Skip to main content

Full text of "Heine in Frankreich; eine litterarhistorische Untersuchung"

See other formats


SxJ^fis 


PROFESSOR  J.S.  WILL 


II 


/^^a^c^    ^^^<^^      y^ck 


veifie 


(7. 


■  i'n-  C^i^nm^^e/i 


^t^ne 


^^f'^eiui''m6^^f^U6^ede    c^m/elUe^^Äie^t 


t^ 


f)^  ßouis   S".    Setz 


•S^'ir^S" 


ZÜRICH 
Albert  Müllers  Verlag 

1895 


Alle  Rechte  vorbehalten. 


Druck  von  J.  Schabelitz  in  Zürich. 


o/fe, 


cef'/ie'm    'Z'eA-enile'^,    ,^e/f4e-> 


(^eun   qÄo/.   &i  (irSe^-riUcd  qMo^^ 


/ 


ei{if'f///f  ef. 


\l 


v 


Beide  Welten,  die  romanische  und  die  germanische,  stehen 
gleichberechtigt  nebeneinander ;  sie  sind  einander  notwendig-  wie 
zwei  Hälften,  die  sich  ergänzen.  Sich  zu  vermählen,  nicht  zu  be- 
fehden, ist  ihre  Aufgabe  ,  .  . 

Hugo  SchucJiardt,  „Romanisches  und  Keltisches". 

Rapprocher  TAllemagne  de  la  France,  tel  est  notre  but ;  et  la 
comparaison  de  la  litterature  frangalse  avec  la  litterature  allemande 
est  notre  point  de  depart. 

Louis  Bcerne,  „La  Balance",  1836. 

Ma  religion  litteraire  et  politique,  c'est  l'unite  des  lettres  et  la 
fraternite  des  peuples  modernes. 

Edgar  Quinet. 

Rester  soi-meme  et  cependant  s'unir  aux  autres,  tel  est  le 
Probleme  que  chaque  homme  a  ä  resoudre.  Tel  est  le  probleme 
aussi  de  Talliance  des  grands  peuples  de  l'occident. 

Saint-Marc  Girardin. 


Vi 


Vorwort 


Nicht  lange  ist  es  her,  da  kam  einer  jener  Pariser 
Korrespondenten,  die  jeden  Morgen  in  den  französischen 
Zeitunoen  Stoff  und  Gedanken  für  ihre  deutschen  Artikel 
sammeln,  auf  die  Idee,  den  Montmartre  zu  erklimmen 
—  ich  glaube,  es  war  am  Allerseelentag,  um  im  alten, 
stillen  Friedhofe  das  Grab  Heines  zu  besuchen.  Er  fand 
dort  als  einzigen  Grabesschmuck  einen  Kranz  aus  künst- 
lichen Blumen,  dem  der  Spender  in  naiver  Geschmack- 
losigkeit seine  Visitenkarte  beigefügt,  die  einen  charak- 
teristisch duftenden  Namen  trug.  Hieran  einige  mehr 
oder  minder  geistreiche  Witzeleien  zu  knüpfen,  schien 
dem  Journalisten  eine  günstige  Gelegenheit,  und  er 
schloss  seine  Randglossen  mit  dem  Ausdruck  des  Be- 
dauerns, dass  Heine  nicht  mehr  sein  spottendes  Lachen 
an  seinem  Verehrer  mit  den  künstlichen  Blumen  und 
der  Visitenkarte  ausüben  könne. 

Ich  erwiderte  damals  irgendwo  unter  anderm,  dass 
es  vor  allem  einem  Deutschen  schlecht  anstünde,  über 
den    ungeschickten  Verehrer  Heines  Witze    zu    reissen, 


Vorwort. 


ohne  dessen  künstliche  Bhmien  die  letzte  Ruhestätte 
eines  der  grössten  deutschen  Dichter  ganz  schmucklos 
gewesen  wäre,  und  ferner,  dass  Heine  mit  seinem  aus- 
geprägten Sinn  für  alles  Komische  und  Verkehrte  dieser 
Welt,  allerdings  eine  köstliche  Satire  gereimt  haben 
würde,  —  aber,  wie  so  oft  in  seinem  Leben,  mit  dem 
Gram  im  Herzen  und  feuchten  Auges.  Und  aus  dem 
feuchten  Auge  wäre  dann  eine  Thräne  mitten  in  sein 
Spottlied  gefallen,  in  Gestalt  einer  jener  Strophen,  die 
er  auf  e^A  ige  Zeiten  mit  ehernen  Griffeln  in  das  goldene 
Buch  deutscher  Lyrik  eingetragen. 

Damals  aber  ahnte  ich  noch  nicht,  dass  auch  ich 
einst  den  Spott  seiner  Manen  herausfordern  würde. 
Eine  Doktorthese  über  Heinrich  Heine !  ^)  —  Und  ich 
weiss  nicht,  warum  mir  gerade  die  alte  Geschichte  von 
den  künstlichen  Blumen  und  der  Visitenkarte  einfällt. 
Vielleicht,  weil  ich  dieselben  mildernden  Umstände  er- 
hoffe, die  ich  im  Namen  Heines  für  den  ungeschickten 
Verehrer  forderte,  der  für  seinen  toten  Lieblingsdichter 
eben  that,  w^as  er  konnte. 

Der  Verfasser. 


^)    Diese  Arbeit  wurde  der   h.  philosopliischen   Fakultät   der    Universität 
Zürich  als  Doktor-These  eingereicht. 


X\ 


Inhaltsverzeichnis 


Seite 

Einleitung 1 

Erster  Abschnitt. 
Das  Milieu. 

Kapitel  1.    Heines  Ankunft  in  Paris 7 

2.  Das  litterarische  Paris  ums  Jahr  1831 10 

3.  Heines    Stellung    zur   französischen   Romantik   und    zu 

einigen  ihrer  Hauptvertreter 27 

Zweiter  Abschnitt. 
H.  Heine  im  Lichte  der  französischen  Kritik. 

Einleitung 41 

Kapitel  1.    Einzelstudien  über  Heine 44 

„        2.    Einleitungen  zu  Heines  Werken  in  französischer  Sprache  114 

,,        3.    Französische  Memoiren  über  Heine 122 

4.  Gelegentliche  Urteile  und  Aeusserungen  über  Heine     .  136 

Dritter  Abschnitt. 
Heines  Kenntnis  der  französischen  Sprache. 

Kapitel  1.    Zeitgenössische     Stimmen     über     Heines     französische 

Sprachkenntnisse 165 

2.    Einige  unretouchierte  französische  Briefe  Heines  .     .     .     176 

Vierter  Abschnitt. 

Heines  französische  Uebersetzer. 

Einleitung 183 

Heines  Uebersetzer 187 

Heine-Uebersetzer  der  Westschweiz 254 


XIX  Iiihaltsvorzeichnis 


Fünfter  Abschnitt. 
H.  Heines  Einfluss.  s.it. 

Kapitel  1.    Einleitende  Betrachtungen  über  den  deutschen  Einfluss 
auf  die  französische  Litteratur  in  der  ersten  Hälfte 

dieses  Jahrhunderts 269 

„        2.    Heines  Einfluss  auf  einige  Zeitgenossen 289 

„        3.    Einiges  über  den  modernen  deutschen  Einfluss     .    .     .    312 

„        4.    Die  Parnassiens 321 

„        5.    Heines  Einfluss  auf  die  Parnassiens  und  ihren  Anhang    326 

„        6.    Vereinzelte  Heine -Verehrer  und  -Schüler 363 

„        7.    lieber  Heines  Einfluss  auf  die  Gebrüder  de  Goncourt 

(Impressionnistes)  und  Paul  Bourget  (Psychologues)    366 
„        8.    lieber  die    zeitgenössischen    Strömungen    der   französi- 
schen Poesie  und  deren  Zusammenhang  mit  Heines 

Dichtung 376 

,,        9.    H.  Heine  und  einige  Dichter  der  Westschweiz.     .     .     .    423 

Anhang : 

Nachträge 437 

Bibliographie 446 

Register 457 


Errata 


Paf,'.  35,  Zeile  4,  lies  Houssaye  statt  Houssay. 

„  43,  Zeile  9,  lies  Aeusserungen  über  Heine,  statt  Besprechungen. 

„  44,  Anmerkung  1,  lies  statt  Quenard  et  Barbier  —  Barbier  etc.  gibt  . . . 

,  45,  Anmerkung  4,  und 

„  69,  letzte  Zeile,  lies  Abschnitt  V,  statt  VII. 

„  77,  Zeile  12,  lies  Hippolyte  Taine,  statt  Henri. 

„  198,  Zeile  8  und  9  ist  als  Text  Houssayes  von  der  Uebersetzung  Nervals  zu  trennen. 


Einleitung 


Ein  Wort  der  Erklärung  zu  verlangen ,  um  nicht  zu 
sagen  der  Entschuldigung,  hat  die  Kritik  bei  einer  These,  die 
einen  Stoff  der  neuern  und  neuesten  Litteratur  wissenschaft- 
lich zu  behandeln  sucht,  das  Recht.  Abgesehen  davon  näm- 
lich, dass  die  Kenntnis  moderner  französischer  Litteratur- 
epochen,  die  der  ersten  Hälfte  des  XIX.  Jahrhunderts,  in 
Frankreich  selbst  erst  in  allerjüngster  Zeit  in  das  Programm 
der  „baccalaureats"  aufgenommen  worden  ist,  dass  sich  der 
„professeur  de  rhetorique"  erst  seit  kurzem  mit  Lamartine 
und  Victor  Hugo  beschäftigen  muss,  wie  er  es  bis  jetzt  aus- 
schliesslich mit  Corneille,  Racine  und  Boileau  gethan,  ist  der 
Einwand  deutscherseits  nicht  ohne  Berechtigung,  der  auf  die 
grossen  Schwierigkeiten  hinweist,  auf  dem  Gebiete  der  Litte- 
ratur von  gestern  und  heute  sichere  und  beweiskräftige  Re- 
sultate zu  erzielen.  Auch  wir  geben  zu,  dass  ein  ähnlicher 
Versuch  noch  vor  einem  halben  Jahrhundert  als  unausführbar 
gelten  durfte,  dass  man  sich  damals  notgedrungen  in  blosse 
Hypothesen  verwickelt  hätte.  Heute  aber  sind  die  Verhält- 
nisse günstiger,  denn  die  Schnelllebigkeit  unseres  „fin  de 
siecle"  ')  hat  sich  auch  der  Litteraturepochen  bemächtigt.  Inner- 
halb einiger  dreissig  Jahre  haben  sich  zwei  ziemlich  deutlich 


^)  Mag  dieser  Ausdruck  auch  aus  den  Pariser  Boulevards  und  ihren 
Blättern  herstammen,  so  hat  er  sich  nichtsdestoweniger  inzwischen  auch  dort 
eingebürgert,  wo  sonst  nicht  der  Pariser  Mode-Argot  geführt  wird.  „Fin  de 
siecle"  wird  zweifelsohne  die  typische  Bezeichnung  für  die  letzten  zehn  Jahre 
des  Jahrhunderts  bleiben,  ähnlich  wie  z.  B.  für  die  ersten  „empire". 

Betz,  Heine  in  Frankreich.  1 


Einloitungr. 


trennbare  litterarische  Strömungen  verbraucht;  mit  Banville 
starb  die  französische  Neoromantik  aus  und  längst  schon  hat 
die  realistische  Bewegung  Balzac-Flaubert  mit  Zola  ihr  letztes 
Wort  gesprochen.  Die  rasch  und  fieberhaft  arbeitende  Kritik 
hat  ihre  zeitgenössischen  Dichter  schon  gerichtet  und  geson- 
dert. Der  Litterarhistoriker  hat  ihr  Leben,  Lieben  und  Leiden 
schon  ausgegraben  und  seciert;  seit  Sainte-Beuve  wird  nicht 
einmal  auf  den  Tod  gewartet.  Auch  Memoirenschreiber  wollen 
den  Erfolg  ihrer  Aufzeichnungen  noch  erleben  und  tragen 
Sorge,  dass  wir  jetzt  schon  in  die  verborgensten  Falten  eines 
Dichtermantels  blicken  können,  statt  uns  wie  früher  ein 
Menschenalter  auf  solche  Enthüllungen  w^arten  zu  lassen. 
Da  alles  rascher  lebt  und  urteilt,  mag  es  einem  Doktoranden 
vergönnt  sein,  sich  der  neuen  Strömung  versuchsweise  an- 
zuschliessen. 

Noch  sei  mir  gestattet,  eine  erläuternde  Bemerkung  per- 
sönlicher Art  beizufügen.  In  Amerika  geboren,  in  der  Schweiz, 
der  ich  meine  geistige  Bildung  verdanke,  auferzogen,  betrachte 
ich  es  als  mein  gutes  Recht,  mir  den  freien  BUck  und  das 
freie  Wort  des  Fremden  zu  wahren,  der  fern  von  Hass  und 
Hader  zweier  Länder  steht  —  selbst  Gelehrte  vermögen  sich 
nicht  immer  von  denselben  zu  befreien  —  die  die  Geschichte 
wohl  erklärt,  die  Civilisation  aber,  die  nicht  von  Königen  oder 
Parlamenten  gelenkt  wird,  bedauern  und  verwerfen  muss. 
Freunde  und  Verwandte  hüben  und  drüben,  Geschmack  und 
Sympathieen  machen  mir  Land  und  Leute,  Denken  und  Dichten 
beider  Völker  an  den  Ufern  des  Rheines  gleich  lieb.  Und  gleich 
verhasst  ist  uns  in  Frankreich  und  Deutschland  die  bedauerns- 
werte Ra^se  beschränkter  Chauvinisten. 

Und  nun  noch  ein  Drittes  und  Letztes;  es  ist  in  dem 
Gesagten  schon  angedeutet: 

No  Profit  grows,  where  is  no  pleasure  ta'en;  — 
In  brief,  Sir,  study  wliat  you  most  afFect. 

(Taming  of  the  Shreiv  /.,  1.) 


Einleitung-.  '-^ 

Dies  Wort  gilt  ganz  und  voll  der  Genesis  dieser  Arbeit. 
Nicht  nur  in  Bezug  auf  den  Dichter,  sondern  auch  bezüglich 
der  Litteratur  seiner  wirklichen  und  seiner  Adoptivheimat, 
in  Bezug  auf  die  Idee,  die  in  der  herrlichsten  Friedenshynine 
ausgedrückt  ist,  die  je  eine  Poetenhand  niederschrieb  und  die 
mit  den  Worten  beginnt: 

Roule,  libre  et  süperbe  entre  tes  larges  rives 
Rliin!  Nil  de  l'Occident!  Coupe  des  Nations!  ... 

In  den  Sätzen  von  Börne,  Quinet,  Saint-Marc  Girardin 
und  des  sympathischen  und  aufgeklärten  deutschen  Gelehrten 
Hugo  Schuchardt,  die  wir  auf  die  erste  Seite  dieses  Buches 
setzten,  liegen  die  Gedanken,  in  denen  die  geistige  Triebfeder 
wurzelt,  die  uns  stets  zur  Arbeit  anspornte,  besonders  dann, 
wenn  wir  uns  sagten:  „Es  geht  über  deine  Kräfte"  —  oder 
uns  jene  Skepsis  zuflüsterte,  der  man  nicht  entrinnt,  wenn 
Aug'  und  Sinn  viele  Länder  und  ihre  Menschen  schauen  ge- 
lernt: „A  quoi  bon"  und  „Que  sais-je"  !  — 

Nicht  unterlassen  will  ich,  einige  Worte  des  Dankes  an 
die  beiden  gelehrten  Bibhographen  und  Litteraten  Maurice 
Touryieux  und  Vicorate  de  Sj^oelherch  de  Lovenjoul  zu  richten, 
die  mir  in  liebenswürdigster  Weise  entgegenkamen.  Den 
Namen  meines  verehrten  Lehrers,  Herrn  Professors  Dr.  H. 
Morfj  darf  ich  wohl  an  letzter  Stelle  erwähnen,  nachdem  ich 
ihn  bereits  an  die  erste  gestellt.  Lag  es  auch  in  der  Natur 
dieser  Studie,  dass  ich  in  Bezug  auf  Idee  und  Forschungen 
auf  mich  selbst  angewiesen  war,  so  bleibt  noch  genug  übrig, 
wofür  ich  meinem  Lehrer  zu  herzlichem  Danke  verpflichtet 
bin.  Stets  bereit,  mir  mit  Rat  und  That  beizustehen,  hat  er 
sich  auch  trotz  seiner  überaus  angestrengten  Thätigkeit  die 
Mühe  genommen,  diese  Arbeit  mit  jener  Gründlichkeit  und 
Gewissenhaftigkeit  zu  durchgehen  und  zu  sichten,  die  sein 
ganzes  akademisches  Wirken  kennzeichnen.  Den  grössten 
Dank  aber   schulde    ich   Herrn  Professor  Morf  dafür,   dass  er 


Einleitung. 


das  Thema   meiner  Dissertation   genehmigt  —  was  mancher- 
orts nicht  der  Fall  gewesen  wäre. 

Ich  betrachte  es  als  ein  Glück,  über  drei  Jahre  lang 
seinen  gleich  sichern  und  geistvollen,  immer  anregenden 
philologischen  und  litterarhistorischen  Unterricht  genossen, 
als  eine  Ehre  und  eine  Empfehlung,  bei  ihm  promoviert  zu 
haben. 

Häusern  im  Elsass,  August  1894. 


w 


ERSTER   ABSCHNITT 


DAS    MILIEU 


Erstes  Kapitel 
Heines  Ankunft  in  Paris 


Oh!  Paris  est  la  cite  mere! 
Paris  est  le  lieu  solennel 
Oü  le  tourbillon  ephemere 
Tourne  sur  un  centre  eternel! 
Paris!  feu  sombre  ou  pure  etoile! 
Morne  Isis  couverte  d'un  voile ! 
Araignee  ä  rimmenso  toile 
Oü  sc  prennent  les  nations ! 
Fontaine  d'urnes  obsedee ! 
Mamelle  sans  cesse  inondee 
Oü,  pour  se  nourrir  de  l'idee, 
Viennent  les  generations! 

Victor  Hugo. 

Im  Mai  1831  machte  sich  ein  junger  deutscher  Dichter 
auf  den  Weg  nach  Paris,  um  sich  dort,  zunächst  als  Jour- 
nalist, Stellung  und  Brot  zu  erarbeiten.  Dass  er  in  der  Heimat 
und  schon  im  Auslande  weit  und  breit  als  genialer  Satyriker, 
Meister  der  deutschen  Prosa  und  würdiger  Nachfolger  Goethe- 
scher Lyrik  bekannt  war,  dass  er  die  Rechtswissenschaft  stu- 
diert und  „juris  utriusque  doctor"  geworden,  dass  er  schliess- 
lich Protestant  wurde,  dies  alles  hatte  ihm  nicht  zu  der 
sehnlichst  erhofften  Staatsanstellung  oder  Professur  in  Preussen, 
München  verhelfen ;  auch  nicht  in  der  Stadt,  wo  er  sich  einst 
als  Harry  Heine  &  Co.  auf  dem  Jungfernstiege  die  Zeit  ver- 
trieb, wie  es  sich  jedem  Poeten  geziemt,  der  nicht  zum 
Krämer  taugt.  Und  da  es  ihm  auch  ohnehin  unter  seinen 
Deutschen,  die  er  allzu  unsanft  am  Zopfe  gerissen  hatte,  nicht 
mehr  ganz  geheuer  war,  so  wollte  es  Heinrich  Heine  in  Paris 


8  Das  Milieu. 


mit  der  Journalistik  versuchen.  Das  Vaterland  verweigerte 
dem  Sänger  des  „Buch  der  Lieder"  die  Sinekure,  die  Fremde 
sollte  ihm  die  Pforten  der  politischen  Kampfesarena  offnen. 
Rasch  noch  hatte  er  den  Musen  mit  den  Liedern  des  „Neuen 
Frühling"  Valet  gesagt,  bevor  er  sich  in  den  Dienst  der 
„Heiligen  Allianz  der  Völker"  stellte. 

Heine  war  nicht  der  Einzige,  dem  die  Luft  in  deutschen 
Landen  in  jenen  Tagen  drückend  und  eng  geworden.  Börne 
hatte  ihm  bereits  den  Weg  der  geistigen  Befreiung  gezeigt. 
Auch  NichtJuden  richteten  die  Augen  sehnsuchtsvoll  nach 
dem  litterarisch  und  politisch  fiebernden  Paris;  ja  das  ganze 
gebildete  Deutschland  folgte  mit  äusserstem  Interesse,  zum 
Teil  mit  leidenschaftlicher  Begeisterung  dem  Geistesgetummel 
der  französischen  Romantik.  Es  wurden  die  genialen  Schauer- 
geschichten mit  den  unerschöpflichen  Antithesen  des  jungen 
Hugo  und  Lamartines  süssprächtige  Reime  verschlungen, 
während  die  grossen  deutschen  Dichter  Klassikerrang  ein- 
nahmen —  und  die  Bücherschränke  schmückten.  Mit  wahrer 
Wollust  schwelgten  Deutsche  in  der  Poesie  des  Grässlichen 
und  der  Kontraste,  des  „Han  dTsland"-  und  „Notre-Dame"- 
Romanes,  um  sich  für  die  politische  Schwüle,  die  sie  um- 
gab, zu  entschädigen.  Die  deutsche  Generation  von  1830 
war  geblendet  von  dem  mystischen  Zauber  des  Mulatten- 
Abenteurers  Dumas,  der  wenigstens  ihre  Phantasie  durch 
sein  glänzendes  Erzählertalent  in  tollster  Freiheit  umher- 
schweifen Hess. 

Wir  wissen,  dass  der  Jubel  über  die  Julirevolution,  über 
das  viel  verheissende  Regiment  des  Bürgertums  sich  über  ganz 
Deutschland  verbreitete  und  auch  den  jungen  Heine  erfasste. 
„Die  Luft  röche  nach  Kuchen,"  meinte  er  bei  der  ersten 
Nachricht  von  dem  freudigen  Ereignis.  Seiner  Begeisterung 
leiht  er  wiederholt  die  feurigsten  Worte:  „Mir  war,  als 
könnte  ich  den  Ocean  bis  zum  Nordpol  anzünden  mit  den 
Gluten  der  Begeisterung   und   der   tollen    Freude,    die  in  mir 


Heines  Ankunft  in  Paris.  9 


loderten."  Mag  indessen  die  magnetische  Kraft  des  kochen- 
den und  zischenden  Freiheitherdes  für  den  socialpohtischen 
Kämpfer,  den  streithistigen  Journahsten  mid  —  den  ge- 
demütigten Juden  immerhin  eine  grosse  gewesen  sein,  so 
glauben  wir  dennoch,  dass  in  Heine  der  Dichter  und  Künstler 
den  Ausschlag  gaben,  dass  diese  vor  allem  nach  geistiger 
Nahrung  lechzten,  dass  es  ganz  besonders  den  Mann  der 
glühenden  und  sprühenden  Phantasie  an  die  Ufer  der  Seine 
zog,  wo  eine  kraftvoll-kühne,  lebenstrotzende  Dichtkunst 
sich  in  den  seltsamsten   und  übermütigsten  Sprüngen  erging. 

Und  endlich  war  Heine  nicht  nur  politischer  Enthusiast, 
Künstler  und  Dichter,  sondern  er  zählte  auch  dreissig  Jahre, 
die  sich  nach  des  Lebens  Freuden  sehnten.  Wenn  heute 
noch  jedem  Gebildeten,  der  nicht  von  eng-  und  querköpfigem 
Kirchturmpatriotismus  befangen  ist,  das  Herz  höher  schlägt, 
sobald  er  zum  erstenmale  den  historischen  Boden  des  alten 
Lutetia  betritt,  das  fast  tausend  Jahre  lang  geistige  Welt- 
stadt gewesen,  wie  musste  es  erst  dem  Autor  des  „Tambour 
Le  Grand"  mit  seinen  französischen  Sympathieen,  dem  feinen 
Sinn  für  alles  Grossartige  zu  Mute  gewesen  sein,  als  er  in 
der  schweren  Postkalesche  an  jenem  Maimorgen  des  Jahres 
1831  durch  die  Porte  Saint-Denis  fuhr  und  sich  plötzlich 
mitten  im  Herzen  von  Paris  befand. 

Wenn  wir  es  nun  versuchen  wollen,  in  raschen  Zügen 
ein  Bild  der  Scene  zu  entwerfen,  in  der  Heine,  zunächst  bloss 
als  Figurant,  die  litterarische  Bühne  des  damaligen  Frank- 
reich betrat,  so  versprechen  wir  weder  eiu  künstlerisches, 
noch  detailliertes  oder  ganz  neues  Gemälde.  In  anspruchs- 
losen Umrissen  möchten  wir  bloss  ein  kleines  Momentbild 
dieser  Hochflut  geistigen  Lebens  zu  Paris  ums  Jahr  1831 
entwerfen,  da  Heine  als  Asylsuchender  kam,  um  auch  Frank- 
reichs Historiker,  Satvriker  und  Dichter  zu  werden. 


10  Das  Milieu. 


Zweites  Kapitel 
Das  litterarische  Paris  ums  Jahr  1831 


„Wer  damals  von  Deutschland  aus  Paris  besuchte, 
konnte  wirklich  in  Versuchung  greraten,  die  beliebten  Be- 
zeichnung-en  „Hauptstadt  der  civilisierten  Welt",  „Gehirn 
Europas"  etc.  für  etwas  mehr  als  blosse  Gasconaden  zu  halten. 
Welchen  Abstand  g-eg-en  die  Heimat  bildete  damals  die  be- 
queme, freundliche  Gastlichkeit  dieser  täglich  jedem  Fremden 
ohne  alle  Formalität  geöffneten  Bibliotheken,  mit  ihren  weiten, 
hellen  Arbeitssälen,  ihren  höflichen,  gewandten  Beamten; 
diese  reichen,  mannigfachen,  jedermann  zugänglichen  Samm- 
lungen, diese  Hörsäle  der  Sorbonne,  des  College  de  France, 
des  Observatoire,  wo  jedermann  willkommen  war,  wo  in  bunter 
Reihe  Studenten,  Arbeiter,  Offiziere,  Fremde  aller  Art,  selbst 
Damen  und  Dämchen  in  Menge  den  Worten  geistreicher,  nicht 
selten  glänzender  Redner  lauschten !  Es  lag  ein  Zug  von 
Humanität,  ein  freundliches  Sonnenlicht  guter,  behaglicher 
Form  auf  der  Oberfläche  dieser  bunten  und  stattlichen  Welt, 
dessen  Zauber  sich  so  leicht  kein  unbefangener  Besucher 
entzog." 

{Fr.  Kreissig,  „lieber  die  französische  Geistesbewegung 
im  XIX.  Jahrhundert",  Berlin  1873,  pag.  52.) 

In  jenen  Tagen  war  Paris  ein  Athen.  Die  Julirevolution 
bloss  ein  Aufblitzen  und  Wetterleuchten  des  alten  Revolutions- 
geistes, den  der  alte  Bourbone  erloschen  glaubte;  und  als  der 
abgedankte  zehnte  Karl  der  französischen  Könige  sich  nach 
Rambouillet  zurückgezogen  hatte,  da  feierte  das  Volk  Freuden- 
und  Jubelfeste.  Die  Trikolore  zog  wieder  in  Paris  ein,  die 
Marseillaise,  die  man  seit  dem  18.  Brumaire  nicht  mehr  ge- 
hört, erklang  wieder  in  der  Seinestadt;  Chateaubriand  wurde 
triumphierend  durch  die  Strassen  gezogen  und  alles  jubelte : 
„Es  lebe  die  Pressfreiheit!"     Vor   und   nach    dem  politischen 


Das  litterarische  Paris  ums  Jahr  1831.  H 


Intermezzo  aber  konzentrierte  sich  alles  Interesse  und  alles 
Talent  eigentlich  bloss  auf  Litteratur  und  Kunst.  Die  Stadt 
lebte  in  einem  berauschenden  Taumel  von  Musik  und  Poesie, 
schönen  Bildern,  schönen  Reden  und  —  schönen  Frauen. 
Die  Prosa  parlamentarischer  Debatten  war  dem  zeitgenössi- 
schen Publikum  zuwider ;  mit  Politik  wollte  es  so  wenig  et- 
was zu  schaffen  haben  als  seine  Dichter  und  Litteraten.  Die 
Opposition  der  französischen  Romantik  war  im  Gegensatz  zu 
der  bald  erwachenden  Bewegung  der  Jung-Deutschen  rein 
litterarischer  Natur;  sie  richtete  sich  gegen  die  Formen- 
tyrannei des  Klassicismus.  Der  Kampf,  den  die  verschie- 
densten Geister  jener  Zeit  —  Petrus  Borel,  George  Sand, 
Hugo,  Musset,  Merimee,  Gautier  u.  a.  gemeinsam  fochten, 
galt  bloss  dem  litterarisch  Herkömmlichen,  nicht  dem  politi- 
schen und  nur  selten  dem  socialen.  Auch  konnte  bei  den 
Romantikern  nicht  von  Parlamenten,  freier  Presse,  freiem 
Bürgertum  die  Rede  sein,  denn  all  dies  besassen  sie  schon. 
Ihre  Forderungen  waren:  Wahrheit  und  echte  Leidenschaft 
in  Prosa  und  Poesie;  alte  Freiheit  und  realistische  Farben 
für  ihre  Sprache. 

In  vollster  Blüte  standen  Kunst,  Litteratur  und  Theater, 
bald  auch  die  Philosophie.  Die  Vergangenheit  wurde  ab- 
geschüttelt mit  ihrer  Sprache,  ihren  Ideen  und  ihren  Trachten. 
Noch  nie  hatte  der  Nektar  der  Musen  Dichterseelen  so  be- 
geistert; eine  allgemeine  litterarische  Trunkenheit  herrschte, 
wie  sie  der  französische  Parnass  weder  zu  Ronsards,  noch  zu 
Madame  de  Rambouillets  Zeiten  geschaut.  Es  war  kräftig 
keimender  Dichterfrühling,  in  dem  alles  blüht  und  duftet, 
ein  herrliches  Erwachen  aus  dem  langen  Winterschlaf.  In 
den  frisch  ausschlagenden  Zweigen  des  stolzen  Baumes  der 
Poesie  erklang  in  bezauberndem  Durcheinander  der  Vögel 
Gesang. 

Was  war  nun  in  jenem  Schauspiel  der  französischen 
Romantik,  das  beim  Auftreten  Heines  schon  einige  Akte  alt 


12  Das  Milieu. 


war,  das  psychologische  Moment,  die  Grundidee?  —  Die 
Wiedergeburt  und  die  Herrschaft  des  „Ichs".  Das  „rnoi 
hai'ssable"  hatte  die  Fesseln  der  Konvenienz  des  XVII.  und 
XVIII.  Jahrhunderts  abgeworfen.  Nach  seiner  Fagon  durfte 
fortan  ein  jeder  denken,  dichten,  reden  und  sich  kleiden.  In 
den  Salons  der  Damen  du  Deffand,  Geoffrin  und  de  Lespi- 
nasse war  noch  dieselbe  Geschmackstyrannei  massgebend 
gewesen  wie  hundert  Jahre  zuvor  im  Hotel  Rambouillet. 
Jetzt  aber  hatte  sich  nach  eigenem  Gutdünken  zu  belustigen 
und  zu  grämen,  nach  eigenem  Belieben  und  eigener  Laune 
über  dies  zu  lachen  und  über  jenes  zu  weinen  aufgehört,  als 
„misanthropie",  „insociable"  oder  „incivil"  verschrieen  zu  sein. 
Und  eine  Frau  war  es,  die,  mit  genialer  Eingebung  nach  Osten 
deutend,  den  Bann  gelöst,  den  einst  Frauen  zum  grossen 
Teil  verschuldet  hatten.  Madame  de  Stael,  die  Tochter  des 
Schweizers  Necker,  gab,  vereint  mit  Chateaubriand,  der  fran- 
zösischen Romantik  den  berechtigten  Individualismus;  —  am 
Ende  des  Jahrhunderts  wird  es  wieder  ein  Schweizer  sein. 
Fr.  Amiel,  der  zusammen  mit  Baudelaire  die  letzten  Konse- 
quenzen zieht  und  an  der  krankhaften  Ichkultur  der  Deca- 
dents  arbeitet.  Alle  beide  gehen  wiederum  auf  einen  Schweizer 
zurück,  auf  J.  J.  Rousseau  —  und  sie  sämtlich  sind  Kinder 
des  —  kalvinistischen  Genf!  — 

Mag ,  auch  keine  der  vielen  Definitionen,  die  über  die 
französische  Romantik  versucht  worden  sind,  diese  vielfarbige 
und  vielverzweigte  litterarische  Strömung  ganz  umfassend 
decken,  so  ergänzt  doch  jedenfalls  der  Begriff  des  Individualis- 
mus fast  durchweg  den  der  Romantik;  es  kann  der  eine  bei- 
nahe immer  durch  den  andern  ersetzt  werden.  Man  braucht 
nur  die  gerade  Linie  der  lyrischen  Evolution  rückwärts  zu 
ziehen,  um  sich  darüber  klar  zu  werden,  dass  wir  in  der 
Ichschwärmerei  den  Kern  und  den  specifischen  Charakter  der 
Romantik  zu  suchen  haben;  und  wenn  der  Franzose  unter 
„romantique"    gewöhnlich    nur     mutiges,    ungeduldiges    und 


Das  litterarische  Paris  ums  Jahr  1831.  13 


leidenschaftliches  Streben  nach  dem  Schönen,  Wahren  und 
Grossartigen  versteht,  mit  einem  Beigeschmack  von  Keckheit 
und  trotzigem  Auflehnen  gegen  alles  Hergebrachte  und  Spiess- 
bürgerliche,  so  hat  er  damit  im  Grunde  doch  nur  den  Indi- 
vidualismus in  seinen  Folgen  und  Erscheinungen  charak- 
terisiert. Ferdinand  Brunetiere  ist  mit  grossem  Scharfsinn, 
aber  nicht  „sine  ira  et  studio"  den  Spuren  des  „moi  hai'ssable" 
in  der  französischen  Poesie  des  XIX.  Jahrhunderts  gefolgt, 
so  besonders  in  seinen  Vorträgen,  die  1893  in  der  „Revue 
Bleue'^  unter  dem  Titel:  „Evolution  de  la  poesie  lyrique  au 
XIX"  siecle"  *)  veröffentlicht  wurden.  Das  „Ich"  ist  die 
„bete  noire"  des  inzwischen  unter  die  vierzig  Unsterblichen 
eingegangenen  Diktators  der  „Revue  des  deux  Mondes",  der 
es  sich  u.  a.  gestatten  durfte,  die  französische  Romantik 
„manifestation  de  l'hypertrophie  du  moi"  zu  nennen  und  mit 
Bezug  auf  die  ihm  unsympathischen  Ichlyriker  zu  sagen :  „II 
se  trouvera  toujours  assez  de  gens,  en  France,  pour  nous 
assassiner  du  recit  de  leurs  infortunes"  etc.  (Revue  Bleue 
27.  Mai  1893)  —  nachdem  er  uns  die  lichtvollsten  und  geist- 
reichsten Arbeiten  über  die  Litteratur  seiner  Heimat  geschenkt, 
die  je  geschrieben  worden  sind. 

Bis  hierher  haben  wir  uns  —  um  bei  unserm  Bilde  zu 
bleiben  —  lediglich  mit  der  Inscenierung  der  litterarischen 
Bühne  beschäftigt  und  es  versucht,  die  Hauptideen  und  Ten- 
denzen gleichsam  als  Hintergrund  aufzustellen.  Jetzt  handelt 
es  sich  darum,  die  Hauptdarsteller  der  Romantik  vorzuführen. 

Von  einer  Darstellerin,  die  bereits  seit  einigen  Lustren 
von  der  romantischen  Bühne  abgetreten  war,  auf  der  sie 
wohl  die  bedeutendste,  keineswegs  aber  dankbarste  Rolle  ge- 
spielt, von  Madame  de  Stael  haben  wir  schon  zu  reden 
Gelegenheit  gehabt.  Erwähnt  muss  auch  der  Dichter  werden, 
der   als  einer   der  letzten  Opfer  das  Blutgerüste   Dr.  Guillots 


^)  Inzwischen  bei  C.  Levy  in  Buchform   erschienen. 


14  Das  Milieu. 


bestieg,  Andre  Clienier,  der  Sänger  der  „Jeurie  captive". 
Der  Einfluss  seiner  Werke  nämlich,  die  1819  von  Henri 
de  Latouche  publiziert  wurden,  begann  eigentlich  erst  um 
die  Zeit,  in  der  wir  hier  stehen,  Früchte  zu  tragen,  da 
Sainte-Beuve  die  Ahnen  der  Romantik  suchte.  Erst  vierzig 
Jahre  nach  dem  Tode  des  Dichter-Girondisten  beginnt  man 
seine  Kunstform  und  seinen  Hellenismus  nachzuahmen.  In 
den  zwanziger  Jahren  waren  weder  Lamartine  noch  Victor 
Hugo  von  ihm  inspiriert.  Noch  eines  Dritten  sei  gedacht, 
der  auch  nicht  mehr  unter  den  Lebenden  zählte,  dessen 
Schriften  aber  gerade  in  den  Julitagen  Triumphe  feierten, 
des  Pamphietisten  Paul-Louis  Courrier^  den  1825  nicht  etwa 
die  Jesuiten,  sondern  seine  eigenen  Bauern  erschlugen,  die 
er,  der  Autor  der  „Petition  ä  la  chambre  des  deputes  pour 
les  villageois  qu'on  empeche  de  danser",  der  es  so  meister- 
haft verstand,  mit  Nachahmung  des  Bauernstils  der  Touraine, 
für  die  verletzten  Volksrechte  zu  plaidieren,  hart  und  schlecht 
behandelt  hatte.  Das  puritanisch  strenge  Urteil  Börnes  über 
Heine :  unendlich  mehr  Talent  als  Charakter  —  passt  noch  weit 
mehr  für  den  geistreichen  Courrier,  den  nonchalanten  Frondeur, 
dessen  ganze  politische  Philosophie  in  persönlicher  Freiheits- 
liebe aufging  und  dessen  Liberalismus  der  Republik,  der 
Monarchie  und  der  Restauration  gegenüber  gleich  feindlich 
und  gleich  indifferent  blieb. 

Und  nun  zu  den  ersten  Rollen  der  lebenden  litterarischen 
Truppe,  die  wir  dem  Alter  nach  betrachten  wollen,  obgleich 
es  manchen  erging,  wie  ihren  kleinen  Kollegen  auf  der  kleinen 
Bühne,  die  ihren  Rühm  überleben  und  von  den  Jüngern 
überflügelt  werden.  Es  ist  dies,  wenn  auch  nicht  im  gleichen 
Masse,  mit  allen  Veteranen  des  XVIII.  Jahrhunderts  der  Fall, 
von  denen  die  beiden  bedeutendsten  Opfer  ihrer  politischen 
Ambitionen  werden  sollten. 

Frangois-Rene,  vicomte  de  Chateauhriand  (1768 — 1848), 
stand   auf   der  Höhe   seines  politischen  Ruhmes;    er   war  der 


Das  litterarischo  Paris  ums  Jahi'  1831.  15 

beredte,  edle  aber  ungeschickte  Minister  und  Staatsmann  ge- 
worden. Aber  die  ,, goldenen  Worte"  seines  ,, Genie  du  Chris- 
tianisme"  waren  schon  vor  drei  Decennien  gefallen.  Mit  den 
Natchez  hatte  er  Mitte  der  zwanziger  Jahre  der  Romantik  das 
Modell  glänzender,  farbenprächtiger  Naturmalerei  gegeben; 
desgleichen  schon  um  die  Wende  des  Jahrhunderts  seinen 
„Rene",  der  litterarisch  auf  beiden  Ufern  des  Rheines  nicht 
minder  gewaltig  wirkte  als  Goethes  selbstbefreiendes  Kunst- 
werk. Der  Dichter,  der  die  verschiedensten  Elemente  in 
sich  vereinte,  die  alle  auf  bestimmte  Einflüsse  zurückzuführen 
sind  —  seine  Lyrik  auf  Rousseau,  der  Farben  und  Bilder- 
reichtum seines  Stils  und  sein  Natursinn  auf  Bernardin  de 
Saint-Pierre,  —  der  Dichter,  der  die  Prosa  Rousseaus  gewisser- 
massen  orchestriert  hat,  —  wie  Brunetiere  sich  pittoresk  aus- 
drückt, von  dem  wir  uns  in  dieser  Poetenschau  oft  leiten 
lassen,  —  und  so  einen  Stil  geschaffen,  der  für  alle  Zeiten 
mustergültig  dastehen  wird,  —  dieser  Dichter  war  längst 
verstummt.  — 

Charles  Nodier  (1780 — 1844),  der  Verfasser  jenes  andern 
Wertherromanes  „Le  peintre  de  Saltzbourg"  (1803),  hatte  mit 
seinen  phantastisch  zügellosen  Erzählungen  schon  zu  Beginn 
des  Jahrhunderts  den  Romantikern  die  Bahn  geebnet.  Nach- 
dem er  aber  sein  Scherflein  zur  Beseitigung  klassischer  Vor- 
urteile beigetragen,  zog  er  sich  nicht  wie  Chateaubriand 
grollend  zurück,  sondern  da  öffnete  er  der  romantischen 
Jugend  die  Pforten  seines  gastlichen  Hauses,  das  der  Sammel- 
platz der  de  Vigny,  Hugo,  Musset,  Sainte-Beuve  etc.  bUeb 
und  ihr  erster  „Cenacle"  wurde,  bis  derselbe  später  in  Hugos 
Wohnung  übersiedelte.  Im  Jahre  1830  verfasste  er  die  Ein- 
leitung zu  der  Uebersetzung  der  Werke  Byrons  von  Amedee 
Pischot,  in  der  er  den  Einfluss  der  Britten  betont  und  dessen 
Folgen  begrüsst. 

Von  den  beiden  sympathischen  „Chansonniers",  die  noch 
dem  XVin.  Jahrhundert  entstammen,  hatte  der  fröhliche,  gött- 


16  Das  Milieu. 


lieh  leichtsinnige  Autor  von  „M.  et  M™^  Denis"  aufgehört,  der 
Interpret  des  alten  lustigen  Prankreichs  und  Vorsitzender  der 
revolutionären  „Caveau"-Gesellschaft  zu  sein.  Marie- Antome- 
Madeleine  Desmtgiers  war  1827  gestorben.  Sein  Schüler  und 
Nachfolger  aber,  Jean- Pierre  de  Berayiger  (1780-1857),  wusste 
noch  packender,  reizender  und  noch  gefährlicher  zu  singen. 
Die  leichten,  im  tollen  IJebermut  tiefen  Ernst  bergenden 
„Chansons",  die  den  bourbonischen  Thron  ins  Wanken  brachten, 
nachdem  sein  berühmtes  Gedicht  „Le  Roi  d'Yvetot"  wie  ein 
schriller  Pfiff  mitten  in  die  Triumpheshymnen  von  Lützen 
und  Bautzen  ertönt  war,  hatten  ihm  neun  Monate  Gefängnis 
—  und  die  begeisterte  Liebe  seines  geliebten  französischen 
Volkes  verschafft. 

Die  chronologische  Anordnung  bringt  es  mit  sich,  dass 
wir  jetzt  zu  Marie- Henri  Beiße- Stendhal  (1783-1842)  übergehen, 
der  eine  Stelle  für  sich  einnimmt.  Dem  abenteuerlichen  Leben 
dieses  ehemahgen  Offiziers  der  „grande  armee"  und  Bonaparte- 
enthusiasten wurde  unter  den  Bourbonen  ein  schöner  Dichter- 
abend zu  teil.  Er  durfte  die  letzten  Jahre  in  seinem  geliebten 
Italien  als  französischer  Konsul  verbringen,  wo  er  auch  seine, 
wenigstens  für  die  Nachwelt,  bedeutendsten  Werke  verfasste. 
Pur  die  Romantik  allerdings  war  seine  Schrift  „Racine  et 
Shakespeare"  (1823),  mit  der  er  den  Kampf  gegen  den  Klassi- 
cismus  mitbeginnen  und  mitfechten  half,  von  grösserer  Trag- 
weite. Immerhin  hatte  er  auch  in  seinen  vierbändigen  Roman 
„Rouge  et  noir",  der  mit  Recht  als  Ausgangspunkt  —  im 
XIX.  Jahrhundert  natürlich  — ^  des  modernen  französischen 
Romans  betrachtet  wird,  ein  Stück  Geistesgeschichte  jener 
Epoche,  alles  was  die  Jugend  von  1830  bewegte  und  begeisterte, 
hineingelegt. 

Auch  der  echteste,  spontanste,  innerlich  bewegteste  Natur- 
lyriker, wenn  auch  nicht  der  erste  Naturbetrachter  und  -Sänger 
Prankreichs  —  denn  das  hiesse  nicht  nur  Chateaubriand  und 
Beruh,  de  St-Pierre  vergessen,  sondern  auch  den  vielgeschmähten 


Das  litterarische  Paris  ums  Jahr  1831.  17 


J.-B.  Rousseau,  und  nicht  minder  Lafontaine,  Ronsard  etc.  etc. 
vergessen  —  der  Dichter  des  „Lac",  Alphonse  de  Lamartine 
(1790-1869),  hatte  der  französischen  Litteratur  bereits  vor  1831 
ihre  edelsten  und  schwungvollsten  iMexandriner  geschenkt. 
Vor  einem  Jahrzehnt  schon  waren  die  bezaubernden  Töne  seiner 
„Meditations  poetiques"  erklungen,  in  die  er  den  Weltschmerz 
seines  Lehrers  Chateaubriand  hineingelegt,  —  eigentlich  das 
einzige  romantische  an  diesem  klassischen  Sänger.  —  Kurz 
vor  der  Julirevolution  war  Lamartine  mit  der  Veröffentlichung 
der  „Harmonies  poetiques  et  religieuses"  (1829)  —  die  von 
Jules  Lemaitre  als  das  grösste  Meisterwerk  der  französischen 
Lyrik  angesehen  werden  —  auf  dem  Gipfel  seines  Dichter- 
ruhmes angelangt,  von  dem  er  ebenso  schnell  herabsteigen 
sollte,  wie  er  ihn  erklommen  hatte.  Als  Heine  in  Paris  einzog, 
kehrtk,  Lamartine  gerade  seinem  Vaterlande  schmollend  den 
Rücken,  um  im  Oriente,  wo  er  sich  in  masslosen  Luxus  stürzte 
und  lächerlic;lier  Poeteneitelkeit  fröhnte,  eine  verunglückte 
Wahlcampagne  zu  vergessen.  Auf  den  Trümmern  der  antiken 
Welt  inspirierte  er  sich  noch  zu  dem  mystisch  angehauch- 
ten, zuweilen  rhetorisch  überschwänglichen  „Jocelin",  dessen 
lebendige  Schilderung  aber  und  schöne  Anschaulichkeit  die 
deutsche  Kritik  veranlasste,  denselben  als  sein  bestes  Werk  zu 
bezeichnen,  —  und  zu  dem  krankhaft  phantastischen,  byroni- 
sierenden  „La  chute  d'un  ange".  Nach  „  Jocelin"  (1835)  hört  für 
die  Nachwelt  Lamartine  der  Dichter  auf.  Die  Geschichte  aber 
wird  den  Autor  der  „Histoire  des  Girondins"  von  den  entschei- 
dungsschweren Tagen  im  Jahre  1848  nicht  trennen  können. 

Noch  haben  wir  zwei  Dichter  zu  nennen,  die  die  Romantik 
dem  vergangenen  Jahrhundert  schuldet :  Casimir  Delavigne 
und  Alfred  de  Vigny,  die  beide  in  den  dreissiger  Jahren  noch 
in  ihrer  vollen  Schaffenskraft  standen. 

Delavigne  (1794 — 1843),  der  in  der  „grossen  Woche"  in 
feurig  patriotischem  Liede  die  Wiederkehr  der  „Regenbogen- 
farben der  Freiheit"  begrüsste,  war  schon  seit  1819,  da  seine 

Betz,  Heine  in  Frankreich.  2 


lg  Das  Milieu. 

„Vepres  siciliennes"  über  die  Bühne  gingen,  ein  berühmter, 
von  Romantikern  und  Klassikern  viel  angefochtener  Mann. 
Mit  den  „Enfants  d'Edouard"  —  noch  heute  in  Prankreich 
eines  der  beliebtesten  Trauerspiele,  dem  jeder  Franzose  einmal 
sein  Thränenopfer  dargebracht  — ,  die  erst  1833  aufgeführt 
wurden,  hat  er  dann  eine  opportunistische  Stellung  zwischen 
der  alten  und  neuen  Schule  angenommen.  Ohne  grossen 
poetischen  Schwung  und  echte  Begeisterung,  verfügte  Dela- 
vigne  über  ein  hervorragendes  Formtalent,  mit  dem  sich  edle 
patriotische  Gesinnung,  wie  diese  in  seinen  „Messeniennes  sur 
les  malheurs  de  la  France"  (1818  und  vermehrt  1826)  an  den 
Tag  tritt,  vereinigt. 

Im  Gegensatz  zu  der  schwankenden  Stellung  Delavignes 
ist  Graf  Alfred  de  Vigny  (1799 — 1863)  als  einer  der  einfluss- 
reichsten und  rüstigsten  Bahnbrecher  der  Romantik  zu  be- 
trachten. Auch  er  hatte  vor  dem  zweiten  Drittel  des  Jahr- 
hunderts sein  Bestes  geleistet.  Sein  mystisches  Gedicht  „Eloa, 
la  soeur  des  anges"  begeisterte  um  die  Mitte  der  zwanziger 
Jahre  Sainte-Beuve  und  den  ganzen  Anhang  des  Cenacle 
von  1824.  Kurz  vorher  hatte  er  der  französischen  Litteratur 
den  unübertroffenen  historischen  Roman  „Cinq-Mars'^  geschenkt. 
Bekannt  ist  sein  mutiger  Kampf  und  die  ehrenvolle  Niederlage 
mit  der  trefflichen  Othello-Uebersetzung  (1828).  Aber  erst  nach 
der  Julirevolution  zeigte  sich  sein  wahres  , Jch''  als  das  eines 
der  grössten  Pessimisten  dieses  Jahrhunderts.  Als  solcher 
wirkte  er  initiativ  auf  die  Gedankenlyrik  in  Frankreich. 

Bevor  wir  mit  einem  Worte  die  bedeutendsten  Historiker 
und  Kritiker  jener  Epoche  berühren  wollen,  sei  noch  der 
grosse  Vaudeville-  und  Scenen-Techniker  Eugene  Scribe  er- 
wähnt (1791 — 1861).  Seine  Glanzperiode  und  vmbestrittene 
Herrschaft  nicht  nur  über  die  französische  Bühne,  sondern 
auch  über  diejenige  ganz  Europas,  fällt  allerdings  erst  in  ein 
späteres  Jahrzehnt;  immerhin  hatte  er  schon  bis  zu  den  Juli- 
tagen dem  französischen  Theater,  resp.  den  Boulevardtheatern 


Das  littorarische  Paris  ums  Jahr  1831.  19 


des  Gymnase  und  Yaudeville,  deren  Glück  er  gemacht,  seit 
seinem  ersten  Lustspiel  „Davis"  (1811)  —  mit  einer  Unzahl 
von  Mitarbeitern  —  die  Kleinigkeit  von  200  Vaudevilles  ge- 
schrieben, darunter  seine  berühmtesten  Operntexte.  — 

Wenn  die  Dichtkunst  der  Romantik  nicht  schlechtweg  als 
die  Glanzperiode  der  französischen  Poesie  aller  Zeiten  betrachtet 
werden  darf,  so  lässt  sich  mit  desto  grösserer  Bestimmtheit 
von  der  historischen  Wissenschaft  sagen,  dass  sie  sich  in  den 
Jahren  1830 — 50  einer  nie  erlebten  Blüte  erfreute.  Der  Alt- 
meister der  doktrinären  Geschichtsschreibung ,  Frangois- 
Pierre-Ouülaume  Oiiizot  (1787 — 1874),  hatte  seinen  Lehrstuhl 
im  College  de  France  und  der  Sorbonne,  wo  er  die  Resultate 
seiner  sorgfältigen  Quellenstudien  schmucklos,  aber  durch  die 
Fülle  seines  tiefen  Wissens  und  durch  die  scharfe  Kritik  fes- 
selnd, der  für  Mittelalter  schwärmenden  romantischen  Jugend 
vortrug,  noch  nicht  mit  dem  Ministerstuhl  vertauscht.  In  die 
Jahre  1828 — 30  fallen  seine  bedeutendsten  Werke,  so  die 
„Histoire  de  la  civilisation  francaise'^ 

Dem  jungen  Jules  Michelet  (1798 — 1874)  verschaffte  erst 
die  Juliregierung  eine  Sinekure,  die  ihm  die  nötige  Müsse  gab, 
seine  spannenden  und  malerisch  beschreibenden  Geschichts- 
werke zu  vollenden.  Dagegen  hatte  der  um  zwei  Jahre  ältere 
Fr angois- Auguste  Mignet  (1796—1884)  schon  im  Jahre  1824 
durch  seine  treffliche  „Histoire  de  la  Revolution  frangaise'^ 
ein  überaus  klares  und  psychologisch  scharf  gedachtes  Bild 
der  grossen  Staatsumwälzung  entworfen.  Der  bureaukratische 
Louis- Adoli)he  Thiers  (1797—1877),  der  seine  engherzige  Ge- 
schichtsauffassung später  auch  auf  die  Politik  übertrug,  hatte 
sich  schon  Mitte  der  zwanziger  Jahre  ebenfalls  mit  einer 
„Histoire  de  la  Revolution  frangaise"  (in  acht  Bänden)  den 
Ruf  eines  grossen  Historikers  erworben.  Seine  hohen  Verdienste 
für  die  geistige  Hebung  seines  Volkes,  als  Unterrichtsminister 
Louis-Philippes,  fallen  in  die  Jahre  1832—35.  In  seinem  Auf- 
trage studierte  Victor  Cousin  in  Deutschland  neue  Anordnungen 


20  Das  Milieu. 

für  die  Einrichtung  der  französischen  Schulen,  deren  Schüler- 
zahl sich  unter  Thiers'  Fürsorge  um  eine  Million  vermehrte. 

Ebenso  schufen  in  diesen  Jahren  die  Vertreter  der  be- 
schreibenden Geschichtsforschung  historische  Meisterwerke 
von  bleibendem  Werte.  So  vor  allen  der  liberal  gesinnte 
Äugustin  Thierry  (1795 — 1856),  den  man  wegen  seines  glän- 
zenden Erzählertalentes  und  seiner  treuen  Hingabe  zur 
Wissenschaft,  in  deren  Dienst  er  erblindete,  den  Homer  der 
Geschichte  genannt  hat. 

Nachdrücklich  ist  gerade  bei  dieser  Richtung  der  Zu- 
sammenhang mit  der  französischen  Romantik,  mit  Chateau- 
briand und  mit  W.  Scott  hervorzuheben.  Denn  Aug.  Thierry 
selbst  erzählt  uns,  wie  ihn  die  Lektüre  der  „Martyrs"  mächtig 
für  das  Mittelalter  begeistert  hat,  und  bezeichnet  er  doch 
selbst  W.  Scott  als  seinen  grossen  Lehrmeister,  wenn  er  ihn 
„le  plus  grand  maitre  qu'il  y  ait  jamais  eu  en  fait  de  divi- 
nation  historique"  *)  nennt. 

Von  den  vielen  namhaften  Litterarhistorikern  wollen  wir 
nur  den  hervorragendsten  nennen :  Ahel-Frangois  Villemain 
(1790 — ^1870),  der  in  beredten  Vorlesungen  der  zweitausend- 
köpfigen lauschenden  Jugend  Blicke  in  das  geistige  Leben 
der  Völker   öffnete,   wie   dies   noch   kein  Franzose  vermocht. 

Hier  sei  mit  den  alterreifen  Vertretern  der  schönen  Wissen- 
schaften abgeschlossen,  obschon  tioch  mancher  Name  von 
gutem  Klang  zu  nennen  wäre.  Der  älteste  der  in  diesem 
Jahrhundert  geborenen  Jungen  und  zugleich  nicht  nur  durch 
sein  Talent  hervorragendste,  sondern  auch  durch  die  domi- 
nierende, tonangebende  Stellung,  die  er  sich  zu  erringen 
wusste,  ist  der  1802  geborene  Victor  Hugo  (gest.  1885).  Mit 
zehn  Jahren  hatte  er  bereits  gute  Verse  geschrieben,  mit 
fünfzehn   solche    der   französischen  Akademie   überreicht  und 


1)  Vergl.  Gottl.  "Wüscher :   „Der  Einfluss  der  englischen  Balladenpoesie  auf 
die  französische  Litteratur"  (1765—1840).   Zürcher  Dissertation  1891.  (Pag.  49.) 


Das  litterarische  Paris  ums  Jahr  1831.  21 

zwanzig  Jahre  alt  war  er  mit  seinen  ersten  „Ödes"  (1822) 
an  die  Oeffentlichkeit  getreten.  Und  als  Hugo  1824  seine 
mächtigen  klang-  und  farbenreichen  „Ödes  et  Ballades"  zu 
publizieren  begann,  da  galt  er  schon  allgemein  als  eben- 
bürtiger Rivale  Lamartines,  dessen  unnachahmliche  Vers- 
harmonie er  zwar  ebenso  wenig  erreichte,  wie  die  innige 
Schwärmerei,  den  er  aber  durch  reicheres  Kolorit  der 
Sprache,  schärfere  Charakteristik,  blendende  Phantasie  und 
besonders  an  Gedankentiefe  übertraf.  Während  sich  der 
Sänger  der  „Meditations"  stets  in  hehren  Sphären  und  über- 
irdischen Träumereien  bewegte,  tobt  in  den  Versen  des 
leidenschaftlich  kämpfenden  jungen  Romantikers  eine  schwer- 
wuchtige Lyrik.  Was  er  dichtet,  hat  er  gesehen,  erlebt  und 
reiflich  vmd  fest  überlegt ;  seine  Poesie ,  auch  wenn  sie 
phrasenhaft  und  preziös  lautet,  wurzelt  in  dem  Gehirn,  und 
zwar  in  dem  eines  genial  unruhigen  Poeten.  Kurz  vor 
dem  Ausbruch  der  zweiten  Revolution  hatte  der  noch  nicht 
Dreissigjährige  mit  den  „Orientales"  sein  Höchstes  in  der 
Kunstlyrik  geschaff'en.  Die  fabelhafte  Technik  in  der  Reim- 
kunst, die  staunenswerte  Fertigkeit,  die  er  in  den  wunderbar 
klangvollen  Versen  an  den  Tag  legt,  machen  ihn,  —  mag 
er  sich  auch  dagegen  gesträubt  haben,  zum  geistigen  Vater 
der  „l'Art  pour  rart"-Litteratur,  bei  der  das  „Ich"  in  den 
Hintergrund  tritt,  um  den  Tönen  einer  hinreissenden  Sprach- 
orchestration,  dem  lyrisch-musikalischen  Elemente,  das  wir 
auch  in  den  „Contemplations"  so  bewundern,  das  Feld  zu 
räumen. 

Schon  1827  hatte  Hugo  in  der  Einleitung  zu  seinem 
Buchdrama  „Crom well"  der  klassischen  Tragödie  dea  Krieg 
erklärt.  Die  Auff'ührung  der  „Marion  Delorme"  war  1829  ver- 
boten worden  und  1830  hatte  der  berühmte  Bühnenkampf 
und  -sieg  des  „Hernani"  stattgefunden.  Besiegt  waren  die 
klassischen  drei  Einheiten  und  andere  Traditionen  des  XVII. 
Jahrhunderts  noch  nicht,  sondern  einstweilen  erst  die  Gleich- 


22  Das  Milieu. 


gültigkeit  des  Pariser  Publikums;  von  da  an  gab  es  für 
Hugo  nur  noch  lärmend -enthusiastische  Bewunderer  und 
ebenso  laute  Gegner.  Wenn  wir  nun  in  Betracht  ziehen,  dass 
Hugo  1831  noch  den  grossartigen  Roman,  das  dreibändige 
Werk  „Notre  Dame  de  Paris",  vollendete,  in  dem  er  mit 
wunderbarer  Virtuosität  und  kunstvoller  Darstellung  für  die 
Existenzberechtigung  und  die  Verbindung  des  pittoresk 
Hässlichen  mit  dem  ideal  Schönen  plaidierte,  wie  bereits  in 
der  Vorrede  zu  „Crom well",  und  uns  mit  glänzender  Phantasie 
und  staunenswerter  Sachkenntnis  ein  plastisches  Bild  des 
Mittelalters  hervorzaubert;  wenn  wir  uns  ferner  erinnern,  dass 
lyrische  Schöpfungen,  wie  ein  Teil  der  „Feuilles  d'automne" 
und  die  ersten  „Chants  du  crepuscule"  noch  1831  entstan- 
den, so  sind  wir  berechtigt  zu  behaupten,  dass  Victor  Hugo 
vor  der  Julirevolution  die  vornehmsten,  geist-  und  wirkungs- 
vollsten Werke  seiner  langen  Dichterlaufbahn  geschaffen 
hatte. 

Obgleich  der  um  ein  Jahr  jüngere  Prosper  Merimee 
(1803 — 1870)  erst  in  den  vierziger  Jahren  die  beiden  Romane 
„Colomba"  und  „Carmen"  verfasste,  an  die  sich  sein  Name 
als  einer  der  Vorläufer  des  modernen,  indifferent  beschreiben- 
den Realismus  knüpft,  so  hatte  er  mit  dem  „Theätre  de 
Clara  Gazul"  (1825),  der  „Chronique  du  regne  de  Charles  IX", 
mit  „Guzla"  (1827)  schon  ein  eigenartiges  und  hervorragen- 
des Erzählertalent  ebenso  wie  gründliches  Wissen  bewiesen. 
„La  Guzla"  —  jene  berühmte,  dem  Macpherson'schen  Betrüge 
ähnliche  apokryphe  Sammlung  illyrischer  und  dalmatischer 
Balladen,  veranlasst  uns,  ganz  kurz  auf  das  Erwachen  des 
Verständnisses  für  Volkslitteratur  hinzudeuten,  die  vor  Meri- 
mee schon  dem  Polkloristen  Claude  Fauriel  und  dem  Uni- 
versalessaisten  Loeve-Veimars  und  später  besonders  von  Xa- 
vier  Marmier  gepflegt  wurde.  Der  französischen  Kunstpoesie 
den  frischen  Quell  reiner  Volksdichtung  zuzuführen,  gelang 
diesen  Männern  jedoch  nicht.    Den  Wert   des  echten  Volks- 


Das  litterarische  Paris  ums  Jahr  1831.  23 

liedes,   besonders  des  eigenen,   nationalen,   erkannte  die  fran- 
zösische Romantik  nicht.  ^) 

Heine  würde  uns  nimmermehr  verzeihen,  wollten  wir  den 
zukünftigen  Autor  der  „Mousquetaires"  und  des  „Monte- 
Christo",  den  populärsten  und  vielleicht  sympathischsten 
Romantiker,  den  Mulattensohn  Alexandre  Dumas  (1803 — 1870) 
vergessen.  Ihm  kommt  die  Ehre  zu,  noch  vor  Hugo,  mit 
allerdings  ziemlich  bedenklichen  Waffen,  die  nicht  einmal 
alle  aus  seiner  Werkstatt  waren  —  mit  dem  Drama  „Henri  III 
et  sa  cour'^,  dem  ersten  romantischen  Schauspiel,  das  über 
die  geweihten  Bretter  des  Theätre  frangais  ging,  im  Jahre 
1829  den  ersten  Sieg  für  sich,  für  seinen  Cenacle  (den  No- 
diers)  und  die  Romantik  davongetragen  zu  haben. 

Für  den  1827  von  der  französischen  Akademie  aus- 
geschriebenen „prix  d'eloquence"  konkurrierten  drei  Litterar- 
historiker:  die  beiden  Schüler  Villemains,  Philarete  Chasles 
und  Auguste  Saint -Marc  Girardin,  von  denen  wir  wieder- 
holt zu  sprechen  haben  werden,  und  ein  junger  Kritiker  des 
„Globe",  Charles- Augustin  Sainte-Beuve  (1804 — 1869j.  Den 
Preis  teilten  sich  die  beiden  ersten  ex  aequo;  Sainte-ßeuves 
„Tableau  de  la  poesie  frangaise  au  XV?  siecle",  das  auf 
gründlichem  Studium  Ronsards  und  du  Bellays  beruhte,  zu 
dem  ihn  sein  Freund  Hugo  und  der  allgemeine  litterarische 
Zeitgeist  angeregt,  ging  leer  aus.  Das  Buch  aber,  in  dem 
er  die  Romantiker  über  die  Perücken  der  Klassiker  hinweg 
mit  Ronsard  verkettete,  erregte  nichtsdestoweniger  gewaltiges 
Aufsehen  in  litterarischen  Kreisen  und  machte  den  Verfasser 
zu  einem  der  Hauptleiter  der  neuen  Strömung.  Bald  jedoch 
trennte  er  sich  von  derselben,  um  sich  dem  Mysticismus  der 
Lamennais  und  Lacordaire,  dann  dem  Jakobinertum  eines 
Armand  Carrel  anzulehnen,  und,  nachdem  er  kurze  Zeit 
mit    Proudhons    Socialismus    geliebäugelt,    ergebenst   an   den 


^)  Vergl.  Gottl.  Wüsclier,  a.  a.  O,,  pag.  61 


24  Das  Milieu. 


Stufen  des  Kaiserthrones  zu  enden.  —  Sainte-Beuve  war  der 
vielseitigste  Romantiker,  in  dem  man  heutzutage  mit  Unrecht 
bloss  den  einflussreichsten  Kritiker  sieht,  da  er,  wie  keiner 
vor  ihm,  die  intuitive  Kraft  der  Nachempfindung  für  die  ver- 
schiedenartigsten litterarischen  Erscheinungen  besass.  Denn 
seine  Lyrik  nimmt  eine  bedeutende  und  wirkungsreiche 
Stellung  ein.  Im  Jahre  1829  waren  seine  „Poesies  et  pen- 
sees  de  Joseph  Delorme"  und  1830  die  „Consolations"  er- 
schienen, in  denen  nach  dem  Muster  der  Engländer  Cowper 
und  Wordsworth  das  Kleinleben  der  Natur  und  die  Genüsse 
des  Stilllebens  mit  idyllischer  Realistik  geschildert  sind.  In 
Joseph  Delorme  hat  er  den  Romantikern  die  drei  Haupt- 
erfordernisse des  neuen  Verses  gezeigt:  Freiheit  und  Be- 
weghchkeit  der  Cäsur,  Freiheit  im  „enjambement"  und  vor 
allem  Reichtum  des  Reimes.  Fast  ein  halbes  Jahrhundert 
vor  den  Parnassiens  feiert  er  die  Macht  desselben,  indem  er 
ihn  als  erstes  und  Hauptraittel  für  die  gestaltende  Phantasie 
des  Dichters  erklärt.  Er  war,  wie  Brunetiere  treff'end  sagt, 
der  Du  Bellay  Hugos,  denn  er  formte  das,  was  das  Genie 
desselben  geschaffen,  in  rhythmische  Regeln  und  legte  so  die 
Grundzüge  der  neuen  „Illustration"  der  französischen  Sprache 
nieder. 

Es  erübrigt  uns  noch  von  zwei  Dichtern  zu  reden,  von 
denen  ein  jeder  in  seiner  Art  als  Vollblutromantiker  betrachtet 
werden  kann.  Wir  meinen  Alfred  de  Musset,  den  engsten 
Geistesverwandten,  und  den  um  ein  Jahr  Jüngern  Theophile 
Gautier,  den  intimsten  Freund  Heinrich  Heines.  In  diesen 
beiden  Eigenschaften  werden  wir  uns  auch  noch  später 
mit  ihnen  zu  beschäftigen  haben.  Hier  seien  sie  nur  als  die 
beiden  Poeten  erwähnt,  die  die  lange  Reihe  der  Geistesheroen 
der  Zeitepoche  von  1831  beschliessen. 

Alfred  de  Miisset  (1810 — 1857),  welcher  der  Romantik 
das  spöttelnd  witzige  Element,  den  Sarkasraus  und  die  Sinn- 
lichkeit zuführte,  hatte  1830  die  „Contes  d'Espagne  et  d'Itahe", 


Das  litterarische  Paris  ums  Jahr  1831.  25 

jene  frisch  sprudelnden  humorvollen  Erzählungen,  heraus- 
gegeben. Erst  nach  1831  griff  das  berühmte  Liebesverhältnis 
tragisch  in  sein  junges  Leben  ein,  dessen  erste  Frucht  „Rolla" 
(1833)  wurde.  Der  Gegenstand  dieser  verhängnisvollen  Leiden- 
schaft, die  Baronin  Dudevant  (geborene  Aurora  Dupin,  1804 
bis  1876),  war,  eine  unglückliche  Ehe  fliehend,  fast  zur  selben 
Zeit,  wie  Heine  nach  Paris  gekommen,  wo  sie  noch  im 
Jahre  1831  ihren  ersten  Roman  „Rose  et  Blanche",  nach 
ihrem  litterarischen  Mentor,  Jules  Sandeau,  George  Sand 
unterzeichnete;  ein  Pseudonym,  das  ihr  zweiter  Roman 
„Indiana"  (1832)  in  alle  Welt  tragen  sollte.  — 

Noch  nicht  zwanzig  Jahre  zählte  der  krausköpfige  meridio- 
nale  TJieopliile  Gaiitier  (1811 — 1872),  dieser  echte  und  unver- 
fälschte Typus  des  Romantikers,  als  er  dem  Autor  des  Her- 
nani,  seinem  angebeteten  Meister,  die  ersten  duftenden  und 
sprachprächtigen  Lieder  widmete.  Sie  kündigten  schon  die 
glänzenden  Gaben  des  zukünftigen  Versmalers  an,  wie  sie  sich 
später  in  den  „Emaux  et  camees"  offenbarten,  jenen  Grund- 
festen der  Parnasseparole :  „L'art  pour  l'art".  Der  süd- 
ländische Brausekopf  war  damals  in  der  erwähnten  denk- 
würdigen Vorstellung  des  Hernani  —  am  23.  Februar  1830  ^ 
der  Hauptführer  der  Schar  begeisterter  Musen  jünger  mit 
w^allendem  Haupthaar,  roten  Schnürröcken  und  spanischen 
Mänteln,  die  dem  litterarischen  Philistertum  den  Garaus 
machen  wollten.  An  jenem  Abend  schon  hatte  sich  Gautier 
im  Parterre  des  Theatre  frangais  mit  seiner  roten  Weste  und 
den  hellgrünen  Hosen  den  legendären  Ruf  geschaffen.  *) 


*)  In  dem  Cenacle  von  1829  war  Gautier  der  Jüngste.  —  Hier  mag 
noch  ein  Wort  der  Aufklärung  über  den  oft  genannten  und  missverstandenen 
Begriff  des  Cenacle  am  Platze  sein.  Es  handelt  sich  nämlicli  nicht  bloss  um 
einen,  sondern  um  drei  Cenacles.  Der  erste,  der  von  1824,  setzte  sich  zusammen 
aus :  Nodier,  in  dessen  Wohnung  im  Arsenal,  wo  er  Bibliothekar  war,  er  meistens 
tagte,  —  Victor  Hugo,  Alexandre  Soumet,  ein  Bewunderer  und  Nachahmer 
Klopstocks,  der  nicht  lange  mit  den  Romantikern  gemeinsame  Sache  machte,  — 


26  Das  Milieu. 


Alfred  de  Vigny  und  den  beiden  Brüdern  Emile  und  Antony  Deschamps,  von 
denen  der  erstere  sich  durch  treffliche  Uebortragungen  deutscher  Klassiker  aus- 
zeichnete. Auf  der  Tagesordnung  dieses  Schriftstellerbundes  standen  ausser 
dem  Kampfe  gegen  das  litterarisch  Konventionelle,  ganz  besonders  Hass  der 
grossen  Revolution  und  Verachtung  alles  Gemeinen  und  Vulgären.  In  dem 
zweiten  Cenacle  (ums  Jahr  1828),  der  noch  bei  Nodier  abgehalten  wurde,  in 
dem  aber  schon  Hugo  das  grosse  Wort  führte,  treffen  wir  ausser  den  alten 
noch  folgende  neue  Namen :  Sainte-Beuve,  Alfred  de  Musset,  Gerard  de  Nerval, 
Alexandre  Dumas  und  die  talentvolle  Dichterin  Madame  Tastu,  die  sich  beson- 
ders als  Jugendschriftstellerin  Verdienste  erworben.  Erst  der  dritte  Cenacle 
findet  im  Hause  Victor  Hugos,  Place  Royale,  statt.  Vergebens  suchen  wir  hier 
seine  alten  Freunde  und  Kampfesgenossen.  Er  ist  inzwischen  einer  der  Un- 
sterblichen, le  maitre  „Olympio"  geworden,  der  keine  Freunde,  sondern  nur 
noch  weihrauchstreuende  Anbeter  und  solche,  die  ihm  bei  seinen  Arbeiten 
nützlich  sind,  in  seiner  hohen  Nähe  duldet,  d.  h.  excentrische  Studienköpfe, 
wie  der  Lykanthrop  Petrus  Borel,  eine  Anzahl  Maler  und  Bildhauer.  An  der 
Spitze  dieser  unbedeutenden  Verehrerschar  der  einzige  Dichter :  Theo  Gautier. 


Heines  Stellung  zur  französischen  Romantik.  27 


Drittes  Kapitel 

Heines  Stellung  zur  französischen 
Romantik  und  zu  einigen  ihrer  Haupt- 
vertreter 


Man  hat  sich  deutscherseits  darüber  gewundert,  dass 
Heine  so  spät  in  Prankreich  zur  Geltung  gekommen  ist. 
Heine  selbst,  der  sich  seines  Wertes  wohl  bewusst  war,  wird 
zweifelsohne  von  Paris  mehr  Ehre  für  den  deutschen  Sänger 
erwartet  haben.  Wir  aber,  die  wir  jetzt  die  glänzende 
Siegesperiode  der  französischen  Romantik  überbHcken  können, 
in  der,  neben  der  Fülle  von  Koryphäen,  neue  Poeten,  neue 
bedeutende  Geister  jeder  Art  wie  Pilze  aus  der  Erde  schössen 
und  so  die  Epoche,  die  Heine  in  Paris  verlebte,  zu  einer 
abnormal  litterarisch  produktiven  gestalteten,  wir  müssen  uns 
im  Gegenteil  darüber  wundern,  dass  der  deutsche  Dichter  so 
rasch  in  der  litterarischen  Welt  von  Paris  zu  Ansehen  ge- 
langte. Denn  der  flüchtige  Poet  musste  sich  nicht  nur  allein 
durch  die  Masse  von  Talent  und  Genie  den  Weg  zum  Ruhm 
bahnen,  sondern  es  traten  noch  hemmende  Verhältnisse  hinzu. 
Zu  diesen  gehört  in  erster  Linie  seine  schiefe  sociale  Stellung 
als  deutscher  Journalist,  über  die  man  lange  in  massgebenden 
Kreisen  im  unklaren  war.  Geraume  Zeit  hatte  Heine  gegen 
ein  geheimes  Misstrauen  zu  kämpfen,  das  man  dem  schönen, 
jungen  und  geistreichen  Chroniqueur  —  denn  nicht  als  Dichter 


28  Das  Milieu. 


betrachtete  man  ihn  anfangs,  von  dem  man  so  gut  wie  nichts 
wusste  —  mit  der  scharfen  Zunge  entgegenbrachte,  den  man 
überall  antraf,  hinter  den  Coulissen  der  Theater-  und  der 
politischen  Bühne,  in  öffentUchen  Versammhmgen,  in  Utterari- 
schen  Salons  und  bei  der  „Boheme"  ebenso  wie  in  den 
Tuilerien.  Lange  musste  er  sich  gefallen  lassen,  in  Frank- 
reich als  Deutscher  verschrieen  zu  sein,  während  man  ihn 
zu  Hause  einen  Franzosen  schalt.  — 

Den  sichersten  und  kürzesten  und  auch  dankbarsten 
Weg  zu  Ansehen  und  Einfluss,  denselben,  den  u.  a.  ein 
Alexandre  Weill  und  später  Albert  Wolff  einschlugen,  d.  h. 
die  alte  Heimat  abzuschütteln  und  Franzose  zu  werden,  diesen 
Weg  wollte  Heine  nicht  wählen.  Diejenigen,  die  in  germani- 
schem Ingrimm  so  schnell  bereit  sind,  den  flüchtigen  deutschen 
Juden  wegen  seiner  überrheinischen  Sympathieen  als  Vater- 
landsverleugner oder  gar  -Verräter  an  den  Pranger  zu  stellen, 
ignorieren,  wie  gross  die  Versuchungen  waren,  die  an  den 
nach  französischem  Schriftstellerruhm  Strebenden  herantraten, 
und  wie  fest  und  innig  seine  Liebe  fürs  deutsche  Vaterland 
sein  musste,  dass  er  allen  Verlockungen  einer  Naturalisation 
widerstehen  konnte.  Er  blieb  Deutscher  und  focht  sein  wag- 
halsiges Vorpostengefecht  aus,  als  welches  er  seine  Stellung 
in  Paris  stets  betrachtete  —  und  zwar  wetteiferte  er  als 
Deutscher  mit  den  Franzosen  in  Redetalent  und  „esprit", 
kämpfte  mit  ihren  ureigensten  Waffen,  teilte  kreuz  und  quer 
seine  scharfen  Hiebe  unter  den  gefürchtetsten  und  angebetet- 
sten  Helden  der  Feder  und  des  Geistes  aus. 

Wie  sehr  man  gleich  die  Mitarbeiterschaft  dieses  in- 
teressanten Fremden  schätzte,  wie  viel  man  von  der  Zug- 
kraft seines  sprühenden  Gedankenblitzes  erwartete,  geht  zu 
Genüge  aus  der  Thatsache  hervor,  dass  die  erste  französische 
Uebersetzung  der  „Reisebilder"  für  die  bloss  ein  Jahr  alte, 
aber  schon  tonangebende  „Revue  des  deux  Mondes"  ge- 
wonnen wurde,  die  bereits  Gelehrte,  wie  Sainte-Beuve,  Edgar 


Heines  Stellung  zur  französischen  Romantik.  29 


Quinet,  Gust.  Planche,  Fauriel  und  Lerminier,  und  Poeten,  wie 
Hugo,  Dumas  und  Alfred  de  Vigny,  zu  ihren  Mitarbeitern 
zählte,  d.  h.  die  ersten  Namen  des  Tages.  Eine  der  hervor- 
ragendsten litterarischen  Modefiguren  Loeve-Veimars  über- 
setzt ihn.  Noch  mehr !  Das  grossartige  journalistische  Unter- 
nehmen „L'Europe  litteraire"  stellt  das  französische  Original 
seiner  „Romantischen  Schule"  an  die  Spitze  der  ersten 
Nummer  und  benützt  so  das  Talent,  das  Wissen  und  den 
Namen  Heines  als  Reklame  für  die  Zeitschrift.  Und  dies, 
als  unser  Dichter  kaum  ein  Jahr,  resp.  zwei  Jahre  in  Paris 
gelebt  hatte!  Heisst  dies  nicht  zur  Geltung  kommen  und 
nicht  gewürdigt  werden?  Wer  weiss,  wie  viel  Mühe,  Aus- 
dauer, Geduld  und  Talent  es  fast  allen  zu  Ruhm  und  Ehre 
gelangten  Franzosen  in  ihrer  eigenen  Hauptstadt  kostete, 
bis  es  ihnen  gelang,  sich  an  die  Oberfläche  hinaufzuarbeiten, 
muss  zugeben,  dass  Heine  erstaunlich  rasch  nach  Wert  und 
Verdienst  anerkannt  wurde.  Heinrich  Laube,  der  einzige 
wirklich  bedeutende  von  seiner  Handvoll  ehrlicher  und  treuer 
Freunde,  bestätigt  als  Augenzeuge,  dass  seine  französischen 
Kollegen  sehr  bald  in  ihm  nicht  nur  die  Krallen  des  Löwen 
fürchteten,  sondern  in  dem  deutschen  Flüchtling  eine  geistige  V 

Macht  ersten  Ranges  erkannten ,  als  solche  sie  ihn  auch 
schätzten  und  achteten.  ^) 

Alle  deutschen  Heinebiographen  haben  ein  Kapitel  dem 
Verhältnis  Heines  zu  berühmten  französischen  Zeitgenossen, 
seinem  gesellschaftlichen  Verkehr  in  Paris  und  seinen  näheren 
Freunden  gewidmet.  Es  kann  daher  nicht  unsere  Aufgabe 
sein,  hier  Bekanntes  im  einzelnen  zu  wiederholen.  Im  weitern 
Verlauf  unserer  Arbeit,  wenn  wir  von  seinen  Uebersetzern 
und  der  französischen  Kritik  reden,  werden  wir  ohnehin 
Gelegenheit   finden,   manches  Wissenswerte    zu    bringen.     Im 


0  Vergl.  H.  Laube    über  H.  Heine;    Deutsche   Rundschau   1887,    Sept., 
png.  465. 


30  D«^s  Milieu. 


folgenden  beabsichtigen  wir  nur  einige  allgemeine  Gesichts- 
punkte hervorzuheben,  die  einer  deutschen  Biographie  ferner 
liegen,  und  den  Namen  Heines  mit  einigen  französischen 
Litteraten  und  ihren  Kreisen  in  Zusammenhang  zu  bringen. 
Wenige  Notizen  über  Heines  Stellung  zu  dem  Saint-Simonis- 
mus  glaubten  wir  trotz  einiger  interessanten  Seiten  in  Job. 
Proelss'  „Das  junge  Deutschland"  (Stuttgart  1892)  der  Voll- 
ständigkeit wegen  beibehalten  zu  dürfen. 

Auf  die  vielen  Berührungspunkte  zwischen  dem  Naturell 
und  den  litterarischen  und  socialen  Neigungen  Heines  und 
der  französischen  Romantik  genügt  es  mit  wenigen  Worten 
hinzuweisen.  Abscheu  vor  der  Routine,  Verachtung  alles 
Vulgären,  Hass  des  Konventionellen,  des  Wortschwulstes  der 
Emphase,  aller  hohlen,  nichtssagenden,  schönen  Phrasen  und 
Gefühle;  dagegen  Hang  zur  Phantastik,  künstlerische  Laune 
und  —  last  but  not  least  —  fanatischen  Kultus  des  Schönen 
und  Grossartigen  —  dies  alles  hatte  er  mit  den  meisten 
Romantikern  gemein.  Beide  Teile  berührten  sich  ferner  in 
der  sich  aus  den  obigen  Eigenschaften  logisch  ergebenden 
Napoleonschwärmerei  —  wir  haben  natürlich  nur  die  erste 
Phase  der  französischen  Romantik  im  Auge.  Diese  war  es  ja 
auch,  welche  zu  Schmähungen  unseres  Dichters  Veranlassung 
gegeben  hat,  wobei  man  vergass,  dass  der  Stein,  der  nur  für 
Heine  bestimmt  war,  die  besten  Patrioten  traf;  so  Hegel,  der 
von  Jena  aus  schrieb  :  „Ich  habe  den  Kaiser  gesehen,  diese 
Weltseele/'  so  Varnhagen  von  Ense,  der  Napoleon  bewunderte, 
obgleich  er  gegen  ihn  gefochten  hatte ;  von  Goethe  gar  nicht 
zu  reden,  dessen  Bonapartebewunderung  allbekannt  ist.  Wie 
bei  den  Romantikern,  war  es  bei  Heine  nicht  politische  Ueber- 
zeugung,  auch  nicht  persönliche  aristokratische  Neigung,  die 
ihn  für  den  genialen  Korsen  schwärmen  Hessen,  sondern  der 
Hang  zum  Aussergewöhnlichen,  der  Widerwille,  den  er  gegen 
alle  Mittelmässigkeit,  gegen  die  rohe  Masse,  gegen  jedes  farb- 
und  schmucklose  Dasein  empfand.    Flauberts  legendäre  Parole 


Heines  Stellung  zur  französischen  Romantik.  31 


„haine  du  bourgeois^^  ^)  bedeutet  im  Grunde  nichts  Anderes, 
auch  bei  ihm  muss  dies  Wort  vom  künstlerischen  Standpunkte, 
nicht  etwa  vom  socialpolitischen  gedeutet  werden. 

Heine,  der  schon  in  Deutschland  ein  erklärter  Feind  aller 
Cliquen  war,  blieb  denselben  auch  in  Paris  fern,  wo  sie  von 
jeher  häufiger  und  einfiussreicher  gewesen  sind.  Weder  die 
„Bohemiens''  noch  die  Saint-Simionisten  konnten  ihn  als  den 
ihrigen  betrachten.  Freunde  und  Sympathieen  besass  er  bei 
beiden,  ja  auch  in  Hugos  Cenacle.  Er  verkehrte  eben  mit 
jedem,  der  ihn  interessierte,  ging  aber  ruhig  seines  Weges, 
ohne  sich  dauernd  irreführen  zu  lassen.  Wahr  ist  es  allerdings, 
dass  die  grössere  Anzahl  seiner  Bekannten  und  vor  allem  die 
beiden  intimsten  Freunde  der  sogenannten  „Boheme  romantique^' 
angehörten,  eine  Bezeichnung,  die  von  dem  einzigen  über- 
lebenden Mitgliede  derselben,  von  Arsene  Houssaye  herrührt, 
im  Gegensatz  nämlich  zu  dem  „Olympe  romantique'^,  wo  nach 
ihm  Chateaubriand,  Lamartine,  Alfred  de  Vigny,  Hugo  und  — 
Alex.  Dumas  thronten.  Aber  ebenso  oft  wie  Gautier  bei  diesen, 
war  auch  der  joviale  Dumas  bei  den  „Bohemiens''  zu  sehen. 
Sehr  flüchtig  kannte  Heine  jedenfalls  vier  Sterne  am  littera- 
rischen Himmel :  Hugo,  de  Vigny,  Lamartine  und  Merimee. 
Er  mag  ihnen  in  den  Soireen  der  Rothschildschen  Kreise 
zuweilen  begegnet  sein,  in  denen  sich  schon  damals  alles 
bewegte,  was  es  in  Paris  an  Geist,  Geburt  und  Geld  Mächtiges 
gab,  oder  bei  Lafayette  und  den  Ministern  Comte  Duchätel 
und  Salvandy,  wo  er  Gelegenheit  hatte,  sich  den  ausgezeichnet- 
sten Männern  des  Tages  zu  nähern.  Zweifelsohne  kannte  er  sie 
persönlich;  wie  sollten  sie  ihm,  der  doch  in  den  Redaktions- 
bureaux  der  „Revue  des  deux  Mondes^'  und  der  „Europe 
litteraire''  ein-  und  ausging,  fremd  geblieben  sein !  Wir  wissen 
es  auch  durch  die  Empfehlungen,  die  seine  deutschen  Besuche 
bei  den  litterarischen  Grössen  einführten.    Nichtsdestoweniger 


^)    Etwa  mit  „Hass  gegen  den  Philister"  wiederzugeben. 


32  Das  Milieu. 


ignorierten  jene  ihn  litterarisch  total;  —  wir  glauben  nicht, 
dass  der  Name  Heines  in  den  Schriften,  Briefen  und  Memoiren 
der  genannten  vier  Koryphäen  auch  nur  erwähnt  ist.  Bei 
Victor  Hugo  ganz  besonders  nicht,  der  nie  verzieh  und  die- 
jenigen, die  seine  olympische  Majestät  beleidigt  hatten,  ent- 
weder totschwieg  oder  dann  bei  Gelegenheit  niederschmetterte. 
Da  ihm  das  Letztere  bei  Heine  schwerlich  gelungen  wäre, 
begnügte  er  sich  damit,  den  deutschen  Dichter  überhaupt 
nicht  zu  beachten.  Peinlich  war  dieses  Verhältnis  für  Gautier, 
dem  Hugo  ein  höheres  Wesen  schien,  der  aber  zugleich  ein 
enthusiastischer  Bewunderer  Heines  blieb.  Der  gute  „Theo'' 
hat  es  dennoch  nie  über  sich  gebracht,  den  deutschen  Freund 
in  den  Cenacle  semes  Dichtergottes  zu  führen,  den  er  ver- 
spottet hatte.  Nicht  unmöglich  ist  es,  dass  Hugo  später  auch  an 
den  jüdisch-deutschen  Heine  dachte,  als  er  die  Juden  in  seinen 
„Chätiments"  züchtigte. 

Heine  war  kein  „homme  du  monde",  dem  es  ein  Bedürfnis, 
sich  in  feinen  Salons  zu  bewegen  und  dort  im  Kreise  schöner 
Damen  durch  seinen  Geist  zu  glänzen  und  den  geistreichen 
Don  Juan  zu  spielen.  Die  Heinelegende  allerdings  will  es 
anders;  nach  ihr  soll  sich  der  deutsche  Dichter  in  einen  witzigen 
Salonhelden  verwandelt  haben,  der  schreckliche  Verheerungen 
unter  den  Frauenherzen  angerichtet  —  bis  ihm  der  strafende 
Commandeur  das  frivole  Handwerk  legte  und  ihn  zur  Matratzen- 
gruft verdammte !  — 

Heine  war  viel  zu  launenhaft,  sein  Witz  zu  scharf  und 
ungeschliffen,  um  es  in  französischen  Frauenkreisen  zum 
Liebling  zu  bringen  —  der  esprit  des  Boulevard  ist  nicht 
der  des  Boudoir  — ;  passte  ihm  irgend  etwas  nicht,  oder  war 
er  schlecht  gestimmt,  so  konnte  er  von  der  Suppe  bis  zum 
Käse  stock-  und  grobstumm  bleiben,  wie  —  ein  Gottfried  Keller. 
Von  allen  Pariser  Salons,  in  denen  er  vorübergehend  ver- 
kehrte, blieb  er  eigentlich  nur  dem  der  ebenso  schönen  wie 
gescheiten  Mailänderin  Prinzessin  Belgiojoso  treu,  wo  er  u.  a. 


Heines  Stellung  zur  französischen  Romantik.  33 


mit  Mignet,  Cousin,  Bellini,  seltener  mit  Musset  zusammen- 
traf. Der  Letztere  und  Heine  waren  beide  gleich  erfolglose 
Rivalen,  da  Mignet  als  Sieger  aus  diesem  Liebestournier  um 
das  Herz  der  italienischen  Patriotin  hervorging. 

x\lfred  de  Musset,  Heine  und  —  Leopardi !  Wer  immer 
von  den  Dreien  weiss,  kann  nicht  an  einen  derselben  denken, 
ohne  sich  der  andern  zu  erinnern.  Sie  sind  und  werden 
stets  das  nimmerwelkende  Dreiblatt  der  Weltschmerzpoesie, 
aus  Liebespein,  Ironie  und  Geistesunruhe  zusammengesetzt, 
bleiben,  wie  sie  zur  Zeit  unseres  werdenden  Jahrhunderts 
aus  der  Evolution  der  Weltpsychologie  entstand,  oder  —  um 
mit  der  vergleichenden  Litteraturgeschichte  zu  reden  —  wie 
sie  aus  Byrons  Dichtung  emporblühte.  Die  Stoffesfülle  ver- 
bietet uns,  auf  die  ungemein  interessante  Aehnlichkeit  zwischen 
Heine  und  Musset  näher  einzugehen.^)  Nur  dies:  In  dieser 
ihrer  frappanten  Aehnlichkeit,  die  sich  sowohl  auf  innere  An- 
lage als  auch  auf  ihre  Stellung  nach  aussen  bezieht,  stehen 
sie  in  der  W^eltlitteratur  einzig  da.  Sie  haben  nicht  bloss 
Zweifeln  und  Schwanken,  Geist  und  Witz  (so  selten  bei  grossen 
Dichtern)  ^),  eine  unglückliche  Leidenschaft,  stolzes  Selbst- 
bewusstsein,  thränenfeuchten  Spott  und  das  traurige  Lachen 
gemeinsam,  sondern  es  decken  sich  auch  ihre  Stellung  und 
ihr  Benehmen  gegenüber  der  zeitgenössischen  litterarischen 
Strömung  —  beide   spotten    über   die  konsekrierten    Dichter- 


1)  Den  Versuch  einer  solchen  Parallele  werden  wir  in  Kürze  unter- 
nehmen. —  Fast  alle,  die  über  den  einen  oder  andern  Dichter  schrieben, 
machen  auf  die  Aehnlichkeit  der  beiden  Poetengestalten  aufmerksam.  Aus- 
führlicher schrieb  über  dieses  Thema  bloss  William  Reymond  („Revue  des 
cours  litteraires  de  la  France  et  de  l'Etranger",  28.  April  1866,  pag.  368 
bis  374).  —  In  der  „Revue  contemporaine",  15.  März  1861,  pag.  306,  ist 
eine  Parallele  zwischen  Musset  und  Lenau  skizziert.  —  Meissner  vergleicht 
bekanntlich  in  seinen  ,, Heine-Erinnerungen"  Heine  mit  J.  J.  Rousseau. 

2)  Vergl.  u.  a.  Grenier,  Diner  Brizeux  („Revue  bleue",  3.  Juni  1893)  .  .  . 
,,Sauf  Musset  et  surtout  Heine,  tous  les  poetes  que  j'ai  connus  n'etaient  pas  ce 
que  le  monde  appelle  des  hommes  spirituels." 

Bctz,  Heine  in  Frankreich.  3 


34  Das  Milieu. 


grossen  ihrer  Heimat  —  und  ihr  Einfluss  auf  die  Jugend. 
Und  heute  wie  damals  haben  sie  dieselben  schwärmenden 
Freunde  und  dieselben  hasserfüllten  Feinde.  Doch  selbst 
bei  einer  flüchtigen  Skizze  dieser  verführerischen  Parallele 
muss  auf  einen  grossen  Unterschied  hingewiesen  werden. 
Bei  Musset  überlebte  der  Körper  den  Geist;  dem  Dichter  der 
„Confessions  d'un  enfant  du  siecle"  fehlte  die  Kraft;  er  unter- 
lag. Bei  Heine  aber  siegte  das  Immaterielle;  sein  Geist 
trotzte  dem  siechen  Körper.  Der  Dichter  des  „Intermezzo" 
hat  sich  nie  ergeben.  —  / 

Sehr  liiert  war  Heine  mit  dem  „Docteur  L.  Veron'"',  einer 
der  stadtbekanntesten  Persönlichkeiten  der  dreissiger  Jahre; 
Mediziner,  Litterat,  Verwalter  der  „Revue  de  Paris",  Direktor 
der  Grossen  Oper  und  Autor  der  kulturhistorisch  interessanten 
„Memoires  d'un  Bourgeois  de  Paris" ,  einem  vierbändigen 
Werk,  in  dem  übrigens  merkwürdigerweise  nirgends  von 
unserm  Dichter  die  Rede  ist.  Auch  mit  Beranger  stand  er 
lange  gut,  bis  Heine,  der  den  Chansonnier  schätzte  und  liebte, 
auf  die  unglückliche  Idee  kam,  diesem  den  Beinamen  „polisson" 
zu  geben,  worin  er  trotz  der  Vorstellungen  ihrer  gemeinsamen 
Freundin  Madame  Jaubert  nichts  Beleidigendes  sehen  wollte. 
Befreundet  war  und  blieb  er  mit  Balzac,  seinem  Alters- 
genossen. Diesen  hätten  wir  schon  in  unserer  Dichter-Rund- 
schau erwähnen  können,  da  er  1832  bereits  über  ein  littera- 
risches Gepäck  von  circa  zwanzig  Novellen  verfügte.  Er 
stak  aber  noch  tief  im  geschichtlichen  Romane  Walter 
Scotts  und  erst  Mitte  der  dreissiger  entpuppte  sich  der 
genial-rücksichtslose  Meister  des  realistischen  Sittenromans. 
Im  „Journal  des  Goncourt"  (Bd.  II,  pag.  22)  werden  uns  fol- 
gende Worte  des  Autors  der  „Comedie  humaine"  wieder- 
gegeben: „Ah!  c'est  dommage,  l'autre  jour  Henri  Heine,  le 
fameux  Heine,  le  puissant  Heine  est  venu.  II  a  voulu  monter, 
Sans  se  faire  annoncer.  Moi,  vous  savez,  je  ne  suis  pas  le 
Premier  venu,  mais  quand  j'ai  su  qui  c'etait,  toute  ma  journee. 


Heines  Stellung  zur  französischen  Romantik.  35 


il  l'a  eue.^'  Zu  seinen  nähern  Bekannten  zählten  ferner  noch 
zwei  echte  „bohemes  romantiques",  der  Trabant  Hugos,  Petrus 
Borel,  und  ganz  besonders  der  originelle  Sekretär  Balzacs, 
Lassailly.  Arsene  Houssay  berichtet  über  ihn  folgendes  (Con- 
fessions  I,  pag.  374) :  „II  (Lassailly)  est  un  de  ceux  qui  ont 
invente  le  mot  „incompris"  pour  les  poetes  et  pour  les  ferames. 
Cette  lettre  en  vers  ecrite  le  jour  de  sa  mort  ä  H.  Heine  le 
peint  assez  juste: 

Lassailly,  l'avez-vous  connu,  mon  eher  Henri? 

C'etait  Faust  et  Werther 

Et  son  coeur  a  fleuri 

Sans  trouver  de  rosee. 

Au  pays  de  Voltaire 

n  vivait  dans  le  bleu,  toujours  loin  de  la  terre,  — 

Ne  pleurons  pas  sa  mort;  au  sejour  des  esprits 

On  pretera  l'oreille  au  poete  incompris." 

Seinem  Herzen  jedoch  am  nächsten  von  allen  den  be- 
rühmten und  nicht  berühmten  Freunden,  Salon-,  Cafe-  und 
Boulevard-Bekanntschaften,  —  einigen  werden  wir  noch  in 
den  folgenden  Kapiteln  begegnen,  —  war  der  gute,  unglück- 
liche Gerard  de  Nerval.  „Je  me  vois  en  lui,"  soll  Heine  von 
ihm  gesagt  haben,  und  was  er  in  dieser  reinen  Dichter- 
seele sah,  war  sicherlich  nicht  sein  schlechteres  Ich.  Bei 
dem  Geliebten  der  treulosen  Colon,  im  Hotel  de  Chimay,  traf 
er  mit  mancher  notorischen  Persönlichkeit  der  Boheme  zu- 
sammen, u.  a.  mit  Henri  Murger,  dem  Maler  Heinrich  Leh- 
mann und  dem  Kritiker  Champfleury.  Wie  muss  es  in  dieser 
Gesellschaft  Witze,  Paradoxe  und  —  gewisse  Pikanterieen  ge- 
regnet haben !  Welch  Glück  für  die  von  seinen  Deutschen 
ohnehin  schon  genug  zerzauste  Reputation  Heines,  dass  sich 
kein  Goncourt  in  ihrer  Mitte  befand!  — 

Die  „Kirche"  der  Saint-Simonisten  traf  Heine  in  ihrer 
Glanzperiode.  In  allen  Stadtteilen  von  Paris  hatten  sich  Ge- 
meinden gebildet,   wo   die   erlösenden  Lehren   der  neuen  Re- 


36  Das  Milieu. 


ligion  gepredigt  wurden.  Das  vornehmste  litterarische  Organ, 
der  „Globe",  in  dessen  Spalten  die  Romantiker  einst  das 
Hallali  der  dichterischen  Reaktion  ertönen  Hessen,  machte 
durch  die  Feder  ihrer  Führer  Progaganda  für  den  neuen 
Glauben.  Auch  in  den  Provinzen  begann  man  sich  für  die 
Apostel,  die  Michel  Chevalier,  Enfantin  und  Olinde  Rodrigues 
zu  interessieren.  Allein  schon  1831  hatte  sich  die  social- 
religiöse  Sekte,  die  sich  nach  ihrem  Gründer,  dem  abenteuer- 
lichen aber  edeldenkenden  Grafen  Claude  Henri  de  Saint- 
Simon  nannte,  bereits  in  zwei  Richtungen  gespalten,  in  eine 
social-politische  und  eine  ethisch-religiöse,  die  letztere  mit 
Enfantin  an  der  Spitze.  Zu  diesem  und  seinen  Lehren  fühlte 
sich  Heine  eine  kurze  Spanne  Zeit  mächtig  hingezogen.  Er 
war  ein  regelmässiger  Besucher  der  Versammlungen  der  rue 
Taitbout,  die  jener  präsidierte,  gewiss  auch  um  sich  nebenbei 
an  den  glänzenden  Reden  sprachlich  zu  bilden.  Er  wohnte 
der  berühmten  Sitzung  bei,  in  der  der  Saal  auf  Befehl  des 
Königs  geschlossen  wurde.  In  Briefen  nennt  er  Enfantin 
seinen  „lieben  Freund",  rühmt  den  seltenen  Adel  seiner  Ge- 
sinnung und  bezeichnet  ihn  als  einen  der  bedeutendsten  Geister 
der  Gegenwart. 

Dieser  für  Heine  kompromittierende  Verkehr  sollte  in- 
dessen von  kurzer  Dauer  sein.  Er  war  kaum  zwei  Monate  in 
Paris,  als  auch  die  Dekadence  der  neuen  Kirche  begann  und 
zwar  zunächst  mit  dem  feierlich  verkündeten  Abfall  Bazards, 
der  die  besten  Anhänger  mit  sich  riss.  Schon  im  August  1832 
nahm  der  Saint-Simonismus  in  dem  Justizpalast  ein  klägliches 
Ende.  Die  Hauptprediger  hatten  die  Kanzel  mit  der  Anklage- 
bank vertauscht.  —  „A  l'heure  oü  je  vous  ecris"  —  so  be- 
richtet Lerminier  in  der  „Revue  des  deux  Mondes"  vom 
15.  August  1832  (pag.  484)  in  den  „lettres  philosophiques"  — 
„il  n'y  a  plus  ni  Saint-Simonisme,  ni  saint-simoniens,  tout 
s'est  evanoui,  car  je  ne  compte  pas  dans  Tordre  des  idees 
la  secte  qui  donne  en  ce  moment  un  si  pitoyable  spectacle  ..." 


Heines  Stellung  zur  französischen  Romantik.  3T 


Heine  fand  bald  neue  Freunde  und  zwar  Heine  der 
Poet,  d.  h.  sein  echteres  Ich.  Man  hat  zur  Genüge  betont, 
dass  er  mit  allen  Philosophieen  bloss  sein  geistreiches  Spiel 
getrieben,  mit  jedem  System  tändelte,  so  auch  mit  dem  Saint- 
Simonismus.  Ohne  dies  bestreiten  zu  wollen,  da  wir  selbst 
der  Ansicht  sind,  dass  Heine  zu  sehr  Künstler  und  Satyriker 
war,  um  an  irgend  einer  fanatischen  Ausschreitung  Gefallen 
zu  finden,  so  glauben  wir  dennoch  nicht,  dass  ihm  die  Lehre 
des  französischen  Grafen  bloss  ein  willkommenes  Thema  für 
seine  Dichterlaune  gewesen  sei.  Sie  sass  tiefer.  Denn  als 
der  erste  Freiheitstaumel,  der  ihn  allzuschnell  in  die  Arme 
der  Apostel  warf,  verraucht  war,  blieb  dennoch  an  dem 
nüchtern  Gewordenen  ein  gut  Stück  ihrer  Lehre  haften  — 
mag  sie  auch  im  Kerne  schon  in  dem  Autor  der  „Reisebilder" 
gelegen  haben  —  und  zwar  als  jene  janusköpfige  Doktrin, 
auf  der  einen  Seite  socialistisch-antiklerikal,  auf  der  andern 
aristokratisch-individuell,  beides  mit  einem  Anflug  von  Mystik. 


ZWEITER  ABSCHNITT 


H.  HEINE 

IM  LICHTE 

DER  FRANZÖSISCHEN  KRITIK 


„Will  man  überhaupt  Heine  nur  freundlich  und  wohl- 
gefällig- abg-espieg-elt  sehen,  so  muss  man  sich  an  die  ISota- 
bilitäten  der  Franzosen,  unter  denen  er  fünfzehn  Jahre  g-elebt, 
wenden.  Sie  respektierten  ihn  wie  einen  der  vornehmsten 
Pairs  in  dem  litterarischen  Parlamente  Europas,  und  derselbe 
Heine,  an  welchem  sich  bei  uns  jeder  dürftige  und  sein  bisschen 
Handwerkszeug  aus  Heinescher  Domäne  beziehende  Journalist 
reiben  zu  dürfen,  über  welchen  Spatz  und  Elster  abgeschmackt 
piepen  zu  dürfen  glauben,  derselbe  Heine  gilt  doi*t  für  einen 
der  grössten  Dichter  und  geistreichsten  Autoren  Europas. 
Ich  weiss  dies  nicht  von  Hörensagen ;  ich  hab'  es  gesehen  und 
erfahren  an  seiner  Seite.  Ihm  öffneten  sich  alle  Pforten,  ich 
möchte  sagen :  alle  Arme ;  (;r  gehörte  ganz  und  gar  und  ohne 
Vorbehalt  zu  der  glänzenden  Familie  von  französischen  Nota- 
bilitäten,  welche  sonst  gegen  den  Ausländer  so  kühl  und  so 
höflich  sind." 

(„Heinrich  Laube  über  Heinrich  Heine."  —  Mitgeteilt 
von  Gust.  Karpeles.) 

Der  Vorwurf,  unsere  Forschungen  in  diesem  Abschnitte 
„ad  absurdum"  getrieben  zu  haben,  wird  uns  schwerHch  er- 
spart bleiben.  „Was  lehren  uns  die  hundert  Stimmen  aus 
dem  Gallierlande  Neues  über  den  deutschen  Poeten?  Kaum 
ein  Dutzend  der  zahlreichen  französischen  Beurteiler  und 
Verehrer  vermag  Heines  politische  Bedeutung  richtig  zu  er- 
kennen; —  und  noch  weniger  sind  es,  die  die  bezaubernde 
Anmut  seiner  Lieder  zu  fassen  und  zu  schätzen  vermögen." 
Solches  und  ähnliches  wird  die  Kritik  verlauten  lassen. 
Froh  sind  wir  sogar,  wenn  sie  es  damit  bewenden  lässt  und 
uns  nicht  noch  mit  ernst- wissenschaftlichem  Tadel  der  Ak- 
tualitätshascherei  zeiht.  —  Insofern  man  nicht  davon  ablassen 
will,  dass  es  nur  einen  deutschen  Heine  gibt  und  keinen 
französischen,  dass  den  Franzosen  kein  Recht  zusteht,  einen 
Dichter  zur  Hälfte  für  sich  in  Anspruch  zu  nehmen,  der 
fünfundzwanzig   Jahre   lang  im  Herzen   ihres  Landes   gelebt. 


42  H.  Heine  im  Lichte  der  französischen  Kritik. 

in  dessen  Litteratur  sein  Genie  die  tiefsten  Spuren  hinter- 
lassen hat,  —  wenn  man,  abgesehen  von  alledem,  es  als 
uninteressant  und  unwichtig  erklärt,  die  verschiedensten  An- 
sichten eines  ganzen  Volkes  —  vom  polemischen  Journalisten 
bis  hinauf  zum  Dichter,  über  Gelehrte  und  Staatsmänner  hin- 
weg —  über  eine  so  merkwürdige  Poetengestalt  zu  vernehmen 
—  wenn  all'  dies  als  unrichtig  und  unwesentlich  betrachtet 
werden  könnte,  so  müsste  dennoch  diesen  mit  vieler  Mühe 
aufgehäuften  und  gesonderten  Dokumenten  ein  praktischer 
und  wissenschaftlicher  Wert  zuerkannt  werden,  nämlich :  den 
Ruhm  und  die  hohe  Bedeutung  Heines,  die  ihm  von  selten 
Prankreichs  seit  einem  halben  Jahrhundert  im  reichsten  Masse 
zuerkannt  wurden,  für  Deutschland  durch  französische  Stim- 
men, die  über  der  Grenze  meist  unbeachtet  blieben,  in  ein 
neues  Licht  zu  stellen,  und  dies  zur  Rehabilitation  des  Sängers 
der  „Loreley"  und  Beschämung  der  Ignoranten  Splitterrichter- 
kritik in  dessen  eigener  Heimat. 

Wenn  wir  demnach  mit  grösster  Zuversicht  an  diesen 
Teil  unserer  Aufgabe  herantreten  und  bestimmt  an  die  Zweck- 
mässigkeit derselben  glauben,  so  gestehen  wir  mit  gleicher 
Bestimmtheit,  dass  es  über  unsere  Kräfte  geht,  ihr  in  allen 
Stücken  gerecht  zu  werden.  Anfangs  glaubten  wir,  im  stände 
zu  sein,  die  Ansichten,  Urteile  und  Studien  der  verschiedenen 
Schriftsteller  nach  gewissen  Gesichtspunkten  zusammenstellen 
und  erörtern  zu  können ;  eine  Einteilung  zu  treffen ,  die 
günstige  und  gehässige  Kritik  kennt,  oder  eine  solche,  die  sich 
ausschliesslich  auf  den  französischen  Dichter  oder  auf  den 
deutschen  Heine  bezieht;  die  den  geistreichen  Satyriker  oder 
den  Sänger  des  „Intermezzo"  im  Auge  hat  etc.  Allein  wir 
mussten  von  diesem  Plane,  der  dem  Ganzen  Innern  Zusammen- 
hang und  demonstrative  Deutlichkeit  gegeben  hätte,  abstehen. 
Die  französische  Kritik  erwies  sich  von  derselben  Komphziert- 
heit  wie  die  deutsche  —  und  wie  das  Objekt  selbst.  Wir 
mussten   uns   daher  auf  eine  Gruppeneinteilung  beschränken. 


Einleitungr.  43 


innerhalb  welcher  wir  die  zerstreuten  Urteile,  einschlagende 
Arbeiten,  Memoiren  etc.  chronologisch  Revue  passieren  lassen. 
Damit  die  Oekonomie  des  Ganzen  nicht  beeinträchtigt 
werde,  haben  wir  nur  einige  der  wichtigsten  und  charakte- 
ristischsten Arbeiten  über  Heine  ausführlich  besprochen.  Wir 
schicken  deshalb  eine  vollständige  Bibliographie  der  übrigen 
einschlagenden  Schriften  jeweilen  voraus,  und  behalten  uns 
vor,  in  Separatstudien  auf  dies  und  jenes  zurückzukommen. 
—  Auch  in  dem  Kapitel  „Gelegentliche  Urteile  und  Be- 
sprechungen über  Heine"  haben  wir  uns  bemüht,  den  reichen 
uns  zur  Verfügung  stehenden  Stoff  aufs  knappste  zu  ver- 
arbeiten. 


44  ff-  Hoino  im  Lichto  dor  französischen  Kritik. 


Erstes  Kapitel 
Einzelstudien  über  Heine 


De  la  France,  par  Henri  Heine.  Par  G.-A.  D.  ^)  „Europe  litteraire", 
28.  Juni  1833. 

Allemagne  —  Poesie,  par  Edgar  Quinet.^)  „Revue  des  deux  Mondes", 
15.  Februar  1834. 

Henri  Heine,  par  Philarete  Chasles.   „Revue  de  Paris",  März  1835. 

Theophile  Gautier  bespricht  in  dem  Journale  „La  Presse",  an  dem  die 
ausgezeichnetsten  Litteraten  der  Zeit,  wie  Balzac,  de  Girardin, 
Sue  etc.,  arbeiteten,  am  30.  November  1837  die  erste  französische, 
bei  Renduel  erschienene  Ausgabe  der  „Reisebilder". 

Profession  de  foi  politique  de  deux  poetes:  MM.  Freiligrath  et  Henri  Heine, 
par  Daniel  Stern.^)  „Revue  des  deux  Mondes",  1.  Dezember  1844. 

Etudes  sur  l'Allemagne,  par  Alfred  Michiels.  Paris  1850  (2«  edition), 
Enthält  ein  Kapitel  über  „Henri  Heine". 


^)  Qnenard  et  Barbier  (Dictionnaire  des  anonymes)  geben  keine  Auskunft 
über  diesen  Anonymus.  —  In  demselben  Bande  dieser  Zeitschrift  wurde  Heines 
„De  l'Allemagne"  zuerst  veröffentlicht. 

2)  Süpfle  bezeichnet  (Bd.  II,  2,  pag.  140)  diese  und  die  hierauf  folgende 
Arbeit  Philarete  Chasles'  irrtümlich  als  die  frühesten  französischen  Beurteilungen 
Heines.  Quinet  selbst  hat  schon  zwei  Jahre  vorher  sehr  ausführlich  über  unseren 
Dichter  gesprochen. 

^)  Schriftstellername  der  Gräfin  d'Agoult,  geb.  Beethmann.  —  Vergl.  be- 
sonders über  sie:  Barbey  d'Aurevilly  —  Les  oeuvres  et  les  hommes.  —  An 
dieser  Studie  hat  de  Mirecourt  (s.  u.)  ein  hübsches  Exempel  seines  unverschämten 
Plagiattalentes  verübt.  Er  hat  sich  den  Beinamen  „manufacturier  de  biographies" 
redlich  verdient  I 


Einzelstudien  über  Heine.  45 


Henri  Heine,  par  Julian  Klaczko.  ^)   „Revue  de  Paris",  1.  Januar  1855. 
Henri  Heine,  par  Louis  Ratisbonne.  „Revue  conteniporaine",^)  31.  Mai  1855. 

17.  Februar  1856,  f  H.  Heines.  —  Nekrologe. 

Louis  Ratisbonne  im  „Journal  des  Debats"  vom  22.  Februar. 

2'heo  Gaiitier^)  im  „Moniteur"  vom  25.  Februar. 

Auguste  ViUemont  im  „Figaro"  vom  28.  Februar. 

Thcod.  de  Banville*)  im  „Figaro"  vom  24.  Februar. 

M.  et  L.  Escudier^)  in  „Le  Pays"  vom  21.  Februar. 

Edni.  Texier  im  „Siecle"  vom  24.  Februar. 

Jules  Lecomte  in  „L'Independance  beige"  ^)  vom  23.  Februar. 

Philippe  Busoni  in  „Illustration"  '^)  vom  1.  März. 

L.  Laurent- Pichat  in  „Illustration"  vom  15.  März. 

Jides  Janin  im  „Almanacli  de  la  litterature"  1857. 


Henri  Heine  („Les  Contemporains"),  par  Eugene  de  Mirecourt.^)    1856. 

Ecrivains  modernes  de  l'Allemagne,   par  Blaze  de  Bury.  Paris  1868. 

Les   deux  Allemagne  —  Madame   de  Stael  et   H.  Heine,   par  E.  Caro. 
„Revue  des  deux  Mondes",  1.  November  1871. 

Henri  Heine  et  la  politique  contemporaine,  par  Luden  Levy.    „Nouvelle 
Revue",  Juli  1881. 


^)  Ueber  die  Angriffe  einiger  polnischer  Schriftsteller,  die  nach  Monteguts 
Bericht  die  letzten  Stunden  Heines  verbitterten,  werden  wir  auch  später  ge- 
legentlich sprechen. 

^)     Später  in  „Impressions  litteraires",  Paris   1855. 

^)  Diesen  Nekrolog  hat  Gautier  in  seine  Heinebiographie  aufgenommen. 
Vergl.  Histoire  des  oeuvres  de  Theo  Gautier,  par  le  vicomte  de  Spoelberch,  1887, 
pag.  108,  113. 

^)     Vergl.  Abschnitt  VH. 

^)  Diese  Freunde  Heines,  die  ihm  das  letzte  Geleite  gegeben,  berichten 
u.  a. :  „Un  nombreux  cortege  a  accompagne  le  corps  du  defunt".  Es  stimmt 
dies  nicht  ganz  mit  dem,  was  uns  die  Hoinebiographen  erzählen! 

^)  Eine  Zeitung,  die  Charles  Simon,  Edm.  About,  Jules  Janin  etc.  zu 
ihren  Mitarbeitern  rechnete,  darf  wohl  unter  die  französischen,  d.  h.  Pariser- 
Blätter  gezählt  werden. 

')     Mit  einem  Bildnis  Heines. 

^)  Berüchtigter  Pamphletist,  dessen  wirklicher  Name  Charles- Jeau-B. 
Jacquot. 


46  H.  Heine  im  Lichte  der  französischen  Kritik. 


Lespoesies  de  Henri  Heine,  par  C.Bellaigue.  „Correspondant",  10.  März  1884. 
La  prose  de  Henri  Heine.   „Correspondant",  10.  Juh  1884. 

Henri  Heine  et  ses  derniers  biographes   allemands,   par  G.  Valbert.  ^) 
„Revue  des  deux  Mondes",  1.  April  1886. 

Henri  Heine  et  l'Allemagne  moderne  (Kap.  III  im  III.  Bande  der  „Histoire 
de  la  Htterature  allemande"),  par  G.-Ä.  Heinrichs.  2«  edition  1891. 

Les  theories   sociales  de  Henri  Heine,  par  H.  Lichtenberg  er.  ^j   In  den 
„Annales  de  l'Est"  (Nancy),  April-Juni  1893. 

L'amour  chez  H.  Heine,   par   Maurice  Paleologue.    „Revue   de   Paris", 
15.  Februar  1894. 

H.  Heine,  par  H.  Lucas.   „Semeur",  23.  März  1894. 

Nachträge. 

Hier  sei  auch  die  Broschüre  „Les  coulisses  d'un  livre"  ä  propos 
des  memoires  de  Henri  Heine,  par  Kohn-Äbrest,  1884,  erwähnt. 

Unzugänglich  war  uns  „Etüde  sur  H.  Heine",  par  M.  de  Jon- 
quiere-AntoneUe  (citiert  im  Nouveau  Dictionnaire  d'histoire,  Levasseur). 
Ebenso :  „Essai  sur  H.  Heine",  par  A.  Büchner.  Caen  1881. 

In  Italien  schrieben  über  Heine  —  es  sei  dies  nocli  nebenbei 
bemerkt  — :  G.  Chiarini,  B.  Zendrini,  E.  Nencioni,  de  Gubernatis. 

In  Spanien:  E.  Pardo  Bazan  („Revista  de  Espaiia"). 


^)     Pseudonym  Victor  Cherbuliez'. 

2)  Von  dieser  Studie  wurden  wir  von  einem  ehemaligen  Schüler  des 
Autors,  jetzt  agrege  es  lettres,  Herrn  Fernand  Baldenspergei-,  freundlichst  in 
Kenntnis  gesetzt.  Dieser  junge  Gelehrte,  der  in  Zürich  im  Winter  1893/94  an 
einer  französischen  These  über  Gottfried  Keller  arbeitete,  teilte  uns  mit,  wie 
sehr  man  sich  heute  noch  in  litterarischen  Kreisen  seiner  Heimat  mit  Heine 
beschäftige.  Er  war  es  auch,  der  uns  scherzhaft  erzählte,  dass  die  Professoren 
fremder  Litteraturen  in  ihren  „cours  publics"  (eine  Stunde  wöchentlich), 
damit  diese  recht  zahlreich  besucht  würden,  über  Heine  sprächen,  ein  Mittel, 
das  stets  wirke!  —  Beim  grossen  gebildeten  Publikum  sei  dies  der  einzige 
deutsche  Dichter,  für  den  man  sich  interessiere.  Und  da  wir  bereits  den 
Weg  der  Indiskretion  betreten,  fügen  wir  gleich  noch  hinzu,  dass  wir  eine 
äusserst  interessante  Arbeit  Herrn  Baldenspergers,  „Henri  Heine  et  le  moyen- 
äge",  zu  Gesichte  bekommen  haben,  die  für  das  Seminar  des  genannten  Lehrers 
bestimmt  war,  der  die  Studie  als  die  beste  bezeichnet,  die  seit  seiner  Lehrer- 
thätigkeit  eingereicht  wurde. 


Einzelstudien  über  Heine.  47 


Saint-Rene  Taillandier 

(1817—1879). 

Treffend  hat  man  diesen  liebenswürdigen  Gelehrten  „le 
sourire  de  la  Revue  des  deux  Mondes"  genannt.  Die  Memoiren 
seines  Premides  Ed.  Grenier,  der  uns  in  dem  Abschnitte  „Diner 
Brizeux"  ^)  ausführlich  von  ihm  erzählt,  bestätigen  diesen 
schönen  Ruf.  Es  heisst  dort  u.  a. :  „Quelle  nature,  en  effet, 
fut  jamais  plus  candide  que  Barbier^)  ou  Saint-Rene  Taillan- 
dier ?  Ce  dernier  en  portait  le  caractere  ecrit  sur  sa  belle 
figure  ...  II  savait  l'allemand  et  s'appliquait  ä  reveler  ä  la 
France  la  litterature  d'outre-Rhin  dans  des  etudes  pleines  de 
conscience  et  de  science,  oü  je  n'avais  a  regretter  parfois 
qu'un  manque  de  mesure  ou  de  proportion.  La  distance  lui 
grossissait  les  objets.  Le  temps  seul  remet  les  choses  au  point." 
Die  letztere  Bemerkung  bezieht  sich  auf  die  deutschfreundliche 
Kritik  Taillandiers.  Grenier  erzählt  uns  ebendaselbst  eine  neue 
und  interessante  Anekdote  von  Heine  und  seinem  Uebersetzer. 
„Comme  ü  (Taillandier)  m'avait  succede  en  qualite  de  tra- 
ducteur  aupres  d'Heine,  nous  echangions  nos  Souvenirs  sur  le 
grand  poete  et  ce  grand  ironique.  II  nous  conta  un  jour  un 
trait  bien  caracteristique.  Heine  venait  de  publier  chez  Levy 
ses  Oeuvres  traduites  en  frangais  ...  II  y  avait  mis  une  pre- 
face,  oü  il  ne  citait  que  Gerard  de  Nerval  parmi  ceux  qui 
l'avaient  aide  dans  cette  transposition  d'une  langue  ä  l'autre. 
Le  hon  Saint-Rene,  qui  avait  ete  son  dernier  traducteur,  lui 
reprocha  doucement  de  ne  pas  l'avoir  cite  apres  Gerard  de  N. 
„Oh!''  lui  repondit  Heine,  „eher  monsieur  Taillandier,  com- 
ment  voulez-vous  que  je  misse  votre  nom  si  digne,  si  honorable, 


1)  „Revue  Bleue",  3  Juin  1893,  pag.  681. 

2)  Zu  diesem  Freundeskreise  gehörten  ausser  den  Genannten  noch  Victor 
de  Laprade,  Auguste  Lacaussade,  der  Uebersetzer  Leopardis  und  Ossians,  und 
endlich  Brizeux,  ein  vergessener  Dichter. 


48  H-  Heine  im  Lichte  der  französischen  Kritik. 


le  nom  d'un  futur  academicien,  a  cote  de  celui  d'un  pendu?" 
Que  repondre  ä  une  pareille  defaite  ?  Rien,  et  c'est  ce  que 
fit  St-R.  Taillandier."   (Pag.  681.) 

Taillandier  war  nicht  nur  der  kompetenteste  Kritiker 
deutscher  Dichtkunst,  sondern  auch  derjenige,  der  die  Auf- 
gabe des  Germanisten  am  ernstesten  nahm.  „Er  betrachtete 
es  als  seine  Lebensaufgabe,  die  neuere  deutsche  Litteratur 
zu  durchforschen  und  seinen  Landsleuten  in  anziehender  Ge- 
wandung darzustellen."  ^)  Er  hatte  längere  Zeit  in  Deutschland 
studiert  und  war,  bevor  er  nach  Paris  kam,  in  Strassburg  und 
Montpellier  Professor  gewesen.  Auch  Taillandier  begann  seine 
Laufbahn,  wie  Sainte-Beuve,  als  Dichter.  Dass  er  es  vorzog, 
ein  hervorragender  Kritiker  zu  werden,  dem  man  den  einstigen 
Poeten  anmerkt,  statt  ein  mittelmässiger  Dichter  zu  bleiben, 
bei  dem  man  das  „von  Gottes  Gnaden"  vermisst,  spricht  von 
seinem  Geschmack  und  Urteil.  Die  Entsagung  war  für  ihn, 
wie  für  Sainte-Beuve,  eine  schmerzhafte,  aber  sie  hinterliess 
nicht  den  Stachel  der  gereizten  Bitterkeit,  der  an  dem  Autor 
der  „Lundis"  haften  blieb.  Die  Musen,  aus  Dankbarkeit,  dass 
er  sie  nicht  kompromittierte,  Hessen  ihm  einen  Teil  ihrer 
Reize.  ^) 

Statt  der  Reihe  nach  die  zahlreichen  kritischen  und 
biographischen  Aufsätze  Taillandiers  durchzugehen,  die  sich 
teilweise  oder  ganz  mit  Heine  beschäftigen,  begnügen  wir 
uns  damit,  unten  eine  Liste   aller   seiner   in   der  „Revue   des 


^)     Breitinger,  Vermittler  etc.,  pag.  19. 

2)  Diesen  Gedanken  führt  ein  dritter  Kritiker,  de  Pontmartin,  in  seinen 
„Souvenirs  d'un  vieux  critique"   (pag.  280)  hübsch  aus. 

Die  liohen  Verdienste  Taillandiers  hat  sein  Schüler  E.  Montegut  in 
den  „Nos  morts  contemporains"  (Hachette  1884)  würdig  geschildert.  Reymond 
(Corneille,  Shakespeare  etc.  1864)  schliesst  seine  Besprechung  dieses  Gelehrten 
mit  den  Worten  ....  „l'Allemagne  doit  de  la  reconnaissance  {\  cet  auteur  qui 
ne  l'aime  pas  moins  que  M.  Saint-Marc  Girardin,  et  lui  est  toujours  reste  fidele." 
Gewiss,  —  aber  den  grösseren  Dank  schuldet  diesem  aufgeklärten  Manne 
Frankreich  selbst. 


Einzelstuflien  über  Heine.  49 


deiix  Mondes"  erschienenen,  einschlagenden  Artikel  anzuführen 
und  uns  in  unserer  Besprechung  bloss  an  das  zu  halten,  was 
er  in  dem  Buche  „Ecrivains  et  poetes  modernes,"  Levy  1861, 
über  Heine  veröffentlicht  hat.     Die  Aufsätze  lauten : 

1.  November  1843:  De  l'etat  de  la  Poesie  en  AUemagne. 
(Lenau,  Zedhtz,  Heine,  Freiligrath.) 
15.  März  1844:  La  jeune  AUemagne  et  la  jeune  ecole 

hegelienne. 
15.  Januar  1845:         Poesies  nouvelles  de  Heine. 
1.  April  1852:  H.  Heine,  sa  vie  et  ses  ecrits. 

1.  Oktober  1863:       Les  tragedies  de  H.  Heine.  ^) 

Die  vorliegende  Arbeit  ist  übrigens  eine  Reproduktion 
des  Artikels  der  „Rev^ue  des  deux  Mondes"  vom  1.  April  1852; 
einige  Veränderungen  ausgenommen  und  wenige  Seiten,  die 
Taillandier  nach  dem  Tode  Heines  beifügte. 

Die  Besprechung  der  Dramen  werden  wir  bei  den  Ein- 
leitungen zu  den  französischen  Werken  Heines  erwähnen.-) 


')  Mit  einem  Bilde  Heines,  „dessine  par  M.  Ch.  Gleyre,  grave  par  J. 
Fran(jois".  Doppelte  Seltenheit  als  „estampe"  und  als  Illustration  der  „Revue 
des  deux  Mondes".  Ueber  dieses  Bild  soll  sich  Heine  Gautier  gegenüber  fol- 
gendermassen  geäussert  haben  (Oeuvres  completes  de  Henri  Heine,  Bd.  I,  2): 
.  .  .  „la  Vignette  de  la  „Revue  des  deux  Mondes",  oii  l'on  me  represente  emacie 
et  penchant  la  tete  comme  im  Christ  de  Moralis  a  dejä  trop  emu  en  ma  faveur 
la  sensibilite  des  bonnes  gens;  je  n'aime  pas  les  portraits  qui  ressembleut,  je 
veux  etre  peint  en  beau  comrae  les  jolies  femmes.  Vous  m'avez  connu  lorsque 
j'etais  jeune  et  florissant;  substituez  raon  ancienne  image  k  cette  piteuse  effigie." 
—  Ausser  diesem  Portrait  Heines  ist  uns  in  den  Hunderten  von  Bänden  der 
berühmten  Revue  nur  noch  ein  allegorisches  Bildnis  Rienzis  bekannt,  das 
in  reklamenhafter  Weise  einer  Reisebeschreibung  eines  Nachkommen  dieses 
Volkstribuns  beigefügt  ist  (Jahrgang  1831).  Sonderbar,  dass  sicii  Rienzi  und 
Heine  —  auch  ein  „Volkstribun"  —  in  diese  Ehre  teilen  müssen. 

2)  Wenn  wir  uns  relativ  nur  kurz  bei  Taillandier  aufhalten,  wir  meinen 
im  Verhältnis  zum  Umfang  und  zu  der  Bedeutung  seiner  Arbeiten,  so  hat  dies 
einen  zwiefachen  Grund.  Einmal  sind  die  Schriften  Taillandiers  in  Deutsch- 
land längst  bekannt  und  nach  Verdienst  gewürdigt.  Heines  Biographen  eitleren 
und  benützen  seine  Studien.    SüpHe  kommt  wiederholt  auf  ihn  zu  sprechen  und 

Betz,  Heine  in  Frankreich.  4: 


50  H.  Hoino  im  Liclito  dor  französischo?!  Kritik. 


Interessant  sind  einige  allgemeine  Betrachtungen,  die 
der  Autor  dem  biographischen  Teil  vorausschickt.  Nachdem 
er  nämlich  die  neue,  in  ihren  Kontrasten  und  Eigentümlich- 
keiten so  merkwürdige  litterarische  Bewegung  des  „jungen 
Deutschland"  geschüdert,  knüpft  er,  wie  folgt,  an  Heine  an: 

II  y  a  pourtant  un  ecrivain  qui  resumc  fidelement  cette  agitation 
des  vingt  dernieres  annees  et  en  reunit  en  lui  tous  les  contrastes. 
C'est  une  imagination  ailee,  une  intelligence  poeticLuement  railleuse, 
un  de  ces  esprits  subtils  et  hardis,  merveilleusement  prepares  ä  tirer 
parti  d'une  Situation  comme  celle  que  je  viens  de  decrire.  Ni  la 
Philosophie  ni  la  poesie  de  la  periode  qui  precede  n'ont  de  secrets 
pour  sa  pensee.  II  comprend  tous  les  problemes  de  la  science,  il 
possede  tous  les  tresors  de  l'art,  et  il  empörte  gaiement  cc  bagage 
de  la  vieille  Allemagne  au  milieu  des  expeditions  revolutionnaires 
d'une  generation  emaneipee.  L'Allemagne  du  spirituahsme  et  de 
l'imagination  semble  descendue  dans  la  tombe;  lui  il  Fevoque  et  la 
confronte  avec  les  temps  nouveaux.  Personne  ne  pouvait  se  jouer 
avec  plus  de  gräce  au  milieu  des  ruines.  Avec  une  cruaute  enfantine, 
avec  une  tristesse  melee  d'insouciance,  il  prend  je  ne  sais  quel  plaisir 
de  raffine  ä  faire  croitre  maintes  fleurs  sur  des  champs  de  mort ; 
fleurs  charmantes  et  empoisonnees!  toutes  sortes  de  parfums  bizarres 
s'y  confondent,  et  il  est  impossible  de  les  respirer  sans  etre  ravi  et 
trouble  tout  ensemble.  Est-il  triste?  est-il  joyeux?  Est-ce  le  triomphe 
du  libre-penseur  qui  eckte  dans  sa  gaiete  ?  est-ce  la  tristesse  du  poete 
blesse  qui  se  dissimule  sous  les  accents  de  l'ironie?  En  verite,  le 
doute  est  permis  sur  ce  point,  ou  plutöt  ces  deux  sentiments  si 
contraires  forment  cliez  lui  un  merveilleux  accord  qui  est  l'originalite 
meme  de  ses  oeuvres. 


Fr.  Meissner  hat  über  die  Hälfte  seines  Buches  mit  Ueberset/ungen  und  Inhalts- 
angaben sämthcher  Artikel  dieses  Kritikers  angefüllt.  Dazu  kommt  noch  ein 
Drittes :  Taillandier  bespricht  wohl  die  französischen  Werke  Heines ;  er  ist  aber 
Gelehrter,  kennt  die  deutschen  Werke  ebenso  genau  —  und  desgleichen  die 
deutsche  Kritik,  die  notwendigerweise  auf  ihn  einwirken  musste.  Hiermit  soll 
nicht  etwa  ein  Tadel  ausgesprochen  sein  —  denn  wissenschaftlich  betrachtet 
hätten  diesen  eher  diejenigen  verdient,  die  anders  verfahren.  Für  uns  aber 
macht  dieser  Umstand  die  Kritik  Taillandiers  weniger  interessant,  als  z.  IJ. 
die  spontanere,    originellere  Auflassung  eines  Montegut. 


Einzolstudion  über  tfeine.  51 


Jetzt,  da  Heine  den  Kreislauf  seines  poetischen  Wirkens 
durchgangen  und  mit  der  letzten  Revision  desselben  begonnen 
habe,  sei  man  im  stände,  sein  Dichten  und  sein  Leben  zu 
überschauen  (pag.  93) : 

Cette  destinee,  mobile  comme  le  caprice,  est  unie  cependant  par 
le  culte  de  Fimagination ;  eile  finira  comme  eile  a  commence,  par  la 
gaiete  charmante  et  le  poetique  essor  de  la  jeunesse.  En  vain  les 
annees  ont-elles  suivi  leiir  coiirs,  en  vain  la  souffrance,  une  souffrance 
affreuse,  impitoyable,  a-t-elle  appesanti  ses  mains  de  plomb  siir  la 
fantaisie  ailee :  la  fantaisie  triomphe  et  s'envole.  Voyez-le  sur  ce  lit 
de  douleur  oü  un  artiste  eminent  nous  l'a  represente,  considerez  cette 
tete  fine  et  pensive  oü  le  mal  pliysique  semble  accuser  plus  vivement 
l'originalite  de  la  vie  interieure :  ce  qui  est  manifeste  dans  ce  com- 
mentaire  si  vrai,  ce  qui  eclate  dans  la  delicatesse  du  visage,  dans  le 
sourire  des  levres,  dans  ce  regard  ä  demi  ferme  oü  ne  penetre  plus 
qu'un  dernier  rayon  de  lumiere,  c'est  la  serenite  imperturbable,  c'est 
la  victoire  de  „l'humour"  sur  les  plus  cruelles  soufFrances  qui  puissent 
encliainer  l'essor  de  l'äme. 

Weiter  unten  wird  dem  Humor  Heines  —  den  er  offen- 
bar mit  dem  englischen  Begriffe  des  viel  umstrittenen  Wortes 
vermengt  —  ein  Loblied  gesungen  (pag.  94). 

Das  ,,lyrische  Intermezzo"  bedeutet  auch  für  Taillandier 
Heines  Meisterwerk  (pag.   102): 

Ce  poeme  sans  modele  est  compose  de  soupirs,  de  sanglots,  de 
reves  lamentables,  parfois  meme  de  cris  realises,  eondenses,  si  cela 
peut  se  dire,  dans  quelques  strophes,  avec  une  precision  incomparable. 
Ce  sont  de  veritables  merveilles,  des  diamants  d'une  eau  limpide;  on 
ne  saurait  rien  imaginer  de  plus  accompli  dans  l'art  des  vers,  etc 

Die  Ironie  Heines  hat  in  jenen  Tagen  noch  nicht  das 
Verletzende,  die  Manieriertheit,  die  später  so  störend  wirken ; 
sie  ist  noch  liebenswürdig  und  aufrichtig  (pag.  106): 

Nachdem  der  Autor  Erfolg  und  Bedeutung  erklärt  und 
das  Lied  „Tannenbaum  mit  grünen  Fingern"  in  französischer 
Uebersetzung  citiert,  verleiht  er  seinem  Bedauern  Ausdruck, 
dass  Heine  nicht  stets  geblieben,  was  er  damals  war.    „Yoila 


52  H.  Hoino  im  Liclito  der  tVanzösischon  Kritik. 

Heine  en  ses  meilleurs  jours.  Dans  ce  tableau  naif  et  aiida- 
cieiix,  ne  reconnaissez-vous  pas  le  reveur  eleve  ä  l'ecole  du 
romantisme ,  qiii  emploie  le  langage  des  Brentano  et  des 
Arnim  pour  exprimer  les  pensees  les  plus  fieres,  le  poete 
revolutionnaire  catechisant  l'enfantine  Allemagne  ?  Un  tel  role 
etait  original,  et  Heine  Ta  souvent  bien  compris.  Pourquoi 
sa  verve,  en  attaquant  l'hypocrisie  et  l'arbitraire,  a-t-elle  si 
peu  respecte  tant  de  choses  saintes?"    (Pag.  111.) 

Ebenso  begeistert  und  unbeschränkt  wie  das  Lob,  ebenso 
oflPen  und  entschieden  lautet  Taillandiers  Tadel,  den  der  kranke 
Dichter  um  so  schwerer  empfinden  musste,  als  er  von  einem 
Freunde  und  ehrenwerten  Manne  kam,  dem  hier  die  Wahr- 
heit zu  sagen  selbst  schwer  fiel.  Von  Heines  Verhältnis  zum 
Saint-Simonismus  redend,  fällt  er  folgendes  Urteil  über  die 
„Memoiren  des  Herrn  von  Schnabelewopski"  (pag.  117): 

Au  nom  de  la  morale,  comme  au  nom  de  la  poesie,  c'est  un 
devoir  de  condamner  sans  reserve  ces  inventions  cyniques.  Oii  con- 
cevra  difficilement  un  jour  qu'une  plume  si  ingenieuse  et  si  brillante 
ait  pu  prendre  plaisir  ä  de  telles  grossieretes  que  rien  ne  rachete,  etc — 

Zu  dem  Buche  „De  la  France",  dem  Werk  Heines,  das 
am  meisten  Kontraste  aufweist  und  in  dem  der  Dichter  am 
sichersten  in  seiner  innersten  Ueberzeugung  zu  fassen  ist, 
bemerkt  Taillandier  (pag.  118): 

Ainsi  va  ce  livre,  plein  de  folie  et  de  raison,  plein  d'audace  et 
de  reticences,  cachant  mal  l'embarras  du  publiciste  sous  la  fantaisie 
du  railleur,  se  dechainant  contre  les  tartufes  quand  il  a  peur  d'atta- 
quer  les  demagogues,  tour  ä  tour  liberal,  saint-simonien,  juste-milieu, 
fin  ou  grossier  selon  l'occurence,  spirituel  presque  toujours  et  digne 
de  rester  comme  un  document  instructif,  si  l'auteur  eüt  conserve 
toute  la  liberte  de  son  esprit. 

Der  Verfasser  ist  kein  Freund  der  beunruhigenden,  seelen- 
friedenstörenden Theorieen  der  deutschen  Philosophie.  Er 
sympathisiert,  ohne  es  ausdrücklich  zu  sagen,  vielmehr  mit 
dem  idealen,  mystisch  angehauchten  Germanien  der  Madame 


Einzelstmüen  über  HeiRe.  53 


de  Stael.  Und  so  will  er  in  Heines  Widerlegung  derselben, 
die  er  als  „pages  legeres"  bezeichnet,  vielmehr  die  Feder  des 
Künstlers  als  die  des  tiefdenkenden  Theoretikers  sehen,  indem 
er  Heines  „De  l'Allemagne"  geradezu  den  wissenschaftlichen 
Wert  abspricht  (pag.  122). 

Nur  dort,  wo  der  Philosoph  zurücktritt,  um  dem  fein- 
fühlenden Dichter  Platz  zu  machen,  wo  Heine  alte  Sagen 
der  nordischen  Lande  in  seinem  knappen,  ungemein  belebten 
Stile  erzählt,  oder  mit  wenigen  Worten  ein  treffendes  Bild 
eines  deutschen  Geistesheroen  entwirft  —  so  von  Jac.  Grimm, 
Goethe,  Herder  etc.  .  .  .  nur  dort  scheint  für  Taillandier  die 
hohe  Bedeutung  des  Buches  zu  liegen. 

Bloss  kurz  ist  von  dem  Pamphlete  über  Börne  die  Rede ; 
der  Autor  anerkennt  den  scharfen,  oft  gerechten  Witz;  er 
sucht  auch  nach  Milderungsgründen  —  bedauert  aber  vor 
allem  Heines  selbst  wegen,  der  ja  am  meisten  darunter  zu 
leiden  hatte ,  dass  diese  Repressalie  nicht  ungeschrieben 
blieb. 

Hohe  Anerkennung  dagegen  zollt  er  „Atta  Troll"  (pag.  123): 

La  gaiete  et  la  poesie,  l'ironie  et  l'imagination  s'y  unissent  dans 
une  mesure  parfaite;  c'est  l'oeuvre  d'un  Arioste  allemand.  Ne  nous 
fions  pas  trop  a  sa  parole,  quand  il  nous  promet  une  oeuvre  nee 
seulement  de  son  caprice,  un  songe  d'une  nuit  d'ete,  une  romantique 
Vision  des  domaines  de  Puck  et  de  Titania:  la  satire  saura  bien  s'y 
faire  sa  place;  mais  la  satire  n'y  exclut  pas  la  gräce,  et  on  y  respire 
je  ne  sais  quels  parfums  de  pres  et  de  forets,  qui  repandent  sur  les 
strophes  du  poeme  une  fraicheur  printanniere. 

Sinnreich  ist  folgende  Parallele  zwischen  „Atta  Troll"  und 
dem  „Wintermärchen"  (pag.   128): 

„L'Allemagne"  est  le  pendant  d'„Atta  Troll".  „Atta  Troll"  etait 
l'oeuvre  d'un  Arioste  du  Nord,  toujours  pret  ä  dissimuler  les  hardiesses 
de  sa  pensee  sous  les  volles  elegants  du  symbole;  „l'Allemagne"  n'a 
ni  symboles  ni  volles,  c'est  un  pamphlet  oü  l'audace  va  le  front  leve. 
„Atta  Troll"  brillait  de  tout  l'eclat  du  midi;  „PAllemagne"  nous 
transporte  au  niilieu  des  brunies.   Le  premier  etait  „le  songe  d'une 


54  H.  Heine  im  Lichte  der  französischen  Kritik. 


nuit  d'ete" ;  le  second  est  intitule  „Conte  d'hiver" ;  l'antithese  est 
complete  .  .  . 

Mais  „I'Allemagne"  n'est  pas  seulement  le  poeme  d'une  Oppo- 
sition turbulente  et  sarcastique;  Heine  se  joue  de  toutes  clioses  et 
de  lui-meme.  Ces  democrates  avec  qui  il  semble  faire  alhance,  il  les 
couvre  de  ridicule,  a  l'heure  meme  oü  il  leur  tend  la  main  .  .  . 

C'est  toujours  enfin  l'ineorrigible  Immoriste  qui  prend  plaisir 
ä  aiguillonner  de  mille  manieres  le  paisible  temperament  de  son  pays, 
qui  pretend  s'elever  par  l'ironie  au-dessus  de  toutes  les  croyances, 
qui  se  fait  un  jeu  de  deconcerter  la  critique  et  qui,  en  persifiant  les 
democrates,  a  pourtant  le  droit  de  repondre  ä  leurs  attaques,  avec 
une  indignation  comique :  „Tu  mens,  Brutus;  tu  mens,  Cassius;  tu 
mens  aussi,  Asinius !" 

Inzwischen  hat  ein  fürchterhches  Leiden  den  grossen 
Spötter  auf  seine  Matratzengruft  geworfen.  Allgemein  er- 
wartete man  mit  den  verschiedensten  Gefühlen,  dass  der  mo- 
derne Aristophanes  vor  Thorschluss  den  „Weg  nach  Damas- 
kus" einschlagen  werde,  als  der  „Romancero"  erschien  (p.  130): 

Le  poete  mourant  devait  dejouer  une  fois  de  plus  les  previsions 
du  public.  Ce  qu'il  a  ete  dans  les  entrainements  de  l'adolescence,  il 
l'est  encore  aujourd'hui  sous  le  regard  de  la  fatale  hotesse.  Le 
„Romancero%  c'est  toujours  l'ancien  Henri  Heine,  celui  des  „Reise- 
bilder"  et  du  „Livre  des  Chants";  c'est  toujours  la  vieille  Ironie  des 
jours  heureux,  plus  poignante  seulement,  puisque  sans  cesse  eile 
prend  la  mort  ä  partie  et  plaisante  lugubrement  avec  la  tombe.  Si 
quelques  accents  nouveaux  se  fönt  entendre  ^ä  et  lä  comme  une 
plainte  etouffee,  il  faudra  une  volonte  attentive  pour  en  saisir  le  sens 
ä  travers  le  carillon  des  notes  joyeuses. 

Aus  der  lichtvollen  Besprechung  der  „Hebräischen  Melo- 
dieen"  greifen  wir  die  Stelle  heraus,  wo  Taillandier  von  dem 
dritten  Gesänge  redet,  den  er  für  eine  der  herrlichsten 
Schöpfungen  des  Dichtergenies  Heines  hält  (pag.  140j: 

La  douce  et  ardente  exaltation  de  son  heros  nous  fait  penetrer 
dans  les  mysteres  de  la  poesie  juive;  le  poete  s'y  peint  lui-meme 
avec  des  tendances  contraires  qui  se  disputent  son  ame,  et  des  pensees 
gracieuses  et  pathetiques  s'y  entremelent  sans  se  detruire.  L'inspira- 
tion  juive  ou  nazareenne  et  l'inspiration  grecque,   il  l'a  dit  souvent, 


Einzelstudien  über  Heine.  55 


voilä  les  deux  grands  systemes  auxquels  il  faut  bien  que  tout  abou- 
tisse ;  Homere  et  la  Bible  contiennent  a  ses  yeux  toute  la  philosophie 
de  riiistoire.  Cette  fois  il  n'en  parle  plus  en  riant;  le  monde  grec  et 
le  monde  juif  obsedent  son  äme  inquiete.  C'etait  le  poete  des  Hellenes 
qii'il  preferait  jadis  quand  „la  jeunesse  l'emportait  sur  son  char  au  bruit 
des  cymbales  retentissantes" ;  maintenant  la  jeunesse  a  disparu,  l'eclat 
du  monde  reel  s'evanouit :  c'est  l'heure  des  pensees  graves  et  Jeliuda 
ben  Halevy  a  remplace  Homere. 

Bezeichnend  für  den  psychologischen  Standpunkt,  den 
Taillandier  Heine  gegenüber  einnimmt,  ist  der  Mahnruf,  den 
er  an  den  Dichter  richtet,  der,  abgesehen  von  einigen  unzarten 
Bemerkungen,  auf  die  wir  noch  zu  sprechen  kommen  werden, 
einem  ehrlichen,   mitfühlenden  Herzen  entspringt  (pag.  143) : 

Aujourd'Imi  toutefois  ses  yeux  se  ferment  ä  ce  monde  perissable 
dont  les  contradictions  et  les  miseres  provoquaient  sa  douloureuse 
gaiete;  un  autre  monde  s'ouvre  ä  son  esprit.  La  plus  de  miseres, 
plus  d'irritants  contrastes,  plus  de  desenchantements  qui  revoltent; 
la  tous  les  problemes  sont  resolus,  et  toutes  les  lüttes  s'evanouissent. 
Si  l'ironie,  chez  une  intelligence  capricieuse  et  ardente,  pouvait  etre 
le  fidele  miroir  des  clioses  d'ici-bas,  au  sein  de  ce  monde  spirituel, 
que  les  regards  de  l'äme  lui  decouvrent,  il  n'y  a  plus  de  place  que 
pour  la  confiance  et  le  respect.  II  a  cherche  la  serenite  dans  cette 
raillerie  legere  qui  enveloppait  l'univers  entier  et  s'y  jouait  avec  gräce ; 
serenite  incomplete  et  fausse,  qui  bien  souvent  encore,  nous  l'avons 
vu,  laissait  eclater  subitement  des  douleurs  mal  gueries.  La  vraie 
serenite  est  plus  haut :  dans  l'intelligence  et  l'adoration  de  l'ideal  que 
rien  n'altere,  de  la  verite  que  nulle  ombre  ne  voile.  .  .  . 

Pag.  145: 

Vous  avez  represente  mieux  que  personne  toute  une  periode  de 
la  pensee  allemande,  periode  de  trouble,  de  malaise,  de  dechirement: 
qu'il  serait  beau  d'exprimer  aussi  le  retour  de  la  serenite  vraie  ä 
l'heure  oü  ce  pays  semble  pret  a  retrouver  ses  voies,  oü  il  repousse 
de  plus  en  plus  le  sensualisme,  Fatheisme  et  toutes  les  grimagantes 
visions  du  delire! 

Wir  kommen  nun  noch  zu  dem  Nachwort,  das  Taillandier 
nach  dem  Tode  Heines  verfasste.  Er  drückt  darin  sein  Be- 
dauern aus,    dass  der  Dichter  es  nicht  vermochte,    die  vielen 


56  H.  Heine  im  Lichte  der  französischen  Kritik. 

Dissonanzen  seines  Innern  vor  seinem  Scheiden  in  einen  seiner 
würdigen,  versöhnend  harmonischen  Schlussaccord  aufzulösen. 
Er  vermag  sich  besonders  nicht  darüber  zu  trösten,  dass 
Heine  ausser  stände  war,  sich  an  irgend  einen  Glauben  anzu- 
klammern. Die  Ironie  habe  eben  alles  in  ihm  getötet.  — 
Was  Taillandier  schliesslich  über  seine  Thätigkeit  und  Er- 
fahrungen als  Uebersetzer  Heines  mitteilt,  wird  uns  in  einem 
andern  Abschnitte  beschäftigen. 

Zweierlei  möchten  wir  hier  nur  noch  hervorheben:  Auf- 
fallend ist  es  nämlich,  wie  oft  Taillandier  auf  den  hoffnungs- 
losen Zustand,  ja  auf  den  nahen  Tod  seines  Freundes  in  unzwei- 
deutigster Weise  anspielt.  Er  musste  doch  wissen,  dass  die 
Blätter  der  „Revue  des  deux  Mondes",  in  denen  von  dem 
„poete  mourant"  die  Rede  ist,  noch  feucht  in  die  Hände 
Heines  gelangen  würden,  der  im  Jahre  1852  noch  lesen 
konnte.  Wenn  wir  noch  als  Zweites  erwähnen,  dass  wir  in 
diesen  umfangreichen  Studien  vergebens  nach  persönlichen 
Erinnerungen,  Eindrücken,  nach  irgend  etwas  Anekdoten- 
haftem suchen,  so  können  wir  den  Schluss  ziehen,  dass  die 
Beziehungen  zwischen  Heine  und  Taillandier  weit  loser  waren 
als  sie  dargestellt  werden,  und  nicht  über  einen  bloss  littera- 
rischen Verkehr  hinausgingen,  kurz,  dass  von  einer  Freund- 
schaft nicht  die  Rede  sein  kann.  Zweifelsohne  fühlte  sich 
Taillandier  über  die  Art  und  Weise,  wie  Heine  ihn  ausnützte, 
gekränkt;  dies  bestätigen  die  Memoiren  Greniers.  Möglich 
ist  es  auch,  dass  ihm  ein  ähnlicher  Argwohn  Heines  zu  Ohren 
kam,  wie  ihn  dieser  gegen  den  ehrlichen  Nerval  laut  werden 
Hess.  In  Wahrheit  erfuhr  Frankreich  erst  durch  das  genannte 
P.  S.,  wer  seit  1851  in  der  „Revue  des  deux  Mondes"  der 
französische  Heine  gewesen.  Es  war  aber  schon  zu  spät  — 
denn  die  „Heine-Legende"  hatte  da  schon  Wurzel  gefasst. 


