenntniß des Appeflationshofes beſtaͤtigt. Da die in der 
‚erwähnten Schrift ausgeführten Einwuͤrfe feitbem noch im einer 
befondern Abhandlung des Ober s Appellationspräfidenten von 
- Meyerfeld, m dem Defterieyfhen Magazine 
Bd. III Hſt. I ©. 861 — 281, widerlegt find, fo fan 
man nun wohl die Acten über dieſen Punce für gefchloffen ans 
nehmen. XIV. Ueber die Grängen der Anwendung 
des königlichen Decrets vom 24. Febr. 180g, die 
Eorderungen an die faiferlihen Domainen be; 
treffend. ©. 161 — 189. Das Refultat diefer Abhandlung 
befteht darin, daß die Werbindlichkeiten, welche den Domai—⸗ 
neninhabern abgeleugnet und verweigert werden, nicht Gegen 
ftand des amgezogenen königlichen Derretes find, die Gerichte 


alſo darüber erkennen können, daß es ferner denfelden gleich⸗ 
Tr | 





Pfeiffer Rechtsfaͤlle. 251 


falls nicht unterſagt iſt, Aber Forderungen und Rechte an bie 
taiferlichen Domainen überhaupt zu erkennen, fondern nur in 
ſofern, als fle gegen die dermaligen Inhaber jener Domainen 
gerichtet find, und daß feld in dieſem letztern Kalle das ers“ 
gangene Verbot an die Gerichte fi nur auf diejenigen Aus 
fprähe und Forderungen befchränft, durch deren Befriedigung 
von Seiten der Inhaber der aiferlihen Domainen bie reine 
Ertragsfumme, worauf biefelben bey der Abtretung geſchaͤtzt 
worden, vermindertwerden würde. XV. Zur Berehnung 

der Appellarionsfumme in Räckſicht verpadtes 
ter Immobilien kommt nur der Detrag des 
Pachtzinſes, nicht auh der für den Padter 

von Den Nußungen bleibende Vortheil, im 
Betradt. ©. 190 — 200. RNecenſent Tann fih von der 
Richtigkeit diefer Entfheidung nicht Überzeugen. Daß zuvoͤr⸗ 

der die Beſtimmungsart ber Appellationsfumme bev unbeweg⸗ 
lichen Sachen nicht in dem Falle gur Anwendung kommen 

tönne, wenn der Pachter der Appellant ift, iſt vom Verf. fehe 

gut ausgeführt worden. Für den Fall aber, wenn der Eigens 

thümer fih duch ein ihm nachtheiliges Erkenntniß erfiee In⸗ 

fang beſchwert glaubt, führt der Verf. den einzigen Grund 

an, daß es hier nur auf den reinen Ertrag ankomme, folglid) 

von dem natärlihen Ertrage die Koften der Veftellung und 

der Erndte abgesogen werden mäßten, nud der von ben Ruz⸗ 
jungen für den Pachter übrig bleibende Wortheil als Acquivas 

lent diefer Koften gu betrachten fey. Daß aber derſelbe mehr als 
ein bloßes Aequivalent dieſer Kofen fey, ift ausgemacht; dee 

Verf. hätte alfo Brände anführen muͤſſen, warum er rechtlich 

bloß als ein folhes Arquivalent zu betrachten fer. Nach bes 

Verf. Meinung koͤnnte es geſchehen, daß der Ertrag des näms 
lihen Grundſtuͤckes, wenn er durch Echägung von Saqyper⸗ 
fländigen erwirt würde, die .Appellationsfumme begründete, das 
gegen aber, wenn er durch Pachtcontracte beftimmt-wärt, dies 
ſelbe wiche erreichen würde, u 


252 Zeppenfeld Syſtem. Darſtell.d. Weſtph. Eoncursverfahrens, 


Der Anhang S. 1 — 8 enthält die am 12. März 1810 
in der Verfammlung der Stände gehaltene Rede des Staates 
raths von Bar über den Entwurf zum zweyten Theil ber duͤr⸗ 
gerlichen Progeßordnung, Aber welde Rec. an einem andern 
Orte ſich zu aͤußern Gelegenheit Haben wird. Die beugefägten 
Anmerkungen find. theils aus ber noch ungedrudten Mede des 
Praͤſidenten der Juſtizſection ber Neichsflände, von‘ Porbed, 
theil® aus der Jurisprudence sur la procedure eivile von 
Bavoux und Lolfean genommen, und bezwecken die Erleichte⸗ 
sung der. Auslegung einzelner Stellen der Progegordnung. 





Eyſtematiſche Darſtellung des Weſtphäliſchen Concursverfahrens. Von 
Maximilian Zeppenfeld, Tribunalrichter in Hildesheim. Ham 
Ft nover, bey det Gebrüdern Hahn. 1810. X m. 117 ©. 8. 


Obwohl die Lehre von dem Concursverfahren, wie es im 
den Beflimmungen der Franzoͤſiſchen und Wefphälifchen Pror 
zeßordnung enthalten ift, in mehreren Hinſichten vorzugsmeife 
vor andern Materten eine befondere Bearbeitung verdient, fo 
kann Rec. doch nicht fagen, daß diefelbe durch das vorliegende 
. Wert befonders gefördert worden ſey. Man kann dem Verf. 
freylich nicht das Verdienſt abſprechen, daß er die fämmtlichen 
hierher gehörenden Beflimmungen der Prozeßordnung gehörig 
von einander getrennt, und nach einem im Ganzen ſehr deut 
lichen umd faßlichen Syſteme neben einander geftellt hat; allein 
mehr als eine ſolche Nebeneinanderſtelluug darf man Hier nicht 
erwarten. Man vermißt nicht nur gänzlich eine wiſſentſchaft⸗ 
liche Entwickelung der einzelnen gefeglichen Beflimmungen, und 
bleibt alfo mit ihrem Geiſte und innerm Zufammenhange völig 
unbekannt, fondern man flieht aud an gar manchen Stellen, 
daß dem Verf. ſelber nicht felten der Sinn und die Bedeutung 
feines Stoffes unbekannt geblieben iſt, welches dann natürlich 
auf die Nichtigkeit des Syſtemes, welches er feiner Dar 
ftellung zum Grunde legte, ‚wieder zurücdwirken mußte. Die 
ganze Abhandlung zgerfälle in zwep Abtheilungen, von denen 


Zeppenfeld Syſtem. Darftell.d. Weſtph. Concursverfahrens. 253 


die erſte das aus dem Arreſte hervorgehende Concursverfahren 
in drey Abſchnitten abhandelt. Im erſten Abſchnitt wird die 
Wirkung des angelegten Arreſtes auf das Concursverfahren in 
Anſehung des Gerichtsſtandes, der Glaͤubiger und der Vermös 
gensmaffen aus einander geſetzt; dee zweyte Abſchnitt beſchaͤftigt 
fih hierauf in drey Hanptftäcen mit den Bekanntmachungen 
des auf bewegliche und unbewegliche Sachen gelegten Arreſtes, 
mit den Anfprüchen an die, dem Arrefte 'unterliegenden Vers 
mögensmaffen, und dem Verkaufe derfelden; in dem dritten 
Abſchnitte folgt nun das eigentliche Concursverfahren, und 
zwar zuerſt die Lehre von der nähern Beſtimmung der Vers 
mögensmaffen durch das Abfonderungsreht, Abzug der Koſten 
und Siftirung des Zinfens- oder Rentenlaufes; ſodann des 
Erſtigkeits verfahren über bloß bewegliche Wermögen, über ut 
bewegliches Vermögen für fih allein und in Verbindung mic 
dem beweglichen ; endlich die Lehre von der Rangordnung ſelber. 
Die zweyte Abtheilung handelt wieder in drey Abſchnitten nad). 
der nämlichen Ordnung von dem durd die Rechtswohlthaten 
dee Guͤterabtretung und des Inventars entſtehenden Concurs⸗ 
verfahren. — Was nun die Ausführung betrifft, fo muͤſſn 
wie es hier zuerſt als einen Hauptmangel bemerflich machen, 
daß diefem Werke durchgängig noch bie Ältere Redaction der 
legten Hälfte der Proceßorönung nach den koͤnigl. Decreten 
vom 29. Jan. , 16. Febr., 8. April und 15. July 1809 zum 
Grunde liegt, alfo die in der fpätern Redaction vom ı2. Märg 
3810 enthaltenen Verbefferungen, Zufäge” und Weglaffungen 
Überall nicht benußt worden find. In wiefern dieß dem Verf. 
zum Vorwurfe gereicht, Lönnen wir freplich nicht fagen, da 
aus dem Werke ſelbſt der Zeitpunct feiner Vollendung nicht zu 
erfehen tft; allein daß dadurch feine Brauchbarkeit beträchtlich 
verringert wird, brauchen wir wohl nicht erft zu erinnern, “ So 
3. ©. fallen &. 15, 16, $. 14, die Beflimmungen sub lit. bh 
nad der neuen Nedaction zugleich mit dem Art. 608 weg; 


ebenſo fehlt S. 69 mot. die genauere Beſtimmung, die dee 


J 





254 Zeppenfeld Syſtem. Darſtell. d. Weſtph. Concurönerfahrend. 


Art. 604 durch die neue Redaction erhalten hat, nach welcher 
der Vermiether, auch wenn der Verkaufspreiß den Miethzins 


uͤberſchreitet, und nun nicht ganz mehr zur Deckung der Koſten 


des Verkaufs und der Beſchlaganlegung hinreicht, ſich deren 
Abzug gefallen laſſen muß; S. 68. $..94 weiß der Verf. noch 
nichts von der Nothwendigkeit der ‚Eintragung der imterponiv 
ten Anpellation in das im Art. 115 verordnete Negifter, und 


©. 69 $. 95 erfährt man nicht, wie denn die unterblichene 


Appellationseinwendung , oder die Inſinnation des Appell 
tionserfenntniffes zur Kenntniß des committirten Richters ge 
langt; S. 72 $. 98, 99 vermißt man die in der neuen Re— 
‚ daction des Art. 682 dem Anwalde, der‘ die Sache betreibt, 
gewordene Auflage. Solcher Beyſpiele würden wir noch ‘mehrere 
aufführen können; wir benugen aber den uns nody übrigen 
Raum zu einigen andern die Ausführung unmittelbar betreffen 
den Bemerkungen ; nur erinnern wir noch, daß S. 85 $. 112 
auch des im Gefege vom 15. Febr. 1810 angeordneten privi- 
legii des Fiscus mit keinem Worte Erwähnung gefchieht. Am 
meiften haben wir gegen das ©. 55 den im Art. 2102 C.N. 
fpectell privilegieten Glaͤubigern eingeräumte Abſonderungsrecht, 
vermöge deſſen nur das, was nach ihrer Befriedigung übrig 
bleibt , den darauf angelegten Arreſten zum beften ‚der uͤbrigen 
Gläubiger" unterworfen feyn fol, zu erinnern. Der Verf. 
fheint hier gänzlich Äberfehen zu Haben, daß die im Art. aıoı 
genannten Ereditoren ein allgemeines Privilegium auf alle be 
weglihe Sachen haben, folglich diefes ſich auch auf Diejenigen 
Sachen e:firedt, die nah Art. 2100 in Anfehung afderer 
Glaͤubiger wieder Gegenftand eines fpecielen Privileginms find. 
Es hätte alio hier vor allen Dingen die Frage von dem, zwb 
(hen den allgemein privilegirten und fpectell privilegirten Slaͤu⸗ 
bigern ſtatt findenden Rangverhältniß berührt werden muͤſſen, 
eine Frage, die wenigſtens von den Franzoͤſiſchen Juriſten bey⸗ 
nahe allgemein wider den Berf. entfchieden wird; nur dem 
Vermiether und Fauſtpfandglaͤubiger wird hin und wieder in 





Zeppenfeld Soſtem. Darſtell. d. Weſtph. Coneursberfahrens. 255 


fofern ein befonderer Vorzug eingeräumt, .als er gleich zwiſchen 
die Leichenkoſten, oder die Koften der leuten Krankheit und die 
übrigen allgemein privilegirten Gläubiger einrangirt wird, wo⸗ 
von wir aber gleichfalls keinen Grund einfcehen, da das Preis 
vilegium des Fauſtpfandglaͤubigers und des, Vermiethers erſt 
duch den Beſitz begründet wird, alfo durch denfelben keinen 
befondern Vorzug erhalten kann, vielmehr die Gründe, wegen 
welcher die allgemein privilegieten Gläubiger den fpeciell privi⸗ 
legirten überhaupt in der Wefriedigung vorgehen, bier eben 
fo gut ihre Anwendung finden muͤſſen. — Die Frage, nad 
welchem Verhältniß denn nun die, zur Befriedigung der allges 
mein privilegirten Glaͤubiger näthige Summe auf diejenigen 
Saden, die. nur Gegenftagd eines allgemeinen Privilegiums 
find, und auf: diejenigen, auf. denen außerdem noch ein [per 
cielles Privilegium haftet, repartire werden muß, damit weder 
die ſpeciell privilegirten, noch auch die chirographifchen Credi⸗ 
toren dabey zu kurz kommen, darf man nad) allem bisher Ger 
fagten Hier gar nicht berührt erwarten, Nach des Verf. Mas 
nier würde er den, im Art. 2103 genannten Glaͤubigern mit 
dem nämlichen Rechte ein Abfonderungsreht haben zugefichen 
Innen. Das S. 56 Mot. nur berährte Abfonderungsrecht 
der Glaͤubiger des Erblaffers würde wohl dagegen eine etwas 
ausführlichere Erwähnung verdient baden; das nänliche gilt 
&. 60 $. 8ı von dem, dem Verpachter für den Fall, wenn 
der Pachtcontract unter Privarunterfährift und ohne ein ges 
wiſſes Datum errichtet iſt, eingeräumten Privilegio, da hier 
bekanntlich die Erklärung des Art. zıo2 des C. N. großen 
Schwierigkeiten unterworfen iſt, und namentlich die Weſtphaͤ⸗ 
lifche Weberfegung hier eine Abänderung des Driginaltertes zu 
enthalten ſcheint. Der Verf. fcheint aber dieſe Schwierigkeiten 
9% nicht zu ahnden. Eben fo wenig erfährt man ©. 58 
6,78 worauf ſich denn das, dem Vermiether eingeräumte Pris 
vilegium eigentlich beziehe, ob auf alle ins Haus inferirte Ges 
genflände ohne Unterſchied, oder nur auf diejenigen, die die 


356 Theorie de l’interpr. logique p. Thibaut. 


eigentliche Garnirung deffelden bezwecken; ©. 85, 86, $. 112 
Hätte gehörig angegeben werden follen, mas unten ben Koſten 
der letzten Krankheit, und was unter den, dem Schuldner 
‘und feiner Familie gereichten Lebensbedärfniffen, in Anfehung 
welcher die Foderungen der Gläubiger privilegirt ſind, zu vers 
fieden fer. ©. 93 $. 116 ift der Fall ganz Überfehen, wenn 
nicht infcrisirte Hypotheken vorhanden find, ob fie dann mit 
den chtrographifchen Glaͤubigern gleich gehen, oder vor ihnen 
den Vorzug haben, wovon das legtere um deswillen wohl ber 
hauptet werden muß, weil die Hypothek an und fuͤr ſich um 
abhängig von jeder Inſcription exiſtirt; jedoch bewirkt der 
Mangel derfelden, daß fie geſetzlich kein verfchiedenes Alter 
Haben, und folglich pro rata befsiebigt werben. 

Wir wänfhen, daß der Verfaſſer, bey einer etwaigen 
neuen Bearbeitung diefer Waterie, diefe Bemerkungen benup 
zen möge. 





Theorie de l’interpretation logique des lois en general, et des 
loix Romaines en particulier. Par A. F. J. Thibaut, 
c. a. et Professeur de droit à l’universite de Heidelberg 
etc., traduit de l’allemand par G. de Sandt, Docteur 
allemand, et A. Mailher de Chassat, avocat au 
barreau de Paris. Paris aux archives du droit Frangais 
chez Clement freres. 1811, XVI u. 196 S. 8. 


Daß diefe Ueberfegung im Genius der Franzoͤſiſchen Sprache 
gearbeitet fey, ift fhon in der Bihliotheque du Barreau an 
erfannt. Die Richtigkeit und Präcifion derfelden koͤnnen mir 
gleichfalls bezeugen. Außer ein Paar Nachweifungen auf 
neuere Frangöfifhe Werke (&. 61, 76, 79) find feine Zufäge 
Hinzugefügt, und fo find denn auc, die Regeln der logiſchen 
Auslegung des Code Napol&on von den. Weberfegern nicht 
berührt, indem fie mit Recht bemerken (S. 31), daß bike 
fo fchwierige Punct eine eigne Abhandlung erfordre; doc if 
in der Vorrede die Wichtigkeit der logiſchen Auslegung im 
Ruͤckſicht des neneften Rechts kurz auseinander geſetzt. 

N 


| — 
D 








No.17. 8Seidelbergiſche 1811. 
Jahrbüder der Literatur. 


mem ana aan 
Ä / 

1) Theocriti decem raynia cum notis edidit, ejusdemque Ado- 
niazusas uberioribus adnotationibus instruxit L. C. Val- 
ckenaer. Editio altera. Lugd. Batavor. ap. A. et I. 
Honkoop, 1810, 8. (2 Rebe.) 


2) Theoeriti, Bionis et Moschi carmina graece cum com- 


‚mientariis integris Valckenarii, Brunckii et Tou- 
pii Vol. 1 et 2. Berol. e libraria scholae Realis. 1810, 
8. (4 Rtblr.) 


8) Theocriti Idyllia ex recensione Valckenarii cum scho- 


lıis selectis scholarınn in usum edita. Editio tertia emen« | 


datior. Gothae. 1808. 8. (16 gr.) 


9 Theocritus, Bion et Moschus ad optimorum librorum 


fidem emendati; cum brevi notatione emendationum ; ci 
ravit G. H. Schaefer. Lips. Typis Car. Tauchnitzii. 
1809. 12. (16 gr.) 


J. Jahre 173 gab Valaenaet, zum Behufe ſeiner Vor⸗ 
leſungen, zehn Theokritiſche Idyllen heraus, mit kritiſchen Ans 
merkungen, zur Seite die meteifchen Verfionen von Wetts 
kein, Beinfe und Grotius. Als Anhang wurde, aufer 


dem Anakreontifchen Gedichte, auf den Tod des Adonis, die 


funfjebnte Idylle hinzugefuͤgt, begleitet von der Ueberſetzung 
des Eobanus Heſſus, und fenem reichhaltigen Commens 
tare, den: man wohl den Gipfel von V. Genie und Gelehr⸗ 
famkeit nennen darf, Schon damals gedachte V. des Bion 
und Moſchos, die aber erſt ſechs Jahre darauf in. der voll⸗ 
fländigen Ausgabe . des Tpeokritos erichtenen, weiche V. 
nicht lange uͤberlebte. In dieſer ſind die einzelnen Gedichte 
ebenfalls mit kritiſchen Anmerkungen begleitet, aber kuͤrzeren; 
die Anmerkungen der fruͤher bearbeiteten zehn, Idyllen ſind 
haͤufig zuſammengezogen, manchmal mit Zuſaͤtzen vermehrt; 
17 


m 





[N 


„a , 


258 Neue Ausgaben. des Theokritos. 


viele fehlen ganz. Auf Bitten der Buchhaͤndler ließ V., gegen 
feine Neigung, noh bie Terflonen von Eob. Heffus wi 
anderer mit abbrucken. 

No. ı tft ein ziemlich Incorrecter Abdrud der Anusgab⸗ 
von 1775, mit ber fie bis S. 187 in der Seitenzahl zufanı 
menftimmt., von bier an aber bis ©. 414 burch engeren Drut 
allmälig zwey Seiten gewinnt. Der Herausgeber nennt fih 
niht. Am Schluffe, nad der reihen, doch unvollſtaͤndigen 
Druckfehlerliſte, findet ſich eine wunderlihe, -mit EE unter 
zeichnete Bemerkung, aus der wir folgendes mittheilen: — — 
„Lector benevolus; quem insuper ignorare nolui, ad pa 
ginam usque 113 a viro Cl. Io, Luzacio ex ipsius Val- 


‚ ckenarii, nisi fallor, annotationibus (wer iſt der, der dies 
bedentliche nisi fallor ausfpriht?) quaedam additamenta 


Notis inserta esse, quae Luzacio die ı2 Jan. ı807, fa 


„tali. ista clade, quae praeter tot homines libros etian 


"deınno literarum extincto, continuari non potuere: peti- 


. glauben den Vefigern der Berliniſchen Ausgabe, in der die 
‚neue Leidener noch nicht benutzt werben konnte, die Mitthei 
lung unſeres Fundes ſchuldig zu ſeyn. | 


3.6. Zwiſchen scribebant und ut victores? „Eodem Eid. Y, 
‚44 scribendum BoxoAua&j.“ — S. 25 3.20. u. nach VIII, 


thol. L. VII. P. 616. ibique Brodaeus.“ — ©. o6 3.8 


cum impressos tum MSS. absumsit, magno Graecarım 


titis (dur wen 9» quidem et promissis (von wem?), sed ad 
usum non concessis, fortasse vel i ipsa eadem clade desi- | 
deratis scedis.“ Hierauf werden einige Seiten (nicht ale), 
auf denen Zufäse gu fuchen feyn, mit Zahlen angegeben. Bir 


haben beyde Ausgaben bis &. 113 forgfältig verglichen, und | 


Berl. Ausgabe S. 17 3. 13 der Anmerk. Nach dehu| 


'entis folgt: „Virg. Ecl. V, 81. Quae tibi, quae reddam 


pro carmine dona? Nam neque me tantum — juvant, 
— quae saxosas inter decurrunt flumina valles.“ — ©. ıd 


634: „formam Doricam iSeipaodovreg hic etiam valgataes 
praeferrem.“ — ©. 24 lebte Zꝛ nad ©. 192; „conf. Au 





Neue Aubgaben des Theokritos. 259 


nad) conjecturam: „quam tueri conatur Emend.'in Suid. 
IV p. 106,* — ©. 08 3. 16 v. u. nad) suppressa: „(conf. 
Athen. XIV p. 644 B.)“ — ©. 30: am Schl. d. Anm. 
u ©. 92: „quem locum Marklandus et Wassen- 
bergius sic constituunt: Daphni, tuum Poenos 
enim ingemuisse Leones, Interitum, montes- 
que, feras, sylvasque loquuntur.*— S. 39.3.6 
v. u. nad) Florentina: „ra Inpia navre dıhxev est Eid, 
V. 107% (aus der Ausg. 1779). — ©. 50 3, 7. Am Ende 
dee Anm.: „Sn vs. ser. 15, Kioxas scribendum® (aus der 
Ausg. 1779). — ©. 55 leßte 3. nad} flectendumque: „Apud 





Martialem est Vil, gg. Pontice, voce tua pösses  . 


adamanta movere.* — S. 60 23. 9. Nach quatuor “ 


minimum Cod.: „et Reg. Parisin.« — S. 65. 3. 10 v. u. -- 


am Schl. der Anm.: :„Cod. Reg. Gloss. interlin. hanc Br 
habent explicationem, TS &rtsıxoviouarı vis "Agbodirngn. 
To eidargd.“ — ©. 104 3. 7 v. u. flatt Codicibus Flor. 
et Kom, : „Codicibus Flor. Paris. et Rom.“ — ©. 5 
zu V. 16 die Anm.: „adixa Gesrrei.] Codex Paris. Boö- · 
yeu Glossae interl. Enpaiver, Pays.“ — Ebendaf. 3.7 
nad aliquot MSS: „etiam Paris.“ — ©: 113 3. 10. Nach 
lacerta sedet: „(Anthol. Burm: I. p. 716).* 

Dieb ift alles, wodurch ſich diefe editio altera von ber 
erften unteefcheidet, ans der vollſtaͤndigen Ausgabe von 1779 
iſt fie, jene zwey Stellen abgerechnet, nirgends ergänzt worden. 

No. 2. Biel willlommener wird den Gelehrten die von 
Heind orf beſorgte Berliniſche Ansgabe feyn. Ihre Einrich⸗ 
tung iſt dieſe: Voran im erſten Bande eine mit des Heraus⸗ 
gebers Namen unterzeichnete Vorrede bis S. VII; zunaͤchſt die 
Vorreden der beyden Valck. Ausgaben ſammt der Dedication 
an den Fuͤrſten Youſſoupoff — XX; dann die Argumenta ver. 
carminum Theocr. etc. aus der Ausgabe 1779 ©, ‚ı-ı;5 
hierauf der Text des Theofeitos, Bion und Moſchos, mit 
den Anm. von Bald. und Brunck — 584. Den zweyten 
Th. füllen: 2) die adnot. in Adoniaz, von V. ©, 1— 264; 


260 Reue Ausgaben des Theokritos. 
a) Valck. Epist. ad M. Röverum — 399; 3) In Moschi 


. Epitaph. Bionis Valck. commentarius etc. —336; 4) J. 


Toupii de Syracusiis ad Th. Warton. epistola — Se; 
5) J. Toupii addenda in Theocr: — 428; 6) J. Toupii 
Curae posteriores etc. 489; 7) J. Toupii Animadversiones 
in schol. Theocr. —520; 8) ein doppelter Index (graec 
et lat.) — 564. 

Den Tert bat Heindorf ganz nad Bald. größerer 
Ausgabe, jedoeh nicht felavifih (wie Pau w den Stan. 
des Aeſchylos) abdrucken laſſen. Drudfehler und. offenbar 
Verkehrtheiten werden flillicgmeigend verbeffert. 3. B. 1,9 


das verszerftörende ölıda in olida (22, 49 öAooirpoxor bleibt 


ſtehen); ı6, 3: iep@v in iepnr; 2a, 66: Punctum in Frage 
zeichen; 24, 76: xds in viös; 25, 118: Appnxror ep iR 


Appnersv ep; ©. 349. Anm. vorl. 3. pi zo in pi vd 


2. ſ. w. Manchmal ift die Accentuation verbefjert, wie 


9,41: da3 falihe IE nor in dd nor; 151: 709 nor in 


cov nor ; 16, 4B: notre iu note, oder verändert, wie 
20, 18: ÖTrı:.ue aus Örri we; Qı, 34: Exoı is aus iyoi 
vis; 20, 59: wis ans Je iv aus Tas a Yen | 
worüber noch geflritten werden kann, wie über die Veraͤnde 
rung von 16, 3: Seas Evrı aus Seal Evri. — Haͤufig faw 
den wir eine beffere Interpunction 4. ®. 16, 70; 17, 36, 7% 
— Vor tem Beginn einer Mede brauche V. das Komma, 
H. beſſer das Colon; doch einigemal behält er gegen feinen 
Srundfag das Comma bey: 24 6. 47. Ein Fehler iſt es auf, 
wenn 16, 58: gowcdv und 69: Moicasz gefchrieben wirt. 
Senug von diefen Kleinigkeiten. 

Die Anordnung der Anmerkungen iſt meifterhaft. In der 
11 von DB. befohders commentirten Idyllen find die Anmer 
kungen bdiefer früheren Ausgabe, als die umfländlichern zu 
Grunde gelegt, und aus der zweyten Ausgabe verwollftändigt. 
Wahrlich, ein nicht leichtes Geſchaͤft! da V. hier häufig daf; 
felbige mit andern Worten. fagt, und dann nur bin und wieder 
einen charakterifiihen Nebenzug, oder eine Notiz hinzufuͤgt. 


Neue Ausgaben des Theofritoß, 261 


Der Herausgeber hat nichts, das von einigem Belange war, 
verloren gehn laſſen, und jedeermal das herubergendmmene 
duch Klammern gefondert. Er ſelbſt tritt faſt nirgends zum 
Borfhein. Id. 28, 4 in der Note wird M. durch drey Worte 
berichtigt. — ©. Bı erhält Enada die Erläuterung: „formae 
enasa auctoritas“; und S. 109 „vir Doctiss.“ den Beyſatz 
Reiskius; (nidt fo S. 115 3. 2 der Anm). S. 24 legte 
3. v. unten hätte flatt: „(169)“ gedruckt werden muͤſſen: 
[169]; fo auch S. 63 3. 7 v. u.: [p- 165] und S. 83 am 
Ende der Anm. zu 43: [p. 86), da dieß Zufäße des Herausg. 
find. — Unter die V. Anmerk. find die fämmtlichen von 


Brunck gemifhe, weldhe, da V. immer genau die Abweis . 


chungen des Brundifhen Tertes anführt, Bruncks Ausgabe - 
entbehrlich machen. — Die poerifhen Verſionen find mit Recht . 
ausgelaffen. — Won dem Ankaufe der werten Lendener Aus 
gabe darf nad dem gefagten nicht mehr die Rede feyn. — 
Die Correctheit des Druckes iſt noch vorzuͤglich zu preiſen. 
Außer den angezeigten Druckfehlern fanden wir nur folgendes 
©. 16 1. 3. I. ausdäns; & 593. 17 v. m 1. A. | 
No. 5 und 4 find von zwey trefflichen Gelehrten beforgt, 
Jakobs und Schäfer, die im Ganzen V. folgen, im Eins- 
jeinen ſtark von ihm abweichen. Die Gefchichte des Entſtehens, 
und die Einrihtung der Sorhaifhhen Ausgabe dürfen wir als 
befannt vorausfegen. Sie ift bloß auf Schulen berechnet, und 
aus diefem Geſichtspuncte muß die Auswahl der Scholien bes 
trachtet werden, und die kurzen Bemerkungen, die oft nur des* 
Herausgebers Gefühl ausiprehen. Die Leipziger Ausgabe vers 
danke Hrn. Tauchnitz ihr Dafeyn, der mit Schäfers 
Beyſtand feine gierlichen Lertern in Duodez⸗Prachtausgaben 
der gefammten Sriechiſchen Dichter zu verewigen gedenkt, won 
denen feither fchon wieder Sophokles, Pindar und die 
Ilias erfchienen And. Wir kännen dieß Unternehmen nicht 
billigen, ſowohl megen der Eitfertigkeit, womit man zu Werke 
geht, als auch befonders des feinen, fpisigen, in die Augen 
bohrenden Drusts wegen, ber allem Hohn ſpricht, was Licht 


262 Nene Ausgaben ded Theokritos. 


tenberg über die Pflichten der Gelehrten negen ihre Augen, 
fo warm und Eräftig geäußert hat. Rec., der nie von Angens 
befchwerden wußte, lernte fie beym Gebrauch diefer Ausgabe 
kennen; und wie fol es erft den Schwachaugigen ergehn ? — 
Davon abgefehen, zeichnet fih die Ausgabe aus durch correcten 
Drad, Pünctlichleit in der Accentuation und Sjnterpunction, 
und durch veränderte Schreibart einzelner Worte, 3. B. 16, 
"38. „ge: au nedlor — 17, 62: xu0° d° dpa — 22, 39: 


a vanog — 22, 20: au widayog. u. ſ. w. Die Emendatio⸗ 


nen’ ſtehn, wie in der Goth. Ausg. meiſt in den Anmerkungen; 
auch das. Haben beyde Ausgaben gemein, daß nicht jede ſchwie⸗ 
| ‚tige Stelle beleuchtet iſt, ſondern nur ſolche, wohin Vorliebe 


u oder Zufall hinfuͤhrten, fo daß fie neue Necenflonen gu heilen 


hiche Anfprüche machen. Aber von folhen Männern tft jeder 
Beytrag willlommen ; und erft vieles, von allen Seiten her 
geprüftes Eingelnes, "dergleihen wir ſchon von Ahlmwardt, 
Huſchke, Dahl und anderen befisen, kann zu einer neuen 
Pritifchen Necenfion des Textes führen, wie fie ung Eich ftädt, 
der vieljährige, vertraute Sreund bet Butoliker, und Ser 
mann verheißen. 
Wir gehen jekt an bie Beurtheilung deſſen, worin bende 
von V., oder unter- fih abweichen, bey welcher Gelegenheit 
wir “einige von Voß empfangene Emenbdationen „\ die zum 
Theil der Deutfchen Ueberſetzung zu Grunde liegen, mittheilen 
wollen. 
u Theoer. I, ı: 
ad dı ro LıSdpıoua (sc, dori) xal & rirvs, ab 
Ä TOAE, TNVYO, 
& nor) rais nayaicı uedioderar- ' 
Sch. liest, wie vor iim Heinfe, Br. und Wart. & xor), 
wodurch Adv Tı T. %. zum Accufativ wird. Mir Unrecht 
glauben wir, auch wenn man ung Epigr. 5, ı anführen mol, 
wo die Wortftellung anders if. ©. 8, 81: ads vı 76 orö- 
pa vor *. ©. % u. 11, 4. — V. 7. Die Verbindung If: 
adv, G noıuar, vo TEedv uedog sc, xaraleißeras, TO 


” 








‚Neue Ausgaben des Theokritos. 263 


xar. Hönp zarareid. Die von Jak. vorgefchlagene bünkt 
uns am fo profaifher, da Bilder einer wie Honig träufelnden 
Rede bey den Dichtern ſehr gewöhnlich find. — V. 15. Sch. 
hat nah V. ös zd — zeblopov, ai re (vulg. @ ze) ur- 
gixaı.. Dann mäßte os die Bedeutung von ubi haben, die 
(Sat. V, 103 gehöre nicht Hieher) unerweistih iſt; as zo 


yeoı. heißt, wie in as "Aßudor, ad tumulum. — V. 17, | 
Sch. ivri dt —. DB. 29 Sch. Ti — V. 36. Sch. dad —.. 
B. 59: Fois db uora wird richtig von Sch. duch praeter .. - 


hos ertlärt. — V. dı:.TO ru. dioy - 08 zeiv vio eiv 


gari, mov 7 axpdrıaroy im) Engoicn nadikn. 


if unverborben. Warum Ahlw. und Dahl axparıorov in 
der Bedeutung. von. z0v undevös &yxpati unpaflend finden, . 
iſt ſchwer einzuſehn: bevor er den Knaben, als einen 


Frühſtückloſen, aufs Trodnegefegt. Die Wirkung 
der Handlung, welche das Verbum ausdiädt, wird in dxpd- 
zıozov anticipir. S. Lob. 3. Soph. Aj. 517, Soilg. 
zur Antig. 785%. ©o Kor. Od. 3, 16, 19. Tibull. g, 
3, 73. — Wenn J. v. 52 dxpıdodnpav mit axeıdodnxay 
vertauſcht wuͤnſchet, fo ward, fuͤrchten wir, dxpis, locusta, 
mit verrs&, cicada, verwechſelt. Dieſe, nicht jene wurden 
in Räfichten ‚aufbewahrt. — DB. 68. Sch. moraus - 
2.85. Mit Recht haben Jak. und Sch. die Lesart den dands 
foriften Sgarsöoa dem Hemſterh. SaAoioa vorgejogen. — 
V. 108, Die B. Lesart, der J. und Sch, folgen, gibt einen 
Unherameter. Ohne uns in die Widerlegung der vielen Emens 
dationen einzulaſſen, zu denen diefer Vers Anlaß "gegeben hat, 
beennen wir und zu der Steph. Lesart: Zn yap pododp, 
nayd Aov dyumı Isdoxeıv; die ganz unfer Sprichwort 
ausdruͤckt: es iſt noch nicht aller Tage Abend. — 
V. 109: 
—XRX x "Oovıs, Imel al IV yaneveı. 


Die Lesart der Handſchriften paßt am beften zum Spotte des 


Daphnis: „Adonis ſey wegen feiner Zartheit ein recht bequemer 
Liebhaber für die Kypris, da er auch Schafe zur Weide führe.“ 





261 Nene Ausgaben des Theokritos. 


Die Schafhieten waren den Rinderhirten als eine ſchwaͤchlichere 
Gattung nntergeordnet, und flanden zwiſchen dieſen und ben 
Siegendirten. S. V. Bo, wo alle drey Hirten in ihrer Rang 
ordnung auftreten, und ®. 86. — Eichflädrs dr’ dxrs, 
welches fih auf Virg. Ecl. X, ıB ſtuͤtzt, ſcheint fih nicht mit 
der Einrichtung des Bukoliſchen Verſes zn vertragen. Den 
ungetbeilten Spondeus im vierten Tacte mit nachfolgen⸗ 
dem Einfchnitte meiden unter den echt Bukoliſchen Sönllen 
Sp. ı (denn dar V. 150 ift eine fchlechte Lesart fl. "Aidoc) 
2: 3. 4 5 (2. 7ı iſt Mopow» Yihe das richtige) 6. 7. 20, 
2ı. — Sp. 8, 13; 9, ı; 10, 38. 58 haben den Spondeus 
nur im einleitenden Sefpräche, im. Zwifchengefprädhe und im 
Schlußgeſpraͤche. Id. 11 hat ihn V. 1. 4. 10. Ar. 40. 54 
62. 32. ı2 im 24. Verſe. Die übrigen Idyllen, ale nicht Bus 
koliſche, übergehen wir. Der ſchwere Spondeus, ganz das 
Gegenipiel des Beiteren Bukoliſchen Dactylus, ift fo felten wie 
möglih, vom Dichter zugelaffen worden. — V. 105: "EAixas 
Ö: Rine Piov, aind ve gaya: Verlaß bein Borges 
birge Rhion bey der Stade Helike paßt auf keine 
Weiſe, da Pan nicht auf der Nordkuͤſte des Peloponnes, fon 
dern in Arkadien hauſte, und wenn er von hier nah Si 
eilien wandern wollte, nicht über Helike gehn, fondern die 
entgegengefeßte ſuͤdliche Richtung nehmen mußte. Drum ſcheint 
uns einzig wahr die Lesart des &. Bos: EAixa SL Am’ Hpiov: 
Verlaß das Grabmal des Helikas (in Arkadien nämlid). 
'S. Ball. in Heind. Ausg. Auch Sat. fcheint dieſe Lesart zu 
billigen. — 8. ıd0. Sch. Dodv ninivodai vıy Evi 
(fl. mi) xparacı doxaoeiz iſt gewiß falſch. S. 11, 4: 
xoöpor ÖE ri — — — yivad En e drBgaman, | wo Hemſterh. 
nicht gut E9 fefen-will. 

- D, 7: oxer Ex iſt gegen Heinſ. ayav gut von Sal. 
vertbeidigt. ©. 4, 10. — V. 19 folgt Sch. der trefflihen 
Interpunction Lüzac'e: Ar ininacos, Olarviı: — B. 56: 
xt ©, "Apreuı, xob 709 £9 da 

‚ zıyhoasg x Adduayra, nal sl zu wep —XRX dado 


Neue Ausgaben des Theofrites. 2653 


&o ſcheint geleſen werden zu muͤſſen, wiewohl ber Optativ ohne 
dv ans B, 2o und 9, 5a ſich vertheidigen läßt. "Adauas bes 
zeichnet den feit. Heftodos bekannten mythiſchen Sötterfiahl, 
aus welchem wegen feiner unbändigen Härte alle geviegenen 
Söttergeräthe verfertiger waren, z. B. die Sichel des Kronos 
(Hes. Theog. 161), der Helm des Herokles (Scut. 197), 
dere Pflug des Aeetes ( Pind. Pyth. 4, 398)., die Feſſel 
des Promerheus (Aesch. Pr. 6) u. ſ. w. Auch dachte man 
ſich in der Unterwelt alles fehle uno gewaltige aus Adamas ges 
bitder: die Webſchiffe der Pargen (Soph. ed. Br. T. 4 p. 663) 
die Schieffalstafeln der Parzen (Ov. Met. XV, 613), die 
Zeffeln des Eerberus (Sen. Herc. 808); vor .allens aber war, 
was Lucian häufig erwähnt, die Pforte zum Hades aus bier 
fem Goͤtterdemant (Prop. IV, 11, 4), und die Pforte zum. . 
Schlunde der Berdammnis (Ovid. Met. 4. 452. Virg. Aen.. 
6, 551). Diefen feſten Demant im Hades, dem jede irdifche 
Macht weihen muß, kann Hekate zwingen. — V. 54: d 
ya vöy TiAN00a xas Aypie Ev ups BarMım. Hemſterhuy⸗ 
fens: ayoio, wie es auch locke, ift-gewiß falih. Der Grieche 
fagt: &uB@AAsıy nupi, Ev mopL BaAdeıv, und-nanchmal wird; 
um den Begriff hinab auszudräden, noch xaca hinzugefügt. 
1. IX, 206: xaßßader Ev nvpös adyü. Il, XU, 206: - 
wioo 0° Evi xaßßar öpiim: dyosos iſt nicht epith. perpet., 
fondern bezeichnet die durch Mitwirkung der Hekate erregte, 
mehr als heftige Glut des Feuers, — 2. 62 mußte ohne Ber 
denken Ahlwardi's uacoa ,-weldes Sch. nicht einmal zu ken 
nen ſcheint, in den Tept gerückt werden. — V. 67 gibt Sch. 
Caſaub. ſchoͤnes Toxa für das finnlofe noxa — und V. 100, 
nad) einem Cod. uadns, wo Aal. den mit ämel dv unvers 
träglihen Optativ beybehält. — V. 101 accentuirt Sch. Up’ 
fl. x, wir meinen mit Recht. — V. 126: euidor I’ x. T. 1. 
ſcheint echt. Man braucht nur xc Einov Av zu ergaͤnzen, 
und dieß will auch die Berfion: contentus essem. — V. 150. 
Toup's drparov beftätigt auch der Scholiaſt. Das die betzte 
Sylbe lang werden koͤnne, lehrt XV, 125. — Der 264. Ders; 


266 Neue Aubgaben des Theokritos. 


Iya 9° oloa vor kube ndvor, dcwep Inioran: fagt: id 
wid, wenn gar nichts hilfe, mein Leid tragen, wie ich es mit 
PLeichtfinn übernommen habe, und kann der Jak. ſonſt ſcharſ⸗ 
finnigen Emend. avvan entbehren. . 


III, 26. Der Jak. Kritik, diefer Vers flöre die Gleichheit 
der Strophen, glauben wir durch die Bemerkung begegnen zu | 
Finnen, daß in diefem Gefange zweyzeilige, dreyzetlige und 
viergeilige Strophen unter. einander gemiicht find. Auch iſt des 


Thunfiſchfaͤnger, mit dem fi die alten Mimen befonders bes 
ſchaͤftigten (Athen. VII, ı5), zu charakteriftiih, als daß man 
ihn, allen Handfchriften zum Trog, verftoßen dürfte. — 8. 
35: v9 og Eyxeınaru Sch. und Jak. entſcheiden fich für 
Brund’s Ayxeınar, wir halten uns an Eyaeınaı. Go Eur, 
Ande. gi: Aueis Soismep Eyxeiuceod' hei Iorvomwi. "Eyxe 
oa: if: morauf erpicht feyn, einem nachhangen, incumbere, 
— V. 41: add Evi xepaiv EA» (wofir Sch. Ex09 leſen 
win) ift fo echt, wie Eur. Alc. ‚988; xai ν dpuxronor 
 Xsp0V eL‘e Dei deowoic. 

IV, 3. Sch. liest nad) Hoſchr. duidyes — und B. 7: 
Sonev — 8. 11. Die Lesart: weicaı vor Miilar xas 
306 Nixos adrixa Avacav iſt, was auch die Wertheidigee 
fagen mögen, unſinnig. Nimmt man Grcaliger’s davida 
wogegen Jak. nur ben ſchwachen Einwurf erhebt, daß ar- 
sixa häufig den fünften Versfuß erfülle), fo bleibt gar Feine 
Schwierigkeit; denn Tas kann unbedenklich mit Voß, dem 
and Ahlwardt beyſtimmt, als Dor. Form für oc; genommen 


werden. ine aͤhnliche Stellung gibt 5, 131 nach der richtigen 


Lesart. 
V, a. Jak. bekennt ſich mit Vaik. und Dahl zur Car 
ſaub. Emendation: #09 noıueva by Zvßapiza, wegen V. 5 
und 74, wo die von Lakon geweidste Heerde eine woiuna 
Zvßapre genannt wird. Vor allem muͤſſen wir bemerken, 
worauf feiner ſah, daß der Dichter den Herrn bes Lakon 
durchgängig Zußdoras (nit Zußapisas) nennt V. 5. 7% 
"4, und diefen Sybartas einen Thurier. Lakon dagegen führt 


— 





Neue Ausgaben des Weokritos. 207 


den Beynamen Zvßapiras V. ı (wie Eumaras V. 75) den 
Sybarite, niht Zvßapras. Wenn nun wirklich diefer Lakon 
in Sybaris wohnhaft war, sund fein Kerr im benachbarten 
Thurium, „fo läße ih“, wie Graf Finkenſtein meint, 
„diejer anfcheinende Widerfpruch dadurch heben, daß man am 
nimmt, Spbartas habe eine Heerde in Sybaris gehadt, weicher 
Lakon vorgeftanden.“ Gut‘, aber warum foll Sybartas grabe 
gelebt haben in Thurinm , wenn er dort geboren war? auch 


kLakon mag, trotz feinem Namen, den er vielleicht von feinem 


Vater erbte, aus Sybaris flammen. Wenigſtens liegt den 
Anhängern der Caſaub. Emend. der Beweis ob, daß Zußag- 
Tas und Zvßapivas in diefem Gedichte gieichbedentend feyn, 
ein Beweis, den zu führen unmöglich if. — 3.6 Sc. liest 
gut: Ti I odrerı — V. 14 lefen beyde mit Valck.: od uar, 
od ro» Iläye Tb» axrıov (fo au) Sch. Id. 27, 36) und 
8. 17:06 Tadrag, was auch uns nothwendig dünft. Weber 
den Uferpan vergl. Soph. Aj. 695 und Aeſch. Perf. 422 — 
V. 25: war mas, Ö xivad', ed rdds y° Loceraı LE icon 
dupım; — sd, vom Schol. richtig durch ars erklärt, ſteht 
wie unfer huͤbſcch: fo werden wir Hübich gleich mit einander 
Reben? In Sal. S xivad’, eine, vad’ x. vr. 1. feheint sim 
ganz ohne Kraft zu feyn. — V. 30. Die von Sal. verfloßene 
Lesart: To (id ö Tedyos 1) odrog lotode! Du (da iſt dee 
Bock!) wohlauf kaͤmpfe mit mir, iſt viel lebendiger, als ob 
òô Tpayog obrog‘ kprode: auch Sch. if ihr treu geblieben.‘ 
— 8. 45. Sch. ToYrB — B. 47: va (dort) 6° ini dän 
don» Öeviyss raraysönzı Äft unverdorben. Odyſſ. 32, 3: 06 
d: Ida oxdmeroı. Theocr. 6, g: TaAıv &d', ide, Ay nova 
BaAdeı, ecce illic (nit illa) iterum canem petit. 12% 
12: dom Ön Tıve — (Od. 4 ab: Selvo dnm viva vade). 
wo nichts geändert werden darf. Unndthig emend, Sch. 
.. ent devdoov. Meiske’s ei —R haͤlt ſich durch 16, 
85, (mo Valck. und Jak. nicht gut den Dativ. haben), 15, 121 
u. Arist, av. 40. — 8.98: eia Ay, ei ri Abyeıziflt cane si 
quid canendum habes. Aeſch. Ag. 1057; Berge dv, einer 





368 Neue Angaben des Theokritos. 


Bor ansıdoing d’ long u. 14003 xaipoız’ av, si yalposı’ — 
Atysıy, wie Aadeiv 20, ag ift hier fingen. Sion. 1,98. — V. 
209. Das Fragez. hat Sch. gut nach xuvaida geftellt. — V. 131, 
Sal. und Sch. behalten: xct os podöxıoao; EnavBei bey; 
Doch gibt Sal. der Lesart. Hoda xıooös den Vorzug. Einen 
Roſenepheu kennt die Botanik fo wenig, wie einen Epheu, der 
gleich ofen blüht: Grund genug, um das von Schreber 
vertheidigte pada xioros für das einzig wahre zu halten. 
VI, 10: & 85 Batodeı | Zu | 
eis AA depxouiva* Ta BE nıy zard wöuara Baiveı, 
Govya xaykädovra En’ aiyıakoio Feoıcav u 
Sol. und Sch. lefen mie Toup, Bald. und Br. nad der | 
Flerent. Ausgabe xaxiadorros, was fih grammatifh nur | 
dann vertheidigen läßt, wenn man fid die Galateia, oder den 
Hund auf oder längs dem Geſtade laufend, denkt, vi» Seoıo. 
Er aiyıakoio. Allein eins ift fo unpaffend wie das andere, _ 
Unmögliih kann Galateia jest ſchon auf dem Geſtade laufen, 
da le erſt zwey Verſe weiter aus dem Meere fleigt (ES arös | 
Epxoutvas), und gefebt auch, fie fey fchon Heraus, wie paßt 
dann: ra de yıy xaAa xönaza Baiver? Soll aber vır auf 
xöva gehn, und wie Jak. glaubt, der Hund fich feldft im 
Walter anbellen, während er längs dem Geftade Hin und, her 
Läuft, in welcher Beziehung flehr dieſes Bild zur Galateia? 
und wie iſt es nur möglich, daß der Hund fein Bild im Meere 
fehn kann, da wir ans Ufer plärfhernde Wellen 
Haben? 8. 35 fehen wir den Polyphemos fih im Meere 
fpiegein, und weisfich fügt bee Dichter Hinzu: 35 de yadava. 
So Virg. El. 2, 25: nuper me in litore vidi, quum 
placidum ventis staret mare. Hier hat offenbar . 
Zoupe durchaus unpaffende Paralleiftele aus dem Paul. Sir 
‚ Int. irre geführt. Kardagovea iſt die einzig richtige Lesart, 
und vı9 bezeichnet die Galateia. Diefe, die in der Meeerestiefe 
wohnt (vergl. Id. 11, 54. 62) erfcheint auf der Flaͤche, und 
wirft ehe fie ans Land kommt, die Heerde des Kyklopen (gleich 
als wenn fie gefühliger wäre, wie der Herr) mit Aepfeln; der 








“ 


Reue Ausgaben des. Theofritos. Ä 269 


Hund belt auf die Galateia; denn das auf dem Seftabe plaͤt⸗ 
fhernde Meer zeigt fie ( Huiveı vır, nicht wie in einem 
Spiegel, fondern läßt fie fehen, gewährt ihren Anblic ,) SEoı- 
vav sc. dv& xvuara, wie fie zwiſchen den Wellen einhers 
läuft; und eben weil jegt ſchon der Hund fie anbelle, fürchtet 
dee Hirt, er werde fie anpaden, wenn fie aus dem Meere 
feigt.. Daß vıv auf: Oalatela geht, beweifet der 29. Vers, 
wo mit Ruhnken itn emendire werden muß. — V. 22 liest 
Sat. richtig rodopsur. Man könnte au mod’ öpöuı vers 
murhen. — 9. 25: ‚aörap ö uarrıs 6 Tikeuog 8x9’ 
Gyopevav, ExIpa YWepoıro nos olxov, Onas Tixdcooe 
Hvradn. Der Sinn iſt: für- die ſchlimme Prophegeihung 
möge er alles fchlimme mit fih nah Haufe tragen, als ein 
zeıundıov für fih und feine Nachkommen. Vom Ziele abs 
führen mächte die Patallelftelle Odyſſ 2, a: ı BawFEBEo coics 
TEREOOL . T. A. N 

VII, 25. Sch. liest vıicoouivon — und B. 54: Toyr 
ſt. ioycı — 8. 70: 

.abraicıy xuhixeooı za) dc TooYa Eidos ioeldor 

mich fo recht an den Becher fohmiegend bis zum Hefen hinab, 
mid gang in den Becher hineintrintend. Ach. Pr. 361: 


pptvas eig adrüs Tunsis Sch. adacıy (i. e, dgre' ab: 


aiveoDaı obras) iſt ingenios und fprahgemäß, aber unndrs 
thig. — V. 75. Statt Eevias muß Beviag gelefen werden. 
— 1, 106. Sch, ziv ul Taöd’ ipönc. — V. ıa2. Statt: 
pnxerı ToL GBpovptmuess Ent mpoIbporoıv ſchlaägt Jak. vor: 


enreri 05 %.7.%. Allein os feheint ung Äberflüffig, während | 


vos als Betheurungspartikel einen befondern Nachdruck auf die 
Rede legt. — V. 124: vapxassı avınpfoı nimmt Jak., nach 
den beygebrachten Parallelſtellen zu urtheilen, mit Toup fuͤr 


Morgenfroſt; beſſer verſteht man's von der laͤſtigen Dumpfheit 


bes Geiſtes, nach der peinlich durchwachten Nacht. Sonſt kraͤht 


ber Hahn, den der. fchläft, munter, Hier den Wachenden in 
Rarre Betäubung — V. 150: 80 dpscı Adas EBaAAs, qui 
in montibus saxa torquebat iſt nicht als finnlos zu ver— 





272 .. Neue Ausgaben des Theotritos. 


weniger marfiet: nad dem ihre Stiere den Rüben un: 
termiſcht Habe, nämlich in der Abſicht, die Kühe zu br 


feuchten. — V. 30. Der Voſſiſchen Lesart: unxer’ dm) yAoc- 
cas dxpas bAopuydova Puon, die Jak. anführt, folge auch 


Gr. Finkenſtein. Ob aber ginxerı, wie doch nöthig wäre, die 
"Bedeutung von ne posthac annehmen inne, bezweifeln wir; 
und möchten daher gun gor x. T. 2. vorſchlagen. 

X, 6: oͤc vor vüs wblaxog oox.dmorpayes. © 1), 
65 : nordy 3 eneraußave (taffte er im rafhen Durchwandern 
an fih) xöeor. Catull. 35, 7: viam vorabit. Soph. Eier. 
686. Hiob 39, 24. — V. 11. Jak. Erklärung genügt nid. 
"Der Sinn fcheint: die Liebe iſt für uns fo mißlih, wie, wenn 
"man dem Hunde Leder zu often gibt. Wie diefer unerfättlid 
einer ſolchen Speife feyn wird, fo werden auch wir ganz In 
den Abgrund der Liebe finten, wenn wir fie einmal gefoftet 


Haben. — V. 13: dx wide drräeis Sidov- ya Fixed 


arıs ÖEoc. Die Berwandlung des Iidov in undov iſt ſo 


nichtig wie Toups Vermuthung 3nAd» könne Sich. Form ſeyn 


für Annöäν. Der Bein verſteht ſich von ſelbſt in dieſer ſprich⸗ 
woͤrtlichen Rebensart, ſchon durch den Gegenſatz vom Eſſig; 
das ironiſche Iido» kann auf keine Weiſe entbehrt werden. 
„Freylich, ſagt Milon zum diebefranten, abgehagerten Battos, 
man ficht dir6 an, wie du aus dem Wollen fchmeideft; ich ſthe 
fo warm nicht, daß ich der Liebe Eingang verftatten dürfte“ 
— 8. 19: supßAös wird von Sch. und Porfon gut gegen 
7TvꝙNèv, die Lesart‘der ed. princ. vertheidigt. So Arist. 
Plut. 003: Jeirörarog Fo 6 nAoötog, wo ebenfalls einige 
Seursrarov lefen. — 2. 25. Sch. alnade — V. 35: oyi- 
‚pa, wie unfer Staat, bezeichnet hier ein Staatsgewand; 
der Tangfhritt haͤtte ſich ſchwerlich in Golde nachbilden 
laſſen. 
{ Die Fortſehung folgt.) 








No.48. Heideldersifhe 1811. 
Jahrbuͤcher der Literatur, 


4 rum taaaenann rn aan 


h Theocriti decem: Idylia cum notis edidit, ejusdemque Ado- 
miazusas uberioribus adnotationibus instruxit L.c c.V al- 
ckenaer, ZEditio altera. 


2%) Theocritus , Bion et Moschus cum comnıentaris integrig 
Valckenarii, Brunckii et Toupii. - 


3) Theoeriti Idylia cum schol. ‚selectis scholar. in usum edita, 
9) Theocritus; Bien et Moschus; curavit G. H, Schaefer, 
€ Gortfagnng der in Me. IT, abgebrochenen Kecenfion. ) 


X, 1. Sam liest epvxen, warum bezteifen wie nicht ? 
- 1. 4: edoäv 3’ oo padıon iurl- weil man nur durch des 
Genius Huͤlſe dieß Mittel findet, fo wie man mar anf geflüs 
gelten Sohlen. des Perſens ins ſelige Land der Hoperboreer 
gelangt. Vergl. Pind. Ppth. 20, 46. — V. 10: 

gocero 8’ od vı Hödgız, ob udAoıc, oddt zırly vor. 
Heinſes Em. aredivoıs, die von vielen gelobt und bewandert 
wird, fcheint uns hoͤchſt verunglädt, Der ernſte Eppich, dem: 
man bey Zodtenfeyern gebrauchte, und die Lilte, ein Bild des 
kurzen Menſchenlebens (breve lilium Hor.) werden bey Gaſt⸗ 
mahlen Häufig der fröhlichen Hofe beygeſellt (&, Hor. Od: 1, 
%, 15 f.), um durch ſolche Erinnerungen, wie bey Aegypti⸗ 
hen Gaſtmahlen durch das Herumtragen der Mumie, die 
Freude ernſter und heiliger zu machen, und vor Uebermaß zu 
bewahren: aber wie paßt der Eppich als Liebesgeſchenk? Hier, 
wo dag Leben erſt recht beginnt, wäre die Erinnerung an deu 
Tod hoͤchſt unſchicklich geweſen. — V. 33: eis PopSurudg 
sreorı (iſt anf ber Stien); der Emendatton Insorı (if 
unter den Brauen) koͤnnen wir leicht entbehren. — W. 89. 
Dec. folge Voſſens Lesart; Tin — mu m Fi xüuaves Ahle 

21 | 








24 Neue Ausgaben des Theolritos. 

dar, tibi = — — simul et mihi canens. — V. Ar: 
du vopdon; paßt nicht zu veßons, ja ge Sifgtätber; 
eben fo wenig uaAdopdpws, denn wer bat je von einem wol 
ligen, oder vließigen Hirſchkalbe gehört? Segen bie in Hands 
ſchriften und Editionen befindliche Lesart karvopögas laͤßt ſich 
nichts erhebliches einwenden. Eldicks: oxXbduvas TEOOUpaS 
doxro iſt offenbar aus Ov. Met. 18, 854 entlehnt, wo der 
Singular (geminos catulos ursae) eigentlich ſteht. Bey 
Theokrits vier Jungen, muͤſſen (dom mehrere Baͤrenmutter 
gedacht werden. Doch glauben wir, daß orro ſich poetiſch 
eehefertigen ße — DB. 60: 

"ol ee — — — vör abrödı veiv ye uadsdua:, 
.aled vız ody yal ndtev.Eivos 60° dyinyran. 


. yöy adroDı (wofür vielleicht vor adrina zu leſen) geht nidt 


auf den Moment, wo gefprochen, ſondern auf ben, wo die 
Bedingung erfhllt wird. Bo 5, 96: xnyö uin duo rd 
RagDivn avrıza haccer, da wis Apneide zaßeAnn:» 
fogleih, wenn ih genommen habe. Höchſt verkehrt 
fast Dahl: past yadsöuas Polyphemus paulisper. medita- 
bundus quiescere videtur; mox, quum nimis longum. pu« 
tet, artem natandi addiscere, ope navis peregrinae pon- 
tpaı ac Galateae sedem intrare cupit. Auf einem Schiffe 
wäre er niemals in die Behaufung der Balateia am Meer 
resgrunde gelause Schwimmen lernen will der Kyklop 
von einem Iandenden Fremdlinge, und das nit aleit, auch 
untertauchen,, um feine Perle zu erfifchen. — 3. 78: en 
w auraiz vroxoiaa iſt gut von Sch. gegen ſeinen eigenen 
Angriff vertheidigt. — V. 79: dr- a za scheint nicht auf 
das Land im Gegenſatz vom Meere zu gehn; fondern. der Dinu 
it wohl: Offenbar gelte ih noch was in meinem 
Boterlande; und das fließt der Kyklop ans dem Bey 
fallsgeficher der Mädchen. 

XII, 15. Das versgerfiörende » darf auf feine Weiſe 
im Tert geduldet werden — V. 15. Gtatt vor Ö’ Erepor 
würlıy dc wen liest Ja, Ingeniös: Tor d’ dparöy masdıoaor, 





Neue Ausgaben des Theotriwo. 275 
and Voß ſcheint ihm gefolgt gu ſeyn. — B. 24: dparüg. 


oͤyoͤc gewährt keinen ertraͤglichen Sinn. Koͤhlers von Dahl 


aufgenommene Lesart arexelu⸗ wird dinlanglich durch 9, 50 gea 


ſchuͤzt. — B. 37: 

Avdin Toov Eyeıy neren —XX xovod⸗ öroi 

webdorTai s ur aöhov, Erituuov Kpyvpauoıßol. 
Riste's ur danroı non imperiti {fl verwerflih, weil die 
Kunft zu probieren fo leicht iſt, daß wohl in ihr *8 Wechsler 
ſtuͤmperhaft ſeyn kann; auch bekaͤme das Beywort, vorange⸗ 
ſtellt, zu viel Nachdruck. Obgleich die Vulg. feiner Aenderung 
bedarf‘ (S. Toup), fo verdient doch Schäfers Emendation: 
un daödos (ur, ab, wie Soph. Phil. 30) eine ehrenvolle 
Erwaͤhnung. 

XIU, 11. Sch. dvarpiyon Heinſe's dr Audz verträgt 

fih niche mit der geographifch » mythifhen Vorſtellung vom 


Laufe der Actros Ads, Göttin der Tagechelle. Vergl. 


GSoph. Aj. 675. — V. 1% 15: 

bg adrTg xarı Iouoy 6 Teais merovausvag ein, 

aöro d' ed Eixmy ds AAadıyor dvdg' droßaig 
Das zweyte adra nimmt. Tonp für ody adrg, mit ihm 
gemeinfhaftlih ziehend, welches durchaus nicht ‚paßt, 
da hier nicht das Verhaͤltniß von Freund and Freund (mie 
Ach. Ag. 851 ed, Sch. maj.), fondern von Lehrer und 
Schüler, Water und Sohn Matt findet; aürn muß mit aro- 


Bain verbunden werden. Die Metapher if vom pflügenden: 


Stiere hergenommen, der grade im der Furche zieht, und es 
idxeıy iſt das Gegentheil vom Roͤm. delirare In der urfprängs 
lihen. Bedeutung. Die von Jak. gepriefene Lesart: ara E& 
EArav fcheint gegen jene matt, und wird unffar, indem eim 
vo ZDos zu ergänzen if. Auch entipriht ur als Dativ 


beffer dam Dativ der vorigen Zeile; weshalb wie auch des 


Scholiaſten adrs fl. adrch. verwirfen. — 3. 24: 
„Anne Nrskdike, Baydrv Teigcdgape Pdaıs, 
ailerög Ss ueya Maison. 
» 


2 














276 Neue Ausgaben des Theokritos. 


Mitten: in die umvollendete ‚Periode wird lebhaft ein ganze 
ap hineingeworfen, den die Profa im Particip gefodert hätte. 
Jak., bee hier Anſtoß findet, wird feine Zweifel in Lobrds 
Anm. 3. U. 475 befriedigend geldst finden. — V. 38: ol 
piav aupo Fraipoı dei daivuyro Tpanedar. Hemſterh. 
von Dahl und Jak. gebilligtes ak würde für viele beſſer 
paſſen, wie für zwey. "Augen neben dem contraſtirenden 
piav (EB. 33: moAdol 5 wiav) iſt ſchoͤner. Die Aus 
laſſung des Aut und anderer Praͤpoſit. beym Accuſativ if 
nicht felten. ©. Antig. 2ı2 und daf. Erf. vergl. Id. 1% 
38; 15, 98 (wo Ahlw. nicht gut emendirt), Bion IX, ı und 
dat. Ohäfer. — 8. 56: Masarıor) if et. ©. Acfk. | 
Prom. 417. 715. — 8. 68. Wenn wir nah) uerapora cin 
Komma, nah napeöovroy ein Rolon fegen, fo darf nichts ge 
Andert werden; Try mapesvror ift illis praesentibus, indew Ä 
die Mannfchaft beym Sqhiffe gegenwaͤrtig, oder drin verſam 
melt war. 

XIV, 4: „Unice probandum, fagt Sqh. Wartonianum 
aberuNtor, dummodo cum Aug. F. Naekio nevraovANa- 
Bo» facias. Odyss. XIX, 927: el xev dücradllos.“ — B. 
a0: donyogs 6Bus iſt won beyden mie Hecht beybehalten. — 
8. 13. Sch. ruft "Amis ſt. Aæacç zuruck. — 8. oo: 

od HIeyküi; Adxov eldı;, Inaube vis, ag 0oBdg einen, 
j xip>a* eduapta; xy An’ abräs xal Abxvor Aa. 
Sat. Auslegung duͤnkt ‚uns zu Pünftlih, Sch. Abæocç eide o’ 
unpaftend. Der Sinn ift einfach der: du fprihft nicht? 
„Haft du den Wolf gefehn, wie jener Weife ſagte? 
fing einer gu [herzen au; da wurde fie feuerrord. 
Einen Wolf erbliden, Heißt plöglih verflummen; ös opt; 
siner, ſteht wie das Sophokleiſche: vopia ydp Ex zov xAer 
: yd» Imos nipaveaı Ant. 620. . Der legte komiſche Zufag 
erinnert an Bardolph's unſterbliche Naſe. — V. 27. Sch 
dovyov oöras (Jaf. nidt gut vöres) fo ganz ingeheim. 
Odyſf. IV, 776: oıyü Foloy und VD, 30. - B. * © 

For ſt. FO — V. 41: 


— 


Neue Antaaben des LTheokritos. 27T 
8 Aapıooatoz vöy Euöv: Abxov ddsv an’ doxäs, | 
Stocadındr Tı uihouea, xural Ppeves“ . 
Bagt nichts weiter als: der Lartfäkr fang mir das Srüd von 
neinem Lokos noch einmal vom Anfang an vor, ein echt Thefr 
alifhes Stuͤckchen, der Abſcheulige. S. Moſch. ı,'B: dder 
md peltoum fprihwöniih, an eine cantilena, amores 
moribus Lyci et Cyniscae similes eelebrans, tie af. fi 
nusdruͤckt, iſt ſchwerlich zu denke; und unerweislich ff, daß 
xaxal oeve; Anfangsworte eines kiedes ſeyn. — 8. 54 leſen 
wir mie Meiste und Voß: 
z&uog Eyay, vbV long 2; ®@varıye, md$ im) xöppas 
Na0a; adilay aödıs. Aysıpbcaoa vd nindas 
En dweiyeo D&00or. 
Maoa, zdikay wörı; iſt verbunden, wie Aeſch. Ag. 1395: 
nal BE vr ds — — Hal TENTRAÖT Tpienv Imevöi- 
Sour. Reiske's Emend. möchte wegen B. Ar, wo Kyniska 
erſt weglaͤuft, möthig feun. — V. 47. Sch. ol fl. ol. 
XV, 1. Die Worte: Tloeya pin, ds zpdra; drdor 
mußten der Eunoa gegeben. werden, da fie im Munbde ber 
Praxinoa weder zur Frage pafın, mod überhaupt eine 
fhltliche Auslegung geflatten. — WB. 10 muß Interpungirt 
werden; 
70% Epır, Pdovapbv xandv , allv Snow: m 
wofür einige ſehr matt: mit» dueio: tiefen: wor Epın sc. äuod 
heiße, mir zum Torte. Nach der ſtarken Paufe des Bus 
koliſchen Einſchuittes (vergl. XIV, Br: xaxai Gptva; udb 36: 
iuby xaxdy), der einen gefchlofienen Sinn der vorigen Worte 
andeutet, kann unmöglich ein «it» Zueio nachgehinkt kommen. 
Mein, der Dichter fügt noch ein kraͤftiges alt» öuoros! Hinzu: 
ein Kerl, der doch nie aufhört, er ſelbſt gu feyuf 
— V. 22 iſſt richtig in Dahl's Ausgabe abgedrückt: 
ui Adye For vehv dvdog, Gira Aıava , ToLwöre. 
koradre iſt odeas und weifet auf HDor. xax. zurüd. Id. 
6, Sy:eig us Akyorrı. — V. 18. Pdboo; Ayvpio, pernie. 
cies barathrumque macelli Hor. — B. 25: | 


278 Neue Ansgahen des Theekritos. 
dv ıide;, ν eima;, idolea vb za uk Ideen. 

„Diefe Lesart ber Handſchriſten gewährt gar keinen Sinn; beum 
au Bas unerhörte angenommen, daß, wie der Scholiaſt 
will, ein dinyicaıo zu ergänzen ſey, wie fan de sinus 
nur auf eine ertraͤgliche Weiſe erklaͤrt werden? Die uns nie 
getheilte Voſſiſche Emendatien: 

por einaus x, ev slde;, idoloa > =B ers 
laͤßt uns eine Wuͤnſche Abrig; deun ur wie num wirb aud 
in Fragen gebraucht, bie zur Autwert ein Jal erwarten: 


">. Erzäpifk du mir micht — — Die Umſtellung von sizass 


and eides, die auf dem erſten Anblick befremden möchte ; findet 
ſich ſchon beym Scholiaſten. Gorgo antwortet: freylich wäre 
es eine ſchoͤne Sache, wenn wie bier noch ein wenig plaudern 
kdunten, allein es möchte wohl Zeit feyn, zu chen: Kein Vers 
iß gewiß nicht verloren gegangen. — Der-Sinn von V. 27. 
SB iſt richtig in der Voſſ. Ueberſetzung ausgebrädt. Daf vanc 
dm Theokrit immer Wa ffer. heiße, kann au die geichrrefe 
Gelehrſamkeit nit beweifen. — WB: 38: wu nox’ EAzımes iſt 
: Aue matte Ewendatien von Eldick, die Maͤnner wie Jak. und 
Sech. nicht Härten aufuchmen sollen. Richtig behält Dahl: 
var: zahor sinus bey, was wir feeplich nicht mit Reiske über: 
fegen möchten: „Sie Haben Recht, Madame, Bas 
Städif allerdings unvergleihiih [hin geras 
then“, fondern lieber mie dem Gr. Finkenſtein: Wie du 
da fhmeiheif. — V. 50: dpssoi — Vielleicht  iffe die 
Boſſiſche Lesart zum Ziel: Zieroi. Nach Heſych. iſt Aeedc 
ein eido; Idpaxog, ein Naubvogel. — 8. 5ı. Hermann« 
Losart: Ti yayhaeDa (vulg. yeroig.) geben wir unfern wollen 
Beyfall. eich. Theb. Ion: wi zerancı ; — 8.60. Offenbar 
gibt: iyay, zixva. I. sirva naperdiv einen beſſeren Merz, 
als die Vulg. — 8. 70. Die von Vai. und Dahl angepriv 
fene’Br. Lesart: ai vb ydroıo gibt eine zu zerſtuͤckelte Periode, 
> weswegen wir die Vulg. vorziehen. — V. Bo: Zordos. Jak. 
gibt das Scholion: iorovpyoi, AHyowv dpiotpyoi. "Woche 
diefes? EpıSor ind Hier die Tempelarbeiterinnen, die für 





Rene: Ansaaben bes Theokritos. 979 


Geld in Tempeln Riten und webten. — V. 87. Der Gpott 
des Frembdfinges triffe wohl auch die Dorifhe Mundart der 
Weiber, mehr aber Ihre breite Geſchwaͤtzigkeit, mit der fle das 
heilige Gefuͤhl der Kunſt entweihen ; daher wohl unndthig fen 
möchte: (was Bothe im zmwerten“ Theil feines Sophokles 
S. 394 vorfchlaͤgt) diefen und ben folgenden Vers in den 
Attiſchen Dialeet umzuſetzen. Auch kaͤme dadurch eine wider⸗ 
liche Ungleichfoͤrmigkeit in den Text. — B. 110: Bepevixeic 
it von Sch. gut vertheidigt. — V. 123. Die Nichtigkeit der 


Lesart: d IBevos, E xpvods, © Ex Aevxd Eheibavros ffk - 


gegen die Übellautende Emendation unumftöfifich bewieſen wor⸗ 
den von Lob. zu A. 999: alerõo flatt wierb iſt nothwendig. 
— V. 145. Beyfallswuͤrdig ſcheint die Voſſi iſche Lesart: wi 
zu opareoor! a Yıilsia Miet — 
XVT, 4: &eidovrı wird von benden anerfannt. — ®. 24: 
IK vd uiy Yozd, Fb A xal zıvı Boövaı door. 
er. quae dederis genio. Warum Jak. aboedchy mit dem 
ziemlich unve: ſtaͤndlichen ddAav vertauſchen will, begreifen 
wir nicht. Nichts kann ſchoͤner in den Zuſammenhang paſſen, 
als: „Verſtaͤndige brauchen ihren Reichthum ſo, daß ſie ſich 
ſelbſt guͤtlich thun, aber auch den Sänger ihrer Tha— 
ten beſchenken“s, zu welchem Gedanken der Dichter V. 29 
zuruͤckkehrt. — ®. 69 iſt das von Ahlw. vertheidigte xadezı 
y&o 680l reAdsdoyrı Koıdäv das wahre. Pind. DI. VI, 
g2: tyeroe Emeay oluov Av. Goph. Oed. Tyr. 3113: 
kayrıwng 6d0v. Aeſch. Ag. 2165: moFer Öpovg ixeıc Se- 
onsolus 5306 zaxoppiuovas; vergl. zu Id. 22,4% — B. 99. 
Beyde oxvınaior, langſamwandelnd. Shakſp. Macbeth; 
now spurs the Iated traveller apace, to gain the ti= 


,ı 4 


mely inn, 

XVII, 2. Statt ddauer Wil Sch. »Aslauev leſen; uns 
noͤthig, denn deidew iſt hier, wie fo Häufig Yumwis deidev, 
— V. 05, Heinſe's: tot venodes tft anlachend, Auch deshalb, 
weil man Baden: nicht nothig hat, die Sylbe va in aadeür- 
Tas erft kurz zu zauken Ueber vErodss vergl. Elark. zu Odyſſ. 


t 


980 Slewe Ausgaben des Throfriset, 


4 404. — 8. 41 Sch. imırognon. Hal. behait das mw 
grammatifehe Zmrımrarnsı bey. — B. 84. Die von Sch. auf⸗ 


‚genommene Lesart des Flor. ‚Tod. iſt durchans richtig. Bey 
‚der gewöhnlichen erdexadez vpsiz fommt die Zahl 33,355 nicht 


heraus. — V. 109: aity agaox. iſt mohlnide, der immer 


| Erſtlinge zollt, ſonderg wergl, Soph. Phil. 151) jedes; 


mal, wenn er Erfklinge gollt. — B. ı20. Ic if 


vorzägliher als narra. In dem irgendwo, das jede Ditss 


beſtimmung ausſchließt, liegt etwas‘ unheimliches, graufiges, 
das gar herrlich zum übrigen flimmt. — Der Sinn von 8. 121 


iſt: Er, Ptolemaͤos, allein prägt die ſchon erlofchenen Zub 


flapfen der Altväter, indem. er darüber wandelt, von neuem 


in den Staub, als noch ganz warme oder frifche. — (Er friſcht 
fie wieder auf). — Ohne Bild: Er nur ift no ein Mann 


nach der alten heroiſchen Zeit; er tritt, wie unmittelbar, in 


> 


die Spuren der ältefien Ahnen, indeß wir andern andere Wege 

wandeln. — V. 135: J 
xrip, d "va& Urodsunie oe d ᷑ Ica zal 
Ä | 777 — 
u»dooun auıdsov* Boxen d’,Ewos α AndßArcoy 
pDeyboua Eavouivors‘ Apesav 78 ev dx Auös 


ailTeo. 


Die legten Worte haben den Auslegern unndthige Schwierig 
keit gemacht. „Einen nit verwerflihen Sefang“, 


fagt dee Dichter mit einigem Selbfigefühle, „habe ich der 
Nachwelt gedichter“, „aber“, füge er mit Beſcheidenheit 


hinzu, „die Vortrefflichleit gewährt Zeus ben 


Menſchen.“ Dieß lebte iſt als allgemeine Sentenz aus⸗ 


gedruͤckt: „Vortrefflichkeit, wenn du fie gleid 
mie haben will, mußt du die von Zeug erfle— 
“ ben.“ Secuuda persona (fagt Grund zu Soph. Trad. 2: 
pro tertia incerta et non definita eleganter ponitur in 
sententiis generalibus, Der Lesart E&ass, mit der das letzte 
auf den Ptolemaͤes gehn wärde, künnen wir fo gus entrathen, 
\ 





Reue Ausgaben des Theokritos. 981 


wie ‚der Smendartonen adsed und &xeıs. ‚Die. Parallelſtelle 
aus Callimachus (in Jov. 94) gehört nicht hicher. 

XVII, 8. Jat᷑. behâlt neooi epındlexrorg ben, welches 
Dahl gut. durch perplexis pedibus erklärt, auf das Horagijche: 
alterao terram quatiunt pede hinweifend.. — 3. 26; 

dos drrildeoa xaldv dıepuıve RO06C0TNoV, | 
sorrım NE, dee, Acvaödy Eap xeruovo⸗ę —R 
Gòde zul & xpvoca Eieya Öuspaiver' ir duiv. 
Wir müßten ein Buch fihreiben, wenn wir der die zahllofen 
Verſuche, Licht in diefe verdorbene Stelle gu bringen, ein volls 
fländiges Urtheil ausfprehen wollten. Durchaus wahr halte 
wir Eihfädi’s Bemerkung, daß kein Dichter den Mond je 
duch VE oder nox ‚bezeichnet habe; und 'ſelbſt was Huſchke 
(comment. d. Orph. Arg. p. 32) fie zu entkraͤften bepbringt, 
ift für uns Beſtaͤtigung. Eben fo ausgemacht: iſt und, Daß 
nosvıa Nöb, als Anrede an bie Naht flehn bleiben muß. 
Bey der Goͤttin Nacht, bie den Sungfrauen als Dbwalterin 
der Myfterien der Liebe gegenwärtig duͤnkt, in der Stunde, 
wo fie die nächtliche Hochzeitfeyer begehn, betheuern fir, Mes 
lena ſey bie fchönfte ihres Geſchlechtes, fo.wie Id. ı5, Bo 
Praxinoa bey der norvın Adıwara bie Goͤttlichkeit des 
Teppichs betheuert. Huſchke's Emendation: . 
& 6; Arreidiasoa xalor dıöpave zedggmor 

. noryıa NVE, x. 7. A. 
bie er verfianden haben will, wie fie keiner verſtanden hat: 
as & ww, N, Öusgasve, tragen wir fein Bedenken, Ungrie— 
hifch zu nennen, da jedes a oc fich durch die nachdrucksvolle 
Doranftellung des aͤ in ein d as verwandelt, welches hier 
gegen allen Sinn und Zufammenhang auf Helena gehn würde, 
Bon den übrigen Emendationen befriedigt: uns keine wie die 
Koͤhler'ſche, welche die beyden erften Verſe umſtellt, und das - 
duch einen fehr poetiſchen Sinn hervorbringt. Die Borans 
fiellung des nowvın NoE darf nicht mehr auffallen, wie in 
Sb. 15, do. Nur adv dıepaıwve hätte K. nicht in xardn 
z0 Epaves verwandeln folen. Arapaiven iſt durchſche⸗ 


* 


233 NRexne Ausgaben des Sheokeitoi,. 


nen faffen, vorglängen laffen; Iıapaiveoda:, burde 
ſchimmern, vorglängen: auch oßne Beſtimmung wodurch, wos 
vor; Ap. Rhod. 2, 1248. — B. 29 iſt dynos' das wahre. — 
"= XIX, 5. Mötıooo ſteht collectinifh. Mehrere Bienen 
zerfiachen ihm alle Finger; daher xeıpar und rpaduara. © 
20,.55: moprıw. 21, 6: Iydös. — B. 8. Sch. liest fehr 
ſcheinbar: bs Tourdös ur Ins, va 3 zodbuara Akixa 
wodeis, mit der Bemerkung, daß Ens, wie 5, 79: Anacı. 
29, 40. Bion 19, 4, vim praesentis habe. 

XX, 19: owvexts leſen beyde fl. owvexès, richtig. 
Aebrigens vergl. Arist. Plut. GGo. 

X, . 

xav 5Alyov vorwös wis Imuyaboyen by Onvor, 
aipvidıov Iopvßeönır Ibsoräusvaı uehedivaı. 

Die von Bald. eingeführte Reick. Interpunction (ErıVadoneı, 
xbv önvor alv.), der Jak. und Sch. folgen , zerſtoͤrt (nad 
Ahlwardt's gegrändeter Bemerkung) die Harmonie des Werfes, 
and gibt einen ſchiefen, fpielenden Sinn: dAlyos Exvos darf 
hicht mehr befremben, als Aeſch. Theb. 491: hoc ori, 
die weite Tenne; Perf. 248: ohds mAodrov Auııo , mofle 
Eur. Dr. 1074 ſagt: ueyas mAodron Auunv. Theokr. Epigr. 
8, 3: noldds.narpidos, wo uns die Voſſ. Emend. BuAis 
entbehrlih Mint: Odyff. zo, 259: Ödlyn rodneda. Die 
QAuserlefenheit diefes Homeriſchen Ausdrudes zeigt Arifkoteles 
Poet. cap. 22. — V. 10: Aida Bumıderno find ohne Zweifel 
vestimenta fuco tincta; fo xdoxdeıg. Bey Ahlwardt's Er 
klaͤrung fodern wir den Beweis, daß man Ledonharz zum Koͤ⸗ 
bern der Fiſche gebraucht habe. — MW; 14 fr wövos ſchlaͤgt 
Sch. möpos vor (wie lange vor ihm Köhter and Br.) abet 
die Vulg. if durch Harl. Ahlw. und Dahl hinlaͤngtich ver⸗ 
theidigt. — V. 15 Sal. und Sch. leſen nah Auratus: ov- 
deis 8° od xbroav eiy', ob zöva, welches Sr. mit gutem 
Grunde eine emendatio pessima nennt. Die richtige Lesart 
findet fich bey Dahl, oöx Tva, und iſt von Ahlw. trefflich vers 
theidigt. Die übrigen. Emendationen ( Graliger's 09x06 





— 


v N 
Meute Ausgaben des Theokritos. 233 


ansgeuochmen) wingen um den Preis der Erbärmiichfeit, den 
unferes Meinens der „doctissimus Lenz“ davon trägt. Danu 
muß mit Ahlw. gelefen werden: ndysa mepood, Ilase 
Idöxeı whvors dyow- ch. Fragm. Berenic. — V. cı. Statt 
ar l. Voß: wid. — B. 56. 37 bleiben 3. und Sch. 
bey der gewoͤhnl. Lesart, die auch uns die richtige, und vom 
Stroth gut erlllaͤrt Anke. Nach Aydxvıo» müßte ein Gedanı 
kenſtrich ſtehen. — B. 4ı: eldoy duavrov 89 merpa er 
naöre. &o 1, 40: EP’ & (sc. werpa) areidur, ämfig 
befchäftiget. Steph. BeBauira taugt nichts. — V. 58: meı- 
ornoos ift nicht zu dulden, auch wenn defien Identität mit 
kiouaoı Mönnte erwieſen werden; denn ſchon zwey Verſe 
vorher iñ der Fiſch vom Haken abgelöst. Sehr wahrſcheinlich 
iſt die Voſſiſche, zum Theil aus der Reiskiſchen gebildeten Less 
art: wu Tor ulv miozaoa, xaldv ye dr Antıchrer, und 
ih ließ ihn huldigen, als einen guten Landbewonner, d. 5. 
ich nahm Ihn in Empfang. V. 65. bie dren legten, nach aller 
Kenner Urtheil Anntofen Verſe emendirt Jak. fo: 

'si d Önap ad xvucowy zb T& yapia Tatra ua- 

TeborıG, 

" Dinic Toy vnvav darel voV ouyxuoy ——8 

xar xe IAvois Auum. Ä 
„quod si vero nunc:experrectus .somniculosis oculis heee 
litora perquirere volueris, spes capiendi piscem illuma 
aureum per quietem visum efficiet, ut veros pisces desi« 
deres, et fieri possit, ut una cum aureis tuis somniis 
fame pereas. " Zyreiv ut quaerere ap, latinos pro ca- 
rere dici posse videtur.“ nftreitig fehr gegwungen. Das 
Befte, was. wir mitzutheilen wiflen, iſt die aus der Emend. 
von Reiste, Warton und Eld. Zufammengefegte Voſſiſche. 

ei ut» yüp Vhoqov Tb T& xaple raöra narebasız, 

EIris wiv Invav. Zarsı oV oapeıyorv iydor, x. Tr 
Nachtgeſichte find den Lügen gleich." Denn menn du nur img 
Schlafe diefe Gegend burchfuchen wirft, fo wird bie Hoffnung 
dee Träume ſeyn, di 6. fo wirſt du wur nichtiger Erfcheinuns. 


J 


284 Reue Ausgaben des Sheokriwo 


gen gewaͤrtig ſeyn. Suche den fleiſchernen Fiſch, damit du 
dicht —— 

XXI, 17: vueic ye Sch. — V. 49. Sch. mit Valck. 
höre nerpos Öhoirpoxgoı. — V. 109. XEpot mpodsımmüs ch | 
Soph. Ded. T. 456. — 8. 161. Och. Beinre — V. 168. 
4. will Gxero — leſen. Allein d. Vulg. Exoro” hält 
(ih an 4, 10, wo gxer' Ädyav nicht einmal paſſend wäre, da 
‚ gxaravay das Verb. Pepav und -eixarı nähe ein dyan | 
federn würde, alfo ein allgemeineres Verb. recht an der Stelle if. 
S. zu 3. 2, 7. Sch. und Jak. leſen mit Nele: dw inch 
yarcı flatt: Evi deivoioı, gut, aber unndhig. - | 

XXI, 24 Die. von Jak. gebilligte Lesart Teup's: 
rageν Euyar, oisı Ö' kom ſollte von allen Herausge⸗ 
bern des Th. in den Text gerüdt werben. — 2. 502 | 

Aeuxöv FO xpivoy karl, nagalvarau Avixa Timer | 

& ds xıov Asuxa, wa) raxsraı dvine ray Bj. | 
- Die Lilie iſt ſchon in ihrem friſchen, faftigen Glanze; fie wird | 
fahl und welt, wenn fie im Abfallen begriffen ik (wire); | 
der Schgee ſchmilzt, wenn er vom Thauwinde geballt worden 
ft (waxI5). Den erfien Vers können wir fo wenig mit Jak. 
für unelegant erklären, ald Schaͤfers Vorſchlage Gehör geben, 
und das längft von Wald, und Reiske verfioßene nimzn wie 
ber. einfegen. — V. 46. Das unmetrifhe: 7 001 orixoıcı 
xapabo verändsrt Sc. in TO vol; Toixoyos xapdba. Unter 
ben Voſſiſchen Emendationen finden wir: Tocoız arıydscc: | 
xupdEas,. die uns mehr befriedigt; nur muß xapdkas, meis 
wven wir, mit xaedooaz vertaufcht werden. — V. 50. In ax 
eoriy, welhes Binden. in UnspIev verwandeln möchte, 
fheint das richtige dvaSev zu fleden. Aeſch. Ag. 884: mom 
Nas dvmBdev dpraras m. 7. I — V. 61. Ruhnk. vauc 
ö’ Ipowign halten wir. mit Sch. fuͤr A; ; Bat, liest: ai 
paTı Bowix®n. 

XXIV, æ8: or wird von I. mit Recht in Squt ge⸗ 
nommen⸗ Der folgende Vers iM mit linveche verdammt. ©. 
Ah. Eum. g6. 286. — V. 43. ©. kehet zu dem beſſeren 








Dee Ausgaben. dis Theokritot ast 


xedolyo zuräd. — V. 56; Sch. Beixavdaoner. -VB. 59. 
Sch. Aaße. Die Vulg. Bade, legte mit Ungekäm paßt 
beffer für. die.innig liebende, fe «ben aus der Angſt befreyte . 
Mutter. — V. 64. Sch. 820 fl. wöra, unnöthig. — V. 67 
nimmt Sch. das von Valck. mit Unrecht verbrängte 'vocLorris 
zurück; im . folgenden Verſe liest: ee trefflih: Ti 5 .oc; und 
fept nähern V. 70 ein Fragezeichen. — ®. 95 Sb:: 
Ömepoögıov nad) Meiste. — V. 90. Start —XRX — 
vum iotesnuiror ABiußis Bing fhlägt Sch. rreuuere 
por. Die GSththeit der Vulg. beweiſst Sid. 2,2. Das Vaſſer 
der Suͤhnung if natuͤrlich im Gefaͤßſhe. * 

XXV, 1. Die von Sch. aufgenommene Lesart? Bora» 


ixlovpos iporpsds baſtütige ſich aus V. 242. 


27. Sch. oveov⸗ ſt. obs. ie Wi. 81. Sch. dporpebs: 


B. An, Sch. oi, welches auch Jak. biligt. — B. do. Si Fr 


eicıv —* eioiv. — V. 922 ylian* iovcov MM —8 
und hat die Anıherität des. Vatit. oder für fih. — V. 1423 
orddas Sch. u. Sal. nah: Taup, — V. oo "Seh empfiehte 
Zonp’s ſehr paſſendes ivre. 3.7... me 
"EV, 97: 4, 0 W 
 gir.ahtyar um a imo Bhäitei Aunioig 
.pgoreigon 3 und: ei gaktıihrepe Tr. iudynaen, 
sin S kvvacını, 4 al erden Enıßasvor.: ' 
Der erſte Vers, der fi nur gezwungen erklaͤren täßt, ſcheint 
der Anderung : Ada av Eyav (sc. Bporrigoıni) eißtidhkog 
(f. Reisk. und Br.) zu Hedäufen. Der Sinn des Ganzen iſt 
dieſer: Keinen laſſe ſich einfallen, dreb mit Dionyſos zu rechten, 
auch wenn er in aͤhnlichem Falle vom Gotte noch Härter 
als Pentheus beſtraft wäre, .felbft wenn er als zehnjähriger 
Knabe in argloſer Unſchuld nur zufaͤllig in jene Geheimniſſe 
geblickt haͤtte, worin der Mann. Pentheus mit unfrommem 
Vorſatze hineinſchaute. Hier liegt die in der Griechiſchen Re— 
ligion einheimiſche des zum Stunde, daß die Götter auch den 
Beſtraften, der, . ohne es zu willen, ihnen zu nahe getreten 
war. Jak. findet, die Stelle dunkel, worin wie nabärlich: nicht 





286 Keue Ausgaben des Werkrite 


sinftimmen. Binden. und Dahl deuten fi auf eine unerhörte 
Weiſe, bey iuoynosv des Subject Pentheus. Scaliger träumt 
von einer zehn Sabre lang aufgeſchobenen Strafe des Gottes, 
wndere auders. Beund.und Musgr. geben abentheusrliche Eon 
fecturen; die Abrigem fchweigen.. Bist. einzige Harles äußert 
fd: vel puer ne audear. cum Däionyso hoc modo certare 
yr Commissa, enim simili panna.luet, worin eier auf 
das Wahre Hingedentet if. - 

XXVL, 9. Wir pflichten Jak. ben, wenn er V. ı und 
5 dem Maͤdchen, 8. 2 dem Daphris zuerkennt; fein Tadd 
des 9. Verſes, den Dahl richtig erklärt, iſt ungerecht. — V. 
.36 befennen wir uns für dadızov. — Bor. V. 18, ‚weiche 
dem Mädchen gehört, muß mit Dahi der Vers des Days 
wis! ur wenßains Far xeiaa, zul sivere Xellos Auisu 
hergeſtella werben. — 3. 2o vergl. Eur. Med. 24a. — Bi 20, 
Sch. liest nie unwahrſcheinlich: do 3° iuc — WB. 84. Ch. 
und J. ansvdiv, welches ſchon Wart. und Br. vorſchlagen. 
— 8.42. Fur Das verdorbene obd’ dxea ıufsoee tann 
wohl feine leichtere Emend. erſonnen werben, als bie von Di. 
sufgenommene Reiskiſche: oüd’ dp’ Arıuncoaa. -—. Die dem 
Gubſerntiv ohne Ariel nagefieiten Adj. und Pron. 8. 57 
und 58 nimm Sch. in Anſpruch (warum nicht auch B. 52: 
siuara xar&?), und verbinde im erſten Verſe war vo- 
peio; gorrigiet im legten ᷣudo im Euod. Die Sache veorbient 
nor. sine eigene linterfulhung. J 

XXVIII. In dem vorangeſtellten schema metri muß bis 
Jamb. Baßs wegfallen, bie nicht in den Choriamben der Ly⸗ 
siter, fondern nur im Drama vorkömmt — %.n. Wenn od 
in oeö vermandelt wird, fo verdient »dos dem ndvos, aß 
ausdrucksvoller vorgezogen zu werden: dem hauswirthlis 
Gen Weide tft der Sinn auf dich gerghter. — ®. 
4: Kimpev SE" award » das dem Sinn nach fo gefund 
iſt, mag echt ſeyn, da. men xaLoc und aroc hat. Soll aber 
emendirt werben, fo möchte wohl Wartons: - öwal xudp vi 
dem Jak. suarrio den Sieg davon tragen. — V. 0 Zum 








Neue Ausgaben des Theokritss. 287 


erh. Zxreitasıy iſt zu AngRlih grammatiſch. — 2. 153 
:BoAAdumr billigen wir mit Sal. ; nur hätte das mäßige, vie 
m fpät nachfolgende utv, Reiske's nothiwendigem xcv weichen 
joßen. — 8. 25 für coei To liest Voß: Ep rd. 
XXIX. Dieß Stür hat Thierſch (apecim. edit. symp, 
Platonis p. 25— 35. 1808. mit vielem Scarffinne dem Al 
kaͤss zugeſprochen; und gewiß wird jeder Kenner ihm beuftims 
men, daß es ganz des aͤoliſchen Dängers würdig ſey. Schade, 
daß ſein hißeriſches Argument. fo wenig genugt, da das naͤm⸗ 
liche Scholion eben fo gut beweist, jeder andere Dichter fey 
her Verfaſſer als Altos. Wenn der Scholiaſt ſagt: oivog 
rar EAnDEıe, Em TV Er udn FIT dANDua» Acyövran. 
Eorı Ö2. demmrog Akxaiov. apgh- olvog d Yiks was 
al AAnDsıa, fd fagt er, meinen wir, Alk aͤos fey Verf. 
diefes nachher fprichwörtlid gewordenen Ausdruckes, nicht was . 
TH. ſtillſchweigend anninnat, Alk. Habe ein älteres Sprich⸗ 
wort am den Eingang des Liedes geſtellt. Unſer Lied beginnt: 
olvas, & Pils wai, Adysras, nal AldDsa. 
wo das Atyscar offenbar auf einen Vorgaͤnger hinweiſet. Bis 
man uns alio aus anderen Scholien den Beweis bringt , dieß 
fehr entfcheidende Acyerar fey and) des Alkaos, oder auch nur, 
vor thm fihon ſey das Sprichwort da geweien, mälfen wir 
Jakobs (der Thierſch Abhandinng noch nicht kennen konnte) 
beytreten ; ex Alcaeo haec petita esse apparet ex schol. in 
Plat. Conviv. p. 54. ed. Siebenkees. Sa. nimmt auf Th. 
gar keine Raͤckſicht. — V. 8 liest Sch. öxu I odr KBEAngE ' 
in bee Vulg., der Jak. folge, iſt das Metrum zerruͤttet. — 
V. ı1. ed. 5 xev, welches auch Jak. billige. — V. ı 
bie von Sch. angegogene Parallelſtelle der Sapphe iſt für das 
Beitalter des Gedichtes nicht Zu uͤberſehn. — V. 20. Sch. 
zonç — B. 25. Jak. nach Val: AAN dupis, ohne Zweifel 
echt; denn die dactyl. Baſis möchte nicht gut zu rechtfertigen 
feun; noch weniger die Pyrrhichifche, weshalb wir die beyben 
festen Verſe für verdorben halten. V. 39 iſt Torx jä töfen, 
und V. 40 vermuthet SYE woostwäror:. [et 
XXX, 52. Sal, xai ev aivage xpavına. — V. 43 
folgen beyde der Vulg, _ | —— 
2oœl TS WUpl WIOGEADRZ. 

‚Inass obs Epwras. % 2 F 
über deren Sinn viel geſtritten wird. Wir meinen: dem 
Beuer genaht, verdbrannte er feine Lishe; in dee 
Mäpe Der Aphrodite überwälsigte ihn ſo ide 
Einfluß, daß feine vorige Slur, feine Schnfudt 
nah Adonis, tn feinen jehigen Entzuͤkkungen 

8 y 0 | 





285 Neue Ausgaben des Theokritos. * 


fich verlors feine Liebe gu Adonis ging unter in 
der Wonne, womit thn Aphrodite — 
Edigr. 2, 3. Die Salmaſ. Anderung: Tonros, ber 

beyde folgen, iſt verwegen, Terwoors iſt echt. ©. Voß z. 
Virg. Ei. ©. m. — Epigr. 3,-.6: GwVov "öum® xaTaypo- 
pevor , ziehen aud) wir vor, und verfichn soporem congre- 
gutum. densum, altum. — Ep. & 1. Sch. I. vi Tor wÄcor 
(vulg. ri cd) nad) einem Co). Die Vulg. ſcheint echt, vergl 
Sp. 1,205 8, 17. — 8. 6 iſt dordor einzig et. — 

‚2. Sch. Govoaöusvos, wovon guveca. die Stofe. — Ep. 
3 2. Sch. ins fl. loi6: „est haec ‚Sperun, non ed. Wie 
aber, wenn es ein Mittelding von beyden wäre? — Epiar. 
11, 6. Sch. Axıxvg für deux, „quod graecum non est.“ 
— Eptgr. 17, 9. Sch. Sbar. | 

Bion I, 14: 6 uw Byaoxovr Epiiaoen erflär 

Sch. (den wir von nun allein haben) uͤberzeugend durch quod 
fpsum mortuum osculata est. Hom. veroen RırTovTev. 
— B..36 iſt Wakef. Emend. da mar vanmos aufgenommen, 
ger wir bier die Woffiihe: dvi zrduns Ts zul Kumedor, 
welche jedoch nicht in der Weberfegung ausgedrüct iſt, gegen 
Aberſtelien. Wir halten die Vulg. xal ara zroAıv für echt. 
Shpeofr. ao, 44: undt od, Koönpi, Tov alla unzs ar 
dorv, unr. dv Öpeı pihkors. Goph. Aj. B5ı: Kaeı ni- 
yay xuxveoy. iv naon nos. Auch Se. Finkenſtein behält 
avi rohr. — V. 61. Statt Zunvas wird Brunds Zur- 
yao. gebilligt, das wir. fchon des dackyl. Rhythmus wegen vors 
siehn ; Eueivos if fehr matt. — 8. 75 As wird für woiz vor 
gefchlagen; unnöthig. Ueber vera ocd Ava vorsa Tor 
iepov Dayoy &udx>n geht Sch. fillihweigend weg. Graf 
Finkenſteins: er erwarb fih Sötterfhlummer in deis 
nen Armen, iſt wenigſtens edel und. wärdevol. Wir fuͤrch⸗ 
gen, die Textesworte find weniger belicage und fihlagen mit 
Woß vor: Zuixdn. — RB. 77. Ruhnten 8: ompiosoıy akti- 
aor beftätige ſich durch Aeſch. Ag. 15253 aipıov &ykatoua. 
ch. bleibt bey uhoroicıv, das ſchon wegen. des nacyfolgenden 
vᷣboior verdächtig if. — V. 86. Hier vermiffen wir fo un 
gern Lennep's al ai ale V. go die richtige Lesart der Hand⸗ 
fhriften 7 “Tnerasov. Der arme Hymendos. wird be 
dauert, daß er die beyden zärtlich Liebenden nicht verbinden fol; 
aber mehr noch Adonis. Wie fhön, daß der Dichter immer 
auf den Adonis zuruͤckkommt. Unleidlich malt ift die Wald. 
Lesart. — 3: 94 liest Voß: dvaxdaioıcaı ,"Adupı, —RX 
ireeidovo. Hns ſcheint die Vulg. unverdorben, ud den 
©ian zu geben, den Gr. Finkenſtein ausdruͤckt. 

— ¶ Der Beſchluß folgt. ) 


———err 





No. 19. Hetderseraifae | 1811. 
Jabeabucher der Literatur. 


4) Theveriti decem Idynia cum notis edidit, _gintemine Ado- 
maæzuses ubenoribus adnotationibus instruxit L. C. Val- 
ekenaer Edito - altera, 


2) Theocritus, Bion et Moschus eum comnıehtarüs Integris 
. Nalckenarii, Brunckii et To upli, 


3) Theocriti Idyllia cum schol. selectis scholar. in usum edita. 
4) Theocritus, Bion et Moschus; curavit 6 H. Schaef et. 
t Veſchluß der in No. 18. absebrochenen Recenfion. 


II, 1. N. Herel's Emendation 28’ Hbdarrı, bie ein. ganz⸗ 
Ucheg Misverſtehn dieſes Meblichen Traumfluͤckchens vorräch, 
befümmgert Ab Sch. gar nicht. Soll es dem Hirten erfl, nach⸗ 
dem er alt geworden, einfalleh gu erzählen, daß Ihm Kythere 
in ſeiner Jugend einmal erfihtenen ſey ?. Warum befaug er nicht 
gleich dieſe Begebenheitd Oder ruͤhrte fie ihn damals ſo wenig, 
daß er fie vergaß, Bis fie ihm als eine alte Erinnerung wies 
der in de, Sinn kam? ER" Smsorti, ale ich a och lieh, 
deutet guf den Morgenſchlummer. Der Traum währt bis zum 
ri. Werfe; die beyden ‚legten enthalten ſeine merfmärdige Wire 
fung, die au tim Wachen noch fortdauert. „Beil hier Erfcheis 
mung und Wirklichkeit in Eins yufaııimenfließen, hat der Dichter 
den Monent des Erwachens nicht angegeben, und fo wird der 

efer auf die anmuthigſte Weife aus Dem vermeintlichen Tranme 

wirkliche Leben Dinzingefüher. 


IV, 10: xai zuxa, das in ſoſcher Verbindung auf dere u 


telle-dedeutet, wird gut gegen Ruhnkens ebriek geſchuͤtzt 

urch Su. 9, 474. Virg. Ldb. 1, 202. Wir fügen hinzu 
heokr. 4, 60, und beſonders Run m em: „Dre ” 
ul, 151. .3 J 


9. 








a 4 


nu doae Bas.. . ' t» 


290. Neue Ausgaben des Theokritos. 


V, 1. Der erfle Vers, der mit dem Gedichte nichts u 
ſchaffen Hut, nrußte mit Br. ung did Fragmente geſetzt werden. 
VIH, 6. In der Lesart: | 

Av pnärap Auaxidas Erdpm Shavros "Axıuldans' 
ÖNBıos dv Iydoxar, örı oi uöpor aivıy dumm. 
vermifien wir den erwarteten Gegenſatz, und bey uxap ein 
dam» hinzuzudenken, iſt Bart. Barum auch Batte Achilens 
nur in der Todesflunde das ſelige Gefaͤhl, die Ehre des Pu 
troklios gerettet zu haben, und micht überhaupt in feiner feste 
Lebensgelt? Da shovrog auf den. Patroklos geht, fo kann 
wohl nichts finnreicheres als Svyaoxovros, bie Cm. von Su 
Grotius, gedacht werden, der ein 5°, oi nadhfolgen mul. 


- Bergl. Il. 18; im , 


2: Yıßnpiodaop — XI, 1: ine — -, | 


X, ı:. — (To ſchon in Schier's Ausgabe). — 5, 


xV, 9 id's Lecaet weiche gar zu fehr von den 
Zügen der Handſchriften ab; Einfacher und ſchoöner iſt Toms: 
sd na Änvoror, doch Aupkyaruzor ſchenten wir ihm. 

— V. 14 liest Voß: ploamı 3° Inter aiubr denn. 
- XVI, 4 Unter æcãuoc iſt Bier ein: Neigen verſtanden, 
wie aus dyer- und aus ©. 7 Birdorgeft. _ Wi B; om 


.  XVIL ı fiest 26 78 ſtatt A — 8. 5: we t 
” duatns. Brunck's Lesart, dankt und kraſtiger als bie mi 
genommene von Scaliger; übrigens. muß das Kinn na 
Tarınov geſetzt werden. 

Moſchos. J. 1. Sch. ſtellt die eichtige Intiepunehn 
ber, und ergänzt nah EBhorosı ein Alyovoa: zdde. — P 
22: 8° dv ara noch einem Cod. — V. 23: Adıor haben 
Manfo und Voß in "Adıov verwandelt. Hier darf Paſſon · 
Bemerkung nicht Aberſehn werden: „die Dichter zeigen die 
Gewalt der Liebe gern an allgemeinen Begriffen, wie. Se 
in der Antigone; auch, ginge -Auf dieſe Weiſe ein fihänd 
‚Spiel yerloren, da man ben Sonnengott nicht felber örkanın) 
‚banken kann.“ — B. 29 iſt pärs' wieder eingefeßt. - 





Nene Ausgaben des Speofritos, .- . ,„ 291 


I, 14. .Sär-civas ,.dge day dem. folgenden Auzraı um 
nöthin iſt, liest Voß wir; — —.2. 31 dar Sch. Avatoo, 
woſur wir die Lesart ber Flor. Handſchr.: avasgar nicht 
Aravooyv) wuͤnſchten. — V. 82; — was, uns nicht 
Überzemgt. — 1% 47. varı, nad Shi — V. 50.-Den 
cifuriofeh, Vers: 1 

ev & gp Zeug imaphpenog Zeige, Xsup Seel, 
lift Sch. npangefocheen — folgende Hinftefirng ſqeinte nc 
wendig: 

WE de Zeig Sein inadhushöt doku zeuaki. 
V. %: 23 Dev. olog (sc. 8okt)i Oeris (deine ums wie os. 
echt.“ BS. 863 Önsslane Tore; che umwahrſcheinlich? Wi 


125 otpoıcı für dusını, unnsthig“ — V. 159: dvbine — I Ru 


V. 160 :° iorgp, welches wir nicht -für einen! Srumhii we. 9. 


erllaͤren ehe me nm en 2 
u 19. ut 
abe, eröpärieni ueklofere ibiuo- 
| 3 2. —E 


‚Ray Sugreporg aere geld gas row Geyder. 
Die Steh iſt geſund, wie die Sefanppa ſelbſt. Voß aberſebtz 


IR »ı:ı 3. 


Dr Seginfaß (oron. und yeik).n und die mangelnde Prapoſ 
ſcheinen die andere Ausleguns, vestris lahris cechuit, zu bes 
gunſtigen, die and) ® Paſſew anerkennt: Lippen, die euerm 
es an Süße gleichkamen. — V. ig. Örepnreus 
— 3.60 ſteut Sch. weis her, und nimmt. Ögv«des für. 
Hühner, Ddie⸗doch nicht recht paſſen wollen. — Re 70: 76 
nodar wird gegen die Efh. <5 mp. gut vertheidigt. — V. 75: 
näoay, di ‚wAraas (vulg.. ® ‚endngas) Pavds de. Der 
Infin. Bimme gut zu utosodgu, doch halten wir die Vulg. 
für echt. Aeſche Prom. 100, wo man MNocucu nicht in On- 
ocioac verändern muß. Agam. 1299, wo dmaddkdscoveıp 
ebenfalls echt iſt. — BV. ga: wävets, dooıs — — Buxo, 
—RR Ex M. - V. 116% Hipuaxoy clausc. Die Vulg. 


5 


292 Eginhard and Emma von de la Motte Fouque. 


Noec, haſt dr erlebt, daͤnkt und beffer. — V. 128: 
—XX—— 
IV, 1. Voß emendirt: iamın vergl. ©. 39. — V. 20. 
Och: 10x09 , prolem, — ®. 65: "H oöy — B. 99: Eodı- 
L ©&. ſchlaͤgt Imida xpareghr vor, dem Jat. beyfällt; 
Voß: mpörspo» wohuoio yweiov, dudum canae barbae. 
v7: liest Sch.: x & ao ‚mit dee Bemerkung: 
eörtam emendatiouem; :si satis commemjn.ty, ante 
multos annos praestantissimus Reizius in scholis publicis 
prodidit. Hier hat Sch. fein Gedaͤchtniß geirrt. Die Emens 
daubon if von: Meß, und ſteht im Deutfh. Muf. 1775488. 
21 On non: In der Folge hat. Be fih ein gewiſſer Teriher 
gugesignet, — V. 10: Igpes auf IxDös,. aber fo bat ſchon 
pie Ange Von Shit. ı ui... ‚D- A. E. 


PR 4 FE 








U ne 


rich Baron de Ta Motte Fougue. Aurnderg, 1 
Kobann Leonhard Schrag. 1811. 

Die Anzeige, dieſer des edeln Dichters würdigen Dichtung 
Kann die Karze der tegfern nachahmen. Das: Octavb Andchen, 
worin ſich die bekannte Geſchichte der Verliebung und Verbin 
dung der Tochter Carls des Großen abſpielt, iſt ein tragbares 
‚Other Altdeutſchlands, und. man iſt, obwohl im der Fremde 
ver Jahrhunderte, dad da wie zu Hauſe denn man wird vom 
einen Herzen beherbergt. Es if eine mährend s erquickende 
Erſcheinung, daß gerade jetzt To viele geiſt⸗ und kenntnißreiche 
Maͤnnck — Hagen, Buͤſching, Sortat, Breutago, Arnim*) x. 


Eoinbard und Emma. Ein Schauſpiel in been Auͤfrügen, von Frie⸗ 


— —— 





GREEN 


*) Hm. v. Arnims „Halle und Serufalem, Studenten: 
- spiel and Bilgeraben tbeuer“, verdient, ſo wie feine 
Gedichte „der Grafin Dolores“ buch die Kraft de 
Komifchen, dep Romantifchen ‚. Des Chargkteriſtiſchen und dei 
Aitdeutſchen weit mebt Lob ald ihm vermöbnte, obwohl von 
> 4 einigen Eden mit Recht verwundete Kunſtrichter, welche der 
Bemantfchneide die Verleurinde vortiehen, werden geben wollen. 





‚Eginhard und Smma von.de fa Motte Fongue. :393 z 


— uns durch Das Ausgraben und Abformen« Altdentſcher Bäts 
terflatuen..und Ahnenbilder (mie die Roͤmer ihre aus dem alt⸗ 
claſſiſchen Boden Holen) zu tröften, zu erheben, ja gu reinigen 
fühen. Wir können dergfeihen gebrauchen, weil wie jetzt den 
Geiſtern Dante's aͤhnlichen, welche (nad deſſen Hölle) erſtlich 
durchſichtig ſind, und zweytens nichts bewegen koͤnnen, nur 
daß uns die dritte Aehnlichkeit derſelben fehlt, wicht Athem zu 
holen; denn dieſen haben wir ſchan zum. Seufzer nuthig. Eben 
weil unſer Verluſt, oder unfere Geiſteraͤhnlichkait nicht etwa — 
was ſich von außen heilen Tiefe — ein paar Jahrzehnde, ſon⸗ 
dern ein Jahrhundert alt iR, müfen wir uns von innen beis 
len; ja die äußere Belofherem ſteht eben der tan Afrach⸗ 
kunde bey. 

Am ſchoͤnſten und tiefſten greift eine Var⸗ und ma odia/ 
tung Altdeutſhlands in unſee Herz, wenn ſie zugleich eine ge‘ 
ſchichtliche if. Jede Vergangenheit ik ſchon Dichrlugft; ein⸗ 
abgelaufenes Jahrhundert agonifiet, wie in Nom, zum Kris 
gen, und Zeitferne hebt wie NRaumferne den dunkeln Erd⸗ 
koͤrper emper; ja in der Geſchichte beſſert, ungleich der Segens 

wart, jedes Beyſpiel, fowohl daͤs glängende, weil es ohne die 
Truͤhungen der? Einzelnheiten erſcheint, als das ſchwarze weil 
es aus Mangel der Streiflichter, und. ben dem. fortgehenden 
Verſchatten durch Geſchichtſchreiber immer tiefer nachdunfelt, 
Dis GSeſchichte beffert Daher Die Geſchichte, und iſt die gewal⸗ 
tigſte, fo wie anmuthigſte efegpredigerin des irren Menfihens 
volks. Geſellt ſich nun gar zur Dichtung der Zeit die Dis 
tung der Kunſt; fo befommen mir den dichterifchen Doppel⸗ 
glanz, nee faft, wenn diefs Vergleichung der Profg. ans 
fieht, einem andern in fchönen Fruͤhlingsabenden ähnlich if, 
wenn bie Wolken in Weſten der untergegangenen Gonne nach⸗ 
gluͤhen, und die in often dein aufgehenden Monde vorſchime 
mern. 
Der Ruf des actzujzeigenden Werks Sat und side nijn 
dieſen zweyfachen Bortheil der Geſchichte und der Dichtung, 
GSo ‚mie. ihm hiaher uͤberhaupt ‚Die Derſellunen der Liehe, 











e \ 


«291 Eginbard und Emmi’ von’ de la Mötre Fouque. 
ungeachtet aller fo alt wieberholten Wiederholungen folder 
"Gemälde geglaͤckt: fo gelang ihm auch hiet die Datfiiiung von 
Em nia’s Aebé, einer Deutſchen, fchamkafen und doch küh⸗ 
nen, warmen und reinen Liebe, gleich ver Liebe einer geifig 
geadelten Ehefrau, welche ungeachtet aller zuchtigen Kebeswaͤrme 
eben Ihrer jimgfraͤulichen Tochter gleichbleibt, und (Wwenn das 
Bild nicht zu Mark if), wiewohl Mutter, doch als heilige Jungs 
frau gen Himmel geht. Eine einzige Bekanntſchaft dieſer Art, 
erklaͤrt und rechtfertigt taufend verführte Frauenherzen, weldie 
ein 'verführender Waͤſtling nidye kennt und anerkeüunt. Ohne 
"Verlegung der Weibfichkeit und der Männlichkeit durfte der 
"Verf." einer Kaiferstodhter -einen tühnern Ausdruck der Liebe 
leihen , als dem bärgerlihen Schreiber. Eginhard ats Lieder 
fammter Carls des Großen fängt’ tm Schauſpiele mit einem 
abgebrochnen Städe des Nibelungenliedes an, und fchlieft «6 
ab mir der erhaltenen Fortfekung einige Schritte vom Trau⸗ 
altar; fo ſchlingen ih anmuthig die dichterifchen Blumen zum 
Myrthens und Hochzeitkranz. — Am ſtaͤrkſten ergreift der cits 
terlich Hohe Vater und bie geftrenge Deutfdimannhafte Seriäts: 
figung über das liebende Paar, weiche immer mildere Straſe 
durch die Weltlihen, and zuletzt den reichſten Lohn durch den 
Erzbiſchoff ausſpricht. Raͤhrend-verbunden und verklaͤrt wird 
die Liebe und die Entdeckung derfelben durch das Grab der 
gefeyerten und getraͤumten Mutter. Nur wird zuwellen der 
Kraft-⸗Carl, dieſes lange zum Glaͤnzen und Verwunden und 
zum Verblenden ſcharf geſchliffne Zeitenſchwert, das oft Voͤlker 
zu politiſchen Drefhgatben zuſammen maͤhte, im Tranms md 
ſpaͤter im Verzeihungsauftritte vom naffen Hauge in arme 
Weichmuͤthigkeit etwas getruͤbt. 

Uebrigens iſt man im ganzen Schauſpiel in veſter Sf 

ſchaft, naͤmlich in guter, oder moraliſcher, und zwht ohne 
Nachtheil der Theilnahme. Ueberhaupt ſind unmoraliſche Cha⸗ 
raktere, oder Teufel nur ein Nothbcheif und Dartogar ſqhlecht 
dargeſtellter Engel; der Armſte Dichter: bedarf der meiſtn Teufel, 
“und verſchreibt ſich ihnen und fie RG. Baher und al“ andern 











. Eglubgrd und: Emma von de la ice Zonaae.- 295 
Gehrden kann dieſes Bebicht in Wergleich mie: feähern Nord⸗ 
nahlildumgen unſers Verf. wo immer die Wärgengel bie 


blotrothen Flagel / aufchun, . mattfarhiges erſcheinen, indeß cu 
doch ehenn.meit dieſer innern Einfachheit des Dichtungsſtil gleich⸗ 


ſam jene äußere Linfachheit des Lebens nachſpiegelt, nach wel⸗ | 


her Carb der Große, defien Mannsſchneiderin die Kaiferig 
war, feinen Hofmeyern tiber den Eyerverkauf *) eben fo Vor⸗ 
(driften gab, als Friedrich der zwepse den Finanzrechnern von 
Neufchatel Verweife :über. einen Verſtoß von einigen Bonus. 
Um (6 weniger fügt ſich im dieſe aͤtheriſche Einfachheit eine 
Stlie S. 62 ein, mer Carolus fagt: 

- Meine Taiferliche Krone⸗ 


Das Schwerdt, daran die Edelſteine funkbeln, 
Den Mantel goldgefdumt, mit goldnen Spaugen; 


Anſtatt daß er hätte ſagen koͤnnen; meine Kaiſerkrone, und bag 
Schwerdt mit Edelſteinen, und den Mantel mi den gelönen 
Spangen. 

Einiges möchte weniger auszuſetzen, als zu vermiſſen in 
dem ‚Auftritt feyn, von welchem man, nachdem der Biſchoff 
und der Water das Liebespaar auf einmal in ein Brautpaar, 
wie das Blusgendfte in ein Ehtbett, vermandelt Daben, ſich 


nah. der vorigen &täcte der Auftritte. eine feurigere Au - 


malung | des Staunens und Dankens, und weniger Kürze. vor 
ſprechen konnte, als man findet. Der Solus, oder die "In 
mähtung it auch kurz, aber nicht zu kurz. 

Es iſt feltfam und ſchoͤn, daß gerade zwey Ausländer, ein 
de la Motte Fougue und ein Willers, dem Neudeutſchen den 
Altdeutſchen vorſtellen. Es waͤre nur zu wuͤnſchen, daß 
noch entleruter⸗ Ausländer , Dritten, Türken, Araber, Amy 
titaner hinter und recht viel ſuchten, und uns uns ſelber vos 
sommandirten: ſo wuͤrden mir mehr aus uns machen ale big; 
her, nämlich viel, nit sus Bicemager, ſondern ein Volk. 


*1 xert ug —2* yo 7 7 . 4 — y 


” te ih ntenzie era aemein SGeſchichten von Ss. ' 
„Mer RG. 10 un when 


‘ 


» 
' 


2% Traite de la prononc. des cops. än. p. Dubroca. 
So fahre.benn ber wöärbige Mes. fort, und laffe- jet die 


alten Todten -auferfichen und wandeln, . wie folches. umter bey 
Leiden uph Stechen ein im eigenelichen Sinne geſchehen. 


Enter, 


— 





Traite de la prononciation des consonnes finales des mots fran- 
cais, dans leur rapport avec les consönnes ou les vo- 
yelles initiales des mots sulvans, ‘en forme de Diction- 

nairs, par Dubroca, ‚auteur des Principes raisonnes 
de Part de lire A haute voix. Barid bey Dübreca. AXXI 
n.281&. Anhang 64 ©. kl. 8. 


Saft alle Ftanjoͤſiſchen Spuachiehren beginnen mit der Lehre 

‚von der Ausfprache,.in weicher aber das aurium superbissi- 
mum judicium der Grammatiker ſich gewöhnlich gar ſchlecht 
bewährt; und «6 ift in der That eine ſpashafte Befchäftigung, 
die quälende Mühe zu betrachten, welche die Herren ſich ge 
ben, alle Töne wie alle Zufammenfeßungen der Tine durd 
Burchſtaben anszuprägen. Die Fluͤchtigkeit des Manges in der 
Franzoͤſiſchen Sprache, ‚gebildet durch das Ineinanderfließen der 
Sylben und der Worte; die zarte Zuſammenſtellung, wodurch 
das Mklingende gemildert, und der Ausſpratche fo viele Fein 
heit ertheilt wird: mit einem Worte die vieladrigen Quellen, 
wenn aud wicht immer des Wohlklanges, doch der anmuthi 
gen Wortbewegungen, welche die Sprache durchſtroͤmen, we 
kann fi auch nur einbilden, die alles mittelft abgebrochen 
Deutſcher Sylben erichöpfen zu wollen 7 — Wie überall, fo and 
hier verfehlt derjenige feinen Zweck, der zu viel gu leiſten 
unternimmt. Ein Theil, und zwar ein ſehr wefentlicher Theil 
der guten Ausfprache kann durch Buchſtaben ausgedrüct, in 
NRegeln gefaßt, und gelchet werden, während das Gange.nur 
durch aufmerffames Hinhorchen auf den Meanismus in den 
. Tonäußerungen und in den Tonverwechſelungen beym wmuͤndli⸗ 
den Vortrage, wie durch fleißige Ugkpns-im Nachahenen mehr 
ober weniger zu erlernen iſt. Wer auf dieſe Weiſe Die richtige 
Autſprache eines jeden Wortes einzeln genommen, ‚ig ang! 


1 





er; 


Traitd de 1a penonc. des cum. Bn. p. Dubroea 297 


Bilder has, dem iſt vom Yen. Däbroca ein · fehr woſentlicher 
Dienft geleiſtot durch diefe:in der Form eines Dietionnakrs ads 
gefaßte Darſtelung der. Lehre von dem Bufammanioßen. der 
Woͤrter. 

Die Sprache der Franzoſen in ben frühern Jahrhunder⸗ 
ten war rauh und. hart; allein der unſern Nachbaren einge 
borne Sinn für das Anmathige und Schickliche hat ſich auch 
in ber Gpradwerfeinerung. bewährt. ‚So ward, um une 
einige Beyſpiele anzufähren, das fo oft wiederkehrende 01; 
was ſchon Aullan wit dem Gekraͤchze der Raben verglich, and 
vielen Worten: aumggmerst, und an deſſen Stelle das beſſer⸗ 
tönewbe wui oder wi geieht; argail-ward orgueil, aus accoil, 
accueil, aus sommoil,; sammeil, u. w. Eben fo verwans 
deite man das baufie ou in: ext; aus. doulour ward douleur, 
aus doucotr, douteur, u. d. m. 

Der Berfinerung ber Ausſprache wurden manche O 
gebracht, ſelbſt die charakteriſtiſchſten Zeigen in den Worta 
wurden aufgcheben, der geſunde Menſchenverſtand ſogar ward 
wicht geſchont, conn: es etun galt, einer Kakophonie auszu⸗ 
weichen. „Une Cacophonies, fagte Ber Abbe d'Olivet, 
„a toujours êté jugde chez’'los frangais pire qu’wie irrẽ- 
gularitei*. Zu Henricus Gesphauus Zeiten Ward bee 
erfien Perſon des Verbe siagulier tin s ungehängtz Di ’s 
war das ansſchließend charakterikifche Zeichen der’ yuaptin Dew - 
fon, fo*wie t noch. immer dasjenige‘ der dritten Perſon ug - 
man ſagte und man. fchrieb je di, je li, j’averti, ‚je voi etc. 
Unftreitig war die Eonjugation ber Verbes überfaupr dadurch 
leichtteui nub beatenter. Denuech aber haben did neuern 
Franzo ſen keinen: Anſtaub generamen, ber erſten Perſon das 
verwirrente s himzuzufuͤgen, uni Den Iftern Duſammentoß ei 
der. Solbſtlauter, um: den biatus, :gii bleuorihtan 
ment :loreille, auguweirhen, wie 3. ®. in:je le di & mm 
pere, je li un live. — Die Dichter haben ſich s zuerſt 
erlaubt, dem Wohttqutr RR grammatiſche Nchrigkeit aufn 
ayfep, bie. Prejeinge :gptgtey -Uigan Deyſpielt, uch den ralges 


Ausſprache: o-na dit,. - O-nentze, — O-nins 


A 


298 Traip6 de ia pronanss deb cons.äe p. Dubroca | 


meine Gobrauch „hat: die: ingWFlefigkeit: —R Seßenapıls, 
dem. entgegen zu: handeln, ſeitſam genugl nur ben Dids 
tern ‚allein. meiden hop dos vegelmibzige ‚Giriap fein Daſeyn 
dankt, als eine poetifchen Freyheit erlaffen wird. So rim 
Macine, je vous avertimit, partji;.ie recoi, je 
croi, is vois mitiemplos, moi, ft. ſiew. — Bu ten 
Eosutisuen wie aime -t- on, vVa-t-eny spprouve-t-il, 
ſtehet das überüffige, weber den Verbeg, noch den Prouomg 
angehoͤrige t DE, und muß auggeipenchen werben, bloß um 
dan unausſtehlichen histus. bep Seite gu ſchaffen. Inden 
Morten: ton amitid, man esperanee wep.: ned Den erſten 
Regels der Syntas Hohn geſpuochen, ‚einzig und allein zu 
Guouuſten der Euphonier Beſſer Unſtun ale Mißlaut 
— ſceint Aundamentalgeſetz in der Sprache zu feyn. — Zahl 
los faſt find die Verſuche und die aus ihnen herzvurgegaugenen 
rwen, ‚melde in dam verſchicdenen Epochen, der. Sptachbil⸗ 
bis zu ihrer Fixeung den Worten "aufgehängt wurden. 
Noch zur Zeit des. an. seine. Landacſprache ſo. harpmenbienten 
Ba uses, «wa bie Oprochverfeinerung Hofton war, ſagke 
man nicht on a, fait, ſondern on-na-f.aisz.khen .fo.on« 
za dit, on-zecoute, man fand” ein horreur ſelbſt in dem 
bietus des unreinen, "due Ban Mafenton gebildeten Selbſt⸗ 
Innters mit dem. an ihn ſtoßenden seinen Selhfkfauter. Erſt ſpaͤter 
ward bewerkt, des man: fi ofme Zuſatz eines Abeufiäifigen 
Duchſteben helfen koͤnne darch das Inmäberichleifen, tzurch die 


Arutlt,ein . 

" \ Dife fluͤchtigen Bewerkangen en au bde g il⸗ 
bang der Dranzoͤſiſchen Spencer beweiſen, mit 
aß: Bir: Frauzoſen von jeher bomuhet waren, ihre Auoſ 
| go verfeinen, ‚singedent: der Worte Quinctilianoa Dihil potest 
“ imtsare in affeotum, quod in. aure vet uodie westibuls 
Stakim. afßendit. -. . Hi 

Das Siahberfleifen uns ———— „er Saale 
samen Vortes ‚mit ‚ber Acengeviſee ep :feisannen „hat dm 


B \ “ 








Traite de.la pronome: des com. fin. p. Dubreca, 29 


Zreangöfiidgen: Bpendie chee wie umd fo zu Magen, -meilenfäts 
mige Wersesung gegeben; und Als nothwendiger/ Ausdruck 
der raſchen Beweglichkeit des Franzöſtſchen Nationquſinnes bes 
trachtet, erklart Ah fowehl:das fo aligemein ‚gefühlte Bebaͤrf⸗ 
niß, wie DE bedaͤchtige Sorgfalt, womit man für feine Bes 
friedigung bedacht war. Yan Kleinen wie im Großen, im 
Handein wie im Denken und deſſen Ausdrucke, im Oprechen, 
if dem Franzoſen alles ein. Greuel, was feinen Lauf aufs 
hätr. Mattes Einperfchleichen iſt der innerſten Eigenheit feines 
Wefens fo fehr zuwider, daß ſelbſt das Vernunftgemaͤßeſte, 
wenn-eh feinen Ang hemmen möchte, weichen muß. Micht 
werrigee if in dem Frauzeſen, wenn gleich nicht der Höhere 
Sinn für geiſtige Schönheit, doch das Streben nad) Bierlichkeit 
und gefaͤlligem Aeußern fo lebendig wirkiam, daß es, wenn er 
nicht anders Pan, gewaltſam fogar die Formen vernichten, die 
in ihren Elementen einander zuruͤckſtoßen, und die ih alfa” 
nicht: as einem yefälligen Ganzen vereinigen Iaffen. .:&o bes 
währt. fig auch hier In der Außer Geſtalrung des Innern des 
Geiſtes mitteiſt der Spracheeine nothwendige Conſequenz, 
obgleich Die vbloße Erſcheinaug an ſich betrachtet, das Segen: 
theil ſichtbar werden DT. ee 

Die Vinlauter zerfällen in Dumpfiähende ad ansılnendt; 
die eſtern begianen ihre Arslcularten init Areas’ Seluflamede, 
die leßtern enden mit-Demfelben. Eben fo If die Schlußſolde 
des Word entweder dumpftoͤnrud, aber austinend, je nachdem 
fie mit einem Mitlauter, oder mie einem Selhfliauter ſchließt. 
Da nun Vie Franzdfiihe Sprache im Ganzen eben nicht aus 
wohlklin genden Elementen zuſammengeſetzt iſt, fo bat man 
weongſtens das Geſtoßene, Gobrochene, was nothwendige Finde 
vehi einue Sprache volhorvſchenden feſten, beſtiannen ‚Tone 
iſt, gu eutfernen geſucht, und 'ıa deſſen Stelle dem leichten, 
fluͤchtig· hinſchwebenden,⸗ anıhutherkten Klang: gefagt , -- weite 
die Aueſpraͤchs dharattenfet. "Das Hanpaamiees, un: Matiang 
der, · Elem⸗ute ber Styacht zu wilden, beſtaud, nah dir 
Bermieſdecang dev ſigon · Me wie DL u⸗ RWORT 


— 


300 Traite de la pronone. des cems. fin. p. Bubroca. 


An der gaͤnzlichen Unterdeſckange Der Emdmitlanter in den 
Worten, wenn das darauf folgende Mort wieberum mit einem 
Mitlauter beginnt, — oder in ber Bindberichleifung des Schluß: 


mitlauters in bad folgende Mort, wenw Diefes mit einem Gelifl, 
Sauter anfängt, — oder endlich, daß. man den Eadmitlauteen 
eine. Artitnlation gab, ald wens ihnen ein ſtummes e ange 


‚bängt wäre. Dieſes fo haͤußg hörbar werdende ſtumme e hat 


freylich der Sprache, beſonders im Vergleich mis der unſrigen, 


‚eine faſt gänzääiche Tonloſigkeit gegeben, indem er Beinen fcarfı 
‚artitulirten Ton, fondern nur eine bloße Nachtoͤnung bilde; 


aber es mildert eben dadurch das ſchatſe. Hervortreten andere 
an ih mißlausender Elemente, welche dem feinen Sinn du 


Sprechenden nicht entgangen waren. Dieſe drey Mittel zu 
. Entfernung ber Härten und dee Mißtaͤne ‚haben aber in der 
. Anwendung ganz eigene Schwierigkeiten. Dun das Hinuͤber 


ſchleichen verändern die Milauter, wenige ausgenammen, den 
‚ihnen. urfpränglid eigenthuͤmlichen Ton: d wind wie 1, f wird 
wie v u. ſ. w. ausgeſprochen. Der Verf. hat über die Ab⸗ 
‚fufungen ‚und Wandelungen in dem Mechaniomas des’ Ku 
überfchleifens. treffliche Bemerlungen gemacht, wand nabſt dieſern 
die Bedingungen, unter welchen alltis entweder die Unterdruͤl 
Sung, oder Die Biriterfhldfung, ‚oder die Anhängtng dei 


‚Aummen o fistt anden darf, methodiſch und lichtyoll entwil 


kelt: und wir empfehlen ſein Woͤrterbuch der Ausſprache, a 
das vollkändigfte und am fongfältigften bearbeitete . das und 


‚Aber diefen Gegenſtand befannt worden iſt. 


Unbemerkt dürfen wir indeſſen nicht laffen, daß auch die 


Schrift der Nachhuͤlfe des muͤndlichen Unterrichtes eines kun 


digen Lehrers nicht Aberfäfg macht. Denn obrtich den Het 
‚wie aus dem Anhang zu erſehen, ſich ansihliciged mit den 
DStundium der Ansſprache zu heſchaͤftigen ſcheint, fo Gab ihn 
dennoch manche Fehler entwiſcht. Seine faſt mit kowiſchem 
NPacthot vargetragene Meinung von ver hohen Wuͤrdigkeit di 
ſee Setndinms, weiche Ach maten anhern ud, darquf Bäss, dei 


„uud chn bie grhßbgn: Redect des iakfiiten Auerihuras bieh 
ET \ 





Traite de.Ta prondnei' de} vone. An. b. Dubrocæ. 308 


der Prononciation- ihre “ Eag eereu⸗ gu danden; gohabt; - ae 
ihn gegen Irrthuͤmer nie geſchatzt, J. V..& ı1p8: Aruetz 
pronumcez gu®& avec'un’& moy: on ne lie: peing let. — 
Le.gud}ere pass — Un gu Himpraticable.: 
Hier vermengt der Verf. ‚offenbar die dem. Sinne nach ˖ gan 
verſchiedenen Worte gues: und gus. — ©. 177. In L'n dans 
cette. kerminaison nasald, · ne se lje jamais. On dit tou- 
jours."m. Un assassia hbinfäme. era — Le-die 
vin | amour. — Wir; erintern uns aber beſimmt . um 
Theatre francais, alfo::in: der Bchule der guten Ausfprader 
divi“namoter' kusfprechen gehört: "haben, was Übrigens auch 
en proac#ffhen Srundfäktü des Abbe dB’ O-fiver Aber die 
Nafensöne entſpricht, welche der Verf. ſelbſt in. der Einfetusg 
©. IX euführe: Dech IK der Verf. mit der gemeinen -Ause 
ſprache / im Wolke: hier nicht im Widerſpruch, wasaber in einem 
Lehrbuche "nicht: unbemerkt biriben darf. — Seeage bey dem 
Borte ehacun iſt der gunge Artikel durchaus ig. =. Si 275 
bey dem Worte quelgu’iın findet ſich unter den Beyſpielen 
yuelgwa’ui -nassure, Balfch.: an. fpricht queig un‘ asauro 
— ©. 2% Prabun. — Up‘ teabu » nodieum, 
ar trfbu- nempressed 
Vvient vous entretenir de. ce -qui.s’est passe. 
aus dem . Tranerfpitk Manlius. Diefe Ausſprache iA abemmals 
fach, mie m. d. Es iſt gu: Hoffen, daß der Verf. ſolche 
Fehler Key einer neuen Auflage verbeſſern wird. 

