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ZÜRICH
Albert Müllers Verlag
1895
Alle Rechte vorbehalten.
Druck von J. Schabelitz in Zürich.
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Beide Welten, die romanische und die germanische, stehen
gleichberechtigt nebeneinander ; sie sind einander notwendig- wie
zwei Hälften, die sich ergänzen. Sich zu vermählen, nicht zu be-
fehden, ist ihre Aufgabe , . .
Hugo SchucJiardt, „Romanisches und Keltisches".
Rapprocher TAllemagne de la France, tel est notre but ; et la
comparaison de la litterature frangalse avec la litterature allemande
est notre point de depart.
Louis Bcerne, „La Balance", 1836.
Ma religion litteraire et politique, c'est l'unite des lettres et la
fraternite des peuples modernes.
Edgar Quinet.
Rester soi-meme et cependant s'unir aux autres, tel est le
Probleme que chaque homme a ä resoudre. Tel est le probleme
aussi de Talliance des grands peuples de l'occident.
Saint-Marc Girardin.
Vi
Vorwort
Nicht lange ist es her, da kam einer jener Pariser
Korrespondenten, die jeden Morgen in den französischen
Zeitunoen Stoff und Gedanken für ihre deutschen Artikel
sammeln, auf die Idee, den Montmartre zu erklimmen
— ich glaube, es war am Allerseelentag, um im alten,
stillen Friedhofe das Grab Heines zu besuchen. Er fand
dort als einzigen Grabesschmuck einen Kranz aus künst-
lichen Blumen, dem der Spender in naiver Geschmack-
losigkeit seine Visitenkarte beigefügt, die einen charak-
teristisch duftenden Namen trug. Hieran einige mehr
oder minder geistreiche Witzeleien zu knüpfen, schien
dem Journalisten eine günstige Gelegenheit, und er
schloss seine Randglossen mit dem Ausdruck des Be-
dauerns, dass Heine nicht mehr sein spottendes Lachen
an seinem Verehrer mit den künstlichen Blumen und
der Visitenkarte ausüben könne.
Ich erwiderte damals irgendwo unter anderm, dass
es vor allem einem Deutschen schlecht anstünde, über
den ungeschickten Verehrer Heines Witze zu reissen,
Vorwort.
ohne dessen künstliche Bhmien die letzte Ruhestätte
eines der grössten deutschen Dichter ganz schmucklos
gewesen wäre, und ferner, dass Heine mit seinem aus-
geprägten Sinn für alles Komische und Verkehrte dieser
Welt, allerdings eine köstliche Satire gereimt haben
würde, — aber, wie so oft in seinem Leben, mit dem
Gram im Herzen und feuchten Auges. Und aus dem
feuchten Auge wäre dann eine Thräne mitten in sein
Spottlied gefallen, in Gestalt einer jener Strophen, die
er auf e^A ige Zeiten mit ehernen Griffeln in das goldene
Buch deutscher Lyrik eingetragen.
Damals aber ahnte ich noch nicht, dass auch ich
einst den Spott seiner Manen herausfordern würde.
Eine Doktorthese über Heinrich Heine ! ^) — Und ich
weiss nicht, warum mir gerade die alte Geschichte von
den künstlichen Blumen und der Visitenkarte einfällt.
Vielleicht, weil ich dieselben mildernden Umstände er-
hoffe, die ich im Namen Heines für den ungeschickten
Verehrer forderte, der für seinen toten Lieblingsdichter
eben that, w^as er konnte.
Der Verfasser.
^) Diese Arbeit wurde der h. philosopliischen Fakultät der Universität
Zürich als Doktor-These eingereicht.
X\
Inhaltsverzeichnis
Seite
Einleitung 1
Erster Abschnitt.
Das Milieu.
Kapitel 1. Heines Ankunft in Paris 7
2. Das litterarische Paris ums Jahr 1831 10
3. Heines Stellung zur französischen Romantik und zu
einigen ihrer Hauptvertreter 27
Zweiter Abschnitt.
H. Heine im Lichte der französischen Kritik.
Einleitung 41
Kapitel 1. Einzelstudien über Heine 44
„ 2. Einleitungen zu Heines Werken in französischer Sprache 114
,, 3. Französische Memoiren über Heine 122
4. Gelegentliche Urteile und Aeusserungen über Heine . 136
Dritter Abschnitt.
Heines Kenntnis der französischen Sprache.
Kapitel 1. Zeitgenössische Stimmen über Heines französische
Sprachkenntnisse 165
2. Einige unretouchierte französische Briefe Heines . . . 176
Vierter Abschnitt.
Heines französische Uebersetzer.
Einleitung 183
Heines Uebersetzer 187
Heine-Uebersetzer der Westschweiz 254
XIX Iiihaltsvorzeichnis
Fünfter Abschnitt.
H. Heines Einfluss. s.it.
Kapitel 1. Einleitende Betrachtungen über den deutschen Einfluss
auf die französische Litteratur in der ersten Hälfte
dieses Jahrhunderts 269
„ 2. Heines Einfluss auf einige Zeitgenossen 289
„ 3. Einiges über den modernen deutschen Einfluss . . . 312
„ 4. Die Parnassiens 321
„ 5. Heines Einfluss auf die Parnassiens und ihren Anhang 326
„ 6. Vereinzelte Heine -Verehrer und -Schüler 363
„ 7. lieber Heines Einfluss auf die Gebrüder de Goncourt
(Impressionnistes) und Paul Bourget (Psychologues) 366
„ 8. lieber die zeitgenössischen Strömungen der französi-
schen Poesie und deren Zusammenhang mit Heines
Dichtung 376
,, 9. H. Heine und einige Dichter der Westschweiz. . . . 423
Anhang :
Nachträge 437
Bibliographie 446
Register 457
Errata
Paf,'. 35, Zeile 4, lies Houssaye statt Houssay.
„ 43, Zeile 9, lies Aeusserungen über Heine, statt Besprechungen.
„ 44, Anmerkung 1, lies statt Quenard et Barbier — Barbier etc. gibt . . .
, 45, Anmerkung 4, und
„ 69, letzte Zeile, lies Abschnitt V, statt VII.
„ 77, Zeile 12, lies Hippolyte Taine, statt Henri.
„ 198, Zeile 8 und 9 ist als Text Houssayes von der Uebersetzung Nervals zu trennen.
Einleitung
Ein Wort der Erklärung zu verlangen , um nicht zu
sagen der Entschuldigung, hat die Kritik bei einer These, die
einen Stoff der neuern und neuesten Litteratur wissenschaft-
lich zu behandeln sucht, das Recht. Abgesehen davon näm-
lich, dass die Kenntnis moderner französischer Litteratur-
epochen, die der ersten Hälfte des XIX. Jahrhunderts, in
Frankreich selbst erst in allerjüngster Zeit in das Programm
der „baccalaureats" aufgenommen worden ist, dass sich der
„professeur de rhetorique" erst seit kurzem mit Lamartine
und Victor Hugo beschäftigen muss, wie er es bis jetzt aus-
schliesslich mit Corneille, Racine und Boileau gethan, ist der
Einwand deutscherseits nicht ohne Berechtigung, der auf die
grossen Schwierigkeiten hinweist, auf dem Gebiete der Litte-
ratur von gestern und heute sichere und beweiskräftige Re-
sultate zu erzielen. Auch wir geben zu, dass ein ähnlicher
Versuch noch vor einem halben Jahrhundert als unausführbar
gelten durfte, dass man sich damals notgedrungen in blosse
Hypothesen verwickelt hätte. Heute aber sind die Verhält-
nisse günstiger, denn die Schnelllebigkeit unseres „fin de
siecle" ') hat sich auch der Litteraturepochen bemächtigt. Inner-
halb einiger dreissig Jahre haben sich zwei ziemlich deutlich
^) Mag dieser Ausdruck auch aus den Pariser Boulevards und ihren
Blättern herstammen, so hat er sich nichtsdestoweniger inzwischen auch dort
eingebürgert, wo sonst nicht der Pariser Mode-Argot geführt wird. „Fin de
siecle" wird zweifelsohne die typische Bezeichnung für die letzten zehn Jahre
des Jahrhunderts bleiben, ähnlich wie z. B. für die ersten „empire".
Betz, Heine in Frankreich. 1
Einloitungr.
trennbare litterarische Strömungen verbraucht; mit Banville
starb die französische Neoromantik aus und längst schon hat
die realistische Bewegung Balzac-Flaubert mit Zola ihr letztes
Wort gesprochen. Die rasch und fieberhaft arbeitende Kritik
hat ihre zeitgenössischen Dichter schon gerichtet und geson-
dert. Der Litterarhistoriker hat ihr Leben, Lieben und Leiden
schon ausgegraben und seciert; seit Sainte-Beuve wird nicht
einmal auf den Tod gewartet. Auch Memoirenschreiber wollen
den Erfolg ihrer Aufzeichnungen noch erleben und tragen
Sorge, dass wir jetzt schon in die verborgensten Falten eines
Dichtermantels blicken können, statt uns wie früher ein
Menschenalter auf solche Enthüllungen w^arten zu lassen.
Da alles rascher lebt und urteilt, mag es einem Doktoranden
vergönnt sein, sich der neuen Strömung versuchsweise an-
zuschliessen.
Noch sei mir gestattet, eine erläuternde Bemerkung per-
sönlicher Art beizufügen. In Amerika geboren, in der Schweiz,
der ich meine geistige Bildung verdanke, auferzogen, betrachte
ich es als mein gutes Recht, mir den freien BUck und das
freie Wort des Fremden zu wahren, der fern von Hass und
Hader zweier Länder steht — selbst Gelehrte vermögen sich
nicht immer von denselben zu befreien — die die Geschichte
wohl erklärt, die Civilisation aber, die nicht von Königen oder
Parlamenten gelenkt wird, bedauern und verwerfen muss.
Freunde und Verwandte hüben und drüben, Geschmack und
Sympathieen machen mir Land und Leute, Denken und Dichten
beider Völker an den Ufern des Rheines gleich lieb. Und gleich
verhasst ist uns in Frankreich und Deutschland die bedauerns-
werte Ra^se beschränkter Chauvinisten.
Und nun noch ein Drittes und Letztes; es ist in dem
Gesagten schon angedeutet:
No Profit grows, where is no pleasure ta'en; —
In brief, Sir, study wliat you most afFect.
(Taming of the Shreiv /., 1.)
Einleitung-. '-^
Dies Wort gilt ganz und voll der Genesis dieser Arbeit.
Nicht nur in Bezug auf den Dichter, sondern auch bezüglich
der Litteratur seiner wirklichen und seiner Adoptivheimat,
in Bezug auf die Idee, die in der herrlichsten Friedenshynine
ausgedrückt ist, die je eine Poetenhand niederschrieb und die
mit den Worten beginnt:
Roule, libre et süperbe entre tes larges rives
Rliin! Nil de l'Occident! Coupe des Nations! ...
In den Sätzen von Börne, Quinet, Saint-Marc Girardin
und des sympathischen und aufgeklärten deutschen Gelehrten
Hugo Schuchardt, die wir auf die erste Seite dieses Buches
setzten, liegen die Gedanken, in denen die geistige Triebfeder
wurzelt, die uns stets zur Arbeit anspornte, besonders dann,
wenn wir uns sagten: „Es geht über deine Kräfte" — oder
uns jene Skepsis zuflüsterte, der man nicht entrinnt, wenn
Aug' und Sinn viele Länder und ihre Menschen schauen ge-
lernt: „A quoi bon" und „Que sais-je" ! —
Nicht unterlassen will ich, einige Worte des Dankes an
die beiden gelehrten Bibhographen und Litteraten Maurice
Touryieux und Vicorate de Sj^oelherch de Lovenjoul zu richten,
die mir in liebenswürdigster Weise entgegenkamen. Den
Namen meines verehrten Lehrers, Herrn Professors Dr. H.
Morfj darf ich wohl an letzter Stelle erwähnen, nachdem ich
ihn bereits an die erste gestellt. Lag es auch in der Natur
dieser Studie, dass ich in Bezug auf Idee und Forschungen
auf mich selbst angewiesen war, so bleibt noch genug übrig,
wofür ich meinem Lehrer zu herzlichem Danke verpflichtet
bin. Stets bereit, mir mit Rat und That beizustehen, hat er
sich auch trotz seiner überaus angestrengten Thätigkeit die
Mühe genommen, diese Arbeit mit jener Gründlichkeit und
Gewissenhaftigkeit zu durchgehen und zu sichten, die sein
ganzes akademisches Wirken kennzeichnen. Den grössten
Dank aber schulde ich Herrn Professor Morf dafür, dass er
Einleitung.
das Thema meiner Dissertation genehmigt — was mancher-
orts nicht der Fall gewesen wäre.
Ich betrachte es als ein Glück, über drei Jahre lang
seinen gleich sichern und geistvollen, immer anregenden
philologischen und litterarhistorischen Unterricht genossen,
als eine Ehre und eine Empfehlung, bei ihm promoviert zu
haben.
Häusern im Elsass, August 1894.
w
ERSTER ABSCHNITT
DAS MILIEU
Erstes Kapitel
Heines Ankunft in Paris
Oh! Paris est la cite mere!
Paris est le lieu solennel
Oü le tourbillon ephemere
Tourne sur un centre eternel!
Paris! feu sombre ou pure etoile!
Morne Isis couverte d'un voile !
Araignee ä rimmenso toile
Oü sc prennent les nations !
Fontaine d'urnes obsedee !
Mamelle sans cesse inondee
Oü, pour se nourrir de l'idee,
Viennent les generations!
Victor Hugo.
Im Mai 1831 machte sich ein junger deutscher Dichter
auf den Weg nach Paris, um sich dort, zunächst als Jour-
nalist, Stellung und Brot zu erarbeiten. Dass er in der Heimat
und schon im Auslande weit und breit als genialer Satyriker,
Meister der deutschen Prosa und würdiger Nachfolger Goethe-
scher Lyrik bekannt war, dass er die Rechtswissenschaft stu-
diert und „juris utriusque doctor" geworden, dass er schliess-
lich Protestant wurde, dies alles hatte ihm nicht zu der
sehnlichst erhofften Staatsanstellung oder Professur in Preussen,
München verhelfen ; auch nicht in der Stadt, wo er sich einst
als Harry Heine & Co. auf dem Jungfernstiege die Zeit ver-
trieb, wie es sich jedem Poeten geziemt, der nicht zum
Krämer taugt. Und da es ihm auch ohnehin unter seinen
Deutschen, die er allzu unsanft am Zopfe gerissen hatte, nicht
mehr ganz geheuer war, so wollte es Heinrich Heine in Paris
8 Das Milieu.
mit der Journalistik versuchen. Das Vaterland verweigerte
dem Sänger des „Buch der Lieder" die Sinekure, die Fremde
sollte ihm die Pforten der politischen Kampfesarena offnen.
Rasch noch hatte er den Musen mit den Liedern des „Neuen
Frühling" Valet gesagt, bevor er sich in den Dienst der
„Heiligen Allianz der Völker" stellte.
Heine war nicht der Einzige, dem die Luft in deutschen
Landen in jenen Tagen drückend und eng geworden. Börne
hatte ihm bereits den Weg der geistigen Befreiung gezeigt.
Auch NichtJuden richteten die Augen sehnsuchtsvoll nach
dem litterarisch und politisch fiebernden Paris; ja das ganze
gebildete Deutschland folgte mit äusserstem Interesse, zum
Teil mit leidenschaftlicher Begeisterung dem Geistesgetummel
der französischen Romantik. Es wurden die genialen Schauer-
geschichten mit den unerschöpflichen Antithesen des jungen
Hugo und Lamartines süssprächtige Reime verschlungen,
während die grossen deutschen Dichter Klassikerrang ein-
nahmen — und die Bücherschränke schmückten. Mit wahrer
Wollust schwelgten Deutsche in der Poesie des Grässlichen
und der Kontraste, des „Han dTsland"- und „Notre-Dame"-
Romanes, um sich für die politische Schwüle, die sie um-
gab, zu entschädigen. Die deutsche Generation von 1830
war geblendet von dem mystischen Zauber des Mulatten-
Abenteurers Dumas, der wenigstens ihre Phantasie durch
sein glänzendes Erzählertalent in tollster Freiheit umher-
schweifen Hess.
Wir wissen, dass der Jubel über die Julirevolution, über
das viel verheissende Regiment des Bürgertums sich über ganz
Deutschland verbreitete und auch den jungen Heine erfasste.
„Die Luft röche nach Kuchen," meinte er bei der ersten
Nachricht von dem freudigen Ereignis. Seiner Begeisterung
leiht er wiederholt die feurigsten Worte: „Mir war, als
könnte ich den Ocean bis zum Nordpol anzünden mit den
Gluten der Begeisterung und der tollen Freude, die in mir
Heines Ankunft in Paris. 9
loderten." Mag indessen die magnetische Kraft des kochen-
den und zischenden Freiheitherdes für den socialpohtischen
Kämpfer, den streithistigen Journahsten mid — den ge-
demütigten Juden immerhin eine grosse gewesen sein, so
glauben wir dennoch, dass in Heine der Dichter und Künstler
den Ausschlag gaben, dass diese vor allem nach geistiger
Nahrung lechzten, dass es ganz besonders den Mann der
glühenden und sprühenden Phantasie an die Ufer der Seine
zog, wo eine kraftvoll-kühne, lebenstrotzende Dichtkunst
sich in den seltsamsten und übermütigsten Sprüngen erging.
Und endlich war Heine nicht nur politischer Enthusiast,
Künstler und Dichter, sondern er zählte auch dreissig Jahre,
die sich nach des Lebens Freuden sehnten. Wenn heute
noch jedem Gebildeten, der nicht von eng- und querköpfigem
Kirchturmpatriotismus befangen ist, das Herz höher schlägt,
sobald er zum erstenmale den historischen Boden des alten
Lutetia betritt, das fast tausend Jahre lang geistige Welt-
stadt gewesen, wie musste es erst dem Autor des „Tambour
Le Grand" mit seinen französischen Sympathieen, dem feinen
Sinn für alles Grossartige zu Mute gewesen sein, als er in
der schweren Postkalesche an jenem Maimorgen des Jahres
1831 durch die Porte Saint-Denis fuhr und sich plötzlich
mitten im Herzen von Paris befand.
Wenn wir es nun versuchen wollen, in raschen Zügen
ein Bild der Scene zu entwerfen, in der Heine, zunächst bloss
als Figurant, die litterarische Bühne des damaligen Frank-
reich betrat, so versprechen wir weder eiu künstlerisches,
noch detailliertes oder ganz neues Gemälde. In anspruchs-
losen Umrissen möchten wir bloss ein kleines Momentbild
dieser Hochflut geistigen Lebens zu Paris ums Jahr 1831
entwerfen, da Heine als Asylsuchender kam, um auch Frank-
reichs Historiker, Satvriker und Dichter zu werden.
10 Das Milieu.
Zweites Kapitel
Das litterarische Paris ums Jahr 1831
„Wer damals von Deutschland aus Paris besuchte,
konnte wirklich in Versuchung greraten, die beliebten Be-
zeichnung-en „Hauptstadt der civilisierten Welt", „Gehirn
Europas" etc. für etwas mehr als blosse Gasconaden zu halten.
Welchen Abstand g-eg-en die Heimat bildete damals die be-
queme, freundliche Gastlichkeit dieser täglich jedem Fremden
ohne alle Formalität geöffneten Bibliotheken, mit ihren weiten,
hellen Arbeitssälen, ihren höflichen, gewandten Beamten;
diese reichen, mannigfachen, jedermann zugänglichen Samm-
lungen, diese Hörsäle der Sorbonne, des College de France,
des Observatoire, wo jedermann willkommen war, wo in bunter
Reihe Studenten, Arbeiter, Offiziere, Fremde aller Art, selbst
Damen und Dämchen in Menge den Worten geistreicher, nicht
selten glänzender Redner lauschten ! Es lag ein Zug von
Humanität, ein freundliches Sonnenlicht guter, behaglicher
Form auf der Oberfläche dieser bunten und stattlichen Welt,
dessen Zauber sich so leicht kein unbefangener Besucher
entzog."
{Fr. Kreissig, „lieber die französische Geistesbewegung
im XIX. Jahrhundert", Berlin 1873, pag. 52.)
In jenen Tagen war Paris ein Athen. Die Julirevolution
bloss ein Aufblitzen und Wetterleuchten des alten Revolutions-
geistes, den der alte Bourbone erloschen glaubte; und als der
abgedankte zehnte Karl der französischen Könige sich nach
Rambouillet zurückgezogen hatte, da feierte das Volk Freuden-
und Jubelfeste. Die Trikolore zog wieder in Paris ein, die
Marseillaise, die man seit dem 18. Brumaire nicht mehr ge-
hört, erklang wieder in der Seinestadt; Chateaubriand wurde
triumphierend durch die Strassen gezogen und alles jubelte :
„Es lebe die Pressfreiheit!" Vor und nach dem politischen
Das litterarische Paris ums Jahr 1831. H
Intermezzo aber konzentrierte sich alles Interesse und alles
Talent eigentlich bloss auf Litteratur und Kunst. Die Stadt
lebte in einem berauschenden Taumel von Musik und Poesie,
schönen Bildern, schönen Reden und — schönen Frauen.
Die Prosa parlamentarischer Debatten war dem zeitgenössi-
schen Publikum zuwider ; mit Politik wollte es so wenig et-
was zu schaffen haben als seine Dichter und Litteraten. Die
Opposition der französischen Romantik war im Gegensatz zu
der bald erwachenden Bewegung der Jung-Deutschen rein
litterarischer Natur; sie richtete sich gegen die Formen-
tyrannei des Klassicismus. Der Kampf, den die verschie-
densten Geister jener Zeit — Petrus Borel, George Sand,
Hugo, Musset, Merimee, Gautier u. a. gemeinsam fochten,
galt bloss dem litterarisch Herkömmlichen, nicht dem politi-
schen und nur selten dem socialen. Auch konnte bei den
Romantikern nicht von Parlamenten, freier Presse, freiem
Bürgertum die Rede sein, denn all dies besassen sie schon.
Ihre Forderungen waren: Wahrheit und echte Leidenschaft
in Prosa und Poesie; alte Freiheit und realistische Farben
für ihre Sprache.
In vollster Blüte standen Kunst, Litteratur und Theater,
bald auch die Philosophie. Die Vergangenheit wurde ab-
geschüttelt mit ihrer Sprache, ihren Ideen und ihren Trachten.
Noch nie hatte der Nektar der Musen Dichterseelen so be-
geistert; eine allgemeine litterarische Trunkenheit herrschte,
wie sie der französische Parnass weder zu Ronsards, noch zu
Madame de Rambouillets Zeiten geschaut. Es war kräftig
keimender Dichterfrühling, in dem alles blüht und duftet,
ein herrliches Erwachen aus dem langen Winterschlaf. In
den frisch ausschlagenden Zweigen des stolzen Baumes der
Poesie erklang in bezauberndem Durcheinander der Vögel
Gesang.
Was war nun in jenem Schauspiel der französischen
Romantik, das beim Auftreten Heines schon einige Akte alt
12 Das Milieu.
war, das psychologische Moment, die Grundidee? — Die
Wiedergeburt und die Herrschaft des „Ichs". Das „rnoi
hai'ssable" hatte die Fesseln der Konvenienz des XVII. und
XVIII. Jahrhunderts abgeworfen. Nach seiner Fagon durfte
fortan ein jeder denken, dichten, reden und sich kleiden. In
den Salons der Damen du Deffand, Geoffrin und de Lespi-
nasse war noch dieselbe Geschmackstyrannei massgebend
gewesen wie hundert Jahre zuvor im Hotel Rambouillet.
Jetzt aber hatte sich nach eigenem Gutdünken zu belustigen
und zu grämen, nach eigenem Belieben und eigener Laune
über dies zu lachen und über jenes zu weinen aufgehört, als
„misanthropie", „insociable" oder „incivil" verschrieen zu sein.
Und eine Frau war es, die, mit genialer Eingebung nach Osten
deutend, den Bann gelöst, den einst Frauen zum grossen
Teil verschuldet hatten. Madame de Stael, die Tochter des
Schweizers Necker, gab, vereint mit Chateaubriand, der fran-
zösischen Romantik den berechtigten Individualismus; — am
Ende des Jahrhunderts wird es wieder ein Schweizer sein.
Fr. Amiel, der zusammen mit Baudelaire die letzten Konse-
quenzen zieht und an der krankhaften Ichkultur der Deca-
dents arbeitet. Alle beide gehen wiederum auf einen Schweizer
zurück, auf J. J. Rousseau — und sie sämtlich sind Kinder
des — kalvinistischen Genf! —
Mag , auch keine der vielen Definitionen, die über die
französische Romantik versucht worden sind, diese vielfarbige
und vielverzweigte litterarische Strömung ganz umfassend
decken, so ergänzt doch jedenfalls der Begriff des Individualis-
mus fast durchweg den der Romantik; es kann der eine bei-
nahe immer durch den andern ersetzt werden. Man braucht
nur die gerade Linie der lyrischen Evolution rückwärts zu
ziehen, um sich darüber klar zu werden, dass wir in der
Ichschwärmerei den Kern und den specifischen Charakter der
Romantik zu suchen haben; und wenn der Franzose unter
„romantique" gewöhnlich nur mutiges, ungeduldiges und
Das litterarische Paris ums Jahr 1831. 13
leidenschaftliches Streben nach dem Schönen, Wahren und
Grossartigen versteht, mit einem Beigeschmack von Keckheit
und trotzigem Auflehnen gegen alles Hergebrachte und Spiess-
bürgerliche, so hat er damit im Grunde doch nur den Indi-
vidualismus in seinen Folgen und Erscheinungen charak-
terisiert. Ferdinand Brunetiere ist mit grossem Scharfsinn,
aber nicht „sine ira et studio" den Spuren des „moi hai'ssable"
in der französischen Poesie des XIX. Jahrhunderts gefolgt,
so besonders in seinen Vorträgen, die 1893 in der „Revue
Bleue'^ unter dem Titel: „Evolution de la poesie lyrique au
XIX" siecle" *) veröffentlicht wurden. Das „Ich" ist die
„bete noire" des inzwischen unter die vierzig Unsterblichen
eingegangenen Diktators der „Revue des deux Mondes", der
es sich u. a. gestatten durfte, die französische Romantik
„manifestation de l'hypertrophie du moi" zu nennen und mit
Bezug auf die ihm unsympathischen Ichlyriker zu sagen : „II
se trouvera toujours assez de gens, en France, pour nous
assassiner du recit de leurs infortunes" etc. (Revue Bleue
27. Mai 1893) — nachdem er uns die lichtvollsten und geist-
reichsten Arbeiten über die Litteratur seiner Heimat geschenkt,
die je geschrieben worden sind.
Bis hierher haben wir uns — um bei unserm Bilde zu
bleiben — lediglich mit der Inscenierung der litterarischen
Bühne beschäftigt und es versucht, die Hauptideen und Ten-
denzen gleichsam als Hintergrund aufzustellen. Jetzt handelt
es sich darum, die Hauptdarsteller der Romantik vorzuführen.
Von einer Darstellerin, die bereits seit einigen Lustren
von der romantischen Bühne abgetreten war, auf der sie
wohl die bedeutendste, keineswegs aber dankbarste Rolle ge-
spielt, von Madame de Stael haben wir schon zu reden
Gelegenheit gehabt. Erwähnt muss auch der Dichter werden,
der als einer der letzten Opfer das Blutgerüste Dr. Guillots
^) Inzwischen bei C. Levy in Buchform erschienen.
14 Das Milieu.
bestieg, Andre Clienier, der Sänger der „Jeurie captive".
Der Einfluss seiner Werke nämlich, die 1819 von Henri
de Latouche publiziert wurden, begann eigentlich erst um
die Zeit, in der wir hier stehen, Früchte zu tragen, da
Sainte-Beuve die Ahnen der Romantik suchte. Erst vierzig
Jahre nach dem Tode des Dichter-Girondisten beginnt man
seine Kunstform und seinen Hellenismus nachzuahmen. In
den zwanziger Jahren waren weder Lamartine noch Victor
Hugo von ihm inspiriert. Noch eines Dritten sei gedacht,
der auch nicht mehr unter den Lebenden zählte, dessen
Schriften aber gerade in den Julitagen Triumphe feierten,
des Pamphietisten Paul-Louis Courrier^ den 1825 nicht etwa
die Jesuiten, sondern seine eigenen Bauern erschlugen, die
er, der Autor der „Petition ä la chambre des deputes pour
les villageois qu'on empeche de danser", der es so meister-
haft verstand, mit Nachahmung des Bauernstils der Touraine,
für die verletzten Volksrechte zu plaidieren, hart und schlecht
behandelt hatte. Das puritanisch strenge Urteil Börnes über
Heine : unendlich mehr Talent als Charakter — passt noch weit
mehr für den geistreichen Courrier, den nonchalanten Frondeur,
dessen ganze politische Philosophie in persönlicher Freiheits-
liebe aufging und dessen Liberalismus der Republik, der
Monarchie und der Restauration gegenüber gleich feindlich
und gleich indifferent blieb.
Und nun zu den ersten Rollen der lebenden litterarischen
Truppe, die wir dem Alter nach betrachten wollen, obgleich
es manchen erging, wie ihren kleinen Kollegen auf der kleinen
Bühne, die ihren Rühm überleben und von den Jüngern
überflügelt werden. Es ist dies, wenn auch nicht im gleichen
Masse, mit allen Veteranen des XVIII. Jahrhunderts der Fall,
von denen die beiden bedeutendsten Opfer ihrer politischen
Ambitionen werden sollten.
Frangois-Rene, vicomte de Chateauhriand (1768 — 1848),
stand auf der Höhe seines politischen Ruhmes; er war der
Das litterarischo Paris ums Jahi' 1831. 15
beredte, edle aber ungeschickte Minister und Staatsmann ge-
worden. Aber die ,, goldenen Worte" seines ,, Genie du Chris-
tianisme" waren schon vor drei Decennien gefallen. Mit den
Natchez hatte er Mitte der zwanziger Jahre der Romantik das
Modell glänzender, farbenprächtiger Naturmalerei gegeben;
desgleichen schon um die Wende des Jahrhunderts seinen
„Rene", der litterarisch auf beiden Ufern des Rheines nicht
minder gewaltig wirkte als Goethes selbstbefreiendes Kunst-
werk. Der Dichter, der die verschiedensten Elemente in
sich vereinte, die alle auf bestimmte Einflüsse zurückzuführen
sind — seine Lyrik auf Rousseau, der Farben und Bilder-
reichtum seines Stils und sein Natursinn auf Bernardin de
Saint-Pierre, — der Dichter, der die Prosa Rousseaus gewisser-
massen orchestriert hat, — wie Brunetiere sich pittoresk aus-
drückt, von dem wir uns in dieser Poetenschau oft leiten
lassen, — und so einen Stil geschaffen, der für alle Zeiten
mustergültig dastehen wird, — dieser Dichter war längst
verstummt. —
Charles Nodier (1780 — 1844), der Verfasser jenes andern
Wertherromanes „Le peintre de Saltzbourg" (1803), hatte mit
seinen phantastisch zügellosen Erzählungen schon zu Beginn
des Jahrhunderts den Romantikern die Bahn geebnet. Nach-
dem er aber sein Scherflein zur Beseitigung klassischer Vor-
urteile beigetragen, zog er sich nicht wie Chateaubriand
grollend zurück, sondern da öffnete er der romantischen
Jugend die Pforten seines gastlichen Hauses, das der Sammel-
platz der de Vigny, Hugo, Musset, Sainte-Beuve etc. bUeb
und ihr erster „Cenacle" wurde, bis derselbe später in Hugos
Wohnung übersiedelte. Im Jahre 1830 verfasste er die Ein-
leitung zu der Uebersetzung der Werke Byrons von Amedee
Pischot, in der er den Einfluss der Britten betont und dessen
Folgen begrüsst.
Von den beiden sympathischen „Chansonniers", die noch
dem XVin. Jahrhundert entstammen, hatte der fröhliche, gött-
16 Das Milieu.
lieh leichtsinnige Autor von „M. et M™^ Denis" aufgehört, der
Interpret des alten lustigen Prankreichs und Vorsitzender der
revolutionären „Caveau"-Gesellschaft zu sein. Marie- Antome-
Madeleine Desmtgiers war 1827 gestorben. Sein Schüler und
Nachfolger aber, Jean- Pierre de Berayiger (1780-1857), wusste
noch packender, reizender und noch gefährlicher zu singen.
Die leichten, im tollen IJebermut tiefen Ernst bergenden
„Chansons", die den bourbonischen Thron ins Wanken brachten,
nachdem sein berühmtes Gedicht „Le Roi d'Yvetot" wie ein
schriller Pfiff mitten in die Triumpheshymnen von Lützen
und Bautzen ertönt war, hatten ihm neun Monate Gefängnis
— und die begeisterte Liebe seines geliebten französischen
Volkes verschafft.
Die chronologische Anordnung bringt es mit sich, dass
wir jetzt zu Marie- Henri Beiße- Stendhal (1783-1842) übergehen,
der eine Stelle für sich einnimmt. Dem abenteuerlichen Leben
dieses ehemahgen Offiziers der „grande armee" und Bonaparte-
enthusiasten wurde unter den Bourbonen ein schöner Dichter-
abend zu teil. Er durfte die letzten Jahre in seinem geliebten
Italien als französischer Konsul verbringen, wo er auch seine,
wenigstens für die Nachwelt, bedeutendsten Werke verfasste.
Pur die Romantik allerdings war seine Schrift „Racine et
Shakespeare" (1823), mit der er den Kampf gegen den Klassi-
cismus mitbeginnen und mitfechten half, von grösserer Trag-
weite. Immerhin hatte er auch in seinen vierbändigen Roman
„Rouge et noir", der mit Recht als Ausgangspunkt — im
XIX. Jahrhundert natürlich — ^ des modernen französischen
Romans betrachtet wird, ein Stück Geistesgeschichte jener
Epoche, alles was die Jugend von 1830 bewegte und begeisterte,
hineingelegt.
Auch der echteste, spontanste, innerlich bewegteste Natur-
lyriker, wenn auch nicht der erste Naturbetrachter und -Sänger
Prankreichs — denn das hiesse nicht nur Chateaubriand und
Beruh, de St-Pierre vergessen, sondern auch den vielgeschmähten
Das litterarische Paris ums Jahr 1831. 17
J.-B. Rousseau, und nicht minder Lafontaine, Ronsard etc. etc.
vergessen — der Dichter des „Lac", Alphonse de Lamartine
(1790-1869), hatte der französischen Litteratur bereits vor 1831
ihre edelsten und schwungvollsten iMexandriner geschenkt.
Vor einem Jahrzehnt schon waren die bezaubernden Töne seiner
„Meditations poetiques" erklungen, in die er den Weltschmerz
seines Lehrers Chateaubriand hineingelegt, — eigentlich das
einzige romantische an diesem klassischen Sänger. — Kurz
vor der Julirevolution war Lamartine mit der Veröffentlichung
der „Harmonies poetiques et religieuses" (1829) — die von
Jules Lemaitre als das grösste Meisterwerk der französischen
Lyrik angesehen werden — auf dem Gipfel seines Dichter-
ruhmes angelangt, von dem er ebenso schnell herabsteigen
sollte, wie er ihn erklommen hatte. Als Heine in Paris einzog,
kehrtk, Lamartine gerade seinem Vaterlande schmollend den
Rücken, um im Oriente, wo er sich in masslosen Luxus stürzte
und lächerlic;lier Poeteneitelkeit fröhnte, eine verunglückte
Wahlcampagne zu vergessen. Auf den Trümmern der antiken
Welt inspirierte er sich noch zu dem mystisch angehauch-
ten, zuweilen rhetorisch überschwänglichen „Jocelin", dessen
lebendige Schilderung aber und schöne Anschaulichkeit die
deutsche Kritik veranlasste, denselben als sein bestes Werk zu
bezeichnen, — und zu dem krankhaft phantastischen, byroni-
sierenden „La chute d'un ange". Nach „ Jocelin" (1835) hört für
die Nachwelt Lamartine der Dichter auf. Die Geschichte aber
wird den Autor der „Histoire des Girondins" von den entschei-
dungsschweren Tagen im Jahre 1848 nicht trennen können.
Noch haben wir zwei Dichter zu nennen, die die Romantik
dem vergangenen Jahrhundert schuldet : Casimir Delavigne
und Alfred de Vigny, die beide in den dreissiger Jahren noch
in ihrer vollen Schaffenskraft standen.
Delavigne (1794 — 1843), der in der „grossen Woche" in
feurig patriotischem Liede die Wiederkehr der „Regenbogen-
farben der Freiheit" begrüsste, war schon seit 1819, da seine
Betz, Heine in Frankreich. 2
lg Das Milieu.
„Vepres siciliennes" über die Bühne gingen, ein berühmter,
von Romantikern und Klassikern viel angefochtener Mann.
Mit den „Enfants d'Edouard" — noch heute in Prankreich
eines der beliebtesten Trauerspiele, dem jeder Franzose einmal
sein Thränenopfer dargebracht — , die erst 1833 aufgeführt
wurden, hat er dann eine opportunistische Stellung zwischen
der alten und neuen Schule angenommen. Ohne grossen
poetischen Schwung und echte Begeisterung, verfügte Dela-
vigne über ein hervorragendes Formtalent, mit dem sich edle
patriotische Gesinnung, wie diese in seinen „Messeniennes sur
les malheurs de la France" (1818 und vermehrt 1826) an den
Tag tritt, vereinigt.
Im Gegensatz zu der schwankenden Stellung Delavignes
ist Graf Alfred de Vigny (1799 — 1863) als einer der einfluss-
reichsten und rüstigsten Bahnbrecher der Romantik zu be-
trachten. Auch er hatte vor dem zweiten Drittel des Jahr-
hunderts sein Bestes geleistet. Sein mystisches Gedicht „Eloa,
la soeur des anges" begeisterte um die Mitte der zwanziger
Jahre Sainte-Beuve und den ganzen Anhang des Cenacle
von 1824. Kurz vorher hatte er der französischen Litteratur
den unübertroffenen historischen Roman „Cinq-Mars'^ geschenkt.
Bekannt ist sein mutiger Kampf und die ehrenvolle Niederlage
mit der trefflichen Othello-Uebersetzung (1828). Aber erst nach
der Julirevolution zeigte sich sein wahres , Jch'' als das eines
der grössten Pessimisten dieses Jahrhunderts. Als solcher
wirkte er initiativ auf die Gedankenlyrik in Frankreich.
Bevor wir mit einem Worte die bedeutendsten Historiker
und Kritiker jener Epoche berühren wollen, sei noch der
grosse Vaudeville- und Scenen-Techniker Eugene Scribe er-
wähnt (1791 — 1861). Seine Glanzperiode und vmbestrittene
Herrschaft nicht nur über die französische Bühne, sondern
auch über diejenige ganz Europas, fällt allerdings erst in ein
späteres Jahrzehnt; immerhin hatte er schon bis zu den Juli-
tagen dem französischen Theater, resp. den Boulevardtheatern
Das littorarische Paris ums Jahr 1831. 19
des Gymnase und Yaudeville, deren Glück er gemacht, seit
seinem ersten Lustspiel „Davis" (1811) — mit einer Unzahl
von Mitarbeitern — die Kleinigkeit von 200 Vaudevilles ge-
schrieben, darunter seine berühmtesten Operntexte. —
Wenn die Dichtkunst der Romantik nicht schlechtweg als
die Glanzperiode der französischen Poesie aller Zeiten betrachtet
werden darf, so lässt sich mit desto grösserer Bestimmtheit
von der historischen Wissenschaft sagen, dass sie sich in den
Jahren 1830 — 50 einer nie erlebten Blüte erfreute. Der Alt-
meister der doktrinären Geschichtsschreibung , Frangois-
Pierre-Ouülaume Oiiizot (1787 — 1874), hatte seinen Lehrstuhl
im College de France und der Sorbonne, wo er die Resultate
seiner sorgfältigen Quellenstudien schmucklos, aber durch die
Fülle seines tiefen Wissens und durch die scharfe Kritik fes-
selnd, der für Mittelalter schwärmenden romantischen Jugend
vortrug, noch nicht mit dem Ministerstuhl vertauscht. In die
Jahre 1828 — 30 fallen seine bedeutendsten Werke, so die
„Histoire de la civilisation francaise'^
Dem jungen Jules Michelet (1798 — 1874) verschaffte erst
die Juliregierung eine Sinekure, die ihm die nötige Müsse gab,
seine spannenden und malerisch beschreibenden Geschichts-
werke zu vollenden. Dagegen hatte der um zwei Jahre ältere
Fr angois- Auguste Mignet (1796—1884) schon im Jahre 1824
durch seine treffliche „Histoire de la Revolution frangaise'^
ein überaus klares und psychologisch scharf gedachtes Bild
der grossen Staatsumwälzung entworfen. Der bureaukratische
Louis- Adoli)he Thiers (1797—1877), der seine engherzige Ge-
schichtsauffassung später auch auf die Politik übertrug, hatte
sich schon Mitte der zwanziger Jahre ebenfalls mit einer
„Histoire de la Revolution frangaise" (in acht Bänden) den
Ruf eines grossen Historikers erworben. Seine hohen Verdienste
für die geistige Hebung seines Volkes, als Unterrichtsminister
Louis-Philippes, fallen in die Jahre 1832—35. In seinem Auf-
trage studierte Victor Cousin in Deutschland neue Anordnungen
20 Das Milieu.
für die Einrichtung der französischen Schulen, deren Schüler-
zahl sich unter Thiers' Fürsorge um eine Million vermehrte.
Ebenso schufen in diesen Jahren die Vertreter der be-
schreibenden Geschichtsforschung historische Meisterwerke
von bleibendem Werte. So vor allen der liberal gesinnte
Äugustin Thierry (1795 — 1856), den man wegen seines glän-
zenden Erzählertalentes und seiner treuen Hingabe zur
Wissenschaft, in deren Dienst er erblindete, den Homer der
Geschichte genannt hat.
Nachdrücklich ist gerade bei dieser Richtung der Zu-
sammenhang mit der französischen Romantik, mit Chateau-
briand und mit W. Scott hervorzuheben. Denn Aug. Thierry
selbst erzählt uns, wie ihn die Lektüre der „Martyrs" mächtig
für das Mittelalter begeistert hat, und bezeichnet er doch
selbst W. Scott als seinen grossen Lehrmeister, wenn er ihn
„le plus grand maitre qu'il y ait jamais eu en fait de divi-
nation historique" *) nennt.
Von den vielen namhaften Litterarhistorikern wollen wir
nur den hervorragendsten nennen : Ahel-Frangois Villemain
(1790 — ^1870), der in beredten Vorlesungen der zweitausend-
köpfigen lauschenden Jugend Blicke in das geistige Leben
der Völker öffnete, wie dies noch kein Franzose vermocht.
Hier sei mit den alterreifen Vertretern der schönen Wissen-
schaften abgeschlossen, obschon tioch mancher Name von
gutem Klang zu nennen wäre. Der älteste der in diesem
Jahrhundert geborenen Jungen und zugleich nicht nur durch
sein Talent hervorragendste, sondern auch durch die domi-
nierende, tonangebende Stellung, die er sich zu erringen
wusste, ist der 1802 geborene Victor Hugo (gest. 1885). Mit
zehn Jahren hatte er bereits gute Verse geschrieben, mit
fünfzehn solche der französischen Akademie überreicht und
1) Vergl. Gottl. "Wüscher : „Der Einfluss der englischen Balladenpoesie auf
die französische Litteratur" (1765—1840). Zürcher Dissertation 1891. (Pag. 49.)
Das litterarische Paris ums Jahr 1831. 21
zwanzig Jahre alt war er mit seinen ersten „Ödes" (1822)
an die Oeffentlichkeit getreten. Und als Hugo 1824 seine
mächtigen klang- und farbenreichen „Ödes et Ballades" zu
publizieren begann, da galt er schon allgemein als eben-
bürtiger Rivale Lamartines, dessen unnachahmliche Vers-
harmonie er zwar ebenso wenig erreichte, wie die innige
Schwärmerei, den er aber durch reicheres Kolorit der
Sprache, schärfere Charakteristik, blendende Phantasie und
besonders an Gedankentiefe übertraf. Während sich der
Sänger der „Meditations" stets in hehren Sphären und über-
irdischen Träumereien bewegte, tobt in den Versen des
leidenschaftlich kämpfenden jungen Romantikers eine schwer-
wuchtige Lyrik. Was er dichtet, hat er gesehen, erlebt und
reiflich vmd fest überlegt ; seine Poesie , auch wenn sie
phrasenhaft und preziös lautet, wurzelt in dem Gehirn, und
zwar in dem eines genial unruhigen Poeten. Kurz vor
dem Ausbruch der zweiten Revolution hatte der noch nicht
Dreissigjährige mit den „Orientales" sein Höchstes in der
Kunstlyrik geschaff'en. Die fabelhafte Technik in der Reim-
kunst, die staunenswerte Fertigkeit, die er in den wunderbar
klangvollen Versen an den Tag legt, machen ihn, — mag
er sich auch dagegen gesträubt haben, zum geistigen Vater
der „l'Art pour rart"-Litteratur, bei der das „Ich" in den
Hintergrund tritt, um den Tönen einer hinreissenden Sprach-
orchestration, dem lyrisch-musikalischen Elemente, das wir
auch in den „Contemplations" so bewundern, das Feld zu
räumen.
Schon 1827 hatte Hugo in der Einleitung zu seinem
Buchdrama „Crom well" der klassischen Tragödie dea Krieg
erklärt. Die Auff'ührung der „Marion Delorme" war 1829 ver-
boten worden und 1830 hatte der berühmte Bühnenkampf
und -sieg des „Hernani" stattgefunden. Besiegt waren die
klassischen drei Einheiten und andere Traditionen des XVII.
Jahrhunderts noch nicht, sondern einstweilen erst die Gleich-
22 Das Milieu.
gültigkeit des Pariser Publikums; von da an gab es für
Hugo nur noch lärmend -enthusiastische Bewunderer und
ebenso laute Gegner. Wenn wir nun in Betracht ziehen, dass
Hugo 1831 noch den grossartigen Roman, das dreibändige
Werk „Notre Dame de Paris", vollendete, in dem er mit
wunderbarer Virtuosität und kunstvoller Darstellung für die
Existenzberechtigung und die Verbindung des pittoresk
Hässlichen mit dem ideal Schönen plaidierte, wie bereits in
der Vorrede zu „Crom well", und uns mit glänzender Phantasie
und staunenswerter Sachkenntnis ein plastisches Bild des
Mittelalters hervorzaubert; wenn wir uns ferner erinnern, dass
lyrische Schöpfungen, wie ein Teil der „Feuilles d'automne"
und die ersten „Chants du crepuscule" noch 1831 entstan-
den, so sind wir berechtigt zu behaupten, dass Victor Hugo
vor der Julirevolution die vornehmsten, geist- und wirkungs-
vollsten Werke seiner langen Dichterlaufbahn geschaffen
hatte.
Obgleich der um ein Jahr jüngere Prosper Merimee
(1803 — 1870) erst in den vierziger Jahren die beiden Romane
„Colomba" und „Carmen" verfasste, an die sich sein Name
als einer der Vorläufer des modernen, indifferent beschreiben-
den Realismus knüpft, so hatte er mit dem „Theätre de
Clara Gazul" (1825), der „Chronique du regne de Charles IX",
mit „Guzla" (1827) schon ein eigenartiges und hervorragen-
des Erzählertalent ebenso wie gründliches Wissen bewiesen.
„La Guzla" — jene berühmte, dem Macpherson'schen Betrüge
ähnliche apokryphe Sammlung illyrischer und dalmatischer
Balladen, veranlasst uns, ganz kurz auf das Erwachen des
Verständnisses für Volkslitteratur hinzudeuten, die vor Meri-
mee schon dem Polkloristen Claude Fauriel und dem Uni-
versalessaisten Loeve-Veimars und später besonders von Xa-
vier Marmier gepflegt wurde. Der französischen Kunstpoesie
den frischen Quell reiner Volksdichtung zuzuführen, gelang
diesen Männern jedoch nicht. Den Wert des echten Volks-
Das litterarische Paris ums Jahr 1831. 23
liedes, besonders des eigenen, nationalen, erkannte die fran-
zösische Romantik nicht. ^)
Heine würde uns nimmermehr verzeihen, wollten wir den
zukünftigen Autor der „Mousquetaires" und des „Monte-
Christo", den populärsten und vielleicht sympathischsten
Romantiker, den Mulattensohn Alexandre Dumas (1803 — 1870)
vergessen. Ihm kommt die Ehre zu, noch vor Hugo, mit
allerdings ziemlich bedenklichen Waffen, die nicht einmal
alle aus seiner Werkstatt waren — mit dem Drama „Henri III
et sa cour'^, dem ersten romantischen Schauspiel, das über
die geweihten Bretter des Theätre frangais ging, im Jahre
1829 den ersten Sieg für sich, für seinen Cenacle (den No-
diers) und die Romantik davongetragen zu haben.
Für den 1827 von der französischen Akademie aus-
geschriebenen „prix d'eloquence" konkurrierten drei Litterar-
historiker: die beiden Schüler Villemains, Philarete Chasles
und Auguste Saint -Marc Girardin, von denen wir wieder-
holt zu sprechen haben werden, und ein junger Kritiker des
„Globe", Charles- Augustin Sainte-Beuve (1804 — 1869j. Den
Preis teilten sich die beiden ersten ex aequo; Sainte-ßeuves
„Tableau de la poesie frangaise au XV? siecle", das auf
gründlichem Studium Ronsards und du Bellays beruhte, zu
dem ihn sein Freund Hugo und der allgemeine litterarische
Zeitgeist angeregt, ging leer aus. Das Buch aber, in dem
er die Romantiker über die Perücken der Klassiker hinweg
mit Ronsard verkettete, erregte nichtsdestoweniger gewaltiges
Aufsehen in litterarischen Kreisen und machte den Verfasser
zu einem der Hauptleiter der neuen Strömung. Bald jedoch
trennte er sich von derselben, um sich dem Mysticismus der
Lamennais und Lacordaire, dann dem Jakobinertum eines
Armand Carrel anzulehnen, und, nachdem er kurze Zeit
mit Proudhons Socialismus geliebäugelt, ergebenst an den
^) Vergl. Gottl. Wüsclier, a. a. O,, pag. 61
24 Das Milieu.
Stufen des Kaiserthrones zu enden. — Sainte-Beuve war der
vielseitigste Romantiker, in dem man heutzutage mit Unrecht
bloss den einflussreichsten Kritiker sieht, da er, wie keiner
vor ihm, die intuitive Kraft der Nachempfindung für die ver-
schiedenartigsten litterarischen Erscheinungen besass. Denn
seine Lyrik nimmt eine bedeutende und wirkungsreiche
Stellung ein. Im Jahre 1829 waren seine „Poesies et pen-
sees de Joseph Delorme" und 1830 die „Consolations" er-
schienen, in denen nach dem Muster der Engländer Cowper
und Wordsworth das Kleinleben der Natur und die Genüsse
des Stilllebens mit idyllischer Realistik geschildert sind. In
Joseph Delorme hat er den Romantikern die drei Haupt-
erfordernisse des neuen Verses gezeigt: Freiheit und Be-
weghchkeit der Cäsur, Freiheit im „enjambement" und vor
allem Reichtum des Reimes. Fast ein halbes Jahrhundert
vor den Parnassiens feiert er die Macht desselben, indem er
ihn als erstes und Hauptraittel für die gestaltende Phantasie
des Dichters erklärt. Er war, wie Brunetiere treff'end sagt,
der Du Bellay Hugos, denn er formte das, was das Genie
desselben geschaffen, in rhythmische Regeln und legte so die
Grundzüge der neuen „Illustration" der französischen Sprache
nieder.
Es erübrigt uns noch von zwei Dichtern zu reden, von
denen ein jeder in seiner Art als Vollblutromantiker betrachtet
werden kann. Wir meinen Alfred de Musset, den engsten
Geistesverwandten, und den um ein Jahr Jüngern Theophile
Gautier, den intimsten Freund Heinrich Heines. In diesen
beiden Eigenschaften werden wir uns auch noch später
mit ihnen zu beschäftigen haben. Hier seien sie nur als die
beiden Poeten erwähnt, die die lange Reihe der Geistesheroen
der Zeitepoche von 1831 beschliessen.
Alfred de Miisset (1810 — 1857), welcher der Romantik
das spöttelnd witzige Element, den Sarkasraus und die Sinn-
lichkeit zuführte, hatte 1830 die „Contes d'Espagne et d'Itahe",
Das litterarische Paris ums Jahr 1831. 25
jene frisch sprudelnden humorvollen Erzählungen, heraus-
gegeben. Erst nach 1831 griff das berühmte Liebesverhältnis
tragisch in sein junges Leben ein, dessen erste Frucht „Rolla"
(1833) wurde. Der Gegenstand dieser verhängnisvollen Leiden-
schaft, die Baronin Dudevant (geborene Aurora Dupin, 1804
bis 1876), war, eine unglückliche Ehe fliehend, fast zur selben
Zeit, wie Heine nach Paris gekommen, wo sie noch im
Jahre 1831 ihren ersten Roman „Rose et Blanche", nach
ihrem litterarischen Mentor, Jules Sandeau, George Sand
unterzeichnete; ein Pseudonym, das ihr zweiter Roman
„Indiana" (1832) in alle Welt tragen sollte. —
Noch nicht zwanzig Jahre zählte der krausköpfige meridio-
nale TJieopliile Gaiitier (1811 — 1872), dieser echte und unver-
fälschte Typus des Romantikers, als er dem Autor des Her-
nani, seinem angebeteten Meister, die ersten duftenden und
sprachprächtigen Lieder widmete. Sie kündigten schon die
glänzenden Gaben des zukünftigen Versmalers an, wie sie sich
später in den „Emaux et camees" offenbarten, jenen Grund-
festen der Parnasseparole : „L'art pour l'art". Der süd-
ländische Brausekopf war damals in der erwähnten denk-
würdigen Vorstellung des Hernani — am 23. Februar 1830 ^
der Hauptführer der Schar begeisterter Musen jünger mit
w^allendem Haupthaar, roten Schnürröcken und spanischen
Mänteln, die dem litterarischen Philistertum den Garaus
machen wollten. An jenem Abend schon hatte sich Gautier
im Parterre des Theatre frangais mit seiner roten Weste und
den hellgrünen Hosen den legendären Ruf geschaffen. *)
*) In dem Cenacle von 1829 war Gautier der Jüngste. — Hier mag
noch ein Wort der Aufklärung über den oft genannten und missverstandenen
Begriff des Cenacle am Platze sein. Es handelt sich nämlicli nicht bloss um
einen, sondern um drei Cenacles. Der erste, der von 1824, setzte sich zusammen
aus : Nodier, in dessen Wohnung im Arsenal, wo er Bibliothekar war, er meistens
tagte, — Victor Hugo, Alexandre Soumet, ein Bewunderer und Nachahmer
Klopstocks, der nicht lange mit den Romantikern gemeinsame Sache machte, —
26 Das Milieu.
Alfred de Vigny und den beiden Brüdern Emile und Antony Deschamps, von
denen der erstere sich durch treffliche Uebortragungen deutscher Klassiker aus-
zeichnete. Auf der Tagesordnung dieses Schriftstellerbundes standen ausser
dem Kampfe gegen das litterarisch Konventionelle, ganz besonders Hass der
grossen Revolution und Verachtung alles Gemeinen und Vulgären. In dem
zweiten Cenacle (ums Jahr 1828), der noch bei Nodier abgehalten wurde, in
dem aber schon Hugo das grosse Wort führte, treffen wir ausser den alten
noch folgende neue Namen : Sainte-Beuve, Alfred de Musset, Gerard de Nerval,
Alexandre Dumas und die talentvolle Dichterin Madame Tastu, die sich beson-
ders als Jugendschriftstellerin Verdienste erworben. Erst der dritte Cenacle
findet im Hause Victor Hugos, Place Royale, statt. Vergebens suchen wir hier
seine alten Freunde und Kampfesgenossen. Er ist inzwischen einer der Un-
sterblichen, le maitre „Olympio" geworden, der keine Freunde, sondern nur
noch weihrauchstreuende Anbeter und solche, die ihm bei seinen Arbeiten
nützlich sind, in seiner hohen Nähe duldet, d. h. excentrische Studienköpfe,
wie der Lykanthrop Petrus Borel, eine Anzahl Maler und Bildhauer. An der
Spitze dieser unbedeutenden Verehrerschar der einzige Dichter : Theo Gautier.
Heines Stellung zur französischen Romantik. 27
Drittes Kapitel
Heines Stellung zur französischen
Romantik und zu einigen ihrer Haupt-
vertreter
Man hat sich deutscherseits darüber gewundert, dass
Heine so spät in Prankreich zur Geltung gekommen ist.
Heine selbst, der sich seines Wertes wohl bewusst war, wird
zweifelsohne von Paris mehr Ehre für den deutschen Sänger
erwartet haben. Wir aber, die wir jetzt die glänzende
Siegesperiode der französischen Romantik überbHcken können,
in der, neben der Fülle von Koryphäen, neue Poeten, neue
bedeutende Geister jeder Art wie Pilze aus der Erde schössen
und so die Epoche, die Heine in Paris verlebte, zu einer
abnormal litterarisch produktiven gestalteten, wir müssen uns
im Gegenteil darüber wundern, dass der deutsche Dichter so
rasch in der litterarischen Welt von Paris zu Ansehen ge-
langte. Denn der flüchtige Poet musste sich nicht nur allein
durch die Masse von Talent und Genie den Weg zum Ruhm
bahnen, sondern es traten noch hemmende Verhältnisse hinzu.
Zu diesen gehört in erster Linie seine schiefe sociale Stellung
als deutscher Journalist, über die man lange in massgebenden
Kreisen im unklaren war. Geraume Zeit hatte Heine gegen
ein geheimes Misstrauen zu kämpfen, das man dem schönen,
jungen und geistreichen Chroniqueur — denn nicht als Dichter
28 Das Milieu.
betrachtete man ihn anfangs, von dem man so gut wie nichts
wusste — mit der scharfen Zunge entgegenbrachte, den man
überall antraf, hinter den Coulissen der Theater- und der
politischen Bühne, in öffentUchen Versammhmgen, in Utterari-
schen Salons und bei der „Boheme" ebenso wie in den
Tuilerien. Lange musste er sich gefallen lassen, in Frank-
reich als Deutscher verschrieen zu sein, während man ihn
zu Hause einen Franzosen schalt. —
Den sichersten und kürzesten und auch dankbarsten
Weg zu Ansehen und Einfluss, denselben, den u. a. ein
Alexandre Weill und später Albert Wolff einschlugen, d. h.
die alte Heimat abzuschütteln und Franzose zu werden, diesen
Weg wollte Heine nicht wählen. Diejenigen, die in germani-
schem Ingrimm so schnell bereit sind, den flüchtigen deutschen
Juden wegen seiner überrheinischen Sympathieen als Vater-
landsverleugner oder gar -Verräter an den Pranger zu stellen,
ignorieren, wie gross die Versuchungen waren, die an den
nach französischem Schriftstellerruhm Strebenden herantraten,
und wie fest und innig seine Liebe fürs deutsche Vaterland
sein musste, dass er allen Verlockungen einer Naturalisation
widerstehen konnte. Er blieb Deutscher und focht sein wag-
halsiges Vorpostengefecht aus, als welches er seine Stellung
in Paris stets betrachtete — und zwar wetteiferte er als
Deutscher mit den Franzosen in Redetalent und „esprit",
kämpfte mit ihren ureigensten Waffen, teilte kreuz und quer
seine scharfen Hiebe unter den gefürchtetsten und angebetet-
sten Helden der Feder und des Geistes aus.
Wie sehr man gleich die Mitarbeiterschaft dieses in-
teressanten Fremden schätzte, wie viel man von der Zug-
kraft seines sprühenden Gedankenblitzes erwartete, geht zu
Genüge aus der Thatsache hervor, dass die erste französische
Uebersetzung der „Reisebilder" für die bloss ein Jahr alte,
aber schon tonangebende „Revue des deux Mondes" ge-
wonnen wurde, die bereits Gelehrte, wie Sainte-Beuve, Edgar
Heines Stellung zur französischen Romantik. 29
Quinet, Gust. Planche, Fauriel und Lerminier, und Poeten, wie
Hugo, Dumas und Alfred de Vigny, zu ihren Mitarbeitern
zählte, d. h. die ersten Namen des Tages. Eine der hervor-
ragendsten litterarischen Modefiguren Loeve-Veimars über-
setzt ihn. Noch mehr ! Das grossartige journalistische Unter-
nehmen „L'Europe litteraire" stellt das französische Original
seiner „Romantischen Schule" an die Spitze der ersten
Nummer und benützt so das Talent, das Wissen und den
Namen Heines als Reklame für die Zeitschrift. Und dies,
als unser Dichter kaum ein Jahr, resp. zwei Jahre in Paris
gelebt hatte! Heisst dies nicht zur Geltung kommen und
nicht gewürdigt werden? Wer weiss, wie viel Mühe, Aus-
dauer, Geduld und Talent es fast allen zu Ruhm und Ehre
gelangten Franzosen in ihrer eigenen Hauptstadt kostete,
bis es ihnen gelang, sich an die Oberfläche hinaufzuarbeiten,
muss zugeben, dass Heine erstaunlich rasch nach Wert und
Verdienst anerkannt wurde. Heinrich Laube, der einzige
wirklich bedeutende von seiner Handvoll ehrlicher und treuer
Freunde, bestätigt als Augenzeuge, dass seine französischen
Kollegen sehr bald in ihm nicht nur die Krallen des Löwen
fürchteten, sondern in dem deutschen Flüchtling eine geistige V
Macht ersten Ranges erkannten , als solche sie ihn auch
schätzten und achteten. ^)
Alle deutschen Heinebiographen haben ein Kapitel dem
Verhältnis Heines zu berühmten französischen Zeitgenossen,
seinem gesellschaftlichen Verkehr in Paris und seinen näheren
Freunden gewidmet. Es kann daher nicht unsere Aufgabe
sein, hier Bekanntes im einzelnen zu wiederholen. Im weitern
Verlauf unserer Arbeit, wenn wir von seinen Uebersetzern
und der französischen Kritik reden, werden wir ohnehin
Gelegenheit finden, manches Wissenswerte zu bringen. Im
0 Vergl. H. Laube über H. Heine; Deutsche Rundschau 1887, Sept.,
png. 465.
30 D«^s Milieu.
folgenden beabsichtigen wir nur einige allgemeine Gesichts-
punkte hervorzuheben, die einer deutschen Biographie ferner
liegen, und den Namen Heines mit einigen französischen
Litteraten und ihren Kreisen in Zusammenhang zu bringen.
Wenige Notizen über Heines Stellung zu dem Saint-Simonis-
mus glaubten wir trotz einiger interessanten Seiten in Job.
Proelss' „Das junge Deutschland" (Stuttgart 1892) der Voll-
ständigkeit wegen beibehalten zu dürfen.
Auf die vielen Berührungspunkte zwischen dem Naturell
und den litterarischen und socialen Neigungen Heines und
der französischen Romantik genügt es mit wenigen Worten
hinzuweisen. Abscheu vor der Routine, Verachtung alles
Vulgären, Hass des Konventionellen, des Wortschwulstes der
Emphase, aller hohlen, nichtssagenden, schönen Phrasen und
Gefühle; dagegen Hang zur Phantastik, künstlerische Laune
und — last but not least — fanatischen Kultus des Schönen
und Grossartigen — dies alles hatte er mit den meisten
Romantikern gemein. Beide Teile berührten sich ferner in
der sich aus den obigen Eigenschaften logisch ergebenden
Napoleonschwärmerei — wir haben natürlich nur die erste
Phase der französischen Romantik im Auge. Diese war es ja
auch, welche zu Schmähungen unseres Dichters Veranlassung
gegeben hat, wobei man vergass, dass der Stein, der nur für
Heine bestimmt war, die besten Patrioten traf; so Hegel, der
von Jena aus schrieb : „Ich habe den Kaiser gesehen, diese
Weltseele/' so Varnhagen von Ense, der Napoleon bewunderte,
obgleich er gegen ihn gefochten hatte ; von Goethe gar nicht
zu reden, dessen Bonapartebewunderung allbekannt ist. Wie
bei den Romantikern, war es bei Heine nicht politische Ueber-
zeugung, auch nicht persönliche aristokratische Neigung, die
ihn für den genialen Korsen schwärmen Hessen, sondern der
Hang zum Aussergewöhnlichen, der Widerwille, den er gegen
alle Mittelmässigkeit, gegen die rohe Masse, gegen jedes farb-
und schmucklose Dasein empfand. Flauberts legendäre Parole
Heines Stellung zur französischen Romantik. 31
„haine du bourgeois^^ ^) bedeutet im Grunde nichts Anderes,
auch bei ihm muss dies Wort vom künstlerischen Standpunkte,
nicht etwa vom socialpolitischen gedeutet werden.
Heine, der schon in Deutschland ein erklärter Feind aller
Cliquen war, blieb denselben auch in Paris fern, wo sie von
jeher häufiger und einfiussreicher gewesen sind. Weder die
„Bohemiens'' noch die Saint-Simionisten konnten ihn als den
ihrigen betrachten. Freunde und Sympathieen besass er bei
beiden, ja auch in Hugos Cenacle. Er verkehrte eben mit
jedem, der ihn interessierte, ging aber ruhig seines Weges,
ohne sich dauernd irreführen zu lassen. Wahr ist es allerdings,
dass die grössere Anzahl seiner Bekannten und vor allem die
beiden intimsten Freunde der sogenannten „Boheme romantique^'
angehörten, eine Bezeichnung, die von dem einzigen über-
lebenden Mitgliede derselben, von Arsene Houssaye herrührt,
im Gegensatz nämlich zu dem „Olympe romantique'^, wo nach
ihm Chateaubriand, Lamartine, Alfred de Vigny, Hugo und —
Alex. Dumas thronten. Aber ebenso oft wie Gautier bei diesen,
war auch der joviale Dumas bei den „Bohemiens'' zu sehen.
Sehr flüchtig kannte Heine jedenfalls vier Sterne am littera-
rischen Himmel : Hugo, de Vigny, Lamartine und Merimee.
Er mag ihnen in den Soireen der Rothschildschen Kreise
zuweilen begegnet sein, in denen sich schon damals alles
bewegte, was es in Paris an Geist, Geburt und Geld Mächtiges
gab, oder bei Lafayette und den Ministern Comte Duchätel
und Salvandy, wo er Gelegenheit hatte, sich den ausgezeichnet-
sten Männern des Tages zu nähern. Zweifelsohne kannte er sie
persönlich; wie sollten sie ihm, der doch in den Redaktions-
bureaux der „Revue des deux Mondes^' und der „Europe
litteraire'' ein- und ausging, fremd geblieben sein ! Wir wissen
es auch durch die Empfehlungen, die seine deutschen Besuche
bei den litterarischen Grössen einführten. Nichtsdestoweniger
^) Etwa mit „Hass gegen den Philister" wiederzugeben.
32 Das Milieu.
ignorierten jene ihn litterarisch total; — wir glauben nicht,
dass der Name Heines in den Schriften, Briefen und Memoiren
der genannten vier Koryphäen auch nur erwähnt ist. Bei
Victor Hugo ganz besonders nicht, der nie verzieh und die-
jenigen, die seine olympische Majestät beleidigt hatten, ent-
weder totschwieg oder dann bei Gelegenheit niederschmetterte.
Da ihm das Letztere bei Heine schwerlich gelungen wäre,
begnügte er sich damit, den deutschen Dichter überhaupt
nicht zu beachten. Peinlich war dieses Verhältnis für Gautier,
dem Hugo ein höheres Wesen schien, der aber zugleich ein
enthusiastischer Bewunderer Heines blieb. Der gute „Theo''
hat es dennoch nie über sich gebracht, den deutschen Freund
in den Cenacle semes Dichtergottes zu führen, den er ver-
spottet hatte. Nicht unmöglich ist es, dass Hugo später auch an
den jüdisch-deutschen Heine dachte, als er die Juden in seinen
„Chätiments" züchtigte.
Heine war kein „homme du monde", dem es ein Bedürfnis,
sich in feinen Salons zu bewegen und dort im Kreise schöner
Damen durch seinen Geist zu glänzen und den geistreichen
Don Juan zu spielen. Die Heinelegende allerdings will es
anders; nach ihr soll sich der deutsche Dichter in einen witzigen
Salonhelden verwandelt haben, der schreckliche Verheerungen
unter den Frauenherzen angerichtet — bis ihm der strafende
Commandeur das frivole Handwerk legte und ihn zur Matratzen-
gruft verdammte ! —
Heine war viel zu launenhaft, sein Witz zu scharf und
ungeschliffen, um es in französischen Frauenkreisen zum
Liebling zu bringen — der esprit des Boulevard ist nicht
der des Boudoir — ; passte ihm irgend etwas nicht, oder war
er schlecht gestimmt, so konnte er von der Suppe bis zum
Käse stock- und grobstumm bleiben, wie — ein Gottfried Keller.
Von allen Pariser Salons, in denen er vorübergehend ver-
kehrte, blieb er eigentlich nur dem der ebenso schönen wie
gescheiten Mailänderin Prinzessin Belgiojoso treu, wo er u. a.
Heines Stellung zur französischen Romantik. 33
mit Mignet, Cousin, Bellini, seltener mit Musset zusammen-
traf. Der Letztere und Heine waren beide gleich erfolglose
Rivalen, da Mignet als Sieger aus diesem Liebestournier um
das Herz der italienischen Patriotin hervorging.
x\lfred de Musset, Heine und — Leopardi ! Wer immer
von den Dreien weiss, kann nicht an einen derselben denken,
ohne sich der andern zu erinnern. Sie sind und werden
stets das nimmerwelkende Dreiblatt der Weltschmerzpoesie,
aus Liebespein, Ironie und Geistesunruhe zusammengesetzt,
bleiben, wie sie zur Zeit unseres werdenden Jahrhunderts
aus der Evolution der Weltpsychologie entstand, oder — um
mit der vergleichenden Litteraturgeschichte zu reden — wie
sie aus Byrons Dichtung emporblühte. Die Stoffesfülle ver-
bietet uns, auf die ungemein interessante Aehnlichkeit zwischen
Heine und Musset näher einzugehen.^) Nur dies: In dieser
ihrer frappanten Aehnlichkeit, die sich sowohl auf innere An-
lage als auch auf ihre Stellung nach aussen bezieht, stehen
sie in der W^eltlitteratur einzig da. Sie haben nicht bloss
Zweifeln und Schwanken, Geist und Witz (so selten bei grossen
Dichtern) ^), eine unglückliche Leidenschaft, stolzes Selbst-
bewusstsein, thränenfeuchten Spott und das traurige Lachen
gemeinsam, sondern es decken sich auch ihre Stellung und
ihr Benehmen gegenüber der zeitgenössischen litterarischen
Strömung — beide spotten über die konsekrierten Dichter-
1) Den Versuch einer solchen Parallele werden wir in Kürze unter-
nehmen. — Fast alle, die über den einen oder andern Dichter schrieben,
machen auf die Aehnlichkeit der beiden Poetengestalten aufmerksam. Aus-
führlicher schrieb über dieses Thema bloss William Reymond („Revue des
cours litteraires de la France et de l'Etranger", 28. April 1866, pag. 368
bis 374). — In der „Revue contemporaine", 15. März 1861, pag. 306, ist
eine Parallele zwischen Musset und Lenau skizziert. — Meissner vergleicht
bekanntlich in seinen ,, Heine-Erinnerungen" Heine mit J. J. Rousseau.
2) Vergl. u. a. Grenier, Diner Brizeux („Revue bleue", 3. Juni 1893) . . .
,,Sauf Musset et surtout Heine, tous les poetes que j'ai connus n'etaient pas ce
que le monde appelle des hommes spirituels."
Bctz, Heine in Frankreich. 3
34 Das Milieu.
grossen ihrer Heimat — und ihr Einfluss auf die Jugend.
Und heute wie damals haben sie dieselben schwärmenden
Freunde und dieselben hasserfüllten Feinde. Doch selbst
bei einer flüchtigen Skizze dieser verführerischen Parallele
muss auf einen grossen Unterschied hingewiesen werden.
Bei Musset überlebte der Körper den Geist; dem Dichter der
„Confessions d'un enfant du siecle" fehlte die Kraft; er unter-
lag. Bei Heine aber siegte das Immaterielle; sein Geist
trotzte dem siechen Körper. Der Dichter des „Intermezzo"
hat sich nie ergeben. — /
Sehr liiert war Heine mit dem „Docteur L. Veron'"', einer
der stadtbekanntesten Persönlichkeiten der dreissiger Jahre;
Mediziner, Litterat, Verwalter der „Revue de Paris", Direktor
der Grossen Oper und Autor der kulturhistorisch interessanten
„Memoires d'un Bourgeois de Paris" , einem vierbändigen
Werk, in dem übrigens merkwürdigerweise nirgends von
unserm Dichter die Rede ist. Auch mit Beranger stand er
lange gut, bis Heine, der den Chansonnier schätzte und liebte,
auf die unglückliche Idee kam, diesem den Beinamen „polisson"
zu geben, worin er trotz der Vorstellungen ihrer gemeinsamen
Freundin Madame Jaubert nichts Beleidigendes sehen wollte.
Befreundet war und blieb er mit Balzac, seinem Alters-
genossen. Diesen hätten wir schon in unserer Dichter-Rund-
schau erwähnen können, da er 1832 bereits über ein littera-
risches Gepäck von circa zwanzig Novellen verfügte. Er
stak aber noch tief im geschichtlichen Romane Walter
Scotts und erst Mitte der dreissiger entpuppte sich der
genial-rücksichtslose Meister des realistischen Sittenromans.
Im „Journal des Goncourt" (Bd. II, pag. 22) werden uns fol-
gende Worte des Autors der „Comedie humaine" wieder-
gegeben: „Ah! c'est dommage, l'autre jour Henri Heine, le
fameux Heine, le puissant Heine est venu. II a voulu monter,
Sans se faire annoncer. Moi, vous savez, je ne suis pas le
Premier venu, mais quand j'ai su qui c'etait, toute ma journee.
Heines Stellung zur französischen Romantik. 35
il l'a eue.^' Zu seinen nähern Bekannten zählten ferner noch
zwei echte „bohemes romantiques", der Trabant Hugos, Petrus
Borel, und ganz besonders der originelle Sekretär Balzacs,
Lassailly. Arsene Houssay berichtet über ihn folgendes (Con-
fessions I, pag. 374) : „II (Lassailly) est un de ceux qui ont
invente le mot „incompris" pour les poetes et pour les ferames.
Cette lettre en vers ecrite le jour de sa mort ä H. Heine le
peint assez juste:
Lassailly, l'avez-vous connu, mon eher Henri?
C'etait Faust et Werther
Et son coeur a fleuri
Sans trouver de rosee.
Au pays de Voltaire
n vivait dans le bleu, toujours loin de la terre, —
Ne pleurons pas sa mort; au sejour des esprits
On pretera l'oreille au poete incompris."
Seinem Herzen jedoch am nächsten von allen den be-
rühmten und nicht berühmten Freunden, Salon-, Cafe- und
Boulevard-Bekanntschaften, — einigen werden wir noch in
den folgenden Kapiteln begegnen, — war der gute, unglück-
liche Gerard de Nerval. „Je me vois en lui," soll Heine von
ihm gesagt haben, und was er in dieser reinen Dichter-
seele sah, war sicherlich nicht sein schlechteres Ich. Bei
dem Geliebten der treulosen Colon, im Hotel de Chimay, traf
er mit mancher notorischen Persönlichkeit der Boheme zu-
sammen, u. a. mit Henri Murger, dem Maler Heinrich Leh-
mann und dem Kritiker Champfleury. Wie muss es in dieser
Gesellschaft Witze, Paradoxe und — gewisse Pikanterieen ge-
regnet haben ! Welch Glück für die von seinen Deutschen
ohnehin schon genug zerzauste Reputation Heines, dass sich
kein Goncourt in ihrer Mitte befand! —
Die „Kirche" der Saint-Simonisten traf Heine in ihrer
Glanzperiode. In allen Stadtteilen von Paris hatten sich Ge-
meinden gebildet, wo die erlösenden Lehren der neuen Re-
36 Das Milieu.
ligion gepredigt wurden. Das vornehmste litterarische Organ,
der „Globe", in dessen Spalten die Romantiker einst das
Hallali der dichterischen Reaktion ertönen Hessen, machte
durch die Feder ihrer Führer Progaganda für den neuen
Glauben. Auch in den Provinzen begann man sich für die
Apostel, die Michel Chevalier, Enfantin und Olinde Rodrigues
zu interessieren. Allein schon 1831 hatte sich die social-
religiöse Sekte, die sich nach ihrem Gründer, dem abenteuer-
lichen aber edeldenkenden Grafen Claude Henri de Saint-
Simon nannte, bereits in zwei Richtungen gespalten, in eine
social-politische und eine ethisch-religiöse, die letztere mit
Enfantin an der Spitze. Zu diesem und seinen Lehren fühlte
sich Heine eine kurze Spanne Zeit mächtig hingezogen. Er
war ein regelmässiger Besucher der Versammlungen der rue
Taitbout, die jener präsidierte, gewiss auch um sich nebenbei
an den glänzenden Reden sprachlich zu bilden. Er wohnte
der berühmten Sitzung bei, in der der Saal auf Befehl des
Königs geschlossen wurde. In Briefen nennt er Enfantin
seinen „lieben Freund", rühmt den seltenen Adel seiner Ge-
sinnung und bezeichnet ihn als einen der bedeutendsten Geister
der Gegenwart.
Dieser für Heine kompromittierende Verkehr sollte in-
dessen von kurzer Dauer sein. Er war kaum zwei Monate in
Paris, als auch die Dekadence der neuen Kirche begann und
zwar zunächst mit dem feierlich verkündeten Abfall Bazards,
der die besten Anhänger mit sich riss. Schon im August 1832
nahm der Saint-Simonismus in dem Justizpalast ein klägliches
Ende. Die Hauptprediger hatten die Kanzel mit der Anklage-
bank vertauscht. — „A l'heure oü je vous ecris" — so be-
richtet Lerminier in der „Revue des deux Mondes" vom
15. August 1832 (pag. 484) in den „lettres philosophiques" —
„il n'y a plus ni Saint-Simonisme, ni saint-simoniens, tout
s'est evanoui, car je ne compte pas dans Tordre des idees
la secte qui donne en ce moment un si pitoyable spectacle ..."
Heines Stellung zur französischen Romantik. 3T
Heine fand bald neue Freunde und zwar Heine der
Poet, d. h. sein echteres Ich. Man hat zur Genüge betont,
dass er mit allen Philosophieen bloss sein geistreiches Spiel
getrieben, mit jedem System tändelte, so auch mit dem Saint-
Simonismus. Ohne dies bestreiten zu wollen, da wir selbst
der Ansicht sind, dass Heine zu sehr Künstler und Satyriker
war, um an irgend einer fanatischen Ausschreitung Gefallen
zu finden, so glauben wir dennoch nicht, dass ihm die Lehre
des französischen Grafen bloss ein willkommenes Thema für
seine Dichterlaune gewesen sei. Sie sass tiefer. Denn als
der erste Freiheitstaumel, der ihn allzuschnell in die Arme
der Apostel warf, verraucht war, blieb dennoch an dem
nüchtern Gewordenen ein gut Stück ihrer Lehre haften —
mag sie auch im Kerne schon in dem Autor der „Reisebilder"
gelegen haben — und zwar als jene janusköpfige Doktrin,
auf der einen Seite socialistisch-antiklerikal, auf der andern
aristokratisch-individuell, beides mit einem Anflug von Mystik.
ZWEITER ABSCHNITT
H. HEINE
IM LICHTE
DER FRANZÖSISCHEN KRITIK
„Will man überhaupt Heine nur freundlich und wohl-
gefällig- abg-espieg-elt sehen, so muss man sich an die ISota-
bilitäten der Franzosen, unter denen er fünfzehn Jahre g-elebt,
wenden. Sie respektierten ihn wie einen der vornehmsten
Pairs in dem litterarischen Parlamente Europas, und derselbe
Heine, an welchem sich bei uns jeder dürftige und sein bisschen
Handwerkszeug aus Heinescher Domäne beziehende Journalist
reiben zu dürfen, über welchen Spatz und Elster abgeschmackt
piepen zu dürfen glauben, derselbe Heine gilt doi*t für einen
der grössten Dichter und geistreichsten Autoren Europas.
Ich weiss dies nicht von Hörensagen ; ich hab' es gesehen und
erfahren an seiner Seite. Ihm öffneten sich alle Pforten, ich
möchte sagen : alle Arme ; (;r gehörte ganz und gar und ohne
Vorbehalt zu der glänzenden Familie von französischen Nota-
bilitäten, welche sonst gegen den Ausländer so kühl und so
höflich sind."
(„Heinrich Laube über Heinrich Heine." — Mitgeteilt
von Gust. Karpeles.)
Der Vorwurf, unsere Forschungen in diesem Abschnitte
„ad absurdum" getrieben zu haben, wird uns schwerHch er-
spart bleiben. „Was lehren uns die hundert Stimmen aus
dem Gallierlande Neues über den deutschen Poeten? Kaum
ein Dutzend der zahlreichen französischen Beurteiler und
Verehrer vermag Heines politische Bedeutung richtig zu er-
kennen; — und noch weniger sind es, die die bezaubernde
Anmut seiner Lieder zu fassen und zu schätzen vermögen."
Solches und ähnliches wird die Kritik verlauten lassen.
Froh sind wir sogar, wenn sie es damit bewenden lässt und
uns nicht noch mit ernst- wissenschaftlichem Tadel der Ak-
tualitätshascherei zeiht. — Insofern man nicht davon ablassen
will, dass es nur einen deutschen Heine gibt und keinen
französischen, dass den Franzosen kein Recht zusteht, einen
Dichter zur Hälfte für sich in Anspruch zu nehmen, der
fünfundzwanzig Jahre lang im Herzen ihres Landes gelebt.
42 H. Heine im Lichte der französischen Kritik.
in dessen Litteratur sein Genie die tiefsten Spuren hinter-
lassen hat, — wenn man, abgesehen von alledem, es als
uninteressant und unwichtig erklärt, die verschiedensten An-
sichten eines ganzen Volkes — vom polemischen Journalisten
bis hinauf zum Dichter, über Gelehrte und Staatsmänner hin-
weg — über eine so merkwürdige Poetengestalt zu vernehmen
— wenn all' dies als unrichtig und unwesentlich betrachtet
werden könnte, so müsste dennoch diesen mit vieler Mühe
aufgehäuften und gesonderten Dokumenten ein praktischer
und wissenschaftlicher Wert zuerkannt werden, nämlich : den
Ruhm und die hohe Bedeutung Heines, die ihm von selten
Prankreichs seit einem halben Jahrhundert im reichsten Masse
zuerkannt wurden, für Deutschland durch französische Stim-
men, die über der Grenze meist unbeachtet blieben, in ein
neues Licht zu stellen, und dies zur Rehabilitation des Sängers
der „Loreley" und Beschämung der Ignoranten Splitterrichter-
kritik in dessen eigener Heimat.
Wenn wir demnach mit grösster Zuversicht an diesen
Teil unserer Aufgabe herantreten und bestimmt an die Zweck-
mässigkeit derselben glauben, so gestehen wir mit gleicher
Bestimmtheit, dass es über unsere Kräfte geht, ihr in allen
Stücken gerecht zu werden. Anfangs glaubten wir, im stände
zu sein, die Ansichten, Urteile und Studien der verschiedenen
Schriftsteller nach gewissen Gesichtspunkten zusammenstellen
und erörtern zu können ; eine Einteilung zu treffen , die
günstige und gehässige Kritik kennt, oder eine solche, die sich
ausschliesslich auf den französischen Dichter oder auf den
deutschen Heine bezieht; die den geistreichen Satyriker oder
den Sänger des „Intermezzo" im Auge hat etc. Allein wir
mussten von diesem Plane, der dem Ganzen Innern Zusammen-
hang und demonstrative Deutlichkeit gegeben hätte, abstehen.
Die französische Kritik erwies sich von derselben Komphziert-
heit wie die deutsche — und wie das Objekt selbst. Wir
mussten uns daher auf eine Gruppeneinteilung beschränken.
Einleitungr. 43
innerhalb welcher wir die zerstreuten Urteile, einschlagende
Arbeiten, Memoiren etc. chronologisch Revue passieren lassen.
Damit die Oekonomie des Ganzen nicht beeinträchtigt
werde, haben wir nur einige der wichtigsten und charakte-
ristischsten Arbeiten über Heine ausführlich besprochen. Wir
schicken deshalb eine vollständige Bibliographie der übrigen
einschlagenden Schriften jeweilen voraus, und behalten uns
vor, in Separatstudien auf dies und jenes zurückzukommen.
— Auch in dem Kapitel „Gelegentliche Urteile und Be-
sprechungen über Heine" haben wir uns bemüht, den reichen
uns zur Verfügung stehenden Stoff aufs knappste zu ver-
arbeiten.
44 ff- Hoino im Lichto dor französischen Kritik.
Erstes Kapitel
Einzelstudien über Heine
De la France, par Henri Heine. Par G.-A. D. ^) „Europe litteraire",
28. Juni 1833.
Allemagne — Poesie, par Edgar Quinet.^) „Revue des deux Mondes",
15. Februar 1834.
Henri Heine, par Philarete Chasles. „Revue de Paris", März 1835.
Theophile Gautier bespricht in dem Journale „La Presse", an dem die
ausgezeichnetsten Litteraten der Zeit, wie Balzac, de Girardin,
Sue etc., arbeiteten, am 30. November 1837 die erste französische,
bei Renduel erschienene Ausgabe der „Reisebilder".
Profession de foi politique de deux poetes: MM. Freiligrath et Henri Heine,
par Daniel Stern.^) „Revue des deux Mondes", 1. Dezember 1844.
Etudes sur l'Allemagne, par Alfred Michiels. Paris 1850 (2« edition),
Enthält ein Kapitel über „Henri Heine".
^) Qnenard et Barbier (Dictionnaire des anonymes) geben keine Auskunft
über diesen Anonymus. — In demselben Bande dieser Zeitschrift wurde Heines
„De l'Allemagne" zuerst veröffentlicht.
2) Süpfle bezeichnet (Bd. II, 2, pag. 140) diese und die hierauf folgende
Arbeit Philarete Chasles' irrtümlich als die frühesten französischen Beurteilungen
Heines. Quinet selbst hat schon zwei Jahre vorher sehr ausführlich über unseren
Dichter gesprochen.
^) Schriftstellername der Gräfin d'Agoult, geb. Beethmann. — Vergl. be-
sonders über sie: Barbey d'Aurevilly — Les oeuvres et les hommes. — An
dieser Studie hat de Mirecourt (s. u.) ein hübsches Exempel seines unverschämten
Plagiattalentes verübt. Er hat sich den Beinamen „manufacturier de biographies"
redlich verdient I
Einzelstudien über Heine. 45
Henri Heine, par Julian Klaczko. ^) „Revue de Paris", 1. Januar 1855.
Henri Heine, par Louis Ratisbonne. „Revue conteniporaine",^) 31. Mai 1855.
17. Februar 1856, f H. Heines. — Nekrologe.
Louis Ratisbonne im „Journal des Debats" vom 22. Februar.
2'heo Gaiitier^) im „Moniteur" vom 25. Februar.
Auguste ViUemont im „Figaro" vom 28. Februar.
Thcod. de Banville*) im „Figaro" vom 24. Februar.
M. et L. Escudier^) in „Le Pays" vom 21. Februar.
Edni. Texier im „Siecle" vom 24. Februar.
Jules Lecomte in „L'Independance beige" ^) vom 23. Februar.
Philippe Busoni in „Illustration" '^) vom 1. März.
L. Laurent- Pichat in „Illustration" vom 15. März.
Jides Janin im „Almanacli de la litterature" 1857.
Henri Heine („Les Contemporains"), par Eugene de Mirecourt.^) 1856.
Ecrivains modernes de l'Allemagne, par Blaze de Bury. Paris 1868.
Les deux Allemagne — Madame de Stael et H. Heine, par E. Caro.
„Revue des deux Mondes", 1. November 1871.
Henri Heine et la politique contemporaine, par Luden Levy. „Nouvelle
Revue", Juli 1881.
^) Ueber die Angriffe einiger polnischer Schriftsteller, die nach Monteguts
Bericht die letzten Stunden Heines verbitterten, werden wir auch später ge-
legentlich sprechen.
^) Später in „Impressions litteraires", Paris 1855.
^) Diesen Nekrolog hat Gautier in seine Heinebiographie aufgenommen.
Vergl. Histoire des oeuvres de Theo Gautier, par le vicomte de Spoelberch, 1887,
pag. 108, 113.
^) Vergl. Abschnitt VH.
^) Diese Freunde Heines, die ihm das letzte Geleite gegeben, berichten
u. a. : „Un nombreux cortege a accompagne le corps du defunt". Es stimmt
dies nicht ganz mit dem, was uns die Hoinebiographen erzählen!
^) Eine Zeitung, die Charles Simon, Edm. About, Jules Janin etc. zu
ihren Mitarbeitern rechnete, darf wohl unter die französischen, d. h. Pariser-
Blätter gezählt werden.
') Mit einem Bildnis Heines.
^) Berüchtigter Pamphletist, dessen wirklicher Name Charles- Jeau-B.
Jacquot.
46 H. Heine im Lichte der französischen Kritik.
Lespoesies de Henri Heine, par C.Bellaigue. „Correspondant", 10. März 1884.
La prose de Henri Heine. „Correspondant", 10. Juh 1884.
Henri Heine et ses derniers biographes allemands, par G. Valbert. ^)
„Revue des deux Mondes", 1. April 1886.
Henri Heine et l'Allemagne moderne (Kap. III im III. Bande der „Histoire
de la Htterature allemande"), par G.-Ä. Heinrichs. 2« edition 1891.
Les theories sociales de Henri Heine, par H. Lichtenberg er. ^j In den
„Annales de l'Est" (Nancy), April-Juni 1893.
L'amour chez H. Heine, par Maurice Paleologue. „Revue de Paris",
15. Februar 1894.
H. Heine, par H. Lucas. „Semeur", 23. März 1894.
Nachträge.
Hier sei auch die Broschüre „Les coulisses d'un livre" ä propos
des memoires de Henri Heine, par Kohn-Äbrest, 1884, erwähnt.
Unzugänglich war uns „Etüde sur H. Heine", par M. de Jon-
quiere-AntoneUe (citiert im Nouveau Dictionnaire d'histoire, Levasseur).
Ebenso : „Essai sur H. Heine", par A. Büchner. Caen 1881.
In Italien schrieben über Heine — es sei dies nocli nebenbei
bemerkt — : G. Chiarini, B. Zendrini, E. Nencioni, de Gubernatis.
In Spanien: E. Pardo Bazan („Revista de Espaiia").
^) Pseudonym Victor Cherbuliez'.