Einzelstudien  über  Heine.  57 


J.  Barbey  d'Äurevilly 

(1811—1889). 

Dieser  höchst  merkwürdige  Litterat,  der  durch  seine 
Originahtät,  die  sich  aus  einem  Gemisch  von  abschreckend 
reahstischer  Sinnhchkeit,  kathohschem  Kampfeseifer,  Luther- 
und  Goethehass  und  souveräner  Verachtung  des  schriftstel- 
lernden  Weibes  zusammensetzt  —  Dinge,  über  die  er  mit 
sprudehidem  Geist  und  einem  Paroxismus  der  Sprache  ge- 
schrieben, die  verblüffen,  —  eine  Stelle  für  sich  in  der  mo- 
dernen französischen  Litteratur  einnimmt,  hat  sich  wiederholt 
mit  Heine  beschäftigt. 

Seine  erste  Studie  über  unseren  Dichter,  in  dem  er  wohl 
manche  verwandte  Seite  fand,  datiert  aus  dem  Jahre  18öö ; 
die  zweite  veröffentlichte  er  kurz  nach  dem  Erscheinen  der 
Korrespondenz  Heines  (französische  Ausgabe)  und  die  dritte,  als 
Levy  den  letzten  Band  der  Gesamtausgabe  „De  tout  un  peu" 
publizierte.  Die  erste  und  dritte  Arbeit  hat  nun  d'Äurevilly  in 
eine  verschmolzen  und  in  dem  Buche  „Litterature  etrangere" 
(Paris,  Lemerre,  1891)  untergebracht  (einem  Bande  der  Serie 
„Les  Oeuvres  et  les  hommes"),  in  dem  sich  neben  Studien 
anderer  ausländischer  Dichter  auch  solche  über  Hebel  und 
Hoffmann  befinden;  die  zweite  nahm  er  in  den  Band  „Les 
Poetes"  (Lemerre,  1889)  auf  (zur  selben  Serie  gehörend).  Wir 
bemerken  noch,  dass  Barbey  d'Äurevilly  einer  der  Lieblinge  der 
französischen  Modernen  ist,  einer  der  „Meister"  der  Decadents. 

Der  Heine,  wie  ihn  sich  dieser  geistreiche  Kopf  zurecht 
gelegt,  konnte  naturgemäss  nicht  der  eines  jeden  sein,  eher 
der  keines  andern.  D'Aurevillys  Dichtergemälde  ist  nicht 
nur  das  originellste,  sondern  auch  das  kühnste  der  ganzen 
französischen  Heine-Gallerie.  Den  meisten  wird  daher  der 
phantastische  Kritiker  mit  seiner  äusserst  temperamentvollen 
Sprache  nicht  zusagen;  jeder  dagegen  wird  zugeben,  dass 
diese  Skizzen  kein  einziges  banales  Wort  enthalten. 


58  H-  Heine  im  Lichte  der  französischen  Kritik. 


Besonders  schwer  wird  hier  die  Auswahl  der  Citationen. 
D'Aiirevilly  hat  so  ziemHch  über  alles  seine  eigenen  An- 
sichten, oder  er  versteht  es,  dieselben  so  einzukleiden,  dass 
sie  denen  anderer  nicht  gleichen. 

Wir  beginnen  mit  der  ersten  Studie,  die  sich  ausschliess- 
lich mit  der  von  Heine  noch  selbst  besorgten  Ausgabe  von 
„De  l'Allemagne"  beschäftigt,  die  die  „Aveux  d'un  poete" 
enthält.  Licht  und  Schatten  gleich  verteilend,  schildert  er 
Heines  Dichtergestalt  wie  folgt  (pag.  155): 

Henri  Heine  est  un  genie  eminemment  tendre,  nuance  des  plus 
ravissantes  et  (dans  le  sens  religieux)  des  plus  divines  melancohes, 
chez  qui  le  sourire  et  meme  le  rire  trempent  dans  les  larmes,  et  les 
larmes  se  rosent  de  sang  . . .  C'est  une  äme  d'une  si  grande  puissance  de 
reverie  et  d'un  desir  si  amoureux  du  bonheur,  que  l'on  peut  dire 
qu'elle  est  faite  pour  le  Paradis  tel  que  les  chretiens  le  congoivent, 
comme  les  fleurs  sont  faites  pour  habiter  l'air  et  la  lumiere.  C'est 
une  nature  moderne,  une  de  ces  liatures  de  nos  derniers  temps,  ma- 
lades tant  elles  sont  spirituelles !  (Gar  c'est  encore  Heine  qui  a  dit  le 
Premier  que  tous  les  grands  spirituels  etaient  malades,  qu'ils  avaient 
tous  au  flanc  —  plus  ou  moins  —  la  plaie  eternelle.)  C'est  enfin  un 
de  ces  sublimes  Ennuyes  de  la  vie,  un  de  ces  Antees  de  la  jouissance 
humaine  qui  ont  touche  et  mordu  cette  poussiere,  et,  ä  cause  de  cela, 
doivent  un  jour  remonter  vers  Dieu!  Oui!  voilä  certainement,  pour 
qui  le  connait  bien,  Henri  Heine  tel  qu'il  a  ete  des  sa  jeunesse,  tel 
qu'il  est  de  Constitution  et  d'essence,  malgre  lui-meme,  malgre  l'Alle- 
magne,  malgre  les  Universites,  malgre  Hegel,  malgre  tous  les  miUeux 
qu'il  a  traverses  et  qui  l'ont  domine,  quoiqu'ils  lui  fussent  tres  inferieurs. 
Et  cependant  ce  tendre  genie,  ce  reveur  epris  jusqu'ä  l'angoisse  de 
toutes  les  beatitudes,  ce  poete  aussi  intimement  religieux  de  tempe- 
ranient  que  Klopstock,  nous  l'avons  vu,  pendant  vingt  ans,  navrant 
spectacle!  siffler  dans  la  clef  foree  et  rouillee  de  Voltaire,  avec  des 
levres  lumineuses,  plus  dignes  que  Celles  d' Alain  Chartier  de  recevoir 
le  baiser  des  reines!  Cet  Hamlet  de  la  poesie  douloureuse  du  XIX^ 
siecle  a  eu  le  cceur  d'abandonner  sa  pale  Ophelie,  qui  n'etait  malade 
et  un  peu  folle  que  d'amour,  pour  une  folle  complete,  la  Philosophie 
athee  des  universites  allemandes,  pour  l'affreux  squelette  vide  de  la 
logique  d'Hegel  le  Fossoyeur!  Au  Heu  de  rester  ce  qu'il  etait,  un 
dehcieux  poete,  d'une  puissante  suavite,  un  fiUeul  des  fees,  une  voix 


Einzolstudieii  über  Heine.  59 

mysterieuse  planant  sur  le  monde  comme  la  voix  de  la  Symphonie 
Pastorale  de  Beethoven,  il  n'a  plus  ete  que  Techo  d'inspirations  gro- 
tesquement  hideuses,  un  carbonaro  germanique  ä  „tu"  et  ä  „toi"  avec 
les  carbonaris  de  tous  les  pays,  un  jacobin  de  litterature,  par  des- 
espoir  de  n'etre  pas  un  jacobin  pohtique,  un  vulgaire  etudiant  au  beret 
rouge,  en  attendant  que  le  beret  füt  un  bonnet  de  meine  couleur! 

.  .  .  Und  in  diesem  kräftig  Avürzigen  Stil  geht  es  weiter. 
Nachdem  er  Hegel  mit  seiner  „monstruösen  Prosaik"  für  die 
Verirrungen  Heines  verantwortlich  gemacht,  fasst  d'Aiirevilly 
sein  Urteil  über  „De  l'Allemagne"  in  folgenden  Worten  zu- 
sammen (pag.  161): 

C'est  un  livre  eblouissant  d'epigrammes  et  de  sensations,  —  mais 
puisqu'il  s'agissait  d'etre  historien  et  meme  juge  dans  ce  coup  d'oeil 
jete  sur  TAllemagne,  il  fallait  autre  chose,  on  en  conviendra,  que  des 
epigrammes  au  phosphore,  pour  faire  oublier  le  livre  de  madame  de 
Stael! 

In  der  Studie,  die  dem  Bande  „Les  poetes"  beigegeben 
ist,  knüpft  d'Aurevilly  an  den  ephemeren  Korrespondenzen- 
Skandal  an,  den  die  Herausgabe  der  Briefe  Heines  hervor- 
gerufen hat.  Eine  gute  Gelegenheit,  meint  er,  für  den  Tages- 
schriftsteller, der  nach  Aktualität  hascht,  um  Kapital  aus  dem 
Namen  Heines  zu  schlagen.  „H.  Heine!  Qu'est-ce,  pour  eux, 
que  Henri  Heine?  La  premiere  cocotte  a  cheval,  au  bois,  et 
meme  le  cheval  sans  la  drolesse  dessus,  les  interesse  bien 
plus  qu'un  homme  de  genie  mort  il  y  a  dejä  trente  ans,  et 
dont  la  gloire,  comme  toutes  les  gloires,  dans  ce  plat  monde 
de  bavarderie  superficielle,  n'est  plus  qu'une  silencieuse  mo- 
mie"  (pag.   112). 

Nicht  in  den  Privatbriefen  sei  der  wahre  Heine  zu  suchen 
—  auch  er  habe  in  die  elende  Plattheit  des  Alltagslebens 
herabsteigen  müssen  —  sondern  in  seinen  Werken  finde  man 
den  Dichter,  der  stets  Poet,  auch  dort,  wo  er  es  nicht  sein 
wolle  und  nicht  scheine.  Dies  ist  ungefähr  die  These,  die 
der  Autor  auf  den  folgenden  Seiten  mit  glänzender  und 
leidenschaftlicher   Sprache   und  —   wenn   uns   das   Wort   ge- 


60  H«  Heine  im  Lichte  der  französischen  Kritik. 


stattet  ist  —  mit  geistvoll  impertinenter  Schneidigkeit  ver- 
ficht. Vor  allem  bleibe  man  ihm  mit  der  philiströsen  Moral 
vom  Leibe  (pag.  118): 

Qu'importent  ces  laideurs  morales  passageres  chez  les  poetes, 
oü  tout  est  de  passage;  chez  les  poetes,  ces  innocents  coupables, 
lorsqu'ils  sont  coupables,  pour  qui,  en  raison  meme  des  facultes  qui 
fönt  leur  genie,  la  liberte  humaine  est  moins  grande  que  pour  les 
autres  hommes  dans  ce  malheureux  monde  tombe!  Et  la  responsa- 
bilite  aussi. 
Zunächst  will  d'Aurevilly  weder  von  Heine  dem  „Grie- 
chen" („pai'en"),   noch   vom  Juden  etwas    wissen  (pag.  114): 

Les  gens  sans  pensee  qui  picorent  sur  des  mots,  ont  appele 
Heine  une  ame  paienne  parce  qu'il  a  fait  jouer  dans  le  diamant  de 
son  imagination  reverberante  quelques  formes  du  nionde  antique,  mais 
il  n'etait  pas  plus  pai'en  que  chretien  et  que  juif .  .  . 

Pag.  115: 

Le  catholicisme  et  le  judaisme  avaient  laisse  egalement  en  son 
äme  des  impressions  süperbes  qu'il  a  superbement  expriniees,  quitte 
ä  s'en  moquer  une  minute  apres !  Car  l'enthousiasme  et  l'ironie  etaient 
les  boulets  rames,  Tun  brülant,  l'autre  froid,  de  son  genre  de  genie,  — 
l'enthousiasme,  qui  ne  dure  pas!   l'ironie,  qui  revient  toujours! 

Da  wir  gerade  d'Aurevilly  von  Heines  Ironie  sprechen 
Hessen,  sei  ihm  für  das  gleiche  Thema  ein  zweites  Mal  das 
Wort  gegeben,  und  zwar  dort,  wo  er  die  Gelegenheit  ergreift, 
so  nebenbei  mit  Taine  abzurechnen.  Der  Angriff  auf  den 
grossen  Litterarhistoriker,  —  der,  wie  der  Leser  längst  ge- 
merkt, am  entgegengesetzten  Pole  der  Kritik  steht,  —  ist 
ein  so  geschickter  und  boshafter,  dass  wir  uns  nicht  enthalten 
können,  ihn  hier  zu  eitleren,  obgleich  Heine  bloss  willkom- 
mener Vorwand  ist  (pag.  116): 

Henri  Heine  a  toujours  mele  ä  tout  ce  qu'il  a  ecrit  une  ironie . . . 
est-ce  divine  ou  diaboUque  qu'il  faut  dire?  car  eile  nous  fait  volupte 
et  douleur;  autant  de  bien  que  de  mal  „en  meme  temps".  Et  c'est 
si  fort  et  si  habituel  dans  Henri  Heine,  que  si,  comme  M.  Taine,  par 
exemple,  j'avais  la  manie  d'expliquer  les  esprits  par  une  qualite  pre- 
miere  j'expliquerais  tout  Henri  Heine  par  celle-lä.    Seulement,  qu'on 


Einzelstudien  über  Heine.  ßl 


se  rassure!  Pour  ma  part,  je  n'ai  jamais  cru  ä  ces  facultes  ogresses 
qui  mangent  toutes  les  autres,  et  ma  notion  de  la  critique  est  un  peu 
plus  complexe  que  celle  d'uii  faiseur  de  paquets  qui  emballe  et  ficelle 
toutes  les  facultes  d'un  homme  dans  une  seule,  sur  laquelle  il  campe 
une  etiquette:  „Imagination!  paquet  Shakespeare!  Enlevez  et  roulez !" 
C'est  par  trop  conducteur  de  diligence,  cela !  Henri  Heine  n'est  pas  plus 
une  seule  faculte  que  Shakespeare.  II  est  varie,  ondoyant,  contraste, 
ayant  dans  sa  tete  une  hierarchie  de  facultes  qui  s'accompagnent,  se 
tiennent,  fondent  leurs  nuances  comme  l'arc-en-ciel,  et  non  pas  une 
grande  faculte  solitaire,  qui  se  dresse,  pyramide  isolee,  dans  le  desert 
de  son  cerveau. 

Aus  dem  nächsten  Kapitel  greifen  wir  ein  wahres  Kunst- 
stück einer  phantastischen  Htterarischen  Parallele  mit  den 
köstlichsten  Ketzereien  heraus.  Wir  sehen  hier  Heine  gleich- 
sam durch  ein  farbenprächtiges,  buntes  Kaleidoskop  der  ge- 
samten Weltlitteratur  (pag.  117): 

C'est  un  fils  de  Rabelais  et  de  Luther,  qui,  les  larmes  aux  yeux, 
marie  la  bouffonnerie  de  ces  deux  immenses  bouffons  ä  une  sentimen- 
talite  aussi  grande  que  celle  de  Lamartine.  C'est  un  Arioste  triste, 
aussi  feerique  et  aussi  dehcieusement  fou  que  l'autre  Arioste,  qui 
montait  Fhippogrifte!  C'est  un  Dante  gai  —  cela  s'etait-il  vu?  — 
exile  comme  l'homme  de  Florence,  mais  qui  a  des  manieres  de  parier 
de  sa  patrie  encore  plus  tristes  que  Celles  du  Dante,  sous  cette  gaiete, 
mensonge  et  verite,  qui  lui  etreint,  avec  une  main  si  legere  et  des 
ongles  si  aigus,  le  coeur !  C'est  un  Voltaire,  mais  qui  a  une  äme,  quand 
Voltaire  n'a  que  de  l'esprit.  C'est  un  Goethe,  sans  l'ennui  de  Goethe, 
le  Jupiter  olympien  de  l'ennui  solennel  et  supreme,  qui  l'a  fait  tomber 
cinquante  ans  comme  une  pluie  d'or  sur  l'Allemagne ;  sur  l'Allemagne, 
cette  Danae  de  l'ennui  heureuse,  qui  se  jetait  par  terre  pour  le  ra- 
masser !  C'est  un  Hoffmann  sans  fumee  de  pipe,  un  Hoffmann  qui  met 
son  fantastique  dans  le  bleu  le  plus  pur,  dans  les  clairs  de  lune  les 
plus  blancs  et  les  plus  veloutes.  C'est  un  Schiller  ideal,  moins  l'odieuse 
philanthropaillerie.  Et  c'est  enfin,  pour  trancher  vivement  sur  tout 
cela,  sur  tous  ces  prismes  qui  composent  son  prisme,  un  Rivarol  de 
metaphysique  pittoresque,  mais  bien  plus  complet  et  bien  plus  eton- 
nant  que  Rivarol. 

Wiederholt  verlangt  d'Aurevilly,  dass  Heine  als  Dichter 
und  nur  als  solcher  beurteilt  werden  müsse  (pag.  120j: 


62  H.  Hoino  im  Lichto  der  französischen  Kritikr 


Poete,  il  ne  m'etonne  jamais  qu'il  le  soit.  II  Test  toujours.  II 
Test  dans  le  rythme  et  il  Fest  hors  du  rytlime.  II  Fest  partout,  meme 
dans  les  idees  les  plus  erronees  qu'il  a  parfois,  cet  homme  du  temps  ! 
II  Fetait  autant  en  prose  qu'en  vers.  II  Fetait  (je  Fai  vu  une  fois)  et 
il  devait  Fetre  en  parlant  d'un  morceau  de  fromage,  comme  disait  le 
prince  de  Ligne  de  ce  goujat  de  Rousseau  .  .  .  Qu'il  grandisse  ou 
qu'il  rapetisse  les  hommes  et  les  choses,  qu'il  se  trompe  ou  qu'il  ait 
raison,  Heine  est  poete  comme  on  respire ;  il  est  poete,  et  poete  ideal . . . 

Rousseau  ein  Pfuscher  und  litterarischer  Handlanger! 
—  Wenn  d'Aurevilly  unseren  Dichter  als  Vorbild  intransi- 
genter  Respektwidrigkeit  gegenüber  kanonisierten  Geistes- 
heroen genommen,  so  kann  man  wohl  behaupten,  dass  der 
Schüler  den  Meister  übertroffen  hat  (pag.  122,  123): 

C'est  que  le  poete,  je  Fai  dit,  est  la  grande  affaire,  la  grande 
realite  dont  on  doive  se  preoccuper  quand  il  s'agit  de  Henri  Heine, 
tellement  poete  qu'il  empörte  tout  dans  le  tourbillon  de  sa  creation 
ou  de  son  expression  poetique.  Je  n'hesite  point  ä  Vaffirmer, 
Henri  Heine  est  certainement  Je  plus  grand  poete  que  VEurope  ait 
vu  depuis  Ja  mort  de  Jord  Byron,  Lamartine  excepte,  et  a  sa  gloire 
acquise,  consentie,  s'ajoute  encore  cette  autre  gloire  de  n'avoir  pas 
pour   le    moment   de    successeur  .  .  . 

Poete  en  rapport  direct  avec  le  monde  et  FHistoire  par  la  poesie, 
il  a  fait  oeuvre  de  poete,  il  a  fait  oeuvre  de  beaute.  Faire  oeuvre  de 
beaute,  c'est  la  moralite  des  poetes;  car  la  beaute  eleve  le  coeur  et 
nous  dispose  aux  heroi'smes. 

Wem  diese  Ketzereien  und  Dithyramben  rätselhaft 
scheinen ,  dem  mögen  folgende  Worte  d'Aurevillys  als 
Schlüssel  dienen:  „J'aime  Henri  Heine,  mais  je  sais  le  juger. 
On  juge  sa  maitresse;  on  juge  son  bourreau.  Et  c'est  meme 
souvent  la  meme  chose!"  — 

Wir  haben  uns  noch  mit  der  dritten  Studie  in  dem 
Buche  „Litterature  etrangere "  zu  beschäftigen.  Von  den 
köstUchen  Krümchen  —  d'Aurevilly  nennt  sie  Diamanten- 
staub — ,  die  in  dem  letzten  Bande  der  französischen  Aus- 
gabe   „De    tout    un    peu"    gesammelt    sind,    dünken   ihn   die 


EinzoTstuflien  über  Hoino.  ()3 


Artikel  über  „Don  Quichotte"  und  die  Kritik  der  Litteratur- 
geschichte  Menzels  zwei  Diamanten  hohen  Karatgehaltes. 
Besonders  in  der  Studie  über  den  spanischen  Dichter  sieht  er 
alle  Vorzüge  eines  Kritikers,  der  zugleich  Poet  ist  (pag.  170). 
Ein  ganzes  Kapitel  widmet  d'Aurevilly  hier  dem  tragi- 
schen Schauspiele  des  achtjährigen  Dichterleidens,  von  dem 
er  mit  der  ganzen  Kraft  seines  eigentümlich  packenden 
Stiles  spricht,  den  Triumph  des  Geistes  mit  innerstem  Froh- 
locken in  den  wärmsten  Farben  schildernd:  „L'Esprit  n'a 
jamais  mieux  prouve  chez  personne  qu'il  etait  d'une  nature 
Immortelle"  .  .  . 

C'est  Bonald  qui  definissait  superbement  rhomme:  „Une  intelli- 
gence  servie  par  des  organes."  Eh  bien,  Henri  Heine  a  montre  plus 
superbement  encore  que  Bonald  lui-meme  ne  l'avait  dit,  que  l'intelli- 
gence  pouvait  se  passer  meme  des  organes!  II  a  montre  que,  Reine 
trahie  et  abandonnee,  eile  pouvait,  ä  eile  seule,  faire  toute  la  besogne, 
et  que  la  besogne  etait  encore  mieux  faite,  par  ses  royales  mains, 
que  par  les  mains  de  ses  serviteurs  ... 

Er  sucht  ein  ähnliches  Märtyrertum  in  der  Weltlittera- 
tur,  ein  ähnliches  Schauspiel  von  so  seltener  Pathetik  und 
findet  nur  Scarron.  Der  war  aber  nicht  wie  Heine  ein  grosser 
Dichter,  sondern  bloss  ein  cy nischer  Clown  —  „qui  tirait  la 
langue  ä  la  Douleur"  — ,  der  nur  eine  einzige  Thräne  geweint, 
die  er  wie  eine  Perle  in  sein  Epitaph  eingelegt  hat,  sonst 
aber  lachte  wie  ein  Satyr  (pag.  175): 

Mais  Heine  ne  rit  pas,  lui.  II  n'a  pas  le  spasme  du  rire  de 
Scarron.  II  sourit,  placide  et  resigne.  Mais  ses  sourires,  ce  sont  des 
merveilles  d'expression  et  de  pensee,  qu'on  ne  lit  pas  sans  atten- 
drissement  ou  sans  cette  belle  colere  de  Voltaire,  qui  disait :  „Je 
donnerais  toute  une  liecatombe  de  sots,  pour  epargner  un  rliume  de 
cerveau  ä  un  homme  d'esprit."  Et,  certes !  ce  n'est  pas  une  hecatombe 
de  sots  que  nous  eussions  sacrifiee  pour  raclieter  les  douleurs  de 
Henri  Heine,  mais  ce  serait,  ma  foi !  tous  les  sots  de  la  creation,  si 
Dieu  voulait  bien  nous  les  prendre  .  .  . 

Vermeint   man  hier  nicht  Heine  selbst  reden  zu  hören? 


64  H.  Heine  im  Lichte  der  französischen  Kritik. 


Sogar  der  ziemlich  abgedroschenen  Parallele  mit  Voltaire 
gewinnt  d'Aurevilly  ganz  neue,  unerwartete  Seiten  ab.  Auf 
die  Einseitigkeit  seines  Urteils  brauchen  wir  nicht  erst  hin- 
zuweisen. Der  Autor  der  „pucelle"  war  dem  katholisch- 
aristokratischen Litteraten  Zeit  seines  Lebens  ein  Greuel 
(pag.  176,  178) : 

Heine,  aux  yeux  de  la  plupart  des  hommes,  ces  grossiers!  est 
nioins  grand  que  Voltaire  parce  qu'il  a  fait  moins  de  train  dans  le 
monde;  mais  ce  train  ne  tenait  qu'ä  l'heure  qui  sonnait  sur  la  tete 
de  Voltaire.  II  tenait  aux  circonstances  et  aux  passions  d'un  temps 
qui  s'en  allait  en  guerre,  comme  Marlborough,  contre  toutes  les 
grandes  et  respectables  choses  etablies,  et  qui  ne  connaissait  pas  la 
Celeste  reverie  que,  depuis,  nous  avons  appris  ä  connaitre  ...  La 
gloire  de  Voltaire,  c'est  le  bruit  de  toutes  les  ruines  qu'il  a  faites. 
Henri  Heine  fut  l'oiseau  qui  chante  sur  ces  ruines,  mais  du  haut  du 
ciel,  ou  du  fond  de  son  coeur  amoureux  et  blesse,  —  ce  qui  est  plus 
beau  que  le  ciel ! .  .  . 

Pantheiste  enfin  „depantheise",  quand  il  faisait  une  bonne  action, 
dans  les  dernieres  annees  de  sa  vie,  il  disait  qu'il  „mettait  sa  carte 
chez  le  bon  Dieu",  echappant  ainsi  par  l'esprit  meme  ä  cette  impiete 
qui  finit  par  degoüter  de  l'esprit  de  Voltaire  et  qui  l'a  englouti  et 
fait  disparaitre  dans  sa  blasphematoire  fetidite. 


Armand  de  Pontmartin 

(1811-1890). 

Eine  der  interessantesten  Skizzen,  die  über  Heine  ge- 
schrieben worden  sind,  stammt  aus  der  Feder  des  geistreichen 
klerikalen  Kritikers  Pontmartin:  ,^ Henri  Heine'-''  (Dernieres 
causeries  litteraires,  Levy  1862).  Unbeschränktes  Lob  verdient 
der  Artikel  schon  des  Tones  wegen.  Man  bedenke,  dass  Pont- 
martin über  einen  Satyriker  zu  schreiben  hatte,  der  ihm  sein 
Heiligstes  verspottet.  Trotzdem  kein  hartes  Wort,  kein  Schimpf 
und  keine  Schmähung;  hier  und  da  nur  tiefes  Bedauern  und 


Einzelstudien  über  Heine.  ß5 


inniges  Mitgefühl  des  gläubigen  Katholiken.  Ja,  er  verzeiht 
dem  Genie  alles,  —  weil  er  es  als  solches  erkannt  hat.  Er 
gibt  sich  die  redlichste  Mühe,  das  Gute,  das  Bleibende  aus 
dem  Lebenswerke  des  Pantheisten  herauszulesen  (pag.  367) : 

Nier  le  talent,  Tesprit  et  le  succes  chez  les  honimes  et  dans  les 
livres  qui  froissent  nos  sentiments  et  nos  croyances,  c'est  une  mal- 
heureuse  et  dangereuse  tactique;  maladroite  parce  qu'elle  ne  les  em- 
peche  pas  de  reussir;  dangereuse  parce  qu'elle  implique,  semble-t-il, 
un  aveu  tacite  d'embarras,  de  colere  ou  d'impuissance.  Je  commencerai 
done  par  une  declaration  naive  que  M.  de  la  Palice  m'eüt  enviee: 
M.  H.  Heine  est  doue  d'un  esprit  merveilleux,  inoui",  eblouissant, 
effrayant  pour  autrui,  desolant  pour  lui-meme ;  car  il  ne  parait  pas 
lui  avoir  donne  jusqu'ici  ni  un  moment  de  bonlieur,  ni  un  atome  de 
certitude.  Ses  ouvrages  forment  la  plus  attrayante  lecture  qu'il  seit 
possible  d'imaginer,  lorsque,  cgalement  las  de  la  verite  et  de  l'erreur, 
on  a  envie  de  se  lancer,  pour  un  soir,  dans  ces  regions  „Immoristiques" 
qui  ne  sont  ni  l'erreur,  ni  la  verite.  Un  plus  voltairien  que  Voltaire, 
mais  poete  avec  cela,  ce  que  Yoltaire  n'a  jamais  ete ;  tour  ä  tour  rail- 
leur  sentimental  et  reveur  goguenard,  FrauQais  assez  Allemand  pour 
comprendre  l'Allemagne,  Allemand  assez  Frangais  pour  la  rendre  claire, 
Prussien  par  hasard,  Parisien  par  goüt,  Athenien  par  droit  de  conquete 
et  de  naissance,  digne  de  se  moquer  de  Kant  et  capable  de  l'expliquer, 
M.  H.  Heine  est  dans  la  litterature  internationale,  sinon  un  modele  sans 
defaut  ou  un  oracle  sans  replique,  au  moins  un  type  sans  precedent  et 
sans  rival.  II  peut  indifFeremment  signer,  entre  la  patrie  de  Chateau- 
briand et  Celle  de  Goethe,  des  traites  de  paix  ou  des  declarations  de 
guerre,  faire  de  son  oeuvre  optimiste  ou  morose  un  „casus  belli"  ou  un 
trait  d'union. 

Der  Artikel  war  im  April  1855  erschienen;  in  dem  ge- 
nannten Buche  erst  1862,  und  zwar  ohne  Aenderung,  obgleich 
nun  die  Schonung  eines  Totkranken  wegfiel.  In  einer  An- 
merkung entschuldigt  er  sich  in  edelster  Weise:  „Nos  lecteurs 
jugeront  si,  ä  propos  du  plus  ironique  des  hommes,  il  n'etait 
pas  permis  de  cacher  beaucoup  d'ironie  sous  un  peu  d'indul- 
gence."    Pontmartin  beginnt  (pag.  367): 

Voyons  si,  en  cherchant  bien,  on  ne  pourrait  pas,  ä  travers  ces 
pages   charmantes   qui   nous   desolent,   ces  jolis   sarcasmes   qui   nous 
Betz,  Heine  in  Frankreich.  5 


ßß  H.  Hoino  im  Lichte  dor  französischon  Kritik. 

ecrasent,  ces  fines  epigrammcs  qui  nous  criblent,  rencontrer  qk  et  lä 
quelque  dedommagement  ou  quelque  refuge,  et  ecliapper  au  double 
peril  de  refuser  de  l'esprit  ä  M.  Heine  pour  deiiieurer  bon  cliretien, 
ou  de  cesser  de  croire  eu  Dieu  ä  force  de  goüter  M.  Heine. 

Nach  einander  wirft  er  die  Fragen  auf :  Est-il  catholique  ? 
Est-il  Protestant  ?  Est-il  royaliste  ?  Est-il  deiste  ?  Est-il  athee  ? 
etc.  .  .  .,  um  sie  alle  mit  Geist  und,  wie  er  selbst  sagt,  mit 
Ironie  zu  verneinen.    Hieraus  nur  eine  Stelle  (pag.  369) : 

Or  M.  fleine  est  encore  un  peu  familier  vis-ä-vis  de  ce  Dieu 
dont  il  commence  ä  admettre  la  necessite ;  il  le  traite  volontiers 
d'egal  ä  egal,  Taccusant  „d'humour"  divin,  l'appelant  un  Aristophane 
Celeste,  se  plaignant  des  flots  de  moquerie,  des  plaisanteries  cruelles, 
des  coups  de  foudre  satiriques  que  le  grand  auteur  de  l'univers  lance 
contre  lui  en  lui  infligeant  la  goutte  ou  la  sciatique. 

Ja  was  ist  denn  Heine  schliesslich?  Die  Antwort  lautet: 
. .  .  „C'est  un  humoriste,  un  fantaisiste,  un  poete  et,  par  dessus 
tout,  un  malade."  —  Interessant  ist  der  Vergleich  zwischen 
dem  „Allemagne"  der  Madame  de  Stael  und  dem  Heines: 
„Helas !  il  y  a  en  effet,  entre  ces  deux  livres  separes  par  un 
demi-siecle,  la  meme  difference  qu'entre  le  budget  d'un  jeune 
et  prodigue  millionnaire  et  celui  d'un  vieillardruine."  (Pag.  371.) 
Die  vier  Seiten,  die  über  dies  Thema  handeln,  schliessen  dann 
mit  dem  Aphorismus  :  „Quand  on  a  lu  le  livre  de  Madame 
de  Stael,  on  ne  sait  rien,  mais  on  peut  tout.  Quand  on  ferme 
le  livre  de  M.  Heine,  on  sait  tout,  mais  on  ne  peut  rien." 

„Lutece"  kurz  besprechend,  betont  er  den  prophetischen 
Blick  Heines,  der  in  politischen  Dingen  klarer  gesehen  habe 
als  in  litterarischen,  bei  denen  er  sich  zu  viel  mit  Klatsch 
abgebe. 


Einzelstudien  über  Heine.  ß7 


Jules  Janin  0 

(1804—1874). 

„Henri  Heine  et  la  jeunesse  des  poetesJ^ 
In  der  Zeitung  „L'Independance  Beige",  12.  Februar  1865. 

Dieser  Artikel,  der  den  kranken  Baudelaire  so  aufregen 
sollte,  befindet  sich  in  dem  „Les  et  csetera  du  temps  present" 
betitelten  Feuilleton  obiger  Zeitung. 

J.  Janin  hat  den  20.  Band  der  Werke  Heines  (Hamburg 
1861  — 1863)  gelesen  und  gibt  nun  zunächst  seiner  Freude 
über  die  frischen  Jugendlieder  des  Dichters  Ausdruck.  „II 
est  donc  vrai  que  ce  railleur,  ce  medisant,  cet  implacable 
Herne,  dont  les  baisers  memes  etaient  des  morsures,  a  connu, 
disons  mieux,  a  „subi"  les  chastes  enivreraents  de  la  vingtieme 
annee  ?  Et  lui  aussi,  il  avait,  en  venant  au  monde,  un  coeur 
honnete  et  devoue  qui  battait  volontiers  sous  le  chaste  et  doux 
regard  de  la  personne  aimee  ...  11  adorait  la  campagne  et  le 
printemps.  Sur  les  bords  du  Rhin,  sur  les  greves  de  TOcean, 
dans  la  tempete  et  sous  le  brouillard,  il  rencontrait  des  gräces, 
des  beautes,  des  reves  ineffables,  et  si  la  vision  disparaissait 
sous  son  regard  ebloui,  il  la  chantait,  dans  l'accent  meme  d'un 
berger  de  Virgile  appelant  Amaryllis  ..." 

Aber  da  will  „Eraste"  ^)  nicht  hinaus.  Er  citiert  die  Prosa- 
übersetzung einiger  Romanzen  und  Lieder  und  zwar  gerade 
solche,  in  denen  die  Ironie  Heines  am  deutlichsten  hervortritt, 
so  z.  B.  „Da  droben  auf  dem  Berge"  („Heimkehr"),  dessen 
letzter  Vers  mit  folgender  Uebertragung  parodiert  ist:  „Helas! 


^)  Bei  Schriftstellern,  die  nicht  in  näherer  Beziehung  zu  Heine  standen, 
oder  sich  eingehend  mit  ihm  beschäftigten,  glaubten  wir  auch  von  einer  kurzen 
Charakteristik  absehen  zu  können.  —  Janin,  dieser  willkürlichste  aller  Kritiker, 
als  deren  Fürsten  er  sich  selbst  bezeichnete,  dominierte  eine  lange  Reihe  von 
Jahren  im  Feuilleton  des  „Journal  des  Debats"  in  prinzipienloser  und  despo- 
tischer Weise  über  Theater-  und  Litteraturangelegenheiten. 

-)  So  unterzeichnete  er  seine  Artikel  in  der  genannten  Zeitung. 


68  H.  Heino  im  Lichte  der  französischen  Kritik. 


comrae  elles  se  sont  moquees  de  moi!"  {■=  die  merkten's  und 
haben  gelacht).  Und  er  fährt  fort:  Voilä  ce  qu'!!  chante  ä 
ses  amours  passageres.  Sur  ces  terres  de  son  invention,  „il 
y  avait  une  fois  un  jeune  homme  mort,  il  vint  ä  minuit 
chercher  sa  fiancee  et  Tentraina  dans  le  tombeau."  Mais, 
dites-vous,  ami  lecteur,  ces  chansons  printanieres  manquent 
de  gaiete,  ces  poemes  amoureux  sont  pleins  de  tristesse!  Eh 
bien,  je  suis  tout  ä  fait  de  votre  avis,  ces  jeunesses,  au-delä 
du  Rhin  allemand  sont  bien  tristes  .  .  .  Und  nun  geht  es  an 
Byron.  „Ouvrez,  s'il  vous  plait,  pour  vous  reposer  un  instant 
des  premieres  poesies  de  Heine,  les  premieres  poesies  de  lord 
Byron,  vous  trouverez  autant  de  nuages  sur  les  bords  de  la 
Tamise  que  sur  les  bords  du  Rhin  allemand."  —  Auf  Heines 
Spottlieder  anspielend :  „  .  .  .  que  si  vous  aviez  le  courage  de 
braver  le  ridicule  et  de  parier  ä  ce  maitre  en  Ironie  de  la 
loyaute,  de  l'amour,  de  la  foi,  de  la  charite,  de  Fesperance, 
il  vous  repondrait:  le  cafe  est  eher,  l'argent  est  rare,  le 
monde  et  le  temps  emportent  aux  abimes  l'amour  et  la 
loyaute "  —  d.  h.  „ä  l'exemple  de  Byron,  son  modele  et  son 
maitre,  Heine  se  console  en  appelant  le  diable  ä  son  aide  .  .  .'' 
Es  folgt  eine  unbarmherzige  Verstümmelung  des  Schelmen- 
liedes: „Mir  träumt:  ich  bin  der  liebe  Gott"  (Heimkehr)  mit 
der  Randglosse,  die  die  Wahrheit  auf  den  Kopf  stellt :  „Voilä 
pourtant  les  choses  que  Ton  a  admire  et  sur  lesquelles  on 
disserte  ä  l'infini,  des  deux  cötes  du  Rhin  allemand;  voila  le 
Sujet  des  plus  grandes  extases  pour  les  neocritiques,  dont  le 
bruit,    avant  peu,    doit  arriver  jusqu'ä  vous." 

Da  lobt  er  sich  das  alte  französische  Volkslied  —  „l'aimable 
chanson"!  Er  weiss  aber  ganz  gut,  dass  auch  Heine  hierin 
ein  Meister  ist  —  nur  hat  er  wohl  vergessen,  dass  er  es  selbst 
gesagt !  (Almanach  1857.)  Wir  kennen  kein  treffenderes  Bei- 
spiel der  allertraurigsten  doppelzüngigen  Gelegenheitskritik, 
die  bloss  redet,  um  zu  reden,  ä  so  und  so  viel  die  Zeile. 
Während  er  Regniers  Worte: 


Einzelstudien  über  Heine.  69 


Et  mon  coeur,  tout  fletri  d'ennuis, 
N'attend  plus  que  la  sepulture. 

als  ersten  Ausdruck  eines  wirklich  Kranken  bezeichnet,  frage 
man  sich  bei  Heines 

Ich  legt'  auch  meine  Liebe 
Und  meinen  Schmerz  hinein  — : 

„Unglücklicher!  wie  alt  bist  du?"  worauf  Janin  für  den 
Dichter  erwidert :  ,,Je  vais,  monsieur,  sur  mes  vingt  ans/* 
Der  Advokat  unseres  Dichters  hat  Recht  —  wenn  auch  nicht 
in  seinem  Sinne  —  :  A  cette  reponse  on  ne  peut  que  sourire . . . 
Es  kommt  aber  noch  besser:  ,,Dirons-nous,  ä  ce  propos, 
toute  notre  pensee?  Eh  bien,  toutes  les  amoureuses  celebrees 
par  de  Goethe,  par  Heine ,  par  lord  Byron,  bien  plus  par 
Shakespeare  —  es  muss  alles  in  einen  Topf!  —  ne  valent  pas 
la  plus  simple  bergere  de  nos  vieux  poetes."  Die  „Couplets" 
Theophiles  zieht  er  den  Liedern  des  „Neuer  Frühling"  bei 
weitem  vor.  Er  citiert  einige  Verse,  die  jedermann  im  XVII. 
Jahrhundert  auswendig  wusste,  und  macht  uns  dann  folgende 
Enthüllung:  „Je  ne  crois  pas  que,  meme  en  Allemagne,  il  y 
ait  beaucoup  de  jeimes  gens  et  de  jeunes  femmes  qui  sachent 
par  cceur  les  chanteurs  allemands.  —  Les  critiques  en  parlent 
avec  emphase;  ils  auraient  grand'peine  ä  les  reciter,  meme 
en  un  jour  de  printemps." 

Und  weiter  unten  ruft  er  aus :  „  0  poete  injuste  et 
Sans  reconnaissance !  6  maladroit,  qui,  de  gaiete  de  coeur, 
donne  a  les  plus  chers  Souvenirs  ce  dementi  cruel !  Mal- 
heureux  faiseur  d'epigrammes,  blessant,  impitoyable,  les  amis 
de  ton  enfance  et  les  temoins  bienveillants  de  ta  jeunesse!" 

Das  Feuilleton  schliesst  mit  einer  Erzählung,  die  natürlich 
zur  Bestärkung  seiner  seichten  Poetenauffassung  dienen  soll. 
Wir  geben  sie  in  exstenso  samt  den  einleitenden  Worten 
wieder : 

II  fut  la  premiere  victime  de  son  intarissable  Ironie,  et  comme  il 
s'etaitimpose  la  tache  abominable  etc.  (vergl.  Baudelaire,  Abschnitt  VII). 


70  H.  Heine  iui  Lichte  der  französischen  Kritik. 


II  est  mort  dans  une  intelhgente  et  lente  agonie,  en  grand  siUmce  et 
protege  par  un  suaire  epais  contre  la  douce  chirte  du  jour.  La  der- 
niere  fois  qu'il  regut  dans  sa  chambre  mortuaire  les  quelques  aniis 
restes  fideles  ä  son  genie,  ä  sa  pauvrete  volontaire  (?),  il  leur  fut 
impossible  de  le  voir,  son  ht  etant  entoure  d'un  epais  rideau,  et 
comme  on  l'interrogeait  au  miheu  de  ces  tenebres,  en  Iui  demandant 
des  nouvelles  de  sa  sante,  il  repondit  par  un  terrible  apologue.  Or 
cet  apologue,  le  voici,  mot  pour  mot,  prononce  ä  voix  basse,  avec 
un  Souffle  qui  s'eteint : 

„II  y  avait,  dit-il,  a  Municli,  deux  femmes  qui  portaient  deuil 
chacune  d'un  fils  de  20  ans.  Les  desolees,  s'etant  rencontrees  ä  la 
porte  de  l'eglise,  s'abordaient  en  se  donnant  la  main,  et  la  premiere 
dit  ä  l'autre :  Avez-vous  entendu  parier  de  la  bataille  de  Leipzig  ? 
c'est  lä  que  j'ai  perdu  nion  fils  Hermann!  Et  l'autre  femme  apres 
un  silence :  Avez-vous  entendu  parier  du  grand  siege  et  des  fosses 
de  la  ville  de  Dresde?  Helas!  c'est  lä  que  j'ai  perdu  mon  fils  unique 
Henri !  S'etant  ainsi  saluees,  ces  deux  malheureuses  entrerent  dans 
l'eglise  et  chacune  de  son  cote  s'agenouilla  en  priant  Dieu."  Ici  le 
moribond  fit  une  pause,  on  croyait  qu'il  etait  mort,  mais  ayant  re- 
trouve  quelque  force :  „Et  moi,  dit-il,  je  suis  le  fosse  dans  lequel 
sont  enfoncees  toutes  les  esperances;  mon  corps  est  le  champ  de 
bataille  oü  se  heurtent  et  se  rencontrent  toutes  les  douleurs." 

Teiles  furent  les  dernieres  paroles  de  ce  malheureux  qui  s'ap- 
pelait  lui-meme,  en  tete  de  ses  innocentes  tragedies  que  son  peuple 
a  sifflees  (Almanzor,  W.  Ratcliff),  le  joli  poete  et  le  joyeux  Chan- 
sonnier. 


Emile  Hennequin 

,j Henri  Heine. ^^ 
(„Revue  hberale",  Avril  1884.    Ecrivains  francises  1889.) 

Der  kürzlich  verstorbene,  kaum  29  Jahre  alte  Henne- 
quin  berechtigte  zu  den  grössten  Hoffnungen.  Wenige 
Wochen  vor  seinem  frühen  Tode  veröffentHchte  er  die 
„  Critique  scientifique ",  die  durch  selbständiges,  teilweise 
neues  und  kühnes  Urteil,  durch  eine  geistvoll  angelegte  und 


Einzelstudien  über  Heine.  71 


durchgeführte  Methode  und  vor  allem  durch  den  verständigen 
Blick  für  die  fremden  Elemente  in  der  modernen  französischen 
Litteratur  allgemeines  Aufsehen  erregte.  Sogar  Brunetiere  ^)  ge- 
ruhte, sich  auf  eine  Disputation  einzulassen,  in  der  der  junge 
Rivale  nicht  immer  den  Kürzeren  zog.  Hennequin  unter- 
scheidet in  dieser  Schrift  zwischen  der  „critique  litteraire",  die 
nach  eingehender  Analyse  urteilt  (Brunetiere),  und  der  „critique 
scientifique",  die,  abgesehen  von  jeder  Wertbestimmung,  darauf 
hinzielt,  aus  der  entwickelten  Charakteristik  festzustellen: 
„. .  .  soit  certains  principes  d'esthetique,  soit  l'existence  chez 
son  auteur  d'un  certain  mecanisme  cerebral,  soit  une  condition 
definie  de  l'ensemble  social  dans  lequel  eile  est  nee,  a  l'ex- 
pliquer  par  les  lois  organiques  ou  historiques  les  emotions 
qu'elle  suscite  ou  les  idees  qu'elle  exprime."^)  Hennequin  be- 
gnügte sich  nicht  mit  der  theoretischen  Kritik.  Drei  Tage  vor 
seinem  Tode  brachte  er  dem  Verleger  das  Manuskript  seiner 
„Ecrivains  francises",  an  denen  er  das  neue  kritische  System 
praktisch  versucht.  Es  handelt  sich  hier  um  sechs  Studien 
fremder  Schriftseller  (Edgar  Poe,^)  H.  Heiyie,  Dickens,  Tourgue- 
neff,  Dostoi'ewski,  Tolstoi)  —  ^^gid  sont  entres  en  France  dans  la 
lectiire  courante,  qui  ont  infliie  sur  Ig  develojppement  de  quel- 
ques-uns  de  nos  litterateurs,  qui  ont,  chez  noiis  des  imitateurs 
estimes''^  —  die  naturgemäss  zu  einer  dreifachen  Studie  führ- 
ten, einer  ästhetischen,  psychologischen  und  sociologischen 
(über  deren  Einfluss),  führten.  Am  Schlüsse  dieses  äusserst 
lehrreichen  Buches  —  in  dem  er  sich,  wie  gesagt,  genau  dem 
in    der    „Critique   scientilique"    entworfenen    Schema   anpasst 


^)  Er  nennt  das  Buch :  „Riebe  de  fonds,  curieux  et  siiggestif,  soiis  sh 
forme  laborien.se  et  singiiliereraent  tourinentee." 

2)  Man  vergleiclie  die  enthusiastischen  Seiten,  die  Ed.  Kod  in  der  „Nou- 
velle  Revue'*  (Bd.  55)  dem  hochbegabten  Kritiker  widmet,  und  aus  denen  der 
Schmerz  des  hinterblieb enen  Freundes  spricht. 

^)  Er  hat  diesen,  kaum  20  Jahre  alt,  trefflicli  übersetzt  (Contes  grotes- 
ques)  und  in  einer  meisterhaften  Studie  behandelt. 


72  H.  Heine  im  Lichte  der  französischen  Kritik. 


—  in  dem  Kapitel  „Oonclusions  psychologiques"  (pag.  262) 
fasst  er  die  Resultate  seiner  Untersuchungen  zusammen,  mit 
denen  er  ein  ganz  neues  Licht  auf  die  moderne  französische 
Litteratur  wirft.  Es  wäre  zu  wünschen  gewesen,  dass  Brune- 
tiere  in  seinem  letzten  Buche  über  die  Evolutionen  der  fran- 
zösischen Lyrik  in  diesem  Jahrhundert  diese  scharfsinnigen 
Studien  Hennequins  verwertet  hätte.  Denn  gerade  dort,  wo 
dieser  junge  Mann  richtig  gesehen,  zeigt  die  Arbeit  des  Aka- 
demikers bedenkliche  Lücken.  Die  tiefgehende  Bedeutung 
fremden  Einflusses  ist  diesem  ganz  entgangen.  Edgar  Poe 
ist  nicht  einmal  genannt.  Sein  Grauen  vor  dem  Ich-Gespenst 
Baudelaires    hat  ihm  den  sichern  und  ruhigen  Bhck  geraubt. 

Und  doch  waren  diese  Studien  nur  die  ersten  Bausteine  zu 
einem  gross  angelegten  Werke,  dessen  Plan  sich  in  Hennequins 
nachgelassenen  Schriften  vorfand  und  der  von  der  immensen 
Tragweite  des  Unternehmens  und  der  genialen  Anlage  Zeugnis 
ablegt.  Der  Titel  „Histoire  du  XIX^  siecle  en  France"  be- 
weist dies  schon. 

Das  erste  Kapitel  der  zweiten  Periode,  die  nach  dem 
Eutwurf  von  1850—1870  reichen  sollte,  ist  betitelt:  „Expose 
de  la  persistance  des  trois  traditions,  avec  baisse  de  la  tra- 
dition  nationale  et  transformation  generale  de  l'humanitaire 
en  esthetique",  und  das  zweite  Kapitel :  „Nouvelles  intrusions 
etrangeres:  Hoffmann,  Poe,  Dickens,  H.  Heine." 

Der  Besprechung  der  Heinestudie  Hennequins,  die  uns 
länger  beschäftigen  wird,  wollen  wir  die  Erwähnung  einiger 
uns  interessierenden  Stellen  aus  den  „Conclusions  psychologi- 
ques"  vorausschicken.  Der  Autor  untersucht,  inwiefern  Heine 
vom  normalen  Typus  des  Menschen  abweicht  (pag.  262).  „A 
proprement  parier,  des  hommes  de  cette  sorte  —  (Heine, 
Poe  etc.)  sont  de  Vivantes  experiences  de  psychologie,  la 
nature  en  les  faisant  extraordinaires  a  retranche  ou  hyper- 
trophie  chez  eux  quelques  facultes  ä  la  fagon  dont  un  phy- 
siologiste   modifie   artificiellement   la   Constitution  de  l'animal 


Einzelstudien  über  Heine.  73 


sur  lequel  il  opere.  Nous  pouvons  ä  la  fois  connaitre  l'effet 
de  ces  derangements  cerebraux  divers  par  la  condition  des 
ecrits  congus  sous  leur  influence."  —  Dies  untersucht  Henne- 
quin  dann  in  dem  Kapitel  „Conclusions  sociales."  —  Der 
Fall  Heine  führt  ihn  hier  auf  dem  Gebiete  allgemeiner  Psy- 
chologie zu  folgenden  Resultaten  (pag.  264): 

Chez  H.  Heine  Fintelligence  et  la  sensibilite  se  balan§aient 
presque,  et  ce  qui  se  remarque  dans  son  oeuvre,  c'est  la  condition  par- 
ticuliere  d'instabilite  de  ses  sentiments.  Nous  avons  vu  que  de  leur 
perpetuelle  interference,  il  resultait  qu'ils  etaient  forcement  per^us, 
connus,  distingues  par  leur  sujet,  qu'ainsi  Heine  etait  amene  ä  les 
analyser,  a  ne  plus  les  eprouver  sincerement,  ä  les  considerer  avec 
ironie,  ä  s'etudier  cruellemenf  lui-meme.  II  nous  a  paru  que  nous 
avions  saisi  ainsi  la  condition  meine  de  cette  tendance  ä  la  sui- 
analyse,  et  par  suite  ä  l'impuissance  volitionelle,  qui  se  marque  chez 
un  grand  nombre  de  travailleurs  de  l'esprit.  Le  passage  rapide  par  des 
ötats  d'äme  varies,  pensees,  emotions,  volontes,  fait  que  tous  les 
plienomenes  mentaux  sont  percus  par  la  conscience  ...  Le  coefficient 
intellectuel  de  cliaque  acte  nioral,  c'est-ä-dire  le  coefficient  inactif, 
est  notablement  augmente;  le  sujet  de  ce  phenomene  oublie  de  plus 
en  plus  de  vivre  pour  se  voir  vivre,  il  diminue  a  la  fois  son  existence 
et  le  plaisir  qu'il  a  pu  prendre  ä  en  etre  le  spectateur.  D'autre  part 
le  fait  simple  de  savoir  toujours  ce  qu'il  pense  et  ce  qu'il  fait,  sup- 
prime  de  son  ame  la  passion,  le  premier  niouvement,  la  sincerite.  11 
en  vient  ä  se  mepriser,  tout  en  se  diminuant.  Le  terme  inevitable 
de  cette  aifection  est  un  sentiment  continu  de  malaise  et  d'amertume, 
de  declin  et  d'arret,  que  l'on  peut  le  mieux  comprendre  par  le  mau- 
vais  effet  produit  sur  la  marche  d'une  macliine  par  la  presence  et  le 
frottement  d'un  appareil  enregistreur. 

Und  nun  zur  Heinestudie  selbst,  die  zu  den  geistvollsten 
und  selbständigsten  der  ganzen  französischen  Kritik  gehört. 
Veranlassung  gibt  Hennequin  die  Herausgabe  der  Memoiren 
Heines.  Wie  Banville,  hielt  auch  er  sie  für  überflüssig,  da  in 
dem  „Intermezzo"  und  den  „Reisebildern"  schon  das  ganze 
Ich  des  Dichters  zu  finden  sei.  ,,.  .  .  Les  oeuvres  definissent, 
mieux  qu'une  autobiographie,  la  physionomie  spirituelle  du 
poete,  sa  fagon  de  sourire  et  de  s'attrister,  le  sarcasme  de  sa 


74  H.  Heine  im  Lichte  der  französischen  Kritik. 


bouche,  la  douceur  bleue  de  ses  yeux,  tout  l'attrait  feminin 
de  son  äme  variable  et  charmante^  conime  un  ciel  d'equinoxe." 
Wir  lernen  hier  gleich  in  dem  Autor  einen  Heineverehrer 
und  glänzenden  Stilisten  kennen.  Treffend  beginnt  er  gleich 
mit  einer  Schilderung  der  Doppelnatur  Heines,  seiner  eigen- 
tümlichen Stellung  in  der  Litteraturgeschichte :  „Toute  sa 
vie,  dans  tous  les  domaines  de  son  activite,  il  s'est  tenu  au 
carrefour  de  deux  routes,  a  l'angle  de  deux  directions  cardi- 
nales.  II  a  oscille  entre  le  judaisme,  le  christianisme  et  une 
Sorte  de  paganisme  poetique ;  entre  la  France  et  TAllemagne ; 
entre  tous  les  genres,  en  prose  et  en  vers.  II  a  allie  une  forte 
originalite  ä  une  Imitation  evidente;  ses  oeuvres  sont  tantot 
voltairienneSj  tantot  teintes  de  romantisme,  tantot  a  la  fois 
emues  et  ironiques.  Jusque  dans  sa  fagon  d'envisager  sa  vie 
et  la  vie,  il  ne  peut  se  decider  entre  le  sourire  de  l'humouriste 
et  la  tristesse  de  l'elegiaque."  (Pag.  1.)  —  Nachdem  er  den 
Einfluss  des  „Manierisme"  von  Hoffmann  und  Jean  Paul,  des 
romantischen  Elfen-  und  Geisterwesens  besprochen,  weist  er 
mit  Nachdruck  auf  den  des  Volksliedes  auf  die  Muse  Heines 
hin.  Welch  schöner  Lorbeerkranz  ist  nicht  nur  dem  Liede 
Heines,  sondern  zugleich  auch  der  ganzen  deutschen  Lyrik 
in  folgendem  gewunden :  „Que  Ton  ajoute  ä  cette  beaute 
des  poemes  les  nobles  melodiös  dont  les  ont  ornes  Schumann 
et  d'autres,  ces  recitatifs  lyriques  qui  fönt  retentir  et  vivre 
les  mots,  les  accentuent  et  les  cadencent  sur  des  levres 
humaines,  et  Ton  pourra  sentir  par  quel  charme  la  chanson 
allemande  demeure  un  genre  populaire  et  exquis,  comment 
eile  est  la  poesie  lyrique  la  plus  vivace  de  toutes  les  littera- 
tures,  la  seule  qui  ait  renoue  avec  la  musique  son  ancienne 
alliance  naturelle  et  profitable.  Une  partie  des  lieds  de  Heine 
et  de  quelques  autres  poetes,  ne  sont  pas  que  l'expression 
d'une  humeur  particuliere,  que  de  l'ecriture  morte,  lue  silen- 
cieusement  et  solitairement  par  une  elite.  Ils  ont  penetre 
Täme  de  toute  une  race,  ils  ont   des   airs  propres,    des   audi- 


Einzelstudien  über  Heine.  75 


toires  nombreux,  et  vivent  dans  la  memoire  d'une  multitude, 
demeures  ce  que  toute  poesie  etait  a  l'origine,  une  declamation 
melodique  et  nationale."  ^)  (Pag.  63.)  Und  wieder  auf  den 
Kontrast  in  Heines  Wesen  und  Dichten  zurückkommend : 
„La  poesie  et  la  prose  de  Heine,  laissant  entrevoir  une  äme 
curieusement  partagee,  tendre,  simple,  reveuse,  en  une  com- 
munion  etroite  et  pantheiste  avec  la  nature,  mais  aussi  me- 
chante,  d'une  ironie  particulierement  äcre,  traitre  et  subite, 
süre  et  rageuse.  Et  ces  deux  faces  de  la  sensibilite  morale 
de  Heine  alternent  et  se  succedent  sans  menagement,  sans 
intermediaires,  par  des  juxtapositions  telles  que  le  charme  de 
l'une  se  trouve  heurte  et  releve  par  la  dissonance  de  l'autre, 
comme  une  teinte  zebree  de  sa  complementaire  s'exalte." 
(Pag.  67.)  Meisterhaft  ist  Heines  Pessimismus  und  cynischer 
Sinn  geschildert:  „.  ..Dans  ses  vers  d'amour,  il  ne  reste  rien 
de  toute  la  gaiete,  la  gräce  superficielle,  les  galants  baise- 
mains  d'autrefois;  il  a  transpose  en  mineur  de  vieux  motifs 
badins;  il  en  a  fait  des  nocturnes,  des  valses  lentes,  des 
musiques  aussi  desesperees  ou  aussi  reveuses  que  celles  de 
Chopin  et  rompues  souvent,  de  memo,  par  des  dissonances 
subites,  des  finales  ironiques,  de  violants  rires  sonnant  faux 
et  pergants  ..."  Von  dem  Abschnitte,  wo  Hennequin  ein 
farbenprächtiges  Bild  der  Heine-Ironie  entwirft,  glauben  wir 
nichts  streichen  zu  dürfen  (pag.  71): 

L'ironie  de  Heine  est  assurement  la  partie  la  plus  singuliere  et 
la  plus  saisissante  de  son  genie.  Elle  n'est  pas  une  gaiete  legere,  ailee, 
purement  fantaisiste  comme  l'ironie  spirituelle  de  Mercutio  et  de  Rosa- 
linde, comme  le  joli  sourire  poetique  de  quelques  comedies  de  Musset. 
Elle  n'est  pas  non  plus  la  joie  seche  des  comiques  de  race  latine,  le 
rire  d'un  homme  sanguin,  equilibre,  sain,  ayant  la  salutaire  etroitesse 
d'esprit  de  riiomme  normal.  Elle  est  penetree  d'amertume,  mouillee 
de  pleurs,   aigue  et  comme  envenimee.     Elle  a  double  tranchant  et 


^)  Man  vergleiche  diese  Worte  Henuequins  mit  der  Faselei  eines  Janin! 


76  H-  Heine  im  Lichte  der  französischen  Kritik. 

blesse  ausni  durement  la  triste  faiblesse  du  poete  que  la  cruaute  de 
Celles  qui  causent  son  avilissement.  C'est  le  rire  d'un  homnie  atteint 
du  mal  deplorable  des  analystes,  ressentant  minutieusement  et  detail 
ä  detail  sa  soufFrance,  portant  dans  l'introspection  de  son  äme  endo- 
lorie  une  perspicacite  nerveuse,  l'apre  acharnement  ä  connaitre  toutes 
les  retraites  et  toute  la  misere  de  son  mal.  Dans  ce  retour  sur  soi,  la 
vue  claire  de  la  part  de  vanite,  de  sottise  et  de  faussete  qui  souille  ses 
plus  delicates  emotions,  lui  suggere  sa  raillerie  suicide.  II  s'accable 
de  mepris  et  d'indulgence,  s'insulte  et  salit  sa  passion;  la  folie  de 
hasarder  la  paix  de  son  coeur  entre  les  mains  traitresses  d'une  femme, 
lui  inspire  de  faux  ricanements,  et  c'est  quand  son  afFection  trompee, 
bourrelee  et  meurti'ie  lui  rend  l'ame  le  plus  vide  et  le  plus  morne, 
qu'il  s'ingenie  ä  affiler  contre  sa  tendresse  et  la  perfidie  de  sa  bien- 
aimee  les  plus  jolis  sarcasmes. 

Noch  tiefer  senkt  der  Autor  der  „Critique  scientifique'^ 
seine  unbarmherzig  scharf  prüfende  Sonde  in  das  kranke 
Herz  seines  Dichters,  um  uns  in  wunderbarer  Realistik  zu 
erzählen,  was  er  entdeckt  hat  (pag.  71  und  72): 

On  sent  l'insulte  proferee  par  des  levres  fremissantes  entrer  au 
point  vital  de  la  victime  et  du  bourreau.  Sous  l'outrage  longuement 
premedite,  sous  cette  haine  clairvoyante,  on  per^oit  l'horrible  souf- 
france  d'une  äme  blessee,  encore  eprise,  et  se  punissant  de  l'etre.  Ce 
partage  de  la  sensibilite  entre  les  deux  affections  contraires  les  plus 
puissantes,  cet  acharnement  d'une  lutte  oü  chaque  coup  porte  ensan- 
glante  deux  poitrines,  fait  des  ironies  du  poete  allemand  quelque 
chose  de  tragique  et  d'insense ;  ces  eclats  de  rire  stridents  qui  partent 
au  bout  des  pieces  les  plus  calmement  reveuses,  avec  une  dissonance 
accrue  par  la  traitrise  des  debuts  pacifiques,  ce  passage  d'un  etat 
d'äme  paisible  ä  une  subite  crispation  de  douleur,  la  revulsion  ner- 
veuse qui  s'est  operee  tout  ä  coup  dans  l'esprit  de  l'amant,  accusent 
devant  le  lecteur  comme  un  commencement  de  demence,  une  sorte 
de  spasme  hysterique,  un  acces  de  douleur  morale  que  l'ame  ne  peut 
souflPrir  sans  etre  arrachee  de  ses  gonds.  La  foHe  a  de  ces  grimace- 
ments  et  certaines  agonies  laissent  sur  les  traits  des  cadavres  ce  rictus 
sardonique. 

Aehnlich  lautet,  wenn  auch  weniger  an  die  „Morgue" 
erinnernd,  was  uns  der  realistische  Analytiker  über  das 
„Intermezzo"   berichtet,    das   er   „le  plus  bei  effbrt  de  la  lyre 


Einzelstudien  über  Heine.  77 


allemande"  nennt,  das  frei  ist  von  rhetorischen  Deklamationen 
Alfred  de  Mussets  und  der  bleichsüchtigen  Melanchohe  La- 
martines. 

Die  Synthese  der  scharfsinnigen  Analyse  fasst  er  in  fol- 
gende Worte  zusammen  (pag.  76) : 

Ce  qui  le  defiiiit  entre  tous  ces  contrastes,  c'est  sa  diversite 
meme,  non  pas  une  diversite  successive,  mais  presente  et  manifeste 
dans  toutes  ses  productions.  Ce  qui  est  constitutionnel  dans  Heine, 
c'est  l'instabilite  des  sentiments  et  des  sensations  .  .  .  Dans  ce  point 
morbide  de  son  Organisation  intellectuelle  est  la  cause  de  ses  douleurs 
amoureuses  si  vite  oubliees  et  si  variables  qu'on  n'en  connait  pas 
les  objets,  de  ses  gaietes  subites,  des  hauts  et  des  bas  de  son  style, 
des  Sujets  auxquels  il  s'est  applique,  de  son  originalite,  qui  resume 
en  l'alliage  de  tous  les  contraires. 

Nachdem  Hennequin  so  die  Heinesche  Natur  einer  äst- 
hetischen und  psychologischen  Analyse  unterzogen  und  ver- 
sucht hat,  uns  ein  Bild  des  Dichters  aus  dem  Geiste  seiner 
Werke  zu  schaffen,  —  schreitet  er  nun  zu  dem  Einflüsse  von 
Rasse,  der  Mitte,  kurz  aller  äusseren  Verhältnisse  über,  d.  h. 
er  verfolgt  gerade  die  entgegengesetzte  kritische  Methode 
Henri  Taines,  die  er  am  geistreichsten  und  schärfsten  be- 
kämpfte. Mit  derselben  Meisterhand  des  Stilvirtuosen  hat  er 
in  pittoresker  Realistik  das  Milieu  um  die  Gestalt  des  Dichters 
gruppiert. 

Die  Ungleichheit,  das  ewig  Wechselnde  in  den  Werken 
Heines  führt  Hennequin  vor  allem  auf  eine  physische  Ver- 
anlagung des  Dichters,  auf  seinen  krankhaft  nervösen  Orga- 
nismus zurück  (pag.  78) : 

.  .  .  C'etait  lä,  chez  le  poete,  une  condition  organique,  comme 
une  faiblesse  et  une  delicatesse  trop  grande  du  cerveau  pour  qu'il 
persistät  dans  un  etat  violent,  comme  une  legerete  vibrante  de  l'equi- 
libre  Interieur  qu'affolaient  les  secousses  vives. 

Nachdem  der  Autor  ein  düster-wahres  Bild  des  mit  dem 
Tode  ringenden  Poeten  entworfen  (pag.  85  ff.)  und  dann  noch 


78  H.  Heine  im  Lichte  der  französischen  Kritik. 


hervorgehoben,  dass  sein  Genie  bis  zur  letzten  Stunde  original- 
und  siegreich  blieb,  trotz  Gotteszweifel  und  mancherlei  Reli- 
gionswandlungen (pag.  87),  beschliesst  er  seine  Heinestudie 
in  charakteristischer,  für  unseren  Geschmack  etwas  zu  sehr 
chemischer  Weise:  „La  maladie  lente  qui  le  consuma  a  petits 
coups,  opera  sur  son  esprit  comme  ces  reactifs  subtils  de  la 
chimie  qui  dans  un  melange  respectent  les  composes  coherents, 
et  dissolvent  les  instables." 


Emile  Montegut 

(1826) 

^^Henri  Heine. ^^ 

I.  Annees  de  jeunesse.    Poesies  lyriques. 

(„Revue  des  deux  Mondes",  15  May  1884). 

Diese  Studie,  die  den  bescheidenen  Titel  „Esquisse  litte- 
raire"  trägt,  verbindet  Sachkenntnis  und  Tiefe  des  Urteils 
mit  fesselnder  Darstellungsweise.  Sie  nimmt  mit  den  Arbeiten 
Hennequins  und  Ducros  den  ersten  Rang  unter  allen  fran- 
zösischen, und  nicht  den  letzten  unter  den  deutschen  bio- 
graphischen Schriften  über  Heine  ein.  Der  Autor,  jedem 
Fachmanne  als  einer  der  besten  Kenner  der  englischen  Litte- 
ratur  in  Frankreich  bekannt,  beginnt  mit  persönlichen  Er- 
innerungen. Heine  hat  den  jungen  Montegut  wenige  Wochen 
vor  seinem  Tode  zu  sich  berufen. ')  Er  sah  in  dem  geist- 
reichen Litteraten,  dessen  Arbeiten  er  gelesen,  den  geeigneten 
Mann,  der  ihn,  den  sterbenden,  viel  angefochtenen  Dichter, 
vor  der  Nachwelt  rechtfertigen  könnte.  Wir  lassen  dem  A^er- 
fasser    selbst    das    Wort.     Heine    richtet   nach    zweistündiger 


^)  Vergl.    Correspondance    in^dite    de    Henri    Heine;    Levy.    Bd.    3,   pac 
420,  425. 


Einzolstudion  über  Heine.  79 

Unterredung,  die  der  Dichter  ganz  allein  geführt,  mit  er- 
schöpfter Stimme  die  Bitte  an  ihn,  seine  Feder  in  den  Dienst 
einer  biographischen  Skizze  zu  stellen :  „Lorsqu'il  fallut  en 
arriver  au  sujet  qui  motivait  plus  particulierement  ma  visite, 
il  souleva  de  ses  doigts,  pour  me  mieux  voir,  ses  paupieres 
affaissees  par  la  nevrose  et  me  dit,  de  sa  voix  la  plus  plain- 
tive,  qu'il  avait  bien  besoin  d'etre  soutenu,  car  il  etait,  pour 
le  moment,  attaque  de  la  maniere  la  plus  indigne  par  des 
AUemands  sans  aveu,  par  des  Polonais,  par  des  femmes  de 
mauvaise  vie  .  .  .  et  il  citait  des  noms  que  je  ne  puis  repeter 
.  .  .  Mais  ses  plaintes  assaisonnees  de  sarcasmes  contre  ses 
ennemis  avaient  epuise  ses  forces,  et  il  retomba  aneanti  sur 
son  lit:  „Excusez  la  nature  qui  m'a  mis  en  cet  etat,"  me  dit-il 
en  me  tendant  la  main,  et  sur  cette  parole,  je  pris  conge."  — 

Bevor  wir  auf  den  kritischen  Teil  dieser  Arbeit  eingehen, 
möchten  wir  Montegut  Selbsterlebtes  erzählen  lassen.  Ohne 
von  dem  abzuweichen,  was  Heines  deutsche  Biographen  von 
Heines  letzten  Tagen  berichten,  zeichnen  sich  die  Erinne- 
rungen durch  besondere  Nüancierung  gewisser  Einzelheiten 
aus  und  vor  allem  durch  die  Schärfe  psychologischer  Er- 
gründung,  oder,  um  uns  modern  auszudrücken,  durch  seinen 
Impressionismus. 

Montegut  fand  den  Schwerkranken  —  es  war  im  Spät- 
herbst des  Jahres  1855  —  allein,  halbangezogen  im  Bette; 
in  der  Hand  einen  Bleistift,  vor  ihm  ein  grosses,  beschriebenes 
Blatt  Papier.  Er  betont  mit  Nachdruck,  dass  die  Schrift 
fest  und  deutlich  war  und  nicht  die  mindeste  Spur  einer 
zitternden  Hand  zeigte,  eine  Konstatierung,  die  in  dem  Me- 
moirenstreite schwer  wiegen  dürfte. 

La  maladie  l'avait  vaincu  et  terrasse,  non  enlaidi  et  „senilise", 
et  si  les  traces  de  cruelles  soufFrances  n'etaient  chez  lui  que  trop 
visibles,  il  etait  impossible,  en  revanche,  d'y  surprendre  une  marque 
serieuse  de  decrepitude.   II  parla  pendant  deux  heures  avec  la  plus 


80  H.  Heino  im   Lichte  der  französischen  Kritik. 


eloquente  abondance,  et,  en  l'ecoutant,  il  me  semblait  Hre  comme 
le  brouillon  non  corrige  de  quelqu'une  de  ses  etincelantes  fantaisies. 
Seulement,  comme  cette  cascade  d'eloquence  s'ecoulait  en  s'accom- 
pagnant  des  apres  sons  d'une  prononciation  germanique  des  plus 
accentuees,  je  ne  pus  m'empecher  de  songer  ä  ces  grenouilles  d'Aristo- 
phane  qui  encadrent  leurs  chants  si  divinement  lyriques  du  „Brekeke ! 
coax!  coax!"  de  leurs  marecages  stygiens. 

Wenn  Heine  einst,  wie  Gautier  berichtet,  dem  Apollo  ge- 
glichen —  und  mit  seinen  Sarkasmen  die  bleichen  Anhänger 
der  nazarenischen  Lehre  überschüttet  hatte,  so  war  von  alle- 
dem nichts  geblieben  (pag.  245): 

Cela  ne  Yeut  pas  dire  que  la  maladie  Favait  enlaidi,  car  le  visage 
etait  encore  d'une  singuliere  beaute;  seulement  cette  beaute  etait 
exquise  plutot  que  souveraine,  delicate  plutot  que  noble,  musicale  en 
quelque  sorte  plutot  que  plastique.  La  terrible  nevrose  avait  venge 
le  nazarenisme  outrage,  en  effagant  toute  trace  de  Thellenisant  et  en 
faisant  reparaitre  seuls  les  traits  de  la  race  ä  laquelle  il  appartenait 
et  oü  domina  toujours  le  spiritualisme  exclusif  contre  lequel  son  elo- 
quente impiete  s'etait  si  souvent  elevee.  Et  cet  aspect  physique  etait 
en  parfait  rapport  avec  le  retour  au  juda'isme,  dont  les  „Aveux  d'un 
poete"  avaient  recemment  entretenu  le  public.  D'äme  comme  de 
Corps,  il  n'etait  plus  qu'un  Juif,  et,  etendu  sur  son  lit  de  souffrance, 
il  me  parut  veritablement  comme  un  arriere-cousin  de  ce  Jesus  si 
blaspheme  naguere,  mais  dont  il  ne  songeait  plus  ä  renier  la  parente. 
Ce  qui  etait  plus  remarquable  encore  que  les  traits  chez  Heine, 
c'etaient  les  mains,  des  mains  transparentes,  lumineuses,  d'une  ele- 
gance  ultra-feminine,  des  mains  tout  gräce  et  tout  esprit,  visiblement 
faites  pour  etre  l'instrument  du  tact  le  plus  subtil  et  pour  apprecier 
voluptueusement  les  sinuosites  onduleuses  des  heiles  realites  ter- 
restres;  aussi  m'expliquerent-elles  la  preference  qu'il  a  souvent 
avouee  pour  la  sculpture  sur  la  peinture.  C'etaient  des  mains  d'une 
rarete  si  exceptionnelle  qu'il  n'y  a  de  merveilles  comparables  que 
dans  les  contes  de  fees  et  qu'elles  auraient  merite  d'etre  citees 
comme  le  pied  de  Cendrillon  ou  l'oreille  qu'on  peut  supposer  ä  cette 
princesse  d'une  ouie  si  fine  qu'elle  entendait  l'herbe  pousser.  Enfin, 
un  dernier  caractere,  plus  extraordinaire  encore  s'il  est  possible, 
c'etait  l'air  de  jeunesse  dont  ce  moribond  etait  comme  enveloppe, 
malgre  ses  cinquante-six  ans  et  les  ravages  de  huit  annees  de  la 
plus   cruelle   maladie.   C'est  la  premiere  fois   que  j'ai  ressenti   forte- 


Einzelstudien  über  Heine.  81 

ment  l'impression  qu'une  jeunesse  imperissable  est  le  privilege  des 
natures  dont  la  poesie  est  exclusivement  l'essenee.  Depuis,  le  cours 
de  la  vie  nous  a  permis  de  la  verifier  plusieurs  fois,  et  nous  ne  l'aYons 
Jamals  trouvee  menteuse.  — 

Schon  diese  Stelle  wird  sowohl  das  Yertrauen,  das  Heine 
in  Montegut  setzte,  als  auch  unsere  häufigen  und  ausführlichen 
Citationen  rechtfertigen. 

Zuweilen  finden  sich  Anlehnungen  an  den  englischen  Bio- 
graphen Heines,  Stigand,  was  bei  einem  französischen  Kenner 
enghscher   Litteratur   begreiflich   ist.     Allein,    wenn   er   auch 
dessen  beid,e  Bände    „deux  volumes  considerables"  nennt,   so 
hat  er  sich  dennoch  zum  Glücke  nicht  durch  den  pamphletis- 
tischen  Charakter  derselben  beeinflussen   lassen,    es   sei    denn 
etwa  dort,  wo  er  Salomon  Heines  Benehmen  Heine  gegenüber 
als  „noble  et  sensee"  bezeichnet.    Der  vielfache  Millionär,  der 
seinen  Neffen  quasi  enterbte,  hätte  nicht  gut  weniger  für  den- 
selben  thun   können,   wollte   er   nicht   vor  der  Nachwelt   ge- 
rade als  das  Gegenteil  gelten.     Ferner  dürfte  Montegut  auch 
mit  Stigand   irren   und   das    damalige  Deutschland  nicht    ge- 
nügend berücksichtigen,  wenn  er  behauptet,  dass  Heine  seine 
Schicksalsschläge   selbst  verschuldet    habe.     ,,Aucune  fatalite 
ne  pesa  jamais  sur  Heine,  sauf  Celles  qu'il  crea  lui-meme  .  .  . 
Savif  Texcentricite   de    Situation   qui  resultait   d'une  naissance 
juive  en  pays  allemand,  je  ne  vois  rien  dont  il  ait  eu  le  droit 
d'accuser  le  sort."     Den  lebhaft  geschilderten  biographischen 
Teil   verlassen   wir    hiermit,    um   uns    den  interessanten  Aus- 
einandersetzungen des  Kritikers  und  Psychologen  zuzuwenden. 
Die  Sympathie,  die  Heine  trotz  aller    Spöttereien  für  die 
jüdische   Rasse    empfunden,    schreibt  Montegut   nicht  seinem 
Glauben,  sondern  dem  Mitleiden  des  Dichters,  seinem  für  alles 
Unglück  empfänglichen  Herzen  zu.    „C'est  dans  un  sentiment 
general  et  philosophique  d'humanite  et  non  dans  un  sentiment 
particulier  et  religieux  de  consanguinite  qu'il  faut  chercher  la 
Sympathie  propre    ä  Heine  pour  le  peuple  dont  il  etait  issu." 

Botz,  Heine  in  Frankreich.  " 


82  Ef-  Heine  im  Lichte  der  französischen  Kritik. 


Im  Glauben,  es  sei  für  ihn  die  Lyrik  nur  ein  Ausgangs- 
punkt zu  den  anderen  Gebieten  der  Poesie,  hat  Heine  seinen 
Almanzor  gedichtet,  den  der  Autor  als  „le  plaidoyer  le  plus 
etrange  assurement  que  la  cause  sacree  de  la  liberte  de  con- 
science  ait  jamais  enfante"  bezeichnet.  Aus  der  Besprechung 
dieses  Dramas  greifen  wir  folgende  treffliche  Charakteristik 
heraus  (pag.  261) : 

Imaginez  donc  un  charivari  musical  oü  chaque  instrument  echange 
avec  le  voisin  les  sons  qui  lui  sont  propres  ou  usurpe  ceux  qui  ne 
lui  appartiennent  pas,  et  vous  aurez  ä  peine  une  idee  d' Almanzor.  II  y 
a  lä  des  accens  de  clairons  qui  se  terminent  en  sons  de  flütes,  des 
motifs  de  serenade  qui  se  transforment  en  cris  de  guerre,  des  trilles 
de  rossignols,  lugubres  comme  le  cri  fatidique  de  la  chouette,  des 
croassemens  de  corbeaux  qui  s'achevent  en  sifflets  de  merle ;  l'amour 
y  mugit,  la  haine  y  gazouille,  la  tendresse  y  est  malicieusement  rail- 
leuse,  le  persiflage  y  prend  des  pointes  d'elegie.  C'est  une  oeuvre  de 
demenee  dans  tous  les  sens,  —  la  folie  y  a  son  apotheose,  —  mais 
cette  demenee  est  inspiree,  et  nul  autre  qu'un  yrai  poete  n'aurait  pu 
la  ressentir  et  l'exprimer. 

Die  Synthese  seines 'Urteils  über  die  beiden  Dramen  — 
er  stellt  Ratcliff  dramatisch  höher  als  Almanzor,  dem  er  grös- 
sere Originalität  und  poetische  Inspiration  zuspricht  —  lautet 
(pag.  264): 

Ces  deux  drames  sont  une  double  apotheose  des  fous  par 
amour,  et  il  appuie  cette  apotheose  sur  un  des  sophismes  les  plus 
forcenes  qui  aient  jamais  traverse  un  cerveau  en  proie  aux  delires 
furieux  d'une  passion  malheureuse,  c'est-a-dire  la  superiorite  de 
l'amour  sur  toutes  les  choses  de  la  terre,  du  ciel  et  de  l'enfer. 

In  folgenden  Zeilen  gibt  er  Quellenforschern  einen  Wink 
(pag.  263): 

Ce  serait  un  curieux  travail  que  celui  de  rechercher  ces  admi- 
rables  adaptations  de  Heine :  il  y  a  teile  de  ses  petites  pieces  lyriques 
de  r„Intermezzo"  qui,  par  le  tour  et  le  sentiment  d'ironie,  semble 
du  Catulle  ressuscite  et  mettant  au  ton  du  XIX®  siede  ses  galantes 


Einzelstudien  über  Heine.  83 


malignites;  et  qu'est-ce  que  la  piece  bacliique  inconiparable  qui  ter- 
mine  les  „Poemes  de  la  mer",  sinon  le  „Beatus  ille  qui  procul  negotiis" 
d'Horace,  depouille  de  sa  sagesse  d'epicurisme  modere  et  anime  de 
la  verve  la  plus  carnavalesque  qu'ait  pu  jamais  parier  personnage  de 
Jordaens  ou  de  Steen  pour  proclamer,  sous  une  forme  propre  aux 
modernes  pays  de  kermesses,  les  joies  du  retour  en  terre  forme  et 
l'heureuse  securite  des  voluptes  ä  huis-clos  qu'il  preclia  autrefois 
sous  une  forme  latine  ? 

„Son  talent  etait  inegal  ä  toute  täche  qui  reclamait 
continuite,  constance,  effort  soutenu"  —  heisst  es  weiter. 
Aber  entfernt,  darin  eine  Inferiorität  zu  sehen,  sagt  er:  „Mais 
grande  serait  votre  erreur  si  vous  croyiez  qu'il  y  avait  la 
faiblesse  de  nature  ou  gaspillage  d'un  talent  presse  de  pro- 
duire  et  que  le  besoin  condamne  fatalem ent  aux  oeuvres  de 
courte  etendue."  —  Zwei  Gründe  gibt  Montegut  als  Erklärung 
für  diese  Eigentümlichkeit  an  —  sie  nennen  zugleich  das 
Geheimnis  eines  jeden  grossen  Lyrikers  (pag.  266) : 

La  premiere,  c'est  que  les  idees  se  presentaient  chez  lui  non 
par  Progression  froidement  analytique,  mais  dans  la  lumiere  chaude 
et  vive  de  l'intuition  synthetique;  il  les  voyait  au  complet  sous  un 
seul  rayon  avec  leurs  racines,  leurs  rameaux  et  leurs  fleurs.  Or,  ä 
celui  qui  pergoit  les  idees  sous  cette  forme  sommaire  de  Synthese, 
l'analyse  apparait  inutile  ou  devient  facilement  fastidieuse,  et  il  ne 
peut  les  rendre  que  par  des  ecrits  faits  ä  l'image  de  cette  Synthese, 
c'est-ä-dire  rapides  et  Vivantes  comme  eile.  La  seconde  raison^  c'est 
qu'il  portait  dans  tout  ce  qu'il  ecrivait  un  exces  de  vehemence  teile 
qu'elle  ne  pouvait  se  soutenir  longtemps.  S'il  n'a  ecrit  que  des  oeuvres 
de  petites  dimensions,  ce  n'est  pas  qu'il  eüt  l'haleine  courte ;  il  l'avait 
tres  longue  au  contraire,  car  chacun  de  ses  essais  est  ecrit  d'un  seul 
Souffle  puissant  et  soutenu  qui  part  de  la  premiere  ligne  et  ne  s'arrete 
qu'ä  la  derniere.  Mais  le  moyen  de  prolonger  longtemps  une  Inspi- 
ration qui  demandait  un  tel  eifort  de  la  nature  et  qui  entrainait 
necessairement  une  depense  aussi  enorme  de  vie  cerebrale  et  ner- 
veuse!  A  ces  deux  caracteres  vous  reconnaissez  le  poete,  surtout  le 
poete  lyrique,  qui  est  un  fils  si  fidele  de  la  vie  qu'il  ne  peut  ecrire 
que  dans  son  voisinage  immediat  et  que  toute  Inspiration  languit  chez 
lui  des  que  la  vie  s'eloigne  ou  se  refroidit. 


84  H.  Heino  im  Liclito  dor  tVanzÖsischon  Kritik. 


Fein  nuanciert  ist  die  Parallele  zwischen  Heine  und  Byron, 
in  der  der  Britte,  genau  genommen,  den  Kürzeren  zieht,  was 
bei  der  Kompetenz  Monteguts  von  Bedeutung  ist : 

Heine  disait:  „Byron  et  moi",  mais  nul,  parmi  les  vrais  juges 
en  poesie,  n'aurait  ose  s'autoriser  de  cette  parole  pour  le  taxer 
d'outrecuidance  ou  d'infatuation,  car  il  est  certain  que,  si  l'oeuvre  de 
Byron  offre  une  fa§ade  antrement  considerable  que  celle  de  Heine, 
il  y  a  chez  Heine  une  sincerite  de  sentiment  et,  pour  ainsi  dire,  une 
nudite  d'emotion,  une  souplesse  et  une  gräce  qui  sont  inconnues  ä 
l'eloquence  quelque  peu  rhetorieienne  et  a  la  melancolie  liautaine, 
mais  quelque  peu  raide,  de  lord  Byron. 

Wenn  sich  Heine  wiederholt  in  Versen  und  Prosa  die 
Unsterblichkeit  versprach,  so  sieht  Montegut  hierin  nur  be- 
berechtigtes Selbstbewusstsein ,  keineswegs  Dünkel:  „Cette 
invulnerabilite  sur  le  terrain  poetique  dit  assez  la  place  qu'il 
occupe  et  d'oü  les  vicissitudes  de  la  mode  ne  parviendront 
pas  plus  ä  le  deloger  que  ses  propres  folies  et  ses  pires  erreurs 
ne  l'ont  empeche  de  la  conquerir."  Diese  psychologische  Auf- 
fassung der  olympischen  Sicherheit,  der  grossartigen  „Süffi- 
sanz"  und  der  aristokratischen  Ueberlegenheit  Heines  erinnert 
an  eine  ähnliche  Stelle  in  dem  Nekrologe  Heinrich  Laubes, 
wo  der  Freund  des  totgesagten  Dichters  das  kolossale  Selbst- 
bewusstsein desselben  interpretiert  und  von  der  gewöhnlichen 
Poeteneitelkeit  unterscheidet. 

Was  uns  nun  der  Autor  von  Heine,  dem  Lyriker,  dem 
Dichter  des  „moi  par  excellence"  sagt,  ist  so  trefflich  aus- 
geführt und  zum  Teil  so  neu,  dass  wir  uns  nur  ungern  bloss 
auf  eine  Citation  beschränken  (pag.  268) : 

Les  qualites  maitresses  que  reclament  les  cliants  qui  ont  la 
volupte  pour  principe  d'inspiration,  regnent  ici  en  souveraines.  En 
verite,  plus  nous  relisons  ces  poesies  de  Heine  et  moins  nous  pouvons 
ecarter  de  notre  esprit  cette  pensee  que  la  volupte  est  en  poesie 
une  incomparable  ecole  de  bon  goüt.  Repudiez  toute  hypocrite  pru- 
derie,  soyez  lettres  avec  franchise  et  dites-moi  s'il  n'est  pas  vrai  que 
toutes  les  fois  que  la  volupte  a  trouve  un  interprete  vraiment  digne 


Einzelstudien  über  Heine.  85 


(l'elle,  les  chants  de  cet  interprete  se  soient  distingues  par  ces  deux 
qualites  que  le  bon  goüt  reclame  comme  siennes  au  premier  chef: 
l'elegance  et  la  sobriete  .  .  . 

.  .  .  Passez-les  tous  en  revue,  le  Chinois  Li-TaT-Pe,  le  Persan 
Hafiz,  le  Romain  Horace,  le  boheme  parisien  Villen,  le  Cliampenois 
La  Fontaine,  le  paysan  ecossais  Burns,  l'etudiant  allemand  Heine,  le 
dandy  Musset,  meme,  si  vous  voulez,  encore  le  bourgeois  Beranger, 
et  dites  si  cette  opinion  n'est  pas  fondee.  Et  ces  deux  qualites  sont 
absolument  adequates  a  la  matiere  qu'elles  veulent  celebrer,  car  la 
volupte  est  peut-etre  la  seule  chose  au  monde  qui  ait  le  privilege 
d'inspirer  aux  poetes  une  forme  entierement  conforme  ä  sa  nature. 
Le.veritable  poeme  erotique  est  court  comme  le  plaisir  meme  qu'il 
traduit,  et  elegant  parce  que  la  volupte  n'est  pas  lä  oü  le  plaisir 
n'entraine  pas  un  sentiment  d'elegance. 

Der  Gott  der  Liebe,  der  Heine  begeisterte,  ist  ganz 
anderer  Herkunft  und  von  verschiedener  Verderbtheit  als 
jener  der  klassischen  Mythologie. 

Montegut  arbeitet  das  Bild  noch  mit  poetischem  Schwung 
und  Geist  aus,  lässt  sich  aber  von  seiner  eigenen  Phantasie 
fortreisssen  (pag.  270,  271): 

Ce  Cupidon  de  Heine  n'a  rien  de  commun  avec  l'enfant  aux 
alles  blanches  comme  les  colombes  qui  trainent  le  cliar  de  sa  mere, 
dont  nos  ballets  et  nos  chansons  nous  ont  tant  entretenus,  pas  plus 
que  sa  Venus  n'a  quelque  chose  de  commun  avec  la  blonde  Aphro- 
dite. La  Venus  de  Heine,  vous  la  connaissez,  sans  vous  en  douter, 
depuis  longtemps;  c'est  celle  dont  le  grand  Titien  fit  le  portrait, 
cette  Venus  ä  l'irresistible  sensualite,  aux  mignons  traits  touraniens 
si  differents  des  traits  ä  la  noble  correction  des  deesses  issues  du 
ciseau  grec.  Vous  avez  pu  la  voir  aux  Offices  de  Florence,  etendue 
sur  son  lit  de  repos,  tandis  que  sa  chambriere  cherche  au  fond  du 
divin  boudoir  les  linges  necessaires  pour  voller  la  delicieuse  brutalite 
et  l'enivrante   seduction  de   son  corps   aux  charmes    implacables  .  .  . 

D'abord  ses  effets  sont  delicieux,  quoique  toujours  marques  de 
quelque  chose  de  cruel ;  ce  sont  des  angoisses  voluptueuses,  des  joies 
cuisantes,  des  sensations  oü  le  plaisir  se  tire  de  la  douleur,  des 
spasmes  que  le  coeur  appelle  avec  impatience,  des  fievres  auxquelles 
le  cerveau  se  livre  avec  frenesie ;  mais  peu  ä  peu  la  part  de  la  souf- 


86  H.  Heine  im  Lichte  der  französischen  Kritik. 

france  devient  plus  grande,  des  essaims  do  reves  malfaisants  s'abattont 
sur  le  malade  et  le  livrent  en  proie  aux  hallucinations  les  plus  affreuses, 
et  lorsqu'enfin  le  poete  descend  en  son  coeur,  il  le  trouve  vide  de 
tous  les  sentiments  d'oü  la  vie  tire  sa  f'ertihte;  un  residu  funebre  de 
cendres  noires  et  de  lie  amere  est  tout  ce  qui  reste  de  cet  amour 
empoisonne. 

Wenn  wir  dieser  sinnreichen  Symbolik  gegenüber  den 
Vorwurf  der  Einseitigkeit  auszusprechen  wagen,  so  geschieht 
es,  weil  wir  wähnen,  es  dürfte  die  „Wallfahrt  von  Kevlaar" 
und  ein  Lied  „Du  bist  wie  eine  Blume",  nicht  in  ein  Modell 
einzuzwängen  sein. 

In  den  häufigen  Träumen,  in  die  Heine  seine  poetischen 
Visionen  einkleidet,  sieht  der  Verfasser  nicht  einen  blossen 
Kunstgriff  —  „ils  etaient  la  traduction  lumineuse  des  informes 
et  incoherentes  ebauches  de  ses  nuits  troublees.  Le  germe 
de  mort  que  nous  portons  tous  en  nous  etait  donc  non-seule- 
ment  apparent,  mais  actif  en  lui  presque  des  son  entree  dans 
la  vie,  et  voilä  pourquoi  tant  de  pressentiments  funebres  se 
melent  ä  cette  joie  de  vi  vre  qu'il  exprime  avec  une  si  elo- 
quente frenesie  .  .  .  Dans  cette  joie  de  vivre  memo  se  trahit 
une  häte  de  funeste  augure,  de  sorte  qu'on  peut  dire  sans 
paradoxe  que  c'est  par  la  gräce  meme  de  la  mort  qu'il  a  ete 
un  chantre  si  vibrant  de  la  vie"  —  (pag.  274). 

Montegut  unternimmt  es  noch,  den  Misston  der  vielen 
Lieder  Heines  nicht  nur  zu  erklären,  sondern  auch  zu  recht- 
fertigen, indem  er  auf  die  tiefe  innere  Tragik  desselben  auf- 
merksam macht  (pag.  275,  276) : 

C'est  ce  desaccord  entre  l'amour  et  son  objet  qui  est  le  principe 
de  ces  sarcasmes,  de  ces  ironies  et  de  ces  blasphemes  que  l'on  a  si 
legerement  reproches  comme  une  dissonance  a  ses  poesies.  Loin  d'etre 
en  dissonance,  Ironie,  blaspheme,  persiflage  sont  au  contraire  en  accord 
parfait  avec  un  amour  de  teile  nature ;  ils  en  fönt  la  cruelle  harnionie 
et  la  profonde  originalite;  ils  attestent  en  tout  cas  la  sincerite  du 
poete  et  disent  a  quel  point  il  est  reste  fidele  ä  la  verite.  Oh ! 
qu'elles  seraient  menteuses  si,  sous  pretexte  d'unite,  ces  poesies  con- 


Einzelstudien  über  Heine.  87 


servaient  jusqu'au  bout  l'accent  de  la  plainte,    si  le   ton  elegiaque  y 
donnait  davantage  l'exclusion  au  ton  satirique . . . 

Oh!  que  loin  de  prouver,  comme  on  l'a  dit,  le  peu  d'anie  du  poete, 
tout  cela  prouve  au  contraire  l'energie  de  sa  passion!  Oli!  que  loin 
d'etre  bouifon,  tout  cela  est  tragique !  Le  doute,  le  doute  perpetuel, 
ou  plutot  la  certitude  de  la  fin  toujours  imminente  du  bonheur  et  de 
la  banqueroute  ä  breve  echeance  de  Famour,  voilä  le  tourment  liorrible 
qui  fait  le  fond  des  poesies  de  Heine  et  qui  le  poursuit  memo  dans 
ses  lieures  de  felicite  tonte  confiante  . . . 

In  einer  Anmerkung  weist  der  Autor  darauf  hin,  dass 
der  Skepticismus  und  die  Ironie  Heines  nicht  nur  ihre  mo- 
ralische Erklärung  finden ,  sondern  auch  rein  litterarischen 
Ursprunges  sein  können.  Die  volkstümlichen  Weisen  nämlich, 
die  der  Dichter  täuschend  ähnlich  nachsang,  tragen  denselben 
Charakter.  Sie  vereinigen,  wie  die  Lieder  Heines,  mit  dem 
Ausdruck  innig-naiver  Liebe  oft  verletzende  Ironie  und  revol- 
tierenden Cynismus  (pag.  276): 

Tant  que  l'aniant  veut  seduire  ou  reste  en  proie  au  desir,  il 
trouve  les  accents  de  la  plus  emouvante  tendresse  et  prodigue  les 
plus  caressantes  flatteries,  mais  vient-il  ä  triompher,  aussitot  le  ton 
cliange  et  il  notifie  sa  satiete  ou  son  dedain  avec  la  brutalite  la  plus 
revoltante.  De  meine,  la  jeune  fille  qui  n'aime  pas,  sollicitee  par  un 
amant  au  desespoir,  ecoute  sans  s'attendrir  les  plaintes  les  plus  elo- 
quentes et  notifie  conge  ä  l'importun  avec  une  durete  que  les  plus 
sinistres  menaces  de  mort  ou  de  suicide  ne  peuvent  flecliir. 

Die  Natur,  die  Heine  so  gern  und  unerreicht  besang, 
muss  Montegut  die  eigene  Sprache  leihen ,  um  ihren  Ver- 
herrhcher  in  einem  ihrer  Wunder  zu  versinnbildlichen  (pag.  276) : 

.  .  .  Avez  Aous  janiais  assiste,  le  matin,  au  reveil  de  la  luniiere? 
Sons  le  froid  clair-obscur  de  la  premiere  aube,  un  gazouillement  isole 
part  tout  ä  coup  d'un  buisson.  A  ce  gazouillement  un  second  repond 
du  buisson  voisin,  l'etincelle  melodieuse  vole  d'arbre  en  arbre  et  de 
nid  en  nid,  et  c'est  bientot  comme  un  incendie  de  sonorite  qui  em- 
brasse  la  campagne  entiere.  II  en  est  ainsi  de  l'amour  dans  les  cliants 
de  Heine.  Ce  n'est  d'abord  qu'une  plainte  melodieuse,  une  fanfare  de 
triompiie,  un  accent  d'ardent  espoir  qu'il  jette  au  vent  de  la  solitude, 
mais  sa  voix  a  reveille  tous  les  eclios  de  la  natuve,  qui  lui  renvoient 


88  H.  Heine  im  Lichte  der  französischen  Kritik. 


Tun  apres  l'autre  ses  propres  paroles  nmltiphees  et  prolongees,  et 
bientöt,  perdant  tout  etroit  caractere  d'intiniite,  cet  aniour  s'est  uni- 
versaHse  jusqu'ä  embrasser  la  nature  entiere  et  ä  prendre  pour  com- 
pagnons  et  confidens  toutes  les  belies  choses  de  la  creation. 

Mais  tout  ä  coup  une  parole  cruelle  ou  mauvaise  a  retenti  qui 
a  mis  ä  neant  toute  cette  illusion  riante;  les  oiseaux  sont  devenus 
muets,  les  etoiles  se  sont  couvertes  d'un  crepe  de  nuages,  les  fleurs 
se  sont  fletries  et  courbees,  les  eaux  lointaines  se  sont  precipitees 
avec  un  bruit  sinistre,  et  il  n'est  plus  rien  dans  la  nature  qui  ne  donne 
un  signe  de  mort,  ne  fasse  un  geste  de  menace,  ne  siffle  une  insulte, 
une  invitation  au  desespoir.  Le  roi  et  le  dieu  de  tout  ä  Flieure  se 
sont  evanouis,  et  il  ne  reste  plus  qu'un  pauvre  enfant  de  nature  su- 
perieure,  embarrasse  de  son  coeur,  qui  ne  lui  sert  qu'ä  souffrir,  et 
de  son  genie,  qui  ne  lui  sert  qu'ä  niieux  comprendre  le  neant  de  toute 
esperance  et  l'inutilite  de  tout  eifort  genereux. 

Montegut  schliesst,  indem  er  Heine  Petrarka  gegenüber 
stellt  (pag.  277): 

Si  Petrarque,  en  efFet,  a  un  rival,  c'est  Heine,  precisement  par 
le  contraste  qui  les  oppose  Tun  ä  l'autre,  comme  les  deux  interpretes 
les  plus  dissemblables  de  l'eternelle  illusion  qui  mene.  l'humanite,  illu- 
sion maudite  ou  benie  selon  les  siecles,  qui  tantot  conduit  au  salut 
et  ä  la  vie,  comme  chez  Petrarque,  et  tantot,  comme  chez  Heine,  con- 
duit ä  la  damnation  et  ä  la  mort. 

Die  Studie  Monteguts  hat  uns  lange  aufgehalten.  Die 
Fülle  von  Gedanken  und  neuen  Gesichtspunkten,  die  sinn- 
reiche Darstellung  des  Heineschen  Geistes  veranlassen  uns, 
diese  Arbeit  als  die  glänzendste  zu  bezeichnen,  die  in  dieser 
Art  in  Frankreich  über  Heine  geschrieben  worden  ist.  Ja. 
wir  möchten  noch  mehr  sagen.  Obgleich  es  nicht  unsere 
Aufgabe  ist,  den  Wert  und  die  Bedeutung  der  französischen 
Studien  mit  den  deutschen  zu  vergleichen,  so  können  Avir 
nicht  umhin,  an  dieser  Stelle  zu  bemerken,  dass  Monteguts 
Aufsatz  mit  dem  erwähnten  Nekrologe  Laubes  —  und  der 
biographischen  Skizze  Zendrinis  zu  dem  Besten,  Wahrsten, 
innig  und  am  dichterischsten  Nachempfundenen  gehört,  das 
je  über  unsern  Dichter  gesagt  wurde,  und  zu  bedauern  ist  es 


Einzelstudien  über  Heine.  89 


daher,    dass  die  allem  Anscheine    nach  geplante    Fortsetzung 
dieser  schönen  Arbeit  bis  jetzt  ausgeblieben  ist. 

Wir  bemerken  noch,  dass  Montegut  in  seinen  litterar- 
historischen  und  ästhetischen  Schriften  wiederholt  Stellen  aus 
Heines  Werken  zuzieht.  In  den  „Livres  et  ämes  des  Pays 
d'Orient"  ist  sogar  Heine  mit  —  chinesischen  Poeten  ver- 
glichen, wo  er  den  Nachweis  zu  geben  sucht,  dass  zwischen 
der  Litteratur  der  Söhne  des  Himmels  und  der  europäischen 
eine  Affinität  bestehe. 


Louis  Ducros 

(1846). 

„Henri  Heine  et  son  temps''  (1799—1827),  Paris  1886.^)  Wir 
haben  es  hier  mit  dem  gründlichsten  und  ausführlichsten  fran- 
zösischen Werke  über  Heine  zu  thun,  das  allen  Anforderungen 
der  Wissenschaft  entspricht,  ja  mit  einem  der  ansehnlichsten 
und  wertvollsten  Bücher,  die  jenseits  des  Rheins  über 
deutsche  Litteratur  geschrieben  worden  sind.  Es  konnte 
daher  diese  Arbeit  des  Professors  in  Poitiers  —  der  sich  schon 
1884  durch  die  bedeutende  Schrift  „Schopenhauer,  les  origines 
de  metaphysique"  auch  über  die  Grenzen  seines  Vaterlandes 
rühmlichst  bekannt  gemacht  —  neben  reichlich  gezolltem  Lobe 
nicht  dem  gelinden  Tadel  entgehen,  der  für  den  Franzosen  in 
den  Worten  „un  peu  lourd"  hegt.  Das  biographisch  und  lit- 
terar-kritisch gehaltene  Buch  umfasst  auf  320  Seiten  die  Jugend 
Heines  bis  zum  Erscheinen  des  „Buch  der  Lieder".  Von  da 
an,  meint  der  Autor  nicht  mit  Unrecht,  sei  Heine  seinen  Lands- 
leuten kein  Unbekannter  mehr.    Ducros,  der  alles  kennt,  was 


^)  Diesem  Buche  hat  Bourdeau  eine  Studie  gewidmet  („Revue  bleue"  I. 
1887,  pag.  49). 


90  H.  Heine  im  Lichte  der  französischen  Kritik. 


hüben  und  drüben  über  den  Dichter  geschrieben  wurde,  hat 
das  vorhandene  Material  nicht  nur  geschickt  und  in  anziehen- 
der Weise  verarbeitet,  sondern  auch  selbständig  weitergeforscht, 
besonders  auf  litterar-ästhetischem  Gebiete.  Der  Gelehrte  war 
an  Ort  und  Stelle,  hat  die  gründlichsten  historischen  Studien 
gemacht  und  so  dem  Leben  Heines  einen  verständnisvollen 
Rahmen  beigegeben.  Seine  Schilderung  des  deutschen  Geistes- 
lebens jener  Epoche  ist  auch  für  den  Deutschen  eine  lehrreiche 
und  fesselnde  Lektüre,  und  nur  selten  wird  er  durch  eine  bittere 
Bemerkung  des  Autors  in  seinem  Nationalgefühl  gekränkt 
werden.  In  dem  Werke  lassen  sich  zwei  grosse  Grundideen  unter- 
scheiden: an  der  Jugendgeschichte  Heines,  an  dem  Werden 
seines  Geistes  und  Genies  nachzuweisen,  dass  der  Dichter  kein 
Deutscher  war,  der  sich  mehr  oder  weniger  rasch  und  voll  in 
Paris  akklimatisierte,  sondern  durch  seine  Erziehung,  durch 
die  Erlebnisse,  und  auch  durch  angeborene  Geschmacksrichtung 
schon  zur  Hälfte  Franzose,  als  er  nach  Paris  kam.  Zweitens 
will  Ducros  nachweisen,  dass  die  unglückliche  Liebe  zu  „Molly'^ 
thatsächlich  jene  Tragweite  gehabt  habe,  die  Heine  ihr  in 
seinen  Liedern  gegeben,  was  u.  a.  von  Max.  Heine  und  der 
Prinzessin  Della  Rocca  bestritten  wird. 

Bemerkenswert  ist,  was  Ducros  am  Schlüsse  seiner  Ein- 
leitung von  den  französischen  Citationen  aus  Heines  Werken, 
auf  die  er  angewiesen  ist,  sagt.  Er  bedauert,  dass  sie  nicht 
in  des  Dichters  Muttersprache  diese  Arbeit  schmücken  können. 
„.  . .  helas!  ce  dieu  va  nous  parier  ä  travers  des  traductions, 
dans  une  langue  qui  n'etait  pas  la  sienne,  grand  et  serieux 
chagrin  pour  un  critique  qui  aime  son  poete  et  voudrait  le 
faire  aimer."  Er  bittet  also  den  Leser,  sich  womöglich  an 
dfen  deutschen  Heine  zu  wenden.  „Plutarque,  qui  est  de  venu, 
comme  on  sait,  „le  bon  Plutarque",  depuis  qu'il  a  ete  lui- 
meme  si  elegamment  trahi  par  Amyot,  raconte  qu'un  jour 
on  invitait  le  roi  de  Sparte,  Agesilas,  ä  aller  entendre  un 
homme   qui   imitait   la   voix    du   rossignol.    Agesilas  s'excusa. 


Einzelstudien  über  Heine.  gi 


disant  qu'il  avait  encore  dans  l'oreille  le  chant  du  rossignol 
lui-meme.  Nous  supplions  nos  lecteurs  de  saivre  Texemple 
d'Agesilas  et  de  preferer  ä  nos  maladroites  imitations  frangaises 
les  chansons  originales  du  rossignol  allemand."  —  Wie  wir 
uns  zu  dieser  Uebersetzungsfrage  stellen,  darüber  wird  der  Ab- 
schnitt IV  Auskunft  geben. 

Und  nun  ein  Gang  durch  die  300  Seiten  des  Buches. 
Wir  wiederholen  hier  schon  Gesagtes :  Wir  halten  uns  an  das, 
was  den  deutschen  Leser  interessiert,  wir  suchen  jene  Stellen 
heraus,  die  Ducros'  Ansichten  charakterisieren  und  ein  neues, 
anderes  Licht  auf  die  Heinekritik  werfen.  —  Zieht  ein  Minera- 
loge mit  jungen  Lernbegierigen  über  Land,  so  sucht  er  deren 
Aufmerksamkeit  auf  die  Erscheinungen  der  Steinwelt  zu 
richten.  An  der  Flora,  so  verführerisch  schön  sie  auch  sein 
mag,  muss  er  vorübergehen.  Wer  die  ganze  Natur  gemessen 
will,  muss  denselben  Weg  noch  einmal  —  allein  gehen.  Und 
diesen  Gang  durch  Ducros  Buch  raten  wir  jedem. 

Das  erste  Kapitel  führt  Heine  —  „qui  fut,  des  ses  pre- 
mieres  annees,  ce  qu'il  restera  toute  sa  vie :  un  enfant  terrible" 
—  bis  zum  Eintritt  in  das  französische  Lyceum  Düsseldorfs. 
„Ce  qu'il  y  aura  d'essentiellement  frangais  chez  Heine,  l'etat 
politique  de  l'Allemagne  au  commencement  de  notre  siecle 
peut  seul  l'expliquer." 

Das  folgende  Kapitel  gehört  daher  der  Beschreibung 
seiner  Heimatstadt  während  der  französischen  Occupation 
und  der  deutschen  Zustände  überhaupt,  —  „qui  vont  faire  de 
ce  petit  Germain  un  lyceen  frangais^^  Und  nachdem  er  ein 
Bild  jener  Stadt  entworfen,  fährt  der  Autor  fort  (pag.  16): 

Teile  est  la  ville,  eminemment  industrielle  et  commergante,  tel 
est  le  pays  plat  oü  est  venu  au  monde  le  plus  grand  poete  apres 
Gcethe.  La  tradition  ne  dit  pas  qu'on  ait  jamais  vu  s'egarer  jusqu'ä 
cet  endroit  du  Rliin  la  belle  et  dangereuse  „Lorelei",  et  c'est  lä  pour- 
tant  qu'a  passe  son  enfance  celui  de  ses  adorateurs  qui  l'a  le  mieux, 
le  plus   divinement  cliantee;    c'est  lä,    c'est   sur  les  bords  les  moins 


92  H.  Heine  im  Liclite  der  französischen  Kritik. 


enchanteurs  du  Rhin,  les  plus  denues  de  ruines  pittoresques  et  de 
beautes  romantiques,  qu'est  ne  le  dernier  et  le  plus  grand  des  Roman- 
tiques.  Oe  qui  prouve  une  fois  de  plus  que  l'esprit  souffle  oü  il  veut 
et  que  les  grands  poetes  n'obeissent  jamais  completement  ä  la  fameuse 
loi  des  milieux,  puisqu'ils  se  permettent  parfois,  comme  Heine,  de 
naitre  ä  cote  et  en  deliors  des  miKeux  les  plus  poetiques,  les  plus 
favorables  ä  l'eclosion  de  leur  genie. 

Wir  erfahren  schon  hier,  welch'  hohe  Rangstufe  Ducros 
unserem  Dichter  zuschreibt.  In  wenig  sympathischem  Lichte 
ist  dann  das  Deutschland  jener  Tage  geschildert  —  und  zwar 
grösstenteils  nach  deutschen  Quellen  (Frejtag,  Perthes  etc.). 
Ducros  will  nachweisen,  dass  es  dem  jungen  Heine  ergehen 
musste,  wie  Wilhelm  von  Humboldt,  der  auch  schliesslich  zu- 
gab, dass  die  Heimat  kein  Land  mehr  sei,  für  das  man  sich 
begeistern  könne.  „Tel  est  en  resume  le  .pays  que  les  Alle- 
mands  reprochent  ä  Heine  de  n'avoir  pas  su  aimer  d'un  ardent 
patriotisme."  Dem  gegenüber  werden  der  Revolutionsenthu- 
siasmus, die  franzosenfreundlichen  Rheinlande,  die  Segnungen 
der  Gleichheitsidee,  wie  sie  den  Parias  der  Gesellschaft,  den 
Juden,  zu  teil  wurde,  die  relativ  milde  Herrschaft  des  ehr- 
lichen und  tapfern  Murat,  der  sich  den  Düsseldorfern  beliebt 
zu  machen  wusste,  vorgebracht  und  so  mit  Geschick  die  ersten 
Keime  des  sogenannten  französischen  Heine  aufgedeckt. 

Im  dritten  Kapitel  sehen  wir  Heine  im  Lyceum;  hören 
von  seiner  nicht  allzugrossen  Neigung  für  die  klassische  Philo- 
logie, besonders  von  dem  Abbe  d'iVulnoi,  den  er  oft  verwünscht 
und  von  Heines  leidenschafthcher,  einseitiger  Kritik  des  Ale- 
xandriners und  der  französischen  Verskunst  überhaupt.  Der 
Autor  citiert  mehrere  Stellen  aus  den  Memoiren  des  Dichters, 
unter  denen  sich  das  Geständnis  desselben  befindet :  „ J'aurais 
ete  capable  de  mourir  pour  la  France,  mais  faire  des  vers 
frangais,  jamais"  (Bourdeau,  Memoires,  pag.  14),  worauf  Ducros, 
der  sich,  wie  er  sagt,  „a  la  frangaise"  rächen  will,  erwidert 
(pag.  37): 


Einzel  Studien  über  Heine.  93 


Co  qu'il  y  a  de  plus  etonnant  dans  cette  condamnation  brutale 
de  la  poesie  fran§aise,  c'est  qu'elle  est  prononcee,  et  sur  quel  ton! 
par  un  vrai  et  grand  poete,  que  ce  poete  vivait  ä  Paris  depuis  plus 
de  vingt  ans,  et  qu'ä  l'epoque  oü  il  ecrivait  ces  lignes,  nos  trois  grands 
lyriques  avaient,  depuis  longternps,  donne  leurs  chefs-d'oeuvre.  C'est 
donc  ainsi  que  jugeait  la  poesie  fran§aise,  et  cela  en  1854,  celui  qu'on 
a  appele  ä  juste  titre  le  plus  f rangais  des  Allemands !  c'est  donc  ainsi 
qu'il  s'acquittait  de  la  noble  mission  qu'il  s'etait  imposee  de  faire  con- 
naitre  la  France  ä  TAlleinagne!  Une  si  lourde  meprise,  de  la  part 
d'un  esprit  si  fin,  si  parisien  meme  par  tant  de  cotes,  est  bien  faite 
pour  remplir  d'effroi  son  propre  biograplie:  comment  donc,  nous 
Francais,  reussirons-nous  ä  comprendre  et  a  faire  comprendre  un  poete 
etranger  qui  comprenait  si  mal  nos  poetes  ä  nous?  Ce  qui  nous  en- 
courage  cependant  ä  poursuivre  cette  täche,  ingrate  entre  toutes, 
c'est  que,  ä  l'admiration  profonde  et  dejä  ancienne  que  nous  inspirent 
les  vers  de  Heine,  nous  sentons  bien  que  nous  nous  vengerons  ä  la 
frangaise  de  ses  injustes  dedains  pour  les  poetes  frangais :  si  nos  juge- 
ments  sur  ses  poesies  pechent  par  quelque  endroit,  ce  sera  par  exces 
de  Sympathie,  et  ce  defaut,  si  c'en  est  un,  nous  empechera,  en  tous 
cas,  moins  que  le  defaut  contraire,  de  bien  comprendre  un  poete 
etranger  .  .  . 

„Heureusement"  —  fährt  Ducrot  weiter  unten  fort  —  ,,quel- 
qu'un  se  chargeait,  ä  cette  meme  epoque,  de  civiliser  oii,  ce 
qui  etait  alors  la  meme  chose  (!),  de  franciser  le  jeune  barbare : 
c'etait  le  tambour  Legrand."  Dieser  unvergänglichen  Heine- 
schöpfvmg,  dem  poetischen  Geiste,  den  der  Dichter  über  diese 
Napoleonsallegorie  gegossen,  gilt  folgender  schöner  Passus 
(pag.  39): 

Nous  savions  dejä  tout  ce  que  peuvent  dire  ä  un  poete  les 
mille  voix  de  la  nature,  par  exemple  le  chant  de  l'alouette  aux  Pre- 
miers rayons  du  jour,  les  plaintes  du  vent,  le  soir,  dans  les  forets 
de  sapins,  et  Shakespeare  nous  a  revele  lui-meme  les  discours  que 
tiennent  parfois  les  arbres  et  les  brins  d'herbe  eux-memes;  mais  ce 
que  nous  7ie  connaissions  pas,  avant  Heine,  c'est  la  merveille.use 
poesie  que  peuvent  faire  retentir  sur  une  peau  cl'dne  deux  haguettes 
de  bois  agitees  en  cadence  par  les  7nai7is  d'un  modeste  soldat ;  ce  quo 
nous  ne  savions  pas,  et  ce  que  Heine  va  nous  racontor  avec  eloquence, 
c'est  tout   ce   que   peut   apprendre  un  tambour  ä  qui   sait  l'ecouter. 


94  H.  Heine  im  Lichte  der  französischen  Kritik. 


II  est  vrai  qu'il  ne  suffisait  meme  pas  d'etre  un  poete  pour  coin- 
prendre  tout  ce  que  disait  le  tambour  de  M.  Legrand ;  il  fallait  avoir 
encore,  ce  qui  fait  souvent  defaut  aux  poetes,  voire  meme  aux  poetes 
allemands,  il  fallait  avoir  de  l'esprit. 

Die  ,, Grenadiere"  nennt  der  Verfasser  „lied  immortel", 
dem  Herzen  des  Dichters  entsprungen,  der  seit  der  ersten 
Kindheit  nicht  nur  französisch,  sondern  auch  bonapartistisch 
gesinnt  war.  „Si  l'abbe  d'Aulnoi  ne  reussit  pas  a  hü  faire 
aimer  notre  poesie,  il  semble  du  moins,  ä  en  juger  par  les 
faciles  progres  que  Heine  fera  plus  tard  dans  notre  langue  (?), 
que  les  legons  de  grammaire  et  de  style  de  l'abbe  furent  la 
base  premiere  de  son  education  frangaise :  le  Tambour  Legrand 
fit  le  reste  .  .  .  (pag.  44)  .  .  .  „dans  les  premi^res  annees  de  sa 
vie,  on  peut  dire  qu'il  fut  notre;  c'est  la  France  qui  fut  sa 
premiere  patrie,  car  c'est  eile  qui,  la  premiere,  fit  battre  son 
coeur:  Heine  ne  l'oubliera  jamais."  Mag  man  diese  Thatsache 
aus  patriotischen  oder  litterarischen  Motiven  bedauern,  zu 
widerlegen  dürfte  hierin  der  Biograph  Heines  nicht  sein.  Auch 
in  folgendem  wird  man  ihm  Recht  geben  müssen.  „Nous 
devinons  des  maintenant  ce  qu'il  doit  ä  la  France :  quelques-uns 
des  plus  grands  defauts  que  lui  reprocheront  ses  compatriotes 
et  qui  etaient  en  effet,  ä  Düsseldorf,  d'importation  frangaise: 
l'entrain,  la  clarte  des  idees,  la  vivacite  des  reparties,  cette 
furie  frangaise  en  un  mot  qu'il  apprit  alors  aux  sons  du  tam- 
bour de  M.  Legrand." 

Nachdem  Ducros  den  französischen  Einfluss  zu  beleuchten 
gesucht,  spricht  er  ausführlich  und  in  anregendster  Weise  von 
zwei  Meisterwerken,  die  auf  den  jungen  Dichter  einen  tiefen 
Eindruck  übten:  Don  Quichotte  und  Gullivers  Reisen,  indem 
er  hieran  geistvolle  Erörterungen  über  den  Zauber  des  plastisch- 
ironischen Genies  Heines  anknüpft  (pag.  48  ff.). 

Dass  der  Dichter  kein  Verständnis  für  Musik  hatte,  kon- 
statiert Ducros,  ohne  für  dies  Phänomen  eine  Erklärung  zu 
finden  (pag.  50). 


Einzelstudien  über  Heine.  95 


Das  vierte  Kapitel  handelt  von  des  Dichters  erstem  Liebes- 
leid und  seinen  Liedern.  Von  den  Romantikern  unterscheidet 
sich  Heine  durch  den  persönlichen  Ausdruck  seiner  Gedichte. 
Ihm  war  die  Welt  nicht  nur  ein  Traum;  was  er  zum  poeti- 
schen Traum  gestaltete,  war  oder  schien  wenigstens  Wirklich- 
keit: „Or,  si  Heine  est  superieur  aux  romantiques,  ce  n'est 
pas  seulement  parce  qu'il  a  plus  de  genie  qu'eux  tous,  c'est 
aussi  parce  qu'il  n'a  pas  reve,  mais  qu'il  a  vecu  ses  plus 
beaux  vers :  c'est  ce  que  va  vous  montrer  l'histoire  de  ses 
premieres  amours"  (pag.  57).  Folgt  die  Geschichte  der 
Schwärmerei  des  frühreifen  Knaben  für  die  Henkerstochter 
Josepha,  von  der  Heine  selbst  sagt,  dass  sie  die  in  ihm 
schlummernde  Muse  geweckt  habe.  Ducros  untersucht  hierauf 
die  Streitfrage,  die  sich  an  die  Molly  seiner  Lieder  knüpft,  — 
die  uns  vöUig  nichtig  scheint.  Was  haben  wir  gewonnen, 
wenn  es  uns  gelingt  nachzuweisen,  dass  Petrarcas  Laura  eine 
ehrbare  Mutter  von  —  dreizehn  Kindern  gewesen?  —  Der 
Autor  glaubt  an  eine  dauernd  unglückliche  Liebe  Heines  für 
seine  Cousine.  Wir  citieren  nur  den  psychologischen  Teil 
der  Beweisführung,  der  schwungvoll  entworfen  ist  (pag.  65) : 

Pour  si  grand  poete  et,  ce  qui  est  parfois,  il  laut  en  convenir, 
une  meine  chose,  pour  si  grand  menteur  qu'on  soit,  il  est  pourtant 
des  cris  et  des  sanglots  que  l'imagination  n'invente  pas  et  que  le 
coeur  seul  a  pu  dicter. 

Est-il  perinis  de  douter  de  la  sincerite  d'A.  de  Musset,  lorsqu'il 
chante,  comme  Heine,  un  amour  malheureux,  ou  plutot  lorsque  cet 
amour  eclate  et  s'eniporte,  comme  malgre  lui,  en  folles  imprecations 
contre  l'ingrate  que  la  Muse  ne  peut  lui  faire  oublier?  De  meme,  la 
blessure  de  Heine  ne  se  fermera  jamais,  et  c'est  de  cette  blessure, 
adoucie  sans  doute  par  d'indignes  distractions  que  je  n'oublie  pas, 
pansee,  si  l'on  veut,  et  profanee  en  meme  temps  par  des  mains  impures, 
mais  jamais  completement  guerie,  que  jailliront  tant  de  beaux  vers, 
d'une  tristesse  infinie,  d'une  amertume  qui  serre  le  coeur. 

Aber  so  echt  der  Schmerz  ob  seiner  verschmähten  Liebe 
gewesen  sein  mag,  so  wahr  und  innig  ihm  die  ersten  Thränen 


96  H.  Heine  iin  Lichte  der  französischen  Kritik. 


zu  Liederperlen  geworden,  so  gibt  dennoch  auch  Ducros  zu, 
dass  der  Poet  sich  später  die  alte  Liebespein  heraufbeschworen 
habe,  um  neue  Lieder  singen  zu  können.  „Oui  certes,  il  a 
souffert  et  pleure;  mais  il  etait  artiste,  c'est-ä-dire  il  etait 
la  dupe  ou  mieux  encore  le  complice  de  son  imagination,  il 
savait  gre  ä  celle-ci  d'exagerer  sa  souflrance,  d'en  prolonger 
indefiniment,  jusqu'ä  son  dernier  jour"  (pag.  67). 

Bevor  der  Autor  zu  der  Betrachtung  der  „Traumbilder" 
übergeht,  richtet  er  einige  weise  Mahnungen  an  seine  Lands- 
leute, von  deren  allzuklassischer  Bildung  er  ein  mangelhaftes 
Verständnis  für  das  Zauberreich  der  Heineschen  Traumlyrik 
fürchtet  (pag.  73): 

Pour  goüter  pleinement  notre  poete,  il  faut  savoir  aussi  se 
relächer  de  certaines  exigences,  par  trop  rigoureuses,  du  goüt  fran- 
gais;  il  faut  oser  se  dire  qu'en  dehors  des  formes  et  des  genres  lit- 
teraires  que  nos  grands  ecrivains  nous  ont  appris  ä  aimer,  il  peut  y 
avoir,  hors  de  chez  nous,  des  fagons  tres  differentes  et  tout  aussi 
legitimes  de  sentir  et  d'exprimer  le  beau.  II  est  bien  d'avoir  le  goüt 
difficile,  et  c'est  justement  ce  que  nous  nous  repetons  ä  nous-meme 
au  nioment  de  juger  les  premieres  oeuvres  de  notre  poete;  mais 
n'est-ce  pas  aussi  un  grand  malheur,  pour  un  critique,  d'avoir  le  goüt 
trop  exclusif,  de  ne  pas  savoir  sortir  de  chez  lui,  surtout  quand  il 
aspire  ä  connaitre  un  auteur  etranger?  Nous  ne  nous  sonimes  pas 
assez  gueris,  en  France,  de  notre  vieiile  manie  de  tout  ramener  ä 
nous-memes,  ä  notre  point  de  vue  frangais. 

Die  Phantasie  Heines  verlor  sich  nicht  im  aberwitzig 
Mysteriösen  und  albern  Wunderbaren  und  all  den  Ungereimt- 
heiten der  deutschen  Romantik:  „C'est  un  merveilleux  ad- 
missible  et  artistique  parce  qu'il  est  ordonne,  un  merveilleux 
enfin  qui  donne  au  lecteur  l'illusion  de  la  realite,  parce  qu'il 
est  la  realite  meme  animee  seulement  et  poetisee  par  le  genie" 
(pag.  76,  77): 

C'est  la  Fantaisie  qui  a  dicte  ä  Heine  quelques-uns  de  ses 
„Lieder"  les  plus  merveilleux  et  lui  a  suggere  ses  „Songes"  les  plus 
bizarres;  la  Fantaisie  qui  peut,  il  est  vrai,  faire  rimer  des  sottises 
aux  esprits   malades   ou  mal   equilibres,  mais   qui   inspire   aussi  aux 


Einzelstudien  über  Heine.  9T 


genies  vigoureux  et  maitres  d'eux-memes  des  reves  ou  des  contes, 
etraiiges  peut-etre,  mais  encore  plus  poetiques,  tels  que  les  „Noc- 
turnes." 

In  den  „Traumbildern"  hebt  Ducros  u.  a.  die  beiden 
Haupteigentümlichkeiten  des  Heineschen  Genies  hervor:  „C'est, 
d'une  part,  une  habilete  tres  particuliere  ä  nous  emouvoir  par 
des  contrastes  qu'il  ne  developpe  pas  et  qui  n'en  sont  que 
plus  poignants;  et,  d'autre  part,  un  art  singulier,  dans  lequel 
il  ira  toujours  grandissant  et  qui  fera  de  lui  le  peintre  de 
genie  des  futurs  Lieder,  l'art  de  dessiner  en  quelques  traits 
tout  un  passage,  füt-il  completement  imaginaire,  et  d'animer 
avec  quelques  mots  ses  personnages,  fussent-ils  des  fantomes ..." 
(pag.  79). 

„.  .  .  C'est  gräce  ä  cette  sobriete  du  peintre,  a  la  fermete 
de  son  dessin  et  a  la  nettete  de  ses  contours,  que  ses  person- 
nages se  detacheront,  vivants  et  personnels,  de  cette  multi- 
tude  de  formes  sans  vie  qui  flottent  indecises  dans  les  tableaux 
de  la  plupart  des  romantiques"  (pag.  81). 

Die  wohlthätigen  Wirkungen  der  französischen  Occupa- 
pation  sucht  Ducros  im  fünften  Kapitel  weiter  zu  entwickeln, 
immer  mit  der  Nebenabsicht,  Heines  französische  Sympathieen 
zu  erklären:  „Voilä,  croyons-nous ,  un  ensemble  de  faits 
eloquents  que  nous  pouvons  recommander  ä  l'attention  de  tous 
les  critiques  allemands  qui  ont  reproche  ä  Heine  d'avoir  aime 
la  France.  Et  que  serait-ce,  si  nous  nous  plaisions  ä  enumerer 
les  persecutions,  ridicules  ou  atroces,  auxquelles  etaient  en 
butte  les  coreligionnaires  du  poete?"  (Pag.  92.) 

Der  Autor  preist  die  Toleranz  der  napoleonischen  Re- 
gierung und  vollendet  in  patriotisch  angehauchter  Tirade  das 
Bild  von  Heine ,  dem  Dichter  des  „  Tambour  Legrand " 
(pag.  93  ff). 

Dass  Ducros  wohl  guter  Patriot,  aber  kein  Chauvin  ist, 
geht  aus  dem  historischen  Gemälde  hervor,  das  er  für  den 
geschlagenen,   tief  gebeugten  Legrand   entwirft   (pag.  97) : 

Betz,  Heine  in  Frankreich.  * 


98  H.  Heine  im  Lichte  der  französischen  Kritik. 

Tout  le  monde  connait  ce  magnifique  reveil  de  l'Allemagne  en 
1813.  Un  peuple  entier  se  levait  pour  la  defense  de  ses  droits  et  de 
sa  hberte,  car  nous  ne  faisons  aucune  difficulte  de  reconnaitre  que  les 
Körner,  les  Ficlite  et  tant  d'autres  illustres  patriotes  combattirent 
alors  pour  une  cause  juste  et  sainte,  puisqu'il  s'agissait  pour  eux  de 
l'independance  meme  de  leur  pays. 

Nachdem  Ducros  ausführlich  vom  Prosagedichte  Legrand 
gesprochen  (pag.  104  ff.),  sagt  er  von  dem  hinreissend  dra- 
matischen Liede  der  Grenadiere  (pag.  107) : 

Est-il  besoin  de  faire  remarquer  les  grandes  beautes  de  ce  lied 
justenient  celebre:  la  vivacite  des  Images,  la  sincerite  et  la  noblesse 
des  sentiments  et,  par-dessus  tout,  la  merveilleuse  simplicite  du  style  ? 
Pour  nous,  ce  que  nous  admirons  le  plus,  dans  ce  chant  heroi'que  et 
triste  ä  la  fois,  c'est  l'art  avec  lequel  un  jeune  poete  des  provinces 
rhenanes  (il  n'avait  pas  seize  ans)  a  su,  gräce  ä  son  imagination,  gräce 
surtout  ä  la  Sympathie  pour  nos  malheurs,  deviner  et  chanter  ce 
culte  touchant  que  garderent  pour  leur  empereur,  jusqu'ä  leurs  der- 
niers  soupirs,  les  soldats  de  la  vieille  garde. 

Aussi  ce  beau  lied  des  „Grenadiers",  nous  le  saluons  ici  avec 
reconnaissance,  et  c'est  ä  un  double  titre  que  nous  en  felicitons  le 
poete:  comme  admirateur  de  son  genie  d'abord,  et  ensuite  comme 
Fran§ais.  Toutes  les  fois,  en  effet,  qu'un  Fran§ais  essaiera  de  juger 
l'oeuvre  de  Henri  Heine,  il  devra  se  souvenir,  avant  tout,  qu'il  a  ecrit 
„le  Tambour  Legrand"  et  le  chant  des  „Grenadiers". 

Wir  sind  uns  bewusst,  Ducros  bis  jetzt  oft  und  lange 
das  Wort  gelassen  zu  haben.  Allein  es  lag  uns  daran,  gerade 
in  dieser  Lebensperiode  des  Dichters,  in  der  die  ganze  für 
Deutschland  und  Heine  folgenschwere  Zukunft  wurzelt,  An- 
sichten aus  dem  Munde  eines  Franzosen  zu  vernehmen,  der 
unseren  Dichter  nicht  nur  bewundert  und  versteht,  sondern 
auch  ihn  und  seine  Zeit  zum  Gegenstande  gründlichen 
Studiums  gemacht  hat. 

Aus  dem  folgenden  Kapitel,  in  dem  der  Autor  über 
Heines  Studium  in  Bonn  schreibt,  über  seinen  Onkel  Salomon 
Heine,  das  deutsche  Studentenleben  jener  Zeit,  über  Wilhelm 
Schlegel,   dessen   Einfluss   auf  Heines   Formvollendung  er  zu 


Einzelstudien  über  Herne.  99 


würdigen  weiss,  —  ist  nichts  von  besonderem  Interesse  an- 
zuführen. Nur  kurz  wollen  wir  uns  bei  Ducros'  Urteil  über 
die  Sonette  aufhalten  (pag.  140) : 

C'est  tantot,  dans  les  sonnets  amoureux,  la  passion  qui  parle 
toute  pure;  tantot,  dans  ce  que  j'appellerai  les  sonnets  sarcastiques, 
qui  furent  une  Innovation  en  Allemagne,  c'est  la  franchise  du  jeune 
homme  qui  se  revolte  et  s'emporte  contre  les  fausses  grandeurs  qu'il 
voit  courtiser  autour  de  lui,  „contre  ces  idoles  toutes  d'or  ä  l'exterieur, 
toutes  de  sable  au  dedans,  qu'il  refuse  d'encenser  avec  la  foule";  et 
alors  ce  n'est  pas,  comme  cliez  son  maitre,  „une  predilection  d'artiste, 
c'est  l'indignation  qui  fait  les  vers  du  poete". 

An  den  „Fresko-Sonetten",  die  er  eine  „Mascarade  de  la 
vie  humaine"  nennt,  tadelt  Ducros  die  Disproportion  zwischen 
dem  Gegenstand  und  dem  Rahmen.  Jener  scheint  ihm  zu 
unbestimmt,  zu  ausgedehnt  und  vielseitig,  um  in  ein  Sonett 
eingezwängt  werden  zu  können  —  „faire  entrer  tous  ces 
masques,  repoussants  ou  gracieux,  dans  quelques  pieces  de 
quatorze  vers  chacune,  c'est  tenter  une  entreprise  contra- 
dictoire,  c'est  vouloir  peindre  quelque  chose  comme  le  carnaval 
de  Venise  dans  un  tableau  grand  comme  la  main."  (Pag.  142.) 

Unbeschränktes  Lob  zollt  er  der  Sprache  der  Sonette,  in 
deren  packender  Einfachheit  er  mit  Recht  einen  genialen  Zug 
Heines  sieht.  (Pag.  144.) 

Bewundernd  spricht  er  von  den  beiden  Sonetten,  die 
Heine  an  seine  Mutter  richtet;  sie  sind  auch  vom  eben  er- 
wähnten Vorbehalt  ausgeschlossen :  „Ce  sont  deux  vrais  son- 
nets .  .  .  pour  prendre  les  mots  memes  de  Schlegel,  la  forme 
ne  pourrait  mieux  s'accorder  avec  le  fond,  ni  „le  corps  avec 
l'äme",  parce  que  le  genie  du  poete  ne  pouvait  mieux  servir 
le  coeur  du  fils." 

Das  trostlose  Leben  in  Göttingen  wird  uns  im  siebenten 
Kapitel  anschaulich  geschildert;  im  folgenden  das  alte  Berlin 
und  die  Kreise,  in  denen  Heine  verkehrte.  Ein  anmutiges 
Bild  entwirft  Ducros  von  Rahel  Varnhagen:  „. . .  il  n'y  a  pas, 


100  H.  Heine  im  Lichte  der  franzosischen  Kritik. 

dans  toute  la  litterature  allemande,  im  ecrivain  plus  vrai  que 
Rahel  .  .  .  (pag.  179)  ...  on  imagine  aisement  quelle  profonde 
impression  dut  faire  sur  Heine  un  esprit  aussi  net  et  aussi 
poetique  en  meme  temps,  qui  faisait  de  Pichte  et  de  Goethe 
ses  lectures  favorites,  mais  qui  aimait  par  dessus  tout  „les 
enfants,  la  verdure,  les  beaux  yeux  et  la  parole"  .  .  .  par  son 
goüt  pour  l'esprit  frangais  et  la  politesse  fran9aise,  affable  et 
discr^te  ä  la  fois."   (Pag.  180.) 

Im  neunten  Kapitel  wird  das  kleine  dramatische  Gepäck 
Heines  visitiert.  Ducros  ist  geneigt,  auf  Almanzor  und  Ratcliff 
anzuwenden,  was  Heine  von  seinen  Liedern  —  wohl  kaum 
im  Ernste  —  sagte :  sie  seien  keinen  Schuss  Pulver  wert. 
Es  ist  bekannt,  dass  die  Tragödien  Heines  Schmerzenskinder 
blieben.  Hierauf  anspielend,  gibt  Ducros  später  die  Anekdote 
wieder,  die  Heine  selbst  von  Paganini  erzählt.  Als  nämlich 
der  Dichter  diesen  wegen  seines  Spiels  komplimentierte,  frug 
der  Künstler,  das  gespendete  Lob  kaum  beachtend,  was  Heine 
von  seiner  Grüssungsart  denke !  —  Einer  kurzen  Inhaltsangabe 
des  Almanzor  schliesst  sich  die  litterarische  Kritik  an,  aus 
der  wir  folgendes  hervorheben :  „.  .  .  Malgre  l'horreur  du 
denouement,  c'est  moins  un  drame  qu'une  suite  de  Lieder 
passionnes  et  melodieux  ...  II  n'y  a  pas  d'action  veritable 
dans  la  tragedie  de  Heine,  pas  d'interet  croissant  de  sc^ne 
en  scene,  mais  un  simple  coup  de  foudre  ä  la  fin  et,  ga  et  lä, 
des  imprecations  qui  alternent  avec  des  soupirs  d'amour  :  on 
soupire,  on  se  bat  et  on  meurt.  Comme  dans  la  plupart  des 
drames  composes  par  de  purs  poetes  lyriques,  les  personnages, 
ayant  perdu  leur  temps  ä  chanter,  s'agitent  tout  ä  coup 
fievreusement  pour  rattrapper  le  temps  perdu  et  arriver  au 
denouement.^'   (Pag.  196.) 

Den  finstern,  harten  Zug  der  Ratcliff- Tragödie  erklärt 
Ducros  aus  der  Gemütsstimmung  Heines.  Molly  hatte  1821 
einen  anderen  geheiratet.  „N'est-ce  pas  lä  Texphcation  toute 
naturelle  de  ce  sombre  pessimisme  ?  .  .  .  Est-il  besoin  de  faire 


Einzelstudien  über  Heine.  IQl 


remarquer  que  William  Ratcliff,  c'est  encore  H.  Heine?  Ainsi, 
qu'il  noiis  transporte  en  Ecosse  ou  en  Espagne,  dans  Ratcliff 
comme  dans  Almanzor,  c'est  l'aiiteur  que  nous  decouvrons 
soiis  le  plaid  ecossais  ou  sous  le  manteau  espagnol :  il  se  joue 
lui-meme  dans  ses  drames,  comme  il  se  chantera  lui-meme 
dans  ses  Lieder/'   (Pag.  206.) 

Im  zehnten  Kapitel  werden  wir  mit  der  Geschichte  der 
deutschen  Romantik  bekannt  gemacht,  die  uns  Bedeutung 
und  Stellung  des  Dichters  des  Intermezzo,  des  letzten  Ro- 
mantikers, erklären  soll.  Während  wir  diesen  Teil,  in  dem  sich 
Ducros  an  Hettners,  W.  Scherers,  Hayms,  Brandes'  etc.  ein- 
schlagende Arbeiten  hält,  füglich  übergehen  können,  werden 
wir  uns  desto  länger  mit  folgendem  Abschnitte  zu  beschäf- 
tigen haben,  in  dem  von  dem  Intermezzo  die  Rede  ist,  jener 
Liedersammlung,  die  der  Verfasser  nicht  nur  als  das  „chef- 
d'oeuvre'^  Heines  ansieht,  sondern  auch  als  die  kostbarste 
Perle  der  gesamten  deutschen  Lyrik.  Seine  Bewunderung 
für  den  Sänger  dieser  Lieder  kennt  kein  „Aber''  und  kein 
„Wenn".  Er  beginnt  mit  der  Besprechung  des  geharnischten 
Artikels  des  zwanzigjährigen  Heine  gegen  die  Schule  Novalis, 
in  dem  der  Dichter  alle  Mängel  der  Romantik  aufdeckt: 
„Lineaments  purs,  clarte  des  images,  nettete  du  dessin,  poesie 
plastique  en  un  mot,  toutes  choses  que  nous  allons  justement 
rencontrer  dans  l'Intermezzo  et  qui  etabliront  l'eclatante  su- 
periorite  de  Heine  sur  ses  premiers  maitres"  (pag.  239).  Ducros 
fügt  aber  hinzu,  dass  Heine  im  Colleg  desjenigen  Romantikers 
gesessen  habe,  der  selbst  die  Verirrungen  dieser  Schule  zuerst 
herausgefühlt.  Ueberhaupt  ist  die  unparteiische  und  lobende 
Kritik  des  Franzosen  A.  W.  Schlegel  gegenüber  anerkennenswert, 
der  seinerseits  stets  hart  und  ungerecht  über  Frankreichs  grosse 
Dichter  urteilte  und  über  Meliere  sogar  höchst  unverständig. 

Nachdem  er  die  klassische  Einfachheit  der  Sprache,  des 
Strophenbaues  und  des  Inhalts  des  Intermezzo  untersucht 
(pag.  242),  gelangt  Ducros  zu  dem  Ergebnis: 


102  H.  Heine  im  Lichte  der  französischen  Kritik. 


.  .  ,  Faire  beaucoup  avec  peu,  exprimer  le  plus  possible  avec  hi 
nioindre  tension  du  mot  et  du  vers  et  par  le  charme  seul  des  Images 
les  plus  familieres,  voilä  tout  Part  du  poete  dans  les  „Lieder"  tels 
que  celui-ci:  „Dans  les  eaux  du  Rhin,  du  beau  fleuve,  se  mire,  avec 
son  grand  dorne,  la  grande,  la  sainte  Cologne." 

Pag.  244: 

Parfois  meme  le  poete  se  passe  completement  d'images  et  de 
metaphores;  ce  n'est  plus  un  auteur  qui  decrit:  les  clioses  semblent 
s'offrir  directement  ä  nos  yeux  et  se  raconter  elles-memes,  sans 
ornements,  telles  qu'elles  sont,  et,  semble-t-il,  avec  le  simple  voca- 
bulaire  de  la  prose,  mais  d'une  prose  merveilleusement  ailee  et  chan- 
tante,  d'une  prose  qui  nous  attendrit  et  nous  remue  le  coeur  plus  que 
ne  pourraient  le  faire  les  plus  brillantes  comparaisons  poetiques. 

Immer  wieder  wird  der  Leser  gebeten,  sich  an  Heines 
deutsche  Lieder  zu  halten.  „ .  .  .  c'est  aux  vers  memes  de 
Heine  que  nous  renvoyons  sans  cesse  le  lecteur,  nous  efforgant 
nous-memes,  pour  nous  tenir  plus  pres  du  poete,  d'oublier  les 
platitudes  et  les  vulgarites  de  notre  indigne  prose." 

Ducros  unterlässt  es  indessen  nicht,  auch  auf  den  grossen 
Einfluss  hinzudeuten,  den  die  Volksdichtung  W.  Müllers  und 
Brentanos  Wunderhorn  auf  Heines  Lyrik  ausübten,  fügt  aber 
hinzu :  „ .  .  .  Si  Heine  est  naturel  et  simple,  c'est,  avant  tout, 
parce  qu'il  est  personnel  et  sinc^re,  c'est  parce  qu'il  s'est  mis 
tout  entier  dans  ses  poemes  avec  les  desirs  fous  et  les  joies 
fugitives,  avec  les  amers  et  doux  Souvenirs  ä  la  fois  de  son 
äme  et  de  ses  sens  .  .  .  C'est  bien  Heine  lui-meme  qui  a  vecu 
dans  ses  poemes,  non  cet  etre  factice  et  ambigu,  tantot  meine 
et  tantöt  troubadour,  cree  par  l'imagination  maladive  des 
romantiques"  (pag.  250). 

Selbst  Goethe  und  Schiller  werden  von  seiner  Lyrik  in 
den  Schatten  gestellt  (pag.  250) : 

Si  on  excepte  quelques  rares  poesies,  oü  il  imite  les  romantiques, 
tout  en  les  surpassant  dans  „l'Litermede",  ce  ne  sont  pas  les  siecles 
passes,  moyen  äge  reve  par  les  romantiques  ou  antiquite  pai'enne 
ressuscitee  par  Goethe  et  Schiller,  qui  nous  parlent  par  la  bouche  du 


Einzelstudien  über  Heine.  103 


poete,  c'est  tout  simplement  le  coeur  de  Heine  lui-meme,  et,  en  l'ecou- 
tant  gemir  ou  chanter,  nous  ne  pouvons  nous  empeclier  de  trouver 
que  les  nobles  Chevaliers  de  la  Motte-Fouque,  malgre  toutes  leurs 
prouesses,  et  les  meines  de  Wackenroder,  malgre  les  „effusions  de 
leur  ame",  sont  bien  ternes  et  bien  morts,  que  meme  ces  belies  statues 
grecques  sculptees  par  le  genie  des  Goethe  et  des  Schiller,  malgre 
toute  leur  beaute  plastique,  nous  laissent  bien  calme  et  bien  froids  ä 
cote  de  ces  strophes  de  Heine,  toutes  Vivantes  de  sa  vie  et  toutes  chaudes 
du  Souffle  de  son  ame!  C'est  ä  ces  poesies,  plus  qu'ä  aucune  autre 
Oeuvre  de  n'importe  quel  poete  allemand,  füt-il  Goethe  lui-meme,  qu'on 
peut  appHquer  ces  belies  paroles  de  Joubert  sur  les  qualites  qui  fönt 
le  poete  de  genie:  „Pour  plaire  et  pour  charmer,  ce  n'est  pas  assez 
qu'il  y  ait  de  la  verite ;  il  faut  encore  qu'il  y  ait  de  l'liomme ;  il  faut 
que  la  pensee  et  l'emotion  propres  de  celui  qui  parle  se  fassent  sentir. 
C'est  l'humaine  chaleur  et  presque  l'humaine  substance  qui  prete  ä 
tout  cet  agrement  qui  nous  enchante." 

Keiner  hat  das  Ich  so  lebend,  liebend  und  leidend  in 
seinen  Liedern  zu  verkörpern  gewusst,  wie  Heine: 

Le  moi  qui  s'offre  ä  nous  dans  les  vers  de  Heine,  n'est  pas  le 
moi  abstrait  de  Fichte,  ni  le  moi  reveur  et  enfantin  des  romantiques, 
ni  meme  ce  moi  artiste  de  Goethe  qui,  jusque  dans  ses  „poesies  de 
circonstance"  se  separe  trop  de  son  oeuvre  pour  la  rendre  plus  par- 
faite :  c'est  un  moi  vivant,  ä  la  fois  äme  et  corps,  un  moi  qui  souffre 
et  palpite,  aussi  simplement  humain,  aussi  plein  de  contradictions  et 
de  faiblesses  que  le  lecteur  lui-meme,  un  „moi"  qui  est  „nous"  en  un 
mot,  et  c'est  pourquoi  ses  joies  et  ses  lamentations  eveillent  dans  nos 
Coeurs  de  si  longs  et  de  si  merveilleux  echos!    (Pag.  251.) 

Heine  thront  nicht  über  seinen  Gefühlen ;  er  treibt  kein 
sentimentales  Spiel  mit  seinem  Gemüt;  er  folgt  nicht  der 
Aesthetik  Kants  und  Schillers:  ,,...ce  n'est  pas  ainsi  qu'en- 
tendit  et  pratiqua  la  poesie  celui  qui  s'est  intitule  lui-meme 
„le  dernier  des  romantiques" :  Ces  poesies  de  Tlntermezzo  ne 
sont  pas  un  vain  jeu  de  son  Imagination;  il  ne  joue  pas  ä 
l'amour  dans  ses  vers,  ce  ne  sont  pas  „des  apparences'^  pour 
emprunter  les  termes  memes  de  l'ecole,  ce  n'est  pas  „le 
simulacre  de  la  vie'',  c'est  la  vie  meme  qu'il  a  mise  dans 
son  poeme''  (pag.  255). 


104  H.  Heine  im  Lichte  der  französischen  Kritik. 

Dass  Heine  im  Intermezzo  niedriger  Sinnlichkeit  fröhnt, 
will  Ducros  nicht  zugeben.  Heine  ist  nach  ihm  ganz  Mensch 
und  ganz  Natur.  Dies  dürfte  das  Motto  zu  folgender  hübschen 
ästhetischen  Betrachtung  sein  (pag.  258): 

L'auteur  du  Livre  des  Chants  n'est  donc  ni  bassement  sensuel 
ni  ridiculement  seraphique :  il  est  simplement  et  franchement  liumain. 
De  meine,  quand  il  parle  de  la  nature  dans  „l'Intermede"  comme 
lorsqu'il  peindra  plus  tard  les  montagnes  du  Harz  et  la  mer  du  Nord, 
il  est  simplement  pittoresque,  il  n'est  pas  pantheiste,  au  sens  du 
moins  oü  l'entendaient  Schelling  et  l'ecole  romantique.  Sans  doute  il 
aime  et  cliante  la  nature,  et  qui  donc  l'a  chantee  mieux  que  lui,  qui 
donc  nous  l'a  montree  plus  jeune  et  plus  fraiche,  plus  souriante  ä 
ses  premieres  amours  et  surtout  plus  vivante  ?  Ses  rossignols  ne  sont 
point  empailles  comme  les  rossignols  romantiques:  ils  chantent  vrai- 
ment  dans  ses  vers  comme  s'ils  voulaient  le  consoler  de  sa  peine,  et 
n'est-il  pas  en  effet  un  des  leurs?  Les  forets  et  la  plaine  et  le  ciel 
etoile  ne  sont  pas  de  froids  decors  et  comme  le  cadre  obhge  de  ses 
chants  d'amour :  c'est  aux  oiseaux  de  la  foret  et  aux  ruisseaux  de  la 
plaine  et  aux  etoiles  „qui  se  tiennent  lä-haut  immobiles  depuis  des 
miUiers  d'annees"  qu'il  confie  ses  joies  ephemeres  et  ses  douleurs  sans 
fin,  parce  qu'il  sait  que  les  hommes  n'ont  pas  le  temps  de  l'ecouter 
et  de  le  plaindre  et  qu'il  ne  voudrait  pas  d'ailleurs  etre  plaint  et 
console  par  eux. 

Pag.  260: 

Heine  vit  si  pres  de  la  nature,  il  l'initie  et  l'associe  a  son  amour 
d'une  fagon  si  intime  et  si  naive,  qu'elle  est  presque  toujours  de  moitie 
dans  ses  joies  et  ses  peines;  et  la  nature  est  si  bien  entree  dans 
ses  vers,  eile  les  a  si  bien  penetres  et  impregnes  de  tous  ses  parfums 
et  de  toutes  ses  harmonies  qu'on  pourrait  presque  dire  que  quelques- 
unes  de  ses  strophes  ont  le  parfum  des  violettes  et  des  roses,  qu'ailleurs 
on  croit  sentir  ses  ievres  effeuillees  par  un  lis,  aussi  doux  et  aussi  pur 
qu'un  baiser  de  jeune  fille,  car  il  a  de  ces  vers  qui  fönt  naitre  des 
baisers  sur  les  Ievres,  tel  lied  amoureux  soupire  aussi  langoureusement 
qu'un  chant  de  colombe,  tel  autre  ouvre  ses  ailes  et  monte  gaiement 
au  ciel  comme  l'alouette  qui  s'eleve,  en  babillant,  d'un  sillon  d'avril; 
en  un  mot  et  si  on  nous  permet  cette  Image  un  peu  osee,  mais  ne 
faut-il  pas  oser  quand  on  parle  d'un  poete?  il  semble  que  Heine  ait 
mele  ä  la  trame  de   ce   style  si  divinement  naturel  le  brin  d'herbe 


Einzelstudien  über  Heine.  105 

que  portait  dans  son  bec  cette  Iiirondelle  qui  avait  bäti  son  nid  sous 
les  fenetres  de  sa  bien-aimee. 