Was fi außer dem Hauptgegenſtande des Werkes, In 
Nackficht der Musiprache hat beybringen laſſen, iſt von dem 
Verf.nicht ‚unbetrachtet "geblieben: wie z. B. die Anzeige der 
Langen und der Kurzen'in den Sylben. Dieſer ſchwache Bey⸗ 
trag: ne Mearbeitung Der, im Dunkel gehuͤllten; Geſetze Der 
Srangöflichen. Prpnonie ift einſtweilen immer des Dankes werth, 
bis entweder ‚Der Deutſche Meiſter ſelbſt (der treffiiche Zeich⸗ 
nee undo Kupferkecher Kolba H- Diffan) den Gegenſtand 
merh6ßiicher: und vollſaͤndiger enfwickeln, als es in ſeinem :fp 
teichen als feige. und" ſcherfſumigen Merke: Ueber ben 


en 3 
52 —— 


302: up) Dar Bebeimnis des Sieiadeudn. 
WMorereicht ham“ der Dent ſchöneuad Frawpöfifiien 
Soprache geſchehen iß, oder bis ein anderer im ſeinen Foß⸗ 
ſtapfen wandeind, von den graͤndlichen Bemerkungen, welche 
Die tiefe Sprachſorſchung unſeres Deutſchen kandumaam⸗ audi 
seien: Bat, Gebrauch machen wit.  - ° 

In Peiner - Sprache muß dee. Görende «denk: Gpechensen 
mehr zu Huͤlfe fommen, wie m ber. Grangäflichen: : Um Io 
wichtiger ift alſo das Studium ‘ber: Ausſprache.“ Zwar wird 
dieſe von einem Nichtfranzoſen, Falk et nicht von: der frauͤht 
Ren Kindheit an geübt werben, nie fo. vollſtaͤndig zu erlaugen 
ſeyn, daß der feinhörende Funzole nicht ben Anclaͤnder bemerken 
follte; boch kann angefltengeer Fleiß und auſmerkſame Sorg 
ſalt jeden dahin. bringen, nicht bloß ſianentſtelſende Fehlet je 
vermeiden, ſondern auch eine gewiſſe, obgleich untesgebrdnei⸗ 
Stafe des eleganten Auodruckes id) anzneignen, ums in 
den Verhaͤltniſſen, worin wir dermalen zu⸗den Frangoſen ſtehen, 
gewiß ‚night mio: unwichtig zu betrechton tft. Deshalb ;: und 
and um gegen "dan in: ber Legiom Franzoͤſiſcher Eprachlehren 
ſich Sefindendgg'Unfinn, womit fie. ben verworreuen Untetricht 
beginnen, Antidot gu empfehlen hatzen wir die Aufmerk⸗ 
ſamkeit unſerer Leſer anf dieſes beſſere Werk zu leiten für Pflicht 
gehalten. Det’ Bemerkungen, zu welchen es uns Veranlaſſung 
soeben] wo wir bie Pröfung der Kennen: 5 


— — — Far ar = nn 
Das Beheimnid des Steindrucks in feinem ganzen umfange, praktiſch 
: mb ohne Wüdpalt nach eignen Erfahrungen beführichen uch 
einem Liebhaber. Tübingen bey Catta. "1810, * (ak 
@teinabbrüden 5 fl. 6 fr. ahne St. 8. — nz, —* 
Dieſe intereſſante Schrift macht une mit —E— 
eraut, welche ſo viele Vorcheile verſpricht, "and Tr den rienefieh 
Beiten ihrer Vollendung auch immer näher rät. Die Schrift 
leiſtet im ganzen Sinn, as Ale verſpricht, indem. fie‘ ger fein 
Geheimniß mehr" in der Sache Abrteitiiße, und- ihre für Theorie 
und Partie gegebenen Anteitungen fo- deutlich ausſpricht, daß 








‘ 


ns) us Sehe mes Eteichencn 8 


fie einem jeden, den wit · Ahnuchen Geſchafeen bekannen iſt;, eine 
Verfuche moͤglich macht. Der :unf dem Titel nicht genannte 
Verf. tft nach, Hrn. Tomas Erkiärung' in der Vorrede der 
Rınfmärnn: Heinbich Baby in Stunigarr, dem dieſe Kant bie 
fdönften eigwen, Exfindungen werbante 
Bekanntlich war Aldys Bennfelder aus Prag de 
Erfinder des Steindrucke, Der "König von Batern: ertheitie 
ihm ins Jahr aBor ein Priviiegiem auf —2 — fahre, welches 
er aber bold an ſeinen Bruder abtrat. Einige KR nachher 
verkaufte er fein: Geheimniß an. Die: Andrea'ſche Officii 
nach Offenbaͤch, und von dort kam es nach London und Paris. 
Er Tetbfir mar nad Wioen gegangen, und hatte an dieſen Orie 
ſeine Kunſt tbenfalls in ned bımg? gebracht. m J⸗ 1807 
tom .eim Emeikönudier aus. München nach Stuitgart. Auf 
Verwendung Duo Sole IM —— folltö Te ein Stein⸗ 
denckinftitut: gründen. MR gab Ihm viel Geld! für fein Ger 
heimniß; ar’ braͤchte aber mir: — mittelmaßige Äbdrucke zum 
Vorſchein Dr: weinen Nachventen, wozu dr freylich Vet 
anlaffung gegeben hatte, zelangta han u allerley wichtigen 
Derbefferumgen und' neuen 
Basen lan ef RU mis etwas de 

en ) was ver⸗ 
däantem. Scheisemaſſer/ Er he —— und 
vervielfaͤlt iate dann die Zrichnung mer Sqrift, ſo oft als man 
wollte. Prof Misrrter in Manchen trug Mit trocknen 
Tuſchen freye a gennkfiden nich! ganz glatten keit, 
und Bad Aria! gidichförmigen Abdrüd.-- DaE 
Inſtitut ya Münden rate es feht weit in diefer fogenainten 
Kr —— reUnſte Wetfeaber fing auch an,” vertiefte 
Züge mit Grabſtichel und Radiernadel ˖in den „ori Mein; 
der, den dE vncher mit einenr Bummigrund NE atte. 
Daun trug ;ee durch feine Pitiſel ein —* ODeltz. B.e Ind) 
uf. : Diefs . 6rang, ſogleich In. alle offene Stellen: ein: ie 
ode 5 Casauf: mis feinon Läichyapier minder ab- i 
"fenchtete AR an, ELIUTE the 
ein, umdueniäte. Hy ab. . de 

Div: Giufdgedanke ber ‚Theorie des Steindruce⸗ wird 
G. 10. Sehr; dann angegeben. „Mar erklaͤrt ſich Steindruck 
ierig, wirdhr nie ihn ans der on -lange bifannten Methode, 
Raltksinnandyidgem,, ‚ um ‚am: eihabene Bthrift darauf min wenig 
Mühe gu maden, herleitet. E86 werden hier zwar aud) bie 
Züge, welche erhaben bleiben follen, mit Fett belegt, und dann 
wird der unverwahrte Grund mir Stheide woſſer fo tief aufges 
list, als man ew haben will; nachher. fichen dieſe Züge frey 
hervor, Das hätte ‚zur Erfindung ſteinerner Tppen fuͤhren 





‘ 
Feng. 
klirden u en manwit · einer eignen 












20h. Mupp) Das’ Chchkimmik des heiten, 


Zännen‘, aber nicht jun ESteindruck, wie.er jene it. Hier ik 
Sie Frage, wie man die moeründerte Flaͤche des Steins zu 
Den beabfichtigten Zwecke benutzen muͤſſe. Die wird dadurch 
Ardalich, daß der Stein da, wa er fertig. gesunden iſt, kein 
Waſſer annimmt, und umgelchrt, daß er da, wo er Waſſer 
«ingefogen "hat, Nein Bett -einfäßt. Kommt man alfo mit eine 
dertigen Farbe über die Steinplatte, fo .nämmt- fie- folche nur de 
an, wo ſchon Fett aufgetragen war, und alle Linsen und dor 
men, die mit Fett. auf deu. Stein gezeichnet ind, erde mit 
Der Farbe überzogen, und laſſen ch abirnlen 
Altes beſchreibt der Verf. deutlich und moͤglichſte ausführlid; 
Dann handelt er auch in. einem eignen Abfchnitte von den 
Steinen (Kalkſtein⸗ oder Marmorſchiefer, die ein feines 
‚gleiches Korn haben, und bie. Ferchtigkeden leicht einſangen 
möfen); von dem Schleifen der Steiner von be 
Bereitung der chemifden Tuſche 64: DB. aus 
a Theiten Talgſeiſe, 5 Theiken-meißen-Moht, 14 auseelafe 
nen Tale und ı Theil abgeriehemen wweduen Kienrußd; von 
dem Auftragen der fläffigen Tufſche; von dem 
Uebertragen einer auf Dapier geſchriebenen 
Schrift aufbden Gteiny von Dem Beinen mit 
der. fogenaunten.chemifhen -Kzuldes; von bed 
Steinfiehen (auch in Holzſchuittmanier); von der Ber: 
fertigung eines ſchönen dunkeln Srundes (mb 
Shlfe ‚eines fetten Del); von dem Abbrucken der 
Steinplatten und den zum Druckerforderlichen 
Maihinen und Galfemitteln. Die Puyſſe iſt mit 
einem Reiber verfehen, sie bey den Giättmaichinen. Sa 
fchickte vorfihtige Drucker muß man dabey anſtellen, damit die 
Platten nicht fpringen. . EEE 

. Mehrere fehr wohl gelungene Verſuche Aefchueibe ber Verß 
Er bemerkt auch mit Recht, daß der Stein gu vielem Arbeiten 
anugemeſſener ſey, als Kupfer, 5. B. zu Fleiſch, weichen Ge 
wändern, Fellen, Gras, Kraͤuteen, Öäumen, Burg zu allem, 
was. in der Natur zart nd geichmeidig. iR... Die Steinßecherth 
und Druckerey erfordert viel weniger Aufwand ‚ls das Kapfer 
ſtechen und Rupferdruden. Agch vielfarbige Steindruͤckt.ließen 
fi machen, fo wie man .längft vielfarbige Supfecfide 
macht hat. Miele Uebung; gehhoͤrt allerdings noch gar der nANS 
Kunſt, ehe fie ſich in Den meiſten uͤbrigen Ofuͤcken wit d6 


Kupferſtecherkunſt meſſen kann. 


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No. 20. veidelbergifſche 1811. 
Jahrbuͤcher der Literatur. 


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Ddandbuch der Perſpektive. Aufgeſetzt von Johann Albert Eytel⸗ 
mein. Erſter oder praktiſcher Theil, welcher die Negeln zum 
Auftragen perfpektivifcher Zeichnungen enthält. Mit ſechszehn 
Kupfertafeln. X u. 128 &. Zweyter oder theoretifcher Theil, 
welcher die Beweiſe für die Regeln des erfien Theils enthält. 
Mir zwey Kupfertafeln. 395. Berlin, in der Nealſchulbuch⸗ 
handlung. 1810, 4 


N. Nothwendigkeit perfpectivifcher Studien für den Zeichr 
ner, Waler und Architeften wurde um fo fühlbarer,, je weiter 
die Ulnterfuchungen denkender Köpfe in das Feld der Perfpective 
eindrangen. Ungeachtet aber dieje Wiffenihaft durch die Bes . 
mähungen großer Künftier und Selchrten fhon lange in einem 
bedeutenden Umfange vor uns liegt; fo fehen wir doch die 
Kuͤnſtler in ihren Werken. Häufig Hinter biefen Fortfchritten _ 
zucückbleiben. Der oft mit Gelehrſamkeit zu fehr verwebte, 
von der Natur entfernte Vortrag fcheinet die Haupturſache zu 
ſeyn, welde den lebendigwirkinden Geift des Künftiers vom 
kalten Studium der Perfpective abgehalten hat. Es iſt darum 
tine verfländige Anordnung des Verf. vorliegender Schrift, die 
Deweife der gegebenen Regein in einer -befondern Abtheilung 
jetrenne und zuletzt vorzutragen. Doc kommt es ſelbſt ſchon 
dem Acchitelten, noch mehr aber dem Hiſtorien und Lands 
Wafesmiater für die Wahrheit ihrer Zeichnungen und Gemälde 
ucht ſowohl an auf den Gebrauch der gefammelten Aufgaben, 
wf das wirkliche, nah den Regeln der Perfpertive geordnete 
(hlagen des Lineals und des Maßſtabes; als vielmehr auf 
e freye Anwendung von vollendeten Einfihten in das Weſen 
d in die Eigenheiten der Perſpective, weiche den Kunfiwers 
jene Vollkommenheiten gibt. . Wir wänfchten deswegen, der 
Berf. hätte in Allgemeinen die Natur ſelbſt darfiellenden Ane- 
20 


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306 Eytelwein Handbuch der Perfpertive, 


fihten das Weſen der Perfpective entwickelt, und biefe Dar 
fiellungen in einer bedeutungsvollen Sprache den Sägen und 
Aufgaben vorangehen laffen. Wir hätten gern gefehen, daß 
diefer Geift feinen ganzen Vortrag durchdraͤnge, umd jenes 
Leben in der Darftellung erzeuge, das auch ohne Figur fon 
im. Stände if, ein Bild in der Seele hervorzubringen, und 
zur Selbſtthaͤtigkeit aufzuwecken. So wärde es dem Verf. 
ſicherer gelungen ſeyn, den in der Vorrede berührten Zweck zu 
erreichen: „dem Wortrage der Perſpective mehr Eingang dry 
dem Kuͤnſtler zu verſchaffen.“ Er hätte noch uͤberdieß feinen 
Zweck in einer größeren Ausdehnung erreicht, und dem her: 
fchenden Fehler entgegengewirkt, der fih in handwerksmaͤßigem 
Thun dahinſchafft. Er Hätte den Künftler zur Selbſtthaͤtigkeit 
des. Geiſtes angeregt, der jeßt allguoft gewohnt iſt, im beden 
tungslofen Anftrengungen von feinen KHülfsftudien nur Hand— 
geiffe zur techniichen Vollendung feiner Werke zu verlangen. 
Der verdienftvolle Verf. wird mit ung erfennen, daß diefe 
Beftrebungen dahin geführt hätten, den Eingang feines Vor⸗ 
trages bey dem Künftler dauernder zu begränden, und ihn vor 
dem Kunſtgeiſte gu rechtfertigen. 

Abgefehen von der Tendenz des Werkes, „durch den Vortrag 
auf den Künftler hinzuwirken“, können wir das Erfhöpfende und 
Genaue in den gegebenen. Regeln, das Ordnungsvolle und 
Beſtimmte in der Darftellungsart des Werfaffer nicht genis 
anrühmen, und fühlen uns verpflichtet, das Lefen dieſer 
ihrem Gehalte nach vortrefflihen Schrift den, nach erleihtenr 
ter Anwendung ihrer fchon gegründeten perfpectivifchen Kennt 
niffe firedenden Kuͤnſtlern zu empfehlen. Es ift Freunden die 
fes Studiums ein vorgäglich erfreulicher Anblick, einen ſo 
einfichtsvollen, in feinen Unterfuchungen fo' genamen Gelehrten 
zur Bearbeitung dlefer Wiſſenſchaft fih wenden zu fehen, die neh 
fo mancher näheren Berichtigung und vieler beftimmteren Aus 
führungen bedarf. Wie weit der Verf. diefe vollendenden Zuͤge 
geführer hat, wird aus der umftändlichen kritiſchen Anzeige dei 
Inhalis hervorgehen. 





Eytelwein Handbuch der Perſpective. 307 


Die Einleitung entwidelt nad der gewöhnlichen Vorſtel⸗ 
lungsart perſpectiviſcher Zeichnung mie Vollſtaͤndigkeit und Klar⸗ 
heit den Begriff dieſer Wiſſenſchaft in ſich ſelbſt und in ihrem 
Gegenſatze mit der Geometrie. Allein die Linien und Puncte, 
durch welche die Entwuͤrfe beyder Zeichnungsarten entſtehen, ſucht 
fie bloß durch Conſtructionen zu eroͤrtern, ohne durch irgend 
eine optifche Betrachtung uͤhgr die Natur des Sehens und bie 
Art des Anſchauens die allgemeinere Beziehung diefer Lehre zu 
enthällen, und eben dadurch den Geiſt des Künftlers Über feine 
Huͤtfswiſſenſchaft aufzuklären und zur Selbſtthaͤtigkeit zu ers 


weden. Der Verf. befchränkt ſich nur auf den gewöhnlichften . 


Fall der Zeihnung auf ebenen Tafeln, behandelt diefe aber mit 
hinlaͤnglicher Vollftändigkeit und Ausfuͤhrlichkeit. Die aus dem 
angegebenen Grunde zu lobende Oekonomie des Werkes läßt im 
erſten praftifhen Theile die Regeln der perfpectivifchen Zeichz 
nung vorausgehen , doc) mit genauer Hinweifung auf die Pas 


ragräphen des zwenten theoretifchen Theils, welcher mit muſterꝛ 


hafter Gruͤndlichkeit und Klarheit die Beweiſe nachbringt. Eine 


nähere Angabe vom Inhalt des praftifchen Theils wird den. 


Umfang des Werks am beften fenntli machen. 
Derpragtifhe Theft lehrer in vier Abſchnitten das 
Zeichnen der perfpectivifchen Bilder, — das Zeichnen der pers 
fpectivifhen Schatten, — die Bildung der Abfpiegelungen — 
und zuteßt die Entwerfung orthographifiher Darftellungen. Es 
ift ein befonderer Vorzug diefer Schrift, das Auftragen der 


perfpertivifhen Zeichnengen fo wenig als möglih von einem. 


Befondern Werkzeuge abhängen zu faffen, das dem Künftlee 
nicht jederzeit zur Hand liegt. Man hat daher Hey den darin 
enthaltenen Anweifungen vorzüglich darauf gefehen, das Ents 
werfen der perfneitivifchen Bilder ohne Proportionafzirkel, oder 
irgend einen verkehrt unter die Tafel gelegten Grundriß möglich 
zu machen, und ledigliih mit Hülfe des Maßſtaͤbes und des 
Winkelmeſſers auszuführen. Da es indeffen Fälle geben fann, 
mo es nuͤtzlich iſt, mit dem Auftragen aus dem Grundriffe 
und mit dem Gebrauche des Proportionalzirkels bekannt zu 


N‘. 








308 Eytelwein Handbuch der Perſpective. 


feun; fo hat man auch geforgt, daß das Moͤthige Hiervon bey 
gebracht werde, und noch uͤberdieß eine Anweiſung zur ers 
fertigung und zum Gebrauche des perfpectivifchen Proportional 
zirkels beygefuͤgt. 

Sn dem I Abſchnitte, welcher vom Zeichnen per— 
ſpectiviſcher Bilder handelt, wird im ı. Cap. der An 
fang mit Abbildung wagenghtPfr Figuren gemadı. 
Der Verf. zeige nur kurz, wie aus dem verkehrt unter die 
Grundlinie der Tafel gelegten geometrifhen Entwurfe bes Ge 
genftandes fein Bild perfpectivifh aufgetragen wird. Die 
Gegenſtaͤnde, welche ihm zur Erläuterung diefer Methode die 
nen, find: das Bild einer Linie zu finden, welche winkelrecht 
auf der Grundlinie des Grundriſſes fieht, welche an bie 
Grundlinie treffend gegen Diefelbe eine geneigte Lage hat, welche 
ihrer Lage nach gegen die Grundlinie auf dem Grundriſſe ge 
geben if. — Die Bilder ihrem Maße nad) gegebener Winkel 
zu zeichnen. Ausführlich lehret er die Methode, durch Huͤlfe 
einer befonders vorbereiteten, mit perfpectiviihem Winkel⸗ 
Tiefens und geometriihem Längenmaße verfehenen Tafel die 
magerechten Bilder ohne irgend einen geometrifchen Entwurf 
zu beflimmen, wenn nur von ®er Geſtalt ug von den Abdı 
meffungen des Gegenflandes eine deutliche Vorſtellung vorhans 
den iſt. Die allgemeinen Säge, welche die Refultate der wii 
feufchaftlihen Unterfuhungen für alle perfpectivifche Entwerfung 
der Bilder im kurzen und hellen Ausdräden ‚enthalten, werden 
in diefem Capitel vorgetragen , und in pielſeitig erfchöpfender 
Vollſtaͤndigkeit von den Regeln begleitet, die in folgenden Anı 
leitungen gegeben find: Worbereitung der Tafel — mit Huͤlfe 
des perfpestivifchen Winkelmeffers ein Dreyeck abzubilden — 
ein Duadrat — ein regelmäßiges Sechseck — ein regelmäßiges 
oder .unregelmäßiges Vieleck — über dem Bilde eines Durch⸗ 
meffers_einen Kreis — Über dem Bilde einer Sehne einen 
Kreisbogen — das Maß perfpectivifcher Linien zu finden — 
Linien perfpectivifch einzucheilen — das Bild eines jeden feiner 
Lage nach gegebenen Punctes — das Bild der wagerechten 


| 





. . 
Eytelwein Handbuch der Perſpeetive. 309 


Linie unter fuͤnferley verfchiedeuen Angaben ihrer Lage zu ziehen — 
das Bild eines jeden Kreifes gu beichreiben — den Theilungss 
punct einer Linie zu finden, ohne ihren Vertiefungspunct zů 
gebrauchen — perſpectiviſche Parallelen ohne Vertiefungspunct 
zu ziehen — fehr Beine Winkel, die auf dem perfpectivifchen 
Winkelmeſſer nicht abgetragen werden können, auf der Tafel 
abzubilden — das Maß folder Winkel zu finden, Gap. 9. 
Vom Zeichnen der Bilder, deren Begenftände fi 
über Der Örundedene befinden. Das Bild einer ges 
gebenen Höhe (Berticallinie) zu zeichnen — den Hoͤhenmaß⸗ 
ſtab zu verfertigen — vermirtelfi des Höhenmaßftabes zur Ads 
bildung und Ausmeſſung der Verticallinien zu gelangen — Bild 
eines Rechtecks und Kreijes, welches auf der Grundebene fen 
recht ſteht —- Bilder in Ebenen, bie mit der Grundebene 
parallel ſind — Bild einer gegen die Grundebene geneigten 
kirie — Bilder auf dem Bilde jeder Verticalebene — das 
Bild eines Würfel — eines Eylinders — einer geraden Pys 
ramide — einer abgekuͤrzten Pyramide — eines fchiefliegenden 
Kegels — einer Treppe unter drey verfchledenen Annahmen 
ihree Stufentage — Bilder gegeneinander aufliegender großer 
und Meiner Parallelepiden unge verfchiedener Annahme ihrer 
Lage gegen die Brundlinien — Dächer: Deutihes Dach, Mans 
ſarddach mit geradem Giebel, ein Manfarddah mit Walmen 
— Arhiteftonifhe Stieder für Geſimſe und Gebaͤlke an einem 
vieredligen Poftamente und an einem Dorifhen Gebaͤlke — 
Bild eines Gebäudes, zur Uebung der bis hieher vorgetragenen 
Regeln — Kreuzgewoͤlbe unter zwer verfhiedenen Lagen. des 


Augenpuncts ober s und unterhalb des Gewölbes — Bogens 


ftellungen — die Linien von den aͤußerſten Grängen im Um⸗ 


fange eines, Eylinders auf. dem Bilde zu finden — runde 


Poſtamente — Säulen — Saͤulenſtellungen — das Bild 
einer Kugel zu entwerfen — allgemeine Negel für die Ads 


bildung der Gegenflände, die man von einer gewiſſen Höhe 


herab überfieht. In den allgemeinen Bemerlungen 


über die perſpectiviſche Entwerfung der Bilder, 


3. Eap., werden die Beflimmungen für die größte Ausdehnung 


x 


310 Eytelmein Handbuch der Berfpective,. 


der Tafel, für den Augenabfiand und für die übrigen Puncte 
und Linien zur Ausführung dee Bilder feflgefegt, ihre gegen 
feitigen Beziehungen mit Klarheit entwidelt, und die Anordi 
nung der Tafel ſelbſt in Behſpielen erläutert. Es fchien dem 
Verf. faßlicher, dieſe allgemeine, praktifche Anleitung erſt nad 
dem Vortrage der Regeln zu geben, nach denen einzelne Zeich⸗ 
. nungen mit Hülfe der als ſchon bekannt angenommenen Ein 
rihtung der Tafel auszuführen find. Zur Vollſtaͤndigkeit 
der hier abgehandelten Lehre wird nod das Nothwendigſte 
über die Natur und die Anbringung des Wordergrundes benge 
bracht, und ſchließlich Anleitung zur Beurtheilung des perſpe 
etivifhen Werthes eines Bildes gegeben, Wir müffen bier zu 
den erfien Behauptungen in $. 74 eine ausführlichere Bemer— 
fung machen. Der Verf. flellt da das Geſetz auf, daß der 
größte Scheminfel eines ebenen Gemaͤldes nicht Über einen 
rechten betragen darf. Er gründet diefe Behauptung aber auf 
den gewöhnlichen undentlichen Ausdruck: „auf der Tafel dürfen 
nicht mehr Segenftände abgebilder werden, als man aus de 
angenommenen Stelle, wo fih das Auge befindet, oder and 
einem Geſichtspunet deutlich übderfehen kann. . Zieht man von 
den am. weiteflen von einandes entfernten Puncten eines Ge 
genftandes, fo weit man ſolchen Überfehen kann, grade Linien 
nach dem Auge, fo bilden folche einen Sehewinkel, deſſen 
Sbpitze In das Auge fält,.und man bemerkt leicht, daß fid die 
entfernten Gegenſtaͤnde nur dann mit Anftrengung noch deut 
. Sid überfehen laſſen, wenn diefer Winkel nicht größer als ein 
rechter if.“ Wir bemerken biegegen erſtens: wäre dieſer Grund 
des Geſetzes der richtige, fo müßte das genannte Geſetz fit 
alle aus einem Gefichtspunste entworfene Gemälde, auch fir 
das Panorama und ein Gemälde auf einer hohlen Kugel gelten, 
in deren Mittelpunet das "Auge ſteht, es gilt aber nur für 
" ebene Gemälde, unter der gewöhnliden Varaus— 
fegung, wie fie anzufehen find (der wagerechte 
Geſichtswinkel des’ Panoramas kann ja den vollen Kreis bu 
fragen). Zweytens wollten wir die Age des Auges unbeweglich 


- 





”  &ytelwein Handbuch der Berfpective. 311 


anf den Angenpunct des Bemäldes firiren, wie es nach der 
Anfiht des Werf. fcheint, fo würden wir nicht einmal die 
g0 Grade recht deutlich Überfehen; aber die Grundregel ber 
fireng mathematischen Perſpective If nur, daß das Auge fich 
niht aus der Stelle bemegen darf, hingegen im Kreife darf es 
fih vollftändig umdrehen, und alfo die Sehaxe auf jeden 
Punct des Gemäldes richten. Iſt dieß wahr, wie es nicht 
geleugnet werden fann, fo liegt in dem angegebenen gar fein 
Grund zue nothwendigen Befchränfung des Sefichtafeldes für 
ein Gemälde. Das genannte Geſetz ift aber doch für gewoͤhn⸗ 
lihe Gemälde auf ebenen Tafeln volllommen richtig, es muß 
alfo einen andern Grund haben. Diefer andere Grund liegt 
einzig darin, daß die auf die Tafel projicirten Bilder der Ges 
genſtaͤnde zu verzogen ausfallen, wenn fie fih unter einem 
Geſichtswinkel von mehr als 43 Sraden vom Augenpunst ents 
fernen, weil fie nach des Verf. Ausdruck dann unnatuͤrlich 
eriheinen wärden. Aber warum erſcheinen fie denn unnatuͤrlich, 
wenn fie doch perfpestivifch richtig gezeichnet find? Um dieß 
zu erflären, muͤſſen wir zu einer ganz allgemeinen Anfiche gus 
ruͤckgehen. 

Der gluͤckliche Grundgedanke der mathematiſchen Per⸗ 
ſpective iſt: „auf einer zwiſchen dem Auge und den Gegens 
ftänden - aufgeftellten Tafel die Gegenftände fo zu zeichnen, als . 
hätten die von denfelben durch die Tafel nach dem Auge: ges 
henden Lichtſtralen allenthalben Spuren - auf der Fläche der 
Tafel zuruͤckgelaſſen, und dadurch die Formen der Zeichnung 
beftimmt.“ Hier laͤßt fih alles durch firenge Anwendung der 
Geometrie ausführen, denn wir gehen von den wahren Ges 
ftatten, Lagen und Entfernungen: der Gegenflände unter eins 
ander aus, mm ihre Projectionen an der Tafel zu beflimmen, 
wir brauchen uns dabey auf keine ſchwankende Beflimmungen 
defjen sinzulaffen, wie die Geſtalt, Größe und Entfernung vor 
der Vorftellung des Anfchauenden ſich bilde, fondern dad Ges 
mälde muß für das Auge im Gefihtspunct nothwendig denfelden . 
Effest machen, wie der Anblick des wirklichen Gegenſtaͤnde, 


312 Eytelwein Handbuch der Perſpective. 


wenn die Grundforderung erreicht ik: „dab die Lichtſtralen 
vom Gemälde völlig auf diefelbe Weiſe in dem Gefichtspunt 
sufammentreffen, wie die Lichtfirnien von den Gegenſtaͤnden 
gelb.“ Darin zeigen fih denn leicht die Beſchraͤnkungen ber 
mathematifchen Peripective. Sie laͤßt uns befanntlih mit 
voller Strenge die auf die Tafel projicieten Bilder ber Com 
touren aller Segenftände zeichnen, vorausgefeht, daB das Ge 
mälde unverrädt aus feinem Sefichtspunct betrachtet wird; ſie 
weiß aber gar nichts von der zweyten Bedingung, daß Farben 
gebung, Schattirung und Nuancen der Erleuchtung ebenfalls 
auf dem Semälde grade fo wieder gegeben werden müflen, wie 
die Gegenſtaͤnde ſelbſt fie zeigen — dieß üuͤberlaͤßt fie der Luft: 
perfpective. Durch die Unverruͤckbarkeit des Geſichtspunctes 
und durch die Schwierigkeiten dieſer zweyten Bedingung nad: 
zukommen, wird aber unfer Geſetz der Beſchraͤnkung des Ge 
fichtsfeldes und zugleich aller Etreit der ausuͤbenden Kuͤnſtler 
mit der mathematischen Perſpective hervorgebradit. 

Man unterſcheidet wohl in der Pfochologie, aber nicht leiht 
in der Perfpective und Optik die zwey Fälle, eb die Einbildung 
ducch ein Gemälde betrogen, oder nur getäufcht wird. Das erfie 
findet ſtatt, wenn fie das Bild als wirklichen Gegenſtand au 
fhaut, das andere, wenn fie wohl ficht, daß das Bild nur 
eine bunt angelegte Flaͤche ift, aber mit dichtender Einbildung 
doch die Bedeutung in das Gemälde hineintraͤgt. Man dene 
fih z. B. den Anblick einer. Gegend im Spiegel von einem 
firirten Gefidtspuncte aus, und neben dem Spiegel ein Ges 
mälde derfelben Gegend aus demfelben Sefihtepuncte. Hier if 
der - Effect des Spiegels von der erften Art. Der Werſtand 


weiß zwar, daß das Licht nur an der Oberfläche des Spiegels 


ein Bild der Gegend entwirft, welches das Auge betrachtet, 
aber die Stralen vom Bilde treffen das Auge ganz eben fo, 
als 05 fie von den Gegenfländen kämen; unwillkuͤhrlich ſchaut 
daher hier Die Einbildung die Bilder am Spiegel wie wirkliche 
GSegenflände hinter dem Spiegel an. Einen ähnlichen. Effert 


Bann man auch durch künftliche Erleuchtung und anpere optiſche 





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Eytelwein Handbuch der Perſpective. 313 


Haifemittel bey manchen Gemälden, z. B. in Operndecora⸗ 
tionen erzwingen. Hingegen das Gemaͤlde neben dem Spiegel 
wird einen viel matteren Effect machen, die Einbildung ſieht 
bier nicht nur die Bedeutung bes Gemaͤldes, fondern zunaͤchſt 
das Bild ſelbſt, und trägt erſt dichtend bie Bedeutung hinein, 

Hier gibt es nun für Gemälde der erfien Art, weiche den 
Effect des Spiegels aus einem Gefichtspunct zu erreichen vers 
mögen „. Beine Beſchraͤnkung des Gefichtsfeldes und feine vers 
zogenen Bilder, die unnatärlich erſchienen. Bey einem guten 
Sptegel kann man den Geſichtspunct fo fehr feltwärts nehmen, 
daß fich der Geſichtswinkel an einer Seite des Augenpunctes 
fat auf einen ‚reiten Winkel erweitert, und fo verjogen nun 
auch Die Zeichnung der Bilder auf feiner Oberfläche liegt, 
macht fie doch den natürlichen Effect; denn die verzogene Zeichs 
nung, in der Verkuͤrzung angefehen, macht denfelben ef 
als das wirkliche Bild ohne Nerkärzung. 

Der Grund der unnatärlichen Erfcheinung verzogener 
Bilder, und dadurch der Beſchraͤnkung des größten Geſichts⸗ 
wintels auf einen rechten liegt daher nur in der unvelllomme 
nen Nachahmung in Haltung, Barbengebung, Erleuchtung und 
darin, daß der Standpunct des Auges nicht volllommen fine 
iſt. Wir folgen diefem noch etwas weiter. 

Es gibt eine perfpectivifche, oder wenigſtens zwifchen Optie 
und Perfpective liegende Unterſuchung, noch abgefehen von 
aller Zeichnung der Gemälde, in der man unterſucht, wie bie 
Gegenftände unmittelbar dem Auge erſcheinen. Wir fehen die 
Gegenſtaͤnde nicht nach ihren geemetrifchen Geſtalten, ſondern 
bey fchräger Stellung gegen das Auge verkürzte, in der Ent 
fernung verkleinert, Beydes ungefähr im Verhaäͤltniß des 
abnehmenden Sehewinkels. Wir mäfen alfo die wahre Seſtalt 
des Gegenſtandes erftlih von dem Bild, welches er dem Aus 
ſchauenden aus einem beſtimmten Geſichtspunet macht, nuter⸗ 
ſcheiden; dazu kommt dann aber zweytens noch die Abaͤnderung 
des Bildes wegen der Projectlon auf die Tafel des Gemaͤldes 
hinzu. Wir nennen ein gemaltes Bild nicht deswegen ver⸗ 


314 Eyielwein Handbuch der Perfpectise. 


zogen, weil es flarfe Verfürgungen der Geitenflächen feines 
Gegenſtandes, bedeutende Berkleinerungen wegen der Entfer⸗ 
nung enthält, fonderu grade nur, wiefern es der Projectien 
‚wegen von diefen Verhältnifien der Sehewinkel abweicht. Reh 
men wir 3. B. den Streit der mathematiſchen Zeichner mit 
‚ausübenden Künfllern über das Bild der Kugel. Die Kugel 
erſcheint kreisrund, aus weichem Sefichtspunct man fie auch aus 
fehen mag, denn die Consouren ihres Bildes werden durch 
Zangenten beſtimmt, die von Geſichtspunct aus ass die Kugıl 
laufen, und dieſe alle in der Peripherie defielben Kreiſes ber 
rühren. Alſo jedes Bild der Kugel für das Auge iſt ein Kreie, 
aber eben deswegen kann das projiciete Wild derſelben 
außer dem Augenpunct bes ebenen Gemaͤldes nie ein Kreis 
ſeyn. Denn jeden Theil der Tafel neben dem Augenpunkt 
Sicht das Auge in der Verkürzung, ber gezeichnete Kreis würde 
in diefer DVerfürgung alio dem Auge elliptiſch erfcheinen; um 
Daher für das Auge ein Ereisrundes Bild zu erhalten ,„ muß ih 
grade eine in die Länge gezogene Ellipſe zeichnen. Hiermit 
konnen wir das Wort des Rächfels nennen. Bey gewöhnlichen, 
nicht perſpectiviſch erkünftelten Gemälden, das heißt bey folchen, 
die nicht optifchen Betrug, fondbern nur optifche Täufchung ge— 
währen, dürfen keine verzogene oder verzerrte projicirte Bilder 
der Segenflände, z. B. Kugeln. nicht elliptifch gegeichner wers 
Den, aus zwey Gründen: erfiens, weil die Einbildung hie 
unwillkuͤhrlich das gezeichnete Bild für das Bild des Gegemn 
flandes ſelbſt, und nicht für eine Projestion deſſelben nimmt, 
und zweytens, weil das betrachtende Auge nicht in einen Ge 
ſichtspunct firirt feyn will, fondern einige Freyheit der har 
zontalen Bewegung verlangt, um alle Segeuflände des Vor 
dergrundes ungefähr grade von vorn betrachten zu dürfen. 
Dieſes Verlangen, daß die wirklichen und nicht die projicirtm 
Bilder der Gegenſtaͤnde gemalt werden follen, macht wun bie 
ſtrenge Anwendung der mathematifchen Perfpective unmoͤglich, 
nur bie optifchen Geſetze der veränderten Sehewinkel gelten 
auch hier, die eigenshämlichen. Geſetze der Projertion abe 





Eytelwein Handbuch der Perſpective. 315- 


ſollen vermieden werden. Dieß iſt mathematiſch wider bie 
Pegel, die Dichtung des Kunſtlers muß ſich ſelbſt helfen, dieß 
kann fie aber nur, jo lang die Abweichungen der Projection 
vom wirflihen Bild nur Mein bleiben, daher die Beſchraͤnkung 
des groͤßten Schewinkels auf einen rechten. So ſehen wie 
dern auch Kuͤnſtler, welche fehlerhaft in fehr breiten. Gemälden 
über die Sränze des Sehewinkels hinaus greifen, fich nicht 
damit Helfen, daß fie gm Rande verzgogene Bilder zeichnen, 
fondern mur.. damit, daß. fie nach einem Mittelding von ges 
wöhnlicher und Wogelperfpertive zeichnen, wobey man jedesmal 
nur die grade vor dem Auge liegende Partie betrachten darf, die 
Einheit des ganzen Gemäldes aber verloren gehen Iäft. 

Sap. 4. Vom Zeihnen folder Bilder, deren 
Gegenftände fihb auf geneigten Ebenen befins 
den.. Vorbereitung der Tafel — Abbildung eines Quadrates 
— eines Kreiſes — Errichtung einer winkelrechten Linie auf 
der fchiefen Ebene, und eben dadurh — entwickelte Zeichnung 
der Körper — Entwerfung des Kugelbildes. Endlich wird noch 
das Zeihnen der Bilder auf geneigten Tafeln 
im 5. Cap. in folgenden Regeln erläutert: Vorbereitung der 
Zafel — Zeichnung eines Würfel. - Zum Schluffe dieſes Abs 
fehnittes in Cap. 6 das Nötdige vom perfpectivifhen 
Proportionalzirkel. Die Verfertigung der arithmetiſchen, 
perſpectiviſchen, Tangenten » und elliptiſchen Linie des Propor—⸗ 
tionalzirkels und ihr Gebrauch in zweckmaͤßigen perſpectiviſchen 
Aufgaben. 

II. Abſchnitt. Vom Zeichnen der perſpeectivi— 
ſchen Schatten. Eine vorausgeſchickte Einleitung ſucht das 
Allgemeine von der Natur und. den verſchiedenen Arten des 
Schattens, die ruͤckſichtlich des Zeichnens noͤthigen Erklaͤrungen, 
fo wie auch das Unumgaͤngliche von der Schattirung beyzu⸗ 
bringen. Die dreyerlen Arten ber. Erleuchtung. geben zu drey 
-befondern Capiteln Anlaß. ı. Cap. Vom Schatten, weils 
hen Leudhtende PDuncte verurfahen. A. Das 
Licht befinder ſich hinter der. Tafel. Schatten von 





. 316 Eytelwein Handbuch der Perfpestine. - 


einem jeden Puncte auf einer wagerechten Ebene — auf eine 
DVerticalebene — anf einer fchiefen Ebene — chatten von 
einer jeten Merticallinie unter viererley Lage, a) anf dem 
wagerechten ‚Boden, b) auf einer verkicalen Wand, c) auf 
“einer wagerechten Dede, d) auf einer fchiefen Flaͤche — Schat 
ten von jeder mwagerechten Linte auf eine verticale Want — 
auf mehrere verticale Wände. — auf verticale umd wagerechte 
Wände — von jeder ſchiefen Linie gegen mehrere Wände — dad 
an mehrere Zimmerwände geworfene Schattenbild von dem Ge— 
rippe eines Darallelepipedon — Schatten von dem Bilde eines 
Prisma — Kerns und Halbfchatten von dem Bilde eines Körpers, 
ben mehrere Lichter beleuchten. B. Das Lichte beftndet fid 
in der Ebene der Tafel, oder in der Erweiterung 
derfelben. Die Regeln zur Entwerfung des Schattens 
bleiben die nämlihen. C. Das Licht befinder Sich zwi 
Shen der Tafel und dem Gefichtspuncte. Das 
Bild des Lichtes und feines Fußpunctes auf der Tafel — Bil 
des Schattens einer jeden verticalen Stange. Sobald die 
Bilder vom Lichte und von feinem Fußpuncte gefunden find, 
fo ift das Verfahren zum Zeichnen des Schattens ebendaſſelbe, 
als wenn das Licht Hinter der Tafel befindlich wäre. D. Das 
Licht befindet fih Hinter dem Geſichtspuncte. 
Bertiefungss und Graͤnzpunct des Schattens — Bild di 
Schattens einer jeden verticalen Stange. Das 2, Cap. von 
dem Schatten der Sonne fendet eine einfache und fahr‘ 
Tiche Art voran, die Lage der Sonne gegen die Tafel zu bu 
flimmen. Ihr folgen die Regeln von ber Zeichnung des Son 
nenfchattens nach den drey verfchtedenen Hauptlagen der Sontt 
geordnet. A. Die Sonne fleht hinter der Tafel 
Vertiefungspunct und Gränzpunct des Schattens — on 
fpatten von dem Bilde einer verticalen Stange — eines gru 
den Eplindere. B. Die Sonne ſteht in der erweiter 
ten Ebene der Tafel. Schatten von dem Bilde ein 
verticalen Stange — von dem Bilde einer Mauer, in welcher 
ſich eine Thuͤroͤffnung beſindet — einer Leiter, welche gegen 





Eytelwein Handbuch der Verfpeetive. 317 


eine Dauer gelehne ift — Schatten, den das. Bild einer gleich 
fiehenden Stange auf eine Treppe wirft — Schatten von dem 
Bilde einer verticalfichenden Kreisfläche auf ein Parallelepipes 
don — einer Wersicalfläche auf einen aufrechtfiehenden Cylinder. 
G. Die Sonne flieht vor der Tafel. Vertiefungspunct 
und Srängpunct des Schattens — Schatten von dem Wilde 
einer jeden -Verticallinie — Schatten von dem Bilde einer 
Verricallähe auf einen wagerechten Boden und eine vertis 
cole Wand — von dem Bilde einer wagerechten Fläche auf 
eine verticale Wand — einer wagerechten Flaͤche auf zwey 
verticale Wände — einer. wagerehten Fläche auf ben mager 
rechten Boden und eine verticale Wand — über einem Par 
rallelepipedon befinden ſich ein vierediger Deckel, man fol das 
Bild feines Schattens auf das Parallelepipedon finden — über 
einem Enlinder befindet ſich ein vierediger Deckel, das Bild 
feines Schattens auf den Eylinder zu beſtimmen — Schatten 
einer Verticalflähe auf einen Kegel. Das 3. Cap., vom 
Schatten, welher durch große Flammen, oder 
von demjenigen Lichte entflieht, welches durch 
große Deffnungen einfällt, umfaßt folgenden Inhalt. 
Sroße Flammen — verfciedene Arten des Lichts, das durch 
große Deffnungen einfällt — das Tageslicht fällt durch eine 
vierecfige Deffnung — wagerechtes Schattenbild einer Mertis 
calflaͤche — algemeine Regel für mehrere Definungen — dag 
Tageslicht fällt durch eine rechtwinkliche Deffnung — wage⸗ 
rechtes Schattenbild eines graden Pfeilers — von dem Rande 
einer Fenſterofnung das Schattenbild an den Wänden eines 
Zimmers zu zeihnen — das Tageslicht fält durch eine Fenſter⸗ 
Öffnung — Schattenbild. eines graden Prisma, mit Rackſcht 
auf die Dicke der Fenſteroͤffnung. 

Im III. Abſchnitte, v om Wiederſcheine im Bafı 
fer und der Abfpiegelung gibt das ı. Eap., vom 
Wiederfheine im Waffer, die nöthigen Negeln an, 
Verticate Stange, die Über einem flillficehenden Wafler hervors 
vagend vom Wafferfpiegel gefchnitten wird — ſchraͤg flehende 


. 318 Eytelwein Handbuch der Perſpeetive. 


grade Stange — grader Pfeiler — jeder über dem Waffe 
befindliche Körper — Wiederſchein eines Körpers, der ſich 
auf einem erhöhten 1lfer ferne vom Waſſer im Bilde befindet, 


Das a. Cap. von der Abfpiegelung. Die Bilder, welhe 








ſich in einem fenkrecht aufgeflellten Spiegel zeigen, zu befim 
men — den Raum zu beflimmen, weicher in einem folden 


Spiegel von dem angenommenen Puncte aus geſehen werden 
Bann — den Geſichtspunct In dem Bilde eines Spiegels für 
jede gegebene Lage des Ichteren aufzufinden — die Aöfpiegelung 
- eines jeden von dem Spiegel gegebenen Punctes unter alın 
Lagen des Spiegels gu zeichnen. 


Sm IV. Abſchnitte, von der orthographiſchen 


Projection, ſucht eine Einleitung zuvor die möthigen 
Erklärungen Über diefe Projertionslehre, die Vogels oder mil 
täriiche Perſpective und den befondern Fall der Cavalierpet: 
fpective, fo wie das Allgemeine von Entwerfung ihrer Bilde 
anzudeuten. A. Die Bogelperfpective,, Dorbereitung 
der Tafel — Auffindung des Maßes von dem Bilde eines jeden 
Winkels unter drey verfchiedenen Lagen der Schenkel — Auf⸗ 


tragung eines jeden gegebenen Winkels — Auffindung des 


Maßes einer jeden wanerechten Linie — Vefchreibung eine 
Kreifes zum gegebenen Duschmeffee — eines Schseds — ein 
Würfels — orthographifcher Entwurf des Schattens. B. Bon 
Ber Eavalierperfpective. Morbereitung der Tafel — 
Regeln zum Zeichnen der Entwürfe — orthographifche Beſchtei 
bung eines Quadrates. Die hier G. 170 vorkommende Std: 
„fee man die Abweichung des Auges — o, fo fallen die Gr 
fihtsftraten in Verticalebenen , welche auf der Tafel wintelcht 
ſtehen, und wenn man alsdann die Augenhöhe — o ot 
— 90° feßt, ſo wird das Bild entweder ein gedmetrildt 
Aufriß, oder Srundriß werden“, enthält eine Unrichtigkeit. Der 
Verf. betrachtet die. Wogelperfpective nur fo, daß die Tafel auf 
der horizontalen Ebene ſenkrecht ſteht, die Richtung der parıl 
lelen Sefichtsftralen aber veränderlih angenommen wird. Dam 
tft allerdings der geometrifche Aufriß der erklärte Fall, auf din 
geometrifhen Grundriß kann er aber fo gar nicht kommen, dem 
Diefer fordere ja eine veränderte Lage der Tafel. Wenn ma, 
wie in Käftners ‚Anfangsgründen u. a. hier die Gefichteftraln 
fenfrecht auf die Tafel annimmt, aber die Neigung der Tıfl 
gegen den Horizont veränderlich, fo entſteht, wenn dieſe Ni 
gung — 90°, ein Aufriß, wenn fie — o oder die Tafel dım 
Horizont parallel, ein Grundriß. 

Den Stich der Figuren finden wir rein und für die grh 
tentheils etwas kleine Ausführung befonders deutlich wollen 
Hier gefällt ung der Sinn des Verfaffers, durch eine Lehm 





% 


Naffers Satirifche Anthologie. 319 


Ausſtellung Im IX. Blatte ein Reſultat der angewandten Regeln, 
gieichſam in der Natur ſelbſt vorzugeigen, und eben dadurch 
zum Studium der Perfpective einzuladen. — Es wäre der von 
und gefahren Idee eines für den Känftier beſtimmten perfpectiz: 
viihen Werkes entfprechend , mehrere ſolche Ausführungen von 
mannigfaltigen Gegenftänden aus dem Gebiete einer jeden Kunſt, 
weiches die Perfpective ale Huͤlfswiſſenſchaft umfaßt, immer 
verwickelter auf einander folgen zu laſſen, eine lebendige Dar⸗ 
fellung damit zu verbinden, welche dem Architekten, dem 
Hiftorien: und Kandfchaftsmaler die Anwendung der gegebenen 
Kegeln und das Dafeyn der Gefege gleihfam in der Natur 
ſelbſt aufweiſet. Nur müßten dann dieje Bilder mehr Wahrs 
heit der Haltung haben, d. i. in Nücficht der Vertheilung 
von Schatten und Licht beffer gelungen ſeyn, ale das hier vor 
ung liegende IX. Blatt if. — Um aber dem allgemeinen Ges 
febe, das ben Beurtheilung eines für den Künftler beſtimmten 
peripectivifchen Werkes uns leitete, vollkommen zu entſprechen, 
müßten diefen eigentlich praktiſchen Darftellungen die Regeln 
feloft mir einfacheren Benfpielen begleitet, in eben der fchönen 
Vollſtaͤndigkeit und Richtigkeit, wie fie uns die vorliegende 
Schrift geordnet hat, vorangehen. j 





Gatiriſche Anthologie aus Römifchen Dichtern, überſetzt von Johann 
Adolph Naſſer. Erſter Band. Kiel, ın der akademiſchen 
Buchhandlung. 1810. kl. 8. 


Yoricks Eintheilung der Reiſenden in ſimple, muͤßige, 
neugierige, luͤgenhafte, aufgeblaſene, eitele, milzſuͤchtige und 
empfindfame Reiſende hat unlaͤngſt eine aͤhnliche der Webers 
ſetzer in liederliche, treue und geniale veranlaßt, die uns ſehr 
gluͤcklich duͤnkt. Ueberſetzungen, die, wie Shakſpeare bemerkt, 
„aus Hunger nah Brod“ gefertigt werden, in denen oft der 
Einn neben den Worten läuft, oder ihnen nachhinkt, oder auf 
halbem Wege liegen bleibt, heißen liederliche Weberfegungen. 
Shnen gegenüber flehn die treuen Ueberſetzungen, die Geifk 
und Form der Urſchrift in untrennbarer Einheit entweder wirk—⸗ 
li darftellen, oder darguftellen ringen. Den Uebergang vom 
liederlichen Weberfeßer zum treuen maht der geniale Der 
geniale Weberjeker, der niemals nad) Brode geht, fondern immer 
nah Ehre, will den eignen Genius nicht unters Joch beugen, 
fondern miſcht ihn zu dem des überfeßten Dichters. Dielen 
ſchmuͤckt er aus mit der glänzendften Fülle feiner Phantafies 
auch dem Rhythmus, dem Wohlklange, der Wortſtellung, kurz 
allem, was nahzubilden der treue Ueberſetzer für unerläßliche. 


- 320 Raßers Satiriſche Anthologie. 


Richt Hält, werten Spuren ber Genialitär eineepräst. Der 
treue Ucberfeger finnt ofı lange, bis er das Wort, die Ben 
Bung findet, die das Original gang ausdrüdt; der geniale 
fkrömt Bin, was ihm bey den Beniuswerten feines Vorgängers 
fo durh den Sinn fährt. 

Dan flreitet- ih, ob die getreuen Ueberſetzungen unſterb⸗ 
fi feyen, oder die genialen. Die das erfie behaupten, berufen 
ſich auf Luchers Bibel, melde als treue Dolmeifcherin dis 

heiligen Wortes in ewiger jugend daſtehe, während die Legion 
von Nachdolmetſchungen ſaͤmmtlich dahinſterben. Fuͤr die zweyte 
Behauptung führt man an, die Gabe des Genius müfle un 
ſterblich ſeyn, wie der Genius ſelber. Wir maßen uns nicht 
an, einen fo großen Streit zu ſchlichten; können aber doch 
nie umbin, unfere Meinnng mitzucheilen, daß die Borankı 
ſetzung, jeder Genius fey unſterblich, falſch zu ſeyn ſcheine. 
Sa der Tauſend und Einen Nacht wird ein junger Genius 
mit_einer Dattelſchale todt geworfen; Theokrits genialer Kyklop, 
der Sohn einer unfterblihen Mutter, ift, wie er felbft du 
kennt, ſterblich; und Nec. kann eidlich betheuren, daß er fen 
mehreren genialen Weberfegungen den Hals gebrochen. 
Borliegende, des Herrn Naffer if der Form nad ziem 
lich teen; Abrigens fo genial, daß fie an einigen Stellen fül 
ans Liederliche ſtreift. Sie enthält 4 Satiren des Horaj, 5 


von Juvenal, und a von Perfius, außerdem nody 6o figine | 


Gedichte ans Martial. Wir theilen folgende, gewiß rehht 
ordentliche Stelle aus dem Horaz mit: 


Woher kommt es, Mäcen, daß der Menſch, fo wie ihm fein Kom 
theils 

Eigene Wahl auskohr, wie theils das Geſchick es ihm zumarf, 

Nie zufrieden mit dem, nug anderer Beben beglädt nennt? 

O wie beneid’ ich ihn, den Kaufmann, fagt ein beiahrter 

Krieger, der ſtumpf fchon ward vom langen befchwerlichen Kriegsdienfl. 

Sener, der Kaufmann, fpricht, wenn ber Süd fein Schiff ihm 

umbertreibt : 
Mein, ich Iobe den Krieg! Was heißt es? Man eilet ins Treffen; 
Und ob man fällt, ob man fiegt, ein Moment fchon Hat es en 
fchieden. 

Son den Aderer yreißt, wer Recht und Geſetze verdollmeticht, 
Wenn heym Hahnengeſang, Rath ſugen ihm einer ans Haut 

“ pocht. 


‚DAE 





No. 24, Beidersersifäe 1811, 
Jahrbaher dewgiterafun, 


—— 





—RXXXXXXX 





Specimen observatignum. eritico - exegeticarum de vocabulik 
dxas Aeyouevoıs et rarioribus dicendi formulis, in pri= 
ma ad Timatheumm epistola Pawina hviis authentiae 
ejus »ihil detrahentibus, quod praeside Luca Suringae 
Th. D. ejusdemque et hist. ecol. P. Pr. ad publicam, 
disceptationem pröponit Joachimus Fridericug 
Beckhaus, Lingensis, Rev. Min. Candidatus. In diem 
2 May MDCCCX. Liängae ap. J. A. Jülicher , 4810. 
686. gr. 8, 


I, feßen bey Anzeige dieſer mit großem Fleiße ausgears 

beiteten Probeſchrift eine Bekanntſchaft mit dem Streitpunste, 
Worauf es Hier ankommt (vergl. Heidelbergifche Jahrb. Jahrg. 
1808, H. 15 (Abth. I. H. 5) ©. 337 fi), und mit dem 
Plankiſchen Bemerkungen gegen" Schleiermacher, wie mit den 
ähnlichen, Bedenklichkeiten, welche in mehren Zeitichriften ges 
gen die Schletermacherſche Hypotheſe erhoben find, bp uns 
fern Lefeen voraus‘, und bemerken bloß, was durch die vor 
liegende Schrift geleifter, und inwiefern dadurch die ſtrei⸗ 
tige Frage ihrer Eutſcheidung näher gebracht iſt. 


Vorangeſchickt ſind ein Paar Bemerkungen über die ſoge⸗ 
vannte Höhere Kritik, ihren Zweck und ihre Anwendbars 
keit auf das N. T., wennfiesurnichttemere, fordern modestg 
et prudenter geübt werde. Darsuf kommt der Verf. $. III. 
gleich zur Hauptſache, naͤmlich zu der Schleiermacherfchen Bes: 
ſtreitung der Authentie des erſten Pauliniſchen Briefes an den 
Timotheus, vorzüglich nach Gruͤnden der hoͤhern Kritik. Hier 
wird gleich vorläufig &. 6 gegen Schl. die Inſinuation, daß 
der, fonft durch fo viele Zengniſſe des Alterchums begänftigte 
Brief, ‚gleich dem zweyten Briefe an Tim. und dem Briefe 
an Titus, in dem Kanon des Marcion fehle, erinnert; 
daß nach Wahrſheinlichteit bie deep Briefe im derjenigen 

8, - 


322 Beckhaus Spec. obs. in Paul. pr. ep- ad Tim, 


Gegend, worin Marcion lebte, und jenen anooroAos fans 
meise, oder gefamggelt vyrfand, Inicht belgnne gewefen, und 
es wird zugleih &. 7 bemerff, wie ungegruͤndet Schl. Aus; 
fpruch fey, daß außer dem Polycarp keiner von den apoſtoli⸗ 
ſchen Vaͤtern etwas and. dieſem Briefe entſehnt habe, da doch 
allein aus den, Heb Lardner geſammelten Stchep, die ſich noch 
vermehren ließen, Diele Behauptung widerlegt werden Eönnte; 
‚wenn gleich aus ſehr begreiflihen Gründen die Briefe an Ti⸗ 
motheus und Titus nicht fo oft, wie die uͤhrigen Dauliniihen 
Briefe, bey den Alten citirt werden. Hiernaͤchſt wird noch 
§. V. als ein änferes‘ Argumyn füe. die Echtheit unferes 
Ortefes in Eringetung gebracht: die große Aehnlichkeit in 
eingefnen &sdanfen umd Ausdruͤcken zwiſchen dem erſten 
Briefe Petri und dem erſten Briefe afi den Timotheus, 
“ woraus binfängtich hervorzugehen ſcheint, daß Petrus, che er 
feinen Brief ſchrieb, diefen nicht bloß gelefen, fonsern daß em 
auch dey Abfaſſung feines Briefos unbedenklich auf ihn als 
Einen Paulmifhen Briecf eimige Ruͤckſicht gengmmen habe. 
Doch wir Abergehen die ſe vorlaͤufigen , einet nahern uͤfung 
nicht unmürdigen Argumentationen unſers Verf., un men 
zur Hauptſache. Die einzelnen, vorzglich negariven Argus | 
mente, womit Schl. die Echtheit unſers Briefes beſtriit, und 
denſelben einem nicht apoſtoliſchen, Tpätern Verfaſſer vindicirt, 
werden aufgefuͤhrt, die Nothwendigkeit einer ernſten Pruͤfung 
derfelben wird in Anregung gebracht, und es wird bey der 
Menge von Obſervationen, die ſich dem Verf. alltin Aber den 
erſten Punct, über die anad Aejdusra'uhd andere angeb— 
lich ben Paulus nicht gewöhnliche Ausdruͤcke des Briefes dar 
geboten haben, um fo mehr den dieſem Purcte werwelte, da 
mehrere ändere Puncte des Sch. Sendſchreibens nicht allein 
in den Plankiſchen Bemerkungen n. fi w., fonderk- aud) in 
mehrern hier angeführten kritiſchen Blaͤttern, won noch die 
Goͤttinger Gel. Anz. 1808. St. 126. Binzugefägt” werden koͤn⸗ 
naen, in Anfprud genommen find, wlewohl freylich auch die⸗ 
fer Punct, die Oprache amnſers Briefes betreffend, aur nicht 





Beckhaus Spec. obs. in Paul pr. ep. ad Tim. 323 


in dieſer Ausfüprlichkeit, ſchon von andern näßer betrachtet 
ift, welche Ar. B. dankbar benußte. 

Zuodrderſt wird hier $. VIII. fehe -gut bemerke, wie 
fhwierig das Argument an fih fen, weldes hier beleuchtet 
werden foll, indem es eine große Anmaſſung verrathe, eis 
nes alten Scriftftellers, Wovon man nur wenige Mefte übrig 
bar, Ars zu denten und fid) auszudrüten fo genau kennen zu 
wollen, daß man Überall genau beſtimmen moͤge, was und 
in welcher Ordnuͤng der Schrfftſteller an einen gewiſſen Ort 
habe ſchreiben, und was für eine Are des Vortrags ihm habe 
eigen feyn müffen. Diefe Bemerkung leide vorziigiich eine Ans 
wendung bey ſolchen Schriften, deren Verfaſſer ſich eines po⸗ 
pulaͤren, oder nachlaͤſſigen Vortrags bedient haben, oder der 
duch mancherieg Geſchaͤfte bifteahieg nur unter manchen Uns 
terbrgchungen "einge noch. ſo Fleine Schrift ausarbeiten fonite, 
‚wie dieß beſonders bey Paulus ber Ball geweſen⸗ Dazu kom; 
me, daß dieſer. Apoftel feine Briefe bekanntlich ‚zu dictirag 
pflegte, wobey € vergl. Qainetil, J. O. X. 5) leicht undes 
queme, aneigentliche und ganz zuhq lige Wörter mitunter lau⸗ 
fen, eben weit die Geele allein um den Zuſammenhaug der 
Rede, wicht fo fehe sun Die Auswahl der. Wörter befümmene 
ft. Mean Abme daher. aus gewifen das Asyonsvor und. 
feltenen Npdensarten, wenn: fie auch in noch größerer Anzahl 
in anſerm Vitjefe vorkaͤmen, keinesweges fchliehen, dab er 
dan - Apoflel Paulus muͤſſe abgeiprochen werden. . Daß aber 
auch die · Zahl ſoicher Morter oder Nedensarten, die dem Paus 
liniſchen · Sprachgebrauch gar gicht gemäß wären, in der That 
in unferm: Bridfe nicht. fo groß ſey, daß man deswegen Die 
Auchentir deffetben fehlechthin beyweifeln därfe, werde pinlängs 
Aich erhellen, wenn man die Sgenrlihen Angs Asyöuera für 
wohl In demjenigen: Wörtern, welche ‚ig: dieſem Wriefe zwey 
Mal oder öfter vorkommen, als von denen, weihe auch fünf, 
obgleich in anderer Bedentung, angetroffen werden, unter⸗ 
ſcheide. Mai dieſer Unterſchelvung zerfälls die weitere Ab⸗ 
handlung des Drau. D. in drey Eapitel 1) de votabalk 


» 


324 Beckbaus Spec. obs. in Paul. pr. ep. ad Tim. 


era Aeyoutvors in hac epistola obviis, 2) de vocabulis 
non, nisi im hac epistola bis vel saepius, obvüs (wir 
würden lieber interpungiren: de vocabulis ‚„ non nisi in hac 
epistola, bis vel saepius obviis); 3) de vocabulis et lo- 
quendi fermis, alio®in hac epistola, quam in reliquis 


‚Paulinis, sensu usurpatis. Zum erften Capitel wird bemerkt, 


daß dnab Asyöuera in jedem nenteſtamentlichen Bude von 
kemmen, daß alfo ihre Wahrnehmung‘ in unferm Briefe jo 
wenig einen Grund abgeben koͤnne, feine Authentie in Zwei: 
fel zu ziehen, daß es vielmehr zu verwundern und verdaͤchtig 
feyn würde, wenn. gar feine ſolchen Wörter Hier follten ange 
troffen werden. Aber auch die hierher, gehörigen Wörter ſelbſt, 
auf welche Ti Schl. beruft, feyen gar nicht von der Art, daf 


"fe nicht härten von Paulus, der in andern Briefen ſolqe 
'dnab ‚Aeyöneva vielfältig braucht haͤtten herruͤhren koͤnnen. 


Mac diefer- Bemerkung werden Woͤrter, wie NaTpoADia, 


pintpoAoiag Ihren, ayrilvrgor, xaTaoToAN, abderrän 


REöprTos, xavınpiabeodat, u. 4, die nur ein eiiziges Malin 
unſerm Briefe vorkommen, naͤher beleuchtet. Das mehr ode 
weniger Analoge derſelben Aderhaupt, und das mehr ader we⸗ 
uiger Angemeſſene berfelben zu dem fanflisen Pauliniſchen 
Sprachgebraud oder zu dem Sprachgebrauch anbarer neuteflas 
mentl. Schriftfteller, der LXX., der Apokryphen u. ſ. w., 
wird mit. Fleiß und Beleſenheit wörgert, und es wird. darand 
das Rejultat gezogen: daß Biefe Woͤrter zuſammengenomwen 
gar nicht von. der Beſchaffenheit fepen,, DAB ‚auch ihre Zahl 
im Verhältmiß zu ähnlichen Wörtern in andern Propliniiher 
Briefen. in unferm Briefe gar nicht ‚groß fey, daß man sich 
mehr, wenn, man dem Apogel nicht auf ankere Brief, worin 
viel dmab Aeyoueva vorkommen, abfpgechen wolle, aunchus 
müffe, der Gebrau ſolcher fremdartigen oder- ſelbſtgebinmenn 
Mister ſen Ihm eigenthaͤmlich geweſen. 

Zum zweyten Capitel erinnert der: Verf., daß ammedinſe 
manche Woͤrten ganz allein in anſerm Briefe zen Mai oder 
ofter. vorkommen, die in keinem audeen Pauliniſchen Briefe 





Beckhaus Spec. obs. in Paul, pr. ep. ad Tim. 325 


1 
gu finden find; daß es aber bie Natur der Sache mit ſich 
braͤchte, daß Paulus in einem Briefe an einen Freund, mwors 
in ganz andere Dinge einzufhärfen waren, als in den Brie⸗ 
fen an die Römer, Galater u. ſ. w., ſich auch ganz anderer 
Ausdruͤcke bedienen mußte, als in Briefen an eine ganz andere 
Elaffe von Lefern oder an einge gange Gemeine. Jeddch fey 
es auch in andern Briefen dem Apoftel eigen, ſich deffelben 
Ausdrucks wiedecholt-gs bedienen... Mach diefer Worausfehung 
werden wiederum die einzien Wörter, die in diefe Kategorie 
gehören, als irepodıdaoxadkeiv, lvrevbis. GHERENANTOS Tpb- 
Indog, mopıswos u. ſ. w. näher betrachtee, und durch Wers 
gleichung aͤhnlich gebildeter Wörter, vorzüglich bey Paulus 
ſelbſt, mie Sorgfalt gerechtfertiger. - — Endlich zum drittan 
Capitel gibt Hr. B. zu, daß der Apoftel fieyfich in diefem - 
Briefe manche Woͤrter und Redensarten in ehem ganz ges 
nen und in einem andern Sinn als fonft gebraucht habe; 
bemerft aber zugleich, daß dieß öfter, im den ' Pauliniſchen 
Briefen geſchehe, und daß durch ſolche Abweichungen vom“ : 
gewöhnlichen ESyrachgebrauche die Authentie unſers Briefes 
um ſo vtel weniger verdächtig werden koͤnne, da ein Nachah⸗ 
mer des Apoſtels ſich vielmehr bemüht Haben würde, den 
Sprachgebrauch deffelden tn einzelnen Ausorüden, wie in dem 
Sinn derſelben getren zu Hfeiben. Darauf werden auch hier 
die einzeftten Wörter, die hierher gehören; wie vouodiddera-. 
%og, Aneidricdkı, voavayeiv, neotens u. a. gemuſtert, um: 
auch bey ihnen darzuthun, dab fie von Paulus hier in einem’ 
ganz eignen Sinne gebraucht, gar nicht ſo ſehr befremden 
innen, WE Sch.” glaubt. * 

Das Rifultat von dieſer ganzen Eebrterung iR nun ©. 66 
folgendeg 3: alle bicſe dmu& Acydusvo, feltne Redensarten, oder 
Wörter in einem ſeltnen Sinn gebraucht, machen die Authen⸗ 
tie unſers Bebefes auf keine Weiſe verdaͤcheig, vielmehr wird 
in der ganzen Schreibart deſſelben nichts angetroffen, das uns 
noͤthigen, oder überreden Annte, diefe Schrift dem Apoſtel 
Pantus :abzufpregen: Siehe Füh. nun auch gegen die Tine oder 


326° Beſendecks Lazarus. 


andere philologiſche EArterung unfers Verf. und gegen die 
Beſtimmung des wahrfcheinlichern Sinnes einzelner Paulini⸗ 
ſcher Auedruͤcke einiges vordringen, fo ſtimmt doch Rec. ihm in 
der Hauptfache bey, und" geſteht ma fo Lieber, daß durch Biefe 
ausführliche Ezörterung die Schwaͤche des Schl. Arguments, 
von den feltenen und ungewöhnlichen Redensarten des befrits 
tenen Briefes heraenommen , ins heüfte Licht geſetzt, und auch 
von dieſer Seite die Ausbensie deffelben- befriedigend gerettet 
iſt, da..er felbf an einem andern Ort bald nad Erſcheinung 
der Schi. Schrift fih unter andern auch gegen biefes Araw 
ment erklärte. — Noch möfen wir bemerken, "da uns im der 
Accentuation : der hier vorkommenden griechiſchen Wörter nicht 
wepige- Druckſehler aufgefallen find. 





* 


dazarus, oder über das Unfiatthafte der natürlichen Erklaͤrungen der 
Wundergeſchichten im Neuen Teſtament, ion M. Kaſpar 
Zacob Beſenbeck, Recter am Gymnaſium zu Erlangen. 
langen, bey Fohann Zacob Palm. IV.u. i26 G. 8. GAs ir.) 


Seitdem ſich die exegetiſche Theologie ber Proteſtanten von 
den Feſſeln,losmand, welche ihr das herxſchende Kirchenſyſtem 
angelegt hatte, machte fie nach und nad, einen immer. kuͤhnern 
Gebrauch won der einmal errungenen Freyheit, ww: ging ſelbſt 
. „weiter, als wohl diejenigen, welche Re ihr hatten erringen hel⸗ 
' fen, erwartet oder gwliufche haben mochten. WBeſenders war 
dieß der Zal mit den neuteſtamentlichen Wandern. Ds bie 
Philoſophie des Tages den Glauben ay Wutzder chon fo ah 
hold war, als fie zu andern Zeiten benfelden Miginkigse, und 
da mehtere, im Geiſte dieſer Philofgphie, am deu Wunden 
des NT. einen. Anſtaß nehmen, und ug. ihrentutgen die 
Wahrheit und Goͤttlichkeit des Cheiſtenthume herherupt in 
Zweifel zogen; da-andege, ‚was noch ſchlimmet war, dat 
Thriſtenthum ſogar aus: dem namtichen Grunde. gu Segen⸗ 
ſtande eines frivolen Witzes machtzn, und. ſuh nicht ſcheueten, 
mit frecher Htirne des Heiligſtan gu. fpotten, AD Ha es Ach 





velanhene Lazarus. | 327 


Bey ſolchen Leuten mit · denjenigen Belibeiſen für die Wahrheit 
und Gbtriichkeit der Wunder; welche die Dogmatik aufſtellte, 
nicht auskommen ließ, fo ſchlug man verſchledene Wege ein, 
dieſen Anſtoß zu heben, und Die Ehre· des Chriftenchums ges 
gen Zweifler und Veraͤchter deffelben zu vetten., Mas dieß für 
Wege feyen, ift bekannt. Mährend ein hei der Eregeten 
die Wunderbegebenheiten des N. T. aus einem mythologiſchen 
Geſichtspuncte faßte, und fie für urfprünglich einfache und nas 
tuͤrliche Facta erflärte, die nach und nach durch die Tradition 
zu Bundern ausgeſchmuͤckt warden. feyen, fischten andere fie 
duch, philefogighe Künfteleyen ober pſychologiſche Erklarnugen 
in natürliche Begebenheiten umjugeftalten ,. und fo lange gn 
ihnen zu deuten, bis aus ihnen gang! gewahnliche Alltagser⸗ 
eigniſſe geworden waren. Beyde Claſſen von Interpreten fan⸗ 
den, wie es zu gehen pflegt, ihre Anfänger hund MNachchmer, 
die ihre Meiſter noch zw aͤbertreſſen ſuchten, und die Sache 
bie zum Abentheuerjihen Abertrieden. „Diefe waren es hanpts 
fächlich , durch welche wir —*— wie die Gesichts 
des Urchrifenshums in feiner ‚natöslihen Se 
ftalt u. a. dergl. erhielten , unter deren Sünden Sie Urge⸗ 
ſchichte des Chriftenchums: zu einem wahren: Roman wurde, 
und von deren Arbeiton man nicht:einmal immer fagen konnte: 
se non & vero, & bene trovato. Wer. hat fih ſqipn · an 
mehrer Drten dieſer Jahrbücher Aber die letztere Art, bie ‚nem. 
teſtamentlichen Wunber gu erllaren, gekehert, and frenet fi, 
in der vor ihm liegenden Schrift eine. Stimme mehr. für ſich 
vernommen u. haben.” Die naͤſchſte Veranlaſſung zu derſelben 
gab thum Vorfaſfer, Aut. Reckor B., die Abhandlung des 
Hrn. Div Gabler zu Jena über Die Erwerckungdes Laza⸗ 
rus Zeh -XI., ia deſſen Journal für auserteſene theologiſche 
Literatur, "Band TI.*GSit. 2. G. n23— 266. Daher: auch 
der Ttol dr Schriſt: Lazarus, wel dee Prüfung der Gable⸗ 
rischen Erklärung jener Geſchichte die Schrift hauptſaͤchlich ges 
widnset Pr Aber dieſe Hreſang eonnte win auteeRenngen 





328 VBelenhecks Kajarub, 


werben, odne yon der Wemühung, die neuteſtamentlichen Wun 
der überhaupt natürlich zu erflären, zu fprehen. Der Verf. 
konnte alfo mit Recht noch zu dem Worte Lazarus auf deu 
Titel die Worte Hinzufügen: oder über das Unſtatthafte 
der natärlihen Erklärungen deu Wundergeſchich— 
ten im N. E., denn die Gruͤnde, welche gegen .eine folde 
Erklärung eines einzigen neuteſtamentlichen Wunders fireiten, 
treffen zugleich auch dergleichen Erklärungen aller übrigen Bun 
der Im. N. T. Was die. Schrift des Hrn Beſenbecks von 
züglich empfiehlt, ifl der ruhige und gründliche Gang, den er 
in derſelben jimmt, und die Achtung, die etz uͤberall in ber: 
ſelben, Perſon und Sache, wis dieß immer ſeyn ſollte, wohl 
von einander ſcheidend, Ber Gelehrſamkeit und dem anderwei⸗ 
tigen Verdienſten des Hrn. Dr. Gablers mit unbefangene 
Bergitwilligkeit Jollet, und wir ſind gewiß, daß Niemand in 
dieſer Hinſicht Hrn. Beſenb eck dem gebuͤhrenden Beyfall vers 
fagen werde, wenn auch der fireng hogmatifchen Anſicht, 
Heide der Hr. Rector B. von den neuteftamentlihen Bars 
derg hat, nice ganz beitreten folſte. Rec. erinnert: fi nicht, 
eine Schrift gelefen zu haben, in welcher mit gleicher Maͤßi 
gung, und Gruͤwlichkezt das Unſtatthafte der Werfache, die 
under des N. T. natürlich zu erklären, up der vielen Kuͤn⸗ 
Beleyen und unerwieſenen, oft gegwungenen Vorausſetzungen, 
bie man ſich dabey zu erlauben pflegt, dargethan wäre. Das 
Einzige, was vielleicht an derſelben mißfalles koͤnnte, iſt eine 
gewiſſe Weitlauftigkeit und "Breite, und mande Wiederhblun⸗ 
gen, welche, ohne der Sache ſelbſt zu Tchaden ‚Hätten wermier 
den werden koͤnnen. Die Kraft der Wahrheit beſteht nicht 

in-viehen Worten; je karzer und buͤndeger Die Bewriſe, deſto 
heſſer und dem Zwecke gemaͤßet. Herr B. faͤhlte dr ſelbſt, 
und glaubte ſich deswegen entfchuldigen zu mäffen. Allein 
wer wird "ihr nicht · gern verzeihen, wenn ihn felh Eifer für 
eine Bade, die ihm am Herzen lag, in diefer Hinſicht auf 
Amwas Über die Brenzen joe hiuauczeſthet Bon? Da Hr. 





Beſcabets dezarus. 329 


&. Ken. Dr. Sabten in feine Crkiäiumg der Anferweckungs⸗ 
geſchichte des Lazarus Schritt wor Schritt folgt," ſo konnte «8 
ihm leicht begegnen, daß er an verſchiedenen Orten Veranu— 
lafjung fand, das Naͤmliche zu ſagen. Wir enthalten uns, 
um nicht ſelbſt in den Fehler der Weitlaͤuftigkett zu verfallen, 
unfern Lefern- Yuspüge aus dug Beſenbeckiſchen Schrift zu ge⸗ 
ben, welhe ganz gelefen zu werden verdient. Dur. einige 
Stellen, fey uns vergönnt, «aus derſelben herzuſetzen, welche 
uns einer befondern Beherzigmig werth zu feyn fcheinen, und. 
als Belege zu dem Lrtheile dienen mögen, welches wir Aber 
Hrn. B's. Schrift gefällt Haben. Gehe währ Heißt «8-©. 1 
und II der Worrede: „Man tft nicht in Abrede, daß Jefus 
der ausgezeichneteſte Menſch war, der je lebte, und daß die 
Gottheit ſelbſt buch das, was er that, feine Abfichten unters 
fügte. Keiner wagt «6, ſelbſt in anfern ZFiren nicht, "weit 
er zu ſehr fühle, daß er fih in die Claſſe der Unfinnigen vers‘ 
fegen würde, fih Jeſu gleichzuſtellen, Aber wie will man 
damit vereinigen, daß diefer Eirmige Menſch gleichwohl Aber 
fih erhalten konnte, ein munderfüchtiges Wolf durch Rankt 
aller Art hinzuhalten, und ihnen Thaten vorzufpiegein, die 
ganz was anderes waren, als. wofuͤr 5 fie tsgab?* S. 68 
dee Schrift felbft- fagt Hr. ©. mit naͤherer Vaziehung auf die 
Gableriſche Erklaͤrung der Auferwerfungsgefdjichte des Lezarus: 
„Nach der neuen Erkiärung, die man uns von dem. Wieder 
erwachen des Lazarus geben will, ewfcheint Jefus nice nur 
als ein ſchwacher, kleinlicher, unbefonpener, Menſch; er er 
fheint auch als Betrüger und Heuchler, und nun folge Die 
Motivirung diefer ziwar hart fcheinenden, aber nicht ungaredhe 
ten Behauptung. ©. 418 endlich wid Die Wunderſchen uns 
feree Tage der Wunderſucht der frühgen Zeiten auf folgende 
Art entgegengefegt : „Die. Wunderſucht, die. fie (die alten 
Theoisgen) bier (bey ber Wiederbelebungsgeichihte des · Laza⸗ 
rus) zeigten — taugt nun freylich nichts: aber. die. Wunder⸗ 
ſcheu unſerer Zeiten taugt tzoch Weniger, Den: fie verfähre 
in dem Bahn, daß man den evangelilchen Geſchichtſchreibern 


330 Werth ueber die (euren Fürfienth. Lippe, 


Bald Kia bald da nachhelfen ıuhffe:* 845 Re in den Seven Ye 
fa manches falſch verſtanden hästen ; hindert hen wahren Sinn 
ihrer Worte aufzufaſſen; verleitet zu eimer Erfiätungsmeife, 
Die man im Anfange bes neungehuten Jahrhundertes nicht 
mehr ermarten follte; verwickelt in Schwierigkeiten Aber Schwie⸗ 
vigfeiten,, und noͤchigt endlich ga Dee Aeußerung: „„ed komme 
alles auf die Umſtande an, die wir nidit genau fennen. Hier 
fey aber wur von Möglichkeit einer Ableitung der aller 
‚dings. wunderbaren Begebenheiten ans natürlichen Urſachen die 
Rede, und biefe wärde auch bey noch groͤßern Gchwiertgfeis 
ven befichen.““ Aus dieſen Gtellen erhellt jur Genüge der 
Geſichtenunct, von welchem Hr. B. bey feiner Widerfegung 
der Gableriſchen umd aͤhnlicher Erklaͤrungen der Auferweckungs 
geſchichte des Lazarus ausgeht, und in Anſehung deſſen wir 
im Weſentlichen· volkommen mit ihm einverſtanden And. 





eier die Elementarfänten im Zürkentbum Livve. in biſtoriſca 
. Bericht, von Ferdinand Wertb, Generalſuperintendenten 
in Detmold. Duisburg und Sfien, bey Bädefer 1810. (54 fe) 


Nceenſent font fir. immer, wenn er in dem Fache ber 
ejugenbbilbung . etwas Kest, was nicht gefheben Fönnte, 
folge, fonden was geſchehen iſt. Micht Plane, Ideale, 
‚ die Mh von Buͤcherpaͤdagogen leicht aus zehen gebruckten zus 
femmerfogen md‘ zn Payjer bringen laſſen, bie .aber mei 
nur ben einzigen Fehler haben, daß fie mirgends ausın 
führen ſind; fonbern Geſchichten, was in einem Geftimanten, 
genqunten Bande -geichehen, auf welche Hinderniſſe man ge 
ſtoßen if, wie man fit beſeitigt, wierman nad) md nach die 
Bildung verdeffert und erweitert, Befonder aber, "woran es 
ſich in unferer Zeit hauptſaͤchlich ftößt, woher man die noͤthi⸗ 
gen Konde gewonnen hat. Der praftiihe Paͤdagod lernt batı 
aus mehr, als ae allen idealiſchen Plänen, :und ber Ge 
ſchaͤftemann überzeugt fi dadurch auf die‘ befte Att, daß das 





Werth Leber die —C Ehren. Bippe, 338 


möglich ſeyn mußte, amt irgend wo etc lid war.” Erwas 
Aehnliches hat dar Verf. in dieſem hiſtoriſchen Berichte gelier 
fert; doch hätte-er den Zußand dee Schulen, che man ihre 
Verbeſſerung anfieng, und die Hinderwiſſe derſelben genauer 
beſchreiben ſollen, was ihm nach dem Aeten Leicht moͤglich gewe⸗ 
fen wäre, und was feine Sehriſt für den Geſchäftspaͤdagogen 
erſt vecht näglich gemacht Haben würde. Rec. kann indeß 
Manches nachholen, weil er mit' der Berfaflung "nad den 
Schulen des Fuͤrſtenthums Lippe fahr bekannt iſt. 

Die Schulen waren in. dem tiefften Verfall, als Ewalt, 
damals Prediger in Offenbach, als Seneralfuperintendent nad) 
Detmold, herufen wurde. Schlechter Gehalt der Schullehrer, 
daraus entfichende Norhwendigkeit, auf andere Art ihren Brod⸗ 
erwerb zu fuhen, Mangel aller Bildung ‚ todter und toͤdtender 
Mechanismus in den Schulen, Mangel aller Methode ben 
den Lefes und Schreibeuͤbungen, Mangel an zweckmaͤßiger Auf⸗ 
ſicht und Aufmunterung, zahlloſer Verdruß uͤber nicht bezahltes, 
vergebens eingefordertes Schulgeld, eingeriſſene Voͤllerey unter 
den beſſer beſoldeten Schullehrern, das Alles hatte die Schulen 
auf eine unglaubliche Art herunter; gebracht. Indeß hatte mau 
ſchon vor feiner Ankunft an Verbeſſtrung berfaiben gedacht, 
Ein Schuflehrerfeminar follte errichtet werden; ſchon War ein 
Plan dazu gemacht. Der damals. regiorende Graf Simon Aus 
guft hasse , aufden Vorſchlag des für alles gute fo warm⸗ thäs 
tigen Präfidentn von Hofmann, Die dazu erforderliche Sum⸗ 
me bewilligt; und «es konnte wirklich ſchon im Anfang Novem⸗ 
bers eingeweiht werden, da. Ewald im October angekommen 
‚war. Jetzt wurde aber · auch «ein Plan zu Verbeſſerugs der 
Landſchulen ‚von dieſer entworfen ‚ übergehen und genehimige. 
Darin war eine beſſere Unterrichtamengode vorgeſchrieben, und 
zu dem Ende eine populäre Anmpifaug für den Schullehrer ig 
den Druck gegeben ; und an alle Schullehrer verſendet. Die 
Beſoldungen der Schullehrer wurden nach und nach erhoͤhet; 
auf Gebrauch der Bibelgeſchichten wurde gelungen, und⸗ zu 


RF * Tg 
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832 Werth U⸗ber die Flementarſchtgen im Fuͤrſtenth. Lippe, 

den Ende ein nur zu weitläukiges Liſebach von Ewald hert 
ausgegeben. Um das zeitraubende Vorſchreihen umd Schicht 
ſchreiben der Schullehrer zu verhindern, wurden geftochene Vor⸗ 
ſchriften eingefüßer, und was noch jetzt uͤberall noͤthig wäre, 
an jedem Orte die Bauefrichter zur Beytreibung des Schuigel 
des beflimmt, "das in eine Seneratfhitgeldfaffe, und aus ihr den 
Schullehrern ansbezahlt wurde, die dann feinen Verdruß mehe 
darüber und feine Reſte gu befürchten hatten, weil durch milde, 
hohe Unterftägungen die Reſte gedeckt waren. Das letztere fand 
große Schwierigkeiten bey Beamten, Reskbeamten und Bauer 
richtern ; fie. wurden aber durch die Feftigkeit des Gonverne⸗ 

ments befeitigt. Ein Jahr nach Einführung diefer neuen Ord⸗ 
sung befuchte Ewald alle Schulen des Landes, und prüfte alle 
Kinder ſelbſt. Hier fand fich erſt der tiefe Verfall von vielen 
bieſer Schulen, und wie wenig alle Verordnungen geholfen has 
. ben würden, wenn nicht ernfllihe Unterfuchungen angeftellt 
. worden wären. — Eine Reformation auf dem Papier Gefchräntt 
fi) auf das Papier! — Auch diefe allgemeine Schulviſitation 
fand Schwierigkeiten, weil fie etwas Neues war. Manche Bes 
zirksvorſteher fanden ſich dadurch beleidigt, fie waren aber bald 
verſoͤhnt, abe ihren Ewald anbot, auf in feinem befonderen 
Bezirk zu »ifitiren. Es wurde ernfllich gegen den allgemein 
eingerifienen Mechanismus gearbeitet, und Rec. war ſelbſt Zenge 
kan, als einem Schullehrer das, was er fi im Seminar 
hatte abfchreiden und auswendig Ternen laſſe, wodurch atfe 
dem aften Mechanismus ein neuer untergeihoben werden follte, 
ins Ferner gemorfen wurde. Die Viſitationen, bey denen ſich 
viele Prediger, Schullehrer, mehrere Candidaten und benad« 
Harte" Honoratioren einfanden, bie Prüfungen, die öͤffentlich 
in den Kiechen gehalten wurden, die dabey gehaltenen Neben, 
Die vertheilten Prämien, Alles das weckte und belebte das 
Jutereſſe für Schulen und Jugendbildung, das gänzlich geflams 
en war‘; auch wurde dadurch der fehr in Verachtung sefommer 
ne Stand der Schullehrer wieder gehoben. Her. erinnert ſich 
wöch mit Wergnägen, welche Wirkung es that, ale ein braven, 





PB Atber die eiepanasfände im Bora. Rippe, 333 


alter. Schullehrer von dem Btneratfuperimtendepten oͤffentlich 
umarmt, 'nb fein treue Diitarbefter genannt wurde. Auch 
ein Omgeihe wurde im der Folge errichtet,” als“ Einsr der 
Erften Semingkiſten, der Brave Cantor Puſtbuchen, eine Zeit 
lang in der Fremde auf Staatskoſten, in’ die Geheimniſſe dee 
Toͤnkunſt war eingeweiht worden. Er war zuletzt im Stande, 
große muſikaliſche Stuͤcke in’ der Kirche aufzgfuͤhren, und ver⸗ 
beſſerte den Kirchengeſang in Detmold durch Vorſingen der 
Melodieen betraͤchtlich. Indeß konnte allerdings dieſet Ans 
fang der Schulverbeſſcrungen noch nicht fo weit kommen, als 
er in der Folge kam, und jetzt il. Man muß fh nur wun⸗ 
dern, daB fi auch die erfien Seminariſten weit genug forts 
bildeten, um duch Beautwortung einer aufgegebegen Frage 
den erfien Preiß unter fo vielen Concurrenten erhalten zu 
koͤnnen, den wirklich Einer derſelben erhielt. Nach Ewald⸗ 
Wegberufung wurde das gute Werk von dem feel. von Chin 
in gleichem Geiſt und mit gleichem Eifer forigefeht: Es wuͤr⸗ 
den einige Verbeſſerungen oder Erweiterungen vorgenommen, 
und er wurde darin von der trefflichen Fuͤrſtin Panline eben 
fo weiſe als kraͤftig unterſtuͤtzt. Gu wurde eine Leſegeſellſchaft 
zur Fortbildung der Schullehrer errichtet, und Coͤlln ſchrieb 
sinen Catechismus, der anſtatt des für feineZeit paffenden, 
auch jegt noch theilweiſe trefflich, aber von manchen Seiten 
ontiquirsen und allzu polemifchen Heidelberger gebracht werden 
follte, der auch im Weſentlichen brauchbar iſt, mwewigftend, 
worauf Alles ankommt, eine pofitio s chriſtliche Tendenz hat. 
Aber. das Wohlthaͤtigſte, was zu Coͤllns Zeiten für Jugendbil⸗ 
dung in der. Refidenz umd im Lande geſchah, war die Errichs 
tung einer Pflegeanftalß in Detmold, in der ſich ein Kranken⸗ 
haus, Arbeitszimmer für Perfonen beyberleh Geſchlechts, eine 
Suppenanſtalt (vermuthlich nach Rumford), zeine Aufbewahs 
rungsanſtalt für Heine Kinder (die man in allen kleineren und 
größeren Städten haben follte) und eine Freyſchule findet, bie, 

zugleich Induſtrieſchnſe iſt, die. 120 Kinder zaͤhlt, welche ung 

"or Unterricht: und. Older befommen., : MR ihnen was 


33H Werch ucher die ementarigulee hin Fuͤrkench Syhe 
von oder find jepe-wenieftens auch Induſtrieſchalen im san 


Lande verbunden, ' deren ſJich jegt 6 finden, in denen, mf 


einem genauen Verzeichniß, im Jahre 1808 bie 180g 12,500 
dinfache Binden Wollgarn gefpounen , 8,oga Paar neus Strim: 
pfe und B6ı Paar Handſchuhe gefickt, 4,586 Faar Erin: 
fe angeſtrickt, vieles genähet, mad Damit 2,540 Thaleg ver 
dient worden find. Es verſteht ſich, daß dieß der geringfe 
Wortheit, der größere aber, die Gewoͤhnung an Fletß und gute, 
vrdentliches Arbeiten iſt. (Rec. wundert ſich, daß ben diefen, 
wie bey fo vielen Zndufriefäuien, daB’ Flicken gper Stopfen 
nicht gehbe, „winigens nichts davon erwähnt wird, was doh 
in allen Hauchaltungen fo vortheithaft und nöthig zſt. Anh 
Hätte er gywünfct, beſtimmt zu wien, ob auch Knaben jr 
Uebung im OStricken angehalten werden, welches in jeder Hin: 
ſicht vortheibaft für die vielen Rabe wäre, die fihim Lip 
piſchen at Wich huͤten befhäftigen müffen.) Unter dem jegi 
gen.würdigen und für Landjugendhildung ebenfalls ſehr chätigm 
Generalſuperintendenten Werth wurde, und wird Alles, mat 
dazu gehört, mir Weisheit und Eifer fortgeſetzt, was freylich 
unter einer ſolch en Fuͤrſtin leichter, als anderswo if. & 
find Schullehrer⸗ Eonferengen eingeführt, den Schullehrern wei: 
den, Preißaufgaben gegeben, und die beften Beantinortungen 
erhalten Prämien von 6, 5, 2 Louigd’or. (Rec. würde liche 
Medailles vorgeſthlagen haben, Die dem Belohnten Kleber 
und gloichſam eine ganze Familie adeln.) Es find feit sı 
Jahren 24 neue Schulhaͤuſer gebaut, und faft alle veparitt 
worden. Schon jetzt iſt der geringfte Schuldienſt auf 60 The 
fer (108 fl.) geſetzt, und es ift Plan der edfen Fuͤrſtin, dab 
Bein Schullehrer weniger: als 120 Thaler (816 fl.) Einnahmt 
Haben ſolle. Um ficher zu ſeyn, daß Alles fleißig nad der 
eingeführten. Methode behandelt werde, vifitiet der General 
‚ aperintendent alls drey Jahre, alle Schulen des dandes. 

WMaächtr es doch in allen ‚größeren Ländern fo gut um dit 
Augendbtldung des: Landvolks fliehen, wis in dieſem kleineren! 
Möchten dog alle Regenten und WMiniſter, fo viele chärig 





Wenh Ueber die Elementarſchulen tm Büren). Lippe. 335 


Theilnahme an dieſer wichtigen Staatsangelegenheit nehmen, 
wie die edle Fuͤrſtin Pauline daran nimmt! 

Es, iſt wenig, was der- Rec. bey den neuen Eimichtun⸗ 
gen anders wuͤnſchte. Das wäre nur ai) Fine wene Auflage 
des Ewaldiſchen Leſebuchs, über Bibelgeſchichte, in welcher 
nur DR, yat“ Weclung echter Religioſitaͤt unmittelbar dienen⸗ 
den Geſchichten wit dem nöhigen Detail ergähtt, die Abrigen 
aber nur. um des Zufammenhangs willen kurz berührt. wers 
den. 2) Daß der dritte Theil diefes Leſebuchs nice cher zu⸗ 
rüdgelege” worden we, bis ein anderes, beffereg, etwa 
das Jankerſche, oder das, durch Paulus. und Mans 
nent besrächtlich verbeſſerte Seilerfche, mis Weglaſſung des 
vielen Sitteniehren wäre eingeführt worden. Min muß nilhts 
nehmen, ehe man etwas befjeres dafür gegchen hat. Wenig⸗ 
ſtens koñnte es ſo, lange Handbuch für die Schullehrer fm, - 
3) Daß man die, ohne ſchon gehbten mathematiſchen Scharf⸗ 
fan, immer nur mechaniſch zu treibende Algebra, aus den 
Lectionen der Schullehrer weglaffen, wenigkens gur- die-popus 
läre Behandlung derfelben von dem Prof. Lado mug eins 
führen, oder flatt derfelben mehr Stoff gebengnöge, der dem 
Schullehrer in der Zukunft nörhig iſt, und dem: er in bee 
Folge nicht fo leicht und fo wichtig fammien kann. 4) Daß 
man wenigſtens die fenglihen, von dem Generalfuperintens 
denten zu haftenden Schulviſitationen noch immer in den Kirs 
dien des Kirchipiels halten möge... Der ganze Act kaun durdh 
Gefang mit der Orgel Begleitet, feyerlicher und dadurch 
die ganze fo wichtige Sache der Jugendbiidung auch der Ges 
meinde wichtiger gemacht werden. Die Eltern können die 
Fortschritte ihrer Kinder Hören; den Kindern wird die ganze 
Sache, des Schulunterrichts Heiliger, ‚und dem. Viſitator Geles 
genheit, der Verfammlung Manches m fagen:, was eben wes 
gen der Feierlichkeit oft unvergeßlich Ft. Sollte fih das Weg 
daran floßen, daß profane Sachen in. der bloß fÜr das Res 
ligioſe beſtimmten Kieche vorgenommen werden, was doch Rec. 
nirgends bemerkt hat, fo koͤnnte Buchſtabenkenntniß, Buchſta 


136 von Kolb Der Geiſt des Gebehes. 


bieren, Rechnen, Geographie, Naturgeſchichte 2c. in der Schul⸗ 
ſtube geprüft, das Uebrige mie dem Erwachfenen abet 

ßens in der Kirche vorgenommen werden; ob er gleich feinen 
Nachtheil davon fehe, wenn das Volk Huch Gewohnheit fos 
weit gebracht würde, Alles für Heilig. anzufehen,, + was die 
Bildang ihrer Kinder betriſft, wozu geräde Vie Prüfang in 
den Kirchen, als "einem heiligen Dxte, wenn Man, vous ges 
wöhnt wäre, mitwirken könnte. 7 





Der Geil des Gebethes zur Helligung des Soun⸗ und Feyertaäglichen 
Sottesdienſtes. Ein Tarholifches Gebethbuch zum allgemeinen 
GSarauche. Bon Cajetan Maria Fibebis von Kolb, 
Marren a Augeburg 1506, bey Kransfelder. M16 ©. 

3. (a0 fe)” .. 


Der Bert. dieſes Gebetbuchs handelt zuerſt fehr weitläufig 
®&. 1 —5ı von dem Geiſte oder der Gabe des Ge— 
Hets, und gehet dabey von Srundfägen aus, wieiman fie 
in den Asceten des Mittelalters findet. Dann liefert er Se 
bete jeder Art nad dem Beduͤrfniſſe feiner Dorfgemeine, für 
weiche fein Buch zunaͤchſt beſtimmt if. Den darin herrſchen⸗ 
ben Geiſt glaube Rec. durch den Anfang des Gebets, das 
©. age an den Sonntagen in der Pfarrkirche zu Boos nad 
ber Veſper ‚gefprodhen wird, am beften zu fdhildern: „Ewiger, 
dreyeiniger Bots! welchen wir im wunderbarlihen Sakramente 
wahrhaft zugegen mit feftem Glauben befennen, wir beten 
dih am in Kleffter Ehrfurcht; wir beten dich an, allerheiligſte 
Megihheit Jeſu Chrifti unfers Erloͤſers! vornehmlich beten 
wie di an, göttlihes, im uns Megichen unſaͤglich verficbtes 
Herz! wir banken dir unendlich für deine unermeffene Liebe, 
mit welcher du in dieſem unſchaͤtzbaren Geheimniſſe bis an 
Das Ende der Welt bey uns wohnen umd bleiben willſt, we 
du uns fortwierig mit unzählbaren Gnaden und Wohlthaten 
üderhäufeft; je dich felbft zur Epeife und Nahrung uns dars 
gibſt. Indeſſen erinnern wir uns der fo Hielfältigen Schwa⸗ 
Gen, Unbilden und Entunehrungen, denen du in diefem zarı 
ten Liebesgeheimnifig ſtets ausgeſetzet bift, weiche die die .Ums 
glänbigen und Ketzer, die gottlofen und verruchten Drenien, 
ja auch ſelbſt die Mahraläubigen und Chriften von zu 
Zeit authun. Wir machen dir dafür mit ganz“ beträbten Ser⸗ 

n die demüthigfte Abbitte.“ Man ſieht daraus, wie übers 
aupt aus dem ganzen Bude, tie. weit der Werfüffer,, in 
Ruͤckſicht auf Sprache und Begriffe, hinter den beſſeren afces 
ſchen Schriftſtellern der katholiſchen Kirche zuruͤckzeblieben fey. 








[3 
1) 2 
L 


No, 22. Seidelbergiſchen 1811. 
Jahrbücher der Literatur. 


5 1 





rn 


Hardin gs Himmels - Atlas. Erste Lieferung, Hamburg bey 
Friedrich. Berthes. 1509. (3 Rthlr.) 


Wan diefer Adſſchrift — denn das eigentliße in Kupfer 98. 


ſtochene Sitelblatt wird erſt mir der legten @ieferung ausge⸗ 
geben werden — erhalten wir die erſte aus vier Blaͤttern be⸗ 
ſtehende Lieferung der von dem Prof. Harding zu Gottingen 
verfertigten neuen Himmelscharten.“ 


Der rühmlih bekannte Verf. hat in mehrere gelehrte 


Blaͤtter, unter andern in die Monatliche "Eorrefponden B. 
XVII ©. 474 f. eine eigne Ankuͤndigung über ben we und 
‚die Einrichtung diefes neuen Himmels: Atlaffes eingücen laffen! 
‚Wir glauben-darauf im Allgemeinen verweilen, and für fol 
: gendes bemerken zu dürfen. 

| Wer die Duͤrftigkeit unfrer, felbſt der neuften Himmels⸗ 
charten kennt, wird ohne weitere Erinnerung das Verdienſtliche 


des Unternehmens unfers Verf. einfehen. Bey der Mothwens - 


digkeit, die nenen, den Heinen Sternen an Licht, Farhe und. 
Größe ganz Ähnlichen Planeten bey ihrer Wiedererſcheinung 
von denſelben ſogleich zu-unterfcheiden und zu beobachten, bey 
‚dee Währſcheinlichkeit vieleicht noch mehrere folche bisher 
unbekannte Himmelskoͤrper aufzufinden ‚' endlich zur Beobachtung 
und Vorherbeſtimmung der Bedeckungen der kleinern Fixſterne 
vom Monde und den Übrigen Planeten, leiſteten die bisheri⸗ 
gen Charten wenig Huͤlfe, denn ein großer Theil der kleinern 
Sterne fehlt darin gaͤnzlich, und: eine „große Menge derfelben 
‚it, durch unvollkommnere Beobachtungen geleitet, irrig einges 
Wagen. Wir find weis entferne, dieſe Maͤngel den Verf. der 
bisherigen Sfmmelscharten zum Vorwurf zu machen: fie gaben, 
das fie Hasteırz aber ber Sorrath an Bmeiatien war gu därftigs- 


\ 


% 


[X 


338 Hardinge Hilsmelsellat. 


Der Verf. Bat es fih gar Pflicht gemacht, allein ben Wesgeinifiee 
won Mayer, Piazzi, Bode und von Zah, fo wis in der Histoire 
" celeste frangaise Tom. I. vortommende ®terne in feine Himmel⸗⸗ | 
charten aufguhehmen. Zwar bieten fich dem zumal bewaffneten 
Auge noch fehr 'wiele kenntliche Sterne bar „aber der Verf 
‚tung, wie wir glauben, billig Bedenken, de ehe fat ven 
Jzeichnen, und ſchraͤnkte ſich bloß auf diejenigen a \ deren 
Pofltion qutweder fhon ganz zuverläffig befannt N der dech 
nach Maßgabe der Verzeichniſſe, aus meiden ſi —2 
wurden, näher ausgemittelt werden kann. Mehrtere Stern 
6. bis 8. Größe beobachtete der Verf. ſelbſt Mrd Gftiingt 
„Monerguabtanten. Er Hat Fe mis einem kleinen Sirich We 
eihuet, um anzubenten - daß fie in den ‚bisherigen. Werft 
* „ niſſen fehlen, um dadurd) den Aftronomen die unnüge Mil: 
. des Auffuchens zu erſparen. Jedes Blatt hat in FVr Laͤnge 
* 24 Zell und in ber Hoͤhe 19%, Zoll. Es umfaßt einen Raum Ä 
yon 40° In grader Auffteigung, und 34° in der Abweichung, 
RR Wichir 1560 Quadratgrade, von welden jeder einzelne etwa 
9 Linien im Quadrot groß iſt. | 
n Wir baden jetzt die vier erſten Blaͤtter diefer nenen Kim 
. „melseharten vor uns; mad) der Ordnung des Atlaſſes find ſie 
‚Mr. 1, 2,9, 9 — Wir willen zuvorderſt ihren Inhalt am 
‚geben. 
Das erfle Blatt umfaßt den Himmelsraum von 0’ I 
‚4ı°-in graber Auffleigung, umd von 15° nörbläher „Sie —* 
faͤdlicher Abweichung. Es finden fi auf dieſem Watte ei 
Theil der Sternbilder des Widders, der Fiſche, des Wallfiſchtt, 
und des Eridanus. — Auf dem 2. Blatte, von Jo° big 51° 9 8 
und 28° noͤrdlicher Bis 6° füdlicher Abweichung, find Theil 
® der Sternbilder des Wallſiſdes, des Stiers, des Widdet, 
bder George Harfe, des Eridanus unp dee Oribns vcrzcns. 
— Das 3. Blatt geht von 27° nördlicher bis zum 7° Tao Ib 
weichung, und in ber graden Aufſteigung von 285° bis zum 201" 
Es befinden Ach Auf demfelben Theile folgender Sternbilde: 
—W Jungfran Haupthaar der erenise "und Vecher. — 








|  Hebtage Oimmelsauu. 339 
Das g Blatt endlich Tiefert Stuͤcke der Sternbilder der Fiſche, 


des Pegaſus, des: Waſſermanns , des Wallſtſches, des Stein ‚ 


bocks, das Luftballöns, der Bildhauer⸗ Werfflätte und des Tüds 
lichen Feches. Es umfaßt die Himmelszonen von 3° nbrdlicher 
bis 29°. ſuͤdlicher Abweichung, und von 3190 bis 0° in der 
graben Aufee ng. — Dee Stich diefer Eharten tft deutlich 
und gta nur Haͤnen wir gewünfcht, daß das Papier etwas 
weißer guägsfollen wäre — Go viel vom der Außen Einrich⸗ 
tung. Witf wendeen uns nun zu dem Inhalt ſelbſt, und hier 
muͤſſen wir Fteiße und der Sorgfalt des Verf. die größte 
Gerechtigkeit Widerfahren laſſen. Wir Haben es ung zur ſtren— 
gen HPflicht gemacht, anf jedem Blatte mehrere Zonen von 
zwey bie’ drey Grad in der Abweichung der ſchaͤrftten Prüfung 






und Vergpihung mit den bekannten Werzeichniffen  ju users ' 


werfen. Wir können daher unfer günfliges Urtheil und vers 





diemtes Lob nicht anf bloße Anfche,- fondern auf mähfame 


Unterfuchung geünden, ‚weiche ganz zur Ehre des Mer. ausk 
fiel. Daß man auch in diefen ſchoͤnen Charten noch duf ‘bes 
teächtfiche leere Räume von mehreren Quadratgraden ſtoͤßt, in 
denen wahrfcheintich, und wie uns eigne Beobachgung zum Theil 
gezeigt hat, ſich mehrere kenntliche Sterne finden, gereicht dem» 
Verf. beineswegs zum Vorwurf. Denn theils iſt bey einem 
Unternehmen: diefer Art, und bey der fat unermeßfichen, Zahl 
Sserne die hoͤchſte Vollſtaͤndigkeit ſchlechterdings unetreichbar, 
theils dte die Poſition einer großen ‚Menge diefer Sterne 
noch nicht hinlan dlich beſtimmt ſeyn, um ſie in die Himmelss 
charten aufzunehmen. Wir wiſſen es Daher'viefmehr dem Verf. 
Dank, daß er diefe Räume nmicht mis zweifelhaften Geſtirnen 
beoötßerte, fondern fie leer ließ. Ein jeder Aſtronom kann run, 
pen er vitien dieſer Sterne beftimmt , "ihn an dem gehörigen 
Ort Haren, und 'eine vermehrte Auflage dirſer ſchaͤtzbaren 
Charten durch eignen Fleiß ſich verſchaffen. Ueberhaupt konnen 
wir es uincht genug allen Aſtronomen empfehlen, ihre Eremr 
plare "von Himmelscharten, ſo wie ihnen Verbeſſer ungen und 
neuere Beſtimmungmn bekannt werden, auf der Stelle zu com 


» ®e 


340 Kl über Im Kometen von 4807: 


rigiren. Dieſe Mühe if leicht, fie wird aber ſehr dehdınd, 
wenn man die Verbeſſerungen ſich anhaͤufen laͤßt. 
Nur zwey Bemerkungen erlauben wie uns noch. 
Erſtlich Haben wie "ungern bie Herſchelſchen und andır 
Nebelfleche, wenigſtens die Eenntlichften, auf den Charten vn 
mißt, indem bey der Entdeckung won Hometen vs ehe wichtig 
iſt, gu wiffen, ob ſich ein kenntlicher NebalfleE in jer Dihe 
befindet, und man Nicht Gefahr laͤuft, dieſen enge ſur einen 
vermeinten Kometen zu halten. } Pr. | 
Zweytens find wie zwar darin mit dem "Verf. und 
einigen Recenſenten einverſtanden, daß die Figukch der Stern 
bilder, fo. wie fie die meiſten Charten auabrüden, mehr She | 
den als Mugen bringen.” Aber gen ‚hätten wir: dod ge 
wönfcht, die Umriſſe des, Bilder nur mit einer zarten Ein 
ig einer Okizze angedeutet gu fehen. Die Altern Aftronemer 
vor Bayer, und ſelbſt mapde nad) ihm, bedienten ſich zur 
Deyihnupg.- der Sterne weder der Buchſtaben, noch dt 
Ziffgen, ſondern deuteten fie durch den Ping an, ben fie im 
Sternbilde einnahmen, z. ©. im rechten Korn bes Gries 
u. ſ. w. Will man eine foldhe ältere Poſition mit den Thon 
Ta des Werf. vergleichen, fo macht das Aufinchen Mache, un 
man muß einen andern Atlas zur Hand nehmen, um dab 
Verlaugte zu finden. Vielleicht evfühle der Verf. dieſe unſte 
Wanſche bey den folgenden Lieferungen, deren Erfgeimung ws 
mit Ungeduld entgegen fehen. DE u Zu 


| 


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— — — mM 





Untersuchungen über ‘die 'scheinbare und wahre Bahn des in 
Jahre 4807 erschienenen grofsen Kometen, van F. W. 
Besselt, Professor des. Astronsmie in. ‚Königshert- 

\ Königsberg , * bey Friedrich Nicolovius. ‚VI u. 526. * 
(a Rthlr.) x 


Se feltener ſich feit einer langen Reihe, von Safren 90 
meten zeigten, Die entweder durch ihre. Griße, obem bush die 
gange Dauer ihrer Sichtbarkeit merkwardig weichen, um it 
mehr mußte-ber.im J. ‚1807 arſchienene, und noch im Elli) 


Beffel über den Kometen von 1807. 341 
1808 beebachtete Komet die "Aifmatfamleit der Aſtronomen 
regen, zumal da er, wie der Verf. (S. V. Vorr.) richtig ee. , 
innert, "zu den idensgen gehört, Deren elliptiſche Wahnen fi 
mit Sicherheit beflimmen taffen. — Die Belanntmarhung ber 
von dem Verf. zu Lilienshal und an andern Orten angefellten 
Seobadfftungen, verbunden Mit einen-Entwicehmmg der Elemente. 
feiner ſcheinbaren und wahres Bahn, verdient daher den waͤrm⸗ 
fen Dank allet Afteonomen,, die wirkliche Wahrnehmungen - 
und grundliche Theorie den leeren Traͤumen und Hppothefn 
vorziehen, takt „weflhen- mar’ leider gegenwärtig fo vielen Unfug 
treibt: Bao aus der Wiſſenſchaft werden, wenn letztere 
die Oberhand behalten ? Die größten Gentes, Kepler, New⸗ 
ton und’ Ba Place haben den erften Weg zum offenbaren Bes 
winn. füg,die -Stermbunde betreten. Ss gereicht uns daher zue 
beſo Frende, daß der Verf. ſich von der Ochule des Tages 
trennt, und ſich ſtreng an wirktiche Beobachtungen und mathe— 
matiſche Analyſe Hält. 

Der Komet wurde zuerſt am 9. September 187 ven 
einem Auguſtinermoͤnch zu Caſtro SGiovanni In Sictlien goſe⸗ 
ben, am 20. September beobachtete man ihn zu Palermo, und 
am a1. auf der Sternwarte za Marſeille. Am tängften vet »" 
folgte man: ihn zu Petersburg, und zwar bis zum 27. März ® 
808. Die Sichtbarkeit des Kometen ‚dauerte alſo 196 Tage, , 
und ſeine⸗ Veobochtungen myſaßtea einen ittranm von 194 
Tagen. * 

Er due chwanderte in dicher Zeit die Seernbilder der Jung⸗ 
frau, dee Mag, der Schlange, des Herkules, der Leyer, dep 
Schwans, der Friedrichsehre und der Kaſſopeie, wid verſchwand. 
in der Andromeda. 

Der’ Verf. entdeckta den . Kometen: zu rillenthat m.“ 
October oꝝ sy gleich darauf nahm ihn auch ber Juſtizrath | 
Schrote wahr. Beyde Beobachter theilten ſich nunin Die 
Geſchaͤteſo daß: Schröter die phyſtfchen Wahmehmungen, 
dem Verf. die Ortabeſtimmungen des Weltkoͤrpers zufielen. J 
Nur die· letztern heilt Prof. ©. in der gegenwärtigen Scwift 


» 


342 Beſſel Über den Ameten von "1507. 

mit, indem der Juftgrath Gahter bie feinigen Im nen gem | 

Werke befannt machen wird. Ä 
Der Berf. bediente Ab zur Beſtimmung der. Dexter dei 

Kometen eine in dem Brennpunct eines ficbenfüßigen dar 
fchelihen Teleſcope angebrachten Ereisförmigen Blendung, ode 
eines fogenannten Kreismileomereit. ehr ſchoͤn und vraktiſch 
ind die Bemerkungen uͤder die Berichtigung dieſes Mikene 
ters. Sie verbienen um ſo mehr Empfehlung, je de 
mande Aſtronomen, wie wir aus Erfahrung wien, - hierbey 
die noͤthige Vorſicht vernachlaͤſſigen. So z. B. ig es vor alen 
Dingen nöthig, daß man ſich nicht nur davon verſichert, dei 
die, Blendung wirklich ein Kreis IR, ſondern daß man auf 
anf die Lage des großen Gpiegels und die unyerrückte Oh 
lung des Denlars Ruckſicht nimmt. Eine Verſchichung des 
letztern um eine Linie vermindert den Durchmeſſer das Geh: 
felds um 2’',e, und de detſelbe bey allen Beſim mungen zum 
Grande liegt, und Die Vafis der gaggen Rechnung ansmaht, 
$o aſt· der letztere Umſtand -aufererdentiih wichtig. — Bir 
glauben einer’ Nachlaͤſſigkeit hierbey manche auffellende Ancma 
lien der, mit dem Kreismikrometer angefteliten Beobachtungen 
zuſchreiben zu muͤſſen; zum mindoſten haben. mie ſelbſt bey 
Beſtimmung des Sehfelbs noch größere Unterſchiede ‚gefunden, 
wenn mar das Ocular, wis es oft bey der ungleichen Beats 
kraft des Beobachters zu geſchehen pflegt, verſche 

. „Die, von dem Betf. 5 8 gegebnen X Beſtim⸗ 
mung des Durchmeſſers der Freigförmigen Wendung fhıd chen 
fo elegant, als genau. Wir Haben und derſelben, oder aͤhnlicher 
mit großem Mugen’ bedient, Den Durchmeſſer feines Sehſens 
fand der Verf. 366 53''8, * 

Beherzigt zu werden verdientn was der Verf. Ali die 
Unficherheit. fügt, Die thetis ‚von-den "Eins ad Accdetritt bei 
Kerns des Kometen ($. 15), theils von’ ber. wurichtägen Br 
: M!mmung der kleinern Sterne, die mag zudr Wergieihun 
braucht ($. 13), emtfiehen kann. De der Koritnidge, allemal 
ſcharf besramt erſcheint, mithin der Augenblick feinen: Eintriu 








Beſſel uͤber den Kometen ven 1Sch. s43 


und Anderuto etwas pweifelhaft Heift, Bingegen bie Eterne 
in demſelben Moment erfcheinen‘, umd wieder verfchwinden, fo .. 
kann das ‚einen Fehler erzeugen, weichen der Verf. in der Regel 
auf 10”, ey ungänfigen Beobachtungen auf 15”, und bey 
den ſchlechteſten auf 20’ ſchaͤtzt. Wenn man füdlihe und 
noͤrdliche Sterne mit dem Someten vergleicht, und zwar felde, 
die ihm kurz vorher gehen, und nicht zu ſchr in der Abwehr 
chung msihisden find, fo tät ſich jener Jerthum in ziemlich 
enge Grängen einſchließen. Was hingegen bie kleinern, vors 
zuͤglich in der Hästeire cdieste francaise enthaltsen Sterne 
betrifft, fo iR Die Bemerkung des Wasf. leider wahr, daß man 
ſich auf fie nie mie Sicherheit verlaffen darf. Es feinen 
bey manchen, Seobachtungss und Mebustionsfehler ſich einge⸗ 
ſchlichen zu Haben, weiche den Werth diefer fon ſchaͤtzbaren 
Somminng vermindern. Wenn ‚aber nad dem Bepfpiel ber 
Ber. alle Afronomen: genau bie verglichenen Sterne anzeigen, 
fo wird das Gelegenhen und Beranlaffung geben, auf großen 
Oternwarten Me Richtigkeit der Doftionen zn prüfen, up (pie 
ju verbeſſern. — Mi diefen genaueren Beſtimmungen laffen 
fh dann auch Die, aus dem fehlerhaften Sternen abgeleiteten 
Oster der Kometen leicht corrigiren. 

Im 6: 14 von ©. 10-56 theilt der Verf. feine ju 

Lilienthal angeſtellten Beobachtungen umſtaͤndlich mit, und laͤßt 
auf fe Die des D. Olbers zu Bremen ($- 25) and bie won 
Thulis zu‘ Warſeille mit einem xonbridalnebe bemehien 
Obſervationin⸗ F. 17) folgeg. 
Die Gehgröftaft des Petersburger er nemen v. Wire⸗ 
niewaßy (heint“außerordeutikif zu ſeyn, denn .der Verf. eonnte 
mit feinen guten Augen und lichtſtarken Werkjeugen den 
Kometen am 16. 16. 17. März 1bo8, wo man ihn in Peters⸗ 
burg baohacheee, nicht erblicken. Gegen Orlanis mit einem 
Aequatorialſector zu Mailand angeftelite Beobachtungen (5. 19) 
macht des Werf. Erinnerungen, indem ſich Spruͤnge und Un⸗ 
terſchiede von. mehr als einer Minute yon einem dage vum 
andern zeigen .. 


—3 





® . 
4 


. 


. 
. 


zit Suhl. über den Karmeten-son 1607. 


- Uns den frühen Beobacktungen entwickelt ann ber Verf. 
feine erften paraboliſchen Elemente ($. 21), und verbeſſert fie 
durch fpätere Obfervationen ($. 22), fo daß die IV. Elemente 
($. 25) gut mit denſelben, und dem. Himmel ſtimmen. „Als 
fein es iſt Mar, fagt der Verf. ($. 48), daß man. Fehler de 
geht, wenn 'man ‘die Bahn eines Konfeten in der Mgrausı 
fegung, ſie fey ein Kegetfchwitt, berechnet. Die Atzracionen 


der Planeten. ändern "feine elliptifhe Bewegung unguf hoͤrlich, 


und es leuchtet ein, daß die. Vahn am Anfange Bir Erjſhei⸗ 
nung andere Elemente hat, als am Ende, durch die augenen⸗ 
mene Beſtaͤndigkeit der Elemente der Bahn uwingt man alſe 


die Beobachtungen des Kometen einer offenbar falſchen Hy 


potheſe zu entſprechen, ohne die Groͤße der darays erwachſen⸗ 
den Fehler atzgeben zu koͤnnen, und ohne ein Mittel zuhaben, 
ihrem Einfluſſe auszuweichen. So wind z. E. die Abwelchung 


der Bahn von einer Parabel, durch die Störungen ber Pla⸗ 


netten upı_eimen freylich kleinen, allein, wenn ſie wie gewoͤhm 
lich ſelhſt ſehr klein iſt, mit ihr verglichen, betsachtlich en Teil 


geaͤndert, und dadurch die Umlaufgjeit am Anfange ber Ex 


fcheinung von ber am Ende derfeiben ſehr verſchieben gemacht 


| "werben können.“ ? 


Diefe Betrachtung sewanfaßt. den Verf. ſich in der 2. 
Abtheilung S. 46 f. mit einer Entwicklung einertallgemeinen 
Meahsde, welche die Sthsumgen des Kometen beſimme, 0 
beichäftigen, und fo wenig dieſcibe eines Auspugs ik, fo 
baden wir. doch mit Vergnügen wpahrgenomnlin, mit eier 
Gruͤndlichkeit und mit melden. Schatffink Werf. dabey 
gu Werte gehe F 
s Mit Beruͤckſichtigung dieſer Störungen —* ſich um 
ber Verf. in der 3. Abtheilung, &, 65 fe, bie: wahre apa 
bes Kometen zu berechnen, und er findet finneigpe- ©. Gy) 
NI Elemente, die mir hierher ſetzen: 3 
Durchgangezeit durch Das Nerihelinm sd Septe 183745566 

‚, Ränge des anffieigenden Knoten .. REG”: 477 ua’, M 
Neigung der Bahn 635° 10’ a’, 10 










Connaissance des tems' an 4841.- 345 
Asftind des a v. euſpeis. Knoten 2 HB, 49 


- Kine Abſtond OMqGa 302 
Lag. deſſelben - 9,%031595 
Excentrieitaͤt = ı — & oz 0,99 Ba 
Salbe große Une J 143,209 
Undtanfogstt BE DE 1718, 6 Jahte. 


Es ſcheint alſo aus.alen von den Verf. geführten Unter⸗ 
ſuchungen gu erhellen, daß bdie Bahn bes Kometen keine Pas 
rabel, ſondern eine Ellipſe iR, und wir alſo deſſen Wieder⸗ 
tunſt ebta -fo wie Die: dad Hullehſchen erwarsen därfen. — 
Aein- nach ˖ unſrer Anſicht müßten wir die Darurbeihaffehs 
heit Der: Komelen genauer krunen, um ihte Wiederkehr wit 
Zuverhäffigegit zu hoffen. Hier liczt noch fo viel im Dums 
keln, daß, wenn. uns nicht ein Zufall auf ie Spur hilf, 
vielleicht eine lange Reise von Jahren erfordert wir; u um und 
zu him eſhoil in ver 


on vu 


va .. 
. in 





277 .t ,_ 


Connäissance des tems ou des möuvemens-celestes A Tüsige 
des. Astwonomes gt de Navigateurs pour l'an 1614. 
Publice par le Bureau des Langitudes, A Paris de ! im, 
‚primerie Imperiale Juillet 1809. 503 S. 8. 


Der Werth diefer vartrefflichen, den Airgnenen · ſdlea⸗ 
terdings: anenthehrlichen Eppemwiie,, hat ſich auch in berw ge⸗ 
gensohggigen Zahrgange Teinedweges oprımindert, vieimabr ſcheint 
derfeiße: tunter jnehr · ju gewinen. — Die neufen vom Laͤngen⸗ 
Bureau haransgehebenen Tafeln de Sonne ed a Monds 
von 'de. Leiubre und Buͤrg fir bey den vollſtaͤndigen Oertern 
‚diefen Vayden Himmeſctoͤrper allenthalben zum Gruude ·˖ gelege, 
und die Finſterniſſe der Jupiterstrabanten nach de Lamdre's 
Tafeln VBereciinat, welche ſich in-:ber 3. Augabe von de la 
Lande Astrbnomie befinden; — Wahrfcheinftch haben auch eben 
diefſe. Tafein zur Neſtimmung dag Deutz ber ‚Altern Planeten 
gedientt — Man hat alio ullenfhalben. die beßen Haͤlfsmittel 
gebtaucht/ um die Nechunngen ſo ſcharf als möglich zu führen 


346 , Connatssance des tems an #811. 


Die Einrichtung des eigentlichen Jahhrbuche  oillie wlı 
die des vorigen Jahrgaugs, und ſolglich umweräutset. Dan 
ſucht alfe- vergebens die Ephemeriden der neuen Plancten, und 
dieſer Mangel ſche i nt dem gegenwaͤrtigen Jahrbach deu Bor 
zug der moͤglichſten Vollſtaͤndigkeit zu rauben. — ‚Wir ſagen, 
es ſcheint, weil wir und. Äbergengen,. daß in’ der Tat dir 
halb fein Vorwurf flatf findet. — Es fragt ri oki: ob 
dieſer von allen Aſtronomen Igphaft gefuͤhlte, um "zmehrern 
.taut geänßerte Wunſch, die vollländigen —* er aeuer 
Planeten in Händen zu Haben, bey dem jegigen: Zukand ie 
Sternkunde mit Sicherheit richt werden Bann). — U 
dieſe Sache feit kurzem öfters zur Sprache gekymwen if, b 
wied es und erlaubt ſeyn, daruͤber wi⸗ ftreymghie veno⸗ 
kungen zu äußern. - 

‚Die Altern Planeten "unterfhcibe ſich durch Glanj und 
Größe ſelbſt in maͤßigen Sumähsen fo ſchr vom allen Fir 
ſternen, daß ſelbſt der mngehbtefte Meobachter nicht Gefehe 
laufen wird, ſie mit jenen zu verwecheln. Ganz anders ven 
halt es ſich mitzden neuen "Planeten. Ceres, Wera, Prüs, 
Kuno ſind an Größe and Slanz den kleinern Fiexſternen ſe 
aͤhnlich, daß nur eine ſehr genaue Kenntniß ihrer Stellung den 
Beobachter gegen den Irrthum einer Verwechſelung ſchutzt. — 
Selen” alfo Ephemeriden diefer Himmelsterper Hisezu Bienen, 
ſo Mes noffwentig, daß fle Awberft genau, wir nıbdhtem ſagen, 
haarfſcharf berechnet ndr Mer Fragt 76 9 num wor alle 

-Dingen, ob wir jur Berechnung Becher genauen Beſtiumungen 
bereits hinlaͤngliche Data ‚Hefigen, und dieſek giamben wir grade 
gu verneinen ga muſſen. — So unendlich vie ubte: in ·dieſen 
Puntte dem verehrungswärbigen Prof: Ga yorkanten, f 

‚ Mind doch’ bey feinen Ejementen die. Storungen nice beroͤcka⸗ 
tige, welche die Genachbarten: umd «felöft engfertftgen Planeten 
auf die Ceres, Dallas, Veſta und Juno Außen, Gay der 
geringen Sröße und Weaffe diefer Simmelsäötper maß bie Per 

turbation ihrer Bahn betruͤchtlich ſeyn, wenn fie ſich in dw 

Naͤhe des graͤßten Planeten unſers Syoſtems, dei. Jupitert, 


* 





Comnaissance des tems an 181}. 347 


befinden, Wie das z. B. noch im vorigen Jahre bey dir Pallas 
der Fall nr. — Diefe Biörungen muͤſſen nach den Geſetzen 
der Schwere nicht bloß die einzeinen Derter ber. neuen Plas 
neten. 'afficiegt, ſondern ſogar ihre Elemente ſelbſt botraͤchelich 
verändern. Eine naͤch den Elementen berrchnete Ephemetide 
wird Sucher. betrachtlich, und um fo betrůch lither vom Natel 
abweichen, je größer die Weörung war, und ji mehr fie auf 
die Eiemente felbſt wiſkte. "Che wir daher nicht mit den Pen. 
turbaͤtisnen ſelbſt, es fen burch empiriſche Beobachtungen, oder 

durch Wedei⸗ vertraute Bekanntſchat⸗ erworden baten, fü lange 
ung noch. ältere :Obfervariorrem: fehlen, welche ums Epochen and 


| Stebtungen. geben, fo fange dürfen wir nicht auf genaues Tas 


fein Hör newen Planeten rechnen, und dieſe beduͤrfen wir noch⸗ 
wendig, um zuvertäffien Gphemeriben derſelben zu liefen. — 
Diefe Betrachtungen zeigen, wenn: twis nicht irren, bie Un⸗ 
möglicleit, daß ſelche Jahrbacher, mie die -Oonimissance des 
tema und der Nauticul Ahnande, fie enthalten koͤnnan. Diefe 

Ephema diden meiden nicht allein Me (Guropa, fordern, auch für 
enlegenere Welnhele und Gipfagter. Herausagaeben. Sie můſ⸗ 
fen deher fo frhtenig, nah: mahnsee. Jahre vorher ericheinen, 
daß -W@utere. fie mitnehmen koͤnnen, und in jenen Fe vor die 
Epoche ihrea Sebrauchs anlangen. Ob eg. num mönlich iM, 
meheere ZJahre vorher die vollßandigen Serter der penen Pla⸗ 
neten bt ſolcher Schaͤrfz zu berechnen, daſy ſte nicht. bewädhtiuch 


‚vom: Himmel abweichen, Lenchtet won: ſeibſt ein, und mit eitzer 


Ephemeride, welche dieſer Forderung nicht entſpricht⸗ moͤcht⸗ 
ſelbſt dem Aſtageen auf: den: feſten Lande und in Europa 
wenig gebient ſeyn. Aſtronomiſche Zeitſchriften, 4. ©. bie 
Monatliche Conreivondeng des Freyheren von Zach ergänzen den 


Mangel, und ſetzen ihn im’ den Stand, auf dioſe nenen Ans 


 HmmlingeYagb zu mechen. Die Hülfstagefo ſind. ebenfalls 


unngsämbertigeblieben,, und haben nur hier und da Weubefferums 
gen schaften. Dam Verzeichniſſe geographiſcher Ortsbeſtimmung 
©. „176 fi möchte man sime Weitere Angdehnung ,: und: hiee 
nud da Denugung asuengs Hülfsquellen münjhen, 


DZ 


#6 Conmnaiasanoe des kems an kl. 


YUnper den Abhandiungen, oder Addigions uchmen juerſt 
die von Bouvard auf der kaiſegichen. Sternmarte-amgeficlten 
Veobachtungen einen betcädtliichen Raum ein (S. 239428). 
Sie find ſewohl am Mittageferneche, als am Wauerquadran⸗ 
“en gemacht, und gehen vom 1. Januar ıBo7 bi'3ı,. Der 

wember ıdoß, begreifen mithin der Zeitraum von guest uolen 
jahren. — Unter ihnen heſtaden. ſich jedoch nur vier Stern⸗ 
bedeckuagen, und dieſe Seltetgheit wirb, wie wir ‚de 
Aronomen Son der Nothwendigkeit Aberzeugen, ihrẽ fach 
asufeit auch .auf kleinere Sterme zu heften, um :dieſe Tür die 
geographiſchen Ortsbeſtimmungen allein. ſichern Phägamene zu 
sernielfältigen. Von dem neuern lasisten wurde nur dllein 
He Weſta vom 29. Min ado7 an ig grader Auffipigund, und 
vollſtaͤndig vow:1.— so. Juͤnins Boy besändtet:.:: Die Berb⸗ 
tungen des großen Kometen (S. 402, 408) nehmen: vom 
Ba Sept. 1807 an Ihren Anfang. Wen ©. 429-450 ſtellt 

der Graf La Place Umcgſuchuugen Über die Abnahme der 
Schiefe ‚der Ekliptik an, u ſie aus aͤltern Beobachtungen er⸗ 





hellet. Der Werſ. beſchaͤſfttht im Nawefk mie den Chimeſtſche 





VDeobacheungen, und befonbers:ded:won. Tcheeukong einda 1100 
Jahre vor Chriſti Geburt gemachte Gaubil md once 
And die Quellen, aus weiden:er die Echtheit / und die Aufern 
Data der Obſervation gu entwickeln ſucht, die mit ine mes 
a von acht Fuß augeſtellt wurde: Freret hat darüber meh⸗ 
zere. Unterſuchungen und Berechnungen "geliefert. Der Verſ. 
wendet darauf. feine in ber Mecanigue celeste. gegebenen For, 
meln an, und’ vergleicht Ge nod mit einendipepten :ver Are 
women Lieourbpang ‚uud Lorigiashong, „weiche in das Jahe 
104 vor Chriſti Geburt fäl. -Der Unterfhied- uifihen ber 
Serehmten und beobachteten Schiefe der Ekliptit beträgt nur 
9’ 4',ı, und diefer ift unbetraͤchtiich, wenn man in’ Erwägung 
sieht, daß hier ale Elemente, z. ©. Polhöhe, Bcattenläng: 
and felbft Die genaue Epoche mehr fih auf Vermuthungen, 
als apodiktiſche Gewißheit gränden. 





Comsaissaneo> des tems an 1841: 348 


Die 'yu Marſcille von’ Pytheas angeflellte Beobachtung 
folgt Hieramf. Ste gibt die Schiefe der Ekliptik — 25° 4g’ 
20°’, um aMfo 3’ 15% größer, als fie nach den neuften Tafeln ſeyn 
ſollte. Die, Ungewißheit dee Beobachtung ſelbſt entſchuldigt die 
fen Irrthum. Die, von Eratoſthenes etwa a5o Jahre vor 
Chriſti eburt angeftellte Beobachtung entfernt fih Hingegen nur 
um 22’’ von der Berechnung, eine, wie der DBerfaffer auch 
bemerkt, fehr merkwuͤrdige Uebereinſtimmung. 