2) Von dieser Studie wurden wir von einem ehemaligen Schüler des
Autors, jetzt agrege es lettres, Herrn Fernand Baldenspergei-, freundlichst in
Kenntnis gesetzt. Dieser junge Gelehrte, der in Zürich im Winter 1893/94 an
einer französischen These über Gottfried Keller arbeitete, teilte uns mit, wie
sehr man sich heute noch in litterarischen Kreisen seiner Heimat mit Heine
beschäftige. Er war es auch, der uns scherzhaft erzählte, dass die Professoren
fremder Litteraturen in ihren „cours publics" (eine Stunde wöchentlich),
damit diese recht zahlreich besucht würden, über Heine sprächen, ein Mittel,
das stets wirke! — Beim grossen gebildeten Publikum sei dies der einzige
deutsche Dichter, für den man sich interessiere. Und da wir bereits den
Weg der Indiskretion betreten, fügen wir gleich noch hinzu, dass wir eine
äusserst interessante Arbeit Herrn Baldenspergers, „Henri Heine et le moyen-
äge", zu Gesichte bekommen haben, die für das Seminar des genannten Lehrers
bestimmt war, der die Studie als die beste bezeichnet, die seit seiner Lehrer-
thätigkeit eingereicht wurde.
Einzelstudien über Heine. 47
Saint-Rene Taillandier
(1817—1879).
Treffend hat man diesen liebenswürdigen Gelehrten „le
sourire de la Revue des deux Mondes" genannt. Die Memoiren
seines Premides Ed. Grenier, der uns in dem Abschnitte „Diner
Brizeux" ^) ausführlich von ihm erzählt, bestätigen diesen
schönen Ruf. Es heisst dort u. a. : „Quelle nature, en effet,
fut jamais plus candide que Barbier^) ou Saint-Rene Taillan-
dier ? Ce dernier en portait le caractere ecrit sur sa belle
figure ... II savait l'allemand et s'appliquait ä reveler ä la
France la litterature d'outre-Rhin dans des etudes pleines de
conscience et de science, oü je n'avais a regretter parfois
qu'un manque de mesure ou de proportion. La distance lui
grossissait les objets. Le temps seul remet les choses au point."
Die letztere Bemerkung bezieht sich auf die deutschfreundliche
Kritik Taillandiers. Grenier erzählt uns ebendaselbst eine neue
und interessante Anekdote von Heine und seinem Uebersetzer.
„Comme ü (Taillandier) m'avait succede en qualite de tra-
ducteur aupres d'Heine, nous echangions nos Souvenirs sur le
grand poete et ce grand ironique. II nous conta un jour un
trait bien caracteristique. Heine venait de publier chez Levy
ses Oeuvres traduites en frangais ... II y avait mis une pre-
face, oü il ne citait que Gerard de Nerval parmi ceux qui
l'avaient aide dans cette transposition d'une langue ä l'autre.
Le hon Saint-Rene, qui avait ete son dernier traducteur, lui
reprocha doucement de ne pas l'avoir cite apres Gerard de N.
„Oh!'' lui repondit Heine, „eher monsieur Taillandier, com-
ment voulez-vous que je misse votre nom si digne, si honorable,
1) „Revue Bleue", 3 Juin 1893, pag. 681.
2) Zu diesem Freundeskreise gehörten ausser den Genannten noch Victor
de Laprade, Auguste Lacaussade, der Uebersetzer Leopardis und Ossians, und
endlich Brizeux, ein vergessener Dichter.
48 H- Heine im Lichte der französischen Kritik.
le nom d'un futur academicien, a cote de celui d'un pendu?"
Que repondre ä une pareille defaite ? Rien, et c'est ce que
fit St-R. Taillandier." (Pag. 681.)
Taillandier war nicht nur der kompetenteste Kritiker
deutscher Dichtkunst, sondern auch derjenige, der die Auf-
gabe des Germanisten am ernstesten nahm. „Er betrachtete
es als seine Lebensaufgabe, die neuere deutsche Litteratur
zu durchforschen und seinen Landsleuten in anziehender Ge-
wandung darzustellen." ^) Er hatte längere Zeit in Deutschland
studiert und war, bevor er nach Paris kam, in Strassburg und
Montpellier Professor gewesen. Auch Taillandier begann seine
Laufbahn, wie Sainte-Beuve, als Dichter. Dass er es vorzog,
ein hervorragender Kritiker zu werden, dem man den einstigen
Poeten anmerkt, statt ein mittelmässiger Dichter zu bleiben,
bei dem man das „von Gottes Gnaden" vermisst, spricht von
seinem Geschmack und Urteil. Die Entsagung war für ihn,
wie für Sainte-Beuve, eine schmerzhafte, aber sie hinterliess
nicht den Stachel der gereizten Bitterkeit, der an dem Autor
der „Lundis" haften blieb. Die Musen, aus Dankbarkeit, dass
er sie nicht kompromittierte, Hessen ihm einen Teil ihrer
Reize. ^)
Statt der Reihe nach die zahlreichen kritischen und
biographischen Aufsätze Taillandiers durchzugehen, die sich
teilweise oder ganz mit Heine beschäftigen, begnügen wir
uns damit, unten eine Liste aller seiner in der „Revue des
^) Breitinger, Vermittler etc., pag. 19.
2) Diesen Gedanken führt ein dritter Kritiker, de Pontmartin, in seinen
„Souvenirs d'un vieux critique" (pag. 280) hübsch aus.
Die liohen Verdienste Taillandiers hat sein Schüler E. Montegut in
den „Nos morts contemporains" (Hachette 1884) würdig geschildert. Reymond
(Corneille, Shakespeare etc. 1864) schliesst seine Besprechung dieses Gelehrten
mit den Worten .... „l'Allemagne doit de la reconnaissance {\ cet auteur qui
ne l'aime pas moins que M. Saint-Marc Girardin, et lui est toujours reste fidele."
Gewiss, — aber den grösseren Dank schuldet diesem aufgeklärten Manne
Frankreich selbst.
Einzelstuflien über Heine. 49
deiix Mondes" erschienenen, einschlagenden Artikel anzuführen
und uns in unserer Besprechung bloss an das zu halten, was
er in dem Buche „Ecrivains et poetes modernes," Levy 1861,
über Heine veröffentlicht hat. Die Aufsätze lauten :
1. November 1843: De l'etat de la Poesie en AUemagne.
(Lenau, Zedhtz, Heine, Freiligrath.)
15. März 1844: La jeune AUemagne et la jeune ecole
hegelienne.
15. Januar 1845: Poesies nouvelles de Heine.
1. April 1852: H. Heine, sa vie et ses ecrits.
1. Oktober 1863: Les tragedies de H. Heine. ^)
Die vorliegende Arbeit ist übrigens eine Reproduktion
des Artikels der „Rev^ue des deux Mondes" vom 1. April 1852;
einige Veränderungen ausgenommen und wenige Seiten, die
Taillandier nach dem Tode Heines beifügte.
Die Besprechung der Dramen werden wir bei den Ein-
leitungen zu den französischen Werken Heines erwähnen.-)
') Mit einem Bilde Heines, „dessine par M. Ch. Gleyre, grave par J.
Fran(jois". Doppelte Seltenheit als „estampe" und als Illustration der „Revue
des deux Mondes". Ueber dieses Bild soll sich Heine Gautier gegenüber fol-
gendermassen geäussert haben (Oeuvres completes de Henri Heine, Bd. I, 2):
. . . „la Vignette de la „Revue des deux Mondes", oii l'on me represente emacie
et penchant la tete comme im Christ de Moralis a dejä trop emu en ma faveur
la sensibilite des bonnes gens; je n'aime pas les portraits qui ressembleut, je
veux etre peint en beau comrae les jolies femmes. Vous m'avez connu lorsque
j'etais jeune et florissant; substituez raon ancienne image k cette piteuse effigie."
— Ausser diesem Portrait Heines ist uns in den Hunderten von Bänden der
berühmten Revue nur noch ein allegorisches Bildnis Rienzis bekannt, das
in reklamenhafter Weise einer Reisebeschreibung eines Nachkommen dieses
Volkstribuns beigefügt ist (Jahrgang 1831). Sonderbar, dass sicii Rienzi und
Heine — auch ein „Volkstribun" — in diese Ehre teilen müssen.
2) Wenn wir uns relativ nur kurz bei Taillandier aufhalten, wir meinen
im Verhältnis zum Umfang und zu der Bedeutung seiner Arbeiten, so hat dies
einen zwiefachen Grund. Einmal sind die Schriften Taillandiers in Deutsch-
land längst bekannt und nach Verdienst gewürdigt. Heines Biographen eitleren
und benützen seine Studien. SüpHe kommt wiederholt auf ihn zu sprechen und
Betz, Heine in Frankreich. 4:
50 H. Hoino im Liclito dor französischo?! Kritik.
Interessant sind einige allgemeine Betrachtungen, die
der Autor dem biographischen Teil vorausschickt. Nachdem
er nämlich die neue, in ihren Kontrasten und Eigentümlich-
keiten so merkwürdige litterarische Bewegung des „jungen
Deutschland" geschüdert, knüpft er, wie folgt, an Heine an:
II y a pourtant un ecrivain qui resumc fidelement cette agitation
des vingt dernieres annees et en reunit en lui tous les contrastes.
C'est une imagination ailee, une intelligence poeticLuement railleuse,
un de ces esprits subtils et hardis, merveilleusement prepares ä tirer
parti d'une Situation comme celle que je viens de decrire. Ni la
Philosophie ni la poesie de la periode qui precede n'ont de secrets
pour sa pensee. II comprend tous les problemes de la science, il
possede tous les tresors de l'art, et il empörte gaiement cc bagage
de la vieille Allemagne au milieu des expeditions revolutionnaires
d'une generation emaneipee. L'Allemagne du spirituahsme et de
l'imagination semble descendue dans la tombe; lui il Fevoque et la
confronte avec les temps nouveaux. Personne ne pouvait se jouer
avec plus de gräce au milieu des ruines. Avec une cruaute enfantine,
avec une tristesse melee d'insouciance, il prend je ne sais quel plaisir
de raffine ä faire croitre maintes fleurs sur des champs de mort ;
fleurs charmantes et empoisonnees! toutes sortes de parfums bizarres
s'y confondent, et il est impossible de les respirer sans etre ravi et
trouble tout ensemble. Est-il triste? est-il joyeux? Est-ce le triomphe
du libre-penseur qui eckte dans sa gaiete ? est-ce la tristesse du poete
blesse qui se dissimule sous les accents de l'ironie? En verite, le
doute est permis sur ce point, ou plutöt ces deux sentiments si
contraires forment cliez lui un merveilleux accord qui est l'originalite
meme de ses oeuvres.
Fr. Meissner hat über die Hälfte seines Buches mit Ueberset/ungen und Inhalts-
angaben sämthcher Artikel dieses Kritikers angefüllt. Dazu kommt noch ein
Drittes : Taillandier bespricht wohl die französischen Werke Heines ; er ist aber
Gelehrter, kennt die deutschen Werke ebenso genau — und desgleichen die
deutsche Kritik, die notwendigerweise auf ihn einwirken musste. Hiermit soll
nicht etwa ein Tadel ausgesprochen sein — denn wissenschaftlich betrachtet
hätten diesen eher diejenigen verdient, die anders verfahren. Für uns aber
macht dieser Umstand die Kritik Taillandiers weniger interessant, als z. IJ.
die spontanere, originellere Auflassung eines Montegut.
Einzolstudion über tfeine. 51
Jetzt, da Heine den Kreislauf seines poetischen Wirkens
durchgangen und mit der letzten Revision desselben begonnen
habe, sei man im stände, sein Dichten und sein Leben zu
überschauen (pag. 93) :
Cette destinee, mobile comme le caprice, est unie cependant par
le culte de Fimagination ; eile finira comme eile a commence, par la
gaiete charmante et le poetique essor de la jeunesse. En vain les
annees ont-elles suivi leiir coiirs, en vain la souffrance, une souffrance
affreuse, impitoyable, a-t-elle appesanti ses mains de plomb siir la
fantaisie ailee : la fantaisie triomphe et s'envole. Voyez-le sur ce lit
de douleur oü un artiste eminent nous l'a represente, considerez cette
tete fine et pensive oü le mal pliysique semble accuser plus vivement
l'originalite de la vie interieure : ce qui est manifeste dans ce com-
mentaire si vrai, ce qui eclate dans la delicatesse du visage, dans le
sourire des levres, dans ce regard ä demi ferme oü ne penetre plus
qu'un dernier rayon de lumiere, c'est la serenite imperturbable, c'est
la victoire de „l'humour" sur les plus cruelles soufFrances qui puissent
encliainer l'essor de l'äme.
Weiter unten wird dem Humor Heines — den er offen-
bar mit dem englischen Begriffe des viel umstrittenen Wortes
vermengt — ein Loblied gesungen (pag. 94).
Das ,,lyrische Intermezzo" bedeutet auch für Taillandier
Heines Meisterwerk (pag. 102):
Ce poeme sans modele est compose de soupirs, de sanglots, de
reves lamentables, parfois meme de cris realises, eondenses, si cela
peut se dire, dans quelques strophes, avec une precision incomparable.
Ce sont de veritables merveilles, des diamants d'une eau limpide; on
ne saurait rien imaginer de plus accompli dans l'art des vers, etc
Die Ironie Heines hat in jenen Tagen noch nicht das
Verletzende, die Manieriertheit, die später so störend wirken ;
sie ist noch liebenswürdig und aufrichtig (pag. 106):
Nachdem der Autor Erfolg und Bedeutung erklärt und
das Lied „Tannenbaum mit grünen Fingern" in französischer
Uebersetzung citiert, verleiht er seinem Bedauern Ausdruck,
dass Heine nicht stets geblieben, was er damals war. „Yoila
52 H. Hoino im Liclito der tVanzösischon Kritik.
Heine en ses meilleurs jours. Dans ce tableau naif et aiida-
cieiix, ne reconnaissez-vous pas le reveur eleve ä l'ecole du
romantisme , qiii emploie le langage des Brentano et des
Arnim pour exprimer les pensees les plus fieres, le poete
revolutionnaire catechisant l'enfantine Allemagne ? Un tel role
etait original, et Heine Ta souvent bien compris. Pourquoi
sa verve, en attaquant l'hypocrisie et l'arbitraire, a-t-elle si
peu respecte tant de choses saintes?" (Pag. 111.)
Ebenso begeistert und unbeschränkt wie das Lob, ebenso
oflPen und entschieden lautet Taillandiers Tadel, den der kranke
Dichter um so schwerer empfinden musste, als er von einem
Freunde und ehrenwerten Manne kam, dem hier die Wahr-
heit zu sagen selbst schwer fiel. Von Heines Verhältnis zum
Saint-Simonismus redend, fällt er folgendes Urteil über die
„Memoiren des Herrn von Schnabelewopski" (pag. 117):
Au nom de la morale, comme au nom de la poesie, c'est un
devoir de condamner sans reserve ces inventions cyniques. Oii con-
cevra difficilement un jour qu'une plume si ingenieuse et si brillante
ait pu prendre plaisir ä de telles grossieretes que rien ne rachete, etc —
Zu dem Buche „De la France", dem Werk Heines, das
am meisten Kontraste aufweist und in dem der Dichter am
sichersten in seiner innersten Ueberzeugung zu fassen ist,
bemerkt Taillandier (pag. 118):
Ainsi va ce livre, plein de folie et de raison, plein d'audace et
de reticences, cachant mal l'embarras du publiciste sous la fantaisie
du railleur, se dechainant contre les tartufes quand il a peur d'atta-
quer les demagogues, tour ä tour liberal, saint-simonien, juste-milieu,
fin ou grossier selon l'occurence, spirituel presque toujours et digne
de rester comme un document instructif, si l'auteur eüt conserve
toute la liberte de son esprit.
Der Verfasser ist kein Freund der beunruhigenden, seelen-
friedenstörenden Theorieen der deutschen Philosophie. Er
sympathisiert, ohne es ausdrücklich zu sagen, vielmehr mit
dem idealen, mystisch angehauchten Germanien der Madame
Einzelstmüen über HeiRe. 53
de Stael. Und so will er in Heines Widerlegung derselben,
die er als „pages legeres" bezeichnet, vielmehr die Feder des
Künstlers als die des tiefdenkenden Theoretikers sehen, indem
er Heines „De l'Allemagne" geradezu den wissenschaftlichen
Wert abspricht (pag. 122).
Nur dort, wo der Philosoph zurücktritt, um dem fein-
fühlenden Dichter Platz zu machen, wo Heine alte Sagen
der nordischen Lande in seinem knappen, ungemein belebten
Stile erzählt, oder mit wenigen Worten ein treffendes Bild
eines deutschen Geistesheroen entwirft — so von Jac. Grimm,
Goethe, Herder etc. . . . nur dort scheint für Taillandier die
hohe Bedeutung des Buches zu liegen.
Bloss kurz ist von dem Pamphlete über Börne die Rede ;
der Autor anerkennt den scharfen, oft gerechten Witz; er
sucht auch nach Milderungsgründen — bedauert aber vor
allem Heines selbst wegen, der ja am meisten darunter zu
leiden hatte , dass diese Repressalie nicht ungeschrieben
blieb.
Hohe Anerkennung dagegen zollt er „Atta Troll" (pag. 123):
La gaiete et la poesie, l'ironie et l'imagination s'y unissent dans
une mesure parfaite; c'est l'oeuvre d'un Arioste allemand. Ne nous
fions pas trop a sa parole, quand il nous promet une oeuvre nee
seulement de son caprice, un songe d'une nuit d'ete, une romantique
Vision des domaines de Puck et de Titania: la satire saura bien s'y
faire sa place; mais la satire n'y exclut pas la gräce, et on y respire
je ne sais quels parfums de pres et de forets, qui repandent sur les
strophes du poeme une fraicheur printanniere.
Sinnreich ist folgende Parallele zwischen „Atta Troll" und
dem „Wintermärchen" (pag. 128):
„L'Allemagne" est le pendant d'„Atta Troll". „Atta Troll" etait
l'oeuvre d'un Arioste du Nord, toujours pret ä dissimuler les hardiesses
de sa pensee sous les volles elegants du symbole; „l'Allemagne" n'a
ni symboles ni volles, c'est un pamphlet oü l'audace va le front leve.
„Atta Troll" brillait de tout l'eclat du midi; „PAllemagne" nous
transporte au niilieu des brunies. Le premier etait „le songe d'une
54 H. Heine im Lichte der französischen Kritik.
nuit d'ete" ; le second est intitule „Conte d'hiver" ; l'antithese est
complete . . .
Mais „I'Allemagne" n'est pas seulement le poeme d'une Oppo-
sition turbulente et sarcastique; Heine se joue de toutes clioses et
de lui-meme. Ces democrates avec qui il semble faire alhance, il les
couvre de ridicule, a l'heure meme oü il leur tend la main . . .
C'est toujours enfin l'ineorrigible Immoriste qui prend plaisir
ä aiguillonner de mille manieres le paisible temperament de son pays,
qui pretend s'elever par l'ironie au-dessus de toutes les croyances,
qui se fait un jeu de deconcerter la critique et qui, en persifiant les
democrates, a pourtant le droit de repondre ä leurs attaques, avec
une indignation comique : „Tu mens, Brutus; tu mens, Cassius; tu
mens aussi, Asinius !"
Inzwischen hat ein fürchterhches Leiden den grossen
Spötter auf seine Matratzengruft geworfen. Allgemein er-
wartete man mit den verschiedensten Gefühlen, dass der mo-
derne Aristophanes vor Thorschluss den „Weg nach Damas-
kus" einschlagen werde, als der „Romancero" erschien (p. 130):
Le poete mourant devait dejouer une fois de plus les previsions
du public. Ce qu'il a ete dans les entrainements de l'adolescence, il
l'est encore aujourd'hui sous le regard de la fatale hotesse. Le
„Romancero% c'est toujours l'ancien Henri Heine, celui des „Reise-
bilder" et du „Livre des Chants"; c'est toujours la vieille Ironie des
jours heureux, plus poignante seulement, puisque sans cesse eile
prend la mort ä partie et plaisante lugubrement avec la tombe. Si
quelques accents nouveaux se fönt entendre ^ä et lä comme une
plainte etouffee, il faudra une volonte attentive pour en saisir le sens
ä travers le carillon des notes joyeuses.
Aus der lichtvollen Besprechung der „Hebräischen Melo-
dieen" greifen wir die Stelle heraus, wo Taillandier von dem
dritten Gesänge redet, den er für eine der herrlichsten
Schöpfungen des Dichtergenies Heines hält (pag. 140j:
La douce et ardente exaltation de son heros nous fait penetrer
dans les mysteres de la poesie juive; le poete s'y peint lui-meme
avec des tendances contraires qui se disputent son ame, et des pensees
gracieuses et pathetiques s'y entremelent sans se detruire. L'inspira-
tion juive ou nazareenne et l'inspiration grecque, il l'a dit souvent,
Einzelstudien über Heine. 55
voilä les deux grands systemes auxquels il faut bien que tout abou-
tisse ; Homere et la Bible contiennent a ses yeux toute la philosophie
de riiistoire. Cette fois il n'en parle plus en riant; le monde grec et
le monde juif obsedent son äme inquiete. C'etait le poete des Hellenes
qii'il preferait jadis quand „la jeunesse l'emportait sur son char au bruit
des cymbales retentissantes" ; maintenant la jeunesse a disparu, l'eclat
du monde reel s'evanouit : c'est l'heure des pensees graves et Jeliuda
ben Halevy a remplace Homere.
Bezeichnend für den psychologischen Standpunkt, den
Taillandier Heine gegenüber einnimmt, ist der Mahnruf, den
er an den Dichter richtet, der, abgesehen von einigen unzarten
Bemerkungen, auf die wir noch zu sprechen kommen werden,
einem ehrlichen, mitfühlenden Herzen entspringt (pag. 143) :
Aujourd'Imi toutefois ses yeux se ferment ä ce monde perissable
dont les contradictions et les miseres provoquaient sa douloureuse
gaiete; un autre monde s'ouvre ä son esprit. La plus de miseres,
plus d'irritants contrastes, plus de desenchantements qui revoltent;
la tous les problemes sont resolus, et toutes les lüttes s'evanouissent.
Si l'ironie, chez une intelligence capricieuse et ardente, pouvait etre
le fidele miroir des clioses d'ici-bas, au sein de ce monde spirituel,
que les regards de l'äme lui decouvrent, il n'y a plus de place que
pour la confiance et le respect. II a cherche la serenite dans cette
raillerie legere qui enveloppait l'univers entier et s'y jouait avec gräce ;
serenite incomplete et fausse, qui bien souvent encore, nous l'avons
vu, laissait eclater subitement des douleurs mal gueries. La vraie
serenite est plus haut : dans l'intelligence et l'adoration de l'ideal que
rien n'altere, de la verite que nulle ombre ne voile. . . .
Pag. 145:
Vous avez represente mieux que personne toute une periode de
la pensee allemande, periode de trouble, de malaise, de dechirement:
qu'il serait beau d'exprimer aussi le retour de la serenite vraie ä
l'heure oü ce pays semble pret a retrouver ses voies, oü il repousse
de plus en plus le sensualisme, Fatheisme et toutes les grimagantes
visions du delire!
Wir kommen nun noch zu dem Nachwort, das Taillandier
nach dem Tode Heines verfasste. Er drückt darin sein Be-
dauern aus, dass der Dichter es nicht vermochte, die vielen
56 H. Heine im Lichte der französischen Kritik.
Dissonanzen seines Innern vor seinem Scheiden in einen seiner
würdigen, versöhnend harmonischen Schlussaccord aufzulösen.
Er vermag sich besonders nicht darüber zu trösten, dass
Heine ausser stände war, sich an irgend einen Glauben anzu-
klammern. Die Ironie habe eben alles in ihm getötet. —
Was Taillandier schliesslich über seine Thätigkeit und Er-
fahrungen als Uebersetzer Heines mitteilt, wird uns in einem
andern Abschnitte beschäftigen.
Zweierlei möchten wir hier nur noch hervorheben: Auf-
fallend ist es nämlich, wie oft Taillandier auf den hoffnungs-
losen Zustand, ja auf den nahen Tod seines Freundes in unzwei-
deutigster Weise anspielt. Er musste doch wissen, dass die
Blätter der „Revue des deux Mondes", in denen von dem
„poete mourant" die Rede ist, noch feucht in die Hände
Heines gelangen würden, der im Jahre 1852 noch lesen
konnte. Wenn wir noch als Zweites erwähnen, dass wir in
diesen umfangreichen Studien vergebens nach persönlichen
Erinnerungen, Eindrücken, nach irgend etwas Anekdoten-
haftem suchen, so können wir den Schluss ziehen, dass die
Beziehungen zwischen Heine und Taillandier weit loser waren
als sie dargestellt werden, und nicht über einen bloss littera-
rischen Verkehr hinausgingen, kurz, dass von einer Freund-
schaft nicht die Rede sein kann. Zweifelsohne fühlte sich
Taillandier über die Art und Weise, wie Heine ihn ausnützte,
gekränkt; dies bestätigen die Memoiren Greniers. Möglich
ist es auch, dass ihm ein ähnlicher Argwohn Heines zu Ohren
kam, wie ihn dieser gegen den ehrlichen Nerval laut werden
Hess. In Wahrheit erfuhr Frankreich erst durch das genannte
P. S., wer seit 1851 in der „Revue des deux Mondes" der
französische Heine gewesen. Es war aber schon zu spät —
denn die „Heine-Legende" hatte da schon Wurzel gefasst.
Einzelstudien über Heine. 57
J. Barbey d'Äurevilly
(1811—1889).
Dieser höchst merkwürdige Litterat, der durch seine
Originahtät, die sich aus einem Gemisch von abschreckend
reahstischer Sinnhchkeit, kathohschem Kampfeseifer, Luther-
und Goethehass und souveräner Verachtung des schriftstel-
lernden Weibes zusammensetzt — Dinge, über die er mit
sprudehidem Geist und einem Paroxismus der Sprache ge-
schrieben, die verblüffen, — eine Stelle für sich in der mo-
dernen französischen Litteratur einnimmt, hat sich wiederholt
mit Heine beschäftigt.
Seine erste Studie über unseren Dichter, in dem er wohl
manche verwandte Seite fand, datiert aus dem Jahre 18öö ;
die zweite veröffentlichte er kurz nach dem Erscheinen der
Korrespondenz Heines (französische Ausgabe) und die dritte, als
Levy den letzten Band der Gesamtausgabe „De tout un peu"
publizierte. Die erste und dritte Arbeit hat nun d'Äurevilly in
eine verschmolzen und in dem Buche „Litterature etrangere"
(Paris, Lemerre, 1891) untergebracht (einem Bande der Serie
„Les Oeuvres et les hommes"), in dem sich neben Studien
anderer ausländischer Dichter auch solche über Hebel und
Hoffmann befinden; die zweite nahm er in den Band „Les
Poetes" (Lemerre, 1889) auf (zur selben Serie gehörend). Wir
bemerken noch, dass Barbey d'Äurevilly einer der Lieblinge der
französischen Modernen ist, einer der „Meister" der Decadents.
Der Heine, wie ihn sich dieser geistreiche Kopf zurecht
gelegt, konnte naturgemäss nicht der eines jeden sein, eher
der keines andern. D'Aurevillys Dichtergemälde ist nicht
nur das originellste, sondern auch das kühnste der ganzen
französischen Heine-Gallerie. Den meisten wird daher der
phantastische Kritiker mit seiner äusserst temperamentvollen
Sprache nicht zusagen; jeder dagegen wird zugeben, dass
diese Skizzen kein einziges banales Wort enthalten.
58 H- Heine im Lichte der französischen Kritik.
Besonders schwer wird hier die Auswahl der Citationen.
D'Aiirevilly hat so ziemHch über alles seine eigenen An-
sichten, oder er versteht es, dieselben so einzukleiden, dass
sie denen anderer nicht gleichen.
Wir beginnen mit der ersten Studie, die sich ausschliess-
lich mit der von Heine noch selbst besorgten Ausgabe von
„De l'Allemagne" beschäftigt, die die „Aveux d'un poete"
enthält. Licht und Schatten gleich verteilend, schildert er
Heines Dichtergestalt wie folgt (pag. 155):
Henri Heine est un genie eminemment tendre, nuance des plus
ravissantes et (dans le sens religieux) des plus divines melancohes,
chez qui le sourire et meme le rire trempent dans les larmes, et les
larmes se rosent de sang . . . C'est une äme d'une si grande puissance de
reverie et d'un desir si amoureux du bonheur, que l'on peut dire
qu'elle est faite pour le Paradis tel que les chretiens le congoivent,
comme les fleurs sont faites pour habiter l'air et la lumiere. C'est
une nature moderne, une de ces liatures de nos derniers temps, ma-
lades tant elles sont spirituelles ! (Gar c'est encore Heine qui a dit le
Premier que tous les grands spirituels etaient malades, qu'ils avaient
tous au flanc — plus ou moins — la plaie eternelle.) C'est enfin un
de ces sublimes Ennuyes de la vie, un de ces Antees de la jouissance
humaine qui ont touche et mordu cette poussiere, et, ä cause de cela,
doivent un jour remonter vers Dieu! Oui! voilä certainement, pour
qui le connait bien, Henri Heine tel qu'il a ete des sa jeunesse, tel
qu'il est de Constitution et d'essence, malgre lui-meme, malgre l'Alle-
magne, malgre les Universites, malgre Hegel, malgre tous les miUeux
qu'il a traverses et qui l'ont domine, quoiqu'ils lui fussent tres inferieurs.
Et cependant ce tendre genie, ce reveur epris jusqu'ä l'angoisse de
toutes les beatitudes, ce poete aussi intimement religieux de tempe-
ranient que Klopstock, nous l'avons vu, pendant vingt ans, navrant
spectacle! siffler dans la clef foree et rouillee de Voltaire, avec des
levres lumineuses, plus dignes que Celles d' Alain Chartier de recevoir
le baiser des reines! Cet Hamlet de la poesie douloureuse du XIX^
siecle a eu le cceur d'abandonner sa pale Ophelie, qui n'etait malade
et un peu folle que d'amour, pour une folle complete, la Philosophie
athee des universites allemandes, pour l'affreux squelette vide de la
logique d'Hegel le Fossoyeur! Au Heu de rester ce qu'il etait, un
dehcieux poete, d'une puissante suavite, un fiUeul des fees, une voix
Einzolstudieii über Heine. 59
mysterieuse planant sur le monde comme la voix de la Symphonie
Pastorale de Beethoven, il n'a plus ete que Techo d'inspirations gro-
tesquement hideuses, un carbonaro germanique ä „tu" et ä „toi" avec
les carbonaris de tous les pays, un jacobin de litterature, par des-
espoir de n'etre pas un jacobin pohtique, un vulgaire etudiant au beret
rouge, en attendant que le beret füt un bonnet de meine couleur!
. . . Und in diesem kräftig Avürzigen Stil geht es weiter.
Nachdem er Hegel mit seiner „monstruösen Prosaik" für die
Verirrungen Heines verantwortlich gemacht, fasst d'Aiirevilly
sein Urteil über „De l'Allemagne" in folgenden Worten zu-
sammen (pag. 161):
C'est un livre eblouissant d'epigrammes et de sensations, — mais
puisqu'il s'agissait d'etre historien et meme juge dans ce coup d'oeil
jete sur TAllemagne, il fallait autre chose, on en conviendra, que des
epigrammes au phosphore, pour faire oublier le livre de madame de
Stael!
In der Studie, die dem Bande „Les poetes" beigegeben
ist, knüpft d'Aurevilly an den ephemeren Korrespondenzen-
Skandal an, den die Herausgabe der Briefe Heines hervor-
gerufen hat. Eine gute Gelegenheit, meint er, für den Tages-
schriftsteller, der nach Aktualität hascht, um Kapital aus dem
Namen Heines zu schlagen. „H. Heine! Qu'est-ce, pour eux,
que Henri Heine? La premiere cocotte a cheval, au bois, et
meme le cheval sans la drolesse dessus, les interesse bien
plus qu'un homme de genie mort il y a dejä trente ans, et
dont la gloire, comme toutes les gloires, dans ce plat monde
de bavarderie superficielle, n'est plus qu'une silencieuse mo-
mie" (pag. 112).
Nicht in den Privatbriefen sei der wahre Heine zu suchen
— auch er habe in die elende Plattheit des Alltagslebens
herabsteigen müssen — sondern in seinen Werken finde man
den Dichter, der stets Poet, auch dort, wo er es nicht sein
wolle und nicht scheine. Dies ist ungefähr die These, die
der Autor auf den folgenden Seiten mit glänzender und
leidenschaftlicher Sprache und — wenn uns das Wort ge-
60 H« Heine im Lichte der französischen Kritik.
stattet ist — mit geistvoll impertinenter Schneidigkeit ver-
ficht. Vor allem bleibe man ihm mit der philiströsen Moral
vom Leibe (pag. 118):
Qu'importent ces laideurs morales passageres chez les poetes,
oü tout est de passage; chez les poetes, ces innocents coupables,
lorsqu'ils sont coupables, pour qui, en raison meme des facultes qui
fönt leur genie, la liberte humaine est moins grande que pour les
autres hommes dans ce malheureux monde tombe! Et la responsa-
bilite aussi.
Zunächst will d'Aurevilly weder von Heine dem „Grie-
chen" („pai'en"), noch vom Juden etwas wissen (pag. 114):
Les gens sans pensee qui picorent sur des mots, ont appele
Heine une ame paienne parce qu'il a fait jouer dans le diamant de
son imagination reverberante quelques formes du nionde antique, mais
il n'etait pas plus pai'en que chretien et que juif . . .
Pag. 115:
Le catholicisme et le judaisme avaient laisse egalement en son
äme des impressions süperbes qu'il a superbement expriniees, quitte
ä s'en moquer une minute apres ! Car l'enthousiasme et l'ironie etaient
les boulets rames, Tun brülant, l'autre froid, de son genre de genie, —
l'enthousiasme, qui ne dure pas! l'ironie, qui revient toujours!
Da wir gerade d'Aurevilly von Heines Ironie sprechen
Hessen, sei ihm für das gleiche Thema ein zweites Mal das
Wort gegeben, und zwar dort, wo er die Gelegenheit ergreift,
so nebenbei mit Taine abzurechnen. Der Angriff auf den
grossen Litterarhistoriker, — der, wie der Leser längst ge-
merkt, am entgegengesetzten Pole der Kritik steht, — ist
ein so geschickter und boshafter, dass wir uns nicht enthalten
können, ihn hier zu eitleren, obgleich Heine bloss willkom-
mener Vorwand ist (pag. 116):
Henri Heine a toujours mele ä tout ce qu'il a ecrit une ironie . . .
est-ce divine ou diaboUque qu'il faut dire? car eile nous fait volupte
et douleur; autant de bien que de mal „en meme temps". Et c'est
si fort et si habituel dans Henri Heine, que si, comme M. Taine, par
exemple, j'avais la manie d'expliquer les esprits par une qualite pre-
miere j'expliquerais tout Henri Heine par celle-lä. Seulement, qu'on
Einzelstudien über Heine. ßl
se rassure! Pour ma part, je n'ai jamais cru ä ces facultes ogresses
qui mangent toutes les autres, et ma notion de la critique est un peu
plus complexe que celle d'uii faiseur de paquets qui emballe et ficelle
toutes les facultes d'un homme dans une seule, sur laquelle il campe
une etiquette: „Imagination! paquet Shakespeare! Enlevez et roulez !"
C'est par trop conducteur de diligence, cela ! Henri Heine n'est pas plus
une seule faculte que Shakespeare. II est varie, ondoyant, contraste,
ayant dans sa tete une hierarchie de facultes qui s'accompagnent, se
tiennent, fondent leurs nuances comme l'arc-en-ciel, et non pas une
grande faculte solitaire, qui se dresse, pyramide isolee, dans le desert
de son cerveau.
Aus dem nächsten Kapitel greifen wir ein wahres Kunst-
stück einer phantastischen Htterarischen Parallele mit den
köstlichsten Ketzereien heraus. Wir sehen hier Heine gleich-
sam durch ein farbenprächtiges, buntes Kaleidoskop der ge-
samten Weltlitteratur (pag. 117):
C'est un fils de Rabelais et de Luther, qui, les larmes aux yeux,
marie la bouffonnerie de ces deux immenses bouffons ä une sentimen-
talite aussi grande que celle de Lamartine. C'est un Arioste triste,
aussi feerique et aussi dehcieusement fou que l'autre Arioste, qui
montait Fhippogrifte! C'est un Dante gai — cela s'etait-il vu? —
exile comme l'homme de Florence, mais qui a des manieres de parier
de sa patrie encore plus tristes que Celles du Dante, sous cette gaiete,
mensonge et verite, qui lui etreint, avec une main si legere et des
ongles si aigus, le coeur ! C'est un Voltaire, mais qui a une äme, quand
Voltaire n'a que de l'esprit. C'est un Goethe, sans l'ennui de Goethe,
le Jupiter olympien de l'ennui solennel et supreme, qui l'a fait tomber
cinquante ans comme une pluie d'or sur l'Allemagne ; sur l'Allemagne,
cette Danae de l'ennui heureuse, qui se jetait par terre pour le ra-
masser ! C'est un Hoffmann sans fumee de pipe, un Hoffmann qui met
son fantastique dans le bleu le plus pur, dans les clairs de lune les
plus blancs et les plus veloutes. C'est un Schiller ideal, moins l'odieuse
philanthropaillerie. Et c'est enfin, pour trancher vivement sur tout
cela, sur tous ces prismes qui composent son prisme, un Rivarol de
metaphysique pittoresque, mais bien plus complet et bien plus eton-
nant que Rivarol.
Wiederholt verlangt d'Aurevilly, dass Heine als Dichter
und nur als solcher beurteilt werden müsse (pag. 120j:
62 H. Hoino im Lichto der französischen Kritikr
Poete, il ne m'etonne jamais qu'il le soit. II Test toujours. II
Test dans le rythme et il Fest hors du rytlime. II Fest partout, meme
dans les idees les plus erronees qu'il a parfois, cet homme du temps !
II Fetait autant en prose qu'en vers. II Fetait (je Fai vu une fois) et
il devait Fetre en parlant d'un morceau de fromage, comme disait le
prince de Ligne de ce goujat de Rousseau . . . Qu'il grandisse ou
qu'il rapetisse les hommes et les choses, qu'il se trompe ou qu'il ait
raison, Heine est poete comme on respire ; il est poete, et poete ideal . . .
Rousseau ein Pfuscher und litterarischer Handlanger!
— Wenn d'Aurevilly unseren Dichter als Vorbild intransi-
genter Respektwidrigkeit gegenüber kanonisierten Geistes-
heroen genommen, so kann man wohl behaupten, dass der
Schüler den Meister übertroffen hat (pag. 122, 123):
C'est que le poete, je Fai dit, est la grande affaire, la grande
realite dont on doive se preoccuper quand il s'agit de Henri Heine,
tellement poete qu'il empörte tout dans le tourbillon de sa creation
ou de son expression poetique. Je n'hesite point ä Vaffirmer,
Henri Heine est certainement Je plus grand poete que VEurope ait
vu depuis Ja mort de Jord Byron, Lamartine excepte, et a sa gloire
acquise, consentie, s'ajoute encore cette autre gloire de n'avoir pas
pour le moment de successeur . . .
Poete en rapport direct avec le monde et FHistoire par la poesie,
il a fait oeuvre de poete, il a fait oeuvre de beaute. Faire oeuvre de
beaute, c'est la moralite des poetes; car la beaute eleve le coeur et
nous dispose aux heroi'smes.
Wem diese Ketzereien und Dithyramben rätselhaft
scheinen , dem mögen folgende Worte d'Aurevillys als
Schlüssel dienen: „J'aime Henri Heine, mais je sais le juger.
On juge sa maitresse; on juge son bourreau. Et c'est meme
souvent la meme chose!" —
Wir haben uns noch mit der dritten Studie in dem
Buche „Litterature etrangere " zu beschäftigen. Von den
köstUchen Krümchen — d'Aurevilly nennt sie Diamanten-
staub — , die in dem letzten Bande der französischen Aus-
gabe „De tout un peu" gesammelt sind, dünken ihn die
EinzoTstuflien über Hoino. ()3
Artikel über „Don Quichotte" und die Kritik der Litteratur-
geschichte Menzels zwei Diamanten hohen Karatgehaltes.
Besonders in der Studie über den spanischen Dichter sieht er
alle Vorzüge eines Kritikers, der zugleich Poet ist (pag. 170).
Ein ganzes Kapitel widmet d'Aurevilly hier dem tragi-
schen Schauspiele des achtjährigen Dichterleidens, von dem
er mit der ganzen Kraft seines eigentümlich packenden
Stiles spricht, den Triumph des Geistes mit innerstem Froh-
locken in den wärmsten Farben schildernd: „L'Esprit n'a
jamais mieux prouve chez personne qu'il etait d'une nature
Immortelle" . . .
C'est Bonald qui definissait superbement rhomme: „Une intelli-
gence servie par des organes." Eh bien, Henri Heine a montre plus
superbement encore que Bonald lui-meme ne l'avait dit, que l'intelli-
gence pouvait se passer meme des organes! II a montre que, Reine
trahie et abandonnee, eile pouvait, ä eile seule, faire toute la besogne,
et que la besogne etait encore mieux faite, par ses royales mains,
que par les mains de ses serviteurs ...
Er sucht ein ähnliches Märtyrertum in der Weltlittera-
tur, ein ähnliches Schauspiel von so seltener Pathetik und
findet nur Scarron. Der war aber nicht wie Heine ein grosser
Dichter, sondern bloss ein cy nischer Clown — „qui tirait la
langue ä la Douleur" — , der nur eine einzige Thräne geweint,
die er wie eine Perle in sein Epitaph eingelegt hat, sonst
aber lachte wie ein Satyr (pag. 175):
Mais Heine ne rit pas, lui. II n'a pas le spasme du rire de
Scarron. II sourit, placide et resigne. Mais ses sourires, ce sont des
merveilles d'expression et de pensee, qu'on ne lit pas sans atten-
drissement ou sans cette belle colere de Voltaire, qui disait : „Je
donnerais toute une liecatombe de sots, pour epargner un rliume de
cerveau ä un homme d'esprit." Et, certes ! ce n'est pas une hecatombe
de sots que nous eussions sacrifiee pour raclieter les douleurs de
Henri Heine, mais ce serait, ma foi ! tous les sots de la creation, si
Dieu voulait bien nous les prendre . . .
Vermeint man hier nicht Heine selbst reden zu hören?
64 H. Heine im Lichte der französischen Kritik.
Sogar der ziemlich abgedroschenen Parallele mit Voltaire
gewinnt d'Aurevilly ganz neue, unerwartete Seiten ab. Auf
die Einseitigkeit seines Urteils brauchen wir nicht erst hin-
zuweisen. Der Autor der „pucelle" war dem katholisch-
aristokratischen Litteraten Zeit seines Lebens ein Greuel
(pag. 176, 178) :
Heine, aux yeux de la plupart des hommes, ces grossiers! est
nioins grand que Voltaire parce qu'il a fait moins de train dans le
monde; mais ce train ne tenait qu'ä l'heure qui sonnait sur la tete
de Voltaire. II tenait aux circonstances et aux passions d'un temps
qui s'en allait en guerre, comme Marlborough, contre toutes les
grandes et respectables choses etablies, et qui ne connaissait pas la
Celeste reverie que, depuis, nous avons appris ä connaitre ... La
gloire de Voltaire, c'est le bruit de toutes les ruines qu'il a faites.
Henri Heine fut l'oiseau qui chante sur ces ruines, mais du haut du
ciel, ou du fond de son coeur amoureux et blesse, — ce qui est plus
beau que le ciel ! . . .
Pantheiste enfin „depantheise", quand il faisait une bonne action,
dans les dernieres annees de sa vie, il disait qu'il „mettait sa carte
chez le bon Dieu", echappant ainsi par l'esprit meme ä cette impiete
qui finit par degoüter de l'esprit de Voltaire et qui l'a englouti et
fait disparaitre dans sa blasphematoire fetidite.
Armand de Pontmartin
(1811-1890).
Eine der interessantesten Skizzen, die über Heine ge-
schrieben worden sind, stammt aus der Feder des geistreichen
klerikalen Kritikers Pontmartin: ,^ Henri Heine'-'' (Dernieres
causeries litteraires, Levy 1862). Unbeschränktes Lob verdient
der Artikel schon des Tones wegen. Man bedenke, dass Pont-
martin über einen Satyriker zu schreiben hatte, der ihm sein
Heiligstes verspottet. Trotzdem kein hartes Wort, kein Schimpf
und keine Schmähung; hier und da nur tiefes Bedauern und
Einzelstudien über Heine. ß5
inniges Mitgefühl des gläubigen Katholiken. Ja, er verzeiht
dem Genie alles, — weil er es als solches erkannt hat. Er
gibt sich die redlichste Mühe, das Gute, das Bleibende aus
dem Lebenswerke des Pantheisten herauszulesen (pag. 367) :
Nier le talent, Tesprit et le succes chez les honimes et dans les
livres qui froissent nos sentiments et nos croyances, c'est une mal-
heureuse et dangereuse tactique; maladroite parce qu'elle ne les em-
peche pas de reussir; dangereuse parce qu'elle implique, semble-t-il,
un aveu tacite d'embarras, de colere ou d'impuissance. Je commencerai
done par une declaration naive que M. de la Palice m'eüt enviee:
M. H. Heine est doue d'un esprit merveilleux, inoui", eblouissant,
effrayant pour autrui, desolant pour lui-meme ; car il ne parait pas
lui avoir donne jusqu'ici ni un moment de bonlieur, ni un atome de
certitude. Ses ouvrages forment la plus attrayante lecture qu'il seit
possible d'imaginer, lorsque, cgalement las de la verite et de l'erreur,
on a envie de se lancer, pour un soir, dans ces regions „Immoristiques"
qui ne sont ni l'erreur, ni la verite. Un plus voltairien que Voltaire,
mais poete avec cela, ce que Yoltaire n'a jamais ete ; tour ä tour rail-
leur sentimental et reveur goguenard, FrauQais assez Allemand pour
comprendre l'Allemagne, Allemand assez Frangais pour la rendre claire,
Prussien par hasard, Parisien par goüt, Athenien par droit de conquete
et de naissance, digne de se moquer de Kant et capable de l'expliquer,
M. H. Heine est dans la litterature internationale, sinon un modele sans
defaut ou un oracle sans replique, au moins un type sans precedent et
sans rival. II peut indifFeremment signer, entre la patrie de Chateau-
briand et Celle de Goethe, des traites de paix ou des declarations de
guerre, faire de son oeuvre optimiste ou morose un „casus belli" ou un
trait d'union.
Der Artikel war im April 1855 erschienen; in dem ge-
nannten Buche erst 1862, und zwar ohne Aenderung, obgleich
nun die Schonung eines Totkranken wegfiel. In einer An-
merkung entschuldigt er sich in edelster Weise: „Nos lecteurs
jugeront si, ä propos du plus ironique des hommes, il n'etait
pas permis de cacher beaucoup d'ironie sous un peu d'indul-
gence." Pontmartin beginnt (pag. 367):
Voyons si, en cherchant bien, on ne pourrait pas, ä travers ces
pages charmantes qui nous desolent, ces jolis sarcasmes qui nous
Betz, Heine in Frankreich. 5
ßß H. Hoino im Lichte dor französischon Kritik.
ecrasent, ces fines epigrammcs qui nous criblent, rencontrer qk et lä
quelque dedommagement ou quelque refuge, et ecliapper au double
peril de refuser de l'esprit ä M. Heine pour deiiieurer bon cliretien,
ou de cesser de croire eu Dieu ä force de goüter M. Heine.
Nach einander wirft er die Fragen auf : Est-il catholique ?
Est-il Protestant ? Est-il royaliste ? Est-il deiste ? Est-il athee ?
etc. . . ., um sie alle mit Geist und, wie er selbst sagt, mit
Ironie zu verneinen. Hieraus nur eine Stelle (pag. 369) :
Or M. fleine est encore un peu familier vis-ä-vis de ce Dieu
dont il commence ä admettre la necessite ; il le traite volontiers
d'egal ä egal, Taccusant „d'humour" divin, l'appelant un Aristophane
Celeste, se plaignant des flots de moquerie, des plaisanteries cruelles,
des coups de foudre satiriques que le grand auteur de l'univers lance
contre lui en lui infligeant la goutte ou la sciatique.
Ja was ist denn Heine schliesslich? Die Antwort lautet:
. . . „C'est un humoriste, un fantaisiste, un poete et, par dessus
tout, un malade." — Interessant ist der Vergleich zwischen
dem „Allemagne" der Madame de Stael und dem Heines:
„Helas ! il y a en effet, entre ces deux livres separes par un
demi-siecle, la meme difference qu'entre le budget d'un jeune
et prodigue millionnaire et celui d'un vieillardruine." (Pag. 371.)
Die vier Seiten, die über dies Thema handeln, schliessen dann
mit dem Aphorismus : „Quand on a lu le livre de Madame
de Stael, on ne sait rien, mais on peut tout. Quand on ferme
le livre de M. Heine, on sait tout, mais on ne peut rien."
„Lutece" kurz besprechend, betont er den prophetischen
Blick Heines, der in politischen Dingen klarer gesehen habe
als in litterarischen, bei denen er sich zu viel mit Klatsch
abgebe.
Einzelstudien über Heine. ß7
Jules Janin 0
(1804—1874).
„Henri Heine et la jeunesse des poetesJ^
In der Zeitung „L'Independance Beige", 12. Februar 1865.
Dieser Artikel, der den kranken Baudelaire so aufregen
sollte, befindet sich in dem „Les et csetera du temps present"
betitelten Feuilleton obiger Zeitung.
J. Janin hat den 20. Band der Werke Heines (Hamburg
1861 — 1863) gelesen und gibt nun zunächst seiner Freude
über die frischen Jugendlieder des Dichters Ausdruck. „II
est donc vrai que ce railleur, ce medisant, cet implacable
Herne, dont les baisers memes etaient des morsures, a connu,
disons mieux, a „subi" les chastes enivreraents de la vingtieme
annee ? Et lui aussi, il avait, en venant au monde, un coeur
honnete et devoue qui battait volontiers sous le chaste et doux
regard de la personne aimee ... 11 adorait la campagne et le
printemps. Sur les bords du Rhin, sur les greves de TOcean,
dans la tempete et sous le brouillard, il rencontrait des gräces,
des beautes, des reves ineffables, et si la vision disparaissait
sous son regard ebloui, il la chantait, dans l'accent meme d'un
berger de Virgile appelant Amaryllis ..."
Aber da will „Eraste" ^) nicht hinaus. Er citiert die Prosa-
übersetzung einiger Romanzen und Lieder und zwar gerade
solche, in denen die Ironie Heines am deutlichsten hervortritt,
so z. B. „Da droben auf dem Berge" („Heimkehr"), dessen
letzter Vers mit folgender Uebertragung parodiert ist: „Helas!
^) Bei Schriftstellern, die nicht in näherer Beziehung zu Heine standen,
oder sich eingehend mit ihm beschäftigten, glaubten wir auch von einer kurzen
Charakteristik absehen zu können. — Janin, dieser willkürlichste aller Kritiker,
als deren Fürsten er sich selbst bezeichnete, dominierte eine lange Reihe von
Jahren im Feuilleton des „Journal des Debats" in prinzipienloser und despo-
tischer Weise über Theater- und Litteraturangelegenheiten.
-) So unterzeichnete er seine Artikel in der genannten Zeitung.
68 H. Heino im Lichte der französischen Kritik.
comrae elles se sont moquees de moi!" {■= die merkten's und
haben gelacht). Und er fährt fort: Voilä ce qu'!! chante ä
ses amours passageres. Sur ces terres de son invention, „il
y avait une fois un jeune homme mort, il vint ä minuit
chercher sa fiancee et Tentraina dans le tombeau." Mais,
dites-vous, ami lecteur, ces chansons printanieres manquent
de gaiete, ces poemes amoureux sont pleins de tristesse! Eh
bien, je suis tout ä fait de votre avis, ces jeunesses, au-delä
du Rhin allemand sont bien tristes . . . Und nun geht es an
Byron. „Ouvrez, s'il vous plait, pour vous reposer un instant
des premieres poesies de Heine, les premieres poesies de lord
Byron, vous trouverez autant de nuages sur les bords de la
Tamise que sur les bords du Rhin allemand." — Auf Heines
Spottlieder anspielend : „ . . . que si vous aviez le courage de
braver le ridicule et de parier ä ce maitre en Ironie de la
loyaute, de l'amour, de la foi, de la charite, de Fesperance,
il vous repondrait: le cafe est eher, l'argent est rare, le
monde et le temps emportent aux abimes l'amour et la
loyaute " — d. h. „ä l'exemple de Byron, son modele et son
maitre, Heine se console en appelant le diable ä son aide . . .''
Es folgt eine unbarmherzige Verstümmelung des Schelmen-
liedes: „Mir träumt: ich bin der liebe Gott" (Heimkehr) mit
der Randglosse, die die Wahrheit auf den Kopf stellt : „Voilä
pourtant les choses que Ton a admire et sur lesquelles on
disserte ä l'infini, des deux cötes du Rhin allemand; voila le
Sujet des plus grandes extases pour les neocritiques, dont le
bruit, avant peu, doit arriver jusqu'ä vous."
Da lobt er sich das alte französische Volkslied — „l'aimable
chanson"! Er weiss aber ganz gut, dass auch Heine hierin
ein Meister ist — nur hat er wohl vergessen, dass er es selbst
gesagt ! (Almanach 1857.) Wir kennen kein treffenderes Bei-
spiel der allertraurigsten doppelzüngigen Gelegenheitskritik,
die bloss redet, um zu reden, ä so und so viel die Zeile.
Während er Regniers Worte:
Einzelstudien über Heine. 69
Et mon coeur, tout fletri d'ennuis,
N'attend plus que la sepulture.
als ersten Ausdruck eines wirklich Kranken bezeichnet, frage
man sich bei Heines
Ich legt' auch meine Liebe
Und meinen Schmerz hinein — :
„Unglücklicher! wie alt bist du?" worauf Janin für den
Dichter erwidert : ,,Je vais, monsieur, sur mes vingt ans/*
Der Advokat unseres Dichters hat Recht — wenn auch nicht
in seinem Sinne — : A cette reponse on ne peut que sourire . . .
Es kommt aber noch besser: ,,Dirons-nous, ä ce propos,
toute notre pensee? Eh bien, toutes les amoureuses celebrees
par de Goethe, par Heine , par lord Byron, bien plus par
Shakespeare — es muss alles in einen Topf! — ne valent pas
la plus simple bergere de nos vieux poetes." Die „Couplets"
Theophiles zieht er den Liedern des „Neuer Frühling" bei
weitem vor. Er citiert einige Verse, die jedermann im XVII.
Jahrhundert auswendig wusste, und macht uns dann folgende
Enthüllung: „Je ne crois pas que, meme en Allemagne, il y
ait beaucoup de jeimes gens et de jeunes femmes qui sachent
par cceur les chanteurs allemands. — Les critiques en parlent
avec emphase; ils auraient grand'peine ä les reciter, meme
en un jour de printemps."
Und weiter unten ruft er aus : „ 0 poete injuste et
Sans reconnaissance ! 6 maladroit, qui, de gaiete de coeur,
donne a les plus chers Souvenirs ce dementi cruel ! Mal-
heureux faiseur d'epigrammes, blessant, impitoyable, les amis
de ton enfance et les temoins bienveillants de ta jeunesse!"
Das Feuilleton schliesst mit einer Erzählung, die natürlich
zur Bestärkung seiner seichten Poetenauffassung dienen soll.
Wir geben sie in exstenso samt den einleitenden Worten
wieder :
II fut la premiere victime de son intarissable Ironie, et comme il
s'etaitimpose la tache abominable etc. (vergl. Baudelaire, Abschnitt VII).
70 H. Heine iui Lichte der französischen Kritik.
II est mort dans une intelhgente et lente agonie, en grand siUmce et
protege par un suaire epais contre la douce chirte du jour. La der-
niere fois qu'il regut dans sa chambre mortuaire les quelques aniis
restes fideles ä son genie, ä sa pauvrete volontaire (?), il leur fut
impossible de le voir, son ht etant entoure d'un epais rideau, et
comme on l'interrogeait au miheu de ces tenebres, en Iui demandant
des nouvelles de sa sante, il repondit par un terrible apologue. Or
cet apologue, le voici, mot pour mot, prononce ä voix basse, avec
un Souffle qui s'eteint :
„II y avait, dit-il, a Municli, deux femmes qui portaient deuil
chacune d'un fils de 20 ans. Les desolees, s'etant rencontrees ä la
porte de l'eglise, s'abordaient en se donnant la main, et la premiere
dit ä l'autre : Avez-vous entendu parier de la bataille de Leipzig ?
c'est lä que j'ai perdu nion fils Hermann! Et l'autre femme apres
un silence : Avez-vous entendu parier du grand siege et des fosses
de la ville de Dresde? Helas! c'est lä que j'ai perdu mon fils unique
Henri ! S'etant ainsi saluees, ces deux malheureuses entrerent dans
l'eglise et chacune de son cote s'agenouilla en priant Dieu." Ici le
moribond fit une pause, on croyait qu'il etait mort, mais ayant re-
trouve quelque force : „Et moi, dit-il, je suis le fosse dans lequel
sont enfoncees toutes les esperances; mon corps est le champ de
bataille oü se heurtent et se rencontrent toutes les douleurs."
Teiles furent les dernieres paroles de ce malheureux qui s'ap-
pelait lui-meme, en tete de ses innocentes tragedies que son peuple
a sifflees (Almanzor, W. Ratcliff), le joli poete et le joyeux Chan-
sonnier.
Emile Hennequin
,j Henri Heine. ^^
(„Revue hberale", Avril 1884. Ecrivains francises 1889.)
Der kürzlich verstorbene, kaum 29 Jahre alte Henne-
quin berechtigte zu den grössten Hoffnungen. Wenige
Wochen vor seinem frühen Tode veröffentHchte er die
„ Critique scientifique ", die durch selbständiges, teilweise
neues und kühnes Urteil, durch eine geistvoll angelegte und
Einzelstudien über Heine. 71
durchgeführte Methode und vor allem durch den verständigen
Blick für die fremden Elemente in der modernen französischen
Litteratur allgemeines Aufsehen erregte. Sogar Brunetiere ^) ge-
ruhte, sich auf eine Disputation einzulassen, in der der junge
Rivale nicht immer den Kürzeren zog. Hennequin unter-
scheidet in dieser Schrift zwischen der „critique litteraire", die
nach eingehender Analyse urteilt (Brunetiere), und der „critique
scientifique", die, abgesehen von jeder Wertbestimmung, darauf
hinzielt, aus der entwickelten Charakteristik festzustellen:
„. . . soit certains principes d'esthetique, soit l'existence chez
son auteur d'un certain mecanisme cerebral, soit une condition
definie de l'ensemble social dans lequel eile est nee, a l'ex-
pliquer par les lois organiques ou historiques les emotions
qu'elle suscite ou les idees qu'elle exprime."^) Hennequin be-
gnügte sich nicht mit der theoretischen Kritik. Drei Tage vor
seinem Tode brachte er dem Verleger das Manuskript seiner
„Ecrivains francises", an denen er das neue kritische System
praktisch versucht. Es handelt sich hier um sechs Studien
fremder Schriftseller (Edgar Poe,^) H. Heiyie, Dickens, Tourgue-
neff, Dostoi'ewski, Tolstoi) — ^^gid sont entres en France dans la
lectiire courante, qui ont infliie sur Ig develojppement de quel-
ques-uns de nos litterateurs, qui ont, chez noiis des imitateurs
estimes''^ — die naturgemäss zu einer dreifachen Studie führ-
ten, einer ästhetischen, psychologischen und sociologischen
(über deren Einfluss), führten. Am Schlüsse dieses äusserst
lehrreichen Buches — in dem er sich, wie gesagt, genau dem
in der „Critique scientilique" entworfenen Schema anpasst
^) Er nennt das Buch : „Riebe de fonds, curieux et siiggestif, soiis sh
forme laborien.se et singiiliereraent tourinentee."
2) Man vergleiclie die enthusiastischen Seiten, die Ed. Kod in der „Nou-
velle Revue'* (Bd. 55) dem hochbegabten Kritiker widmet, und aus denen der
Schmerz des hinterblieb enen Freundes spricht.
^) Er hat diesen, kaum 20 Jahre alt, trefflicli übersetzt (Contes grotes-
ques) und in einer meisterhaften Studie behandelt.
72 H. Heine im Lichte der französischen Kritik.
— in dem Kapitel „Oonclusions psychologiques" (pag. 262)
fasst er die Resultate seiner Untersuchungen zusammen, mit
denen er ein ganz neues Licht auf die moderne französische
Litteratur wirft. Es wäre zu wünschen gewesen, dass Brune-
tiere in seinem letzten Buche über die Evolutionen der fran-
zösischen Lyrik in diesem Jahrhundert diese scharfsinnigen
Studien Hennequins verwertet hätte. Denn gerade dort, wo
dieser junge Mann richtig gesehen, zeigt die Arbeit des Aka-
demikers bedenkliche Lücken. Die tiefgehende Bedeutung
fremden Einflusses ist diesem ganz entgangen. Edgar Poe
ist nicht einmal genannt. Sein Grauen vor dem Ich-Gespenst
Baudelaires hat ihm den sichern und ruhigen Bhck geraubt.
Und doch waren diese Studien nur die ersten Bausteine zu
einem gross angelegten Werke, dessen Plan sich in Hennequins
nachgelassenen Schriften vorfand und der von der immensen
Tragweite des Unternehmens und der genialen Anlage Zeugnis
ablegt. Der Titel „Histoire du XIX^ siecle en France" be-
weist dies schon.
Das erste Kapitel der zweiten Periode, die nach dem
Eutwurf von 1850—1870 reichen sollte, ist betitelt: „Expose
de la persistance des trois traditions, avec baisse de la tra-
dition nationale et transformation generale de l'humanitaire
en esthetique", und das zweite Kapitel : „Nouvelles intrusions
etrangeres: Hoffmann, Poe, Dickens, H. Heine."
Der Besprechung der Heinestudie Hennequins, die uns
länger beschäftigen wird, wollen wir die Erwähnung einiger
uns interessierenden Stellen aus den „Conclusions psychologi-
ques" vorausschicken. Der Autor untersucht, inwiefern Heine
vom normalen Typus des Menschen abweicht (pag. 262). „A
proprement parier, des hommes de cette sorte — (Heine,
Poe etc.) sont de Vivantes experiences de psychologie, la
nature en les faisant extraordinaires a retranche ou hyper-
trophie chez eux quelques facultes ä la fagon dont un phy-
siologiste modifie artificiellement la Constitution de l'animal
Einzelstudien über Heine. 73
sur lequel il opere. Nous pouvons ä la fois connaitre l'effet
de ces derangements cerebraux divers par la condition des
ecrits congus sous leur influence." — Dies untersucht Henne-
quin dann in dem Kapitel „Conclusions sociales." — Der
Fall Heine führt ihn hier auf dem Gebiete allgemeiner Psy-
chologie zu folgenden Resultaten (pag. 264):
Chez H. Heine Fintelligence et la sensibilite se balan§aient
presque, et ce qui se remarque dans son oeuvre, c'est la condition par-
ticuliere d'instabilite de ses sentiments. Nous avons vu que de leur
perpetuelle interference, il resultait qu'ils etaient forcement per^us,
connus, distingues par leur sujet, qu'ainsi Heine etait amene ä les
analyser, a ne plus les eprouver sincerement, ä les considerer avec
ironie, ä s'etudier cruellemenf lui-meme. II nous a paru que nous
avions saisi ainsi la condition meine de cette tendance ä la sui-
analyse, et par suite ä l'impuissance volitionelle, qui se marque chez
un grand nombre de travailleurs de l'esprit. Le passage rapide par des
ötats d'äme varies, pensees, emotions, volontes, fait que tous les
plienomenes mentaux sont percus par la conscience ... Le coefficient
intellectuel de cliaque acte nioral, c'est-ä-dire le coefficient inactif,
est notablement augmente; le sujet de ce phenomene oublie de plus
en plus de vivre pour se voir vivre, il diminue a la fois son existence
et le plaisir qu'il a pu prendre ä en etre le spectateur. D'autre part
le fait simple de savoir toujours ce qu'il pense et ce qu'il fait, sup-
prime de son ame la passion, le premier niouvement, la sincerite. 11
en vient ä se mepriser, tout en se diminuant. Le terme inevitable
de cette aifection est un sentiment continu de malaise et d'amertume,
de declin et d'arret, que l'on peut le mieux comprendre par le mau-
vais effet produit sur la marche d'une macliine par la presence et le
frottement d'un appareil enregistreur.
Und nun zur Heinestudie selbst, die zu den geistvollsten
und selbständigsten der ganzen französischen Kritik gehört.
Veranlassung gibt Hennequin die Herausgabe der Memoiren
Heines. Wie Banville, hielt auch er sie für überflüssig, da in
dem „Intermezzo" und den „Reisebildern" schon das ganze
Ich des Dichters zu finden sei. ,,. . . Les oeuvres definissent,
mieux qu'une autobiographie, la physionomie spirituelle du
poete, sa fagon de sourire et de s'attrister, le sarcasme de sa
74 H. Heine im Lichte der französischen Kritik.
bouche, la douceur bleue de ses yeux, tout l'attrait feminin
de son äme variable et charmante^ conime un ciel d'equinoxe."
Wir lernen hier gleich in dem Autor einen Heineverehrer
und glänzenden Stilisten kennen. Treffend beginnt er gleich
mit einer Schilderung der Doppelnatur Heines, seiner eigen-
tümlichen Stellung in der Litteraturgeschichte : „Toute sa
vie, dans tous les domaines de son activite, il s'est tenu au
carrefour de deux routes, a l'angle de deux directions cardi-
nales. II a oscille entre le judaisme, le christianisme et une
Sorte de paganisme poetique ; entre la France et TAllemagne ;
entre tous les genres, en prose et en vers. II a allie une forte
originalite ä une Imitation evidente; ses oeuvres sont tantot
voltairienneSj tantot teintes de romantisme, tantot a la fois
emues et ironiques. Jusque dans sa fagon d'envisager sa vie
et la vie, il ne peut se decider entre le sourire de l'humouriste
et la tristesse de l'elegiaque." (Pag. 1.) — Nachdem er den
Einfluss des „Manierisme" von Hoffmann und Jean Paul, des
romantischen Elfen- und Geisterwesens besprochen, weist er
mit Nachdruck auf den des Volksliedes auf die Muse Heines
hin. Welch schöner Lorbeerkranz ist nicht nur dem Liede
Heines, sondern zugleich auch der ganzen deutschen Lyrik
in folgendem gewunden : „Que Ton ajoute ä cette beaute
des poemes les nobles melodiös dont les ont ornes Schumann
et d'autres, ces recitatifs lyriques qui fönt retentir et vivre
les mots, les accentuent et les cadencent sur des levres
humaines, et Ton pourra sentir par quel charme la chanson
allemande demeure un genre populaire et exquis, comment
eile est la poesie lyrique la plus vivace de toutes les littera-
tures, la seule qui ait renoue avec la musique son ancienne
alliance naturelle et profitable. Une partie des lieds de Heine
et de quelques autres poetes, ne sont pas que l'expression
d'une humeur particuliere, que de l'ecriture morte, lue silen-
cieusement et solitairement par une elite. Ils ont penetre
Täme de toute une race, ils ont des airs propres, des audi-
Einzelstudien über Heine. 75
toires nombreux, et vivent dans la memoire d'une multitude,
demeures ce que toute poesie etait a l'origine, une declamation
melodique et nationale." ^) (Pag. 63.) Und wieder auf den
Kontrast in Heines Wesen und Dichten zurückkommend :
„La poesie et la prose de Heine, laissant entrevoir une äme
curieusement partagee, tendre, simple, reveuse, en une com-
munion etroite et pantheiste avec la nature, mais aussi me-
chante, d'une ironie particulierement äcre, traitre et subite,
süre et rageuse. Et ces deux faces de la sensibilite morale
de Heine alternent et se succedent sans menagement, sans
intermediaires, par des juxtapositions telles que le charme de
l'une se trouve heurte et releve par la dissonance de l'autre,
comme une teinte zebree de sa complementaire s'exalte."
(Pag. 67.) Meisterhaft ist Heines Pessimismus und cynischer
Sinn geschildert: „. ..Dans ses vers d'amour, il ne reste rien
de toute la gaiete, la gräce superficielle, les galants baise-
mains d'autrefois; il a transpose en mineur de vieux motifs
badins; il en a fait des nocturnes, des valses lentes, des
musiques aussi desesperees ou aussi reveuses que celles de
Chopin et rompues souvent, de memo, par des dissonances
subites, des finales ironiques, de violants rires sonnant faux
et pergants ..." Von dem Abschnitte, wo Hennequin ein
farbenprächtiges Bild der Heine-Ironie entwirft, glauben wir
nichts streichen zu dürfen (pag. 71):
L'ironie de Heine est assurement la partie la plus singuliere et
la plus saisissante de son genie. Elle n'est pas une gaiete legere, ailee,
purement fantaisiste comme l'ironie spirituelle de Mercutio et de Rosa-
linde, comme le joli sourire poetique de quelques comedies de Musset.
Elle n'est pas non plus la joie seche des comiques de race latine, le
rire d'un homme sanguin, equilibre, sain, ayant la salutaire etroitesse
d'esprit de riiomme normal. Elle est penetree d'amertume, mouillee
de pleurs, aigue et comme envenimee. Elle a double tranchant et
^) Man vergleiche diese Worte Henuequins mit der Faselei eines Janin!
76 H- Heine im Lichte der französischen Kritik.
blesse ausni durement la triste faiblesse du poete que la cruaute de
Celles qui causent son avilissement. C'est le rire d'un homnie atteint
du mal deplorable des analystes, ressentant minutieusement et detail
ä detail sa soufFrance, portant dans l'introspection de son äme endo-
lorie une perspicacite nerveuse, l'apre acharnement ä connaitre toutes
les retraites et toute la misere de son mal. Dans ce retour sur soi, la
vue claire de la part de vanite, de sottise et de faussete qui souille ses
plus delicates emotions, lui suggere sa raillerie suicide. II s'accable
de mepris et d'indulgence, s'insulte et salit sa passion; la folie de
hasarder la paix de son coeur entre les mains traitresses d'une femme,
lui inspire de faux ricanements, et c'est quand son afFection trompee,
bourrelee et meurti'ie lui rend l'ame le plus vide et le plus morne,
qu'il s'ingenie ä affiler contre sa tendresse et la perfidie de sa bien-
aimee les plus jolis sarcasmes.
Noch tiefer senkt der Autor der „Critique scientifique'^
seine unbarmherzig scharf prüfende Sonde in das kranke
Herz seines Dichters, um uns in wunderbarer Realistik zu
erzählen, was er entdeckt hat (pag. 71 und 72):
On sent l'insulte proferee par des levres fremissantes entrer au
point vital de la victime et du bourreau. Sous l'outrage longuement
premedite, sous cette haine clairvoyante, on per^oit l'horrible souf-
france d'une äme blessee, encore eprise, et se punissant de l'etre. Ce
partage de la sensibilite entre les deux affections contraires les plus
puissantes, cet acharnement d'une lutte oü chaque coup porte ensan-
glante deux poitrines, fait des ironies du poete allemand quelque
chose de tragique et d'insense ; ces eclats de rire stridents qui partent
au bout des pieces les plus calmement reveuses, avec une dissonance
accrue par la traitrise des debuts pacifiques, ce passage d'un etat
d'äme paisible ä une subite crispation de douleur, la revulsion ner-
veuse qui s'est operee tout ä coup dans l'esprit de l'amant, accusent
devant le lecteur comme un commencement de demence, une sorte
de spasme hysterique, un acces de douleur morale que l'ame ne peut
souflPrir sans etre arrachee de ses gonds. La foHe a de ces grimace-
ments et certaines agonies laissent sur les traits des cadavres ce rictus
sardonique.
Aehnlich lautet, wenn auch weniger an die „Morgue"
erinnernd, was uns der realistische Analytiker über das
„Intermezzo" berichtet, das er „le plus bei effbrt de la lyre
Einzelstudien über Heine. 77
allemande" nennt, das frei ist von rhetorischen Deklamationen
Alfred de Mussets und der bleichsüchtigen Melanchohe La-
martines.
Die Synthese der scharfsinnigen Analyse fasst er in fol-
gende Worte zusammen (pag. 76) :
Ce qui le defiiiit entre tous ces contrastes, c'est sa diversite
meme, non pas une diversite successive, mais presente et manifeste
dans toutes ses productions. Ce qui est constitutionnel dans Heine,
c'est l'instabilite des sentiments et des sensations . . . Dans ce point
morbide de son Organisation intellectuelle est la cause de ses douleurs
amoureuses si vite oubliees et si variables qu'on n'en connait pas
les objets, de ses gaietes subites, des hauts et des bas de son style,
des Sujets auxquels il s'est applique, de son originalite, qui resume
en l'alliage de tous les contraires.
Nachdem Hennequin so die Heinesche Natur einer äst-
hetischen und psychologischen Analyse unterzogen und ver-
sucht hat, uns ein Bild des Dichters aus dem Geiste seiner
Werke zu schaffen, — schreitet er nun zu dem Einflüsse von
Rasse, der Mitte, kurz aller äusseren Verhältnisse über, d. h.
er verfolgt gerade die entgegengesetzte kritische Methode
Henri Taines, die er am geistreichsten und schärfsten be-
kämpfte. Mit derselben Meisterhand des Stilvirtuosen hat er
in pittoresker Realistik das Milieu um die Gestalt des Dichters
gruppiert.
Die Ungleichheit, das ewig Wechselnde in den Werken
Heines führt Hennequin vor allem auf eine physische Ver-
anlagung des Dichters, auf seinen krankhaft nervösen Orga-
nismus zurück (pag. 78) :
. . . C'etait lä, chez le poete, une condition organique, comme
une faiblesse et une delicatesse trop grande du cerveau pour qu'il
persistät dans un etat violent, comme une legerete vibrante de l'equi-
libre Interieur qu'affolaient les secousses vives.
Nachdem der Autor ein düster-wahres Bild des mit dem
Tode ringenden Poeten entworfen (pag. 85 ff.) und dann noch
78 H. Heine im Lichte der französischen Kritik.
hervorgehoben, dass sein Genie bis zur letzten Stunde original-
und siegreich blieb, trotz Gotteszweifel und mancherlei Reli-
gionswandlungen (pag. 87), beschliesst er seine Heinestudie
in charakteristischer, für unseren Geschmack etwas zu sehr
chemischer Weise: „La maladie lente qui le consuma a petits
coups, opera sur son esprit comme ces reactifs subtils de la
chimie qui dans un melange respectent les composes coherents,
et dissolvent les instables."
Emile Montegut
(1826)
^^Henri Heine. ^^
I. Annees de jeunesse. Poesies lyriques.
(„Revue des deux Mondes", 15 May 1884).
Diese Studie, die den bescheidenen Titel „Esquisse litte-
raire" trägt, verbindet Sachkenntnis und Tiefe des Urteils
mit fesselnder Darstellungsweise. Sie nimmt mit den Arbeiten
Hennequins und Ducros den ersten Rang unter allen fran-
zösischen, und nicht den letzten unter den deutschen bio-
graphischen Schriften über Heine ein. Der Autor, jedem
Fachmanne als einer der besten Kenner der englischen Litte-
ratur in Frankreich bekannt, beginnt mit persönlichen Er-
innerungen. Heine hat den jungen Montegut wenige Wochen
vor seinem Tode zu sich berufen. ') Er sah in dem geist-
reichen Litteraten, dessen Arbeiten er gelesen, den geeigneten
Mann, der ihn, den sterbenden, viel angefochtenen Dichter,
vor der Nachwelt rechtfertigen könnte. Wir lassen dem A^er-
fasser selbst das Wort. Heine richtet nach zweistündiger
^) Vergl. Correspondance in^dite de Henri Heine; Levy. Bd. 3, pac
420, 425.
Einzolstudion über Heine. 79
Unterredung, die der Dichter ganz allein geführt, mit er-
schöpfter Stimme die Bitte an ihn, seine Feder in den Dienst
einer biographischen Skizze zu stellen : „Lorsqu'il fallut en
arriver au sujet qui motivait plus particulierement ma visite,
il souleva de ses doigts, pour me mieux voir, ses paupieres
affaissees par la nevrose et me dit, de sa voix la plus plain-
tive, qu'il avait bien besoin d'etre soutenu, car il etait, pour
le moment, attaque de la maniere la plus indigne par des
AUemands sans aveu, par des Polonais, par des femmes de
mauvaise vie . . . et il citait des noms que je ne puis repeter
. . . Mais ses plaintes assaisonnees de sarcasmes contre ses
ennemis avaient epuise ses forces, et il retomba aneanti sur
son lit: „Excusez la nature qui m'a mis en cet etat," me dit-il
en me tendant la main, et sur cette parole, je pris conge." —
Bevor wir auf den kritischen Teil dieser Arbeit eingehen,
möchten wir Montegut Selbsterlebtes erzählen lassen. Ohne
von dem abzuweichen, was Heines deutsche Biographen von
Heines letzten Tagen berichten, zeichnen sich die Erinne-
rungen durch besondere Nüancierung gewisser Einzelheiten
aus und vor allem durch die Schärfe psychologischer Er-
gründung, oder, um uns modern auszudrücken, durch seinen
Impressionismus.
Montegut fand den Schwerkranken — es war im Spät-
herbst des Jahres 1855 — allein, halbangezogen im Bette;
in der Hand einen Bleistift, vor ihm ein grosses, beschriebenes
Blatt Papier. Er betont mit Nachdruck, dass die Schrift
fest und deutlich war und nicht die mindeste Spur einer
zitternden Hand zeigte, eine Konstatierung, die in dem Me-
moirenstreite schwer wiegen dürfte.
La maladie l'avait vaincu et terrasse, non enlaidi et „senilise",
et si les traces de cruelles soufFrances n'etaient chez lui que trop
visibles, il etait impossible, en revanche, d'y surprendre une marque
serieuse de decrepitude. II parla pendant deux heures avec la plus
80 H. Heino im Lichte der französischen Kritik.
eloquente abondance, et, en l'ecoutant, il me semblait Hre comme
le brouillon non corrige de quelqu'une de ses etincelantes fantaisies.
Seulement, comme cette cascade d'eloquence s'ecoulait en s'accom-
pagnant des apres sons d'une prononciation germanique des plus
accentuees, je ne pus m'empecher de songer ä ces grenouilles d'Aristo-
phane qui encadrent leurs chants si divinement lyriques du „Brekeke !
coax! coax!" de leurs marecages stygiens.
Wenn Heine einst, wie Gautier berichtet, dem Apollo ge-
glichen — und mit seinen Sarkasmen die bleichen Anhänger
der nazarenischen Lehre überschüttet hatte, so war von alle-
dem nichts geblieben (pag. 245):
Cela ne Yeut pas dire que la maladie Favait enlaidi, car le visage
etait encore d'une singuliere beaute; seulement cette beaute etait
exquise plutot que souveraine, delicate plutot que noble, musicale en
quelque sorte plutot que plastique. La terrible nevrose avait venge
le nazarenisme outrage, en effagant toute trace de Thellenisant et en
faisant reparaitre seuls les traits de la race ä laquelle il appartenait
et oü domina toujours le spiritualisme exclusif contre lequel son elo-
quente impiete s'etait si souvent elevee. Et cet aspect physique etait
en parfait rapport avec le retour au juda'isme, dont les „Aveux d'un
poete" avaient recemment entretenu le public. D'äme comme de
Corps, il n'etait plus qu'un Juif, et, etendu sur son lit de souffrance,
il me parut veritablement comme un arriere-cousin de ce Jesus si
blaspheme naguere, mais dont il ne songeait plus ä renier la parente.
Ce qui etait plus remarquable encore que les traits chez Heine,
c'etaient les mains, des mains transparentes, lumineuses, d'une ele-
gance ultra-feminine, des mains tout gräce et tout esprit, visiblement
faites pour etre l'instrument du tact le plus subtil et pour apprecier
voluptueusement les sinuosites onduleuses des heiles realites ter-
restres; aussi m'expliquerent-elles la preference qu'il a souvent
avouee pour la sculpture sur la peinture. C'etaient des mains d'une
rarete si exceptionnelle qu'il n'y a de merveilles comparables que
dans les contes de fees et qu'elles auraient merite d'etre citees
comme le pied de Cendrillon ou l'oreille qu'on peut supposer ä cette
princesse d'une ouie si fine qu'elle entendait l'herbe pousser. Enfin,
un dernier caractere, plus extraordinaire encore s'il est possible,
c'etait l'air de jeunesse dont ce moribond etait comme enveloppe,
malgre ses cinquante-six ans et les ravages de huit annees de la
plus cruelle maladie. C'est la premiere fois que j'ai ressenti forte-
Einzelstudien über Heine. 81
ment l'impression qu'une jeunesse imperissable est le privilege des
natures dont la poesie est exclusivement l'essenee. Depuis, le cours
de la vie nous a permis de la verifier plusieurs fois, et nous ne l'aYons
Jamals trouvee menteuse. —
Schon diese Stelle wird sowohl das Yertrauen, das Heine
in Montegut setzte, als auch unsere häufigen und ausführlichen
Citationen rechtfertigen.
Zuweilen finden sich Anlehnungen an den englischen Bio-
graphen Heines, Stigand, was bei einem französischen Kenner
enghscher Litteratur begreiflich ist. Allein, wenn er auch
dessen beid,e Bände „deux volumes considerables" nennt, so
hat er sich dennoch zum Glücke nicht durch den pamphletis-
tischen Charakter derselben beeinflussen lassen, es sei denn
etwa dort, wo er Salomon Heines Benehmen Heine gegenüber
als „noble et sensee" bezeichnet. Der vielfache Millionär, der
seinen Neffen quasi enterbte, hätte nicht gut weniger für den-
selben thun können, wollte er nicht vor der Nachwelt ge-
rade als das Gegenteil gelten. Ferner dürfte Montegut auch
mit Stigand irren und das damalige Deutschland nicht ge-
nügend berücksichtigen, wenn er behauptet, dass Heine seine
Schicksalsschläge selbst verschuldet habe. ,,Aucune fatalite
ne pesa jamais sur Heine, sauf Celles qu'il crea lui-meme . . .
Savif Texcentricite de Situation qui resultait d'une naissance
juive en pays allemand, je ne vois rien dont il ait eu le droit
d'accuser le sort." Den lebhaft geschilderten biographischen
Teil verlassen wir hiermit, um uns den interessanten Aus-
einandersetzungen des Kritikers und Psychologen zuzuwenden.
Die Sympathie, die Heine trotz aller Spöttereien für die
jüdische Rasse empfunden, schreibt Montegut nicht seinem
Glauben, sondern dem Mitleiden des Dichters, seinem für alles
Unglück empfänglichen Herzen zu. „C'est dans un sentiment
general et philosophique d'humanite et non dans un sentiment
particulier et religieux de consanguinite qu'il faut chercher la
Sympathie propre ä Heine pour le peuple dont il etait issu."
Botz, Heine in Frankreich. "
82 Ef- Heine im Lichte der französischen Kritik.
Im Glauben, es sei für ihn die Lyrik nur ein Ausgangs-
punkt zu den anderen Gebieten der Poesie, hat Heine seinen
Almanzor gedichtet, den der Autor als „le plaidoyer le plus
etrange assurement que la cause sacree de la liberte de con-
science ait jamais enfante" bezeichnet. Aus der Besprechung
dieses Dramas greifen wir folgende treffliche Charakteristik
heraus (pag. 261) :
Imaginez donc un charivari musical oü chaque instrument echange
avec le voisin les sons qui lui sont propres ou usurpe ceux qui ne
lui appartiennent pas, et vous aurez ä peine une idee d' Almanzor. II y
a lä des accens de clairons qui se terminent en sons de flütes, des
motifs de serenade qui se transforment en cris de guerre, des trilles
de rossignols, lugubres comme le cri fatidique de la chouette, des
croassemens de corbeaux qui s'achevent en sifflets de merle ; l'amour
y mugit, la haine y gazouille, la tendresse y est malicieusement rail-
leuse, le persiflage y prend des pointes d'elegie. C'est une oeuvre de
demenee dans tous les sens, — la folie y a son apotheose, — mais
cette demenee est inspiree, et nul autre qu'un yrai poete n'aurait pu
la ressentir et l'exprimer.
Die Synthese seines 'Urteils über die beiden Dramen —
er stellt Ratcliff dramatisch höher als Almanzor, dem er grös-
sere Originalität und poetische Inspiration zuspricht — lautet
(pag. 264):
Ces deux drames sont une double apotheose des fous par
amour, et il appuie cette apotheose sur un des sophismes les plus
forcenes qui aient jamais traverse un cerveau en proie aux delires
furieux d'une passion malheureuse, c'est-a-dire la superiorite de
l'amour sur toutes les choses de la terre, du ciel et de l'enfer.
In folgenden Zeilen gibt er Quellenforschern einen Wink
(pag. 263):
Ce serait un curieux travail que celui de rechercher ces admi-
rables adaptations de Heine : il y a teile de ses petites pieces lyriques
de r„Intermezzo" qui, par le tour et le sentiment d'ironie, semble
du Catulle ressuscite et mettant au ton du XIX® siede ses galantes
Einzelstudien über Heine. 83
malignites; et qu'est-ce que la piece bacliique inconiparable qui ter-
mine les „Poemes de la mer", sinon le „Beatus ille qui procul negotiis"
d'Horace, depouille de sa sagesse d'epicurisme modere et anime de
la verve la plus carnavalesque qu'ait pu jamais parier personnage de
Jordaens ou de Steen pour proclamer, sous une forme propre aux
modernes pays de kermesses, les joies du retour en terre forme et
l'heureuse securite des voluptes ä huis-clos qu'il preclia autrefois
sous une forme latine ?
„Son talent etait inegal ä toute täche qui reclamait
continuite, constance, effort soutenu" — heisst es weiter.
Aber entfernt, darin eine Inferiorität zu sehen, sagt er: „Mais
grande serait votre erreur si vous croyiez qu'il y avait la
faiblesse de nature ou gaspillage d'un talent presse de pro-
duire et que le besoin condamne fatalem ent aux oeuvres de
courte etendue." — Zwei Gründe gibt Montegut als Erklärung
für diese Eigentümlichkeit an — sie nennen zugleich das
Geheimnis eines jeden grossen Lyrikers (pag. 266) :
La premiere, c'est que les idees se presentaient chez lui non
par Progression froidement analytique, mais dans la lumiere chaude
et vive de l'intuition synthetique; il les voyait au complet sous un
seul rayon avec leurs racines, leurs rameaux et leurs fleurs. Or, ä
celui qui pergoit les idees sous cette forme sommaire de Synthese,
l'analyse apparait inutile ou devient facilement fastidieuse, et il ne
peut les rendre que par des ecrits faits ä l'image de cette Synthese,
c'est-ä-dire rapides et Vivantes comme eile. La seconde raison^ c'est
qu'il portait dans tout ce qu'il ecrivait un exces de vehemence teile
qu'elle ne pouvait se soutenir longtemps. S'il n'a ecrit que des oeuvres
de petites dimensions, ce n'est pas qu'il eüt l'haleine courte ; il l'avait
tres longue au contraire, car chacun de ses essais est ecrit d'un seul
Souffle puissant et soutenu qui part de la premiere ligne et ne s'arrete
qu'ä la derniere. Mais le moyen de prolonger longtemps une Inspi-
ration qui demandait un tel eifort de la nature et qui entrainait
necessairement une depense aussi enorme de vie cerebrale et ner-
veuse! A ces deux caracteres vous reconnaissez le poete, surtout le
poete lyrique, qui est un fils si fidele de la vie qu'il ne peut ecrire
que dans son voisinage immediat et que toute Inspiration languit chez
lui des que la vie s'eloigne ou se refroidit.
84 H. Heino im Liclito dor tVanzÖsischon Kritik.
Fein nuanciert ist die Parallele zwischen Heine und Byron,
in der der Britte, genau genommen, den Kürzeren zieht, was
bei der Kompetenz Monteguts von Bedeutung ist :
Heine disait: „Byron et moi", mais nul, parmi les vrais juges
en poesie, n'aurait ose s'autoriser de cette parole pour le taxer
d'outrecuidance ou d'infatuation, car il est certain que, si l'oeuvre de
Byron offre une fa§ade antrement considerable que celle de Heine,
il y a chez Heine une sincerite de sentiment et, pour ainsi dire, une
nudite d'emotion, une souplesse et une gräce qui sont inconnues ä
l'eloquence quelque peu rhetorieienne et a la melancolie liautaine,
mais quelque peu raide, de lord Byron.
Wenn sich Heine wiederholt in Versen und Prosa die
Unsterblichkeit versprach, so sieht Montegut hierin nur be-
berechtigtes Selbstbewusstsein , keineswegs Dünkel: „Cette
invulnerabilite sur le terrain poetique dit assez la place qu'il
occupe et d'oü les vicissitudes de la mode ne parviendront
pas plus ä le deloger que ses propres folies et ses pires erreurs
ne l'ont empeche de la conquerir." Diese psychologische Auf-
fassung der olympischen Sicherheit, der grossartigen „Süffi-
sanz" und der aristokratischen Ueberlegenheit Heines erinnert
an eine ähnliche Stelle in dem Nekrologe Heinrich Laubes,
wo der Freund des totgesagten Dichters das kolossale Selbst-
bewusstsein desselben interpretiert und von der gewöhnlichen
Poeteneitelkeit unterscheidet.
Was uns nun der Autor von Heine, dem Lyriker, dem
Dichter des „moi par excellence" sagt, ist so trefflich aus-
geführt und zum Teil so neu, dass wir uns nur ungern bloss
auf eine Citation beschränken (pag. 268) :
Les qualites maitresses que reclament les cliants qui ont la
volupte pour principe d'inspiration, regnent ici en souveraines. En
verite, plus nous relisons ces poesies de Heine et moins nous pouvons
ecarter de notre esprit cette pensee que la volupte est en poesie
une incomparable ecole de bon goüt. Repudiez toute hypocrite pru-
derie, soyez lettres avec franchise et dites-moi s'il n'est pas vrai que
toutes les fois que la volupte a trouve un interprete vraiment digne
Einzelstudien über Heine. 85
(l'elle, les chants de cet interprete se soient distingues par ces deux
qualites que le bon goüt reclame comme siennes au premier chef:
l'elegance et la sobriete . . .
. . . Passez-les tous en revue, le Chinois Li-TaT-Pe, le Persan
Hafiz, le Romain Horace, le boheme parisien Villen, le Cliampenois
La Fontaine, le paysan ecossais Burns, l'etudiant allemand Heine, le
dandy Musset, meme, si vous voulez, encore le bourgeois Beranger,
et dites si cette opinion n'est pas fondee. Et ces deux qualites sont
absolument adequates a la matiere qu'elles veulent celebrer, car la
volupte est peut-etre la seule chose au monde qui ait le privilege
d'inspirer aux poetes une forme entierement conforme ä sa nature.