Während  die  Romantiker  im  Dienste  der  Natur  standen, 
hat  Heine  im  Gegenteil  der  Natur  geboten.  Aber  noch  ein 
anderer  Zug  trennt  diesen  von  jenen.  „.  .  .  par  un  don  de 
I'esprit  rarement  accorde  aux  vrais  poetes,  ce  charmant  et 
diabolique  genie  se  distingue  encore  de  tous  les  contem- 
porains,  on  pourrait  meme  dire,  de  tous  les  compatriotes : 
nous  voulons  parier  de  son  ironie  (pag.  263)  .  .  .  dans  l'Inter- 
mezzo  les  plaisanteries  ne  sont  ni  forcees,  ni  choquantes, 
comme  elles  le  seront  trop  souvent  plus  tard,  et  l'ironie  y  est 
simplement  gaie  ..." 

Schliesslich  behandelt  Ducros  die  Frage  —  wir  dürfen 
nicht  vergessen,  dass  er  zu  Franzosen  spricht  — ,  woher  es 
komme,  dass  eine  so  schmucklose  Sprache  so  hohe  poetische 
Wirkung  erziele  (pag.  267) : 

C'est  qu'il  est  harnionieux.  Le  poete  a  su,  avec  quelques  phrases, 
tres  simples,  il  est  vrai,  mais  toutes  pleines  de  passion  et  d'liarinonie, 
composer  une  musique  qui  n'est  pas  seulement  une  caresse  pour 
l'oreille,  mais  aussi  et  surtout  un  enchantement  pour  l'ame  qu'elle 
remplit  d'une  douce  et  ineffable  tristesse.  „L'Intermede",  en  efFet, 
qu'est-il  autre  chose  qu'une  adorable  Symphonie,  qui  tantot  rit  et 
badine,  tantot  gemit  et  pleure  et,  sans  cesse,  fait  passer  dans  notre  äme 
tous  les  sentiments,  gais  ou  tristes,  du  plus  insinuant  des  poetes  et 
du  plus  entrainant  des  musiciens. 

Und  mit  einem  letzten  Worte  sucht  er  den  Zauber  der 
Prosodie  Heines  zu  erfassen  (pag.  268): 

Nous  sommes  ramenes,  on  le  voit,  ä  ce  que  nous  avons  admire 
tout  d'abord  dans  les  Lieder  de  Heine,  a  ce  qui  fait  la  grande  beaute 
de  „rintermede",  la  simplicite;  seulement  c'est  la  simplicite  d'un  genie 
qui  illumine  et  transforme  tout  ce  qu'il  touclie.  Prenez  presque  tous 
les  termes  dans  „l'Intermede",  ce  sont  les  termes  les  plus  uses  et 
partbis  les  moins  melodieux,  par  eux-memes,  de  la  langue  allemande : 
Heine  s'en  empare,  et  aussitot,  sous  la  main  de  l'enclianteur,  les  mots 
les  plus  prosaiques  reluisent  d'un  eclat  et  d'une  beaute  nouvelles,  les 


106  H.  Heine  im  Lichte  der  französischen  Kritik. 

plus  uses  recouvrent  leur  fraicheur  premiere  et  les  moins  sonores, 
eux  memes,  gräce  a  ces  combinaisons  mysterieuses  dont  le  genie  a 
le  secret,  tout  ä  coup  vibrent  et  resonnent  comrae  les  cordes  d'une 
lyre  bien  montee  dont  les  sons  se  prolongent  au  loin  et  nous  bercent 
dans  une  molle  reverie. 

Charakteristisch  für  die  Auffassung  Ducros'  ist,  dass  er 
sowohl  in  diesem  Abschnitte  als  auch  in  dem  ganzen  Werke 
immer  nur  von  dem  deutschen  Heine  spricht.  Die  „Legende" 
von  dem  französischen  Dichter  gibt  er  sich  nicht  einmal  die 
Mühe  zu  widerlegen ;  die  Heine-Uebersetzer  ignoriert  er  voll- 
ständig. So  energisch  er  an  den  Sympathieen  Heines  für 
Frankreich  festhält,  so  nutzlos  scheint  es  ihm,  sich  um  das  Ge- 
wand zu  bekümmern,  in  dem  Heine  in  Prankreich  bekannt 
und  berühmt  geworden. 

Wir  haben  gesehen,  mit  welchem  Enthusiasmus  Ducros 
vom  Intermezzo  sprach,  mit  welch  packender  Beredsamkeit 
und  feinstem  ästhetischen  Sinn  er  seinen  Standpunkt  vertritt. 
Bedeutend  beschränkter  ist  aber  das  Lob,  das  er  der  „Heim- 
kehr" zollt.  Einige  biographische  Notizen  gehen  der  Kritik 
voraus.  Wir  erfahren,  dass  Heine  schon  1823  mit  dem  Plane 
umgeht,  auszuwandern.  Hauptgrund  ist  wohl  die  verächtliche 
sociale  Stellung  seiner  Stammesgenossen.  Ihm  schwebt  aber 
auch  die  Mission  der  geistigen  Völkervermittlung  vor.  „•  .  .  II 
est  curieux  que  Heine  ait  eu,  des  cette  epoque,  et  ä  peine 
äge  de  vingt-trois  ans,  une  idee  si  nette  et  si  arretee  de  ce 
röle  d'intermediaire  entre  les  deux  nations,  role  utile  et 
glorieux  qu'il  enviera  ä  Madame  de  Stael  et  dont  il  s'acquit- 
tera  avec  plus  de  competence  peut-etre,  mais  aussi  avec  moins 
d'impartialite  que  le  penetrant  et  genereux  auteur  de  „l'Alle- 
magne."  (Pag.  273). 

Des  Verfassers  Urteil  über  die  „Heimkehr"  beweist,  dass 
wir  es  hier  nicht  mit  einem  blinden  Bewunderer  Heines  zu 
thun  haben.  Sein  Lob  zieht  hier  bedeutend  gelindere  Saiten 
auf.     (Pag.  275.) 


Einzelstudien  über  Heine.  107 

Während  er  den  fröhlichen  Witz  und  die  geistreiche 
Ironie  als  Zierde  des  Intermezzo  betrachtet,  findet  er  in  der 
„Heimkehr"  allzu  oft  schrilles  Lachen  und  schwache  Kalauer. 
(Pag.  277). 

Die  glühende  Sinnhchkeit  der  schönen  Verse  des  Inter- 
mezzo wird  durch  den  heftigen  Liebesschmerz  erklärt  und  ent- 
schuldigt. „.  .  .  Mais  dans  „le  Retour"  l'auteur  est  plus  maitre 
de  lui  et  nous  le  jugeons  plus  severement ;  son  ironie  n'etant 
plus  la  revanche  de  son  amour  trahi,  nous  deplait  et  nous 
choque  ..."  (Pag.  278.)  Nicht  minder  psychologisch  scharf  ge- 
dacht ist  folgendes  (pag.  278) : 

L'ironie  de  Heine  s'egaie  quelquefois  ä  bien  peu  de  frais,  voire 
menie,  ce  qui  est  plus  grave,  aux  frais  de  la  morale  et  du  bon  goüt. 
Osons  le  dire,  cette  ironie,  qui  savait  etre  si  mordante,  fut  souvent 
triviale  et  polissonne  et  l'on  doit  regretter,  pour  ne  parier  ici  que  du 
poeme  qui  nous  oecupe,  que  Heine  n'ait  pas  rejete  du  „Retour" 
certaines  pieces  de  vers  qui  n'ajoutaient  rien  a  sa  gloire  de  poete, 
car  ce  sont  de  pures  gamineries:  or,  si  le  vrai  poete  doit  etre  un 
enfant,  personne  n'a  jamais  dit  qu'il  düt  etre  un  gamin.  Dans  la 
premiere  piece  du  „Retour",  Heine  se  compare  ä  un  enfant  qui  chante 
dans  l'obscurite  pour  se  delivrer  de  sa  peine  et  de  son  effroi:  il  est 
facheux  seulement  que  cet  enfant  n'ait  pas  toujours  chante  comme 
doit  clianter  un  enfant,  nieme  s'il  est  un  enfant  sublime. 

Wenn  Ducros  hier  den  innigen  Sänger  der  Liebe  und  des 
Leids  vermisst,  so  anerkennt  er  dagegen  in  dem  Autor  der 
„Heimkehr"  den  vollendeten,  grossartigen  Künstler,  d.  h.  den 
Dichter  der  „Loreley".  Andere  haben  die  sagenhaften  Felsen 
zu  Bacharach  am  Vater  Rhein  besungen  (pag.  280): 

. . .  mais  ce  qui  fait  qu'on  ne  connait  plus  que  la  „Lorelei"  de  Heine 
c'est  qu'il  a  su  peindre  ce  site,  desormais  celebre,  avec  un  senti- 
ment  si  vif  et  si  simple  de  la  nature,  avec  des  expressions  si  voisines 
des  dieses,  que  le  poete  disparait  tout  entier  et  que  ce  sont  les  objets 
qui  s'offrent  et  s'expriment  eux-memes.  Des  la  seconde  strophe,  on 
croit  sentir  au  visage  l'air  frais  du  soir  et  on  voit  le  Rhin  qui  coule, 
tranquille,  au  bas  de  la  montagne,  tandis  que  lä-haut,  dans  les  derniers 
rayons  du  soleil  couchant,   la  fee  chante  une  chanson  que  le  poete 


108  H«  Heine  im  Lichte  der  französischen  Kritik. 

n'a  garde  de  transcrire:  il  aime  bien  mieux  nous  laisser  rever  ä  „son 
etrange  et  puissante  melodie" ;  et  d'ailleurs,  en  ecoutant  lire  et  surtout 
chanter  la  poesie  tout  entiere,  avec  ses  strophes  si  harmonieuses  et 
sa  conclusion  d'une  si  froide  indifFerence  pour  le  sort  de  l'infortune 
pecheur,  ne  croit-on  pas  entendre  la  chanson  nieme  de  la  belle  et 
cruelle  Lorelei? 

Und  sein  zusammenfassendes  Urteil  lautet: 
„Les  chansons  amoureuses  du  „Retour"  sont  inferieures 
ä  Celles  de  l'Intermede ;  mais  c'est  dans  le  „Retour"  surtout 
que  Heine  s'est  raontre  grand  peintre,  car  il  y  a  dessine,  parmi 
tant  de  tableaux  qui  nous  ont  charmes,  la  Lorelei  et  surtout 
le  Pelerinage  ä  Kevlaar  qui  est  le  Lied  le  plus  emouvant  et 
le  plus  pur,  et  peut-etre  le  chef-d'oeuvre  du  „Livre  des  Chants"." 
(Pag.  291.) 

Von  dem  Meerespoeten,  dem  Autor  der  „Nordsee",  handelt 
das  vorletzte  Kapitel.  Heine  hat  sie  geliebt,  weil  sie  ihm  die 
Gesundheit  wiedergegeben;  er  war  der  erste  grosse  deutsche 
Dichter,  den  das  Meer  zu  unsterblichen  Liedern  begeisterte. 
„.  .  .  il  y  avait  dans  cet  amour  de  Heine  pour  Amphitrite,  pour 
la  capricieuse  et  folle  deesse,  la  Sympathie  naturelle  d'un  poete 
eminemment  nerveux  et  d'humeur  aussi  changeante  que  les 
flots." 

Ducros  versucht  es  nun,  seinen  französischen  Lesern  die 
Schönheiten  der  Wortmalerei  dieses  Liedercyklus  zu  erklären, 
indem  er  zugleich  auf  einige  Vorzüge  der  deutschen  Sprache 
hindeutet,  die  diesem  Meisterwerke  besonders  zu  Gute  kommen 
(pag.  294) : 

La  langue  frangaise,  meme  chez  les  grands  poetes,  et  quoi  qu'ils 
fassent,  est  toujours  analytique  et  un  peu  sourde ;  rien,  au  contraire, 
n'est  plus  synthetique  et  plus  retentissant  que  la  langue  que  Heine 
a  parlee,  ou  plutot  chantee  dans  la  „Mer  du  Nord".  Tel  vers  et  meme 
teile  expression  donnent  en  meme  temps  la  couleur  et  le  bruit  des 
flots;  tel  adjectif  est  ä  la  fois  une  imagc  et  un  son,  que  dis-je? 
Heine  compose  les  adjeetifs  qui  nous  presentent  plusieurs  images  a 
la  fois,  par  exemple  la  blancheur  et  la  rapidite  des  vagues  ecumantes 


Einzelstudien  über  Heine.  109 

ou  bieu  les  reflets  de  la  lune  sur  une  mer  tranquille  et  la  douce 
melancolie  qui  se  glisse,  ä  cette  vue,  dans  l'äme  du  poete.  Imaginez,  si 
vous  le  pouvez,  le  plus  curieux  et  aussi  le  plus  heureux  melange  d'images 
qui  cliantent  et  de  sons  qui  peignent,  et  dites-vous  surtout  que  ces 
images  ne  reproduisent  pas  uniquement  les  objets,  par  exemple  les 
aspects  changeants  de  la  mer,  que  ces  sons  ne  repetent  pas  purement 
et  simplement,  comme  certaines  harmonies  imitatives  aussi  banales 
que  celebres,  les  mille  bruits  des  fiots  qui  viennent  expirer  sur  la 
greve :  tout  au  contraire,  images  et  sons  servent  en  meme  temps  seit 
ä  nuancer,  soit  ä  accentuer  les  impressions  personnelles  d'un  poete  qui 
pretait  son  äme  ä  tout  ce  qu'il  chantait.  Ces  vers  se  plient  enfin 
merveilleusement,  par  des  coupes  et  des  rythmes  varies,  a  toutes  les 
fantaisies  de  l'auteur.  i) 

Noch  einmal  kommt  der  Verfasser  auf  Heines  Kunst  der 
Wort-  und  Metrik-Harmonie  zurück,  und  zwar  in  poetisch 
inspirierter  Prosa  (pag.  302) : 

Cet  art  de  montrer  par  degres  et  de  marier  habilement  les 
details  et  l'ensemble,  se  retrouve  dans  toutes  les  marines,  ä  la  fois 
nettes  et  grandioses,  qui  composent  la  „Mer  du  Nord".  Ajoutez  la 
merveilleuse  facilite  du  poete  ä  varier  et  son  rythme  et  l'etendue  de 
ses  stroplies,  suiyant  les  mille  exigences  de  sa  capricieuse  imagina- 
tion.  Dans  une  meme  poesie  il  emploie  des  metres  differents  et  leur 
fait  dire  tout  ce  qu'il  veut:  ici,  son  vers  gazouille  et  soupire  comme 
la  lame  qui  vient  lentement  expirer  sur  la  plage  ;  lä,  il  bondit  comme 
la  mer  en  courroux,  il  siffle  et  gronde  comme  le  vent  qui  fouette  les 
flots;  puis  il  se  balance  doucement  ou  file,  rapide  et  leger,  comme  le 
navire  aux  blanches  alles  qui  porte  le  poete  et  qu'il  se  platt  ä  com- 
parer  ä  un  cygne;  ailleurs  enfin,  la  strophe  tout  entiere  prend  son 
vol  et  plane,  majestueuse  et  tranquille,  comme  cet  oiseau  merveilleux 
qui,  du  haut  des  airs,  jeta  un  jour,  a  travers  la  tempete,  ces  mots 
enigmatiques  que  comprit  le  cceur  emu  du  poete  et  qu'il  repeta  avec 
la  terre  et  le  ciel:  „eile  l'aime,  eile  l'aime !" 


^)  Ducros  irrt  indessen,  wenn  er  daran  zweifelt,  von  Franzosen  ver- 
standen zu  werden.  In  unseren  Abschnitten  IV  und  V  wird  es  sich  zeigen, 
dass  es  schon  vor  dem  Gelehrten  in  Frankreich  Poeten  gab,  die  den  Zauber 
der  Heineschen  Lyrik  voll  und  ganz  empfanden,  und  schon  vor  1886  den 
Dichter  der  Nordsee,  gerade  wegen  dieses  seines  eben  geschilderten  Talentes, 
zu  einem  ihrer  Meister  und  Lenker  erkoren  hatten  (Symbolistes), 


110  H.  Heine  im  Lichte  der  franzosischen  Kritik. 

Mit  der  „Harzreise"  und  dem  „Bergidyll"  schliesst  das 
Buch.  An  der  ersteren  will  er  untersuchen,  ob  der  Prosaist 
auf  der  Höhe  des  Lyrikers  steht.  Nach  kurzer  Analyse  kommt 
Ducros  zu  einem  negativen  Schlüsse  (pag.  307) : 

II  y  a  de  tout  dans  ce  voyage  du  Harz :  des  turlipinades  d'etu- 
diant,  des  conversations  romantiques  avec  les  fleurettes  et  les  ruisse- 
lets  de  la  montagne,  des  dissertations  savantes  sur  le  hareng  fume : 
„de  la  choucroute  arrosee  d'ambroisie",  pour  emprunter  un  mot  a 
l'auteur  lui-meme ;  seulement  sa  choucroute  est  tres  authentique, 
tandis  que  son  ambroisie  est  legerement  eventee. 

Geistreich,  meint  der  Verfasser,  sind  nur  wenige  Stellen, 
und  mit  seinem  Witze  treibe  Heine  Wucher :  „.  .  .  L'auteur 
a  trop  oublie  que  celui  meme  qu'il  prendra  plus  tard  pour 
modele,  adit:  „Ghssez,  mortels,  n'appuyez  pas."  Quand  notre 
auteur  croit  avoir  fait  un  mot,  il  ne  sait  plus  s'en  separer; 
quand  il  pense  avoir  trouve  une  idee  dröle,  il  la  developpe 
et  la  delaie  tant  qu'il  peut  .  .  .  Ah!  qu'il  y  a  loin,  meme  „du 
plus  frangais  des  Allemands"  ä  un  vrai  Frangais  de  France!"  ^) 
(Pag.  309.) 

Wenn  Ducros  in  den  Reisebildern  nur  selten  „esprit" 
findet,  so  spricht  er  diesen  das  Humorvolle  ganz  ab  :  „Quant 
ä  l'humour  des  „Reisebilder",  il  nous  seduirait  tout  ä  fait,  si 
l'auteur  joignait  au  caprice  de  sa  fantaisie  poetique  et  ä  son 
folätre  badinage  un  peu  de  cette  emotion  sincere  et  partant 
communicative,  sans  laquelle  il  n'y  a  peut-etre  pas  de  veri- 
table  humour  (pag.  310)  ...  il  faut  encore  qu'un  rayon  de 
bonhomie  vienne  fondre  tous  ces  contrastes  heurtes  et  echauffer 
la  page  qui  doit  nous  attendrir  et  nous  faire  sourire  a  la  fois ; 
malheureusement,  rien  n'est  plus  etranger  que  la  bonhomie  a 
notre  sarcastique  voyageur,  a  celui  qu'on  a  appele  le  merle 
moqueur  de  la  foret  allemande"  (pag.  311). 


*)  Hiermit  vergleiche  man  Barbey  d'Aurevilly  und  Pontmnrtin! 


Einzelstudien  über  Heine.  III 


Der  Verfasser  glaubt  die  romantische  Schule,  sowohl  für 
dies  „zum  Besten  halten^'  des  Lesers  als  auch  für  die  Manie 
der  Selbstparodie  verantwortlich  machen  zu  können. 

So  ablehnend  sich  auch  Ducros  zu  Geist  und  Inhalt  der 
Prosa  Heines  zeigt,  so  imgeschmälert  lautet  sein  Lob  über 
das  äussere  Gewand  derselben,  über  den  Sprachkünstler 
(pag.  311): 

La  prose  de  Heine,  une  prose  nette,  rapide,  exempte,  Dieu 
merci !  de  ces  phrases  surchargees  d'incidents  et  encombrees  de 
parentheses,  qui  fönt  de  certains  prosateurs  allemands  de  vrais  sphinx 
dont  on  se  lasse  ä  la  fin  de  dechiffrer  les  perpetuelles  enigmes.  Cette 
prose  n'a  pas  les  larges  developpements,  les  repos  et  les  molles  sinuo- 
sites  de  la  phrase  de  Goethe,  mais  eile  est  plus  vivante,  plus  incisive 
et  surtout,  quand  l'auteur  est  bien  inspire,  plus  amüsante  et  plus 
fran§aise. 

Den  Dichter  des  Intermezzo  erkennt  Ducros  wieder  in 
einzelnen  lyrischen  Oasen  der  Reisebilder,  vor  allem  in  der 
„Bergidylle",  für  die  er  folgendes  hübsche  Gleichnis  in 
Heines  eigenen  Werken  findet: 

Heine  raconte  que  parfois,  au  milieu  du  Harz,  on  entend  dans 
le  lointain  des  sons  mysterieux  comme  ceux  d'une  cloche  de  chapelle 
perdue  dans  les  bois :  ce  sont,  dit-il,  les  clochettes  des  troupeaux  qui, 
dans  le  Harz,  sont  accordees  avec  tant  de  charme  et  de  purete. 

Le  lecteur,  lui  aussi,  dans  cette  foret  si  bruyante,  si  babillarde 
des  „Reisebilder",  entend  tout  ä  coup  dans  le  silence  de  la  nuit,  sur 
le  sommet  de  la  montagne,  des  sons  vraiment  enchanteurs,  aussi 
purs  et  aussi  doux  que  le  son  d'une  clochette  dans  les  bois  :  c'est  le 
poete  qui  a  enfin  accorde  sa  lyre  pour  nous  chanter  cette  idylle 
pleine  de  fraicheur  et  de  naivete  qu'il  a  appelee  l'Idylle  de  la  Mon- 
tagne (Berg-Idylle). 

Nachdem  Ducros  das  ganze  Gedicht  in  beiden  Sprachen 
citiert,  widmet  er  Heine  dem  Lyriker  noch  folgende  Worte, 
die  dies  fesselnde  Buch  —  und  unsere  Besprechung  desselben, 
noch  schön  abschliessen : 

„Le  „charme"  de  ses  beaux  vers  agissant  sur  nous  peu 
ä  peu,  nous  croyons  voir   ces   villes  merveilleuses   qu'il  nous 


112  H.  Heine  im  Lichte  der  franzosischen  Kritik. 

montre  au  fond  de  la  mer  et  ces  antiques  raanoirs  qu'il  fait  sortir 
de  terre;  nous  croyons  reconnaitre  ces  etranges  jeiines  filles, 
aux  yeux  bleiis  comme  deux  etoiles,  si  promptes  ä  donner  et 
ä  reprendre  leur  coeur,  plus  innocentes  encore  que  mechantes, 
car  il  semble  que  leur  destinee  soit  d'inspirer  et  d'ignorer 
l'amour.  Nous  nous  attristons  alors  et  nous  pleurons  avec  le 
poete  qui  s'est  vu  oublie  et  trahi  et  qui  aime  toujours;  si 
tantöt,  en  effet,  nous  etions  romantiques  avec  lui,  quand  il 
ressuscitait  a  vos  yeux  les  hommes  et  les  choses  du  moyen 
äge,  maintenant  nous  aimons  et  nous  nous  souvenons  avec 
lui,  nous  revoyons  avec  lui  les  sentiers  tout  parsemes  de 
violettes,  les  beaux  sentiers  par  oü  notre  jeunesse  a  passe; 
comme  lui,  nous  oublions  l'heure  presente,  la  täche  ingrate 
et  la  prosaique  realite  et,  comme  lui,  nous  avons  vingt  ans!"  — 
(Pag.  322.) 


Anhang  I. 

Kürzere  Abhandlungen    über  Heine. 

Die  Zeitschrift  ^Bihliotheque  universelle  de  Geneve^^)  hat  sich  im  Laufe 
der  Zeit  wiederholt  mit  Heine  beschäftigt.  Die  erste  Besprechung 
seiner  Werke  befindet  sich  im  Bulletin  litteraire  vom  Juniheft 
1836.  —  Dann  über  „Lutece"  in  der  Mainummer  1855.  —  lieber 
die  französische  Ausgabe  der  „ßeisebilder" :  Mai  1860  von  Gustave 
Revilliod. 

G.  Duesherg  bespricht  in  der  „Revue  de  Paris",  April  1855,  den 
„Romancero". 

Champfleury,  Hoffmann  et  Henri  Heine,  in  „Le  Livre",  Jahrgang  1883. 

Henri  Heine  et  la  critique  contemporaine  en  Allemagne,  par  P.  Z.  — 
„Journal  des  Debats",  16.  August  1893. 


^)  Süpfle  hätte  es  nicht  unterlassen  sollen,  auf  die  besonders  in  der 
ersten  Hälfte  dieses  Jahrhunderts  hervorragende,  geistig  vermittelnde  Rolle 
dieser  Zeitschrift  hinzudeuten.  Auch  aufdie  Heinekritik  dieser  Revue, 
die  wir  wegen  Stoffesfülle  hier  streichen  mussten,  werden 
wir    später    zurückkommen.  \ 


Einzelstudien  über  Herne.  Il3 

Anhang   IL 

Heine   in  französischen   Schul-  und   Studienbüchern. 

La   litterature    allemande    au  XIX®  siede,   par  Adler-Mesnard.   2  vol. 
Paris  1853. 

Morceaux   choisis   des   prosateurs    et   poetes    allem ands,    par   L.  Dietz. 
Paris  1866. 

Choix  de  morceaux  classiques  des   meilleurs   ecrivains    allemands,   par 
J.  Dresch.   Paris  1874. 

Recueil   de   lettres,    extraites   des    meilleurs    ecrivains    allemands,    par 
M.-E.  HaUberg.   Paris  1875. 

Choix  de  Ballades  allemandes  (de  Goethe,  H.  Heine  etc.),  notices  et  notes 
par  E,  HaUberg. 

Lectures  modernes,  par  J.-N.  Charles,   Paris  1876. 

Heine,  ausgewählte  Werke  ^)   —  Poesie   et  prose,   avec   notices  biogra- 
phiques   et  annotations,  par  Antoine  Levy.   Paris   1892. 

Angleterre-Allemagne.   Histoire  Htteraire,  notices  biographiques  et  cri- 
tiques,  morceaux  choisis,  par  H.  Dietz.   Paris  1891. 

Le  XIX°  siecle   en  Allemagne.  2)    Morceaux   choisis  des   meilleurs   ecri- 
vains allemands  de  ce  siecle,  par  Louis  Weil.   1892. 

Henri    Heine.    Extraits  des  oeuvres   en  vers   et  en  prose,   annotes   par 
A.  Girot.^)   (Classiques  allemands.)   1893. 

Lied  und  Legende.  Recueil  de  poesies  allemandes,  avec  introduction  et 
des  notes  litteraires  et  biographiques  par  Ph.  Kuhff. 


^)  Auteurs  allemands  inscrits  au  nouveau  programme  de  l'enseignement 
classique  moderne.  (Ausser  Heine  figurieren  hier  noch  Grimm,  Kinder-  und 
Hausmärclien,  und  Hebel,  Schatzkästlein.) 

2)  Unter  den  vielen  Büchern  dieser  Art,  die  wir  in  den  Händen  gehabt, 
sind  die  beiden  letztgenannten  die  einzigen,  die  Gottfried  Keller  nicht  ver- 
gessen.  H.  Dietz  führt  den  Dichter  als  Vertreter  des  realistischen  Romans  an. 

^)  Enseignement  secondaire  moderne,  programmes  officiels  du  15  Juin 
1891.  —  Von  Girot  (professeur  au  Lycee  Condorcet)  sind  noch  erschienen: 
Schiller,  Wilhelm  Teil  —  avec  notes,  un  vocabulaire  et  une  carte  du  theätre 
de  la  legende  de  Teil  und  Choix  de  Poesies  lyriques  de  Goethe  et  de  Schiller, 
suivi  de  50  des  plus  helles  ballades  allemandes  (darunter  auch  von  Heine) 
avec  un  vocabulaire  complet,  1894. 


Betz,  Heine  in  Frankreich. 


114  H-  Heino  im  Lichte  der  französischen  Kritik. 


Zweites  Kapitel 

Einleitungen  zu  Heines  W^erken 
in  französischer  Sprache 


Loeve-Veimars.  Sein  Vorwort  zu  dem  ersten  Teile  der  „Reisebilder", 
der  am  15.  Juni  1832  in  der  „Revue  des  deux  Mondes"  erschien, 
ist  die  erste  einigermassen  eingehende  Besprechung  von  einem 
Werke  Heines  in  Frankreich. 

Eugene  Renduel,  berühmter  Verleger  der  Romantiker.  Schreibt  die 
Einleitung  zu  dem  bei  ihm  1833  erschienenen  „De  la  France". 

Kurze  litterarische  Einleitung  zu  „Les  aveux  d'un  poete",  die  am 
15.  September  1854  in  der  „Revue  des  deux  Mondes"  erschienen. 
Anonym. 

Saint-Rene  TaiUandier,  Einleitung  zu  Liedern  der  „Heimkehr".  „Revue 
des  deux  Mondes",  15.  Juli  1854.  —  Eine  Geschichte  der  Dramen 
Heines  und  der  deutschen  Schicksalstragödie  überhaupt,  die  zuerst 
in  der  „Revue  des  deux  Mondes"  16.  Oktober  1863  erschien,  wurde 
in  dem  Bande  „Drames  et  fantaisies"  aufgenommen. 

Theophüe  Gautier.  Schrieb  eine  die  Gesamtausgabe  der  Heineschen 
Werke  einleitende  Studie.  1856. 

Hemi  Julia,^)  Autor  einer  einleitenden  Notiz  des  Bandes  „De  la  France". 
Levy,  1857. 


^)    Freund  und  Testamentsvollstrecker  Heines. 


Einleitungen  zu  Heines  Werken  in  französischer  Sprache.      115 

Charles   Beo'thoud,   Verfasser    der   Einleitung    zu   den   beiden   Bänden 
„Correspondance  inedite".   1866. 

Arsene   Houssaye    schrieb    eine    „preface"    zu   dem    1893    erschienenen 
„Heine  intime". 


Gerard  de  Nerval 

(1808—1855). 

Einleitungen  im  Bande  „Poemes  et  Legendes",  Levy  1855. 

Auch  was  Nerval  unter  dem  Titel  „Notice  du  traducteur" 
über  Heine  geschrieben,  hat  schon  vielfach  den  Weg  nach 
Deutschland  gefunden.  Wir  sehen  uns  daher  leider  gezwungen, 
nur  kurz  bei  seinen  Arbeiten  zu  verweilen,  leider  deswegen, 
weil  jedes  Wort  dieses  unglücklichen,  dichterisch  ebenbür- 
tigsten Freundes  von  tiefem  Verständnis  und  innerster  Kon- 
genialität zeugt,  weil  Heines  Dichtergestalt  in  jenen  Studien 
von  einem  der  zartfühlendsten  Poeten  wie  verklärt  scheint, 
und  schliesslich  leider,  weil  Nerval  überhaupt  der  verständnis- 
vollste und  enthusiastischste  Bewunderer  ist,  den  Deutsch- 
lands Muse  je  im  Frankenlande  besessen. 

Aus  einigen  Liedern  Heines  —  so  beginnt  Nerval  die 
erste  litterarische  Einleitung  (zum  Liedercyklus  „La  Mer 
du  Nord")  auf  das  stürmische  Jahr  1848  anspielend,  in  dem 
ja  diese  Studie  samt  den  Liedern  in  der  „Revue  des  deux 
Mondes"  erschien^)  —  hätten  wir  ohne  Mühe  einen  Büschel 
republikanischer  Ruten  binden  können  und  auch  das  Beil 
des  Liktors  wäre  darunter  zu  finden  gewesen  —  „nous  pre- 
ferons  vous  offrir  un  simple  bouquet  de  fleurs  de  fantaisie, 
aux  parfums  penetrants,  aux  couleurs  eclatantes.    II  faut  bien 


^)  Vergl.  Bibliographie. 


116  H.  Heine  im  Lichte  der  französischen  Kritik. 

que  quelque  fidele,  en  ce  temps  de  tumulte  oü  les  cris  enroues 
de  la  place  publique  ne  se  taisent  jamais,  vienne  reciter  tout 
bas  sa  priere  ä  Fautel  de  la  poesie". 

Immerhin  will  Nerval  vorerst  den  geistvollen  Satyriker 
mit  einigen  Strichen  zeichnen.  Er  thut  es  als  Poet  in  duf- 
tiger, fein  instrumentierter  Sprache.  Treffend  zwischen  der  kalt 
secierenden  Ironie,  dem  erbarmungslosen  Messer  des  Sarkasmus 
und  den  ebenso  sicher  treffenden  Pfeilen  Heines  unterschei- 
dend, sagt  er  (pag.  119): 

Avec  la  liaine,  il  possede  l'amour,  un  amour  aussi  brülant  que 
la  haine  est  feroce;  il  adore  ceux  qu'il  tue;  il  met  le  dictame  sur 
les  blessures  qu'il  a  faites  et  des  baisers  sur  ses  morsures.  Avec 
quel  profond  etonnement  il  voit  jaillir  le  sang  de  ses  victimes,  et 
comme  il  eponge  bien  vite  les  filets  pourpres  et  les  lave  de  ses 
larmes ! 

Aus  dem  folgenden  heben  wir  nur  noch  jene  Stelle  her- 
vor, wo  Nerval  Heines  Doppelnatur  zu  erfassen  sucht  und  in 
dithyrambischen  Worten  dessen  Sprachkunst  feiert : 

Ce  n'est  pas  un  vain  cliquetis  d'antitheses  de  dire  litterairement 
d'Henri  Heine  qu'il  est  cruel  et  tendre,  nai'f  et  perfide,  sceptique  et 
credule,  lyrique  et  prosai'que,  sentimental  et  railleur,  passionne  et 
glacial,  spirituel  et  pittoresque,  antique  et  moderne,  moyen  äge  et 
revolutionnaire.  II  a  toutes  les  qualites  et  meme,  si  vous  voulez,  tous 
les  defauts  qui  s'excluent;  c'est  l'homme  des  contraires,  et  cela  sans 
eifort,  sans  parti  pris,  par  le  fait  d'une  nature  pantheiste  qui  eprouve 
toutes  les  emotions  et  pergoit  toutes  les  images.  Jamais  Protee  n'a 
pris  plus  de  formes,  jamais  Dieu  de  l'Inde  n'a  promene  son  äme 
divine  dans  une  si  longue  serie  d'avatars.  Ce  qui  suit  le  poete  ä 
travers  ces  mutations  perpetuelles  et  ce  qui  le  fait  reconnaitre,  c'est 
son  incomparable  perfection  plastique.  II  taille  comme  un  bloc  de 
marbre  grec  les  troncs  noueux  et  difformes  de  cette  vieille  foret 
incatricable  et  touffue  du  langage  allem  and,  ä  travers  laquelle  on 
n'avangait  jadis  qu'avec  la  hache  et  le  feu;  grace  ä  lui  l'on  peut 
marcher  maintenant  dans  cet  idiome  sans  etre  arrete  ä  chaque  pas 
par  les  lianes,  les  racines  tortueuses  et  les  chicois  mal  deracines  des 
arbres  centenaires :  —  dans  le  vieux  chene  teutonique,  oü  l'on  n'avait 
pu  si  longtemps  qu'ebauclier  ä  coups  de  serpe  l'idole  informe  d'Ir- 


Einleitungen  zu  Heines  Werken  in  französischer  Sprache.       117 

mensul,  il  a  sculpte  la  statue  harmonieuse  d'Apollon;  il  a  transforme 
en  langue  universelle  ce  dialecte  que  les  Allemands  seuls  pouvaient 
ecrire  et  parier,  sans  cependant  toujours  se  comprendre  eux-memes. 

Obgleich  die  zweite  litterarische  Einführung  Nervals,  die 
sich  mit  dem  „Intermezzo"  beschäftigt,  einige  Monate  nach  dem 
Cyklus  der  Nordseelieder  in  der  „Revue  des  deux  Mondes" 
erschien,  ist  sie  dennoch  in  den  „Oeuvres  completes"  voran- 
gestellt worden,  indem  sich  der  Herausgeber  mit  Recht  an 
die  chronologische  Reihenfolge  der  deutschen  Publikationen 
hielt.  So  kam  es  allerdings,  dass  die  eigenthche  und  all- 
gemein einführende  Studie  Nervals  in  den  gesammelten  Wer- 
ken nach  dieser  mehr  speciellen  Besprechung  zu  stehen  kam. 

Nerval  beginnt  mit  einer  Darstellung  der  litterarhisto- 
rischen  Bedeutung  des  „Intermezzo"  für  die  deutsche  Dicht- 
kunst. Heine,  der  sonst  nichts  respektierte,  hatte  für  das 
wahrhaft  Schöne,  wo  immer  er  es  traf,  einen  Kultus.  In 
diesem  Sinne  will  der  Autor  es  gelten  lassen,  dass  Heine  ein 
Heide  resp.  ein  Grieche  genannt  werde. 

II  admire  la  forme  quand  cette  forme  est  belle  et  divine,  il 
saisit  l'idee  quand  c'est  vraiment  une  idee  pleine  et  entiere,  non 
un  clair-obscur  du  sentimentalisme  allemand.  Sa  forme  ä  lui  est 
resplendissante  de  beaute,  il  la  travaille  et  la  cisele,  on  ne  lui  laisse 
que  des  negligences  calculees.  Personne  plus  que  Heine  n'a  le  souci 
du  style.  Ce  style  n'a  ni  la  periode  courte  fran^aise  ni  la  periode 
longue  allemande;  c'est  la  periode  grecque,  simple,  coulante,  facile 
ä  saisir  et  aussi  harmonieuse  ä  l'oreille  qu'ä  la  vue. 

Selbst  Poet,  hat  Nerval  gefühlt,  dass  der  grosse  Lyriker 
zugleich  Gelegenheitsdichter  —  im  idealsten  Sinne  ist.  „Heine 
n'a  Jamals  fait,  a  proprement  dire,  un  Hvre  de  vers ;  ses  chants 
lui  sont  venus  un  ä  un,  —  suggeres  toujours  soit  par  un  objet 
qui  le  frappe,  soit  par  une  idee  qui  le  poursuit,  par  un  ridicule 
qu'il  poursuit  lui-meme." 

Nur  leicht  und  rasch  streift  sein  Tadel  Heines  zuweilen 
allzuvernichtende  Satyre,  —  besonders  wo  sie  persönlich  wurde. 


118  H.  Heine  im  Lichte  der  französischen  Kritik. 


Und  gleich  will  er  den  Schatten,  den  er  dem  Lichtbilde  nur 
ungern  beigab,  wieder  verwischen,  —  „il  chätie  en  faisant 
rire.  C'est  un  Aristophane  philosophe  qui  a  le  bonheur  de 
s'attaquer  ä  d'autres  qu'ä  Socrate". 

Nerval  hält  das  „Intermezzo"  für  Heines  ureigenstes 
und  charakteristischstes  Werk.  Scheinbar  ein  loser  Strauss  — 
den  aber  ein  und  dieselbe  Idee  umwindet.  Oder,  wie  sich 
Nerval  hübsch  ausdrückt :  „L'auteur  a  retire  le  fil  du  collier, 
mais  aucune  perle  ne  lui  manque."  —  Und  diese  Einheit  ist 
die  Liebe  (pag.  84): 

C'est  lä  un  amour  entierement  inedit,  —  non  qu'il  ait  rien  de 
singulier,  car  chacun  y  reconnaitra  son  histoire;  ce  qui  fait  sa  nou- 
veaute,  c'est  qu'il  est  vieux  comme  le  monde,  et  les  choses  qu'on 
dit  les  dernieres  sont  les  choses  naturelles.  —  Ni  les  Grecs,  ni  les 
Romains,  ni  Mimnerme,  que  l'antiquite  disait  superieur  ä  Homere,  ni 
le  doux  Tibulle,  ni  l'ardent  Properce,  ni  l'ingenieux  Ovide,  ni  Dante 
avec  son  platonisme,  ni  Petrarque  avec  ses  galants  concetti,  n'ont 
jamais  rien  ecrit  de  semblable.  Leon  l'Hebreu  n'a  compris  rien  de 
pareil  dans  ses  analyses  scolastiques  de  la  „Philosophie  d'amour".  Pour 
trouver  quelque  chose  d'analogue,  il  faudrait  remonter  jusqu'au  „Can- 
tique  des  Cantiques",  jusqu'ä  la  magnificence  des  inspirations  orien- 
tales.  Voilä  des  accents  et  des  touches  dignes  de  Salomon,  le  premier 
ecrivain  qui  ait  confondu  dans  le  meme  lyrisme  le  sentiment  de 
l'amour  et  le  sentiment  de  Dieu. 

Und  was  erzählen  uns  die  Liebeslieder?  Der  Stoff  ist 
weder  kompliziert  noch  neu ;  eine  alltägliche  Liebesgeschichte, 
die  keine  zwei  Seiten  eines  Romanos  füllen  würde.  Heine 
aber  hat  damit  ein  grosses  herrliches  Gedicht  gesungen,  in 
dessen  kurzen  Strophen  die  ganze  menschliche  Seele  vibriert 
(pag.  85): 

Passion,  tristesse,  Ironie,  vif  sentiment  de  la  nature  et  de  la 
beaute  plastique,  tout  cela  s'y  melange  dans  la  proportion  la  plus 
imprevue  et  la  plus  heureuse ;  il  y  a  §ä  et  lä  des  penseos  de  morähste 
condensees  en  deux  vers,  en  deux  mots;  un  trait  comique  vous  fait 
pleurer;  une  apostrophe  pathetique  vous  fait  rire;  —  les  larmes,  ä 
chaque  instant,  vous  viennent  aux  paupieres  et  le  sourire  aux  levres. 


Einleitungen  zu  Heines  Werken  in  französischer  Sprache.      119 

Sans  qu'on  puisse  dire  pourquoi,  tant  la  fibre  secrete  a  ete  touchee 
d'une  main  legere.  En  lisant  „l'Intermezzo",  l'on  eprouve  comme  une 
espece  d'efFroi :  vous  rougissez  comme  surpris  dans  votre  secret ;  les 
battements  de  votre  coeur  sont  rythmes  par  ces  strophes,  par  ces 
vers  de  huit  syllabes  pour  la  plupart.  Ces  pleurs  que  vous  aviez 
Verses  tout  seul,  au  fond  de  votre  chambre,  les  voilä  figes  et  cristal- 
lises  sur  une  trame  Immortelle.  II  semble  que  le  poete  ait  entendu 
vos  sanglots,  et  pourtant  ce  sont  les  siens  qu'il  a  notes. 

Jene  Lieder,  sie  fanden  ein  dankbares,  schmerzhaftes  Echo 
bei  Nerval,  —  ein  Echo,  das  noch  lauter  und  tiefer  in  dem 
gequälten  Herzen  des  unglücklichen  Geliebten  der  Colon 
erscholl,  als  der  Leidensruf  des  Dichters  selbst.  Wie  sehr 
sich  der  Uebersetzer  des  „Faust"  in  seinen  innersten  Empfin- 
dungen getroffen  fühlt,  tritt  am  deutlichsten  hervor,  wenn  er 
über  die  Mädchengestalt  des  „Intermezzo"  folgende  leiden- 
schaftliche oratio  pro  domo  anstimmt  (pag.  86): 

Et  cependant,  qu'elle  est  adorablement  vraie !  Comme  on  la 
liait  et  comme  on  l'aime,  cette  bonne  fille  si  mauvaise,  cet  etre  si 
charmant  et  si  perfide,  si  femme  de  la  tete  aux  pieds !  „Le  monde 
dit  que  tu  n'as  pas  un  bon  caractere,  s'ecrie  tristement  le  poete, 
mais  tes  baisers  en  sont-ils  moins  doux?"  Qui  ne  voudrait  souffrir 
ainsi  ?  Ne  rien  sentir,  voilä  le  supplice  :  c'est  vivre  encore  que  de 
regarder  couler  son  sang. 

Und  sich  an  das  Phantom  seiner  eigenen  treulosen  Ge- 
liebten anklammernd,  entgleiten  ihm  noch  düstere  Worte  der 
Verzweiflung  (pag.  86): 

La  femme  est  la  chimere  de  l'homme,  ou  son  demon,  comme 
vous  voudrez,  —  un  monstre  adorable,  mais  un  monstre;  aussi  regne- 
t-il  dans  toutes  ces  johes  strophes  une  terreur  secrete.  Les  roses 
sentent  trop  bon,  le  gazon  est  trop  frais,  le  rossignol  trop  harmo- 
nieux!  —  Tout  cela  est  fatal;  le  parfum  asphyxie,  l'herbe  fraiche 
recouvre  une  fosse,  Foiseau  meurt  avec  sa  derniere  note  .  .  .  Helas! 
et  lui,  le  poete  inspire,  va-t-il  aussi  nous  dire  adieu? 

Man  nenne  diese  Ausbrüche  eines  kranken  Poeten  nicht 
mystischen  Wortschwall,  Lavendelwasser  der  Sentimentalität 
oder    dergleichen,    —    denn    sie    sind    —    man    verzeihe    das 


120  H«  Heine  im  Lichte  der  französischen  Kritik. 

banale  Wort  —  mit  seinem  Herzblute  niedergeschrieben. 
Treulosigkeit  einer  unwürdigen  Frau,  um  die  sich  des  naiv- 
schüchternen Träumers  ganzes  Leben  und  Denken  drehte,  hatte 
damals  schon  den  geplagten  Geist  Nervals  an  den  Rand  des 
Wahnsinns  geführt. 


Marcel  Prövost 

(1862). 

Die  Einleitung^)  zu  Daniaux'  Uebersetzung  der  „Heimkehr" 
(„Le  Retour",  Lemerre,  1890)  stammt  nicht  aus  der  Feder  eines 
Kritikers  oder  gelehrten  Litterarhistorikers,  sondern  von  einem 
Poeten,  der  mit  Hülfe  seiner  Phantasie,  seiner  Begeisterung 
für  den  geliebten  Dichter  aus  jener  Episode  des  Liebeslebens 
Heines  ein  psychologisches  Kabinettstück  in  einer  Sprache  ge- 
schrieben, die  heute  nicht  viele  Franzosen  führen.  Wir  nehmen 
keinen  Anstand,  von  vorneherein  zu  behaupten,  dass  in  dieser 
schwungvollen  Vorrede,  in  der  mit  die  schönsten  Worte  dem 
Andenken  Heines  gewidmet  sind,  die  hüben  und  drüben  dem 
Dichter  geweiht  wurden,  mehr  Poesie  liegt,  als  in  den  LTeber- 
setzungen  Daniaux'  selbst.  Ist  es  nötig,  erst  zu  bemerken,  dass  es 
Marcel  Prevost  nicht  in  den  Sinn  kam,  etwas  wie  einen  Bei- 
trag zur  Heineforschung  zu  liefern?  Er  ist  zum  Glück  Poet 
und  hat  dergleichen  nicht  nötig.  Das  strenge  Urteil  deutscher 
Kritik,  die  einige  Ungenauigkeiten  entdeckt,  scheint  uns  des- 
wegen wenig  am  Platze. 

Der  Autor  des  Romans  „Automne  d'une  femme"  und  so 
vieler  andern  äusserst  feinen  Herzensstudien,  die  den  noch 
jungen  Schriftsteller  zu  einem  Lieblinge  der  gebildeten  fran- 
zösischen Lesewelt  gemacht  haben,  entwirft  vorerst  ein  be- 
wegtes Bild  der  Gedankenrückkehr,  der  bitter-süssen  Freuden 


^)  Diese  Einleitung  erschien  zuerst  unter  dem  Titel :  „Le  premier  amour 
de  H.  Heine"  in  der  „Revue  Bleue",  19.  April  1890. 


Einleitungen  zu  Heines  Werken  in  französischer  Sprache.       121 

des  „je  me  souviens".  —  „C'est  im  pareil  retour  qui  a  donne 
son  inspiration  et  son  nom  au  present  poeme  de  Henri  Heine. 
Sous  le  voile  des  rinies  ironiques,  revoltees  ou  attendries, 
l'aventure  reelle  transparait  ä  peine,  se  dissimule,  echappe  au 
liseur.  Elle  fut  pourtant,  cette  douloureuse  aventure  d'amour ; 
eile  fit  battre  des  coeurs  de  chair;  eile  fit  couler  des  larmes 
de  sei  et  d'eau.  Tout  le  monde  la  connait  au  delä  du  Rhin. 
En  France,  eile  est  encore  ä  peu  pres  ignoree."  —  Je  vais  la 
conter:  —  Und  nun  erzählt  er  uns  idealisiert,  in  anmutiger 
Weise,  voll  Pietät  für  den  Dichter  seiner  Wahl,  die  Liebes- 
idylle von  Harry  Heine  und  Molly. 

Auf  das  Wort  Heines  von  den  grossen  Schmerzen  und 
den  kleinen  Liedern  anspielend,  sagt  er:  „Les  petites  chansons, 
mises  bout  ä  bout,  sans  lien  apparent,  ont  compose  un  livre 
immortel,  veritable  „Imitation"  de  l'amour  profane."  —  Und 
hier  noch  die  Schlusszeilen:  „Molly  elle-meme,  la  niaise  petite 
juive  vouee  ä  Tobscurite,  a  du  ä  sa  trahison  une  place  dans 
la  legion  des  lyriques  amantes,  ä  cöte  de  Laure  de  Noves  et 
de  Beatrix  Portinari.  —  Et  nous,  jeunes  gens  de  cette  seconde 
moltie  de  siede,  ä  qui  Heine  a,  pour  ainsi  dire,  enseigne  Vamour 
lärme  par  lärme  et  haiser  par  haiseVj,  nous  y  avons  gagne  le 
j^HeimkeJir'-^  et  r,^Intermezzo^^,  —  c'est-ä-dire  deux  cantiques  de 
tendresses  tels  que  jamais  poete  n'en  avait  chiichote  si  pres  de 
Väme  Jmmaine.'-^ 

So  schreibt  ein  Franzose,  der  in  absehbarer  Zeit  Sitz  und 
Stimme  in  der  Akademie  der  Vierzig  neben  —  Brunetiere 
haben  wird.  Was  er  sagt,  ist  das  künstlerische  Echo  der 
Bewunderung  einer  ganzen  französischen  Schriftstellergenera- 
tion. So  klassisch  auch  die  Methode  sein  mag,  das  Gegen- 
teil von  dem  zu  beweisen,  was  Menschen  von  sich  selbst  be- 
haupteten, so  erlauben  wir  uns  dennoch  hiervon  abzustehen 
und  Marcel  Prevost  zu  glauben,  was  er  uns  von  sich,  von 
seinen  litterarischen  Gefährten,  von  seiner  Liebe  und  Dankbar- 
keit für  das  Genie  Heines  mitteilt. 


122  H.  Heine  im  Lichte  der  französischen  Kritili. 


Drittes  Kapitel 
Französische  Memoiren  über  H.  Heine 


Le  comte  d' Alton  Shee,  Mes  Memoires.  1826—1848.  Bruder  der  Madame 
Jaubert  und  Genosse  des  sinkenden  Musset. 

Prinzessin    Christine    Trivulce    de   Belgiojoso,    Souvenirs    dans    l'Exil. 
^  National^,  September -Oktober  1850. 

Souvenirs  de  Madame  C.  Jaubert.  Paris,  Hetzel,  ungefähr  1880. 

Princesse  della  Rocca,  H.  Heine,  Souvenirs  de  sa  vie  intime,  recueiUis 
par  sa  niece.  ^)   Paris,  Levy,  1881. 

Auguste  Barbier,  Souvenirs  personnels.   Dentu,  1883. 

Camille  Seiden,^)  Les  derniers  jours  de  Henri  Heine.  Levy,  1884. 

Philibert  Audebrand,  Petits  memoires  du  XIX«  siecle.  Paris  1892. 


1)  Deutsche  Ausgabe  bei  Hartleben,  Wien,  1881.  —  Zugleich  erschien 
auch  eine  italienische  :    „Ricordi  della  vita  intima"  etc. 

2)  Pseudonym  der  Frau  v.  Krinitz  aus  Torgau  (Preussen).  P^ine  thätige 
französische  Schriftstellerin,  die  sich  nicht,  wie  Ed.  Engel,  der  Herausgeber 
der  Heinememoiren,  meint,  nach  dreissigjährigem  Schweigen  durch  diese 
Memoiren  in  Erinnerung  rufen  wollte.  —  Alfred  Meissners  „Geschichte  meines 
Lebens"  enthält  einige  widerwärtige  Indiskretionen  über  die  letzte  Freundin 
Heines. 


Französisclie  Memoiren  über  H.  Heine.  123 

Alexandre  Weill 

(1813). 

„Souvenirs  intimes. ^^ 
Dentu,  1883. 

Genau  genommen,  gehört  der  Autor  dieser  Memoiren 
nicht  in  unseren  Bereich.  Nicht  nur  weil  er  in  der  Nähe 
von  Strassburg,  in  „Schierhein  im  Ried",  d.  h.  damals  wohl 
auf  französischem  Boden  aber  in  deutscher  Umgebung,  seine 
Jugendjahre  verlebte,  sondern  auch,  weil  die  deutsche  Litte- 
ratur  das  Recht  hat,  den  begabten  NovelHsten,  der  im  „Jungen 
Deutschland"  eine  hervorragende  Stellung  eingenommen,  zum 
grossen  Teil  als  den  Ihrigen  zu  betrachten.  Dagegen  ist  aber 
einzuwenden,  dass  Weills  Denken,  Schriftstellerei  und  be- 
sonders seine  Gefühle  seit  nahezu  einem  halben  Jahrhundert 
den  Franzosen  gehören.  Er  sagte  sich  los  von  Deutschland, 
gleich  Albert  Wolff  und  andern  —  unähnlich  unserem  Dichter, 
der,  unter  denselben  Verhältnissen  aufgewachsen,  aus  analogen 
Gründen  Deutschland  verlassend,  Deutscher  blieb,  obgleich 
gerade  ihm  der  Tausch  noch  höhere  Ehren  eingetragen  haben 
würde,  als  seinem  elsässischen  Stammesgenossen. 

Die  vorliegenden  Memoiren,  die  sich  mit  Heine  im  Schlaf- 
rocke und  mit  „Madame  Heine  en  matinee"  —  und  gelegent- 
lich auch  ohne  Matinee  — ,  dann  besonders  eingehend  mit  dem 
Glauben  des  Dichters  beschäftigen,  sind  in  Deutschland  bereits 
hinlänglich  berücksichtigt  worden.  Wenn  sie  auch  biographisch 
einiges  Neues  bringen,  so  hat  die  Wissenschaft  im  grossen 
Ganzen  durch  diese  „en  deshabille"- Schilderung  wenig  ge- 
wonnen. Er  gibt  nur  über  einen  grossen  Poeten  —  einen 
Klatsch  mehr,  und  zwar  einen  der  taktlosesten  und  wider- 
lichsten Sorte.  —  Sieht  man  von  der  öffentlichen  schmutzigen 
Wäsche  ab,  die  Weill  an  dem  Ehepaar  Heine  vornimmt,  bei 
dem  er  fünfzehn  Jahre  lang  Gastfreundschaft  gefunden,  so 
bleibt  als  Quintessenz  des  Buches  der  Versuch  eines  Nach- 
weises   übrig,   dass  Heine   nie   aufgehört,   ein  gläubiger  Jude 


124  H.  Heine  im  Liclite  der  französischen  Kritik. 

und  Verehrer  Moses'  und  Jehovas  zu  sein,  —  und  ein  glühen- 
der Hass,  mit  dem  Goethe  und  Wagner  beehrt  werden.  Hierzu 
kommt  noch  fortwährendes  phiHströses  Morahsieren,  vmd  zwar 
nicht  nur  an  Heine,  bei  dem  ja  so  ziemHch  jeder  seine  Kunst 
im  Richten  versucht  hat.  Von  den  Werken  Goethes  und 
Mussets  heisst  es,  um  nur  einige  Beispiele  zu  geben:  „Le 
vice,  helas!  pullule  comme  la  sauterelle^^  (pag.  14);  von  Victor 
Hugo:  „C'est  ä  son  immense  genie  fourvoye  que  la  France, 
litteraire  d'abord,  puis  politique  et  sociale,  doit  sa  corruption 
et  sa  decadence."  Gelinde  hört  sich  daneben  der  Schieds- 
spruch an,  der  über  Heine  gefällt  wird:  „Heine,  malgre  son 
grand  genie  poetique,  malgre  son  esprit  acere  et  brillant,  n'a 
pas  exerce  une  influence  salutaire  sur  son  pays. "  —  Wie  sich 
der  alte  Elsässer  Deutschland  gegenüber  verhält,  mag  folgende 
hübsche  Prosa  illustrieren:  „D'oü  vient  que  l'Allemagne  n'est 
plus  qu'une  sale  caserne,  n'ayant  plus  ni  ideal,  ni  genie,  ni 
talent,  ni  poesie,  ni  musique  —  car  Wagner  est  ä  la  musique 
ce  que  Bismarck  est  ä  la  civilisation :  un  fleau  (!)  —  apres 
avoir  produit  des  poetes  comme  Goethe  et  Heine?"  (Pag.  10.)') 
Das  Interessanteste,  das  uns  diese  Erinnerungsblätter 
bringen,  ist  der  Bericht  über  eine  Zusammenkunft  von  Heine, 
Sue,  Balzac  und  Weill  selbst.  —  Sue  und  Balzac  hatten  sich 
vor   dem   hier  beschriebenen   Dejeuner,   über   das  Weill  ä  la 


^)  Wir  dürfen  wohl  annehmen,  dass  eine  der  besten  süddeutschen  Zei- 
tungen, die  „Strassburger  Post",  solche  und  ähnliche  Stellen  Weillscher  Prosa 
ignorierte,  als  sie  (18.  Dezember  1892)  einen  mehr  als  schmeichelhaften  Artikel 
über  diesen  Litteraten  brachte.  —  Wir  verweisen  hier  noch  auf  folgende,  bei 
J.  Schabelitz  in  Zürich  erschienenen  Schriften  A.  Weills :  „Briefe  hervor- 
ragender verstorbener  Männer  Deutschlands"  (1889),  in  denen  manches  Wissens- 
werte durch  litterarische  und  andere  Klatschereien  erdrückt  wird.  Dabei  ist 
der  Ton,  den  Weill  anschlägt,  allzu  oft  unanständig  und  eines  Litteraten  un- 
würdig. Dies  gilt  besonders  von  der  geradezu  unflätigen  Einleitung  seiner 
„Skizzenreirae  meiner  Jugendliebe"  (1887).  Weill  bemerkt  dort,  dass  er  vom 
deutschen  Publikum  nicht  einmal  Erwähnung  erwarte.  Er  hatte  Recht  —  weit 
mehr  aber  das  deutsche  Publikum. 


Franzosische  Memoiren  über  H.  Heine.  125 

Goncourt  —  nur  mit  mehr  Breite  und  weniger  Geist  reportiert, 
noch  nicht  gekannt.  Drei  Stunden  lang  währte  dasselbe  — 
„toutes  les  pensees  remarquables  de  la  discussion,  voltigeant, 
durant  trois  heures,  comme  une  navette  ä  travers  la  France 
de  Republique,  de  Monarchie,  de  Socialisme,  de  Pourierisme 
et  de  Communisme".  —  Also  von  allem  andern  war  die  Rede, 
nur  nicht  von  dem,  was  am  nächsten  lag,  von  der  Litteratur. 
Zuweilen  kommt  es  zu  einem  Geistesfeuerwerk.  So  antwortet 
z.  B.  Balzac  Eug.  Sue,  der  sagt:  „Nul  ne  doit  avoir  le  superflu 
quand  tous  n'ont  pas  le  necessaire!"  —  Autant  dire:  „Nul  ne 
doit  avoir  de  l'esprit  quand  tant  d'hommes  n'ont  pas  le  sens 
commun!"  Worauf  Heine,  der  stets  das  letzte  Wort  behält 
und,  in  die  Enge  getrieben,  mit  einem  Witz  von  einem  Thema 
zum  andern  springt:  „C'est  la  premiere  fois  que  mon  ami 
Balzac  allie  l'esprit  avec  le  superflu.  D'ordinaire,  on  n'a  de 
l'esprit  que  pour  trouver  des  raisons  de  pouvoir  se  passer  et 
du  superflu  et  du  necessaire  ..."  Und  nun  noch  eine  Stelle, 
die  stark  an  die  —  Zote  streift:  ,,La  beaute,  reprit  Balzac 
souriant,  est  un  superflu.  Une  femme  jeune,  bien  portante, 
füt-elle  laide,  pourvu  qu'elle  ait  le  necessaire,  suffit  pour  l'a- 
mour  ..."  Die  Portsetzung  ist  noch  gesalzener.  Heine  prä- 
sentiert dann  einen  launigen  Moralspruch,  den  er  irgendwo 
herholt,  nur  nicht  aus  seiner  eigenen  Praxis:  „Entre  nous, 
toute  femme  doit  avoir  le  droit  au  mari.  Je  ne  congois  pas 
que  l'on  exige  de  la  femme  la  fidelite  plutöt  que  de  l'homme. 
Nous  ne  perdons  rien  de  Tinfidelite  de  la  femme.  Dieu  l'a 
mise  —  c'est  Voltaire  qui  l'a  dit  —  ä  notre  disposition  ä  toute 
heure,  tandis  qu'elle  perd  reellement  quelque  chose  par  chaque 
infidelite  de  son  mari  ..."  etc.  Kösthch  ist  der  Schluss  dieser 
Sitzung.  Die  Freiheit  war  auf  der  Tagesordnung.  Balzac 
hatte  eine  Tirade  mit  den  Worten  beendet:  „La  liberte  ab- 
solue  ne  fut  ni  ne  sera  Jamals  que  l'anarchie  absolue"  —  wo- 
rauf sich  Sue  an  Heine  wendet:  „Mais  quel  est  donc  l'avis 
de  notre  ami  Heine?"    Und  dieser:  „—  En  ma  qualite  d'Alle- 


126  H.  Heine  im  Lichte  der  französischen  Kritik. 

mand,  j'en  ai  plusieurs.  Mais,  pour  les  r^sumer,  voici  mon 
opinion.  Je  vous  avertis  qiie  je  remonterai  au  deluge.  Faut-il 
remonter?"  —  Mit  schlagfertiger  Höflichkeit  erwidert  ihm 
Balzac:  ,,Remontez,  cela  vous  sera  facile:  vous  n'aurez  qu'ä 
vous  lancer  sur  Pegase."  Und  nun  sprüht  Heines  Rede 
von  geistreichen  Paradoxen,  die  der  Dichter  halb  ernst  halb 
scherzend  mit  den  Worten  beschliesst  —  Weill  gibt  sie  in 
gesperrtem  Druck  wieder  — :  „II  faut  donc  ou  une  Republique 
gouvernee  par  des  monarchistes  ou  la  Monarchie  gouvernee 
par  des  republicains  .  .  .  Nous  proclamerons  la  republique. 
Balzac  en  sera  le  president,  Sue,  le  secretaire  general,  Moi, 
je  mettrai  votre  gloire  en  vers  allemands,  car  Jamals  les 
Frangais  ne  permettront  ä  un  romancier  d'avoir  du  genie 
politique.  Meyerbeer  les  mettra  en  musique,  et  le  petit  Weill, 
qui  a  une  voix  de  tenor,  les  chantera." 

Der  Einfachheit  halber  lassen  wir  hier  noch  weitere  ein- 
schlagende Arbeiten  Weills  folgen. 

In  der  Nummer  vom  17.  August  1878  der  „Revue  bleue" 
(damals  noch  „Revue  politique  et  litteraire")  veröffentlichte  er 
unter  dem  Titel:  „La  jeune  Allemagne  a  Paris  apres  1830" 
eine  Studie  über  Ludwig  Börne  und  Heinrich  Heine. ')  —  Das 
Wenige,  das  in  dieser  Schrift  von  Heine  gesagt  wird,  dient 
nur  dazu,  um  die  Gestalt  Börnes  desto  vorteilhafter  hervor- 
treten zu  lassen.  Während  der  prinzipientreue  Börne  als  fast 
obskurer  Anachoret  lebte,  nur  mit  wenigen  demokratischen 
Hitzköpfen  verkehrend,  führte  Heine  nach  Weill  ein  aus- 
schweifendes Leben  (pag.  153): 

Heine,  plus  jeune  que  Boerne  d'une  quinzaine  d'annees,  avide 
de  plaisirs,  affame  de  reputation,  buvant  ä  longs  et  larges  traits  dans 
la  coupe  de  toutes  les  voluptes  legitimes  et  illegitimes,  frequentait  la 
boheme   doree   de  la  litterature   romantique.    Theophile  Gautier,  Al- 


1)  Auszug  des  in  Aussicht  gestellten  Buches:  Ludovic  Boerne,  sa  vie, 
sa  mort,  son  monument,  ses  ecrits  frangais,  son  oraison  fun^bre  par  Raspail, 
prdface  de  Cormenin,  et  ses  Pensees,  traduites  de  lallemand. 


Franzosische  Memoiren  über  IL  Heine.  127 

phonse  Royer,  Gerard  de  Nerval,  tous  les  Champions,  tous  les  eman- 
cipateurs  de  la  chair  de  1830  etaient  ses  amis  et  souvent  ses  convives 
de  festins  orgiaques. 

Der  Autor  stellt  Heine  nicht  nur  als  Wüstling,  sondern 
auch  als  höchst  zweideutigen  politischen  Berichterstatter  hin 
(pag.  153): 

Heine,  grand  chasseur  de  popularite,  posait  ä  Paris  pour  un 
democrate  allemand,  tandis  qu'en  sa  qualite  de  correspondant  de  la 
„Gazette  d'Augsbourg",  il  avait  accepte  des  ministeres  Mole,  Guizot 
et  Thiers  une  Subvention  annuelle  de  six  mille  francs.  II  sut  si  bien 
menager  la  chevre  democratique  et  le  chou  monarchique,  voire  meme 
la  carotte  artistique,  que  pendant  des  annees  il  passa  pour  un  repu- 
blicain.  Boerne  seul  ne  fut  pas  sa  dupe.  II  n'avait  pourtant  pas  de 
preuves  probantes  pour  le  convaincre  de  dupKcite,  mais  il  les  flairait 
et,  Sans  les  influences  de  son  entourage  allemand,  il  l'eüt  attaque 
des  l'annee  1834.  Heine,  en  outre,  dans  tous  ses  ecrits,  reniant  le 
Juif,  s'affubla  d'un  manteau  grec.  II  divisa  les  grands  hommes  en 
esprits  juifs  et  en  esprits  grecs.  Les  Juifs,  pour  lui,  ne  furent  jamais 
que  des  spiritualistes ;  les  Grecs,  au  contraire,  ont  toujours  deifie  la 
matiere :  il  prechait  donc  l'atheisme. 

Wenn  schon  hierin  mancher  Widerspruch  mit  dem,  was 
Weill  später  in  seinen  Erinnerungen  sagen  wird,  liegt,  so  läuft 
die  Erklärung :  „  .  .  .  Au  fond,  Heine  a  toujours  ete  deiste  .  .  . 
il  est  mort  deiste,"  seinen  diesbezüghchen  Aussagen  in  den 
Memoiren  entgegen,  wo  es  heisst,  dass  Heine  als  gläubiger 
Jude  gestorben  sei. 

„II  n'avait  qu'ä  rester  fidele  ä  lui-meme  pour  exercer  une 
veritable  influence  sur  son  siecle,  influence  qui,  sauf  ses 
poesies  lyriques,  a  ete  nulle,  comme  tout  ce  qui  est  pose, 
comme  tout  ce  qui  est  masque!" 

Heine  eine  Maske !  —  er,  dem  man  nie  verziehen  hat,  dass 
er  die  anderer  zu  oft  und  zu  unsanft  heruntergerissen!  Von 
dem  Pamphlet  gegen  Börne  sprechend,  macht  Weill  Heine  den 
doppelten  Vorwurf,  Privatangelegenheiten  hineingezogen  und 
auf  den  Tod  gewartet  zu  haben  —  und  dies  mit  Recht.  Aber 
ihn  treffen  die  gleichen  Vorwürfe  ungleich  schwerer,  ihn,  der  auf 


128  H-  Heine  im  Lichte  der  franzosischen  Kritik. 


eine  fünfzehnjährige  Freundschaft  —  Boerne  und  Heine  waren 
nie  Freunde  —  mit  widerwärtigem  Alkovengeklatsch  antwortet. 

Im  Jahre  1886  gab  Weill  eine  Sammlung  seiner  besten 
Novellen  heraus,  unter  dem  Titel:  „Mes  Romans^^  Diese 
wirklich  erfreulichen  Elsässer  Geschichten  waren  schon  früher 
zerstreut,  teils  in  französischer,  teils  in  deutscher  Sprache  er- 
schienen. Was  uns  an  diesem  Buche  interessiert,  ist  eine 
Einleitung  von  Heine,  die  auf  dem  Titelblatte  in  fetten  Lettern 
angezeigt  wird.  Für  die  französischen  Leser  war  dieselbe 
nämlich  „de  l'inedit".  Weill  erzählt  uns  in  einer  Vorrede  die 
Geschichte  jener  Einleitung,  die  Heine  1847  für  eine  deutsche 
Ausgabe  von  vier  Novellen  seines  Freundes  bestimmt  hatte. 
Am  Vorabende  seiner  Hochzeit  (1847)  sei  Heine  auf  ihn  zu- 
getreten und  habe  gesagt:  —  „Weill,  je  vous  ai  fait  une 
preface  pour  vos  „Histoires  de  village"  et  l'ai  envoyee  ä  votre 
editeur,  ä  Stuttgart.  C'est  mon  cadeau  de  noces!"  —  Worauf 
Weill:  „C'est  un  cadeau  royal  que  vous  me  faites,  merci, 
mon  ami !  Je  la  lirai  imprimee."  —  Der  elsässische  Novellist 
hätte  sich  mit  dem  schmeichelhaften  Inhalte  der  Heineschen 
Einleitung  begnügen  dürfen,  ohne  sich  im  weiteren  noch  von 
andern  Weihrauch  streuen  zu  lassen. 

Die  Revolution  von  1848  brach  herein,  bevor  der  Band 
veröffentlicht  wurde,  für  den  das  „königliche  Geschenk"  be- 
stimmt war.  „Je  ne  pensai  pas  plus  ä  mes  premieres  histoires 
qu'ä  mes  premieres  chemises,'^  sagt  Weill.  Später  trat  der 
Bruch  zwischen  diesem  und  Heine  —  nach  fünfzehnjähriger 
Freundschaft  ein.  Weill  macht  Madame  Heine  dafür  verant- 
wortlich und  meint:  „.  .  .  eile  aurait  brouille  le  bon  Dieu 
avec  ses  saintsi"  —  (Die  Einzelheiten  sind  in  den  „Souvenirs 
intimes"  erzählt.)  Er  versichert  uns,  dass  er  die  Einleitung, 
die  er  jetzt  (1885)  übersetzt,  seit  jenen  Tagen  nicht  mehr 
gelesen  habe.  Seinem  Buche  fügt  er  sie  bei  —  „parce  que 
c'est  un  des  meilleurs  morceaux  (inedits)  du  grand  poete". 


Französische  Memoiren  über  H.  Heine.  129 


Edouard  Grenier 

(1819). 

Der  greise  französische  Lyriker,  der  seine  ^^Souvenirs 
litteraires''  in  der  „Revue  bleue"  (1892—1893)  veröffentlichte, 
spricht  in  der  Nummer  vom  27.  August  1892  von  Heine 
und  seinen  Erlebnissen  mit  dem  Dichter,  den  er  als  junger 
Student,  gerade  von  Deutschland  kommend,  im  Jahre  1838 
durch  einen  komischen  Zwischenfall  in  einem  Lesekabinett 
kennen  lernte.  Den  ersten  Eindruck,  den  das  Aeussere 
Heines  auf  ihn  gemacht,   beschreibt    er   wie  folgt  (pag.  267): 

C'etait  Uli  homme  frisant  la  quarantaine,  de  taille  moyenne, 
assez  replet,  sans  barbe,  avec  de  longs  cheveux  blonds,  le  front  haut, 
des  yeax  dignotants  a  denii  fermes,  surtout  quand  il  lisait;  sans 
vraie  distinction;  rien  qui  trahit  le  poete,  ou  l'artiste,  ou  memo 
rhonime  du  monde ;  un  bon  bourgeois  du  Nord,  avec  un  leger  accent 
tudesque. 

Grenier  verfolgt  mit  seinen  Aufzeichnungen  einen  ganz 
bestimmten  Zweck  —  er  selbst  sagt  es  wiederholt  — :  er  will 
jene  Heinelegende  zerstören,  die  erzählt,  dass  Heine  das  Fran- 
zösische ebenso  wie  das  Deutsche  beherrschte.  Wir  haben 
dieser  Frage  ein  besonderes  Kapitel  gewidmet,  in  dem  auch 
die  diesbezüglichen  Bemerkungen  Greniers  erwähnt  sind. 

Damit  begnügt  er  sich  indessen  nicht.  Gehässige  Streif- 
lichter fallen  auch  auf  Heines  Charakter,  auf  Mathilden ;  ja 
er  unternimmt  es  sogar,  mit  der  Fabel  von  Heines  Geist  (esprit) 
aufzuräumen.  Wir  sind  uns  daher  gleich  darüber  klar,  dass 
er  dem  Dichter  —  aus  irgend  einem  Grunde  —  übel  will, 
dass  er  sich  für  irgend  eine  kleine  oder  grössere  Bosheit,  von 
der  wir  natürlich  nichts  erfahren,  wir  möchten  fast  sagen  zu 
rächen  sucht.  ^)     Dabei  ist  ihm,   wir  geben  dies  zu,  auch  das 


1)  In  letzter  Stunde  fällt  uns  der  Band  „Letzte  Gedichte  und  Gedanken 
von  H.  Heine"  (aus  dem  Nachlasse  des  Dichters  zum  ersten  Male  veröflfentlicht, 
Bctz,  II(Mne  in  Frankreich.  ^ 


IgQ  H.  Heine  im  Lichte  der  fraiizosisclien  Kritik. 

Wesen  Heines  gründlich  unsympathisch.     Seine  Kritik  lautet 
daher  um  so  härter  und  schonungsloser. 

Ein  flüchtiger  Bhck  auf  das  poetische  Schaffen  dieses 
Schülers  von  Andre  Chenier  und  Lamartine  gibt  uns  den  litte- 
rarischen Schlüssel  zu  seinen  schroffen  Urteilen.  Er  ist  der 
Ueberlebende  einer  längst  vergessenen  Dichtergeneration.  In 
jeder  Zeile  offenbart  sich  uns  der  sentimentale  Gefühlsmensch 
von  tiefster  Rehgiosität.  Mit  welch  inniger,  zarter  Empfin- 
dungsweise erzählt  er  uns  z.  B.  in  denselben  Memoiren  von 
seinen  Erlebnissen  mit  einigen  berühmten  Frauen,  denen  er 
nahe  gestanden,  wie  naiv  und  zärtlich  duftig  berichtet  er  uns 


Hamburg  1869)  —  in  die  Hände,  in  dem  wir  ein  Gedicht  „An  Eduard  G." 
finden.  Da  Grenier  lange  Zeit  im  Orient  in  diplomatischen  Diensten  war,  seine 
Gedichte  wiederholt  von  der  Akademie  gekrönt  wurden,  und  da  besonders  die 
Charakteristik  des  Dichters  zutreflFend  ist,  stimmt  ja  alles,  und  es  kann  kein 
Zweifel  darüber  bestehen,  dass  diese  unschön  rohen  (einen  Vers  mussten  wir 
streichen),  die  innere  Erbostheit  Heines  verratenden  Schmähverse  an  den 
Autor  dieser  Memoiren  gerichtet  waren.  Das  Gedicht,  das  wir  hier  wieder- 
geben, ist  nicht  in  den  „Poesies  in^dites"  aufgenommen. 

„Du  hast  nun  Titel,  Aemter,  Würden,  Orden, 
Hast  Wappenschild  mit  panaschiertem  Helm, 
Du  bist  vielleicht  auch  Excellenz  gew^orden  — 
Für  mich  jedoch  bist  du  ein  armer  Schelm. 

Mir  imponieret  nicht  der  Seelenadel, 
Den  du  dir  anempfunden  sehr  geschickt, 
Obgleich  er  glänzt  wie  eine  Demantnadel, 
Die  des  Philisters  weisses  Brusthemd  schmückt. 

O  Gott!  ich  weiss,  in  deiner  goldbetressten 
Hofuniform,  gar  kümmerlich,  steckt  nur 
Ein  nackter  Mensch,  behaftet  mit  Gebresten, 
Ein  seufzend  Ding,  die  arme  Kreatur. 

Ich  weiss,  bedürftig  wie  die  andern  alle, 

.     .     .     .     deshalb  mit  dem  Gemeinplatzschwalle 
Von  Hochgefühlen  bleibe  mir  vom  Hals!" 


Französische  Memoiren  über  H.  Heine.  13I 


von  Goethes  Bettina,  die  er  in  Berlin  aufsuchte.  Einen  solchen 
Charakter  musste  die  Doppelnatur  Heines  unsympathisch  be- 
rühren. Wie  gesagt,  aus  Greniers  Dichten  ist  das  scharfe 
Vorgehen  gegen  die  Manen  Heines  leicht  erklärbar.  Das 
Uebelvvollen  aber  des  einstigen  Freundes  deuten  weder  Ver- 
schiedenheit der  Charaktere  noch  geschwätziges  Alter,  und 
daher  glauben  wir  nicht  zu  irren,  wenn  wir  annehmen,  dass 
Grenier  eine  ihm  von  Heine  widerfahrene  Kränkung  ge- 
flissentlich verschweigt. 

Einer  Karikatur  gleicht  das  Bild,  das  Grenier  von  Ma- 
thilden entwirft.  Aus  einem  Briefe,  den  er  im  Jahre  1839 
geschrieben,  greift  er  folgende  Stelle  heraus:  „Je  viens  de 
me  promener  aux  Champs-Elysees  avec  H.  Heine.  Le  grand 
homme  a  ete  assommant  et  sa  femme  bete  comme  une  oie." 
Dass  ein  zwanzigjähriger  Student  in  übler  Laune  auf  einen 
grillenhaften  Einfall  kommt  und  die  Unterhaltung  Heines 
tötlich  langweihg  nennt,  lässt  sich  ja  verstehen.  Er  selbst  führt 
das  Wort  Lafontaines  „cet  äge  est  sans  pitie"  als  Entschuldigung 
an.  Was  soll  man  aber  dazu  sagen,  w^enn  ein  Siebzigjähriger 
diese  Indiskretion  an  sich  selbst  vornimmt  und  eine  über- 
mütige Bemerkung  —  die  nicht  einmal  witzig  ist  —  seines 
eigenen  Briefes  zum  Besten  gibt?  —  Wir  selbst  wollen  kein 
Urteil    fällen   —  um  dem  Vorwurf  Lafontaines  zu  entgehen. 

Grenier  erzählt  weiter,  wie  Heine  ihn  in  seiner  Studenten- 
bude aufgesucht  habe  ^  nicht  etwa  um  seinetwillen  (Greniers), 
sondern  lediglich,  damit  er  ihm  bald  ein  Gedicht,  bald  einen 
Artikel  der  „Augsburger Zeitung"  übersetze.  Grenier  schwärmte 
damals  für  die  Prinzessin  Belgiojoso.  Als  Belohnung  ver- 
sprach ihm  deswegen  Heine,  ihn  der  Italienerin,  für  welche 
diese  Uebersetzungen  angeblich  bestimmt  waren,  vorzustellen. 
Der  Verfasser  fügt  hinzu,  er  habe  später  erfahren,  dass  jene 
Uebersetzungen  nicht  für  die  grossen  und  grausamen  Augen 
der  schönen  Frau  bestimmt  waren  —  die  Grenier,  nebenbei 
gesagt,  nie  zu  sehen  bekam!  — ,  sondern  für  die  Guizots,  der 


132  H.  Heine  im  Lichte  der  französischen  Kritik. 

Heine  dafür  6000  Fr.  auszahlte.  Die  Insinuation  ist  nicht 
nur  gehässig,  sondern  wahrscheinUch  auch  ungerechtfertigt. 
Einmal  ist  es  gar  nicht  unmöglich,  dass  Heine  die  Ueber- 
setzungen  zunächst  für  die  Prinzessin  bestimmte,  in  die  er 
stark  verliebt  war  und  die  kein  Wort  Deutsch  verstand.  Dann 
aber  dienten  sie  ihm  einfach  für  seine  französischen  Publi- 
kationen. Grenier  selbst  gibt  auf  der  nächsten  Seite  an,  sie 
seien  für  sein  Buch  „Lutece"  verwendet  worden. 

Der  Autor  transponiert  dann  den  bekannten  Vorwurf: 
Talent,  aber  kein  Charakter:  „II  ne  nie  paraissait  pas  assez 
serieux  sur  ce  chapitre  (der  rehgiösen  Fragen)  et  je  me  per- 
mettais  de  le  lui  reprocher.  De  plus,  ä  tort  ou  ä  raison,  son 
caractere,  son  röle  politique,  ses  opinions  flottantes,  ne  m'in- 
spiraient  pas  le  respect  que  je  ressentais  pour  son  talent." 
Den  Dichter  der  deutschen  Lieder  wusste  er  als  Kenner  der 
deutschen  Sprache  sehr  wohl  zu  schätzen,  ebenso  wenig  war 
ihm  der  Glanz  seines  Namens  unbekannt.  Der  Zwanzigjäh- 
rige, der  mit  Heinrich  Heine  verkehren  durfte,  konnte  sich  als 
hinlänglich  für  seine  kleinen  Dienste  belohnt  betrachten,  —  die 
heute  der  Siebzigjährige  vermeint  umsonst  geleistet  zu  haben. 

Auch  an  Ungenauigkeiten  fehlt  es  nicht  in  den  Memoiren.  ^) 
So  soll  Heine  damals  —  1839  —  noch  kein  berühmter  Mann 
gewesen  sein ;  in  Frankreich  habe  ihn  nur  eine  kleine  Schar  ge- 
kannt, da  u.  a.  sein  Buch  „De  l'Allemagne"  noch  nicht  be- 
endet gewesen.  Dies  war  aber  schon  1834  bei  Renduel  erschienen. 

Zuweilen  perorierte  der  junge  Grenier  eifrig  mit  Heine 
über  die  politische  und  sociale  Gährung  in  Deutschland,  wo 
bloss  der  zündende  Funke  fehle: 


1)  Legras  fertigt  mit  Recht  den  französischen  Dichter  mit  den  Worten  ab : 
„Der  französische  Schriftsteller,  der  von  den  Ergebnissen  der  Heineforschung 
nicht  die  geringste  Kenntnis  besitzt,  hat  von  dem  Leben  Heines  sehr  wenig 
gesehen,  sich  aber  eingebildet,  bei  seinem  berühmten  Freund  eine  beträchtliche 
Rolle  gespielt  zu  haben."  etc  ...  (Heinrich  Heine  in  Paris,  „Deutsche  Rund- 
schau", Heft  10,   1894,  pag.  87.) 


Französische  Memoiren  über  H.  Heine.  133 


„Oh!  si  j'etais  vous!  lui  disais-je.  Vous  avez  le  levier  en  main 
et  vous  ne  savez  pas  soulever  ce  monde !"  Heine  m'ecoutait.  Ce 
langage  le  flattait  et  l'irritait  ä  la  fois;  car  il  eüt,  certes,  aime  jouer 
ce  role.  Mais  il  sentait,  comme  moi,  qu'il  n'avait  ni  le  caractere,  ni 
la  force  d'esprit  necessaires.  Les  sceptiques  et  les  railleurs  ne  sont 
pas  des  chefs  de  peuples,  ni  des  initiateurs;  ils  ne  sont  pas  meme 
des  revolutionnaires.  La  foi  seule  transporte  les  montagnes.  (Pag.  270.) 

Grenier  erzählt  dann,  ausser  von  einigen  zum  Teil  neuen 
Anekdoten,  auch  von  dem  Duell  Heines,  bei  dem  ein  Freund 
des  Verfassers  sekundierte :  „Comme  il  avait  plu  et  qu'il  y 
avait  de  la  boue  sur  le  terrahi,  H.  Heine  dit  plaisamment: 
„Le  chemin  de  l'honneur  est  bien  sale." —  On  echangea  deux 
balles,  et  Ton  en  resta  la.  Pourquoi  n'en  a-t-il  pas  ete  de 
meme  avec  Pouschkine,  helas!"^) 

In  einem  spätem  Abschnitte  werden  wir  darauf  zu  sprechen 
kommen,  wie  schwierig  Grenier  das  Uebersetzen  gemacht  wurde. 
Wir  erwähnen  hier  nur,  wie  dieser  die  Starrköpfigkeit  Heines, 
der   gewisse  Germanismen  seiner  eigenen  Uebersetzung  nicht 


^)  Diese  Reflexion  verführt  uns  zu  einer  kleinen  Abschweifung.  Die 
„Revue  bleue"  veröffentlichte  am  21.  Oktober  1893  zeitgemäss  —  es  wurden 
gerade  die  Russen  in  Paris  gefeiert  —  Fragmente  aus  den  Memoiren  der 
Madame  Srairnoff  (nee  de  Rosset,  1810 — 1882),  die  ungefähr  zur  selben  Zeit 
in  der  Petersburger  Revue  „Messager  du  Nord"  herausgegeben  wurden.  Wir 
citieren  hier  eine  Stelle  aus  dem  dialogisch  gehaltenen  Abschnitte  „Les  opi- 
nions  de  Pouschkine  sur  la  litterature  fran^aise"  (!),  wo  der  russische  Dichtei 
von  Heine  spricht  : 

Pouschkine:  A  propos,  Joukowski,  je  suis  enchante  de  Heine,  de  sa  prose 
et  de  ses  vers  egalement.   Sa  prose  allemande  se  lit  si  facilement,  c'est  un  Grec. 

Poletika :  Moderne  ? 

Pouschkine  :  Ce  n'est  pas  un  Palikare  ou  un  Heteriste,  c'est  un  Athenien. 
II  ade  la  „Wehmuth"  allemande,  et  ceci  a  manque  aux  Grecs  et  k  Chetiier; 
mais,  comme  forme,  Heine  est  un  Helline.  II  est  juif,  et  il  a  des  sentiments 
de  chretien  souvent. 

Wiasemsky  :   On  dit  qu'il  ne  croit  k  rien. 

Pouschkine :  II  ne  croit  pas  k  Luther,  ni  au  pape ;  mais  il  croit  k 
Jehovah,  et  il  adore  Jupiter,  Venus,  ApoUon  et  le  grand  Pan. 

Joukowsky  :  Heine  n'est  pas  un  chretien,  mais  il  a  compris  la  beaute 
morale  du  christiauisme. 


134  H.  Heine  im  Lichte  der  französischen  Kritik. 


aufgeben  wollte  —  „incongruites  et  audaces  germaniqiies"  — 
auslegte :  ,,.  •  •  ü  avait  peut-etre  raison.  II  montrait  ainsi  ou 
laissait  deviner  son  origine  etrangere ;  c'etait  une  coquetterie 
de  plus  et  la  meilleure  maniere  d'accrediter  la  legende  qu'il 
etait  son  propre  traducteur !'' 

Im  Jahre  1847  wurde  Grenier  mit  einer  Mission  in  Deutsch- 
land betraut.  Heine  gab  ihm  zahlreiche  Empfehlungen  nach 
Hamburg,  Berlin,  Leipzig  und  Wien  mit  —  immerhin  eine 
kleine  Entschädigung  für  Greniers  Uebersetzerdienste.  —  Erst 
anfangs  der  fünfziger  Jahre  kehrte  er  bleibend  nach  Paris 
zurück.     Heine  war  schon  ans  Krankenlager  gebannt: 

Je  le  retrouvai  aussi  mordant,  aussi  sarcastique,  aussi  vivant 
par  l'esprit  qu'auparavant.  La  souifrance  ne  l'avait  pas  abattu  et 
encorc  moins  attendri  sur  lui-meme  ou  sur  les  autres.  II  supporta 
jusqu'ä  la  fin  son  martyre  avec  une  vaillance  admirable,  sans  pose, 
Sans  phrase  et  sans  faiblesse,  et  cet  Iiomme,  qui  avait  si  peu  de 
caractere  dans  la  vie,  sut  en  avoir  devant  la  mort.  (Pag.  271.) 

Der  verbitterte  Dichter  sollte  sich  schliesslich  auch  den 
einstigen  „teinturier^^  entfremden.  Saumseligkeit  Greniers  bei 
der  Uebertragung  des  „Livre  des  chants"  und  der  „Nouvelles 
poesies"  zogen  ihm  von  dem  Kranken,  wie  es  scheint,  einige 
verletzende  Worte  zu.  Wir  zweifeln  nicht  daran,  dass  die- 
selben ebenso  verletzend  wie  scharf  treffend  gewesen  sind. 
Wir  fragen  auch  nicht,  ob  dem  grossen  kranken  Dichter  von 
selten  Greniers  Nachsicht  gebührte.  —  Dieser  sah  den 
sterbenden  Poeten  nicht  mehr.  Suchen  wir  in  den  Schluss- 
worten Greniers  nach  keinem  warmen  Worte.  So  gross  der 
Unterschied  der  dichterischen  Bedeutung,  so  tief  ist  auch  der 
Abgrund,    der    die    beiden    Poeten    psychisch  trennt. 

Teiles  furent  nies  relations  avec  ce  poete  de  premier  ordre, 
etrange  figure  composee  de  tant  de  traits  divers  et  opposes.  Tous 
les  contrastes,  en  eifet,  se  trouvaient  reunis  dans  Fhomme,  comme 
dans  le  poete :  hero'ique  contre  la  douleur  physique,  faible  et  irritable 
comme  un  enfant  devant  la  moindre  critique  litteraire,  ironique  et 


Französische  Memoiren  über  H.  Heine.  135 

moqueur  envers  ses  enneniis,  ses  amis  et  lui-meme,  amoureux  de  la 
reine  de  Saba  et  passionnement  epris  d'une  grisette  parisienne;  — 
ne  croyant  ä  rien  et  partant  en  guerre  contre  les  institutions  et  les 
idoles,  n'epargnant  personne  et  voulant  etre  epargne;  vindicatif  et 
amer  avec  des  retours  de  bonhomie ;  riant  du  mal  fait  par  lui  conime 
s'il  etait  mechant;  sacrifiant  tout  ä  un  bon  mot;  s'elevant  ä  la  plus 
haute  poesie  et  descendant  aux  plaisanteries  les  plus  vulgaires ;  esprit 
d' Ariel  dans  un  corps  de  PhiHstin;  enfin,  comme  il  disait  de  lui-meme, 
„choucroute  arrosee  d'ambroisie". 

Wie  sehr  Heine  dem  Dichter  des  „La  mort  de  Lincoln" 
unsympathisch  sein  musste,  belehren  uns  zwei  weitere  Stellen 
aus  denselben  Memoiren  (13.  Mai):  „Le  paradoxe  ne  m'a 
jamais  plu,  —  surtout  ecrit ;  —  c'est  un  procede  d'esprit  trop 
facile.  Passe  encore  dans  la  conversation,  oü  il  reveille  les 
idees,  en  appelant  la  contradiction.  II  fait  alors  l'office  du 
brochet  dans  les  etangs.  Encore  ne  faut-il  pas  en  abuser; 
laissons-le  aux  gens  d'esprit  secondaire  qui  n'ont  que  ce 
moyen  de  briller,  ou  aux  virtuoses  de  la  causerie  en  humeur 
de  tirer  leur  feu  d'artifice  ..."  Und  auf  den  Witz  Heines 
anspielend:  „Les  grandes  flammes  souvent  ne  donnent  pas 
d'etincelles ;  Tesprit  de  societe  n'est  que  la  petite  monnaie 
de  l'intelligence,  et  les  millionnaires  peuvent  se  passer  de 
billon,"!) 


*)  Wir  bemerken  noch,  dass  der  Abschnitt  der  Memoiren  Greniers,  in 
dem  von  Heine  die  Rede  ist,  im  „Magazin  für  Litteratur"  (26.  November  1892) 
übersetzt  wurde. 


136  H.  Heine  im  Lichte  der  französischen  Kritik. 


Viertes  Kapitel 

Gelegentliche  Urteile  und  Aeusserungen 
über  Heine 


George  Sand 

(1804—1876). 

In  den  sieben  Bänden  ihrer  Korrespondenz  befindet  sich 
kein  einziger  Brief  von  Heine,  mit  dem  sie  doch  in  brief- 
Hchem  Verkehr  stand,  und  zwar  ungefähr  seit  1836.  Dagegen 
fand  sich  in  Laubes  Nachlass  ^)  folgendes  an  Heine  adressiertes 
Billet: 

G.  S. 

eher   Cousin,   vous    m'avez    proniis    la   tratluction    de    quelques 

lignes  de  vous  sur  Potzdam  ou  sur  Sanssouci.  Voici  le  monient  ou 

j'en   ai   besoin.    Permettez-moi    de    les    citer   textuellement   en  vous 

nommant;  c'est  par  cette  citation  que  je  veux  comniencer  hi  seconde 

Serie   des   aventures   de   Consuelo,  laquelle  vient   d'arriver  ä  la  cour 

de  Frederic.   Depechez-vous  donc  et  venez  ine  voir,  car  je  pars  dans 

quelques  jours. 

Votre  Cousine 

Monsieur  Henry  Heine,  G.  S. 

Rue  du  Faubourg-  Poissonniere,  46. 

Der  Herausgeber  liefert  hierzu  den  scharfsinnigen  Kom- 
mentar „ä  la  Homais",  es  müsse  dieser  G.  S.  unterzeichnete 
Brief,  weil  darin  „Consuelo"  erwähnt  ist,  zweifellos  von  George 


^)  Vergl.  Briefe  von  Henri  Heine  an  H.  Laube,  herausgegeben  von  Eugen 
Wolff,  Breslau  1893,  pag.  60. 


Gelegentliche  Urteile  und  Aeusserungen  über  Heine.  137 


Sand  herrühren.  Von  der  Anrede  „Gher  cousin"  sagt  Herr 
Wolff,  sie  sei  als  technischer  Ausdruck  der  Boheme  zu  nehmen. 
Erstens  ist  uns  dieser  Boheme-Titel  nicht  bekannt,  und  zweitens 
gehörte  Madame  Dudevant  nie  der  eigentlichen  Boheme  an. 
Die  Anrede  hat  vielmehr  Heine  selbst  eingeführt.  Diese  An- 
nahme bestätigt  folgende  Dedikation  des  Dichters,  die  wir 
im  „Livre  moderne"  —  Une  poignee  d'orthographes  —  (1890, 
Nro.  4)  finden.  Dieser  übersendet  nämlich  der  Schriftstellerin 
seine  „Reisebilder"  mit  der  Widmung:  „A  ma  jolie  et  grande 
Cousine  G.  S.,  comme  temoignage  d'admiration.  Henri  Heine." 
Leider  sind  die  Briefe,  die  George  Sand  an  Grenier  ge- 
schrieben und  in  denen  sicherhch  oft  von  Heine  die  Rede 
war,  durch  Brand  während  der  Gommune  vernichtet  worden. 
An  Liszt  schreibt  sie  am  18.  August  1836  u.  a. :  „On  dit  que 
notre  cousin  Heine  s'est  petrifie  en  contemplation  aux  pieds 
de  la  princesse  Belgiojoso."  Und  an  denselben  von  La  Ghätre 
aus,  am  5.  Mai  1836:  „.  .  .  j'ai  ete  ä  Paris  passer  un  mois,  j'y 
ai  vu  tous  nos  amis  .  .  .  Henri  Heine,  qui  tombe  dans  la 
monomanie  du  calembour  ..."  —  Aber  ungleich  respekts- 
widriger und  geradezu  irreführend  lautet  eine  Stelle  aus 
einem  Briefe  Heines  an  Laube  (12.  Oktober  1850):  „George 
Sand,  das  Luder,  hat  sich  seit  meiner  Krankheit  nicht  um 
mich  bekümmert ;  die  Emancipierte  der  Weiber  oder  vielmehr 
diese  Emancimatrice  hat  meinen  armen  Freund  Ghopin  in 
einem  abscheuhchen,  aber  göttlich  geschriebenen  Roman  aufs 
empörendste  maltraitiert."  ^)  Wir  haben  hier,  beiläufig  gesagt, 
ein  hübsches  Beispiel  der  modernen  geschmacklosen  und  in- 
diskreten Briefplünderungsmanier.  Was  ein  Schwerkranker  in 
einer  bittern  Stunde  in  vertraut  burschikoser  Weise  einem 
Freunde  privatim  mitteilt,  wird  schonungslos  an  die  Oeffent- 


^)  Gegen  das  offene  Geheimnis,  dass  in  dem  Prince  Karol  der  „Lucrezia 
Florian!"  Chopin  porträtiert  ist,  protestiert  die  Dichterin.  (Histoire  de  ma 
vie,  IV,  467.) 


138  H.  Heine  im  Lichte  der  französischen  Kritik. 

lichkeit  gezerrt.  Was  der  erste  Beste  als  Gemeinheit  zu  be- 
trachten das  Recht  hat,  gilt  für  grosse  Tote  —  unter  dem 
Deckmantel  der  Wissenschaft  —  als  etwas  ganz  Selbstver- 
ständliches. 


J.-P.  de  Beranger 

(1780—1857). 

Es  unterliegt  keinem  Zweifel,  dass  Beranger  geringer  von 
Heine  dachte,  als  dieser  von  ihm.  Moritz  Hartmann,  ^)  den 
Venedey  im  Jahre  1846  bei  dem  Volksdichter  einführte,  er- 
zählt, dass  dieser  mit  ihm  über  Uhland,  Preiligrath,  Hoffmann 
V.  Pallersleben  u.  a.  gesprochen  habe.  An  Heine  hätte  er 
vieles  getadelt.  Der  Dichter,  der  hinter  dem  heitersten  Couplet 
einen  ernsten  Gedanken  verbarg,  meint  Hartmann,  konnte 
den  Dichter  nicht  aufrichtig  lieben,  der  hinter  dem  ernst- 
haftesten Wort  eine  Grimasse  versteckte.  Das  khngt  geist- 
reich, ist  aber  litterarisch  falsch.  Hartmann  dürfte  sich  ver- 
gebens bemühen,  hinter  jedem  Couplet  des  Autors  von  „Jacques 
Bonhome"  einen  ernsten  Gedanken  zu  entdecken  —  immerhin 
öfter  als  eine  Grimasse  im  „Buche  der  Lieder".  Sicher  ist 
allerdings,  dass  sich  Beranger  ungleich  mehr  zu  Uhland  hin- 
gezogen fühlte. 

Der  biographischen  Skizze  über  Heine  in  der  „Nouvelle 
Biographie  generale".  Firmin  Didot,  1861,  von  Germain  Malurer, 
fügt  der  Herausgeber  dieses  Lexikons,  der  geborene  deutsche 
Lexikograph  Dr.  Hoefer,  folgendes  aus  seinen  persönlichen 
Erinnerungen  bei: 

Bien  longtemps  avant  cette  cruelle  maladie  qui,  commencee 
par  une  paralysie  de  la  paupiere  de  l'oeil  gauche,  avait  fini  par  de- 
terminer   une   paralysie    avec   contracture   et   atrophie   des  jambes, 


')  Vergl.  Nachtrag    in    Professor  Breitingers    Broschüre,    und    Berangers 
Werke,  deutsch  durch  Ludwig  Seeger,  1859,  II,  406. 


Gelegentliche  Urteile  und  Aeusserungen  über  Heine.  139 


j'avais  souvent  entendu  H.  Heine  se  plaindre  du  triste  sort  des 
liomnies  de  lettres,  „reduits  ä  tourmenter  perpetuellement  leur  ima- 
gination  pour  en  tirer  de  quoi  aniuser  le  public".  Quelques  niois 
avant  sa  mort,  il  rcQut  la  visite  de  Beranger :  ce  fut  sur  mes  vives 
instances  que  Fillustre  chanspnnier  s'y  etait  decide.  „Les  gens  de 
lettres,  me  disait-il  cliemin  faisant,  ont  tant  de  vanite."  —  „Mais  il 
s'agit,  lui  repondis-je,  de  consoler  celui  qui  souifre."  —  Malheureuse- 
ment  ce  que  Beranger  craignait  ne  se  realisa  que  trop :  le  lendemain, 
des  journalistes  amis  de  Heine  parlerent  de  cette  visite  comme  d'un 
liommage  rendu  par  le  grand  poete  frangais  au  premier  poete  d'Alle- 
magne.  (Note  du  directeur.) 

Eine  andere  Anekdote  berichtet  Audebrand  in  seiner  Rede 
bei  der  Einweihung  der  Statue  Berangers  („Livre",  1885,  pag. 
431): 

Un  jour,  dans  un  cafe  de  gens  de  lettres,  un  faiseur  de  cantates, 
paye  par  la  cassette  de  Napoleon  III,  se  mit  ä  dire  tout  haut:  „Ce 
n'est  pas  un  poete."  Le  lendemain,  le  propos  etait  rapporte  ä  Henri 
Heine  qui,  en  ce  moment,  s'eteignait  sur  son  lit  de  douleur.  Si  ac- 
cable  de  soufFrance  qu'il  put  etre,  l'auteur  des  „Reisebilder"  se  dressa 
sur  son  seant,  et,  apres  une  alerte  epigramme  ä  l'adresse  du  blas- 
phemateur,  que  je  n'ai  pas  besoin  de  reproduire  ici,  il  s'ecria:  „Pas 
un  poete,  Beranger!  Eh  mon  petit  monsieur,  c'est  la  lyre  la  plus 
sonore  des  temps  modernes !"  ^) 


^^Uesprit  des  Allemands.'-^ 
Morel   et  Ed.   Gcerimont. 

Paris,  Collection  Hetzel,  1860. 

In  der  Einleitung  wird  in  seltsamer  Weise  über  den  Ein- 
fluss  des  deutschen  Geistes  gesprochen  und  das  berühmte  Wort 
des  Pere  Bouhours  widerlegt.  Die  Verfasser  wollen  in  diesem 
Buche   eine  Gedankenlese   im  deutschen  Dichterhaine  halten. 


0    Als    eine    Lücke   ist   es   zu   bezeichnen,    wenn   Heine    in  dem   Buche 
„Beranger,  ses  amis,  ses  ennemis",  1864,  von  A.  Arnould  nicht  erwähnt  ist. 


140  H.  Heine  im  Lichte  der  französischen  Kritik. 


„En  tout  cas,  les  pensees  qui  vont  suivre  sont  ordinairement 
assez  belies  pour  que  des  Prangais  ne  refusent  pas  de  les  me- 
diter:  la  beaute,  le  genie,  la  sublimite  morale,  en  s'adressant 
aux  facultes  superieures  de  rhomme,  le  desabusent  des  petits 
prejuges,  le  sauvent  des  niaises  antipathies,  des  miseres  d'une 
rivalite  sterile.  La  France  et  TAllemagne  ne  tarderaient  guere 
ä  s'aimer  pleinement  s'il  surgissait  quelques  hommes  doues  d'un 
talent  pour  ainsi  dire  international  et,  comnie  plusieurs  dont 
nous  avons  recueilli  des  pensees,  capables  d'interpreter  avec 
une  egale  perfection  l'esprit  frangais  ä  TAllemagne,  l'esprit 
allemand  ä  la  France." 

Wir  geben  diese  Stelle  lediglich  als  Kuriosität  wieder. 
Solche  Worte  sind  selten  —  und  werden  immer  seltener  — 
von  beiden  Seiten  mögen  sie  heute  als  Utopien  eines  in  den 
Wolken  wohnenden  Idealisten  —  oder  eines  Socialisten  be- 
lächelt werden.  —  Heines  Name  kehrt  in  dieser  Anthologie 
in  erhabenster  Gesellschaft  wieder,  und  würde  man  die  hier 
von  ihm  citierten  Moralsprüche  und  Sentenzen  zusammen- 
stellen und  unsern  Dichter  darnach  beurteilen,  so  bekäme  man 
von  dem  Autor  des  „Atta  Troll"  eine  ziemlich  verkehrte  Idee. 
Wir  lassen  hier  ein  Citatenbeispiel  aus  dem  Abschnitte 
„Morale''  (pag.  224)  folgen: 

Je  voudrais  que  nous  eussions  un  autre  mot  pour  designer  ce 
que  nous  appelons  maintenant  niorale;  autrement,  induits  en  erreur 
par  Fetymologie,  nous  pourrions  facilement  etre  portes  ä  regarder  la 
morale  comme  un  produit  des  mceurs.  Mais  la  veritable  morale  est 
independante  des  moeurs  d'un  peuple,  aussi  bien  que  du  dogme  et  de 
la  legislation.  Les  moeurs  sont  le  produit  du  climat  et  de  l'histoire, 
et  ce  sont  plutöt  ces  derniers  qui  agissent  sur  l'etabhssement  du 
dogme  et  de  la  loi.  C'est  pourquoi  il  y  a  des  moeurs  indiennes,  chi- 
noises,  chretiennes;  mais  il  n'y  a  qu'une  seule  morale,  la  morale 
humaine.  (H.  Heine.) 


Gelegentliche  Urteile  und  Aousserungon  über  Heine.  141 

Louis  Yeuillot 

(1813—1883). 

„Les  Odeiirs  de  Paris.''^ 
Paris  1866. 

In  dem  siebenten-  Kapitel  dieses  Monstrepamphletes,  das 
den  Titel  „Le  vrai  poete  parisien"  trägt,  spricht  der  gefürch- 
tete katholische  Journalist  von  unserem  Dichter.  Es  heisst 
dort  gleich  zu  Beginn,  dass  weder  Hugo  noch  Musset  eigent- 
liche nationale  Dichter  seien ;  seit  Voltaire  gäbe  es  überhaupt 
bloss  einen  echten  Pariser  Dichter  und  dieser  sei  nicht  einmal 
Beranger,  der  ausschliessHch  „faubourien"  bleibe,  sondern 
Heinrich  Heine  —  „Allemand  de  naissance,  Frangais  de  choix, 
juif  d'origine,  qui  se  fit  baptiser  protestant,  personne  n'a  su 
pourquoi,  redevint  juif  d'instinct,  se  crut  ou  se  pretendit  deiste 
et  au  fond  vecut,  ecrivit,  mourut  blasphemateur  et  athee  sans 
parvenir  jamais  ä  en  donner  aucune  raison". 

Den  Dichter  in  Heine  aber  hielt  Yeuillot  hoch  und  erklärt 
dies  mit  einer  Entschiedenheit,  die  wir  weder  bei  seinen  Urteilen 
über  Musset  noch  Hugo  finden.  „B  est  par  excellence  le  poete 
parisien,  et,  ce  qui  peut  etonner,  poete  lyrique  et  grand  poete." 
—  Uns  will  überhaupt  dünken  —  sagen  wir  es  gleich  heraus, 
mag  sich  Veuillot  auch  im  Grabe  umdrehen  — ,  dass  der  Autor 
der  „Odeurs  de  Paris"  im  Geheimen  mit  Heine  sympathisiert, 
ja  dass  sich  der  Pamphletist  an  Heines  Talent,  jenem,  das  wir 
bei  dem  Dichter  des  „Buches  der  Lieder"  zu  bedauern  pflegen, 
inspirierte.  Seine  verletzenden,  scharfen  Invektiven  erinnern 
an  den  unbarmherzigen  und  oft  geschmacklosen  Sarkasmus, 
dessen  Heine  fähig  war,  wenn  er  sich  vergass.  Nur  so  —  aus 
dieser  innern  Geistesverwandtschaft  —  können  wir  uns  die 
relative  Moderation  dieses  Artikels  erklären,  gemässigt,  wenn 
wir  damit  vergleichen,  was  Veuillot  an  Kot  und  Unflat  auf 
die  ersten  und  vornehmsten  Geister  seiner  Zeit  geworfen,  die 
seiner  Sache  lange  nicht  so  geschadet,  wie  gerade  Heine. 

Als    Erbfeind   seiner   Sache    vergleicht  Veuillot    in   einer 


142  H-  Heine  im  Lichte  der  französischen  Kritik. 


leidenschaftlichen  Tirade  Heine  mit  Voltaire  (pag.  232)  und 
nützt  eine  grauenerregende  Schilderung  seiner  Agonie  gebüh- 
rend aus  (pag.  239). 

Auf  acht  Seiten  endhch  polemisiert  Veuillot  gegen  Gautier, 
dessen  Heineskizze  (die  „Reisebilder"  einleitend)  er  zerzaust, 
so  dass  der  Name  Heine  fast  bloss  ein  Vorwand  zu  sein 
scheint,  sich  mit  dem  Freunde  des  Dichters  zu  raufen.  KöstHch 
ist  es,  wenn  es  Veuillot  unternimmt,  den  „po^te  impeccable" 
zu  persiflieren.  Er,  der  seine  grammatischen  Studien  an  Paul 
de  Kock  gemacht,  weder  College  noch  Lycee  besucht,  der 
später  nur  so  laut  schrie,  damit  seine  Unwissenheit  nicht  zum 
Vorschein  kam,  spottet  über  den  Stil  des  Autors  „der  M""^  de 
Maupin"  mit  pedantischer  Wortkritik.  Dabei  fällt  uns  zweierlei 
ein:  einmal  ein  Artikel  Edmond  Scherers,  in  dem  ein  be- 
denkliches Bild  von  Veuillots  Französisch  entworfen  ist,  und 
dann  —  eine  Fabel  von  Lafontaine! 


Edouard  Schure 

(1841). 

y,Histoire  du  Lied/ 

ou  La  chanson  populaire  en  Allemagne,  avec  wie  centaine  de  traductions 

en  vers  et  sept  melodies. 

Paris,  1868. 


Der  gelehrte  Elsässer  beschäftigt  sich  in  diesem  trefflichen 
Buche  ausführlich  mit  Heine,  zu  dem  er  hübsch,  wie  folgt, 
hinüberleitet : 

La  poesie  romantique  allemande  etait  dans  ses  plus  beaux  jours 
en  1825.  Une  foule  d'adorateurs  se  pressaient  autour  d'elle,  maint 
Chevalier  faisait  flotter  ses  couleurs  dans  l'arene  de  la  litterature  et 
de  la  critique,  les  rois  lui  souriaient  parce  qu'elle  les  encensait,  les 
diplomates  la  protegeaient  parce  qu'elle  faisait  oublier  au  peuple  ses 
pensees  de  liberte.   C'est   alors   qu'entra  en  lice  un  poete   etincelant 


Gelegentliche  Urteile  und  Aeusserungen  über  Heine.  143 

d'esprit  et  d'imagination,  qui  s'annonga   comme    son  plus  fougueux 
Chevalier.   Par  malheur,  il  s'aperQut  un  beau  jour  qu'il  rompait  les 
lances  pour  une  vieille    douairiere   dessechee,   au  lieu  de  conquerir 
les   Charmes   d'une  jeune   beaute   florissante.    Rouge  de  colere,  il  lui 
jeta  son  gant   ä  la  face    et   distribua   ä   tous    ses   Champions  de   si 
bonnes   estocades  que  la  plupart  ne   s'en  releyerent  plus  et  que  la 
bonne   dame   en  mourut  de   depit.    Cet   enfant  terrible,   c'est  Henri 
Heine. 
Die  bilderreiche  Skizze,  die  der  Verfasser  dann  von  Heines 
Leben  und  Dichten  entwirft,  ist  so  geistreich  und  poesievoll, 
dass  wir   gerne   einige   phantastische   Zuthaten   in   den   Kauf 
nehmen  (pag.  440 — 448).    Ausführlich  und  mit  psychologischer 
Schärfe  bespricht  er  Heines  innern  Zwiespalt.  Unter  den  Lyri- 
kern will  Schure  Heine   gleich   nach  Goethe  genannt  wissen. 


Edgar  Bourloton, 

Ex-engage  volontaire  de  1870  aux  Zouaves  de  la  Garde. 

j^L'Allemagne  contemporame.^^ 
Paris  1872. 

Der  Autor,  der  sich  marktschreierisch  seiner  erfüllten 
Bürgerpflicht  rühmt,  schreibt  im  bunten  Durcheinander  über 
Kunst,  Litteratur,  Sitten  und  Politik.  Ueber  den  Geist  des 
Buches  gibt  der  Titel  schon  genügend  Auskunft.  Was  er  uns 
von  Heine  zu  sagen  weiss  (pag.  89  ff.),  ist  das  Gehässigste, 
was  eine  französische  Feder  über  diesen  Dichter  geschrieben. 


Grand-Carteret. 

„La  Frmice  jugee  par  VAllemagne.^^  ^) 

Paris  1886. 

In   diesem   originellen,    wenn    auch    keineswegs    wissen- 
schaftlichen, so  doch  lehrreichen  Sammelwerke  spielt  natürlich 


1)   Das   angekündigte  Gegenstück  :    „L'Allemagne  jugee   par  la  France' 
ist  bis  jetzt  —  wohl  aus  guten  Gründen  —  noch  nicht  erschienen. 


144  H-  Heine  im  Lichte  der  französischen  Kritik. 


Heine  eine  grosse  Rolle.  Der  Kompilator  bedient  sich  seiner 
in  der  geschicktesten  Weise  —  pro  domo.  So  begegnet  er 
der  leider  typischen  deutschen  Redeweise  von  der  Verwor- 
fenheit und  Sittenverderbnis  des  modernen  Babel  oder  Sodom 
und  ähnlichen  historischen  Metaphern  mit  dem  witzigen  Aus- 
spruche Heines:  „II  est  difficile  de  ne  pas  etre  moral  ä  Stutt- 
gart; ä  Paris,  c'est  deja  plus  facile.  C'est  une  chose  parti- 
culiere  que  le  vice.  Chacun  peut  exercer  tout  seul  la  vertu, 
et  n'a  besoin  pour  cela  de  l'aide  de  personne;  mais,  pour  le 
vice,  il  laut  etre  deux."  Solche  und  ähnliche  Citationen  aus 
Heines  Werken,  von  denen  einige,  in  Frankreich  mehr  noch 
als  in  Deutschland,  zum  geflügelten  Worte  geworden  sind, 
finden  sich  in  diesem  Buche  zu  Dutzenden. 

„De  l'Allemagne"  widmet  Grand-Carteret  ein  ganzes  Ka- 
pitel (pag.  253  ff".),  nachdem  er  mit  hoher  Anerkennung  und 
grossem  Wohlwollen  von  Börne  gesprochen,  der  ihm  der 
sympathischere  von  beiden  zu  sein  scheint.  Auf  die  Vorrede 
zu  „Lutece"  anspielend,  in  der  Heine  mit  galanter  Ironie  seine 
Nationalität  als  Milderungsgrund  für  seine  scharfen  Urteile 
anführt,  bemerkt  Carteret :  „Et  quel  singulier  effet  produisent 
ces  douceurs,  ces  chatteries,  a  cöte  des  rudesses  sinceres  et 
parfois  naives  de  Boerne  dont  l'honnetete  ne  peut  admettre 
qu'on  caresse  en  France  cette  aristocratie  qu'on  a  repoussee 
en  Allmagne."  Und  in  einer  Anmerkung  lesen  wir  noch: 
„A  quoi  sert  l'esprit,  cependanti  Tandis  que  Boerne,  cet 
honnete  homme  qui  revait  une  republique  franco-germanique, 
serait,  sans  A.  Weill,  completement  oublie  de  notre  generation, 
chaque  joiir  on  ecrit  quelque  nouveau   volume   sar  Heine  ..." 

Carteret  kennt,  scheint  es,  bloss  den  witzigen  Journalisten 
und  Politiker  Heine ;  sonst  dürfte  er  nicht  darob  staunen,  dass 
der  Dichter  im  Gedächtnis  der  Franzosen  weiter  lebt,  während 
Börne  vergessen  ist. 


I 


Golegentlicho  urteile  und  Aeusserungen  über  Heine.  l45 

Edouard  DrumontO 

(1844). 

„La  France  juive.     Essai  d'histoire  contemporaine.^^ 

1886. 

Drumont  verschont  in  diesem  Buche,  dessen  kultur- 
historische Bedeutung  nicht  abzuleugnen  ist,  nicht  bloss  den 
Juden  Heine ,  sondern  benützt  auch  dessen  scharfen  Witz, 
der  ihm  antisemitische  Waffen  liefert  (so  z.  B.  im  Motto  und 
in  der  Einleitung).  Ja  er,  der  jeden  jüdischen  Landsmann, 
mag  er  Albert  Wolff  oder  Ludovic  Halevy  heissen,  mit  Kot 
beworfen,  bringt  es  über  sich,  Heine  als  Poeten  hochzuhalten 
und  ihm  wiederholt  etwas  Angenehmes  zu  sagen. ^)  So,  um 
nur  ein  Beispiel  anzuführen,  bei  Gelegenheit  des  jüdischen 
„Secho  dodi":  „Lire  ä  ce  sujet  le  petit  poeme  exquis,  ä  la 
fois  attendri  et  railleur,  que  H.  Heine  a  ecrit  ..."  und  es 
folgt  die  französische  Uebersetzung  der  Ballade  „Prinzessin 
Sabbat"  (Hebräische  Melodieen). 

Wir  können  dies  Buch  den  Gegnern  des  Heinedenkmals 
nur  empfehlen.  Wenn  sie  es  gelesen,  werden  sie  zweifelsohne 
selbst  die  Initiative  zur  Errichtung  eines  Monumentes  ergreifen, 
wenn  auch  nicht  für  Heine,  den  grossen  Dichter  Deutschlands, 
so  doch  für  Heine  —  den  ersten  Antisemiten! 


^)  Es  bedarf  einer  Entschuldigung,  bevor  wir  von  diesem  Buche  reden, 
das  der  ekelhaftesten  Skandalsucht  entsprungen,  aber  gerade  deswegen,  weil 
es  den  niedrigsten  Gelüsten  mundgerecht  geschrieben,  einen  Erfolg  in  Frank- 
reich errungen,  wie  selten  ein  Pamphlet  grossen  Stils.  Drumont  ist  ein  grobes, 
plumpes  und,  was  das  Schlimmste,  ein  käufliches  Talent  —  ein  Giboyer  vom 
Scheitel  bis  zur  Sohle,  eine  Art  Jacquot  (de  Mirecourt),  eine  gemeine  Auflage 
von  Louis  Veuillot  —  aber  er  ist  eben  ein  Talent,  ein  Pamphletist,  der  über 
alle  Mittel  dieses  Berufes :  leidenschaftliche  Sprache,  frechen  Mut,  zähe  Arbeits- 
kraft und  zündende  Schlagfertigkeit,  verfügt.  Was  aber  bei  Louis  Veuillot, 
ganz  abgesehen  von  der  besseren  Sache,  für  die  er  streitet,  mildernd  stimmt 
—  die  ehrliche  Ueberzeugung  — ,  so  kommt  diese  bei  Drumont  nicht  in  Be- 
tracht, der  seine  Feder  vor  seinem  Judenfeldzuge  —  semitischen  Organen  anbot. 

2)  Nur  einmal  wendet  er  sich  gegen  ihn  als  einen  politischen  Spion. 
(Pag.  236.) 

Hotz,  Heine  in  Frankreich.  10 


146  fr.  HoiiK^  im  Lichte  dov  französischen  Kritik. 


F.  Ä.  Iiiohtenberger  *) 

(1832). 

jjHistoire  des  idees  religieiises  en  Allemagne.^ 
Paris,  1888. 

Nachdem  uns  der  Autor  auseinandergesetzt,  warum  er  sich 
in  einem  solchen  Werke  so  eingehend  mit  der  lyrischen  Poesie 
in  Deutschland  beschäftige  (er  widmet  derselben  fünfzig  Seiten), 
kommt  er  u.  a.  auch  auf  Heine  zu  sprechen,  dessen  „Inter- 
mezzo" er,  wie  schon  andere  vor  ihm,  „cantique  des  cantiques 
de  l'amour  profane"  nennt.  (Pag.  381.)  In  seinen  kritischen 
Betrachtungen  werden  wir  natürlich  oft  an  die  Tendenz  des 
Buches  und  den  Beruf  des  „doyen  de  la  faculte  de  theologie 
de  Paris"  erinnert.  „Chez  Heine,  la  facilite  a  degenere  en 
frivohte,  la  plaisanterie  a  detruit  le  respect.  Son  rire  a  quelque 
chose  d'amer,  de  cynique,  de  mechant.  Ce  n'est  pas  la  rail- 
lerie  etincelante  de  Voltaire,  s'attaquant  aux  prejuges  et  aux 
superstitions  de  son  temps,  c'est  la  moquerie  haineuse  et  lugubre 
qui  s'attache  ä  tous  les  sujets,  ne  respecte  rien,  ni  personne, 
ni  lui-meme;  c'est  l'impertinence  du  genie  qui  se  croit  tout 
permis,  qui  prouve  sa  liberte  en  violant  toutes  les  lois,  qui 
ne  considere  ce  monde  que  comme  un  jouet  de  sa  fantaisie, 
et  qui,  sur  le  lit  de  douleur  oü  la  maladie  a  fini  par  le  clouer, 
secoue  encore  ses  grelots  pour  insulter  et  souiller  ce  que  les 
autres  v^nerent." 


1)  Dies  Werk,  das  unseres  Wissens  von  der  deutschen  Fachkritik  stark 
mitgenommen  wurde,  ist  von  Süpfle  nicht  erwähnt.  —  Der  Autor  ist  nicht  zu 
verwechseln  mit  E.  Lichtenberger,  Verfasser  der  trefflichen  Arbeit  „Etudes 
sur  les  po^sies  lyriques  de  Goethe",  Paris  1882  —  und  H.  Lichtenberger. 


i 


Gelegentliche  Urteile  und  Aeusserungen  über  Heine.  147 


Iiävy- Brühl 

,^UAllemagne  depiiis  Leibnitz. 

Essai  S7(r  le  develoj^pement  de  Ja  conscience  nationale 

en  AUemagne  1700—1848.'' 

Paris,  1890. 

In  einer  Geschichte  der  Gedankenevolution  im  Deutsch- 
land des  XVIII.  und  XIX.  Jahrhunderts  durfte  der  Name 
des  Autors  der  „Reisebilder"  nicht  fehlen.  Levy-Bruhl  hat 
auch  mit  klarem  BHck  die  Rolle  des  letzten  Romantikers 
erkannt  und  dieselbe  in  seinem  Buche  interessant  dargestellt. 
Es  handelt  sich  hier  sachgemäss  um  Heine,  den  Journalisten, 
den  socialpolitischen  Kämpfer,  und  um  dessen  Verhältnis  zu 
Deutschland  und  Frankreich.  Der  Autor  betont,  dass  Heine, 
so  sehr  er  auch  Preussen  hasste,  nie  aufhörte,  Deutschland 
zu  lieben.  Das  Priedenswerk,  Prankreich  Deutschland  näher 
zu  bringen,  sei  dem  Dichter,  zum  Teil  aus  eigener  Schuld, 
nicht  gelungen.  „.  .  .  En  France,  on  ne  preta  pas  grande  atten- 
tion ä  ses  avertissements ;  en  AUemagne,  il  fut  honni.  Et 
cependant  ses  efforts,  quoique  maladroits,  etaient  sinceres; 
ses  vues  souvent  prophetiques."     (Pag.  432.) 

Das  politische  „credo"  Heines  fasst  Levy-Bruhl  in  folgende 
Worte  zusammen:  „Patriotisme  sincere  uni  aux  tendances 
cosmopolites  du  siecle  precedent,  haine  de  la  Sainte-AUiance, 
amour  de  „l'humanite  libre",  tendances  socialistes  un  peu 
vagues,  mais  dejä  menagantes  .  .  .  Democrate  par  le  coeur, 
aristocrate  par  l'esprit,  il  voit  menacee  toute  notre  civilisation 
moderne,  ce  fruit  d'un  labeur  de  trois  siecles." 


148  If-  Hoino  im  Lichte  der  französischen  Kritik. 


Edm.  Birä 

(1829). 

„  Victor  Hugo  apres  1830.^ 
Paris,  1891. 

In  diesem  Werke,  in  dem  mit  staunenswertem  Pleisse 
alles  gesammelt  ist,  um  Victor  Hugo  als  Menschen  und  Cha- 
rakter zu  zermalmen  und  somit  auch  den  Dichter  vom  höchsten 
Poetenthrone  herabzuzerren,  muss  Heines  scharfe  Feder  weid- 
lich am  Zerstörungswerke  mithelfen.  Alles,  was  unser  Dichter 
in  „Lutece",  „De  la  France"  —  seine  Kritik  der  „Bourgraves" 
in  „Lutece"  (pag.303)  ist  in  extenso  wiedergegeben,  die  markig- 
sten Stellen  sind  gesperrt  gedruckt  —  gegen  Hugo  geschrieben, 
ist  am  geeigneten  Orte  verwertet.  Der  Name  Heines  tritt  uns 
fast  ebenso  oft  entgegen,  wie  der  —  Louis  Veuillots.  —  Bire 
sucht  überall  Hülfe  —  „il  prend  son  bien  oü  il  le  trouve!  — 


Änatole  Leroy-Beaulieu 

(1842). 

„Les  Juifs  et  V antisemitisme.''''    —    „Le  Oenie  juif  et 

Vesprit  jiäf.^^ 

„Revue  des  deux  Mondes"  (tome  114). 

Der  bekannte,  bedeutende  Nationalökonom  untersucht 
in  diesem  Abschnitte  seiner  Arbeit  über  die  Juden  und  ihre 
Widersacher  sachlich  und  klar,  unparteilich,  aber  mit  Festig- 
keit, die  Frage:  Hat  der  Jude  eine  nationale,  speciell  semi- 
tische Geistesrichtung;  besitzt  er  Eigenschaften  des  Ver- 
standes, die  ihm  durchgehend  eigen  sind?  Und  wenn  dies 
der  Fall,  welches  sind  die  charakteristischen  Züge  desselben 
und  ihre  Hauptträger? 


i 


Gelegentliche  Urteile  und  Aeusserungen  über  Heine.  149 

Zuerst  beschäftigt  den  Autor  die  Frage :  Ist  der  Jude  ein 
schöpferisches  Element  in  der  menschlichen  Geistesgeschichte? 
„Le  semite  serait  une  race  feminine  possedant  ä  un  haut  degre 
le  don  de  receptivite;  il  lui  manquerait  toujours  l'energie  virile, 
la  puissance  generatrice!"  —  Leroy-Beaulieu  bezweifelt  dies, 
indem  er  richtig  folgert:  „Si  le  juif  ne  fait  qu'imiter,  copier, 
emprunter,  comment  une  pareille  race  pourrait-elle  denationa- 
liser  nos  fortes  races  aryennes!" 

Nachdem  er  dann  die  „vis  poetica"  des  alten  Testamen- 
tes, die  ewige,  originelle  lyrische  Kraft  der  Psalmen  etc.  nach- 
gewiesen, kommt  er  nach  Spinoza  folgendermassen  auf  Heine 
zu  sprechen: 

Est-il  faux  que,  ä  la  lyre  germanique,  ce  sceptique  heritier  du 
psalmiste  ait  ajoute  une  corde  d'une  finesse  etrange  ?  Ou  notre 
oreille  n'en  pergoit-elle  plus  les  vibrations  subtiles  et  les  dissonances 
delicates?  Si  demode  (!)  que  soit  le  poete  juif  en  Allem agne,  repete- 
rons-nous  que  ses  „Lieder"  ne  sont  qu'une  insipide  versification  de 
copiste  sans  spontaneite,  sans  imagination,  sans  liumour,  sans  imprevu, 
Sans  genialite  en  un  mot  ?  II  me  semble,  quant  ä  moi,  que  dans  toute 
cette  riebe  poesie  allemande,  il  n'y  a  pas  de  fantaisie  plus  libre. 
Arretons-nous  un  instant  sur  Heine.  S'il  reste  aux  Juifs  un  genie 
national,  c'est  cliez  l'auteur  des  „Reisebilder"  que  nous  avons  le  plus 
de  Chance  de  le  decouvrir.  II  a  eu  beau  se  faire  baptiser,  il  garde  la 
marque  d'origine.  Yous  ne  le  comprendrez  point  si  vous  oubhez  qu'il 
est  ne  juif.  U  y  a  chez  lui,  jusqu'en  ses  chants  d'amour  et  ses  plus 
naives  melodies,  une  note  etrangere  ä  l'Allemagne  du  temps,  quelque 
chose  de  douloureux  et  de  mauvais,  une  saveur  äcre,  une  pointe  de 
mahgnite  qui  tient  a  ses  origines,  a  son  education,  ä  la  Situation  des 
Juifs  alors  en  Allemagno.  C'est  l'oiseau  echappe  de  la  cage  du  ghetto 
et  qui  se  souvient  de  sa  prison,  tout  en  volant  bruyamment  en  tout 
sens  pour  essayer  sa  liberte;  il  y  a  du  defi  et  de  la  rancune  dans 
ses  battements  d'ailes.  Je  sais  que  la  critique  allemande  lui  est  severe ; 
on  dirait  que  dans  le  poete  eile  se  plait  ä  ravaler  le  Juif.  Aux  yeux 
de  l'Allemagne,  imbue  de  l'orgueil  de  race,  n'etre  pas  de  sang  teu- 
tonique  est,  pour  un  poete  allemand,  un  peche  originel  malaise  ä 
raclieter.  Le  nouvel  empire  ne  veut  rien  devoir  qu'au  sang  de  Her- 
mann. Du  classique  Walhalla,  eleve  sur  la  rive  du  Danube  aux  gloires 


150  H-  Heine  im  Lichte  der  französischen  Kritik. 

germaniques,  l'ingrat  teutomane  s'efforce  d'expulser  tout  ce  qui  n'est 
pas  fils  de  Thor.  Heine  a  ete  traite  par  les  critiques  d'outre-Rhin, 
comme  ses  congeneres,  les  musiciens,  par  Wagner.  A  lui  aussi  on  a 
conteste  toute  originaUte,  tout  don  d'invention.  W.  Scherer,  l'historien 
de  la  Htterature  allemande,  ne  lui  reconnait  qu'un  rare  talent  d'imi- 
tation.  II  est  vrai  que  le  moule  des  „Lieder"  n'est  pas  ä  Heine;  il 
appartient  au  romantisme  des  Schlegel,  de  Tieck,  de  Novahs  .  .  . 
On  ne  lui  laisse  meme  pas  en  propre  ce  qu'il  semble  avoir  de  plus 
personnel,  cette  ironie  que  d'aucuns  appelaient  l'ironie  juive;  —  eile 
aussi  revient  au  romantisme  allemand.  Heine  n'en  est  que  la  fleur 
supreme,  fleur  maladive  aux  parfums  malsains,  car  il  y  a  un  ver 
dans  cette  rose  allemande,  le  judaisme.   (Pag.  775.) 

In  einer  Anmerkung  weist  der  Autor  auf  die  Schriften 
von  Treitschke  und  Hartmann  hin,  in  denen  Heine  so  un- 
glirapflich  behandelt  wird,  und  sagt:  „Tous  deux,  du  reste, 
laissent  voir  que  chez  le  poete  ils  poursuivent  le  juif"  etc. 


Indem  wir  noch  kurz  und  der  Uebersichtlichkeit  wegen 
zusammenfassend  die  Stellung  von  Frankreichs  bedeu- 
tenden Litterarhistorikern  und  Kritikern  zu  Hein- 
rich Heine  betrachten  wollen,  schicken  wir  gleich  voraus,  dass 
sich  mit  Ausnahme  von  Montegut  und  etwa  von  Sainte-Beuve 
keiner  derselben  eingehend  mit  unserm  Dichter  beschäftigt. 
Trotzdem  schien  es  uns  wissenswert,  aus  kurzen  Bemerkungen 
und  leicht  hingeworfenen  Worten  die  Ansichten  der  Kritiker, 
die  seit  einem  halben  Jahrhundert  den  litterarischen  Geschmack 
Frankreichs  leiten,  kennen  zu  lernen. 


i 


Gelegentliche  Urteile  und  Aeusserungen  über  Heine.  151 


Charles  Ä.  Sainte-Beuve 

(1804—1869). 

Der  grosse  Kritiker  und  Historiker  der  französischen  Ro- 
mantik bespricht  im  „National"  vom  8.  Angust  1833  das  im 
selben  Jahre  bei  Renduel  erschienene  Buch  Heines  „De  la 
France".  Nach  einigen  einleitenden  Worten,  die  sich  auf  den 
Umschwung  im  deutschen  Dichterwalde  seit  Madame  de  Staels 
„De  TAllemagne"  beziehen,  stellt  er  uns  Heine  wie  folgt  vor: 
„M.  Heine  n'etait  pas  connu  chez  nous  avant  la  revolution  de 
juillet,  et  aujourcVliid  il  est  tont  ä  fait  nataraUse ;  il  est  des 
nötres  autant  que  le  sjnrittiel  Grimm  Va  jamais  e^e."  —  Das 
Buch  hat  nach  Sainte-Beuve  den  grossen  Vorzug,  zur  rich- 
tigen Zeit,  in  einem  günstigen  Moment  erschienen  zu  sein. 
„Homme  de  guerre,  d'escarmouche  rapide,  archer  fuyant  et 
un  peu  cruel,  il  s'est  jete  parmi  nous,  sur  notre  rive  du  Rhiii, 
et  de  la,  il  nous  a  montre  comment  il  savait  decocher  l'ironie 
et  frapper  au  coeur  des  siens  quand  les  siens  n'etaient  pas 
des  nötres.  Chaque  fleche  qu'il  decochait  de  la  sorte  portait 
en  meme  temps  un  message  a  notre  louange;  nous  devons 
aimer  en  lui  un  de  nos  alhes  les  plus  compromis  et  les  plus 
fervents."  Indessen  sei  sein  scharfer  und  auch  das  heiligste 
nicht  schonender  Witz  selbst  in  den  Augen  der  als  frivol 
verschrieenen  Franzosen  verletzend ;  ja  Sainte-Beuve  behauptet 
sogar,  Heine  sei  für  diese  viel  zu  geistreich.  „.  .  .  Heine  sera 
davantage  encore  a  notre  niveau  de  Frangais  quand  il  aura 
un  peu  moins  d'eprit."  Und  diesen  Gedanken  ausführend: 
„C'est  que  l'esprit  de  M.  Heine  est  plutöt  celui  d'un  poete 
que  celui  de  tout  le  monde;  il  n'a  pas  seulement  de  ces 
traits  inattendus,  saisissants,  courts,  de  ces  rapports  neufs 
et  piquants  qu'un  mot  exprime  et  enfonce  dans  la  memoire; 
il  a,  a  un  haut  degre,  l'imagination  de  l'esprit,  le  don  des 
comparaisons   singulieres,    frappantes,    mais    prolongees,   mille 


152  H.  Heine  im  Liclite  der  tVanzösisclieii  Kritik. 

gerbes,  ä  tout  instant,  de  reminiscences  colorees,  d'analogies 
brillantes  et  de  symboles.  Or,  pour  un  poete  qui  ecrit  en  prose, 
qui  surtoiit  doit  etre  lu  en  prose  frangaise,  la  plus  difficul- 
tueuse  de  toutes  les  proses,  il  y  a  beaucoup  de  precautions 
necessaires  pour  faire  passer,  comme  en  contrebande,  cette 
raagie  et  ces  richesses  ..."  Sainte-Beuve  kommt  zu  dem 
Schluss,  dass  Heine,  trotz  einiger  französischer  Eigenschaften, 
im  Grunde  doch  ein  deutscher  Poet  bleibe,  weswegen  er  ihn 
nicht  in  seiner  ganzen  Bedeutung  erfassen  könne.  In  den 
„Reisebildern"  —  die  er  „impressions  de  voyages"  nennt  — 
erinnert  ihn  Heines  beissender,  nicht  immer  ungezwungener 
Witz,  gemischt  mit  wahrem  Enthusiasmus,  an  die  Art 
Stendhals:  „mais  avec  plus  de  pittoresque,  et,  malgre  tout, 
de  spiritualisme".  —  Eingehend  kritisiert  er  Heines  Briefe 
über  Casimir  Perier,  den  er  nicht,  wie  der  Dichter,  für  einen 
grossen  Mann  hält.  Voll  Lobes  aber  ist  er  für  Heine,  den 
Kunstkritiker.  —  Aeusserst  interessant  nun  ist  ein  Brief  Sainte- 
Beuves,  der  diesem  Artikel  in  den  „Premiers  Lundis"  (Bd.  II, 
pag.  258)  beigefügt  ist.  Derselbe  ist  an  Herrn  Ch.  Berthoud 
in  Neuchätel  gerichtet,  den  wir  noch  als  Uebersetzer  Heines 
kennen  lernen  werden,  und  lautet: 

„Monsieur, 

„J'ai  regu  les  deux  volumes  de  la  Correspondance  de 
Heine  et  je  les  ai  aussitöt  parcourus  avec  plaisir.  Ils  me 
sont  parvenus  dans  un  moment,  d'ailleurs,  oü  ce  genre  de 
lecture  facile  et  variee  est  tout  ce  que  je  puis  supporter,  etant 
encore  fort  souffrant  d'une  Indisposition  assez  grave.  J'ai 
connu  autrefois  Henri  Heine ;  il  me  faisait  beaucoup  d'amities 
ä  la  rencontre:  il  m'est  raeme  arrive  de  parier,  il  y  a  bien 
longtemps,  de  ses  „Reisebilder"  dans  la  „Revue  des  deux 
Mondes".  II  me  disait  que,  comme  poete,  je  ressemblais  un 
peu  au  poete  allemand  Hoelty.  Depuis,  nos  relations  qui  n'avaient 
Jamals  ete  que  fortuites,  se  sont  relächees;  il  est  tombe  malade 


Gelegentliche  Urteile  und  Aeiissorungen  über  Heine.  153 


et  n'est  plus  sorti  de  la  chambre.  Je  crois  bien  n'avoir  pas 
echappe  ä  quelques-iines  des  epigrammes  qu'il  distribuait  ä  la 
„Gazette  d'Augsbourg",  aux  depens  de  ses  connaissances  de 
Paris.  II  y  a  bien  ä  dire  sur  ce  cote  peu  sür  de  soii  carac- 
tere.  Mais  c'etait  un  charmant,  parfois  divin  et  souvent  dia- 
bolique  esprit.  Il  est  fort  a  la  mode  en  ce  raoment  chez 
nous.  Lui  et  Musset  sont  pousses  tres  haut.  Nous  vous  devrons 
de  le  mieux  connaitre. 

„Agreez  etc." 

Wer  von  den  circa  100  Bänden  weiss,  die  die  Lebens- 
arbeit dieses  Kritikers  bilden,  wird  diesem  nicht  verübeln, 
wenn  er  nach  34  Jahren  vergessen,  dass  er  über  „Franzö- 
sische Zustände"  und  nicht  über  die  „Reisebilder",  und  zwar 
im  Feuilleton  des  ,, National"  und  nicht  in  der  ,, Revue  des 
deux  Mondes",  geschrieben.  —  Wenn  wir  nun  zwei  Stellen 
aus  dem  „Journal  des  Goncourt"  sowohl  der  Kritik  als  auch 
dem  Briefe  gegenüber  stellen,  so  können  wir  uns  nicht  des 
Eindrucks  erwehren,  dass  hier  von  dem  Brüderpaar  etwas 
stark  aufgetragen  wurde;  —  „qu'ils  ont  force  la  note",  wie 
der  Franzose  sagen  würde. 

Mais  clejä  il  n'est  plus  question  de  Hugo,  c'est  H.  Heine  qui 
est  sur  le  tapis.  On  le  voit  bien  ä  la  figure  de  Sainte-Beuve.  Gautier 
cliante  l'eloge  physique  du  poete  allemand  et  dit  que,  tout  jeune,  il 
etait  beau  comme  la  beaute  meme,  avec  un  nez  un  peu  juif :  „C'etait, 
voyez-YOus,  Apollon  melange  de  Mephistopheles !"  —  „Vraiment,  dit 
avec  colere  Sainte-Beuve,  je  m'etonne  de  vous  entendre  parier  de 
cet  liomme-lä,  un  miserable  qui  prenait  tout  ce  qu'il  savait  de  vous 
ponr  le  mettre  dans  les  gazettes  .  .  .  qui  a  dechire  tous  ses  amis.""  — 
„Pardon,  lui  dit  tranquillement  Gautier,  moi  j'ai  ete  son  ami  intime 
et  j'ai  toujours  eu  a  m'en  louer.  II  n'a  jamais  dit  de  mal  que  des 
gens  dont  il  n'estimait  pas  le  talent." 

(„Journal  des  Goncourt",  II,  pag.  210.) 

Sur  le  nom  de  H.  Heine,  prononce  par  Tourgeneff,  comme  nous 
affirmons  tres  haut  notre  admiration  pour  le  poete  allemand,  Sainte- 
Beuve,  qui   dit  l'avoir  beaucoup   connu,  s'ecrie  que  c'etait  un  mise- 


154  H.  Heine  im  Lichte  der  französischen  Kritik. 


rable,  un  coquin,  puis,  sur  le  „tolle"  general  de  la  table,  se  tait,  se 
dissimulant  derriere  ses  deux  mains,  qu'il  garde  sur  son  visage,  tout 
le  temps  que  dure  l'eloge. 

Et  Beaudry  de  conter  ce  joli  mot  de  H.  Heine  ä  son  lit  de  mort : 
Sa  femme  priant  ä  ses  cotes  Dieu  de  lui  pardonner,  il  interrompt  la 
priere  en  disant :  „N'en  doute  pas,  nia  chere,  il  me  pardonnera,  c'est 
son  metier!"  (II,  pag.  96.) 

Immerhin  täuschte  sich  Heine  sehr,  was  er  im  Mai  1855 
an  seinen  Freund  Philarete  Chasles  schrieb :  „Die  Hauptsache 
ist,  von  einem  Geiste,  wie  der  Ihrige,  gewürdigt  zu  werden, 
von  einem  der  beiden  wirklichen  Kritiker,  welche  Frankreich 
besitzt.  Der  andere,  möge  es  Ihnen  nicht  missfallen,  ist  Sainte- 
Beuve,  der  mir  auch  einen  Nachruf  widmen  wird,  so  dass  ich 
mich  ohne  Unruhe  begraben  lassen  kann."  ^) 


Ernest  Renan 

(1823—1893). 

Aus  seinen  Werken  sind  uns  keine  Anspielungen  auf 
Heine,  Citate  oder  Urteile  bekannt.  Renan  verhielt  sich  — 
nach  dem  „Journal  des  Goncourt"  wenigstens  —  schweigend, 
wenn  bei  Magny  Gautier  von  Heine  schwärmte  und  Sainte- 
Beuve  denselben  beschimpfte.  Dagegen  versichert  uns  Arsene 
Houssaye  in  seiner  citierten  Einleitung,  dass  Renan  Heine  las 
und  bewunderte. 


^)   Heinrich  Heine  in  Paris,  Neue  Briefe  etc.,  siehe  oben,  pag.  85. 


Gelegentliche  Urteile  und  Aeusserungen  über  Heine.  155 


J.-J.  Weiss') 

(1827—1891). 

j^S'U}'  Goethe^  etudes  critiques  de  litterature  allemande.^^ 
Avec  une  preface  do  Francisciuo  Sarcey  (1891?). 

In  dieser  Studiensammlung  befindet  sich  eine  Besprechung 
der  Heine-Erinnerungen  von  A.  Meissner,  die  schon  im  Jahre 
1857  in  der  „Revue  contemporaine"  erschienen  war. 

Der  Hugenotte  zeigt  sich  gleich  in  den  ersten  Zeilen : 
„On  pourrait  intituler  ce  livre  l'agonie  de  l'athee."  —  Und 
wenn  Weiss  auch  hinzufügt:  „Que  M.  Meissner  se  rassure! 
Je  ne  suis  pas  un  pharisien ;  je  ne  viens  pas  precher  la  dam- 
nation  ä  un  pauvre  poete  qui  n'a  eu  que  trop  son  enfer  ici-bas" 
—  so  wissen  wir  doch  bereits,  dass  wir  mehr  vom  Moralisten 
als  vom  Kunstkritiker  zu  hören  bekommen  werden. 

„H.  Heine  n'a  point  cru;  voilä  le  secret  de  sa  vie  si 
cruellement  brisee,  de  son  talent  profane  ou  perdu"  (pag.  136). 
Inniges  Mitleiden  durchzieht  als  Leitmotiv  die  ganze  Skizze. 
Weiss  preist  den  deutschen  Poeten  und  betrauert  in  ergreifend 
schöner  Sprache  den  unglückseligen  Menschen.  Von  Heines 
Verhältnis  zur  französischen  Litteratur  erwähnt  er  kein  Wort. 


')  Das  Buch  (nach  dem  Tode  des  Autors  publiziert)  enthält  die  bekannte 
Studie  über  Goethes  „Hermann  und  Dorothea",  die  J.-J.  Weiss  im  Jahre  1856 
als  Doktorthese  bei  der  Pariser  Faculte  de  lettres  eingereicht  hatte.  Die  Arbeit 
erregte  damals  grosses  Aufsehen.  Statt  einer  gelehrten,  umfangreichen  These, 
wie  sie  heute  noch  in  Frankreich  üblich  sind,  wagte  er  es,  auf  kaum  siebzig 
kleinen  Seiten  eine  im  losen  Gewände  eines  leichten,  eleganten  Stils  ge- 
schriebene These,  mit  einigen  neuen  Ideen,  aber  von  äusserst  geringem  kri- 
tischen Werte,  der  Sorbonne  zu  überreichen.  Zum  Glücke  waren  die  Professoren 
„sous  leur  cuirasse  d'erudition,  gens  d'esprit",  meint  Sarcey  in  seiner  Einleitung. 
E.  Faguet  ist  anderer  Ansicht  und  nennt  die  Studie  irgendwo  „ouvrage  de 
bon  ecolier". 


156  H.  Heine  im  Lichte  der  frcanzösischen  Kritik. 


Ferdinand  Brunetiere 

(1849). 

Dem  geschworenen  Feinde  aller  „Ich "-Dichter  konnte  ein 
Heine  nicht  sympathisch  sein.  Der  Kritiker,  der  den  Satz 
aufstellt:  „La  litterature  est  impersonnelle,  et  ce  qui  est  per- 
sonnel  n'est  pas  encore  devenu  litteraire.  Un  homme  est  peu 
de  chose,  et  on  ne  s'interesse  en  lui  qu'ä  ce  qu'il  a  de  commun 
avec  les  autres  hommes",  *)  —  kann  weder  Freund  noch  Be- 
wunderer unseres  Dichters  sein  —  er  ist  gar  nicht  im  stände, 
die  Lyrik  Heines  zu  fassen.  Zwar  hat  er  es  bei  seinen  zahl- 
reichen Ausfällen  gegen  das  „moi  haissable"  —  diese  wirken 
in  dem  letzten  Werke  des  Akademikers  (l'evolution  etc.)  ge- 
radezu ermüdend  —  nie  direkt  auf  Heine  abgesehen.  Er 
ignoriert  überhaupt  in  seiner  Evolutionsgeschichte 
der  französischen  Lyrik  dieses  Jahrhunderts  den 
Poeten  in  Heine,  seine  Stellung  zur  französischen 
Dichtkunst  und  dessen  Einfluss  auf  dieselbe 
gänzlich.  —  Wir  müssen  also  unsere  These  ohne  Hülfe 
und  Sanktion  der  allerhöchsten  Kritik  verfechten.  Wiederholt 
dagegen  wird  besonders  in  den  letztgenannten  Studien  der 
Litterarhistoriker  und  Kritiker  Heine  erwähnt  und  citiert, 
so  dass  wir  uns  nicht  zu  täuschen  glauben,  wenn  wir  an- 
nehmen, dass  Heines  französische  Studien  bei  dieser  Gelegen- 
heit von  Brunetiere  einer  näheren  Betrachtung  unterzogen 
wurden.  So  heisst  es  oft:  „Heine  raconte  quelque  part,  H.  a 
exprime  quelque  part  —  c'est  H.  au  nioins  qui  nous  le  dit"  — 
etc.,  und  zwar  hauptsächlich  dort,  wo  er  ihm  mit  einer  geist- 
reichen Bosheit  unter  die  Arme  greifen  kann.  Kurz,  Brunetiere 
argumentiert  hier  nicht  selten  mit  dem,  was  Heine  den  Fran- 
zosen gelehrt. 


^)     La  litterature  personnelle. 


Golegentliche  Urteile  und  Aoussorungon  über  Pleine.  157 

Dass  Brunetiere  den  Autor  des  „Intermezzo"  immerhin  unter 
die  grössten  Dichter  dieses  Jahrhunderts  zählte,  wenn  auch 
gewiss  nicht  aus  eigener  Ueberzeugung  und  Erkenntnis,  lässt 
sich  mit  verschiedenen  Stellen  aus  seinen  Arbeiten  belegen. 
„Nul  ne  fait  plus  d'estime  que  nous  de  Dante  et  de  Petrarque, 
de  Byron  et  de  Shelley,  de  Goethe  et  Henri  Heine,  mais  ce 
n'est  pas  une  raison  de  dedaigner  Voltaire  et  Rousseau,  Fenelon 
et  Bossuet,  Pascal  et  Descartes."  ^) 


Hippolyte- Adolphe  Taine 

(1828—1893). 

Von  ihm  wissen  wir  bloss,  dass  er  (Einleitung  zu  seiner 
englischen  Litteraturgeschichte)  einmal  Heine  in  einem  Atem- 
zuge mit  Musset,  Hugo  und  Lamartine  nennt.  Möglich  ist  es, 
dass  er  sich  über  unsern  Dichter  in  seiner  Schrift  über  Camille 
Seiden,  die  uns  nicht  zugänglich  war,  ausspricht. 


Jules  Lemaitre 

(1853). 

Von  diesem  so  rasch  zu  Ruhm  und  Ehre  gelangten 
einstigen  Professor  in  Le  Ha  vre,  der  in  seinen  zahlreichen 
kritischen  Schriften  genaue  Kenntnis  der  Heineschen  Werke 
verrät,  interessiert  uns  besonders  ein  in  der  „Revue  bleue '^ 
(die  diesen  Kritiker  eigenthch  entdeckt  hat)  am  3.  Juni  1893 
abgedruckter  Brief,  den  der  vielseitige  Litterat  seiner  Zeit  an 
den  „Intermediaire  des  chercheurs"  ^)  gerichtet  hatte.    Nach- 


^)  „Revue  des  deux  Mondes",  l*''Decembre  1892.  La  reforme  de  Mal- 
herbe et  l'evolution  des  genres. 