Unter den Beobachtungen nach dem Anfang unfrer Zeit⸗ 
rechnung kommt zuerſt 175 Jahre nad C. ©. eine Chineſu 
fche vor, „weiche der Verf.’ meitläuftig, unter Anwendung der 
ſchaͤrfſten Hälfsmittel berechnet, und ihre Abweichung vom der 
Theorie nur um 44,1 größer finder. — Zwey andre Ehinefs 
She, des: Tſouchong vom J. 461 und des Atchoufong vom 
% 629 bieten dagegen größere Unterſchiede von — ı/ 0'',5 
and? + ı’ 47° dar. — El Barni beobachtete um 880 die: 
Schiefe der Ekliptik nur um 28’ größer, als die Theorie fie 
gibt, und Ebn Sounis im 3. 1000 um 24’ kleiner. — Noch 
weniger entfergt ſich Eocheons King von der Rechnung. Beine 
um 1279 beobachtete Schiefe iſt nur 20’ Peiner als die bei 
rechnete. — Endlich fand.fie iiiugh Bey im J. 1457 um 48° 
größer, als ‘die Tafeln fie geben. — Aus allen dieſen Dbfers 
Bationen folgt: unmwideriprechlich die Abnahme der Sciefe der 
Ekliptik, und.ihre Uebereineinſtimmung mit denen “in ben 
Mecanique celeste gegebenen Formeln zeigt, daß fie allein 
aus der wechlelfeitigen Anziehung der' Planeten und der Sonne 
herruͤhret. Wie glaußen den Lefern einen Gefallen zu erzejigen, 
wenn wir hier die beobachteten und berechnefen Schiefen den 
Ekliptik, ſo wie fie der Verf. ©. 460 anfaunmengetit, hern 
Ian * 








350 _ Connaissance des terms an..i6tl! 


Ver C. G. Beryobachtete Berechnete Uutetſchied. 
Schiefe d. Ekl. Schicfe d. Ekl. 


1100 Cheou Kong 23054 Do 23 — a 


350 Pytheas 3 BT —55 
250 Etatoſthenes su 7 BFH + az 
So Lieou hiang EHE” BF — 1,346 
Nach €. ©. 
373 Chinefen 234133 BT" Oo 
— 461 Tons chung 23° 38 52,8 03° 39 af" +1’ 07 


629 Lichonfong 340 Gr 235° — an 
880 Albategnius 235 By" FE — Wo 
1000 Ebn Jounis 25’34 026" 25°34 50 —— 84,0 
107779 Coheou King 23°3g4 2", 3’ 3eaa5 + 80”, 

. 21437 Ulugh Veigh E31" - nF — 0 

Ein ſehr merkwuͤrdiger Aufſatz bes nämlichen Verf., des 
Grafen La Place (©. 450 f.), hat den Ring des Saturns 
zum Gegenflande. — Bekanntlich har der Juſtizrath Schröter 
aus feinen Beobachtungen gewiſſer leuchtender Puncte bes 
Dinges gefolgert, daß derſelbe ein feſtes Himmelsgemölbe um 


den Hauptplaneten bilde, und feine Rotation habe. Da die 
Annahme den Geſetzen der Schwere zu wiberfpreggen fcheint, fo | 


ſucht der Verf. die von Schröter wahrgenommenen Erſcheinun⸗ 
yen auf eine fehr finnteiche Weife zu erflären, und fie mit der 
Jeorie zu vereinigen, indem er vermuchet, Daß jeder der deys 
den Saturnsringe aus mehreren consentrifchen Ringen beftehe, 
und, wenn ihre leuchtenden Stellen verrittelfi der Notation 
einander fchnell folgen, in dem Auge des Beobachters den 
Eindruck Hinterlaffen,, als 06 der nämlihe Punct unverrhdt 
geblieben fey. De Lambre's Abhandlung (S. 453), Über das 
roblem: die Polhöhe und Zeis der Beobachtung aus den 
oͤhen zweyer bekannten Sterne zu finden — ift durch dad 
befamnte Programm des Prof. Sanf über chen dieſen Ge 
uftand, veranlaßt worden. — Der fharffinnige Franzdſiſche 
eometer bemüht fih, zu zeigen, daß Ge Auflöfung dieſes 


ne ebenfalls durch die gewöhnlichen trigonometriſchen 
ormeln, ohne Beyhuͤlfe der Analyfe, erreicht werden Finue, 
und er hat feine Behauptung mit der ihm eignen Eleganz und | 


Gruͤndlichkeit unumftößlich bewieſen. — Wlan flieht Teicht ein 


daß dieſer Aufſatz feines Anszugs fähig if, um fo dringender 


muͤſſen wir ihn aber den Lefern zum eifrigen Studtum empfehs 
ten, um die in unfern Zeiten bin und wieder verfannten- Von 
zuͤge der Syntheſe nicht’ zu ſehr herab zu würdigen. NBis 


? 
’ 














"Pormponius Melä de situ orbis. 351 


glaudem uns zu dieſer Aeußernng um fo mehe berechtigt, da 
wir ſelbſt im Ganzen die Analyſe vorziehen, und es un im. 
den meiſtea Zälen Mühe macht, funshetifche Beweiſe beym 
erften Anblick mie Mlärheit gu durchſchauen. | 

Ein jeder Mashemasiker wird Bergnägen die Entwik⸗ 
kelung des Verf. leſen, die er am chluſſe (©. 475 f.) au 
auf die vom Prof. van Beck Calkoen gegebenen Formein ans 
. wende® . 
Prof. van Beck Calkoen liefert (8. 478 f.J die Berech⸗ 
nung der Sonnenfinfterniß von 16. Junius 1806, weiche zu 
Utrecht, Mailand, Münden und Lilienthal beobachtet wurde, 
und leitet daraus den oͤſtlichen Mittaggunterfhien von Utrecht 
und Paris — 17’ 6,2 im Mittel Her. — Burckhardt theile 
(8. 480) einige hiſtoriſche Notizen über die Art und Weiſe 
mit, wie die frühern Aſtronomen die Sonne beobachteten, und. 
unterfüht (©: 482) die Beobatchtungen und Bahn.des Kos 
meten von 1701, ſo wie (&. 486) des von 17702. Der 
naͤmliche Verf. llefert (S. 487) einige Bemerkungen über. den 
aus Zink zufammengefegten Compenfationspendul, . und. S. 
4885 f. wird ein kurzer Auszug aus Densreoafteang Reiſe ges 
liefert. 
Endlich macht ein Reſultat der. auf der kaiſerlichen Sterns 
warte zu Paris im J. 1807 angeftellten meteorologifchen Bes 
obachtungen, und ein Verzeichniß der Mitglieder der Laͤngent 
xcommiſſion den Beſchluß. 










Pomponi Melae de situ orhis libri tres ad optimas egitiones 
collati. Praemittitur notitia literaria. Accedit index. Rufi 
Festi Avieni descriptio orbis terrae et ora maritima. 
Prisciani Periegesis, e Dionysio. Claudü Rutili Numa- 
tiani Itinerarium. Vibius Sequester de Auminibus , fon=- 
tibus, lacubus, nemoribus, paludibus, montibus , gen- 
Gbus, quorum apud poetas mentio fit. 'Argentorati ex 
typographia sacietatis Bipontinae. 189. LXXIV una 
825 ©. gr. 3. 5 | " | j 


Ein ganzes Corpus alter Sateinifcher Geograpffen, unter 
benen wir jedoch hoͤchſt ungern das ohnehin feltne Antonink 
itinerarium vermiffen. Vielleicht gefällt, es der Geſell⸗ 
ſchaft nody ein zweytes ähnliches Corpus nachfolgen zu laffen, 
und in -daffelbe jenes Itinerarium , den Ravennas Geagra+ 
phus; Honprii excerpta cosmoOgrapbisae, Aethici Gosmo- 

rapbia, Sexti Ruſi brevierium sive libellus provinciarum;, 
Bl lius Victor de tegionibns urbis Ramae, den von Vak 


32 Pomponius Mela de situ axbis. 


«enter zuerft herausgegebenen Dicuil, und was ſonſt noch von 
der Art Latemiſch fih vorfindet, einzuwerleiben. 
>... Der Inhalt diefes Buches iſt: S. V— LIIE Notitia 
literaria de Pomponio Mela ex Car. Henr. Trschuckii 
dissertatione de Papp@@u Mela eiusq. libro. &. LIV 
— LXII. Notitia literaria de carminibus Avieni geogra- 
phicis ex. J. Chr. Wernsdorfii Poetis latinis nie orihns 
&. LXIE De Prisciani Periegesi ex W-ernsdorf# ‚Poet. 
Jat. min. &, LXVIII. De Claudio Rutilio Numariano 
and ©. LXXILU. De Vibio Sequestre. Hierauf folgen die 
Torte jener Geographhen S. 1 — 2356. Ein Index in Pom- 
ponium Melam ſchließt das Werk, er 
Ans diefer Juhaltsamzeige erfiche man, baß bey biefer 
Ausgabe nicht einmal die literaͤriſchen Notizen feluß erworbenes 
Eigenthum And, fondern lauter fremdes Gut, worüber hier zu 
urtheilen, ganz unflatthaft feyn würde. Diefe Ausgabe kann 
man daher nur denen empfehlen, welche in einem Corpus Dit 
vorzuͤglichern aften Tateinifchen Geographen bepfammen- haben 
wollen. Ueberdieß Hat fie" alle die bekannten ſchoͤnen Eigen 
ſchaften der Ausgaben dieſer Officin.- en 
Woher die Terte genommen find, fagt uns keine Vorrede: 
jedoch lehrt die Vergleihung, daß fie alle aus den beiten Ausı 
gaben von Tzihude, Wernsdorf und Oberlin genommen find. 
Eigenmaͤchtige Veränderungen im Terte haben wir im Ganzen 
nicht wahrgenommen; nur hin und wieder find wir auf orthhr 
graphifche Abänderungen gefloßen, unter denen manche find, 
die wir nicht gut beißen können. Da die Herausgeber uns‘ 
nur die Teste gegeben haben, {6 Hätten fie yar allen Dingen 
dafür forgen muͤſſen, daß nicht alte Druckfehler von neuem ob 
edruckt würden. So iſt aus der Wernsdorfiihen Ausgabe Rutil. 
tiner. 259. mentitus für mentibus fiehen geblieben. Am 
meiften vermiffen wir bey dieſer Ausgabe ein allgemeines geo— 
graphifches Negifter Über alle in diefem Bande fi befindenden 
Seographen, und wir begreifen nicht, warum diefe Ehre nur 
dem einzigen, Pomponius Mela wiederfahren if. Wie erleich 
ternd dieß bey gelehrten Arbeiten fep, brausht. nicht erwähnt ju 
werden. “ 
So wie ſchon durch dieſen⸗ angehängten Index dem Pom⸗ 
ponius Mela mehr Fleiß gewidmet iſt, ſo auch durch Die vor 
angeſtellte Notitia, die ungleich mehr Notizen Über diene 
Schriftſteller enıhält, als die übrigen Notitiae der andern 
Seographen, Die ſehr kurz abgefertige find, obgleich Wernsdef 
auch .über fie in feinen Poetis latinis minoribus faft alles zu 
fammengetragen hat. te 














\ 


No. 23. Heidelßersifäe 1811. 
Jahrbuͤcher der Literatur. 


—EE 








—E 


Darſtellimg des Executions⸗Verfahrens nach der Weſtyhäliſchen und 
Franzbſiſchen Proceeßordnung/ von E. 8. Culenkamp, Tri⸗ 
bunalrichter zu Hersfeld. Erſter Band. Göttingen, bey Hein⸗ 
rich Dietrich. 1811. XVIu. 288 S. 8 (2 Rthlr. 12 gr.) 

’ . ‚ , ’ 


k . : > 
Mas Executionsverfahren, fo wie man es in der Frangjoͤſte 
(hen und Weſtphaͤliſchen Procefinsänung - vorgefchrieben finder, 
verdiente. wegen feiner Eigenthuͤmlichkeit, und da es von dem 
hisher in Deutſchland in Anfehung diefes Punctes beobachteten 
Verfahren. fo gaͤnzlich abweicht, und beynahe gar keine Ver⸗ 
Heichungspunste darbietet, vorzugsweiſe vor manchen anderm: 
Materien. zum Gegenſtand einer vollfländigen und. gründlichen 
Interfuhung gemaht zu werden. Man mußte bie um fo. 
nehr wänfchen, ala grade in dieſer Ruͤckſicht die Beduͤrfaiffe 
er Prazis am bringendflen waren, und noch find, Indem-es 
ins leider beynahe noch gänzlich an demjenigen Perſonale fehlt, 
em die Proceßoddnung in dieſem Verfahren die Hauptrolle 





ugetheilt Hat, ‚und ‚weiches nur langſam zu Diefem neuen Ger 


häftstreife wird ausgebildet werden koͤnnen. Diefen Wunfh 
aben wir Hoffnung durch ‚das vorliegende Wert erfüllt gu 
hen. Die Abſicht des Verf. iſt es naͤmlich, sine, die Weſt⸗ 
haͤliſche Proceßordnung mit der Franzoͤſiſchen und mit den 


Neinungen . der vorzuͤglichſten Proceſſualiſten Frankreichs ver⸗ 


leichende Darſtellung des ganzen Executionsverfahrens zu liee 
ern. Diefer erſte Band enthaͤlt den allgemeinen That der 
Raterie und die Lehre von den Mobiliarerecnsionen; in bem 
ereits ger der. Prefle ſeyn ſollenden zweyten Theile fol die 
ebre yon der Immobillarexecution und von der. periönlichen 
Zerhaſtung, und falls er nicht mehr dazu ausreicht, in einem _ 
ritten ‚Theile die Lehre yon bes. Varth· lens der Mobiliar⸗ 


X 


354 Kulenkamp Darkellang des Srecutionswerfahren. 


unt Smmobiltarmaffe unter die Glaͤubiger, oder von dem 
Eontursverfaßren vorgetragen werden. Der vorliegende erſte 
Band enthält "außer der Einleitung, im weicher vom Gegrife 


und von den Erforderniffen bes Executionsverfahrens, fo wi 


von den Quellen und KHülfsmitteln zu diefer Materle die Rd 
iſt, zwey Abſchnitte; in dem erflen wird von ben, das Eram 
tionswerfahren vorbereitenden Handlungen geſprochen, und jmar 
in füuf Capureln, von der Buͤrgſchaftsleiſtung, von der Figur 
dation der Entſchaͤdigungen, von der Erſtattung der Fruͤchte, 
von Rechnungsablagen, und vor der Liquidation der Koflen. 
In dem zweyten Abſchnitt gehe der Verf. zu dein Erecntiond 


> verfahren felber Aber; nachdem er nämlich im erſten Titel einige 


allgemeine Grunbfäße und Regeln entwickelt hat, namentlid 
“ Über Öffentliche Urkunden, Aber die erecntorifhe Form und Kraft 
der im Königreich aufgenommenen Urkunden und gefähten Ur 
thelle auswärtiger Gerichte und bie Urkunden ausroärtiger Be 
amten, über die Suſpenſion dur Rechtsmittel m. f. w., ſo 
folgt in dem zweyten Titel dis ganze Lehre von der Beſchlog 
nehmung des beweglichen Vermögens bes Schuldners, ober 
von der Mobtliauerecution,, die in ſteben Eapitein abgehandelt 
wird, nämlich) a) von der Befchlagnehmung beweglicher Gachen 
des Schuldners, welche fi in dem Haͤnden eines dritten ft: 
finden, b) von der Auspfändung, e) von den Beſchlagach: 
mung der noch nit vom Boden abgefonderten Fruͤchte, d) von 
der Beſchlagnehmung der Renten und Grundjinfen, o) von 
der Beſchlaznchmung ber Sachen der Pächter und Miecher 
wegen Pacht oder Miethzinſes, £) voͤn dem Arreſt gegen uud 
wärtige Schuldner, und g) von dem Arreſt wegen Eigenthume⸗ 
Anfpräche,, oder von der Windication. 

An Anſchung der Ausführung muß Rec. dieß Werk fuͤr eine 
fehr gelungene und verdienſtvolle Arbeit erffären. Man ſudet 
Aberall cin ſehhr gruͤndliches und forgfäftiges Studium, und Dt 
Werf. hat nicht nur den Geiſt der ganzen. Lehre, ſondern auch ns 
Eigenthamliche eines jeden einzgelnen Abſchuittes detſelben It 
niaduich ſich gu eigen zu machen gewußt. Daher ßadet MM! 








⸗ 


Kulenkamp Darſtellung bes Erecntionsverfahrens. 355 
auch uͤberall klare und. zuſammenhaͤngende Ideen, dis in einem 


eben fo deutlichen Portrage entwickelt find. Auch tm Anſehung 


der Vollſtandigkeit verdiens des Werf, Werk allen Beyfall. Er 
hat nicht nur nichts zur Sache gehöriges von feiner Arbeit 
ausgeſchloſſen, fondern auch bey der Bearbeitung felber wird 
man nicht leicht, beſonders bey wichtigern Puncten, einen 
Geſichtspunct, der mehr Licht über die Sache hätte verhreiten 
innen, übergangen finden. Mit MWergnägen bat Rec. auf 
diefe Weiſe mehrere ſchwierige Fragen von allen Seiten erörtert 


gefunden, z. E S. 2185 — 119 bie Frage, ob die Verfuͤgun⸗ 


gen des fünften Buches der Proceßordnung auf die Friedens⸗ 
gerichte anwendbar feyen? welches ber Verf. mit einigen Dos 
dificationen bejaht, und ©. 64 — 68 die Frage, ob die vor 
Einführung des nenen Executionsverfahrens gefällten, oder im 
Sachen, die vor dem 1. März ıBog anhängig geworden, noch 
gefällt werdenden Urtheile nach den Vorſchriften der alten, oder 
der neuen Proceßordnung zu vollſtrecken ſeyen, wo der. Verf, 


Äh für die letztere Meinung entſcheidet, die -feitdem auch dur 


sin in den Zufägen machgetragenes Schreiben des Juſtigmi⸗ 
nifers vom B. Febr. 1810 gewiſſermaßen beſtaͤtigt tft: indeſſen 
iſt es gut, daß man einmal hier die Gruͤnde fuͤr dieſe Meinung 
vollſtaͤndig zuſammengeſtellt findet, da man ſich an vielen Orten 
das gedachte Miniſterialſchreiben nicht zu erklaͤren wußte. Nur 
an. wenigen Orten haͤtte Rec. eine groͤſſere Ausführlichkeit ges 
wunſcht, wodurch dem Gegenſtande mehr Beſtimmtheit hätte 
geben, oder auch mohl ein etwa noch möglicher Zweifel gaͤnze 
Uch haͤtte gehoben werden koͤnnen. So z. €. wuͤrde das ©. 
4 beſchriebene Verfahren gegen den Rechnungspflichtigen, wenn 
er die ihm geſetzte Friſt nicht einhäfe, durch die Bemerkung 
deutlicher geworden feyn, daß es feine definitive .Befiumung 
enthalte, fondern nur ein Nöthigungsmittel zur Rechnungs 
ablage ſeh, durch welche der Rechnungspflichtige deſſen Aufhes 
bung bewirken koͤnne; ebenſo haste &. 55 der Begriff der 
Mmmarifhen Sachen etwas genauer angegeben werden müflen, 
aa bekauntlich diejenigen. Sachen, in Anſehuog deren die Ge⸗ 











356 Kulenkamp Daritellung des Executionsverfahrens. 


feße nur verfügen ‚ daß fie zwar fummarifh d. 5. eilig, aber 
Goch im yewähnlichen Gange des Verfahrens entſchieden werden 
ſollen, bey der Koftenbefiimmung nicht als ſummariſch ange 
fehen werden, wenn nicht etwa befonders bengefügte Ausdruͤcke 
die Eigenſchaft einer im wirklichen ſummariſchen Proceſſe zu 
verhandeinden Sache andenten, wie dieß z. €. im Art. 247 
256, 616, 740 der Fall it. — S. 123 hätte es wohl beſon⸗ 
ders hervorgehoben werden müffen, daß’es bey der Beſchlag 
nehmung der beweglichen Sachen des Schuldners in den Haͤn⸗ 
den eines dritten feines vorgängigen Zahlungsbefchles beduͤrfe, 
da doch ein ſolcher nach Art. 550, 576, 584, 600 ben allen 
Abrigen Arreſtanlegungen erfordert wird. : Den ©. 145, 1/6 
aufgeftellten Satz hätte Rec. tieber durch gehörige Gruͤnde, ald 
durch die bloße Beziehung auf das Urtheil des Appelfhtiond 
Hofes zu Turin gerechtfertigt geſehen, To mie Rec. es auf bet 
andern Seite billige, wenn der Verf. ©. 137 ohne Nüdfidt 
auf das miniftertelle Schreiben vom So. Sept. 1808 zur Statd 
haftigkeit eines Arreſtes auf Beſoldungen feine executoriſche 
Urkunde erfordert. Noch einige andre Pancte, wie z. €. dai 
vom Verf. S. 83 bey der nachgefüchten Erflärung der execu⸗ 
tortfchen Eigenfhaft eines von fremden Gerichten geſprochenen 
Urtheils vorgefchlagene Verfahren, welches viele Bedenflihkei 
sen zu haben fcheint, muß Rec., um nicht den ihm verftatteten 
Raum zu Überfchreiten, übergehen. Er bemerkt nur noch, da 
dem ganzen Werke durchgaͤngig eine fehr forsfältige Nebenein⸗ 
anderfiellung der früheren Nedartion des Hier in Trage kom 
menden Thelles der Proceßordnung vom ad. Febr. 1809, ud 
der fpäteren vom 12. März ıBıo zum Grunde liegt. Ar. 
verweist nur auf S. 29 not. f, 54. n. a, 75n. k, Bm 
n, p 151 nm o, ı52 n. h, 294 n. 2, 397 m. Pı 
200 n. 2, 251 n. b, m few. Daher ift es freylich auffallend, 
wenn man' S. 40 bey der Materie von der Rechnungsablage 
noch ganz das ältere in der Medaction vorgefchriebene Verſah⸗ 
sen, von dem die fpätere Medastion fo’ fehe abweicht, beſchrie 
ben findet. Dieſes Verſechen iſt um fo unangenehmer, als 





- Zroß Anleitung zu den Verrichtungen der Huifiicre. 357 


man durch bie. früher und ſpaͤter vorkommenden Beziehungen 
auf die fpätere Medaction, bie fogar in Diefem nämlichen Eas 
pitel ©. 45 not. c angeführt wird, ganz fider gemacht iſt. 
Uebrigens find dis in den einzelnen königlichen Decreten ents 
haltenen Modificationen und genaueren Bellimmungen einzelner 
Puncte fehr vollfländig an den gehörigen Orten angeführt, und 
auch da, wo die minifteriellen Schreiben bie und da Über einen 
Punct Aufklärung geben konnten, find dieſe forgfaltig benutzt 
worden. Zu bedauern ift es aber, daß ber Verf. nicht dee 
Staat waths von Bar Rede, uͤber den Entwurf deu zweyten 
Theils des bärgerlihen Proceßordnung, benußen konnte, de 
biefelbe erſt feitdem als Anhang zum zwenten Stuͤck des erſten 
Bandes von Pfeiffers Nechtsfällen, zur Erläuterung ber Ges 
tihtsuerfaffung und Procefordunngen Wefiphalens, im Drug 
erihienen iſt. Ueberhaupt wäre es zu wünfchen geweſen, daß 
der Verf., der, wie der Titel. befagt, feine Arbeit auch, auf 
die Franzoͤſiſche Proceferdnung ausgedehnt hat, mehr die hiers 
ber gehörigen Quellen und Huͤlfsmittel hätte benugen können, 
auch adgefehen von dem Mugen, den dieß für die Erklärung 
der vaterfändifchen Proceßordnung hätte haben Finnen; denn 
weder die Ordonnance von 1667, noch einer der gepriefenen 
Commentare barüher von Jouſſe oder Serpilion, haben dem 
Verf. daruͤber zu Gebote geftanden. Indeſſen muß man dieß 
ſeiner Page zu gute halten. — Wir fehen mit Erwartung der 
Ericheinung der folgenden Baͤnde entgegen. 





V N 0. — 


Anleitung zu den Verrichtungen der Huiſſiers in Cibilſachen, nach 
den Vorſchriften der Franzöſiſchen und Weſtfäliſchen Berichtes. 
ordnungen von Adolph Tryſt. Erſte Abtheilung. Düſſeldorf, 
in der Hofbuchhandlung. 1810. XVI u. 220 S, kl. 8. 


Zafchenbuch für die Gerichtsbothen im Königreich Veſtppalen. Von 
8. 9. 8. Willigerod, Friedensrichter des Cantons Münden, 
Hiſtricts Caſſel, Devartements der Fulda. Wit Köntgl. Weil- 
phal. Privikegio. Halle und Berka, mit Genchmisung Des . 
Verfaſſers gedruckt und im Werlage der Buchhandlungen dc$ 
SHalifeben Waiſenbauſes. 1810. XVI u. 2848, 8, 


[4 





358 Tryſt Anleitung zu den Nerrichtungen der Gniffert, 


So fehr wir mit dem Verf. von Nr. ı darin äbereinfim 
men, daß unter den gegenwärtigen Zeitumſtaͤnden Werke wie das 
vorliegende in Anfehung ihrer Hedausgabe keiner beſonderen Recht 
fertigung bedürfen, fo wenig können wir ums doc, davon Üben 
zeugen, daß das vorliegende den Nutzen ſtiften werde, den der 
Verf. davon ju erwarten ſcheint. ine kutze Angabe des In— 
halts und einige Bemerkungen über bie Ausführung ſelbſt mer: 
‚den dieß Urtheil zur Genuͤge rechtfertigen. Es enthaͤlt diefe 
Liſte Abtheilung bloß die Theorie der Geſchaͤftsfuͤhrung dt 
Huiſſi ers; die Modelle zu den einzelnen Acten ſollen in der 
zweyten Abtheilung nachfolgen; eine Trennung, welche wir, 
da ſie augenſcheinlich den Gebrauch des Werks hoͤchſt unbequen 
macht, keineswegs billigen koͤnnen. In zwoͤlf Capiteln wwerden 
Die ſaͤmmtlichen Geſchafte der Huifflers, fo weit fie dem Verf 
‚zu dem Umfange feines Werkes zu gehören feinen, abgehan⸗ 
delt: 1) von den Vorladungen, und zwar in doppelter Hinſicht: 
einmal in Hinfiht auf die Einleltung der Hauptklage, wo von 
den Vorladungen zu nicht weniger denn zwanzig Kanptkagen 
die Rede iſt; ſodann in Hinſicht auf die Inſtruction des Pre: 
ceffes, wo z. ©. von der Vor -fadung der Zeugen beym Zeugen 
beweis, der ‚Sadverfländigen zur Beſichtigung ıc. die Rede if; 
2) von ben Sinfinnationen; 3) von den Aufforderungen; 

4) von den Mitteln, dem Proceffe vorzubeugen, oder ihn nie 
dergufchlagen ; 5) von den Mitteln gegen die Wöllziehung dt 
Urtheile und Notariatsacte; 7) von dem Acten zur Gicherfil 
fung des Eigenthumsrechtes und anderer erworbenen Redt; 
8) von deu Aeten, die auf das Gerichtsperſonal Bezug haben 
9) von dem Uebertrag unlörperlicher Rechte; 10) von der 
Güterabtretung; 11) von den Einſpruͤchen bey ber, Ei 
12) von einigen aufergerichtlichen Acten. Was fi gegen | dieſt 
Ordnung erinnern taͤßt, ergibt fi gleich beym erften Anbiic; 
denn, wenn nach der Aufſchrift des letzten Capitels zu fliehen, 
‚in den vorhergehenden bioß vom ſoichen Dienfiverrichtungen der 
Huiſſi ers, die ſich anf den Cioilproceß bejiehen, die Rede ſeyn 
ſoll, fo iſt es Mar’, daß Cap. 9 und’a2 ganz am uincecgin 





Aral Splchann zu den Werricsungep der Hnilierh. 359 


Orte ſtehen. Ehen fo auffallend: find bie Lüder, die man bey 
bepden Claſſen der Dienfiverrihtungen der AZuifflers, den ges 
zichtlichen aud anßergerichtlien, antrifft: in Anfehung ber er⸗ 
ſteren if nirgends von der Inſinuation der Ungehorfamserkenngs 
niffe, von den Sefhäften der Serichtsboten bey der zu leiftens 
den vollſtaͤndigen Schadloshaltung, bey den fchleunigen Vers 
Handfungen, bey dem Lichergebote und der freywilligen Vers 
äußerung, die Nede, und gleicher Geſtalt find alle Dienftiven 
richtungen derfelben bey dem, ‚bey Eröffnung ber Erbichaften 
eintwetenten Verfahren gänzlich Übergangen. Bey ben außer 
gerichtlichen Geſchaͤften der Huiſſiers vermiße man aber alle 
diejenigen, die ih auf Vermiethungen und Verpachtungen, ſo 
wie auf bie Aufhebung der Gefellichaftscontracte beziehen. Eben 
fo viel ließe ſich gegen die Ausführung feld erinnern; denn 
das, was man bier eigentlich ſucht, und der Morrste nach 
‚ erwarten kann, wämlich eine thegretiiche Anleitung zu den Vers 
rihtungen der Gerichtsboten, findet man gar nicht, Der Verf. 
gibt nur eine ganz rohe und umbearbeitete Mebeneinanders 
RKellung der hierher gehörenden Artikel der Frangöfifchen Pros 
cefvo Danny; In den Noten find dann bie wörtliheu Abweis 
chungen der Weftphälifchen Proceßordnung angeführt worden. 
An eine gehörige Entwidelung und Auseinanderfegung der ger 
ſetzlichen Beſtimmungen bat des Verf. gar nicht gedacht, und 
eben ‚fo wenig find von ihm Die in vielen andern Geſetzen 
außer Der: Gerichtsordnung enthaltenen, die Dienftogrrichtungen 
der Gerichtaboten betreffenden Beflimmungen beruͤckſichtigt wors 
den. Zur Beſtaͤtigung diefes Urtheils erlauben wir uns nur 
noch ppenige Bemerkungen. ©. 109, 104 wird als einzige 
Bedingung her Volſtreckbarkeit der Urtheile und Urkunden 
angefuͤhrt, daß fie mit der executoriſchen Form verfehen ſeyn 
wuͤßten; uͤher die Beſchaffenheit der Gegenſtaͤnde, morüber die 
Notarien ſolche ſchriftliche Auſſaͤe aufzunehmen befugt ſind, iſt 

kein Wort geſagt, und eben fe wenig iſt der Umſtand, daß alle 
folge Urtheile und Urkunden klare, gewiffe und fällige Forde⸗ 
Zungen zum Gegenſtand Heben .näflen, mis. ein Worte bes 


360 Tryſt Anleitung gu den Verrichtungen der Huiſſrers. 
rührt. Zn Anſehung bee Bellrediung der Urcheble anemar 
tiger Berichte, fo wie im Anfehung der wider Erben vorzunch⸗ 
. menden Bollkredung und der Gtreitigleiten, - Die uͤber die 
Vollſtreckung eines Urtheils entfiehen koͤnnen, fucht man gleich 
falls vergebens einigen Aufſchluß. Nah S. 106, 107 foll 
bey der Arteflanlegung nur.im dem Falle, wenn der SGlaͤubiget 
gar keine Urkunden befßt, einer richterlichen Erlausnig bedar 
fen, obgleid nah Art. 5u2 der Weſtphaͤliſchen Proceßordnung 
eine ſolche auch ſtets bey bloßen Privaturkunden erforderlich ik. 
©. 115 vermißt man gaͤnzlich einen genauen Begriff von de 
- Pfändung, fo wie sine beftinnmte Angabe, worin ſich dieſelbe 
von dem vorbergehenden Vollſtreckungsacte, der Arreſtaniegung, 
. anterfcheide; wie der Zahlungsbefehl beſchaffen ſeyn müge, der 
ihr vorhergehen fol, davon erfährt man nidts, und de ©. 
129, 150 Befindlihe Darfiellung der Rechte und Pflichten des 
beftellten Aufiehere iſt Höchf mangelhaft. Um ſchließlich zu 
zeigen, was man in Anfehung der Weſtphaͤliſchen Proceſſe in 
diefem Werke zu fuchen habe, fo bemerken wir. nur noch, daß 
der Verf. davon, daß der Huiſſier nach diefer Berichtsorbnung 
einen befchränfteren Geſchaͤftskreis bat, wie ns der Bean? 
fen , gar feine Ahndung Bat. 

Mit deſto mehr Recht glauben wir, das unter Mr. < 
angezeigte Wert empfehlen zu koͤnnen; nicht nur, weil man 
Hier neben der. theoretifchen Anleitung zugleich die Formulare 
felber findet, und weil es, wie fühen der allgemeine Titel am 

‚zeigt, einen größeren Umfang bat, indem es auch von den 
Municipal s Policey » Corrections und peinlichen Gerichten Ban 
beit, fondern vorzüglih wegen der Art und Bei, wie ber 
Berfsfeinen Stoff behandelt hat. GSelehete Ausfühtungen mad 
Unterſuchungen darf man bier freylich nicht erwarten , alles 
. das, was der Zweck des Werkes erforderte, iſt in eier ange 
- meffenen Ordnung ſehr lichteoll und deutlich auseinandergefeht. 
Das ganze Werk: zerfälle in drey Abtheilungen. : Die erfle 
Handelt von den Gerichtsboten, ihrer Ernennung, ihren Dienſt 
verrichtungen, Rochten und Pllichten im Algemeinen; die 





* 


Billigered Daſchenb. ſed. Gerichkeboten im Zonigt. Weisb. 361 


zweyte: hat es mit den gewchnlichen Gerichtsboten zu than, 
“and umfaßt wieder drey Abſchnitte, von denen der erſtere in 
zwanzig Capitein, von demen mehrere wieder. verfchiedene Un⸗ 
terabtheitunigen Haben, die Dienflverridstungen derſelben, weiche 
fih anf den Civilproceß bezlehen, groͤßtentheils nach dem bei 
Proceßorbnung zam Grunde Hegenden Syſteme, abhandelt. Der 
pweyde Asbſchnitt befchäftige ſich mit denjenigen "Dienftvetrichs 
tungen, die ih nicht anf den Civilproceß beziehen, und im 
dem beiten iſt von den Geſchaͤften der Gerichtsboten beh dem 
Berfahren vor den Municipal» Pottcey s Correctionss und pein⸗ 
lien Gerichten die Rede. Die:dritte Abtheilang endikh han⸗ 
deit won ben verſchiedenen Audtkenzgerichtsboten, theils tm All⸗ 
gemeinen, theils im befondern von den Aubdienzgerichtsboten 
bey dem Staarathe oder Caſſationsgerichtshofe, bey dem 
Appellationsgeripschofe, bey den’ Eriminalgerichtshoͤfen, bey 
den Zridunäten erfier Inſtanz und bey den Friedensgerichten. 
Ein Nachtrag enthaͤlt die Gpottsitare für die Serichtaboten 
der Friedensgerichte, einen Auszug aus dem Stempeltarif des 
koͤnigl. Decretes vom 7. Juntus ıdao, ſo wie aus dem konigl. 
Decrete vom 7. Sept. 1810, das: Coſtume der Gerichtsboten 
betreffend, nnd Bemerkungen über das Sinfinuatlonss und 
Erecutionsregifier‘, und die Negiſtratur der Gerichtsboten. 

' Segen die Vollſtaͤndigheit des behandelten Stoffes im All⸗ 
gemeinen: finden wir nichts zu erinnern, außer daß die Ger 
fhäfte ‚der Gerichtsboten bey bir Beſtimmung der Nangord⸗ 
nung unter ben Glaͤnbigern ganz Übersangen find. Mas das 
Beſondere anberrift, ſo hästen doch ©. B5 die -kapben {che 
wichtigen Fragen, ob man. unter. dam Vorwande; Glaͤubiger 
des Staats zu feyn, Staatseinkuͤnfte in den Händen ber Stabta⸗ 
ſchuldner mit Arreſt belegen koönno, und eben fo, ch Slaͤubiger 
von Genreinheiten die Einkünfte berfelden m :deu Haͤndan ıdee 
Gemeinheitoſchuldner mit Artreſt belegen kͤnnen, wen au 
nur kurz, beruͤhet werben ſollen; "ferner hätten ©: 177 boy den 
‚Einwendungen wider die Auspfindung die verfchiebenen, Mars’ 
Bältniffe, in denen ſich die Ehefrau. in Hinſicht des zu pfaͤn⸗ 


v 


— 


562 Wiligerod Taſchenb.f: d. Areichtähetenin Bingian, Weirh. 


denden Mobiliarvermoͤgens böfuben kann, eine befanden 
Beruͤckſichtigung verdient, da bie meiſten Proteſtationen gegen 
die Ancpfaͤndung von den Ehefrauen herzutuͤhren pflegen. Se 
Anſehung der Formulare mhffen wir ©. Ba den Mangel eine⸗ 
Gormutars von einem Einfesu gegen die Ausgchlumg bei 
Verkaufpreiſes rägen: die Sonden Formnlare S. 83, fo wie 
das Formular S. 152 Ne. 5 hätten dagegen fügkich gang weg 
bleiben koͤnnen, zumal ba fie nicht Dieuſtockrichtungen dee 
Gerichtsboten felher , ſondern dritter Perſonen zum Gegenſtande 
haben. Was bie Ausführung anlangt, fe muͤſſen wir hier ver 
allen Dingen den Mangel viner genauen Beſtimmung deſſen, 
‚was zum Geſchaͤftekreiſe des Berichtsbenn unb des Anwaldıs 
gehört, tadeln, daher die Ungewiſheit und dis Zweifel S. 58 
not. a, ©. dı not. a, ©: 114 not. a, namentlich glauben | 
wir, daß ©. 84 not. a bie Bekanntmachung ber Plage anf 
Buͤltigkeitserklaͤrung des Arreſtes dem Huiſſier mie Unrecht ents 
yogen tft, dahier weder allgemeine Principien, noch ſpecielle 
Beſtimmungen einen vom exploit des Huiſſiers getrennten Aufı 
ſat des Auwaldes verlangen; gegen den Verf. ſtreitet aber auch 
noch der Umſtand, daß er in einem andern Galle gonz das 
nämliche Geſchaͤſt, nämlih ©. 149 bey der Beſchlagenlegung 
auf unbeweglihe Dachen, Die beru Schuldner dauon zu machende 
-Anzetge-, Iebiglich dem Serichtsboten Überläßt. — S. 86 hätte 
noch angegeben werden muͤſſen, wie :die zwey Tage, welt 
dee Zahlungebefehl der Auspfäntmag vorhergehen muß, zu Se 
rechnen Tind. — Den ©. gB.not. b, über den im Art. 554 
wertommgiden. Ausdruck exdlusivement geäuferten Zweifel 
Yaltın wir chen durch bie im Aut. 545 verlummaube Wieder⸗ 
helang deſſaben für gechoben, und chinfo wäre ber Vaf. 
: & 5a die Bemerkung, was unter dem huissier. ordinaire 
206 Art. Dgg pi werfichen fen, Haben erſparen KNanen, wen 
de die ame ‚Ausgabe der Prodeßordnung vor ſich gehabe häkı 
"du wöolcher˖ dieſer Ausbruch ganz. weggelsften werden. if. Di 
- Seinutare , die ‚Immer am Embe jedes Paragraphen bepgefänt 
any ‚Anden wir im Ganzen ehr. zweckmaͤßig und gut, anfye 











Pfeiffer Bokänd. Unterweiſung d. Beamten d. Civilſtandes. 363 


fallen iſt es uns aber, daß der Zahlungsbeſehl ©: 88’ ganz im 
praeterito abgefaßt iſt, da er doch darchganqig de piaesenti 
lauten, au mit der Erwähnung bes Königs und des Geſetzes 
anfangen follte; das nämfihe gilt von den Zahlungsbefehlen 
S. 144 und 1602. Ebenſo hätten wir es gern weichen, daß 
der Verf. für die Uncerſchrift des Huiſſters unter das ©. 155, 
156 befindlihe proclama gehörige Gründe angeführt haͤttez 
wir ſehen nit ein, warum baffelbe nicht ganz ohne Unter⸗ 
Ihrife bleiben kann ; wenigſtens wird man im feinem Franzöfls 
Then Formularwerke diefe Untergeichnung finden. 

Durch das angehängtel, fehr vollfländige atphabetifche Res 
biftee wird der Gebrauch dieſes empfe hlungswerthen Wertes 
ausnehinend‘ erleihtrt. 


GE 7 u T 





Vollſtandige unterweiſung der Beamten des Civilſtandes in ihren 
fü 





lichen Berrichtungen , von Fr. B. W. Bfeiffer. 
. Büßfte verbefferte und vermehrte menaik. Saunaper, bey den 
Gebrüdern Hahn. 1810. 124 ©. 8 


Arber die Zweckmaͤßigkeit und den ptatiſhen Be ı des 
Yorliegenden Werkchens Haben gewifſermaßen ſchon die vielen 
Auflagen entſchieden, die es innerhalb etnes ſehr kurzen Zeie⸗ 
raumes erlebt bar, und von denen namentlich die vierte and 
fünfte durch die Vereinigung der Zanndverſchen Provinzen mit 
dem Konigreiche Weſtphalen ſoſchnell and dringend auf einan⸗ 
‘der folgten, daß dem zwar ſchon vorher bekannten, aber hi 
fih zuerft auf dem Titel nennehden Verf. Eine Umarbeitung ih 
ver Art, wie er fie wuͤnſchte, gänzlich unmöglih mar. Dens 
noch erfcheint dieſe neueſte Ausgade'na feiner Verſicherung in 
mehr als einer Hinſicht verbeffert und vermehrt, und wenn 
gleich Rec. die zunaͤchſt vorhergehenden Auflagen nicht ſofdue 
bey ver Ha hat, um eine unmittelbare Vergleichnng auſteen 
sn koͤnnen; To ſchueht er doch aus den nicht ſeltenen Hinwel⸗ 
fungen auf Vie neneſte Etretatur, ſo wie Aue ber Hinzufugung 
einiger der neueſten Eelutera egeſchuelen dee Hertn Juſtij⸗ 


364 Pfeiffer Bollſtaͤnd. Unterwriſung d. Beamten d. Ciayiastt, 


miniſters, daß der Verf. alles, was ibm die Kaͤrge der Zeit 
zur irgend erlaubte, geleifet Bat. Das Werkchen empfiehlt 
ſich Im Ganzen durch eine burdgängige, firenge Sepichuag uf 
" den Wirkungslreis derjenigen Geſchaͤftemaͤnner, für die es ie 
Kimmt ift, und wenn man baber gleich bier keine mirfeuihaf 
lie Unterſuchungen und theorstiiche Eroͤrterungen ſuchen bar, 
fo if es doch unverkennbar, daß die vorliegende. Anleitun 
Überall auf einem fehr forgfältigen theoretiſchen Stadium ku 
ruht, und aus bemfelßen bervorgegangen iſt. Bey Schriſten 
der Art, wie bie vorliegende iſt, Hält Rec. es noch Immer für 
300 wedmäßisfte, nur bie Mefaltate der thesretiſchen Unter 
ſuchungen mitzutbeilen und auszuführen , oder doch von dieſen 
legteren nur foviel zu geben, als zur Verbindung und zum Zu 
fammenhange jener erforderlich iſt; denn Erfahrung zeigt nur 
zu oft, daß Die Hergebung des ganzen Apparates, wittlf 
deſſen ‚der Schrififießer zu feinen Refultaten gelangt ift, Ge 
ſchaͤftemaͤnner dieſer Art, die nicht juriſtiſche Kenugiß genug 
beiten und zu beſitzen brauchen, um benfelben -geifärig deut! 
theiten zu tönnen, in der Regel mehr ‚verwirrt als- anfklärt, 
und anſtatt deutliche und ˖beſtimmte Begriffe zu euzeugen, de 
Ungewißheit und ber Zweifelluht Platz macht. Außer diefen 
negatinen Worzuge zeichnet ſich dieß Werkchen auch durch eine 
gedrängte, wiewohl deutliche Schreibart aus, die einzige Sul 
&. 927 vielleiht ausgenoumen , wo, nachdem angegeben Wer 
den, worauf fi die Gutergemeinſchaft beziehe, bie. Ausnah⸗ 
‚men davon als eine ans dem vorhergehenden Gage von felif 
Mließende Belgerung erwähnt werden, welches jedoch in Anis 
Yung der, wäßrend der Ehe durch Schenkungen oder Erbreqht 
erworbenen Grundſtuͤcke nicht behauptet werden kann. Dis 
‚gange Merkchen zerfällt in zwey Gapitel, wovon das erſte in 
gwey Abſchnitten won den WWerrichtungen bes Beamten de⸗ 


Aebilſtandes Gap ber Abfchliefung und Trennung der Ehe, di 


4weyte aber, in der erſten Abtheilung allgemeine Regeln übt 
Die Regiſter des Einils oder Perfanenfamdes aufpelit, and I 
der zweyten dans in drey Abſchnitten von ber Aufzeichnung 


7 





Bfeifier Boand. Anterwelfungd. Beamten d. Civilſtandes. 365 


der einzelnen Urkunden des Civiiſtandes handelt. — Lieber die 

Ausfäifeung will Nec. jet nur noch wenige Bemerkungen hins 
zufuͤgen. Gewuͤnſcht hätte er, wenn S. 9 über die eigenttiche. 
Form bes Familienrathes und der von demielben anszufellens 
den Einwilligungsarte etwas beſtimmteres gefagt wäre, da Rec. 
ſchon mehrere Fälle vorgefommen, wo ber Prediger, wenn ev 
nur die Einwilligung der einzelnen Mitglieder des Samiltens 
rathes erhielt, oder wohl von diefen gufammen eine Aber ihre 
Einwilligung aufgenommene Notariatemfunde bekam, den ‚ges 
ſetzlichen Vorſchriften eine Genüge geleiftet zu haben glaubte. 
— ©, is hätte der Fall nit Äbergangen werden dürfen, we 
die Todesfcheime deshalb, weil keine Kirchenbücher geführt wor⸗ 
den, wie dieß bey den Juden immer ber Fall ik, nicht bey⸗ 
gebracht werden können: weder in dem Art. ı55, noch in dem 
angezögenen Gutachten des Staatorathes vom 25. Jul; 1805, 
noch in einem früheren Circulare des Großrichters Juſtizmini⸗ 
fters vom 50. Aug. 1804 tft diefer Fall beruͤhrt; es fragt 
alſo, ob hier der Art. 46 jur Anwendung kommen fol, oder 
die Analogie des Art. 70, oder das noch, einfachere Verfahten 
des angezogenen Gutachtens? und Will man bier einen Nots⸗ 
rietaͤtsact für zulaͤfſig halten „- fo fragt fich wieder, in wiefern 
die Geburts, und Todesurkunde, wie es Rec. schon einigemaf -. 
vorgetommen , in einem einzigen Acte durch die Notorienätsz 
urkunde erſetzt werden können oder nicht. — Den ©. an not. -ı@ 
aufgeſtellten Satz kann Rec. durch den daſelbſt aufgeſtellten 
Grund nicht fuͤr gerechtfertigt halten, und eben ſo wenig kann 
er es unterſchreilben, wenn nach ©. 28 not. z die Einſpruͤche 
gegen wine abzufchließende Ehe an die im legten Theil de 
Art. 64 vorgefchriebene Friſt gebunden fepn follen; ſie find 
frenlih daran in fo fern gebunden, als-die Verlobten bereite 

am dritten Tage nach dem zwenten Aufgebot -die Ehe rechtshes .. 
ftändig vollziehen können; allein. wenn fie won diefer Befugniß 
Seinen Gebrauch machen, ſo fieht Rec. nicht ein, warum em, 
nıach dem dritten Tage aber nod) vor Eingehung der. Ehe -eins- 

gelegter Diederſpruch nicht zulaͤſſig ſeyn ſollte; der Zweck dee 


366 Bieifer Botkiänd. Unterweilung d-Roempenrt-Eanlkandet, 


Art. 64 geht nur dahin, die Vertitelung ber etwa vorhandenen 
Einſpruͤche durch eine zu frähe Abſchließung der Ehe ya ver 
hindern. Die Bemerkung ©. 25 not. d Äber bie ODeffentlich 
keit der bürgerlichen Abſchließung der Ehe, fo wie die ©. 5 
über das Halten eines einzigen Regiſters für alle Arten von 
Urkunden, die Aufgebotsurfunden allein ausgenommen, hätt 
Dec. etwas mehr hervorgehoben gewuͤnſcht, da er im feine 
Gefahrung beynahe allgemein auf bie Meinung geflogen If, a 
feven diefe Puncte lediglich der Willkuͤhr des Civikkanhaksum 
ton überlaffen. Auffallend bleibt es. immer,. wenn ©. 4 
got. 1 die im Art, 57 vorgeſchriebene Anmerkung der Gehurk 
Aunde durch die bey Zwillingen auf die Erſtgeburt zu nehmendi 
Bädficht gerechtfertigt wird, da zu der Zeit, wo biefer Artikl 
decretirt ward, dieſer Umſtand von gar einem Intereſſe fps 
konnte; cher hätte man dabey an die Volliahhrigkeit denlen 
können: indeſſen bat der Verf. freylich die Diccuſſtonen für 
Uch. Wenn gleich Rec. mis noch mancher andern hier und ds 
vorkommenden Bemerkung, wie z. E. mit der ©. So.noup 
nicht abereinſtimmen kann, fo kann dieß doch, weil fie mi 
Dem eigentlichen Zweck des Werkchens in keiner unmittelbaren 
Beziehnug fichen, dem Werthe deſſelben nicht im gerinsfes 
Eintrag thun. — Der Anhang enthaͤlt das koͤnigliche Decre 
vom ao. Jan. 1808, fo wie einen Auszug besjenigen vom 
31. März 2808; ferner vom erſten Buch des C, N. m 
8. Titel, fo wie vom 5. Titel das 6. Eapitel, warauf ein 
Sufammenflelung der übrigen aus dem Geſetzbuch in der A 
handiung angezogenen Artikel ‚folgt, alles mach. der officiellez 
Weftphälifchen Ueberſetzung; dann folgt ein Auszug des Go 
feges vom zı. Aug. 1808, und bie kaͤniglichen Decrete vom 
37. Desbr. 1808 und vom 14. Jun, ıBog; . hierauf ein Cit 
cularſchreiben des Juſtizminiſters an die Psäfldenten ber I 
hunale, und ein anderes an die königlichen Procuratoren, (0 
mie von zwey andern Auszüge. Den Schluß machen achtzeha 
heſe zweckmaͤhige Bormulare, wovon jedoch gleich bey dem erſten 
Die Unterſchriften duch, einen Druckfehler entfiellt find. 








Eahlant Die Otwißheit anfrer ewigen Forbaucr. 367 


Die Gewißbeit unferer ewigen Fortdaner. Ein Vertrag jur Beſtegun 
des Zweifels; mit befonderer Rückſicht nuf Eltern, die üb 
den frühen Tod ihrer Lieblinge trauern. Bon Chriftoph Jo⸗ 
bann Rudolph Ehrifiani, Königl. Hofprediger in Ro 
penbagen. Kopenhagen und Lewpzig bey Schubothe. 1809, 
xii u. 212 S. 8. (20 gr.) 


Dev Verf. wurde durch den Tod ſeines Kindes und durch 
den Wunſch der bekuͤmmerten Mutter, daß auch er ihr feine 
Sründe für die Gewißheit einer ewigen Sortdauer ded Meng 
fhen im Sufammenhange mittheilen möchte, zu dieſer Scärife 
seranlaßt.. Diefe Entſtehung der Schrift beſtimdt das Publi⸗ 
tum derfelben. Sie iſt für folche geſchrieben, welche zwar an 


sine ewige Zortdauer glauben, aber zugleich auch das Bedärfs 


siß fühlen, fids von diefem Glauben und deſſen Gründen bes 
Rimmte Rechenſchaft zu geben, umd denſelben gegen Zweifel 
and Einwendungen zu befefigen. — Man darf demnach in 
dieſem Buche Leine neue, oder phileſophiſch ſcharf beſtimmte 
Beweiſe ſuchen. Der Verf. gibt vielmehr aus ſeinem Gemuͤthe 
das, was ſeinen Glauben zur Gewißheit erhebt. Er verſteht | 
unter Zortdauer die Verſetzung des geiſtigen Menſchen durch 
din Tod in ein anderes Leben, wo eine neue Fortichreitende 
Entwickelung des auf Erden begonnenen geifligen Lebens er 
folgen werde. Hier werde der Geiſt mit einem neuen Körper, 
von welcher Art willen wie nicht, vereint werden. Alle zut 
Natur des geiftigen Menſchen gehörigen Eigenfaften,, fo wie 
die Erinnerung des auf Erden geführten Lebens, und die mit 
unferer Höheren Beſtimmung in MWerbindung fishenden- Einſich⸗ 
ten, Sefinnungen und Zertigfelten dauern fort, und werben 

in fofern fle der Anfang ‚wahrer Weisheit waren, die Grutdg 
Inge höherer Vollkommenheit; in fefern fie aber zur Sinnlichs 
deit mißbraucht wurden, - wird bie: Erfennmiß dieſes Miß 
hrauchs und das Gefähl des dadurch bewirkten Elends für ihn 
die dringendfle Aufforderung, feine vorige Denkungsart zu 
ändern. Weiche von den unzählbaren Weltkörpern in dem 
Raͤumen des Weltalls zu unferm künftigen Wohnort erkohren 





3658 Ehriftiani Die Gewißbeit unfrer ewigen Kortbanr 


werden mögen, müflen wir nicht beſtimmen wollen, bürfen 
aber nicht zweifeln, daß jeder derfelben den Bedürfniffen feine 
Bewohner volllommen angemeffen ſeyn wird. Wahrſcheinlich 
wird des Geiſt des Menſchen, fo wie er zu höherer Bolton 
menheit gelangt, aud zu höheren Welten ſich erheben, un 
hiernach den Grad feiner Seligkeit ſich beſtimmen. Auch dert 
werden wir ſinnlicher Freuden, aber nur als Zugabe einer 
Höheren geifligen Gluͤckſeligkeit empfänglich fenn. Eine vorig 
liche Quelle der aus unferer Außern Lage entſpringenden 
Sreuden wird ber Umgang mit den Weifen und Guten, vie 
vor oder mit uns lebten, gewähren. — Dan flieht hieraus, 
daß der Verf. fein Gemuͤth und feine Phantafie frey reden 
laͤßt; und wer wollte ihm das verargen? — Darauf führt de 
Verf. den Puweis für bie Gewißheit der Fortdauer aus den 
Anlagen des menfhlihen Geiſtes und aus dem Dafenn Gore 
‚und bdeffen Eigenfchaften. Dem 'erfteren Beweiſe ſucht er vor 
züglich dadurch Leben zu geben, daß er in der menſchlichen 
Matur ein dreyfaches Weſen, nämbich „außer dem Körper un 
dee Seele, woran der Menſch jenen mit der Pflange, die 
mit den Thieren gemein habe, einen über Körper und Geele 
erhabenen Beift unterſcheidet (wobey er’ ſich auf die Auforhät 
des Apoft. Paulus a. Corinth. 5, 5., 1. The 5, ad. sent). 
— Die Entwickelung dieſer Idee, wodurch die Bewmeisführung 
an Popularität gewinnet, gehört zu den befiern Thellen dieſe 
Särift. Qui bene distinguit, Bene docet — Dir Vewei⸗ 
ans dem Daſeyn ‚und ‚den Eigenfcaften Gottes enthaͤlt zu oil 
- Wiederholungen aus dem vorigen, und if dadurch weisichweiig 
eworden. Am Schluß werden einige Zweifel und Einwen 
dungen gut und faßlich beantiworte. — Die Sprache diefet 
populären Schrift if rein, der Vortrag klar amd.faßfkh, nn 
zuweilen cin wenig gedehnt und zu bidaktifch,. wgnueh bi 
. und ba eine ermüdende Eintönigkeit entſteht. Uehrigene tift 
man Überall die Spuren eines religiſen Gemürhs und ent 
. ruhigen, der Wichtigkeit des Gegenſtaͤndes angemeffenen Wirt 
umd Ueberzeugung. Wir wuͤnſchen diefer Schrift viele Lfet, 
vorzuͤglich in dieſen Tagen, mo theils die philoſophiſchen Spflemt 
and ihre Wandelbarkeit auch die Menichen wandelbar und mx 
glaͤubig machen, theils die ſinnliche Eultur, der Beine geiſtize 
bas Gleichgewicht haͤlt, die Menſchen gerfireus, und das Ge 
muͤth fomme dem Bernhaften Glauben der Vaͤter immer mil 
verfläctige. | a , 


. a . , . . 
! . ° . 
. . . 2. 
‘ 


—— 





No. 24. beiseiseraifae 1811. 
Jah vucher der Biterata 1 


nn 
‚8 rt 

Axel Thordſen og SAön Valdorg, en nor Ballade⸗ med Anamaen 

ninger af N. Ryygen:n; ſom Beine van den ny Sliklelfe⸗ 


haon Abrahamſon, Nabbek, og Nocrup. age © at ae den für 
kaldte Kiempe Viſebog. Kiöhenhavn 1509, 536. 8. 


} 


erg | 
Dan Bine: Sri w den Zus, eine neue Anedabe m 
fogenannten Kijempevifebogs (Kämpferliederbuhs) anzu⸗ 
kündigen. Drey bekannte Daͤniſche -Seichree haben ſich dazu 
vereinigt! fie Wollen zinen berichtigten Text ltefern, eine andere 
hochſt feine Sammlung, unter dem Til Eiſkoys VBiſer 
(Ltebeslieder) oder Tragisa:gelannt, aber nur noch in einem 
einzigen -.‚gedrudten Epemplas vorhanden, Hinzufßgen., endlich 
Sorge wagen, die noch unten dem: Volk gangbaren Melodieen 
aufzufaſſen, um auch in dieſer Hinſicht die Wuͤnſche zu heſuich 
digen. Wir haben, wie ſich ergeben wird, Urſache ung ſar 
dieſe Unternehmung des Ausiandes- zu intereffigen, die auch mit 
unfeer Literatur in einem äuferlicdyen Zuſanmenhang zu ſtehen 
(deine, wenn wir uns nicht, darin kaͤuſchen, daß die eben bey 
uns begonnenen Unterfuhungen uͤher Audeutſche Poeſie audy 
den Norden wieder angeregt, und auf ſeine Schaͤtze aufmierfr 
ſam gewacht haben. Um ſo eher aber. dürfen wir das vermus 
then, .da -Siner -von jemen Gelehrten, dem mir vielleicht den 
Entſchluß zu verdanken haben, und von welchem diefe Proben 
ſchriſt herruͤhrt, Herr Profeſſor Nyeeup, als Renner und 
Würdiger der Altdentichen Literatur bekaunt iſt; fa der ſelbſt 
durch die Herausgabe der Symbolae ad literaturam Tesitonie 
sam einen nicht unbedeutenden -Beytrag. dazu geliefert hat: 

Die Daͤniſche Literatur mir-ihrem eigenen Charakter kann 
faum einen wirhtigern Gegenſtand jur Bearbeitung darbietem, 
In der frühern Zeit darf fie als ein Theil der einen nordiihen - 


- _ 24 


J 
nn .. 


370 Apel Thordſen og Stjoͤn Walberg säg. af. Aderup. 


betrachtet werden, die allen dreyen Reichen gemeinſchaftlich war, 
und Dig. wie reich gennen muͤſſen, da in mmanwigfältigen Lie— 
dern, Sagen, ſelbſt in einemi großen Geſchi dm in de 
Heimstringlaꝰ (gegen ‚meiche. wir. Deutſche wärkanfumsikn 
haben) das Leben des ganzen Volks fh tief, wahr goft heit 
, Hd ausgeſprochen:: ſpaͤterhin, etwa mit. dem Ende des funfi 
gehnten Jahrhunderts, mo auch wir gfre neue Zeit. anfangen, 
zeigt fich die Trengpng auch in ihr, und es erſcheint gogeſon 
dert eine eigene Dänifche. Literatur, aber in einer unbe 
fehreiblichen Leere und Unfruchtbarkeit. Ein Zeitzaum ‚von 
beynahe vierhandert Jahren, ber. alio noch gar möcht Fang gu 
endigt bat, weiß, faft unglaublich, keinen. einzigen Dichter von 
Belang zu nennen, Der erfle. nambafte Poet iſt Detet 
Laale, der in der zweyten Kälfte bes funfzehnten Jahrhaw 
derts lebte, von⸗dem eine Sammlung Spruͤchwoͤrter iin, 
bie ihr Verdienſt Haben, das ihm. aber nicht zugehärt; de 
folgende HE: Bruder Niels vom. Bordn, im 
ine" Reimchronit geſchrieben: von dieſer ‚Art ‚find Bie mei 
ea folgenden Dichtungen, zuwellen Ueberſetzungen auf dım 
Deutſchen, nirgende aber iſt darin. ein lebendiges Megen. Jede 
kiteratur hat eige ſolche Periode des Stillſtandes nach ihrem 
erſten lebendigſten Aufbluͤhen, eine Ermuͤdung nad) einer gro⸗ 
ben That, welde, die erſte unbewußte Jugendkraft vollbracht 
hat: wo ſie gleichſam ruht, um nadzufinnen, worauf fie bauen 
‚Dönfe, wie fie mit Bewußtſeyn ſortlebe und fich feſtſtolle. Mau 
das au fagen, es ſey das Erkennen ber- Sünde, der Leere, 
Ba die Unſchuld der erfien Dichtung die ganze Wein entzoͤndet 
ylaude, und von’ Seiner. Inpoefie-weiß. In Deutſchland bat 
diefe Zeit auchnicht gefehlt, allein an den Stügen, die ein 
allfeitiges Streben, die Bekanntſchaft mit den ‚Alten; namentlid, 
die fih in Hans Sachs fo trefflich wirkend zeigt, darbot, hat 
fie ſich flets wieder anfgerichtet : in ſo manchem fchönen Lied der 
Sehleſiſchen Periode 3. ©. hat die Kenntniß der Italieniſchen 
und Epanifihen Dichtung (mie. wir fis bey Opitz und Hark 
dborfer finden). Früchte getragen. Eben dieſem aufeinander fd 








S 


Axel bordſen og Etzoͤn Walborg udg. af Nyerup. 374 
folgenden Ertennen des Einzelnen. das ſich immer zwar als etwa⸗ 


lebendiges, vaber wide als zureihend augwies., haben wir eß 


zu verdanken, daß wir immer mehr zu dem Ganzen hingelenft 
wurden, Wie eg nun in unſern Meiſtern leuchtet, nachdem 
einzelne Otralen erſt über die Erde Hinftreiften. In Daͤne⸗ 
mark verhigderte eine ſolche Aufbauuns unde Bildung Die - 
Abgefchloffenheit der Wigtiow; die durch zin immer weiteres 
Bersenlen in fih, die Scheidewand immer höher aufıvarfz 
die: Ungensigtheit derſelben gegen. Deutſchland (bie, wie man 
richtig bemerkte hat, jedes ſchwaͤchere VWolk gegen das maͤchtigere 
empfindet, und die darum. nicht gegenſeitig JE), and die daralıs 
entſpringende Beringichägung der Deutschen. Literagur, ohne 
fe zu kennen, die ang: jegt noch bey deu unwiſſenden herrt 
(hen ſoll. 

In Aleſer fangen aunbeweglichen Zeit ei; in welcher fein | 
Dichter gelebt hat, und Ayine pottiſche Kunſt geabt wurde, iſt 
eine Ader von Gold, au der Mitte der alten ZER entfprungen, 
burch das Volk durchgelaufen: ‚mean es feinen. Poeten gab, ſo 
dat er doc Pocfis: gegesen,- und-bas Leben hat ſich ausgedrückt, 


bey wem es.:gewafen.: Außer den Wolksbäcers mämlih, die " 


aus dem. Deutſchen fat ſaͤmmtlich -überfeg werden, baf 
es eine Mepse twefilicher Piederngehabt, zum THelt aus, dem 
Alterch un erhalten, zum hail ſpaͤter entſtanden, und dieſe 
find eſ: welche wir in dem Kzempe Viſebog ſinden. Wir 
holten ‚Male ſchon im zſechczehyten; Jahrhundert durch einen 
gluͤcklichen Zuſaz ⸗ntſtaudene Sammlung für einen der reichſten 
Schaͤte dar Pur Die Spanischen Lieder von Eid, die wir 
ehr Hoch achten, werden nun dieſen an Tiefe und Bedeutſamkeit 
uͤbertroffen; den sche Dautipen , vor allen den Engliichen, find 
fie im Siehe verwondt, war vollſtaͤndiger, als das, was dort 
gefgmmekt worden and zu uns gelangt, auch, da fie früher aufs 
bewahre wurden, reiner und gediegener. Die Darftelung darin 
iſt vortrefflich, weil ellgeit -die innere Nathwendigkeit ſpricht, 
nicht ein Aufieres Geſch; eine Hinneigung zute Dramatiſchen, 
wie in alen woltclieders, erſcheint darin ſehr kenutlich und es 


x 


372 rel Thordſen og Skjoͤn Walborg udg. af NAyerap. 


AR wenig "Gorge: an eine runde am, einander ſich ſchließende 
Srzaͤhlung gewendet, vielmehr wird’ alles ſtkeng neben einander 
Unfgeftelle, nur angedentet, aber öft liegt im dieſen wenigen 
orten: eine große Sewalt: Denn das ik däs Eiugäntid: 
der Peeſſe, daß fie mehr als andere Kuͤnſte der’ Mittel ent 
vehren kann? "and "eine große Empfindung in-unbehelfenen 
Worten ſich Wißrender und maͤchrigetdausfſpricht, als die fr 
redtefte Kunſt. Wen ans den-frähften Zeiten, die nk die 
Sealden beſangen, und die als groͤßere Gedichte we ans in 
Handſchriften bekannt find, leben Hier in einzelnen Liedern fort, 
in denen die erhabene Wildheit jener Jahrhunderte noch kennt 
lich iſt, und deren Ehitflehung weit in die heidnkſche Zeit zu 
ruͤckgefuͤhrt werden darf. Dieſe Heldienlieder machen einen 
Theil der Sammlung ans; den andern und größern: Bal— 
taden wnd: Mätdhen, die fpäter und in betr chrifllichen 


BZeit entftanden find. Es if -verounderungemärdig, wie fü. 


affe, auch die Leimlichſten Meigungen ud Michrungen des Lebend, 
Aller Schmierg-und- alle Freude, die es finmal berührt, darin 
offenbart; haben, und wie: wir uns davon beiroffht und gerührt 
fühlen, wer esdie innere Luft war, die ſich aufthat, 'bift 
eigentliche Mordenfonne der: Poeſie, vor der ihre Stächen fd 
Bine. " Waͤhrend fie alle “ir einer gewiſſen Rattonalapatichkit 


wachfen ſind, ſo zeigt fi wiederum dle größte Muuntgfeltig 
keit in ihnen. Die tieffte Trauer, das hochſte Leiden, wie du⸗ 
Städt der Liebe, des Muthes, der Hummor bis Jum lelchtſeti 
gen Scherz iß darin beſungen? Wie rihrend tft tw vielen Lie 
dern das Unglaͤck der Liebe erzaͤhlt. Wie der Heid hingeht, i⸗ 
flldernem Schuh Waſſer zu holen fuͤr feine Seliebte, and ihn 
die Nachtigallen am Brunnen wahrfägen‘, er werde! ſie todt 
finden mit zwey Kindern in ihrem Schoos, und: wie er, noch 
dem eralle drey begraben, glaubt, die Kinder‘ unter der Erde 


— 





Axel Thordſen og Eifiön Walborg udg.-af Ryerup. 373 


weinen zu hören, und ſich das Schwert ins Hen flicht; ober 
wie er den. Tod aus der Liebſten Mund empfangen muß, da 

fie feinen Namen nennt im Kampf und ihm ruft ihres jüngften 
Bruders ga Ichaden;, denn alsbald wird er todtwand geichlagen, 
Auch van der Gewalt naͤchtlich tanzender Eifen wird. erzäßlt, 
die. den halb traͤumenden Ssängling in ihre Mein locken wol 


jen, oder den. widgrfireßenden and Herz fchlagen , daß ihn am 


Morgen feine. Braut todt umerm Scharlagg: findet. Anmuthig 
find die Kindermärchen von der. Pringeffin, welche ‚der Waſſer⸗ 
man geſtohlen, und die ihr Bruder aus dem unterichifchem 
Haus befreyt; und von dem Nachtraben, an den.die Koͤnigin 
ihr Kind verkauft hat. Doch wir duͤrfen nicht weiter vom 
einzelnen reden, weil das zu weit führen woͤrde. 

. Bu dieſem Intereſſe eines poetischen Buchs kommt: 106 
ein. anderes, das und bie Klempeviſer, merfwärdig macht, 
Nämlich der aͤlteſte Thejl deſſelben, die Heldenlieder, - greifen 
in die Babel. und den Cyklus nes Nibelungenlieds und Helden⸗ 
buchs ein. Jeder, den die Sefchichte diefes ‚großen Epos und 
der Altdentichen Poeße überhaupt intereffirt,, - wird ihre Wich⸗ 
tigkeit and dieſer bloßen Bemerkung ſchon anerkennen; noch 
mehr aber, wenn wir hinzufügen, daß fir.vgn Der, dem Nor⸗ 
den eigenthämlichen Geſtalt der Sage verſchieden, fi zům Theil 
der Deufſchen nähern, ohne daß man beſtimmt behaupten fänne, 
fie ſeyen aus diefer entflanden , oder etwa gar uͤberſetzt. Eine 


eigene Ausführung Des Geſagten müßte ihr Spntexeffe haben, 
gebört : aber nicht hierher, und Rec. wird an einem andern 


Ort Goelegenhelt haben ſie zu liefern. 
‚Die Glſkovsviſer (von denen Rec. eine Xorg 6% 


fit) find eine Heine Sammlung von dreyßig Liedern, die alte 


einen tragtichen Ausgang haben. (daher der andere Name: -Tras 
gica), wovon’ die . meiften an Werth den Kiempevifer. nick 
nachſtehn. Ausgezeichnet darin iſt das.Kind von Hafbur und 
Signild, eine alte. Sage, worauf jhon die Edda hindeutet, 
and welche au Says. Srammatigus erzaͤhlt: Hafbur ale 


Jungfrau verkleidet, genießt die. Gunſt feiner Geliebten, mird 


v 
N 





374 Axel Thordſen og Stiön Walborg udg. af Nyerup. 


verrathen und Aberwältige: alle Stricke reißt er entzwey, bi 
fie ihn mit zwey Haaren von Bignilde binden, die er nicht 
gerreiße, aus großer Liebe, ſelbſt als fie ihn darum bittet; fle 
Hat ihm verfprochen,, fi zu verbtennen, wenn ſie Iht aufge 
Hänge fehe, er weiß fie einige Augendfisde früher zu täufden, 
indem, er erfifeinen Mantel Hat hinaufziehen laſſen, und nın 
flirbe er mit der Luft, ihre‘ Kammer in Klammer flehen ja 
ſehn. Ein merkwuͤrdiges Lied enthält Sigurds mordlichen Tod, 
von dern Nibelungen Lied, auch von "der Wolfunga Sage 
wieder abweichend, mit eignen aber’ herifihen Motiven. 
Bey fo mannigfahem Intereſſe verdient eine neue Anh " 
habe dieſer beyden Sammlungen unſre ganjge Aufm erkſamkeit. 
Sie konnte in keine beſſern Haͤnde fallen: die Gelehrten, die 
ſich dieſer Arbeit unterziehen wollen, ſind ſaͤmmtlich durch ihre | 
‚Bemühungen für ihre vaterländifche Literatur bekannt, ind 
wir find berechtigt, etwas Worgügliches und forgfältig veanu, 
tetes zu erwarten. An Zeit dazu wird es auch nicht fehlen, 
da die Erſcheinung des Buchs von demi Frieden abhängen fell. 
Hr. Prof. Nyerup hät als Probe das Lied von Axel m 
Waldborg geliefert. Es ift das größte der ganzen Samm | 
‚lung (in den Kjempeviſer enthält‘ es gerade 200 wie | 


— — 





und gehört unſerm Urtheil nach nicht zu den erſten, wiewehl 
es immer vorzuͤglich bleibe, und ſehr ſchoͤne Stellen‘ hat. Es 
neigt ſich in der Darſtellung zu der frätern Manier, die auf | 
führlicher ift, und hat etwas von dem Charakter mehr hiſtorb 
fcher Meldung, wie es auch durch fein verfchlungenee Sylben 
maß von den andern abweicht, und faſt das einzige ifl. Ver— 
änlaffung diefes auszuwählen, war dem Verf. das neue Dehlen 
ſchlaͤgeriſche Drama, welches auf diefes Lied gebant iſt; vie 
leicht auch die Möglichkeit, fo viele intereſſante Volksſagen uͤber 
das ſogenannte hiſtoriſche der Erzaͤhlung zu ſammeln, welches 
"bey andern ſchwerer fallen dürfte. Die Wolksmelodie iſt hin 
zugegeben, auch Wort und Sacherklarung. Durch die Bu 
trahtung dieſer Probearbtit find wir zu folgenden Wuͤnſchen 
veranlaßt worden. Ba W 


Axel. ordſen og Stzon Walborg udg. af Nyerup, 375 


Erſtlich: das Lied hat im den Kjempeviſer 2oo Verſe, hier 
find nur 175 mitgerheilt, alfo grade a5 ausgelaffen. Der Verf. 
fagt deshalb, ‚es fey doch lang genug: das ift wahr,. es if 
lang, allein. bey der Poeſie erkennen wir keinen Weberdruß, der 
aus dem Allzulaggen entſteht, und außerdem, wer ihn bey 200 
Strophen empfindet, wird damit nicht bis zur 176. warten, 
alſo wäre für einen ſolchen nichts gewonnen; andre aber, die . 
von dems Meberdruß nichts willen, haͤtten verbren. Belrachten* 
wir die fehlenden Strophen, fo müffen wir es zwar ben mehs - 
reren, weil fie unndchige Wiederholungen enthielten, recht feyn 
offen, daß ſie Übergangen find. Wir bemerken aber gleich, 
daß wir nur bey diefem einzigen Lied, weil es ſich wie ſchon 
erwähnt, durch feine breitere Manier beſtimmt von. den andern 
unterfcheidet., dieß Recht gelten läffen, nicht aber bey irgend 
einem andern der Sammlung. Andere. Strophen. hätten wir 
lieber ſtehen gelaffen, ‚und andere dafür. gegeben, die ung ein 
matter fgäter- Zufag fcheinen, wie die drey letzten (hier 173 _ 
— 175). Doch darüber wollen wir fo ſtreng nicht richten; was 
wir aber beſtimmt tadeln müffen, das iſt die Auslaſſung fols 
gender ſchoͤnen Verſe, und die idee, welche wir als Grund 
davon einzufehen glauben. Erſtlich des achtzehnten, we erzählt 
wird, Arel habe geträumt, wie er feine Liebfte in Sammt 
gekleidet. gefehen, und Haagen der Königejohn neben ihr ger 
feffen. und le begehrt; dann des 162,, wo Axels Echild. ber 
fhrieben wird: weiß und. blau, und zwey tothe Herzem darin. 3 
endii aber des 140. Wir wollen, um diefen Vers im Zu 
fammenhang. Iefen zu Sinnen, die dabey flehenden mit über 
fegen: man wird zugleich. eiie Probe von dem rührenden Ges 
dicht haben, deffen beſte Stelle dieſe grade nicht iſt. Arel und 
Waldborg, nachdem fie in der Kirche geichieben worden, ſitzen 
bey dem Feſt des Koͤnigsſohns zuſammen, und reden uͤber ihr 


unguc: 
Sagt mie, Waldborg berzliebfle mein, / 
dieweil allein wir beyde: 
welcher Rath mag uns der befle feyn, 
daß ſchwinden unſre Leiden? ‘$ s 


⸗ 








— — — 


376 Axel hordſen og Erin Walborg udg. Ma 


„Fab' ich den König; wenn das er 
ils gegen meinen Willen; 
und lebt' ich taufend Yabre bier? 
eg kaͤm mir nicht ous den Sinnen? 
. „Ich will fiben in dem Saale weit ” 
' nnd mirfen Das Gold in die Haube, * 
foforglich leben meine Zeit y ⸗ 
recht wie die Turteltaube.“ 
ur 440. „Ruht nimmer auf grünen Aalen, a 
als wenn ihre Bein’ find müde: 
. trinke, nimmermebr das Waffer fo rein, 
fle rührts erſt mit-ibren Füßen.“ 
„Mein Herr, Ibhr reitet fo luſtiglich 
zu Jagen die wilden Sehe: - - : ; 
‚und alle Gedanken, die fommen um mich, 
2 . „die laſſet geſchwind fertgehen.“ 8RXP 
„Dein Han, Ihr reitet fo luftiglich, 
zu jagen die Haſen wilde: 
uuntd alle Gedanken, "bie kommen um mich, 
dielaſſet fortgehn geſchwinde“ 
Und wenn ich-auch in den Noſenwald re, 
die wilden Thiere zu jagen: “ 
was foll ich Nachtens thun, zu ber il; 
‚wenn. Ich Tann gar nicht ſchlafen 2? 


ir hätten dieß ſchoͤne Bild der Taube, die von Ssum ge 
trieben nicht ruht, bis fie vor Muͤdigkeit nicht mehr fliegen 
kann, und die das Waſſer unruͤhrt, wenn ſie trinkt, Bomit fe 
ihr Bild nicht. fehe, unmöglich auslaſſen innen. Schlegel 
(Vorkef. über dramat. Kunſt II. 148) nennt sehr treffend die 
Bucht vor dem Lähherlihen das Gewiffen der. Fratzoͤſiſchen 
Schriftſteller, Die ihre. Fluͤgel bejchnissen, und ihren Schwung 
gelaͤhmt: wir wuͤnſchen, daß die Keraufgeber dieſe Furcht nid! 
in dieſe £ieder hineintragen, die fie nicht kennen, und bie ihrer 
Matur ganz und ‚gar zuwider iſt. Man darf ihrer Wahrheit 
immer vertrauen, und nicht befprgen ,. Daß eine Volksdichtunz 
lächerlich. ſeyn Kane, das iſt nur das Leere und Taube; 
hegen wir doch vor allem im Leben Adtung, was aus innert! 
Ueberzeugung geſagt, oder gethan wird, ſelbſt bey offenbaren 


- 


eo 





Arel Zerdlen og Stiön Walborg udg. af Nyerup. 377 


Irrthum. Mir bieten daher, keinem andern Lied, das aufge⸗ 
nommen wird, etwas ‚ähnliches zu ensziehen, überhaupt nichts, 
und nat ein Vers könnte Ausnahme machen, der zweymal etwa 
ganz unſinnig angehängt iſt, und die Nachricht von einer Vers 
heyrathung „enthaltend, einen Schluß machen foll: bey dem 
Lied von dem Held Vonved (S. go) und von Marſtk Brise 
Töchtern (S. 240). 

Sind wir fo fireng für Lieder, die aufgenommen worden, 
fo wollen wir recht viel nachgeben, wenn andere follen ganz 
ausgelaffen werden: ja die Herausgeber werden dadurch unſern 
zweyten Wunſch erfüllen. Es finder fih in den Kjempevifer 
eine Anzahl fogenannter hiſtoriſcher Lieder (hauptſaͤchlich S. 
oBı ff.) d. h. ſolche, Die nah Art gereimter Chroniken 
Begebenheiten erjaͤhlen, ohne ſie poetiſch aufgefaßt zu haben, 
die wohl einen hiſtoriſchen Werth haben, und deshalb eins- 
eigene Sammlung verdienen, die aber hier nicht beruͤckſichtigt 
werden dürfen. Sie gleichen. den biftorifchen Liedern in uns 
fern Chroniken, und verdienen keinen Platz neben den ans 
dern. Zu übergehen wären auch poetifch unbedeutende Lieder, 
deren Motive Nhon einmal und beffee da geweſen find, over. 
die zweyte, oder gar dritte Necenfion deffelben Lieds, in fofeen 
fie wenig abweicht; es wird hinlaͤnglich ſeyn, was etwa davon 
intexeffiren könnte, An der Note anzumerken, Beyſpiele find 
gleich „das 25. und 39. Lied in der erfien Abtheilung, das dritte 
Lied von dem Meermann (S. 157), das Lied von Kragclitd, 
das ©. 400 und 601 wenig verändert wieder vorkommt u. a. m. 
Ungehörig find fernes Die Moderniſicungen alter Scaldenlieder, 
die zu Anfang Des vierten Theils eingerücdt worden, wie 
Diallemagl hin gamle, Ragnar Lodbrocks Lied, auch einige 
Lieder, die. feine echten Volkslieder find , wie > D. das lebte. 

Drittens: wünfhen wir, dab die Herausgeber [parfamer 
mit den Dloten umgehen möchten, als es hier. bey Dieger Proße. 
gefchehen. - So fehr wir «8 billigen , daß fie Anmerkungen 
liefern wollen,. auch, was zum Verfiändniß beym Lefen erfor ' 
derlich, gleich anf der Stelle in Noten mittheilen, und es nicht, 


/· 


378 Axel Thordſen og Stiön Walberg wdg. af Ryerup. 


einer undequemen modernen Elegang zu gefallen ‚” in einen As 
hang verweifen, mo es niemand, der mis Luſt Lest, "nacficht, 
weit er. fih unterbrechen muß, fo wuͤnſcher wir doch guch nicht, 
daß ſie uͤber andere Dinge ſich ausbreiten möchten, wie eiwa 
©. B, 42, 49, 30, 60 geſchehen. Es RE nichts Afiger, als 
Noten, dle ſich niet fireng an die Sache halten aund bie die 
Gedanken ableiten, oder etwas mittheilen, das weiter von 
feinem Belang iſt: wenn in einigen von den citirten Stellen ges 
ſagt wird, dieſer Zug ſey recht ſchoͤn, oder dieſe Ceremonien 
paſſend, ſo iſt base wahr, allein es bleibt beſſer der eigenen 
Betrachtung des Leſers ſelber uͤberlaſſen, dieß zu bemerken. 
Sn der Einleitung zu dieſer Ballade find mehrere Volke⸗ 


fagen von dem Ort, wo die Seſchichte fich fol zugetragen Haben, 


zufammengeflellt, welde in Norwegen von Reiſenden find gu 
hört worden. Jede Gegend gibt einen andern Ort an, und 
es ift intereffant zu fehen, wie ſich die Sage an fo manches an 
getnäpft hat; an einem mit Steinen umlreisten Platz, we 
bie, Schlacht ſoll worgefallen fepn, in welcher Haagen und Arel 
fielen; an große Bautaſteine ( voramidenförgig aufgerichtete 
Gebdaͤchtnißſteine), worunter bie Helden liegen follen; an ein 
weißes Marmorgrab, in welchem fie Waldborg ruhen läßt. 


Diefes iſt die Natur der Sage, die Überall, wo fie lebt, auf’ 


ihr Haus bat, und daheim if. Es ift daher recht ſchaͤtzbar 
und verdienflich, wenn die Herausgeber folche Volksſagen ſam⸗ 
mein, nur wuͤnſchen wir nicht, daß fle grade kritiſch befkimmen 
wollten, und auffuchen,, welche die echte fen, um die andern 


| 





ale Unwahrheit abweiſen zu koͤnnen. Dean wird mit biefer 


Auſicht, da fie ſich faſt ale widerfprehen, und eine an fi fh 


viel Glauben verdient, wie die andere, ſchwerlich zu einm 
‘andern Refultat gelangen, als daß keiner zu trauen umd nichts 


auszjumachen ſey, welches auch hier angegeben worden. &# 


wird genug ſeyn, dieſe mannigfaltigen Sagen zuſammenzuſtel⸗ 
In, um die. Wahrheit, die im allen erfcheint, zu ‚finden : wie 
alles in der Rasur von derfelden Art, neben einer ftetigen im 
dividuellen Verſchiedenheit, Immer‘ auch denſelben Grundtyput 


Axel Lhordfen og Skin Walborg ude. af Nyerup. 379 


in fi teaͤgt⸗ Auch die Recherchen Über die Verfaſſer der Ries 
der rathen wie aufzugeben, teil fie doch keinen Erfolg haben 
Tonnen; das Volkolied dichtet Rd) ſelbſt, und ſpringt als Bluͤthe 

aus der That: hervor, 

Endlich hoffen wie, die ‚Herausgeber werden nicht bloß 
die Beyden Bedrucken Sammlungen benugen, ind eiwa no 
vorhandene Manuſcripte, fonbern auch eine drittd' Quelle, welche 
für das Wunderhorn fehr reichlich gefloſſen: wir meinen die 
fliegenden Wtärter, und das Auffaffen aus dem Munde des 
Volks fett. Da fle Hefonnen, die Melodieen, als eine fehre 
willkommene Zugabe auf die letztere Weife zu fammeln, fo 
erden ſte Gelegenheit haben, manches geue Lied zu hoͤren, 
und ohne Zweifel ſichern und aufzeichnen. 

Dieß find unſre Wuͤnſche für die neue Ausgabe der Kjompe—⸗ 
viſer, die wir geäußert, um unſer Intereſſe für dieſe Unter⸗ 
nehmung darzuthun. Erfreulich wird es ſeyn, wenn es ſich 
beſtaͤigt, was wir gehört, daß auch in Schweden jetzt eine 
Sammlung von Volksliedern veranſtaltet werde. Moͤchten ſich 
dort auch Maͤnner, wie hier, dazu vereinigen, und nicht uns 
geſchickte Hände darüber geraihen! Vieles intereffante mäßte 
aus der Vergleihung der Lieder beyder Natiorten hervorgehn, 
wahrfcheintih auch Aufklaͤrungen, gegenfeitige Ergänzungen, 
und Webereinftimmungen, die es darthun würden, was wir 
glauben, daß es eine Zeit gegeben, mo die Volkspoeſie beyder 
Ränder nicht getheilt, ſondern ein Gemeingut war. 

Wit koͤnnen dieſe Anzeige nicht beſchließen, ohne Gelegen⸗ 
heit zu nehmen, noch eine Mrerarifche Bitte an die Daͤniſchen 
Gelehrten zu thun. Ste betrifft die Baldige Herausgabe deb 
zwehten Theils der Samund iniſchen Edda. Wir erfiäs 
ten, daß wir unter allen noch vorhandenen Mannufcripten dies 
ft8 unbedingt faͤr das wichtigfte halten, und es iſt undegreiftich, 
wie man einen folden Schatz fo lange unbenutzt liegen laͤßt. 
Das Magnätfie Inſtitut, das fih In den Jahren 1773—1787 
eifrig für die Deransgabe der Islaͤndiſchen Manuferipte. zeigte, 
hat in mehr als zwanzig Jahren nichts edirt als eine Webers 


350 Areb Thordſen og Stjoͤn Walborg ade. af Ryerup. 


fegung der Nialsſaga, welche eben egflemen „und wavor 
der Originaltert ſchon 1787 gedrudt war. “WEBie wiſſen nicht, 
06 Hinderniſſe entgegen flanden, aber wir glauben‘, daß felche 
sicht ſchwer zu beſiegen waren, wenn man exnſtlich wolle. 
Es beflaͤtigt ſich auch bier, was man bey giichreen Akade— 
mieen erführen, ‚daß nichts literariſchen Arbeiten anachtheiliger, 
‘als wenn man fie allzubequem gemacht. Würden nicht zwey 
gelehrte Islaͤnder zur Bearbeitung der Manuferipte -jährlih - 
von dem Legat beſoldet und gehalten, fo würde 26 dem Kifer 
eimes Einzelnen ſchon gelungen ſeyn, zu bieferreihen Samm⸗ 
Iung au gelangen, und er würbe ohne fohhe Unterſtuͤgung mehr 


bewirkt: Haben. Wir dürfen als Beyſpiel die Schweden Per 


ringſkidid und Videner nennen, ja die Sammlung Altdeutſcher 
Gedichte, fowohl die Müller veranflaltete, als die jetzt er 
(heint, gewiß. nicht . in. gänfligen Zeiten.” Dee Enthuſtasmus 
für eine Sache thut doch flets am meiften, und es ſtaͤnde noch 
zu fragen, was ohne Suhm durch das Masuäifhe Inſtitut 
‚ gefchehen wäre. Auch das Princip, wornad man den NBorzuz 
‚ber zu edirenden Codd. beſtimmt, können wir nicht billigen. 
Man gibt den Sagen, die mehr hiftorifch ſcheinen, oder mit 
andern Worten, den unpeetifchen (darum, wie wir glauben, 
jöngern): den Vorzug. So iſt es gefommen, daß man um 
“einige Hiftorifche Data, deren Werth wir übrigens. anerkennen, 
zu erhalten, die alten Gedichte hintangefegt hat, in denen fid 
der Geil der. Altnordifchen Dichtung am größten ausſpricht, 
und die nicht weniger eine hiſtoriſche Wahrheit, nur eine noch 
höhere und wichtigere haben. Es if keinem Zweifel mehr tun ' 
serworfen, daß die Sage der Nibelungen, und bBisfe ift in den 
meiften noch ungedrudten Liedern der Edda Saͤmundar (wie 
in der Blomſturwalla⸗ und mwahrfcheinfih auch in der Jarl 
Magnus Saga) enthatten, gefchichtlich begruͤndet ſey, und wir 
wollen verfühern, daß, wenn ſich der Norden nicht. für dieſe 
herrlichen Gefänge (wovon wir eins ‚ganz, ‚andre nur ans 
Bruchſtuͤcken bey Bartholin und Torfäns Tonnen), intereſſet, 





.. Posidonü-BReliquiae :doctrinae. ed. J. Bake. :381 


fi? von ——— mit Dantbarkeit und Breme jeden auß 
genommen werdiu. 


e J 
— 
2 
Lg [4 





Posidonii Rhadii Reliquiae Doctrirtae. Collegit atque'i "illtstravit 
: JanustBake. .Accedit D. Wyttenbachii annotatio. 
Lugd. Batavorum, : apud .Hagk et Socios. MDCCCK, 

303 e& Wottenbad 8 Anmerkungen 27 ©.) a fl. 30 fr.) 


Wenn es wahr iſt, daß nut durch gute Spceialgeſchichten 
am beſten der allgemeinen Geſchichte vorgearbeitet werden kaun; 
ſo gilt dieß beſonders auch, von der. Geſchichte der Philoſophie. 
Schon find’ und’ ans MWytten bachs Schule mehrere ſchaͤtzbare 
Beytraͤge Biefer Art zu. Theil geworden: wir haben -Mahne sd 
Meuographie “über den Ariftorenus, von Lynden's über den 
Panktins, Nieuwland's über den Muſonius; aber. Diefe Sqhrift 
des Den. Bake ſcheint uns alle zu übertreffen, obgleich jede 
für ſich betrachtet, den beſten akademiſchen Schriften an bie 
Seite geſtellt werden kann. Hr. ©. gibt une bie erfie Feucht 
feines. akademiſchen Fleißes, am her er fgit: drey Jahren arbei⸗ 
tete; aber ar gibt ſie uns in einer Geſtalt, die ſchon Die Hand 
eines Meiſters verraͤth. Die Sprache iſt von fleckenloſer Reims 
heit, Einfachheit, Gediegenheit und: Eleganz; die Anordnung 
beſonnen und zweckmaͤßig, dieSommlung der Fragmente: voll⸗ 
ſtaͤndig, der: Son beſcheiden, dis Kritik gruͤndlich und. auf rich⸗ 
tige Grundſaͤtze gebaut: Bein appiger Auswuchs, keine magere 
Dune entkellendga: fehöne Ganze, und- es, kann für in Muſter 

Lehantkung eines ſolchen Stoffes. gelten; und wir freuen ' 
uns Daher auf die Bearbeitung des Mathematikers Cleomedes, 
die Hr. Be nun. beginnen: will, — Die. Anordnung dei Wer⸗ 
kes iſt Folgende: woran geht das. Leben des Pofidenius: und 
Nachrichten vom feinem Lehrer (Panaͤtius) und feinen Schu⸗ 
lern, worunter Eicero war, von 4-98. Dann folgt ſeine 
Philsſophie: Einleituns ©. 94 - 40. Phnfit: ©: 41 - 284 
:(nach dem weiten GBegriffe der Stoiker). Ethik S. 185 - 455. 
Diaiektik ©. 231 - 424. Seine Schriften S. 235 - aß. 
Von Andern, die bey den Alten unter dem Namen Pofidgs 


\ J 


[4 


\ 


‚382 Posidonii Reliquiae-doctrinae' ed. J. Baka.. 


nins vorkommen. Dann folgen: Woktenbach e Aumerkungen 
und ein Regiſter. Wyttenbach machte die Amrierfungen wäh, 
rend des Druckes. der Schrift. Sie betreffen den Sprachge 
Brauch ,. die Stoiſche Phyſik, weifen einige übergangene Stellen 
nad, emendiren andere u. |. w. * ſagt von fh nen ©. 261. 
Et quod nunc adscribo, magis illyd a s quam 
necessarium , non tam ad operae tuae supplementum, 
quam ad bibliopolae emolumentum ;pertinet. — — — 
| Sed hoc cujcuimodi sit, .habes hoc mei de te judicii testi- 
‘ monium, quo tuus se nanc in publicam lucem prodiens 
Jibellus tueatur. Nam semel quidem - cagnitus 'ipse se 
tuebitur. Und fo finden wir es auch. Aber gut war es, daß 
W. fein. Urteil beyſetzte, um Käufer und Lefer aufmerkfam pu 
machen. Eine Probe von Hrn. B. Stil mag folgende Sielle 
mis der Vorrede ſeyn: Verumtamen illud ab omrlibus jure 
postulari ‘videtur, qui quidem scriptis 'edendis aliquam 
doctrinae partem disaiplinamve profitentar,; ut his ipsis 
scriptionibus vel novas res prodant, vel res eas, de qui- 
bus agant, illustrent, vel easdem ita. disponant, ut me 
lius"inde ratio earum ad caeteras ejusdem disciplinge par 
tes intelligatur.. Quod postremum genus me secutum esse, 
nihil reperio, cur reticeam. Sperabam ehim, fore, ut mes 
opera et labore ad. Posidonjanae doctrinae inteBBigentiam 
ita proficeretur „ ut hujus .ipsius- doctrinae vi ac praestam 
tia cognita atque explicata, latius antigdarum literarum 
fines proferrentur. Cujus propositi, si’wel exiguam vr 
tem perfecero, quodque sudcepimus munusy: ällud st 

ac diligertia quodammodo expievero; habebe sane , quod 
consilii me laborisque mei haud poeniteat.' Potgehte Ve 
merkungen mögen dem Verf. beweifen, daß wie ihm Die Aufı 
merkfambeht gefchentt haben, deren fein Buch fo würdig if. 
Finder er fie der Aufmerkſamkeit werth, oder "bringen fle ihn 
auf neue Gedanken, fo genügt dieß uns: denn nach AB. An 
merkungen no etwas fehr bedeutendes zu fagen, maßen wi 
uns nicht an. ©. u magten wir in der Stelle des Seobau— 





/ " ’ 


Batz Moral. Berachtungen uͤb. d. wahren lerifalifch. Geiſt. 383 


Batt aa TO, werE zoo xaovov, leſen: xura To nore 
7. x. Dagegeg witden wis ©. 61 das nos zweymal zur 
dictio enclitica mahen: OTı xat zıvoyusrng mag TRs YA 
Tod I A009 uEvoyrog og, dbvaraı 7 — — Avo- 
uahg amdscdas (Simplicius in Phys. Atistot. p. 64. ed. 
Ald.). ©. 134 ſcheint ih der Stelle des Poſ. bey Strabo 
p- 250 A. fut olg eige beſſer Öc Eixe gelefen gu wers 
den. ©. 176 iſt aus em Verſe: Envaxe TV vnarav 
ev Agqi gQvAädas vielleicht aus Verſehen dpxdv ausges 
fallen... &. .zoe möchten wir für weuyero anftatt neu- 
Vera lieber ueuyoaıro emendiren wegen des dv. ©. aso 
will Hr. B. flatt Toos HL Svuixwripovg xal navınzdre- 
e09 Ärrorzss, (fen uavızarspovs: wir mödten in 


demſelben Sinne cher narvızaraspuv Exovress.: ©. 229. 


Sn dem Verſe des Kleanthes: BaaıdAızöv Ye. AMᷣν Öung 
eirrov arm Hätten wir Scaligers Verbefferung Ba oı Aı- 
20V. Edye| aufgenommen, die der Sinn zuläßt, und das 
Metrum fordart. S. 97 moͤchten wir von Achilles Tarius 
nicht ſagen, daß er irre. Er dachte wohl bey den 6. Zonen 
daſſelbe, was Strabo bey den ſieben. ©. Ba iſt bey Seneca 
Nat. Qu. II. a6. für rupesque partim illaesae vielleicht 


. 


illisao zu leſen. — Die Äufere Geſtalt des Buches ift dee 


Innern würdig. 


1 





Moralifche Betrachtungen über den wahren Flerifalifchen Geil. Hebfi 


einer Rede über den Einfluß der Wiffenichaften auf Sumanität, 


.von Bob. Friede. Ba, ehemals Subregens des hichöffl. 
Seminars zu Bamberg. Nach deflen Tode herausgegeben von 


D. 805. Joſepb Batz, Prof. d. Theologie. Bamberg ber 


Dederjich. 1809. 102 ©, et. 5. 


Diefe Betrachtungen wurden im Jahre 1797 den jungen 
Theologen vorgelefen, welche im Seminarium gu Bamberg 
zu den hoͤheren Weihungen und zum Pfarramte ſich vworbes. 
reiteten. Ihr Vorſteher delt. mir ibmen Die gewöhnlichen. 
geifilichen Webungen, und fuchte fie mit den Pflichten ihres 
Standes und mit den Mitteln, fie zu erfüllen, bekannt 


u machen. Das warme, lebhafte Gefuͤhl von der Wichtige . 


eit. des Pfarrgmtes und von den ihm entfprechenden Pfliche 
ten nennt er. Tieritalifhen Geiſt. Wer diefen Geiſt 
hat, ‚der mäffe ſich für einen Mann haften, deffen Erbtheit 
Sort ift, und keine andere Freude kennen, ale die, feine Miıe 
menfhen hinzuführen zue Erreihung ihrer hohen Beſtimmung. 
und fie zu guten, der Meuſchheit und Gottes würdigen es 


\ 


— 


— — —2— 


354 Baztz Moral. Betrachtungen üb: d. wahren kleril aliſch Geiß. 


(höpfen zu bilden. Der wahre Kleriker habe von feinem Br 
rufe die erhabenften Begriffe; er Tenne die Größe feiner Be— 
Ainmung, und adte fie; wenn auch die Welt Bas Amt des 

eifilichen verachtet, fo laffe er ſich Doc in der Achtung feines 

erufs nicht Hören. Da er andere Menſchen zu ihrer Be⸗ 
ſtimmung führen fol, fo gehe er ſelbſt voraus, und fuche, das 
hochſte Gut des Menihen, d. 5. die hoͤchſte moraliſche Bol 
Eommenbeit, immer mehr in ſich zu lien; fo daß die Leute 
nur auf fein DBenfpiel fehen dürfen, wenn fie willen. wollen, 
wie fie ſich verhalten follen. Da er der Echter feiner Gemeinde. 
if, fo fuche er feinen Verfland mit nüglihen Keuntniſſen aus 
zurüften, arbeite nnabläffig an eigner Bildung, fehreite mit 
der Aufllärung feines Zeitalters immer fort,  umd made von 
derfelben den wohlthaͤtigſten Gebrauch für feinen Beruf. Sein 


Derz zu veredein, und. alle Neigungen deffelben in Drbaung 


zn erhalten, nehme er feine Zuflucht zum Gebete, und file 
äfters, in ernſter Betrachtung Die. Frage an fih: was bin id, 
und mas follte ic feyn? In allen feinen Amtsverrichtun— 
gen fey er voll Eifer und Würde m. f. w. Dieß iſt das Bild 
des Seelſorgers, welcher den kleikaliſchen Geift Hat. Aber 
manche Geiftliche leben, als wenn fie bloß zum Vegetiren und 
Genießen da wären. - Ihr Yanzes Geſchaͤft ik Manipulation, 
die wie ein Uhrwerk ohne Gefühl und Bewußtſeyn fortgehet. 
Würden Meffelefen, Brevierbeten, Segnen und Salben nid 
mebe feon, jo würde mander Seelforger fh und fein Amt 
für entbehrlich Haken, weil er Beine andre Pflichten kennt, ald 
jene äußern Manoͤvers. Iſt er damir.fertig, fo legt er, fol; 
auf ſein opus operatumy fid wieder auf den Dolfter geiftliher 
Trägheit und Gemaͤchlichkeit. So handelt der Seelſorger ohne 
Herldalifchen Geiſt. Wie nun⸗ der angehende Seelſorger dieien 
elerikaliſchen Geift erwerben könne, wird in den gegenwär 
tigen Betrachtungen gezeigt. Der Herausgeber hätte der Sprache 
Bier und da’ nachhelfen, und wicht fiehen laſſen follen ©. 12 
entbrenne für erwärme, ©. 17 Menfhlichkett für 
menfchlihe Schwachheit, &. 19 und 55 auffidtig für aufs 
mertiam, S. 74 in Staube der Demuth u. ſ. w. 
Die mit ©. 74 beginnende. Gewiſſensforſchung 
iſt überaus lehrreich, und wuͤrde noch brauchbarer feyn, went 
die Terminologie der Kantifchen Schule wäre vermieden won 
Sen. -Die Rede Aber den Einfluß der Biffenfdaf 
ten auf Sumanität, ©. 87— ı02, muß den Schuͤlern 
des Sumnallums. von Bamberg, vor denen: fie gehasten wurde, 


"am eben. diefer Terminologie willen zum Theile unverftändlig 


geweien feyn. | | 
. EEE . 





Yo. 25, Heidelbergifäe | 1811, 
yabınänen der Literatur. 


DUTEIIIE 








ea N N N N x 


jefanabildungsichre nach Peſtalozziſchen Grundfähen paͤdagogiſch bes 
gründer von Mich. Traugott Pfeiffer, metbodifch bear» 
‚beitet vor Dans Beorg Naͤgeli. Erſte Hauptabtheilung. 
Zürich bey Nägeli und in Commiſſion der Waiſenhausbuchhand⸗ 
dung in Etuttgart, bey Gail und’ Hedler in Frankfurt und 
Lleiſcher in Leipjig 1810, 250 ©. tm größten 4. (A Rthlr.) 


5, wnfaffend, ‚wie ber Titel, Der das vorllegende Werk 
on einer gewöhnlichen Singſchule oder Geſanglehre unters 
heiten fol, iſt das ganze Unternehmen des wackern Naͤgeli: 
ie Bildungsichre: der Jugend durch Befang nach Peſtalozzi⸗ 
hen Grwdfägen, wie fie Pfeiffer im eine reinpädagogifche 
Anſicht genommen hatte, brauchbarzum Unterrichte fuͤr alle 
a machen, dis nur einigermaßen für Muft empfängfich find. 
Der Plan iſt groß, und wilde abſchreckend ſeyn, ivenn bie 
Herausgeber ſich nicht vorgenommen Hätten, aus diefem voll 
tändfgew Elerentarwerke einen wohlfeilen Auszug für Lehret 
nd Volleſchulen zu veranſtalten, die (wie es bier heißt) bes 
Grähtee Welser und Zwecke Haben — umd wir möchten hin⸗ 
ufeen, DW Selegenheit finden wollen, fich mit der vollftändigen 
Idee Bor vorgeſchriebenen Bildungsweiſe bekannt zu machen, 
hne Darm mehr, als die zur Ausführung mnmgaͤnglich nothe 
vendigen Huͤlfsmittel zu begehren. 

Zu leutnen aber iſt es nicht, daß der große Umfang des 
Internehmens ſchon an ſich betrachtet ein ehrfurchtgebietendes 
inſehen ninme, welches nicht anders als heilbringend auf 
Is Zeitälter wirden, und fuͤr die Erweckung des Geſanges 
Ion großer - Macht fern kann. Es find nämlich die Herz 

geber, deren Namen bein Werke vorgeſetzt find, innigſt 

rchdrungen von der Weberzeugung, daß die Muſik Sinn 
Bd Seele, Leben und Liebe dem —— ſeyn folle, und auch 





386. Peifers-Gefangbildungsichre von Mägei 


feun werde, ſobald man fie von diefer edein Seite zu betradı 
ten durch die Verſuche, fie recht ins Leben zu bringen, fih 
gendthigt finden werde. Mit Hecht fagt Nägeli: durch kein 
anderes menfchliches Wiſſen und Können wirb Das Kind von 
feiner finnlichen und feiner geifigen Seite fo tief umd lebhaft 
ergriffen, und fo mannigfaltig beſchaͤftiget, daß Gemuͤth un 
Körper in gleichem Wachsthume fortlaufe; und durch kein an 
beres harmoniſches Zuſammenwirken lernt die Menſchenkraft 
ihre Hohe Beſtimmung, Berein der individuellen Anlagen ni 
‚einem gemeinfamen Zwecke, fo frühzeitig erkennen, und fo vol 
tommen lieb gewinnen, als durh die Harmonie der Tim 
Das mußten die Alten wohl, die in dem Begriffe der hau 
monie das gange Weltall umfaßten. 

Es war eine fchwere Aufgabe, Die Geſanglehre ſyſtema 
tiſch abzufagen, und doc zugleich brauchbar für dem ſucceſſivu 
practiihen Unterricht zu machen. Dem vorgefehren ‘Piane ja 
Folge follen auf dieſe erſte Hauptabtheilung ber Geſangbib 
dungslehren noch drey andere folgen. Dieſer erſte Theil ham 
delt nach einigen das Ganze betrefſenden Erinnerungen die 
allgemeine und die beſondere Tonlehre ab. jene befaßt die 
Elementarlehre der Rhythmik, der Melodit und Dynamik, di 
methodifche Werbindung der Ionslemente und Die Notirunze 
Zunft; dieſe lehrt den Geſangton mit dem Worticut und du 
Tongewicht mis dem Wortgewicht methodiſch zu voneinen, zeig 
die elementarifche Verbindung der Toy s und Dichtkunſt, m 
gibt Elementaranleitung zur Ausführung. muftalifchee Kun 
werte. Was in diefen Hauptabtheilungen nicht, bequem abge 
‚Handelt werden kounte, wird in einigen enauao⸗⸗ nachge⸗ 
holt. 

Der Bemerkung zu Folge, * der Menſch bes Rhpthuu 
fruͤher, als des Tongefoͤhls empfaͤnglich ſey, wird das Kap 
tel von der Rhythmik der Melodik voransgeſchickt. Bloß die 
fer fpftematifhen Folgerung bat man es zuzuſchreiben, du 
die Sefangbildungsichre wicht mit der Lehre von der. Stimm 
prüfung ihren Anfang nahm, die aller Natur nach jeder au 











Vfeifers Gelangbildimgslehre von Mägat. 387 


ern Unterweifung zum Geſange; zu welchem nothwenbig eine 
Stimme: erfordert wird,  praßsifch :oorkwögehen ſeUte. Hier 
yäre zuſorderſt die wichtige Frage wo nicht: zu entfcheiden, 
och der Entſcheidung näher zu Bringen: ob das gewöhnliche. 
Irtbeil, diefer-umd jene Haben Ssine Stimme, Lie 
rwachſenen berechtigen daͤrſe, Kinder von der Geſtmgbil⸗ 
ungslehre auszüfchlteßen. Gel dee Geſang kunſtmaͤßlg ges 
sieben werden, fo find alle von dem Unterrichte auczuſchliet 
en, die, wie man ſagt, keine Bfimme, oder, wie man eigent⸗ 
ih fagen Sollte, ine-fo ſchlechte Stimme Haben, daß es dee 
Mühe fich nicht werlohnen werde, fir durch Gefang zu bilden. 
dell das Bingen aber als eine dem Menſchen beilfame Bes 
sesung , nis ein: willkommnes Mietel, ſch auszulaſſen, als 
In Beduͤrfniß des Semuͤths, als ein menſchlicher Werzug 
berhanpk Betrachtet werden, fo wird man äußerfi Sehutfem 
mn mäffen, Menſchen von, geringer, und befonders von 
heimbar geringer Anlage zum Singen biefes wenfchlichen 
dorzugs : baburch zu. beauben, daß man erktaͤrt, fie tangen 
in für allemal ‚nice gum Singen. Es gibt weber einen che 
er von Natur, der nicht: verbeſſert, nach: eine Schwachheit, 
ie nicht in Kraft verwandelt werben Mnmte,. wo. micht völliger 
Mangel der Organe das, was durch Tie:: verrichtet werden fol, 
mmoͤglich macht. Freyheit alle muͤſſen die Menfshen behal⸗ 
en, an fi” zu verſuchen, was fie nur wollen, und die Mit⸗ 
el darf man. ihnen nicht entziehen ,.. ohne weiche fie den Verr 
uch niche machen können ie mögen zuhören, fie mögen 
achfingen ,. fo lange fle andern mus wit. binderiih find, fie 

nögen alles thun, entweder uͤber ihre ſchwache Vatur * 
eich zu ſiegen, —** überzeugen, daß es vergebens ſey, ge⸗ 

en die Natur zu kaͤmpfen. Warum foren Kinder zi B., die 
inen Fehler in der Ausſprache haben (©. 8), vom Geſange ausges 
chloſſen fepn? Muͤſſen denn Worte gefungen- werden ? Voraus⸗ 
efeßt, daß fich die Ausiprache nicht verbeifern ließe, und wars 
im ſollte das Anſtoßen am MR Hier eine Ausnahme. machen ?. 
kiwa wert dieſer Fehler ſo gewoöhnlich ET ? Warum ſollen Kins 
er mie auffallend: kurzem Athem von der Geſangbildung aus 


335 Meilfers Selanshildungsschre von Noaͤncli 


serien fepn? Hätten fie pur Eu zu fingen, das Binz 
felb, Gefmuders wenn ein Meriändiger es ihnen ſo Lehrte, 
wie fie es gerade brauchen, würds ihres Athemzug bald vır 
längeren. Der einfihtsvolifie Arzt könnte Fein beſſeres Hal 
wittel zur Staͤrkung ihrer ſchwachen Bruſt in Werſchlag brin⸗ 
gen, als Uebung im: Singen. Lieber ſollte man ſolchen Krau 
kon verbiaten, zu ſprechen. Bingen iſt der Orgetziſation weit 
angemeſſener, als ſprechen. 

Ein weſentlicher Gewinn für die Sefangbildung iR die 
beſcheidene Anfrage biefer Bildupgselehre bey der Stimmpruͤ 


fang : ga bh 5 oa g duo beſſer vielleicht 
SET) Web. dam Maufe wird mehr vetſche 
777 


m - ne 


ce d *, bis man zum Hoͤchſten und zum 
— der Stimme gelangt. Eben ſo einfach if num auf 
die Bildung der Dre ſelbſt und die Bezeihnung der Tone, 


ach Mon. — — az . Bir thut do en 
Auge ‘und dem — gleich wohl, den Tetrachord in din 
fer reinen Anfchanumg 'zu. ſehen. j 
: . Beidhe Hätte der Goſanglehter bey biefer einfuchen, bisher 
noch in Peiner Geſangſchule ſichtbaren Vorſtellang bemerta 
konnen, daß gerade über und unter diefen awey Linien dir 


® 
eittöne iegn, — Ze eu; die nur um einen fo 





Kannten' arten Ton: von den armenifeen Tönen enefernt lv 
gen, worein fe eben deswegen bie Melodie an Öfteren zu 


ruͤckfuͤhren — Melodie fol Fortfepreikung de 


| Töne lehren. Bey biete, wenn fie nicht immer aufminl 
fieigen will, darf wohl bie Geptime unter dem Haupttone, 


Die bey Der leiſeſten Bewegunz Ri hären läge "PM. 
niche and der Acht gelaffen werden. Nagell ſah, daß .n 














Pfeiffers Geſangbiſdungslehre von Nigel 389 


Narfiefiemg der Tonfofgen auf die Zahl der Linien’ nicht an 
am, darum brauchte er bald ©, bald 4, 5, 6 Linien (S. 56 
7). Aber warum nicht auch 3 Linien? — Watrum ließ ber 
erſtaͤndige Meifter das, in den, von Zumſteg fo warki und 
erzlich ergriffenen Kinderliedern (bey Breitkopf und Haͤrtel) 
uerſt der muſikaliſchen Welt vorgelegte Linienſhſtem, das 
nmerwährende Erinnerungsſymbol des reinen Dreyklangs beh 
er Gefangebildungsiehre der Natur und Einfalt, auch nicht 
ı einer einzigen Anfchauung auftreten ? Alle Sntervallen was 
m erfchöpft, wenn ‚der Singer den vein molodiſchen Yang 








e — —— ei | 
'nnen lernte Gr * —— Welche, Vortheile 


ber weiter darans erfolge wären, ae wörde der Tonforſcher 
ad von ſelbſt gefunden Haben. Mägelt hielt ſich einzig an 
le Stufenbildung duch Tetrachorde. Er ging vor Seifen 
nen aus, ohne weiteres Vordringen, woher die Mitteltäne ung 
tommen find, und mie es zugehe, daß der zweyte Ton vonk 
fin und dritten gleichweit abſtehe, der vierte aber dem drit⸗ 
n näher liege, als der fünfte. Dadurd wurde die Annahme 
beyer Tetrachorde von 1.— 4. und 5. — 8. Tone willküͤhrlich. 
aͤtte er die Fortführung der Toͤne vom letzten des erſten Ta 
achords Begonnen, ſo waͤre er zur kleinen Septime gelangt, 
id mit dieſer zur nothwendigen Ausweichung, die freylich 
acht, daß der Saͤnger (S. 57) lieber b als hingen wird, 
d woraus ſich alle es und iä > 61, 6a, 8) nardelich 
htfertigen laſſen. 

Ueberhaupt koͤnnen Die Erhoͤhungen und Erniedrigungen der 
ine, die durch ein Kreuz und b angezeigt werden, dem jungen- 
änger wohl nicht leicht begreiflicher gemacht werden, als duch . 


e meine Corfieltung ® ar ten 


u ern, Sollte aber für 


[oc Lu rg 
































390 Pſciffers Geſangbildaugelehre won Mägeli 


melodiſche Bildung wohl etwas gewonnen werben, wenn die 
Saͤnger (doch wohl bloß, um ſich im Treffen zu uͤben) die 
Tonfolgen g. ais h g und aͤhnliche (wie S. 66) ihrem Ohre 
einpraͤgen. Sollte nicht vielmehr das’ Ohr für Melodie du 
durch verflimmt werben. Der Meier wenigftens, der rim 
Tonfolge, wie b as g h (©. 66) zur melodiichen Schöahet 
in feinem Stuͤcke erheben könnte, müßte ein wahrer Kr 


* —5 
meiſter ſeyn. Setzt man as 


fo gehörte das as nicht mehr zum h. Welche, Begriffe mn 
fhöner Melodie — und Melodie fol doch fchän ſeyn — tm 
es erwecken, wenn man eine.gange Schule fingen hört (©. m (8. 7) 


ghdeffsg. ghdeffsggm. ghde Fin gg 
Ber das ertragen kann, an deffen. Ohre mird nichts mehr jı 
verderben feyn. Auch der gefbtefte Sänger würde die fein 
Intervallen nicht zu treffen wiffen, und nie zu treffen gelernt 
haben, wenn er fie nicht alle harmoniſch ſich erklaͤren kr 
MProbire einer mur f gis fis rein zu fingen,. ohne dadıy ı 
„des dur zu denken. 

Dem gangen Capitel von Melopit geht; mie oben fr 
erwähnt wurde, das Eapitel von Rhythmik vorand. Kir f 
bie -Bereinfachung ber Methode gleich. anfänglich ſichtbar in dt 
Hauptabtheilung der Zeitlängen bey ber Tonangebung in lan 
ſame, gefchwinde und mittelzeitige Töne. Nur die Bezeihnun 
Hätte ‚noch einfacher und begreiflicher ſeyn Loͤnnen, wenn di 
murtetzeitigen Töne (das metre, Mittelmaß ) auf biefe At 


11 


-.3-6-4- Ei, die verſchnelie ode 


J11 
Knnoppann Bewegung ſo — ‚und ik 
2 ii 4 




















BR Da 


"pr 
langſamere 4 dem Auge wie dem Geſihe 
BE 75 ' ur H \ . 


. ann 





N fchferb Geſangbildungblehre von Nägel. 391 


vorgemalt worden wäre. Pflegen wie doch beym Audhalten 
eines langen Tactes I wohl zu fagen: ı 2 5 4, und 
wolte man das Tonhaten oder Forttönen augenfceinlicher 
bezeichnen, fo war das Vindungszeichen dazu ben der Hand 


44 j niebrigens iſt dieſes ganze Capitel in feinen. 


— 
Elementartheilen erſchͤpfend. Aue einige Irrung moͤchte es 


veranlaſſen, wenn. ber Schuͤler lernen ſollte R eine Zeit, 


N 2 | 

d eine Halbe Zeit, A eine Viertelzeit zu nennen, weil er 
doch in der Folge das erſte als ein Viertel, das anpre als ein 
Achtel, das dritte als ein Sechszehntheil auzuſehen fich gewoͤh⸗ 
nen ſoll. Den Notenzeiten werden die Pauſenzeiten mit ihrer 
Bezeichnung an Die Seite geſtellt, wobey die guten Lehren von 
Athemholen zum Beweiſe dienen, daß ein gutes ſyſtematiſches 
Lehrbuch unmäglich zu gleicher Zeit ein gut methodiſches ſeyn 
kann. Im Syſteme ſoll jedes Capitel unvermiſcht mit den 
andern vollſtaͤndig abgehandelt werben, in der ptaktiſchen Un⸗ 
terweifung aber muß nothwendig eins ins andre greifen. Es 
läßt ſich kein Ton angeben, noch weniger eine Reihe von Ts 
nen, ohne daß der Lehrmeiſter alles, was zur Anftellung beym 
Gefange, zur Intonation ſelbſt, zur Führung der reinen “Dies 
Iodie, zum Treffen bee Sintervallen, zum Aushalten in der Zeit ic. 
gehört, ungzetheilt im Auge behalte. 

Auf die. beyden erfien Capitel folgt das dritte von ber 
Dynamit. Vielleicht wäre. es rathſamer geweſen, dem erſten 
Capitel die befammte Ueberſchrift zn gebens Zeitmaß oder Tact, 
dem audern: Melodie, dem dritten: Stärke und Schwäde des 
Tone, ober wenn man es. gemefiener nchmen wollte: Tonzeit, 
Tonfolge, Tonftärke. ‚Ohne Puriſt ſeyn zu wollen im eigent⸗ 
ſinnigen: Verſtaude, wird man gern dis ſchwerfaͤlligen Undeut⸗ 
ſchen Namen da vermeiden, wo allbes auf Dentlichkeit und Eins 
falt angelegt wurde. Was in den vorigen Capiteln nur theil⸗ 
weile Gewinn mar, bag iſt es in dieſem gang. “Denn nir⸗ 











392 Pfeiffers Gefangbilbungsichse von Nageli. 
gends war bisher das Starke und Schwache. und die Birkum 
von beyden mit allen, -Wobificationen des Tonſchwellens, dis 
Tonhaltens und des Tonverſchmelzens jo beachtet werden. Hätte 
nur das Tonanſetzen und abflerben, das Verſchlucken und Ah 
flogen, und alle Bewegungen, bie unmittelbar dem Athen 
GSeele und Empfindung geben, und dem Tone Ausdrnd und 
Charakter einhauhen, anhauchen und abhanden, nicht Abe 
gangen werden dürfen. „Oder in welches andre Capitel von 
Tonelement wollte man das smorzando, stoccato, skorzando 
und das ins zweyte Eapitel Hinüberfpielende rallentando etc. 
das Werfchleifen, Dehnen und Lebertragen der Täne, felit 
das in der Folge erſt bemerkte Tongewicht fielen? 
Nah diefen Abhandlungen folgt die fehr wichtige Echn 
von methodifcher Verbindung ber rhythmiſchen, melodiſchen und 
dynamiſchen Tonelemente. Erſt wird. gute ‚und fchlechte Zei 
des Tactes erklärt, was allerdings (wie 6. & gefühls wir) 
zur Dynamik gehört. Gute und fchlechte Zeit find Ausdrädt, 
Die wohl nicht ſchlechter gewähls werden können, und es if 
verdienſilich, ſie durch beſſere und verſtaͤndlichere zu werbrängen. 








Aber in der Wahl neuer Kunkkausdräde kann man micht vor 
figtig genug fenn. Die beyden Worte Drudton und Hallen 


haben in der Ausiprache ſchon etwas druͤckendes, aber uk 
unbeqnemer fcheinen fie zum Gebrauch. Ein guter Tacttheil 
fol nicht drücken, er ſall lebhafter anfprechen , alter Barum nidt 
weniger Hallen, wie der Halten. Hier kommen nun auch di 
Verlängerungen ber Töne Über das angenommene Zeitmaf. vor, 
bie gewöhnlich durch einen Puntt nach der Note und durch Ben 
kuͤrzung der folgenden um die. Haͤlfte angedeutet werben, ein 
Erfcheinung,, die ſich über Vengeffenheit im ı. und 5. Capitd 
Befchweren könnte. Sin. der Motemiehre hat dieſe Zeichmungtart 
weit dam Puncte einen: doppelte Sinn. Sie drücke entweder 

ein. (ohggliggen . Verweilen bey Der More ans, oe man zuge 


verläßt, a ⸗— a, oder man wid den fol 


genben Zen er einen: Vorſtoß vorſtaͤrken, und dem Geſange 


BIEHois Geſaugbilduughlehre von Misc 393 
ven Charaki vs Heſtigen und F Eindringlichen geben 


Bi u An . I Ih ih: vade⸗ 


gehoͤrt ſchon zum kunſtreichen Vortrage. Aber gleſch Hey u 
Verſuchen gefäliger Tonverbindangen (dem: ungefälige un 
gefangwidrige (wie ©. ög Tr = I 
wollen wir gern Äbergehen) hätte nur der Grund gezeigt wer 
den können, warum einige Noten fürzer, als andre gezeichnet 
werben wollen. Das erſte Beyſpiel gab dazu die willlemamenfie 


Gelegenheit. erben Der 


zweyte Ten iſt kurz, weil er ben Uebergang zum dritten aus 
made, der 1. 3. 4. aber bleiben lang, weit es reine Conſo⸗ 
nangen find, auf welchen die Melodie perweilen muß, weil fie 
verſtaͤndlich bleiben fol. Angenommen nämlich, daß einzig nur 
die reine Conſonanz dei Grundbeſtand der Melodieen ausmacht, 
Diefe Wahrnehmung, daß in der Melodie alle Intervallen zwi⸗ 


ſchen ı 35, 1 6 3) nur als Uebesgänge gu betrach⸗ 


ten ſind, haͤtte auch Tongewicht ſchon ihre Stelle gefun⸗ 
den. Denn eben darin liege der Grund, warum fi (5. 20) 
eine melodifhe Tonreibe ohne Tact nit gut auffaflen läßt. 
Vortrefliche Blicke ins Neih der Time (oder eigentlicher zu 
seven, ins Gebiet der Kunſt) findet man zuweilen. "Won Dies 
fee Art IR der Gebanke (S. 94) „jede Uebungsſohaͤre ſoll, fuͤr 
Ach betrachtet, ſchon allein der Kehle wegen, ein kleines in fih 
geſchloſſenes rhythmifch melodiſches Kunſtſtuͤck ſeyn. Nur mit 
einer geringen Abänderung ber Worte gibt dieſer Ausſoruch 
den ſchoͤnen Grundſatz: jede Uebungsphraſe fol, ſchon allein 
des Geſchmaͤcks wegen, ein ſchoͤnes rein melodiſch rhythmiſches 
Runftgebilde ſeyn. Hierauf ſcheinen bie kurz vorhetgegangenen 
dreyßig Beyſpiele zur Eindbung nicht viele Ruͤckſicht genommen 








304 Melfers Gefongiiunukichre von Nicell. 


gı haben. Weit mehr Kolgfamleit.verrarhen die nädıftem deenfig 
Nummern, mit Ausnahme von m. AXIT, wo die geflifientliche 
Verlengnung: der großen Septime beym Schluß des erſten 
Ganges in den beyben Tetrachorden, recht auffallend: ſtrafbar 
"ms Oder füle Etwas Hätte der Componiſt ben Borfuͤhren 
ber Viebungsphrafen: auch vom Ban melodifher Saͤtze, von 
Gliedern, Eintheilungen und Abfchnitten dem Sänger begreifs 
lich machen foßen, was beym Athemholen ihm fo wichtig fern 
muß. Gelegenheit dazu bot ſich in Menge dar, wie z. €. der 
Satz ©. 99: 


J 


Unter allen Beyſpielen aber find die nun folgenden dreyßig 
Uebungsphrafen in der Tonftärke bey weiten die beften. Bann 
folgen verpöin rhythmiſche Veraͤnderungen auf dns Thema 














Warum aber fol die harmoniſche —— grade die gefchärfte 
heißen ($. 40), wenn die biatonifche hie flache, und die chros 
matifdye bie gedrängte genannt wird. Es ift Die anmuthigſte, 
gefälligfte und fließendfte Tonfelge, bie wahre melodifche Tons 
leiter. Jene andern ſind nur ihre Melismatik. Sie iſt bele⸗ 
bend (weder faſelnd, noch ſchleppend), aler auch zugleich lieblich 
und geſchmeidig, ſie ſchaͤrft und iſt nicht geſchaͤrft. Eben fo 
ſchielend erſcheint auch das Kunſtwort: flach. Was am Schluſſe 
dieſes Capitels vom Portamento geſagt wird, das war für den 
Zweck diefes Lehrbuchs aͤußerſt ſchwer zu beruͤhren. Man ſieht 
es auch am den Gchreibs oder Druckfehlern messa voce etc. 
baß hier.der Gingmeifter, der ‚nicht von Grund aus. mehr- ver 
fände „. fi auf ein unſicheres Feld wagen würde. Und dech 
iſt dieſes grade die Seele des Gefangse. Aber da erfennt man 
wieder, das nicht alles Schoͤne ſoſtematiſch und methodiſch ſich 
Men. ehe 





Bfeiters Gefanghildungsizhee von Migei. 306 


Das au folgende Capitel, von der Motirungstunf, if «in 
eben fo .erfreuliches Zeichen, daß man die Wichtigkeit diefer 
Kunſt und ihren Einfluß auf das Vermögen, fih der Muſik 
zu bemächtigen, anerkennt, als es ein tranriger. Beweis von 
der Mangelhaftigkeit unfers bisherigen gewöhnlichen Unterrichts 
fen wird, der einer eignen Anweifung zum Schreiben bedurfte, 
ohne welches keiner leſen lernen follte. Nichts in ber Welt 
folten die Augen fehen, was die Hände nicht eben fo millig 
nachgubilden fich verſucht fühlten. Erſt das umd. nicht eher, 
dürfen wir fagen, daß wir etwas begriffen haben, als bis wie 
es fo lebendig uns vorflellen, daß wir jeden Augenblick, wo es 

verlangt wuͤrde, wieder darſtellen koͤnnten. 
| Bielleicht werden manche dieſen Unterricht, ndtiren gu 
lernen, zu weitlaͤuftig abgefaßt ſinden. Das, worauf es beym 
Notenſchreiben mechaniſch ankommt, haͤtte kurz zuſammenge⸗ 
nommen werden, und die praktiſchen Uebungen im Schreiben 
billiger Weiſe gleich mit den erſten Tönen ihren Anfang neh⸗ 
men follen. So fcheint 3* auch, daß die im zweyten Capitel 
ſchon vorkommende jetzige Benennung der Noten in Deuts 
fand (wontit man den Sänger, ber nie durchaus hiſtori⸗ 
fher Kenner der Tonkunſt feyn will, fehe bequem verfchenen 
tönnte), desgleichen die von unſrer dermaligen Temperatur abs 
hängigen: Tonweifen mehr in bas allgemeine Capitel van For 
tenkunde, als in das befonbere von Notenſchreiben geftelle wers 
den müßten. Dafielbe gilt, ‚nur noch meit mehr, von dee 
Kenntniß der Namen unfrer Intervallen , Prime, Secunde, 
Terz ꝛc. Fuͤr diefe haben wir ja gar feine Noten, bloß Ziffern. 
Da aber einmal alles, was bey gefchriebenen Noten vorkommt, 
Hier nachgeholt wurde, jo wurden auch nun die Octavenunter⸗ 
ſchiede unter dem Namen Toͤnfaͤcher, die Italieniſchen Kunſt⸗ 
worte zut naͤhern Bezeichnung des Zeitmaßes und des Vortrags, 
und endlich die muſikaliſchen Figuren des zierlichen Geſanges, 
Triller, Doppelſchlage ı.. dem. Notenſchroiber zugeſchoben. 
So weit geht die allgemeine Tonlehre. Es folgt nun die 
beſondere. Dorunter wird, wa⸗ mancher nicht errathen wuͤrde, 


ac 8 





396 Pfeiffers Befangdilbungsichre- von Ragell 


bie Verbinduug des Gefanges mit der Wprache HAfkanden. 
Sehr ausfuͤhrlich wird pafoͤrderſt von der reinen Aubſprache 
gehandelt. Bey den Vocalen und fogenanmten Toppelläuten; 
beiten auch noch Die Umlante voraingehen, wird angefangen. 
Dann wird gefungen bu ha ha he hi hö hä hi hau heu 
hei, alsdann ha da ga ba, ta da pa ha, dann fülgen alı 
Confonanten qua za scha cha. In dieſen allen hätte die Ge 
ſanglehre nur anf Olivier verweiſen follen. Es war zwickmaͤ 
Big, wenn‘ der Seſanglehrer nach allgemeinen Erinnerungen 
und Bemerkungen über die Neinigkeit der Ausſprache nur aud 
Sorhandenen Tonſtuͤcken (worin. qua und cha im Deutſchen 
wohl felten vorfommt) Beyſpiele des mit dem Wortlaute ver⸗ 


bundenen Tonlaute vorfüßese, wie S. 187: 186 Hör 


ang 


IE — viele andere Be 


: Ge. - sang. : es er-frent . 
aber, wäre es auch mir, um dae scharhane seht auffaͤllig zu 
machen, wie z. €. 


| 4 E 
"Fest -lied Fest - lied re 

müßte das. reingehaltene Ohr nie gun hören Sefommen. 
Mißlich war es darum auch, eine Sammlung viel 

Strophen, oder Verſe auf eine Melodie (mie &. 154) jum 

Beyſpiele anzuführen. Man vergleiche nur den nailtlichr 


Vortrag ber Bee z2ıdı — mit dem 


:Waldströme' rau -schen 
mamlichen Geſange ber Worte: Seht: Blitze leuchten. 
Der melismatiiche Gefang wird Im Gegenſatze des ſyllabiſchen 
umtet eine beſondere Abtheilumg gefegr, Die hlet niis elementa— 





Wiethers Gefengkilbungäichre von Rägeit. 387 


ziiche Berbinbung der Tenkunft und Dichtkunſt erſcheint. Die 
Verbindung. aber des Tonlauts mit dem Wortlaute kann fo 
gut als wie das Spibenfingen (im Grunde if ja. ein jeder 
Wortgeſang in Splbengefang) auf das. Bingen eines DBocalg 
in mehrere oten bezogen werden. Außerdem tft beym melis⸗ 
matifchen Geſange, worunter ber Tonkundige an etwas ganz 
anderes zu behfen gewohnt IR, von Seiner zigcheh Dichtung 
bie Mebe. Die gewöhnliche Smufenleiter mit dem Terte: unfee 
Töne fletgen aufwärts — unfre Töne fleigen abwaäͤrts, erin⸗ 
nert zu lebhaft an die Gpiefereven, wis man fie in den Sing⸗ 
faulen : von’ Cantor Weimar. ıc. findet, oder der Huud canis 
friße den paris. "Als Probe richtiger muſtkatiſcher Declamation 
darf es auf *3 wre angefehen erben. F 

. e.-ausführfih werben die Vorbereitungen zur ins 
bung italian Stüde — 2 Ob ale —28* dieſer 
Anleitung folgen werden, muß dahin geſtellt bleiben. Zu leugs 
nen tft es nicht , daß hier ſowohl als bey der Organiſation der 
Schule zum Kunfinftitute ungemein viel Vortreffliches und 
prakriſch Brauchbares gefagt wird. Allgemeine und befondere 
Neflerlonen, worin unter andern auch Zormbildung und Ger 
müchsbildung eine Beſchulung und Befruchtung genannt wird 
— 'ein Heiner Druckfehler Hätte hier einen argen Mißton erres 
gen konnen — machen den Beſchiuß von einem Werke, welches. 
(hop in dieſer Form als ein Ganzes betrachtet werden kann, 
und fo reich an Erweckungen neues Ideen, und an ernftlicher 
Erwägung iner —F Duden ift, daß * —* mh 
würde, wenn auch das Verſprechen ber na enden Theile 
Fl ——* über eine Bi Arbeit nicht Aufs äußerfie 
parilt. en 0 


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Epigraminatische Anthologie aus griechischen und römischen 
"'Dichtern. 2 Bändch.: Frankfurt a. M. bey Varrentrapp 


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- e 


. ü, Wenner. 1808. 8. (1 fl. 30 tr.) | 
Das er ſte führt auch nach den befondern Titel; 
Epigrammenlese aus der griechischen Antholagie für die oberp 


» ’ 


"Klassen gelehrter Schulen. 131 ©. | 
: Und das zweyte folgenden Titel: 


Epigrammenlese aus Martial für die obern Klassen gelehriex 
Schulen. 436 S. 8, . ._ , R ? 


| Der Verf. diefer neuen Antholsgie and Griechen und Rös 
mern puserihribs ſich unser Des Dedication gu. ben, Herrn 


f 


. x 


398 (Hinimermanns) Epigrammatiſche Anthologie, | 


Hofr. Jakobs mit den Buchſtaben E- Z., nd: darin verme 

then wir den neuften Heransgeber des Euripides, Hrn. Ernf 

Zimmermann, zu finden. Sey es, wer es wolle, er hat 
aa Seaetroffene Auswahl Eleiner Gedichte file junge Leute 
geliefert. — ne 


Das erfie Bändchen enthält 200 Gedichte auß der hen 
Anthologie. Der Text iſt and der Jakobs ſchen Ausgabe, jedoch 
nicht ſclaviſch, abgedrjckt. Der Berf. bat noaͤmlich, eheile ſelbſt 
eigne Conjecturen in feinen Text ethoben, theils ans Zalbob⸗ 
Commentare ſoiche, die ihm wahr gu ſeyn dunkten der :gemeb 
nen Lesart vorgegogen, ohne jedoch dieſe gemachten Aenderun 


gen irgendwo anzugeben. . EEE 


Die erfle Veränderung fand Rec. ©. 43. ı zur für. zur; 
und dieſer Schreibart bleibt der Verf. fih auch fernerfin is 
diefen und ähnlihen Wörtern treu 5. B. xav nicht z&v; xar 
Sads nicht zavdade. Wichtig; denn nad den Geſetzen der 
Griechiſchen Sprache wird bey ber Zufammenziehung des xal 
mit dem folgenden Worte auf jenes « in.xai durchaus Feine 
Rüdfiht genommen; und es kann nur dann ein Jota unters 
geichrieben werden, wenn Die folgende Anfangsiyihe in Jota 
ben fih bat. Daher I. B. xal Lày in xav; zar Erterge iR 
adnerta; aber xal eira in xAara; xal eine in xüsre; zal 
ira In xgue; xal eig in xds, oder was Valcken. ad. Eur. 
boen. 377 S. 217 vorzieht xeis. "Eben daher. Tail on xö, 
nicht x. Zu verwundern iſt, daß die andere Schreibart ih 


nnoch in einigen trefflichen. Ausgaben. findet. Schi 
3 Dionyſius. Wäre die andere Schre *5 ſo 
müßte oi dAAoı in @AAoı verändert werden, ‘weiches nicht 
geſchieht; und wie follte wa odx zufammengezogen werden, 
‚und das SZota in fi enthalten? &. Hermann. de emend. 
zat. gr. gr. &, . — ©. 4.4, 1 flieht Accınne yEoay fl. A: 
yEoov. Dieler Sehler finder ſich auch bey Jakobs. — ©. 5 
2 1 ſteht irel neivor; dagegen bey Jakobs ohne den einge 
ſchobenen Apeſtrohh. Warum than Kr. 3. bier und ander 
wärts und bey mehrern andern Wörtern eingeführt habe, daruͤbe 
müäffen wir in dem’ verfprochenen Commentare nähere Auskar 
erwarten. ec. kennt dafür keinen hinreichenden Grund, zumal 
da fchon allgemein. bekannt if, daß. man feit Homer ftatt Excr- 
yog auch xEivos fagte, und daß ſeibſt die fpäteften Dichter diefe 
uralte Redeweiſe beybehalten haben. So fest auch ıe hier 
mit vorgefeßtem Apoſtrohh 5. ©. ©. 47, Bı, 1. Murs us. 
Dankte Hier Hrn. 3. diefes Eud und nicht dag enklitiſche kr 
nothwendig, welches es hier doch nicht ift, fo Hätte er wohl 
<heffee das 6 von ihre abgeſchnitten, und es dem pe gegeben. 