Le.veritable poeme erotique est court comme le plaisir meme qu'il
traduit, et elegant parce que la volupte n'est pas lä oü le plaisir
n'entraine pas un sentiment d'elegance.
Der Gott der Liebe, der Heine begeisterte, ist ganz
anderer Herkunft und von verschiedener Verderbtheit als
jener der klassischen Mythologie.
Montegut arbeitet das Bild noch mit poetischem Schwung
und Geist aus, lässt sich aber von seiner eigenen Phantasie
fortreisssen (pag. 270, 271):
Ce Cupidon de Heine n'a rien de commun avec l'enfant aux
alles blanches comme les colombes qui trainent le cliar de sa mere,
dont nos ballets et nos chansons nous ont tant entretenus, pas plus
que sa Venus n'a quelque chose de commun avec la blonde Aphro-
dite. La Venus de Heine, vous la connaissez, sans vous en douter,
depuis longtemps; c'est celle dont le grand Titien fit le portrait,
cette Venus ä l'irresistible sensualite, aux mignons traits touraniens
si differents des traits ä la noble correction des deesses issues du
ciseau grec. Vous avez pu la voir aux Offices de Florence, etendue
sur son lit de repos, tandis que sa chambriere cherche au fond du
divin boudoir les linges necessaires pour voller la delicieuse brutalite
et l'enivrante seduction de son corps aux charmes implacables . . .
D'abord ses effets sont delicieux, quoique toujours marques de
quelque chose de cruel ; ce sont des angoisses voluptueuses, des joies
cuisantes, des sensations oü le plaisir se tire de la douleur, des
spasmes que le coeur appelle avec impatience, des fievres auxquelles
le cerveau se livre avec frenesie ; mais peu ä peu la part de la souf-
86 H. Heine im Lichte der französischen Kritik.
france devient plus grande, des essaims do reves malfaisants s'abattont
sur le malade et le livrent en proie aux hallucinations les plus affreuses,
et lorsqu'enfin le poete descend en son coeur, il le trouve vide de
tous les sentiments d'oü la vie tire sa f'ertihte; un residu funebre de
cendres noires et de lie amere est tout ce qui reste de cet amour
empoisonne.
Wenn wir dieser sinnreichen Symbolik gegenüber den
Vorwurf der Einseitigkeit auszusprechen wagen, so geschieht
es, weil wir wähnen, es dürfte die „Wallfahrt von Kevlaar"
und ein Lied „Du bist wie eine Blume", nicht in ein Modell
einzuzwängen sein.
In den häufigen Träumen, in die Heine seine poetischen
Visionen einkleidet, sieht der Verfasser nicht einen blossen
Kunstgriff — „ils etaient la traduction lumineuse des informes
et incoherentes ebauches de ses nuits troublees. Le germe
de mort que nous portons tous en nous etait donc non-seule-
ment apparent, mais actif en lui presque des son entree dans
la vie, et voilä pourquoi tant de pressentiments funebres se
melent ä cette joie de vi vre qu'il exprime avec une si elo-
quente frenesie . . . Dans cette joie de vivre memo se trahit
une häte de funeste augure, de sorte qu'on peut dire sans
paradoxe que c'est par la gräce meme de la mort qu'il a ete
un chantre si vibrant de la vie" — (pag. 274).
Montegut unternimmt es noch, den Misston der vielen
Lieder Heines nicht nur zu erklären, sondern auch zu recht-
fertigen, indem er auf die tiefe innere Tragik desselben auf-
merksam macht (pag. 275, 276) :
C'est ce desaccord entre l'amour et son objet qui est le principe
de ces sarcasmes, de ces ironies et de ces blasphemes que l'on a si
legerement reproches comme une dissonance a ses poesies. Loin d'etre
en dissonance, Ironie, blaspheme, persiflage sont au contraire en accord
parfait avec un amour de teile nature ; ils en fönt la cruelle harnionie
et la profonde originalite; ils attestent en tout cas la sincerite du
poete et disent a quel point il est reste fidele ä la verite. Oh !
qu'elles seraient menteuses si, sous pretexte d'unite, ces poesies con-
Einzelstudien über Heine. 87
servaient jusqu'au bout l'accent de la plainte, si le ton elegiaque y
donnait davantage l'exclusion au ton satirique . . .
Oh! que loin de prouver, comme on l'a dit, le peu d'anie du poete,
tout cela prouve au contraire l'energie de sa passion! Oli! que loin
d'etre bouifon, tout cela est tragique ! Le doute, le doute perpetuel,
ou plutot la certitude de la fin toujours imminente du bonheur et de
la banqueroute ä breve echeance de Famour, voilä le tourment liorrible
qui fait le fond des poesies de Heine et qui le poursuit memo dans
ses lieures de felicite tonte confiante . . .
In einer Anmerkung weist der Autor darauf hin, dass
der Skepticismus und die Ironie Heines nicht nur ihre mo-
ralische Erklärung finden , sondern auch rein litterarischen
Ursprunges sein können. Die volkstümlichen Weisen nämlich,
die der Dichter täuschend ähnlich nachsang, tragen denselben
Charakter. Sie vereinigen, wie die Lieder Heines, mit dem
Ausdruck innig-naiver Liebe oft verletzende Ironie und revol-
tierenden Cynismus (pag. 276):
Tant que l'aniant veut seduire ou reste en proie au desir, il
trouve les accents de la plus emouvante tendresse et prodigue les
plus caressantes flatteries, mais vient-il ä triompher, aussitot le ton
cliange et il notifie sa satiete ou son dedain avec la brutalite la plus
revoltante. De meine, la jeune fille qui n'aime pas, sollicitee par un
amant au desespoir, ecoute sans s'attendrir les plaintes les plus elo-
quentes et notifie conge ä l'importun avec une durete que les plus
sinistres menaces de mort ou de suicide ne peuvent flecliir.
Die Natur, die Heine so gern und unerreicht besang,
muss Montegut die eigene Sprache leihen , um ihren Ver-
herrhcher in einem ihrer Wunder zu versinnbildlichen (pag. 276) :
. . . Avez Aous janiais assiste, le matin, au reveil de la luniiere?
Sons le froid clair-obscur de la premiere aube, un gazouillement isole
part tout ä coup d'un buisson. A ce gazouillement un second repond
du buisson voisin, l'etincelle melodieuse vole d'arbre en arbre et de
nid en nid, et c'est bientot comme un incendie de sonorite qui em-
brasse la campagne entiere. II en est ainsi de l'amour dans les cliants
de Heine. Ce n'est d'abord qu'une plainte melodieuse, une fanfare de
triompiie, un accent d'ardent espoir qu'il jette au vent de la solitude,
mais sa voix a reveille tous les eclios de la natuve, qui lui renvoient
88 H. Heine im Lichte der französischen Kritik.
Tun apres l'autre ses propres paroles nmltiphees et prolongees, et
bientöt, perdant tout etroit caractere d'intiniite, cet aniour s'est uni-
versaHse jusqu'ä embrasser la nature entiere et ä prendre pour com-
pagnons et confidens toutes les belies choses de la creation.
Mais tout ä coup une parole cruelle ou mauvaise a retenti qui
a mis ä neant toute cette illusion riante; les oiseaux sont devenus
muets, les etoiles se sont couvertes d'un crepe de nuages, les fleurs
se sont fletries et courbees, les eaux lointaines se sont precipitees
avec un bruit sinistre, et il n'est plus rien dans la nature qui ne donne
un signe de mort, ne fasse un geste de menace, ne siffle une insulte,
une invitation au desespoir. Le roi et le dieu de tout ä Flieure se
sont evanouis, et il ne reste plus qu'un pauvre enfant de nature su-
perieure, embarrasse de son coeur, qui ne lui sert qu'ä souffrir, et
de son genie, qui ne lui sert qu'ä niieux comprendre le neant de toute
esperance et l'inutilite de tout eifort genereux.
Montegut schliesst, indem er Heine Petrarka gegenüber
stellt (pag. 277):
Si Petrarque, en efFet, a un rival, c'est Heine, precisement par
le contraste qui les oppose Tun ä l'autre, comme les deux interpretes
les plus dissemblables de l'eternelle illusion qui mene. l'humanite, illu-
sion maudite ou benie selon les siecles, qui tantot conduit au salut
et ä la vie, comme chez Petrarque, et tantot, comme chez Heine, con-
duit ä la damnation et ä la mort.
Die Studie Monteguts hat uns lange aufgehalten. Die
Fülle von Gedanken und neuen Gesichtspunkten, die sinn-
reiche Darstellung des Heineschen Geistes veranlassen uns,
diese Arbeit als die glänzendste zu bezeichnen, die in dieser
Art in Frankreich über Heine geschrieben worden ist. Ja.
wir möchten noch mehr sagen. Obgleich es nicht unsere
Aufgabe ist, den Wert und die Bedeutung der französischen
Studien mit den deutschen zu vergleichen, so können Avir
nicht umhin, an dieser Stelle zu bemerken, dass Monteguts
Aufsatz mit dem erwähnten Nekrologe Laubes — und der
biographischen Skizze Zendrinis zu dem Besten, Wahrsten,
innig und am dichterischsten Nachempfundenen gehört, das
je über unsern Dichter gesagt wurde, und zu bedauern ist es
Einzelstudien über Heine. 89
daher, dass die allem Anscheine nach geplante Fortsetzung
dieser schönen Arbeit bis jetzt ausgeblieben ist.
Wir bemerken noch, dass Montegut in seinen litterar-
historischen und ästhetischen Schriften wiederholt Stellen aus
Heines Werken zuzieht. In den „Livres et ämes des Pays
d'Orient" ist sogar Heine mit — chinesischen Poeten ver-
glichen, wo er den Nachweis zu geben sucht, dass zwischen
der Litteratur der Söhne des Himmels und der europäischen
eine Affinität bestehe.
Louis Ducros
(1846).
„Henri Heine et son temps'' (1799—1827), Paris 1886.^) Wir
haben es hier mit dem gründlichsten und ausführlichsten fran-
zösischen Werke über Heine zu thun, das allen Anforderungen
der Wissenschaft entspricht, ja mit einem der ansehnlichsten
und wertvollsten Bücher, die jenseits des Rheins über
deutsche Litteratur geschrieben worden sind. Es konnte
daher diese Arbeit des Professors in Poitiers — der sich schon
1884 durch die bedeutende Schrift „Schopenhauer, les origines
de metaphysique" auch über die Grenzen seines Vaterlandes
rühmlichst bekannt gemacht — neben reichlich gezolltem Lobe
nicht dem gelinden Tadel entgehen, der für den Franzosen in
den Worten „un peu lourd" hegt. Das biographisch und lit-
terar-kritisch gehaltene Buch umfasst auf 320 Seiten die Jugend
Heines bis zum Erscheinen des „Buch der Lieder". Von da
an, meint der Autor nicht mit Unrecht, sei Heine seinen Lands-
leuten kein Unbekannter mehr. Ducros, der alles kennt, was
^) Diesem Buche hat Bourdeau eine Studie gewidmet („Revue bleue" I.
1887, pag. 49).
90 H. Heine im Lichte der französischen Kritik.
hüben und drüben über den Dichter geschrieben wurde, hat
das vorhandene Material nicht nur geschickt und in anziehen-
der Weise verarbeitet, sondern auch selbständig weitergeforscht,
besonders auf litterar-ästhetischem Gebiete. Der Gelehrte war
an Ort und Stelle, hat die gründlichsten historischen Studien
gemacht und so dem Leben Heines einen verständnisvollen
Rahmen beigegeben. Seine Schilderung des deutschen Geistes-
lebens jener Epoche ist auch für den Deutschen eine lehrreiche
und fesselnde Lektüre, und nur selten wird er durch eine bittere
Bemerkung des Autors in seinem Nationalgefühl gekränkt
werden. In dem Werke lassen sich zwei grosse Grundideen unter-
scheiden: an der Jugendgeschichte Heines, an dem Werden
seines Geistes und Genies nachzuweisen, dass der Dichter kein
Deutscher war, der sich mehr oder weniger rasch und voll in
Paris akklimatisierte, sondern durch seine Erziehung, durch
die Erlebnisse, und auch durch angeborene Geschmacksrichtung
schon zur Hälfte Franzose, als er nach Paris kam. Zweitens
will Ducros nachweisen, dass die unglückliche Liebe zu „Molly'^
thatsächlich jene Tragweite gehabt habe, die Heine ihr in
seinen Liedern gegeben, was u. a. von Max. Heine und der
Prinzessin Della Rocca bestritten wird.
Bemerkenswert ist, was Ducros am Schlüsse seiner Ein-
leitung von den französischen Citationen aus Heines Werken,
auf die er angewiesen ist, sagt. Er bedauert, dass sie nicht
in des Dichters Muttersprache diese Arbeit schmücken können.
„. . . helas! ce dieu va nous parier ä travers des traductions,
dans une langue qui n'etait pas la sienne, grand et serieux
chagrin pour un critique qui aime son poete et voudrait le
faire aimer." Er bittet also den Leser, sich womöglich an
dfen deutschen Heine zu wenden. „Plutarque, qui est de venu,
comme on sait, „le bon Plutarque", depuis qu'il a ete lui-
meme si elegamment trahi par Amyot, raconte qu'un jour
on invitait le roi de Sparte, Agesilas, ä aller entendre un
homme qui imitait la voix du rossignol. Agesilas s'excusa.
Einzelstudien über Heine. gi
disant qu'il avait encore dans l'oreille le chant du rossignol
lui-meme. Nous supplions nos lecteurs de saivre Texemple
d'Agesilas et de preferer ä nos maladroites imitations frangaises
les chansons originales du rossignol allemand." — Wie wir
uns zu dieser Uebersetzungsfrage stellen, darüber wird der Ab-
schnitt IV Auskunft geben.
Und nun ein Gang durch die 300 Seiten des Buches.
Wir wiederholen hier schon Gesagtes : Wir halten uns an das,
was den deutschen Leser interessiert, wir suchen jene Stellen
heraus, die Ducros' Ansichten charakterisieren und ein neues,
anderes Licht auf die Heinekritik werfen. — Zieht ein Minera-
loge mit jungen Lernbegierigen über Land, so sucht er deren
Aufmerksamkeit auf die Erscheinungen der Steinwelt zu
richten. An der Flora, so verführerisch schön sie auch sein
mag, muss er vorübergehen. Wer die ganze Natur gemessen
will, muss denselben Weg noch einmal — allein gehen. Und
diesen Gang durch Ducros Buch raten wir jedem.
Das erste Kapitel führt Heine — „qui fut, des ses pre-
mieres annees, ce qu'il restera toute sa vie : un enfant terrible"
— bis zum Eintritt in das französische Lyceum Düsseldorfs.
„Ce qu'il y aura d'essentiellement frangais chez Heine, l'etat
politique de l'Allemagne au commencement de notre siecle
peut seul l'expliquer."
Das folgende Kapitel gehört daher der Beschreibung
seiner Heimatstadt während der französischen Occupation
und der deutschen Zustände überhaupt, — „qui vont faire de
ce petit Germain un lyceen frangais^^ Und nachdem er ein
Bild jener Stadt entworfen, fährt der Autor fort (pag. 16):
Teile est la ville, eminemment industrielle et commergante, tel
est le pays plat oü est venu au monde le plus grand poete apres
Gcethe. La tradition ne dit pas qu'on ait jamais vu s'egarer jusqu'ä
cet endroit du Rliin la belle et dangereuse „Lorelei", et c'est lä pour-
tant qu'a passe son enfance celui de ses adorateurs qui l'a le mieux,
le plus divinement cliantee; c'est lä, c'est sur les bords les moins
92 H. Heine im Liclite der französischen Kritik.
enchanteurs du Rhin, les plus denues de ruines pittoresques et de
beautes romantiques, qu'est ne le dernier et le plus grand des Roman-
tiques. Oe qui prouve une fois de plus que l'esprit souffle oü il veut
et que les grands poetes n'obeissent jamais completement ä la fameuse
loi des milieux, puisqu'ils se permettent parfois, comme Heine, de
naitre ä cote et en deliors des miKeux les plus poetiques, les plus
favorables ä l'eclosion de leur genie.
Wir erfahren schon hier, welch' hohe Rangstufe Ducros
unserem Dichter zuschreibt. In wenig sympathischem Lichte
ist dann das Deutschland jener Tage geschildert — und zwar
grösstenteils nach deutschen Quellen (Frejtag, Perthes etc.).
Ducros will nachweisen, dass es dem jungen Heine ergehen
musste, wie Wilhelm von Humboldt, der auch schliesslich zu-
gab, dass die Heimat kein Land mehr sei, für das man sich
begeistern könne. „Tel est en resume le .pays que les Alle-
mands reprochent ä Heine de n'avoir pas su aimer d'un ardent
patriotisme." Dem gegenüber werden der Revolutionsenthu-
siasmus, die franzosenfreundlichen Rheinlande, die Segnungen
der Gleichheitsidee, wie sie den Parias der Gesellschaft, den
Juden, zu teil wurde, die relativ milde Herrschaft des ehr-
lichen und tapfern Murat, der sich den Düsseldorfern beliebt
zu machen wusste, vorgebracht und so mit Geschick die ersten
Keime des sogenannten französischen Heine aufgedeckt.
Im dritten Kapitel sehen wir Heine im Lyceum; hören
von seiner nicht allzugrossen Neigung für die klassische Philo-
logie, besonders von dem Abbe d'iVulnoi, den er oft verwünscht
und von Heines leidenschafthcher, einseitiger Kritik des Ale-
xandriners und der französischen Verskunst überhaupt. Der
Autor citiert mehrere Stellen aus den Memoiren des Dichters,
unter denen sich das Geständnis desselben befindet : „ J'aurais
ete capable de mourir pour la France, mais faire des vers
frangais, jamais" (Bourdeau, Memoires, pag. 14), worauf Ducros,
der sich, wie er sagt, „a la frangaise" rächen will, erwidert
(pag. 37):
Einzel Studien über Heine. 93
Co qu'il y a de plus etonnant dans cette condamnation brutale
de la poesie fran§aise, c'est qu'elle est prononcee, et sur quel ton!
par un vrai et grand poete, que ce poete vivait ä Paris depuis plus
de vingt ans, et qu'ä l'epoque oü il ecrivait ces lignes, nos trois grands
lyriques avaient, depuis longternps, donne leurs chefs-d'oeuvre. C'est
donc ainsi que jugeait la poesie fran§aise, et cela en 1854, celui qu'on
a appele ä juste titre le plus f rangais des Allemands ! c'est donc ainsi
qu'il s'acquittait de la noble mission qu'il s'etait imposee de faire con-
naitre la France ä TAlleinagne! Une si lourde meprise, de la part
d'un esprit si fin, si parisien meme par tant de cotes, est bien faite
pour remplir d'effroi son propre biograplie: comment donc, nous
Francais, reussirons-nous ä comprendre et a faire comprendre un poete
etranger qui comprenait si mal nos poetes ä nous? Ce qui nous en-
courage cependant ä poursuivre cette täche, ingrate entre toutes,
c'est que, ä l'admiration profonde et dejä ancienne que nous inspirent
les vers de Heine, nous sentons bien que nous nous vengerons ä la
frangaise de ses injustes dedains pour les poetes frangais : si nos juge-
ments sur ses poesies pechent par quelque endroit, ce sera par exces
de Sympathie, et ce defaut, si c'en est un, nous empechera, en tous
cas, moins que le defaut contraire, de bien comprendre un poete
etranger . . .
„Heureusement" — fährt Ducrot weiter unten fort — ,,quel-
qu'un se chargeait, ä cette meme epoque, de civiliser oii, ce
qui etait alors la meme chose (!), de franciser le jeune barbare :
c'etait le tambour Legrand." Dieser unvergänglichen Heine-
schöpfvmg, dem poetischen Geiste, den der Dichter über diese
Napoleonsallegorie gegossen, gilt folgender schöner Passus
(pag. 39):
Nous savions dejä tout ce que peuvent dire ä un poete les
mille voix de la nature, par exemple le chant de l'alouette aux Pre-
miers rayons du jour, les plaintes du vent, le soir, dans les forets
de sapins, et Shakespeare nous a revele lui-meme les discours que
tiennent parfois les arbres et les brins d'herbe eux-memes; mais ce
que nous 7ie connaissions pas, avant Heine, c'est la merveille.use
poesie que peuvent faire retentir sur une peau cl'dne deux haguettes
de bois agitees en cadence par les 7nai7is d'un modeste soldat ; ce quo
nous ne savions pas, et ce que Heine va nous racontor avec eloquence,
c'est tout ce que peut apprendre un tambour ä qui sait l'ecouter.
94 H. Heine im Lichte der französischen Kritik.
II est vrai qu'il ne suffisait meme pas d'etre un poete pour coin-
prendre tout ce que disait le tambour de M. Legrand ; il fallait avoir
encore, ce qui fait souvent defaut aux poetes, voire meme aux poetes
allemands, il fallait avoir de l'esprit.
Die ,, Grenadiere" nennt der Verfasser „lied immortel",
dem Herzen des Dichters entsprungen, der seit der ersten
Kindheit nicht nur französisch, sondern auch bonapartistisch
gesinnt war. „Si l'abbe d'Aulnoi ne reussit pas a hü faire
aimer notre poesie, il semble du moins, ä en juger par les
faciles progres que Heine fera plus tard dans notre langue (?),
que les legons de grammaire et de style de l'abbe furent la
base premiere de son education frangaise : le Tambour Legrand
fit le reste . . . (pag. 44) . . . „dans les premi^res annees de sa
vie, on peut dire qu'il fut notre; c'est la France qui fut sa
premiere patrie, car c'est eile qui, la premiere, fit battre son
coeur: Heine ne l'oubliera jamais." Mag man diese Thatsache
aus patriotischen oder litterarischen Motiven bedauern, zu
widerlegen dürfte hierin der Biograph Heines nicht sein. Auch
in folgendem wird man ihm Recht geben müssen. „Nous
devinons des maintenant ce qu'il doit ä la France : quelques-uns
des plus grands defauts que lui reprocheront ses compatriotes
et qui etaient en effet, ä Düsseldorf, d'importation frangaise:
l'entrain, la clarte des idees, la vivacite des reparties, cette
furie frangaise en un mot qu'il apprit alors aux sons du tam-
bour de M. Legrand."
Nachdem Ducros den französischen Einfluss zu beleuchten
gesucht, spricht er ausführlich und in anregendster Weise von
zwei Meisterwerken, die auf den jungen Dichter einen tiefen
Eindruck übten: Don Quichotte und Gullivers Reisen, indem
er hieran geistvolle Erörterungen über den Zauber des plastisch-
ironischen Genies Heines anknüpft (pag. 48 ff.).
Dass der Dichter kein Verständnis für Musik hatte, kon-
statiert Ducros, ohne für dies Phänomen eine Erklärung zu
finden (pag. 50).
Einzelstudien über Heine. 95
Das vierte Kapitel handelt von des Dichters erstem Liebes-
leid und seinen Liedern. Von den Romantikern unterscheidet
sich Heine durch den persönlichen Ausdruck seiner Gedichte.
Ihm war die Welt nicht nur ein Traum; was er zum poeti-
schen Traum gestaltete, war oder schien wenigstens Wirklich-
keit: „Or, si Heine est superieur aux romantiques, ce n'est
pas seulement parce qu'il a plus de genie qu'eux tous, c'est
aussi parce qu'il n'a pas reve, mais qu'il a vecu ses plus
beaux vers : c'est ce que va vous montrer l'histoire de ses
premieres amours" (pag. 57). Folgt die Geschichte der
Schwärmerei des frühreifen Knaben für die Henkerstochter
Josepha, von der Heine selbst sagt, dass sie die in ihm
schlummernde Muse geweckt habe. Ducros untersucht hierauf
die Streitfrage, die sich an die Molly seiner Lieder knüpft, —
die uns vöUig nichtig scheint. Was haben wir gewonnen,
wenn es uns gelingt nachzuweisen, dass Petrarcas Laura eine
ehrbare Mutter von — dreizehn Kindern gewesen? — Der
Autor glaubt an eine dauernd unglückliche Liebe Heines für
seine Cousine. Wir citieren nur den psychologischen Teil
der Beweisführung, der schwungvoll entworfen ist (pag. 65) :
Pour si grand poete et, ce qui est parfois, il laut en convenir,
une meine chose, pour si grand menteur qu'on soit, il est pourtant
des cris et des sanglots que l'imagination n'invente pas et que le
coeur seul a pu dicter.
Est-il perinis de douter de la sincerite d'A. de Musset, lorsqu'il
chante, comme Heine, un amour malheureux, ou plutot lorsque cet
amour eclate et s'eniporte, comme malgre lui, en folles imprecations
contre l'ingrate que la Muse ne peut lui faire oublier? De meme, la
blessure de Heine ne se fermera jamais, et c'est de cette blessure,
adoucie sans doute par d'indignes distractions que je n'oublie pas,
pansee, si l'on veut, et profanee en meme temps par des mains impures,
mais jamais completement guerie, que jailliront tant de beaux vers,
d'une tristesse infinie, d'une amertume qui serre le coeur.
Aber so echt der Schmerz ob seiner verschmähten Liebe
gewesen sein mag, so wahr und innig ihm die ersten Thränen
96 H. Heine iin Lichte der französischen Kritik.
zu Liederperlen geworden, so gibt dennoch auch Ducros zu,
dass der Poet sich später die alte Liebespein heraufbeschworen
habe, um neue Lieder singen zu können. „Oui certes, il a
souffert et pleure; mais il etait artiste, c'est-ä-dire il etait
la dupe ou mieux encore le complice de son imagination, il
savait gre ä celle-ci d'exagerer sa souflrance, d'en prolonger
indefiniment, jusqu'ä son dernier jour" (pag. 67).
Bevor der Autor zu der Betrachtung der „Traumbilder"
übergeht, richtet er einige weise Mahnungen an seine Lands-
leute, von deren allzuklassischer Bildung er ein mangelhaftes
Verständnis für das Zauberreich der Heineschen Traumlyrik
fürchtet (pag. 73):
Pour goüter pleinement notre poete, il faut savoir aussi se
relächer de certaines exigences, par trop rigoureuses, du goüt fran-
gais; il faut oser se dire qu'en dehors des formes et des genres lit-
teraires que nos grands ecrivains nous ont appris ä aimer, il peut y
avoir, hors de chez nous, des fagons tres differentes et tout aussi
legitimes de sentir et d'exprimer le beau. II est bien d'avoir le goüt
difficile, et c'est justement ce que nous nous repetons ä nous-meme
au nioment de juger les premieres oeuvres de notre poete; mais
n'est-ce pas aussi un grand malheur, pour un critique, d'avoir le goüt
trop exclusif, de ne pas savoir sortir de chez lui, surtout quand il
aspire ä connaitre un auteur etranger? Nous ne nous sonimes pas
assez gueris, en France, de notre vieiile manie de tout ramener ä
nous-memes, ä notre point de vue frangais.
Die Phantasie Heines verlor sich nicht im aberwitzig
Mysteriösen und albern Wunderbaren und all den Ungereimt-
heiten der deutschen Romantik: „C'est un merveilleux ad-
missible et artistique parce qu'il est ordonne, un merveilleux
enfin qui donne au lecteur l'illusion de la realite, parce qu'il
est la realite meme animee seulement et poetisee par le genie"
(pag. 76, 77):
C'est la Fantaisie qui a dicte ä Heine quelques-uns de ses
„Lieder" les plus merveilleux et lui a suggere ses „Songes" les plus
bizarres; la Fantaisie qui peut, il est vrai, faire rimer des sottises
aux esprits malades ou mal equilibres, mais qui inspire aussi aux
Einzelstudien über Heine. 9T
genies vigoureux et maitres d'eux-memes des reves ou des contes,
etraiiges peut-etre, mais encore plus poetiques, tels que les „Noc-
turnes."
In den „Traumbildern" hebt Ducros u. a. die beiden
Haupteigentümlichkeiten des Heineschen Genies hervor: „C'est,
d'une part, une habilete tres particuliere ä nous emouvoir par
des contrastes qu'il ne developpe pas et qui n'en sont que
plus poignants; et, d'autre part, un art singulier, dans lequel
il ira toujours grandissant et qui fera de lui le peintre de
genie des futurs Lieder, l'art de dessiner en quelques traits
tout un passage, füt-il completement imaginaire, et d'animer
avec quelques mots ses personnages, fussent-ils des fantomes ..."
(pag. 79).
„. . . C'est gräce ä cette sobriete du peintre, a la fermete
de son dessin et a la nettete de ses contours, que ses person-
nages se detacheront, vivants et personnels, de cette multi-
tude de formes sans vie qui flottent indecises dans les tableaux
de la plupart des romantiques" (pag. 81).
Die wohlthätigen Wirkungen der französischen Occupa-
pation sucht Ducros im fünften Kapitel weiter zu entwickeln,
immer mit der Nebenabsicht, Heines französische Sympathieen
zu erklären: „Voilä, croyons-nous , un ensemble de faits
eloquents que nous pouvons recommander ä l'attention de tous
les critiques allemands qui ont reproche ä Heine d'avoir aime
la France. Et que serait-ce, si nous nous plaisions ä enumerer
les persecutions, ridicules ou atroces, auxquelles etaient en
butte les coreligionnaires du poete?" (Pag. 92.)
Der Autor preist die Toleranz der napoleonischen Re-
gierung und vollendet in patriotisch angehauchter Tirade das
Bild von Heine , dem Dichter des „ Tambour Legrand "
(pag. 93 ff).
Dass Ducros wohl guter Patriot, aber kein Chauvin ist,
geht aus dem historischen Gemälde hervor, das er für den
geschlagenen, tief gebeugten Legrand entwirft (pag. 97) :
Betz, Heine in Frankreich. *
98 H. Heine im Lichte der französischen Kritik.
Tout le monde connait ce magnifique reveil de l'Allemagne en
1813. Un peuple entier se levait pour la defense de ses droits et de
sa hberte, car nous ne faisons aucune difficulte de reconnaitre que les
Körner, les Ficlite et tant d'autres illustres patriotes combattirent
alors pour une cause juste et sainte, puisqu'il s'agissait pour eux de
l'independance meme de leur pays.
Nachdem Ducros ausführlich vom Prosagedichte Legrand
gesprochen (pag. 104 ff.), sagt er von dem hinreissend dra-
matischen Liede der Grenadiere (pag. 107) :
Est-il besoin de faire remarquer les grandes beautes de ce lied
justenient celebre: la vivacite des Images, la sincerite et la noblesse
des sentiments et, par-dessus tout, la merveilleuse simplicite du style ?
Pour nous, ce que nous admirons le plus, dans ce chant heroi'que et
triste ä la fois, c'est l'art avec lequel un jeune poete des provinces
rhenanes (il n'avait pas seize ans) a su, gräce ä son imagination, gräce
surtout ä la Sympathie pour nos malheurs, deviner et chanter ce
culte touchant que garderent pour leur empereur, jusqu'ä leurs der-
niers soupirs, les soldats de la vieille garde.
Aussi ce beau lied des „Grenadiers", nous le saluons ici avec
reconnaissance, et c'est ä un double titre que nous en felicitons le
poete: comme admirateur de son genie d'abord, et ensuite comme
Fran§ais. Toutes les fois, en effet, qu'un Fran§ais essaiera de juger
l'oeuvre de Henri Heine, il devra se souvenir, avant tout, qu'il a ecrit
„le Tambour Legrand" et le chant des „Grenadiers".
Wir sind uns bewusst, Ducros bis jetzt oft und lange
das Wort gelassen zu haben. Allein es lag uns daran, gerade
in dieser Lebensperiode des Dichters, in der die ganze für
Deutschland und Heine folgenschwere Zukunft wurzelt, An-
sichten aus dem Munde eines Franzosen zu vernehmen, der
unseren Dichter nicht nur bewundert und versteht, sondern
auch ihn und seine Zeit zum Gegenstande gründlichen
Studiums gemacht hat.
Aus dem folgenden Kapitel, in dem der Autor über
Heines Studium in Bonn schreibt, über seinen Onkel Salomon
Heine, das deutsche Studentenleben jener Zeit, über Wilhelm
Schlegel, dessen Einfluss auf Heines Formvollendung er zu
Einzelstudien über Herne. 99
würdigen weiss, — ist nichts von besonderem Interesse an-
zuführen. Nur kurz wollen wir uns bei Ducros' Urteil über
die Sonette aufhalten (pag. 140) :
C'est tantot, dans les sonnets amoureux, la passion qui parle
toute pure; tantot, dans ce que j'appellerai les sonnets sarcastiques,
qui furent une Innovation en Allemagne, c'est la franchise du jeune
homme qui se revolte et s'emporte contre les fausses grandeurs qu'il
voit courtiser autour de lui, „contre ces idoles toutes d'or ä l'exterieur,
toutes de sable au dedans, qu'il refuse d'encenser avec la foule"; et
alors ce n'est pas, comme cliez son maitre, „une predilection d'artiste,
c'est l'indignation qui fait les vers du poete".
An den „Fresko-Sonetten", die er eine „Mascarade de la
vie humaine" nennt, tadelt Ducros die Disproportion zwischen
dem Gegenstand und dem Rahmen. Jener scheint ihm zu
unbestimmt, zu ausgedehnt und vielseitig, um in ein Sonett
eingezwängt werden zu können — „faire entrer tous ces
masques, repoussants ou gracieux, dans quelques pieces de
quatorze vers chacune, c'est tenter une entreprise contra-
dictoire, c'est vouloir peindre quelque chose comme le carnaval
de Venise dans un tableau grand comme la main." (Pag. 142.)
Unbeschränktes Lob zollt er der Sprache der Sonette, in
deren packender Einfachheit er mit Recht einen genialen Zug
Heines sieht. (Pag. 144.)
Bewundernd spricht er von den beiden Sonetten, die
Heine an seine Mutter richtet; sie sind auch vom eben er-
wähnten Vorbehalt ausgeschlossen : „Ce sont deux vrais son-
nets . . . pour prendre les mots memes de Schlegel, la forme
ne pourrait mieux s'accorder avec le fond, ni „le corps avec
l'äme", parce que le genie du poete ne pouvait mieux servir
le coeur du fils."
Das trostlose Leben in Göttingen wird uns im siebenten
Kapitel anschaulich geschildert; im folgenden das alte Berlin
und die Kreise, in denen Heine verkehrte. Ein anmutiges
Bild entwirft Ducros von Rahel Varnhagen: „. . . il n'y a pas,
100 H. Heine im Lichte der franzosischen Kritik.
dans toute la litterature allemande, im ecrivain plus vrai que
Rahel . . . (pag. 179) ... on imagine aisement quelle profonde
impression dut faire sur Heine un esprit aussi net et aussi
poetique en meme temps, qui faisait de Pichte et de Goethe
ses lectures favorites, mais qui aimait par dessus tout „les
enfants, la verdure, les beaux yeux et la parole" . . . par son
goüt pour l'esprit frangais et la politesse fran9aise, affable et
discr^te ä la fois." (Pag. 180.)
Im neunten Kapitel wird das kleine dramatische Gepäck
Heines visitiert. Ducros ist geneigt, auf Almanzor und Ratcliff
anzuwenden, was Heine von seinen Liedern — wohl kaum
im Ernste — sagte : sie seien keinen Schuss Pulver wert.
Es ist bekannt, dass die Tragödien Heines Schmerzenskinder
blieben. Hierauf anspielend, gibt Ducros später die Anekdote
wieder, die Heine selbst von Paganini erzählt. Als nämlich
der Dichter diesen wegen seines Spiels komplimentierte, frug
der Künstler, das gespendete Lob kaum beachtend, was Heine
von seiner Grüssungsart denke ! — Einer kurzen Inhaltsangabe
des Almanzor schliesst sich die litterarische Kritik an, aus
der wir folgendes hervorheben : „. . . Malgre l'horreur du
denouement, c'est moins un drame qu'une suite de Lieder
passionnes et melodieux ... II n'y a pas d'action veritable
dans la tragedie de Heine, pas d'interet croissant de sc^ne
en scene, mais un simple coup de foudre ä la fin et, ga et lä,
des imprecations qui alternent avec des soupirs d'amour : on
soupire, on se bat et on meurt. Comme dans la plupart des
drames composes par de purs poetes lyriques, les personnages,
ayant perdu leur temps ä chanter, s'agitent tout ä coup
fievreusement pour rattrapper le temps perdu et arriver au
denouement.^' (Pag. 196.)
Den finstern, harten Zug der Ratcliff- Tragödie erklärt
Ducros aus der Gemütsstimmung Heines. Molly hatte 1821
einen anderen geheiratet. „N'est-ce pas lä Texphcation toute
naturelle de ce sombre pessimisme ? . . . Est-il besoin de faire
Einzelstudien über Heine. IQl
remarquer que William Ratcliff, c'est encore H. Heine? Ainsi,
qu'il noiis transporte en Ecosse ou en Espagne, dans Ratcliff
comme dans Almanzor, c'est l'aiiteur que nous decouvrons
soiis le plaid ecossais ou sous le manteau espagnol : il se joue
lui-meme dans ses drames, comme il se chantera lui-meme
dans ses Lieder/' (Pag. 206.)
Im zehnten Kapitel werden wir mit der Geschichte der
deutschen Romantik bekannt gemacht, die uns Bedeutung
und Stellung des Dichters des Intermezzo, des letzten Ro-
mantikers, erklären soll. Während wir diesen Teil, in dem sich
Ducros an Hettners, W. Scherers, Hayms, Brandes' etc. ein-
schlagende Arbeiten hält, füglich übergehen können, werden
wir uns desto länger mit folgendem Abschnitte zu beschäf-
tigen haben, in dem von dem Intermezzo die Rede ist, jener
Liedersammlung, die der Verfasser nicht nur als das „chef-
d'oeuvre'^ Heines ansieht, sondern auch als die kostbarste
Perle der gesamten deutschen Lyrik. Seine Bewunderung
für den Sänger dieser Lieder kennt kein „Aber'' und kein
„Wenn". Er beginnt mit der Besprechung des geharnischten
Artikels des zwanzigjährigen Heine gegen die Schule Novalis,
in dem der Dichter alle Mängel der Romantik aufdeckt:
„Lineaments purs, clarte des images, nettete du dessin, poesie
plastique en un mot, toutes choses que nous allons justement
rencontrer dans l'Intermezzo et qui etabliront l'eclatante su-
periorite de Heine sur ses premiers maitres" (pag. 239). Ducros
fügt aber hinzu, dass Heine im Colleg desjenigen Romantikers
gesessen habe, der selbst die Verirrungen dieser Schule zuerst
herausgefühlt. Ueberhaupt ist die unparteiische und lobende
Kritik des Franzosen A. W. Schlegel gegenüber anerkennenswert,
der seinerseits stets hart und ungerecht über Frankreichs grosse
Dichter urteilte und über Meliere sogar höchst unverständig.
Nachdem er die klassische Einfachheit der Sprache, des
Strophenbaues und des Inhalts des Intermezzo untersucht
(pag. 242), gelangt Ducros zu dem Ergebnis:
102 H. Heine im Lichte der französischen Kritik.
. . , Faire beaucoup avec peu, exprimer le plus possible avec hi
nioindre tension du mot et du vers et par le charme seul des Images
les plus familieres, voilä tout Part du poete dans les „Lieder" tels
que celui-ci: „Dans les eaux du Rhin, du beau fleuve, se mire, avec
son grand dorne, la grande, la sainte Cologne."
Pag. 244:
Parfois meme le poete se passe completement d'images et de
metaphores; ce n'est plus un auteur qui decrit: les clioses semblent
s'offrir directement ä nos yeux et se raconter elles-memes, sans
ornements, telles qu'elles sont, et, semble-t-il, avec le simple voca-
bulaire de la prose, mais d'une prose merveilleusement ailee et chan-
tante, d'une prose qui nous attendrit et nous remue le coeur plus que
ne pourraient le faire les plus brillantes comparaisons poetiques.
Immer wieder wird der Leser gebeten, sich an Heines
deutsche Lieder zu halten. „ . . . c'est aux vers memes de
Heine que nous renvoyons sans cesse le lecteur, nous efforgant
nous-memes, pour nous tenir plus pres du poete, d'oublier les
platitudes et les vulgarites de notre indigne prose."
Ducros unterlässt es indessen nicht, auch auf den grossen
Einfluss hinzudeuten, den die Volksdichtung W. Müllers und
Brentanos Wunderhorn auf Heines Lyrik ausübten, fügt aber
hinzu : „ . . . Si Heine est naturel et simple, c'est, avant tout,
parce qu'il est personnel et sinc^re, c'est parce qu'il s'est mis
tout entier dans ses poemes avec les desirs fous et les joies
fugitives, avec les amers et doux Souvenirs ä la fois de son
äme et de ses sens . . . C'est bien Heine lui-meme qui a vecu
dans ses poemes, non cet etre factice et ambigu, tantot meine
et tantöt troubadour, cree par l'imagination maladive des
romantiques" (pag. 250).
Selbst Goethe und Schiller werden von seiner Lyrik in
den Schatten gestellt (pag. 250) :
Si on excepte quelques rares poesies, oü il imite les romantiques,
tout en les surpassant dans „l'Litermede", ce ne sont pas les siecles
passes, moyen äge reve par les romantiques ou antiquite pai'enne
ressuscitee par Goethe et Schiller, qui nous parlent par la bouche du
Einzelstudien über Heine. 103
poete, c'est tout simplement le coeur de Heine lui-meme, et, en l'ecou-
tant gemir ou chanter, nous ne pouvons nous empeclier de trouver
que les nobles Chevaliers de la Motte-Fouque, malgre toutes leurs
prouesses, et les meines de Wackenroder, malgre les „effusions de
leur ame", sont bien ternes et bien morts, que meme ces belies statues
grecques sculptees par le genie des Goethe et des Schiller, malgre
toute leur beaute plastique, nous laissent bien calme et bien froids ä
cote de ces strophes de Heine, toutes Vivantes de sa vie et toutes chaudes
du Souffle de son ame! C'est ä ces poesies, plus qu'ä aucune autre
Oeuvre de n'importe quel poete allemand, füt-il Goethe lui-meme, qu'on
peut appHquer ces belies paroles de Joubert sur les qualites qui fönt
le poete de genie: „Pour plaire et pour charmer, ce n'est pas assez
qu'il y ait de la verite ; il faut encore qu'il y ait de l'liomme ; il faut
que la pensee et l'emotion propres de celui qui parle se fassent sentir.
C'est l'humaine chaleur et presque l'humaine substance qui prete ä
tout cet agrement qui nous enchante."
Keiner hat das Ich so lebend, liebend und leidend in
seinen Liedern zu verkörpern gewusst, wie Heine:
Le moi qui s'offre ä nous dans les vers de Heine, n'est pas le
moi abstrait de Fichte, ni le moi reveur et enfantin des romantiques,
ni meme ce moi artiste de Goethe qui, jusque dans ses „poesies de
circonstance" se separe trop de son oeuvre pour la rendre plus par-
faite : c'est un moi vivant, ä la fois äme et corps, un moi qui souffre
et palpite, aussi simplement humain, aussi plein de contradictions et
de faiblesses que le lecteur lui-meme, un „moi" qui est „nous" en un
mot, et c'est pourquoi ses joies et ses lamentations eveillent dans nos
Coeurs de si longs et de si merveilleux echos! (Pag. 251.)
Heine thront nicht über seinen Gefühlen ; er treibt kein
sentimentales Spiel mit seinem Gemüt; er folgt nicht der
Aesthetik Kants und Schillers: ,,...ce n'est pas ainsi qu'en-
tendit et pratiqua la poesie celui qui s'est intitule lui-meme
„le dernier des romantiques" : Ces poesies de Tlntermezzo ne
sont pas un vain jeu de son Imagination; il ne joue pas ä
l'amour dans ses vers, ce ne sont pas „des apparences'^ pour
emprunter les termes memes de l'ecole, ce n'est pas „le
simulacre de la vie'', c'est la vie meme qu'il a mise dans
son poeme'' (pag. 255).
104 H. Heine im Lichte der französischen Kritik.
Dass Heine im Intermezzo niedriger Sinnlichkeit fröhnt,
will Ducros nicht zugeben. Heine ist nach ihm ganz Mensch
und ganz Natur. Dies dürfte das Motto zu folgender hübschen
ästhetischen Betrachtung sein (pag. 258):
L'auteur du Livre des Chants n'est donc ni bassement sensuel
ni ridiculement seraphique : il est simplement et franchement liumain.
De meine, quand il parle de la nature dans „l'Intermede" comme
lorsqu'il peindra plus tard les montagnes du Harz et la mer du Nord,
il est simplement pittoresque, il n'est pas pantheiste, au sens du
moins oü l'entendaient Schelling et l'ecole romantique. Sans doute il
aime et cliante la nature, et qui donc l'a chantee mieux que lui, qui
donc nous l'a montree plus jeune et plus fraiche, plus souriante ä
ses premieres amours et surtout plus vivante ? Ses rossignols ne sont
point empailles comme les rossignols romantiques: ils chantent vrai-
ment dans ses vers comme s'ils voulaient le consoler de sa peine, et
n'est-il pas en effet un des leurs? Les forets et la plaine et le ciel
etoile ne sont pas de froids decors et comme le cadre obhge de ses
chants d'amour : c'est aux oiseaux de la foret et aux ruisseaux de la
plaine et aux etoiles „qui se tiennent lä-haut immobiles depuis des
miUiers d'annees" qu'il confie ses joies ephemeres et ses douleurs sans
fin, parce qu'il sait que les hommes n'ont pas le temps de l'ecouter
et de le plaindre et qu'il ne voudrait pas d'ailleurs etre plaint et
console par eux.
Pag. 260:
Heine vit si pres de la nature, il l'initie et l'associe a son amour
d'une fagon si intime et si naive, qu'elle est presque toujours de moitie
dans ses joies et ses peines; et la nature est si bien entree dans
ses vers, eile les a si bien penetres et impregnes de tous ses parfums
et de toutes ses harmonies qu'on pourrait presque dire que quelques-
unes de ses strophes ont le parfum des violettes et des roses, qu'ailleurs
on croit sentir ses ievres effeuillees par un lis, aussi doux et aussi pur
qu'un baiser de jeune fille, car il a de ces vers qui fönt naitre des
baisers sur les Ievres, tel lied amoureux soupire aussi langoureusement
qu'un chant de colombe, tel autre ouvre ses ailes et monte gaiement
au ciel comme l'alouette qui s'eleve, en babillant, d'un sillon d'avril;
en un mot et si on nous permet cette Image un peu osee, mais ne
faut-il pas oser quand on parle d'un poete? il semble que Heine ait
mele ä la trame de ce style si divinement naturel le brin d'herbe
Einzelstudien über Heine. 105
que portait dans son bec cette Iiirondelle qui avait bäti son nid sous
les fenetres de sa bien-aimee.
Während die Romantiker im Dienste der Natur standen,
hat Heine im Gegenteil der Natur geboten. Aber noch ein
anderer Zug trennt diesen von jenen. „. . . par un don de
I'esprit rarement accorde aux vrais poetes, ce charmant et
diabolique genie se distingue encore de tous les contem-
porains, on pourrait meme dire, de tous les compatriotes :
nous voulons parier de son ironie (pag. 263) . . . dans l'Inter-
mezzo les plaisanteries ne sont ni forcees, ni choquantes,
comme elles le seront trop souvent plus tard, et l'ironie y est
simplement gaie ..."
Schliesslich behandelt Ducros die Frage — wir dürfen
nicht vergessen, dass er zu Franzosen spricht — , woher es
komme, dass eine so schmucklose Sprache so hohe poetische
Wirkung erziele (pag. 267) :
C'est qu'il est harnionieux. Le poete a su, avec quelques phrases,
tres simples, il est vrai, mais toutes pleines de passion et d'liarinonie,
composer une musique qui n'est pas seulement une caresse pour
l'oreille, mais aussi et surtout un enchantement pour l'ame qu'elle
remplit d'une douce et ineffable tristesse. „L'Intermede", en efFet,
qu'est-il autre chose qu'une adorable Symphonie, qui tantot rit et
badine, tantot gemit et pleure et, sans cesse, fait passer dans notre äme
tous les sentiments, gais ou tristes, du plus insinuant des poetes et
du plus entrainant des musiciens.
Und mit einem letzten Worte sucht er den Zauber der
Prosodie Heines zu erfassen (pag. 268):
Nous sommes ramenes, on le voit, ä ce que nous avons admire
tout d'abord dans les Lieder de Heine, a ce qui fait la grande beaute
de „rintermede", la simplicite; seulement c'est la simplicite d'un genie
qui illumine et transforme tout ce qu'il touclie. Prenez presque tous
les termes dans „l'Intermede", ce sont les termes les plus uses et
partbis les moins melodieux, par eux-memes, de la langue allemande :
Heine s'en empare, et aussitot, sous la main de l'enclianteur, les mots
les plus prosaiques reluisent d'un eclat et d'une beaute nouvelles, les
106 H. Heine im Lichte der französischen Kritik.
plus uses recouvrent leur fraicheur premiere et les moins sonores,
eux memes, gräce a ces combinaisons mysterieuses dont le genie a
le secret, tout ä coup vibrent et resonnent comrae les cordes d'une
lyre bien montee dont les sons se prolongent au loin et nous bercent
dans une molle reverie.
Charakteristisch für die Auffassung Ducros' ist, dass er
sowohl in diesem Abschnitte als auch in dem ganzen Werke
immer nur von dem deutschen Heine spricht. Die „Legende"
von dem französischen Dichter gibt er sich nicht einmal die
Mühe zu widerlegen ; die Heine-Uebersetzer ignoriert er voll-
ständig. So energisch er an den Sympathieen Heines für
Frankreich festhält, so nutzlos scheint es ihm, sich um das Ge-
wand zu bekümmern, in dem Heine in Prankreich bekannt
und berühmt geworden.
Wir haben gesehen, mit welchem Enthusiasmus Ducros
vom Intermezzo sprach, mit welch packender Beredsamkeit
und feinstem ästhetischen Sinn er seinen Standpunkt vertritt.
Bedeutend beschränkter ist aber das Lob, das er der „Heim-
kehr" zollt. Einige biographische Notizen gehen der Kritik
voraus. Wir erfahren, dass Heine schon 1823 mit dem Plane
umgeht, auszuwandern. Hauptgrund ist wohl die verächtliche
sociale Stellung seiner Stammesgenossen. Ihm schwebt aber
auch die Mission der geistigen Völkervermittlung vor. „• . . II
est curieux que Heine ait eu, des cette epoque, et ä peine
äge de vingt-trois ans, une idee si nette et si arretee de ce
röle d'intermediaire entre les deux nations, role utile et
glorieux qu'il enviera ä Madame de Stael et dont il s'acquit-
tera avec plus de competence peut-etre, mais aussi avec moins
d'impartialite que le penetrant et genereux auteur de „l'Alle-
magne." (Pag. 273).
Des Verfassers Urteil über die „Heimkehr" beweist, dass
wir es hier nicht mit einem blinden Bewunderer Heines zu
thun haben. Sein Lob zieht hier bedeutend gelindere Saiten
auf. (Pag. 275.)
Einzelstudien über Heine. 107
Während er den fröhlichen Witz und die geistreiche
Ironie als Zierde des Intermezzo betrachtet, findet er in der
„Heimkehr" allzu oft schrilles Lachen und schwache Kalauer.
(Pag. 277).
Die glühende Sinnhchkeit der schönen Verse des Inter-
mezzo wird durch den heftigen Liebesschmerz erklärt und ent-
schuldigt. „. . . Mais dans „le Retour" l'auteur est plus maitre
de lui et nous le jugeons plus severement ; son ironie n'etant
plus la revanche de son amour trahi, nous deplait et nous
choque ..." (Pag. 278.) Nicht minder psychologisch scharf ge-
dacht ist folgendes (pag. 278) :
L'ironie de Heine s'egaie quelquefois ä bien peu de frais, voire
menie, ce qui est plus grave, aux frais de la morale et du bon goüt.
Osons le dire, cette ironie, qui savait etre si mordante, fut souvent
triviale et polissonne et l'on doit regretter, pour ne parier ici que du
poeme qui nous oecupe, que Heine n'ait pas rejete du „Retour"
certaines pieces de vers qui n'ajoutaient rien a sa gloire de poete,
car ce sont de pures gamineries: or, si le vrai poete doit etre un
enfant, personne n'a jamais dit qu'il düt etre un gamin. Dans la
premiere piece du „Retour", Heine se compare ä un enfant qui chante
dans l'obscurite pour se delivrer de sa peine et de son effroi: il est
facheux seulement que cet enfant n'ait pas toujours chante comme
doit clianter un enfant, nieme s'il est un enfant sublime.
Wenn Ducros hier den innigen Sänger der Liebe und des
Leids vermisst, so anerkennt er dagegen in dem Autor der
„Heimkehr" den vollendeten, grossartigen Künstler, d. h. den
Dichter der „Loreley". Andere haben die sagenhaften Felsen
zu Bacharach am Vater Rhein besungen (pag. 280):
. . . mais ce qui fait qu'on ne connait plus que la „Lorelei" de Heine
c'est qu'il a su peindre ce site, desormais celebre, avec un senti-
ment si vif et si simple de la nature, avec des expressions si voisines
des dieses, que le poete disparait tout entier et que ce sont les objets
qui s'offrent et s'expriment eux-memes. Des la seconde strophe, on
croit sentir au visage l'air frais du soir et on voit le Rhin qui coule,
tranquille, au bas de la montagne, tandis que lä-haut, dans les derniers
rayons du soleil couchant, la fee chante une chanson que le poete
108 H« Heine im Lichte der französischen Kritik.
n'a garde de transcrire: il aime bien mieux nous laisser rever ä „son
etrange et puissante melodie" ; et d'ailleurs, en ecoutant lire et surtout
chanter la poesie tout entiere, avec ses strophes si harmonieuses et
sa conclusion d'une si froide indifFerence pour le sort de l'infortune
pecheur, ne croit-on pas entendre la chanson nieme de la belle et
cruelle Lorelei?
Und sein zusammenfassendes Urteil lautet:
„Les chansons amoureuses du „Retour" sont inferieures
ä Celles de l'Intermede ; mais c'est dans le „Retour" surtout
que Heine s'est raontre grand peintre, car il y a dessine, parmi
tant de tableaux qui nous ont charmes, la Lorelei et surtout
le Pelerinage ä Kevlaar qui est le Lied le plus emouvant et
le plus pur, et peut-etre le chef-d'oeuvre du „Livre des Chants"."
(Pag. 291.)
Von dem Meerespoeten, dem Autor der „Nordsee", handelt
das vorletzte Kapitel. Heine hat sie geliebt, weil sie ihm die
Gesundheit wiedergegeben; er war der erste grosse deutsche
Dichter, den das Meer zu unsterblichen Liedern begeisterte.
„. . . il y avait dans cet amour de Heine pour Amphitrite, pour
la capricieuse et folle deesse, la Sympathie naturelle d'un poete
eminemment nerveux et d'humeur aussi changeante que les
flots."
Ducros versucht es nun, seinen französischen Lesern die
Schönheiten der Wortmalerei dieses Liedercyklus zu erklären,
indem er zugleich auf einige Vorzüge der deutschen Sprache
hindeutet, die diesem Meisterwerke besonders zu Gute kommen
(pag. 294) :
La langue frangaise, meme chez les grands poetes, et quoi qu'ils
fassent, est toujours analytique et un peu sourde ; rien, au contraire,
n'est plus synthetique et plus retentissant que la langue que Heine
a parlee, ou plutot chantee dans la „Mer du Nord". Tel vers et meme
teile expression donnent en meme temps la couleur et le bruit des
flots; tel adjectif est ä la fois une imagc et un son, que dis-je?
Heine compose les adjeetifs qui nous presentent plusieurs images a
la fois, par exemple la blancheur et la rapidite des vagues ecumantes
Einzelstudien über Heine. 109
ou bieu les reflets de la lune sur une mer tranquille et la douce
melancolie qui se glisse, ä cette vue, dans l'äme du poete. Imaginez, si
vous le pouvez, le plus curieux et aussi le plus heureux melange d'images
qui cliantent et de sons qui peignent, et dites-vous surtout que ces
images ne reproduisent pas uniquement les objets, par exemple les
aspects changeants de la mer, que ces sons ne repetent pas purement
et simplement, comme certaines harmonies imitatives aussi banales
que celebres, les mille bruits des fiots qui viennent expirer sur la
greve : tout au contraire, images et sons servent en meme temps seit
ä nuancer, soit ä accentuer les impressions personnelles d'un poete qui
pretait son äme ä tout ce qu'il chantait. Ces vers se plient enfin
merveilleusement, par des coupes et des rythmes varies, a toutes les
fantaisies de l'auteur. i)
Noch einmal kommt der Verfasser auf Heines Kunst der
Wort- und Metrik-Harmonie zurück, und zwar in poetisch
inspirierter Prosa (pag. 302) :
Cet art de montrer par degres et de marier habilement les
details et l'ensemble, se retrouve dans toutes les marines, ä la fois
nettes et grandioses, qui composent la „Mer du Nord". Ajoutez la
merveilleuse facilite du poete ä varier et son rythme et l'etendue de
ses stroplies, suiyant les mille exigences de sa capricieuse imagina-
tion. Dans une meme poesie il emploie des metres differents et leur
fait dire tout ce qu'il veut: ici, son vers gazouille et soupire comme
la lame qui vient lentement expirer sur la plage ; lä, il bondit comme
la mer en courroux, il siffle et gronde comme le vent qui fouette les
flots; puis il se balance doucement ou file, rapide et leger, comme le
navire aux blanches alles qui porte le poete et qu'il se platt ä com-
parer ä un cygne; ailleurs enfin, la strophe tout entiere prend son
vol et plane, majestueuse et tranquille, comme cet oiseau merveilleux
qui, du haut des airs, jeta un jour, a travers la tempete, ces mots
enigmatiques que comprit le cceur emu du poete et qu'il repeta avec
la terre et le ciel: „eile l'aime, eile l'aime !"
^) Ducros irrt indessen, wenn er daran zweifelt, von Franzosen ver-
standen zu werden. In unseren Abschnitten IV und V wird es sich zeigen,
dass es schon vor dem Gelehrten in Frankreich Poeten gab, die den Zauber
der Heineschen Lyrik voll und ganz empfanden, und schon vor 1886 den
Dichter der Nordsee, gerade wegen dieses seines eben geschilderten Talentes,
zu einem ihrer Meister und Lenker erkoren hatten (Symbolistes),
110 H. Heine im Lichte der franzosischen Kritik.
Mit der „Harzreise" und dem „Bergidyll" schliesst das
Buch. An der ersteren will er untersuchen, ob der Prosaist
auf der Höhe des Lyrikers steht. Nach kurzer Analyse kommt
Ducros zu einem negativen Schlüsse (pag. 307) :
II y a de tout dans ce voyage du Harz : des turlipinades d'etu-
diant, des conversations romantiques avec les fleurettes et les ruisse-
lets de la montagne, des dissertations savantes sur le hareng fume :
„de la choucroute arrosee d'ambroisie", pour emprunter un mot a
l'auteur lui-meme ; seulement sa choucroute est tres authentique,
tandis que son ambroisie est legerement eventee.
Geistreich, meint der Verfasser, sind nur wenige Stellen,
und mit seinem Witze treibe Heine Wucher : „. . . L'auteur
a trop oublie que celui meme qu'il prendra plus tard pour
modele, adit: „Ghssez, mortels, n'appuyez pas." Quand notre
auteur croit avoir fait un mot, il ne sait plus s'en separer;
quand il pense avoir trouve une idee dröle, il la developpe
et la delaie tant qu'il peut . . . Ah! qu'il y a loin, meme „du
plus frangais des Allemands" ä un vrai Frangais de France!" ^)
(Pag. 309.)
Wenn Ducros in den Reisebildern nur selten „esprit"
findet, so spricht er diesen das Humorvolle ganz ab : „Quant
ä l'humour des „Reisebilder", il nous seduirait tout ä fait, si
l'auteur joignait au caprice de sa fantaisie poetique et ä son
folätre badinage un peu de cette emotion sincere et partant
communicative, sans laquelle il n'y a peut-etre pas de veri-
table humour (pag. 310) ... il faut encore qu'un rayon de
bonhomie vienne fondre tous ces contrastes heurtes et echauffer
la page qui doit nous attendrir et nous faire sourire a la fois ;
malheureusement, rien n'est plus etranger que la bonhomie a
notre sarcastique voyageur, a celui qu'on a appele le merle
moqueur de la foret allemande" (pag. 311).
*) Hiermit vergleiche man Barbey d'Aurevilly und Pontmnrtin!
Einzelstudien über Heine. III
Der Verfasser glaubt die romantische Schule, sowohl für
dies „zum Besten halten^' des Lesers als auch für die Manie
der Selbstparodie verantwortlich machen zu können.
So ablehnend sich auch Ducros zu Geist und Inhalt der
Prosa Heines zeigt, so imgeschmälert lautet sein Lob über
das äussere Gewand derselben, über den Sprachkünstler
(pag. 311):
La prose de Heine, une prose nette, rapide, exempte, Dieu
merci ! de ces phrases surchargees d'incidents et encombrees de
parentheses, qui fönt de certains prosateurs allemands de vrais sphinx
dont on se lasse ä la fin de dechiffrer les perpetuelles enigmes. Cette
prose n'a pas les larges developpements, les repos et les molles sinuo-
sites de la phrase de Goethe, mais eile est plus vivante, plus incisive
et surtout, quand l'auteur est bien inspire, plus amüsante et plus
fran§aise.
Den Dichter des Intermezzo erkennt Ducros wieder in
einzelnen lyrischen Oasen der Reisebilder, vor allem in der
„Bergidylle", für die er folgendes hübsche Gleichnis in
Heines eigenen Werken findet:
Heine raconte que parfois, au milieu du Harz, on entend dans
le lointain des sons mysterieux comme ceux d'une cloche de chapelle
perdue dans les bois : ce sont, dit-il, les clochettes des troupeaux qui,
dans le Harz, sont accordees avec tant de charme et de purete.
Le lecteur, lui aussi, dans cette foret si bruyante, si babillarde
des „Reisebilder", entend tout ä coup dans le silence de la nuit, sur
le sommet de la montagne, des sons vraiment enchanteurs, aussi
purs et aussi doux que le son d'une clochette dans les bois : c'est le
poete qui a enfin accorde sa lyre pour nous chanter cette idylle
pleine de fraicheur et de naivete qu'il a appelee l'Idylle de la Mon-
tagne (Berg-Idylle).
Nachdem Ducros das ganze Gedicht in beiden Sprachen
citiert, widmet er Heine dem Lyriker noch folgende Worte,
die dies fesselnde Buch — und unsere Besprechung desselben,
noch schön abschliessen :
„Le „charme" de ses beaux vers agissant sur nous peu
ä peu, nous croyons voir ces villes merveilleuses qu'il nous
112 H. Heine im Lichte der franzosischen Kritik.
montre au fond de la mer et ces antiques raanoirs qu'il fait sortir
de terre; nous croyons reconnaitre ces etranges jeiines filles,
aux yeux bleiis comme deux etoiles, si promptes ä donner et
ä reprendre leur coeur, plus innocentes encore que mechantes,
car il semble que leur destinee soit d'inspirer et d'ignorer
l'amour. Nous nous attristons alors et nous pleurons avec le
poete qui s'est vu oublie et trahi et qui aime toujours; si
tantöt, en effet, nous etions romantiques avec lui, quand il
ressuscitait a vos yeux les hommes et les choses du moyen
äge, maintenant nous aimons et nous nous souvenons avec
lui, nous revoyons avec lui les sentiers tout parsemes de
violettes, les beaux sentiers par oü notre jeunesse a passe;
comme lui, nous oublions l'heure presente, la täche ingrate
et la prosaique realite et, comme lui, nous avons vingt ans!" —
(Pag. 322.)
Anhang I.
Kürzere Abhandlungen über Heine.
Die Zeitschrift ^Bihliotheque universelle de Geneve^^) hat sich im Laufe
der Zeit wiederholt mit Heine beschäftigt. Die erste Besprechung
seiner Werke befindet sich im Bulletin litteraire vom Juniheft
1836. — Dann über „Lutece" in der Mainummer 1855. — lieber
die französische Ausgabe der „ßeisebilder" : Mai 1860 von Gustave
Revilliod.
G. Duesherg bespricht in der „Revue de Paris", April 1855, den
„Romancero".
Champfleury, Hoffmann et Henri Heine, in „Le Livre", Jahrgang 1883.
Henri Heine et la critique contemporaine en Allemagne, par P. Z. —
„Journal des Debats", 16. August 1893.
^) Süpfle hätte es nicht unterlassen sollen, auf die besonders in der
ersten Hälfte dieses Jahrhunderts hervorragende, geistig vermittelnde Rolle
dieser Zeitschrift hinzudeuten. Auch aufdie Heinekritik dieser Revue,
die wir wegen Stoffesfülle hier streichen mussten, werden
wir später zurückkommen. \
Einzelstudien über Herne. Il3
Anhang IL
Heine in französischen Schul- und Studienbüchern.
La litterature allemande au XIX® siede, par Adler-Mesnard. 2 vol.
Paris 1853.
Morceaux choisis des prosateurs et poetes allem ands, par L. Dietz.
Paris 1866.
Choix de morceaux classiques des meilleurs ecrivains allemands, par
J. Dresch. Paris 1874.
Recueil de lettres, extraites des meilleurs ecrivains allemands, par
M.-E. HaUberg. Paris 1875.
Choix de Ballades allemandes (de Goethe, H. Heine etc.), notices et notes
par E, HaUberg.
Lectures modernes, par J.-N. Charles, Paris 1876.
Heine, ausgewählte Werke ^) — Poesie et prose, avec notices biogra-
phiques et annotations, par Antoine Levy. Paris 1892.
Angleterre-Allemagne. Histoire Htteraire, notices biographiques et cri-
tiques, morceaux choisis, par H. Dietz. Paris 1891.
Le XIX° siecle en Allemagne. 2) Morceaux choisis des meilleurs ecri-
vains allemands de ce siecle, par Louis Weil. 1892.
Henri Heine. Extraits des oeuvres en vers et en prose, annotes par
A. Girot.^) (Classiques allemands.) 1893.
Lied und Legende. Recueil de poesies allemandes, avec introduction et
des notes litteraires et biographiques par Ph. Kuhff.
^) Auteurs allemands inscrits au nouveau programme de l'enseignement
classique moderne. (Ausser Heine figurieren hier noch Grimm, Kinder- und
Hausmärclien, und Hebel, Schatzkästlein.)
2) Unter den vielen Büchern dieser Art, die wir in den Händen gehabt,
sind die beiden letztgenannten die einzigen, die Gottfried Keller nicht ver-
gessen. H. Dietz führt den Dichter als Vertreter des realistischen Romans an.
^) Enseignement secondaire moderne, programmes officiels du 15 Juin
1891. — Von Girot (professeur au Lycee Condorcet) sind noch erschienen:
Schiller, Wilhelm Teil — avec notes, un vocabulaire et une carte du theätre
de la legende de Teil und Choix de Poesies lyriques de Goethe et de Schiller,
suivi de 50 des plus helles ballades allemandes (darunter auch von Heine)
avec un vocabulaire complet, 1894.
Betz, Heine in Frankreich.
114 H- Heino im Lichte der französischen Kritik.
Zweites Kapitel
Einleitungen zu Heines W^erken
in französischer Sprache
Loeve-Veimars. Sein Vorwort zu dem ersten Teile der „Reisebilder",
der am 15. Juni 1832 in der „Revue des deux Mondes" erschien,
ist die erste einigermassen eingehende Besprechung von einem
Werke Heines in Frankreich.
Eugene Renduel, berühmter Verleger der Romantiker. Schreibt die
Einleitung zu dem bei ihm 1833 erschienenen „De la France".
Kurze litterarische Einleitung zu „Les aveux d'un poete", die am
15. September 1854 in der „Revue des deux Mondes" erschienen.
Anonym.
Saint-Rene TaiUandier, Einleitung zu Liedern der „Heimkehr". „Revue
des deux Mondes", 15. Juli 1854. — Eine Geschichte der Dramen
Heines und der deutschen Schicksalstragödie überhaupt, die zuerst
in der „Revue des deux Mondes" 16. Oktober 1863 erschien, wurde
in dem Bande „Drames et fantaisies" aufgenommen.
Theophüe Gautier. Schrieb eine die Gesamtausgabe der Heineschen
Werke einleitende Studie. 1856.
Hemi Julia,^) Autor einer einleitenden Notiz des Bandes „De la France".
Levy, 1857.
^) Freund und Testamentsvollstrecker Heines.
Einleitungen zu Heines Werken in französischer Sprache. 115
Charles Beo'thoud, Verfasser der Einleitung zu den beiden Bänden
„Correspondance inedite". 1866.
Arsene Houssaye schrieb eine „preface" zu dem 1893 erschienenen
„Heine intime".
Gerard de Nerval
(1808—1855).
Einleitungen im Bande „Poemes et Legendes", Levy 1855.
Auch was Nerval unter dem Titel „Notice du traducteur"
über Heine geschrieben, hat schon vielfach den Weg nach
Deutschland gefunden. Wir sehen uns daher leider gezwungen,
nur kurz bei seinen Arbeiten zu verweilen, leider deswegen,
weil jedes Wort dieses unglücklichen, dichterisch ebenbür-
tigsten Freundes von tiefem Verständnis und innerster Kon-
genialität zeugt, weil Heines Dichtergestalt in jenen Studien
von einem der zartfühlendsten Poeten wie verklärt scheint,
und schliesslich leider, weil Nerval überhaupt der verständnis-
vollste und enthusiastischste Bewunderer ist, den Deutsch-
lands Muse je im Frankenlande besessen.
Aus einigen Liedern Heines — so beginnt Nerval die
erste litterarische Einleitung (zum Liedercyklus „La Mer
du Nord") auf das stürmische Jahr 1848 anspielend, in dem
ja diese Studie samt den Liedern in der „Revue des deux
Mondes" erschien^) — hätten wir ohne Mühe einen Büschel
republikanischer Ruten binden können und auch das Beil
des Liktors wäre darunter zu finden gewesen — „nous pre-
ferons vous offrir un simple bouquet de fleurs de fantaisie,
aux parfums penetrants, aux couleurs eclatantes. II faut bien
^) Vergl. Bibliographie.
116 H. Heine im Lichte der französischen Kritik.
que quelque fidele, en ce temps de tumulte oü les cris enroues
de la place publique ne se taisent jamais, vienne reciter tout
bas sa priere ä Fautel de la poesie".
Immerhin will Nerval vorerst den geistvollen Satyriker
mit einigen Strichen zeichnen. Er thut es als Poet in duf-
tiger, fein instrumentierter Sprache. Treffend zwischen der kalt
secierenden Ironie, dem erbarmungslosen Messer des Sarkasmus
und den ebenso sicher treffenden Pfeilen Heines unterschei-
dend, sagt er (pag. 119):
Avec la liaine, il possede l'amour, un amour aussi brülant que
la haine est feroce; il adore ceux qu'il tue; il met le dictame sur
les blessures qu'il a faites et des baisers sur ses morsures. Avec
quel profond etonnement il voit jaillir le sang de ses victimes, et
comme il eponge bien vite les filets pourpres et les lave de ses
larmes !
Aus dem folgenden heben wir nur noch jene Stelle her-
vor, wo Nerval Heines Doppelnatur zu erfassen sucht und in
dithyrambischen Worten dessen Sprachkunst feiert :
Ce n'est pas un vain cliquetis d'antitheses de dire litterairement
d'Henri Heine qu'il est cruel et tendre, nai'f et perfide, sceptique et
credule, lyrique et prosai'que, sentimental et railleur, passionne et
glacial, spirituel et pittoresque, antique et moderne, moyen äge et
revolutionnaire. II a toutes les qualites et meme, si vous voulez, tous
les defauts qui s'excluent; c'est l'homme des contraires, et cela sans
eifort, sans parti pris, par le fait d'une nature pantheiste qui eprouve
toutes les emotions et pergoit toutes les images. Jamais Protee n'a
pris plus de formes, jamais Dieu de l'Inde n'a promene son äme
divine dans une si longue serie d'avatars. Ce qui suit le poete ä
travers ces mutations perpetuelles et ce qui le fait reconnaitre, c'est
son incomparable perfection plastique. II taille comme un bloc de
marbre grec les troncs noueux et difformes de cette vieille foret
incatricable et touffue du langage allem and, ä travers laquelle on
n'avangait jadis qu'avec la hache et le feu; grace ä lui l'on peut
marcher maintenant dans cet idiome sans etre arrete ä chaque pas
par les lianes, les racines tortueuses et les chicois mal deracines des
arbres centenaires : — dans le vieux chene teutonique, oü l'on n'avait
pu si longtemps qu'ebauclier ä coups de serpe l'idole informe d'Ir-
Einleitungen zu Heines Werken in französischer Sprache. 117
mensul, il a sculpte la statue harmonieuse d'Apollon; il a transforme
en langue universelle ce dialecte que les Allemands seuls pouvaient
ecrire et parier, sans cependant toujours se comprendre eux-memes.
Obgleich die zweite litterarische Einführung Nervals, die
sich mit dem „Intermezzo" beschäftigt, einige Monate nach dem
Cyklus der Nordseelieder in der „Revue des deux Mondes"
erschien, ist sie dennoch in den „Oeuvres completes" voran-
gestellt worden, indem sich der Herausgeber mit Recht an
die chronologische Reihenfolge der deutschen Publikationen
hielt. So kam es allerdings, dass die eigenthche und all-
gemein einführende Studie Nervals in den gesammelten Wer-
ken nach dieser mehr speciellen Besprechung zu stehen kam.
Nerval beginnt mit einer Darstellung der litterarhisto-
rischen Bedeutung des „Intermezzo" für die deutsche Dicht-
kunst. Heine, der sonst nichts respektierte, hatte für das
wahrhaft Schöne, wo immer er es traf, einen Kultus. In
diesem Sinne will der Autor es gelten lassen, dass Heine ein
Heide resp. ein Grieche genannt werde.
II admire la forme quand cette forme est belle et divine, il
saisit l'idee quand c'est vraiment une idee pleine et entiere, non
un clair-obscur du sentimentalisme allemand. Sa forme ä lui est
resplendissante de beaute, il la travaille et la cisele, on ne lui laisse
que des negligences calculees. Personne plus que Heine n'a le souci
du style. Ce style n'a ni la periode courte fran^aise ni la periode
longue allemande; c'est la periode grecque, simple, coulante, facile
ä saisir et aussi harmonieuse ä l'oreille qu'ä la vue.
Selbst Poet, hat Nerval gefühlt, dass der grosse Lyriker
zugleich Gelegenheitsdichter — im idealsten Sinne ist. „Heine
n'a Jamals fait, a proprement dire, un Hvre de vers ; ses chants
lui sont venus un ä un, — suggeres toujours soit par un objet
qui le frappe, soit par une idee qui le poursuit, par un ridicule
qu'il poursuit lui-meme."
Nur leicht und rasch streift sein Tadel Heines zuweilen
allzuvernichtende Satyre, — besonders wo sie persönlich wurde.
118 H. Heine im Lichte der französischen Kritik.
Und gleich will er den Schatten, den er dem Lichtbilde nur
ungern beigab, wieder verwischen, — „il chätie en faisant
rire. C'est un Aristophane philosophe qui a le bonheur de
s'attaquer ä d'autres qu'ä Socrate".
Nerval hält das „Intermezzo" für Heines ureigenstes
und charakteristischstes Werk. Scheinbar ein loser Strauss —
den aber ein und dieselbe Idee umwindet. Oder, wie sich
Nerval hübsch ausdrückt : „L'auteur a retire le fil du collier,
mais aucune perle ne lui manque." — Und diese Einheit ist
die Liebe (pag. 84):
C'est lä un amour entierement inedit, — non qu'il ait rien de
singulier, car chacun y reconnaitra son histoire; ce qui fait sa nou-
veaute, c'est qu'il est vieux comme le monde, et les choses qu'on
dit les dernieres sont les choses naturelles. — Ni les Grecs, ni les
Romains, ni Mimnerme, que l'antiquite disait superieur ä Homere, ni
le doux Tibulle, ni l'ardent Properce, ni l'ingenieux Ovide, ni Dante
avec son platonisme, ni Petrarque avec ses galants concetti, n'ont
jamais rien ecrit de semblable. Leon l'Hebreu n'a compris rien de
pareil dans ses analyses scolastiques de la „Philosophie d'amour". Pour
trouver quelque chose d'analogue, il faudrait remonter jusqu'au „Can-
tique des Cantiques", jusqu'ä la magnificence des inspirations orien-
tales. Voilä des accents et des touches dignes de Salomon, le premier
ecrivain qui ait confondu dans le meme lyrisme le sentiment de
l'amour et le sentiment de Dieu.
Und was erzählen uns die Liebeslieder? Der Stoff ist
weder kompliziert noch neu ; eine alltägliche Liebesgeschichte,
die keine zwei Seiten eines Romanos füllen würde. Heine
aber hat damit ein grosses herrliches Gedicht gesungen, in
dessen kurzen Strophen die ganze menschliche Seele vibriert
(pag. 85):
Passion, tristesse, Ironie, vif sentiment de la nature et de la
beaute plastique, tout cela s'y melange dans la proportion la plus
imprevue et la plus heureuse ; il y a §ä et lä des penseos de morähste
condensees en deux vers, en deux mots; un trait comique vous fait
pleurer; une apostrophe pathetique vous fait rire; — les larmes, ä
chaque instant, vous viennent aux paupieres et le sourire aux levres.
Einleitungen zu Heines Werken in französischer Sprache. 119
Sans qu'on puisse dire pourquoi, tant la fibre secrete a ete touchee
d'une main legere. En lisant „l'Intermezzo", l'on eprouve comme une
espece d'efFroi : vous rougissez comme surpris dans votre secret ; les
battements de votre coeur sont rythmes par ces strophes, par ces
vers de huit syllabes pour la plupart. Ces pleurs que vous aviez
Verses tout seul, au fond de votre chambre, les voilä figes et cristal-
lises sur une trame Immortelle. II semble que le poete ait entendu
vos sanglots, et pourtant ce sont les siens qu'il a notes.
Jene Lieder, sie fanden ein dankbares, schmerzhaftes Echo
bei Nerval, — ein Echo, das noch lauter und tiefer in dem
gequälten Herzen des unglücklichen Geliebten der Colon
erscholl, als der Leidensruf des Dichters selbst. Wie sehr
sich der Uebersetzer des „Faust" in seinen innersten Empfin-
dungen getroffen fühlt, tritt am deutlichsten hervor, wenn er
über die Mädchengestalt des „Intermezzo" folgende leiden-
schaftliche oratio pro domo anstimmt (pag. 86):
Et cependant, qu'elle est adorablement vraie ! Comme on la
liait et comme on l'aime, cette bonne fille si mauvaise, cet etre si
charmant et si perfide, si femme de la tete aux pieds ! „Le monde
dit que tu n'as pas un bon caractere, s'ecrie tristement le poete,
mais tes baisers en sont-ils moins doux?" Qui ne voudrait souffrir
ainsi ? Ne rien sentir, voilä le supplice : c'est vivre encore que de
regarder couler son sang.
Und sich an das Phantom seiner eigenen treulosen Ge-
liebten anklammernd, entgleiten ihm noch düstere Worte der
Verzweiflung (pag. 86):
La femme est la chimere de l'homme, ou son demon, comme
vous voudrez, — un monstre adorable, mais un monstre; aussi regne-
t-il dans toutes ces johes strophes une terreur secrete. Les roses
sentent trop bon, le gazon est trop frais, le rossignol trop harmo-
nieux! — Tout cela est fatal; le parfum asphyxie, l'herbe fraiche
recouvre une fosse, Foiseau meurt avec sa derniere note . . . Helas!
et lui, le poete inspire, va-t-il aussi nous dire adieu?
Man nenne diese Ausbrüche eines kranken Poeten nicht
mystischen Wortschwall, Lavendelwasser der Sentimentalität
oder dergleichen, — denn sie sind — man verzeihe das
120 H« Heine im Lichte der französischen Kritik.
banale Wort — mit seinem Herzblute niedergeschrieben.
Treulosigkeit einer unwürdigen Frau, um die sich des naiv-
schüchternen Träumers ganzes Leben und Denken drehte, hatte
damals schon den geplagten Geist Nervals an den Rand des
Wahnsinns geführt.
Marcel Prövost
(1862).
Die Einleitung^) zu Daniaux' Uebersetzung der „Heimkehr"
(„Le Retour", Lemerre, 1890) stammt nicht aus der Feder eines
Kritikers oder gelehrten Litterarhistorikers, sondern von einem
Poeten, der mit Hülfe seiner Phantasie, seiner Begeisterung
für den geliebten Dichter aus jener Episode des Liebeslebens
Heines ein psychologisches Kabinettstück in einer Sprache ge-
schrieben, die heute nicht viele Franzosen führen. Wir nehmen
keinen Anstand, von vorneherein zu behaupten, dass in dieser
schwungvollen Vorrede, in der mit die schönsten Worte dem
Andenken Heines gewidmet sind, die hüben und drüben dem
Dichter geweiht wurden, mehr Poesie liegt, als in den LTeber-
setzungen Daniaux' selbst. Ist es nötig, erst zu bemerken, dass es
Marcel Prevost nicht in den Sinn kam, etwas wie einen Bei-
trag zur Heineforschung zu liefern? Er ist zum Glück Poet
und hat dergleichen nicht nötig. Das strenge Urteil deutscher
Kritik, die einige Ungenauigkeiten entdeckt, scheint uns des-
wegen wenig am Platze.
Der Autor des Romans „Automne d'une femme" und so
vieler andern äusserst feinen Herzensstudien, die den noch
jungen Schriftsteller zu einem Lieblinge der gebildeten fran-
zösischen Lesewelt gemacht haben, entwirft vorerst ein be-
wegtes Bild der Gedankenrückkehr, der bitter-süssen Freuden
^) Diese Einleitung erschien zuerst unter dem Titel : „Le premier amour
de H. Heine" in der „Revue Bleue", 19. April 1890.
Einleitungen zu Heines Werken in französischer Sprache. 121
des „je me souviens". — „C'est im pareil retour qui a donne
son inspiration et son nom au present poeme de Henri Heine.
Sous le voile des rinies ironiques, revoltees ou attendries,
l'aventure reelle transparait ä peine, se dissimule, echappe au
liseur. Elle fut pourtant, cette douloureuse aventure d'amour ;
eile fit battre des coeurs de chair; eile fit couler des larmes
de sei et d'eau. Tout le monde la connait au delä du Rhin.
En France, eile est encore ä peu pres ignoree." — Je vais la
conter: — Und nun erzählt er uns idealisiert, in anmutiger
Weise, voll Pietät für den Dichter seiner Wahl, die Liebes-
idylle von Harry Heine und Molly.
Auf das Wort Heines von den grossen Schmerzen und
den kleinen Liedern anspielend, sagt er: „Les petites chansons,
mises bout ä bout, sans lien apparent, ont compose un livre
immortel, veritable „Imitation" de l'amour profane." — Und
hier noch die Schlusszeilen: „Molly elle-meme, la niaise petite
juive vouee ä Tobscurite, a du ä sa trahison une place dans
la legion des lyriques amantes, ä cöte de Laure de Noves et
de Beatrix Portinari. — Et nous, jeunes gens de cette seconde
moltie de siede, ä qui Heine a, pour ainsi dire, enseigne Vamour
lärme par lärme et haiser par haiseVj, nous y avons gagne le
j^HeimkeJir'-^ et r,^Intermezzo^^, — c'est-ä-dire deux cantiques de
tendresses tels que jamais poete n'en avait chiichote si pres de
Väme Jmmaine.'-^
So schreibt ein Franzose, der in absehbarer Zeit Sitz und
Stimme in der Akademie der Vierzig neben — Brunetiere
haben wird. Was er sagt, ist das künstlerische Echo der
Bewunderung einer ganzen französischen Schriftstellergenera-
tion. So klassisch auch die Methode sein mag, das Gegen-
teil von dem zu beweisen, was Menschen von sich selbst be-
haupteten, so erlauben wir uns dennoch hiervon abzustehen
und Marcel Prevost zu glauben, was er uns von sich, von
seinen litterarischen Gefährten, von seiner Liebe und Dankbar-
keit für das Genie Heines mitteilt.
122 H. Heine im Lichte der französischen Kritili.
Drittes Kapitel
Französische Memoiren über H. Heine
Le comte d' Alton Shee, Mes Memoires. 1826—1848. Bruder der Madame
Jaubert und Genosse des sinkenden Musset.
Prinzessin Christine Trivulce de Belgiojoso, Souvenirs dans l'Exil.
^ National^, September -Oktober 1850.
Souvenirs de Madame C. Jaubert. Paris, Hetzel, ungefähr 1880.
Princesse della Rocca, H. Heine, Souvenirs de sa vie intime, recueiUis
par sa niece. ^) Paris, Levy, 1881.
Auguste Barbier, Souvenirs personnels. Dentu, 1883.
Camille Seiden,^) Les derniers jours de Henri Heine. Levy, 1884.
Philibert Audebrand, Petits memoires du XIX« siecle. Paris 1892.
1) Deutsche Ausgabe bei Hartleben, Wien, 1881. — Zugleich erschien
auch eine italienische : „Ricordi della vita intima" etc.
2) Pseudonym der Frau v. Krinitz aus Torgau (Preussen). P^ine thätige
französische Schriftstellerin, die sich nicht, wie Ed. Engel, der Herausgeber
der Heinememoiren, meint, nach dreissigjährigem Schweigen durch diese
Memoiren in Erinnerung rufen wollte. — Alfred Meissners „Geschichte meines
Lebens" enthält einige widerwärtige Indiskretionen über die letzte Freundin
Heines.
Französisclie Memoiren über H. Heine. 123
Alexandre Weill
(1813).
„Souvenirs intimes. ^^
Dentu, 1883.
Genau genommen, gehört der Autor dieser Memoiren
nicht in unseren Bereich. Nicht nur weil er in der Nähe
von Strassburg, in „Schierhein im Ried", d. h. damals wohl
auf französischem Boden aber in deutscher Umgebung, seine
Jugendjahre verlebte, sondern auch, weil die deutsche Litte-
ratur das Recht hat, den begabten NovelHsten, der im „Jungen
Deutschland" eine hervorragende Stellung eingenommen, zum
grossen Teil als den Ihrigen zu betrachten. Dagegen ist aber
einzuwenden, dass Weills Denken, Schriftstellerei und be-
sonders seine Gefühle seit nahezu einem halben Jahrhundert
den Franzosen gehören. Er sagte sich los von Deutschland,
gleich Albert Wolff und andern — unähnlich unserem Dichter,
der, unter denselben Verhältnissen aufgewachsen, aus analogen
Gründen Deutschland verlassend, Deutscher blieb, obgleich
gerade ihm der Tausch noch höhere Ehren eingetragen haben
würde, als seinem elsässischen Stammesgenossen.
Die vorliegenden Memoiren, die sich mit Heine im Schlaf-
rocke und mit „Madame Heine en matinee" — und gelegent-
lich auch ohne Matinee — , dann besonders eingehend mit dem
Glauben des Dichters beschäftigen, sind in Deutschland bereits
hinlänglich berücksichtigt worden. Wenn sie auch biographisch
einiges Neues bringen, so hat die Wissenschaft im grossen
Ganzen durch diese „en deshabille"- Schilderung wenig ge-
wonnen. Er gibt nur über einen grossen Poeten — einen
Klatsch mehr, und zwar einen der taktlosesten und wider-
lichsten Sorte. — Sieht man von der öffentlichen schmutzigen
Wäsche ab, die Weill an dem Ehepaar Heine vornimmt, bei
dem er fünfzehn Jahre lang Gastfreundschaft gefunden, so
bleibt als Quintessenz des Buches der Versuch eines Nach-
weises übrig, dass Heine nie aufgehört, ein gläubiger Jude
124 H. Heine im Liclite der französischen Kritik.
und Verehrer Moses' und Jehovas zu sein, — und ein glühen-
der Hass, mit dem Goethe und Wagner beehrt werden. Hierzu
kommt noch fortwährendes phiHströses Morahsieren, vmd zwar
nicht nur an Heine, bei dem ja so ziemHch jeder seine Kunst
im Richten versucht hat. Von den Werken Goethes und
Mussets heisst es, um nur einige Beispiele zu geben: „Le
vice, helas! pullule comme la sauterelle^^ (pag. 14); von Victor
Hugo: „C'est ä son immense genie fourvoye que la France,
litteraire d'abord, puis politique et sociale, doit sa corruption
et sa decadence." Gelinde hört sich daneben der Schieds-
spruch an, der über Heine gefällt wird: „Heine, malgre son
grand genie poetique, malgre son esprit acere et brillant, n'a
pas exerce une influence salutaire sur son pays. " — Wie sich
der alte Elsässer Deutschland gegenüber verhält, mag folgende
hübsche Prosa illustrieren: „D'oü vient que l'Allemagne n'est
plus qu'une sale caserne, n'ayant plus ni ideal, ni genie, ni
talent, ni poesie, ni musique — car Wagner est ä la musique
ce que Bismarck est ä la civilisation : un fleau (!) — apres
avoir produit des poetes comme Goethe et Heine?" (Pag. 10.)')
Das Interessanteste, das uns diese Erinnerungsblätter
bringen, ist der Bericht über eine Zusammenkunft von Heine,
Sue, Balzac und Weill selbst. — Sue und Balzac hatten sich
vor dem hier beschriebenen Dejeuner, über das Weill ä la
^) Wir dürfen wohl annehmen, dass eine der besten süddeutschen Zei-
tungen, die „Strassburger Post", solche und ähnliche Stellen Weillscher Prosa
ignorierte, als sie (18. Dezember 1892) einen mehr als schmeichelhaften Artikel
über diesen Litteraten brachte. — Wir verweisen hier noch auf folgende, bei
J. Schabelitz in Zürich erschienenen Schriften A. Weills : „Briefe hervor-
ragender verstorbener Männer Deutschlands" (1889), in denen manches Wissens-
werte durch litterarische und andere Klatschereien erdrückt wird. Dabei ist
der Ton, den Weill anschlägt, allzu oft unanständig und eines Litteraten un-
würdig. Dies gilt besonders von der geradezu unflätigen Einleitung seiner
„Skizzenreirae meiner Jugendliebe" (1887). Weill bemerkt dort, dass er vom
deutschen Publikum nicht einmal Erwähnung erwarte. Er hatte Recht — weit
mehr aber das deutsche Publikum.
Franzosische Memoiren über H. Heine. 125
Goncourt — nur mit mehr Breite und weniger Geist reportiert,
noch nicht gekannt. Drei Stunden lang währte dasselbe —
„toutes les pensees remarquables de la discussion, voltigeant,
durant trois heures, comme une navette ä travers la France
de Republique, de Monarchie, de Socialisme, de Pourierisme
et de Communisme". — Also von allem andern war die Rede,
nur nicht von dem, was am nächsten lag, von der Litteratur.