2)  Es  handelt  sich  um  eine  „Enquete  sur  le  choix  d'une  biblioth^que", 
d.  h.    um    die    von    dieser    „Revue"    gestellte    Frage  :    „Quels    sont    les    vingt 


158  H.  Heine  im  Lichte  der  französischen  Kritik. 


dem  er  dieser  nämlich  eine  Liste  von  zwanzig  Büchern  mit- 
geteilt, die  er  für  die  vollendetsten  der  Weltlitteratur  hält, 
fügt  er  noch  folgenden  Kommentar  bei:  „Sans  m'en  rendre 
compte,  je  l'avais  dressee  non  pour  moi  seul,  mais  pour  le 
public,  et  j'}^  exprimais  des  preferences  convenables  plutöt 
que  dHntiines  predilections.  Or,  il  ne  s'agit  pas  ici  de  choisir 
les  vingt  plus  beaux  livres  qui  aient  ete  ecrits,  mais  ceux  qu'il 
me  plairait  le  plus  de  passer  le  reste  de  ma  vie."  Und  da 
will  er  gleich  die  zehn  ersten  Bücher  streichen  und  an  ihre 
Stelle  u.  a.  les  poesies  d'Henri  Heine  setzen.  —  Man  braucht 
nur  in  Lemaitres  Gedichtsammlungen  (denn  er  ist  nicht  nur 
Kritiker  und  Dramaturg,  sondern  auch  feinsinniger  Poet)  „Les 
Medaillons"  (Lemerre,  1881)  und  besonders  in  den  „Petites 
Orientales"  (1882)  zu  blättern,  um  sich  zu  überzeugen,  dass 
ihm  Heine  nicht  nur  ein  Lieblingsdichter,  sondern  auch  ein 
Vorbild  war. 


vohimes  que  vous  choisiriez  si  vous  etiez  obliges  de  passer  le  reste  de  votre  vie 
avee  une  bibliotheque  reduite  ä  ce  nombre  de  volumes?"  In  dieser  Zeitschrift 
linden  wir,  von  Paul  Massen  unterzeichnet,  unter  dem  Titel:  „Bibliotheque 
choisie  du  genre  humain",  eine  Liste,  in  der  Heines  „Reisebilder"  als  drei- 
zehntes Buch  figurieren,  und  zwar  zwischen  Renans  „Dialogues  philosophiques" 
und  Gautiers  „Mademoiselle  de  Maupin".  —  Wir  bemerken  hier  beiläufig,  dass 
es  über  diese  und  ähnliche  Fragen  eine  ganze  Litteratur  gibt.  Man  vergleiche 
„Conference  de  M.  Bardoux"  („Magasin  pittoresque",  1887,  Nro.  3,  4,  5).  — 
„Fra  i  libri",  von  Guiceiardi  und  de  Sarlo.  Bologna  1893.  In  England  u.  a. 
Perkins  „The  best  Reading".  —  Ireland,  „Books  for  General  Reading". 


Anhang.  159 


Anhang 

Französische  Stimmen 
über  die  Heine-Statue-Polemik  in  Deutschland 


Unter  den  zahlreichen  Protestationen,  die  in  Prankreich 
gegen  den  Beschluss  der  Düsseldorfer  Stadtväter  und  gegen 
die  Ansichten  ihrer  Gesiiniungsgenossen  laut  wurden  —  fast 
jegliche  Zeitschrift  und  Zeitung  beschäftigte  sich  mehr  oder 
weniger  sachlich  mit  dieser  Präge  —  ist  Marcel  Pouquiers 
Peuilleton  die  schärfste  und  erbittertste;  für  den  deutschen 
Leser  eine  peinliche  Lektüre.  Er  beginnt  den  Artikel  (in 
„Profils  et  Portraits^',  1891)  mit  einer  hübschen  und  in- 
teressanten Anekdote:  „Es  war  während  der  „Annee  terrible", 
kurz  nach  dem  Priedensschluss,  Vor  den  Thoren  des  be- 
siegten Paris  erdröhnte  noch  das  donnernde  Geschütz  der 
manövrierenden  x\rtillerie.  Der  alte,  gebrochene  Th.  Gautier, 
dem  Grabe  nahe,  und  Theodore  de  Banville  spazierten  in  den 
Trümmern  der  Tuilerien,  auf  welche  die  sinkende  Sonne  ihre 
letzten  Strahlen  w^arf.  —  „L'auteur  patriote  et  superbement 
ironique  des  „Idylles  prussiennes"  demanda,  a  un  instant  de 
la  conversation,  au  grand  artiste  qui  allait,  avec  un  pittoresque 
si  fin  et  avec  une  tristesse  si  profonde,  ecrire  son  dernier 
chef-d'oeuvre,  les  „Tableaux  du  Siege",  quel  rang  il  attribuait 
ä  Henri  Heine  parmi  les  poetes  contemporains,  le  „Maitre" 
excepte,  bien  entendu.     Et  Gautier  repondit   sans  la  moindre 


160  TT.  TToino  im  Lichto  der  französischen  Kritik. 

hesitation :  „Mais  le  premier!""  —  Ein  solches  Urteil  über 
einen  deutschen  Dichter  —  denn  als  Deutschen  betrachtete 
Gautier  seinen  Freund  stets  —  in  jenen  Tagen  der  Erniedri- 
gung und  des  Jammers  thut  der  Offenheit  und  Ehrlichkeit 
des  alten  Romantikers  Ehre  an. 

Es  folgt  hierauf  eine  leidenschaftliche  Kritik  der  Wider- 
sacher Heines,  gegen  die  Fouquier  auf  einigen  Seiten  wütet. 
Seine  Hiebe  treffen  zuweilen,  sind  oft  geistreich,  noch  öfter 
aber  schlägt  er  blind  um  sich. 

Auch  J.  Legras  ^)  weiss  in  der  „Revue  bleue"  den  Düssel- 
dorfer Aedilen  manche  Liebenswürdigkeit  zu  sagen.  Es  in- 
teressiert uns  aber  dieser  Artikel,  weil  einige  Beiträge  be- 
rühmter Franzosen  zu  dem  „Heine-Almanach" ,  den  die 
„Litterarische  Gesellschaft  Nürnbergs"  bald  nachher  heraus- 
gab (1893),  verraten  werden.  — 

Pauvre  Heine,  ton  seul  tort  est  d'etre  ne  juif ! 

Charles  Gounod. 

La  decision   du  conseil   communal   de  Düsseldorf  nous   remet 

quelques  siecles  en  arriere ;  ces  messieurs  doivent  regretter  le  Moyen- 

äge  et  la  torture.    Pendre  riiomme  et  prendre  son  bien,  tel  est  la 

ni  orale  de  ce  fin  de  siecle. 

Emile  Zola. 

La  France  qui  donna  l'hospitalite  au  vivant,  ne  la  refuserait 
pas  au  mort! 

Älphonse  Daudet. 

Je  le  considere  comme  un  devoir,  non  seulement  de  PAllemagne, 

mais  de  l'Univers  entier,  de  protester   contre   Tinfäme   barbarie    des 

ediles  de  Düsseldorf. 

Ernest  Daudet. 


1)  Professor  in  Bordeaux,  Autor  der  geistreichen,  aber  etwas  taktlosen 
Bücher  „L'Athenes  de  la  Spree"  (unter  dem  Anagramm  „Luc  Gersal") ;  taktlos 
deswegen,  weil  er  Leute,  deren  Gast  er  gewesen,  ziemlich  stark  mitgenommen. 
VerJJifentlichte  inzwischen  zwei  Artikel  über  Heine  in  Paris  und  einige  fran- 
zösische Briefe  desselben  in  der  „Deutschen  Rundschau".     Heft  8  und  10,  1894. 


Anhang.  161 


Je    considere    Heine    comme   un  des   plus   grands   poetes,    non 

seulement  de  l'Alleniagne  et  des  temps  modernes,  mais  de  l'humanite 

entiere  et  de  tous  les  temps. 

Jean  Richepin. 

Wie  wir  sehen,  sind  diese  Beiträge  weder  sehr  geistreich 
noch  ideenneu;  einige  streifen  sogar  an  BanaHtät.  Sehr  be- 
zeichnend ist  das  Bekenntnis  Richepins. 

Geradezu  eine  Blamage  für  die  kunstsinnigen  Heraus- 
geber des  „Heine-Almanachs"  bedeutet  das  französische  Ge- 
dicht: „Les  Sphynx  du  Parc".     Aux  ediles  de  Düsseldorf. 

Man  weiss  nicht,  ob  es  Herrn  Kist  ■ —  so  nennt  sich  der 
Poet  —  mehr  an  der  Metrik  oder  an  der  Grammatik  fehlt, 
wenn  man  einen  Vers  wie  den  folgenden  zu  lesen  bekommt: 

„Non!  jef^ez  le  juif  sur  la  rue!" 

Auch  der  Gedanke  ist  übrigens  aus  der  Vorrede  Gautiers 
entnommen. 


ßetz,  Heine  in  Frankreich.  11 


DRITTER  ABSCHNITT 


HEINES  KENNTNIS 
DER  FRANZÖSISCHEN   SPRACHE 


„Mein  Geist  fühlt  sich  in  Frankreich 
exiliert,  in  eine  fremde  Sprache  verbannt." 
H.  Heine  („Gedanken  und  Einfälle"). 


Erstes  Kapitel 

Zeitgenössische  Stimmen  über  Heines 
französische  Sprachkenntnisse 


Wir  müssen  Ed.  Grenier  entschieden  beistimmen^  wenn 
er  in  seinen  Erinnerungen  von  einer  „Heinelegende"  *)  spricht, 
die  will,  dass  unser  Dichter  die  französische  Sprache  be- 
herrschte. Er  hat  recht,  weil  Heine  in  Prankreich  und  be- 
sonders in  Deutschland  diesen  Ruf  geniesst,  obgleich  er  durch- 
aus nicht  begründet  ist.  Hüben  und  drüben  wurde  aller- 
dings nach  und  nach  bekannt,  dass  Heine  nie  sein  eigener 
Uebersetzer  gewesen,  obschon  er  ja  wirklich  sich  darin  ver- 
sucht hat  —  auch  dies  zwar  nicht  in  weiteren  Kreisen.  Dass 
er  es  aber  nicht  einmal  so  weit  brachte,  nach  zwanzigjährigem 
Aufenthalte    einen   korrekten   französischen   Brief    zu   stände 


^)  Mit  dieser  Legende  hält  es  Audebrand,  dessen  „Petits  Memoires" 
(vergleiche  Abschnitt  II)  überhaupt  einen  legendenhaften  Charakter  haben. 
Er  erzählt  uns  nämlich  (pag.  10) :  „Henri  Heine  etait  si  richement  doue  au  point 
de  vue  des  ressources  du  style  qu'il  pouvait  ecrire  un  meme  livre  on  alle- 
mand,  d'abord,  et  ensuite  en  francjais,  ou  bien  en  francjais  d'abord,  en  alle- 
mand  ensuite.  Notez  que  Tun  et  l'autre  etaient  toujours  du  meilleur  metal 
litteraire."  Und  weiter  unten  citiert  er  das  berühmte  Wort  Thiers',  der, 
wie  bekannt,  1850  in  einem  Freundeskreise  die  Aeusserung  that:  „L'homme 
qui,  k  l'heure  ou  nous  sommes,  ecrit  le  mieux  en  fran^ais,  est  un  etranger,  cet 
etranger  est  un  Allemand  et  cet  Allemand  est  Henri  Heine  (nach  andern  soll 
ihn  Thiers  als  den  geistvollsten  [le  plus  spirituel]  bezeichnet  haben)  und  fügt 
hinzu :  „II  parlait  d'or,  le  petit  historien.  Kien  de  plus  vrai,  en  effet.  L'echappe 
de  Düsseldorf  faisait  de    notre  langue  ce  qu'il  voulait." 


166  Heines  Kenntnis  der  französischen  Sprache. 


zu  bringen,  haben  wir  noch  nirgends  zu  lesen  bekommen.  *) 
Die  im  folgenden  Kapitel  zum  Teil  hier  zum  erstenmale  ver- 
öffentlichte französische  Korrespondenz  wird  uns  zeigen,  dass 
Heines  Orthographie  und  Stil  manches  zu  wünschen  übrig 
Hessen. 

Im  Irrtum  befindet  sich  dagegen  Grenier,  wenn  er  den 
Leser  wiederholt  glauben  lässt,  dass  vor  ihm  noch  niemand 
die  linguistischen  Kenntnisse  Heines  ins  richtige  Licht  ge- 
stellt habe.  Das  Gegenteil  ist  der  Fall;  denn  fast  alle,  die 
dem  Dichter  nahe  standen,  haben  schon  längst  an  dieser 
Legende  gerüttelt,  um  sie  ebenso  wenig  zu  zertrümmern,  wie 
Greniers  vermeinthche  Enthüllungen  es  gethan  und  wie  dies 
unsere  Auseinandersetzungen  thun  werden.  Die  Legende 
wird  trotzdem  weiter  leben  —  weil  sie  Heine  selbst  zur  Welt 
gebracht,  gepflegt  und  gehegt  hat. 

Gegen  das  Ende  seines  Lebens,  besonders  seinen  Deutschen 
gegenüber,  hat  er  gebeichtet,  wie  fremd  ihm  eigentlich  stets 
die  Sprache  Frankreichs  geblieben.  So  lesen  wir  in  Alfred 
Meissners  „Erinnerungen"  (pag.  193) :  „Heine  hatte  trotz  seines 
langen  Aufenthaltes  in  Frankreich  das  Französische  nie  voll- 
kommen erlernt,  wiewohl  er  alle  Feinheiten  dieser  Sprache 
im  Munde  anderer  zu  würdigen  wusste.  Die  Uebersetzungen, 
die  er  selbst  zuwege  brachte,  litten  an  einer  gewissen  Weit- 
schweifigkeit und  hatten  deutsche  Tournüre.  „Sie  können 
nicht  glauben,"  sagte  er,  „wie  schwer  es  den  Deutschen  fällt, 
in  diesen  abgezirkelten,  bestimmten,  unverrückbaren  Formen 
den  deutschen  Geist  wiederzugeben.  Meine  eigenen  Lieder 
kommen  mir  in  dieser  Umbildung  ganz  fremd  vor.  Ich 
deutscher  Waldvogel,  gewohnt  seine  Wohnung  aus  dem  bun- 
testen und  einfachen  Material  zusammenzubauen  —  ich  niste 
da  in  der  Allongeperücke  Voltaires!" 


^)  Wir  sprechen  von  Heines  Biographieen. 


Zeitgenössische  Stimmen.  167 


In  „Gedanken  und  Einfällen"  ^)  drückt  sich  Heine  fol- 
gendermassen  über  das  Französische  aus:  „Die  französische 
Sprache  an  sich  ist  arm,  aber  die  Franzosen  wissen  alles, 
was  sie  enthält,  in  der  Konversation  auszubeuten,  und  sie 
sind  daher  sprachreich  in  der  That." 

In  der  in  seine  nachgelassenen  Schriften  aufgenommenen 
Lebensskizze  Loeve-Veimars',  von  der  wir  schon  gesprochen, 
bekennt  er  ebenfalls,  mit  schmeichelhaften  Worten  für  seinen 
ersten  Uebersetzer,  sein  unzureichendes  Französisch.  Heine 
w^ar  allerdings  erst  kurze  Zeit  in  Paris,  als  er  die  Hülfe 
dieses  Modelitteraten  in  Anspruch  nahm.  Es  heisst  nämlich 
in  jenem  biographischen  Fragmente  u.  a. :  „Als  ich  das 
Uebersetzungstalent  des  seligen  Lo^ve-Veimars  für  verschie- 
dene Artikel  benutzte,  musste  ich  bewundern,  wie  derselbe 
während  solcher  Kollaborationen  mir  nie  meine  Unkenntnis 
der  französischen  Sprachgewohnheiten  oder  gar  seine  lin- 
guistische Ueberlegenheit  fühlen  Hess.  ^)  Wenn  wir  nach 
langstündigem  Zusammenarbeiten  endlich  einen  Artikel  zu 
Papier  gebracht  hatten,  lobte  er  meine  Vertrautheit  mit  dem 
Geiste  des  französischen  Idioms  so  ernsthaft,  so  scheinbar  er- 
staunt, dass  ich  am  Ende  wirklich  glauben  musste,  alles  selbst 
übersetzt  zu  haben,  um  so  mehr,  da  der  feine  Schmeichler 
sehr  oft  versicherte,  er  verstünde  das  Deutsche  nur  sehr 
wenig." 

Aber  all  dies  erfuhr  die  Leserwelt  erst  nach  1856,  als  die 
Legende  schon  feste  Wurzeln  gefasst  hatte.  ^) 


^)  Ausgabe  Elster,  Bd.  VII,  pag.  425. 

2)  Dafür  nahm  er  in  der  „Revue  des  deux  Mondes"  den  Löwenanteil 
für  sich  in  Anspruch.     Vergl.  Abschnitt  IV.  „Uebersetzer". 

^)  Es  lialf  auch  nichts,  dass  die  tonangebenden,  meist  gebrauchten  Nach- 
schlagebücher entschieden  Stellung  gegen  dieselbe  nahmen.  So  besonders 
,,Le  Grand  Dictionnaire  universel  du  XIX°  siecle  von  Pierre  Lai'ousse"  —  mit 
dem  schon  jeder  Pariser  Journalist  und  Litterat  gearbeitet;  und  ebenso  die 
„Nouvelle  Bibliographie  de  Firmin  Didot  freres".  Ein  Lexikon  derselben 
Firma:    „Dictionnaire   de    la    conversation    et    de    la   lecture",    1861,   dagegen 


168  Heines  Kenntnis  der  französischen  Sprache. 


Sehen  wir  uns  jetzt  nach  den  Zeugnissen  seiner  persön- 
lichen Bekannten  um. 

Auguste  Barbier,  der  den  Dichter  1837  in  Boulogne-sur- 
Mer  kennen  lernte,  sagt  von  seiner  französischen  Aus- 
sprache :  „Sa  parole  etait  empreinte  d'un  accent  germanique 
tres  prononce  et  fort  desagreable."  Allem  Anscheine  nach 
hat  also  Heine  die  seinem  Stamme  eigene  Gabe  der  Sprach- 
und  Accentassimilation  nicht  besessen. 

Am  interessantesten  und  lehrreichsten  sind  die  dies- 
bezüglichen Mitteilungen  Saint-Rene  Taillandiers, ')  der  schon 
über  dreissig  Jahre  vor  Grenier  Heine,  den  französischen 
Schriftsteller,  in  das  richtige  Licht  gestellt  hat. 

Malgre  l'opinion  contraire  tres  repandue  en  France  et  en  Alle- 
magne,  Henri  Heine  n'ecrivait  pas  notre  langue;  il  la  connaissait  par- 
faitement,  il  en  appreciait  les  finesses,  les  delicatesses,  mais  il  etait 
incapable  de  construire  une  phrase  elegante  et  qui  ne  füt  pas  em- 
barrassee  de  germanismes.  Ce  tissu  ferme  et  souple  de  la  prose  pari- 
sienne,  il  essayait  en  vain  de  le  deployer  avec  art;  les  fils  se  rompaient 
dans  ses  mains,  et  l'image  n'apparaissait  qu'ä  denii  sur  la  trame  eni- 
brouillee  .  .  . 

Pag.  148: 

Cetait  lä,  en  effet,  une  de  ses  preoccupations  les  plus  vives.  II 
craignait  qu'une  traduction  trop  fidele,  füt-elle  meine  tres  poetique  ä 
son  gre,  ne  donnat  pas  au  lecteur  frangais  une  juste  idee  de  ce  qu'il 
avait  voulu  faire.  „II  y  a  des  choses,  nie  disait-il,  qu'il  faut  absolu- 
ment  transposer  au  lieu   de   les   traduire.''    Et   il  ajoutait:    „Voyez 


bezeichnet  das  Französische  als  Heines  zweite  Muttersprache.  Der  aus  dem 
Eisass  gebürtige  Philologe  und  Litterarhistoriker  A.  Bessert  drückt  sich  in 
seinem  Artikel  über  Heine  in  der  „Grande  Encyclopedie"  (Lamirault)  wie 
folgt  aus:  „Henri  Heine  se  prenait-il  reellement  pour  un  ecrivain  fran(,'.ais,  pour 
un  successeur  de  Voltaire,  comme  l'appelaient  complaisamment  ses  amis?  Cela 
est  douteux.  Son  frangais,  sans  manquer  d'allure,  a  une  teinte  exotique, 
comme  celui  de  certains  vomanciers  sidsses.^^ 
^)  Ecrivains  et  poetes  modernes,  1861. 


Zeitgenössische  Stimmen.  169 


ces  strophes;  elles  ont  une  couleur  legerement  chevaleresque  et  ro- 
mantique;  je  les  ai  ecrites  dans  le  ton  de  Clement  Brentano  et  de 
certaines  pieces  du  „Cor  merveilleux" ;  qu'ai-je  voulu  par  la?  J'ai 
trouve  piquant  de  donner  au  sentiment  que  j'exprimais  une  forme 
gracieuse,  mais  passee  de  mode;  il  m'a  plu  d'y  repandre  une  teinte 
ä  la  fois  charmante  et  fanee.  Que  j'aie  eu  tort  ou  raison,  c'est  une 
autre  aifaire,  mais  voilä  ce  que  j'ai  voulu.  Or,  cette  gräce  romantique 
(dans  le  sens  allemand),  cette  gräce  romantique  et  printaniere  n'est 
pas  hors  de  mode  chez  vous  comme  chez  les  compatriotes  de  Bren- 
tano et  de  Fouque ;  eile  aurait  plutot  une  certaine  fraicheur  de  nou- 
yeaute  que  je  n'ai  pas  eu  l'intention  d'exprimer  ici.  Au  ton  roman- 
tique, substituons  le  ton  Pompadour,  mettons  la  nuance  Louis  XV  ä 
la  place  de  la  nuance  moyen-äge  .  .  /  Le  fin  sourire  du  poete,  au 
moment  oü  il  combinait  ainsi  ses  effets,  revelait  bien  le  dilettante 
consomme. 

Pag.  149: 

S'il  ne  maniait  pas  notre  langue  avec  elegance  et  sürete,  il  savait 
apprecier  en  maitre  les  traductions  qu'il  demandait  ä  ses  confreres. 
C'etait  plaisir  de  l'entendre  discuter  un  mot,  proposer  un  tour  de 
phrase,  combiner  des  alliances  de  termes  avec  le  sentiment  le  plus 
fin  des  lois  du  style  et  des  ruses  de  la  langue.  C'etait  surtout  un 
curieux  sujet  d'etudes  que  de  le  voir  ainsi  corriger,  attenuer,  trans- 
poser  completement  certaines  parties  de  son  oeuvre.  II  en  resultait 
quelquefois  un  remaniement  du  texte  meme.  Ses  poesies  traduites 
sont  donc  en  plusieurs  endroits  une  oeuvre  presque  nouvelle,  et  ceux 
qui  peuvent  les  comparer  ä  l'original  y  trouveront  des  indications  assez 
curieuses  sur  les  idees  que  le  poete  s'etait  faites,  ä  tort  ou  ä  raison, 
du  docteur  allemand  et  du  public  frangais. 

Taillandier  citiert  noch  ein  Fragment  des  Briefes,  den 
Heine  ihm  kurz  vor  der  Veröffentlichung  des  „Nouveau  Prin- 
temps"  („Revue  des  deux  Mondes",  15.  September  1855)  — 
der  ohne  Namen  des  Uebersetzers  herauskam!  —  geschrieben.*) 
Der  Kritiker  will  sich  mit  diesem  Schriftstück  gegen  Anschul- 
digungen, die  ihm  von  deutscher  Seite  widerfuhren,  ver- 
teidigen. 


')  Vergl.  Correspondance  inedite,  Bd.  III,  pag.  424;  Levy,  1877. 


170  Heines  Kenntnis  der  französischen  Sprache. 


„.  . .  Votre  traduction  est  magnifique,  et  mes  corrections  ne  sont 
que  des  variantes  que  je  vous  propose  seulement  pour  y  avoir  mis 
la  main.  Ah!  qu'il  est  difficile  pour  moi  d'exprimer  nies  sentiments 
poetiques  allemands!  Ma  sensiblerie  d'outre-Rhin,  dans  la  langue  du 
positivisme,  est  d'un  bon  sens  par  trop  prosai'que.  Croyez-moi,  nion 
eher  ami,  il  se  trouve  tres  mal  ä  son  aise,  ce  pauvre  rossignol  alle- 
mand  qui  a  fait  son  nid  dans  la  perruque  de  M.  de  Voltaire. 

„Donc  ä  demain. 

„Votre  tout  devoue, 

„Henri  Heine." 

Wir  ersehen  aus  dem  Schlüsse  dieses  Briefes,  dass  Heine 
einen  geistreichen  Einfall  auszunützen  wusste !  — 

Auch  Alexandre  Weill  hat  sich  schon  1883  in  seinen 
bereits  besprochenen  „Souvenirs  intimes"  deutlich  über  Heines 
Französisch  ausgesprochen.  Es  heisst  dort  (pag.  96)  u.  a. : 
„Henri  Heine  ne  savait  pas  le  frangais  grammaticalement.  II 
ne  savait  pas  faire  marcher  de  pair  le  subjonctif  avec  l'indi- 
catif,  ni  sexuer  les  participes  selon  le  regime  direct  ou  indi- 
rect  .  .  ."  Hier  hören  wir  auch  von  einem  neuen  „teinturier". 
„Heine,  a  ma  connaissance,  se  faisait  traduire  par  un  certain 
M.  Wolf,  pauvre  pion,  Alsacien  mätine  d'Auvergnat,  et  quand 
il  ecrivait  lui-meme  en  frangais,  il  se  faisait  blanchir,  d'abord 
par  Gerard  de  Nerval,  une  des  plumes  les  plus  fines  de  son 
epoque,  puis  par  un  employe  de  Buloz.^' 

Wir  kommen  nun  zu  den  Memoiren  der  „Mouche'',  ^)  die 
uns  über  diesen  Punkt  manche  wissenswerte  Auskunft  gibt. 
Von  Heines  Ansichten  über  die  französische  Sprache  erfahren 
wir  zunächst  folgendes:  „—  Ma  maniere  de  lire  rallemand 
lui  plaisait  parce  qu'il  la  trouvait  naturelle,  simple,  bien  appro- 
priee  au  genie  de  la  langue  qu'il  estimait  non  seulement  la 
plus  belle,  mais  la  plus  harmonieuse  du  monde.  l\  trouvait 
la  nötre  impropre  ä  la  poesie,  plus  seche  qu'elegante,  tout  ä 
fait  incapable  de  traduire  certaines  sensations  intimes.''  (Pag.  25.) 


0  Vergl.  Abschnitt  II,  pag.  122. 


Zeitgenössische  Stimmen.  171 

Schon  einige  seiner  kritischen  Urteile  über  berühmte 
französische  Kollegen,  auf  die  wir  nicht  näher  eingehen  können 
—  wir  erwähnen  nur  den  Vorwurf,  den  er  den  Versen  Alfred 
de  Mussets  macht,  sie  seien  bloss  gereimte  Prosa  —  berechtigt 
zu  dem  Schlüsse,  dass  Heines  französisches  Sprachgefühl,  das 
ihm  alle  und  mit  Recht  zusprechen,  nicht  über  gewisse  Kennt- 
nisse einiger  Feinheiten,  oder  genauer,  Pinessen  und  Rou- 
tinen des  Pariser  Konversationsstiles  hinausgingen.  Jegliches 
gründliche  Wissen,  das  auf  ernstem  Sprachstudium  beruht, 
mangelte  ihm. 

Von  seiner  Unfähigkeit,  selbständig  zu  übersetzen,  be- 
richtet Camille  Seiden  ferner :  „Curiosite  ou  desir  de  m'associer 
ä  ses  travaux,  il  m'entretenait  longuement  de  ses  projets  de 
traduction.  II  s'agissait  de  trouver  des  expressions  frangaises 
ä  la  fois  assez  harmonieuses  et  assez  justes  pour  initier  le 
public  de  la  „Revue  des  deux  Mondes''  ä  ce  chef-d'oeuvre 
qui,  sous  le  titre  de  „Nouveau  Printemps'',  peint  si  bien  l'etat 
d'un  coeur  qui  passe  des  glaces  d'un  amour  refroidi  aux  delices 
printanieres  d'un  amour  nouveau.  II  voulait,  disait-il,  com- 
parer  ma  version  frangaise  avec  celle  de  ses  traducteurs  ordi- 
naires  et  corriger  leur  travail  sur  mon  texte.''     (Pag  23.) 

Also  nicht  weniger  als  drei  —  die  „Mouche",  Taillandier 
und  —  Heine  —  arbeiteten  an  der  Uebersetzung  des  „Neuen 
Frühling" ! 

Noch  deutlicher  lautete  schon  eine  andere  Stelle  ihrer 
Erinnerungen :  „.  .  .  tantöt  il  me  chargeait  d'ecrire  les  adresses 
des  lettres  qu'il  ecrivait  ä  sa  mere,  tantöt  de  corriger  les 
epreuves  de  l'edition  frangaise  des  „Reisebüder".  Täche  ardue, 
car  je  ne  m'etais  jamais  occupee  de  travaux  litteraires;  favais 
ä  corriger  im  texte  panacM  de  harharismes  et  de  phrases  iji- 
admissihles.^^ 

Grenier  nun,  wie  wir  schon  angedeutet  haben,  räumt 
allerdings  am  energischsten   mit   der  Fabel  von  Heines   selb- 


172  Heines  Kenntnis  der  französischen  Sprache. 


ständiger  französischer  Schriftstellerthätigkeit  auf.  ^)  Dreimal 
wiederholt  er  es  in  seinen  „Souvenirs  litteraires",  dass  er  dies 
mit  Absicht  thue  und  dem  Bewusstsein,  hiermit  der  allgemein 
verbreiteten  Meinung  entgegenzutreten  (pag.  268) : 

Je  vais  sans  doute  etonner  bien  du  monde  en  Allemagne  et  en 
France,  en  ajoutant  que,  tout  en  etant  un  causeur  alerte  et  possedant 
bien  des  finesses  de  notre  langue,  il  n'etait  pas  capable  de  l'ecrire  tout 
seul  avec  sürete  et  de  maniere  ä  presenter  son  oeuvre  sans  retouches 
devant  le  pubhc  frangais.  J'ai  re§u  bien  des  lettres  et  des  billets  de 
lui:  pas  un  qui  ne  j^ortät,  par  quelque  faute  ou  negligerice,  la  marque 
de  son  origine  efrangere.  Et,  quant  ä  ses  articles  ecrits  et  parus 
dans  la  „Revue  des  deux  Mondes",  je  sais  par  experience  que,  bien 
que  signes  de  son  noin,  ils  avaient  toujours  ete  traduits  de  Tallemand 
en  fran^ais  par  un  autre,  ou  que,  s'il  avait  voulu  se  charger  lui-meme 
de  ce  travail,  cette  traduction  avait  du  forcement  etre  toujours  revue 
et  corrigee  par  un  ecrivain  fran^ais. 

Wie  er  als  junger  Mann  beim  Uebersetzen  des  „Atta  Troll" 
seine  liebe  Not  mit  Heine  hatte,  erzählt  Grenier  wie  folgt 
(ib.  pag.  270): 

J'eus  des  lüttes  ä  supporter  avec  l'auteur  pour  cette  traduction 
comme  pour  les  autres.  II  s'obstinait  ä  vouloir  faire  passer  dans  le 
frangais  des  audaces  de  mots,  des  accouplements  etranges  que  l'alle- 
mand  peut  se  permettre,  —  car  cette  langue  molle,  souple  et  riche 
se  plie  ä  tout  sous  la  main  d'un  grand  artiste,  —  mais  que  la  langue 
fran^aise,  cette  „gueuse  fiere",  comme  on  l'a  dit,  ne  peut  accepter  ä 
aucun  prix.  Je  ne  pouvais  faire  entendre  raison  ä  H.  Heine  sur  ce 
chapitre-lä.  II  s'en  etait  fait  un  Systeme,  qu'il  a  expose  dans  la  pre- 
face  de  ses  „Reisebilder".  II  pretend  que  c'est  un  moyen  de  rajeunir 
notre  langue  et  d'etendre  nos  idees;  mais,  systematique  ou  naturel, 
ce  goüt  des  alliances  de  mots  bizarres  et  incompatibles  le  rendait 
intraitable.    II  tenait  ä  ses  mots  et  se  cramponnait  en  desespere. 

Dass  Heines  französische  Rede  geistreich,  schlagfertig 
und  originell  war,  darüber  herrscht  nur  eine  Stimme.  ^)     Da- 


1)  Vergl.  Abschnitt  II,  pag.  129. 

2)  Cf.  dazu,  dass  z.  B.  Balzac  in  den  „Fantaisies  de  Claudine"  (Bruxelles 
1841,  pag.  222)  Heines  geistreichen  Ausdruck  über  die  Liebe  als  „maladie 
secrete  du  coeur"  rühmt. 


1 


Zeitgenössische  Stimmen.  173 

gegen  blieb  ihm  Zeit  seines  Lebens  der  deutsche  Accent  und 
zum  korrekten  Sprechen  brachte  er  es  nie;  die  Sprache  floss 
ihm  nach  zwanzig  Jahren  französischer  Umgebung  nicht  leichter 
als  in  der  ersten  Zeit  seines  Pariser  Aufenthaltes,  da  Madame 
Jaubert  (1835)  von  seinem  Französisch  berichtet:  „II  parlait 
alors  le  frangais  avec  quelque  difficulte,  toutefois  exprimant 
sa  pensee  sous  une  forme  piquante."  ^)  —  Heinrich  Laube  er- 
zählt eine  Anekdote,  die  für  die  linguistische  Schwerfälligkeit 
Heines  charakteristisch  ist. -)  ,, Tagelang  prüfte  und  fragte  er: 
Wie  drückt  man  diesen  Begriff,  jenes  Wort  am  besten  im 
Französischen  aus?''  „Ich  hab's!"  rief  er  eines  Tages,  bei  mir 
eintretend,  —  „ich  hab's!  Les  eleves  de  Charles  muss  man 
Karlsschüler  übersetzen."  Mit  dieser  simplen  Entdeckung 
hatte  er  sich  tagelang  beschäftigt.  — 

Wie  sehr  Greniers  Zeugnis  über  Heines  fehlerhaftes 
Französisch  beizustimmen  ist,  werden  besonders  diejenigen 
Briefe  beweisen,  die  weder  die  Korrektur  eines  Verlegers  noch 
einer  Freundeshand  erfahren  haben.  Einige  zeugen  von  einer 
orthographischen  Flüchtigkeit,  die  an  die  Korrespondenzen 
seiner  Stammesgenossin  Rahel  erinnern.  Heine  besass  ent- 
schieden das,  was  die  Franzosen  „la  bosse  de  l'orthographe" 
nennen,  nicht. 

Heine  hat  sich  verschiedentlich  in  französischen  Neu- 
bildungen versucht.  Sie  sind  ihm  alle  misslungen,  —  mit 
Ausnahme  einer  einzigen,  die  besser  unterblieben  wäre.  Wäh- 
rend nämhch  der  Schweizer  Eggis  dem  französischen  Sprach- 
schatz das  hübsche  Wort  „ensoleille"^)  schenkte,  zog  von  Heines 


^)  Souvenir  etc.,  pag.  283. 

2)  „Gartenlaube",  1868,  pag.  24. 

^)  Littre  führt  dies  Wort  in  dem  Supplement  seines  Dictionnairs  an,  citiert 
aber  bloss  zwei  Stellen  aus  Gautiers  Werken.  Nach  Arsene  Houssaye  hat  es 
dieser  von  Eggis  adoptiert. 


174  H(!in(^s  Kenntnis  dor  französischen  Sprache. 

Neologismen  bloss  —  „horizontale",  als  Bezeichnung  für  eine 
Frauengattung,  für  die  es  doch  im  Französischen  —  nach 
Louis  de  Landes  „Glossaire  erotique"  —  genug  Bezeichnungen 
gab.  —  Von  andern,  mehr  oder  weniger  ernstgemeinten  Neo- 
logismen Heines  seien  die  Worte  erwähnt:  „etat  de  —  (droit 
de  — )  moribondage";  ferner:  „par  droit  de  nativite".  In  einem 
Briefe  an  Madame  Jaubert  (die  obigen  Ausdrücke  finden  sich 
ebenfalls  in  Briefen  an  seine  „petite  fee'')  heisst  es:  „Je  suis 
enchante  de  ce  que  vous  me  dites  de  Madame  votre  fiUe; 
„fa"  est  jeune  et  j,retahlissahle^'. 

Nur  aus  der  ausgesprochenen  Antipathie  Heines  gegen  die 
französische  Verskunst,  besonders  gegen  den  Alexandriner, 
ist  erklärlich,  dass  er  es  fertig  gebracht  hat,  er,  der  in 
Liedern  träumte,  fünfundzwanzig  Jahre  in  Paris  zu  leben, 
ohne  einen  einzigen  französischen  Vers  zu  reimen.  Diese 
Thatsache  scheint  uns  zu  dem  Schlüsse  zu  berechtigen,  dass 
Heine  eigenthch  nie  recht  französisch  dachte.  Die  logische 
Folge  wäre  doch  bei  einem  Vollblutlyriker,  wie  Heine,  ge- 
wesen, dass  er  dann  auch  französisch  gedichtet  hätte,  und 
seien  es  nur  Gelegenheitspoesieen.  Er  selbst  aber  versichert 
uns  launig,  dass  er  eher  im  stände  gewesen,  für  Frankreich  zu 
sterben,  als  einen  französischen  Vers  zu  machen.  Ja,  er  ver- 
mag nicht  einmal  die  französischen  Verse  anderer  korrekt  zu 
citieren.  So  führt  er  in  einem  Briefe  an  seinen  Freund 
Christian  Sethe  zwei  Verse  aus  „Merope"  (IL  7)  folgender- 
massen  an: 


Quand  on  a  tout  perdu  et  qu'on  n'a  plus  d'espoir, 
La  vie  est  une  opprobre  et  la  mort  un  devoir.  ^) 

Wenn   wir   diese   Böcke   dem    deutschen  Studenten   ver- 


*)  Hüfifer,  der  den  Brief  citiert,  korrigiert  die  ungenaue  Wortwiedergabe 
(Voltaire  sagt  „quand  on",  statt  wie  Fleine  ,,et  qu'on");  das  weibliche  „opprobre" 
geniert  ihn  aber  auch  nicht. 


i 


I 


Zeitgenössische  Stimmen.  175 


zeihen  können,  so  darf  der  alte  Heine  auf  keine  Milderungs- 
gründe zählen,  wenn  er  in  seinen  Memoiren  einen  Lieblings- 
vers seines  Grossoheims  in  einer  Weise  citiert,  die  jedem 
französischen  Ohre  weh  thut: 

„Oü  l'innocence  perit,  c'est  un  crime  de  vivre." 


176  Heines  Kenntnis  der  französischen  Sprache. 


Zweites  Kapitel 

Einige  unretouchierte  französische  Briefe 

Heines ') 


Es  folgen  hier  einige  zum  Teil  noch  unveröffentlichte, 
zum  Teil  weniger  bekannte  Briefe  Heines,  die  keine  Retouche 
aufweisen  und  deshalb  geeignet  sind,  den  vorangehenden 
Seiten  als  „pieces  justificatives"  zu  dienen.  Wir  betrachten 
es  nicht  als  unsere  Aufgabe,  die  hier  citierten  Briefe  einer 
grammatikalischen  Untersuchung  zu  unterziehen.  Wir  be- 
gnügen uns  damit,  Fehlerhaftes  und  Auffallendes  (z.  B.  Argot- 
ausdrücke) durch  gesperrten  Druck  zu  markieren. 

Französischer  Teil  eines  Briefes  an  seinen  Freund  Ch.  Sethe: 

Je  n'aurais  jamais  cru  que  ces  betes  qu'on  nomine  allemands, 
soient  une  race  si  ennuyante  et  malicieuse  en  memo  temps.  Aussitot 
que  ma  sante  sera  retablie,   je  quitterai  TAllemagne,  je  passerai  en 


^)  Wie  bereits  erwähnt,  hat  Jules  Legras  inzwischen  in  der  „Deutschen 
Rundschau"  eine  Anzahl  interessanter  französischer  Briefe ,  Entwürfe  und 
Uebersetzungen  Heines  veröffentlicht,  wobei  er  auch  auf  die  Frage  von  Heines 
französischer  Sprachkenntnis  zu  sprechen  kommt.  Aus  seinen  Mitteilungen 
geht  hervor,  dass  sich  diese  Schätze  im  Gewahrsam  von  J.  Bourdeau  befanden, 
den  wir  noch  als  Uebersetzer  der  Heine-Memoiren  kennen  lernen  werden. 
Diesem  seien  die  Manuskripte  von  Calmann  Levy  zur  Sichtung  übergeben  worden. 
Dagegen  versicherte  uns  dieser  Verleger  noch  letzten  Herbst,  dass  er  keine^^™. 
französischen  Briefe  Heines  von  öffentlichem  Interesse  habe  — !  —  Es  bleib^^Bj 
das  Verdienst  des  Herrn  Legras,  mit  der  Verleumdung,  es  hätte  sich  Heine 
durch  die  Pension,  die  er  von  der  französischen  Regierung  annahm,  an  Louis 
Philippe  verkauft,  für  immer  aufgeräumt  zu  haben.  Nach  den  von  ihm  neu 
entdeckten  Urkunden  und  der  daran  geknüpften  Beweisführung  kann  von  einer 
„feilen  Feder"  nicht  mehr  die  Rede  sein. 


I 


Einige  unretouchiorte  französische  Briefe  Heines.  17^ 

Arabie,  j'y  menerai  une  vie  pastorale,  je  serai  homme  dans  toute 
l'etendue  du  terme,  je  vivrai  parmis  des  cliameaux  qui  ne  sont  pas 
etudiants,  je  ferrai  des  vers  arabes,  heau  comme  le  Morlaccat,  enfin 
je  serai  assi  sur  le  rocher  sacre,  oü  Mödschnun  a  soupire  apres  Leila. 
(Hüffer,  „Aus  dem  Leben  Heines",  1878.) 


A  Monsieur  Boccage,  artiste  du  Theatre  de  la  Porte-St-Martin? 

rue  de  Lancy  N"  35. 
Monsieur!  ^ 

J'ai  re^u  votre  billet  et  le  Manuscript  de  la  tragedie  de  Kleist. 
Coinme  je  vous  connais  l'äme  artiste  et  que  vous  n'etes  pas  vous 
meine  auteur  dramatique,  je  suis  persuade  de  la  sincerite  de 
Vinteret  que  vous  avez  montre  ä  cette  occasion  et  je  vous  en  re- 
mercie.  Quant  ä  Mr.  Dumas  je  ne  sais  que  penser.  Lorsque  j'ai  ete 
le  voir  pour  la  premiere  fois,  il-y-a  sept  semaines,  il  ma  dit  tout 
positivement:  „Monsieur  Harel  aura  ce  soir  entre  ses  mains  la  tragedie 
de  Henri  Kleist",  et  lorsque  je  suis  alle  chez  lui  une  seconde  fois,  il 
y  a  dix  jours,  il  m'a  dit:  „Le  Manuscrijjt  de  la  Tragedie  est  entre 
les  mains  de  Mr.  Harel,  je  vous  engage  ä  voir  ä  ce  sujet  Mr.  Boccage, 
ä  qui  je  ne  pourrais  parier  moi  meine  dans  ce  moment,  parce  que 
nous  sommes  brouilles." 

Voyant  que  Mr.  Dumas  s'est  trompe,  et  que  le  Manuscript  n'a 
pas  ete  dans  les  mains  de  Mr.  Harel  du  tout,  je  m'abstiendrai  de  toute 
nouvelle  demarche.  La  piece  fera  peut-etre  mieux  son  chemin  quand 
eile  sera  imprimee. 

Agreez,  Monsieur,  l'assurance  de  ma  plus  haute  consideration. 
Peut-etre  je  viendrai  encore  chez  vous  pour  vous  voir  avant  votre 
depart.  Nid  homme  n'est  plus  que  moi  l'admirateur  de  votre  grand 
talent,  qui  est  plus  rare  que  ne  s'imaginent  les  i^oi-disant  critiques 
qui  ne  connaissent  que  la  scene  fran§aise :  En  effet,  Monsieur,  je  suis 
assez  vain  de  croire  que  la  magie  de  votre  voix  trouve  dans  mon 
cceur  un  echo  plus  sonnore,  que  dans  d'autres  cceurs.    Yotre  devoue 

Henri  Heine.  2) 
Paris  le  7  May  1834. 


^)  Heine  versieht  die  Anrede  stets  mit  dem  unfranzösischen  Ausrufungs- 
zeichen. 

^)  Von  Karl  Emil  Franzos,  in  dessen  Besitz  dieser  Brief  ist,  in  „Deutsche 
Dichtung",  XI.  1,  veröffentlicht  und  kommentiert. 

Betz,  Heine  in  Frankreich.  12 


178  Heines  Kenntnis  der  französischen  Sprache. 

Paris  le  11  Mars  1841. 
Mon  chh'  Renduel! 

Ce  n'est  pas  par  negligence  que  j'ai  tarde  jusqu'aujourd'hui  de 
vous  ecrire.  Deloye  ne  s'est  pas  presse  de  me  donner  une  reponse 
hrilliante.  II  public  apresent  ses  livres  dans  le  format  de  Charpentier 
qui  crie  qu'on  lui  prennait  son  invention  et  qui  criera  encore  plus  fort, 
quand  on  publiera  dans  ce  format  un  livre  portant  le  meme  titre 
qu'un  des  siens.  Cet  incident  a  donne  lieu  a  des  pourparlers  assez 
bouffons.  En  resultat  Deloye  veut  bien  faire  une  edition  de  mon 
Allemagne  dans  un  volume,  en  exigeant  que  j'ote  un  tiers  de  l'ouvrage 
et  que  je  le  remplage  par  du  nouve^Mcc  —  ce  qui  me  fait  de  nouveaux 
frais  de  traduction.  Ma  retribution  sera  de  huit  sous  par  volume, 
cependant  sur  1000  Exemplaires  250  Ex  ne  me  seront  pas  comptes. 
On  me  paye  1000  Ex  d'avance,  en  billets  de  100  fr  payables  dans  le 
courant  de  l'annee  et  au  commencement  de  l'annee  prochaine.  — 
Voil<2  aiwesent  ce  que  je  vous  propose,  mon  eher  Renduel: 

Je  vous  donne  500  francs  argent  comptant  et  je  vous  promets 
de  vous  payer  encore  300  francs  d'ici  en  trois  ans  si  mon  edition  de 
1' Allemagne  a  reussi  ou  que  je  me  trouve  plus  riche  que  dans  ce 
moment.  Soyez  persuade  que  je  ne  veux  pas  vous  payer  ces  300  fr 
en  vaines  promesses  et  que  vous  ne  les  perderez  dans  aucun  cas.  Je 
suis  tres  gueux  dans  ce  moment,  mais  j'ai  beaucoup  cVavenir  de  for- 
tune  et  je  ne  crois  pas  manquer  d'honneur. 

Si  vous  acceptez  ma  proposition,  dont  je  ne  doute  pas,  je  vous 
prie  de  me  nommer  la  personne  ä  qui  je  remettrai  un  billet  de  Banque 
de  500  francs  et  qui  en  retour  me  delivrera  de  votre  part  un  ecrit 
formule  de  maniere  ä  ne  laisser  aucun  doute  sur  mon  droit  de  reim- 
primer  l'Allemagne.  Dans  cet  ecrit  vous  ne  mentionnez  pas  la  somme 
que  je  vous  paye,  car  De/?oye  n'a  pas  besoin  de  savoir  qu'elle  sert  en 
meme  temps  de  m'acquitter  aupres  de  vous  d'une  dette  d'argent.—  Quant 
ä  cette  dette,  je  vous  repete  encore  une  fois  que  je  n'ai  pas  re§u  pour 
100  fr  de  livres  comme  vous  disiez  l'autre  jour;  je  n'ai  re§u  que 
12  Yolumes  ä  2  fr  50  °,  et  ca  fait  30  fs.  Cette  remarque  devient 
oweuse  apres  l'arrangement  que  nous  fönt  aujourd'hui ;  eile  sert  toute- 
fois  ä  vous  montrer  que  vous  ne  sacrifiez  pas  tant  que  vous  imaginiez. 
Cependant  cela  ne  m'empeche  pas  de  vous  dire  mes  remerciments  les 
plus  sinceres  pour  le  sacrifice  que  vous  faites  et  qui  a  toujours  une 
assez  grande  valeur  pour  moi.     Vous   etiez   toujours  plein  de   bons 


I 


Einige  unretouchierte  französische  Briefe  Heines.  179 


procedes   ä  mon  egard  et  je  serais  enchante   si  jamais  je  troiwerais 
l'occasion  de  vous  en  prouver  ma  reconnaissance. 

Votre  ami 

Henri  Heine.  ^) 


Mon  eher  Balzac! 

J'ai  remis  ä  Samedi  le  dtner  dont  je  vous  ai  ecrit  hier.  J'ai  häte 
de  vous  en  avertir  et  de  repeter  avec  empressement  que  je  compte 
sur  vous. 

Accusez-moi  avec  deux  mots  la  reception  de  ces  hgnes  affin  que 
je  sois  sür  que  vous  les  ayez  reQues. 

N'oubhez  pas  de  venir  Samedi,  14  Janvier,  chez 

votre  tout  devoue 

Henri  Heine 

46.  faub.  Poissonniere.  2) 


i 


Mon  eher  Gozlan! 

Une  dame  allemande  qui  vous  a  vu  l'autre  jour  cliez  moi  m'a 
Charge  de  vous  demander  quelques  lignes  pour  son  Album.  Je  vous 
l'envoie  ci-joint  et  j'enverrai  demain  chez  vous  pour  le  reprendre. 

Ma  femme  lit  dans  ce  moment  votre  Pere-Lachaise ;  eile  ne  fait 
que  me  parier  du  matin  au  soir  d'un  ChevaZZier  de  Profundis,  d'une 
coquine  nommee  Mousseline  et  d'une  diablesse  de  sonnette  qu'on  en- 
tend  ä  tout  moment. 

Votre  tout  devoue 

Henri  Heine.  (!) 
Sawwedi.  —  (Ohne  Jahreszahl.) 

Dieser  Brief  ist  als  Facsimile  in  de  Villemessants  „L'Auto- 
graphe"  vom  1.  März  1864  wiedergegeben.  Merkwürdig  ist 
derselbe  wegen  der  Unterschrift.  Die  Geduld  Heines  wurde 
durch   die   unmöglichsten  Formen,    die  die  Franzosen  seinem 


^)     Das  Original  ist  in  unserem  Besitze. 

2)     Wir  verdanken  dieses  Facsimile  der  Liebenswürdigkeit  des  Herrn 
Vicomte  de  Spoelberch.    Dieser  gibt  als  Datum  des  Billets  das  Jahr  1843  an. 


180  Heines  Kenntnis  der  französischen  Sprache. 

Namen  gaben,  oft  auf  eine  harte  Probe  gestellt.  Aus  Heine 
machten  sie  „Enne";  mit  dem  Vornamen  zusammengesprochen, 
ergab  sich  „Enrienne".  Von  da  bis  zu  dem  Kalauer  „Un  rien" 
war  für  den  Boulevardwitz  kein  weiter  Weg.  Heute  herrscht 
allgemein  die  Aussprache:  „henri  ain".  ^)  Es  half  Heine  nichts, 
dass  er  seinen  PamiHennamen  eine  Zeitlang  mit  einem  Accent 
versah. 


1)  So   wird    er    auch    von    dem    Societaire    der   Com^die    Fran^aise,    Le 
Bargy,  im   „Gendre  de  Monsieur  Poirier"  ausgesprochen   (cf.  Abschnitt  V). 


I 


VIERTER  ABSCHNITT 

HEINES 
FRANZÖSISCHE  ÜBERSETZER 


II  morto  Enrico  poetava  ancora. 

Bernardino  Zendrini. 

Astre  ä  demi  voile,  l'idee  eclate  et  perce 
Sous  le  nuag-e  gris  de  la  traduction; 
Pour  juger  de  l'etoile,  il  suffit  d'un  rayon. 
Theophile  Gautier, 


I 


Manchen  Unberufenen  werden  wir  in  der  langen  Reihe 
der  französischen  Heinedolmetscher  finden,  dafür  auch  manch 
erfreuHches  GeHngen  einer  schwierigen  Aufgabe.  Bange  war 
uns  oft  genug,  auf  Spuren  eines  plumpen  Getrampels  in  dem 
Blumenbeete  seiner  Lieder  zu  stossen,  mit  anzusehen,  wie  sie 
mit  ungeschickter  Hand  aus  dem  reichen  Boden  ihrer  Sprache 
gezerrt  wurden.  Ein  jeder  darf  es  ja  ungestraft  thun,  — 
nur  den,  der  in  unserem  Gemüsegarten  auf  Kraut  und  Rüben 
herumtrampelt,  dürfen  wir  strafen!  — 

Wir  wollen  indessen  nicht  strenge  urteilen  —  ja,  wir 
beabsichtigen  das  Richten  überhaupt  auf  ein  Minimum  zu 
beschränken,  da  eine  eingehende  ästhetisierende  Kritik  weder 
unsere  Aufgabe  sein  kann,  noch  innerhalb  unserer  Kompetenz 
liegt.  Nachsicht  ist  hier  schon  deshalb  am  Platze,  weil  die 
Schwierigkeiten,  die  sich  bei  jeder  Nachbildung  einstellen, 
bei  den  Liedern  Heines  wirklich  oft  unüberwindHch  scheinen, 
zur  teilweisen  Bewältigung  schon  bedeutende  Talente  erfordern. 
Ist  doch  der  musikalische  Rhythmus  derselben  kein  zufälliger 
—  wir  wissen,  wie  Heine  an  seinen  Versen  feilte.  Sie  sind 
das  Resultat  einer  kunstvollen  Arbeit,  und  das  wirklich  Kunst- 
volle an  ihnen  ist  gerade,  dass  sie  nicht  gekünstelt  erscheinen, 
dass  sie  sich  voll  natürlicher,  ungezwungener  Anmut  wiegen, 
wie  die  Elfen  und  Feen,  die  sie  besingen.  Hält  sich  daher 
der  Uebersetzer  streng  und  pedantisch  bloss  an  die  Form  des 
Originals,  so  verliert  seine  Uebersetzung  fast  immer  dessen 
zwanglose  Kunst,  sie  wird  eine  poesielose  Verskopie,  die  statt 


184  Heines  französische  Uebersetzer. 

an  das  Tanzen  der  Elfen  an  das  Gerumpel  eines  Lastwagens 
erinnert.  Beim  entgegengesetzten  Verfahren,  das  sich  um 
die  Form  gar  nicht  kümmert,  und  die  Idee,  wie  es  gerade 
passt,  verkörpert,  ist  das  Resultat  kein  glücklicheres.  Der  Ueber- 
setzer, der  das  französisch  klassische  Gewand  zu  zerreissen 
fürchtet,  wird  das  des  Fremden  zerzausen. 

lieber  die  so  wichtige  Uebersetzungsfrage  im  allgemeinen, 
die  sich  etwa  so  formulieren  Hesse:  „Inwiefern  kann  ein 
poetisches  Werk  im  fremden  Kleide  nützen  oder  schaden, 
gewinnen  oder  verlieren?"  —  oder:  „Kann  man  ihm  das  natür- 
liche Gewand  mit  einem  neuen  vertauschen,  so  dass  es  im 
neuen  ebenso  gefällt  wie  im  alten?"  —  über  dies  interessante 
Thema  ist  aus  der  Feder  Kompetenter  und  Unbefähigter  viel 
Tinte  geflossen.  ^)  Die  noch  zu  bewältigende  Stoffesfülle  ver- 
bietet uns,  hier  näher  auf  das  pro  und  contra  der  Ueber- 
setzungskunst  einzugehen.  Im  Widerspruch  mit  den  meisten, 
die  hierüber  geschrieben,  glauben  wir  an  die  Möglichkeit 
guter  französischer  Uebertragungen  deutscher  Lyrik,  obschon 
auch  wir,  wie  gesagt,  für  die  grossen  Schwierigkeiten  nicht 
blind  sind ;  wir  glauben  daran,  weil  uns  die  unten  folgende 
Untersuchung  den  praktischen  Beweis  geliefert.  Ist  es  dem 
Uebersetzer  gelungen,  Geist  und  Stimmung  des  Originals  bei- 
zubehalten, so  dass  das  übertragene  Lied  analog  auf  Verstand 
und  Gemüt  des  Fremden  einwirkt,  so  scheint  uns  der  Zweck 
erfüllt.  Ein  Kunstwerk,  eine  poetische  That  aber  nennen  wir 
die  französische  Uebersetzung,  wenn  sie  auf  den  sprachkun- 
digen Deutschen  selbst  einen  dem  Original  täuschend  ähn- 
lichen Eindruck  macht. 

Jedenfalls  aber  sollten  alle  mehr  oder  minder  berechtigten 
Bedenken   der   prinzipiellen    und   gelegentlichen  Verkleinerer 


1)  Cf.  Tycho  Momrasen,  Die  Kunst  des  Uebersetzens  fremdsprachlicher 
Dichtungen  ins  Deutsche,  Frankfurt  1886.  —  Ebenso:  Edmond  Scherer,  De  la 
traduction  en  vers,  Etudes  de  la  litterature  contemporaine,  Bd.  V,  319  ff.  u.  a. 


Einleitung.  185 


der  Uebersetzungslitteratur  angesichts  der  grossen  Nützlich- 
keit derselben  verstummen.  Wir  beabsichtigen  nicht,  hier 
noch  Allbekanntes  von  ihrer  hohen  Bedeutung  für  Sprache, 
Litteratur  und  Wissenschaft  zu  wiederholen,  —  am  wenigsten 
in  der  Heimatstadt  Bodmers  und  Breitingers.  Jene  aber,  seien 
es  Dichter  oder  Gelehrte,  die  so  gering  von  der  Nachbildung 
denken,  vergassen,  was  in  Prankreich  ein  Amyot  und  in 
Deutschland  ein  Luther  durch  ihre  Uebersetzungsthätigkeit 
für  ihr  Idiom  gethan,  wie  dort  ein  Ducis,  der  doch  übel  genug 
mit  Shakespeare  umging,  für  die  französische,  hier  die  Schlegel- 
Tiek  für  die  deutsche  Bühne  fördernd  gewirkt  haben. 

In  diesem  Abschnitte  nun  handelt  es  sich  um  eine  chro- 
nologisch geordnete  Uebersicht  sämtlicher  Heineübersetzungen, 
die  die  französische  Litteratur  der  letzten  sechzig  Jahre  aufzu- 
weisen hat.\)  Zweck   der  Zusammenstellung   des  grossen  Ma- 


1)  Es  sei  uns  hier  gestattet,  über  die  flüchtige  und  unzureichende  Arbeit 
von  Ottiker  von  Leyk,  „Die  deutsche  Lyrik  in  der  französischen  Uebersetzungs- 
litteratur" (Herrigs  Archiv,  Bd.  71,  pag.  49  ff.),  kurz  zu  referieren.  Der  Autor 
unterschätzt  die  französische  Naclibildung  qualitativ  und  quantitativ.  Mit  den 
wenigen  Namen,  die  er  anführt,  ist  die  Liste  der  französischen  Ilebersetzungs- 
dichter  noch  lange  nicht  erschöpft,  wie  er  glaubt.  Ja,  es  fehlen  sogar  mit  die 
besten,  so  z.  B.  Amiel  und  Ristelhuber. 

Auf  Seite  52  sagt  er  :  „In  mehrfachen  Leistungen  vertreten  sind  ausser 
dem  eigentlichen  Volksliede  bloss  Goethe,  Schiller  und  Uhland ;  Börne,  Cha- 
misso,  Platen,  Lenau,  Heine  etc.  etc.,  und  wenige  andere  bilden  den  Schluss." 
Zu  den  Schlussbildenden,  nicht  mehrfach  Uebersetzten  gehört  also  Heine  ! 
In  dem  gleichen  Werke,  in  dem  der  Verfasser  die  Uhland-Uebertragungen 
gefunden  hat,  hätte  er  sich  eines  besseren  belehren  können.  Es  hei.sst  dort : 
„H.  Heine  est  beaucoup  plus  celebre  en  France  que  les  deux  poetes  dont 
nous  venons  de  parier  (der  eine  ist  Uhland!).  D'habiles  traductions  faites  sous 
ses  yeux  l'ont,  pour  ainsi  dire,  naturalise  chez  nous"  etc.  (Etudes  sur  l'Alle- 
magne,  par  Alfred  Michiels,  Bd.  II,  pag.  387).  Ottiker  weiss  es  aber  besser 
und  behauptet  nochmals  am  Schlüsse  seiner  Arbeit :  „Von  keinem  deutschen 
Dichter  sind  so  viele  Gedichte  übersetzt  worden  als  gerade  von  dem  schwä- 
bischen Sänger."  —  (Auch  Süpfle  begeht  denselben  Fehler.) 

Sehr  naiv  ist  das  Staunen  des  Autors  ob  der  Gewandtheit  Schures  in 
der  Handhabung  des  Französischen,  der  doch  ein  „halber  Deutsclier"  sei ! 
Bis   jetzt   ist    unseres  Wissens   keinem   eingefallen,     sich  darüber  zu  wundern, 


186  Heines  französische  Uebersetzer. 


terials  ist  in  erster  Linie,  nachzuweisen,  wie  sehr  die  Lieder 
Heines  französische  Dichter  und  Dichterhnge  von  1830  an 
bis  auf  den  heutigen  Tag  fesselten  und  zu  Nachbildungen 
begeisterten.  Das  Resultat  dieser  Rundschau,  dieser  reichen 
Blumenlese  deutscher  Lyrik  auf  gallischem  Boden,  dürfte 
nach  unserer  bescheidenen  Meinung  ein  ebenso  lehrreiches 
wie  originelles  sein.  Den  geneigten  Leser,  der  nicht  a  priori 
aller  Uebersetzung  abhold  ist,  werden  manches  schöne  Talent, 
manch  neuer  ungeahnter  poetischer  Genuss,  manch  neuer 
iVusblick  in  ein  stilles,  verborgenes,  aber  lohnendes  Plätz- 
chen des  grossen  französischen  Dichterwaldes  für  seine  Ge- 
duld reichhch  entschädigen. 


dass  die  Matter,  Willtn,  Ristelhuber,  Erkmann,  J.  J.  Weiss,  Edm.  About  etc.  etc. 
französisch  schreiben  konnten.  Unsere  Arbeit  im  allgemeinen  und  Haupt- 
abschnitt II  im  besonderen  dürften  folgende  Behauptung  Ottikers  zur  Geniige 
widerlegen  :  „Goethe  ist  der  einzige  deutsche  Dichter,  mit  dem  sich  die 
französische  Kritik  eingehender  befasst,  der  einzige,  dem  sie  eine  ganze 
Reihe  höchst  bemerkenswerter  litterarischer  Erzeugnisse  gewidmet  hat."  — 
Nervals  Prosa-Uebersetzungen  bezeichnet  der  Autor  als  „zwitterhafte  Absude". 
(Man  vergleiche  dagegen  über  Nerval  Abschnitt  IV  und  V.)  Der  grosse 
Erfolg  seiner  Prosanachbildung  und  die  Thatsache,  dass  Heine  sich  dieselbe 
gefallen  Hess,  beweisen  schon  zur  Genüge,  dass  Nervals  Uebersetzung  nicht 
mit  der  Bezeichnung  „prosaische  Totgeburten"  abzufertigen  ist. 

Von  Heine -Uebersetzern  und  -Verehrern  Italiens  und  Spaniens 
berichten  : 

H.  Breitinger,  Die  italienischen  Heine  Uebersetzer,  „Gegenwart", 
7.  Juni  1879,  und 

Dr.  H.  Parloiv  (Madrid),  Die  Spanier  und  Heinrich  Heine,  „Berliner 
Tageblatt",  Juli  1893. 

Strodtmann  (Heines  Leben  und  Werke,  dritte  Auflage,  pag.  437)  gibt 
eine  Liste  aller  ihm  bekannten  Uebertragungen.  Darunter  befinden  sich  rus- 
sische, japanische,  ja  auch  lateinische  und  —  hebräische  Uebersetzungen. 


Baron  Fran§ois  Loeve-Veimars.  187 


Heines  Uebersetzer 


Baron  Francois  Loöve-Yeimars 

(1801—1854). 

Diese  merkwürdige  Litteratenfigur  der  Regierungszeit 
Louis-Philippes  ist  in  gewisser  Beziehung  die  Karikatur 
Heines.  Loeve  ist  der  Sohn  deutsch-jüdischer  Eltern,  die 
lange  in  Hamburg  ansässig  waren,  wo  der  zukünftige  fran- 
zösische Baron  sich  in  seiner  Jugend  als  Kommis  bethätigte. 
Er  trat  dann  zum  Christentum  über,  kam  nach  Paris,  wo  es 
ihm  gelang,  durch  seine  deutsche  Sprachkenntnis  und  mit 
Hülfe  zähen  Strebertums  ein  berühmter  Mann  zu  werden. 
Der  kürzlich  verstorbene  Maxime  du  Camp  ^)  entwirft  ein 
wenig  schmeichelhaftes  Bild  von  dem  ersten  Uebersetzer 
Heines,  das  ihn  uns  so  ziemlich  als  litterarischen  Glücksritter 
darstellt.  Heine  selbst  hat  ihm  eine  kurze  Lebensskizze,  voll 
Hebenswürdiger,  nirgends  verletzender  Ironie  gewidmet.  ^)  In 
diesem  Fragment,  eine  seiner  letzten  Arbeiten,  heisst  es  u.  a. : 
„Es  war  eine  sonderbare  Marotte  von  Loeve-Veimars,  dass 
derselbe,  der  das  Deutsche  ebenso  gut  verstand,  wie  ich,  den- 
noch allen  Leuten  versicherte,  er  verstünde  kein  Deutsch." 

Als  Loeve-Veimars  Heine  übersetzte  (Juni  bis  De- 
zember  18S2),     war    er    schon   eine    der   bekanntesten   Per- 


^)    Souvenirs  litteraires,  Hachette  1892,  pag.  287  ff. 
2)   Heines  Werke,  Elsters  Ausgabe,  Bd.  VII,  pag.  395. 


188  Heines  französische  Uebersetzer. 


sönlichkeiten  des  litterarischen  Paris,  und  zwar  durch  seine 
Uebertragungen  der  excentrischen  Novellen  A.  Th.  Hoff- 
manns, die  er  gerade  im  rechten  Momente  auftischte.  ^)  Der 
Erfolg  dieser  Erzählungen  war  ein  enormer,  und  für  Loeve, 
den  Entdecker  derselben,  fielen  noch  genug  Lorbeeren  ab, 
um  ihn  zum  hervorragenden  Schriftsteller  zu  stempeln. 

Loeve-Veimars  ist  nicht  nur  der  erste  Uebersetzer  Heines, 
sondern  auch  der  einzige,  der  sich  dieser  Aufgabe  nicht 
anonym  unterzogen.  In  dem  Prospektus  der  ,,Revue  des  deux 
Mondes"  erscheint  er  im  Gegenteil  als  Hauptperson.  Während 
nämlich  der  Name  Heines  in  bescheiden  kleinen  Lettern  an 
den  Titel  angefügt  ist,  prangt  daneben  fett  gedruckt  der 
Loeve-Veimars',  und  zwar  nicht  als  Uebersetzer,  sondern  in 
einem  Doppelsinn,  der  uns  bei  dem  eleganten  Plagiatkünstler 
gar  nicht  überrascht. 

Seine  fragmentarische  Uebersetzung  der  „Reisebilder"  ^) 
ist  eine  sehr  freie.  Was  ihm  nicht  passte  und  zu  schwierig 
schien,  Hess  er  einfach  weg.  Diese  Uebertragung  bheb  auch 
in  der  Buchausgabe  unbenutzt.  Schon  Joseph  Willm  ^)  hat  auf 
einige  Ungenauigkeiten  hingewiesen  und  bemerkt:  „II  a  pu 
amuser  et  interesser,  tel  qu'il  est  (der  Auszug  der  „Reise- 
bilder"), mais  ce  n'est  certes  pas  une  traduction  exacte." 

An  seinen  Uebersetzer,  der  es  unter  Thiers  zum  Baron 
und  königlichen  Generalkonsul  brachte,  hat  Heine  sicherhch 
gedacht,  als  er  schrieb:  „In  der  französischen  Litteratur 
herrscht  jetzt  ein  ausgebildeter  Plagiatismus.  Hier  hat  ein 
Geist  die  Hand  in  der  Tasche  des  andern,  und  das  gibt  ihnen 
einen  gewissen  Zusammenhang  .  .  ."  etc.  ^) 


1)  Im  Jahre  1825  hatte  er  sich  schon  durch  Prosaübertragung  englischer 
und  schottischer  Balladen  von  W.  Scott  u.  a.  verdient  gemacht. 

2)  Vergl.  Anhang:  Bibliographie. 

^)    Nouvelle  Revue  germanique,  Juni  1832,  pag.  157. 
4)    Ausgabe  Elster,  Bd.  VII,  pag.  426. 


Joseph  Willm.  —  A.  Specht.  189 


Joseph  Willm 

(1790—1852). 

War  ein  emsig  arbeitender  elsässischer  Litterarhistoriker 
und  Philosoph.  Seine  bedeutendsten  Werke  sind:  „Essai  sur 
la  Philosophie  de  Hegel",  1836  —  und  die  dreibändige  „His- 
toire  de  la  philosophie  allemande  depuis  Kant  jusqu'ä  nos 
jours",  1846 — 1847.  Dabei  war  er  Leiter  und  Hauptmit- 
arbeiter der  „Nouvelle  Revue  germanique",  ein  Unternehmen, 
einzig  in  seiner  Art,  das  sich  ausschliesslich  mit  deutscher 
Litteratur  beschäftigte.  In  dieser  Zeitschrift  (1829—1836)  er- 
schienen auch  zuerst  die  trefflichen  Nachbildungen  X.  Mar- 
miers  aller  zeitgenössischen  deutschen  Dichter.  Im  Juniheft 
finden  wir  eine  wohlgelungene  Uebersetzung  der  „Teilung 
der  Erde"  von  Auguste  Pichon. 

Joseph  Willm  darf  mit  Recht  der  erste  kompetente  und 
vertrauenswürdige  Uebersetzer  Heines  genannt  werden.  In 
seiner  „Revue  germanique"  (188 2 ,  Juni,  Juli  und  Oktober) 
hat  er  unter  dem  Titel  „Souvenirs  de  voyage  par  Henri  Heine" 
ausführliche  Analysen  und  Auszüge  der  „Harzreise"  und  der 
„Nordsee"  veröffentlicht,  die  ungleich  grösseres  Verständnis 
des  Originals  verraten,  als  die  Uebertragung  Loeve-Veimars', 
dem  er  gelegentlich  manchen  Schnitzer  nachweist.  In  einigen 
einführenden  Bemerkungen  nennt  er  Heine  einen  der  Aus- 
erwählten der  neuen  deutschen  Litteratur. 


Ä.  Specht 

(t  1874). 

Durch  einen  Zufall  wurde  vor  ungefähr  zehn  Jahren 
bekannt,  dass  auch  dieser  bescheidene  Litterat  und  Künstler 
unserem  Dichter  als  „teinturier"  (Nachhelfer)  und  Uebersetzer 


190  Heines  französische  Uebersetzer. 


wesentliche  Dienste  leistete.  Er  war  es,  der  die  erste  Ueber- 
tragung  der  „Französischen  Zustände ^^  für  die  Ausgabe  Ren- 
dueP)  (1833)  lieferte.  Wir  lassen  dem  Entdecker  dieser  bis  jetzt 
unseres  Wissens  unbekannt  gebliebenen  Thatsache,  P.  Ponsin, 
selbst  das  Wort,  der  im  „Intermediaire"  vom  25.  Oktober  1882 
(pag.  671)  folgendes  berichtet: 

Le  teinturier  de  Henri  Heine. 

Au  commencement  de  l'annee  1874  mourait  a  Montdidier,  oü  il 
s'etait  retire,  M.  A.  Specht,  ancien  chef  de  bureau  a  l'administration 
des  Postes,  chevaHer  de  la  Legion  d'honneur,  ecrivain,  paysagiste  et 
musicien.  M.  Specht  cachait  sous  des  dehors  modestes  un  profond 
savoir  qui  l'avait  mis  en  relation  avec  les  sommites  Htteraires  et  ar- 
tistiques  de  son  temps,  parmi  lesqiielles  je  citerai  Meyerbeer,  Richard 
Wagner,  Liszt,  le  peintre  Troyon,  qui  fut  son  maitre  et  son  ami,  Mery, 
Jules  Janin,  Buloz,  le  P.  Gratry  et  enfin  M.  de  Genoude,  dont  il  fut 
longtemps  le  collaborateur  ä  la  Gazette  de  France  .  .  . 

M.  Specht  avait  laisse  en  mourant  une  bibhotheque  assez  im- 
portante,  dont  je  fus  cliarge  par  l'executeur  testamentaire  de  rediger 
le  catalogue  pour  la  vente  publique.  En  procedant  ä  ce  travail,  je 
suis  tombe  sur  un  exemplaire  du  livre  de  H.  Heine,  pubhe  chez  Een- 
duel,  en  1833,  intitule:  De  la  France,  sur  le  faux  titre  duquel  etait 
ecrite,  de  la  main  de  M.  Specht,  une  note  dans  laquelle  il  declare 
etre  Tauteur  de  cette  traduction;  particularite  litteraire  inconnue 
jusqu'ici  qui  est  assez  interessante  pour  qu'on  la  signale  aux  Querard s 
futurs.  P.  Ponsin. 

Ohne  diese  kleine  eigenhändige  Notiz  also  hätten  wir  nie 
den  Namen  eines  gar  nicht  unbedeutenden  Kameraden,  Ueber- 
setzers  und  sprachlichen  Nachhelfers  Heines  erfahren,  den 
dieser  selbst  sich  gehütet  zu  nennen.  Und  doch  hat  die  vor- 
zügliche   Uebertragung    der    „Französischen    Zustände"    den 


^)  Vergl.  Bibliographie,  „De  la  France".  —  Dieser  Band  der  Renduel- 
schen  Ausgabe  erschien  1833  und  nicht  1834,  wie  in  Elsters  Ausgabe,  Band  V, 
pag.  491,   7.W.  lesen  ist. 


I 


Madame  Cornu-Lacroix.  191 


Grundstein  zu  Heines  Pariser  Berühmtheit  gelegt.  Die 
Spechtsche  Uebertragung  wurde  auch  in  die  definitive  Aus- 
gabe von  Levy  aufgenommen.  ^) 


Madame  Cornu-Lacroix 

(Sebastien   Albin) 

(1812). 

Ein  Patenkind  der  Königin  Hortense  und  Napoleon  III., 
Mademoiselle  Lacroix,  heiratete  den  im  dritten  Kaiserreiche 
bekannten  Historienmaler  Sebastien-Melchior  Cornu  und  machte 
sich  unter  dem  Pseudonym  Sebastien  Albin  als  Schriftstellerin 
einen  Namen.  Ausser  einer  Reihe  von  litterarischen  Studien 
in  der  „Revue  independante",  „Encyclopedie  moderne"  etc. 
und  dem  zweibändigen  Werke  „Goethe  et  Bettina"  (Paris  1843) 
gab  sie  im  Jahre  1841  die:  „Ballades  et  chants  populaires^) 
(anciens  et  modernes)  de  I'Allemagne  —  traduction  nouvelle 
par  Sebastien  Albin"  —  heraus.  —  Der  einige  400  Seiten 
starken  Sammlung  von  Prosa-Nachbildungen  geht  eine  „Notice 
historique"  voraus,    die  vom  Hildebrandlied  bis  Heine   reicht. 


1)  Dieser  Specht  ist  derselbe,  der  in  den  Jahren  1835,  1836  und  1838  eine 
Anzahl  Studien  und  Rezensionen  unter  dem  Titel  „Revue  litteraire  de  I'Alle- 
magne"  in  der  „Revue  des  deux  Mondes"  A.  Sp.  unterzeichnete.  In  einem 
Vorworte  („Revue  des  deux  Mondes",  1.  Januar  1835,  pag.  78)  spricht  er  von 
einem  Plane,  diese  Serie  mit  einer  allgemeinen  Uebersicht  des  litterarischen 
Deutschland  der  Gegenwart  einzuleiten  :  „Nous  y  avons  renonce  en  reflechis- 
sant  que  le  plan  adopte  par  notre  collaborateur  Henri  Heine  devait  le  conduire 
infailliblement  ä  envisager  I'Allemagne  moderne  egalement  sous  le  rapport 
litteraire,  et  des  lors  un  travail  du  meme  genre,  quoique  bien  moins  complet, 
devait  gener  sa  marche,  peut-etre  gauchir  ses  idees,  ou  lui  faire  craindre  une 
solidarite  embarrassante."  —  Süpfle  kennt  diesen  Vermittler  deutschen  Geistes 
nicht. 

^)  Bei  Gosselin,  Paris.  —  Das  Buch  und  die  Uebertragungen  sind  in  der 
„Revue  de  Paris",  1841,  von  Camille  Baxton  besprochen.  —  Süpfle  hat  sowohl 
dieses  Buch  als  auch  das  Werk  über  Goethe,  was  weniger  zu  entschuldigen 
ist,  gänzlich  übersehen. 


192  Heines  franzosische  Uoboisotzer. 

Bevor  wir  ein  Probestück  von  diesen  Uebersetzungen  geben, 
möchten  wir  aber  einige  Zeilen  citieren,  die  diese  geistvolle 
Dame  in  die  grosse  Zahl  der  französischen  Schriftsteller  ein- 
reihen, die  von  einer  geistigen  Allianz  Deutschlands  und 
Frankreichs  träumen :  „L'Allemagne  et  la  France,  toujours 
solidaires  l'une  de  l'autre,  dont  l'une  fit  la  reforme  rehgieuse 
et  l'autre  la  reforme  politique,  marchent  maintenant  vers  le 
meme  but,  le  perfectionnement  social;  toutes  deux  elles 
regnent  par  l'esprit  et  par  la  pensee.  Et  quels  que  soient  les 
obstacles  qui  puissent  accidentellement  entraver  l'union  intime 
des  deux  pays,  il  est  une  volonte  providentielle  ou  une  force 
logique  des'  choses  qui  finira  toujours  par  faire  triompher  la 
verite  et  le  droit  .  .  .  Toutes  deux  ont  trop  appris  ä  leurs 
depens  oü  mene  l'exaltation  aveugle  pour  la  mettre  de 
nouveau  au  Service  de  calculs  haineux  et  machiavehques."  — 
So  ein  Patenkind  Napoleon  III.  im  Jahre  1841 !  —  Nach 
einer  verständnisvollen  Charakteristik  Heinescher  Dichtung 
folgen  einige  wortgetreue  und  in  schlichter  Sprache  gehaltene 
Uebertragungen  (pag.  390  ff.)- 

Tu  es,  comme  une  fleur,  douce,  belle  et  pure ;  je  te  regarde,  e 
la  melancolie  entre  en  mon  äme. 

II  nie  semble  que  je  devrais  poser  mes  niains  sur  ta  tete,  et  prier 
Dieu  qu'il  te  conserve  toujours  douce,  belle  et  pure. 


Alexandre  WeilD 

(1813). 

Um  „Mathilden"  eine  Freude  zu  bereiten,  die  oft  von 
den  Gedichten  ihres  Mannes  zu  Weill  sagte:  „si  c'est  vrai 
que  c'est  si  beau?"  brachte  er  ihr  eines  Tages  —  wohl  ums 
Jahr  184Ö  —  folgende  Nachdichtung  mit: 


^)   Vergl.  Abschnitt  II. 


Alexandre  Weill.  19B 

Rassure-toi,  ma  mie,  et  sois  sans  peur! 
II  n'est  ici  ni  voleur  ni  chipeur! 
Cependant,  pour  qu'un  brigand  ne  t'emporte 
Comnie  un  bijou,  je  verrouille  la  porte. 

L'orage  gronde.    Entends-tu  ce  fracas? 
Ah  bah!  l'hotel  ne  s'ecroulera  pas! 
Pourtant,  de  peur  d'un  subit  incendie, 
Je  vais  d'un  souffle  eteindre  la  bougie! 

Mais  tu  n'as  rien  autour  de  ton  cou  blanc, 
Pas  de  cravate  et  pas  meme  un  ruban! 
Pour  le  tenir  chaud  et  fondre  sa  glace, 
De  mes  deux  bras  permets  que  je  Tenlace. 

Er  erzählt  in  seinen  „Souvenirs  intimes"  (pag.  99):  „Ma- 
thilde etait  enchantee"  —  worauf  sie  ihren  Gatten  gefragt, 
warum  er  den  „petit  Weill"  nicht  seine  Lieder  übersetzen  lasse. 
Und  Heine  habe  geantwortet:  „D'abord  il  ne  voudrait  pas  s'en 
charger.  Son  plus  beau  poeme,  c'est  son  mariage  ..."  Weill 
bemerkt  noch,  dass  er  es  schliesslich  doch  auf  sich  genommen, 
da  er  schon  manche  Versuche  unter  seinen  Papieren  besass,  — 
wenn  ihn  nicht  inzwischen  Mathilde  mit  seinem  Freunde  über- 
werfen hätte.  Denn  er,  der  beider  Sprachen  mächtig  ist  — 
die  ,,Elsässischen  Dorfgeschichten"  legen  für  seine  deutsche 
Sprachgewandtheit  genügendes  Zeugnis  ab  — ,  glaubt  an 
die  Uebersetzungsfähigkeit  des  Französischen,  wie  aus  nach- 
stehenden Zeilen  seiner  „Souvenirs"  (pag.  97)  hervorgeht. 
Heine  fragt  ihn:  „Pourriez-vous  traduire  mes  Lieder?  On 
m'a  dit  qu'ils  sont  intraduisibles."  —  Und  Weill  antwortet: 
„Ce  sont  d'impuissants  cuistres  qui  disent  cela.  D'abord,  tout 
peut  se  traduire  en  frangais,  la  langue  maitresse  de  l'humanite, 
et  ce  qui  ne  saurait  se  traduire  en  frangais  ne  vaut  rien  en 
aucune  langue.  II  est  ä  remarquer  qu'une  oeuvre  allemande 
ou  anglaise  de  premier  ordre,  bien  traduite  en  frangais,  gagne 
en  clarte  et  en  purete,  j'allais  dire  en  sürete,  meme  aux  yeux 
de  l'auteur.   II  se  comprend  mieux  quand  il  se  lit  en  frangais 

Betz,  Heine  in  Frankreich.  13 


194  Heines  französische  Uebersetzer. 


qu'en  se  lisant  dans  sa  langue  maternelle.  Le  Prangais,  de 
sa  nature,  ou  plutöt  d'instinct,  vanne  et  tamise  la  matiere 
qu'il  travaille,  de  plus  11  sarcle  le  sol  dans  lequel  11  trans- 
plante.  II  donne  l'alr  et  la  lumlere  ä  toute  pensee  qu'il 
cultlve.  Donc,  vos  Lieder  peuvent  etre  parfaltement  tradults. 
Mais  11  faudralt  non  seulement  connaitre  ä  fond  les  deux 
langues,  comme  une  langue  maternelle,  ce  qul  ne  me  feralt 
pas  reculer,  mals  encore  etre  poete  comme  v^ous,  et  sur  ce 
point  je  me  recuse  ..." 


Edouard  Grenier') 

(1819). 

Grenler  hat  nach  seinen  eigenen  Aussagen  Heine  Ueber- 
setzungsdlenste  zwischen  den  Jahren  1845  und  1850  geleistet, 
und  zwar  übertrug  er  „Lutezla"  (Lutece  —  Lettres  de  Paris), 
das  Fragment  „Rabbi  Bacharach"  und  „Atta  Troll"  („Revue 
des  deux  Mondes",  März  1847).  —  Von  ihm  sind  auch  einige 
Lieder  und  die  Uebersetzung  des  „Wintermärchens",  die  nicht 
in  der  „Revue  des  deux  Mondes"  aufgenommen  wurden.  — 
Seine  Uebertragungen  sind  äusserst  treu  und  sprachgewandt, 
wie  es  sich  bei  Grenler  von  selbst  versteht.  — 


Maximilian  Buchon 

(1818—1869). 

Ein  französischer  Litterat,  der  schon  vor  seinem  un- 
freiwilligen Aufenthalte  in  der  Schweiz  (Bern)  und  Deutsch- 
land —  er  musste  nach  der  Revolution  von  1848  fliehen  — 
mit    deutscher    Dichtkunst   sympathisierte.     Wir   haben   von 


^)  Vergl.  Abschnitt  ]I  und  Bibliographie. 


Maximilian  Buchon.  195 


ihm  als  Verfasser  einer  kleinen,  hübschen  Broschüre  von 
einigen  sechzig  Seiten  zu  sprechen,  die  es  bis  zur  vierten 
Auflage  gebracht  hat  und  den  Titel  trägt: 

,^Poesies  allemandes  de  J.-P.    Hebel,    Th.  Koerner,    L.   Uliland, 

H.  Heine'' 
traduites  par  Maximilien  Buchon.    Salins,  1846. 

Die  Einleitung  lehrt  uns  gleich,  dass  wir  es  hier  wieder 
mit  einem  französisch-deutschen  Einigungsschwärmer  zu  thun 
haben.  Er  will  an  den  vier  Dichtern  den  Franzosen  zeigen, 
wie  die  Deutschen  die  Natur  (Hebel  füllt  zwei  Drittel  des 
Büchleins),  das  Vaterland,  ihre  Sagen  und  Geschichte  und 
die  Liebe  besingen.  Ohne  Ueberschrift  (wie  dies  bei  den 
meisten  Uebersetzern  der  Fall  ist)  lässt  er  in  buntem  Durch- 
einander elf  Gedichte  Heines  folgen.  Die  Uebertragung  ist 
durchweg  eine  äusserst  freie;  dafür  geht  er  aber  auch  frei 
mit  dem  französischen  Vers  um,  was  ihm  von  der  Kritik 
folgendes  Lob  eingetragen  hat:  „On  ne  peut  pas  reprocher 
ä  M.  Buchon  de  pecher  par  la  recherche  dans  le  tour  poetique. 
Sa  maniere  de  versifier,  au  contraire,  a  quelque  chose  de 
rugueux  et  de  sauvage  qui  choque  l'oreille,  et,  s'il  est  realiste 
par  le  fond,  par  la  forme,  en  revanche,  il  est  par  trop  fantaisiste." 

Als  Beispiel  führen  wir  das  launige  Gedicht  an,  das  ihm 
wohl  am  besten  gelungen  sein  dürfte: 

Ils  avaient  avec  moi  le.s  plus  nobles  fagons, 
Qu'ils  saupoudraient  toujours  de  paternes  le§ons 
Et  ne  manquaient  jamais  de  me  laisser  entendre 
Qu'on  me  protegerait  ...  si  je  savais  attendre. 
Mais  tout  cela  n'eüt  pas  empeche  qu'a  la  fin 
Je  n'apprisse,  ä  mes  frais,  ce  quo  c'est  que  la  faim ; 
Si  je  n'eusse  trouve  Fappui  d'un  bien  brave  komme 
Qui,  chose  remarquable !  ainsi  que  moi  se  nomme. 
Oh!  oui,  c'est  lui,  mon  coeur  s'en  souviendra  toujours, 
Qui  me  fournit  le  pain,  durant  les  mauvais  jours; 
Aussi,  de  l'embrasser,  sens-je  un  besoin  extreme. 
Mais  impossible ;  car  cet  homme,  c'est . . .  moi-meme ! 


196  Heines  franzosische  Uebersetzer, 


Buchon  übersetzt  weder  als  Dichter  noch  als  Gelehrter; 
seine  Nachbildungen,  besonders  die  von  Hebel,  sind  Arbeiten 
eines  verständigen  Dilettanten.  — 


Gerard  de  Kervar) 

(Gerard  Labrunie) 

(1808—1855). 

Das  bezeichnendste  Wort  für  diesen  unglücklichen  Träumer 
hat  Eggis  gefunden:  „C'est  simple  comme  le  genie,  poete 
comme  l'amour  et  voyageur  comme  Thirondelle.''  Ein  Traum, 
ein  düsterer,  aufreibender  Traum  war  diesem  berühmtesten 
Uebersetzer  Heines  und  Goethes  in  Frankreich  das  kurze 
Leben,  und  Jenny  Colon  die  böse  Fee,  jene  Operettensängerin 
„cette  mangeuse  de  rosbif  qui  ne  comprenait  pas  les  adorations 
poetiques".  So  drückt  sich  verächtlich  Arsene  Houssaye,  sein 
noch  lebender  Freund,  in  den  „Souvenirs  d'antan^'  aus  („Li?;re" 
1883),  in  denen  er  ein  rührendes  Bild  dieses  Poeten  entwirft. 
SchrofiP  tritt  hier  der  Kontrast  zwischen  Heine  und  seinem 
französischen  Freunde  und  Dolmetscher  zu  Tage.  Nerval,  die 
Herzensgüte,  Seeleneinfachheit  selbst,  ohne  Arg  und  List, 
naiv  bis  zur  Kindlichkeit,  und  Heine,  der  den  Verdacht  hegt, 
er  eskamotiere  ihm  seine  Gedanken  ! 

„Gerard  etait  charmant:  la  douceur  de  la  colombe  et  la 
legerete  du  nuage.  On  etait  pris  du  premier  coup  ä  ses  yeux 
qui  etaient  son  äme,  ä  sa  voix  qui  etait  son  coeur  .  .  ." 

Denselben  zweifelhaften  Geschmack,  den  Maxime  du 
Camp  in  den  ,,Souvenirs  litteraires'^  seiuem  intimsten  Jugend- 
freunde Flaubert  gegenüber  zeigte,  bewies  er  auch  da,  wo 
er  mit  widerwärtiger  Detailmalerei  die  traurige  Geschichte 
der  Geisteskrankheit  Nervals  erzählt.  Uns  interessiert  hier 
nur,   was  er   uns  von  Gautiers  Erinnerungen   wiederholt.  Als 


1)   Vergl.  Abschnitt  II  und  V. 


Gerard  de  Nerval.  197 


Nerval  nämlich  erfahren,  dass  die  Colon,  an  die  er  sein  ganzes 
kleines  Vermögen  mit  Blumen  vergeudet  hatte,  gar  nichts  von 
seiner  stummen  Liebe  gewusst  habe,  erwiderte  er  dem  guten 
,,Theo",  der  ihm  hierüber  Vorstellungen  machte :  „A  quoi  cela 
aurait-il  servi  qu'elle  m'aimät?"  —  Und,  erzählt  Gautier  weiter: 
„ —  puis  il  recita  en  allemand  la  Strophe  de  Henri  Heine:  „Celui 
qui  aime  sans  espoir  pour  la  seconde  fois  est  un  fou;  moi 
je  suis  fou.  Le  ciel,  le  soleil,  les  etoiles  en  rient.  Moi  aussi 
j'en  ris,  j'en  ris  et  j'en  meurs!" 

Wie  sehr  Nerval  mit  Heineschen  Liedern  imprägniert, 
wie  sehr  dessen  Lyrik  seinem  zerfahrenen  inneren  Wesen 
verwandt  und  —-  verderblich  war,  so  dass  sich  seine  Ge- 
fühle von  selbst  in  Nachbildungen  unseres  Dichters  äusserten 
und  erleichterten,  geht  aus  folgender  Stelle  der  genannten 
Erinnerungsblätter  Arsene  Houssayes  hervor  (pag.  43): 

Je  vis  un  matin  arriver  Gerard,  les  yeux  rougis  par  les  larmes. 
C'etait  au  plus  beau  temps  de  sa  passion  pour  Jenny  Colon,  dont  il 
aimait  jusqu'au  nez  en  virgule.Elle  ne  le  trompait  que  deux  ou  trois  fois 
par  semaine ;  eile  menagait  de  le  tromper  tous  les  jours.  Devani  cette 
colonisation  il  etait  desespere,  mäis  silencieux,  car  il  l'aimait  trop  pour 
l'accuser.  A  la  fin  pourtant,  en  maniere  de  reponse  ä  mes  questions, 
il  ecrivit  d'une  niain  fievreuse  ces  trois  ballades  de  Henri  Heine; 

Matiere  ä  chanson. 

„Sur  les  beaux  yeux  de  ma  maitresse,  j'ai  compose  les  plus  helles 
canzones;  sur  la  petite  bouche  de  ma  maitresse,  j'ai  compose  les  meil- 
leurs  tercets ;  sur  les  joues  savoureuses  de  ma  maitresse,  j'ai  compose 
les  plus  magnifiques  stanccs. 

Et  si  ma  maitresse  avait  un  coeur,  je  voudrais  composer  sur  lui 
un  tres  beau  sonnet;  mais  je  ne  ferai  jamais  ce  sonnet-la!" 

N'est-ce  pas,  me  dit-il  avec  desespoir,  que  c'est  une  belle  matiere 
ä  chanson ! 

Le  Chevalier  blesse. 

„Je  sais  une  vieille  hailade,  qui  resonne  luguhre  et  sombre :  un 
Chevalier  portait  au  coeur  une  blessure  d'amour;  mais  celle  qu'il  aimait 
trahit  sa  foi. 


198  Heines  französische  Uebersetzer. 


II  lui  fallut  donc  mepriser  comme  deloyale  la  dame  si  chere  ä 
son  coeur;  il  lui  fallut  donc  rougir  de  son  amour. 

Fidele  aux  lois  clievaleresques,  il  descendit  dans  la  lice  et  defia 
les  Chevaliers  au  combat:  —  Que  celui-lä  s'apprete  ä  combattre  qui 
accusera  ma  dame  d'avoir  entache  son  hermine! 

Personne  ne  repondit  ä  ces  paroles,  personne  —  excepte  son 
coeur.  —  Ce  fut  donc  contre  son  cceur  qu'il  pointa  le  fer  de  sa  lance." 

—  Ah !  si  vous  saviez,  me  dit-il  en  portant  la  main  ä  son  coeur, 
combien  j'ai  lä  de  blessures! 

Lärmes  et  serpents. 

„Oui,  c'est  bien  ici  qu'en  des  jours  de  confiance  insensee  je  crus, 
pour  mon  malheur,  ä  tes  serments  d'amour  eternel :  ä  la  place  meme  oü 
jadis  ont  coule  tes  larmes  hypocrites,  aujourd'hui  sifflent  des  serpents." 

Hier  mag  auch  noch  eine  Seite  aus  denselben  Memoiren 
Platz  finden,  wo  das  Verhältnis  zwischen  Heine  und  Nerval 
äusserst  charakteristisch  und  pittoresk  dargestellt  ist  und  wir 
zugleich  von  den  Sprachkenntnissen  des  Letzteren  Auskunft 
erhalten  (pag.  121,  22): 

„Ce  qui  a  manque  ä  Gerard,  ce  ne  sont  pas  les  amities  —  ni  les 
amours  —  c'est  la  femme.  Vae  soll.  —  Malheur  ä  l'homme  seul!  a 
dit  l'Ecriture.    Son  ami  H.  Heine  avait  compris  cette  grande  parole. 

Un  matin,  il  m'a  prie  de  l'accompagner  chez  Henri  Heine  pour 
n'etre  pas  trop  mal  venu.  „Voyez-vous,  me  dit-il,  je  suis  si  en  retard 
pour  mes  traductions  qu'il  va  ne  faire  de  moi  que  deux  bouchees." 
Nous  avons  trouve  H.  Heine  couche.  Comme  toujours,  Juliette  —  la 
Juliette  de  ce  Romeo  —  chantait  comme  une  fauvette  dans  la  chambre 
voisine.  H.  Heine  accueiUit  Gerard  sans  rancune.  „Apres  tout,  dit-il, 
que  me  fönt  mes  ballades  quand  j'entends  chanter  Juhette?"  —  „Je 
croyais  que  c'etait  un  rossignol,"  dit  Gerard.  —  „Un  rossignol,  je  le 
ferais  fricasser  pour  mon  dejeuner.  C'est  une  fauvette  qui  cliante."  — 

„Vous  avez  bien  raison,  dis-je  ä  Heine,  le  rossignol  est  un  vieux 
chche;  il  n'y  a  que  les  fauvettes  pour  avoir  des  inspirations."  —  „Avez- 
vous  remarque,  me  dit  Heine,  comme  la  voix  d'une  femme  est  tour 
ä  tour  un  rayon  de  soleil  ou  le  parfum  d'un  bouquet  ?  Quand  Juliette 
ne  cliante  pas,  il  me  s^emble  que  le  soleil  se  caclie  et  que  je  ne  respire 
plus  le  printemps.  Je  suis  si  mal  dans  mon  ht!  Oh  destinee!  Qui 
donc  m'a  condamne  ä  ce  rocher,  moi  qui  ne  suis  pas  Promethee!" 


i 


Gerard  de  Nerval.  199 


Le  poete  railleur  se  retournait  dans  son  lit  sans  jamais  trouver 
le  bon  cote.  „Ah!  que  Gerard  est  lieureux,  reprit-il,  il  est  toujours 
par  quatre  chemins,  Voila  pourquoi  il  me  traduit  si  mal."  —  „Je  crois 
bien,  dit  Gerard,  il  n'y  a  qu'un  liomme  capable  de  vous  traduire,  c'est 
vous-meme."  —  „Dites  tout  de  suite  que  vous  ne  savez  ni  rallemand, 
ni  le  frangais." 

La  verite,  c'est  que  Gerard  ne  savait  plus  le  fran^ais  dans  ses 
jours  troubles  et  n'avait  jamais  bien  su  l'allemand.  „Tenez,  mon  eher 
Gerard,  il  faut  faire  comme  moi :  j'ai  epouse  une  FranQaise  qui  m'a  appris 
le  frangais;  epousez  une  Allemande  qui  vous  apprendra  l'allemand." 
Gerard  avait  horreur  de  toutes  les  prisons,  il  avait  la  terreur  du  ma- 
nage. „On  ne  trouve  pas  toujours  une  Juliette,  (üt-il  pour  flatter 
H.  Heine,  yeux  noirs,  dents  blanches  et  le  reste."  ~  „Le  reste!  s'ecria 
H.  Heine,  que  diable  voulez-vous  que  j'en  fasse  ?  La  pauvre  JuHette 
en  est  reduite  ä  chanter  toujours  sur  le  balcon." 

On  sait  que  Henri  Heine  avait  epouse  sa  maitresse.  La  pauvre 
fiUe,  il  l'avait  epousee  bien  moins  pour  eile  que  pour  lui,  quand  dejä 
la  paralysie  le  frappa.  Ce  fut  une  soeur  de  charite  au  ht  d'un  mourant, 
un  mourant  qui  ne  mourait  pas.  C'est  l'histoire  d'Aubryet,  mais  Aubryet 
n'eut  pas  une  Juliette  pour  embaumer  sa  tombe  vivante.  Heine  disait: 
„Savez-vous  pourquoi  vous  me  retrouvez  encore?  C'est  que  JuHette 
me  retient  des  deux  mains;  eile  m'aime  tel  que,  quand  j'en  suis  ä 
mon  dernier  soupir,  eile  pleure  si  bien  que  je  ressuscite  pour  boire 
ses  larmes." 

Juliette  etait  une  ci-devant  ouvriere  qui  n'avait  aucun  sentiment 
de  la  litterature,  qui  aimait  Heine  pour  sa  poesie  sans  y  rien  com- 
prendre.    N'est-ce  pas  bien  lä  le  caractere  de  la  femme? 

Es  unterliegt  keinem  Zweifel,  dass  Werther,  Faust,  A.  Th. 
Hoffmann,  Bürger,  für  das  schlecht  equilibrierte  Gehirn  Nervals 
eine  gefährliche  Geisteskost  bildeten.  Allein  der  Keim  einer 
krankhaften  Mystik  lag  schon  in  ihm  und  es  heisst  zu  weit 
gehen,  wie  dies  von  Paul  de  Saint- Victor  in  der  Einleitung 
zu  der  „Boheme  galante"  und  von  andern  geschehen  ist,  den 
Freund  Heines  als  ein  Opfer  deutscher  Phantastik  und  Philo- 
sophie hinzustellen,  seinen  Wahnsinn  Deutschland,  „le  pays 
des  hallucinations  de  l'intelligence",  in  die  Schuhe  zu  schieben. 
Ein  Stück  Wahrheit  liegt  allerdings  in  diesem  Glauben ;  denn 
für  einen  französischen  Dichterkopf,  der  nicht  stark  und  sicher 


200  Heines  französische  üebersetzei 


denkt,  ist  das  Vertiefen  in  anglo-gerraanisches  Geistesgewebe 
ein  Wagnis.  Noch  ein  anderer  Bewunderer  Heines  und  Ner- 
vals, Baudelaire,  ist  ihm  unterlegen. 

Alex.  Weill  lässt  Heine  sagen  (Souvenirs  intimes,  pag.  lOOj : 
„J'ai  bien  aide  Gerard,  mais  il  est  trop  classique  et  il  ne 
sait  pas  bien  l'allemand."  Im  ersten  Punkt  scheint  Heine  zu 
irren,  denn  wäre  Nerval  so  klassisch  gewesen,  so  hätte  er  es 
sich  nicht  nehmen  lassen,  den  Alexandriner  bei  der  Nach- 
dichtung zu  benützen.  Dass  er  sich  der  Prosa  bediente,  ist  der 
beste  Beweis,  dass  er  nicht  klassisch  dachte  und  empfand. 

Nerval  hat  bekanntlich  schon  1830  unter  dem  Titel 
„Poesies  allemandes"  eine  Reihe  von  Gedichten  Bürgers, 
Uhlands,  Schillers  etc.  übersetzt.  Heine  ist  in  dieser  Samm- 
lung unseres  Wissens  noch  nicht  vertreten. 

Die  deutsche  Kritik  hat  für  die  erste  „Intermezzo "-Ueber- 
tragung  ein  durchw^eg  ablehnendes  Urteil.  Wenn  sie  damit 
sagen  will,  dass  bei  der  Nervalschen  Uebersetzungsweise  etwas 
Anderes  herausgekommen  ist  als  das  Original,  so  hat  sie  Recht; 
wenn  sie  aber  behauptet,  dass  dies  Andere  bloss  ein  farbloser 
Abklatsch  der  Lieder  Heines  darstelle,  so  ist  sie  im  Irrtum, 
denn  der  Prosanachbildung  wohnt  ein  eigentümlicher  Zauber 
inne,  der  nicht  umsonst  die  Franzosen  fesselte  und,  wie  wir 
später  sehen  werden.  Schule  machte.  Nerval  hat  es  eben 
verstanden,  das  Bestrickende  der  Heineschen  Lyrik  durch  die 
einfachsten,  aber  gerade  deswegen  für  den  französischen 
Dichter  schwierigsten  Mittel  in  die  Prosa  hinüberzuretten. 
Er  wusste  wohl,  warum  er  auf  eine  getreue  Uebertragung  der 
Strophenarchitektonik  Heines  verzichtete.  Eine  genaue  Reim- 
und  Rhythmus-Nachahmung  war  damals  noch  unmöglich;  ein 
solches  Unternehmen  hätte  Fiasco  gemacht.  Durch  seine 
musterhafte  Prosa,  in  der  er  musikalischen  Schmelz  und  eine 
gewisse  Herzensmystik  hineinzulegen  verstand,  ward  dem 
Dichter  und  dem  Dolmetscher  ein  durchschlagender  Erfolg 
gesichert. 


Gerard  de  Nerval.  201 

Da  die  französische  Kritik  gewöhnlich  die  „Nordsee-Ueber- 
tragungen"  als  die  gelungensten  bezeichnet,  geben  wir  aus 
diesem  Cyklus  einige  kurze  Proben.  Wem  irgend  ein  „Poeme 
en  prose"  der  modernen  Symbolisten  oder  die  Werke  Stephane 
Malarmes  zur  Hand  sind,  der  mag  sich  von  der  frappanten  x\n- 
lehnung  an  diese  Modelle  selbst  überzeugen  (pag.   130) : 

Le  calme. 

La  mer  est  calme.  Le  soleil  reflete  ses  rayons  dans  l'eau,  et 
sur  la  surface  onduleuse  et  argentee  le  navire  trace  des  sillons  d'eme- 
raude. 

Le  pilote  est  couche  sur  le  ventre,  pres  du  gouvernail,  et  ronfle 
legerement.  Pres  du  grand  mat,  raccommodant  des  volles,  est  accroupi 
le  mousse  goudronne. 

Sa  rougeur  perce  ä  travers  la  crasse  de  ses  joues,  sa  large  bouclie 
est  agitee  de  tressaillements  nerveux,  et  il  regarde  gä  et  lä  tristement 
avec  ses  grands,  beaux  yeux. 

Car  le  capitaine  se  tient  devant  lui,  tempete  et  jure  et  le  traite 
de  voleur:     „Coquin!  tu  m'as  vole  un  hareng  dans  le  tonneau!" 

La  mer  est  calme.  Un  petit  poisson  monte  a  la  surface  de  l'onde, 
chauffe  sa  petite  tete  au  soleil  et  remue  joyeusement  l'eau  avec  sa 
petite  queue. 

Cependant,  du  haut  des  airs,  la  mouette  fond  sur  le  petit  pois- 
son, et,  sa  proie  fretillante  dans  son  bec,  s'eleve  et  plane  dans  l'azur 
du  ciel. 

Questions. 

Au  bord  de  la  mer,  au  bord  de  la  mer  deserte  et  nocturne,  se 
tient  un  jeune  liomme,  la  poitrine  pleine  de  doute,  et  d'un  air  morne 
il  dit  aux  flots  : 

„Oll!  expliquez-moi  l'enigme  de  la  vie,  la  douloureuse  et  vieille 
enigme  qui  a  tourmente  tant  de  tetes:  tetes  coiffees  de  mitres  hiero- 
glypliiques,  tetes  en  turbans  et  en  bonnets  carres,  tetes  ä  perruques 
et  mille  autres  pauvres  et  bouillantes  tetes  liumaines.  Dites-moi  ce 
que  signifie  l'homme  ?  d'oü  il  vient?  oü  il  va?  qui  habite  lä-haut  au- 
dessus  des  etoiles  dorees?" 

Les  flots  murmurent  leur  eternel  murmure,  le  vent  souffle,  les 
nuages  fuient,  les  etoiles  scintillent,  froides  et  indifferentes,  —  et  un 
fou  attend  une  reponse. 


202  Heines  französische  Uebersetzer. 


Alfred  Michiels  *) 

(1813-1892). 

Ein  sprachkundiger,  vielseitig  gebildeter  und  besonders 
als  Vermittler  deutscher  Geisteskultur  sehr  verdienter  Lit- 
terat, —  aber  kein  Dichter.  Wir  können  die  Poesie  der  Prosa 
Nervals  nicht  deutlicher  nachweisen  als  durch  die  Prosa  der 
Poesie  Michiels. 

Die  folgende  Uebersetzung  der  „Grenadiere"  —  mit  Aus- 
nahme der  letzten  Strophen  herzlich  unbedeutend  —  befindet 
sich  in  dem  Bande:  „Etudes  sur  l'Allemagne'^,  1850  (erste 
Ausgabe  1839,  zweite  1845),  pag.  402: 

Les  deux  grenadiers. 

Deux  grenadiers  frangais  revenaient  de  ßussie; 
Oubliant  leur  defaite  et  leur  captivite, 
Ils  songeaient  au  bonheur  de  revoir  leur  patrie, 
De  revoir  ses  coteaux  et  son  ciel  enchante. 

Mais  soudain  retentit  une  affreuse  nouvelle: 
„La  France  de  ce  coup  ne  guerira  jamais, 
„Les  Prussiens  ont  battu  son  armee  immortelle, 
„L'empereur,  l'empereur  est  aux  mains  des  Anglais." 

Et  tous  les  deux,  le  front  penclie  sur  leur  poitrine, 
Ainsi  que  des  enfants  se  mirent  ä  pleurer. 
„France!"  murmura  l'un,  „ta  chute  est  ma  ruine; 
„Ma  cicatrice  saigne  et  je  vais  expirer." 

„Ami,"  repondit  l'autre,  „il  me  faut  du  courage: 
„Je  ne  puis,  comme  toi,  me  soustraire  au  malheur; 
„J'ai  ma  femme  ä  nourrir,  j'ai  deux  fils  en  bas  äge; 
„Ils  mourront  de  besoin  si  je  meurs  de  douleur." 

„Eh  que  m'importe  ä  moi  tes  enfants  et  ta  femme? 
„Laisse-les  mendier  s'ils  ont  faim,  laisse-les. 
„Un  chagrin  plus  amere  empoisonne  mon  äme: 
„L'empereur,  l'empereur  est  aux  mains  des  Anglais." 


1)  Vergl.  Abschnitt  II. 


I 


Alfred  Micliiels.  203 


„Frere,  ne  trahis  pas  ma  derniere  esperanco ; 
„Lorsque,  dans  un  instant,  tu  m'auras  vu  niourir, 
„Fais  transporter  mon  corps  sous  le  ciel  de  la  France, 
„Qu'au  sein  de  mon  pays  je  puisse  au  moins  dormir. 

„Proniets-moi  d'attaclier  ma  croix  sur  ma  poitrine 
„Et  de  m'ensevelir  ainsi  dans  ma  fierte. 
„Entre  mes  froides  mains  place  ma  carabine, 
„Et  que  mon  sabre  aussi  repose  ä  mon  cote. 

„Comme  une  sentinelle  aux  faites  des  murailles, 
„Du  sein  de  mon  tombeau  j'ecouterai  toujours, 
„Et  si  j'entends  gronder  le  canon  des  batailles 
„Et  les  chevaux  liennir,  ainsi  qu'aux  anciens  jours; 

„Si  notre  general,  qui  maintenant  succombe, 
„Passe  au-dessus  de  moi,  le  front  triste  et  reveur, 
„On  me  verra  sortir  tout  arme  de  ma  tombe 
„Pour  saluer,  pour  defendre  et  sauver  l'empereur!" 


Hicolas  Martin 

(1814-1877). 

Geburt,  Verwandtschaft  —  er  ist  Schwestersohn  Karl 
limrocks  —  Erziehung  und  Neigung,  alles  hatte  den  begabten 
iitteraten    und    Dichter   dazu   bestimmt,    ein   hervorragender 

[Geistesvermittler  der  beiden  Völker  zu  werden.     Seine  hohe, 
iber  undankbare  Mission  hat  er  nach  Kräften  erfüllt,  —  seine 

[Stimme   jedoch   verhallte   —   wie  die   Börnes   —    im  blinden 

[Gewirre  des  Nationalkampfes. 

Innerhalb  der   französischen  Dichtergruppe   wurde  er  als 

iPoet  von  der  Kritik  in  die  sogenannte  „ecole  fantaisiste"  ein- 

igereiht,  zu  der  noch  u.  a.  Arsene  Houssaye,  Murger,  Boyer  etc. 

[gerechnet  werden.     Marc-Monnier  ")   sagt  von  ihm:  —  „celui 


^)    „Les  poetes",  Bibliotlieque  universelle,  Mai  1856. 


204  Heines  französische  Uebersetzer. 


que  j'aime  le  mieux,  parmi  ces  poetes  elegants,  est  M.  Nicolas 
Martin  qui  se  distingue  par  im  air  de  franchise  et  de  sincerite 
flaraande/^  — 

Sein  Buch  „Les  poetes  contemporains  en  Allemagne" 
ist  die  Frucht  einer  Htterarischen  Mission  in  Deutschland,  die 
er  1846  im  Auftrage  des  Ministers  de  Salvandy  unternommen 
hatte.  Wie  intakt  er  sich  seinen  nationalen  Dualismus,  das 
freie  Urteil  und  den  Mut  seiner  Ueberzeugung  zu  bewahren 
wusste,  geht  aus  einer  Stelle  —  wir  könnten  noch  hundert 
andere  eitleren  —  seiner  Autobiographie  hervor  („Auto- 
biographie printaniere"),  der  ein  Band  Gedichte  —  „Poesies  de 
Nicolas  Martin",  4^  edition,  Paris  1867  —  vorausgeht.  „Com- 
ment  suis-je  devenu  un  poete,  un  poete  allemand  pour  un  quart, 
flamand  pour  un  autre  quart,  et  frangais  pour  le  reste?  Je 
pourrais  commencer  ma  reponse  par  ce  vers: 

„Fils  de  mere  allemande  et  de  pere  frangais"; 
et  la  finir  en  disant  que  mon  enfance  et  ma  premiere  jeunesse 
se  sont  passees  dans  les  Flandres.  Comme  il  arrive  presque 
toujours  aux  fils,  je  gardai  surtout  Vempreinte  maternelle.  Je 
la  gardai  dans  la  vigueur  du  corps,  dans  la  sante  physique 
comme  dans  la  serenite  de  l'esprit,  cette  sante  de  l'äme  ..." 

Nicht  gerade  schmeichelhaft  für  Frankreich,  dem  er  ,,par 
le  reste"  angehört.  In  diesem  Falle  kann  man  schwerlich 
von  „beaux  restes"  reden.  —  Fügen  wir  noch  einen  Vers 
aus  der  gleichen  Liedersammlung  hinzu,  so  haben  wir  immer- 
hin eine  Erklärung  für  die  Thatsache,  dass  das  Exemplar  der 
Bibliotheque  nationale  in  Paris  —  unaufgeschnitten  in  unsere 
Hände  gelangte.  Sein  „A  TAllemagne"  betiteltes  Lied  beginnt 
nämlich : 

A  l'AIlemagne. 

Allemagne,  AUemagne,  oh!  mon  coeur  est  ä  toi, 
Terre  de  l'esperance  et  de  l'antique  foi, 
Terre  des  simples  coeurs,  6  naive  patrie 
De  la  grave  science  et  de  la  reverie! 


i 


Nicolas  Martin.  205 


Terre  de  souvenir  et  de  fidelite, 

Abri  ouvert  toujours  a  Fhospitalite, 

Valion  mysterieux  oü  les  fleurs  et  les  femmes 

Ont  les  plus  doux  parfums  et  les  plus  vierges  ämes, 

Oü  l'austere  devoir  jamais  ne  parle  en  vain, 

Oü  l'art  est  encor  roi,  l'amour  encor  divin, 

La  musique  encor  soeur  des  harpes  seraphiques, 

Et  tout  beau  front  orne  de  ses  gräces  pudiques, 

Terre  de  l'esperance  et  de  l'antique  foi, 

Allemagne,  Allemagne,  oh!  mon  cceur  est  ä  toi. 

Sainte-Beuve  hatte  diese'  Verse  noch  nicht  zu  Gesichte 
bekommen,  als  er  in  den  „Causeries  du  Lundi"  von  ihm  sagte: 
„Nicolas  Martin  mele  ä  son  inspiration  frangaise  une  veine 
de  poesie  allemande.  II  a  un  sentiment  domestique  et  naturel 
qui  lui  est  familier,  et  Ton  croirait  qu'il  a  eu  quelque 
Sylphide  des  bords  du  Rhin  pour  marraine."  — 

Der  Einleitung  des  genannten  Werkes  „Les  poetes  con- 
temporains"  —  sie  ist  an  Karl  Gödeke  gerichtet  —  entnehmen 
wir  folgende  Stelle,  die  uns  den  tiefen  Eindruck  fühlen  lässt, 
den  Heine  auf  Martin  gemacht  hat  (pag.  6) : 

„Comment  n'aurions-nous  pas  parle  particulierement  de  Heine, 
puisque  Favant-veille  je  murmurais  ses  vers  sur  le  pont  du  Rhin  ä 
Düsseldorf?  Helas!  ce  vif  esprit,  qui  vient  de  s'eteindre  si  vaillant 
encore,  etait  alors  dans  toute  sa  force !  Sur  ma  demande,  vous  vou- 
lütes  bien  me  hre  d'une  voix  emue  et  vibrante  sa  bailade  des  Deux 
Grenadiers.  Entre  un  Frangais  et  un  AUemand,  sympathiquement  en- 
traines  l'un  vers  l'autre,  le  genie  de  Heine  etait  le  naturel  trait  d'union. 
Ce  genie  mele  de  reveries  et  d'action  est  la  plus  habile,  la  plus  spon- 
tanee  fusion  de  nos  deux  nationalites.  Heine,  c'est  le  cceur  diaboli- 
quement  embrasse  de  Faust,  que  rafraichit  et  rachete  incessamment 
une  lärme  de  Marguerite.  Cette  larme-lä  lui  fera  pardonner  bien  des 
ricanements. 

In  demselben  Bande  sind  auch  seine  Prosaübertragungen 

leutscher  Lieder  aufgenommen.     Diese  waren  schon  vereinzelt 

in  der  „Revue  de  Paris"  (zwischen  1840  und  1850)  erschienen 

und   später  zusammen    in    „France   et  Allemagne",    1852.  — 


206  Heines  französische  tJebersetzer. 


Heine  ist  etwa  mit  einem  Dutzend  Uebertragungen  vertreten. 
Ohne  das  Gepräge  der  duftenden  Prosa-Poesie  Nervals  zu 
tragen,  schmiegen  sich  dennoch  seine  Nachbildungen  in  prunk- 
loser Sprache  dem  Geiste  des  Originals  an.  Wir  lassen  als 
Probe  das  bekannte  Sonett  Heines  an  seine  Mutter  folgen: 

A  ma  mere. 
I. 

Je  suis  habitue  ä  porter  tres  haut  la  tete ;  mon  esprit  lui-meme 
est  un  peu  raide  et  rebelle;  si  le  roi  en  personne  me  regardait  en 
face,  il  ne  me  ferait  pas  baisser  les  yeux. 

Et  pourtant,  chere  mere,  je  le  dirai  franchement,  mon  orgueil  a 
beau  se  gonfler  et  se  guinder  ä  l'independance,  souvent  en  ta  douce 
et  sainte  presence,  une  crainte  respectueuse  me  saisit. 

Est-ce  ton  esprit  qui  me  dompte  en  secret,  ton  esprit  superieur 
qui  penetre  tout  avec  hardiesse,  et  s'eleve  d'une  aile  lumineuse  jus- 
qu'aux  Celestes  hauteurs? 

Ou  suis-je  ecrase  par  le  souvenir  des  chagrins  dont  j'ai  rempli 
ton  coeur,  ce  noble  et  tendre  coeur  qui  m'a  tant  aime? 

II. 

Seduit  par  un  reve  insense,  je  t'ai  quittee  autrefois;  je  voulais 
aller  jusqu'au  beut  du  monde,  et  je  voulais  voir  si  je  trouverais  l'amour, 
impatient  de  l'embrasser  d'une  etreinte  ardente. 

J'allais  donc,  cherchant  l'amour  dans  toutes  les  rues;  j'etendais 
des  mains  suppliantes  devant  chaque  porte  et  je  mendiais  un  peu 
d'amour.  —  Mais  partout  on  m'accueillait  avec  un  sourire  moqueur 
et  je  ne  recoltais  que  la  liaine. 

Et  je  m'egarais  de  plus  en  plus  ä  la  recherche  de  l'amour,  tou- 
jours  de  l'amour;  mais  cet  amour,  helas!  je  ne  le  trouvais  Jamals,  et 
je  revins  sous  le  toit  paternel,  l'äme  et  le  corps  malades. 

Mais,  au  moment  oü  j'allais  franchir  le  seuil,  tu  t'elangas  ä  ma 
rencontre,  chere  mere!  et,  ce  qu'alors  je  vis  briller  dans  tes  yeux,  ah! 
c'etait  cet  amour,    ce  doux  et  profond  amour  si  longtemps  cherche! 


Saint-Rene  Taillandier.  207 


Saint-Rene  Taillandier  0 

(1817—1879). 

Mit  diesem  Uebersetzer  Heines  ist  die  Kritik  übel  um- 
gegangen und  zum  grossen  Teil  nicht  ohne  gerechten  Grund. 
ZAvischen  1851  und  1855  veröffentlichte  er,  meistens  anonym, 
in  der  „Revue  des  deux  Mondes" :  „Romancero,  Mephistophela 
et  la  Legende  de  Paust",  „Le  Retour",  „Le  Livre  de  Lazare" 
und  „Nouveau  Printemps".  —  Fast  alle  diese  Uebertragungen, 
die  noch  unter  der  Aufsicht  Heines  zu  stände  kamen,  sind 
in  der  definitiven  Ausgabe  von  Levy  aufgenommen  worden. 
—  Schon  Mitte  der  fünfziger  Jahre,  noch  zu  Lebzeiten  Heines, 
nimmt  Ad.  Stahr  die  Uebersetzungsweise  Taillandiers  arg  mit, 
indem  er  u.  a.  behauptet,  dieser  habe  nicht  nur  die  Lieder 
Heines  entstellt,  sondern  auch  an  vielen  Stellen  die  kecken 
und  originellen  Einfälle  mit  abgeblassten,  banalen  Phrasen 
umschrieben,  als  ob  sich  der  französische  Geschmack  gegen 
derlei  Kühnheiten  sträube.  Taillandier  wehrt  sich  gegen  diese 
Kritik  in  einem  P.  S.  vom  März  1861  ausführlich  und  in 
scharfer  Weise,  und  beginnt  seine  Erwiderung  mit  einem 
Brieffragmente  Heines,  in  dem  seiner  Uebersetzungsthätigkeit 
volles  Lob  gespendet  wird.  ^) 

Heine  hatte  schon  zuvor  die  Uebersetzung,  des  Lieder- 
cyklus  „Lazarus"  (Lamentationen)  eine  vortreffliche  genannt. 
Allein  wir  finden  in  seinen  Schriften  genug  Anhaltspunkte, 
die  uns  zu  dem  Schlüsse  berechtigen,  dass  der  totkranke 
Dichter  sich  diese  Uebertragungen  „faute  de  mieux"  eben 
gefallen  lassen  musste.  Das  bekannte  Wort  „Lune  empaillee" 
wird  wohl  seine  innerste  Ueberzeugung  über  den  dichterischen 
Wert    der    Uebersetzungen   Taillandiers    gewesen    sein,     der 


^)    Vergl.    Abschnitt   V    und    für    seine     verschiedenen   Uebersetzungen 
Bibliographie. 

2)  Vergl.  Abschnitt  III,  p.   170. 


208  Heines  französische  Uebersetzer. 


sich  dieser  Aufgabe  in  uneigennützigster  und  bescheidenster 
Weise  —  es  muss  dies  nicht  vergessen  werden  —  unterzog. 
Auch  Breitinger  hat  sich  in  seiner  oft  eitierten  Antritts- 
rede über  diesen  sonst  so  verdienten  Litterarhistoriker,  dem 
besonders  von  deutscher  Seite  alle  Ehre  gebührt,  lustig  ge- 
macht und  auf  eine  Uebersetzung  hingewiesen,  die  allerdings 
zum  Spotte  reizt.     Taillandier  gibt  nämlich  die  Verse : 

„Flieg'  hinaus  bis  an  das  Haus, 
Wo  die  Blumen  spriessen, 
Wenn  Du  eine  Rose  schaust, 
Sag'  ich  lass'  sie  grüssen" 

folgendermassen  wieder:  „Envole-toi  dans  Tespace,  va  jusqu'ä 
la  demeure  oü  les  plus  helles  fleurs  s'epanouissent.  Si  tu 
apergois  une  rose,  dis-lui  que  je  lui  envoie  nie  plus  empresses 
compliments/^  Wozu  Breitinger  bemerkt:  „Wahrhaftig,  das 
Problem  war  noch  zu  lösen,  lyrische  Zeilen  durch  einen  fran- 
zösischen Briefschluss  wiederzugeben !''  ') 

Ohne  näher  auf  die  Uebersetzungsthätigkeit  Taillandiers 
einzugehen,  sagen  wir  mit  seinem  Freunde  Grenier:  ,,Er  war 
kein  Dichter." 


Camille  Seiden^) 

(Madame  de  Krinitz) 

(geh.  circa  1830). 

Auch  die  „Mouche"  verdient  es,  unter  die  Heineübersetzer 
gerechnet  zu  werden.  Sie  war  in  That  und  Wahrheit  seine 
letzte  „teinturiere".  Sie  erzählt  uns  selbst,  wie  sie  dem 
sterbenden  Dichter   an    der  Ueberarbeitung  der  „Reisebilder" 


')  Der  verstorbene  Professor  der  französischen  Sprache  und  Litteratur 
hatte  Recht,  auf  diese  bedenkliche  Geschmacklosigkeit  Taillandiers  hinzudeuten. 
Er  durfte  nur  nicht  auf  der  gleichen  Seite  „lune  empaillee"  mit  „einen  in 
Stroh  gewickelten  Mondschein"  übersetzen!  — 

2)    Vergl.  Abschnitt  II. 


Saint-Rene  Taillandier.  209 

behülflich  gewesen  und  dass  sie  den  „Neuen  Frühling"  selb- 
ständig übersetzt,  auf  Wunsch  ihres  Freundes,  damit  dieser 
an  ihrer  Nachbildung  diejenige  seines  gewohnten  Uebersetzers 
—  es  handelt  sich  hier  um  Taillandier  (1856)  —  korrigieren 
könne.  Wie  viel  wir  ihrer  Arbeit  in  der  französischen  Aus- 
gabe von  Levy  verdanken,  darüber  spricht  sie  sich  in  ihren 
,,Derniers  jours  de  Henri  Heine"  nicht  aus.  In  diesen  Er- 
innerungsblättern befindet  sich  auch  eine  anspruchslose,  aber, 
weil  frei  von  allem  Lavendelw^asser  der  Sentimentalität  und 
Rhetorik,  seelisch-wirkungsvollere  Darstellung  des  Liedes: 
„Du  bist  wie  eine  Blume",  als  sie  den  meisten  Uebersetzern 
gelungen  ist :  „Tu  ressembles  ä  une  fleur,  tant  tu  es  gracieuse 
et  belle  et  pure ;  je  te  regarde  en  silence,  et,  tandis  que  je  te 
regarde,  un  indicible  sentiment  de  tristesse  me  penetre; 
j'eprouve  quelque  chose  comme  si  je  devais  etendre  les  mains 
sur  toi  et  te  benir,  priant  le  ciel  de  te  conserver  aussi  belle, 
aussi  gracieuse,  aussi  pure."  —  Dasselbe  Bändchen  enthält 
eine  allerdings  sehr  freie,  aber  durchaus  kongeniale  und  schöne 
Prosabehandlung  des  letzten  Gedichtes  Heines ,  das  dieser 
wenige  Wochen  vor  seinem  Tode  seiner  Freundin  widmete. 
Sie  nennt  es  nicht  „Für  die  Mouche",  wie  es  in  deutschen 
und  französischen  Ausgaben  betitelt  ist,  sondern  „La  Fleur 
de  la  Passion".  Vergleichshalber  wollen  wir  hier  die  erste 
Strophe  der  Uebersetzung  und  des  Originals  eitleren. 

„Mon  reve  s'encadrait  dans  des  demi-tenebres.  Une  nuit  d'ete. 
De  päles  debris,  restes  mutiles  d'une  magnificence  eteinte,  des  frag- 
ments  d'architecture,  ruines  du  temps  de  la  Renaissance,  reposent  epars 
sous  la  flottante  clarte  de  la  lune." 

Für  die  Mouche. 

(Elster,  Bd.  II,  pag.  46.) 
Es  träumte  mir  von  einer  Sommernacht, 
Wo  bleich,  verwittert,  in  des  Mondes  Glänze 
Bauwerke  lagen,  Reste  alter  Pracht, 
Ruinen  aus  der  Zeit  der  Renaissance. 


B  0 1  z ,  Heine  in  Frankreich.  14 


210  Heines  französische  Uebersetzer. 


Paul  Ristelhuber 

(Paul  de  Lacour) 

(1834). 

Ein  Strassburger  Kind,  dessen  Lebenswerk  fast  ausschliess- 
lich aus  Uebersetzungen  vom  Deutschen  in  die  Sprache  seiner 
Heimat  bestand.  Er  war  der  Erste,  der  es  wagte,  das  „Lyrische 
Intermezzo"  in  Versen  zu  übertragen.  Schon  18ö6  hatte  er 
ein  ,,Bouquet  de  Lieder,  traduits  des  poetes  de  l'Allemagne 
contemporaine"  unter  dem  Pseudonym  Paul  de  Lacour  ver- 
öffentlicht. Es  sind  dort  35  Dichter  mit  65  Gedichten  ver- 
treten, und  von  diesen  fallen  allein  sieben  auf  Heine.  Die  ein- 
zelnen Lieder  sind  jeweilen  mit  Anmerkungen  aus  Studien  von 
Daniel  Stern,  Lerminier,  Louis  Ratisbonne,  St-Rene  Taillandier 
versehen.  Die  L^ebertragungen  aus  Heine  sind  den  „Jungen 
Leiden''  und  der  „Heimkehr''  entnommen.  Die  Nachbildungen 
Ristelhubers  sind  wort-,  ja  oft  versgetreu.  Er  kümmert  sich 
wenig  um  die  französischen  Regeln  der  Verskunst,  weswegen 
er  sich  am  Schlüsse  seiner  Einleitung  meint  entschuldigen  zu 
müssen :  „Nous  avons  ete  amenes  ä  des  genres  de  strophes 
et  de  vers  peu  communs,  ä  des  etrangetes  meme,  que  nous 
prions  la  critique  de  vouloir  nous  pardonner.  Nous  avons 
peche  par  exces  de  respect,  c'est-ä-dire  peut-etre  par  trahison." 

Wir  können  schon  von  diesen  Uebersetzungen  sagen, 
was  später  auch  zum  Teil  von  seinem  „Intermezzo"  gelten 
wird,  dass  sie  eine  strenge  Kritik  nicht  aushalten.  Ristelhuber 
ist  keine  Dichternatur ;  damit  wäre  eigentlich  schon  alles  ge- 
sagt. Er  begreift  die  Schönheiten  der  deutschen  Lyrik,  aber 
er  kann  sie  nicht  wiedergeben.  Seinem  Französisch  geht  die 
feine,  natürlich  instrumentierte  Sprache  ab ;  in  Vers  und 
Rhythmus  vermissen  wir  das  musikalische  Element,  das  immer 
ein  Symptom  und  die  Legitimation  aller  echten  Lyrik  ist. 
Und  ein  Hauptfehler  scheint  uns  zu  sein,  dass  sich  in  seiner 
Uebersetzung    alle   Lieder    gleichen,    seien    sie    von    Uhland, 


I 


Paul  Ristelhuber.  21 1 

Körner,  Chamisso  oder  Heine.  Sie  haben  alle  ihre  Färbung 
verloren.  Ein  bleibendes  Verdienst  hat  sich  Ristelhuber  den- 
noch erworben,  ganz  abgesehen  davon,  dass  ihm  auch  manches 
ganz  gut  gelungen  und  ihm  keine  willkürliche  Verstümme- 
lung vorzuwerfen  ist,  indem  er  mit  Takt  und  Sachkenntnis, 
ohne  je  der  Rhetorik  und  der  Preziosität  zu  fröhnen,  die 
französische  Litteratur  mit  den  Perlen  deutscher  Lyrik  be- 
kannt machte. 

Im  Jahre  1857  —  ein  Jahr  nach  Heines  Tod  —  gab  er 
bei  Poulet-Malassis  die  kleine  Broschüre  heraus :  ^Jntermezzo, 
poeme  de  Henri  Heine,  traduit  en  vers  frangais  par  Paul 
Ristelhuber.'^ 

Der  Autor  tritt  uns  hier  entschieden  mit  einer  besseren 
Arbeit  entgegen.  Hübsch  ist  die  Dedikation  an  eine  Freundin, 
mit  welcher  er  das  Büchlein  einleitet: 

C mon  amie, 

Vous,  dont  je  regus  l'aveu, 
Favorisez,  je  vous  prie, 
L'essor  nouveau  d'un  genie 
Qu'anime  le  plus  beau  feu. 
Etre  charmant  et  perfide, 
Un  serpent  a  l'air  candide 
Fait  crier  un  passereau; 
Compatissez  au  martyre 
Du  pauvret  que  l'on  dechire, 
N'imitez  pas  le  bourreau. 
Bade,  31  oct.  56. 

Viele  der  Lieder  sind  dem  Original  harmonisch  nach- 
gedacht und  nachgesungen.  Aber  auch  hier  finden  wir  wenige 
Uebertragungen,  die  wir  mit  Tycho  Mommsen  als  „stilvolle 
Originaldichtungen"  bezeichnen  könnten.  Einzig  vielleicht  das 
Lied  vom  Fichtenbaum. 

Sur  un  mont  de  la  Norvege 
Un  pin  se  dresse  branlant; 
II  dort,  la  glace  et  la  neige 
Le  couvrent  d'un  manteau  blanc. 


2l2  Heines  französische  Uebersotzor. 

Morne  et  solitaire,  il  reve 
D'un  palmier  de  l'Orient 
Dont  la  couronne  s'eleve 
Au  haut  d'un  rocher  brülant. 

In  einer  dritten  Liedersammlung  „Rhythmes  et  Refrains", 
Lyon,  Perrin  1864,  ^)  in  dem  Abschnitte  „D'Albion  et  d'Alle- 
raagne",  befindet  sich  eine  Umdichtung  der  „Botschaft"  („Junge 
Leiden'',  Nro.  7)  die  uns  besonders  wegen  des  frischen  Tones 
als  die  gelungenste  erscheint. 

Le  message. 

Assez  dormi,  mon  joli  page! 

A  clieval,  en  avant! 
Gragne,  ä  travers  monts  et  village, 

Le  palais  de  Duncan. 

Va  te  glisser  dans  l'ecurie : 

Au  valet,  sans  effroi, 
Demande  laquelle  on  marie 

Des  deux  filles  du  roi. 

Si  c'est  la  brune,  la  seconde, 

Viens  le  dire  ä  l'instant; 
Si  l'on  te  dit  que  c'est  la  blonde, 

II  ne  presse  pas  tant. 

Chez  le  cordier,  avec  prudence 

D'un  cordon  munis-toi; 
Reviens  lentement,  en  silence. 

Et  presente-le  moi. 


^)   Ausgabe  in  200  nummerierten  Exemplaren. 


J 


Louis  Ratisboiine.  213 


Louis  Ratisbonne ') 

(1827). 

In  ihm  lernen  wir  wieder  einen  Strassburger  kennen, 
der  sich  an  poetischen  Nachbildungen  Heines  versuchte,  den 
er  wohl  kannte.  In  seiner  Liedersammlung  „Au  printemps 
de  la  vie"  (Levy,  1807)  entdeckten  wir  ein  Gedicht  mit  der 
Randbemerkung  „imite  de  Heine".  Nicht  ohne  Mühe  erkannten 
wir  hierin  eine  ebenso  freie  wie  misslungene  Uebertragung 
des  „Warum  sind  die  Rosen  so  blass"  (,, Intermezzo",  23). 

Pourquoi  doiic  vous  fletrir,  mes  fleurs,  avant  l'automne? 
Pourquoi  n'avez-vous  plus  ni  parfum,  ni  couleur? 
Et  toi,  pourquoi,  dans  Fair,  6  rossignol  chanteur? 
Ta  romance,  aujourd'hui,  si  tristement  resonne? 

Comme  cette  verdure  est  sombre  et  monotone! 
Que  cet  air  est  charge  d'une  lourde  vapeur! 
0  nature  engourdie,  ä  ta  morne  torpeur 
On  dirait  que  la  mort  d'un  linceul  t'environne. 

i.  Et  toi,  comme  ä  regret  eclairant  son  sommeil, 

Quel  deuil  portes-tu  donc,  6  pale  et  froid  soleil? 
0  lumiere  attristee! 

Moi-meme,  q.ui  me  rends  ainsi  triste  ä  mon  tour? 
Oh!  dis,  mon  bien-aime,  dis-moi,  mon  seul  amour, 
Pourquoi  m'as-tu  quittee? 

Noch  unglückHcher  ist  die  Uebersetzung  des  Liedes  „Ich 
hab'  im  Traume  geweinet"  etc. 


')  Vergl.  Abschnitt  II. 


214  Heiiiüs  französische  Uobcrsctzcr. 


Paul  Yrignaul. 

Vermutlich  ein  Pseudonym.  Der  unbekannte  Dichter 
veröffenthchte  in  der  „Revue  germanique"  im  Dezember  18ö8 
eine  Serie  von  Liebeshedern  unter  dem  Titel  „Baisers,  chants 
d'amour  traduits  de  Fallemand",  unter  denen  sich  sechs  Um- 
dichtungen  Heines  befinden.  Von  diesen  schmiegt  sich  fol- 
gende Uebertragung  des  Liedes  „Küsse,  die  man  stiehlt  im 
Dunkeln"  am  treuesten  an  das  Original  an.  Zwar  passt  der 
Ausdruck  „flamme  pure"  schlecht  mit  dem  Innern  Sinne  des 
Gedichtes. 

Les  baisers  dans  robscurite, 

Donnes  et  rendus  sans  mesure, 

C'est,  surtout  quand  la  flamme  est  pure, 

Une  indicible  volupte! 

Ils  fönt  rever  aux  douces  choses 
Dont  on  aime  ä  se  souvenir, 
Et  nous  montrent  les  lointains  roses 
Du  beau  pays  de  l'avenir. 

Mais  trop  penser,  lorsqu'on  s'embrasse, 
Ne  vaut  rien,  chere  äme,  pleurons! 
Nos  baisers  secheront  la  trace 
Des  larmes  que  nous  verserons! 


Gaston  Dargy 

ist  der  Autor  der  „Voyages  a  travers  les  Mondes  poetiques"^ 
(premi^re  serie:- Allemagne,  1500—1862;  Paris,  1862). 

Die  Sammlung,  die  Gedichte  von  Hagedorn  bis  Freiligrath 
umfasst,     enthält     einige     recht     geschickte     Nachbildungen 


')    Das  Buch  ist  iu  3ÜÜ  nummerierten  Exemplaren  gedruckt. 


Gaston  Dargy.  215 


Heinescher    Satiren,     wovon    wir    unten    eine    Probe    folgen 

lassen. 

Le  Prussien.  i) 

A  M.  Ch.  Schuermans. 

Dann  Aix,  messieurs,  les  chiens  dans  la  rue  allonges 
Ont  l'air  piteusement  de  dire  aux  etrangers : 
„Allons,  flanqiiez-moi  donc  un  coup  de  pied;  peut-etre 
Cela  distraira-t-il  ma  bedaine  et  mon  maitre." 

J'ai  fläne  plus  d'uiie  heure  eii  cet  ennuyeux  trou 
Et  lä  j'ai  retrouve  —  toujours  peu  de  mon  goüt  — 
L'uniforme  prussien :  manteau  gris  ä  col  rouge. 
Or  qu'est-ce  qu'un  Prussien? 

Un  pantin  qui  ne  bouge 
Qu'en  gestes  compasses  pedamment,  gravement; 
C'est  un  menie  angle  droit  ä  cliaque  mouvenient. 
Immuable  „facies"  puant  la  Süffisance, 
A  te  voir  on  croirait  que  ta  cervelle  pense. 

Le  Prussien  se  promene  aussi  raide  et  guinde 

Qu'etrique,  ficele,  droit  comnie  un  I  brode. 

A-t-il  donc  avale  le  bäton  respectable 

Dont  le  rossait  jadis  le  caporal  pendable  ? 

Oui.   Le  long  instrunient  de  la  sclilague  est  fourre 

Dans  le  corps  du  Prussien  qui  parait  lionore 

De  s'en  faire  un  tuteur.    Sa  moustache  pendante, 

Plus  longue  que  son  nez  et  plus  outrecuidante, 

De  la  sötte  perruque  est  un  aspect  nouveau : 

La  queue,  au  lieu  de  pendre  au  dos,  pend  au  museau. 


^)  Der  beste  Heinekenner  wird  nur  mit  Mühe  unter  diesem  Titel  ein 
mitten  aus  dem  „Wintermärchen"  herausgerissenes  und  verstümmeltes  Stück 
erkennen  (Kap.  III).  Ebenso  verhält  es  sich  mit  dem  folgenden  Gedichte  mit 
der  Ueberschrift  „Sourire",  das  dem  Kap.  VII  von  „Atta  Troll"  entnommen  ist. 


216  Heines  französische  Uebersetz« 


CatuUe  MendösO 

(1840). 

Zu  den  ersten  litterarischen  Arbeiten  des  jungen  hitz- 
köpfigen Parnassien  gehört  eine  in  der  „Revue  frangaise" 
(186S  —  1.  Dezember)  vergessene  und  begrabene,  ganz  vor- 
zügHche  Uebersetzung  des  Ratchff.  Von  den  drei  Nach- 
bildungen dieses  Fragmentes  —  die  in  der  Ausgabe  von  Levy 
aufgenommene,  von  einem  uns  nicht  Bekannten  verfasste,  ist 
schlecht,  eine  von  Heine  besorgte  ^)  besser  —  ist  derjenigen 
von  Mendes,  des  prächtigen  und  kräftigen  Stils  wegen,  ent- 
schieden der  Vorzug  zu  geben.  Man  spürt  den  leiden- 
schaftlichen Hauch,  die  kongeniale  zügellose  Phantasie  in 
dieser  Umdichtung,  mit  der  sich  Mendes  vielleicht  die  Zeit 
während  seiner  Haft  vertrieb,  die  ihm  sein  sinnlich  tolles 
Drama  „Le  Roman  d'une  Nuit"  verschafft  hatte.  Die  Ueber- 
schrift  der  betreffenden  Uebersetzung  lautet :  „Theätre  de 
Henri  Heine"  —  William  Ratcliff  —  und  bescheiden  und  klein 
in  einer  Ecke:  traduit  de  l'allemand  par  Catulle  Mendes. 

Interessant  ist  der  Inhalt  des  folgenden  „Avant-propos"  :  ^) 

A  l'occasion  des  tragedies  de  Henri  Heine,  tout  ä  fait  inconnues 
en  France  et  peu  connues  encore  en  Allemagne,  je  me  reserve 
d'etudier  prochainement  la  jeune  ecole  romantiqiie  qui  passa  sur  le 
theatre  de  Dusseldorf  avec  la  gloire  d'un  eclair.  II  y  avait  lä  Carl 
Immermann,  vaste  genie  en  proie  au  desordre,  lutteur  jamais  de- 
courage,  l'auteur  de  „Tristan  et  Iseult",  de  „Ghismonda"  et  de  „Merlin 


1)  Vergl.  Abschnitt  V. 

2)  Vergleiche  Anhang  I. 

^)  Da  Mendes  in  demselben  sowohl  von  einer  Uebersetzung  des  ,,Alinanzor" 
als  auch  von  einer  Studie  über  das  deutsch-romantische  Theater  spricht,  und 
wir  beide  weder  in  seinen  Werken  noch  in  Revuen  finden  konnten,  haben  wir 
uns  an  ihn  selbst  um  Auskunft  gewandt.  Leider  erfolglos,  da  Catulle  Mendes 
auf  eine  sehr  höfliche  Anfrage  nicht  antwortete.  Wir  erwähnen  dies  nur,  weil 
uns  sonst  alle  Franzosen,  und  zu  diesen  gehören  noch  ,, grössere  Tiere"  als 
Mendes,  mit  altbewährter  Courtoisie  entgegengekommen  sind. 


Catulle  Mendes.   —  A.  Claveau.  217 


Fenclianteur" ;  il  y  avait  Christian  Grabbe  qui  imitait  Shakespeare 
et  fut  jaloux  de  Goethe ;  il  y  avait  tous  ceux  qui,  devores  d'ambitions 
grandioses,  voulaient  donner  des  successeurs  ä  l'auteur  de  „Faust"  et 
ä  l'auteur  de  „Marie  Stuart",  reagir  contre  Penvahissement  sans 
cesse  plus  intolerable  de  la  tragedie  de  famille,  et  vaincre,  dans  une 
bataille  oü  Shakespeare  etait  general  en  chef,  les  faiseurs  de  pieces 
ä  la  mode  du  jour,  les  dramaturges  bourgeois  et  les  vaudevillistes 
sensibles,  les  Raupach  et  les  Grillparzer  (!).  Entreprise  glorieuse  et 
qui  echoua  immediatement.  Henri  Heine  avait  20  ans  alors.  II  se 
mela  au  mouvement  resurrectionnel.  „Wilham  Ratchif"  et  „Almanzor" 
furent  des  combats  ä  outrance  oü  le  jeune  poete  commanda  le  feu. 
Y  eut-il  defaite  ou  victoire  ?  Je  ne  sais  plus  ce  que  les  prefaces  en 
disent.  Le  lecteur  va  connaitre  ces  deux  poemes,  farouches,  gracieux, 
desesperes,  bouffons,  toujours  excessifs,  oü  se  fönt  entendre  ä  la  fois 
des  croassements  de  corbeau  famehque  et  des  roucoulements  de 
eolombe  pamee  !  — 


Ä.  Claveau 

(1835), 

der  sich  als  Kritiker  der  „Revue  contemporaine'^  einen  Namen 
gemacht,  ist  der  zweite,  der  es  versuchte,  das  „Lyrische  Inter- 
mezzo" in  französische  Verse  umzubilden.  Sein  „Intermede" 
erschien  in  der  genannten  Zeitschrift  vom  15.  September  186S 
und  zwar  mit  dem  Nebentitel:  ,,Imite  on  ne  peut  plus  libre- 
ment  de  l'Intermezzo  de  Henri  Heine.''  Der  Dichter  thut  gut, 
uns  hiervon  zu  unterrichten,  denn  die  meisten  Lieder  sind 
kaum  zu  erkennen.  Als  selbständige  Gedichte  sind  diese  ein- 
unddreissig  Nachbildungen  —  denn  auch  quantitativ  hat  sich 
Claveau  die  Arbeit  verkürzt  —  nicht  ohne  Reiz.  Die  beiden 
folgenden  Uebertragungen  mögen  von  dieser  freiesten  aller 
freien  Behandlungen  einen  Begriff  geben.  Wenn  wir  zur  Not 
in  dem  „Conclusion"  überschriebenen  Gedicht  „Die  alten 
bösen  Lieder"  etc.  erraten,  so  dürfte  in  dem  zweiten  Lied 
dieser  Sammlung  schwerlich  „Im  wunderschönen  Monat  Mai" 


218 


Heines  französische  Uebersetzer. 


wieder  zu  erkennen  sein.  Wir  selbst  sind  im  unklaren,  ob 
wir  wirklich  das  erste  Lied  des  „Lyrischen  Intermezzo"  als 
Vorbild  betrachten  dürfen.  Das  Einzige,  was  uns  zu  diesem 
Schlüsse  berechtigt,  ist,  dass  in  beiden  das  Wort  „Mai"  vor- 
kommt; das  ist  eigentlich  zu  wenig,  um  auf  eine  Ueber- 
setzung  schliessen  zu  können,  wenn  sonst  Inhalt,  Idee  und 
Form  grundverschieden  sind.  —  Wir  finden  aber  im  „Inter- 
mezzo" kein  anderes  Vorbild. 


Dans  un  mois  de  vie  et  de  force, 
C'etait,  je  pense,  avril  ou  mai, 
Chaque  bourgeon  pergait  l'ecorce, 
Mon  äme  s'ouvrit  et  j'aimai. 

J'aimai,  je  sentis  quelque  chose, 
Un  frisson  de  quelques  instants ; 
C'etait  le  printemps,  je  suppose  .  . 
J'ai  garde  rancune  au  printemps. 

J'aimai  quand  la  bergeronnette 
Au  bord  de  l'eau  posait  son  nid; 
Etait-ce  Alice,  etait-ce  Annette  ? 
Ce  n'etait  rien,  car  c'est  fini. 


Conclusion. 

Allez  nie  cliercher  un  cercueil, 
Tandis  que  mon  äme  est  en  deuil, 
Pour  mettre  ce  que  j'ai  dans  l'äme; 
Allez  m.e  chercher  un  cercueil 
Plus  grand  que  les  tours  Notre-Dame. 


Plus  grand  toujours,  plus  grand  encor 

Que  l'obelisque  de  Louqsor 

Et  que  la  colonne  Vendome; 

Plus  grand  toujours,  plus  grand  encor 

Que  le  Pantheon  et  son  dome. 


A.  Claveau.  219 


AUez  me  chercher,  mes  amis, 
Une  biere  oü  tout  sera  mis, 
Joie  et  (louleur,  plaisir  et  peine; 
Allez  iiie  cherclier,  mes  amis, 
Une  excellente  biere  en  diene. 

En  diene,  c'est  trop  peu,  vraiment ! 
En  fer,  en  plomb,  en  diamant, 
Voilä  comme  il  me  faut  ma  biere; 
En  diene,  c'est  trop  peu,  vraiment, 
C'est  trop  peu  nieme  de  la  pierre! 

Amenez  ä  l'enterrement, 

Pour  transporter  le  monument. 

Quelques  colosses  majuscules ; 

Amenez  ä  l'enterrement 

Une  ou  deux  douzaines  d'Hercules. 

Payez  un  croque-mort  geant 

Pour  me  jeter  dans  l'ocean 

La  biere  si  longue  et  si  grosse ; 

Payez  un  croque-mort  geant : 

A  grand  cercueil  plus  grande  fosse  ! 

Or  9a,  devinez  pourquoi, 

Mes  bons  amis,  dites-le  moi. 

Je  veux  tant  de  bruit  et  de  place  ? 

Or  Qa,  devinez  pourquoi 

Ce  convoi  de  premiere  classe  ? 

Ce  luxe  de  fosse  et  de  deuil, 
Ces  geants  et  ce  grand  cercueil, 
En  avez-vous  flaire  la  cause  ? 
Ce  luxe  de  fosse  et  de  deuil .  .  . 
Je  vais  vous  confesser  la  chose : 

C'est  que  j'enterre  mon  amour, 
Defunt  par  hasard,  l'autre  jour, 
D'une  mort  un  peu  trop  subite; 
C'est  que  j'enterre  mon  amour  .  .  . 
Or,  la  mer  sera  trop  petite ! 


220  Heines  französische  Uebersetzer. 


Charles  Berthoud') 

Lange  waren  wir  im  ungewissen,  welcher  Feder  sowohl 
die  Uebersetzung  der  Bände  „Correspondance  inedite"  als  auch 
die  erläuternde  Vorrede  und  die  zahlreichen  Anmerkungen 
entstammten,  bis  uns  die  „Revue  germanique  et  frangaise"  auf- 
klärte. In  den  Nummern  vom  1.  Mai  und  1.  August  1864 
ist  nämlich  zuerst  eine  Auswahl  von  Heines  Briefen  aus  den 
Jahren  1820—1825  und  1825—1836  zum  erstenmale  in  fran- 
zösischer Sprache  mit  längerer  Einleitung  und  ausführlichen 
Notizen  im  Texte  veröffentlicht  worden.  Als  Autor  der  Ueber- 
setzung und  des  Kommentars  unterzeichnete  Ch.  Berthoud, 
wenn  wir  nicht  irren,  ein  Neuenburger  Litterat,  der  viel  für 
die  „Revue  suisse"  schrieb.  —  Dass  er  den  grössten  Teil  der 
Briefe  weggelassen,  erklärt  er  damit,  dass  diese  über  Dinge 
und  Leute  handelten,  die  dem  französischen  Leser  fremd  sind. 
Er  wolle  aber  die  Briefe  in  der  Weise  auswählen,  dass  sie 
gewissermassen  einer  Autobiographie  Heines  gleichkämen. 
Die  Idee  von  Gustav  Karpeles  war  also  keine  neue.^)  Als  wir 
nun  die  Uebersetzung  Berthouds  mit  derjenigen  der  „Oeuvres 
completes"  verglichen,  fanden  wir  geradezu  eine  verdächtige 
Aehnlichkeit  zwischen  beiden.  Stil  und  Konstruktion  deckten 
sich  vollständig,  zuweilen  war  nur  ein  Wort  durch  sein 
Synonym  wiedergegeben,  z.  B.  production  mit  composition, 
puissance  poetique  mit  force  poetique  vertauscht.  Als  sich 
aber  nicht  nur  die  Anmerkungen,  sondern  auch  die  Vorreden 
in  gleicher  Weise  deckten,  konnte  kein  Zweifel  mehr  vor- 
handen sein,  dass  wir  in  Berthoud  den  anonymen  Verfasser 
der  französischen  Ausgabe  der  Heinekorrespondenz  zu  sehen 
haben.  Immerhin  begreifen  wir  nicht,  warum  dieser  nicht 
wenigstens  seine  Einleitung  unterzeichnet  hat. 