(Aimmeesianns) Epigtammutikhe Authelogie. 399 


— ©: 7, 8, 1 ſteht @ mödı, bey Jakobs 4 nrdki, welches 
Brunck aus der Vatican. Handſchr. aufgenommen hatte. Ja— 
kobs Abſchr. von dieſem Eodep Hest wicht erdiı, fondern ddr... 
Indeß wird er aroAs nicht Für ganz verwerflich erflären, um 
fo mehr, da er felbft diefe Atpoetiſche Form an einer andern 
Stelle ©. 64, 117, ı beybehalten hat. Da dort, wie hier, 
von der heiligen Stadt Tropa Die Mebe Hi, To würde Rec. 
die Ältere und daher fenerlichere Form zröiı der "andern 
nöd vorziehen. — ©. 8, zo, 5 iſt Wakeſields Tonfectur xix 
Meigns verſtaͤndig ſtatt al M. aunfgenommen, welche au 
Jakobs nicht verwirft, und allerdings «ine ſehr natürliche Ver⸗ 
bindungsart iſt. Dagegen Bas In -3.: chen fo verfländig das 
Boswopinv (fo hätte er das Wort follen druden laſſen, da er 
doc einmal DIE neuere Schreibart befolgt) umgeändert gelaflen, 
und. ihm weder das Wakeſteld ſche Boswopins, noch das as 
kobs ſche Boczepiar, eine Form, die hier nicht hergehoͤrt, 
vorgezogen. — S. 9, 19,2. iſt die Jakobſiſche Eomjertne 
zoodumse eörpzens Dehybusros Sovasay fur xeoüna Si 
süronTem HIeryönevos dopdaee aufgenommen, weldies wie 
fo raſch nicht gethan hätten. . Denn man tönnte hier wohl 
fragen, ob je. IeAysadnı zpaduarı in der Bedeutung, ſich an 
dem Galle, Tone ergögen, vorkomme, fo wie Hr. J. bey 
der alten Lesart fragt, was HPiyyeodaı neoßun du. dovd- 
zu» heiße, und. ob dieſes von den Alten je gelagt worden fey- 
Der Bor. hält es für Griechtſch, und meint, es heiße, einen 
Schall oder Ton durch Die ſchoͤn ducchbahrten Röhre Hemors 
bringen, sonos edere per bene terebratos arundines. Was 
if —— * Darin? ‚Wie ſollte dieſes Lateiniſche, wenn 
jenes Ungriechiſch wäre, Griechiſch ausgedruͤckt werden ? Hatte 
nicht Marſhas ‚die von der Palas durchbohrten Roͤhre gefun⸗ 
den und verfucht, Töne aus ihnen zu locken? Heiße es nice auf 
eine ganz aͤhnliche Weiſe :bey Ovid. Fast. VI, 697, wo’ diefe 
Geſchichte erzählt wird, . W RR 


Prima terebrato per rara foramina buxo 
VUt daret effeci tibia longa sonos. ? _ 


, 


And wie fommts, daß Hr. J. in Tempe Th.2 &. 33 mer 
das alte überfebt, wiewohl er audi etwas von feinem neuen 
zepnöusvog , oder Deiyousvas hinzuſetzt; denn dort ger 
„Nike mehr wirkt du dich aus durchboöhrtem Bes 
röhe Töne gu boden erfreun.“ Iſt jenes erfte nicht 
unfer xpoöua Pyyerdaı di söreirav dovaxav? Daß 
Diefe Redensart wicht anderwärts vorkommt, beweist nichts 
gegen. fie; denn. we HDdyysoda: fonft: gebraucht wird „ find 
auch die Umſtaͤnde nicht fo, wie hier bey Marſpas, der da ver 


‚an demfelben etwas warqͤndert,« 


R. R. 


2 


400° Gannmatas) Euictammatitcte aaltogia 


"fügt 5 bung. die ne — Roͤhre Tine hervorzulocken. 


10, . mit Recht nach Bruns und 


Jakobe Vorſchlage Die Lesart her Vatleen. Abfhr.- Kir gib 


7 zul öyTog für die alte nal yda xIdv zal we. in des 
Text aufgenommen :. fie. iſt durch das vorſtehende Dr Erafı 
voller, und die Gegenfäge find darch ir und 2 auffaflender. 
Ebenſo ift S. ag, 18,4 weit vollem Rechte Jakobs treffliche Bers 
Anderung aiigros, odpawiny fir aidEpos, 73° -alvıny aufs. 


genommen. Die bryden Idkteem Worter ber alten - Sesart 
waven ohnehin nur ein megiärklicher Einfall Beujumces, wehie 


ſchon Die Vatican. Hdſchr. und Pianudes das richtige odeo- 


rio⸗ — Jakobs verdemen Mir das einzige richtige und 


poetiſche aiapag, . | 
. „sur Hülfe für den Schäfer Hat Ber Hr. Verf! nichts bey 
gefuͤgt. weder ein erklaͤrendes Negiflet, noch Anmerkungen. Beyı 
des hat, allerbings feine Wortheile. Da aber das Schneider ſche 
Worlerbuch ‚zur Erkiarung der Authologie no mastche Linke 
has, ſo hätte für dieſe Bälle, Die nige. felten ſind, ein ſoicher 
Index graecitatis vielleicht dieſen Mangel. abhelfen -töunen. - 
: Das gmeyte Bändchen enthält ebenfalls 250 Stacke aus 
dem Dauial.' Welcher, Text ' zum Grunde gelegt, und od 
was nerambetk, — ader auf fremde 
Aucteritaͤt, baräber laͤßt uns die Vorrede unbeftiedigt. "Dex. 
faud die gewoͤhnliche Recenſton des Textes. &.46.3. 12 ſieht 
eis. Druckfehler habeos für habeas,: und in’ ches’ 'dtefeih Bes 


dichte (bey Martial EV, Sg). iſt :der vierte Bres Sedus' Phil- 


diaci toreuma caeli hier ‚ausgelaffen, . Warum, weiter 
Ser. niet: ihm —* ——— . Auch ſteht hernach 


Grantipvs für Oratiana ; denn fo nenut dieſe Arbeices Pin, 


H. N. AXXIHU,. ’ ı 7 Auf der nänlichen Beite Br 36: mis 
IV, ‚44: iſt big alte. peogadifch unrichtige Lesart bes audern Ausı 
gehen Versus auch Hier zu finden: u vor mens‘: iR je 
ber Regel nad) lang. Es muß heißen Vesciun, wis Die Niten 
abgehärg für Vesurius fagten: . Do kommt es bey Colum. 
„133, dep Sil. Ital. VIII, 654 u, a. vor, wiewohi 

in einigen Handſchr. dieſer beyden Schriftſteller die mehr fpäsere 
Schreib⸗ und Sprechart Vesbius flieht, und von einigen 
Belehrten begünkige wird. &. 4 3::5 fleht. nad aguis ein 
Dune: Ratt ‚einge Comma, und ©. Br dilehilis für. delebilis. 
nmerkungen uͤber dieſes zweyte Bandchen veripricht Kr. 2, 


nicht, oh fie gleich wuͤnſchensworth wären, da Dieter gelehrte 


Dichten ohnehin: fo arm an gufen-nenen Commensaren ifk, und 
Bäpiger mit feinem: verfprochenen Kommengarg: bie 


tige —8 
mit jeder, Meſſe taͤuſcht. Wir wuͤnſchen dieſemn Buche recht 


niele junge Lei. n 2 


—...... 





No. 26. Beidelbergiſche 181. 
Jahrbuͤcher der Literatur. 


rar aaa ALLAN URALTEN EA TEA ET 


Systematische Anleitung zur 'T'heorie und Praxis der Mnemo- 
nik, nebst den Grundlinien zur Geschichte und Kritik 
dieser Wissenschaft, von J. Chr. Freyberrn von 
Aretin. Sulzbach in der Kommerzienrath Seidelschen 
Kunst- und Buchhandlung, 1810. Mit drey Kupfertafeln. 
XVI G. Vorrede. ©, 24 Theorie der Mnemonik. S. 136 


Bragis der Mnemonik. S. 484 Geſchichte der Macmenit und 


©. 24 Kritik der Mnemonik. 8 


N.adem der, der Sharkatanerte fo verbächtige Lärm und Die 
Geheimnißkraͤmerey, mit denen der Verf. vor Jahren feine 
Arbeiten in dieſem Zach ankuͤndigte, faft vergeſſen find, erhal⸗ 
ten wir hier doch endlich einen vollſtaͤndigen Auszug aus feinem 
verfprachnen gräßern Werl Das vorliegende Duch ift ſeit 
1805 in feinen. Aörheilungen nah und nad erichienen Cs 
enthält allerdings mehr, als die verdächtigen erſten Ankuͤndi⸗ 
gungen. erwarten lichen. So wenig nämlich die Theorie ber 
deutet, und wenn gleich in der Praxis nicht von neuen Ers 
findungen die Rede ſeyn Tann, fo ift doch der größte Theil 
der Schrift, die Geſchlchte der Wiſſenſchaft, eine verdlenſliiche, | 
fleißige Sammlung. 

Das erſte Buch, Die Theorie der Minemoni in Form eines 
Compendiums, enthaͤlt nicht einmal ſo viel, als man uͤber Ge⸗ 
daͤchtniß und Erinnerung in jedem guten Lehrbuch der Pſycho⸗ 
logie finde. Das a. Cap. enthält nur die Erklärung, Mue⸗ 
monik ſey die Wiſſenſchaft vom Erinmerungsvermögen. Cap. a 
fährt einige Säge Aber den Zuſammenhang des Gedaͤchtniſſes 
nie den. Zufländen des Gehirns an. 6. 9 begnuͤgt [Ih ter 
Verf. das Gedaͤchtiß in. Sach; nnd Wortgedaͤchtniß einzuthei⸗ 
en.  Treffend iſt feine! Bemerkung, daß das ſcholaſtiſche 


Irtsgedaͤchtniß nur durch eine falſche Ueberſetzung der momo⸗ 
26 


4023: u} rein Muemonit. 


ria jocalis der Alten, welches fo viel als Fünftliches Beväde 
piß bedeutet, entflanden fey. ‚Kap. 3 die logiſchen Geſetze des 
Gedaͤchtniſſes und Erinnerungsvermoͤgens, haͤtte eigentlich die 
pſychdlogiſchen Geſetze heißen ſollen. Dieß iſt ſehr mager aus 
gefallen, indem es nichts weiter, als die bepden Bemerkungen 
enthält, das Gedaͤchtniß geminne dur die Klarheit der Bor 
fteflungen und der Erinnerung fiege bie Speenaffortation in 
Stunde. Cap. 4. Lehrgebaͤude der Minemonik. Unter diefer 
Ueberſchrift werden bie Bekannten zwey Külfsmittel der Diner 
monik, die imagines (melde der Verf. Stoffbilder nenne) für 
die mnemonifche Symbolik oder Glyphographie, med Bie loci 
(welche er Orbnungsbilder nennt) für die mnemonifhe Topo⸗ 
fogie angeführt. Die Kunſt der Muemonik beſteht darin „ Diele 
beyden Huͤlfsmittel geſchickt mit einander zu verbinden: Eap.5 - 
endlich wird die Vergeſſungswiſſenſchaft Amneſtonik genannt. 
Die Angabe Ihrer Regeln iſt hoͤchſt unbedeutend , der Verf. 
wverſpricht zwar mehr darüber im praftifchen Theil za fagen, 
Rec. Hat aber nicht gefunden, daß er Wort gehalten Hätte: 

Das zwente Buch, die Prazis der Mnemonik, TR nur in 
einzelnen Ausführungen originell. ' Cap. ı handelt von ben 
Stoffbildern; Cap. 2 von den Ordnungsbildetrn; Cap. 3 von 
der Verbindung beyder; Cap. 4 vom Unterricht; Cap. 5 von 
der Anwendung der Mnemonik. Das Ganze iſt durch die 
Sqriſten des Prediger Kaͤſtner, die oft reichhaltiger; als die 
vorliegende ſind, ſchon bekannt, nur har unſer Verf. Ubi ein: 
zelnen Methoden ansfährlicher behandelt. : Gegen den Sebrauch 
‚der Stoffbilder iſt Kant's Urtheil bekannt, weicher die Methode 
derſelben das ingenioͤſe Memoriren nennt. Kant behauptet irrig, 
‚was Cicero ſchon widerlegt hat, daß man das Gedaͤchtniß duch 
dieſen, ‚den zu merkenden Vorſtellungen beygegebenen Gilt 
kram nur noch mehr beſchwere, und fi’ alje damit eher ſchade. 
Die Maſſe der Vorſtellungen iſt es ‚nicht, was: Die Erianerureg 
erſchwert, ſondern Ihr Mangel an Lebhaftigkeit. Ss Beradt 
denn auch wirklich ‘der ganze innere Gebrauch der Sprache für 
den Verſtand auf dieſer maemoniſchen Symbolik. Wie würde 





‚ 9% Aretin Myemonik, 403 


der Verſtand mit feinen abflracten Begriffen Im Denken zurecht 
tommen, wenn ihm nicht die hörbaren und ſichtbaren Zeichen 
der Sprache dienten? Allein eben weil das Memoriren durch 
dieſe Huͤlfsmittel mefontlich erleichtert; mich, ſo iſt es um fo 
wichtiger darauf zu achten, ob nicht anderswy mehr gefchades 
wird, als wmas..die Erinnerung gewinnt, Kein mnemonifheg 
Huͤlfsmittel, außer der bloßen Uebung ‚ gewährt eine gefunde 
Stärkung, des Gedaͤchtniſſes, fie beſchraͤnken ich vielmehr..alle 
auf Nachhülfe ‚für die Erinnerung. Da fcheinen nun dem Rer, 
die toppiggiihen KHülfsmittel weſentlich vortheilhaft und. ohne 
allen Nachtheil, jede beſondere erfünßelse mnemonifhe Sum— 
bolie wird, hingegen von den Vorwürfen, -die Kant ihr mache, 
ſtark getroffen, - worauf man vorzüglich Bey. ihrer Anwendung 
in der Pädagogik achten mag. Ein weitläuftiges Spiel mis 
diefem- geſchmackloſen Bilderkram bringe den Schuͤler zur Bes 
Khäftigung mit albernen Vergleichungen, und führt ſo feing 
Urtheilskraft irre. — Des Werf. Bemerkung, daß «6, um fi 
einzelne, ſchwere Warte n merken, ein ſehr unſicheres Mittel 
fen, dieſe mit ähnlichklingenden zu Affoctiren, findet Rec. ges 
gründet. Die eigenthämliche Grundlage von A. Methode ber 
ſteht im. folgendem. 1) Zu Drdnungsbildern wählt er die 
Bahlenreihe. 2) Die Zahlen. werden durch Buchſtaben bezeich⸗ 
net. Hierin verfoͤhrt er nach einer regelmaͤßigern Combination, 
als andere. Mnemoniker. 5) Zu den Buchladen werden Worte 
gefucht, deren bekannte Bedeutung ein lebhaftes beſtimmtes 
Bild gibt. 4). Mit djefen Bildern ſuche man die zu merken⸗ 
den. Gegenſtaͤnde der Reihe nach zu aſſociiren. Wir finden 
hier in der Ausführung mangelhaft, ‚daß er über die vortheil— 
hafte geometriſche Dislocation der Wilder, wozu andere die 
von ihm verworfenen Käufer. brauchen, gar keine Regeln gibt, 
und ferner, daß Keine beflimmteren Anleitungen gegeben find, 
wie nun, nach Werfchledenheit des auswendig zu lernenden dieſe 
topologifche Grundlage angemendes werden ‚fol, Wegen des 
letztern Mangels bleibt feine Lehre fehr mager. Was aber dem 
Werth dex Methode ſelbſt betrifft, fo werden. ſich -Freplich Ord⸗ 


208 d. Aretin Muemonif. 
nungebild, Work md Zahl ſehr ſicher affociiren )' dein Für den 
Gebrauch iſt damit noch nichts getwonnen, da kommt alles auf 
den verhaßten Bilderkram zuräd, durch den "man die Ord⸗ 
hungsbilder nach Aehnlichkeit mit dem zu fernenden -oerkriäpft. 
Will man das aber nicht, und behält man dann immer dieſel 
den Ordnungsbilder, fo verlieren fie die Lebhaftigktit; 'Fede gute 
Tabelle wird alfo eben ſoviel wirken, als fle, ändere hian fie 
über oft, fo werden fie niche fiher genug mit dem Zahlen aſſo— 
eiirt feyn. Daraus’ fofgert Rec. , daß dieſe Methode fich wohl 
zu Kunſtſtuͤckchen, aber. nicht befonders zum eruͤſten Geſchift 
empfiehlt. Fuͤr den letztern Zweck fcheint dem Rec. eimergenau 
Bearbeitung der nur topologiſchen Külfsmirtel nach den -befün 
bern Segenftänden der Anwendung das wichtige; und dafuͤt M 
hier nichts geſchehen. -Unter den einzelnen Hier genannten An 
wendungen kommt auch die glyphographiſche Benutzung einer 
Empfehlungscharte zur geheimen Befchreibung der: ennpfohinen 
— vor. Dieſe iſt aber gar nicht muemonifcher Art, fon 
rn gehört in äne wett groͤßere Sphare des Bebrauche com 
dinatörifcher Kunſtgriffe. 

Diefer Praris der Mnemonik Ift eine A6handfing: init der 
Ueberſchrift: Darſtellung der Vortheile und beſondern Eigen: 
ſchaften des enneadiſchen Progreffionsiykkems, m 
gehängt. Sie ſcheint dem Nec. ſehr unbedeutend. Der Baf. 
verſteht gegen den mathematiſchen Sprachgebrauch umnter eunca⸗ 
oͤtſchem Progreſſionsſyſtem die regelmaͤßige VBejeichnung der 
Zahlen nach dem Decimalſyſtem, weil: man darin har Neon 
einfache Ziffern, und bey einer Bejeichnungtart oh: Nil, 
bhne leeres Stellenzeichen für jede höhere Ordnung mtun’ikee 
Beihen braucht. Die Abhandlung ſelbſt enthält nur leichte 
Golgerungen aus dem befunnten Sat, daß die Zifferſammi 
jedes nach dem Decimalfäften geſchriebenen Vielfachen der 9 
ein Neunfaches fey. Beweiſe find nicht einmal gegeben. Die 
Erwartung einer geheimen Zahlenwiſſenſchaft (&. 134), ia dem 
Beſitz Ppthagoras vieleicht geweſen ſeyn fol, zeige, daß der 
Verf. in dieſer Gegend kein eignes unthen dat. S. 436 ei 





v. Aretin Mnemonil. A405 


die ganz grundloſe Hoffnung, daß ſich die harmoniſchen Verhäftniffe 
uch dem oktadiſchan Zahlenſyſtem richtiger, alg nach dem det⸗⸗ 
diſchen ſollan berechnen laſſen. Alle Zahlenſyſteme enthaften, fa 
hiefelben Zahlen, nur anders eingesheilt und anders bezeichnet, 
fo daß der Unterſchied wohl auf Leichtigkeit, aber nicht auf 
Richtigkeit per Rechnung Einfluß hahen kanv. . 

Die Geſchichte der Mnemonik Fänge: der Verf. im, ud 
Capitel mit Kollestanseg; über Bilderſchrift und Sprache ohne 
Wort zund VBuchſtahen beſanders bey Amerikaniſchen Voͤlkern 
an, Auffallend zeigt ſich darin, daß die rein mnemoniſchen 


Hülfswiptel, welche nur die Erinnerung been, Knotenſchyuͤre | 


und Kerkhhljer,, yur\spnnkegifher und nicht Iumbolifcher. Art 
ſind. Cap. 2. Man. karm ‚den. Griechen. nicht die Frſindung 
der Mosmonit sufchreiben — Sammlung, yon; Stellen. über 
den Simonides. Cap. 5. Daß Pythagoras ſchon die Uehuggen 
der Mnemonik fuͤr ſehr wichtig hielt. Cap. ,. Fernere Schick⸗ 


ſale der Muemonik beynden Griechen. Sokrates, Hippiagt, 


Renorhon, Platon,, Ariſtoteles, Ihrodefteg, Metrodorug 
Charmadas, Apollonius, Plutarch, Phiſoſtratus, Alerander 
Aphrodiſiacus, Simplicius. Cap. 5,, Munemwonik der Römern 
Ueberſetzung der Stellen, von Cicero de. prataxe und. der, librpe 


sum ad Herennium lib. .3 ‚cap. 260 : Dans: M. Ay 
näus Seneca, Quintilian, Salinus, Curtus Zortunatianus. 


Eap- 6, Die Munemonit im vier und fuͤnften Sahubanderf, 
Hier finder. ſich nur die Lehre des Martianus Kapelle. Cap. 7. 
Im Mittelalter zeigt der heilige Thamas einige Kenntniß der 


Sache, Roger Baco ſchraeb darüber, und die ars magna des 


Lullus machte großes Aufſehen. Die Kunſt des Lullus iſt Topik, 
aber die Mnemonik der Alten ſcheint er nicht gekannt zu haben. 
Say. 8, Aus dem vierzehnten Jahrhundert. if der Dominikas 
ner Bartholomaeo di. San Concordio genannt. - Cap. 9. Aus 
dem funfjehnten Zahnhundert werden einige Handſchriften und 


alte Drucke beſchrieben. Zu Ende diefes Jahrhunderts machte 
Petrus Ravennas, auch Petrus a memoria genannt, ſehr vie 
Aufſehen mit feiner Kun. „Seine Schrift Toenix Dui Per, 


406 4 · Aretin Micmenif. 

Ravennatis memoriae magistri iſt hier näher beſchrieben, fü 
wie die Schriften von Mattheolus Peruſinus, Conrad Eeltes, 
DPhryſfius und Georg Reiſch. Cap. 19. Enthaͤlt bie Auszige 
de mnemonifchen Schriften des fehdzehnten Jahrhunderts. — 
Sibutus, Jacob Philipp de PYfabellis, Criſtammo Uunhäufe, 
Guilielmus Leporens; Jacobus Kolinens, Johann Romberch, 
Siulio Camillo. Au Zordan-: Bruno, dieſer enthuflaſtiſche 
Verehrer der Lulliſchen Kunſt, ſchrieb viel Verworrenes über 
Mnemonik, wovon der. Verf. weitlaͤuftige Auszuͤge liefert. Di 
größte Rolle ſpielte aber Lambert ‚Thomas Schenkel, geberen 
Sir zu Herzogebuſch der drepfig- Jahre lang als 

ſcher Knſtler und Lehrer reifte, mad! nach einem bier geliefer 
ten Verzeichniß In-86 Brädten in Deuͤtſchland und Frankreich 
Unkerriche erthetlte. Sein Compenbium der Mnemonik fat 
Niüber 1804 ‚im einer: Ueberſetzung witdor bekannt gemalt. 
Er fiiftete eine, eigne Schule ber- Moemöniker, aus der bier 
Martini Sommer, Joh. von Pacpp;’ Eofelfrancus ung Fran; 
Martin Ravellin genannt werden, " Cap. ır. und. Fa if aus | 
den ſiebzehnten und achizehnten Jahrhundert eine bedeutend: 
Neihe Schriften über die Mnemonik angeführt, es zeichnet ſich 
abee'Intemand beſonders darin aus, Der Verf. gibt vorzaͤglich 
Ninen”inettläuftigen@2fadgng "aus Mi Jo." Doebelii‘ collegium 
Atiiemenicum, Hainb. „1707. -Die vielen Misbrände, die 
man "Fu Ende dep. ſiebzehnten Jahrhunderts mit dieſer Kunſt 
‚getrieben hatte, brachten ſſe in ſo uͤbeln Ruf, daß ſich während 
des achtzehnten Jahrhunderts kein „einziges"guter "Ropf damit 
beſchaͤftigte. Erſt im Anfang des neungeßnten Sährhamderts 
fand Re wieder beffere Vertheidiger. Zuerſt machte fder bir 
Paſtor Gräfe in Göttingen wieder auf den. pädagogifhhm 
Werth der Muemonik aufmerkſam, dann folgte ‚„Bo4 die 
Schrift des Prediger Kaͤſtner, die erſte Ankuͤndigung ˖ Bed Hm. 
von Aretin, die Schriſt des Hrn. v. Feinaigle, Kluͤbers 
Ueberſetzung des Schenkel und 1d05 weiter das enthällte Ge 
helmniß der Mnemonik, Brunners Mnemonit, Morgenfern 
de arte veterum .mmnemonica ,- -die - Programme des gu 


4 





Bassirilievi di Roma da Zoëga. 407 


heimen Ru, wolf, und ‚Riäbere Sarift Über Samt und 


Serum.‘ 1 
FE .. Ra FRE rn . . SS on * 


. ” r Ba! y Ku SC nun 





Lifikeceri di Roma, incisi da Tommaso FiroH! colle iMustra- 
sionird5 Giorgio Zotga mublicati in. Roma Fi Pietro Pi- 

;, ranesi, ABlistrib. * AVL XVII. 1808. kl. fal. Sar 
- un Er 2 R) u, En 


. C Verst. Heidelberg. aa. 110, 5. 9 ms, 99 * 10.) 


DOie jehet noch anzuzeigenden Hefte enithalton golgendes. 
Taf. 83, unedirt, und B4 Chöre von Maͤnaden. 
Die Halfte der Figuren auf der Jetzten Tafel iſt gar nicht 
Mänadishu; wie die: andre Haͤlfte, ſondern in der gehatenen 
und gemädigten Bemegung, woran Zoega Taf. 19 Tängerinien 
der : Tragödie; erkannte. Dod laͤßt der Thyrfus in der Hand 
der einen und bie Umgebung (es wechfele immer: eine von 
Diengfos: ergriffene mit. einer fanfter geflimmten ab) mict 
gmeäfeln; Daß auch jene Maͤnaden fenen. Der Kuͤnſtler ſcheint 
Die. Abſuht· gehabt zu haben, eine Art von Cyclus des 
Tanzes darzuſtellen, die Bewegungen der Barchusdienerinnen 
in dem Centtoſt darzuſtellen den fie in. ſpaͤtern, und gemilder⸗ 
ten Zeiten der Dienyſiſchen Feyer, vielleicht auch ig der Wirk⸗ 
01027 qusdräktten, als niche oe mehr der Tradition ſtreng 
anhingen.:. Taf. 85. 86. Unedirt. Thiaſoten des Dios 
ny[d8, ſechs Fauren von ‚way. Candelabern geſchnitten. Auf 
dem einen ein Pau und Satyr mit Fackeln, nach den Floͤten 
eines andern Satyrs ſchraitend; auf dem andern ein,.orgifcher 
Tanz von, iner, Maͤnas und zmey Satyrn. Der-Sehraich der, 
Candeloher IR dabey eruirt. Taf. 87. Unehirt. Spielende 
Satyeon⸗Dreffend erflärt aus einem bay. Nem vprlommenz 
den: Volketanz, wo zwer einen Reif faffend.;.fih auf. derſelben 
Stelle: anf; kleinen Steiuchen herumſchwingen. Dazu muſicirt 
ein Satyr, und ein antter trägt einen Koch voll Fruͤchte als 
Preiß⸗ Taf. Bi: Sarprester Amorin. Wind. Mon, 
N. 7. Nach Zoega nur ein grotsstes oder phantaſtiſches Ver⸗ 


sierungegäd, Visconit hatte Mus. Biol. Via 


/ 





383 Bassirllievi di Roma da Zoëga. 
merkt, dab, was wir Genien nennen, bey den Alten Sefkäntis 
Amorinen heißt, und daß jene ih nie als Kinder finben, zu 
gleich aber unfern Sprachgebrauch zu rechtfertigen gefucht. Zoega 
ſetzt hinzu, daß nirgend ein Gening mit Fluͤgeln weorkomm; 
die nebſt dem Kindesalter das Charakteriſtiſche der Amorinen 
ausmachen: Er beſtimmt darauf genau, als KReſaltat vieler 
Forſchungen, das Verhaͤltniß der Bedeutung von Exoten, Su 
nien, Dämonen, und flellt Platons Phantafleen von gottlichen 
Weſen gufaimmen, mit einem ſathriſchen Behtehblick' auf die 
* Siehpfärsnilee, welche fie ohne meiteris für Dogmen- mahınen, 
und in in’ Opflem--ausbildeten. - Dis Recht haͤlt? vr es fir 
höchig, um die Monumente im Sinnahrer Zein aucknerfiche; 
und mit ben: Worten der Alten in Uebereinſtimmung gu bein 
gen, ihres elanien Ausdräde; ſobiet ale möglich‘, zu gaͤhrauüchtn, 
und Die ‚ woraus Zweydeutigkeit und Verwirrung bes Vovftellung 
entſtehn koͤnſte, zu meiden; wtfe: uch den falſchenne Mamen 
Wenins aufzugeben. Taf. 89. Unebirt. Am oriwund un 
Satkyretten, von einem Puteal im ſymmetetthen Geſchmad 
von Briefen. Zwiſchen Kraiern and: Thymiaterlen Amorinen 
vreitend auf einem Pancher, Bock and Otier, welche von Sa 
tyrn ans den Kratern getränkt werden. Kaf. do. Bfielt 
von Ahöriner, edirt Galk Giuta 9, 10h, und ahalich 
dem Relief "Mon. Matth. 3, 44, und in einigen - dein Ge 
mälde- ser Philoſte. I, 6. Scharffinnige Auslegung aller. feinen 
Beziehungen, "in: dem libenssufien ‚I nammigfaftght?inatven 
Bilde, nt eitigen: gelebrten Erbrcevungen über athletiſche Dik 
‚ten. "Taf. Hi. Unedirt. Apollinifhe Amsrtinem, Eike 
ſplelt Raute, und hat Apsflons-Naben neben ſich ir-landrıe 
rrankt den Greif. deſſelben. Die Cuptoes bedeuten 'atnßdn det 
herrſchendſten und ſAßeſten abler: Leidenſchaften, der Aebe, nad 
Philoſtratus auch oe andernz vallein ofe bleibt! undeſtiinmt, 
wenn naͤmlich Kinderſiguren in: deu: Geſtalt Ye‘ den Meetvuren 
von Göttern vorkommen ; 06° bis: im ihnen herrſchende Idee die 
Wortheit der Liebe iſt, alegorifchvorgekelle als Jager,  Kriw 
ger und dergleichen, obder; aber :Hte Leidenfchaft, Melhe-di 





N 
Bassirilieyi di Roma'da Zoiga. 408 


Attribute bgeichnen, zur Jagd, zum Krieg, aber endlich, oh 
es nur ein capriccio des Kauͤnſtlers iſt, ſich eines Sinderfigug 
‚zu hedienen, um an Diana, Mars, oder eine ande Gotthelt 
gu erinnern, wie man wmygthiſche Suͤjets durch fie, porgeſtellt 
hat. Denn: die zwey Epigramma der. Anthologiedie auf dig 
Macht des Eros gus dieſen Kindern mit den Atzributen bee 
Goͤtter ſchließen, ſcheinen wehr witzig, als wahr. Auf zuniver 
Tafel IE Des, letzte. Kinderfigaren gehören uͤbrigens auch zu 
den bloßen Dunementen. , Oft gab. man Diefen deny aus Liebes 
gum Mdeutenden und. Bezichungéreichen auch. in Mebendingen, 
paſſende Symhole von Goͤttern, aa) Handwarkskuͤnſtler zoger 
ſolche auch nf. Dinge: uͤher, — fie nichts zu thun Hatten; 
fo daß. bie: meiſten der nisien; Goͤttergenien aus, dem Verzie⸗ 
xungageſchmack wisiprungsm Tone Aürflen., - Nech des Ren 
Meinang ſird noch einige andre Motive des Wohlgefallens au 
diefen Vorſtelungen 3u beuiäfichtigen. ‚Taf g2. Unedirt, 
Komogs, Batt des Schmaunſeß, und ber. Selage, nah Phi 
dofte.. I, a ‚fahr wohrſcheinlich erklaͤrt, obgleich dur folgenden 
Abschnitt &:-236: vorminhen med; daß Philoſtratua in-dep 
Erklaͤrung dieſes Bildes geiers: Haben. möge, Ang ſchicklicher den 
Schlaf, wie nächtliche Muhe des. Brautpanıs „um deſſen Thor 
lamas her · noch geſchwaͤrmt wurde, vorfellte, : Denn warum 
ſollte Her. Gott des. Schmaufes ſchlaſen, während der Ochmaus 
nohrin, voller Regſamkeit iſt. Die irrige Erllaͤrung des Phi⸗ 
Aoſtrauus Bonnie. wenigſtens zur richtigea das vprliegenden Mas 
sumenss feiten.. Meyer:.de diis gt-diabus Auntouxem hat Die 
‚Sigar Mont& antiqu.. Th, Term Taf. ach tbenfells wach, dem 
Phaltaſtratus für den Roms enlfit. Taf. 99. Unedirt. Hy⸗ 
puos ©: 200 —2 . Maine Perſon des Zabel aſt vielleicht 
fe wmenmdgfaftig gehildet wornden, als der Salt, nach feinen 
Amabmenfdjiehsuheiten. und: sach: her verſchiedenen Natur des 
imagit aͤren - Möshene: deſſelben. Dieſer war nach;den. aͤlteſten 
Dichtern wit ie wie der Thenew nicht todt; wurde 
aber beld ala Aaffiner Schlaf anter manchteley Geſtalten gs⸗ 
dacht und vorgeſtelt. Dabey por noch eia ſchlafender os, 


”- — — N 


410 Bassirilievi-di Roma-da Zoäga. 


der zugleich dach Schlaf und Träume gab, und inbem er er⸗ 

wachte, dieß zu thun, feinem eigen Weſen, dem Säit, 
widerſprach. Unfer Hupues iſt ein Schläfergstt, und zwar ſo 
vorgeſtellt, wie dieſer ſonſt nicht vöorkommt, ein Alter mit dicken 
Rruppigen Locken, ſtehend, mit Abergeſchlagenen Beinen, den 
Kopf auf:die Hände gelegt, die einen langen Stab haften, 
mit großen Plügeln an den Schulſern, und Slägtidien om 
Kopf, im tiefen Schlaf Die Figur wird erläatert Dur Doib. 
Metam. :II, 585 $. Der Bei. führt uns die Bitder des 
Gott Schlaͤfert und des Einſchlofers, ‚ ober Ruhegebers, und 
die, - wo beyde vereinigt find, vor, und endlich auch "Sie von 
einer Hühe; bie auf Anſtrenguug, oder Senuß folgt, mad nicht 
Schlaf if, noh Tod, fondern das, worin fienbeyde Bruͤder 
find, in’wäher Bedeutung der Somnus Taf. 15 ya dehmn 


x 


iſt, friedliche Ruhe, wie nach vollbrachtem Wet, oder ach 


einer ſchoͤnen Drahizeit des: Tage) sder des Lebens. Den 
fein alter‘ Autor, ‚obgleich fo tele ausfäßrlich: vom Schlaf reden, 
erwähnt Fach und Krone von ihm, und Thanatos kann die 
Damit imenee gleich bezeichnete Figur eben fo wenig ſehn. Zof. 
4, 9, 96. Muedirt. Horen S. o18 - 205 . Allgeineine 
Bemerkunzen gehn voraus, die ganze Materie aufzuhellen, und 
die Verwechfelung von Horen und Jahrszeiten Afzuheben, die 
in den antiquariſchen Schriftſtellern und im artiſtiſchen Sprach⸗ 
gebrauch hertſcht. Denn jene älteren Toͤchter der Ihemis wur 
sen ais Ördneriänen der Kreiſe, woria alle Dinge’gehm, in 
Berug auf. die Zeit, was die Mören, aud Töchter der The 
Anis, :daschheäften Geſetzes, und! des Zeug, in Bezug anf den 
Raum, and tieffinniger von Bedeutung, -als die ſpaͤteten Kores, 
Toͤchter des Eykabas, nach bloßer flänlicher Abfraction. Dans 
Über: Zahl, Nanien und Eoflüm der Horen. Auf Taf. 94 m 
feinen die: Horn. der erſten Claſſe, glei den Muſen und 
Grazien „idtey, die Wiederbringerinnen ber Feſte, nach den 
Dichtern, und fuͤhren Demeter, die nur gu errathen iſt aus 
den Vortrath; ‚den fie bey der. Wiederkehr aus der Erde im 
Gewand. tehgt, und Telete (Panfen.g, 30) mis Fackeln. Die 





Bassirilievi di Roma da Zoöga.  - 4 
gibt der Verf. nur als die Ihm wahrſcheinlichſte Vermuthung 
über dieß Monument. Taf. 95. Zwey Horen. Taf. 96. Eine 
Ara, woran wohloerhällt die drey Horen, eine die andre am - 


Zipfel des Gewandes faſſend, hinter einander her ſchreiten, 
und Demeter und Kore, oder Nyſa, des Dionyſos Amme, 


und Ariadne nebſt Jakchos, der Paredros der Demtter-,; ale u 


Dionyfos, mit dem ihn We Autoren fländig iventificiren‘, oder 
diefer ſelbſt. Auch hier iſt die Erflärung nur nah Wahrfcheins 
tichfeit, aber ‘gewiß fehr fein und bedaͤchtig, beſinimt. Wielr 
leicht fpielen die drey Horen auf das Feſt des trietetifchen Dior 
nyſos an, . on 
So weit geht Zoegas Arbeit. Die drey folgenden Num⸗ 
mern enthalten noch aus feinen hinterlaſſenen Papisren die - 
hoͤchſt genaue Beſchreibung, die er von ben Origiualen aufge⸗ 
ſetzt hatte, um ſie bey der Ausarbeitung zu benutzen. Dieſen 
har Filippo Visconti, Bruder des beruͤhmten Archaͤologen, in 
der Eile einiges hinzuſetzt, das mis der Ausführung, die Zoega 
jedem Artikel. zu geben pflegte, nicht Anfpruch machr;' verglichen 
zu werben. Taf. 97. Raub der Proferpina, eins der 
intereffangeften Basrelieſe diefes Inhalte, mit dem das in der 
Spaniſchen Reife von Laborde Th. I. Taf. zı auf ungewöhn⸗ 
liche Welfe übereinftinmt. Taf gB: Apollo an einer vie 
feitigen Ara, vor einem Tempelchen chend. "An-den anderh 
Seiten ber Drepfuß, der Greif and’ Opfergefchire . Taf. 99. 
Der Delphiſche Tempel, das beſte der. vier Exemplare, 
„bie, Diefen Segenftand' enthalten; ber: durch Böttiger’Anagl- in . 
Mus. Napol. ‚(f. Heidelbergiſcher Jahrb. Yahrgs 1810, H. 36, 
(Abth. V N. 11). S. 184) neuerlich hervorgezogen worden If - 
Die drey jetzt in Paris befindlichen Seitenflüdde Mus. Napol, 
Th. 4 Taf. gr— 10 find hier ebenfalls forgfätttg beſchrieben. Ä 
Ohne allem Text ind dann. noch -bengegeben Taf. 100, das in 
MWinckelmanns Wetten Th. 3 G. 398 von den neuften Heraus⸗ 
gebern. erivähnte Wert mit Merkur, ‚Minerva, Apolle und . 
Diana, im Kirchenſtyl. Taf. 102. Die alten Goͤtter, die . 
Mon, ined, ‚Taf. 6 vorkommen; und endlich Taf. ꝛ02. Zwey 


413 Breiger ieb.d. Einf, trau. Seitumfl. a. d. Fuͤhr. d. Predigta. 


Mymphen und eine Karrikatur, nämlich ein zwergartiger Silen 
ber. Flöten blaͤſt. Da ſeit fo langer Zeit nichts mehr erſchienet 
IR, fo ſcheint das’ Werk hiermit beendigt zu ſeyn. 


> r D 
yo en . . . P 





{ 8F *. 4 


Haber..en. Einfluß trocriger Beitumflände auf De Zübrung des Tue 
. digtgmis. Bon G. E. Breiger Brediger ya Rcheurg. Has 
nover/ bey Habn. 1510, 252 & 5 


Traurige Zeitumfänhe koͤnnen anf die Zhöruug de⸗ Den 
—— merklichen Kinfluß haben. Das Amt kann untıt 
ſolchen Umſtaͤnden bald beſſer, bald ſchlechter verwaltet werden 
Wis pᷣqe ſcttere erfelge," will der Verf. nicht erörtern. Er will 
nur non.bepn erfiern reden, und zwar mum helebrender und ven 
mahnender Beiſe. Die Ueberſchrift ſagt alſo nicht genau, was 
mon in dieſem Buche gu erwarten babe. Es find Winke für 
Prediger, wie fie die, noch dem allgemeinen Urtheile für traurig 
angeſehenen Zeitumflände im der Amtsfuͤhrung auf eine vom 
Händige-- und erbauliche Weiſe zu benntzen haben. Dir Ber. 
bewaͤhrt ſich in dieſer Schrift als einen fein und fcharfden 
Senden Manu, er ſagt auf. Veranlaſſung des: vorgehaltenen 
Zwecks fo viel ‚allgemein belehrendes, daß man waänſchen 
mödte, feine heilen Begtiffe, feine: Haren Vorftellungen, bu 
Sonder von dem. verderblichen. Einfluffe des Drüdenden: und 
Quaͤlenden, was der Zeitgeiſt uns berbepgefühne Hat, boͤnnten 
in ein weiteres Publicum geführt werden, als die. Beſchraͤnkung 
der Schtift auf. den Stand, des Predigers- wehrfcheintich ihm 
Heben ‚wird. Mirgends wird. dem Vorurtheile, als wenn bu 
. krübte: Zeitumſtaͤnde, :fo wie überhaupt die Unfälle. des Lebens 
ain unfehlbares Mittel, bie Menihen- au verbeffern und ja 
veredeln wären, Lräftiger entgegengearbeitet, als in dem Au 
fange, diefer Schrift: Es verdient: dieſer Aheil vom allem ga 
‚kefen und beherzige zu werden, denen währt Menſchenwohl 
am Kerzen legt: Dem, Prediger ziemt es vor vielen andern 
‚hierüber im Klaren zu ſeyn, und nicht den religiöfen Irrthun 
zu .begünftigen, daß die Kinder, die der Water allerhinge lieb 





’ + 
Breiger ichs: Einf. aur. Zeitumf.a.d. Fuͤtr. d. Fredigta. &13 


hat, wenn er Me jüchtiget, grade feine beſten Kinder wären 
und wärden. Sie werden ſchlecht Die Menſchen, je meh 
fie gedrätft und gepeinigt werden, das bleibt eine Wahrheit, 
und wenn wir uns au noch fo viele Muͤhe geben, uns diel 
ſelbe zu verbergen. Alles, was der gute Menſch in ſolchen 
Fällen thun kann, iſt, daß er die Leidenden troͤſtet, den Be 
drückten ihre Burde, wo nicht abnimmt, doch erleichtert, und; 
wenns möglich I, fie von der Pein befeeyt, die öfters noch 
als. ungebetene "Zugabe gu dem Drucke angefehen werben mag. 
Dieß kann unter tauſenden nicht-efner To leicht, als her Pre 
diger, und es hätte diefer Umſtand wohl verdient, als Gele) 
genheit benutzt zu werden, die Wichtigkejt des Predigtamts in 
unfern Tagen darüber in ein neues Licht zu ſehen, und darzu⸗ 
thin, daß dent Menſchen, and wenn. er Allied ‚fu verfieren 
(heint, doch nichts verloren gehe, fo: fange’er noch das Heso 
tigfte der Menſchheit in Sicherheit gebracht ficht. Welches 
Stü Für unſre Zeiten! Eine vernuͤnftige Sottesverehrung fliegt 
über- die Finfterniffe des Verſtandes und über die Verirrungen 
des Herzens. Das Geſetzmaͤßige wird bey aller anfcheinenden 
Gewalschätigkeit in Schutz genommen. Der blinden Willtahe 
wird ſelbſt von denen, die nur der Willkähr zu gehorchen 
ſcheinen, alle Kraft entzogen, ſchon dadurch entzogen, daß man 


die Wilteũhr immer tiefer zu verachten ſich gedrungen fuͤhlt: 


Es vricht ein neues Leben für uns an, und dieſes neue Leben 
verſpricht uns in jedem Athemzuge eine ſchoͤnere Ordnung, ein 
freyeres "Wirken des‘ Geiſtes, ein allgemeineres Intereſfe an 
den bisher verkannten Befoͤrderungsmitteln des gemeinen Ber 


Ken. Es runden fih) Staaten wie Begriffe. Alles Ungufammens. 
Hängende ſtrebt nad; Eintgung,.und nad) Zufammenhang. Alles. 


Verdorbene wird ausgeworfen, alles Bewegungsloſe wird aufs 
‚gerättelt und geweckt, alles Zögernde wird beſchleunigt, alles Zum 
rũckbleibende unaufhaltſam fortgeriffen. Das find erfreufiche 
Erfcheinungen, die nur der am Boden haftende Blick berrüßte 


Beitumftände nennen barf. Eine ſolche Wiedergeburt aber erk 
fordert Kampf. And unter diefen Kämpfen erliegt der Menſch, 


— 


. 6 
th VSreigerʒleb.d. Enſ. traut. Zeitumſt. 4.d. Führe. d, Vredigia 


der ſich nicht Bis zu ber Ueberzaugung durcharbeiten kanr ‚Mi | 
das Himmelreich ſehr nahe berben gekommen ſey, wenn als 
die. Zeichen geſchehen, die die Menſchen mit Zucht und Wär 
‚ten der Dinge, bie da fommen follen, erfüllen. Dem-gu Belg 
"würde ,:wenn von Zeitumfänden die Rede feyn ſollte, ein um 
derer Geſichtspunct aufzufafien fen. . Das Präbicat traurig 
muͤßte gleih:im Anfange wegfallen, denn a6, beſtimmt im 
voraus den Eindruck, dem die ernfihafteren Ostgachtungen üter | 
unfre Zeitverhaͤltniſſe hervorbringen Lönnen, und .Beiner mil 
doch, daß dieſer Eindruck der bleibende fern fol. Denis und | 
. verfege ſich Doch jeder denkende Geiſt an die Stflie eines Vaterc, 
ber. das Schickſal feiner Kinder lenkt. Als einen ſolchen deu 
: fen ſich doc ale Freunde der. Religion den Weltbeherrſcher. 
Marpe «6 einem ſolchen Water ‚gefallen, wenn die Kinder von 
ihm ausiagten: er halte fie zu hart? Er wird wohl wife, | 
"was er thut, der verfländige Vater. Das nennt ihe hatt, | 
das nennt ihr traurig, aber dafür kann der. Vater wahrlich 
nicht. Er zwingt ‚euch, euer Brod mis denen zu eheilem, die - 
Bungrig find. Run fo gebt «8 ihnen dad. Es wurde euch je 
auch ‚gegeben. Wer hat es mit euch ausgemacht, als ihr ge 
boren wurdet, daß. ihr fo und fo viel Guͤter ohne Abzug be | 
ſitzen und genießen folltet. Andre Haben keine Güter, muͤſſen 
"Leib und Leben unter befhwerlihem Dienfie, mit Aufopferung 
aller Freuden der Haͤuslichkeit dem möglichen: Verſuſte alle Zuge‘! 
Preiß geben, und ihr wolltet ihnen entgegengrinfen , wenn fe 
Bungrig, ermuͤdet, bis zum Ermatten erihöpft euer Obdach 
ſuchen, was ihr nicht gebaut habt, einen. üherfläffigen Lums 
pen nehmen, um ihre fihmerzlihe Wünden zu decken, einen 
Biſſen zur Stärkung und. einen Trunk zur Laburig verlangen, 
den fie.gern bezahlen würden, wenn fie Geld im WUeberfluffe 
hätten. She zuͤrnt, wenn folhe Menſchen Jahre lang as 
einem Drte liegen. Denkt doch nur, es wären eure Kinder, 
es wären eure Brüder, fie find es ja, denn fie, find Dienfchen, 
ihre. Schuld iſt es nicht, daß fie euch läflig werden. D es 
tzibt fein drüdenderes Gefahl, als andern laͤſtig werben zu 


t 
‚ 





Breiger Ueb. d, Einf traur. Beitumft. a.d: Fuͤhr. de Predigta, 415 


müfen? Das erfennen Re, auch wenn fle. es end nicht immer 
merken laſſen, denn Das: mürde zu nichts führen, ale dag ihr 
ihnen’ noch meniger gaͤbet. ‚Ste ind alſo die Gedruͤckten, nicht 
ihr. Wiil Sas Ungluͤck, daß im Kriege (von deſſen Orenelg 
Ihe viellelca noch keine Vorſtellung habt) eure Hütten in Rauch 
aufgehen , eure Wohnungen geplündert werden. Guter Gott, 
mie mande wären: froh, wenn fie nur fo lange, als ihr, eine 
fo bequeme. Wohnung, einen folchen Ueberfluß Im Haufe ges 
noffen Hätten, ſie, die Jahre lang ohne Dad, ohne Kleidung 
und Bedeckung˖ ſeyn, und Hunger, Froft und Bloͤße tragen 
mußten. ° hr verdet beßre Wohnungen wieder erhalten, das 
lehrt die Erfahrung der unbegraͤnzten Mildthaͤtigkeit unfree 
Zeitgenoſſen, ihr habt noch einen Boden, der euch Korn und 
Fruͤchte traͤgt, ihr habt Nachbarn Freunde und Verwandten, 
ihr habt (was ihr viel zu wenig tn Anfchlag bringt) eine ges 
ſetzmaͤßige Verfaſſung, » ihr ſeyd noch lange nicht mit den 
Menſchen zu vergleichen, bie aller dieſer Guͤter entbehren, und 
doch fo froh und fo vergnägt dad Leben genießen wie. der Vogel 
in den Lüften, . der nad dem Gewitterhagel Ah wieder auf den 
Aeſten ſonnt, wie das Kind, das ans der finſtern Kammer, 
woͤrein man es geſperrt hatte, wieder in das freundliche aim 
mer feiner Aeltern und Geſchwiſter geführt wird. 

Sole. Borftellungen find es, die doch ein wenig mebe 
beachtet zu werden verdienten, ‚wenn man den guten Vorſatz 
hat, die Menſchen Aber manche auffollende Begebenheiten ums 
guͤnſtiger Zeiten zu beruhigen. Und grade diefe Vorftellungen 
find doch die einzig haltbaren, und. es ift wahrlich. nicht Liebe 
loſigkeit, weñn der Menfchendenner dem Gedrüdten und Aech—⸗ 
genden zuruft: Feiger, du! mas fehle dir denn? worüber haft 
du zu Magen? Sich um dich! werde mit der Welt bekannt. 
Sieh ‚fo iſt es einmal, das Menſchenleben! Solchen Wand⸗ 
lungen, ſolchen Zufaͤllen iR es ausgeſetzt. Meinſt du, das wäre 
(hlimm?, Bau die nur eine beßre Welt, ſieh zu, ob du eg 
anders wuͤrdeſt einrichten koͤnnen, wenn du die Ordnung des 
Dinge zw schalten haͤtteſt. Sm Sätzen ader find solche Fein 

— 


N 


416 ° Virgils Aeneis von Spitzenberger. 


umſtaͤnde boch immer nur voräßergehende Gewitter. Es find 
ein ‘Paar Regentage gegen viele Sonnentage. Der bekannte 
Troſtſpruch: es wird nicht immer fo ſeyn, iſt kein keerer Ge 
danke da, wo es wirklich einmal ſchlimm sugefl. Daß aber 
vielen die nach dem Gewitter veränderte Luft nicht gefaͤllt, daß 
fie es nun zu kuhl und ſchaurig finden, das muß man denen 
zu gut halten, die immer warme Tage gewohnt geweſen find. 
Es gibt andre, denen die gereinigte Atmofphäre wohlthur, 
andre, die eine mäßige Teniperatur jeder andern vorziehen 
würden, wenn es die Natur nicht fo eingerichter Hätte, daf 
had) einigen heitern Tagen Immer ſich von neuen Wolken jw 
fammenziehen , ohne welde, wenn fie nie In Regen ſich ergie 
ben follten , unſre trockne Erde bald verſchmachten wärde. 


. 
BERG 2 ——— * PORN 
« 





Virgils Aeneis, deutfch und Inteinifch, in drey Bänden herausgegeben 

von Foſeph Spitzenbergere Erſter Band. Zweyte gar 
verbeſſerte Ausgabe. Straubing, bey Ign. Oeigl und Comp. 
N u. 218 ©. Zweyter Band 245 &. Dritter Band 
260 € u 


„Der Verf. ſagt in der Worrede, daß er nach Erſcheinen 
der erfien” Auflage von neuem acht Jahr .an der durchaus 
verbefierten Ueberſetzung gearbeitet, daß er das Original fchär 
fer, ale das erftemal, ins Auge gefaßt, den Sinn des großen 
Virgils nah Möglichkeit im Deutſchen zu erreidyen fidy be 
fitebt, und daß er bie und da (warum nicht durdans?) 
alle ihm bekannte Deutſche Weberfegungen (?) benugt Babe. 
Denis hatte früher feine Atbeit nicht gemißbdilligt. Hr. Epb 
- genberger hat den grammmtifchen Sinn wohl ne das 
Poetiſche aber "hin und wieder verfehlte. Wos Nas Metriſche 
betrifft, fo find Rec. zwar keine groben Werköße aufgefallen; 
doch hätten die Verſe im Ganzen beſſer gebaut, feyn tünnen, 
zumal da der Kr. Ueberſetzer die feit zehn Jahren ſchon er; 
ſchienene, trefflihe Voſſiſche Ueberfehung bemußen konnte, und 
wenn man fireng ſeyn wollte, als fpärerer Dollmetſcher aud 
benugen mußte. Das Original hätte füglich wegbleiben koͤn⸗ 
nen. In ihrem Kreife dürfte fie vielleicht einigen Nutzen bringen. 


' 





No. 27. Seidelbergiſche 1811. 
Jahrbuͤcher der Literatur. 


— — ü ee Tv ven 





Annalen der Physik. Neue Folge. Herausgegeben von Lud w. 
Wilhl Gilbert, Dr. der Ph. u, Med. ord. Prof, der 
Physik u. Chemie zu Halle etc. Leipzig b. Joh. Ambros. 
‘“ Barth. 1809. Erſter Band 452 S. nebſt 7 Kupfert. Zweytet 
Band 489 ©. n. 4 Kupfer. Dekret Band 455 & m 4 
Kupfert. 


NM dem Wünfdye, dab dieſe Annalen in der neuen Folge 
derfelben, welche der Herausgeber mit dem Jahrgang 1809, 
doch ohne Abänderung feines bisherigen Plans, eröffnet, fi 
einer recht fangen ungehinderten Fortdauer erfreuen mögen, 
eröffnet Recenſent diefe etwas verfpätete Anzeige der vorlies 
genden drey Bände des gedachten Jahrgangs, der an Gehalt 
den vorigen feinesweges nachſteht. Dieſesmal find es die mit 
der Mathematik näher verwandten Zweige der Phyſik, melde, 
die wichtigften Bereicherungen erhalten. Zuerfi genannt zu 
werden verdienen bier unftreitig die durch alle vier Hefte des. 
dritten Bandes fortlaufenden Abhandlungen Äber die Theorie 
der Kraft, welche in den Haarröhren und bey 
ähnbihen Erfheinungen wirft, von P. S. La 
Places; die eine der wichtigften Entdedlungen im Gebiete dee 
mathemarifhen Phyſik betreffen. Unftreitig verdiente dieſe 
Theorie um fo mehr vollftändig in diefen Annalen aufbehalten 
zu werden, da fie fonft in Deutfchland leicht wenig bekannt 
werden würde; und auch-folche Lefer, weiche in die Tiefe der 
mathematifchen Unterfuchungen der Theorie nicht ganz eingur 
dringen vermögen, werden, dem. Herausgeber deren ungetheilte 
Aufnahme nicht verübeln. Wie jede aus mathematifchen Prinz 
cipien Hergeleitete Erklärung eines bekannten phyſiſchen Phäs 
nomens ſchon an fih für den Phyſiker eine fehr willlommene 
Erſcheinung iſt, fo wird dieſes doppels der Gall feyn, wenn fo, 
27 








418 Gilbert Annalen der. Ponff. 


wie es hier gefchehn iſt, eine zahlreiche Folge von Erfcheinun 
gen zuräcdgefährt wird auf.eine einzige Urſache in der Narr, 
deren Wirklichkeit fi nicht bezweifeln läßt, und durch einen 
ſtrengen Kalkul bis ins kleinſte Detail wieder aus ihr abgeleitet.“ 
Wir fehen Hier die mannisfaltigfien Erfcheinungen einer in 
unmerfiicher Entfernung, d. 5. in der Berührung, wirkenden 
Anziehungskraft aus Einem Principe eben- fo vollftändig und 
befriedigend erklärt, als die Bewegungen ber Körper unfes 
Sonnenfuftems aus dem Newton'ſchen Gravitationsgeſetz. Ve— 
fonders wichtig wird diefe Theorie der Tapillarität noch dei 
wegen, weil fle einen Theil der Phyſik betrifft, dm welchem 
diefe und die Chemie fi am innigften berühren; und dadurd 
- wenigftiens über die Quelle aller chemifchen Erfcheinungen ein 
neues Licht verbreitet, wenn wir auch zu ber Hoffnung uns hier 
jest wohl noch nicht berechtiget halten därfen, einft alle chemis 
fhen Erſcheinungen dem mathemarifchhen Kalkul eben fo unten 
worfen zu fehen, als es hier mit den Phänomenen der Capil⸗ 
laritat auf eine fo durchaus: genügende und durch Verſuche 
Beftätigte Weife geichieht. 

So wie der dritte Band diefes Zahrgangs durch die eben 
angeführten Abhandlungen, weiche zufammen ein in jeder Hin 
ſicht vollendetes Ganze bilden, fo geichnet der erfte fich ans 
buch eine andere Folge ebenfalls Höchft lehrreicher und die 
Wiſſenſchaft erweiternder Aufiäge: über das Verhalten 
der Körper zum Lichte, (I. 2c5— 206) „welche uns nens 
Cigenfchaften diefes wundervollen Weſens aufſchließen, und den 
Phyſiker in ben Beſitz verfeinerter Methoden feßen, die Natur 
des Lichts in Beziehung auf die verfchiedenen Körper gu erfor 
fehen.“ Vermittelſt eines äußerſt finnreihen von Wollafton 
zuerft in Anwendung gebrachten, von Malus in den barans 
hergeleiteten Formeln berichtigten Verfahrens lernen wir, wie 
das Brehungsvermögen undurdhfihtiger Körper 
mit einander verglichen und einer genauen Meffung unterwors 
fen werden könne Zugleih Hat Kr. Malus die Reſnltate 
feiner mathematifchen Analpſe durch die Prüfung an einem, 


—— 








Gilbert Annalen ber Phyſa. 419 


nah Belieben durchſichtig und unbdurchſichtig zu machenden 
Köıper (dem Dienenwachfe) bewaͤhrt; Wollaſton Bat an eiit 
paar Beyſpielen gezeigt, wie die Erforſchung der brechenden 
Kraͤfte dienen koͤnne; fi von Identität; oder Verſchiedenheit 
zweyer: Materien zu verſichern. Dee Abhandtung Wollaſtons 
bat dee Deutfhe Bearbeuer, Ar. Mollweide, ſchaͤtzbare 
Tafele der brehenden: Kräfte beygefuͤgt. In At. Malus Auf, 
ſatze fcheine &. 23a der: Text unrichtig, und mäßte wohl heißen? 
;b der Winkel, den der Geſichtsſtral mie dem Cinfallziorhe 
auf die Horizontale Ebene mat: und 3.7 ls U = — 
cos. a sin. (a—b) + etc. Auch &. 259.3. 6. v. u. CB 
Rat DB; ©. sög 3. ı BC fi. BD. Wollaſton hat auf 
aͤhnliche Weiſe auch die gerfireuenden Kräfte verfchieder 
ner durchſichtiger Mittel durch die Neflerton im Innern des 
Prisma finden gelehrt: wobey jedoh, nah Hrn. Mollweides 
Venerkung, nicht Rüdfihe genommen iſt auf die mögliche 
Verschiedenheit in der Zerſtreuung der verſchiedenen Farben. 

Mit dieſen Aufſaͤtzen verbindet der Herausgeber ein paar 
andere, von den naͤmlichen Verfaſſern herruͤhrende, weiche 
Unterſuchungen Aber die doppelte Stralenbre— 
Hunginmehreren durchſichtigen Kryſtal len ent 
halten. In dieſen wird zuerſt die voͤllige Uebereinſtimmung 
des von Huyghens entdeckten Brechungsgeſetzes mit den Beob⸗ 
achtungen gezeigt, ſowohl von Wollaſton, als von Malus und 
La Place (II. 446). Letzterer bemerkt, daß man dieß Geſetz 
mir Huyghens Theorie zugleich verworfen habe, von der es 
doch. unabhängig ſey, indem es ſich aus anziehenden und ads 
floßenden Kräften auf ähnliche Weife ableiten laſſe, wie es von 
Newton für das gewöhnliche Brechungsgeſetz geſchehen iſt. 
Daſſelbe zeigt er auch für die Reflexionsgeſetze bey dem unges 
wöhnlid gebrochenen Straf, Das Unbefriedigende vor Huvghens 
Theorie zeigt beſonders die auffallende Erſcheinung, welche man 
wahrnimmt, wenn zwey verdoppelnde Kryſtalle uͤber einander 
geſetzt werden, einmal mir parallelen, und dann mit ſenkrecht 
auf einander gerichteten Lagen der Hauptſchnitte, Aus welcher 


* 





t 


420 Gilbert Annalen der Phyfik. 


Erfcheinung . unwiberfprechlih folgt, daß die Wobificationen, 
welche den gewöhnlidden Stral von dem ungewöhnlichen unten 
ſcheiden, ſich lediglich anf die Lage des Strals gegen die Ay 
des Kryſtalls beziehen. Wölig analog dem merfwürdigen Un 
terſchiede, welcher ſich ben der doppelten Stralenbrechung finde, 
zwiſchen dem urfpränglichen und dem Kereitd einmal im Kryſtal 
gebrochenen Lichte, zeigt fih auch, nach Hrn. Malus interh 
fanter Entdeckung, die Eigenthämlichkeit- des von der Hinter 
fläche eines durchſichtigen Körpers ımter einem beſtimmten 
Winkel zurüdgeworfenen Lichtes, daß es alle Charaktere eins 
der beyden, tm Kalkſpath entfiehenden Stralenbündel an 
nimmt (8. 2923.7u.dv.n. lies: „man fielle den Haupt 
fehnitt eines Kryſtalls der Neflerionsebene Harallel“ und &. 295 
3. 14 u. 15 „der Zurüdtwerfungsebene parallel.) Mon Hm. 
Malus findet fih (IL 465) die Entdeckung noch einer andern 
merkwürdigen Eigenihaft des Lichtes: daß nämlich unter ge 
wiſſen Umftänden das ſchon einmal zurädgeworfene Licht nit 
wieder gurückgeworfen,, fondern von durchfichtigen Körpern ganı 
durchgelaſſen, von undurdfidhtigen polirten Körpern ganz ven 
ſchluckt wird. Die Erfcheinung ſelbſt und die Geſetze werben 
von Maus näher beflimmt. (Der Hier mitgetheilte Auszug 
feiner Abhandlung von Poifion ſcheint oft zu kurz gerathen, und 
mar Rec. nicht durchaus verfländlih). Er finder in ihnen eine 
peue Beflätigung der Newton'ſchen Hypotheſe über das Lit, 
und ſchließt daraus, daß nicht nur das Licht der Herrſchaft ber 
anziehenden Kraͤfte gehorche, ſondern daß auch die Geſtalt und 
Lage der kleinſten Theilchen des Lichts großen. Einfluß auf die 
Zichterfcheinungen habe. 

Ueber das Höhenmeffen mit dem Barometer 
- finden fich verfchiedene Aufiäge. Won Soldner (II. 204) 
intereffante Unterfuchungen über den Einfluß der Fench— 
tigkeit auf das Höhenmeffen mit dem Barometer; 
wobey er wahrfcheinlich macht, daß fid) die Erpanfiokraft überall 
wie die Dichte der Luft, wenn diefe im Gleichgewicht iſt, vers 
halte. Auszeichnenswerth ſcheint Rec. die treffende Bemerkung 


_ 





Gilbert Aunalen der Boufl: 421 


über die Unſicherheit aller bieherigen Hygrometrie und des Verf. 
Vorſchlag zu einem Hygremeter. Namond erklaͤrt (II. aan) 
die Verſchiedenheiten, welche fi bey Meſſungen ein und dew 
ſelben Höhe zeigen, aus. dem .Einuffe der Winde: indern 
allemal nördlihe Winde zu große, ſuͤdliche zu kleine Höhen 
gehen. Won Hın. v. Linbenau barometriſchen Tas 
fein eine ausführliche, mit Anmerkungen begleitete Inhalts⸗ 
anzeige vom Herausgeber (IE. 236), Ein Aufiag über aftror 
nomifhe Stralensrehung in der beißen Zone 
(1. 337), von Ale v. Humboldt, liefert Data zu Bu 
entwortung der Frage, ob die aſtronomiſche Stralenbrechung 
unterm Aequator einerlen fey mit der in der gemäßigten Zong 
beobachteten. Der Verf. zeigt zuerſt, daß chemifche Eigen 
fchaften der Luft und Feuchtigkeit auf eine Verſchiedenheit zwi⸗ 
fen beyden Beinen Einfluß haben könne, und unterfücht dann 
das Geſetz der Waͤrmeabnahme, welche auf horizontale Stras 
lenbrechung dem größten Einfluß äußere. Das Refultar ift, daß 
während des Sommers das Geſetz der Wärmeabnahme und 
die Horizontalrefraction in der beißen Bone dieſelben als in der 
gemaͤßigten ſind. 

Bios Verſuche über bie Shastverkreitung 
in Dämpfen (IH. 237.) thun dar, daß bey der durch 
Schallfortpflanzung erregten Minen Verdichtung des elaftifchen 
Mittels Temperaturerhöhung erfolgt. — Wright's Vor— 
flag zu einer Cfehe einfachen) Luft pum pe ſcheint Auf 
merkſamkeit und nähere Prüfung zu verdienen (I, 187). Cie 
Hygrometer für Gasarten beſchreibt Buyton:Mors 
veau (1.417); die hygroſkopiſche Subſtanz iſt ſalzſaurer Ralf, 
der in die zu präfende Gasmenge gebracht wird, nachdem ſolche 
zuvor, genau verſchloſſen, unter den Quechſilberapparat gebracht 
worden. Ron demfelben finder fih (TI.52.) ein Bericht von 
siner angeblichen im duftleeren Raume gelungenen Calcination 
des Goldes durch Elektricitaͤt. 

Le Bobuvier Desmortierg neue Unterfuguns 
gen über die Wirlungey deg pneumatifhen Fewek⸗ 








y 
422 Gilbert Annalen der Vbyſt 


zeugs (III. 228.) find wenig befriedigend, und die Verſuche 
durchaus nicht wiſſenſchaftlich angeftele. Won mehrerem Werth 
iſt, was fi (ebend. 212) findet,. von Theod. v. Grott« 
Hus, über Syntheſis des Waſſers und das Wind; 
büchſenlicht. Er glaubte aus feinen Berfuhen folgern zu 
tönnen, daß die der Expanſion fi entgegenfiemmenden. Hin⸗ 
berniffe durch den Widerkand der umgebenden Luft eine notbs 
wendige Bedingung find zu der Verbrennung durch die Com 
preſſionsmaſchine. Ohne den Druck der Atmoiphäre „würden 
wir die flammende Verbrennung gar nicht keinen.“ . 

Ueber Schen der Gegenflände in Bezug auf 
Rereograpbifhe Projection, v. Simon (II. 5), 
iſt ein lehrreicher Auffag. 

. Was bisher gefchehen ifk zu Beantwortung der. zur Zeit 
Immer noch nicht Gefriedigend gelösten Trage, woher das 
zu fo vielen Prooceffen verwendete Sauerfkoff; 
gas immer wieder erſetzt werde? wird in einer Bon 
fung v. Munfe (III. 428) in bequemer Ueberſicht zuſam⸗ 
mengeſtellt. 

Aus dem Gebiet der phyfikaliſchen. Geographie 
enthaͤlt dieſer Jahrgang einige Aufſaͤtze. Linuſſie in „Der 
merkungen übrr.die Abnahme des Meeres (I. 308) 
ſucht die (06 wirklich volltontien ausgemachte?) Thatſache, 
daß das Meer immerfort an Umfang abnehme, durch dir 
Hypotheſe zu erfiäcen, daß fehr viel Waſſer nit nur gu. den 
Proceffen der Vegetation u. |. w. immerfort verbrauchte werde, 
fondern auch durch den Einfluß: der Himmelskoͤrper vom Meere 
erhoben, ih näc und nad) ganz von der Erde entferne: und 
folgert darauses werde eine: Zeit kommen, da die Erde gan 
trocken ſehn, und eine neue Ordnung: son Geſchoͤpfen anf ihr 
entfichen werde. — Ueber Winde, Wellen u. ſ. w. finden 
fh von Nicholſon und Horsbyrgh * 597) Beobach⸗ 
tungen und Erklaͤrungen. 

Wichtiger iſt Gerſtners ſehr gruͤndlich durchgeführte 
Theorie der Wellen (LU. 410). Sinnreich iſt bie, uw 





Sabert Annalen der Pbyft. 423 


ſtreitig Die wahre Urſache weifende Erklärung Robene ® 
einer von Frankfiin beobachteten Hydroftatifhen 
Erfheinung (I. 78). — Die Seiches des Genfer— 
fees verſucht Vaucher (II. 339) zu erklären, welches aber 
weder ihm, noch Micholfon recht gelungen zu ſeyn fcheint.. Bes 
friedigender if Lagrave. Sorbies Erklärung des 
Mascaxen in dem Dorbognefluß (III. 407). Ueber Mees 
restiefemeſſung, ein Aufſatz von A. van Stipriaan 
Luiscius (III. 417). — Ueber den Regen und bie 
verfhiedene Menge deffelden nah Verſchieden— 
heis der Höhen (1. 87). Ob die Menge des fallenden 
 Regens in der Höhe geringer fep, als an der Erde, und unter 
welchen Ymftänden dieß der Fall ſey? | 
| Zur Geſchichte und Unterſuchung der Meteorſteine 
| finden ſich and) bießmal nicht wenig Beytraͤge. Befonders ers 
. halten die im S., 1808 zu Stannern in Mähren gefal— 
lenen Aerolithen von Scherer (I. 2) und v. Schreis 
bers (I. 33) eine ausführliche Beſchreibung, vornämlic in 
Hinßcht auf ihre Incruſtirung, aus deren Beſchaffenheit erfles 
ver die Folgerung sieht, daß „eine elektrifhe Potenz auf das 
Ganze der Meteorfieine mit Blitzesſchnelligkeit, ader nicht mit 
gleicher Intenſitaͤt auf. alle, gewirkt Habe.“. Eben diefe Acras 
lichen zeichnen ſich nah Vauquelin's chemiſcher Präfung 
(UI. 202) durch ihren bedeutenden Ihonerdegehalt aus. 
Nachrichten von Ruſſiſchen Luftkeinen (l. 305) und 
von merkwuͤrdigen Meteoren aus dem Anfang des achtzehnten 
Sahrbunderts (TI. 3a) In letzterem Aufiag fiel Rec. die 
außerordentlich große Anzahl von Mebenfonnen „und andern 
merkwürdigen Weteoren auf, welche man zwiſchen 1727 und 
1730 in Löbau beobachtet Haben will. Abdruck einer merkwuͤr⸗ 
digen Fleinen, durch einen Meteorſtein, veranlaßten Flugfchrift 
vom. J. 1671 (UI 183). Patrin über den Ur— 
fprüung der Meteorfieine (III. 289) haͤlt fie, gleich 
vnikaniſchen Producten, für eine chemiiche Verbindung ver⸗ 
ſchiedener ‚Iufsförmiger Fluͤſſigkeiten. 





4 Bilbert Annalen Der EHE. 


Uber Davy's große Entdeckung von der Zerſetzanz 
der Kalten enthält dieſer Jahrgang, nachdem dee vorher 
gehende bloß eine vorläufige Notiz von feiner eigenen Abhand⸗ 
ung mitgetheilt Hatte, dieſen Aufiag ſeibſt (1. 1135), werm ber 
Verf. feine Epoche machende Entdeckung und beren Geſchicte 
mufterhaft und hoͤchſt lehrreich ſchilbert; immer noch eime ſehe 
intereffante Lectuͤre, wenn gleich die Hauptreſultate Bereits auf 
anderm Wege bekannt und von vielen Seiten beftätiget worden 
waren. Damals vermuthete. Davy noch bloß, daß es. mit dem 
Ammoniak ähnlihe Bewandtniß Haben möge, wie mit dem Kali 
und Natron. In einem fpäteren Auffape: „Bildung, 
Natur und Eigenfhaften eines mit Ammoniak 
erhaltenen Amalgams“ (IF. 245), wird er durch bie 
Verſuche mit diefem Amalgam (42000 von der Baſis des 
Ammoniak dem Queckſilber beygemiſcht, macht es zum feften, 
viermal leichteren Körper, ohne ihm fein metalliſches Anfehen x. 
zu nehmen) für den Ausſpruch entfchieden, dab das Ammontal 
ebenfalls aus einer Baſis von metallifher Natur und dem 
Gauerfloff zufammengefeßr fey. Aber, fragt er, welches von 
diefen dreyen if der Fall? And Waflerfioff und Stiäckſtoff 
Metalle in Gasgeftale? Oder find fie in ihrer gewöhnlichen 
Geſtalt Oxyde? Oder find fie einfache, wunmetalliiche Körper, 
die in ihrer Verbindung entweder ein Alkali, oder ein Metall 
Biden, je nachdem fie ogygenirt find, oder nicht? Darauf läft 
er eine Neihe intereffanser Fragen, Wermuthungen 2. felgen. 
Wie, wenn der Waſſerſtoff als das Phlogiften der alten Schule 
mit Metallen und allen brennbaren Körpern verbunden , die 
Oxryde, Alkalien und Säuren aber Zufammenfogungen jener 
Baſen und des Waſſers wären? Merkwuͤrdige Grufenfolge 
der Metalle vom Platin bis zum Kalium ıc. Wie, wenn im 
Innern der Erde die Erden in metalliſcher Geſtalt epifkirten, 
und daher unterirdiſche Fener, Laven ꝛc. entfländen? Die ge 
‚wöhnlihden Metaloppde find fpecifif leiter als ihre Baſen, 
Bali und Natron fperifiih ſchwerer, weil fie den Sauerſtoff 
yiel feſter gebunden enthalten. Zuletzt widerlegt. D. Die vos 





GSilbert Aunalen der Phyſtk 425 
Says Zaffac und Ihenarb aus ihren MWerfuchen hergeleitete 
Folgerung, als fen das Kalimetall ein Kalihydrure. „Er ſey, 
heißt es zum Schluſſe, auf die erſtaunende Folgerung gefuͤhrt 
worden, ˖ daß Ammonlat und Waſſer aus einerley ponderabler 
Materie beſtehen.“ Doch eine dritte reichhaltige Abhandlung 
von Davy enthaͤlt deſſen Unterſachungen über die ers 
fegung der Erden (II. 365), von weichen: die fogenannten 
altatifchen mit Queckſtiber in ber Batterie behandelt, ſaͤmmtlich 
ein Amalgam bildeten, aus welchem fih, obwohl fchwierig, 
das Metall (Barium Calcium Strontiim Magnium nam 
Hr. D. diefe Metalle) darftellen ließ. Dicht fo genfgende 
Reſuitate gaben die Werfuche mit den übrigen Erden: doch 
hinreichend, um die gegruͤndete Wermuthung zu erweden, daß 
auch fie eine Bafis von metallifher Natur Haben mögen. 

In Sb. II, ©. 16 und 23 finden fi Notizen von ben 
Unterfuhungen von Say-Luffac und Thenard, bes 
fonders über ihre merkwürdigen Verſuche, das Verhalten des 
Kalimetalls zu verſchiebenen Körpern betreffend. | 

Die von Erman II. 061 ausführlich gefchilderten Wahrs 
nehmungen über das gleichzeitige Entfiehen von 
mehbanifher Codärenz und chemifher Berwands 
ſchaft bereichern die Wiſſenſchaft von einer andern Seite her. 
Der Verf. gibt zuerſt die merkwuͤrdigen Reſultate aus ſeinen 
Beobachtungen, und dann eine Beſchreibung der Verſuche ſeibſt. 
Sehr intereſſant iſt es, den vermutheten Zuſammenhang zwi—⸗ 
ſchen Abdhaͤſion und chemiſcher Verwandiſhaft hier von einen 
ganz neuen Seite her: betätigt zu feheh.-- - 

Eine nicht unmicdtige Erweiterung anfer chemifden 
Kenntniſſe (dergleichen wie der Entdeckung Davy's bereits fo 
tele, mittelbar ober immittelbar, verbanden) enthalten: bie 
Anterfuhungen Aber die Flußfäure, von den Arn. 
Say s Luffac und Thenard (II. 1). Rec. -hebt nur einige 
merfwärdige von ihnen gemachte Beobachtungen aus, 3. ©. 
daß das flnßſaure Gas ben fehr großer Merwandefhaft zum 
Waſſer keines gebunden oder hygrometriſch enthalten kann; 





n 


438 Berner Sriechiſches Leſebuch. 

zum Verbrennen nöthige Theil Sauerſtoff enthalten iſt. Hei⸗ 
zung von Zimmern und Manufacturgebaͤuden durch Waſ— 
ferdampf von Snod⸗Graß (TIT. 395). Der Dampf 
wird in Röhren vun € eine beliebige Menge zu heizender Zum 
mer geleitet. ' 





“a we ww v ur 


Gricchifches Lefebuch für Anfänger in einer grammatiſchen Ordnung 

nebſt einem Anbange Yon vermiſchten Satzen und einem vol⸗ 
ſtaͤndigen Wortregiſter von G. A. Werner. Stuttgart be 
dem Verf. und Tübingen in Commiſſion der I. ©. Cotta ſchen 
Buchhandlung. 1808. VIII u. 211 G. 8. 


Der durch feine Deutſche Beyſpielſammlung über Bröderd 
Lateiniſche Grammatik und nachher auch durch eine ahnliche 
Sammlung zum Behuf des Griechiſchſchreibens bekannt und 
Fehr näßlich gewordene Verfaſſer hat uns hier sin Seitenkäd 
zum letztern gegeben. Dean täufche ſich nicht Durch bie 
Titel, als 06 man ein von den erfien Elementen ſtufenweiſe 
aufwärts gehendes Griechiſches Leſebuch hier. für die Anfänger 
erhielte. Meint der Verf. ſetzt ſchon ein fertiges Declinirm 
und Eonjugiven voraus, und was wir hier.vor uns haben, if, 
den Anfang und das Ende des Griechiſchen Tertes abgerech⸗ 
net, nur ein Exempelbuch Über die Hauptregeln der Griechiſchen 
Grammatik vom Gebrauch "des Artikels an bis auf die Den 
‚bindung und den Gebrauch einiger Conjunctionen. Da dieſes 
des Buches Hauptabſicht iſt, und wegen der dazu gehörigen Res 
geln, die hier durch Beyſpiele bewieſen werden, auf Das Deutfche 
Buch, defien vorhin gedacht iſt, verwieſen wird, fo kann Der Ner. 
nach feiner Einfiche nicht amders, als Die erſten acht Selten, welche 
leichte Säge für den Anfänger enthalten, für Aberfläffig erflär 
sen, zumal da fie ohne eine beſtimmte Ordnung und ohne einen 
gewiſſen Stufengang an einander gereiht find. Eben daſſelbe 
Prädicat des Ueberfläffigen möchte auch wohl der Anhang vers 
dienen. Denn da er nach des Verf. Abficht.dayn dienen fol, 
die Scächmen noch weiten. Daraus keunen zu lernen, warum 





Werner Griechiſches Lefbuh. 49 


rate dazu micht jedes andre Griechiſche Buch tauglich ſeyn, de 
tiefe aus Kenophon und Plato gewählten Stuͤcke nicht mehr 
Sräcismen 'enthatten, als jeder Attiſche Schriftfiefler. 
Aber Hr. W. beſtimmt and dieſes Buch zum wirklich, 
schen Elementarbuche, und dadurch weicht feine Anfiht von, 
ber erſten Lectäre der Anfänger fehr ab von, der Anſicht andree 
Schulmänner , welche anfangs noch nicht die Syntax ex pro- 
fesso mit ihren Gchälsen durchnehmen, fondern nur &v na- 
eod@, dagegen durch paſſende Lefebücher, in denen immer, 
mehr das Schwerede dem Leichtern die Hand gibt, ihre Schüler. 
in dee Formenlehre vorzüglich zu befefigen fuchen, jeboch dabey 
die Grammatik nicht gang aus der Acht fchlagen. Auf dieſer 
Seite iſt auch der Rec. Will man die Grammatik d. h. Bier. 
die Syntax gleich zuerſt nehmen, und fie durch Beyſpiele eins. 
prägen,, fo iſt das. erfte. Poſtulat, melches überhaupt von jedem 
Schulbuche gefordert werden muß: „Miſche nichts früher 
ein, was der Schäler erfl [päter durch eine Res 
gel lernt.“ Sollte alfo gegenwärtiges Grempelbuch für bie: 
Anfänger ſeyn, fo war hierauf die ſtreugſte Sorge gu vers 
wenden ; aber dann war die Wahl und Sammlung drenfach fo. 
muͤhſam und ſchwer. Diefes Poftulat Hat der Verf. nicht err 
fuͤllt. Da jedoch ohne Beweis kein Vorwurf Kraft bat, fo 
wollen. wir gleih auf: den erften Abfchnitt vom Artikel. einen 
Blick werfen, ob nicht da ſchon etwas von Negeln eingemifcht. 
iſt, die erſt ſpaͤtr vortommen. Da heißt es 5. ©. im dritten. 
Abfage "Eredeien 5 ’Iooxparns Ödiyars Aukpaıs Üarepor 
vüs &v Xaspaveig nayns Wird fi der Anfänger, der bis⸗ 
ber nur vom Artikel etwas hörte, den Dativ und den folgens. 
den Senitiv erklären Bönnen? Im folgenden Stücke wird en 
beym Dativ 75 mode, und, ift er mit der Eonftruction des 
Lareinifchen dignus befannt, aud wohl bey AELos Iardron. 
anftoßen. So kommen in den naͤchſten Stüden Conjunctiven 
und Optativen bey Conjunctionen vor, von denen doch erſt. 
der. letzte Abſchnitt Handelt, eben fo asdersodas mit zwen 


418 Gilbert Annalen der Ronff. 


mie es hier geſchehn if, eine zahlreiche Folge von Erſcheinun⸗ 
gen zuräcdgefährt wich auf eine einzige Urſache in ber Natut, 
deren Wirklichkeit fih nicht bezweifeln läßt, und durch einen 
ſtrengen Kalkul bis ins kleinſte Detail wieder aus ihr abgeleitet.“ 
Wir ſehen hier die mannigfaltigften Erfcheinungen einer in 
unmerklicher Entfernung, d. 5. in der Berührung, wirkenden 

Anziehungskraft aus Einem Principe eden-fo vollfiändig und 
befriedigend erklärt, als die Bewegungen der Körper unfers 
Sonnenſoſtems aus dem Newton'ſchen Gravitationsgeſetz. Be— 
ſonders wichtig wird dieſe Theorie der Capillaritaͤt noch des 
wegen, weil fie einen Theil der Phyſik betrifft, im welchem 
diefe und die Chemie fih am innigften berühren; und dadurch 
wenigſtens über die Quelle aller chemifchen Erfcheinungen ein 
neues Licht verbreitet, wenn wir auch zu der Hoffnung ung hier 
jeßt wohl noch nicht berechtiget Halten dürfen, einft alle chemis 
fchen Erſcheinungen dem mathematiſchen Kalkul eben fo unters 
worfen zu fehen, als es hier mir den Phänomenen der Capil⸗ 
larität auf eine fo durchaus: genuͤgende und durch Verſuche 
beſtaͤtigte Weiſe geſchiceht. 

So wie der dritte Band dieſes Jahrgangs durch die eben 
angeführten Abhandlungen, welche zufammen ein in jeder Pins | 
fihe vollendetes Ganze bilden, fo zeichnet der erfte fich ans 
durch eine andere Folge ebenfalls Höchft lehrreicher und die 
Wiſſenſchaft erweiternder Aufiäge: über das Verhalten 
der Körper zum Lichte, (I. 2:5 — 296) „welche uns neue 
Eigenfchaften diefes wundervollen Weſens aufichließen,, und den 
Phyſiker in ken Beſitz verfeinerter Methoden feßen, die Name 
des Lichts in Beziehung auf die verichiedenen Körper zu erfor 
hen.“ Dermittelft eines äͤußerſt finnreihen von Wollafton 
querft in Anwendung gebraten, von Malus in den darans 
bergeleiteten Formeln berichtigten Verfahrens lernen wir, wis 
das Brehungsvermögen undurdhfihtiger Körpe 
mit einander verglichen und einer genauen Meffung unterwor 
fen werden inne  Zugleih hat Kr. Malus‘ die Neinitate 
feiner mathematifchen Analpſe durch die Prüfung an einem, 








Gilbert Annalen ber Phyſte. 419 


nah Belieben durchſichtig und undurchſichtig gu machenden 
Körper (dem Dienenwuchfe) bewaͤhrt; Wollaſton Nat an ein 
Haar Beyſpielen gezeigt, wie die Erforſchung der brechenden 
Ktäfre dienen könne; ſich von Identitaͤt; oder Berfchiedenheit 
zweyer Materien zu verfihern. Der Abhandlung Wollaſtons 
bat der Deutſche Bearbeuer, Ar. Mollweide, ſqhaͤtzbare 
Tafeler Ber brechenden; Kräfte beygefuͤgt. In Hr. Malus Auf, 
ſatze ſcheint ©. 230 der Text unrichtig, und mäßte wohl heißen: 
„b der Winkel, den der Geſichtsſtral mie dem Einfallslothe 
anf die Horizontale bene macht: und 3.7 1 sin O = — 
cos. a sin. (a—b) + etc. Auch S. 239:3. 6 v. u. CB 
Rat DB; ©. 239 3. ı BC fi. BD. Wollaſton hat auf 
ähnliche Weife auch die gerfireuenden Kräfte verfchieder 
ner durchſichtiger Mittel durch die Neflerton im Innern des 
Prisma finden gelehrt. wobey jedoh, nah Hrn. Mollweides 
Vemerkang, nice Ruͤckſicht genommen iſt auf bie mögliche 
Berfchtedendeit in der Zerſtreuung der verfchiedenen Farben. | 

Mit dieſen Auffägen verbindet der Herausgeber ein paar 
andere, von den naͤmlichen Verfaſſern herrührende, weiche 
Unterfuhungen über die Doppelte Stralenbre— 
Hung inmehreren dburhfichtigen Kryfalfen ents 
halten. Sn diefen wird zuerſt Die völlige Webereinftimmung 
des von Huyghens entdeckten Brechungsgefeges mit den Beob⸗ 
achtungen gezeigt, ſowohl won Wollafton,, ale von Malus und 
La Place (II. 446). Letzterer bemerkt, daß man dieß Geſetz 
mir Huyghens Theorie zugleich verworfen habe, von der es 
doch. unabhängig fey, indem es fih aus anziehenden und abs 
ſtoßenden Kräften auf ähnliche Weife ableiten laffe, wie es von 
Newton für das gemähnlihe Brechungsgefeß geſchehen if. 
Dafſelbe zeigt er auch für die Reflexionsgeſetze bey dem unges 
woͤhnlich gebrochenen Strai. Das Unbefrtedigende von Bunghens 
Zheorie zeigt befondere die auffallende Eriheinung , welche man 
wahrnimmt, wenn zwey verdoppelnde Kryſtalle Aber einander 
gefest werden, einmal mir parallelen, und dann mit ſenkrecht 
auf einander gerichteten Lagen der Hauptſchnitte, dus welcher 


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40 Glilbert Annalen der Phyſt. 


Erſcheinung unwiderfprecdhlich folgt, daß die Modiſicationen, 
welche den gewöhnlichen Stral von dem ungewöhnlichen unten 
ſcheiden, ſich lediglich auf die Lage des Strals gegen die Ar 
des Kryſtalls beziehen. Voͤllig analog dem merkwuͤrdigen Um 
terſchiede, welcher ſich bey der doppelten Stralenbrechung finde, 
zwiſchen dem urſpruͤnglichen and dem bereits einmal im Kryſtal 
gebrochenen Lichte, zeigt fih auch, nach Hrn. Malus iuterefs 
fanter Entdeckung, Die Eigenthuͤmlichkeit des von der Hinten 
fläche eines durchſichtigen Körpers unter einem Befkimumten 
Winkel zuruͤckgeworfenen Lichtes, daß es alle Charaktere eines 
der beyden, tm Kalkſpath entfichenden Stralenbuͤndel ans 
nimmt. (8. 2923.70. 8 v. u. lies: „man flelle den Haupt 
Schnitt eines Kryſtalls der Reflerionsebene yarallel“ und S. 295 
8. 14 u. 15. „der Zurücdhwerfungsebene parallel.) Ron Hr. 
Malus findet fih (IL 465) die Entdeckung noch einer andern 
merkwürdigen Eigenjchaft des Lichtes: daß nämlich unter ge 
wiſſen Umftänden das ſchon einmal zuruͤckgeworfene Licht nicht 
wieder gurückgeworfen, fondern von durchfichtigen Körpern ganz 
Burchgelaffen, von. undurdfichtigen policten Körpern ganz ver 
fohludt wird, Die Erfcheinung felöft und die Geſetze werben 
von Malus näher beſtimmt. (Dev Bier mitgetheilte Auszug 
feiner Abhandlung von Poiſſon ſcheint oft zu kurz geraten, und 


war Rec. nicht durchaus verfländlih). Er finder in ihnen eine 


peue Beflätigung der Newton'ſchen Hypotheſe über das Licht, 
und fchließt daraus, daß nit nur das Licht der Herrſchaft ber 
anziehenden Kräfte gehorche, fondern daB auch die Seftalt und 
Lage der Bleinften Theilchen des Lichts großen. Einfluß auf die 
Lichterſcheinungen habe. 

Ueber das Hoͤhenmeſſen mit dem Barometer 
finden fih verfchiedene Aufſaͤtze. Non Soldner (TI. 204) 
intereffante Unterfuhungen Über den Einfluß der Feuch— 
tigkeit auf Das Höhenmeſſen mit dem Barometer; 
wobey er wahrfcheinlich macht, daß ſich die Erpanfivkraft überall 
wie die Dichte der Luft, wenn diefe im Gleichgewicht iſt, ver 
halte. Auszeichnenswerth ſcheint Rec. die trefiende Bemerkung, 








Gilbert Aunaben der Yan; 421 


über die Unſicherheit aller bisherigen Hogrometrie und des Verf. 
Vorſchlag zu einem Hygrometer. Namond erklaͤrt (II. 220) 
die MWerfchiedenheiten, welche fi) ben Meſſungen ein und dew 
felben Höhe zeigen, ‚aus dem .Einfluffe der Winde: indem 
allemal nördlihe Winde zu große, ſuͤdliche zu Eleine Höhen 
geben. Won Hrn. v. Lindenan barometrifden Tas 
feln eine ausführlihde, mit Anmerkungen begleitete Inhalts⸗ 
anzeige vom Herausgeber (IE. 26). Ein Aufiag über aftros 
nomifhe Stralensrehung in der heißen Zone 
(I. 557), von Aler v Humboldt, liefert Data zu Bu 
antwortung der Frage, ob die aſtronomiſche Stralenbrechung 
unterm Aequator einerlen fen mit der in der gemäßigten Zong 
beobachteten. Der Verf. zeigt zuerſt, daß chemifche Eigene 
fhaften der Luft und Feuchtigkeit auf eine Verſchiedenheit zwis 
fhen beyden einen Einfluß haben könne, und unterfücht dann 
das Geſetz der Waͤrmeabnahme, welche auf horizontale Stras 
lenbrechung den größten Einfluß äußere. Das Reſultat ift, Haß 
während des Sommers das Geſet der Wärmeabnahme und 
die Horizontalrefraction in der beißen Bone biefelben als in der 
gemaͤßigten ſind. 

Bioers Verſuche über die Schablverkreitung 
in Dampfen (EI. air.) thun dar, daß bey der durch 
Schallfortpflanzung erregten Minen Verdichtung des elaſtiſchen 
Mittels Temperaturerhoͤhung erfolgt. — Wright's Vor— 
Schlag zu einer (ſehr einfachen) Luft pumpe ſcheint Auf⸗ 
merkſamkeit und nähere Prüfung zu verdienen (I. 187). Cie 
Aygrometer für Basarten beſchreibt Suyton:Mors 
vean (I. 417); die hygroſkopiſche Subſtanz if ſalzſaurer Kalk, 
der in bie zu prüfende Gasmenge gebracht wird, nachdem ſolche 
zuvor, genau verſchloſſen, unter den Quechſilberapparat gebracht 
worden. Bon demfelben finder fib (TI.52.) ein Bericht von 
ainer angeblichen im Tuftseren Raume gelungenen Ealsination 
des Goldes durch Elektricitaͤt. 

Le Bounier Desmortierg neue Unterfagun ns 
gen über die Wirkungen bes pneumatiſchen Kewess 


8 


422 iiber Annalen her BoHf. 


zengs (III. 028.) find wenig befriehigend, und die Verſuche 
. Burhaus. nicht wiſſenſchaftlich angeftellt. Don mehrerem Werth 
iſt, mas fi (ebend. 2ı2) findet,. von Theo. v. Grptts 
Hus, über Synthefis des Waſſers und das Winds 
Büädhfentiht. Er glaubte ans feinen Verſuchen folgern zu 
tönnen, baß die der Erpanfion fi entgegenſtemmenden. Hin⸗ 
berniffe durch den Widerkand der umgebenden Luft eine noth: 
wendige Bedingung find zu der Verbrennung durch die Eoms 
preffionsmafchine. :Dhme den Druck der Atmoiphäre „würden 
wir die flammende Verbrennung gar micht kennen.“ 

Ueber Sehen der Segenflände.in Bezug auf | 
ſteresgraphiſche Projection, v. Simon (II. 5), 
iſt ein lehrreicher Auffag. j 

Was bisher gefchehen ifk zu Beanmwortung ber. zur Zeit 
Immer noch nicht Gefrisbigend gelösten Frage, woher das 
zu fo vielen Proceffen verwendete Sauerfloff; 
gasimmer wieder erfent werde? wird in einer Bor 
fung v. Munfe (III. 428) in bequemer Ueberſicht zuſam⸗ 
mengeſtellt. 

Aus dem Gebiet der phyfikaliſchen. Geographie 
enthält dieſer Jahrgang einige Aufſaͤtze. Linuſſio in „Der 
merkungen überdie Abſnahme des Meeres (I..393) 
ſucht Die (ob wirklich vollkomſnen ausgemachte?) Thatſache, 
daß das Meer immerfort an Umfang abnehme, Durch die 
Hypotheſe zu erflären, daß fehr viel Waffer nicht nur gu. den 
Proceſſen der Vegetation u. ſ. w. immerfort verbraucht werde, 
fondern auch durch den Einfluß: der Himmelskoͤrper vom Meere 
erhoben, ih nach und nad) ganz von der Erde entferne; und 
folgert daraus, es werde eine Zeit kommen, da bie Erbe ganz 
trocken feyn, ımd eine neue DOrbuung,son Geſchoͤpfen auf ihre 
entfiehen werde. — Ueber Winde, Wellen w. f. m. finden 
fh von Nicholſon und Horsbresh * 397) Veobeqh⸗ 
tungen und Erklaͤrungen. 

Wichtiger iſt Berſtners ſehr arundlich durchgeführte 
Theorie der Wellen (I. 410). Sinnreich if bie, uw 








Gilbert Annalen der Phyſu. 423 


ſtreitig Die wahre Uerſache reffende Erklärung Robrnet's 
einer von Franklin beobachteten hydroſtatiſchen 
Erfheinung (I. 78). — Die Seiches des Genfer—⸗ 
fees verſucht Vaucher (III. 339) zu erlären, welches aber 
weder ihm, noch Nicholſon recht gelungen zu fenn ſcheint. Bes 
friedigender iſt Lagrave. GSorbtds Erklärung des 
Mascaxet in dem Dordognefluß (III. 407). Ueber Mees 
testiefomeffung, ein Auflag von A. van Stipriaan 
Luiscius (IL. AT). — Ueber den Regen und bite 
verfhiedene Menge deffeldben nah Verſchieden— 
heit der Höhen (I. 87). Ob die Menge des fallenden 
Regens in der Höhe geringer ſeh, als an der Erde, und unter 
weihen Umſtaͤnden dieß der Fall fey?. 

Zur Geſchichte und Unterſuchung der Meteorfeine 
finden fih auch dießmal nicht wenig Beytraͤge. Belonders ers 
halten die im Z..2B08 zu Stannern in Mähren gefak 
lenen Aerofichen von Scherer (I. ı) und v. Schreis 
bers (I. 23) eine ausführlihe Beſchreibung, vornämlich in 
Hinſicht auf ihre Incruſtirung, aus deren Beſchaffenheit erſte⸗ 
ver die Folgerung sieht, daß „eine elektriſche Potenz auf das 
Gange der Meteorfleine mit Blitzesſchnelligkeit, ader nicht mit 
gleicher Intenſitaͤt auf, alle, gewirkt Habe.“. Eben diefe Aeras 
lichen zeichnen ſich nah Vauquelin's chemifcher Pruͤfung 
(III. 202) buch ihren. bedeutenden Thonerdegehalt ans. 
Nachrichten von Ruſſiſchen Luftlieinen (1. 305) und 
von merkwürdigen Meteoren aus dem Anfang des achtzehnten 
Jahrhunderts (TI. 3) In letzterem Aufſatz fiel Rec. die 
außerordentlich große Anzahl von Nebenfonnen „und andern 
merkwürdigen. ieteoren auf, welche man zwiſchen 1727 und 
1730 ia Loͤbau beobachtet Haben will. Abdruc einer merkwuͤr⸗ 
digen Fleinen, durch einen Meteorſtein, veranlaßten Flugſchrift 
vom. J. 1672 (U 183). Datrin über den Akv: 
fpeung der Meteorfieine (III. 189) hält fie, gleich 
vnikaniſchen Producten, für eine chemifche Verbindung ver⸗ 
ſchiedener luſtformiger Fluͤſſigkeiten. 


42 Bilbbert Annalen der Phyf. 


Ueber Davy's große Entdeckung von der Zerfesand 
der Kalien enthält dieſer Jahrgaug, nachdem der vorher⸗ 
gehende bloß eine vorlaͤuſige Notiz von feiner eigenen Abhand⸗ 
tung mitgetheilt Hatte, dieſen Aufiag ſeibſt (1. 113), worim ber 
Verf. feine Epoche machende Entdeckung und deren Geſchtchte 
muſterhaft und hoͤchſt lehrreich ſchilbert; immer noch eine ſehe 
intereſſante Lectuͤre, wenn gleich die Hauptreſultate bereits auf 
anderm Wege bekannt und von vielen Seiten beftätiget worden | 
waren. Damals vermuthete. Davy noch bloß, daß es mit dem 
Ammoniak ähnliche Bewandtniß Haben möge, wie mit dem Kali 
und Natron. In einem fpäteren Auffape: Bildang, 
Natur und Etigenfhaften eines mit Ammoniak 
erhaltenen Amalgams“ (IF. 245), wird er. durch die 
Verſuche mit diefem Amalgam (42000 von der Baſis des 
Ammoniak dem Queckſilber beygemifcht, macht es zum feften, 
viermal leichteren Körper , ohne ihm fein metallifches Anfehen x. 
zu nehmen) für den Ausſpruch entfchleden, dab das Ammontaf 
ebenfalls aus einer Baſis von metallifher Natur und dem 
Sauerſtoff zuſammengeſetzt fey. Aber, fragt er, welches von 
diefen dreyen if der Fall? Sind Waflsrfioff und Stickſtoff 
Metalle in Gasgeſtalt? Oder find fie in ihrer gewöhulichen 
Geſtalt Oxybde? Oder find fie einfache, wunmetallifche Körper, 
-die in ihrer Verbindung entweder ein Alkali, oder ein Metal 
bilden, je nachdem fie ogygenirt find, oder nicht? Darauf läßt 
er eine Reihe intereffanter Fragen, Vermuthungen 2c. felgen. 
Wie, wenn ber Waſſerſtoff als das Phlogiften der alten Säule 
mit Metallen und allen brennbaren Körpern verbunden , bie 
Orppde, Alfalien und Säuren aber Zufammenfegungen jener 
Baſen und des Waffers wären? Merkwuͤrdige Srueferifolge 
der Metalle vom Platin bis zum Kalium ıc. Wie, wenn im 
mern der Erde die Erden in metalliſcher Geſtalt exiſtirten, 
und daher unterirdifche Fener, Laven ꝛc. entfländen? Die ge 
wöhnlihen Metalloxyde find ſpeciſiſch Leichter als ihre Baſen, 
Kali und Natron fperifiih ſchwerer, weil fie deu Sauerſteff 
viel feſter gebunden enthalten. Zuletzt widerlegt D. Die vos 








Gilbert Aunalen der Phyft 425 
Gays Zafac und Ihenarb aus ihren RWerfuchen hergeleitefe 
Folgerung, als fen das Kalimetall ein Kalihydrure. „Er ſey, 
heißt es zum Schluſſe, auf die erſtaunende Folgerung gefuͤhrt 
worden, ˖ daß Ammonlak und Waſſer aus einerley ponderabler 
Materie. beſtehen.“ Moch eine dritte reichhaliige Abhandlung 
von Davy enthält deſſen Unterfahungen über bie Zer—⸗ 
fegung der Erden (II. 365), von weichen: die fogenannten 
altalifchen mit Queckſiuͤber in ber Batterie behandelt, ſaͤmmtlich 
ein Amalgam dilbeten, aus welchem fih, obwohl fchwierig, 
das Metall (Barium Galcium Strontium Magnium nenme 
Hr. D. diefe Metalle) darftellen ließ. Dicht fo genfgende 
Roſultate gaben die Werfuche mit den übrigen Erden: doch 
hinreichend, um bie gearfindete Vermuthung zu erwecken, daß 
auch fie eine Bafis von metaflifcher Natur Haben mögen. 

In Sp. IL, ©. 16 und 25 finden fih Notizen von ben 
Unterfudungen von Say-Luffac und Thenard, ber 
fonders Aber ihre merkwuͤrdigen Verſuche, das Verhalten des 
Kalimetalls zu verſchiebenen Körpern betreffend. 

Die von Erman II. 261 ausführlich gefhilderten Wahrs 
nehmungen über Das gleichzeitige Entfichen von 
mehanifher Cohaͤrenz und chemifher Berwands 
ſchaft bereichern die Wiſſenſchaft von einer andern Seite her. 
Der Verf. gibt zuerſt die merkwürdigen Neinltate aus feinen 
Beobachtungen, und dann eine Befchreibung der Verſuche ſelbſt. 
Sehr intereffant IR «8, den vermutheten Zufammenhang zwi—⸗ 
ſchen Adhaͤſion und chemifher Verwandtſchaft hier von einen 
ganz neuen Seite: her: Bafkätigt zu fehen. -- - 

Eine nicht unwichtige Erweiterung 'unfeer chemifhen 
Kenntniſſe (dergleichen wie der Entdeckung Davy's bereits fo 
spiele, mittelbar oder unmittelbar, verdanken) enthalten. die 
Anterfuhungen Aber die Flußfänre, von den Hrn. 
Say s Buffac und Thenard (II. 1). Rec. hebt nur einige 
merkwürdige von ihnen gemachte Beobachtungen aus, 3. ©. 
daß das finßfaure Gas ben fehr großer Verwandtſchaft zum 
Waffſer keines gebunden oder hygrometriſch enthalten kann; 


( 


4% Bübent Annaben der Phrſt. 


Daß RS dieß, duch reine verglafte Prraxſaͤure eutbunbene 
Alußfaure Gas als eine her wichtigſtey, an..Kraft und Kauſti⸗ 
citaͤt ſelbſt der reinen. concentrirten Schwefifäure nicht nach⸗ 
ſtehende Säure beweist; die Vermuthung, daß Sauerſtaff und 
Waſſerſtoff Beſtandtheile der. Salgfänre feyen u. a. m. Durch 
Verbrennen des Kalimetall in kieſeligem Hußfansem Bas wurde 
dieſes zerſetzt. Durch eben die Metall die Galgfäure zu zer⸗ 
ſetzen gelang ihnen nicht, Ueher eins audre Säure, die Eis 
figfäure, finden ſich (AI. 156) Unterfuchungen von Ebene; 
vis, durch welche wir unter andern eine aigenthuͤmliche bey Ben 
fegung der effigfauren Metallſalze ſuh zeigendr Fluͤſſigkeit näher 
fennen lernen , die merkwürdige Eigenfehaften beſitzt, von dem 
Allohel, Aether, und den flüchtigen Oelen weſentlich verſchie⸗ 
den und doch mit allen verwandt I u. Daß in den nah 
Berthollets Are durch Alkohol bereiteten und im 
Rothgluͤhen geſchmelzten Alkalien Waſſer sesenmärtig fey, : it 
d’Arcet der Sohn (II. 40). 

Werthlos find eines ungenafinten Berm uchungen 
über den Schwefel (T. 101). Wichtiger der Bericht von 
Deye ux über Hrn. Turaudau Zerfehungen des Schwefel, 
Kalis, Natrons, Phosphors ıc. (I. 178), worin der Yingrunb 
von Curaudau's zuverfichtlicher Behauptung , als habe ce Phoe⸗ 
phor, Kalt und Eifen ergengt aus Schwefel, Kali und Hera 
kohle, aufgedeckt wird, indem die von ihm gebrandhte Som 
Kohle phosphorfanren. Kalt und Eiſen enthielt. 

Ueber die Urfahe vom Schwarzwerden des Hera 
ſil bers durch Licht. ſtellt Bucholz (.I. 208) eine von de 
gewöhnlichen. abweichende Meinung anf. Kupfer wird nah 


eben demfelben nicht unter allen Umſtaͤnden vom Zink mesalliih | 


gefäht. Bemerkungen von Thenarb über das Seriunen | 
Des Epweiſes (I. 106). Ueber Bexeicung von Desces: 
tile Knallſilber dl. 169) und noͤthige weiſichtemabeesou 
dabey. 

Eine Pruͤfung von Winterls Audronie durch Dar 


riſer Chemiker (III. 452) wieß aus, daß. die vermeintlich eins 





Silbert Annalen dan Phoßl. 47 


fache Subſtanz ein Gemeng ſey aus Kali, Kalk, Kieſelerde 
und Eiſenoxyd. 

Aus dem Felde der gemeinen Elektricität enthält 
biefer Jahrgang einen einzigen kurzen Aufiag von Tremery 
(II. 319), enthaltend die Erklärung einer. auffallenden elektri⸗ 
(hen Erſcheinung. 

Ueber die Lehre vom Magnet Anden wir, außer der 
Fortfegung der Im vorigen Sjahrgang eröffneten. Sammlung 
von Beobadhtungen über Abweihung und Neis 
gung der Magnetnadel (dießmal aus La Peroufe's Reife 
(IL. 77)) nur einen einigen Aufiag, der gar feltfame Lehren 
von der Magnetnadel, aus Spindlers allgemeiner 
Mofologie amd Therapie ausgezogen, enthaͤlt (ILL; 471), vom 
Herausgeber als zin Deukmal der Verirrungen des Zeitgeiſtes 
in diefen Annalen aufbehalten; weldhe zum Gluͤck Beweiſe 
genug liefen, daß 6 diefem verkehrten Geiſte noch nicht 9x 
lungen if, echte Naturforfhung unter uns zu verdrängen. - 

Endlich iſt uns noch. übrig, verſchiedene ins Gebiet ber 
Technologie: einfchlagenden Aufiüge zu gedenken. Don 
Degens Flugverſuchen wird (I. 192) eine fortgefchte 
Nachricht ertheilt. Bericht von einer wichtigen und nutzbaren 
&ntbedung (J. 330), daß der Zink fih gu einem völlig 
dehnbaren Metall maden läßt: auch von falider Bew 
goldung duch Zink. Mich olſons (etwas unvellftändige) 
An weifuug zur Kunfl des Steindrucks (I. 439). 
Ein Firniß, um Cifen gegen Roſt gu fihern (I. 44m). 
Ebendaf. ein vorzuͤglicher Kitt zu ehemiſchen Proceſſen. 
Ein verbeſſerter Wegemeſſer non Edworth (III. 485) 

Ein wichtiger Aufſah von Chaptal über das Brannts 
weinbrennen (II, 129) mit Beſchreibung neuer , ſehr wire 
ſamer Deftilliuanflelten. Ben dewſelben über einige zu 
Dompeji gefundene Farben (IL 316) Prony's 
Bericht über eine rauhverzgehrende Vorrichtung 
einer Parifer Damnmſnaſchine (II. 295) - Zum vollſtaͤndigen 
MWerbsennen werde wiemrhr.Euft erſordact, ola mer grade der 


a 


428 Berner Grieigiiches Leiche. 

gum Verbrennen nöthiee Dheil Sauerſtoff enthalten Ei Sei⸗ 
zung von Zimmern und Manufacturgebäuden dur Wafs 
ferdampf von Snods®rag (TIT. 395). Der Daupf 
wird in Roͤhren durch eine beliebige Menge zu heizender Zims 
mer geleitet. ' 


a 
or nn 7 En 





Grichhifches Lefebuch für Anfänger in einer grammatifchen Drbnung 

nebſt einem Anbange von vermifchten Eäben und einem vol- 
Bändigen Wortregiſter von &. A. Werner. Gtuttgart bay 
dem Verf. und Tübingen in Commiſſion der 3. ©. Cotta ſchen 
Buchhandlung. 1808. VIlIu 216. 8. 


Der durch feine Deutſche Beyſpielſammlung über Drödert 
Lalteiniſche Grammatik und nachher auch durch eine Ahulide 
Sammlung zum Behuf des Grirchiſchſchreibens Befannt nad 
fehr näglid, gewordene Verfaſſer hat uns hier ein Seitenſtädk 
zum letztern gegeben. Man täufhe fih nicht durch bie 
Titel, als 06 man ein von den erfien Elementen finfenweiie 
aufwärts gehendes Griechiſches Lefebuch hier für die Anfänge 
erhielte. Nein! der Verf. ſetzt fchon ein fertiges Decliniren 
und Tonjugiren voraus, uud was wir hier.vor uns haben, if, 
den Anfang und das Ende des Griechiſchen Tertes abgereqh⸗ 
net, nur ein Exempelbuch Über die Hauptregeln der Griechiſchen 
Grammatik vom Gehrauh des Artikels an bis auf die Ben 
‚bindung und den Gebrauch einiger Conjunctionen. Da diefes 
des Buches Hauptabſicht iſt, und wegen der dazu gehörigen Ru 
geln, die hier durch Beyfpiele bewieſen werden, auf bas Deutfche 
Buch, defien vorhin gedacht if, verwisfen wird, fo kann der Rec. 
nad) feiner Einficht nicht anders, als die erſten acht Seiten, welche 
leichte Säge für den Anfänger enthalten, für Aberfläffig erklis 
‚sen, zumal da fie ohne eine beſtimmte Ordnung und ohme einen 
gewiffen Stufengang an einander gereißt find. Eben daſſelbe 
Pradicat des Ueberfiäffigen möchte auch wohl der Anhang vers 
dienen. Denn da er wach des Verf. Abſicht dazu dienen fol, 
die Graͤcſmen noch weiten daraus keunen zu lernen, warum 





Werner Griechifches Leſebuch. 429 


fehlte dazu nicht jedes andre Griechiſche Buch tauglich feyn, de 
diefe aus Kenophon und Plato gewählten Städe nicht mehr 
Graͤtismen enthalten, als jeder Attiſche Schriftfteller. 
Aber Hr. W. beſtimmt and dieſes Bud zum mirküc, 
een Elementarbuche, und dadurch weicht feine Anſicht von, 
der erften Lectäre der Anfänger fehr ab von der Anſicht andree 
Schulmaͤnner, welche anfangs noch nicht die Syntax ex pro= 
fesso mit ihren Schäleen durchnehmen, fondern nur Ev na- 
oo, dagegen durch paſſende Lefebücher, in denen immer 
mehr das Schwerede dem Leichtern die Hand gibt, ihre Schüler. 
in der Formenlehre vorzüglich zu befefigen ſuchen, jehoch dabey. 
die Grammatik nicht ganz aus ber Acht ſchlagen. Auf diefer, 
Seite iſt auch der Rec. Will man die Grammatik d. 5. Bier. 
die Syntax gleich zuerſt nehmen, und fie durch Beyſpiele eins. 
zraͤgen, fo {ft das. erſte Poftulat, weiches. überhaupt von jedem 
Schulbuche gefordert werden muß: „Mifche nichts früher 
ein, was. der Schäler erfi fpäter durch eine Res 
gel lernt.“ Sollte alfo gegenwärtiges Srempelbuch für bie. 
Anfänger feyn, fo war hierauf die firengfte Sorge zu vers 
wenden ; aber dann war die Wahl und Sammlung drepfach fo. 
muͤhſam und ſchwer. Diefes Poftulat bat der Verf. nicht ers 
fuͤllt. Da jedoh ohne Beweis kein Vorwurf Kraft bat, fo 
wollen. wir gleich auf: den erfien Abſchnitt vom Artikel einen 
Blick werfen, ob micht da ſchon etwas von Regeln eingemifcht. 
iR, die erſt fpäter vorkommen. Da heißt es 5. ©. im dritten. 
Abfage Eredevan 6 ’Iooxparng Ödiyaıs Aukpaıs darepor 
vüs &v Xoaspaveig uaxns. Wird fih der Anfänger, der bis⸗ 
ber nur vom Artikel etwas hörte, den Dativ und den folgens. 
den Senitiv erklären Bönnen ? Sjin folgenden Städe wird en 
beym Dativ zj wores, und, iſt er mit der Conſtruction des 
Pateinifchen dignus befannt, auch wohl bey KELog Iararos. 
anftoßen. So kommen in den naͤchſten Stuͤcken Conjunctiven 
und Dptativen bey Eonjunctionen vor, von denen doch erfk, 
der letzte Abſchnitt handelt, eben fo rasdevrerdas mit zweg. 


430 Berner Griechifches Leſebuch. 


Hecufativen, und fo findet fich weiter fort eine Menge Inter 
erft vorfommender Berbindungsarten. 

. Aus  diefen Gründen kann der Hecenfent biefes Ba 
nicht als erſtes Leſebuch empfehlen, aber von einer andern 
Seite als Exempelbuch beym Unkterricht in der Syniax. 
Als ſolches wird es den Lehrenden und Leenendennuͤtzliche 
Dienſte leiſten, um ſo mehr, da unſre Grammatiken, außer 
ber von Matthiaͤ, die ſyntactiſchen Regeln fo ſelten mie Bey⸗ 
fpielen zu belegen pflegen: Aber eins wäre hier ſehr gut ge 
wefen, wenn der Verf. hinter jedem Beyſpiele die Stelle des 
Schriftſtellers angemerkt hätte. Dem Lehrer, der nicht immer 
soiffen und finden kann, woher etwas fey, kann es micht gleich⸗ 
gäftig ſeyn, weſſen Auctorität er eine Stelle verdanke: und 
diefes iſt doch in grammatiſchen Sachen von Wichtigkeit. Nur 
einmal fanden wir &. 69 Plat. Apol. I, 18 bepgefegt. So 
wuͤnſchten wir es uͤberall. 

Bey der Wahl der Regeln hat der Hr. Verf. ſehr weis⸗ 
Ach ſich nur auf die Hauptregeln eingeſchraͤnke. Rec. Hat das 
Buch mit aller Sorgfale dBurchgefefen, und will, um feiner Seits 
ducy etwas zu feiner künftigen Vetvollkommnung beyzutragen, 
kürzlich einiges anführen, was ihm mangelhaft oder ſehler haſ 
it ſeyn ſcheint. 

Zuvoͤrderſt gefaͤllt ihm nicht die alte, ſeit dem berühm⸗ 
ten Reiz faſt nicht mehr gebraͤuchliche Orthographie, nach 
weicher noch gebruckt ſteht: dorıs für d,rıc; mrpoasar- 
se für wpograrreıv; Bomep für ösnep u.a. Dazu kommt 
noch eine ſehr widerliche Unbeftändigkeit in der Stellung ber 
Spiritus über einem Diphthonge, indem man ihn bald anf 
dem erften, bald auf dem zweyten Vocal findet, und diefes oft 
in ein und demſelben Worte und auf ein und derſelben Seite. 
So ſteht S. 8 Avrös und adrös; Evroxias Und evruxies. 

Zwentens wäre ein fehlerreiner Druck für ein Schulbu⸗ 
wünfhenswerch geweſen. Aber es ſteht z. B. S. 1 odinf, 
dir. Sa nupiyer, TO οα, mo das-Comme weemuß. 
©. 9 voposednooyres fe youodernooytes ®. 10 'Aya- 





Werner Griechuſches Lelebuch pi 


utuvava f. "Ayaptuvova. G. 15 yaxprdvnias f. uaxpo- 
Buplas. &.16 nupaxarasırspedaf, naparaxwrıdbusdd. 
©. 57 zäs Bopäs f. Tas dmptäs u.a m. 

VDrittens, was bie Boeyſpiele ſelbſt angeht, fo gehören 
unter den Abſchnitt vom Artikel mit ausgelaffenem Subſtantiv 
©. ı2 durchaus die Bepfpiele nicht ‚ eis Iddaorarav, eig 
ravdöxias, dv ddov, eis dv, weil da feine Spur 
des ‚Artikels iſt. Dagegen fehlen Bier mehrere, wo ale: 
Appofition zu Eigennamen oft ber: Artikel mit dem Genitiv 
ſteht, und das zum Artikel gehörige Subſtantiv fehlt. Wie 
rechnen dahin nicht bloß die allgebraͤuchliche und bekannte Aus⸗ 
laſſung des viög und Boyaenp, wovon ſelbſt dieſes Exempel⸗ 
Buch keines aufftellt, ſondern auch die etwas ſeltenen von t- 
sig, fenene, didaenados, uadncıs, von denen Villoiſon 
in dem Greurs zu Apollonias Lexicon Homeric. handelt. — 
Beym Genitiv vermißte der Rec. unter den Verben auch ri- 
u&» in feiner eigentlichen Bedeutung: fchäßen; wo fchon, um 
des ähnlichen Lareinifhen Sprachgebrauches willen, : Nevenss 
orten, wie HoANbd, whslovos, nAeiovov, Too Havrdc, 
neigenag , Tod Ivo» und Ähnliche aufgeführe werden konnten. 
— Beym Dativ fehlen Beyſpiele über die Gradsbeſtimmungen 
des Comparativs, wie-dow, TocodTw, Tod, wixod, Bom- 
zei xpovo u. d. gl. — Beym Aecufariv- fehlen die fo:' hans 
figen Beyſpiele non vırdv, orepavonsder u. a. mit dem; 
Accufasto des Spiels, oder der Spiele, worin jemand ger 
fest Hat z. ©. Odsuma, "Iodwa, aradıor, Üiua, 
dioxor , Öpöuov u. a. — Auch ift nichts zu finden vom: 
negativen Sjmperatio, oder deſſen Gtelluertreter der zweyten 
Perſon des Eonjunctivs mit un. Eben fo wenig auch, wie 
theiftens der Modus in indirecten, oder obliquen Fragen fen, ob} 
dem Lateinischen gleich, oder nicht. — Es’ find zwar einige 
Beyfpiele von gun bey den Werben der Furcht und Angft, uns 
geführt aber keine, wie folhe Verben verbunden werden, wenn 
ein negativer Gedanke darauf folge. Man braucht bekanntlich 
alsdann As od, oder un od. Recenſent verlangt hier ‘fo’ 


433 Ban Grichißtes Echtad. 

wenig, wie anberwirts, daß Verfpisie Gier Sehen fellen von 
der feitenern Berbindumngsert des os für pi mad cimem Werte 
dieſer Art, das fen megeiiv mit px werbunden if, wären 
einige VBeyipiele bey Schafer ad Dionys. zlalic. de compos. 
verb. in Meletem. p. 113 

Coufiructioen des Aczeodas mit dem Reminetiv uud Accaſetiv 
wit dem Infinisie, weil ex es im Abſchait vom Gchramdhe des 
Qufınitins ſachte. Enbtich fand er bern cin Paar gleich im 
Anfang des Abfhuities vom Reminativ , wohin Fe mach Ret. 
Einſicht ned nit achören. Ankh iR bie Lehre vom Acanfatio 
durch neben einander fichende Berſpiele mie anfhanlich genns 
gemacht, welches am Eefien durch Beyſpiele copulatiuer Werben 
wie dras, yiyrıodas, doxeiy u. a. mit einem folgenden 
Prädicat erreidgt werden wäre 

Endlich ſiel es Aecenſenten als ein Zeichen eines ned 
ſchwankendes Glaubens auf, daß manche fogenaunte Adverbien, 
die mit einem Caſas verbunden werden, von dem Hen. Werf. 
bald für Adverbien, bald für Präpefitionen angegeben: werden. 
So if 5 B. perakd zufelge ber ©. do ein Adverbium, 06 
es gleich einen Senisio bey ſich bat, aber zufolge der ©. 7o 
eine Präpofition. Auch paßt auf biefer letztern Geiste das 
zweypte Beyſpiel von pera5d ans Xenopb. Cyrop. VIII, 8 
11. gar nie, weil es bier feinen Genitis bey ſich hat, 
fondern mit dem Participium upsvoucson; in Berbindung 
Behr. 

Bey einer neuen Ausgabe diefes fo nuͤtzlichen Buches wird 
gewiß der gelehrte shätige Verf. ganz darauf bedacht ſeyn, alles 
gur künftigen Vollkommenheit deſſelben beyzutragen, da es vers 
dient bey einem Curs über die Grammatik zur Seite zu lie⸗ 
gen. Darum äußert der Rec. auch nod den Wunſch, daß es 
Hrn. W. künftig gefallen mödte, die Weberfihriften, welche 
vorn die Zuhaltsanzeige des Buches enthält, lieber jedesmal 
über den dazu gehörigen Tert der Beyſpiele zu ſetzen. 





No. 28.“ HSeibelbersifäe | 1811. 
Jahrbuͤcher der Literatur. 


ö— —— mim 
r 
5. 


Anacreontis nomine quae feruntur Carmina. Textum recensuit 
et animadversienibus criticis !}ustravit Ern. Antonius 
Moebius. Halae, e libraria Hemmerdeana. 1810. 


N Zeit, in melchar Anakrein (eher, war die Bet ſtarker 

Wefuͤhle and. Afferte. Zahlreichhe Wanderungen einzelner Vot⸗ 
berſchaften, Bildung derfeihen in kleinerr uud größere Corpo⸗ 
ratienen ddet Staaten, Einführung neuer Gebraͤuche, Weihen 
und Feſtlichkeiten, vornehmlich aber politiſche Faetionen und 
Unruhen hatten die voch friſche Kraft der lebensfrohen Helle⸗ 
nen vielfältig aufgeregt. Die lyriſche wie die gnomiſche Dich⸗ 
tung, einee Seits dazu berufen, den Oturm der Leibenfchaft 
zu beſchwoͤren, und. dag Herz von der Angſt ſchwerer Wirk 
lichkeit zu heſrayen, mußte doch nothwendig andrer Seits, da 
die Sangzar quch Baͤrger waren. die Farbe nnd den Wiederr 
ſchein ihrer Zeit belommen, und jemehr jene Poeſie ins Leben 
eingreift, Deo weniger Tonnte es Fehlen, daB nicht Ihre Form 
durchdraugen Mnede non Ihrem Eitoffe: Aphrodite. behielt, wie 
bisweilen epigrammatiſchet Wis klagt, von dem. Element, aus 
dem fie geboren ward. Selbſt der Lebensgenuß und die Biärhe 
deſſelben, die Liebe, bekam demnad in den Liedern jener 
Sänger einen heftigen und. leidenfhaftlichen Charakter, der 
bieweilen an Schwermuth, ja an Verzweiflung gränze, immer 
aber von einer gewiſſen Tieſe und Ernſthaftigkeit begleitet wird, 
wie den aus derſelben Lyra die Tyranney des Eros und polis 
tiſcher Machthaber, die Gefahren Des Meeres, des Krieges . 
gud die Mühfekigkeisen unerführer Sehnſucht in verſchwiſterten 
Tönen, ſrmtey. Auch, was Auakreon fang, war, wenn wie 
Bad feinen. ——— echten grogmem— urteilen, vw von 
dieſer Ark, dem ihn . * Bu 

8 


434 Anacreontis carmina ill. Moebius. . - 


traf mit Getäubendem Beil 
Eros, daß er gehoben wie vom lautabiiden Selen - 
2 «Sicher ind wogende Meer taumelte licheberaufcht: 
vergl. Fragen. Anacr. ei. Fisch. Eu. m. 


Unbegreiflich bleibt es daher ſde⸗ um deswillen , wie man die 
noch Abrigen fogeuannten Anafreontifchen Lieder, im denes nichts 
als teichtfertige Luſtigkeit und Vollgenuß eines reichen, Appigen 
und sen; unangefechtenen Lebens athmet, dem alten Anakteon 
hat beylegen können; es wird unbegreifliher, wenn man, ab 
gefehen von der. Sprache, dem Dialekt and andern Einzeinheiten 
die vielfältigen Aufpielungen auf vollendete Kunſt und Wiſſen 
Schaft, vornehmlich die ſich darchzichende Parodie ber epifden 
und dramatifchen Poeſie erwägt, welches alles außer einem ge 
ſicherten nnd biähenden äußern Wohlſtand durſhaus eher die 
Zeit der finfenden, als ber fleigenden Cultur bezeichmet. Dee 
fintenden, aber noch nicht gefuntenen; denn fehr voreilig 
fheinen ung Diejenigen zu verfahren, die auf das Entgegen 
‚gefegte verfallend von Kloͤſtern und Mönden träumen, denen 
die Anafreontifge Gedichte ihr Entſtehen verdauken. Moͤnche 
muͤſſen es wohi bleiben laſſen, fo zu dichten; jene füße An 
muth, wie fie jeden Unbefangenen in dieſen Liedern anfpridt, 
durch fröhlichen Leichtſinn, Durch burlecke Gelehrſamkeit, dur 
‚ein komiſch⸗ reſolntes Weſen, durch ſcherzhafte Dialekrik, durch 
Ironie, die mehr verbirgt, als enthuͤlt, durch Naiveraͤt der 
Beziehungen und Erfindungen, biefe iR wahrhaftig micht in 
dumpfen Kloſterhallen zu Hauſe. Auch was die Neugriechen 
in dieſer Gattung haben, iſt, fewät ſich aus den Proben bey 
Guy's, Dalaway, Barchaldn, Pouryursille x. urteilen läßt, 
io unähnlich, dab man darin, was unser ben Dermaligen polis 
tiihen und religioͤſen Einflüffen kanm ‚zu verwundern , cher bie 
wiederkehrenden Züge Altanafreontiiher Schwere und. Tiefe, 
jene yAvıia dvydyaa der Freude, wie Bacchylides fpriche, und 
eines mächtig gereisten perfönlichen. Gefähls entdecken mächte. 