Zuweilen kommt es zu einem Geistesfeuerwerk. So antwortet
z. B. Balzac Eug. Sue, der sagt: „Nul ne doit avoir le superflu
quand tous n'ont pas le necessaire!" — Autant dire: „Nul ne
doit avoir de l'esprit quand tant d'hommes n'ont pas le sens
commun!" Worauf Heine, der stets das letzte Wort behält
und, in die Enge getrieben, mit einem Witz von einem Thema
zum andern springt: „C'est la premiere fois que mon ami
Balzac allie l'esprit avec le superflu. D'ordinaire, on n'a de
l'esprit que pour trouver des raisons de pouvoir se passer et
du superflu et du necessaire ..." Und nun noch eine Stelle,
die stark an die — Zote streift: ,,La beaute, reprit Balzac
souriant, est un superflu. Une femme jeune, bien portante,
füt-elle laide, pourvu qu'elle ait le necessaire, suffit pour l'a-
mour ..." Die Portsetzung ist noch gesalzener. Heine prä-
sentiert dann einen launigen Moralspruch, den er irgendwo
herholt, nur nicht aus seiner eigenen Praxis: „Entre nous,
toute femme doit avoir le droit au mari. Je ne congois pas
que l'on exige de la femme la fidelite plutöt que de l'homme.
Nous ne perdons rien de Tinfidelite de la femme. Dieu l'a
mise — c'est Voltaire qui l'a dit — ä notre disposition ä toute
heure, tandis qu'elle perd reellement quelque chose par chaque
infidelite de son mari ..." etc. Kösthch ist der Schluss dieser
Sitzung. Die Freiheit war auf der Tagesordnung. Balzac
hatte eine Tirade mit den Worten beendet: „La liberte ab-
solue ne fut ni ne sera Jamals que l'anarchie absolue" — wo-
rauf sich Sue an Heine wendet: „Mais quel est donc l'avis
de notre ami Heine?" Und dieser: „— En ma qualite d'Alle-
126 H. Heine im Lichte der französischen Kritik.
mand, j'en ai plusieurs. Mais, pour les r^sumer, voici mon
opinion. Je vous avertis qiie je remonterai au deluge. Faut-il
remonter?" — Mit schlagfertiger Höflichkeit erwidert ihm
Balzac: ,,Remontez, cela vous sera facile: vous n'aurez qu'ä
vous lancer sur Pegase." Und nun sprüht Heines Rede
von geistreichen Paradoxen, die der Dichter halb ernst halb
scherzend mit den Worten beschliesst — Weill gibt sie in
gesperrtem Druck wieder — : „II faut donc ou une Republique
gouvernee par des monarchistes ou la Monarchie gouvernee
par des republicains . . . Nous proclamerons la republique.
Balzac en sera le president, Sue, le secretaire general, Moi,
je mettrai votre gloire en vers allemands, car Jamals les
Frangais ne permettront ä un romancier d'avoir du genie
politique. Meyerbeer les mettra en musique, et le petit Weill,
qui a une voix de tenor, les chantera."
Der Einfachheit halber lassen wir hier noch weitere ein-
schlagende Arbeiten Weills folgen.
In der Nummer vom 17. August 1878 der „Revue bleue"
(damals noch „Revue politique et litteraire") veröffentlichte er
unter dem Titel: „La jeune Allemagne a Paris apres 1830"
eine Studie über Ludwig Börne und Heinrich Heine. ') — Das
Wenige, das in dieser Schrift von Heine gesagt wird, dient
nur dazu, um die Gestalt Börnes desto vorteilhafter hervor-
treten zu lassen. Während der prinzipientreue Börne als fast
obskurer Anachoret lebte, nur mit wenigen demokratischen
Hitzköpfen verkehrend, führte Heine nach Weill ein aus-
schweifendes Leben (pag. 153):
Heine, plus jeune que Boerne d'une quinzaine d'annees, avide
de plaisirs, affame de reputation, buvant ä longs et larges traits dans
la coupe de toutes les voluptes legitimes et illegitimes, frequentait la
boheme doree de la litterature romantique. Theophile Gautier, Al-
1) Auszug des in Aussicht gestellten Buches: Ludovic Boerne, sa vie,
sa mort, son monument, ses ecrits frangais, son oraison fun^bre par Raspail,
prdface de Cormenin, et ses Pensees, traduites de lallemand.
Franzosische Memoiren über IL Heine. 127
phonse Royer, Gerard de Nerval, tous les Champions, tous les eman-
cipateurs de la chair de 1830 etaient ses amis et souvent ses convives
de festins orgiaques.
Der Autor stellt Heine nicht nur als Wüstling, sondern
auch als höchst zweideutigen politischen Berichterstatter hin
(pag. 153):
Heine, grand chasseur de popularite, posait ä Paris pour un
democrate allemand, tandis qu'en sa qualite de correspondant de la
„Gazette d'Augsbourg", il avait accepte des ministeres Mole, Guizot
et Thiers une Subvention annuelle de six mille francs. II sut si bien
menager la chevre democratique et le chou monarchique, voire meme
la carotte artistique, que pendant des annees il passa pour un repu-
blicain. Boerne seul ne fut pas sa dupe. II n'avait pourtant pas de
preuves probantes pour le convaincre de dupKcite, mais il les flairait
et, Sans les influences de son entourage allemand, il l'eüt attaque
des l'annee 1834. Heine, en outre, dans tous ses ecrits, reniant le
Juif, s'affubla d'un manteau grec. II divisa les grands hommes en
esprits juifs et en esprits grecs. Les Juifs, pour lui, ne furent jamais
que des spiritualistes ; les Grecs, au contraire, ont toujours deifie la
matiere : il prechait donc l'atheisme.
Wenn schon hierin mancher Widerspruch mit dem, was
Weill später in seinen Erinnerungen sagen wird, liegt, so läuft
die Erklärung : „ . . . Au fond, Heine a toujours ete deiste . . .
il est mort deiste," seinen diesbezüghchen Aussagen in den
Memoiren entgegen, wo es heisst, dass Heine als gläubiger
Jude gestorben sei.
„II n'avait qu'ä rester fidele ä lui-meme pour exercer une
veritable influence sur son siecle, influence qui, sauf ses
poesies lyriques, a ete nulle, comme tout ce qui est pose,
comme tout ce qui est masque!"
Heine eine Maske ! — er, dem man nie verziehen hat, dass
er die anderer zu oft und zu unsanft heruntergerissen! Von
dem Pamphlet gegen Börne sprechend, macht Weill Heine den
doppelten Vorwurf, Privatangelegenheiten hineingezogen und
auf den Tod gewartet zu haben — und dies mit Recht. Aber
ihn treffen die gleichen Vorwürfe ungleich schwerer, ihn, der auf
128 H- Heine im Lichte der franzosischen Kritik.
eine fünfzehnjährige Freundschaft — Boerne und Heine waren
nie Freunde — mit widerwärtigem Alkovengeklatsch antwortet.
Im Jahre 1886 gab Weill eine Sammlung seiner besten
Novellen heraus, unter dem Titel: „Mes Romans^^ Diese
wirklich erfreulichen Elsässer Geschichten waren schon früher
zerstreut, teils in französischer, teils in deutscher Sprache er-
schienen. Was uns an diesem Buche interessiert, ist eine
Einleitung von Heine, die auf dem Titelblatte in fetten Lettern
angezeigt wird. Für die französischen Leser war dieselbe
nämlich „de l'inedit". Weill erzählt uns in einer Vorrede die
Geschichte jener Einleitung, die Heine 1847 für eine deutsche
Ausgabe von vier Novellen seines Freundes bestimmt hatte.
Am Vorabende seiner Hochzeit (1847) sei Heine auf ihn zu-
getreten und habe gesagt: — „Weill, je vous ai fait une
preface pour vos „Histoires de village" et l'ai envoyee ä votre
editeur, ä Stuttgart. C'est mon cadeau de noces!" — Worauf
Weill: „C'est un cadeau royal que vous me faites, merci,
mon ami ! Je la lirai imprimee." — Der elsässische Novellist
hätte sich mit dem schmeichelhaften Inhalte der Heineschen
Einleitung begnügen dürfen, ohne sich im weiteren noch von
andern Weihrauch streuen zu lassen.
Die Revolution von 1848 brach herein, bevor der Band
veröffentlicht wurde, für den das „königliche Geschenk" be-
stimmt war. „Je ne pensai pas plus ä mes premieres histoires
qu'ä mes premieres chemises,'^ sagt Weill. Später trat der
Bruch zwischen diesem und Heine — nach fünfzehnjähriger
Freundschaft ein. Weill macht Madame Heine dafür verant-
wortlich und meint: „. . . eile aurait brouille le bon Dieu
avec ses saintsi" — (Die Einzelheiten sind in den „Souvenirs
intimes" erzählt.) Er versichert uns, dass er die Einleitung,
die er jetzt (1885) übersetzt, seit jenen Tagen nicht mehr
gelesen habe. Seinem Buche fügt er sie bei — „parce que
c'est un des meilleurs morceaux (inedits) du grand poete".
Französische Memoiren über H. Heine. 129
Edouard Grenier
(1819).
Der greise französische Lyriker, der seine ^^Souvenirs
litteraires'' in der „Revue bleue" (1892—1893) veröffentlichte,
spricht in der Nummer vom 27. August 1892 von Heine
und seinen Erlebnissen mit dem Dichter, den er als junger
Student, gerade von Deutschland kommend, im Jahre 1838
durch einen komischen Zwischenfall in einem Lesekabinett
kennen lernte. Den ersten Eindruck, den das Aeussere
Heines auf ihn gemacht, beschreibt er wie folgt (pag. 267):
C'etait Uli homme frisant la quarantaine, de taille moyenne,
assez replet, sans barbe, avec de longs cheveux blonds, le front haut,
des yeax dignotants a denii fermes, surtout quand il lisait; sans
vraie distinction; rien qui trahit le poete, ou l'artiste, ou memo
rhonime du monde ; un bon bourgeois du Nord, avec un leger accent
tudesque.
Grenier verfolgt mit seinen Aufzeichnungen einen ganz
bestimmten Zweck — er selbst sagt es wiederholt — : er will
jene Heinelegende zerstören, die erzählt, dass Heine das Fran-
zösische ebenso wie das Deutsche beherrschte. Wir haben
dieser Frage ein besonderes Kapitel gewidmet, in dem auch
die diesbezüglichen Bemerkungen Greniers erwähnt sind.
Damit begnügt er sich indessen nicht. Gehässige Streif-
lichter fallen auch auf Heines Charakter, auf Mathilden ; ja
er unternimmt es sogar, mit der Fabel von Heines Geist (esprit)
aufzuräumen. Wir sind uns daher gleich darüber klar, dass
er dem Dichter — aus irgend einem Grunde — übel will,
dass er sich für irgend eine kleine oder grössere Bosheit, von
der wir natürlich nichts erfahren, wir möchten fast sagen zu
rächen sucht. ^) Dabei ist ihm, wir geben dies zu, auch das
1) In letzter Stunde fällt uns der Band „Letzte Gedichte und Gedanken
von H. Heine" (aus dem Nachlasse des Dichters zum ersten Male veröflfentlicht,
Bctz, II(Mne in Frankreich. ^
IgQ H. Heine im Lichte der fraiizosisclien Kritik.
Wesen Heines gründlich unsympathisch. Seine Kritik lautet
daher um so härter und schonungsloser.
Ein flüchtiger Bhck auf das poetische Schaffen dieses
Schülers von Andre Chenier und Lamartine gibt uns den litte-
rarischen Schlüssel zu seinen schroffen Urteilen. Er ist der
Ueberlebende einer längst vergessenen Dichtergeneration. In
jeder Zeile offenbart sich uns der sentimentale Gefühlsmensch
von tiefster Rehgiosität. Mit welch inniger, zarter Empfin-
dungsweise erzählt er uns z. B. in denselben Memoiren von
seinen Erlebnissen mit einigen berühmten Frauen, denen er
nahe gestanden, wie naiv und zärtlich duftig berichtet er uns
Hamburg 1869) — in die Hände, in dem wir ein Gedicht „An Eduard G."
finden. Da Grenier lange Zeit im Orient in diplomatischen Diensten war, seine
Gedichte wiederholt von der Akademie gekrönt wurden, und da besonders die
Charakteristik des Dichters zutreflFend ist, stimmt ja alles, und es kann kein
Zweifel darüber bestehen, dass diese unschön rohen (einen Vers mussten wir
streichen), die innere Erbostheit Heines verratenden Schmähverse an den
Autor dieser Memoiren gerichtet waren. Das Gedicht, das wir hier wieder-
geben, ist nicht in den „Poesies in^dites" aufgenommen.
„Du hast nun Titel, Aemter, Würden, Orden,
Hast Wappenschild mit panaschiertem Helm,
Du bist vielleicht auch Excellenz gew^orden —
Für mich jedoch bist du ein armer Schelm.
Mir imponieret nicht der Seelenadel,
Den du dir anempfunden sehr geschickt,
Obgleich er glänzt wie eine Demantnadel,
Die des Philisters weisses Brusthemd schmückt.
O Gott! ich weiss, in deiner goldbetressten
Hofuniform, gar kümmerlich, steckt nur
Ein nackter Mensch, behaftet mit Gebresten,
Ein seufzend Ding, die arme Kreatur.
Ich weiss, bedürftig wie die andern alle,
. . . . deshalb mit dem Gemeinplatzschwalle
Von Hochgefühlen bleibe mir vom Hals!"
Französische Memoiren über H. Heine. 13I
von Goethes Bettina, die er in Berlin aufsuchte. Einen solchen
Charakter musste die Doppelnatur Heines unsympathisch be-
rühren. Wie gesagt, aus Greniers Dichten ist das scharfe
Vorgehen gegen die Manen Heines leicht erklärbar. Das
Uebelvvollen aber des einstigen Freundes deuten weder Ver-
schiedenheit der Charaktere noch geschwätziges Alter, und
daher glauben wir nicht zu irren, wenn wir annehmen, dass
Grenier eine ihm von Heine widerfahrene Kränkung ge-
flissentlich verschweigt.
Einer Karikatur gleicht das Bild, das Grenier von Ma-
thilden entwirft. Aus einem Briefe, den er im Jahre 1839
geschrieben, greift er folgende Stelle heraus: „Je viens de
me promener aux Champs-Elysees avec H. Heine. Le grand
homme a ete assommant et sa femme bete comme une oie."
Dass ein zwanzigjähriger Student in übler Laune auf einen
grillenhaften Einfall kommt und die Unterhaltung Heines
tötlich langweihg nennt, lässt sich ja verstehen. Er selbst führt
das Wort Lafontaines „cet äge est sans pitie" als Entschuldigung
an. Was soll man aber dazu sagen, w^enn ein Siebzigjähriger
diese Indiskretion an sich selbst vornimmt und eine über-
mütige Bemerkung — die nicht einmal witzig ist — seines
eigenen Briefes zum Besten gibt? — Wir selbst wollen kein
Urteil fällen — um dem Vorwurf Lafontaines zu entgehen.
Grenier erzählt weiter, wie Heine ihn in seiner Studenten-
bude aufgesucht habe ^ nicht etwa um seinetwillen (Greniers),
sondern lediglich, damit er ihm bald ein Gedicht, bald einen
Artikel der „Augsburger Zeitung" übersetze. Grenier schwärmte
damals für die Prinzessin Belgiojoso. Als Belohnung ver-
sprach ihm deswegen Heine, ihn der Italienerin, für welche
diese Uebersetzungen angeblich bestimmt waren, vorzustellen.
Der Verfasser fügt hinzu, er habe später erfahren, dass jene
Uebersetzungen nicht für die grossen und grausamen Augen
der schönen Frau bestimmt waren — die Grenier, nebenbei
gesagt, nie zu sehen bekam! — , sondern für die Guizots, der
132 H. Heine im Lichte der französischen Kritik.
Heine dafür 6000 Fr. auszahlte. Die Insinuation ist nicht
nur gehässig, sondern wahrscheinUch auch ungerechtfertigt.
Einmal ist es gar nicht unmöglich, dass Heine die Ueber-
setzungen zunächst für die Prinzessin bestimmte, in die er
stark verliebt war und die kein Wort Deutsch verstand. Dann
aber dienten sie ihm einfach für seine französischen Publi-
kationen. Grenier selbst gibt auf der nächsten Seite an, sie
seien für sein Buch „Lutece" verwendet worden.
Der Autor transponiert dann den bekannten Vorwurf:
Talent, aber kein Charakter: „II ne nie paraissait pas assez
serieux sur ce chapitre (der rehgiösen Fragen) et je me per-
mettais de le lui reprocher. De plus, ä tort ou ä raison, son
caractere, son röle politique, ses opinions flottantes, ne m'in-
spiraient pas le respect que je ressentais pour son talent."
Den Dichter der deutschen Lieder wusste er als Kenner der
deutschen Sprache sehr wohl zu schätzen, ebenso wenig war
ihm der Glanz seines Namens unbekannt. Der Zwanzigjäh-
rige, der mit Heinrich Heine verkehren durfte, konnte sich als
hinlänglich für seine kleinen Dienste belohnt betrachten, — die
heute der Siebzigjährige vermeint umsonst geleistet zu haben.
Auch an Ungenauigkeiten fehlt es nicht in den Memoiren. ^)
So soll Heine damals — 1839 — noch kein berühmter Mann
gewesen sein ; in Frankreich habe ihn nur eine kleine Schar ge-
kannt, da u. a. sein Buch „De l'Allemagne" noch nicht be-
endet gewesen. Dies war aber schon 1834 bei Renduel erschienen.
Zuweilen perorierte der junge Grenier eifrig mit Heine
über die politische und sociale Gährung in Deutschland, wo
bloss der zündende Funke fehle:
1) Legras fertigt mit Recht den französischen Dichter mit den Worten ab :
„Der französische Schriftsteller, der von den Ergebnissen der Heineforschung
nicht die geringste Kenntnis besitzt, hat von dem Leben Heines sehr wenig
gesehen, sich aber eingebildet, bei seinem berühmten Freund eine beträchtliche
Rolle gespielt zu haben." etc ... (Heinrich Heine in Paris, „Deutsche Rund-
schau", Heft 10, 1894, pag. 87.)
Französische Memoiren über H. Heine. 133
„Oh! si j'etais vous! lui disais-je. Vous avez le levier en main
et vous ne savez pas soulever ce monde !" Heine m'ecoutait. Ce
langage le flattait et l'irritait ä la fois; car il eüt, certes, aime jouer
ce role. Mais il sentait, comme moi, qu'il n'avait ni le caractere, ni
la force d'esprit necessaires. Les sceptiques et les railleurs ne sont
pas des chefs de peuples, ni des initiateurs; ils ne sont pas meme
des revolutionnaires. La foi seule transporte les montagnes. (Pag. 270.)
Grenier erzählt dann, ausser von einigen zum Teil neuen
Anekdoten, auch von dem Duell Heines, bei dem ein Freund
des Verfassers sekundierte : „Comme il avait plu et qu'il y
avait de la boue sur le terrahi, H. Heine dit plaisamment:
„Le chemin de l'honneur est bien sale." — On echangea deux
balles, et Ton en resta la. Pourquoi n'en a-t-il pas ete de
meme avec Pouschkine, helas!"^)
In einem spätem Abschnitte werden wir darauf zu sprechen
kommen, wie schwierig Grenier das Uebersetzen gemacht wurde.
Wir erwähnen hier nur, wie dieser die Starrköpfigkeit Heines,
der gewisse Germanismen seiner eigenen Uebersetzung nicht
^) Diese Reflexion verführt uns zu einer kleinen Abschweifung. Die
„Revue bleue" veröffentlichte am 21. Oktober 1893 zeitgemäss — es wurden
gerade die Russen in Paris gefeiert — Fragmente aus den Memoiren der
Madame Srairnoff (nee de Rosset, 1810 — 1882), die ungefähr zur selben Zeit
in der Petersburger Revue „Messager du Nord" herausgegeben wurden. Wir
citieren hier eine Stelle aus dem dialogisch gehaltenen Abschnitte „Les opi-
nions de Pouschkine sur la litterature fran^aise" (!), wo der russische Dichtei
von Heine spricht :
Pouschkine: A propos, Joukowski, je suis enchante de Heine, de sa prose
et de ses vers egalement. Sa prose allemande se lit si facilement, c'est un Grec.
Poletika : Moderne ?
Pouschkine : Ce n'est pas un Palikare ou un Heteriste, c'est un Athenien.
II ade la „Wehmuth" allemande, et ceci a manque aux Grecs et k Chetiier;
mais, comme forme, Heine est un Helline. II est juif, et il a des sentiments
de chretien souvent.
Wiasemsky : On dit qu'il ne croit k rien.
Pouschkine : II ne croit pas k Luther, ni au pape ; mais il croit k
Jehovah, et il adore Jupiter, Venus, ApoUon et le grand Pan.
Joukowsky : Heine n'est pas un chretien, mais il a compris la beaute
morale du christiauisme.
134 H. Heine im Lichte der französischen Kritik.
aufgeben wollte — „incongruites et audaces germaniqiies" —
auslegte : ,,. • • ü avait peut-etre raison. II montrait ainsi ou
laissait deviner son origine etrangere ; c'etait une coquetterie
de plus et la meilleure maniere d'accrediter la legende qu'il
etait son propre traducteur !''
Im Jahre 1847 wurde Grenier mit einer Mission in Deutsch-
land betraut. Heine gab ihm zahlreiche Empfehlungen nach
Hamburg, Berlin, Leipzig und Wien mit — immerhin eine
kleine Entschädigung für Greniers Uebersetzerdienste. — Erst
anfangs der fünfziger Jahre kehrte er bleibend nach Paris
zurück. Heine war schon ans Krankenlager gebannt:
Je le retrouvai aussi mordant, aussi sarcastique, aussi vivant
par l'esprit qu'auparavant. La souifrance ne l'avait pas abattu et
encorc moins attendri sur lui-meme ou sur les autres. II supporta
jusqu'ä la fin son martyre avec une vaillance admirable, sans pose,
Sans phrase et sans faiblesse, et cet Iiomme, qui avait si peu de
caractere dans la vie, sut en avoir devant la mort. (Pag. 271.)
Der verbitterte Dichter sollte sich schliesslich auch den
einstigen „teinturier^^ entfremden. Saumseligkeit Greniers bei
der Uebertragung des „Livre des chants" und der „Nouvelles
poesies" zogen ihm von dem Kranken, wie es scheint, einige
verletzende Worte zu. Wir zweifeln nicht daran, dass die-
selben ebenso verletzend wie scharf treffend gewesen sind.
Wir fragen auch nicht, ob dem grossen kranken Dichter von
selten Greniers Nachsicht gebührte. — Dieser sah den
sterbenden Poeten nicht mehr. Suchen wir in den Schluss-
worten Greniers nach keinem warmen Worte. So gross der
Unterschied der dichterischen Bedeutung, so tief ist auch der
Abgrund, der die beiden Poeten psychisch trennt.
Teiles furent nies relations avec ce poete de premier ordre,
etrange figure composee de tant de traits divers et opposes. Tous
les contrastes, en eifet, se trouvaient reunis dans Fhomme, comme
dans le poete : hero'ique contre la douleur physique, faible et irritable
comme un enfant devant la moindre critique litteraire, ironique et
Französische Memoiren über H. Heine. 135
moqueur envers ses enneniis, ses amis et lui-meme, amoureux de la
reine de Saba et passionnement epris d'une grisette parisienne; —
ne croyant ä rien et partant en guerre contre les institutions et les
idoles, n'epargnant personne et voulant etre epargne; vindicatif et
amer avec des retours de bonhomie ; riant du mal fait par lui conime
s'il etait mechant; sacrifiant tout ä un bon mot; s'elevant ä la plus
haute poesie et descendant aux plaisanteries les plus vulgaires ; esprit
d' Ariel dans un corps de PhiHstin; enfin, comme il disait de lui-meme,
„choucroute arrosee d'ambroisie".
Wie sehr Heine dem Dichter des „La mort de Lincoln"
unsympathisch sein musste, belehren uns zwei weitere Stellen
aus denselben Memoiren (13. Mai): „Le paradoxe ne m'a
jamais plu, — surtout ecrit ; — c'est un procede d'esprit trop
facile. Passe encore dans la conversation, oü il reveille les
idees, en appelant la contradiction. II fait alors l'office du
brochet dans les etangs. Encore ne faut-il pas en abuser;
laissons-le aux gens d'esprit secondaire qui n'ont que ce
moyen de briller, ou aux virtuoses de la causerie en humeur
de tirer leur feu d'artifice ..." Und auf den Witz Heines
anspielend: „Les grandes flammes souvent ne donnent pas
d'etincelles ; Tesprit de societe n'est que la petite monnaie
de l'intelligence, et les millionnaires peuvent se passer de
billon,"!)
*) Wir bemerken noch, dass der Abschnitt der Memoiren Greniers, in
dem von Heine die Rede ist, im „Magazin für Litteratur" (26. November 1892)
übersetzt wurde.
136 H. Heine im Lichte der französischen Kritik.
Viertes Kapitel
Gelegentliche Urteile und Aeusserungen
über Heine
George Sand
(1804—1876).
In den sieben Bänden ihrer Korrespondenz befindet sich
kein einziger Brief von Heine, mit dem sie doch in brief-
Hchem Verkehr stand, und zwar ungefähr seit 1836. Dagegen
fand sich in Laubes Nachlass ^) folgendes an Heine adressiertes
Billet:
G. S.
eher Cousin, vous m'avez proniis la tratluction de quelques
lignes de vous sur Potzdam ou sur Sanssouci. Voici le monient ou
j'en ai besoin. Permettez-moi de les citer textuellement en vous
nommant; c'est par cette citation que je veux comniencer hi seconde
Serie des aventures de Consuelo, laquelle vient d'arriver ä la cour
de Frederic. Depechez-vous donc et venez ine voir, car je pars dans
quelques jours.
Votre Cousine
Monsieur Henry Heine, G. S.
Rue du Faubourg- Poissonniere, 46.
Der Herausgeber liefert hierzu den scharfsinnigen Kom-
mentar „ä la Homais", es müsse dieser G. S. unterzeichnete
Brief, weil darin „Consuelo" erwähnt ist, zweifellos von George
^) Vergl. Briefe von Henri Heine an H. Laube, herausgegeben von Eugen
Wolff, Breslau 1893, pag. 60.
Gelegentliche Urteile und Aeusserungen über Heine. 137
Sand herrühren. Von der Anrede „Gher cousin" sagt Herr
Wolff, sie sei als technischer Ausdruck der Boheme zu nehmen.
Erstens ist uns dieser Boheme-Titel nicht bekannt, und zweitens
gehörte Madame Dudevant nie der eigentlichen Boheme an.
Die Anrede hat vielmehr Heine selbst eingeführt. Diese An-
nahme bestätigt folgende Dedikation des Dichters, die wir
im „Livre moderne" — Une poignee d'orthographes — (1890,
Nro. 4) finden. Dieser übersendet nämlich der Schriftstellerin
seine „Reisebilder" mit der Widmung: „A ma jolie et grande
Cousine G. S., comme temoignage d'admiration. Henri Heine."
Leider sind die Briefe, die George Sand an Grenier ge-
schrieben und in denen sicherhch oft von Heine die Rede
war, durch Brand während der Gommune vernichtet worden.
An Liszt schreibt sie am 18. August 1836 u. a. : „On dit que
notre cousin Heine s'est petrifie en contemplation aux pieds
de la princesse Belgiojoso." Und an denselben von La Ghätre
aus, am 5. Mai 1836: „. . . j'ai ete ä Paris passer un mois, j'y
ai vu tous nos amis . . . Henri Heine, qui tombe dans la
monomanie du calembour ..." — Aber ungleich respekts-
widriger und geradezu irreführend lautet eine Stelle aus
einem Briefe Heines an Laube (12. Oktober 1850): „George
Sand, das Luder, hat sich seit meiner Krankheit nicht um
mich bekümmert ; die Emancipierte der Weiber oder vielmehr
diese Emancimatrice hat meinen armen Freund Ghopin in
einem abscheuhchen, aber göttlich geschriebenen Roman aufs
empörendste maltraitiert." ^) Wir haben hier, beiläufig gesagt,
ein hübsches Beispiel der modernen geschmacklosen und in-
diskreten Briefplünderungsmanier. Was ein Schwerkranker in
einer bittern Stunde in vertraut burschikoser Weise einem
Freunde privatim mitteilt, wird schonungslos an die Oeffent-
^) Gegen das offene Geheimnis, dass in dem Prince Karol der „Lucrezia
Florian!" Chopin porträtiert ist, protestiert die Dichterin. (Histoire de ma
vie, IV, 467.)
138 H. Heine im Lichte der französischen Kritik.
lichkeit gezerrt. Was der erste Beste als Gemeinheit zu be-
trachten das Recht hat, gilt für grosse Tote — unter dem
Deckmantel der Wissenschaft — als etwas ganz Selbstver-
ständliches.
J.-P. de Beranger
(1780—1857).
Es unterliegt keinem Zweifel, dass Beranger geringer von
Heine dachte, als dieser von ihm. Moritz Hartmann, ^) den
Venedey im Jahre 1846 bei dem Volksdichter einführte, er-
zählt, dass dieser mit ihm über Uhland, Preiligrath, Hoffmann
V. Pallersleben u. a. gesprochen habe. An Heine hätte er
vieles getadelt. Der Dichter, der hinter dem heitersten Couplet
einen ernsten Gedanken verbarg, meint Hartmann, konnte
den Dichter nicht aufrichtig lieben, der hinter dem ernst-
haftesten Wort eine Grimasse versteckte. Das khngt geist-
reich, ist aber litterarisch falsch. Hartmann dürfte sich ver-
gebens bemühen, hinter jedem Couplet des Autors von „Jacques
Bonhome" einen ernsten Gedanken zu entdecken — immerhin
öfter als eine Grimasse im „Buche der Lieder". Sicher ist
allerdings, dass sich Beranger ungleich mehr zu Uhland hin-
gezogen fühlte.
Der biographischen Skizze über Heine in der „Nouvelle
Biographie generale". Firmin Didot, 1861, von Germain Malurer,
fügt der Herausgeber dieses Lexikons, der geborene deutsche
Lexikograph Dr. Hoefer, folgendes aus seinen persönlichen
Erinnerungen bei:
Bien longtemps avant cette cruelle maladie qui, commencee
par une paralysie de la paupiere de l'oeil gauche, avait fini par de-
terminer une paralysie avec contracture et atrophie des jambes,
') Vergl. Nachtrag in Professor Breitingers Broschüre, und Berangers
Werke, deutsch durch Ludwig Seeger, 1859, II, 406.
Gelegentliche Urteile und Aeusserungen über Heine. 139
j'avais souvent entendu H. Heine se plaindre du triste sort des
liomnies de lettres, „reduits ä tourmenter perpetuellement leur ima-
gination pour en tirer de quoi aniuser le public". Quelques niois
avant sa mort, il rcQut la visite de Beranger : ce fut sur mes vives
instances que Fillustre chanspnnier s'y etait decide. „Les gens de
lettres, me disait-il cliemin faisant, ont tant de vanite." — „Mais il
s'agit, lui repondis-je, de consoler celui qui souifre." — Malheureuse-
ment ce que Beranger craignait ne se realisa que trop : le lendemain,
des journalistes amis de Heine parlerent de cette visite comme d'un
liommage rendu par le grand poete frangais au premier poete d'Alle-
magne. (Note du directeur.)
Eine andere Anekdote berichtet Audebrand in seiner Rede
bei der Einweihung der Statue Berangers („Livre", 1885, pag.
431):
Un jour, dans un cafe de gens de lettres, un faiseur de cantates,
paye par la cassette de Napoleon III, se mit ä dire tout haut: „Ce
n'est pas un poete." Le lendemain, le propos etait rapporte ä Henri
Heine qui, en ce moment, s'eteignait sur son lit de douleur. Si ac-
cable de soufFrance qu'il put etre, l'auteur des „Reisebilder" se dressa
sur son seant, et, apres une alerte epigramme ä l'adresse du blas-
phemateur, que je n'ai pas besoin de reproduire ici, il s'ecria: „Pas
un poete, Beranger! Eh mon petit monsieur, c'est la lyre la plus
sonore des temps modernes !" ^)
^^Uesprit des Allemands.'-^
Morel et Ed. Gcerimont.
Paris, Collection Hetzel, 1860.
In der Einleitung wird in seltsamer Weise über den Ein-
fluss des deutschen Geistes gesprochen und das berühmte Wort
des Pere Bouhours widerlegt. Die Verfasser wollen in diesem
Buche eine Gedankenlese im deutschen Dichterhaine halten.
0 Als eine Lücke ist es zu bezeichnen, wenn Heine in dem Buche
„Beranger, ses amis, ses ennemis", 1864, von A. Arnould nicht erwähnt ist.
140 H. Heine im Lichte der französischen Kritik.
„En tout cas, les pensees qui vont suivre sont ordinairement
assez belies pour que des Prangais ne refusent pas de les me-
diter: la beaute, le genie, la sublimite morale, en s'adressant
aux facultes superieures de rhomme, le desabusent des petits
prejuges, le sauvent des niaises antipathies, des miseres d'une
rivalite sterile. La France et TAllemagne ne tarderaient guere
ä s'aimer pleinement s'il surgissait quelques hommes doues d'un
talent pour ainsi dire international et, comnie plusieurs dont
nous avons recueilli des pensees, capables d'interpreter avec
une egale perfection l'esprit frangais ä TAllemagne, l'esprit
allemand ä la France."
Wir geben diese Stelle lediglich als Kuriosität wieder.
Solche Worte sind selten — und werden immer seltener —
von beiden Seiten mögen sie heute als Utopien eines in den
Wolken wohnenden Idealisten — oder eines Socialisten be-
lächelt werden. — Heines Name kehrt in dieser Anthologie
in erhabenster Gesellschaft wieder, und würde man die hier
von ihm citierten Moralsprüche und Sentenzen zusammen-
stellen und unsern Dichter darnach beurteilen, so bekäme man
von dem Autor des „Atta Troll" eine ziemlich verkehrte Idee.
Wir lassen hier ein Citatenbeispiel aus dem Abschnitte
„Morale'' (pag. 224) folgen:
Je voudrais que nous eussions un autre mot pour designer ce
que nous appelons maintenant niorale; autrement, induits en erreur
par Fetymologie, nous pourrions facilement etre portes ä regarder la
morale comme un produit des mceurs. Mais la veritable morale est
independante des moeurs d'un peuple, aussi bien que du dogme et de
la legislation. Les moeurs sont le produit du climat et de l'histoire,
et ce sont plutöt ces derniers qui agissent sur l'etabhssement du
dogme et de la loi. C'est pourquoi il y a des moeurs indiennes, chi-
noises, chretiennes; mais il n'y a qu'une seule morale, la morale
humaine. (H. Heine.)
Gelegentliche Urteile und Aousserungon über Heine. 141
Louis Yeuillot
(1813—1883).
„Les Odeiirs de Paris.''^
Paris 1866.
In dem siebenten- Kapitel dieses Monstrepamphletes, das
den Titel „Le vrai poete parisien" trägt, spricht der gefürch-
tete katholische Journalist von unserem Dichter. Es heisst
dort gleich zu Beginn, dass weder Hugo noch Musset eigent-
liche nationale Dichter seien ; seit Voltaire gäbe es überhaupt
bloss einen echten Pariser Dichter und dieser sei nicht einmal
Beranger, der ausschliessHch „faubourien" bleibe, sondern
Heinrich Heine — „Allemand de naissance, Frangais de choix,
juif d'origine, qui se fit baptiser protestant, personne n'a su
pourquoi, redevint juif d'instinct, se crut ou se pretendit deiste
et au fond vecut, ecrivit, mourut blasphemateur et athee sans
parvenir jamais ä en donner aucune raison".
Den Dichter in Heine aber hielt Yeuillot hoch und erklärt
dies mit einer Entschiedenheit, die wir weder bei seinen Urteilen
über Musset noch Hugo finden. „B est par excellence le poete
parisien, et, ce qui peut etonner, poete lyrique et grand poete."
— Uns will überhaupt dünken — sagen wir es gleich heraus,
mag sich Veuillot auch im Grabe umdrehen — , dass der Autor
der „Odeurs de Paris" im Geheimen mit Heine sympathisiert,
ja dass sich der Pamphletist an Heines Talent, jenem, das wir
bei dem Dichter des „Buches der Lieder" zu bedauern pflegen,
inspirierte. Seine verletzenden, scharfen Invektiven erinnern
an den unbarmherzigen und oft geschmacklosen Sarkasmus,
dessen Heine fähig war, wenn er sich vergass. Nur so — aus
dieser innern Geistesverwandtschaft — können wir uns die
relative Moderation dieses Artikels erklären, gemässigt, wenn
wir damit vergleichen, was Veuillot an Kot und Unflat auf
die ersten und vornehmsten Geister seiner Zeit geworfen, die
seiner Sache lange nicht so geschadet, wie gerade Heine.
Als Erbfeind seiner Sache vergleicht Veuillot in einer
142 H- Heine im Lichte der französischen Kritik.
leidenschaftlichen Tirade Heine mit Voltaire (pag. 232) und
nützt eine grauenerregende Schilderung seiner Agonie gebüh-
rend aus (pag. 239).
Auf acht Seiten endhch polemisiert Veuillot gegen Gautier,
dessen Heineskizze (die „Reisebilder" einleitend) er zerzaust,
so dass der Name Heine fast bloss ein Vorwand zu sein
scheint, sich mit dem Freunde des Dichters zu raufen. KöstHch
ist es, wenn es Veuillot unternimmt, den „po^te impeccable"
zu persiflieren. Er, der seine grammatischen Studien an Paul
de Kock gemacht, weder College noch Lycee besucht, der
später nur so laut schrie, damit seine Unwissenheit nicht zum
Vorschein kam, spottet über den Stil des Autors „der M""^ de
Maupin" mit pedantischer Wortkritik. Dabei fällt uns zweierlei
ein: einmal ein Artikel Edmond Scherers, in dem ein be-
denkliches Bild von Veuillots Französisch entworfen ist, und
dann — eine Fabel von Lafontaine!
Edouard Schure
(1841).
y,Histoire du Lied/
ou La chanson populaire en Allemagne, avec wie centaine de traductions
en vers et sept melodies.
Paris, 1868.
Der gelehrte Elsässer beschäftigt sich in diesem trefflichen
Buche ausführlich mit Heine, zu dem er hübsch, wie folgt,
hinüberleitet :
La poesie romantique allemande etait dans ses plus beaux jours
en 1825. Une foule d'adorateurs se pressaient autour d'elle, maint
Chevalier faisait flotter ses couleurs dans l'arene de la litterature et
de la critique, les rois lui souriaient parce qu'elle les encensait, les
diplomates la protegeaient parce qu'elle faisait oublier au peuple ses
pensees de liberte. C'est alors qu'entra en lice un poete etincelant
Gelegentliche Urteile und Aeusserungen über Heine. 143
d'esprit et d'imagination, qui s'annonga comme son plus fougueux
Chevalier. Par malheur, il s'aperQut un beau jour qu'il rompait les
lances pour une vieille douairiere dessechee, au lieu de conquerir
les Charmes d'une jeune beaute florissante. Rouge de colere, il lui
jeta son gant ä la face et distribua ä tous ses Champions de si
bonnes estocades que la plupart ne s'en releyerent plus et que la
bonne dame en mourut de depit. Cet enfant terrible, c'est Henri
Heine.
Die bilderreiche Skizze, die der Verfasser dann von Heines
Leben und Dichten entwirft, ist so geistreich und poesievoll,
dass wir gerne einige phantastische Zuthaten in den Kauf
nehmen (pag. 440 — 448). Ausführlich und mit psychologischer
Schärfe bespricht er Heines innern Zwiespalt. Unter den Lyri-
kern will Schure Heine gleich nach Goethe genannt wissen.
Edgar Bourloton,
Ex-engage volontaire de 1870 aux Zouaves de la Garde.
j^L'Allemagne contemporame.^^
Paris 1872.
Der Autor, der sich marktschreierisch seiner erfüllten
Bürgerpflicht rühmt, schreibt im bunten Durcheinander über
Kunst, Litteratur, Sitten und Politik. Ueber den Geist des
Buches gibt der Titel schon genügend Auskunft. Was er uns
von Heine zu sagen weiss (pag. 89 ff.), ist das Gehässigste,
was eine französische Feder über diesen Dichter geschrieben.
Grand-Carteret.
„La Frmice jugee par VAllemagne.^^ ^)
Paris 1886.
In diesem originellen, wenn auch keineswegs wissen-
schaftlichen, so doch lehrreichen Sammelwerke spielt natürlich
1) Das angekündigte Gegenstück : „L'Allemagne jugee par la France'
ist bis jetzt — wohl aus guten Gründen — noch nicht erschienen.
144 H- Heine im Lichte der französischen Kritik.
Heine eine grosse Rolle. Der Kompilator bedient sich seiner
in der geschicktesten Weise — pro domo. So begegnet er
der leider typischen deutschen Redeweise von der Verwor-
fenheit und Sittenverderbnis des modernen Babel oder Sodom
und ähnlichen historischen Metaphern mit dem witzigen Aus-
spruche Heines: „II est difficile de ne pas etre moral ä Stutt-
gart; ä Paris, c'est deja plus facile. C'est une chose parti-
culiere que le vice. Chacun peut exercer tout seul la vertu,
et n'a besoin pour cela de l'aide de personne; mais, pour le
vice, il laut etre deux." Solche und ähnliche Citationen aus
Heines Werken, von denen einige, in Frankreich mehr noch
als in Deutschland, zum geflügelten Worte geworden sind,
finden sich in diesem Buche zu Dutzenden.
„De l'Allemagne" widmet Grand-Carteret ein ganzes Ka-
pitel (pag. 253 ff".), nachdem er mit hoher Anerkennung und
grossem Wohlwollen von Börne gesprochen, der ihm der
sympathischere von beiden zu sein scheint. Auf die Vorrede
zu „Lutece" anspielend, in der Heine mit galanter Ironie seine
Nationalität als Milderungsgrund für seine scharfen Urteile
anführt, bemerkt Carteret : „Et quel singulier effet produisent
ces douceurs, ces chatteries, a cöte des rudesses sinceres et
parfois naives de Boerne dont l'honnetete ne peut admettre
qu'on caresse en France cette aristocratie qu'on a repoussee
en Allmagne." Und in einer Anmerkung lesen wir noch:
„A quoi sert l'esprit, cependanti Tandis que Boerne, cet
honnete homme qui revait une republique franco-germanique,
serait, sans A. Weill, completement oublie de notre generation,
chaque joiir on ecrit quelque nouveau volume sar Heine ..."
Carteret kennt, scheint es, bloss den witzigen Journalisten
und Politiker Heine ; sonst dürfte er nicht darob staunen, dass
der Dichter im Gedächtnis der Franzosen weiter lebt, während
Börne vergessen ist.
I
Golegentlicho urteile und Aeusserungen über Heine. l45
Edouard DrumontO
(1844).
„La France juive. Essai d'histoire contemporaine.^^
1886.
Drumont verschont in diesem Buche, dessen kultur-
historische Bedeutung nicht abzuleugnen ist, nicht bloss den
Juden Heine , sondern benützt auch dessen scharfen Witz,
der ihm antisemitische Waffen liefert (so z. B. im Motto und
in der Einleitung). Ja er, der jeden jüdischen Landsmann,
mag er Albert Wolff oder Ludovic Halevy heissen, mit Kot
beworfen, bringt es über sich, Heine als Poeten hochzuhalten
und ihm wiederholt etwas Angenehmes zu sagen. ^) So, um
nur ein Beispiel anzuführen, bei Gelegenheit des jüdischen
„Secho dodi": „Lire ä ce sujet le petit poeme exquis, ä la
fois attendri et railleur, que H. Heine a ecrit ..." und es
folgt die französische Uebersetzung der Ballade „Prinzessin
Sabbat" (Hebräische Melodieen).
Wir können dies Buch den Gegnern des Heinedenkmals
nur empfehlen. Wenn sie es gelesen, werden sie zweifelsohne
selbst die Initiative zur Errichtung eines Monumentes ergreifen,
wenn auch nicht für Heine, den grossen Dichter Deutschlands,
so doch für Heine — den ersten Antisemiten!
^) Es bedarf einer Entschuldigung, bevor wir von diesem Buche reden,
das der ekelhaftesten Skandalsucht entsprungen, aber gerade deswegen, weil
es den niedrigsten Gelüsten mundgerecht geschrieben, einen Erfolg in Frank-
reich errungen, wie selten ein Pamphlet grossen Stils. Drumont ist ein grobes,
plumpes und, was das Schlimmste, ein käufliches Talent — ein Giboyer vom
Scheitel bis zur Sohle, eine Art Jacquot (de Mirecourt), eine gemeine Auflage
von Louis Veuillot — aber er ist eben ein Talent, ein Pamphletist, der über
alle Mittel dieses Berufes : leidenschaftliche Sprache, frechen Mut, zähe Arbeits-
kraft und zündende Schlagfertigkeit, verfügt. Was aber bei Louis Veuillot,
ganz abgesehen von der besseren Sache, für die er streitet, mildernd stimmt
— die ehrliche Ueberzeugung — , so kommt diese bei Drumont nicht in Be-
tracht, der seine Feder vor seinem Judenfeldzuge — semitischen Organen anbot.
2) Nur einmal wendet er sich gegen ihn als einen politischen Spion.
(Pag. 236.)
Hotz, Heine in Frankreich. 10
146 fr. HoiiK^ im Lichte dov französischen Kritik.
F. Ä. Iiiohtenberger *)
(1832).
jjHistoire des idees religieiises en Allemagne.^
Paris, 1888.
Nachdem uns der Autor auseinandergesetzt, warum er sich
in einem solchen Werke so eingehend mit der lyrischen Poesie
in Deutschland beschäftige (er widmet derselben fünfzig Seiten),
kommt er u. a. auch auf Heine zu sprechen, dessen „Inter-
mezzo" er, wie schon andere vor ihm, „cantique des cantiques
de l'amour profane" nennt. (Pag. 381.) In seinen kritischen
Betrachtungen werden wir natürlich oft an die Tendenz des
Buches und den Beruf des „doyen de la faculte de theologie
de Paris" erinnert. „Chez Heine, la facilite a degenere en
frivohte, la plaisanterie a detruit le respect. Son rire a quelque
chose d'amer, de cynique, de mechant. Ce n'est pas la rail-
lerie etincelante de Voltaire, s'attaquant aux prejuges et aux
superstitions de son temps, c'est la moquerie haineuse et lugubre
qui s'attache ä tous les sujets, ne respecte rien, ni personne,
ni lui-meme; c'est l'impertinence du genie qui se croit tout
permis, qui prouve sa liberte en violant toutes les lois, qui
ne considere ce monde que comme un jouet de sa fantaisie,
et qui, sur le lit de douleur oü la maladie a fini par le clouer,
secoue encore ses grelots pour insulter et souiller ce que les
autres v^nerent."
1) Dies Werk, das unseres Wissens von der deutschen Fachkritik stark
mitgenommen wurde, ist von Süpfle nicht erwähnt. — Der Autor ist nicht zu
verwechseln mit E. Lichtenberger, Verfasser der trefflichen Arbeit „Etudes
sur les po^sies lyriques de Goethe", Paris 1882 — und H. Lichtenberger.
i
Gelegentliche Urteile und Aeusserungen über Heine. 147
Iiävy- Brühl
,^UAllemagne depiiis Leibnitz.
Essai S7(r le develoj^pement de Ja conscience nationale
en AUemagne 1700—1848.''
Paris, 1890.
In einer Geschichte der Gedankenevolution im Deutsch-
land des XVIII. und XIX. Jahrhunderts durfte der Name
des Autors der „Reisebilder" nicht fehlen. Levy-Bruhl hat
auch mit klarem BHck die Rolle des letzten Romantikers
erkannt und dieselbe in seinem Buche interessant dargestellt.
Es handelt sich hier sachgemäss um Heine, den Journalisten,
den socialpolitischen Kämpfer, und um dessen Verhältnis zu
Deutschland und Frankreich. Der Autor betont, dass Heine,
so sehr er auch Preussen hasste, nie aufhörte, Deutschland
zu lieben. Das Priedenswerk, Prankreich Deutschland näher
zu bringen, sei dem Dichter, zum Teil aus eigener Schuld,
nicht gelungen. „. . . En France, on ne preta pas grande atten-
tion ä ses avertissements ; en AUemagne, il fut honni. Et
cependant ses efforts, quoique maladroits, etaient sinceres;
ses vues souvent prophetiques." (Pag. 432.)
Das politische „credo" Heines fasst Levy-Bruhl in folgende
Worte zusammen: „Patriotisme sincere uni aux tendances
cosmopolites du siecle precedent, haine de la Sainte-AUiance,
amour de „l'humanite libre", tendances socialistes un peu
vagues, mais dejä menagantes . . . Democrate par le coeur,
aristocrate par l'esprit, il voit menacee toute notre civilisation
moderne, ce fruit d'un labeur de trois siecles."
148 If- Hoino im Lichte der französischen Kritik.
Edm. Birä
(1829).
„ Victor Hugo apres 1830.^
Paris, 1891.
In diesem Werke, in dem mit staunenswertem Pleisse
alles gesammelt ist, um Victor Hugo als Menschen und Cha-
rakter zu zermalmen und somit auch den Dichter vom höchsten
Poetenthrone herabzuzerren, muss Heines scharfe Feder weid-
lich am Zerstörungswerke mithelfen. Alles, was unser Dichter
in „Lutece", „De la France" — seine Kritik der „Bourgraves"
in „Lutece" (pag.303) ist in extenso wiedergegeben, die markig-
sten Stellen sind gesperrt gedruckt — gegen Hugo geschrieben,
ist am geeigneten Orte verwertet. Der Name Heines tritt uns
fast ebenso oft entgegen, wie der — Louis Veuillots. — Bire
sucht überall Hülfe — „il prend son bien oü il le trouve! —
Änatole Leroy-Beaulieu
(1842).
„Les Juifs et V antisemitisme.'''' — „Le Oenie juif et
Vesprit jiäf.^^
„Revue des deux Mondes" (tome 114).
Der bekannte, bedeutende Nationalökonom untersucht
in diesem Abschnitte seiner Arbeit über die Juden und ihre
Widersacher sachlich und klar, unparteilich, aber mit Festig-
keit, die Frage: Hat der Jude eine nationale, speciell semi-
tische Geistesrichtung; besitzt er Eigenschaften des Ver-
standes, die ihm durchgehend eigen sind? Und wenn dies
der Fall, welches sind die charakteristischen Züge desselben
und ihre Hauptträger?
i
Gelegentliche Urteile und Aeusserungen über Heine. 149
Zuerst beschäftigt den Autor die Frage : Ist der Jude ein
schöpferisches Element in der menschlichen Geistesgeschichte?
„Le semite serait une race feminine possedant ä un haut degre
le don de receptivite; il lui manquerait toujours l'energie virile,
la puissance generatrice!" — Leroy-Beaulieu bezweifelt dies,
indem er richtig folgert: „Si le juif ne fait qu'imiter, copier,
emprunter, comment une pareille race pourrait-elle denationa-
liser nos fortes races aryennes!"
Nachdem er dann die „vis poetica" des alten Testamen-
tes, die ewige, originelle lyrische Kraft der Psalmen etc. nach-
gewiesen, kommt er nach Spinoza folgendermassen auf Heine
zu sprechen:
Est-il faux que, ä la lyre germanique, ce sceptique heritier du
psalmiste ait ajoute une corde d'une finesse etrange ? Ou notre
oreille n'en pergoit-elle plus les vibrations subtiles et les dissonances
delicates? Si demode (!) que soit le poete juif en Allem agne, repete-
rons-nous que ses „Lieder" ne sont qu'une insipide versification de
copiste sans spontaneite, sans imagination, sans liumour, sans imprevu,
Sans genialite en un mot ? II me semble, quant ä moi, que dans toute
cette riebe poesie allemande, il n'y a pas de fantaisie plus libre.
Arretons-nous un instant sur Heine. S'il reste aux Juifs un genie
national, c'est cliez l'auteur des „Reisebilder" que nous avons le plus
de Chance de le decouvrir. II a eu beau se faire baptiser, il garde la
marque d'origine. Yous ne le comprendrez point si vous oubhez qu'il
est ne juif. U y a chez lui, jusqu'en ses chants d'amour et ses plus
naives melodies, une note etrangere ä l'Allemagne du temps, quelque
chose de douloureux et de mauvais, une saveur äcre, une pointe de
mahgnite qui tient a ses origines, a son education, ä la Situation des
Juifs alors en Allemagno. C'est l'oiseau echappe de la cage du ghetto
et qui se souvient de sa prison, tout en volant bruyamment en tout
sens pour essayer sa liberte; il y a du defi et de la rancune dans
ses battements d'ailes. Je sais que la critique allemande lui est severe ;
on dirait que dans le poete eile se plait ä ravaler le Juif. Aux yeux
de l'Allemagne, imbue de l'orgueil de race, n'etre pas de sang teu-
tonique est, pour un poete allemand, un peche originel malaise ä
raclieter. Le nouvel empire ne veut rien devoir qu'au sang de Her-
mann. Du classique Walhalla, eleve sur la rive du Danube aux gloires
150 H- Heine im Lichte der französischen Kritik.
germaniques, l'ingrat teutomane s'efforce d'expulser tout ce qui n'est
pas fils de Thor. Heine a ete traite par les critiques d'outre-Rhin,
comme ses congeneres, les musiciens, par Wagner. A lui aussi on a
conteste toute originaUte, tout don d'invention. W. Scherer, l'historien
de la Htterature allemande, ne lui reconnait qu'un rare talent d'imi-
tation. II est vrai que le moule des „Lieder" n'est pas ä Heine; il
appartient au romantisme des Schlegel, de Tieck, de Novahs . . .
On ne lui laisse meme pas en propre ce qu'il semble avoir de plus
personnel, cette ironie que d'aucuns appelaient l'ironie juive; — eile
aussi revient au romantisme allemand. Heine n'en est que la fleur
supreme, fleur maladive aux parfums malsains, car il y a un ver
dans cette rose allemande, le judaisme. (Pag. 775.)
In einer Anmerkung weist der Autor auf die Schriften
von Treitschke und Hartmann hin, in denen Heine so un-
glirapflich behandelt wird, und sagt: „Tous deux, du reste,
laissent voir que chez le poete ils poursuivent le juif" etc.
Indem wir noch kurz und der Uebersichtlichkeit wegen
zusammenfassend die Stellung von Frankreichs bedeu-
tenden Litterarhistorikern und Kritikern zu Hein-
rich Heine betrachten wollen, schicken wir gleich voraus, dass
sich mit Ausnahme von Montegut und etwa von Sainte-Beuve
keiner derselben eingehend mit unserm Dichter beschäftigt.
Trotzdem schien es uns wissenswert, aus kurzen Bemerkungen
und leicht hingeworfenen Worten die Ansichten der Kritiker,
die seit einem halben Jahrhundert den litterarischen Geschmack
Frankreichs leiten, kennen zu lernen.
i
Gelegentliche Urteile und Aeusserungen über Heine. 151
Charles Ä. Sainte-Beuve
(1804—1869).
Der grosse Kritiker und Historiker der französischen Ro-
mantik bespricht im „National" vom 8. Angust 1833 das im
selben Jahre bei Renduel erschienene Buch Heines „De la
France". Nach einigen einleitenden Worten, die sich auf den
Umschwung im deutschen Dichterwalde seit Madame de Staels
„De TAllemagne" beziehen, stellt er uns Heine wie folgt vor:
„M. Heine n'etait pas connu chez nous avant la revolution de
juillet, et aujourcVliid il est tont ä fait nataraUse ; il est des
nötres autant que le sjnrittiel Grimm Va jamais e^e." — Das
Buch hat nach Sainte-Beuve den grossen Vorzug, zur rich-
tigen Zeit, in einem günstigen Moment erschienen zu sein.
„Homme de guerre, d'escarmouche rapide, archer fuyant et
un peu cruel, il s'est jete parmi nous, sur notre rive du Rhiii,
et de la, il nous a montre comment il savait decocher l'ironie
et frapper au coeur des siens quand les siens n'etaient pas
des nötres. Chaque fleche qu'il decochait de la sorte portait
en meme temps un message a notre louange; nous devons
aimer en lui un de nos alhes les plus compromis et les plus
fervents." Indessen sei sein scharfer und auch das heiligste
nicht schonender Witz selbst in den Augen der als frivol
verschrieenen Franzosen verletzend ; ja Sainte-Beuve behauptet
sogar, Heine sei für diese viel zu geistreich. „. . . Heine sera
davantage encore a notre niveau de Frangais quand il aura
un peu moins d'eprit." Und diesen Gedanken ausführend:
„C'est que l'esprit de M. Heine est plutöt celui d'un poete
que celui de tout le monde; il n'a pas seulement de ces
traits inattendus, saisissants, courts, de ces rapports neufs
et piquants qu'un mot exprime et enfonce dans la memoire;
il a, a un haut degre, l'imagination de l'esprit, le don des
comparaisons singulieres, frappantes, mais prolongees, mille
152 H. Heine im Liclite der tVanzösisclieii Kritik.
gerbes, ä tout instant, de reminiscences colorees, d'analogies
brillantes et de symboles. Or, pour un poete qui ecrit en prose,
qui surtoiit doit etre lu en prose frangaise, la plus difficul-
tueuse de toutes les proses, il y a beaucoup de precautions
necessaires pour faire passer, comme en contrebande, cette
raagie et ces richesses ..." Sainte-Beuve kommt zu dem
Schluss, dass Heine, trotz einiger französischer Eigenschaften,
im Grunde doch ein deutscher Poet bleibe, weswegen er ihn
nicht in seiner ganzen Bedeutung erfassen könne. In den
„Reisebildern" — die er „impressions de voyages" nennt —
erinnert ihn Heines beissender, nicht immer ungezwungener
Witz, gemischt mit wahrem Enthusiasmus, an die Art
Stendhals: „mais avec plus de pittoresque, et, malgre tout,
de spiritualisme". — Eingehend kritisiert er Heines Briefe
über Casimir Perier, den er nicht, wie der Dichter, für einen
grossen Mann hält. Voll Lobes aber ist er für Heine, den
Kunstkritiker. — Aeusserst interessant nun ist ein Brief Sainte-
Beuves, der diesem Artikel in den „Premiers Lundis" (Bd. II,
pag. 258) beigefügt ist. Derselbe ist an Herrn Ch. Berthoud
in Neuchätel gerichtet, den wir noch als Uebersetzer Heines
kennen lernen werden, und lautet:
„Monsieur,
„J'ai regu les deux volumes de la Correspondance de
Heine et je les ai aussitöt parcourus avec plaisir. Ils me
sont parvenus dans un moment, d'ailleurs, oü ce genre de
lecture facile et variee est tout ce que je puis supporter, etant
encore fort souffrant d'une Indisposition assez grave. J'ai
connu autrefois Henri Heine ; il me faisait beaucoup d'amities
ä la rencontre: il m'est raeme arrive de parier, il y a bien
longtemps, de ses „Reisebilder" dans la „Revue des deux
Mondes". II me disait que, comme poete, je ressemblais un
peu au poete allemand Hoelty. Depuis, nos relations qui n'avaient
Jamals ete que fortuites, se sont relächees; il est tombe malade
Gelegentliche Urteile und Aeiissorungen über Heine. 153
et n'est plus sorti de la chambre. Je crois bien n'avoir pas
echappe ä quelques-iines des epigrammes qu'il distribuait ä la
„Gazette d'Augsbourg", aux depens de ses connaissances de
Paris. II y a bien ä dire sur ce cote peu sür de soii carac-
tere. Mais c'etait un charmant, parfois divin et souvent dia-
bolique esprit. Il est fort a la mode en ce raoment chez
nous. Lui et Musset sont pousses tres haut. Nous vous devrons
de le mieux connaitre.
„Agreez etc."
Wer von den circa 100 Bänden weiss, die die Lebens-
arbeit dieses Kritikers bilden, wird diesem nicht verübeln,
wenn er nach 34 Jahren vergessen, dass er über „Franzö-
sische Zustände" und nicht über die „Reisebilder", und zwar
im Feuilleton des ,, National" und nicht in der ,, Revue des
deux Mondes", geschrieben. — Wenn wir nun zwei Stellen
aus dem „Journal des Goncourt" sowohl der Kritik als auch
dem Briefe gegenüber stellen, so können wir uns nicht des
Eindrucks erwehren, dass hier von dem Brüderpaar etwas
stark aufgetragen wurde; — „qu'ils ont force la note", wie
der Franzose sagen würde.
Mais clejä il n'est plus question de Hugo, c'est H. Heine qui
est sur le tapis. On le voit bien ä la figure de Sainte-Beuve. Gautier
cliante l'eloge physique du poete allemand et dit que, tout jeune, il
etait beau comme la beaute meme, avec un nez un peu juif : „C'etait,
voyez-YOus, Apollon melange de Mephistopheles !" — „Vraiment, dit
avec colere Sainte-Beuve, je m'etonne de vous entendre parier de
cet liomme-lä, un miserable qui prenait tout ce qu'il savait de vous
ponr le mettre dans les gazettes . . . qui a dechire tous ses amis."" —
„Pardon, lui dit tranquillement Gautier, moi j'ai ete son ami intime
et j'ai toujours eu a m'en louer. II n'a jamais dit de mal que des
gens dont il n'estimait pas le talent."
(„Journal des Goncourt", II, pag. 210.)
Sur le nom de H. Heine, prononce par Tourgeneff, comme nous
affirmons tres haut notre admiration pour le poete allemand, Sainte-
Beuve, qui dit l'avoir beaucoup connu, s'ecrie que c'etait un mise-
154 H. Heine im Lichte der französischen Kritik.
rable, un coquin, puis, sur le „tolle" general de la table, se tait, se
dissimulant derriere ses deux mains, qu'il garde sur son visage, tout
le temps que dure l'eloge.
Et Beaudry de conter ce joli mot de H. Heine ä son lit de mort :
Sa femme priant ä ses cotes Dieu de lui pardonner, il interrompt la
priere en disant : „N'en doute pas, nia chere, il me pardonnera, c'est
son metier!" (II, pag. 96.)
Immerhin täuschte sich Heine sehr, was er im Mai 1855
an seinen Freund Philarete Chasles schrieb : „Die Hauptsache
ist, von einem Geiste, wie der Ihrige, gewürdigt zu werden,
von einem der beiden wirklichen Kritiker, welche Frankreich
besitzt. Der andere, möge es Ihnen nicht missfallen, ist Sainte-
Beuve, der mir auch einen Nachruf widmen wird, so dass ich
mich ohne Unruhe begraben lassen kann." ^)
Ernest Renan
(1823—1893).
Aus seinen Werken sind uns keine Anspielungen auf
Heine, Citate oder Urteile bekannt. Renan verhielt sich —
nach dem „Journal des Goncourt" wenigstens — schweigend,
wenn bei Magny Gautier von Heine schwärmte und Sainte-
Beuve denselben beschimpfte. Dagegen versichert uns Arsene
Houssaye in seiner citierten Einleitung, dass Renan Heine las
und bewunderte.
^) Heinrich Heine in Paris, Neue Briefe etc., siehe oben, pag. 85.
Gelegentliche Urteile und Aeusserungen über Heine. 155
J.-J. Weiss')
(1827—1891).
j^S'U}' Goethe^ etudes critiques de litterature allemande.^^
Avec une preface do Francisciuo Sarcey (1891?).
In dieser Studiensammlung befindet sich eine Besprechung
der Heine-Erinnerungen von A. Meissner, die schon im Jahre
1857 in der „Revue contemporaine" erschienen war.
Der Hugenotte zeigt sich gleich in den ersten Zeilen :
„On pourrait intituler ce livre l'agonie de l'athee." — Und
wenn Weiss auch hinzufügt: „Que M. Meissner se rassure!
Je ne suis pas un pharisien ; je ne viens pas precher la dam-
nation ä un pauvre poete qui n'a eu que trop son enfer ici-bas"
— so wissen wir doch bereits, dass wir mehr vom Moralisten
als vom Kunstkritiker zu hören bekommen werden.
„H. Heine n'a point cru; voilä le secret de sa vie si
cruellement brisee, de son talent profane ou perdu" (pag. 136).
Inniges Mitleiden durchzieht als Leitmotiv die ganze Skizze.
Weiss preist den deutschen Poeten und betrauert in ergreifend
schöner Sprache den unglückseligen Menschen. Von Heines
Verhältnis zur französischen Litteratur erwähnt er kein Wort.
') Das Buch (nach dem Tode des Autors publiziert) enthält die bekannte
Studie über Goethes „Hermann und Dorothea", die J.-J. Weiss im Jahre 1856
als Doktorthese bei der Pariser Faculte de lettres eingereicht hatte. Die Arbeit
erregte damals grosses Aufsehen. Statt einer gelehrten, umfangreichen These,
wie sie heute noch in Frankreich üblich sind, wagte er es, auf kaum siebzig
kleinen Seiten eine im losen Gewände eines leichten, eleganten Stils ge-
schriebene These, mit einigen neuen Ideen, aber von äusserst geringem kri-
tischen Werte, der Sorbonne zu überreichen. Zum Glücke waren die Professoren
„sous leur cuirasse d'erudition, gens d'esprit", meint Sarcey in seiner Einleitung.
E. Faguet ist anderer Ansicht und nennt die Studie irgendwo „ouvrage de
bon ecolier".
156 H. Heine im Lichte der frcanzösischen Kritik.
Ferdinand Brunetiere
(1849).
Dem geschworenen Feinde aller „Ich "-Dichter konnte ein
Heine nicht sympathisch sein. Der Kritiker, der den Satz
aufstellt: „La litterature est impersonnelle, et ce qui est per-
sonnel n'est pas encore devenu litteraire. Un homme est peu
de chose, et on ne s'interesse en lui qu'ä ce qu'il a de commun
avec les autres hommes", *) — kann weder Freund noch Be-
wunderer unseres Dichters sein — er ist gar nicht im stände,
die Lyrik Heines zu fassen. Zwar hat er es bei seinen zahl-
reichen Ausfällen gegen das „moi haissable" — diese wirken
in dem letzten Werke des Akademikers (l'evolution etc.) ge-
radezu ermüdend — nie direkt auf Heine abgesehen. Er
ignoriert überhaupt in seiner Evolutionsgeschichte
der französischen Lyrik dieses Jahrhunderts den
Poeten in Heine, seine Stellung zur französischen
Dichtkunst und dessen Einfluss auf dieselbe
gänzlich. — Wir müssen also unsere These ohne Hülfe
und Sanktion der allerhöchsten Kritik verfechten. Wiederholt
dagegen wird besonders in den letztgenannten Studien der
Litterarhistoriker und Kritiker Heine erwähnt und citiert,
so dass wir uns nicht zu täuschen glauben, wenn wir an-
nehmen, dass Heines französische Studien bei dieser Gelegen-
heit von Brunetiere einer näheren Betrachtung unterzogen
wurden. So heisst es oft: „Heine raconte quelque part, H. a
exprime quelque part — c'est H. au nioins qui nous le dit" —
etc., und zwar hauptsächlich dort, wo er ihm mit einer geist-
reichen Bosheit unter die Arme greifen kann. Kurz, Brunetiere
argumentiert hier nicht selten mit dem, was Heine den Fran-
zosen gelehrt.
^) La litterature personnelle.
Golegentliche Urteile und Aoussorungon über Pleine. 157
Dass Brunetiere den Autor des „Intermezzo" immerhin unter
die grössten Dichter dieses Jahrhunderts zählte, wenn auch
gewiss nicht aus eigener Ueberzeugung und Erkenntnis, lässt
sich mit verschiedenen Stellen aus seinen Arbeiten belegen.
„Nul ne fait plus d'estime que nous de Dante et de Petrarque,
de Byron et de Shelley, de Goethe et Henri Heine, mais ce
n'est pas une raison de dedaigner Voltaire et Rousseau, Fenelon
et Bossuet, Pascal et Descartes." ^)
Hippolyte- Adolphe Taine
(1828—1893).
Von ihm wissen wir bloss, dass er (Einleitung zu seiner
englischen Litteraturgeschichte) einmal Heine in einem Atem-
zuge mit Musset, Hugo und Lamartine nennt. Möglich ist es,
dass er sich über unsern Dichter in seiner Schrift über Camille
Seiden, die uns nicht zugänglich war, ausspricht.
Jules Lemaitre
(1853).
Von diesem so rasch zu Ruhm und Ehre gelangten
einstigen Professor in Le Ha vre, der in seinen zahlreichen
kritischen Schriften genaue Kenntnis der Heineschen Werke
verrät, interessiert uns besonders ein in der „Revue bleue '^
(die diesen Kritiker eigenthch entdeckt hat) am 3. Juni 1893
abgedruckter Brief, den der vielseitige Litterat seiner Zeit an
den „Intermediaire des chercheurs" ^) gerichtet hatte. Nach-
^) „Revue des deux Mondes", l*''Decembre 1892. La reforme de Mal-
herbe et l'evolution des genres.
2) Es handelt sich um eine „Enquete sur le choix d'une biblioth^que",
d. h. um die von dieser „Revue" gestellte Frage : „Quels sont les vingt
158 H. Heine im Lichte der französischen Kritik.
dem er dieser nämlich eine Liste von zwanzig Büchern mit-
geteilt, die er für die vollendetsten der Weltlitteratur hält,
fügt er noch folgenden Kommentar bei: „Sans m'en rendre
compte, je l'avais dressee non pour moi seul, mais pour le
public, et j'}^ exprimais des preferences convenables plutöt
que dHntiines predilections. Or, il ne s'agit pas ici de choisir
les vingt plus beaux livres qui aient ete ecrits, mais ceux qu'il
me plairait le plus de passer le reste de ma vie." Und da
will er gleich die zehn ersten Bücher streichen und an ihre
Stelle u. a. les poesies d'Henri Heine setzen. — Man braucht
nur in Lemaitres Gedichtsammlungen (denn er ist nicht nur
Kritiker und Dramaturg, sondern auch feinsinniger Poet) „Les
Medaillons" (Lemerre, 1881) und besonders in den „Petites
Orientales" (1882) zu blättern, um sich zu überzeugen, dass
ihm Heine nicht nur ein Lieblingsdichter, sondern auch ein
Vorbild war.
vohimes que vous choisiriez si vous etiez obliges de passer le reste de votre vie
avee une bibliotheque reduite ä ce nombre de volumes?" In dieser Zeitschrift
linden wir, von Paul Massen unterzeichnet, unter dem Titel: „Bibliotheque
choisie du genre humain", eine Liste, in der Heines „Reisebilder" als drei-
zehntes Buch figurieren, und zwar zwischen Renans „Dialogues philosophiques"
und Gautiers „Mademoiselle de Maupin". — Wir bemerken hier beiläufig, dass
es über diese und ähnliche Fragen eine ganze Litteratur gibt. Man vergleiche
„Conference de M. Bardoux" („Magasin pittoresque", 1887, Nro. 3, 4, 5). —
„Fra i libri", von Guiceiardi und de Sarlo. Bologna 1893. In England u. a.
Perkins „The best Reading". — Ireland, „Books for General Reading".
Anhang. 159
Anhang
Französische Stimmen
über die Heine-Statue-Polemik in Deutschland
Unter den zahlreichen Protestationen, die in Prankreich
gegen den Beschluss der Düsseldorfer Stadtväter und gegen
die Ansichten ihrer Gesiiniungsgenossen laut wurden — fast
jegliche Zeitschrift und Zeitung beschäftigte sich mehr oder
weniger sachlich mit dieser Präge — ist Marcel Pouquiers
Peuilleton die schärfste und erbittertste; für den deutschen
Leser eine peinliche Lektüre. Er beginnt den Artikel (in
„Profils et Portraits^', 1891) mit einer hübschen und in-
teressanten Anekdote: „Es war während der „Annee terrible",
kurz nach dem Priedensschluss, Vor den Thoren des be-
siegten Paris erdröhnte noch das donnernde Geschütz der
manövrierenden x\rtillerie. Der alte, gebrochene Th. Gautier,
dem Grabe nahe, und Theodore de Banville spazierten in den
Trümmern der Tuilerien, auf welche die sinkende Sonne ihre
letzten Strahlen w^arf. — „L'auteur patriote et superbement
ironique des „Idylles prussiennes" demanda, a un instant de
la conversation, au grand artiste qui allait, avec un pittoresque
si fin et avec une tristesse si profonde, ecrire son dernier
chef-d'oeuvre, les „Tableaux du Siege", quel rang il attribuait
ä Henri Heine parmi les poetes contemporains, le „Maitre"
excepte, bien entendu. Et Gautier repondit sans la moindre
160 TT. TToino im Lichto der französischen Kritik.
hesitation : „Mais le premier!"" — Ein solches Urteil über
einen deutschen Dichter — denn als Deutschen betrachtete
Gautier seinen Freund stets — in jenen Tagen der Erniedri-
gung und des Jammers thut der Offenheit und Ehrlichkeit
des alten Romantikers Ehre an.
Es folgt hierauf eine leidenschaftliche Kritik der Wider-
sacher Heines, gegen die Fouquier auf einigen Seiten wütet.
Seine Hiebe treffen zuweilen, sind oft geistreich, noch öfter
aber schlägt er blind um sich.
Auch J. Legras ^) weiss in der „Revue bleue" den Düssel-
dorfer Aedilen manche Liebenswürdigkeit zu sagen. Es in-
teressiert uns aber dieser Artikel, weil einige Beiträge be-
rühmter Franzosen zu dem „Heine-Almanach" , den die
„Litterarische Gesellschaft Nürnbergs" bald nachher heraus-
gab (1893), verraten werden. —
Pauvre Heine, ton seul tort est d'etre ne juif !
Charles Gounod.
La decision du conseil communal de Düsseldorf nous remet
quelques siecles en arriere ; ces messieurs doivent regretter le Moyen-
äge et la torture. Pendre riiomme et prendre son bien, tel est la
ni orale de ce fin de siecle.
Emile Zola.
La France qui donna l'hospitalite au vivant, ne la refuserait
pas au mort!
Älphonse Daudet.
Je le considere comme un devoir, non seulement de PAllemagne,
mais de l'Univers entier, de protester contre Tinfäme barbarie des
ediles de Düsseldorf.
Ernest Daudet.
1) Professor in Bordeaux, Autor der geistreichen, aber etwas taktlosen
Bücher „L'Athenes de la Spree" (unter dem Anagramm „Luc Gersal") ; taktlos
deswegen, weil er Leute, deren Gast er gewesen, ziemlich stark mitgenommen.
VerJJifentlichte inzwischen zwei Artikel über Heine in Paris und einige fran-
zösische Briefe desselben in der „Deutschen Rundschau". Heft 8 und 10, 1894.
Anhang. 161
Je considere Heine comme un des plus grands poetes, non
seulement de l'Alleniagne et des temps modernes, mais de l'humanite
entiere et de tous les temps.
Jean Richepin.
Wie wir sehen, sind diese Beiträge weder sehr geistreich
noch ideenneu; einige streifen sogar an BanaHtät. Sehr be-
zeichnend ist das Bekenntnis Richepins.
Geradezu eine Blamage für die kunstsinnigen Heraus-
geber des „Heine-Almanachs" bedeutet das französische Ge-
dicht: „Les Sphynx du Parc". Aux ediles de Düsseldorf.
Man weiss nicht, ob es Herrn Kist ■ — so nennt sich der
Poet — mehr an der Metrik oder an der Grammatik fehlt,
wenn man einen Vers wie den folgenden zu lesen bekommt:
„Non! jef^ez le juif sur la rue!"
Auch der Gedanke ist übrigens aus der Vorrede Gautiers
entnommen.
ßetz, Heine in Frankreich. 11
DRITTER ABSCHNITT
HEINES KENNTNIS
DER FRANZÖSISCHEN SPRACHE
„Mein Geist fühlt sich in Frankreich
exiliert, in eine fremde Sprache verbannt."
H. Heine („Gedanken und Einfälle").
Erstes Kapitel
Zeitgenössische Stimmen über Heines
französische Sprachkenntnisse
Wir müssen Ed. Grenier entschieden beistimmen^ wenn
er in seinen Erinnerungen von einer „Heinelegende" *) spricht,
die will, dass unser Dichter die französische Sprache be-
herrschte. Er hat recht, weil Heine in Prankreich und be-
sonders in Deutschland diesen Ruf geniesst, obgleich er durch-
aus nicht begründet ist. Hüben und drüben wurde aller-
dings nach und nach bekannt, dass Heine nie sein eigener
Uebersetzer gewesen, obschon er ja wirklich sich darin ver-
sucht hat — auch dies zwar nicht in weiteren Kreisen. Dass
er es aber nicht einmal so weit brachte, nach zwanzigjährigem
Aufenthalte einen korrekten französischen Brief zu stände
^) Mit dieser Legende hält es Audebrand, dessen „Petits Memoires"
(vergleiche Abschnitt II) überhaupt einen legendenhaften Charakter haben.
Er erzählt uns nämlich (pag. 10) : „Henri Heine etait si richement doue au point
de vue des ressources du style qu'il pouvait ecrire un meme livre on alle-
mand, d'abord, et ensuite en francjais, ou bien en francjais d'abord, en alle-
mand ensuite. Notez que Tun et l'autre etaient toujours du meilleur metal
litteraire." Und weiter unten citiert er das berühmte Wort Thiers', der,
wie bekannt, 1850 in einem Freundeskreise die Aeusserung that: „L'homme
qui, k l'heure ou nous sommes, ecrit le mieux en fran^ais, est un etranger, cet
etranger est un Allemand et cet Allemand est Henri Heine (nach andern soll
ihn Thiers als den geistvollsten [le plus spirituel] bezeichnet haben) und fügt
hinzu : „II parlait d'or, le petit historien. Kien de plus vrai, en effet. L'echappe
de Düsseldorf faisait de notre langue ce qu'il voulait."
166 Heines Kenntnis der französischen Sprache.
zu bringen, haben wir noch nirgends zu lesen bekommen. *)
Die im folgenden Kapitel zum Teil hier zum erstenmale ver-
öffentlichte französische Korrespondenz wird uns zeigen, dass
Heines Orthographie und Stil manches zu wünschen übrig
Hessen.
Im Irrtum befindet sich dagegen Grenier, wenn er den
Leser wiederholt glauben lässt, dass vor ihm noch niemand
die linguistischen Kenntnisse Heines ins richtige Licht ge-
stellt habe. Das Gegenteil ist der Fall; denn fast alle, die
dem Dichter nahe standen, haben schon längst an dieser
Legende gerüttelt, um sie ebenso wenig zu zertrümmern, wie
Greniers vermeinthche Enthüllungen es gethan und wie dies
unsere Auseinandersetzungen thun werden. Die Legende
wird trotzdem weiter leben — weil sie Heine selbst zur Welt
gebracht, gepflegt und gehegt hat.
Gegen das Ende seines Lebens, besonders seinen Deutschen
gegenüber, hat er gebeichtet, wie fremd ihm eigentlich stets
die Sprache Frankreichs geblieben. So lesen wir in Alfred
Meissners „Erinnerungen" (pag. 193) : „Heine hatte trotz seines
langen Aufenthaltes in Frankreich das Französische nie voll-
kommen erlernt, wiewohl er alle Feinheiten dieser Sprache
im Munde anderer zu würdigen wusste. Die Uebersetzungen,
die er selbst zuwege brachte, litten an einer gewissen Weit-
schweifigkeit und hatten deutsche Tournüre. „Sie können
nicht glauben," sagte er, „wie schwer es den Deutschen fällt,
in diesen abgezirkelten, bestimmten, unverrückbaren Formen
den deutschen Geist wiederzugeben. Meine eigenen Lieder
kommen mir in dieser Umbildung ganz fremd vor. Ich
deutscher Waldvogel, gewohnt seine Wohnung aus dem bun-
testen und einfachen Material zusammenzubauen — ich niste
da in der Allongeperücke Voltaires!"
^) Wir sprechen von Heines Biographieen.
Zeitgenössische Stimmen. 167
In „Gedanken und Einfällen" ^) drückt sich Heine fol-
gendermassen über das Französische aus: „Die französische
Sprache an sich ist arm, aber die Franzosen wissen alles,
was sie enthält, in der Konversation auszubeuten, und sie
sind daher sprachreich in der That."
In der in seine nachgelassenen Schriften aufgenommenen
Lebensskizze Loeve-Veimars', von der wir schon gesprochen,
bekennt er ebenfalls, mit schmeichelhaften Worten für seinen
ersten Uebersetzer, sein unzureichendes Französisch. Heine
w^ar allerdings erst kurze Zeit in Paris, als er die Hülfe
dieses Modelitteraten in Anspruch nahm. Es heisst nämlich
in jenem biographischen Fragmente u. a. : „Als ich das
Uebersetzungstalent des seligen Lo^ve-Veimars für verschie-
dene Artikel benutzte, musste ich bewundern, wie derselbe
während solcher Kollaborationen mir nie meine Unkenntnis
der französischen Sprachgewohnheiten oder gar seine lin-
guistische Ueberlegenheit fühlen Hess. ^) Wenn wir nach
langstündigem Zusammenarbeiten endlich einen Artikel zu
Papier gebracht hatten, lobte er meine Vertrautheit mit dem
Geiste des französischen Idioms so ernsthaft, so scheinbar er-
staunt, dass ich am Ende wirklich glauben musste, alles selbst
übersetzt zu haben, um so mehr, da der feine Schmeichler
sehr oft versicherte, er verstünde das Deutsche nur sehr
wenig."
Aber all dies erfuhr die Leserwelt erst nach 1856, als die
Legende schon feste Wurzeln gefasst hatte. ^)
^) Ausgabe Elster, Bd. VII, pag. 425.
2) Dafür nahm er in der „Revue des deux Mondes" den Löwenanteil
für sich in Anspruch. Vergl. Abschnitt IV. „Uebersetzer".
^) Es lialf auch nichts, dass die tonangebenden, meist gebrauchten Nach-
schlagebücher entschieden Stellung gegen dieselbe nahmen. So besonders
,,Le Grand Dictionnaire universel du XIX° siecle von Pierre Lai'ousse" — mit
dem schon jeder Pariser Journalist und Litterat gearbeitet; und ebenso die
„Nouvelle Bibliographie de Firmin Didot freres". Ein Lexikon derselben
Firma: „Dictionnaire de la conversation et de la lecture", 1861, dagegen
168 Heines Kenntnis der französischen Sprache.
Sehen wir uns jetzt nach den Zeugnissen seiner persön-
lichen Bekannten um.
Auguste Barbier, der den Dichter 1837 in Boulogne-sur-
Mer kennen lernte, sagt von seiner französischen Aus-
sprache : „Sa parole etait empreinte d'un accent germanique
tres prononce et fort desagreable." Allem Anscheine nach
hat also Heine die seinem Stamme eigene Gabe der Sprach-
und Accentassimilation nicht besessen.
Am interessantesten und lehrreichsten sind die dies-
bezüglichen Mitteilungen Saint-Rene Taillandiers, ') der schon
über dreissig Jahre vor Grenier Heine, den französischen
Schriftsteller, in das richtige Licht gestellt hat.
Malgre l'opinion contraire tres repandue en France et en Alle-
magne, Henri Heine n'ecrivait pas notre langue; il la connaissait par-
faitement, il en appreciait les finesses, les delicatesses, mais il etait
incapable de construire une phrase elegante et qui ne füt pas em-
barrassee de germanismes. Ce tissu ferme et souple de la prose pari-
sienne, il essayait en vain de le deployer avec art; les fils se rompaient
dans ses mains, et l'image n'apparaissait qu'ä denii sur la trame eni-
brouillee . . .
Pag. 148:
Cetait lä, en effet, une de ses preoccupations les plus vives. II
craignait qu'une traduction trop fidele, füt-elle meine tres poetique ä
son gre, ne donnat pas au lecteur frangais une juste idee de ce qu'il
avait voulu faire. „II y a des choses, nie disait-il, qu'il faut absolu-
ment transposer au lieu de les traduire.'' Et il ajoutait: „Voyez
bezeichnet das Französische als Heines zweite Muttersprache. Der aus dem
Eisass gebürtige Philologe und Litterarhistoriker A. Bessert drückt sich in
seinem Artikel über Heine in der „Grande Encyclopedie" (Lamirault) wie
folgt aus: „Henri Heine se prenait-il reellement pour un ecrivain fran(,'.ais, pour
un successeur de Voltaire, comme l'appelaient complaisamment ses amis? Cela
est douteux. Son frangais, sans manquer d'allure, a une teinte exotique,
comme celui de certains vomanciers sidsses.^^
^) Ecrivains et poetes modernes, 1861.
Zeitgenössische Stimmen. 169
ces strophes; elles ont une couleur legerement chevaleresque et ro-
mantique; je les ai ecrites dans le ton de Clement Brentano et de
certaines pieces du „Cor merveilleux" ; qu'ai-je voulu par la? J'ai
trouve piquant de donner au sentiment que j'exprimais une forme
gracieuse, mais passee de mode; il m'a plu d'y repandre une teinte
ä la fois charmante et fanee. Que j'aie eu tort ou raison, c'est une
autre aifaire, mais voilä ce que j'ai voulu. Or, cette gräce romantique
(dans le sens allemand), cette gräce romantique et printaniere n'est
pas hors de mode chez vous comme chez les compatriotes de Bren-
tano et de Fouque ; eile aurait plutot une certaine fraicheur de nou-
yeaute que je n'ai pas eu l'intention d'exprimer ici. Au ton roman-
tique, substituons le ton Pompadour, mettons la nuance Louis XV ä
la place de la nuance moyen-äge . . / Le fin sourire du poete, au
moment oü il combinait ainsi ses effets, revelait bien le dilettante
consomme.
Pag. 149:
S'il ne maniait pas notre langue avec elegance et sürete, il savait
apprecier en maitre les traductions qu'il demandait ä ses confreres.
C'etait plaisir de l'entendre discuter un mot, proposer un tour de
phrase, combiner des alliances de termes avec le sentiment le plus
fin des lois du style et des ruses de la langue. C'etait surtout un
curieux sujet d'etudes que de le voir ainsi corriger, attenuer, trans-
poser completement certaines parties de son oeuvre. II en resultait
quelquefois un remaniement du texte meme. Ses poesies traduites
sont donc en plusieurs endroits une oeuvre presque nouvelle, et ceux
qui peuvent les comparer ä l'original y trouveront des indications assez
curieuses sur les idees que le poete s'etait faites, ä tort ou ä raison,
du docteur allemand et du public frangais.
Taillandier citiert noch ein Fragment des Briefes, den
Heine ihm kurz vor der Veröffentlichung des „Nouveau Prin-
temps" („Revue des deux Mondes", 15. September 1855) —
der ohne Namen des Uebersetzers herauskam! — geschrieben.*)
Der Kritiker will sich mit diesem Schriftstück gegen Anschul-
digungen, die ihm von deutscher Seite widerfuhren, ver-
teidigen.
') Vergl. Correspondance inedite, Bd. III, pag. 424; Levy, 1877.
170 Heines Kenntnis der französischen Sprache.
„. . . Votre traduction est magnifique, et mes corrections ne sont
que des variantes que je vous propose seulement pour y avoir mis
la main. Ah! qu'il est difficile pour moi d'exprimer nies sentiments
poetiques allemands! Ma sensiblerie d'outre-Rhin, dans la langue du
positivisme, est d'un bon sens par trop prosai'que. Croyez-moi, nion
eher ami, il se trouve tres mal ä son aise, ce pauvre rossignol alle-
mand qui a fait son nid dans la perruque de M. de Voltaire.
„Donc ä demain.
„Votre tout devoue,
„Henri Heine."
Wir ersehen aus dem Schlüsse dieses Briefes, dass Heine
einen geistreichen Einfall auszunützen wusste ! —
Auch Alexandre Weill hat sich schon 1883 in seinen
bereits besprochenen „Souvenirs intimes" deutlich über Heines
Französisch ausgesprochen. Es heisst dort (pag. 96) u. a. :
„Henri Heine ne savait pas le frangais grammaticalement. II
ne savait pas faire marcher de pair le subjonctif avec l'indi-
catif, ni sexuer les participes selon le regime direct ou indi-
rect . . ." Hier hören wir auch von einem neuen „teinturier".
„Heine, a ma connaissance, se faisait traduire par un certain
M. Wolf, pauvre pion, Alsacien mätine d'Auvergnat, et quand
il ecrivait lui-meme en frangais, il se faisait blanchir, d'abord
par Gerard de Nerval, une des plumes les plus fines de son
epoque, puis par un employe de Buloz.^'
Wir kommen nun zu den Memoiren der „Mouche'', ^) die
uns über diesen Punkt manche wissenswerte Auskunft gibt.
Von Heines Ansichten über die französische Sprache erfahren
wir zunächst folgendes: „— Ma maniere de lire rallemand
lui plaisait parce qu'il la trouvait naturelle, simple, bien appro-
priee au genie de la langue qu'il estimait non seulement la
plus belle, mais la plus harmonieuse du monde. l\ trouvait
la nötre impropre ä la poesie, plus seche qu'elegante, tout ä
fait incapable de traduire certaines sensations intimes.'' (Pag. 25.)
0 Vergl. Abschnitt II, pag. 122.
Zeitgenössische Stimmen. 171
Schon einige seiner kritischen Urteile über berühmte
französische Kollegen, auf die wir nicht näher eingehen können
— wir erwähnen nur den Vorwurf, den er den Versen Alfred
de Mussets macht, sie seien bloss gereimte Prosa — berechtigt
zu dem Schlüsse, dass Heines französisches Sprachgefühl, das
ihm alle und mit Recht zusprechen, nicht über gewisse Kennt-
nisse einiger Feinheiten, oder genauer, Pinessen und Rou-
tinen des Pariser Konversationsstiles hinausgingen. Jegliches
gründliche Wissen, das auf ernstem Sprachstudium beruht,
mangelte ihm.
Von seiner Unfähigkeit, selbständig zu übersetzen, be-
richtet Camille Seiden ferner : „Curiosite ou desir de m'associer
ä ses travaux, il m'entretenait longuement de ses projets de
traduction. II s'agissait de trouver des expressions frangaises
ä la fois assez harmonieuses et assez justes pour initier le
public de la „Revue des deux Mondes'' ä ce chef-d'oeuvre
qui, sous le titre de „Nouveau Printemps'', peint si bien l'etat
d'un coeur qui passe des glaces d'un amour refroidi aux delices
printanieres d'un amour nouveau. II voulait, disait-il, com-
parer ma version frangaise avec celle de ses traducteurs ordi-
naires et corriger leur travail sur mon texte.'' (Pag 23.)
Also nicht weniger als drei — die „Mouche", Taillandier
und — Heine — arbeiteten an der Uebersetzung des „Neuen
Frühling" !