^)  Gestorben  1.  Mär/  1894.  —  Vergl.  Abschnitt  II,  Sainte-Beuve. 
2)    II.  Heines  Autobiographie  nach  seineu  Werken,  Briefen  etc. 


1 


De  Chatelain.  221 


De  Chatelain. 

Le  Chevalier  de  Chatelain  ist  der  Verfasser  des  wenig 
bekannten  Buches  „Pleurs  des  Bords  du  Rhin^',  —  Beautes 
de  la  Poesie  alleniande  (London,  1866).  Er  lebt  als  Un- 
zufriedener in  England  und  benützt  seine  freie  Zeit,  um  seine 
Landsleute  mit  den  Schätzen  englischer  und  deutscher  Litte- 
ratur  bekannt  zu  machen.  Das  vorliegende,  hübsch  aus- 
gestattete Werk  gibt  eine  Anthologie  deutscher  Lyrik  der 
letzten  150  Jahre.  Der  Titel  ist  cum  grano  salis  zu  nehmen, 
da  die  wenigsten  poetischen  BUiten  an  den  Ufern  des  Rheins 
gewachsen  sind.  Das  recht  interessante  Buch  hat  nicht  gerade 
viel  Beachtung  gefunden,  obgleich  der  Autor  darin  guten 
Geschmack  und  ein  angenehmes  Dilettantentalent  verrät.  Der 
Wert  der  einzelnen  Nachbildungen  ist  ein  verschiedener;  am 
besten  sind  ihm  die  Uebersetzungen  der  Lieder  von  Platen,  am 
wenigsten  die  Heines  gelungen.  Obgleich  er  sich  von  groben 
Missverständnissen  ferne  hält  und  sich  dem  Gedanken  treu  an- 
schliesst,  entbehren  die  letzteren  jeglicher  poetischen  Wirkung. 
Den  glückhchsten  Ton  scheint  er  uns  in  folgender  Ballade 
getroffen  zu  haben.')  (Wir  eitleren  nur  den  ersten  Teil  der- 
selben.) 

Le   Chevalier  Olaf. 

Deux  liomnies  sont  devant  l'Eglise ; 
Ecarlate  est  des  deux  la  mise; 
L'un,  portant  süperbe  manteau, 
C'est  le  roi,  —  l'autre  est  le  bourreau. 


^)  Immerhin  müssen  sich  deutsche  Poeten  dankbar  erzeigt  haben,  denn 
er  schliesst  das  Vorwort  der  zweiten  Auflage  mit  den  Worten :  „Quant  k  trouver 
des  expressions  pour  peindre  nos  sentiments  envers  les  Poetes  Allemands, 
Fran^ais  et  Anglais  —  qui  nous  ont  ecrit  k  propos  des  „Fleurs  des  Bords  du 
Rhin"  des  lettres  datees  de  Darmstadt,  de  Munich,  de  Sartz  etc.  .  .  .  nous  y 
renon(;ons.  II  est  des  choses  qui  remuent  le  coeur  —  mais  que  la  plume  est 
inhabile  u  rendre." 


222  Heines  französische  Ueborsot/ci'. 

Le  roi  dit  ä  Fhoinme  ä  la  liache : 
„C'en  est  donc  fait!  —  L'Eglise  attache, 
A  leurs  fronts,  d'amour  le  bandeau  .  .  . 
Apprete  ta  hache,  bourreau!" 

Les  cloches  vont  percer  la  nue ; 
Voilä  que  du  saint  lieu  se  rue 
Le  peuple  ...  Au  niilieu  de  ses  flots, 
Pares,  sont  les  epoux  nouveaux. 

Elle  est  pale  conime  une  niorte, 
La  fille  du  roi,  tres  accorte 
Naguere  .  .  .  Olaf  le  Chevalier, 
Cräne  et,  lui  da  .  .  .  franc  du  collier, 

A  dit  au  roi:   „Bonjour,  beau-pere! 
Elle  est  a  toi,  ma  tete  altiere; 
De  mes  noces,  c'est  le  cadeau 
Qu'il  te  plait  faire  ä  ton  bourreau! 

„Mais  ne  le  ferme  encor,  mon  livre 
Jusqu'ä  minuit  laisse-moi  vivie, 
Afin  que  puisse  banqueter, 
Danser  et  mes  noces  feter!  .  .  . 

„Jusqu'ä  minuit  laisse-moi  vivre 
De  ma  vie  et  ferme  le  livre,  — 
Je  ne  veux  pas  te  la  cliiper,  — 
Apres  la  danse  et  le  souper!" 

„Ainsi  soit-il  ...  De  notre  gendre 
La  tete,  je  veux  bien  l'attendre," 
A  dit  le  roi,  „jusqu'a  minuit!  — 
Bourreau,  soit  pret  pour  ce  deduit !" 


Effoiiard  Schure.  223 


Edouard  Schure') 

(1842). 

Von  allen  bisher  genannten  Heineübersetzern  hat  der 
elsässische  Litterat,  Poet  und  Musikschriftsteller  das  Beste 
geleistet.  Leider  sind  es  nur  ein  halbes  Dutzend  Lieder,  die  er 
von  unserem  Dichter  übertragen  hat,  diese  aber  vortrefflich. 
Wir  finden  sie  in  seinem  „Histoire  du  Lied"  1868,  einer  Arbeit, 
durch  die  sich  der  noch  in  Barr  lebende  Gelehrte  auch  in 
Deutschland  einen  geachteten  Namen  erworben  hat.  Wir 
eitleren  ausser  der  gelungenen  Nachbildung  des  „Pichten- 
baunis"  die  „Lorelei",  die  sich  genau  dem  Rhythmus  des 
Originals  anschliesst  —  er  fügt  im  Anhang  die  Komposition 
Sicheis  bei  — ,  und  „Es  fällt  ein  Stern  herunter",  ein  Muster 
stilvollster  LTebertragung,  ebenfalls  mit  rhythmischer  Treue, 
dafür  aber,  noch  mehr  als  dies  nicht  ganz  unbeschadet  bei 
der  „Lorelei''  der  Pall  ist,  vom  wörtlichen  Sinn  des  Originals 
erheblich  abweichend.  „Ecoutez  ce  Lied"  —  sagt  er  von 
dem  Liede  „Es  fällt  ein  Stern"  (pag.  459)  —  „qui  semble 
chanter  sur  le  sepulcre  des  beautes  terrestres  et  Celestes  comme 
la  voix  d'un  sylphe  leger  qui  monte  en  planant  dans  l'azur 
fonce  du  firmament."   — 

La  belle  etoile  tombe 
De  son  brillant  sejour; 
Elle  a  trouve  sa  tombe, 
L'etoile  de  l'amour. 

Le  doux  pommier  frissonne; 
Tombez,  feuilles  et  fleurs, 
Depouilles  de  I'automne, 
Jouets  des  vents  moqueurs. 


')   Vergl.  Abschnitt  I] 


224  Heines  französische  Uebersetzor. 

Cygne  de  l'eau  dormante, 
Ton  chant  nie  fait  fremir; 
Doucement  tourne  et  chante, 
Les  flots  Yont  t'engloutir ! 

Silence  —  sur  la  terre 
Tout  dort,  tout  a  passe; 
L'etoile  est  en  poussiere, 
Le  doux  chant  a  cesse. 


Pag.  460: 


Lorelei. 


Dis-moi,  quelle  est  donc  cette  histoire 
Dont  mon  coeur  se  souvient, 

De  douce  et  d'antique  memoire, 
Qui  toujours  me  revient? 

La  brise  fraichit,  il  fait  sombre, 
Le  vieux  Rhin  coule  en  paix; 

Tout  dort,  tout  grisonne;  dans  l'ombre 
S'embrasent  les  sommets. 

Lä-haut  une  vierge  immortelle 

Trone  au  soleil  couchant; 
Son  sein  de  rubis  etincelle, 

La  belle  chante  un  chant; 

Chante  en  peignant  sa  chevelure. 

Plus  fiere  que  le  jour, 
Un  chant  de  merveilleuse  allure, 

Un  puissant  chant  d'amour!  .  .  . 

Le  pecheur,  d'un  desir  sauvage, 

Fremit  dans  son  bateau; 
Son  ceil  ne  voit  plus  le  rivage, 

Son  oeil  regarde  en  haut! 

Je  crois  que  la  vague  devore 

La  barque  et  le  pecheur. 
0  Lore  des  flots,  fiere  Lore, 

Voilä  ton  chant  vainqueur. 


I 


Edouard  Schure.  —  Albert  Merat.  —  Leon  Valade.  225 


„Fichtenbaum." 

Sur  un  mont  chenu  de  Norvege, 
Un  pin  se  dresse  triste  et  seul. 
II  dort  —  et  Teternelle  neige 
Le  couvre  d'un  epais  linceul. 

II  reve  d'un  palmier  splendide 
Qui,  loin,  dans  l'Orient  vermeil, 
Languit,  seul,  sous  un  ciel  torride, 
Sur  son  roc  brüle  du  soleil. 


Albert  Merat  —  Leon  Yalade 

(1838).  1854—1884). ') 

Parmi  les  jeunes  hommes  qui  logeaient  ou  venaient  souvent  ä 
l'hotel  du  „Dragon  Bleu",  il  y  avait  deux  amis,  deux  inseparables, 
presque  deux  freres :  Albert  Merat  et  Leon  Valade.  On  etait  si 
accoutume  ä  les  voir  ensemble,  qu'on  avait  pris  l'habitude  de  meler 
leurs  noms  comme  ils  melaient  leur  vie,  et  on  les  appelait  volontiers 
Albert  Yalade  et  Leon  Merat.  Ce  sont  lä  des  amities  charmantes  de 
la  vingtieme  annee. 

Ils  travallaient  ensemble  ä  une  traduction  de  „l'Intermezzo"  de 
Henri  Heine,  et  allaient  publier  ou  venaient  de  publier,  toujours 
ensemble,  un  livre  de  vers  avec  ce  titre  frais  comme  le  printemps : 
„Avril,  Mai,  Juin."  II  faut  s'arreter  sur  l'oeuvre  de  ces  deux  dehcats 
esprits. 

So  erzählt  Catulle  Mendes  in  seiner  „Legende  du  Par- 
nasse"  (pag.  191).  Wir  irren  wohl  nicht,  wenn  wir  annehmen, 
dass  Merat,  dieser  talentvolle  Millet  der  Dichter,  weder  in 
dem  Masse  von  Heine  erfüllt  war,  noch  sich  ebensoviel  an 
dem  Uebersetzungswerk  beteiligte,  wie  sein  junger  Freund. 
Merat,  einer  der  erfreulichsten  französischen  Poeten  der  Gegen- 


^)   Vergl.  Abschnitt  V. 
Bi'tz,  Heine  in  Frankreich.  1^ 


226  Heines  französische  tJebersetzer. 


wart,  dessen  Liedersammlungen  die  mehrfache  Preiskrönung 
der  französischen  Akademie  vollauf  verdienen ;  Merat,  der  die 
landschaftlichen  Reize  der  Umgebung  von  Paris  —  den 
meisten  Boulevardiers  ebenso  unbekannt,  wie  den  nach  Bilder- 
galerien und  feinen  Restaurants  jagenden  Fremden  —  besingt, 
konnte  sich  seiner  innersten  Natur  nach  nicht  so  ausschliesslich 
zu  dem  Verfasser  des  „Intermezzo"  hingezogen  fühlen,  wie 
dies  bei  Valade  der  Fall  war.  Immerhin  figurieren  sie  beide 
als  Dichter  des 

,^ Intermezzo^,  poeme  traduit  de  Henri  Heine. 
(Lemerre,  1868.) 

Wir  halten  diese  poesievolle  Arbeit  der  beiden  Parnassiens 
für  die  beste,  wenn  auch  nicht  für  die  genaueste  der  voll- 
ständigen Umdichtungen  dieses  Liedercyklus.  Das  Büchlein  ist 
voller  Frische  und  Anmut.  Oft  fehlen  Rhythmus  und  Harmonie 
des  Originals,  aber  selbst  durch  die  fremde  Sprache  und  Form 
lächeln  noch  Grazie  und  Originalität  Heines  hindurch.  Alles 
ist  dichterisch  nachempfunden  und  dichterisch  wiedergegeben. 
Von  den  hier  angeführten  Proben  sind  nicht  alle  von  gleichem 
Werte.  So  scheint  uns  gerade  das  „Fichtenbaumlied"  schon 
besser  nachgedichtet  worden  zu  sein.  Der  Gedanke  ist  ebenso 
wie  der  Vers  zu  sehr  in  die  Länge  gezogen.  Es  ist  zu  viel 
erklärt,  ausgeführt ;  hier  zeigt  sich  die  Schattenseite  des  Wortes 
Rivarols :  „toute  traduction  frangaise  est  une  explication'^  In 
der  Lyrik  kann  dieser  Vorzug  schädlich  wirken,  wie  dies  sich 
gerade  an  diesem  Liede  deutlich  zeigt.  Unserer  Phantasie, 
unserem  Gefühl  ist  kein  Spielraum  gegeben.  Wenn  wir  Valades 
Umdichtung  gelesen  haben,  wissen  wir  alles.  Heine  deutet 
nur  an,  —  er  zwingt  uns  nicht,  etwas  ganz  Bestimmtes  zu 
denken,  er  gibt  unserer  Phantasie  bloss  die  Flügel. 

Unsere  Auswahl  kann  eine  ungeschickte  sein ;  mit  Willen 
aber  ist  sie  eine  spärliche;  wir  hoffen  dadurch  manchen  zu 
bewegen,  dies  Büchlein  selbst  in  die  Hand  zu  nehmen. 


_^i 


Albert  Merat.  —  Leon  Valade.  227 

Pag.  36:  '  . 

XXVIII. 

Un  sapin  isole  dresse  son  front  tremblant 

Sur  un  aride  mont  du  Nord.  —  Morne,  il  sommeille, 

Et  la  neige  en  glagons  lui  fait  un  manteau  blanc. 

II  reve  de  lä-bas,  la  terre  sans  pareille, 

Et  d'un  palmier  qui  hait,  captif  du  roc  brülant, 

L'implacable  splendeur  de  la  plage  verineille. 

Pag.  39: 

XXXI. 

Les  grands  chagrins  dont  je  suis  l'hote, 
J'en  fais  de  petites  chansons: 
Toutes,  conime  un  vol  de  pinsons, 
S'en  vont  droit  ä  ton  coeur  sans  faute. 

Mais,  de  retour,  toutes  en  choeur 
Se  plaignent,  6  fächeux  mystere! 
Se  plaignent  et  me  veulent  taire 
Ce  qu'elles  ont  vu  dans  ton  ccßur. 

Pag.  52: 

XL  VI. 

Ma  chanson  est  envenimee, 
Et  bien  simple  en  est  la  raison: 
Ta  main  a  verse  du  poison 
Sur  ma  jeunesse,  bien-aimee! 

Ma  chanson  est  envenimee. 

Et  bien  simple  en  est  la  raison: 

J'ai  des  viperes  ä  foison 

Dans  le  coeur,  et  toi,  bien-aimee. 

Kurz  vor  seinem  frühen  Tode  veröffentlichte  Leon  Valade, 

md  zwar  diesmal  ohne  Merat,  einen  kleinen  Band  von  sechzig 

leiten:    ^^Nocturnes^^ ,    poemes  imites   de    Henri   Heine    (Paris, 

Patay,  1880).    Unter  diesem  Titel  vereinigte  der  Dichter  eine 


228  Heines  franzosische  üebersetzer. 


Auswahl  von  Balladen  und  Romanzen  aus  der  „Heimkehr" 
und  den  „Jungen  Leiden",  und  zwar  finden  sich  dort  Ueber- 
setzungen  der  bekanntesten  Gedichte  Heines.  Auch  hier 
bewährt  sich  das  feinfühlende  lyrische  Talent  Valades.  Nur 
scheint  uns  die  Form  oft  eine  wenig  glückliche  zu  sein.  Die 
Ballade  liegt  dem  Gefühlslyriker  offenbar  ferner;  ihm  fehlt 
der  Griffel  des  französischen  Balladendichters  Banville.  Am 
besten  ist  wohl  das  Wesen  dieser  Liedergattung  in  den  beiden 
folgenden  Umdichtungen  gelungen  (pag.  22) : 

Balthazar.  0 

C'etait  sur  le  minuit .  .  .  A  peine  remuait 
Babylone,  enfoncee  en  un  somnieil  muet. 

Une  feto  pourtant  remplissait  ä  cette  heure 
De  torclies  et  de  bruit  la  royale  demeure. 

A  la  table  du  roi,  lä-haut,  rien  ne  manquait; 
Balthazar  presidait  lui-meme  le  banquet. 

Cercle  bariole  de  courtisans,  la  troupe 
Des  convives  rieurs  vidait  coupe  sur  coupe. 

Ce  joyeux  cliquetis  mele  de  cris  joyeux 
Chatouillait  dans  son  coeur  le  nionarque  orgueilleux 

Et  le  vin  par  degres  lui  colorant  la  face, 
Aux  blasphemes  bientot  s'emporta  son  audace. 

C'est  ä  Dieu  qu'il  jeta  l'insulte  follement 
Et  l'admiration  se  fit  rugissement. 

Un  serviteur,  quittant  la  salle  au  premier  signe, 
Revint  avec  un  faix  d'orfövrerie  insigne: 


1)   Vergleichshalber    ist   es  interessant,   die  Version  Valades    der  Amieis 
gegenüberzustellen. 


I 


Albert  Merat.  —  Leon  Yallade.  229 

Bassins  d'argent  massif,  precieux  vases  d'or, 
Pris  ä  Jerusalem,  dans  le  sac  du  Tresor; 

Et  le  roi,  remplissant  une  coupe  sacree, 
But  d'un  trait  et  cria  d'une  voix  assuree: 

„Dieu  des  Hebreux !  le  roi  de  Babylone,  va, 


„Pauvre  sire,  te  met  au  defi,  Jehova !" 


II  n'a  pas  plus  tot  dit  ces  mots  qu'il  les  regretie, 
Sentant  sourdre  en  son  coeur  une  angoisse  secrete. 

Les  rieurs  ont  f'ait  treve  ä  leur  bruyant  transport; 
II  regne  dans  la  salle  un  silence  de  mort. 

Voyez!  sur  le  mur  blanc,  quelque  chose  promene 
Son  ombre :  et  Ton  dirait  comme  une  main  humaine  . 

La  main,  en  traits  de  flamme,  ecrit  sur  le  mur  blanc : 
Elle  ecrit,  puis  s'efface  aux  yeux  du  roi  tremblant. 

Le  roi  resta  les  yeux  hagards;  et  ce  presage 
Fit  flechir  ses  genoux  et  blemir  son  visage. 

Consternes  a  ce  coup,  les  flatteurs  impudents 
Furent  muets;  la  peur  faisait  ciaquer  leurs  dents. 

Les  mages  Chaldeens  venaient,  —  baissaient  la  tete  .  , 
Et  les  lettres  de  feu  n'eurent  pas  d'intreprete. 


Les   deux  grenadiers. 

Deux  grognards  de  la  garde  ayant  fait  la  campagne 
De  Russie,  oü  longtemps  on  les  retint  captifs, 
Cheminaient  vers  la  France.    Et  dans  notre  Allemagne 
Ils  baisserent  le  front,  sombres  —  non  sans  motifs! 

C'est  lä  que,  jusqu'au  bout,  ils  surent  la  deroute 
De  la  France  trahie  en  son  effort  dernier: 
La  grande  armee,  helas !  taillee  en  pieces  toute  .  .  . 
Jusqu'a  lui,  l'empereur,  l'empereur  prisonnier! 


230  Heines  französische  Uebersetzer. 

Comme  on  leur  eut  conte  ces  nouvelles  trop  süres, 
Les  pauvres  grenadiers  en  pleurerent  bien  fort. 
L'un  dit:     „Je  souft're  tant  que  mes  vieilles  blessures 
„Se  sont  rouYertes  ...  Va!  je  serai  bientot  mort." 

„Voici  la  fin,"  dit  l'autre.    „Adieu  toute  esperance! 
„Je  voudrais  bien  mourir  aussi,  moi.    Par  malheur 
„J'ai  ma  femme,  avec  mon  enfant,  restee  en  France, 
„Et  ma  mort,  sürement,  entrainerait  la  leur." 

„Que  m'importe,  apres  tout?    C'est  lä  ce  qui  m'arrete? 
„Une  femme!  un  enfant!  —  Qu'ils  aillent  mendier, 
„S'ils  ont  faim  !  Moi  j'ai  bien  d'autres  soucis  en  tete  .  .  . 
„Prisonnier,  l'empereur,  l'empereur  prisonnier! 

„Camarade!  voici  ce  que  je  veux,  ecoute: 
„Sans  arriver  plus  loin,  si  je  meurs  dans  tes  bras, 
„Oh!  remporte  avec  toi  mon  corps,  coüte  que  coüte, 
„Dans  la  terre  de  France  oü  tu  m'enterreras ! 

„Laisse  ma  croix  d'honneur  avec  son  ruban  rouge 
„Apphques  sur  mon  coeur  —  c'est  lä  ma  volonte!  — 
„Mon  fusil,  dans  ma  main:  ne  crains  pas  qu'il  en  bouge! 
„Tu  me  ceindras  aussi  mon  epee  au  cote. 

„Dans  ma  tombe,  poste  comme  une  sentinelle, 
„J'y  veux  rester  ainsi  jusques  aux  jours  nouveaux 
„Oü  j'entendrai  gronder  la  rumeur  solenneile 
„Des  Canons  et  sonner  le  pied  dur  des  clievaux. 

„L'empereur,  sur  ma  fosse,  alors,  comme  la  trombe, 
„Passera  .  .  .    Les  tambours  battront  avec  fureur  .  .  . 
„Et  moi,  je  sortirai  tout  arme  de  la  tombe 
„Pour  le  defendre,  lui,  l'empereur,  l'empereur!" 

In  den  „Poesies  posthumes''  (Lemerre,  1890)  Valades  ent- 
deckten wir  noch  ein  hübsches  Dedikationsgedicht  „Envoi  de 
rintermezzo''  an  einen  Freund  (pag.  245),  mit  dem  wir  von 
diesem  liebenswürdigen  Poeten  Abschied  nehmen  wollen: 


I 


Albert  Merat.  —  Leon  Vallade.  231 


Envoi  de  Tlntermezzo. 

Ä  Philippe  Burty. 

Dans  le  parc  enchante  de  Heine 
Brillent  les  etoiles  de  feu: 
L'amour  y  chante  avec  la  haine, 
L'oiseau  noir  apres  l'oiseau  bleu  .  .  . 

Nous  nous  sommes  tus  pour  entendre 
Le  doux  rossignol  eperdu  .  .  . 
Mais  du  concert  cruel  et  tendre 
Le  meilleur  sans  doute  est  perdu  . . . 

Avions-nous  con^u  la  cliimere, 
En  un  soir  tenebreux  et  vain, 
De  retenir  la  gräce  amere 
Et  l'art  du  poeme  divin? 

Reve  absurde,  chimere  foUe ! 
Mais,  6  delicat  et  denii, 
Allez  donc,  quand  la  lune  molle 
Caresse  le  parc  endormi, 

Lorsque  glissent  des  blanclieurs  päles 
Parmi  le  feuillage  tremblant, 
Emplir  de  ces  vagues  opales 
Votre  coupe  de  jade  blanc. 


E.  Yaughan.  —  Ch.  Tabaraud. 

Mit  diesen  uns  sonst  nicht  als  Dichter  bekannten  Ver- 
fassern des  sehr  geschmackvoll  herausgegebenen  Bändchens 
^JJ InterynezzOj  pohne  d' apres  Henri  Heine^^,  Paris,  Bailiiere,  1884 
(mit  einem  schlechten  Holzschnitte  von  Heine  nach  Selliers 
Bild),  sind  wir  bei  der  fünften  Uebersetzung  dieses  Lieder- 


232  Heines  französische  Uebersetzer. 


cyklus  angelangt.  Allein  mit  der  Zahl  scheint  nicht  der 
Wert  der  Umdichtungen  zu  wachsen.  An  und  für  sich  .be- 
trachtet, sind  diese  französischen  Lieder  graziös  und  leicht 
hingeworfen.  Wenn  sie  nur  keine  Uebersetzung  der  Gedichte 
Heines  darstellen  sollten!  Warum  denn  nicht  sagen:  ,,inspires 
par  Heine"  ?  Bei  den  meisten  Stücken  ist  das  Original  gar 
nicht  wieder  zu  erkennen.  So  z.  B.  bei  „Ich  hab'  im 
Traume  geweinet'',  wo  eigentlich  nur  ein  Bisschen  von  dem 
Refrain  übrig  geblieben  ist  (pag.  119): 


LVI. 

J'ai  pleure  pendant  mon  reve ! 

Je  revais  que  la  mort  avait  pali  ton  front. 

Je  m'eveillai,  pleurant,  plein  d'un  cliagrin  profond; 

Mon  pauvre  coeur  saignait  comme  frappe  d'une  glaivc. 

J'ai  pleure  pendant  mon  reve ! 
Je  revais  qu'ä  jamais  tu  t'eloignais  de  nioi. 
Je  m'eveillai,  le  coeur  empli  d'un  triste  emoi, 
Et  mon  amere  plainte  en  un  sanglot  s'acheve. 

J'ai  pleure  pendant  mon  reve ! 

Je  revais  —  6  bonheur!  —  que  tu  m'aimais  toujours, 

Je  m'eveillai.    Depuis,  sur  nos  mortes  amours, 

Le  torrent  de  mes  pleurs  coule,  coule  sans  treve. 

Eine  Ausnahme  macht  die  einfache,  knappe  und  gerade 
deswegen  wirkungsvolle  Wiedergabe  des  „Fichtenbaum". 
Getreu  und  hübsch  gelungen  ist  ferner  auch  das  Lied  „Phi- 
lister im  Sonntagsröcklein''. 

Sur  une  montagne  du  Nord, 
Un  sapin  isole  se  dresse, 
Et  par  la  farouclie  caresse 
D'un  vent  d'hiver  berce,  s'endort. 


i 


E.  Vaughan.  —  Cli.  Tabaraud.  233 

Sous  son  manteau  de  givre,  il  reve 
D'un  pahnier  qui,  uiorne  et  doleiit, 
Lä-bas,  sur  un  rocher  brülant, 
Tout  seul,  se  desole  sans  treve. 


Endimanclies,  des  bourgeois, 
Parmi  les  pres  et  les  bois, 

S'esbaudissent. 
Saluant  le  renouveau, 
Legers  comme  le  chevreau, 

Ils  bondissent. 

On  les  voit,  de  leurs  yeux  ronds, 
Regarder  des  environs 

Les  merveilles, 
Au  chant  des  moineaux,  vibrant, 
Larges  et  longues  ouvrant 

Leurs  oreilles. 

Moi,  d'un  rideau,  tristement, 
Je  couvre  liermetiquement 

Ma  fenetre, 
Afin  de  voir,  en  plein  jour, 
Le  spectre  de  inon  amour 

M'apparaitre. 

Pres  de  moi,  comme  quelqu'un 
Qu'on  attend,  l'amour  defunt 

Prend  sa  place. 
A  mes  yeux  noyes  de  pleurs 
Le  tableau  de  mes  douleurs 

Se  retrace! 


234  Heines  französische  Uebersetzer. 


Ch.  Beltjens 

den  Süpfle  als  Heineübersetzer  erwähnt,   ist   der   Intermezzo- 
übertrager Nummero  s  e  c  h  s.  ^) 

Dieser  belgische  Poet  —  seine  Uebertragungen  geben 
uns  keine  Veranlassung,  an  diesem  Berufe  Beltjens  zu  zwei- 
feln, obgleich  sie  uns  nicht  auf  diesen  Gedanken  gebracht 
hätten  —  gehört  zu  denen,  die  eine  dem  Originale  äqui- 
valente Nachdichtung  als  ein  ebenso  wünschenswertes  w4e  un- 
erreichbares Ideal  hinstellen.  Sein  eigener  Versuch  gibt  uns 
allerdings  keinen  Gegenbeweis  in  die  Hand.  „Je  ne  crois  pas 
qu'il  existe  une  seule  traduction  parfaite,  pas  merae  en  prose," 
heisst  es  in  einem  seiner  Briefe,  wo  er  sich  auf  die  Autorität 
Victor  Hugos  beruft.  Dabei  gibt  er  selbst  zu,  dass  ihm  von 
sämtlichen  Heineübersetzungen  bloss  die  Nervals  bekannt  sei. 
—  Es  kommt  Beltjens  vor  allem  darauf  an,  den  Rhythmus  des 
Originals  zu  treffen,  genau  wie  bei  Amiel,  von  dem  er  ja 
auch  nichts  weiss.  Die  Umdichtung  ist  eine  sehr  freie;  er 
selbst  gesteht,  dass  er  der  Harmonie  des  Verses  oft  die  ge- 
naue Wiedergabe  des  Sinnes  geopfert  habe.  Leider  umsonst, 
denn  in  den  meisten  seiner  Lieder  können  wir  der  rhythmi- 
schen Kunststücke  wegen  keinen  poetischen  Genuss  finden. 
Als  Beispiel  diene  folgende  Uebersetzung,  die  wir  genau  nach 
dem  Druckbogen  wiedergeben: 


1)    Das  Buch  war   uns    nicht   zugänglich.    Ein  merkwürdiger  Zufall  aber  | 

verschaffte   uns   die  Probedruckbogen,  nebst   einigen  handschriftlichen  Notizen  ' 

des  Dichters.  Es  hatte  sich  nämlich  Herr  Beltjens  an  Herrn  Dr.  Ziesing, 
Privatdocent  der  französischen  Litteratur  an  der  hiesigen  Universität,  gewandt, 
damit  dieser  als  der  geeignetste  Mann  in  seiner  doppelten  Eigenschaft  eines 
gründlichen  Heinekenners  und  tüchtigen  Linguisten  die  Uebersetzungen  durch- 
sehe und  verbessere.  Dieser  war  so  freundlich,  uns  die  Blätter  samt  den 
Briefen  Beltjens'  zur  Verfügung  zu  stellen. 


eil.  Beltjens.  235 


XXXII. 

A    A    A    A 
A    A    J 

8  3  3  3 

Mon  ainour,  |  quand  sera  |  ton  eher  corps  |  au  tombeau, 

3  3  3 

Etendu  |  sur  sa  cou  |  che  de  gla  |  ce, 

Je  viendrai,  triomphant  de  la  nuit  sans  flambeau, 

Pres  de  toi,  m'emparer  de  ma  place. 

Je  te  tiens,  toi  si  froide  et  si  pale,  en  tremblant, 

Et  mon  äme  en  extase  est  ravie; 
Fou  d'amour,  je  t'embrasse  et  te  presse,  exhalant 

Mes  sanglots,  mes  baisers  et  ma  vie. 

Pour  la  danse  macabre,  ä  Pappel  de  minuit, 
Tous  les  noirs  trepasses  s'avertissent ; 

—  Mais  qu'importe  ä  nous  deux!  nous  restons  dans  la  nuit 

Oü  tes  bras  amoureux  m'engloutissent. 

On  entend  le  clairon  du  dernier  jugement : 
Vers  le  ciel  ou  l'enfer  tout  s'elance! 

—  Mais  nous  deux,  dans  la  tombe  entrelaces  tendrement, 

Sans  souci,  nous  restons  en  silence. 


Einen  glücklicheren  Ton  hat  er  in  der  „Loreley"  ge- 
funden; auch  der  „Fichtenbaum"  schmiegt  sich  trotz  freier 
Behandlung  passend  an  das  Original  an.  Sein  Meisterstück 
aber  dürften  die  „Grenadiere"  sein,  wo  er  die  wuchtige 
Sprache  und  die  einfache  Tragik  des  Liedes  trefflich  wieder- 
gegeben hat. 

Loreley. 

Je  ne  sais  d'oü  vient  la  tristesse 
Qui  me  trouble  ainsi  jour  et  nuit; 
Un  conte,  un  vieux  conte,  sans  cesse, 
De  son  souvenir  me  poursuit. 


236  Heines  französische  Uebersetzer, 

L'air  est  frais  et  voiei  la  brume: 


Le  Rhin  coule  paisiblement, 
Et  la  Cime  du  mont  s'allume 
Aux  derniers  feux  du  firmament. 

Lä-liaut,  la  vierge  la  plus  belle 
Se  tient  assise  aupres  du  bord; 
Sa  parure  d'or  etincelle, 
Elle  peigne  ses  cheveux  d'or. 

Pendant  que,  dans  l'or  de  sa  tresse, 
Son  peigne  d'or  glisse  et  descend, 
Sa  bouche  aux  levres  charmeresses 
Chaute  un  hymne  etrange  et  puissant. 

Une  douleur  apre  et  sauvage 
Dans  son  bateau  prend  le  nocher; 
II  ne  voit  plus  flots  ni  rivage, 
Rien  qu'elle  au  sommet  du  rocher. 

Sous  la  vague  avec  sa  carene, 
Je  crois  le  nocher  descendu : 
C'est  la  chanson  de  la  sirene, 
C'est  Loreley  qui  l'a  perdu. 


XXXIII. 

Sur  un  sommet  de  l'aride  Norvege 
Croit  un  sapin,  sauvage  enfant  du  Nord; 
Un  lourd  manteau,  fait  de  glace  et  de  neige, 
De  sa  blancheur  l'enveloppe ;  —  il  s'endort. 

II  voit  en  reve  un  palmier  solitaire, 
Se  desolant,  dans  l'orient  lointain, 
Sur  un  rocher  brülant  comme  un  cratere, 
Sous  un  soleil  qui  jamais  ne  s'eteint. 


Ch.  ßoltjcns.  23' 


Les  deux  grenadiers. 

Deux  grenadiers,  prisonniers  chez  les  Russes, 
Vers  le  pays  en  revenaient  gaiment; 
Mais  arrives  au  quartier  des  Borusses, 
Leur  front  soudain  se  pencha  gravement. 

Oll  leur  apprit  la  sinistre  defaite : 
Les  Corps  frangais  battus  jusqu'au  dernier, 
La  Grande  Armee  en  deroute  complete 
Et  l'Empereur,  l'Empereur  prisonnier! 

Jamais  leurs  yeux  n'avaient  verse  des  larmes : 
Un  long  sanglot  trahit  leur  desespoir. 
Le  Premier  dit :  „Je  succombe  aux  alarmes, 
Ma  piaie  au  flanc  va  se  rouvrir  .  .  .  bonsoir !" 

L'autre  lui  dit:  „Adieu  toute  esperance! 
Frere,  avec  toi  je  voudrais  bien  mourir; 
Mais  j'ai  ma  femme  au  doux  pays  de  France 
Et  notre  enfant  que  mon  bras  doit  nourrir." 

„Eh!  que  nie  fönt  ton  enfant  et  ta  femme! 
Je  ne  saurais  m'alarmer  de  si  peu; 
Ils  pourront  bien  mendier,  sur  mon  äme, 
Quand  l'Empereur  est  prisonnier,  morbleu! 

Cher  camarade,  une  seule  priere! 
Puisque  mon  corps  doit  etre  enseveli, 
Jusques  en  France  empörte  au  moins  ma  biere, 
Au  sol  fran§ais  je  veux  avoir  mon  lit. 

La  croix  d'honneur,  avec  son  ruban  rose, 
Doit  sur  mon  coeur  etaler  sa  beaute; 
Que  mon  fusii  entre  mes  mains  repose. 
Et  ceins  de  pres  l'epee  a  mon  cote. 

Sous  le  gazon,  sentinelle  secrete. 
Je  veux  ainsi  veiller  jusqu'au  grand  jour 
Oü  lourds  Canons,  chevaux,  voix  de  tempete 
M'annonceront  l'Empereur  de  retour. 


238  Heines  französische  Uebersetzer. 


Qu'il  passe  alors  au  galop  sur  ma  tete, 
Dans  la  melee  et  les  cris  de  fureur, 
Et  l'arme  au  bras,  de  nion  cercueil  en  fete, 
Je  sortirai  pour  garder  l'Empereur !" 


Francois  Yallon. 

Mit  dem  Buche,  betitelt:  ,^Ecrm  de  Poesies'-^  (anglaises, 
allemandes,  italiennes  et  espagnoles),  traduites  par  Fr.  Vallon, 
Paris,  Lemerre,  1886^  will  uns  der  Verfasser  einen  Blumen- 
strauss  fremder  Gedichte  in  französischer  Uebersetzung  geben. 
Er  behauptet,  der  erste  Franzose  zu  sein,  der  diesen  Versuch 
wage.  Genau  genommen  beruht  diese  Annahme  allerdings 
auf  einem  Irrtum;  denn  schon  zehn  Jahre  zuvor  hat  der 
Genfer  Amiel  seine  „Etrangeres"  herausgegeben.  Die  ein- 
heimische sowie  die  ausländische  Kritik  hat  von  dem  elegant 
ausgestatteten  Buche  gebührende  Notiz  genommen.  Sehr 
lobend  sprachen  sich  0.  Roquette  („Darmstädter  Zeitung", 
30.  Nov.  1886)  und  der  Altmeister  deutscher  Uebersetzungs- 
kunst  („Tägliche  Rundschau",  21.  Januar  1886)  sowohl  über 
die  geschmackvolle  Wahl  bei  der  Blumenlese,  als  auch  über 
die  geschickte  und  poesievolle  Nachahmung  aus.  Irrtümlich 
wundern  sie  sich,  dass  ein  solches  Buch  nicht  schon  lange 
seinesgleichen  in  Frankreich  habe,  während  in  Deutschland 
kein  Mangel  an  ähnlichen  Versuchen  sei.  Trotzdem  ist  es 
aber  die  Schweiz,  die  nicht  nur  Amieis  „Etrangeres",  sondern 
auch  Joh.  Scherrs  „Bildersaal"  geliefert  hat. 

Mit  dem  Lobe  der  genannten  deutschen  Dichter  können 
auch  wir,  was  die  Nachbildungen  Heines  betrifft,  deren  die 
Sammlung  etwa  ein  halbes  Dutzend  enthält,  übereinstimmen. 
Die  Uebersetzungen  der  Lieder  sind  getreu  und  in  schöner 
Sprache  dem  Geiste  des  Originals  angepasst.  Als  die  stilvoll- 
sten Versuche  betrachten  wir  die  beiden  folgenden  Gedichte: 


Frangois  Vallon.  239 


Du  haut  des  cieux  calmes,  sans  voile.  ^ 

Du  haut  des  cieux  calmes,  sans  voile, 

Tombe  une  etoile,  lä-bas. 
De  l'amour  c'est  la  douce  etoile 

Que  je  vois  tomber,  helas ! 

De  l'odorant  pommier,  en  foule, 
Tombent  des  feuilles,  des  fleurs: 

Le  vent  s'en  amuse  et  les  roule 
Fanant  leurs  tendres  couleurs. 

Le  cygne  chantant  vogue  et  mire 
Dans  les  flots  bleus  son  cou  blanc. 

Sa  voix  baisse,  tremble,  soupire; 
II  tombe  au  fond  de  l'etang. 

Tout  s'est  eteint,  bruit  et  lumiere: 

Feuilles  et  fleurs  ont  passe. 
L'etoile  n'est  plus  que  poussiere; 

Le  chant  du  cygne  a  cesse. 


Lurlme.2) 

Je  ne  sais  pourquoi  la  tristesse 

A  ce  point  m'assombrit. 
ün  conte  des  vieux  jours,  sans  cesse, 

Me  revient  ä  l'esprit: 

Un  air  frais  parcourt  les  campagnes, 
Le  Rhin  coule  sans  bruit: 

Le  soleil  dore  les  montagnes 
Oü  va  tomber  la  nuit. 

Lä-haut,  une  vierge  est  assise, 
Fixant  les  flots  profonds; 

Sa  parure  est  d'or:  eile  frise 
L'or  de  ses  cheveux  blonds. 


^)    „Es  fällt  ein  Stern  der  Liebe",  Intermezzo,  59. 

2)  Die  Bezeichnung  Lurline  für  Lorelei  hat  er  in  Sir  Ruppert,  „The 
fearless,  a  legend  of  Germany"  (pag.  220),  gefunden.  Uebrigens  soll  für  diese 
Form  auch  die  altdeutsche  Sprache  Belege  haben. 


240  Heines  französische  üebersetzer. 


En  les  frisant,  pleine  de  gräce, 

Avec  un  peigne  d'or, 
Elle  chante.    Un  noclier  qui  passe 

Ecoute,  ecoute  encor. 


Un  transport  violent,  farouche, 

S'allume  en  lui  bientot: 
Ses  yeux,  loin  de  l'ecueil  qu'il  touche, 

Sont  sur  le  pic,  lä-haut. 

Nocher,  barque  enfin,  j'imagine, 

Sous  les  ondes  d'argent, 
Sombrent.  —  Voila  ce  que  Lurline 

A  fait  avec  son  chant. 


Camille  Prienr. 

Eines  der  letzten  Bändchen  der  1  Fr.-Serie  „Bibliotheque 
choisie  des  chefs  -  d'oeuvre  frangais  et  etrangers",  die  das  be- 
kannte Pariser  Verlagshaus  Dentu  mit  vorzüglichem  Drucke 
und  Papier  seit  einigen  Jahren  veröffentlicht,  ist : 

„Le  Tambour  Le  Grand,  sidvi  de  Voyage  en  Italiey^^ 
traduction  nouvelle  de  Camille  Prieur.  1889.^) 

Die  kurze  biographische  Einleitung  ist  bloss  ein  Auszug 
der  Lebensskizze  Gautiers  mit  einigen  chauvinistischen  An- 
hängseln, wozu  die  Düsseldorfer  Statuenfrage  die  Veranlassung 
gibt.  Die  Uebersetzung  ist  eine  fliessende  und  scheint  sich 
eher  an  die  Loeve-Veimarssche  als  an  die  der  „Oeuvres  com- 
pletes"  anzulehnen,  womit  natürlich  nicht  bestritten  sein  soll, 
dass  sie  ohne  Zuziehung  beider  verfasst  sein  kann.    Dass  sie 


1)  Ausser  Heine  ist  die  deutsche  Litteratur  noch  durch  Goethes  „Werther" 
und  „Hermann  und  Dorothea"  —  in  einem  Bändchen  —  und  Hoffmanus  „Contes 
fantastiques"   vertreten. 


Camille  Priour.  —  Alexis  Lupus.  241 


modern  stilisiert  ist,  beweist  allerdings  wenig.  Von  der 
„italienischen  Reise"  ist  nur  der  erste  Teil  (,,von  München 
nach  Genua")  übertragen. 


Alexis  Lupus 

heisst  der  Autor  einiger  wohlgelungener  Uebertragungen, 
die  die  „Nouvelle  Revue"  (Bd.  43,  pag.  400  ff.)  1890  brachte. 
Sie  sind  stark,  aber  auch  geschickt  französisiert,  wie  dies  am 
besten  die  Romanze  vom  „Armen  Peter"  zeigt: 

I. 


¥ 


Jean  valse;  il  valse  avec  Margot  .  .  . 
Quel  heureux  inortel  que  cet  homme  !  .  .  . 

—  Pierre  est  triste  comme  un  sanglot, 
II  est  plus  pale  qu'un  fantome. 

Margot  et  Jean  vont  s'epouser, 
Ils  sont  en  brillante  toilette; 
Pierre  est  d'humeur  ä  tout  briser, 
II  n'est  point  en  habits  de  fete.  — 

II  (lit,  les  contemplant  tous  deux, 

—  En  proie  au  chagrin  qui  raccable   —  : 
„Je  me  pendrais,  lä,  devant  eux, 
„Si  je  n'etais  si  raisonnabli»  .  .  . 

II. 

„J'eprouve  au  coeur  un  mal  affreux, 
„Je  crois  que  tout  mon  sang  se  fige, 
„Et  j'erre,  .  .  .  j'erre,  .  .  .  malheureux, 
„N'importe  oü  mon  pas  se  dirige. 

„Comme  s'il  pouvait  y  guerir, 
„Pres  de  Margot  mon  coeur  m'entraine, 
„—  Mais  son  regard  me  fait  mourir  .  .  . 
„Tant  son  bonheur  la  rend  sereine  .  .  . 

letz,  Iloinc  in  Frankreich.  Iß 


242  Heines  französische  Uebersetzer. 

„Je  fuis,  je  gravis  le  rocher, 

„La,  je  serai  seul  tout  ä  l'heure;  — 

„Lä-haut  je  n'ai  rien  ä  cacher, 

„Je  pleure,  je  pleure  —  et  je  pleure  .  . 

III. 

Le  pauvre  Pierre,  d'un  pas  lent, 
S'avance,  bleme  et  chancelant; 
Et  les  passants  de  s'arreter. 
Et  les  filles  de  chuchoter: 

„  Avez-vous  rien  vu  d'aussi  beau  ?  ! 
„Sans  doute  sort-il  du  tombeau, 
„Ce  pauvre  eher  adolescent?"  — 
—  Non,  mes  amours !  . .  .  il  y  descend  . 

Pour  lui,  dont  le  coeur  est  en  deuil, 
Le  meilleur  gite  est  un  cercueil: 
Car  dans  sa  tombe  il  dormira, 
Ce  sommeil-lä  —  le  guerira.  — 


Guy  Roparte.  —  P.-R.  Hirsch. 

So  nennen  sich  die  Verfasser  der  siebenten  franzö- 
sischen Nachdichtung  des  „Lyrischen  Intermezzo", 

„Intermezzo,  d' apres  le  poeme  d' Henri  Heine/^ 
Lemerre,  1890. 

Das  Buch  ist  Prangois  Coppee  gewidmet,  vielleicht  nicht 
bloss  als  ihrem  „Meister",  sondern  auch  als  dem  Schüler  des- 
jenigen, den  sie  übersetzen. 

In  einem  „Prelude",  das  mit  dem  Prologe  Heines,  welcher 
nicht  übertragen  ist,  nichts  zu  thun  hat,  soll  allem  Anscheine 
nach  eine  dichterische  Allegorie  der  Lieder  Heines  gegeben 
werden,  seines  Liebens  und  Leidens : 


Guy  Ropartz.  —  P.-R,  Hirsch.  243 

C'est  l'antique  foret,  foret  d'enchantement 
Oü  les  tilleuls  fleuris  ont  des  chansons  tres  douces; 
Oü,  quand  la  lune  epand  ses  clartes  sur  les  mousses, 
Mon  coeur  s'epanouit  delicieusement. 

J'allais  sous  le  feuillage  epais;  dans  la  nature 
Silencieuse,  un  bruit  tout  a  coup  frappe  l'air: 
C'etait  le  rossignol,  chantant  ä  gosier  clair 
L'amour  qui  divinise  et  Fainour  qui  torture, 

L'amour  joyeux,  l'amour  triste,  l'amour  moqueur, 
Ses  peines,  ses  plaisirs,  ses  sourires,  ses  larmes; 
Cette  fraiche  musique  a,  pour  moi,  taut  de  cliarmes, 
Que  le  mal  oublie  se  reveille  en  mon  coeur. 

Et  le  doux  rossignol  de  brauche  ä  brauche  saute; 
Je  vais  plus  loin  et  vois  apparaitre  bientot, 
Au  bord  d'une  clairiere,  un  immense  chäteau 
Dominant  l'horizon  de  sa  toiture  haute. 

Portes  closes,  volets  rejoints,  les  alentours 
Etaient  empreints  de  deuil  et  de  morne  tristesse ; 
L'angoisse  vous  mordait  au  fond  de  l'äme.    Etait-ce 
Que  la  mort  pour  demeure  avait  choisi  ces  tours? 

Devant  la  porte,  un  sphinx  me  regarde.    Je  crains 
De  l'approcher,  mais  son  attirance  m'y  force  .  .  . 
II  avait  d'un  hon  les  griifes  et  le  torse, 
Le  visage  attrayant  d'une  femme,  et  les  reins. 

Une  femme  tres  behe  avec  de  blondes  tresses: 
Le  eroissant  de  la  levre  aux  sauvages  contours 
Promettait  follement  d'eloquentes  amours; 
Son  regard  appelait  des  voluptes  traitresses. 

Le  rossignol  chantait  delicieusement. 
Posant  mon  front  brülant  contre  son  front  de  pierre, 
Je  frappai  d'un  baiser  l'arc  de  sa  bouche  fiere, 
Comme  pousse  vers  un  irresistible  aimant. 


244  Heines  französische  Uebersetzer. 


La  figure  impassible  eut  un  frisson  de  vie ; 
Elle  but,  d'un  seul  trait,  le  feu  de  nion  baiser. 
Le  marbre  en  soupirant  s'efforce  d'apaiser 
Sa  devorante  soif  toujours  inassouvie. 

Jamals  assez!  Jamals  assez!  Sa  passlon 
Jusqu'ä  mon  dernler  souffle  asplrera  ma  vle ! 
Sentant  decroitre  enfin  sa  monstrueuse  envle, 
Elle  enfonce  en  mon  corps  ses  griffes  de  Hon. 

Etrange  volupte!  Delicieux  martyre: 
Jouissance  abliorree  et  supplice  plus  eher! 
Le  baiser  de  sa  bouche  enivrante  m'attire 
Tout  le  temps  que  sa  griffe  ensanglante  ma  chair. 

„0  toi,  beau  sphinx,  amour,  dis-moi  pourquoi  tu  meles 
„A  toutes  voluptes  des  soufFrances  mortelles? 
„Toi,  qui  tiens  sous  ta  loi  les  humains  pantelants, 
„Beau  sphinx  dont  le  baiser  enivre  et  martyrise, 
„Revele-moi  le  mot  de  l'enigme  incomprise!"  — 
—  ^M.o\j  j'ai  reflechi  depuis  pres  de  mille  ans!"  — 

Di  CO  Dichter  versuchen  es  selten,  den  musikalischen  Zauber 
der  kurzen  Verse  und  Strophen  wiederzugeben.  Meistens  sind 
zwei  Verse  Heines  in  einen  Alexandriner  verschmolzen.  Aber 
weder  Boileau  noch  Heredia  würden  denselben  anerkennen ; 
denn  fast  immer  stellen  sie  eigentlich  nur  willkürlich  ge- 
reimte Prosa  dar.  Unter  diesem  Vorbehalte  ist  den  Nach- 
dichtungen ein  eigentümlich  mystisch-poetischer  Reiz  nicht 
abzusprechen.  —  Die  folgende  Uebertragung  des  Liedes: 
„Lehn'  deine  Wang'  an  meine  Wang'",  das,  wie  alle  Lieder, 
sehr  frei  behandelt  ist,  wird  das  Gesagte  verdeutlichen: 

Mets  tes  yeux  sur  mes  yeux,  pour  que  nos  pleurs  pämes 
Se  melent;  que  ton  coeur  contre  mon  coeur  se  presse, 
Pour  que,  d'un  meme  feu,  tous  deux  soient  consumes! 
Et  quand,  sur  le  bücher  que  notre  amour  se  dresse, 
Coulera  le  torrent  de  nos  pleurs,  qu'en  mes  bras, 
T'etreignant  avec  force,  enfin  tu  tomberas. 


Je  mourrai  de  bonheur,  dans  un  eri  de  detresse! 


Guy  Ropartz.  —  P.-R.  Hirsch.  245 


Unter  den  vielen  „träumenden  Pichten  bäumen"  der  fran- 
zösischen Uebersetzungslitteratur  —  es  sind  uns  deren  zehn 
bekannt  —  nimmt  der  vorHegende  durch  die  kraftvolle  Sprach- 
symbolik und  originelle  Verskonstruktion,  die  sofort  die  Schule 
Verlaines  und  Malarmes  verrät,  eine  Stellung  für  sich  ein. 
Dass  es  die  effektvollste  Version  von  allen  ist,  dürfte  nicht 
abzustreiten  sein.  Allein  es  bleibt  eben  eine  Version,  eine 
poetische  Anlehnung.  Heines  Lied  ist  Vorwand,  nicht  Zweck. 
Wir  tadeln  nicht,  konstatieren  bloss. 

Un  pin  solitaire  se  dresse 

Sur  un  aride  mont  du  Nord: 

Enveloppe  d'un  blanc  manteau  de  neige,  il  dort. 

II  reve  d'un  palmier,  pleurant,  sous  la  caresse 

Morne  d'un  etouffant  matin, 

Lä-bas,  dans  l'Orient  lointain. 

Dass  ihnen  nicht  die  leichte  Hand  fehlte,  um  mit  den 
einfachsten  Mitteln  die  Harmonie  der  Heineschen  Verse 
wiederzugeben,  dass  sie  sich  mehr  aus  „parti  pris^'  der  lang- 
hingezogenen rhythmischen  Prosa  bedienten,  geht  aus  dem 
letzten   Liede,    das    wir   hier  citieren,   hervor    (dem    57.    des 

„Intermezzo"): 

La  phiie  et  le  vent  d'automne, 

Dans  la  nuit, 

Font  un  bruit 

Monotone. 
Oü  se  trouve  maintenant 
Ma  pauvre  et  timide  enfant? 
II  me  semble  reconnaitre, 
Appuyee  a  sa  fenetre, 
Sa  tete  aux  cliarines  pälis. 
Les  yeux  de  larmes  remplis, 

Elle  sende 
L'oeean  aux  mille  plis 
De  l'obseurite  profonde.i) 


^)    Guy  liopartz   hat    u.  a.   bei   Lemerre    „Notations    artiatiques"'   ver- 
öflfeutlicht,  eine  Sammlung  hübscher  Reisestudien,  in  denen  von  allem  möglichen 


246  Heines  französische  Uebersetzer. 


J.  Daniaux. 

In  der  Zeitschrift  „Le  Livre  moderne"  Nro.  7  lesen  wir, 
wohl  von  der  Feder  des  Herausgebers  Uzanne  selbst :  „Henri 
Heine,  en  depit  de  l'origine,  appartient  encore  plus  ä  la  France 
qu'ä  TAllemagne.  C'est  donc  une  restitution  que  vient  d'operer 
M.  J.  Daniaux  en  traduisant,  en  vers  alertes,  subtils,  spirituels 
et  passionnes,  les  petits  poemes  du  „Heimkehr"."  Wer  einen 
Blick  in  den  zweiten  Abschnitt  dieser  Arbeit  geworfen  hat, 
wird  an  der  ersten  Ansicht  des  berühmten  französischen 
Bibliophilen  nichts  Neues  finden.  Was  die  zweite  anbetrifft, 
so  wollen  wir  erst  prüfen,  ob  das  elegante  Buch  :  „Le  Retour'-^ j 
traduction  e?i  vers  frangais  'par  J.  Daniaux.  Avec  une  intro- 
duction  inedite  par  Marcel  Prevost,^)  Paris,  1890  —  alle  jene 
Vorzüge  besitzt.  —  Da  diese  Nachbildungen  schon  der  be- 
rühmten Gönnerschaft  wegen  viel  von  sich  reden  machten,  so 
wollen  wir  uns  diese  Sammlung  etwas  näher  ansehen.  Be- 
ginnen wir  gleich  mit  dem  ersten  Liede  der  „Heimkehr".  Die 
erste  Strophe  ist  trotz  einiger  Freiheiten,  die  wir  mehr  oder 
weniger  in  allen  diesen  Uebersetzungen  antreffen  werden, 
nicht  ohne  Geschick  wiedergegeben  („In  mein  gar  zu  dunkles 
Leben") : 

Dans  la  nuit  noire  de  ma  vie, 
Blanc  mirage  vite  efface, 
Une  douce  Image  a  passe 
Que  l'ombre  bientot  m'a  ravie. 


die  Rede  ist,  von  Stockholm  und  Bayreuth,  Kunst  und  Musik  etc.    Der  Heine- 
Uebersetzer  und  -Verehrer  tritt  auch  hier  zu  Tage,    lieber  seine   sprachlichen 
Kenntnisse    werden   wir    allerdings    stutzig,  wenn  wir  die  entsetzlich  verstüm- 
melten Verse  Heines  aus  dem  vom  Verfasser  übertragenen  „Intermezzo"  lesen, 
die  dem  Buche  als  Geleite  mitgegeben  sind.    Wir  kopieren  buchstäblich  : 
Im  Rhein,  im  shoenen  Strome, 
Da  spiegelt  sich  im  de??i  Welln  etc.  .  .  . 
*)  Vergl.  Abschnitt  II  und  V. 


A 1 


J.  Daniaux.  247 


Holperig  dagegen  und  den  Ton  des  Originals  wenig 
treffend  klingt  die  dritte  Strophe  „Ich,  ein  tolles  Kind,  ich 
singe"  etc.: 

Vieil  enfant  apeure,  je  chante 

Dans  ma  sinistre  obscurite  .  .  . 

Peut-etre  mon  lied  ^)  tourmente 

Dissipera  mon  epouvante. 

Ganz  vorzüglich  ist  dem  Dichter  dagegen  die  „Lorelei" 
gelungen : 

Je  ne  sais  d'oü  cette  tristesse 

Me  peut  venir: 
\Jn  conte  ancien  liante  sans  cesse 
Mon  Souvenir. 

L'air  fraichit;  l'ombre  s'amoncelle; 

Le  Rhin  s'endort; 
Le  sommet  des  monts  etincelle 

De  gloires  d'or. 


La  plus  belle  vierge  est  assise 

Sur  le  roc  noir, 
Son  manteau  flamboyant  s'attise 

Des  feux  du  soir: 

Elle  peigne  ses  tresses  blondes, 

Et  son  cliant  clair 
S'envole  en  versant  sur  les  ondes 

Un  philtre  am  er. 

Le  pecheur,  d'un  desir  sauvage 

Aiguillonne, 
En  l'ecoutant,  loin  du  rivage 

Est  entraine. 


^)  Da  sich  dies  deutsche  Wort  erst  seit  den  Parnassiens  eingebürgert 
hat,  d.  h.  vorkommt  ohne  gesperrt  oder  mit  Anführungszeichen  versehen  zu 
sein,  glauben  wir  behaupten  zu  können ,  dass  das  „Lied"  Heines  —  des 
Lieblings  und  Meisters  der  Parnassiens  —  der  französischen  Sprache  diesen 
neuen  Ausdruck,  nebst  einem  Teil  des  Dinges  selbst,  zugeführt  hat.  —  In 
der  „Semaine  litteraire**,  12.  Mai  1894,  finden  wir  den  Titel:  Lied  des  Liedes. 


248  Heines  französische  Uebersetzer. 


Des  flots  monte  a  la  haute  berge 

Une  rumeur : 
C'est  \e  Rliin  grondant  qui  subnierge 

Barque  et  rameur! 

Das  Gegenteil  lässt  sich  aber  von  dem  vierten  Liede 
sagen.  Den  ersten  Vers  „Im  Walde  wandl'  ich  und  weine" 
umschreibt  er  mit  den  beiden  folgenden: 

„Dans  la  foret  verte  oü  j'arrive 
„Pelerin  sombre  et  courbatu,"  etc. 

Von  der  ganzen  innigen  Natürlichkeit  des  Originals  bleibt 
nichts  übrig  als  Phrase. 

Auch  der  Effekt  von  den  launenhaften  Sprüngen  vom 
Ernst  zum  Spott,  von  der  Thräne  zum  ironischen  Lächeln, 
kurz  was  man  die  Heinesche  Manier  zu  nennen  pflegt,  geht 
so  gut  wie  verloren: 

Les  ans  s'envolent  tour  ä  tour, 
Filant  aux  races  leur  suaire ; 
Mais  jamais  ne  mourra  l'amour 
Dont  mon  coeur  est  le  sanctuaire  .  . . 

Mon  chagrin  serait  moins  cuisant 
Si,  quand  viendra  l'heure  supreme, 
Je  m'eteignais  en  vous  disant 
Enfin:    „Madame,  je  vous  aime!" 

(„Heimkehr",  25,  Elster.) 

Schon  das  französische  „Madame"  kann  hier  nicht,  wie  bei 
Heine,  komisch,  witzig  wirken.  —  Schwerfällig  lautet  auch 
die  Uebersetzung  jener  berüchtigten  Strophe,  die  unserem 
Dichter  mehr  geschadet  hat  als  das  „Wintermärchen"  und 
seine  Börneschrift  zusammengenommen  (Elster,  78) : 

Vous  m'avez  compris  rarement, 
Et  moi  moins  encor,  je  l'avoue. 
Mais  nous  tombämes  dans  la  boue 
Et  le  jour  entre  nous  s'est  fait  ä  ce  nioment! 


Ä 


J.  Daniaux.  249 


Störend  wirkt  überall  die  Umschreibung  des  traulichen 
Du  mit  dem  salonfähigen  Sie,  die  dem  Liede  gleich  den 
Grundcharakter  der  volkstümhchen  Lyrik  nimmt.  Dass  der 
Franzose  den  Unterschied  nicht  so  empfindet,  ist  ja  richtig. 
Er,  resp.  seine  Volkspoesie,  kennt  ihn  aber,  und  zwar 
nicht  nur,  weil  er  „j'aime  mieux  ma  mie,  6  gue!"  gehört  hat, 
sondern  weil  es  auch  bei  ihm  Momente  gab,  wo  er  nicht 
sprach:  „je  vous  aime"  —  wohl  aber  „je  t'aime". 

Dass  dies  Lied  weit  hinter  dem  Original  zurückbleibt, 
will  noch  nicht  heissen,  dass  es  schlecht  ist. 

Elle  a  la  grace  d'une  fleur, 
L'enfant  douce,  pure  et  jolie, 
Dont  le  clair  regard  enjoleur 
Me  remplit  de  melancolie: 
Parfois  je  veux,  dans  ma  folie, 
Benir  ce  beau  front  sans  detours, 
Pour  que  Dieu  la  garde  jolie 
Et  douce  et  charmante  .  .  .  toujours ! 

In  folgender  Umdichtung  übertreibt  Daniaux  noch  die 
derbe  Komik  Heines,  die  in  den  schw^erfälligen  Zwölfsilbern 
geradezu  geschmacklos  wirkt  (Elster,  „Heimkehr",  121).  Pag.  72: 

Puisque,  jusqu'a  ce  point,  nos  jours  sont  decousub, 
Je  voudrais  que  ce  vieux  savant  tudesque  en  us 
Qui  rassemble  si  bien  les  fragments  de  la  vie, 
En  degageät  pour  moi  la  metliode  suivie; 
Des  lambeaux  de  son  froc,  dechires  et  tordus, 
De  son  bonnet  crasseux  que  la  pommade  inonde, 
Sans  doute,  il  doit  boucher  les  lacunes  du*  monde. 

In  den  beiden  Liedern,  mit  denen  wir  abschliessen  wollen, 
ist  er  Heine  am  gerechtesten  geworden.  Es  sind  die  am 
frischesten  duftenden  Blumen  aus  Daniaux'  Strausse,  in  dem 
sich  manch'  Erblasstes,  Verwelktes  und  arg  Zerzaustes  befindet. 

J'aurais  voulu,  ma  petite, 

Demeurer  ä  tes  cotes ; 

Mais  tu  m'as  quitte  bien  vite, 

Tes  instants  etant  comptes. 


250  Heines  französische  Uebersetzer. 


Quand  je  t'ai  dit  ma  souffrance, 
Tu  parus  t'extasier ; 
Puis  tu  fis  la  reverence 
En  riant  ä  plein  gosier. 

Pour  mieux  aviver  ma  peine, 
Tu  m'as  refuse,  par  jeu, 
Cette  simple  et  tendre  aubaine: 
L'amer  baiser  de  l'adieu  .  .  . 

Ne  crois  pas  que  je  me  tue; 
On  se  fait  une  raison: 
Le  coeur,  vois-tu,  s'habitue 
A  souifrir  la  trahison. 


Quand  la  nuit  fugace 
Envahit  l'espace, 
Dans  le  clair-obscur 
De  mon  reve,  passe 
Un  fantome  pur. 

Chaque  soir,  ä  peine, 
Muette  et  sereine, 
Elle  a  clos  mes  yeux, 
L'ombre  me  ramene 
Mon  songe  joyeux. 

.  .  .  Au  bois,  Taube  pleure ; 
En  vain  sonne  l'heure, 
Mon  coeur  reste  sourd. 
L'image  y  demeure 
Tout  le  long  du  jour. 

(Elster,  „Heimkehr",  118,  120.) 


Nachträge.  251 


Nachträge 


Wir   erwähnen    hier    zunächst    noch    einige   Uebersetzer, 
deren  Werke  uns  nicht  zugängHch  waren. 

H.  Heine,  Poesies  choisies,  traduites  par  C.-M.  Nancy.  Berlin,  Behr,  1858. 

Poesies  choisies  de  H.  Heine,  par  Ch.  Marelle.  Braunschweig,  Wester- 
mann, 1868.  Ch.  Marelle  ist  noch  Verfasser  der  „Contes  et  chants 
populaires  en  France",  1876,  und  hat  unter  dem  Titel  „Le  Petit 
Monde"  (Berlin  1874)  eine  Anzahl  deutscher  Kinderlieder  über- 
tragen. 

Joseph  Boulmier  hat  in  seinen  „Rimes  loyales"  neben  Z.  Werner  und 
Herwegh  auch  Heine  übersetzt. 

Als  Heineübersetzer  seien  der  Vollständigkeit  halber  noch 
genannt : 

J.  Bourdeau,  der  die  Memoiren  Heines  übertrug  („Memoires  de  Henri 
Heine",  C.  Levy,  1884),  und 

M.  S.  Gourovitch,  der  die  Uebersetzung  des  im  vergangenen  Jahre 
erschienenen  Buches  von  Baron  L.  v.  Embden  übernommen 
(„Henri  Heine  intime",  edition  frangaise  par  M.  S.  Gourovitch. 
Preface  par  Arsene  Houssaye). 

Endhch    sind    im    Laufe    dieses    Jahres    zwei    weitere 
poetische  Uebertragungen  Heinescher  Liedersammlungen   er- 
schienen :  Von  dem  uns  schon  bekannten 
Daniaux,  Le  Nouveau  Printemps^  Angelique.   Lemerre,  1894  — 
und  die  achte  „Intermezzo "-Uebersetzung  von 

J.  de  Tallenay,  Intermede  lyrique  de  Heine,  traduction  poetique  —  suivi 
de  Premieres  rimes.   Ollendorf,  1894. 


252  Heines  französische  Uebersetzer. 


,, Pages  posthumes  de  Henri  Heine." 

So  lautet  die  Ueberschrift  einer  Serie  kurzer  Historien, 
Aphorismen  etc.,  die  in  der  artistischen  „Revue  illustree"  ^) 
im  Verlage  von  Ludovic  Baschet  zwischen  1888  und  1892 
erschienen.  Da  uns  diese  sogenannten  nachgelassenen  Schriften 
Heines  gleich  als  geschickte  Mystifikationen  vorkamen,  wandten 
wir  uns  an  den  Verleger  mit  der  Bitte,  uns  über  die  Quellen 
jener  Pubhkationen  zu  unterrichten.  Dieser  teilte  uns  in  zu- 
vorkommendster Weise  mit,  dass  ihm  die  „Pages  posthumes'' 
von  einem  Herrn  0.  Fidiere  des  Pruivaux  übergeben  worden 
seien,  den  er  aber  schon  seit  1888  aus  dem  Auge  verloren 
habe.  Dieser  angeblich  neu  entdeckte  Nachlass  Heines  be- 
steht nun  ganz  einfach  aus  einer  Kompilation  von  allen  mög- 
lichen, längst  von  Engel,  Elster  etc.  veröffenthchten  nach- 
gelassenen Schriften  unseres  Dichters.  Ein  Beispiel  mag 
unsere  Bezeichnung  Mystifikation  —  besser  passt  hier  das 
französische  Wort  „fumisterie"  —  rechtfertigen.  Unter  dem 
Titel  „Maximes  et  pensees  detachees"  finden  wir  folgende 
Stelle:  „Une  alliance  entre  la  France  et  la  Russie,  avec  les 
affinites  des  deux  pays,  n'aurait  rien  que  de  naturel.  En 
Russie,  comme  en  France,  regne  l'esprit  de  la  Revolution :  ici, 
dans  la  masse;  la,  concentre  en  un  seul  homme;  ici,  sous  la 
forme  republicaine;  lä,  sous  la  forme  absolutiste;  ici,  ayant 
en  vue  la  liberte ;  lä,  la  civilisation ;  mais,  dans  les  deux  pays, 
agissant  revolutionnairement  contre  un  passe  meprise  et  meme 
deteste." 

Hiermit  bricht  der  Uebersetzer  ab.  Was  wir  bis  jetzt 
gelesen,  könnte  ganz  gut  ein  Bruchstück  der  Einleitung  des 
Akademikers   Mezieres   sein,    die   am   Kopfe   des    „Livre   d'or 


1)  Bd.  VI,  I.  Semester,  pag.  113,  184;  II.  Semester,  pag.  89,  und  Bd.  XIV 
(15.  November  1892). 


„Pages  posthumes  de  Henri  Heine."  253 


des  fetes  franco-russes"  steht.  Bei  Heine  aber  beginnt  erst 
die  ironische  Persiflage  seines  vorausgeschickten  Paradoxon, 
denn  er  fährt  fort:  „Die  Schere,  welche  die  Barte  der  Juden 
in  Polen  abschneidet,  ist  dieselbe,  womit  in  der  Conciergerie 
dem  Ludwig  Capet  die  Haare  abgeschnitten  wurden;  es  ist 
die  Schere  der  Revolution,  ihre  Censurschere,  womit  sie  nicht 
einzelne  Phrasen  oder  Artikel,  sondern  den  ganzen  Menschen, 
ganze  Zünfte,  ja  ganze  Völker  aus  dem  Buche  des  Lebens 
schneidet,"  etc.  etc.  Nicht  nur  die  Gedanken,  sondern  auch 
die  einzelnen  Worte  sind  entstellt.  So  ist  z.  B.  das  „Haus- 
backene" mit  „ce  qui  est  utilitaire"  übersetzt.  —  Die  Nummer 
vom- 15.  November  1892  bringt  (pag.  340)  eine  Historie,  be- 
titelt: „La  derniere  incarnation  du  Dieu  Mars"  (mit  Illustra- 
tionen). Die  ersten  zehn  Zeilen  sind  aus  „Götter  im  Exil" 
(Ausg.  Elster,  Bd.  VI,  pag.  79)  übertragen;  woher  das  übrige 
stammt,  wissen  wir  nicht  zu  sagen. 

Diese  litterarische  Freibeuterei  wäre  natürlich  in  Deutsch- 
land nicht  möghch.  Sie  hätte  aber  auch  keinen  Zweck.  In 
Prankreich  bedeutet  der  Name  Heine  stets  ein  pikantes, 
seltenes  Gericht  für  litterarische  Feinschmecker  —  eine  Re- 
klame, die  heute  mehr  zieht,  denn  je. 


254  Heines  französische  üebersetzer. 


Heine-Uebersetzer  der  W^estschweiz 


Jeremias  Gotthelf  und  Gottfried  Keller  werden  Schweizer- 
schriftsteller  und  -Dichter  genannt.  Einen  Alex.  Yinet  als 
französischen  Litterarhistoriker  und  Kritiker  zu  bezeichnen, 
bloss  weil  er  französisch  schrieb,  wäre  ebenso  falsch,  wie  die 
obige  Bezeichnung  der  beiden  Dichter  deutscher  Zunge  richtig 
ist.  Schon  aus  diesen  hiermit  angedeuteten  inneren  Gründen 
sind  wir  berechtigt,  auch  die  französischen  üebersetzer  Heines 
in  der  Schweiz  von  denen  in  Prankreich  zu  trennen.  Allein 
diese  sind  es  nicht,  die  uns  bewogen,  so  zu  verfahren,  son- 
dern wir  zogen  deswegen  vor,  die  Schweizerdichter  separat 
zu  behandeln,  weil  wir  verhüten  wollten,  dass  ihre  hervor- 
ragende Qualität  in  der  grossen  französischen  Quantität  ver- 
schwinde oder  doch  wenigstens  nicht  zur  Geltung  komme. 

Als  Vermittler  der  Nationen,  als  ihr  litterarischer  Dol- 
metscher zu  wirken,  ist  dem  Westschweizer,  dem  Schweizer 
überhaupt,  Pflicht  und  Mission.  Das  Elsass  hat  seine  völker- 
vermittelnde Rolle  seit  1870  ausgespielt.  Ein  zukünftiger 
Goethe  wird  sich  nunmehr  nach  Paris  begeben  müssen,  um 
sich  im  Französischen  auszubüden!  —  Elsass  war  nur  ein 
Grenzland  —  die  Schweiz  ist  mehr,  sie  ist  eine  unabhängige 
Nation. 

Wenn  Rambert  noch  bedauern  konnte,  dass  die  west- 
schweizerischen Dichter  der  letzten  Generation  —  von  ihm 
aus  gerechnet  —  ihre  Mission  nicht  erfüllt  haben,  so  gilt 
der    Tadel    nicht    der    neuen,    zu    der   Amiel,    er    selbst   und 


Marc-Monnier.  255 


unter  andern  auch  Marc-Monnier  gehören.  Mit  dem  letztern 
eröffnen  wir  die  kleine  Elite  der  schweizerischen  Heine- 
übersetzer. 


Marc-Monnier ') 

(1829—1885). 

Den  Geschmack  und  die  sprachliche  Sicherheit,  die  Poesie 
und  Prosa  dieses  fruchtbaren  Schriftstellers  auszeichnen,  finden 
wir  auch  bei  seinen  Uebertragungen.  Rhythmisch,  wortgetreu 
und  zugleich  als  französisches  Lied  effektvoll,  ist  die  „Lore- 
le",    wie   er  die  Rheinnixe    nennt.     (Poesies,   Lemerre,  1872.) 

Lore-le. 

Je  suis,  devant  ces  rivages, 
Si  triste,  et  ne  sais  pourquoi; 
C'est  Uli  conte  des  vieux  äges 
Qui  Sans  cesse  est  devant  moi. 

L'air  est  frais,  voici  la  brume, 
Et  le  Rhin  coule  sans  bruit; 
Le  sommet  du  mont  s'allume 
Au  dernier  rayon  qui  fuit. 

Lä-haut,  la  vierge  qui  regne, 
Est  assise  sur  le  bord, 
Et  Ton  voit  I'or  de  son  peigne 
Luire  dans  ses  cheveux  d'or. 

En  les  peignant,  sur  la  rive, 
Elle  chante  un  air  fatal, 
Air  etrange  qui  captive, 
Qui  vous  fait  plaisir  et  mal. 


^)  Vergl.  Abschnitt  V. 


256  Heines  französische  Uobersetzer. 

Dans  l'esquif,  riioninie  qui  passe, 
Par  cet  air  sauvage  est  pris, 
Regarde  en  haut,  dans  l'espace, 
Ne  Yoit  pas  les  rochers  gris  .  .  . 

Je  crois  que  sous  l'eau  niechante 
L'homme  et  la  barque  ont  coule  .  .  . 
Et  voilä,  quand  eile  chante, 
Ce  que  fait  la  Lore-le.  — 


(Pag:.    139.) 


Henri-Frederic  Ämier) 

(1821—1881). 

Im  Jahre  1876  veröffentlichte  dieser  nach  seinem  Tode 
so  berühmt  gewordene  Genfer  einen  Band  Gedichte,  in  dem 
deutsche  (Gottfried  Keller  mit  einem  Liede),  englische,  spa- 
nische, italienische,  griechische  und  ungarische  Lyrik  ver- 
treten ist: 

„Les  etrangeres.^^ 
Poesies  traduites  de  diverses  litteratures. 

Das  Vorwort  ist  an  seinen  Freund  und  Landsmann  Edm. 
Scherer  gerichtet.  Er  will  uns  in  diesem  über  seine  An-  und 
Absichten,  die  Uebersetzungskunst  betreffend,  unterrichten: 
„La  traduction  parfaite,  ce  serait  celle  qui  rendrait,  non  pas 
seulement  le  sens  et  les  idees  de  l'original,  mais  sa  couleur, 
son  mouvement,  sa  musique,  son  emotion,  son  style  distinctif, 
et  cela  dans  le  meme  rhythme,  avec  des  vers  de  meme  forme 
et  un  meme  nombre  de  vers.  Or,  il  n'est  pas  douteux  que 
cet  ideal  est  inaccessible,  au  moins  dans  notre  langue,  car  si 
notre    litterature    est    hospitaliere,    eile    sous-entend    que    ses 


')   Vergl.  Abschnitt  V. 


A 


Henri-Frederic  Amiel.  257 


hötes  prendront  ses  habitudes,  son  costume  et  ses  fagons  ä 
eile,  et  non  pas  qu'elle-meme  fera  la  moitie  des  avances  et 
du  chemin.  Mais,  en  tbese  generale,  quel  autre  ideal  est 
donc  plus  accessible?  ... 

„Me  deraandez-vous  pourquoi  les  poesies  allemandes  do- 
minent  dans  cette  coUection  qui,  ä  vrai  dire,  est  plutöt  inter- 
nationale? La  raison  en  est  simple:  c'est  que,  pourla  traduc- 
tion  en  vers  frangais,  aucune  peut-etre  des  langues  europeennes 
n'est  plus  refractaire  et  plus  incommode  que  celle  d'outre- 
Rhin;  les  obstacles  sont  redoubles  et  multiplies  comme  a  plaisir." 

Nicht  nur,  um  diese  Hindernisse  zu  überwinden,  sondern 
auch  zu  dessen  eigenem  Besten  verlangt  er  für  den  franzö- 
sischen Vers  mehr  Freiheit.  In  einem  „Appendice"  verficht 
er  diese  Idee.  Seine  Poetik  will  er  damit  illustrieren,  dass  er 
die  Uebersetzungen  in  „rhythmes  connus"  und  „rhythmes 
nouveaux"  einteilt. 

Leider  sind  von  Heine  nur  zwei  Gedichte  in  den  „Etran- 
geres"  übertragen ;  diese  aber  sind  Meisterstücke  der  Ueber- 
setzungskunst.  Amiel  wäre  der  Mann  gewesen,  den  Franzosen 
den  deutschesten,  den  genauesten  Heine  zu  geben.  Wenn 
Rössel  ^)  von  seinen  Uebertragungen  sagt  (pag.  520) :  „La 
gaucherie  laborieuse  est  le  trait  caracteristique"  und  von 
„peinlicher ,  unmelodischer  Lektüre  seiner  steifen  LTeber- 
setzungen"  spricht,  so  mag  dies  schroffe  Urteil  bei  einem 
Teile  der  Umdichtungen  einige  Berechtigung  haben.  Bei  den 
Liedern  Heines  aber  trifft  es  ganz  und  gar  nicht  zu.  Wahr 
ist  es,  dass  man  bei  mancher  andern  Uebersetzung  fühlt,  dass 
der  gelehrte  Professor  dem  Poeten  die  Hand  führt,  ihm  ge- 
wissermassen  über  die  Schulter  sieht,  um  die  poetischen 
Exercitia  zu  kontrollieren  und  zu  korrigieren.  Ueberall,  wo 
er  sich  in  reiner  Lyrik   versucht,    merkt   man,    dass   ihm  die 


^)   Virgile  Rössel,  Histoire  litteraire    de    la  Suisse  romande    des  origines 
h  nos  jours,  tome  11,   1891. 

Betz,  Ileinc  in  Frankroich.  17 


258  Heines  französische  XJebersetzer. 

poetische  Inspiration  abgeht.  Er  vermag  seine  Verse  nicht 
dichterisch  zu  beseelen.  Aeusserst  interessant  ist  es  deswegen, 
Amiel  und  Valade  als  Uebersetzer  einander  gegenüber  zu 
stellen.  Bei  Valade  sagt  man  sich:  so  hätte  ungefähr  ein 
von  Heine  selbst  französisch  gedichtetes  Lied  gelautet,  — 
bei  Amiel:  besser  kann  ein  deutsches  Lied  Heines  nicht 
übertragen  werden.  Beide  zusammengenommen  bilden  die 
Idealgestalt  des  Dichter-Dolmetschers. 

Belsatzar. 

Minuit.    Dans  les  places,  personne. 
Tout  dort.    L'ombre  est  sur  Babylone. 

Mais  au  palais  du  roi,  grand  jour: 
Flambeaux,  rumeurs,  gala  de  cour. 

Et,  pour  la  fete  colossale, 
Belsatzar  trone  dans  la  salle. 

Joyeux,  vidant  la  coupe  d'or, 
Les  grands,  ä  l'entour,  fönt  decor. 

Aux  cliants,  aux  rires,  au  tumulte, 
Belsatzar,  le  roi  sombre,  exulte. 

Sa  joue  a  perdu  sa  paleur, 
Le  feu  du  vin  gonfle  son  coeur. 

A  sa  perte,  il  court  de  lui-meme; 
Aveugle,  Belsatzar  blaspheme. 

Son  discours,  toujours  plus  hardi, 
Des  flatteurs  est  plus  applaudi. 

Ivre  d'une  audace  coupable, 

II  donne  un  ordre:  et,  sur  la  table, 

On  apporte,  pour  braver  Dieu, 
Les  vases  d'or  du  temple  hebreu. 


Henri-Fredei'ic  Amiel.  259 

L'impie  en  saisit  un.    Rapide, 
II  Femplit  de  vin  et  le  vide. 

II  le  retourne  lentement, 
Et  s'ecrie  alors,  ecumant: 

„Jehovah,  honte  ä  ta  couronne! 
„Je  suis  le  roi  de  Babylone!" 

Mais  sa  levre  ä  peine  a  maudit, 
Qu'il  s'arrete,  pale,  interdit. 

Et,  dans  la  fete  colossale, 

Un  froid  de  mort  eniplit  la  salle. 

Soudain,  sur  la  haute  paroi, 

Ecrit  une  main  d'homme  . .  .  Effroi ! 

En  traits  de  flamme  ecrit  encore, 
Ecrit  la  main,  puis  s'evapore. 

Et  Belsatzar,  sourcils  fronces, 
Tremble.    Ses  membres  sont  glaces. 

Baissant  leurs  paupieres  craintives, 
D'horreur  frissonnent  les  convives 

Viennent  bientot  mage  et  devin. 
Dechiffreront-ils  ?    Espoir  vain. 

Et  Belsatzar,  cette  nuit  meme, 
Perdit  tout,  vie  et  diademe. 


Lorley. 

Mon  coeur,  pourquoi  ces  noirs  presages? 

Je  suis  triste  ä  mourir. 
Une  histoire  des  anciens  äges 

Haute  mon  souvenir  .  .  . 


260  Heines  französische  Uebersetzer. 


Dejä  l'air  fraichit,  le  soir  tombe 
Sur  le  Rhin,  flot  grondant; 

Seul,  un  haut  rocher  qui  surplonibe, 
Brille  aux  feux  du  couchant. 

Lä-haut,  des  nymphes  la  plus  belle, 

Assise,  reve  encor; 
Sa  main,  oü  la  bague  etincelle, 

Peigne  ses  cheveux  d'or. 

Le  peigne  est  magique.     Elle  chante, 
Timbre  etrange  et  vainqueur ; 

Tremblez,  fuyez,  la  voix  touchante 
Ensorcelle  le  coeur. 

Dans  sa  barque,  l'homme  qui  passe, 
Pris  d'un  soudain  transport, 

Sans  le  voir,  les  yeux  dans  l'espace, 
Vient  sur  l'ecueil  de  mort. 

L'ecueil  brise,  le  goufFre  enserre 

Et  nacelle  et  nocher  .  .  . 
Et  voilä  le  mal  que  peut  faire 

Lorley  sur  son  rocher. 


Paul  Gautier 

(1843—1869). 

In  ihm  verlor  die  französische  Schweiz  einen  zu  den 
grössten  Hoffnungen  berechtigenden  Dichter,  einen  vom 
Scheitel  bis  zur  Sohle  eminent  lyrisch  angelegten  Poeten, 
mit  einer  stark  satirischen  Ader. 

Das  kleine,  aber  wertvolle  litterarische  Gepäck  dieses  im 
26.  Jahre  hinweggerafften  Schweizers  ist  in  der  hübschen 
Broschüre  enthalten: 


Pcaul  Gautier.  261 


,^Pervenches  et  Briiyeres.^' 
Poesies  choisies.  Geneve,  Fick,  1870. 
Pietätvolle  Hände  haben  es  ihm  auf  das  frische  Grab 
gelegt.  Eugene  Rambert  (E.  R.),  der  schon  in  der  „Biblio- 
theque  Universelle"  wiederholt  auf  den  hochbegabten  Gautier 
hingewiesen,  widmet  diesem  in  der  posthumen  Ausgabe  eine 
treffliche  Lebensskizze.  Sie  ist  allerdings  von  einem  ganz 
verschieden  veranlagten  Dichter  geschrieben,  dessen  gelassene 
Gemütstiefe  die  Lieder  des  zerrissenen  Herzens  eines  jungen 
Poeten  mehr  bedauern  als  bewundern  kann.  Wir  werden  noch 
sehen,  wie  Rambert  Musset  und  Heine  als  verderbenbringend 
für  Gautiers  Muse  ansieht.  Allein  wieso  dieser  bei  Heine 
u.  a.  „absence  d'energie  morale"  gelernt  haben  soll,  kann 
uns  Rambert  leider  nicht  mehr  erklären. 

Gautier  kümmert  sich  in  seinen  Uebersetzungen  weit 
weniger  um  Form  und  Rhythmus  des  Originals  wie  Amiel. 
Er  sucht  die  Poesie  oder  die  Satire  zu  erfassen,  um  sie  dann 
dichterisch  nachzuahmen.  Es  kommt  ihm  daher  auch  nicht  auf 
Wörtlichkeit  an.  Rambert  beklagt  den  frühen  Tod  seines  Lands- 
mannes, der  der  „litterature  romande"  eine  Uebertragung 
Uhlands  schuldig  geblieben  ist,  die  für  sie  eine  Zierde  und 
ein  Gegenstand  des  Stolzes  gewesen  wäre.  Wir  glauben  mit 
mehr  Recht  den  Verlust  einer  der  vorzüglichsten,  dichterisch 
inspirierten,  tief  nachempfundenen  Uebersetzungen  des  „Buches 
der  Lieder"  bedauern  zu  dürfen,  denn  eine  solche  hätte  uns 
ein  längeres  Leben  Gautiers  geschenkt. 

Nachdem  wir  noch  erwähnt,  dass  selbst  Rössel,  der  Amiel 
so  streng  richtete,  Gautier  als  einen  Meister  der  Uebersetzungs- 
kunst  betrachtet,  dessen  „Loreley"  er  über  die  Marc-Monniers 
stellt,  wollen  wir  eine  Auslese  dieser  trefflichen  Umdichtungen 
folgen  lassen. 

Oll!  vous  etcs,  comme  une  fleur, 

Aimable,  candide  et  jolie! 

Je  vous  regarde,  et  dans  nion  coeur 

Se  glisse  melancolie. 


262  n eines  französische  Uebersetzer. 


Parfois  ...  oh !  je  voudrais  lever 
Ma  main  sur  votre  front  sans  ride; 
Frier  Dieu  de  vous  conserver 
Aimable,  jolie  et  candide. 

Pag.  93: 

Ils  s'aimaient  dans  leur  coeur;  et  pourtant,  tour  ä  tour, 

Ils  ne  se  dirent  pas  leur  brülante  pensee. 

Elle  ne  lui  parlait  que  d'une  voix  glacee, 

Et,  comme  eile,  il  voulait  se  consumer  d'amour. 

Ils  se  quitterent  donc,  et  la  terre  lointaine, 
En  songe,  quelquefois,  les  reunit  encor  .  . . 

Mais,  des  longtemps,  Tun  etait  mort 

Que  l'autre  le  savait  ä  peine! 

(Aus  „Die  Heimkehr",  1823—1824,  Nro.  33.) 


Pag.  83: 


Le  Chef  d'orchestre. 

Le  bois  est  rempli  d'harmonie, 
Les  nids  sont  pleins  d'accents  divers. 
Quel  est  le  maitre  de  genie 
Qui  dirige  tous  ces  concerts? 

Est-ce  le  vanneau  dont  la  tete 
Secoue  un  panache  hautain? 
Est-ce  le  coucou  qui  repete 
Sans  cesse  le  meme  refrain? 

Est-ce  la  tendre  tourterelle? 
Ou  le  bouvreuil?  ou  le  heron 
Qui,  juche  sur  sa  jambe  grele, 
A  pris  un  air  de  fanfaron? 

Non!  c'est  en  mon  coeur,  je  vous  jure, 

Qu'est  cet  artiste  de  renom  .  . . 

Je  le  sens  qui  bat  la  mesure, 

Et  je  crois  qu'Amour  est  son  nom. 

(Aus  „Neuer  Frühliug",  Nro.  8,  pag.  206.) 


^ 


Pag.  86: 


Paul  Gautier.  —  IS^achträge.  263 


Mon  coeur. 

Charmante  fille  du  marin, 
Sur  le  bord  tire  ta  nacelle; 
Viens  t'asseoir  pres  de  moi,  la  belle, 
Et  causer,  ta  main  dans  ma  main! 

Mets  sur  mon  coeur  ta  blonde  tete! 

N'liesite  pas:  chaque  matin 

Tu  vas  confier  ton  destin 

Sans  crainte  a  la  vague  inquiete. 

Et  mon  coeur  est  comme  la  mer: 
II  a  sa  brume  et  ses  tourmentes, 
Et  bien  des  perles  eclatantes 
Roulent  avec  son  flux  amer. 

(„Das  Fischermädchen."] 


Nachträge. 

I. 

Jules  Yuy. 

In  den  zwei  Bänden  der  „Echos  des  bords  de  l'Arve^^ 
(3'  edition,  Geneve,  Georg,  1873)  von  dem  Genfer  Jules  Vuy 
befinden  sich  zwar  unter  den  circa  fünfzig  Uebertragungen  von 
Uhland,  Lenau,  Geibel  und  Chamisso  keine  von  unserem 
Dichter.  Wir  glauben  aber  den  Autor  dieses  sehr  bekannten 
Buches  dennoch  hier  nennen  zu  dürfen,  da  Süpfle  ihn  nicht 
erwähnt,  und  wir  dem,  der  sich  bei  uns  nach  der  franzö- 
sischen Uebersetzungslitteratur  umsieht,  die  möghchst  gründ- 
liche Auskunft  geben  möchten.  —  Rambert  ist  der  Ansicht, 
dass  die  Uebertragungen  Jules  Vuys  denen  Marc-Monniers 
würdig  zur  Seite  stehen.^)  Er  knüpft  hieran. noch  folgende 
Bemerkung  (pag.  543): 

^)  Vergl.  „Trois  poetes  de  la  Suisse  romande",  Bibliotheque  Universelle, 
März  1873. 


264  Heines  französische  Uebersetzer. 

Toutes  ces  traductions  des  poetes  de  TAUemagne  du  Sud,  par 
nos  poetes  romands,  sont  un  phenomene  litteraire  des  plus  interessants. 
Mais  la  vraie  imitation  est  creation,  et  s'il  y  a  quelque  parente  de 
genie  entre  la  Souabe  et  nous,  il  faut  qu'elle  se  manifeste  non  seule- 
ment  par  des  emprunts,  mais  par  une  reelle  analogie  dans  les  pro- 
ductions  spontanees.  Or  l'analogie  n'apparait  nulle  part  plus  evidente 
que  dans  les  vers  de  M.  Vuy;  c'est  meine  la  son  originalite  la  plus 
marquee,  et  ce  qui  lui  fait  parmi  nous  une  place  ä  part. 

Ohne  mit  Rambert  in  Sachen  seiner  heimatlichen  Litte- 
ratur  rechten  zu  wollen,  scheint  uns  Vuy  nach  dieser  Richtung 
hin  doch  nicht  eine  solche  Ausnahmestellung  in  Anspruch 
nehmen  zu  können,  wenn  wir  an  Eggis,  Amiel  und  besonders 
an  Blanvalet  denken. 

II. 

Wir  bitten  hier  noch  um  Raum  für  eine  interessante 
kleine  litterarische  Entdeckung,  die  allerdings  nicht  hierher 
gehört.  Es  ist  schon  vielfach  auf  das  berühmte  Rheingesang- 
tournier  hingewiesen  worden,  das,  wie  bekannt,  Nie.  Beckers 
patriotisch  stolze  Strophen  provozierten  —  auf  die  bissig 
geistreiche  Antwort  Mussets,  die  Friedenshymne  Lamartines 
und  Edg.  Quinets  massvolle  Verse.  —  Unbekannt  ist  aber  die 
Antwort  des  Schweizers  geblieben,  und  doch  klingt  sein  Lied 
vom  Rhein  ebenso  stolz  wie  das  Beckers,  so  formvollendet 
wie  das  Quinets  und  so  frech-schneidig  wie  das  Mussets  — 
den  Vergleich  mit  Lamartine  ziehen  wir  vor,  zu  unterlassen. 

Mag  es  denn  mit  diesem  Buche  den  Weg  über  den 
Rhein  antreten  als  posthume  Antwort  avif  eine  Frage,  die  stets 
nur  das  Schwert,  nimmermehr  des  Sängers  Leier  lösen  wird. 
Le  Rhin  suisse. 

Quand  ces  nains  vils  flatteurs,  gros  de  fiel  et  de  liaine, 
S'arrachent,  par  lambeaux,  les  peuples  de  la  plaine 
Et  veulent  enchainer  le  fleuve  souverain, 
Mon  coeur  prend  en  pitie  leur  niuse  courtisaue; 
Le  clieval  n'a  jamais  porte  le  bat  de  l'äne : 
II  est  ä  nous,  le  Rliin. 


n 


Nachträge.  265 


Notre  erable  de  Trons  le  couvre  de  ses  branches. 
—  II  ecoute,  joyeux,  le  bruit  des  avalanches, 
II  reflete  nos  monts  dans  son  cours  souverain. 
Soir  et  matin,  lä-haut,  le  pätre,  au  sein  des  nues, 
Contemple,  en  priant  Dieu,  ses  deux  rives  connues : 
II  est  ä  nous,  le  Rhin. 

Ilanz  et  Dissentis,  comme  aux  saisons  passees, 
Se  baignent,  chaque  jour,  dans  ses  ondes  glacees, 
Souverains,  se  plongeant  dans  le  flot  souverain; 
Debout  sur  ses  rochers,  la  loyale  Rhetie 
Sourit  au  jeune  fleuve,  enfant  de  l'Helvetie : 
II  est  ä  nous,  le  Rhin. 

II  ne  connaitra  pas  nos  montagnes  captives, 
Les  fils  des  fils  de  Mals  peuplent  encor  ses  rives, 
Son  flot  n'est  point  le  serf  du  Franc  ni  du  Grermain; 
Digne  des  vieux  Grisons,  il  coule  fier  et  libre. 
A  la  Suisse  le  Rhin,  comme  ä  Rome  le  Tibre : 
II  est  ä  nous,  le  Rhin. 

Les  Alpes  sont  ä  nous,  et  leurs  cimes  de  neige. 
Et  leurs  pics  sourcilleux,  formidable  cortege, 
Seculaire  berceau  du  fleuve  souverain. 
La,  nos  peres  ont  bu  sa  vague  froide  et  pure. 
II  fallait  au  grand  fleuve  une  grande  nature ; 
II  est  ä  nous,  le  Rhin. 

II  est  ä  nous,  le  Rhin.  —  Yoyez-le,  dans  sa  course, 
ßondir  et  s'elargir,  en  sortant  de  sa  source, 
Au  pied  du  Saint-Gothard,  il  est  ne  souverain; 
Mais  lä-bas,  mais  la-bas,  son  onde  insaisissable 
Va  se  perdre  ignoree  et  mourir  dans  le  sable : 
II  est  ä  nous,  le  Rhin. 


I 


FÜNFTER  ABSCHNITT 


H.  HEINES  EINFLUSS 


Les  grands  jjoetes  sont  comme  les  grandes 
montagnes,  ils  ont  beaucoup  d'echos. 

Victor  liugu. 


Erstes  Kapitel 

Einleitende  Betrachtungen  über  den  deutschen 

Einfluss  auf  die  französische  Litteratur  in  der  ersten 

Hälfte  dieses  Jahrhunderts 


Dans  nos  recherches  de  litteratures  etran- 
geres,  nous  ne  devons  nous  attacher  qu'aux 
noms  celebres  et  aux  esprits  originaux  dont 
l'influenee  s'est  exercee  sur  TEurope  et  sur  la 
France. 
VUlemain,  Tableau  de  lalitteratuie,  XIII«  legon. 

Si  je    n'etais  pas   Francais,  je    voudrais 
etre  Allemand.  Victor  Hugo. 

Schon  vor  Dr.  TJi.  Süpfle^)  und  Dr.  Fr.  Meissner^)  und  über 
10  Jahre  vor  Heinrich  Breitingers  trefflichem  und  inhaltreichem 
Aufsatze  „Die  Vermittler  des  deutschen  Geistes  in  Prankreich" 
(Zürich  1876)  hat  ein  Franzose  auf  dies  ebenso  ergiebige  und 
nützliche,  als  auch  ungemein  schwierige  Thema  hingewiesen. 
„J'estime  qu'il  est  tres  utile  de  .  .  .  chercher  ä  mesurer  et  ä 
evaluer  avec  precision  les  effets  de  l'influenee  germanique  sur 
notre  renovation  litteraire  et  poKtique  du  XIX"  siecle."  So 
drückt  sich  Sainte-Beuve  am  2.  November  1863  aus  in  seiner 
Einleitung  zu  der  äusserst  anregenden  Arbeit  William  Eey- 
monds:  „Corneille,  Shakespeare  et  Goethe,  etude  sur  l'influenee 
anglo- germanique  en  France  au  XIX"  siecle",  Berlin  1863.^) 


1)  Deutscher  Kultureinfluss  auf   Frankreich,  2  Bde.     Gotha,  1886,   1888. 

£^)  Der  Einfluss  des  deutschen  Geistes  auf  die  französische  Litteratur  des 
Jahrhunderts  bis  1870,  Leipzig,  1893. 
')   Eine   weitere    Studie  über   dies  Thema,   bemerkenswert   wegen    ihrer 
sllen   Darstellung   und    der  Fülle    neuer  Gesichtspunkte,    entstammt    der 


270  H.  Heines  Einfluss. 


Allein,  so  viel  auch  die  meisten  dieser  Schriften  Inter- 
essantes und  Lehrreiches  bieten,  so  grossartig  auch  besonders 
das  von  erstaunlicher  Arbeit  zeugende  Werk  Süpfles  angelegt 
ist,  so  gilt  dennoch  für  diese  wichtigste  Epoche  deutschen 
Einflusses  auf  die  französische  Litteratur  noch  heute  das 
Wort  Gotschalls,  an  das  einige  der  Genannten  angeknüpft 
haben:  „lieber  den  Einfluss  deutscher  Litteratur  in  Frank- 
reich fehlt  eigentlich  noch  eine  zusammenhängende  Dar- 
stellung/^ 

Fern  von  uns  liegt  die  Absicht,  mit  den  folgenden  Be- 
trachtungen diese  Lücke  auszufüllen.  Nachdem  wir  Jahr  und 
Tag  dem  Einflüsse  eines  einzigen  Mannes  nachgeforscht  haben, 
halten  wir  uns  für  befähigt,  die  Schwierigkeiten  zu  erkennen, 
die  sich  der  Bewältigung  eines  so  grossen  Gebietes  entgegen- 
stellen müssen.  —  Wir  wollen  hier  lediglich  an  dem  Rahmen, 
den  wir  bereits  mit  einer  Uebersicht  der  französischen  Lit- 
teratur begonnen  haben,  weiter  arbeiten,  um  ihn  noch  später 
mit  einem  Hinblick  auf  die  modernen  Dichter  und  die  Ein- 
wirkungen, die  von  Deutschland  eindrangen,  zu  vollenden, 
damit  so  das  Bild  unseres  Hauptstudiums  stets  vom  Ganzen 
einbegrenzt  und  in  die  Gesamtheit  französischer  Dichtung  an- 
schaulich eingefügt  bleibe. 

Schon  wiederholt  ist  mit  Nachdruck  betont  worden,  wie 
falsch  es  ist,  den  deutschen  Einfluss  erst  von  dem  Buche  der 
Frau  von  Stael  an   zu  datieren.     Diese   Legende    aber    wird 


Feder  des  bekannten  Politikers  und  Freundes  Gambettas,  Joseph  Reinachs, 
der  in  der  „Revue  bleue"  („Revue  politique  et  litteraire")  vom  4.  Mai  1878 
den  Aufsatz  „De  Vin-ßuence  inteUectuelle  de  VAUemagne  sur  Ja  France^ 
als  Gegenstück  des  ebendaselbst  zuvor  (7.  Juli  1877)  erschienenen  „De  l'in- 
fluence  historique  de  la  France  sur  l'Allemagne"  veröffentlichte.  —  Man  ver- 
gleiche auch :  R.  Rosieres,  „La  litteratur e  aUemande  en  France  de  1750 
tl  1800^,  „Revue  politique  et  litteraire",  15.  September  1883  (beide  Arbeiten 
von  Süpfle  nicht  citiert),  und  endlich  Ch.  Jorets  schätzenswerte  Broschüre: 
Des  rapports  intellectuels  et  litteraires  de  la  France  avec  VAUemagne,  1884. 


Einleitende  Betrachtungen.  271 


noch  weiter  bestehen,  so  lange  sich  Männer  vom  Fach  auf 
deutscher  und  französischer  Seite  zu  derselben  bekennen. 
Denn  das,  was  Fritz  Meissner  hierüber  lehrt, ')  unterscheidet 
sich  nicht  wesentlich  von  dem,  was  Michel  Breal  im  selben 
Jahre  sagt:  „Si  Ton  excepte  les  premiers  instants  de  la  Re- 
forme, l'influence  intellectuelle  de  l'Allemagne  sur  la  France 
ne  commence  guere  qu'avec  le  livre  de  Madame  de  Stael."^) 
Der  nordisch-germanische  Einfluss  hatte,  seitdem  Franken 
über  den  Rhein  gezogen,  nie  aufgehört  zu  wirken.  Wenn 
der  Geist  der  französischen  Reformation  mit  Recht  seinem 
innersten  Wesen  nach  ein  deutscher  genannt  worden  ist, 
so  muss  die  Quelle  desselben  vor  allem  im  Frankenvolke  ge- 
sucht werden.  Ungenau  ist  es  deswegen,  dieselbe  schlecht- 
weg als  die  Tochter  der  deutschen  zu  bezeichnen.  Sie  ent- 
stand in  erster  Linie  aus  sich  selbst,  als  religiöse  Renais- 
sance. Die  „Reforme"  war  die  gleichaltrige  Schwester  der 
neuen  Religion  Luthers,  von  der  dann  allerdings  die  mo- 
ralische Kraft  ausging. 

Deutsches  Denken  hatte  im  XVIIl.  Jahrhundert  mit- 
geholfen, den  morschen  alten  Staatsbaum  zu  brechen.  Der 
social  -  politische  Beigeschmack  deutschen  Einflusses  ist  um 
so  bemerkenswerter,  als  dieser  sonst  rein  psychischer  Natur 
ist  und  im  Gegensatz  zu  dem  Einwirken  Frankreichs  auf 
Deutschland,  das  sowohl  ein  historisches  als  auch  litterarisches 
war,  ausschliesslich  dem  Reiche  des  Geistes  angehörte. 

Muss  demnach  auch  das  klassische  Bild  von  der  „durch- 
brochenen chinesischen   Mauer"  als   ungenau    fallen   gelassen 


^)  Ibidem  oben,  pag.  1.  —  Die  Kritik  hat  dies  unzulängliche  Werk  zur 
Genüge  besprochen  (so  z.  B.  R.  Mahrenholtz,  ,,Litteraturblatt'"  etc.,  September 
1893),  so  dass  wir  hier  nicht  auf  die  vielen  Mängel  desselben  und  die  naive 
Anmassung  des  Verfassers  einzugehen  brauchen. 

-)  „L'enseignement  de  l'anglais  et  de  l'allemand"  („Revue  bleue", 
18.  März  1893). 


272  H.  Heines  Einfluss. 


werden,  so  bleibt  es  nichtsdestoweniger  wahr,  dass  nicht 
mir  die  grosse  Masse,  sondern  auch  das  kleine  Häuflein  Ge- 
bildeter herzlich  wenig  von  deutschem  Wesen,  deutscher 
Kunst  und  Sprache  wusste,  und  dies  bis  tief  ins  XVIII. 
Jahrhundert  hinein.  Selbst  bei  den  klarsten  Köpfen  sind 
die  Kenntnisse  über  das  Volk  jenseits  des  Rheines  so 
ziemlich  eine  Karikatur  der  Wirklichkeit.  Der  viel  gereiste 
Montaigne  wirft  die  deutsche  Sprache  —  er  nennt  sie  auch 
gelegentlich  „la  langue  des  chevaux"  —  mit  der  persischen 
in  einen  Topf.  Voiture  und  seine  schöne  Umgebung  von 
Rambouillet  wollen  fast  vergehen  vor  Lachen,  als  ein  deut- 
scher Gelehrter  „en  us"  ihnen  zumutet.  Deutsch  zu  lernen. 
Welche  Ignoranz  deutscher  Dinge  tritt  uns  nicht  in  den 
Memoiren  des  XVII.  und  XVIII.  Jahrhunderts  entgegen? 
Was  war  denn  für  die  Saint-Simon,  Dangeau  etc.  die  Personi- 
fikation Deutschlands?  Die  grob-derbe  Pfalzgräfin  Elisabeth 
Charlotte,  Herzogin  von  Orleans. 

Das   Geisteswerk   der    genialen    Frau    bleibt    daher    eine 
grossartige  Revelation. 

Schon  vor  „De  l'AUemagne'*',  dessen  Schicksale  bekannt 
sind,  hatte  die  Abhandlung  der  Baronin  von  Stael- Holstein 
„  De  la  litterature  consideree  dans  ses  rapports  avec  les 
institutions  sociales",  die  im  ersten  Jahre  unseres  Jahr- 
hunderts erschien,  durch  die  Fülle  neuer  Ideen,  die  Un- 
erschrockenheit  einer  Sprache,  wie  sie,  allem  Konventionellen 
zum  Trotze,  in  Frankreich  lange  nicht  mehr  geführt  wor-: 
den  war,  ein  ungeheures  Aufsehen  erregt.  Eine  Französin 
wagte  es,  der  nordischen,  anglo-germanischen  Litteratur  den 
Vorzug  zu  geben,  die  sie  systematisch  von  der  südlichen, 
romanischen  trennt;  eine  Frau  plaidierte  laut  für  die  Idee 
menschlicher  Perfektibilität  an  der  Wende  des  skeptischen 
Jahrhunderts  „par  excellence'' ;  sie  unterfing  sich,  zu  ver- 
künden, dass  Deutschland  mehr  denn  jede  andere  Nation  zur 
wahren  Lyrik  veranlagt  sei,  weil  es  sich  durch  jene  Geistes- 


_^SiL  i 


Einleitende  Betrachtungen.  213 

Unabhängigkeit  auszeichne,  die  allein  der  persönlichen  Origi- 
nalität Raum  und  Freiheit  gewähre,  weil  dort  die  „Melancolie" 
wohne,  die  der  Poesie  Tiefe  und  moralische  Grösse  verleihe. 
Was  die  Kreatur  des  erzürnten  Napoleon,  General  Savary, 
der  schmollenden  Tochter  Neckers  als  Grund  der  Konfiskation 
der  10,000  Exemplare  ihres  „De  l'Allemagne"  angab  —  „qu'il 
n'etait  point  frangais''  —  konnte  schon  von  ihrem  ersten  Werke 
gesagt  werden. 

Was  nun  ihr  Buch  über  Deutschland  betrifft,  so  muss 
eine  gerechte  Kritik  zugeben,  dass  es  eher  eine  geistreiche, 
farbenprächtige  und  glänzende  Skizze  ist,  als  ein  getreues, 
objektives  Bild  eines  Volkes  „sine  ira  et  studio".  Ihre  Wan- 
derungen durch  Deutschland  waren  nicht  Studienreisen;  sie 
glichen  vielmehr  Triumphzügen.  Ihr  ging  der  Ruf  einer  der 
geistreichsten  Frauen,  einer  Königin  des  Pariser  Salons,  und 
vor  allem  die  Ehre  der  erbitterten  Feindschaft  der  „Welt- 
seele" voraus.  Und  ihr,  der  Gedankenfürstin,  erging  es  wie 
den  Mächtigen  der  Erde,  die,  wenn  sie  reisen,  mit  dem  besten 
Willen  und  Können  mehr  Illusionen  als  Wirklichkeit  sammeln. 
Dass  Madame  de  Stael  trotzdem  so  vieles  richtig  gesehen  und 
beurteilt,  scheint  uns  gerade  der  beste  Beweis  ihres  Genies 
zu  sein.  Nichtsdestoweniger  musste  ihr  Buch  optimistischer 
ausfallen,  als  dies  zu  Frankreichs  Nutzen  und  Belehrung  von- 
nöten  gewesen  wäre.  Ihr  fehlte  die  Seelenruhe.  Vergessen 
wir  nicht,  dass  die  Heimatsverbannte  einen  glühenden  Hass 
gegen  das  Frankreich  Bonapartes  in  der  Brust  barg.  Eine 
Lektion  wollte  sie  jenen  zu  Hause  geben,  als  gutes  Beispiel 
den  Kontrast  ihres  Ichs  zeigen,  und  mit  richtigem  Griff  wählte 
sie  Deutschland,  um  ihrem  Lande  zur  Beschämung,  aber  auch 
zum  Heile  alle  germanischen  Tugenden  vorzuhalten.  Wenn 
daher  Heine  ihr  Buch  und  dessen  Tendenz  mit  der  Germania 
des  Tacitus  vergleicht,  die  auch  eine  indirekte  Satire  an  die 
Adresse  Roms  bedeutet,  so  ist  diese  geistreiche  Parallele  ebenso 
treffend,   wie  für  beide   Teile    ehrend.     Nur  so   ist  die  über- 

Betz,  Heine  in  Frankreich.  18 


274  H.  Heines  Einflusg. 


schwängliche  Verehrung  Deutschlands  der  Madame  de  Stael 
zu  erklären.  Wozu  daher  die  Indignation  deutscher  Gelehrter 
über  Heines  Erwiderung  auf  diesen  Panegyrikus,  den  sie  als 
antipatriotische,  gehässige  Verstümmelung  des  idealen  Bildes 
der  Französin  verdammen  ?  Denkt  der  ehrlich  Gesinnte  heute 
anders  als  zur  Zeit  Goethes,  da  man  mit  nachsichtigem  Wohl- 
wollen von  den  „Exaltationen  der  guten  Frau"  sprach? 

Während  die  grosse  Masse  der  französischen  Leser  das 
Buch  Madame  de  Staels  über  Deutschland  als  ein  Werk  blen- 
dender Phantasie  auffasste  —  auch  ein  Villemain  hob  in 
erster  Linie  das  bezaubernde  Kolorit  ihres  Stils  hervor  — , 
bedeutete  es  für  Weiterblickende  nicht  viel  weniger  als  eine 
Revelation,  die  sie  zu  enthusiastischen  Studien  und  Forschungs- 
reisen anspornte.  Bedeutende  Männer  folgten  ihrem  Beispiele, 
und  im  Lande  der  „Sagen  und  der  Philosophie"  wimmelte  es 
bald  von  französischen  Lernbegierigen.  Victor  Cousin  wanderte 
zweimal  nach  Deutschland,  um  dort  zuerst  Kant  und  später 
Hegel  zu  kosten  und  nach  seiner  Manier  zu  verdauen.  Nach 
den  Philosophen  und  Gelehrten  traten  nicht  bloss  Neugierige, 
auch  geistreiche  Leute  und  Dichter  die  Reise  über  den  Rhein 
an,  unter  den  ersten  Benjamin  Constant,  der  wankelmütige 
Freund  Madame  de  Staels,  der  dann  auf  die  unglückliche  Idee 
geriet,  die  Wallensteintrilogie  in  ein  Stück  zu  verschmelzen. 
Bezeichnend  ist,  was  er  zu  Beginn  des  Jahrhunderts  an 
seine  andere  Freundin,  die  Neuenburgerin  Madame  de  Char- 
riere,  schreibt:  „J'ai  beaucoup  parcouru  la  litterature  alle- 
mande  depuis  mon  arrivee.  Je  vous  abandonne  leurs  poetes 
tragiques,  comiques,  lyriques,  parce  que  je  n'aime  la  poesie 
dans  aucune  langue;  mais,  pour  la  philosophie  et  l'histoire, 
je  les  trouve  infiniment  superieurs  aux  Frangais  et  aux  An- 
glais.  Ils  sont  plus  instruits,  plus  impartiaux,  plus  exacts,  un 
peu  trop  diffus,  mais  presque  toujours  justes,  vrais,  courageux 
et  moder^s." 

Bevor  aber  die  Aktion  ihre  Früchte  tragen  konnte,    trat 


Einleitende  Betrachtungen.  ^75 

schon  die  Reaktion  ein.  Bald  wurden  erschreckte  Stimmen 
laut,  die  vor  Verdeutschung  warnten.  Sie  blieben  jedoch 
vereinzelt  und  verhallten  erfolglos ;  die  mächtige  Bewegung, 
die  schon  Männer,  wie  Diderot  — -  „la  plus  allemande  de 
toutes  nos  tetes"  (so  Goethe  und  Sainte-Beuve)  —  Grimm,  Hel- 
vetius,  Holbach,  Ducis,  Mercier  und  den  Zürcher  Heinrich 
Meister  nicht  zu  vergessen  u.  a.,  vorgebahnt,  ging  ihren  sichern 
Gang  weiter.  Aber  deutsche  Ideen  waren  es  nicht  allein,  die, 
von  Madame  de  Stael  signalisiert,  zwischen  1810 — 1840  in 
Frankreich  eindrangen,  sondern  es  vereinigte  sich  mit  diesen 
englischer  Einfluss,  um  gemeinsam  zur  mächtig  schwellenden 
Strömung  der  antiklassischen  Litteratur  beizutragen. 

In  den  letzten  Jahren  der  Restauration  verband  sich 
dieser  germanisch-englische  Einfluss  mit  den  geistig  und 
physisch  befreienden  Wirkungen  der  grossen  Revolution,  um 
dem  französischen  Ich,  d.  h.  der  Romantik,  zum  dauernden 
Siege  zu  verhelfen.  Dieser  Wiedergeburt  der  subjektiven 
Litteratur  in  Prankreich  gab  die  deutsche  Philosophie  die 
Weihe.  Cousin  wurde  der  beredte  Interpret  der  transcen- 
dentalen  Ich-Philosophie  Kants  und  Fichtes  in  jenen  altehr- 
würdigen Sälen  der  Sorbonne,  in  denen  sich  die  Geisteselite 
der  Seinestadt  drängte. 

Die  Blütezeit  der  germanischen  Beeinflussung  fällt  in  die 
Jahre  1830 — 1840.  Sie  erreichte  ihren  Höhepunkt  während 
der  nach  vielen  Seiten  hin  segensreichen  Regierung  Louis 
Philippes,  einer  Epoche  geistiger  und  materieller  Industrie,  des 
Wohlstandes  und  heiter  massvollen  Lebensgenusses,  die  trotz 
ihrer  viel  verhöhnten  „Bourgeois-Färbung"  für  Kunst  und 
Wissenschaft  förderlich  und  schützend  wirkte,  wie  seit  Louis  XIV. 
keine  andere  Regierungsperiode.  Erst  Nikolaus  Beckers  „Sie 
sollen  ihn  nicht  haben"  kühlte  die  Germanophilen-Strömung 
ab  und  kündigte  drohend  den  baldigen  moralischen  Bruch 
der  beiden  Nationen  an,  zu  dem  die  trotzig  unverschämte 
Antwort  Mussets  den  Grundton  gab. 


2f6l  H.  Heines  Einfluss. 


Annees  curieuses,  pittoresques,  qui  dans  deux  ou  trois  siecles 
d'ici  feront  la  joie  des  amateurs  de  bric-ä-brac  et  l'etonnement  des 
bourgeois,  que  Celles  qui  s'etendent  de  la  revelation  de  PAllemagne 
ä  la  France  par  Madame  de  Stael  ä  la  rupture  morale  des  deux 
nations,  quand  au  menagant  „Rhin  allemand"  de  Becker  repondra  le 
tres  impertinent  „Rhin  allemand"  de  Musset.  Pendant  ces  vingt-cinq 
annees,  malgre  le  souvenir  des  guerres  imperiales,  malgre  Leipzig, 
Montmartre  et  Waterloo,  malgre  Kleist  et  malgre  Blücher,  bien  que 
les  derniers  Voltairiens  protestent  avec  colere,  le  genie  de  la  France 
est  amoureux  de  l'Allemagne.  Aux  aspirations  vagues  et  indefinissables 
qui  le  tourmentaient,  l'objet  precis  et  reel  avait  longtemps  manque  : 
l'Allemagne,  entrevue  a  travers  le  livre  de  Madame  de  Stael,  tut 
l'ideal  desire  qui  vint  fixer  et  incarner  ces  reves.  Le  genie  de  la 
France  s'en  est  epris  sur  une  image  poetique,  comme  un  roi  d'Angle- 
terre  etait  jadis  tombe  amoureux  d'une  princesse  de  Cleves  ä  la  seule 
vue  de  son  portrait  peint  par  Holbein. 
(J.  Reinach,  „De  l'influence  de  l'Allemagne  sur  la  France",  pag.  1036.) 

Wäre  doch  Deutschland  damals  schon  gross  und  einig 
gewesen :  Hätte  es  nicht  erst  nötig  gehabt,  Paris  den  Besuch 
Bonapartes  in  Berlin  zurückzuerstatten,  wie  ganz  anders  würde 
heute  Alles  aussehen !  Wohl  lernten  sich  die  beiden  Völker 
durch  den  furchtbaren  Massenanprall  von  1870  besser  kennen; 
—  aber  nicht  um  sich  zu  verstehen,  sondern  um  sich  zu 
hassen;  um  sich  Schutz-  und  Trutzbündnissen  in  die  Arme 
zu  werfen,  die  der  Geschichte  der  Kultur  und  der  Völker- 
psychologie hohnsprechen.  Man  verzeihe  die  politische  Rand- 
glosse einem  bescheidenen  Litteraten,  der  nicht  einmal  „Re- 
porter" ist  und  es  wohl  kaum  je  zum  Journalisten  bringen 
wird. 

In  jenen  Tagen  gab  es  ein  geistiges  Deutschland  mitten 
im  Herzen  von  Prankreich;  auf  den  Pariser  Boulevards  lust- 
wandelten Heine  und  Balzac  Arm  in  Arm;  Meyerbeer  führte 
das  grosse  Wort  in  der  Oper.  Und  umgekehrt  konnte  man 
allerorts  in  Deutschland  ein  Stück  Paris  finden.  Nicht  nur 
die  französische  „High-life"  war  es,  die  sich  in  den  Bädern 
von  Homburg,  Wiesbaden  und  Baden-Baden  um  den  „grünen 


ä 


Einleitende  Betrachtungen.  277 

Tisch"  drängte,  sondern  auf  den  Kollegienbänken  stiller  Uni- 
versitäten Sassen  auch  junge  Deutsch-Enthusiasten,  und  das 
bescheidene  und  gescheiter  geniessende  französische  Publikum 
suchte  sich  im  Schwarzwalde  und  Taunus  Sommerfrische, 
schwärmte  an  den  Ufern  des  Rheines,  den  ihr  grosser  Dichter 
so  beredt  gefeiert,  und  schaute  sich  um  nach  den  liebreizenden 
Idealgestalten  der  Lotten ,  Gretchen  und  Dorotheen  der 
„blonde  Allemagne".  Nach  den  vierziger  Jahren  heisst  es 
aber  bald  nicht  mehr  „la  douce,  la  chaste,  la  romanesque 
Germanie",  sondern  „la  savante,  Terudite". 

Der  Uebergang  zu  einem  näheren  Hinblick  auf  die  Gruppe 
der  hervorragendsten  Germanophilen  dieser  Epoche  liegt  hier 
nahe.  Wir  beabsichtigen  hierauf  noch  kurz  von  der  ver- 
mittelnden Stellung  des  Elsass  zu  reden  und  dann  zu  dem  deut- 
schen  Einfluss   auf  einige  französische  Dichter  überzugehen. 

Unter  den  ersten,  zeitlich  und  ihrer  Bedeutung  nach,  die 
voll  aufrichtiger  Bewunderung  die  Erfolge  deutschen  Geistes 
in  Kunst  und  Wissenschaft  begrüssten  und  in  Deutschland 
ein  neues  gelobtes  Land  erblickten,  müssen  die  beiden  Brüder 
Emile  (1791—1871)  und  Antomj  (1800—1869)  Desc/iamps 
genannt  werden.  Der  ältere  vor  Allem  hat  durch  seine  für 
damalige  Verhältnisse  überraschende  Gewandtheit  der  Nach- 
bildung und  durch  seinen  sichern  Geschmack  viel  zur  Wieder- 
auffrischung der  französischen  Dichtkunst  beigetragen.  Die 
epochemachende  Einleitung  zu  den  „Etudes  frangaises  et 
etrangeres''  (1828),  die  sich  den  Beifall  Goethes  erworben  hatten 
—  es  sind  Gedichte,  teils  eigener  Inspiration,  teils  Anlehnungen 
an  spanische  und  besonders  an  deutsche  Muster  — ,  wirkte 
vielleicht  noch  mächtiger  auf  die  romantische  Dichtungs- 
evolution ein  als  das  Vorwort  Cromwells.  Grossen  Erfolg 
erzielte  Emile  Deschamps  durch  eine  relativ  geschickte  Ueber- 
setzung  der  Schillerschen  Glocke,  die  Madame  de  Stael 
wenige  Jahre  zuvor  als  unübertragbar  bezeichnet  hatte.  Bel- 
lini und  Rossini  komponierten  seine  Uebersetzungen.  Es  muss 


278  H.  Heines  Einfluss. 


aber  bemerkt  werden,  dass  sein  poetisches  Talent  an  Be- 
deutung Y/eit  hinter  seinem  befruchtenden  Einflüsse  steht. 
Er  und  sein  Bruder  waren  bloss  geschickte,  geistreiche  und 
nicht  selten  sehr  preziöse  Reimer.  — 

Edgar  Quinet  (1803 — 1875)  ist  unter  den  Germanophilen 
wohl  der  bedeutendste  Kopf.  Seit  1827  studiert  er  in  Heidel- 
berg, ist  berauscht  von  deutscher  Wissenschaft  und  Poesie, 
verkehrt  mit  Niebuhr,  Tieck,  Görres.  Ganz  besonders  be- 
freundet aber  ist  er  mit  Professor  Kreutzer.  Die  Resultate 
seiner  Beobachtungen  und  Studien  legt  er  in  den  nächsten 
Jahren  in  einer  Reihe  von  Broschüren  und  Artikeln  für  die 
„Revue  des  deux  Mondes"  nieder;  so  unter  andern  „L'Alle- 
magne  et  la  Revolution" ;  „Systeme  politique  en  Allemagne" ; 
„Du  Genie  des  traditions  epiques  en  Allemagne"  etc.  etc.  In 
einem  sonst  begeisterten  Nachrufe  Goethes  bekämpft  er  die 
„heimatlose''  Kunst,  die  er  „art  sans  cceur"  nennt;  freudig, 
neid-  und  arglos  begrüsst  er  daher  das  Erwachen  deutschen 
Nationalgefühls  in  den  Dichtern  des  Schwertes,  der  Heimat 
und  der  Befreiung:  Körner  und  Uhland;  Gallomanie  und 
Teutomanie  sind  ihm  gleich  verhasst.  Seine  edle  und  humane 
Antwort  auf  den  schneidig-frechen,  allerdings  provozierten 
Hohngesang  Mussets  beweist  dies.  Sein  „Rhin''  indessen  ist 
vergessen,  und  nicht  mit  Unrecht;  denn  Lieder  leben  nicht 
mit  Tiefe  und  Edelmut  des  Gedankens  fort,  sondern  nur,  wenn 
sie  den  Hauch  einer  echten  Dichterseele  ausatmen  —  mag  er 
auch  vergiftet  sein.  —  Derselbe  Bewunderer  deutschen  Wissens 
aber  war  es,  der  noch  vor  Heine  das  Märchenbild  der  Ma- 
dame de  Stael  zerstörte.  Wie  energisch  er  sich  gegen  die 
Auffassung  derselben  wendet,  von  der  er  wohl  weiss,  dass  sie 
bei  seinen  Landsleuten  die  alleinherrschende  ist,  mag  fol- 
gender Passus  aus  seiner  Schrift  „De  l'Allemagne  et  de  la 
Revolution''  zeigen,  einer  Arbeit  des  trotz  seiner  jungen 
Jahre  scharf  urteilenden  Litterarhistorikers,  die  noch  nicht 
ihrer  ganzen  Bedeutung  nach  gewürdigt  worden  ist. 


Einleitende  Betrachtungen.  279 

Die  Stelle  lautet    (pag.  16): 

Si  nous  nous  representons  FAllemagne,  c'est  encore  l'Allemagne 
de  Madame  de  Stael,  FAllemagne  d'il  y  a  cinquante  ans,  un  pays 
d'extase,  un  reve  continuel,  une  science  qui  se  cherche  toujours,  un 
enivrement  de  theorie,  tout  le  genie  d'un  peuple  noye  dans  l'infini, 
voilä  pour  les  classes  eclairees;  puis  des  sympathies  romanesques, 
un  enthousiasme  toujours  pret,  un  don-quichotisme  cosmopolite,  voilä 
pour  les  generations  nouvelles;  puis  l'abnegation  du  pietisme,  le  re- 
noncement  ä  Finfluence  sociale,  la  satisfaction  du  bien-etre  mystique, 
le  travail  des  sectes  religieuses,  du  bonheur  et  des  fetes  ä  vil  prix, 
une  vie  de  patriarche,  des  destinees  qui  coulent  sans  bruit,  comme 
les  flots  du  Rliin  et  du  Danube,  mais  point  de  centre  nulle  part, 
point  de  lien,  point  de  desir,  point  d'esprit  public,  point  de  force 
nationale,  voilä  pour  le  fond  du  pays.  Par  mallieur  tout  cela  est 
change  .  .  . 

Wie  Quinet,  so  schwärmt  auch  Saint-Marc  Oirardin 
(1801 — 1873)  für  ein  Einverständnis  zwischen  Deutschland 
und  Frankreich  durch  Vermittlung  der  Litteratur.  Dabei 
betont  er  aber,  dass  es  sich  nicht  um  Verschmelzung  handle, 
denn  gerade  in  der  Verschiedenheit  der  beiden  Völker  liege 
die  Bedeutung  und  das  Erspriesshche  der  Vereinigung.  In 
den  „Notices  politiques  et  litteraires  sur  FAllemagne"  (1834) 
zeigt  er  sich  als  erklärter  Germanophile.  Es  heisst  dort  u.  a. : 
,,I1  y  a,  au  delä  du  Rhin,  des  tresors  d'affections  domestiques, 
de  foi  religieuse  et,  si  vous  le  voulez,  meme  de  sentiments 
exaltes  et  romanesques  qui  tentent  ma  cupidite  et  me  fönt 
souhaiter  que  nous  nous  unissions  chaque  jour  davantage 
avec  FAllemagne,  ahn  de  profiter  un  peu  de  cette  richesse 
Nous  en  avons  besoin.  Je  reve  donc  une  alliance  morale 
avec  FAllemagne,  je  reve  aussi  une  alHance  politique.'^  Und 
weiter : 

„  J'aime  la  litterature  allemande,  et  comme  la  faveur  qu'elle 
trouve  en  France,  dans  ces  derniers  temps,  est  une  des  causes 
qui  aident  le  plus  ä  cette  aUiance  morale  et  politique,  je  ne 
puis  point  voir  cette  faveur  d'un  mauvais  oeil." 


280  H-  Heines  Einfluss. 


Unter  dem  Drucke  äusserer  Verhältnisse  legte  sich  der 
Deutschenthusiasmus  dieses  hellsehenden  Litteraten;  seine 
hohe  Achtung  versagte  er  aber  Deutschland  nie.  Erwähnt 
sei  noch,  dass  er  sich  auf  dem  Gebiete  des  Erziehungswesens 
grosse  Verdienste  für  sein  Vaterland  erworben.  Seine  dies- 
bezüglichen Studien  machte  er  in  Deutschland. 

Noch  inniger  als  alle  Genannten  fühlte  sich  Gerard  de 
Nerval  zur  Heimat  Goethes  hingezogen.  Die  Rhein-  und 
Deutschlandschwärmerei  dieses  uns  schon  wohl  bekannten 
Dichters  tritt  uns  besonders  in  seinem  Buche  „Loreley,  Sou- 
venirs d'Allemagne"  (1852)  entgegen,  einem  duftenden  Strausse 
echt  deutscher  Romantik,  in  dem  sich  auch  manche  Blume 
aus  dem  reichen  lyrischen  Garten  seines  Freundes  Heine  be- 
findet. „He  bien,  mon  ami,"  —  redet  er  in  der  Einleitung  Jules 
Janin  an,  —  „cette  fee  radieuse  des  brouillards,  cette  ondine 
fatale  comme  toutes  les  nixes  du  Nord  qu'a  chantees  Henri 
Heine,  eile  me  fait  signe  toujours:  eile  m'attire  encore  une 
fois!"  —  Die  glänzende  Zukunft,  die  einst  der  Altmeister  zu. 
Weimar  noch  dem  achtzehnjährigen  Uebersetzer  seines  „Faust" 
voraussagte,  hat  sich  nicht  verwirklicht.  Der  arme  Träumer 
endete  wenige  Jahre,  nachdem  er  obige  Worte  nieder- 
geschrieben, nicht  in  den  Armen  seiner  geliebten  Rhein- 
töchter,   sondern  im  Lasterdunkel  einer  Sackgasse  von  Paris. 

Einen    ehrenvollen    Rang    unter    den    Geistesverwandten 
und    Nachfolgern    Madame   de   Staels    nimmt    neben     Victor] 
Cousin   auch   Jean  Lerminier   (1803—1857)    ein;     wie    jener,| 
mehr    geistvoller    Schönredner    als    tiefer    Denker     oder   ori- 
gineller  Kopf.     Auch   er   spricht  in  seinem  Werke  „Au  delal 
du    Rhin,    tableau    de  l'Allemagne   depuis  Madame  de  Stael" 
(1835)     den   Gedanken    aus,    dass    zwischen    Frankreich    und 
Deutschland  nicht  Rivalität,  sondern  Solidarität  bestehen  solle. 
Der  erst  kürzlich   verstorbene  Xavier   Marmier   (1809  bis 
1892)  war  schon  längst  ein  Vergessener.     Vor   einem  halben 
Jahrhundert   gehörte   er  zu  den  ersten   und  begabtesten,   die 


__^isK^ 


Einleitende  Betrachtungen.  281 

es  sich  zur  Aufgabe  gemacht  hatten,  „d'europeaniser  la 
France".  Grosse  Sprachgewandtheit  und  -Kenntnis  bewies  er 
bereits  als  zwanzigjähriger  Jüngling  mit  seinen  Uebersetzungen 
der  Dramen  Schillers  und  Goethes. 

Noch  wollen  wir  hier  einige  Namen  nennen,  die  uns  alle 
schon  im  zweiten  Abschnitt  begegnet  sind :  Philarete  Chasles 
(1799—1873)  und  Gustave  Planche  (1808-1857),  die  sich  durch 
zahlreiche,  zum  Teil  lichtvolle  und  eingehende  Studien  frem- 
der, besonders  deutscher  Litteratur  rühmhchst  hervorgethan 
haben;  Saint-Rene  Taülandier  (1817  — 1879)  und  Blaze  de 
Bury  (geb.  1813),  den  formvollendeten  Uebersetzer  Goethes 
und  Verfasser  trefflicher  Arbeiten  in  der  „Revue  des  deux 
Mondes". 

Ueberall  ist  zu  lesen,  dass  E 1  s  a  s  s  die  tapfersten  Sol- 
daten und  tüchtigsten  Generäle  der  „grande  armee"  geliefert 
hat.  Seltener  wird  daran  erinnert,  dass  es  auch  der  Litteratur 
ihre  Rapp,  Kellermann  und  Kleber  gegeben,  die  mit  gleicher 
Tüchtigkeit  und  wackerm  Sinn  in  stiller  Gelehrtenstube,  ohne 
Hoffnung  auf  Ruhm  und  Ansehn,  bloss  der  Sache  selbst 
willen,  das,  was  jene  durch  Heldenmut  zertrümmert  und  aus- 
einandergerissen, wieder  aufbauten  und  vereinigten. 

Zu  denen,  die  den  Geistesaustausch  förderten  und  so 
ihre  schöne  Mission,  die  ihnen  durch  die  Lage  ihrer  Heimat 
zufiel,  als  Interpreten  zweier  blühenden  Litteraturen  erfüllten, 
gehören  Namen  von  gutem  Klange;  treffliche  Männer  auf 
allen  Gebieten  hatte  aber  auch  schon  das  alte  deutsche 
Elsass  erzeugt.  Ein  Ortfried  von  Weissenburg  wurde  der 
Einführer  der  deutschen  Schriftsprache;  dort  am  linken 
Rheinufer  trieb  Gottfried  von  Strassburg  sein  Minneleben 
und  -Singen.  Während  der  Reformation,  die  das  Elsass  in 
hoher  intellektueller  und  kommerzieller  Blüte  fand ,  hielt 
Geiler  von  Kaiserberg  seine  kräftig  deutschen  Reden,  und 
Elsässer  waren  Fischart,  Moscheroch  und  Grimmeishausen. 
Als  der  „Globe"  (tomeVII,  pag.  614)  die  1829  in  Strass- 


282  H.  Heines  Einfluss. 


bürg  neu  erschienene  „Nouvelle  Revue  germanique"  bespricht, 
sagt  er  u.  a. :  „Strasbourg,  place  aux  confins  des  deux  pays, 
est  en  quelque  sorte  une  terre  neutre  oü,  raieux  qu'ailleurs, 
les  idees  allemandes  peuvent  d'abord  prendre  pied,  pour  se 
repandre  ensuite  dans  le  reste  de  notre  France.  .  ."  Wie  oft 
wurde  in  dieser  Provinz  Prankreichs  vor  1870  bei  festlichen 
Gelegenheiten,  die  Deutsche  und  Elsässer  gemeinsam  feierten, 
das  Wort  gehört:  „L'Alsace  est  un  trait  d'union  entre  l'es- 
prit  alleraand  et  l'esprit  frangais."  Obschon  im  Herzen  treu- 
gesinnte Bürger  ihres  Vaterlandes,  verbanden  die  Elsässer 
viele  Bande  mit  Land  und  Leuten  am  andern  Ufer  des 
Rheins.  Zugleich  französisch  geschult  und  deutsch  gebildet, 
waren  sie  wie  geschaffen,  die  Perlen  deutscher  Dichtkunst 
und  die  Marksteine  deutschen  Denkens  zu  sammeln  und  ihren 
Landsleuten  mit  Verständnis  und  Sympathie  zu  erklären. 
Aber  auch  hervorragende  deutsch  schreibende  Elsässer  finden 
wir  noch,  besonders  Mülhauser  (die  Stadt  war  bis  1798 
schweizerisch).  So  die  beiden  Brüder  August  und  Ludwig 
Stober  und  Candidus.  Im  Jahre  1858  hat  der  Colmarer 
Dichter  Pfeffel  eine  hübsche  Sammlung  deutscher  Lyrik 
herausgegeben;  Friedrich  Otte  ist  die  Ehre  zu  teil  geworden, 
der  Uhland  des  Elsass  genannt  zu  werden.  Einer  der 
typischsten  Repräsentanten  der  zwischen  beiden  Sprachen 
schwebenden  Geistesvermittler  ist  Ludwig  Spachj  der  deutsche 
Gedichte  und  französische  Romane  schrieb.  Er  stellt  so  recht 
eigentlich  den  schliesslichen  Uebergang  vom  Germanismus 
zur  französischen  Kultur  dar.  Sein  französisch  verfasstes 
Hauptwerk  sind  die  32  biographischen  Skizzen  elsässischer 
PersönHchkeiten  vom  Mittelalter  bis  in  die  Neuzeit. 

Elsässer  waren  es  fast  ausschliesslich,  die  an  der  ^^Revue 
germanique'-^  mitarbeiteten;  wir  nennen  nur  Dollfus,  Neffzer, 
Chauffour-Kestner.  Im  gleichen  Sinne  wirkte  die  von  Eistel- 
Jmher  1862  gegründete  Zeitschrift  „Le  BibHographe  alsacien", 
Gazette  htteraire  etc.     Die   erstere  wurde   mit    einem  Geleit- 


Einleitende  Betrachtungen.  283 


schreiben  Renans  eröffnet  (1858),  der  die  litterarische  Mission 
des  Elsass  wie  folgt  charakterisiert: 

„Nous  possedons  parmi  nous  une  coionie  allemande  qui, 
en  meme  temps  qu'elle  communique  largement  avec  le  centre 
des  idees  frangaises,  puise  directement  encore  aux  mamelles 
germaniques,  dont  eile  n'est  point  detachee:  c'est  Tecole  de 
Strasbourg.  Cette  modeste  et  savante  ecole,  dont  Tadminis- 
tration  centrale  a  parfois  trop  peu  respecte  l'individualite, 
est  parmi  nous  le  seul  reste  des  anciennes  institutions  pro- 
vinciales  qui  avaient  de  si  bons  effets  pour  la  culture  intellec- 
tuelle." 

In  Colmar  wurde  das  erste  bedeutende  Werk  über 
Deutschland  seit  „  De  TAllemagne "  geschrieben.  „De  l'etat 
moral,  politique  et  litteraire  de  TAllemagne"  (1846 — 1847)  von 
Matter  ist  das  Ergebnis  langjähriger  Studien  des  Strass- 
burger  Professors,  der  als  verständiger,  deutschfreundlicher 
Vermittler  an  der  „Faculte  de  Strasbourg"  wirkte. 

Aus  dem  Elsass  kam  auch  J.-J.  Weiss,  um  nur  noch 
einen  anzuführen,  der  bedeutende  Litterarhistoriker  und 
Journalist,  der  in  der  französischen  Politik  eine  so  merk- 
würdige Rolle  spielen  sollte.  Deutscher  Stolz  und  idealer 
Sinn,  aber  auch  germanische  Träumerei  und  Hang  zu  offi- 
ziellem Wesen  mögen  die  Schuld  tragen,  dass  Weiss  das 
Ziel  seiner  politischen  Ambitionen  nicht  erreichte. 

Kurz,  Prankreich  hat  1870  mehr  als  eine  Provinz  ver- 
loren —  aber  auch  für  Deutschland  hat  das  Elsass  aufgehört, 
ein  fast  neutraler  Boden  geistiger  Vermittlung  zu  sein. 

Betrachten  wir  nun  noch  einige  interessante  Erschei- 
nungen und  Symptome  fremden,  resp.  deutschen  Einflusses 
auf  dem  Gebiete  der  Dichtkunst  im  speciellen.  Wir  haben 
schon  gesehen,  dass  vor  allem  die  französische  Lyrik  in 
ihrem  innersten  Wesen  ergriffen  wurde.  An  ihrer  Metamor- 
phose kann  man  am  deutlichsten  wahrnehmen,  wie  stark 
und  durchdringend  anglo-germanisches  Einwirken  sein  musste. 


284  H.  Heines  Einfluss. 


Noch  zu  Anfang  dieses  Jahrhunderts  standen  sich  deutsche 
und  französische  Poesie  grundverschieden  gegenüber :  die  ho- 
heitsvolle Muse  Frankreichs,  immer  vornehm,  schwungvoll  und 
edel,  sich  nie  vergessend,  auch  wenn  sie  mit  Witz  und  Sinn- 
Hchkeit  kokettierte,  stets  die  „dehors"  wahrend  —  stolz  blickt 
sie  von  der  Höhe  klassischer  Konvention  auf  die  barbarische 
Schwester  herab,  die  bürgerlich  bescheidene,  keusch  und 
brav  Haus,  Hof  und  Heim  Hebende  Muse  Deutschlands,  die 
vom  Liebchen,  dem  blonden  Mädchen  mit  gesenktem  Blicke, 
bei  Sternenhimmel  und  in  Mondscheinnächten  schwärmt  und 
träumt ! 

Die  französische  Lyrik  hatte  noch  alles  zu  lernen,  d.  h. 
wieder  zu  lernen,  von  vorne  anzufangen.  Ihr  fehlte  nicht 
nur  der  Kern  —  wahres  Empfinden  und  Sinn  für  die  Natur  ^, 
sondern  auch  die  natürhche  Schale,  und  zwar  diese  ganz  be- 
sonders. Die  preziösen  Wortdeklamationen,  die  die  Herzens- 
stimme erstickten,  mussten  verschwinden.  Von  England  her 
erscholl  der  erste  befreiende  Ruf  mit  Ossians  nordischer 
Naturmystik  und  Byrons  gewaltiger  Naturpoesie. 

„Toi  qui  chantais  l'amour  et  les  heros, 
Toi,  d'Ossian  la  compagne  assidue, 
Harpe  plaintive,  en  ce  triste  repos 
Ne  reste  pas  plus  longtomps  suspendue." 

So  singt  in  einem  Briefe  an  M.  de  Virieu  der  acht- 
zehnjährige Lamartine,  bei  dem  man  umsonst  nach  deut- 
schem Einfluss  sucht.  „Lamartine,  parfaitement  etranger 
ä  r Allem  agne,  savait  l'Italie  et  comprenait  ses  harmonieuxj 
poetes,  Le  Tasse,  Petrarque.  Quant  ä  Byron  lui-meme,  bien 
qu'il  lui  adressät  des  epitres,  Lamartine  ne  s'en  inquietait  que 
d'assez  loin  et  pour  le  deviner,  pour  le  refuter  bien  vague- 
ment,  plutöt  que  pour  l'etudier  et  pour  le  Hre."^)  Wenn  es 
wahr  ist,  dass  sich  der  Autor   der   „chute   d'un    ange"    nicht 


^)  Sainte-Beuve,  Lettre-preface  in  Reymonds  „Corneille"   etc.  —  s.  oben. 


Einleitende  Betrachtungen.  285 


von  dem  diabolischen  Genie  des  Britten  fortreissen  Hess,  so 
kann  auf  der  anderen  Seite  nicht  geleugnet  werden,  dass  dies 
herrliche  Dichterecho  der  Natur  Lamartine  mächtig  anzog 
und  dichterisch  begeisterte.  Recht  hat  aber  Sainte-Beuve, 
wenn  er  hier  von  deutschem  Einfluss  ganz  absieht.  Breitinger 
sagt  in  voller  Uebereinstimmung  damit  :^)  „Die  Führer  der 
romantischen  Dichterschule  selbst  aber  beschäftigten  sich  mit 
Byron  und  Shakespeare,  mit  Dante  und  den  Spaniern,  wenig 
oder  gar  nicht  mit  den  Deutschen.  Sie  werden  mir  aufs  Wort 
glauben,  wenn  ich  Sie  versichere,  dass  Victor  Hugo  schon 
damals  kein  Deutsch  trieb." 

Auch  wir  sind  der  Ansicht,  dass  vor  allem  der  Einfluss 
Goethes  lange  nicht  so  bedeutend  war,  wie  dies  z.  B.  Süpfle 
annimmt.  Auf  die  „Spitzen"  der  Romantik  hatte  deutsches 
Dichten  entschieden  geringen  Einfluss,  so  stark  derselbe  auch 
auf  die  damalige  „Boheme  litteraire"  einwirkte  und  sich  aus 
ihrer  Mitte  heraus  allmälig  Geltung  verschaffte.  An  „Werther" 
allerdings,  aber  auch  an  „Rene"  —  denn  beide  haben  Saint- 
Preux  zum  gemeinsamen  Ahnen  —  lehnt  sich  schon  1808 
der  Roman  „Valerie"  der  Baronin  Krüdener  an,  mit  der  aben- 
teuerlichen Magdalenengestalt.  ^)  Dann  Nodiers  „Peintre  de 
Salzbourg",^)  de  Senancourts  „Obermann"  und  Benjamin  Con- 
stants  „Adolphe".  Der  Wertherleiden  in  der  französischen  Litte- 
ratur  gibt  es  noch  mehr,  sie  bleiben  noch  lange  Mode  und 
sind  in  Sainte-Beuves  „Volupte",  Alfred  de  Mussets  „Enfant 
du  Siecle"  und  manchem  Romane  der  George  Sand  zu 
spüren. 


')  „Vermittler  des  deutschen  Geistes"  etc.,  pag.  15. 

2)  Diese  erste  Blüte  der  „Wertherie"  linden  wir  weder  bei  Süptie,  noch 
in  Ferd.  Gross'  „Goethes  Werther  in  Frankreich",  natürlich  auch  nicht  bei 
Fr.  Meissner  erwähnt, 

^)  „Ch.  Nodier,  mon  predecesseur,  et  qui  a  tant  parle  „Werther"  et 
Allemagne,  Tarrangeait  encore  plus  ä  sa  phantaisie  et  ne  la  voyait  qua,  travers 
la  brume  ou  l'arc-en-ciel :  il  ne  savait  pas  l'allemand."  —  Sainte-Beuve,  ibidem. 


286  H.  Heines  Einfluss. 


Wer  das  „College"  besucht,  weiss  wohl  noch  von  Goethe  als 
Autor  des  „Paust",  im  besten  Falle  kennt  er  noch  „Hermann 
und  Dorothea",  sonst  ist  Goethe  und  war  er  stets  allgemein 
bloss  als  „Auteur  du  Werther"  bekannt.  Im  Jahre  1849 
schreibt  Daniel  Stern  (comtesse  d'Agoult)  in  ihren  „Esquisses 
morales  et  politiques"  (Paris  1849) :  „Personne  ne  connait 
Goethe  en  France",  und  Sainte-Beuve,  der  wiederholt  auf  den 
überschätzten  Einfluss  Goethes  zurückkommt,  bemerkt  im 
dritten  Band  seiner  „Nouveaux  lundis"  u.  a.,  dass  er  den 
Romantikern  ein  halb  Unbekannter,  eine  Art  majestätischen 
Rätsels,  ein  entfernter  Jupiter  Ammon  gewesen,  der  nicht 
aus  seinem  Heiligtum  getreten  sei;  dass  alle  Anstrengungen, 
die  man  gemacht  habe,  nicht  etwa,  um  ihn  zu  popularisieren 
—  denn  dies  wäre  niemals  angegangen  — ,  sondern  bloss  um 
ihn  in  Frankreich  zu  naturalisieren,  nur  zur  Hälfte  gelungen 
seien.  Noch  deutlicher  drückt  sich  der  alte  Veteran  der 
Romantik  in  der  wiederholt  citierten  Vorrede  aus:  „Ce  que 
je  puis  vous  attester,  c'est  que  les  imitations  de  litterature 
etrangere,  et  particulierement  de  l'Allemagne,  etaient  moins 
voisines  de  leur  pensee  (der  Romantiker)  qu'on  ne  le  suppo- 
serait  a  distance.  Ces  talents  etaient  eclos  et  inspires  d'eux- 
memes  et  sortaient  bien  en  droite  hgne  du  mouvement  frangais 
inaugure  par  Chateaubriand.  Madame  de  Stael,  avec  sa  veine 
particuliere  de  romantisme,  n'etait  pour  eux  que  tres  accessoire. 
Je  parle  en  ce  moment  de  Lamartine,  Victor  Hugo,  Alfred 
de  Vigny.  Aucun  des  grands  poetes  romantiques  frangais 
ne  savait  l'allemand  (Sainte-Beuve  selbst  auch  nicht)  —  et 
parmi  ceux  qui  les  approchaient,  je  ne  vois  que  Henri  Blaze, 
tr^s  jeune  alors,  mais  dejä  curieux  et  au  fait,  et  aussi  Gerard 
de  Nerval  qui  de  bonne  heure  se  multipliait  et  etait  comme 
le  commis-voyageur  litteraire  de  Paris  ä  Munich.  Goethe 
etait  pour  nous  un  demi  dieu  honore  et  devine  plutöt  que 
bien  connu." 

Trotzdem  Sainte-Beuve  hier  etwas  zu  weit  geht  —  auch 


Einleitende  Betrachtungen.  287 

sieht  man  gerade  manches  genauer  von  ferne  als  in  nächster 
Nähe  und  mitten  im  Gedränge  —  so  liegt  in  diesem  Zeugnis 
eines  eng  Beteiligten  viel  Beachtenwertes  und  Wahres.  Dass 
Süpfle  irrt,  wenn  er  einen  entschiedenen  Einfluss  Goethes  auf 
Victor  Hugo  nachweisen  zu  können  glaubt,  scheint  uns 
zweifellos.  Dagegen  spricht  schon  folgende  Anekdote :  Hugo 
wurde  eines  Tages  gefragt,  ob  er  Goethe  gelesen,  worauf  er 
antwortete:  „Non,  mais  j'ai  lu  Schiller,  c'est  la  meme  chose." 
Mit  dieser  köstlichen  Abfertigung  Goethes  stimmt  eine  Stelle 
aus  Hugos  eigenen  Schriften  überein  (William  Shakespeare, 
2"  partie,  I,  5),  wo  er  sich  über  den  Autor  des  „Werther"  und 
„Tasso''  wie  folgt  ausdrückt:  „Shakespeare  frissonnant  a  en  lui 
les  vents,  les  esprits,  les  philtres,  les  vibrations,  les  balance- 
ments  des  soviflfles  qui  passent,  l'obscure  penetration  des  effluves, 
la  grande  seve  inconnue.  De  lä  son  trouble,  au  fond  duquel 
est  le  calme.  C'est  ce  trouble  qui  manque  a  Goethe,  loue  ä 
tort  pour  son  impassibilite,  qui  est  inferiorit^." 

Eines  wenigstens  dürfte  kaum  zu  bestreiten  sein,  nämlich, 
dass  Hugos  Kenntnis  Goethes  eine  sehr  spärliche  war.  Damit 
soll  natürHch  nicht  behauptet  werden,  dass  der  Dichter  der 
„Contemplations",  der  in  französischen  Litteraturgeschichten 
seiner  realistischen  Plastik  und  der  kraftvoll  energischen 
Sprache  wegen  der  germanischste  Poet  Frankreichs  genannt 
wird,  nicht  von  deutschen  Ideen  beeinflusst  worden  sei.  Wie  bei 
den  Germanophilen,  finden  wir  auch  bei  ihm,  dem  jungen 
legitimistischen  Hugo,  den  Gedanken,  dass  Frankreich  und 
Deutschland  als  die  ältesten  Kulturvölker  Europas  —  er  be- 
trachtet sein  Vaterland  als  Erbe  des  alten  Rom  —  bestimmt 
seien,  Hand  in  Hand  an  der  Spitze  der  Civilisation  zu  schreiten. 
„Que  reste-t-il  donc  de  tout  ce  vieux  monde  V^  ruft  er  in  seinem 
Buche  über  den  Rhein  aus.^)  —  „Qu'est-ce  qui  est  encore  debout 
en  Europe  ?  —  Deux  nations  seulement :  La  France  et  F Alle- 


0    „Lettres  sur  le  Rhin",  1842. 