Nah unferm. Dafürhalten find bie Anakreontiſchen ss 
fänge Woitslieder, oder Rundgefänge von mehreren unbefan 


Anacreontis:.carmina ill. Moebius, 435 


en Verfaſſern aus guter Zeit. Es find geſellige Lieder; dafr 
eugt außer der. nachtaͤſſtgen Sprache und den ungebundenen 
Ahythmen ſchon Die breite Allgemelnheit der darinn enthaltenen 
Anſichten und Empfindungen. Offenbart ſich darin irgend eine 
Individualitaͤt, ſo iſt es aur die des gemeinſamen Helleniſchen 
Bolkecharakters; darum, wer wur einigermaßen vertraut iſt mie 
Seiechifher Art und Kunſt, leicht In disfe Weiſen einſtimmt. 
Mehrere Werfaffer vermuthet man bey einer folhen Sammsı 
lung [hen im Voraus, und die oft allzuwoͤrtliche Wiederholung 
derfelben Idee verräch Nachgeſungenes und Nachgeahmtes. 
Hierbey wird gar nicht geleugnet, daß manche gefaͤllige Bors 
ſtellung dem alten Tejifhen Sänger abgeborgt, und hier, fo 
zu fagen, populariſirt worden fey. Einen kecht deutlichen Beleg 
gibt n. XX. dya 8° Ecomrpov einv x. ©.‘ (wozu man noch 
Anth. III. 162. LVIII. ‘und Long. past. I. 6. in dem neu⸗ 
endeten, und in unfern Jahrbuͤchern ıBıo H. 33 (Abth. V. 
Hr 10) S. 97 f. mitgetheilren Supplement: eide wöcod wd- 
guyE Eyevdunn w. x. %. ziehen fann) verglithen mit dem Anas 
kreontiſchen Fragment 5. Vorzuͤglich iſt es das Bild des 
Anakreon ſelbſt, des jugendlichen Greiſes, das den froͤhlichen 
Sängern als Repraͤfentant der ganzen Gattung vorſchwebte, 
was fie als allgemein verſtaͤndtich und gefällig in mannigfalti⸗ 
sn Beziehungen ; mit Lunftlofer Anmuth ausſchmuͤcken. — 
Wiewohl ſchon Anakredn mit ungewöhnlicher rhythmiſcher Freys 
heit ſang (non elaboratum ad pedem), ſo wuͤrden wir in 
unſern Liedern dennoch dieſe Nachlaͤſſigkelten in Sprache, Pros 
odie und Merrik nicht finden, wenn die Alexandriner fle ihrer 
kitifchen Muſterung werth geachter hätten. Diele wollen nun, 
has die Ariftarche zu hun verfhmäßten, fest nachholen, und 
ihweren: Tert umd Lefer mit Kritiken, Emendationen und 
Wermuthungen, die - nun unfrer Einſicht nach alle, zu fpät 
vmmen . Die Kritik muß, wenn irgend, hier nur auf diplo— 

tiſchen Eund und Boden bauen, "und durch Geduld ſi ich 
Frisur was zu andern freveipaft iſt. 


4 ©. 


436 Anacreontlis carmma ill: Moebiun 


Zu diefen Sedanken veranlaßte "uns von Yisurin“ dig von 
liegende Ausgabe der Anekreeutiihen Behihe , die vorachuih 
die Kritik derfelben im meitshien Umfonge -Seabfichtiget. Di 
befagt ſchon zum Theil Die Worrede, in welcher er sin Te 
in singulis verbis quam diligentissime emendatus atque 
correctus verſprochen, dann außer Beund und Fiſcher vor 
nehmlich Bothe abgefertiger wirt. Bon dem letztern heißt «6: 
metrorum rationem ignorare, quam Hermannum segui 
maluit. Moebine bat fih gegen Hermann fo felgtems bewies 
fen, daß er nicht nur „jeine Theorie des Anakreeutiſchen Verſes 
in verfchiedenen, befonders in den von H. ſelbſt namıbeft 9x 
machten Steßen anzumenden verſucht, fondern auch alle feine 
in dem Werke de metris beygebrachten Coniecturen mit Aus 
nahme einer einzigen ohne weiteres in den Test getteukmen hat. 
— Jedoch er kennt „bie Natur bes bapnelen Rechtes“, wunb 
au mit Voß es nicht verderbend, mißt er bisweilen wie mit 
jenem nad dem ſinkenden, fo mit diefem nah dem ſteigenden 
Joniker. Eigentlich aßer, wie ih ſchen dataus zur Senügt 
ergibt, hat er fie wohl beyde micht recht verſtanden. Wie hatu 
er ſonſt in Ruͤckſicht Hermanns ©. XV. hiſſetzen künnen, de 
Logaoedicus ſtehe für den Ditrochaeus; wie mit ihm S. 101 
behaupten, die Stellen mit der trochälichen Ansfrufls ſeyen von 
dorden, da er Eine Seite zuvor bey ‚einem feiner Dpsinung 
nad) echten Gedicht geäußert: „ob bief gleich falich ſey, mü 
doch der Fehler des Dichters gedufdet werben“ ;. wie deu Dart 
Ins mit dem Trodhäus flatt des Doppeltrochden, den or mit 
ihm für unrichtig hält, an mehrern Stellen hinein: corrigiren, 
3. B. V. 9. XXIV. 2. Und in Ruͤckſicht Voſſens, wie konnt: 
er mit ihm XXIV. ı. der Schlußlaͤnge des Zonikerg eine mit 
fortzureißende Kürze hinzufügen wollen, da er. feime Lecert 
zrixOny gar nicht annimmt; wie S. 84 für Boffeus Sehaug 
tung: „daß, weil der Ausgang mit dem nähen Anfapge wir: 
der einen Drepvierteltgct gibt, die erſte und —— 
Tactes auch eine Kuͤrze mitnehmen därfe“, ein Mſoict wie 
sd T’öyeo anführen, we bie Schleifang der Karze nicht duch 














Anaereontis-carmina il. Moehius, 437 


ben art ſdubern durch den sus’ entſchuldiget wird, und mie 
konnte er in jene Behhuptung einflünmen, und dennoch V. 124 
XXVII. 10 gegen Voß ecorrigiren? Nicht zu gedenken, daß 
er gar XVIII. 16. Boß die Arſis ſtatt des Auftacts vermin⸗ 
dern laäßt. Wie konnte er XXXVII. 15. S. gg mit ber 
Auctoritᷣt ‚Herder Wetriker folgenden monſtroͤſen ſelbſtgemachten 


Vers 
xas | Axor —R 2UgR0r 


rechtfertigen; and ſagen, daß derſelbe für einen Ditro chau⸗ gel⸗ 
ten. koͤnne? Muß. man nicht uoh feinen Eitaten ‚annehmen, 


habe den Darapdon uvoner «Boa yehavass alſo ſcandirt: 
— — — 0 — u, und ſey auf dieſem Wege in die 
Verwirrung gerathen. — Dieſer Vers gibt'zugleich eine Probe 
von der Keitik des Verf.; ex pede Herculem. Dehn jene 
von ihm ganz unbefangen aufgeſtellte Conſectur wird fo übers 
feet: Vitis coronatur pampinis, et palmitibus usum ad se‘ 
fioret attrahens. Anziehend; woher ben? So made er 
XL. '4. nad) v09 ddneurov einen Punet, und verbindet Täs 
xepds suppl. Evene mit Grddvde, dieß ſey wicht fo froſtig 
wie die gewoͤniche GStellungẽee, bemerkt dabey gar nicht, daß 
töy Schrworor’ auch die Sehe hriſen koͤnne, wundert ſich, wie 
der Gensor Läpsiensis eine ſolche Conſectur Habe taͤdoln koͤn⸗ 
nen, jumal da Koray nenlich gelehrt, der elliptiſche Genitiv! 
ſey Aberſchwenglich gebraucht worden bey den Griechen. Welch“ 
eine Krecitt Eben fo ſteht es mit ber ſogenannten hoͤhern! 
Kritik. Da find Die angebtich unechten Gedichte mit einem 
Sternchen bezeichnet, Die angeblich verdaͤchtigen mit einem Kreuz; 
aber man erfähet of nicht, ‚wie ſio zu tern und Kreuz 
gekommen ſend. Vergebens fei man fidh nach irgend einen 
feſten Priccip um. Sellte es dio innere Vortrefflichkeit ſeyn? 
So kefe man . B. ©. 88: hoc carmen etai spurium, ta- 
men egrégie sententiem exprimis. Vergl. S. 117. Nihil 
hilarteatiß'än hoc regnat odario (LIV), Ceterum non es, 
quod hos versiculos .Aracreonti adjudicemus. Und gu LV, ‘ 
Carmen hec Hicet nullius: sit fere „pretii, tamen ab Ather 


x 


438 Anacreontis carmina ıll. Moebiug, 


naeo tribuitur vati Tejo. ‚Itaque nen est, quod poetap ab- 
judices, praesertim quum compotationi erigi- 
nem debeat; bey XXVI. heißt es: „hog carmen nullius 
fere pretii est, gleichwohl hat es kein Abzeichen erhalten. 
Dder das Metrum? wie S. 76 bey XVIR,. ©. 108 bg 
XLVIIT., fo widerfpricht er ih wieder. &, 99 bey XXXVIIL 
Ober die Sprache und eingelue Auspräde? wie ©. 
6. ivayaaı ©. 113 aepay zosiv, fo follte er ſich doch 
nicht auderwärts in angebli echten Gedichten auf den Pſende⸗ 
orphens ©. 60, auf Himerius ©. 6ı, ‚und gar auf Moeris 
und Ihomas Magifer S. 69 berufen. Oder ſollen Kriterien 
in gewiffen Anfpielungen auf Zeitumflände oder Begebenheiten 
in Betracht kommen, fo findet man dergleichen bey XV. LUI, 
(tum nomen Parthorum Anacrepntis aetate nondyum 
ita notum fuit) nach andern . erwähnt, Desgleichen bey 
XXXVI., wo e6 heißt, das Anakreontiſche Zeitalter habe noch 
keine Redner gehabt, aber durch die Maler; Bildhauer, Wachs⸗ 
boſſirer 2, läßt fig der Herausgeber weites niht kuͤmmern. 
Ob Übrigene duch die. Anmerkungen uub durch dem weil 
läuftigen, ‚mit ben gemeinſten, zum Theil ganz. unwidtigen 
Dingen angefüllten Inder das. Verfläpdniß- diefer Lieder gu 
wonuen, auch das. shüt- ums-Leid bezweifeln gu müßten. ben 
Diefelbe ungenaus hesumitappende Weife, die sutblößt von Kennt 
niß der Sprache nach Austesisäten ſchielend, ohne Eonfeguen 
und Sicherheit auf, gut Glaͤck zuſaͤhrt. Wes aber. ig dieſen 
wortreichen Erklaͤrungen Gutes enthalten ſoyn mag, if, wife 
das Eigenthum das Verfaſſer XXVI. 7. AAi ya 
aivo. Hier wird wieder die wunderliche ſprochwidrige Erkiä 
rung von Daum vertheidiget; qoßtum est, ut mpedligen sup- 
presso accusativo. patients, nam sybhaudiendum pronomen 
reciprocum ; sensus est; Licet sequaris caztra, ago hibam, 
Schen Il.. XI. 641 mußte onf das, Nechte führen. V, g. a 
befindet ſich eine Anmerkung, Die gang bie troſt⸗ und heilloſe 
Manier wie den Stil diefes Erflärere ins Licht ſetzen wird: 
Conjectionem Lenpepianam temerariam iudicat Fischerun | 





Anatreontis carmina Hl. Moebius. 438 


geippe ohrervans v6 ortpeede: notionem simplicem cir- 
eu & subjectam esse, ita ut oda ortperar 
(Arrtors) dietum sit pro: —** oriprrur loidonc. 
Similem orationis structuram ‚legere memini apud Aristoph. 
Plut. v. 115., uhi dmarddker od vis bidaluiag haud 
dubie elatum est pro: And 0od ruv Ötpdaiuidv, nam 
proprie caecitas depellitur ab homine, man home a cae- 
eitate, Itaque non est, quod quispiam de insolentia vul- 
gatae, lestignis conqueratur, ice: Lennepii conjectüra usi« 
tatior ait, aljisque wagis arrideat, praesertim in poest 
leviores — ®o heißt alfo Ararrarriın verjagen,, und diefe 
Redensarten find einander aͤhnlich! — Nehmeun wir nod einen 
andern Ball, etwa XXXI. 5, das Aeuxozavs 'Opiorns, fo 
ſoricht der Herausgeber alfo daruͤber: „diefe Stelle fey ohne 
alten sehävigen Grund von den Kritikern angefochten werden; 
die Lesnrt Aspxamewms ſey umwerberben, denn diefes Wort müfle 
entweder uon walten Füßen verſtanden werden, weil wahn⸗ 
finnige - Deenfchen unbeſchuht einhergingen, oder wie es ihm 
ſchiene, aan der Schönheit deg Drefied. Es ſey bekannt, daß 
bey den alten Autoren’ viele folcho Epiihera von einzeinen Glie⸗ 
deen hergnemwen würden, die Schonheit anzeigten. Hierzu 
komme, daß ſchoͤne Faͤße bey den Alten einen Werth gehabt: 
haͤnen. Wed ſey sicht zu lengnen, daB Ihm Diefes Epitheton‘ - 
ſehr froſtig varkomme, indeß ſey Durch Vermuthung nichts 

beſſeres heraragekemmen.“ Sa dem Index iſt noch ein anderes 
Vielleicht etwa weil hie Heroen nach Voß in ben mythologi⸗ 
ſchen Briefen barfuß einhergegangen.“ — Asvadzou; ſcheint 
ung ein veoa nem Tragiker autlehntes Beywort. Daß es bey 

einem: Manne nicht auf Weiße oder Schoͤnheit der Füße 

gaben -Ikne,, hedarf Bann eines Beweiſes. Of. Philostrat; 

Epp. 67. Schol, ad Bind.. Ol. VI. 138. Bôtiiger Aldobran⸗ 
dinifsge „Aychgsit- ©. 60. a Sejichen es daher. mit andern 

auf Ye-Merliheis der a: haltn ‘es für gleichber 
deutend - mit yuuzazonc. Tiaß in Aeuaög diefe. Bedeutung 

enthalten ſey, ſcheint uns yonuchmih eine Stelle in Eufip: 





440 Anioreonils carmina ill. Moebini. 


Ion. 221. gu befräftigen,, we der Thor fragt, ob er das eb 
ligthum betreten dürfe: Aev26 nodi Ye, Denn die 
defie, oder das Unbeſchuhtſeyn galt bes den Alten ſy 
wenn nicht als ein-. Zeichen der Gile (Acschyl. From. 15. 
Artemid, IV. @&. Analecı, IIF, 213.), obes der. -Iyaur 
(Bion. 1, sı. Suet. Aug. c. 100) vorzägli als ein 
Merkmal veligidfer, auch wohl bis zum briligen Wohnflun ge⸗ 
fleigerter Verehrung, wie (don bey den Juden Exod. HI. 5 
und andern Orieutaliſchen Ybllem., Die Stellen dayn bey 
Stephani Morini dissertat, octo. Jen. 1685. p. &ı sg. 
und Spanheim ad Gallimach, p. dı8. Nun möge man fih 
den Oreſtes, der ſonſt wohl mis dee Myceniſchon apß6ra aufı 
tritt, vergl. Eurip. Orest. 1470 Elsctr. 5324 unbeſchuht den 
den, wicht grade beym Grabe des Vaters, wie Der denkante 
Moriaus ans Aeschyl. Choeph. v. 206 sq. fliehen woſter, der 
ſchon durch Eurin, Electra v. 532. widerfege wird, weht uber im 
Delphiſchen Helligihume,, wie anf dem berüäwten Relief Mus. 
- Pio-CGiem. T. V, tav. X, vergl. Aesch. Eum. 66, we nur 
die Farien als Jaͤgerinnen in Jußbekleidung erfiheiuen.. Der 
Index graecitatis enthaͤlt jedes Wort, ſelliſt jede Mnrriüygt, bie 
in den. Anafreowetfchen Liedern vorkommt, mit Uptdewenpbifc—her 
völlig zweckloſer Weitſchweiſigkeit. Sanderbir, daß grade Tas 
Verbum Bacvoapan LV. G., das amſers Miſſens Sloß in dieſe 
Stelle vorkommt, fehlt. Webrigens Amber man hier ögeeAos von 
duo; und. Ros, nad wegen aldadz Ebd ni > aidkc, 
eos aufgeführte u. ſ. w. Smetmäßig- and vrmgtan a der 
zweyte Index nominum, 

Mit den kleinern Fragmencen, wei „ui air klin 
Werth Hätten, auch andrewaͤrts zu deien Teyen“, Bait ſich der 
Herqusgeber nicht befaßen mögen; uw: Touch. Wie gaz ven 
der hergebrachten Bitte abzuweichen; habe er ewige kleinere 
Gedichte anderer Verfaſſrr und Die Oben der Sappho Sean 
fügt, In dieſen iM cd uw überall: auch beim Heitebruchten 
geblieben. - So finden wir; um nur- Eines -Senfpiels zu ge 
denken, im ber erſten bekangt am Ode der Baypbe, 'y. 24 den 











Anaereontis earmina ill. Moebius. it 


Wechfetbalig x’ el xer &DERNoıs wieder, wie denn auch dab 
unerhörte KIND im Inder flieht. Jene fo fehr gemißhans 
delte Stelle kann fche Teiche und ſicher aus der Aldiniſchen 
Lssarı: W at EilRos imendirt werden. Man lefe nur x 
büx EIERoıoay, und der ſchoͤnſte Gegenſatz in der zierlichſten 
echtgriechiſchen Wendung (cH 11, v1. 165. Anal. I. 569. 
XLV.) mitdı.herobrtreten. 

Die Manter des Herausgebers im Beſtreiten fremder 
Meinungen mag ihm gefallen, uns gefällt fie nicht. Eine 
» Befcheidenheit wie &. g2 sed sensum huius interpretationis 
non assequor, Davus sum, oder S. 65: quae lectio ut 
Degeniv doctior 'suaviorque videri poterat, eqaidem non 
asseıfüör, qu:we quãdem mea "est ingenii mediocritas, wun⸗- 
derlich aßflechind gegen S. 94, mo er von feinen Vorgängern 
fast: proni sunt komines ad corrigenda ea, quae nom 
inteBigunt. Eine ſo untbißige grobe Sefhlivenhste bat viel 
Wadriges, meht noch aber, und zumal in einer für Schuͤler 
beſtimmtte Audgabe eine ewige gemeine und unnuͤtzt Zaͤnkerey. 
Iſt es Url, als wenn aus dieſen Ftagmenten wie aus Memnons 
Aſche von’Zete zu Zeit Vogel hetvorkamen, die Ach zu Ehren 
derſAben Ceihen mäßten. Diefer Baxter hut feinen Barnes 
an F. H. Gülle gefunden, mit dem er unaufhoͤtlich zünkt 
nnd Gisweilen ehe berb, wie S. 97: At poetam densibus 
commiotuni? qui itaâ ihterpretatur, non satis scio, ah quem 
Rgat dienus vid,wo er ſelbſe fo in ſelnen Sinnen bewegt 
wotden iſt/ daB er gar aus der Grammatik hebausgefallen iſt. 
MDie Seobrethen diefer Ausgabe werden noch Durch fchlechtes 
Papidr anß eins zahllofe Berge don Deuckfehlernvekrhehrt. 
Von letzter hat det: Herautgkber ſelbſt nach ber Sokrede Mon 
eine größe Anzahl bemerkt, einige anch im einem öffentlkichen 
Hatte nachgetragen, und doch ſtind noch ſeht viele wie S. a 
Adsız ©. 70 Hheworis arip G. 187 hic tamen löcild otiam 
intérpretandus eſae poſit, (wenn Si ander s’chh Dirham 
jer m % «m: fehen geblieben. | 


D ‘. n 
—X . . —F — * c2242* . . .o JI Yan 





gi —7 7 7 Fine) 


42 Aristopbanis cnmoediae.ed. Beck. 
APIETOPANOTZ KQMOIAIAT. Aristophanis Comosdre 


auctoritate Libri praeclarissimi saeculi decimi emendatae 
| a Phil. Invernizio Jurlscorisulto Romano. Accedent 
b criticae animadversiones, scholia Graeca, 'Mdiees et viro- 
‘ ‚rum doctorum .adnotationes. Volumen IJl. commmenta- 
rios interpretum complexum. Curavit Christianus 
.„ Daniel Beckius. Auch mit einen andern Lit: Com- 
mentarii in Aristophanis Comoedias. Collegit, digessit, 
auxit Christianus Daniel Beckius, Volatasn I. -Prolkgo- 
mend. Comanentariüi in Platum: Cum takula wenea. Lip- 
siae in libraria Weidmanni, 1809, XCII und 714. & 
Gchrbp. 4 Rthlr. befles volland 7 Ri) 


Die Werte des genialen. Lomiters blieben larg⸗ ohne die 
kritiſche und exegetiſche Huͤlfe, welche ihm mehr als manchem 
andern Claſſiker gebuͤhrte, bis L. Käfer ia J. 1710 zu 
Amſterdam eine Ausgabe der aͤbriggebliebeneneUf Dchauſpiele, 
kritiſch und exegetiſch bearbeitet veranſtalte. Er gab außer ben ſchon 
Belannten, als den Schollen u. ſ. w., manches big dahin Un⸗ 
edirte von Jſaae Caſaubonus, Ezechiel Spanhtien una Nichard 
Ventley, welches eben fo ſchaͤtzbar iſt, als was ae felhſt zur 
Kritik und Erlaͤuterung beygetragen hat. ig viel aher dieſer 
ſonſt wegen feiner genauen Kenntniß ber Gricchiſchen Sprache 
und. Literatur mit Recht hochgeachtete Gelehrte noch zu wün⸗ 
Gen uͤbrig gelaſſen habe, lehrt jeden aufmerffamen Beurttriler 
die eigne Anſicht feiner Ausgabe, und iſt won Tib. Hem⸗ 
ſferhuſius praefat. ad Plut. G. XX f. und: andern, welche 
Herr Peck S. XLIX namhaft macht, deutlich genug ansger 
ſprochen worden. Sorglo ſigkeit, Uebereilung, Eilfertigkeit and 
Unsedaung find die Hauptfehler, bie man. ihm vorwerfen muß. 
GA im 5.1760 erſchlen zu Leiden Stephan Beraierg 
Yungafe. durch, Peter Burmann II. Huͤlfe, mie geyen Bey⸗ 
trägem. theils von. Berger. ſelbſt, theils von Ducker u. a. Ce 
ſchaͤtzar auch dieſe Ausgabe iſt, fo: fehlt ihn Dad ſehr vieles, 
we⸗ewegen man die große Kuͤſtorſche nicht entbehres kann; und 
eben dieß gilt: auch. von der in Hinficht auf die Keitit viel 
beffern Brunckiſchen. Diefen drey Sanptaudagben geſellte 
fi, dreiſt ‚und unbeſonnen zugleich, im J. 1794 die Ins 


\ 


Aristephanis Gemoedise od. Beck. 448 


ver wissifhe-binge, von welcher zwey Baͤnda erſchteuen find, 
die Bloß Die eilf Gtüde enthalten. Der Einfall des guten 
Advocaten war ain wenig befiemdend , und lisß vermuthen (doc 
er ſaſt ſelhß prasmiig. ofheinae Weidmaunienae emeitatus; 
wie ein ehrlicher Abpocat!), daß der Band des alten. Coder im 
der Bisttarhel ds Camaldulenſerkloſters La .Elaffe bey Ren. 
venns (liber Havannas vos ihm getauft) die den Itallenern 
ſchon, an id eigne Vegierke nad einem guten Btüde Geld 
anfgerogt habe. Gäriger Himmel, wenn ale claffiſchen Mar 
nuferipte, die etwas abweichendes baden, gleich gedruckt werde 
feümn, welch ein unnuͤtzer Schwall von Ausgaben wuͤrde und 
überfdawammen! Ab die Sammlung der‘ gutän Variantes 
aus. dem Learlaſſiſchen und Borgianiſchen Coder haͤtie Ihn frage 
lich nicht ein Viertel der Praͤmien einſaͤckein laſſen! Dieſer 
Inneruinz, mit dem Gelde zuſrleden, bekuͤmmerte ich gar nicht, 
weder um die Erforderniſſe einer guten Ausgabe des Ariſtoe 
rbamas.,. nm um bie Konotniſſe, die ein. guter Herausgeber 
deſſelben Wßgen muß. on der Metrik z. B. hat er ſehe 
dacftige Einſchten, und feine Kritiken find oft unter allen 
Erichk wraheid win. manſchan, daß ein. andeer Uhden feine 
zway Cedices eben ſo genau noch einmal nachſehen, und ver! . 
gloichan möchte, wie‘ es bey der Spalrttiſchen. Abſchrift dem 
Griechiſchen Anthologia geſchah. Wahrſcheinlich find dieſe beyden 
Invarnitziſchen Eodd. jetzt in Paris: Mie nbede Brunck ihm 
ingentzt haben, wenn er es für chreuvoll gehalten hätte, den 
on Amrexnini ihm zegemarfenen Fehrehaudſchuh · aufznehmen. 
Doch Brunck ſchwieg vosechtead. ſtille. Jadefſen mie: aus etwas. 
Gemeitiem oft etmas ſehr ſchoͤnes borvorgeht, fortraf es auch ai 
Diesem Falle ein. Wien Jernte den Bewernissi: Bald kennen 
und- die. hochverdiente Waibmanniſche Buchhandiung verſhuͤrte 
bastı; daß fie ſich at ihen kuͤchtig geirrt hale. Imcrazzi hatte. 
zwar die vermehrten Scholien nach Leinzig Zaſandt, aber ker 
Thæsauæus: Aristophapicus, der die Quinteſſen; and allen 
bieher ˖ über den Ariſtophanes erſchienenen Erlaͤntzrungen un 


“= 


ui Aristophartis Tombedias od. Beck, 


Beinerfungen eehalten' fellte, ich Hay as, weit drin 
Umſtaͤnde iha daran Hindertn. Zum Sluͤck bare He. Sof. 
Bed in Leipzig dieß vorausgeſehen, und de et den Abdrud 
der Inverniniſchen Ausgabe deſorge hatte, "fe üdernahm er) 
Fahre Iang vortkefftich vorbereitet, Di Doleudung derſelben, 
mil dee Ruͤckſicht, daß feine Arbeit and ME fr jebe andre 
Ausgabe . eingerichtet; angeſchen werden: Ammte. So Wadts 
benn einmäl in fchr guͤnſtiges Weit Mer den geiſtretchen 
Ariſtophanes Gerade: Zr. Bet mar dir Dann, von wekchen 
Die glaͤckliche Audfährmg Diefes: vieffeitigen Seſchaͤfie gu en 
warte: Raub‘, da er, diner unfter beften Whiltlogen und’ Kri⸗ 
üßer,, unermädikhen Flaiß wit erproßter Krtheilſskraft verdindet, 
mb durch feiste Arbeiten, bey din Acnagaben des. Euripibes, 
Demsfihenes de Pace und vielen andern, ſelilen Beruf days 
reaheavoll bewähree hat. Mit: reifer Uebrtlegung Fußes wum 
dicſer wärdige Beichrer den Dim, in rip Bände Ben Eomi 


mentar zu liefen, der alle Erklärungen: und Geläuterungen 


aller nenern Kritiker. und Erklärer über den: Miſtophanec, 
meh den Regiſtern begreifen ſollte: Ber vierte wird die Frag⸗ 
mente der verlsenen Komäpien ud ein Ariſtophautſ hes Las 
kon enthalten? zubehe werden die Alten: Scholien, von den 
neuer getreunt, aber virbeffent, vermehrt und else Mer 
merhiigen der Cibiehrten , und einer gank: neuen Lickäufeltung 
ber Rombdien. den Bihhtuß machen. Alle halbe Aue: wird 
Gi Dans erſchrigen. Bollte ihn Indık der Tor, auir. mu 
sl an Kräften Ahempafien, fo if, wie De. W.- verſichert, 
altes ſo eingerichee, daß das Merk nicht Kuramiee letden fell. 
Unſtrritig ein Tee ſchdaer Plan, und du Ariſtophanrsg we 
von Anfaͤugern Im @elschifhen geleſen werden fol, Tondern 
wen Sengliegen‘, die ſchon ziemlich vedeutende Berikheitee daria' 
gemacht haben, oder won Eeleheten meh’ Phildſogen, ſo kaun 
Euch au der Auſhhrlichteit aichte ausgefent werden. Dex eis 
ia: Witch, ber ums dabey aufflieg, beſtand darin, daß auf 
Mohl foil heit bilige Rackiche zenommen werben möge, 
denn «6 laßt fi leicht berechnen, daß dag gange nach biefem 











| 





Aristophanis Comacdise ed. Beck. 445 


Peane vollendete Bert wanigden⸗ fünf Bis: ſeche Piſtolen koßen 
durfte: eine. Ausgabe, welche in dieſen unguüͤnſtigen Zeiten 
für die meiſten Philologen, deren Tugend weder Raichthum, 
noch Mahlkand zu ſeyn pflegt, um fo druͤckender ſeyn moͤchte, 
je ſtaͤrker das, treffllche Werk fie an ſich locken wird. Denn 
aus diefem serien . Theile, malcher ben Commentar Über ben 
Dintus enthält, ſehen wir, daß dieß Werk für jeden Philo⸗ 
logen und. Freumd des Atertbums ein ganz unentbehrlinhes Buch 
ſeyn merde, walchtes fo ‚eingerichtet iR, daß man den Käßen, 
Hemſterhuis, Brunck u. ſ. m. dahey ungelefen laſſen darfı 
Daß dieſer Band aber ſo Kark gewarden if, davon liegt dig 
Schuld, wenn es eine iſt, an der Menge van Erlaͤuterungen 
und Pemerkungen, welche aäͤher den Platus vorhanden find, 
und won Ken. B., feinem Plone nad, ganz, oder doch once 
pirt wiedergegeben , und mit pielen eignen fchr ſchaͤrbaren By 
merkuugan und Urtheilen bereichert warden find. Es wich 
anfın Leſacn nicht umengenehm fen, wann wie ihnen von 
diefem Plans eine Beſchreibung verlegen, wie ihn bie Vorrede 
angibt, und wis wir ihn aus den fergfältigen Soda de 
Commentare zum Plume anfgrfaßt baten - 


Da uämlih bie. Aüßerie, gar. nicht mangellofe Ausaası | 


tofkhaz iR, und felten zu werden aufhmgt, ‚alle drey größeen 
Ausgehen aber, bie man Biäber zufmumsen. wor fi liegen haben 
mußte, wenn man den Dieser gruͤndlich verfichen weilte, be 
fonders für deu Philolagen zu theuer finh, und in Ihrem Ge 


braucha, ichom wagen der geiſtlaſen Aimosbnung, Bat und Zeit 


tadten; fo werden diefe Ausgaben, mas. han darin enthaltenen 
Commeantar betrifft, durch dieſe Veckiſcha Aebeit im aller Abſicht 
ganz enthehrlich gemacht. Ale Anmerkungen, war allem aus 
den duen gohßerr Aussehen, von Khfter, Beygler und Brunck, 
ind bier, mit den, Warten. dep Merfager, johoch ur mas dns 
Kafentlichz , vairblich "Lehrende ynd Mügliche engeht, een fe 
mähfam, ols gewiſſenhaft und gründlich miedergegeben worhene 
Der unduͤtza Wortſchwall alſo, der in vielen dieſer Anmardiugen 
herreſcht, iſt win Behnunmirit und ſarfem darchail ve goeſchege⸗ 


. 


416 Aristophanis Comoedise ed. Beck; 

ten. Mes if, fo viel es geſchehen konnte, ſogar cheouotegtch 
geſtellt, und zum leichtern Gedrauch in einer wirflich gefälfigen 
Ordnung, wobedy die Gruͤndlichkeit ſelbſt gewinnt, aufgeführt: 
Ohne weſentliche Auslaſſung und Verſtuͤmmelung find HR hun 
KTäaſters, Spanheims, Bentley, Duckere, 
Berglers, Bruncks, Hemſterhuié (Aber den Pintus), 
and meiſtens Fiſchers Noten beygebracht worden: dagegen 
finden ſich aus Balmers (Paumler's), Girard'e, Chris 
ſtian Florens, Manters u. a. Noten nur Exterpte, mit 
Beglaffung der geringfagigen und bloß auf unwiſſende Anfan 
ger berechneten Anmerkungen. Zur Wermeidung von Wieder 
holungen find mit Necht die Boten, bie bloß ausgeſchrieben 
And‘, ganz weggelaſſen; fanden fi aber Hierin einige Erwei⸗ 
terungen, erbefferungen, oder Beytraͤge, die nicht in den 


Urnoten vorfamm , fo find auch diefe. Höchft gewiſſenhaft mie 


ben Worten der Werf. beybehalten, und, zur Schonung des 
Baumes, unter dem Texte des Commentars mit Feiner Schrift 
angeführt werden. Eben daher iſt ©. Fiſchers Weitſchwei⸗ 
figkeit oft ſtark beſchnitten, und aus den von allen Commens 
tatoren Angefährten Griechiſchen Stellen, bie alle nachgeſchla⸗ 
gen, und hoͤchſt muhſam nach den Seiten, oder andern Abthel⸗ 
langen der Bücher, Capitel und Paragraphen der neuera Aus 
gabe bezeichnet find, ME mie Auslaſſung der Lateinifchen Leber 
gung nur das zur Sache Gehsrige beybehalten. Daß bie 
Latinitaͤt Abderall berichtigt ſey, verfteht fih von ſelbſt, ale in 
Gpanheims Boten. Das Gezierte, Gezwungne in Hemſterhuis 
Noten iſt dagegen mit Recht ſtehen geblieben. Was in dieſen 


NMoten zu den Scholien gehörte, iſt, wo moͤglich, ganz abge⸗ 


fondert und für dieſelben aufbewahrt, fo wie z. B. aus Hem⸗ 
fierhuis Doten zu den Scholien alles das exgcerpirt und bier 
leygebracht iſt, was zum Eommentar Mir den Dichter gehört. 
Es währde Beleidigung des eignen Urtheils der Leſer ſeyn, 
wenn wir das äußert Mähfame und Verdriesiihe, was im dies 
fer Arbeit liegt, weitläuftig anführen wollten. Das Verdienſt⸗ 
le. der Wendung ergibt fih von ſelbſt, da fie To offenbar 


Aristophanis Comoediae ed. Beck. 447 
mit "eben ſo vieler Ueberlegung und Beurtheilung , als mit 
| Beſcheidenheit und Anſpruchsloſigkeit vereinigt iſt. Wie mancher 
haͤtte ſich aus den, in groͤßter Stile hier vorgenommenen Ver⸗ 
beſſerungen offenbarer, nicht feiten ſtarker Schnitzer der vorigen 
Commentatoren mit großem Geraͤuſche ein Verdienſt gemacht 
Der Herausg. veibeffert ſtillſchweigend, und finder in dem 
Bewußtſeyn, gtwas Gutes gethan zu Haben, feinen Lohn. So 
handelt der echte Humaniſt! Es iſt ſreylich wahr, daß dem Leſer 
bisweilen der Gedanke aufſtoßen kann, manches haͤtte wohl 
wegbleiben, vieles verkuͤrzt gegeben werden ſollen. Allein dann 
waͤre der ſchoͤne Pian des Herausg. nicht erfuͤllt worden, jene 
drey größern Ausgaben ganz entbehrlich zu machen; es war 
daher beſſer, lieber bie und. da ein wenig. zu wiel als zy 
wenig zu geben, zumal da hier das gu viele doch gut iſt, und 
immer relativ gut bleibt. Es laͤßt ſich hier cum grano salis ans 
wenden, was Seneca Ep. CVII, sg ed. ‚Rubkopf. fagt x 
In eodem präto bos herbam quaerit, canis leporem, ce 
conia lacertum. Doch dabey blieb der Fleiß, bie Sorgfale 
und Genauigkeit des Herausg. nicht ſtehen. Denn da ſeit den 
letztern Zeiten cheiis in den tleinern libris criticis, theils in 
den Ausgaben und andern Werfen mande Bemerkungen im 
Beziehung auf den Ariftophanes vorgefommen find, von denen, 
noch kein Gebrauch gemacht worden, und die eben wegen den 
Bücher, worin fie vorgetragen ‚find, nur. wenigen in die Hände 
kommen dürften; fo har Hr. B. ſich aud) die Muͤhe nicht vers 
drießen laſſen, dieſe Bemerkungen neuerer Gelehrten mit der 
ihm eignen Genauigkeit und Beleſenheit gewiſſenhaft aufzuſuchen, 
nnd zum großen Vortheile der Leſer kurz beyzufuͤgen. Dahin 
gehoͤren beſonders die Bemerkungen, die im Theatre des Grecs 
won Beümop und in den, guten auch Deutfchen Ueberſetzun⸗ 
gen ſich finden, ſo wie die Bemerkungen von Reiske, Ho⸗ 
tibius (Daßleben), Eckhard, Toup, Wackefield, 
Porſon, Dawes, Coray, Hoogeveen, Hermann 
u. Wan darf aber nicht glauben, daß man hier bloß notas 
variorum finde, in des veraͤchtlichen Sinne, in welchem 


48 Aristophanis Comoediae ei: Beck, 


dieſelben als sufammengewürfelt da ſLehan, und: wabey auf ben 
Zuſammenhang und dag geſchmackvolle grandliche Verſtaͤndniß 
‚des Auctors faſt gar keine Ruͤckſicht genommen iſt. Dieſer 
Nehler iſt Hier gang vermieden worden, indem ber Herausg. 
das Gehlechafte, mas in den-biäherigen Commensanger uber den 
Ariftephanes vorherrſchte, dadurch völlig gehoben Bas, daß ee 
eigne Noten oder Bemerkungen in nicht geringer Zafı hinzufägt, 
welche den Zuſammenhang, das Dramaturgiihe m. dgl. eroͤr⸗ 
tern und benwerklich machen. Hieris herrſcht Klatheit und Kürze, 
die jeden gewiß befriedigen wird. . 
NMach der Vorrede folgt: 1) ©. XVIL— XXVII eine 
dreffiche Abhandlung Aber die Codices, e quibus Aristopha-+ 
sis Comoediae editae et emendatäe suntt woraus Harleß 
vebſt Fabric. B. G. To, Il p. 375— 378 hier und da Ber 
ichtigung, oder beffere Ordnung erhält. 2) Matthaei Rapers 
bhandlung Aber die Ausgaben des Ariſtophanes aud Thomas 
VDargeß Museum Oxoniense, fascic. 11, Lond. 1797. 8. p: 
20-- 97, mit Hru. Bed’a Zufäsen — LX., Ans den Maten 
goen wir unter andern, daß Kr. Prof. Schäfer Hemflerhuis 
usgabe des Piurus mit einem auctarıo zu Leipzig wieder 
äbbrucken tafie. Dann folgte noch die Anzeige von Bruns 
Ausgabe , mit deſſelben Worsepe :u. f. w. —LAVIIL: 5) De 
editionibus et 'interpretat. Pluti —LXXIV. A) Praefa, 
tiones ı edit. aldinae von Aldus Manutius Lateiniſch, von 
Marcus Mufurus Griechiſch, von Bern. Junta Antoniad 
Brearinus oder Francinuns Varchienſis Lateiniſch, and von Aemi⸗ 
Ya. Portus Sricchiſch und Lateiniſch — ACH, Ber Yen 
brigen Bänden werden nod Abhandlungen kommen, von dem 
SHerausg., de ingenio poetae, de fabulis eius, de oratione 
Artica u. f. w. Hoffentlich wird aud eine eigne Abhandlung 
Die hiſtoriſchen Punete, mit ben befanntn Genauigkrit unlı 
Sorgfalt. des. Verf., zufammengeordnet. und in das rechte? 
geftelt,, enthalten, auf welche Ariftophanes in feinen Stucken 
befländig feinen Blick richtet. Es iſt bekannt, daß ohne dieſe 
hifterifche Kennmiß die Lectüre des Dichters chen fo umgeniek 
Bar bleibt, als wenn jemand Sam. Foote’s plays, die fo oft, 
wit dieſen Ariſtophaniſchen verglihen worden find, ohne die 
genaug Zeit; und Sittenkunde Englands leſen wollte. tens‘ 
beras Kuffäge, in welchen derfelbe, nah Sturz, uns fo ſchon 
mit‘ dieſen Foote ſchen Stuͤcken bekannt machte, werfen eim List, 


auf unfre Meinung, 


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Z 


No. 29. Seidelbergiſhe A811. 
Jahrbuͤcher der Literatur 


I TAI TR TITEL RE ART Ta ann 


Spfiematiihe Darſtellung der Rechtslehre von der Gemeinſchaft dee 
Güter unter Eheleuten nach Anleitung des Napoleonifchen Ge⸗ 
feßbuches von R. F. Terlinden. Münker und Leipzig bey 
Walde, 1810, 382 ©, 8. Ä 


> 


Mauser der Lehre von Privilegien und Hypotheken wisd ſchwer⸗ 
lich im ganzen Code Napoleon irgend eine andre Lehre dem 
Deutſchen fo fremdartig und dunkel erſcheinen, als das neue 
Syſſttein Aber die MWermögensrechte der Ehegatten. Denn das 
Seſehbuch hat auch in diefer Hinſicht feine Befimmungen nicht 
aus einfachen philoſophiſchen Grundſaͤtzen abgeleitet, ſondern 
ih faſt lediglich dem Herkommen angepaßt, wobey denn, 
eben des Herkommens wegen, bie zwey bisher in. Frankreich 
geltend gewefenen Oyſteme mit einander verbunden find, und 
nur das eine in Sweifel für das vorgeltende erfläct il. So 
bleibt denn Frankreich ruhig bey feinen alten Bitten, und das 
neue Geſetz kann dort nicht fremdartig erſcheinen. Allein gang 
anders in Deutſchland! Gegen die herrſchenden Ideen der 
‚@efehgeber,, welche ein Hanuptverdienſt darin fuchten, das Be— 
ſtehenbe auf alle Art zu achten, wird für ins der C. N. ſchafs 
fend und vernichtend, weil er überall auf Gebräuche ſtoͤßt, 
‚welde zu gan, andern Beſtimmungen geleitet haben würden, 
wenn das Geſetzbuch in Deutichland verfaßt wäre Hier find 
denn die Schwierigkeiten bey der Annahme des neuen Rechte 
fort mermeßlich. Eigne Sitten follen mit fremden vertaufchE 
werden, und man fo verfichen und Anwenden, was man biss 
Her nicht kannte, and als Product einer fremden Nationalitaͤt 
rue mit groͤßtet Mühe ſich zu eigen machen wird! Bey einer 
folgen Lage kann der‘gelchrte Juriſt doopelt ein Wohlthaͤter 
feiner: Nation werden, wenn er fie in dem Neuen fo ſchnell 





450 Zerlinden v. d. Gemeinſcaft d. Site unter Ehclenten 


‘ts moͤglich ganz zu orientiren ſucht; und in ſofern werde 
denn, gut gerathene Schriften über das Syſtem des G. N. In 
Detreff der ehelichen Büterrechte den waͤrmſten Dank und dk 
größte Aufmerkſamkeit verdienen. 
-- Der Vaf. der vorliegenden Schrift verdient alerdingd 
Dank dafür, daß er nach Heften Kräften bemüht gemein 
it, den Deutſchen geläufig zu made, was fie von ihren bi 
herigen Sitten abfuͤhren, und in eine ganz neue juriſiſche 
Welt verſetzen ſoll. Allein die Yasführung fel&ft können wie 
auf keine Weife für gelungen erflären, fo fehr wir es ud 
gewünicht hätten, dem beſcheidenen und anſpruchsloſen Def. 
recht viel Freundliches fagen zu tönnen. Denn wenn wir uf 
eine gewiſſe froftige und hoͤlzerne Darſtelungsart und Di 
mannigfaltigen Wiederholungen überfehen- wollten, ‚fa ‚finde 
wir doch im Materiellen fo vieles an feine; Arbeit anepuſchu 
daß zur Empfehlung derſelben uns. kaum wegen) ein Grup) 
übrig bleibt. Wir wollen die, Urſachen dieſes Uxthgile eh 
naͤher detailliren, und dieß, um fo ‚lieber, da die gemeint 
Wendung, welche die neuer⸗ Juxisyrudem in Deutſchland j 
nehmen droht, der Kritit ‚mehr, wis jemgls, die Pflicht auf 
legt, mit Ernft und voller Gradheit das Mangelbafte zu tugen 
Was wir zuerſt im, Ganzen an der Arbeit des Verf. taden 
zu muͤſſen glauben, iſt die iſolirte Sehanplung eines einzeln 
Gegenſtandes, welcher durchaus nicht aus feiner Verbindung 
mit einem, andern, Gegenſtande hätte . ‚Setausgerüfen werden 
ſollen. Hr. T. handelt namlich, in der ‚ganzen Schrift 1 
von den Artikeln des C. N., weile, ‚unger. der Rubrik: du 
Regime en communaute fieben. ‚Die Srundſaͤtze des Rep 
‚me dotal find von ihm ganz abergangen. ‚Dafür-Eöunte Du 
freylich der bloße Wille des Schriſtſtellers als Rechrfertigungd 
grund angeführt werden, "Allein einen ſolchen Einwand kn 
wir hier nicht gelten loſſen, am wenigften, da der. Waf. nich 
nach neuen Theorien ſtrebte, fondern bio auf Verbreitung 
deutlicher Begriffe bedacht war. Denn die, benden, Epfems 
das Regime en Communaute und dag, Begime dotal, gie 





Terliaden v. d. Gemrinſchaft d, Güter vnter Ebelenten. 41 


fen mehrfach in einander, und Niemand wird: das Eine gang 
begreifen, dem das Andre fremd geblieben iſt. Faͤr beyde gie 
es gewiſſe allgemeine Geyndſaͤtze, „3:0: Aber die Gewalt des 
Chemeamms, welche gar nicht Ale, Eigenthaͤmlichkeit einer ‚einge 
nen Arc angeſchen werben: Ihanen:, . umd Sende dücfen unser 
Beichränlangen mit eidander combinirt werden, deren nirgend 
auf eine geiſtoolle Art; Erwähnung geſchehen kann, wenn nicht 
beyde. Syfeme in ihren Eigenthuͤmlichleiten und: wechſelſeitigen 
Beziehungen verkinigt dargeſtelt werden. Vorzuͤglich wird aber 
durch die Grundſaͤtze des C. N. über die dos eine reine Schet 
dung Bender Byſteme ganz unmöglich. Sowohl bey dem, einem, 
als dein anbean Syfeme kann eine dos vorkommen, oder -Wicht: 
SR jenes der Fall, fo hat der C. N. in Betreff der dos ‚für 
das Rogime doral die Sache mit otefer Genauigkeit beſtimma 
aber in Betreff der dos unter. dem. Regime en communautz 
nur. wenige Puncte entfchieden,. wo denn die ˖großen Zweifel 
bleiben, ob wicht vieles von dem, was über die‘ Roͤmiſche dos 
Sefage..ifb,. analegiſch auch auf die: das der Länder des unger 
ſchritebenen NRechts anzuwenden ſeyn moͤchte? Ohnehin fang 
eine vereinigte Darſtellung beyder Syſteme, nur zu einer Kritik 
des Ganzen führen, .unB dieſe haͤtten wir in einem ſo meine 
läuftigen. Werke um .fb ‚mehr; unn dem Verf. fordern dürfen, 
da einer der Hauptvorzuͤge des ‚neuen Geſetzbuchs grade dariz 
beſteht, daß es durch offene Darlegung feiner Gründe mehr, 
wie em anderes Geſetzbuch, der Beyrtheilung freyen Spiele 
raum läßt, und be wihts bey dem Stutfio des pofitiven Rechts 
ſelbſt dem Gedaͤchtniñ ſo ſehr zu Huͤlfe kommen kann, al eine 
philoſophiſche Würdigung des Werths und der Conſequenz dee 
einzetnen Beſtimmungen. Unſer Verf. ummyeht aber leider! dag 
alles; ze bemüht ſich ſogar faſt nirgend... die referirten Einzeln⸗ 
heiten aus ihren Motiven gehoͤrig zu erklaaͤren. So wird man 
denn aflenthalben zwifchen Definisionen, Ampliationen, Limt 
tationem ; und Diſtinctionen verflemme, ohme, wir möchten 
fagen, auch nur ein einziges. Mal die Freude gu empfinden, 


D . . 3* 
tr: ’ « veoryr er er 
\ 


452 Terlinden u: d. Geineinſchaſt d. Gater witer Ebelenten 


daß man auf eine befrledigende Weiſe in dem Gelſt des Sarjen, 
oder einer einzelnen Voeſchrift hineingefuͤhrt ſey. 
* Noch auffallender iſt uns die Daͤrftigkeit and Magerkeit 
bes vorliegenden Werkt in ber Hinſicht gewofen, daß der Verf. 
das, bisher in Fraukreich geltend geweſene aͤltere Recht Fo 
nirgend charakteriſirt, und nicht einmal die gemeinſte Meratue 
gehoͤrig benutzt hat. Nur Maleville und Potheier find 
von ihm fleißig excerpirt; dann auch zuweilen einige Artikel 
aus Merlins Repertorium. Allein weiter iſt nichts geſchehen. 
Lebrun und Renuſſon (wenn auch‘ der letzte ds paarmal 
nach Titaten Andrer allegire iſt) kannte der Werf. gewiß nidt, 
fo wenig als die gangbaren neuern Branzöfigen Gchriften 
von Bousquet, Delaporte u. a. — Selbſt daden finder Hd 
seine Spur, daß bie befannteften Deutſchen Schriften vom 
Verf. benugt wurden. Was aber diefe Armuth am usanger 
nehmſten macht, iſt die leidige Abſchreiberey, welche ſich Hr. T. 
zu Schulden kommen ließ. Wo nur Pothier ein Wort geſagt 
hat, da wird dieß ſtets treulich uͤberſetzt, und ſollte es auch 
das trivialſte Behſpiel ſeyn. Ja noch mehr! Kr. T. ſcheint 
Jar nicht daran gedacht zu haben, daß ber. C. N. ſich durch eine 
große Mengte Individualitaͤten auszeichnet, von denen Pothier 
gar. nichts ahnen onnte, und daB es da aͤußerſt ſchlecht paßt, 
aus Porhier alte Ideen als eine Exegeſe ber neuen Vorſchriften 
zuſammenzutragen. Dieſes quid pro quo iſt aber dem Verf. 
nur zu oft begegnet. So find z. ©. ©. 258, 239 zwey ganze 
Seiten. aus Pothier Über die Frage, was eine Mobiliarſchuld 
ſey, abgeſchrieben; und doch wäre hier zunaͤchſt allein auf bie 
eigenthuͤmliche Vorſchrift des Art. 556, 508, welche fe’ viele 
eregetifihe Schwierigkeiten hat, Ruckſicht zu nehmen geweſen. 
Mod ärger verführt der Verf. S. zıa ff. Bekannntlich fet 
der GC. N. ganz neue eigenthümliche Strafen ber verſchulderen 
Scheidung, namentlich im Fan des Ehebruchts, womit dann von 
felbit die, ehemals gegen die Ehebrecherin ſtatt gefundenen Prb 
vationsſtrafen weofallen. Dennoch iſt wirtlih aus Porhier 
der Sag ausgeſchrieben, die Frau fey von der Theilung auß 


Terliaden v. d. Oemeinichaft d, Güter unter Eheleuten. 453 


zuichließen, „wenn fie eines Ehebruchs Aberfäßre, und ihres, 
Rechts an. der Gemeinſchaft verluſtig erflärt fey.“ — Eden fo, 
befremdend iſt es, wann im 9. 147 aus Pothier abermals. 
buchſtaͤblich abgefchrishen iſt, der Mann habe als Oberhaupt 
der Gemeinſchaft, das Recht, ſaͤmmtliche zur Gemeinſchaft 
gehörige gegenwärtige und kuͤnftige Grundſtuͤche zu verpfaͤnt 
den, ein Sag, welcher, abſolut geſtelt, um den neuen Vor⸗ 
ſchriften des Art. 2199 9250. gay nicht mehr paßt, — Da. 
der Merf. in diefem Geiſte arbeitete, fo mar es. denn ganz, 
natuͤrlich, daß er, fo ſehr auch das Gegentheil zu wuͤnſchen 
geweſen wäre, das Verhaͤltniß des bisherigen Deutſchen Rechts, 
im Gegenſatz des C. N. gar nicht fchilderte, und ſich nirgend 
auf die einheimifhen Deutſchen Verträge einließ, welche noch 
ferner neben dem jest zu recipirenden Mocht beſtehen koͤnnen. 
Daß has Werk ine Menge von Läden haben muß, vers. 
fieht ſich hiernach auch von ſelbſt. Denn wie Bonnte, Polhier, 
den tauſendfaͤltigen Zweifeln begegnen, welche erft Durch das 
nene Geſetzbuch, und die Aufichten der Ausleger deſſelben ents 
flanden And?. Wo man hinblickt, Röße-man daher auf Luͤcken. 
Wir wollen nur felgende Fragen aucheben. 1) Wenn in die. 
geſetzliche Gemeinſchaft ale Mobilien fallen, und daher auch 
alle nah Eingehung der Ehe erworbenen, wie iſt dieß dann 
mit den Worten der Art. 1401 no, ı zu vereinigen? 2) Iſt 
Art. 1411 unbedingt, oder auf Art. 1496 gu beſchraͤnken? 
Im ..64 wird das legte angenommen, ‚aber ohne Prüfung 
der, Gegengruͤnde. 3) Warum wird der vermiſchte Hall deq 
At. 2414 — 1413 mit Unterſcheidungen regulirt, welche ßch 
aus der Combinetion der vorhergehenden reinen Faͤlle nicht 
ergehen? A) Wie find die. Schwierigkeiten zu haben, welche 
der Art, 2427 durch das: sea enfans mat? Gewiß nick 
dadurch, daß der Darf, ©. 3661 fo Äberfept: gameinſchaft⸗ 
liche Kinder. 5) Wis wird. es, mit Ruͤckſicht auf Art. 1498 
is Anſehing der Immeblllarklagen? 6) Wenn man bey Ar, 
2499. daran denkt, daß es, außer der Vermiethung, auch andre 
Verleihungen gehen. bann; wie lange iſt dang der Termin für 


454 Tewunden v. d, Gemeinſchaft d. ter unter Cpekeaien. 


dieſe anzanehmen ?:- 7) Warum Ab in Art. 2448 nur bie 
gemeinfchaftlihen Kinder erwaͤhnt ? 8) Mas ii nach“: Art. 
r484 — 1486 genau unter eiguen Schulden dts Mannes und 
der Frau zu verfiehen? 9) Wie werhätt «6 Ach mie don Schul 
den im Fall des Art. 1500, 1509, 25269. 10) Was iſt eigente 
lich nah Art, 1566. eine beflimmre und eine unbeflimmte 
Anmeublirung? Aus den Saͤtzen des Verf.-Röht: man gar niät, 
wohin hier das generelle Verfprechen aller, oder einer gewifien 
Sattung von Immobilien, ohne: Menntihg einee Summe, 
gehören foll.: Belt Maleville hat ſchon aufmerffam darauf 
gemacht, daß ‘der C. N. Hier Schwierigkeiten habe. 11) Der 
Art. 1518 iſt beh dem Verf. 9. 177, 278. in Anfehung feine 
wichtigften Puncte faſt ganz leer ausgegangen, z. ©. in Betreff: 
der Frage, mie es fih wie der vertimgsmiäßigdn. Scheidung 
und der bloßen Giterwennung-verhält, und ob das preeiput 
von der ganzen Maſſe vorläufig vorabzunchmen iſt, oder nur 
zur Hälfte, und wie, wenn man das letzte annimmt, der 
Umſtand erklaͤrt werden: kann, daß die Frau gar nicht 'gue 
Caution verpflichtet MT: Endlich erwähnen wir ı2) noch, um 
das Dutzend voll zu machen, bie: Frage: in welchem Verhaͤlt⸗ 
niß ficht der Mann im Fall des Ark. 1da4, wenn bee · Frau 
Ste Gemeinſchaft zufaͤllt, und hat die Frau auch Hier das Recht, 
nur bis auf ihr Emolument gu zahlen? " - | 
“ Seht angenehm würde es uns ſeyn, zu biefen Bemer⸗ 
Bingen wenigſtens die ˖ Verſſcherung ihzuffgen zu koͤnnen, def 
bie vorliegende Schrift ven poſitiven Serthämern ſeey ſey. 
Alein auch dieß Mbruhs unmöglich. Gern wollen wie freytich 
feden Tadel in Anſchung der, uns "mißfellenden Meinangen 
bes Verf. unterdruͤcken, wo man die Sache in irgehp: einer 
Hinſicht zweifelgaftnennen, oder wo deb Verf. irgend einem 
andern Schriftſteller als Gewaͤhrsmann anfähren kann. kein 
gar manches ſcheint uns augenſchelnlich falſch, und darüber 
EBnnen und dürfen wir nicht ſchweigen. Zuerſt maſn · mw e 
‚ geradezu für derig erklaͤren, wenn dee · Veif. in 6. 53: on ber. 
Gemeinſchaft alle Sachen ausninimchen weis den Eheim 








N 


Terlinden v. d. Gemeinſchaft d. Güter unter Eheleuten. 455° 


gemeinſchaftlich, oder einzeln durch Erbrecht, oder durch 
Schenkungen zufielen. Denn nah Art. 1495 gehören nur 
die, jedem Ehegatten befonders, aljo keineswegs die, beyden 
zufamnies geſchenkten Sachen, nicht in die Communion. — 
Eben fo irrig heißt es &. 16%: die in Art. 1422 verbotenen. 
Schenkungen fönnten an gemeinfchaftlihe Kinder gemacht 
werden, und das gelte denn auch für alle vermuthlichen Erben 
beyder Ehegatten, Die fette Einihräntung hat nichts, als 
feere, unerwiefene Vorausfeßungen zum Grund, und ſelbſt in 
Betreff gemeinſchaftlicher Kinder ift der Satz des Verf. nach 
dem T. N. nicht zu erweiſen. Denn der Art. 1412 redet gas 
nicht von Schenkungen überhaupt, fondern nur von Kyſten 
einer Etablirung, wobey noch immer von dem Vorhandenſeyn 
einer natuͤrlichen Schuld die Frage ſeyn kann. — on gleichem 
Gehalt ſcheint uns die fernere Behaupfung des Verf. S. 247, 
daß die Fran auch nach der Verzichtung eine Vergütung für 
dasjenige ſchuldig fen, was fie zur Ausfteuer ihrer zugebrachten 
Kinder mit Auctorifation des Ehemanns aus der Semeinfchaftss 
maffe genommen babe, Denn kann der Mann nach Art. 1472 
ſelbſt ben "angenommener Gemeinſchaft die Frau wegen feiner 
Semeinschaftsforderungen nicht auf ihre eigenen Güter belans 
gen; wie viel weniger iſt er dann dazu befugt, wenn fie entfagte ? 
Der vom Verf. angeführte Art. 1469 veder nur von dem Fall der 
angenommenen Bemeinfchaft. — Auf gleiche Weiſe Halten wir es, 
theils in den Gründen, theils in den Mefultaten für irrig, wenn 
Kr. T. &. 127 behauptet, die Ehegatten hafteten wegen der Ger 
meinfchaftsichulden während der Semeinfchaft unbedingt, auch 
Aber den Beftand der Maffe, und zwar der Mann ahne Einfchräns 
tung als Familienhaupt, die Frau aber unter Vorbehalt der 
Verzichtleiftung auf die Semeinfhaf. Was der Verf. vom 
Marin fagt, hat freylich manche Auctoritäten für ſich, obgleich 
der Beweis für feine Anfiht aus dem Geſetzbuch ſtreng ges 
nommen ſchwer zu führen if, Aber im Betreff der Frau läßt 
ſich nun ganz und gar nichts für jene Idee fagen, am wenig; 
ften mit Beziehung auf ihr Roche des Verzichts. Denn währenn 


456 Terliäden v. d. Gemeinſchaft d. Guter unter. ice 


der ‚Ehe gibt ihr, kein Geſetz im Ganzen rige⸗ Vorrecht, und 
nirgend wird man finden, daß bey den, der Fran nicht pers 
ſoͤnlich zufallenden Schulden das Geſetz mehr fagt, als: hier 
haftet die Gemeinschaft. — Manchmal begreift man dem Berf. 
nicht einmal, z. B. wenn er im $. 150 der Fran fofort nad 
Auflöfung der Gemeinſchaft eine Entſchaͤdigungsklage gefkattet, 
um von den Schulden der Gemeinfchaft, wofür fie perſoͤn⸗ 
Lich hafte, ganz, oder bis auf ihr Emolument befreyt zu wer 
den. er kann erwas davon in den, Dafür citirten Art. 
1482, 2485 finden? Noch mnbegreiflicher iR $. 151 im der 
fonderbaren Behauptung: „ber Mann hat feine Hypothek auf 
das ‚Vermögen der Frau: denn er hat nah Aufläfung ber 
Serinfchaft den Theil der gemeinfchaftlihen Schulden bezaplt, 
den feine Frau, oder ihre Erben hätten beytragen muͤſſen. — 
Was wie aber vor allen Dingen tadeln möüffen, iſt die , einen 
großen Theil diefer Schrift unbrauchbar machende Vernachlaͤſ⸗ 
figung des Unterfhiedes zwiſchen zwey ganz heterogenen Fra 
gen, nämlich: was gehört unmittelbar als Activum und Paf 
firum dee Gemeinfhaft an? und: was kann als voraus, oder 
Bergütung dep Theilung der Maſſe gefordert werben ?. Bey 
des iſt durchaus nicht mit einander zu vermengen, oder als 
etwas einander Ausichließendes zu behandeln. Denn bie erſte 
Frage betrifft vorgäglih das Verhaͤltniß der Gläubiger gzur 
Gemeinſchaftsmaſſe, die letzte aber das Verhältniß der Che, 
gatten unter ih. Hecht wohl können nun gegenfeitige Pflid: 
ten der legten gedacht werden, ohne daB dadurch an der Ger 
meinſchaft ſelbſt etwas geändert wird... So fallen 5. B. Strafi, 
gelder, welche durch ein Verbrechen des Mannes verwirkt wur 
ben, der Gemeinſchaft zur Laſt, und dennoch iſt nach getrenns 
ter Gemeinſchaft der Frau bafüe Vergütung zu leiften. Chen 
fo können Activa, weil fie beweglich find, einfiweilen in die 
Maffe fallen, jedoch unter Vorbehalt der Vergätung (,. B. 
Art. 1405 im legten Satz), wie denn auch umgekehrt etwas, 
unter Vorbehalt der, Vergütung, von der Gemeinſchaft ausges 
fehloffen werden kann (. B. Art. 2408). Unſer Verf, hat 





% 


Manuel du Mineralogiste par Brard. 157 


nun biefen fo feinen und bedentenben Punct im Allgemeinen 

gar nicht beräßrt, nichts anf jene Unterſchidungen zuruͤckge⸗ 

führe, und durch gänzlige Unbeſtimmtheit feiner Begriffe ſich 

verleiten laſſen, die eine Frage ſchlechthin mit Ber andern zu. 

vermengen. Zum Beweiſe der Wahrheit diefes Vorwurfe 

brauchen wie nur anguführen, daß in 6. 39, 4o von dem, 

Activis der Gemeinſchaft ausgeſchloſſen werden «ale 

über dem Fruchtgenuß von Immobilien gezogenen Dinge, und - 
alles, was an Gelde für venbußerte Immobilien der Frau 

erhoben ward, obgleih Art. 1403, 2470 in Hinſicht diefer. 

Dinge nur von Vergütungspflichten reden; und daß der Berz 

faffer naher (&. 125, 126, 157 — 1359) von den Paſſivis 
der Gemeinſchaft wieder eine Menge von Schulden ausnimmt, 

weiche derſelben, die Vergütung vorbehältlih, unmittelbar ganz 

unftreitig zur Laſt fallen, wie 3. B. alles, was für eine uns 

bewegliche, nicht in die Semeinichaft fallende Sache zu zahlen. 

ift; alle nur eine perfönliche Angelegenheit der Mannes bes 

treffenden Schulden, und alle Anfprüche Dritter aus widers 

rechtlichen Deräußerungen des Mannes. Wir finden hiebey 

das Verfahren des Merf. um fo umerklärbarer, da er ſelbſt 
(5. 149) über den eclatanteften aller Fälle, nämlich die durch 

den Mann verwirkten Geldſtrafen, ganz richtige Begriffe ‘hat, 
welche ihn leicht zu den gehörigen Unterfcpeidungen in Betreff. 
der übrigen Bälle Hätten führen können. 





Manuel du Mineralogiste et du Geologue voyageur; par C. P. 
Brard, attache au Museum d’histoire natyrelle. Paris . 
chez F. Schoell , libraire, et & Berlin -chez Froelich, 
1508. avec 1 pl. 470 Pag. 8. 


Der Zweck eines mineralsgiichen Meifehandbuchs kann wohl. 
im Grunde fein andrer feyn, als den Oryktognoſten und 
Geognoſten in den Stand zu feßen, mit Huͤlfe deffelben die, , 
ihm anf feinen Wanderungen .aufitoßenden unbekannten Zoiks . 
lien und Gebirgtarten leicht, bald und ohne große Vorbeseis: 


K53. Manuel, du Mineralogiste par Brard. 


tungen gu erkennen. Diefer Zweck kann, nad. unſrer Auſicht, 
Dach feine Methode leichter erreiche werden, als durch die 
Wernerſche, da die dußern Kennzeichen fofort in die Augen 
fällen, und es Feines großen Apparate bedarf, um felbige an 
jedem vorliegenden Foſſile aufzufinden. Daß eine oberflaͤchliche 
Angabe der phafiihen und chemifhen Eigenſchaften eines Mis 
nerals, foweit deren Erfennung feine weitläuftige Vorrichtung 
erfordert, 3. B. des Verhaltens gegen Säuren und vor dem 
Lothrohre, Hierbey mehr nuͤtzkech, als überfläffig ſey, wird 
niemand in Zweifel ziehen. Dagegen wird man aber auch 
darin mit uns übereinfimmen, "daß eine Methode, wie die 
Hauyſche, fo unverkennbar aud deren Werth in andrer Hin⸗ 
fiche iſt, für jenen Zweck fi füglich nicht anwenden laffe, weil 
fie, ſtreng genommen, nur einen Theil des Mineralreichs, 
namlich die regelmäßigen Geftalten umfaßt, : die Bey weitem 
größere Anzahl der unregelmäßigen Mineralkoͤrper aber gleicht 
fam nur im Vorbengehen aufnimmt. Wenn wir daher fon 
mit der Anlage des vorflegenden, nichts weiter ale einen uns 
valllommenen Auszug ans Hauy's Traisd enthaltenden Hands 
buchs nicht zufeteden fenn können, fo mögen wir noch weniger 
der Ausführung Bedfall fchenfen. Denn der Auszug eines | 
Syſtems der Kryſtallographie follte nah unferm Ermefien 
doc, wenigſtens das Wefentliche diefes Syſtems enthalten. De 
nämlih nah Hauy's Methode die Foſſiliengattungen (espkces) 
Bloß nach ihren Srundgeftaften von einander unterfchieden 
werden , biefe Srundgeftalten aber nad ihren einzelnen Dimens 
fiowen bey verſchiedenen Boffilien wieder fa fehr von einander. 
abweichen, fo follte dieſes fpecififche Kennzeichen nothwendig 
bey jeder Gattung angegeben worden feyn. Dieß tft aber nicht 
geihehen. Denn fo if 5. ©. beym kohlenſauren Kalt (Chaux 
carbormatee) &. 26 und bey der Chabasle &, 174 bie 
Grundgeſtalt bloß als Rhomhoide obtus und un peu obtus 
angegeben, ungeachtet - diejenigen Flächen der Grundgeſtalt, 
weiche beym Kalk unter 204° 28’ 40’ und 75° 51’ ac mw 
ſammenſtoßen, bey der Chabasie: zwey Winkel von 95° 4 











Manuel da Mineralogisi€ par Brard. 459 


und 86° ve’ vbilben, ſolgtich beyde Arundgeſtalten, obſchon eine 
wie die andre ein Nhomboid bilden, dennoch in kryſtallometrifcher 
Sinfiht ſehr von einander abweichen — Ein ſolches Handbach 
follte ferner wenigſtens die Anzahl und methodiſche Benennun 
der von jedem Foſſile bis jetzt bekannt gewordenen Kepfalliiad 
tionen 'nebft der Angabe enthalten ; ob die angenommene Srunds 
geftalt im dar Natur anfgefumben, ‚ober. bloß durch Kunſt ent⸗ 
deckt worden fen: Won allem diefem finder:fih aber in vorlies 


gendem Warte. des2 Hrn: Drard nirgends eine Spur, un. 
wenn nicht bey denjenigen Bofflien, weiche In der Natur kry⸗ 


flaliiee vorfanmen, bie Grundgeſtalt jedoch, wie oben bemerkt 
worden, ohne ‚alle nähere Bezeichnung angegeben: wäre: fe 
wärde wiemand., der es nicht vorher ſchon wußte, ercarhen; 
ob das Foſſil, von weichem die Rede iſt, z. ©. der Kalkſpach7 
kryſtaliſirt vorkomme, oder nicht. Der Derf. geht naͤmlich/ 
wenn er bie phyſtſchen und chemiſchen Kennzeichen eines ME 
nerals nad. Hauy's: Traite unvolllomnien genug (denn nie 
felten vermißt man unten andern Bas-für «jeden reifenden RIEF 


neralogen fo wichtige Verhalten ber Feffitter onr dent Büchtöhrey 


angegeben, ımd eine chemiſche Anald ſe ¶nicht immer bie neuſte 
und zuverlafſigſte) augehühre hat; ſegleich gu. den, von Hauy 
fogenannten umbefiimmbaren Formen⸗(dae jedoch nad) Wernere 
Methode ehr gut beſtiimmbar find) Aber ; "ohne der. wirbiiugent 
Kryſtalliſatlonen auch ne: mit einem‘. Worte gu nen: 


Anch Dir, in: ber Einleitung zum Gamzen nad Heun .aife 


gefieiiten. Borhageiffe find oberflaͤchlich und unvollſtaͤndig. Sol 
vergißt:. 5 Ex der VBerf. gleich auf. der erſten Seite, daß Me 


Salze gleihfalls zu den Mineralien gerechnet werden, indem 


er bloß Steine; Metallo un: Eoubngibilien. als folche namhaft 
machte. Indiſſen gibt Der Berfrꝛauf der andern Seite reich⸗ 
lichen Erſatz für das, was er uns aufr einer Seite nit largen 


Hand entzieht. Er beſchenktrunke admlid: ©... oä-mit ag! 
Metallen, da mir "biphet nur sd gelenut Sabem Das neun 


Metal HE unter Nummer »A wifchen Colusibiün: und Damiımı 
eingefchjültet, amd ums: fich Piönen, es. kann wicht leugnen, 


/ 


& 





460 Manuel du Mineralogiste par Brard. 


daß er beym Erblicken dieſer Erfheinung micht werig daruͤber 
ſtutzte, daß dieſes Metall Hisher feiner Aufmerkſamkeit ſo gany 
und gar entgangen ſey. Begierig ſchlug er nach Anleitung des 
Negiſtere ©. 397 des. Manuel nad), wo die nähere Beſqrei⸗ 
Sung bes Pröne gu erwarten war, fand aber bier-michts weite, 
als den Namen. Eben fo vergeblich war das Nachſuchen in 
allen Altern und neuern Dentſchen mineralogikchen Werken and 
ſelbſt in Mauy’s Traire. Doc leitete ihn eine Anmmertung 
Karſtens im 2. Theile ber Ueberſetzung des Haun’fcgen Werkes 
©. 130 auf die Spur, daß vielleicht das Metal damit gu 
meint feyn kͤnne, was Descotils, Fourcroy nnd Vancquelin 
zuerſt in dem Ruͤckſtande der Piatinsaufläfngen gefunden 
Hatten, che noch die in bee Piatina enchaltenen vice nenn 
Metalle aufgefunden waren. Dieſe Wermuthung warb auch | 
Bey weiterem Nachſchlagen des Journal, des Mines und der | 
Annales de Chimie beſtaͤtiget, und in ſeweit ſchien Der Verf. 
Bee zu haben, das Pröne namhaft zu machen. Allein e 
hatte 'aur 'niht ans ber Acht Laffen ſellen, daß dieſes nem 
Metall wieder verſchwunden if, nachdem Omithſon Zennant 
daſſelbe als ein Gemiſch z we per Metalle erkannt, und dieſe 
Osmium und Iridium genannt hat, deren letzteres vorgästidh 
diejenigen Eigenſchaften an ih hat, weiche jene Gerüßemten 
Sranzöfichen Chemiker dem Pröne beylegten. "Aicnfaile Ebuuie 
alſo diefe Benennung ald cin Sopnouym won Iridaam ange 
het, aber als zwey verſchledene Metalle Annen Ixkdium uud 
Pröne burdans niche aufgeſtelt werben, und Der Werf. wird 
SG daher eine Ausmufterung feines Eqaumerau⸗ gefallen laſſen 
miſſen. 

In dem geoguoſtiſchen Asfgukte ©. 400 f. Description 
des Roches Senannt, ſcheint der Werf. mehr feinen eigenen 
Einſichten zu folgen, ob gleich die Ueberſchrift beſagt, daß = 
hierbey die Methode des Heern Faujas beſolge. Won einer 
Einthellung der Gebirge In Ur⸗ Uebergangs⸗ Fibtzzgebirge ꝛc. 
iſt nirgends bie Rede, vielmehr macht der Werf. in feinem lim 
terriche mit dem Trapp, als erſter Gattung feiner Mechode 











Maiteel du Mineralogiste par Brard. Ak 


den Anfang. Wade Gebirgearten unter biefer Geueuuustg 
begriffen werden, vermag. Des. nicht zu beſtimmen, da Die 
Beſchreibung der aͤußern Kennzeihen auf mancherlen Geſtein 
paſſen, und als Fundarter bloß Norberg und Oberſtein geuange 
werden. Indeſſon iſt dieſer Artikel immer IBterefant, weil der 
Leſer darin belehet wird, daß die priematiſche Geſtalt des Traype 
(wahrſcheinlich⸗ in hier von einem Porphyr die Rebe, wie ang 
der Folge erhellen wird) nicht. von einer Bufammenzichung. hen 
ruͤhre, Sondern von der Oxydation des Eifens, Die mit einer 
gewiſſen DRugelmäßigfeis. exfolge (que sa forme 'prismatique - 
n’est point due à un retrait, mais bien à loxydation det 
‘fer, qui se: fait avec une Certaine regularitd), Kr. Fanjas 
Sefige ein Stuck, was dieſe Behauptung ganz unwiderſprechlich 
deweiſe. . Dieb: ſey eine dunkelgruͤne, gefchliffene und poliste 
fehöfistge Säule, von drey Zoll Durchmeſſer, weiche auf ihrer 
Oberfläche dunkelxoth, merklich parallele Faſern (Elers) zeige, 
die von audem Faſern faſt unter einem vechten Winkel durch⸗ 
ſchnitten wuͤrden. Dieſe Opydation (1) durchdringe die ganp 
Dicke der Saͤule, dergeßalt, daß man mit einem leichten 
Schlage des Hammers mahrfheiulicd Beine Prismen von 
ı und 235 Zoll Durchwmeſſer davon würde abſchlagen können 
— Wenn De Lafer in diefer Deduction nit hinreichendes 
Zufemmenbang ‚finden ſollten; ſo muß Mec. gegen ben Verdacht 
einer unrichtigen Uebertragung der eigenthuͤmlichen Worte des 
Verf. im voraus proteſtiren, und ſie auf letztere verweilen. = 
Uebrigens wird an eben dieſem ſeltenen Stuͤcke noch dargethau 
(S. 425)., daß der Trapp bisweilen die Grundmaſſe der Porz 
phyre ausmache. Denn dieſe Trappſaͤule, die anfangs aus 
ꝛiner homogenen Maſſe zu beſtehen ſchien, verwandelte ſich 
rach dem Anſchleifen und Poliren in einen Porphyr mit kleinen 
Feldſpathkryſtallen (cax ce trapp, que 'on croyoit homo- 
Pne avant d'ôro poli, devint un, porphyre à petits cri- 
taux de .Feld-spath, quand il le fut). — Wegen dieſer 
nerfwärdigen Verwandlung nimmt nunmehr der. Verf. bey dex 
weyten Gattung feine Spſtems, dem Porphyr, an, daß die 


8 


463 ‚Manuel du 'Mineralogiste par Braräl. 


MBeuupmfie :ifis Deſteins darchaus ray fer: mıllie (fi 
pato :d’'we roche yorphyritigue deit' être ihvarinhlemern 
Ju trapp). Ob: ſeidige Geldfpaih s Kernblenbes oder andre 
Nevpee ı rlihalte,, was'feh gleichviel, da dieſer Umſtand hieß 
Ye: Bann der Dache: verändern Anne, und es werde dans 
Jdetßeü, Borphyre:h:’urissuex .d’amphiböte te. Himter den, 
gu dieſem Artikel gehörigen Remmrgqies finben wir: and die: 
Hab: dur Porphye fd Hr dın Ganggebirgen finde 
(bes perphyre se troutent dans les montagries & filons), 
und- in..felgigen mehr des weriger badretende Maſſen bilde. 
Hs. deitte Gattung treten die Mandeiſteine (Amygdaloides) 
wuf, qui.-ont une päte comme les porphyres ,: mais. qui 
&= diffrene en ce-que leur päte est: variable; er quasi 
Heu de atistaux, ce sont: des globubes calcaires etc. mi 
sont ‚ungages. dans 'cette.päte etc: — Die’ vterte Gadımg 
bee Grauit, zerfällt, nachdem er mehr oder Weniger zuſam 
mengeſetzt iſt, in verfühlsbene Arten. "Bo werden nad ci 
oder aufgefährt 1) der fogmmanıe Schriftgranuit; a):dte ſeltent 
@ehnart, wovon ein einziget Block von 24 Pf. Ochwere u 
Corfin: gefunden Worden, die aus weißen Quarz mit con 
teiſchen Ningen md Auyın“von grüwläher Hornblende beſteht; 
5). ver oghptiſche: Grauit; und 4) derſenige Granit, welcher 
außer Feldſpath, Quarz und Glimmer auch Schori unte 
feine Gemengtheile aufgenommen hat. — Die fünfte geogn« 
ſtiſche Gattung iſt Granit schisteux oder Greif, mit welcher 








der Bert. (vermuthlich um die Zahl die Gebirgsarten nicht je 


ſehr anzuhaufen) zugleich den Blimmerfchiefer vermengt hat 
'si confondu dans cette espece }& schiste micaoé de 
4uelques minedralogistes). Als fehle Gattung wird de 
Sichie fer, Schiste, aufgeführt. Die Veſchreibung dieſer 
Sebirgs art, unter welcher alle Arten des Schiefers ohne Un; 
terſchied Hegriffen zu ſeyn fcheinen, if} gu merkwärdig, als daf 
fie Rec. feinen Lefern vorenthalten ſolte, Diefes Beftein naͤmlich 
Hast ſich mit einer eifernen Spitze rigen, Htuweiten' auch mit dem 


Meſſer ſchneiden, gibt einen verſchiedenfarbigen Strich, nimmt 


Manuel .du Mineralogiste par. Brard. 463 


manchmal durch, Reiben mit ber Hand eine. Art: von Polite 
an, gibt beym Anhauchen einen chehigen Geruch / verfiert Im 
Waſſer nichts von feiner Dichtigkeit, ift von mehr ober weni⸗ 
ger blaͤttrigem Gefüge, und verändert im Jeuer die Jarbe. Unter 
den Karben bdeffelben finder fi and die roſenrothe. Die Bas 
rietäten des Schiefers, welche aufgeführt werden, find Schiste 
en rhomboides , dont les en varient, et ne sont poirit 
le resultat d une cristallisation, — en lames minces, — en 
espetes ' d’echais'. rösseniblamnt” asser bien &: des Eclats de 
bois, — en couches d’une Certains Epaisseur. — Schärfe 

koͤnnen die Arten „des. Schiefers nicht unterſchieden wirdeni! 
— Bey Erwähnung: das Zeichenfchiefege: geraͤth der Verf. 
eine Art von Exſtaͤfe, indem er 8, "432 in die Worte au 

bricht: ,„Au8, diefemfchtwargen,. unanfehnlichen Sciefer verfichen 
die bersüßnaten. Kühle BWanſpenbdonk und Nedonte de 
zärteften Blumen” mit unnachähtmticer Stazie und Wahrheit 
zu erſchaffen, and wie, viele geſchickte Kuͤnſtler koͤnnte ich. "TY ) 
anführeg, die mit einer‘ Art von- Zauberſchlag aus dirvr 
ſchwarzen Farbe Meiſterſtuͤcke verſchiedener "Art hervorgehen 
heißen‘ ! — Den Befchluß macht als ſi ebente Gattung de 


Serpentin, Dann, folgen S. 435: die vulkaniſchen Produete 


nad. Faujus Methode,, und zwar zuerſt' Die Laven, Verne 
©. 446'dle vulkaniſchen Ermaillen und Glaͤſer (Obſidian), und 
©. 448 die vuikaniſchen .Sublimate, . Noch find einige-,; all 
die phoſitaliſchen Eigenſchaften der Deineualten ſich begichendi 
Tabellen, die aus Hauy's Traité enmsmmen find, ferner die 
Beſchreibung des, auf einer Kupfertafel abgebudeyen Necess 
saire du. ‚Mindralagjate angchängt, :Settit im: dieſer Wi 


ſchreibumg finden ſich noch Unvollſtaͤndigkeiten, ‚ (indem z B 
ber Dorax nicht als ein, wirkjamen Schthelzmittel, fondern bloß 


um deswillen "aufgeführt wird, weil er dazu diene, à trowves 
Ir caubfır qu'un mindral communique X son verre, As 


Neagentien werden. bloß Salpeterfäure, Ammonigk und Diog 


lenſyrup angegeben In: Dog wir hoffen, bie Unvoltommen⸗ 


heit dieſes Handbuchs hinreichend dargethan, und in unſern 





” 


6G6gqleiermachere) Monologen. 


Leſern die Ueberzeungung bewirkt zu haben, daß es wenigſtens 
in fofern, als es für reiſende Mineralogen ˖beſtimmt iſt, feinen 
weck nicht erfuͤlle, und hoͤchſtens als ein Auszug ans Hanns 

raité für diejenigen, welche dieſes Werk nicht ſelbſt beſitten, 
rinigermaßen brauchbar ſey. 





udn 





Monslogen. Cine Neujabrsgabe. Zwevte Ausgabe. Verlin, in de 
Fealſchulbuchhandlung. 1810. IV u. 126 G. (12 gr.) 


Seit Janger Zeit iſt Rec. feine Echrift anfgeftoßen , welche 
unter einem fo einfachen Titel. und von fo geringen: Llmfang 
"fo vieles Wichtige enthielte, als dieſe Monologen bes Hrn. 
D. Schletermacher. SJmmer bat er fie mit vieler Erbaunng 
geleſen, und if Aberzengt, daB dieß auch bey vielen andern 
der Fall geweſen ſeyn m Sie find im wahren Sinne ui 
Worts Monologen: Selbſtgeſprache eines igdividuells gebildeten 
Seiſtes, weichen erhifge Srfinnung mehr gilt, denn fopfift 
Age: Gruudſatz, und. weider tet dern menſchlicher 
Seife eben fo unwärdig findet, als Allgemeinheit. Geld 
Neujahrsgaben find wahre Gaben, und mehr werth, als 
alte Nenjahrsgefchente der modtichen Leſewelt, welche als 

u kaum ben. erfien Tag des Jahres aberieben. 
.Den Inhalt des Werts wollen wie Hier nicht weittäufis 
angeben, da die Beflern damit ſchon bekannt feyn werden, und 
Die Semeinen auch durch die Hefte Anzeige nicht beſtimmt wer 
Den Häcfeen, ſich das Wefentliche daraus anzubliden, was 
eigenthuͤmlich wieder Rellen ; zumal da uͤberdieß bey Diele 
wenten Ausgabe nur Kleinigkeiten im Ausdruck geändert find 
ee Menfh und feine durch die Vernunft ihm beſtimmten 
Werhätniffe And der Gegenſtand der fünf Aufſaͤtze. Wic glas 
ben Hier erwähnen zu mäflen, daß Diefe Schrift manches Licht 
über die andern Werke des Verf., auch Aber die Grundlinien 
einer Kritik der bisherigen Sittenlehre verbreiten werde, Frey 
Uch wirb au fie das Dunkel, das über einzelnen Gegenfläw 
Den ruhe, wicht ganz zerſtreuen, was bloß durch Die Bekannt 
machung ber wiffenfhaftlihen und religiäien Sittenlehre anfert 
Werf. gefhehen kann; Doch, wer der dialektiſchen Kun fd 
bemoaͤchtigt hat, wird nad unſerm Dafärhalten den Kern wohl 
Gerauofinden - 


Zweyerley mißbilligt Rec. ,. erſtlich, daß der Verf. du 
Vorrede mit einer Diſſonanz ſchließt, welche jetzt nicht mehe 
an ber Zeit iR, und dann daß dieſe Ausgabe (far um di 
De als ‚die erſte) jener, ruͤckſichtlich des aͤußer, 









|) 





No. 30. Heidelbergiſche 1811. 
Jahrbücher der Literatun 


RULULILZRARSRLALLULL ALL TU LT ———J 


Anatomie und Naturgeschichte des Drachens. Von Dr 
Fried, Tiedemann, Prof. der Anatomie und Zoo- 
logie zu Landshut, Mit drey Kupfertafeln., Nürnberg, 

bey J. L. Schrag, 1811, 4. 26€. 


Nae allein die glten Dieter ſprechen viel Sonderbares 
‚und Schreckliches von den Drachen, ſondern viele Altere Matur 
hiſtoriker durch Künfteleyen tere geleitet, beſchreiben unter Dies 
fen Namen Befchöpfe, welche nirgendwo erifticen. Der Verfi 
hat ſich durch diefe Schrift daher ein wahres Verdienſt erwor⸗ 
‚ben, nicht allein dadurch, daß er in dem erfien Theile dichet 
Monographie dein einzigen wirklichen und exiſtirenden Drachen 
naturgefhichtlih und anatomiſch richtig beſchrieben, fondern 
daB er and in ‚einem zweyten Theile den Drachen der Alten 
‚mit wahren kritiſchen Scharffinn beleuchtet, und theils die 
Thiergattungen genau bezeichnet hat, welche man zu Draden 
gerhacht, theils die Irrthumer ruͤgt, in weiche eine Ichhafte 
Phantafle bey Berfiämmelungen und Eintrocknen anderer Thien 
geſtalten gerathen iſt. 

Der Verf. faͤngt mit der Naturgeſchichte des Thieres arm 
Das Geſchlecht if den Eidechſen verwandt. Linne beſchreibt 16% 
edit. ı8 Gen. ı2i Corpus tetrapodum caudatum elatum 
alis propriis, Es gibt uur eine bekannte Art: -»Draco viri» 
dis, der grüne. Drache. Die Kennzeichen: find fülgende: die 
Flügel ſetzen fih His zu den Oberichenkeln fort, mit weichen 
fie verbunden find; 2) der Kehlſack iſt lang, und läuft ſpitz 
zu; 3) die Oberſchenkel und Unterfchenkel ind nad): unten dur 
eine gezackte Hautfalte verbunden, 4) hinter dent Scheitel läuft 
auf dem Halſe eine feine gezackte Hautfalte, oder ein Kamm 
herab; 5) die ſchuppige Haut des-Köryers if gruͤnlich, vie 


Fluͤgel find Hräunlich, und Haben vier braune Auer. Inder. Dee 
50 


466 Tiedemann vom Drachen. 


Drache hat einen rundlichen Kopf, welcher vorn in eine ſtumpfe 
Ochnaüze uͤtergehht. In den Kiefern figen vier ſpitze Zähne, 


Die Augen find groß, und mit einer rundlihen Wulf um 


geben. Am Anfangs der Schnauze find bie Nafenöffnungen, 


hinter und unter den Augen die mit dem Teommelfelle ven 
ſchloſſenen Ohren. Der Kehlſack iſt lang, haͤngt vom ganz | 


Halſe herab, und iſt trichterförmig. Vom Hinterhaupte geht 
eine gezackte Hautfalte bis zwiſchen die Schultern, wo fie fh 


verliert. Die Worderfüße find frey, Haben fünf, burc fin 


Schwimmhaut verbundene Zehen. Die Winterfüge find- länge, 
der- Platifuß groß, die Zehen länger, und alle mit fpigigm 
etwas gekruͤmmten Nägeln verſehen. Die Fluͤgelhaut fängt 
imter der kurzen Beruf an, und endet an bet änfern 
Seite der Oberſchenkel; fie beſteht aus einer Duplicams 
vw Maut, die fih vrm Ruͤcken und Bauch hier zuſemma— 
legt, und die-fnhs fatichen Rippen, welche geſtreckt und na 
wenig gebogen find‘, zwiſchen ſich aufnimmt... Der Schwan 
äft ſehr lang 'und gegliedert, vierſeitig, ‚unten am. Baude I) 
feinen Anfang. iſt die-Definung der Kloake. Das Maͤnnqhen 
war: ſechs Parifer Zol 10% Linien lang, das Weibchen um 
einen Zoll groͤßer nals das Maͤnuchen. Doch ‚meint dei Vafı 
daß es auch größere Individuen gäbe, als die, melde et be 
ſchrieben. Sie find in Afien und Afrika zwiſchen den Wendt⸗ 
Irsifen zu Laus, Halten ſich in Wäldern und auf Yin 
auf, und feben von Inſecten. Sie flattern nur, um) ibn 
Flügel tragen fie hoͤchſtens auf Zo Schritt, von eimem Pau 
zum andern; auf der Erde kriechen fie nur langfam, ſchwim 
wen können fie gar nicht. i 
Der Verf. geht: num zur onatomifchen Unterſuchung bed 
Drachens, und zuerft zu den Organen ‚der Empfindung. Das 
Gehirn ift geößer wie bey den Amphibien, und kommt jenem 
der Vögel nahe. Won oben erblickt man fehe Hügel: ı ım 
2 die Hemifphären, 3 und 4 die Schhägel, 5 die Ziebelträit 
und 6: das kleine Gehirn. Das Ruͤckenmark iſt rund, UM 
zur Größe des Hirns betraͤchtlich. Die Augen ind. groß, mir 








Tiedemann vom Drachen, | 467 


onver, als bey den Übrigen Amphibien. Die Kryftaftinfe if 
und und von vorne nach hinten platt gedruckt. Hinter und 
inter den Augen iſt eine Gehoͤroͤffnung, ein Trommelfell, mit 
velhem ein Gehoͤrbeinchen verbunden iſt. An der Spike der 
Schnauze find die Naſenoͤffnungen, in jeber eine Muſchel. 
der Riechnerve hat ein kleines Koͤlbchen. 

I. Organe der Bewegung. Am Skelet des Drachens 
ind vorzuͤglich die Rippen merkwuͤrdig, wovon die oberſten 
echs mit einem Bruſtbein verbunden den Thorax bilden, die 
Intern acht aber find mehr und weniger geſtreckt, und dienen, 
wifhen der Flügelhane aufgenommen, diefe Haut Auszudehnen: 
die find alfo verichieden von Flugorganen des fliegenden Eich⸗ 
‚drachen, indem fie von den Rippen unterfiükt wird, und von 
enen der Fledermaͤuſe, in welchen die Ertremitäten, und vorz 
üglih die verlängerten Zeheh die Flughaut entfälten. "Eigene 
Nufteln, welche von der Ruͤckenwirbelſaͤule ſich dreyeckig in den 
intern Theil der Rippen inferiven, heben’ die Flügel, und. 
ndere zwiichen dein Rippen befindliche, den Interroſtalmuſkeln 
naloge Fleiſchfaſern legen die Flügel zuſammen. 

III. Organe der Ernährung. Der Oberkiefer hat ſechs 
Schneidezähne, vier Eckzaͤhne, und ſechsundzwanzig Backen⸗ 
aͤhne. Der Unterkiefer vier Schneidezaͤhne, zwey Eckzaͤhne 
‚nd ſechsundzwanzig Badenzähne, weiches den Drachen unter 
ie Raubthiere fell. Die Zunge iſt fchmal und die, nad 
orne abgerundet, ein gabelformiges Zungenbein nimmt den 
tehlkopf anf, und Hinter demfelden liegt der Kehlſack, weicher 
u8 det äußern Haut, der Muskelhaut und der inner Schleim: 
aus befteht, und, indem er die NMährungsmirtel aufnimmt, 
nd im erften Grade erweicht, ein mit dem Kropf der Voͤgel 
naloges Organ därftellte Daß er Gift abfondert, iſt falich,- 
a die Drachen ganz und gar keine giftigen Thiere find. Beym 
{uge follen die Drachen den Kehlſack auch mit Luft ausdeh⸗ 
en. Es folgen nun der Schlund, Magen, Darin und Dis 
arım, welcher vor dem After in die Kloake ſich erweitert, in 
yelchen die Blafe, Karnleiter und zwey rundliche Erhabenheu 


468 Tiedemann vom Drachen. 


ten, welche der Verf. für die männlichen Ruthen Hält, ſich in 
feriren. i 

IV. Organe des Kreislaufs des Blutes. Im Draden if 
ein Herz mit zwey DVenenfäden und einer Kammer. In dem 
rechten Venenfa gehen die zwey Hohlvenen, in den linfn 
die eine Lungenvene. Aus der Kammer entfleht die Aorta 
und die Arter. pulmonalis. Der Verf. glaubt, das Ka 
der Amphibien fey die Indifferenz zwifchen dem Herz der Fifhe, 
weiches dem rechten Herzen ber Säugthiere, und dem Kt 
der Schnecken, welches dem linfen Herz derfelben gleich od 
‚analog fey, da das Herz der Amphibien beyde gleichfam in 
der Indifferenz darſtelle. Diefe Hypotheſe ſcheint Rec. niht 
genuͤgend, wie er bey der Anzeige der Monographie des Ir. 
Aber das Fifchherz bemerken wird. 

V. Keipirationsorgane. Die Lunge befteht aus ber ne 
lichen Luftroͤhre, den Lungenzellen, und einigen Anhängen, wid! 
fih in die Bauchhoͤhle längft des Magens erſtrecken. 

VI, Zeugungsorgane. Die Meinen Hoden liegen un | 
den Nieren. Aus denſelben dringen die Samengänge bi n 
die Kloake, und endigen ſich in zwey Warzgen, welche dk 
männliche Ruthe darzuſtellen ſcheinen. Im Weibchen fin 
man traubenartige Eyerfiöcke, Eyerleiter, die füch im die Ks 
endigen. Die Drachen legen ihre Eyer in die Löcher der Bär 
gegen die Südfelte, wo der Foͤtus duch die Gonnenwi 
entipidelt wird. | 

Außer diefem eben beſchriebenen Drachen ſoll es noch ander 
Arten geben. Seba befchreibt einen brachiis alae adıst 
weldher in Amerika gefunden werden fol. Der Verf. bu 
felt die Exiſtenz diefes Thieres, da es zum Kriechen ungefäl 
wäre, aud bis jeßt fein Reiſender deffen erwähnt hat. 

Daudin beſchreibt noch zwey andre Drachenarten, I 
lich den geſtreiften und den braunen. 

Sn dem zweyten Theil dieſer Monographie, welcheri 
die Drachen der Alten kritiſche Bemerkungen ertheilt, be 
der Verf.: 2) daß das meifle, was von den großen gefüf‘ 
















Tiedemann Anatonie des Fiſchherzens. 469 


Drachen erzählt worden, Webertreißungen find; 2) daß jedoch 
in dem Alterchume und vorzüglih bey den Dichtern Apdxov 
und ädıs für Ein Thier gehalten worden, und daß man ges 
woͤhnlich die große Riefenfchlange (Boa constrictor L.) darun⸗ 
ter verflanden habe, welches auch ſchon die Etymologie der 
beyden Wörter wahrfcheinlih maht, da dpaxa» von depxeıv 
und gig von önreoDdar, welches beydes fehen bedeutet, her⸗ 
geleitet wird; 3) daß endlich aber aud) viele Naturforſcher durch 
kuͤnſtliche und eingetrocknete Thiergebilde, welchen man die Form 
gefluͤgelter Drachen gab, getaͤuſcht worden ſind, iſt nicht zu 
bezweifeln. 





u nm. m 0 


Anatomie des Fischherzens ‚ von Dr. Friedrich Tiede- 
mann, Prof. Zu Landshut, Mit vier Kupfertafeln. 
Landshut 1809. 


Diefe Monographie des Fiſchherzens ift aus Beobachtungen 
entfianden, welche der fleißige Verf. auf feiner’ Reife nach Paris, 
und vorzüglich durch Unterfuhungen an den Seen von Tyrol 
und am Abdriatifhen Meere angeftellt hat. , 

Bey den Fiſchen, fagt der Verf., find die drey Höhlen 
des Körpers nicht mehr; das Becken iſt verſchwunden, und die 
Gruft ift mit dem Kopf in eine Höhle zufammen gefchmolgen. 
Die Refpirationsorgane und das Herz find daher mit dem 
Ropfe verbunden, und die Rippen umfaffen nur die Verdaus 
ungss und Zeugungsorgane. Das Herz, welches in den mes. 
fien Sifchen Hinter und unter den Reipirationsorganen liegt, 
ift in einem dichten Herzbeutel eingefchloffen, welde von der - 
Kiemenarterie herab bis zum Zwergfell geht. Das Gewicht des 
Herzens zum Körper tft fehr gering, in den meiflen mie 2 gu 
350 — 480; in dem Bartumber (Sciaena cirrhosa wie 1: 768.) 
Ueberhaupt ift das Herz der fehr reisbaren und mit großen 
Kiemen verfehenen Zifhen, als der Hayfiſche, des Hechts, des 
Silberlachs, größer, als das Herz der trägen und mit Meinen . 
Kiemen verfehenen Fifche, wie jenes des Meerals, der Quappe 


470 Tiedemann Anatomie des Fiſchherzens. 


u.  w. Die Länge des Herzens verhält fih in den meiſten 
Fiſchen zur Länge des Körpers wie ı : 15 — ı7, im Bartum 
ber 27, im Meeraal 3a. Die Subflang des Herzens erhält 
ihre Krangvenen aus der Aorta, und das zuräckgehende Blut 
wird wieder in die zwey Hohlvenen aufgenommen. Die Ne 
venziweige des Herzens entfiehen vom Sympathicus, der an 
den Kiemen ein Geflecht bildet, woraus Faden für dieſe ſowohl 
als für das Herz entfpringen. Die Herzkammer beftcht aus 
einem dichten Gewebe von Muskelfaſern, welche nicht durd 
Zellgewebe mit einander verbunden find, fondern ſich nad 
mancherley Richtungen umfchlingen und kreuzen. Das Herz; 
it in den Fifhen roth, weiche ſich in fließenden Strömen, 
Bergwaſſern u. f. w. aufhalten, blaß aber und weißlich iſt das 
Herzfleiſch bey denen, die in ber Tiefe des Meeres, ode 
in ZTeihen leben. Der Verf. vergleiht nun in Hinſicht der 
Ausbildung der Refpirationsorgane die Nöthe des Blutes der 
Vögel, Sängethiere, Amphibien, Fifhe, und findet das by 
letztern dieſelbe am geringften iſt. So verhält es ſich auch mit 
den Muskeln und ihrer Bewegungsfähigkeiten. Die trägfen 
rgiſche find. die, welche in ſtehenden, an Sauerftofffuft armen 
Gewaͤſſern leben. Das Herz ber Zifche befleht aus einem Be 
nenſack und einer Herzkammer. Der VWenenſack iſt bey de 
Fiſchen ſehr verſchieden, liegt bald auf der Herzkammer, bald 
hängt ee an der Seite derfelden, er iſt bald rund laͤnglich, 
bald platt gedruͤckt, nach der Geſtalt, wie der Verf. beobachtet 
haben will, des Typus des ganzen Körpers. Die Herzkammer 
iſt weniger‘ geräumig als’ der Venenſack, aber mit fläckrn 
Muskelfaſern umgeben, in diefe Das Blut aus den Venenſaͤcken 


ſtroͤmt; mehrere Klappen verhindern das Ruͤckſtroͤmen. Die 


meikwuͤrdigſte Einrichtung des Fifchhergeng ift Der cylindriſche 
Anhang, welcher gegen bie aus der Herzkammer anffteigende 
Arterie gekehrt iſt, in melden Anhang funfzehn Klappen fi 
befinden, die in drenfacher Neihe über einander fiegen , und 
durch Muskelfaſern und Sehnenfäden mit dem Fleiſche des 
colindriſchen Anhangs verbunden find, auch ein Knöıd, 








Tiledemann Angtomie des Fiſchherzend. 474 


Nodulus Azant., mie bey Saͤugthieven haben. — Sin den 
größten Fischen iſt Matt des cylindrifhen Anhang :bloß eine ins 
wendig mit ‚Klappen verfehene Wulf. Das Fiſchherz aus dem 
Leibe genommen, ſchlaͤgt länger, Als jenes der Voͤgel und Saͤug⸗ 
thiere, und zwar das Herz der Sumpffiſche Länger, als dag 
der Flußfiſche. Hieraus zieht der Verf. den allgemeinen Schluß, 
daß die. Stärke und die Dauer der Tontrastignen des Herzens 
durch ale Thierklaſſen hindurch im umgekehrten Verhaͤltniſſe 
fliehen. 
Was Rec. bey der Durchleſung diefer Schrift befonders 
aufgefallen, ift die Gehauptung des Verf., daß das Fiſchherz 
als eine einfache Höhle mehr dem rechten Herzen der Bängs 
thtere und der Vögel analog, und eigentlih nur zu dem Zwecke 
da fen, das ans dem Körper nad dem vollendeten Ernährunges 
proceſſe durch die Hohladern zurückkchrende Blut in die Kiemen 
zu treiSen, um dort das Oxygen aus. dem Waſſer durch bie 
Kiemen fih anzueignen. Daher nennt derſelbe auch die aus 
dem Wulft, oder cylindrifhen Anhang des Fiſchherzens aufitek 
gende Gefäße die Arteria branchialis,, und nicht die Arteria 
aorta; allein es bleibt alsdann die Frage ;.ı wie entficht denn 
die Arterie, die das Blut dem ganzen. Körper übergibt. Der 
Verf. behauptet, dieſe Arterie werde aus den Lungenvenen zus 
fammengefegt. SIE diefes, fa müßten ja die Bungenvenen 
wieder an sinem dritten Orte zufammengehon, um ein neues 
Herz zu bilden, welches mit dem linken Hetzventrikel uͤberem⸗ 
fäme, oder fie müßten, nachdem. fie aus den. feinften Venen⸗ 
zweigen ber Lungenvenen Bie Aorta gebildet haͤrren, nach Art 
der Vena portarum ein arterielles ‚Gefäß die Aorta banftellen, 
wozu doch hier ganz der noͤthige Apparat fehle. Es if alßo 
wohl richtiger anzunehmen, die aus dem Fiſchherzen heraus⸗ 
ſteigende Arterie ſey wirklich die. Aorta, und die Nebenzweige 
ſeyen die Arteria brachialis, der fortſchreitende Hauptſtamm 
aber die Continuatio trunci aortici. — Es fiele damnach auch 
ganz die Anſicht des Verf. weg, daß das Fiſchherz bloß ein 
Herz für die Kiemen ſey, ſondern es müßte als ein Herz fuͤr 


J 





472 Bericht üben d. Veſtalozz. Ersichungtinfl. 3. Yocrden. 


bie Riemen ſowohl, ats für den ganzen Rächer augenommen 
werden; fo wie diefes aud bey Amphibien, ja bey allen un 
gebornuen Embryonen der Saͤngthiere der Fall if, in welchen 
nur eis einfacher Kreistauf art findet, der durch Die Lungen 
zugleich, und durch dem ganzen Körper geſchieht. 





Bericht über die Peſtalozziſche Erziebungs- Ankalt zu Yuerden, an 
Seine Ere. den Heren Landamm. und die Hobe Tagſahung der 
Schweizeriſchen Eydgenoſſenſchaft. Bedrudt auf Befehl der 
Zasfabung. Bern, bey A. Halle. 1510. 218 ©. 

Auf Peſtalozzis Sefu vom 20. Zun. 1809 beſchloß die 
Tagſatzung (don am na., den Landamman zu erfuchen, def 
ee. die Auſtalt und Methode „fowohl in Hinſicht anf die durch 
Diefelbe bewirkte Entwickerang ber Geiftesfähigkeiten des Kin 
Des, als auch unter dem Geſichtspuncte der ſittlichen und reli 
giſſen Bildung deſſelben, durch einige einfihtsvolle Männer 
on Drt und Stelle unterfuchen Laffe, deren Bericht feiner Zeit 
den hohen Staͤnden mitgetheile werden folle.* Der Hr. Landı | 
ammann d’Affry beauftragte hierzu am 18. Nov. ıBog bir 
Herrn Merian, Rathsherrn von Bafel, Pater Sirart 
von Freyburg, and Trechſſel, Profefor der Mathematik von 
Bern. Ihre Inſtruction verlangte ı) eine klare Darſtellung 
der Erziehungsanftalt ſelbſt; 2) der Methode; 3) eine Gens 
Kheilung des Werths des Inſtituts; 4A) feiner Brauchbarkeit 
insbefondere für Landfchulen, fuͤr Primaͤrſchulen in Städten, 
für Eecundärfhuien, und für höhere Lehranftalten. Der Ber 
richt wurde am oo. Sjun. ıBıo ber heben Tagſatzung vorge 
legt, und davon 200 Er. in Deutſcher und 50 Er. in Grand 
ſiſcher Sprache gedrudt, die den Städden zur eignen Wuͤrdi 
gung und Suftructionsertheilung auf ıBır mitgetheilt werden 

»follten. In einer Zufchrife au die Tagſatzung erklären ſich die 
drey Commiſſarien mit Würde und Veſcheidenheit Aber die 

Enfledigung ihres Auftrags. 

Diefe Schrift iſt alſo eins ber wichtigfien Documente is 
der Peßalozziſchen Pädagogik. Literaͤriſch betrachten, If es cin 





Bericht über d. Peſtalozz. Erziehungsinſt. z. Yrerdon. 473 


wuͤkdiges Geitenkäcdt zu ‚dem mit dem gerechteſten Lose ſchon 
läugft ausgezeichneten Amtlihen Bericht des Hru. Dekan 
Ith zu Bern, weiher dem Publicum die erfle Kunde von 
dem Weſen der Peftaloggifhen Anflalt und Methode gab, 
Hiſtoriſch betrachtet iſt es eine ſchoͤne Urkunde des Schweijzeri⸗ 
ſchen Patriotismus, den ſich dem großen Landsmanne nicht laͤnger 
verſagen konnte. Ob nun dieſer Bericht auch die Aufgabe loͤſe, 
und uͤber den Gegenſtand, welcher Obrigkeiten und Gelehrte 
nun ſchon uͤber ein Jahrzehend mit ungemeinem Intereſſe be⸗ 
ſchaͤftigt, ein entſcheidendes Endurtheil fälle, daruͤber muͤſ⸗ 
fen wie unſern Leſern unſere Gedanken vorlegen. Wir bes 
trachten die. Schrift nunmehr als unfrer Literamr angehörig, 
und fomie als einen dem ganzen Deutfchen Publicum mitges 
teilten Bericht. Es wird uns daher auch ein offenes Uxcheil 
über denfelben zuſtehen. Weniger ziemt uns ein Urtheil über 
die Inſtruction der hohen Tagfagung, ob wir gleid darin 
Weisheit anerkennen würden. Um jene vierfache Aufgabe nach 
ihrem patriotifch s weitbärgerlihen Sinne zu loͤſen, war bey 
ber Beobachtung des Peſtalozziſchen Werks ein zweyfacher Otand⸗ 
punct nöthig, der hiſtoriſche und der pädagogifche (philofophis 
Ihe), welches auch dis Verf. feinen erkannt zu haben, denn 
fie mifhen in der erfien wie in der zweyten Hinſicht oft auss 
führliche Reflexionen em. Dur haͤtte es entſcheidender gefches 
den müffen. 

Durch bie hiſtoriſche Anſicht mußte: der Peſtaloniſchen 
Idee ihre Stelle unter den bereits vorgekommenen paͤdagogi⸗ 
ſchen Vorſchlaͤgen und Verſuchen angewieſen werben: denn wie 
war anders eine gruͤndliche Wuͤrdigung ihres Werths und ihter 
Brauchbarkeit möglih? Hierzu aber war das, was S. 209 
über das Jahrhundert der Franke, der Baſedow, der Rochow 
‚gefagt wird, noch lange nicht hinreichend, und wir möchten es 
nicht mit den Ken. Verf. verantworten, daß file eben dieſes 
achtzehnte Jahrhundert das pädagogifche genannt haben. Mas 
‚der ehrwuͤrdige Franke gewollt, deffen iſt nicht einmal gedacht, 
und grade das. haͤtte zu einer intereflansen Parallele geführt, 


474 Bericht uͤb. d. Peſtalozz. Erziehungsinfſt. z. Yverdon. 


in welche wir (ſo wie gewiß auch die Verff.) Peſtalozzi weniger 
mit einem Baſedow fegen moͤchten; cher mit einem «bien 
von Rochow, fofern es frommen Enthuflasmus für Volkebil⸗ 
dung betrifft, ‘da Übrigens Peſtalozgzi weit mehr originell if. 
Bas von Nouffeau vorkommt, iſt noch lange nicht eine bier 
fo nöthige Darftellung feiner Erziehungsidee. Aber nun if 
vollends Locke ganz Abergangen. Und ſomit auch alles, was 
den neuern Encyklopaͤdismus Betrifft, welcher Doch eins ber 
Hauptuͤbel ift, dem fi Peſtalozzi's Idee entgegenfegt. Von 
dem berühmten Salzmann'ſchen Inſtitut zu Schnepfenthal 
verrathen die Commiſſarien gar keine Runde: gleichwohl konnte 
ur durch eine Nrebeneinanderfiellung dieſer Erziehungsanftalt, 
auf weiche genau und vielleicht noch mehr ein Lob paßt, web 
ches ©. 121 der Peftaloggifchen ertheilt wird, das Urtheil zur 
Würdigung des leßtern enticheidend werden. Wir wollen nidt 
von der Unbekanntſchaft mit mehren Schriften unfrer Literatur 
reden, welche manche Hier zu berädfichtigende Erziehungsmaxi⸗ 
men aufftellen; auch nicht davon, daß noch ‚manche ättere Exs 
ziehungsweifen mit großem Nugen zu vergleichen waren. Wir 
bedauern alle diefe Yinterlaffungen um fo mehr, da fo manche 
paͤdagogiſche Stellen aus Platon (z. B. ©. 155) u. U. gluͤck 
lich angeführt find. Welche reife Urtheile folcher hiſtoriſchen 
Vergleichung die Verff. würden gefällt haben, beurkundet fih 
unter mehreren aus der Rüge ©. 117 über das Unrichtige 
einer Begriffefcheidung zwiſchen Humanismus und Philanthres 
pinismus. | | . 

Noch weniger finden wir in diefer Schrift den rechten 
pädagsgifchen Standpunet, welchen der Beurtheiler der Peſta⸗ 
lozziſchen Anftalt und Methode fallen muß. Denn geht irgend 
ein Erzieher von dem Mittelpunct aller Erziehung aus, fo ik 
es Peſtalozzi: diefe drey Beurtheiler gehn aber nicht von Diefem 
Mittelpunet aus, und darum, wir reden nach unferer Anſicht, 
Haben fie ihn gar nicht verftanden. Zwar wird die Peftaloggis 
ſche Methode für die einzige wahre Methode erflärt (&. 199 f.), 
and es wird mit Lob erhoben, daß He den Weg der Natır. 








Bericht über d. Peflalozs. Ersichungsinft z. VYverdon. 475 


einſchlagen will. Aber das iſt viel zu allgemein; denn ruͤhme 
ſich 4 en nicht jede Erziehungsweife? Was die Natur fey 
und mys ih⸗ Weg, das wiſſen wir damit noch nicht. Hat 
Nouffeau recht, det die Natur will, fo gemein wie fie nur 
gerade ift? Oder batte Franke recht, der, überzeugt von der 
Berdorbenheit der menſchlichen Natur, die Natur von oben 
fuchte? Oder follen wir es aus Platons Lehren vermehren ? 
Dder aus der modernen Seichtigkeit? Um aber den Sinn 
eines Peſtalozzi rein aufzufaſſen, dazu iſt ein tiefes Eindringen 
in das Weſen der Menſchheit nothwendig. Die Verff. berufen 
ſich auf das Gute oder Schlechte, das man in vielen Bil— 
dungsanſtalten finde, fie verlangen, daß nicht ſowohl Specus 
Iation als Erfahrung den Erzieher leiten ſolle: alles recht gut, 
nur nicht viel beffer, Als das Sprichwort medium tenuere 
beati. Man kann gar viel Huͤbſches treiben und in Schulen 
einführen, und in Schuleinrichtungen aufzeigen. Wenn das 
Phſtalozziſche Inſtitut nichts gewollt hätte, - als ein neues 
Mufter einer ſolchen Induſtrieanſtalt aufbringen , fo wäre es 
in der That nicht des Nennens werth. Wir wollen uns 
daher auch bier nicht auf die Darftellung des dortigen Lehrs 
weſens, das ohnehin unfern Lefern genugſam bekannt ift, auch 
nicht auf die unfter Meynung nach meift gerechte Vertheilung 
von Lob und Tadel einlaffen. Es war noch weit mehr, was 
wir fuchten, aber nicht gefunden haben. Der tiefere Zufams 
menhang zwifchen Unterricht und Erziehung mußte aufgezeigt 
werden, um dabey zu bemerken, wie ihn Peſtalozzi durch feine 
Methode will ‚ und wie meit ihn das Inſtitut im Beyſpiele 
aufſtellt. Was S. 137 f. uͤber den Schmidtiſchen Unterricht 
in der Geometrie geſagt wird, beweiſet, daß das Eigene einer 
völlig reinheuriſtiſchen Form nicht beachtet worden. Denn dieſe 
iſt noch etwas ganz anders, als die Entwicklung eines vorge⸗ 
legten mathematiſchen Satzes, waͤre es auch durch die ganze 
Geometrie ſo durchgefuͤhrt, wie das angefuͤhrte bekannte Bey⸗ 
ſpiel von Sokrates ſelbſt, in Platons Menon. Es iſt die 
Entwicklung des Seittee, in der Anleitung zum frey ſuchenden 


476 Bericht über d. Peſtaloz;. Ersiehungsin. 4. Vverdon. 


"und alles aus fich ſelbſt findenden matbematifhen Denken. 
Es mußte aus den tiefiten Gründen erklärt werden ‚9 warum 
‚jener Erzieher mit einer Begeiſtrung, die ih zum Märtyrer 
macht, das Kind dadurch aus fich feldft entwickeln will Lt: ee 
daſſelbe dem Heiligthume des Gemuͤths, der Religion, und 
dabey vornehmlich der bildenden Band der Mutter übergibt. 
Und noch dergleihen mehr mußte erklärt werden, worin Peſta⸗ 
lozziſs kräftige Worte und TIhaten fih auszeichnen. Erft wenn 
fo feine Erziehungsidee in ihrem inneren Weſen aufgefaft 
worden, war ein Urtheil über ihren Gehalt und ihre Brauch— 
barkeit möglich. Wäre diefes gefchehen, fo wäre z. ©. das 
Urtheil über die Antwort, die dort auf die Frage wegen dis 
Moralprincips gegeben worden, ganz anders ausgefallen, ja es 
wäre gar nicht einmal zu diefer Syſtemfrage aus dem vorigen 
Jahrzehend gelommen (S. 57 f.). Wahrſcheinlich verſtand 
man ſich auch nicht uͤber dieſe Frage. Denn ein Moralprincih 
zum Grund einer Lehre legen, iſt etwas anders, als «8 gm 
runde des Lehrens legen. Das erfiere fcheint die Meinung 
der Fragenden, das le&tere der Antwortenden geweſen gu feyn. 
Schlimm war es dabey, daß fi) die letzteren nicht deutlich zu 
machen wußten, weil nad allem, was Lehrer von Yverdon 
darüber geichrieben Haben, fie die Religion als Grundlage 
der Sittlichkeit und der fittlihen Bildung wohl fühlen, aber 
nicht deutlich erfennen. Chen in diefem Mangel von theologis 
fher Bildung der dortigen Lehrer liegt dere Grund, warum fie 
die Merhode des Chriſtenthums mehr ahnen, als wiſſen, wäh: 
rend fie in ihrem Unterricht nach dem Geiſte deffelden verfah 
ren wollen. Vielleicht liegt auch hierin der Grund, warum 
‚man dort Über den Religionsunterricht fo geheim iſt, worüber 
©. 174 f. geflage wird (eine Klage auch andrer, ‚die dort 
waren), oder vielmehr, warum bie Lehrer felbft damit wohl 
noch nicht im Meinen find. Ein Beweis hiervon iſt auch bie 
Erklärung der dortigen Lehrer (S. 61), „daß die Anſtalt bes 
ſchaͤftigt fey, die veligidfe Entwicklung der menfhlihen Naturx, 
in fofern die Geſchichte und die alte Schrifitunde fie beleuchte, 








Bericht über d. Peſtalozz. Ersichungsinft, 4. Yverdom. 477 


näher zu unterfuchen, und erſt nach diefer Vorarbeit ihrem religid⸗ 
fen Unterricht die leßte Vollendung zu geben.“ Es wundert ung, 
daß die Commiſſaͤre nicht auf diefe fo naine und bedeutende Ers 
klaͤrung ein Urtheil gründen. Denn jener Unterfuchungen konnte 
die Anftalt völlig überhoben feyn, indem fie nichts Befieres 
finden ann, als was die größten Geiſter aller Zeiten hierin 
bereits gefunden haben. Auch wärden fie fich ein großes Wer 
dienft erworben haben, wenn fie den Anfangspunct aller Bils 
dung, den Peſtalozzi zu wollen fcheint, in der Selbſterkenntniß 
gefunden, und. dabey gezeigt Hätten, inwiefern fih nun die 
reinchriftliche Lehre von der Zuͤndhaftigkeit des Menſchen u. ſ. w. 
zu dem Geifte der Peſtalozziſchen Methode und zur DVerfaft . 
fung bes Inſtituts verhalte, wenn fie auch dabey Hiftorifche 
Blicke auf frühere ascetifche Anftalten geworfen hätten. Aber 
wir vermiffen fogar die Betrachtung über jenen Hauptgedanken 
Meftalozgi's, nah welchen er das Erſte der Religion in den 
Gefühlen des Kindes gegen die Drutter, und alfo die Quelle des 
Nationalwohlſeyns und allgemeinen Heils in der wahren Muͤtter⸗ 
lichkeit findet. Wir ſind daher der Meinung, daß Peſtalozzs 
Methode von den Verff. nicht in ihrem tiefſten Grunde iſt 
aufgefaßt und gepruͤft worden. Wenn das Kunſtwerk eines 
Mahlers ſoll gewuͤrdigt werden, ſo iſt es nicht genug, daß 
man dieſen Pinſelſtrich tadelt, jene Farbengebung lobt; es 
iſt auch nicht genug, daß man ſeinen Verſtand in der Anord⸗ 
nung des Werks oder ſeine Regelmaͤßigkeit pruͤft: um den 
Genius zu erkennen, dazu wird ein tiefer Sid in das u⸗ 
nerſte des Ganzen erfodert. 

Wenn aber das Peſtalozziſche Wert weder genugſam Hifter - 
riſch, noch paͤdagogiſch aufgefaßt worden, fo iſt auch das Urtheil 
über daffelde nicht genugfam begründet, und es kann unmöglich 
dieſe patriotifhe Angelegenheit Hierdurch zu einer Entfcheidung . 
gebracht ſeyn, welche vor der Geſchichte der Pädagogik beſteht. 
Wirklich iſt auch das im Ganzen für Peſtalozzi's Angelegenheit 
ungänflige Reſultat am Eng S. 189, weder erfreulich, noch 
genügend. Das Inſtitut ſoll nämlich weder auf Primärs noch 

/ - 


[4 


ATS Bericht über d. Peſtalozz. Erziehungtinſt. z. Voerdon. 


auf Sedundaͤrſchulen, weder auf die Stadt, noch auf das Land, 
meder auf niedere noch auf höhere Bildungsanftälten anwend⸗ 
bar fepn. Der ehrwürdige Stifter felbft wird, wie wir ven 
nommen haben, auf diefen Bericht antworten. Moͤge er « 
nur ganz mit feiner eignen Kraft thun, ohne irgend eine fremde 
Hand! Denn was er fast, wird doch am Ende am beiten 
verſtanden. | 

. Die Prüfung des Inftituts, als Inſtitut betrachtet, nnd 
des dort betriebenen Lehrweſens, fo wie es ſich wirklich finder, 
if den. Commiſſarien weit beffer gelungen. Wir lefen hier einen 
seht guten Schulviſitationsbericht. Einige Pleinlihe Dinge 
ausgenommen, z. B. (&. 128) daß von den mathematiſchen 
Gegenſtaͤnden grade die zarteften Organe des Schülers ange 
griffen werden follen (! ), und ©&. 130, daß das Sitzen ber 
jugend bey dem Unterricht doch eben nicht fo gut fey wie das 
Stehen (1), mäffen wir, nach mehrmaliger genaner Beobach⸗ 
tung der Anftalt gu Yverdon, im UWebrigen uns zu gleicher 
Uebergeugung bekennen, 3. B. daß der allzulangfame Gang 
in dem Lernen gerüge wird (S. 108), und daß dennoch in 
manchen Dingen dort das Bild eines Treibhaufes erfcheint, 
‚wie auch (S. 185) daß den Zöglingen nicht genug Zeit zu 
eigner freyer Anwendung ihrer Kräfte geſtattet fey; ferner bie 
Bemerkung, daß die Anſtalt univerfell, eine Univerfität für 
die Kindheit feyn wolle (S. 97), daß dort der Nacheifrungs 
trieb gu unbedingt verworfen werde (S. 185 f.), daß aber 
Übrigens die Difeiplin viel Wortrefflihes habe, u. dgl. m. 
Hec. muß daher in diefem Werke fehr gute Beyträge zur Paͤ⸗ 
dagogik anerkennen: aber eine tiefer gehende Unterfuchung der 
Peſtalozziſchen Idee in Abſicht ihree Anwendbarkeit zur Na 
tionalbildung nach dem achtungswürdigen Willen ber hohen 
Tagſatzung muß er noch wünfchen. 





| 





Tpelott Der Dom in Coͤlln. 479 


dr Dom in Coͤlln. Dom Vrof. Thelott. Erfes Heft. Mit 
Kupfen.  Dortmand bey den Gebrüdern Mallinckrodt. 1810; 
fol. (3.f.) | 


Der. Verfaffer Hat nirgends angegeben, was er eigentlich 
nit diefem Werke, wolle, und wie er es wolle. Diefes Heft 
nıhält bloß den Grundriß des Doms und die Anficht der bey⸗ 
en Thärme, nad dem urfpränglicen Plane, wie fie auch 
ruͤher fchon geflochen wurden, ohne Maßſtab, und mit duͤrf⸗ 
igen allgemeinen Bemerkungen. Da diefes. Gebäude, auch in 
einem unvollendeten Zuftande, als eines der herrlichften Werke 
Deutſcher Kunft betrashtet werden muß, fo wäre eine treue, 
wusführliche Beſchreibung allerdings geeignet, bie noch ſchwan— 
enden Begriffe von fogenannter Gothiſcher "Architektur zu bes 
timmen,, und ihr die gebührende Stelle anzumeifen, von welcher 
ie ein einfeitiger Geſchmack ſo lange: zu verdrängen fuchte. 
Der Verf. bat jedoch nirgends bewieſen, daß er mit dem 
Tcchnifchen der Deutſchen Baukunſt und mit ihrem Geift fo 
vertraut ſey, wie es zu jener Abficht erforderlich wäre Bey 
ven vielen hiſtoriſchen Linzichtigfeiten im. den von ihm _anges 
ührten Daten wollen wir nit verweilen, indem fie dem Kunz 
Yigen von ſelbſt auffallen, fondern uns zu feiner Anſicht von 
er Sorhifhen Architektur wenden. Er haͤlt fie für Indiſchen 
Irfpeungs ,„ weil ihr die Bedachung fehle. Sonderbar genug 
jat hier der Verf. uͤberſehen, daß im Gothifhen Dom alle 
vedacht ifE, jedes Säulchen und jede Spitze. Diefe Form findet 
id auch in den Bildfiöden, welche ehemals in katholiſchen 
'Yindern an allen Straßen ftanden; und die wahrfcheinlid ſchon 
n früher Zeit, von Griehifhen und Roͤmiſchen Chriften, den 
lten Hermen und Termen fubflituirt wurden. Auch die Heinen 
Zeiligenbilder, wie fie das katholiſche Landvolk, befonders im 
er Schweiz und in Defterreich noch häufig bey ſich trägt, und. 
ie in einer Blende von Blech ſtecken, haben, ganz dieſelbe 
Seftalt. Die architeftonifhen Formen deuten freylich oft auf | 
in klimatiſches Bedürfnig Hin, jedoch wird dieß immer nur 
a der Fall feyn, wo fie nicht unmittelbar aus einer dee 





450 Thelott Der Dom im Couln. 


Hirvorgingen. Die Deutihe Baukunſt trägt ganz den religib— 
fen Sharafter, wie häste fie font auch im goldarmen Deutichs 
Yand folche Werke hervorbringen können? Der Meifter ar— 
heitete hier der Ehre Gottes wegen, und feine hoͤchſte Belohr 
nung war, in dem Dom begraben zu werden, welchen er 
baute. — Auch ˖ darin möchten wir nie, wie Einige gerhen, 
das Unterfcheibende der Deutfchen Baukunſt von der. antiken 
fuchen, daß diefe mehr nad) dem Vegetabiliſchen hinſtreben ſoll. 
Die muß jede Architektur, wenn fie nicht ale todte Maſſe 
erſcheinen will. Zum Leben muß fie Überall fi neigen, aber 
Die Thier⸗ und Menſchengeſtalt find ihe verfagt, darum en 
greift fie daſſelbe in einer niedrigern Form feinee Erfcheinung. 
Mur Hat die antife Baukunſt, wie alle Kunft der Alten, mehr 
das Gepraͤge der Sculptur, die Deutfehe bedient fich dee Sculptur 
bloß zur Verzierung. Was aber Hauptfählih das Gothiſche 
Meünfter von dem Helleniſchen Tempel ſcheidet, iſt genau die 
felbe Linie, welche den Paganismus und ben Chriftianismus 
trennt. Die heitre Griechiſche Religion reißt den Menſchen 
keineswegs von dem Leben loß, wohl aber die chriftliche (fe 
wie fie nämlich das Chriſtenthum im den Vorſtellungen de 
Mittelalters gebildet Hatte), darum hat jene volles Licht, dieſe 
ftilles Heldunkel. Der Menſch, der in einen alten Dom tritt, 
ſcheidet gleihfam vom Wergänglihen, eine andre Welt umfängt 
ihn, Schauer der Ewigkeit ergreifen fein Gemuͤth, und wie 
der einfache Choral die einzige wahrhaft chriffliche Muſik ik, 
fo muß auch die Kirche diefen Charakter der Simpficität und 
Sröße tragen. Die Myſterien, melde hier gefeyert werden, 
find keine Symbole des irdiſchen Lebens, fondern des Todes 
und der Auferfiehung. Darin liegt es au, warum die Ss 
thiſche Baukunſt weniger Schmuck hat, am reichten iſt das 
Portal, aber Hier ift ale Verzierung chriſtliche Symbolik, 
religiöfe Hieroglyphenſprache, und feläft die mannigfachen Aus 
ſchmuͤckungen der Bäulenknäufe in dem Dom zu Chin mit 
Blumen und Pflanzen aller. Art fcheinen von einer kirchlichen 
Sitte entlehne, nach welcher an einigen Feſten Die Altäre 
mit Blumen und Mayen verziert werden. 

Bir haben uns,“ bey ber Unbebeutenheit des vorliegenden 
Werts, ſchon zu lange dabey verweilt, und wollen bier nur 
nod) den Wunſch ausiprehen, daB uns bald etwas Umfaſſen⸗ 
deres und Senügenderes über vaterländifche Architektur gegeben 
werden moͤſgſge. Sh: 


— — 





No. 31. Heidelbergifhe 1811: 
Jahrbuͤcher der Literatur. 


— öö—————————————xxxx 
4, Dictionnaire des beaux arts, par A.L. Millin. Cetouvrage . 
fait partie de ceux adoptes par le gouvernement pour la 
formation des Bibliothöques des Lycees. T. I. à Paris 


chez Desray. 1%6. VIII u 859 & T. IL. 74 ©. 
T. III. 826 &, 8. 


2, Wörterbuch zum Bebuf der Aeſtbetik, ber fchönen Fünfte, deren 
Theorie, Geſchichte und Archäologie. Von S. G. Gruber. 
Eriten Tbeiles erfier Band. Mit Kupfern. Weimar im Ber 
lage bes Ind. Eomptoirs. 1810, XIV u. 759 ©. 8. (4 Rthlr.) 


3. Grundzüge aͤſthetiſcher Vorleſungen zum alademifchen Gebrauch 
von Heinrich Zuden. Göttingen by 8. Zr. Dantwerts. 
1808. XVI u. 144 G. 8. (2 Rthlrees8 gr.) 


4. Geschmackslehre oder Aesthetik von Wilh. Traugott 
Krug. Königsberg bey A. W. Unzer. 1810. XII und 
585 S. 5. 


5. Von der Idee der Schönheit. In Vorleſungen gehalten zu Dres⸗ 
den im Winter 18507 durch Adam Müller. Berlin, be 
3. €. Hitzig. 2416, 8. (1 Rthlr. 12 gr.) 


Desteid die Aeſthetik, eine Wiſſenſchaft, die von Deutfchen 
rfunden, und bisher auch nur von Deutſchen ausſchließend 
ultivire worden iſt, ſeit ihrem Urfprung an zwey Hauptgebres 
hen leldet, von welchen ihr vor allen Dingen abgeholfen wers 
en muͤßte (wir meinen Inhalt und Behandlung diefer Doctrin), 
’ vermehrt demungeachtet jede Meſſe die Anzahl der Schriften 
der diefe Wiſſenſchaft, ohme daß in der meuen Zeit irgend 
ine Schrift jenen Zuftand einer Unterfuhung ‚unterworfen härte. 
ig fcheint, als ob man es nicht der Muͤhe werth hielte, ſich 
arauf einzulafien, diefen Mangel zu entfernen, wenn man 
leih font bemüht geweien ift, nichts unverſucht zu laffen, 
odurch fie ihre Vollſtaͤndigteit erlangen konnte. Glaubt man 
ET 


482 | Aeſthetiſche Schriften. 


vielleicht, dieß ſey unter der Wuͤrde der Wiſſenſchaft? Die 
wollen eine ſolche Vermuthung gar nicht hegen; fondern find 
überzeugt, daß vielmehr im dem Mangel der hierzn nöthigen 
Kenntniffe und in dem Wechfel der Syſteme der Phitofophit, 
deren jedes ſich als das einzig wahre anfah, der Grund wu 
ſuchen iſt, warum die Aeſthetik jene Schwächen nod nicht ber 
feitige Hat. Man glaubte nämlich, und aud) jest noch, gmig 
gethan zu haben, wenn man die Aeſthetik mit dem jedesmal 
an der Tagesordnung feyenden Syſteme in Webereiuftimmung 
braͤchte (ein Zeichen, daB Die Deutfhen mit der Philoſophie 
doch nicht fo vertraut find, ats fie es meinen; denn fie nehmen 
die Form flatt des Weſens), und ließ fich dadurch irre leiten, 
ihre eigenes Element, wodurch fie eben einzig und alein al⸗ 
Wiſſenſchaft beſteht, zu verachten. Kein Wunder alſo, daß dit 
Aeſthetik daher gegen alle dieſe ſchlechten Mittel und Inſtrument, 
wodurch man ihr aufhelfen wollte, ganz gleichguͤltig bie. 
Die mangelhafte Kenntniß der Gegenſtaͤnde, in welchen fd 
das Schoͤne offenbart, und deren Kenntniß durchaus erfoderliq 
iſt ein eben ſo bedeutender Grund. Die Aeſthetik hat di 
Schoͤne, wie es ſich als ein Individuelles offenbart, in fein 
verſchiedenen Geſtalten zu betrachten. Da fie eine philoſophe 
ſche Wiſſenſchaft ift, 10 ftege ihr 06, Hiervon Kenntniß 
Haben, gründliche, anſchauliche Kenntniß. Und wer mid 
hier, da plaſtiſche, maferifche und architektoniſche Kunfurt 
in unferm Waterlande fo felten find für die Beſchauung, di 
die Philoſophen, welche die Aeſthetik eigentlich zu bearbeiten 
haben, kaum mit einer der Kanſte in der Regel ſich nice le 
fhäftigen (die Naturſchoͤnheit iſt nur Eine der vielen Gei 
ten), ‚und die Zanſtler mit der wiſſenſchaftlichen Darfelin} 
der Kunft, welche eine von dem Kunſtgenius werfchtedene HP 
tigkeit erfordert, nicht vertraut find, wer möchte hier em 
Sründliches teiften ? Durch Uebung lernt ber Kuͤnſtler de 
Sqwierigkeiten beſiegen, welche ſich der Darſtellung Ir! 
Gefuͤhls in der Außenwelt entgegenſtellen. Sollte nun 

wiſſenſchafiliche Geiſt, ohne die Schoͤnheit in den Werlen M 








Aelthetiſch⸗ Schriften. 483 


Kunſt und in der Natur angeſchaut zu haben, fie a priori 
zu deduciren und zu erklären im Stande feyn? Ohne Kunfts 
werke gefehen zu haben, und dennoch von Schönheit fprechen zus 
wollen, kommt uns vor, ale des Tauben. Enthuflasmus Über eine 
ſchoͤne Muſik. Diefe zwey Puncte waren es nach unferm 
Dafuͤrhalten, weshalb wir bis jetzt noch keine wiſſenſchaftliche 
Aeſthetik erhalten haben. Was ſonſt noch hierbey erfodert 
wird, uͤbergehen wir als nicht hierher gehoͤrig, und wenden 
uns vielmehr zu den anzuzeigenden Werken ſelbſt, welche wir, 
um nicht bey der Anzeige jeder einzelnen zu weitlaͤufti zu 
werden, zuſammen gefaßt haben. 