Noch deutlicher lautete schon eine andere Stelle ihrer
Erinnerungen : „. . . tantöt il me chargeait d'ecrire les adresses
des lettres qu'il ecrivait ä sa mere, tantöt de corriger les
epreuves de l'edition frangaise des „Reisebüder". Täche ardue,
car je ne m'etais jamais occupee de travaux litteraires; favais
ä corriger im texte panacM de harharismes et de phrases iji-
admissihles.^^
Grenier nun, wie wir schon angedeutet haben, räumt
allerdings am energischsten mit der Fabel von Heines selb-
172 Heines Kenntnis der französischen Sprache.
ständiger französischer Schriftstellerthätigkeit auf. ^) Dreimal
wiederholt er es in seinen „Souvenirs litteraires", dass er dies
mit Absicht thue und dem Bewusstsein, hiermit der allgemein
verbreiteten Meinung entgegenzutreten (pag. 268) :
Je vais sans doute etonner bien du monde en Allemagne et en
France, en ajoutant que, tout en etant un causeur alerte et possedant
bien des finesses de notre langue, il n'etait pas capable de l'ecrire tout
seul avec sürete et de maniere ä presenter son oeuvre sans retouches
devant le pubhc frangais. J'ai re§u bien des lettres et des billets de
lui: pas un qui ne j^ortät, par quelque faute ou negligerice, la marque
de son origine efrangere. Et, quant ä ses articles ecrits et parus
dans la „Revue des deux Mondes", je sais par experience que, bien
que signes de son noin, ils avaient toujours ete traduits de Tallemand
en fran^ais par un autre, ou que, s'il avait voulu se charger lui-meme
de ce travail, cette traduction avait du forcement etre toujours revue
et corrigee par un ecrivain fran^ais.
Wie er als junger Mann beim Uebersetzen des „Atta Troll"
seine liebe Not mit Heine hatte, erzählt Grenier wie folgt
(ib. pag. 270):
J'eus des lüttes ä supporter avec l'auteur pour cette traduction
comme pour les autres. II s'obstinait ä vouloir faire passer dans le
frangais des audaces de mots, des accouplements etranges que l'alle-
mand peut se permettre, — car cette langue molle, souple et riche
se plie ä tout sous la main d'un grand artiste, — mais que la langue
fran^aise, cette „gueuse fiere", comme on l'a dit, ne peut accepter ä
aucun prix. Je ne pouvais faire entendre raison ä H. Heine sur ce
chapitre-lä. II s'en etait fait un Systeme, qu'il a expose dans la pre-
face de ses „Reisebilder". II pretend que c'est un moyen de rajeunir
notre langue et d'etendre nos idees; mais, systematique ou naturel,
ce goüt des alliances de mots bizarres et incompatibles le rendait
intraitable. II tenait ä ses mots et se cramponnait en desespere.
Dass Heines französische Rede geistreich, schlagfertig
und originell war, darüber herrscht nur eine Stimme. ^) Da-
1) Vergl. Abschnitt II, pag. 129.
2) Cf. dazu, dass z. B. Balzac in den „Fantaisies de Claudine" (Bruxelles
1841, pag. 222) Heines geistreichen Ausdruck über die Liebe als „maladie
secrete du coeur" rühmt.
1
Zeitgenössische Stimmen. 173
gegen blieb ihm Zeit seines Lebens der deutsche Accent und
zum korrekten Sprechen brachte er es nie; die Sprache floss
ihm nach zwanzig Jahren französischer Umgebung nicht leichter
als in der ersten Zeit seines Pariser Aufenthaltes, da Madame
Jaubert (1835) von seinem Französisch berichtet: „II parlait
alors le frangais avec quelque difficulte, toutefois exprimant
sa pensee sous une forme piquante." ^) — Heinrich Laube er-
zählt eine Anekdote, die für die linguistische Schwerfälligkeit
Heines charakteristisch ist. -) ,, Tagelang prüfte und fragte er:
Wie drückt man diesen Begriff, jenes Wort am besten im
Französischen aus?'' „Ich hab's!" rief er eines Tages, bei mir
eintretend, — „ich hab's! Les eleves de Charles muss man
Karlsschüler übersetzen." Mit dieser simplen Entdeckung
hatte er sich tagelang beschäftigt. —
Wie sehr Greniers Zeugnis über Heines fehlerhaftes
Französisch beizustimmen ist, werden besonders diejenigen
Briefe beweisen, die weder die Korrektur eines Verlegers noch
einer Freundeshand erfahren haben. Einige zeugen von einer
orthographischen Flüchtigkeit, die an die Korrespondenzen
seiner Stammesgenossin Rahel erinnern. Heine besass ent-
schieden das, was die Franzosen „la bosse de l'orthographe"
nennen, nicht.
Heine hat sich verschiedentlich in französischen Neu-
bildungen versucht. Sie sind ihm alle misslungen, — mit
Ausnahme einer einzigen, die besser unterblieben wäre. Wäh-
rend nämhch der Schweizer Eggis dem französischen Sprach-
schatz das hübsche Wort „ensoleille"^) schenkte, zog von Heines
^) Souvenir etc., pag. 283.
2) „Gartenlaube", 1868, pag. 24.
^) Littre führt dies Wort in dem Supplement seines Dictionnairs an, citiert
aber bloss zwei Stellen aus Gautiers Werken. Nach Arsene Houssaye hat es
dieser von Eggis adoptiert.
174 H(!in(^s Kenntnis dor französischen Sprache.
Neologismen bloss — „horizontale", als Bezeichnung für eine
Frauengattung, für die es doch im Französischen — nach
Louis de Landes „Glossaire erotique" — genug Bezeichnungen
gab. — Von andern, mehr oder weniger ernstgemeinten Neo-
logismen Heines seien die Worte erwähnt: „etat de — (droit
de — ) moribondage"; ferner: „par droit de nativite". In einem
Briefe an Madame Jaubert (die obigen Ausdrücke finden sich
ebenfalls in Briefen an seine „petite fee'') heisst es: „Je suis
enchante de ce que vous me dites de Madame votre fiUe;
„fa" est jeune et j,retahlissahle^'.
Nur aus der ausgesprochenen Antipathie Heines gegen die
französische Verskunst, besonders gegen den Alexandriner,
ist erklärlich, dass er es fertig gebracht hat, er, der in
Liedern träumte, fünfundzwanzig Jahre in Paris zu leben,
ohne einen einzigen französischen Vers zu reimen. Diese
Thatsache scheint uns zu dem Schlüsse zu berechtigen, dass
Heine eigenthch nie recht französisch dachte. Die logische
Folge wäre doch bei einem Vollblutlyriker, wie Heine, ge-
wesen, dass er dann auch französisch gedichtet hätte, und
seien es nur Gelegenheitspoesieen. Er selbst aber versichert
uns launig, dass er eher im stände gewesen, für Frankreich zu
sterben, als einen französischen Vers zu machen. Ja, er ver-
mag nicht einmal die französischen Verse anderer korrekt zu
citieren. So führt er in einem Briefe an seinen Freund
Christian Sethe zwei Verse aus „Merope" (IL 7) folgender-
massen an:
Quand on a tout perdu et qu'on n'a plus d'espoir,
La vie est une opprobre et la mort un devoir. ^)
Wenn wir diese Böcke dem deutschen Studenten ver-
*) Hüfifer, der den Brief citiert, korrigiert die ungenaue Wortwiedergabe
(Voltaire sagt „quand on", statt wie Fleine ,,et qu'on"); das weibliche „opprobre"
geniert ihn aber auch nicht.
i
I
Zeitgenössische Stimmen. 175
zeihen können, so darf der alte Heine auf keine Milderungs-
gründe zählen, wenn er in seinen Memoiren einen Lieblings-
vers seines Grossoheims in einer Weise citiert, die jedem
französischen Ohre weh thut:
„Oü l'innocence perit, c'est un crime de vivre."
176 Heines Kenntnis der französischen Sprache.
Zweites Kapitel
Einige unretouchierte französische Briefe
Heines ')
Es folgen hier einige zum Teil noch unveröffentlichte,
zum Teil weniger bekannte Briefe Heines, die keine Retouche
aufweisen und deshalb geeignet sind, den vorangehenden
Seiten als „pieces justificatives" zu dienen. Wir betrachten
es nicht als unsere Aufgabe, die hier citierten Briefe einer
grammatikalischen Untersuchung zu unterziehen. Wir be-
gnügen uns damit, Fehlerhaftes und Auffallendes (z. B. Argot-
ausdrücke) durch gesperrten Druck zu markieren.
Französischer Teil eines Briefes an seinen Freund Ch. Sethe:
Je n'aurais jamais cru que ces betes qu'on nomine allemands,
soient une race si ennuyante et malicieuse en memo temps. Aussitot
que ma sante sera retablie, je quitterai TAllemagne, je passerai en
^) Wie bereits erwähnt, hat Jules Legras inzwischen in der „Deutschen
Rundschau" eine Anzahl interessanter französischer Briefe , Entwürfe und
Uebersetzungen Heines veröffentlicht, wobei er auch auf die Frage von Heines
französischer Sprachkenntnis zu sprechen kommt. Aus seinen Mitteilungen
geht hervor, dass sich diese Schätze im Gewahrsam von J. Bourdeau befanden,
den wir noch als Uebersetzer der Heine-Memoiren kennen lernen werden.
Diesem seien die Manuskripte von Calmann Levy zur Sichtung übergeben worden.
Dagegen versicherte uns dieser Verleger noch letzten Herbst, dass er keine^^™.
französischen Briefe Heines von öffentlichem Interesse habe — ! — Es bleib^^Bj
das Verdienst des Herrn Legras, mit der Verleumdung, es hätte sich Heine
durch die Pension, die er von der französischen Regierung annahm, an Louis
Philippe verkauft, für immer aufgeräumt zu haben. Nach den von ihm neu
entdeckten Urkunden und der daran geknüpften Beweisführung kann von einer
„feilen Feder" nicht mehr die Rede sein.
I
Einige unretouchiorte französische Briefe Heines. 17^
Arabie, j'y menerai une vie pastorale, je serai homme dans toute
l'etendue du terme, je vivrai parmis des cliameaux qui ne sont pas
etudiants, je ferrai des vers arabes, heau comme le Morlaccat, enfin
je serai assi sur le rocher sacre, oü Mödschnun a soupire apres Leila.
(Hüffer, „Aus dem Leben Heines", 1878.)
A Monsieur Boccage, artiste du Theatre de la Porte-St-Martin?
rue de Lancy N" 35.
Monsieur! ^
J'ai re^u votre billet et le Manuscript de la tragedie de Kleist.
Coinme je vous connais l'äme artiste et que vous n'etes pas vous
meine auteur dramatique, je suis persuade de la sincerite de
Vinteret que vous avez montre ä cette occasion et je vous en re-
mercie. Quant ä Mr. Dumas je ne sais que penser. Lorsque j'ai ete
le voir pour la premiere fois, il-y-a sept semaines, il ma dit tout
positivement: „Monsieur Harel aura ce soir entre ses mains la tragedie
de Henri Kleist", et lorsque je suis alle chez lui une seconde fois, il
y a dix jours, il m'a dit: „Le Manuscrijjt de la Tragedie est entre
les mains de Mr. Harel, je vous engage ä voir ä ce sujet Mr. Boccage,
ä qui je ne pourrais parier moi meine dans ce moment, parce que
nous sommes brouilles."
Voyant que Mr. Dumas s'est trompe, et que le Manuscript n'a
pas ete dans les mains de Mr. Harel du tout, je m'abstiendrai de toute
nouvelle demarche. La piece fera peut-etre mieux son chemin quand
eile sera imprimee.
Agreez, Monsieur, l'assurance de ma plus haute consideration.
Peut-etre je viendrai encore chez vous pour vous voir avant votre
depart. Nid homme n'est plus que moi l'admirateur de votre grand
talent, qui est plus rare que ne s'imaginent les i^oi-disant critiques
qui ne connaissent que la scene fran§aise : En effet, Monsieur, je suis
assez vain de croire que la magie de votre voix trouve dans mon
cceur un echo plus sonnore, que dans d'autres cceurs. Yotre devoue
Henri Heine. 2)
Paris le 7 May 1834.
^) Heine versieht die Anrede stets mit dem unfranzösischen Ausrufungs-
zeichen.
^) Von Karl Emil Franzos, in dessen Besitz dieser Brief ist, in „Deutsche
Dichtung", XI. 1, veröffentlicht und kommentiert.
Betz, Heine in Frankreich. 12
178 Heines Kenntnis der französischen Sprache.
Paris le 11 Mars 1841.
Mon chh' Renduel!
Ce n'est pas par negligence que j'ai tarde jusqu'aujourd'hui de
vous ecrire. Deloye ne s'est pas presse de me donner une reponse
hrilliante. II public apresent ses livres dans le format de Charpentier
qui crie qu'on lui prennait son invention et qui criera encore plus fort,
quand on publiera dans ce format un livre portant le meme titre
qu'un des siens. Cet incident a donne lieu a des pourparlers assez
bouffons. En resultat Deloye veut bien faire une edition de mon
Allemagne dans un volume, en exigeant que j'ote un tiers de l'ouvrage
et que je le remplage par du nouve^Mcc — ce qui me fait de nouveaux
frais de traduction. Ma retribution sera de huit sous par volume,
cependant sur 1000 Exemplaires 250 Ex ne me seront pas comptes.
On me paye 1000 Ex d'avance, en billets de 100 fr payables dans le
courant de l'annee et au commencement de l'annee prochaine. —
Voil<2 aiwesent ce que je vous propose, mon eher Renduel:
Je vous donne 500 francs argent comptant et je vous promets
de vous payer encore 300 francs d'ici en trois ans si mon edition de
1' Allemagne a reussi ou que je me trouve plus riche que dans ce
moment. Soyez persuade que je ne veux pas vous payer ces 300 fr
en vaines promesses et que vous ne les perderez dans aucun cas. Je
suis tres gueux dans ce moment, mais j'ai beaucoup cVavenir de for-
tune et je ne crois pas manquer d'honneur.
Si vous acceptez ma proposition, dont je ne doute pas, je vous
prie de me nommer la personne ä qui je remettrai un billet de Banque
de 500 francs et qui en retour me delivrera de votre part un ecrit
formule de maniere ä ne laisser aucun doute sur mon droit de reim-
primer l'Allemagne. Dans cet ecrit vous ne mentionnez pas la somme
que je vous paye, car De/?oye n'a pas besoin de savoir qu'elle sert en
meme temps de m'acquitter aupres de vous d'une dette d'argent.— Quant
ä cette dette, je vous repete encore une fois que je n'ai pas re§u pour
100 fr de livres comme vous disiez l'autre jour; je n'ai re§u que
12 Yolumes ä 2 fr 50 °, et ca fait 30 fs. Cette remarque devient
oweuse apres l'arrangement que nous fönt aujourd'hui ; eile sert toute-
fois ä vous montrer que vous ne sacrifiez pas tant que vous imaginiez.
Cependant cela ne m'empeche pas de vous dire mes remerciments les
plus sinceres pour le sacrifice que vous faites et qui a toujours une
assez grande valeur pour moi. Vous etiez toujours plein de bons
I
Einige unretouchierte französische Briefe Heines. 179
procedes ä mon egard et je serais enchante si jamais je troiwerais
l'occasion de vous en prouver ma reconnaissance.
Votre ami
Henri Heine. ^)
Mon eher Balzac!
J'ai remis ä Samedi le dtner dont je vous ai ecrit hier. J'ai häte
de vous en avertir et de repeter avec empressement que je compte
sur vous.
Accusez-moi avec deux mots la reception de ces hgnes affin que
je sois sür que vous les ayez reQues.
N'oubhez pas de venir Samedi, 14 Janvier, chez
votre tout devoue
Henri Heine
46. faub. Poissonniere. 2)
i
Mon eher Gozlan!
Une dame allemande qui vous a vu l'autre jour cliez moi m'a
Charge de vous demander quelques lignes pour son Album. Je vous
l'envoie ci-joint et j'enverrai demain chez vous pour le reprendre.
Ma femme lit dans ce moment votre Pere-Lachaise ; eile ne fait
que me parier du matin au soir d'un ChevaZZier de Profundis, d'une
coquine nommee Mousseline et d'une diablesse de sonnette qu'on en-
tend ä tout moment.
Votre tout devoue
Henri Heine. (!)
Sawwedi. — (Ohne Jahreszahl.)
Dieser Brief ist als Facsimile in de Villemessants „L'Auto-
graphe" vom 1. März 1864 wiedergegeben. Merkwürdig ist
derselbe wegen der Unterschrift. Die Geduld Heines wurde
durch die unmöglichsten Formen, die die Franzosen seinem
^) Das Original ist in unserem Besitze.
2) Wir verdanken dieses Facsimile der Liebenswürdigkeit des Herrn
Vicomte de Spoelberch. Dieser gibt als Datum des Billets das Jahr 1843 an.
180 Heines Kenntnis der französischen Sprache.
Namen gaben, oft auf eine harte Probe gestellt. Aus Heine
machten sie „Enne"; mit dem Vornamen zusammengesprochen,
ergab sich „Enrienne". Von da bis zu dem Kalauer „Un rien"
war für den Boulevardwitz kein weiter Weg. Heute herrscht
allgemein die Aussprache: „henri ain". ^) Es half Heine nichts,
dass er seinen PamiHennamen eine Zeitlang mit einem Accent
versah.
1) So wird er auch von dem Societaire der Com^die Fran^aise, Le
Bargy, im „Gendre de Monsieur Poirier" ausgesprochen (cf. Abschnitt V).
I
VIERTER ABSCHNITT
HEINES
FRANZÖSISCHE ÜBERSETZER
II morto Enrico poetava ancora.
Bernardino Zendrini.
Astre ä demi voile, l'idee eclate et perce
Sous le nuag-e gris de la traduction;
Pour juger de l'etoile, il suffit d'un rayon.
Theophile Gautier,
I
Manchen Unberufenen werden wir in der langen Reihe
der französischen Heinedolmetscher finden, dafür auch manch
erfreuHches GeHngen einer schwierigen Aufgabe. Bange war
uns oft genug, auf Spuren eines plumpen Getrampels in dem
Blumenbeete seiner Lieder zu stossen, mit anzusehen, wie sie
mit ungeschickter Hand aus dem reichen Boden ihrer Sprache
gezerrt wurden. Ein jeder darf es ja ungestraft thun, —
nur den, der in unserem Gemüsegarten auf Kraut und Rüben
herumtrampelt, dürfen wir strafen! —
Wir wollen indessen nicht strenge urteilen — ja, wir
beabsichtigen das Richten überhaupt auf ein Minimum zu
beschränken, da eine eingehende ästhetisierende Kritik weder
unsere Aufgabe sein kann, noch innerhalb unserer Kompetenz
liegt. Nachsicht ist hier schon deshalb am Platze, weil die
Schwierigkeiten, die sich bei jeder Nachbildung einstellen,
bei den Liedern Heines wirklich oft unüberwindHch scheinen,
zur teilweisen Bewältigung schon bedeutende Talente erfordern.
Ist doch der musikalische Rhythmus derselben kein zufälliger
— wir wissen, wie Heine an seinen Versen feilte. Sie sind
das Resultat einer kunstvollen Arbeit, und das wirklich Kunst-
volle an ihnen ist gerade, dass sie nicht gekünstelt erscheinen,
dass sie sich voll natürlicher, ungezwungener Anmut wiegen,
wie die Elfen und Feen, die sie besingen. Hält sich daher
der Uebersetzer streng und pedantisch bloss an die Form des
Originals, so verliert seine Uebersetzung fast immer dessen
zwanglose Kunst, sie wird eine poesielose Verskopie, die statt
184 Heines französische Uebersetzer.
an das Tanzen der Elfen an das Gerumpel eines Lastwagens
erinnert. Beim entgegengesetzten Verfahren, das sich um
die Form gar nicht kümmert, und die Idee, wie es gerade
passt, verkörpert, ist das Resultat kein glücklicheres. Der Ueber-
setzer, der das französisch klassische Gewand zu zerreissen
fürchtet, wird das des Fremden zerzausen.
lieber die so wichtige Uebersetzungsfrage im allgemeinen,
die sich etwa so formulieren Hesse: „Inwiefern kann ein
poetisches Werk im fremden Kleide nützen oder schaden,
gewinnen oder verlieren?" — oder: „Kann man ihm das natür-
liche Gewand mit einem neuen vertauschen, so dass es im
neuen ebenso gefällt wie im alten?" — über dies interessante
Thema ist aus der Feder Kompetenter und Unbefähigter viel
Tinte geflossen. ^) Die noch zu bewältigende Stoffesfülle ver-
bietet uns, hier näher auf das pro und contra der Ueber-
setzungskunst einzugehen. Im Widerspruch mit den meisten,
die hierüber geschrieben, glauben wir an die Möglichkeit
guter französischer Uebertragungen deutscher Lyrik, obschon
auch wir, wie gesagt, für die grossen Schwierigkeiten nicht
blind sind ; wir glauben daran, weil uns die unten folgende
Untersuchung den praktischen Beweis geliefert. Ist es dem
Uebersetzer gelungen, Geist und Stimmung des Originals bei-
zubehalten, so dass das übertragene Lied analog auf Verstand
und Gemüt des Fremden einwirkt, so scheint uns der Zweck
erfüllt. Ein Kunstwerk, eine poetische That aber nennen wir
die französische Uebersetzung, wenn sie auf den sprachkun-
digen Deutschen selbst einen dem Original täuschend ähn-
lichen Eindruck macht.
Jedenfalls aber sollten alle mehr oder minder berechtigten
Bedenken der prinzipiellen und gelegentlichen Verkleinerer
1) Cf. Tycho Momrasen, Die Kunst des Uebersetzens fremdsprachlicher
Dichtungen ins Deutsche, Frankfurt 1886. — Ebenso: Edmond Scherer, De la
traduction en vers, Etudes de la litterature contemporaine, Bd. V, 319 ff. u. a.
Einleitung. 185
der Uebersetzungslitteratur angesichts der grossen Nützlich-
keit derselben verstummen. Wir beabsichtigen nicht, hier
noch Allbekanntes von ihrer hohen Bedeutung für Sprache,
Litteratur und Wissenschaft zu wiederholen, — am wenigsten
in der Heimatstadt Bodmers und Breitingers. Jene aber, seien
es Dichter oder Gelehrte, die so gering von der Nachbildung
denken, vergassen, was in Prankreich ein Amyot und in
Deutschland ein Luther durch ihre Uebersetzungsthätigkeit
für ihr Idiom gethan, wie dort ein Ducis, der doch übel genug
mit Shakespeare umging, für die französische, hier die Schlegel-
Tiek für die deutsche Bühne fördernd gewirkt haben.
In diesem Abschnitte nun handelt es sich um eine chro-
nologisch geordnete Uebersicht sämtlicher Heineübersetzungen,
die die französische Litteratur der letzten sechzig Jahre aufzu-
weisen hat.\) Zweck der Zusammenstellung des grossen Ma-
1) Es sei uns hier gestattet, über die flüchtige und unzureichende Arbeit
von Ottiker von Leyk, „Die deutsche Lyrik in der französischen Uebersetzungs-
litteratur" (Herrigs Archiv, Bd. 71, pag. 49 ff.), kurz zu referieren. Der Autor
unterschätzt die französische Naclibildung qualitativ und quantitativ. Mit den
wenigen Namen, die er anführt, ist die Liste der französischen Ilebersetzungs-
dichter noch lange nicht erschöpft, wie er glaubt. Ja, es fehlen sogar mit die
besten, so z. B. Amiel und Ristelhuber.
Auf Seite 52 sagt er : „In mehrfachen Leistungen vertreten sind ausser
dem eigentlichen Volksliede bloss Goethe, Schiller und Uhland ; Börne, Cha-
misso, Platen, Lenau, Heine etc. etc., und wenige andere bilden den Schluss."
Zu den Schlussbildenden, nicht mehrfach Uebersetzten gehört also Heine !
In dem gleichen Werke, in dem der Verfasser die Uhland-Uebertragungen
gefunden hat, hätte er sich eines besseren belehren können. Es hei.sst dort :
„H. Heine est beaucoup plus celebre en France que les deux poetes dont
nous venons de parier (der eine ist Uhland!). D'habiles traductions faites sous
ses yeux l'ont, pour ainsi dire, naturalise chez nous" etc. (Etudes sur l'Alle-
magne, par Alfred Michiels, Bd. II, pag. 387). Ottiker weiss es aber besser
und behauptet nochmals am Schlüsse seiner Arbeit : „Von keinem deutschen
Dichter sind so viele Gedichte übersetzt worden als gerade von dem schwä-
bischen Sänger." — (Auch Süpfle begeht denselben Fehler.)
Sehr naiv ist das Staunen des Autors ob der Gewandtheit Schures in
der Handhabung des Französischen, der doch ein „halber Deutsclier" sei !
Bis jetzt ist unseres Wissens keinem eingefallen, sich darüber zu wundern,
186 Heines französische Uebersetzer.
terials ist in erster Linie, nachzuweisen, wie sehr die Lieder
Heines französische Dichter und Dichterhnge von 1830 an
bis auf den heutigen Tag fesselten und zu Nachbildungen
begeisterten. Das Resultat dieser Rundschau, dieser reichen
Blumenlese deutscher Lyrik auf gallischem Boden, dürfte
nach unserer bescheidenen Meinung ein ebenso lehrreiches
wie originelles sein. Den geneigten Leser, der nicht a priori
aller Uebersetzung abhold ist, werden manches schöne Talent,
manch neuer ungeahnter poetischer Genuss, manch neuer
iVusblick in ein stilles, verborgenes, aber lohnendes Plätz-
chen des grossen französischen Dichterwaldes für seine Ge-
duld reichhch entschädigen.
dass die Matter, Willtn, Ristelhuber, Erkmann, J. J. Weiss, Edm. About etc. etc.
französisch schreiben konnten. Unsere Arbeit im allgemeinen und Haupt-
abschnitt II im besonderen dürften folgende Behauptung Ottikers zur Geniige
widerlegen : „Goethe ist der einzige deutsche Dichter, mit dem sich die
französische Kritik eingehender befasst, der einzige, dem sie eine ganze
Reihe höchst bemerkenswerter litterarischer Erzeugnisse gewidmet hat." —
Nervals Prosa-Uebersetzungen bezeichnet der Autor als „zwitterhafte Absude".
(Man vergleiche dagegen über Nerval Abschnitt IV und V.) Der grosse
Erfolg seiner Prosanachbildung und die Thatsache, dass Heine sich dieselbe
gefallen Hess, beweisen schon zur Genüge, dass Nervals Uebersetzung nicht
mit der Bezeichnung „prosaische Totgeburten" abzufertigen ist.
Von Heine -Uebersetzern und -Verehrern Italiens und Spaniens
berichten :
H. Breitinger, Die italienischen Heine Uebersetzer, „Gegenwart",
7. Juni 1879, und
Dr. H. Parloiv (Madrid), Die Spanier und Heinrich Heine, „Berliner
Tageblatt", Juli 1893.
Strodtmann (Heines Leben und Werke, dritte Auflage, pag. 437) gibt
eine Liste aller ihm bekannten Uebertragungen. Darunter befinden sich rus-
sische, japanische, ja auch lateinische und — hebräische Uebersetzungen.
Baron Fran§ois Loeve-Veimars. 187
Heines Uebersetzer
Baron Francois Loöve-Yeimars
(1801—1854).
Diese merkwürdige Litteratenfigur der Regierungszeit
Louis-Philippes ist in gewisser Beziehung die Karikatur
Heines. Loeve ist der Sohn deutsch-jüdischer Eltern, die
lange in Hamburg ansässig waren, wo der zukünftige fran-
zösische Baron sich in seiner Jugend als Kommis bethätigte.
Er trat dann zum Christentum über, kam nach Paris, wo es
ihm gelang, durch seine deutsche Sprachkenntnis und mit
Hülfe zähen Strebertums ein berühmter Mann zu werden.
Der kürzlich verstorbene Maxime du Camp ^) entwirft ein
wenig schmeichelhaftes Bild von dem ersten Uebersetzer
Heines, das ihn uns so ziemlich als litterarischen Glücksritter
darstellt. Heine selbst hat ihm eine kurze Lebensskizze, voll
Hebenswürdiger, nirgends verletzender Ironie gewidmet. ^) In
diesem Fragment, eine seiner letzten Arbeiten, heisst es u. a. :
„Es war eine sonderbare Marotte von Loeve-Veimars, dass
derselbe, der das Deutsche ebenso gut verstand, wie ich, den-
noch allen Leuten versicherte, er verstünde kein Deutsch."
Als Loeve-Veimars Heine übersetzte (Juni bis De-
zember 18S2), war er schon eine der bekanntesten Per-
^) Souvenirs litteraires, Hachette 1892, pag. 287 ff.
2) Heines Werke, Elsters Ausgabe, Bd. VII, pag. 395.
188 Heines französische Uebersetzer.
sönlichkeiten des litterarischen Paris, und zwar durch seine
Uebertragungen der excentrischen Novellen A. Th. Hoff-
manns, die er gerade im rechten Momente auftischte. ^) Der
Erfolg dieser Erzählungen war ein enormer, und für Loeve,
den Entdecker derselben, fielen noch genug Lorbeeren ab,
um ihn zum hervorragenden Schriftsteller zu stempeln.
Loeve-Veimars ist nicht nur der erste Uebersetzer Heines,
sondern auch der einzige, der sich dieser Aufgabe nicht
anonym unterzogen. In dem Prospektus der ,,Revue des deux
Mondes" erscheint er im Gegenteil als Hauptperson. Während
nämlich der Name Heines in bescheiden kleinen Lettern an
den Titel angefügt ist, prangt daneben fett gedruckt der
Loeve-Veimars', und zwar nicht als Uebersetzer, sondern in
einem Doppelsinn, der uns bei dem eleganten Plagiatkünstler
gar nicht überrascht.
Seine fragmentarische Uebersetzung der „Reisebilder" ^)
ist eine sehr freie. Was ihm nicht passte und zu schwierig
schien, Hess er einfach weg. Diese Uebertragung bheb auch
in der Buchausgabe unbenutzt. Schon Joseph Willm ^) hat auf
einige Ungenauigkeiten hingewiesen und bemerkt: „II a pu
amuser et interesser, tel qu'il est (der Auszug der „Reise-
bilder"), mais ce n'est certes pas une traduction exacte."
An seinen Uebersetzer, der es unter Thiers zum Baron
und königlichen Generalkonsul brachte, hat Heine sicherhch
gedacht, als er schrieb: „In der französischen Litteratur
herrscht jetzt ein ausgebildeter Plagiatismus. Hier hat ein
Geist die Hand in der Tasche des andern, und das gibt ihnen
einen gewissen Zusammenhang . . ." etc. ^)
1) Im Jahre 1825 hatte er sich schon durch Prosaübertragung englischer
und schottischer Balladen von W. Scott u. a. verdient gemacht.
2) Vergl. Anhang: Bibliographie.
^) Nouvelle Revue germanique, Juni 1832, pag. 157.
4) Ausgabe Elster, Bd. VII, pag. 426.
Joseph Willm. — A. Specht. 189
Joseph Willm
(1790—1852).
War ein emsig arbeitender elsässischer Litterarhistoriker
und Philosoph. Seine bedeutendsten Werke sind: „Essai sur
la Philosophie de Hegel", 1836 — und die dreibändige „His-
toire de la philosophie allemande depuis Kant jusqu'ä nos
jours", 1846 — 1847. Dabei war er Leiter und Hauptmit-
arbeiter der „Nouvelle Revue germanique", ein Unternehmen,
einzig in seiner Art, das sich ausschliesslich mit deutscher
Litteratur beschäftigte. In dieser Zeitschrift (1829—1836) er-
schienen auch zuerst die trefflichen Nachbildungen X. Mar-
miers aller zeitgenössischen deutschen Dichter. Im Juniheft
finden wir eine wohlgelungene Uebersetzung der „Teilung
der Erde" von Auguste Pichon.
Joseph Willm darf mit Recht der erste kompetente und
vertrauenswürdige Uebersetzer Heines genannt werden. In
seiner „Revue germanique" (188 2 , Juni, Juli und Oktober)
hat er unter dem Titel „Souvenirs de voyage par Henri Heine"
ausführliche Analysen und Auszüge der „Harzreise" und der
„Nordsee" veröffentlicht, die ungleich grösseres Verständnis
des Originals verraten, als die Uebertragung Loeve-Veimars',
dem er gelegentlich manchen Schnitzer nachweist. In einigen
einführenden Bemerkungen nennt er Heine einen der Aus-
erwählten der neuen deutschen Litteratur.
Ä. Specht
(t 1874).
Durch einen Zufall wurde vor ungefähr zehn Jahren
bekannt, dass auch dieser bescheidene Litterat und Künstler
unserem Dichter als „teinturier" (Nachhelfer) und Uebersetzer
190 Heines französische Uebersetzer.
wesentliche Dienste leistete. Er war es, der die erste Ueber-
tragung der „Französischen Zustände ^^ für die Ausgabe Ren-
dueP) (1833) lieferte. Wir lassen dem Entdecker dieser bis jetzt
unseres Wissens unbekannt gebliebenen Thatsache, P. Ponsin,
selbst das Wort, der im „Intermediaire" vom 25. Oktober 1882
(pag. 671) folgendes berichtet:
Le teinturier de Henri Heine.
Au commencement de l'annee 1874 mourait a Montdidier, oü il
s'etait retire, M. A. Specht, ancien chef de bureau a l'administration
des Postes, chevaHer de la Legion d'honneur, ecrivain, paysagiste et
musicien. M. Specht cachait sous des dehors modestes un profond
savoir qui l'avait mis en relation avec les sommites Htteraires et ar-
tistiques de son temps, parmi lesqiielles je citerai Meyerbeer, Richard
Wagner, Liszt, le peintre Troyon, qui fut son maitre et son ami, Mery,
Jules Janin, Buloz, le P. Gratry et enfin M. de Genoude, dont il fut
longtemps le collaborateur ä la Gazette de France . . .
M. Specht avait laisse en mourant une bibhotheque assez im-
portante, dont je fus cliarge par l'executeur testamentaire de rediger
le catalogue pour la vente publique. En procedant ä ce travail, je
suis tombe sur un exemplaire du livre de H. Heine, pubhe chez Een-
duel, en 1833, intitule: De la France, sur le faux titre duquel etait
ecrite, de la main de M. Specht, une note dans laquelle il declare
etre Tauteur de cette traduction; particularite litteraire inconnue
jusqu'ici qui est assez interessante pour qu'on la signale aux Querard s
futurs. P. Ponsin.
Ohne diese kleine eigenhändige Notiz also hätten wir nie
den Namen eines gar nicht unbedeutenden Kameraden, Ueber-
setzers und sprachlichen Nachhelfers Heines erfahren, den
dieser selbst sich gehütet zu nennen. Und doch hat die vor-
zügliche Uebertragung der „Französischen Zustände" den
^) Vergl. Bibliographie, „De la France". — Dieser Band der Renduel-
schen Ausgabe erschien 1833 und nicht 1834, wie in Elsters Ausgabe, Band V,
pag. 491, 7.W. lesen ist.
I
Madame Cornu-Lacroix. 191
Grundstein zu Heines Pariser Berühmtheit gelegt. Die
Spechtsche Uebertragung wurde auch in die definitive Aus-
gabe von Levy aufgenommen. ^)
Madame Cornu-Lacroix
(Sebastien Albin)
(1812).
Ein Patenkind der Königin Hortense und Napoleon III.,
Mademoiselle Lacroix, heiratete den im dritten Kaiserreiche
bekannten Historienmaler Sebastien-Melchior Cornu und machte
sich unter dem Pseudonym Sebastien Albin als Schriftstellerin
einen Namen. Ausser einer Reihe von litterarischen Studien
in der „Revue independante", „Encyclopedie moderne" etc.
und dem zweibändigen Werke „Goethe et Bettina" (Paris 1843)
gab sie im Jahre 1841 die: „Ballades et chants populaires^)
(anciens et modernes) de I'Allemagne — traduction nouvelle
par Sebastien Albin" — heraus. — Der einige 400 Seiten
starken Sammlung von Prosa-Nachbildungen geht eine „Notice
historique" voraus, die vom Hildebrandlied bis Heine reicht.
1) Dieser Specht ist derselbe, der in den Jahren 1835, 1836 und 1838 eine
Anzahl Studien und Rezensionen unter dem Titel „Revue litteraire de I'Alle-
magne" in der „Revue des deux Mondes" A. Sp. unterzeichnete. In einem
Vorworte („Revue des deux Mondes", 1. Januar 1835, pag. 78) spricht er von
einem Plane, diese Serie mit einer allgemeinen Uebersicht des litterarischen
Deutschland der Gegenwart einzuleiten : „Nous y avons renonce en reflechis-
sant que le plan adopte par notre collaborateur Henri Heine devait le conduire
infailliblement ä envisager I'Allemagne moderne egalement sous le rapport
litteraire, et des lors un travail du meme genre, quoique bien moins complet,
devait gener sa marche, peut-etre gauchir ses idees, ou lui faire craindre une
solidarite embarrassante." — Süpfle kennt diesen Vermittler deutschen Geistes
nicht.
^) Bei Gosselin, Paris. — Das Buch und die Uebertragungen sind in der
„Revue de Paris", 1841, von Camille Baxton besprochen. — Süpfle hat sowohl
dieses Buch als auch das Werk über Goethe, was weniger zu entschuldigen
ist, gänzlich übersehen.
192 Heines franzosische Uoboisotzer.
Bevor wir ein Probestück von diesen Uebersetzungen geben,
möchten wir aber einige Zeilen citieren, die diese geistvolle
Dame in die grosse Zahl der französischen Schriftsteller ein-
reihen, die von einer geistigen Allianz Deutschlands und
Frankreichs träumen : „L'Allemagne et la France, toujours
solidaires l'une de l'autre, dont l'une fit la reforme rehgieuse
et l'autre la reforme politique, marchent maintenant vers le
meme but, le perfectionnement social; toutes deux elles
regnent par l'esprit et par la pensee. Et quels que soient les
obstacles qui puissent accidentellement entraver l'union intime
des deux pays, il est une volonte providentielle ou une force
logique des' choses qui finira toujours par faire triompher la
verite et le droit . . . Toutes deux ont trop appris ä leurs
depens oü mene l'exaltation aveugle pour la mettre de
nouveau au Service de calculs haineux et machiavehques." —
So ein Patenkind Napoleon III. im Jahre 1841 ! — Nach
einer verständnisvollen Charakteristik Heinescher Dichtung
folgen einige wortgetreue und in schlichter Sprache gehaltene
Uebertragungen (pag. 390 ff.)-
Tu es, comme une fleur, douce, belle et pure ; je te regarde, e
la melancolie entre en mon äme.
II nie semble que je devrais poser mes niains sur ta tete, et prier
Dieu qu'il te conserve toujours douce, belle et pure.
Alexandre WeilD
(1813).
Um „Mathilden" eine Freude zu bereiten, die oft von
den Gedichten ihres Mannes zu Weill sagte: „si c'est vrai
que c'est si beau?" brachte er ihr eines Tages — wohl ums
Jahr 184Ö — folgende Nachdichtung mit:
^) Vergl. Abschnitt II.
Alexandre Weill. 19B
Rassure-toi, ma mie, et sois sans peur!
II n'est ici ni voleur ni chipeur!
Cependant, pour qu'un brigand ne t'emporte
Comnie un bijou, je verrouille la porte.
L'orage gronde. Entends-tu ce fracas?
Ah bah! l'hotel ne s'ecroulera pas!
Pourtant, de peur d'un subit incendie,
Je vais d'un souffle eteindre la bougie!
Mais tu n'as rien autour de ton cou blanc,
Pas de cravate et pas meme un ruban!
Pour le tenir chaud et fondre sa glace,
De mes deux bras permets que je Tenlace.
Er erzählt in seinen „Souvenirs intimes" (pag. 99): „Ma-
thilde etait enchantee" — worauf sie ihren Gatten gefragt,
warum er den „petit Weill" nicht seine Lieder übersetzen lasse.
Und Heine habe geantwortet: „D'abord il ne voudrait pas s'en
charger. Son plus beau poeme, c'est son mariage ..." Weill
bemerkt noch, dass er es schliesslich doch auf sich genommen,
da er schon manche Versuche unter seinen Papieren besass, —
wenn ihn nicht inzwischen Mathilde mit seinem Freunde über-
werfen hätte. Denn er, der beider Sprachen mächtig ist —
die ,,Elsässischen Dorfgeschichten" legen für seine deutsche
Sprachgewandtheit genügendes Zeugnis ab — , glaubt an
die Uebersetzungsfähigkeit des Französischen, wie aus nach-
stehenden Zeilen seiner „Souvenirs" (pag. 97) hervorgeht.
Heine fragt ihn: „Pourriez-vous traduire mes Lieder? On
m'a dit qu'ils sont intraduisibles." — Und Weill antwortet:
„Ce sont d'impuissants cuistres qui disent cela. D'abord, tout
peut se traduire en frangais, la langue maitresse de l'humanite,
et ce qui ne saurait se traduire en frangais ne vaut rien en
aucune langue. II est ä remarquer qu'une oeuvre allemande
ou anglaise de premier ordre, bien traduite en frangais, gagne
en clarte et en purete, j'allais dire en sürete, meme aux yeux
de l'auteur. II se comprend mieux quand il se lit en frangais
Betz, Heine in Frankreich. 13
194 Heines französische Uebersetzer.
qu'en se lisant dans sa langue maternelle. Le Prangais, de
sa nature, ou plutöt d'instinct, vanne et tamise la matiere
qu'il travaille, de plus 11 sarcle le sol dans lequel 11 trans-
plante. II donne l'alr et la lumlere ä toute pensee qu'il
cultlve. Donc, vos Lieder peuvent etre parfaltement tradults.
Mais 11 faudralt non seulement connaitre ä fond les deux
langues, comme une langue maternelle, ce qul ne me feralt
pas reculer, mals encore etre poete comme v^ous, et sur ce
point je me recuse ..."
Edouard Grenier')
(1819).
Grenler hat nach seinen eigenen Aussagen Heine Ueber-
setzungsdlenste zwischen den Jahren 1845 und 1850 geleistet,
und zwar übertrug er „Lutezla" (Lutece — Lettres de Paris),
das Fragment „Rabbi Bacharach" und „Atta Troll" („Revue
des deux Mondes", März 1847). — Von ihm sind auch einige
Lieder und die Uebersetzung des „Wintermärchens", die nicht
in der „Revue des deux Mondes" aufgenommen wurden. —
Seine Uebertragungen sind äusserst treu und sprachgewandt,
wie es sich bei Grenler von selbst versteht. —
Maximilian Buchon
(1818—1869).
Ein französischer Litterat, der schon vor seinem un-
freiwilligen Aufenthalte in der Schweiz (Bern) und Deutsch-
land — er musste nach der Revolution von 1848 fliehen —
mit deutscher Dichtkunst sympathisierte. Wir haben von
^) Vergl. Abschnitt ]I und Bibliographie.
Maximilian Buchon. 195
ihm als Verfasser einer kleinen, hübschen Broschüre von
einigen sechzig Seiten zu sprechen, die es bis zur vierten
Auflage gebracht hat und den Titel trägt:
,^Poesies allemandes de J.-P. Hebel, Th. Koerner, L. Uliland,
H. Heine''
traduites par Maximilien Buchon. Salins, 1846.
Die Einleitung lehrt uns gleich, dass wir es hier wieder
mit einem französisch-deutschen Einigungsschwärmer zu thun
haben. Er will an den vier Dichtern den Franzosen zeigen,
wie die Deutschen die Natur (Hebel füllt zwei Drittel des
Büchleins), das Vaterland, ihre Sagen und Geschichte und
die Liebe besingen. Ohne Ueberschrift (wie dies bei den
meisten Uebersetzern der Fall ist) lässt er in buntem Durch-
einander elf Gedichte Heines folgen. Die Uebertragung ist
durchweg eine äusserst freie; dafür geht er aber auch frei
mit dem französischen Vers um, was ihm von der Kritik
folgendes Lob eingetragen hat: „On ne peut pas reprocher
ä M. Buchon de pecher par la recherche dans le tour poetique.
Sa maniere de versifier, au contraire, a quelque chose de
rugueux et de sauvage qui choque l'oreille, et, s'il est realiste
par le fond, par la forme, en revanche, il est par trop fantaisiste."
Als Beispiel führen wir das launige Gedicht an, das ihm
wohl am besten gelungen sein dürfte:
Ils avaient avec moi le.s plus nobles fagons,
Qu'ils saupoudraient toujours de paternes le§ons
Et ne manquaient jamais de me laisser entendre
Qu'on me protegerait ... si je savais attendre.
Mais tout cela n'eüt pas empeche qu'a la fin
Je n'apprisse, ä mes frais, ce quo c'est que la faim ;
Si je n'eusse trouve Fappui d'un bien brave komme
Qui, chose remarquable ! ainsi que moi se nomme.
Oh! oui, c'est lui, mon coeur s'en souviendra toujours,
Qui me fournit le pain, durant les mauvais jours;
Aussi, de l'embrasser, sens-je un besoin extreme.
Mais impossible ; car cet homme, c'est . . . moi-meme !
196 Heines franzosische Uebersetzer,
Buchon übersetzt weder als Dichter noch als Gelehrter;
seine Nachbildungen, besonders die von Hebel, sind Arbeiten
eines verständigen Dilettanten. —
Gerard de Kervar)
(Gerard Labrunie)
(1808—1855).
Das bezeichnendste Wort für diesen unglücklichen Träumer
hat Eggis gefunden: „C'est simple comme le genie, poete
comme l'amour et voyageur comme Thirondelle.'' Ein Traum,
ein düsterer, aufreibender Traum war diesem berühmtesten
Uebersetzer Heines und Goethes in Frankreich das kurze
Leben, und Jenny Colon die böse Fee, jene Operettensängerin
„cette mangeuse de rosbif qui ne comprenait pas les adorations
poetiques". So drückt sich verächtlich Arsene Houssaye, sein
noch lebender Freund, in den „Souvenirs d'antan^' aus („Li?;re"
1883), in denen er ein rührendes Bild dieses Poeten entwirft.
SchrofiP tritt hier der Kontrast zwischen Heine und seinem
französischen Freunde und Dolmetscher zu Tage. Nerval, die
Herzensgüte, Seeleneinfachheit selbst, ohne Arg und List,
naiv bis zur Kindlichkeit, und Heine, der den Verdacht hegt,
er eskamotiere ihm seine Gedanken !
„Gerard etait charmant: la douceur de la colombe et la
legerete du nuage. On etait pris du premier coup ä ses yeux
qui etaient son äme, ä sa voix qui etait son coeur . . ."
Denselben zweifelhaften Geschmack, den Maxime du
Camp in den ,,Souvenirs litteraires'^ seiuem intimsten Jugend-
freunde Flaubert gegenüber zeigte, bewies er auch da, wo
er mit widerwärtiger Detailmalerei die traurige Geschichte
der Geisteskrankheit Nervals erzählt. Uns interessiert hier
nur, was er uns von Gautiers Erinnerungen wiederholt. Als
1) Vergl. Abschnitt II und V.
Gerard de Nerval. 197
Nerval nämlich erfahren, dass die Colon, an die er sein ganzes
kleines Vermögen mit Blumen vergeudet hatte, gar nichts von
seiner stummen Liebe gewusst habe, erwiderte er dem guten
,,Theo", der ihm hierüber Vorstellungen machte : „A quoi cela
aurait-il servi qu'elle m'aimät?" — Und, erzählt Gautier weiter:
„ — puis il recita en allemand la Strophe de Henri Heine: „Celui
qui aime sans espoir pour la seconde fois est un fou; moi
je suis fou. Le ciel, le soleil, les etoiles en rient. Moi aussi
j'en ris, j'en ris et j'en meurs!"
Wie sehr Nerval mit Heineschen Liedern imprägniert,
wie sehr dessen Lyrik seinem zerfahrenen inneren Wesen
verwandt und —- verderblich war, so dass sich seine Ge-
fühle von selbst in Nachbildungen unseres Dichters äusserten
und erleichterten, geht aus folgender Stelle der genannten
Erinnerungsblätter Arsene Houssayes hervor (pag. 43):
Je vis un matin arriver Gerard, les yeux rougis par les larmes.
C'etait au plus beau temps de sa passion pour Jenny Colon, dont il
aimait jusqu'au nez en virgule.Elle ne le trompait que deux ou trois fois
par semaine ; eile menagait de le tromper tous les jours. Devani cette
colonisation il etait desespere, mäis silencieux, car il l'aimait trop pour
l'accuser. A la fin pourtant, en maniere de reponse ä mes questions,
il ecrivit d'une niain fievreuse ces trois ballades de Henri Heine;
Matiere ä chanson.
„Sur les beaux yeux de ma maitresse, j'ai compose les plus helles
canzones; sur la petite bouche de ma maitresse, j'ai compose les meil-
leurs tercets ; sur les joues savoureuses de ma maitresse, j'ai compose
les plus magnifiques stanccs.
Et si ma maitresse avait un coeur, je voudrais composer sur lui
un tres beau sonnet; mais je ne ferai jamais ce sonnet-la!"
N'est-ce pas, me dit-il avec desespoir, que c'est une belle matiere
ä chanson !
Le Chevalier blesse.
„Je sais une vieille hailade, qui resonne luguhre et sombre : un
Chevalier portait au coeur une blessure d'amour; mais celle qu'il aimait
trahit sa foi.
198 Heines französische Uebersetzer.
II lui fallut donc mepriser comme deloyale la dame si chere ä
son coeur; il lui fallut donc rougir de son amour.
Fidele aux lois clievaleresques, il descendit dans la lice et defia
les Chevaliers au combat: — Que celui-lä s'apprete ä combattre qui
accusera ma dame d'avoir entache son hermine!
Personne ne repondit ä ces paroles, personne — excepte son
coeur. — Ce fut donc contre son cceur qu'il pointa le fer de sa lance."
— Ah ! si vous saviez, me dit-il en portant la main ä son coeur,
combien j'ai lä de blessures!
Lärmes et serpents.
„Oui, c'est bien ici qu'en des jours de confiance insensee je crus,
pour mon malheur, ä tes serments d'amour eternel : ä la place meme oü
jadis ont coule tes larmes hypocrites, aujourd'hui sifflent des serpents."
Hier mag auch noch eine Seite aus denselben Memoiren
Platz finden, wo das Verhältnis zwischen Heine und Nerval
äusserst charakteristisch und pittoresk dargestellt ist und wir
zugleich von den Sprachkenntnissen des Letzteren Auskunft
erhalten (pag. 121, 22):
„Ce qui a manque ä Gerard, ce ne sont pas les amities — ni les
amours — c'est la femme. Vae soll. — Malheur ä l'homme seul! a
dit l'Ecriture. Son ami H. Heine avait compris cette grande parole.
Un matin, il m'a prie de l'accompagner chez Henri Heine pour
n'etre pas trop mal venu. „Voyez-vous, me dit-il, je suis si en retard
pour mes traductions qu'il va ne faire de moi que deux bouchees."
Nous avons trouve H. Heine couche. Comme toujours, Juliette — la
Juliette de ce Romeo — chantait comme une fauvette dans la chambre
voisine. H. Heine accueiUit Gerard sans rancune. „Apres tout, dit-il,
que me fönt mes ballades quand j'entends chanter Juhette?" — „Je
croyais que c'etait un rossignol," dit Gerard. — „Un rossignol, je le
ferais fricasser pour mon dejeuner. C'est une fauvette qui cliante." —
„Vous avez bien raison, dis-je ä Heine, le rossignol est un vieux
chche; il n'y a que les fauvettes pour avoir des inspirations." — „Avez-
vous remarque, me dit Heine, comme la voix d'une femme est tour
ä tour un rayon de soleil ou le parfum d'un bouquet ? Quand Juliette
ne cliante pas, il me s^emble que le soleil se caclie et que je ne respire
plus le printemps. Je suis si mal dans mon ht! Oh destinee! Qui
donc m'a condamne ä ce rocher, moi qui ne suis pas Promethee!"
i
Gerard de Nerval. 199
Le poete railleur se retournait dans son lit sans jamais trouver
le bon cote. „Ah! que Gerard est lieureux, reprit-il, il est toujours
par quatre chemins, Voila pourquoi il me traduit si mal." — „Je crois
bien, dit Gerard, il n'y a qu'un liomme capable de vous traduire, c'est
vous-meme." — „Dites tout de suite que vous ne savez ni rallemand,
ni le frangais."
La verite, c'est que Gerard ne savait plus le fran^ais dans ses
jours troubles et n'avait jamais bien su l'allemand. „Tenez, mon eher
Gerard, il faut faire comme moi : j'ai epouse une FranQaise qui m'a appris
le frangais; epousez une Allemande qui vous apprendra l'allemand."
Gerard avait horreur de toutes les prisons, il avait la terreur du ma-
nage. „On ne trouve pas toujours une Juliette, (üt-il pour flatter
H. Heine, yeux noirs, dents blanches et le reste." ~ „Le reste! s'ecria
H. Heine, que diable voulez-vous que j'en fasse ? La pauvre JuHette
en est reduite ä chanter toujours sur le balcon."
On sait que Henri Heine avait epouse sa maitresse. La pauvre
fiUe, il l'avait epousee bien moins pour eile que pour lui, quand dejä
la paralysie le frappa. Ce fut une soeur de charite au ht d'un mourant,
un mourant qui ne mourait pas. C'est l'histoire d'Aubryet, mais Aubryet
n'eut pas une Juliette pour embaumer sa tombe vivante. Heine disait:
„Savez-vous pourquoi vous me retrouvez encore? C'est que JuHette
me retient des deux mains; eile m'aime tel que, quand j'en suis ä
mon dernier soupir, eile pleure si bien que je ressuscite pour boire
ses larmes."
Juliette etait une ci-devant ouvriere qui n'avait aucun sentiment
de la litterature, qui aimait Heine pour sa poesie sans y rien com-
prendre. N'est-ce pas bien lä le caractere de la femme?
Es unterliegt keinem Zweifel, dass Werther, Faust, A. Th.
Hoffmann, Bürger, für das schlecht equilibrierte Gehirn Nervals
eine gefährliche Geisteskost bildeten. Allein der Keim einer
krankhaften Mystik lag schon in ihm und es heisst zu weit
gehen, wie dies von Paul de Saint- Victor in der Einleitung
zu der „Boheme galante" und von andern geschehen ist, den
Freund Heines als ein Opfer deutscher Phantastik und Philo-
sophie hinzustellen, seinen Wahnsinn Deutschland, „le pays
des hallucinations de l'intelligence", in die Schuhe zu schieben.
Ein Stück Wahrheit liegt allerdings in diesem Glauben ; denn
für einen französischen Dichterkopf, der nicht stark und sicher
200 Heines französische üebersetzei
denkt, ist das Vertiefen in anglo-gerraanisches Geistesgewebe
ein Wagnis. Noch ein anderer Bewunderer Heines und Ner-
vals, Baudelaire, ist ihm unterlegen.
Alex. Weill lässt Heine sagen (Souvenirs intimes, pag. lOOj :
„J'ai bien aide Gerard, mais il est trop classique et il ne
sait pas bien l'allemand." Im ersten Punkt scheint Heine zu
irren, denn wäre Nerval so klassisch gewesen, so hätte er es
sich nicht nehmen lassen, den Alexandriner bei der Nach-
dichtung zu benützen. Dass er sich der Prosa bediente, ist der
beste Beweis, dass er nicht klassisch dachte und empfand.
Nerval hat bekanntlich schon 1830 unter dem Titel
„Poesies allemandes" eine Reihe von Gedichten Bürgers,
Uhlands, Schillers etc. übersetzt. Heine ist in dieser Samm-
lung unseres Wissens noch nicht vertreten.
Die deutsche Kritik hat für die erste „Intermezzo "-Ueber-
tragung ein durchw^eg ablehnendes Urteil. Wenn sie damit
sagen will, dass bei der Nervalschen Uebersetzungsweise etwas
Anderes herausgekommen ist als das Original, so hat sie Recht;
wenn sie aber behauptet, dass dies Andere bloss ein farbloser
Abklatsch der Lieder Heines darstelle, so ist sie im Irrtum,
denn der Prosanachbildung wohnt ein eigentümlicher Zauber
inne, der nicht umsonst die Franzosen fesselte und, wie wir
später sehen werden. Schule machte. Nerval hat es eben
verstanden, das Bestrickende der Heineschen Lyrik durch die
einfachsten, aber gerade deswegen für den französischen
Dichter schwierigsten Mittel in die Prosa hinüberzuretten.
Er wusste wohl, warum er auf eine getreue Uebertragung der
Strophenarchitektonik Heines verzichtete. Eine genaue Reim-
und Rhythmus-Nachahmung war damals noch unmöglich; ein
solches Unternehmen hätte Fiasco gemacht. Durch seine
musterhafte Prosa, in der er musikalischen Schmelz und eine
gewisse Herzensmystik hineinzulegen verstand, ward dem
Dichter und dem Dolmetscher ein durchschlagender Erfolg
gesichert.
Gerard de Nerval. 201
Da die französische Kritik gewöhnlich die „Nordsee-Ueber-
tragungen" als die gelungensten bezeichnet, geben wir aus
diesem Cyklus einige kurze Proben. Wem irgend ein „Poeme
en prose" der modernen Symbolisten oder die Werke Stephane
Malarmes zur Hand sind, der mag sich von der frappanten x\n-
lehnung an diese Modelle selbst überzeugen (pag. 130) :
Le calme.
La mer est calme. Le soleil reflete ses rayons dans l'eau, et
sur la surface onduleuse et argentee le navire trace des sillons d'eme-
raude.
Le pilote est couche sur le ventre, pres du gouvernail, et ronfle
legerement. Pres du grand mat, raccommodant des volles, est accroupi
le mousse goudronne.
Sa rougeur perce ä travers la crasse de ses joues, sa large bouclie
est agitee de tressaillements nerveux, et il regarde gä et lä tristement
avec ses grands, beaux yeux.
Car le capitaine se tient devant lui, tempete et jure et le traite
de voleur: „Coquin! tu m'as vole un hareng dans le tonneau!"
La mer est calme. Un petit poisson monte a la surface de l'onde,
chauffe sa petite tete au soleil et remue joyeusement l'eau avec sa
petite queue.
Cependant, du haut des airs, la mouette fond sur le petit pois-
son, et, sa proie fretillante dans son bec, s'eleve et plane dans l'azur
du ciel.
Questions.
Au bord de la mer, au bord de la mer deserte et nocturne, se
tient un jeune liomme, la poitrine pleine de doute, et d'un air morne
il dit aux flots :
„Oll! expliquez-moi l'enigme de la vie, la douloureuse et vieille
enigme qui a tourmente tant de tetes: tetes coiffees de mitres hiero-
glypliiques, tetes en turbans et en bonnets carres, tetes ä perruques
et mille autres pauvres et bouillantes tetes liumaines. Dites-moi ce
que signifie l'homme ? d'oü il vient? oü il va? qui habite lä-haut au-
dessus des etoiles dorees?"
Les flots murmurent leur eternel murmure, le vent souffle, les
nuages fuient, les etoiles scintillent, froides et indifferentes, — et un
fou attend une reponse.
202 Heines französische Uebersetzer.
Alfred Michiels *)
(1813-1892).
Ein sprachkundiger, vielseitig gebildeter und besonders
als Vermittler deutscher Geisteskultur sehr verdienter Lit-
terat, — aber kein Dichter. Wir können die Poesie der Prosa
Nervals nicht deutlicher nachweisen als durch die Prosa der
Poesie Michiels.
Die folgende Uebersetzung der „Grenadiere" — mit Aus-
nahme der letzten Strophen herzlich unbedeutend — befindet
sich in dem Bande: „Etudes sur l'Allemagne'^, 1850 (erste
Ausgabe 1839, zweite 1845), pag. 402:
Les deux grenadiers.
Deux grenadiers frangais revenaient de ßussie;
Oubliant leur defaite et leur captivite,
Ils songeaient au bonheur de revoir leur patrie,
De revoir ses coteaux et son ciel enchante.
Mais soudain retentit une affreuse nouvelle:
„La France de ce coup ne guerira jamais,
„Les Prussiens ont battu son armee immortelle,
„L'empereur, l'empereur est aux mains des Anglais."
Et tous les deux, le front penclie sur leur poitrine,
Ainsi que des enfants se mirent ä pleurer.
„France!" murmura l'un, „ta chute est ma ruine;
„Ma cicatrice saigne et je vais expirer."
„Ami," repondit l'autre, „il me faut du courage:
„Je ne puis, comme toi, me soustraire au malheur;
„J'ai ma femme ä nourrir, j'ai deux fils en bas äge;
„Ils mourront de besoin si je meurs de douleur."
„Eh que m'importe ä moi tes enfants et ta femme?
„Laisse-les mendier s'ils ont faim, laisse-les.
„Un chagrin plus amere empoisonne mon äme:
„L'empereur, l'empereur est aux mains des Anglais."
1) Vergl. Abschnitt II.
I
Alfred Micliiels. 203
„Frere, ne trahis pas ma derniere esperanco ;
„Lorsque, dans un instant, tu m'auras vu niourir,
„Fais transporter mon corps sous le ciel de la France,
„Qu'au sein de mon pays je puisse au moins dormir.
„Proniets-moi d'attaclier ma croix sur ma poitrine
„Et de m'ensevelir ainsi dans ma fierte.
„Entre mes froides mains place ma carabine,
„Et que mon sabre aussi repose ä mon cote.
„Comme une sentinelle aux faites des murailles,
„Du sein de mon tombeau j'ecouterai toujours,
„Et si j'entends gronder le canon des batailles
„Et les chevaux liennir, ainsi qu'aux anciens jours;
„Si notre general, qui maintenant succombe,
„Passe au-dessus de moi, le front triste et reveur,
„On me verra sortir tout arme de ma tombe
„Pour saluer, pour defendre et sauver l'empereur!"
Hicolas Martin
(1814-1877).
Geburt, Verwandtschaft — er ist Schwestersohn Karl
limrocks — Erziehung und Neigung, alles hatte den begabten
iitteraten und Dichter dazu bestimmt, ein hervorragender
[Geistesvermittler der beiden Völker zu werden. Seine hohe,
iber undankbare Mission hat er nach Kräften erfüllt, — seine
[Stimme jedoch verhallte — wie die Börnes — im blinden
[Gewirre des Nationalkampfes.
Innerhalb der französischen Dichtergruppe wurde er als
iPoet von der Kritik in die sogenannte „ecole fantaisiste" ein-
igereiht, zu der noch u. a. Arsene Houssaye, Murger, Boyer etc.
[gerechnet werden. Marc-Monnier ") sagt von ihm: — „celui
^) „Les poetes", Bibliotlieque universelle, Mai 1856.
204 Heines französische Uebersetzer.
que j'aime le mieux, parmi ces poetes elegants, est M. Nicolas
Martin qui se distingue par im air de franchise et de sincerite
flaraande/^ —
Sein Buch „Les poetes contemporains en Allemagne"
ist die Frucht einer Htterarischen Mission in Deutschland, die
er 1846 im Auftrage des Ministers de Salvandy unternommen
hatte. Wie intakt er sich seinen nationalen Dualismus, das
freie Urteil und den Mut seiner Ueberzeugung zu bewahren
wusste, geht aus einer Stelle — wir könnten noch hundert
andere eitleren — seiner Autobiographie hervor („Auto-
biographie printaniere"), der ein Band Gedichte — „Poesies de
Nicolas Martin", 4^ edition, Paris 1867 — vorausgeht. „Com-
ment suis-je devenu un poete, un poete allemand pour un quart,
flamand pour un autre quart, et frangais pour le reste? Je
pourrais commencer ma reponse par ce vers:
„Fils de mere allemande et de pere frangais";
et la finir en disant que mon enfance et ma premiere jeunesse
se sont passees dans les Flandres. Comme il arrive presque
toujours aux fils, je gardai surtout Vempreinte maternelle. Je
la gardai dans la vigueur du corps, dans la sante physique
comme dans la serenite de l'esprit, cette sante de l'äme ..."
Nicht gerade schmeichelhaft für Frankreich, dem er ,,par
le reste" angehört. In diesem Falle kann man schwerlich
von „beaux restes" reden. — Fügen wir noch einen Vers
aus der gleichen Liedersammlung hinzu, so haben wir immer-
hin eine Erklärung für die Thatsache, dass das Exemplar der
Bibliotheque nationale in Paris — unaufgeschnitten in unsere
Hände gelangte. Sein „A TAllemagne" betiteltes Lied beginnt
nämlich :
A l'AIlemagne.
Allemagne, AUemagne, oh! mon coeur est ä toi,
Terre de l'esperance et de l'antique foi,
Terre des simples coeurs, 6 naive patrie
De la grave science et de la reverie!
i
Nicolas Martin. 205
Terre de souvenir et de fidelite,
Abri ouvert toujours a Fhospitalite,
Valion mysterieux oü les fleurs et les femmes
Ont les plus doux parfums et les plus vierges ämes,
Oü l'austere devoir jamais ne parle en vain,
Oü l'art est encor roi, l'amour encor divin,
La musique encor soeur des harpes seraphiques,
Et tout beau front orne de ses gräces pudiques,
Terre de l'esperance et de l'antique foi,
Allemagne, Allemagne, oh! mon cceur est ä toi.
Sainte-Beuve hatte diese' Verse noch nicht zu Gesichte
bekommen, als er in den „Causeries du Lundi" von ihm sagte:
„Nicolas Martin mele ä son inspiration frangaise une veine
de poesie allemande. II a un sentiment domestique et naturel
qui lui est familier, et Ton croirait qu'il a eu quelque
Sylphide des bords du Rhin pour marraine." —
Der Einleitung des genannten Werkes „Les poetes con-
temporains" — sie ist an Karl Gödeke gerichtet — entnehmen
wir folgende Stelle, die uns den tiefen Eindruck fühlen lässt,
den Heine auf Martin gemacht hat (pag. 6) :
„Comment n'aurions-nous pas parle particulierement de Heine,
puisque Favant-veille je murmurais ses vers sur le pont du Rhin ä
Düsseldorf? Helas! ce vif esprit, qui vient de s'eteindre si vaillant
encore, etait alors dans toute sa force ! Sur ma demande, vous vou-
lütes bien me hre d'une voix emue et vibrante sa bailade des Deux
Grenadiers. Entre un Frangais et un AUemand, sympathiquement en-
traines l'un vers l'autre, le genie de Heine etait le naturel trait d'union.
Ce genie mele de reveries et d'action est la plus habile, la plus spon-
tanee fusion de nos deux nationalites. Heine, c'est le cceur diaboli-
quement embrasse de Faust, que rafraichit et rachete incessamment
une lärme de Marguerite. Cette larme-lä lui fera pardonner bien des
ricanements.
In demselben Bande sind auch seine Prosaübertragungen
leutscher Lieder aufgenommen. Diese waren schon vereinzelt
in der „Revue de Paris" (zwischen 1840 und 1850) erschienen
und später zusammen in „France et Allemagne", 1852. —
206 Heines französische tJebersetzer.
Heine ist etwa mit einem Dutzend Uebertragungen vertreten.
Ohne das Gepräge der duftenden Prosa-Poesie Nervals zu
tragen, schmiegen sich dennoch seine Nachbildungen in prunk-
loser Sprache dem Geiste des Originals an. Wir lassen als
Probe das bekannte Sonett Heines an seine Mutter folgen:
A ma mere.
I.
Je suis habitue ä porter tres haut la tete ; mon esprit lui-meme
est un peu raide et rebelle; si le roi en personne me regardait en
face, il ne me ferait pas baisser les yeux.
Et pourtant, chere mere, je le dirai franchement, mon orgueil a
beau se gonfler et se guinder ä l'independance, souvent en ta douce
et sainte presence, une crainte respectueuse me saisit.
Est-ce ton esprit qui me dompte en secret, ton esprit superieur
qui penetre tout avec hardiesse, et s'eleve d'une aile lumineuse jus-
qu'aux Celestes hauteurs?
Ou suis-je ecrase par le souvenir des chagrins dont j'ai rempli
ton coeur, ce noble et tendre coeur qui m'a tant aime?
II.
Seduit par un reve insense, je t'ai quittee autrefois; je voulais
aller jusqu'au beut du monde, et je voulais voir si je trouverais l'amour,
impatient de l'embrasser d'une etreinte ardente.
J'allais donc, cherchant l'amour dans toutes les rues; j'etendais
des mains suppliantes devant chaque porte et je mendiais un peu
d'amour. — Mais partout on m'accueillait avec un sourire moqueur
et je ne recoltais que la liaine.
Et je m'egarais de plus en plus ä la recherche de l'amour, tou-
jours de l'amour; mais cet amour, helas! je ne le trouvais Jamals, et
je revins sous le toit paternel, l'äme et le corps malades.
Mais, au moment oü j'allais franchir le seuil, tu t'elangas ä ma
rencontre, chere mere! et, ce qu'alors je vis briller dans tes yeux, ah!
c'etait cet amour, ce doux et profond amour si longtemps cherche!
Saint-Rene Taillandier. 207
Saint-Rene Taillandier 0
(1817—1879).
Mit diesem Uebersetzer Heines ist die Kritik übel um-
gegangen und zum grossen Teil nicht ohne gerechten Grund.
ZAvischen 1851 und 1855 veröffentlichte er, meistens anonym,
in der „Revue des deux Mondes" : „Romancero, Mephistophela
et la Legende de Paust", „Le Retour", „Le Livre de Lazare"
und „Nouveau Printemps". — Fast alle diese Uebertragungen,
die noch unter der Aufsicht Heines zu stände kamen, sind
in der definitiven Ausgabe von Levy aufgenommen worden.
— Schon Mitte der fünfziger Jahre, noch zu Lebzeiten Heines,
nimmt Ad. Stahr die Uebersetzungsweise Taillandiers arg mit,
indem er u. a. behauptet, dieser habe nicht nur die Lieder
Heines entstellt, sondern auch an vielen Stellen die kecken
und originellen Einfälle mit abgeblassten, banalen Phrasen
umschrieben, als ob sich der französische Geschmack gegen
derlei Kühnheiten sträube. Taillandier wehrt sich gegen diese
Kritik in einem P. S. vom März 1861 ausführlich und in
scharfer Weise, und beginnt seine Erwiderung mit einem
Brieffragmente Heines, in dem seiner Uebersetzungsthätigkeit
volles Lob gespendet wird. ^)
Heine hatte schon zuvor die Uebersetzung, des Lieder-
cyklus „Lazarus" (Lamentationen) eine vortreffliche genannt.
Allein wir finden in seinen Schriften genug Anhaltspunkte,
die uns zu dem Schlüsse berechtigen, dass der totkranke
Dichter sich diese Uebertragungen „faute de mieux" eben
gefallen lassen musste. Das bekannte Wort „Lune empaillee"
wird wohl seine innerste Ueberzeugung über den dichterischen
Wert der Uebersetzungen Taillandiers gewesen sein, der
^) Vergl. Abschnitt V und für seine verschiedenen Uebersetzungen
Bibliographie.
2) Vergl. Abschnitt III, p. 170.
208 Heines französische Uebersetzer.
sich dieser Aufgabe in uneigennützigster und bescheidenster
Weise — es muss dies nicht vergessen werden — unterzog.
Auch Breitinger hat sich in seiner oft eitierten Antritts-
rede über diesen sonst so verdienten Litterarhistoriker, dem
besonders von deutscher Seite alle Ehre gebührt, lustig ge-
macht und auf eine Uebersetzung hingewiesen, die allerdings
zum Spotte reizt. Taillandier gibt nämlich die Verse :
„Flieg' hinaus bis an das Haus,
Wo die Blumen spriessen,
Wenn Du eine Rose schaust,
Sag' ich lass' sie grüssen"
folgendermassen wieder: „Envole-toi dans Tespace, va jusqu'ä
la demeure oü les plus helles fleurs s'epanouissent. Si tu
apergois une rose, dis-lui que je lui envoie nie plus empresses
compliments/^ Wozu Breitinger bemerkt: „Wahrhaftig, das
Problem war noch zu lösen, lyrische Zeilen durch einen fran-
zösischen Briefschluss wiederzugeben !'' ')
Ohne näher auf die Uebersetzungsthätigkeit Taillandiers
einzugehen, sagen wir mit seinem Freunde Grenier: ,,Er war
kein Dichter."
Camille Seiden^)
(Madame de Krinitz)
(geh. circa 1830).
Auch die „Mouche" verdient es, unter die Heineübersetzer
gerechnet zu werden. Sie war in That und Wahrheit seine
letzte „teinturiere". Sie erzählt uns selbst, wie sie dem
sterbenden Dichter an der Ueberarbeitung der „Reisebilder"
') Der verstorbene Professor der französischen Sprache und Litteratur
hatte Recht, auf diese bedenkliche Geschmacklosigkeit Taillandiers hinzudeuten.
Er durfte nur nicht auf der gleichen Seite „lune empaillee" mit „einen in
Stroh gewickelten Mondschein" übersetzen! —
2) Vergl. Abschnitt II.
Saint-Rene Taillandier. 209
behülflich gewesen und dass sie den „Neuen Frühling" selb-
ständig übersetzt, auf Wunsch ihres Freundes, damit dieser
an ihrer Nachbildung diejenige seines gewohnten Uebersetzers
— es handelt sich hier um Taillandier (1856) — korrigieren
könne. Wie viel wir ihrer Arbeit in der französischen Aus-
gabe von Levy verdanken, darüber spricht sie sich in ihren
,,Derniers jours de Henri Heine" nicht aus. In diesen Er-
innerungsblättern befindet sich auch eine anspruchslose, aber,
weil frei von allem Lavendelw^asser der Sentimentalität und
Rhetorik, seelisch-wirkungsvollere Darstellung des Liedes:
„Du bist wie eine Blume", als sie den meisten Uebersetzern
gelungen ist : „Tu ressembles ä une fleur, tant tu es gracieuse
et belle et pure ; je te regarde en silence, et, tandis que je te
regarde, un indicible sentiment de tristesse me penetre;
j'eprouve quelque chose comme si je devais etendre les mains
sur toi et te benir, priant le ciel de te conserver aussi belle,
aussi gracieuse, aussi pure." — Dasselbe Bändchen enthält
eine allerdings sehr freie, aber durchaus kongeniale und schöne
Prosabehandlung des letzten Gedichtes Heines , das dieser
wenige Wochen vor seinem Tode seiner Freundin widmete.
Sie nennt es nicht „Für die Mouche", wie es in deutschen
und französischen Ausgaben betitelt ist, sondern „La Fleur
de la Passion". Vergleichshalber wollen wir hier die erste
Strophe der Uebersetzung und des Originals eitleren.
„Mon reve s'encadrait dans des demi-tenebres. Une nuit d'ete.
De päles debris, restes mutiles d'une magnificence eteinte, des frag-
ments d'architecture, ruines du temps de la Renaissance, reposent epars
sous la flottante clarte de la lune."
Für die Mouche.
(Elster, Bd. II, pag. 46.)
Es träumte mir von einer Sommernacht,
Wo bleich, verwittert, in des Mondes Glänze
Bauwerke lagen, Reste alter Pracht,
Ruinen aus der Zeit der Renaissance.
B 0 1 z , Heine in Frankreich. 14
210 Heines französische Uebersetzer.
Paul Ristelhuber
(Paul de Lacour)
(1834).
Ein Strassburger Kind, dessen Lebenswerk fast ausschliess-
lich aus Uebersetzungen vom Deutschen in die Sprache seiner
Heimat bestand. Er war der Erste, der es wagte, das „Lyrische
Intermezzo" in Versen zu übertragen. Schon 18ö6 hatte er
ein ,,Bouquet de Lieder, traduits des poetes de l'Allemagne
contemporaine" unter dem Pseudonym Paul de Lacour ver-
öffentlicht. Es sind dort 35 Dichter mit 65 Gedichten ver-
treten, und von diesen fallen allein sieben auf Heine. Die ein-
zelnen Lieder sind jeweilen mit Anmerkungen aus Studien von
Daniel Stern, Lerminier, Louis Ratisbonne, St-Rene Taillandier
versehen. Die L^ebertragungen aus Heine sind den „Jungen
Leiden'' und der „Heimkehr'' entnommen. Die Nachbildungen
Ristelhubers sind wort-, ja oft versgetreu. Er kümmert sich
wenig um die französischen Regeln der Verskunst, weswegen
er sich am Schlüsse seiner Einleitung meint entschuldigen zu
müssen : „Nous avons ete amenes ä des genres de strophes
et de vers peu communs, ä des etrangetes meme, que nous
prions la critique de vouloir nous pardonner. Nous avons
peche par exces de respect, c'est-ä-dire peut-etre par trahison."
Wir können schon von diesen Uebersetzungen sagen,
was später auch zum Teil von seinem „Intermezzo" gelten
wird, dass sie eine strenge Kritik nicht aushalten. Ristelhuber
ist keine Dichternatur ; damit wäre eigentlich schon alles ge-
sagt. Er begreift die Schönheiten der deutschen Lyrik, aber
er kann sie nicht wiedergeben. Seinem Französisch geht die
feine, natürlich instrumentierte Sprache ab ; in Vers und
Rhythmus vermissen wir das musikalische Element, das immer
ein Symptom und die Legitimation aller echten Lyrik ist.
Und ein Hauptfehler scheint uns zu sein, dass sich in seiner
Uebersetzung alle Lieder gleichen, seien sie von Uhland,
I
Paul Ristelhuber. 21 1
Körner, Chamisso oder Heine. Sie haben alle ihre Färbung
verloren. Ein bleibendes Verdienst hat sich Ristelhuber den-
noch erworben, ganz abgesehen davon, dass ihm auch manches
ganz gut gelungen und ihm keine willkürliche Verstümme-
lung vorzuwerfen ist, indem er mit Takt und Sachkenntnis,
ohne je der Rhetorik und der Preziosität zu fröhnen, die
französische Litteratur mit den Perlen deutscher Lyrik be-
kannt machte.
Im Jahre 1857 — ein Jahr nach Heines Tod — gab er
bei Poulet-Malassis die kleine Broschüre heraus : ^Jntermezzo,
poeme de Henri Heine, traduit en vers frangais par Paul
Ristelhuber.'^
Der Autor tritt uns hier entschieden mit einer besseren
Arbeit entgegen. Hübsch ist die Dedikation an eine Freundin,
mit welcher er das Büchlein einleitet:
C mon amie,
Vous, dont je regus l'aveu,
Favorisez, je vous prie,
L'essor nouveau d'un genie
Qu'anime le plus beau feu.
Etre charmant et perfide,
Un serpent a l'air candide
Fait crier un passereau;
Compatissez au martyre
Du pauvret que l'on dechire,
N'imitez pas le bourreau.
Bade, 31 oct. 56.
Viele der Lieder sind dem Original harmonisch nach-
gedacht und nachgesungen. Aber auch hier finden wir wenige
Uebertragungen, die wir mit Tycho Mommsen als „stilvolle
Originaldichtungen" bezeichnen könnten. Einzig vielleicht das
Lied vom Fichtenbaum.
Sur un mont de la Norvege
Un pin se dresse branlant;
II dort, la glace et la neige
Le couvrent d'un manteau blanc.
2l2 Heines französische Uebersotzor.
Morne et solitaire, il reve
D'un palmier de l'Orient
Dont la couronne s'eleve
Au haut d'un rocher brülant.
In einer dritten Liedersammlung „Rhythmes et Refrains",
Lyon, Perrin 1864, ^) in dem Abschnitte „D'Albion et d'Alle-
raagne", befindet sich eine Umdichtung der „Botschaft" („Junge
Leiden'', Nro. 7) die uns besonders wegen des frischen Tones
als die gelungenste erscheint.
Le message.
Assez dormi, mon joli page!
A clieval, en avant!
Gragne, ä travers monts et village,
Le palais de Duncan.
Va te glisser dans l'ecurie :
Au valet, sans effroi,
Demande laquelle on marie
Des deux filles du roi.
Si c'est la brune, la seconde,
Viens le dire ä l'instant;
Si l'on te dit que c'est la blonde,
II ne presse pas tant.
Chez le cordier, avec prudence
D'un cordon munis-toi;
Reviens lentement, en silence.
Et presente-le moi.
^) Ausgabe in 200 nummerierten Exemplaren.
J
Louis Ratisboiine. 213
Louis Ratisbonne ')
(1827).
In ihm lernen wir wieder einen Strassburger kennen,
der sich an poetischen Nachbildungen Heines versuchte, den
er wohl kannte. In seiner Liedersammlung „Au printemps
de la vie" (Levy, 1807) entdeckten wir ein Gedicht mit der
Randbemerkung „imite de Heine". Nicht ohne Mühe erkannten
wir hierin eine ebenso freie wie misslungene Uebertragung
des „Warum sind die Rosen so blass" (,, Intermezzo", 23).
Pourquoi doiic vous fletrir, mes fleurs, avant l'automne?
Pourquoi n'avez-vous plus ni parfum, ni couleur?
Et toi, pourquoi, dans Fair, 6 rossignol chanteur?
Ta romance, aujourd'hui, si tristement resonne?
Comme cette verdure est sombre et monotone!
Que cet air est charge d'une lourde vapeur!
0 nature engourdie, ä ta morne torpeur
On dirait que la mort d'un linceul t'environne.
i. Et toi, comme ä regret eclairant son sommeil,
Quel deuil portes-tu donc, 6 pale et froid soleil?
0 lumiere attristee!
Moi-meme, q.ui me rends ainsi triste ä mon tour?
Oh! dis, mon bien-aime, dis-moi, mon seul amour,
Pourquoi m'as-tu quittee?
Noch unglückHcher ist die Uebersetzung des Liedes „Ich
hab' im Traume geweinet" etc.
') Vergl. Abschnitt II.
214 Heiiiüs französische Uobcrsctzcr.
Paul Yrignaul.
Vermutlich ein Pseudonym. Der unbekannte Dichter
veröffenthchte in der „Revue germanique" im Dezember 18ö8
eine Serie von Liebeshedern unter dem Titel „Baisers, chants
d'amour traduits de Fallemand", unter denen sich sechs Um-
dichtungen Heines befinden. Von diesen schmiegt sich fol-
gende Uebertragung des Liedes „Küsse, die man stiehlt im
Dunkeln" am treuesten an das Original an. Zwar passt der
Ausdruck „flamme pure" schlecht mit dem Innern Sinne des
Gedichtes.
Les baisers dans robscurite,
Donnes et rendus sans mesure,
C'est, surtout quand la flamme est pure,
Une indicible volupte!
Ils fönt rever aux douces choses
Dont on aime ä se souvenir,
Et nous montrent les lointains roses
Du beau pays de l'avenir.
Mais trop penser, lorsqu'on s'embrasse,
Ne vaut rien, chere äme, pleurons!
Nos baisers secheront la trace
Des larmes que nous verserons!
Gaston Dargy
ist der Autor der „Voyages a travers les Mondes poetiques"^
(premi^re serie:- Allemagne, 1500—1862; Paris, 1862).
Die Sammlung, die Gedichte von Hagedorn bis Freiligrath
umfasst, enthält einige recht geschickte Nachbildungen
') Das Buch ist iu 3ÜÜ nummerierten Exemplaren gedruckt.
Gaston Dargy. 215
Heinescher Satiren, wovon wir unten eine Probe folgen
lassen.
Le Prussien. i)
A M. Ch. Schuermans.
Dann Aix, messieurs, les chiens dans la rue allonges
Ont l'air piteusement de dire aux etrangers :
„Allons, flanqiiez-moi donc un coup de pied; peut-etre
Cela distraira-t-il ma bedaine et mon maitre."
J'ai fläne plus d'uiie heure eii cet ennuyeux trou
Et lä j'ai retrouve — toujours peu de mon goüt —
L'uniforme prussien : manteau gris ä col rouge.
Or qu'est-ce qu'un Prussien?
Un pantin qui ne bouge
Qu'en gestes compasses pedamment, gravement;
C'est un menie angle droit ä cliaque mouvenient.
Immuable „facies" puant la Süffisance,
A te voir on croirait que ta cervelle pense.
Le Prussien se promene aussi raide et guinde
Qu'etrique, ficele, droit comnie un I brode.
A-t-il donc avale le bäton respectable
Dont le rossait jadis le caporal pendable ?
Oui. Le long instrunient de la sclilague est fourre
Dans le corps du Prussien qui parait lionore
De s'en faire un tuteur. Sa moustache pendante,
Plus longue que son nez et plus outrecuidante,
De la sötte perruque est un aspect nouveau :
La queue, au lieu de pendre au dos, pend au museau.
^) Der beste Heinekenner wird nur mit Mühe unter diesem Titel ein
mitten aus dem „Wintermärchen" herausgerissenes und verstümmeltes Stück
erkennen (Kap. III). Ebenso verhält es sich mit dem folgenden Gedichte mit
der Ueberschrift „Sourire", das dem Kap. VII von „Atta Troll" entnommen ist.
216 Heines französische Uebersetz«
CatuUe MendösO
(1840).
Zu den ersten litterarischen Arbeiten des jungen hitz-
köpfigen Parnassien gehört eine in der „Revue frangaise"
(186S — 1. Dezember) vergessene und begrabene, ganz vor-
zügHche Uebersetzung des Ratchff. Von den drei Nach-
bildungen dieses Fragmentes — die in der Ausgabe von Levy
aufgenommene, von einem uns nicht Bekannten verfasste, ist
schlecht, eine von Heine besorgte ^) besser — ist derjenigen
von Mendes, des prächtigen und kräftigen Stils wegen, ent-
schieden der Vorzug zu geben. Man spürt den leiden-
schaftlichen Hauch, die kongeniale zügellose Phantasie in
dieser Umdichtung, mit der sich Mendes vielleicht die Zeit
während seiner Haft vertrieb, die ihm sein sinnlich tolles
Drama „Le Roman d'une Nuit" verschafft hatte. Die Ueber-
schrift der betreffenden Uebersetzung lautet : „Theätre de
Henri Heine" — William Ratcliff — und bescheiden und klein
in einer Ecke: traduit de l'allemand par Catulle Mendes.
Interessant ist der Inhalt des folgenden „Avant-propos" : ^)
A l'occasion des tragedies de Henri Heine, tout ä fait inconnues
en France et peu connues encore en Allemagne, je me reserve
d'etudier prochainement la jeune ecole romantiqiie qui passa sur le
theatre de Dusseldorf avec la gloire d'un eclair. II y avait lä Carl
Immermann, vaste genie en proie au desordre, lutteur jamais de-
courage, l'auteur de „Tristan et Iseult", de „Ghismonda" et de „Merlin
1) Vergl. Abschnitt V.
2) Vergleiche Anhang I.
^) Da Mendes in demselben sowohl von einer Uebersetzung des ,,Alinanzor"
als auch von einer Studie über das deutsch-romantische Theater spricht, und
wir beide weder in seinen Werken noch in Revuen finden konnten, haben wir
uns an ihn selbst um Auskunft gewandt. Leider erfolglos, da Catulle Mendes
auf eine sehr höfliche Anfrage nicht antwortete. Wir erwähnen dies nur, weil
uns sonst alle Franzosen, und zu diesen gehören noch ,, grössere Tiere" als
Mendes, mit altbewährter Courtoisie entgegengekommen sind.
Catulle Mendes. — A. Claveau. 217
Fenclianteur" ; il y avait Christian Grabbe qui imitait Shakespeare
et fut jaloux de Goethe ; il y avait tous ceux qui, devores d'ambitions
grandioses, voulaient donner des successeurs ä l'auteur de „Faust" et
ä l'auteur de „Marie Stuart", reagir contre Penvahissement sans
cesse plus intolerable de la tragedie de famille, et vaincre, dans une
bataille oü Shakespeare etait general en chef, les faiseurs de pieces
ä la mode du jour, les dramaturges bourgeois et les vaudevillistes
sensibles, les Raupach et les Grillparzer (!). Entreprise glorieuse et
qui echoua immediatement. Henri Heine avait 20 ans alors. II se
mela au mouvement resurrectionnel. „Wilham Ratchif" et „Almanzor"
furent des combats ä outrance oü le jeune poete commanda le feu.
Y eut-il defaite ou victoire ? Je ne sais plus ce que les prefaces en
disent. Le lecteur va connaitre ces deux poemes, farouches, gracieux,
desesperes, bouffons, toujours excessifs, oü se fönt entendre ä la fois
des croassements de corbeau famehque et des roucoulements de
eolombe pamee ! —
Ä. Claveau
(1835),
der sich als Kritiker der „Revue contemporaine'^ einen Namen
gemacht, ist der zweite, der es versuchte, das „Lyrische Inter-
mezzo" in französische Verse umzubilden. Sein „Intermede"
erschien in der genannten Zeitschrift vom 15. September 186S
und zwar mit dem Nebentitel: ,,Imite on ne peut plus libre-
ment de l'Intermezzo de Henri Heine.'' Der Dichter thut gut,
uns hiervon zu unterrichten, denn die meisten Lieder sind
kaum zu erkennen. Als selbständige Gedichte sind diese ein-
unddreissig Nachbildungen — denn auch quantitativ hat sich
Claveau die Arbeit verkürzt — nicht ohne Reiz. Die beiden
folgenden Uebertragungen mögen von dieser freiesten aller
freien Behandlungen einen Begriff geben. Wenn wir zur Not
in dem „Conclusion" überschriebenen Gedicht „Die alten
bösen Lieder" etc. erraten, so dürfte in dem zweiten Lied
dieser Sammlung schwerlich „Im wunderschönen Monat Mai"
218
Heines französische Uebersetzer.
wieder zu erkennen sein. Wir selbst sind im unklaren, ob
wir wirklich das erste Lied des „Lyrischen Intermezzo" als
Vorbild betrachten dürfen. Das Einzige, was uns zu diesem
Schlüsse berechtigt, ist, dass in beiden das Wort „Mai" vor-
kommt; das ist eigentlich zu wenig, um auf eine Ueber-
setzung schliessen zu können, wenn sonst Inhalt, Idee und
Form grundverschieden sind. — Wir finden aber im „Inter-
mezzo" kein anderes Vorbild.
Dans un mois de vie et de force,
C'etait, je pense, avril ou mai,
Chaque bourgeon pergait l'ecorce,
Mon äme s'ouvrit et j'aimai.
J'aimai, je sentis quelque chose,
Un frisson de quelques instants ;
C'etait le printemps, je suppose . .
J'ai garde rancune au printemps.
J'aimai quand la bergeronnette
Au bord de l'eau posait son nid;
Etait-ce Alice, etait-ce Annette ?
Ce n'etait rien, car c'est fini.
Conclusion.
Allez nie cliercher un cercueil,
Tandis que mon äme est en deuil,
Pour mettre ce que j'ai dans l'äme;
Allez m.e chercher un cercueil
Plus grand que les tours Notre-Dame.
Plus grand toujours, plus grand encor
Que l'obelisque de Louqsor
Et que la colonne Vendome;
Plus grand toujours, plus grand encor
Que le Pantheon et son dome.
A. Claveau. 219
AUez me chercher, mes amis,
Une biere oü tout sera mis,
Joie et (louleur, plaisir et peine;
Allez iiie cherclier, mes amis,
Une excellente biere en diene.
En diene, c'est trop peu, vraiment !
En fer, en plomb, en diamant,
Voilä comme il me faut ma biere;
En diene, c'est trop peu, vraiment,
C'est trop peu nieme de la pierre!
Amenez ä l'enterrement,
Pour transporter le monument.
Quelques colosses majuscules ;
Amenez ä l'enterrement
Une ou deux douzaines d'Hercules.