288  H.  Heines  Einfluss. 


raagne.  Eh  bien,  cela  pourrait  suffire.  La  France  et  FAlle- 
magne  sont  essentiellement  l'Europe.  L'Allemagne  est  le 
coeur  et  la  France  est  la  tete.  L'Allemagne  et  la  France  sont 
essentiellement  la  civilisation.  L'Allemagne  sent,  la  France 
pense.  Le  sentiment  et  la  pensee,  c'est  tont  l'homme  civilise." 
—  Ueber  die  Rollenverteilung  Hesse  sich  freilich  streiten,  bloss 
auf  die  Grundidee  kommt  es  an,  und  die  ehrt  den  Autor  der 
„Bourgraves''.  Sie  ist  aber  zu  schön,  als  dass  die  Politik 
jemals  die  Verwirklichung  derselben  zugeben  könnte.  Deutsch 
ist  ferner  Victor  Hugos  Kinder-  und  Familienkultus ;  hier  zeigt 
er  Gemüt  und  er  weiss  es  dichterisch  zu  verwerten.  Gibt 
es  etwas  Gemütvolleres,  sinnig  Einfacheres  als  das  neunzehnte 
Lied  der  „Feuilles  d'automne'',  so  ganz  frei  von  dem  ihm 
oft   vorgeworfenen  rhetorischen  Wortschwall? 

Lorsque  l'enfant  parait,  le  cercle  de  famille 
Applaudit  ä  grands  cris;  son  doux  regard  qui  brille 

Fait  briller  tous  les  yeux, 
Et  les  plus  tristes  fronts,  les  plus  souilles  peut-etre, 
Se  derident  soudain  ä  voir  l'enfant  paraitre, 

Innocent  et  joyeux. 


Heines  Einfluss  auf  einige  Zeitgenossen.  289 


Zweites  Kapitel 
Heines  Einfluss  auf  einige  Zeitgenossen  i) 


Paris  wurde  und  wird  heute  noch  als  die  geistige  Metro- 
pole der  Welt  bezeichnet,  als  die  Stadt,  in  der  grosse  Revo- 
lutionen und  die  neuen  Moden,  Begeisterung  für  Kunst  und 
Litteratur,  ebenso  wie  für  die  verächtlichste  Frivolität  er- 
zeugt werden.  Dass  das  ganze  französische  Volk  stets  mit 
dem  Enthusiasmus  und  den  Launen  der  Seinestadt  zu  identi- 
fizieret! sei,  ist  wohl  nie  im  Ernste  behauptet  worden;  dass 
aber  seit  einem  Jahrhundert  Tausende  von  Deutschen,  und 
zwar  Hoch  und  Niedrig  (vor  1870  ungefähr  50,000),  an  dem 
Ruhme  und  —  an  der  Schande  Lutetias  mitarbeiten,  dies 
wird  selten  bedacht. 

Bekannt  und  bei  jeder  Gelegenheit  bedauert  ist  ferner- 
hin die  Thatsache,  dass  sich  der  Deutsche,  im  Gegensatz  zu 
dem  Franzosen  und    Engländer,    rasch   und  willig  den  Sitten 


^)  Beiläufig  sei  bemerkt,  dass  schon  darauf  hingewiesen  worden  ist,  dass 
Heine  auch  Liedervorwürfe  aus  dem  Französischen  entlehnt  hat  (cf.  Geigers 
Zeitschrift,  IV,  301).  —  Ebenso  wird  vielfach  von  französischem  Spracheinfluss 
auf  Heines  Stil  geredet.  Eine  diesbezügliche  Notiz  befindet  sich  im  VII.  Bande 
des  „Journal  des  Goncourt"  (pag.  28)  :  „Aug.  Sichel  affirraait,  ce  soir,  que 
rallemand  de  Henri  Heine  etait  un  allemand  tout  special,  presque  une  langue 
particuliere,  une  langue  k  phrases  courtes,  sans  pr^cedents  dans  la  langue 
germanique,  et  qu'il  croyait  formee  par  l'etude  du  fran(jais  des  encydopedistes, 
du  fran^ais  de  Diderot." 

Betz,  Heine  in  Frankreich.  19 


290  H.  Heines  Einfluss 


der  neuen  Heimat  assimiliert.  In  dem  geflügelten  Worte 
Heines,  es  werde  der  Deutsche  durch  die  Exportation  schlechter, 
genau  wie  das  bayerische  Bier,  steckt  mehr  als  ein  antipatrio- 
tischer Witz.  Wer  in  Paris,  London  und  New- York  gelebt 
hat,  wird  dieser  boshaften  Bemerkung  nicht  alle  Wahrheit 
absprechen.  Denn  dieser  hat  gesehen,  dass  der  Deutsche  in 
Amerika  dem  fieberhaft  und  rücksichtslos  geschäftsjagenden 
Yankee  den  Rang  abläuft  und  wenn  er  politisiert,  bald  durch- 
trieben korrupter  wird,  als  der  geriebenste  Irländer ;  dass  es 
ihm  in  England  in  kurzer  Zeit  gelingt,  ebenso  steif  und  kalt 
einherzugehen,  wie  der  eingefleischteste  Sohn  John  Bulls; 
dass  er  sich  in  Paris  vor  allem  von  den  Boulevardmanieren 
und  -gewohnheiten  imponieren  lässt,  und  seinen  Ehrgeiz  darein 
setzt,  den  waschechtesten  Boulvardier  nachzuäfl'en.  Das  Wort 
Heines  findet  auf  die  Mehrheit  der  Deutschen  in  der  Fremde 
seine  Anwendung  —  daran  ist  nicht  zu  rütteln  — ,  aber  es 
bleibt  die  Minorität,  es  bleiben  die  Kerntruppen  der  deutschen 
Auswanderer,  und  diese  geben  zum  Glück  den  Ausschlag. 
Diese  bringen  alle  guten  Eigenschaften  des  Germanen  nicht 
nur  unbeschädigt  mit,  sondern  sie  wissen  sie  auch  zu  be- 
wahren und  zu  hüten,  so  dass  sie  Früchte  tragen,  Handel, 
Wissenschaft  und  Litteratur,  dem  öffentlichen  und  dem  pri- 
vaten Leben  in  der  neuen  Heimat  nützen  und  zur  Ehre  ge- 
reichen. 

Im  Augenblicke,  da  wir  uns,  nach  vielleicht  allzu  langem 
Umherschweifen,  dem  Mittelpunkte  und  Hauptzwecke  unserer 
Arbeit  nähern,  entschlüpft  uns  diese  letzte  Digression.  Un- 
schwer dürfte  jedoch  die  Veranlassung  erkennbar  sein. 

Heinrich  Heine  kann  der  dritte  grosse  Deutsche  von  Ein- 
fluss in  Paris  genannt  werden,  wenn  wir  Grimm  und  Holbach 
als  die  beiden  ersten  bezeichnen.  Wirft  man  uns  vor,  Börne 
zu  vergessen,  so  erwidern  wir,  dass  dessen  Schriften  und 
Persönlichkeit  im  „tout  Paris"  unbemerkt  blieben.   Sie  drangen 


auf  einige  Zeitgenossen.  291 

nicht  durch.  Die  innere  Ursache  erklärt  folgende  kurze  und 
treffende  Charakteristik  dieses  edlen  Menschen  aus  der  Feder 
Cormenins:  „II  aimait  la  France,  comme  sa  seconde  patrie, 
il  Taimait  dans  l'interet  de  TAllemagne."  Während  ihm  sein 
Vaterland  dies  nicht  einmal  dankte,  blieb  und  ist  er  heute 
für  das  gebildete  Pubhkum,  ja  selbst  für  den  „lettre"  in  Paris, 
trotz  Loeve-Veimars,  ein  Unbekannter. 

Ganz  anders  Heine,  der  fast  von  Anfang  an  als  ein  her- 
vorragendes Mitglied  der  französischen  Litteratenzunft  be- 
trachtet und  anerkannt  wurde.  Ja,  als  er  längst  schon,  „ein 
poetisches  Gerippe",  an  sein  Schmerzenslager  geschmiedet 
war,  um  dort  Prometheus-Qualen  mit  jener  nie  dagewesenen 
Willensstärke  ')  und  diabolischen  Ironie  als  tröstende  Philo- 
sophie zu  erdulden,  —  da  leuchtete  noch,  obschon  er  persön- 
lich vergessen  und  vernachlässigt,  sein  funkelnder  Geist  mitten 
in  die  Wogen  des  Lebens  hinein,  —  nicht  wie  ein  plötzhch 
aufschnellendes  und  rasch  verschwindendes  Meteor,  sondern 
um  bleibende  Lichtstrahlen  —  und  auch  Schatten  zu  hinter- 
lassen. Die  Zeiten  allerdings,  da  alles  „ä  la  Heine"  war,  sind 
längst  dahin;  zum  Glück!  —  denn  „ä  la  Heine"  bedeutete 
sein  tödlicher  Witz,  sein  Satyrlächeln,  die  Krallen  seiner  zer- 
fleischenden Ironie.  Die  tieferen  Spuren  sollte  der  Sänger 
des  „Buches  der  Lieder",  der  Autor  der  „Reisebilder"  hinter- 
lassen, nicht  der  boshafte  Verfasser  des  Herrn  von  „Schnabele- 
woski". 

Von  Heines  Einfluss  auf  die  französische  Litteratur  ist 
unseres  Wissens  von  deutscher  Seite  so  gut  wie  nichts  ge- 
sagt worden.  Einzig  bei  Schmidt- Weissenfeis-)  fanden  wir 
denselben     zwar    kurz,     jedoch    ausdrücklich    betont,     aller- 


^)  Auch  ein  Vauvenargues,  der  edle  französische  Moralist,  wusste  mit 
stoischer  Ruhe  die  Leiden  langer  Jahre  heldenhaft  zu  erdulden  —  aber  er 
war  ein  charakterfester  Philosoph,  kein  Dichter,  „cette  chose  legere"  etc., 
kein  Sänger  der  Liebe  und  der  Freuden  und  Leiden  der  Welt. 

")   „Frankreichs  moderne  Litteratur  seit  der  Restauration",  Berlin  1865. 


292  H.  Heines  Einfluss 


dings  hauptsächlich  als  ein  verderbenbringender.  Richtig  ge- 
sehen hat  er,  wenn  er  (pag.  184)  sagt:  „Heine  war  entschieden 
auch  französischer  Dichter  geworden  und  derjenige,  der  einige 
Zeit  in  Prankreich  gelebt,  wird  einräumen,  dass  Heines  Geist 
auch  die  französische  Litteratur  beeinflusst  hat."^) 

Dass  Heines  kritische  und  historische  Arbeiten  Aufsehen 
erregten,  sowohl  durch  die  Darstellungsw^eise  als  auch  durch 
ihren  originellen  Inhalt,  dass  sie  die  französischen  Geister  be- 
schäftigten und  trotz  irreführender  Tendenzen  bildend  wirk- 
ten, haben  seine  deutschen  Biographen  schon  hervorgehoben. 
Auch  hat  hierüber  unser  zweite  Abschnitt  so  viel  Material 
geliefert,  dass  wir  es  füglich  unterlassen  können,  noch  einmal 
darauf  zurückzukommen. 

Schon  in  den  Jahren  1833 — 1834  finden  wir,  dass  sich 
die  leitenden  Männer  im  Heere  der  Litteraten  Heines  „Reise- 
bilder", „De  l'Allemagne",  „De  l'etat  actuel"  etc.  (die  Roman- 
tische Schule)  zum  geistigen  Eigentum  gemacht  haben,  das 
sie  nach  Bedarf  pro  und  contra  verwerten ;  Citationen  finden 
sich  um  diese  Zeit  bei  Lerminier,  Quinet,  de  Lagenevais 
(Blaze  de  Bury),  Ph.  Chasles,  Gustave  Planche,  Xav.  Mar- 
mier  u.  a.  in  Menge. 

Aber  auch  der  Einfluss  des  Schriftstellers  und  Dichters 
machte  sich  bereits  in  den  dreissiger  Jahren  geltend.  So 
konnte  A.  Sp.( — echt),  Kritiker  der  „Revue  des  deux  Mondes", 
ebendaselbst  (1.  Januar  1836)  in  einer  Besprechung  der  Reise- 
skizzen eines  Frederic  Meyer  u.  a.  bemerken:  „M.  Pr.  M. 
voyage  pour  son  plaisir  d'abord,  il  faut  le  croire,  et  surtout 
pour  se  donner,  entre  autres  satisfactions,  celle  d'imiter  Henri 
Heine,  dont  les  „Reisebilder"  ont,  des  leur  premiere  apparition, 


^)  Störend  wirkt  der  Ton,  der  sich  in  den  wenigen  Seiten,  die  hierüber 
handeln  und  manches  Bemerkenswerte  enthalten,  breit  macht.  Am  wenigsten 
steht  es  Herrn  Schmidt  an,  von  Heines  ^stinkendem,  gemeinen  Esprit"  zu 
reden,  denn  bei  ihm  läuft  nicht  selten  der  gemeine  Ausdruck  nackt  einher. 


It 


auf  einige  Zeitgenossen.  293 

fait  ecole  en  Allemagne  et  meme  en  France."  —  Eine  ähn- 
liche x^nspielung  findet  sich  in  den  Memoiren  der  Madame 
Jaubert  (pag.  302),  bei  der  man  die  Empfindung  hat,  als 
schweben  ihr  ganz  bestimmte  Persönlichkeiten  vor :  „Apres 
avoir,  en  silence,  päture  une  vingtaine  d'annees  sur  les  oeuvres 
d'Henri  Heine,  force  etait  aux  ecrivains  qui  le  citaient  de  le 
nommer." 

Gewiss  hat  die  kleine  Freundin  Hehies  zunächst  Theo- 
phile Gautier  im  Auge  gehabt,  von  dem  nun  die  Rede  sein 
soll.  „Theo"  gehörte  schon  zu  den  Bewunderern  des  Autors 
der  „Reisebilder",  bevor  er  diesen  persönlich  kannte,  und  als 
er  sein  Freund  wurde,  verwandelte  sich  das  Bewundern  in 
enthusiastische  Verehrung,  die  an  Schwärmerei  grenzte.  Seine 
Werke  weiss  er  auswendig.  In  den  zahlreichen  Schriften  des 
Dichters,  Romanschriftstellers  und  Kritikers  Gautier  wimmelt 
es  von  Stellen  aus  Heine.  Immer  fällt  ihm  ein  „bon  mot", 
ein  geistreicher  Einfall,  ein  originelles  Urteil  oder  ein  hübsches 
Lied  seines  Freundes  ein.  Ein  Beispiel  aus  vielen:  Die  Cha- 
rakteristik Denecourts  leitet  er  (in  den  „Portraits  contem- 
porains",  pag.  213)  mit  einer  Anspielung  auf  Heines  „Götter 
im  Exil"  wie  folgt  ein:  „H.  Heine,  dans  un  charmant  article, 
a  decrit  les  occupations  et  les  deguisements  des  dieux  en 
exil ;  il  nous  a  montre ,  apres  Favenement  triomphal  du 
christianisme,  les  olympiens  forces  de  quitter  leurs  Celestes 
demeures,  comme  au  temps  de  la  guerre  des  Titans,  et  s'adon- 
nant  ä  diverses  professions  en  harmonie  avec  le  prosai'sme 
de  l'ere  nouvelle"  etc.  .  .  . 

Wie  oft  erinnert  er  den  Leser  an  die  reizende  melan- 
cholische kleine  Ballade  vom  „Fichtenbaum  und  der  Palme" 
—  sie  hat  es  ihm  wie  so  vielen  seiner  Landsleute  angethan. 
„Kurz,  überall  in  Gautiers  Werken :  „Heine  disait,  Heine  ra- 
conte." 

Fragen  wir  uns  nun,  was  diesen  Romantiker  in  Heine 
anzog,  so  müssen  wir  zunächst  negativ  antworten  und  sagen, 


294  H.  Heines  Einfluss 


dass  dessen  lyrische  Natur  bei  Gautier  kein  dankbares  Echo 
gefunden.  So  scheint  es  wenigstens,  Avenn  wir  Gautiers  Werk 
als  einheitliches  Ganze  betrachten,  auf  das  das  Epitaph  seines 
Schülers  Cat.  Mendes  treffend  passt: 

„.  .  .  .  Mais  tous,  vierges  et  fleurs,  patres,  etoile,  oiseau, 
Ne  pleurez  pas,  malgre  la  plus  juste  des  causes, 
Car  celui  qui  dort  lä,  dans  un  bleme  lambeau, 
Sut  regarder  sans  pleurs  les  etres  et  les  choses." 

Wir  kommen  noch  auf  den  angeblichen  „poete  impas- 
sible"  zu  sprechen.^)  Zweifellos  ist  immerhin,  dass  ihn  besonders 
die  Plastik  des  Heineschen  Stils  sympathisch  berührte  und 
entzückte,  die  sich  auch  in  der  Uebersetzung  nicht  ganz 
verleugnete ;  dass  ihn  bei  Heine  der  eminente  Schönheits- 
sinn —  das  Griechische  —  und  das  blendende  Witzfeuerwerk 
fesselten.  Dabei  dürfen  wir  nicht  vergessen,  dass  Gautier,  den 
Vollblutromantiker,  alles  Fremdartige,  vom  Alltäglichen  Ab- 
weichende anziehen  musste. 

Heine  hat  bekanntlich  von  der  Frau  nicht  immer  als  von 
einer  holden  und  reinen  Blume  geschwärmt ;  oft  tritt  bei  ihm 
in  Prosa  und  Poesie  die  biblische  und  besonders  die  heidnische 
Auffassung  des  Weibes,  als  menschhches  Schönheitsideal,  von 
Moral  und  Charakter  ganz  abgesehen,  in  den  Vordergrund. 
Genau  so  fasste  Gautier,  der  bewundernde  und  geniessende 
Künstler,  das  „ewig  Weibliche"  auf.  „Je  verrais  une  belle 
creatur»,  que  je  saurais  avoir  l'äme  la  plus  scelerate  du  monde, 
qui  serait  adultere  et  empoisonneuse,  j'avoue  que  cela  me 
serait  parfaitement  egal  et  ne  m'empecherait  nullement  de 
m'y  complaire,  si  je  trouvais  la  forme  de  son  nez  convenable" 
(„Mademoiselle  de  Maupin",  chap.  IX). 


1)  Baudelaire  will  einem  ähnlichen  Gedanken  Ausdruck  geben,  wenn  er 
seine  berühmte,  an  Gautier  gerichtete  Widmung  der  „Fleurs  du  mal"  mit  den 
Worten  beginnt :  „Au  poete  impeccable,  au  parfait  magicien  es  lettres  fran- 
^aises"   etc. 


auf  einige  Zeitgenossen.  295 


Wie  viele  Parallelstellen  Hessen  sich  hiezu  aus  den  „Reise- 
bildern" und  dem  „Buch  der  Lieder"  heranziehen,  des  Dichters, 
der  jene  Strophe  wagte : 

Die  Welt  ist  dumm,  die  Welt  ist  blind, 
Wird  täglich  abgeschmackter! 
Sie  spricht  von  dir,  mein  schönes  Kind: 
Du  hast  keinen  guten  Charakter  etc. 

Wir  wissen,  mit  welch  peinlicher  Sorgfalt  Heine  an  seinen 
so  einfach  und  ungekünstelt  lautenden  Liedern  feilte.  Mit 
derselben  Sorgfalt  arbeitet  auch  Gautier  an  seinen  Gedichten, 
bis  Worte  und  Buchstaben  seinen  Künstlerblick  befriedigen. 
Das  Resultat  ist  allerdings  ein  anderes ;  ein  grundverschiedenes 
wird  es  auch  bei  Plaubert  sein,  der  seine  „Madame  Bovary" 
unter  den  „affres  du  style"  geboren  hat.  Das  Prinzip  aber 
ist  das  gleiche.     Es  ist  die  „l'art  pour  l'art^-Theorie. 

Die  Gebrüder  Goncourt,  die  ihres  intimen  Verkehrs  mit 
Gautier  wegen  immerhin  Vertrauen  beanspruchen  können, 
wollen  in  ihm  —  hier  kommen  wir  auf  die  nicht  uninteressante, 
oben  angedeutete  Frage  —  auch  Sentimentahtät  und  schwärme- 
rische Melanchohe  entdeckt  haben,  indem  sie  u.  a.  von  ihm 
sagen  („Journal",  Bd.  III,  192): 

Quel  causeur,  —  bien,  bien  superieur  ä  ses  livres,  quelque 
valeur  qu'ils  aient,  —  et  toujours  dans  la  parole  au  delä  de  ce  qu'il 
ecrit.  Quel  regal  pour  les  artistes  que  cette  langue  a  double  timbre, 
et  qui  mele  souvent  les  deux  notes  de  Rabelais  et  de  Henri  Heine : 
de  reno7"mite  grasse  ou  de  la  tendre  melancolie. 

(Bd.  III,  pag.  192.) 

Nach  reiflichem  Prüfen  stimmen  wir  den  Goncourt  bei, 
gegen  die  allgemeine  Ansicht,  der  unlängst  noch  Zola  und 
Faguet  das  Wort  geredet  haben,  es  habe  sich  Gautier  nie- 
mals gegen  die  gefühllose  Majestät  der  Formschönheit  ver- 
sündigt. Es  schien  uns  diese  Form-Infallibilität  bei  einem  so 
herzensguten  Menschen   schon   aus   psychologischen   Gründen 


296  H.  Heines  Einfluss 


unwahrscheinlich.  Wir  waren  fest  überzeugt,  bei  Gautier 
etwas  Aehnliches,  wie  Flauberts  Briefe  an  George  Sand,  zu 
finden.  Und  wir  haben  uns  nicht  getäuscht.  Wir  fragen  uns 
bloss,  ob  sich  diejenigen,  die  ihn  gänzlicher  Unempfindlichkeit 
zeiheten,  die  Mühe  genommen,  ein  wenig  in  seinen  Werken 
zu  blättern.  Liegt  denn  in  folgenden  Versen  etwa  kein 
Gefühl  ? 

Mes  cils  te  feront  de  l'ombre  ! 
Ensemble  nous  dormirons; 
Sous  mes  cheveux,  tente  sombre, 
Fuyons!  Fuyons! 

Sous  le  bonheur  mon  coeur  ploie! 
Si  l'eau  manque  aux  stations, 
Bois  les  larmes  de  ma  joie! 
Fuyons!  Fuyons! 

Und  so  Hesse  sich  besonders  aus  den  „Premieres  Poesies^' 
noch  manches  lyrisch  empfundene  Gedicht  eitleren.  Wie  ver- 
hält sich  die  Legende  vom  „poete  impeccable"  zu  dem  Bilde, 
das  er  in  der  biographischen  Skizze  Baudelaires  von  dem 
Dichterberufe  entwirft?  „Ah!  quelle  existence  triste,  precaire 
et  miserable  .  .  .  Toute  Sensation  lui  devient  motif  d'ana- 
lyse.  Involontairement  il  se  dedouble  (der  Dichter)  et,  faute 
d'autre  sujet,  devient  l'espion  de  lui-meme.  S'il  manque  de 
cadavre,  il  s'etend  sur  la  dalle  de  marbre  noir,  et,  par  un 
predige  frequent  en  litterature,  il  enfonce  le  scalpel  dans 
son  propre  coeur  .  .  .''  (Oeuvres  completes  de  Baudelaire,  I,  12.) 

Gautier  denkt  hier  nicht  nur  an  Baudelaire,  Musset, 
Heine  u.  a.,  sondern  auch  an  seine  eigene  Jugend,  an  die 
erste  dichterische  Schaffensperiode  seiner  jungen  Jahre. 

„Souvent  j'avais  occasion  de  lui  (Heine)  citer  Theo 
Gautier,  qui  etait  vraiment  imbu  des  poesies  et  de  l'esprit  de 
l'illustre  ecrivain."  So  wiederum  Madame  Jaubert  (pag.  303). 
Sehen  wir  uns  nun  das  poetische  Meisterwerk  Gautiers  „Emaux 


auf  einige  Zeitgenossen.  297 

et  Camees''  daraufhin  etwas  näher  an.  *)  Bei  einigen  der  be- 
kanntesten Stücke  ist  die  Anlehnung  an  Heinesche  Lieder 
eine  so  auffallende,  dass  es  kaum  glaublich  erscheint,  dass 
diese  bis  jetzt  unbeachtet  geblieben,  was  dennoch  —  Irrtum 
vorbehalten  —  der  Fall  ist.  —  Wir  führen  zunächst  die 
Ballade,  betitelt  „Caerulei  oculi"  an  (pag.  57): 

Caerulei  oculi. 

Une  femme  mysterieuse, 
Dont  la  beaute  trouble  mes  sens, 
Se  tient  debout,  silencieuse. 
Au  bord  des  flots  retentissants. 

Ses  yeux,  oü  le  ciel  se  reflete, 
Melent  ä  leur  azur  anier, 
Qu'etoile  une  humide  paillette, 
Les  teintes  glauques  de  la  mer. 

Dans  les  langueurs  de  leurs  prunelles, 
Une  gräce  triste  sourit; 
Les  pleurs  mouillent  les  etincelles 
Et  la  lumiere  s'attendrit. 

Et  leurs  cils,  comme  des  mouettes 
Quirasent  le  flot  aplani, 
Palpitent,  ailes  inquietes, 
Sur  leur  azur  indefini. 


^)  Von  einer  auf  gründlichen  Vergleichen  und  genauen  Untersuchungen 
beruhenden  Studie  von  Einfluss  und  Entlehnungen  kann  bei  der  Ausdehnung 
dieser  Arbeit  weder  bei  Gautier  noch  bei  den  zahlreichen  folgenden  Dichtern 
die  Rede  sein.  Dies  ist  Sache  von  Einzelforschungen,  die  hiermit  angeregt  zu 
haben  uns  mit  freudiger  Genugthuung  erfüllen  würde.  Wir  betrachten  es  bloss 
als  unsere  Aufgabe,  den  Einfluss  Heines  anzudeuten,  Anhaltspunkte  zu  geben, 
sein  Einwirken  beispielweise  festzustellen  oder  an  Hand  von  dichterischen 
Produktionen  als  möglich  oder  wahrscheinlich  zu  bezeichnen.  Zuweilen  werden 
wir  finden,  dass  Dichter  selbst  bekennen,  wie  Heine  sie  beeinflusst  hat. 


298  H.  Heines  Einfluss 


Comme  clans  l'eau  bleue  et  profonde 
Oü  dort  plus  d'un  tresor  coule, 
On  y  decouvre,  ä  travers  l'onde, 
La  coupe  du  roi  de  Thule. 

Sous  leur  transparence  verdatre 
Brille,  parmi  le  goemon, 
L'autre  perle  de  Cleopätre 
Pres  de  l'anneau  de  Salomon. 

La  couronne,  au  gouffre  lancee 
Dans  la  ballade  de  Schiller, 
Sans  qu'un  plongeur  l'ait  ramassee, 
Y  Jette  encor  son  reflet  clair. 

Un  pouvoir  magique  m'entraine 
Vers  l'abime  de  ce  regard, 
Comme,  au  sein  des  eaux,  la  sirene 
Attirait  Harald  Harfagar. 

Mon  äme,  avec  la  violence 
D'un  irresistible  desir, 
Au  milieu  du  gouffre  s'elance, 
Vers  l'ombre  impossible  ä  saisir. 

Montrant  son  sein,  cacliant  sa  queue, 
La  sirene,  amoureusement, 
Fait  ondoyer  sa  blancheur  bleue 
Sous  l'email  vert  du  flot  dormant. 

L'eau  s'enfle,  comme  une  poitrine 
Aux  soupirs  de  la  passion; 
Le  vent,  dans  sa  conque  marine, 
Murmure  une  incantation. 

„Oh!  viens  dans  ma  couche  de  nacre, 
Mes  bras  d'onde  t'enlaceront; 
Les  flots,  perdant  leur  saveur  acre, 
Sur  ta  bouche,  en  miel  couleront. 


auf  einige  Zeitgenossen.  299 


„Laissant  briiire,  sur  nos  tetes, 
La  mer  qui  ne  peut  s'apaiser, 
Nous  boirons  Foubli  des  tempetes 
Dans  la  coupe  de  mon  baiser." 

Ainsi  parle  la  voix  humide 

De  ce  regard  ceruleen, 

Et  mon  coeur,  sous  l'onde  perfide, 

Se  noie  et  consomme  Thymen. 

Dass  wir  es  hier  mit  einer  „Loreley  ä  la  Gautier"  zu 
thun  haben,  ist  in  die  Augen  springend.  Bezeichnend  ist, 
dass  Gautier  gerade  diesem  Namen  aus  dem  Wege  geht, 
während  er  den  König  in  Thule,  den  Taucher,  den  Fischer  etc. 
—  die  ihn  immerhin  auch  inspiriert  haben  mögen  —  er- 
wähnt. 

Ebenso  wenig  dürften  wir  mit  der  Behauptung  auf  Wider- 
spruch stossen,  dass  die  Grundidee  des  berühmten  Gedichtes 
„Nostalgies  d'obelisques"  und  des  Liedes  vom  „Pichtenbaum" 
eine  ähnliche  ist,  das  Büd  aber  genau  dasselbe,  bloss  mit 
anderen  Namen.  Charakteristisch  für  Gautiers  Manier  ist  seine 
Vertauschung  des  Rahmens.  Statt  sich  der  Natursymbolik  zu 
bedienen,  benützt  er  zwei  Obeliske  —  „l'obelisque  de  Paris" 
und  „l'obelisque  de  Luxor".  Die  beiden  Teile  des  Gedichtes 
umfassen  je  achtzehn  Strophen.  Wir  trennen  von  jedem  die 
erste;  es  entsteht  so  ein  zweistrophiges  Lied,  das  in  dieser 
Gestalt  erst  recht  seinen  Ursprung  nicht  zu  verleugnen 
vermag : 

I. 
L'obelisque   de  Paris. 

1. 

Sur  cette  place,  je  m'ennuie, 
Obelisque  depareille; 
Neige,  givre,  bruine  et  pluie 
Glacent  mon  flanc  dejä  rouille; 
2—18. 


300  H.  Heines  Einfluss 


II. 
L'obelisque   de   Luxor. 

1. 
Je  veille,  unique  sentinelle 
De  ce  grand  palais  devaste, 
Dans  la  solitude  eternelle, 
En  face  de  l'immensite. 

2-18. 

(Vergl.  Heines  „Ein  Fichtenbaum  steht  einsam".) 
(Elster,  Bd.  I,  pag.  78.) 

Wir  lassen  noch  einige  Gedichte  folgen,  die  sich  zwar 
nicht  direkt  an  ein  Lied  Heines  anlehnen.  Wir  meinen  aber, 
es  müsste  im  „Intermezzo"  irgend  ein  Vorbild  zu  finden  sein, 
so  sehr  erinnert  uns  der  zarte  Wortschmelz,  die  grosse  Ein- 
fachheit der  poetischen  Mittel,  die  singliche  Weise,  die  Natur- 
symbolik, bis  zur  kleinen,  pikanten,  ironischen  Dissonanz  des 
Schlussverses  —  wie  im  „Lied",  an  Heines  Lyrik.  Ganz 
Heine,  von  Anfang  bis  zum  Ende,  ist  das  erste  Gedicht: 


Le  monde  est   mechant. 

Le  monde  est  mechant,  ma  petite : 
Avec  son  sourire  moqueur, 
U  dit  qu'ä  ton  cote  palpite 
Une  montre  en  place  de  coeur. 

—  Pourtant  ton  sein  emu  s'eleve 
Et  s'abaisse,  comme  la  mer, 
Aux  bouillonnements  de  la  seve 
Circulant  sous  ta  jeune  chair. 

Le  monde  est  mechant,  ma  petite : 
H  dit  que  tes  yeux  vifs  sont  morts 
Et  se  meuvent,  dans  leur  orbite, 
A  temps  egaux  et  par  ressorts. 


auf  einige  Zeitgenossen.  301 


—  Pourtant  une  lärme  irisee 
Tremble  ä  tes  cils,  mouvant  rideau, 
Comme  une  perle  de  rosee 

Qui  n'est  pas  prise  au  verre  d'eau. 

Lo  monde  est  mechant,  ma  petite : 
II  dit  que  tu  n'as  pas  d'esprit 
Et  que  les  vers  qu'on  te  recite 
Sont  pour  toi  comme  du  sanscrit. 

—  Pourtant,  sur  ta  bouche  vermeille, 
Fleur  s'ouvrant  et  se  refermant, 

Le  rire,  intelligente  abeille, 

Se  pose  ä  chaque  trait  charmant. 

C'est  que  tu  m'aimes,  ma  petite, 
Et  que  tu  hais  tous  ces  gens-lä. 
Quitte-moi ;  —  comme  ils  diront  vite : 
Quel  coeur  et  quel  esprit  eile  a! 

Lied.  1) 

Au  mois  d'avril,  la  terre  est  rose 
Comme  la  jeunesse  et  l'amour; 
Pucelle  encor,  a  peine  eile  ose 
Payer  le  printemps  de  retour. 

Au  mois  de  juin,  dejä  plus  pale 
Et  le  coeur  de  desirs  trouble, 
Avec  Pete,  tout  brun  de  häle, 
Elle  se  Cache  dans  le  ble. 

Au  mois  d'aoüt,  bacchante  enivree, 
Elle  offre  ä  l'automne  son  sein, 
Et,  roulant  sur  la  peau  tigree, 
Fait  jailhr  le  sang  du  raisin. 

En  decembre,  petite  vieille, 
Dans  les  frimas  poudree  ä  blanc, 
Dans  ses  reves,  eile  reveille 
L'hiver  aupres  d'elle  ronflant. 


„Revue  de  Paris",  1.  Januar  1854. 


302  H.  Heines  Einfluss 

Pag.  215  : 

Plaintive  tourterelle. 

Plaintive  tourterelle 
Qui  roucoules  toujours, 
Veux-tu  preter  ton  alle 
Pour  servir  mes  amours  ? 

Comme  toi,  pauvre  am  ante, 
Bien  loin  de  mon  ramier, 
Je  pleure  et  me  lamente 
Sans  pouvoir  l'oublier. 

Vole,  et  que  ton  pied  rose, 
Sur  l'arbre  ou  sur  la  tour, 
Jamais  ne  se  repose, 
Car  je  languis  d'amour. 

Evite,  6  ma  colombe, 
La  halte  des  palmiers 
Et  tous  les  toits  oü  tombe 
La  neige  des  ramiers. 

Ya  droit  sur  sa  fenetre, 
Pres  du  palais  du  roi, 
Donne-lui  cette  lettre 
Et  deux  baisers  pour  moi. 

Puis  sur  mon  sein  en  flamme, 
Qui  ne  peut  s'apaiser, 
Reviens,  avec  son  äme, 
Reviens  te  reposer. 

Ein  letztes  Lied  erklärt  uns  —  und  bestätigt  das  Ge- 
sagte — ,  wie  nahe  es  lag,  dass  sich  die  Gedichte  Gautiers 
an  die  Heines  anlehnten^  wie  es  unausbleiblich  w^ar,  dass  er 
sich  an  der  Lyrik  unseres  Dichters  inspirierte.  Es  bekräftigt 
das  Wort  ihrer  gemeinsamen  Freundin :  „II  etait  vraiment 
imbu  des  poesies  et  de  l'esprit  de  l'illustre  ecrivain."  —  In 
,,La  bonne  soiree"  (pag.  217)  erzählt  er  uns  nämlich,    wie  er 


.M: 


auf  einige  Zeitgenossen.  303 


an  einem  unfreundlichen  Abend  den  Entschluss  fasste,  in  seinen 
vier  Wänden  zu  bleiben,  statt  sich  durch  Schnee  und  Regen 
zu  einem  Balle  zu  begeben.  In  der  letzten  Strophe  erfahren 
wir  nun,  wer  ihm  die  Zeit  verkürzte  und  traute  Gesellschaft 
leistete : 

J'ai  lä  r„Intermezzo"  de  Heine,  i) 

Le  „Thomas  Grain-d'Orge"  de  Taine, 
Les  deux  Goncourt; 

Le  temps,  jusqu'ä  Flieure  oü  s'acheve, 

Sur  l'oreiller,  l'idee  en  reve, 
Me  sera  court. 

Baudelaire   sagt    von    seinem  Meister    und  Freunde,    von 

dem   er   behauptet,   dass   er   einst   neben  La  Bruy^re,  Buffon 

und  Chateaubriand  genannt  werde:  „Par  sa  raillerie,  sa  gaus- 

serie,   sa  forme  decision  de  n'etre  jamais  dupe,   il  est  un  peu 

Frangais,  mais  s'il  etait  tout  ä  fait  Prangais,  il  ne  serait  pas 
poete."^-) 

Was  an  Gautier  nicht  französisch  war,  ist  zum  grössten 
Teile  Heines  Werk. 

Merkwürdig,  dass  die  beiden  intimsten  Freunde  Heines 
in  Paris  mit  die  sympathischsten  Dichter  der  französischen 
Romantik  waren,  merkwürdig  deswegen,  weil  uns  so  viel 
von  seiner  Rücksichtslosigkeit,  egoistischen  Laune  und  Un- 
fähigkeit, sich  Freunde  zu  w^ahren,  erzählt  wird.  Der  zweite 
dieser  liebenswürdigen  Poeten,  die  sich  vom  Genie  des  deut- 
schen Freundes  beeinflussen  Hessen,  ist  Gerard  de  Nerval, 
wie  Gautier  längst  schon  ein  alter  Bekannter.  Die  Nacht  des 
Wahnsinns  hatte  ihn  bereits  umschlungen,  als  er  für  Arsene 
Houssaye  jene  Ballade  „ä  la  Heine"  improvisierte,  in  der  er 
auf  seinen  Liebesschmerz  anspielte,  welcher  sein  ganzes  Leben 


^)  Der  Philologe  erlaubt  sich,  auf  das  Reimwort  aufmerksam  zu  machen, 
das  uns  der  strengsten  Textkritik  gemäss  unverbrüchliche  Auskunft  über  die 
französische  Aussprache  des  Namens  Heine  gibt. 

^)    „L'art  romantique",  pag.  187. 


h 


304  H.  Heines  Einfluss 

zerrüttete.  Es  ist  dies  das  erste  und  bekannte  ^)  „poeme  en 
prose",  die  Dichtungsart,  die,  wie  wir  noch  sehen  werden, 
bei  den  Modernen  so  grosses  GKick  machen  sollte.  Nerval 
nahm  hier  seine  eigenen  Uebertragungen  Heines  zum  Vor- 
bild. Interessant  sind  im  Anschluss  hieran  seine  Betrachtungen, 
die  wir  dem  Werke  „De  la  poesie  allemande"  (pag.  65)  ent- 
nehmen. 

II  est  difficile  de  devenir  un  hon  prosateur,  si  Fon  n'a  pas  ete 
poete  —  ce  qui  ne  signifie  pas  quo  tout  poete  puisse  devenir  un 
prosateur.  Mais  comment  s'expliquer  la  Separation  qui  s'etablit  pres- 
que  toujours  entre  ces  deux  talents  ?  II  est  rare  qu'on  les  accorde 
tous  les  (leux  au  meme  ecrivain :  du  moins  Fun  predomine  Fautre. 
Pourquoi  aussi  notre  poesie  n'est-elle  pas  populaire  comme  celle  des 
AUemands?  C'est,  je  crois,  qu'il  faut  distinguer  toujoitrs  ces  deux 
styles  et  ces  deux  genres,  —  chevaleresque  —  et  gaulois,  dans  Fori- 
gine  qui,  en  perdant  leurs  noms,  ont  conserve  leur  division  generale. 
On  parle,  en  ce  moment,  d'une  collection  de  chants  nationaux  recueillis 
et  publies  ä  grands  frais.  La,  sans  doute,  nous  pourrons  etudier  les 
rythmes  anciens  conformes  au  genie  primitif  de  la  langue,  et  peut- 
etre  en  sortira-t-il  quelque  moyen  d'assouplir  et  de  varier  ces  coupes 
belles  mais  monotones  que  nous  devons  ä  la  reforme  classique.  La 
rime  riebe  est  une  grace,  sans  doute,  mais  eile  ramene  trop  souvent 
les  memes  formules.  Elle  rend  le  recit  poetique  ennuyeux  et  lourd 
le  plus  souvent  et  est  un  grand  obstacle  a  la  popularite  des  poemes. 

Wir  ersehen  hieraus  wiederum  deutlich,  woher  die  fran- 
zösische Boheme-Romantik  ihre  Inspirationen  und  Neuerungen 
zum  grossen  Teil  schöpfte. 

Wie  hoch  Nerval  seinen  Freund  als  Dichter  stellte,  wie 
bedeutend  er  dessen  Einfluss  auf  beiden  Seiten  des  Rheines 
anschlug,  geht  noch  aus  folgender  Stelle  hervor  2)  (pag.  316): 

Cette  manie,  cependant,  touclia  bientot  ä  son  terme,  et  Heine 
fut,  pour  ainsi  dire,  le  precurseur  lyrique  de  notre  revolution  de 
juillet  qui,  en  Allemagne,  produisit  tant  de  resultats  litteraires. 


1)  Abgesehen  von  einem  ähnlichen  Versuche  des  später  zu  erwähnenden 
Bertrand. 

2)  In  der  Ausgabe  „Faust  et  le  second  Faust",  Paris,  Garnier  freres,  1877. 


auf  einige  Zeitgenossen.  305 


En  effet,  ce  fut  Heine  qui,  se  separant  entierement  de  la  forme 
purement  objeetive  de  Gffitlie  et  d'Uliland,  sans  adopter  la  maniere 
opposee  de  Schiller,  sut  rendre,  par  des  procedes  d'art  inconnus 
jusqu'ä  lui,  ses  sentiments  personnels  pleins  de  poesie,  de  melancolie 
et  meme  d'ironie,  sous  une  forme  neuve,  revolutionnaire  memo,  qui 
ne  cessa  pas  pour  cela  d'etre  tres  populaire.  Heine  fit  ecole ;  un  essaim 
considerable  de  jeunes  poetes  lyriques  tacherent  de  l'imiter;  mais 
aueun  d'eux  n'eut  ni  son  genie,  ni  meme  sa  maniere  de  faire  le  vers, 
qui  n'est  qu'ä  lui.  Ce  qu'il  y  a  d'extraordinaire  en  Heine,  c'est  qu'il 
a  exclu  entierement  la  politique  de  ses  chants,  bien  que  la  forme 
de  ces  memes  chants  denote  un  esprit  revolutionnaire  et  absolu. 
Abstraction  faite  de  l'ironie  lyrique  de  Heine,  de  cet  esprit  railleur 
dont  il  sait  afFubler  une  phrase  serieuse,  Heine  a  compose  des  chants 
vraiment  classiques,  des  chants  populaires  que  tous  les  jeunes  gens 
en  Allemagne  savent  par  coeur. 

Heine  est,  parmi  les  nouveaux  poetes  lyriques,  le  dernier  du 
temps  ancien  et  le  premier  de  notre  ere  moderne,  et  il  a  eclipse  bien 
des  reputations  a  demi  evanouies. 

Von  Heines  Manier  und  Einfluss  zeugen  ferner  die  geist- 
und  humorvollen,  in  musterhafter  Sprache  verfassten  „Voyage 
en  Grece"  und  besonders  „Voyage  en  Orient".  ^)  In  diesen 
Reisestudien,  die  seiner  besten  Schaffensperiode  angehören, 
verriet  er  echten  Künstlerenthusiasmus  mit  einschmeichelnder 
Schalkhaftigkeit;  über  beiden  schwebt  ein  leiser  Anflug  von 
Melancholie.  In  seinen  Liedern,  die  wir  in  dem  Bande  „La 
boheme  galante"  (1856)  neben  kleinen  Skizzen  und  Novellen 
gesammelt  finden,  ist  Inspiration  deutscher  Lyrik  leicht  er- 
kennbar. Der  specifische  Einfluss  Heinescher  Poesie  ist  hier 
schwer  zu  unterscheiden.  Gleichwohl  erinnert  manches  an 
Heines  Art,   wie  z.  B.    das   Gedicht   „La   cousine"    (pag   49): 

La  cousine. 

L'hiver  a  ses  plaisirs,  et  souvent,  le  dimanche, 
Quand  un  peu  de  soleil  jaunit  la  terre  blanche, 
Avec  une  cousine  on  sort  se  promener  .  .  . 
—  „Et  ne  vous  faites  pas  attendre  pour  diner," 
Dit  la  mere. 

')   Neue  Ausgabe  in  zwei  Bänden,  Charpentier,  1889. 
Betz,  Heine  in  Frankreich.  20 


306  H.  Heines  Einfluss. 


Et  quand  on  a  bien,  aux  Tuileries, 
Vu,  sous  les  arbres  noirs,  les  toilettes  fleuries, 
La  jeune  fille  a  froid  ...  et  vous  fait  observer 
Que  le  brouillard  du  soir  commence  ä  se  lever. 

Et  Ton  revient,  parlant  du  beau  jour  qu'on  regrette, 
Qui  s'est  passe  si  vite  ...  et  de  flamme  discrete. 
Et  Ton  sent,  en  rentrant,  avec  grand  appetit, 
Du  bas  de  l'escalier,  —  le  dindon  qui  rotit. 

Obschon  bei  Beranger  von  einem  Einfluss  Heines  nicht 
die  Rede  sein  kann  —  höchstens  von  einem  solchen  Uhlands, 
den  der  Chansonnier  hoch  verehrte  — ,  so  ist  doch  mit  Recht 
behauptet  worden,  dass  er  sich  von  den  Schilderungen  des 
„Tambour  le  Grand"  inspirieren  Hess.  Das  „Grenadierlied" 
Heines  hatte  schon  längst  die  Runde  in  der  lesenden  Welt 
gemacht,  bevor  Beranger  seine  „Le  vieux  drapeau"  und  „Le 
vieux  sergent"  gesungen.  In  dem  letztern  Liede  hat  er  Heines 
Wort  von  dem  künftigen  heiligen  Grabe  auf  St.  Helena  benützt. 

Hier  wäre  auch  Charles  Monselet  (1825—1888)  zu  er- 
wähnen. Reymond  sagt  von  ihm :  ')  „M.  Monselet  publia  un 
volume  de  chansons  bachiques  (1855)  dans  le  rhythme  des 
Lieder  allemands,  qu'il  intitula  „Les  vignes  du  Seigneur"" 
(Paris,  Lecou,  1855  —  seltenes  Büchlein).  Dieser  typische 
Boulevarddichter  war  geistreich  in  Prosa  und  Vers.  Er  musste 
sich  zu  Heine  hingezogen  fühlen,  den  er  gekannt  hatte.  Seine 
zahlreichen  zerstreuten  Schriften,  in  denen  der  Autor  der 
„Reisebilder"  zweifelsohne  Spuren  hinterlassen,  konnten  wir 
nicht  konsultieren.  Wir  eitleren  hier  nur  aus  obiger  Sammlung 
ein  charakteristisches  Gedicht,  das  an  Heines  Kontrast-Lyrik 
anklingt.  Monselet  hat  es  nie  zu  einheitlichem  ernsten 
Schaffen  gebracht.  Er  ist  eine  bric-ä-brac-Figur  der  aus- 
gehenden Romantik. 


')  L.  c.  pag.  182.  —   Süpfle,  der  Reymond  nicht  kennt  und  nicht  nennt, 
gibt  Bd.  III,  pag.  83,  jene  Zeilen  in  wörtlicher   Uebeisetzung  wieder. 


■t 


auf  einige  Zeitgenos'sen.  307 


Mademoiselle  Clorinde. 

L'autre  nuit,  comme  ils  etaient  onze 
Qui  soupaient  ä  la  Maison-d'Or, 
Sous  une  table  aux  pieds  de  bronze 
Deux  d'entre  eux  parlaient  d'elle  encor: 

—  Elle  est  morte,  c'est  grand  dommage, 
La  perle  du  quartier  Breda! 
Mieux  eüt  valu,  pour  ce  voyage, 
S'en  aller  Rosine  ou  Clara. 

C'etait  une  petite  blonde, 
Nee  ä  seize  ans  et  morte  ä  vingt; 
Enfant  qui  trop  tot  vint  au  monde, 
Enfant  qui  trop  tot  s'en  revint. 

Un  des  princes  de  la  finance 
L'avait  tiree  on  ne  sait  d'oü.* 
Chez  eile  eclatait  l'elegance : 
II  l'entourait  d'un  luxe  fou. 

Dans  les  plis  d'un  peignoir  cacliee, 
Les  genoux  sous  eile  tapis, 
Reveuse,  eile  vivait  couchee 
Sur  les  fleurs  de  son  grand  tapis. 

Nulle  n'etait  plus  provoquante, 
Dans  nos  nuits  de  pornpeux  gala; 
A  la  fois  marquise  et  bacchante : 
C'etait  Clorinde!  —  Pleurons-la. 

Adieu,  notre  jeune  compagne; 
Tu  t'en  vas  au  milieu  du  jour, 
L'estoraac  ruine  de  Champagne 
Et  le  cceur  abime  d'amour. 

Un  menuisier,  une  portiere, 
Deux  personnes,  uniquement, 
La  suivirent  au  cimetiere : 
Sa  mere  et  son  premier  amant. 


308  H.  Heines  Einfluss 


E.  Montegut  ^)  hat  darauf  hingewiesen,  dass  Heine  jene 
Lehre  von  der  Rehabilitation  des  Fleisches  gegenüber  dem 
christlichen  Spiritualismus  nicht  erst  bei  den  Saint-Simonisten 
geholt  habe,  wie  dies  gewöhnlich  angenommen  werde,  son- 
dern dass  dieselbe  schon  im  „Almanzor"  in  ihrer  berauschen- 
den Immoralität  hervortrete.  Ganz  bestimmte  Formen  habe 
sie  dann  in  „De  PAllemagne"  angenommen,  wo  sie  offen  und 
mit  des  Dichters  ganzer  Beredsamkeit  gepredigt  sei.  Und  nun 
geht  Montegut  noch  weiter  und  ist  geneigt,  gerade  das  Um- 
gekehrte zu  glauben,  nämlich,  dass  Heine  es  war,  der  die  Saint- 
Simonisten  beeinflusst,  indem  er  sagt  (pag.  262):  „Non  seule- 
ment  il  ne  dut  pas  cette  doctrine  aux  saint-simoniens,  mais  je 
suis  tres  porte  ä  soupgonner  que  c'est  au  contraire  de  lui  qu'elle 
leur  vint,  et  que  c'est  par  ses  ecrits  et  ses  conversations 
qu'il  leur  insuffla  cette  religiosite  pantheistique,  ce  „brio" 
thaumaturgique  et  cette  virtuosite  de  predicants  qui  distin- 
guerent  un  instant  quelques-uns  d'entre  eux." 

Wir  führen  die  Hypothese,  wie  gesagt,  bloss  ihrer  Neu- 
heit wegen  an  und  überlassen  die  Diskussion  den  Sachver- 
ständigen. 

Man  wird  sich  wundern,  den  Namen  Alfred  de  Mussets 
hier  an  letzter  Stelle  genannt  zu  finden.  Wiederholt  ist  von 
französischen  Litteraten  auf  Anklänge  an  Heinesche  Poesie 
hingedeutet  worden.  Allein  mit  einem  wissenschaftlichen 
Nachweise  hat  es  seine  Schwierigkeiten.  Denn,  abgesehen 
von  dem  stolzen  Proteste  Mussets,  der  mit  den  berühmten 
Versen  schliesst: 

„Je  hais,  comme  la  mort,  l'etat  de  plagiaire ; 

Mon  verre  n'est  pas  grand,  mais  je  bois  dans  mon  verre." 

darf  bei  etwaigen  Aehnlichkeiten  nicht  die  bereits  besprochene 
Geistesverwandtschaft   der  beiden  Dichter  übersehen  werden. 

1 


1)    Cf.  Abschnitt  II. 


ä 


auf  einige  Zeitgenossen.  309 


Ein  erstaunlicher  Zufall  wäre  es  ja  zu  nennen,  wenn  diese 
zeitgenössischen,  durch  und  durch  spontanen  und  subjektiven 
Poeten  nicht  auch  Aehnliches  geschaffen  hätten.  Daher  muss 
ein  Nachweis  von  Entlehnungen  mit  der  grössten  Vorsicht 
geführt  werden.')  Ohne  verblüffende  Enthüllungen  zu  ver- 
sprechen, können  wir  jetzt  schon  versichern,  dass  auch  Musset 
zu  denen  gehört,  die  an  dem  reichen  Pokale  Heines  genippt 
haben,  wie  das  schon  vor  Montegut  und  Hennequin  von 
Reymond  hervorgehoben  wurde.-)  Während  Hennequin^)  nur 
mit  den  wenigen  Worten:  „Teile  page  des  „Reisebilder" 
peut  etre  comparee  exactement  ä  une  page  des  nouvelles  de 
Musset"  auf  eine  eventuelle  Anlehnung  hindeutet,  führt 
Montegut  diesen  Gedanken  näher  aus:^)  „Ce  genie  et  ces  li- 
mites  avaient  apparu,  en  effet,  avec  la  plus  lumineuse  evidence 
dans  un  volume  public  en  1823,  sorte  de  „Spectacle  dans  un 
fauteuil",  qui  semble  vraiment  avoir  servi  de  prototype  au 
fameux  volume  de  Musset,  tant  il  est  compose  d'une  maniere 
analogue.  Deux  poemes  dramatiques,  comme  dans  le  recueil 
de  Musset:  „Almanzor"  et  „William  Ratcliff",  separes  par  une 
Serie  de  „heds",  „l'Intermezzo",  qui  tient  la  place  de  „Namouna". 
Einer  der  Uebersetzer  des  „Intermezzo",  Claveau,  hat 
eine  ähnliche  Anspielung  in  einem  Gedichte,  das  er  seiner 
Uebertragung  vorausschickt,  sogar  in  Verse  gebracht.^) 

I. 

Heine,  sauf  qu'il  est  AUemand, 
A  fait  une  chanson  que  j'aime, 
Une  chanson  de  sentiment, 
ßref,  un  admirable  poeme. 


^)  Es  versteht  sich  von  selbst,  dass  wii-  in  der  Abschnitt  I,  pag.  33, 
versprochenen  Studie  auch  hierauf  näher  eingehen  werden. 

2)  Henri  Heine  et  Alfred  de  Musset  („Revue  des  cours  litteraires  de 
la  France  et  de  l'Etranger",  28.  April  1866). 

^)    Ecrivains  francises,  pag.   65. 

-*)    „Revue  des  deux  Mondes",  1884,  pag.  260. 

^)    „Revue  contemporaine",  15.  September  1863. 


310  H.  Heines  Einfluss. 


Son  „Intermezzo",  comme  on  dit, 
A  vu  bien  souvent,  je  le  gage, 
Sur  certaine  petite  page, 
Pleurer  Nerval  qui  se  pendit. 

II  parait  que  c'est  un  travers, 
Commun  ä  vous  autres  poetes, 
De  mettre  tous,  tant  que  vous  etes, 
Vos  grands  chagrins  en  petits  vers; 

Car  Musset  broda  finement, 
En  bon  fran§ais,  le  pareil  thenie, 
Et  recommen§a  le  poeme 
Ecrit,  par  l'autre,  en  allemand. 

II  en  fit  meme  deux  ou  trois 
Qui  sont  de  fort  jolis  blasphemes; 
Mais  aueun  d'eux  ne  vaut,  je  crois, 
Ceux  que  les  hommes  fönt  eux-memes. 

Dieses  Kapitel  lehrt  uns,  dass  der  Einfluss  Heines  in  der  be- 
sprochenen Litteraturepoche,  bei  Gautier  etwa  ausgenommen, 
schwer  von  dem  allgemeinen  Einfluss  deutscher  Dichtung 
auf  die  französische  Romantik  zu  scheiden  ist.  Wie  sehr  sich 
diese  mit  der  Persönlichkeit  Heines  überhaupt  zusammen- 
werfen und  decken  lässt,  illustriert  eine  geistreich  lakonische 
Definition  des  Symbolistenkritikers  Charles  Morice:  „Le  Ro- 
mantisme  est  une  enfance  capricieuse,  volontiers  mechante  et 
triste,  avec  des  eclats  de  gaiete,  de  naivete."  ^) 

Wenn  bis  jetzt  von  einem  Einfluss  Heines  in  seinen 
Biographieen  etc.  die  Rede  war,  so  waren  damit  ausschliess- 
lich   die  Vertreter  der   Romantik  gemeint.-)     Zu  dem  wenig 


')    „La  litteratuve  de  tout  {\  Tlieure",  Penin,  1880. 

2)  Auch  G.  Brandes  widmet  einen  kurzen  Abschnitt  seines  Buches  „Die 
romantische  Schule  in  Frankreich"  (pag.  41—54)  dem  fremden  Einfluss  auf 
die  französische  Romantik.  Diese  Seiten  des  Autors  des  treflflichen  Werkes 
„Die  Hauptströmungen  der  Litteratur  des  XIX.  Jahrhunderts"  kamen  leider 
zu  spät  in  unsere  Hände,  um  hier  verwertet  zu  werden. 


auf  einige  Zeitgenossen.  311 


Bekannten  konnten  wir  hier  wenig  Nevies  hinzufügen,  wenig 
nämlich  im  Verhältnis  zu  dem,  was  wir  noch  im  weiteren 
Verlauf  unserer  Arbeit  zu  bringen  versprachen.  Bevor  wir 
aber  einige  unbeschriebene  Seiten  der  Heineforschung  zu 
füllen  gedenken,  müssen  wir,  unserm  bisher  befolgten  Plane 
gemäss,  litterarisch  den  Weg  bahnen  und  noch  ein  Wort  von 
modernem  deutschen  Einfluss  sagen.  Vieles  hierüber  Ver- 
öffentlichte werden  wir  verbessern  und  ergänzen  müssen. 


312  H.  Heines  Einflusf 


Drittes  Kapitel 

Einiges  über  den  modernen  deutschen 

Einfluss 


In  der  Mitte  dieses  Jahrhunderts  war  Deutschland  für 
Prankreich  immer  noch  das  Land  der  Balladen,  der  Burgen 
und  Burggrafen,  der  Feen,  Wassernixen  und  Zwerge,  eine 
Art  bric-ä-brac-Magazin  des  Mittelalters,  wie  es  sich  die 
ersten  Romantiker  schon  vorgestellt  hatten;  —  und  dies 
trotz  Heine,  Quinet  und  andern,  die  es  nicht  vermochten,  den 
Eindruck  des  „De  l'AUemagne"  der  Madame  de  Stael  zu 
verwischen. 

Erst  mit  Saint-Rene  Taillandier  sehen  wir  eine  Reihe 
von  hochgebildeten  Gelehrten  in  der  französischen  Litteratur 
auftreten ,  die  sich  nicht  damit  begnügten,  deutsch  und 
Deutsches  zu  „ahnen",  wie  einst  Sainte-Beuve.  Wir  erinnern 
an  die  grossen  Namen  der  Taine  und  Renan;  ferner  an  E. 
Montegut  und  V.  Cherbuliez  (Valbert),  den  protestantischen 
Schv/eizer-Franzosen,  der  in  würdiger  Weise  das  Erbteil 
Taillandiers  in  der  „Revue  des  deux  Mondes'^  angetreten 
hat,  und  endlich  an  den  trefflichen  Germanisten  und  Litterar- 
historiker  Arthur  Chuquet,  den  Ludwig  Bamberger  mit 
Recht    als    ein    „Muster    objektiver    Geschichtsschreiberei"  0 


1)  Vergl.   „Arthur  Chuquet"    von  Ludwig   Baniberger  in  der   „Deutscheu 
Rundschau",  November  1892. 


1 


Einiges  über  den  modernen  deutschen  Einfluss.  313 

bezeichnet,  —  und  dessen  Geistesverwandte,  die  ebenso  vor- 
urteilsfreien Albert  Sorel  und  Gabriel  Monod.  Bei  einem 
systematischen  und  gründlichen  Studium  deutschen  Ein- 
flusses in  Frankreich  wäre  also  zunächst  die  Einteilung  zu 
treffen:  vor  und  nach  Taillandier,  und  hierauf  vor  und  nach 
1870/71.*)  Denn  trotz  der  aufklärenden  Thätigkeit  der  Ge- 
nannten und  der  Gleichgesinnten,  trotz  der  warnend  prophe- 
tischen Worte  Heines,  muss  gesagt  werden,  dass,  vor  der 
Kriegskatastrophe,  weder  die  grosse  Masse  des  Volkes,  noch 
die  kleine  Zahl  der  Gebildeten  —  einige  wenige  Stimmen 
ausgenommen  —  das  wahre,  vor  allem  das  neue,  einige 
Deutschland  wirklich  kannten  und  daher  zu  schätzen  und 
zu  —  fürchten  wussten.^)  Während  die  Halbbildung,  die 
etwas  von  Goethe  und  Schiller  in  den  Mauern  der  „Colleges" 
hatte  läuten  hören,  mit  spöttelndem  Horror  von  der  dunkeln 
Geistestiefe  der  germanischen  Philosophen  sprach,  sich  immer 
noch  die  „blonde  Allemagne''  als  das  Land  schwärmerischer 
Sentimentalität  vorstellte,  in  dem  Dichter,  Philosophen  und 
Künstler  ein  paradiesisches  Leben  führen,  —  blieb  man  blind 
für  die  Veränderung,  die  sich  seit  Kant,  Hegel,  Herder  und 
Goethe  —  jenen  grossen  Lehrern  von  Taine  und  Renan  — 
im  deutschen  Parnass  und  deutschen  Nationalbewusstsein 
vollzogen  hatte.  Richtig  ist  es  allerdings,  dass  Frankreich 
schon  vor  1870  im  regsten  Geistesverkehr  mit  seinem  Nach- 
barstaate stand  —  aber  es  war  in  seiner  Kenntnis  deutscher 
Dinge  um  ein  halbes  Jahrhundert  zurückgeblieben  —  eben 
bei  den  genannten  Geistesheroen.  Daher  kommt  es,  dass  man 
von  deutscher  Seite  allgemein  hört  —  Dr.  Süpfle  und  Meissner 
inbegrifPen    — ,    dass  Prankreichs  Interesse    für    die    deutsche 


^)   Wir  gehen  hier,  wenn  wir  nicht  irren,  mit  Dr.  Meissner  einig. 
-)  .  .  .  Malgre  Henri  Heine,  (V AUemagne  de  Madame  de  Statl)  est 
restee  jusqu'en  1870  V AUemagne  de  nos  litter ateu7'S  et  de  nos  artistes. 

Koire   de   la   litterature   franc^nise"    par   Gustave   Lanson.    Paris,  Hachette, 
(0,  pag.  865.) 


314  H.  Heines  Einfluss. 


Litteratur  seit  1870  gefallen  sei,  weil  es  sich  eben  heute 
weit  mehr  um  die  Zeitlitteratur  und  -Wissenschaft  kümmert, 
als  um  die  grossen  Klassiker. 

Ferdinand  Gross  hat  sich  in  einer  Studie  über  „Goethes 
Werther  in  Prankreich"  (Leipzig,  ohne  Jahrzahl)  veranlasst 
gesehen,  auch  seine  Entdeckungen  und  Ansichten  über  deut- 
schen Einfluss  im  allgemeinen  zum  besten  zu  geben.  So 
behauptet  er  u.  a.  (pag.  15):  „Etwa  von  1840 — 1870  herrscht 
in  Frankreich  eine  gar  nicht  verhehlte  Gleichgültigkeit  gegen 
die  deutsche  Litteratur."  Die  beste  Erwiderung  dürfte  in 
einer  Stelle  von  Fr.  Kreyssigs  „lieber  die  französische  Geistes- 
bewegung im  XIX.  Jahrhundert"^)  liegen  (pag.  124):  „Es 
muss  überhaupt  gesagt  und  betont  werden :  ein  Strom  deut- 
schen, englischen,  amerikanischen,  belebenden  Einflusses,  wie 
Frankreich  ihn  noch  nie  früher  empfunden,  geht  durch  das 
siebente  Jahrzehnt  dieses  Jahrhunderts.  Es  ist  der  deutsche 
GedankiB,  der  in  dieser  ganzen  eifrigen  Geistesarbeit  gährt, 
sich  in  das  keltisch-romanische  Wesen  einbohrt." 

Dieser  fremde  Einfluss  beginnt  schon  seit  den  sechziger 
Jahren  in  immer  steigendem  Masse  auf  den  gallisch-latei- 
nischen Geist  der  französischen  Nation  einzuwirken.  Wenn 
schon  im  XV.  Jahrhundert  Italien,  im  XVI.  Spanien  und  im 
XVIII.  England  begonnen  hatten,  den  „esprit  gaulois"  umzu- 
gestalten, so  that  noch  das  „Eindringen"  anglo-germanischen 
Geistes  das  Uebrige,  damit  für  die  Zukunft  der  reinen  Natio- 
nalpoesie der  Boden  entzogen  wurde.  Indessen  gewiss  nicht 
zu  Frankreichs  Schaden;  denn  nationale  Litteratur  allein 
war  nie  im  stände,  die  herrschenden  Ideen  und  Gefühle  eines 
Zeitalters  zu  umfassen.  Das  Genie  denkt,  dichtet  und  schaff't 
für  alle  Völker  insgesamt.  Eine  Litteratur,  die  dasselbe  nicht 
beachtet,  aufnimmt  und  verwertet,  muss  zurückbleiben. 


^)   Drei  Vorträge  von  Fr.  Kreyssig,  Berlin  1873. 


Einiges  über  den  modernen  deutschen  Einfluss.  315 

DawS  Eindringen  deutschen  Geistes  und  litterarischen  Ein- 
flusses haben  bedeutende  französische  Litterarhistoriker,  wie 
Brunetiere,  G.  PeUssier,  Paul  Albert,  J.  J.  Weiss,  Edmond 
Scherer  und,  als  einer  der  ersten,  Reymond,  nicht  nur  zu- 
gegeben, sondern  auch  selbst  nachgewiesen,  ja  sogar  zum 
Teil  begrüsst.  Am  kompetentesten  in  dieser  Frage  hat  sich 
der  talentvohe  E.  Hennequin  gezeigt,  dessen  Arbeiten  einen 
sichern  Blick,  grosse  Kenntnisse  und  einen  originellen  Kopf 
verraten. 

Wiederholt  stiessen  wir  auf  die  durchaus  irrtümliche  Be- 
hauptung, dass  sich  die  Franzosen  seit  1870  gegen  alles,  was 
deutsch  ist,  somit  auch  gegen  deutsche  Litteratur,  starr  ab- 
schliessen.^)  Gerade  das  Umgekehrte  ist  der  Fall.  Oberfläch- 
lich waren  ihre  diesbezüghchen  Kenntnisse  zum  grossen  Teil 
vor  1870.  Nicht  mit  Unrecht  sehen  sie  in  dieser  Ignoranz 
eine  der  Ursachen  ihrer  Niederlage.  Seit  1870  ist  Deutsch- 
land allerdings  nicht  mehr  das  Land,  über  das  man  bloss 
schwungvolle  Vorträge  hält  und  geistreiche  Artikel  schreibt, 
sondern  das  Land,  dessen  Sprache,  Litteratur  und  Geschichte 
man  mit  Ernst  studiert.  Erst  seit  1870  sind  deutsche  Klas- 
siker mit  vernünftigem  Kommentar  zum  obligatorischen  Schul- 
buche  geworden.     Niemals   zuvor,    auch   nicht   zur  Zeit,    als 


^)  Natürlich  ist  auch  Ferdinand  Gross  dieser  Ansicht,  nachdem  er  (pag.  15) 
behauptet :  „Die  Franzosen  wollen  es  nicht  Wort  haben,  dass  jemals  ein 
Tropfen  Blutes  der  deutschen  Litteratur  in  die  Adern  der  französischen  über- 
gegangen." Statt  bei  den  Obengenannten,  scheint  sich  Gross  bei  Tissot  &  Co. 
unterrichtet  zu  haben.  —  Naiv  klingt  sein  Vorwurf,  dass  die  Franzosen  die 
deutschen  Klassiker  heute  weniger  lesen  als  im  Anfange  des  Jahrhunderts. 
Wie  steht  es  denn  mit  diesen" in  der  eigenen  Heimat?  Wird  dort  etwa  „Wilhelm 
Meister"  mehr  gelesen  als  der  französische  Roman  (im  Original,  in  der  Ueber- 
setzung  oder  als  Kopie)?  Oder  sind  wohl  in  Deutschland  Lamartine  und  Hugo 
so  bekannte,  vielgelesene  Grössen  ?  Deutschlands  Leihbibliotheken  —  und 
20,000  Studenten  mögen  hierüber  Auskunft  geben,  oder  Grillparzer,  der  noch 
einige  Jahre  vor  seinem  Tode  deutsche  Ignoranz  in  Sachen  französischer 
Litteratur  beklagte.  Also  keine  Steine  werfen  —  vor  allem  damit  sie  nicht 
zurückprallen !  — 


316  H.  Heines  Einfluss. 


die  Deutschschwärmerei  ihren  Höhepunkt  erreichte,  hatte  das 
Streben,  sich  über  Deutschland  zu  unterrichten,  so  reichhche 
Mittel  zur  Hand  wie  heute.  ^)  Edm.  Scherer  beginnt  seine 
Studie  über  Goethe  (Mai  1872)  mit  den  Worten:  „L'atten- 
tion  et  l'etude,  chez  nous,  se  portent  en  ce  moment  vers 
l'Allemagne.  C'est  un  bon  signe  et,  a  dire  vrai,  une  mani- 
festation  de  l'esprit  public  ä  laquelle  je  ne  m'etais  point  at- 
tendu  ..."  2) 

Wahr  ist  es,  dass  die  Motive,  um  derentwegen  sich  die 
Augen  Prankreichs  in  der  Neuzeit  nach  Deutschland  richten, 
zum  grossen  Teil  andere  sind,  als  während  der  Regierung 
Louis  Philipps.  Die  Völkerpsychologie  erklärt  uns,  warum 
Deutschland  seit  1870  für  Prankreich  als  der  gefürchtetste 
Gegner  und  Rivale  betrachtet  werden  musste,  so  unhistorisch 
der  Gedanke  an  sich  auch  sein  mag.  Zum  eigenen  Nutzen, 
als  Waffe,  musste  geradezu  alles  abgelernt  und  verwertet 
werden,  was  Deutschland  auf  allen  Gebieten  der  Wissenschaft 
hervorbrachte.  Immerhin  blieb  die  französische  Litteratur 
in  dieser  Richtung  im  grossen  und  ganzen  merkwürdig  un- 
patriotisch gesinnt.  Längst  schon  hat  die  Kriegs-  und  Revanche- 
schriftstellerei,  die  Prof.  Koschwitz  kürzHch  zusammenstellte,^) 
Reiz  und  Zugkraft  verloren.  Die  jüngste  Romanepopöe  Zolas, 


^)  Ferd.  Gross  beliebt  das  Entgegengesetzte  zu  behaupten,  nämlich  dass 
wir  in  den  Katalogen  der  französischen  Verlagsfirmen  vergebens  nach  den 
besten  Namen  der  deutschen  Litteratur  suchen.  Wir  verweisen  ihn  und  den 
Leser  auf  Alwin  Weises  „Bibliotheca  germanica",  Le  Soudier,  1886;  ebenso 
auf  die  Abschnitt  II,  pag.  113,  gegebene  Liste  französischer  Schulbücher,  von 
denen  bloss  drei  in  die  Zeit  vor  1870  fallen,  und  schliesslich  auf  das  eben 
erschienene  :  „Journal  general  de  l'imprimerie  et  de  la  librairie"  —  Livres 
classiques  pour  la  rentree  des  classes  1894. 

2)  Hier  erinnern  wir  uns,  dass  Prof.  Baechtold  in  seinen  Goethevorlesungen 
konstatierte,  es  könne  keine  deutsche  Ausgabe  von   „Hermann  und  Dorothea 
der   französischen,   von  Chuquet   besorgten    und    kommentierten    an    die   Seite 
gestellt  werden. 

^)  E.  Koschwitz,  „Die  französische  Novellistik  und  Romanlitteratur  über 
den  Krieg  von  1870/71",  Berlin  1893. 


Einiges  über  den  modernen  deutschen  Einfluss.  317 


„La  guerre",  dreht  die  Spitze  gegen  Prankreich,  wenn  wir 
von  einigen  Einzelheiten  absehen,  die  notwendig  waren,  um 
die  Franzosen  zu  bewegen,  die  bittere  Pille  überhaupt  zu 
schlucken. 

Man  durchblättere  nur  einmal  die  Menge  von  französischen 
Revuen,  besonders  die  letzten  Jahrgänge  der  „Revue  des  deux 
Mondes'',  der  „Nouvelle  Revue",  der  „Revue  suisse",  der  „Re- 
vue britannique'' ;  dann  die  wie  Pilze  hervorschiessenden 
kleineren  Zeitschriften,  und  man  wird  bald  überzeugt  sein,  dass 
sich  Frankreich  niemals  so  viel,  so  eingehend  und  so  ver- 
ständig um  deutsche  Litteratur  bekümmerte.  „Ces  Russes,  ces 
Allemands,  ces  Anglais,  ces  Danois,  nous  pretendons  en  pro- 
fiter, nous  en  accroitre,''  schreibt  Maurice  Barres.  *)  Man 
werfe  einen  Blick  in  den  ersten  Band  der  jungen  Revue  „Le 
Monde  poetique'^  Neben  einer  Reihe  von  Studien  über 
moderne  deutsche  Dichter  stossen  wir  auf  Uebertragungen 
von  Geibel  und  Ebers.  Ein  anderes  Wochenblatt,  „L'Idee 
libre",  Organ  einer  Dichtergruppe  —  diese  Revuen  sind  es 
alle  — -,  bringt  fast  in  jeder  Nummer  einen  Artikel  über  deut- 
sche Litteratur.  Sehr  richtig  charakterisiert  diese  („L'Idee  libre", 
IP  annee,  Nro.  5,  pag.  236)  die  Rolle  der  modernen  fran- 
zösischen Litteratur:  ,, .  .  .  II  me  semble  qu'il  est  necessaire  de 
repeter  ici  que  si  notre  generation  merite  de  laisser  un  Sou- 
venir notable  dans  l'histoire  litteraire  de  notre  pays,  c'est 
qu'elle  a  ete  la  premiere  qui  ait  dirige  ses  curiosites  pas- 
sionnees  vers  les  efforts  et  vers  les  realisations  artistiques  dont 
l'Europe  et  dont  le  nouveau  monde  ont  fourni  tant  d'inou- 
bliables  exemples.  C'est  pour  avoir  mele  sa  sensibilite  ä  celle 
des  contemporains  de  Russie,  d'Allemagne,  de  Norvege,  d'An- 
gleterre  et  d'Amerique,  c'est  pour  avoir  enrichi  merveilleusement 
le  domaine  de  ses  experiences,  que  l'äme  de  la  generation 
actuelle   a   pu   apporter    un    sang    nouveau    aux    chifFons   de 


^)   Vergl.   „Le  Semeur",  pag.  13,  Nro.  145. 


318  H.  Heines  Einfluss. 


rhetorique  qiie  nos  predecesseurs  se  sont  amuses  ä  secoiier 
avec  des  gestes  uses,  durant  leur  longue  carriere  artistique/' 
(Als  Vertreter  dieser  Litteratur  sind  genannt:  Baudelaire, 
St.  Mallarme,  de  Vogüe,  P]d.  Schure,  F.  de  Pressense,  Ed. 
Rod,  E.  Hennequin,  Gabriel  Sarrazin  etc.)  *) 

Eine  andere  Miniaturrevue,  die  sich  nicht  selten  mit 
deutscher  Poesie  beschäftigt,  nennt  sich  ,,Chat  noir'^  Sie 
wird  von  der  Poeten -boheme  redigiert,  die  sich  in  der 
bekannten  phantastischen  Kneipe  im  Montmartre  -  Quartier 
lärmend  versammelt.  Es  sind  alles  originelle,  zuweilen  zu 
originelle,  aber  ideal  gesinnte  und  meistens  talentvolle  Brause- 
köpfe, von  denen  sich  einige  seit  den  achtziger  Jahren  einen 
Namen  gemacht  haben,  so  z.  B.  Rodenbach,  Rollinat,  Leon 
Cladel  und  Ed.  Haraucourt.  Alles  Fremdartige  findet  dort 
eo  ipso  eine  Stätte.  Wir  hörten  in  dem  merkwürdigen  Lo- 
kale, wo  mittelalterliche  und  ultramoderne  Dekorationskunst 
ein  w^mderliches  Gemisch  bilden,  populäre  englische  und 
amerikanische  „songs"  —  in  französisch  freier  Uebertragung 
natürlich  —  neben  urdeutschen  Studentenliedern  singen.  Noch 
unlängst  wohnten  wir  dort  einer  sogenannten  Vorstellung  bei 
—  Dichter  und  Komponisten  interpretieren  sich  stets  selbst  — , 


1)  So  klagt  der  liebenswürdige  Fr.  Coppee,  dem  wir  die  kleinen  chau- 
vinistischen Anfälle  gerne  verzeihen  —  grosse  Dichter  sind  ja  oft  grosse 
Kinder  —  :  ^Depuis  de  longues  annees  dejc\,  nous  suivons  avec  peine,  chez 
quelques  poetes,  les  ravages  dune  sorte  de  maladie  de  nos  rythmes  et  de 
notre  langue,  et,  \k  encore,  nous  reconnaissons  une  influence  etrangere.  Car 
rien  de  tout  cela  n'est  latin,  n'est  francjais,  ne  jaillit  de  notre  sol,  de  notre 
inspiration  nationale.  Une  brunie  gennanique  nous  envahit  et  nous  conquiert, 
et  j'en  suis  desole."    („Mon  franc  parier",  pag.  199.) 

Auch  von  Paul  Bourget  erinnern  wir  uns  kürzlich  eine  ähnliche  Khige 
gelesen  zu  haben,  dem  doch,  wie  wir  noch  sehen  werden,  mehr  als  irgend 
einem  andern,  angesichts  der  kosmopolitischen  Färbung  der  modernen  fran- 
zösischen Litteratur,  ein  reuiges  „mea  culpa"  ansteht.  Wir  selbst  sind  der 
Ansicht,  dass  ein  solches  Eindringen  fremden  Einflusses  jedem  Lande  gefährlich 
werden  könnte,  nur  nicht  Frankreich  mit  seinem  starken  Nationalgefiihl  und 
dem  prononcierten  Nationalcharakter.    Frankreich  kann  nur  gewinnen. 


Einiges  über  den  moderne-n  deutschen  Einfluss.  319 


in  der  ein  wildbelockter  Musensohn  eine  französische  Ballade 
recitierte,  aus  der  uns  wiederholt  das  nota  bene  korrekt  deutsch 
ausgesprochene  Wort  „Haidenröschen"  entgegenklang.  Wir 
wandten  uns  später  an  den  Dichter:  „Savez-vous,  Monsieur, 
que  ga  me  rappelle  Henri  Heine."  —  „Ah,  mon  tres  hon  sieur, 
c'est  un  her  compliment  que  vous  me  faites  lä,"  war  die 
Erwiderung  des  Poeten.  —  Wem  die  Geburtsstätte  der  Ro- 
mantik und  des  „Nouveau  Parnasse"  bekannt  ist,  der  wird 
uns  nicht  verübeln,  hier  von  einem  „Chat  noir"  geredet  zu 
haben. 

Aber  auch  fern  von  diesen  leichtlebigen  litterarischen 
Frondeurs,  fern  im  geistigen  und  lokalen  Sinne,  an  dem  andern 
Ufer  der  Seine,  —  in  der  Sorbonne,  im  College  de  France 
stossen  wir  auf  Schritt  und  Tritt  auf  Spuren  deutscher  Geistes- 
arbeit. Dem  Philologen  sei  es  gestattet,  hier  gleich  den  Namen 
Gaston  Paris  zu  nennen,  der  die  von  dem  Altmeister  Friedrich 
Diez  neubegründete  Romanistik  so  glänzend  fortsetzte.  Auch 
in  allen  anderen  Gebieten  sehen  w4r  die  altbewährte  und  be- 
rühmte französische  Synthese,  durch  das  Studium  deutscher 
Forschung,  der  anglo- germanischen  Analyse  weichen.  Der 
wissenschaftliche  Ernst  und  mit  ihm  die  gelehrte  Schwere 
treten  immer  mehr  in  den  Vordergrund  und  imponieren.  Nur 
so  sind  der  rasche  Erfolg  und  die  Macht  eines  Brunetiere  er- 
klärlich, der  mit  seiner  streng  systematischen,  oft  unfreund- 
hchen,  stilistisch  nicht  selten  nachlässigen  Kritik  noch  vor 
einem  halben  Jahrhundert  in  der  Heimat  La  Harpes  und 
Sainte-Beuves  schwerlich  durchgedrungen  wäre.  Und  so  ist 
denn  heute  nur  zur  Hälfte  wahr,  was  Karl  Hillebrand,  der 
einstige  Sekretär  Heines,  noch  1874  in  seinem  Buche  „Frank- 
reich und  die  Franzosen  in  der  zweiten  Hälfte  des  Jahrhun- 
derts" (pag.  318)  sagt:  „Im  Kampfe  zwischen  den  deutschen 
und  französischen  Ideen  auf  gallischem  Boden  sind  die  ersteren 
unterlegen."  Ganz  unterlegen  sind  in  dieser  so  stark  kosmo- 
politisch angehauchten  Evolution  Frankreichs  gallischer  Geist, 


320 


H.  Heines  Einfluss. 


französisches  Naturell  und  die  französische  Synthese,  die  der 
Welt  so  grosse  Dienste  geleistet,  nicht,  und  zwar  nicht  nur 
zum  Heile  Prankreichs,  sondern  auch  zu  Nutz  und  Frommen 
Deutschlands.  Denn  ginge  die  französische  Idee  zu  Grunde, 
so  wäre  dies  für  den  germanischen  Nachbar,  ja  für  die  ganze 
Civilisation  ein  unersetzhcher  Verlust.  Beide  Völker  sind  sich 
gegenseitig  unentbehrlich  —  Geschichte,  Rasse,  Litteratur  und 
das  Wohl  der  modernen  Kultur  ketten  sie  trotz  mehr  oder 
weniger  gekünstelten  Bündnissen  aneinander. 


Die  Parnassiens.  321 


Viertes  Kapitel 
Die  Parnassiens 


„Heine  est  fort  ä  ,1a  mode  en  ce  moment  chez 
nous.   Lui  et  Musset  sont  pousses  tres  haut." 

(Sainte-Beuve  an  Ch.  Berthoud,  1867.) 

Es  ist  bereits  angedeutet  worden,  dass  wir  den  Haupt- 
einfluss  Heines  nicht  bei  den  Romantikern,  seinen  Zeitgenossen, 
sondern  bei  deren  Nachfolgern  zu  suchen  haben,  und  zwar 
sowohl  bei  den  direkten,  den  sogenannten  „Parnassiens",  als 
auch  bei  den  Repräsentanten  modernster  Dichtungsevolutionen. 
Im  folgenden  sei  zunächst  der  Versuch  gemacht,  die  erstere 
Litteraturströmung  in  kurzen  Zügen  zu  entwickeln. 

Um  die  Mitte  der  sechziger  Jahre  glich  die  französische 
Dichtkunst,  so  wie  sie  wenigstens  in  Paris  erblühte,  wenn 
nicht  einer  verwelkten,  so  doch  stark  erblassten  Blume.  La- 
martine hatte  längst  ausgesungen.  De  Vigny  war  unter  die 
wahren  Unsterblichen  eingegangen;  den  moralisch  und  phy- 
sisch gebrochenen  Musset  hatte  der  Tod  einige  Jahre  zuvor 
von  einem  freudensatten  Leben  befreit.  Baudelaire  erwartete 
Erlösung  von  seinem  Siechtum.  Gautier,  dem  nach  so  langer 
SchafFenszeit  kein  heiterer,  sorgenloser  Poetenabend  beschieden 
war,  der  bis  zuletzt  seine  „goldene  Feder"  des  täglichen 
Brotes  wegen  für  Tagesfeuilletons  und  Theaterberichte  her- 
geben musste,  —  war  alt,  geschlagen,  melancholisch  —  nur 
noch  ein  Schatten  des  einstigen  „grand  Theo".  Und  sein 
Abgott,  Victor  Hugo,  der  grollte  und  donnerte  auf  Guernesey, 

Betz,  Heine  in  Frankreich.  -^l 


322  H-  Heines  Einfluss. 


fern  von  Paris,  im  Exil.  Der  hehre  Glanz  von  ehemals  am 
sternenfunkelnden  Himmel  der  Romantik  war  in  jenen  Tagen 
dahin.  Keck  und  farbenschimmernd  leuchtete  eigentlich  da- 
mals bloss  das  Poetengestirn,  genannt  de  Banville,  „qui  jouait 
avec  une  virtuosite  infatigable  des  sonates  aux  etoiles''. 

Da  kam  von  Bordeaux  hergewandert  ein  junger  Vers- 
beflissener nach  der  Hauptstadt  und  mietete  sich  ein  be- 
scheidenes Kämmerchen  in  der  rue  de  Douai.  Der  Provinzler 
hiess  Catiille  Mendes  und  in  seiner  Stube  stand  die  Wiege  der 
neuen  Dichtergruppe,  die  Barbey  d'Aurevilly  einmal  scherz- 
weise „Parnassiens"  genannt.  In  seinem  Buche  „La  legende 
du  Parnasse  contemporain"  (1884)  erzählt  er  uns  zw^anzig 
Jahre  später  Entstehung  und  Geschichte  dieses  „Cenacle", 
aus  dem  bis  jetzt  vier  „Unsterbliche'^  hervorgegangen  sind. 
Dort  erklärt  er  den  Dichter  Albert  Glatigny,  den  er  als  den 
einzigen  bedeutenden  Schüler  Gautiers  bezeichnet,  als  den 
geistigen  Vater  der  Parnassiens.  Was  Mendes  lange  nicht 
genug  betont,  ist  die  Thatsache,  dass  Seele  und  Nerv  —  und 
besonders  der  „nervus  rerum''  —  dieser  jungen  Dichtergesell- 
schaft Alphonse  Lemerre  (geb.  1838)  war.  Dieser  „Cotta  der 
Parnassiens"  interessiert  uns  hier  schon  deswegen,  w^eil  er  der 
Verleger  fast  aller  poetischen  Nachbildungen  Heines  wurde. 
Geschichte  und  Erfolge  Lemerres  und  der  genannten  Dichter- 
schar gehen  Hand  in  Hand.  Ohne  diesen  kunstsinnigen, 
unternehmenden  und  dabei  gewissenhaften  Buchhändler  wäre 
diese  Poetengruppe  niemals  zu  solcher  Bedeutung  gelangt; 
denn  er  hat  es  nicht  nur  verstanden,  die  verschiedensten 
Talente  zu  finden  und  zu  vereinigen,  sondern,  was  ungleich 
schwieriger  war,  sie  fast  alle  bleibend  zusammenzuhalten. 

Eine  Zeitlang  hatte  Leconte  de  Lisle,  der  dichterische 
Stellvertreter  des  grossen  Verbannten,  die  ersten  Parnassiens 
um  sich  versammelt,  so :  Sully  Prudhomme,  Frangois  Coppee, 
Louis  Menard  und  H.  Houssaye,  die  beiden  feurigen  Hellenisten. 
Zuweilen   fanden   sich   auch    Stephan   Mallarme,   der   spätere 


Die  Parnassiens.  323 


„auteur  difficile^S  und  —  der  junge  Gaston  Paris  ein,  der  etwas 
Aehnliches  werden  sollte !  —  Die  Götter  dieses  kleinen  Olymps 
sind  Gautier,  Theodore  de  Banville,  der  genannte  Leconte  de 
Lisle  und  Charles  Baudelaire.  Ein  jeder  dieser  Dichter  hatte 
seine  Epigonenschar,  die  sich  jeweilen  auf  ihre  typischen 
Werke  —  „Emaux  et  Camees",  „Ödes  funambulesques",  „Poe- 
sies  barbares"  und  „Fleurs  du  MaP^  — •  berief.  Das  Haupt  aber 
der  Bewegung  wurde  bald  der  schnell  berühmt  und  —  be- 
rüchtigt gewordene,  blendende  Verskünstler  Catulle  Mendes, 
der  kaum  die  zwanzig  Jahre  überschritten  hatte.  Um  den 
jungen  und  rührigen  Leiter  der  „Revue  fantaisiste'V)  die  auch 
Gautier,  Baudelaire  und  Banville  patronisierten,  scharten  sich 
eine  ganze  ^Anzahl  jugendhcher  Musensöhne.  Viele  von  ihnen 
wurden  später  Lieblinge  des  Publikums,  einige  fanden,  wie 
gesagt,  den  Weg  zu  den  vierzig  Unsterblichen,  und  zu  den 
besten  zählen  manche  von  denen,  die  im  weitern  Leserkreise 
unbekannt  blieben.  Ausser  den  Genannten  gehören  noch 
hierher:  Armand  Silvestre,  Jose  Maria  de  Heredia  —  „le  Ra- 
jah  des  sonnets''  —  Anatole  France,  Paul  Verlaine,  Merat  und 
Valade.  Mitarbeiter  der  „Revue  fantaisiste'',  solche,  die  im 
Passage  Choiseul  bei  Lemerre  mit  den  Koryphäen  der  Gruppe 
zusammentrafen,  waren  noch  Alphonse  Daudet,  Jules  Claretie, 
Leon  Clavet  und  —  Richard  Wagner.  Die  ersten  Parnassiens 
sind  auch  die  ersten  französischen  Wagnerianer.  ^) 

^)  Die  Parnassiens  wurden  daher  zuerst  „Fantaisistes"  genannt.  Das 
Wort  „fantaisie"  ist  ebenso  wenig  übersetzbar  wie  das  deutsch -englische 
„Humor".  —  Heine  gilt  in   Frankreich  als    „poete  fantaisiste"  par   excellence. 

2)  Will  man  überhaupt  sehen,  wie  sehr  und  auf  welche  Weise  Richard 
Wagner  auf  die  moderne  französische  Dichtkunst  einwirken  konnte,  so  lese 
man  die  zehn  Seiten,  die  Mendes,  sein  langjähriger  Freund  und  unermüdlich 
streitender  Kämpe,  dem  deutschen  Komponisten  widmet.  In  der  französischen 
Musikgeschichte  wird  der  Name  dieses  Parnassien  nie  von  dem  Wagners  zu 
trennen  sein.  Ja  sogar  der  Dichter  Wagner  hat  seine  Anhänger  in  Frank- 
reich. Catulle  Mendes  bezeichnet  als  seine  Lieblingsschriftsteller:  Victor 
lugo  und  —  Wagner.  Ferner  konsultiere  man  Charles  Morice  („La  litterature 
tout  h  l'heure"),  besonders  das  Kapitel  „Les  formuies  accomplies".   Es  heisst 


324  H.  Heines  Einffuss-. 


Was  das  Programm  dieses  Cenacles,  seine  Wünsche  und 
Ziele  betrifft,  so  hat  dies  PeKssier  („Le  mouvement  litteraire 
au  XIX*  siecle'^,  pag.  292)  treffend  zusammengefasst : 

„Le  Parnasse  conteinporain  se  donna  pour  täclie  de  defendre 
la  poesie,  d'un  cote,  contre  les  „pleurards  imbeciles  et  les  rieurs  de- 
brailles"  que  les  grands  noms  de  Lamartine  et  de  Musset  trainaient 
encore  ä  la  suite ;  de  l'autre,  contre  les  utilitaires  qui  ne  consentaient 
ä  l'admettre  que  si  eile  se  donnait  pour  täclie  de  vulgariser  les  ap- 
plications  de  la  science  moderne.  II  fut  le  gardien  de  l'art  qui  ne  fait 
ni  rire  ni  pleurer  et  qui  est  ä  lui-meme  sa  propre  fin." 

Ihr  Vorbild  war  in  erster  Linie  der  versüppige  Autor  der 
„Emaux  et  Camees". 

Tout  passe.   —  L'art  robuste 
Seul  a  l'eternite. 


Les  dieux  eux-memes  meurent. 
Mais  les  vers  souverains 

Demeurent 
Plus  forts  que  les  airains. 

(„L'Art'S  pag.  225  und  22G. 


dort  u.  a.  von  Wagner,  den  er  mit  Balzac  „dominateur  de  ce  siecle"  neinit 
(pag.   195)  : 

„Richard  Wagner  a  fait  deux  principales  choses  :  Tunion  de  toutes  les 
formes  artistiques  et  la  Synthese  des  observations  et  des  experiences  dans  la 
fiction.  Personne  des  contemporains  —  j'entends  des  meditatifs  et  des  sinceres  — 
ne  doute  plus,  apres  tant  d'injiires,  interessees  ou  seulement  ineptes,  qui  annon- 
cerent  le  glorieux  effort,  que  \k,  dans  cette  voie  ouverte  par  Wagner,  au  terme 
de  cette  voie,  ne  se  dresse  et  rayonne  le  geste  eblouissant  de  l'art  trioniphant. 
On  pense  en  vain  d'expliquer  comment  le  theätre  de  Wagner,  quoi  qu'en  aient 
dit  tels  et  tels,  n'est  pas  la  resurrection  du  thdätre  grec,  comment  tons  les 
moyens  esthetiques  requis  par  le  maitre,  musiqne,  art  scenique,  poesie,  con- 
courent  k  l'action :  ce  sont  \k  verites  familieres  k  eeux  pour  qui  les  presentes 
lignes  sont  ecrites  (d.  h.  für  die  Anhänger  der  „Symbolistes").  Inutile  aussi 
d'affirmer  davantage  de  quel  precienx  et  grave  j^oids  Ja  pensee  wag- 
nerienne  pese  et  toujours  plus  pesera,  feconde!  siir  les  esprits  engages 
dans  la  voie  lumineuse."'  — 

Schliesslich  sei  noch  auf  die  Artikel  von  Emile  Hennequin  in  der  „Revue 
wagnerienne"  (8.  November  1885),  „L'esthetique  de  Wagner  et  la  doctrine 
spencerienne",  und  von  CatuUe  Mendes  in  der  „Revue  de  Paris"  (15,  April  1894), 
„L'Oeuvre  wagnerienne  en  France",  aufmerksam  gemacht. 


Die  Parnassiens.  325 


Dies  war  Parole  der  Parnassiens.  Dann  Theodore  de 
Banville,  auch  ein  „paien",  nur  noch  exkkisiver,  konsequenter 
als  Gautier,  dessen  „Griechentum"  zuweilen,  wie  wir  gesehen 
haben,  sentimentalen  Beigeschmack  hatte.  Victor  Hugo  aber 
blieb  für  die  „Pantaisistes",  was  er  den  Romantikern  gewesen, 
„Le  Pere",  wie  ihn  Augier  genannt  hat,  und  zwar  war  er 
ihr  Vorläufer  und  Muster  als  Autor  der  „Orientales".  Pere 
blieb  er  ebenfalls  den  späteren  „Symbolistes",  er,  der  zuerst, 
wie  sie  sagen,  die  innerste  Seele  der  Worte,  die  Zaubermacht 
der  einzelnen  Silben  entdeckt  hat.  ,,  Victor  Hugo  lui-meme  — 
so  wird  Charles  Morice  in  seinem  originellen,  oben  citierten 
Buche  (pag.  110)  sagen  —  qui  pourtant  prit  en  main  le 
drapeau  de  la  nouvelle  ecole  (der  Romantik),  est  l'incoherent 
et  vaste  repertoire  de  toutes  les  formules  et  de  toutes  les 
opinions." 

Trotz  einiger  Excentricitäten  —  sie  mussten  auch  bitter 
dafür  büssen,  denn  keine  Dichterschule  hatte  bei  ihrer  Ent- 
stehung so  viel  von  Spötteleien  ä  la  Charivari  zu  leiden,  als 
die  des  „Nouveau  Parnasse"  — ,  trotz  mancher  mystischer  und 
musikalischer  Rätsel  und  Charaden,  mit  denen  sie  zuweilen 
zur  Freude  der  Eingeweihten  und  zum  Aerger  der  „profanes" 
ihr  Spiel  trieben,  haben  die  Parnassiens  einen  tiefen  und 
guten  P]influss  auf  die  französische  Poesie  geübt.  Denn  was 
sie  alle  zusammenhielt,  war  nicht  nur  Liebe  zum  reichen 
Wohlklang  in  Vers  und  Reim,  Missachtung  alles  Vulgären, 
sondern  vor  allem  die  ideale  Religion  der  Kunst. 


326  H.  Heines  Einfluss 


Fünftes  Kapitel 

Heines  Einfluss  auf  die  Parnassiens 
und  ihren  Anhang 


„Voici  trente  ans  que  sV'St  eteiiit,  h  Paris,  Ic  poetc 
des  „Reisebildt'r",  dans  ce  petit  apparteiuent  au  cinquiemo 
do  ravenue  Matignon  qu'a  si  pittoresquement  decrit  Ma- 
dame Camille  Seiden  .  .  .  Durant  ces  trente  ans  ecouUa^ 
le  nom  de  Henri  Heine  n'a  fait  que  grandir,  et  ce  n'etait  pas 
qu'une  curiosite  de  revelations  piquantes  qui  faisait 
attendre,  il  y  a  quelques  mois,  ses  memoires  avec  tant 
d'impatience.  Dieu  merei!  ce  qui  a  survecu  a  Henri  Heine, 
ce  ne  sont  ni  ses  g'riffes,  ni  ses  haines,  ni  meme  le  Sou- 
venir des  erreurs  ou  des  fautes  quMl  a  pu  commettre,  mais 
rimmortelle  beaute  de  son  langage,  la  gräce  inconiparable 
des  Images  qu'il  evoque  .  .  ." 

Paul  Ginisty,  „Annee  litteraire",  1886,  pag.  112, 

E]in  Wanderer  sieht  sich  in  sonst  wohlbekannter  Gegend 
plötzUch  vor  einem  Wege  stehen,  den  er  bisher  noch  niclit 
beachtet.  Soll  er  ihn  einschlagen,  ist  der  Gang  der  Mühe 
wert,  gerät  er  nicht  etwa  in  eine  Sackgasse?  Während  er 
zaudert,  kommt  ein  anderer  des  Weges,  und  er  fragt  diesen 
alsbald:  „Wo  führt  die  Strasse  hin?  Sind  Sie  in  dieser  Gegend 
zu  Hause ?'^  —  Worauf  jener:  „Die  Strasse  ist  neu  und  führt 
an  eine  Menge  von  Punkten,  wo  Ihr  überraschter  Blick 
manch  Neues  schauen  wird.  Ich  selbst  bin  hier  zwar  nicht 
zu  Hause,  gern  und  oft  ging  ich  aber  schon  diesen  Weg  — 
und  jener  Wegweiser  dort  oben  wird  Sie  richtig  leiten.'' 

Die  aus  Ginistys  „Annee  litteraire''  citierte  Stelle  soll  für 
diejenigen,  die  meiner  Führung  misstrauen,  der  sichere  Weg- 


.^A 


auf  die  Parnassiens  und  iliron  Anhang.  327 

weiser  sein ;  er  soll  sie  von  vorneherein  überzeugen,  dass  sie, 
obgleich  heimisch  und  wohlbekannt  in  diesem  Gebiete,  jenen 
einen  Weg,  der  zu  zahlreichen  interessanten  Aussichtspunkten 
führt,  bis  jetzt  übersehen  haben. 

Wir  insistieren  auf  das  Zeugnis  Ginistys  —  aus  unserem 
zweiten  Abschnitte  hätten  wir  eine  ganze  x\nzahl  ähnlicher 
herausgreifen  können  — ,  der,  wie  wenige,  im  stände  war,  die 
Geistesrichtungen  seiner  Litteratur  zu  prüfen,  wie  er  dies  m 
seiner  Sammlung  der  „Annees  litteraires"  gethan,  für  die  Jules 
Lemaitre,  Henri  Pouquier,  Prangois  Coppee,  Jules  Claretie  u.  a. 
jeweilen  alljährlich  Einleitungen  lieferten;  —  ich  sage,  wir 
insistieren  auf  die  Worte  Ginistys:  „Durant  trente  ans  ecoules, 
le  nom  de  Henri  Heine  n'a  fait  que  grandir''  etc.,  und  halten 
die  Frage  für  müssig,  welcher  von  beiden  recht  habe:  Süpfle, 
der  fern  stehende  Gelehrte,  dessen  treffliches  Werk  zu  gross 
angelegt  war,  als  dass  ihm  der  sichere  Blick  ins  einzelne  mög- 
lich gewesen  wäre,  und  der  von  „stark  abgeschwächter  Be- 
liebtheit der  „Reisebilder"  bei  dem  französischen  Publikum" 
spricht  und  Strodtmanns  sehr  richtige  Bemerkung,  es  sei  Heine 
mit  dem  Erscheinen  seiner  „Oeuvres  completes"  in  die  Reihe 
der  ersten  französischen  Schriftsteller  erhoben  worden,  nicht 
gelten  lassen  will,  —  oder  Ginisty,  der  französische  Litterat 
in  Paris,  der  seit  Jahren  der  modernen  Litteratur  seiner 
Heimat  allwöchentlich  den  Puls  fühlt. 

Da  der  „Cenacle''  der  Parnassiens  aus  den  heterogensten 
Elementen  zusammengesetzt  war  —  wie  übrigens  die  der 
Romantik  auch,  nur  dass  jene  unter  dem  Banne  eines  ein- 
zigen Herrn  standen  —  und  ein  jeder  eigentlich  seine  eigenen 
Dichterwege  ging,  und  da  Heine  selbst  eine  sehr  komplizierte 
Poetennatur,  wodurch  er  nach  den  verschiedensten  Richtungen 
hin  einwirken  musste,  so  ist  es  unmöglich,  von  einem  all- 
gemein charakteristischen  Einfluss  unseres  Dichters  zu  reden, 
der  an  allen  hier  in  Betracht  kommenden  Poeten  nachzuweisen 
wäre.     Wir    sind    daher    gezwungen,    das    Ergebnis    unserer 


328  H.  Heines  Einfluss 


Untersuchungen  an  den  einzelnen  Dichtern  zu  entwickeln 
und  nachzuweisen.  Des  inneren  Zusammenhanges  wegen 
haben  wir  diejenigen,  an  die  sich  später  moderne  Dichter- 
schulen knüpften,  aus  den  Parnassiens  geschieden,  und  zwar 
nicht  nur  Paul  Verlaine  und  Steph.  Mallarme,  sondern  auch 
den  geistigen  Vater  der  Decadence,  Charles  Baudelaire,  der 
mit  Banville,  zu  dem  wir  hier  gleich  übergehen,  sogar  noch 
zu   den   sogenannten  Neoromantikern    gezählt   werden   sollte. 


Theodore  de  Banville 

(1823—1891). 

Als  im  Frühjahr  1891  ein  selten  schönes  und  glückliches 
Dichterleben  erlosch  und  Paris  seinen  Poeten  zu  Grabe  trug, 
da  erklang  allerorts,  wo  Litteratur  eine  Heimstätte  hat,  der 
Klageruf:  „Nun  ist  auch  die  französische  Romantik  begraben, 
sie  haben  ihren  letzten  Sohn  beerdigt."  Und  wir  fügten  bei 
der  Todesnachricht  hinzu:  und  den  dankbarsten  Schüler  und 
mit  Gautier  den  glühendsten  Verehrer  Heinrich  Heines,  der 
unseren  Dichter  liebte,  wie  dies  nur  ein  Poet  vermag.  Sein 
„Gott"  allerdings  —  denn  dafür  ist  er  Romantiker  —  war 
Victor  Hugo,  „le  pere  de  tous  les  rimeurs" ;  aber  seinem 
Herzen  näher  stand  Heine. 

Verse  reimen  w^ar  diesem  letzten  bedeutenden  Dichter 
aus  der  Schule  von  1830  schon  frühe  Jugendbeschäftigung. 
Der  Autor  der  „Cariatides"  zählte  erst  sechzehn  Jahre.  In 
diesem  Liederbuche  offenbarte  sich  bereits  sein  überschwäng- 
licher  Kultus  für  die  Kunstlyrik,  den  klangreichen,  glanzvoll 
strahlenden  Vers  mit  all  den  glitzernden  und  funkelnden 
Worten  des  französischen  Sprachschatzes.  Und  dieser  Künstler- 
freude am  reichen  Versklang  blieb  er  treu  vom  ersten  Knaben- 
liede  bis  zur  letzten  Ode,  die  der  liebenswürdige  Greis  wenige 


auf  die  Parnassiens  und  ihren  Anhang.  *        329 


Stunden  vor  seinem  Tode  geschrieben.  Er  war  es  dann  auch, 
der  mit  alles  vermögender  Reimesfülle  die  längst  verklungenen 
Lieder  des  XV.  und  XVI.  Jahrhunderts  zu  neuem  Leben  rief,  — 
„Chansons,  triolets  et  rondeaux"  Charles'  d'Orleans,  das  „Vire- 
lai"  und  die  „Odelette",  das  ganze  klangvolle  und  fröhliche 
Vogelgezwitscher  des  Remi  Belleau  und  die  verzückte  Natur- 
lyrik Ronsards. 

Zur  Genüge  und  nicht  ohne  Uebertreibung  wurde  sein 
Formenkultus,  sein  „Wortgötzendienst"  getadelt.  Wie  bei 
Gautier,  so  vermisste  man  auch  bei  ihm  —  mit  gleicher  Un- 
gerechtigkeit —  den  Gedanken.  Ein  geistreicher  Kritiker 
sagt  in  einem  beissenden  Wortspiel  von  Banville :  ,, .  .  .  11 
celebre  sans  arriere-pensee  -  -  et  meme  sans  pensee  --  la  gloire 
et  la  beaute  des  choses."  —  Selbst  angenommen,  dass  nirgends 
in  der  Satire  der  „Ödes  funambulesques"  und  in  seinen  Ko- 
mödien -  auch  nicht  in  dem  reizenden  „Maitre  Gringoire"  — 
Gedanken  zu  finden  wären,  so  liegen  doch  schon  solche  in 
der  Plastik,  mit  der  er  seine  Lebenstheorie  immer  und  immer 
verkündete;  so  bleibt  es  eine  Weisheit,  so  gut  wie  eine  andere, 
an  die  absolute  Herrschaft  des  Schönen  zu  glauben.  Mag 
man  diese  aus  allen  möglichen  Gründen  verwerfen  und 
bestreiten  —  nur  die  Existenzberechtigung  sei  ihr  nicht  ge- 
nommen. 

„C'est  par  ce  sentiment  profond  du  naturalisme  pai'en 
que  Theodore  de  Banville  est  vraiment  un  aede,  plus  que  pour 
avoir  remis  en  honneur  des  epithetes  de  la  pleiade."  ^)  Hier- 
mit ist  schon  ein  Berührungspunkt  mit  seinem  Lieblingsdichter 
angedeutet.  Er  sah  in  ihm  den  „Griechen",  den  Huldiger 
des  Schönen,  den  Meister  des  Stils,  von  der  Hand  eines 
Künstlers  mit  Sorgfalt  gemeisselt.  Er  sah  in  ihm  den  Meister 
r  Wortharmonie  für  Aug'  und  Ohr. '^) 

1)    Marcel  Fouquier,   „Portraits  et  profils". 

'•^)   Man  vergleiche  folgende  Worte  Heines,  die  Ad.  Stnlir  („Zwei  Monate 
Paris",  1851)   pag.  325  wiedergibt:    „Unsere  Sprache  ist  für  das  Auge  mit 


330  H.  Heines  Einfluss 


Obgleich  Banville  schon  1842  mit  den  „Cariatides"  vor 
das  Pubhkum  getreten  war,  wurde  er  erst  1859  durch  die 
VeröffentUchung  der  „Ödes  funambulesques",  womit  er  der 
komischen  Sprache  des  XIX.  Jahrhunderts  lebendige  Gestalt 
gab,  in  w^eiteren  Kreisen  bekannt.  Dadurch,  dass  er  sich  wenige 
Jahre  darauf  mit  seinem  „Exil  des  dieux"  —  worin  das  Merk- 
würdigste die  griechische  Götterbezeichnung  statt  der  ge- 
wohnten klassischen  (römischen),  z.  B.  Zeus  für  Jupiter, 
x^thenee  für  Minerve  etc.  —  an  dem  „Parnasse  contemporain", 
jenem  Konstitutionskodex  der  Parnassiens  beteiligte,  trat  er 
offiziell  in  den  neuen  „Cenacle"  ein,  allerdings  eher  in  der 
Eigenschaft  als  Meister  und  hoher  Gönner.  —  Schon  Theo 
Gautier  hat  in  seiner  „Histoire  du  romantisme"  auf  das  Vor- 
bild des  eben  genannten  Gedichtes  angespielt: 

L'„Exil  des  dieux"  de  Banville  peuple  une  vieille  foret  druidiquc 
des  dieux  chasses  de  l'Olympe,  et  montre,  sous  son  aspeet  serieux,  un 
theme  poetique  que  Henri  Heine,  avec  son  scepticisme  attendri  et  sa 
sensibilite  moqueuse,  avait  traite  plus  legerem ent.  — 

Bevor  wir  noch  des  Nähern  auf  Banvilles  Heinekultus 
eingehen,  wollen  wir  den  Dichter  selbst  reden  lassen,  und 
einige  Seiten  aus  seinen  Erinnerungen  citieren.  ^)  Dies  Me- 
moirenkabinettstück enthält  u.  a.  das  berühmte  Bekenntnis: 
,, Henri  Heine  est,  apres  Victor  Hugo,  le  plus  grand  poete  de 
ce  siecle.  La  premiere  fois  qiie  je  lus  l\^Intermezzo'-^ ,  le  plus 
heau  pohne  d'amour  qiä  ait  jamais  ete  ecrit,  il  me  sembla  quhin 
volle  se  dechirait  devant  mes  yeiix  .  .  ."  etc. 

Schon  diese  Worte  sagen  mehr,  als  die  peinlichste  und 
kleinlichste  Textuntersuchung  lehren  könnte. 


berechnet.  Sie  ist  plastisch,  und  im  Reim  entscheidet  nicht  nur  der  Klang, 
sondern  auch  die  Schreibart"  —  und  weiter :  „Ich  bin  wirklich  sehr  gewissen- 
haft im  Arbeiten  gewesen ;  ich  habe  gearbeitet,  ordentlich  gearbeitet  an  meinen 
Versen." 

1)    „Mes  Souvenirs",  Paris  1883. 


m 


auf  die  Parnassieiis  und  ilircn  Anhang.  331 


Henri    Heine. 

Sur  colui-lä  je  n'ai  aucuns  Souvenirs  personnels,  car  je  n'ai  Ja- 
mals eu  le  bonheur  de  le  voir,  et  cependant  il  n'y  a  pas  d'etre  que 
j'aie  plus  tendrement  ainie.  Quoi !  aimer  un  Prussien !  C'est  que,  pour 
moi,  il  n'est  pas  du  tout  un  Prussien;  il  est  de  la  patrie  d'Orphee, 
et  il  a  cliante,  il  chantera  ä  jamais,  au  bord  des  golfes  pareils  ä  des 
Saphirs,  oü  nagent  les  cygnes  blancs  conime  la  neige.  Helas!  j'avais 
le  desir  le  plus  ardent  de  courir  vers  ce  poete,  dont  j'entendais  en 
moi  les  vers  rythmes  par  les  battements  meme  de  moncoeur;  mais 
pour  cela,  ne  voulant  pas  le  troubler,  j'attendais  qu'il  tut  gueri  de  ses 
souff'rances  et  j'attendais  aussi  que  je  fusse  gueri  des  miennes  pour 
ne  pas  le  desoler  par  un  triste  spectacle.  C'est  en  quoi  j'avais  mal 
raisonne;  car  je  suis  reste  malade  et  je  le  serai  jusqu'ä  mon  dernier 
jour,  et,  depuis  longtemps  deja,  le  poete,  reveille  du  cauchemar  de  cette 
nuit  terrestre,  triomphe  sous  la  pourpre  et,  en  compagnie  des  ehan- 
teurs  qui  l'ont  precede,  boit  le  nectar  dans  une  coupe  de  diamants 
et  s'enivre  d'immortelles  delices. 

Pour  moi  (et  je  commence  ä  etre  assez  vieux  pour  oser  dire 
ce  que  je  pense),  Henri  Heine  est,  apres  Victor  Hugo,  le  plus  grand 
poete  de  ce  siede.  La  premiere  fois  que  je  lus  l'„Intermezzo",  le 
plus  beau  poeme  d'amour  qui  alt  jamais  ete  ecrit,  il  me  sembla  qu'un 
volle  se  dechirait  devant  mes  yeux  et  que  je  voyais  pour  la  premiere 
fois  une  chose  longtemps  revee  et  cherchee.  Quoi !  ce  n'^tait  pas  un 
impossible  desir!  cela  se  pouvait  donc,  un  poeme  exempt  de  toute 
Convention  et  de  toute  rhetorique,  oü  le  chanteur  est  si  sincere  que, 
lorsqu'il  me  montre  son  coeur  dechire  et  saignant,  je  me  sens  en  meme 
temps  inonde  par  le  sang  qui  coule  de  mon  coeur !  Ce  cliant,  ce  drame 
oü  il  n'y  a  pas  d'autres  personnages  que  la  rose,  le  lis,  la  colombe, 
le  soleil  et  le  rossignol,  c'est-ä-dire  de  quoi  faire  le  plus  assommant 
et  le  plus  plat  des  volumes  de  vers,  est  pour  moi  egal  au  Cantique 
des  Cantiques  et  superieur  meme  aux  scenes  d'amour  de  „Romeo  et 
Juliette",  car  l'expression  de  l'amour  y  est  aussi  intense  et  suavement 
exquise  que  dans  la  tragedie  shakespearienne,  et,  pour  son  eternelle 
gloire,  eile  y  est  affranchie  de  toute  historiette! 

Dans  r„Intermezzo",  le  drame,  c'est  les  afFres,  les  joies,  les 
delices,  les  epouvantes,  les  regrets,  les  bravourös,  les  lächetes,  les 
voluptes  cruelles,  les  ressouvenirs,  les  sanglots,  les  desirs  de  l'ineluc- 
table  amour,  aussi  divers  et  changeants  que  les  flots  ensoleilles,  ge- 
missants  et  capricieux  de  la  mer.  I\  peut  y  avoir  des  instants  oü  ma 
blessure  soit  trop  avivee  et  cuisante  pour  que  je  puisse  m'interesser 


332  H.  Heines  Einfluss 


a  la  querelle  des  Capulets  et  des  Montaigus;  inais,  au  contraire,  ä 
quelque  moment  que  ce  soit,  je  me  sens  ivre  dans  ce  poeme  qui  iie 
saurait  me  lasser,  puisqu'il  n'y  est  question  que  de  moi  et  ma  propre 
histoire. 

Oui,  qui  que  tu  sois,  tu  as  aiine  ou  tu  aimes,  et,  en  lisant  !'„ Inter- 
mezzo", tu  retrouves,  transcrit  dans  une  langue  divine,  mais  en  meme 
temps  claire  et  precise,  tout  ce  que  tu  as  senti  et  pense,  et,  dans  le 
jardin  plein  de  fleurs  brillantes  oü  s'ouvre  la  rose  rougissante  et  oü 
retentit  le  cliant  enflamme  des  rossignols,  tu  reconnais  non  pas  des 
marionnettes  d'epopee  ou  de  theätre,  mais  la  bien-aimee  et  toi,  ces 
deux  personnages  toujours  jeunes  de  la  Comedie  humaine  et  de  la 
divine  Comedie  .  .  . 

Je  ne  puis  m'empeclier  de  rire  en  voyant  qu'on  clierclie  la  for- 
mule  du  poeme  moderne,  si  completement  et  absolument  trouvee  dans 
„Atta  Troll",  oü  des  chasseurs  dandies  vont  tuer,  dans  les  Pyrenees, 
un  ours  vaillant,  comme  Achille,  qui,  une  fois  depouille  et  prepare  par 
le  foureur,  devient  une  descente  de  lit  envoyee  ä  „mademoiselle  Ju- 
liette  ä  Paris",  et  oü  cependant  passent  sous  la  lune,  avec  la  chasse 
infernale,  la  deesse  Diane  et  la  fee  Habonde,  et  Herodiade  faisant 
sauter  sur  son  plat  d'or,  comme  une  orange,  la  tete  de  Jean-Baptiste... 

Cliose  etrange !  le  chanteur  de  r„Intermezzo",  qui  savait  si  bien 
admirer,  s'etait  montre  de  la  plus  cruelle  injustice  envers  le  roi  in- 
conteste  de  l'art  lyrique,  et,  par  contre,  Victor  Hugo  est  peut-etre  un 
peu  avare  de  louanges  pour  l'archer  apoUonien,  pour  le  spirituel  et 
moderne  Aristophane.  Mais,^)  tandis  que  ces  deux  genies  se  regardent 


*)  Wenn  Heine,  ebenso  wie  sein  Geistesverwandter  Musset,  respekt- 
widrige Witze  über  den  „Olyinpier'*  riss,  so  wusste  er  aber  auch  dieselben 
durch  aufrichtiges,  immerhin  nicht  ganz  ironiefreies  Lob  gut  zu  machen.  So 
schreibt  er  im  sechsten  Brief  „lieber  die  französische  Bühne"  (Bd.  X,  pag.  195): 
„Ja,  V.  Hugo  ist  der  grösste  Dichter  Frankreichs,  und  was  viel  sagen  will, 
er  könnte  sogar  in  Deutschland  unter  den  Dichtern  erster  Klasse  eine  Stellung 
einnehmen."  Man  vergleiche  J.  Sarrazin,  „Deutsche  Stimmen  über  Victor  Hugo", 
„Körtings  Zeitschrift",  Bd.  VH,  pag.  228  ff.  —  Dass  der  eitle  Hugo  die  Spöt- 
tereien des  Satyrikers  nie  verzieh,  haben  wir  schon  erwähnt.  Es  wurde  dies 
neuerdings  in  einem  pikanten  Aufsatze  des  Akademikers  Jules  Claretie  „Les 
Causeries  de  Victor  Hugo"  („Revue  de  Paris",  1.  Juli  1894)  bestätigt.  Hugo 
rühmt  sich  dort,  in  seinem  ganzen  Leben  keinen  Liter  Wein  getrunken  zu 
haben,  und  fährt  fort :  „Ce  qui  n'empeche  pas  M.  Villemain  de  m'avoir  accuse 
de  folie,  un  autre  d'alcoolisme,  un  autre  encore  de  tentative  de  raeurtre  sur 
mes  eufants,  oui  de  defenestration,  et  Henri  Heine  d'avoir  ecrit  qu'il  savait 


auf  (lio  Parnassiens  und  ihren  Anhang.  333 


en   lions  de  fa'ience,  leurs  deux  Muses,   derriere  eux,  echangent  des 
sourires  amis  et  tendrement  se  caressent  et  s'embrassent. 

(Pag.  439-444.) 

Auch  eine  wohlgetroffene,  köstUche  kleine  Momentauf- 
nahme unseres  Dichters  in  Banvilles  „Camees  parisiens" 
(„Petites  etudes",  Paris  1883;  pag.  244),  mag  hier  Raum 
finden : 

„Avec  quelque  chose  d'un  Etre  plus  immortol  et  plus  divin,  que 
je  ne  puis  nommer  ä  propos  du  poete  d'„Atta  Troll",  son  visage 
serein,  eclatant,  d'une  beaute  siderale,  reproduisait,  transforme  par 
la  voluptueuse  gräce  hebraique,  celui  d'Apollon,  mais  d'un  Apollon 
endiable,  dont  toutes  les  pensees  etaient  ironie  et  poesie  ä  la  fois, 
et  sa  barbe  blonde,  naturellement  separee  en  deux  pointes,  faisait 
merveilleusement  valoir  une  bouche  toujours  etincelante  d'amour, 
de  raillerie  et  de  joie.  Oui,  de  joie,  malgre  toutes  les  souffrances! 
Heine,  ä  qui  un  oncle  Midas  avait  offert  un  million  pour  qu'il  re- 
noncat  ä  percer  les  sots  de  ses  fleches  d'or,  i)  comnie  son  aieul 
Aristopliane,  et  qui  avait  refuse  ce  prix  insuffisant,  ne  devait-il  pas 
etre  gai  conime  le  soleil?  Qui  fut  aussi  riebe  que  lui,  puisqu'il 
l'avait  ete  assez  pour  se  donner,  comme  „gracioso"  egayant  ses 
poenies  lyriques  .  .  .  Monsieur  de  Rothschild!  Aussi  avait-il  toujours 
l'air  du  dieu  des  vers  au  nioment  oü  il  vient  d'ecorcher  le  satyre 
Marsyas;  et,  ä  voir  son  sourire,  on  eüt  dit  qu'il  portait  en  effet  sous 
son  bras  la  peau  de  Marsyas  toute  sanglante.  De  la  l'ineifable  conten- 
tement  qui  brillait  sur  son  front  baigne  de  lumiere!" 

Schon  in  den  „Cariatides"  (1842)  hatte  Banville  in  dem 
Abschnitte,  betitelt:  „Caprices,  Dixains  a  la  maniere  de  Cle- 
ment Marot",  die  Sage  vom  geschundenen  Silenen  in  gleicher 
Weise  allegorisch  auf  unseren  Dichter  angewandt.  Die  zwölfte 
Strophe  lautet  nämlich  (pag  184) : 


pertinemment,  et  par  mon  tailleur,  s'il  vous  platt,  que  fefais  bossu,  oui 
gibheux,  ce  qui  m'a  fait  ecrire  sous  un  de  mes  portraits  : 

Voici  les  quatre  aspects  de  cet  homme  feroce  : 

Folie,  Assassinat,  Ivrognerie  et  Bosse," 

iO    Banville    verwertet    hier    dichterisch    frei    ein    bekanntes,    aber   nicht 
nst  gemeintes  Wort  Heines. 


334  H.  Heines  Einfluss 


„Comme  Phebus,  apres  l'avoir  branclie, 
Heine  toujours  portait  la  peau  sanglante 
D'un  Marsyas  qu'il  avait  ecorche. 
Pour  un  amant  de  la  rime  galante, 
Cette  maniere  est  un  peu  violante. 
O  noirs  pavots !  horrible  floraison ! 
Mais  le  Satyre  ä  la  comparaison 
Ne  peut  gagner,  s'il  entreprend  la  lutte, 
Et  les  porteurs  de  lyre  ont  eu  raison 
En  ecorchant  le  yain  joueur  de  flute." 

Der  Vergleich  ist  poetisch  und  richtig  gedacht.  Und 
wenn  Banville  hindurchblicken  lassen  will,  dass  ihm  Heine, 
der  Satiriker,  den  Heine  des  „Intermezzo"  zuweilen  verdorben 
hat,  so  hat  sich,  wie  wir  gesehen  haben,  der  spätere  Autor 
der  „Ödes  funambulesques"  doch  noch  mit  dem  Dichter  des 
„Atta  TrolP'  versöhnt. 

Noch  einmal  feiert  er  seinen  Lieblingsdichter  in  Versen, 
und  zwar  als  Nachruf  im  „Figaro''  (vom  24.  Februar  1856), 
der  damals  nur  zweimal  wöchenthch  erschien  und  seine 
Spalten  bloss  litterarischen,  artistischen  und  anderen  Pikan- 
terieen  öffnete  und  von  Politik  und  dem  Ernste  des  Lebens  — 
beileibe  nicht  das  Gleiche  —  nichts  wissen  wollte.  Ban- 
ville, der  die  Leser  des  Blattes  an  seine  geistreichen  und 
leichtfertigen  „chroniques"  gewöhnt  hat,  glaubt  sich  wegen 
der  pietätvollen  Verse,  die  schlecht  in  den  Mund  des  Helden 
Beaumarchais'  passen,  entschuldigen  zu  müssen: 

„Mille  pardons !  je  m'oubliais,  —  mais  je  Tai  tant  aime, 
ce  eher  esprit  ironique  et  enchanteur  qui  nous  a  donne  „Atta 
TrolP'  et  r„lntermezzo" !  —  Aliens,  ce  n'est  rien,  un  grand 
poete  qui  meurt  seulement,  voila  tout:  n'en  parlons  plus!'' 
In  dieser  bitter  höhnenden  Spottrede  liegt  mehr  wahre  Trauer 
als  in  dem  folgenden  Nekrologsgedichte,  das  nicht  zu  seinem 
Besten  zählt.  Wir  citieren  es  aus  dem  Liedercyklus  „Le  sang 
de  la  coupe",  in  dem  es  unverkürzt  und  unverbessert  auf- 
genommen ist. 


auf  die  Parnassiens  und  iJiren  Anhang.  335 


A  Henri    Heine. 

O  poete!  ä  present  que,  dans  ta  chere  France, 
L'aniante  au  froid  baiser  t'a  pris  ä  la  soufFrance, 
Et  que,  sur  ton  front  pale  encor  endolori, 
Le  calme  harmonieux  du  trepas  a  fleuri; 
A  present  que  tu  fuis  vers  l'astre  oü  la  musique 
Pure  t'enivrera  du  rythme  hyperphysique, 
Tu  souleves  la  pierre  inerte  du  tombeau, 
Et,  redevenu  jeune,  enthousiaste  et  beau, 
Loin  de  ce  monde  empli  d'epouvantes  frivoles, 
Libre  de  tous  liens,  mon  frere,  tu  t'envoles 
Aux  rayons  dont  fourmille  et  fremit  l'ether  bleu, 
Le  visage  riant  comnie  celui  d'un  dieu! 

Vetu  du  lin  sans  tache,  et  de  la  pourpre  insigne 
Couronne,  rayonnant,  tu  joins  la  voix  du  cygne 
Au  concert  que  faisaient,  dans  le  desert  des  eieux, 
Les  spheres  gravitant  sur  leurs  legers  essieux. 
Glorieux,  tu  redis  les  cliants  que,  sur  la  terre, 
N'ont  fleclii  que  le  tigre  et  la  noire  panthere. 
Et  tu  vois  accourir  vers  toi,  ravis  d'amour, 
Les  constellations  et  les  lis.    A  l'entour, 
Sous  le  volle  meurtri  d'une  Aurore  qui  saigne, 
La  lumiere,  en  pleurant,  dans  ton  ode  se  baigne ; 
Dans  les  jardins  de  feu,  les  roses  de  mille  ans, 
Pour  la  boire,  ont  ouvert  des  calices  brtilants. 
La  vigne  et  les  raisins  de  l'immortelle  joie, 
Rougissants  de  desir  sous  la  treille  qui  ploie, 
Laissent  pendre  leurs  fruits  gonfles  sur  les  chemins. 
Et  toi,  vers  les  rameaux  tendant  tes  belles  mains, 
Heureuses  de  cueillir  les  Celestes  vendanges, 
Tu  montes  dans  l'azur  en  cliantant  des  louanges  I 

Dass  Banville  den  Geist  der  Heineschen  Werke  auf  sich 
einwirken  liess,  dürfte  nach  dem  vorangegangenen  nicht  mehr 
zu  bezweifeln  sein.  Auf  dies  Vorbild  deuten  vor  allem  die 
„Ödes  funambulesques"  hin,  jene  phantastisch-launischen  Spott- 
Heder,  das  Bändchen,  das  Hugo  „un  Hvre  exquis"  nannte  und 
von  dem  Vacquerie  —  als  getreues  Echo  —  schrieb: 


336  H.  Heines  Einfluss- 


„Ton  volume  eclate  de  rire, 

Mais  le  beau  rayonne  au  travers." 

E.  Hennequin  bemerkt :  ^)  „De  Banville  a  egaye  ses  „Ödes 
funambulesques"  par  d'etincelants  paillons  qui  luttent  de  flam- 
boiements  avec  les  fusees  d',,Atta  Troll"  et  du  „Conte  d'hiver'^ 
Auch  Gautier  denkt  bei  diesen  Satiren  an  Heine  und 
sagt  („Les  progres  de  la  poesie  frangaise  depuis  1830,"  Paris 
1867): 

„Jamais  la  fantaisie  ne  se  livra  a  un  plus  joyeux  gaspillage  de 
richesses,  et,  dans  ce  bizarre  volume,  l'inspiration  de  Banville  res- 
semble  ä  cette  mignonne  princesse  chinoise  dont  parle  Henri  Heine, 
laquelle  avait  pour  supreme  plaisir  de  dechirer,  avec  ses  ongles  polis 
et  transparents  comnie  le  jade,  les  etoffes  de  soie  les  plus  precieuses, 
et  qui  se  pämait  de  rire  en  voyant  ces  lambeaux  roses,  bleus,  jaunes 
s'envoler  par-dessus  le  treillage  comme  des  papillons."     - 

Desgleichen  zieht  Ducros  ^)  (pag.  145)  eine  Parallele  zwi- 
schen Banvilles  Oden  und  Heines  Sonetten: 

„Si  on  nous  perniet  de  rapprocher  ici  Heine  d'un  poete 
frangais  contemporain,  M.  Theodore  de  Banville,  nous  appel- 
lerons  volontiers  quelques-uns  de  ces  sonnets  (particuliere- 
ment  le  III,  IV)  ^)  des  sonnets  funambulesques.  La  definition 
que  M.  de  Banville  donne  de  ses  „ödes  funambulesques" 
convient  ä  merveille  a  ces  sonnets  de  Heine:  „L'ode  funam- 
bulesque  (disons  ici  le  sonnet)  est  un  poeme  .  .  .  dans  lequel 
l'element  bouffon  est  etroitement  uni  a  l'element  lyrique  *)  ei 
oü,  comme  dans  le  genre  lyrique  pur,  l'impression  comique 
ou  autre,  que  l'ouvrier  a  voulu  produire,  est  toujours  obtenue 
par  des  combinaisons  de  rimes,  par  des  elTets  harmoniques  et 
par  des  sonorites  particulieres."  —  Chez  M.  de  Banville,  le 
comique  resulte  le  plus  souvent  du  melange  de  termes  bour- 


')    „Ecrivains  frangais"   etc.  (vergl.  Abschnitt  II). 
2)   Vergl.  Abschnitt  IL 
^)    „Freskosonette". 

^)    Banville    hat    dieser  Idee   in  seinem    „Gringoire"    dramatische   Gestalt 
gegeben. 


■ 


auf  die  Parnassfens  und  ihren  Anhang.  337 


geois  et  meme  boulevardiers  avec  des  termes  tres  poetiques. 
C'est  de  meme  le  cas  chez  Heine  qui  remplace  seulement  les 
termes  boulevardiers  par  des  mots  d'etudiant  (burschikos)."  — 
Ducros  hätte  nur  den  anachronistischen  Anflug  seiner  sehr 
richtigen  Parallele  vermeiden  sollen.  ^) 

Bemerkenswert  ist  auch ,  dass  der  Autor  der  „Idylles 
prussiennes"  '^)  in  Heine  niemals  einen  Deutschen  sehen  wollte. 
Hat  er  doch  für  diese  Rache-  und  Spottgedichte,  die  mit 
Derouledes  Revancheliedern  zu  dem  chauvinistischsten,  aber 
auch  zu  dem  wertvollsten  gehören,  das  die  Revanche-Poesie 
seit  1870  hervorbrachte,  Heines  eigene  Worte  aus  der  „Ger- 
mania" als  Motto  gebraucht. 

Aehnlich  wie  bei  Heine,  können  wir  von  drei  verschie- 
denen, sich  dennoch  nicht  widersprechenden  Banville  reden; 
von  Banville,  dem  sternträumenden  Poeten,  dem  Humoristen 
und  Peuilletonisten  der  Boulevards,  und  dem  Satyriker.  Genau 
wie  Heine,  verfolgt  er  seine  Opfer,  in  naivem  Starrsinn,  mit 
einem  Feuerwerk  von  Paradoxen  und  beissenden  Witzen;  wie 
jener,  hält  er  dies  für  sein  gutes  Dichterrecht  und  wundert 
sich,  dass  ihn  andere,  das  Opfer  inbegriffen,  grausam  und  un- 
gerecht finden.  Wie  Heine,  war  Banville  ein  Original,  das 
nicht  wie  andere  Menschen  sein  konnte  und  wollte,  ein  oppo- 
sitioneller Geist,  der  einem  Charakter  entsprang,  in  dem  sich 
eine  Fülle  von  Gegensätzen  vereinigte.  In  Einem  aber  ist 
er  ihm  und  seinem  andern  Meister  Hugo  ganz  ungleich,  und 
zwar  durch  eine  Eigenschaft,  die  ihn  über  und  ausser  die 
ganze  Dichterschar  des  Jahrhunderts  stellt.  Diese  Eigentüm- 
lichkeit besteht  in  seinem  unverwüstlichen  Optimismus.  Von 
allem  Elend  hienieden  sieht  er  nichts.  Die  Welt  betrachtet 
^^r  als   ein   ungeheures  Feenreich   und   als  solches   besingt  er 

t 


^)  Auffallend  ist  es,  dass  Jules  Lemaitre  in  seiner  Studie  über  Banville 
Les  contemporains",  F*  serie)  nicht  von  Heines  Einfluss  redet. 

'^)  In  dein  citierten  Aufsatze  von  Koschwitz  übersehen.  Ebenso  weg- 
elassen  ist  Amedee  Achards  „Le  r^cit  d'un  soldat". 

Betz,  Heine  in  Frankreich.  ^^ 


338  H:.  Heines  Einfluss 

sie  auch.  Baudelaire,  der  denkbar  entgegengesetzteste  Em- 
pfindungspol, trifft  das  Richtige,  wenn  er  von  ihm  sagt :  „Le 
talent  de  Banville  represente  les  belies  heures  de  la  vie." 
Insofern  ist  Banville  in  unserem  pessimistischen  Jahrhundert 
ein  Fremder  —  ein  im  Zeitalter  des  Zweifels  und  des  Ich- 
schmerzes verirrter ,  Heine  ganz  unähnlicher  Renaissance- 
Dichter. 


CatuUe  Mendes 

(1843). 

Wir  haben  diesen  begabten  und  vielseitigen  Ritter  der 
Feder  schon  als  Uebersetzer  Heines  und  Leiter  der  Parnassiens 
kennen  gelernt.  Wenn  wir  hier  von  ihm  sprechen,  so  gilt 
dies  nur  dem  Lyriker,  der,  besonders  in  seinen  Jugendjahren, 
einige  der  vollendetsten  Lieder  gesungen,  die  die  moderne  fran- 
zösische Poesie  aufzuweisen  hat.  Ueber  die  Grenzen  Frank- 
reichs hinaus  erinnert  der  Name  Catulle  Mendes  allerdings 
bloss  an  den  Autor  einer  Anzahl  Romane,  in  denen  sich 
kunstvoll  dargestellter  Sadismus  breit  macht. 

Der  jugendliche  Dichter  Mendes,  der  wurzelt  ganz  und 
voll  im  Heineschen  Liede,  und  wir  gehen  soweit,  zu  be- 
haupten, dass  er  seinem  Geschick,  den  Ton  desselben  ge- 
troffen zu  haben,  die  ersten  Erfolge  verdankt.  Der  zwanzig- 
jährige Poet  hat  sich  dermassen  der  innersten  Natur  der  Lyrik 
Heines  assimiliert,  dass  einige  seiner  Lieder  uns  einen  Begriff 
geben,  was  wir  uns  unter  einer  idealen  Heineübersetzung 
vorstellen.  Diese  hiermit  gemeinten  kleinen  Lieder  befinden 
sich  in  dem  ersten  Bändchen  seiner  „Poesies  completes",  ^) 
in  den  Abschnitten  „Philomela''  und  „Panteleia^',  die  zu 
Beginn  der  sechziger  Jahre  erschienen  waren.  Von  dem 
darin   aufgenommenen  Cyklus  „Serenades"  —  „le  plus  futile 


0   Nouvelle  Edition,  Paris,  Ollendorf,  1885. 


auf  die  Parnassiens  und  ifiren  Anhang.  339 

et  le  plus  souriant  de  mes  petits  recueils"  —  sagt  er,  zwanzig 
Jahre  später,  selbst^)  (pag.  181): 

Les  „Serenades",  sous-intitulees  „poemes  ingenus",  formaient  un 
tout  petit  ensemble  de  toutes  petites  pieces  amoureuses.  Cela  voulait 
ressembler  aux  lieder  de  Henri  Heine  et  cela  ressemblait  aux  tendres 
complaintes  que  cliantaient  sous  les  balcons  les  etudiants  de  Castille. 
Un  melange  de  songerie  allem ande  et  de  cranerie  espagnole.  Sans 
.  me  faire  aucune  illusion  sur  le  merite  reel  de  ces  courts  poemes, 
j'ai  conserve  pour  eux  une  certaine  tendresse,  a  cause  peut-etre,  que 
sais-je,  de  quelque  souvenir  qui  s'y  rattache.  L'inspiration,  aux  yeux 
d'un  poete,  peut  surtout  valoir  par  l'inspiratriqe. 

Von  demselben  Liedercyklus  sprechend,  beichtet  er 
(pag.  186):  „.  .  .  Malgre  le  ton  pueril  de  ces  petits  poemes 
qui  imitaient  des  chansons  populaires,  il  s'y  glissait  parfois 
des  amertumes  et  je  ne  sais  quoi  d'amer  et  de  fatal."  Der 
Parnassien  glaubt  sich  dieser  vermeintlichen  Geschmacksver- 
irrung wegen  in  einem  „Finale"  betitelten  Gedichte  entschul- 
digen zu  müssen.  ^) 

Finale. 

Je  n'ai  jamais  commis  de  crime, 

On  ne  m'a  pas  assassine; 

Mon  remords  fut  i magine 

Et  mon  cceur  saigne  pour  la  rime. 

Jeune,  on  aime  a  parier  trepas ; 
Byron,  Musset,  l'exemple  tente. 
Sais-tu  de  quoi  l'äme  est  contente? 
De  montrer  qu'elle  ne  l'est  pas. 

Le  spieen  a  de  sinistres  charmes: 
On  a  le  caprice  entete 
D'affirmer  sa  virilite 
Par  le  desespoir  et  les  larmes. 


^)    „La  legende  du  Parnasse  contemporain",  pag.  181. 
2)    Ebendaselbst,  pag.  186. 


340  H.  Heines  Einfluss 

Mais  ces  choses-lä  n'ont  qu'un  jour 
Sourire  est  bon,  la  vie  est  belle. 
On  se  lasse  d'etre  rebelle 
A  la  clemence  de  l'amour. 

L'heureux  ciel  d'ete  qui  flamboie 
N'a  pas  honte  de  ses  rayons; 
Si  nous  sommes  joyeux,  ayons 
Le  courage  de  notre  joie. 

Je  suis  le  passant  ingenu, 
Celui  qui  soupire  et  qui  chante 
Parce  que  l'epine  est  mecliante 
Et  que  l'avril  est  revenu. 

Je  m'etais  egare,  sans  doute, 
Une  ogresse  me  mena§ait; 
Mais  mon  ca3ur,  ce  petit  Poncet, 
A  bientöt  retrouve  sa  route. 

Vers  un  gite  plein  de  douceurs 
II  ramena,  des  lieux  contraires, 
Tons  les  jeunes  desirs,  ses  freres, 
Et  les  illusions,  ses  soeurs. 

C'est  ä  peine  s'il  se  rappelle 
Qu'il  fut  un  instant  fourvoye; 
II  est,  dans  son  nid,  mieux  choye 
Que  les  petits  d'une  hirondelle. 

S'il  souffrit,  ce  fut  en  revant; 
Le  reve  a  sa  melancolie  .  .  . 
Mais  une  nouvelle  folie 
Guerit  d'un  vieux  songe  souvent. 

Et,  berce  d'un  souffle  qui  vole 
De  Weimar  ä  Valladolid, 
J'ai  joue  les  airs  de  mon  lied 
Sur  une  guitare  espagnole! 


auf  die  Parnassiens  und  ihren  Anhang.  341 


Die  mystisch  angehauchte  Legende  zieht  ihn  mächtig  an. 
„En  effet,  une  force  invisible  ra'attire  vers  la  legende,  humaine 
ou  religieuse,  inventee  ou  renovee,  vers  la  lointaine  legende  . . .'' 
(ebendaselbst,  pag.  264)  „.  .  .  C'est  plein  de  cet  amour  pour 
la  legende  que  j'ai  ecrit  la  plupart  de  mes  poemes  „Pante- 
leia".  .  ."  etc. 

Hieraus  erklärt  sich  seine  Vorliebe  für  die  mystisch  gross- 
artigen Schönheiten  der  heiligen  Schrift  —  wieder  ein  merk- 
würdiger Berührungspunkt  mit  Heine.  ^) 

Die  Analogie  mit  Heinescher  Poesie  hat  besonders 
E.  Hennequin  herausgefühlt : 

Ce  sont  nos  poetes  les  plus  delicats,  ceux  dont  l'inspiration  est 
la  plus  raffinee  et  la  plus  feminine,  qui  accusent  le  mieux  les  ten- 
dances  voyageuses  de  notre  lyre.  M.  Catulle  Mendes,  qui  depuis 
s'est  livre  dans  ses  vers  ä  un  erotisme  plus  transcendant,  ä  ses  debuts, 
dans  „Philomela",  dans  les  „Serenades",  surtout  dans  r„Intermede", 
a  niodule  quelques  chansons  lyriques,  harmonieuses,  simples,  d'un 
erotisme  souffrant,  mievre  ou  malicieux,  qui  repercutent  et  continuent 
certaines  des  musiques  de  Heine.  Dans  les  „Serenades",  la  piece  VIII 
est  assurement  d'une  emotion  toute  germanique,  ainsi  que  la  piece  XI 
qui  debute  par  cette  strophe: 

Tes  yeux  mechants  et  captieux, 
Comme  le  regard  des  chimeres, 
Je  veux  les  Yoir,  bien  que  ces  yeux 
Causent  des  peines  tres  ameres.  — 

Le  balancement  du  rythme  et  la  tenuite  amoureuse  de  l'idee 
ont  d'incontestables  affinites  de  facture  et  de  sentiment  avec  les  plus 
penetrantes  pieces  du  „Livre  des  chants".  Mals  il  n'est  j^cis  d'exemple 
plus  conduant  de  ces  analogies  que  ce  lied  chantant  de  V^Intermede"" ^ 
tout  impregne  de  Vironique  tendresse  de  Heine : 


^)  Noch  im  vergangenen  Jalire  brachte  die  „Revne  ilhistree"  eine  in 
musterhafter  Sprache  verfasste  Uebersetzung  des  neuen  Testamentes  von 
C.  Mondes  („L'evangile  de  l'enfance,  mis  en  fraiKjais  par  Catulle  Mendes"). 


342 


H.  Heines  Einfluss 

Je  veux,  sur  un  rythme  leger 
Comme  un  parfum  de  fleurs  nouvelles, 
Dire  les  fleurs  de  l'oranger 
Et  ton  sein  plus  parfume  qu'elles. 

Je  veux,  sur  un  rythme  soyeux 
Comme  une  soie  oü  le  jour  glisse, 
Dire  les  satins  precieux 
Et  ta  peau  plus  fine  et  plus  lisse. 

Je  veux,  sur  un  rythme  poh 
Comme  un  lac  oü  le  ciel  se  double, 
Dire  le  lapis-lazuli 
Et  tes  yeux  purs  que  rien  ne  trouble. 


Et,  sur  un  rythme  feminin 
Comme  la  vipere  onduleuse, 
Dire  l'aspic  et  son  venin, 
Et  ta  douceur,  mon  amoureuse. 


(Pag.  291. 


Es  sei  auch  uns  noch  gestattet,  an  einigen  weiteren  Bei- 
spielen zu  zeigen,  wie  sehr  Mendes  in  dieser  Schaffensperiode; 
die  Lyrik    Heines    auf  sich   einwirken  Hess.     Die  beiden  hier] 
folgenden  Gedichte,  die  direkt  an  den  Text  eines  Liedes  voi 
Heine   anknüpfen,   gehören   zu  dem   Cyklus    „Panteleia",   die] 
Ballade  „Lied"  zu  dem  Bändchen  „Philomela"  (pag.  41). 

IX. 

Wie  schändlich  Du  gehandelt, 
Ich  hab'  es  dsen  Menschen  verhehlet. 
H.  Heine. 

Jamals,  aux  passants,  je  ne  conte 
Ta  honte  ni  mon  mal  amer; 
Mais  je  suis  alle  sur  la  mer 
Et  j'ai  dit  aux  poissons  ta  honte. 

Vous  triomphez  encor,  ma  mie, 
Sur  terre  ferme,  efFrontement ; 
Mais,  dans  tout  l'abime  ecumant, 
On  connait  bien  ton  Infamie. 


auf  die  Parnassiens  und  iliron  Anhang.  343 


Pag.  32: 


Pag.  36: 


Serenades. 
I. 


Wandr  ich  in  dem  Wald,  des  Abends, 
In  dem  träumeiüschen  Wald. 

H.  Heine. 


Dans  la  foret  qui  cree  un  reve, 
Je  vais,  le  soir,  dans  la  foret: 
Ta  freie  image  m'apparait 
Et  chemine  avec  moi,  sans  treve. 

N'est-ce  pas  lä  ton  volle  fin, 
Brouillard  leger  dans  la  nuit  brune? 
Ou  n'est-ce  que  le  clair  de  lune 
A  travers  Pombre  du  sapin? 

Et  ces  larnies,  sont-ce  les  miennes 
Que  j'entends  couler  doucement? 
Ou  se  peut-il,  reellement, 
Qu'ä  nies  cotes,  en  pleurs,  tu  viennes? 


Lied. 

I. 

Nez  au  vent,  coeur  plein  d'aise, 
Berthe  eniplit,  fraise  ä  fraise, 
Dans  le  bois  printanier, 
Son  frais  panier. 

Les  deesses  de  marbre 
La  regardent,  sous  l'arbre, 
D'un  air  plein  de  douceur, 
Comme  une  soeur. 

Et,  dans  de  folles  rixes, 
Passe  l'essaim  des  Nixes 
Et  des  Elfes  badins 
Et  des  Ondins. 


344 


H.  Heines  Einfluss 


Pag.  37: 


Pag.  88: 


II. 

Un  Elfe  dit  ä  Berthe: 
„Lä-bas,  sous  Tombre  verte, 
II  est,  (lans  les  sentiers, 
De  beaux  fraisiers!" 

Un  Elfe  ä  la  moustache 
Tres  fine  et  l'air  bravache 
D'un  reitre  ou  d'un  varlet, 
Quand  il  lui  platt. 

—  „Conduisez-moi,  dit  Berthe, 
Lä-bas,  sous  l'ombre  verte, 
Oü  sont,  dans  les  sentiers, 
Les  beaux  fraisiers." 


in. 

Leste,  comme  une  chevre, 
Berthe  courait.    „Ta  levre 
Est  un  fraisier  charmant," 
Reprit  l'amant. 

„Le  baiser,  fraise  rose, 
Donne  ä  la  bouche  eclose, 
Qui  le  laisse  saisir, 
Un  doux  plaisir." 

—  „S'il  est  ainsi,  dit  Berthe, 
Laissons,  sous  l'ombre  verte, 
En  paix,  dans  les  sentiers, 
Les  beaux  fraisiers!" 


In  dem  von  Hennequin  erwähnten  kleinen  Liederbuche 
„Intermede"  (Paris,  Ollendorf,  1885)  findet  sich  wiederum 
eine  ganze  Anzahl  Gedichte,  die  durch  ihre  anmutige  Sing- 
weise, durch  die  charakteristische  Mischung  von  träumerischer 
Sentimentalität   und  kränkelnder   Sinnlichkeit   —    Brunetiere 


auf  die  Parnassieiis  und  ihren  Anhang.  345 

würde  diese  Manier  „du  Musset  deprave"  nennen  —  und  be- 
sonders durch  die  häufige  Blunienallegorie  den  Titel  vollauf 
rechtfertigen  und  erklären.  Als  Beleg  noch  folgende  kleine 
„Chanson" : 

Si  ton  front  est  comme  un  roseau 

Qui  s'efface,  des  qu'un  oiseau 
Le  touche, 

Mon  baiser  se  fera  moins  prompt, 

Pour  ne  pas  etonner  ce  front 
Farouche ! 

Si  tes  yeux,  ces  lacs  lumineux, 
N'aiment  pas  qu'un  soir  triste  en  eux 

Se  mire, 
Pour  ne  pas  assombrir  tes  yeux, 
Je  prendrai  le  masque  joyeux 

Du  rire! 

Mais  si  ton  coeur  las  est  pareil 
Au  lis  qui,  brulant  au  soleil 

Ses  Charmes, 
Penche,  de  rosee  altere, 
Sans  feindre,  helas!  j'y  verserai 

Des  larmes. 

„Du  Heine  pur,'^  wie  sich  der  Franzose  ausdrücken  würde, 

ind  endlich  noch  die  beiden  Strophen,    mit   denen  wir  Men- 

des   verlassen   wollen.     Wir   wissen   nicht   mehr,   wo  wir   die 

hübschen  Verse,  die  bis  zur  Vision  der  blassen,  kleinen  Hand 

an  Heine  erinnern,  aufgelesen  haben: 

J'ai  vu  fleurir  le  sourire 

D'une  levre  en  mai ; 
Je  ne  mourrai  pas  sans  dire 

Que  je  fus  aime, 

Qu'une  odeur  de  clematite 

Me  suit  en  chemin, 
Pour  avoir  touche,  petite 

Et  pale,  ta  main. 


i 


346  H.  Heines  Einfluss 


Francois  Coppee 

(1842). 

Auch  ein  Parnassien,  und,  seiner  dichterischen  Genesis 
nach,  doppelt  ein  solcher,  weil  es  Mendes  war,  der  ihm  die 
Kunst  des  Reimens  lehrte.  Während  er  aber  lernte,  was  zu 
lernen  war,  ging  er  seine  eigenen  Wege,  sagte  sich  los  von 
der  blossen  Sprachkünstelei  und  wurde  des  modernen  Frank- 
reich unübertroffener  Kleinmaler  und  populärster  Lyriker. 
Natürlich  ist  es,  dass  den  jungen  Coppee  auch  die  Heine- 
schwärmerei seines  Lehrmeisters  beeinflusst  hat.  Und  in  der 
That  lassen  sich  auch  bei  dem  Autor  der  „Humbles"  —  so 
fremd  sich  im  Grunde  die  beiden  Musen  sein  mögen  — 
deutliche  Spuren  Heineschen  Einflusses  nachweisen.  Schon 
der  Zug  feiner  Ironie,  eine  gewisse  zarte,  nicht  selten  an- 
gekränkelte Empfindungsweise  seiner  ersten  Lieder  lassen  die 
Annahme  gar  nicht  gewagt  erscheinen,  dass  auch  er  bei  der 
Lyrik  unseres  Dichters  in  die  Schule  gegangen.  Seine  ganze 
litterarische  Erziehung  und  Umgebung  weisen  darauf  hin. 
Wäre  dies  nicht  der  Fall,  so  könnte  mit  Recht  bemerkt 
werden,  dass  es  sich  hier  gerade  so  gut  um  deutschen  Ein- 
fluss  handle.  Heine  aber  war  Mode-  und  Lieblingsdichter  der 
Parnassiens,  und  was  daher  bei  ihnen  deutschen  Ursprungs 
ist,    darf  in  erster  Linie  als  Werk  Heines   betrachtet  werden. 