Vorliegende Schriften haben angeſehene und ehrenwerthe 
Maͤnner zu Verfaſſern, welche ſich in der Wiſſenſchaft ſchon 
mehr oder weniger ausgezeichnet haben. Es kann daher nichts 
weniger, als intereſſant ſeyn, ihre Meinungen gegen einander 
zu halten. Denn, wenn ſie auch nach Einem Ziele ſtreben, ſo 
haben ſie doch nicht alle, wie man aus andern Umſtaͤnden zu 
ſchließen berechtigt iſt, nur Einen Weg gewaͤhlt. 

Jedoch um uns und unſere Leſer nicht zu verwirren, be⸗ 
merken wie gleich hier, worin unſere Verf. von einander abs 
weichen. Hr. Millin und Hr. Gruber haben bloß lexikaliſche 
Werte gegeben, die Hrn. Luden und Krug foftematifhe, Hr. 
Müller eine Monographie. An jede diefer drey Arten muß 
man andere Foderungen machen. 

Fangen wir mit den beyden lexikaliſchen Schriften an. 
Hr. Millins Wert beſteht aus drey Baͤnden, und zeichnet ſich 
durch fein Aeußeres vor dem Deutſchen Werke des Hrn. Gru— 
ber ſehr aus, von welchem bis jetzt nur des erſten Bandes erſte 
Abtheilung erſchienen iſt, die die Buchſtaben A und B enthält. 
Beyde Werke ſind nicht die erſten in ihrer Art, ſondern aͤhn⸗ 
liche von La Combe z. E., Watelet, Levesque, Pernetty, 
Sulzer mit v. Blankenburg, ſind ihnen vorhergegangen. Beyde 
Verf. haben dieſe Arbeiten ihrer Vorgaͤnger benutzt, und auch 
die Bemerkungen anderer Gelehrten uͤber aͤſthetiſche Gegenſtaͤnde, 
weiche ſich nicht in jenen Werken befanden, aufgenommen. 





483 Aeſthetiſche C Hriften. 


Eie haben ferker, wie zu erwarten war, eigene Erfahrm 
gen und Bemerkungen da mitgetheilt, we die Befkrebungtn 
anderer Gelehrten entweder unrichtige, unveliländig, oder min 
ber beſfimmt waren. Beyde Werke zeichnen ih daher vor deu 
ältern Schriften diefer Art aus. Den Zweck des M. Diction- 
naire fpricht der Zufag anf dem Titelblatte aus: Cet ouvrage 
fait partie de ceux adoptes par le Gouvernement pour la 
formation des Bibliotheques des Lycodes. Hr. Grube 
erflärt Ah S. X. Vorrede, daß er nicht auf Beollfländigkeit, 
fondern nur auf größere Neichheltigkeit Anſpruch mache, ohne 
jedoch anf fie großes Gewicht zu legen. Vielmehr, fährt er fart, 
follte es fich dadurch auszeichnen, daß im jedem Der vorkom 
menden Artikel die verfhiedenen Meinungen, Urtheile amd Au 
ſichten, welche der Erwähnung werth waren, zufanımen gettes 
gen wären, fo daß der Befiger die ſes Wörter buds 
einer größern äfthetifhen Bibliothek Leichter 
eutbehren könne ©. XI. Konnte id durch folch eine 
Einrihtung meines Wörterbuhs (Sammlerfleiß mit Urtheil 
gepaart) Hoffen, der Einſeitigkeit entgegen zu arbeiten, zu 
Vergleichungen einzuladen, und Aberall Dem Geift des eignen 
Zorfhens zu wecken (dieß Hat er wirklich geleiſtet), und 
fhon hierdurch der Wiſſenſchaft nicht gänzfih unbedeutenden 
Bortheil zu bringen, fo fehmeichle ih mir, durch andres auf 
zue größern Berichtigung und Gicherfiellung derfeiben etwas 
beygetragen zu haben.” — Bas den Inhalt betrifft, fo weichen 
beyde Werke von einander in fo weit ab, als das Franzoͤſiſche 
bloß für die beaux-arts beſtimmt iſt, das Deutſche Hingegen 
außerdem noch Aeſthetik (eine den Frangofen unbekannte Doctrin) | 
und Kunfigefhichte umfaßt, und fogar noch Hifkorifche und bis 
graphifche Notigen mitcheilt. Der Verbindung der Künfte mit 
Der Aeftherit und Kunftgefhichte in dieſem Galle wollen wir 


Überhaupt unfern Beyfall nicht verfagen,, was aber jene Hifte: 


riſchen und biographifchen Notizen "angeht, fo können wir es 
nicht gut heißen, weil dadurch das Werk unndtbiger Weit 
vergrößert wird, ohne daß fonf etwas vollſtaͤndiges gegeben 





Aeſthetiſche Schriften. a486 


verdben kann, ba wir uͤberdieß auch hiſtoriſche Woͤrterbuͤcher 
chon beſitzen, wo der Kuͤnſtler und Kunſtrichter Verdienſte ers 
vähnt find. Daß vieles hier zwepmal, wo nicht noch mehrmal 
vorkommen muß, fieht jeder ein. Und follte nicht auch, in fa 
ern als noch lebende Gelehrte z. E. Bed, Becker, Berns 
)aedi, Böttiger 70. aufgenommen worden, der Fall eins 
reten, daß aus Rüdfihten und Umfländen kein unbefangenes 
Ictheil gegeben werden kann, daß mander im Stillen viel 
virfende Übergangen werden muß, manches unrihtig ausfällt 
ı. fe w.? Exempla sunt adiosa. Sn Ruͤckſicht der Behandı 
ung der einzelnen Artikel muͤſſen wir Hrn. G. Woͤrterbuch 
»oe dem M. Dictionnaire den Vorzug einräumen; es iſt 
reichhaltiger, philoſophiſcher und enthaͤlt mehr Literaͤrnotizen, 
Zum Beweis duͤrfen wir nur die Artikel: Aeſthetik; Archi- 
tecture, Baukunſt; Allegorie; Angenehm, agréable, aufuͤhren, 
Manches if in dem Franzoͤſiſchen Werke ohne allen Werth, 
. E. beau, aesthetique, Mit diefem Ausfpruch will jedoch 
Rec. Leinen wegwerfenden,, geringfchäßenden Tadel gegen M. 
ausgefprochen haben, denn hier trägt er die Schuld feines 
Volks; fondern nur die Ungulänglichkeie feiner Arbeit andeuten. 
Die archäologifchen Artikel zeichnen ſich fonft fehr ju ihrem 
Vortheil aus. Dann darf Rec,’ auch nicht verfchweigen, daß es 
bloß für Franzoſen und für ſolche Deutſche berechnet iſt, welche 
in Raͤckſicht der Kunſt und der Kunfturtheile fih an jene ans 
fchließen. Bey den Franzoſen hat faft jedes noch die aus dem 
Siecle de Louis XIV, anklebende Bedeutung, welche die 
Natur des Gegenſtandes aus einigen unweſentlichen Merkmalen 
beſtimmt. Poeſie z. B. iſt dort noch immer Part de faire 
des ouvrages en vers; das Drama darf jener drey Einheiten 
nicht entbehren. Diefes Ungureichende, Mangelhafte (für die 
Franzoſen freylich nicht), weiches theils aus der Auctoritaͤt 
einer verkehrten Anſicht von Ariſtoteles, theils in der Natias 
nalitaͤt ſelbſt beruht, ſpricht, gegen das Gruberſche Lerikon 
gehalten, ſich faft auf jedem Blatte aus. Demungeachtet aber 
wird es nach unſerm Dafuͤrhalten in feinem Kreiſe das gang 


456 Aeſthetiſche Schriften, 


leiſten, was es elften ſoll; Ken. Grubers Wörterbuch hinge⸗ 
gen, aller feiner Vorzüge ungeachtet, bey uns ſich eines ſolchen 
Beyfalls gewiß nicht Überall zu erfreuen haben. — Man wird 
uns nun nicht vorwerfen, daß wir aus Vorliebe für unfere 
Nation Hr. Gr. den Vorzug zuerkannt Haben; fein philoſophiſch 
Talent, unermübdeter Fleiß, gute Auswahl find nicht zu ver: 
kennen; übrigens erfchien auh das M. Werk früher, und 
ftand Hrn. Sr. zu Gebote. Doch wollen wir hier nicht unen 
wähnt laffen, daf auch das Deurfhe Wert manche Maͤngel 
Bat. So ift es oft gu wortseih und gebehnt 5. E& Ange 
nehm, Abfiht, Aufzug und In den mehrſten biograpfis 
[chen Artikeln; Hingegen zu kurz und mangelhaft, 2. E. Ans 
ſchauung, Aehnlichkeit, Alliteration; nicht gehörig 
geſchieden, z. E. Artemis, Ares; bey aller Vollſtaͤndigkeit 
manches Übergangen und nicht befriedigend, z. E. Aeſthetik, 
Baukunſt. Vielleicht wird in den Artikeln, worauf hier 
verwieſen iſt, das Fehlende ergaͤnzt ‚werben. 

Ben dieſer Gelegenheit glauben wir die ſchon fruͤher auf⸗ 
> gemworfene Frage über den Werth und Nutzen folher Werke in 
Bezug auf unfere anzuzeigenden in Anregung bringen zu dür 
fen. Der Nutzen eines (z. E. äfthetifchen) Wörterbuchs kann 
bloß darin Heftehen, daß es mit den Gegenfländen der Wiſſen 
ſchaft, ſoweit fie von den Gelehrten bis jetzt discutirt find, 
und mit den Eontroverfen feldft bekannt macht, ‚und zwar fo 
viel, als möglih, mit den Worten der Verf. ſelbſt; ferner, 
daß es das Geſchichtliche und bie Literatur vollländig auffuͤhrt. 
Der Werth hängt alſo von der volltändigen Ausführung jener 
Goderung ab. Doch bleibt der Nutzen, alles foviel als thunlich 
beyfammen zu Haben, das Hauprfählihfte. Der Verf. eines 
folhen Lexikons kann nım zwar für feinen Theil fehr viel ger 
than, und feine Pflicht treulich erfüllt haben, demungeachtet 
aber muß er feinem Werke die Nothwendigkeit der Wiffenſchaft 
abgehen fehen. Ein gutes Lehrgebäude, philofophifch durchge 
führt und mit den nöthigen Literärnotizen und Inder verfeben, 
erfüllt die Vortheile eines Wörterbuchs eben fo gut, wo mict 


& 








Aeſthetiſche Schriften. : 487 


soch beſſer, und Hat noch den ber wiſſenſchaftlichen Behandfung 
voraus. Hr. Gr, führe zwar S. XIII Vorr. dagegen an, daß 
cv das Bedeutendſte, was im Fache der Aeſthetik gefchrieben 
var, gelefen habe, alle Spfteme und Lehrbücher kannte, ſelbſt 
Borlejungen über Aeſthetik gehalten, und wirklich geglaubt habe, 
Idee Manches fo gewiß zu feyn, daß er keinen Anſtoß daran 
schmen würde, „Wie ganz anders, fährt er fort, als ich, 
et nicht bloß auf Zufammenbang und Confes 
juenz bedacht, jedes einzeln ausarbeitete. Auf wie manche 
Bedenklichkeit, manche Ungewißheit, Unhaltbarkeit, Willkuͤhr 
Meß ih.“ Heben wir das Subjective dieſes Bekenntniſſes auf, 
0 bleibt doch das guräcd, daß, wenn in dem Spfteme nur auf 
Zufammenhang und Conſequenz gefehen wird, und die Objecte 
bloß mach diefer Äußeren Beziehung behandelt werden 
(ähnlih den Weltgefegen der Narurphilofophen), dieß nicht 
wiffenfhaftlih genannt werben kann. Wer den Geift der 
Wiſſenſchaft fi zu eigen gemacht hat, kann Über die Bezie—⸗ 
hung, das Verhaͤltniß und die Beſtimmung diefes oder jenes 
Dbjestes nie verlegen ſeyn. — Ein ſyſtematiſch- wiſſenſchaftliches 
Wert kann von allen gebraucht werden; dagegen ein Woͤrter⸗ 
such dee Art nur von folhen, welche die Wiſſenſchaft ſchon 
jegeiffen haben, und bie einzelnen flrittigen Puncte mit einem 
Mate überfchen wollend, es als ein Nepertorium anfehen und 
jebrauchen. Die Wiffeufchaft lernt man aus ihnen nicht fens 
ven; ober fie liefen, wenn die einzelnen Artikel nach Art der 
Monographieen gearbeiter find, gute Materialien. | 
. Davon aber abgefehen, fo tritt für unfere Zeit noch ein 
jefonderer Umſtand ein, welcher den Werth folcher lexikaliſchen 
Werde herabſetzt. Unſere Zeit ift nämlich in Kunſt und Willens 
haft eine Zeit der Gaͤhrung und der Metamorphofe. Man 
etrachte nur einmal unfere Anfichten der Wiſſenſchaften und 
er Kuͤnſte, die Hypotheſen zur Erflärung der Mythologie und 
er alten Kunftwerke, nicht nur gegen die früher beſtandenen 
Infihten, fandern auch gegen einander felbft, wie verfchieden ? 
leber manches wiſſen wir gar nichts beſtimmtes, 3. E. über dig 


Ass Aeſthetiſche Schriften. 


Myfterien, und bie wahrfheinfih ans ihnen herzuleitenden 
(ſ. 9. Hetruriſchen, eigentlich) Griechiſchen Vaſen. Man vers 
gleiche die Meinungen darüber von Paſſeri, d' Hancarville, 
Boͤttiger, Millin und die (bey uns bie jetzt noch unbekannte) 
son dem Engländer Ehriftie. — Die Philofophie, ohne ſelbſt 
noch einen ruhigen feften Punct gefunden zu haben, Hat die 
Aeſthetik, Archäologie, Mythologie ganz anders geſtaltet. Man 
fehe nue Baumgarten, Eberhard, Aſt; u. ſ. wm. Zwey Par 
teyen fiehen jebt gegen einander, Palaͤologen und Neologen, 
Drthodore - und Heterodoxe. Mit Anfuͤhrung der ſich ſtreiten 
den Meinungen iſt noch nicht alles abgethan, und durch die Syn 
theſis iſt dieſer Streit noch nicht gelöst, vielmehr muͤſſen rüdı 
ſichtlich unferer Zeit no manche Entdeckungen gemacht werden, 
che man zu den Anfang eines feften Punctes gelangt, von dem 
aus die Unterſuchung ruhig fortfchreiten kann. Die abe 
möchte bey uns ſobald noch nicht flatt finden. Etwas ander 
tft es bey einer Nation, wie die Franzoͤſiſche iſt, wo alle 
feine pofltive Bedeutung hat (dieß hatınakh unfrer Einfiht 
auch nur ſolche Wörterbücher erzeugt) , und wo eine Revolution 
In der Wiſſenſchaft, wie fie bey uns duch Kant verurfadk 
wurde, faft gar nicht-einteeten fann. Etwas anderes iſt es auf, 
wenn eine Nation, ohne nur die Sache gehörig verfichen zu 
wollen, dennod von der Sache fpridit, und des Anſtandes 
wegen fprechen muß. Für eine ſolche ift ein Dietionnaire des 
beaux arts ein unumgänglicher Hausrath, um immer au fait 
zu feyn. 

In dieſer Hinſicht Hätte Hr. Gr. nad unſrer Meinung 
beſſer gethan, wenn er für jetzt wenigſtens ein ſolches Werk, 
wie ein Woͤrterbuch der Aeſthetik iſt, unterlaſſen, und feinen 
Scharffinn, Fleiß und Gelehrſainkeit auf etwas ihm wuͤrdige⸗ 
tes verwendet haͤtte. 

Was nun jene drey übrigen Schriften betrifft, fo wird 
ein kurzer Auszug nicht Äberfläffig feyn, um den Lefer in den 
Stand zu feßen, über die Werke fomohl, als Über unfere Be 
merfungen darüber, fein Urtheil fich feldft Hilden zu können 





Acfibetifche Schriften. 489 


Die Aeftherit des Hrn. Luden, als die ältefte, made dei 
Infang. 

Hr. Prof. L., durch Hiftoriihe Acheiten nicht unt ähmlich 
ekannt, hat ſeine Schrift fuͤr Vorleſungen beſtimmt, und 
eehalb vieles mehr angedeutet, als ausgeführt, wogegen wie 
ichts einwenden können, noch wollen. Einige haben in ihr 
Ins und Nachklaͤnge der Schlegeffhen und Schellingſches 
Schule bemerken wollen; es ſey, was wird wohl nicht alles 
emerkt? Dec. weiß fo gut, wie Ar. 2. und wir alle wiſſen, 
aß auf diefe Weile in den Werken aller Philoſophen und aller 
roßen Geiſter ſich Anklänge aus früherer Zeit finden, und 
aß, wenn diefes zum Maßſtab der Beurtheilung angenommen 
verden follte, niemand mehr etwas eignes, als nur Adam, 
er Urättervater, haben würde. Was früher Männer von 
Seit ausfprahen, wird in der Folge Eigenthum der ganzen 
zebildeten Welt, wird von ihr fo aufgenommen und behandelt, 
‚aß keiner der früheren auf diefen, oder jenen Gedanken eine 
BindicationsPlage erheben kann. Durch den Ernft der Arbeit 
R der Gedanke des Fruͤhern der erbs und eigenıhümliche de® 
Folgenden geworden. Die Wahrheit der Gefchichte, deren 
Dienft Hr. L. Ad übergeben, wuͤrde überdieß ihm eine folche 
Nachbeterey auch nicht erlauben. Wir beteachten daher feine 
Schrift als fein eigenes Werk, wie jedes Blatt auch ſchon bes 
veist, und wie man auch aus folgender Skizze noch beſſer 
rfehen wird. | 

Sn der Einleitung, s 16, wird die Idee dee 
leſthetik und dieſer - Vorlefungen. auseinander geſetzt. Das 
Schöne, als die ewige in fih felbft ruhende und feyende Side, 
ſt in der Kunſt im ‚Werden; die Idee der Kunft fällt mit der 
jdee des Schönen zufammen. Die Aeſthetik als Philoſophie 
er Kunſt Hat zuerſt eine Lonftruction ber Idee des Schöneck 
nd der allgemeinen Runft gu liefern, :um. in das Weſen bes 
Schönen einzuführen, und zweytens eine Conſtruction diefee 
jdee (aus dem Verhaͤltniſſe der Idee des Schönen zu den 
erfchisdenen Meitteln der. Erſcheinung) in diefe einzelnen Kunfls 


490 Aeſthetiſche Schriften. 


formen. Hierzu fol noch ein drittes, eigentlich zur Aefiherit 
nicht Gehoͤriges, hinzukommen, die aufgeftellten Srundfäge an 
. wirklich vorhandenen Kunftwerken (in den Vorlefungen felöft) 
gu erläutern. ©. 3. Ihre Graͤnzen find noch nicht gehörig 
abgemarkt; die Pbilofophie, mit der Re durch ihe Peincip zw 
fammenhängt, muß die Michtigkeit defielden beweifen. Der 
Geſchichte der Kunft kann fie nicht entbehren. I. Abſchnitt. 
Eonftruction der Idee des Schönen in der allgemeinen Form 
der Kunft, $. 7 — 19. Das Streben des menſchlichen Geiſtes, 
mit dem Univerſum eins zu werden, geichieht auf fünf Wegen, 
durch die Philofophie, indem fie das Irdiſche vernichtet; 
Such Religion, indem fie in allem Irdiſchen nur Ein Goͤn⸗ 
Uches findet; duch die Sittlichkeit, indem fie das Ob 
jertive nah dem Subjestiven zu geftalten ſucht; durch bie 
Wiſſenſchaften, indem der Gelehrte in ihrem Studium 
ber Welt vergißt, und duch die Kunſt, welche daB Irdiſche 
als Söttliches darſtellen lehrt, und damit den Gegenfag zwiſchen 
Senn und Gedanken aufhebt. Das unmittelbare Erfcheinen 
Des Söttlihen im Irdiſchen ift das Schöne; das abſolute Schöne 
iſt nur in Sort, und erſcheint nicht. Das Goͤttliche if das 
Kine, unvergänglich Iinendliche , das Srdifche ein Mannigfaltis 
ges, Individuelles. Das Göttliche, welches im Irdiſchen er 
ſcheint, iſt nur die Idee der individuellen Erfcheinungen , bie 
aber als dee unendlich if. Alles Schöne iſt ein Ganzes, 
das Unendlichkeit und Endlichkeit in abfoluter Einheit enthält. 
Da:das Göttliche in den einzelnen Naturerſcheinungen nicht 
erfcheint, ob es gleich. in der Natur ik, denn das Einzelne 
Hat nur Einen Moment des Lebens, und die ganze Lebenskraft 
gieht fih duch die Zeitlinie feiner Dauer aus einander, und 
Et alfo in befiändigem Werden und Vergehen; fo gibt es aud 
Sein. fogenanntes Naturſchoͤne. Nur in den Werken der Kun, 
wo Idee und Geſtalt in abfolnter Einheit ik, wird das Schöne 
gefunden. Das Schöne ift aber nur dur. Menfchen für 
Menfhen. Die, welche es hervorbeingen, heißen Kuͤnſtler, 
die, welche es betrachten, Kunſtfreunde; beyde, durd 








Aefthetiſche Schriften. 491 


— 


kinbildungskraft verſchieden, ſetzen ſich gegenſeitig voraus. Der 
Zuͤnſtler iſt nur ein ſolcher, als er Kunſtwerke ſchafft, daher 
ſt es eins, ob vom Kuͤnſtlergeiſte, oder uͤber feine Werke ges 
prochen wird. Seine Schöpferfraft (Genie) fpaltet ih, für 
ie Reflexion, in das Vermögen für das Goͤttliche (Wermögen - 
er Ideen) und in das für das Irdiſche (Phantafie). Ver⸗ 
nittelſt letzter indioidualifirt er die, durch das erfle Vermögen 
jervorgedrachten been, ohne daß fie verlieren, viefmehr je 
ndividueller die Idee als Kunſtwerk dargeſtellt iſt, deſto voll⸗ 
ommener. Da das Individuelle ſich aber als Charakter aus⸗ | 
priche, fo muß auch das Schöne, welches ein Kunftwerk iſt, 
Sharafter haben, um kein negatives zu werden. Das, durch 
»as Genie (dad Talent vermag bieß nicht) erſchaffene Kunſt 
verk erfcheint als von ſich ſelbſt und aus ſich ſelbſt frey ent 
vickelt; es träge den Grund feines Seyn in fih, und ift aus 
tichts anderm zu erklären, daher iſts auch vom Künftler uns 
ıbhängig. Demungeachtet trägt aber jedes Kunftwerk als In⸗ 
ividuum, feiner Schönheit unbefchadet, der Ewigkeit und | 
Inendlichleit der dee ungeachtet, Spuren der Zeit, des Volks 
nd des Kuaͤnſtlers an ſich, wie die Werke Griechiſcher und 
Romantiſcher Kunft zeigen. Das Schöne des Kunſtwerks liegt 
iber nicht in dem Kunſtwerk allein, auc nicht in dem, der es 
jetrachtet, fondern es liegt in der Mitte zwiſchen dem Kunſt⸗ 
reunde und dem Kunſtwerke. Um es zu empfinden, wirb 
Bildungskraft von ihm verlangt. Die Empfaͤnglichkeit des 
Runftliebhaders, iſt aber in ſich eben fo graduell verſchieden, 
Us es Grade der Productionskraft im Kanſtler, und Grat? 
ver Schönheit feldft gibt; das Vollkommne wäre der erſte Brad. 
Ihm kommt bloß paffives Genie, paflives Talent zu, fo wie 
sem Küänftier das Gegentheil eigen iſt. — Wenn im Kunſtwerk 
yie Seftalt, dadurch, daß fie einen Theil der Idee anſchaulich 
entſpricht, dieſe dee in ihrer Totalitaͤt auf eine fothe Art 
in uns erreat, daß fie für alle Geſtaltung zu groß iſt, Se 
nennen wir es erhaben. Dieß befteht aber nicht im der 
Duantität, fondern iſt immer als Kraft und Leben zu denken. 





492 Aehbetiiche Schriften. 


SE Hingegen bie Idee fheinbar im Endlichen und Einzelnen 
untergegangen , ſo daß Biefer nur um feiner ſelbſt willen ba zu 
ſeyn ſcheint, fo wird das Kunſtwerk komiſſch. 

Rec. erlaubt ſich hier einige Bemerkungen, ohne jeded 
die Lehre vom Schönen ſelbſt zu beruͤhren, welches er weiter 
unten bey der Mällerihen Monographie thun wird. Im $. 26 
fagt Hr. 2.: „wenn Genie. (der hoͤchſte Grad kuͤnſtleriſcher 
Kraft) die reine, klare, ſtille, unendliche Fläche des Meeres 
iſt, das voll febendiger Naturen die blaue Woͤlbung des Him 
mels rein aufnimmt, und zurädfiralt, fo if das Talent (ein 
minder ‚höherer Grad) der vom Sturm aufgeregte Dcean, ber 
gewaltig zum Simmel hinauf ſtrebt, deſſen verfhollen (2) Bild 
er in ſich trägt, und immer umſonſt zurädfallend mie muͤde 
wird, den Verſuch zu wiederholen.“ Dec. muß offen gefichen, 
Haß diefe Worte ihm das Weſen des Genies und Talents nicht 
verrathen haben. Wie es fcheint, nimmt der Hr. Verf. e⸗ 
als eine einzelne Ihäsigfeit im Menfchen an, fo wie Gedaͤcht 
niß, Verſtand. Aber ſchon das Wort iſt ihm bier entzogen, 
Genie ik die volfiändige Ausbildung aller geifligen Organs 
des Menſchen für die Vernunft, und manifeflirt ſich im Leben, 
wie in Kunſt und Wiſſenſchaft; Talent hingegen iſt nur ein 
eminentes organifches Vermögen von ben vielen des menfchlicden 
Geiftes in Beziehung auf Vernunft. Kr. Krug ſetzt S. 29 
das Talent zu oberſt, und: fagt: es kann entweder Genie 
feun, wenn es fi durch große und eigenthämliche Probuctivis 
tät, oder guter Kopf, wenn es fih durch große Capacität 
auszeichnet. Talent genus, “Genie species (alſo Talent if 
etwas allgemeines, Genie ein Befonderes, Eigenthümliches, des 
als begrängt mit der ihm eignen Stärke hervortreten muß. 
Woher bey Heren Krug diefe Veltimmung?), daher Genis 
Talent if, nicht umgekehrt. Einem jedem wird das Bil 
kuͤhrliche dieſer Behauptung, fo wie die Eintbeilung in pra⸗ 
gmatiſches, erperimentirendes ꝛc. in die Augen fallen; doch if 
fie nicht fo lächerlich, als Hrn, L. Eintheilung in active 
und -paffive Genies und Talente. Dieb kommt Dec. von 





Hefipetifche Schriften 493 


wie kaltes Feuer und warmer Schnee. — Bey Erwähnung 
der Begeifterung und Befonnenheit ($. 26 Anmerf.) erwartete 
Rec. auch die Löfung (und wäre es auch nur Andeutung) der 
Srage: 05 Vegeifterung, oder Befonnenheit den Kuͤnſtler leite ıc. 
Eben fo wäre eine ausführkiche Darftellung, worin das Chas 
rafteeiftifche und die individualität beſtehe, nothwendig, und 
gewiß beſſer geweſen, als jene undeflimmten Worte Über Talent . 
und Genie Da Hier das Ganze wiſſenſchaftlich behandelt 

werben fol, fo geht Klarheit der Darftellung allem vor. In 
dieſer Hinſicht kann Rec. auch mit der uncharakteriſtiſchen Chas 
tafteriftiß des Chriſtenthums und Heidenthums durchaus niche 
zufrieden feyn. Was ift eigentlich mit den Worten des 32. $. 
gefagt: „Der Beweis, daß das 'immerfortfchreitende Bewußt⸗ 
feyn des Geiſtes in -der jugend des Gefchlechts das Göttliche 
in der Natur and Eins mit der Natur, fpäterhin aber außer 
der Natur und getrennte von der Natur ahnen, fühlen, _ 
denten- mußte.” 9 — er wird zwar nicht gegeben, fondern nur 
Erfäuterungen aus dem, zwey Segenfäße bildenden Heidenthum 
und Chriſtenthum in den folgenden Paragraphen. Der Charakter 
des Heidenthums iſt nach Hrn. L. Qualitaͤt und objectio; Chas 
tafter des Chriſtenthums Zdealität und fubjertiv. Dort Natur, 
hiee Geiſt; ‘dort wurde das Wirkliche nur geläutert, um dag 
Goͤttliche, welches in der Natur war, zu zeigen; bier mußte 
das Göttliche, welches außer der Natur war, herabgezogen 
werden zur Wirklichkeit. Im Heidenthum alles gut, Alles 
Erfüllung, Alles freyer Genuß des Lebens; im Chrifienchum 
Alles verderbt (fogar die Aeſthetiken), nichts als Opferung, 
Duldung, Sehnſucht und Erwarten. Tore wurde die Zukunft 
wegen ber Gegenwart vergeffen, hier die Gegenwart an. die 
Zukunft verkauft, darum dort Leben, hier Glauben, dort Ger 
wißheit, hier Hoffnung. Im Alterthum war das Princip der 
Männlichkeit vorherrfchend, unter den chriftlihen Völkern das 
Princip der Weiblichkeit. Dort das Weib unterdrädt, bier vers 
herrlicht, vergoͤttert. Der lebte (vierte) Unterſchied beruht in 
der Verſchiedenheit des. Nattonafgeiftes antiker und chriftlicher 


494 Aenhetiſche Schriften, 


Voiker. — Diefer Abſchnitt von dem Antifen und Nomantu 
fchen iſt durch die neuern Philoſophen in die Aeſthetik gefom 
men, und Aft war ber erfie, der fle als die beyden Kauph 
formen, unter welchen ein Kunſtwerk exiſtirt, behandelte, und in 
feiner Aeſthetik ſyſtematiſch vortrug. J. P. Br. Richter in 
feiner Vorſchule der Aeſthetik handelte ebenfalls Das Antike und 
Romantifche in zwey Kapiteln (die partie honteuse dieſes 
geiftreihen Werks) ab, und hat gewiß zur weitern Verbreitung 
dieſes unmiffenfchaftlichen Geſchwaͤtzes viel heygetragen. Ob die 
Unterfuchung des Antiten und Romantiſchen nun in der Aeſthettik 
notwendig fey, darüber läßt fih viel reden. Zum beſſern Ber 
ſtaͤndniß der Sriechifchen und romantifhen Kunſtwerke moͤchte 
es auf jeden Fall gut ſeyn, wenn man, da jedes Kunſtwerk 
din der Eigenthuͤmlichkeit der Nation und des Zeitalter wurjelt, 
eine Charakteriſtik jener Zeitalter und Wöller. erhielte. Allein 
dann mäßte man auch, da kein Vol und keine Zeit für ſich 
abgeſchloſſen daſteht, Die ganze Geſchichte und Alterthuͤmer 
hineinziehen, und nicht bloß bey dem Allgemeinen ſtehen bleu 
Sen; fondern auch in das Einzelne hinabſteigen. So find z. E. 
die Producte eines Islaͤnders verfchieden von den eines Pr 
venzalen, und diefe wieder von denen eines Caſtilianers; fo 
wie die Poeſie der Fraͤnkiſchen Zeit (Loblied des H. Anno) 
von der der romantifchen (Tyturell und die Pfleger des heil. 
Graals von Albrecht von Halberſtadt), und im allgemeines 
nennt man alle romantifh. Wollte man nun dieß, fo müßte 
die Kunftgefchichte vor allem mit in die Aeſthetik gezogen wers 
den, aber dieß bedarf die Aeſthetik als Wilfenfchaft, deren 
Element das Nothwendige ift,. fo wenig als jenes, und ge 


ſchehe es ja, fo müßte fie es als ein Disparates Früher ode 


fpäter ausfcheiden. Wenn es ja aufgenommen werden foflte, fo 
würde nur bey der Lehre vom Gefchmad eine fchicfliche Stebe 
fih finden. — Man könnte zwar mit jenen noch einwenden, 
daß in dem Antiken und NRomantifchen der Grundcharakter der 
heidniſchen und chriftlihen Religion ſich darflelle, ‚und, weil 
Religion der Grund, aller Kunſt fey, diefe Lehre der Punct 








Aeſthetiſche Schriften. 495 


ey, von dem alle Kunſtwiſſenſchaft ausgehe, ferner daß die 
Poeſie ohne Mythologie (welches das ſeyn fol, was für die 
Philoſophie die Ideen find) nicht beſtehen koͤnne. Allein 
hierauf läßt fih antworten, daß Religion und Kunft, wenn fie 
gleich Gende aus dem Gefühl entſpringen, ſich dennoch gang vers 
rhieden manifefliren, und. legtere aus der erften nicht entficht, 
obgleich beyde einander unterfiäßen und die Hände reichen. 
Was Die Mythologie betrifft, „fo ift die romantische Woche ſchon 
diefer Behauptung entgegen. Daß fle in der Griechiſchen Kunſt 
eine fo ausgezeichnete Rolle fpielt, hat einen ganz andern Grund. 
Ueberhaupt, wenn das Antile und Romantifche in die Aeſthetik 
gesogen ‚wird, fo muß dann auch alles, was je nur in der Bes 
ziehung ſteht, hierher gezogen werden. 

Hierbey ift aber noch ein andrer Irrthum zu berichtis 
gen, die Behauptung nämlih, als 06 mit dem Antilen und 
Romantifchen die Kunftwelt geſchloſſen ſey. Die neuere Schule 
fagt zwar von ihnen, daß fie das Objective und Subjective feyen, 
in weiche das Abfolute fih fpalte, ' mithin muß, wenn beyde 
das Abfolute ansmachen, in Ahnen das Abfolute feyn, und es 
kann keine Kunftwelt mehr geben. Allein bis jegt muß Rec. 
die noch bezweifeln, denn mit dieſen zwey Momenten dürfte, 
ja ſelbſt nach ihnen, das Abfolute nicht ausgefchöpft feyn, wenn 
es ſich wirklich ale das Abfolute beurkundet. Jene beyden 
Zeitalter ſind, wie bekannt, nicht die einzigen, welche geweſen, 
noch welche ſeyn werden. So gab es vor dem antiken ein 
Aegyptiſches, Perſiſches Zeitalter, beyde nicht arm an Kunſt—⸗ 
darſtellungen. Dieſe, ſo wie auch unſre moderne Zeit (nach der 
Behauptung jener Philoſophen weder kalt, noch warm, weder 
antikiſch, noch romantiſch), haben, wie jedes Einzelne in ihnen, 
ihren eigenthuͤmlichen Charakter. Sie haͤtten alſo, wenn es 
an eine Theilung des Abſoluten ginge, auch ein Wort mit zu 
reden, ſo gut wie jene beyden. Alle Zeitalter alſo, oder keines 
iſt des Abſoluten theilhaftig. Wir leugnen daher jene Be— 
hauptung, und zeihen die, welche dieſen Irrthum aufgeſtellt 
haben, der Unkunde der Geſchichte und der Kunſt ſelbſt. Von 


496 Aeſthetiſche Schriften. 


eigentlichen Gegenſaͤtzen kann hier Feine Rede fon. Das 
Chriftenchum iſt Scharf genommen nichts weiter als die Fort⸗ 
feßung des Heidenchums , das romantifche Zeitalter die Bluͤthe 
des fruͤhern autiken. jenes würde nicht fen, wenn dieſes 
nicht vorher, und zwar 10 wie es war, geweien wäre. — Die 
Charakteriſtik jener Zeitalter will Rec. alfo Hrn. 2. überlaflen; ges 
ſteht Übrigens, daß er nicht weiß, was er bey ihrem Anblick fagen 
fol. &o weit alfo wäre denn bey uns die Philofophie gefoms 
men, daß fie wähnen kann, mit folhen Antithefen alles ffir 
fegen und beſtimmen zu können! Wie vermag man zu fagen, 
Das Antike fey das Männliche, das Romantifche das Weibliche? 
Kennt man denn fchon die phufiihe und die auf ihr ruhente 
pſychiſche Natur der Gefchlechter fo volllommen, daB man ihre 
Eigenthuͤmlichkeiten auf einen ihr fremden Gegenfland über 
tragen darf? Und wenn es wäre, mas aber nicht ift, was 
gewinnt die Wiffenfhaft? Wilder beweifen das nicht, warum 
es bier zu thun iſt, und erläutern aud nicht, wenn man bie 
Bade nicht kennt. — Wenn der Gab, daß dasjenige Gebiet 
des Willens, welches zur Begeichnung feiner Objecte fremder 
Fr bedarf, z. €. die Naturphilofophie mathematifcher Zeis 

en, ſich ſelbſt noch gar. nicht kenne, fih noch nicht durchge⸗ 
Bildet habe, mithin auch auf Wiffenfchaftlichkeit eigentlich Leinen 
Anfprudy machen könne, wenn ber Sag nur einigermaßen wahe 
ift, fo kann man der neuern Philofophie und der aus ihr abs 
flammenden Aeftherit den Ruhm der Wilfenfhaft nicht bew 
kegen. Was fol das fagen: das Antike ift objectiv, das Nor 
mantifche fubjectio, bier Geiſt, dort Natur ꝛc. Dieß find je 
alles nur Dinge, bey denen die Sache fih gang ruhig vers 
Hält, und bloß der unmwiffenfchaftliche Verſtand ſich abmuͤht. 
Auf diefe Arc macht Rec. ſich verbindlich zu beweiſen, daß der 
HKoman eine Menuett oder Quadrille, die Plaftit ein Epos, 
die Architektur, und zmar die Griechiſche eine Theokritiſche 
Idylle, die f. g. Sothifche eine’ Boscanifhe Erloge fey. So 
laͤßt ſich eine Inendlichkeit anführen, und alle diefe Conſtructio⸗ 
nen dienen zuletzt doc zu nichts. Hier paffen trefflich Mephu 
fiopheles Worte: 


Da eben wo Begriffe fehlen, 

Da ſtellt ein Wort zur vechten Beit ſich ein. 
ec. bedauert es fehr, daß Hr. 2. Hier der Gefchichte untren, 
von der ernften Bahn der Wiffenfchaft in den Sumpf der 
poesifchen Profa gerathen if. 
( Die Sortfegung folgt.) 


.. “or u: 
‘ 











No. 32. Seidelbergiſche 1811. 
Jahrbuͤcher der Literatur. 


III DEI TI U LI TEL NL N N vH 





efhetiche Schriften von Millin, Bruder, | Kuden, Krug 
und Müller. 


( Fortſetzung der in No. 31. abgebrochenen Colleetiv⸗ Necenſion. > 


D. zweyte Abſchnitt, Uuberſchrieben: Conſtruction der 
idee des Schönen in den verſchiedenen Kuufts 
attungen, beginnt mit dee Muſik. 6. 41. Da der Hr. 
zerf. in der Note fehe naiv bekennt, daß er zwar fehr gern 
Rufe Höre, aber von ihr fo gut wie nichts verfiche, fo will 
tee» auch die Säge, welche „aus der ganzen aufgefleliten Ans 


ht dee Kunſt Hervorgehen“ follen, übergehen. Au die Duft 


hließt ih die Malerey am mit ihren Unterabtheilungen: Mas 
rey und Plaſtik, zu der das Basrelief den Uebergang bildet; 


e Sartentunk und Architektur werden in befondern Anhäns 


a zu diefem Eapitel abgehandelt. $. 19 Die Poeſie 
acht den Schluß. Sie zerfällt in epeit, wozu in beſon⸗ 
en Anhängen das Lehrgedicht, die Satire und Dantes götts 
be Commedia gerechnet werden, in Epik mit der komiſchen 


popee, ber Romanze und Ballade, dem Romane und der . 


Rerifchen Kunſt, und endlich in Dramacie, weiche Tragoͤdie, 
omödie und Oper if. 


Da in diefem Abichnitte das Werk des Hrn. Verf. vor 


‚dern bekannten nichts, vorans hat, und bloß In der Auord⸗ 
ng der Kunftarten abweicht, fo Haben wir einen vollkändis 
en Auszug nicht geben wollen; Dagegen erlauben wir uns 
tige Bemerkungen über Dinge, wo wir niche mit ihm äbers 
ıftimmen koͤnnen. Seinem Grundſatze zu Liebe, daß es feine 
aturfchöndeie gebe, wird das Portrait aus der Reihe der 
anſtwerke verworfen. Wir künnen die um fo weniger be⸗ 
32 


498 _ | NeRbetifche Schriften. 


.ı 


greifen, als es grabe das Charakteriſtiſche, das Individuell 
darſrellt. Würde Hr.L. ſagen: es ſtelſt nur Einen Moment 
des Lebens vor, 3. E. das männliche Alter, nicht aber die 
Totalität des ganzen Lebens, fo hat er in fofern geirrt, als er 
den Charakter bloß einfeitig aufnimmt, und ihn in der ganen 
Lebensdauer, nicht aber In Einem Moment findet. Ges 
Alter hat ein Charakteriſtiſches, zeigt ein in ſich Abgefhloffud. 
Man betrachte nur einmal 3. E. das Raphaeliſche Portrait 
des Grafen Caſtiglione; erfüllt es nicht alle Kunftfoderungn? 
Das Abbild eines Kindes, welches keinen Charakter hat, ud 
‚haben kann, ift von dein Portrait auszufchließen. — Inf. 
end 77 wird von der Griechiſchen und. Gothiſchen Boutuf 
ſoviel und fo mancherley ‚gefprohen, daß Rec, erflaunen mußt, 
;dieß alles hier .zu, findeg, Lin Windelmann mürde hin 
bedeutend ben Kopf ſchuͤtteln. Die Gartenkunſt wird, wien 
‚erwarsen war, nermorfen, Aus ähnlichen Grunden iſt vielleiq 
zauch die Orcheſtik Übergangen. — Die Poeſi⸗ iſt (. bo) u 
texriſche Philoſophie, und Philoſophie eſpteriſche Poeſte. Bu 
heißt dieß? Die Lyrik iſt (9. 89) die ſubjectivſte (?) Poeſie, mir | 
wohl: fie hier opjectiv iſt (7). Dantes divina Commedi 
wird zur Lyrik gerechnet, „weil der Dichter von fi und vn 
Idem, was er gehärt.,. "gefehn ꝛc., redet. Es foll ein philefe | 
phiſches (7) Gedicht ſeyn. Dem Ganzen. der gött. Comm, fit 
- wegen der, abfoluten (warum abſolut 7) Vermiſchung aller sw 
men die. beſtimmte Geſtalt (denn nach $. 80 iſt die Philbſeſe 
‚foruuos) ; dafür - iſt fle aber. der ewigen. Sgoͤnheit, die dem 
Univerfum eingebildet iſt, defto - näher, . . Allein, wie hut 
‚etwas, ‘das formlos, alſo ohne Charakter, ohne Individueliil 
Niſt, ſchoͤn feyn? Dieſem nach waͤre das Allgemeinſte du 
Schoͤnſte, welches aber Ken. L. Grundjägen widerſoriht 
Sie wird als der Urquell der ganzen neuern Poeſie geprict, 

‚ ans welhem in der Folge die. einzelnen. Neſtandtheile des En 

- fen, Dramatifchen, Lyriſchen, die ſich in ihm rein durchn 
gen, in beſondere Baͤche geleitet find. Wir haben hieran 9 
..Mibslungenliede, in Arigſts Roland, und im Shak ſpeart nid 


.*% 


| 





 Weßpetiiche Schriften, 499 


verfpäiet, und erwarten daher hieruber von Her L. den hiſto⸗ 
ifhen Beweis. . Man kann auf dieſen Paragraph ſehr gut die 
Dante'ſchen Worte anwenden: 

Lasciati ogni speranza, 'voi quw’enträte (Inf. In 9), 
Schellings Darftelung diefes Gedichts im philofophifchen Sour 
al II. ©. 3. St. 35. ©. hätte Hr. 2. wohl benußen dürfen, 
Nach 9. 106 follen Natjonalbegebenheiten, ‚die im Munde des 
Volkes ſind, ſich am beſten für das Epos ſchicken. Warum 
zerade im Munde des Volkes? Rec. iſt uͤberzeugt, daß dieß 
jo wenig als das Gegentheil thunlich ſey. Keine Nation, in 
ſofern ſie über einen geiviffen Kreis det Bildung hinaus, if, 
kann fi. wiſlkuͤhrlich ein Epos ſchaffen, ſo wie es bey den Hel⸗ 
lenen die Ilias und Odyſſee war. Uebrigens verkennen wie 
Neuere auch uns ſelbſt und unſre ganze Bildung, wenn wie 
ag Hochſte was die Nation hervorbringen kann „ in den 
Defig eines KHeldengedichts ſetzen. Das Epos iſt Ein eigen 
Hämtiches Gewaͤchs ber Griechiſchen Poeſie, was von den 
Roͤmern aus Jeidigem Stolz nachgebilder, und "deffen Form 
ndlich auch von uns, in ſofern eine frühere verkehrte Anſi cht 
jer Poeſie herrſchte, aufgenommen iſt. Wir haben Nationab 
ieder z. ©. Nibelungenlied, Heldenbuch, ſo wie die Perfer 
hren Shah s Nameh und die In dier ihre Mopabhator und 
Bhogovorgita; allein diefe find von dem, was‘ than Epds Heißt, 
anz verſchieden. Nennen wir ſolche Geſaͤnge epifche, fo tragen ' 
dir eine fremde Benennung für Product ehnlicher Art auf 
ieſe faͤlſchlich uͤber, und mit ihr auch die Forin, und verwirs 
en damit und ſelbſt. Das Griechiſche Epos kann als einzelnes 
iche fo, wie es bey den Griechen ſich zeigte, ſeyn, es kann ſo nicht 
siederfchren. Sim $. 108 heißt es: der Roman bilder feine eigne 
Belt! liegt aber dem eigentlichen Leben näher, nämlich zwiſchen 
doefte und Wirklichkeit. Wenn es alſo gm iſchen liegt, ſo 
auß es doch wohl etwas Beſtimmtes ſeyn, freylich nichts Hand⸗ 
reifliches. Eben ſo ſollen nach $. 115 die Griechen keinen 
Roman gekannt haben, weil ihnen die Wirklichkeit nicht ents 
oͤttert war. ‚Wäre dieß wirtlich der Grund geweſen? Daß 


500 Aeſthetiſche Schrifteit. 

der Roman bey den Alten nicht bie große Rolle fpielte, wir 
bey uns, hätte Kr. L. vieleicht eher aus dem Princip der 
romantifchen .Poefe, der Liebe, oder dem bey den Griechen 
nicht ethifch ausgebildeten Geſchlechtsverhaͤltniß darthun Pönnen. 
Vebrigens hatten die Sriechen und Römer Romane. Was find 
des Keliodor Aidronıxd, des Longus Acoßıaxd, bie frühern 
Mileſiſchen Mährchen, des Apulejus asinus aureus? Doch 
niht Epos? Der Roman muß in Profa gefchrieben fepn, 
weil Vers und Spibenmaß feine Mittlerrolle zerſtdren würden. 
Hier ficht der Verf. mie ch ſelbſt im Widerſpruch. Naq 
6. 83 gehörte zu einem Kunftwerke der Vers im Einzelnen wie 
Die Geſtalt in Ganzen. Dean müßte demnah dem Roman 
das Mrädicat des Kunſtwerks abiprehen. Dee Don Quixote 
und Wilh. Meiftee find aber dem entgegen. Kr. 8. dürfe 
alfo einen andern Grund daffr auffuchen, nur feinen a priori, 
weil er fonft wieder die fräßern Romane, 5. ©. den von &. 
Artus, die urfpränglih in Werfen gebichtet waren, gegen ſich 
baden würde, — Die Geſchichte gehört zur Rhetorik, nicht 
zur Aefiperil. 0 
Doch genug hiervon. Wir gehn zn Hrn. Krugs Arbeit über. | 
In der Einleitung ©. 1 —24 wird von dem Namen, 
Begriff, Zwei, Werth und Behandlungsweiſe Der Aeſthetit 
‚gefprochen, und diefe Wiſſenſchaft in die reine und anger 
wandte Aeſthetik eingerheilt. Aeſthetik if nah Ben. 8. die 
Wiſſenſchaft von der urfprünglicden Geſetzmaͤßigkeit des menſch⸗ 
Jihen Geiſtes in Anfehung derjenigen Thaͤtigkeit, vermöge 
weicher ein Gegenfland in feiner Beziehung auf das Gefäaͤhl 
von Luſt oder Unluſt erkannt, und dem zufolge als Geſchmacks 
object beurtheilt wird. Der erſte Theil enthält die reine Bes 
ſchmackslehre, welche die trausſcendenten Bedingungen dei 
Wohlgefallens und bie davon abhängigen Urtheile unterfuck,d 
und zerfällt in die Lehre von ben Afthetiichen Jdeen und in dir | 
von den aͤſthetiſchen Urtheilen. Jene, die Ideologie, zieht di 
beyden Grundcharaktere der Dinge, Schönheit und Erhaben | 
peit, in Erwägung, und gerfällt, da mis beyden eine Menge 








Aeſthetiſche Schriften. 501 


igenſchaften der Dinge in naher und ferner Beruͤhrung ſtehen, 
E. Anmuthig, Naiv ıc. im drey Theile, in die Lehre vom 
Schönen, Kalleologie, In die vom Erh abenen, Hypſeo⸗ 
gie, und in die Lehre, wo mit dem Schönen auch ein anr 
es vermifcht if, Syagenelologie — 30. Das Schöne, 
ı wie das von Ihm verfchiebene Angenehme, Nuͤtzliche ıc. ges 
illt. Das Wohlgefallen des Schönen iſt aber von jenen eben 
 verfhieden, wie jene Dinge von einander verfchieden find ; 
le Objecte des Wohlgefallens find um des. Wohigefallent 
illen mit einem Intereſſe verknuͤpft, mithin iſt das Wohlger 
den intereffirt. Das Sntereffe am Schönen if vom Intereſſe 
m Näslichen, Wahren ıc. verſchieden; es iſt weder ein finns 
bes, noch ein intellectuales, fondern ein Aftherifches Inter⸗ 
fe, welches ein an die Form gefuäpftes, «in formales ift. 
schön muß daher um feiner bloßen Form willen gefallen, und 
dieſer Ruͤckſicht in ihm eine gewiſſe Zweckmaͤßigkeit liegen 
e das wahrnehmende Subject. Nur die dur die Form 
(heinende Zweckmaͤßigkeit iſt es, welche gefällt. In wiefern 
m bie Form eines Begenflandes duch feinen Zweck noch 
mdig beſtimmt ift, fo iſt auch das Wohlgefalen des Schönen 
in der Vorſtellung eines beflimmten Zwecks abhängig, und 
e Schönheit wäre demnach eine abhängende, oder zufällige 
choͤnheit, der die freye, felöfftändige, abfolute entgegens 
nde. Was um feiner Form willen gefallen foll, muß wahes 
hmbar feyn, innerlich oder äußerlich, michin auch das Schöne. 
iter den Objecten des äußern Sinnes find nur die des Ger 
)t6 und Gehoͤrs fhön, welche um der äußern Form willen 
on gefallen ; die der andern Sinne gefallen bloß wegen des 
iterialen Eindrucks. Was die Objecte des innern Sinnes 
geht, fo Mind fie theils Vorſtellungen, theils gewiſſe daraus 
svorgehende Gemuͤthszuſtaͤnde. ihre Form beſteht in dee 
t und Weiſe ihrer Verknuͤpfung und Darflelung duch ger 
ſſe Zeichen. Daraus entfieht die Eintheilung in ein inneres 
d aͤußeres Schöne. Beyden kommt das Prädicat ſchoͤn zu, 
wiefern fie ein Wohlgefallen im Gemuͤth hervorrufen. Das 


503 Aeſthetiſche Schriften.‘ 

Afthetifche Wohlgefallen und Intereſſe iſt das verbindende Mit⸗ 
telglied zwiſchen dem Sinnlichen und dem Intellectualen, und | 
das Schöne kann daher als finnlicher Typus des Wahren und 
Schönen betrachtet werden. Als die volltommenfte Form, unter 
weicher das Sinnliche Überhaupt erfheinen kann, vepräfentitt 
das Schoͤne das Abſolute, oder Idealiſche, welches nie erſchei⸗ | 
nen fann. Daher trägt bie Wahrnehmung des Schönen dad 
Wemuͤth über die Sinnenwelt zur Ideenwelt. Das Schöne 
laͤßt mittelft feiner Form das Unendliche im Endlichen ahnen, 
daher es wohlgefaͤllt (2); es iſt das, was durch feine Form 
Einbildungskraft und Verftand des Wahrnehmenden auf eine 
leichte (?) und doch regelmäßige, mithin wohlgefällige Weiſe 
beſchaͤftigt. Ein Marimum der Schönheit von der Vernunft 
gedacht, kann bloß dadurch) anſchaulich werden, daß die Einbil 
dung ein Bild von einem einzelnen Dinge, das jener Idee ans 
gemeffen ift, und daher ein deal der Schönheit Heißt, ent 
wirft, und die Darftellungsfraft dieſes Bild an irgend einem 
äußern Stoffe realifiet. Die Geſtalt des Menſchen iſt gur 
Darſtellung eines Ideals die tauglichſte. 

Wir knuͤpfen hieran, was Hr. Adam Muͤller von de 
Schönheit gefagt hat, ohne weiter den kuͤnſtleriſchen Charakter, 
Iebenswerthe Aeußerungen , großartige Gedanken und Ausfäle 
gegen das Ganze und’ gegen Einzelne‘ in feinem Werke zu beruͤh⸗ 
ven. Folgende Stelle gibt den Inhalt des Werks fo ziemlich an. 

„Die Schönheit wohnt weder allein in dem fchönen Ge 
aenftande, der unfer Wohlgefallen erweckt , noch wohne fie allein 
in der Druft des Beobachters. — Sie ift weder bloß objectiv, 
noch bloß ſubjectiv. Die Schoͤnheit iſt jene rhythmiſche Bu 
wegung, Harmonfe, oder wie ich fie nennen fol, zwiſchen 
zweyen, zwiſchen Menſch und Menſch, zwiſchen Geiſt und 
Gefühl, zwiſchen Ruhe und Bewegung, die das Univerſum, 
die Weltgeſchichte, das Leben, wenn wir es mit Stille und 
Kraft, d. h. wieder mit Schoͤnheit betrachten, unſerm Gemuͤthe 
mittheilt, und weiche in beſchraͤnktem Umkreiſe jedes Kunſtwerk 
Larſtellte Des das Univerſum beſelenden Geiſtes iſt alles und 








* 


> Vefipetifche Schriften: | 503 
edes theilhaftig, was ſich mit ſeinem Leben an das Leben des 
Yanzen anfchließt, und die Empfänglichfeit für feine Offendas 
ung muß jedee in füch beleben und erhöhen, wie er vermag, 
Die einzelnen Schoͤnheiten dieſer Welt find die Kepräfentanten 
iefed Geiſtes der‘ Schönheit, feine Statthalter auf Erden, 
sehe bald deutlicher, volftändiger und Parer, bald wieder 
unfler, enger und unverftändlicher das ewige Wort in endlichee 
Sprache ausdrüden.“ In Ruͤckſicht, daß die Schoͤnheit bie 
ielen und mannigfaleigen Naturen leicht und dauernd anſpricht, 
der bie, welche die Welt für haͤßlich ausſchreit, weit fle erſt 
ie Betrachter in den Rhythmus der Schönpeit hineinziehen 
ruͤſſen, theilt Hr. M. die Schoͤnheit ein in bie geſellige 
nd individnelte. Die Kennzeichen der "Schönheit find 
le des Lebens. Das Leben aber if das, was in vielen einzelnen 
eränderlichen Offenbarungen zugleich ein bleibendes eigenthüm— 
ches Sefeg wahrnehmen laͤßt, wo Karmonle zwiſchen zwey 
ntgegengefegten anerkennt wird, Dieſes nennen wir, die mit 
enſchlichen geſelligen Bildern erfuͤllt ſind, Schoͤnheit, die 
daturwiſſenſchaft in einem andern großen "Tempel erzogen 
mnet’ed Leben. Die Schönheit und Bas eben ſcheint durch 
e Llebe, dieſe aber iſt nicht bloß wahrzunehmen, ſondern int 
m wie beyde in ihrer Verſchiedenheit und in ihrer Einheit 
echſelnd erblicken, ohne daß beyde von ihrer Eigenthumlichkeit 
Waßen. In der Liebe wie in allen andern zeigt ſich fein 
eharren, fondern es muß Wechhſel der Geſtalten, uebergaͤnge 
ben, weil eben hierin das Bleibende, Einfache fih zu zeigen 
rmag. Contraſte und Spruͤnge uͤbel. Das Einzelne ſoll in 
ner Fuͤlle beſtehen, aber dem Ganzen doch immer untergeords 
t ſeyn. Wer den Kanſtler verſtehen will, muß den Gegen— 
‚ feiner Kunſt fo’ gut wie das Dbfeet zu würdigen und zu 
fteßen wiſſen. Durch die ganze Welt hindurch umipannt 
e allgemeine Kunſt mehrere beſondere, ſo daß fich die allges 
infte wieder in jeder‘ befondern offenbart, und in wiefern fid 
e in rechtem Greiſt getrieben werden, jede,’ und’ die befchränk 
te ſelbſt, wieder den ganzen Geift der Kunſt offenbart. "Die 


⸗ 


vo⸗ Aeſthetiſche Schriften. 


Einthellung in mechaniſche und ſchͤne Käufe wieb verworfen, 
weil jede Kunſt vor Sort ausgeübt, und jeder Stoff nad einem 
gemeinen Leiften betrieben werben kann, alſo im Stoffe die 
Berdammmiß nicht liegt, und Dagegen eine andre vorgebracht, 
nach ber fie entweder foldhe find, bie für das Beduͤtfniß des 


ganzen Menſchen arbeiten, z. E. rebenbe, bildende, Steats 


-Wiffenfchafte s Käufer (da fie das bilden‘, was viele um ſich 
ber verfammelt, heißen Me gefellige Kuͤnſtler) oder ſolche, die 
für ein einzeines GBedärfniß arbeiten, z. E. Schuſter, Schaue 
der, Individuelle Kuͤnſtler. Die Lebenskunſt iſt Die Seele aler 


 Künfte (ſehr wahr). Keine Kuuſt gedeiht loßgeriſſen vom Leben, 


oder daß fie ih in ein idealiſches eich fluͤchtet. — Zwey 
entgegengefeßte, bildender Geil und gebildeter Stoff, muͤſſen is 
gegenfeitige Verbindung treten, das Schoͤne zu erzeugen, «in 


Kanſtler fowohl, als ein betrachtender Kunſtrichter. Diefer muß 


den Weg jemes zurückgehen, und das Kunſtwerk wie jener in 


feine Elemente aufldfen, um es wieder hervorzubringen. Wan 


er das Schöne empfangen wi, muß ber Veträchter entgegen⸗ 
geſetztes und firäubende Naturen durch die Gewalt feines Her 
zens verfühnen. Beyde follen auf bie Trage, wie das Kunſt⸗ 
werk hervorgebracht ift, und was es if, antworten, fo will 
es bie Natur, und der verfländige Menſch keunt kein Was 
ohne Wie, und kein Wie ohne Bas. Bildbender Geiſt und 


gebildeter Stoff gaben durch ihre thätige Wereinigung Bas Kun 


wert. Die neuere Kunft wird eine Appretur und Faconnitunz 
gejhelten. Kurz Hr. M. ſindet überall das Schöne und Kunfı 


werke; wir laffen deshalb Hier ben Faden des Auszugs fallen. 


Ä Das erfie, was uns bey ‚Hrn. M. aufgefallen, if der 
über alle Maßen weitfchweifige,, rhetoriſche Ton feiner Norte 
fungen, ber nie ein Ende gewinnen kann, ſodann bis Unbe⸗ 
ſtimmtheit feiner Ideen. Hr. M. finder in allen Thun und 
Verhättniffen des Menſchen, des Einzelnen wie des Banzen, 
die Schönheit, will Re niche bloß auf die Natur und die Künfe 
eingefchränft wiſſen. Daß wir hierbey feine Ahndung bes Hs 
hern und Streben zum Beſſern verfennen walten, ſey ferse 


/ 
Aeſthetiſche Schriften. | sog 


von uns; nur muͤſſen wir offen geſtehen, daß ber Auäbeul 
Schönheit uneigentlih, wenn er auf Staat ıc. übergetras 
gen wird, genommen, und das Ganze damit nicht erfchöpft iſt, 
und anf bdiefe Art aud aus dem Entgegengefehten fogar das 
Schöne hergeleitet, und gefunden werden könne. Schoͤnheit if 
ihm, wie ſchon gejagt, bie Vermählung zweyer Entgegengefehs 
ten, bie rhythmiſche Bewegung zwiſchen zweyen. Die Kenur 
geihen ber Schönheit ind die mämlichen bes Lebens. Mit 
diefer Bereinigung zweyer Entgegenftchenden fcheint uns durch⸗ 
aus nichts geſagt zu ſeyn. Jedes Ding entfteht ja durch zwey 


Entgegengefebte, es finden ſich In jedem was es auch ſey zwep 


Entgegengefehte; jene Worte Eönnen daher für das Schoͤne 
keinen Erflärungsgrund abgeben. Es nimmt uns dieß um fo 
mehr Wunder, als Hr. M. ſelbſt beftimmt fagt, daß, je ins 
dividueller etwas fey, je fchöner. Warum verfolgte ee denn 
diefe Individualitaͤt nicht weiter, und unterfuchte ihe Weſen ? 
Che er es anf andere Gegenſtaͤnde anwandte, fo wäre «6 für 
feinen Entzweck rathſamer geweien, das Ligenthämliche ber 


Schönheit jeder einzelnen Kunf darzulegen. Was von ber 


plaftifden und muſikaliſchen Schoͤnheit geſagt if, if oberflaͤch⸗ 


lich. Beynahe möchten wir behaupten, daß Hr. Müller von 


der Schönheit niche mehr gefagt habe, als Hr. Millin in feis 
nem Worterbuche darüber vorbringt. Dort heißt ed: Le beau 
se sent mieux quil ne se laisse dehnir; il nous interesse 
par ses formes sans penser a sh matiöre ni a ses usages, 
il resulte de l'ensemble et de l’ordonnance des parties. 
Sans cet ensemble, sans cette ordonnance, sans le rap» 
port parfait des parties au tout, il ne sauroit exister 
rien d’entiörement beau dans la litterature et dans leg 
arts; dans le cas contraire, quelquels details peuvent êtro 
beau, mais l’ensemble ne merite jamais co nom. S. T. J. 
art. beau, Mit diefen wenigen Worten hat Di. die ganze Lehre 
bes Schönen abgethan. Freplich für ein dictionnaire des beaux 


arts zu wenig. Wenn es eine Schönheit des Staats, der Ethit, 


>06 Lebens x. gibt (Vils kennt and eine ſtrategiſche Schoͤnheit. 


505 Aeſthetiſche Schriften. 

fe. Echrf. des menern Kriegs. Berl. 1805 S. 551): fo muß fe 
gewiß von der der Kunft hoͤchſt verſchieden ſeyn, in fofern ſchon 
die Segenflände verfhieden find, auch mödte in ihre der Staat 
u. d. nicht erfchöpft ſeyn, wie es in den Küänften der Fall if. 
Das wenige, was in Bezug auf Kunſt und Aeſthetik von 
femmt, iſt gu allgemein, Doch zeigt es von gebildetem Sinn 
und Geiſt. — Im Ganzen genommen hatten wir von die 
fee Monographie mehr erwartet, als wir gefunden haben. 
Plotins zwey Bücher (das 6. B. der erſten Enneade, æcol 
too zaror, und das B. der 5. Enneade, NEpL TOO vorrod 
xz&ahhor:; freylich den meiſten Aeſthetikern unbekannt, ſcheinen 
Rec. vor den Unterſuchungen der Neuern immer doch den 
Votjug zu verdienen, wenn ſie gleich das Ganze nicht erſcho⸗ 
pfen. Ihr Grundgedanke iſt eigentlich Platoniſch. 

.Auch bey Hr. Luden fragt man vergebens nad dem, was 
Schoͤnheit fey, ob er fonft gleich, da es das Lehrbuch foderte, 
fih die Mühe zu geben ſcheint, auf Einſicht des Dinges zu 
dringen. Mit ſeiner Erſcheinung des Goͤttlichen im Irdiſchen 
iſt nicht viel ausgerichtet; eben ſo wenig wie mit ſeiner 
Ableitung and dem Urfdönen; wir kommen im’ Ganzen doch 
damit nicht weiter. Wenn wie nämlich feine dee recht gefaßt 
haben, fo verſteht er darunter den Grund, den Protorpp, 
woraus alle Schönheit der Künfte Herfließt, dann aber wäre 
es ein allgemeines: . Was hilft das Höhere, wenn wie das 
Niedere nicht willen ? Was nüßt «6 dem Bettler mit Königen 
verwandt zu feyn? Iſt es denn noͤthig, das Schöne im Ye 
berfhwenglihen zu fuhen? Schon daß das Schöne, um zu 
- erfcheinen (denn ohne Erfcheinung iſt es nichts), einer Seſtalt 
bedarf, mithin begrängt gedacht werden muß, follte ihm Zweifel 
gegen jenes Vorhaben erregt Haben. Iſt es aber ein Begränztes, 
ſo iſt es auch ein in ſich abgeſchloſſenes, individuelles, ohne 
weder ein Nothwendiges zu ſeyn, denn dann wärk es Bloß 
Regelmaͤßigkeit, noch ein Zufaͤlliges. So wie ih der organi 
fhen’ Welt das Leben nicht als Gattung oder Art, fondern nud 
als Einzelnes eriftirt, fo auch das Schöne. Daß das Schöne 








Aeſthetiſche Schriften. 507 


nur, als Kunfifcönes, nicht aber als Naturſchones vorhanden 
fen, verneinen wir. Hr. L. folgert es aus ſeinem Hauptfaße, 
bat es aber durchauͤs nicht erwieſen. Das Wort Natur duͤrfte 
hier einige Schwierigkeiten verurfächen, es Tann nämlich in - 
einem mehrfachen Sinne genommen werden, allein man nehme 
es in eirem Sinne, in welchem man will, fo wird dennoch ein 
Naturichönes ſtatt finten. Gewöhnlich fagt man, das Naturs 
ſchoͤne ſey bewußtlos, der Freyheit beraubt, aber, wenn dieß 
wäre, fo müßte es ein Nochmwendiges feyn, das nad) einer 
Hegel, Beleg hervorgebracht wäre; ein Regelmaͤßiges ift aber 
noch fein Schönes. Ueber den Schluß des Beweiſes, Daß die 
Natur nur in ihrer Unendlichkeit ſchoͤn fey, hat Schelling ſich 
ſchon nachdruͤcklich geaͤußert (Philoſ. Schriften Th. I. ©. 5gı 
Note 5). Es gibt ein Naturſchoͤnes, fo gut wie es ein Kunſt⸗ 
fhönes gibt. Hr. L. räume dieß auch fpäter ein, indem er fagt, 
die Betrachtung des Naturſchönen koͤnne einen guten Menfchen 
erfrenen. $. 25, Das wird ihm zwar jedermann zugeben, daß 
die Natutſchonheit auf einen kleinen Kreis von Objecten, naͤm⸗ 
lich Menſchen und Thiergeſtalten und andre Naturgegenſtaͤnde, 
eingeſchraͤnkt ſey, und keines aller dieſer Dinge feine Idee ers 
fuͤlle, keines für die forfchende Erkenniniß ohne Fehl ſey. Dem⸗ 
ingeachtet aber darf es in der Aeſthetik nicht übergegangen und 
ıusgefchloffen werden, weil die Aeſthetik nicht bloß Kunſtlehre 
ſt, ſondern das ‚Schöne überhaupt zu feinem „Vorwurf hat, 
ınd das Naturſchoͤne als Schoͤnes in der Seele des Betrach⸗ 
enden die naͤmliche Empfindung erregt als das Kunſtſchoͤne. 
Sodann iſt es auch in Bezug auf die Lehre von der Kunſt als 
ie unterſte Stufe des Bildungetr iedes anzufehen, von welchem 
ie Runft die Fottſetzung ift, ohne daß ſ ſie weiter auf ein bloßes 
ſdachahmen beſchraͤnkt, wird, da ſie vielmehr als ſolche eine 
ceye Combination der Phantafie. Im Anfang des Lebens, 
0 Nachahmung und Gefühl noch ungetrennt und animaliſch 
nd, finden ſich auch die Anfaͤnge der Kunſt. Ihr erſtes Ele⸗ 
zent iſt Nachbilden. — Des Raumes wegen übergehen wir 
> manches ande, 


508 Aeghetiſche Scheif 
De. Krug Bat im Ganzen die Kantiſche Auſicht mit wer 
nigen Abweichnugen wiederholt. Das Schone ſtellt er alſo nicht 
eigentlich dar, wie es an umd für ich ik, fondern mehr als 
für ein anderes, d. h. er hat das Schöne bloß in Rackſicht 
der Wirkung betrachtet, bie es anf das Gefühl von La ade 
Unluſt made. Wie umgnreichend nun dieß fep, da es nur bie 
Eine Geite iR, und zwar mod, obendrein die vermittelte‘, fällt 
in die Augen. Sn fo fern ihm fein Syſtem hierzu beſtimmt 
Hätte, bärfte er wohl Entfchuldigung finden, aber dan muß 
Der. ah gegen fein Syſtem, das ſich Hierdurch als formal 
und, man verzeihe den Ausdruck, ala unpoetiſch ankündigt, 
gradezu erfiäcen. Da ihm die Bemuͤhungen alter und neue 
Philoſophen nicht unbekannt waren, fo hätte er ſich wohl dieſes 
Fehlers entfchlagen können. Doch es if eine eigne Erfcheinung dei 
Beitalters, daß es die Beobachtungen der frühern durchaus nick 
wid gelten laſſen, und daß es glaubt, durch Auffellung feiner 
eignen Meinung made es jene früherm Gberfläffig. Rec. glaubt 
das Gegentheil, und iſt überzeugt, daß bie frähern Linterfus 
ungen in ber Wiſſenſchaft auch jetzt noch und immer ihren 
Werth behalten; fie find Momente für die Wiffenfhafl-. Nun 
iſt feine Meinung aber nicht, daß fie, fo wie fie ihrer Form 
nad vorliegen, aufgenommen werben bärfen, fondern daß fie 
wiffenfchaftlich betrachtet werden muͤſſen. Sie find das, was 
in der Phyſik die Erperimente find. Die Bemühungen Baum 
gartens und feiner Anhänger fowohl, als die der andern Phi 
Iofophen z. E. Platners überdas Schöne muͤſſen Bier wien 
ſchaftlich benugt werden, wenn man zum Zwecke gelangen will. 
— Wenn Hr. Kr. meint, daß der Streit zwiſchen Kant und 
Herder, 05 das Schöne intereſſire, oder nicht, auf einen Wort 
ſtreit Hinauslaufe, und duch Etymologie ihn zu ſchlichten fucht, 
eben fo daß er das Schöne als durch feine aͤſthetiſche Form 
intereſſirend fegt, fo hat er doch manches uͤberſehen. Wenn 
Bas Intereſſe, wie nicht geleugnet werben kann, auf der eines 
Geite einen Mangel, ein Beduͤrfniß vorausſetzt, fo kann es 
‚in fofern in des Seele des Betrachtenden nicht mehr reine 





Kefipetifche Schriften, 509 

Wohlgefallen erwecken, was «6 doch ſelbſi nach Hru. Nr. fol. 

Es fält alfo nach dieſer Anficht ein Uebergewicht auf eine Geite, 

und das Verhaͤltniß iſt getruͤbt. Die Beziehung (interest) 

geſtehen wir ihm gern gu, weil ohne dieſe nichts wäre, nur 

nicht eine folche Vermittlung, wie fe offenbar bey dem Spnters 

eſſe ſtatt findet. Der Streit iſt übrigens, wie man leicht ficht, 

aus der Annahme der gegenfändlichen Schönheit entflanden, 
und kann in der Bolge, wenn man naͤmlich davon ausgeht, 

daß es weder in dem Gegenſtande, noch in dem Betrachtenden 

allein ruhe, nicht mehr, wenigſtens nicht mit der Breite, ge⸗ 
fuͤhrt werden. Haͤtte Hr. Krug die Erſcheinungen des Shi 
nen in ber Matur und den Kuͤnſten ſelbſt erforfcht und gehörig 
unterfucht, fo würde er gewiß einen andern Weg eingefchlagen 
baden. Wir achten dieß für fo nothwendiger, da es eben ver 
der bisherigen Einfeitigkeit bewahrt (man kannte Bloß das 
Schöne der Dichtkunſt, und conftruirte hieraus das Geſetz), 
und den Geift befonders geſchickt macht, das Schöne im den. 
Künften zu bemerken. Ueberhaupt glauben wir uns gegen 
Hrn. Krugs Meinung, daß nur eine oberflaͤchliche Kenntuiß 
der Kunſtarten nöthig fey, hier nachdrucklich erflären gu muͤſſen. 
&o gut Ar. Krug, um Aber einen Gegenftand zu philofophts 
ren, genaue Renntniß fordert, fe gut dürfen mie auch das 
nämliche für die Schönheit fordern. — Außer diefen beyben 
Momenten dürfte aber noch Insbefondere in Anfchlag gebracht 
werden die Unterſuchung, woher das Schoͤne entfpringe, nach 
welchen Geſetzen es probucirt werde, ob bas Gefühl, ober 
bie Phantafle es fehaffe ꝛc. Dieß erforderte ſchon bey Ken. 
Krug die Benennung biefes Abſchnittes. In zweyten und drits 
ten Abſchnitt hat er zwar mehreres hierher gehörige abgehandelt, 
aber Dort gehört es zur Theorie der Kunſt. Hier dient es, 
um die Quelle des Schönen, wie Hr. Gruber ich gut ausdrädt, 
In dem menſchlichen Geiſt nachzuweiſen, und dadurch wird dieſe 
Wiſſenſchaft ein weſentlicher nothwendiger Theil der Transs 
cendentalphilofophie. Und dieß if es eben, was bie Aeſthetik 
„or allen Dingen bedarf. So wie das Schöne in der Aeſthetil 


510 Aeſtperiſche Schriften, 


gewöhnlich. behandelt. wird, iſt es Bloß ein Allgemeines, ein 
leerer Begriff, dem das innere Leben, fein eigner Beweis abı 
geht. Grade umgekehrt, das Schöne als ein Individuelles 
verlangt fuͤr jede Kunſtart ‚eine eigne Unterfuhung; ‚in, Rüds 
fiht der Wirkung möchte ein ‚allgemeines ,. das Wohlgefallen 
ſtatt "finden. Man betrachte ‚die architektoniſche Schoͤnheit | 
% E.; diefe äußert {ih anders., als die der Plaſtik; jene. bes 

ruht in der Linie und dem Cirkel; in der bildenden Kunſt 
if. hie menſchliche Sefali und ihre Beziehungen der wahre 

Vorwurf. Das, was der Weiſt beym Anſchauen von ſich gleich⸗ 
ſam hinzuthun muß, das Erfuͤllende, hier nicht au erwähnen. 
Das Schöne einer Kunft aber hält fish nicht immer in den 
Graͤnzen ſeiner Kunſt, ſondern ſchweift auch oft in nahver⸗ 
wandte über, Bildnerey in Malern, z. E. Canova's Statue der 
WMadame Bonaparte. — Ein Stufengang der Schoͤnheit von 
der realen zur idealen Seite iſt nicht zu verkennen. Sowohl 
die Gerichte zeigt, daß die Pyramiden und Obelisken die rohe 
Sorm wuerft waren, daß die Plaſtik in der Ghiechiſchen Zeit, 
die Maferep unter Leo x. , und bie Mufit in unfern Tagen 
vorzugsw iſ ausgebildet, ſich hervorthat, und jede dieſer Künfte 
mit der Bildungskufe der Nationen genau uͤbereinſtimmt, als 
Auch die Künfte. ſelbſt, daß die raͤumlichen in die zeitlichen und 
dieſe zuietzt ſelbſt in, das Ideale uͤbergehen. "Softte die Beobach⸗ 
tung diefes Einzelnen nicht zu etwas führen? Freylich, fegen wir 
sogleich. hinzu, nicht foweit, daß man die Schoͤnheit als etwas 
handgreifliches gebrauchen koͤnne, welches der Natur der 
Sache ſchon entgegenlaͤuft. Die Kuͤnſtler werden wohl für 
immer nyr das Schöne darftellen können, obgleich wieder in 
ihm nicht das Sich Selbſt Seyende der Philoſophie if. Eben 
dieſe geist, daß es, ohne Ruhe in der Poeſie zu finden, 
wohin es ſich retten will, zwiſchen dem ſelbſtiſchen Selbſtloſen 
DEE. ‚Muft, und dem unbewegten Selbſt der Plaſtik ſchwankt. 
Die Theilungen der Schoͤnheit in ein Natur und Kunſtſchoͤnes, 
dh ein inneres und äußeres baden, nad Rec. Dafürhalten, 
Der Unterfuchung viel geſchadet, in ſofern man das fuͤr die 


Aeſthetiſche Schriften. ar 


Reflexion nothwendig zu Trennende in der Erfcheinung ‚auch ale 
getrennt anfah; am meiften aber die Trennung in das Erhäs 
bene, Natve ıc. Das Schöne, in fofern es fchön ift, iſt auch 


erhaben, nur das Erhabene Hier nicht befonders hervortrittz 


eben fo wie das Erhabene fchön ift. Das Erhadene, Naive, 
Angenehme ꝛc. find nur Momente des Schönen, dagegen dieſed 
die Totalitaͤt iſt. Als Momente enthalten ſie ihre Negationen 
in ſich, und der unterſuchende Geiſt wird deshalb zu dem 
Puncte unwiderſtehlich hingetrieben, wo er die Erfülfung jener 
Momente findet. — Die Geſchichte des Geſchmacks als der 
dem Einzelnen inwohnenden Kraft, das Schöne zu empfinden 
und mahrgunehmen,;' märde hier ber Wiſſenſchaft fo mande 
Andeutung geben. Doch, follte nicht‘einninl jemand mie der 
Behauptung vortreten,, daB dad, was mir Bis jegt fchön ges 
nannt haben, nur ein nationales, locales fen? BE 

Wir fahren nunmehro fort, die folgenden Abſchnitte der 
Kr. Aeſthetik kurz mitzutheilen. Das zweyte Hauptſtuͤck des 
erſten Abfchnitts iſt Aberichrieben Hypſeologie, nnd handelt von 
em Erhabenen, $. 24 — 30. Erhaben neunt der Verf, die 





Eigenſchaft eines durge welche im Wahrnehmenden durch 


eine unuͤberſchwengliche Groͤße eine Anſchauung des unendlichen, 
in Luſtgefuͤhl durch feine Größe erregt. Es tbundert uns, da 
Ar. Krug die Größe in Anfıhlag bringt, da nach Jean Pr 
Richters Bemerkung oft das nicht Große 'das’ Erhabene- eben 


jewirkt: Im dritten Hauptſtuͤck, Symgeneiofogie (eine unpals 


ende Benennung) betitelt, werden die übrigen’ ipenfähnfteh 
ver Dinge, welche entweder durch Einftiminung, oder Entges 
enſetzung in das Erhabene, oder Schöne treten, abgehandelf. 
>. 31-48. ©. 142, alg das Huͤbſche, Reisende, Ayımyı 
hige,“ Grazie, Niedliche, Tandelnde, Zterliche, Nette, Eins 
ache, das Große, Koloſſale, Edle, die Wuͤrde, das Feyerliche, 
Praͤchtige, Herrliche, Pathetiſche, Ruͤhrende, Empfindſame, 
Romantifhe, Wunderbare, Furchtbare, Graͤßliche, Ungeheure, 
Tragiſche, Haͤßliche, Niedrige, Eckelhafte, Laͤcherliche, Launige, 
Bigige, Scharfſinnige, Naive, Schetzhafte und Poſſenhafte, 
domiſche, Groteske, die Karrikatur, das Satiriſche und Tra— 
ziſchkomiſche. Viele ſchoͤne Bemerkungen. Der zweyte Abs 
chnitt, diezaͤſthetiſche Krimatologie begreift die 99. 49-57, Im 
erfält in zwev Theile, Die reine und Angewandte Geſchinacks⸗ 
ehre. Der Anhalt des eriteh Theils, $ 4g—54, if folgen⸗ 
ver. ' Sn jedem aͤſthetiſchen Gegenſtande gibt fi unserm Gi⸗ 
nuͤthe 'rine gewiſſe ſfubjectlve Zweckmaͤßigkeit zu erkennen,,die 
sach Gefühlen beurtheilt wird. Das Vermoͤgen dieſer Beuts 
heilung heißt Geſchmack, das Urtheil über das Schöne. Ge⸗ 
cymadsurtheit Der Geſchmack iſt entweder transſcendental 


der empiriſch. Jener iſt das urſpruͤngliche Beurcheilungsvets 


% 


N 





— — — — — — — — — — — 





512 Weßpetifche Gcheiften. 
wubgen bes Shin web Grhebenen, Dirfes ed 
faiedenen ecten Bezichung gegebene Dbjecte us 
maennisfaltige Weiſe wirkſam zeigende Beurtheilungsvermign 





Er bedarf der Caliur. Wenn er gleich als Bemeinfen be 


"water werden Tann, fo gibt es doch feine 


me aligemeinsäkige 
abjoctroe Sefchmadsregel, wohl aber eine Kritf der Sefhmudis 
sbierte. Die Urtheilski aſt ericheint bey Beurtheilung des Ohh 
men als ein contemplatives, au» ned) den Principien der Ind 


duch die Darfieiung ein foldes Object et Ele 
voraus Darſtelungsvermogen, das auf Einbildungskraft beruf 


Duction Ach im Zuflande der Begeifterung befinden. Die mal! 
nehmbare Behandlungsweiſe des aͤſthetiſchen Stoffes in M 
Darkelung bes Innern durchs Aeußere ik Ausdru, die Eu 
Bee des Ausdruds EU, die duch Geil ſich ansfprehenk 

ndividnalickt Manier. Jedes Kunſtwerk muß Ehdrakter had, 
der dem Geſetz der Schoͤnheit unterworfen, theils durch Erhr 
dung, theils dur Ausführung des äfthetifchen Stoffs, au 
dem es hervorgeht, beſtimmt if. Einfachheit und MWanuigfi) 
Sigfeit, Vollſtaͤndigkeit und Präckon, Proportion und Sdit 
lichkeit, Deutlichkeit und Correctheit find weſentliche; Natis 
lichkeit, Wahrheit, Sittlichkeit gewiffermaßen nur noihwendig 
Eigenſchaften. 


¶ Dee Becchluß foigt.) 
— çV- 





No. 33. Seidelbergiſche 1811. 
Jahrbuͤcher der. Literatun. 








öxxXXXXXXXXIXXXXIXXEIEEI 


eſthetiſche Schriften von mitiia, Gruber, auden, Krug 
un Müller. 


CWBeſchluß der in Nu. 32, abgebrochenen Collectiv⸗ Retenſion. u 


» Ah ſanit. Beſondere Kalleotechnik. F. 67 — ja. Schoͤne 
unſt zerfaͤllt wegen ihrer verſchiedenen Darſtellungsmittel und 
zeiſen in verſchiedene Gebiete, oder Claſſen, naͤmlich in toni⸗ 
ve, plaſtiſche und mimiſche (Syntheſis jener beyden), in denen 
? Kunftwelt geſchloſſen iſt. Jedes Gebiet hat zwey Ordnuns 
n von ſchoͤnen Kuͤnſten, abſolut ſchoͤne und relativ fhöne, 
ne und angewandte (verfhhönernde). In jeder Ordnung gibt 
zwey Gattungen, einfache und zufammengefehte. Die Gat⸗ 
ng der einfach fchönen Kunſt zerfällt in zwey Arten, die fi 
Ruͤckſicht der Darftellungsmittel unterfcheiden, in fofern fie 
Matur gibt, oder von des. Menſchen Wilkühr abhängen. 
e zufammengefe&te Ordnung iſt unfruchtbar. Von $. 75-97 
erden nunmehr die drey Elaffen mit ihren Ordnungen, Gat⸗ 
gen und Arten aufgeführt, Wir geben daher bloß die 
men an. Das erfte Hauptſtuͤck, die tonifche Kalleotechnik, 
hält die Tonkunft, Dichtkunſt, Sefangkunft, ſchoͤne Sprech⸗ 
ft, ſchoͤne Redekunſt, fhöne Rednerkunſt $. 75—80. Das 
pie Hauptſtuͤck, die plaſtiſche Kalleotechnik, begreift unter 
die Bildnerey, Malerey, Luſtgartenkunſt, fhöne Baukunſt, 
ne Schrifttunft, ſchöͤne Manzkunſt $.8:—88. Die mimi⸗ 
Kalleotechnik, oder das dritte Hauptſtuͤck, enthält die Ger 
enkunſt, Tanzkunſt, Scaufpiellunft, fchöne Kampfkunſt, 
ne Neitkunſt, ſchoͤne Turnierkunſt $. 89— 96. Der letzte 
:agraph wird mit einer tabellariſchen Ueberſicht aller ſchoͤnen 
iſte geſchloſſen. . 55 “ 


51 Aeſthetiſche Schriften. 


So weit der Auszug aus Hrn. Krug's Sägen. Die ihnen 
bepgegebenen Anmerkungen erläutern das in dem Paragraphen 
Vorgetragene, und enthalten viele feine und Icharffinnige Be 
mertungen. Wir hätten flatt dieſes Werfahrens jedoch liche 
gefehen, wenn der würdige Hr. Verf. eine freye wiſſenſchaft 
liche Darfielung gegeben, welches ihm ein leichtes. geweſen 
wäre. Die Geſchmackslehre, fo wie bie Theorie ber Kunf, 
find im Allgemeinen gut bearbeitet. Die Namen Krimatologie 
und Kalleotechnik können und wollen wir nicht billigen, ba jur 
Bezeichnung folder Dbjecte unfre Sprade die nöthigen Worte 
ebenfalls hergegeben haben würde. Was die einzelnen Kun 
gattungen betrifft, fo können wir das von ihnen nicht rähmen, 
was wir von der Geſchmackslehre insbefondere, gerühmt haben; 
es ift mehr auf Eintheilungen und Definitionen geſehen, als 
auf die Sache ſelbſt. Die Lehre‘ von dem Geſchmack und 
Geſchmacksurtheile hat der Hr. Vetf. zwifchen bie Lehre von 
Schönen und Erhabenen, und zwifhen die Philofophie der 
Kunſt gefegt, weil der Geſchmack Kenntniß des Schönen, und 
die Kunftdarftellung Geſchmack vorausfege. — Allein da das 
Schöne nur (durch die Matur oder Kunfl) vermittelt erſcheint, 
die Schönheit der einzelnen Künfte durch ihre Darfiellungs 
mittels und Weifen von einander gang verfchieden ift, 3. E. die 

Schönheit der Architektur von’ der ber Muſik, und daß man, 
ehe man ein Kunſtwerk zu beurtheilen verfieht, Kenntniß der 
Kunſt haben muß, fo follte die Geſchmackslehre vielmehr die 
legte Stelle der Aeſthetik einnehmen. Freylich tritt im der Er⸗ 
fahrung wieder der Fall ein, daß bey der Darftellung der Kuͤnſtler 
vorher urtheilen Muß, mas er anwenden darf, was zu entfirs 
nen iſt, damit das Schoͤne in feinem Werke erſcheine; aber der 
Künlier nimmt diefe Bildung ans ſchon beſtehenden Kunſt⸗ 
werten und aus der Cultur, nicht aus der Abſtraction dei 
Schönen. Auch trägt das Schöne eines jeden Kunſtwerks, wie 
Hr. Luden mit Recht bemerkt hat, die Spuren der Zeit um 
des Volks an fih, und wir mödten behaupten, daß es ches 
dadurch ein Schönes ſey. Jedes Wollt, jede Zeit Hat feine 








Aeſthetiſche Schriften: sis 


Schönheit, die fle in den einzelnen Kuͤnſten barfteft,, wie die 
Griechiſche und Gothiſche Baufunfb, das Deutihe und Frans 
öfifhe Theater Hinlänglich beweist. (Wegen des Franzöflihen 
Theaters mäffen wir bier noch bemerken, daß wir Deutfcheh 
:6 mehr entweder von unferm mationalen, ober gelehrten Siand⸗ 
zuncte aus beurtheilen, als aus dem eigentlichen Eulturguftande - 
ener Station ſelbſt; daher auch jeßt noch die falfche Auffaflung.) 
In diefer Ruͤckſicht wäre die Stellung nad der Theorie der 
inzelnen Runftarten rathfamer, da der Lehre vom Geſchmack 
nach fo manches fonft noch Beygegeben werden muß, was Ar. 
Rrug übergangen bat. Wir führen bloß die Lehre vom Anttı 
m nnd Romantifchen an, als Beyſpiel "des Geſchmacks am 
Schönen: — Doch noch mäffen wir erwähnen, was uns bes 
onders aufgefallen iſt, daß Kr. Krug, indem er Die Aeſthetik 
icht als Kunftichre will betrachtet wiffen, feinem Grundſatze 
adurh, daß er der Kunftdarftellung Kenntniß des Schoͤnen 
nd des Geſchmacks vorausfhidt, untren wird, und wirklich 
ine Kunſtlehre zu liefern fcheint. Des Naturſchoͤnen wird gegen 
ie Kunſtſchoͤnheit faft gar nicht gedacht. — Was die Theorie 
ee Kunſt betrifft, fo find wie mit Hrn. Krug darin vollloms 
jen einverftanden, daß die Theorie jeber eingefnen Kunſt nicht 
; die Aeſthetik gehöre, fondern ihre eigne Doctrin erfordere. 
uch darin mäflen wir ihm beypflichten, daß keine Kunſt vor 
r andern, 3. E. Poefle vor der Malerey, auf eine ausführs 
Here Behandlung Anſpruch machen duͤrfe. Diefen Umſtand 
nn man fih in den frühten Aeſthetiken bloß darans erklären, 
ß die Poefle duch die Sprache, als Darfielungsmittel, allen 
gänglicher, die tonifhen und plaſtiſchen Kuͤnſte aus Mangel 
Uebung und Seltenheit folher Kunſtwerke unbekannt waren, 
- Daß Hr. Krug auf eine wiſſenſchaftliche Behandlung der 
inſttheorie, wie uͤberhaupt der ganzen Aeſthetik dringt, hat 
ſern ganzen Benfall. Allein, was heißt hier wiſſenſchaftliche 
ehandlung ? Auf jeden Fall, daß das Schöne und die Kunſt 
der Vernunft nachgewiefen (mas nad) unferm Ermefien Hr. 
im allgemeinen nicht geleiftee), nnd. dir Zufammenhang 


548 Drüd’s geſamm elte Schriften.” 


die Fehler feines Berts kurz damit zu bezeichnen, bag wie 
ſagen, er babe die Aeſthetik einer Meinung zu gefallen fo zu⸗ 
geſchnitten, daß das. Wiffenfchaftliche Jarüber verloren gegangen. 
Keines diefer Heyden Syſteme ift weder material, noch formal 
ben Anfprüden sonform, welche man nad) dem. jetzigen Zuftand 
der Wiſſenſchaften an fie machen ann. 

Wie fchließen unfre Beurtheilung mit ber Frage: ob es 
eine Wiſſenſchaft des Schönen geben könne, was Kant zufolge 
feines Syſtems leugnet. Nah Rec. Dafürhalten if fie fo gut 
möstih, als eine Wiſſenſchaft des. Wahren und Guten. So 
wie in der eigentlich fpeculativen Philoſophie das Wahre aufs 
tritt, und in der Ethik das Gute, fo iR in der (wir gebrauchen 
ben gewöhnlichen Mamen.) Aeſthetik das Schöne Überhaupt der 
Segenftand. Beyde, das Wahre und das Gute, werden nicht 
in dem Grundſatze, und im Einzelnen erfchöpft, und feite es 
das Schöne? Das Gute zeigt ſich, in der Erfheinung immer 
zunehmend, obgleich bie Idee wicht erfüllend,, in ber Totalicät, 
der Kicche und dem. Staate, fo wie in den fie bildenden eins 
zelnen Inſtituten. Die Wiffenfhaft iſt hiervon das ideale 
Bild. Das Schoͤne offenbart Ach in den Künften, im jeder 
fielle es ſich auf eigne Weiſe dar. Die Kunſtlehre iſt das geb 
ſtige Abbild, nicht eine Anweiſung. Sie beruht nicht auf einem 
Prigch, ſondern auf der Auſchauuns des Schoͤnen und der Kunſt. 


puoꝝ. 





Friedrich Ferdinand Drücks, ehem. Prof. am königl. 
ohern Gymnas, und .königl. Bibliothekars zu Stuttgardt 
kleinere Schriften, gesammelt und herausgegeben von 
Carl Philipp Conz, ordentl. Prof. der alten Lite- 
ratur, Tübingen, gedruckt mit. Fues’schen Schriften. 
Erster Band. 1810. VIII u. 354 ©. Zweyter Band. 1811. 
346 &.. (3 fl.) 


Im Fruhling des Jahrs 1807 ſtarb zu Stuttgarbe Frie 
drich Ferdinand Druͤck, nachdem er die ganze Zeit feiner äffents 
fühen Wirkſamkeit erſt Des ehemaligen Hohen⸗Carleſchule und 
nach ihrer Aufidfung dem dortigen Gymnaſio gewitmer hatt, 


3» 


‚Drad’s gefammelte Schriften. 519 


ellgemein ‚gefhägt und. hetrauert. Ein Hleibendes Denkmal 
hatte er. fi) gegründet in den Herzen der vielen einheimifchen 
und fremden Zoͤglinge, die in diefen beyden Anftalten feinen 
Unterricht genoffen hatten, ‚und alle von Hochachtung gegen 
feine Vorgäge ale Menſch und Lehrer durchdrungen waren. 
Seine zuräcgelaffenen Freunde wollten ihm deßhalb ein Denf: 
mal fegen, das feinen Geift und Charakter. auch denen kennz- 
lich machte, Die ihm nicht perſoͤnlich kannten, und denen, die 
ihn kannten, Erinnerung feyn follte an ihren Freund und 
Behrer. Sie wählten dazu ganz zweckmaͤßig die Sammlung 
feiner Schriften, Die theil6 einzeln bey Öffentlichen Veranlaſ⸗ 
jungen erfchtenen waren, und eben darum nicht Äber die nächte 
Umgebung hinaus fid verbreitet Hatten, theils in feinem Hands 
ſchrifilichen Nachlaß gefunden wurden. Die Beforgung diefer 
Sammlung übernahm Hr. C. PH. Comp, Prof. der claſſiſchen 
Biteratur zu Tübingen, „den vieljährige Freundſchaft dem Vers 
torbenen enge verbunden ‚hatte. Wir halten es für heſondere 
Ibliegenheit literariſcher Blätter das Andenken verdienten Ochul⸗ 
naͤnner, wenn fie auch nicht mis vielen Schriften vor dem 
Qublico aufgetreten find, zu ehren und zu erhalten, und wir 
serden in diefer Ruͤckſicht bey der. Anzeige. diefer Sammlung 
was länger verweilen. 
Die, vorliegende Sammlung beſteht theils aus Program⸗ 
en und Neben, welhe bey feverlihen Weranlaffungen ges 
hrieben und gehalten worden find, theils aus Ueberſetzungen. 
Hr Inhalt bezieht ſich dem groͤßern Theil nach auf Gegens 
inde der humaniſtiſchen Wiſſenſchaften, das übrige auf Zeits 
id Drtsgemäße hiſtoriſche Gegenſtaͤnde. Wir wollen, ohne 
is an die Ordnung der Ausgabe zu halten, nach der Drb: 
mg bee Gegenflände den Inhalt der Sammlung angeben, 
mit um fo leichter erfannt werden möge, wie viel der Verf: 
jedem der Zweige, welche den Gegenſtand feines Unterrichts 
smachten, geleiftet habe. Zuerſt alſo von den philologiſchen 
‚Handlungen. Die erfie und umfafiendfe derſelben ift eine 
5. 1780 von der neunten Claſſe dev Militaͤr Akademie 


520 Druͤck's geſammelte Schriften. 


vertheibigte Dissertatio philologica de virtutibus vitiisque 
Homeri et Virgilit ex saeculi ipsorum indole aestimands 
(8. J. G. 1— 120). Schon der Titel beſagt zur Senke, 
daß der Zweck diefer Abhandlung fey, den Einfluß zu gegen, 
welchen der Charakter des Zeitalters auf die Bildung der He 
merifhen und Virgiliſchen Poeſie gehabt Habe, umd wie dahe 
manches erffärt werden müfle, was in unfeer Zeit als Fehler 
erfcheinen koͤnnte. Borausgeſetzt if, was nach der Zeit, Inte 
diefe Abhandlung gefchrieden worden, nicht anders erwarkt 
werden kann, die ältere Anficht von dem Urſprunge der Su 
merifchen Gedichte, und ihe gemäß angenommen, Homer mil 
vor dem Einfall der Herakliden gefungen Haben, weil burd 
diefen die Lage Kieinafiens fo verändert worden, daß en Ew 
‘der wäre, wie dem Dichter nach diefer Zeit der vorige Zul 
Kleinaflens fo lebhaft vorgeſchwebt feyn konnte. Nachden 
daranf das Zeitalter Homers dem des Virgils gegenäber ia 
allgemeinen charakterifire, und jenes dem Mittelalter, diefed it 
neueren Zeit verglichen werden tft, wird in den folgenden Pe 
"zagraphen durch eine nähere Charakterifirung der Komeriide | 
Zeit gezeigt, wie eben eine ſolche Beit grade guͤnſtig war, 1m 
die Aufftellung ſolcher Eharaktere, wie fie das Epos erheiſh 
möglich zu machen, wie aber au Einiges, was nad un 
"Begriffen weniger anzieht, 3. ©. die Genealogieen, die IE 
ſtaͤndliche Redſeligkeit u. a. durch die Zeit Feibft bedingt am 
herbeygefuͤhrt worden fey. Es genäge zu fagen, daß chen I 
wie Die Eigenheiten jener Seiten getreu gegeichner, and N 
Vorzüge der Homerifchen Gedichte. treffend aufgefaßt und m 
wicelt werden. Mit Virgil befchäftigen ſich die 66. 10-5 
Sie beginnen mit einer Träftigen Schilderung der Zeit, in M 
Virgil auftrat, und des Bolkes, unter dem er dichtete. Vi 
theilen als Probe den Schluß des vielleicht etwas zu Rark a 
gedruͤckten, aber im Ganzen doch getreuen Gemaͤldes mit. E 
ita quidem (heißt es &. 68) comparata fuisse aetatis ir 
'gilianae indoles videtur. Habebat homines non mamue 
factos; sed effeminatos, virtutes nullas, aut, si quae erh 











Druͤcks gefammelte- Schriften. 54 


simulatas, gravitatem primo turpiter tum serviliter occu- 
patam, cives hinc ex superbia illince ex imvidia penitus 
dissociatos, denique nihil proprium ac singulare, 'sed 
omnia sua omnium- fere gentium-proprietatibus commibsa 
atque temperata. Streng wird hierauf bewiefen, wie wenig 
Birgit Genuͤge leifte im Charakter des Aeneas, aber auch mit 
gleicher Gerechtigkeit. fein großes Verdienſt um den Charakter 
der Dido entwideht, und gezeigt, wie gerade dieſe tief einges 
hende Zeichnung des weiblihen Semüths durch die Zeit Virgils 
begänftige worden ſey. Den Schluß mahen Bemerkungen 
Aber den Charakter Tyeaus, DMegentius u. d. a., kurze Aus 
gabe der Refultate und einiger andern Puncte, die noch neben 
den bisherigen zu berückfichtigen wären. Wenn gleich in der 
Zelt, feit diefe Differtation gefchrieben if, die Linterfuchungen 
über Homer weiter geführt find, fo verdient file doch gewiß 
auch jetzt noch fchon in NRädfiht auf das Über Homer Grfagte 
mit Aufmerkſamkeit geleſen zu werden. Aber noch mehr beys 
nahe verdient fie dieß in Ruͤckſicht auf die feinen und tröffens 
ben Bemerkungen, die Über Dirgil mitgetheilt werden, und 
fie darf in diefer Hinſicht gar wohl einer neueren in den Nach— 
trägen zu Sulzers Theorie und Literatir‘ der ſchoͤnen Wiſſen⸗ 
fchaften , Th. 7 ©. 274 ff. , abgedruckten Eharakteriftit Virgils 
an die Seite ſich flellen, zumal da fie fi auch, fo wie übers 
haupt alle Drüdiiche Abhandlungen durch Sorgfalt und Bes 
"Aligeeit der Darfichung auszeichnet. - Zu den philologiſchen 
Nufläsen im firengern Sinn gehört ferner das Th. I. ©. 313 
— 350 abgedrudte, im Jahr 1797 gefchriehene Programm : 
Juamnam hotionem de Musarum numine ac vi veteres 
ibi animo informaverint ad explicandum Horat, L. II, 
IA. A Der Zwei der Abhandlung iſt, zu zeigen, wie der 
mente Theil diefer Ode mit dem erfien jufammenhänge; eine 
(ufgabe, welche gelöst wird durch Entwiclung der Bedeutung, 
yelche die Griechen und Römer den Muſen gaben, daß fie 
aͤm lich nicht bloß als Schägerinnen der Kuͤnſte, bie ihnen 
ewoͤhnlich zugetheilt werden, fondern aͤberhaupt als Pflege 





523 Druͤcks gefammelte Schriften. 


sinnen milderer Tugend roher Kraft gegenüber, wie Gen Dis 
sera fo auch bey Künftlern dargeſtellt werden, und alfo in der 
srwähnten Ode der zweyte Theil, der die rohe Kraft der Sis 
ganten fchildert, beygefügt feyn, um den im erſten Theil ent 
Haltenen Gedanken durh den Gegenſatz in. ein helleres Licht 
gu fegen, ohne daß nöthig ſey, eine nähere Beziehung auf 
Augufis Gegner darin zu finden. Daran fchließe ich im zwey⸗ 
sen Theil, S. 1 —5ı, ein 1799 gefchriehenes Programm: in 
locos aliquot ex Taciti vita Agricolae et Dielogo de or 
soribus. Es würde zu weit führen, wenn wir die einzelnen 
MBtellen anführen. wollten, die entweder ‚duch Emendatien, 
oder Erklärung Licht gewinnen. Es fey alfo genug, zu bemers 
ken, daß ſiebzehn Stellen aus dem Agricola, drey aus dem 
Dialogus de oratoribus berichtigt und erläutert find. Bess 
traute Bekanntſchaft mit dem Schriftfieller, der zu den Lieb⸗ 
dingsichrififtelleen des Verf. gehörte, Scharffinn und Combi 
antionegabe bewähren fih auch Hier, fo .wie in der letzten 
Abhandlung des zweyten Bandes, S. Zi2 — 346, über Then 
pyhraſts fünfte Charakterfhilderung, die zum Zweck hat, zu 
weigen, wie fi alle Züge dieſes Charakters zufammenfinden in 
dem, den wir einen Gefallfühtigen nennen könnten, daß alfe 
unnoͤthig ift, anzunehmen, es feyen zwey Fragmente verſchie⸗ 
dener Charaktere... Mit viel Saune und Gewandtheit if dieſe 
Anfiht durchgeführt. Die angehängten Noten geben Sprach⸗ 
erläuterungen, auch eine Burg, aber. Bündige Polemik gegen 
Schneiders Hypotheſe, in Ruͤckſicht auf den Urfprung Der woch 
vorhandenen Charakterfchilderungen Theophraſts. 
„. Wir kommen nun an eine zweyte Claſſe auf bie Huma 
niſtik ſich beziehender Abhandlungen, welche einzelne Gegen 
ſtaͤnde der Alterthumswiſſenſchaft behandeln. Wir erwähnen 
zuerſt eine nicht ganz durchgeführte. Abhandlung: de artho- 
‘ graphicis veterum Romanorum circa scribendam suam 
Jinguam moliminibw (B. I. &, 141 — 154), Die damals 
+ (die Abhandlung iſt 1784 gefchtieben) unter den Deutfchen wiel 
boſprochene Frage, Über die Orthographie der Deutſchen Sprache, 





BDrüd’s geſammelte Schrifteh. 523 


weranlaßte zu dieſer Linterfinhung, die aber (rider nice Aber 
die Vorfrage hinausgefuͤhrt iſt, welche Quellen über dieſen 
Segenfland gu benußen feyen, und daher nur von den Schrifüs 
ſtellern über Orthographie und einigen alten Denkmolen hans 
delt. Eine Fortſetzung war zwar verfprochen, es hat fig aber 
nichts auf Ddiefelbe ſich Beziehendes unter den Papieren des 
Verflorbenen gefunden. Indeß ift auch diefes Fragment fchon 
fehr angiehend und unterrichtend. In Verbindung wollen wie 
drey, zwar nicht in gegenfeitiger Beziehung geichriebene, aber 
doch verwandte Gegenfiände betueffende Abhandlungen anfühe 
ven. Es gehört dahin ein 12799 geichriebenes Programm: de 
otio veterum Romanorum cum dignitate post gestos ho- 
nores (B. J. S. 215 — 244). Ferner eine 1796 gehaltene 
Rede: quid ad mores civium formandos intersit inter hono- 
res, qui viris.de patria meritis publice et olim habeban-. 
tur et nostra aetate haberi solent (B. I. &. 552 — 35). 
und eine 1799 gehaltene Rede: num ad privatam pıivato- 
rum civium commoditatem prosperitstemque respublica 
Romana constituta fuerit (®. II, G. 32 — 54). Die erfte 
und dritte diefer Abhandlungen haben nur die Römer im Auge. 
Wenn die erfte mit reger Wärme davon fpricht, wie in den 
beffern Zeiten des Staats der um das Vaterland verdiente 
Mann mit Ehren fih von Staatsgefchäften zuruͤckziehen konnte, . 
ohne nußlos für den Staat gu werden, bis erft fpäter mit ber 
Kenderung der Sitten und der Verfaffung auch das fich änderte, 
md eine treffende Parallele zieht mit einigen der . größten 
Deänner nenerer Zeit, Washington umd Frankiin, fo zeigt 
‚agegen die letztere, daß tro& dem, was in unſern Tagen 
Schönes: won der Römifchen Freyheit gefage worden iſt, zu 
einer Zeit des Mömiihen Staats die Verfaffung das Privars 
luͤck Geförderte, fondern vielmehr beſchraͤnkte. Wan kann fi 
sohl kaum erwehren zu bemerken, daß in der letzten Abhands 
ung: zu fehr nur die nachtheilige Seite hervorgehoben if, und 
9a fich zur Vertheidigung und zur Ehre der Römifchen Vers 
affung fagen lteße, und zum Theil in. der vorher erwähnten 
ſoͤhandlung gefagt iſt, uͤbergangen ift. Die zweyte dieſer Abs 
andlungen zeigt ſehr ſchoͤn und kräftig, welchen hohen Vorzug 
as Öffentliche ‚Leben der alten Zeit hatte vor dem der neuen 
urch die Publicitaͤt der Staatsgeihäfte und Stantsverhandy 
ıngen eben ſomohl, ale durch die ‚allgemeine Theilnahme aller 
n den Ehrenbegeugungen, die zuerkannt wurden; mährend in 
egenwärtiger: Zeit die Gefchäfte in die Eaßineter eingefchloffen, 
je Ehrendegeugungen nicht Sache der Nation, fondern. Bade 
nes Einzigen find, und felbft durch Die Art und Weiſe, wie 
? ertheilt werden, und das, worin fie. meißens beſtehen, au 


5% Drüd’s geſammelte Schriften. 


MWerth und Bedeutung’ verlieren, in Vergleichung mit ben 
Shrendegehgungen der alten Zeit; daß die wenigen Anftalten x., 
Die mit alten verglichen werden können, die Weſtmuünſterhalle 
gu London und das Pantheon zu Paris, doch ihrer Abſicht fo 
wenig entfpreden. Dieß find die Abhandlungen, welche auf 
ziaffifche. Literatur zunaͤchſt ſich beziehen. Aus allen ſpricht der 
Sei des mit der Sprache und dem ‚Leben des Alterthums 
wohlvertrauten Mannes ,\ der. gebildet durch das Studium der 
edeiſten Werke der Vorzeit, fowohl Vergangenheit ale Gegen 
wars mit richtigen Blick beurtheilt. Webergeganigen von den 
Alten iſt auf den Verf. infonderheit auch der tiefe Ernſt und 
die. ruhige Würde, ſo wie in der Form feines Vortrags, die, 
ahne pretiös zu ſeyn, fehr abgerundet und abgemeſſen ift, vie 
Les von der Darſtellungsweiſe des Tacitus. 

- Bon den noch übrigen Abhandlungen iſt aus dem Gebiet 
allgemeiner Gefchichte eine im J. 1786 gehaltene und auch 
beſonders abgedruckte Rede: Über die Achnlichkeir dee Verir 
sungen des menſchlichen Berfiandes in zwey verfchiedenen Zein 
altern (B. I. S. 156— 212). Bie bezieht fih auf die 
Mifhung von Aberglauden und Unglauben, wie fie in der 
Zeit Diocletians fich zeigte, und auf Ähnliche Ast in dem acht⸗ 
gehnten Sjahrhundert, das fi) das aufgeklärte nannte, im ver 
ſchiedenen Seflalten durch Eaglioftro, Mesmer, Nofenfeld u. a. 
fi) wieder erneuert. Mir geben als Probe die Stelle, in der 
die Hauptzuͤge des Diocletianifchen Zeitalters zuſammengeſtellt 
werden: Aberglauben und Unglauben, heißt es ©. 107, Schwäus 
merey und reine Vernunft, Zauberer und Entzauberer , Geh 
fer s. und Geiſterbeſchwoͤrer, Goldmacher und Schatzgraͤber, 
Wunderthaͤter, die ſich ſelbſt unfihtbar und andere durch un 
bekannte Kräfte gefund machten, geheime Verbindungen und 
uͤberall her aͤußerſtes Zudringen gu benfelbigen, Propheten, 
welche Erdbeben und andre außerordentliche Naturerſcheinungen 
. vorher verfändigten, Betrogene und Vetrüger, wie unite 
Mofenfelde, die fih bald für Elias, bald für Johannes, bald 
für Chriſtus ausgaben, und die alle einen beträchtlichen Muhang 
. felöft unter Biſchoͤffen erhielten, ganze Länder voll Sclaven, 
die auf gebogenen Knieen bie Befehle des Kalfers erwarteten, 
und wieder Länder, .wo die Eine Hälfte der Einwohner die 
zuͤgelloſeſten Sewaltthätigleiten begeht, weil fie einen Biſchoff, 
Der rechtmäßig gewählt und Beftätige war, abs ihren Biſchoff 
anerfennen follte.“ Diefe Züge. werden nun im Einzelnen nads 
‚ gewieten, und mit Thatfachen aus der Geſchichte des Maximus, 
Apollonius von Tyana, Alexander, Plotin, Porphyr, Droclus u. a. 
belebt. Schön iſt die Wendung, mit der die Nede ſchließt, um auf 
den Gegenſtand der Feyer (ed war.das Geburtsfeſt des Herzogs Carl) 











Druͤck s geſammelte Schriften, 5268 


Aberzugehen. Nachdem nämlich die Folgen dieſer Erſcheinungen 
und dieſes Zeitgeiftes entwickelt worden find, wird die Frage 
aufgeworfen, ‚ob bie ähnlichen Erfcheinungen der neuern Zeit 
ähnliche Folgen befürchten laſſen. Diefe Frage wird mit Nein 
beantwortet, und von den allgemeinen Gründen ber Uebergang 
gemacht zu den beſondern, die für Wirtemberg ſich darbieten 
in der hätigfeie feines Regenten für Bildung und Anfllärung 
u. f. w. Einige Anmerkungen geben noch Erläuterung über 
die Pythagoreer, die Myſterien, die Haupturfachen des tiefen 
Verfalls der Menſchheit nah Diocletian. Seit 1786 hat fich 
manches geändert im Geiſte der Zeit, aber diefe Rede wird 
doch Intereſſe behalten, wenn auch nur als Beytrag gu dem 
Bemälde diefer Periode, ob fle gleich auch in Ruͤckſicht auf‘ 
die neueſte Zeit werdient beberzige zu werden. Specieller und 
wohl noch anziehender find zwey Abhandlungen, welche fich 
jeziehen auf die Sefchichte der Hohen Carlsſchule zu Stuttgardt, 
ines Inſtituts, für das ein fo feltenes Zufammenutreffen glück 
icher Umſtaͤnde eintrat, daß es wohl einzig in feiner Art bleis 
ven wird, das in der kurzen Zeit, da es daſtand, in voller 
Rraft und Bluͤthe mehr bedeutende Männer bildete, aͤs mans 
hes andre in einer langen Reihe von jahren, das dem Lande, 
uf deffen Boden es blühte, die Schuld der Dankbarkeit mit 
Bucher bezahlte, durch die Bildung von ausgezeichneten Ges 
häftsmännern, Dfficiren, Gelehrten und Künftlern, und 
uch den Ruhm, den es ihm in allen Gegenden des Auss 
andes verfchaffte.e Die eine von den auf diejen Gegenftand 
ih beziehenden Abhandlungen iſt ein Lateiniſches Programm, 
efchrieden zur Feyer der Einweihung der Karls s Univerfität 
-B2 (DB. 1.©. 129— 158), und beſchraͤnkt fi auf allgemeine 
Imriffe der Gefchichte dieſes Inſtituts, ift aber zur Ergänzung 
er umfländlicheren Geſchichte, die in der zwenten enthalten ift, 
on Bedeutung. Diefe zweyte Abhandlung ift eine Deutſch 
efchriebene Einladungsichrift, zu der, auf den Tod des Herzogs 
'arls d. 22. Febr. 1794 abzuhaltenden Trauerrede (DB. I. ©, 
69 — 310.) Mis tiefer Rührung wird erft_gefprochen von den 
mpfindungen, welche bey dem Tode des Stifters diefer Ane. 
ate alle Stieder derfelden durchdrungen haben, und dann von 
er Anftalt ſelbſt, wie fie durd zufällige Umſtaͤnde gegründet, 
sie ſteter Ruͤckſicht auf die Bedürfniffe der Zeit und des Landes 
ch erweitert hat, bis fie zu diefem Umfang fl erhoben hatte. 

Bir glauben unfern Lefern einen Dienft zu ergeigen, wenn 
ir eine Mote, welche die Anzahl der in diefem Inſtitut ge 
ildeten Zöglinge betrifft, ganz mittheilen (&. 290). In der 
nftalt waren feit ihrer Stiftung im J. 1770 Zöglinge 1499. 
Jarıınter Wirtgmberger 719; Mömpelgarter 63; ans dem Des. 





528. Drke’s geſammelie Schriſten. 


ſterreichiſchen 493 aͤus dem übrigen Deutſchland 469; Zranıor 
ſen 56; Schweizer 24; Ruſſen 31; Polen 19; Engländer 15: 
Italiener 9; Weſtindier 4; Hollaͤnder 3; Dänen 3; Oſtindier 
3; Schweden 2. Ron der Stadt aus beſuchten die Vorleſun⸗ 
gen 462. Darunter Wirtemderger By: aus dem übrigen 
Deutſchland 101; Franzoſen 34; Schweiger 14; Engländer 7; 
Ruſſen 7; Oftindier 4; Griechen 2; Hollaͤnder 15 Polen 1, | 
Schweden 1; Wellindier 1. Ron bdiefem widmeten ſich der 
Rechtsgelehrſamkeit 357; der Arzneykunſt 182; dem Kameral⸗ 
Forſt und Handlungsweſen 448; dem Militär 400; der Mufit 
und dem Theater 55; . Handwerken 70. Die Webrigen ver 
ließen noch in den Vorbereitungsſahren das Inſtitut. Gefton 
ben find in demſelben 50. Wir bemerken, daß in dieſem Ver⸗ 
zeichniß Bildhauer und Dealer nicht ermähnt find, deren fi 
doch auch Mehrere in diefer Anſtalt gebilder Haben. Ebenfalls 
in Beziehung auf die Geſchichte diefer Anftalt ſteht ein Pror 
gramm mit der Aufihrift: Academia Carolina commendat 
civibus suis memoriam viri vere venerabilis M. Ludovid 
Benjamin Martini Schmid Professoris et Concionatoris 
sacri 1795 (©. I. &. 247 — 266). Warme herzlidhe Freunds 
fchaft, gerechte Anerkennung des edeln, fittlihen und refigidfen 
Charakters des Verſtorbenen fpricht aus dieſer Gedaͤchtnißſchrift, 
die auch in Ruͤckſicht auf Sprache und Darftellung mufterhaft 
if, und einem ſchoͤnen Worbilde des Alterthums, dem Agricola 
des ut, ohne Zwang und Affertation glüdlich nachgebil⸗ 
det iſt. | 

Endlich iſt noch übrig, daß wie der Veberfegung aus den 
Annalen des Tacitus Erwähnung tun. Sie umfaßt (B. II. 
&. 55— 311) die zwey erfien Bücher ber Annalen ganz und 
das dritte bis zum 37. Capitel. Se forgfältiger man die Leben 
fegung mit der Lirfchrift vergleicht, defto mehr muß man be 
dauern, daß nicht mehr von derfelben unter dem Nachlaffe des 
Verſtorbenen gefunden worden ift, fo genau und richtig, fo 
treu und fließend iſt fi. Nur auf wenige Stellen find wir 
gefioßen, wo wir glauben, der Sinn möchte ein andrer fepn. 
Wir fürchten nicht in den Verdacht zu kommen, daB es uns 
darum. zu thun fey, an einem fonft treflihen Werke auch 
Flecken aufmfuhen, wenn wir auf folhe Stellen hinweiſen; 
©. 66 Annal. 2, 7 find die Worte: apud eos (consules) 
Sejus Strabo et C. Turanius juraverunt in verba Tiberii 
. Mberfeht: zunaͤchſt nach diefem Sejus Strabo m. f. f. Wir 
bezweifeln, ob apud in der Bedeutung von: zunaͤchſt nach, vor 
komme, follte es nicht eher ſeyn; in ihre Hände legten fie den 
Eid der Treue gegen den Kaifer ab. ©. 67 Annal. ı, 7: 
Dabat et famae ut vocatus electusque potius a republice 











' 


Druͤcks geſammelte Schriften, 87 


vıderetur, quam per uxorium ambitum et senilem adoptio» 
nem irrepsisse: etwas that er auch wegen des Ruhms, um 
eher den Schein zu haben, er feye von dem Staate berufen 
und erwählt, -ald durch weiblihe Bemuͤhung und aͤltliche 
Adoption eingefchlihen ; die Worte ambitus und senilis fcheis 
sin doch nicht treffend genug uͤberſezt zu fern. S. 68. ı, 8: 
interrogatusque, num se mandante eam sententiam promsis- 
set,.sponte dixisse, respondit. Die Worte sponte dixisse 
find nicht Äberfeßt. ©. 72. ı, 10: simulatam Pompejana- 
rum gratiam partium: Neigung für die Pompejaniſche Partie 
fey gehruchelt worden, gratia iſt wohl eher hier Ausſohnung. 
S. 73 ibid.: proscriptionem eivium, divisiones agrorunt 
ne ipsis quidem qwi fecere, laudatas: bie Profcriptionen 
u. fe fe baden nicht einmal den Beyfall derer gehabt, welche 
Zelber Sefömmen haben. ©. 74 ibid.: gravior domui Cae- 
sarum noverca eitie harte Stiefmutter, die Steigerung wird 
vermißt. S. 141. Annal. ı, 693: onustum. militem darch 
Gepaͤck und Waffen laͤſtigen Soldaten; wir zweifeln, ob laͤſtig 
in dieſem Sinne gebraucht wird. S. 172. L. II, 8 die Worte: 
transposuit militem in dextras iturum find nicht uͤberſetzt. 
©&. 178 L. 11, 13: et nihil remissuut sensere nichts unters 
faffen bemerkten, ftatt: nirgends forglofe Ruhe bemerkten. S. 
205. L. 11, 37: non sponte sustuli habe ich nicht aus freyem 
Willen gezeugt; der Hauptbegriff von tollere geht verloren. 
5. 276; L. III, ı1 die Worte an promeret find nicht Abers 
ſetzt. &. 806. III, 34: obsideri urbem bellis es feyen nicht 
vie ehemals Städte im Belagerungszuftande; unter urbs iſt 
ſier Rom verftanden, und obsideri bellis etwas anders ale 
m VBelagerungszuftande feyn. Se vollendeter das Uebrige iſt, 
efto mehr fallen diefe kleinen Flecken auf, die wohl der vers 
torhene Druͤck felbft, wenn er die -Arbeit noch einmal übers 
ehen hätte, getilgt Haben würde. 
&o: viel über den Inhalt der Heyden vorliegenden Bände 
Rruͤckiſcher Schriften. Em dritter Band, -von dem mir feiner 
eie Meldung :ehun ‚werden, wird die Sammlung fhließen, 
nd Weberfehungen enthalten von dem Agricola des Tacitug, 
em Dialog über die Urfachen des Verfaus Roͤmiſcher Bered⸗ 
imkeit, Cicero's erftem Buch Über die Geſetze und den Ehas 
ikteren des Theophraſt. Wir glauben durch das bisherige 
inreichend bewährt gu haben, daß das Urtheil, welches der 
ir. Herausgeber in feiner Ankündigung von diefen Schriften 
fällt hat, nicht übertrieben war, wenn er von ihnen ſagt? 
; feyen reine Ergeugniffe eines edein , durch das claffifche Als 
rthum gebildeten und genährten GSeiftes und Semürhes zus 
eih. Sa ich glaube behaupten zu können, ſetzt er treffend 


Ba Drüd’s geſammelte Schriften. 


: fo fäpber ihr gelcheter Werch iR, fo if biefer dech 
N eringers, Hô8her iR der Werth des Menfchen, den fie 
tragen; denn fie athmen durchaus den Charakter des beſcheide⸗ 
nen, ruhig betrachtenden, fir jedes Edle und Heilige ber Menſch⸗ 
mit lebendiger Wärme erfüllten Mannes. 

Wir willen es daher auch dem Hru. Herausgeber wirken 
Dank für diefes wärdige Dentmal, das er feinem Freunde mit - 
uneigennägiger Liebe gefekt hat, denn den etwanigen Gewinn 
der Unternehmung bat er einzig der würdigen Familie des 
Verſtorbenen beſtimmt. Nur hätten mir gewuͤnſcht, Daß ber 
Druck fehlerfreyer ſeyn möchte, denn außer den am. Ende des 

en Bandes angegebenen Drudfehlern bat ſich noch eint 
ziemlihe Nachleſe gefunden, die wir als Beweis unfers In⸗ 
terefiee für dieſe Unternehmung zum Frommen der Lefer und 
Beſittzer diefer Schriften mitheilen. B. I. ©. 32: alia in- 
tendunt mente alia simulant ift zu lefen: intendant - simu- 
lent. ©. 61 nad simularentur flatt des Semicolons ein 
Eomma zu fegen. S. 67 die Seitenzahl nurichtig 76 ſtatt 
67; ©. 78 Virglilius R. Virgilius; &. 79 jum für jam; 
©. 114 non amplios fl. amplıus; ©. 2ı6 communicamur 
ſt. communicamus; S. 048 raeibit hic nostrae pietati 
verba wohl f. praebebit; ©. 325 a nimiis venisque cupi- 
ditatibus fl. vanisque; ©. 554 caeterarum fl. caeterorum; 
©. 342 ad eam laudes fi. laudis; ©. 343 accedendasque 
fi. accendendasque; &. 346 variis popularium tumoribus 
@. rumoribus ; ©. 348 audimus quin ruminemur fl, quin 
sdmiremur; ©. 349 ubi lapides nomina inscripti @. no- 
mine; ©. 350 referrendum fl. referendum; S. 353 non 
nisi faustis omnibus fl. ominibus. ®. IE &. 10 ulto ſt. 
ultro; &. 30 plus pluris fl. puris; S. 59 je ſchneller fie der 
Schmeicelen ſich fügte fl. Sclaverey; ©. 73 die Lollianifchen 
und Barianifhen Niederlagen zu Rom, die Ermordung. Das 
Comma muß nad Niederlagen fliehen nicht nah Rom; ©. 7B 
Marcus Lepidus fl. Manius; &. 175 Principllaren ſt. Pro 
mipllaren; S. 178 des Feindes Ehre fl. Ehe; ©. 181 wie 
diefe des Fluſſes Ufer weichen. Das Wort: diefe, muß wegge⸗ 
ſtrichen werden; S. 255 Pamphylius f. Er Ki 3S. 308 
zwey Jahre vorher die nehmliche fi. war Die nebmliche: S. 505 
der unter den Rednern damaliger Zeit die Fülle befaß 1. die 
größte Zülle; &, 334 in illo Codice illo Palatino, Eins 
von den illo muß weggeflrihen werden: &. 336 xzal ra | 
onöra fl. voadru; ©, 359 das philoſophiſche Stadium 
ſt. philologiſche. 











No. 34. Beidelbergifche 1811. 
Jahrbuͤcher der Literatur. 


Versuch über die imaltesische Sprache wu ‚Beurtheilung der 
neulich wiederholten Behauptung, dafs sie ein Ueberrest 
der altpunischen sey, und als Beytrag zur aßbbischen 
Dialektologie, von D. Wilhelm Gesenius, Prof, 

‘ am Gymn. zu Heiligenstadt (jetzt Prof. extraord, der 
Theol. zu Halle). ine s bey Fr. Chr. W. Vogel, 
1810. 


GM die, von Hen. D. Sellermann in bem Oſteeprogramm: : 
Phoeniciae linguae vestigiorum in Melitensi Spec. I. Be 
rol. 180g,. nehtilich wieder anfgeftellte Meinung, daß in der 
Bandesfpradye der heutigen Malteſer uns od ein Ueberreſt det 
ilten Phönisifchen oder Karthagiſchen Sprache erhalten ſey, 
nahe Kr. Prof. Geſenins die Ueberzeugung gäftig, daß fie 
richte andere, als ein Dialekt der Arabiſchen Sorache fep, dem 
vie jeder Dialekt, feine befondern Eigenthümlichkeiten habe: 
zs kann micht fehlen, der. Lefer muß Hrn. G. beytreten, wel⸗ 
yer noch Überbieß die Yugtorität eines Silveftre de Sacy für 
ch hat (vergl. deffen Arad. Gramm. Th. J. S. 42 $. 90), denn 
8 gehört nur einige Kenntniß der Arabiichen Vulgaͤrſprache dazu, 
m die Malteſiſche Sprache als einen Zweig derſelben, auch nur 
ey einer oberflaͤchlichen Anſicht von einigen Malteſiſchen Perio⸗ 
en, zu erkennen. Verdienßlich iſt es von dem Verf., daß er eine, 
s fih unbeftreitbare: WDatſache Auch für den weniger Untew 
chteten bis zur Gewißheit einleuchtend macht, und die Mögs 
hkeit eines eigenen Urtheils durch Zuſammenſtellung deſſen. 
as er die Materie betreffend zur. Hand bekommen konnte, 
ebepgeführe hat. Die Schrift felhft zerfällt in drey Abſchnitte. 
er erfie enthält eine kurze Ueberſicht der Malteſi— 
yen Sprachlehre, nach Agius und eigenen 308 


mmenfellungen, mis durchgehender Verslei⸗ 
Ey 





- 350 Cefenkud über die Mälteffiche Sprache. 


Hung der Arabifhen Vulgärfprakhe. Unter da 
6. 1 angegebenen Eigenthuͤmlichkeiten der Ausſprache iſt weh 
bie Ausfprache des | durd ie bie. anffallendfle; das Ber 
ſchlucken des’ Vokals im Anfangsbuchſtaben des Wortes fand 
Rec. überhaupt bey Arabern aus verfchiedenen Gegenden, derm 
Bekanntſchaft er marhte, gewöhnlih. Die weitern Eigenthuͤm⸗ 
lichkeiten beſtehen in eigenthuͤmlichen grammatifhen Formen, 
eigeuchümlichen Worten, befchränkten Wortbedentungen und 
Wortverſtuͤnmelungen, ſo tie in ber Aufnahme fremdes Worte, 
unter welchen jedoch nach &. 7 nur dur) ein Mißverſtaͤndniß 
auch Deutfche gefunden wurden. Bey der Bedeutung: ich muß, 
die EAAE im, Molteſiſchen hat, hätte das Arab. \ 

verglichen werden tönnen, welches häufig in der. Bedeutung: 
sh ſoll, vorkommt (. de Sacy Arad. Gramm. 1. &..363 f, 
$., 835). Daß in $. 2, der die nicht ganz richtige Ueberfchrift: 
vom Artikel, Hat, der Verf. bey [5 des. Arabiſchen 30 (acc. 
5), das die Bedeutung possessor, deminus hat, Überhaupt 
eher wohl, wie das Hebraͤtſche Ay die Perfon aber Sad, 
bezeichnet, von welchem das darauf. folgende in irgend eines 
Abhaͤngigkeit ſteht, ßo nicht erinnert, und licher vor Aus 
dricken, wie 6 3) 3 fs Eine Efipfe annimmt, 
if auffallend. Die einfahe Bezeichnung des Genitivs 
durch ſôVleitet fih aus dieſer Bedeutung natürlih Her. O6 


bey dem, nad ©. 6, den Maltefern eigenthämlichen, den Eu 
perlatio, nach ©. 4, begeihnenden vesq (bey: Ciantar uusch) an 


9 (man fast FR und FÜ ) — * werden darfe 
frage Mer, nur ſchuͤchtern. Das Kächfel, die Formen ber Ge 
nitive der perfönlichen Vorwoͤrter abzuleiten, iſt $. 5 ſehr Anm 
seih durch Vorausſetzung des Gebrauchs des, auf verſchiedem 
Weiſe verflümmelten, auch im Marsccaniſchen zu Diefem Zweck 
üblichen LUX gelöst. Ob das hedan, hedina wide anf 
eine analoge Art mit C/fAA und SEA (ver. 
Michaelis Arab. Gr. Ausg. II. ©. sı2) dur Anhängung 


m 








Gefenins uͤber die Malteſiſche Sprache, 53£ 


des auff 53T zu Sa und A entfanden ſeyn 
möchte? — Bey der Tonjugation iſt eine Sonderbarkeit, daß 
faſt durdgängig die praef. ı. perf. sing. fut. ein vorherger 
hendes n iR, und zum Unterſchiede dann der plur. die Endung 


r bekommt; aber allerdings eine noch größere Sonderbarkeit, 
| 3. Ar Bellermann dieſe beyden Erſcheinungen durch Bude 
Rabenanslaſſungen und Verſetzungen der Analogie des Hebraͤi⸗ 
ſcen erklaͤrt.. Dis gegebenen. Paradigmen von Zeitwoͤrtern 
A nd ein vorzäglich, anfchaulicher Beleg zu der Thatfache, daß 
die Malteſiſche Sprache ein Arabiſcher Dialekt ſey. Auch die 
Gexwohnheit, ſtatt des verdoppelten zweyten Vokals in den 
verbis gem. & ein Jod zu fegen, findet man nicht nur in dee. 