Payez un croque-mort geant
Pour me jeter dans l'ocean
La biere si longue et si grosse ;
Payez un croque-mort geant :
A grand cercueil plus grande fosse !
Or 9a, devinez pourquoi,
Mes bons amis, dites-le moi.
Je veux tant de bruit et de place ?
Or Qa, devinez pourquoi
Ce convoi de premiere classe ?
Ce luxe de fosse et de deuil,
Ces geants et ce grand cercueil,
En avez-vous flaire la cause ?
Ce luxe de fosse et de deuil . . .
Je vais vous confesser la chose :
C'est que j'enterre mon amour,
Defunt par hasard, l'autre jour,
D'une mort un peu trop subite;
C'est que j'enterre mon amour . . .
Or, la mer sera trop petite !
220 Heines französische Uebersetzer.
Charles Berthoud')
Lange waren wir im ungewissen, welcher Feder sowohl
die Uebersetzung der Bände „Correspondance inedite" als auch
die erläuternde Vorrede und die zahlreichen Anmerkungen
entstammten, bis uns die „Revue germanique et frangaise" auf-
klärte. In den Nummern vom 1. Mai und 1. August 1864
ist nämlich zuerst eine Auswahl von Heines Briefen aus den
Jahren 1820—1825 und 1825—1836 zum erstenmale in fran-
zösischer Sprache mit längerer Einleitung und ausführlichen
Notizen im Texte veröffentlicht worden. Als Autor der Ueber-
setzung und des Kommentars unterzeichnete Ch. Berthoud,
wenn wir nicht irren, ein Neuenburger Litterat, der viel für
die „Revue suisse" schrieb. — Dass er den grössten Teil der
Briefe weggelassen, erklärt er damit, dass diese über Dinge
und Leute handelten, die dem französischen Leser fremd sind.
Er wolle aber die Briefe in der Weise auswählen, dass sie
gewissermassen einer Autobiographie Heines gleichkämen.
Die Idee von Gustav Karpeles war also keine neue.^) Als wir
nun die Uebersetzung Berthouds mit derjenigen der „Oeuvres
completes" verglichen, fanden wir geradezu eine verdächtige
Aehnlichkeit zwischen beiden. Stil und Konstruktion deckten
sich vollständig, zuweilen war nur ein Wort durch sein
Synonym wiedergegeben, z. B. production mit composition,
puissance poetique mit force poetique vertauscht. Als sich
aber nicht nur die Anmerkungen, sondern auch die Vorreden
in gleicher Weise deckten, konnte kein Zweifel mehr vor-
handen sein, dass wir in Berthoud den anonymen Verfasser
der französischen Ausgabe der Heinekorrespondenz zu sehen
haben. Immerhin begreifen wir nicht, warum dieser nicht
wenigstens seine Einleitung unterzeichnet hat.
^) Gestorben 1. Mär/ 1894. — Vergl. Abschnitt II, Sainte-Beuve.
2) II. Heines Autobiographie nach seineu Werken, Briefen etc.
1
De Chatelain. 221
De Chatelain.
Le Chevalier de Chatelain ist der Verfasser des wenig
bekannten Buches „Pleurs des Bords du Rhin^', — Beautes
de la Poesie alleniande (London, 1866). Er lebt als Un-
zufriedener in England und benützt seine freie Zeit, um seine
Landsleute mit den Schätzen englischer und deutscher Litte-
ratur bekannt zu machen. Das vorliegende, hübsch aus-
gestattete Werk gibt eine Anthologie deutscher Lyrik der
letzten 150 Jahre. Der Titel ist cum grano salis zu nehmen,
da die wenigsten poetischen BUiten an den Ufern des Rheins
gewachsen sind. Das recht interessante Buch hat nicht gerade
viel Beachtung gefunden, obgleich der Autor darin guten
Geschmack und ein angenehmes Dilettantentalent verrät. Der
Wert der einzelnen Nachbildungen ist ein verschiedener; am
besten sind ihm die Uebersetzungen der Lieder von Platen, am
wenigsten die Heines gelungen. Obgleich er sich von groben
Missverständnissen ferne hält und sich dem Gedanken treu an-
schliesst, entbehren die letzteren jeglicher poetischen Wirkung.
Den glückhchsten Ton scheint er uns in folgender Ballade
getroffen zu haben.') (Wir eitleren nur den ersten Teil der-
selben.)
Le Chevalier Olaf.
Deux liomnies sont devant l'Eglise ;
Ecarlate est des deux la mise;
L'un, portant süperbe manteau,
C'est le roi, — l'autre est le bourreau.
^) Immerhin müssen sich deutsche Poeten dankbar erzeigt haben, denn
er schliesst das Vorwort der zweiten Auflage mit den Worten : „Quant k trouver
des expressions pour peindre nos sentiments envers les Poetes Allemands,
Fran^ais et Anglais — qui nous ont ecrit k propos des „Fleurs des Bords du
Rhin" des lettres datees de Darmstadt, de Munich, de Sartz etc. . . . nous y
renon(;ons. II est des choses qui remuent le coeur — mais que la plume est
inhabile u rendre."
222 Heines französische Ueborsot/ci'.
Le roi dit ä Fhoinme ä la liache :
„C'en est donc fait! — L'Eglise attache,
A leurs fronts, d'amour le bandeau . . .
Apprete ta hache, bourreau!"
Les cloches vont percer la nue ;
Voilä que du saint lieu se rue
Le peuple ... Au niilieu de ses flots,
Pares, sont les epoux nouveaux.
Elle est pale conime une niorte,
La fille du roi, tres accorte
Naguere . . . Olaf le Chevalier,
Cräne et, lui da . . . franc du collier,
A dit au roi: „Bonjour, beau-pere!
Elle est a toi, ma tete altiere;
De mes noces, c'est le cadeau
Qu'il te plait faire ä ton bourreau!
„Mais ne le ferme encor, mon livre
Jusqu'ä minuit laisse-moi vivie,
Afin que puisse banqueter,
Danser et mes noces feter! . . .
„Jusqu'ä minuit laisse-moi vivre
De ma vie et ferme le livre, —
Je ne veux pas te la cliiper, —
Apres la danse et le souper!"
„Ainsi soit-il ... De notre gendre
La tete, je veux bien l'attendre,"
A dit le roi, „jusqu'a minuit! —
Bourreau, soit pret pour ce deduit !"
Effoiiard Schure. 223
Edouard Schure')
(1842).
Von allen bisher genannten Heineübersetzern hat der
elsässische Litterat, Poet und Musikschriftsteller das Beste
geleistet. Leider sind es nur ein halbes Dutzend Lieder, die er
von unserem Dichter übertragen hat, diese aber vortrefflich.
Wir finden sie in seinem „Histoire du Lied" 1868, einer Arbeit,
durch die sich der noch in Barr lebende Gelehrte auch in
Deutschland einen geachteten Namen erworben hat. Wir
eitleren ausser der gelungenen Nachbildung des „Pichten-
baunis" die „Lorelei", die sich genau dem Rhythmus des
Originals anschliesst — er fügt im Anhang die Komposition
Sicheis bei — , und „Es fällt ein Stern herunter", ein Muster
stilvollster LTebertragung, ebenfalls mit rhythmischer Treue,
dafür aber, noch mehr als dies nicht ganz unbeschadet bei
der „Lorelei'' der Pall ist, vom wörtlichen Sinn des Originals
erheblich abweichend. „Ecoutez ce Lied" — sagt er von
dem Liede „Es fällt ein Stern" (pag. 459) — „qui semble
chanter sur le sepulcre des beautes terrestres et Celestes comme
la voix d'un sylphe leger qui monte en planant dans l'azur
fonce du firmament." —
La belle etoile tombe
De son brillant sejour;
Elle a trouve sa tombe,
L'etoile de l'amour.
Le doux pommier frissonne;
Tombez, feuilles et fleurs,
Depouilles de I'automne,
Jouets des vents moqueurs.
') Vergl. Abschnitt I]
224 Heines französische Uebersetzor.
Cygne de l'eau dormante,
Ton chant nie fait fremir;
Doucement tourne et chante,
Les flots Yont t'engloutir !
Silence — sur la terre
Tout dort, tout a passe;
L'etoile est en poussiere,
Le doux chant a cesse.
Pag. 460:
Lorelei.
Dis-moi, quelle est donc cette histoire
Dont mon coeur se souvient,
De douce et d'antique memoire,
Qui toujours me revient?
La brise fraichit, il fait sombre,
Le vieux Rhin coule en paix;
Tout dort, tout grisonne; dans l'ombre
S'embrasent les sommets.
Lä-haut une vierge immortelle
Trone au soleil couchant;
Son sein de rubis etincelle,
La belle chante un chant;
Chante en peignant sa chevelure.
Plus fiere que le jour,
Un chant de merveilleuse allure,
Un puissant chant d'amour! . . .
Le pecheur, d'un desir sauvage,
Fremit dans son bateau;
Son ceil ne voit plus le rivage,
Son oeil regarde en haut!
Je crois que la vague devore
La barque et le pecheur.
0 Lore des flots, fiere Lore,
Voilä ton chant vainqueur.
I
Edouard Schure. — Albert Merat. — Leon Valade. 225
„Fichtenbaum."
Sur un mont chenu de Norvege,
Un pin se dresse triste et seul.
II dort — et Teternelle neige
Le couvre d'un epais linceul.
II reve d'un palmier splendide
Qui, loin, dans l'Orient vermeil,
Languit, seul, sous un ciel torride,
Sur son roc brüle du soleil.
Albert Merat — Leon Yalade
(1838). 1854—1884). ')
Parmi les jeunes hommes qui logeaient ou venaient souvent ä
l'hotel du „Dragon Bleu", il y avait deux amis, deux inseparables,
presque deux freres : Albert Merat et Leon Valade. On etait si
accoutume ä les voir ensemble, qu'on avait pris l'habitude de meler
leurs noms comme ils melaient leur vie, et on les appelait volontiers
Albert Yalade et Leon Merat. Ce sont lä des amities charmantes de
la vingtieme annee.
Ils travallaient ensemble ä une traduction de „l'Intermezzo" de
Henri Heine, et allaient publier ou venaient de publier, toujours
ensemble, un livre de vers avec ce titre frais comme le printemps :
„Avril, Mai, Juin." II faut s'arreter sur l'oeuvre de ces deux dehcats
esprits.
So erzählt Catulle Mendes in seiner „Legende du Par-
nasse" (pag. 191). Wir irren wohl nicht, wenn wir annehmen,
dass Merat, dieser talentvolle Millet der Dichter, weder in
dem Masse von Heine erfüllt war, noch sich ebensoviel an
dem Uebersetzungswerk beteiligte, wie sein junger Freund.
Merat, einer der erfreulichsten französischen Poeten der Gegen-
^) Vergl. Abschnitt V.
Bi'tz, Heine in Frankreich. 1^
226 Heines französische tJebersetzer.
wart, dessen Liedersammlungen die mehrfache Preiskrönung
der französischen Akademie vollauf verdienen ; Merat, der die
landschaftlichen Reize der Umgebung von Paris — den
meisten Boulevardiers ebenso unbekannt, wie den nach Bilder-
galerien und feinen Restaurants jagenden Fremden — besingt,
konnte sich seiner innersten Natur nach nicht so ausschliesslich
zu dem Verfasser des „Intermezzo" hingezogen fühlen, wie
dies bei Valade der Fall war. Immerhin figurieren sie beide
als Dichter des
,^ Intermezzo^, poeme traduit de Henri Heine.
(Lemerre, 1868.)
Wir halten diese poesievolle Arbeit der beiden Parnassiens
für die beste, wenn auch nicht für die genaueste der voll-
ständigen Umdichtungen dieses Liedercyklus. Das Büchlein ist
voller Frische und Anmut. Oft fehlen Rhythmus und Harmonie
des Originals, aber selbst durch die fremde Sprache und Form
lächeln noch Grazie und Originalität Heines hindurch. Alles
ist dichterisch nachempfunden und dichterisch wiedergegeben.
Von den hier angeführten Proben sind nicht alle von gleichem
Werte. So scheint uns gerade das „Fichtenbaumlied" schon
besser nachgedichtet worden zu sein. Der Gedanke ist ebenso
wie der Vers zu sehr in die Länge gezogen. Es ist zu viel
erklärt, ausgeführt ; hier zeigt sich die Schattenseite des Wortes
Rivarols : „toute traduction frangaise est une explication'^ In
der Lyrik kann dieser Vorzug schädlich wirken, wie dies sich
gerade an diesem Liede deutlich zeigt. Unserer Phantasie,
unserem Gefühl ist kein Spielraum gegeben. Wenn wir Valades
Umdichtung gelesen haben, wissen wir alles. Heine deutet
nur an, — er zwingt uns nicht, etwas ganz Bestimmtes zu
denken, er gibt unserer Phantasie bloss die Flügel.
Unsere Auswahl kann eine ungeschickte sein ; mit Willen
aber ist sie eine spärliche; wir hoffen dadurch manchen zu
bewegen, dies Büchlein selbst in die Hand zu nehmen.
_^i
Albert Merat. — Leon Valade. 227
Pag. 36: ' .
XXVIII.
Un sapin isole dresse son front tremblant
Sur un aride mont du Nord. — Morne, il sommeille,
Et la neige en glagons lui fait un manteau blanc.
II reve de lä-bas, la terre sans pareille,
Et d'un palmier qui hait, captif du roc brülant,
L'implacable splendeur de la plage verineille.
Pag. 39:
XXXI.
Les grands chagrins dont je suis l'hote,
J'en fais de petites chansons:
Toutes, conime un vol de pinsons,
S'en vont droit ä ton coeur sans faute.
Mais, de retour, toutes en choeur
Se plaignent, 6 fächeux mystere!
Se plaignent et me veulent taire
Ce qu'elles ont vu dans ton ccßur.
Pag. 52:
XL VI.
Ma chanson est envenimee,
Et bien simple en est la raison:
Ta main a verse du poison
Sur ma jeunesse, bien-aimee!
Ma chanson est envenimee.
Et bien simple en est la raison:
J'ai des viperes ä foison
Dans le coeur, et toi, bien-aimee.
Kurz vor seinem frühen Tode veröffentlichte Leon Valade,
md zwar diesmal ohne Merat, einen kleinen Band von sechzig
leiten: ^^Nocturnes^^ , poemes imites de Henri Heine (Paris,
Patay, 1880). Unter diesem Titel vereinigte der Dichter eine
228 Heines franzosische üebersetzer.
Auswahl von Balladen und Romanzen aus der „Heimkehr"
und den „Jungen Leiden", und zwar finden sich dort Ueber-
setzungen der bekanntesten Gedichte Heines. Auch hier
bewährt sich das feinfühlende lyrische Talent Valades. Nur
scheint uns die Form oft eine wenig glückliche zu sein. Die
Ballade liegt dem Gefühlslyriker offenbar ferner; ihm fehlt
der Griffel des französischen Balladendichters Banville. Am
besten ist wohl das Wesen dieser Liedergattung in den beiden
folgenden Umdichtungen gelungen (pag. 22) :
Balthazar. 0
C'etait sur le minuit . . . A peine remuait
Babylone, enfoncee en un somnieil muet.
Une feto pourtant remplissait ä cette heure
De torclies et de bruit la royale demeure.
A la table du roi, lä-haut, rien ne manquait;
Balthazar presidait lui-meme le banquet.
Cercle bariole de courtisans, la troupe
Des convives rieurs vidait coupe sur coupe.
Ce joyeux cliquetis mele de cris joyeux
Chatouillait dans son coeur le nionarque orgueilleux
Et le vin par degres lui colorant la face,
Aux blasphemes bientot s'emporta son audace.
C'est ä Dieu qu'il jeta l'insulte follement
Et l'admiration se fit rugissement.
Un serviteur, quittant la salle au premier signe,
Revint avec un faix d'orfövrerie insigne:
1) Vergleichshalber ist es interessant, die Version Valades der Amieis
gegenüberzustellen.
I
Albert Merat. — Leon Yallade. 229
Bassins d'argent massif, precieux vases d'or,
Pris ä Jerusalem, dans le sac du Tresor;
Et le roi, remplissant une coupe sacree,
But d'un trait et cria d'une voix assuree:
„Dieu des Hebreux ! le roi de Babylone, va,
„Pauvre sire, te met au defi, Jehova !"
II n'a pas plus tot dit ces mots qu'il les regretie,
Sentant sourdre en son coeur une angoisse secrete.
Les rieurs ont f'ait treve ä leur bruyant transport;
II regne dans la salle un silence de mort.
Voyez! sur le mur blanc, quelque chose promene
Son ombre : et Ton dirait comme une main humaine .
La main, en traits de flamme, ecrit sur le mur blanc :
Elle ecrit, puis s'efface aux yeux du roi tremblant.
Le roi resta les yeux hagards; et ce presage
Fit flechir ses genoux et blemir son visage.
Consternes a ce coup, les flatteurs impudents
Furent muets; la peur faisait ciaquer leurs dents.
Les mages Chaldeens venaient, — baissaient la tete . ,
Et les lettres de feu n'eurent pas d'intreprete.
Les deux grenadiers.
Deux grognards de la garde ayant fait la campagne
De Russie, oü longtemps on les retint captifs,
Cheminaient vers la France. Et dans notre Allemagne
Ils baisserent le front, sombres — non sans motifs!
C'est lä que, jusqu'au bout, ils surent la deroute
De la France trahie en son effort dernier:
La grande armee, helas ! taillee en pieces toute . . .
Jusqu'a lui, l'empereur, l'empereur prisonnier!
230 Heines französische Uebersetzer.
Comme on leur eut conte ces nouvelles trop süres,
Les pauvres grenadiers en pleurerent bien fort.
L'un dit: „Je souft're tant que mes vieilles blessures
„Se sont rouYertes ... Va! je serai bientot mort."
„Voici la fin," dit l'autre. „Adieu toute esperance!
„Je voudrais bien mourir aussi, moi. Par malheur
„J'ai ma femme, avec mon enfant, restee en France,
„Et ma mort, sürement, entrainerait la leur."
„Que m'importe, apres tout? C'est lä ce qui m'arrete?
„Une femme! un enfant! — Qu'ils aillent mendier,
„S'ils ont faim ! Moi j'ai bien d'autres soucis en tete . . .
„Prisonnier, l'empereur, l'empereur prisonnier!
„Camarade! voici ce que je veux, ecoute:
„Sans arriver plus loin, si je meurs dans tes bras,
„Oh! remporte avec toi mon corps, coüte que coüte,
„Dans la terre de France oü tu m'enterreras !
„Laisse ma croix d'honneur avec son ruban rouge
„Apphques sur mon coeur — c'est lä ma volonte! —
„Mon fusil, dans ma main: ne crains pas qu'il en bouge!
„Tu me ceindras aussi mon epee au cote.
„Dans ma tombe, poste comme une sentinelle,
„J'y veux rester ainsi jusques aux jours nouveaux
„Oü j'entendrai gronder la rumeur solenneile
„Des Canons et sonner le pied dur des clievaux.
„L'empereur, sur ma fosse, alors, comme la trombe,
„Passera . . . Les tambours battront avec fureur . . .
„Et moi, je sortirai tout arme de la tombe
„Pour le defendre, lui, l'empereur, l'empereur!"
In den „Poesies posthumes'' (Lemerre, 1890) Valades ent-
deckten wir noch ein hübsches Dedikationsgedicht „Envoi de
rintermezzo'' an einen Freund (pag. 245), mit dem wir von
diesem liebenswürdigen Poeten Abschied nehmen wollen:
I
Albert Merat. — Leon Vallade. 231
Envoi de Tlntermezzo.
Ä Philippe Burty.
Dans le parc enchante de Heine
Brillent les etoiles de feu:
L'amour y chante avec la haine,
L'oiseau noir apres l'oiseau bleu . . .
Nous nous sommes tus pour entendre
Le doux rossignol eperdu . . .
Mais du concert cruel et tendre
Le meilleur sans doute est perdu . . .
Avions-nous con^u la cliimere,
En un soir tenebreux et vain,
De retenir la gräce amere
Et l'art du poeme divin?
Reve absurde, chimere foUe !
Mais, 6 delicat et denii,
Allez donc, quand la lune molle
Caresse le parc endormi,
Lorsque glissent des blanclieurs päles
Parmi le feuillage tremblant,
Emplir de ces vagues opales
Votre coupe de jade blanc.
E. Yaughan. — Ch. Tabaraud.
Mit diesen uns sonst nicht als Dichter bekannten Ver-
fassern des sehr geschmackvoll herausgegebenen Bändchens
^JJ InterynezzOj pohne d' apres Henri Heine^^, Paris, Bailiiere, 1884
(mit einem schlechten Holzschnitte von Heine nach Selliers
Bild), sind wir bei der fünften Uebersetzung dieses Lieder-
232 Heines französische Uebersetzer.
cyklus angelangt. Allein mit der Zahl scheint nicht der
Wert der Umdichtungen zu wachsen. An und für sich .be-
trachtet, sind diese französischen Lieder graziös und leicht
hingeworfen. Wenn sie nur keine Uebersetzung der Gedichte
Heines darstellen sollten! Warum denn nicht sagen: ,,inspires
par Heine" ? Bei den meisten Stücken ist das Original gar
nicht wieder zu erkennen. So z. B. bei „Ich hab' im
Traume geweinet'', wo eigentlich nur ein Bisschen von dem
Refrain übrig geblieben ist (pag. 119):
LVI.
J'ai pleure pendant mon reve !
Je revais que la mort avait pali ton front.
Je m'eveillai, pleurant, plein d'un cliagrin profond;
Mon pauvre coeur saignait comme frappe d'une glaivc.
J'ai pleure pendant mon reve !
Je revais qu'ä jamais tu t'eloignais de nioi.
Je m'eveillai, le coeur empli d'un triste emoi,
Et mon amere plainte en un sanglot s'acheve.
J'ai pleure pendant mon reve !
Je revais — 6 bonheur! — que tu m'aimais toujours,
Je m'eveillai. Depuis, sur nos mortes amours,
Le torrent de mes pleurs coule, coule sans treve.
Eine Ausnahme macht die einfache, knappe und gerade
deswegen wirkungsvolle Wiedergabe des „Fichtenbaum".
Getreu und hübsch gelungen ist ferner auch das Lied „Phi-
lister im Sonntagsröcklein''.
Sur une montagne du Nord,
Un sapin isole se dresse,
Et par la farouclie caresse
D'un vent d'hiver berce, s'endort.
i
E. Vaughan. — Cli. Tabaraud. 233
Sous son manteau de givre, il reve
D'un pahnier qui, uiorne et doleiit,
Lä-bas, sur un rocher brülant,
Tout seul, se desole sans treve.
Endimanclies, des bourgeois,
Parmi les pres et les bois,
S'esbaudissent.
Saluant le renouveau,
Legers comme le chevreau,
Ils bondissent.
On les voit, de leurs yeux ronds,
Regarder des environs
Les merveilles,
Au chant des moineaux, vibrant,
Larges et longues ouvrant
Leurs oreilles.
Moi, d'un rideau, tristement,
Je couvre liermetiquement
Ma fenetre,
Afin de voir, en plein jour,
Le spectre de inon amour
M'apparaitre.
Pres de moi, comme quelqu'un
Qu'on attend, l'amour defunt
Prend sa place.
A mes yeux noyes de pleurs
Le tableau de mes douleurs
Se retrace!
234 Heines französische Uebersetzer.
Ch. Beltjens
den Süpfle als Heineübersetzer erwähnt, ist der Intermezzo-
übertrager Nummero s e c h s. ^)
Dieser belgische Poet — seine Uebertragungen geben
uns keine Veranlassung, an diesem Berufe Beltjens zu zwei-
feln, obgleich sie uns nicht auf diesen Gedanken gebracht
hätten — gehört zu denen, die eine dem Originale äqui-
valente Nachdichtung als ein ebenso wünschenswertes w4e un-
erreichbares Ideal hinstellen. Sein eigener Versuch gibt uns
allerdings keinen Gegenbeweis in die Hand. „Je ne crois pas
qu'il existe une seule traduction parfaite, pas merae en prose,"
heisst es in einem seiner Briefe, wo er sich auf die Autorität
Victor Hugos beruft. Dabei gibt er selbst zu, dass ihm von
sämtlichen Heineübersetzungen bloss die Nervals bekannt sei.
— Es kommt Beltjens vor allem darauf an, den Rhythmus des
Originals zu treffen, genau wie bei Amiel, von dem er ja
auch nichts weiss. Die Umdichtung ist eine sehr freie; er
selbst gesteht, dass er der Harmonie des Verses oft die ge-
naue Wiedergabe des Sinnes geopfert habe. Leider umsonst,
denn in den meisten seiner Lieder können wir der rhythmi-
schen Kunststücke wegen keinen poetischen Genuss finden.
Als Beispiel diene folgende Uebersetzung, die wir genau nach
dem Druckbogen wiedergeben:
1) Das Buch war uns nicht zugänglich. Ein merkwürdiger Zufall aber |
verschaffte uns die Probedruckbogen, nebst einigen handschriftlichen Notizen '
des Dichters. Es hatte sich nämlich Herr Beltjens an Herrn Dr. Ziesing,
Privatdocent der französischen Litteratur an der hiesigen Universität, gewandt,
damit dieser als der geeignetste Mann in seiner doppelten Eigenschaft eines
gründlichen Heinekenners und tüchtigen Linguisten die Uebersetzungen durch-
sehe und verbessere. Dieser war so freundlich, uns die Blätter samt den
Briefen Beltjens' zur Verfügung zu stellen.
eil. Beltjens. 235
XXXII.
A A A A
A A J
8 3 3 3
Mon ainour, | quand sera | ton eher corps | au tombeau,
3 3 3
Etendu | sur sa cou | che de gla | ce,
Je viendrai, triomphant de la nuit sans flambeau,
Pres de toi, m'emparer de ma place.
Je te tiens, toi si froide et si pale, en tremblant,
Et mon äme en extase est ravie;
Fou d'amour, je t'embrasse et te presse, exhalant
Mes sanglots, mes baisers et ma vie.
Pour la danse macabre, ä Pappel de minuit,
Tous les noirs trepasses s'avertissent ;
— Mais qu'importe ä nous deux! nous restons dans la nuit
Oü tes bras amoureux m'engloutissent.
On entend le clairon du dernier jugement :
Vers le ciel ou l'enfer tout s'elance!
— Mais nous deux, dans la tombe entrelaces tendrement,
Sans souci, nous restons en silence.
Einen glücklicheren Ton hat er in der „Loreley" ge-
funden; auch der „Fichtenbaum" schmiegt sich trotz freier
Behandlung passend an das Original an. Sein Meisterstück
aber dürften die „Grenadiere" sein, wo er die wuchtige
Sprache und die einfache Tragik des Liedes trefflich wieder-
gegeben hat.
Loreley.
Je ne sais d'oü vient la tristesse
Qui me trouble ainsi jour et nuit;
Un conte, un vieux conte, sans cesse,
De son souvenir me poursuit.
236 Heines französische Uebersetzer,
L'air est frais et voiei la brume:
Le Rhin coule paisiblement,
Et la Cime du mont s'allume
Aux derniers feux du firmament.
Lä-liaut, la vierge la plus belle
Se tient assise aupres du bord;
Sa parure d'or etincelle,
Elle peigne ses cheveux d'or.
Pendant que, dans l'or de sa tresse,
Son peigne d'or glisse et descend,
Sa bouche aux levres charmeresses
Chaute un hymne etrange et puissant.
Une douleur apre et sauvage
Dans son bateau prend le nocher;
II ne voit plus flots ni rivage,
Rien qu'elle au sommet du rocher.
Sous la vague avec sa carene,
Je crois le nocher descendu :
C'est la chanson de la sirene,
C'est Loreley qui l'a perdu.
XXXIII.
Sur un sommet de l'aride Norvege
Croit un sapin, sauvage enfant du Nord;
Un lourd manteau, fait de glace et de neige,
De sa blancheur l'enveloppe ; — il s'endort.
II voit en reve un palmier solitaire,
Se desolant, dans l'orient lointain,
Sur un rocher brülant comme un cratere,
Sous un soleil qui jamais ne s'eteint.
Ch. ßoltjcns. 23'
Les deux grenadiers.
Deux grenadiers, prisonniers chez les Russes,
Vers le pays en revenaient gaiment;
Mais arrives au quartier des Borusses,
Leur front soudain se pencha gravement.
Oll leur apprit la sinistre defaite :
Les Corps frangais battus jusqu'au dernier,
La Grande Armee en deroute complete
Et l'Empereur, l'Empereur prisonnier!
Jamais leurs yeux n'avaient verse des larmes :
Un long sanglot trahit leur desespoir.
Le Premier dit : „Je succombe aux alarmes,
Ma piaie au flanc va se rouvrir . . . bonsoir !"
L'autre lui dit: „Adieu toute esperance!
Frere, avec toi je voudrais bien mourir;
Mais j'ai ma femme au doux pays de France
Et notre enfant que mon bras doit nourrir."
„Eh! que nie fönt ton enfant et ta femme!
Je ne saurais m'alarmer de si peu;
Ils pourront bien mendier, sur mon äme,
Quand l'Empereur est prisonnier, morbleu!
Cher camarade, une seule priere!
Puisque mon corps doit etre enseveli,
Jusques en France empörte au moins ma biere,
Au sol fran§ais je veux avoir mon lit.
La croix d'honneur, avec son ruban rose,
Doit sur mon coeur etaler sa beaute;
Que mon fusii entre mes mains repose.
Et ceins de pres l'epee a mon cote.
Sous le gazon, sentinelle secrete.
Je veux ainsi veiller jusqu'au grand jour
Oü lourds Canons, chevaux, voix de tempete
M'annonceront l'Empereur de retour.
238 Heines französische Uebersetzer.
Qu'il passe alors au galop sur ma tete,
Dans la melee et les cris de fureur,
Et l'arme au bras, de nion cercueil en fete,
Je sortirai pour garder l'Empereur !"
Francois Yallon.
Mit dem Buche, betitelt: ,^Ecrm de Poesies'-^ (anglaises,
allemandes, italiennes et espagnoles), traduites par Fr. Vallon,
Paris, Lemerre, 1886^ will uns der Verfasser einen Blumen-
strauss fremder Gedichte in französischer Uebersetzung geben.
Er behauptet, der erste Franzose zu sein, der diesen Versuch
wage. Genau genommen beruht diese Annahme allerdings
auf einem Irrtum; denn schon zehn Jahre zuvor hat der
Genfer Amiel seine „Etrangeres" herausgegeben. Die ein-
heimische sowie die ausländische Kritik hat von dem elegant
ausgestatteten Buche gebührende Notiz genommen. Sehr
lobend sprachen sich 0. Roquette („Darmstädter Zeitung",
30. Nov. 1886) und der Altmeister deutscher Uebersetzungs-
kunst („Tägliche Rundschau", 21. Januar 1886) sowohl über
die geschmackvolle Wahl bei der Blumenlese, als auch über
die geschickte und poesievolle Nachahmung aus. Irrtümlich
wundern sie sich, dass ein solches Buch nicht schon lange
seinesgleichen in Frankreich habe, während in Deutschland
kein Mangel an ähnlichen Versuchen sei. Trotzdem ist es
aber die Schweiz, die nicht nur Amieis „Etrangeres", sondern
auch Joh. Scherrs „Bildersaal" geliefert hat.
Mit dem Lobe der genannten deutschen Dichter können
auch wir, was die Nachbildungen Heines betrifft, deren die
Sammlung etwa ein halbes Dutzend enthält, übereinstimmen.
Die Uebersetzungen der Lieder sind getreu und in schöner
Sprache dem Geiste des Originals angepasst. Als die stilvoll-
sten Versuche betrachten wir die beiden folgenden Gedichte:
Frangois Vallon. 239
Du haut des cieux calmes, sans voile. ^
Du haut des cieux calmes, sans voile,
Tombe une etoile, lä-bas.
De l'amour c'est la douce etoile
Que je vois tomber, helas !
De l'odorant pommier, en foule,
Tombent des feuilles, des fleurs:
Le vent s'en amuse et les roule
Fanant leurs tendres couleurs.
Le cygne chantant vogue et mire
Dans les flots bleus son cou blanc.
Sa voix baisse, tremble, soupire;
II tombe au fond de l'etang.
Tout s'est eteint, bruit et lumiere:
Feuilles et fleurs ont passe.
L'etoile n'est plus que poussiere;
Le chant du cygne a cesse.
Lurlme.2)
Je ne sais pourquoi la tristesse
A ce point m'assombrit.
ün conte des vieux jours, sans cesse,
Me revient ä l'esprit:
Un air frais parcourt les campagnes,
Le Rhin coule sans bruit:
Le soleil dore les montagnes
Oü va tomber la nuit.
Lä-haut, une vierge est assise,
Fixant les flots profonds;
Sa parure est d'or: eile frise
L'or de ses cheveux blonds.
^) „Es fällt ein Stern der Liebe", Intermezzo, 59.
2) Die Bezeichnung Lurline für Lorelei hat er in Sir Ruppert, „The
fearless, a legend of Germany" (pag. 220), gefunden. Uebrigens soll für diese
Form auch die altdeutsche Sprache Belege haben.
240 Heines französische üebersetzer.
En les frisant, pleine de gräce,
Avec un peigne d'or,
Elle chante. Un noclier qui passe
Ecoute, ecoute encor.
Un transport violent, farouche,
S'allume en lui bientot:
Ses yeux, loin de l'ecueil qu'il touche,
Sont sur le pic, lä-haut.
Nocher, barque enfin, j'imagine,
Sous les ondes d'argent,
Sombrent. — Voila ce que Lurline
A fait avec son chant.
Camille Prienr.
Eines der letzten Bändchen der 1 Fr.-Serie „Bibliotheque
choisie des chefs - d'oeuvre frangais et etrangers", die das be-
kannte Pariser Verlagshaus Dentu mit vorzüglichem Drucke
und Papier seit einigen Jahren veröffentlicht, ist :
„Le Tambour Le Grand, sidvi de Voyage en Italiey^^
traduction nouvelle de Camille Prieur. 1889.^)
Die kurze biographische Einleitung ist bloss ein Auszug
der Lebensskizze Gautiers mit einigen chauvinistischen An-
hängseln, wozu die Düsseldorfer Statuenfrage die Veranlassung
gibt. Die Uebersetzung ist eine fliessende und scheint sich
eher an die Loeve-Veimarssche als an die der „Oeuvres com-
pletes" anzulehnen, womit natürlich nicht bestritten sein soll,
dass sie ohne Zuziehung beider verfasst sein kann. Dass sie
1) Ausser Heine ist die deutsche Litteratur noch durch Goethes „Werther"
und „Hermann und Dorothea" — in einem Bändchen — und Hoffmanus „Contes
fantastiques" vertreten.
Camille Priour. — Alexis Lupus. 241
modern stilisiert ist, beweist allerdings wenig. Von der
„italienischen Reise" ist nur der erste Teil (,,von München
nach Genua") übertragen.
Alexis Lupus
heisst der Autor einiger wohlgelungener Uebertragungen,
die die „Nouvelle Revue" (Bd. 43, pag. 400 ff.) 1890 brachte.
Sie sind stark, aber auch geschickt französisiert, wie dies am
besten die Romanze vom „Armen Peter" zeigt:
I.
¥
Jean valse; il valse avec Margot . . .
Quel heureux inortel que cet homme ! . . .
— Pierre est triste comme un sanglot,
II est plus pale qu'un fantome.
Margot et Jean vont s'epouser,
Ils sont en brillante toilette;
Pierre est d'humeur ä tout briser,
II n'est point en habits de fete. —
II (lit, les contemplant tous deux,
— En proie au chagrin qui raccable — :
„Je me pendrais, lä, devant eux,
„Si je n'etais si raisonnabli» . . .
II.
„J'eprouve au coeur un mal affreux,
„Je crois que tout mon sang se fige,
„Et j'erre, . . . j'erre, . . . malheureux,
„N'importe oü mon pas se dirige.
„Comme s'il pouvait y guerir,
„Pres de Margot mon coeur m'entraine,
„— Mais son regard me fait mourir . . .
„Tant son bonheur la rend sereine . . .
letz, Iloinc in Frankreich. Iß
242 Heines französische Uebersetzer.
„Je fuis, je gravis le rocher,
„La, je serai seul tout ä l'heure; —
„Lä-haut je n'ai rien ä cacher,
„Je pleure, je pleure — et je pleure . .
III.
Le pauvre Pierre, d'un pas lent,
S'avance, bleme et chancelant;
Et les passants de s'arreter.
Et les filles de chuchoter:
„ Avez-vous rien vu d'aussi beau ? !
„Sans doute sort-il du tombeau,
„Ce pauvre eher adolescent?" —
— Non, mes amours ! . . . il y descend .
Pour lui, dont le coeur est en deuil,
Le meilleur gite est un cercueil:
Car dans sa tombe il dormira,
Ce sommeil-lä — le guerira. —
Guy Roparte. — P.-R. Hirsch.
So nennen sich die Verfasser der siebenten franzö-
sischen Nachdichtung des „Lyrischen Intermezzo",
„Intermezzo, d' apres le poeme d' Henri Heine/^
Lemerre, 1890.
Das Buch ist Prangois Coppee gewidmet, vielleicht nicht
bloss als ihrem „Meister", sondern auch als dem Schüler des-
jenigen, den sie übersetzen.
In einem „Prelude", das mit dem Prologe Heines, welcher
nicht übertragen ist, nichts zu thun hat, soll allem Anscheine
nach eine dichterische Allegorie der Lieder Heines gegeben
werden, seines Liebens und Leidens :
Guy Ropartz. — P.-R, Hirsch. 243
C'est l'antique foret, foret d'enchantement
Oü les tilleuls fleuris ont des chansons tres douces;
Oü, quand la lune epand ses clartes sur les mousses,
Mon coeur s'epanouit delicieusement.
J'allais sous le feuillage epais; dans la nature
Silencieuse, un bruit tout a coup frappe l'air:
C'etait le rossignol, chantant ä gosier clair
L'amour qui divinise et Fainour qui torture,
L'amour joyeux, l'amour triste, l'amour moqueur,
Ses peines, ses plaisirs, ses sourires, ses larmes;
Cette fraiche musique a, pour moi, taut de cliarmes,
Que le mal oublie se reveille en mon coeur.
Et le doux rossignol de brauche ä brauche saute;
Je vais plus loin et vois apparaitre bientot,
Au bord d'une clairiere, un immense chäteau
Dominant l'horizon de sa toiture haute.
Portes closes, volets rejoints, les alentours
Etaient empreints de deuil et de morne tristesse ;
L'angoisse vous mordait au fond de l'äme. Etait-ce
Que la mort pour demeure avait choisi ces tours?
Devant la porte, un sphinx me regarde. Je crains
De l'approcher, mais son attirance m'y force . . .
II avait d'un hon les griifes et le torse,
Le visage attrayant d'une femme, et les reins.
Une femme tres behe avec de blondes tresses:
Le eroissant de la levre aux sauvages contours
Promettait follement d'eloquentes amours;
Son regard appelait des voluptes traitresses.
Le rossignol chantait delicieusement.
Posant mon front brülant contre son front de pierre,
Je frappai d'un baiser l'arc de sa bouche fiere,
Comme pousse vers un irresistible aimant.
244 Heines französische Uebersetzer.
La figure impassible eut un frisson de vie ;
Elle but, d'un seul trait, le feu de nion baiser.
Le marbre en soupirant s'efforce d'apaiser
Sa devorante soif toujours inassouvie.
Jamals assez! Jamals assez! Sa passlon
Jusqu'ä mon dernler souffle asplrera ma vle !
Sentant decroitre enfin sa monstrueuse envle,
Elle enfonce en mon corps ses griffes de Hon.
Etrange volupte! Delicieux martyre:
Jouissance abliorree et supplice plus eher!
Le baiser de sa bouche enivrante m'attire
Tout le temps que sa griffe ensanglante ma chair.
„0 toi, beau sphinx, amour, dis-moi pourquoi tu meles
„A toutes voluptes des soufFrances mortelles?
„Toi, qui tiens sous ta loi les humains pantelants,
„Beau sphinx dont le baiser enivre et martyrise,
„Revele-moi le mot de l'enigme incomprise!" —
— ^M.o\j j'ai reflechi depuis pres de mille ans!" —
Di CO Dichter versuchen es selten, den musikalischen Zauber
der kurzen Verse und Strophen wiederzugeben. Meistens sind
zwei Verse Heines in einen Alexandriner verschmolzen. Aber
weder Boileau noch Heredia würden denselben anerkennen ;
denn fast immer stellen sie eigentlich nur willkürlich ge-
reimte Prosa dar. Unter diesem Vorbehalte ist den Nach-
dichtungen ein eigentümlich mystisch-poetischer Reiz nicht
abzusprechen. — Die folgende Uebertragung des Liedes:
„Lehn' deine Wang' an meine Wang'", das, wie alle Lieder,
sehr frei behandelt ist, wird das Gesagte verdeutlichen:
Mets tes yeux sur mes yeux, pour que nos pleurs pämes
Se melent; que ton coeur contre mon coeur se presse,
Pour que, d'un meme feu, tous deux soient consumes!
Et quand, sur le bücher que notre amour se dresse,
Coulera le torrent de nos pleurs, qu'en mes bras,
T'etreignant avec force, enfin tu tomberas.
Je mourrai de bonheur, dans un eri de detresse!
Guy Ropartz. — P.-R. Hirsch. 245
Unter den vielen „träumenden Pichten bäumen" der fran-
zösischen Uebersetzungslitteratur — es sind uns deren zehn
bekannt — nimmt der vorHegende durch die kraftvolle Sprach-
symbolik und originelle Verskonstruktion, die sofort die Schule
Verlaines und Malarmes verrät, eine Stellung für sich ein.
Dass es die effektvollste Version von allen ist, dürfte nicht
abzustreiten sein. Allein es bleibt eben eine Version, eine
poetische Anlehnung. Heines Lied ist Vorwand, nicht Zweck.
Wir tadeln nicht, konstatieren bloss.
Un pin solitaire se dresse
Sur un aride mont du Nord:
Enveloppe d'un blanc manteau de neige, il dort.
II reve d'un palmier, pleurant, sous la caresse
Morne d'un etouffant matin,
Lä-bas, dans l'Orient lointain.
Dass ihnen nicht die leichte Hand fehlte, um mit den
einfachsten Mitteln die Harmonie der Heineschen Verse
wiederzugeben, dass sie sich mehr aus „parti pris^' der lang-
hingezogenen rhythmischen Prosa bedienten, geht aus dem
letzten Liede, das wir hier citieren, hervor (dem 57. des
„Intermezzo"):
La phiie et le vent d'automne,
Dans la nuit,
Font un bruit
Monotone.
Oü se trouve maintenant
Ma pauvre et timide enfant?
II me semble reconnaitre,
Appuyee a sa fenetre,
Sa tete aux cliarines pälis.
Les yeux de larmes remplis,
Elle sende
L'oeean aux mille plis
De l'obseurite profonde.i)
^) Guy liopartz hat u. a. bei Lemerre „Notations artiatiques"' ver-
öflfeutlicht, eine Sammlung hübscher Reisestudien, in denen von allem möglichen
246 Heines französische Uebersetzer.
J. Daniaux.
In der Zeitschrift „Le Livre moderne" Nro. 7 lesen wir,
wohl von der Feder des Herausgebers Uzanne selbst : „Henri
Heine, en depit de l'origine, appartient encore plus ä la France
qu'ä TAllemagne. C'est donc une restitution que vient d'operer
M. J. Daniaux en traduisant, en vers alertes, subtils, spirituels
et passionnes, les petits poemes du „Heimkehr"." Wer einen
Blick in den zweiten Abschnitt dieser Arbeit geworfen hat,
wird an der ersten Ansicht des berühmten französischen
Bibliophilen nichts Neues finden. Was die zweite anbetrifft,
so wollen wir erst prüfen, ob das elegante Buch : „Le Retour'-^ j
traduction e?i vers frangais 'par J. Daniaux. Avec une intro-
duction inedite par Marcel Prevost,^) Paris, 1890 — alle jene
Vorzüge besitzt. — Da diese Nachbildungen schon der be-
rühmten Gönnerschaft wegen viel von sich reden machten, so
wollen wir uns diese Sammlung etwas näher ansehen. Be-
ginnen wir gleich mit dem ersten Liede der „Heimkehr". Die
erste Strophe ist trotz einiger Freiheiten, die wir mehr oder
weniger in allen diesen Uebersetzungen antreffen werden,
nicht ohne Geschick wiedergegeben („In mein gar zu dunkles
Leben") :
Dans la nuit noire de ma vie,
Blanc mirage vite efface,
Une douce Image a passe
Que l'ombre bientot m'a ravie.
die Rede ist, von Stockholm und Bayreuth, Kunst und Musik etc. Der Heine-
Uebersetzer und -Verehrer tritt auch hier zu Tage, lieber seine sprachlichen
Kenntnisse werden wir allerdings stutzig, wenn wir die entsetzlich verstüm-
melten Verse Heines aus dem vom Verfasser übertragenen „Intermezzo" lesen,
die dem Buche als Geleite mitgegeben sind. Wir kopieren buchstäblich :
Im Rhein, im shoenen Strome,
Da spiegelt sich im de??i Welln etc. . . .
*) Vergl. Abschnitt II und V.
A 1
J. Daniaux. 247
Holperig dagegen und den Ton des Originals wenig
treffend klingt die dritte Strophe „Ich, ein tolles Kind, ich
singe" etc.:
Vieil enfant apeure, je chante
Dans ma sinistre obscurite . . .
Peut-etre mon lied ^) tourmente
Dissipera mon epouvante.
Ganz vorzüglich ist dem Dichter dagegen die „Lorelei"
gelungen :
Je ne sais d'oü cette tristesse
Me peut venir:
\Jn conte ancien liante sans cesse
Mon Souvenir.
L'air fraichit; l'ombre s'amoncelle;
Le Rhin s'endort;
Le sommet des monts etincelle
De gloires d'or.
La plus belle vierge est assise
Sur le roc noir,
Son manteau flamboyant s'attise
Des feux du soir:
Elle peigne ses tresses blondes,
Et son cliant clair
S'envole en versant sur les ondes
Un philtre am er.
Le pecheur, d'un desir sauvage
Aiguillonne,
En l'ecoutant, loin du rivage
Est entraine.
^) Da sich dies deutsche Wort erst seit den Parnassiens eingebürgert
hat, d. h. vorkommt ohne gesperrt oder mit Anführungszeichen versehen zu
sein, glauben wir behaupten zu können , dass das „Lied" Heines — des
Lieblings und Meisters der Parnassiens — der französischen Sprache diesen
neuen Ausdruck, nebst einem Teil des Dinges selbst, zugeführt hat. — In
der „Semaine litteraire**, 12. Mai 1894, finden wir den Titel: Lied des Liedes.
248 Heines französische Uebersetzer.
Des flots monte a la haute berge
Une rumeur :
C'est \e Rliin grondant qui subnierge
Barque et rameur!
Das Gegenteil lässt sich aber von dem vierten Liede
sagen. Den ersten Vers „Im Walde wandl' ich und weine"
umschreibt er mit den beiden folgenden:
„Dans la foret verte oü j'arrive
„Pelerin sombre et courbatu," etc.
Von der ganzen innigen Natürlichkeit des Originals bleibt
nichts übrig als Phrase.
Auch der Effekt von den launenhaften Sprüngen vom
Ernst zum Spott, von der Thräne zum ironischen Lächeln,
kurz was man die Heinesche Manier zu nennen pflegt, geht
so gut wie verloren:
Les ans s'envolent tour ä tour,
Filant aux races leur suaire ;
Mais jamais ne mourra l'amour
Dont mon coeur est le sanctuaire . . .
Mon chagrin serait moins cuisant
Si, quand viendra l'heure supreme,
Je m'eteignais en vous disant
Enfin: „Madame, je vous aime!"
(„Heimkehr", 25, Elster.)
Schon das französische „Madame" kann hier nicht, wie bei
Heine, komisch, witzig wirken. — Schwerfällig lautet auch
die Uebersetzung jener berüchtigten Strophe, die unserem
Dichter mehr geschadet hat als das „Wintermärchen" und
seine Börneschrift zusammengenommen (Elster, 78) :
Vous m'avez compris rarement,
Et moi moins encor, je l'avoue.
Mais nous tombämes dans la boue
Et le jour entre nous s'est fait ä ce nioment!
Ä
J. Daniaux. 249
Störend wirkt überall die Umschreibung des traulichen
Du mit dem salonfähigen Sie, die dem Liede gleich den
Grundcharakter der volkstümhchen Lyrik nimmt. Dass der
Franzose den Unterschied nicht so empfindet, ist ja richtig.
Er, resp. seine Volkspoesie, kennt ihn aber, und zwar
nicht nur, weil er „j'aime mieux ma mie, 6 gue!" gehört hat,
sondern weil es auch bei ihm Momente gab, wo er nicht
sprach: „je vous aime" — wohl aber „je t'aime".
Dass dies Lied weit hinter dem Original zurückbleibt,
will noch nicht heissen, dass es schlecht ist.
Elle a la grace d'une fleur,
L'enfant douce, pure et jolie,
Dont le clair regard enjoleur
Me remplit de melancolie:
Parfois je veux, dans ma folie,
Benir ce beau front sans detours,
Pour que Dieu la garde jolie
Et douce et charmante . . . toujours !
In folgender Umdichtung übertreibt Daniaux noch die
derbe Komik Heines, die in den schw^erfälligen Zwölfsilbern
geradezu geschmacklos wirkt (Elster, „Heimkehr", 121). Pag. 72:
Puisque, jusqu'a ce point, nos jours sont decousub,
Je voudrais que ce vieux savant tudesque en us
Qui rassemble si bien les fragments de la vie,
En degageät pour moi la metliode suivie;
Des lambeaux de son froc, dechires et tordus,
De son bonnet crasseux que la pommade inonde,
Sans doute, il doit boucher les lacunes du* monde.
In den beiden Liedern, mit denen wir abschliessen wollen,
ist er Heine am gerechtesten geworden. Es sind die am
frischesten duftenden Blumen aus Daniaux' Strausse, in dem
sich manch' Erblasstes, Verwelktes und arg Zerzaustes befindet.
J'aurais voulu, ma petite,
Demeurer ä tes cotes ;
Mais tu m'as quitte bien vite,
Tes instants etant comptes.
250 Heines französische Uebersetzer.
Quand je t'ai dit ma souffrance,
Tu parus t'extasier ;
Puis tu fis la reverence
En riant ä plein gosier.
Pour mieux aviver ma peine,
Tu m'as refuse, par jeu,
Cette simple et tendre aubaine:
L'amer baiser de l'adieu . . .
Ne crois pas que je me tue;
On se fait une raison:
Le coeur, vois-tu, s'habitue
A souifrir la trahison.
Quand la nuit fugace
Envahit l'espace,
Dans le clair-obscur
De mon reve, passe
Un fantome pur.
Chaque soir, ä peine,
Muette et sereine,
Elle a clos mes yeux,
L'ombre me ramene
Mon songe joyeux.
. . . Au bois, Taube pleure ;
En vain sonne l'heure,
Mon coeur reste sourd.
L'image y demeure
Tout le long du jour.
(Elster, „Heimkehr", 118, 120.)
Nachträge. 251
Nachträge
Wir erwähnen hier zunächst noch einige Uebersetzer,
deren Werke uns nicht zugängHch waren.
H. Heine, Poesies choisies, traduites par C.-M. Nancy. Berlin, Behr, 1858.
Poesies choisies de H. Heine, par Ch. Marelle. Braunschweig, Wester-
mann, 1868. Ch. Marelle ist noch Verfasser der „Contes et chants
populaires en France", 1876, und hat unter dem Titel „Le Petit
Monde" (Berlin 1874) eine Anzahl deutscher Kinderlieder über-
tragen.
Joseph Boulmier hat in seinen „Rimes loyales" neben Z. Werner und
Herwegh auch Heine übersetzt.
Als Heineübersetzer seien der Vollständigkeit halber noch
genannt :
J. Bourdeau, der die Memoiren Heines übertrug („Memoires de Henri
Heine", C. Levy, 1884), und
M. S. Gourovitch, der die Uebersetzung des im vergangenen Jahre
erschienenen Buches von Baron L. v. Embden übernommen
(„Henri Heine intime", edition frangaise par M. S. Gourovitch.
Preface par Arsene Houssaye).
Endhch sind im Laufe dieses Jahres zwei weitere
poetische Uebertragungen Heinescher Liedersammlungen er-
schienen : Von dem uns schon bekannten
Daniaux, Le Nouveau Printemps^ Angelique. Lemerre, 1894 —
und die achte „Intermezzo "-Uebersetzung von
J. de Tallenay, Intermede lyrique de Heine, traduction poetique — suivi
de Premieres rimes. Ollendorf, 1894.
252 Heines französische Uebersetzer.
,, Pages posthumes de Henri Heine."
So lautet die Ueberschrift einer Serie kurzer Historien,
Aphorismen etc., die in der artistischen „Revue illustree" ^)
im Verlage von Ludovic Baschet zwischen 1888 und 1892
erschienen. Da uns diese sogenannten nachgelassenen Schriften
Heines gleich als geschickte Mystifikationen vorkamen, wandten
wir uns an den Verleger mit der Bitte, uns über die Quellen
jener Pubhkationen zu unterrichten. Dieser teilte uns in zu-
vorkommendster Weise mit, dass ihm die „Pages posthumes''
von einem Herrn 0. Fidiere des Pruivaux übergeben worden
seien, den er aber schon seit 1888 aus dem Auge verloren
habe. Dieser angeblich neu entdeckte Nachlass Heines be-
steht nun ganz einfach aus einer Kompilation von allen mög-
lichen, längst von Engel, Elster etc. veröffenthchten nach-
gelassenen Schriften unseres Dichters. Ein Beispiel mag
unsere Bezeichnung Mystifikation — besser passt hier das
französische Wort „fumisterie" — rechtfertigen. Unter dem
Titel „Maximes et pensees detachees" finden wir folgende
Stelle: „Une alliance entre la France et la Russie, avec les
affinites des deux pays, n'aurait rien que de naturel. En
Russie, comme en France, regne l'esprit de la Revolution : ici,
dans la masse; la, concentre en un seul homme; ici, sous la
forme republicaine; lä, sous la forme absolutiste; ici, ayant
en vue la liberte ; lä, la civilisation ; mais, dans les deux pays,
agissant revolutionnairement contre un passe meprise et meme
deteste."
Hiermit bricht der Uebersetzer ab. Was wir bis jetzt
gelesen, könnte ganz gut ein Bruchstück der Einleitung des
Akademikers Mezieres sein, die am Kopfe des „Livre d'or
1) Bd. VI, I. Semester, pag. 113, 184; II. Semester, pag. 89, und Bd. XIV
(15. November 1892).
„Pages posthumes de Henri Heine." 253
des fetes franco-russes" steht. Bei Heine aber beginnt erst
die ironische Persiflage seines vorausgeschickten Paradoxon,
denn er fährt fort: „Die Schere, welche die Barte der Juden
in Polen abschneidet, ist dieselbe, womit in der Conciergerie
dem Ludwig Capet die Haare abgeschnitten wurden; es ist
die Schere der Revolution, ihre Censurschere, womit sie nicht
einzelne Phrasen oder Artikel, sondern den ganzen Menschen,
ganze Zünfte, ja ganze Völker aus dem Buche des Lebens
schneidet," etc. etc. Nicht nur die Gedanken, sondern auch
die einzelnen Worte sind entstellt. So ist z. B. das „Haus-
backene" mit „ce qui est utilitaire" übersetzt. — Die Nummer
vom- 15. November 1892 bringt (pag. 340) eine Historie, be-
titelt: „La derniere incarnation du Dieu Mars" (mit Illustra-
tionen). Die ersten zehn Zeilen sind aus „Götter im Exil"
(Ausg. Elster, Bd. VI, pag. 79) übertragen; woher das übrige
stammt, wissen wir nicht zu sagen.
Diese litterarische Freibeuterei wäre natürlich in Deutsch-
land nicht möghch. Sie hätte aber auch keinen Zweck. In
Prankreich bedeutet der Name Heine stets ein pikantes,
seltenes Gericht für litterarische Feinschmecker — eine Re-
klame, die heute mehr zieht, denn je.
254 Heines französische üebersetzer.
Heine-Uebersetzer der W^estschweiz
Jeremias Gotthelf und Gottfried Keller werden Schweizer-
schriftsteller und -Dichter genannt. Einen Alex. Yinet als
französischen Litterarhistoriker und Kritiker zu bezeichnen,
bloss weil er französisch schrieb, wäre ebenso falsch, wie die
obige Bezeichnung der beiden Dichter deutscher Zunge richtig
ist. Schon aus diesen hiermit angedeuteten inneren Gründen
sind wir berechtigt, auch die französischen üebersetzer Heines
in der Schweiz von denen in Prankreich zu trennen. Allein
diese sind es nicht, die uns bewogen, so zu verfahren, son-
dern wir zogen deswegen vor, die Schweizerdichter separat
zu behandeln, weil wir verhüten wollten, dass ihre hervor-
ragende Qualität in der grossen französischen Quantität ver-
schwinde oder doch wenigstens nicht zur Geltung komme.
Als Vermittler der Nationen, als ihr litterarischer Dol-
metscher zu wirken, ist dem Westschweizer, dem Schweizer
überhaupt, Pflicht und Mission. Das Elsass hat seine völker-
vermittelnde Rolle seit 1870 ausgespielt. Ein zukünftiger
Goethe wird sich nunmehr nach Paris begeben müssen, um
sich im Französischen auszubüden! — Elsass war nur ein
Grenzland — die Schweiz ist mehr, sie ist eine unabhängige
Nation.
Wenn Rambert noch bedauern konnte, dass die west-
schweizerischen Dichter der letzten Generation — von ihm
aus gerechnet — ihre Mission nicht erfüllt haben, so gilt
der Tadel nicht der neuen, zu der Amiel, er selbst und
Marc-Monnier. 255
unter andern auch Marc-Monnier gehören. Mit dem letztern
eröffnen wir die kleine Elite der schweizerischen Heine-
übersetzer.
Marc-Monnier ')
(1829—1885).
Den Geschmack und die sprachliche Sicherheit, die Poesie
und Prosa dieses fruchtbaren Schriftstellers auszeichnen, finden
wir auch bei seinen Uebertragungen. Rhythmisch, wortgetreu
und zugleich als französisches Lied effektvoll, ist die „Lore-
le", wie er die Rheinnixe nennt. (Poesies, Lemerre, 1872.)
Lore-le.
Je suis, devant ces rivages,
Si triste, et ne sais pourquoi;
C'est Uli conte des vieux äges
Qui Sans cesse est devant moi.
L'air est frais, voici la brume,
Et le Rhin coule sans bruit;
Le sommet du mont s'allume
Au dernier rayon qui fuit.
Lä-haut, la vierge qui regne,
Est assise sur le bord,
Et Ton voit I'or de son peigne
Luire dans ses cheveux d'or.
En les peignant, sur la rive,
Elle chante un air fatal,
Air etrange qui captive,
Qui vous fait plaisir et mal.
^) Vergl. Abschnitt V.
256 Heines französische Uobersetzer.
Dans l'esquif, riioninie qui passe,
Par cet air sauvage est pris,
Regarde en haut, dans l'espace,
Ne Yoit pas les rochers gris . . .
Je crois que sous l'eau niechante
L'homme et la barque ont coule . . .
Et voilä, quand eile chante,
Ce que fait la Lore-le. —
(Pag:. 139.)
Henri-Frederic Ämier)
(1821—1881).
Im Jahre 1876 veröffentlichte dieser nach seinem Tode
so berühmt gewordene Genfer einen Band Gedichte, in dem
deutsche (Gottfried Keller mit einem Liede), englische, spa-
nische, italienische, griechische und ungarische Lyrik ver-
treten ist:
„Les etrangeres.^^
Poesies traduites de diverses litteratures.
Das Vorwort ist an seinen Freund und Landsmann Edm.
Scherer gerichtet. Er will uns in diesem über seine An- und
Absichten, die Uebersetzungskunst betreffend, unterrichten:
„La traduction parfaite, ce serait celle qui rendrait, non pas
seulement le sens et les idees de l'original, mais sa couleur,
son mouvement, sa musique, son emotion, son style distinctif,
et cela dans le meme rhythme, avec des vers de meme forme
et un meme nombre de vers. Or, il n'est pas douteux que
cet ideal est inaccessible, au moins dans notre langue, car si
notre litterature est hospitaliere, eile sous-entend que ses
') Vergl. Abschnitt V.
A
Henri-Frederic Amiel. 257
hötes prendront ses habitudes, son costume et ses fagons ä
eile, et non pas qu'elle-meme fera la moitie des avances et
du chemin. Mais, en tbese generale, quel autre ideal est
donc plus accessible? ...
„Me deraandez-vous pourquoi les poesies allemandes do-
minent dans cette coUection qui, ä vrai dire, est plutöt inter-
nationale? La raison en est simple: c'est que, pourla traduc-
tion en vers frangais, aucune peut-etre des langues europeennes
n'est plus refractaire et plus incommode que celle d'outre-
Rhin; les obstacles sont redoubles et multiplies comme a plaisir."
Nicht nur, um diese Hindernisse zu überwinden, sondern
auch zu dessen eigenem Besten verlangt er für den franzö-
sischen Vers mehr Freiheit. In einem „Appendice" verficht
er diese Idee. Seine Poetik will er damit illustrieren, dass er
die Uebersetzungen in „rhythmes connus" und „rhythmes
nouveaux" einteilt.
Leider sind von Heine nur zwei Gedichte in den „Etran-
geres" übertragen ; diese aber sind Meisterstücke der Ueber-
setzungskunst. Amiel wäre der Mann gewesen, den Franzosen
den deutschesten, den genauesten Heine zu geben. Wenn
Rössel ^) von seinen Uebertragungen sagt (pag. 520) : „La
gaucherie laborieuse est le trait caracteristique" und von
„peinlicher , unmelodischer Lektüre seiner steifen LTeber-
setzungen" spricht, so mag dies schroffe Urteil bei einem
Teile der Umdichtungen einige Berechtigung haben. Bei den
Liedern Heines aber trifft es ganz und gar nicht zu. Wahr
ist es, dass man bei mancher andern Uebersetzung fühlt, dass
der gelehrte Professor dem Poeten die Hand führt, ihm ge-
wissermassen über die Schulter sieht, um die poetischen
Exercitia zu kontrollieren und zu korrigieren. Ueberall, wo
er sich in reiner Lyrik versucht, merkt man, dass ihm die
^) Virgile Rössel, Histoire litteraire de la Suisse romande des origines
h nos jours, tome 11, 1891.
Betz, Ileinc in Frankroich. 17
258 Heines französische XJebersetzer.
poetische Inspiration abgeht. Er vermag seine Verse nicht
dichterisch zu beseelen. Aeusserst interessant ist es deswegen,
Amiel und Valade als Uebersetzer einander gegenüber zu
stellen. Bei Valade sagt man sich: so hätte ungefähr ein
von Heine selbst französisch gedichtetes Lied gelautet, —
bei Amiel: besser kann ein deutsches Lied Heines nicht
übertragen werden. Beide zusammengenommen bilden die
Idealgestalt des Dichter-Dolmetschers.
Belsatzar.
Minuit. Dans les places, personne.
Tout dort. L'ombre est sur Babylone.
Mais au palais du roi, grand jour:
Flambeaux, rumeurs, gala de cour.
Et, pour la fete colossale,
Belsatzar trone dans la salle.
Joyeux, vidant la coupe d'or,
Les grands, ä l'entour, fönt decor.
Aux cliants, aux rires, au tumulte,
Belsatzar, le roi sombre, exulte.
Sa joue a perdu sa paleur,
Le feu du vin gonfle son coeur.
A sa perte, il court de lui-meme;
Aveugle, Belsatzar blaspheme.
Son discours, toujours plus hardi,
Des flatteurs est plus applaudi.
Ivre d'une audace coupable,
II donne un ordre: et, sur la table,
On apporte, pour braver Dieu,
Les vases d'or du temple hebreu.
Henri-Fredei'ic Amiel. 259
L'impie en saisit un. Rapide,
II Femplit de vin et le vide.
II le retourne lentement,
Et s'ecrie alors, ecumant:
„Jehovah, honte ä ta couronne!
„Je suis le roi de Babylone!"
Mais sa levre ä peine a maudit,
Qu'il s'arrete, pale, interdit.
Et, dans la fete colossale,
Un froid de mort eniplit la salle.
Soudain, sur la haute paroi,
Ecrit une main d'homme . . . Effroi !
En traits de flamme ecrit encore,
Ecrit la main, puis s'evapore.
Et Belsatzar, sourcils fronces,
Tremble. Ses membres sont glaces.
Baissant leurs paupieres craintives,
D'horreur frissonnent les convives
Viennent bientot mage et devin.
Dechiffreront-ils ? Espoir vain.
Et Belsatzar, cette nuit meme,
Perdit tout, vie et diademe.
Lorley.
Mon coeur, pourquoi ces noirs presages?
Je suis triste ä mourir.
Une histoire des anciens äges
Haute mon souvenir . . .
260 Heines französische Uebersetzer.
Dejä l'air fraichit, le soir tombe
Sur le Rhin, flot grondant;
Seul, un haut rocher qui surplonibe,
Brille aux feux du couchant.
Lä-haut, des nymphes la plus belle,
Assise, reve encor;
Sa main, oü la bague etincelle,
Peigne ses cheveux d'or.
Le peigne est magique. Elle chante,
Timbre etrange et vainqueur ;
Tremblez, fuyez, la voix touchante
Ensorcelle le coeur.
Dans sa barque, l'homme qui passe,
Pris d'un soudain transport,
Sans le voir, les yeux dans l'espace,
Vient sur l'ecueil de mort.
L'ecueil brise, le goufFre enserre
Et nacelle et nocher . . .
Et voilä le mal que peut faire
Lorley sur son rocher.
Paul Gautier
(1843—1869).
In ihm verlor die französische Schweiz einen zu den
grössten Hoffnungen berechtigenden Dichter, einen vom
Scheitel bis zur Sohle eminent lyrisch angelegten Poeten,
mit einer stark satirischen Ader.
Das kleine, aber wertvolle litterarische Gepäck dieses im
26. Jahre hinweggerafften Schweizers ist in der hübschen
Broschüre enthalten:
Pcaul Gautier. 261
,^Pervenches et Briiyeres.^'
Poesies choisies. Geneve, Fick, 1870.
Pietätvolle Hände haben es ihm auf das frische Grab
gelegt. Eugene Rambert (E. R.), der schon in der „Biblio-
theque Universelle" wiederholt auf den hochbegabten Gautier
hingewiesen, widmet diesem in der posthumen Ausgabe eine
treffliche Lebensskizze. Sie ist allerdings von einem ganz
verschieden veranlagten Dichter geschrieben, dessen gelassene
Gemütstiefe die Lieder des zerrissenen Herzens eines jungen
Poeten mehr bedauern als bewundern kann. Wir werden noch
sehen, wie Rambert Musset und Heine als verderbenbringend
für Gautiers Muse ansieht. Allein wieso dieser bei Heine
u. a. „absence d'energie morale" gelernt haben soll, kann
uns Rambert leider nicht mehr erklären.
Gautier kümmert sich in seinen Uebersetzungen weit
weniger um Form und Rhythmus des Originals wie Amiel.
Er sucht die Poesie oder die Satire zu erfassen, um sie dann
dichterisch nachzuahmen. Es kommt ihm daher auch nicht auf
Wörtlichkeit an. Rambert beklagt den frühen Tod seines Lands-
mannes, der der „litterature romande" eine Uebertragung
Uhlands schuldig geblieben ist, die für sie eine Zierde und
ein Gegenstand des Stolzes gewesen wäre. Wir glauben mit
mehr Recht den Verlust einer der vorzüglichsten, dichterisch
inspirierten, tief nachempfundenen Uebersetzungen des „Buches
der Lieder" bedauern zu dürfen, denn eine solche hätte uns
ein längeres Leben Gautiers geschenkt.
Nachdem wir noch erwähnt, dass selbst Rössel, der Amiel
so streng richtete, Gautier als einen Meister der Uebersetzungs-
kunst betrachtet, dessen „Loreley" er über die Marc-Monniers
stellt, wollen wir eine Auslese dieser trefflichen Umdichtungen
folgen lassen.
Oll! vous etcs, comme une fleur,
Aimable, candide et jolie!
Je vous regarde, et dans nion coeur
Se glisse melancolie.
262 n eines französische Uebersetzer.
Parfois ... oh ! je voudrais lever
Ma main sur votre front sans ride;
Frier Dieu de vous conserver
Aimable, jolie et candide.
Pag. 93:
Ils s'aimaient dans leur coeur; et pourtant, tour ä tour,
Ils ne se dirent pas leur brülante pensee.
Elle ne lui parlait que d'une voix glacee,
Et, comme eile, il voulait se consumer d'amour.
Ils se quitterent donc, et la terre lointaine,
En songe, quelquefois, les reunit encor . . .
Mais, des longtemps, Tun etait mort
Que l'autre le savait ä peine!
(Aus „Die Heimkehr", 1823—1824, Nro. 33.)
Pag. 83:
Le Chef d'orchestre.
Le bois est rempli d'harmonie,
Les nids sont pleins d'accents divers.
Quel est le maitre de genie
Qui dirige tous ces concerts?
Est-ce le vanneau dont la tete
Secoue un panache hautain?
Est-ce le coucou qui repete
Sans cesse le meme refrain?
Est-ce la tendre tourterelle?
Ou le bouvreuil? ou le heron
Qui, juche sur sa jambe grele,
A pris un air de fanfaron?
Non! c'est en mon coeur, je vous jure,
Qu'est cet artiste de renom . . .
Je le sens qui bat la mesure,
Et je crois qu'Amour est son nom.
(Aus „Neuer Frühliug", Nro. 8, pag. 206.)
^
Pag. 86:
Paul Gautier. — IS^achträge. 263
Mon coeur.
Charmante fille du marin,
Sur le bord tire ta nacelle;
Viens t'asseoir pres de moi, la belle,
Et causer, ta main dans ma main!
Mets sur mon coeur ta blonde tete!
N'liesite pas: chaque matin
Tu vas confier ton destin
Sans crainte a la vague inquiete.
Et mon coeur est comme la mer:
II a sa brume et ses tourmentes,
Et bien des perles eclatantes
Roulent avec son flux amer.
(„Das Fischermädchen."]
Nachträge.
I.
Jules Yuy.
In den zwei Bänden der „Echos des bords de l'Arve^^
(3' edition, Geneve, Georg, 1873) von dem Genfer Jules Vuy
befinden sich zwar unter den circa fünfzig Uebertragungen von
Uhland, Lenau, Geibel und Chamisso keine von unserem
Dichter. Wir glauben aber den Autor dieses sehr bekannten
Buches dennoch hier nennen zu dürfen, da Süpfle ihn nicht
erwähnt, und wir dem, der sich bei uns nach der franzö-
sischen Uebersetzungslitteratur umsieht, die möghchst gründ-
liche Auskunft geben möchten. — Rambert ist der Ansicht,
dass die Uebertragungen Jules Vuys denen Marc-Monniers
würdig zur Seite stehen.^) Er knüpft hieran. noch folgende
Bemerkung (pag. 543):
^) Vergl. „Trois poetes de la Suisse romande", Bibliotheque Universelle,
März 1873.
264 Heines französische Uebersetzer.
Toutes ces traductions des poetes de TAUemagne du Sud, par
nos poetes romands, sont un phenomene litteraire des plus interessants.
Mais la vraie imitation est creation, et s'il y a quelque parente de
genie entre la Souabe et nous, il faut qu'elle se manifeste non seule-
ment par des emprunts, mais par une reelle analogie dans les pro-
ductions spontanees. Or l'analogie n'apparait nulle part plus evidente
que dans les vers de M. Vuy; c'est meine la son originalite la plus
marquee, et ce qui lui fait parmi nous une place ä part.
Ohne mit Rambert in Sachen seiner heimatlichen Litte-
ratur rechten zu wollen, scheint uns Vuy nach dieser Richtung
hin doch nicht eine solche Ausnahmestellung in Anspruch
nehmen zu können, wenn wir an Eggis, Amiel und besonders
an Blanvalet denken.
II.
Wir bitten hier noch um Raum für eine interessante
kleine litterarische Entdeckung, die allerdings nicht hierher
gehört. Es ist schon vielfach auf das berühmte Rheingesang-
tournier hingewiesen worden, das, wie bekannt, Nie. Beckers
patriotisch stolze Strophen provozierten — auf die bissig
geistreiche Antwort Mussets, die Friedenshymne Lamartines
und Edg. Quinets massvolle Verse. — Unbekannt ist aber die
Antwort des Schweizers geblieben, und doch klingt sein Lied
vom Rhein ebenso stolz wie das Beckers, so formvollendet
wie das Quinets und so frech-schneidig wie das Mussets —
den Vergleich mit Lamartine ziehen wir vor, zu unterlassen.
Mag es denn mit diesem Buche den Weg über den
Rhein antreten als posthume Antwort avif eine Frage, die stets
nur das Schwert, nimmermehr des Sängers Leier lösen wird.
Le Rhin suisse.
Quand ces nains vils flatteurs, gros de fiel et de liaine,
S'arrachent, par lambeaux, les peuples de la plaine
Et veulent enchainer le fleuve souverain,
Mon coeur prend en pitie leur niuse courtisaue;
Le clieval n'a jamais porte le bat de l'äne :
II est ä nous, le Rliin.
n
Nachträge. 265
Notre erable de Trons le couvre de ses branches.
— II ecoute, joyeux, le bruit des avalanches,
II reflete nos monts dans son cours souverain.
Soir et matin, lä-haut, le pätre, au sein des nues,
Contemple, en priant Dieu, ses deux rives connues :
II est ä nous, le Rhin.
Ilanz et Dissentis, comme aux saisons passees,
Se baignent, chaque jour, dans ses ondes glacees,
Souverains, se plongeant dans le flot souverain;
Debout sur ses rochers, la loyale Rhetie
Sourit au jeune fleuve, enfant de l'Helvetie :
II est ä nous, le Rhin.
II ne connaitra pas nos montagnes captives,
Les fils des fils de Mals peuplent encor ses rives,
Son flot n'est point le serf du Franc ni du Grermain;
Digne des vieux Grisons, il coule fier et libre.
A la Suisse le Rhin, comme ä Rome le Tibre :
II est ä nous, le Rhin.
Les Alpes sont ä nous, et leurs cimes de neige.
Et leurs pics sourcilleux, formidable cortege,
Seculaire berceau du fleuve souverain.
La, nos peres ont bu sa vague froide et pure.
II fallait au grand fleuve une grande nature ;
II est ä nous, le Rhin.
II est ä nous, le Rhin. — Yoyez-le, dans sa course,
ßondir et s'elargir, en sortant de sa source,
Au pied du Saint-Gothard, il est ne souverain;
Mais lä-bas, mais la-bas, son onde insaisissable
Va se perdre ignoree et mourir dans le sable :
II est ä nous, le Rhin.
I
FÜNFTER ABSCHNITT
H. HEINES EINFLUSS
Les grands jjoetes sont comme les grandes
montagnes, ils ont beaucoup d'echos.
Victor liugu.
Erstes Kapitel
Einleitende Betrachtungen über den deutschen
Einfluss auf die französische Litteratur in der ersten
Hälfte dieses Jahrhunderts
Dans nos recherches de litteratures etran-
geres, nous ne devons nous attacher qu'aux
noms celebres et aux esprits originaux dont
l'influenee s'est exercee sur TEurope et sur la
France.
VUlemain, Tableau de lalitteratuie, XIII« legon.
Si je n'etais pas Francais, je voudrais
etre Allemand. Victor Hugo.
Schon vor Dr. TJi. Süpfle^) und Dr. Fr. Meissner^) und über
10 Jahre vor Heinrich Breitingers trefflichem und inhaltreichem
Aufsatze „Die Vermittler des deutschen Geistes in Prankreich"
(Zürich 1876) hat ein Franzose auf dies ebenso ergiebige und
nützliche, als auch ungemein schwierige Thema hingewiesen.
„J'estime qu'il est tres utile de . . . chercher ä mesurer et ä
evaluer avec precision les effets de l'influenee germanique sur
notre renovation litteraire et poKtique du XIX" siecle." So
drückt sich Sainte-Beuve am 2. November 1863 aus in seiner
Einleitung zu der äusserst anregenden Arbeit William Eey-
monds: „Corneille, Shakespeare et Goethe, etude sur l'influenee
anglo- germanique en France au XIX" siecle", Berlin 1863.^)
1) Deutscher Kultureinfluss auf Frankreich, 2 Bde. Gotha, 1886, 1888.
£^) Der Einfluss des deutschen Geistes auf die französische Litteratur des
Jahrhunderts bis 1870, Leipzig, 1893.
') Eine weitere Studie über dies Thema, bemerkenswert wegen ihrer
sllen Darstellung und der Fülle neuer Gesichtspunkte, entstammt der
270 H. Heines Einfluss.
Allein, so viel auch die meisten dieser Schriften Inter-
essantes und Lehrreiches bieten, so grossartig auch besonders
das von erstaunlicher Arbeit zeugende Werk Süpfles angelegt
ist, so gilt dennoch für diese wichtigste Epoche deutschen
Einflusses auf die französische Litteratur noch heute das
Wort Gotschalls, an das einige der Genannten angeknüpft
haben: „lieber den Einfluss deutscher Litteratur in Frank-
reich fehlt eigentlich noch eine zusammenhängende Dar-
stellung/^
Fern von uns liegt die Absicht, mit den folgenden Be-
trachtungen diese Lücke auszufüllen. Nachdem wir Jahr und
Tag dem Einflüsse eines einzigen Mannes nachgeforscht haben,
halten wir uns für befähigt, die Schwierigkeiten zu erkennen,
die sich der Bewältigung eines so grossen Gebietes entgegen-
stellen müssen. — Wir wollen hier lediglich an dem Rahmen,
den wir bereits mit einer Uebersicht der französischen Lit-
teratur begonnen haben, weiter arbeiten, um ihn noch später
mit einem Hinblick auf die modernen Dichter und die Ein-
wirkungen, die von Deutschland eindrangen, zu vollenden,
damit so das Bild unseres Hauptstudiums stets vom Ganzen
einbegrenzt und in die Gesamtheit französischer Dichtung an-
schaulich eingefügt bleibe.
Schon wiederholt ist mit Nachdruck betont worden, wie
falsch es ist, den deutschen Einfluss erst von dem Buche der
Frau von Stael an zu datieren. Diese Legende aber wird
Feder des bekannten Politikers und Freundes Gambettas, Joseph Reinachs,
der in der „Revue bleue" („Revue politique et litteraire") vom 4. Mai 1878
den Aufsatz „De Vin-ßuence inteUectuelle de VAUemagne sur Ja France^
als Gegenstück des ebendaselbst zuvor (7. Juli 1877) erschienenen „De l'in-
fluence historique de la France sur l'Allemagne" veröffentlichte. — Man ver-
gleiche auch : R. Rosieres, „La litteratur e aUemande en France de 1750
tl 1800^, „Revue politique et litteraire", 15. September 1883 (beide Arbeiten
von Süpfle nicht citiert), und endlich Ch. Jorets schätzenswerte Broschüre:
Des rapports intellectuels et litteraires de la France avec VAUemagne, 1884.
Einleitende Betrachtungen. 271
noch weiter bestehen, so lange sich Männer vom Fach auf
deutscher und französischer Seite zu derselben bekennen.
Denn das, was Fritz Meissner hierüber lehrt, ') unterscheidet
sich nicht wesentlich von dem, was Michel Breal im selben
Jahre sagt: „Si Ton excepte les premiers instants de la Re-
forme, l'influence intellectuelle de l'Allemagne sur la France
ne commence guere qu'avec le livre de Madame de Stael."^)
Der nordisch-germanische Einfluss hatte, seitdem Franken
über den Rhein gezogen, nie aufgehört zu wirken. Wenn
der Geist der französischen Reformation mit Recht seinem
innersten Wesen nach ein deutscher genannt worden ist,
so muss die Quelle desselben vor allem im Frankenvolke ge-
sucht werden. Ungenau ist es deswegen, dieselbe schlecht-
weg als die Tochter der deutschen zu bezeichnen. Sie ent-
stand in erster Linie aus sich selbst, als religiöse Renais-
sance. Die „Reforme" war die gleichaltrige Schwester der
neuen Religion Luthers, von der dann allerdings die mo-
ralische Kraft ausging.
Deutsches Denken hatte im XVIIl. Jahrhundert mit-
geholfen, den morschen alten Staatsbaum zu brechen. Der
social - politische Beigeschmack deutschen Einflusses ist um
so bemerkenswerter, als dieser sonst rein psychischer Natur
ist und im Gegensatz zu dem Einwirken Frankreichs auf
Deutschland, das sowohl ein historisches als auch litterarisches
war, ausschliesslich dem Reiche des Geistes angehörte.
Muss demnach auch das klassische Bild von der „durch-
brochenen chinesischen Mauer" als ungenau fallen gelassen
^) Ibidem oben, pag. 1. — Die Kritik hat dies unzulängliche Werk zur
Genüge besprochen (so z. B. R. Mahrenholtz, ,,Litteraturblatt'" etc., September
1893), so dass wir hier nicht auf die vielen Mängel desselben und die naive
Anmassung des Verfassers einzugehen brauchen.
-) „L'enseignement de l'anglais et de l'allemand" („Revue bleue",
18. März 1893).
272 H. Heines Einfluss.
werden, so bleibt es nichtsdestoweniger wahr, dass nicht
mir die grosse Masse, sondern auch das kleine Häuflein Ge-
bildeter herzlich wenig von deutschem Wesen, deutscher
Kunst und Sprache wusste, und dies bis tief ins XVIII.
Jahrhundert hinein. Selbst bei den klarsten Köpfen sind
die Kenntnisse über das Volk jenseits des Rheines so
ziemlich eine Karikatur der Wirklichkeit. Der viel gereiste
Montaigne wirft die deutsche Sprache — er nennt sie auch
gelegentlich „la langue des chevaux" — mit der persischen
in einen Topf. Voiture und seine schöne Umgebung von
Rambouillet wollen fast vergehen vor Lachen, als ein deut-
scher Gelehrter „en us" ihnen zumutet. Deutsch zu lernen.
Welche Ignoranz deutscher Dinge tritt uns nicht in den
Memoiren des XVII. und XVIII. Jahrhunderts entgegen?
Was war denn für die Saint-Simon, Dangeau etc. die Personi-
fikation Deutschlands? Die grob-derbe Pfalzgräfin Elisabeth
Charlotte, Herzogin von Orleans.
Das Geisteswerk der genialen Frau bleibt daher eine
grossartige Revelation.
Schon vor „De l'AUemagne'*', dessen Schicksale bekannt
sind, hatte die Abhandlung der Baronin von Stael- Holstein
„ De la litterature consideree dans ses rapports avec les
institutions sociales", die im ersten Jahre unseres Jahr-
hunderts erschien, durch die Fülle neuer Ideen, die Un-
erschrockenheit einer Sprache, wie sie, allem Konventionellen
zum Trotze, in Frankreich lange nicht mehr geführt wor-:
den war, ein ungeheures Aufsehen erregt. Eine Französin
wagte es, der nordischen, anglo-germanischen Litteratur den
Vorzug zu geben, die sie systematisch von der südlichen,
romanischen trennt; eine Frau plaidierte laut für die Idee
menschlicher Perfektibilität an der Wende des skeptischen
Jahrhunderts „par excellence'' ; sie unterfing sich, zu ver-
künden, dass Deutschland mehr denn jede andere Nation zur
wahren Lyrik veranlagt sei, weil es sich durch jene Geistes-
_^SiL i
Einleitende Betrachtungen. 213
Unabhängigkeit auszeichne, die allein der persönlichen Origi-
nalität Raum und Freiheit gewähre, weil dort die „Melancolie"
wohne, die der Poesie Tiefe und moralische Grösse verleihe.
Was die Kreatur des erzürnten Napoleon, General Savary,
der schmollenden Tochter Neckers als Grund der Konfiskation
der 10,000 Exemplare ihres „De l'Allemagne" angab — „qu'il
n'etait point frangais'' — konnte schon von ihrem ersten Werke
gesagt werden.
Was nun ihr Buch über Deutschland betrifft, so muss
eine gerechte Kritik zugeben, dass es eher eine geistreiche,
farbenprächtige und glänzende Skizze ist, als ein getreues,
objektives Bild eines Volkes „sine ira et studio". Ihre Wan-
derungen durch Deutschland waren nicht Studienreisen; sie
glichen vielmehr Triumphzügen. Ihr ging der Ruf einer der
geistreichsten Frauen, einer Königin des Pariser Salons, und
vor allem die Ehre der erbitterten Feindschaft der „Welt-
seele" voraus. Und ihr, der Gedankenfürstin, erging es wie
den Mächtigen der Erde, die, wenn sie reisen, mit dem besten
Willen und Können mehr Illusionen als Wirklichkeit sammeln.
Dass Madame de Stael trotzdem so vieles richtig gesehen und
beurteilt, scheint uns gerade der beste Beweis ihres Genies
zu sein. Nichtsdestoweniger musste ihr Buch optimistischer
ausfallen, als dies zu Frankreichs Nutzen und Belehrung von-
nöten gewesen wäre. Ihr fehlte die Seelenruhe. Vergessen
wir nicht, dass die Heimatsverbannte einen glühenden Hass
gegen das Frankreich Bonapartes in der Brust barg. Eine
Lektion wollte sie jenen zu Hause geben, als gutes Beispiel
den Kontrast ihres Ichs zeigen, und mit richtigem Griff wählte
sie Deutschland, um ihrem Lande zur Beschämung, aber auch
zum Heile alle germanischen Tugenden vorzuhalten. Wenn
daher Heine ihr Buch und dessen Tendenz mit der Germania
des Tacitus vergleicht, die auch eine indirekte Satire an die
Adresse Roms bedeutet, so ist diese geistreiche Parallele ebenso
treffend, wie für beide Teile ehrend. Nur so ist die über-
Betz, Heine in Frankreich. 18
274 H. Heines Einflusg.
schwängliche Verehrung Deutschlands der Madame de Stael
zu erklären. Wozu daher die Indignation deutscher Gelehrter
über Heines Erwiderung auf diesen Panegyrikus, den sie als
antipatriotische, gehässige Verstümmelung des idealen Bildes
der Französin verdammen ? Denkt der ehrlich Gesinnte heute
anders als zur Zeit Goethes, da man mit nachsichtigem Wohl-
wollen von den „Exaltationen der guten Frau" sprach?
Während die grosse Masse der französischen Leser das
Buch Madame de Staels über Deutschland als ein Werk blen-
dender Phantasie auffasste — auch ein Villemain hob in
erster Linie das bezaubernde Kolorit ihres Stils hervor — ,
bedeutete es für Weiterblickende nicht viel weniger als eine
Revelation, die sie zu enthusiastischen Studien und Forschungs-
reisen anspornte. Bedeutende Männer folgten ihrem Beispiele,
und im Lande der „Sagen und der Philosophie" wimmelte es
bald von französischen Lernbegierigen. Victor Cousin wanderte
zweimal nach Deutschland, um dort zuerst Kant und später
Hegel zu kosten und nach seiner Manier zu verdauen. Nach
den Philosophen und Gelehrten traten nicht bloss Neugierige,
auch geistreiche Leute und Dichter die Reise über den Rhein
an, unter den ersten Benjamin Constant, der wankelmütige
Freund Madame de Staels, der dann auf die unglückliche Idee
geriet, die Wallensteintrilogie in ein Stück zu verschmelzen.
Bezeichnend ist, was er zu Beginn des Jahrhunderts an
seine andere Freundin, die Neuenburgerin Madame de Char-
riere, schreibt: „J'ai beaucoup parcouru la litterature alle-
mande depuis mon arrivee. Je vous abandonne leurs poetes
tragiques, comiques, lyriques, parce que je n'aime la poesie
dans aucune langue; mais, pour la philosophie et l'histoire,
je les trouve infiniment superieurs aux Frangais et aux An-
glais. Ils sont plus instruits, plus impartiaux, plus exacts, un
peu trop diffus, mais presque toujours justes, vrais, courageux
et moder^s."
Bevor aber die Aktion ihre Früchte tragen konnte, trat
Einleitende Betrachtungen. ^75
schon die Reaktion ein. Bald wurden erschreckte Stimmen
laut, die vor Verdeutschung warnten. Sie blieben jedoch
vereinzelt und verhallten erfolglos ; die mächtige Bewegung,
die schon Männer, wie Diderot — - „la plus allemande de
toutes nos tetes" (so Goethe und Sainte-Beuve) — Grimm, Hel-
vetius, Holbach, Ducis, Mercier und den Zürcher Heinrich
Meister nicht zu vergessen u. a., vorgebahnt, ging ihren sichern
Gang weiter. Aber deutsche Ideen waren es nicht allein, die,
von Madame de Stael signalisiert, zwischen 1810 — 1840 in
Frankreich eindrangen, sondern es vereinigte sich mit diesen
englischer Einfluss, um gemeinsam zur mächtig schwellenden
Strömung der antiklassischen Litteratur beizutragen.
In den letzten Jahren der Restauration verband sich
dieser germanisch-englische Einfluss mit den geistig und
physisch befreienden Wirkungen der grossen Revolution, um
dem französischen Ich, d. h. der Romantik, zum dauernden
Siege zu verhelfen. Dieser Wiedergeburt der subjektiven
Litteratur in Prankreich gab die deutsche Philosophie die
Weihe. Cousin wurde der beredte Interpret der transcen-
dentalen Ich-Philosophie Kants und Fichtes in jenen altehr-
würdigen Sälen der Sorbonne, in denen sich die Geisteselite
der Seinestadt drängte.
Die Blütezeit der germanischen Beeinflussung fällt in die
Jahre 1830 — 1840. Sie erreichte ihren Höhepunkt während
der nach vielen Seiten hin segensreichen Regierung Louis
Philippes, einer Epoche geistiger und materieller Industrie, des
Wohlstandes und heiter massvollen Lebensgenusses, die trotz
ihrer viel verhöhnten „Bourgeois-Färbung" für Kunst und
Wissenschaft förderlich und schützend wirkte, wie seit Louis XIV.
keine andere Regierungsperiode. Erst Nikolaus Beckers „Sie
sollen ihn nicht haben" kühlte die Germanophilen-Strömung
ab und kündigte drohend den baldigen moralischen Bruch
der beiden Nationen an, zu dem die trotzig unverschämte
Antwort Mussets den Grundton gab.
2f6l H. Heines Einfluss.