Unser  Gewährsmann  ist  auch  hier  wieder  E.  Hennequin: 

Frangois  Coppee,  quand  il  n'est  pas  purement  original,  s'inspire 
volontiers  de  la  muse  populaire  allemande.  II  y  a  dans  ses  recueils 
de  vers,  surtout  dans  „L'Exilee"  (Lied,  Echo,  etc.),  dans  „Les  Mois",  de 
vraies  chansons  musicales,  simples,  d'une  emotion  naive  et  naturelle, 
comme  eüt  pu  en  composer  un  disciple  de  l'ecole  souabe  .  .  .  il  nous 
seinhle  que  les  y,Intiinites^  laissent  au  soucenir  une  emotion parente 
a  Celle  qu'on  eprouve  en  lisant  l'y, Intermezzo^.  C'est  la  meme  analyse, 
par  petites  pieces  detachees,  d'une  histoire  amoureuse  generale  et 
vague  comme  toutes  les  aventures  sentimentales,  le  meme  sens  de 


auf  die  Parnassiens  und  iliren  Anhang.  347 

l'äme  feminine,  les  memes  dialogues  avec  les  choses  inanimees,  et  par- 
fois  des  mecliancetes  ressemblantes.  Parmi  les  poetes  conteniporains, 
M.  Coppee  est  celui  qui  rappelle  le  plus  le  cliarme  naturel,  l'inspi- 
ration  familiere  enjouee  ou  melancolique  de  la  muse  allemandeJ) 

Als  Motto  für  seine  Liedersammlung  „L'Exilee"  benützt 
Coppee  Heines  Worte  aus  dem  „Intermezzo^' :  „De  mes  grands 
chagrinSj  je  fais  de  petites  chansons."  Das  hübsche  „Lied'^ 
birgt   den  ganzen  Zauber,   den  Titel  und  Motto  versprechen. 

Lied. 

Rougissante  et  tete  baissee, 
Je  la  vois  me  sourire  encor. 

—  Pour  le  doigt  de  ma  fiancee 
Qu'on  me  fasse  un  bei  anneau  d'or! 

Elle  part,  mais  bonne  et  fidele; 
Je  vais  l'attendre  en  m'affligeant. 

—  Pour  garder  ce  qui  me  vint  d'elle, 
Qu'on  me  fasse  un  coffret  d'argent. 

J'ai  sur  le  coeur  un  poids  enorme; 
L'exil  est  trop  dur  et  trop  long. 

—  Pour  que  je  me  repose  et  dorme, 
Qu'on  nie  fasse  un  cercueil  de  plomb. 


Leon  Yalade 

(1841—1884). 

Diesen  sympathischen  Poeten  haben  wir  schon  als  einen 
der  besten  Heineübersetzer  kennen  gelernt.  Yalade  zählte 
zwanzig  Jahre,  als  er  sich  den  Parnassiens  anschloss.  Sein 
Landsmann  Mendes  —  beide  sind  aus  Bordeaux  gebürtig  — , 


0    „Ecrivains  francises",  pag.  292. 


348  H.  Heines  Einfluss 


der  hohe  Stücke  auf  das  poetische  Talent  Valades  hielt,  ent- 
wirft ein  inniges  Bild  des  so  früh  hinweggerafPten  Dichters, 
von  dem  er  u.  a.  sagt: 

„Une  douceur  infinie,  un  peu  triste,  une  apprehension  de  tout 
exces,  une  tendresse  qui  ose  ä  peine  dire  qu'elle  aime,  alanguissent 
delicieusement  son  talent  discret  et  pur.  II  fait  songer  a  une  sensitive 
qui  serait  une  violette." 

(„Legende  du  Parnasse  Contemporain",  pag.  197.) 

Ein  anderer  zu  Ruhm  und  Ehre  gelangter  Parnassien, 
Anatole  France,  ^)  urteilt  ähnlich  über  Valade : 

Leon  Valade  est  un  poete  tout  intime,  tres  fin,  tres  delicat.  II 
excelle  ä  peindre  des  scenes  familieres  et  de  jolis  paysages.  II  a 
de  l'esprit,  c'est-ä-dire  qu'il  a  ce  qui  caresse,  ce  qui  chatouille  l'äme 
et  la  fait  sourire.  II  s'attendrit  quand  il  faut,  mais  il  garde,  meme 
en  s'attendrissant,  une  pointe  de  malice. 

Da  Valade  es  aber  trotzdem  nicht  verstanden,  sich  in 
seiner  eigenen  Heimat  lärmend  an  die  Oberfläche  zu  drängen, 
musste  er  natürlich  dem  Auslande,  das  keine  Zeit  hat,  fremde 
Autoren  zu  prüfen,  sondern  auf  die  angewiesen  ist,  die  sich 
ihm  am  auffallendsten  anbieten,  ein  Unbekannter  bleiben.  Diese 
Isolierung,  zu  Hause  und  in  der  Fremde,  ist  allein  schon  ein 
Symptom  echten  Dichterwertes.  Seine  Lieder,  die  die  Mode- 
kritiker nicht  der  Mühe  wert  hielten,  der  grossen  Menge  an- 
zupreisen, waren  nur  einer  kleinen  Gemeinde  Kunstliebender 
bekannt.  Erst  durch  die  Herausgabe  seiner  Werke  ^j  erfuhr 
das  Publikum,  dass  Frankreich  seit  kurzem  wieder  einen 
Dichter  weniger  zähle,  lieber  sein  Talent  und  seinen  Lieb- 
Hngspoeten  berichtet  Camille  Pelletan  in  einer  interessanten 
Einleitung  u.  a.  folgendes  (pag.  VII) : 


^)   Vergl.  Grand  Dictionnaire  Larousse,  11"  Supplement,  article  „Valade  . 
2)    „Oeuvres    de   Leon  Valade  —  Poesies",  Lemerre,  1887  —   mit  einer 
biographischen  Skizze  von  Camille  Pelletan. 


auf  die  Parnassions  und  ihren  Anhang-.  349 

„C'est  la  delicatesse  dans  le  sentiment  et  dans  la  forme 
qui  reste  la  marque  de  son  talerit.  On  le  reconnaitrait  rien 
qu'au  choix  des  maitres  auxquels  il  revenait  sans  cesse.  Je 
parle  surtout  de  Henri  Heine  dont  il  imita  mainte  fois  les 
poemes.  II  excellait  ä  son  reve  allemand  colore  d'un  esprit 
tont  frangais,  ses  profonds  sanglots  brusquement  interrompus 
par  une  etincelante  Ironie,  et  ses  visions  des  legendes  ger- 
maniques  ä  moitie  traversees  par  un  rayon  de  lumiere  vol- 
tairienne.  Valade  avait,  comme  personne,  rincomparable 
legerete  de  main,  necessaire  pour  saisir  ce  je  ne  sais  quoi 
d'insaisissable,  fait  d'une  simplicite  si  prodigieusement  trouvee 
et  d'un  sourire  si  cruellement  douloureux  ..." 

„Les  qualites  qui  Tont  attire  vers  ces  maitres  (Burns  und 
Heine)  sont  celles  de  toute  son  oeuvre:  un  sentiment  singu- 
lierement  affine  dans  une  forme  etonnamment  delicate,  On  y 
reconnait,  presque  partout,  la  melancolie  profonde  du  reve 
trompe  par  la  realite ;  mais  c'est  chose  rare !  une  melancolie 
sans  pose  et  sans  galimatias,  n'ayant  aucun  rapport  avec  ces 
desesperances  que  les  „decadents"  riment  dans  une  langue 
assez  voisine,  ä  ce  qu'il  semble,  du  haut  allemand."  (!) 

Wer  dem  bei  Lemerre  (format  des  Elzevirs)  erschienenen 
hübschen  in- 12  Bändchen  Valades  einige  Stunden  geschenkt 
—  und  er  wird  es  nicht  bereut  haben  —  wird  jedes  Wort 
Pelletans,  den  letzten  Satz  vielleicht  ausgenommen,  unter- 
schreiben. Valade  hat  das  Geheimnis  der  natürlichen  Weisen 
seines  Meisters  gefunden  —  aber  auch  sein  trübes  Lächeln. 
Seine  Ironie  dagegen  hat  nicht  die  Heinesche  Schärfe,  sie 
ist  liebenswürdiger  und  harmloser.  Nicht  nur  Form  und 
Geist  der  Heineschen  Lieder  hat  er  sich  angeeignet,  sondern 
wiederholt  schmiegt  sich  sein  Gedicht  an  des  Dichters  Name 
und  eigene  Worte  an,  so  in  der  melancholischen  Freske, 
betitelt : 


350  H.  Heines  Einfluss 

Bouquetiere.  i) 
Heine,  rieur  malade,  annonce  quelque  part 
Que  ses  freres  et  soeurs  ont  un  air  de  famille  ; 
„Beaux  souvent;  mais  au  coin  de  la  levre  fretille 
„Une  ligne  equivoque,  —  un  tout  petit  lezard!  .  .  ." 

Toi  qu'on  fait  preluder  au  mal,  petite  fille! 

En  vendant  ces  bouquets  qu'on  t'offrira  plus  tard, 

Une  fausse  innocence  eclaire  ton  regard; 

Dans  tes  grands  yeux  malins  trop  de  science  brille. 

Oui!  comme  tu  venais  de  m'aborder,  un  soir, 

Dans  un  pli  de  ta  joue  etroite,  je  crus  voir 

D'un  precoce  lezard  se  dessiner  la  queue  .  .  . 

Tu  riais,  et  ta  main,  que  le  froid  rendait  bleue, 

Me  tendait,  en  tremblant,  un  bouquet,  —  que  je  pris. 

Pourquoi  donc  cette  ligne  etrange  quand  tu  ris  ? 

Bevor  wir  eine  Anzahl  dichterischer  Belege  für  das  Ge- 
sagte folgen  lassen,  sei  noch  eine  freie  Uebertragung  an- 
geführt, mit  der  Aufschrift: 

Pag.  276: 

La  rencontre. 

(Imite  de  Henri  Heine.) 

Sous  les  tilleuls  en  fleur,  Torehestre  frenetique 
Mele  joyeusement  les  filles  aux  gar^ons.  — 
Certain  couple,  inconnu  de  la  foule  rustique, 
S'en  distingue,  elegant  de  taille  et  de  fa§ons. 

Dans  les  balancements  etranges  de  leur  danse, 
Ils  croisent,  en  riant,  un  coup  d'oeil  singulier; 
Leur  tete  se  renverse  ou  s'incline  en  cadence, 
Et  la  belle,  tout  bas,  dit  a  son  cavalier: 

„A  Yotre  chapeau  vert,  mon  beau  sire,  pendille 
„Un  lis,  tel  qu'il  en  croit  au  fond  de  l'Ocean  .  .  . 
„En  vain  vous  vous  cambrez  comme  un  fils  de  famille : 
„Vous  ne  descendez  pas  de  la  cote  d'Adam! 


^)    Oeuvres,  pag.  35. 


auf  die  Parnassiens  und  ihren  Anhang.  351 

„Vous  etes  un  Ondin  qui  venez,  dans  ce  monde 
„Villageois,  enjoler  les  filles  sans  soupQon. 
„Je  vous  ai  reconnu  vite,  echappe  de  l'onde, 
„Rien  qu'ä  vos  fines  dents  d'aretes  de  poisson." 

Et  de  nouveau  leur  danse  etrange  les  balance, 
Avec  des  hochenients  de  tete  ä  ehaque  pas, 
Des  rires,  des  clins  d'yeux  echanges  en  silence; 
Et  le  cavalier  dit  ä  sa  belle,  tout  bas: 

„Votre  main  douce,  en  vain  je  la  presse  avec  zele: 
„J'y  sens  courir  un  froid  de  glaee  sous  la  peau! 
„Et  d'oü  vient  que  je  vois,  nia  noble  demoiselle, 
„A  cette  robe  blanche  un  ourlet  trempe  d'eau? 

„A  votre  reverence,  ironique  et  mutine, 
„Je  vous  ai  reconnue,  enfant  du  gouffre  amer. 
„A  coup  sür,  tu  n'es  pas  fille  d'Eve,  l'Ondine! 
„Ma  petite  cousine,  oh!  tu  viens  de  la  mer." 

—  Les  violons  fönt  treve,  et  la  danse  est  finie; 
Retombant  sur  ses  pieds,  le  beau  couple  pai'en 
Aussitot  se  separe  avec  ceremonie: 
Tous  les  deux,  par  malheur,  se  connaissent  trop  bien. 

Und  nun  ein  kärgliches  Sträusschen  aus  einem  reichen 
Dichtergarten.  Wir  hoffen,  es  ist  uns  geglückt,  diejenigen 
Blüten  zu  pflücken,  die  den  Duft  des  „Buches  der  Lieder" 
am  reinsten  bewahrt  haben. 

II. 

Le  soleil  etait  radieux; 

J'ai  vu  passer  des  amoureux, 

Le  rire  aux  dents,  l'eclair  aux  yeux. 

J'ai  souhaite  d'etre  comme  eux, 

D'avoir  aussi  mon  amoureuse, 
Appas  flamands,  tete  a  la  Greuze, 
Fleur  Sans  parfuni,  ou  tubereuse, 
Astre  eclatant,  ou  nebuleuse. 


352  H.  Heines  Einfluss- 


Je  lui  dirais :   „Mon  eher  tresor, 
„Repete-moi,  repete  encor, 
„Repete  la  parole  d'or." 

Et  iious  irions  au  bois,  dans  l'herbe, 
Conjugant  ä  deux  le  doux  verbe, 
Gläner  une  odorante  gerbe. 


XII. 

Ce  qa'il  me  faut,  pour  etre  heureux, 
Ce  sont  des  chants  d'oiseaux,  des  roses, 
Des  rayons,  enfin  de  ces  choses 
Qui  suffisent  aux  amoureux. 

Ce  qu'il  faut  ä  ma  levre  ardente, 
C'est  un  ardent  baiser  d'amante, 
Avec  des  bras  entrelaces, 
Auquel  on  ne  peut  dire :   „Assez !" 

Ce  qu'il  faut  ä  mon  coeur  sincere, 
C'est  une  main  d'ami  qu'on  serre 
Et  qui  vous  repond  :   „  A  toujours !" 

Et  je  sens  mon  äme  assez  saine 
Pour  en  arracher  toute  haine, 
Afin  d'y  mettre  plus  d'amours. 

XXVII. 

Elle  avait,  quand  eile  arriva, 
Ce  qui  se  perd,  ce  qui  s'en  va 
Au  parfum  des  odeurs  coüteuses, 
Au  vent  des  valses  capiteuses, 

Sur  sa  joue  honnete,  eile  avait 
Ce  Velours  rose,  ce  duvet 
Des  peches  encor  sur  la  brauche, 
Et  son  äme  etait  toute  blanche. 

Elle  avait  un  petit  fichu 
Qui  n'avait  pas  encore  diu 
Au-dessous  de  la  gorge  ronde. 


auf  die  Parnassiens  und  ihron  Anhang.  353 

Elle  etait  suavement  blonde; 
Son  oeil  etait  limpide  et  doux  .  .  . 
Elle  est  morte  !  —  La  voyez-vous  ? 


Vision. 

Les  marbres  massifs,  tombes  des  frontons, 
Avaient  eftbndre  le  sol  dans  leurs  chutes; 
Le  lierre  et  l'acanthe,  autour  des  volutes, 
Enroulaient  de  verts  et  legers  festons. 

Sous  la  voüte  froide  et  sombre,  ä  tätons, 
Je  cherchais  l'autel :  quand,  au  son  des  flütes, 
Un  clioeur  retentit,  —  et  vous  m'apparütes, 
Deesse  au  front  blanc  que  nous  regrettons!  .  . 

Perdant  ä  la  fois  la  vue  et  l'oui'e, 

Je  mis  dans  mes  mains  ma  face  eblouie : 

Chacun  de  vos  yeux  etait  un  soleil !  .  .  . 

...  Et  quand  je  sortis  du  temple,  au  reveil, 
Je  revis  la  vierge  aux  yeux  d'or,  assise 
Sur  le  marbre  blanc  et  pur  d'une  frise  .  .  . 


I. 

Je  lui  montrai  les  blondes  mousses 
Et  tout  l'essaim  des  choses  douces 
Dont  Avril  marche  environne : 

—  Elle  prit  un  air  etonne. 

Je  lui  fis  voir  mon  coeur  plein  d'elle, 
La  priant  de  brüler  son  alle, 
Hardiment,  au  flambeau  sacre : 

—  Elle  ouvrit  un  oeil  effare. 

Je  lui  parlai  des  belles  fievres 
Qui  vous  montent  du  coeur  aux  levres, 
Au  clair  de  lune,  apres  minuit: 
Betz,  Heine  in  Frankreich.  ^^ 


354  H.  Heines  Einfluss 


—  Elle  eut  un  bäillement  d'ennui. 
Voulant  obtenir  quelque  chose, 
Je  lui  fis  voir  un  chapeau  rose. 


Songe   d'une   nuit  de   Mai. 

Dans  un  bois  plein  d'oiseaux  chantants, 
Pres  d'un  lac  aux  flots  miroitants 
Et  sous  les  astres  eclatants 
D'une  belle  nuit  de  printemps, 

Je  poursuivais  la  Fantaisie  : 
Quand  je  vis  luire,  —  äme  saisie !   — 
Avec  un  parfum  d'ambroisie, 
L'arbre  d'or  de  la  poesie ! 

Sur  mon  front,  j'en  tressai  des  noeuds, 
Et  ce  beau  feuillage  epineux 
Lui  fit  un  cercle  lumineux. 

Or,  j'entendis  rire  une  fee : 

Et  je  portais,  comme  un  trophee, 

Ma  tete  de  chardons  coifFee  . .  . 


Dans  la  foret. 

A  Pierre  Elzear. 

Par  une  chaude  nuit,  quand  fermentent  les  seves, 
Lorsqu'ä  demeurer  plein,  le  cffiur  eclaterait. 
Je  veux  m'en  aller,  seul,  au  fond  de  la  foret, 
Pour  donner,  ä  la  fois,  l'essor  ä  tous  mes  reves. 

Mainte  vague  chimere,  au  merveilleux  attrait, 
Dont  mon  esprit  fievreux  est  obsede  sans  treves, 
Prendra  yie  et  couleur  .  .  .  Formes!  visions  braves 
Dont  moi  seul  aurai  su  l'ineffable  secret! 

Et  je  suivrai  des  yeux  leurs  pas  folatres.  L'une 

Fera  luire  ses  bras  dans  un  rayon  de  lune; 

De  päles  fleurs  des  eaux,  l'autre  ceindra  son  front; 


a 


auf  die  Parnassiens  und  ihren  Anhang. 


355 


Et  de  fils  de  la  Vierge  ayant  tisse  leurs  voiles, 
Toutes  s'eleveront  en  groupe  et  se  perdront 
Dans  le  ciel  que  blanchit  la  neige  des  etoiles. 


Pag.  293: 


Miniature. 
I. 

C'est  parce  qu'elle  etait  petite 
Et  charmante,  fragilement, 
Qu'elle  m'eut  encore  plus  vite 
Pour  esclave  que  pour  amant. 

C'est  que  j'etais  si  grand  pour  eile, 
Qu'abregeant  l'espace  entre  nous, 
Mon  attitude  naturelle 
Etait  de  vivre  ä  ses  genoux. 

C'est  qu'amoureux  de  sa  faiblesse, 
J'aimais  ä  prendre  dans  mes  mains 
Ses  petits  pieds  que  marcher  blesse, 
N'etant  pas  faits  pour  nos  chemins. 

C'est  qu'en  mes  bras  serrant,  sans  peine, 
Celle  que  je  nommais  mon  bien, 
J'avais  plus  facile  et  plus  pleine 
L'illusion  qu'il  etait  mien  . .  . 

—  Et  c'est  aussi  que  son  caprice 
Mettait  tant  de  flamme  ä  ses  yeux, 
Qu'il  fallait  bien  que  je  le  prisse 
Ainsi  qu'un  ordre  imperieux. 

C'est  qu'ä  la  fois  enfant  et  femme, 
Orgueilleuse  sous  ses  deliors 
Si  freies!  eile  avait  dans  l'äme 
L'indomptable  fierte  des  forts. 


II. 

C'etait,  du  beut  de  la  bottine 
Jusqu'ä  la  pointe  des  cheveux, 
Une  nature  exquise  et  fine, 
Un  Corps  delicat  et  nerveux : 


356  H.  Heines  Einfluss 

Freie  instrument,  dont  la  paresse 
S'eveillait,  des  qu'on  y  touchait, 
Et  vibrait,  sous  une  caresse, 
Comme  un  violon  sous  l'archet. 


III. 

Passagere  et  mignonne  hotesse! 
D'oü  vient  qu'elle  semble  tenir, 
Du  seul  droit  de  sa  petitesse, 
Tant  de  place  dans  mon  souvenir? 

Dans  l'ampleur  folle  des  toilettes, 
Lourdes  ä  dessein,  eile  avait 
L'ebouriifement  des  fauvettes 
Frileuses  sous  le  cliaud  duvet. 

Le  froissement  doux  des  etofFes 
Lui  seyait  et  s'abattait  sur 
Ses  petits  pas,  avec  des  stroplies 
D'un  rythme  nonchalent  et  sür. 

Elle  le  savait,  l'ing^nuo, 
Et  qu'une  influence  des  eieux 
L'avait  formee  expres  menue, 
Comme  tout  joyau  precieux. 

Son  elegance  etait  de  race 
Pure,  comme  l'or  du  creuset: 
Et  le  dernier  mot  de  la  gräce, 
Sa  taille  souple  le  disait. 

Un  instinct  de  molles  postures 
Sans  fin  la  faisait  ondoyer : 
Car,  dans  les  moindres  creatures, 
La  vie  a  son  plus  chaud  foyer. 

Et  son  coeur  aussi  battait  vite! 
Et,  dans  un  ardent  tourbillon, 
Son  esprit  que  tout  reve  invite, 
Noir  d'un  ombre,  gai  d'un  rayon. 


m 


auf  die  Parnassiens  und  ihren  Anhang.  357 


Allait  d'un  vol  oü  nia  pensee, 
Ivre  contagieusement, 
La  suivait,  parfois  distancee 
Et  fidele  non  sans  tourment. 

IV. 

Reminiscences  mal  bannies! 
0  chers  prestiges  regrettes, 
Faits  de  nuances  infinies, 
Pleins  de  saveurs  et  d'acretes! 

Douceurs  etranges  des  voix  greles, 
Faiblesses  au  channe  vainqueur, 
Reseau  puissant  de  mailles  freies 
Oü,  pour  Jamals,  se  prend  un  coeur! 

Morte,  absente,  ou  bien  inüdele, 
Qu'importe!  rien  ne  peut  ternir 
L'exquise  miniature  d'elle 
Que  mon  äme  a  su  retenir; 

Et  le  regret  en  moi  tressaille, 
Nul  amour  nouveau  n'etouifant 
L'ancien  reve,  fait  ä  la  taille 
D'une  petite  et  blonde  enfant. 


L6on  Dierx 

(1838). 


Ein  Landsmann  Leconte  de  Lisles  (Ile  de  Reunion).  CatuUe 
Mendes  hält  ihn  mit  Coppee  und  Sully  Prudhomme  für  den 
bedeutendsten  Poeten  der  Parnassiens. 

Leon  Dierx  (dont  Fceuvre  considerable  reste  presque  ignoree 
de  la  foule)  est  veritablement  un  des  plus  purs  et  des  plus  nobles 
esprits  de  la  fin  du  XIX"  siecle.  Je  ne  crois  pas  qu'il  ait  Jamals 
existe  un  honime  plus  intimement,  plus  essentiellement  poete  que  lui ... 
II  vit  dans  la  reverie  eternelle  de  la  beaute  et  de  l'amour  ..." 

(„Legende  des  Parnassiens",  pag.  246.) 


358  H.  Heines  Einfluss 


Aus  vielen  seiner  Gedichte  spricht  unverkennbare  Seelen- 
verwandtschaft mit  Heine.  Man  lese  nur  folgende  Stellen  aus 
einer  biographischen  Skizze  Paul  Verlaines,  ^)  der  für  diesen 
Vorläufer  moderner  Dichtkunst  voll  Lobes  ist. 

Une  melancolie  „sui  generis",  l'amour  douloureux  de  la  nature, 
le  „lacryma  rerum",  l'emotion  panique  que  fait  vibrer  Ronsard  dans 
son  „Elegie  ä  la  foret  de  Grätine",  le  pantheisme,  .  .  .  ce  sentiment 
frappait  le  lecteur  des  vers,  dejä  si  corrects  et  comme  rythme  et 
comme  rime  et  comme  langue  du  premier  recueil,  „Poemes  et  poesies"... 

Ce  qui  le  differeneie  de  Leconte  de  Lisle,  cliaste  ou  du  moins 
discret  quand  il  parle  d'amour,  c'est  que  Dierx  est  un  voluptueux .  .  . 
Evidemment  l'amour  sensuel  ne  va  pas  cliez  Dierx  sans  une  pointe 
de  mysticisrae  qui  le  releve  et  le  redresse  en  quelque  sorte,  mais  le 
fond  y  est  bien:  le  goüt  de  la  femme,  son  bruissement,  son  „odor"  et 
toutes  les  consequences  de  l'adoration  d'elle,  querelies  douces,  parlbis 
atroces  quand  l'orgueil  s'en  mele,  emois  parfois  amers,  confiantes 
jalousies,  faiblesses  enfin  si  pardonnables,  tout  y  est .  .  . 

Dass  Dierx  als  Genosse  Banvilles,  Mendes'  und  Valades 
tiefe  Blicke  in  die  Lyrik  Heines  gethan  hat,  unterliegt  keinem 
Zweifel.  Wir  glauben  aber,  bei  diesem  Dichter  eher  eine 
frappante  Geistesharmonie  mit  dem  Autor  des  „Intermezzo"  an- 
nehmen zu  müssen,  und  ein  allgemeines  Einwirken  deutscher 
Dichtkunst,  mit  der  er  vertraut  ist.  Direkte  Anklänge  an 
Heine  sind  uns  in  seinen  Werken  2)  nicht  aufgefallen.  Hoch 
denkt  Dierx  von  Goethe,  dessen  Namen  wir  in  seinen  Liedern 
wiederholt  begegnen;  —  hoch,  nach  seiner  Fagon,  beeilen 
wir  uns  hinzuzufügen.  Denn  er  beginnt  das  Gedicht  „Pour 
le  tombeau  de  Theophile  Gautier"  („Les  amants"): 

„Salut  ä  toi,  du  fond  de  la  vie  ephemere, 

Salut  ä  toi  qui  vis  dans  l'immortalite 

Oü,  pres  de  Goethe  assis,  tu  contemples  Homere!" 


1)  y,Les  hommes  d'aujourd'hui",  N**  287,    Librairie  Vaiiier. 

2)  „Levres  closes",  1887  —  „Les  amauts",  1879,  Lemerre. 


I 


auf  die  Parnassiens  und  ihren  Anhang.  359 


.  Claude  Couturier. 

Mit  diesem  Dichter  haben  wir  bereits  die  eigenthchen 
Parnassiens  verlassen.  Couturier  und  Bleniont,  von  denen  wir 
noch  kurz  handeln  werden,  sind  Banvillisten  einer  jüngeren 
Generation. 

Claude  Couturier  hat  1889  (bei  Charpentier)  „Chansons 
pour  toi"  veröffentlicht.  Theodore  de  Banville  stellt  uns  den 
Dichter  in  einem  schmeichelhaften  „avant-propos"  vor.  Er 
ist  Schüler  des  Aristophanes  —  seine  direkten  Meister  aber 
sind  Heine  und  der  Autor  der  „Ödes  funambulesques"  selbst. 
Wie  dieser,  versteht  er  es  mit  grosser  Virtuosität  zu  „ronsar- 
disieren".  Besonders  ist  er  jedoch  von  Heines  Poesie  und  Sa- 
tire durchdrungen,  und  zwar  in  einer  Weise,  wie  wenige 
französische  Dichter.  Banville  macht  den  Leser  von  vorne- 
herein darauf  aufmerksam:  „Je  ne  veux  pas  evoquer  de 
comparaison  ecrasante;  mais  en  leur  crudite  aristophanesque, 
tels  poemes  de  son  livre,  comme  „Le  dernier  faune"  et  „La 
blancheur  de  Pierrot",  ne  sont  peut-etre  pas  indignes  d'avoir 
ete  inspires  par  une  intelligente  et  naive  admiration  de  Henri 
Heine." 

Unser  Gewährsmann  ist  hier  noch  Ginisty  („Annee  lit- 
teraire",  1889):  „L^ne  note  qui  apparait  souvent  en  lui  avec 
une  gräce  extreme,  en  disciple  de  Heine  qu'il  est  par  certains 
cötes,  c'est  celle  de  la  pitie  donnee  avec  une  apparence 
d'enjouement,  et  l'expression  fleurit,  alerte  et  spirituelle,  sur 
un  theme  douloureux." 

Am  deutlichsten  zeigt  sich  Heines  Einfluss  in  der  köst- 
lichen Satire  „L'ours'S  die  „Atta  Troll"  geradezu  nachgedichtet 
ist.  Das  Gedicht  ist  leider  zu  lang,  um  „in  extenso''  hier 
Platz  zu  finden.  Es  beginnt:  „C'est  le  fils  d'Atta  Troll  et  le 
fils  de  Mumma  .  .  ."  Inhalt:  Ein  junger  Bär,  der  sich  nach 
den  heimathchen  Wäldern  sehnt,  flieht  mit  Hülfe  eines  „reveur'', 


360  H.  Heines  Einfluss 

der  ihn  loskauft,  in  die  Wildnis,  bekommt  diese  aber  bald 
satt  und  trottelt  wieder  in  die  Gefangenschaft,  um  weiter  zu 
tanzen,  unter  dem  Spottgelächter  von  Jung  und  Alt : 

Et  tout  seul,  cette  fois,  au  niilieu  des  badauds, 
Levant  sa  grosse  patte  et  cambrant  son  gros  dos, 
Retrouvant,  d'uii  seul  coup,  ses  anciennes  allures, 
Parmi  les  quolibets  et  parmi  les  injures, 
Honni,  moque,  couvert  de  boue  et  de  mepris, 
Vieux  cabotin  farouche  et  de  rythmes  epris, 
Preferant  aux  grands  mots  les  treteaux  de  la  foire, 
Libre  de  toute  chaine,  il  dansa  pour  la  gloire  .  .  . 

Der  Tanzbär  protestiert  monologisierend  dagegen,  dass 
ihn  sein  Führer,  ein  Italiener,  „rebut  des  campagnes  de  Rome", 
seine  Kunststücke  gelehrt  habe,  und  beginnt  weidlich  auf  den 
Quälgeist  loszuschimpfen : 

Oh !  cet  Iiomme !  son  maitre,  helas !  et  son  barnum ! 
Ignoble,  degoütant,  brutal,  gorge  de  rhum 

Ce  gueux  avec  lequel  il  marche,  il  mange,  il  couche, 
Sinistre  mecreant,  bete  et  sans  dignite, 
Larron  de  son  honneur  et  de  sa  liberte ! 

Und  am  Schlüsse  einer  Tirade  voll  Witz  und  tiefen 
Sinnes  ruft  Meister  Petz  indigniert  aus : 

„Lui,  le  fils  du  fameux  Atta  Troll,  etre  l'oeuvre 

De  ce  bandit  sinistre  ä  tete  de  couleuvre  ? 

Ah!  Messieurs,  par  pitie,  n'en  eroyez  pas  un  mot! 

Mais  il  savait  dejä  danser  etant  mannet ! 

Henri  Heine  Faffirme,  il  faut  croire  un  poete. 

Le  montreur  qui  l'a  pris  est  une  franche  bete, 

Bien  digne  de  porter,  ä  son  tour,  le  carcan. 

Maitre  ä  danser!   Mais  il  ignore  le  cancan 

Et  n'a  sur  la  scottisch  que  des  notions  vagues. 

Ses  pieds  ont  le  roulis  des  bateaux  sur  les  vagues; 

Oü  les  pretentions  vont-elles  se  nicher? 

Danser!  Le  malheureux!  II  ne  sait  pas  niarcher."  etc. 


auf  die  Pariiassieiis  und  ihren  Anhang.  361 


Die  amüsante  Liedersammlung  enthält  aber  auch  rein 
lyrische  Strophen;  Couturier  hat  gleichfalls  von  dem  Autor 
des  „Intermezzo"  gelernt.  Er  ist,  wie  Heine,  eine  Doppel- 
natur ;  bald  haben  Satire  und  Ironie ,  bald  melancholische 
Sentimentalität  die  Oberhand.  Er  hat  dies  charakteristische 
Zwitterwesen  seiner  Empfindung  selbst  in  Verse  gebracht, 
in  dem  an  seine  Mutter  gerichteten  Gedichte:  „Les  deux  voix". 
Mit  diesen  drei  Strophen  beschliessen  wir  die  wenigen  Notizen 
über  eine  der  für  den  Einfluss  Heines  typischen  Dichtererschei- 
nungen des  modernen  Frankreich. 

Deux  voix,  une  seule  bouche! 

La  douleur  et  la  gälte! 

L'homme  qu'un  rien  au  eceur  touche, 

Puis  qu'un  rien  a  contente. 

II  plane,  il  rampe  et  se  couche. 
Tout  est  voir!    Tout  est  clarte! 
Deux  voix,  une  seule  bouche! 
La  douleur  et  la  gaite! 

Maintenant  l'oeil  enchante, 

Et,  tout  ä  l'heure,  l'oeil  louche; 

Instable  comme  une  mouche, 

II  sanglote  ayant  chante: 
La  douleur  et  la  gaite! 
Deux  voix,  une  seule  bouche! 

Diese  Verse  bilden  einen  treffenden  Denkspruch  für  diese 
ganze  erfreuliche  Dichterarbeit  und  nicht  weniger  ein  passendes 
Motto  —  für  Heines  sämtliche  Werke. 


362  H.  Heines  Einfiuss. 


Emile  BlemontO 

(1839). 

Ein  anderer  Schützling  Banvilles,  bei  dem  die  französische 
Kritik  auf  Heine  hinweist.  In  seiner  Liedersammlung  „Por- 
traits  Sans  modeles"  (Lemerre,  1879)  mischt  sich  formvollendete 
Malerei  modernen  Lebens  in  Heinescher  Weise,  ein  prickelnd 
geistreiches  Spiel  der  Phantasie.  Sein  Meister  Banville  sagt 
von  ihm  (Lemerre,  „Anthologie^',  Band  IV,  pag.  370):  „Ra- 
pidite  et  variete  de  l'image,  harmonies  bien  ponderees,  eclat 
et  originalite  de  la  rime,  telles  sont  les  qualites  qui  donnent 
aux  vers  de  M.  Emile  Blemont  cette  etrangete  sans  laquelle 
la  beaute  ne  serait  rien  pour  nous.  II  a  l'art  de  dire  la  chose 
ä  laquelle  on  ne  s'attend  pas  .  .  .''  etc. 


^)  Blemont  unter  die  „Symbolistes"  zu  zählen,  weil  er  in  der  Nummer 
vom  15.  Januar  1894  der  „Revue  illustree"  ein  „Alphabet  symbolique"  ver- 
öffentlicht hat,  liiesse  einen  poetischen  Scherz  ernst  nehmen. 


j^l 


Vereinzelte  Heine-Verehrer  und  -Schüler.  363 


Sechstes  Kapitel 
Vereinzelte  Heine-Verehrer  und  -Schüler 


Nicht  unter  die  Parnassiens,  ebenso  wenig  aber  unter  die 
Decadents  einzureihen  sind  einige  Dichter,  die  noch  kurz  zur 
Sprache  kommen  sollen. 

Henri  Cazalis 

(1840). 

Ein  Poet  von  Rasse,  daneben  Doktor  der  Rechte  und 
der  Medizin.  Ob  er  ein  besserer  Jurist  ist,  als  Heine  es  war, 
wissen  wir  nicht.  Paul  Bourget  ist  es  u.  a.,  der  in  den  Lie- 
dern dieses  gelehrten  Dichters  Anklänge  an  Heine  gefunden. 

„Un  goüt  souverain  de  l'art,  un  amour  ä  la  fois  religieux 
et  melancolique  de  la  beaute,  une  sorte  de  mysticisme  nihi- 
liste,  de  desenchantement  enthousiaste  et  comme  un  vertigo 
de  mystere,  donnent  ä  sa  poesie  un  charme  composite,  inquie- 
tant  et  penetrant,  comme  celui  des  tableaux  de  Burne  Fönes 
et  de  la  musique  tzigane,  des  romans  de  Tolstoi'  et  des  lieds 
de  Heine. ^^ ') 

Den  Grundton  seiner  Lieder  bilden  Traurigkeit,  Entsagung, 
stark    mit    Mysticismus   untermengt.     Als    sein   bestes  Werk 


*)    „Anthologie  des  poetes  fran^ais  du  XIX^  siecle",  Lemerre  —  Bd.  II, 
pag.  423. 


364  H.  Heines  Einfluss. 

werden  die  „Illusions"  ')  angesehen.  Wir  entnehmen  folgendes 
Gedicht  dieses  pantheistischen  und  düstern  Träumers,  dessen 
mystisch  kränkelnde  Lyrik  Bourget  und  uns  rechtfertigen 
mag,  Cazalis  mit  Heine  in  Verbindung  gesetzt  zu  haben. 

La  nuit  se  deroulait  splendide  et  pacifique; 
Nous  ecoutions  chanter  les  astres  et  la  mer, 
Et  nos  Coeurs  eperdus  tremblaient  dans  la  nmsique: 
Les  harpes  de  David  semblaient  flotter  dans  l'air. 

La  lune  montait  pale,  et  je  faisais  un  reve: 
Je  revais  qu'elle  aussi  chantait  pour  m'apaiser, 
Et  que  les  flots  aimants  ne  venaient  sur  la  greve 
Que  pour  mourir  sur  tes  pieds  purs  et  les  baiser; 

Que  nous  etions  tous  deux  seuls,  en  ce  vaste  monde; 
Que  j'etais  autrefois  sombre,  errant,  egare, 
Mais  que  des  harpes  d'or,  en  cette  nuit  profonde, 
M'avaient  fait  sangloter  d'aniour,  et  delivre; 

Et  que  tout  devenait  pacifique  et  splendide, 
Tandis  que  je  pleurais,  le  front  sur  tes  genoux, 
Et  qu'ainsi  que  mon  coeur,  le  ciel  n'etait  plus  vide, 
Mais  que  Farne  d'un  Dieu  se  repandait  sur  nous  ! 


Felix  Kaquet 

ist  der  Autor  eines  Liederbuches,  „Haute  ecole"  betitelt  (1886, 
Charpentier),  in  dem  viel  düster-realistische  Philosophie,  herber 
Sarkasmus  und  Byron-Heinescher  Weltschmerz  in  kraftvoll 
schönen  Versen  un(^ergebracht  ist.  Den  ersten  Teil  nennt 
dieser  Geistesverwandte  Heines  „Livre  juif".  Als  Motto  schickt 
er    einige   Zeilen   aus    „Atta  Troll"    voraus.     Inspiriert   ist  er 


1)   Lemerre,  1875. 


I 


Vereinzelte  Heine-Verehrer  und  -Schüler.  365 


aber  anscheinend  von  der  Bibel  —  und  den  „Hebräischen 
Melodieen".  Manch  hübsche  und  originell  kernige  Ballade 
zeigt  deutsche  Schulung. 


Jules  Breton 

(1827). 

Dieser  als  einer  der  bedeutendsten  Landschaftsmaler  der 
Neuzeit  bekannte  Künstler  ist  zugleich  ein  achtenswerter 
Dichter.  In  den  „Confidences  de  Salon"  ^)  der  „Revue  illus- 
tree'*  vom  15.  März  1893  ist  auch  Jules  Breton  um  seine 
verschiedenen  Liebhabereien  befragt.  Die  Rubrik  „Mes  auteurs 
favoris  en  prose"  füllt  er  mit  dem  einzigen  Namen  Henri 
Heine  aus.  Obgleich  es  nun  in  einer  Zeit,  wo  der  Dichter 
seine  Buchstaben  bemalt  und  der  Kritiker  seine  Argumente 
in  der  Naturgeschichte  oder  in  der  Psychiatrie  holt,  erst  recht 
nichts  Absonderliches  ist,  dass  ein  Maler  Palette  und  Pinsel 
weglegt,  um  zu  dichten,  so  darf  die  Thatsache  doch  unsere 
Aufmerksamkeit  erregen,  dass  der  Maler-Dichter,  der  die  Lieder 
„Les  champs  et  la  mer"  gesungen,  Heine  als  seinen  Lieblings- 
prosaschriftsteller erklärt.  (Es  ist  natürlich  hier  nur  an  die 
Prosa  Nervals,  Taillandiers  etc.  zu  denken.) 


1)  Bei  diesen  litterarischen,  ästhetischen  und  moralischen  Generalbeichten 
begegnet  uns  der  Name  Heines  wiederholt.  Besonders  beachtenswert  ist  dabei 
die  Zusammenstellung  der  Namen.  So  füllt  z.  B.  der  Moderne  Grosdaude 
die  Rubrik  „Mes  po^tes  favoris"  folgendermassen  aus:  „Baudelaire,  Müsset, 
Heine,  Verlaine.""  In  einem  andern  Interview  finden  wir  als  Lieblings- 
prosaschriftsteller friedlich  neben  einander  gestellt:  „Flaubert,  Heine,  Bossuet, 
La  RocTiefoucauld  und  —  Octave  Miräbean.'*  Heine  zwischen  Flaubert  und 
Bossuet !  Es  zeugt  dies  von  einem  ziemlich  komplizierten  Geschmack.  Sehr 
bezeichnend  sind  auch  die  „Confidences"  des  geistreichen  Akademikers  und 
Administrateurs  der  „Comedie  fran(jaise"  Jules  Claretie.  Die  Dichter  seiner 
Wahl  sind  nämlich  :    Victor  Hugo,  Musset  und  Henri  Heine. 


366  H.  Heines  Einfluss 


Siebentes  Kapitel 

Ueber  Heines  Einfluss  auf  die  Gebrüder 

de  Goncourt  (Impressionnistes) 

und  Paul  Bourget  (Psychologues) 


Die  beiden  Goncourt. 

Obgleich  wir  hiermit  von  der  Poesie  zur  Prosa  übergeheiij 
von  der  Lyrik  zu  dem  Schriftstellerpaar,  das  geAvöhnlich 
zwischen  Flaubert  und  Zola  genannt  wird,  so  lässt  sich  gleich- 
wohl die  Kluft  leicht  überbrücken,  denn  es  haben  —  so 
paradox  es  auch  klingen  mag  —  die  Parnassiens  und  die 
Gebrüder  Goncourt  das  gleiche  Ideal,  dieselbe  Tendenz  und 
enthusiastische  uneigennützige  Liebe  für  ihre  Kunst  und  die 
gleiche  Parole:  „L'art  pour  l'art."  Die  letztere  ist  bei  den 
Goncourt  nur  noch  radikaler  zu  verstehen;  etwa  wie:  „Die 
Kunst  allein  für  die  Künstler."  —  Und  im  innersten  Herzens- 
grunde Heines  lebte  ein  ähnlicher  Gedanke. 

Der  ältere,  noch  lebende  Bruder,  Edmond,  ist  1822  in 
Nancy  geboren;  der  jüngere,  Jules,  in  Paris,  1830,  wo  er 
schon  1870  starb. 

Die  Geistes-,  Geschmacks-  und  Herzenseinheit  dieses  son- 
derbaren Brüderpaares  ist  allbekannt.  „Ames  si  etroitement 
melees  et  tressees  ensemble  —  sagt  Banville  —  que,  pour  ainsi 
dire,  on  entendait  se  meler  leurs  Souffles."  Der  Kunstkultus 
ist    ihnen    beiden    gemeinsam,    für    beide    erster   und   letzter 


I 


auf  die  Gebrüder  de  Goncourt  und  Paul  Bourget.  367 

Lebenszweck.  Von  diesem  geht  für  sie  Freud  und  Leid  aus, 
und  daher  können  wir  diesen  merkwürdigen  Litteraten  unsere 
Sympathie  und  unsere  Bewunderung  nicht  versagen.  Von 
ihrer  hohen  Bedeutung  für  Roman  und  Theater  nicht  nur 
Frankreichs,  sondern  der  ganzen  modernen  Litteratur,  haben 
wir  hier  nicht  zu  sprechen.  Die  morahsierende  Kritik  ist  mit 
ihnen  strenge  zu  Gerichte  gegangen,  besonders  seit  dem  Er- 
scheinen des  „Journal  des  Goncourt^',  jener  siebenbändigen 
geistvollen  Indiskretion,  die  uns  —  trotz  manchem  Ueber- 
flüssigen  und  Nebensächhchen  —  ein  so  originelles,  scharfes  und 
fein  empfundenes  Bild  ihrer  Zeit  entwirft,  dass  alle  moderne 
Gelehrsamkeit  das  kommende  Jahrhundert  nicht  hindern  wird, 
in  den  Memoiren  der  Goncourt  die  Physiognomie,  den  ur- 
eigenen Charakter  der  französischen  Gesellschaft  in  der  zweiten 
Hälfte  des  XIX.  Jahrhunderts  zu  finden. 

Es  sei  uns  gestattet,  hier  eines  andern,  ganz  kleinen  Ver- 
dienstes derselben  zu  gedenken,  das  sonst  doch  in  keiner 
Litteraturgeschichte  Erwähnung  finden  würde.  Durch  ihre 
zahlreichen  Anspielungen  auf  Heine,  in  ihren  Memoiren  so- 
wohl als  auch  allenthalben  in  ihren  Werken,  kurz  bei  dem 
Heinekultus  der  Goncourt  keimte  zuerst  die  Idee  in  uns,  die 
hier  zum  Buche  geworden.  Auf  sie  wälzen  wir  Schuld  oder 
Dank,  je  nachdem  es  schlecht  oder  gut  ausgefallen. 

Ihre  poesievollen  Neckereien,  ihr  Witz  „tout  en  idees^', 
ihr  beissender  Spott,  ihre  souveräne  Verachtung  der  modernen 
Gesellschaft,  —  wir  können  alle  diese  und  noch  andere  Züge 
direkt  aus  dem  Autor  der  „Reisebilder'^,  und  zwar  nach 
eigenen  Geständnissen,  herleiten.  Ihre  Originalität  kann  eine 
geschickte  Mischung  des  Geistes  Rivarols  und  Heines  genannt 
werden.  Gewisse  Seiten  aus  „Ch.  Demailly"  (1860),  „Manette 
Salomon''  (1867),  jenes  Kabinettstück  in  „Idees  et  sensations^' 
(1866),  „Les  funerailles  de  Watteau"  fesseln  durch  dieselben 
Reize  geistvoller  und  witziger  Phantastik,  wie  z.  B.  „Die 
florentinischen  Nächte^^ 


368  H-   Heines  Einfluss 

Leur  instinct  les  pousse  vers  l'idealisme,  vers  la  fantaisie  lyrique 
comme  l'avait  comprise  Henri  Heine.  y,Saint  Henri  Heine!"'  diront-ils 
dans  leur  admiration.  Ils  debutent  par  des  etudes  sur  un  siecle 
spirituel  et  leger,  dont  ils  recherchent  avec  amour  les  cotes  mondains 
les  plus  frivoles.  En  1856,  ils  rapportent  d'un  voyage  d'Italie  un  vo- 
lume  dans  le  genre  des  „Reisebilder",  mais  tellement  echevele  qu'ils  le 
brülent  sans  oser  en  rien  publier  qu'un  court  fragment  dans  „L'Artiste". 
Un  peu  apres,  ils  raillent  le  realisme  dans  „Charles  Demailly"  et  ils 
l'attaquent  dans  un  autre  ouvrage  comme  une  abdication  estlietique 
des  qu'il  s'etale  „tout  vert,  tout  cru,  tout  brut".  Ils  defendent  l'art 
pour  l'art,  la  moralite  du  beau ;  ils  parsement  leurs  ecrits  d'etincelants 
morceaux  de  prose,  et,  en  ces  dernieres  annees,  alors  que  M.  Edmond 
de  Goncourt  est  embrigade  pourtant  dans  un  cenacle  qui  ne  se  re- 
commande  pas  de  l'auteur  de  r„Tntermezzo",  on  le  voit  parfois  revenir 
ä  ses  premieres  inspirations  et  creer,  dans  le  personnage  de  la  Tomp- 
kins,  un  pendant  au  Fortunio  de  Theophile  Gautier. ') 

Auch  bei  den  Goncourt  hat  die  Kritik  Hennequins 
Heines  Spuren  entdeckt.  „M.  de  Goncourt  est  comme  un  con- 
fluent  de  deux  esthetiques.  l\  a  garde  beaucoup  de  sa  fre- 
quentation  de  Tancienne  France,  de  la  France  de  Diderot  et  de 
M"""  de  Lespinasse.  Mais  11  a  ete  conquis  aussi  par  le  ronian- 
tisme  septentrional  qui  nous  a  envahis,  par  Poe,  de  Quincy, 
Heine,  par  ce  que  Balzac  a  innove.  De  cet  amalgame  est  fait 
le  charme  et  le  heurt  de  son  oeuvre,  ce  par  quoi  eile  nous 
seduit  et  nous  terrifie  .  .  . 

On  se  targait  surtout,  au  „ Paris 'V)  d'avoir  de  la  fantaisie, 
et  visiblement  H.  Heine  etait  im  peu  le  genie  du  lieii.  Les 
Goncourt  aussi  suhirent  cette  admiration.  „Une  nuit  de 
Venise"  ^)  est  bien  une  fantaisie  a  la  maniere  des  „Reise- 
bilder" et  le  „Ratelier"  aussi,"  etc.  —  („Quelques  ecrivains" 
etc.,  pag.  172.) 


1)  Maurice  Spronck,   „Les  artlstes  litteraires",  Paris  1889,  pag.  146  ff. 

2)  Litterf«r-artistische  Tageszeitung  mit  Zeichnungen  von  Gavarni  und 
Beiträgen  von  den  Goncourt,  Scholl,  Banville  etc.;  erschien  in  den  fünfziger 
Jahren. 

3)  In  den   „Pages  retrouvees". 


J 


auf  die  Gebrüder  de  Goncourt  und  Paul  Bourget.  369 


Von  den  beiden  Brüdern  war  es  besonders  der  jüngere  — 
der  ganz  aus  Nerven  bestand,  die  ihn  auch  ins  frühe  Grab 
brachten  — ,  auf  den  Heine  einwirkte,  und  zwar  in  dem  Masse, 
dass  sein  Einfluss  souverän  und  einzig  in  ihm  herrschte.  An 
Jules  de  Goncourt  haben  wir  das  typischste  Beispiel  von  dem, 
was  man  in  Deutschland  unter  Heines  verderblichem  Einflüsse 
versteht.  Er  hat  —  es  geht  dies  unzweideutig  aus  seinen 
Briefen  hervor  („Lettres  de  Jules  de  Goncourt^',  Paris  1885)  — 
die  Eigentümhchkeiten  der  Heineschen  Prosa,  ihren  raschen 
Stil,  ihr  leicht  berührendes,  aber  scharf  ätzendes  Wortfeuer- 
werk, die  feine  Ironie  mit  dem  kühnen  Hintergedanken,  ihr 
unerwartetes  Ueberspringen  von  Ernst  zu  Scherz  —  „de  la 
grandeur  melancolique  d'un  Pascal  au  poetique  caprice  d'un 
Heine"  —  ja  bis  zu  ihrer  beredten  und  willkürlichen  Inter- 
punktion mit  Gedankenstrichen  etc.  —  Jules  hat  diese  von 
Heine  geschaffene  Prosa  geradezu  studiert  und  dann  kopiert.^) 

Seinen  Freund  Aurelien  Scholl  —  auch  einer,  der  bei 
dem  „esprit"  Heines  in  die  Schule  gegangen  —  bittet  Jules  de 
Goncourt  mit  folgender  Schmeichelei  um  einen  Brief  („Lettres'', 
pag.  64):  „Ecrivez-nous  s'il  fait  soleil  en  vous  et  s'il  pleut 
dans  votre  gentil  coeur!  —  Du  Henri  Heine,  s'il  vous  platt  !^^ 

Die  Nachricht  von  Heines  Tod  erfüllt  den  selbst  zum 
baldigen  Tod  Verurteilten  mit  bitterem  Schmerz.  Aus  Rom 
schreibt  er  —  nicht  sehr  schmeichelhaft  für  Alexandre  Dumas, 
Mignet  und  die  iVndern  — :  „Heine  est  mort,  mieux  eüt  valu 
dans  la  fosse  tout  le  cortege.  Je  n'apergois  que  des  näins  pour 
tendre  l'arc  d'Ulysse."  Und  an  Scholl,  wenige  Tage  nach 
dem  Hinscheide  Heines:  „Ah!  ils  nous  logent  lä-bas,  cöte  ä 
cöte,  ä  Bicetre !    Bravo,  c'est  une  academie  comme  une  autre, 


^)  Auf  dieses  interessante  und  so  gut  wie  unbeachtet  gebliebene  Problem 
der  vergleichenden  Litteraturgeschichte  können  wir  nicht  näher  eingehen  — 
hoffen  aber  bald  Gelegenheit  zu  haben,  in  einer  Einzelstudie  auf  den  Einfluss 
Heines,  wie  er  sich  so  merkwürdig  in  den  Goncourt  zu  erkennen  gibt,  zurück- 
zukommen. 

Betz,  Heine  in  Franki'eich.  24 


370  H.  Heines  Einfluss 


n'aiirions-nous  de  compagnons  qu'Hoffmann  et  Henri  Heine.  — 
Une  bien  grande  mort  que  la  mort  d'Henri  Heine.  —  Nous 
ne  serions  pas  en  trop  mauvaise  compagnie.  Que  voiis  en 
semble?"  (Aus  Rom,  28.  Februar  1856.) 


Paul  BourgetO 

(1852). 

Wir  hätten  Bourget  den  Dichter  —  denn  der  erfolgreiche 
Meister  des  modernen  psychologischen,  Empfindung  secierenden 
Romans  kommt  hier  weniger  in  Betracht  —  unter  die  Par- 
nassiens  einreihen  können,  ohne  seinem  Talente  und  der  Fär- 
bung desselben  Gewalt  anzuthun.  In  seiner  Jugend  bildete 
er  mit  Maurice  Bouchor  und  Richepin  das  stadtbekannte 
unzertrennliche  Dichterkleeblatt.  Er  war  damals  noch  nicht 
der  kosmopolitisch  denkende  und  schreibende  Romanschrift- 
steller, was  ihm  den  Beinamen  „le  juif  errant  des  idees''  ein- 
getragen hat.  Die  ersten  Meister,  bei  denen  der  zwanzig- 
jährige Bourget  seinen  Geist  bildete  und  Trost  suchte  —  denn 
seine  Jugend  war  keine  glückliche,  wenn  wir  ihm  selbst 
glauben  dürfen :  „Oh  1  non,  je  n'en  voudrais  pas  revivre  un 
jour,  pas  un  seul^'  —  waren  Stendhal,  Balzac  und  besonders 
aber  Heine.  Wie  dieser,  begann  der  junge  Poet  in  kleine 
Lieder  die  grossen  und  wohl  auch  kleinen  Leiden  mit  bitter 
sarkastischem  Lächeln  hineinzulegen.  „Entre  temps,  la  ving- 
tieme  annee  etait  la  avec  ses  habituelles  esperances  a  la 
fois  bienfaisantes  et  decourageantes  —  comme  toutes  les 
choses  d'ici-bas.  Naturellement,  M.  Bourget  imita  le  maitre 
qu'il  aimait  dans  la  traduction  de  ses  pensees.  De  la  ce  pre- 
mier  volume  de  vers  d'amour :  „Au  bord  de  la  mer'',  tout  en 
courtes  pieces  musicales,  compHquees,  delicates  et  dejä  si  tristes. 


^)   Inzwischen  einer  der  vierzig  Unsterblichen  geworden. 


auf  die  Gebrüder  de  Goncourt  und  Paul  Bourget.  371 


On  dirait  du  „H^ii^^";  on  pretend  quo  la  „Petite  couleuvre 
bleue"  en  est.''  ^) 

Auch  E.  Hennequin^)  weist  vorübergehend  auf  den  deut- 
schen Einfluss  hin.  „P.  Bourget  parait  avoir  obei  aux  meines 
tendances  dans  son  premier  recueil  de  vers.  Depuis,  ce  poete 
s'est  rallie  ä  Shelley,  aux  lakistes,  ä  Baudelaire ;  mais  dans  la 
„Vie  inquiete''  les  chansons  allemandes  ne  manquent  pas,  et  il 
est  une  piece,  la  ,, Couleuvre  bleue",  fantastique  et  musicale, 
qui  pourrait  etre  inseree  sans  disparate  dans  une  anthologie 
allemande."     („Ecrivains"  etc.,  pag.  293.) 

Aus  der  Reihe  der  zahlreichen  Gedichte,  die  deutlich  den 
Stempel  Heinescher  Inspiration  tragen,  und  typisch  wegen 
der  eigentümlichen  Mischung  von  ironischer  Melancholie  mit 
elegant  kokettierendem  Pessimismus  sind,  wählen  wir  bloss 
zwei  —  das  eine  davon  die  bereits  citierte  „Couleuvre  bleue"  — , 
die  nicht  nur  dem  Modell  am  nächsten  kommen,  sondern  auch 
mit  zu  den  hübschesten  der  ganzen  Liedersammlung  gerechnet 
werden.  („Oeuvres  de  Paul  Bourget  —  Poesies"  [1872 — 1876] 
—  „Au  bord  de  la  mer"  —  „La  vie  inquiete"  —  „Petits 
poemes"  —  Paris,  Lemerre,  1885.) 

La  petite  couleuvre  bleue. 

I. 
La  petite  couleuvre  bleue 
Du  desir  irie  sifflait  tout  bas : 
„0  poete,  encor  une  lieue, 
Marche  vite  et  ne  tremble  pas." 

—  „0  petite  couleuvre  bleue, 
'  Que  tes  sifflements  m'ont  fait  mal. 

J'ai  chemine  plus  d'une  lieue 
Sans  rencontrer  mon  ideal. 

^^ft       ^)   E.  Tissot,  „Les  evolutions  de  la  critique  fran(jaise". 

^^»  ^)  Es  freut  uns,  den  in  unserer  Arbeit  oft  citierten  Kritiker  von  W.  Wetz 
so  verständnisvoll  und  eingehend  behandelt  zu  sehen.  (Vergl.  „Kritischer 
Jahresbericht  über  die  Fortschritte  der  romanischen  Philologie",  IL  Heft,  1894, 
pag.  163  —  169.) 


372 


H.  Heines  Einfluss 


Mon  ideal  est  une  vierge 

Qui  jamais  ne  me  sourira." 

—  „Ya,  frappe  ä  la  prochaine  auberge, 

Qui  sait  quelle  main  l'ouvrira?" 

II. 

Une  vieille,  avec  politesse, 
Ouvre  la  porte,  doucement: 
„Avez-vous  vu,  dame  l'hotesse, 
Une  enfant  au  rire  charmant? 

Elle  porte,  la  jeune  vierge, 
Des  perles  noires  au  collier." 

—  „Elle  a  dine  lä,  dans  l'auberge, 
Avec  un  jeune  cavalier." 

—  „Merci,  madame." 

—  „Voici  riieure 
Oü  l'ombre  tombe,  entrez  chez  nous." 

—  „Merci,  l'hotesse ;  que  je  meure, 
Si  je  dors  une  heure  chez  vous!" 


III. 

„Petita  couleuvre  menteuse, 
Pourquoi  m'as-tu  charme  le  coeur? 
Oh!  dis-moi,  n'es-tu  pas  honteuse 
De  me  siffler  ton  air  moqueur? 

Voici  que,  seul  et  sans  lumiere, 

Je  reconnais  le  vieux  chemin 

Qui  conduisait  au  cimetiere." 

—  „Marche  encor  et  crois  ä  demain; 

Peut-etre  que,  parmi  ces  marbres, 
Erre  ton  amie. 

—  On  entend 
Gemir  le  vent  parmi  les  arbres : 
C'est  son  soupir,  eile  t'attend." 


auf  die  Gebrüder  de  Goneourt  und  Paul  Bourget.  373 

IV. 

„0  p«tite  couleuvre  fausse, 
Je  suis  las  et  la  nuit  pälit, 
Voici  l'aube." 

—  „Entre  dans  la  fosse, 
Pour  sommeiller,  c'est  un  bon  lit; 

Tu  reveras  de  cette  amie 
Que  tu  poursuivis  si  longtemps." 
—  „La  terre  a  mon  ame  endormie 
Est  bien  lourde,  que  faire?" 

—  „Attends!" 

Pensees  d'automne. 
I. 

Ce  monde  meilleur  et  tout  autre, 
Le  Paradis,  je  n'eii  veux  pas. 
Tout  mon  souvenir  tient  au  notre, 
Toute  ma  vie  est  ici-bas. 

La  belle  enfant  que  j'ai  choisie, 
Ses  cheveux,  sa  bouche  et  ses  yeux, 
Sa  jeunesse  et  sa  poesie, 
Je  ne  les  aurai  pas  aux  cieux ; 

Si  la  chair  n'est  pas  Immortelle, 
Si  les  formes  doivent  perir, 
Je  ne  reconnaitrai  plus  celle 
Qui  m'a  fait  aimer  et  souffrir. 

IL 

Par  les  sentiers  boueux  d'automne, 
Je  marche,  les  cheveux  au  vent ; 
Plus  d'un  passant  muet  s'etonne 
Et  me  considere  en  revant. 

Au  milieu  des  feuilles  jaunies, 
Les  lueurs  des  soleils  couchants 
Ont  des  tristesses  infinies, 
Dans  le  grand  silence  des  cliamps. 


374  H.  Heines  Einfluss 


III. 

L'automne!  Fautoiiine!  —  Les  liaies 
Et  les  arbres  sont  defeuilles, 
A  peine  quelques  rouges  baies 
Tremblent  aux  buissons  depouilles. 

L'automne!  Fautomne!  —  Les  routes 
Soni  desertes,  sous  Fair  glace, 
Et  les  feuilles  s'amassent  toutes 
Dans  les  profondeurs  du  fosse. 

L'automne!  Fautomne!  —  La  vie 
Fletrit  chaque  jour,  sous  nos  yeux, 
Toute  la  beaute  qui  convie 
Le  coeur  ä  la  fete  des  cieux. 

Ce  pauvre  coeur  en  vain  reclame 
L'eternite  pour  ses  amours. 
—  Nous  n'avons  pas  meme  assez  d'äme 
Pour  aimer  et  soufFrir  toujours. 

Beide  Gedichte  gehören  dem  Cyklus  „Au  bord  de  la  mer'^ 
(1872 — 1873)  an,  dem  ßourget  ein  längeres  Citat  aus  dem 
„Intermezzo"  vorausschickt,  wie  auch  der  Liedersammlung 
„Vie  interieure". 

Doch  auch  in  seinen  späteren  Prosaschriften  kritischen 
und  ästhetischen  Inhalts  zeigt  es  sich,  wie  sehr  ihn  Heine 
stets  beschäftigt.  Er  gehört  mit  Banville  zu  denen,  die  in 
dem  Dichter  des  „Buch  der  Lieder"  einen  der  grössten  Poeten 
aller  Zeiten  und  den  unübertroffenen  Sänger  der  Liebe  ver- 
ehren. In  der  Einleitung  zu  der  Studie  über  Chateaubriand 
(„Etudes  et  portraits",  1889)  heisst  es  am  Schlüsse:  „Un  poete 
qui  s'y  connaissait  en  douleurs,  cet  Henri  Heine  dont  l'„Inter- 
mezzo"  reste  le  plus  ardent  livre  d'amour  de  notre  epoque, 
disait  dans  ses  derniers  jours :  Je  n'ai  jamais  aime  que  des 
statues  et  que  des  mortes."  Und  gleich  darauf  beginnt  er  das 
erste  Kapitel  mit  den  Worten  (pag.  62) :    „Elles  ont  ete  les 


auf  die  Gebrüder  de  Goncourt  und  Paul  Bourget.  375 


plus  heureuses  inspirations  de  son  genie,  ces  dispariies  aux- 
quelles  Henri  Heine  pensait  si  follement,  puisqu'elles  lui  ont 
fait  ecrire  les  pages  du  „Tambour  Le  Grand"  et  les  „Remi- 
niscences  du  Livre  de  Lazare".  C'est  qu'en  toute  chose,  poesie 
ou  histoire,  la  Sympathie  est  la  grande  methode."  —  Noch 
eine  letzte  Stelle :  In  seiner  dialogisch  gehaltenen  ästhetischen 
Studie  „Science  et  poesie"  (ebendaselbst)  spricht  Pierre  V. .  . 
die  Ansicht  aus,  dass  jedes  wirklich  grosse  poetische  Werk 
als  Vorbedingung  Isoliertheit  vom  allgemeinen  Milieu  verlange. 
Byron  und  Chateaubriand  waren  hn  Kampfe  mit  ihrer  Um- 
gebung, Edgar  Poes  träumerisches  Dichten  entstand  mitten 
im  materialistischen  Jagen  der  amerikanischen  Industrie,  und, 
fährt  er  fort :  „Je  me  suis  souvent  represente  le  poete  comme 
un  Gyges  et  qui  ne  pourrait  entendre  ce  que  Ton  dit  de  lui, 
et,  si  vous  voulez  etudier  la  psychologie  des  tout  ä  fait  grands, 
de  ceux  qui,  comme  Shakespeare,  comme  Shelley,  comme 
Keates,  comme  Heine,  ont  recule  les  bornes  du  c(Eur  et  du 
songe,  vous  trouverez  qu'ils  ont  eu  au  doigt,  meme  dans  la 
gloire,  la  bague  qui  rend  invisible,  et  autour  de  leur  personne 
le  nuage  qui  rend  isole."    (Pag.  218.) 


376  H.  Heines  Einfluss 


Achtes  Kapitel 

Ueber  die  zeitgenössischen  Strömungen 

der  französischen  Poesie  und  deren  Zusammenhang 

mit  Heines  Dichtung 


„S'il  rcnaissait  deiuain,  rauteur  des  „Reisc- 
bilder"  verrait   qu(^  ses  oeuvres  ont  un  rayon 
ä  part  dans  toutes  les  bibliotheques." 
Phil.  Audebrand 
(„Petits  memoires  du  XIXe  sieclc"). 

„Et  nous,  jeunes  g-ens  de  cette  seconde 
inoitie  de  ce  siecle,  ä  qui  Heine  a,  pour  ainsi 
dire,  enseigne  l'amour  lärme  i^ar  lärme  et  baiser 
par  baiser,  nous  y  avons  gagne  le  „Heimkehr" 
et  r„Intermezzo",  —  c'est-ä-dire  deux  cantiques 
de  tendresses  tels  que  Jamals  poete  n'en  avait 
chuchote  si  pres  de  Tarne  humaine." 

Marcel  Prevost. 

Frankreich,  das  in  diesem  Jahrhundert  ungefähr  ein 
Dutzend  Mal  die  Regierungsform  gewechselt  und  circa  eben- 
soviel philosophische  Systeme  verbraucht  hat,  blieb  in  der 
Reichhaltigkeit  seiner  Dichterschulen  und  -Gruppen,  wie  be- 
kannt, nicht  zurück.  Wie  jene,  waren  auch  diese  meist  von 
kurzer  Dauer  und  die  Gründer  überlebten  hier  und  dort  nicht 
selten  ihr  Werk. 

So  bunt,  wie  seit  einigen  zehn  Jahren,  hat  es  im  fran- 
zösischen Dichter walde  nie  zuvor  ausgesehen.  „Decadents, 
Symbolistes,  Mystiques,  Impressionnistes,  Quintessents,  Deli- 
quescents"  etc.  etc.,  jede  mit  einem  Häuflein  Anhänger  und 
einer  kleinen  ,,Revue"  als  Tummelplatz  verkannter  Genies  — 


M 


und  die  zeitgenössischen  Strömungen.  377 

wetteifern  untereinander  im  Suchen  nach  einem  neuen  Dichter- 
ideal.  ^)  Alle  diese  Gruppen  auseinanderzuhalten  und  zu 
definieren,  ist  schon  deswegen  unraöghch,  weil  die  Dichter 
und  Dichterlinge,  die  man  einzuteilen  hätte,  selbst  gegen  alle 
Klassifizierung  protestieren.  Verlaine  will  nicht  „Decadent", 
Maeterlink  nicht  „Symboliste"  undHuysmans  nicht  „Impression- 
niste" genannt  sein.  Eigentlich  gibt  es  —  will  man  nach  den 
zahllosen  Programmen  und  Manifesten  urteilen  —  ebensoviel 
Schulen  wie  Dichter.  ^)  Ferner  ist  an  eine  übersichtliche 
Einteilung  schon  nicht  zu  denken,  weil  eine  ganze  Reihe  der 
„Modernes"  zwischen  den  beiden  Hauptrichtungen  —  den 
Decadents  und  Symbolistes  —  schwankt  und  bald  der  einen, 
bald  der  andern  folgt,  was  um  so  merkwürdiger  ist,  da  doch 
Decadence  (=  Baudelairisme)  und  Symbolisme  Gegensätze 
sind,  insofern  als  die  erstere  den  Begriff  und  die  Form  der 
Poesie  auf  ein  kleines  menschliches  „Ich"  reduziert  und  der 
letztere  die  Unendlichkeit  im  All  der  Phantasie  („le  tout") 
bedeutet. 

In  That  und  Wahrheit  —  zu  diesem  Schlüsse  muss  der 
Litterarhistoriker  unfehlbar  gelangen  —  gibt  es  seit  den  Tagen 
der  französischen  Romantik  überhaupt  keine  charakteristische, 
kompakte  Schule  mehr,  sondern  bloss  Dichtergruppen.  ^)  Denn 
es  fehlt  der  Feind,  das  mit  vereinten  Kräften  zu  bekämpfende 
Objekt;  es  fehlt  das  gemeinsame  Streben  nach  gemeinsamen 


^)  Los  promoteurs  de  hi  souscription  (pour  un  monument  en  l'honueur 
de  Charles  Baudelaire)  etaient,  pour  la  plupart,  des  decadents  et  des  sym- 
bolistes. Je  leur  demaude  pardon,  si  je  les  designe  mal.  Les  ecoles  et  les 
cenacles  changent  maintenant  de  nom  tous  les  huit  jours ;  il  n'y  a  pas  moyen 
de  s'y  reconnaitre.  —  (Fr.  Coppee,  „Mon  franc  parier",  1894,  pag.  180.) 

-)  ,,Sie  sind  keine  Schule,  sie  folgen  keinem  gemeinsamen  Gesetz.  Man 
kann  nicht  einmal  sagen,  dass  sie  eine  Gruppe  sind;  sie  schliessen  sich  nicht 
zusammen  und  vertragen  sich  nicht;  jeder  hat  seine  eigene  Weise,  von  welcher 
der  Andere  nichts  wissen  will."  (Hermann  Bahr,  „Studien  zur  Kritik  der 
Moderne",  1894,   pag.  20.) 

^)  Eine  kurze  Spanne  Zeit  allerdings  besass  der  Naturalismus  eine  ein- 
heitliche Idee. 


378  H.  Heines  Einfluss 


Zielen,  d.  h.  das  fruchtbar  fördernde  Motiv.  —  Die  Kampfes- 
lust gegen  den  Klassicismus  —  bei  allen  Romantikern  mehr 
oder  weniger  ausgeprägt  —  machte  ihre  Litteratur  stark, 
kernig  und  reich.  —  Jetzt  fühlt  jeder  Poet  das  Bedürfnis,  auf 
altem  Felde  neue  Saat  zu  streuen;  sein  Ehrgeiz  träumt  von 
neuen  Bahnen,  die  zum  verheissenen  Lande  eines  neuen  Kunst- 
ideals führen  sollen  —  unter  seiner  Führung  natürlich.  Daher 
die  Buntscheckigkeit  des  modernen  Parnass,  und  —  um  ja  das 
Wort  des  Rabbi  Ben  Akiba  Lügen  zu  strafen  —  jene  Sucht  nach 
Niedagewesenem,  Unerhörtem,  wobei  die  bizarrsten  Resultate 
zum  Vorschein  kommen.  Mit  absichtlichem  Bewusstsein  wählen 
sich  die  Manifestanten  irgend  einen  Meister  vergangener  Zeiten 
als  Schutzpatron,  sei  es,  angezogen  von  deren  Vorzügen,  —  oder 
von  ihren  Fehlern.  Das  letztere  häufiger,  weil  diese  leichter 
nachzuahmen  sind.  —  Da  wir  also  keine  drei  moderne  Dichter 
unter  einen  Hut  bringen  können,  suchen  wir  uns  in  diesem 
Durcheinander  damit  zu  helfen,  dass  wir  die  allgemeine  lit- 
terarische Bewegung  im  heutigen  Prankreich  als  „Decadence" 
bezeichnen,  indem  uns  dabei  die  analogen  Perioden  im  alten 
Griechenland  und  Rom  als  Vorbild  dienen,  da  sich  Ueber- 
feinerung  des  Geschmackes,  ruhe-  und  rastloses  Tasten  nach 
Neuem,  mit  geistigem  und  physischem  Verfall  verbanden. 
Doch  soll  hiermit  nicht  etwa  der  Verfall  der  romanischen 
Rasse  gemeint  sein,  an  den  wir  nicht  glauben,  sondern  ein 
allgemeines  Zeitsymptom,  das  nur  von  irgend  einer  Seite  der 
Reaktion  harrt.  Gleiche  Ursachen  haben  nicht  immer  die- 
selben Folgen. 

Charles  Morice,  der  Kritiker  der  Modernen,  ist  natürlich 
anderer  Meinung.  Nachdem  er  („La  litterature  de  tout  ä 
l'heure")  mit  viel  Sorgfalt  und  Geschick  die  Wurzeln  seiner 
Schule  aus  dem  reichen  Boden  der  Parnassiens,  Romantiker 
und  des  klassischen  Zeitalters  herausgegraben,  protestiert  er 
nicht  ohne  Logik  gegen  den  Namen  „decadence":  „On  a  dit 
Decadence    et    Symbolisme:    je    ne   reconnais  d'incontestable 


und  die  zeitgenössischen  Strömungen.  379 


decadence  litteraire  que  dans  les  roraans  ä  la  mode;  je  ne 
connais  point  de  litterature  qui  ne  soit  symbolique.  Rieii 
n'est  aussi  parfaitement  inutile  que  ces  etiquettes."  (Pag.  295.) 
Er  behauptet,  dass  die  Decadents  durch  ihre  Bemühungen, 
den  alten  Schatz  der  Sprache  zu  heben,  ganz  im  Gegenteil 
gegen  die  Decadence  der  Sprache  arbeiten.  Noch  radikaler 
drückt  sich  ein  anderer  Kritiker  dieser  Färbung  aus.  Nach 
ihm  beginnt  die  Decadence  —  der  Name  rührt,  nebenbei 
gesagt,  von  Champsaur  her,  einem  geistreichen  Boulevard- 
chronisten ä  la  Aurelien  Scholl  —  im  XVII.  Jahrhundert  und 
dauert  bis  Chateaubriand.  „Les  vrais  decadents  sont  les 
classiques,  au  parier  si  pauvre,  denue  de  toute  puissance 
sensitive,  de  couleur,  de  joaillerie,  de  psychologie  et  de  pre- 
cision.  La  phrase  de  cette  epoque  sonne  creux,  rien  ne  git 
en  dessous  ...  II  faut  excepter  1',, Esther"  de  Racine,  Saint- 
Simon,  La  Bruyere;  le  reste  ne  vaut  guere  lecture."  (Paul 
Adam,  citiert  von  Maurice  Peyrot,  „Nouvelle  Revue",  Bd.  49, 
ipag.  130.) 

Versuchen  wir  nun  noch  kurz  die  französische  Litteratur- 
[strömung  als  Gesamtheit  zu  charakterisieren.  Nach  einigen 
[Notizen  über  ihre  Geschichte  —  ein  klares  Bild  von  diesem 
unklaren  Ding  wird  uns  schwerlich  gelingen  —  werden  wir 
auch  hier  wieder  den  Weg  zu  Heines  Einfluss  zu  finden 
wissen. 

Die  neue  Schule  unterscheidet  sich  schon  auf  den  ersten 
Blick  von  den  Romantikern  durch  ihr  bizarres,  fremdartiges 
Wesen.  Auch  diese  schwärmten  schon  für  das  Wunderbare 
und  Seltsame  —  aber  vernünftige  Wahrscheinlichkeit  war 
noch  nicht  gebannt.  Der  französischen  Muse  von  damals 
flösste  mit  wenigen  Ausnahmen  die  Phantastik,  wie  sie  im 
Reiche  der  Poesie  in  England  und  Deutschland  ihre  Rechte 
hatte,  noch  Misstrauen  ein.  Urheber  dieses  abnormalen  und 
zugleich  eminent  antinationalen  Zuges  ist  Charles  Baudelaire 
—  verhöhnt  und  geschmäht   von  den  Einen,  von  Andern  in 


380  H.  Heines  Einfluss 


alle  Himmel  gehoben.  Sein  Dichten  und  seine  Kritik  träufelten 
—  die  Einen  sagen  Gift,  die  Andern  Balsam  und  neu  be- 
lebenden Saft  in  die  Adern  der  französischen  Poesie.  Von 
ihm,  dem  Bewunderer  und  ersten  Nachahmer  und  Ueber- 
setzer  des  grausig-phantastischen  Amerikaners  Edgar  Poe, 
stammt  der  litterarische  Selbstekel,  der  Pessimismus-Spleen. 
Alle  Schleusen  öffnete  er  dem  fremden  Einfluss  und  arge 
Verheerung  richtete  der  Kosmopolitismus  in  den  Gefilden  der 
französischen  Nationaldichtung  an.  Er  war  es  —  und  dies 
wird  seine  hohe  litterarische  Bedeutung  bleiben,  mag  man  sie 
missbilligen  und  verwünschen  oder  heilsam  nennen  — ,  der 
der  französischen  Dichtkunst  die  kosmopolitische  Taufe  gab. 
Schwerlich  wird  diese  fürderhin  je  wieder  im  alten  Sinne 
national  werden  können.  „Nous  en  sommes  satures,"  klagt 
ein  Kritiker  über  das  Eindringen  fremder  Poesie,  und  der  be- 
rühmte Romanist  Paul  Meyer  ^)  hat  Recht,  wenn  er  Frankreich 
mit  einschliesst,  indem  er  sagt:  „Dans  l'Europe  moderne,  les 
litteratures  ont  si  bien  reagi  les  unes  sur  les  autres,  qu'aucune 
n'offre  plus  un  caractere  veritablement  national.  Elles  sont 
toutes  plus  ou  moins  cosmopolites." 

Wie  musste  französisches  Empfinden  mit  fremden  Ein- 
drücken imprägniert  sein,  damit  ein  französischer  Dichter 
und  Kritiker  schreiben  konnte:  „C'est  un  dejä  vieux  fait 
qu'Edgar  Poe,  ä  peine  revele  en  France,  y  trouva  comme  la 
patrie  naturelle  de  sa  gloire,  orpheline  en  sa  vraie,  vraiment 
factice  patrie.  De  lui  et  de  Baudelaire,  il  faut  aimer  les  in- 
fluences  comme  fraternelles  et  qu'il  sied  de  ne  separer  point.*'^) 

Nicht  dass  es  keine  Andersdenkende  gäbe  —  ganz  ab- 
gesehen von  Brunetiere.  Man  vergleiche  mit  dem  obigen 
folgende  Definition  der  Dichtung  Edgar  Poes :  „L'esprit  mathe- 


1)   „De  l'influence   des  troubadours    sur  la  poesie  des   peuples  romands' 
(Romania  V,  257). 

-)    Charles  Morice,  1.  c,   pag.  201. 


J 


nn((  die  zeitgenossischen  Strömungen.  381 

matique,  rimagination  et  l'alcool  dans  im  cerveau  americain, 
atteint  du  delirium  tremens."  ^) 

Allein  es  bedeutet  nichtsdestoweniger  eine  ausserordent- 
liche Metamorphose  des  französischen  Geistes,  dass  Morice 
im  Namen  einer  grossen  Anzahl  moderner  Poeten  sagen 
durfte,  Prankreich  sei  die  natürliche  Heimat  Poes.  Einiger- 
massen erklärlich  wird  diese  Erscheinung  dadurch,  dass  einige 
der  tonangebendsten  Decadents  Ausländer  sind.  Rene  Ghil, 
dessen  Worttonsystem  an  hellen  Blödsinn  grenzt,  ist  Belgier; 
Jean  Moreas  Grieche,  Stuart  Merill  —  einer  der  geniess- 
barsten  —  und  Viele-Griffin  sind  Landsleute  Edgar  Poes. 

Wenn  von  dem  fremden  Einflüsse  als  erstem  und  Haupt- 
merkmale der  modernen  französischen  Litteratur  gesprochen 
wird,  so  darf  auch  ein  Schweizer  nicht  vergessen  werden, 
dessen  pessimistischer  Hamletcharakter  und  poesievolle  Natur- 
symbolistik  manchen  Baustein  zu  dem  Decadence-Gebäude 
geliefert  haben.  Wir  meinen  den  Genfer  Professor  Henri- 
Frederic  Amiel,^)  der  im  Jahre  1881  mit  der  festen  Ueber- 
zeugung  starb,  dass  sein  Name  mit  seinem  Leben  dahin- 
gegangen sei.  Statt  dessen  wurde  er  bald  durch  die  Ver- 
öffentlichung der  „Fragments  d'un  Journal  intime",  die  Edm. 
Scherer  herausgab  und  Renan  und  Caro  in  Prankreich  ein- 
führten, ein  berühmter  Toter.  Noch  kürzlich  nannte  ihn 
Brunetiere^)  „Genevois  dont  on  eüt  fait  un  dieu,  ä  Paris,  si 
ses  compatriotes  Feussent  permis."  —  Einige  Stellen  des 
^merkwürdigen  Tagebuches  —  das  P.  Bourget,  der  diesem  eine 
[interessante   Studie   widmete,    zu   der  Bemerkung  veranlasst: 

„Pour  eelui  qui  va  etudiant  ä  travers  la  litterature  actuelle  les 
traits   epars    de   la  grande   äme   contemporaine,    ce  Journal  d'Amiel 


1)   Arthur  Arnould,  „Revue  moderne",  Bd.  XXXIII,  pag.  83. 
^)  lieber  Amiel  vergl.  u.  a.  Gastou  Frommel,  „Esquisses  contemporaines", 
und  M®"''  Emma  Warnod,  „Etudes  litteraires  et  morales". 
3)   „Revue  bleue",  20.  Mai  1893,  pag.  615. 


382  H.  Heines  Einfluss 


constitue  une   sorte  d'experience  psychologique   toute  notee  et  de  la 
valeur  la  plus  precieuse." 

(„Psychologie  contemporaine",  Paris  1892,  pag-.  255.) 

—  bilden  geradezu  Marksteine  der  französischen  Mystik  und 
Symbolistik,  so  besonders  der  berühmte,  oft  citierte  Satz : 
„Tout  paysage  est  un  etat  d'äme",  der  sich  zu  dem  Sym- 
boHsme  verhält  wie  „Fart  pour  l'art"  zu  den  Parnassiens.  Ein 
Vollblutsymbolist  könnte  folgendes  hübsche  Bild  gefunden 
haben:  „Ce  petit  sentier,  royaume  du  vert." 

Charakteristisch  ist  dann  in  zweiter  Linie  für  die  Modernen 
aller  Nuancen:  Verschwommenheit  des  Gedankens,  unklarer 
Stil  —  nicht  selten  bis  zur  Unverständlichkeit.  ^)  Bei  einigen 
scheint  die  Kunst  darin  zu  bestehen,  den  Schleier  der  — 
Poesie  so  dicht  wie  möghch  über  die  Idee  zu  ziehen.  Ob- 
jektive, deutliche  Beschreibung  ist  verpönt.  Die  Natur,  jedes 
menschliche  Handeln  und  Denken  muss  sich  im  Symbol  äussern, 
das  darm  erraten  werden  soll.  —  Wir  sollen  lernen,  Worte 
„klingen"  zu  hören,  statt  immer  plumpe  genaue  Verdeutlichung 
zu  verlangen,  die  es  niemals  vermag,  die  geheimen  Fäden 
des  Gedankens  wiederzugeben.  Die  Poesie  soll  musikalische 
Empfindungen  erwecken,  aber  nicht  wie  bei  den  Parnass- 
dichtern durch  Versroutine,  sondern  gerade  im  Gegenteil  durch 
eine  undeutlich  schimmernde  und  schwankende  Vers-  und 
Wortrhythmik.  Hier  begegnen  wir  dem  Einflüsse  Wagners. 
Die  Musik  betrachten  sie  als  die  ihrem  Ideal  am  nächsten 
kommende  Kunst.  Brunetiere  weist  auf  einige  Titel  hin,  die 
diese  Tendenz  bestätigen:^)  „Romances  sans  paroles''  (Ver- 
laine), „Complaintes"  (Lafargue),  „Cantilenes"  (Moreas)  etc. 

Allen  gemeinsam  ist  ferner  das  Streben  und  Tasten  nach 
neuen  Sensationen,    nach  einer  neuen  Art,  alte  Dinge  zu  be- 


1)  Sie  nennen  dies  „channe  — "  oder  „poesie  du  vag-ue  . 

2)  „Revue  bleue",  17.  Juni  1893. 


I 


und  die  zeitgenössischen  Strömungen.  383 


zeichnen ; ')  sie  erhoffen  eine  grosse  idealHtterarische  Epoche 
als  notwendige  Reaktion  des  Zeitalters  der  materialistischen 
und  naturalistischen  Kritik  und  Litteratur,  die,  von  der  Hoch- 
flut der  praktischen  Wissenschaften  mitgerissen,  die  alten  Be- 
griffe von  Geschmack  und  Dichterideal  verloren  haben. 

Am  radikalsten  zeigen  sich  alle  ihre  Bestrebungen  auf 
dem  Gebiete  der  Form,  der  Poetik,  wenn  auch  hier  wiederum 
verschiedene  Nuancen  zu  unterscheiden  sind.  So  hat  sich 
besonders  Paul  Verlaine,  unstreitig  der  hervorragendste  Dichter 
der  Decadence,  deren  anerkanntes  Haupt  er  auch  ist,  stets 
seiner  parnassischen  Jugend  erinnert.  Ironisch  sagt  er  von 
einigen  Erzeugnissen  des  „vers  libre",  dass  man  dergleichen 
zu  seiner  Zeit  Prosa  genannt  habe. 

Von  diesem  rein  äusserlichen  Standpunkte  aus  betrachtet, 
ist  die  Decadence  erst  einige  zehn  Jahre  alt.  Denn  es  war 
im  Jahre  1880,  als  ein  exotischer  Dichter,  mit  Namen  Vergolo, 
seine  „Poetique  nou volle"  herausgab,  worin  für  den  „vers 
blanc"  und  „vers  libre"  eine  Lanze  gebrochen  wird.  Die  Regeln 
der  Cäsur  und  des  Hiatus  schafft  er  ab.  ^)  Ungleich  grösseres 
Aufsehen  erregten  dann  in  den  achtziger  Jahren  die  „Illu- 
minations^^  des  excentrischen  Arthur  Rimbaud,  die  schon  lange 
als  Manuskript  bei  den  „Jungen''  cirkuliert  hatten.  Verlaine 
wird  bekehrt  und  begrüsst  mit  Enthusiasmus  diese  Sammlung 
von  Prosa  und  Poesie :  „Un  pur  chef-d'oeuvre ,  flamme  et 
crystal,  fleuves  et  fleurs  et  grandes  voix  de  bronze  et  d'or."  ^) 
In  diesem  Liedercyklus  befindet  sich  das  berühmte,  viel  be- 
spottete Sonett,  das  mit  den  Versen  beginnt: 


^)  Das  Neue  an  den  Modernen  insgesamt  —  und  darin  unterscheiden 
sie  sich  von  den  Romantikern,  mit  denen  sie  immerhin  einige  Berührungs- 
punkte haben  —  ist,  dass  sie  nach  Stimmungen  (sensations)  suchen ;  sie  sind 
ganz  Nerv. 

2)  Vergl.  Georges  Rodenbachs  „La  nouvelle  Poesie",  „Revue  bleue", 
4.  April  1891. 

3)  „Les  hommes  d'aujourd'hui",  7*  vol.,  N"  318.  Ebenso  zu  vergleichen 
Paul  Verlaine,    „Les  poetes  maudits"  (Rimbaud,  Mallarme,  etc.),  Vanier,  1888. 


384  H.  Heines  Einfluss 


„A  iioir,  E  blanc,  I  rouge,  U  vert,  O  bleu,  voyelles, 
Je  dirai  quelque  jour  vos  naissances  latentes"  etc.  ^) 

Sein  Einfluss  war  es,  der  nicht  nur  auf  Verlaine,  sondern 
auch  auf  die  ganze  junge,  auf  ein  neues  Genie  harrende 
Dichterschar  bahnbrechend  wirkte,  vor  Allem  auf  dem  Ge- 
biete des  Versbaues.  Der  Reim  verschwindet ;  es  bleiben  mei- 
stens nur  Assonanzen,  und  oft  sind  die  Verse  reim-  und 
assonanzlos  (vers  blancs).  Alle  alten  Gesetze  der  Prosodie 
werden  der  Plastik  der  poetischen  Idee,  dem  Wortbilde  ge- 
opfert. Die  Symbolistes  werden  allerdings  später  unter  der 
Führung  Rene  Ghils  und  Jean  Moreas'  andere  Wege  ein- 
schlagen, w^eil  sie  wähnen,  etwas  nie  Dagewesenes  —  das 
„Symbol"  —  entdeckt  zu  haben.  Hierauf  erwidert  aber  sehr 
richtig  ihr  Altmeister  Verlaine:  „Qui  dit  symboles,  dit  Images, 
et  qui  dit  images,  dit  poesie.  Tous  les  vrais  poetes  ont  ete 
symbolistes." 

Wir  haben  es  bisher  vermieden,  in  diesem  Zusammen- 
hange von  unserem  Dichter  zu  reden,  obgleich  hierzu  schon 
wiederholt  Gelegenheit  geboten  gewesen  wäre.  Wir  zogen 
es  vor,  die  Symptome  seines  Einflusses  zusammenhängend 
und  der  Reihe  nach,  bei  Baudelaire  beginnend,  nachzuweisen. 
In  einer  so  zerfahrenen,  sich  oft  widersprechenden  und  noch 
zu  keinem  Endresultate  gelangten  Litteraturepoche  unver- 
kennbaren Einfluss  aufzudecken,  muss  —  wir  sind  uns  dessen 
wohl  bewusst  —  ein  gewagtes  Unternehmen  bleiben.  Auf 
der  andern  Seite  aber  ein  um  so  dankbareres,  als  es  wohl 
noch  niemandem  eingefallen  ist,  in  der  modernen  französischen 
Decadence-Dichtung  Spuren  —  deutscher  Einwirkung  zu 
suchen. 

Wir  beginnen  mit  Baudelaire  und  dessen  Verhältnis  zu 
Heinrich  Heine. 


*)    Die  Erscheinung,  den  Buchstaben  Farben   und  bestimmten  Tonklang 
zuzuschreiben,  ist  nicht  neu,  wie  Herrn.   Bahr  (1.  c.  pag.  22)  nachweist. 


I 


und  die  zeitgenossischen  Strömungen.  385 


An  Charles  Baudelaire  (1821 — 1867),  gleich  hervorragend 
als  phantastisch  makabrer  Sonderling  und  als  Poet,  hat  sich, 
wie  bei  keinem  andern  Dichter  Prankreichs,  die  Wahrheit  des 
Goetheschen  Wortes  bewährt,  das  denjenigen  tollkühn  nannte, 
der  es  im  Gallierlande  wage,  anders  zu  denken  und  zu  handeln 
als  die  Mehrzahl.  Wie  gering  musste  der  Autor  der  „Pleurs 
du  mal"  von  Popularität  und  öffentlicher  Meinung  gedacht 
haben,  um  all  dem  Hohn  und  Spott,  dem  Schimpfe  stand  zu 
halten,  der  schon  zu  seinen  Lebzeiten  über  ihn  hereinbrach.  ^) 
Ueberblickt  man  die  Gesamtheit  der  Werke  Baudelaires  — 
Poesie  und  Prosa,  Romane  und  Kritik  — ,  so  tritt  uns  dieser 
Dichter  als  eine  abnorme  und  unfassliche  Synthese  der  ver- 
schiedensten Persönlichkeiten  entgegen.  „C'est  plutot  un  com- 
pose  de  cinq  ou  six  individualites  diverses  qui  tiennent  la 
parole  les  unes  apres  les  autres,  sans  ordre  logique,  au  hasard 
de  l'inspiration  momentanee,  sans  que  chacune  d'elles  prenne 
soin  de  ce  qui  a  ete  dit  precedemment." ''^)  In  Wahrheit  ist 
Baudelaire  Spätromantiker,  Parnassien,  Decadent  und  Sym- 
bolist zugleich  und  nach  einander.  Wie  bei  Banville,  so  muss 
man  auch  bei  ihm  auf  Gautier  zurückgehen.  Dieser  selbst 
erzählt  in  seiner  Biographie  Baudelaires  („Oeuvres  completes 
de  Baudelaire",  Levy,  1892),  dass  der  Autor  der  „Fleurs  du 
mal"  ihn  stets  als  Lehrer  und  Meister  angesehen,  was  schon 
die  originelle  Widmung  des  genannten  Werkes  besagt :  „Au 
poete  impeccable,  parfait  magicien  es  lettres  frangaises"  etc. 
Parnassien  war  und  bheb  er  insofern,  als  er  sich  voll  und 
ganz  zu  der  Parole   „l'art   pour  l'art"   bekannte,  die  er  aller- 

*)  Manchen  ist  vielleicht  noch  das  litterarische  Schisma  in  der  „Revue 
des  deux  Mondes"  in  Erinnerung,  das  auf  Bruneti^res  Protest  gegen  ein 
.Denkmal  zu  Ehren  Baudelaires  folgte.  Darüber,  ob  der  Standpunkt  der  „Revue 
[des  deux  Mondes"  von  1892  gegenüber  derjenigen  vom  1.  Juni  1855,  die  die 
[ersten  Lieder  Baudelaires  (aus  den  „Fleurs  du  mal")  veröffentlichte,  einen 
[Fortschritt  bedeutet,  dürfte  man  verschiedener  Ansicht  sein. 

2)    M.  Spronck,  „Les  artistes  litt^raires"   etc.,  Paris  18S9,  pag.  89. 

Bt'tz,  Heine  in  Frankreich.  "^ 


:-^86  H.  Heines  Einfluss 


dings  auf  seine  Weise  auffasste,  d.  h.  von  allem  Banalen, 
Hergebrachten  und  besonders  —  Natürlichen  in  jeder  Form, 
mi  Leben  und  in  der  Kunst,  gerade  das  Entgegengesetzte  zu 
thun.  Berühmt  wurde  der  „Dandy  der  Decadence",  wie  er  oft 
genannt  wird,  zuerst  durch  seine  „Poemes  en  prose"  und  als 
Uebersetzer  und  Interpret  Edgar  Poes.  ^)  —  Den  Decadent 
hat  Gautier  im  Auge,  wenn  er  in  der  erwähnten  Biographie 
(pag.  28)  sagt :  „Quoiqu'il  soit  bien  evidemment  romantique 
d'intention  et  de  facture,  on  ne  saurait  rattacher  par  un  lien 
visible  Baudelaire  ä  aucun  des  grands  maitres  de  cette  ecole." 
Die  geistigen  Beziehungen  zwischen  Baudelaire  und  Heine 
glauben  wir  am  besten  mit  der  Geschichte  einer  interessanten 
und  sehr  bezeichnenden  Kontroverse  Baudelaires  mit  Jules 
Janin  einzuleiten.  Im  zweiten  Abschnitt  haben  wir  den  Artikel 
(„Henri  Heine  et  la  jeunesse  des  poetes")  dieses  optimistischen 
und  charakterlos  seichten  Litteraten  angeführt,  in  dem  der 
Kritiker  des  „Journal  des  Debats"  die  bittere,  melancholische 
Ironie  des  deutschen  Poeten  angreift  und  behauptet,  dass 
seine  Lyrik  ebenso  düster  wie  ungesund  sei  und  aller  jener 
Fröhlichkeit  bar,  die  den  Grundton  der  wahren  französischen 
Poesie  bilde.  Janin  glaubt  hier  mit  seinem  Namen  —  er 
unterzeichnet  „Eraste"  —  auch  die  Meinung  ändern  zu  dürfen. 
Janin,  der  Verfasser  des  im  Abschnitt  II  ebenfalls  citierten 
Nekrologs  im  „Almanach"  von  1856,  schreibt  nämlich  als 
„Eraste"  in  der  „Independance  beige"  :  „II  fut  (Heine),  en 
effet,  la  premiere  victime  de  son  intarissable  Ironie,  et,  comme 
s'il  s'etait  impose  la  täche  ahommahle  de  rire  aujourd'hui, 
demain,  toujours,  il  n'a  pas  connu,  de  son  vivant,  la  douce 
volupte  des  larmes;   il  n'en  a  pas  fait  repandre  sur  son  cer- 


1)  Will  man  von  den  vermeintlichen  uniformen  Kunstidealen  der  ersten 
Parnassiens  einen  Begriff  bekommen,  so  stelle  man  die  Lyrik  der  drei  be- 
rühmtesten Anhänger  derselben  —  Baudelaire,  Leconte  de  Lisle  und  Fran^. 
Coppee  —  neben  einander. 


und  die  zeitgenössischen  Strömungen.  387 

cueil."   —   Hiermit   ist   seine  Trauerhymne   in   dem   citierten 
Kalendernekrologe  zu  vergleichen !  ') 

Dass  dieser  Artikel  in  erster  Linie  auf  den  in  Brüssel 
lebenden,  oder  genauer,  sterbenden  Baudelaire  gemünzt  war, 
konnte  diesem  nicht  entgehen ;  er  empfand  den  Hieb  doppelt 
—  einmal  als  Poet  und  Schüler  Edgar  Poes,  und  dann,  weil 
er  sich  mit  Heine  selbst  solidarisch  fühlte.  „Avez-vous  lu  — 
schreibt  er  an  Sainte-Beuve  ^)  —  l'abominable  feuilleton  de 
Janin  contre  les  poetes  melancoliques  et  railleurs?"  Und  in 
einem  Briefe  an  Julien  Lemer :  ^)  „Avez-vous  vu  l'infäme 
feuilleton  d'Eraste  sur  H.  Heine  et  la  jeunesse  des  poetes? 
Janin  blague  les  melancoliques.  Je  peux  appeler  ga  une  pierre 
dans  mon  jardin.  Je  fais  une  reponse.  Mais  dans  quels  termes 
M.  le  Figaro  est-il  avec  J.  Janin?  La  est  la  question."  Einen 
gesalzenen  und  gepfefferten  Brief  schrieb  er  auch  und  zugleich 
eine  Antwort,  die  für  die  „Independance  beige"  bestimmt  war; 
aber  beide  Schriftstücke  gelangten  nicht  bis  in  die  Hände  der 
betreffenden  Redaktoren.  Das  Manuskript  der  letzteren  ging 
später  in  den  Besitz  Poulet-Malassis'  (Verleger  und  Baudelaires 
bester  Freund  in  Brüssel)  über.  Herr  Maurice  Tourneux,  der  es 
besichtigt,  erzählte  uns,  dass  es  mit  einem  Schwertzeichen 
als  Unterschrift  versehen  war.  Eugene  Crepet  hat  dieses 
merkwürdige  Fragment  des  schon  geisteskranken  Dichters, 
bei  dem  der  Welt-  und  Selbstekel  bereits  den  Wahnsinn 
streifte,  in  den  „Oeuvres  posthumes"  (Quantin,  1887)  publi- 
ziert.  Für  uns  sind  diese  hastig  hingeworfenen  Sätze  immerhin 


^)  Es  heisst  dort  u.  a. :  „Henri  Heine  avait  un  esprit  tout  francjais,  plein 
de  verve,  d'ironie  et  d'eclat,  obeissant  k  tous  les  caprices  et  k  toutes  les 
inspirations   du  railleur  impitoyable   et  du  poete   en  belle   humeur.    Quand  on 

Iallait  bien  au  fond  de  cet  esprit  charmant,  tout  rempli  des  ijIus  genereuses 
passions  et  des  plus  nobles  instincts  .  . ."  etc.  etc. 
I        2)  Lettres  inedites  de    Charles   Baudelaire,  „Nouvelle  Revue",  Bd.  XLH, 
lag.  467. 
I        3)    ^Livre",  1888,  pag.  141  ff. 


388  H.  Heines  Einfluss 


interessant,  weil  Baudelaire  hier  uns  selbst  den  Beweis  liefert, 
dass  nicht  nur  Byron  und  Poe,  sondern  auch  Heine  auf  dies 
sonderbare  Dichtergehirn  eingewirkt  hat.  Die  toll  genialen 
Streiflichter  fallen  in  diesem  zerhackten  Prosastück  auf  eine 
Reihe  von  Persönlichkeiten.  Wir  eitleren  hier  bloss  die  Stellen, 
die  auf  Heine  Bezug  haben : 

Pag.  58.  „H.  Heine  etait  donc  un  homme !  Bizarre. 
Catilina  etait  donc  un  homme,  un  monstre  pourtant,  puisqu'il 
conspirait  pour  les  pauvres.  H.  Heine  etait  mechant,  —  oui, 
comme  tous  les  hommes  sensibles,  irrites  de  vivre  avec  la 
Canaille ;  par  canaille,  j'entends  les  gens  qui  ne  se  connaissent 
pas  en  poesie  (le  „genus  irritabile  vatum").  —  Examinons  ce 
coeur  de  H.  Heine  jeune.  —  Les  fragments  que  vous  citez 
sont  charmants,  mais  je  vois  bien  ce  qui  vous  choque :  c'est 
la  tristesse,  c'est  l'ironie.  Si  J.  J.  (Janin)  etait  empereur,  il 
decreterait  qu'il  est  defendu  de  pleurer  ou  de  se  pendre  sous 
son  regne,  ou  memo  de  rire  d'une  certaine  fagon  ..." 

Pag.  60.  „Je  presente  la  paraphrase  du  „genus  irritabile 
vatum"  pour  la  defense  non  seulement  d'H.  Heine,  mais  aussi 
de  tous  les  poetes.  Ces  pauvres  diables  (qui  sont  la  couronne 
de  l'humanite)  sont  Insultes  par  tout  le  monde. 

„ .  .  .  Byron,  Tennyson,  E.  Poe,  Lermontoff,  Leopardi,  Es- 
pronceda;  —  mais  ils  n'ont  pas  chante  Margot!  Eh!  quoi! 
je  n'ai  pas  cite  un  Prangais.     La  France  est  pauvre. 

Deux  parties  egalement  ridicules  dans  votre  feuilleton. 
Meconnaissance  de  la  poesie  de  Heine  et  de  la  poesie  en  ge- 
neral.  These  absurde  sur  la  jeunesse  du  poete.  Ni  vieux  ni 
jeune,  il  est.  II  est  ce  qu'il  veut.  Vierge,  il  chante  la  dehauche  ; 
sohre,  Vivrognerie.'-^ 

Was  ihn  eben  zu  Heines  Poesie  hinzog  und  ihn  in  seiner 
Auffassung  eines  wahren  Dichters  bestärkte,  war  dessen  Kon- 
trastnatur, besonders  aber  Heines  makabrer  Witz,  helden- 
mütiger Humor  und  blutige  Satire  —  auf  dem  Leidenslager. 
Was  Spronck  (siehe  oben)  von  Baudelaires  Vorliebe  für  Hoff- 


und  die  zeitgenössischen  Strömungen.  389 


mann  sagt,  der  ihn  entzückte,  für  Poe,  dessen  Schriften  seine 
Bibel  waren,  für  den  Engländer  Quincy,  den  Opiumsänger, 
für  den  der  x\utor  der  Haschischlieder  schwärmte,  gilt  auch 
für  Heine. 

Ces  existences  doubles,  oü  d'ordinaire  un  roman  vrai  de  misere 
et  de  desespoir  se  deroule  parallelement  ä  une  serie  de  splendides 
romans  factices,  le  seduisaient  par  leur  originalite.  Devant  leurs 
Oeuvres  Iieurtees,  presque  diaboliques,  troublantes  par  le  brouillard 
d'Iiallucination  qui  les  enveloppe,  il  admirait  l'artiste  et  il  aimait 
riiomme,  avec  une  sorte  de  commiseration  pour  les  soufFrances  qu'il 
devinait.  (Pag.  108.) 

Wenn  Baudelaire  für  den  leid-  und  schmerzbeladenen 
Dichter  überhaupt  schwärmt  und  nur  in  ihm  echte  Poesie 
wohnen  lässt,  wie  dies  aus  zahlreichen  Stellen  seiner  Werke, 
wie  z.  ß.  aus  folgender,  hervorgeht: 

.  .  .  Le  siecle  considere  volontiers  le  malheureux  comme  un  im- 
pertinent. Mais  si  ce  malheureux  unit  Fesprit  ä  la  misere,  s'il  est, 
comme  Gerard,  doue  d'une  intelligence  brillante,  active,  lumineuse, 
prompte  ä  s'instruire,  s'il  est,  comme  Poe,  un  vaste  genie,  profond 
comme  le  ciel  et  comme  l'enfer,  oh!  alors,  l'impertinence  du  malheur 
devient  intolerable!  —  („L'art  romantique",  pag.  356.) 

und  wie  dies  Gautier  in  seiner  Biographie  (pag.  21)  geistreich 
drastisch  bestätigt : 

II  aime  ä  suivre  l'homme  pale,  crispe,  tordu,  convulse  par  les 
passions  factices  et  le  reel  ennui  moderne  ä  travers  les  sinuosites  de 
cet  immense  madrepore  de  Paris,  ä  le  surprendre  dans  ses  malaises, 
ses  angoisses,  ses  miseres,  ses  prostrations  et  ses  excitations,  ses 
nevroses  et  ses  desespoirs. 

so  ist  die  Annahme  nicht  allzu  gewagt,  dass  Heine  zum  grossen 
Teil  Baudelaire  in  die  Arme  Poes  geworfen  hat.  Dabei  ist 
nicht  zu  vergessen,  dass  seine  besten  Freunde  Gautier,  Ban- 
ville  und  Arsene  Houssaye  Heine  kannten  und  verehrten.  Von 
ihm  geht  die  Idee  von  der  psychischen  Superiorität  leiden- 
der Menschen  aus.     Ihre  kranken  Glieder   und  Nerven  —  so 


390  H-  Heines  Einfluß s 

heisst  es,  wie  bekannt,  in  den  „Reisebildern",  wo  er  von  den 
blassen  Italienern  spricht  —  wissen  Leidensgeschichten  7a\ 
erzählen  mit  einer  poetischen  Wahrheit,  die  Kerngesunde 
ignorieren.  Schon  in  seinen  „Jugendliedern"  hatte  der  deut- 
sche Dichter  mitten  in  die  Lyrik  seines  Lachens  und  Liebens 
hinein  die  berauschend-ansteckende  und  fremdartige  Essenz 
—  „eine  Mischung  von  Gifthauch  und  Wohlgeruch"  —  eines 
kranken  Herzens  und  leidenden  Körpers  —  der  Nevrose  ge- 
träufelt. Dem  gleichen  Gedanken  werden  später  die  Goncourt 
in  folgendem  Passus  Ausdruck  verleihen,  indem  auch  sie  für 
die  poetische  Erhabenheit  und  Allgewalt  der  „Poesia  del 
dolore"  ^)  eintreten. 

„Oh!  certes,  c'est  la  sante  d'un  genie  bien  portant  (d.  h. 
Hugo),  mais  toutefois,  pour  le  rendu  des  delicatesses,  des  me- 
lancolies  exquises,  des  fantaisies  rares  et  delicieuses  sur  la 
corde  vibrante  de  l'äme  et  du  coeur,  ne  faut-il  pas,  je  me  le 
demande,  un  coin  maladif  dans  l'homme,  et  n'est-il  pas  ne- 
cessaire  d'etre  un  peu,  ä  la  fagon  de  Henri  Heine,  un  crucifie 
physique."^)     („JournarS  Bd.  II,  pag.  91.) 


^)  Wir  verweisen  hier  auf  das  Buch  von  Monti,  das  diesen  Titel  trägt  und 
in  dem  Heine  ausführlich  behandelt  ist.  —  Man  vergleiche  auch,  was  Barbey 
d'Aurevilly  (Abschnitt  II,  pag.  58)  über  die  dichterische  Superiorität  der 
Leidenden  sagt. 

2)  Genau  so  dachte,  ausser  Sainte-Beuve,  der  einem  unglücklichen  Dichter 
schreibt:  „Fahren  Sie  fort  zu  singen  und  zu  leiden;  es  ist  der  edelste  Zustand 
einer  sterblichen  Seele"  —  auch  der  arme  Guy  de  Maupassant :  „Certes, 
ce  mal  effrayable  (l'epilepsie  de  Flaubert)  n'a  pu  frapper  le  corps  sans  assom- 
brir  l'esprit.  Mais,  doit-on  le  regretter  ?  Les  gens  tout  k  fait  heureux,  forts 
et  bien  portants  sont-ils  prepares  comme  il  faut  pour  comprendre.  penetrer, 
exprimer  la  vie,  notre  vie  si  tourmentee  et  si  courte?  Sont-ils  faits,  les 
exuberants,  pour  decouvrir  toutes  les  miseres,  toutes  les  souffrances  qui  nous 
entourent,  pour  s'apercevoir  que  la  mort  frappe  sans  cesse,  chaque  jour, 
partout,  feroce,  aveugle,  fatale."  —  Der  dies  schrieb  („Etüde  sur  la  vie  de 
Gust.  Flaubert"  in  „Lettres  de  G.  Flaubert",  Paris  1884),  mochte  wohl  selbst 
fühlen,  dass  auch  er  nicht  zu  den  „exuberants"  gehöre,  wennschon  er  nicht 
ahnen  konnte,  dass  ihm  in  Kürze  das  Schicksal  noch  Grässlicheres  als  den 
Tod  beschied  :  vollständige  Umnachtung  seines  seltenen  Geistes. 


und  die  zeitgenössischen  Strömungen.  391 


Allein  Baudelaire  ist  bei  weitem  kein  Heinebewunderer 
„en  bloc",  wie  seine  genannten  Freunde.  Die  Vergissmein- 
nicht-,  Rosen-  und  Veilchenschwärmerei,  die  ganze  Lyrik  der 
vier  Jahreszeiten,  „pourrie  de  sentimentalisme  materialiste", 
ist  ihm  sogar  zuwider.  Für  die  Natur  hat  er  nur  Sinne,  wenn 
sie  tragisch  oder  bizarr  ist,  ins  Ungeheure  oder  abschreckend 
Grässliche  ausartet. 

Die  Kritik  hat  nicht  mit  Unrecht  auf  die  krassen  Wider- 
sprüche in  Baudelaires  Urteilen  hingewiesen.  „II  oubliait,  dans 
la  chaleur  de  l'enthousiasme,  ou  sous  la  pression  d'une  amitie 
particuhere,  ou  pour  tout  autre  motif,  ses  theories  les  plus 
energiquement  soutenues."  ^)  Aber  weder  Edm.  Scherer,  Bru- 
netiere  und  Bourget  noch,  Dr.  Ziesing  ^)  haben  in  dem  Dichter 
der  „Fleurs  du  mal"  den  mystisch-katholischen  Zug  genügend 
hervorgehoben,  wie  er  allerdings  erst  in  den  von  Crepet  heraus- 
gegebenen nachgelassenen  Schriften  Baudelaires  besonders  stark 
hervortritt;  und  gerade  dieses  Charakteristikon  löst  manchen 
scheinbaren  Widerspruch.  Dieselben  Symptome  finden  sich  bei 
Barbey  d'Aurevilly  und  ganz  besonders  bei  dem  mystisch- 
frommen Sünder  Paul  Verlaine.  Fast  auf  jeder  Seite  der 
Gedichte  Baudelaires  stossen  wir  auf  Spuren  fanatischer,  wenn 
man  will  satanisch  katholischer  Denkweise.  Wie  oft  spricht 
er  nicht  von  dem  „peche  primordial".  Er  selbst  nennt  sich 
„Heautontimorumenos",  d.  h.  Selbststeiniger.  Gott  ist  es,  der 
dem  Menschen  alle  Schrecken  der  Hallucinationen,  alles  Ent- 
setzliche irdischer  Qualen  ins  Herz  gelegt,  auf  dass  er  sich 
von  der  Erbsünde  reinige.  Ziesing  vergleicht  den  Dichter 
treffend  mit  den  Flagellanten  des  XIII.  Jahrhunderts.  Hier- 
mit hängt  auch  seine  Frauenverachtung  zusammen.  Das  Weib 
bedeutet  für  ihn  das  Fleisch  gewordene  Uebel,  die  verkörperte 


^)   Spronck,  1.  c.  pag.  89. 

-)    „Charles  Baudelaire.    Ein  Essay",  Zürich  1879. 


392  H.  Heines  Einfluss 

Versuchung,  sagen  wir  es  gerade  heraus  —  den  Satan.  *)  Die 
für  den  Tenor  des  ganzen  Buches  „L'art  romantique"  cha- 
rakteristische Seite,  die  hier  folgt,  birgt  demnach  durchaus 
keine  Inkonsequenzen  des  von  Heines  Spott  verletzten  katho- 
lischen Poeten,  mag  der  Ton,  den  er  hier  unserem  Dichter 
gegenüber  anschlägt,  auch  erheblich  von  dem  des  besprochenen 
Artikels  gegen  Janin  differieren. 

II  me  semble  que  cet  exces  de  paganisme  est  Ic  fait  d'un  liomme 
qui  a  trop  lu  et  mal  lu  Henri  Heine  et  sa  litterature  pourrie  de  sen- 
timentalisme  materialiste. 

Et  puisque  j'ai  prononce  le  nom  de  ce  coupable  celebre,  autant 
vous  raconter  tout  de  suite  un  trait  de  lui,  qui  nie  niet  liors  de  moi 
chaque  fois  que  j'y  pense.  Henri  Heine  raconte  dans  un  de  ses 
livres  que,  se  promenant  au  milieu  de  montagnes  sauvages,  au  bord 
de  preeipices  terribles,  au  sein  d'un  ehaos  de  glaces  et  de  neiges'  il 
fait  la  rencontre  d'un  de  ces  religieux  qui,  aecompagnes  d'un  chien, 
vont  ä  la  decouverte  des  voyageurs  perdus  et  agonisants.  Quelques 
instants  auparavant,  l'auteur  venait  de  se  livrer  aux  elans  solitaires 
de  sa  haine  voltairienne  contre  les  calotins.  II  regarde  quelque  temps 
l'homme  —  humanite  qui  poursuit  sa  sainte  besogne;  un   combat  se 


1)  Ganz  kürzlich  hat  Georges  Rodenbach  in  einem  allerdings  etwas 
überschwänglichen  Aufsatze  diesen  Grundzug,  dies  einzige  Einheitliche  von 
Baudelaires  Wesen  in  das  richtige  Licht  gestellt :  „Certes,  un  horame  de 
decadence  toujours,  au  seuil  de  la  vieillesse  d'un  monde,  au  seuil  de  ce  qu'il 
appelle  lui-meme  „l'automne  des  idees".  Mais  cet  homme  de  decadence  demeure 
aussi  tout  impregne  de  l'Eglise.  Parmi  les  vices  modernes  et  la  corruption 
efifrenee  dont  il  subit  la  contagion,  il  continue  k  etre  le  depositaire  du  dogme, 
le  denonciateur  du  peche."  („Le  tombeau  de  Baudelaire",  „Revue  de  Paris", 
1.  Juni  1894,  pag.  181.)  —  Pittoresk  und  geistreich  stellt  Rodenbach  den 
inneren  Zusammenhang  der  Decadence  mit  der  Romantik  dar:  diese  schwärmte 
für  das  Aeusserliche  der  Kirche  des  Mittelalters,  für  die  neu  entdeckten 
Schönheiten  des  gotischen  Stils,  für  die  restaurierte  Notre-Dame-Kathedrale. 
„  .  .  .  Cette  Notre-Dame  de  Paris,  aussitöt  accaparee  par  Hugo,  on  peut  dire 
qu'elle  fut  l'arche  d'alliance  du  romantisme.  Mais  Hugo,  comme  le  roi  David, 
se  contenta  de  danser  devant  l'arche,  avec  Esmeralda  et  les  bohemiennes  du 
parvis.  —  Or,  la  generation  qui  suivit  entra,  eile,  dans  Notre-Dame,  se  signa 
d'eau  beulte,  marcha  vers  le  choeur,  aflärraa  son  adhesion  k  la  foi  et  aux  mysteres : 
c'etait  Barbey  d'Aurevilly;  c'etait  Hello;  c'etait  Baudelaire." 


!1 


und  die  zeitgenössischen  Strömungen.  393 


livre  dans  son  ame  orgueilleuse  et  enfin,  apres  une  douloureuse  hesi- 
tation,  il  se  resigne  et  prend  une  belle  resolution:  Eh  bien,  non!  je 
n'ecrirai  pas  contre  cet  homme! 

Quelle  generosite!  Les  pieds  dans  de  bonnes  pantoutles,  au 
coin  d'un  bon  feu,  entoure  des  adulations  d'une  societe  voluptueuse, 
nionsieur  Phomme  celebre  fait  le  serment  de  ne  pas  diffamer  un  pauvre 
diable  de  religieux  qui  ignorera  toujours  son  nom  et  ses  blasphemes, 
et  le  sauvera  lui-meme,  le  cas  echeant ! 

Non,  Jamals  Voltaire  n'eüt  ecrit  une  pareille  turpitude.  Voltaire 
avait  trop  de  goüt;  d'ailleurs,  il  etait  encore  homme  d'action  et  il 
aimait  les  hommes. 

Als  dem  Jesuitenpater  Hardouin  einst  die  Kühnheit  seiner 
Paradoxe  vorgeworfen  wurde,  erwiderte  er:  „Croyez-vous 
que  je  me  serais  leve  toute  ma  vie  ä  quatre  heures  du  matin 
pour  ne  dire  que  ce  que  d'autres  ont  dejä  dit!"  —  Baudelaires 
Ekel  vor  allem  Hergebrachten  —  er  mag  zwar  öfters  um 
die  vierte  Morgenstunde  das  Lager  aufgesucht  als  verlassen 
haben  — ,  sein  Hang  zum  Absonderhchen  hat  im  Grunde 
keinen  andern  Ursprung.  Seine  excentrischen  Anlagen,  sein 
paradoxes  „Ich"  wurde  durch  geistesverwandte  Vorbilder 
bloss  genährt;  er  benutzte  diese  gewissermassen  zur  Schulung 
und  Trainierung  seiner  Originalität,  die  schliesslich  in  Methode 
und  Pedanterie  ausartete.  —  Aus  demselben  Büchlein,  dem 
wir  obige  Anekdote  entnommen  haben,  eitleren  wir  noch  fol- 
gende Stelle,  wo  Heine  als  einer  der  typischen  Vertreter  des 
modernen  Paradoxon  erwähnt  ist.  •) 

Pag.  70.  „ .  . .  Ce  savant  (eben  der  Pater  Hardouin)  repre- 
sente  bien  le  paradoxe  moderne,  obstine,  fanfaron,  violent, 
eontradictoire  en  principe  et  avec  premeditation.  .  .  .  Le  para- 
doxe tel  que  l'ont  congu,  enseigne,  pratique  des  esprits  voues 
a  l'opposition  par  nature  et  par  calcul,  comme  Richard  Savage 
qui,  depuis  sa  jeunesse  jusqu'ä  Tage   de  89  ans,    ne  cessa  de 


^)  „Le  Paradoxe ;  essai  sur  les  excentricites  de  l'esprit  huinaiu  dans  tous 
les  siecles",  par  Fred.  Solue.    Paris,  Savine,  1888. 


394  H.  Heines  Einfluss 


prendre  le  contre-pied  de  toutes  les  idees  regues  dans  son  pays, 
comme  Linguet,  Henri  Heine  et  presque  tous  les  ecrivains 
dits  originaux  de  la  periode  contemporaine." 

Das  denkbar  leichteste  Mittel,  originell  zu  erscheinen,  sind 
die  Kontrasteffekte.  Wie  Heine,  so  hat  auch  Baudelaire  das 
plötzliche  Ueberspringen  vom  Idealen  zum  Vulgären,  vom 
Elegischen  zum  fratzenhaft  Komischen  oft  benutzt.  Die  be- 
rühmte Theorie  von  den  Kontrasten  kannte  zwar  schon  die 
Generation  von  1830.  Victor  Hugo,  der  Verkünder  derselben, 
hatte  sie  aber  nur  im  Roman  und  im  Drama  verwertet. 
Baudelaire  war  seit  Heine  der  erste  —  die  Lieder  desselben 
sind  circa  zehn  Jahre  vor  dem  Erscheinen  der  „Pleurs  du 
mal"  bereits  übersetzt  gewesen  — ,  der  sie  auch  in  kurzen 
Gedichten  anbrachte.  Ein  Beispiel  liefert  uns  gleich  das  ein- 
leitende Gedicht,  in  dem  er  ein  düster  tragisches  Gemälde 
irdischer  Laster  und  des  Erdenjammers  entwirft,  um  im 
letzten  Vers  unerwartet  abzubrechen  mit  dem  ironischen  Ruf 
an  den  Leser : 

„Hypocrite  lecteur!  —  iiion  semblable  —  mon  frere!" 

Noch  deutlicher  zeigt  sich  diese  Manier  in  einem  seiner 
tiefempfundenen,  sprach  wuchtigen  Lieder,  in  „Le  cou  verde" 
(„Fleurs  du  mal",  pag.  214).  Nachdem  er  nämlich  das  den 
Menschen  stets  beim  Anblick  der  Unendlichkeit  des  Firma- 
ments umstrickende  Angstgefühl  in  erhabenen  Versen  be- 
schrieben, schliesst  er  mit  dem  geradezu  komisch  wirkenden 
Bilde: 

„Le  ciel,  couvercle  noir  de  la  grande  marmite 
Oü  beut  l'imperceptible  et  vaste  Humanite." 

Baudelaire  erzählt  in  der  an  Arsene  Houssaye  gerichteten 
Widmung  der  „Petits  poemes  en  prose",  dass  ihn  Louis  Ber- 
trands (Aloysius  genannt  —  1807  bis  1841)  posthumer  „Gas- 
pard  de  la  nuit"  inspiriert  habe.  Nun  ist  allerdings  nicht  zu 
bestreiten,  dass  dieser  originelle,  mit  Unrecht  zu  der  obskuren 


U 


und  die  zeitgenössischen  Strömungen.  395 

Schar  der  ersten  Romantiker  gerechnete  Dichter  der  erste 
war,  der  sich  in  dieser  hybriden  Form  der  Poesie  versucht 
hat.  Sainte-Beuve,  der  über  das  Talent  Bertrands  günstig 
urteilte,  berichtet,  dass  diesem  die  rhythmische,  gefeilte,  bis  ins 
kleinste  Detail  studierte  Prosa  mehr  Mühe  gekostet  als  seine 
Verse.  Allein  Baudelaire  gesteht  selbst  zu  —  und  Gautier 
bestätigt  es  — ,  dass  ihm  die  Nachahmung  misslang  und  etwas 
ganz  Anderes  herauskam.  Das  Andere  aber  erinnert  weit  mehr 
an  die  Prosaübersetzungen  Nervals.  Als  Baudelaire  seine  „Petits 
poemes"  schrieb,  war  Bertrand  längst  vergessen;  bequemer 
war  es  daher,  das  Publikum  irrezuführen,  als  auf  den  eben 
erst  erlösten  deutschen  Dichter  als  Vorbild  hinzuweisen  (die 
Gedichte  erschienen  zuerst  in  der  „Revue  fantaisiste"  vom 
November  1861).  Natürhch  muss  dies  Konjektur  bleiben. 
Eine  solche  kleine  „fumisterie"  bei  dem  Autor  der  „Paradis 
artificiels"  zu  suchen,    dürfte  immerhin  zu  verantworten  sein. 

Wenn  Baudelaire  in  der  genannten  Widmung  u.  a.  sagt 
(pag.  2): 

„Quelle  est  celui  de  nous  qui  n'a  pas,  dans  ses  jours  d'ambition, 
reve  le  miracle  d'une  prose  poetique,  musicale  sans  rytiime  et  sans 
rime,  assez  souple  et  assez  heurtee  pour  s'adapter  aux  mouveraents 
lyriques  de  l'aine,  aux  ondulations  de  la  reverie,  aux  soubresauts  de 
la  conscience?" 

so  schweben  ihm  hier,  wir  sind  fest  davon  überzeugt,  die 
Nervalschen  Uebersetzungen  vor,  die  den  ganzen  Cenacle  der 
„Revue  fantaisiste"  begeisterten.  Wir  bemerken  an  dieser 
Stelle  gleich,  dass  der  begabte,  leider  allzu  oft  dunkle  Deca- 
dent  Stephan  Mallarme  —  er  gilt  sogar  bei  seinen  Gesinnungs- 
genossen als  „auteur  difficile"  —  nicht  nur  den  Edgar  Poe- 
Kultus  Baudelaires  geerbt  —  seine  täuschenden  Nachahmungen 
der  Lieder  des  Amerikaners  übertreffen  noch  die  seines  Mei- 
sters — ,  sondern  auch  die  Vorliebe  für  den  nicht  reizlosen 
Mischgenre  (Stephan  Mallarme,  „Vers  et  Prose^',  Paris  1893). 


396  H.  Heines  Einfluss 


Auch  Baudelaire  hatte  vor  der  Plebs  einen  Künstler- 
horror ;  er  war,  wie  Heine,  seiner  innersten  Natur  nach  durch- 
aus aristokratisch  angelegt.  „Les  gens  comme  moi  veulent 
que  les  affaires  d'art  se  traitent  entre  aristocrates."  („Curiosites 
esthetiques'^,  „Salon"  1859,  Kap.  V.)  Die  Republikaner  be- 
zeichnet er  als  Feinde  der  Kunst:  „bourreaux  de  Venus  et 
d'Apollon''  (ib.  Kap.  XVII). 

Wie  Heine,  hegt  und  pflegt  er  seine  Herzenswunden  und 
schwelgt  in  Weltverachtung.  Es  ist  ihm  eine  wahre  Wollust, 
im  Leide  seiner  geplagten  Seele  zu  wühlen.  Auch  hier 
natürlich  treibt  er  es  aufs  äusserste.  Baudelaires  Schmerz  hat 
nicht  den  Seelenadel  und  die  vornehme  Hoheit  eines  Byron, 
nicht  den  lyrischen  Zauber  eines  Musset  oder  Heine;  er  ist 
düster,  grauenhaft,  ja  oft  abstossend. 

Je  suis  le  sinistre  miroir 
Oü  la  megere  se  regarde! 

Je  suis  la  plaie  et  le  couteau! 
Je  suis  le  soufflet  et  la  joue! 
Je  suis  les  membres  et  la  roue, 
Et  la  victime  et  le  bourreau! 

Je  suis  de  mon  coeur  le  vampire, 
Un  de  ces  grands  abandonnes, 
Au  rire  eternel  condamnes, 
Et  qui  ne  peuvent  plus  sourire! 

(L'Heautontimoroumenos.) 

Wie  Heine  ferner  feilt  er  fortwährend  an  seinen  klang- 
vollen Versen,  bis  er  den  gewünschten  Erfolg  erzielt  hat. 

Und  schliesslich  berührt  sich  Baudelaire  mit  Heine  in  der 
Auffassung  des  Weibes,  wenn  er  auch  hier  die  letzten  Kon- 
sequenzen zieht,  was  mit  dem  erwähnten  mittelalterlich  reli- 
giösen Zuge  zusammenhängt.  Eine  bekannte  und  leicht  be- 
greifliche Thatsache  ist  es  ja,  dass  geniale  Menschen  von  der 
Frau  —  die  eigene  ist  gemeint  —  vor  allem,    bisweilen  aus- 


und  die  zeitgenössischen  Strömungen.  397 


schliesslich,  verlangen,  dass  sie  natürlich  sei  —  möglichst  „na- 
türlich-schön" —  versteht  sich.  —  Man  denke  nur  an  Goethe, 
Rivarol  und  Heine.  Wenn  Baudelaire  in  dem  .,Conseil  aux 
jeunes  litterateurs"  („Art  romantique",  pag.  288)  seinen  jungen 
Berufsgenossen  den  erbaulichen  Rat  gibt:  „C'est  parce  que 
tous  les  vrais  Htterateurs  ont  horreur  de  la  litterature,  ä  de 
certains  moments,  que  je  n'admets  pour  eux  .  .  .  que  deux 
classes  de  femmes  possibles:  les  filles  ou  les  femmes  betes, 
l'amour  ou  le  pot-au-feu";  —  wenn  er  in  dem  Gedicht 
„Sonnet  d'automne"  seiner  Geliebten  zuruft: 

—  Sois  charmante  et  tais-toi! 
und  in  einem  andern  sagt: 

Que  m'importe  que  tu  sois  sage, 
Sois  belle  et  sois  triste ! 

so  wird  jeder,  der  Heine  gelesen,  sein  Leben  und  seinen 
Mathilden-Roman  kennt,  zugeben,  dass  er  im  Grunde  ebenso 
dachte. 

„Die  Welt  ist  dumm,  die  Welt  ist  blind, 

Wird  täglich  abgeschmackter! 

Sie  spricht  von  dir,  mein  schönes  Kind: 

Du  hast  keinen  guten  Charakter." 

Der  uns  als  feiner  Heinekenner  und  -Verehrer  bekannte 
Dr.  Ziesing  bemerkt  in  seinem  bereits  erwähnten,  anregenden 
Essay  über  Baudelaire  (pag.  33) :  „Wer  kennt  nicht  das  siebente 
Gedicht  aus  Heines  „Traumbildern'^ :  „Nun  hast  du  das  Kauf- 
geld, was  zögerst  du  noch?"  Das  ist  so  recht  im  Stile  eines 
Baudelaire  gehalten,  mit  Verdammniswalzer,  schielenden 
Kupplerinnen  und  lüsternen  Pfäfflein.  Das  Gleiche  gilt  von 
Nro.  8:  „Ich  kam  von  meiner  Herrin  Haus'',  das  ist  ver- 
deutschter Baudelaire."  Gewiss,  Dr.  Ziesing  hat  hier  sehr 
[richtig  gesehen,  nur  hätte  er  sich  umgekehrt  ausdrücken 
^sollen,  denn  das  ,, Lyrische  Intermezzo"  erschien  schon  an- 
fangs der  zwanziger  Jahre  (die  Nerval  sehe  Uebersetzung  schon 


398  H.  Heines  Einfluss 


1848)  und  die  „Pleurs  du  mal''  erst  1857.  —  Der  Autor  fährt 
fort:  „Und  was  Heine,  Deutschlands  drittgrösster  moderner 
Dichter,  gesungen: 

„Da  hab'  ich  viel  blasse  Leichen 
Beschworen  mit  Wortesmacht; 
Sie  wollen  nun  nicht  mehr  weichen 
Zurück  in  die  alte  Naclit." 

das  darf  man  füglich  auf  den  französischen  Dichter  beziehen ; 
die  Geister,  die  er  rief,  die  ward  er  nicht  mehr  los  .  .  . 
Baudelaire  hat  ein,  man  möchte  sagen,  Heine  nachgeahmtes 
Gedicht  dieses  Genres  (sc.  der  Totentanzballaden)  geschrieben, 
betitelt  „Le  revenant"." 

Das  fünfundsechzigste  Gedicht  des  Buches  „Spleen  et  Ideal" 
(„Fleurs  du  mal",  pag.  186),  das  wir  hier  folgen  lassen,  trägt 
in  der  That  den  untrüglichen  Stempel  Heinescher  Lyrik. 

Le    revenant. 

Comme  les  anges  a  l'oeil  fauve, 

Je  reviendrai  dans  ton  alcove 

Et  vers  toi  glisserai,  sans  bruit,  ^ 

Avec  les  ombres  de  la  nuit; 

Et  je  te  donnerai,  ma  brune, 
Des  baisers  froids  comme  la  lune 
Et  des  caresses  de  serpent 
Autour  d'une  fosse  rampant. 

Quand  viendra  le  matin  livide, 
Tu  trouveras  ma  place  vide, 
Oü,  jusqu'au  soir,  il  fera  froid. 

Comme  d'autres  par  la  tendresse, 
Sur  ta  vie  et  sur  ta  jeunesse, 
Moi,  je  veux  regner  par  Teffroi! 

Hiermit  verlassen  wir  Baudelaire,  mit  dem  wir  uns  viel- 
leicht allzulange  beschäftigt  haben.     Es  geschah  dies  jedoch 


und  die  zeitgenössischen  Strömungen.  399 


um  in  diese  Parallele  alles  hineinzuziehen,  das  unsere  Ueber- 
zeugung  rechtfertigt,  es  habe  auch  der  Einfluss  Heines  ein 
Scherflein  an  der  Entwicklung  dieses  merkwürdigen  Decadence- 
Poeten  —  neben  dem  mächtigen  Einwirken  Edgar  Poes  und 
dem  gleichfalls  sehr  bedeutenden  HofFmanns  —  beigetragen. 
Bedenken  wir  somit,  dass  Baudelaire  der  geistige  Vater  der 
modernen  französischen  Decadence-Poesie  ist,  so  müssen  wir 
zu  dem  Resultate  gelangen,  dass  neun  Zehntel  derselben  anglo- 
germanisches  Werk  sind.  —  Es  lag  uns  daran,  dies  festzu- 
stellen, bevor  wir  bei  den  Decadents  der  Neuzeit  nach  direktem 
Einflüsse  Heines  Umschau  halten. 

Vorerst  aber  soll  noch  zweier  moderner  Vertreter  dieser 
„Ecole  satanique"  gedacht  werden,  die  sich  unmittelbar  an 
den  Baudelairisme  anlehnen.     Hierher  gehört  zunächst 

Jean  Richepin  (1849),  bei  dem  der  Nihilismus,  der  alles 
belachende  Spott  und  das  Gift  der  nichts  schonenden  Ironie 
Heines  —  durch  das  Medium  Baudelaires  hindurch  —  ver- 
derbenbringende Früchte  getragen  hat.  Richepins  Leben  lässt  an 
romantischer  Färbung  nichts  zu  wünschen  übrig.  Der  reich  be- 
gabte, aber  zügellose  Jünghng  hatte  es  bis  zur  „Ecole  normale" 
gebracht,  als  der  Krieg  ausbrach,  den  er  als  Franctireur  mit- 
machte. Später  wurde  er  nacheinander  Matrose,  Bänkelsänger, 
„Kraftmensch"   und   Schauspieler   in   den    „Theätres  forains". 

In  den  „Chansons  des  Gueux"  (1873),  in  der  hübschen 
Liedersammlung  „La  mer''  (1886)  und  in  dem  reizenden 
Schauspiele  „Le  flibustier"  („Theätre  frangais",  1888)  hat  er 
demnach  Selbsterlebtes  und  nach  eigener  Anschauung  ge- 
dichtet. Als  „dompteur  de  mots",  wie  er  sich  mit  vollem 
Recht  selbst  nennt,  als  Wort-,  Reim-  und  Versjongleur  aller- 
ersten Ranges  schliesst  er  sich  an  Banville  an.  Jules  Le- 
maitre  („Les  Contemporains,  II?  serie,  pag.  326)  deutet, 
Richepins  „Caresse"  besprechend,  auf  „quelques  fantaisies  ä  la 
Henri  Heine"  hin.  Die  schönsten  Perlen  französischer  Lyrik 
wechseln    bei   ihm   mit   den  unappetitlichsten  Excentricitäten 


400  H.  Heines  Einfluss 


ab.  Besonders  mit  den  letztern  hat  er  Schule  gemacht  und 
sich  einen  kleinen  Cenacle  geschaffen.  Zu  diesem  gehörte 
anfangs  der  zweite  hier  zu  erwähnende  Dichter. 

Maurice  Bouchor  (1855)  begann  sehr  jung  zu  dichten. 
Kaum  neunzehn  Jahre  alt,  gab  er  schon  die  erste  Lieder- 
sammlung „Les  chansons  joyeuses'^  heraus.  Seine  Freunde  und 
Lehrer  waren  Paul  Bourget  und  Richepin.  Von  dem  letztern 
jedoch  trennte  er  sich  nach  den  „Blasphemes".  Als  seine  besten 
Gedichte  werden  die  1876  erschienenen  „Poemes  de  l'amour  et 
de  la  mer"  angesehen,  in  denen  er  sich  als  leidenschaftlicher 
Sänger  des  Meeres  zeigt.  „Les  „Poemes  de  l'amour  et  de  la 
mer"  de  M.  M.  Bouchor  presentent  egalement  une  serie  de 
petites  pieces  simples,  passionnees,  eprises  ou  ironiques,  denuees 
de  declamation,  sans  la  grande  emphase  romantique,  qui 
tiennent  parfois  de  la  sensibilite  et  de  la  mechancete  de 
Heine.^'    (Hennequin,  1.  c.  pag.  293.) 

Auch  bei  seinen  „Chansons  joyeuses"  (in  der  1888  er- 
schienenen Sammlung  „Symboles"  aufgenommen)  wurde  von 
der  Kritik  auf  die  Geistesverwandtschaft  mit  der  Lyrik  Heines 
hingewiesen.  „La  premiere  partie  des  „Chansons  joyeuses",  oü 
un  amour  naif  est  chante,  me  semble  delicieuse  de  fraicheur, 
d'emotion  douce,  de  delicatesse.  —  Cette  poesie  est  vraiment 
originale.  Peut-etre  M.  Bouchor  fut-il  touche  de  Henri  Heine; 
mais  nous  croyons  surtout  a  une  affinite  entre  les  deux  natures.'' ') 
—  Diese  Affinität  erklärt  sich  leicht  dadurch,  dass  beide  von 
Byron  abstammen,  den  Bouchor  vergöttert.  In  seinen  „Poemes 
de  l'amour",  wo  sich  auch  Uebersetzungen  von  dem  englischen 
Dichter  finden,  preist  er  diesen  in  enthusiastischen  Versen : 

„Ah!  vivre  comme  toi,  grand  coeur  desespere, 
Et  mourir,  cömme  toi,  sur  la  terre  etrangere; 
S'enfuir  en  Orient,  pour  chercher  la  lumiere, 
Et  clianter,  jusqu'au  bout,  comme  un  cygne.sacre." 


*)    Paul  Gnigon,   „Nouvelle  Revue",  Bd.  LI,  pag.  51. 


a 


und  die  zeitgenössischen  Strömungen.  401 


Manches  Lied  aber,  besonders  in  der  zuletzt  genannten 
Sammlung,  zeigt  unleugbare  Spuren  Heinesehen  Einflusses. 
So  tritt  in  folgendem  Gedichte  die  Manier  unseres  Dichters 
deutlich  hervor  (pag.  200): 

L'annee  est  morte,  ding,  dong ! 
Ding,  deng,  dong,  l'annee  est  morte; 
Janvier  attend  a  la  porte 
Qu'on  lui  tire  le  cordon. 

L'annee  est  morte,  bien  morte! 
On  va  l'enterrer  bientot ; 
Par  la  yierge,  il  ne  m'en  cliaut; 
Par  le  diable,  peu  m'importe! 

Que  l'on  mette  aussi  mon  coeur 
Dans  la  fosse  do  l'annee 
Oü  mon  äme  s'est  damnee 
Pour  un  sourire  moqueur. 

Que,  dans  cette  fosse,  on  plonge 
Tous  les  regrets  superflus. 
Et  qu'on  ne  me  parle  plus 
Du  passe  qui  n'est  qu'un  songe. 

Lugubres  cloches  de  fer, 
Roulez  a  pleine  volee 
Sur  mon  ame  desolee 
Vos  lourds  carillons  d'enfer. 

L'annee  est  morte,  bien  morte! 
Et  desespere,  j'attends 
Qu'il  naisse  un  nouveau  printemps, 
Ou  que  le  diable  m'emporte. 

Noch   auffallender  ist   die  Anlehnung  in   dieser  ironisch 
modernisierten  Loreley : 

Betz,  Heine  in  Frankreicli.  26 


402  H.  Heines  Einfluss 


On  entend  un  chant  sur  l'eau, 

Dans  la  brune: 
Ce  doit  etre  un  matelot 
Qui  veut  se  jeter  ä  l'eau 

Pour  la  lune. 

La  lune  entr'ouvre  le  flot 

Qui  sanglote, 
Le  matelot  tombe  ä  l'eau  .  .  . 
On  entend  trainer  sur  l'eau 

Quelques  notes. 

Schliesslich  sei  ein  innig-sentimentales  Lied  ohne  iro- 
nischen Beigeschmack  citiert,  das  uns  an  den  besseren  Heine 
erinnert  (pag.  134): 

Tu  t'en  venais  ä  moi,  par  les  longs  soirs  d'hiver, 

Et  tu  frissonais  sous  ton  chäle, 
Et  nous  contemplions  la  lune  douce  et  pale 

Qui  se  leve  et  rit  sur  la  mer. 

Dans  nos  regards  profonds,  que  de  tendresse  enclose ! 

Le  vent  de  nuit  nous  caressait, 
Et  tes  levres  en  fleur  etaient  pour  lui,  qui  sait? 

En  hiver,  une  etrange  rose: 

Sur  mon  epaule,  alors,  tes  bras  tremblants  poses, 

Tu  semblais  plus  blanche  et  plus  belle, 
Et  je  sentais  mon  coeur  soudain  battre  de  l'aile 

Et  s'envoler  vers  tes  baisers ! 

Und  nun  wollen  wir  in  das  Innere  des  Heiligtums  des 
modernsten  Dichterhaines  treten  und  sehen,  ob  auch  die  Musen- 
priesterin  der  Decadence  in  den  Liedern  des  „Intermezzo"  ge- 
blättert hat.  — 

„Bizarre  Träume,  in  denen  die  Ironie  die  Rührung  be- 
deckt ;  blassrotes  Nebelgewölke,  aus  denen  blonde  Engelsköpfe 
zwischen  den  Grimassen  von  Mephistophelesgestalten  hervor- 
lugen ;  durchsichtige  Nebel,  auf  die  die  Sonne  seiner  Phantasie 


i 


nn([  die  zeitgenossischen  Strömungen.  4ÖH 


goldene  Schleier  wirft ;  immer  bewegliche  Landschaften  voller 
Widersprüche;  bald  ein  Klostergarten  und  in  nächster  Nähe 
die  blauen  Fluten  eines  griechischen  Gewässers;  bald  gotische 
Ruinen  und  daneben  der  indische  Kaktus  in  blutrotem  Schim- 
mer. Und  inmitten  dieser  feenhaften  Ideenwelt  ein  grübeln- 
der und  zerstreuter  Jünger  der  Musen,  ein  mystischer  oder 
cynischer  Student."  —  Diese  Worte  gelten  nicht  etwa  einem 
Symbolisten  oder  einem  Decadent;  sie  sind  in  freier  Ueber- 
tragung  den  Erinnerungen  der  „Mouche"  (C.  Seiden)  entnom- 
men und  auf  Heine  bezogen.  —  Wer  sich  die  Mühe  gegeben, 
in  den  litterarischen  Abhandlungen  der  Modernen  zu  blättern, 
oder  das  Buch  von  Charles  Morice  in  den  Händen  gehabt  hat, 
oder  auch  nur  unserer  skizzenhaften  Studie  der  neuesten  Litte- 
ratur  gefolgt  ist,  wird  nicht  leugnen,  dass  diese  Charakteristik 
Heines  den  Vertretern  der  neuen  Poetik  wie  auf  den  Leib  ge- 
schrieben ist: 

„D'oü  vient  donc  que  Heine  nous  fait  „voir"  les  choses,  non 
seulement  sans  les  decrire,  mais  parfois  meme  sans  employer  ni  cou- 
leurs,  ni  figures  de  mots  ?  C'est  qu'il  a  l'art,  invraisemblable  semble- 
t-il,  mais  que  pratique  d'instinct  tout  grand  poete,  de  parier  ä  nos 
yeux  par  la  seule  harmonie  de  ses  phrases  et  de  produire  des  images 
rien  qu'avec  de  beaux  sons  et  des  rythmes  enchanteurs.  Grace  ä  ce 
perpetuel  secours  que  nos  sens  se  pretent  entre  eux,  en  lisant  Heine 
nous  croyons  voir  ce  que  nous  ne  faisons  qu'entendre,  et  nous  voyons, 
sous  des  formes  ä  la  fois  nettes  et  charmantes,  ce  que  nous  entendons 
en  des  phrases  ä  la  fois  claires  et  harmonieuses.  -  Heine  n'est  pas 
de  ces  poetes  (sie!)  qui  s'imaginent  qu'on  ne  peut  peindre  qu'avec 
des  Couleurs;  il  s'adresse  ä  la  fois,  et  dans  une  meme  strophe,  aux 
oreilles  et  aux  yeux  des  lecteurs ;  il  s'eflForce  surtout,  pour  que  l'illu- 
sion  soit  complete,  de  faire  naitre  dans  leur  äme  les  sentiments  qu'ils 
auraient  eprouyes  en  presence  des  objets  qu'ils  croient  voir  et  des 
personnages  qu'ils  croient  entendre." 

So   schreibt   (pag.  284,    285)    nicht  etwa  ein  „SymboHste 
jpro  domo",  sondern  ein  Gelehrter,  Louis  Ducros,  der  uns  be- 
kannte Autor  der  besten  französischen  Heinebiographie.     Als 
Beleg  für  das    Gesagte   citiert    er    die    Prosaübersetzung    der 


404  H.  Heines  Einfluss 

„Wallfahrt  von  Kevlar".  Einige  Seiten  weiter  weist  Ducros 
auf  Heines  Wortmalerei  hin,  und  was  er  darüber  zu  sagen 
hat,  lautet  wie  ein  Stück  Decadence-Manifest.  Was  hier  aus- 
gedrückt ist,  schwebt  den  Modernen  als  Ideal  vor. 

La  langue  fran^aise,  ineme  chez  les  grands  poetes,  et  quoi 
qu'ils  fassent,  est  toujours  analytique  et  un  peu  sourde ;  rien,  au  con- 
traire,  n'est  plus  synthetique  et  plus  retentissant  que  la  langue  que 
Heine  a  parlee,  ou  plutot  chantee  dans  la  „Mer  du  Nord".  Tel  vers 
et  meme  teile  expression  donnent  en  meme  temps  la  couleur  et  le 
bruit  des  flots ;  tel  acljectif  est  ä  la  fois  une  image  et  un  son,  que 
dis-je?  Heine  compose  des  adjectifs  qui  nous  presentent  plusieurs 
images  ä  la  fois,  par  exemple  la  blancheur  et  la  rapidite  des  vagues 
ecumantes,  ou  bien  les  refiets  de  la  lune  sur  une  mer  tranquille,  et  la 
douce  melancolie  qui  se  glisse,  a  cette  vue,  dans  Päme  du  poete  .  .  . 
etc.  etc.  (Pag.  294,  95.) 

Diesem  stelle  man  vergleichsweise  folgende  beiden  Sätze 
aus  der  „Litterature  de  tout  ä  Fheure"  von  Charles  Morice 
gegenüber : 

„La  Synthese  rend  ä  l'esprit  sa  patrie,  reunit  l'heritage, 
rappeile  l'art  ä  la  verite  et  aussi  ä  la  beaute."  (Pag.  359.) 

„Nous  reduisant  donc  ä  notre  objet  strict,  observons  que 
la  grande  analyse  des  trois  siecles  derniers  ordonne  ä  cette 
heure-ci  le  devoir  logique  de  la  Synthese."     (Pag.  358.) 

Mit  andern  Worten:  was  Seiden  und  Ducros  über  Heine 
sagen,  ist  nichts  Anderes  als  was  die  Symbolistes  von  der 
neuen  Poesie  fordern  und  zu  verwirklichen  suchen.  Wir 
ziehen  daher  den  Schluss,  dass  Heines  Lieder  und  Balladen 
als  eine  reiche  Quelle  der  Inspiration  für  die  französischen 
„Jungen"  und  „Alten"  der  Decadence  betrachtet  werden 
müssen,  aus  der  im  Verborgenen  und  offen  geschöpft  wurde, 
und  zwar  in  Bezug  auf  Inhalt  und  Form  —  „quod  erit  de- 
monstrandum". 

Ende  der  siebziger  Jahre  machte  eine  Dichterin,  Madame 
Marie  Krysinska,  in  litterarischen  Kreisen  viel  von  sich  reden. 


und  die  zeitgenössischen  Strömungen.  405 


Sie  war  die  erste,  die  jene  besprochene  hybride  Dichtungsart 
konsequent  durchführte  und  studierte;  die  erste,  die  sich  im 
Prinzip  gegen  die  „perfection  routiniere"  der  Parnassiens  und 
Romantiker  richtete.  Im  „Evenement"  erschienen  in  den 
Jahren  1882  und  1883  wiederholt  Fragmente  dieser  Prosa- 
rhythmik. Schon  vorher  hatte  sie  solche  Poesieen  in  schön- 
geistigen Klubs  vorgetragen.  J.  H.  Rosny,  ein  erfolgreicher 
Romanschriftsteller,  einer  der  bekanntesten  Decadents,  sagt 
u.  a.  in  der  Einleitung  zu  den  im  Jahre  1890  bei  Lemerre 
(auch  die  Decadents  fanden  im  Passage  Choiseul  freundliche 
Aufnahm_e)  veröffentlichten  „Rythmes  pittoresques"  par  Marie 
Krysinska :  „Que,  la  premiere,  eile  constitua  le  nouveau  mode 
musical  de  la  parole  non  chantee  .  .  .  Votre  prose  rythmee  — 
er  richtet  sich  an  die  Poetin  —  possede  une  harmonie  delicate ; 
l'euphonie  des  mots,  le  Systeme  des  assonances,  la  modulation 
de  la  Periode  et,  d'autre  part,  la  gräce,  l'inattendu,  la  concen- 
tration,  la  saveur  des  Images  ne  laissent  pas  un  instant  de 
doute  sur  le  caractere  nettement  et  bellement  poetique  de 
votre  travail.^' 

Georges  Rodenbach,  der  bereits  erwähnte  belgische  Baude- 
lairist, erzählt  in  einem  interessanten  Artikel  der  „Revue  bleue '^ 
(4.  April  1891),  „La  poesie  nouvelle",  dem  wir  manche  wertvolle 
Auskunft  verdanken,  u.  a.  folgendes :  Nichts  lag  anfangs  Marie 
Krysinska  ferner,  als  den  französischen  Vers  umzugestalten. 
Da  kam  ihr  eines  Tages  die  Nervalsche  Uebersetzung  der 
Lieder  Heines  in  die  Hände,  und  gleich  war  sie  von  dem 
eigentümlichen  Zauber  dieser  „prose  poetique"  ergriffen,  deren 
Verse   jeweilen    den  Heines    ohne  Metrik,    Cäsur    und    Reim 


1)  Ohne  es  mit  Bestimmtheit  nachweisen  zu  können  —  weil  verlässliche 
Daten  fehlen  —  halten  wir  es  für  mehr  als  wahrscheinlich,  dass  der  junge 
Rlmhmid  —  Victor  Hugo  hat  ihn  einmal  „Shakespeare  enfant"  genannt  — , 
der  damit  begonnen,  in  ähnlichen  Prosaversen  zu  dichten,  von  der  neuen 
Poetik  der  Krysinska  Kenntnis  hatte  und  sich  ihr  nachträglich  anschloss. 


406  H.  Heines  Einfluss 

wiedergaben.  Es  schien  ihr  diese  lose  Strophen-  und  Vers- 
musik eine  zwischen  Prosa  und  Poesie  schwebende,  berechtigte 
und  selbständige  Stellung  einzunehmen.  „Alors  eile  se  ditqtt^ime 
teile  forme  lui  suffirait  pour  s'exprimer  sans  devoir  aller  jusqa'aii 
vers.  Et  eile  y  appliqua  desormais  des  motifs  personnels  et 
des  sensations  directes."  Und  Rodenbach  fügt  dann  noch  hinzu: 
„Ceci  est  piquant,  quand  on  songe  ä  l'assurance  de  ceux  qui 
ont  repris,  dans  la  suite,  cette  forme  „mixte"  dans  l'intention 
meme  de  ceux  qui  Tont  trouvee,  et  qui  laissait  intact,  bien 
au-dessus,  le  vers  traditionnel  moins  accessible  et  plus  orfevre. 
On  veut  maintenant  que  cela  ait  tue  ceci,  et  on  proclame 
avec  intransigeance  „le  vers  libre"  comme  le  commencement 
de  la  sagesse  et  la  condition  de  tout  talent." 