. Wulgärfprache, wie die Note ©. 24 fast, fondern auch in gutem 
Schriftſtellern (vergl. de Sacy Arab. St. J. Th. ©. 159 
Not. a). ©. 26 möchte, fo wie (fein) ſicher aus 


we 3 entfianden iſt, vielleicht hein (fatt deſſen hem ges 
druckt iſt), eben dieſes 9! (etwa mit dem vorgeſetzten 8, 
‚oder 6?) ſeyn, und ghal hhin etwa au („s| „yo 


ner Ik / — das ghal hhanna aber ans „Lo 


' 293 entſtanden ſeyn. Der zweyte Abſchnitt gibt Proben 


zuſammenhängender Rede im Malteſiſchen, nebſt 
Entzifferung und Erklaärung. Dieſe Proben find 
. Sefpräcgefsemeln aus Agius, drey MWaterunfer aus Adelunge 
Mithridates und ein Fleiner Maltefiiher Aufſatz des bekannten 
literariſchen Betruͤgers Wella, aus Eichhorn’ Bibl. der bibl. 
Litt. Th. 9 S. 210 mit zum Theil abgeänderter Entzifferung. 
Die Entzifferung diefer verfhiedenen Stuͤcke kann in der That 
im. Allgemeinen nicht anders, als gelungen genannt werden. 
Fur einige Vermuthungen erlaubt fih Rec. Aber etliche der 
füe ſchwierig erklärten Worte zu geben. Scminneg, wie’ ift 


dein Deſiaden? wird erflärt durch WC zisl und Ber 


533 Seſenins uber die Malteßſche Sprache, 


merkt, daß gu So keine Paraflele als yo ‚vis gefunden 
werte. Sollte «6 nit bie praep. (ges mit dem suff. sen. 


pers. ſeyn 7 Man fraͤgt: „Lust —8 — was 
gibt es Neues? Und Überhaupt lieben die Araber im vernei 
aenden und in Sragfägen flatt des nomin. die praep. (.o 
zu gebrauden (vergl. de Sach Arab. Br. Th. I. S. 56 
Mor. 5). Bey Zerlegung von OR! in — — aber 
findet man noch natürlicher. Bey scin und scein in 
pen Medensarten scin ghud barra und scein manaf ©. ag, 
fo wie schen {wenn «6 ſtatt schein ſteht) S. 41 moͤchte man 
lieber an „Lö, als an einen Plur. von Ai denken, 
welcher nid vorkommt: wiewohl man ſich nicht verhehlen kann, 
daß auch diefe Erklärung noch unbefriedigend fu. Wenn de 
Verf. S. 30 Not. i) als Schwierigkeit, warum er nicht die 
Erffärung des manuf (vielleicht maruf) durch (al Le 
zu vermuchen wagen, den Grund anführt, daß er Bein Dep | 
Vpiel kenne, wo die ı. pers. sing. mit ſ vorfomme: fo Hätt 
se ein Beyſpiel davon ©. sd in —R ur finden Ä 
fönnen. Die &. 50 zu Erklärung des sciaghmhe (fie Haben 
gu thun) gegebene Vermuthung, es möchte | A 

das fut. mit dem praef. fut. (m feyn, ſieht entgegen, | 
‚daß -diefes nothwendig die Bedeutung . ber künftigen Zeit 
‚in ſich ſchließt: gewiß ringen An ie 





BaLın.s (e6 liegt ihnen etwas ob, daß fie chum follen). 
Das öfters vorfommende hey moͤchte vielleicht durch Corruption 

aus C4 entſtanden ſeyn; wenigſtens wird im Arabi | 
ſchen diefes Wort Überall geſetzt, wo in dem Malieſſchen | 
VBepfpiele hey fteht, daher Rec. es auch Ka und. nicht S 
ſchreiben würde, . Wie dann auch nachher aus Callenbergẽ 

VGeſpraͤchen KK.⸗ als dieſem hey entſprechend angefuhet 





3. ©. Sichhorn Einleitung in das N. T. 533 
wird. Das für unauflöstih erklärte issip ©. 40 wird wohl 
durch ——e— 3. fut, IV. erklaͤrt, und überfegt: was dich 
betrifft, der du lieſeſt, ſo wird (dir) zu DTheil wer— 


den ꝛc. Der dritte Abſchnitt endlich gibt em Wortver⸗ 


zeichniß, nach Agius, vervollfändigtaug deffen 
Stalienifh s Mattefifhem Theile, und den fonft 
gerfireuten Angaben der Grammatik, mit beyges 


ſetzter Entzifferung. Se mehr Verdienft diefem zuge— 


flanden werden muß, um fo fchwerer iſt zu begreifen, wie in 


Raudan, die Baften, nicht „La der Faftens Monat. 


der Muhammedaner erkannt, fondern vielmehr auf quaranta- 


: zu erfennen, daß in fut. apoc. oft C⸗ wird, Noch find zwey 


nia, Quadragesima, cardme gerathen würde. In feq, wenn, 
glaubt Rec. das corrumpirte —RE (es moͤchte ſeyn, daß) 


Beylagen gegeben, bie erſte aus Ahelii Malta illustrata ed, 


. Ciantar, Malta 1779. Fol. T. I. p. 684, mit Anmerkungen, 
‚ und Die zweyte, enthaltend einige Zufäge aus Callenbergs Ara⸗ 


biſchen Geſpraͤchen (melde dem Hrnu. Verf. erſt ſpaͤter zur 


Hand gekommen waren). Schade iſts, daß die Schrift ſo 


ſehr durch Druckfehler entſtellt il. Se ſteht » DV. ©. 48 


not, a ſtatt: J , Jh S. Ir ſtatt deffelden Wort⸗ 


weymal XV,„ öfters U» ſtatt Dre . ®d.68,:6 not, 
ne für vol, ©. 36 („ih für — u. ſ. m — 


Man legt die Schrift nicht aus der Hand, ohne dem Sm. 
Verf. das Zeugniß zu gebamn. fe ſey wirklich ein Actenſtöck, 


welches den Zwieſpalt Aber den Urſprung ber Malteſi ifchen 
Sprache entfcheide, und zwar zu Gunſten fine Anſicht ent⸗ 
ſcheide. . ... 


— — 2 me 2 — * Wr 


Einleitung in das Neue Befoment, von geb. Bottfv. Eichhorn. 





Erſter Band, Keinzig in der Weidmanniſchen Buchbandlung 


1804. XVI und 659 S. ge. % Zweyter Bd. 1510, 
230 G. 


>. 


534 J. ©. Eichhorn Einleitung in dat R. T. 
Auch unter dem Titel: ? 
8. ©. Eichborus Kritiſche Schriften. Fünfter und Scchfier Band. 


Der erſte Band dieſes wichtigen Werks ik ſchon feit mehr 
reren Sahren in jedermanns Bänden, und bedarf daher feiner 
Anzeige mehr. Da aber über die darin enthaltenen Unterfus 
dungen die Stimmen des Publicums noch getheilt feyn därf 
ten: fo werden sinige Bemerkungen darüber nicht überfläffig 
feyn. 

Bekanntlich Hat der berühmte Verf. feine früher an einem 
‚anbern Orte vorgstragene Hypotheſe von einem Aramalihen 
Urevangelium Hier in einer mehr ausgebildeten Geſtalt von 

neuem dargelegt. Herbert Marfh hat früher, aber, wie Ar. 
Eihhorn verfihert, ohne auf diefe damals im Wefentliden 
ſchon vollendete ziwente Bearbeitung Einfluß zu haben, einen 
Verſuch gemacht, die Eichhorn ſche Hypotheſe gu vervolllomm 
nen, und ber Loͤſung ber Aufgabe näher zu bringen. Wenn 
‚gwey fo kritiſche Köpfe eine und dieſelbe Hypotheſe bearbeiten, 
fo kann man etwas Vollendetes erwarten; eim Dritter miqhte 
ide ſchwerlich eine beffere Geſtalt geben innen. Soll daher 
dieſe Hypotheſe je fähig fenn, das Problem zu Idfen, fo muf 
id es jetzt ſeyn in der einen, oder ber andern Geſtalt. Zwiſchen 
beyden if zu wählen. Wem feine genug chun kann, dem fans 
diefe Hypotheſe überhaupt nicht genug thun, fo bald er fiä 
nichs mit einem unbeſtimmten Waͤhnen beanügt, fondern genau 
‘in die zu erklaͤrende Erfcheinuisg eingeht. Wir verſuchen dahe 
eine Vergleichung Bender Bearbeitungen ber Urevangellums 
Hypotheſe, um die Wahl zwiſchen beyben vorzubereiten. 

Beyde Bearbeiter hielten die Hypotheſe vor einein lin 
evangelium im der Geflalt, in weicher fie Hr. Eichhorn zuerk 
dargelegt hat, nicht für binreihend, nm die zu erfiärenden 








Erfheinungen alle zu erklären. Namentlich tadelte Marfh mi 


Recht, daß Die wörkiche Harmonie der Edangtliſten dadurh 
nicht erfiärt werde. Diefe Unvollkommenheit ſuchten amn beyde 
zu heben, und zwar dur Annahme noch mannigfaltigere 





J. G. Eichborn Einleitung in da MT. 535 


Bearbeitungen der Aeſchriſt, als die erfie Hypotheſe angenoms 
men hate. . . 

Marſh läßt. folgende. Schritte gefchehen in ber Vearbel 
tung der Urſchrift bis zur Entſtehung unſrer drey erſten Evans 
gelien. Zuvor bemerke man aber, daß er die verſchiedenen 
Beſtandtheile der Evangelien mit folgenden Siglen bezeichnet. 
Die allen dreyen gemeinfchaftlichen Abſchnitte heißen N; die 
Zufäge gu N, die den Evangelien Matth. und Mark. eigen 
find, a; bie. Zufäge zu N, die den Evangelien Dark, und 


Lut. eigen find, B; die Zufäge zu N, die den Evangelien des - 


Matth. und Luk. eigen find, y. Die ganzen Abſchnitte, welche 
Matth. und Mark... mit einander. gemein haben, heißen A; 
die, welche Mark und Luk. mit einander gemein haben, B; 
bie, welche Matth. und Luk. mit einander gemein haben, L, 
und zwar Ta, wenn fie in Einer Ordnung folgen, und Ta, 
wenn in verfhledener. Von der Aramaͤiſchen Urſchrift, weiche 
N enthaͤlt, ward, eing Griechiſche Ueberſetzung R verſertigt, 
noch ehe ſie durch Zuſaͤtze bereichert wurde, Hierauf wurden 
bereicherte Abſchriften davon gemacht, und zwar folgende; 
1) N P. M;, a) N + P. Bʒ in einer dritten wurdeg 
‚die Zufäge der beyden erſten vereinigt N.CABAMAAMAB. 
und endlich wugden die erſten hepden Rum die Zuſaͤtze 7 + In 
bertichert, fo dag alſo eine vierte zu rg + A + Fr 
und .eine fünfte 8 +8 + 7.4 B + Tr. eueftamt. Auher 
dieſen ſchriſtlichen Arbeiten gab. es noch eine Gnomologie 2, 
welche Matth. und Luk. als Erzaͤnzungsſchrift brauchten z aus 
dieſen flofien; die Abſchaitte Ta. Unſere Evangelien entſtanden 
nun fo. Matthaͤus ſchrieb fein Eyangelium. Hebraͤiſch; er legte 
Rmite 4. A + Tr bereichert zum runde, fehaltete 

ans. bie Abſchnitte Ta ein, machte ‚sinige eigenchämliche Zus 
ſatze, und orbngte das Ganze nach aigenem Plan. Qußas: her 
‚diente ßch einer Abfchrift won de, Bereiches. mit 8 +. + B 
+ Fa, and.shaltete 19 aus ein; da gs Airichiih rich, 
‚mußte ar aus dem Aramäifchen, uͤperſetzen, mohen er die Ueber, 
ſetzuug R als Huͤlfeſchriſft zu Rathe zog. Warkua brauchte M, 


836 3. G Eichhorn Einleitung in das R. T. 


bereichert mit a + B + A + B; und ſchrieb ebenfalls Grliechifch 
mit Zugiehung von R. Hierauf wurde vom Hebraͤiſchen Evam 
gelium Matth. eime Griechiſche Ueberſetzung verfersige, wobey 
man in den Stellen, welche Markus mit Matthäus gemein 
hat, Markus zu Rathe zog, in ben Stellen aber, in welchen 
Markus mie Matthäus nichte gemeinſcheſtuch hat, zu Lukas 
ſeine Zuflucht nahm. 

Nah Eichhorn iſt bie Genealogie der drey erſten Evan 
selten folgende. Es gab eine Aramätfhe kurze Lebensgeſchichte 
Jeſu, enthaltend die allen dreyen gemeinfchäftlichen Abſchnitte. 
Sie wurde früh ins Griechiſche überfegt. Später wurde fe 
durch verſchiedene Haͤnde überarbeitet und vermehrt. Dark 
foiche Veberarbeitung entfland ein Exemplar (A) der Urſchrift 
mit einigen größern Bereichernngen , weiches die dem Meatıhäns 
und Markus gemeinfhaftlihen Abſchnitte enthielt. Es ü 
zn Ha+ß+A bp Marſh. Auch dieſes wurde ins 
Griechiſche uͤberſetzt, mit Zuzjiehung der Griechiſchen Ueberſetzunz 
der Urſchrift. Hierauf eniſtand ein zweytes Äberareiteres Erems 
piar B mit- einigen andern größeen Bereicherungen, weiches die 
dem Lukas und Markus gemeinſchaftlichen Abſchnitte enthielt. 
Es iſt — de 464 B. Dieß wurde nicht ins Sriechiſche 
Aberfetzt. Aus ber Vereinigung beyder entſtaub das Exempler 
C, welches Srundiage unſers Markus geworden if. Es it 
eN+arßr+A-+-B: Ein viertes Exemplar D mi 

Erweiterungen enthielt die Abſchnitte, welche Matchäus und 
Rulas mit einander gemein Gaben. Es wäre nad) der May 
Ghifhen Bezeichnung M + 7 + T. Es wurde ins Griechiſche 
aberſetzt, ebenfalls mit Buzlehung der Griechiſchen Weberfegung 
der Urſchrift. Anſere Evangelien: ſelbſt entſtanden Falgenden 
maßen. Matthaͤus ſetzte ſein Hebraͤſches Evangeliam gufam⸗ 
men aus A und D, mit eignen Zuſaͤtzen, und Verdlüderung 
ber Ordnung. Au ſpaͤterhin von bieſem Hebraͤtſchen Text eine 
GSriechiſche Ausgabe werfertigt werben ſollte, bediente ſich bw 
Ueberſetzer der bereite von Aund D- vorhandenen Griechiſches 
Ueberſehungen als zweyer Gäffefhriften. — Markus Hebrär 








3. ©. Siborv Einleitung ad R. 537 


ſcher Text iR das aus A und B-zufammengefchrichene Eremplau 
C mit: wenigen Zuſaͤtzen. Bey feiner Ueberſetzung ins Grie⸗ 
Hifche wurde der Text der Urſchrifr und. der- im Matthäus 


‚ befindlichen Bereicherungen mit Zuziehung bee bereits vorbana 
- denen Griechifhen Ausgabe: des Exemplare’ A aufs neue ine 


Griechiſche üderfegt. Diejenigen Vereicherungen hingegen, bie 
aus dem Exemplar B in das Eremplar C aufgenommen waren, 


‚ mußten erſt von Markns ſelbſt uͤberſetzt werben, weil von'ihnen 


— 


noch keine Griechiſche Ausgabe vorhanden war. — Lukas He⸗ 


bräaiſcher Text iſt aus B und D (bis auf des Evangeliſten eigene 
Zuſaͤtze) zufammengefchrieden. Seine Griechiſche Ueberſetzung 
war in allen Theilen, die aus D gefloſſen waren, folglich im 


— 


Urebangelium und in den Bereicherungen, bie es mit Matthaͤus 


: gemein hatte, durch eine Bereits vorhandene Briechiihe Ueber⸗ 
ſetzung von D erleichtert. Bon denjeniaen Bereicherungen aber, 
‚ die aus B grflsffen waren, war noch feine Sriechifche Ueber⸗ 


. fegung vorhanden; und fie. mußten erſt von Lukas Überfegt 


-. - 


werden. (Sn Annahme ber Griechiſchen Ueberſetzungen ſcheint 


der Verf. nicht ganz conſequent und beſtimmt gu ſeyn. ©. 180 
nimmt er drey Ueberſetzungen von drey Ueberarbeitungen der 


Urſchrift an, die mit Zugiehnng der Gruiechtſchen Ueberſetzung 


der letztern gemacht worden ſeyen. Die dritte dieſer Ueberſej⸗ 


zungen kann aber nicht Die von B-fepn , ‚weiches nicht Griechiſch 
_ Überfegt worden fern ſollz es müßte die von C feun, wobey 
aber der Verf. nicht die Ueberſetzung der Unſchrift zu Huͤlfe 


nehmen läßt.) Der weſenttiche Unterſchied beyder Hopothe⸗ 
fen liegt darin, daß M. die. Wermeßrungen y + E andere 
entfichen läßt, als E. Jener underſcheidet richtig Tı und Ta; 
y 4 Tı läßt er gu den beiden Exemplaren M + a + A 
und 8 + B + B’binufägen, welde die Grundlage -von 
Mattb. und. kuk. wurden; Te aber läßt er die: Evangeliſten 
ſelbſt einſchalten. E. hingegen ‚leitet und Ta und DTa ohne 


Unterſchied aus D her, welches Matthaͤus und Lukac benupten.. 


Sn wleſern ſich beyde Hypotheſen in Abt auf Die Griechi⸗ 
ſchen Ueberſebungen vu... bebarf einer. Anofähinng. 





sab 3.6. Eewem einleinme iu dus a. g, 
Sehen wir nun, was beyde Hopotheſen leiten zur On 


klaͤrung dee zu erklaͤrenden Erſcheinungen, wobey wir uu 


natürlich auf die hauptſaͤchlichſten beſchraͤnken. 
3) Bepde erklaͤren heynahe auf eineriey Weiſe, wie. neben 


dem. allen drey Evangelifien Gemeinſchaftlichen Stellen uw 


Abſchnitte vorkommen , welche zwey mit einander gemein ho 
und welche einer eigen: hat. 

9) Sie erflären gang auf einerlen umd zwar ungeigah 
Weiſe die verſchiedene Ordnung der allen dreyen gemeinſchaßt 
lichen Abſchnitte, nämlich durch die Umſtelung, melde Mas 
thaͤus vorgenommen haben ſoll. Waͤre dieſe angenommen 
Urſache richtig, ſo muͤßten Markus und Lukas, welche kin 
Umſtellung vorgenommen haben ſollen, mit einander in ie 
Drdmung uͤbereinſtimmen, was aber nicht durchgaͤngig der hel 


iſt. Die zum Theil verfchiedene Ordnung des, dem Matihiu 


mit Lukas Gemeinfchaftlihen erklärt M. beſſer durh ik 


Einſchaltung aus der Sinomologie J, als €. durch beydetſeiti⸗ 


Benutzzung des Exemplars D. 

5) Auf verſchiedene Weiſe erklären fie bie wörtlihe Jan 
monie der drey Evangelien unter einander. Diele if ji 
und kurz, und zwar na Marſh darum, weil fe nur du 
‚das Zuſammenwirken dreyer Urſachen entſtehen konnte: nnd 
Markus und Lukas mußten bepde in derſelben Stelle audi 
und ber Ueberſetzer des Matthaäus aus Markus genommi 
‚Haben. Nach Eichhorn. müßte in folgen Stellen die Heidi 
unveraͤndert geplieben feun, und (mean wir die. Hypotheſe mil 
werſtehen, denn Kr. Eichhorn hebt es nicht heraus) der ii 
‚eher, von A um) der von D mußten bie Worte ber früh 
Griechiſchen Uebanſetzung der Urſchaift heybehaluen, und de 
Aleberſetzer dos Matthoͤns und Maxkus maßton die Ueberſehun 


mm A, und ber des Lukas die Ueberſetzapg gon Deautgeſchee 


‚ben daben. (Die Eichhorn ſche Hpperheie ni alſo fünf 


ilommgnwichmnde Urſachen an.) 


.O Rie fo: Häufige, ‚mörtliche Lrßtneinfimmeg wit 


| —2* un Wantus: den allen dyeyon gemyeigſchetuige 








. $. G. Eichhorn Einleitung in das R. T. 839 


{bfchnitten erklärt Marſh duch bie Aunahme, daß der Uaher⸗ 
etzer des Matth. den Markus benutzte; Eichhorn dadurch, daß 
He Ueberſetzung von A vom Ueberſetzer des Matth. und des 
Markus gebraucht wurde. Daß beyde Eoangeliften in dem 
Abſchnitten, weihe im Markus eine andre Stelle, als im 
Matthaͤus einnehmen, miche wörtlich uͤbereinſtimmen, erkläre 
Darth duch bie Annahme, dab der Lcherfeger des Matıbäuß - 
den Markus benutzte; Eichhorn dadurch, daB die Ueberſetzung 
von A vom Ueberſetzer des March. und des Markus gebraucht 
wurde. Daß beyde Evangelien in den Abfchnitten, welde 
Im Markus eine andre Stelle, als Im Matthaͤus amnchmen, 
nicht woͤrtlich uͤbereinſtimmen, erklärt M. dadurch, daß der 
Ueberſetzer det Matthäus nicht bemerkte, wo Markus mit. die⸗ 
ſem einerley Materie habe; Eichhorn findet dieſe Erſcheinung 
nicht der Seklaͤrung werth. In der That ſcheint Rec. die 
Marſhiſche Erklaͤrungsart nicht genugthuend, allein erklaͤrt follte 
dieſe Erſcheinung doch werden, wenn man einmal: alles: erfid« 
ven will. Daß. Hingegen in allen Abichnitten des Urevange⸗ 
liums Markus mit Matthaͤus Griechiſchem Text uͤbereinſtimmt, 
wo Lukas mit demſelben uͤbereinſtunmt, komme nad M. daher, 
daß der. Ueberſetzer des Matthaͤns von Lukas keinen Gebruuch 
machte, we er aus Markus Huͤlfe ſchoͤpfen konnte, fo daß die 
Sriechifhen. Terte des Matth. und Luk. in den, allem dreyen 
gemeinfchaftlichen Abfchnitten nur durch das Medium bes Markus 
Abereinimmen konnten; nach E. daher, be in diefen Stellen 
das Urevangelium weder. in A (aus dem es Matth. und Mark. 
haben), no in B oder D (aus weichen es Lukas hat) gehnbme _ 
wurden, und die Griechiſche Ueberſetzung deſſelben, ſowohl 
nah A, als nah B, oder D, auf dieſe Stellen genau yaßt. 

5) Markus und Lukas ſtimmen in dem allen dreyen ge⸗ 
meinfhaftlichen Abſchnitten Häufig uͤberein; doch find. die Stellen 
wörtlicher Uebereinſtimmung zwiſchen Diefen beyden idt fo 
zahlreich, noch fo Jang, als nah Markus und Matthäus, weil 
nach M. die erflere nicht: ohne das Zufammenwirien zweyer 
verfchiedenen Urſachen hervorgebracht werden Sunmse (naͤmlich 


540. J. G. Eichhorn Einfeitung in das N. T. 


Markus und Lukas mußten beyde aus N fhöpfeny, indeß pr 
Iggtern nur das Wirken einer einzigen Urſache erforderlich war 
(aämti der Ueberfetzer des Matthaͤus ſchoͤpfte aus Markus). 
E. erklaͤkt dieß fo: der Coder A war die gemeinfchaftliche 
Queclit I aus welcher: der Hebrälfhe Tert des Markus mb 
Matthäus gefloſſen iſt; und nur in feltenen: Fällen wurde ber 
Tert der Urſchrift für das Eyemplar, das den Markus gab, 
aus dem: Cover B abgefchrieden, da ans ihm hauptſächlich bloß 
die Abfchnitte genommen wurden, bie Markus mie Lukas allein 
gemein Bat. Hr. ©. gibt auch noch eine andere Erklärung 
I ©. 319. Schon dieß zeige, daß feine Hypotheſe nicht fü 
Beftimmte Auskunft gibt, als die Marſhiſche. Noch mehr ade 
orſcheint die Schwäche Berfelden darin, daß er ie zum Behuf 
der Erklaͤrung diefer Erfcheinung näher beflimmen "und limis 
ren muß. Alſo das Yrevangelium flo für Markus Haupt 
ſachlich ans A, und auch Hauptfählich für Matthäus; für Luka 
aber fol es wahrſcheinlich ans D gefloffen fern. Das tft ade 
Hypotheſe zur Hypotheſe Hinzugefügt; es wäre eben fo gut 
denkbar, daß das Urevangelium für Diatthäus aus D, fir 


Markus. aus A und für Lukas aus B gefloffen wäre, odm 


noch auf andre Weiſe. Marſh Hypotheſe if offenbar einfacher. 

6) Daß, obgleich die Beyſpiele wörtliher Uebereinſtim 
ung ih M zwiſchen Markus und Eufas- weniger zahlreich, als 
die Beyſplele ihrer Verfchiedenheit find, Markus denne nk 
werfehlt, In N wörtlich mit Lukas Äbereinzuftimmen, wo Trab 
thaͤus Griechiſcher Text wörtlich Abereinfiimmt, kommt nah 
M. daher, daß ber: Ueberſetzer des Hebraͤiſchen Matthaͤus in 


N bloß aus Markus, und nicht aus Lukas nahm, folglich ale 


Markus ſchon mit Lukas abereinſtimmen mußte, ehe ber Ueberſeter 
des Matchaus mie Lukas zufammentreffen konnte. ©. erklaͤrt dieß 
ſe: wo der Urtext unverändert geblieben il, mußten die ven 
ſchleden Searbeitsten Handſchriften des Matthäus und Lukas, 
und folglich auch Ihre Griechiſche, ans einer früheren Grieche 
ſchen Ausgabe genommene Ueberſetzung uͤbereinſtiminen, und ds 
Markus der Megel nach den Urtext mit Makthaͤus aus einerin 





IJ. S. Bichpern Einleitung in das a. 2 544 


xemplar, dem Coder A, nahm, ſo muß ſain Griechiſae Tore 
rſelbe ſeyn. 

‚MD Dog ie werſchiedenen Abſchnitten von N Morku⸗ in dee 
nen Stel mie Matthäus, in der andern mit Lukas wörtlich 
jereinftimmt,, ſo daB er ans beyden genommen ‚zu haben 
heint, kommt nah Mi, daher, daß in der einen Stelle der 
eberfeger des .Hebräiichen Matthäus aus Markus nahm, ‚im 
tv. andern Markus und Lukas beyde aus N.nahmens nad 
. baher, daß der Urtext in den Abfchriften für die, beyden 
vangeliften Abänderungen erlitten babe, aber in dem einen 
er, in dem andern dort, daß alſo bie gebrauchte .frähere 
zriechiſche Neberſetzung das einemal paßte, das anderemal nicht, 
nd Markus, der fe etwa nach Maßgabe feines chaldaͤiſchen 
extes bepbehalten konnte, hier mit Matıhäus, dort mis Lukas 
bereinflimmte. — Allein daß — ig einer und herſelben 
Stelle ein Wort aus Matthäus und .ein anderes aus Lukas 
at, wird dadurch nicht erklaͤrt. Man vergleiche Mark. 1,48 
ie Matth. 8, 3. Luk. 5, 13. Mark. a, 44 mit Matth. 8, 4 
uk. 5, 14 und a. Ot. m. Dicſe Erſcheinung erklaͤrt Sr. & 
): bey dem Zufammenfchreiben aus A und B, woraus dep 
ut des Markus erwachſen iſt, konnte ja der Sufammenfchteir 
er aus den beyden Torten des Urevangeliums in A und B 
ingelne Lesarten, in denen die Texte varlirten, mit ‚einander 
erbinden. (Allein B war ja nicht Griechiſch Äberfegt, und 
urde nicht in eine. Griechiſchen Ueherfegung von Markus und 
ukas benußt: wie onute nun Markus. mit Lukas in — 
den Worten bufanımaenspeffen 7) R BE 
m im Ganzen nau⸗ ieiſten. ‚Die Marfhifche erklaͤrt man⸗ 
yes Einzelne leichter; beyde laſſen uns.in der Erklaͤrung des Vers 
ältniffes des Markus ‚gu ben. benden andern. Evangelifien um 
efriedigt. Dieß ‚u. aber ‚grade. der Punst, wo man: von jeder 
Öppothefe über Die drey erfien Evangelien am begierigſten 
lufſchluß erwartet, und wo ihn die Griesbachiſche Hypotheſt 
bis Schwierigkeiten abgerechnet, am befriedigenäften gibt. . - 











2. Eichhorn Einleitung in dad SH. € 

ede Hypotheſe muß fich von zwey Weiten empfehlm:; f 
muß 2) wahrſcheinlich feyn, und 2) das zu Erflärende erklaͤren⸗ 
Wie haben die beyden vorliegenden biäher Wbrr dm Seit ve 
Erklarungefaͤhigkeit geprüft, und nicht gang zureichend gefunden: 
ad iſt mm bie Frage, frid fie auch wahrſcheitilich y 

Da es um Sypothefen, zumal in hiſtortſchen Unterſuchm 
ein, immer eine mißliche Sache ik, indem man Facia fun | 
niren muß, die ſonſt keine äußere Beglaubigumng haben, md 
in der Geſchichte doch alles auf Beglaubigung ankommt: fit 
gu rathen, daß man in Vervielfaͤltigung ber anzunehmende 
Facta fo behutſam nnd fparfam als moͤglich ſey. Yun a 
nehmen dieſe Hypotheſen, von Marſh und Eichhorn, mit mr 
ein Urevangelium an, von weichem die Geſchichte nichts weih 
fondern audy eine Menge Bearbeitungen und Weberfegung, 
‚genug eine ganze: evangeltfſche Literatur vor ' der unſtige 
Stimmten dieſe Annahmen zu dem Geiſt des chriſtlichen Alm 
thums und der fonfl bekannten Fortpflanzungsart der chriflihe 
Lehre: fo könnte man- noch die Menge der angenommen 
Facta überfchen. ein wir willen, daß Die tleberlieferumg 
des Chriſtenthums hauptſaͤchlich durch mundliche Lehre und & 
 yählung gefhah; wir willen, daß Evangeliſten nach Art de 
Stiechiſchen Rhapſoden umherzogen, und die Rumbe vom Meſſu⸗ 
verbreiteten. Dieſe muͤndliche Zortpflanjungsart ſchloß zwar de 
fihriftfiche nicht aus, mußte fie aber in ber erſten Zeit ſeht be 
fihränten, und es if fonach unwahrſcheinlich, daß man für 
fo feä die evangeliſche Geſchichte fo vielfach, ſowohl Aramäid 
als Griechiſch, bearbeitet haben ſollte. Zwar redet Lufıd M 
feiner Vorrede von mehreren evangelifchen Vorarbeiten; ala 
&8 kommt darauf an, ob er fo viele, als man anjunch 
men magt, und welche er im GBinn hatte. Geben . 
Indeffen auch bie Wahrfcyeintichkeit jener Annahme zu, P 
iſt doch das ganz gegen den Geiſt after; befonders ſuͤdiſchee 
Schriftſtellerey (und die Evangelien gehören doch zu di 
Gattung) , daß die Evangeliſten bey Abfaſſung ihrer Schrife 
mehrer andre vor Augen gehabt, niche Bio nuſammengſtre 





Zn ” | 


J. G. Eichhorn Einleitung in das N. Mi 
en, ſondern redigirt, gleichſam präfend von einer in bie andre 
bergeblickt, und jedes Wort, das fie niederfchreiben wollten, E 
us einer oder ber andern bedaͤchtig ausgewählt haben follen. 
50 konnte ein neuerer Ochrififteller , oder vielmehr Eonipilator‘ 
erfahren ‚ aber nicht ein after chriſtlicher Erzähler‘, der von. 
iner genauen Zufammenfellung und Bearbeitung geſchichelicher 
achrichten gar keine Idee hatte. Man vergleiche die Genefist 

Und Hier entdeckt ſich der Grundfehler dieſer und aller 
hnlichen Hypotheſen, daß fie nämlich auf dem Grundfage bes 
uhen, daß die Evangeliften mir Genauigkeit, Anſchauung und 
Zorgfalt gearbeitet haben, und daß man von jeder Eigenthüm⸗ 
ichkeit, wodurch fie ſich von einander unterfcheiden, beflimmte 
Bünde. angeben, mit Einem Worte, daß man’ jede: einzelne 
eiheinung ‚erflären muͤſſe. Haben wir denn in der altteflas 
ientlichen und apokryphiſchen Literatur nicht Belege genug far 
ie planlofe willkaͤhrliche Art, mit weicher bie Hebraͤiſchen und 
hriechtſch/ jũ diſchen Erzuihler mit den Quellen, die fie dearbeis 
ten, umgingen? Kann man. Immer Gründe angeben, warum 
le Relationen ‚der Chronik und des 2. ©. Samuels, und der* 
Bücher der Könige von einander in orten und Sachen ar 
seichen? " Kann man das Verfahren des Verf. des Stiechie 
hen Esras in jeder Abweichung vom Original und den Urs 
rung :der verfchiebenen Recenſisnen vom Buch Judich uns 
tobi erflären? Pur: eine ſolche Hppotheſe ift dem Charakter 
er Evangelien angemeſſen, welche zwar die Erſcheinung im 
Banzen, aber nicht in jeder Eingeipeit an ertläten ſucht, und 
em Zufull, der Nachlaͤſſigkeit und dee Willkuüͤhr einen Spiel⸗ 
aum übrig laͤßt. Dec. Eönnte leicht das Heer der Hopothe ſen 
ber die drey erſten Epangelien mit einer (wenigſten⸗ zum 
kheil) neuen. vermehren, wenn dem Publicum damit gedient 
baͤre. Folgende Andeutung derſelben iſt genug fuͤr den Kenner, 
m, falls fie Grund und Wahrſcheinlichkeit hat, ſie zu verſte⸗ 
un und auszubilden. Nachdem man die Runde vom Meſſias 
ange mändfich, aber in gleihförmigen Vortrage, fortgepflangf 
hatte, war Mashäng (d. h. der Verf. dis Evangeliums dieſes 


Eh . ©. Fichborn Einleitung in daB 3. T. 


Mamens) der erſte, der dieſes mündliche Evangelium nieberſchrieb. 
Lukas ſchrieb nach ihm, legte jenes muͤndliche Evangelium zum 
Grunde, benußte aber auch Matthaͤus, nur nicht ſchriftlich, und 
mit Fehlers und Verwechslungen. Markus benubte auf der 
.Waßls jones mündlichen Evangeliums beyde, aber ebenfalls niht 
ſehriftlich, und ohne feſten Plan, mit zufälliger Auswahl Wie 
man einen Gchriftftellee nicht ſchriſtlich benutzen könne, if fo 
undentbar nicht, als man vieleiht glaubt. Man kann ide 
geleſen, und im Sedoͤchtniß behalten haben (und die Alten hab 
gen ein befieres als wir!); oder man hat ihn verliefen gehoͤrt, 
und ihn ebenfalls mir dem Gedahmiß gefaßt. Dabey muß 
man die Buchdruckerkunſt ein wenig vergefien, und an die 
Schwierigkeit der Berbreitung einer Schrift denken: fe iR, 
meine ich, alles natürlich und begreiflih. Welche Dienſte dick 
— beſonders zur Erklaͤrung ber Eigenthuͤmlichkeiten di 
arkus leiſte, und wie fie dem mothiſchen Charakter be 
Evangelien zuſage, ließt auf der Hand. Mehr darüber vielleich 
an einem andern Orte. ' 
ie Anſichten des Verf. von den einzelnen Evangelien für 
Mh verdienen noch einige Bemerkungen. Intereſſant war und 
fehen, wie dee Werf. der Einleitung ins A. Z. und der 
st iger der Echtheit dos Pentatenchs bier feinen Sram 
fägen ganz ungetreu geworben if. Er erkennt das Evangeliun 
Des Matthaͤus in feiner. jebigen Seftalt für unecht d. h. nicht 
Far das Wert des Matthaͤns, Bauptfächlih aus dem Grund, 
weil es Mythen enthaͤlt. Wir⸗eſtud weit entfernt, dieſes iin 
ctheil verwerfen, nur dringen wir darauf, daß es comfequent 
überall, wo bie gleichen Gruͤnde eintreten, gefälle werde. SEK 
weifeln nit, daß Kr. Eichhorn bey einer neuen Ansgabe 
einer Einleitung Ins A. T. (die freylich nicht, wie bie biche 
sigen, bloßer Abbruck ſeyn mäßte) den Pentateuch eben I 
benetheilen werde. Daß er aber die Echtheit des Markus as) 
Lukas, die doc and Mythen enthalten, ganz unmangefochten 
Uurchgehen läßt, koͤnnen wir nicht billigen. Er mußte beq 
wenisftene Zweifel gegen dieſelbe (aus ben angeführten Gräns 
Jen)-aufnerfen ‚ bie er dann immerhin niederſchlagen founk. 
enn ein Apoſtel und Augenzeuge nicht Mythen nieden 
ſchreiben kann, was Hr. Eichhorn annimmt: fo muß auf 
| it werden, 05 Zeitgenoffen und Freunde der Apoſtel «# 
thun fonnten. Das fiherfie Denkmal apoftoliiher Dentart 
 Mnd die Panlinifhen Briefe; in dieſen kommt fdhlechterdings 
Kits von Wunderſucht und Wunderglauben vor, innere Bun 
Der, Offenbarungen, Efkafen ausgenommen: follen wir mm 
wicht andere weniger fichere apoftolifche Schriften darnach deut 


ade en ( Der Beſchluß folat.) 
— — 








No. 35. " Heidelbersifde 1811. 
Jahrbuͤcher der Literatur 


u 0 IV 7 7 7 7 7 © ERBLDERLLRL FTIR RER Ar a 





a 7 N 7 7 7 € 


. Einleitung in das Rene Teſtament, von Bob. Gottfr. Eichhorn. 


Beſchluß ber im No. 34 abgebrochenen Necenfion. ) 
® 

em Matthaͤus theilt Kr, Eichhorn eine Redaction des Urevan⸗ 
geliums zu, vielleige nur um den Damen des Evangeliums zu rechts 
fertigen. Gründe findet Rec. nicht für eine folche Annahme. Die 
Traditionen der Kiche Über die Evangelien können für den Verf. 
wenig Auctofität mehr haben, da er einige davon, naͤmlich die 
über die Theilnahme des Petrus und Paulus an Markus und 
Lukas Evangelien, fehe ſcharfſinnig und grundlich widerlegt. 
Freylich iſt er auch hier nicht conſequent, da er die Behaup⸗ 
tung der Alten, daß Matthäus Hebraͤiſch geſchrieben, als 
glaubwürdig ſtehen läßt. Recenſent kann bey der Unkritib 
and Nachſprecherey der Kirchenſchriftſteller auf dergleichen 
Nachrichten nicht viel Gewicht legen. Eigentlich kann Mats 
thäus Das Urevangelium eben fo wenig redigitt, als unfer 
Evangelium Matthäi verfaßt haben; denn das Urevangelium ent 
Hält auch Mythen, zwar noch nicht in dem Grade mythifch auss 
gebildet , wie mehrere dem Evangelium Marthäi eigenthuͤmliche 
ind, aber doch immer Mythen. Es ifk ein wefentlicher Chas 
rakterunterſchied zwifchen einer mythifhen Erzählung und ber 
ines Augenzeugen, oder aus Berichten von Augenzeugen ger 
choͤpften, welcher nicht in dem Mehr oder Weniger des Wunder⸗ 
jaren liegt, fondern in der ganz andern Anſicht der Dinge, 
Fin Augenzeuge kann bisweilen auch Wunder erzählen, aber 
viche Mythen. "Die Erzählung des Augenzeugen wird immer 
Data enthalten, welde dje eigne Anſchauung verratben, und 
en Lefer in die Stellung des Augenzeugen zu den erzählten Dins 
en verfeßen; fie wirbimmer ein Hart berimmts Sepräge tragen, 





566 J. G. Eichhorn Einlctung a dad R. T. 
während bie mychiſche eimer durch viele Hände gegangene 
Bäünze gleicht, Deren Sepraͤge verwiſcht IE. And von dieſer 
Art find die Erzählungen der Evangelien, nementlich anch die, 
ans welchen man das lircvangelinm zufammenfeht: fie geben 
eine undentliche, in einanderflichende, unzufemmenhängemde Aus 
ſicht der Dinge. " 

Bir wenden nus zur Anzeige bes zweyten Bandes. Der Baf. 
Hat weniger gegeben, als eine fechsjährige Erwartung nach der Furt 
feßung des Werts fordern därfte. Diefer Band, and) unverhilt 
nißmäßig flein au Bogenzahl, enthält nur die Eimfeitungen is 
bie Apofielgefhichte, das Evangelium und die Briefe Johan 
mis; ſchicklicher würde die Einleitung in die Apofalypfe, ned 
der wir fo begierig find, biefen and beichlofien haben; 24 
wir muͤſſen zufrieden feyn, daß uns der Verfaſſer fo viel ge 
geben hat. 

Bon des Ynterfuchungen über bie Apoflelgefchächte heben 
wir nur folgendes and. Was den Zwed dieſer Schrift au 
langt, fo verwirft Hr. E. die Meiunng,, dag Lukas eine vol 
efländige Geſchichte der Gründung und Ausbreitung des Chr 
ſtenthums habe geben wollen; eben ja wenig könne es ihm ım 
eine Darfiellang der Verdienſte der Apoſtel um das Chriſten 
thum gu thum geweſen ſeyn; amd) feyen Petrus umd Paniıs 
"nicht die Achſe, um die fih die Erzählung der Apoſtelgeſchicht 
drehe. Der Zweck des Lukas ſcheint ihm eine allgemeine Ge 
ſchichte der Miffionen zur Ausbreitung des Chriftenchums ge 
wefen zu ſeyn. Allein gegen dieſen angeblichen Zweck ſpricht 
terſelbe Grund ber Unvolſtaͤndigkeit, den der Verf. gegen den 
erſten anfuͤhrt. Denn es find gewiß mehr Miſſionen, als die 
Apoftelgefchichte enthält, für die Ausbreitung des Chriſtenthum⸗ 
unternommen worden; und warum, fünnen 'wir auch hie 
mis dem Verfaſſer fragen, iſt die Meife des Apoſtels Paris 
nach Arabien nicht erwähnte? Wir glauben mie mehren Aw 
dern, daß im Prodmium des Evangeliums Luck andy der Jul 
der Apofteigefchichte angedeutet fen, daß alfo Lukas eine Se 
ſchichte der chriſtlichen Neligion in ben erſten Zeiten nad dem 





J. ©. Eichhorn Einfeitung in das N. T. 547 


Tode ihres Stifters habe geben wollen, daß er aber diefen 
feinen Zweck nihe mit der Ausführlichkeit und Vollſtaͤndigkeit 
behandelte, weiche wir nah unfern firengern Begriffen von 
Schrififtellerey von ihm verlangen. Lukas erzählte, was er 
wußte, und was er ohne große Nahforfhung erfahren konnte, 
und was ihm befonders merkwürdig ſchien. Die Annahme 
einer apologetifhen Tendenz der Apoftelgefchichte zu Gunſten 
des Apoftels Paulus, die in neuern Zeiten Beyfall gefunden hat, 
macht der Verf. mit Recht verdaͤchtig. 

In Anſehung dee Quellen der Apoſtelgeſchichte verwirft 
der Verf. eine neuerdings vorgetragene Meinung, daß Lukas 
ſchriftſtelleriſche Quellen benutzt habe, mit zu großer Beſtimmt⸗ 
heit. Seine Gruͤnde ſind zwar ſehr ſtark und gut vorgetragen; 
ſie liegen hauptſaͤchlich in der Gleichheit des Stils und der 
Manier: aber boten ſich dem Verf. gar keine Spuren der 
Verſchiedenheit ber Erzählung dar? Bey unbefangener Vers 
gleihung der Stellen Cap. 9, 53 ff. mit Cap. aa, 6 ff. und 
Cap. 9, 29 f. mit 28, ı7 ff. wird man nicht in Abrede feyn 
koͤnnen, daß Lukas verfchiedene Quellen benutzte. — Die Reden, 
welche Die Apoftelgefchichte den handelnden Perfonen in den 
Mund legt, Hält der Verf. für Zictionen; und wenn man die 
gleiche Anlage und Manier, nach welcher fie gearbeitet find, im 
Erwägung zieht, wird man ihm gern Beytreten. 

Die Einleitung in das Evangelium Johannis nimmt,. wie 
Billig, den größten Theil des zwenten Bandes ein, und der 
Verf. hat daran, wie es ſcheint, mit befonderer Liche gearbeitet. 
Er ‚unterwirfe zuerit die Nachrichten von Johannis Leben einer 
prüfenden und fihtenden Unterſuchung. Das Refultat geht dahin, 
daß Johannis Aufenthalt in Kieinafien zwar überhaupt wahrfcheins 
lih, daß aber für den Au fenthalt in Epheſus befonders weniger 
Brände da find. Anfeiner Verbannung nad Ephefus wird gezweis 
felt; die Erwähnung derfelden in der Apokalypſe ſey wahrſcheinlich 
ber einzige Grund der Sage davon, gehöre aber vielleicht bloß gu 
ben Dichterifchen Fictionen des Buchs. — Die Anlage des 
Evangeliums: findet "der Verf. in einer Sachordnung. Sollte _ 





648 % 8. Eichhorn Einleitung in das R. T. 


dieſe auch zu genau aufgefaßt feyn, denn Johannes ‚arbeit 
wohl nicht nad einer Dispofition, fo ſtimmen wir doch de 
Berwerfung der Hypotheſe bey, daß die Materialien nach den 
Paſſahfeſten angeordnet ſeyen. — Biel Fleiß hat der Verf. 
‚auf die Empfehlung der Hypotheſe verwandt, daß Johann 
"Das Urevangelium vorausfege, und gelegentlich berichtige un 
ergänze. Eine ähnlihe Meinung, daß nämlich Johannes di 
drey erflen Evangelien vorausgefeßt und ergänzt Habe, war 
fhon im Altertum bekannt, und auch Neuere haben fie a 
"genommen. Kr. E. modificirt fie nun nach feiner Kppotfef 
vom Urevangelium. Seine Gründe find hauptſaͤchlich folgend: 
2) Johannes wolle Leine volftändige Lebensbefchreißung Zei 
liefern, wie er ſelbſt erkläre, übergehe aucd vieles, umd fek 
Manches als: befannt voraus: wenn man aber foldye Beobach 
tungen bey einem Geſchichtſchreiber mache, fo laffe fih mu 
gwifchen zwey MWorfiellungen wählen: entweder müfle man ihm 
verwirrte und unordentlihe Gefchichtsdarftelung Schuld gebe, 
oder ihn für Lefer ſchreiben laffen, bey denen er fchon Kennmij 
derſelben Vegebenheit aus andern Quellen vorausfegen konnte; 
der Anwendung der erfien Hypotheſe widerfpreche die Benaniz 
keit der Anlage des Evangeliums Johannis und deren Aus 
führung , die Vedächtigkeit bey feiner Auswahl der Mraterialin 
und bey ihrer Darſtellung; es fey daher wahrfcheinticher , do 
der Evangelift für Lefer ſchrieb, bey denen er Bekanntſchaft 
mit dem Leben Jeſu vorausfegen konnte. Aus welcher Quebe 
aber? Einer mündlichen oder ſchriftlichen? Aus einer münd 
lichen darum nicht, weil ein Geſchichtſchreiber in feiner Dar 
ftellung nie auf Ergänzungen der Tradition rechnen dürfe, chem 
weit fih die Gefhichte durch die Aufzeichnung von der Tradi 
tion loßreißen wolle. Wir geben zu, daß Johannes Maxches 
als befanne vorausfeßt (nur würden wir das Beyſpiel Ep. 
19, 16 nicht als Beleg gebraucht Haben, wo der Verf. in deu 

Worten xal raüra dnoinoay aura eine Hindeutung auf iss 
Holen des Efels findet, dag er als befannt aus dem lrwam 
gelium- vorausfege ; dafür wuͤrde wir lieber die. Stelle Cap 











= 


J. G. Eichhorn Einleitung in das N. T. 549 


, 24 gebraucht haben, die der Verf. nicht anführt): allein: 
vie Seugnen die Eonfequenz. Wie, wenn nun Johannes nicht 
Befchichefchreiber feyn wollte? Und das gibt ja Kr. Eichhorn 
elbſt gu; wenn er nur die Tradition bloß dogmatiſch bearbeis 
en, und nur Manches daraus zum Behuf feines dogmatiſchen 
zwecks ausheben wollte? 2) Die VBergleihung der dem Jos 
yannes mit den drey erſten Evangelien gemeinfchaftlihen Abs 
hnitte laffe muthmaßen, daß er fie in der Abfiche, fie zu bes 
ichtigen, aufgenommen habe. Bas er dort richtig gefunden, 
Ibergehe er, daher fage er nichts vom Abendmahl, nichts von 
ven Ereigniffen, von denen er mit Jakobus und Petrus Zenge 
vor u. ſ. w.; was er aber nicht richtig gefunden, wiederhole 
r, z. ©. bie Speljung der Joao, die er in ihrem wahren 
zuſammenhange darfielle (er hebe nämlich die Schwierigkeit, 
vie Jeſus Äber dem See feßend, ſchon das Wolf vor fi fins 
et, das doch zu Fuß gefolgt war: nad Johannes war Jeſus 
ruͤher ans Land geftiegen, und hatte ſich mit feinen Jungern 
mf einen Berg zurückgezogen, von dem herab er das Volk um 
en See herum kommen fah; zugleich widerfpreche er der 
woyten ÖSpeifung); ferner die Salbung zu Bethanien, die 
Johannes auch berichtige u, a. m. Daß Sohannes das Urs 
vongellum voraus geſetzt, fen darum wahrſcheinlich, weil feine 
Berichtigungen nur die allen dreyen gemeinfchaftlichen Abfchnitte 
etreffen (doch nicht ohne Ausnahme). Diefe Berichtigung und. 
Ergängung fey aber wicht Hauptſache, fondern. Nebenfache des 
Evangeliften geweſen, beſonders im erfien Theil feines Evanges 
iums, wo es ihm um den Beweis zu thun gewefen, daß Jeſus der: 
‚erheißene Meſſias fey. Gegen dieſe Hypotheſe bemerken wie 
olgendes: a) Sollte Johannes nit Cap. zo, 3n., wo er fast: 
‚daß Jeſus viele andere Zeichen gethan, welche nicht gefchries 
zen feyen in diefem Buche”, auf das Urevangelium namentlich 
yermiefen haben, wenn er es vorausſetzte? b) Johannes ers 
Ahle, was das angebliche Urevangelium enthält, zum Theil 
ındeftimmter, z. B. Cap. ı9, 17 vgl. Matth. 27, 52: Mark. 
15, 23, Luk. 28, 26 Anderes wiederholt er beynahe ganz, 








550 J. 8. Eichhorn Einleitung in das R. T. 


3. B. Joh. 18, 10. vol. Matt. 26, 5ı. Mark. 14, 47. Lak. 
a2, 50. c) Den Widerſpruch zwifhen Matth. 26, 17. Mark. 
34, ı2. Luk. c2, 7. und Joh. 18, ad. 19, 14. 31., daß naͤm⸗ 
lich nad) jenen Jeſus am Paſſahfeſt, nad diefem am Vortage 
deffelden gekreuzigt worden, und daß er nach jenen das Paſſch⸗ 
mahl gehalten, nad bdiefem nicht, berührt Hr. Eichhorn ger 
nicht. Vergeblich iſt wohl jeder Wereinigungsverfuch, wenn 
man nicht mit halben Gründen zufrieden ſeyn will; aber anf 
zugegeben, daß der. Widerfpruch nur ſcheinbar fey: wie kommt es, 
daß Johannes, da er das Ilrevangelium ergänzen und berid 
tigen wollte, diefen Scheinmwiderfpruch nicht vermied , der am 
fo mehr auffallen mußte, da er nichts vom Abendmahl erzähl, 
und zu denken veranlaßt, daß Jeſus gar kein Paſſahmahi ge 
haften habe? d) Dieſe Hypotheſe ſteht und fälle mit der vom 
Urevangelium; denn bie drey erſten Evangelien konnte Johan 
nes nicht berichtigen wollen, ſonſt haͤtte er vor allen Dinge 
ihre fo Hänfigen Differenzen heben nmäflen. 

Dur eine genaue Analyfe des Inhalts des Evangeliums, 
die wie mit Recht empfehlen können, befonders auch der Erin 
terung der Begriffs vom Logos wegen (nur die Unrichtigkeit iſt 
uns aufgefloßen,, daß Jeſus bey Ssohannes nie aus Wunden 
feine Majeſtaͤt beweife, was er doch ap. 11 bey Layarıd 
Auferweckung offenbar hut), fucht der Verf. die Enefcheidun 
der Frage: über den Zweck des Evangeliums, vorzubereiten. : 
Diefen findet ex in der Darſtellung des Begriffs vom Mefkai 
.. in feiner vollen Reinheit, als einem Lehrer von wahrhaft goͤn 

licher Weisheit und Macht, für aufgeflärte Helleniſtiſche Chri 
fin. Die verfchiedenen Hypotheſen von einem polemiſchen 
Zweck werben unterfucht, und mit Recht verwerfen. — Die 
Echtheit des Anhangs wird zu unfrer Verwunderung verthei 
digt; die VBeweisführung des Verf. Hat uns nicht überzeugt. 
— Hierauf folgt die Unterfuchung über die Echtheit des ganzen 
Evangeliums. Die neuerlich dagegen erhobenen Zweifel werben 
widerlegt. Die von Horſt und Cludius vorgetragenen, di 
em meiften Aufmerkſamkeit verdienen, hebt der Werf. durch dis | 














3. G. Eichhorn Einleitung in daE.MT. 551 
sregtfifche Vereinigung ‚der als widerſprechend dargefiellten Stel⸗ 
len von Jeſn höherer Würde und durch die Bemerkung, daß 
der Stil aͤberall Mich ‘gleich bleibe. Uns ſcheint die Echtheit de⸗ 
Evaugeliums gewiß, aber nicht deſſen Integritaͤt. Spuren der 
U berarbeitung haben ſich uns hie und da aufgedraͤngt, wir 
verweiſen nur einftweilen auf bie Gefchichte der Auferweckung 
des Lazarus, die nicht richtig gufammenhängt. — Ueber: die 
Sprache des Evbangeliums fehr feine und treffende Bemerkun— 
en. Daß aber Johannes Jeſu Reden fo treu als moͤglich 
wiebergebe, iſt gewiß ‚nicht Hegel: Jeſus redet gewoͤhnlich, wie 
Jo* aunnes ſchreibt, Johannes aber fchreibt fehr eigenthuͤntich; 
die Rede Cap. 2, 19 vom Abbrechen des: Tempels, die aller⸗ 
dinge wörtlich treu wiedergegeben iſt, kann nicht Beweis feyn 
für alle übrige. 

Die Einleitung in den erfien Brief des Iehannes zeichnet 
ſich beſonders vortheilhaft aus durch eine richtige Beſtimmung 
der Irrlehrer, gegen welche darin geſprochen iſt. Sie ſind 
dem. Verf. weder Gnoſtiker, noch Doketen, noch Cerinthianer, 
noch Johannesjaͤnger, ſondern vom Chriſtenthum abgefallene 
JInden. Die beſten Gruͤnde ſprechen noch: fuͤr die Doketen, 
nämlich die Stellen Cap. 2, 1 und 4, 1 —3; aber die Erklaͤ⸗ 
tung, welche der Verf. davon gibt, und der wir beytreten, 
hebt auch dieſe. In Anſehung der Form der Schrift laͤßt er 
es zweifelhaft, ob fle ein Bricf, oder eine Abhandlung zu 
nennen ſey; die Anrede der Lefer fey fein Zeichen eines Briefes, 
da ja and im Evangelium die Lefer angeredet werden. Allein 
das ſcheint uns doch auf eine Bubtilität hinauszugehen. Eine 
Schrift, die fihb im Ganzen auf gewiſſe beſtimmte Lefer bes 
sieht, und diefe auch Häufig anredet, iſt ein Brief; und von 
biefer Art iſt dieſe Schriſt des Johannes; freylich Laffen ſich 
Wieder mehrere Arten von Briefen denken, geſellige (freund⸗ 
ſchaftliche), Geſchaͤftsbriefe und Lehrbriefe; in der letztern Art 
armen die individaellen Beziehungen am meiſten zuruͤcktreten, 
und dieß iſt ˖der Fall in dieſem Briefe. Johannes bat. weniger 
bie individuellen Nexrhaͤltniſſe feiner, Leſer im. Auge, "als ihren 





552 u. Zach Dionatliche Correſpondenz. 


religiöfen Zuſtand, daher diefer Mangel an perfönlichen Wein 
Hungen. — Die Hupothefen, daß dieſer Brief eine Beylage, 
ein Empfehlungsichreiben zum Evangelium, oder gar ber prat 
ktiſch⸗ Theil deſſelben ſey, verwirft der Verf. mit Recht: der 
Zweck beyder Schriften iſt zu verſchieden, als daß ſie zuſam⸗ 
mengehoͤren ſollten. Dabey mundert uns, daß ber VWerf. die 
Inhaltsanzeige ©. aB5 etwas verwirrt angegeben bat. 

Der zweyte Brief iſt nach dem Verf. an eine chriflide 
Sram (fo erklaͤrt er Exdexen wupim) gerichter, deren Name 
darum ausgelaflen worden, weil vielleicht ihre Kinder dem Brief 
ſelbſt überbracht Haben mögen. Weil Johannes ſich fo rüfis 
darſtelle, daB er gu einer Reife au den. Wohnore feiner Freuns 
Pin noch Kraft genug habe, foll diefer Brief früher als der 
erfte gefchrieden feyn, den er während feiner. Altersſchwaͤch 
geſchrieben habe. Das letztere iſt gar nicht fo gewiß, und die 
Zolgerung aus dem erſtern ſcheint es chen fo wenig zu fe. 
Dabey behauptet der Verf., daß der zweyte Brief im Augdrndı 
einen fräftigern Geiſt verratbe, als der fe, was wie eben 
falis nicht. unterfcpreiden möchten. Daß der Verf. die Echtheit 
beyder Briefe anerkenne, laͤßt " erwarten, und iſt volltom 
men zu billigen, oo w.W. 


— 





Monatliche Correspondenz ‚zur Beförderung der Erd- und 
Himmelskunde herausgegeben vom Freyherrn F. von 
Zach, Herzoglich Sachsen - Gothaischen Oberhofmei- 
ster. Zwanzigster Band. Gotka, im Verlage der Becker- 
schen Buchhandlung. 1809. (Julius 18909 — Dezember 
1809.) 


(Berst. Heidelberg. Jahrb. 1810, 5. 51 (Abth. IV 9. 8) ©. 360.) 


Auch ben dem gegenwärtigen zwanzigſten Bande findet ih 
Mer. nicht bewogen, fein früher gefälltes gänfiges Urtheil Aber 
bie Reichhaltigkeit des Inhalts zuruckzunehmen. 
7 Begen. don Anffag No. J. S. 3: Weber die Mär: 
lichkeit die Geſtalt der Erde aus Bradbmerffun: 


gen zu beRimmen — finden mande Eiswärfe fast, deren 





v. Zach: Monatliche Correſpondenz 553 


Eutwickelung ſeboch - für -eine Zeitfchrife zu weitlänftig If. — 
Dem Rec. feheint, daß der Verf. auf die von ihm angenoms 
neue, noch nicht. nad aller Schärfe erwieſene ungleichartige 
Dichtigfeit des Erdkoͤrpers zu viel Gewicht legt. — Bis jetzt 
yefipen wir nur darüber zwey unmittelbare Beobachtungen, und 
dee Reſultate find nicht ganz zweifelsfrey. — D. Seetzen theill 
No. II. ©. 10 abermals mehrere von einem Eingebornen 
herrührende Nachrichten: Lieber das Räftenland von Bauàken 
und Massata auf der Weftfeite des Arabifchen Meerbuſens, 
nebft Bemerkungen Über einige Nachbarländer — mit, von weis 
chen das gilt, was. Rec. Aber einen Ähnlichen frähern Aufſatz 
gefagt hat. — Merkwaͤrdig ift es, daß man auch daſelbſt 
Ruinen mit Hieroglyphen antrifft. Entweder war alfo ihe 
Gebrauch im Alterthum ausgebreiteter, als man glaubt, oder 
Die Aegyptier flanden ehemals mit diefen Gegenden in naher 

MWerbindung, und brachten ihre Bilderfchrift dahin. — Prof: 
Littrow No. III. S. 23 beflimmt die Länge von Krakau oͤſtlich 
von Seeberg: 1) aus 127 Finfterniffen der. Jupiterstrabanten 
= 36’ 51,8: 0) aus drey Sonnenfinfterniffen == 36’ 51’’,os 
3) aus acht Sternbedeungen — 36 51,3, im Mittel = 
36' 51'7,4 mithin Zeitunterfchied mit Paris — ı ©t. 0’ 26,4 
Sftlih. — Rec. vermißt ungern die.nähere Anzeige der einzel⸗ 
nen zum Grunde gelegten Beobachtungen. Bie kann allein. 
Zuverſicht auf die Hergeleiteten Refultate einflößen. Die gegens 
wärtige iſt für. ſolche Phänomene fo groß und fo felten, daß 
fie jeden praftifchen Aftronomen in Verwunderung feßen muß, 
— In No. IV. &. 06 werden die Effemeridi astronomiche 
di Milano von ı8og mit verdienten Lobe angezeigt. KWorgägs 
Sich verdient es Nachahmung, daß Die Logarithmen des Abs 
flands der Sonne von der Erde für jeden Tag angegeben, und 
Ephemeriden für die neuern Planeten angehängt find. — No. V. 
S. 34 enthält die Recenſion: Du Zodiaque expliqué, ou 
Recherches sur l’origine et la signification de la sphere 
gröcque.: Traduit du Suedois de C. G. S. Paris ıBog. 
und entwidelt ſehr buͤndig die Widerfprähe und. Ganderhars 


854 p. Zach Monatliche Correſpondenz 


Peiten der vorgetragenen Hypotheſe. — Daß dieſes elende Werk 
nad dem Titelblatt ſchon die zweyte Auflage erlebt hat, war 
für Rec. eine erfreuliche Erfheinung. No. VE ©. ‚51 zeigt 
Meichards Charte der vereinigtem Staaten von Nordamerika, 
Nuͤrnberg ıBog, an, und estheilt ihe das Lob, welchem Der. 


mit voller Weberzeugung beypflichte. — Ein Schreiben dei 


Stadtfchreibers Krebs zu Meiningen (No. VH, &. 64) ent⸗ 
Halt die Nachricht, daB auf einem alten, wahrſcheinlich am 
Ende des fechssehnten, oder im Anfange des ſiebzehnten Jahr⸗ 
hunderts vom Habrecht verfertigten Erdglobus die durch Zeni 
"Entdeedungsreifen befannt gewordene, unb von vielen bezweifelt 
Inſel Friesland fehr deutlich und nicht viel kleiner als S;eland, 
son biefem in Sadweſten zwiſchen 61° und 65° nörbiide 
Breite, und ı° bis 4° oͤſtlicher Länge (den erſten Wieridian 
durch die Azoriſchen Inſeln gezogen) verzeichnet iſt — daß aber 
dadurch, wie Krebs glaubt, die wirkliche Exiſtenz dieſer Zufd, 
and ihre feitdem erfolgter Untergang bewieſen wird, - mödt: 
- Be ungehn behaupten. Bey einiger Bekanntſchaft mit deu 

Altern Charten wird man mehr Länder und Inſeln im ihnen 
antreffen, bie jest nicht vorhanden find, und wahrfeeiniid 
nie eriffirten. — Sn No. VII. ©. 7 findet fi des Hol⸗ 
laͤndiſchen. See ı Lieutenants Hugo van dee Ende geographiſche 
Beſtimmung der, nur durch einen Meinen Canal von Mangasali 
getrennten Inſel Defima, Die fehr gut uͤbereiaſtimmenden Be 
»bachtungen geben die Breite = 32°.44 50", und die ans 
gemeffenen Mondabſtaͤnden hergeleitete Länge — 146° 40° 5",5 
äftlich von Teneriffa. Mithin, wenn man nad der Connais 
sance des tems den weftlihen Mittagsunterſchied des Pico von 
Paris — ı St. 16’ 0’.feht, Defima-=— 4 &t. 30 40”,4 im Zeit 
äftlih von Paris. — D. Seeger No. IX. ©. 72 theilt eim 
kurze Beſchreibung feiner längft der Wüfe auf der Oſtſeite des 
Zordans und bes todten Sees gemachten Reife nach Jeruſalen 
mit; fie war befhwerlih. — Die Anzahl der Pitgrimme is 
Sernfalem betrug nur 1ö00, und Seetzzen war Der einzie 
Fraͤnkiſche Pilger. Sn No. X, ©. 78 gibt Prof. Gau 








v. Zach Monatliche Correſpondenz. 655 


Nachricht vor dee gelungenen Wiederauffmdung der Pallas, 
Eeres und Veſta. — Der No. XI. &. Bo befindliche Auszug 
aus einigen Schreiben des Inſpectors Beſſel hat den Vor— 
fehlag mittelfi eines am Dbjectiv des Diauerquadranten befeftige 
sen Objectivfpiegels den Collimationsfehler zu beflimmen — eine 
Nachricht, über die von Beſſel berechneten. neuen Aberrations⸗ 
und Relationstafeln — Zweifel gegen ‚die DBeränderlichleit des 
Sonnendurchmeflers u. f. w. zum Begenflande. — Die Bey 
traͤge zur Hydrographie von Suͤdamerika No. XII. &. 89 vers 
rathen einen kundigen Verfaſſer. Die: Stroͤme von Südamer 
vita zeichnen ſich durch ihre Größe und Richtung aus, und 
unterſcheiden fih dadurch‘ von den Fläffen des alten Eontinents, 
und felbft Nordamerifas. Das mit Beleſenheit aufgefiellte 
Detail muͤſſen wir übergehen; um nicht zu weitläuftig zu wer— 
den. Hier wo alles in einander greift, wird ein Auszug uns 
möglih. — Sn No. XII S. 103 gibt Dr. Mollweide eine - 
Auflöfung. des Problems: die Polhöhe, Tulminationszeit, und 
Abweichung eines Sterns aus drey außer dem Merddian 
gemefienen Höhen defielden und den Zwifchenzeiten der Beobs 
achtungen zu beflimmen. Mit diefer Aufgabe haben ſich viele 
Aſtronomen, unter andern Euler und Kraft in den Alten 
Metersburger Commentarien, und zulegt Prof. Hauff im viers 
ten Supplementband zu dem aftronomifhen Jahrbuch S. 257 
befchäftigt. — D. Mollweide's Auflöfung if einfacher und abs 
gefürzter, als die vom Prof. Hauff gegebene. Er braucht nue 
24, Hauff 35 Logarithmen. — Allein nach Rec. Einfiht wird 
durch diefe Aufgabe das Gebiet -der praktiichen Aftronomie feine 
fonderliche Erweiterung erhalten, und fhon Maupertuis nannte 
fie mehr finnreih, als nuͤtzlich. Sind die Zwifchenzgeiten der 
Beobachtungen nicht fehr Mein, und er ſelbſt nicht ſehr ſcharf, 
fo if das Reſultat mit beträchtlichen Srrthämern behaftet. — 
Immer wird man mittelft anderer Methoden bequemer und 
fiherer die verlangten Dinge finden. — Man erhält eigentlich 
weder Polhoͤhe, noch Abweichung direct, fondern nur zwey 
Bogen aus ihrer Summe und Unterſchied. — Ob dee Meis 





856° v. Zach Monatliche Correſpondenz. 


nere oder größere der Wreite zugehört, gibt die Rechnung nicht 
unmittelbar. Man muß alfo die Polhöhe ſchon ungefähr Lens 
nen, um fie nicht mit ber Abweichung zu verwechfeln, und 
wenn die leßtere von der erfien nur wenig verjchieden iſt, das 
ift: wenn die Abweichung des Sterns der Breite nahe kommt, 
Tann man felbft bey einer ungefähren. Schäkung der letzttern 
beyde Größen verwechſeln, und die eine für die andre Halten. 
— D. Meinede No. XIV. &. 129 teägt feine Ideen über 
die Fläffe und Gebirge als natürliche Graͤnzen der Länder vor, 
und zeigt. manche Schwierigkeiten,. wenn man jene dafür ans 
nehmen will. — Sn No. XV. ©. 140 entwidelt W. T. Pabſt 
die Methode aus gleihen Höhen zweyer Sterne die Zeit zu 
finden. — No. XVI. ©, 147 enthält wine umfländliche Res 
oenflon von Gauls Theoria motus corporum coelestium. — 
Sehr ſchaͤtzbar if der No. XVIN. ©. 197 vorlommende Anfı 
fag des Prof. Gauß: Summariſche Lieberfiht der zur Beſtim⸗ 
mung der Bahnen der beyden heuen Hauptplaneten angewand⸗ 
ten Methoden, weil man daraus den erfien, ſchon vor ſecht 
Sjadren von dem Verfaſſer eingefchlagenen Weg kennen 
lernt, den er hernach in feinem größern Werke größtentheils 
. verlaffen, und merklich verbeffere hat. — Unterrichtend und 
angenehm find Vergleichungen der früähern und ſpaͤtern Ideen 
eines und deſſelben Erſinders. Dean fieht daraus, wie das 
Genie fih ſtets feinen eignen Weg bahnt, und durch ange 
firengtes Forſchen alle entgegenftehende Hinderniſſe aus dem 
Wege räumt. — Sehr intereffant it No. XVIII. S. 205 
Seetzens Fortſetzung der Machrichten von orientalifhen Reife 
befcheeibungen , Topos und Geograpfien, Landcharten u. f. w. 
— Der Inhalt von 26 bisher nicht gefannten Handfchriften 
n. ſ. mw. findet fi in einem gedrängten Auszuge. — Da Stern 
bedeckungen das ſicherſte Mittel richtiger Längenbeftimmungen 
ind, fo leuchtet das Verdienſtliche des Auflages No. XIX, 
©. 255, Sternbedeckungen durch den Mond für das J. 1810 
berechnet, von den Florenzer Afttonomen Pr. Canovai, Del 
Nico und Inghirami von felb hervor. — Die aftromomifchen 
Kalender geben nur die Drcultationen größerer Sterne, und 
4. B. die Connaisgance des tems überhaupt nur ı2, in dem 
ganzen Lauf des 5. 1810 an. Man kann ohne Viebertreibung 
annehmen, daß auf den meiften Sternwarten ungänftige Witte 
sung die Haͤlfte derfelben, wenn nicht mehr, zu beobachten 
yerdietet. Mur ſehr wenige bleiben alfo zu Längenbeftimmun 

en übrig. — Bedeckungen Meineree Sterne werden felten, 

äufig nur durch einen gänftigen Zufall beobachtet! Die Aſtro⸗ 
nomen find durch vorgängige Ankündigung nicht daranf von 
Bersitet, und. his und wieder vermachläffigen fie einige abſichtlich, 











v. Zach Monatliche Eorrefpondenz. 557 


weit fie an correſpondirenden Beobachtungen verzweifeln — 
Eine ſolche Anzeige aber iR dem fleißigen hoͤchſt willkommen, 
und fpornt den Trägen, twenigftens einige zu machen. — Die 
Ausbente für die noch zum Theil fehr dürftige geographifche 
Ortobeſtimmung, worauf doch allein die Nichtigkeit aller unſrer 
Eharten beruht, kann groß werden, wenn die Beobachter Beine 
‚Mühe ſparen, jedes diefer Phänomene zu odferviren, wenig⸗ 
fiens es verfuchen, ohne fih duch Zweifel a priori abhalten 
zu laſſen. Rec. kennt leider aus Erfahrung die Schwierigkeiten 
genau, den Eintritt, oder Austritt Kleiner Sterne der 7. und 
8. Groͤße, befonders nach dem erflen und vor dem lebten Monde: 
viertel wahrzunehmen, und ſelbſt mit den vorzuͤglichſten Werks 
‚zeugen iſt es ihm oft nicht gelungen, allein haͤuſig ift mehr 
der Zuftand unfrer Atmofphäre, als irgend eine andere Urſache 
daran Schuld. — Der Aftronom darf daher nicht ermüden, er 
muß folhe Beobachtungen dem Himmel gleichfam abtrogen. 
Möchte doch der Herausgeber bald uns mit einem ähnlichen Vers 
zeichniſſe der 1812 bevorfichenden Sternbedeckungen beichenten! 
Sein Nugen if fo groß und fo einleudhtend, daß die darauf 
‚verwandte Mühe uͤberall nit in Betracht kommen kann. — 
Sn No. XX. S. 266 wird die erfte in vier Blättern No. ı, 
2, 5, 9 beftehende Lieferung von Prof. Hardings Himmelss 
charten und No. XXI. S. 275 Stielers Charte von Weſtin⸗ 
dien 2c. Nuͤrnberg 1809. angezeigt und beuriheilt. — In No. 
XXI. &. 287 trägt ein anonymer Verf. den Wunſch vor, die 
Monatliche Eorrefpondenz, möge, wie ehemals die Acta Eru- 
ditorum , die Aufgabe und ‚Aufißfung mathematifcher Probleme 
aufnehmen. Er felbft macht mit einer folhen Aufgabe den 
Anfang. — Die Idee kann nägßlidh werden, wenn die Pros 
bleme ſelbſt intereſſant, nicht bloße analytiſche Spielereyen find. 
— Der Vorfhlag No. XXIII. S. 295 zu einer neuen Art 
bequemer Aberrations; und Ürutationstafeln verdient befondere 
Aufmerffamteit, und der Anhang enthält ihre Berechnung für 
34 Maskelyne'ſche Sterne, welche etwas mehr als vier Octav⸗ 
feiten einnehmen. — Die Einrichtung dieſer Tafeln iſt ganz 
einfach; bekanntlich iſt die Sonnenlänge das Hauptargument ' 
der Aberration , und der Drt des auffieigenden Mondsknoten 
das Hauptargument der Mutation. — Beyde, Aberration und 
Mutation, werden alio bey einer gewiſſen Länge der Sonne und 
des aufftleigenden Mondsknotens — o. Diele Größen liefern 
bey jedem Stern vier beitändige Huͤlfswinkel, die in den Tafeln 
-verzeichner find. — Ebenfalls laͤßt fih Das Marimum der Abs 
-erration und Nutation finden, und dieje geben für jeven Stern 
-vier beftändige Logarithmen, die bey der graden Auffteigung 
ſowohl in-Zeitzheilen, als in Theilen des Bogens in den Tafeln 


« 








558 v. Zach Monatliche Correipondeng. 


angegeben find. — Nennt man die Sonnenlänge fiir einen 
gefuchten “ — ©), ben Dre des auffteigenden Mondskno⸗ 
tens — 3. — Die Derter, wo bey beyden die Ab 
erration und Nutation als Null verfhwinden S P, und das 
Marimum der feßtern Größen, oder den befländigen Logarith⸗ 
man—xX, fo geben die einfahen Sleihungen : — Log. sin, 
CO + $ + log %) den Peoportionaltheil für die Aberration 
eines gewiflen Tages, und eben fo für die Mutation „ Log. 
sin. CD + 9) + log 4. Roͤrdliche und füdliche Au 
weichung der Sterne maden hierbey fo wenig, ale mehrere 
algebraifche, Zeichen eine Aenderung, wenn man nur nicht ven 
gißt, daß die gefundenen Sinus in dem beyden erſtern Qua— 
dranten des Kreifes poſitiv, in den beyden Ichtern negativ find. 
— Bey diefer gefchmeidigen Geftalt laffen ih befondere Aber 
rations s und Mutationdtafeln fehr vieler Sterne in wenig 
Bogen zufammendeängen, und find daher befonders veifenden 
Aftronomen zu empfehlen; denn diejenigen, die ſolche nach der 
gewöhnlichen Form berechnete Tafeln zur Hand haben, möchten 
Diefe doc) immer vorziehen, da fie die erforderlichen Größen 
an& ihnen a vue nehmen fönnen, bey den abgefürzsten Tafeln 
aber mit mehrern Zeitverluft zweymal die logarithmiſchen Tafeln 
eufihlagen mäffen. — D- Geegen liefert No. XXIV. ©. 305 
Beytraͤge zur Kenntniß von Arabien aus orientalifchen Reis 
Hefehreibungen. — Meiftens kurze Notizen über einzelne Städt 
oder Gegenden, nur ber Auszug aus der Reife eines. ungenanw 
ten Araders nad Mekka und Medina im J. z221 der eds 
ſchira (1706) it etwas weitläuftiger, und enthält einige inter 
effante Nachrichten über die durchreisten Gegenden. — Sn 
No. XXV. ©. 301 wird aus Prof. Gauß Theoria etc. die 
Aufgabe: Wenn ihrer Größe und Lage nach zwey Radii vecto- 
res und die verfloffene Zeit. gegeben find Die eliptifchen Ele⸗ 
mente einer Planerenbahn zu beffimmen — vorgettagen, und 
‘mit einem numerifchen Beyſpiel erläutert. — Am Schluß wir 
die ſehr bequeme indirecte Methode des Prof. Gauß zur Bu 
flimmung der ercentrifchen Anomalie aus der mittlern ange 
eigt, und ebenfalls durch ein numeriſches Beyſpiel erklärt. — 
No. XXVI. ©. 337 enthält die Anzeige von den Memoireæ 
de la Classe des Sciences mathematiques et physiques de 
YInstitut national de la France 1, et II. Semestre 1807, 
Paris 1807 und 1808. — Ein ziemlich ausführlicher Ansyuz 
aus den Vaterlaͤndiſchen Blättern für den Defterreichifchen Kai⸗ 
ferſtaat, Wien 1808, füllt No. XXVU. ©. 350 au. — 
Santini theilt No, XXVIH. &.373 feine 1808 am adıfäßs 
gen Mauerquadranten zu Padua angeflellten Beobachtungen 
der Eeres und Vefla mit, und berechnet daraus dem Gegen 














v. Jach Monatliche Corteſpondenz 659 


chein des letztern Planeten. Der mittlere Fehter der Tafeln in 
yer graden- Auffteigung betrug — 6' 36,7 und in. der Abwels - 
bung + 3 0,9: — Sie geben alfo jene zu Mein, Diefe zu 
jeoß. — Das No. XXIX. &. 375 befindliche Verzeihniß von 
Druch und Rechnungsfehlern in den neneften vom Bureau dea 
„ongitudes herausgegebenen Sonnen s und. Mondstafeln ift 
üe die Beſitzer derfelben ein angenehmes Geſchenk. Das 
Schreiben von Jabbo Dltmanne No. XXX. ©. 390 enthält 
nehrere Bemerkungen und afronomifhe Neuigkeiten. — No. 
XXI. ©. 397 :i ein Auflab: Leber die Urſachen der vers 
hiedenen Dichtigksiten der Welskörper vom Marſchall von Bias 
erfein. — Su No. XXXII. ©; 411 wird aus der Biklio- 
heque brittannique die aus genauen trigonometrifhen Opes 
ationen hergeleitete geographiiche Lage von Genf angegeben. — 





Nittelſt zwölf großer Dreyecke (deren genauere Anzeige Rec. 


sit dem Redacteur dee Monatlichen Correſpondenz gewünfche . 
ätte) verband. man bie Sternwarte zu Straßburg mit dem 
5t. Petersthurme zu Senf, und fand defien Breite — 4 
2’ 4,93, die Längendifferen,g mit Paris — 3° 48 .26”,56, 
der — 15 13“,7 in Zeit, wenn man den oͤſtlichen Mittagss 
nterfchied zwiſchen Straßburg und Paris nach der Connais+ . 
ınce des tems == 5° 24 36”, oder aı’ 58” in Zeit feht. — 
)a der Petersthurm noͤrdlicher als die Sternwarte zu Genf 
egt, fo wurde deflen Entfernung durch ein gemeflenes Dreyeck 
ftimmt, und fie betrug — 4,62 nördlih. Eben diefes 
reyeck gab die Längendifferens des Thurms 9,84. Es if 
fo die Breite dee Sternwarte, = 46. 10 0”,5 und der 
Zittagsunterfchted mit Paris — 3° 48 36”, oder 15 14,4, 
zeit. — Aus Malers Ältern Bepbachtungen folgt die Breite 
> 12’ 5”, und wenn man die etwas zweifelhaften Beobache 
ngen der Capella wegläßt == 46°. ı@ 0. — Spätere Bus 
achtungen gaben == 46° 11’ 58”, — Die Länge wurde eben⸗ 
Is fräher — 15 14 in Zeit aus Verfinfterungen und Sterns 
deckungen gefunden. — Bende Reſultate flimmen fehr gut 
it den geodätiiben Beſtimmungen. — Wielleiht bedarf aber 
: Xreite von Steaßburg ſelbſt noch einer genauern Beſtaͤti⸗ 
ng. : Aus Briefen ik Rec. bekannt, daß Henry’s neuſte 
ſterſuchungen der Polhoͤhe von Straßburg nicht ganz befrie—⸗ 
ende Reſultate geliefert haben. — No. XXXIII. > 417 
rden Bouvards neue Jupiters und Saturnstafeln umfänds 
» angezeigt. — Verdienſtlich find die am Schluſſe gelieferten 
rmeln ın Wertden der alten Eintheilung des Quadraten und 
; Tages. ausgedrudt, da leider die vortrefflihen Bouvard’s 
en Tafeln nadı der Decimaltintheilung des Quadranten und 
: Tags berechnet, mithin für Deutſche Aftronomen zum Ges 
mich wicht bequem finde Das ungehängte Merzeichniß der’ 


\ 





60 d. Zach Monatliche Corkeſpondent 


Oruckfehler wird den Beflgern bes Werks nuͤtzlich ſeyn. Dee 
Auszug No. XXXV. ©. 456 aus einem Schreiben von Ser 
gen liefert manche fehr intereſſante Motigen, unter andern von 
theits vollendeten, theils projectirten Weberfegungen Europäifget 
matbematifher und aftronomifcher Werke in das Arabifche. — 

No. XXXV. ©&. 46ı und No. XLIV. &. 525 wird dit 
ansfährlige beurtheilende Anzeige von Humboldts Essay poli- 
tique sur le Royaume de la nouvelle Espagne fortgefegt. 
— u No. XXXVL ©. 466 vertheibigt der Oberpfarrer 


Fritfch feine Aeußerung, über den Werth ded Mondfcheins bey 
en gegen Jabbo Dltmanns. — No. 


aftronomifchen Beobachtung 
XXXVIL ©. 488 enthält ein Verzeichniß von Druds und 


Fechnungefehlern der neuften Parifer Mondstafeln. — Sn 


(wertee Beſſel heilt No. XXXVIII. ©. 495 feine Beobach⸗ 
gungen der Bedeckungen von 13 und 2d des Stiers am ad. 
©eptember 1800, des Austritts von A der Zwillinge am 
4° ©ept. von No. 26 der Zwillinge am ad. October und von 
x des Krebfes am 31. Dctober mit. — In No. XXX. 
©. 495 finden ſich topographiſche Notizen über Ungariſch Al 
senbnrg, und in No. XL. ©. 497 mehrere an verfchiedenen 
Drtien beobachtete Sternbedeckungen. — Ein Aufſatzz Eiccolinis 
No. XLI. &. 501 unterfagt, ob ein dreyfacher Regenbogen 
zugleich gefehen werben könne, und verneint es. — Ein Aus 

ug No. XL. ©. 512 von Herſchels Abhandlung über bie 
Maturberhaffenheit des großen Kometen von 18075 , liefert in 
gebrängter Kürze deſſen Wa enehmungen und Hypotheſen. — 
— Sa No. XL. ©. 515 unterſucht Marſchall von Bieber⸗ 
‚Kein die Erregung der Wärme duch das Licht auf deu Zelt 
törpern,, nnd befonders anf der Erde. — Aus den Erzählum 
gen eines Eingebornen gib Seegen No. XLV. ©. 511 eim 
Hrachricht über das Land Jedschu in Habesch, die Gibberty 
und ihre Sprache. — Die Einwohner find Mahommedaner, 
und fheinen einen Hang zum Pietismus zu Haben. Sie wers 
den von einem Sultan regiert, und leden im Beftändigen 


Kriege mir dem Nuggüss (Beherrſcher) von Habeſch. ihr 


Eultur fleht noch auf einer nisdern Stufe; Reis iſt nicht von 
handen, und anflatt des Brods bedient man ſich einer Art 
von Kuchen, bie man warm von dem Teller ißt, worin et 
gebacken wurde. Zuckerrohr iſt zwar dort vorhanden, man 
bereitet aber darans keinen Zucker, ſondern faugt den fäßen 
Soft aus. Ein kleines Wörterbuch der Gibbertyſchen Sprade 
macht den Beſchluß. — No. XLVI. ©. 564 enthält die Re 
cenfion des zwehten Bandes der Oeſterreichiſchen vaterlaͤndiſchen 
Blätter. Die im Auszug mitgerheilten Notizen find. beſon⸗ 
ders für den Statiſtiker wichtig. 


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\o. 36. Heidelbergifche 1811. 
Jahrbuͤcher der Literatur, 


soffem und Grundfähe des königl. preußiſch⸗ churmärkifchen erſten 

Oberforſtmeiſters Carl Philipp von Kropf, bey Verméſ⸗ 

fung, Eintheilung, Abſchatzung, Bewirthſchaftung und Enitue 

‚ der Foren. Nebſt beyläufiger Berichtigung verfchiedener in den 

Forfibandbüchern des Oberforſtmeiſter F. 9. 2. von Burgs» 

Dorf enthaltenen Lehren. Zweyter Band. Berlin, gedruckt 
bey Georg Decker, königl. geh. Oberbofbuchdruder. 1807. 


De zweyte Band dieſer Schrift, worin die Capitel und 
eitenzahlen des erſten fortlaufen, fängt an mit dem deeys 
dnten Kapitel, weldhes von der Einrichtung der 
orſt-Verbeſſerungsanſchlage im Preußiſchen 
ndelt. 

Der Berf. cheilt zuerſt Gas zu den Bosftoerbefferungen 
rgefchriebene Formular zur Nachweifung der Anzahl, Groͤße 
d Befchaffenheit der, in jedem Forft vorhandenen Schonungen 
t. Die Sorftverbefferungsanfchläge in den Preußifhen Staas 
; begreifen den Zeitraum vom ı. Juny des erften bis zum 
Suny des zweyten Jahrs, und dieſer iſt in ſofern gut ge⸗ 
bie, indem in dieſer Zeit alle. Eufturen beendiget werden 
nn. 

In den Anſchlaͤgen felbft wird folgende Neiheordnung bes 
ichtet: 1) Nachbeſſerungen im Laupholge; 2) Nachbefferungen 
Nadelholze; 5) neue Anlagen im Laubholze; 4) neue- u 
en im Nadelholje; 5) Pflanzungen ; 6) Saats und Pflangs ° 
ıpe; 7) Graben und Bewäßrungen; 8) Ertraordinarien. 

Bey den Veranfchlagungen felb wird ad ı und a beoßs 


et, daß feine Nachbeſſerungen aufzufchieben, und dieſen 
nal der Vorzug vor den. neuen Antagen gegeben, folglich. 


en leßtern nur dasjenige Geld und Diejenigen Sämereyen 


56 


2 





562 v. Kropf Syſtem u: Grundſaͤtze der Forſtwiſſenſchaft. 


verwendet werden, das nach Abzug ber Nachbefferungen ned 
uͤhrig bleibt... Wen diefen Nachbeſſerungen muͤſſen die Ploͤtze 
ihrer Lage nad genau angegeben, und die Urfachen, warum 
der Aufwachs und Anflug ausgeblieben iſt, genau bemerkt 
werden, um daraus entnehmen zu koͤnnen, wie die Nachbeſſe— 
rungen einzurichten find. Line jede Nachbeſſerung wird erf 
im dritten Jahre unternommen, um gewiß zu feyn, daß nidte 

mehr durch die frühere Ausfaat erfolgen kann. Sie gefchehen dem 
Lokale gemäß theils Durch Anfaaten, theils durch Pflangungen. Ad 
3 und 4 it es Grundſatz, den im Laubholge erforderfichen nehen 
Anlagen den Vorzug vor den neuen Anlagen im Nadelhofze zu ge 
ben, folglich auf die feßtere nur dasjenige Geld zu verwenden, mas 
nach Abzug der Koften zu den erſtern uͤbrig bleibe. Ad 5 ik 


beobachten, daß keine Pflanzung ins Freye veranſtaltet werden 
darf, ohne dabey zu bemerken die Anzahl, Höhe, Stärke und 


das Alter der Pflanzſtaͤmme, wo fie gefchieht, wie der Be 
den beſchaffen iſt, und ob in der Naͤhe des Platzzes Waſſer 
vorhanden iſt, worauf alsdanp die Koſtenanſaͤtze ganz ſpeciel 
für jedes Schock Pflanzen gemacht werden muͤſſen. Ad 6 
wird die Anlegung, Befamung und Bepflanzung der Saat 
und Pflanzkaͤmpe und alles dasjenige, was darin und an dt 
Bezaͤumung zu verrichten nothwendig iſt, ſpeciell veranſchlagt. 
Ad 7 wird die Anfertigung neuer und Ausbeſſerung ber alten 
Zäune, der Schlagbäume, Schonungs⸗ Einfaffungs s und Ah 
zugsgräßen, Schonungs- und Warnungstafeln, Conpirziun 


zue Cultur der Sandfchollen 20. bemerft. Ad 8. Hier werden 


ofle nicht unmittelbar zu den veranfihlagten Gegenfländen gu 
hörigen, fonft etwa noch erfordeilihen Koften aufgeführt z. B. 

die zu Unterhaltung der Inventarienſtuͤcke, als Forſtpfluͤge, 
Pflanzungsgeraͤthſchaften. 

Der Verf. gibt darauf eine Ueberſicht von den in ſeiner 
Gegend uͤblichen Anſchlagsfaͤtzen, um dadurch anſchaulicher ze 
machen, wie «in jeder Gegenſtand gruͤndlich beſchrieben, un 
‚jede Arbeit gehdrig taxirt werben muß, damit nicht zu viel, 
oder zu wenig angeſetzt wird. 





J 


v. Kropf Syſtem u. Orundfäge der Forſtwiſſenſchaft. 563 


Bor dem 1. May mie die Forflverbefferungsanfchläge 
usgefährt feyn, und die für das naͤchſte Jahr mäffen bey der 
orjährigen Revifion fchon verabredet feyn, und vom ı. Dec. 
nz bey den Forſtbedienten bereit feyn. Der. bis zum 1. May 
wisgefährte Anſchlag muß mit Berechnungen und Bemerkungen, 
vie er ansgefährt worben, nedft dem Entwurf für das naͤchſte 
Jahr, vom 16. May an, bey den Forfibedienten zum Wehuf der 
Forftverbefferungsrevifion ganz vollftändig bereic liegen. Diefe 
vird in den Monaten Junius und Julius vorgenommen. Die 
Bergleihung desjenigen, was im verfloffienen Jahr wirklich 
zeſchehen und aufgewendet, und für das folgende Jahr in 
Vorſchlag gebracht worden iſt, und die Pruͤfung beyder an 
Irt und Stelle, gibt der Reviſion, die von. den Forſtoorgeſetz⸗ 
en vorgenommen wird, Belegenheit, noch manches abzuändern. 
Nach gefchehener Reviſion mäffen die Forſtbedienten den auss 
vefährten Anfchlag einfach, den Entwurf fuͤrs naͤchſte Jahr und 
ie Nachweiſung der Schonungen, nach den gegebenen Formu⸗ 
‚aren, zweyfach an die Forſtvorgeſetzten einreichen, welche, nach⸗ 
em fie nochmals von ihnen revidirt und unterſchrieben worden, 
m Juliusmonat zur Reviſion und Genehmigung der höchfieh 
Behörde vorgelegt werden. Die genehmigten Anſchlaͤge gehen 
uf diefelbe Art wieder gu den Forfibedienten zur Ausführung 
ſuruͤck. Was unausgeführt geblieben ift, wird in dem nächiten 
Anſchlag wieder aufgerriommen. Ueber die von ders Forftöes 
Jiensen erhobenen und verwendeten Forſtculturgelder muͤſſen Ale 
sach einer beſtimmten Vorſchrift eine Seldrehnung.mit Bela 
ven und Auittungen anfertigen. 

Diefe fo aͤußerſt zweckmaͤßige Einrichtung der Forſtverbeſ⸗ 
'etungss oder Forſtculturweſens und die Ordnung, womit die 
Borftsufturen zur Ausführung gebracht, verdient um fo mehr 
us Mufter aufgeſtellt zu werden, Da diefer fo wichtige Gegen⸗ 
tand der Forftwiffenfchaft, nur gar zu oft oberflächlich behan⸗ 
delt, die Ausführung derfelden dem untern Forftverfonafe über 
laffen, und keine gehörige Controlle dabey aufgeftelt wird. : Aus 
dieſer Lrfache werden daher oft große Summen anf Cultaen 





564 v. Kropf Enten u. Srundlibe der Sorfmifenfcant 


verwendet, welde man., auf bi gehörige Art: anzewendet, oft 
mit der Haͤlfte zweckmaͤßiger ausfuͤhren koͤnnte. 

Um bey den. Pflanzungen in gleich weitem Kreuzver: 
bande ohne Berechnung immer ſogleich wiſſen zu koͤnnen, wie 


weit die Pflanzreihen nad) beſtimmten Diſtanzen aus einandır 


gemacht werden muͤſſen, und wie viel Pflanzen zu jeder Diſtam 
uf einem Morgen erforderlich ſind, hat der Werf. eine Be⸗— 
sechnungstabelle darüber angefügt. Außerdem gibt er auch noch 
eine Ueberſicht über. die Anzahl der Pflanzen, welche ˖ſolche nad 
den beſtimmten Diſtanzen in nicht gleich weitem. Kreuzverbande 
geſetzt werden ſollen. Es wird ferner durch Berechnunge— 
tabellen beſtimmt, wie groß die Laͤnge des Zauns zu einem 
ein Viereck bildenden Saat/ oder Pflanzkamp von verſchiebener 
Groͤße ſeyn muß, wie hoch fi die Planzungss, Bezäumungss, 
Graben⸗, Anfertigungsı und ſonſtige Culturtoſten für jeden 
Morgen, jeder Ruthe nach beſtimmten Sägen belaufen; endliqh 
wie groß die Menge der Einſaat zu jedem Morgen iſt. 
Divfe Ueberſichten und Berechnungen gewaͤhren bey der 
Ausfuͤhrung der Culturgeſchaͤfte eine große Erleichterung... 
Vierzehntes Capitel. Bon der Eulturbe 
Sandſchollen. Die Sandſchollen entſtehen aus dreyerley 
Art: 1) in den Forſten, wenn ein ſehr leichter Sandboden 
auf Anhoͤhen zu kahl, oder leer gehanen, und nicht gleich 
wieder mit Holz angebauet wird. 2) Wenn ein leichter Acka 
gu oft beackert, und zu wenig oder gar. nicht mit Dünger 
werfehen wird. 3) Wenn Meere, oder Seen und Fluͤſe 
bey Ueberſchwemmungen, oder. flarfen Windfiärmen Sand 
auswerfen, den Strand, oder das Ufer und weite Gtreden 
Landes damit bedecken. Diefe letztere Art von Sandſchollen if 
in der Kurmark feltener, die beyden erſtern Arten aber haus 
‚ger, und nach der Angabe des Verf. find fie oft won einigen 
hundert. bis zu einigen ‚taufend Morgen in einer Flaͤche von 
handen. Die Cultur bderfelben wird alfo dort, und zwar mit 
Met, als ein fehr. wichtiger Gegenſtand vom Werf. betrat, 
weicher von allen Selten verdient erwogen gu werden, weil «4 





v. Kropf Syſtem m. Grundfäge der Forfwiflenfchaft. 565 ' 


venige Segenflände in der Eultar gibt, welche mehr Kenntniß 
iner "einzelnen Sache und mehr Um⸗ und Aufficht erfordern, 
ls die Cültur der Sandſchollen, wenn nicht viel Geid übers 
luͤſſig und unnäg darauf verwendet werden foll. 

"Der Berf. bemerkt zuerft bie Methoden, weiche Gleditfſch 
ind v. Burgsdorf zur Bindung der Sandſchollen angege⸗ 
zen haben, und indem er dieſelben in einigen Städen wider⸗ 
iegt, gibt er zugleich die, von ihm als zweckmaͤßig erachteten 
Methoden an, und beweiſet durch die von ihm ſeit einigen 
Jahren in Cultur gebrachten Sandſchollen von bedeutendem Flaͤ⸗ 
cheninhalt, daß ſeine Methoden praktiſch voͤllig anwendbar und 
von’ Nutzen fied. Er geſteht demnach gu: 1) daß es noths 
wendig tft, die Sandſchollen zu vermeflen, um die Lage und 
Beſchaffenheit derſelben kennen zu fernen, und Weberfcdläge 
über den Anbau machen zu konnen, wobey auf die Windfriche 
von Südwerr nah NMoſt befonders zu den nöthigen Vorkeh⸗ 
rungen Ruͤckſicht zu nehmen iſt, ſobald nicht von den Wen⸗ 
dungen der Winde zwiſchen Bergen und Schluͤften die Rede 
iſt. Ueberhaupt gibt die Norblinie auf der. Charte fchon das 
Noͤthige deshalb an. 2) Daß zwar Koftenanfchläge über die 
Cultur derſelben nothwendig find, daß folhe aber nicht für 
große Strecken und auf: gehrere Jahre Hinaus gemacht werden 
koͤnnen, weil die Sandſchollen fich verändern. Diefe Anfchläge 
möffen auch zu einer ſehr trocknen Zeit, wo fie fih in ihrer 
wahren Hefchaffenheit zeigen, gemacht iverden.. Die v. Burgss 
Dorf angegebene Berechnung der Roften und die Anwendung 
des Materials zur Bindung der Sandſcholleg werden vem 
Werk. berichtiget. 5) Haͤngt es von der richtigen Beſtimmung, 
wie die Coupirzaͤune ſtehen, und we das Deckreißig Hegen fölf, 
vorzüglich ab, daß, die Bindung ohne Verfchwendung diefer 
Materialien erfolgt. Es iſt nothwendig, daß hohe Sandberge 
Bis "auf ‘den Feten Sandboden fo weit weggefchippt werden, 
damit die Zaunpfähle im feflen Stand zu ſtehen kommen. Auf 
Ebenen iſt dieß freylich nicht möglich, Hier muͤſſen die Zauns 
vfähle aber deſto länger gemachte werden. Die Coupirzäune 





566 ©. Kropf Syſtem 4. Grundfäge der Forſtwiſſenſchaft. 


müffen fo gemacht werden, daß fie 5 — 6 Jahre dauern. Das 
Ausbreiten des Deckreißigs zwiſchen den Zäunen muß von 
dem Ende der Sandfcholle angefangen werden, woher die herr 
fchendften Windflärme kommen, und die abgehauenen Enden 
deffelben werden nad) den Zäunen bin fo gelege, daß fie unter 
die ausgebreiteten Zweige und zunaͤchſt anf den Sand zu liegen | 
kommen, damit der Wind Über das Reißig hinfkteichen, und es 
nicht aufheben kann. Es ift zwar natärlih, daß eine Sand 
ſcholle am ficherfien uud volllommenften in Ruͤheſtand verfekt 
werden kann, ‚je mehr Coupirgäune angelegt, und in je kleinere 
Entfernung fie auseinander gejegt werben, in welchem Fall die 
. Bindung auch ohne Bededung mit Reißig bewirkt werden faun; 
olfein fig kann auch Teiche fchädlich werden, wenn die Say 
fchollen fogleich befamt werden follen, in welchem Fall es de 
Pflanzen an hinlänglihem Luftzug zum guten Gedeihen fehlt. 
Die eigentlihe Entfernung der Zäune Pl fih ſchwer im Ab 
gemeinen befiimmen, indem fie auf. manchen Stellen nur gehn 
Ruthen: von einander entfernt anzulegen find, an andern Steh 
ion oft kaum alle Hundert Nuthen ein Ceupirzaun erforberlid 
if. 4) Iſt es nothwendig und raͤthlich, bey dem Segen de 
Zaͤune und Bedecken mit Reißig die Sandſchollen fogfeich mit 
Holzfamen anzuſaͤen. Geſchieht es nicht, fo verfliehen mehrere 
Jahre zum Holzanbau ungenugt, die Zäune und das Meifig 
vermodern, und werden entwendet, und wenn der Boden dann 
nicht gang benarbt il, fo iſt er der Gefahr aufs neue wieder 
fluͤchtig zu werden ausgefcht. Der ausgefäete Same umd bie 
‚aufgegangenen Pflamen erhalten auch von den Zaͤunen und 
Reißig in den erfien Jahren den noͤthigen Schutz und Schat 
ten, fo wie Hinreichende Feuchtigkeit, weldes alles ihnen ab⸗ 
gingen, wern der Holzſame erſt auf den zwar. benarbsen, aber 
unbeſchuͤtzten Boden ausgeflreut würde. Diefe Bemerkungen 
find Widerlegungen der u Burgsdorf angegebenen Methe 
von. Der Verf. geht darauf gu denjenigen Methoden über, 
desen er fih mit Erfolg gur Bindung und Cultur der Saud⸗ 
ſchollen bedient hat. Kleine Sandichollen von 10 — Io Mor 








vx Kropf Syſtem u. Grumdſaͤtze der Sorſtwiflenſchaft 567 


en werden bloß tief aufgepflügt, damit deu untere, feflere, 
sahrungsreihere Boden zu Tage gebradit, und dann ber 
Holzſamen darauf ausgefäct werde. Das Pfluͤgen darf aber nicht 
Fahre an- Fahre, fondern nur eine breite Sabre um die andre, 
ind nicht frauͤher, oder fpAter geſchehen, als man den Winter 
yinderg bey offenem Baden, oder früh im Fruͤhjahr pflügen 
ann, auch darf keine ‚größere Strecke als auf einmal anges 
äet werden kann, vorgenommen, der Riefernfame nach bem 
Pfluͤgen fogleich ausgeſaͤet, und der Soden mir Reißig bedeckt 
werden. — Auf größern Flaͤchen von Saudſchollen find freylich 
Eoupirgäune, oder Vorbane noͤthig, nachdem dieſe errichtet 
worden, gefchieht das Pflügen, wenn der Voben naß und 
feucht ig, worauf der Same ausgeſtrout, und der Boden (ogkeich 
mit Meißig bedeckt wird. Lin drey Jahre alter Anflug vers 
bindet and beichattet den Boden flärker, als die ſtaͤrkſte Bebes 
Bung mit Reißig, und es iſt alfo, wo ein ſolcher Anflug balb 
erfolgt, Me. Erhaltung Ber Zaͤune, die font 8-10 Jahre 
nothwendig wäre, uͤberſtuͤſig. Auch gewinnt man dadurd) am 
Koſten, welche. eine nachherige Beſamung, wenn der Boden 
erft benarbt iſt, erfordert; Eine Hauptregel-ift es uͤbrigens, 
daß man auf ber Flaͤche der auf einmal zu cultivirenden Sands 
ſchollen frühe genug bey affenem Metter, den gangen Winter 
hindurch, mit dem Gegen der Bäume anfangen muß, um 
fräßer mie der Arbeit fertig. zu werden, e⸗ ber. Sand. gany 
trocken und fliegend wird. 

Das weitere Verfahren bey der Caltut der. Sanpihıken 
wird von dem Werf., mit Ruͤckſtcht auf verfchiedenedsunte Fälle, 
noch näher erläutert, und Auszuͤge aus mehrern Reſcripten, im 
weichen: ſein Verfahren gebilligt und gelobt wird, zur Reche⸗ 
feeiigung deſſelben geliefert. 

Fanfrehntes Capitel. Bon der phyfitatifge 
botaniſchen BVerwandtſchaftder Holzartenunter 
ſich, Behufs der Grundfätze bey Anlchriung der 
fich dem Forſtweſen wibmenden Jünglänge, bes 
fonders in Anwendung der Eultar uad höhern 


eo — 





568 © Kropf Sopen u. Gernbſite der Forſtwiſſenſchaft. 


Benutzung der Jorſten; ingleichen von eintgen 
wichtigeu Fehlern in Anlehrung unſrer jungen 
Forſtleute. Der Verf. ruͤgt zuerſt die Fehler, welche bey 
der Bildung junger Leute zu Forſtmaͤnnern begangen werden, 
und tadelt beſonders diejenige Lehrart, die bloß thedrettſch if, 
oder, wenn der Lehrer keine eigene Erfahrung beſitzt, wodurch 
er. nur. allein bey feinem theorettſchen Vortrage dem Juͤnglinge 
richtige Gruudſaͤtze beybringen tann. Die Art der Erlernung 
dee Forſtweſens ſelbſt muß demnach darin beſtehen: daß ein 
jeder Lehrling erſt drey Jahre. das. Praktiſche in zwey verſchie⸗ 
denen Gegenden, wo die. Dewirthſchaftung und. Cultur der 
Laub s und DMadelhölzer im ganzen Umfange vorkommt, lernen, 
ſodann aber zwey Jahre, in zwey verfehiedenen Forftiehrauflalten 
zubringen muß, ‚um bier die Theorie zu lernen. Zur völligen 
Ausbildung wuͤrde es alsdann noch befonders nuͤtzlich ſeyn, 
wenn er in mehreren Staaten die Bewirkhfhaftung und Cultur 
der Zorfien kennen lernte, und wenn we alsdaun in dem Staate, 
wo er angeflelle werden follte, der Leitung eines erfahrenen 
‚Korfivorgefeßten anvertraut würde. Nur auf diefe Ark glaubt 
der Verf., daß ein guter Zorfimann angezogen. werden Pbnnte. 
Rec. iſt im Ganzen zwar mit dieſer Art de Bildung einver⸗ 
fanden, und glaubt, daß demjenigen, der ſoviel daran zu wens 
den vermag, eine folhe Laufbahn freylich näglich ſeyn würde, 
Yarausgefeht, wenn er Beurthejlungekraft genug. beige, um 
dasjenige, was er fo verſchieden ficht und Hört, gehörig mit 
einander, zu vergleichen und anzuwenden, Go fehr Rec. aber 
davon überzeugt If, daß einige allgemeine praktiſche Kenntnife 
zum Grunde gelegt werben muͤſſen, ehe des Lehrling mit der Thes⸗ 
rie anfängt, fo glaubt er doch, daß Ein Jahr ald Vorbereitung‘ 
hierzu. Binreichend und es zweckmaͤßig feyn würde, die andern‘ 
zwey noch zum praftiihen Unterricht beoſtimmten Jahre erf 
dann zu .Genußen, wenn er ia der Forſtiehranſtalt ſich Theorie 
erwörben bat, wo er. alsdann befier: im Stande ſeyn wird, 
manches richtiger zu. beurtheilen, als er gan, an alle Tom 
im Stande. km würde. : .- . » 





y, Kropf Syſtem 8. Grundſaͤtze der gorſtwiſfenchaft 569 


Der Verf. zeigt‘ ferner, wie im Preußtfchen, durch Wer 
Befferung ber gegenwärtigen Einrichtungen, auf 'eine ‚zmedlmäs 
Gigere Art geſchicke Forſtbediente gebiidet werben können. Die 
Anficht, welche er von der Sache Hat, iſt zwar gut und richtig) - 
allein die Ausführung wird aud) dort, wie in fo mandıen ans 


dern Staaten, nicht zu Stande kommen, fo lange man. no’ 


Leinen richtigen Begriff ſich davon machen kann und will, 
was eigentlich ein gebildeter und tuͤchtiger ‚Sorfimann eve and 
Leiften muß. .. ! 

De VWerf. kommt nunmehro auf vie phyftkalifch / Sbrantfce 
Verwandiſchaft der Holzarten ˖zuroͤck, wormuter st die Art unn 
Weiſe begreift, jedem :Yehrlirg Die Grundfähe, ſo weit die 
Mänfit: und. Botanik darauf Einfluß Haben, durch eine genand 
Kenntniß ſener Rerwandiſchan leichter und. faßlicher ſyſtemanſch 
beyzubringen. 

Er tadelt zunachſt, und nicht mie unredt, die v. Burgss 
dorf gemachte Eimheilung der Holzarten, und bie Beſchean⸗ 
kung derſelben grape-anf.hımmdert Arten. Was die Einthellung in 
Baus und Brennholz betrifft, ſo iſt ſvlche ſehr uabeſtimmt, 
und erregt fo oft eine ſchiefe Beurthetlung, indeni jebes Bau⸗ 
holz, wenn es bloß auf feinen Schuft-anfomme, auch zu Grenns 
holz angewendes werden kann. Sodann hat er mehtere Stau 
den, denen zwar durch Die Kunſt' oft ein baumattiges Mufchen 
zegeben werden kann, zu den Daͤumen gezaͤhlt, da fie. Bode 
rigentlich nur zu: den. ganzen Stauden gehören, z. B. wer 
Masholder, Eybendanum, bie Stechralme, der Wacholder ꝛc. 
Im nicht die dngenommens Zuhl von haudert Arten’ zu Abers 
reiten, find..fehr. viele noch nicht einheimiſche, der wenige 
tens feit nicht.lainger Zeit in Deutſchland einheimtſch gewordend 
Holzarten weggelaſſen worden, welches bey vielen die Ides 
rege bat, : daß’ gerade nicht mehr als Hundert Dolgasten: in 
Deutſchland eiũheimiſch find. Der Verf. bar dieſet Dahl noch 
weyundsoteszig: hinzugefügt, die, wenn fie auch nicht alle ale 
sid und einheimiſche zu betrachzen, und‘ unter dieſon auch viele 
Beidenarten vorhanden find, doch zum Theil noch den harndert 


570 WKwopf Sof m. Brinkige der Forſtwiſſenſchaft. 


daotzgarten zugeſellt werben koͤnnen, wohln vorzüglich die zahme 
Raftanie, die Roßkaſtanie, der Platanus, die weißblähende 
Akazie, die Manlbeerhänme, die Earolinifche, Italieniſche und 
Candbiſche Pappel, Die Krummholzkit fer und einige Weiden⸗ 
arten gezaͤhlt werden koͤnnen. 

ev Dat Verf. gibt alſo win nach einem beſſern Onfım ge⸗ 
vednetes Verzeichniß ber Dentſchen und ber vormals fremden, 
Set aber als einheimiſch zu betrachtenden Holzerten, und bringt 
ſolche in folgende Unterabtheilungen: A. Laubholzwald baͤumt, 
2) weiche zu den harten gerechnet werden; 2) welche zu den 
weichen, gerechnet werden. Erſte Sorte: Hart; zweyte Sorte: 
weichen (Pappeiöhume); britte Sorte: noch weicher (Weiden 
bänme). B. Sartenbhurme: 1) hart; ©) weicher. C. Lanbı 
des, zomje Standen: 1) fehr Hart; 2) weriget hort: 5) weit 
hart. D. Laubholz, Halbe Stauden, oder Sträucher sd ) Hart: 


29) weh. Ex Dornſttaucher, hart. F. Weidenſtraͤucher, feht 





weiß. G. Ranken, weih. *H. Das. wilde Roſengeſchlecht. 
J. Das Bromm s und Himbeerengeſchlecht. K. Erdhoͤlzer. 
L. Nodelhozbäume: 1) hart; 2) meich. M. Bradeihelsfian 
den, hart, inter diefe werfchlebanen Rubriken ind Hundert um 
zweyusduiergig Arten gebeamht, denen man noch mehrere, ihrer 
Matur, oder ihrer Eigemphaften gemäß, hinzufügen kann, ohm 
der fyſtematiſchen Oedanng dadurch zu ſchaden. Rec. gefteht, 
ab dicſe Ordnung weit. fahllicher iſt, und beſonders beym lim 
teericht junger Lente viek Wwichter zum Zweck führt. - Der Verf. 
laſßt Aleſer Ueberſicht noch eine weitere Erklarung Aber das 
Baysıyum der Hotzarten folgen, worin beſenders der Einfiuf 
des Bodens und: Staudorts, weiche auf bie Claſſiſication der 
Oohzarten großen Eiufluß haben, bemerkt wird. Zur weiter 
Mesfuͤhrang der Sache füpe er noch einige phyſikaliſch⸗ Gotankı 
ſche: Bemerkungen Bin, weiche Die Erhasten, dis Wurzeln, 
va6 Innere der Bäume, bie Zweige, bad: Wachssham der 
Mäuse, bie-Diätter, die Ernaͤhrung der Game und Stein 
dm, hie Ausspen,. bie Blathen, die mancherley Aeten der 
Biäıhen ; Bid Veſcha ſſenhheit uns Nanien der Theile der. Btärhe 





5, Kroyf Syſtem u; Grundſaͤtze der gForfwiſſen ſchaft. s571 


nd die Mothwendigkeit der Befruchtung zum Gegenſtande 
aben. Es ik hierüber das Wiſſenswuͤrdigſte in gebrängtee 
uͤrze angefährt. 

Der Verf. bemerkt endlich, daß er vielfaͤltig die Erfahrung 
macht Habe, wie bey Angaben von Baus und Mushölgern 
arichtige Berechnungen Über den Cubikinhalt derfelben, zum 
br großen Nachtheil des Verkaͤufers, gemacht worden. nt 
ı er ganz richtig bemerkt, daß knbiſche Rechnungstabellen 
ıd Forſttaxen, wggen der großen Verfchiebenheit der Geſtalt 
r Holzkoͤrper, unmoͤglich alle vorkommende Fälle enthalten, 
id am wenigſten immer auf den vorliegenden Gegenftend zus - 
sten. koͤnnen, fo läßt fih der wahre Enbilinhale mie. mit 
Niger Zuvertäffigfeit anders ausmitteln, als durch wirklich⸗ 
uſmeſſung und Berechnung des jedesmal vorliegenden Stuhr 
lzes. Er bat gu dem Ende für die Berechnung der Hoͤlzer 
n allen Formen feichte und zweckmaͤßige Kermulare angegeben, 
d ein jedes durch Beyſpiele erläutert. 3 

Sechszehntes Capitel. Bon einigen gefetz 
bon Vorerſchriften, Verfaſſangen und Einrich— 
‚ngen im koͤnigl. Preußiſchen Forſt weſen. Dieſes 
pitel iſt den ehemaligen und jetzigen Preußiſchen Verfaſſunge 

Hiuſicht der Oberaufſicht und Direction des Forſtweſens 
vidmet, und des Verf. zeigt den nachtheiligen Einfluß, dem 
für das. Zorfiwefen hat, wenn. die Oberforſtmeiſter ‚nice 
hörige Kenntniſſe beſitzen, ſondern ſolche erfk im Dienft lernen 
llen und follen, und wenn die Direction van den Kammern 
hänge, : welche. theils feine Forfitenninifie haben, theils bie 
zmaͤnentevenuen. meifterts zum Dachtbeif. der Korfirevenum 
veitern. Der Verf. ift alfo der Dieinung, worin. Res ihm 
4, ebenfalls durch Erfahrungen von jenem großen Nachtheile 
ehrt, volllommen beypflichtet, daß die obere Directian de@ 
rſtweſens in den Händen von Forfimännern, und unter einen 
rection fern müfle, damit das Forſtweſen nach maͤglichſt 
fürmigen Grundfägen geleitet werde, und daß den Kammern 
hoͤchſtene im Rechtungẽsweſen Coucurvenz berw Gorfiupeien 


572 ©. Kropf Sotem m. Brundfäge der ‚Forfmilienfchaft, 


. gmoeflanden werden muͤſſe. Es werden mehrere Preußiſche 
Reſeripte angeführt, wodurch der: zu größe Umgriff der Kam⸗ 
mern im Forſtweſen unterfagt, und die Oberforſtmeiſter gegen 
Die Handlungen der Kammern zu einer Art von Controlle an 
gewiefen Werden. : Die Oberforfimeifter find den Kammern 
soordinirt, und die Kammern dürfen in Zorftfachen, tm fofern 
le das Technifche betreffen, gegen die Meinung ber erfern 
nichts entfcheiden,, fondern muͤſſen in diefem Fall’ cs zur Göhern 
Entſcheidung kommen laffen. — Unter dem Namen Forfkamt, 
Deren es viele in dem Departement eines Dberforftmeifters gibt, 
wird im Preußifcehen der Domänendeamte und Oberförfter des 
Bezirks verftanden.. Ale dem Forſtamt zukommenden Sefchäfte 
darfen nie einfeltig. geſchehen, fondern beyde Beamte muͤſſen 
Kenutniß davon erhalten, und "die Berichte der Zorftämte 
muͤſſen jedesmal gemeinſchaftlich abgeſtattet werben. 
Daß die Oberforſtmeiſter zugleich Mitglieder der Kammer 
ſind, Hält der Verf. nicht für rathſam, weit ihnen dadurch za 
viele Zeit für die Adminiſtration entzogen wird. Dieſelben fol 
ten fich eben fo wenig gu klug und vornehm dünken, um die 
Meinungen ihrer Untergabenen Aber örtliche Umfände zu hören. 
Dieb iſt aber leider, und befonders bey folchen, die ſelbſt am 
wenigſten verfichen,, felten der Fall, und daher entfliehen fo oft 
Mißgriffe und Unzufriedenheit bey den Untergebenen , word 
nur allein. das Ipntereffe und Wohl des Gtaats leidet. 

Die Vorſchlaͤge, welche der Verf. wegen Beſtrafung ber 
Forſtverbrechen madt, und die Siurichtungen, weldhe deshalb 
im Preußifchen beſtehen, verdienen da, wo biefer wichtige 
Gegenſtand noch verabjäumt wird, erwogen und angewendet 
zu werden. 0. 

Siebenzehentes Capitel. Bon der Befagniß 
ber Borfieigenehämer gegen die Adtungsberedr 
tigten. Die fo fehr zur Nothwendigkeilt und zum Ne 
duͤrfniß gewordene Huth und Weide in den Forſten, die auf 
der andern Seite eben fo nothwendige Erhaltung der WBaldanı 
gen ur Hinreichenden Befriedigung eines der erflen mienfchlicer 








s Kropf Syſtem u. Grundfäge der Forſtwiſſenſchaft. 573 


Beduͤrfniſſe machen es nothwendig, daß naͤhere Beſtimmungen 
wegen Schonung der Waldungen allenthalben eintreten. Der 
Verf. Hält es für die Preußiſchen Staaten um ſe nothwendiger, 
m beflimmen: den wie vielften Theil eines Forfles der Forſt⸗ 
eigenthuͤmer zur Beförderung ‚des Wiederanpuchſes des jungen ' 
Holzes einzufchonen befugt fen, und wie langt jeder Theil eins 
gefihont . werden könne, weil die Forſten theils Durch fo piele 
jufällige Umſtaͤnde :verwüflet worden, theils auch viele Wider⸗ 
prüche und Veichwerden deshalb ſtatt finden. Es fragt ſich 
alſo: was erfordern die vorwaltenden Umſtaͤnde für, Maßre⸗ 
zeln, und was beſtimmen die Geſetze deshalb? Zur naͤhern 
Beurtheilung deſſelben iheilt der Verf. einen Auszug aus dem 
koͤnigl. Preußiſchen allgemeinen Landrechi, in Betreff dieſes 
Begenflandes, und zwar aus dem J. Th. Tit. ce $. 63.186 
mit. Das KHanptrefultat diefer ‚Verordnungen befteht darin? 
daß das. Huͤtungsrecht nur fo ansgeäht werden darf, daß der 
Eigenthämer dadurch an der Subſtanz der Sache keinen Schas 
den leidet, und nach der Landesart an der gewöhnlichen Cultur 
und Benugung des mit, der Huͤtung belafteten Grundſtuͤcks niche 
zehindert wird. Berner darf darnach der Eigenthumer bie 
Inngen Haue, oder abgeholsten Schläge fo lange,gegen alle 
Behuͤtung einfchonen, bis für das Holz keine, veihänigung 
von .dem:-Viehe mehr zu. beforgen if. 

Diefes Sefeß iſt zwar in diefem Stuͤcke volllommen genär 
zend, allein darin noch unvollfonimen : der wie vielſte Theil 
einer Forſt eingefchont werden koͤnne, ohne daß die Huͤtungs⸗ 
herechtigten Widerſpruch ‚erregen koͤnnen. Sn der Kurs und 
Neumark ift zwar zum rundſatz angenommen, daß in jeder 
Forſt beftändig der fechste Theil in Kultur genommen und 
eingeſchont werden koͤnne, ohne daß dahey ein Unterſchied zwis 
hen Laub s.und Nadelholz gmacht worden if, Der Werf. 
bemerkt daher ganz richtig, .. Daß eine generelle Beſtimmung 
hierüber, nach der Matur.der Sache, wegen ber Verſchie den⸗ 
heit der Holzarten, ihrer Benutzung und Größe auf keine 
Weiſe ſtatt finden kahn, und daß auf jeden Fall dabey zwiſchen 


574 v. Kropf Syſtem u. Srundſaͤtze der Forftwißenfchaft, 


dem Laubs und Nadelholze ein Unterſchied gemacht, und ja 
“jedem «igene Srandfäge aufgeftellt werben muͤſſen. Er bewein 
alfo nach. den verfchiebenen Umtriebsperioden, wornach fih 
and bie. Schenungszeit eines Waldes rihten muß, daß von 
Ben Kiefernwaldungen der fünfte Theil des Ganzen und ebene 
won den Laubhohhhochwaidungen, die in demſelben Turnus wie 
Die Kiefern umgetrieben werden, der fünfte Theil jederzeit in 
Schonung fiegen kann und muß. , In ben Miederwaldungen, 
worin ein kürzerer Umtrieb flate findet, kann aber dieſer Grund 
ſatz nicht ale Norm gelten, fondern Hier muß nach Werhätnif 
der Umtriebszeit, und Folglich nach. ber Zahl der Schläge, in 
welcher der Niederwald abgetheilt iſt, bis 25 des Bann 
in Schonung gehalten werden. In ſolchen Schlaghälzen, 
welche keine Bloͤßen haben, und wo der Holzwuchs gut if, 
koͤnnen die Schonungen Bis auf 14 des Ganzen vermindert 
werden. Würde in den Niederwaldungen eine größere Fläche 
der Weide angegeben, fo würden die Schläge entweder nr 
fehe wenige Jahre gefchent, oder der Forſteigenthuͤmer wuͤrde 
nicht. alle Jahr einen Schlag abholen duͤrfen, und alfo dw 
durch an der Benugung feines Waldes verlieren. Dec. iſt in 
Hinſicht dieſer Beflimmungen ganz der Meinung bes Verf., 
und hält mit demſelben auch dafür, daß die Huͤtungsberechtig⸗ 
ten fih dadurch um. fo weniger für benachtheiligt erachten kw 
nen, da fie auf jeden Fall, verbunden find, den Forſteigenthuͤ⸗ 
mern bie Erfordsrniß zur Erhaltung der Subſtanz und eine 
vollkommnen Benutzung der Forſten einzuräumen, . und diefer 
dagegen feine Schonungen wieder zur Huͤtung aufgeben maß, 
fobald fie den Beihädigungen vom ch entwachfen find. 
Achtzehntes Tapitel. Unmaßgebliges GSut— 
achten wegen Befreyung der Forſten von ben 
Bervitutgerehtfamer inshefondere von ben 
Behärungen. Der, Verf, weicher zu einem Gutachten in 
bieſer Sache aufgefordert war, theilt zuerfi bis Gutachten 
mehrerer Männer ‚über die Thellung der Gemeinheiten üben 
haupt, worunter das des Yhflizcarhs. Jahen das vorzüglich 








— 


v. Kropf Soſtem m. Grundſaͤtze der Forſwwiſſenſchafe 575 


ſt, mit. Dieſer geht won dem richtigen Grundſatz aus: „ehe 
ede Gemeinheit iſt mit mannigfaltigen Nachtheilen fuͤr jeden 
Staat verbunden. Sie hemmt die Landescultur, den Wahl 
tand und ben Fleiß; Die Aufhebung derſelben iſt eine reichhal⸗ 
ige: Duelle für das Wohl des Staats. Sie befördert bie 
Selbßfländigkeit und Feſtigkeit deffelben. Sie verdient daher 
ie kraͤftigſte Unterfiügung und mögliche Beguͤnſtigung. Dis 
Möglichkeit, einen andern für das, was er abtritt, eine Abs 
indung nach Größe und Gute, und zwar in der. Regel, in 
Hleichartigen Battungen zu: geben, das iſt der erſte Grundſatz 
Mer Gemeinheitstheilungen, aus welchem alle übrigen ſpeciellen, 
u dieſem großen Ziele führenden Vorſchriften gefolgert werden ' 
nöäffen.“ . | 

Die hier vorzüglich in Betracht kommenden Theilungen 
rer Gemeinheiten betreffen das Waldöchätunges und Behol⸗ 
ungsrecht. 6 

Dieſe beyden ſo nachtheiligen Gerechtſamen konnten nur in 
zenjenigen Zeiten ſtatt finden, wo man nice noͤthig hatte, auf 
en Holzwuchs Ruͤckſicht zu nehmen, und als das Holz gar 
einen Preiß hatte, fondern gern bingegeben wurde, um 18 
ir wegzubringen. Der gegenwärtige ſchlechte Zufand folcher 
'elafteten - Forſte ift eine fichere „Folge davon. Der Belaſtete 
nuß zwar einen Theil feines Fenthums abtreten, allein dur 
ie forftmäßige Benugung des übrigen uneingefchränften Theile 
teige fein Gewinn in der Are, daß er diefen Werkuf reichlich 
rſetzet. Ueberdieh fieht der -Nugen, den der Berechtigte von 
en belaſteten Waldungen zieht, gegen den Verluſt, den der 
elaftste Eigenthuͤmer leider, in keinem Verhaͤltniſſe. Diefe 
ewig richtigen und durch fo manche Erfahrung bewährten 
Srandfäge werden daher gewiß zu beyder Theile Zufriedenheit . 
ne &eparation leicht zu Stande bringen, wenn nur mit 
krnſt die Sache betrieben würde. Es laſſen fich freylich bie 
Srundfüße, wornach die Separation von Gerechtigfeiten, dig 
af Forſten haften, ausgeglichen werden können, nicht allges 
nein feſtſetzen, indeſſen werden fih auch hieruͤber in fpestellgn 


Ten —— — 


576 ©. Kropf Syſtem u, Grundfäge der Foruwiſſen chaßn 


Wällen Grundſaͤtze annehmen laſſen worüber Hr. Jahn ia 
feinem Gutachten richtige Anſichten liefert. 


Der Verf. iſt zwar im Algemeinen damit einverſtanden, 


daß die Aufhebung von Servituten nicht nue für bende Theile, 
fondern auch für den. Staat im Gangen eine nüßliche und 
wünfhenswerthe Sache il. Er Hat nur einige Erörterung 
zu dem erſtern Gutachten hinzugefügt, welche theils die Aus 
nahmen von der Pegel, theils, den Unterſchied zwiſchn den 
Eigenchämern und -Servitutberedhtigten durch die viel mehr 
een und einträglichen Rechte des. Lritern gegen Die. viel gu 
singern des Lebtern, und endlich den Maßſtab, welcher zu des 
Abfindungen genommen werden will, betreffen. ' 
Diefe ganze Abhandlung iſt Übrigens fo wichtig, daß Ne. 
Barauf ſelbſt verweilen muß, indem, wenn er einen weiteren 


| Auszug mittheilte, ihn dieß zu weit führen würde. 
e 


unzehntes Tapitel. Wie Forfibereifungen, 
oder Borfirevifionen vorgenommen Werden 
mäffen, wenn felbige von Nutzen feyn follen. 
Hier iſt bloß von den Nevifionen, welche die Oberforſtmeiſter 


im Preußifchen ‚jährlich vornehmen gwällen, die Nede. Golde 


Stevifionen, oder Vereifungen der Forſten tönnen nur al 
dann von Nugen feyn, wenn fie von hinlaͤnglich erfahrenen 
Zorfimännern geſchehen. Ungeübten Forſtmaͤnnern fallen die 
Mängel in der Bewirthſchaftung und Cultur nicht Teiche auf, 
fie beurtheilen uͤberdieß mande Sache fhief, und wenn man 
dann ihren Bekichten unbedingten Glauben beymißt, und darauf 
decifto verfügt; fo entfiehen Dadurch manche. Fehler und Miß 
geiffe zum Machrheil der Forſten. Der Verf. führe Hieräber 
mehrere Benfpiele an, und gi fodann die vorzuͤglichſten 
Gegenſtaͤnde, worauf bey ein! fachverftändigen Forſtreviſion 





befonders Nädfihe zu nehmen iſt. Diefe Anleitung diene nicht 


bloß dem Preufifhen Zerfimännern zur Norm, fondern kann 
auch für Korfimänner in andern Staaten ald Muſter gelten, 
indem man leider allenthalben Oberforftbediente antrifft, melde 
ihren Poſten nicht ausfüllen können, und folher Anleitungen 


nöthig haben, damit wenigſtens nicht fo grobe Fehler vorfallen, 


als es fo oft zum Nachtheil der Forſten der Fall if. 

Rec. erwähnt bier noch, daß auch Forftrevifionen von 
Seiten der Zorftdirection eine fehr zweckmaͤßige und nochwen: 
dige Sache feyn würden, um nicht nur die Oberforſtbediente, 
die es fo oft nöthig haben, zu controlliren, fondern auch um 
bey der Direction ſelbſt Localkenntniſſe zu haben, die Äberhau,t 
und in den meiften Fällen von fo weientlihem Nutzen find. 

‘ (Der Beſchluß folst. ) 


° . 











L 


No. 37. Seidelbergifche 1811. 
Jahrbuͤcher der Literatur 


9 7 N N N 7 vv 








V —öxXX 


Syftem und Srundſabe 56 ¶ gertmeſene von dem —* —8* chur⸗ 
markiſchen erſten Oberforſimeiſter Carl Bhilipp v. Kropf. 


Beſchluß der In Ne. 26. abgebrochenen Recenſion.) 


Zaamighe— Capitel. Bon der Nothwendigkeit 
:iner beſondern Forſtchartenregiſtratur. Ks wird. 
yier zunaͤchſt die Einrichtung der Zorficharten nebft den dazu 
ſehoͤrigen Regiſtern, fo wie folde im Preußifchen verfertige 
verden, und weldhe fen aus mehreren Schriften und den 
aruͤber erfchienenen Neglements bekannt iſt, befchrieben. Der. 
Berf. Hält eine beſondere Forſtchartenregiſtratur, befonbers im 
inem großen Staate deshalb nothwendig, damit alle Eharten 
md Negifter nicht nur in eine Weberfihe und beyfammen Bleis 
en, fondern daß auch alle fi ereignende Veränderungen in 
en Forſten alsbald von den, bey der Regiftratur angeftellten 
Iffictanten nachgetragen werden können, damit die Charten 
ine beftändig genaue Ueberſicht von dem jedesmaligen Zuftand 
er Forften geben. Die Chartenregiftratur s Officianten würden. 
emnaͤchſt aud die eingelommenen Zorftverbefferungsvorfchläge 
ı prüfen, und alle die zur Cultur in Vorſchlag zu bringenden 
loͤßen herauszumeſſen, und den Forſtbedienten Coupons davon 
8 Belege zu den Anſchlaͤgen zu liefern haben. Sie würden 
ener die Charten und Regifter jeder neuen Forſtvermeſſung, 
intheilung und Abſchaͤtzung und die Gebühren der Conducteues 
für genau zu vevidiren haben. Endlich werden von ihnen, 
enn es erforderlich iff, die Forficharien und Regiſter copirt, 
er reducirt werden können. . 

Die Zwerfmäßigkeit einer ſolchen Jorſchartentegiſtratur iR. 
Ger allem Zweifel. Eine ſolche Eincichtung findet aber, fo 
el Dec. weiß, wenigftens nicht in der Vollkommenheit, noch 

5 | 


578 v. Kropf Syſtem v. Grundſaͤtze der Forſtwiſſenſchaft. 


in keinem andern Staate, als im Preußiſchen ſtatt, obgleich es 
allerdings wuͤnſchenswerth wärs, ‚wenn. ‘An einem jeden andern 
Staate eine gleiche Einrichtung in Hinfiht der Forfichartn | 
getroffen wärde, indem man ſolche meifiens unter- ber Auficht 
der Regiſtratoren, die größtentheils nicht im Stande find, eine 
ſolche Charte zu beuttheilen, und gehörig aufzubewahren, findet, 
Sie werden‘ von diefen meiftens als eine Mebenfache der Ku 
giſtratur betrachtet, und. nicht in der wuͤnſchenswerthen Drdnung 
erhalten. 

Ein und zwanzigſtes Capitel. Erdrterungen, 
bey welchen Umfiänden das Verkohlen des Hol 
ges anrächlih, und daß es am vortheil hafteſten 
- in eifernen Maſchinen gu betreiben iſt. Der Bef. 
glaubt, daß der Forſteigenthuͤmer nur dann auf eigene Rech⸗ 
nung foll kohlen laffen, wenn er einen fihern und beſtimmten 
Abfak der Kohlen und einen fo guten Preiß dafür erhalten 
kann, daß er auf jeden Fall einen’ bedeutenden Gewinn davon 
zieht. Iſt dieß nicht der Fall, fo fol er es an. Entrepreneur 
Aüberlaſſen, jedoch nicht anf die Art, daß folhe nach der Aus 
beute der Kohlen zahlen, fondern daß fie das Holz für einen 
beftimmten Preiß äbernehmen, und auf eigene Gefahr um 
Rechnung die Verfohlung unternehmen. Nach einer Berech 
nung, welche er über die Selöftverfohlung in feiner Gegend 
vorlegt, würde dabey nur acht Grofchen auf jede Klafter Heh 
gewonnen werden, welcher Gewinn gu unbedeutend iſt, um 
das Geſchaͤft felbft zu betreiben. 