Annees curieuses, pittoresques, qui dans deux ou trois siecles
d'ici feront la joie des amateurs de bric-ä-brac et l'etonnement des
bourgeois, que Celles qui s'etendent de la revelation de PAllemagne
ä la France par Madame de Stael ä la rupture morale des deux
nations, quand au menagant „Rhin allemand" de Becker repondra le
tres impertinent „Rhin allemand" de Musset. Pendant ces vingt-cinq
annees, malgre le souvenir des guerres imperiales, malgre Leipzig,
Montmartre et Waterloo, malgre Kleist et malgre Blücher, bien que
les derniers Voltairiens protestent avec colere, le genie de la France
est amoureux de l'Allemagne. Aux aspirations vagues et indefinissables
qui le tourmentaient, l'objet precis et reel avait longtemps manque :
l'Allemagne, entrevue a travers le livre de Madame de Stael, tut
l'ideal desire qui vint fixer et incarner ces reves. Le genie de la
France s'en est epris sur une image poetique, comme un roi d'Angle-
terre etait jadis tombe amoureux d'une princesse de Cleves ä la seule
vue de son portrait peint par Holbein.
(J. Reinach, „De l'influence de l'Allemagne sur la France", pag. 1036.)
Wäre doch Deutschland damals schon gross und einig
gewesen : Hätte es nicht erst nötig gehabt, Paris den Besuch
Bonapartes in Berlin zurückzuerstatten, wie ganz anders würde
heute Alles aussehen ! Wohl lernten sich die beiden Völker
durch den furchtbaren Massenanprall von 1870 besser kennen;
— aber nicht um sich zu verstehen, sondern um sich zu
hassen; um sich Schutz- und Trutzbündnissen in die Arme
zu werfen, die der Geschichte der Kultur und der Völker-
psychologie hohnsprechen. Man verzeihe die politische Rand-
glosse einem bescheidenen Litteraten, der nicht einmal „Re-
porter" ist und es wohl kaum je zum Journalisten bringen
wird.
In jenen Tagen gab es ein geistiges Deutschland mitten
im Herzen von Prankreich; auf den Pariser Boulevards lust-
wandelten Heine und Balzac Arm in Arm; Meyerbeer führte
das grosse Wort in der Oper. Und umgekehrt konnte man
allerorts in Deutschland ein Stück Paris finden. Nicht nur
die französische „High-life" war es, die sich in den Bädern
von Homburg, Wiesbaden und Baden-Baden um den „grünen
ä
Einleitende Betrachtungen. 277
Tisch" drängte, sondern auf den Kollegienbänken stiller Uni-
versitäten Sassen auch junge Deutsch-Enthusiasten, und das
bescheidene und gescheiter geniessende französische Publikum
suchte sich im Schwarzwalde und Taunus Sommerfrische,
schwärmte an den Ufern des Rheines, den ihr grosser Dichter
so beredt gefeiert, und schaute sich um nach den liebreizenden
Idealgestalten der Lotten , Gretchen und Dorotheen der
„blonde Allemagne". Nach den vierziger Jahren heisst es
aber bald nicht mehr „la douce, la chaste, la romanesque
Germanie", sondern „la savante, Terudite".
Der Uebergang zu einem näheren Hinblick auf die Gruppe
der hervorragendsten Germanophilen dieser Epoche liegt hier
nahe. Wir beabsichtigen hierauf noch kurz von der ver-
mittelnden Stellung des Elsass zu reden und dann zu dem deut-
schen Einfluss auf einige französische Dichter überzugehen.
Unter den ersten, zeitlich und ihrer Bedeutung nach, die
voll aufrichtiger Bewunderung die Erfolge deutschen Geistes
in Kunst und Wissenschaft begrüssten und in Deutschland
ein neues gelobtes Land erblickten, müssen die beiden Brüder
Emile (1791—1871) und Antomj (1800—1869) Desc/iamps
genannt werden. Der ältere vor Allem hat durch seine für
damalige Verhältnisse überraschende Gewandtheit der Nach-
bildung und durch seinen sichern Geschmack viel zur Wieder-
auffrischung der französischen Dichtkunst beigetragen. Die
epochemachende Einleitung zu den „Etudes frangaises et
etrangeres'' (1828), die sich den Beifall Goethes erworben hatten
— es sind Gedichte, teils eigener Inspiration, teils Anlehnungen
an spanische und besonders an deutsche Muster — , wirkte
vielleicht noch mächtiger auf die romantische Dichtungs-
evolution ein als das Vorwort Cromwells. Grossen Erfolg
erzielte Emile Deschamps durch eine relativ geschickte Ueber-
setzung der Schillerschen Glocke, die Madame de Stael
wenige Jahre zuvor als unübertragbar bezeichnet hatte. Bel-
lini und Rossini komponierten seine Uebersetzungen. Es muss
278 H. Heines Einfluss.
aber bemerkt werden, dass sein poetisches Talent an Be-
deutung Y/eit hinter seinem befruchtenden Einflüsse steht.
Er und sein Bruder waren bloss geschickte, geistreiche und
nicht selten sehr preziöse Reimer. —
Edgar Quinet (1803 — 1875) ist unter den Germanophilen
wohl der bedeutendste Kopf. Seit 1827 studiert er in Heidel-
berg, ist berauscht von deutscher Wissenschaft und Poesie,
verkehrt mit Niebuhr, Tieck, Görres. Ganz besonders be-
freundet aber ist er mit Professor Kreutzer. Die Resultate
seiner Beobachtungen und Studien legt er in den nächsten
Jahren in einer Reihe von Broschüren und Artikeln für die
„Revue des deux Mondes" nieder; so unter andern „L'Alle-
magne et la Revolution" ; „Systeme politique en Allemagne" ;
„Du Genie des traditions epiques en Allemagne" etc. etc. In
einem sonst begeisterten Nachrufe Goethes bekämpft er die
„heimatlose'' Kunst, die er „art sans cceur" nennt; freudig,
neid- und arglos begrüsst er daher das Erwachen deutschen
Nationalgefühls in den Dichtern des Schwertes, der Heimat
und der Befreiung: Körner und Uhland; Gallomanie und
Teutomanie sind ihm gleich verhasst. Seine edle und humane
Antwort auf den schneidig-frechen, allerdings provozierten
Hohngesang Mussets beweist dies. Sein „Rhin'' indessen ist
vergessen, und nicht mit Unrecht; denn Lieder leben nicht
mit Tiefe und Edelmut des Gedankens fort, sondern nur, wenn
sie den Hauch einer echten Dichterseele ausatmen — mag er
auch vergiftet sein. — Derselbe Bewunderer deutschen Wissens
aber war es, der noch vor Heine das Märchenbild der Ma-
dame de Stael zerstörte. Wie energisch er sich gegen die
Auffassung derselben wendet, von der er wohl weiss, dass sie
bei seinen Landsleuten die alleinherrschende ist, mag fol-
gender Passus aus seiner Schrift „De l'Allemagne et de la
Revolution'' zeigen, einer Arbeit des trotz seiner jungen
Jahre scharf urteilenden Litterarhistorikers, die noch nicht
ihrer ganzen Bedeutung nach gewürdigt worden ist.
Einleitende Betrachtungen. 279
Die Stelle lautet (pag. 16):
Si nous nous representons FAllemagne, c'est encore l'Allemagne
de Madame de Stael, FAllemagne d'il y a cinquante ans, un pays
d'extase, un reve continuel, une science qui se cherche toujours, un
enivrement de theorie, tout le genie d'un peuple noye dans l'infini,
voilä pour les classes eclairees; puis des sympathies romanesques,
un enthousiasme toujours pret, un don-quichotisme cosmopolite, voilä
pour les generations nouvelles; puis l'abnegation du pietisme, le re-
noncement ä Finfluence sociale, la satisfaction du bien-etre mystique,
le travail des sectes religieuses, du bonheur et des fetes ä vil prix,
une vie de patriarche, des destinees qui coulent sans bruit, comme
les flots du Rliin et du Danube, mais point de centre nulle part,
point de lien, point de desir, point d'esprit public, point de force
nationale, voilä pour le fond du pays. Par mallieur tout cela est
change . . .
Wie Quinet, so schwärmt auch Saint-Marc Oirardin
(1801 — 1873) für ein Einverständnis zwischen Deutschland
und Frankreich durch Vermittlung der Litteratur. Dabei
betont er aber, dass es sich nicht um Verschmelzung handle,
denn gerade in der Verschiedenheit der beiden Völker liege
die Bedeutung und das Erspriesshche der Vereinigung. In
den „Notices politiques et litteraires sur FAllemagne" (1834)
zeigt er sich als erklärter Germanophile. Es heisst dort u. a. :
,,I1 y a, au delä du Rhin, des tresors d'affections domestiques,
de foi religieuse et, si vous le voulez, meme de sentiments
exaltes et romanesques qui tentent ma cupidite et me fönt
souhaiter que nous nous unissions chaque jour davantage
avec FAllemagne, ahn de profiter un peu de cette richesse
Nous en avons besoin. Je reve donc une alliance morale
avec FAllemagne, je reve aussi une alHance politique.'^ Und
weiter :
„ J'aime la litterature allemande, et comme la faveur qu'elle
trouve en France, dans ces derniers temps, est une des causes
qui aident le plus ä cette aUiance morale et politique, je ne
puis point voir cette faveur d'un mauvais oeil."
280 H- Heines Einfluss.
Unter dem Drucke äusserer Verhältnisse legte sich der
Deutschenthusiasmus dieses hellsehenden Litteraten; seine
hohe Achtung versagte er aber Deutschland nie. Erwähnt
sei noch, dass er sich auf dem Gebiete des Erziehungswesens
grosse Verdienste für sein Vaterland erworben. Seine dies-
bezüglichen Studien machte er in Deutschland.
Noch inniger als alle Genannten fühlte sich Gerard de
Nerval zur Heimat Goethes hingezogen. Die Rhein- und
Deutschlandschwärmerei dieses uns schon wohl bekannten
Dichters tritt uns besonders in seinem Buche „Loreley, Sou-
venirs d'Allemagne" (1852) entgegen, einem duftenden Strausse
echt deutscher Romantik, in dem sich auch manche Blume
aus dem reichen lyrischen Garten seines Freundes Heine be-
findet. „He bien, mon ami," — redet er in der Einleitung Jules
Janin an, — „cette fee radieuse des brouillards, cette ondine
fatale comme toutes les nixes du Nord qu'a chantees Henri
Heine, eile me fait signe toujours: eile m'attire encore une
fois!" — Die glänzende Zukunft, die einst der Altmeister zu.
Weimar noch dem achtzehnjährigen Uebersetzer seines „Faust"
voraussagte, hat sich nicht verwirklicht. Der arme Träumer
endete wenige Jahre, nachdem er obige Worte nieder-
geschrieben, nicht in den Armen seiner geliebten Rhein-
töchter, sondern im Lasterdunkel einer Sackgasse von Paris.
Einen ehrenvollen Rang unter den Geistesverwandten
und Nachfolgern Madame de Staels nimmt neben Victor]
Cousin auch Jean Lerminier (1803—1857) ein; wie jener,|
mehr geistvoller Schönredner als tiefer Denker oder ori-
gineller Kopf. Auch er spricht in seinem Werke „Au delal
du Rhin, tableau de l'Allemagne depuis Madame de Stael"
(1835) den Gedanken aus, dass zwischen Frankreich und
Deutschland nicht Rivalität, sondern Solidarität bestehen solle.
Der erst kürzlich verstorbene Xavier Marmier (1809 bis
1892) war schon längst ein Vergessener. Vor einem halben
Jahrhundert gehörte er zu den ersten und begabtesten, die
__^isK^
Einleitende Betrachtungen. 281
es sich zur Aufgabe gemacht hatten, „d'europeaniser la
France". Grosse Sprachgewandtheit und -Kenntnis bewies er
bereits als zwanzigjähriger Jüngling mit seinen Uebersetzungen
der Dramen Schillers und Goethes.
Noch wollen wir hier einige Namen nennen, die uns alle
schon im zweiten Abschnitt begegnet sind : Philarete Chasles
(1799—1873) und Gustave Planche (1808-1857), die sich durch
zahlreiche, zum Teil lichtvolle und eingehende Studien frem-
der, besonders deutscher Litteratur rühmhchst hervorgethan
haben; Saint-Rene Taülandier (1817 — 1879) und Blaze de
Bury (geb. 1813), den formvollendeten Uebersetzer Goethes
und Verfasser trefflicher Arbeiten in der „Revue des deux
Mondes".
Ueberall ist zu lesen, dass E 1 s a s s die tapfersten Sol-
daten und tüchtigsten Generäle der „grande armee" geliefert
hat. Seltener wird daran erinnert, dass es auch der Litteratur
ihre Rapp, Kellermann und Kleber gegeben, die mit gleicher
Tüchtigkeit und wackerm Sinn in stiller Gelehrtenstube, ohne
Hoffnung auf Ruhm und Ansehn, bloss der Sache selbst
willen, das, was jene durch Heldenmut zertrümmert und aus-
einandergerissen, wieder aufbauten und vereinigten.
Zu denen, die den Geistesaustausch förderten und so
ihre schöne Mission, die ihnen durch die Lage ihrer Heimat
zufiel, als Interpreten zweier blühenden Litteraturen erfüllten,
gehören Namen von gutem Klange; treffliche Männer auf
allen Gebieten hatte aber auch schon das alte deutsche
Elsass erzeugt. Ein Ortfried von Weissenburg wurde der
Einführer der deutschen Schriftsprache; dort am linken
Rheinufer trieb Gottfried von Strassburg sein Minneleben
und -Singen. Während der Reformation, die das Elsass in
hoher intellektueller und kommerzieller Blüte fand , hielt
Geiler von Kaiserberg seine kräftig deutschen Reden, und
Elsässer waren Fischart, Moscheroch und Grimmeishausen.
Als der „Globe" (tomeVII, pag. 614) die 1829 in Strass-
282 H. Heines Einfluss.
bürg neu erschienene „Nouvelle Revue germanique" bespricht,
sagt er u. a. : „Strasbourg, place aux confins des deux pays,
est en quelque sorte une terre neutre oü, raieux qu'ailleurs,
les idees allemandes peuvent d'abord prendre pied, pour se
repandre ensuite dans le reste de notre France. . ." Wie oft
wurde in dieser Provinz Prankreichs vor 1870 bei festlichen
Gelegenheiten, die Deutsche und Elsässer gemeinsam feierten,
das Wort gehört: „L'Alsace est un trait d'union entre l'es-
prit alleraand et l'esprit frangais." Obschon im Herzen treu-
gesinnte Bürger ihres Vaterlandes, verbanden die Elsässer
viele Bande mit Land und Leuten am andern Ufer des
Rheins. Zugleich französisch geschult und deutsch gebildet,
waren sie wie geschaffen, die Perlen deutscher Dichtkunst
und die Marksteine deutschen Denkens zu sammeln und ihren
Landsleuten mit Verständnis und Sympathie zu erklären.
Aber auch hervorragende deutsch schreibende Elsässer finden
wir noch, besonders Mülhauser (die Stadt war bis 1798
schweizerisch). So die beiden Brüder August und Ludwig
Stober und Candidus. Im Jahre 1858 hat der Colmarer
Dichter Pfeffel eine hübsche Sammlung deutscher Lyrik
herausgegeben; Friedrich Otte ist die Ehre zu teil geworden,
der Uhland des Elsass genannt zu werden. Einer der
typischsten Repräsentanten der zwischen beiden Sprachen
schwebenden Geistesvermittler ist Ludwig Spachj der deutsche
Gedichte und französische Romane schrieb. Er stellt so recht
eigentlich den schliesslichen Uebergang vom Germanismus
zur französischen Kultur dar. Sein französisch verfasstes
Hauptwerk sind die 32 biographischen Skizzen elsässischer
PersönHchkeiten vom Mittelalter bis in die Neuzeit.
Elsässer waren es fast ausschliesslich, die an der ^^Revue
germanique'-^ mitarbeiteten; wir nennen nur Dollfus, Neffzer,
Chauffour-Kestner. Im gleichen Sinne wirkte die von Eistel-
Jmher 1862 gegründete Zeitschrift „Le BibHographe alsacien",
Gazette htteraire etc. Die erstere wurde mit einem Geleit-
Einleitende Betrachtungen. 283
schreiben Renans eröffnet (1858), der die litterarische Mission
des Elsass wie folgt charakterisiert:
„Nous possedons parmi nous une coionie allemande qui,
en meme temps qu'elle communique largement avec le centre
des idees frangaises, puise directement encore aux mamelles
germaniques, dont eile n'est point detachee: c'est Tecole de
Strasbourg. Cette modeste et savante ecole, dont Tadminis-
tration centrale a parfois trop peu respecte l'individualite,
est parmi nous le seul reste des anciennes institutions pro-
vinciales qui avaient de si bons effets pour la culture intellec-
tuelle."
In Colmar wurde das erste bedeutende Werk über
Deutschland seit „ De TAllemagne " geschrieben. „De l'etat
moral, politique et litteraire de TAllemagne" (1846 — 1847) von
Matter ist das Ergebnis langjähriger Studien des Strass-
burger Professors, der als verständiger, deutschfreundlicher
Vermittler an der „Faculte de Strasbourg" wirkte.
Aus dem Elsass kam auch J.-J. Weiss, um nur noch
einen anzuführen, der bedeutende Litterarhistoriker und
Journalist, der in der französischen Politik eine so merk-
würdige Rolle spielen sollte. Deutscher Stolz und idealer
Sinn, aber auch germanische Träumerei und Hang zu offi-
ziellem Wesen mögen die Schuld tragen, dass Weiss das
Ziel seiner politischen Ambitionen nicht erreichte.
Kurz, Prankreich hat 1870 mehr als eine Provinz ver-
loren — aber auch für Deutschland hat das Elsass aufgehört,
ein fast neutraler Boden geistiger Vermittlung zu sein.
Betrachten wir nun noch einige interessante Erschei-
nungen und Symptome fremden, resp. deutschen Einflusses
auf dem Gebiete der Dichtkunst im speciellen. Wir haben
schon gesehen, dass vor allem die französische Lyrik in
ihrem innersten Wesen ergriffen wurde. An ihrer Metamor-
phose kann man am deutlichsten wahrnehmen, wie stark
und durchdringend anglo-germanisches Einwirken sein musste.
284 H. Heines Einfluss.
Noch zu Anfang dieses Jahrhunderts standen sich deutsche
und französische Poesie grundverschieden gegenüber : die ho-
heitsvolle Muse Frankreichs, immer vornehm, schwungvoll und
edel, sich nie vergessend, auch wenn sie mit Witz und Sinn-
Hchkeit kokettierte, stets die „dehors" wahrend — stolz blickt
sie von der Höhe klassischer Konvention auf die barbarische
Schwester herab, die bürgerlich bescheidene, keusch und
brav Haus, Hof und Heim Hebende Muse Deutschlands, die
vom Liebchen, dem blonden Mädchen mit gesenktem Blicke,
bei Sternenhimmel und in Mondscheinnächten schwärmt und
träumt !
Die französische Lyrik hatte noch alles zu lernen, d. h.
wieder zu lernen, von vorne anzufangen. Ihr fehlte nicht
nur der Kern — wahres Empfinden und Sinn für die Natur ^,
sondern auch die natürhche Schale, und zwar diese ganz be-
sonders. Die preziösen Wortdeklamationen, die die Herzens-
stimme erstickten, mussten verschwinden. Von England her
erscholl der erste befreiende Ruf mit Ossians nordischer
Naturmystik und Byrons gewaltiger Naturpoesie.
„Toi qui chantais l'amour et les heros,
Toi, d'Ossian la compagne assidue,
Harpe plaintive, en ce triste repos
Ne reste pas plus longtomps suspendue."
So singt in einem Briefe an M. de Virieu der acht-
zehnjährige Lamartine, bei dem man umsonst nach deut-
schem Einfluss sucht. „Lamartine, parfaitement etranger
ä r Allem agne, savait l'Italie et comprenait ses harmonieuxj
poetes, Le Tasse, Petrarque. Quant ä Byron lui-meme, bien
qu'il lui adressät des epitres, Lamartine ne s'en inquietait que
d'assez loin et pour le deviner, pour le refuter bien vague-
ment, plutöt que pour l'etudier et pour le Hre."^) Wenn es
wahr ist, dass sich der Autor der „chute d'un ange" nicht
^) Sainte-Beuve, Lettre-preface in Reymonds „Corneille" etc. — s. oben.
Einleitende Betrachtungen. 285
von dem diabolischen Genie des Britten fortreissen Hess, so
kann auf der anderen Seite nicht geleugnet werden, dass dies
herrliche Dichterecho der Natur Lamartine mächtig anzog
und dichterisch begeisterte. Recht hat aber Sainte-Beuve,
wenn er hier von deutschem Einfluss ganz absieht. Breitinger
sagt in voller Uebereinstimmung damit :^) „Die Führer der
romantischen Dichterschule selbst aber beschäftigten sich mit
Byron und Shakespeare, mit Dante und den Spaniern, wenig
oder gar nicht mit den Deutschen. Sie werden mir aufs Wort
glauben, wenn ich Sie versichere, dass Victor Hugo schon
damals kein Deutsch trieb."
Auch wir sind der Ansicht, dass vor allem der Einfluss
Goethes lange nicht so bedeutend war, wie dies z. B. Süpfle
annimmt. Auf die „Spitzen" der Romantik hatte deutsches
Dichten entschieden geringen Einfluss, so stark derselbe auch
auf die damalige „Boheme litteraire" einwirkte und sich aus
ihrer Mitte heraus allmälig Geltung verschaffte. An „Werther"
allerdings, aber auch an „Rene" — denn beide haben Saint-
Preux zum gemeinsamen Ahnen — lehnt sich schon 1808
der Roman „Valerie" der Baronin Krüdener an, mit der aben-
teuerlichen Magdalenengestalt. ^) Dann Nodiers „Peintre de
Salzbourg",^) de Senancourts „Obermann" und Benjamin Con-
stants „Adolphe". Der Wertherleiden in der französischen Litte-
ratur gibt es noch mehr, sie bleiben noch lange Mode und
sind in Sainte-Beuves „Volupte", Alfred de Mussets „Enfant
du Siecle" und manchem Romane der George Sand zu
spüren.
') „Vermittler des deutschen Geistes" etc., pag. 15.
2) Diese erste Blüte der „Wertherie" linden wir weder bei Süptie, noch
in Ferd. Gross' „Goethes Werther in Frankreich", natürlich auch nicht bei
Fr. Meissner erwähnt,
^) „Ch. Nodier, mon predecesseur, et qui a tant parle „Werther" et
Allemagne, Tarrangeait encore plus ä sa phantaisie et ne la voyait qua, travers
la brume ou l'arc-en-ciel : il ne savait pas l'allemand." — Sainte-Beuve, ibidem.
286 H. Heines Einfluss.
Wer das „College" besucht, weiss wohl noch von Goethe als
Autor des „Paust", im besten Falle kennt er noch „Hermann
und Dorothea", sonst ist Goethe und war er stets allgemein
bloss als „Auteur du Werther" bekannt. Im Jahre 1849
schreibt Daniel Stern (comtesse d'Agoult) in ihren „Esquisses
morales et politiques" (Paris 1849) : „Personne ne connait
Goethe en France", und Sainte-Beuve, der wiederholt auf den
überschätzten Einfluss Goethes zurückkommt, bemerkt im
dritten Band seiner „Nouveaux lundis" u. a., dass er den
Romantikern ein halb Unbekannter, eine Art majestätischen
Rätsels, ein entfernter Jupiter Ammon gewesen, der nicht
aus seinem Heiligtum getreten sei; dass alle Anstrengungen,
die man gemacht habe, nicht etwa, um ihn zu popularisieren
— denn dies wäre niemals angegangen — , sondern bloss um
ihn in Frankreich zu naturalisieren, nur zur Hälfte gelungen
seien. Noch deutlicher drückt sich der alte Veteran der
Romantik in der wiederholt citierten Vorrede aus: „Ce que
je puis vous attester, c'est que les imitations de litterature
etrangere, et particulierement de l'Allemagne, etaient moins
voisines de leur pensee (der Romantiker) qu'on ne le suppo-
serait a distance. Ces talents etaient eclos et inspires d'eux-
memes et sortaient bien en droite hgne du mouvement frangais
inaugure par Chateaubriand. Madame de Stael, avec sa veine
particuliere de romantisme, n'etait pour eux que tres accessoire.
Je parle en ce moment de Lamartine, Victor Hugo, Alfred
de Vigny. Aucun des grands poetes romantiques frangais
ne savait l'allemand (Sainte-Beuve selbst auch nicht) — et
parmi ceux qui les approchaient, je ne vois que Henri Blaze,
tr^s jeune alors, mais dejä curieux et au fait, et aussi Gerard
de Nerval qui de bonne heure se multipliait et etait comme
le commis-voyageur litteraire de Paris ä Munich. Goethe
etait pour nous un demi dieu honore et devine plutöt que
bien connu."
Trotzdem Sainte-Beuve hier etwas zu weit geht — auch
Einleitende Betrachtungen. 287
sieht man gerade manches genauer von ferne als in nächster
Nähe und mitten im Gedränge — so liegt in diesem Zeugnis
eines eng Beteiligten viel Beachtenwertes und Wahres. Dass
Süpfle irrt, wenn er einen entschiedenen Einfluss Goethes auf
Victor Hugo nachweisen zu können glaubt, scheint uns
zweifellos. Dagegen spricht schon folgende Anekdote : Hugo
wurde eines Tages gefragt, ob er Goethe gelesen, worauf er
antwortete: „Non, mais j'ai lu Schiller, c'est la meme chose."
Mit dieser köstlichen Abfertigung Goethes stimmt eine Stelle
aus Hugos eigenen Schriften überein (William Shakespeare,
2" partie, I, 5), wo er sich über den Autor des „Werther" und
„Tasso'' wie folgt ausdrückt: „Shakespeare frissonnant a en lui
les vents, les esprits, les philtres, les vibrations, les balance-
ments des soviflfles qui passent, l'obscure penetration des effluves,
la grande seve inconnue. De lä son trouble, au fond duquel
est le calme. C'est ce trouble qui manque a Goethe, loue ä
tort pour son impassibilite, qui est inferiorit^."
Eines wenigstens dürfte kaum zu bestreiten sein, nämlich,
dass Hugos Kenntnis Goethes eine sehr spärliche war. Damit
soll natürHch nicht behauptet werden, dass der Dichter der
„Contemplations", der in französischen Litteraturgeschichten
seiner realistischen Plastik und der kraftvoll energischen
Sprache wegen der germanischste Poet Frankreichs genannt
wird, nicht von deutschen Ideen beeinflusst worden sei. Wie bei
den Germanophilen, finden wir auch bei ihm, dem jungen
legitimistischen Hugo, den Gedanken, dass Frankreich und
Deutschland als die ältesten Kulturvölker Europas — er be-
trachtet sein Vaterland als Erbe des alten Rom — bestimmt
seien, Hand in Hand an der Spitze der Civilisation zu schreiten.
„Que reste-t-il donc de tout ce vieux monde V^ ruft er in seinem
Buche über den Rhein aus.^) — „Qu'est-ce qui est encore debout
en Europe ? — Deux nations seulement : La France et F Alle-
0 „Lettres sur le Rhin", 1842.
288 H. Heines Einfluss.
raagne. Eh bien, cela pourrait suffire. La France et FAlle-
magne sont essentiellement l'Europe. L'Allemagne est le
coeur et la France est la tete. L'Allemagne et la France sont
essentiellement la civilisation. L'Allemagne sent, la France
pense. Le sentiment et la pensee, c'est tont l'homme civilise."
— Ueber die Rollenverteilung Hesse sich freilich streiten, bloss
auf die Grundidee kommt es an, und die ehrt den Autor der
„Bourgraves''. Sie ist aber zu schön, als dass die Politik
jemals die Verwirklichung derselben zugeben könnte. Deutsch
ist ferner Victor Hugos Kinder- und Familienkultus ; hier zeigt
er Gemüt und er weiss es dichterisch zu verwerten. Gibt
es etwas Gemütvolleres, sinnig Einfacheres als das neunzehnte
Lied der „Feuilles d'automne'', so ganz frei von dem ihm
oft vorgeworfenen rhetorischen Wortschwall?
Lorsque l'enfant parait, le cercle de famille
Applaudit ä grands cris; son doux regard qui brille
Fait briller tous les yeux,
Et les plus tristes fronts, les plus souilles peut-etre,
Se derident soudain ä voir l'enfant paraitre,
Innocent et joyeux.
Heines Einfluss auf einige Zeitgenossen. 289
Zweites Kapitel
Heines Einfluss auf einige Zeitgenossen i)
Paris wurde und wird heute noch als die geistige Metro-
pole der Welt bezeichnet, als die Stadt, in der grosse Revo-
lutionen und die neuen Moden, Begeisterung für Kunst und
Litteratur, ebenso wie für die verächtlichste Frivolität er-
zeugt werden. Dass das ganze französische Volk stets mit
dem Enthusiasmus und den Launen der Seinestadt zu identi-
fizieret! sei, ist wohl nie im Ernste behauptet worden; dass
aber seit einem Jahrhundert Tausende von Deutschen, und
zwar Hoch und Niedrig (vor 1870 ungefähr 50,000), an dem
Ruhme und — an der Schande Lutetias mitarbeiten, dies
wird selten bedacht.
Bekannt und bei jeder Gelegenheit bedauert ist ferner-
hin die Thatsache, dass sich der Deutsche, im Gegensatz zu
dem Franzosen und Engländer, rasch und willig den Sitten
^) Beiläufig sei bemerkt, dass schon darauf hingewiesen worden ist, dass
Heine auch Liedervorwürfe aus dem Französischen entlehnt hat (cf. Geigers
Zeitschrift, IV, 301). — Ebenso wird vielfach von französischem Spracheinfluss
auf Heines Stil geredet. Eine diesbezügliche Notiz befindet sich im VII. Bande
des „Journal des Goncourt" (pag. 28) : „Aug. Sichel affirraait, ce soir, que
rallemand de Henri Heine etait un allemand tout special, presque une langue
particuliere, une langue k phrases courtes, sans pr^cedents dans la langue
germanique, et qu'il croyait formee par l'etude du fran(jais des encydopedistes,
du fran^ais de Diderot."
Betz, Heine in Frankreich. 19
290 H. Heines Einfluss
der neuen Heimat assimiliert. In dem geflügelten Worte
Heines, es werde der Deutsche durch die Exportation schlechter,
genau wie das bayerische Bier, steckt mehr als ein antipatrio-
tischer Witz. Wer in Paris, London und New- York gelebt
hat, wird dieser boshaften Bemerkung nicht alle Wahrheit
absprechen. Denn dieser hat gesehen, dass der Deutsche in
Amerika dem fieberhaft und rücksichtslos geschäftsjagenden
Yankee den Rang abläuft und wenn er politisiert, bald durch-
trieben korrupter wird, als der geriebenste Irländer ; dass es
ihm in England in kurzer Zeit gelingt, ebenso steif und kalt
einherzugehen, wie der eingefleischteste Sohn John Bulls;
dass er sich in Paris vor allem von den Boulevardmanieren
und -gewohnheiten imponieren lässt, und seinen Ehrgeiz darein
setzt, den waschechtesten Boulvardier nachzuäfl'en. Das Wort
Heines findet auf die Mehrheit der Deutschen in der Fremde
seine Anwendung — daran ist nicht zu rütteln — , aber es
bleibt die Minorität, es bleiben die Kerntruppen der deutschen
Auswanderer, und diese geben zum Glück den Ausschlag.
Diese bringen alle guten Eigenschaften des Germanen nicht
nur unbeschädigt mit, sondern sie wissen sie auch zu be-
wahren und zu hüten, so dass sie Früchte tragen, Handel,
Wissenschaft und Litteratur, dem öffentlichen und dem pri-
vaten Leben in der neuen Heimat nützen und zur Ehre ge-
reichen.
Im Augenblicke, da wir uns, nach vielleicht allzu langem
Umherschweifen, dem Mittelpunkte und Hauptzwecke unserer
Arbeit nähern, entschlüpft uns diese letzte Digression. Un-
schwer dürfte jedoch die Veranlassung erkennbar sein.
Heinrich Heine kann der dritte grosse Deutsche von Ein-
fluss in Paris genannt werden, wenn wir Grimm und Holbach
als die beiden ersten bezeichnen. Wirft man uns vor, Börne
zu vergessen, so erwidern wir, dass dessen Schriften und
Persönlichkeit im „tout Paris" unbemerkt blieben. Sie drangen
auf einige Zeitgenossen. 291
nicht durch. Die innere Ursache erklärt folgende kurze und
treffende Charakteristik dieses edlen Menschen aus der Feder
Cormenins: „II aimait la France, comme sa seconde patrie,
il Taimait dans l'interet de TAllemagne." Während ihm sein
Vaterland dies nicht einmal dankte, blieb und ist er heute
für das gebildete Pubhkum, ja selbst für den „lettre" in Paris,
trotz Loeve-Veimars, ein Unbekannter.
Ganz anders Heine, der fast von Anfang an als ein her-
vorragendes Mitglied der französischen Litteratenzunft be-
trachtet und anerkannt wurde. Ja, als er längst schon, „ein
poetisches Gerippe", an sein Schmerzenslager geschmiedet
war, um dort Prometheus-Qualen mit jener nie dagewesenen
Willensstärke ') und diabolischen Ironie als tröstende Philo-
sophie zu erdulden, — da leuchtete noch, obschon er persön-
lich vergessen und vernachlässigt, sein funkelnder Geist mitten
in die Wogen des Lebens hinein, — nicht wie ein plötzhch
aufschnellendes und rasch verschwindendes Meteor, sondern
um bleibende Lichtstrahlen — und auch Schatten zu hinter-
lassen. Die Zeiten allerdings, da alles „ä la Heine" war, sind
längst dahin; zum Glück! — denn „ä la Heine" bedeutete
sein tödlicher Witz, sein Satyrlächeln, die Krallen seiner zer-
fleischenden Ironie. Die tieferen Spuren sollte der Sänger
des „Buches der Lieder", der Autor der „Reisebilder" hinter-
lassen, nicht der boshafte Verfasser des Herrn von „Schnabele-
woski".
Von Heines Einfluss auf die französische Litteratur ist
unseres Wissens von deutscher Seite so gut wie nichts ge-
sagt worden. Einzig bei Schmidt- Weissenfeis-) fanden wir
denselben zwar kurz, jedoch ausdrücklich betont, aller-
^) Auch ein Vauvenargues, der edle französische Moralist, wusste mit
stoischer Ruhe die Leiden langer Jahre heldenhaft zu erdulden — aber er
war ein charakterfester Philosoph, kein Dichter, „cette chose legere" etc.,
kein Sänger der Liebe und der Freuden und Leiden der Welt.
") „Frankreichs moderne Litteratur seit der Restauration", Berlin 1865.
292 H. Heines Einfluss
dings hauptsächlich als ein verderbenbringender. Richtig ge-
sehen hat er, wenn er (pag. 184) sagt: „Heine war entschieden
auch französischer Dichter geworden und derjenige, der einige
Zeit in Prankreich gelebt, wird einräumen, dass Heines Geist
auch die französische Litteratur beeinflusst hat."^)
Dass Heines kritische und historische Arbeiten Aufsehen
erregten, sowohl durch die Darstellungsw^eise als auch durch
ihren originellen Inhalt, dass sie die französischen Geister be-
schäftigten und trotz irreführender Tendenzen bildend wirk-
ten, haben seine deutschen Biographen schon hervorgehoben.
Auch hat hierüber unser zweite Abschnitt so viel Material
geliefert, dass wir es füglich unterlassen können, noch einmal
darauf zurückzukommen.
Schon in den Jahren 1833 — 1834 finden wir, dass sich
die leitenden Männer im Heere der Litteraten Heines „Reise-
bilder", „De l'Allemagne", „De l'etat actuel" etc. (die Roman-
tische Schule) zum geistigen Eigentum gemacht haben, das
sie nach Bedarf pro und contra verwerten ; Citationen finden
sich um diese Zeit bei Lerminier, Quinet, de Lagenevais
(Blaze de Bury), Ph. Chasles, Gustave Planche, Xav. Mar-
mier u. a. in Menge.
Aber auch der Einfluss des Schriftstellers und Dichters
machte sich bereits in den dreissiger Jahren geltend. So
konnte A. Sp.( — echt), Kritiker der „Revue des deux Mondes",
ebendaselbst (1. Januar 1836) in einer Besprechung der Reise-
skizzen eines Frederic Meyer u. a. bemerken: „M. Pr. M.
voyage pour son plaisir d'abord, il faut le croire, et surtout
pour se donner, entre autres satisfactions, celle d'imiter Henri
Heine, dont les „Reisebilder" ont, des leur premiere apparition,
^) Störend wirkt der Ton, der sich in den wenigen Seiten, die hierüber
handeln und manches Bemerkenswerte enthalten, breit macht. Am wenigsten
steht es Herrn Schmidt an, von Heines ^stinkendem, gemeinen Esprit" zu
reden, denn bei ihm läuft nicht selten der gemeine Ausdruck nackt einher.
It
auf einige Zeitgenossen. 293
fait ecole en Allemagne et meme en France." — Eine ähn-
liche x^nspielung findet sich in den Memoiren der Madame
Jaubert (pag. 302), bei der man die Empfindung hat, als
schweben ihr ganz bestimmte Persönlichkeiten vor : „Apres
avoir, en silence, päture une vingtaine d'annees sur les oeuvres
d'Henri Heine, force etait aux ecrivains qui le citaient de le
nommer."
Gewiss hat die kleine Freundin Hehies zunächst Theo-
phile Gautier im Auge gehabt, von dem nun die Rede sein
soll. „Theo" gehörte schon zu den Bewunderern des Autors
der „Reisebilder", bevor er diesen persönlich kannte, und als
er sein Freund wurde, verwandelte sich das Bewundern in
enthusiastische Verehrung, die an Schwärmerei grenzte. Seine
Werke weiss er auswendig. In den zahlreichen Schriften des
Dichters, Romanschriftstellers und Kritikers Gautier wimmelt
es von Stellen aus Heine. Immer fällt ihm ein „bon mot",
ein geistreicher Einfall, ein originelles Urteil oder ein hübsches
Lied seines Freundes ein. Ein Beispiel aus vielen: Die Cha-
rakteristik Denecourts leitet er (in den „Portraits contem-
porains", pag. 213) mit einer Anspielung auf Heines „Götter
im Exil" wie folgt ein: „H. Heine, dans un charmant article,
a decrit les occupations et les deguisements des dieux en
exil ; il nous a montre , apres Favenement triomphal du
christianisme, les olympiens forces de quitter leurs Celestes
demeures, comme au temps de la guerre des Titans, et s'adon-
nant ä diverses professions en harmonie avec le prosai'sme
de l'ere nouvelle" etc. . . .
Wie oft erinnert er den Leser an die reizende melan-
cholische kleine Ballade vom „Fichtenbaum und der Palme"
— sie hat es ihm wie so vielen seiner Landsleute angethan.
„Kurz, überall in Gautiers Werken : „Heine disait, Heine ra-
conte."
Fragen wir uns nun, was diesen Romantiker in Heine
anzog, so müssen wir zunächst negativ antworten und sagen,
294 H. Heines Einfluss
dass dessen lyrische Natur bei Gautier kein dankbares Echo
gefunden. So scheint es wenigstens, Avenn wir Gautiers Werk
als einheitliches Ganze betrachten, auf das das Epitaph seines
Schülers Cat. Mendes treffend passt:
„. . . . Mais tous, vierges et fleurs, patres, etoile, oiseau,
Ne pleurez pas, malgre la plus juste des causes,
Car celui qui dort lä, dans un bleme lambeau,
Sut regarder sans pleurs les etres et les choses."
Wir kommen noch auf den angeblichen „poete impas-
sible" zu sprechen.^) Zweifellos ist immerhin, dass ihn besonders
die Plastik des Heineschen Stils sympathisch berührte und
entzückte, die sich auch in der Uebersetzung nicht ganz
verleugnete ; dass ihn bei Heine der eminente Schönheits-
sinn — das Griechische — und das blendende Witzfeuerwerk
fesselten. Dabei dürfen wir nicht vergessen, dass Gautier, den
Vollblutromantiker, alles Fremdartige, vom Alltäglichen Ab-
weichende anziehen musste.
Heine hat bekanntlich von der Frau nicht immer als von
einer holden und reinen Blume geschwärmt ; oft tritt bei ihm
in Prosa und Poesie die biblische und besonders die heidnische
Auffassung des Weibes, als menschhches Schönheitsideal, von
Moral und Charakter ganz abgesehen, in den Vordergrund.
Genau so fasste Gautier, der bewundernde und geniessende
Künstler, das „ewig Weibliche" auf. „Je verrais une belle
creatur», que je saurais avoir l'äme la plus scelerate du monde,
qui serait adultere et empoisonneuse, j'avoue que cela me
serait parfaitement egal et ne m'empecherait nullement de
m'y complaire, si je trouvais la forme de son nez convenable"
(„Mademoiselle de Maupin", chap. IX).
1) Baudelaire will einem ähnlichen Gedanken Ausdruck geben, wenn er
seine berühmte, an Gautier gerichtete Widmung der „Fleurs du mal" mit den
Worten beginnt : „Au poete impeccable, au parfait magicien es lettres fran-
^aises" etc.
auf einige Zeitgenossen. 295
Wie viele Parallelstellen Hessen sich hiezu aus den „Reise-
bildern" und dem „Buch der Lieder" heranziehen, des Dichters,
der jene Strophe wagte :
Die Welt ist dumm, die Welt ist blind,
Wird täglich abgeschmackter!
Sie spricht von dir, mein schönes Kind:
Du hast keinen guten Charakter etc.
Wir wissen, mit welch peinlicher Sorgfalt Heine an seinen
so einfach und ungekünstelt lautenden Liedern feilte. Mit
derselben Sorgfalt arbeitet auch Gautier an seinen Gedichten,
bis Worte und Buchstaben seinen Künstlerblick befriedigen.
Das Resultat ist allerdings ein anderes ; ein grundverschiedenes
wird es auch bei Plaubert sein, der seine „Madame Bovary"
unter den „affres du style" geboren hat. Das Prinzip aber
ist das gleiche. Es ist die „l'art pour l'art^-Theorie.
Die Gebrüder Goncourt, die ihres intimen Verkehrs mit
Gautier wegen immerhin Vertrauen beanspruchen können,
wollen in ihm — hier kommen wir auf die nicht uninteressante,
oben angedeutete Frage — auch Sentimentahtät und schwärme-
rische Melanchohe entdeckt haben, indem sie u. a. von ihm
sagen („Journal", Bd. III, 192):
Quel causeur, — bien, bien superieur ä ses livres, quelque
valeur qu'ils aient, — et toujours dans la parole au delä de ce qu'il
ecrit. Quel regal pour les artistes que cette langue a double timbre,
et qui mele souvent les deux notes de Rabelais et de Henri Heine :
de reno7"mite grasse ou de la tendre melancolie.
(Bd. III, pag. 192.)
Nach reiflichem Prüfen stimmen wir den Goncourt bei,
gegen die allgemeine Ansicht, der unlängst noch Zola und
Faguet das Wort geredet haben, es habe sich Gautier nie-
mals gegen die gefühllose Majestät der Formschönheit ver-
sündigt. Es schien uns diese Form-Infallibilität bei einem so
herzensguten Menschen schon aus psychologischen Gründen
296 H. Heines Einfluss
unwahrscheinlich. Wir waren fest überzeugt, bei Gautier
etwas Aehnliches, wie Flauberts Briefe an George Sand, zu
finden. Und wir haben uns nicht getäuscht. Wir fragen uns
bloss, ob sich diejenigen, die ihn gänzlicher Unempfindlichkeit
zeiheten, die Mühe genommen, ein wenig in seinen Werken
zu blättern. Liegt denn in folgenden Versen etwa kein
Gefühl ?
Mes cils te feront de l'ombre !
Ensemble nous dormirons;
Sous mes cheveux, tente sombre,
Fuyons! Fuyons!
Sous le bonheur mon coeur ploie!
Si l'eau manque aux stations,
Bois les larmes de ma joie!
Fuyons! Fuyons!
Und so Hesse sich besonders aus den „Premieres Poesies^'
noch manches lyrisch empfundene Gedicht eitleren. Wie ver-
hält sich die Legende vom „poete impeccable" zu dem Bilde,
das er in der biographischen Skizze Baudelaires von dem
Dichterberufe entwirft? „Ah! quelle existence triste, precaire
et miserable . . . Toute Sensation lui devient motif d'ana-
lyse. Involontairement il se dedouble (der Dichter) et, faute
d'autre sujet, devient l'espion de lui-meme. S'il manque de
cadavre, il s'etend sur la dalle de marbre noir, et, par un
predige frequent en litterature, il enfonce le scalpel dans
son propre coeur . . .'' (Oeuvres completes de Baudelaire, I, 12.)
Gautier denkt hier nicht nur an Baudelaire, Musset,
Heine u. a., sondern auch an seine eigene Jugend, an die
erste dichterische Schaffensperiode seiner jungen Jahre.
„Souvent j'avais occasion de lui (Heine) citer Theo
Gautier, qui etait vraiment imbu des poesies et de l'esprit de
l'illustre ecrivain." So wiederum Madame Jaubert (pag. 303).
Sehen wir uns nun das poetische Meisterwerk Gautiers „Emaux
auf einige Zeitgenossen. 297
et Camees'' daraufhin etwas näher an. *) Bei einigen der be-
kanntesten Stücke ist die Anlehnung an Heinesche Lieder
eine so auffallende, dass es kaum glaublich erscheint, dass
diese bis jetzt unbeachtet geblieben, was dennoch — Irrtum
vorbehalten — der Fall ist. — Wir führen zunächst die
Ballade, betitelt „Caerulei oculi" an (pag. 57):
Caerulei oculi.
Une femme mysterieuse,
Dont la beaute trouble mes sens,
Se tient debout, silencieuse.
Au bord des flots retentissants.
Ses yeux, oü le ciel se reflete,
Melent ä leur azur anier,
Qu'etoile une humide paillette,
Les teintes glauques de la mer.
Dans les langueurs de leurs prunelles,
Une gräce triste sourit;
Les pleurs mouillent les etincelles
Et la lumiere s'attendrit.
Et leurs cils, comme des mouettes
Quirasent le flot aplani,
Palpitent, ailes inquietes,
Sur leur azur indefini.
^) Von einer auf gründlichen Vergleichen und genauen Untersuchungen
beruhenden Studie von Einfluss und Entlehnungen kann bei der Ausdehnung
dieser Arbeit weder bei Gautier noch bei den zahlreichen folgenden Dichtern
die Rede sein. Dies ist Sache von Einzelforschungen, die hiermit angeregt zu
haben uns mit freudiger Genugthuung erfüllen würde. Wir betrachten es bloss
als unsere Aufgabe, den Einfluss Heines anzudeuten, Anhaltspunkte zu geben,
sein Einwirken beispielweise festzustellen oder an Hand von dichterischen
Produktionen als möglich oder wahrscheinlich zu bezeichnen. Zuweilen werden
wir finden, dass Dichter selbst bekennen, wie Heine sie beeinflusst hat.
298 H. Heines Einfluss
Comme clans l'eau bleue et profonde
Oü dort plus d'un tresor coule,
On y decouvre, ä travers l'onde,
La coupe du roi de Thule.
Sous leur transparence verdatre
Brille, parmi le goemon,
L'autre perle de Cleopätre
Pres de l'anneau de Salomon.
La couronne, au gouffre lancee
Dans la ballade de Schiller,
Sans qu'un plongeur l'ait ramassee,
Y Jette encor son reflet clair.
Un pouvoir magique m'entraine
Vers l'abime de ce regard,
Comme, au sein des eaux, la sirene
Attirait Harald Harfagar.
Mon äme, avec la violence
D'un irresistible desir,
Au milieu du gouffre s'elance,
Vers l'ombre impossible ä saisir.
Montrant son sein, cacliant sa queue,
La sirene, amoureusement,
Fait ondoyer sa blancheur bleue
Sous l'email vert du flot dormant.
L'eau s'enfle, comme une poitrine
Aux soupirs de la passion;
Le vent, dans sa conque marine,
Murmure une incantation.
„Oh! viens dans ma couche de nacre,
Mes bras d'onde t'enlaceront;
Les flots, perdant leur saveur acre,
Sur ta bouche, en miel couleront.
auf einige Zeitgenossen. 299
„Laissant briiire, sur nos tetes,
La mer qui ne peut s'apaiser,
Nous boirons Foubli des tempetes
Dans la coupe de mon baiser."
Ainsi parle la voix humide
De ce regard ceruleen,
Et mon coeur, sous l'onde perfide,
Se noie et consomme Thymen.
Dass wir es hier mit einer „Loreley ä la Gautier" zu
thun haben, ist in die Augen springend. Bezeichnend ist,
dass Gautier gerade diesem Namen aus dem Wege geht,
während er den König in Thule, den Taucher, den Fischer etc.
— die ihn immerhin auch inspiriert haben mögen — er-
wähnt.
Ebenso wenig dürften wir mit der Behauptung auf Wider-
spruch stossen, dass die Grundidee des berühmten Gedichtes
„Nostalgies d'obelisques" und des Liedes vom „Pichtenbaum"
eine ähnliche ist, das Büd aber genau dasselbe, bloss mit
anderen Namen. Charakteristisch für Gautiers Manier ist seine
Vertauschung des Rahmens. Statt sich der Natursymbolik zu
bedienen, benützt er zwei Obeliske — „l'obelisque de Paris"
und „l'obelisque de Luxor". Die beiden Teile des Gedichtes
umfassen je achtzehn Strophen. Wir trennen von jedem die
erste; es entsteht so ein zweistrophiges Lied, das in dieser
Gestalt erst recht seinen Ursprung nicht zu verleugnen
vermag :
I.
L'obelisque de Paris.
1.
Sur cette place, je m'ennuie,
Obelisque depareille;
Neige, givre, bruine et pluie
Glacent mon flanc dejä rouille;
2—18.
300 H. Heines Einfluss
II.
L'obelisque de Luxor.
1.
Je veille, unique sentinelle
De ce grand palais devaste,
Dans la solitude eternelle,
En face de l'immensite.
2-18.
(Vergl. Heines „Ein Fichtenbaum steht einsam".)
(Elster, Bd. I, pag. 78.)
Wir lassen noch einige Gedichte folgen, die sich zwar
nicht direkt an ein Lied Heines anlehnen. Wir meinen aber,
es müsste im „Intermezzo" irgend ein Vorbild zu finden sein,
so sehr erinnert uns der zarte Wortschmelz, die grosse Ein-
fachheit der poetischen Mittel, die singliche Weise, die Natur-
symbolik, bis zur kleinen, pikanten, ironischen Dissonanz des
Schlussverses — wie im „Lied", an Heines Lyrik. Ganz
Heine, von Anfang bis zum Ende, ist das erste Gedicht:
Le monde est mechant.
Le monde est mechant, ma petite :
Avec son sourire moqueur,
U dit qu'ä ton cote palpite
Une montre en place de coeur.
— Pourtant ton sein emu s'eleve
Et s'abaisse, comme la mer,
Aux bouillonnements de la seve
Circulant sous ta jeune chair.
Le monde est mechant, ma petite :
H dit que tes yeux vifs sont morts
Et se meuvent, dans leur orbite,
A temps egaux et par ressorts.
auf einige Zeitgenossen. 301
— Pourtant une lärme irisee
Tremble ä tes cils, mouvant rideau,
Comme une perle de rosee
Qui n'est pas prise au verre d'eau.
Lo monde est mechant, ma petite :
II dit que tu n'as pas d'esprit
Et que les vers qu'on te recite
Sont pour toi comme du sanscrit.
— Pourtant, sur ta bouche vermeille,
Fleur s'ouvrant et se refermant,
Le rire, intelligente abeille,
Se pose ä chaque trait charmant.
C'est que tu m'aimes, ma petite,
Et que tu hais tous ces gens-lä.
Quitte-moi ; — comme ils diront vite :
Quel coeur et quel esprit eile a!
Lied. 1)
Au mois d'avril, la terre est rose
Comme la jeunesse et l'amour;
Pucelle encor, a peine eile ose
Payer le printemps de retour.
Au mois de juin, dejä plus pale
Et le coeur de desirs trouble,
Avec Pete, tout brun de häle,
Elle se Cache dans le ble.
Au mois d'aoüt, bacchante enivree,
Elle offre ä l'automne son sein,
Et, roulant sur la peau tigree,
Fait jailhr le sang du raisin.
En decembre, petite vieille,
Dans les frimas poudree ä blanc,
Dans ses reves, eile reveille
L'hiver aupres d'elle ronflant.
„Revue de Paris", 1. Januar 1854.
302 H. Heines Einfluss
Pag. 215 :
Plaintive tourterelle.
Plaintive tourterelle
Qui roucoules toujours,
Veux-tu preter ton alle
Pour servir mes amours ?
Comme toi, pauvre am ante,
Bien loin de mon ramier,
Je pleure et me lamente
Sans pouvoir l'oublier.
Vole, et que ton pied rose,
Sur l'arbre ou sur la tour,
Jamais ne se repose,
Car je languis d'amour.
Evite, 6 ma colombe,
La halte des palmiers
Et tous les toits oü tombe
La neige des ramiers.
Ya droit sur sa fenetre,
Pres du palais du roi,
Donne-lui cette lettre
Et deux baisers pour moi.
Puis sur mon sein en flamme,
Qui ne peut s'apaiser,
Reviens, avec son äme,
Reviens te reposer.
Ein letztes Lied erklärt uns — und bestätigt das Ge-
sagte — , wie nahe es lag, dass sich die Gedichte Gautiers
an die Heines anlehnten^ wie es unausbleiblich w^ar, dass er
sich an der Lyrik unseres Dichters inspirierte. Es bekräftigt
das Wort ihrer gemeinsamen Freundin : „II etait vraiment
imbu des poesies et de l'esprit de l'illustre ecrivain." — In
,,La bonne soiree" (pag. 217) erzählt er uns nämlich, wie er
.M:
auf einige Zeitgenossen. 303
an einem unfreundlichen Abend den Entschluss fasste, in seinen
vier Wänden zu bleiben, statt sich durch Schnee und Regen
zu einem Balle zu begeben. In der letzten Strophe erfahren
wir nun, wer ihm die Zeit verkürzte und traute Gesellschaft
leistete :
J'ai lä r„Intermezzo" de Heine, i)
Le „Thomas Grain-d'Orge" de Taine,
Les deux Goncourt;
Le temps, jusqu'ä Flieure oü s'acheve,
Sur l'oreiller, l'idee en reve,
Me sera court.
Baudelaire sagt von seinem Meister und Freunde, von
dem er behauptet, dass er einst neben La Bruy^re, Buffon
und Chateaubriand genannt werde: „Par sa raillerie, sa gaus-
serie, sa forme decision de n'etre jamais dupe, il est un peu
Frangais, mais s'il etait tout ä fait Prangais, il ne serait pas
poete."^-)
Was an Gautier nicht französisch war, ist zum grössten
Teile Heines Werk.
Merkwürdig, dass die beiden intimsten Freunde Heines
in Paris mit die sympathischsten Dichter der französischen
Romantik waren, merkwürdig deswegen, weil uns so viel
von seiner Rücksichtslosigkeit, egoistischen Laune und Un-
fähigkeit, sich Freunde zu w^ahren, erzählt wird. Der zweite
dieser liebenswürdigen Poeten, die sich vom Genie des deut-
schen Freundes beeinflussen Hessen, ist Gerard de Nerval,
wie Gautier längst schon ein alter Bekannter. Die Nacht des
Wahnsinns hatte ihn bereits umschlungen, als er für Arsene
Houssaye jene Ballade „ä la Heine" improvisierte, in der er
auf seinen Liebesschmerz anspielte, welcher sein ganzes Leben
^) Der Philologe erlaubt sich, auf das Reimwort aufmerksam zu machen,
das uns der strengsten Textkritik gemäss unverbrüchliche Auskunft über die
französische Aussprache des Namens Heine gibt.
^) „L'art romantique", pag. 187.
h
304 H. Heines Einfluss
zerrüttete. Es ist dies das erste und bekannte ^) „poeme en
prose", die Dichtungsart, die, wie wir noch sehen werden,
bei den Modernen so grosses GKick machen sollte. Nerval
nahm hier seine eigenen Uebertragungen Heines zum Vor-
bild. Interessant sind im Anschluss hieran seine Betrachtungen,
die wir dem Werke „De la poesie allemande" (pag. 65) ent-
nehmen.
II est difficile de devenir un hon prosateur, si Fon n'a pas ete
poete — ce qui ne signifie pas quo tout poete puisse devenir un
prosateur. Mais comment s'expliquer la Separation qui s'etablit pres-
que toujours entre ces deux talents ? II est rare qu'on les accorde
tous les (leux au meme ecrivain : du moins Fun predomine Fautre.
Pourquoi aussi notre poesie n'est-elle pas populaire comme celle des
AUemands? C'est, je crois, qu'il faut distinguer toujoitrs ces deux
styles et ces deux genres, — chevaleresque — et gaulois, dans Fori-
gine qui, en perdant leurs noms, ont conserve leur division generale.
On parle, en ce moment, d'une collection de chants nationaux recueillis
et publies ä grands frais. La, sans doute, nous pourrons etudier les
rythmes anciens conformes au genie primitif de la langue, et peut-
etre en sortira-t-il quelque moyen d'assouplir et de varier ces coupes
belles mais monotones que nous devons ä la reforme classique. La
rime riebe est une grace, sans doute, mais eile ramene trop souvent
les memes formules. Elle rend le recit poetique ennuyeux et lourd
le plus souvent et est un grand obstacle a la popularite des poemes.
Wir ersehen hieraus wiederum deutlich, woher die fran-
zösische Boheme-Romantik ihre Inspirationen und Neuerungen
zum grossen Teil schöpfte.
Wie hoch Nerval seinen Freund als Dichter stellte, wie
bedeutend er dessen Einfluss auf beiden Seiten des Rheines
anschlug, geht noch aus folgender Stelle hervor 2) (pag. 316):
Cette manie, cependant, touclia bientot ä son terme, et Heine
fut, pour ainsi dire, le precurseur lyrique de notre revolution de
juillet qui, en Allemagne, produisit tant de resultats litteraires.
1) Abgesehen von einem ähnlichen Versuche des später zu erwähnenden
Bertrand.
2) In der Ausgabe „Faust et le second Faust", Paris, Garnier freres, 1877.
auf einige Zeitgenossen. 305
En effet, ce fut Heine qui, se separant entierement de la forme
purement objeetive de Gffitlie et d'Uliland, sans adopter la maniere
opposee de Schiller, sut rendre, par des procedes d'art inconnus
jusqu'ä lui, ses sentiments personnels pleins de poesie, de melancolie
et meme d'ironie, sous une forme neuve, revolutionnaire memo, qui
ne cessa pas pour cela d'etre tres populaire. Heine fit ecole ; un essaim
considerable de jeunes poetes lyriques tacherent de l'imiter; mais
aueun d'eux n'eut ni son genie, ni meme sa maniere de faire le vers,
qui n'est qu'ä lui. Ce qu'il y a d'extraordinaire en Heine, c'est qu'il
a exclu entierement la politique de ses chants, bien que la forme
de ces memes chants denote un esprit revolutionnaire et absolu.
Abstraction faite de l'ironie lyrique de Heine, de cet esprit railleur
dont il sait afFubler une phrase serieuse, Heine a compose des chants
vraiment classiques, des chants populaires que tous les jeunes gens
en Allemagne savent par coeur.
Heine est, parmi les nouveaux poetes lyriques, le dernier du
temps ancien et le premier de notre ere moderne, et il a eclipse bien
des reputations a demi evanouies.
Von Heines Manier und Einfluss zeugen ferner die geist-
und humorvollen, in musterhafter Sprache verfassten „Voyage
en Grece" und besonders „Voyage en Orient". ^) In diesen
Reisestudien, die seiner besten Schaffensperiode angehören,
verriet er echten Künstlerenthusiasmus mit einschmeichelnder
Schalkhaftigkeit; über beiden schwebt ein leiser Anflug von
Melancholie. In seinen Liedern, die wir in dem Bande „La
boheme galante" (1856) neben kleinen Skizzen und Novellen
gesammelt finden, ist Inspiration deutscher Lyrik leicht er-
kennbar. Der specifische Einfluss Heinescher Poesie ist hier
schwer zu unterscheiden. Gleichwohl erinnert manches an
Heines Art, wie z. B. das Gedicht „La cousine" (pag 49):
La cousine.
L'hiver a ses plaisirs, et souvent, le dimanche,
Quand un peu de soleil jaunit la terre blanche,
Avec une cousine on sort se promener . . .
— „Et ne vous faites pas attendre pour diner,"
Dit la mere.
') Neue Ausgabe in zwei Bänden, Charpentier, 1889.
Betz, Heine in Frankreich. 20
306 H. Heines Einfluss.
Et quand on a bien, aux Tuileries,
Vu, sous les arbres noirs, les toilettes fleuries,
La jeune fille a froid ... et vous fait observer
Que le brouillard du soir commence ä se lever.
Et Ton revient, parlant du beau jour qu'on regrette,
Qui s'est passe si vite ... et de flamme discrete.
Et Ton sent, en rentrant, avec grand appetit,
Du bas de l'escalier, — le dindon qui rotit.
Obschon bei Beranger von einem Einfluss Heines nicht
die Rede sein kann — höchstens von einem solchen Uhlands,
den der Chansonnier hoch verehrte — , so ist doch mit Recht
behauptet worden, dass er sich von den Schilderungen des
„Tambour le Grand" inspirieren Hess. Das „Grenadierlied"
Heines hatte schon längst die Runde in der lesenden Welt
gemacht, bevor Beranger seine „Le vieux drapeau" und „Le
vieux sergent" gesungen. In dem letztern Liede hat er Heines
Wort von dem künftigen heiligen Grabe auf St. Helena benützt.
Hier wäre auch Charles Monselet (1825—1888) zu er-
wähnen. Reymond sagt von ihm : ') „M. Monselet publia un
volume de chansons bachiques (1855) dans le rhythme des
Lieder allemands, qu'il intitula „Les vignes du Seigneur""
(Paris, Lecou, 1855 — seltenes Büchlein). Dieser typische
Boulevarddichter war geistreich in Prosa und Vers. Er musste
sich zu Heine hingezogen fühlen, den er gekannt hatte. Seine
zahlreichen zerstreuten Schriften, in denen der Autor der
„Reisebilder" zweifelsohne Spuren hinterlassen, konnten wir
nicht konsultieren. Wir eitleren hier nur aus obiger Sammlung
ein charakteristisches Gedicht, das an Heines Kontrast-Lyrik
anklingt. Monselet hat es nie zu einheitlichem ernsten
Schaffen gebracht. Er ist eine bric-ä-brac-Figur der aus-
gehenden Romantik.
') L. c. pag. 182. — Süpfle, der Reymond nicht kennt und nicht nennt,
gibt Bd. III, pag. 83, jene Zeilen in wörtlicher Uebeisetzung wieder.
■t
auf einige Zeitgenos'sen. 307
Mademoiselle Clorinde.
L'autre nuit, comme ils etaient onze
Qui soupaient ä la Maison-d'Or,
Sous une table aux pieds de bronze
Deux d'entre eux parlaient d'elle encor:
— Elle est morte, c'est grand dommage,
La perle du quartier Breda!
Mieux eüt valu, pour ce voyage,
S'en aller Rosine ou Clara.
C'etait une petite blonde,
Nee ä seize ans et morte ä vingt;
Enfant qui trop tot vint au monde,
Enfant qui trop tot s'en revint.
Un des princes de la finance
L'avait tiree on ne sait d'oü.*
Chez eile eclatait l'elegance :
II l'entourait d'un luxe fou.
Dans les plis d'un peignoir cacliee,
Les genoux sous eile tapis,
Reveuse, eile vivait couchee
Sur les fleurs de son grand tapis.
Nulle n'etait plus provoquante,
Dans nos nuits de pornpeux gala;
A la fois marquise et bacchante :
C'etait Clorinde! — Pleurons-la.
Adieu, notre jeune compagne;
Tu t'en vas au milieu du jour,
L'estoraac ruine de Champagne
Et le cceur abime d'amour.
Un menuisier, une portiere,
Deux personnes, uniquement,
La suivirent au cimetiere :
Sa mere et son premier amant.
308 H. Heines Einfluss
E. Montegut ^) hat darauf hingewiesen, dass Heine jene
Lehre von der Rehabilitation des Fleisches gegenüber dem
christlichen Spiritualismus nicht erst bei den Saint-Simonisten
geholt habe, wie dies gewöhnlich angenommen werde, son-
dern dass dieselbe schon im „Almanzor" in ihrer berauschen-
den Immoralität hervortrete. Ganz bestimmte Formen habe
sie dann in „De PAllemagne" angenommen, wo sie offen und
mit des Dichters ganzer Beredsamkeit gepredigt sei. Und nun
geht Montegut noch weiter und ist geneigt, gerade das Um-
gekehrte zu glauben, nämlich, dass Heine es war, der die Saint-
Simonisten beeinflusst, indem er sagt (pag. 262): „Non seule-
ment il ne dut pas cette doctrine aux saint-simoniens, mais je
suis tres porte ä soupgonner que c'est au contraire de lui qu'elle
leur vint, et que c'est par ses ecrits et ses conversations
qu'il leur insuffla cette religiosite pantheistique, ce „brio"
thaumaturgique et cette virtuosite de predicants qui distin-
guerent un instant quelques-uns d'entre eux."
Wir führen die Hypothese, wie gesagt, bloss ihrer Neu-
heit wegen an und überlassen die Diskussion den Sachver-
ständigen.
Man wird sich wundern, den Namen Alfred de Mussets
hier an letzter Stelle genannt zu finden. Wiederholt ist von
französischen Litteraten auf Anklänge an Heinesche Poesie
hingedeutet worden. Allein mit einem wissenschaftlichen
Nachweise hat es seine Schwierigkeiten. Denn, abgesehen
von dem stolzen Proteste Mussets, der mit den berühmten
Versen schliesst:
„Je hais, comme la mort, l'etat de plagiaire ;
Mon verre n'est pas grand, mais je bois dans mon verre."
darf bei etwaigen Aehnlichkeiten nicht die bereits besprochene
Geistesverwandtschaft der beiden Dichter übersehen werden.
1
1) Cf. Abschnitt II.
ä
auf einige Zeitgenossen. 309
Ein erstaunlicher Zufall wäre es ja zu nennen, wenn diese
zeitgenössischen, durch und durch spontanen und subjektiven
Poeten nicht auch Aehnliches geschaffen hätten. Daher muss
ein Nachweis von Entlehnungen mit der grössten Vorsicht
geführt werden.') Ohne verblüffende Enthüllungen zu ver-
sprechen, können wir jetzt schon versichern, dass auch Musset
zu denen gehört, die an dem reichen Pokale Heines genippt
haben, wie das schon vor Montegut und Hennequin von
Reymond hervorgehoben wurde.-) Während Hennequin^) nur
mit den wenigen Worten: „Teile page des „Reisebilder"
peut etre comparee exactement ä une page des nouvelles de
Musset" auf eine eventuelle Anlehnung hindeutet, führt
Montegut diesen Gedanken näher aus:^) „Ce genie et ces li-
mites avaient apparu, en effet, avec la plus lumineuse evidence
dans un volume public en 1823, sorte de „Spectacle dans un
fauteuil", qui semble vraiment avoir servi de prototype au
fameux volume de Musset, tant il est compose d'une maniere
analogue. Deux poemes dramatiques, comme dans le recueil
de Musset: „Almanzor" et „William Ratcliff", separes par une
Serie de „heds", „l'Intermezzo", qui tient la place de „Namouna".
Einer der Uebersetzer des „Intermezzo", Claveau, hat
eine ähnliche Anspielung in einem Gedichte, das er seiner
Uebertragung vorausschickt, sogar in Verse gebracht.^)
I.
Heine, sauf qu'il est AUemand,
A fait une chanson que j'aime,
Une chanson de sentiment,
ßref, un admirable poeme.
^) Es versteht sich von selbst, dass wii- in der Abschnitt I, pag. 33,
versprochenen Studie auch hierauf näher eingehen werden.
2) Henri Heine et Alfred de Musset („Revue des cours litteraires de
la France et de l'Etranger", 28. April 1866).
^) Ecrivains francises, pag. 65.
-*) „Revue des deux Mondes", 1884, pag. 260.
^) „Revue contemporaine", 15. September 1863.
310 H. Heines Einfluss.
Son „Intermezzo", comme on dit,
A vu bien souvent, je le gage,
Sur certaine petite page,
Pleurer Nerval qui se pendit.
II parait que c'est un travers,
Commun ä vous autres poetes,
De mettre tous, tant que vous etes,
Vos grands chagrins en petits vers;
Car Musset broda finement,
En bon fran§ais, le pareil thenie,
Et recommen§a le poeme
Ecrit, par l'autre, en allemand.
II en fit meme deux ou trois
Qui sont de fort jolis blasphemes;
Mais aueun d'eux ne vaut, je crois,
Ceux que les hommes fönt eux-memes.
Dieses Kapitel lehrt uns, dass der Einfluss Heines in der be-
sprochenen Litteraturepoche, bei Gautier etwa ausgenommen,
schwer von dem allgemeinen Einfluss deutscher Dichtung
auf die französische Romantik zu scheiden ist. Wie sehr sich
diese mit der Persönlichkeit Heines überhaupt zusammen-
werfen und decken lässt, illustriert eine geistreich lakonische
Definition des Symbolistenkritikers Charles Morice: „Le Ro-
mantisme est une enfance capricieuse, volontiers mechante et
triste, avec des eclats de gaiete, de naivete." ^)
Wenn bis jetzt von einem Einfluss Heines in seinen
Biographieen etc. die Rede war, so waren damit ausschliess-
lich die Vertreter der Romantik gemeint.-) Zu dem wenig
') „La litteratuve de tout {\ Tlieure", Penin, 1880.
2) Auch G. Brandes widmet einen kurzen Abschnitt seines Buches „Die
romantische Schule in Frankreich" (pag. 41—54) dem fremden Einfluss auf
die französische Romantik. Diese Seiten des Autors des treflflichen Werkes
„Die Hauptströmungen der Litteratur des XIX. Jahrhunderts" kamen leider
zu spät in unsere Hände, um hier verwertet zu werden.
auf einige Zeitgenossen. 311
Bekannten konnten wir hier wenig Nevies hinzufügen, wenig
nämlich im Verhältnis zu dem, was wir noch im weiteren
Verlauf unserer Arbeit zu bringen versprachen. Bevor wir
aber einige unbeschriebene Seiten der Heineforschung zu
füllen gedenken, müssen wir, unserm bisher befolgten Plane
gemäss, litterarisch den Weg bahnen und noch ein Wort von
modernem deutschen Einfluss sagen. Vieles hierüber Ver-
öffentlichte werden wir verbessern und ergänzen müssen.
312 H. Heines Einflusf
Drittes Kapitel
Einiges über den modernen deutschen
Einfluss
In der Mitte dieses Jahrhunderts war Deutschland für
Prankreich immer noch das Land der Balladen, der Burgen
und Burggrafen, der Feen, Wassernixen und Zwerge, eine
Art bric-ä-brac-Magazin des Mittelalters, wie es sich die
ersten Romantiker schon vorgestellt hatten; — und dies
trotz Heine, Quinet und andern, die es nicht vermochten, den
Eindruck des „De l'AUemagne" der Madame de Stael zu
verwischen.
Erst mit Saint-Rene Taillandier sehen wir eine Reihe
von hochgebildeten Gelehrten in der französischen Litteratur
auftreten , die sich nicht damit begnügten, deutsch und
Deutsches zu „ahnen", wie einst Sainte-Beuve. Wir erinnern
an die grossen Namen der Taine und Renan; ferner an E.
Montegut und V. Cherbuliez (Valbert), den protestantischen
Schv/eizer-Franzosen, der in würdiger Weise das Erbteil
Taillandiers in der „Revue des deux Mondes'^ angetreten
hat, und endlich an den trefflichen Germanisten und Litterar-
historiker Arthur Chuquet, den Ludwig Bamberger mit
Recht als ein „Muster objektiver Geschichtsschreiberei" 0
1) Vergl. „Arthur Chuquet" von Ludwig Baniberger in der „Deutscheu
Rundschau", November 1892.
1
Einiges über den modernen deutschen Einfluss. 313
bezeichnet, — und dessen Geistesverwandte, die ebenso vor-
urteilsfreien Albert Sorel und Gabriel Monod. Bei einem
systematischen und gründlichen Studium deutschen Ein-
flusses in Frankreich wäre also zunächst die Einteilung zu
treffen: vor und nach Taillandier, und hierauf vor und nach
1870/71.*) Denn trotz der aufklärenden Thätigkeit der Ge-
nannten und der Gleichgesinnten, trotz der warnend prophe-
tischen Worte Heines, muss gesagt werden, dass, vor der
Kriegskatastrophe, weder die grosse Masse des Volkes, noch
die kleine Zahl der Gebildeten — einige wenige Stimmen
ausgenommen — das wahre, vor allem das neue, einige
Deutschland wirklich kannten und daher zu schätzen und
zu — fürchten wussten.^) Während die Halbbildung, die
etwas von Goethe und Schiller in den Mauern der „Colleges"
hatte läuten hören, mit spöttelndem Horror von der dunkeln
Geistestiefe der germanischen Philosophen sprach, sich immer
noch die „blonde Allemagne'' als das Land schwärmerischer
Sentimentalität vorstellte, in dem Dichter, Philosophen und
Künstler ein paradiesisches Leben führen, — blieb man blind
für die Veränderung, die sich seit Kant, Hegel, Herder und
Goethe — jenen grossen Lehrern von Taine und Renan —
im deutschen Parnass und deutschen Nationalbewusstsein
vollzogen hatte. Richtig ist es allerdings, dass Frankreich
schon vor 1870 im regsten Geistesverkehr mit seinem Nach-
barstaate stand — aber es war in seiner Kenntnis deutscher
Dinge um ein halbes Jahrhundert zurückgeblieben — eben
bei den genannten Geistesheroen. Daher kommt es, dass man
von deutscher Seite allgemein hört — Dr. Süpfle und Meissner
inbegrifPen — , dass Prankreichs Interesse für die deutsche
^) Wir gehen hier, wenn wir nicht irren, mit Dr. Meissner einig.
-) . . . Malgre Henri Heine, (V AUemagne de Madame de Statl) est
restee jusqu'en 1870 V AUemagne de nos litter ateu7'S et de nos artistes.
Koire de la litterature franc^nise" par Gustave Lanson. Paris, Hachette,
(0, pag. 865.)
314 H. Heines Einfluss.
Litteratur seit 1870 gefallen sei, weil es sich eben heute
weit mehr um die Zeitlitteratur und -Wissenschaft kümmert,
als um die grossen Klassiker.
Ferdinand Gross hat sich in einer Studie über „Goethes
Werther in Prankreich" (Leipzig, ohne Jahrzahl) veranlasst
gesehen, auch seine Entdeckungen und Ansichten über deut-
schen Einfluss im allgemeinen zum besten zu geben. So
behauptet er u. a. (pag. 15): „Etwa von 1840 — 1870 herrscht
in Frankreich eine gar nicht verhehlte Gleichgültigkeit gegen
die deutsche Litteratur." Die beste Erwiderung dürfte in
einer Stelle von Fr. Kreyssigs „lieber die französische Geistes-
bewegung im XIX. Jahrhundert"^) liegen (pag. 124): „Es
muss überhaupt gesagt und betont werden : ein Strom deut-
schen, englischen, amerikanischen, belebenden Einflusses, wie
Frankreich ihn noch nie früher empfunden, geht durch das
siebente Jahrzehnt dieses Jahrhunderts. Es ist der deutsche
GedankiB, der in dieser ganzen eifrigen Geistesarbeit gährt,
sich in das keltisch-romanische Wesen einbohrt."
Dieser fremde Einfluss beginnt schon seit den sechziger
Jahren in immer steigendem Masse auf den gallisch-latei-
nischen Geist der französischen Nation einzuwirken. Wenn
schon im XV. Jahrhundert Italien, im XVI. Spanien und im
XVIII. England begonnen hatten, den „esprit gaulois" umzu-
gestalten, so that noch das „Eindringen" anglo-germanischen
Geistes das Uebrige, damit für die Zukunft der reinen Natio-
nalpoesie der Boden entzogen wurde. Indessen gewiss nicht
zu Frankreichs Schaden; denn nationale Litteratur allein
war nie im stände, die herrschenden Ideen und Gefühle eines
Zeitalters zu umfassen. Das Genie denkt, dichtet und schaff't
für alle Völker insgesamt. Eine Litteratur, die dasselbe nicht
beachtet, aufnimmt und verwertet, muss zurückbleiben.
^) Drei Vorträge von Fr. Kreyssig, Berlin 1873.
Einiges über den modernen deutschen Einfluss. 315
DawS Eindringen deutschen Geistes und litterarischen Ein-
flusses haben bedeutende französische Litterarhistoriker, wie
Brunetiere, G. PeUssier, Paul Albert, J. J. Weiss, Edmond
Scherer und, als einer der ersten, Reymond, nicht nur zu-
gegeben, sondern auch selbst nachgewiesen, ja sogar zum
Teil begrüsst. Am kompetentesten in dieser Frage hat sich
der talentvohe E. Hennequin gezeigt, dessen Arbeiten einen
sichern Blick, grosse Kenntnisse und einen originellen Kopf
verraten.
Wiederholt stiessen wir auf die durchaus irrtümliche Be-
hauptung, dass sich die Franzosen seit 1870 gegen alles, was
deutsch ist, somit auch gegen deutsche Litteratur, starr ab-
schliessen.^) Gerade das Umgekehrte ist der Fall. Oberfläch-
lich waren ihre diesbezüghchen Kenntnisse zum grossen Teil
vor 1870. Nicht mit Unrecht sehen sie in dieser Ignoranz
eine der Ursachen ihrer Niederlage. Seit 1870 ist Deutsch-
land allerdings nicht mehr das Land, über das man bloss
schwungvolle Vorträge hält und geistreiche Artikel schreibt,
sondern das Land, dessen Sprache, Litteratur und Geschichte
man mit Ernst studiert. Erst seit 1870 sind deutsche Klas-
siker mit vernünftigem Kommentar zum obligatorischen Schul-
buche geworden. Niemals zuvor, auch nicht zur Zeit, als
^) Natürlich ist auch Ferdinand Gross dieser Ansicht, nachdem er (pag. 15)
behauptet : „Die Franzosen wollen es nicht Wort haben, dass jemals ein
Tropfen Blutes der deutschen Litteratur in die Adern der französischen über-
gegangen." Statt bei den Obengenannten, scheint sich Gross bei Tissot & Co.
unterrichtet zu haben. — Naiv klingt sein Vorwurf, dass die Franzosen die
deutschen Klassiker heute weniger lesen als im Anfange des Jahrhunderts.
Wie steht es denn mit diesen" in der eigenen Heimat? Wird dort etwa „Wilhelm
Meister" mehr gelesen als der französische Roman (im Original, in der Ueber-
setzung oder als Kopie)? Oder sind wohl in Deutschland Lamartine und Hugo
so bekannte, vielgelesene Grössen ? Deutschlands Leihbibliotheken — und
20,000 Studenten mögen hierüber Auskunft geben, oder Grillparzer, der noch
einige Jahre vor seinem Tode deutsche Ignoranz in Sachen französischer
Litteratur beklagte. Also keine Steine werfen — vor allem damit sie nicht
zurückprallen ! —
316 H. Heines Einfluss.
die Deutschschwärmerei ihren Höhepunkt erreichte, hatte das
Streben, sich über Deutschland zu unterrichten, so reichhche
Mittel zur Hand wie heute. ^) Edm. Scherer beginnt seine
Studie über Goethe (Mai 1872) mit den Worten: „L'atten-
tion et l'etude, chez nous, se portent en ce moment vers
l'Allemagne. C'est un bon signe et, a dire vrai, une mani-
festation de l'esprit public ä laquelle je ne m'etais point at-
tendu ..." 2)
Wahr ist es, dass die Motive, um derentwegen sich die
Augen Prankreichs in der Neuzeit nach Deutschland richten,
zum grossen Teil andere sind, als während der Regierung
Louis Philipps. Die Völkerpsychologie erklärt uns, warum
Deutschland seit 1870 für Prankreich als der gefürchtetste
Gegner und Rivale betrachtet werden musste, so unhistorisch
der Gedanke an sich auch sein mag. Zum eigenen Nutzen,
als Waffe, musste geradezu alles abgelernt und verwertet
werden, was Deutschland auf allen Gebieten der Wissenschaft
hervorbrachte. Immerhin blieb die französische Litteratur
in dieser Richtung im grossen und ganzen merkwürdig un-
patriotisch gesinnt. Längst schon hat die Kriegs- und Revanche-
schriftstellerei, die Prof. Koschwitz kürzHch zusammenstellte,^)
Reiz und Zugkraft verloren. Die jüngste Romanepopöe Zolas,
^) Ferd. Gross beliebt das Entgegengesetzte zu behaupten, nämlich dass
wir in den Katalogen der französischen Verlagsfirmen vergebens nach den
besten Namen der deutschen Litteratur suchen. Wir verweisen ihn und den
Leser auf Alwin Weises „Bibliotheca germanica", Le Soudier, 1886; ebenso
auf die Abschnitt II, pag. 113, gegebene Liste französischer Schulbücher, von
denen bloss drei in die Zeit vor 1870 fallen, und schliesslich auf das eben
erschienene : „Journal general de l'imprimerie et de la librairie" — Livres
classiques pour la rentree des classes 1894.
2) Hier erinnern wir uns, dass Prof. Baechtold in seinen Goethevorlesungen
konstatierte, es könne keine deutsche Ausgabe von „Hermann und Dorothea
der französischen, von Chuquet besorgten und kommentierten an die Seite
gestellt werden.
^) E. Koschwitz, „Die französische Novellistik und Romanlitteratur über
den Krieg von 1870/71", Berlin 1893.
Einiges über den modernen deutschen Einfluss. 317
„La guerre", dreht die Spitze gegen Prankreich, wenn wir
von einigen Einzelheiten absehen, die notwendig waren, um
die Franzosen zu bewegen, die bittere Pille überhaupt zu
schlucken.
Man durchblättere nur einmal die Menge von französischen
Revuen, besonders die letzten Jahrgänge der „Revue des deux
Mondes'', der „Nouvelle Revue", der „Revue suisse", der „Re-
vue britannique'' ; dann die wie Pilze hervorschiessenden
kleineren Zeitschriften, und man wird bald überzeugt sein, dass
sich Frankreich niemals so viel, so eingehend und so ver-
ständig um deutsche Litteratur bekümmerte. „Ces Russes, ces
Allemands, ces Anglais, ces Danois, nous pretendons en pro-
fiter, nous en accroitre,'' schreibt Maurice Barres. *) Man
werfe einen Blick in den ersten Band der jungen Revue „Le
Monde poetique'^ Neben einer Reihe von Studien über
moderne deutsche Dichter stossen wir auf Uebertragungen
von Geibel und Ebers. Ein anderes Wochenblatt, „L'Idee
libre", Organ einer Dichtergruppe — diese Revuen sind es
alle — -, bringt fast in jeder Nummer einen Artikel über deut-
sche Litteratur. Sehr richtig charakterisiert diese („L'Idee libre",
IP annee, Nro. 5, pag. 236) die Rolle der modernen fran-
zösischen Litteratur: ,, . . . II me semble qu'il est necessaire de
repeter ici que si notre generation merite de laisser un Sou-
venir notable dans l'histoire litteraire de notre pays, c'est
qu'elle a ete la premiere qui ait dirige ses curiosites pas-
sionnees vers les efforts et vers les realisations artistiques dont
l'Europe et dont le nouveau monde ont fourni tant d'inou-
bliables exemples. C'est pour avoir mele sa sensibilite ä celle
des contemporains de Russie, d'Allemagne, de Norvege, d'An-
gleterre et d'Amerique, c'est pour avoir enrichi merveilleusement
le domaine de ses experiences, que l'äme de la generation
actuelle a pu apporter un sang nouveau aux chifFons de
^) Vergl. „Le Semeur", pag. 13, Nro. 145.
318 H. Heines Einfluss.
rhetorique qiie nos predecesseurs se sont amuses ä secoiier
avec des gestes uses, durant leur longue carriere artistique/'
(Als Vertreter dieser Litteratur sind genannt: Baudelaire,
St. Mallarme, de Vogüe, P]d. Schure, F. de Pressense, Ed.
Rod, E. Hennequin, Gabriel Sarrazin etc.) *)
Eine andere Miniaturrevue, die sich nicht selten mit
deutscher Poesie beschäftigt, nennt sich ,,Chat noir'^ Sie
wird von der Poeten -boheme redigiert, die sich in der
bekannten phantastischen Kneipe im Montmartre - Quartier
lärmend versammelt. Es sind alles originelle, zuweilen zu
originelle, aber ideal gesinnte und meistens talentvolle Brause-
köpfe, von denen sich einige seit den achtziger Jahren einen
Namen gemacht haben, so z. B. Rodenbach, Rollinat, Leon
Cladel und Ed. Haraucourt. Alles Fremdartige findet dort
eo ipso eine Stätte. Wir hörten in dem merkwürdigen Lo-
kale, wo mittelalterliche und ultramoderne Dekorationskunst
ein w^mderliches Gemisch bilden, populäre englische und
amerikanische „songs" — in französisch freier Uebertragung
natürlich — neben urdeutschen Studentenliedern singen. Noch
unlängst wohnten wir dort einer sogenannten Vorstellung bei
— Dichter und Komponisten interpretieren sich stets selbst — ,
1) So klagt der liebenswürdige Fr. Coppee, dem wir die kleinen chau-
vinistischen Anfälle gerne verzeihen — grosse Dichter sind ja oft grosse
Kinder — : ^Depuis de longues annees dejc\, nous suivons avec peine, chez
quelques poetes, les ravages dune sorte de maladie de nos rythmes et de
notre langue, et, \k encore, nous reconnaissons une influence etrangere. Car
rien de tout cela n'est latin, n'est francjais, ne jaillit de notre sol, de notre
inspiration nationale. Une brunie gennanique nous envahit et nous conquiert,
et j'en suis desole." („Mon franc parier", pag. 199.)
Auch von Paul Bourget erinnern wir uns kürzlich eine ähnliche Khige
gelesen zu haben, dem doch, wie wir noch sehen werden, mehr als irgend
einem andern, angesichts der kosmopolitischen Färbung der modernen fran-
zösischen Litteratur, ein reuiges „mea culpa" ansteht. Wir selbst sind der
Ansicht, dass ein solches Eindringen fremden Einflusses jedem Lande gefährlich
werden könnte, nur nicht Frankreich mit seinem starken Nationalgefiihl und
dem prononcierten Nationalcharakter. Frankreich kann nur gewinnen.
Einiges über den moderne-n deutschen Einfluss. 319
in der ein wildbelockter Musensohn eine französische Ballade
recitierte, aus der uns wiederholt das nota bene korrekt deutsch
ausgesprochene Wort „Haidenröschen" entgegenklang. Wir
wandten uns später an den Dichter: „Savez-vous, Monsieur,
que ga me rappelle Henri Heine." — „Ah, mon tres hon sieur,
c'est un her compliment que vous me faites lä," war die
Erwiderung des Poeten. — Wem die Geburtsstätte der Ro-
mantik und des „Nouveau Parnasse" bekannt ist, der wird
uns nicht verübeln, hier von einem „Chat noir" geredet zu
haben.
Aber auch fern von diesen leichtlebigen litterarischen
Frondeurs, fern im geistigen und lokalen Sinne, an dem andern
Ufer der Seine, — in der Sorbonne, im College de France
stossen wir auf Schritt und Tritt auf Spuren deutscher Geistes-
arbeit. Dem Philologen sei es gestattet, hier gleich den Namen
Gaston Paris zu nennen, der die von dem Altmeister Friedrich
Diez neubegründete Romanistik so glänzend fortsetzte. Auch
in allen anderen Gebieten sehen w4r die altbewährte und be-
rühmte französische Synthese, durch das Studium deutscher
Forschung, der anglo- germanischen Analyse weichen. Der
wissenschaftliche Ernst und mit ihm die gelehrte Schwere
treten immer mehr in den Vordergrund und imponieren. Nur
so sind der rasche Erfolg und die Macht eines Brunetiere er-
klärlich, der mit seiner streng systematischen, oft unfreund-
hchen, stilistisch nicht selten nachlässigen Kritik noch vor
einem halben Jahrhundert in der Heimat La Harpes und
Sainte-Beuves schwerlich durchgedrungen wäre. Und so ist
denn heute nur zur Hälfte wahr, was Karl Hillebrand, der
einstige Sekretär Heines, noch 1874 in seinem Buche „Frank-
reich und die Franzosen in der zweiten Hälfte des Jahrhun-
derts" (pag. 318) sagt: „Im Kampfe zwischen den deutschen
und französischen Ideen auf gallischem Boden sind die ersteren
unterlegen." Ganz unterlegen sind in dieser so stark kosmo-
politisch angehauchten Evolution Frankreichs gallischer Geist,
320
H. Heines Einfluss.
französisches Naturell und die französische Synthese, die der
Welt so grosse Dienste geleistet, nicht, und zwar nicht nur
zum Heile Prankreichs, sondern auch zu Nutz und Frommen
Deutschlands. Denn ginge die französische Idee zu Grunde,
so wäre dies für den germanischen Nachbar, ja für die ganze
Civilisation ein unersetzhcher Verlust. Beide Völker sind sich
gegenseitig unentbehrlich — Geschichte, Rasse, Litteratur und
das Wohl der modernen Kultur ketten sie trotz mehr oder
weniger gekünstelten Bündnissen aneinander.
Die Parnassiens. 321
Viertes Kapitel
Die Parnassiens
„Heine est fort ä ,1a mode en ce moment chez
nous. Lui et Musset sont pousses tres haut."
(Sainte-Beuve an Ch. Berthoud, 1867.)
Es ist bereits angedeutet worden, dass wir den Haupt-
einfluss Heines nicht bei den Romantikern, seinen Zeitgenossen,
sondern bei deren Nachfolgern zu suchen haben, und zwar
sowohl bei den direkten, den sogenannten „Parnassiens", als
auch bei den Repräsentanten modernster Dichtungsevolutionen.
Im folgenden sei zunächst der Versuch gemacht, die erstere
Litteraturströmung in kurzen Zügen zu entwickeln.
Um die Mitte der sechziger Jahre glich die französische
Dichtkunst, so wie sie wenigstens in Paris erblühte, wenn
nicht einer verwelkten, so doch stark erblassten Blume. La-
martine hatte längst ausgesungen. De Vigny war unter die
wahren Unsterblichen eingegangen; den moralisch und phy-
sisch gebrochenen Musset hatte der Tod einige Jahre zuvor
von einem freudensatten Leben befreit. Baudelaire erwartete
Erlösung von seinem Siechtum. Gautier, dem nach so langer
SchafFenszeit kein heiterer, sorgenloser Poetenabend beschieden
war, der bis zuletzt seine „goldene Feder" des täglichen
Brotes wegen für Tagesfeuilletons und Theaterberichte her-
geben musste, — war alt, geschlagen, melancholisch — nur
noch ein Schatten des einstigen „grand Theo". Und sein
Abgott, Victor Hugo, der grollte und donnerte auf Guernesey,
Betz, Heine in Frankreich. -^l
322 H- Heines Einfluss.
fern von Paris, im Exil. Der hehre Glanz von ehemals am
sternenfunkelnden Himmel der Romantik war in jenen Tagen
dahin. Keck und farbenschimmernd leuchtete eigentlich da-
mals bloss das Poetengestirn, genannt de Banville, „qui jouait
avec une virtuosite infatigable des sonates aux etoiles''.