Nicht  derselben  Meinung  ist  ein  anderer  Kritiker  der 
Modernen  —  Krysinska  selbst  dürfte  die  Ansicht  Rodenbachs, 
es  sei  jene  Dichtungsart  bloss  ein  „genre  mixte",  nicht  teilen  — , 
Jean  Psichari,  ( —  auf  den  Belgier  folgt  ein  Grieche!),  der 
im  selben  Bande  der  ,, Revue  bleue^'  (6.  Juni  1891)  eine  lehr- 
reiche Studie  über  den  Versbau  und  die  Tendenzen  der 
jüngsten  Dichterschulen  mit  einem  Satze  beschliesst ,  der 
ausserdem  alles,  was  hier  bis  jetzt  über  den  Einfluss  Heines 
gesagt  worden  ist,  wiederum  bestätigt.  Nachdem  er  das  Ende 
der  Herrschaft  des  Alexandriners  als  wahrscheinlich  hingestellt, 
indem  er  sehr  logisch  argumentiert,  dass  Verse  uns  nur  dann 
durch  ihre  Schönheit  frappieren,  wenn  sie  den  bisher  ge- 
schaffenen unähnlich  sind,  d.  h.  dieselben  übertreffen,  dass 
nun  aber  die  Vollkommenheit  des  Alexandriners  mit  Jose 
Maria  de  Heredia  ( —  auf  den  Griechen  ein  aus  den  Bergen 
der  Sierra  Madre  bei  Santiago  de  Cuba  gebürtiger !)  die  höchste 
Stufe  erreicht  habe  und  infolgedessen  das  kommende  Poeten- 
genie gezwungen  sei,  andere  Wege  einzuschlagen,  —  fährt 
er  fort:  „Un  ideal  vient  d'apparaitre.  On  entrevoit  im  vers 
aux  rythmes  les  plus  varies  se  succedant  dans  une  meme 
piece ;  chacun  de  ces  rythmes  se  proportionne  au  sentiment  ou 


f 


und  die  zeitgenössischen  Strömungen.  407 


ä  Fimage;  le  developpement  de  la  strophe  n'a  d'autre  regle 
que  le  developpement  de  l'idee.  Le  rire  et  les  larmes  se 
melent :  des  envolees  de  poesie  cote  ä  cöte  avec  des  tristesses. 
Une  ligne  de  prose  parfois  viendra  ä  se  montrer,  pour  rea- 
liser  enfin  le  voeu  exprime  par  Vigny,  qui  demandait  le  reci- 
tatif  apres  le  chant.  //  nous  faudrait  im  Heine  en  vers  lihres. 
On  n'attend  plus  que  le  poete/' 

Im  Anschluss  hieran  mag  es  —  „pour  vider  la  question^'  — 
nicht  uninteressant  sein,  auch  die  Meinung  Perd.  Brunetieres 
zu  befragen.  Dass  der  bekannte  Champion  des  ,,grand  siecle'' 
und  strenge  Richter  der  Romantik  die  Hoffnungen  und  Sympa- 
thieen  der  Modernen  nach  keiner  Richtung  hin  teilt,  liegt  auf 
der  Hand.  Weder  vom- „vers  libre"  noch  vom  „vers  blanc^',  ge- 
schweige denn  von  einem  ,,genre  mixte^',  will  er  etwas  wissen. 
Auf  folgende  Weise  spricht  er  diesen  Neuerungen  jegliche 
vernünftige  Existenzberechtigung  ab :  „Un  tableau  doit  etre 
„peint'',  ce  qui  s'appelle  „peint",  quels  que  soient  d'ailleurs  ses 
autres  merites,  quelles  que  soient  ses  pretentions,  comme,  avant 
d'etre  quoi  que  ce  soit,  epiques,  dramatiques  ou  lyriques,  des 
vers  doivent  etre  des  vers  .  . .  Des  vers  qui  ne  sont  pas  des  vers 
sont  .  .  .  de  la  prose,  et  un  tableau  qui  n'est  pas  peint,  n'en 
est  pas  un."  ^)  Der  Vergleich  hinkt  zwar  —  denn  auf  der 
einen  Seite  haben  wir  bloss  Farbe  und  Bild  —  auf  der  andern 
hingegen  das  Wort,  mit  dem  wir  zweierlei  bilden  können, 
Prosa  und  Poesie.  In  seiner  letzten  Vorlesung  2)  über  die 
Entwicklung  der  Lyrik  Prankreichs  im  XIX.  Jahrhundert 
bekräftigt  er  wiederum  seine  skeptischen  Ansichten  über  die 
Zukunft  des  ,,vers  blanc":  „En  frangais,  dans  une  langue  oü 
le  vocabulaire  de  la  poesie  ne  differe  pas  substantiellement 
de  celui  de  la  prose,  —  si  la  rime  n'est  pas  l'unique  genera- 


1)  „Revue  bleue",  30.  Mai  1893. 

2)  L.  c.  (conclusion),  24.  Juni  1893.    Inzwischen  ist  die  Serie  in  Buchform 
erschienen. 


408  H.  Heines  Einfluss 


trice  du  vers,  il  semble  bien  que  Timagination  de  la  rime 
soit  le  Premier  doii  du  poete,  son  aptitude  originelle,  la 
faculte  qu'il  apporte  en  naissant.  .  .  .  Puisque  la  poesie  est 
un  langage  ,,mesure",  la  Sensation  de  la  mesure  est  indispen- 
sable, non  pas  meme  ä  son  effet,  mais  ä  sa  definition,  et 
puisqu'en  frangais  la  quantite  ne  saurait  nous  donner  cette 
Sensation  necessaire,  il  faut  donc  que  ce  soit  la  rime  qui  nous 
la  procure."  —  Der  Alexandriner  müsse  nach  wie  vor  „le  type 
du  vers  frangais''  bleiben.  Litterarisch  verspricht  er  sich  von 
der  neuen  Schule  Folgen,  an  die  wir  nicht  glauben,  weil 
sie  uns  dem  innersten  Wesen  der  Lyrik  zu  widersprechen 
scheinen:  „On  souffrira  tout  autant,  mais  on  le  dira  moins, 
si  meme  on  Tose  dire ;  et,  ä  cet  egard,  je  crois  que  nous  pou- 
vons  voir  dans  le  „baudelairisme''  la  derniere  convulsion  de 
Tindividualisme  expirant.  Lyrique  dans  sa  forme,  la  poesie 
redeviendra  donc  impersonnelle  dans  son  fond.  Le  poete  ne 
sera  plus  lui-meme  la  matiere  unique  de  ses  chants;  il  ne 
nous  fatiguera  plus  du  recit  de  ses  bonnes  fortunes  ou  du 
Souvenir  de  ses  debauches;  il  ne  sera  plus  Byron,  ni  Musset, 
ni  Don  Juan.  C'est  aux  sources  inepuisables  de  la  nature, 
de  rhistoire,  de  la  science  qu'il  rajeunira  son  Inspiration." 
Dass  sich  der  Poet  der  Zukunft  an  die  „sources  inepuisables 
de  la  nature'^  halten  wird,  glauben  und  hoffen  auch  wir;  zu 
denen  aber  rechnen  wir  in  erster  Linie  den  Menschen  selbst. 
Mag  sein,  dass  der  Gang  der  socialen  Verhältnisse  den  Prophe- 
zeiungen Brunetieres  recht  geben  wird.  LTnd  doch  will  uns 
dünken,  es  müsse  der  Mensch  den  Dichtern  und  Dichterver- 
ehrern auch  fernerhin  das  erste,  das  interessanteste  und  er- 
habenste Problem  bleiben. 

Kehren  wir  nach  dieser  kleinen  Abschweifung  noch  auf 
einen  Augenblick  zu  Marie  Krysinska  zurück.  Das  oben 
erwähnte  Bändchen  „Rythmes  pittoresques''  enthält  den 
poetischen  Erguss  einer  tief  empfindenden  Seele.  Die  Form 
der  Prosa-Lieder  und  -Balladen  gleichen  ihrem  Vorbilde,  den 


und  die  zeitgenössischen  Strömungen.  409 


Uebersetzungen  Nervals,  auf  ein  Haar.  Ihre  Sprache,  durch 
keinerlei  Schranken  der  Reimkunst  beengt,  übt  durch  E]in- 
fachheit  und  natürlich  musikalischen  Rhythmus  einen  eigenen, 
ästhetisch  durchaus  begründeten  Zauber  aus.  Und  nicht  nur 
die  äussere  Gestalt  verrät  das  Muster,  das  ihm  vorgeschwebt, 
sondern  auch  der  Grundton  und  die  Motive  einiger  müde 
wehmütiger,  mystisch  düsterer  Lieder  erinnern  an  Heine.  Der 
deutsche  Leser  wird  bei  der  hier  angeführten  Ballade  nicht 
umhin  können,   an  die  Gestalt  der  „toten  Marie''  zu  denken. 

Ballade. 
I. 

Dans  le  parfum  des  violettes,  des  roses  et  des  acacias  —  ils 
se  sont,  un  inatin,  rencontres. 

Aupres  de  son  corsage  entr'ouvert  dormaient  des  roses  moins 
douces  que  sa  gorge  —  et  ses  youx,  qui  semblaient  deux  noires  vio- 
lettes, embaumaient  comme  le  printemps. 

Le  soleil  poudrait  d'or  ses  cheveux  blonds;  — 

Lui,  regardait  ses  yeux  qui  semblaient  deux  noires  violettes. 

Rapides  sont  les  heures  d'amour. 

Un  soir,  sous  les  etoiles,  eile  lui  dit:  —  Je  suis  ä  toi  pour  jamais. 
Et  les  etoiles  les  ont  fiances,  —  les  etoiles  moqueuses  et  froides, 
Dans  le  parfum  des  violettes,  des  roses  et  des  acacias. 

Rapides  sont  les  heures  d'amour. 

Un  jour  il  est  parti,  comme  les  petites  fleurs  d'acacias  neigeaient  — 
Mettant  sur  le  gazon  desole  de  grandes  taches  blanches,  pareilles 
ä  des  linceuls, 

Oü  le  papillon  venait  agoniser. 

II. 

Est-il  donc  des  parfums  qui  tuent  ? 

Une  fois  seulement  il  respira  la  fleur  tenebreuse  de  ses  cheveux. 

Une  fois  seulement. 

Et  il  oublia  Fenfant  blonde  qu'il  avait,  un  matin,  rencontree, 

Dans  le  parfum  des  violettes,  des  roses  et  des  acacias. 


410  H.  Heines  Einfluss 


0  les  nuits  irreelles,  les  merveilleuses  nuits! 

Les  caresses  mortellement  enivrantes, 

Les  baisers  qui  ont  le  goüt  du  reve 

Et  les  alanguissements  plus  doux  que  la  Yolupte. 

0  les  nuits  irreelles,  les  merveilleuses  nuits! 

Un  musc  attenue  hantait  son  alcove. 
Est-il  donc  des  parfums  qui  tuent? 

Elle  disait:  —  Je  n'aimerai  que  toi  —  la  traitresse. 
Et  son  Corps  inoubliable   avait   des  mouvements 
de  bei  animal  dompte. 

De  bei  et  dangereux  animal  —  dompte. 

Un  jour,  il  trouva  des  levres  muettes  et  boudeuses. 

0  niais  toujours  ayant  ce  memo  goüt  du  reve  — 
mortellement  enivrant. 

Des  levres  cruelles  et  muettes  comme  les  roses  parfumees,   qui 
attirent  et  ne  rendent  pas  les  baisers. 

C'est  en  vain  qu'il  pleura  plus  qu'au  jour  oü  sa  mere 
dans  le  tombeau  s'etait  coucliee. 

Les  yeux  de  la  bien-aimee  avaient  des  regards   plus  froids 
que  les  marbres  des  mausolees. 

Et  ses  levres,  ses  levres  si  clieres  restaient  muettes  comme  les  roses. 

Est-il  donc  des  parfums  qui  tuent? 

Le  bei  et  dangereux  animal  qu'il  croyait  dompte,  avait,  en  jouant, 
mange  son  coeur. 

Alors,  il  maudit  l'azur  du  ciel  et  les  etoiles  scintillantes. 

II  maudit  l'immuable  clarte  de  la  lune,  le  chant  des  oiseaux 

Et  le  feuillage  qui  cliucliote  mysterieusement  et  perfidement 
quand  approche  la  nuit  apaisante. 


III. 

Mais  le  coeur  de  l'homme  est  oublieux  et  infidele. 
Et  maudire  est  bien  triste,  alors  que  renait  la  saison  des  jeunes 
calices 

Et  des  brises  tendres  comme  des  baisers. 


« 


und  die  zeitgenössischen  Strömungen.  411 


II  se  souvint  de  l'enf'ant  blonde   qui  iui  avait  dit,  un  soir,    sous 
les  etoiles:  —  Je  suis  ä  toi  pour  jamais. 
Et  il  revint. 

Mais  eile  etait  allee  dormir  au  cimetiere, 

Dans  le  parfuni  des  violettes,  des  roses  et  des  acacias. 

(„Evenement",  25.  Novembre  1882.) 

Als  einer  der  begabtesten  aus  der  Dichtergruppe,  die 
sich  den  Theorieen  und  Tendenzen  Rimbauds  anschloss,  ist 
Jules  Lafargue  zu  bezeichnen  (geb.  1860  —  in  Montevideo  [!]), 
den  der  Tod,  wie  seine  Geistesverwandten  Chatterton,  Hege- 
sippe Moreau,  in  der  Blüte  der  Jahre  wegraffte.  Auch  in 
seinen  Liedern  erinnert  uns  vieles  an  Heine,  was  Charles 
Morice  bestätigt,  der  von  dem  grossen  Einflüsse  spricht,  den 
deutsche  und  englische  Poesie  auf  den  jungen  Decadent  aus- 
geübt. Die  verschiedensten  Stimmungen  spiegeln  sich  ab- 
wecliselnd  in  seinen  Gedichten  wieder.  Die  kleinen  und  grossen 
Leiden  einer  empfindsamen  Seele  schildert  er  mit  ironischer 
Resignation  und  thränenfeuchtem  Lächeln.  Er  lacht  oft  grell 
—  um  das  Weinen  zu  ersticken.  —  Er  fühlt  zärtliches  Sehnen 
und  innige  Liebe  für  jene  junge  Frau  mit  dem  Busen  „comme 
des  soucoupes'^,  aber  er  weiss  auch,  —  dass  sie  Klavier  spielt. 
Er  ist  ein  echter  Lyriker  „fin  de  siecle",  lacht  und  weint,  wie 
seine  Zeit,  die  es  von  Byron,  Edgar  Poe  —  und  Heine  ge- 
lernt hat. 

Paul  Verlaine  (1844),  ein  Lothringer,  der  1873  optierte, 
hat  immer  gegen  die  Einreihung  unter  die  Decadents  pro- 
testiert. Am  liebsten  würde  er  sich  „poete  maudit"  genannt 
wissen.  Seiner  Geistesbeschaffenheit,  seiner  hypermüden  Seele 
und  übersättigten  Sinnen  aber  wird  er  es  stets  zuzuschreiben 
haben,  unter  die  typischen  Vertreter  der  Decadence-Dichtung 
gezählt  zu  werden.  Was  ihn  von  dieser  indessen  trennt,  ist 
die  schöne  Klarheit  seiner  Sprache  und  eine  grosse  Versroutine, 
die  den  alten  Parnassien  verrät.     Treffend  wurde  er  der  mo- 


412  H.  Heines  Einfluss 


derne  Villon  genannt;  wie  der  Autor  des  ,, Grand  Testament'^, 
gehört  auch  er  unstreitig  der  echten  Rasse  der  Sänger  an, 
bei  denen  die  Poesie  wild  wächst  und  wuchert,  und  plötzlich 
und  ungestüm  hervorbricht  —  auch  aus  faulern  Grund  vuid 
Boden  — ,  in  deren  Liedern  man  den  schlagenden  Puls  und 
das  klopfende  Herz  spürt.  Paul  Verlaine,  der  die  ganze 
Decadencegruppe  um  Kopfeslänge  überragt,  ist  ein  grosser 
Dichter,  der  viel  geirrt  hat.  Ein  solcher  Poet,  wäre  er  auch 
kein  Parnassien  gewesen,  konnte  nicht  unberührt  an  Heine 
vorübergehen.  Liebesschmerz  und  Ironie,  bestrickender  Reiz 
der  Töne  und  sinnliche  Mystik,  alles  was  aus  dem  „Buch  der 
Lieder"  spricht,  klingt  uns  auch  in  Verlaines  Muse  entgegen. 
Sie  träumt  von  geisterhaften  Frauengestalten  —  einer  bleichen, 
toten  Marie,  —  die  sie  liebt,  mit  der  sie  weint.  —  Man  blättere 
in  Verlaines  „Poemes  saturniens"  (1865),  oder  in  „Sagesse" 
(1881)  —  für  jeden  Freund  wahrer  Poesie,  wess  litterarischen 
Glaubens  er  auch  sei,  ein  seltener  Genuss  —  und  aus  manchem 
Verse  wird  der  aufmerksame  Leser  ein  deutliches  Heine- 
Echo  vernehmen.  So  gleich  in  der  letzten  Strophe  der  „Lassi- 
tude"  („Choix  de  Poesies",  Charpentier,  1893,  pag.  10),  die 
auch  vor  der  Kritik  J.  Lemaitres  („Les  Contemporains", 
Serie  IV,  pag.  82)  Gnade  gefunden  hat : 

„Mets  ton  front  sur  mon  front  et  ta  main  dans  ma  main, 
Et  fais-moi  des  serments  que  tu  rompras  demain, 
Et  pleurons  jusqu'au  joiir,  6  petite  fougueuse !" 

Wer  denkt  da  nicht  gleich  an  Heines :  „Lehn'  deine 
Wang'  an  meine  Wang'"  etc.?  Und  um  wie  viel  poetischer 
nachempfunden  als  Nervals  „Appuie  ta  joue",  oder  gar  Ristel- 
hubers  „AppHque"  etc.  Aus  der  erwähnten  Sammlung  haben 
wir  es  versucht,  ein  Liederkleeblatt  zu  pflücken,  das  uns  nicht 
nur  die  mit  Heine  verwandten  Seiten  —  schmerzensreiche 
Empfindsamkeit,  kunstvolle  Nonchalence  der  Sprache  etc.  — 
nachweisen,  sondern  auch  an  ganz  bestimmte  Stellen  erinnern 
soll. 


und  die  zeitgenössischen  Strömungen.  413 


II  pleure  dans  mon  coeur, 
Comme  il  pleut  sur  la  ville; 
Quelle  est  cette  langueur 
Qui  penetre  mon  coeur? 

O  bruit  doux  de  la  pluie, 
Par  terre  et  sur  les  toits! 
Pour  un  coeur  qui  s'ennuie, 
O  le  chant  de  la  pluie ! 

II  pleure  sans  raison, 
Dans  ce  coeur  qui  s'ecoeure. 
Quoi !  nulle  trahison  ? 
Ce  deuil  est  sans  raison ! 

C'est  bien  la  pire  peine 
De  ne  savoir  pourquoi; 
Sans  amour  et  sans  haine, 
Mon  coeur  a  tant  de  peine. 


Le  ciel  est,  par-dessus  le  toit, 

Si  bleu,  si  calme ! 
Un  arbre,  par-dessus  le  toit, 

Berce  sa  palme. 

La  cloche  dans  le  ciel  qu'on  voit, 

Doucement  tinte. 
Un  oiseau  sur  l'arbre  qu'on  voit, 

Chante  sa  plainte. 

Mon  Dieu,  mon  Dieu,  la  vie  est  lä, 

Simple  et  tranquille. 
Cette  paisible  rumeur-lä 

Vient  de  la  ville. 

—  Qu'as-tu  fait,  6  toi  que  voilä, 

Pleurant  sans  cesse; 
Dis,  qu'as-tu  fait,  toi  que  voilä, 

De  ta  jeunesse  ? 


414  H-  Heines  Einfluss 


Je  ne  sais  pourquoi 

Mon  esprit  amer, 
D'une  alle  inquiete  et  folle,  vole  sur  la  mer. 

Tout  ce  qui  m'est  eher, 

D'une  alle  d'effroi 
Mon  amour  le  couve  au  ras  des  flots.    Pourquoi,  pourquoi? 

Mouette  ä  l'essor  melancolique, 
Elle  suit  la  vague,  ma  pensee, 
A  tous  les  vents  du  ciel  balancee 
Et  biaisant  quand  la  maree  oblique; 
Mouette  ä  l'essor  melancolique. 

Ivre  de  soleil 

Et  de  liberte, 
Un  instinct  la  guide  ä  travers  cette  immensite; 

La  brise  d'ete, 

Sur  le  flot  vermeil, 
Doucement  la  porte  en  un  tiede  demi-sommeil. 

Parfois,  si  tristement  eile  crie, 
Qu'elle  alarme,  au  lointain,  le  pilote, 
Puis  au  gre  du  vent  se  livre  et  flotte 
Et  plonge,  et,  l'aile  toute  meurtrie, 
Revole,  et  puis  si  tristement  crie! 

Je  ne  sais  pourquoi 

Mon  esprit  amer, 
D'une  aile  inquiete  et  folle,  vole  sur  la  mer. 

Tout  ce  qui  m'est  eher, 

D'une  aile  d'effroi 
Mon  amour  le  couve  aux  ras  des  flots.    Pourquoi,  pourquoi? 


Die  „Nordseelieder"  mögen  auch  den  Gedichten  „La  mer"  ^) 
von  Gustave  Kahn  („Revue  moderne",  3"  annee,  N"  1)  als  Vor- 


^)  Andere  bekannte  Meeressänger  sind  noch  :  Victor  Hugo,  überall  in 
seinen  „Contemplations"  ;  J.  Autran,  „Les  poemes  de  la  mer",  1859;  Michelet, 
(in  Prosa)  und  neuerdings  Jacques  Normand  und  Sully  Prudhomme. 


und  die  zeitgenössischen  Strömungen.  415 


bild  gedient  haben.  Der  1859  geborene  Lothringer  ist  ein 
Decadent  vom  reinsten  Wasser.  Er  ist  der  Verfasser  einiger 
Monographieen,  die  sehr  für  uns  sprechen,  denn  diese  behandeln 
Heine,  HofFmann,  Casanova,  Lafargue  und  etUche  Decadents. 
Einem  an  Huret  *)  gerichteten  Briefe  entnehmen  wir  folgende 
sehr  bezeichnende  Stellen:  „.  •  •  ^s  (les  symbolistes)  ont  lu 
ou  ont  du  lire,  de  choix  et  aux  moments  de  delassement, 
les  vieux  poemes  d'antiquite  des  races,  les  legendes,  les  cycles 
du  raoyen  äge,  le  Dante.  Ils  connaissent  Goethe,  Heine,  Hoff- 
raann  et  autres  Allemands  ...  ils  ont  subi,  par  le  hasard  des 
temps,  une  forte  Immersion  de  la  musique  legendaire  et  sym- 
bolique  de  Wagner  .  .  .  Cest  cet  ensemble  d'influences  qid  est  le 
generateur  du  mouvement  achtel,  et  cet  ensemble  d'oßuvres  an- 
ciennes  qui  compose  la  hibliotheqiie  ideale.''^ 

Charles  Gros  (1842 — 1888)  wird  gewöhnlich  als  Baude- 
lairist bezeichnet.  Sein  Bestes  hat  er  mit  den  1873  erschie- 
nenen Liedern  „Le  cofFret  de  Santal"  geboten,  von  denen 
manche  in  der  That  an  Heineschen  Einfluss  denken  lassen. 

Das  Gleiche  gilt  von  Adolphe  Rette  (1862),  dessen  Ge- 
dichte und  Prosaschriften  in  zahlreichen  modernen  Revuen 
zerstreut  liegen  (so  in  „La  Cravache",  „Mercure  de  France", 
„L'Ermitage",  „Le  Saint-Graal"  etc.).—  Theodore  de  Beze^) 
nennt  uns  seine  Lieblingsautoren:  „Shakespeare,  Balzac,  Victor 


I 


^)  Jules  Huret,  „Enquete  sur  Tevolution  litteraire",  pag.  399.  Derselbe 
litterarische  Reporter  lässt  den  begabten  Dichter  Gabriel  Vicaire  in  seinem 
„interview"  u.  a.  sagen  (pag.  377)  :  „II  y  a  une  chose  qui  m'attire  beaueoup, 
c'est  la  poesie  populaire  .  .  .  La,,  il  n'y  a  pas  de  complication  de  style,  le  vers 
varie  suivant  l'impression  k  rendre,  la  rime  n'est  quelquefois  qu'une  simple 
assonance.  En  Angleterre,  en  Allemagne,  on  a  beaueoup  etudie  cette  poesie. 
Henri  Heine  en  a  tire  de  tres  beaux  effets  ..."  —  Ebenso  kommt  Heine 
in  den  Gesprächen  von  Anatole  France  und  Maurice  Bandes  vor.  So  sagt 
der  letztere  u.  a. :  „  .  .  .  Savez-vous  que  Heine  n'est  un  poete  si  emouvant  que 
par  les  qualites  qui  fönt  en  meme  temps  de  lui  un  des  plus  profonds  penseurs 
de  ce  siecle  ?    11  a  la  culture  et  la  clairvoyance  .  .  ."    (Pag.  20.) 

2)   „Les  hommes  d'aujourd'hui",  N"  417. 


416  H.  Heines  Einfluss 


Hugo,  Gerard  de  Nerval,  Verlaine,  Heine,  Swinburne."  Nota- 
bene :  Von  ihm  wurde  die  Idee  lanciert ,  Baudelaire  ein 
Monument  zu  errichten. 

Nicht  unbedeutsam  scheint  uns  die  grosse  Rolle  zu  sein, 
die  der  Traum  in  der  mystisch-symbolischen  Fraktion  der 
Decadence-Dichtung  spielt.  Er  ist  geradezu  als  Kunstmoment 
in  ihre  Aesthetik  aufgenommen.  Morice  schickt  seinem  letzten 
Kapitel  („Commentaires  d'un  livre  futur")  Taines  Worte  vor- 
aus: „  .  .  .  Dans  l'abstraction,  le  reve  et  le  Symbole",  und 
sagt  (pag.  359):  „La  Synthese  de  l'art,  c'est:  Le  reve  joyeux 
de  la  verite  belle."  —  Alle  französischen  Modernen  machen 
von  diesem  poetisch  wirksamen  Mittel  den  ausgiebigsten  Ge- 
brauch. Auch  in  dieser  Sonderheit  sehen  wir  deutschen  resp. 
Heineschen  Einfluss.  — 

Und  nun,  bevor  wir,  das  Buch  beschliessend,^)  Umschau 
nach  Heines  Einfluss  in  Helvetiens  welschen  Landen  halten 
wollen,  noch  ein  kurzer  Halt,  ein  letzter  Blick  rückwärts  auf 
all  das,  was  wir  bis  jetzt  von  Heine  in  Prankreich  gelernt 
haben.  Es  handelt  sich  nämlich  darum,  uns  klar  zu  werden, 
wie  es  kam,  dass  Heine,  sein  Wort  und  sein  Lied,  das  Interesse 


^)  Nur  des  allgemeinen  Interesses  halber  sei  hier  noch  der  Felibre  Theodore 
Aubanel  (1829—1886)  aus  Avignon  erwähnt,  bei  dem  von  Heineschem  Einfluss 
gesprochen  wird.  Wie  bekannt,  gehört  Aubanel  mit  Mistral  und  Roumanille 
zu  den  Wiederbegriindern  der  provenc^alischen  Lyrik.  Er  ist  der  Dichter  der 
Liebe  („Livre  d'amour",  1860)  und  wird  der  Petrarque  fran^ais  genannt. 
In  seineu  Liedern  besingt  er  stets  nur  die  eine  Geliebte,  die  Nonne  geworden 
und  die  er  nicht  vergessen  kann.  Daher  seine  Devise:  „Quan  canto,  soun 
man  encanto."  Als  sein  Meisterwerk  gilt  die  Dichtung  „La  Mirongrano  entre- 
ouberto"  (halb  geöffnete  Granate).  A.  Daudet  nennt  seinen  Landsmann  in 
dem  Nachrufe,  den  er  ihm  gewidmet,  „einen  grossen  Dichter,  ausgestattet 
mit  Leidenschaft,  Farbe,  Phantasie,  und  den  unser  schöner  proven^alischer 
Rhonestrom  beweinen  wird,  wie  die  Töchter  des  Rheines  Heinrich  Heine 
beweinen."  —  Da  wir  es  hier  mit  dem  Einfluss  Heines  auf  die  französische! 
Dichtkunst  zu  thun  haben,  kann  es  fast  ebensowenig  unsere  Aufgabe  sein, 
denselben  bei  dem  Proven^alen  Aubanel  zu  verfolgen,  wie  etwa  bei  dem^ 
Italiener  Zendrini. 


und  die  zeitgcnossi schon  Strömungen.  417 


des  französischen  Publikums  stets  so  rege  gehalten,  dass 
die  Teilnahme  an  seinem  Leiden  und  Lieben  von  jeher  bei 
den  Gebildeten  Frankreichs  eine  so  grosse  gewesen;  mit  an- 
deren Worten,  um  die  Frage:  „Welches  sind  die  Gründe 
seiner   Beliebtheit?" 

Auch  darauf  soll  uns  Frankreich  selbst  Antwort  geben. 
Eines  heben  wir  zunächst  nochmals  mit  Nachdruck  hervor, 
damit  zum  richtigen  Verständnis  des  so  mannigfaltigen  Ein- 
flusses alles  gesagt  sei.  —  Wenn  es  nämlich  für  Deutschland 
einen  doppelten  Heine  gibt,  einmal  den  Sänger  unvergänglicher 
deutscher  Lieder,  und  dann  den  unvergleichlichen  Satiriker, 
den  vernichtenden  Spötter,  so  können  wir  nun  auf  Grund  dieser 
Studie  sowohl,  als  auch  langjähriger  persönlicher  „Enquete" 
versichern,  dass  Frankreich  drei  Heine  kennt.  Erstens  und 
vor  allem  Heine  den  „homme  d'esprit  par  excellence".  Dies  ist 
die  allgemeinste,  verbreitetste  französische  Denkweise.  Zwei- 
tens:  Heine  -  Musset ;  d.  h.  der  Dichter  der  Liebe,  ihrer 
Freuden  und  Leiden,  und  dies  ist  der  Heine  jener  Elite,  die 
Gedichte  liest.  Und  drittens  gibt  es  einen  Heine  der  Dichter, 
der  litterarischen  Dilettanten.  Diese  lieben  und  verehren 
Heine,  wie  er  leibt  und  lebt,  in  seiner  ganzen  unfasslichen 
Sphinxgestalt,  mit  seiner  verwirrenden  Lyrik,  mit  seinem 
melancholischen  Spottgelächter,   mit  dem  blendenden  Zauber 

j        seiner  so  fremdartig  poetischen  Erscheinung. 

I  Daran,   dass  Heine   für   die  grosse  Masse   der  Gebildeten 

Frankreichs   der  supergeistreiche  Litterat  bedeutet,    dass  sein 

I        Name  als  solcher   seit   zwei  Decennien,   jahraus,   jahrein,   bis 
in    das   kleinste   und   entlegenste  Städtchen   der  Provinz   ge- 

I       drungen,   daran  ist   Gaston    Marquis   de   Presles    schuld,    der 

i Schwiegersohn  des  biedern  Monsieur  Poirier,  Held  des  belieb- 
testen und  treffHchsten  Lustspiels  des  ganzen  modernen  fran- 
zösischen Repertoirs,  genannt :  „Le  gendre  de  M.  Poirier'^  und 
verfasst  von  Emile  Augier  und  J.  Sandeau.  In  dieser  prächtig 
gesunden  Satire   menschlicher  Schwächen,  —  denn   sie  passt 


418  H.  Heines  Einfluss 


für  alle  Zeiten  und  für  jedes  Land,  nicht  nur  für  das  Paris 
vor  dem  Jahre  1848,  —  fragt  der  Marquis  seinen  Millionen- 
schwiegerpapa ,  nachdem  dieser  dem  Tochtermann  zaghaft 
den  Vorwurf  gemacht  (Akt  II,  Scene  I):  „Vous  etes  cepen- 
dant  trop  raisonnable  pour  croire  ä  l'eternite  de  la  lune  de 
mieF'  —  ironisch  lächelnd:  „Trop  raisonnable,  vous  l'avez 
dit,  et  trop  ferre  sur  l'astronomie  .  .  .  Mais  vous  n'etes  pas 
Sans  avoir  lu  Henri  Heine?" 

Poirier:  (sich  an  seinen  Freund  wendend):  „Tu  dois  avoir 
lu  ga,  Verdelet?" 

Verdelet:  „J'ai  lu,  j'en  conviens/' 

Poirier :  „Cet  etre-lä  a  passe  sa  vie  ä  faire  l'ecole  buis- 
sonniere!" 

Gastoti :  „Eh  bien !  Henri  Heine,  interroge  sur  le  sort  des 
vieilles  pleines  lunes,  repond  qu'on  les  casse  pour  en  faire 
des  etoiles/' 

Es  mag  für  unseren  Dichter  in  seinem  schweren  Leiden 
ein  Glückstrahl  gewesen  sein,  als  ihm  die  Nachricht  wurde, 
dass  sein  „esprit'',  und  zwar  nicht  anonym,  auf  der  französi- 
schen Bühne  eingezogen  sei,  denn  die  Premiere  jenes  Stückes 
fand  im  Jahre  1854  im  Gymnase  statt.  Wie  mancher  auch 
noch  so  sprachkundiger  Deutsche,  der  der  musterhaften  Dar- 
stellung dieses  Lustspiels  —  spielt  doch  pere  Got  den  alten 
Poirier  —  seit  1864  in  der  Comedie  frangaise  beigewohnt, 
fand  wohl  an  diesem  geistreichen  Bilde  Gefallen,  ohne  in  dem 
„Henri  äin"  seinen  deutschen  Dichter  wieder  erkannt  zu  haben. 

Dass  die  grosse  Mehrheit  des  lesenden  PubHkums  Heine 
besonders  den  witzigen,  absonderlichen  Humoristen  hiess, 
geht  auch  aus  folgenden  Zeilen  Hennequins  („Ecrivains 
francises",  pag.  294)  hervor:  „Ce  qu'il  (le  public)  a  accepte 
de  Heine  et  de  ses  semblables,  c'est  non  son  Ironie,  sa  melan- 
colie,  sa  preciosite,  mais,  sous  benefice  d'inventaire,  son  esprit 
gracieux  et  fin,  sa  gaite  poetique,  son  amüsante  mobilite 
d'äme,   c'est-ä-dire  en  somme  les  cötes  oü  se  marque  encore, 


und  die  zeitgenössischen  Strömungen.  4l9 


mais  se  marque  le  moins  violemment  l'instabilite  cracteris- 
tique  de  son  humeur.  Celle-ci  existe  donc  chez  quelques 
railliers  de  nos  lecteurs,  niais  attenuee,  affaiblie  et  reduite  ä 
ne  se  manifester  qu'entre  des  etats  d'äme  par  trop  divers/' 

Vergessen  wir  nicht,  welches  Prestige,  welche  souveräne 
Macht  in  Prankreich  von  jeher  der  „esprit" ,  schlagender 
Witz  und  eine  geistreiche  Unterhaltung  besassen.  Dann  ist 
auch  für  jene  Zeit  in  Betracht  zu  ziehen,  dass  von  den  sämt- 
lichen Romantikern,  Musset  vielleicht  ausgenommen,  keiner 
geistreich  war.  Ueberhaupt  hatten  die  Franzosen  seit  Rabelais 
keinen  berühmten  Humoristen,  wenn  auch  die  humoristische 
Ader  der  französischen  Litteratur  nicht  ganz  ausgetrocknet 
war.  Bei  Meliere  hat  der  Humor  eine  düstere,  wir  möchten 
fast  sagen:  eine  englische  Färbung.  Ein  hervorragender 
Humorist  —  malgre  lui  —  kann  höchstens  Heines  Zeit- 
genosse Veuillot  genannt  werden.  Daher  die  Vorliebe  für 
Heine,  daher  sein  Nimbus  bei  der  Menge,  die  das  Fehlen 
der  schalkhaften  Gutmütigkeit,  ohne  die  es  keinen  wahren 
Humor  gibt,  nicht  empfindet,  die  in  dem  Autor  der  „Reise- 
bilder" in  erster  Linie  stets  den  Mann  des  sprudelnden  Geistes 
bewundern  wird,  der  ja  auch  die  Pariser  Litteraten  so  be- 
strickte :  „A  Paris,  les  beaux  parleurs  sont  toujours  bien  venus; 
la  blague  est  une  puissance.  Beaumarchais  pensait  que  c'est 
[a  seule.  Les  gens  de  lettres  battaient  des  mains  aux  im- 
>rovisations  de  Henri  Heine."  (Audebrand,  „Petits  memoires^', 
)ag.  14.) 

Was  Heine,  den  Schriftsteller,  den  Dichter  in  Prosa  und 
'oesie,  so  beliebt  machte,  was  ihm  im  französischen  Parnass 
^„droit  de  cite"  gab,  das  war  die  wunderbare  Klarheit  seiner 
Sprache,  die  Sprache  aller  und  doch  die  eines  andern:  „Quel 
[ue  seit  le  manque  d'ordonnance  de  ses  „Reisebilder",  c'est 
sncore  la  seule  oeuvre  prosaique  allemande  qu'un  Frangais 
>uisse  lire  d'un  bout  a  l'autre,  sans  avoir  ä  user  de  sa  volonte 
)our    contraindre    son    attention.     II    a   accompli   le   singulier 


420  H.  Heines  Einfluss 


tour  de  force  d'une  langue  naturellement  diffuse  (!)  et  peu 
apte  ä  former  des  phrases  solides,  condensee  et  pressee  au 
point  de  devenir  forte,  agile  et  limpide."  (Hennequin,  ib., 
pag.  65.) 

Und  was  den  eigentümlichen  Zauber  betrifft,  den  Heines 
merkwürdiges  Doppelwesen  auf  den  kleinen  Kreis  —  und  nur 
auf  diesen  —  von  Dichtern  und  litterarischen  Feinschmeckern 
ausübt,  so  wollen  wir  hier  Ed.  Schure  das  Wort  lassen: 
,,Cette  nature  double  a  ete  une  des  caiises  jn'incipales  du  succes 
prodigieux  de  Henri  Reine  en  France.  On  aime,  chez  nous,  ces 
contrastes  heurtes,  ces  poetes  au  coeur  sanglant  et  dechire 
qui  disent  au  monde :  Vois-tu  les  blessures  que  tu  m'as  faites  ? 
et  qui,  quand  la  foule  approche,  se  redressent  et  fönt  siffler 
le  fouet  autour  de  ses  oreilles.  On  a  pardonne  ä  Henri  Heine 
ses  excentricites  de  sentiment  et  d'imagination,  gräce  a  son 
esprit  mordant.  Qu'il  lui  arrive,  par  exemple,  de  parier  d'un 
amour  de  jeunesse,  de  quelque  belle  jeune  fille  blonde  et  son- 
geuse,  il  en  parlera  si  bien  que  vous,  Frangais  sceptique, 
vous  serez  sur  le  point  d'etre  emu.  Dejä  les  larmes  vous 
viennent  aux  yeux  et  vous  craignez  de  perdre  votre  enjoue- 
ment  d'homme  du  monde.  Mais  voici  qu'un  trait  d'esprit  part 
comme  une  fleche,  la  madone  se  change  en  Soubrette;  vous 
souriez  et  vous  voilä  soulage.  Vous  pensiez  avoir  ä  faire  ä 
Jean  Paul;  point  du  tout,  c'est  ä  un  autre  Voltaire.  La  siir- 
prise  vous  enchante  et  vous  applaudissez.  Pour  les  Allernands, 
c'est  tont  le  contraire,  Ils  voulaient  pleurer,  et  on  les  a  fait 
rire;  ^  ils  sont  farieux/^  (Schure,  „Histoire  du  Lied'',  pag.  450.) 

Man  hat  mit  Recht  in  dem  Verhältnis  des  deutschen 
Volkes  zu  Heine  seit  dessen  Tode  drei  Stadien  unterschieden: 
das  der  gänzlichen  Vernachlässigung,  die  mit  dem  Hinscheiden 
des  Dichters  beginnt ;  dann  die  eifrige  Befehdung,  und  endlich 


^)    Wir  betrachten  es  natürlich   als    einen  Lapsus,    wenn   es   bei  Schure 
gerade  umgekehrt  heisst  (ils  voulaient  rire,  et  on  les  a  fait  pleurer). 


und  die  zeitgonössisclien  Strömungen.  421 

die  Anerkennung.  Heute  kann  man  mit  Fug  von  einer  vierten 
Periode  sprechen,  —  der  der  erbitterten  Parteinahme  für  und 
gegen  Heine.  Ganz  anders  in  Frankreich.  Schon  seit  dem 
Erscheinen  der  beiden  ersten  Bände  der  „Oeuvres  completes^', 
die  grosses  Aufsehen  erregten  und,  wie  wir  gesehen  haben, 
mit  Enthusiasmus  begrüsst  wurden,  —  schon  seit  1855  ist  die 
Wertschätzung  und  Anerkennung  seines  Genies  in  stetem 
Wachsen  begriffen,  und  dies  will,  wenn  wir  bedenken,  was 
Sainte-Beuve  vor  1870  über  das  Ansehen  Heines  in  Frank- 
reich sagte,  nicht  wenig  bedeuten.  Eines  darf  jedoch  nicht 
verschwiegen  werden.  Wenn  die  allgemeine  Bewunderung 
dieses  deutschen  Dichters  in  Frankreich,  besonders  in  den 
letzten  Jahren,  so  hohe  Wellen  schlug,  und  speciell  wenn  an 
die  Düsseldorfer  Affaire  angeknüpft  wurde,  so  spielen  hier 
zum  Teil  gewiss  nicht  rein  litterarische  Motive  mit.  Ab- 
gesehen von  der  anderwärts  schon  besprochenen  „vogue"  alles 
Fremdartigen  und  Ausländischen,  mit  der  sich  die  Beliebtheit 
nordischer,  besonders  russischer  Schriftsteller  deckt,  die  Tour- 
gueneff,  de  Yogüe  und  —  die  russische  Alhanz  in  Frankreich 
eingeführt,  hat  der  Heine-Enthusiasmus  jenseits  des  Rheines 
gar  oft  einen  leichten  Anflug  von  chauvinistischer  Schaden- 
freude, gemischt  mit  sogenanntem  „snobisme'*. 

Allein,  wie  dem  auch  sei,  so  stehen  folgende  Thatsachen 
nicht  minder  fest:  Erstens  hat  der  Heinebiograph  Strodt- 
mann  recht,  wenn  er  behauptet,  dass  Heine  durch  seine 
„Oeuvres  completes''  in  die  Reihe  der  ersten  französischen 
Schriftsteller  erhoben  wurde.  Er  ist  innerhalb  der  franzö- 
sischen Litteratur  als  ein  grosser  Dichter  zu  betrachten;  er 
gehört  ihr  an,  ebenso  gut,  ja  noch  mehr,  wie  ein  Melchior 
Grimm  oder  ein  Abbe  Galliani,  trotz  aller  seiner  grossen  und 
kleinen  „teinturiers". 

Zweitens  hat  Heine,  wenn  auch  ohne  den  ernsten  Willen 
eines  Börne,  direkt  und  indirekt,  kraft  seines  Genies,  mehr  wie 
irgend   ein   anderer    die  Augen   der  Franzosen   auf  deutsches 


422  H-  Heines  Einfluss. 

Wissen  und  Wesen  gelenkt,  mehr  wie  irgend  ein  anderer 
die  französische  Litteratur  —  wir  möchten  sagen :  germanisiert. 

Drittens  irrt  Karl  Hillebrand  entschieden  —  mag  er 
auch  der  Sekretär  unseres  Dichters  gewesen  sein  — ,  wenn  er 
sagt :  „In  der  That  scheint  Goethe,  der  Mensch  wie  der  Dichter, 
unsere  Nachbarn  am  meisten  zu  interessieren."  Seit  einem  hal- 
ben Jahrhundert  ist  dies  nicht  mehr  der  Fall.  Der  bekannteste 
deutsche  Dichter  im  Prankenlande  ist  Heine;  für  ihn,  den 
Dichter  und  Menschen,  interessieren  sich  die  Franzosen  seit 
den  Tagen  der  Spätromantik  unzweifelhaft  am  meisten.    Und 

Viertens  steht  nicht  minder  fest,  dass  die  Franzosen 
von  Heine  zuerst,  und  erst  durch  ihn,  mit  Erfolg  lernten,  dass 
die  Lyrik  nicht  bloss  in  einer  noch  so  harmoniereichen,  farben- 
prächtigen und  klangvollen  Sprache  bestehe,  sondern  dass  sie 
gesungen  werden  will,  —  dass  nicht  die  Beredsamkeit,  son- 
dern die  Inspiration  die  Hauptsache  sei,  dass  der  Liebe  nicht 
Lobes-  und  Preishymnen  dargebracht  werden  sollen,  sondern 
dass  die  Liebe  selbst  sprechen,  selbst  frohlocken  und  klagen, 
dass  sie  nicht  in  kunstvollen  Allegorieen,  sondern,  wie  beim 
Volke,  in  einfachen,  rasch  belebten  Tönen  direkt  zum  Herzen 
sprechen  soll. 


Einige  Dichter  der  Westscliweiz.  423 


Neuntes  Kapitel 

H.  Heine  und  einige  Dichter 
der  W^estschweiz 


Wem  der  Grundton  der  Litteratur  der  französischen 
Schweiz  bekannt  ist,  wird  dort  schwerHch  Spuren  und  tiefe 
Eindrücke  Heinescher  Dichtung  suchen.  Dass  aber  die  Lyrik 
unseres  Dichters  auch  über  das  Juragebirge  gedrungen,  sahen 
wir  schon  in  unserem  vierten  Abschnitte.  Neben  einigen 
neuen  Namen  werden  wir  daher  wieder  alten,  schon  bekannten 
begegnen.   Zu  den  letzteren  gehört : 

Marc-Monnier.  (Marc-Monnier  wird  in  Lemerres  „An- 
thologie des  Poetes  frangais  du  XIX^  siecle"  als  Franzose 
betrachtet  und  daher  nicht  zu  den  im  „Appendice"  unter- 
gebrachten „Poetes  etrangers  ayant  ecrit  en  frangais''  gezählt, 
worunter  Schweizer,  Belgier,  Canadier  etc.  zu  verstehen  sind.) 

Durch  seinen  engen  Verkehr  mit  dem  deutschen  Liede 
mussten  seine  eigenen  Gedichte  naturgemäss  fremdes  Gepräge 
annehmen.  „On  pourrait  le  mettre  en  regard  de  quelques-uns 
des  poetes  qu'il  imite  ou  traduit,  Heine,  Uhland,  etc.''  (Ram- 
bert, „Revue  universelle",  August  1872,  pag.  720.) 

In  der  gereimten  Vorrede  der  „Poesies  de  Marc-Monnier" 
(Paris,  Lemerre,  1872),  wo  überall  die  Begeisterung  für  deut- 
sche Lyrik  hervortritt,  lenkt  er  unsere  Aufmerksamkeit  direkt 
auf  eine  Quelle  seiner  dichterischen  Inspirationen  : 


424 


H.  Heines  Einfluss. 


.  .  .  Ma  seconde  histoire,  —  „on  en  pleure, 
Dit  Heine,  en  deux  le  coeur  se  fend"  — 
Pourtant  eile  arrive  ä  toute  heure : 
Un  enfant  aimait  une  enfant. 

Aber  auch  der  Autor  der  „Comedies  de  raarionnettes" 
fühlte  sich  mit  dem  Dichter  des  „Wintermärchen"  geistes- 
verwandt. 

Henri  Blanvalet  (1811—1870).  Ein  Genfer  Poet  und 
Romantiker  von  echtester  Farbe.  Rössel  und  Godet  weisen  in 
ihren  Litteraturgeschichten  der  französischen  Schweiz  beide 
auf  Blanvalets  Kongeniahtät  mit  Heine  hin.  Die  Psychologie 
derselben  scheint  uns  allerdings  bloss  der  erstere,  Professor 
Rössel  in  Bern,  richtig  entwickelt  zu  haben.  Blanvalet  war 
ein  geborener  Dichter,  den  nur  das  Milieu  verhinderte,  ein 
sehr  bedeutender  Dichter  zu  werden.  Ungefähr  um  die  gleiche 
Zeit  überschritten  sie  den  Rhein  —  Heine  auf  dem  Wege 
nach  Paris  —  Blanvalet  in  der  umgekehrten  Richtung,  nach 
Berlin,  von  wo  der  junge  Student  seine  ersten  Lieder  an  die 
Ufer  des  Genfersees  sandte.  In  dieser  Schaffensperiode  macht 
sich  noch  fast  ausschliesslich  in  seinen  Poesieen  deutscher 
Einfluss  geltend.  Er  hat  den  Rebensaft  des  Rheines  gekostet, 
die  Tannenluft  des  Schwarzwaldes  geatmet  und  im  schönen 
Schwabenlande  geherzt  und  geliebt.  Aus  deutschen  Gauen 
brachte  er  das  deutsche  Lied  mit  all  seinem  Humor  und 
Träumen  mit  in  die  Heimat  Calvins.  Später  freilich  scheint 
der  mächtige  Einfluss  Victor  Hugos  sich  ziemlich  ausschliess- 
lich im  Dichten  Blanvalets  festgesetzt  zu  haben. 

An  die  Lyrik  Heines  speciell  erinnert  manche  Eigenschaft 
seiner  Dichtungsweise :  er  weiss  den  höchsten  Aff'ekt  in  knapp- 
ster Rede  wiederzugeben;  sein  poetischer  Bannstrahl,  voll  von 
bitterem  Sarkasmus,  trifft  dieselbe  Scheibe  socialer  Gebrechen 
und  Miseren,  wie  der  Heines :  Kleinlichkeit,  Habsucht  und 
die  Tyrannen.  Er  ist  revolutionär,  weil  er  human  denkt  - 
und  selbst  unter  der  Ungerechtigkeit  der  menschlichen  Gesell- 


Einige  Dichter  der  Westschweiz.  425 


Schaft  zu  leiden  hat.  Und  wo  sich  sein  Geist  nicht  aufbäumt, 
spricht  Weltschmerz  aus  den  Liedern,  in  die  er  viele  Thränen 
hineingedichtet  noch  zu  einer  Zeit,  da  Musset  und  Heine 
längst  ausgelitten  und  ausgesungen  hatten. 

Ganz  Heine,  wie  Godet  richtig  bemerkt,  ist  die  hübsche 
Ballade,  die  der  Zweiundzwanzigjährige  von  Berlin  aus  — 
das  er  zu  Puss  erreichte!  —  nach  Hause  sendet.  Aus  den 
„Poesies  completes'^  (Geneve,  Cherbuhez,  1871)  des  Dichters 
der  „Petite  soeur''  —  jeder  Westschweizer  wusste  dies  Gedicht 
einmal  auswendig  —  fügen  wir  ausserdem  noch  zwei  Lieder 
bei,  das  eine  wegen  der  an  Heine  erinnernden  Blumenallegorie, 
das  andere  wegen  der  unserem  Dichter  so  oft  vorgeworfenen 

Manier. 

Je  faisais,  pensant  ä  ma  mere, 
Route  poiir  l'universite, 
Quand  la  fiUe  de  la  meuniere 
Surprit  mon  regard  arrete. 
Elle  etait  si  jeiine  et  si  freie, 
Du  ciel  me  parlait  si  souvent, 
Que  j'oubliais  souvent,  pres  d'elle, 
Le  tic-tac  du  moulin  ä  vent. 

Fallait  reprendre  la  grand'route 
Qui  mene  ä  l'universite, 
Oü,  supposant  qu'on  les  ecoute, 
Tant  de  docteurs  ont  radote. 
En  contem plant  la  face  bleme 
De  ces  parleurs  ä  tout  venant. 
Je  pensais  souvent,  en  moi-meme, 
Au  tic-tac  du  moulin  a  vent.  — 

Quand,  pour  regagner  la  patrie. 
Je  quittai  l'universite. 
Je  revis  bien,  dans  la  prairie, 
Le  moulin  toujours  agite. 
Mais  la  fille  de  la  meuniere 
N'etait  plus  lä,  comme  devant; 
Elle  dormait  au  cimetiere, 
Au  tic-tac  du  mouhn  ä  vent.  — 


426  H.  Heines  Einfluss. 


Jeune  fille  et  jeune  fleur. 

Pres  d'un  lac  aux  eaux  liinpides, 
Je  portais  mes  yeux  avides 
Sur  les  fleurs  ä  leur  eveil, 
Et  je  vis  une  d'entr'elles, 
Belle  parmi  les  plus  belles, 
Qui  semblait  fuir  le  soleil; 
Elle  inclinait  vers  la  terre 
Son  front  penche  sous  le  deuil. 
J'ai  vu  la  fleur  passagere 
Qui  fleurit  pour  le  cercueil. 

Et  quand  ses  jeunes  compagnes 
Etalaient,  dans  les  campagnes, 
Leurs  parfums  et  leurs  couleurs, 
Et,  joyeuses  de  la  vie, 
Agagaient  la  brise  amie 
Qui  vient  balancer  les  fleurs, 
Elle  inclinait  vers  la  terre 
Son  front  penche  sous  le  deuil. 
J'ai  vu  la  fleur  passagere 
Qui  fleurit  pour  le  cercueil. 

A  la  voir  ainsi  pälie, 

Sans  regrets  et  sans  envie, 

S'etioler  ä  mes  yeux. 

Je  me  disais  en  moi-meme : 

Oh !  sans  doute  un  ange  l'aime 

Et  l'attend  au  fond  des  cieux. 

Elle  posa  sur  la  terre 

Son  front  penche  sous  le  deuil. 

J'ai  vu  la  fleur  passagere 

Qui  fleurit  pour  le  cercueil. 


Ange  adore. 

Ange  adore,  pour  un  regard  de  toi 
Je  donnerais  et  uion  ame  et  ma  foi, 


Einige  Dichter  der  Westschweiz.  427 

Je  dounerais  les  splendeurs  eternelles, 
Les  saiiits  concerts  des  seraphins  fideles, 

Je  donnerais  .  .  .  mais  ce  chäle  d'Iiiver, 
Diable  m'emporte!  il  est  pourtant  trop  eher. 

Etienne  Eggis  (1830—1867).  In  den  ungemein  witzigen 
Federzeichnungen  in  epigrammatischer  Prosa  „Voyages  aux 
Champs-Elysees"  ^)  wird  ein  Adolphe  Gaiffe  von  Eggis  „le 
Henri  Heine  frangais"  genannt.  Dies  Freiburger  Kind  hätte 
sich  selbst  als  ein  Gemisch  von  Heine  und  Murger  bezeichnen 
können.  Wenn  Blanvalet  ein  französischer  Romantiker  von 
der  Nuance  Hugos  war,  so  stellt  Eggis  einen  echten  Typus  der 
Romantik  Gautiers  und  Nervals  dar.  Er  ist  —  rara  avis  — 
ein  leibhaftiger  „boheme"  der  Westschweiz,  die  ihn  nicht  um- 
sonst  einen   ,,ecervele  qui   gäche  son  talent"  gescholten  hat. 

Hauslehrer  bei  einem  bayerischen  Grafen,  dann  fahrender 
Student  und  Dichter,  sang  er  oft  mit  leerem  Magen,  aber 
niemals  mit  trockener  Kehle.  Victor  Hugo,  dem  er  einige 
Gedichte  übersandt  hatte,  würdigte  ihn  eines  anerkennenden 
Schreibens,  und  mit  diesem  Talisman  machte  sich  der  schwei- 
zerische Villen  auf  den  Weg  nach  Paris.  Dort  wurden  u.  a. 
Maxime  du  Camp  und  Arsene  Houssaye  seine  Freunde  und 
Beschützer.  Wie  er  dem  letzteren  für  Unterkunft  und  Unter- 
halt dankte  —  unser  Schweizer  verschwand  eines  Tages  samt 
den  Havannacigarren  —  und  dem  Klavier  Houssayes  —  hat 
dieser  selbst  humorvoll  erzählt.  Eggis,  der  seinem  Wohlthäter 
darauf  per  „mon  eher  vole"  schrieb,  war  der  Ansicht,  es  sei 
unter  Poeten  alles  Gemeingut!  — 

„De  notre  vie,  ami,  voilä  le  beau  poeme : 
Vive  la  poesie  et  vive  la  boheme !" 

Wie  gesagt,  ein  seltenes  Pflänzchen  im  schweizerischen 
Jura !  —  Das  unstäte  Wandern,  Not  und  Entbehrungen  machten 


^)   „La  Presse",  1855. 


428  H.  Heines  Einfluss. 


seinem  lockern  Leben  ein  frühes  Ende.  „Er  ist  gewandert  hin 
und  her  —  ist  endlich  verdorben,  gestorben"  —  in  Berlin,  an 
der  Schwindsucht,  siebenunddreissig  Jahre  alt. 

Professor  Rössel  sagt  von  Eggis  in  einem  Artikel  der  „Nou- 
velle  Revue"  (Bd.  LIX,  pag.  92) :  „L'inspiration  est,  chez  Eggis, 
germanique  en  maints  endroits ;  le  style,  non  pas.  Jules  Janin 
le  qualifiait  de  „po^te  gallo-romand.'^  C'est  bien  cela,  un  me- 
lange  de  Musset,  de  Heine,  de  Geibel,  qui  dut  assurement 
plaire  ä  Paris,  au  temps  oü  Ton  fetait  encore  la  blonde  et 
pacifique  Allemagne." 

Gewiss  hat  Eggis  ein  gut  Stück  deutscher  Romantik  nach 
Paris  gebracht,  und  verdient  daher  auch  als  Geistesvermittler 
genannt  zu  werden.  Dies  that  auch  William  Reymond  — 
(übergangen  ist  er  von  Süpfle  und  Meissner)  — :  „Un  poete 
suisse.  Et.  Eggis,  seconda  pendant  quelque  temps  de  sa  seve 
etrangere  les  innovations  des  romantiques  flamboyants." 

Die  poetischen  Werke  dieses  begabten  Dichters,  dessen 
frischer,  urwüchsiger  Muse  man  nicht  gleichgültig  gegenüber- 
stehen kann,  sind  1886  neu  erschienen,  und  zwar  mit  einer 
ansprechenden  biographischen  Einleitung  von  Philippe  Godet. 
—  Aus  diesem  Bändchen  ist  folgende  Auswahl  der  Gedichte 
getroffen,  aus  denen  vielleicht  eher  eine  unserem  Dichter 
eminent  kongeniale  Natur  spricht,  als  bewusste  Nachahmung, 
wennschon,  wie  gerade  bei  dem  ersten  Beispiele,  Heinesche 
Manier  unverkennbar  ist. 

Si  je  pleure? 

0  mon  pale  reveur!  me  disait  une  femme, 
Toi,  dont  le  coeur  est  mort  dans  le  sein  decliire, 
Et  dont  l'oeil,  cependant,  reluit  sous  tant  de  flamme, 
Sceptique  de  vingt  ans,  as-tu  jamais  pleure  V 

Helas!  lui  repondis-je,  aux  faiblesses  humaines 
Je  n'ai  pu  m'arracher  encor  tout  entier; 
La  supreme  apathie  a  de  vastes  domaines 
Oü  ne  s'est  point  encor  pose  mon  pied  altier. 


Einige  Dichter  der  AVestschweiz.  429 


Si  j'ai  pleure,  dis-tu,  femme  aux  levres  heureuses, 
Je  suis  un  homme,  helas!  et  j'en  porte  le  nom. 
J'ai  verse  bien  souvent  des  larmes  douloureuses, 
—  Je  pleure  chaque  fois  que  j'epluche  un  oignon. 

(Aus  „Voyages  aux  pays  du  coeur", 
zuerst  in  Paris  1853  erschienen.) 


A  Madame  ... 

Comme  Dieu,  dans  le  sein  des  mers  mysterieuses, 
A  derobe  la  perle  aux  yeux  des  matelots, 
J'ai,  dans  mon  äme,  loin  des  foules  curieuses, 
Enfoui  mon  amour  et  cache  mes  sanglots. 

Oh !  de  mon  coeur  blesse  le  douloureux  mystere, 
Madame,  ä  vos  regards  restera  toujours  clos; 
La  fleur  de  mon  amour  s'eteindra,  solitaire, 
—  Beau  lis  que  le  soleil  n'aurait  jamais  eclos. 

Votre  doux  nom,  madame,  embaumera  ma  lyre, 

Le  reflet  de  vos  yeux  eclairera  ma  nuit. 

Et,  si  vos  levres  d'or  me  donnaient  leur  sourire, 

Je  comprendrais  le  ciel  —  mais  j'apprendrais  l'ennui ! 


Me  tuer?  —  Aliens  donc  ! 

Me  tuer?  —  J'aime  mieux,  en  cachant  mon  ulcere, 
Au  travers  des  humains  que  le  destin  lacere, 
Poursuivre  mon  chemin,  le  scepticisme  au  coeur, 
Et  jeter  aux  passants  mon  sourire  moqueur. 

Le  globe,  oü  pleure  et  rit  la  comedie  humaine, 
Vaut  bien,  jusqu'ä  la  fin,  ma  foi!  qu'on  s'y  promene; 
Je  ne  quitterai  pas  ma  place  du  balcon: 
Je  veux  boire  mes  jours  jusqu'au  dernier  flacon, 

Marcher,  sans  me  salir,  dans  cette  fange  immonde. 
Et  rire  jusqu'au  bout  de  la  farce  du  monde! 


430  H.  Heines  Einfluss. 


La  vieille  romance. 

Connais-tu  la  romance 
Qui  fait  toujours  pleurer, 
Que  le  Coeur  recommence 
Sans  se  desesperer? 

Carl  aimait  Madelaine: 
II  eüt  baise  ses  pas; 
II  buvait  son  haieine: 
—  Elle  ne  l'aimait  pas. 

Elle  aimait  un  beau  pätre 
Qui  passait  sans  la  yoir; 
Et  souvent,  pres  de  l'atre, 
Elle  pleurait,  le  soir. 

Le  pätre  en  la  vallee 
Avait  mis  son  amour; 
Son  äme  desolee 
Gemissait  nuit  et  jour; 

Car  son  amour  immense 
N'etait  pas  partage, 
Et  parfois  la  demence 
ßrülait  son  sang  fige. 

Et,  tout  päles  et  sombres, 
Ils  allaient  par  les  champs, 
Quand  la  nuit  met  ses  ombres 
Sur  les  coteaux  penchants; 

Ils  erraient,  solitaires, 
Sans  oser  esperer. 
Et  les  ebenes  austeres 
Les  regardaient  pleurer. 

Et  quand  la  mort  sordide 
A  leurs  yeux  vint  s'offrir, 
Chacun  croyait,  candide, 
Etre  seul  ä  soufFrir. 


Ä  Claudia. 


Einige  Dichter  der  Westschweiz.  431 

Oh!  la  vieille  romance 
Qui  fait  toujours  pleurer, 
Que  le  coeur  recommence 
Sans  se  desesperer. 

L'eclat   de   rire   d'un   boheme. 

Dans  les  beaux  jours  d'ete,  quand  un  soleil  splendide 

A  l'habit  riche  et  fin,  comme  au  haillon  sordide, 

Verse,  sans  les  compter,  ses  bienfaisants  rayons, 

Je  m'en  vais  bien  souvent,  seul  avec  mes  crayons, 

Sur  les  grands  boulevards,  au  travers  de  la  foule, 

Qui,  comme  un  fleuve  immense,  autour  de  moi  s'ecoule; 

Et  lä,  silencieux,  je  vois  ä  mes  cotes 

Passer  et  repasser,  ä  pas  precipites, 

Tous  les  acteurs  divers  du  drame  qui  se  joue 

Dans  Paris,  ce  bourbier  fait  de  sang  et  de  boue; 

L'artiste,  le  banquier,  l'ouvrier,  le  dandy 

Et  le  capitaliste  au  ventre  rebondi; 

Le  poete  sans  pain,  l'intrigant  en  carrosse; 

Le  fat  qui  ne  vaut  pas  la  peine  qu'on  le  rosse; 

L'homme  de  loi,  d'argent,  d'affaires,  de  palais, 

Pour  voler  ses  clients  achetant  les  valets; 

Les  comtes,  les  barons,  les  marquis  d'aventure, 

Qui,  de  leurs  blasons  faux,  salissent  la  roture; 

L'exploiteur,  l'exploite;  le  puissant,  le  petit, 

A  la  place  du  coeur  n'ayant  que  l'appetit; 

Tout  ce  qui  grouille,  enfin,  de  vil,  d'abject,  d'immonde, 

Dans  ce  grand  hopital  qu'on  appelle  le  monde  .  .  . 

Et  je  me  dis  alors  que,  pour  un  million, 

Ces  hommes  ä  genoux  baiseraient  mon  haillon ; 

Gar  l'homme,  des  vertus  rejetant  la  chimere, 

Vendrait,  pour  un  peu  d'or,  ses  enfants  et  sa  mere. 

Alors  un  noble  orgueil  illumine  mon  front; 

Du  haut  de  mes  haillons,  vierges  de  tout  affront, 

Dominant  cette  foule  et  penche  sur  ma  lyre, 

Je  Jette  au  monde  entier  un  vaste  eclat  de  rire. 

Jules  Vuy  (1815).    Ein  Genfer  Advokat,  der  trotz  Insti- 
tutionen und  Pandekten  ein  Poet  geblieben  ist.     Die  „Echos 


432  H.  Heines  Einfluss. 


des  bords  de  l'Arve"  (1850),  die  drei  oder  noch  mehr  Auflagen 
erlebt  haben  und  von  denen  die  Kritik,  Marc-Monnier  u.  a., 
viel  Gutes  zu  sagen  weiss,  zeigen,  dass  seine  ganze  Sympathie 
dem  deutschen  Liede  gehört,  das  ihn  dafür  glücklich  inspiriert. 
Wenn  Amieis  Anlehnungen  sich  mehr  nach  der  künstlerisch- 
technischen, die  Marc-Monniers  nach  der  poesievoll-preziösen 
Seite  hinneigen,  so  hat  es  Vuy  verstanden,  den  echten  deutschen 
träumerischen  Ton  zu  treffen.  Es  liegt  wie  ein  Hauch  nordi- 
scher Melancholie  über  seinen  Liedern.^)  Vuy  hat  ein  frommes, 
naturliebendes  Gemüt  und  er  lässt  sich  demnach  vorzugsweise 
von  Uhland,  Justinus  Kerner,  Geibel  und  besonders  von  Lenau 
beeinflussen.  Den  letzteren  hat  er  trefflich  übersetzt.  Die  1878 
erschienenen  „Nouveaux  echos^'  enthalten  noch  Uebertragungen 
von  Just.  Kerner  und  Uhland.  Mag  ihn  aber  auch  manches 
bei  Heine  nicht  angesprochen  haben,  so  ist  doch  nicht  anzu- 
nehmen, dass  das  „Buch  der  Lieder''  keinen  Eindruck  auf  den 
fein  lyrisch  veranlagten  Dichter  hinterlassen  habe.  Die  hübsche 
Natursymbolik  des  folgenden  Gedichtes  gibt  uns  ein  Recht, 
dies  anzunehmen. 

Le    peuplier. 

Au  sein  de  l'ombre  et  du  silence 
Des  päles  heures  de  la  nuit, 
Le  peuplier,  qui  se  balance, 
S'agite  avec  un  leger  bruit. 

II  s'eveille,  et  son  doux  murmure, 
Vague  et  plaintif,  semble  vouloir, 
Lorsque  repose  la  nature. 
Parier  dans  le  calme  du  soir. 

Sa  Cime,  par  moments,  se  penclie, 
Et  je  vois,  pure  de  fraicheur, 
Une  etoile  sereine  et  blanche 
Qui  me  sourit  comme  une  soeur. 


1)    Vergl.    „Trois   poetes    de   la   Suisse    franq.aise",    par   E.   Rambert    — 
,Bibliotheque  universelle",  März  1873. 


Einige  Dichter  der  Westschweiz.  4g3 


Paul  Gautier.  Wir  haben  diesen  jungen  Dichter  bereits 
als  Uebersetzer  Heines  kennen  gelernt  und  ausführlich  von 
ihm  gesprochen.  Dass  er  ganz  von  der  Poesie  desselben  er- 
füllt war,  ist  natürlich.  An  der  Lyrik  Heines  und  Alfred  de 
Mussets  hat  er  sich  zum  Dichter  herangebildet.  Wir  lassen 
hier  noch  E.  Rambert,  dem  Verfasser  der  biographischen  Skizze 
in  dem  Bändchen  „Pervenches  et  Bruyeres",  das  Wort,  und 
eitleren  —  diesen  letzten  Abschnitt  nicht  unwürdig  beschlies- 
send  —  aus  der  genannten  Sammlung  zwei  Lieder,  in  denen  uns 
Gautier  ebenso  glücklich  im  Sinne  Heines  zu  dichten  scheint, 
wie  er  es  verstanden  hat,  unseren  Dichter  unübertroffen  auf 
Französisch  zu  kopieren.    (Pag.  8:) 

Enfant  de  son  epoque,  Paul  Gautier  n'avait  pu  passer  indifferent 
ä  cote  de  Heine,  ni  ignorer  Alfred  de  Musset.  Sceptiques,  irresolus, 
flottant  entre  un  ardent  besoin  de  croire  et  un  amer  desenchantement, 
ces  deux  poetes  ont  exerce  sur  la  jeunesse  lettree  une  influence  re- 
grettable.  Gautier  avait  l'intuition  des  dangers  qui  resultent  de  cette 
absence  d'energie  morale.  II  finit  par  comprendre  qu'un  abandon 
facile  ä  Temportement  des  passions  ne  peut  engendrer  que  l'impuis- 
sance  et  le  degoüt.  Sur  la  pente  fatale,  oü  facilement  le  pied  glisse, 
la  foi  de  ses  jeunes  annees  lui  remontait  au  coeur  et  lui  faisait  voir 
le  gouffre  du  materialisme  sous  les  fleurs  d'une  pensee  elegante,  mais 
sensuelle. 

A  eile. 

Belle,  sais-tu  pourquoi  la  fleur  aux  tendres  charmes, 

La  pervenche  aux  yeux  bleus, 
Regarde  en  fremissant,  toute  humide  de  larmes, 
Se  lever  le  soleil,  son  süperbe  amoureux? 

Sais-tu  pourquoi,  le  soir,  l'eglantine  pälie 

Se  courbe,  en  revant,  vers  le  sol  ? 
Pourquoi  ce  vague  emoi,  cette  melancolie 
Qui  nous  serre  le  coeur,  au  chant  du  rossignol? 

Quand  le  ramier  se  joue  avec  sa  jeune  amante, 

D'oü  vient,  helas!  que,  par  moments, 
On  dirait  —  tant  leur  voix  est  plaintive  et  tremblante  — 
Que  leurs  cris  de  plaisir  sont  des  gemissements  ? 
Betz,  Heine  in  Frankreich.  ^" 


434  H.  Heines  Einfluss. 


Mon  coeur,  rempli  d'amour,  l'est  aussi  de  tristesse. 

Sais-tu,  sais-tu  pourquoi? 
Sais-tu  pourquoi  je  pleure,  6  ma  douce  maitresse! 
O  ma  doiice  maitresse !  en  me  penchant  vers  toi  ? 


A   eile,  en  automne. 

Tout  est  sombre  dans  la  nature 
Et  tout  est  vide  dans  mon  coeur, 
Et,  sachant  bien  que  rien  ne  dure, 
J'ai  cesse  de  croire  au  bonheur. 

Mais  je  ne  verse  point  de  larmes, 
Je  garde  une  amere  gaite: 
La  douleur  peut  avoir  des  charmes, 
Quand  on  la  porte  avec  fierte. 

A  riieure  froide  oü  tu  commences 
A  faire  ä  l'amour  un  tombeau, 
Si  j'ai  vu  de  mes  esperances 
Tomber,  tomber  chaque  lambeau, 

Enfant,  n'en  sois  pas  etonnee. 
Tu  sais  bien  que  c'est  la  saison 
Oü  des  bois  la  feuille  fanee 
Tombe  morte  sur  le  gazon. 


ANHANG 


Nachträge. 


Wir  lassen  hier  die  drei  Hauptmonologe  Ratcliffs  folgen, 
wie  sie  in  der  von  Heine  selbst  besorgten  Uebersetzung 
lauten,  die  unter  dem  Titel  „William  et  Marie''  in  der  „Revue 
de  Paris",  Januar  1840,  erschien,  und  zwar  mit  folgender  Notiz 
des  Dichters:  „J'ai  ecrit  ce  conte  dramatique  ä  Berlin  en  1820. 
J'etais  bien  jeune  alors !  Peut-etre  les  vers  allemands  de  l'ori- 
ginal  ont-ils  perdu  quelque  chose  de  leur  fraicheur  native  en 
passant  dans  la  prose  frangaise."  —  Herr  Vicomte  de  Spoel- 
berch  de  Lovenjoul,  der  so  freundlich  war,  uns  auf  diese 
Uebersetzung,  die  bedeutend  von  der  der  „Oeuvres  completes'' 
abweicht,  aufmerksam  zu  machen,  stellt  dieselbe  weit  über 
die  anonyme  der  Buchausgabe.  Vermutlich  war  es  A.  Specht, 
der  Heine  hier  geholfen,  möglicherweise  auch  Ed.  Grenier.  — 
„Drames  et  fantaisies",  scene  VIII,  pag.  185  (Elster,  Bd.  II, 
pag.  327). 

Ratcliff. 

Bien  jeune  encore,  quand  je  jouais  tout  seul,  j'apercevais  deux 
fantomes  nebuleux  qui  etendaient  au  loin  leurs  longs  bras  aeriens, 
eomnie  pouv  s'entrelacer,  et  qui,  ne  pouvant  s'approclier,  se  regar- 
daient  douloureusement  et  avec  amour.  Quelque  vaporeux  et  flottants 
qu'ils  fussent,  je  distinguais  cependant  sur  le  visage  de  Tun  d'eux  les 
traits  fiers  et  tristes  d'un  homme,  et,  sur  le  visage  de  l'autre,  la  douce 
beaute  d'une  femme.  Souvent  aussi  je  les  voyais  en  reve,  ces  deux 
apparitions,  et  alors  j'apercevais  leurs  traits  plus  distinctement  encore. 
L'liomme  me  regardait  avec  melancolie,  la  femme  avec  amour.  Quand, 


438  Anhang. 


plus  tard,  je  me  rendis  ä  l'universite  d'Edimbourg,  ces  apparitions  de- 
vinrent  plus  rares,  et  nies  pales  visions  disparurent,  emportees  dans 
le  tourbillon  de  la  vie  d'etudiant.  Mais  voila  que,  dans  un  voyage 
pendant  les  vacances,  le  hasard  me  conduisit  au  cliäteau  de  Mac-Gregor. 
J'y  vis  Marie.  A  son  aspect,  un  eclair  traversa  mon  coeur  et  le  fit 
tressaillir.  C'etaient  bien  lä  les  traits  du  fantome  nebuleux,  ces  traits 
de  femme  si  calmes,  si  doux,  si  beaux  d'amour  et  de  tendresse,  qui 
tant  de  fois  m'ayaient  souri  en  songe;  seulement  les  joues  de  Marie 
n'etaient  pas  aussi  päles,  son  regard  n'etait  pas  aussi  fier;  les  joues 
de  Marie  rayonnaient,  et  ses  yeux  etaient  etincelants.  Le  ciel  avait 
repandu  sur  cette  gracieuse  figure  tous  les  prestiges  de  la  beaute ; 
certes,  la  Vierge  meme  n'etait  pas  plus  belle  que  celle  qui  portait 
son  nom.  Transporte  alors  d'amour  et  de  douleur,  j'etendis  les  bras 
vers  eile  pour  la  presser  sur  mon  sein  . .  .  (Pause.)  —  Je  ne  sais  com- 
ment  cela  se  fit,  mais  un  miroir  se  trouvait  devant  mes  yeux,  et  je 
reconnus  en  moi  cet  homme  fantome,  qui  etendait  les  bras  vers  sa 
compagne  nebuleuse. 

N'etait-ce  qu'un  songe,  une  Illusion?  Mais  Marie  jetait  sur  moi 
un  regard  si  doux,  si  affectueux,  si  aimant,  si  engageant  meme,  que 
nos  yeux  et  nos  ämes  se  confondirent.  O  mon  Dieu!  Ce  sombre 
mystere  de  ma  vie  se  devoila  tout  ä  coup.  Je  compris  des  lors  le 
chant  des  oiseaux,  le  langage  des  fleurs,  le  sourire  amoureux  des 
etoiles,  le  souffle  de  la  brise,  le  murmure  des  ruisseaux  et  les  soupirs 
secrets  de  ma  poitrine. 

Comnie  des  enfants,  nous  poussions  des  cris  de  joie,  nous  sautions 
et  jouions;  nous  nous  cherchions  et  nous  trouvions  dans  le  jardin. 
Elle  me  donnait  des  fleurs,  des  niyrtes,  des  boucles  de  cheveux,  des 
baisers;  les  baisers,  je  les  lui  rendais;  et  enfin,  un  jour,  courbe  en 
suppliant  ä  ses  genoux,  je  lui  dis :  Oh !  Marie !  m'aimes-tu  ?  (II 
devient  reveur.) 

Ratciiff 

(Scene  XI,  pag.   194.     Elster,  pag.  331). 

Comme  l'ouragan  siffle !  L'enfer  a  lache  tous  ses  fifres;  quelle 
musique  ils  fönt!  La  lune  s'est  enveloppee  dans  son  large  plaid  et 
ne  laisse  tomber  que  de  ternes  et  päles  rayons.  Elle  pourrait  bien 
se  cacher  entierement  pour  moi !  car,  quelque  nuit  qu'il  fasse,  l'ava- 
lanche  n'a  pas  besoin  de  lumiere  pour  voir  oü  eile  doit  rouler.  Seul 
le  fer  sait  trouver  l'aimant,  et  l'epee  de  Ratcliif  saura  aussi,  sans 
guide,  trouver  la  poitrine  de  Douglas.  Mais  notre  baronnet  viendra-t-ilV 


Nachträge.  439 


Ne  craindra-t-il  pas  l'orage,  le  rliume,  la  toux  ou  le  froid?  II  se  dira 
peut-etre  :  remettons  la  partie  ä  demain  soir !    Ah  !   Ah ! 

C'est  pourtant  cette  nuit  qu'il  nie  le  faut;  et,  s'il  ne  vient  pas 
ä  nioi,  j'irai  ä  lui  .  .  .  au  chäteau !  i)  C'est  une  clef  qui  ouvre  toutes 
les  portes;  et  ces  deux  autres  amis^)  sont  toujours  lä  pour  proteger 
ma  retraite.  (U  prend  un  pistolet.)  II  me  regarde  d'un  air  si  loyal 
que  je  voudrais  presser  ma  bouche  contre  la  sienne  et . . .  Oh !  apres 
un  tel  baiser  de  feu,  je  serais  gueri  a  tout  Jamals  de  mes  atroces 
douleurs.  (Tout  pensif.)  Peut-etre  aussi  que  Douglas,  en  ce  moment, 
presse  sur  sa  bouche  la  bouche  de  Marie!  Oui,  c'est  pour  cela  que 
je  ne  dois  pas  mourir;  non,  je  ne  veux  pas  mourir!  je  serais  contraint 
ä  sortir  chaque  nuit  de  ma  tombe  et,  ombre  impuissante,  ä  regarder, 
les  dents  serrees,  ce  niais  flairer  d'un  air  de  convoitise  les  charmes  de 
Marie  et  souiller  ses  appas.  Non,  je  ne  dois  pas  mourir !  Si  du  haut 
du  ciel  j'apercevais  Douglas  pres  de  la  couche  de  Marie,  je  lancerais 
des  maledictions  qui  feraient  pälir  les  joues  roses  des  seraphins,  et 
les  forceraient  ä  rester  court  au  milieu  de  leurs  longs  et  monotones 
alleluias ! 

Ratcliff 
(Scene  XlII,  pag.  200.     Elster,  pag.  335). 

Ah !  ce  n'est  point  un  reve !  je  suis  aupres  de  la  Roche-Noire, 
vaincu,  abattu,  meprise  !  Le  vent  souffle  ä  mes  oreilles :  voilä  donc  cet 
esprit  fort  et  gigantesque  qui  se  jouait  des  hommes  et  des  lois ;  cet 
homme  qui  luttait  fierement  avec  le  ciel  et  qui,  maintenant,  ne  peut 
empecher  le  comte  Douglas  de  reposer,  cette  nuit,  dans  les  bras  de 
sa  bien-aimee,  de  lui  raconter  comment  ce  vermisseau  qu'on  nomme 
William  Ratcliff  se  tordait  miserablement  sur  le  sol,  au  pied  de  la 
Roche-Noire,  et  comment  il  n'a  pas  voulu  souiller  son  pied  ä  son 
contact  impur.  (Aycc  fureur.)  Sorcieres  damnees !  ne  ricanez  donc 
pas  de  ce  rire  glapissant.  Treve  ä  vos  gestes  railleurs.  Je  vais  lancer 
des  roches  sur  vos  tetes  execrables,  arracher  des  forets  de  pins  et 
en  fouetter  vos  epaules  jaunies;  je  vais  fouler  aux  pieds  vos  corps 
secs  et  fletris,  et  faire  jaillir  le  noir  venin  qu'ils  recelent.  Vents  du 
nord,  mugissez ;  brisez  le  monde  en  mille  pieces !  Firmament,  abime- 
toi,    ecrase-moi  sous  tes  decombres!    Terre,   rentre   dans  le    neant, 


^)    Frappant  sur  son  epee. 

^)    Posant  la  main  sur  ses  pistolets. 


440  Anhang. 


engloutis-moi  dans  les  tenebres!  (Furieux,  tremblant  et  d'un  air 
mysterieux.)  Que  me  veux-tu,  homme  fantome,  spectre  nebuleux 
qui  me  poursuit  sans  cesse?  N'attache  pas  sur  moi  ce  regard  fixe! 
Tes  yeux  sucent  mon  sang  et  me  petrifient;  tu  verses  de  la  glace 
dans  mes  veines  brülantes ;  tu  fais  de  moi  un  fantome,  une  ombre 
sans  vie  comme  toi.  Que  me  veux-tu  ?  Oü  faut-il  aller  ?  Marie,  ma 
blanche  colombe  ?  .  .  .  Du  sang  ?  Hola !  Qui  a  parle  ?  Ce  n'est  pas 
le  vent!  Que  faut-il  faire?  ...  La  vie  de  Marie?  .  .  .  Le  veux  tu?... 
Oui  .  .  .  Soit .  .  .  Ma  volonte  est  de  fer,  et  plus  puissante  encore  que 
Dieu  et  Satan.    (II  s'enfuit.) 


IL 

Philibert  Audebrand  erzählt  uns  in  seinen  „Petits  me- 
moires  du  XIX^  siecle"  (pag.  64—67),  dass  Heine  mit  dem 
Gedanken  umging,  einige  Skizzen,  die  er  auf  seinem  Leidens- 
lager entworfen,  in  einem  Buche,  „Contes  pour  les  malades'' 
betitelt,  zu  sammeln.  Von  diesen  mit  Bleistift  geschriebenen 
Entwürfen  will  der  alte  Journahst  den  folgenden  gesehen  und 
kopiert  haben. 

L'avocat. 

Je  m'etais  mis  ä  la  fenetre,  regardant  dans  la  rue  les  allants  et 
venants.  Tout  ä  coup  passa  un  avocat  dont  la  folie  des  derniers 
evenements  a  fait  un  ministre. 

II  marcliait  avec  gravite.  Chose  curieuse,  sa  toge  s'etait  collee 
ä  sa  peau  et,  ä  un  certain  moment,  s'arrondissait  de  chaque  cote,  de 
maniere  ä  former  des  alles  noires,  des  alles  de  chauvc-souris  ou  de 
dindon. 

A  present  que  j'y  reflechis,  je  crois  bien  que  c'etaient  des  alles 
de  dindon.  Ce  qui  donne  ä  le  penser,  c'est  qu'un  grand  ruban  rouge 
descendait  du  cou  jusqu'ä  l'abdomen,  absolument  comme  cela  se  voit 
chez  l'oiseau  dont  nous  ont  dote  les  jesuites. 

L'homme  marchait,  dis-je,  avec  gravite  et  lentement.  Quand  il 
rencontrait  un  ancien  confrere,  il  le  saluait  d'un  air  gauche  en  disant : 

—  C'est  pourtant  la  politique  qui  m'a  mis  dans  l'etat  oü  vous 
me  voyez. 


Nachträge.  441 

Als  „inedit'^  führt  Audebrand  auch  folgende  „Legende"  an : 

Histoire   d'un   puceron. 

—  La  gloire !  la  gloire !  Je  vous  dis,  moi,  qua  ca  ne  vaut  pas 
la  cendre  qui  resiilte  d'un  cigare  de  trois  sous. 

Une  raie  faite  sur  le  sable,  une  ride  sur  l'eau,  une  note  jetee 
au  vent  et  qui  s'enfonce  dans  l'immensite  de  l'etlier,  voila  la  vie, 
voilä  la  gloire.  —  Y  a-t-il  ä  etre  vain  quand  on  vit  et  qu'on  dort 
dans  la  pourpre? 

L'liomme  est  un  ver  de  terre  et  se  croit  un  dieu.  II  se  coiffe 
avec  de  l'or,  s'habille  avec  de  la  soie,  il  fait  mettre  ä  ses  souliers 
des  olous  de  diamant.  II  a  des  palais  de  marbre  pour  se  loger,  des 
armees  pour  le  garder,  des  peuples  courbes  sur  le  sol  pour  nourrir 
ses  caprices.  On  l'entend  dire:  „Je  suis  le  maitre."  —  Tu  n'es  le 
maitre  que  de  ta  soupe  quand  tu  l'as  dans  le  ventre,  et  encore  faut-il 
que  tu  la  rendes ! 

Une  fleur  de  mai  parait,  il  la  prend ;  une  jeune  fille  fleurit,  il 
la  cueille.  II  a  le  meilleur  vin.  II  se  promene,  la  nuit,  sur  les  mers 
embaumees,  la  nuit,  quand  le  ciel  est  tout  brode  d'etoiles.  Rien  ne 
lui  resiste  dans  ce  qui  se  voit.  „Attends,  tu  vas  payer  en  une  minute 
la  dinie  de  ton  orgueil." 

Tout  pres  de  l'echoppe  d'un  savetier,  un  petit  monstre  vient  de 
naitre.  Cela  est  gros  tout  au  plus  comme  la  tete  d'une  epingle.  Cela 
a  une  tete  de  serpent,  une  queue  de  cai'man,  des  griffes  de  lion,  des 
ailes  de  dragon,  du  temps  oü  il  y  avait  des  dragons  volants,  c'est-ä- 
dire  avant  le  deluge  des  savants.  C'est  un  puceron  d'Amerique  ap- 
porte  par  un  navirc  et  depose,  sous  forme  d'oeuf,  dans  les  ordures 
qu'un  matelot  a  rejetees,  en  passant  le  long  d'un  mur.  Ce  monstre, 
ce  serpent,  ce  crocodile,  ce  lion,  ce  dragon,  cette  mouclie,  qu'est-ce 
qui  le  pousse  ?  On  ne  sait. 

—  Halte-lä!  s'ecrie  une  sentinelle  du  palais,  on  ne  passe  pas. 

—  On  passe,  repond  le  puceron ;  me  voici  dejä  dans  la  salle  du 
trone. 

Dix  niille  soldats  ont  frissonne;  les  cliambellans  ont  montre 
leur  dos  sur  lequel  il  y  a  une  clef  en  or;  les  pretres  ont  exorcise, 
les  courtisanes  ont  remue  leurs  eventails;  le  fou  a  agite  ses  grelots. 
Tout  cela,  peine  perdue.  Tout  en  chantant  un  air  d'opera-comique 
du  pays  des  mouches,  le  puceron  s'avance;  il  pique  le  roi  au  front, 
ä  l'endroit  oü  est  la  couronne.     Sa  Majeste  est  morte. 


442  Anhang. 


--  A  present,  j'ai  fini  ma  taclie,    dit  le  puceron,    et  il   s'en  va 
mourir  sur  les  excrements  d'oü  il  etait  sorti. 

Soyez  vains,  si  vous  vouloz,  mais  pensez  ä  la  mouclie ! 


III. 

Wir  haben  hier  noch  zwei  Uebersetzungen  nach- 
zutragen, auf  die  wir  kurz  vor  Thorschhiss  aufmerksam 
gemacht  wurden.  Die  eine  befindet  sich  in  der  Nummer 
vom  10.  August  1879  der  Zeitschrift  „L'lntermediaire  des 
chercheurs  et  curieux".  Unter  dem  Titel  ,,Trilogie  regicide'', 
poesie  inedite  de  H.  Heine,  bringt  ein  E.  U.  P.  Unterzeichneter 
die  wörtliche  Prosaübersetzung  des  Gedichtes  „1649—1793—???" 
(Elster,  Bd.  II,  pag.  201),  das  nicht  in  dem  Bande  „Poesies 
inedites"  aufgenommen  ist,  und  zwar  mit  folgendem  Kom- 
mentar : 

Dans  une  precieuse  collection  d'autographes,  oü,  par  privilege, 
j'ai  pu  avoir  acces,  se  trouve  une  bien  curieuse  piece  de  vers,  de  la 
main  de  H.  Heine,  qui  s'est  rencontree  parmi  ses  papiers  posthumes, 
et  dont  il  m'a  ete  perniis  de  prendre  copie. 

Voici  la  translation  litterale  du  texte  allemand.  Quant  au  titre, 
il  se  passe  de  traduction,  car  il  est  dans  la  langue  universelle  des 
chiffres  —  et  des  chiffres  fatidiques  —  se  composant  de  trois  dates, 
dont  deux  sont  assez  fameuses  dans  nos  annales  modernes,  et  dont 
la  troisieme  est  encore  dans  les  futurs  contingents  de  l'histoire  du 
demo-socialisme  septentrional. 

Die  andere  noch  zu  erwähnende  Uebersetzung  ist  dagegen 
das  Werk  eines  Dichters  und  —  Philologen.  Unter  dem 
Pseudonym  Clair  Tisseur  ^)  hat  nämlich  der  Lyoner  Gelehrte 


')  Nannte  sich  wohl  so  nach  dem  Lyoner  Dichterbrüderpaar  Barthelemy 
und  Jean  Tisseur.  Der  erstere  starb  1843,  kaum  30  Jahre  alt,  als  Professor 
der  französischen  Litteratur  in  Neucbätel.  —  Unter  demselben  Pseudonym 
veröffentlichte  Puitspelu  „Modestes  observations  sur  l'art  de  versifier",  ein 
Buch,  das  allgemeine  Anerkennung  fand. 


Nachträge.  443 


Puitspelu  —  wie  Altmeister  Diez,  zugleich  Romanist  und  Poet  — 
einen  Band  formvollendeter  und  gedankentiefer  Gedichte, 
betitelt  „Pauca  Paucis"  (nouvelle  edition  augmentee  etc.), 
Lyon  1894,  herausgegeben,  in  dem  wir  eine  erfreuliche  Ueber- 
tragung  der  „Wallfahrt  nach  Kevlaar"  finden.  Diese  ist 
ziemlich  getreu,  schmiegt  sich  auch  im  Reim  an  das  Original 
au  und  erinnert  an  die  Uebersetzungsweise  Amieis.  Wir  lassen 
hier  die  hübsche  Version  der  berühmten  Ballade  folgen,  die 
wir  ja  ohnehin  versäumt  in  französischem  Gewände  zu  zeigen. 


Le  pelerinage  de  Kevlaar. 

I. 

Pres  du  lit  se  tenait  la  mere: 
„Allons,  moii  Wilhelm,  sois  bien  sage ! 
„Ne  veux-tu  donc  pas  te  lever, 
„Pour  voir  le  beau  pelerinage?" 

—  „Je  suis  si  malade,  6  maman! 
„Je  ne  sais  pourquoi  j'ai  si  peur : 
„Je  pense  ä  la  Grretchen,  la  morte, 
„Et  cela  me  brise  le  coeur." 

—  „Viens,  nous  irons  ä  Kevlaar, 
„Premls  tes  heures  et  ton  rosaire; 
„Ton  petit  coeur  sera  gueri 

„Par  les  mains  de  la  bonne  Mere!" 

Les  bannieros  flottaient  au  vent; 
Les  hymnes  montaient,  solennelles; 
C'est  vers  Cologne  sur  le  Rhin 
Que  se  dirigeaient  les  fideles. 

La  mere  tenait  par  la  main 
L'enfant  ä  la  face  amaigrie. 
Tous  deux  chantaient  avec  le  chceur; 
„Louanges  soient  ä  vous,  Marie!" 


444  Anhang. 


n. 


Notre-Dame  de  Kevlaar 
A  mis  ses  habits  de  parades; 
Elle  a  bien  ä  faire  aujourd'hui: 
II  lui  survient  tant  de  malades! 

Pauvres  malades  qui  Fimplorent ! 
Chacun  d'eux  ofFre,  faite  en  cire, 
L'image  du  membre  dolent: 
Chacun  voit  cesser  son  martyre. 

Et  si  d'une  main  c'est  l'image, 
L'afflige  voit  guerir  sa  main; 
Et  si  c'est  un  pied  qu'il  apporte, 
Bientot  son  pied  deviendra  sain. 

II  est  venu  plus  d'un  bancroche, 
Qui  court  ainsi  qu'un  levrier. 
Tel  dont  les  doigts  etaient  pourris, 
Est  devenu  menetrier. 

La  mere  modelait  un  co^ur 
De  la  cire  prise  d'un  cierge: 
„Pour  qu'elle  guerisse  ton  mal, 
„Porte  cette  offrande  ä  la  Vierge !" 

L'enfant  soupirant  prend  l'offrande; 
Soupirant  va  vers  Notre-Dame. 
Des  larmes  luisent  dans  ses  yeux; 
Les  mots  s'echappent  de  son  äme: 

„0  vous,  entre  toutes  benie, 
„0  Vierge  pure,  6  Vierge  sainte, 
„Tres  benigne  Reine  des  cieux, 
„Vers  vous  laissez  monter  ma  plainte! 

„Nous  demeurons,  ma  mere  et  moi, 
„Dans  Cologne  la  catholique, 
„La  ville  aux  quatre  cents  chapelles, 
„A  la  süperbe  basilique! 


Nachträge.  445 


„Et  pres  de  nous  logeait  Gretchen. 
„Et  maintenant  Gretchen  est  morte. 
„0  Vierge,  guerissez  mon  mal ! 
„Regardez  ce  coeur  que  j'apporte! 

„O  guerissez  mon  coeur  souffrant! 
„C'est  un  pauvre  enfant  qui  vous  prie. 
„Soir  et  matin  il  redira: 
„Louanges  soient  ä  vous,  Marie!" 


III. 

La  mere,  avec  le  fils  dolent, 
Sont  endormis  dans  leur  chambrette. 
Entre  soudain  la  Vierge  sainte; 
Sa  marche  est  legere  et  discrete. 

Elle  se  courba  vers  l'enfant, 
Et,  sur  sa  poitrine  innocente, 
Tres  doucement  posa  la  main. 
Et  puis  disparut  souriante. 

La  mere,  en  reve,  avait  tout  vu. 

—  Tout  s'obscurcit.  —  Non  sans  effort, 

Elle  secoua  le  sommeil. 

Les  chiens  aboyaient  a  la  mort. 

Le  petit,  les  traits  reposes, 
Gisait  mort  dans  son  humble  lit; 
La  fraiche  rougeur  de  l'aurore 
Se  jouait  sur  son  front  päli. 

La  mere  joignit  les  deux  mains; 
Et  sein  gonfle,  lärme  tarie, 
Elle  murmurait  faiblement: 
„Louanges  soient  a  vous,  Marie!" 


446  Anhang-. 


Bibliographie 
der  in  Buchform  erschienenen  französischen  Werke  von  H.  Heine 


1833.  De  la  France.  Paris,  Eugene  Renduel.    Fr.  7.  50. 

Mit  einer  biographisch  erläuternden  Einleitung  vom 
Herausgeber  und  einem  Vorwort  von  Heine,  datiert  18.  Ok- 
tober 1832.  Das  Letztere  ist  in  der  definitiven  Ausgabe  von 
Levy  aufgenommen. 

1834.  Reisebilder  (Tableaux  de  voyage).  Paris,  Eugene  Ren- 

duel.  2  Bde.   Fr.  15.  —. 

1835.  De  rAllemagne.  Paris,  Eugene  Renduel.  2  Bde.  Fr.  15.  — . 

Mit  folgender  Dedikation  (die  nicht  in  die  definitive 
Ausgabe  von  Levy  aufgenommen  ist): 

A  Prosper  Enfantin. 

Vous  avez  desire  connaitre  la  marche  des  idees  en 
Allemagne,  dans  ces  derniers  temps,  et  les  rapports  qui 
rattachent  le  mouvement  intellectuel  de  ce  pays  ä  la  Syn- 
these de  la  doctrine. 

Je  vous  remercie  de  l'honneur  que  vous  m'avez  fait  cn 
me  demandant  de  vous  edifier  sur  ce  sujet,  et  je  suis  heureux 
de  trouver  cette  occasion  de  communier  avec  vous  ä  travers 
l'espace. 

Permettez-moi  de  vous  offrir  ce  livre;  je  voudrais 
croire  qu'il  pourra  repondre  au  besoin  de  votre  pensee. 
Quoi  qu'il  en  puisse  etre,  je  vous  prie  de  vouloir  bien 
l'accepter  comme  un  temoignage  de  Sympathie  respectueuse. 

Henri  Heine. 

Es  folgt  darauf  seine  Einleitung  mit  dem  Datum 
8.  April  1835. 


Bibliographie.  447 

Von  dieser  ursprünglich  auf  sechs  Bände  berechneten 
Ausgabe  sind  nur  die  oben  genannten  fünf  Bände  erschienen, 
die  vollständig  sehr  selten  sind  und  broschiert  200—300  Fr. 
taxiert  werden.  Die  Bibliotheque  nationale  besitzt  nur  (in 
elegant  vergoldetem  Kalbledereinband)  Bd.  II,  III  (Reise- 
bilder) und  V,  VI  (De  rAllemagne).  —  In  dem  biblio- 
graphischen Lexikon  von  Bourquelot  (La  litterature  fran§aise 
contemporaine,  1827—1849)  heisst  es  irrtümlich:  Oeuvres  de 
Henri  Heine,  Paris,  Renduel,  6  vol.,  1834—1835  (Fr.  45.  -). 

Der  unbekannte,  von  Heine  selbst  verschwiegene  Ueber- 
setzer  ist  der  Elsässer  A.  Specht,  der  ein  Freund  Heines 
war  und  1874  in  Montdidier  gestorben  ist.  (Vergl.  Abschnitt  4, 
„Heines  Uebersetzer".) 

1853.    Reisebilder,  tableaux  et  voyages.    Paris,   Victor  Lecou. 
1  Bd. 

Mit  Tambour  Le  Grand  und  Schnabelewosky.  —  Vorrede 
Heines  vom  20.  Mai  1834.  —  Dies  Buch  wurde  ohne  Wissen 
Heines  herausgegeben. 

1855.   De  l'Allemagne.     Paris,  (Michel   Levy  freres)  Calmann 

o.F.br.)')         L^Yy_    2  Bde.   2.  Ausgabe  1863.    3.  Ausgabe  1872. 

Die  neueste  Ausgabe  (Nouvelle  edition,  entierement  re- 

vue  et  augmentee  de  fragments  inedits,  1884)  enthält  folgende 

französische  Schriften  Heines: 

Bd.  I.    Preface  de  la  premiere  edition  (8.  April  1835). 

(Die  Dedikation  an  Enfantin,  des  inzwischen  zum  Phi- 
listertum bekehrten  „Apostels",  hatte  Heine  noch  selbst  ge- 
strichen. Für  den  Saint-Simonisten,  den  er  einst  „den  bedeu- 
tendsten Mann  des  Jahrhunderts"  genannt,  hatte  er  nur  noch 
Spott.) 


^)  Wir  verdanken  diese  genauen  Daten  der  Zuvorkommenheit  des  jetzigen 
Chefs  des  Hauses,  Herrn  Paul  Calmann  Levy.  lieber  die  Auflageziffer  und  die 
Zahl  der  neuen  Abdrücke,  darüber  wollte  man  uns  „aus  Prinzip"  keine  Aus- 
kunft geben,  ein  Prinzip,  das  bei  lebenden  Schriftstellern  jedenfalls  eher 
angebracht  ist,  als  bei  solchen,  die  bereits  seit  einem  halben  Jahrhundert 
Klassiker  sind.  „Du  reste,"  meinte  Herr  Levy,  „le  nombre  de  volumes  ne 
prouve  rien;  Heine  ne  s'adresse  qnk  un  public  d'elite."  Das  wussten  wir; 
interessiert  hätte  uns  bloss,  welche  Werke  Heines  viel  und  welche  wenig 
gekauft  wurden. 


448  Anhang^. 


1.  De  rAllemagne  jusqu'ä  Luther. 

2.  de  Luther  jusqu'ä  Kant. 

3.  de  Kant  jusqu'ä  Hegel. 

4.  La  litterature  jusqu'ä  la  mort  de  Goethe. 

5.  Poetes  romantiques. 

Bd.  II.     6.  Reveil  de  la  vie  politique. 

7.  Traditions  populaires. 

8.  La  legende  de  Faust. 

9.  Les  dieux  en  exil. 
10.  Aveux  de  l'auteur. 

1855.    Lutece.  Lettres  sur  la  vie  politique,  artistique  et  sociale 
(13.  April.)  gj-j  France.  Paris,  Levy.  2.  Ausg.  1857.  3.  Ausg. 

1861.  4.  Ausg.   1863  .  .  .  Neueste  Ausg.   1892. 

Vorrede  von  Heine,  dat.  30.  März  1855.  —  Enthält  die 
Briete  an  die  „Augsburger  Allgemeine",  1841—1843,  von  Ed. 
Grenier  übersetzt. 

1855.    Poemes    et    legendes.     Paris,    Levy.    2.    Ausg.    1861. 


(4.  Juli.) 


3.  Ausg.  1864  etc.   Neueste  Ausg.  1892. 
Vorrede  von  Heine,  dat.  25.  Juni  1855.    Enthält: 

1.  Atta  Troll  (mit  Einleitung  von  Heine,  Dezember  1846). 

2.  Intermezzo  (mit  Notice  du  traducteur  —  Ger.  de  Nerval  — 
siehe  „Revue  des  deux  Mondes",  15.  September  1848). 

3.  La  Mer  du  Nord  (mit  Notice  du  traducteur  —  Nerval  — 
„Revue  des  deux  Mondes",  15.  Juli  1848). 

4.  Nocturnes. 

5.  Feuilles  volantes. 

6.  Germania,  contes  d'hiver.  Vorrede  Heines,  17.  December 
1844.  (Wurde  von  Ed.  Grenier  übersetzt  und  ist  eine  der 
wenigen  Schriften  Heines,  die  nicht  in  der  „Revue  des 
deux  Mondes"  Aufnahme  fanden.) 

Anmerkung.  Den  bekannten  Vers  im  Whitermärchen, 
über  die  davonlaufenden  deutschen  Junker,  den  Heine  auf 
Anraten  Fr.  Willes  in  seiner  deutschen  Ausgabe  strich,  Hess  er 
in  der  französischen  Ausgabe  stehen.  Vergl.  „Deutsche  Dichtung", 
iid.  IX,  pag.  260. 


Bibliographie.  449 

1856.  Reisebilder  —  Tableaux  de  voyage.  Paris,  Levy.  2  Bde. 
O.Mai.)  2.  Ausg.  1865.   3.  Ausg.  1872. 

Letzte  Ausgabe  1888  (revue,  considerablement  augmentee 
et  ornee  d'uii  portiait  de  l'auteur,  precedee  d'une  etude  sur 
H.  Heine  par  Th.  Gautior).    Vorrede  von  H.  Heine,  datiert 
20.  Mai  1834.   Inhalt : 
Bd.    I.    Preface  de  l'ancienne  edition. 
Les  Montagnes  du  Hartz. 
L'Ile  de  Norderney. 
Le  Tambour  Le  Grand. 
Angleterre. 
Schnabelewopski. 
Bd.  II.    Italie. 

Voyage  de  Munich  ä  Genes. 

Les  bains  de  Lucques. 

La  ville  de  Lucques. 

Les  Xuits  florentines. 

1857.  De   la   France.    Paris,    Levy.    2.   Ausg.    1863.    Letzte 
(15. Jan.)  ^^^sg^  |gg4    Inhalt: 

Preface  de  la  nouvelle  edition  par  Henri  Julia. 

Preface  de  l'edition  allemande  von  Heine,  18.  Okt.  1832. 

Lettres  ecrites  ä  la  „Gazette  universelle  d'Augsbourg" 
(1831-32). 

Fragments  (1832). 

Lettres  confidentielles  adressees  ä  M.  Aug.  Lewald, 
directeur  de  la  „Revue  theätrale"  de  Stuttgart  (1838), 
„Salon"  1831. 

1857.  L'Intermezzo,  poeme  de  Henri  Heine,  traduit  en  vers 
frangais  par  Paul  RistelJniher.  Paris,  Poulet- 
Malassis. 

1864.    Drames  et  fantaisies.  Paris,  Levy.  Neueste  Ausg.  1886. 
^^-•^^'^•)  Inhalt: 

Introduction   (von  Saint-Rene  Taillandier,  vergl.  „Revue  des 
deux  Mondes«,  1.  Oktober  1863). 

1.  Almansor. 

2.  WiUiam  Ratcliff.    (Es  ist  dies  nicht  die  von  Heine  selbst 
besorgte  Uebertragung.) 

J5t  tz,  Heine  in  Frankreich.  29 


450  Anhanr. 


3.  Le  Retour,  poesies  de  jeunesse,  mit  Einleitung  von  Saint- 
Rene  Taillandier. 

4.  Le  Rabbin  de  Bacharach.  (Uebersetzung  von  Ed.  Grenier.) 

5.  Le  Romantisme  (die  Jugendarbeit  Heines). 

1866.  Correspondance  inedite,  avec  une  preface  et  des  notes. 
(29.  Okt.)  p^^ig^  L^^y    2  Bde. 

L  Serie:  Einleitung  und  Uebersetzung,   beide   anonym,  von  Ch.  Ber- 
thoud. 
Briefe  von  1820—1828. 
IL      „  „        „     1828-1842. 

1867.  De   Tout    un    Peu.     Paris,    Levy.     Letzte  Ausg.   1890. 
(20.  Mai.)  Inhalt: 

Lettres  de  Berlin  (3  Briefe,  1821-22,  an  den  Redaktor 
Dr.  Schulz). 

Morceaux  de  critique  (La  mort  du  Tasse  —  L'Almanach 
des  muses  —  Poesies  de  J.-B.  Rousseau  —  Struensee  —  La 
litterature  allemande  (von  Menzel)  —  Don  Quixote  —  Me- 
langes  —  (Le  grand  opera  —  Rossini  et  Meyerbeer  —  Les 
virtuoses  de  concert  —  Berlioz,  Liszt,  Chopin). 

Des  Pyrenees  —  (I.  Bareges  —  IL  La  vie  des  bains  et 
les  baigneurs  —  III.  Le  Duc  de  Nemours  —  La  richesse 
nationale  des  juifs). 

La  deesse  Diane  —  Le  the  —  La  premiere  representa- 
tion  des  Huguenots  —  L'incendie  de  Hambourg. 

Esquisse  autobiographique  (am  15.  Januar  1835  an  Phil. 
Chasles  gerichtet). 

1867.  De   l'Angleterre.    Paris,  Levy.    2.  Ausg.  1881.  Inhalt: 

(17.  Juni.) 

Avertissement  (de  l'editeur). 

Introduction  von  H.  Heine. 

Les  heroines  de  Shakespeare  —  Tragedies  —  Comedies. 

Fragments  sur  l'Angleterre. 

1868.  L'Intermezzo.   Poeme   traduit   de  H.  Heine   par  Albert 

Merat  et    Leon  Valade.    Paris,  Lemerre. 


Bibliographie.  451 


1868.    Satires   et   portraits.    Paris,   Levy.    Neue  Ausg.   1885. 
(14.  März.)  Inhalt: 

Avertissement  (des  editeurs). 

Louis  Boerne  —  Le  denonciateur  —  De  la  Pologno  — 
Louis  Marcus  —  V.  Cousin. 

1868.    Allemands  et  Frangais.  Paris,  Levy.   3.,  neueste  Ausg. 

(11. Juli.)  1^32.    Inhalt: 

De  la  noblesse  allemande  —  Lettre  ecrite  de  Normandie 
—  La  Pension  de  Heine  et  sa  pretendue  naturalisation  en 
France  —  Kahldorf  —  Le  miroir  des  Souabes  —  Salon  de 
1831  —  Mirabeau  et  la  revolution  —  Les  journees  de  Juin  — 
Salon  de  1833  —  Varia  —  Reforme  des  prisons  et  legislation 
penale  —  Testament  de  Henri  Heine. 

1877.    Correspondance.   Paris,  Levy. 
III.  Serie :   1843—1855. 

1880.    Nocturnes.  Poemes  imites  de  H.  Heine,  par  Leon  Valade. 
Paris,  Patay. 

1884.  Intermezzo.    Poeme   d'apres  H.  Heine,  par  E.  Vaughan 
et  Ch.  Tabaraud.  Paris,  Bai  liiere  &  Messager. 

Anmerkung.  Jacques  Roques  hat  mit  Benutzung  dieser 
Uebersetzung  das  „Intermezzo"  komponiert. 

1884.    Memoires.   Traduction  de  J.  Bourdeau.   Paris,  Levy. 

(6.  Mai.) 

1884.  L'Intermezzo.  Poeme  d'apres  H.  Heine,  traduction  par 
(-1««^^)  Beltjeyis. 

1885.  Poesies  inedites.   Paris,  Levy. 

(20.Fobr.)  Preniieres  souffrances  (1817—1821)  etc.  etc. 

1889.  Le  Tambour  Le  Grand,  suivi  du  Yoyage  en  Italie;  tra- 

duction nouvelle  de  Camille  Prieur.  Paris,  Dentu. 
(Bibliotheque  choisie  des  chefs-d'oeuvre  fran§ais  et  etran- 
gers,  tome  XLV.) 

1890.  Le  Retour.  Traduction  en  vers  frangais  par  /.  Daniauxj, 

avec  une  introduction  inedite  par  Marcel  Prevost. 
Paris,  Lemerre. 


452  Anhang-. 

1890.  L'Intermezzo,  d'apres  le  poeme  de  H.  Heine,  de  Guy 
RoiKirtz  et  P.-R.  Hirsch.   Paris,  Lemerre. 

1893.  Heine  intime.  Lettres  inedites,  avec  notes  biographiques 
et  commentaires  par  baron  L.  de  Embden.  Edition 
frangaise  par  Gourowitch.  Preface  par  Arsene 
Hoiissaye.   Paris,  L  e    Sondier. 

(Erlebte  im  Jahre  1893  bereits  zwei  Editionen.) 

Anmerkung.  Die  bei  Calmann  Levy  erschienenen  Oeuvres 
comj^letes  de  Henri  Heine  umfassen  demnach  17  Bände 
{k  Fr.  3.  50). 


Nachträge. 

1894.  L'Intermede  lyrique  de  Heine;  traduction  poetique  de 
/.  de  Tallenay,  suivi  de  Premieres  rimes.  OUen- 
dorf.  18  (3.  50). 

1894.    Le  Nouveau  Printemps,  Angelique.   Traduction  par  Ba- 
niaux.    Lemerre,  1894. 
—      Henri  Heine.  Les  Allemands  (d.  h.  die  ,, Harzreise" !). 
Traduction    nouvelle    avec    etude    sur   la   vie    et 
l'oeuvre  de  Henri  Heine. 
—  Atta  Troll.    Histoire  d'un  ours. 

(Zwei  Büchlein  der  „Nouvelle  Bibliotheque  populaire" 
ä  10  Cent.  [!],   Henri  Gautier,  Paris.) 


Bibliographie. 


453 


Vollständiges  Verzeichnis 
der  in  französischen  Revuen  erschienenen  Werke  Heinrioli  Heines 


1832. 

(15.  Juni.) 


1832. 

(1.  Sept.) 


1832. 

(15.  Dez.) 


Revue  des  deux  Mondes. 

Excursions  au  Blocksberg  et  dans  les  environs  du 
Harz. 

Mit   erläuternder  Einleitung  vom   Uebersetzer,   die 
nicht  in  die  „Oeuvres  completes"  aufgenommen  ist. 

Histoire  du  Tambour  Le  Grand.  Fragments  traduits 
de  H.  Heine. 

Loeve-Veimars  bemerkt,  er  müsse   der  Länge  des 
Originals  wegen  abkürzen. 

Les  Bains  de  Lucques. 

Uebersetzt  von  Loeve  -Veimars,  dessen  Uebertragung 
nicht  für  die  „Oeuvres  completes"  benutzt  wurde. 


Europe  litteraire. 

1833.    Etat  actuel  de  la  litterature  en  Allemagne. ') 
(In   acht  (Romantische  Schule),  mit  dem  Nebentitel,  der  auf  die 

—  24. Mai.)      Tendenz  hindeutet:  De  l'Allemagne  depuis  Madame  de  Stael. 


^)  Die  Zeitschrift  „Europe  litteraire",  Journal  de  la  litterature  nationale 
et  etrangere,  trug  in  fettem  Drucke  die  für  die  Romantik  charakteristische 
Bemerkung  :  „La  politique  est  completement  exclue  de  ce  Journal."  — 
300  Schriftsteller,  darunter  fast  alle  bedeutenden  Männer  des  damaligen 
Frankreich,  hatten  sich  als  beitragende  „fondateurs"  erklärt.  Trotzdem,  oder 
gerade  weil  das  Unternehmen  zu  grossartig  angelegt  war,  lebte  die  „Europe 
litteraire"  bloss  ein  Jahr  lang.  Beachtenswert  ist,  dass  diese  Schrift  Heines 
für  die  erste  Nummer  vielleicht  ebensosehr  als  Programm,  wie  als  Reklame 
benutzt  wurde.  —  Die  drei  einzigen  erschienenen  Bände  enthalten  auch  sonst 
noch  litterarische  Schätze,  so  z.  B.  George  Sands  „Lelia",  Romane  von  Balzac. 
Ebendaselbst  eine  Anzahl  Aufsätze  von  Paulin  Paris  etc.  etc. 


454  Anhang. 

1833.  Une  Preface,  par  H.  Heine. 

(26.  Dez.) 

Revue  des  deux  Mondes. 

1834.  \  l      I.  La  Revolution   religieuse  et 
<i-^ärz.)  1          Martin  Luther. 

1834.      I  I    II.  Les  precurseurs  de  la  Revo- 


(15.  Nov.)    \  j)g  l'Allemagne. 


1834. 

(15.  Dez.) 


lution  philosophique,  Spinoza 


et  Lessing. 


III.  La  Revolution  philosophique. 
Kant,  Fichte,  Schelling. 


Revue  de  Paris. 

1835.  Esquisse   autobiographique.   Lettre  de  Henri  Heine  ä 
(März.)  ph.  Chasles. 

1840.    William  et  Marie  (Ratcliff). 

(Januar.) 

Revue  du  dix-neuviöme  Siecle. 

1840-45.  Lettres  confidentielles  adressees  a  M.  Aug.  Lewald. 
Die  Briefe  an  Lewald,  die  Julia  in  den  „Oeuvres  com- 
pletes"   in   den  Band   „De  la  France"  eingereiht  hat,  waren 
in  den  vierziger  Jahren  schon  von  Heine  für  die  obige  Zeit- 
schrift übersetzt  worden. 

Revue  des  deux  Mondes. 

1836.  Les  Nuits  florentines. 

(15.  April, 
1.  Mai.) 

1847.    Atta  Troll. 
(15.  März.)  XJebersetzer  (anonym)  Ed.  Grenier. 

1848. 
(15.  Juli.)  Mer  du  Nord. 

(15.  Sept.)  Intermezzo. 

Uebersetzt  von  G.  de  Nerval.    Von  ihm  auch  die  Ein- 
leitungen, die  in  der  Buchausgabe  beibehalten  worden  sind. 


Bibliographie.  455 


Nervals  „Intermezzo "-Uebertragung  ist  auch  in  seinen  eigenen 
Werken  aufgenommen  worden,  und  zwar  in  dem  Band  „Le 
reve  et  la  vie". 

Anmerkung.  Süpfle  führt  irrtümlich  noch  die  Nummer 
vom  1.  April  1848  der  „Revue  des  deux  Mondes"  an,  in  der  sich 
Uebersetzungen  von  Nerval  befinden  sollen,  (ßd.  III,  pag.  138, 
Anm.  55.) 

1851.  Romancero,  poesies  inedites. 

(15.  Okt.)  Uebersetzt  von  Saint-Rene  Taillandier  (ungenannt!). 

(Anmerkung.    Nicht   1.  Oktober,  wie  Süpfle  anführt.) 

1852.  Mephistophela  et  la  legende  de  Paust. 
(15.  Febr.)  Uebersetzt  von  Saint-Rene  Taillandier. 

1853.  Les  dieux  en  exil. 

(1.  April.) 

1854.  Le  Retour.   Poesies  de  jeunesse. 

(15.  Juli.)     .  Uebersetzung  und  Einleitung  von  Saint-Rene  Taillandier. 

Die  letztere  befindet  sich  in  den  „Oeuvres  completes". 

1854.    Les  Aveux  d'un  poete. 

(lo.  Sept.)  jyjii;  einer  Einleitung,  die  nicht  in  den  „Oeuvres  com- 

pletes" („De  l'AUemagne",  II)  aufgenommen  ist. 

1854.  Le  Livre  de  Lazare. 

(1.  Nov.)  Einleitung  und  Uebersetzung  (ebenfalls  in  den  „Oeuvres 

completes")  von  Saint-Rene  Taillandier. 

1855.  Nouveau  Printemps. 

(lo.  Sept.)  Uebersetzt  von  Saint-Rene  Taillandier. 

Revue  contemporaine. 

1863.    L'Intermede,    imite    on    ne    peut    plus    librement    de 
(lo.  Sept.)  rintermezzo  de  Henri  Heine,  par  A.  Claveau. 

Revue  fran^aise. 

1863.    Theätre  de  Henri  Heine.  William  Ratcliff,  traduit  par 
^^•^^■^•)  Catulle  Mendes. 


456  Anhang, 

Revue  germanique  et  fran^aise. 

T    ,,       ^     TT      •  TT  .        (  1820  ^1825. 
Lettres  de  Henri  Heine. 

1  1825-1836. 
Traduites  par  Charles  Berthoud. 
(Blosse  Auswahl.)    Mit  Einleitung  und  Notizen. 

Revue  des  deux  Mondes. 

1870.    Pensees  et  poesies  detachees  de  Henri  Heine. 

(15.  Jan.)  (^^icij^  ^i^  g^pfl^  ^.^jgj.^^  ^p^j.«^  ^^^^  ^^.^^  j^^.^^^  g.^^^^  j^_^^^ 

(Aus  Strodtmanns   „Letzte  Gediclite   und  Gedanken  von  H. 
Heine".) 

In  einer  Notiz,  walirsclieinlich  von  Saint-Rene  Taillandier, 
heisst  es  am  Schlüsse:  „En  resume,  beaucoup  d'ivraie;  niais 
Ton  est  amplement  dedommage  par  certaines  pages  oü  Heine 
retrouve  la  suave  harmonie  de  ses  meilleures  poesies,  oü  un 
sentiinent  profond  alterne  avec  des  eckits  de  rire  argentins" 
(pag.  541). 

Revue  illustrde. 

1888.   1 
:s^o.  52, 54    Pages  posthuines  de  Henri  Heine. 

iöqq"   I  (Historien,  Briefe,  Aphorismen  etc.   mit   Illustrationen. 

löJ^.  Y(3j.gi^    g;j^pi^^|   jy  .^ 

(15.  Nov.)  / 


Register. 


457 


R 


egister. 


(Herr  A.  Spaeti,  Gyjiinasiallehrer,  der  uns   auch  bei  der  Korrektur  behülflich  war,   hat 
die  Abfassung-  des  Reg-isters  gütigst  übernommen.) 


About,  Ediu.,  45.  186. 
Achard,  Auiedee,  337. 
Adam,  P.,  379. 
Adler-Mesnard  113. 
Agesilas  90.  91. 
Agoult,  comtesse  d',  44. 

286. 
Albert,  Paul,  315. 
Albin,  Sebastien,  191. 
Alton,  Shee  d',  122. 
Amiel,  Fred.,   12.  185. 

228.234.238.254.256. 

257.258.261.264.381. 

432.  443. 
Aniyot  90.  185. 
Arioste  53.  61. 
Aristophanes    54.    66. 

118.  332.  333.  359. 
Arnim  52. 
Arnould,  Arthur,   139. 

381. 
Aubancl,  Theod,,  416. 
Aubryet  199. 
Audebrand,  Phil.,  122. 

139.165.376.419.440. 

441. 
Augier,  Emile,  325.417. 
Aulnoi,   Abbe    d',   92. 

94. 


Aurevilly,  Barbey  d', 
44.  57.  59.  60.  61.  62. 
63.  64.  110.  322.  390. 
391.  392. 

Autran,  J.,  414. 

Baechtold  316. 
Bahr,  Herm.,  377.  384. 
Bailliere  231. 
Baldensperger,  F.,  46. 
Balzac  2. 34.  35. 44. 124. 

125.126.172.179.276. 

324.  368.  370.  415. 
Bamberger,  Ludw.,31 2. 
Banville  2.  45.  73.  159. 

228.322.323.325.328 

bis  338.  358.  359.  362. 

366.368.374.385.389. 

399. 
Barbier,  Aug.,   44.  47. 

122.  158.  168. 
Barres,  Maurice,    317. 

415. 
Baudelaire,  Charles,  12. 

67.  69.  72.  200.  294. 

296.303.318.321.323. 

328.338.365.371.377. 

379.380.384.385.386. 

387—399.  416. 


Baschet,  Ludovic,  252. 
Baxton,  Camille,  191. 
Bazan,  E.  Pardo,  46. 
Bazard  36. 
Beaudry  154. 
Beaumarchais  334.  419. 
Becker,  Nie,  264.  275. 

276. 
Beethmann  44. 
Beethoven  59. 
Belgiojoso  32. 122. 131. 

137. 
Bellaigue,  C,  46. 
Belleau,  Remi,  329. 
Bellini  33,  277. 
Beltjens,  Gh.,  234. 
Beranger,  J.-P.  de,  16. 

34.  85.  138.  139.  141. 

306. 
Berthoud,  Charles,  115. 

152.  220.  321. 
Bertrand,    Louis,    304. 

394.  395. 
Beyle-Stendhal  16. 
Beze,  Theod.  de,  415. 
Bire,  Edm.,  148. 
Bismarck  124. 
Blanvalet  264.  424.  427. 
Blemont  359.  362. 


458 


Anluing. 


Boccage  177. 
Bodmer  185. 
Börne  3.  8.  14.  53.  126. 

127.128.144.185.203. 

248.  290.  421. 
Boileau  1.  244. 
Bonald  63. 

Borel,  Petr.,  11.  26.  35. 
Bessert,  A.,  168. 
Bossuet  157.  365. 
Bouchor,  Maurice,  370. 

400. 
Bouhours  139. 
Boulinier,  J.,  251. 
Bourdeau,J.,89.92.176. 

251. 
Bourget,  Paul,  318. 363. 

364.366.370.371.374. 

381.  391.  400. 
Bourloton,  Edg.,  143. 
Boyer  203. 
Brandes  101.  310. 
Breal,  Michel,  271. 
Breitinger,  H.,  48.  138. 

186.  208.  269.  285. 
Breitinger,  J.  J.,  185. 
Brentano,  Clement,  52. 

102.  169. 
Breton,  Jul.,  365. 
Brizeux  33.  47. 
Brunetiere,  Ferd.,  13. 

15.24.71.72.156.157. 

315.319.344.380.381. 

382.  385.    391.    407. 
408. 

Buchon,      Maximilien, 

194.  195.  196. 
Büchner,  A.,  46. 
Buffon  303. 
Buloz  170.  190. 
Bürger  199.  200. 
Burne,  Fönes,  363. 
Burns  85.  349. 
Burty,  Philippe,  231. 


Bury,Blazede,45.281. 

286.  292. 
Busoni,  Phil.,  45. 
Byron  15. 33.  62.  68.  69. 

84. 157.  284.  285.  339. 

364.375.388.396.400. 

408.  411. 

Calvin  424. 

Camp,  Maxime  du,  187. 

196.  427. 
Candidus  282. 
Capet,  Ludwig,  253. 
Caro,  E.,  45.  381. 
Catulle  82. 
Carrel,  Armand,  23. 
Carteret  144. 
Casanova  415. 
Cazahs,  Henri,  363. 364. 
Chamissol85.211.263. 
Champfieury  35.  112. 
Champsaur  379. 
Charles,  J.-N.,  113. 
Charpentier  178. 
Charriere,  Mad.  de,  274. 
Chartier,  Alain,  58. 
Chasles,  Philarete,  23. 

44.  154.  281.  292. 
Chateaubriand  10.  12. 

14.  15.  16.  17.  20.  31. 

65.  286.  303.  374.  375. 

379. 
Chatelain  221. 
Chatterton  411. 
Chauifour-Ke8tner282. 
Chenier,  Andre,  14. 130. 
Cherbuhez,  V.,  46.  312. 
Chevaher,  Michel,  36. 
Chiarini  46. 
Chimay,  Hotel  de,  35. 
Chopin  75.  137. 
Chuquet,  Arthur,  312. 

316. 
Cladel,  L.,  318. 


Claretie,  Jules,  323. 327. 

332.  365. 
Claveau,  A.,  217.  309. 
Clavet,  Leon,  323. 
Colon,  Jenny,  35.  119. 

196.  197. 
Constant,    Benj.,    274. 

285. 
Coppee,  FrauQois,  242. 

318.    322.    327.    346. 

347.  357.  377.  386. 
Cormenin  126.  291. 
Corneille  1.48. 269.  284. 
Cornu-Lacroix,  Mad., 

191. 
Cornu,  Sebastien-Mel- 

cliior,  191. 
Courrier,  P.-L.,  14. 
Cousin,  V.,  19.  33.  274. 

275.  280. 
Couturier,  Claude,  359. 

361. 
Cowper  24. 
Crepet  391.  387. 

Dangeau  272. 
Daniaux,   J.,  120.  246. 

249.  251. 
Dante  61.  118.157.285. 

415. 
Dargy,  Gaston,  214. 
Daudet,  A.,   160.   323. 

416. 
Daudet,  E.,  160. 
Delavigne,  Casimir,  17. 

18. 
Della  Rocca  90.  122. 
Deloye  178. 
Denecourt  293. 
Dentu  240. 
Deroulede  337. 
Desaugiers  16. 
Descartes  157. 
Deschamps,  A.,  26.277. 


Register. 


459 


Deschamps,  E.,  26.  277. 
Dickens  71.  72. 
Dierx,  Leon,  357.  358. 
Diderot  275.  368. 
Didot,  Firmin,  167, 
Dietz,  H.,  113. 
Dietz,  L.,  113. 
Diez,  Fr.,  319.  443. 
Dollfus  282. 
Dostoi'ewski  71. 
Dresch,  J.,  113. 
Drumont,  Ed.,  145. 
Ducliätel,  Comte,  31. 
Du  Bellay  23.  24. 
Ducis,  185.  275. 
Ducros,  Louis,   78.    89 

bis  112,  336.  337.  403. 

404. 
Dudevant,Mad.25.137. 
Du  Deffand  12. 
Duesberg,  G.,  112. 
Dumas,   Alex.,    8.   23. 

26.  29.  31.  177.   369. 
Dupin,  Aurora,  25. 

Ebers  317. 

Eggis,    Et.,    173.    196. 

264.  427.  428. 
Elster  252. 
Elzear,  Pierre,  354. 
Embden,  Baron  v.,  251. 
Engel,  Ed.,  122.  252. 
Enfantin  36. 
Eraste  67.  386.  387. 
Erkmann,  186. 
Escudier,  M.  et  L.,  45. 
Espronceda  388. 

Faguet,  E.,  155.  295. 
Fauriel,    Claude ,    22. 

29. 
Fenelon  157. 
Fichte    98.    100.     103. 

275. 


Fichtenbaum  -  Ueber- 

setz.,  211.  225.    226. 

227.  232.  236.  245. 
Fidiere,  O.,  des  Prui- 

vaux,  252, 
Fischart  281. 
Flaubert    2.    30.    196. 

295.  296.  365.  390. 
Floriani,  Lucrezia,  137. 
Fouque  169. 
Fouquier,  Marcel,  159. 

160.  329. 
Fouquier,  Henri,  327. 
France,  Anatole,   323. 

348.  415. 
FrauQois,  J.,  49. 
Franzos,  Emil,  177. 
Freiligrath  44.  49.  138. 

214. 
Freytag  92. 
Frommel,  Graston,  381 

GaUiani,  Abbe,  421. 
Gautier,  Paul,  260.  261. 

433. 
Gautier,  Theophile,  11. 

24.  25.  26.  31.  32.  44. 

45.  49.  80.  114.   126. 

142. 153. 154. 158. 159. 

160.161.173.181.197. 

240.293.294.295.296. 

297.299.302.303.310. 

321.322.323.325.328. 

329.330.336.358.368. 

385.386.389.395.427. 
Gavarny  368. 
Geibel  263. 317. 428.432. 
Geiler  von  Kaisersberg 

281. 
Genoude,  M.  de,  190. 
Geoffrin  12. 
Gerimont  139. 
Gersal,  Luc,  160. 
Ghil,  Rene,  381.  384. 


Ginisty,Paul,  326.  327. 

359. 
Girardin,  Saint-Marc,  3. 

23.  44.  48.  279. 
Girot  113. 

Glatigny,  Alb.  de,  322. 
Gleyre,  M.  Gh.,  49. 
Gödecke,  Karl,  205. 
Godet  424.  425.  428. 
Goncourt,    freres,    35. 

125.295.303.366.367. 

368.  369.  390. 
Goncourt,   Edm.,   366. 

368. 
Goncourt,    Jules,   366. 

369. 
Goerres  278. 
Goethe  15. 30. 53. 61.  69. 

91.  100. 102.  103.  111. 

113.124.131.143.146. 

155.185.186.191.196. 

217.240.252.269.274. 

275.277.278.281.285. 

286.305.313.358.397. 

415.  422. 
Gottfried    von   Strass- 

burg  281. 
Gotthelf,  Jeremias,  254. 
Gottschall  270. 
Gounod,  Charles,   160. 
Gourowitch,  M.  S.,  251. 
Gozlan  179. 
Grabbe,  Christian,  217. 
Grand  -  Carteret,    143. 

144. 
Gratry  190. 
Grenadiere,  Uebersetz. 

202.  229.  237. 
Grenier  33.  47.  56.  129. 

bis  135.  137. 165.  166. 

168.    171  —  173.    194. 

208.  437. 
Grillparzer  217.  315. 
Grimm,  Jac,  53. 


460 


Anhang. 


Grimm,    Melch.,    421. 

151.  275.  290. 
Grimmeishausen  481. 
Gros,  Charles,  415. 
Grosclaucle  365. 
Gross,  Ferd.,  285.  314. 

315.  316. 
Gubernatis,  de,  46. 
Guicciardi  158. 
Guigon,  Paul,  400. 
Guillot,  Dr.,  13. 
Guizot  19.  127.  131. 

Hafiz  85. 
Hagedorn  214. 
Halevy  145. 
Hallberg,  M.-E.,  113. 
Haraucourt,  Ed.,  318. 
Hardouin  393. 
Harel  177. 
Hartmann,  Moritz,  138. 

150. 
Haym  101. 
Hebel,  J.  P.,  57.   113. 

195.  196. 
Hebreu,  Leon  1',  118. 
Hegel  30.  58.  59.  189. 

313. 
Heine,  Mad.,  123.  128. 
Heine,  Max.,  90. 
Heine,  Salomon,  81.  98. 
Heinrichs,  G.  A.,  46. 
Hello  392. 
Helvetius  275. 
Hennequin,  E.,  70—78. 

309.    315.    318.    324. 

336.    341.    344.    346. 

368.    371.    400.    418. 

420. 
Heredia ,    Jose    Maria 

de,  244.  323.  406. 
Herder  53.  313. 
Herwegh  251. 
Hettner  101. 


Hillebrand,K.,319.422. 
Hirsch,  P.  R.,  242. 
Hoefer,  Dr.,  138. 
Hoelty  152. 
Hoffmann,  A.  Th.,  57. 
61.  72.  74.  112.  188. 

199.  240.  370.  415. 
Hoffmann    v.   Fallers- 

leben  138. 
Holbach  275.  290. 
Homere  118.  358. 
Horace  83.  85. 
Houssaye,  Arsene,  31. 

35.  115.  154.  173. 196. 

197.    203.    251.    303. 

389.    394.    427. 
Houssaye,  H.,  322. 
Hüffer  174.  177. 
Hugo,  Victor,  1.  8.  11. 

14.  15.  20.  21.  22.  23. 

24.  25.  26.  29.  31.  32. 

35. 124.  141.  148.  153. 

157.    234.    267.    269. 

285.    286.    287.    288. 

315.    321.    323.    325. 

328.    330.    331.    332. 

335.    337.    365.    390. 

392.    394.    405.   414. 

416.    424.    427. 
Humboldt,  W.,  92. 
Huret,  Jules,  415. 
Huysmans  377. 

Immormann  216. 
Intermezzo-Uebersetz. 

200.  210.    217.    226. 
231.    242.    251. 

Jacquot,Charles-Jean- 

B.  (de  Mirecourt),  45. 

145. 
Janin,    Jules,    45.    67. 

69.  75.  190.  386.  387. 

388,  392.  428. 


Jaubert,  Mad.,  34.  122. 

173.  174.  293.  296. 
Jonquiere ,    Antonelle 

M.  de,  46. 
Jordaens  83. 
Joret,  Gh.,  270. 
Joubert  103. 
Joukowski  133. 
Julia,  Henri,  114. 

Kahn,  Gust.,  414. 
Kant  65.  103.  189.  275. 

313. 
Karpeles,  Gustave,  41. 

220. 
Keates  375. 
Keller,    Gottfried,    32. 

46.  113.  254.  256. 
Kellermann  281. 
Kerner,  Justinus,  432. 
Kist  161. 

Klaczko,  Julian,  45. 
Kleber  281. 
Kleist  177. 
Klopstock  25.  58. 
Kock,  Paul  de,  142. 
Kohn-Abrest  46. 
Körner,  Th.,   98.   195. 

211.  278. 
Koschwitz,  E.,  316.  337. 
Kreutzer,  Prof.,  278. 
Kreyssig,  Fr.,  10.  314. 
Krinitz,  Frau  von,  122. 

208. 
Krüdener,Baronin,  285. 
Krysinska,  Marie,  404. 

405.  406.  408. 
Kuhff  113. 

L,a  Bruyere   303.  379. 
Lacaussade,  Aug.,  47. 
Lacordaire  23. 
Lacour,  Paul  de,   210. 
Lacroix,  M"",  191. 


Register. 


461 


Lafargue  382.  411.  415. 
Lafayette  31. 
Lafontaine  17.  85.  131. 

142. 
Lagenevais,  de,  292. 
La  Harpe  3l9. 
Lamartine     1.     8.     14. 

17.    21.    31.    61.   62. 

77.     130.    157.    264. 

284.    285.    286.    315. 

32L    324. 
Lamennais  23. 
Lamirault  168. 
Lande,  Louis  de,   174. 
Lanson,  Gust.,  313. 
Laprade ,    Victor    de, 

47. 
La  Rochefoucauld  365. 
Larousse,  Pierre,   167. 

348. 
Lassailly  35. 
Latouche,  Henri  de,  14. 
Laube,   Heinrich,   29. 

41.84.88.136.137.173. 
Laurent-Pichat,  L.,  45. 
Lecomte,  Jules,  45. 
Leconte  de  Lisle,  322. 

323.  357.  358.  386. 
Legras  132.  160.  176. 
Lehmann,  Heinrich,  35. 
Lemaitre,     Jules,     17. 

157.    158.    327.    337. 

399.    412. 
Lemer,  Julien,  387. 
Lemerre  322.  323.  348. 

349.    405.    423. 
Lenau  33.  49.  185.  263. 

432. 
Leopardi   33.  47.   388. 
Lerminier,    Jean,    29, 

36.    210.    280.    292. 
Lermontoff  388. 
Leroy-Beaulieu,  Ana- 

tole,  148.  149. 


Lespinasse,  M"«  de,  12, 

368. 
Levasseur  46. 
Levy,  Ant.,  113. 
Levy-Bruhl  147. 
Levy ,    Calmann ,    47. 

57.    176.     191.    207. 

209.    216. 
Levy,  Lucien,  45. 
Lichtenberger,  E.,  146. 
Lichtenberger,   F.  A., 

146. 
Lichtenberger,  H.,  46. 

146. 
Linguet  394. 
Liszt  137,  190. 
Li-Tai-Pe  85. 
Littre  173. 
Loeve-Veimars,  22.  29. 

114.    167.    187.    188. 

189.    240.    291. 
Lucas,  H.,  46. 
Lupus,  Alexis,  241. 
Luther,    61.    133.   185. 

271. 

Jflagny  154. 
Mahrenholtz  271. 
Malherbe  157. 
Mallarme,     Stephane, 

201.    245.    318.    322. 

328.  383.  395. 
Malurer,  Germain,  138. 
Marelle,  Gh.,  251. 
Marc-Monnier  203.  254. 

261.  263.  423.  432. 
Marlborough  64. 
Marmier,   Xavier,    22. 

189.  280.  292. 
Marot,  Clement,  333. 
Martin,    Nicolas,    203. 

204.    205. 
Massen,  Paul,  158. 
Maeterhnk  377. 


Matter  186.  283. 
Maupassant,    Guy   de, 

390. 
Meister,  H.,  275. 
Meissner,   A.,    33.    50. 

122.    155.    166. 
Meissner,  Dr.  Fr.,  269. 

271.  285.  313.  428. 
Menard,  Louis,  322. 
Mendes,    Catulle,  216. 

225.    294.    322.    323. 

324.    338.    341.    342. 

346.    347.    357.    358. 
Merat,  Alb,,    225.  226. 

227.  323. 
Mercier  275. 
Merimee,  Prosper,  11. 

22.  31. 
Mery  190. 

Meyer,  Frederic,  292. 
Meyer,  Paul,  380. 
Meyerbeer  126. 190. 276. 
Mezieres  252. 
Michelet,  Jules,  19. 414. 
Michiels,    Alfred,    44, 

185.  202. 
Mignet,  Frangois  Aug., 

19.  33.  369. 
Millet  225. 
Mimnerme  118. 
Mirabeau  365. 
Mirecourt,  Eugene  de, 

44.  45. 
Mistral  416. 
Mole  127. 
Meliere  101.  419. 
Mommsen,  Tycho,  184. 

211. 
Monod,  Gabriel,  313. 
Monselet,  Charles,  306. 
Montaigne  272. 
Montegut,E.,45.48.50. 

78  bis  89.   150.  308. 

309.  312. 


462 


Anhang. 


Monti  390. 

Moreas,  Jean,  381.  382. 

384. 
Moreau,  Heges.,  411. 
Morel  139. 
Morf,  H.,  3. 
Morice,    Charles,    310. 

323.    325.    378.    380. 

381.    403.    404.    411. 

416. 
Moscheroch  281.  481. 
Motte-Fouque  103. 
Mouche  (Cani.  Seiden) 

170.  171.  208.  209. 
Mousseline  179. 
Müller,  W.,  102. 
Murat  92. 
Murger,  Henri,  35.  203. 

427. 
Musset,  Alfred  de,  11. 

15.  24.  26.  33.  34.  75. 

77.  85.  95.  122.  124. 

141.153.157.171.261. 

264.275.276.285.296. 

308.309.321.324.332. 

339.345.365.396.408. 

417.419.425.428.433. 

Ifancy,  C.-M.,  251. 
Naquet,  Felix,  364. 
Necker  12. 
Neffzer  282. 
Nencioni,  E.,  46. 
Nerval,  Glerard  de,  26. 

35.  47.  115-119.  127. 

170.    186.    196-202 

206.234.280.286.303. 

304.365.395.409-412. 

416.  427. 
Niebuhr  278. 
Nodier.  Charles,  15. 25. 

26.  285. 
Normand,  Jacques,  414. 
Novahs  101.  150. 


Obelisque ,     L'  —    de 

Luxer,  300. 
ObeUsque ,     L'  —     de 

Paris,  299. 
Odeurs  de  Paris,  Les, 

141. 
Orleans,  Charles  d'— , 

329. 
Orleans,  Herzogin  von, 

272. 
Ortfried  von  Weissen- 

burg  281. 
Ossian  47.  284. 
Otte,  Friedr.,  282. 
Ottiker  von  Leyk  185. 

186. 
Ovide  118. 

Paganini  100. 
Paleologue ,    Maurice, 

46. 
Palice,  M.  de  la,  65. 
Paris,  Gaston,  319.  323. 
Parlow,  Dr.  H.,  186. 
Pascal,  157.  369. 
PeUssier  315.  324. 
Pelletan,  Camille,  348. 
Perier,  Casimir,  152. 
Perkins  158. 
Perthes  92. 
Petrarque   88.  95.  118. 

157.  284.  416. 
Peyrot,  Maurice,  379. 
Pfeifel  282. 
Pichon,  Aug.,  189. 
Pischot,  Amedee,  15. 
Planche,  Gustave,  29. 

281.  292. 
Platen  185.  221. 
Plutarque  90. 
Poe   72.  368.  375.  380. 

381.    386  —  389.    395. 

399.  411. 
Poletika  133. 


Pompadour  169. 
Ponsin,  P.,  190. 
Pontmartin,  de,  48,  64, 

65,  110. 
Poulet- Malassis     211. 

387. 
Pouschkine  133. 
Pressense,  F.  de,  318. 
Prevost,   Marcel,    121. 

246.  376. 
Prieur,  Camille,  240. 
Properce  118. 
Proudhon  23. 
Prudhomme,  Sully,  322. 

357.  414. 
Psichari,  Jean,  406. 
Puck  53. 
Puitspelu  442.  443. 

Quenard  44. 
Quincy  368.  389. 
Quinet,  Fdg.,  3.  29.  44. 
264.278.279.292.312. 

Rabelais  61.  295.  419. 
Racine  1.  379. 
Rahel  173. 
Rambert,  Eugene,  254. 

261.263.264.432.433. 
Rambouillet,  Hotel,  12. 
Rambouillet,   Madame 

de,  11. 
Rapp  281. 
Raspail  126. 
Ratisbonne,  Louis,  45. 

210.  213. 
Raupach  217. 
Renan    154.    158.    312. 

313.  381. 
Renduel  44.  114.  178. 
Regnier  68. 
Reinach,  J.,  270.  276. 
Rette,  A.,  415. 
Revilliod,  Gustave,  112. 


Register. 


463 


Reymond,  William,  33. 

48.  269.  284.  306.  309. 

315.  428. 
Richepin,  Charles,  161. 

370.  399.  400. 
Richter    (Jean    Paul) 

74.  420. 
Rienzi  49. 
Rimbaud,  Arthur,  383. 

405.  411. 
Ristelhuber    185.    186. 

210.  211.  282.  412. 
Rivarol61.226.367.397. 
Rod,  Ed.,  71.  318. 
■Rodenbach    318.    383. 

392.  405.  406. 
Rodriguet,  Ohnde,  36. 
RolHnat  318. 
Ronsardll.  17.  23.329. 

358. 
Ropartz,  Guy,  242.  245. 
Roquette,  O.,  238. 
Rosieres,  R.,  270. 
Rosny,  J.  H.,  405. 
Rossel,Virgile,257.261. 

424.  428. 
Rossini  277. 
Roumanille  416. 
Rousseau,  J.-B.,  17. 
Rousseau,  J.-J.,  12.  15. 

33.  62.  157. 
Ruppert,  Sir,  239. 
Royer,  Alphonse,  127. 

Sainte-Beuve,  Charles- 

A.,  2.  14.  15.  18.  23. 

24.  26.  28.  48.  150  bis 

154.    205.    220.    269. 

275.    284.    285.    312. 

319.    387.    390.    395. 

421. 
Saint-Pierre,ßernardin 

de,  15.  16. 
Saint-Preux  285. 


Saint -Simon    36.    272. 

379. 
Saint-Victor,  Paul  de, 

199. 
Salvandy,   de,  31.  204. 
Sand,  George,    11.  25. 

136.    137.    285.    296. 
Sandeau,  Jules,  25. 417. 
Sarcey  155. 
Sarlo,  de,  158. 
Sarrasin,  Josef,  332. 
Sarrazin,  Gabriel,  318. 
Saumet,  Alex.,  25. 
Savage,  Rieh.,  393. 
Savary,   General,    273. 
Scarron  63. 
Scherer,    Edm.,     142. 

184.    256.    315.    316. 

381.    391. 
Scherer,  AV.,  101.  150. 
Scherr,  Joh.,  238. 
Schiller   61.    102.    103. 

113.    185.    200.    281. 

287.    305.    313. 
Schlegel,   W.,    98.    99. 

101.    150.    185. 
Schmidt- Weissenfeis 

292.    296. 
Scholl,  Aurelien,    368, 

369.    379. 
Schopenhauer  89. 
Schnell ardt,   Hugo,    3. 
Schul-    und    Studien- 
bücher 113. 
Schumann  74. 
Schuermans  215. 
Schure,  Edouard,  142. 

143.    185.    223.    318. 

420. 
Scott,  W.,  20.  34.  188. 
Scribe,  Eug.  18. 
Seeger,  Ludwig,  138. 
Seiden,    C,    122.    157. 

171.    208.    326.    403. 


Selher  231. 
Senancourt  285. 
Sethe,    Christian,    174. 

176. 
Shakespeare     48.     69. 

93.     185.    217.    269. 

285.    287.    375.    404. 

405.    415. 
Shelley   157.  371.  375. 
Silvestre,  Armand,  323. 
Simrock,  Karl,  45.  203. 
Smirnoff,  Madame,  133. 
Solue,  Fred.,  393. 
Sorel,  Albert,  313. 
Spach,  Ludw.,  282. 
Specht,  A.,    189.    190. 

191.    292.    437. 
Spinoza  149. 
Spoelberch,Yicomte  de, 

3.    45.    179.    437. 
Spronck,  M.,  368,  385. 

388.    391. 
Stael,  Mad.  de,  12.  13. 

45.   53.   59.   66.    106. 

151.   270—280.    286. 

312.    313. 
Stahr,  Adolf,  207.  329. 
Steen  83. 
Stendhal  152.  370. 
Stern,  Daniel,  44,  210. 

286. 
Stigand  81. 
Stober,  August,  282. 
Stober,  Ludwig,  282. 
Strodtmann    186.    327. 

421. 
Stuart  Merill  381. 
Sue  44.   124.  125.    126. 
Süpfle,    Dr.    Th.,    44. 

112.    146.    185.    191. 

234.    263.    269.    270. 

285.    287.    306.    313. 

327.    428. 
Swinburne  416. 


464 


Anhang. 


Taine  60.  77.  157.  303. 

312.  313.  416. 
Tabaraud,  Gh.,  231. 
Taillandier,    St -Rene, 

47  bis  56.    114.    168. 

169.    171.    207-210. 

281.  312.    313.    365. 
Tallenay,  J.  de,  251. 
Tasse,  Le,  284. 
Tastu,  Mad.,  26. 
Tennyson  388. 
Texier,  Edra.,  45. 
Theophile  69. 
Tliiers,  Louis-Adolphe, 

19:     20.     127.     165. 

188. 
Thierry,  Augustin,  20. 
TibuUe  118. 
Tieck  150.  185.  278. 
Tisseur,  Clair,  412. 
Tissot,  E.,  315.  371. 
Tolstoi  71.  363. 
Tourgueneff    71.    153. 

421. 
Tourneux,  Maurice,  3. 

387. 
Treitschke  150. 
Troyon  190. 

Uhland  138.  185.  195. 

200.    210.    263.  278. 

282.  305.    306.  423. 
432. 

Uzanne  246. 


"Vacquerie  335. 
Valade,Leon,225— 228. 

230.258.323.347.348. 

349.  358. 
Valbert  (Victor  Cher- 

buliez)  46.  312. 
Valien,  Frangois,   238. 
Varnhagen  v.Ense,  30. 
Varnhagen,  Rahel,  99. 

100. 
Vaughan,  E.,  231. 
Vauvenargues  291. 
Venedey,  138. 
Vergolo,  383. 
Verlaine,   P.  245.323. 

328.    358.    365.    377. 

382—384.    391.    411. 

412.  416. 
Veron,  L.,  34. 
Veuillot,    Louis,    141. 

142.  145.  148.  419. 
Vicaire,  Gabriel,  415. 
Viele-Griffin  381. 
Vigny,  Alfred  de,   15. 

17.  18.  26.  29.  31.  254. 

286.  321.  407. 
ViUemain  20.  23.  269. 

274.  332. 
Villemessant  179. 
Villemont,  Auguste,  45. 
Villon  85.  412.  427. 
Virgile  67. 
Virieu,  M.  de,  284. 
Vogüe,  de,  318.  421. 


Voiture  272. 

Voltaire  35.  58.  61.  63. 

64.  65.  125.  141.  142. 

146. 157. 166. 168. 170. 

174.  393.  420. 
Vrignault,  Paul,  214. 
Vuy,   Jules,    263.  264. 

431.  432. 

liVackenroder  103. 
Wagner,  Richard.  124. 

150.    190.    323.    324. 

371.    382.    415. 
Warnod,  Emma,  381 
Weil,  Louis,  113. 
Weill,  Alexandre,   28. 

123.    128.    144.    170. 

192.    193.    200.    371. 
Weise,  Alwin,  316. 
Weiss,  J.-J.,   155.  186. 

283.    315. 
Werner,  Z.,  251. 
Wiasemsky  133. 
Willm  186.  188.  189. 
Wolf  170. 

Wolif,Alb.,28.123.145. 
Wolff,  Eug.,  136.  137. 
Wordsworth  24. 

Zola,  E.,  2. 160. 295. 316. 

ZedHtz  49. 

Zendrini ,    Bernardino, 

46.    88.  181.  416. 
Ziesing,   234.  391.  397. 


0 


PLEASE  DO  NOT  REMOVE 
CARDS  OR  SLIPS  FROM  THIS  POCKET 

UNIVERSITY  OF  TORONTO  LIBRARY 


PT  Setz,   Louis  Paul 

2339  Heine  in  Frankreich 

F7B/