Lokale Fälle müffen Hierin immer entfcheiden, und es läft 
fih daher fo wenig für die eine als andre Art mie Gewißheit 
etwas beſtimmen, in jedem Fall muͤſſen aber immer Berech 
‚nungen Aber Gewinn oder Verluft vorangeden. Starke Wind: 
Brüche, Raupen und Wurmfraß find freylich immer Zufälle, die 
eine Holzverkohlung unbedingt fordern, um das Holz auf ein 
mal wegzubringen, und die Kohlen zu gänfigen Zeiten abzuſetzen 

Da die Verlohlung des Holzes in Meilern immer ein 
unvolllommene Verkohlungsart iſt, ſo ſchlaͤgt dtr Verf. vor, 











Becker's Auguſeum. | 579 
die von v. Zanthter im Kleinen verfuchte Methode, das 
Holz in eifernen Maſchinen zu. verkohlen, anzuwenden, indem 
Dadurch die Hälfte mehr an Kohlen erlangt, und außerdem 
Theer und Pech erhalten werden kann, wobey die Kohlen audy 
groͤßer bleiben, und überhaupt weniger Leute dabey nöchig find, 
als bey einer Verkohlung in Meilern. Man hatte im Prem 
Bifhen fhon Anftalten gemacht, Verſuche damit Im Großen 
anzuftellen, weiche aber wegen ber eingetretenen Zritumſtaͤnde 
unterblieben find. Der Verf. Hat während dem eine verbeifertt 
Einrichtung der Maſchine ſowohl im Zufammenfegen derfelben, 
318 der Einfeurung und Feuerleitung projectire, wovon er eine 
ausführliche Befchreibung mit beygefügten Kupfern liefert. Nach 
sem Koftenanfchlag einer ſolchen Maſchine würde fie nach den 
n Berlin üblichen Preißen auf 5180 Th. 12 gr. 10 Pf: zu 
then formen, die vielleicht in andern Gegenden wohlfeiler 
richtet werden Lönnte. Es werden auch zugleich Berechnum 
‚en Äber bie wenigern Koften der Maſchine gegen die Meilen 
erkohlung angeſtellt, wodurch bey der erſtern ſehr viel gewons 
en wird. . 

Rec. müß die Lefer uͤbrigens auf die ausführliche Beſchrei⸗ 
ung verweiſen, weil es zu weit führen würde, folge auch 
ur im Auszug mitzutheilen. ' 

Ueberhaupt verdient diefe fehr empfehlungswerthe Schrift, 
veiche mit vieler Sachkenntniß und Erfahrung gefchrieben iſt, 
on einem jeden Forfimann gelefen zu werden, indem er manche 
srtreffliche Grundſaͤtze darin antreffen wird, deren Erörterung 
ie Granzen einer Anzeige überfchreiten würde, 


gufeam; Dresdens. antite Denkmäler enthaltend. Herausgegeben 
vongWilbelm Gottlieb Beder. Zweyten Bandes drittes, 
viertes und fünftes Heft. Dresden, auf Koſten des Verfaſſers 
und Leipzig in Commiſſion ben Gleditſch. 1809, ©. 45 — 108, 
(15 Rıhlr.) 

ortſetzung der in H. 4 (Abth. V. H. 14) Jahrs. 1810 abgebrochenen Recenſion.) 


Aus den hier in vortreffli hen Abbildungen bekannt ger 
ichten Monumenten zeichnen wir zuvoͤrderſt wegen Eigen 





550 Beckers Auguſteum. 


amlichkeit und Seltenheit der. Vorſtellung die folgenden zum 
Theil ſchwer gu erklaͤrenden vier: Darflellungen ans. Taf. 6x, 
Eine: fonſt airgend, auch nur aͤhnlich vorkommende Gruppe von 
einem alten Meiſter und aus dem Ganzen gearbeitet und echt, 
die nach des Herausgebers Erklaͤrung „die Annäherung zu einer 
von Amor veranflalteten Ausſoͤhnung ber Wenns mit der Pfade 
vorfieht. :. Diefe Erklärung hat nad) des Nec. Dafuͤrhalten ſehe 
vielas gegen ſich, wovon das Wichtige iſt, daß der. Ausdrud, 
ber zum Behuf derfelben der Stellung und Bewegung he 
Perſonen gelichen wird, fo wenig der natürliche und wahre if, 


daß man am dee fleten Gewohnheit der antiken Künfkler, jem 


Kandiung durch die zweckmaͤßigſte Eompofition einen beflimm 
ten and fprechenden Ausdruck mitzutheilen,, irre werden müßte, 
menn die vorliegende, bie doch von einem guten Kuͤnſtler hev 
raͤhrt, die behauptete Bedeutung haben ſollte. Wenus fit 
ſchraͤg auf einem. Felſen, oberhalb des Schvoßes garız nadı, 
im Gefihe nicht Zorn, fondern Ernfihaftigkeit, vielleicht ange 
nommene; mit ber vechten Sand, die ergaͤnzt iſt, auf bes 
Felſen geftägt, wie es die ganze Haltung ihres Körpers noth 
wendig macht, fo daß fie mit ihr niemals eine drohende Ge 


berde gemacht. haben fann. An ihren linken Schenkel Ichm 


fih ein Kinderpärchen, wovon bie Köpfe modern find. Die 
angebliche Pfyche ift ein kleines, ziemlich dides Mädchen, gan, 
Kind, und am Arm und Bruſt bloß, nad unten bekleidet. 
Statt daß es auf ein Knie niedergelaffen um Verzeihung flchte, 
oder mit der ausgeſtreckten Linken Ohrfeigen abwehrte, greift 
es etwas ungeduldig nad) der Feucht, oder was ſonſt das Weib 
in der linfen Hand Hält, und ihm fpielend zu entziehen ſcheint 
(worauf der Verf. gar frine Ruͤckſicht genommen hat), und gleitet 
darüber ein wenig aus; und der Knabe, ſtatt in ernſthafter 
Angelegenheit das Maͤdchen zur Ermunierung anzupacken, die 
bange Pſyche zu haiten, dag fie nicht von ihrem Witten falle, 
greift der Kleinen unter. die Arme, entweder um fie im Okö 
ten zu hemmen, »der aus Muthwillen, um fie in dem Au 
genblick, wo fie mit etwas anderm ‚ganz beſchaͤftigt iſt, z 





VBecker's Auguſteum 551 


überrafchen. Eine offenbar ganz Eindifche Gruppe. Wir geben 
zu, daß und die Fabel von’ Amor und Pſyche in ihrer urfprüngs 
fihen Geſtalt nicht erhalten feyn möge, daß der Kuͤnſtler fie 
frey behandeik, und nach feinen Abfichten zu einer gefälligen 
Erfcheinung umgebildet, allein nicht, daß er Amor und Pſyche 
als Peine Kinder vorgefiellt, und die Sefhichte des Apulejus 
von ihnen, befonders von der Prüfung und dem Charakter 
der Pſyche, die für:stu Rind unnatärli ik, in -diefen Kindern 
gedacht Haben koͤnne. So ſinnvoll und wohlgefaͤllig es überhaupt 
iſt, Die Liebe und. die verwandten Regungendes Nerlangene 
unter dem Bilde kleiner Kinder vorzuſtellon, fo wenig begreift 
man einen Liebenden als Fleines Buͤbchen. Wenn die Gruppe 
mythifcher Aut if, wofür nichts andres fo fehr ſtimmt, als die 
ideale Phyfiognamie der Venus, fo müßte man eher annehmen, 
daß der Kanſtlet eine. ähnliche Verftellung gehabt habe, wie 
gu Taf. 64 ©. 58 mit der Megorie von Eros und Anteros 
verbunden wird. Eros nämlich wollte nicht wachſen, Themiß 
rieth, ihm einen Geſpielen zu geben, und Venus gebar vom 
Mars den Anteros, neben dem er nun ſchnell aufwuchs. Dieſen 
Anteros hält der Werk. für die Gegenliebe, und beflreitet die, 
„weder durch Autovem, noch duch Monumente unterflätite” 
Meinung, daß er ein feindfellger und raͤchender Amor ſey, we, 
nach ch auch die Gruppe bey. Pauſasias VI, 25, we Yureras 
sem. Eros die Palme zu enteingen fucht, nit fo natürlich, 
ses. nach feiner Anſicht, deute. (Man draucht den Antares 
sicht für dem Räder der Bilde zu nehmen ,. wie er. allerdings mon 
‚ern Paufanias I, So angegeben wurde, ſondern Darf! vermu 
ben, daß das. Faetum, das er erzählt, mit der von Porphy⸗ 
tius und Themiſtjus erwähnten Allegorie entweder in gar keinem 
Iufammenhang fiche, oder daß dabey von ihr eine freyere Ans 
sendung gemacht Worden fey. Sie ſcheint urſpruͤnglich den 
Binw zu haben, taf nei eine ‚troftofe Liebe band Eifa 
acht zunkhne. , 


Fe | 


"Pal ancor d’Amore Äl foco 
Poqo 'splende ed arde: pocö ,.:: . 


582 Becker's Augußeum. 


Se non vien geloso sdegno , 
Le faville a palesar. 


Anteros iM ein Eros, ber den andern. daburch unterhält, daß 
er, um das Spiel gun ermuntern, gegen ihn winkt, aber grade 
durch den Streit ihn ſelbſt kraͤftigt. Nach Pauſanias wurde dem 
Anteros ein Altar gefeht,, als Meles, der kalt war, im Leber 
muth feinen Liebhaber hieß, ſich von einem Felſen zw flürzen, 
diefer folgte, umd num jener ben dem Anblick des Todten eben 
falle liebte, und, wohl zu merken, nur aus diefem Motive, ſich 
denſelben Felfen hinabmwarf. Dee wirkliche Verluſt trat Hier 
an die Stelle des gedrohten, der die Eiferſucht aufregt, er 
ſchuf eine piöglich machfende Liebe, die das Geliebtwerden nicht 
erzeugen konnte. Der Entfhluß, zu ſterben, ſteht Hise dem, 
fi einer ſtockenden Liebe zu entreißen , und mit freyer Wahl 
einem andern Verhaͤltniß zu überlaffen, gleih, umd Meles if 
durch nichts anders als eine Eiferfucht gerochen, die mit ber 
Liebe verſchwiſtert IR.‘ Diefer Ihnen wohl thuenden Mache zum 
Angedenfen errichteten: die Freunde bes unglücklichen Liebhabet 
-den Altar des Anteros Alaſtor. Da es übrigens eben ſo wahr 
iM, daß durch Gegenliebe die Liebe genäftt wird, fo wolle 
wir es dem Porphyrius, wenn ee den elgentlihen Einn de 
Alegorie, wie oft alte Schriftſteller noch Ältere Allegorieen, 
wirktich wicht gefaßt hätte, nicht verargen, daß er bie Abftam 
mung des Anteros von Mars Überfchend, Gegenliebe unter 
dem Anteros gedacht hat, worin ihm außer bem Verf. au 
Calcagninus und Manſo folgten. Nur ia der Stelle Philastr. 
Icon. I, 6 hätte man doch nie ben Eros und Anteros wittern 
ſollen, wo Diearius fie ganz unbtdenklich ausruft.) Diek 
Gegenliebe, an deren Stelle im Verhaͤltniß zu Amor übrigens 
die durch andre Motine zu 'erflärende Pfpche-Tchwerlich geradezu 
getreten ſeyn duͤrſee, müßte denn ber Kuͤnſtler gu mehrere 
Anſqhaulichkeit weiblich! gebildet, und dag Paͤrchen als ſpielende 
Kinder mit der Mutter zuſammen geſtellt haben. Wenn nm 
das Mädchen einer Geliebten des Amor, oder Überhaupt einem 
Weſen der Phantafie etwas ähnlicher ſaͤhe! Lieber als in das 


Sorgker's Angnßemm. ‚583 


freye kuͤnſtleriſche Gebiet rins- Compofltion- zu ſtellen, die auch 
ſo betrachtes ‚allzuviel unſchickliches Hat, wärden wir vermurhen, 
daß der Künftler, durch die Imflände gebunden, den Aufırag 
übernommen hatte, tegend eine Sterbliche ale Venus und 
dabey ihre. beyden Kinder darguftelen , fo wenig auch zur Benus 
mehr als ein: Amor. paßt, Wir verkennen das. Schwierige 
auch digfer Vorausſetzung nice; und wuͤnſchen, daß das Werk 
‚von denr Sonderbaren, das ihm auch nad ihr anhaftet, durch 
eine gepägenbdere Erklärung befreyt werden möge. Wäre. es nichs, 
daß an dem Knaben Spuren antiker Flügel ſichthar ſeyn follen, 
fo würden wir vermuthen, es liege eine Idee zu Grunde, wie 
in Sparta, wo nah Plutarch ein haͤßlicher Koͤnigsſohn von 
feinee Amme oft. in don Tempel der Helena getragen wurde, 
damit fie ihn verfchönte,  Uralaer Spartiſcher Ammenaberglans 
be: ud die Anwendung, die mande. Noͤmiſche Damen von 
der Mythologie machten ‚ nuhchten öfters zufammentreffen. Zwey . 
Kinder alio, der Venus empfohlen, oder ſchmeichelnd im Schutz 
der Wenns gedacht, bie-fie, wie eine Mutter ihre. Kinder, zu 
Gehandeln ſcheint. Auf Myſterien, die oft zum Nothbehelf 
bey der Erklaͤrung dunkler Monumente citirt werden, rechnen 
wir bey dieſer Gruppe und denen von Ampr und Pſyche nichts. 
Die Weihe zum Künftler und «zum Menſchen ſchafft und ers 
Hlärt ‚alle wahren Kunftwerfe, und, wenn fie fi auch auf 
gleichem Wege mit einſt geheimsehaltenen Ideen. finden follten, 
fo muͤfſen dieſe uns doch offenbar und in ihnen anſchaulich 
ſeyn. Taf. 66. Eine Schöne, durchaus bekleidete weibliche Figur 
mit übereinander geſchlagenen Weinen lehnt fich fatt eines Tronk 
an eine kleine Statue des Priapus, der ebenfalls ganz beklei⸗ 
det, doch unter dem Gewand feine Natur nicht verbergen, 
‚mis bizarr geämlicher Phyſiognomie auf einem Baſament ſteht, 
und mit dem Zinger mac, dem Weihe hinaufdeutet, das den 
einen Arm auf feinen Kopf herabhaͤngt. Der Herausgeber ers 
Märt es auf Schr myſtiſche Weife für eine künftteriiche Auftöfung 
und Reproduction der Cypriſchen Bartgoͤttin. In der Frau 
fey Venus die weibliche, in Priap die männlihe Matur aus 


54 Beckers Anguſteum. 
gebrädkt, Im Bamgen eine Venus Genetrix, wobey Ptiay ch 
‚amtergeorbnnetes , bloß erlaͤuterndes Attrebut der aus eigenthun 
licher Kraft zengenden Sriechiſchen Benus zu betrachten in. 
Mec. findet in dem Auſtand und der Haltung ber Haupt 
aichts von einer Gottin, ſondern ganz beflimmı den Charafie 
‚einer vornehmen Hömifihen Dame (der Kopf iſt aufge, 
widerforicht aber auch diefem Charakter nicht) und das Menu 
ment, ob gleich fein aͤhnliches vorhanden If, ganz Mar durd 
‚bie Verehrung des Priaps, die fich fo Häufig abgebildet Fade, 
und befoubers intereffant auf einem Basrelief, das vor einig 
Sjahren in Rom nach Baiern verfauft wurde. Zwiſchen pm 
Frauen von edler Figur, in fchönen Gewaͤndern, fleht ex 
Priepsherme, die fe durch Tänien verehrten. Taf. Ba. Ey 
'yarı , Die beſte vorhandene Statue dieſes Gottes, woran mi 
der Kopf neu iR. Mie vorhandnen Bilder dieſes Bones fin 
forgfältig beurcheilt; die capitoliniſche Sylvangherme if nik 
erwähnt. ‚Taf. Ba. Basrelief. Masten von Dionnfes, ihe 
gegenuͤber Ariadne und quer unter beyden liegend Gilen mi 
fehr langen Obren. Diefe hält der Verf. für Theatermailet, 
weiche Tragddie, Kombdie und Satyrſpiel Segeichneten. Du 
letzte ift Boch zu wiltührlih; wegen des erſten vorweiſen mi 
auf Zoega Bassiril. Tab. 17, wo bie Bedeutung fohhe 
Masgken richtiger angegeben if. Man kann für ihre Gries 
hung auf den Eultus noch das anfhhren, das auf der Ri 
feite Hermes mit einem großen Phalıs und auf der Keheiit 
des Sefehfhaftäräds in Musos Napolson ebenfalls Prim 
und ein Trauben. opfernder Satyr vorkommt. 
Die Übrigen Werke, die Durch Kunſtwerth zum Theil al 
gezeichnet find, durch Ergänzumgen aber, wie die meiſten H 
diefem Muſeum, viel gelitten haben, woſen wir des befhrlst 
ten Raums wegen bier nur verzeihen. Taf. Go. Baslı 
- oder ein aus dem Babe kommendes Weib. Taf. 61. Shit 
Kopf der Venus und „der ſchonſte und :bebeutendfke Amorkorl 
der bekannt iſt; er verwundet mit dem Augen wie der de 
Praxiteles.“ Taf. 63. Amor. im Knabenalerr. Taf. 6 G 








Beder’s Augufteum. 585 


Amor nnd Pfade Mh umarmend. Taf. 67. Apollo mit der 
Laute. Taf. 68: Sitzende Mufe. Taf. 69. Urania, nach tich⸗ 
tiger Ergänzung. Taf. 70. Kopf von Sokrates, ſehr gut, 
und von Epiktet. Taf. 71. Silen. ‘Die Silenen theilt der 
Berf. in drey Elaffen. Die erfte und aͤlteſte iſt die, weiche ohne 
Yefpiste Ohren und ungefchwängt, unb Aberhaupt edel gebildee 
find, wie der .Sorghefliche und allenfalls mod) Antich, d’Ercol. 
8, 22. 16. — Der Beweis dafür tft die von Voß aufgeſtellte 
Regel, dag die Menſchengeſtalt erſt fpäter in der Kunſt ent⸗ 
adeit worden ſey. Die zweyte auch ohne Spitzohren und 
Schwanz, aber fonft ehierifcher iin Ausdruck, wohin mehrere 
vorhanbne Werke und die Dresdner Statue gehören; und die 
dritte endlich,‘ ſpitzoͤhrige und gefhwänzte, Die zahlreichſte. Silen 
fey alſo nicht -geradezu ein alter Saryr zu nennen, fondern erſt 
fpäter dazu erniedrigt worden. Taf. 79. Bacchus Als Knabe, 
vom Ergänzen in ein’ Gefäß voll Tranben geſtellt; ein plumper 
Gedanke. Taf. 73. Bacchus als Kind mit einem Fäden fpier 
Iend. Taf. 74. Iniger Bacchus. Taf. 75. Bacchus, der dem 
Panther eine Traube reicht. Dis umgehängte: Rehfellchen iſt 
nur im Relief angedeutet. Taf. 76.” Bacchis, der dem Panther 
Bein eingießt. Taf. 77. Kopf der Ariadne. Doppelherme 
zwey gleicher junger Satyrn. Taf. 7B.' Satye mit: Flöten, 
nach dem Vorbild des Prariteles. Taf. 79. Aelterer tanzender 
Baun, das Krupezion, eine rt von metallnem Blaſebalg, 
wetend. Taf. Bo. Zuſammengeſtückte Figur, der Kopf von einer 
Batpra, mit Satyrohren. Taf. Bı. Pan von der bekannten 
Bruppe, wo er den Olympus Springe lehrt; Bier, wie uns 
duͤnkt, unecht, mit einem Mädchen gruppirt. Taf. 85. Ein 
Pan als Marfyas ergänzt und gefeffelt, und diefem ein Apollon 
zeygegeben, ber ſelbſt Hand anlegt. So grob ergängt, wie, 
Taf. Bı, wo Pan das Mädchen in den Haaren faßt. Taf 
B5. Ptolemaͤus Philabelphus und Apion, König von Cyrene. 
Taf. 86. Venus nactkt. Taf. 87. 88. Athleten. Taf. 89. 
Berkußs als Kinb die Schlangen: erdrücdend. Taf. 90. Herr 
Inles in der Stelung dos Farneſtſchen, aber jugendlich, ak 


< 


586 Pries Probe e. nenen Comment, üb. Milton verl. Paradies. 


noch - unausgearbeisetem Körper. Taf. gr. Herkules mit der 
Lowenhaut über dem. Kopf, die mit den Beinen auf der Grufl 
gebunden ifl. Taf. 99. Alceſtis von Herkules .aus ber Unten 
welt.. geführt, Dieß und die folgenden Frescogemaͤlde aus 
Antium. Taf. 99. Weihlihes Gewandſiguͤrchen auf einem 
Ichmalen Piedeflal ſtehend, mit enggefhloffenen Beinen, dem 
Mond auf dem Kopf, ‚vie Scheide (der Erde) im ber. einen, 
die Laute (des Apollan ale Sonne) in der andern Hand, als 
Mutter Natur, Cubele; was Unterjuchung verdient. Taf. g% 
Zwey verzierte tragiſche Masten. — Die Beſchreibungen find, 
wie in, den früheren Stuͤcken, mit Sorgfalt und feiner Kennt 
nid ausgeführt. Nur ig zu. bedauern, daß man in einem fe 
intereffanten Wert bier und da auf unbewachte, oder unkritiſche 
Anſichten ftößt, wie zu Taf.. 65, Amor. Hätte wohl als ci 
ſchoͤner, jugendliher Zwerg gebildet werden follen, -weil id 
Die Gewalt und Eift..des Gottes nicht mit dam Kindes: um 
‚Knabenalter nertrage; oder zu Taf. 66 der Einfall, dem Pri⸗ 
zus, oder Appodirog weibliche Bruͤſte zu geben, umd ihn fe 
zur kypriſchen Zwittergdttin zu qualificiren, könne aus der Natur 
genommen feyn, weil man Männer mit Brüflen antrefe: 
‚oder die Muthmaßung &. 70, die. Abneigung der Achener gegen 
den Bacchusdieuſt möge die Veranlaſſung geweſen feyn, dem 
Gott fo rohes Sefindel ins Sefolge zu geben, und dadurch dis 
Geyer ‚feiner. Feſte ins Laͤcherliche zu ziehn, worauf denn, nach 
dem der Dienſt doc eingeführt worden, jene einmal vorhand 
nen Mißgeftalten beybehalten worden feyn. — Uebrigens ver 
Foricht der Werf. die regelmäßige Halbjährige Fortfepung dieſer 
in Deutfchland einzigen und ſehr erfreulichen: Werks. 





Brobe eines neuen Commentars über Miltons verlornes Baradic. 
1 Drey Einleitungsfchriften mit fortgebenden Geitenzablen.) 
Herausgegeben von J. F. Pries, jetzigem Rektor der Univer⸗⸗ 
tät (zu Roſtock.) Noftock, gedruckt bey Adlert Erben, in Kon⸗ 
miſſion hey Stiller. 1809, 144 &. gr. 8. (16 gr.) 


J Bexeits im J. ıBo7: gab der Verf. dieſes Commentats 
hen, erſten Geſang von Milton't verlarenem Paxadieſe ab— 











Vries Probe e. neuen Comment. üb. Miltons verl. Raradies. 587 


Probe einer neuen Ueberſetzung des’ ganzen Sedichts heraus. 
Wenn gleich dieſe Ueberſetzung in Abſicht auf. Metrum und 
Wohlklang im Einzelnen noch manches za wuͤnſchen übrig ließ, 
und. in dieſer Hinſicht Die geihmadonlie Verdeutſchung von 
©. G. Buͤrde (Berlin 1795) nicht gang erreichte, fo üben 
traf fie jene Ueberſehuung doch unſtreitig an Treue und gewiſſen⸗ 
hafter Anfchmiegung an das Driginal. Sie war uͤberdieß ohne 
Zuziehung ber Ufhrife- verſtaͤndlich, und gefiel als Kunſtwerk, 
was leider gegenwärtig bey fo vielen Urherfegungen aus dem 
Italieniſchen, Spaniſchen, Engliſchen, Lateinischen und Gries 
chiſchen niht der Fol if. Wer bey einer Uoberſetzung etwas 


mehr, als Wörtentzene und forgfältige Oulbengähleren, wer Geiſt, 


Kraft, Harmonie und Verſtaͤndlichkeit verlangt, der findet fig 
durch unfere neueſten -Weberfegerverfuche nur ſelten befriedigt, 
Hr P. bat daher. um fo mehr Lob ‚verdient, Daß er feinen 
Dichter nicht nur treu, fondern auch den: Genius. feiner Mut 
terfprache ehrend, wiedergab. Dieß war um fo fchwieriger, da 
er ſich nirgends Zufäge und Veränderungen erlaubte, feinem 
fünffüßigen Jamben lauter männlihe Ausgänge gab, die Ges 
diegenheit der Wrfchrift- auch in ber. Ueberſetzung ausdruͤckte, 
und ſich nicht, wie Würde fo afı that, Weglaſſungen oder Eins 
ſchiebſel erlaubte: Wir wünfchen daher aufrichtig, dag uns 
Hr. P. recht Bald mit der ganzen Ueberſetzung des unferblichen 
Milton ſchen Epos beſchenken möge. Kleine Flecken, * der 


Sebraug zuſammengezogener Sylben als kurz (z. ©. suche 


‚ieb’nd. und), der willkahrliche Gebrauch derſelben Sylben, 
ald als. sang u und .batd. als kurz, hinter einander, wie z. ©. 
em — — — — dreymal 
„beginnt er; dr, e » mal brechen Zahren, wie — 
re» ef, als Adjectiv gebraucht (ſrevter Arieg), Gärten t in der 


Stellung der Worte, z. B. ı. Gef. V. ge. „Um fo viel ſtaͤrker 
pies ſicher mit feinem Blitze; — wo Baͤrde zwar freyer, 


ber ungleich poetiſcher fagt: — — Nur ſehr bewies ſein 


EB rich Probe e aenen Eomment. 5b. Alens wert. Paradict. 


Donner, wer ber Gtärf’re war”; Auspräde, wie: fein kähn 
Beryann, ſt. fein kühner Gefährte; — Zamben, wie: 
„Akharoıh und Baal hießfen: Miuner Bf“, m. ſ. w. — 
Keine Flecken dieſer Art wird er vor dem Abbrude des Gau 
a fo wie u aud menden eimzeinen 
Green no mehr Kinsheit vn Belen zu geben ih 66 

fſtreben wird. 
Vollkommen einverſtanden weit dem, was der Berf. die 
004 Gedhrfuib eines Commentars Aber Milton ſagt, "ml 
wir ibm auch das Zeugniß geben , daß diefe Probe einen fehdnen 
Beweis von graͤudlichem Studiam des Dichters, Beleſenheit 
and Sachkentiniß darbiete, nnd wir bekennen, daß uns dick 
Probe in mehr als einer Hinſicht intereifict habe. Aufer 
mehreren Erläuterungen Englifcher Eonimentatoren, die Hr. P. 
mit guter Auswahl Hier beybrachte, gebührt ihm ſelbſt ein 
großer Theil eigner ſchaͤzbarer Erktärungen, die ee zur Unter 
Scheidung mit P. gezeichnet Hat. Dem Commentar &6er die 


. „einzelnen Theile des erfien Sefangs (denn nur über dieſen er 


ftreckt fig Biefe Probe) Hat der Verf. Stundzuge des ganze 
Bedidts“, und zwey gelungene Auffäge: „Milton Anflichten 
des AN“, und deſſen „Engels und Dämonenichre“ voransge 
Ichickt. Daß ſowohl Milton als Dante, dem ber erſtere in 
Seinen. Geiſterſchoͤpfungen nicht felten "folgt, ihre Engels und 
Dimenenichre öfters. auf mißverfiandene Bibeiſtellen gründeten, 
das fiel uns unter andern dabey auf, daß die Stelle Hebr. 1,7 
(welches man gewöhnlich Überfegte: „er macht feine Engel Gei⸗ 
fer und feine Diener Fenerflammen“) dem Sänger des verlor 
nen Paradiefes wahrfcheinlich veranlaßte, feine Engel aus Fener⸗ 
Moff beſtehen zu laſſen. In der Hebraͤiſchen Urſchrift Pf. 104, 4 
woraus. der Verf. des Briefs an die Hebraͤer die Stelle ent 
lehnt hat, Liege bekanntlich ein ganz andrer, und zwar folgen 
der Sinn: „zu feinen Boten wählt er Winde und zu feinen 
Dienern Feuerflammen.“ 

Die auf bieſe Aufſaͤtze folgenden Annterfungen erfiredin 
Ab dießmal bloß Aber den erfien Gefang; bey den Äbrigen 


— 











Sache’ Lehrbuch. d. Griech. u. Roͤm. Liceraturgeſchichte. aos 


Sefängen wird es der Anmerkungen ungleich weniger geben, 
als Bier, weil diefer erfle Belang die meiſten Schwierigkeiten 
bat; man darf: alſo nicht beforgen, daß der Kommentar zu 
voluminds werben wuͤrde. Unerlaͤutert iſt keine fchwierige Stelle 
geblteben; cher Härte vielleicht mande Anmerkung. abgekürzt 
werden, oder wegbieiben können. Schaͤtzbar find manche Ver 
richtigungen Miteon’fcher Angaben, wobey die neuern Entdek⸗ 
tungen im Feld des WMiſſens gut beuupe worden find, z. B. 
S. 71. Dagegen vermißt man doch noch hier und da eine 
Hinweifung auf neuere beſſere Anſichten. So hätte . DB. 
&. 85 bey ®. 401 f. das bemerkt merben können, was ein 
befannser Schrifterflärer,, der ſel. Prof. L. 3%. 8. Zufti ie 
feiner. Abhandlung: .„Aber Salomo's vorgeblichen Goͤtzendienſt 
fehr fcharffinnig für die. Meinung gefagt. hat, „daß Salomo 
ſelbſt niche Sößendiener geworden fen, . fondern, aus Gefälligs 
keit für feine heidnifchen Weiber, nur Toleranz ausgehbt, und, 
den Bau. ‚eines Goͤtzentempels bloß geftatter habe.“ Bey V. 
779 f. find wir doch auch der Meinung, dab Milton fein 
Pandämonium etwas größer und geräumiger hätte bauen koͤn⸗ 
nen, daß. die großen Teufel („die Gaͤa's Rieſenbrut an Groͤße 
jungſt beflegten“) ſich nicht in Zwerggeflalt („gleich dem Volt 
der Dogmäen“) hätten zufammen zu ziehen gebraucht. Daß 
Klopfkod (Meſſiade XII. Gef.) einen ähnlichen Verftoß gegen 
die Schicklichkeit beging, indem er alle Apoftel, Jünger, Wers 
wandte Chriſti und Weiher mit den Schutzengeln diefer Mens 
ſchen im das Hans des Johannes (das doch kein Palgſt feyn 
fonnte) zufammenpreßte, gereicht Milton zu feiner Entſchul⸗ 
digung. — Sehr richtig macht Hr. PD. bey V. 795 auf des 
Dichters fpöttelnde Anfpielung. auf das Nönsifche Conclav aufs 
merkſam. — Wird der Verf. den Commentar über alle übrigen 
Sefänge des verlornen Paradiefes mit gleicher Sorgfalt, wie 
den über den erften Gefang, bearbeiten‘, fo darf er einer guͤn⸗ 
tigen. Aufnahme des Ganzen. verfihere feyn. Nur wuͤnſchen 
wir, daß nicht nur die Verdeurfhung des ganzen Gedichts, 
ondern auch der Commentar daruͤber in einem eleganten Aeußern, 
vie es Werke des Geſchmacks verlangen, erfcheinen abge. 

' | ae 


ws 





’ersuch eines Lehrbuches der griechischen und römischen 
Literaturgeschichte und classischen Literatur zunächst für 
Gymnasien, bearbeitet von D. Carl Sachse, Halle, 
bey Hemmerde u. Schwetschke. 1810. (16 gr.) 


Diefes Lehrbuch, auf defien Titel der Zuſatz „und claſſi⸗ 
hen Literatur ensweder überfläffig iſt, oder unrichtig, ſondert, 


530 Sachſe Lehrbuch d. rich: m; Möm. Liceraturgeſchichte. 


was auch fonft ſchon iſt vorgeſchlagen und ausgeführt worden, 

en hiſtoriſchen Theil von dem literarifhen. Eine Methode, 
33 der, was auf der einen Seite gewonnen wird, auf der 
-andern wieder verloren. geht, da fie entweder zu nnaufhoͤrlichen 
Zuruͤckweiſungen, oder zu vielen Wiederholungen. Anlaß gibt. 
Der Hifksrifche Theil, welcher, was auf den Zuſtand der Lite 
ratur und den Gang der Cultur Einfluß harte, darſtellt, ger 
fällt in drey Hauptabſchnitte, Der erſte derſelben begreift. Griei 
Wiihe bis zur Eroberung Athens, der zweyte Roͤmiſche bis anf 
Oulla, der dritte die Geſchichte der Griechen und Roͤmer zu 
fammen bis auf die Zeiten kurz nach Antoninns Philoſophus. 

hier ſchließt Die Geſchichte, weil füch der Kr. Verf. mie Ruͤch 

ht auf die Beſtimmung für Gymnaſien auf den eigentlich 
elaſſiſchen Zeitraum beſchraͤnken wollte. 

Für die Sriehifhe (S. 14—85) Geſchichte find vier Pu 
rioden feftgeftelle: Die erfle von der Urzeit bis auf den Zrojas 
aifhen Kıieg, 1800 — 1000 v. C.; die zwente von Homer bis | 
auf die Pififtratiden, 1000— 560 v. €., die dritte von Pi 
ſtratus bis Alerander und Ariftoteles, 60 — 335 v. E.: die 
vierte von Alerander bis auf die Zerfiörung Athens, 355 — 
86 v. C. Die Gefchichte der Nömer if in drey Perioden abı 
gehandelt, die erfte umfaßt die Urzeit bis auf Noms Erbauung 
Die zweyte die Zeit von da bis zum Ende des zweyten Puni 
fhen Kriegs, die dritte die Zeit bis auf Sulla; der dritte Ab 
ſchnitt behandelt unverhäftnigmäßig kurz auf zehn Seiten ©. 
205— 115 die Geſchichte der Griechen und Römer zufammen. 

Zur nähern Bezeichnung der Manier des Hrn. Verf. ſey einu 
ges in Beziehung auf Griechiſche Geſchichte ausgehoben. Der Hr. 
Verf. geht von der aͤlteſten Griechiſchen Sefchichte aus, Handelt von 
den verfchiedenen Stämmen, und ſucht ihr Verhältniß zu einander 

erläutern. Weber die Ars, wie er dieß gethan, wollen mir 
hier nicht mit ihm flreiten,, aber das koͤnnen wir nicht umhin 
zu rügen, daB er einige Momente der Culturgeſchichte, z. B. 
Die Orakel nicht hervorgehoben hat, was weit zweckmaͤßiger 
geweien wäre, als über einzelne Zweige der allgemeinen Ga 
(hichte fo viel zu fagen. In deep Anmerkungen wird über die 
Wohnſitze der Prlasger, deren Name plehenbe Wölfer“ be: 
deuten fol, wie Vandalen, Sueven; 2) uͤber die Wanderung 
det von Deukalion abzuleitenden Stämme und der Hellenen; 
3) über die Einwanderung fremder Eofoniften in Griechenland 
gehandelt. Auffallen muß, daß der Hr. Verf. diefen einen 
bedeutenden Einfluß auf Eultur der herfömmlihen, und uns 
duͤnkt, wohl begründeten Anfiht zuwider, gradezu abfprict. 
Wir führen feine Gründe an, und überlaffen dem Werhell der 
 Refer, zu entfcheiden, ob fie gewichtig genug ſeyen, um bie 


u 


* 





Sachſe Lehtbuch d. Gricch. u. Rom. Riteraturgefchichte, 591 


hergebrachte Meinung umzuſtoßen. 1) Heißt es, die Coloniſten 
fommen nicht mit der Abſicht und in der erforderlichen Anzahl) 
am Eolonieen anzulegen; 2) ihre Ankunft fiel in die für wiſ⸗ 
ienfchaftlihe Mittheilungen ungänflige Periode der Wanderunr 
ven; 3) die Griechen machten grade in den Theilen der Eultur,' 
velhe durch diefe Fremdlinge befördert werden follen, Aftros 
somie, Mathematik, die langſamſten Fortſchritte; 4) die Gries 
hen als ein Driginalveit nahmen nicht leicht etwas von frems 
en Voͤlkern an. 
Am Ende ber erſten Periode iſt eine Tabelle der Hanpts 
acten, auch der auf Cultur Einfluß habenden Namen, welche 
jier vollſtaͤndiger angeführt And, als im der Geſchichte ſelbſt. 
Unter den Gründen, welche angeführt werden, warum 
te Griehifhe Sprache in der zweyten Periode fo frey und 
afch ſich entwickeite, wird S. 54 auch der aufgeführt, daß 
‚och feine Schrift im Gebrauche geweſen fen; durch welche die 
Sprache ſchon zu frühzeitig firivt worden fey. Die allgemeine 
rinführung der Schrift nämlih, fo wie die Ausbildung der 
Srofa wird erſt an das Ende diefer Periode gefegt. Sollte 
icht der oben angegebene Grund durch die Geſchichte ber 
Jeutfhen Sprache widerlegt, oder doch modificirt werden ? 
fuch das, was ©. 35 über die Bildung der Dialecte gefage 
yird, daß file für umd durch gewiſſe Dichtangsarten gebildet 
yorden feyen, laͤßt ſich in diefer Allgemeinheit in Anſpruch 
(4 men. J J 
b Angehaͤngt find auch bey der zweyten Periode einige. Anz 
serkungen. Die erſte hat die Auffchrift: über HomersBkitalter, 
andelt aber eigentlich von dem Charakter der Zeit, in die 
omer gefeßt wird. Die zweyte über den Einfall der Heras 
iden und Dorier, fo wie die folgende dritte Über das Gries 
ifche Colonienweſen gehört in diefer Ausführlichkeit mehr in 
je potitifhe, als in die Literatur: Gefchichte. Die vierte vers 
:eitet ſich über das Epos und die Entwicklung einzelner Dich 
ıngsarten mit demfelben, ſo wie über die, in dieje Periode 
ende Ausbildung mander Dichtungsarten, und enthäl 
anche treffende bepfallswärdige "Bemerkungen. In der Taf 
‚le, die bey. der erfien Periode angehängt if, follte Tyrtäud 
ht beym erſten Meffeniihen Krieg 742 v. E. fliehen, fons 
rn um ein bedeutendes fpäter beym zweyten. 4 
Treffend, ſchoͤn und Präftig ausgefprochen iſt die Charas 
eriftid der dritten Periode. Don den Anmerkungen befchäftigt 
e erfie fih mit der Einführung der Schreibkunſt. Es wiıd 
sgenommen, die Schrift fey erft nach Homer nach Griechens 
nd verpflanzt worden, und erft mit dem Anfang des fiebenten 
zaͤcul. v. €. in allgemeinen Gebrauch gekommen. Die Lites 








592 Sachſe Lehrbuch d. Griech. u. Röm. Eiteraturgefchichte, 


zarır über diefe Materie iſt im Verhaͤltniß zu der Beſtimmung 
des Buchs viel zu umſtaͤndlich, und doc von der andern Beite 
wide volltändig genug, es fehlt d DB. Weber Gefchichte der 
Schreibkunſt. Göttingen 1807. Eine audere Anmerkung vers 
breitet fih über Zahl und Form der Buchladen, Accente ıc. 

Eben fo treffend als die dritte Periode ik die vierte in 
ihrem Verhaͤltniß zur Literamır und Eulsur charakterifirt. Die 
Anmerlungen handeln von dem Canon ‚der Alerandrinifchen 
Grammatiker, von einigen Accenten und Schriftzeichen , mit 
Beziehung anf das vorhergehende, von einigen in den zwey 
legten ioden entflandenen, oder doch beſtimmter ausgebilde 
ten Dichtungsarıen, ober Formen (die meiften Dithyramben, 
Paͤan, Skolien gehören fchon im die frühere Periode), und 
—— Fi Alexandriniſchen Bibliothek, deren Geſchichte 
kurz erzähle iſt. 

Der zweyte und dritte Abſchnitt S. 86— 115 iſt verhätt 
nißmäßig viel kürzer, ebenfalls reih an treffenden Bemerkungen 
ſowohl über ganze Perioden, als über einzelne Gegenſtaͤnde; 
aber, was ſchon der Umfang erwarten läßt, manche Lücken 
find dem Lehrer auszufüllen überlaflen. 

Der zweyte rein literariſche Theil zäh die Griechiſchen 
und Roͤmiſchen Schrififteller auf nach Fächern geordnet. Ch 
die Dichter mach den verfhiedenen Dichtarien, dann die Pros 
ſaiker. Von jeder Gattung sehen allgemeine Bemerkungen 
voran, wobey häufig auf das Vorhergehende verwiefen mir, 

nd verwiefen werben mußte. Lieber die einzelnen Schriftſteller 
And Kopie, Drotizen gegeben. Bon den Angaben wird erſt die 
Editio princeps erwähnt, und dann vinige von den Neuern, 
oder Häufig auch nur die Meuefle, außerdem werden noch am | 
geführe die Ueberſetzungen. Weder über Ausgaben, noch übe 
Veberfegungen if ein Urtheil gefällt. 

Ein genau berechnetes Ebenmaß in Rüdfiht auf das Mehr, 
oder Weniger läßt fih nur zu häufig vermiffen. Eben fo fehlen 
Häufig die neuieften Ausgaben; andre Angaben find zu Ichwan | 

nd und unbeflimmt. Auch wäre die Angabe der Preiße von den | 
neuern Ausgaben für den Zweck des Hrn. Verf. ſeht gu wär | 
fhen gewefen. 

Es ergibt fÜH aus dem Bisherigen, daß diefes Bud, um 
feiner Beſtimmung volllommen zu entfprehen, genauer berech⸗ 
net, und forsfältiger in mehrern Partieen bearbeiter ferk | 
müßte, daß es aber doch um vieles Trefflichen willen allgemein 
ſchaͤtzbar fey, und unter Leitung eines geüdten Lehrers für | 
feine nähere Beſtimmung wohl brauchbar feyn Fünne. 


. 





No. 38. Heidetseraithe 1811. 
Jahrbaͤcher der Literatur. 


ü444 








Specimen historiae Arabum; auctore Eduardo Pocockio, 

Accessit"historia veterum Arabum ex Abu’lfeda: '&ura 

. Astonii J. Sylvestre de Sacy. Edidit Josephus 

White,S.T. P. etc. Oxoni, e-Typographeo Claren- 

doniano. MDCCCVI. XV &. Buſchrift des Herausgebers 

an Sir William. Gcott,.: Bortebe deßelben und Vorrede 
Pocodæœ's. TS 1.4”): 


—E 


Varci Spncinen ie ein Bart von fo onerfannter Bi 


tigkeit. und Maßlichkeit (hiber incomparabilis, ſagt Meiste 
Progidagm. p. 22B, plenus litteraturae Arabicae et bonag 


frugie). 7 babey Ichen ‚seit. vielen Jahren fo felten, daß ein 


neue, Abdruck deſſelben einer Empfehlung nicht bedarf. Aller⸗ 
dings war es nöchig, bey einem folchen neuen Abdrud auf 
auf die Auſpruche Ruͤckſicht zu nehmen, welche wir jetzt an 
einen Gchrififiellee machen. ‚Roh zu Pococke's Zeit, ſo wie 
fruͤherhin, wollte. man. die Bücher mehr lefen, als befigen, 
ind may ſcheute ſich nicht, ihren Inhalt fi volkommen eigen 


m machen. Unbequeme Einrichtung des Innern von einem 


Buch, Mangel an Negiftern und den Wegweilern der Coluns 
entitel ſchreckte niemanden ad. Für einen Salmaſius war 
€ aper auch daher fehmwieniger , einige Zeilen mit Citaten zu 
Allen, als für unfee,. mit Eitaten prunfenden Kleinmänner, 
uf fanfig Schriftſteller, die auch etwas gemeint, zu verwei⸗ 
a. In unſerm Zeitalter bat ſich auch hierin der alte gute 
Sinn geändert, und Herr Whise hat. feiner. Zeit, „wig 
ohl mit Recht, naqhgegeben. Seine neue Ausgabe if ein 





7 7 


*) . Die Herren Treuttel und Wärz in Paris, welche einige 
Gxewplare dieſes Werts vorrathig baben verkaufen das Sy 
plar für 36 Frauten. og | 


594 Focockii Spegimen histor. Arabym , ed: White, 


ungemein fehöner Abdruck des Specimen , deffen erſte Ausgıh 


em pohrphtſcher rſſicht A, auf keiche Weit aanmichlt. Di 
Arabiſche größere und kleine Schrift if fo ſchoͤn als die dark 


uifhe, Doc. das Popier iſt wenigfens in unferm Ersupr 


nicht von gleicher Güte. Auch find nicht nur die, in der al 
Ausgabe angezeigten Druckfehler verbeſſert, ſondern auch dat 
nicht amgepeigte Verſehen berechtigt. 3. B. ©. 55 fehlen u 
der often Ausgabe -am Ende der eeſten Arabiſchen Stell di 
"Worte: —— | Las La 
welche in der Lateiniſchen Leberfehung ausgedeuͤckt, und ne 
in der neuen Ausgabe nachgetrugen find: "Die Mechtfchreitun 
iſt verbeffert, 5. ©. ſtatt Mecchae ſteht in der neuen Aufl 
Meecae, anch flütt der Yin und wieder votkonmenden ul 
Abkarzungen find die Wörter vollſtaͤndig ansgedrackt. Die typogri 
phiſche Einrichtung der alten Ausgabe iſt in der nerlin Musgeheht 
darin nachgeahmt worden, daßdie Seiren in dleſer ganj wie in jr 
mit Linien verſehen find, doch ſo, daß Nie aͤußetn Linien dep 
'gegogen werben. “Als äußere Zietide ſund zwey ſchoͤne Kupfe 
tafeln hinzugekommen, wovon bie Eine von Garbinet f 
Kochen, als Titelkupfer, das Bildniß von Porvoeke nad vd 
‚Gemäßde in der Bodlejaniſchen Bibllothek; dee andre (ak 
S. VI der Vorr.) den Fligerfbaum darſtekke, welchen Pocch 


aus den Orient mitbtachte, and welcher noch am 12. us 


4806 im Garten des Profeffors der Hebraͤtſchen Cpradı 1 
Oxford grünte, und Früchte trug. Fuͤr die RS irneritichteit i⸗ 
Sebrauchs verdankt diefe Ausgabe dem Ken. White vorylal 
ein alphaberiſches Regifter (S. 377—4r7) üach ben vortmn® 
den Ramen, wodurch allerdings der Gebrauch dieſes Werts M} 
erleichtert wird; aber noch zweckmaͤßiger wäre dieß Regte 
geworden, wenn noch mehr die erlaͤutetten Materien KÄME 
genommen wäre. Die Eitate, mwehhe von Porocke opt eme 
ungenau angegeben find, find richtiger beſtimmt, fo-oft ® 
Herausgeber möglich war, bey fahr viefen- war es ihm anf 
ld, die ungenauen Angaben zu berichtigen , wril Pochet ul 
'T4 Altern Weife faſt niemals die Seitenzahlen ‘der HM 


“2 


| 








Pacockii Specimen histor, Arabum, ed. White. 596 


Stellen bemerkt. Hr. White ‚hoffte in dinfer Arbeit niele Gy⸗ 
eichterung von der aigenen Handſchrift Pococke's, welche ih 
oh in deſſen literariſchen Nachlaſſe beſfindet. „Idcirco, ſagt 
7 progibus egi cum Viro beato, qui thesaurum eum jam 
ossidet, ut Codex ille evolvendus mihi permitteretur. 
ed nescio qua mala mea fortuna preces iNae mibi minus 
uccesserimt. Solche eigenfinnige Ungefaͤlligkeit tft Gottlob! 
ur dem Engliſchen Spleen möglih. Dagegen erhielt Hr. W. 
ns Erenmior, welches ehemals Georg Sale, der Ueberſetzer 
es Toyags, beſeſſen, „um, welches einige beygeſchriebene Ans 
verfungen des ehemaligen Peitzers enthaͤſt. In einer Eleinen 
Schrift (commentarialug) „ vor Sale, welche fih unter den 
Baanierichen ‚Papieren in der Badlejanifchen Bibliothek be; 
ndet, Kehet, wie Hr. W. bemerkt ‚ bie Nachricht, daß * 
nit einge nenen Ausgabe. dus Pocock ſchen Specimen ſich 

Haͤftigte Aber aus dep Anmerkungen, welche aus jen 

remplare in dieſer neuen Ausgabe mit der Öegeihinung S. 
uitgetheilt worden, geht aufs deutlichſte hervor, ‚ daß Sale nicht 
iel über: das Denken an eine folche neue Ausgabe heransges 
Immer wer. - Wir wollen die Sale'ſchen Annierkungen, ta 
zrer -fehe- wenige ſind, zum: Autzen der Safer, welche⸗die neue 
ugliſche Ausgape aicy ſohaidezu Geſicht bekommen ſollten, „hier 
uszishen-, S. hr, finden ſich zwey a4uhniale Anmerkungen. 
. 20 merden am Ranbe De Hiprte SAH kin «pi. Aberſetzt: 
i voluerkt Deus:  $, Biiwid nad. insigniendum hinzuges 
8: Ideoque nomen Tunfich efferendum. ©. 47 (der 
ten Ausgabe) wirt. nach Anmat 3. 18 unter Bent Tert be⸗ 
ver@tt "Ex auctoris, wedbid'imale disposiniset- inserpunctis 
idetur Anmär istum fäisae'« posteris Rahise, cum fuerit 
usdem'-Rabise frator, er-.quartus Nazäri flius , qui nu- 
ero :ulioquin. degrit. 8;:Bı 3.29. nach Attatt: In Alco- 
no sesibitur Allat, sine.Teshdid; mihil tamen muto ; 
uia hoc nomen cum duplici-y T nonnumqiam effetri 
detur, ab illie altem, ai ejus etymon a’ , latta 


"7 rad 





"596 Pocockii $Specimen’histor. Arabum, ed.. White. 


deducuut. Idolam certe quoddam sub nomine Al Latt 
'colebatur; quod an idem fuerit ac Allat Alcorani, 
non liquet. &. 95 8. 6 wird bie bekannte gern 


get 3) 1, 36 überfegt‘ Sed Deus haec opti nr 


Ebendaſ. — 11 wird die Zahl der Sura Noahs (Mm) hing 
gefuͤgt. ©. 195 wird im der zweyten Pococke ſchen Kandın 
merkung nad forsan. in Klammern Hinzugefügt: imo ce 


©. 248.3. 17 wird fuͤt vetbeſſert: (ul). 
Ebendaſelbſt 3. 2ı fir yes) f -vordefchlagen eis: 
welche beyde Werbefferungen alıf der folgenden Seite auch ji 
Ueberſetzung in Erinmerung gebracht werben. 
Wie viele weſentlichere Verbeſſerungen hätten aus de 
Schriften von Schultens, Reiske, de Sach und andem 
mmelt werden koͤnnen! Selbſt in der Vorrede von Poch 
hd die auffallenden Fehler anberitrfe‘geblieben, mo eim 


(©. X) sa f But durch Doctor dis 


ope. suffultus uͤberſetzt wird (was auch 2 nurger in fir 
‚Biblioth. arab, Spec. I, ©. 24. ugrführe. hat), das an 


uni. (S. X1). das Wort yischedh in der Uebeiſehen 


- gar nicht! ausgedruͤckt wird, ion es venn - doch: jetzt ef 
genug AM; daß Maphrian die zeichnung der hoqhe 
. geiftiichen Warde nach dem Patriarchen bey dem: Zacobinſe 
- .Ehriften iſt. Denen, welde nut. dig neue Angabe bil 
. „wird es dubequen ſeyn, Daß nicht Die Geitenzahlen der un 
Ausgabe am Rande. angesehen find. .: Indeß find Die. — 2 
‚zahlen der beyden Ausgaben micht Gahr, meiſtenthals ns ® 
Eine oder zwey GBeiten, abmeidenh. | 
Ä Die ſchoͤnſte Zierde ber neuen Ausgabe (opuscylua & 
gans, wie Hr. MWhite in feiner Zuſchrift an William ei 
; und. unicum' Operis nOstri ‚ornamentum et accassi0 r 
 / cherrima, wie er mit Recht in der Vorrede ſich auodridhhi 
‚der, auch anf dem Hahhititel genanute Anhang vom gm 
Sitvenre de Sach (©. 415-573) unter dem befmi® 














Pocockii Specimen histor. Arabum, ed. White. 597 


Titel; Appendix, sive Excerpta ex Ahulfeda de rebus. 
Arabum. ante Mohammedem, E CGodicibus Mss. exscripsit, 
latine vertit et notis illustravit, A. J. Sylvestre de Sacy, 
Ling. Arab. Prof. Lutesiae Parisiorum etc. etc. etc. Nach 
drey Handſchriften, ‚derjenigen, welche ehemals der Abtey 
St. Germain des Pre's angehörte, und zum Theil von der 
eignen Hand Abulfeda's gefchrieben iſt, jetzt aber der kaiſerlichen 
Bibliothek augehoͤrt, dem Manuſcript des alten koͤniglichen 
Fonds, und einer Vaticaniſchen Handſchrift, wellhe jetzt eben⸗ 
falls zu“ Paris In der kaiſerlichen Bibliothek ſich beſindet, gibt 
Hr. de Sacy folgende Auszüge: 1) über die. Propheten Hud und 
Saleh, aus dem erfien Capitel Abelfedas, worin von den Prophe⸗ 
en nnd Fürften der Hebraͤer gehandelt wird. 2) Aus dem vierten 
Capitel von den Gefchichten der Araber wor dem Jsiem, über die 
Könige der Araber in Jemen und die außerhalb Jemen. 3) Aus 
ven fünften Capitel, welches Die Geſchichten verfchiedener Voͤlker 
nthält, über die Berbers, Die Abiten und bie Amalekiten; 
enn über Die Verſchiedenheit der. heidnifgen Araber in Hinſicht 
mf den Cultus ihrer Götter, endlich über die ‚werichiedenen 
Stämme der Araber. Die Stellen, wo: die Handſchrift von 
Be. Germain die eigenen Handzuͤge Abulfeda's enthaͤlt, find 
efonderd ausgezeichnet worden. Auch wird in. einer vorlaͤnſi⸗ 
en Vemerkung zu dieſen Auszügen, welche die nähere Bes 
chreibung der drey gebrauchten Handſchriften enthält, das in 
me Handſchriſt von J. B. Köhler bey feiner Anweſenheit 
u Paris mm 6. Sept. 1765 eingefchriekene Zeugniß mitgetheilt, 
ady melden die Stellen, in welchen fon Renaudot die 
dandzage Des gelehrten Sultans yon Kama erkannt Hatte, 
olltommen dem Autegraphon. von Abulfeda’s. geographiſchem 
Serke zu Leiden gleichen- (Neque ovum potest, ovo simi- 
118 esse, atque sunt hi codices, Lugdunensis geographi- 
us, et. historicus. Parisinus.) Dem Arabiſchen Teste folgt 
ne Lateiniſche Ueherſetzung, ebenfalls von Herrn. de Sacyh, 
ad auf. (eihf Hier theilt er in.einigen Anmerkungen. (dägbare 


, db ep. 'r 
+ rt 
\ ‘ ‘ 


598 Muswahl and J. Ph. Dftertag’S Meinen Schriften 


Erläuterungen aus dem Reichthum feiner bewundernewürbign 
Kenntniß der Arabifchen Literatur mit. . 





Auswahl aus den kleinen Schriften der verstorbenen Professor 
und Rectors am Gymnasium zu Regensburg, Johan 
Filipp Ostertag, aus dessen Nachlass herausgegeben vo 
einigen seiner Freunde. Zwey Sammlungen. Mit we 
Kupfern, Keplers Monument in Regensburg darstellen. 
Sulzbach , im Verlage der Kommerzientath %eidelschu 
Kusst- und Bushhandlung. 1810. KXXII u. 58.6. | 


Als Herausgeber hadten fich am Schluſſe der zu Negensim 
im Aug. 1809 gefchriebenen Vorrede Boͤßner, Leopold Ir 
v. Seckendorf und A. Kanfer unterzeichnet: Aus der, vonta 
Zen. Conſiſtorialrathe M. Gampert zu Regensburg werfaften. 
ut gefchriehenen Bipgraphie des feligen Oſtertag geben m 
folgende Notizen: OD. war am Bo. May 1934 zu Idſtein, a 
Naſſauiſchen, geboren. Seine wiſſenſchaftliche Bildang erfil 
er zuerſt in feiner Vaterſtadt, ſodann zu Jena und Gin. 
1755 kam er als Conrector nach Meildurg, mo er in der äh 
Meorector und 1763 Rector wurde, umd zur Aufnahme W 
Spmnafiims fehr viel beytrug. 1774 Tollte er Prebige⸗ 
Haag werden; doch ploͤtzlich gab er dieſen Plan wieder ef 
Der berühmte KHeffendarmftädtifche Miniſter, Schr. von Dei 
wollte ihm entweder als Onperinteridenten nach Darmfrt 
oder als Profeſſor nach Gießen Bringen; er lehnte es ar 
Auf den Vorſchlag feines Freundes, des Hru. Prof. det 
ſtraͤſer in Hanau, fam er 1776 als Prof. und Necket md 
Negensburg. Hier ſtarb tr am 21. Der. dor: Ad Der 
als Gelehrter und als Lehrer hatte OD. ſich allgemeifit Ahım 
erworben. Wteihwohl nahm das Publicum die Ankindigm 
einer Auswahl feiner Meinen Schriften ſo kaltſlantg auf, 5 
die neue Ausgabe (deren Ertrag fr O. nunnichr and veni® 
bene Witwe befiimiht war), beynahe Hirkknmeerbieiten mil 
wenn nicht der edle Zürft Primas aufüreniid Sremptiht untetzi 
net und die Seidel'ſche Buchhandlung in Sulzbach ſich entſchoſt 








Antwahl ans 3.:9% Oftertag’s Fisinen Schriſten. 699 
biste, gegen Ubemahme des Subſeriptisnsgelder, das Must 
ya verlegen, und ber Oſtertag chen Witte gewiffe Vorcheile 
zusügeftehen. Das dieſer SGammlung bengefäste Verzeichniß 
enthaͤlt nichts weiter, als ga Gubfetibenten; aus Regeneburg 
69, von Ausiohttisen 25. Auf die'Oubpribententifte folgt dad 
Ttelverzeichniß· ſammtlicher, theils im Druche zefdienenen; 
theils im Manuſerixce vorhandenent Echtiſten Oſtertuge. Wen 
den, vorher einpein herausgekommenen Abhandlungen ind nur 
in ber vorliegenden Sammlung mehrere, und yager nad Bes 
Auswahl des, rhen. v. Sedientorf, "wieder: abgedrucke Es 
find folgende :- I. De vera studiorum scholasticorhm ratione! 
1762... Eine kurze Geſchichte der Schalen, von der. Eickah⸗ 
rung des Cheiſteuthums an bie auf: bie neuern Zeiten, wich 
vorausgefchiedd; dann geht ber Verf. auf den dreyfachen Zwech 
der Schulen, meraliſche Bildung der Jagend, Wordereitung 
derſelben auf die Akadembe und Ausbildung der wicht für den 
Gelehrtenſtand beſtimmten Juͤnglinge Aber, und handelt von 
deu Hutfoenuttein zur Erreichung dieſer Zwecke. Was er hier 
ſagt, iſt nicht wen, aber in echt Roͤmiſcher Sprache vorgetragen, 
LI. Scholae puhlicas cantra invidiosas quasdam vitupers- 
tiones defenduntur.. 2777. Der, dew oͤffeutlichen Schulen ge⸗ 
machte Vorwurf, daß von dem Beyſammenſeyn und dem Ya 
gange ſolch er Kinder, die kaum den Schsoß ber Murder verlaſ⸗ 
fen Gaben, weit. mehrern andern, den Geiſteskraͤften, der monas 
chen Beſchaſſenheit und dem Alter. nach Köck verſchindenen 
Juͤnglingen, deren Bitten nicht immer. bie beflen And, eine 
Befahr für Moralitat und Anftand zu Sefärdgten ſey, Die bey 
ber Hängligen Erziehung wegfalle, wird durch folgende. Bomer⸗ 
tungen widerlegt: x) auch bey ber häuslichen Erziehung kann 
ber Umgang mit andern, theils boͤsareigen Knaben, oder Er⸗ 
wachſenen nmicht gänzlich vermichen werden, un) es waͤre nicht 
einmal gut, wenn. bie Kinder wie: Einſiedler erzogen waͤrden. 
2) Ein feine Schuͤler liebender Lehrer har genug Gubegeichei⸗ 
tm, Fehler gegen den Anand zu verbeffern, und heflſani⸗ 
allgemeine Vorſchriften daruͤber zu. geben. 5) MWiele lernen 


coQ Auccchl aus J. Vb. Dfkertag't. Frines Cicheiften. 
Warngenden ſchon im elterlichen Kaufe, che ſie in die Schule 


fonmen, A) Wenn Unterricht im der Religion und werbung 





Beligidfer Gefühle, zwar Hauptgegeuſtande ber . öffentlichen 


Schulen, nicht is Gchähmiäwerk, ſondern als Sache des 


VDerſtandes und Herzens behandelt werden, ſo hat auch him: 


darch: der. Öffentliche Unterricht einen Vorgug var dem haͤnslichen. 
(über keanndenn nicht auch bey der haͤnclichen Erziehung dir 
Steligien zur Dache des Werfiandes und Herzens gemacht wer 
den ?) Aul, den. Vorwurf, daß ein Lehrer an einer zahhlreichen 
Schule feinen Odhktem: nid. fo viele Renntmifie. Geydringen 
kane, als der, weicher ſich einen Einzelnen widmet, wird gu 
antwortet: 1) es kowmt Bier fehr viel auf das Talent ,. den 
Zeit und bie Methode des Lehrere an. 2) Die Lehrer unem 
richten mit mehr Luft und Bewer, wen fie mehrere, als wenn 
le nur Einen Schaͤler vor fih fehen. 3) Der Jungling lernt 
eifriger, wenn er Kameraden hat, als wenn er allein iſt. NG 
werden als Vortheile bes oͤffentlichen Unterriches angeführt die 
Macht der Macheiferung, bie, auf Schulen oft. fr bie gan 
nachfolgende Lehensjeit geichlofenen Breundichafuswerhiubunge, 


die Vorbereitung für den Eintritt in die bürgerliche Gefellifihah. 


III. Einige Bemerkungen Ober bie priwats. und oͤffentliche lm 
termeiſung der Zugend im Regensburg: dos. "Diefe:Btede, is 
welcher haurtſuͤchlich bau, in Diegensbuug herrſchende Merurtheil 
gagen die Öffentliche Erziehung und das dort gewöhnliche uw 
gewöhgliche, umyeltige Werigffen der Schulen  gerägt iverden, 
verdiente wohl kan, da ſte bleß locales Intereffe Has, vie 
Aufnahme in eine Gemmiung, wilde nur eime Auswahl dei 
Geſten geben will. IV. Commentstio philologice - physicı 
de Jova Elicia. 1795... In dieſem für Die Phyſtk und für die 
Geſchichte der Entdeckungen gleich wichtigen Programm ſuch 
her Verf. den Sewels zw führen, daß die Alten ſchon die 
Kunſt, das Gewitter abzuleiten, verſtanden haben, umd di 
Senemung bet Supiter Elicius ſich darauf beziehe. Mech 
Lie, a, ı9 fcheint Blume im Befige jenes Geheimniſſes geweſen 
wu, ſeun, non welchem auch Plinius H. N. In 55. XX VI, 2 





Ancwahl ans. 3. M. Oftertag’s Kleinen: Schriften... 608: 


redet. (WDas Hr. D. Diauge im. 25 (Abth. V.O.9) S. Abo b. 
Heid. Jahrb. 1020 bemerkt, vaß ſchon Moger: Baco im dreygehnten 
Jahrhundert nicht nur Die Wielung des: Schteßpaloers, ſondern 
auch feine Beftandihaike und daten Zufemmmfelsmg gekaunt habe, 
wird auch von unſern Berfı :B. Ao behamptet, umd ber won Dre. 
D. Dümge' nur aus andern Schraͤfiſte llern :gefühnte Beweis Aber 
darch Bacens eigne Werk: in feinem Briefe de smcnetis ope- 
rihus ärtis et naturae geſſihrt, wen. er : vom Schießpulver 
ſchreibt: „Sed tamen satis. petree lum mope.can ubre 
dur Wetfegeng. ber BGuchſfaben: carbanum. nulvere) 
öritug..et sulphurüss et ste facies tanitsu, et coruscationem, 
si sciam.artälieium.) V. De scaphiis veterum commentatio. 
rd. Ber gibt O. die verſchiedenen Bedeutungen des Wors 
©taphien kürgiih an; bann bleibt er. bey Derfenigen chen, 
werte Dafieibe won Piutarch, in feiner Biesraphie des Muma, 
genommen wird, Mama hatte unser andern auch ber Bella 
ihren niguen sttesdisnf ‚eingerichtet, wobey: man ſich, um 
das anspegangene Feuer Durch die aufgefangenen Oonnenſtralen 
amzezunden, wach Pleaichs Erzählung det Okaphien bediente, 
Auer Art von Gefäßen , über deren Form der Verf., weichem 
Plutarch's Beſchreibung mit richtig vorlommt, wit. einem 
großen: Aufwande non. mashensatifher Gelehrſamktit feine Ver⸗ 
mutbung gibt. VI. Den den Skafien der. Aiten, und zwar 
wer Ihrem gnomoniſchen Mebrauche. 1780. Weder die Arien‘ 
chiſchen, noch Roͤmiſchen Schriftſteller haben uns eine deutliche 
und genaue Beihreibung der. gnomoniichen Skanhien ber. Alten 
Ginterfaffen. Am ausfährlichkien, aber mit einer Dunkelheit, 
bie Den wahren Siuu nr einigermaßen errathen läßt, redet 
Martianas Capella davon, indem er fagt:. „Scaphia dicuntur: 
rotunda ex aere vasa, quae horarım ductus stili in me= 
dio fumda'.sui proceritate discriminant, qui: stilus gnomon. 
appellatur, cujus, umbrae prolinites asequinoctio, centrä 
sui aestigmatione dimensa, vicies quater complicata,: ciz» 
sulı. duplicis modum. reddit,“ Nach unferm Verf. maren es 
zohle, aus Stein, Metall, oder einer audern dauerhaften und 





652 atmet au: 3. BI. Oferias’V- Finn. Sehaiſten. 


fein ga beerbacenden Materie verfeniigte Halbkugein, weiq 
horizental gefbelit werden konuten, In deren Mitte ſich ein dem 


 Babins der Ketgel gleidher Gnomon, oder fenbercht aufgerichteter 


Ocattengeiger“ beſand, "dar. entweder nur bie tägliche Ab⸗ 
umb Zunahme des Dchattens ig Sem. barin grzeichneten und 
nad. Graben abgetheilten Mitka gotreiſe bemerker, oder bameben 
nech die ebenfalls in der hohlen Flaͤcht beſcheiebenen Tages 
ſanuden audentete, umd „alfo die Stelle sine Sonnenuhr ver 
trat. Ohne von den Skaphien, als eigentlichen Bouneunbeen, 
gu handeln, beranmmeden D.: auf "Martini Abhzambiuitg von 
den Gonnenubren ber: Alten -verweißt:; befchnänfe er. ich auf 
den Gebrauch der Skaphien in der Dtern⸗ und machemaciſchen 
Eotunde, Seafchreiet das eigentliche Verfahren der MAten bey 
Dem Gebrauche derſelben, und: aimmt taten Anlaß, dad 
nähere von der Wefchaffenheit ber Sarhien fetbft zu bemerken, 
Die nach feiner Ausführung nur ein fee aueolilemmenentläck 
ons der fi erſt entwickelnden Grirchtſichen Afiromomıie. im ihrer 
Bindheit geweſen. Diele Abhanbiung zeugt noch much; als 
die nädvochergißende, von ben geñndtichen manthemasiichen 
Seuntuiflen des Verf. (Ein fonderbaur Gebanke ſcheint es 
ya ſeyn, wenn. S. 92 meint, daß Wingil's Menait (Helog. 
ZH, 40) fid) des Namens des Eratoſthenes „wegen deſſtn preis 
adiſcher Unbequemlichkeir“ nicht arinmern Eine, inden wohl 
keine graße Gewandtheit in der. Metrik dazu gehört, um ben 
Damen eines berühmten Mathematikors chen fo gut, wie dem 
de Komen, in. ben vorbemerkten Hexameter bineinzußringen.) 
VII. Commentatio philologico - physica de auspiciis ex 
seuminibus. 1779. Die Hauptſtelle über diefe Are von Au 
fricien, von weichen fi fo wenig Gewiſſes ſagen bäße,. fin 
Gic. de natura Deorum II, 3 und de divinatione II, 8. 
Gerda häls Acumina für die Schnaͤbel der jungen Shure, bi 
bekanntlich Bey den Auſpicien eine wichtige Nolle ſpielten, An 
dee glaubten darin eine Art von Seomantie, Belomanctie, ode 
Pyrsmantie zu finden. Unſer Verf. aber erklaͤrt fie ( nicht ches 
VDahrſcheinlichkeit) ans: der Eleerricitaͤt. Seiner Meinung meh 





Auswahl aus J. Ph. Stiertagf Heinen Schtiſten. 603 
waren die langen Gptefe (pila), weiche die: Romiſchen Solda⸗ 
ten -im Lager vor den Zeiten an dem nicht mir Eiſen befchlas 
denen Ende indie Erde ſteckten, fehr dazu geeignet, die elektriſche 
Materie an Teich je ziehen, und fd bey entfiandenen Gewittern - 
dine Naturerſcheiunng hervorzubringen, die ber Aberglaube für 
eine gute Worbedeutung hielt. VIII. Ueber den ehemals auf 
dem Marsfelde zu Rom geftandenen gnomoniſchen Prachckegel. 
785. Odbgleich der Werf. Im Eingange dieſer Abhandlung 
fagt, daß fie für wahre Kenner der Mathematik, beſonders 
Ber Meonomie und der Alterthämer nichts Neues enthalte, fo 
iſt fie doch ein ſchaͤtzbarer Beytrag zur Erläuterung der von 
bem erwähnten Obelisk handelnden Seelle in Plintus 'H. 
N. lib. 36. c. 9. 10. Sie gibt eine Anzeige der über diefen 
berühmten Prachtkegel erfchtenenen Schriften, fe ältere und 
neuere Geſchichte beffelben, eine Beſchreibung der vermuthlichen 
Einrichtung und eigentlichen Beſchaffenheit des Gnomons, eine 
auf aſtronomiſchht Gründe geſtuͤtzte Beurtheilung der von PR 
situs angeführten Urfachen, der zu feiner Zeit erfolgten Lnriche 
tigkeit ‚deffeiben, und zwey Ueberſetzungen der vorerwaͤhnten 
Pliniſchen teile, die Franzofiſche des paradoxen Poinfinet de 
Sivry und eine Dentfche von Oſtertag. IX. Die Pflicht, den 
Alerheitigften nachzuahmen. Predigt am dreyzehnten Trinitäs 
tisfonntage, Text? x. Petri ı, 19. 16. 12775. -Kalf und 
trocken wie ein Eompendium! "Zum Kanjelredner fcheint nach 
dieſer Probe DO. feinen Beruf gehabt zu Haben. X. De IIs4 
RrIsornros origimibus philosophumena per saturam. Dee 
Urſprung ‚der Vielgdtteren wirb bier fo entwickelt: Ueberall, me 
die erſten Menſchen hinblicten, fahen fle koͤrpetliche Gegen 
flände; ein Wunder alfo, daß fie auch Gott fi wie einen 
Menſchen vorflelten!‘ Die Aufgeflätteren unterhlelten dieſen 
Wahn beym Pöbel, um denſelben deſto Heffer feiten zu Cönnen, 
der Aberglaube verlandte Bilder zur Anbetung; Maler, Dich⸗ 
"ter und Bildhauer ſtellten das hoöͤchſte Weien unter menfchlichen 
Geſtalten vor: Beſonders aber fehufen die mit Äbertriebener 
Verehrung verbundene Feyer des Andenkens großer Männer, 


604 Aucuahl ans J. Wh. Dfteriag’s kleinen Schrifien. 


de Brobachtung ber Geſtirne, vorzuͤglich beym Gottesdienſte, 
Die durch den Lauf der Zeiten verloren gegangene wahre Bes 
dentung der Hieroglyphen, ſelbſt die Hoffnung einer ewigen 
. Kortdauer, und die faſt umgemeßliche Menge von Uebeln in 
Der Welt, für deren Urheber man. Bott auszugeben Bedenken 
eug , unzählige Familien won Söttern und Gättianen. IX. 
(eigentlich XI.) Etwas über deu Rempeliihen Schachſpieler; 
eine Gruvpe „hilofophifcher Brillen. 1785. In dirfer Abhand⸗ 
Gag, die dur Geiſt und Vertrag an Engels Philoſophen für 
Die Welt erinnert, gibt D. Vermuthungen, nicht fowaht über 
Die wirkliche , als vielmehr bloß mögliche Einrichtung dieſer ihm 
von f&arffinnigen Augenzeugen befcheiebenen Maſchine, und 
wendet fie auf die organifche Maſchine unfers Körpers, auf 
Die Mafchine des Weltgebaͤndes, auf menſchliche Freyheit, auf 
Die Regierung der Welt und andere des Nachdenkens ber Phi 
Isfophen von jeher wuͤrdig geachtete Gogenſtaande an. (Unter 
den ©. 189 f. / angefuͤhrten Automaten hätten auch noch ber, 
von dem obgedachten Moger Bacon verfertigte kaͤnſtliche Kopf, 
und der kaͤaſtliche Adler, der K. Carl. V. eine Dentſche Meike 
weit entgegen geflogen ſeyn fall, erwähnt werten undgen.) 
XII. Weber Die Berechnung der Zinfen bey den Griechen und 
Römern, nad Pauktons Metrologie. 1784. Aus Pauktons 
Motrologie, ou Traite des. mesures,. poids et monnoies 
des anciens peuples et des ‚modernes. (Paris. 1780. gr. 4.), 
eiaem für Alterthumsforſcher, Ockonomen und Mathematiker 


gleich reichhaltigen Werke, if hier Die. befonders auch Für die 


Kioiliten wichtige Abhandlung, Aber Die Zinfen der Alten, über 
fegt, ale eine Probe vom Vortrage des Franzoͤſtſchen Schrift, 
ſtellers, zugleich aber auch als ein Verſuch, wie, nad O 
Meinung, die intereffanteßen Materien dieſer Metrologie üben 
ſetzt werden konnten. XIII. Ueber das Verhaͤltniß der Maße 
der Alten. zu ben heutigen Maßen und ein bey allen Nationen 
ginzufuͤhrendes Eichmaß, nach Pauktons Metrologie, mit 

lanternden Anmerkungen. 1791. XIV. Erſte ‚Fortfegung 
199 XV. Zweyte Fortſetzung. 1793. XVI. Dritte Ze 





Ausſwahl aus 3. Ph. Dftestag’s Heinen Schrifces. OS 
ſetzung. 1754. Sieſe vier, einerane gelehrter Vernerkurgen 
in fich faſſenden Abhaubdinmgenhaben ein eignes Zeltintereffe 
in unſern Tagen, wo mehrere Regierungen ſich mit Einführung 
gleichfbemiger Maße and’ Gerichts beſchaſtigen. XVII. tebir 
den Urſprung der Gternbilder, -udb- die daraus ju mfiätende 
Mothologie, nah Derpuis ‚Abhandlung. 1787. XVII. E 
Fottſetzung. 1788. XIX. Zivente Fortfeging. 1789. XX. Dee 
FSortſetzung. 1790. Mech Dupuis hat, wie Pauctos durch O's 
Erlaͤuterungen gewonnen. Die in Rn XX. vorkommende Gy 
ſchichte des Bacchus verdient mie den nineſten Bearbeitungen 
dieſes Mythos, ‚bie wir von Heldelberg aus erhalten haben, mi 
Crenjers Dionysos und Nonni -Diönysiacor. libr. sex, ek 
‘ed. G. H.Moseri, verglichen zu ˖ werden. XXI. Antiquæriſhe 
"Abhandlung über - die —— — (Ans den neurn 
phiid fobhiſchen Abhanblungen Baier ſchen Akademie dk 
Siffenſchaften 41785, ©. IV. S. 113 abgedruckt, mie Se, 
"fügen aus einem Manuſcripte von 1790.) - Schon den älteftch 
"Weltwetfen und Naturforſchern war das Augemeinfte von ·der 
Eiekitricitaͤt bekannt, daß naͤmlich der Bernſtein, "oder Das 
Eilectrum, wenn en gerieben wird, die Kraft beſtte, leichte 
Korper an ſich gu ziehen; aber aluch die ſo genaue Verwanbe⸗ 
ſchaft der Eiektrieitaͤt mit dem’ Blitze Haben: die Alten gitehnil, 
und davon“ Gebrauch gemacht. Dieß beweist O. durch Sat 
vius ad Virg. XII, 000.5 3. Me Moſe EX, 24.5 0, Yon. 
VO, 1.3 1.8; der Rönthe XWIE 38,5 .Disder’s Biblidihe, 
V, 70.; ®tnica’s Quaest. nat. N, .32.; Plinius IE N. If, 

„> Livius Hise. 4; 51.5 Jsſephuͤs vom juͤdiſchen: Kriege, 

vi, 6 vl, z2. 2; Oerodot EV, :88, Auch aus der Dia 
Raffus Erzäfung? von dem ſtarken Regen, den der aͤgyptiſche 
Zauberer Arnuphis erregt haben ſoll, aus der in Gibbond 
Werke vom Verfalle des Wömifhen Neichs, Bo. 5. ©. Ba 
vorkommenden Anekdote, aus. den Legenden von der wunder⸗ 
thaͤtigen Art, wie Apollo fein Orakel zu Delphi gegen die As 
geiffe der Perfer und Galller vertbeibigt habe,” aus den: Gas 
ſetzen der zwölf Tafeln, aus einer Otell⸗ in des Hippokcatce 


— 





6 Untabl aus J. Wa. Hſtertagv Fleinge. Cchuiiies- 


Abhandinas von tur fellarinu-Bincht, aus Qepeca DI. Q. IV,6. 
ns den‘ Beuanbaungen der chriflichen Katie: uud des Banony 
Shen Aachts ig Vetreff ber Mottermacher (nagensäch 1.406 
de malf, et marbam. una « 16. C. 26, qu. 7.) ans einer 
Sure; in den von Balug ‚edisten Werken des HD. Agpbast 
äh von Lyen, T. I. O. 149, aus der Werarbnung ie 
RR. Kart’. des Gr. Cabituiara von 70 c; ad, „me klein 
Paptizest,. mes chartas. per portisus appendant geppier 
gerndisem“, auf. den numpigiis ex acuminibus, aus Dem om 
Mliaius beſchriebenen Beer: dev Helena im Tempel ber Mi 
area zu Lindas, und aus hau. Ergäblunges von Dam um bi 
Mönfe moancher Manſchen erſchienenen Mimbus nder Heilige 
ſcheia ſchlleßt unfer Vorf,, daß die Alten praltiſche Kenntuif 
wan·der Bemutereleſericiia gehabt Haben. XIL. VUeber di 
Alsıflerklicgheit. a 736. Eme geiſt⸗ und hoetrzerhebande Varie ſung. 
XXIII. Kapla's Wronpment in Regensburg. An das ‚anfge 
Ham Doutſche Publicum, nebſt einem Lateiniſchen Dendſchrei⸗ 
hm an Aianar in Dingen 2706. Nach *iner zweckn;Ißigen 
Minleitung ſchildert D. zuerſa Aeplar's wiſſenſchaftliche ·Verdienſie 
and mertwürbigfie Lebensumſtaͤnde, und. trqaͤgt dann ſcinen 
Maorſchles über. ein: in Negensburg dem unfischiichee PYriefter 
Vranens zu, arrichtendes Doitenal vor. Hicrauf folgen dab 
sachen auch im a. Zahrg, des. Gatingiſchen Magazing aber 
andre Suventarinm ‚tee Bgpler’s Werlafienfhaft, mit Säh 
wars Lommentar (Über Nculer Miisieumpände), uud zum 
Srich vum Kaͤſtner an Oſtrtas. Den: Meſchluß musche Die m 
Mlinige Werte (Ep. I, 17): „Neque ‚magis decerum et 
dnsigne est, biatuam in fero populi:Ramapi habere „quam | 
gonere“, erinnernde Erzaͤhlung von bar: am Mr Dec. zöch. 
erfolgten Einweihung des Kenler ſchen Deukmals in Regensburg, 
md von den verbienftuolken Ahamiäuusen, mer es chen 
„eren. Temisialgefamäten ; Fehrn· v. Reden und vo. Dieflen, 
der fühl. Regensburgiihen Ken. geh: Rathe und Domcapu 
tatar, Brafen von Sternkerg, und dem Hru. Landesdireciiend 
marke Mhbner gelungen IR, unser den Auſpicien des, alles Gute 











‚id: Ucba die Maarierxbofe des: Nefenfrenzes. -GO7. 


ud: Bier raſtlos Krfäeberuben Wärften. Peirnas und vermits 
telſt der welteen Beytxage patriorſſcher Zeitgenoffen de Errich⸗ 
tung eines Denkmals fuͤr den Vater der hentigen Sternkunde 


‚gu Stonde mm briagen, mot Or neegehlich aufsefodert ‚hatte, 


- DROR kurze Damtrlung des ahals:yehie, wie ie Be⸗ 


tehtung und unterhauuung die Leſer dieſes Buchs ſich zu ver⸗ 
forecen haben. Auch bie Sprache. verräth.,. owohl in den 
erdeiatſchen, ais Deutſchen Auffigen, einen durch Die eue 
der Ctaſſiter gedlldeten Gefchmack, und faſt jede Abhanblug 
enthaͤit Beweiſe der qusgebreiteten Baleſenheit des: Verfaſſerg. 
Das Aeußtre 05 buche‘ macht die Vel⸗oahooꝛiens am. “ 


Fü - he 


DE IT —— a 


‚Eine —— ‚als Ankündigung) über die & Metamorphofe 
. des Ros.en kranzes nach dem Geiste der katholischen 
Kirche , —* über »das. Rosenkranzgebet: 1) wie, es 

. ‚bisher, gepflest worden ist, aber 2) wie es nach ‚deya 
„Seigte der heil; kathol. Kirche. gepüggt werden kann, und 

„sol Vog Herenäus Haid, der Theglogie: "Doctor. 
ae bey Thomann. 39 ©. 8. 3. 





: Ri, Hof entranz,” das Liebfingggebet des batholiſhen 
IEXEV An. apaſtoliſchen Rilenbausbeksuntß, 
aus Ren chn Suhertiuiufet, nd 1130 Wer Maria, denen 
Die, ‚Fanfjehn. Grheimniſe v8 Eriägerf‘ einge eſchaltet werden. Er 
Geißt.aud Dfakter hon ern Zahl dar Ing Marie, | die eine 
rauch der 201 Malmen Teiiei: * Awohalich sent 
Das Volk nur. den dritten Theil. dea Pfpiters auf einmäl, und 
heißt Ay doch / Roſenkran. Man ſoricht au nach dem Saas 
Bensboſenntniß ein: Mer unſer sand: drey An. Meria, ah 
"Derlin, wie nach “jedem Beſettzi von sen. MeiMaria ; was 
Ehe f (2) dem. Raten. hinzugeſetzi wird, Daf diefe 
Se bereformel mach der ‚Eallärung ı Jeſu Metth. 6, 7 verwerfs 
te Da fle „wilden! Ben: Geiſt dor: wahren iadacht freie; 
daß .fie als eine Battologie, Als leeres Sepliapper, als verdedds 
Uche Mechaniamus andgerottet warden, ſollte, raͤumet der Verf. 
©. 16 jedem Denker ein. Aber u glaubt, daß ein Sviſzen 


—— — m Pe 





"608. . Kid Weber. Die Metamotpboſe des Befckfraneb. 


weicher ven Nofenkranz abihuffen” weile, afles Zutrauen 6 
‚einer Gemeine verlieren " wärde,- ſo daß ex nio⸗⸗ Gutes bp 
berſelben mehr. würde ſtiften Können, Die Nachmittags andach 
“ten, in denen der Roſenkranz gebetet wird, find gewöhnlich 
geſtiftet, ımd wenn:iän ein Yfarrer unterliuße , ſo würke 
‚se acht nur .eh6.ein. Zeeygeiſt, Hodera auch aid ein unge 
rech ter Mann, der den letzten Willen der Verfiorbenen nidt 
vefpectire , vom Volle ausgeichrieen werden. Er will daher den 
Srofentranz nicht vertilgen, fondern von Mißbrüuchen reimigen, 
‚un ihm eine andrea Seſteit gehen, bie: dem Zwecke feier Ein 
Ahrung und dem Geige der Kirche — ſeyn fol... Das 
Ourrogat, welches der Verf. vorfchlägt, IM aber nur dem Namen 
"nach ein Mofenfrang; der Cache nach fit es eine für Verſtaud 
und: Herz berodimere- Andacht ,. "wurde den Deyfall denkendet 
Katholiten gewiß erhalten wird. 

Demungeachtet glaubt Rec, «6 ſey nicht unmöglid, 
daß ein waͤrdiger Pfarrer, welcher das Zutrauen feiner Ge⸗ 
“möne befige, den vom Moͤnchthum abſtammenden Rofenkam 
' andy dem Namen nach abſchaffe. Er. darf nur an bie Stck 
deffelben gute Lieder und lehrreichen Unterricht ſetzen Wie 
gern das Wolf ' feinen Roſenkranz betet, fo gern umd nod 
fieber fingt es, und ‚Hört eine kurze, ihm verſtaͤnbliche Aw 
tede. Vor allem maß das Votk über die Cigenfchiaflen bei 
ehrigtihen Gebeis unterrichtet werden, und Wenn ed dieſen 
Unterricht gefaßt hat, fo wird es vo feld feinen, Rotentranj 
wegwerfen, und eine vernünftige ndachteübung nom 
‚Was die geſtiſteten Roſenkraͤnze Ageht, To eher es ‚Une Ob 


& 





‚tibffen und Parse ‚fen, dan aen dar Zi Bu 
tönnen nur ‚mit Fohlgefal 








„igterpretiren. Die Verhlaͤxten 

auf den Neligionsiehrer erabfehen, der das in 1 Name 
ehut, was fie fetdft ‚verlangen‘ wÄrden, wenn fie aus den 
zunde der Baligen yarädlichrn, umir ihre Meiumng nel 
koͤnnten. m ee . 

Wenn aber der Verf. will, baß die Pfarrer ſich bem 
Totlen, feinen neuen Mofenfrang auch in den Ani * 
iente einzuführen‘, und Wem u vun. Want Außen, Me mil 
vom ähm (etbft im den Hhuſern vorheten fo if dieß ein⸗ Abm 
fpannte Forderung. enn das arme Landvolk des Abends 





nach Haufe fommt, und fein durftihes Abendeffen genoſſen bat, 
fol man es mit dem neuen Moferiieunze sfosehl, als ‚yait des 
altem verfchemen,; meh nicht ec, eimm dalbs Stunde mis Lippem 
‚gebet martern,, ehe man ihm Die —3 — Nachtruhe vergönnet. 
in herzliches Abendgebet von zwey nnten tft mehr werth 
@16 zehn Rofenkraͤnze, Sep denen das imhde Seſinde Dem Kerl 


Wenter und einſchbaft. 5 








\ 


No. 39. Heideldergifde 1811: 
Jahrbücher der Literatun 


üAAA 


* 





nee 


Hochfindthiger Unterricht im Code Napoleon für alle Stände. Tom 
Hszufratbh Dabelow. we 1811. Bo Biete und Comp; 
: 88 9 


SR iniite Schriften zum zora eines allgemeinen Kechtduns 
terrichtes für Jedermann baden noch nie etwas gefsuchtet: Demi: 
das Publicum, dem fie beſtimmt And, finder num einmal durch⸗! 
aus fein Intereſſe daran; es begreift das Wenigfte, vergißt 
gar zu leicht das Uebrige, und kann am Ende das Erlernte zu’ 
nichts gebrauchen. Denn für die Anwendung genägen under. 
ſtimmte, oberflaͤchliche Rechtsjäge nit: Nur die vollſtandige, 
genaue Entwickelung rechtlicher Beflimmungen ann: für dad 
wirkliche Leben Mugen haben. Schon oft genug ift dieß geſagt. 
Als wir daher die vorliegende Schrift zur Dans nahmen, hoff! 
sen. wir, dem Merf. werde es nicht wieder darum zu hun 
geweſen ſeyn, eine Reihe non Boden mit ſeichten Sachen 
eiligſt auszufuͤllen, ſondern ſein Beſtreben werde wenigſtens 
dahin gegangen ſeyn, nur die wichtigſten, ſofort für’ die Ein⸗ 
richtung der Handlungen des Unterthanen bedejtenden Eigen⸗ 
thuͤmlichteiten des C. N. heraus zu Heben, um ſeine Mitbuͤrger 
gegen Schaden zu warnen. Abel nie hat uns eine Hoffnung 
mehr getaͤuſcht. Der Verf. lisfert. uns hierin 374 -Paragranfen 
einen .feihten Auszug aus allen Titeln des Geſetzunchs, gaͤnzlich 
unbekuͤmmert, 95 ein Rechtsſatz nen und poſitiv, oder alt und’ 
son ſelbſt einleuchtend if. Das Schwierige wird häufig kurz 
nnd unbeſtimmt, das Leichte dagegen, weiches ganz. verſchwie⸗ 
gen werden konnte, recht breit und ausführlich bargeſteint. Bi. 
swollen nur einige Beyſpiele ausheben. Die [chwierigt, fo 
gänzlie umgeihaffene Lehre vom Beſitz charakteriſirt Br. Di. 
in $. 228 fo: „wer im Befig einer Sache, oder tines Rechts 
| | og oo 





640 Dabelow doͤchſt näthiger. Huyerricht im Code Napoleon. 


fi Kefindet, kann verlangen, barin gefhägt zu werben. E⸗ 
iſt duch Niemand erlaudt, ihn eigenmaͤchtig daraus zu vertrei 
ben.“ Das if alles. Dagegen wird allen Ständen in $. 21 
doppelt fo ausführlich ein hoͤchſt noͤthiger Unzerricht darüber 
gegeben, daB Ehegatten einander zue Treue, zur Huͤlfe und 
zum Beyſtand verpflichtet. And; daß ber Mann. die. Frau be 
ſchuoͤtzen, fie bey fi wohnen laffen, und Ihe landesmäfigen 
Unterhalt geben. muß; daß fle dagegen verbunden if, ihm 
Gehorſam zu leiflen, und an jeden Drt zu folgen, wo er fein 
Wohnung aufzuſchlagen für gerathen findet, u. ſ. w. — Eis 
Apnlihes Beyſpiel „gibt die Lehre von der Bindication beweg 
licher Sachen. Daräser it in 6.155 nur der Art. 20279 an 
geführt, aber die hoͤchſtwichtige Beichräntung des Art. acdı, 
welchs Jedermann intereſſirt, gänzlich wergefien. - Dagegen ev 
zaͤhlt dee Werk; in 6 an7 recht erufich, „man kann auch feinen 
Verordnungen, Bedingungen hinzufügen z. B. wenn San 
Gretchen heuraihet, fol ex mein Vermögen Habe.“ — Dem, 
vor allem wichtigen Capitel von den vertragemäßigen Güter 
rechten Her Eheganten, der Brautgabe und der: Paraphermalie 
it in $. guß nur eine. halbe Deite gewidmet, wo mit ein: 
„und andra docgleichen Nerfügungen“ gar vieles abgefanden 
mird. Dennech hat der Werf. in: a65 eben fonts! Piatz gr 
Braucht, uns die, fi von ſelbſt verſtehenden Begriffe eint 
aufichteben den und aufiaſenden Bebingung oberflächlich. zu fe 
fünmen, und durd Die Vepfptele zu erläutern: es fen ſuspenſie, 
fofern es heiße: wenn ca fünftigen erſten December ſchneiet, 
vefolutio aber, wenn man 4. B. fage: ich verfaufe bir da 
Haus, wenn bu aber in einem Jahr ein anderes erbſt, fol «dt 
an mich wieder zuruͤckfallen. — Am auffallendſten ift aber is 
Verfahren des BVerf. in 9. 549— 565, wo vom Pfandreqht 
und von Privilegien Die Rede ik. Hier wäre, nach dem Plan 
dieſer Schrift durchaus erforderlich geweſen, daß Ar. D. da 
Neue recht ſcharf charakteriſirt, und deſſen Folgen kurz entwil 
keit haͤtte. Aber nur das Gemeinſte wird unbeſtimmt hinge 
worfen. Daß es bedeutende Hypotheken gibt, welche der Je 








⸗ 


Dabelow hoͤchſt noͤthiger Unterricht im Tode Napeleon. 611 


ſcription nicht bedürfen, erſaͤhrt man nirgond. Eben fo wenig, 
in wiefern die Privilegien zu inferikiren ind. Ja fogar: von 
den: Drigilegien find nur bie, in Act. a1183 erwähnten aufges 
zähle, die im Art. Sıo0R. 42104 genaunten dagegen durchaus 
vergeſſen. Uad doch Hat ih der Verf. an andern Drten 
($. agb. 393. 335.) dazu. verfiehen können, allen Staͤnden 
recht ausführlich zu referiren, daß der Pachter das Vachtgeld 
zur beſtimmten Zeit: zahlen muͤſſe; daß der Der⸗oßtar ihm ans 
vertraute verſchlofſene Kaſten nicht and Neugier erbrechen dürfe, 
od, dab daraus ein Vollmachtsvertrag entſtehe, wenn jemand 
einen Andarn Vollmacht ertheile, in feinem Namen etwas zu 
thun, ‚und diefer bie ersheilte Vollmacht annehme 
- Mächte aber. dieß alles noch hingehen, wenn; nur nicht Bis 
gang; Sqhriſt van ſchielen, halbwahren Sägen, und groben 
Schuitzern fo durch und ducch winiwiche: Die Sache grenzt 
bier an das Ungfaubliches und daher wollen wir denn mehrere 
Proben eben. Gleich im S. 4 Heißt es: „ıan kann Id 
nur wir doch in Anſehung ber buͤrgerlichen Recher Für 
geachtet, nämlich wenn man zu einer Tabesſtrafe, oder zu 
eines Lobenswierbgen Kinfperrung, Arbeit, odet 
NBerbanuung verurteilt worden if.“ Welanatiu 
ſagt der Hot, au in. Anfemag. aller, nicht den natärkichen To 
enshalsendag Cisrefen -fün den zweifelhaften Ball grade Dad 
Mezenthe. Mit ſch helbſt in offenbar ein Widerſpruch if der 
Veyf⸗ wen er ya ſchraibe: „es gehöre zus Bütergemeinfhaft 
ale während ber She. gwarbenen Immobilien: .Spmmobiiien 
Dagsaen ‚: wolche Wie Eherahtein mie. in:bie. he Bringen, oder 
welch ihnen hinterher darch Erbſchaft, oder auf. attBre 
MWornſe anheim fallen, find nicht in der: Guͤtergemeinſchaft ba 
griffen. Dee» Satz des 9 .Iı, daß alle, mährend der Güter 
greinſchaft von der Frau gemachten Schulden auf sic GSi 





gergemeinfchaft fallen, iR ganz gegen Art. 2409. 14a2: 1419, - 


— Nach der Baffung ‚des $. 84 find. die Kinder oſſenbar ber 
Mutter Seine Ehrfurcht ſchuaig, fo ange der Water bebi. Denn 
Ber Verf. ſagt ja, - daß fo-iange der Water lebe, via Marter 





619 Dabelow hoͤchſt nothiger Unterricht im Code Napoleon. 


feine väterliche Gewalt babe, und feßt dann Hinzu: „bie Älter 
liche Gewalt begreift 4) das Nee von. den Kindern Achtung 
und Chrerbiening gu fordern.“ In 6. 152 wird Yan ierig 
gelehrt, daß des tedlihe VBefiger nur nothig Habe, „die ned 
vorhandenen Fraͤchte, und die Gelder zu reſtitniren, welche er 
dafür eingehoben Habe.“ Der Artı 549 gibt ihm vielmehe 
allgemein die noch vorhandenen Fruͤchte. Eben fo wird ber 
Berfaffer durch den klaren. Buchſtaben des Seſetzbuche zur 
Hälfte widerlegt, wenn er 6. 285 diefe Belehrung gibt: „and 


duch die Werjährung "kann eine Dienfidarkeie erworben wen 


den , ‚nämlich, . wenn man ſich dreyßig Jahre hindurch one 
Widerſpruch Des Andern eines Rechts als eine Grundgerechtig⸗ 
keit bedient hat.“ Haͤtte Hr. D. den Art. 690. 691 nur noeh 
einmal geleſen, fo wärde er aefägt: Haben: in der Regel wen 
ben Realfervitusen durch‘ keine Verjaͤhrung erworben, ausge 
nemmen in dem .feltenen Fall, wenn Ne fortlaufend And de 

Befind. — Ganz unerhoͤrte Dinge tommen aber in 6- 106 
vbr. Himmels Ser Verf. zueufi idie Behauptung anf, daß 
vollbärtige mis hatbbäctige: Geſchwoiſtar ein völlig: gleiches 
Erbrecht hätten, welches denk auch durch ein Schema erfänter 
wird. Leider ſagen aber :Arti 953.: 6a mit klaren Worten 
das Gegentcheil, nämlich daß die vebuüͤrtigen in beyden Linien, 
His halbbaͤrtigen aber nur in det Alten erden, dd daß die 
erfien, dahen im. 'der Concurrenz -milt--den legten immer ein 
Hälfte als Weraıs schalten. Eben fo arg if. Die: fſornere Be 
Baupsung: „wenn aber einer von’; den Eitern am Beben if, 
fo wird bie: Erbichaft: In zw Hälften getheilt; wovon. Bie eine 
Haͤlfte an den Aeberlebenden der Eltern; und die aridre Bälle 
au die Aſcendenten und Seltenvertvandten des Werftorbenn 
- fälle Diefe andre Hälfte fälle wieder gar Halfte 
an die Afeendenten und zur Bälfte aaf-dbie Seit 
teuverwandten. Ein hinzugefügtes Beyſpick zeigt, daf 
dieß alles Lein Schreibfehler war. Der Verf: leſe alſo nd 
einmal Are. 746. 755, um ſich zu uͤberzeugen, daß die Aſcen 
beuten sis die Seitenverwandten ihrer Linie anusſchließen 











Denele uͤber die Verlcholenen. 613 


Noch tonnten wir aus 6. ae. 34. 95. 238. ↄ60 und andern 
Stellen viel Falfches enführen. Allein wie’ begnügen ums, 
zum Beſchluß nur no aus $. 265 diefe Lehre des. Verf. aus 
zuheben: „ift (bey einer alternativen Verbindlichkeit) die eine 
Sache durch Schuld des Schuldners untergegangen, fo kanun 
der Glaͤubiger ihren Werth fordern, und braucht nicht: mit des 
Leitung der andern zufricden zu fenn.“ - Daß für-den gewoͤhn⸗ 
lichen Fall, naͤmlich wenn der Schuldner die Wahl hat, grade 
das Umgekehrte gilt, iſt in Art. 1195 deutlich verordnet 
Hätte Ar. D. fih nur Zeit genommen; feinen eignen 
Eommentar mit Bedacht zu lefen, fo würde er mandjes von 
diefen und andern Fehlern vermieden haben. Aber wozu hatte 
der Verf. bey diefer Schrift Zeit? Dichte einmal für. die Rein⸗ 
heit der Sprache iſt darin geforge, obgleich dieß doch bey einem 
populären Unterricht die erſte Bedingung war. Die ganze 
Schrift ſtrotzt von Latinismen, 3. B. Confens, confentiren; 
Proclamation, autorifiren, Mobilien, Immobilien, Alimente, 
alimentiren, Concurrenz, Pupill, privatim, Eonceffion, Qua⸗ 
litat, Quantität, Bonitaͤt, legitime Deſcendenten, Pediren, 
disponiren, Collateralen, notoriſch, Disponent u. ſ. w. Auch 
darüber ließe ſich nach allerley ſagen, daß der Verf., indem eu 
oft Die Gründe. des Geſetzes aufuͤhrt, dennoch gewoͤhnlich bey 
den wichtigen Fällen (4. ©. $. 33. 215) darüber. ſchweigt, 
und mit großer Kühnheit als ausgemachte Wahrheit hinſtellt, 
was durchaus zweifelhaft if: (3. B. $. 21. 68. 68). - Allein da 
Die ganze Schrift fchon in den Hauptruͤckſichten als Ideal dep 
Schlechten gelten kann, fo brauchen wir’ unferm unbedingten 
Verdammungeurtheit keine Gruͤnde hinzujufugen. 





RER. —— 


Ueber die Verschollenen, ader über die Abwesenheit nach 
dem Code Napoleon: vorzüglich für Westphalen , vom - 
Dr. G. F: Deneke, Tribunalrichter in Celle. IIanno- 

? ver, bey den Gebr. Hahn. 1810. 163 @. 8. 


Der Verf. hat den Gegenſtand - feiner Schrift mit Geiſt 
und Gachkenntniß behandelt, doch iſt freylich die Form ſeiner 


J 








614 J, Birnbaum Jurisprud. de lacour d’appel de Treves. 


Arbeit nicht fo fcharf und beſtimmt ale Brolmans Dar 
Beflung, auch die Entwicklung oft bey weitem nicht fo erſchl⸗ 
Herd und eindringend. Haͤtte der Werf. nicht erſt mach Boll 
enbung des Tertes ſeiner Abhandlung Brolmans Kommentar 
befommen (welcher daher nur in den Dioten benutzt if), fe 
wärde er gewiß manches auf andre Art geftellt Haben. Im 
&angen wird jeder den Hauptideen des Verf. beypflichten, ober 
wenigſtens befennen müßten, daß fie wichtige Gründe, ode 
Auctoriekten für fi Haben. Wo etwas Irriges vorkommt, 
wie ©. 58, wo in Anfehung der, den proviferifch Immittir 
tem zufallenden Revennen die Defcendenten den Geitenvermand: 
ven entgegengefegt werben, ba ſcheint nur ein Schreibfehler 
fintt gefunden zu baten. Indeß können wir die vorliegende 
Höhandiung nicht fuͤr vollendet erfiären. Denn manche, ſey eß 
auch nud in Anfehung irriger Theorieen, bedentende Schriften, 
wie z. B. Prondhons Handbuch, find vom Verf. nicht benatt, 
auch hat eu manche wichtihe Fragen fo gut wie ganz umgangen 
2 ©. in.wiefern Art. xsı durch Art. 117 zu befchränten if; | 
in wiehlgp man die, proviſoriſch, oder deſinitiv Jmmittirten in 
Betreff der Schuiden als Erben behandeln kann und wie mas 

es hatten ſoll, wenn einer der Immittirten naher bloß ent: 
fagt? Obgieich der Styl’ter Schrift im Ganzen gut iſt, fe 
kommen doch da und dort manche Latinismen vor, weiche fid 
ſelbſt alte Praktiker nicht mehr zu erlauben pflegen, z. ©. 
©. B: ein kluger und integrer Rihter, und ©. 100: de 
Event. Ä 





— 
* - 


‚Jurisprudenee de la cour d’appel de Treves, et des tribunau 
de son ressort, sur le nouveau droit et la nouvelle pro- 

. cedure, en matiere civile et de commerce; par J. Birn- 
baum, Juge en ladite cour. Premier Volume. No. I. 
Octobre 1810, Treves, impr, de Hetzrodt. 96 6. 8 


Bey der befontern Beſchaffenheit des Neufranzbſiſches 
Nechts erhalten Die Entſcheldungen der Gerichte ganz vorzäe 


IN: 





Wagner Mathematiſche Philoſophie. 615 


liche Wichtigkeit, und es wäre ſehr zu wunſchen, daß bie be⸗ 


deutendſten Urtheilsſpruͤche aller Franzoͤſiſchen Obergerichte be⸗ 


kannt gemacht werden moͤchten. Der wuͤrdige Herausgeber de 
vorliegenden Journals, wovon jährlich vier Hefte erfcheinen 
ſollen, Hat ſich im Wefentlichen auf ben Appellationshof zu Teier, 
und die demſelben untergebenen Gerichte befchränkt, doch follen 


nach einer beygefügten Ankündigung in diefe Zeitichrift auch 
aufgenommen werben: kaiſerliche Decrete Über die Gerichtsver⸗ 


foffung , Cieculare der Juſtizminiſters und der kaiferlichen 
Procuratoren, und wichtige Entfcheidungen des Caſſationshofes. 
Diefes erſte Heft, deffen Ericheinung zur angefünbigten Zeit 


durch Zufähle verhindert ward, liefert ſchon eine Neihe recht 


interefjanter und lehrreicher Artikel, welche wir aber wegen ihrer 
Mannigfaltigkeit nicht im Auszuge mittheifen und beurtheilen 
können. Hecht lebhaft wuͤnſchen wir die regelmäßige Fortfehung- 
dieſer Zeitfchrift, Hefonders wenn der Herausgeber fih bemüht, 
die Reſultate und Gründe noch concentrirter zu referiren, und 
fih dadurch zur Reichhaltigkeit und Vollftändigkeit die Mittel 
gu verfheffen. Deswegen wuͤnſchen wie denn auch, daß alles. 
weggelaſſen werden möge, was fi nicht andfchließlich auf die 
Trierſchen Gerichte bezieht. Demn alles, was nicht dahin ge⸗ 
Hört, muß man ja ſchon In andern Gchriften zehnmal leſen, 
und der Herausgeber kann unmöglich für irgend etwas anders 
Platz behalten, wenn er fein, uns fehr angenehmes Verfprechen 
erfüllen, und nah und nach alle Entfheidungen des Trierſchen 
Appellationshofes, von deſſen Anfang an, liefern will. 





Mathematiſche Philsſophie. Bon Fohann Zakob Wagner. Er⸗ 


langen bey Johann gakob valm. 1811. XII u. 4338 G. 8. 


Wir beſchraͤnken uns nach den Geſetzen unfers Inſtituts, 
weil der Verf. dieſer Schrift ſich im Inlande aufhaͤlt, auf eine 
bloße Inhaltsangeige derfelden, mit Aushebung einzelner Stel⸗ 
ken, ohne kritiſche Beurtheilung hinzuzuthun. Der Verf: fagt 
in. der Vorrede:. Mit der Aufidfung der Phitefophie in Ma 


, Y 


un} 





— 


616 Wagner Mathematiſche Vhiloſophie. 
thematik iſt Eines gethan, naͤmlich die Reflexion zu ben Iden 


emporgehoben, indeß die Metaphyſik die Ideen gu ber unvell 
‚endeten Reflexion herabzogz ein andres if noch Abrig, um 


zwar das letzte, die Mathematik als urfprängtiche Meflerion, 
d. 5. alse Sprache zu zeigen. Daher hat bes vorliegen 
Buch zwey Thaile, deren erfler, wenn man will, eine puthw 





gorifhe Mathematik enthält, der zweyte aber, Organon Aben | 


fchrieben, Die Mathematik in Sprache verwandelt. Jener ext 
Theil hebt demnach das, was jetzt noch für Mathematik gu 


achtet wird, anf; der zweyte hingegen begruͤndet eine Zukunft, 
in weicher die Sprache feld Mathematik und überhaupt Alles 


ſeyn wird, Der Verf, glaubt, dab vorliegendes Werl ein 


Mevolu:tion anf dem Gebiete der Erkenntniß bewirken werde, 
bey welcher die gegenwärtige Geſtalt der Wiffenfchaften nidt 
mehr beſtehen kann. Die alten wiſſenſchaftlichen Formen ſeyen 
eben fo reif zur Zerträmmerung, als es die polisifchen waren. 
Könftig muß es keine audre Wiſſenſchaft geben als Sprache 

I. Mathematik. Jedes Ding fegt feinen Begriff in eine 
Entwicklung von Zahlen aljo in einer Formel, feine Aufchauum 
oder Realität aber in Linien. Dieie Wahrheit gilt auch von dem 
fihtbaren Univerſum ſelbſt. Begriff und Anfhauung werde 


durch das ewige Lehen bes Univerſums in unendlich vielen Verhaͤlt 


niffen geſpielt, welche Verhaͤltniſſe aber fämmtlih aufzwen Forma 


zuruͤckgehen, nämlid 1) den Aberwiegenden Begriff — Zeit | 
) die überwiegende Anfhaunng — Raum. Welche Formils 
‚ als Zahlen ber Begriff bilde, iſt Object der Arithmetik, melde 


Srängen als Ziguren der Anſchauung entfliehen, it Object der 


Geometrie; beydes ift Diathematil. In der Mathematik wir 
die Urſprache des Geiſtes wieder hervorgehoben, und Die indi 


viduelle Sprache der Redeorgane zuruͤckgedraͤngt. 


IL Arithmetik. Im Zwieſpalt bezeichnet die Intell⸗ 


oem Momense des Seyne ſchauend — fir zähle. — Dei 


gigene Seyn mit Erkenniniß betaſtend ſetzt die endliche Iu 


gelligen, etwas, das iſt die Einheit. Die urſpruͤngliche Ein 


‚heit If die Welt; fie iſt folglich aug erſte Bedentung Her erſer 
j \ 





“ Wagner. Mathematiſche Philbſophie. sr 


Zahl. Wie aber die Welt ſelbſt aus dem Schaffen hervorgeht, 
fo fegt fih in ihr das Schaffen als Production fort, gebuns 
den an die Erfcheinung des. Gegenſatzes in dem Gefenten. Die 
untergeordneten Einheiten unter der Form des Gegenſatzes, 
welche die Dyas if, find nothwendig zwey. — Da in den 
Entgegengefegten zugleich auch an ſich gelegt wird, fo find die 
Glieder des Gegenſatzes zugleich auch wahre Einheiten, in 
welchen wieder nene Gegenſaͤtze geſetzt werden können.  Dieß 
erſcheint in der lebendigen Welt darin, daß jedes Eins in Pole 
zerfälle, und jeder Pol ſeibſt wieder Einheit für eine neue 
Polarität ‚werden kann. Hierin liegt das Weſen der Bruͤche. 
Ein Bruch iR nichts, als die erſte Einheit in ihren Gegenfägen 
verfchwindend ,„ und der fogenannte Nenner ifl eigentlich der 
Bruch ſelbſt. Zähler der Brüche. find alle empiriſch. — Zah⸗ 
fen find - Worten gleich, denn Sprache tft: bloß Elimatifch. und 
national gewordene Arithmetik. So find denn alle Worte and 
als Bruͤche zu achten, in welchen die erfte Einheit untergegans 
gen iſt, aber ala ihr gemeinfchaftficher Zähler wieder hervor⸗ 
gerufen werben kann. Als ganze Zahlen erfcheinen die. Worte 
in: ihrer fubflantiven Form — als wahre Brüche mit einem 
emptrifchen Zähler in allen Lirtheilen. — Wird die Eins mit 
der Zwey gefegt, fo iſt auch ſchon Die Trias gegeben , oder die 
Zeugung. Es wird nämlid in der Trias die Einheit geſetzt, 
wie fie zugleih im Geſchlecht lebt, alio Dreyeinigkeit ift. Aber 
in. der Dreyeinigkeit ift das Geſchlecht noch in der Einheit ent⸗ 
Halten, fie if daher in weiter Hinſicht Hermaphrodit. Trimurti 
und die ältelen Götter. — Die Dyas ift in fi) vollendet, und 
Bedarf Heiner Ergänzung, dagegen die: Trias über die Ganzheit 
Hinausgeht, ohne doch in ſich felbft die Ergägzung zu finden. 
Dies iſt das Derhältniß des Geraden und Ungeraden, 
Der Begriff. dee Geſchlechter und überhaupt aller Differenz. — 
Wenn das Gerade dr Ungerade noch einmal in fi aufnimmt, 
fo entſteht die Vier. In. der. Vier iſt die Idee einer Potenz 
geſetzt. Die Gleichheit der Form mit dem Inhalt iſt dag Weien 
einer -Poteng.. — Durch die Bier iſt das Geſchlecht zur Indie 





> 


618 | Waguer Mathematiſche Wiloſorhie. 


dualitat gelommen. Aber die Drey hat noch keine Vefrkdis 
gung, weil fie ihre Poseng noch nicht erreicht hat. Sie treibt 
daher Aber die Vier hinaus, His auch fie ihre Potenz findet, 
mad dieß IM in der lebendigen Welt die Zensung. Hat das 
Geſchlecht in der Begattung, weiche das Ebenbild der “Pot; 
iſt, feine Befriedigung, fo treibt das Ungerade im der Begat 
tung noch Aber dieſelbe hinans, und wird gengemd. — Die 
Fünf iR thells Die natürliche Syntheſe der Zwey mb der 
Drey, theils iR fie die Vier mit der Eins, und letztere Su 
deutung ift in ihr Kberwiegend, wie 3. B. in der menſchlichen 
Hand zuerfi der Daumen gefeht ift als Fingeranlage ud Grund 
form (wie bey den Pflanzen die Blattanfäge, stipulae). hr 
Bedeutung als 3 + 2 if ohne Innern Werth. — Die Be 
deutung der Sechſe als 4 + 2 hat die Natur in den Terra 
dunamwifien unter ben Pflanzen beſtimmt ausgeſprochen. Hier 
esfcheint nämlich die 4 als einzig Weſentliche und Lebendige, 
De hinzugekommene Zwey aber als unreif, oder als ſinkende 
Lebenskraft. — Weiter fortſchreitend eutwidelt das Zahlen 
(ofen die 4 + 3, die alte Beitige Sieben, in welcher fein 
Charakter des ſelbſtſtaͤndigen und beftchenden if, fie kann bie 
als Graͤnze proportionaler Abſchnitte eines Ganzen (3. B. el 
Wiertheil des Mondlaufs) bedentend erfcheinen. - Weber in det 
mineralifchen, noch In der vegetabiliſchen Weit iſt fie frequem. 
— Sn der g iſt die Zahl des vollendeten Werdens (g. Momait 
trägt die menſchliche Mutter), in ber 4 die Zahl des vollendete 
Beſtehens (4 Pole) gegeben. Die Drey mal Drey Herricen 
anf gleicher Stufe mit der ewigen Vier, auf weicher die feht 
Belt ruht. Aber die 4 geht ber 9 voran, und Degräsber fe: 
Dadurch wird die Vierzahl die aliherrfchende für alles, wei 
Aber die Urzahlen hinausgeht, und die Rinder der Trias mäflın 
ihr als der. Erſtgebornen gehordhen. he ſtud at 16 
und 54 Bı die Graͤtzzjahlen aller Dinge. _(Bavofler fan) 
die fogenannten Beſtandtheile des Waffers: 10 und 85. Solu 
vieleicht ein Irrthum ihn ‚gehindert haben, fie als 16 und dı 
gu finden?) — Die natürliche Otelle der Nu iſt da, wo I 





Wagner Nathematiſche Philoſophie. 61% 
| . ı 

erfie Wiederholung beginnt, alfo am der Steletr 4:2 3 

0. 
in welchem Schema zugleich alle Erkenntniß der Welt und der 
Zahlen abgebildet iſt. Iſt die Eins das Namenlofe Erfte, das 
Goͤttliche vor feiner Offenbarung ; fo iſt die Null das entwik⸗ 
kelte AU (Pan), zwiſchen Eine und AU aber liege die Zeit. — 
Zwiſchen die Bottheit und das AU if als fortfchreitendes Leben 
die Geſchichte, ats ruͤckſchreitendes bie Natur gelegt, denn in 
der Geſchichte iſt die Offenbarung des Lebens, in der Natur 
aber, welche das allgemeine Grab tft, fein Tod. — Das 
Weibliche iR tiefer und reicher, das Maͤnnliche höher und aͤrmer. 
JR nun bie S unter den Dingen, melde Geſchlecht haben, 
das Matterliche, und iR eben das Weibliche dem Urwefen näher, 
fo erhält das Wort, daß 2=ı fey, eine hohe Bedeutung. 
— Das Werhältniß von a und 3, oder 3 und-@ in unterges 
ordneren Zahlen bis auf einen durch willkuͤhrliche Reflerion gu 
befiimmenden Punet durchführen, beißt ad diren und ſub— 
trahiren. Das Verhälmiß von Eins und Null, oder Null 
und Eins im abgeleiteten Zahlen wiederhohlen, heißt multis 
pliciren und dividiren. Die Potenz iſt Subjects Object, 
die Wurzel eine Wonabe, d. h. ein Punct individuellen Lebens, 
der im füch eine Toralitäe Hat, die mur der Entwicklung bedarf. 
Eine folche Monade Heißt im Ideellen eine Idee, im O6fkti 
ven eine Sphäre, In beyden Seele. Uebrigens gibt es nur 
Eine Wurzel = 1, und nur Eine Poten; == o, alle Wurzeln 
und Potenzen aber find Nachbildungen von beyden, und das 
Nachbildende heißt Leben. — Es iſt Mar, daß dur Zählen, 
Addiren, Multipliciren und Potenziven für das Subject die 
Stufen der Empfindung, Worftellung, bes Begriffes und der 
Idee bezeichnet ſeyn. — Behalten die Zahlen den Punct im 
Auge, von dem fie ausgegangen find, oder dem fie fi nähern, 
fo entfieht ihnen Erde. Die Größe zweyer Zahlen in Vers 
gleichung geſetzt, Heiße Verhaͤltniß, diefes iſt entweder ein 
einfach, aruͤhmetiſch, oder Durch Verdopplungen geometriſch 


X 





620 Bagner Mathematifche Phitefophie. 


reitendes. — jede Propsrtion ik fon eine Reke, ui 
ihre Verlängerung ift zufällig. Bär jede Reihe gilt das Sch 
der Boltaifhen Saͤule, daß die ganze Reihe daſſelbe barfch, 
was bie einzelnen Verhaltniſſe in derſelben. Jede Re # 
eine Voltaiſche Säule. — Die Regel de Tri in der allgemeinßu 
Bedeutung beißt: alle Frucht iſt im Verhaͤleniß des Entwik 
lungsproceſſes und des Samens. — Der Raum if das Dw 
drat der Zeit, wenn er die abfelute grade fortſchreitende Luk 
aufhaͤlt, fo verflattet er dagegen bie zur Seite ausweichenb 
relative Linie, oder die Breite. KWermöge dieſes quadratiſqu 
Berhaͤltniſſes des Raumes zu ber Zeit geſchieht es, daß die Klum, 
welche ein fallender Körper durchlaͤuft, ſich wie die Auadıeı 
der Zeiten verhalten. An ſich würde ber fallende oͤrver ii 
die Zeit, alfe die Linie durchlaufen; die zweyte dem Aus 
eigene Dimenfion durchläuft er durch Quadrirung ber erſu 
Denn der Raum das Quadrat ber Zeit iſt, fo /iſt die Zeit fen 
Wurzel. Eben fo ift das Licht die Wurzel der Materie. — &H 
Har, daß Raum und Zeit bie erfien Logarithmen ſeyn, und daß de 
Erkenntniß der Dinge nur dur eine Logarithiuentafel vollende 
iR. Eine Logarithmentafel ik ein Nealteriton. Der Logarithme gh 
in bas Symbol über, wenn von deu beyden parallelen Reini 
eine iunerlich, die andere Außerlich genommen wird. Das Innen 
‚Weiße P, das Außere L, fo wird alles P repsäfentirt und (im 
Seltfire durch ein L. Man fege nun P daswfhetlie, L ul 
die irdiſchen Dinge, fo Bat man bie Myſtik. — Zum 
Befländigen. Größen ber afgebraifchen Functionen das algıma 
Baſiſche, in den veränderlichen-aber das allgemein, formale Priech 
abgebildet, fo iſt die hoͤchſte und allgemeinfte phyſiſche Gelw 
tung ber Functionen gegeben, durch den Verbrennungeprnt 
Es Heißen die hydrogenen Bafen 2, b, c, der. Ganerkoii ® 
fo find ax, bx, cx Producte des Verbrennungéproceſſes. 
Bas im ohyſiſchen Verbrennungsproceß iſt, iſt im ideelen @ 
kenntniß. Das baſiſche Talent IR Genie, das formale La 
— Differenziren Heißt in abfoluter Bedeutung des goͤttkhe 
Weſens Schaffen, in reſativ ideeler Denen, in wi 





‚Wagner Dathematifche Philoſophie. 621 


realer Zengungsact, in umiverfaler der erfchaffenen Belt: 
produciren überhaupt. Das Integriren gibt für jene vier 
Stufen Vernichtung, Gefühl, Tod und Palingenefie, wobey 
Gott, Seele, - Seſchlecht und Leben als Integrale gefunden 
werden. an 

IIE, Seometeie, Fuͤr den Kaum beißt das Eins Punct, 
das AU Kreis. Seyde find abſolut. — Der Kreis mit dem: 
Mittelpunct iſt räumliches Urbitd des Eins und der Welt, wie 
in der Arithmetik die Eins und die Null. — Die Linie muls 
tiplicirt gibt das Kreuz, in weichem die quadratiſche Natur 
des Raumes erſcheint. In der alten Hieroglyphe des Kreuzes 


1 
im Kreis erölicen wir das aichmaiſte Eaema Q 3, und 
© 


fomit den. 1 Inbegriff aller Ertenntnif. — Gegenſat und Winkel 


find Synenpme, und die, Bedeutung des Winkels die allge⸗ 


meinſte Mailtiplication “und Potenzirung. Eine Definition 


für den Kreis iſt: der Kreis iſt eine Linie, welche vier rechte 


um einen Punct gelegte Winkel eines gleiharmigten Kreuzes 
umſchließt. — Cine Multiplication des Raumes mit der Zeit 


ſetzt für jede Totalitaͤt die Yphärkiche Geſtalt in Kreisbewegung· 


Fuͤr die phoͤſiſche Natur iſt dieß durch Weltkoͤrper realiſirt; fuͤr 
‚die ideelle Macur aber, weicha im Puncte iſt, iſt dieß gegeben 


durch eine Reflexlon, weiche: Re in' den Punct wieder ‘zurück 
kehrt - Diefe Neflerion heiße Nr (fgion. — Sehne und Bogen, 
find- diefsthe ‚Linie, aber fle find in der Gefchlechtsöiffereng, 
‚befangen: Dr Sehne iſt daſſelbe unter weiblicher Form, was 
dei Bogen unter maͤnnlicher. Die Sehne mit vem Bögen iſt | 
—1 Hieroglyphe der Pegattung, oder vielmehr der. 
Ehe. — Die ‚allgemeine Bedentung des. Dreyecks iR Endlichkeit 


| die nat 


ats Summe. von Relationen, und war iſt das Drayet die erfte 
und ‚einfache Summe, ‚Daher iſt es die erſte Kryſtallform 


der und für die deelle Reflexion iſt es der Mo⸗ üedrige 


Syllogkoͤnus ats’ Enſeinble — Definitien. — Ein Kreuz aus 
den beyben Diagonalen In Quͤadrates verbindet das Rechts 


} 


{ 





622 Dagner Mathematiſche Philoſophie. 


aben mit dem links unten und umgekehrt iſt alfe- das nat 
liche Multiplicationszeichen. Diefes Multipficationstreug en 
fcheine überall, wo die vier Meflerionspuncte miteinander muß 
tipkisiet werden, 3. B. in dem ang der vierfaßigen Thiere, 
we die Segenfäne des. Vordern und Hintere, Rechten umd 
Linfen durch Bewegung nnd Stellung multtplicire werden. — 
—_ Das Biere if dert Kubus der Spndifferenzlinie. — Die 
GSaͤtze von den Parallellinien, von den drey Winkern im Dreyd, 
von dem Hypothenuſenquadrat und von dem Burpäliniß de 
Gensriwintel zu den Peripheriswinkein find Srunbfäge de 
gemeinen Geometrie. Der Sinn des trigonometrifchen Linien 
foftems ift der Dinchgang der Zeit durch die Pole des Ranut, 
der ewige Thierkreis und die Ueberſetzung Der eirimlichen Dei 
in Zeitalter. — In dem Triangularbegeiff Verkehr Heißen di 
zwey Katheten Geld und Beduͤrfniß, und nach dem phufieks 
eifhen Syſtem heißt der eine Karherus nie Geld ,. fonders 
Pesdust. Das phoſtokratiſche Syſtem iR aber ntdyts. als du 
Aderbaurett ohne Geid, und es if alſo in biefers Dreyer dei 
eine Ratbeins zum Sinus geworden, der ſich mach der GSttl 
fürig des beweglichen Holbmeſſers verändert. Eben fo Habe de 
Zriongularbegriff Schickſal die Action der Gndieidunittät un 
Die Meartion- der Welt gu Katheten, fo wird, ‚ie nachdem de 
nmiaufende Halbmeſſer (die Zeit) ſteht, die Agion Bes Indi 
viduums ſteigen, oder ſinken, alſo wird aͤuch bier der eim 
Ratherns durch die Zeit zum veränderlihen EMmus: denn e 
gibt Zeitalter, in ‚weichen ſich die Individ ualitat ein Schiei 
macht (das Bauftrecht), und andere, in weichen das Indiri 
duum von den Umftänden entweder bloß getragen, weder je 
treten wird (Cuiturzeit). — Wo Leben fih regt, erfäfeinn 
die endlichen Zormen verſchwindend, und da u ich Be: 
f@roinden die: Yefimmeheia; ber relativen Bensufätge ‚narwildt 
wird, fo fallen. alle Formen des fren werdenden. oder befreyten 
Lebens ins Krumme — fie. find Curven. — In den Eure 
beginnt das Geſchloſſene ſich zu Öffnen; wie wir es ſich aber 
dffnen werde, iſt nicht zu beſtimmen. An den Rurven: ſchweit 
das freye im zeitlichen Rhythmus, und voſlendet ſich für den 


wird ge jandelt von Kreis, Ellipſe, Parabel, Hyperbel, loss 
rithmiſcher Linie, Ciſſoide, Cenchoeide, Spirallinie, Cpflait. 
IV, Otganon. A. Lexikon oder Tapitk. Re 


jetzt iſt das J 
Natur iſt tnatur. Anfangs war alles ſubjeettve 





movon noch in dem magnetifchen Repppri ein: Nadiie ac 
iſt; al⸗ aber. ſubjective und objesting Welt ſich tiefer nieder: 








Wagner Mathematiſche Philoſophie 623 


ſchlugen, da wurde von außen taſtbare Materie und das geiftige 
Leben ward durd Sinne von dem unmittelbaren Uebergang in 
Aeußeres zuruͤckgehalten. Ginnliche Anſchauung ift ſeitdem das 
erfte und letzte. Auch die Sprache geht von ihr aus, anf fie 
zurück. Erſte Sprache if Schrift, und wenn in der Schrift 
objective Nothwendigkeit if, Bilderſchrift. Von dieſer objectu 
ven Nothwondigkeit entbunden, wird Die Oprache Buchſtaben⸗ 
ſchrift und in noch höherer Subjectivirung Tonſſrache. — Bil⸗ 
derſchriſt · ¶ Hieroglyphe) iſt Figue, Bachſtabe iſt Zahl, Wort if 
Geiſt. — Die Höhe der Sabſretivitat laͤßt ſich an der Scheift 
und Sprachfaͤhigkeit abmeſſen.“ Wenn der Papagey ein eingi⸗ 
ges von ſeinen mechaniſch gelernten Worten recht gebrauchen 
lernt, ſa iſt dieß weit mehr, als wenn ein Tanarienvogel mit 
Schriftzeichen buchſtabirt und rechnet. Schbiſtfaͤhigkeit wohnt 
allen Thieren inne, die eine Wirbelfänle haben, und e#if fein 
Zweifel, daB man There dahin bringen. wird, einem Euler 
und Laplact nachmrehnen. — Das Dieb aller Epralie IR geo⸗ 
metriſch, mie arithmetiſch Aberfege,. und metaphoriſch gedeutet. 
Die Mesapher IR oben Bas Wort. Die Sprachen. diſſeriren 

darin, daß in ber einen mehr die Hieroglyphe herrſcht (3. B. 
Gsraͤiſch, Arabiſch) in: der andern. mehr die Zahl, beſtimmte 
Bezeichnung, Buchſtabe (3. ©. Griechiſch, Lateiniich) in noch 
andern mohr der fubisctive Begriff, oder die Metapher (z. B. 
Deuts.) — Die Hieroglyphe zerfälls in Buchſtaben, dieſe in 
Zahlen, die. Worte find Summen. Die Wiſſenſchafe Meſes 
Zahtenfiäues der: Wörter heiße ben den -Rabbinern Kabbala; 
es ift aber klar, daß Kabbala nicht etwas nationales und eigen» 
thuͤmliches, ſondern etwas ganz allgemeines fey, weiches nur 
zufäßbg bei: der Ebraͤlſchen Sprache ſich noch gerettet hat. — 
Daß die Kabbala, fo wie die. Hieroglyphe mit der Zeit geheime 
Prieſterwiſſenſchaſt wurde, iſt nothwendig, weil Die Weltge⸗ 
ſchichte ein anfaͤngliches Veogeſſen und nachheriges Wiedererin⸗ 
nern Dvr Idren in dem Menſchengeſchlechte iſt. — Der Kreis 
it Hierogiyphe des Univerſuüme, der Stern ber Schöpfung — 
Stern des Aufgangs! — Dir Kreis: mir dem Kreuz ift Hiero⸗ 
glyphe der. Weltordnung, ‚das Viereck mit dem Ara, der Zwecks 
mäßisfit; da 4 —-Vlered,.a. == Kreis, fo IM das MWerhältr 
niß 4 : 0, Viereck: Kreis Symbol der Stellverteetung. : Das 
Vieretk im’ Kreis: it Symbol der Dchoͤn heit, aber nidse Hiero⸗ 
glyphe, die Meroglyphe iſt die Wellenlinie. — Da die grade - 
Linie == 2Symbol weiblicher, die krumme == 3 Oymbol 
maͤnalicher Natur iſt, und :die Sehne mit ihren. Bogen Sym— 
bol des Gefchlechtsverhaͤltniſſez, das richtige Verhaͤltniß der 
Sehne zum Bogen aber Gleichheit mis. dem Halbineſſer, ſo 
wird das volle Myſterium der. Gelchlechter Durch dag Sechseck 





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624 Wagner Marpematifche Bhucforfge.. 


im Nreig: datgeſtelt. Dadurch entſtehen auch Tale Jehlen 
welche Bas Geſchlechts verhaͤltniß ausbrüden. Durch das Sechse 


kommt auf die weibliche Natur die 6, ale @ der zweyten Tetras; 


die S:der- gweyten Terras iR 7, alfo die 7 männlih. — "Das 
Gechseck mir den Dreyecken aus ber Verlängerung. feiner Seiten 
¶ Schild Davids) iſt bie Hieroglvphe des Gebaͤrens. Gechid 
im Kreis heiße Begattung (auch Hermaphrodit) Schild Davids 
im Kreis Familie — Da das ˖Fuͤnfeck ein unvollkommnes 
Sechseck iR, fo iR das. Fuͤnfeck mit Ben Dreyecken aus feinen 
verlängerten Seiten Hiersaluphe, des unvolllommnen Gebärens 
== Pflanze, alfo iſt Viereck Mineral, Künfe Pflanze, Scheel 
Thier. —. Da die weiblige Hieroglaphe Dorigontaltinie HR, fe 
iſt die einfache Bes männlichen Perpendikel; das Perpendickel 
auf die Horizontallinie (Tan) IR Geſchlechtsverhaͤltniß. Männs 
Uheeyms Kreis = MDerpendifel = Zelt == Halimegfer; 
Weibliheg — Morizontallinie — Raum —uMdunce — Die 
einfache Hieroglyphe des Egpptiichen Tau, welches Die Wereinis 
gung bes. männlichen Gliedes mit dem weiblidden if, und 
darum Zeugung heißt, geht demnach in Zeithisreginpge — 
Kreis mit dem Halbmeſſar unten, links, oben, vechts über, is 
denen zufammen das ganze Mäthfel.der Sphinx liegt. Gew 
nenzeiger und Phallus bleiben dabey immer nur. Eine oe. 
Weil Halbmefler — Zeit — Phallus, fo wird Pyramide und 
Dbelist Hierogipphe des Waters. — Auch. ift der Lichtſtral 
Vaker und feine Schne die Erde Mutter. — Es iſt auffallend, 
daß die Hieroglyphenreihe fuͤr die Geſchlechtsunterſchiede fo 
wortreich iſt. 

B. Heuxiſtik. Die allgemeine Weiſe wie, objectivei 
ſubjectis wird, iR Anſchauung. Das umgekehrte iſt Sprache. 
Es gibt daher fuͤr die Wiſſenſchaft zwey Probleme: a) eim 
“ Gprade zu erfinden, b) in einer Sprache zu erfinden, melde 
beyde den Inhalt der Heuriſtik ausmahen. — Läfung di 
erſten Problems. Allgemein: Man fuhe die Pole (1-und o) 
und das Geſchlecht (a. und .5). Jenes gibt Conſonanten, 


dieſes Vokale. — Loͤſung des zweyten Problems. Wen dem ' 


Weſen der Dinge ift das tetradiſche Schema das treufte Abbil. 
Dieß wird durch jedes andre Zahlenfpflem,. noch mehr durch 
Wortſprache euntſtelit; daher muß jede wiffenfchaftliche Conſten 
ction die Wortſprache durchbrechen. — Die in einer: Spradt 
möglichen Probleme reduciren fi) ‚daher auf bie doppelte Frage: 
für sin gegebenes Glied einer Terrade die noch nicht.gegebeuen: 

einer Idee, die ohne Glieder gegeben iſt, die Gueder ju 
Anden. — Hier liege die Schwierigkeit theils in der Schiefhen 
der Sprache, theils in dem Mangel an finulicher Amichanans.