Da kam von Bordeaux hergewandert ein junger Vers-
beflissener nach der Hauptstadt und mietete sich ein be-
scheidenes Kämmerchen in der rue de Douai. Der Provinzler
hiess Catiille Mendes und in seiner Stube stand die Wiege der
neuen Dichtergruppe, die Barbey d'Aurevilly einmal scherz-
weise „Parnassiens" genannt. In seinem Buche „La legende
du Parnasse contemporain" (1884) erzählt er uns zw^anzig
Jahre später Entstehung und Geschichte dieses „Cenacle",
aus dem bis jetzt vier „Unsterbliche'^ hervorgegangen sind.
Dort erklärt er den Dichter Albert Glatigny, den er als den
einzigen bedeutenden Schüler Gautiers bezeichnet, als den
geistigen Vater der Parnassiens. Was Mendes lange nicht
genug betont, ist die Thatsache, dass Seele und Nerv — und
besonders der „nervus rerum'' — dieser jungen Dichtergesell-
schaft Alphonse Lemerre (geb. 1838) war. Dieser „Cotta der
Parnassiens" interessiert uns hier schon deswegen, w^eil er der
Verleger fast aller poetischen Nachbildungen Heines wurde.
Geschichte und Erfolge Lemerres und der genannten Dichter-
schar gehen Hand in Hand. Ohne diesen kunstsinnigen,
unternehmenden und dabei gewissenhaften Buchhändler wäre
diese Poetengruppe niemals zu solcher Bedeutung gelangt;
denn er hat es nicht nur verstanden, die verschiedensten
Talente zu finden und zu vereinigen, sondern, was ungleich
schwieriger war, sie fast alle bleibend zusammenzuhalten.
Eine Zeitlang hatte Leconte de Lisle, der dichterische
Stellvertreter des grossen Verbannten, die ersten Parnassiens
um sich versammelt, so : Sully Prudhomme, Frangois Coppee,
Louis Menard und H. Houssaye, die beiden feurigen Hellenisten.
Zuweilen fanden sich auch Stephan Mallarme, der spätere
Die Parnassiens. 323
„auteur difficile^S und — der junge Gaston Paris ein, der etwas
Aehnliches werden sollte ! — Die Götter dieses kleinen Olymps
sind Gautier, Theodore de Banville, der genannte Leconte de
Lisle und Charles Baudelaire. Ein jeder dieser Dichter hatte
seine Epigonenschar, die sich jeweilen auf ihre typischen
Werke — „Emaux et Camees", „Ödes funambulesques", „Poe-
sies barbares" und „Fleurs du MaP^ — • berief. Das Haupt aber
der Bewegung wurde bald der schnell berühmt und — be-
rüchtigt gewordene, blendende Verskünstler Catulle Mendes,
der kaum die zwanzig Jahre überschritten hatte. Um den
jungen und rührigen Leiter der „Revue fantaisiste'V) die auch
Gautier, Baudelaire und Banville patronisierten, scharten sich
eine ganze ^Anzahl jugendhcher Musensöhne. Viele von ihnen
wurden später Lieblinge des Publikums, einige fanden, wie
gesagt, den Weg zu den vierzig Unsterblichen, und zu den
besten zählen manche von denen, die im weitern Leserkreise
unbekannt blieben. Ausser den Genannten gehören noch
hierher: Armand Silvestre, Jose Maria de Heredia — „le Ra-
jah des sonnets'' — Anatole France, Paul Verlaine, Merat und
Valade. Mitarbeiter der „Revue fantaisiste'', solche, die im
Passage Choiseul bei Lemerre mit den Koryphäen der Gruppe
zusammentrafen, waren noch Alphonse Daudet, Jules Claretie,
Leon Clavet und — Richard Wagner. Die ersten Parnassiens
sind auch die ersten französischen Wagnerianer. ^)
^) Die Parnassiens wurden daher zuerst „Fantaisistes" genannt. Das
Wort „fantaisie" ist ebenso wenig übersetzbar wie das deutsch -englische
„Humor". — Heine gilt in Frankreich als „poete fantaisiste" par excellence.
2) Will man überhaupt sehen, wie sehr und auf welche Weise Richard
Wagner auf die moderne französische Dichtkunst einwirken konnte, so lese
man die zehn Seiten, die Mendes, sein langjähriger Freund und unermüdlich
streitender Kämpe, dem deutschen Komponisten widmet. In der französischen
Musikgeschichte wird der Name dieses Parnassien nie von dem Wagners zu
trennen sein. Ja sogar der Dichter Wagner hat seine Anhänger in Frank-
reich. Catulle Mendes bezeichnet als seine Lieblingsschriftsteller: Victor
lugo und — Wagner. Ferner konsultiere man Charles Morice („La litterature
tout h l'heure"), besonders das Kapitel „Les formuies accomplies". Es heisst
324 H. Heines Einffuss-.
Was das Programm dieses Cenacles, seine Wünsche und
Ziele betrifft, so hat dies PeKssier („Le mouvement litteraire
au XIX* siecle'^, pag. 292) treffend zusammengefasst :
„Le Parnasse conteinporain se donna pour täclie de defendre
la poesie, d'un cote, contre les „pleurards imbeciles et les rieurs de-
brailles" que les grands noms de Lamartine et de Musset trainaient
encore ä la suite ; de l'autre, contre les utilitaires qui ne consentaient
ä l'admettre que si eile se donnait pour täclie de vulgariser les ap-
plications de la science moderne. II fut le gardien de l'art qui ne fait
ni rire ni pleurer et qui est ä lui-meme sa propre fin."
Ihr Vorbild war in erster Linie der versüppige Autor der
„Emaux et Camees".
Tout passe. — L'art robuste
Seul a l'eternite.
Les dieux eux-memes meurent.
Mais les vers souverains
Demeurent
Plus forts que les airains.
(„L'Art'S pag. 225 und 22G.
dort u. a. von Wagner, den er mit Balzac „dominateur de ce siecle" neinit
(pag. 195) :
„Richard Wagner a fait deux principales choses : Tunion de toutes les
formes artistiques et la Synthese des observations et des experiences dans la
fiction. Personne des contemporains — j'entends des meditatifs et des sinceres —
ne doute plus, apres tant d'injiires, interessees ou seulement ineptes, qui annon-
cerent le glorieux effort, que \k, dans cette voie ouverte par Wagner, au terme
de cette voie, ne se dresse et rayonne le geste eblouissant de l'art trioniphant.
On pense en vain d'expliquer comment le theätre de Wagner, quoi qu'en aient
dit tels et tels, n'est pas la resurrection du thdätre grec, comment tons les
moyens esthetiques requis par le maitre, musiqne, art scenique, poesie, con-
courent k l'action : ce sont \k verites familieres k eeux pour qui les presentes
lignes sont ecrites (d. h. für die Anhänger der „Symbolistes"). Inutile aussi
d'affirmer davantage de quel precienx et grave j^oids Ja pensee wag-
nerienne pese et toujours plus pesera, feconde! siir les esprits engages
dans la voie lumineuse."' —
Schliesslich sei noch auf die Artikel von Emile Hennequin in der „Revue
wagnerienne" (8. November 1885), „L'esthetique de Wagner et la doctrine
spencerienne", und von CatuUe Mendes in der „Revue de Paris" (15, April 1894),
„L'Oeuvre wagnerienne en France", aufmerksam gemacht.
Die Parnassiens. 325
Dies war Parole der Parnassiens. Dann Theodore de
Banville, auch ein „paien", nur noch exkkisiver, konsequenter
als Gautier, dessen „Griechentum" zuweilen, wie wir gesehen
haben, sentimentalen Beigeschmack hatte. Victor Hugo aber
blieb für die „Pantaisistes", was er den Romantikern gewesen,
„Le Pere", wie ihn Augier genannt hat, und zwar war er
ihr Vorläufer und Muster als Autor der „Orientales". Pere
blieb er ebenfalls den späteren „Symbolistes", er, der zuerst,
wie sie sagen, die innerste Seele der Worte, die Zaubermacht
der einzelnen Silben entdeckt hat. ,, Victor Hugo lui-meme —
so wird Charles Morice in seinem originellen, oben citierten
Buche (pag. 110) sagen — qui pourtant prit en main le
drapeau de la nouvelle ecole (der Romantik), est l'incoherent
et vaste repertoire de toutes les formules et de toutes les
opinions."
Trotz einiger Excentricitäten — sie mussten auch bitter
dafür büssen, denn keine Dichterschule hatte bei ihrer Ent-
stehung so viel von Spötteleien ä la Charivari zu leiden, als
die des „Nouveau Parnasse" — , trotz mancher mystischer und
musikalischer Rätsel und Charaden, mit denen sie zuweilen
zur Freude der Eingeweihten und zum Aerger der „profanes"
ihr Spiel trieben, haben die Parnassiens einen tiefen und
guten P]influss auf die französische Poesie geübt. Denn was
sie alle zusammenhielt, war nicht nur Liebe zum reichen
Wohlklang in Vers und Reim, Missachtung alles Vulgären,
sondern vor allem die ideale Religion der Kunst.
326 H. Heines Einfluss
Fünftes Kapitel
Heines Einfluss auf die Parnassiens
und ihren Anhang
„Voici trente ans que sV'St eteiiit, h Paris, Ic poetc
des „Reisebildt'r", dans ce petit apparteiuent au cinquiemo
do ravenue Matignon qu'a si pittoresquement decrit Ma-
dame Camille Seiden . . . Durant ces trente ans ecouUa^
le nom de Henri Heine n'a fait que grandir, et ce n'etait pas
qu'une curiosite de revelations piquantes qui faisait
attendre, il y a quelques mois, ses memoires avec tant
d'impatience. Dieu merei! ce qui a survecu a Henri Heine,
ce ne sont ni ses g'riffes, ni ses haines, ni meme le Sou-
venir des erreurs ou des fautes quMl a pu commettre, mais
rimmortelle beaute de son langage, la gräce inconiparable
des Images qu'il evoque . . ."
Paul Ginisty, „Annee litteraire", 1886, pag. 112,
E]in Wanderer sieht sich in sonst wohlbekannter Gegend
plötzUch vor einem Wege stehen, den er bisher noch niclit
beachtet. Soll er ihn einschlagen, ist der Gang der Mühe
wert, gerät er nicht etwa in eine Sackgasse? Während er
zaudert, kommt ein anderer des Weges, und er fragt diesen
alsbald: „Wo führt die Strasse hin? Sind Sie in dieser Gegend
zu Hause ?'^ — Worauf jener: „Die Strasse ist neu und führt
an eine Menge von Punkten, wo Ihr überraschter Blick
manch Neues schauen wird. Ich selbst bin hier zwar nicht
zu Hause, gern und oft ging ich aber schon diesen Weg —
und jener Wegweiser dort oben wird Sie richtig leiten.''
Die aus Ginistys „Annee litteraire'' citierte Stelle soll für
diejenigen, die meiner Führung misstrauen, der sichere Weg-
.^A
auf die Parnassiens und iliron Anhang. 327
weiser sein ; er soll sie von vorneherein überzeugen, dass sie,
obgleich heimisch und wohlbekannt in diesem Gebiete, jenen
einen Weg, der zu zahlreichen interessanten Aussichtspunkten
führt, bis jetzt übersehen haben.
Wir insistieren auf das Zeugnis Ginistys — aus unserem
zweiten Abschnitte hätten wir eine ganze x\nzahl ähnlicher
herausgreifen können — , der, wie wenige, im stände war, die
Geistesrichtungen seiner Litteratur zu prüfen, wie er dies m
seiner Sammlung der „Annees litteraires" gethan, für die Jules
Lemaitre, Henri Pouquier, Prangois Coppee, Jules Claretie u. a.
jeweilen alljährlich Einleitungen lieferten; — ich sage, wir
insistieren auf die Worte Ginistys: „Durant trente ans ecoules,
le nom de Henri Heine n'a fait que grandir'' etc., und halten
die Frage für müssig, welcher von beiden recht habe: Süpfle,
der fern stehende Gelehrte, dessen treffliches Werk zu gross
angelegt war, als dass ihm der sichere Blick ins einzelne mög-
lich gewesen wäre, und der von „stark abgeschwächter Be-
liebtheit der „Reisebilder" bei dem französischen Publikum"
spricht und Strodtmanns sehr richtige Bemerkung, es sei Heine
mit dem Erscheinen seiner „Oeuvres completes" in die Reihe
der ersten französischen Schriftsteller erhoben worden, nicht
gelten lassen will, — oder Ginisty, der französische Litterat
in Paris, der seit Jahren der modernen Litteratur seiner
Heimat allwöchentlich den Puls fühlt.
Da der „Cenacle'' der Parnassiens aus den heterogensten
Elementen zusammengesetzt war — wie übrigens die der
Romantik auch, nur dass jene unter dem Banne eines ein-
zigen Herrn standen — und ein jeder eigentlich seine eigenen
Dichterwege ging, und da Heine selbst eine sehr komplizierte
Poetennatur, wodurch er nach den verschiedensten Richtungen
hin einwirken musste, so ist es unmöglich, von einem all-
gemein charakteristischen Einfluss unseres Dichters zu reden,
der an allen hier in Betracht kommenden Poeten nachzuweisen
wäre. Wir sind daher gezwungen, das Ergebnis unserer
328 H. Heines Einfluss
Untersuchungen an den einzelnen Dichtern zu entwickeln
und nachzuweisen. Des inneren Zusammenhanges wegen
haben wir diejenigen, an die sich später moderne Dichter-
schulen knüpften, aus den Parnassiens geschieden, und zwar
nicht nur Paul Verlaine und Steph. Mallarme, sondern auch
den geistigen Vater der Decadence, Charles Baudelaire, der
mit Banville, zu dem wir hier gleich übergehen, sogar noch
zu den sogenannten Neoromantikern gezählt werden sollte.
Theodore de Banville
(1823—1891).
Als im Frühjahr 1891 ein selten schönes und glückliches
Dichterleben erlosch und Paris seinen Poeten zu Grabe trug,
da erklang allerorts, wo Litteratur eine Heimstätte hat, der
Klageruf: „Nun ist auch die französische Romantik begraben,
sie haben ihren letzten Sohn beerdigt." Und wir fügten bei
der Todesnachricht hinzu: und den dankbarsten Schüler und
mit Gautier den glühendsten Verehrer Heinrich Heines, der
unseren Dichter liebte, wie dies nur ein Poet vermag. Sein
„Gott" allerdings — denn dafür ist er Romantiker — war
Victor Hugo, „le pere de tous les rimeurs" ; aber seinem
Herzen näher stand Heine.
Verse reimen w^ar diesem letzten bedeutenden Dichter
aus der Schule von 1830 schon frühe Jugendbeschäftigung.
Der Autor der „Cariatides" zählte erst sechzehn Jahre. In
diesem Liederbuche offenbarte sich bereits sein überschwäng-
licher Kultus für die Kunstlyrik, den klangreichen, glanzvoll
strahlenden Vers mit all den glitzernden und funkelnden
Worten des französischen Sprachschatzes. Und dieser Künstler-
freude am reichen Versklang blieb er treu vom ersten Knaben-
liede bis zur letzten Ode, die der liebenswürdige Greis wenige
auf die Parnassiens und ihren Anhang. * 329
Stunden vor seinem Tode geschrieben. Er war es dann auch,
der mit alles vermögender Reimesfülle die längst verklungenen
Lieder des XV. und XVI. Jahrhunderts zu neuem Leben rief, —
„Chansons, triolets et rondeaux" Charles' d'Orleans, das „Vire-
lai" und die „Odelette", das ganze klangvolle und fröhliche
Vogelgezwitscher des Remi Belleau und die verzückte Natur-
lyrik Ronsards.
Zur Genüge und nicht ohne Uebertreibung wurde sein
Formenkultus, sein „Wortgötzendienst" getadelt. Wie bei
Gautier, so vermisste man auch bei ihm — mit gleicher Un-
gerechtigkeit — den Gedanken. Ein geistreicher Kritiker
sagt in einem beissenden Wortspiel von Banville : ,, . . . 11
celebre sans arriere-pensee - - et meme sans pensee -- la gloire
et la beaute des choses." — Selbst angenommen, dass nirgends
in der Satire der „Ödes funambulesques" und in seinen Ko-
mödien - auch nicht in dem reizenden „Maitre Gringoire" —
Gedanken zu finden wären, so liegen doch schon solche in
der Plastik, mit der er seine Lebenstheorie immer und immer
verkündete; so bleibt es eine Weisheit, so gut wie eine andere,
an die absolute Herrschaft des Schönen zu glauben. Mag
man diese aus allen möglichen Gründen verwerfen und
bestreiten — nur die Existenzberechtigung sei ihr nicht ge-
nommen.
„C'est par ce sentiment profond du naturalisme pai'en
que Theodore de Banville est vraiment un aede, plus que pour
avoir remis en honneur des epithetes de la pleiade." ^) Hier-
mit ist schon ein Berührungspunkt mit seinem Lieblingsdichter
angedeutet. Er sah in ihm den „Griechen", den Huldiger
des Schönen, den Meister des Stils, von der Hand eines
Künstlers mit Sorgfalt gemeisselt. Er sah in ihm den Meister
r Wortharmonie für Aug' und Ohr. '^)
1) Marcel Fouquier, „Portraits et profils".
'•^) Man vergleiche folgende Worte Heines, die Ad. Stnlir („Zwei Monate
Paris", 1851) pag. 325 wiedergibt: „Unsere Sprache ist für das Auge mit
330 H. Heines Einfluss
Obgleich Banville schon 1842 mit den „Cariatides" vor
das Pubhkum getreten war, wurde er erst 1859 durch die
VeröffentUchung der „Ödes funambulesques", womit er der
komischen Sprache des XIX. Jahrhunderts lebendige Gestalt
gab, in w^eiteren Kreisen bekannt. Dadurch, dass er sich wenige
Jahre darauf mit seinem „Exil des dieux" — worin das Merk-
würdigste die griechische Götterbezeichnung statt der ge-
wohnten klassischen (römischen), z. B. Zeus für Jupiter,
x^thenee für Minerve etc. — an dem „Parnasse contemporain",
jenem Konstitutionskodex der Parnassiens beteiligte, trat er
offiziell in den neuen „Cenacle" ein, allerdings eher in der
Eigenschaft als Meister und hoher Gönner. — Schon Theo
Gautier hat in seiner „Histoire du romantisme" auf das Vor-
bild des eben genannten Gedichtes angespielt:
L'„Exil des dieux" de Banville peuple une vieille foret druidiquc
des dieux chasses de l'Olympe, et montre, sous son aspeet serieux, un
theme poetique que Henri Heine, avec son scepticisme attendri et sa
sensibilite moqueuse, avait traite plus legerem ent. —
Bevor wir noch des Nähern auf Banvilles Heinekultus
eingehen, wollen wir den Dichter selbst reden lassen, und
einige Seiten aus seinen Erinnerungen citieren. ^) Dies Me-
moirenkabinettstück enthält u. a. das berühmte Bekenntnis:
,, Henri Heine est, apres Victor Hugo, le plus grand poete de
ce siecle. La premiere fois qiie je lus l\^Intermezzo'-^ , le plus
heau pohne d'amour qiä ait jamais ete ecrit, il me sembla quhin
volle se dechirait devant mes yeiix . . ." etc.
Schon diese Worte sagen mehr, als die peinlichste und
kleinlichste Textuntersuchung lehren könnte.
berechnet. Sie ist plastisch, und im Reim entscheidet nicht nur der Klang,
sondern auch die Schreibart" — und weiter : „Ich bin wirklich sehr gewissen-
haft im Arbeiten gewesen ; ich habe gearbeitet, ordentlich gearbeitet an meinen
Versen."
1) „Mes Souvenirs", Paris 1883.
m
auf die Parnassieiis und ilircn Anhang. 331
Henri Heine.
Sur colui-lä je n'ai aucuns Souvenirs personnels, car je n'ai Ja-
mals eu le bonheur de le voir, et cependant il n'y a pas d'etre que
j'aie plus tendrement ainie. Quoi ! aimer un Prussien ! C'est que, pour
moi, il n'est pas du tout un Prussien; il est de la patrie d'Orphee,
et il a cliante, il chantera ä jamais, au bord des golfes pareils ä des
Saphirs, oü nagent les cygnes blancs conime la neige. Helas! j'avais
le desir le plus ardent de courir vers ce poete, dont j'entendais en
moi les vers rythmes par les battements meme de moncoeur; mais
pour cela, ne voulant pas le troubler, j'attendais qu'il tut gueri de ses
souff'rances et j'attendais aussi que je fusse gueri des miennes pour
ne pas le desoler par un triste spectacle. C'est en quoi j'avais mal
raisonne; car je suis reste malade et je le serai jusqu'ä mon dernier
jour, et, depuis longtemps deja, le poete, reveille du cauchemar de cette
nuit terrestre, triomphe sous la pourpre et, en compagnie des ehan-
teurs qui l'ont precede, boit le nectar dans une coupe de diamants
et s'enivre d'immortelles delices.
Pour moi (et je commence ä etre assez vieux pour oser dire
ce que je pense), Henri Heine est, apres Victor Hugo, le plus grand
poete de ce siede. La premiere fois que je lus l'„Intermezzo", le
plus beau poeme d'amour qui alt jamais ete ecrit, il me sembla qu'un
volle se dechirait devant mes yeux et que je voyais pour la premiere
fois une chose longtemps revee et cherchee. Quoi ! ce n'^tait pas un
impossible desir! cela se pouvait donc, un poeme exempt de toute
Convention et de toute rhetorique, oü le chanteur est si sincere que,
lorsqu'il me montre son coeur dechire et saignant, je me sens en meme
temps inonde par le sang qui coule de mon coeur ! Ce cliant, ce drame
oü il n'y a pas d'autres personnages que la rose, le lis, la colombe,
le soleil et le rossignol, c'est-ä-dire de quoi faire le plus assommant
et le plus plat des volumes de vers, est pour moi egal au Cantique
des Cantiques et superieur meme aux scenes d'amour de „Romeo et
Juliette", car l'expression de l'amour y est aussi intense et suavement
exquise que dans la tragedie shakespearienne, et, pour son eternelle
gloire, eile y est affranchie de toute historiette!
Dans r„Intermezzo", le drame, c'est les afFres, les joies, les
delices, les epouvantes, les regrets, les bravourös, les lächetes, les
voluptes cruelles, les ressouvenirs, les sanglots, les desirs de l'ineluc-
table amour, aussi divers et changeants que les flots ensoleilles, ge-
missants et capricieux de la mer. I\ peut y avoir des instants oü ma
blessure soit trop avivee et cuisante pour que je puisse m'interesser
332 H. Heines Einfluss
a la querelle des Capulets et des Montaigus; inais, au contraire, ä
quelque moment que ce soit, je me sens ivre dans ce poeme qui iie
saurait me lasser, puisqu'il n'y est question que de moi et ma propre
histoire.
Oui, qui que tu sois, tu as aiine ou tu aimes, et, en lisant !'„ Inter-
mezzo", tu retrouves, transcrit dans une langue divine, mais en meme
temps claire et precise, tout ce que tu as senti et pense, et, dans le
jardin plein de fleurs brillantes oü s'ouvre la rose rougissante et oü
retentit le cliant enflamme des rossignols, tu reconnais non pas des
marionnettes d'epopee ou de theätre, mais la bien-aimee et toi, ces
deux personnages toujours jeunes de la Comedie humaine et de la
divine Comedie . . .
Je ne puis m'empeclier de rire en voyant qu'on clierclie la for-
mule du poeme moderne, si completement et absolument trouvee dans
„Atta Troll", oü des chasseurs dandies vont tuer, dans les Pyrenees,
un ours vaillant, comme Achille, qui, une fois depouille et prepare par
le foureur, devient une descente de lit envoyee ä „mademoiselle Ju-
liette ä Paris", et oü cependant passent sous la lune, avec la chasse
infernale, la deesse Diane et la fee Habonde, et Herodiade faisant
sauter sur son plat d'or, comme une orange, la tete de Jean-Baptiste...
Cliose etrange ! le chanteur de r„Intermezzo", qui savait si bien
admirer, s'etait montre de la plus cruelle injustice envers le roi in-
conteste de l'art lyrique, et, par contre, Victor Hugo est peut-etre un
peu avare de louanges pour l'archer apoUonien, pour le spirituel et
moderne Aristophane. Mais,^) tandis que ces deux genies se regardent
*) Wenn Heine, ebenso wie sein Geistesverwandter Musset, respekt-
widrige Witze über den „Olyinpier'* riss, so wusste er aber auch dieselben
durch aufrichtiges, immerhin nicht ganz ironiefreies Lob gut zu machen. So
schreibt er im sechsten Brief „lieber die französische Bühne" (Bd. X, pag. 195):
„Ja, V. Hugo ist der grösste Dichter Frankreichs, und was viel sagen will,
er könnte sogar in Deutschland unter den Dichtern erster Klasse eine Stellung
einnehmen." Man vergleiche J. Sarrazin, „Deutsche Stimmen über Victor Hugo",
„Körtings Zeitschrift", Bd. VH, pag. 228 ff. — Dass der eitle Hugo die Spöt-
tereien des Satyrikers nie verzieh, haben wir schon erwähnt. Es wurde dies
neuerdings in einem pikanten Aufsatze des Akademikers Jules Claretie „Les
Causeries de Victor Hugo" („Revue de Paris", 1. Juli 1894) bestätigt. Hugo
rühmt sich dort, in seinem ganzen Leben keinen Liter Wein getrunken zu
haben, und fährt fort : „Ce qui n'empeche pas M. Villemain de m'avoir accuse
de folie, un autre d'alcoolisme, un autre encore de tentative de raeurtre sur
mes eufants, oui de defenestration, et Henri Heine d'avoir ecrit qu'il savait
auf (lio Parnassiens und ihren Anhang. 333
en lions de fa'ience, leurs deux Muses, derriere eux, echangent des
sourires amis et tendrement se caressent et s'embrassent.
(Pag. 439-444.)
Auch eine wohlgetroffene, köstUche kleine Momentauf-
nahme unseres Dichters in Banvilles „Camees parisiens"
(„Petites etudes", Paris 1883; pag. 244), mag hier Raum
finden :
„Avec quelque chose d'un Etre plus immortol et plus divin, que
je ne puis nommer ä propos du poete d'„Atta Troll", son visage
serein, eclatant, d'une beaute siderale, reproduisait, transforme par
la voluptueuse gräce hebraique, celui d'Apollon, mais d'un Apollon
endiable, dont toutes les pensees etaient ironie et poesie ä la fois,
et sa barbe blonde, naturellement separee en deux pointes, faisait
merveilleusement valoir une bouche toujours etincelante d'amour,
de raillerie et de joie. Oui, de joie, malgre toutes les souffrances!
Heine, ä qui un oncle Midas avait offert un million pour qu'il re-
noncat ä percer les sots de ses fleches d'or, i) comnie son aieul
Aristopliane, et qui avait refuse ce prix insuffisant, ne devait-il pas
etre gai conime le soleil? Qui fut aussi riebe que lui, puisqu'il
l'avait ete assez pour se donner, comme „gracioso" egayant ses
poenies lyriques . . . Monsieur de Rothschild! Aussi avait-il toujours
l'air du dieu des vers au nioment oü il vient d'ecorcher le satyre
Marsyas; et, ä voir son sourire, on eüt dit qu'il portait en effet sous
son bras la peau de Marsyas toute sanglante. De la l'ineifable conten-
tement qui brillait sur son front baigne de lumiere!"
Schon in den „Cariatides" (1842) hatte Banville in dem
Abschnitte, betitelt: „Caprices, Dixains a la maniere de Cle-
ment Marot", die Sage vom geschundenen Silenen in gleicher
Weise allegorisch auf unseren Dichter angewandt. Die zwölfte
Strophe lautet nämlich (pag 184) :
pertinemment, et par mon tailleur, s'il vous platt, que fefais bossu, oui
gibheux, ce qui m'a fait ecrire sous un de mes portraits :
Voici les quatre aspects de cet homme feroce :
Folie, Assassinat, Ivrognerie et Bosse,"
iO Banville verwertet hier dichterisch frei ein bekanntes, aber nicht
nst gemeintes Wort Heines.
334 H. Heines Einfluss
„Comme Phebus, apres l'avoir branclie,
Heine toujours portait la peau sanglante
D'un Marsyas qu'il avait ecorche.
Pour un amant de la rime galante,
Cette maniere est un peu violante.
O noirs pavots ! horrible floraison !
Mais le Satyre ä la comparaison
Ne peut gagner, s'il entreprend la lutte,
Et les porteurs de lyre ont eu raison
En ecorchant le yain joueur de flute."
Der Vergleich ist poetisch und richtig gedacht. Und
wenn Banville hindurchblicken lassen will, dass ihm Heine,
der Satiriker, den Heine des „Intermezzo" zuweilen verdorben
hat, so hat sich, wie wir gesehen haben, der spätere Autor
der „Ödes funambulesques" doch noch mit dem Dichter des
„Atta TrolP' versöhnt.
Noch einmal feiert er seinen Lieblingsdichter in Versen,
und zwar als Nachruf im „Figaro'' (vom 24. Februar 1856),
der damals nur zweimal wöchenthch erschien und seine
Spalten bloss litterarischen, artistischen und anderen Pikan-
terieen öffnete und von Politik und dem Ernste des Lebens —
beileibe nicht das Gleiche — nichts wissen wollte. Ban-
ville, der die Leser des Blattes an seine geistreichen und
leichtfertigen „chroniques" gewöhnt hat, glaubt sich wegen
der pietätvollen Verse, die schlecht in den Mund des Helden
Beaumarchais' passen, entschuldigen zu müssen:
„Mille pardons ! je m'oubliais, — mais je Tai tant aime,
ce eher esprit ironique et enchanteur qui nous a donne „Atta
TrolP' et r„lntermezzo" ! — Aliens, ce n'est rien, un grand
poete qui meurt seulement, voila tout: n'en parlons plus!''
In dieser bitter höhnenden Spottrede liegt mehr wahre Trauer
als in dem folgenden Nekrologsgedichte, das nicht zu seinem
Besten zählt. Wir citieren es aus dem Liedercyklus „Le sang
de la coupe", in dem es unverkürzt und unverbessert auf-
genommen ist.
auf die Parnassiens und iJiren Anhang. 335
A Henri Heine.
O poete! ä present que, dans ta chere France,
L'aniante au froid baiser t'a pris ä la soufFrance,
Et que, sur ton front pale encor endolori,
Le calme harmonieux du trepas a fleuri;
A present que tu fuis vers l'astre oü la musique
Pure t'enivrera du rythme hyperphysique,
Tu souleves la pierre inerte du tombeau,
Et, redevenu jeune, enthousiaste et beau,
Loin de ce monde empli d'epouvantes frivoles,
Libre de tous liens, mon frere, tu t'envoles
Aux rayons dont fourmille et fremit l'ether bleu,
Le visage riant comnie celui d'un dieu!
Vetu du lin sans tache, et de la pourpre insigne
Couronne, rayonnant, tu joins la voix du cygne
Au concert que faisaient, dans le desert des eieux,
Les spheres gravitant sur leurs legers essieux.
Glorieux, tu redis les cliants que, sur la terre,
N'ont fleclii que le tigre et la noire panthere.
Et tu vois accourir vers toi, ravis d'amour,
Les constellations et les lis. A l'entour,
Sous le volle meurtri d'une Aurore qui saigne,
La lumiere, en pleurant, dans ton ode se baigne ;
Dans les jardins de feu, les roses de mille ans,
Pour la boire, ont ouvert des calices brtilants.
La vigne et les raisins de l'immortelle joie,
Rougissants de desir sous la treille qui ploie,
Laissent pendre leurs fruits gonfles sur les chemins.
Et toi, vers les rameaux tendant tes belles mains,
Heureuses de cueillir les Celestes vendanges,
Tu montes dans l'azur en cliantant des louanges I
Dass Banville den Geist der Heineschen Werke auf sich
einwirken liess, dürfte nach dem vorangegangenen nicht mehr
zu bezweifeln sein. Auf dies Vorbild deuten vor allem die
„Ödes funambulesques" hin, jene phantastisch-launischen Spott-
Heder, das Bändchen, das Hugo „un Hvre exquis" nannte und
von dem Vacquerie — als getreues Echo — schrieb:
336 H. Heines Einfluss-
„Ton volume eclate de rire,
Mais le beau rayonne au travers."
E. Hennequin bemerkt : ^) „De Banville a egaye ses „Ödes
funambulesques" par d'etincelants paillons qui luttent de flam-
boiements avec les fusees d',,Atta Troll" et du „Conte d'hiver'^
Auch Gautier denkt bei diesen Satiren an Heine und
sagt („Les progres de la poesie frangaise depuis 1830," Paris
1867):
„Jamais la fantaisie ne se livra a un plus joyeux gaspillage de
richesses, et, dans ce bizarre volume, l'inspiration de Banville res-
semble ä cette mignonne princesse chinoise dont parle Henri Heine,
laquelle avait pour supreme plaisir de dechirer, avec ses ongles polis
et transparents comnie le jade, les etoffes de soie les plus precieuses,
et qui se pämait de rire en voyant ces lambeaux roses, bleus, jaunes
s'envoler par-dessus le treillage comme des papillons." -
Desgleichen zieht Ducros ^) (pag. 145) eine Parallele zwi-
schen Banvilles Oden und Heines Sonetten:
„Si on nous perniet de rapprocher ici Heine d'un poete
frangais contemporain, M. Theodore de Banville, nous appel-
lerons volontiers quelques-uns de ces sonnets (particuliere-
ment le III, IV) ^) des sonnets funambulesques. La definition
que M. de Banville donne de ses „ödes funambulesques"
convient ä merveille a ces sonnets de Heine: „L'ode funam-
bulesque (disons ici le sonnet) est un poeme . . . dans lequel
l'element bouffon est etroitement uni a l'element lyrique *) ei
oü, comme dans le genre lyrique pur, l'impression comique
ou autre, que l'ouvrier a voulu produire, est toujours obtenue
par des combinaisons de rimes, par des elTets harmoniques et
par des sonorites particulieres." — Chez M. de Banville, le
comique resulte le plus souvent du melange de termes bour-
') „Ecrivains frangais" etc. (vergl. Abschnitt II).
2) Vergl. Abschnitt IL
^) „Freskosonette".
^) Banville hat dieser Idee in seinem „Gringoire" dramatische Gestalt
gegeben.
■
auf die Parnassfens und ihren Anhang. 337
geois et meme boulevardiers avec des termes tres poetiques.
C'est de meme le cas chez Heine qui remplace seulement les
termes boulevardiers par des mots d'etudiant (burschikos)." —
Ducros hätte nur den anachronistischen Anflug seiner sehr
richtigen Parallele vermeiden sollen. ^)
Bemerkenswert ist auch , dass der Autor der „Idylles
prussiennes" '^) in Heine niemals einen Deutschen sehen wollte.
Hat er doch für diese Rache- und Spottgedichte, die mit
Derouledes Revancheliedern zu dem chauvinistischsten, aber
auch zu dem wertvollsten gehören, das die Revanche-Poesie
seit 1870 hervorbrachte, Heines eigene Worte aus der „Ger-
mania" als Motto gebraucht.
Aehnlich wie bei Heine, können wir von drei verschie-
denen, sich dennoch nicht widersprechenden Banville reden;
von Banville, dem sternträumenden Poeten, dem Humoristen
und Peuilletonisten der Boulevards, und dem Satyriker. Genau
wie Heine, verfolgt er seine Opfer, in naivem Starrsinn, mit
einem Feuerwerk von Paradoxen und beissenden Witzen; wie
jener, hält er dies für sein gutes Dichterrecht und wundert
sich, dass ihn andere, das Opfer inbegriffen, grausam und un-
gerecht finden. Wie Heine, war Banville ein Original, das
nicht wie andere Menschen sein konnte und wollte, ein oppo-
sitioneller Geist, der einem Charakter entsprang, in dem sich
eine Fülle von Gegensätzen vereinigte. In Einem aber ist
er ihm und seinem andern Meister Hugo ganz ungleich, und
zwar durch eine Eigenschaft, die ihn über und ausser die
ganze Dichterschar des Jahrhunderts stellt. Diese Eigentüm-
lichkeit besteht in seinem unverwüstlichen Optimismus. Von
allem Elend hienieden sieht er nichts. Die Welt betrachtet
^^r als ein ungeheures Feenreich und als solches besingt er
t
^) Auffallend ist es, dass Jules Lemaitre in seiner Studie über Banville
Les contemporains", F* serie) nicht von Heines Einfluss redet.
'^) In dein citierten Aufsatze von Koschwitz übersehen. Ebenso weg-
elassen ist Amedee Achards „Le r^cit d'un soldat".
Betz, Heine in Frankreich. ^^
338 H:. Heines Einfluss
sie auch. Baudelaire, der denkbar entgegengesetzteste Em-
pfindungspol, trifft das Richtige, wenn er von ihm sagt : „Le
talent de Banville represente les belies heures de la vie."
Insofern ist Banville in unserem pessimistischen Jahrhundert
ein Fremder — ein im Zeitalter des Zweifels und des Ich-
schmerzes verirrter , Heine ganz unähnlicher Renaissance-
Dichter.
CatuUe Mendes
(1843).
Wir haben diesen begabten und vielseitigen Ritter der
Feder schon als Uebersetzer Heines und Leiter der Parnassiens
kennen gelernt. Wenn wir hier von ihm sprechen, so gilt
dies nur dem Lyriker, der, besonders in seinen Jugendjahren,
einige der vollendetsten Lieder gesungen, die die moderne fran-
zösische Poesie aufzuweisen hat. Ueber die Grenzen Frank-
reichs hinaus erinnert der Name Catulle Mendes allerdings
bloss an den Autor einer Anzahl Romane, in denen sich
kunstvoll dargestellter Sadismus breit macht.
Der jugendliche Dichter Mendes, der wurzelt ganz und
voll im Heineschen Liede, und wir gehen soweit, zu be-
haupten, dass er seinem Geschick, den Ton desselben ge-
troffen zu haben, die ersten Erfolge verdankt. Der zwanzig-
jährige Poet hat sich dermassen der innersten Natur der Lyrik
Heines assimiliert, dass einige seiner Lieder uns einen Begriff
geben, was wir uns unter einer idealen Heineübersetzung
vorstellen. Diese hiermit gemeinten kleinen Lieder befinden
sich in dem ersten Bändchen seiner „Poesies completes", ^)
in den Abschnitten „Philomela'' und „Panteleia^', die zu
Beginn der sechziger Jahre erschienen waren. Von dem
darin aufgenommenen Cyklus „Serenades" — „le plus futile
0 Nouvelle Edition, Paris, Ollendorf, 1885.
auf die Parnassiens und ifiren Anhang. 339
et le plus souriant de mes petits recueils" — sagt er, zwanzig
Jahre später, selbst^) (pag. 181):
Les „Serenades", sous-intitulees „poemes ingenus", formaient un
tout petit ensemble de toutes petites pieces amoureuses. Cela voulait
ressembler aux lieder de Henri Heine et cela ressemblait aux tendres
complaintes que cliantaient sous les balcons les etudiants de Castille.
Un melange de songerie allem ande et de cranerie espagnole. Sans
. me faire aucune illusion sur le merite reel de ces courts poemes,
j'ai conserve pour eux une certaine tendresse, a cause peut-etre, que
sais-je, de quelque souvenir qui s'y rattache. L'inspiration, aux yeux
d'un poete, peut surtout valoir par l'inspiratriqe.
Von demselben Liedercyklus sprechend, beichtet er
(pag. 186): „. . . Malgre le ton pueril de ces petits poemes
qui imitaient des chansons populaires, il s'y glissait parfois
des amertumes et je ne sais quoi d'amer et de fatal." Der
Parnassien glaubt sich dieser vermeintlichen Geschmacksver-
irrung wegen in einem „Finale" betitelten Gedichte entschul-
digen zu müssen. ^)
Finale.
Je n'ai jamais commis de crime,
On ne m'a pas assassine;
Mon remords fut i magine
Et mon cceur saigne pour la rime.
Jeune, on aime a parier trepas ;
Byron, Musset, l'exemple tente.
Sais-tu de quoi l'äme est contente?
De montrer qu'elle ne l'est pas.
Le spieen a de sinistres charmes:
On a le caprice entete
D'affirmer sa virilite
Par le desespoir et les larmes.
^) „La legende du Parnasse contemporain", pag. 181.
2) Ebendaselbst, pag. 186.
340 H. Heines Einfluss
Mais ces choses-lä n'ont qu'un jour
Sourire est bon, la vie est belle.
On se lasse d'etre rebelle
A la clemence de l'amour.
L'heureux ciel d'ete qui flamboie
N'a pas honte de ses rayons;
Si nous sommes joyeux, ayons
Le courage de notre joie.
Je suis le passant ingenu,
Celui qui soupire et qui chante
Parce que l'epine est mecliante
Et que l'avril est revenu.
Je m'etais egare, sans doute,
Une ogresse me mena§ait;
Mais mon ca3ur, ce petit Poncet,
A bientöt retrouve sa route.
Vers un gite plein de douceurs
II ramena, des lieux contraires,
Tons les jeunes desirs, ses freres,
Et les illusions, ses soeurs.
C'est ä peine s'il se rappelle
Qu'il fut un instant fourvoye;
II est, dans son nid, mieux choye
Que les petits d'une hirondelle.
S'il souffrit, ce fut en revant;
Le reve a sa melancolie . . .
Mais une nouvelle folie
Guerit d'un vieux songe souvent.
Et, berce d'un souffle qui vole
De Weimar ä Valladolid,
J'ai joue les airs de mon lied
Sur une guitare espagnole!
auf die Parnassiens und ihren Anhang. 341
Die mystisch angehauchte Legende zieht ihn mächtig an.
„En effet, une force invisible ra'attire vers la legende, humaine
ou religieuse, inventee ou renovee, vers la lointaine legende . . .''
(ebendaselbst, pag. 264) „. . . C'est plein de cet amour pour
la legende que j'ai ecrit la plupart de mes poemes „Pante-
leia". . ." etc.
Hieraus erklärt sich seine Vorliebe für die mystisch gross-
artigen Schönheiten der heiligen Schrift — wieder ein merk-
würdiger Berührungspunkt mit Heine. ^)
Die Analogie mit Heinescher Poesie hat besonders
E. Hennequin herausgefühlt :
Ce sont nos poetes les plus delicats, ceux dont l'inspiration est
la plus raffinee et la plus feminine, qui accusent le mieux les ten-
dances voyageuses de notre lyre. M. Catulle Mendes, qui depuis
s'est livre dans ses vers ä un erotisme plus transcendant, ä ses debuts,
dans „Philomela", dans les „Serenades", surtout dans r„Intermede",
a niodule quelques chansons lyriques, harmonieuses, simples, d'un
erotisme souffrant, mievre ou malicieux, qui repercutent et continuent
certaines des musiques de Heine. Dans les „Serenades", la piece VIII
est assurement d'une emotion toute germanique, ainsi que la piece XI
qui debute par cette strophe:
Tes yeux mechants et captieux,
Comme le regard des chimeres,
Je veux les Yoir, bien que ces yeux
Causent des peines tres ameres. —
Le balancement du rythme et la tenuite amoureuse de l'idee
ont d'incontestables affinites de facture et de sentiment avec les plus
penetrantes pieces du „Livre des chants". Mals il n'est j^cis d'exemple
plus conduant de ces analogies que ce lied chantant de V^Intermede"" ^
tout impregne de Vironique tendresse de Heine :
^) Noch im vergangenen Jalire brachte die „Revne ilhistree" eine in
musterhafter Sprache verfasste Uebersetzung des neuen Testamentes von
C. Mondes („L'evangile de l'enfance, mis en fraiKjais par Catulle Mendes").
342
H. Heines Einfluss
Je veux, sur un rythme leger
Comme un parfum de fleurs nouvelles,
Dire les fleurs de l'oranger
Et ton sein plus parfume qu'elles.
Je veux, sur un rythme soyeux
Comme une soie oü le jour glisse,
Dire les satins precieux
Et ta peau plus fine et plus lisse.
Je veux, sur un rythme poh
Comme un lac oü le ciel se double,
Dire le lapis-lazuli
Et tes yeux purs que rien ne trouble.
Et, sur un rythme feminin
Comme la vipere onduleuse,
Dire l'aspic et son venin,
Et ta douceur, mon amoureuse.
(Pag. 291.
Es sei auch uns noch gestattet, an einigen weiteren Bei-
spielen zu zeigen, wie sehr Mendes in dieser Schaffensperiode;
die Lyrik Heines auf sich einwirken Hess. Die beiden hier]
folgenden Gedichte, die direkt an den Text eines Liedes voi
Heine anknüpfen, gehören zu dem Cyklus „Panteleia", die]
Ballade „Lied" zu dem Bändchen „Philomela" (pag. 41).
IX.
Wie schändlich Du gehandelt,
Ich hab' es dsen Menschen verhehlet.
H. Heine.
Jamals, aux passants, je ne conte
Ta honte ni mon mal amer;
Mais je suis alle sur la mer
Et j'ai dit aux poissons ta honte.
Vous triomphez encor, ma mie,
Sur terre ferme, efFrontement ;
Mais, dans tout l'abime ecumant,
On connait bien ton Infamie.
auf die Parnassiens und iliron Anhang. 343
Pag. 32:
Pag. 36:
Serenades.
I.
Wandr ich in dem Wald, des Abends,
In dem träumeiüschen Wald.
H. Heine.
Dans la foret qui cree un reve,
Je vais, le soir, dans la foret:
Ta freie image m'apparait
Et chemine avec moi, sans treve.
N'est-ce pas lä ton volle fin,
Brouillard leger dans la nuit brune?
Ou n'est-ce que le clair de lune
A travers Pombre du sapin?
Et ces larnies, sont-ce les miennes
Que j'entends couler doucement?
Ou se peut-il, reellement,
Qu'ä nies cotes, en pleurs, tu viennes?
Lied.
I.
Nez au vent, coeur plein d'aise,
Berthe eniplit, fraise ä fraise,
Dans le bois printanier,
Son frais panier.
Les deesses de marbre
La regardent, sous l'arbre,
D'un air plein de douceur,
Comme une soeur.
Et, dans de folles rixes,
Passe l'essaim des Nixes
Et des Elfes badins
Et des Ondins.
344
H. Heines Einfluss
Pag. 37:
Pag. 88:
II.
Un Elfe dit ä Berthe:
„Lä-bas, sous Tombre verte,
II est, (lans les sentiers,
De beaux fraisiers!"
Un Elfe ä la moustache
Tres fine et l'air bravache
D'un reitre ou d'un varlet,
Quand il lui platt.
— „Conduisez-moi, dit Berthe,
Lä-bas, sous l'ombre verte,
Oü sont, dans les sentiers,
Les beaux fraisiers."
in.
Leste, comme une chevre,
Berthe courait. „Ta levre
Est un fraisier charmant,"
Reprit l'amant.
„Le baiser, fraise rose,
Donne ä la bouche eclose,
Qui le laisse saisir,
Un doux plaisir."
— „S'il est ainsi, dit Berthe,
Laissons, sous l'ombre verte,
En paix, dans les sentiers,
Les beaux fraisiers!"
In dem von Hennequin erwähnten kleinen Liederbuche
„Intermede" (Paris, Ollendorf, 1885) findet sich wiederum
eine ganze Anzahl Gedichte, die durch ihre anmutige Sing-
weise, durch die charakteristische Mischung von träumerischer
Sentimentalität und kränkelnder Sinnlichkeit — Brunetiere
auf die Parnassieiis und ihren Anhang. 345
würde diese Manier „du Musset deprave" nennen — und be-
sonders durch die häufige Blunienallegorie den Titel vollauf
rechtfertigen und erklären. Als Beleg noch folgende kleine
„Chanson" :
Si ton front est comme un roseau
Qui s'efface, des qu'un oiseau
Le touche,
Mon baiser se fera moins prompt,
Pour ne pas etonner ce front
Farouche !
Si tes yeux, ces lacs lumineux,
N'aiment pas qu'un soir triste en eux
Se mire,
Pour ne pas assombrir tes yeux,
Je prendrai le masque joyeux
Du rire!
Mais si ton coeur las est pareil
Au lis qui, brulant au soleil
Ses Charmes,
Penche, de rosee altere,
Sans feindre, helas! j'y verserai
Des larmes.
„Du Heine pur,'^ wie sich der Franzose ausdrücken würde,
ind endlich noch die beiden Strophen, mit denen wir Men-
des verlassen wollen. Wir wissen nicht mehr, wo wir die
hübschen Verse, die bis zur Vision der blassen, kleinen Hand
an Heine erinnern, aufgelesen haben:
J'ai vu fleurir le sourire
D'une levre en mai ;
Je ne mourrai pas sans dire
Que je fus aime,
Qu'une odeur de clematite
Me suit en chemin,
Pour avoir touche, petite
Et pale, ta main.
i
346 H. Heines Einfluss
Francois Coppee
(1842).
Auch ein Parnassien, und, seiner dichterischen Genesis
nach, doppelt ein solcher, weil es Mendes war, der ihm die
Kunst des Reimens lehrte. Während er aber lernte, was zu
lernen war, ging er seine eigenen Wege, sagte sich los von
der blossen Sprachkünstelei und wurde des modernen Frank-
reich unübertroffener Kleinmaler und populärster Lyriker.
Natürlich ist es, dass den jungen Coppee auch die Heine-
schwärmerei seines Lehrmeisters beeinflusst hat. Und in der
That lassen sich auch bei dem Autor der „Humbles" — so
fremd sich im Grunde die beiden Musen sein mögen —
deutliche Spuren Heineschen Einflusses nachweisen. Schon
der Zug feiner Ironie, eine gewisse zarte, nicht selten an-
gekränkelte Empfindungsweise seiner ersten Lieder lassen die
Annahme gar nicht gewagt erscheinen, dass auch er bei der
Lyrik unseres Dichters in die Schule gegangen. Seine ganze
litterarische Erziehung und Umgebung weisen darauf hin.
Wäre dies nicht der Fall, so könnte mit Recht bemerkt
werden, dass es sich hier gerade so gut um deutschen Ein-
fluss handle. Heine aber war Mode- und Lieblingsdichter der
Parnassiens, und was daher bei ihnen deutschen Ursprungs
ist, darf in erster Linie als Werk Heines betrachtet werden.
Unser Gewährsmann ist auch hier wieder E. Hennequin:
Frangois Coppee, quand il n'est pas purement original, s'inspire
volontiers de la muse populaire allemande. II y a dans ses recueils
de vers, surtout dans „L'Exilee" (Lied, Echo, etc.), dans „Les Mois", de
vraies chansons musicales, simples, d'une emotion naive et naturelle,
comme eüt pu en composer un disciple de l'ecole souabe . . . il nous
seinhle que les y,Intiinites^ laissent au soucenir une emotion parente
a Celle qu'on eprouve en lisant l'y, Intermezzo^. C'est la meme analyse,
par petites pieces detachees, d'une histoire amoureuse generale et
vague comme toutes les aventures sentimentales, le meme sens de
auf die Parnassiens und iliren Anhang. 347
l'äme feminine, les memes dialogues avec les choses inanimees, et par-
fois des mecliancetes ressemblantes. Parmi les poetes conteniporains,
M. Coppee est celui qui rappelle le plus le cliarme naturel, l'inspi-
ration familiere enjouee ou melancolique de la muse allemandeJ)
Als Motto für seine Liedersammlung „L'Exilee" benützt
Coppee Heines Worte aus dem „Intermezzo^' : „De mes grands
chagrinSj je fais de petites chansons." Das hübsche „Lied'^
birgt den ganzen Zauber, den Titel und Motto versprechen.
Lied.
Rougissante et tete baissee,
Je la vois me sourire encor.
— Pour le doigt de ma fiancee
Qu'on me fasse un bei anneau d'or!
Elle part, mais bonne et fidele;
Je vais l'attendre en m'affligeant.
— Pour garder ce qui me vint d'elle,
Qu'on me fasse un coffret d'argent.
J'ai sur le coeur un poids enorme;
L'exil est trop dur et trop long.
— Pour que je me repose et dorme,
Qu'on nie fasse un cercueil de plomb.
Leon Yalade
(1841—1884).
Diesen sympathischen Poeten haben wir schon als einen
der besten Heineübersetzer kennen gelernt. Yalade zählte
zwanzig Jahre, als er sich den Parnassiens anschloss. Sein
Landsmann Mendes — beide sind aus Bordeaux gebürtig — ,
0 „Ecrivains francises", pag. 292.
348 H. Heines Einfluss
der hohe Stücke auf das poetische Talent Valades hielt, ent-
wirft ein inniges Bild des so früh hinweggerafPten Dichters,
von dem er u. a. sagt:
„Une douceur infinie, un peu triste, une apprehension de tout
exces, une tendresse qui ose ä peine dire qu'elle aime, alanguissent
delicieusement son talent discret et pur. II fait songer a une sensitive
qui serait une violette."
(„Legende du Parnasse Contemporain", pag. 197.)
Ein anderer zu Ruhm und Ehre gelangter Parnassien,
Anatole France, ^) urteilt ähnlich über Valade :
Leon Valade est un poete tout intime, tres fin, tres delicat. II
excelle ä peindre des scenes familieres et de jolis paysages. II a
de l'esprit, c'est-ä-dire qu'il a ce qui caresse, ce qui chatouille l'äme
et la fait sourire. II s'attendrit quand il faut, mais il garde, meme
en s'attendrissant, une pointe de malice.
Da Valade es aber trotzdem nicht verstanden, sich in
seiner eigenen Heimat lärmend an die Oberfläche zu drängen,
musste er natürlich dem Auslande, das keine Zeit hat, fremde
Autoren zu prüfen, sondern auf die angewiesen ist, die sich
ihm am auffallendsten anbieten, ein Unbekannter bleiben. Diese
Isolierung, zu Hause und in der Fremde, ist allein schon ein
Symptom echten Dichterwertes. Seine Lieder, die die Mode-
kritiker nicht der Mühe wert hielten, der grossen Menge an-
zupreisen, waren nur einer kleinen Gemeinde Kunstliebender
bekannt. Erst durch die Herausgabe seiner Werke ^j erfuhr
das Publikum, dass Frankreich seit kurzem wieder einen
Dichter weniger zähle, lieber sein Talent und seinen Lieb-
Hngspoeten berichtet Camille Pelletan in einer interessanten
Einleitung u. a. folgendes (pag. VII) :
^) Vergl. Grand Dictionnaire Larousse, 11" Supplement, article „Valade .
2) „Oeuvres de Leon Valade — Poesies", Lemerre, 1887 — mit einer
biographischen Skizze von Camille Pelletan.
auf die Parnassions und ihren Anhang-. 349
„C'est la delicatesse dans le sentiment et dans la forme
qui reste la marque de son talerit. On le reconnaitrait rien
qu'au choix des maitres auxquels il revenait sans cesse. Je
parle surtout de Henri Heine dont il imita mainte fois les
poemes. II excellait ä son reve allemand colore d'un esprit
tont frangais, ses profonds sanglots brusquement interrompus
par une etincelante Ironie, et ses visions des legendes ger-
maniques ä moitie traversees par un rayon de lumiere vol-
tairienne. Valade avait, comme personne, rincomparable
legerete de main, necessaire pour saisir ce je ne sais quoi
d'insaisissable, fait d'une simplicite si prodigieusement trouvee
et d'un sourire si cruellement douloureux ..."
„Les qualites qui Tont attire vers ces maitres (Burns und
Heine) sont celles de toute son oeuvre: un sentiment singu-
lierement affine dans une forme etonnamment delicate, On y
reconnait, presque partout, la melancolie profonde du reve
trompe par la realite ; mais c'est chose rare ! une melancolie
sans pose et sans galimatias, n'ayant aucun rapport avec ces
desesperances que les „decadents" riment dans une langue
assez voisine, ä ce qu'il semble, du haut allemand." (!)
Wer dem bei Lemerre (format des Elzevirs) erschienenen
hübschen in- 12 Bändchen Valades einige Stunden geschenkt
— und er wird es nicht bereut haben — wird jedes Wort
Pelletans, den letzten Satz vielleicht ausgenommen, unter-
schreiben. Valade hat das Geheimnis der natürlichen Weisen
seines Meisters gefunden — aber auch sein trübes Lächeln.
Seine Ironie dagegen hat nicht die Heinesche Schärfe, sie
ist liebenswürdiger und harmloser. Nicht nur Form und
Geist der Heineschen Lieder hat er sich angeeignet, sondern
wiederholt schmiegt sich sein Gedicht an des Dichters Name
und eigene Worte an, so in der melancholischen Freske,
betitelt :
350 H. Heines Einfluss
Bouquetiere. i)
Heine, rieur malade, annonce quelque part
Que ses freres et soeurs ont un air de famille ;
„Beaux souvent; mais au coin de la levre fretille
„Une ligne equivoque, — un tout petit lezard! . . ."
Toi qu'on fait preluder au mal, petite fille!
En vendant ces bouquets qu'on t'offrira plus tard,
Une fausse innocence eclaire ton regard;
Dans tes grands yeux malins trop de science brille.
Oui! comme tu venais de m'aborder, un soir,
Dans un pli de ta joue etroite, je crus voir
D'un precoce lezard se dessiner la queue . . .
Tu riais, et ta main, que le froid rendait bleue,
Me tendait, en tremblant, un bouquet, — que je pris.
Pourquoi donc cette ligne etrange quand tu ris ?
Bevor wir eine Anzahl dichterischer Belege für das Ge-
sagte folgen lassen, sei noch eine freie Uebertragung an-
geführt, mit der Aufschrift:
Pag. 276:
La rencontre.
(Imite de Henri Heine.)
Sous les tilleuls en fleur, Torehestre frenetique
Mele joyeusement les filles aux gar^ons. —
Certain couple, inconnu de la foule rustique,
S'en distingue, elegant de taille et de fa§ons.
Dans les balancements etranges de leur danse,
Ils croisent, en riant, un coup d'oeil singulier;
Leur tete se renverse ou s'incline en cadence,
Et la belle, tout bas, dit a son cavalier:
„A Yotre chapeau vert, mon beau sire, pendille
„Un lis, tel qu'il en croit au fond de l'Ocean . . .
„En vain vous vous cambrez comme un fils de famille :
„Vous ne descendez pas de la cote d'Adam!
^) Oeuvres, pag. 35.
auf die Parnassiens und ihren Anhang. 351
„Vous etes un Ondin qui venez, dans ce monde
„Villageois, enjoler les filles sans soupQon.
„Je vous ai reconnu vite, echappe de l'onde,
„Rien qu'ä vos fines dents d'aretes de poisson."
Et de nouveau leur danse etrange les balance,
Avec des hochenients de tete ä ehaque pas,
Des rires, des clins d'yeux echanges en silence;
Et le cavalier dit ä sa belle, tout bas:
„Votre main douce, en vain je la presse avec zele:
„J'y sens courir un froid de glaee sous la peau!
„Et d'oü vient que je vois, nia noble demoiselle,
„A cette robe blanche un ourlet trempe d'eau?
„A votre reverence, ironique et mutine,
„Je vous ai reconnue, enfant du gouffre amer.
„A coup sür, tu n'es pas fille d'Eve, l'Ondine!
„Ma petite cousine, oh! tu viens de la mer."
— Les violons fönt treve, et la danse est finie;
Retombant sur ses pieds, le beau couple pai'en
Aussitot se separe avec ceremonie:
Tous les deux, par malheur, se connaissent trop bien.
Und nun ein kärgliches Sträusschen aus einem reichen
Dichtergarten. Wir hoffen, es ist uns geglückt, diejenigen
Blüten zu pflücken, die den Duft des „Buches der Lieder"
am reinsten bewahrt haben.
II.
Le soleil etait radieux;
J'ai vu passer des amoureux,
Le rire aux dents, l'eclair aux yeux.
J'ai souhaite d'etre comme eux,
D'avoir aussi mon amoureuse,
Appas flamands, tete a la Greuze,
Fleur Sans parfuni, ou tubereuse,
Astre eclatant, ou nebuleuse.
352 H. Heines Einfluss-
Je lui dirais : „Mon eher tresor,
„Repete-moi, repete encor,
„Repete la parole d'or."
Et iious irions au bois, dans l'herbe,
Conjugant ä deux le doux verbe,
Gläner une odorante gerbe.
XII.
Ce qa'il me faut, pour etre heureux,
Ce sont des chants d'oiseaux, des roses,
Des rayons, enfin de ces choses
Qui suffisent aux amoureux.
Ce qu'il faut ä ma levre ardente,
C'est un ardent baiser d'amante,
Avec des bras entrelaces,
Auquel on ne peut dire : „Assez !"
Ce qu'il faut ä mon coeur sincere,
C'est une main d'ami qu'on serre
Et qui vous repond : „ A toujours !"
Et je sens mon äme assez saine
Pour en arracher toute haine,
Afin d'y mettre plus d'amours.
XXVII.
Elle avait, quand eile arriva,
Ce qui se perd, ce qui s'en va
Au parfum des odeurs coüteuses,
Au vent des valses capiteuses,
Sur sa joue honnete, eile avait
Ce Velours rose, ce duvet
Des peches encor sur la brauche,
Et son äme etait toute blanche.
Elle avait un petit fichu
Qui n'avait pas encore diu
Au-dessous de la gorge ronde.
auf die Parnassiens und ihron Anhang. 353
Elle etait suavement blonde;
Son oeil etait limpide et doux . . .
Elle est morte ! — La voyez-vous ?
Vision.
Les marbres massifs, tombes des frontons,
Avaient eftbndre le sol dans leurs chutes;
Le lierre et l'acanthe, autour des volutes,
Enroulaient de verts et legers festons.
Sous la voüte froide et sombre, ä tätons,
Je cherchais l'autel : quand, au son des flütes,
Un clioeur retentit, — et vous m'apparütes,
Deesse au front blanc que nous regrettons! . .
Perdant ä la fois la vue et l'oui'e,
Je mis dans mes mains ma face eblouie :
Chacun de vos yeux etait un soleil ! . . .
... Et quand je sortis du temple, au reveil,
Je revis la vierge aux yeux d'or, assise
Sur le marbre blanc et pur d'une frise . . .
I.
Je lui montrai les blondes mousses
Et tout l'essaim des choses douces
Dont Avril marche environne :
— Elle prit un air etonne.
Je lui fis voir mon coeur plein d'elle,
La priant de brüler son alle,
Hardiment, au flambeau sacre :
— Elle ouvrit un oeil effare.
Je lui parlai des belles fievres
Qui vous montent du coeur aux levres,
Au clair de lune, apres minuit:
Betz, Heine in Frankreich. ^^
354 H. Heines Einfluss
— Elle eut un bäillement d'ennui.
Voulant obtenir quelque chose,
Je lui fis voir un chapeau rose.
Songe d'une nuit de Mai.
Dans un bois plein d'oiseaux chantants,
Pres d'un lac aux flots miroitants
Et sous les astres eclatants
D'une belle nuit de printemps,
Je poursuivais la Fantaisie :
Quand je vis luire, — äme saisie ! —
Avec un parfum d'ambroisie,
L'arbre d'or de la poesie !
Sur mon front, j'en tressai des noeuds,
Et ce beau feuillage epineux
Lui fit un cercle lumineux.
Or, j'entendis rire une fee :
Et je portais, comme un trophee,
Ma tete de chardons coifFee . . .
Dans la foret.
A Pierre Elzear.
Par une chaude nuit, quand fermentent les seves,
Lorsqu'ä demeurer plein, le cffiur eclaterait.
Je veux m'en aller, seul, au fond de la foret,
Pour donner, ä la fois, l'essor ä tous mes reves.
Mainte vague chimere, au merveilleux attrait,
Dont mon esprit fievreux est obsede sans treves,
Prendra yie et couleur . . . Formes! visions braves
Dont moi seul aurai su l'ineffable secret!
Et je suivrai des yeux leurs pas folatres. L'une
Fera luire ses bras dans un rayon de lune;
De päles fleurs des eaux, l'autre ceindra son front;
a
auf die Parnassiens und ihren Anhang.
355
Et de fils de la Vierge ayant tisse leurs voiles,
Toutes s'eleveront en groupe et se perdront
Dans le ciel que blanchit la neige des etoiles.
Pag. 293:
Miniature.
I.
C'est parce qu'elle etait petite
Et charmante, fragilement,
Qu'elle m'eut encore plus vite
Pour esclave que pour amant.
C'est que j'etais si grand pour eile,
Qu'abregeant l'espace entre nous,
Mon attitude naturelle
Etait de vivre ä ses genoux.
C'est qu'amoureux de sa faiblesse,
J'aimais ä prendre dans mes mains
Ses petits pieds que marcher blesse,
N'etant pas faits pour nos chemins.
C'est qu'en mes bras serrant, sans peine,
Celle que je nommais mon bien,
J'avais plus facile et plus pleine
L'illusion qu'il etait mien . . .
— Et c'est aussi que son caprice
Mettait tant de flamme ä ses yeux,
Qu'il fallait bien que je le prisse
Ainsi qu'un ordre imperieux.
C'est qu'ä la fois enfant et femme,
Orgueilleuse sous ses deliors
Si freies! eile avait dans l'äme
L'indomptable fierte des forts.
II.
C'etait, du beut de la bottine
Jusqu'ä la pointe des cheveux,
Une nature exquise et fine,
Un Corps delicat et nerveux :
356 H. Heines Einfluss
Freie instrument, dont la paresse
S'eveillait, des qu'on y touchait,
Et vibrait, sous une caresse,
Comme un violon sous l'archet.
III.
Passagere et mignonne hotesse!
D'oü vient qu'elle semble tenir,
Du seul droit de sa petitesse,
Tant de place dans mon souvenir?
Dans l'ampleur folle des toilettes,
Lourdes ä dessein, eile avait
L'ebouriifement des fauvettes
Frileuses sous le cliaud duvet.
Le froissement doux des etofFes
Lui seyait et s'abattait sur
Ses petits pas, avec des stroplies
D'un rythme nonchalent et sür.
Elle le savait, l'ing^nuo,
Et qu'une influence des eieux
L'avait formee expres menue,
Comme tout joyau precieux.
Son elegance etait de race
Pure, comme l'or du creuset:
Et le dernier mot de la gräce,
Sa taille souple le disait.
Un instinct de molles postures
Sans fin la faisait ondoyer :
Car, dans les moindres creatures,
La vie a son plus chaud foyer.
Et son coeur aussi battait vite!
Et, dans un ardent tourbillon,
Son esprit que tout reve invite,
Noir d'un ombre, gai d'un rayon.
m
auf die Parnassiens und ihren Anhang. 357
Allait d'un vol oü nia pensee,
Ivre contagieusement,
La suivait, parfois distancee
Et fidele non sans tourment.
IV.
Reminiscences mal bannies!
0 chers prestiges regrettes,
Faits de nuances infinies,
Pleins de saveurs et d'acretes!
Douceurs etranges des voix greles,
Faiblesses au channe vainqueur,
Reseau puissant de mailles freies
Oü, pour Jamals, se prend un coeur!
Morte, absente, ou bien inüdele,
Qu'importe! rien ne peut ternir
L'exquise miniature d'elle
Que mon äme a su retenir;
Et le regret en moi tressaille,
Nul amour nouveau n'etouifant
L'ancien reve, fait ä la taille
D'une petite et blonde enfant.
L6on Dierx
(1838).
Ein Landsmann Leconte de Lisles (Ile de Reunion). CatuUe
Mendes hält ihn mit Coppee und Sully Prudhomme für den
bedeutendsten Poeten der Parnassiens.
Leon Dierx (dont Fceuvre considerable reste presque ignoree
de la foule) est veritablement un des plus purs et des plus nobles
esprits de la fin du XIX" siecle. Je ne crois pas qu'il ait Jamals
existe un honime plus intimement, plus essentiellement poete que lui ...
II vit dans la reverie eternelle de la beaute et de l'amour ..."
(„Legende des Parnassiens", pag. 246.)
358 H. Heines Einfluss
Aus vielen seiner Gedichte spricht unverkennbare Seelen-
verwandtschaft mit Heine. Man lese nur folgende Stellen aus
einer biographischen Skizze Paul Verlaines, ^) der für diesen
Vorläufer moderner Dichtkunst voll Lobes ist.
Une melancolie „sui generis", l'amour douloureux de la nature,
le „lacryma rerum", l'emotion panique que fait vibrer Ronsard dans
son „Elegie ä la foret de Grätine", le pantheisme, . . . ce sentiment
frappait le lecteur des vers, dejä si corrects et comme rythme et
comme rime et comme langue du premier recueil, „Poemes et poesies"...
Ce qui le differeneie de Leconte de Lisle, cliaste ou du moins
discret quand il parle d'amour, c'est que Dierx est un voluptueux . . .
Evidemment l'amour sensuel ne va pas cliez Dierx sans une pointe
de mysticisrae qui le releve et le redresse en quelque sorte, mais le
fond y est bien: le goüt de la femme, son bruissement, son „odor" et
toutes les consequences de l'adoration d'elle, querelies douces, parlbis
atroces quand l'orgueil s'en mele, emois parfois amers, confiantes
jalousies, faiblesses enfin si pardonnables, tout y est . . .
Dass Dierx als Genosse Banvilles, Mendes' und Valades
tiefe Blicke in die Lyrik Heines gethan hat, unterliegt keinem
Zweifel. Wir glauben aber, bei diesem Dichter eher eine
frappante Geistesharmonie mit dem Autor des „Intermezzo" an-
nehmen zu müssen, und ein allgemeines Einwirken deutscher
Dichtkunst, mit der er vertraut ist. Direkte Anklänge an
Heine sind uns in seinen Werken 2) nicht aufgefallen. Hoch
denkt Dierx von Goethe, dessen Namen wir in seinen Liedern
wiederholt begegnen; — hoch, nach seiner Fagon, beeilen
wir uns hinzuzufügen. Denn er beginnt das Gedicht „Pour
le tombeau de Theophile Gautier" („Les amants"):
„Salut ä toi, du fond de la vie ephemere,
Salut ä toi qui vis dans l'immortalite
Oü, pres de Goethe assis, tu contemples Homere!"
1) y,Les hommes d'aujourd'hui", N** 287, Librairie Vaiiier.
2) „Levres closes", 1887 — „Les amauts", 1879, Lemerre.
I
auf die Parnassiens und ihren Anhang. 359
. Claude Couturier.
Mit diesem Dichter haben wir bereits die eigenthchen
Parnassiens verlassen. Couturier und Bleniont, von denen wir
noch kurz handeln werden, sind Banvillisten einer jüngeren
Generation.
Claude Couturier hat 1889 (bei Charpentier) „Chansons
pour toi" veröffentlicht. Theodore de Banville stellt uns den
Dichter in einem schmeichelhaften „avant-propos" vor. Er
ist Schüler des Aristophanes — seine direkten Meister aber
sind Heine und der Autor der „Ödes funambulesques" selbst.
Wie dieser, versteht er es mit grosser Virtuosität zu „ronsar-
disieren". Besonders ist er jedoch von Heines Poesie und Sa-
tire durchdrungen, und zwar in einer Weise, wie wenige
französische Dichter. Banville macht den Leser von vorne-
herein darauf aufmerksam: „Je ne veux pas evoquer de
comparaison ecrasante; mais en leur crudite aristophanesque,
tels poemes de son livre, comme „Le dernier faune" et „La
blancheur de Pierrot", ne sont peut-etre pas indignes d'avoir
ete inspires par une intelligente et naive admiration de Henri
Heine."
Unser Gewährsmann ist hier noch Ginisty („Annee lit-
teraire", 1889): „L^ne note qui apparait souvent en lui avec
une gräce extreme, en disciple de Heine qu'il est par certains
cötes, c'est celle de la pitie donnee avec une apparence
d'enjouement, et l'expression fleurit, alerte et spirituelle, sur
un theme douloureux."
Am deutlichsten zeigt sich Heines Einfluss in der köst-
lichen Satire „L'ours'S die „Atta Troll" geradezu nachgedichtet
ist. Das Gedicht ist leider zu lang, um „in extenso'' hier
Platz zu finden. Es beginnt: „C'est le fils d'Atta Troll et le
fils de Mumma . . ." Inhalt: Ein junger Bär, der sich nach
den heimathchen Wäldern sehnt, flieht mit Hülfe eines „reveur'',
360 H. Heines Einfluss
der ihn loskauft, in die Wildnis, bekommt diese aber bald
satt und trottelt wieder in die Gefangenschaft, um weiter zu
tanzen, unter dem Spottgelächter von Jung und Alt :
Et tout seul, cette fois, au niilieu des badauds,
Levant sa grosse patte et cambrant son gros dos,
Retrouvant, d'uii seul coup, ses anciennes allures,
Parmi les quolibets et parmi les injures,
Honni, moque, couvert de boue et de mepris,
Vieux cabotin farouche et de rythmes epris,
Preferant aux grands mots les treteaux de la foire,
Libre de toute chaine, il dansa pour la gloire . . .
Der Tanzbär protestiert monologisierend dagegen, dass
ihn sein Führer, ein Italiener, „rebut des campagnes de Rome",
seine Kunststücke gelehrt habe, und beginnt weidlich auf den
Quälgeist loszuschimpfen :
Oh ! cet Iiomme ! son maitre, helas ! et son barnum !
Ignoble, degoütant, brutal, gorge de rhum
Ce gueux avec lequel il marche, il mange, il couche,
Sinistre mecreant, bete et sans dignite,
Larron de son honneur et de sa liberte !
Und am Schlüsse einer Tirade voll Witz und tiefen
Sinnes ruft Meister Petz indigniert aus :
„Lui, le fils du fameux Atta Troll, etre l'oeuvre
De ce bandit sinistre ä tete de couleuvre ?
Ah! Messieurs, par pitie, n'en eroyez pas un mot!
Mais il savait dejä danser etant mannet !
Henri Heine Faffirme, il faut croire un poete.
Le montreur qui l'a pris est une franche bete,
Bien digne de porter, ä son tour, le carcan.
Maitre ä danser! Mais il ignore le cancan
Et n'a sur la scottisch que des notions vagues.
Ses pieds ont le roulis des bateaux sur les vagues;
Oü les pretentions vont-elles se nicher?
Danser! Le malheureux! II ne sait pas niarcher." etc.
auf die Pariiassieiis und ihren Anhang. 361
Die amüsante Liedersammlung enthält aber auch rein
lyrische Strophen; Couturier hat gleichfalls von dem Autor
des „Intermezzo" gelernt. Er ist, wie Heine, eine Doppel-
natur ; bald haben Satire und Ironie , bald melancholische
Sentimentalität die Oberhand. Er hat dies charakteristische
Zwitterwesen seiner Empfindung selbst in Verse gebracht,
in dem an seine Mutter gerichteten Gedichte: „Les deux voix".
Mit diesen drei Strophen beschliessen wir die wenigen Notizen
über eine der für den Einfluss Heines typischen Dichtererschei-
nungen des modernen Frankreich.
Deux voix, une seule bouche!
La douleur et la gälte!
L'homme qu'un rien au eceur touche,
Puis qu'un rien a contente.
II plane, il rampe et se couche.
Tout est voir! Tout est clarte!
Deux voix, une seule bouche!
La douleur et la gaite!
Maintenant l'oeil enchante,
Et, tout ä l'heure, l'oeil louche;
Instable comme une mouche,
II sanglote ayant chante:
La douleur et la gaite!
Deux voix, une seule bouche!
Diese Verse bilden einen treffenden Denkspruch für diese
ganze erfreuliche Dichterarbeit und nicht weniger ein passendes
Motto — für Heines sämtliche Werke.
362 H. Heines Einfiuss.
Emile BlemontO
(1839).
Ein anderer Schützling Banvilles, bei dem die französische
Kritik auf Heine hinweist. In seiner Liedersammlung „Por-
traits Sans modeles" (Lemerre, 1879) mischt sich formvollendete
Malerei modernen Lebens in Heinescher Weise, ein prickelnd
geistreiches Spiel der Phantasie. Sein Meister Banville sagt
von ihm (Lemerre, „Anthologie^', Band IV, pag. 370): „Ra-
pidite et variete de l'image, harmonies bien ponderees, eclat
et originalite de la rime, telles sont les qualites qui donnent
aux vers de M. Emile Blemont cette etrangete sans laquelle
la beaute ne serait rien pour nous. II a l'art de dire la chose
ä laquelle on ne s'attend pas . . .'' etc.
^) Blemont unter die „Symbolistes" zu zählen, weil er in der Nummer
vom 15. Januar 1894 der „Revue illustree" ein „Alphabet symbolique" ver-
öffentlicht hat, liiesse einen poetischen Scherz ernst nehmen.
j^l
Vereinzelte Heine-Verehrer und -Schüler. 363
Sechstes Kapitel
Vereinzelte Heine-Verehrer und -Schüler
Nicht unter die Parnassiens, ebenso wenig aber unter die
Decadents einzureihen sind einige Dichter, die noch kurz zur
Sprache kommen sollen.
Henri Cazalis
(1840).
Ein Poet von Rasse, daneben Doktor der Rechte und
der Medizin. Ob er ein besserer Jurist ist, als Heine es war,
wissen wir nicht. Paul Bourget ist es u. a., der in den Lie-
dern dieses gelehrten Dichters Anklänge an Heine gefunden.
„Un goüt souverain de l'art, un amour ä la fois religieux
et melancolique de la beaute, une sorte de mysticisme nihi-
liste, de desenchantement enthousiaste et comme un vertigo
de mystere, donnent ä sa poesie un charme composite, inquie-
tant et penetrant, comme celui des tableaux de Burne Fönes
et de la musique tzigane, des romans de Tolstoi' et des lieds
de Heine. ^^ ')
Den Grundton seiner Lieder bilden Traurigkeit, Entsagung,
stark mit Mysticismus untermengt. Als sein bestes Werk
*) „Anthologie des poetes fran^ais du XIX^ siecle", Lemerre — Bd. II,
pag. 423.
364 H. Heines Einfluss.
werden die „Illusions" ') angesehen. Wir entnehmen folgendes
Gedicht dieses pantheistischen und düstern Träumers, dessen
mystisch kränkelnde Lyrik Bourget und uns rechtfertigen
mag, Cazalis mit Heine in Verbindung gesetzt zu haben.
La nuit se deroulait splendide et pacifique;
Nous ecoutions chanter les astres et la mer,
Et nos Coeurs eperdus tremblaient dans la nmsique:
Les harpes de David semblaient flotter dans l'air.
La lune montait pale, et je faisais un reve:
Je revais qu'elle aussi chantait pour m'apaiser,
Et que les flots aimants ne venaient sur la greve
Que pour mourir sur tes pieds purs et les baiser;
Que nous etions tous deux seuls, en ce vaste monde;
Que j'etais autrefois sombre, errant, egare,
Mais que des harpes d'or, en cette nuit profonde,
M'avaient fait sangloter d'aniour, et delivre;
Et que tout devenait pacifique et splendide,
Tandis que je pleurais, le front sur tes genoux,
Et qu'ainsi que mon coeur, le ciel n'etait plus vide,
Mais que Farne d'un Dieu se repandait sur nous !
Felix Kaquet
ist der Autor eines Liederbuches, „Haute ecole" betitelt (1886,
Charpentier), in dem viel düster-realistische Philosophie, herber
Sarkasmus und Byron-Heinescher Weltschmerz in kraftvoll
schönen Versen un(^ergebracht ist. Den ersten Teil nennt
dieser Geistesverwandte Heines „Livre juif". Als Motto schickt
er einige Zeilen aus „Atta Troll" voraus. Inspiriert ist er
1) Lemerre, 1875.
I
Vereinzelte Heine-Verehrer und -Schüler. 365
aber anscheinend von der Bibel — und den „Hebräischen
Melodieen". Manch hübsche und originell kernige Ballade
zeigt deutsche Schulung.
Jules Breton
(1827).
Dieser als einer der bedeutendsten Landschaftsmaler der
Neuzeit bekannte Künstler ist zugleich ein achtenswerter
Dichter. In den „Confidences de Salon" ^) der „Revue illus-
tree'* vom 15. März 1893 ist auch Jules Breton um seine
verschiedenen Liebhabereien befragt. Die Rubrik „Mes auteurs
favoris en prose" füllt er mit dem einzigen Namen Henri
Heine aus. Obgleich es nun in einer Zeit, wo der Dichter
seine Buchstaben bemalt und der Kritiker seine Argumente
in der Naturgeschichte oder in der Psychiatrie holt, erst recht
nichts Absonderliches ist, dass ein Maler Palette und Pinsel
weglegt, um zu dichten, so darf die Thatsache doch unsere
Aufmerksamkeit erregen, dass der Maler-Dichter, der die Lieder
„Les champs et la mer" gesungen, Heine als seinen Lieblings-
prosaschriftsteller erklärt. (Es ist natürlich hier nur an die
Prosa Nervals, Taillandiers etc. zu denken.)
1) Bei diesen litterarischen, ästhetischen und moralischen Generalbeichten
begegnet uns der Name Heines wiederholt. Besonders beachtenswert ist dabei
die Zusammenstellung der Namen. So füllt z. B. der Moderne Grosdaude
die Rubrik „Mes po^tes favoris" folgendermassen aus: „Baudelaire, Müsset,
Heine, Verlaine."" In einem andern Interview finden wir als Lieblings-
prosaschriftsteller friedlich neben einander gestellt: „Flaubert, Heine, Bossuet,
La RocTiefoucauld und — Octave Miräbean.'* Heine zwischen Flaubert und
Bossuet ! Es zeugt dies von einem ziemlich komplizierten Geschmack. Sehr
bezeichnend sind auch die „Confidences" des geistreichen Akademikers und
Administrateurs der „Comedie fran(jaise" Jules Claretie. Die Dichter seiner
Wahl sind nämlich : Victor Hugo, Musset und Henri Heine.
366 H. Heines Einfluss
Siebentes Kapitel
Ueber Heines Einfluss auf die Gebrüder
de Goncourt (Impressionnistes)
und Paul Bourget (Psychologues)
Die beiden Goncourt.
Obgleich wir hiermit von der Poesie zur Prosa übergeheiij
von der Lyrik zu dem Schriftstellerpaar, das geAvöhnlich
zwischen Flaubert und Zola genannt wird, so lässt sich gleich-
wohl die Kluft leicht überbrücken, denn es haben — so
paradox es auch klingen mag — die Parnassiens und die
Gebrüder Goncourt das gleiche Ideal, dieselbe Tendenz und
enthusiastische uneigennützige Liebe für ihre Kunst und die
gleiche Parole: „L'art pour l'art." Die letztere ist bei den
Goncourt nur noch radikaler zu verstehen; etwa wie: „Die
Kunst allein für die Künstler." — Und im innersten Herzens-
grunde Heines lebte ein ähnlicher Gedanke.
Der ältere, noch lebende Bruder, Edmond, ist 1822 in
Nancy geboren; der jüngere, Jules, in Paris, 1830, wo er
schon 1870 starb.
Die Geistes-, Geschmacks- und Herzenseinheit dieses son-
derbaren Brüderpaares ist allbekannt. „Ames si etroitement
melees et tressees ensemble — sagt Banville — que, pour ainsi
dire, on entendait se meler leurs Souffles." Der Kunstkultus
ist ihnen beiden gemeinsam, für beide erster und letzter
I
auf die Gebrüder de Goncourt und Paul Bourget. 367
Lebenszweck. Von diesem geht für sie Freud und Leid aus,
und daher können wir diesen merkwürdigen Litteraten unsere
Sympathie und unsere Bewunderung nicht versagen. Von
ihrer hohen Bedeutung für Roman und Theater nicht nur
Frankreichs, sondern der ganzen modernen Litteratur, haben
wir hier nicht zu sprechen. Die morahsierende Kritik ist mit
ihnen strenge zu Gerichte gegangen, besonders seit dem Er-
scheinen des „Journal des Goncourt^', jener siebenbändigen
geistvollen Indiskretion, die uns — trotz manchem Ueber-
flüssigen und Nebensächhchen — ein so originelles, scharfes und
fein empfundenes Bild ihrer Zeit entwirft, dass alle moderne
Gelehrsamkeit das kommende Jahrhundert nicht hindern wird,
in den Memoiren der Goncourt die Physiognomie, den ur-
eigenen Charakter der französischen Gesellschaft in der zweiten
Hälfte des XIX. Jahrhunderts zu finden.
Es sei uns gestattet, hier eines andern, ganz kleinen Ver-
dienstes derselben zu gedenken, das sonst doch in keiner
Litteraturgeschichte Erwähnung finden würde. Durch ihre
zahlreichen Anspielungen auf Heine, in ihren Memoiren so-
wohl als auch allenthalben in ihren Werken, kurz bei dem
Heinekultus der Goncourt keimte zuerst die Idee in uns, die
hier zum Buche geworden. Auf sie wälzen wir Schuld oder
Dank, je nachdem es schlecht oder gut ausgefallen.
Ihre poesievollen Neckereien, ihr Witz „tout en idees^',
ihr beissender Spott, ihre souveräne Verachtung der modernen
Gesellschaft, — wir können alle diese und noch andere Züge
direkt aus dem Autor der „Reisebilder'^, und zwar nach
eigenen Geständnissen, herleiten. Ihre Originalität kann eine
geschickte Mischung des Geistes Rivarols und Heines genannt
werden. Gewisse Seiten aus „Ch. Demailly" (1860), „Manette
Salomon'' (1867), jenes Kabinettstück in „Idees et sensations^'
(1866), „Les funerailles de Watteau" fesseln durch dieselben
Reize geistvoller und witziger Phantastik, wie z. B. „Die
florentinischen Nächte^^
368 H- Heines Einfluss
Leur instinct les pousse vers l'idealisme, vers la fantaisie lyrique
comme l'avait comprise Henri Heine. y,Saint Henri Heine!"' diront-ils
dans leur admiration. Ils debutent par des etudes sur un siecle
spirituel et leger, dont ils recherchent avec amour les cotes mondains
les plus frivoles. En 1856, ils rapportent d'un voyage d'Italie un vo-
lume dans le genre des „Reisebilder", mais tellement echevele qu'ils le
brülent sans oser en rien publier qu'un court fragment dans „L'Artiste".
Un peu apres, ils raillent le realisme dans „Charles Demailly" et ils
l'attaquent dans un autre ouvrage comme une abdication estlietique
des qu'il s'etale „tout vert, tout cru, tout brut". Ils defendent l'art
pour l'art, la moralite du beau ; ils parsement leurs ecrits d'etincelants
morceaux de prose, et, en ces dernieres annees, alors que M. Edmond
de Goncourt est embrigade pourtant dans un cenacle qui ne se re-
commande pas de l'auteur de r„Tntermezzo", on le voit parfois revenir
ä ses premieres inspirations et creer, dans le personnage de la Tomp-
kins, un pendant au Fortunio de Theophile Gautier. ')
Auch bei den Goncourt hat die Kritik Hennequins
Heines Spuren entdeckt. „M. de Goncourt est comme un con-
fluent de deux esthetiques. l\ a garde beaucoup de sa fre-
quentation de Tancienne France, de la France de Diderot et de
M""" de Lespinasse. Mais 11 a ete conquis aussi par le ronian-
tisme septentrional qui nous a envahis, par Poe, de Quincy,
Heine, par ce que Balzac a innove. De cet amalgame est fait
le charme et le heurt de son oeuvre, ce par quoi eile nous
seduit et nous terrifie . . .
On se targait surtout, au „ Paris 'V) d'avoir de la fantaisie,
et visiblement H. Heine etait im peu le genie du lieii. Les
Goncourt aussi suhirent cette admiration. „Une nuit de
Venise" ^) est bien une fantaisie a la maniere des „Reise-
bilder" et le „Ratelier" aussi," etc. — („Quelques ecrivains"
etc., pag. 172.)
1) Maurice Spronck, „Les artlstes litteraires", Paris 1889, pag. 146 ff.
2) Litterf«r-artistische Tageszeitung mit Zeichnungen von Gavarni und
Beiträgen von den Goncourt, Scholl, Banville etc.; erschien in den fünfziger
Jahren.
3) In den „Pages retrouvees".
J
auf die Gebrüder de Goncourt und Paul Bourget. 369
Von den beiden Brüdern war es besonders der jüngere —
der ganz aus Nerven bestand, die ihn auch ins frühe Grab
brachten — , auf den Heine einwirkte, und zwar in dem Masse,
dass sein Einfluss souverän und einzig in ihm herrschte. An
Jules de Goncourt haben wir das typischste Beispiel von dem,
was man in Deutschland unter Heines verderblichem Einflüsse
versteht. Er hat — es geht dies unzweideutig aus seinen
Briefen hervor („Lettres de Jules de Goncourt^', Paris 1885) —
die Eigentümhchkeiten der Heineschen Prosa, ihren raschen
Stil, ihr leicht berührendes, aber scharf ätzendes Wortfeuer-
werk, die feine Ironie mit dem kühnen Hintergedanken, ihr
unerwartetes Ueberspringen von Ernst zu Scherz — „de la
grandeur melancolique d'un Pascal au poetique caprice d'un
Heine" — ja bis zu ihrer beredten und willkürlichen Inter-
punktion mit Gedankenstrichen etc. — Jules hat diese von
Heine geschaffene Prosa geradezu studiert und dann kopiert.^)
Seinen Freund Aurelien Scholl — auch einer, der bei
dem „esprit" Heines in die Schule gegangen — bittet Jules de
Goncourt mit folgender Schmeichelei um einen Brief („Lettres'',
pag. 64): „Ecrivez-nous s'il fait soleil en vous et s'il pleut
dans votre gentil coeur! — Du Henri Heine, s'il vous platt !^^
Die Nachricht von Heines Tod erfüllt den selbst zum
baldigen Tod Verurteilten mit bitterem Schmerz. Aus Rom
schreibt er — nicht sehr schmeichelhaft für Alexandre Dumas,
Mignet und die iVndern — : „Heine est mort, mieux eüt valu
dans la fosse tout le cortege. Je n'apergois que des näins pour
tendre l'arc d'Ulysse." Und an Scholl, wenige Tage nach
dem Hinscheide Heines: „Ah! ils nous logent lä-bas, cöte ä
cöte, ä Bicetre ! Bravo, c'est une academie comme une autre,
^) Auf dieses interessante und so gut wie unbeachtet gebliebene Problem
der vergleichenden Litteraturgeschichte können wir nicht näher eingehen —
hoffen aber bald Gelegenheit zu haben, in einer Einzelstudie auf den Einfluss
Heines, wie er sich so merkwürdig in den Goncourt zu erkennen gibt, zurück-
zukommen.
Betz, Heine in Franki'eich. 24
370 H. Heines Einfluss
n'aiirions-nous de compagnons qu'Hoffmann et Henri Heine. —
Une bien grande mort que la mort d'Henri Heine. — Nous
ne serions pas en trop mauvaise compagnie. Que voiis en
semble?" (Aus Rom, 28. Februar 1856.)
Paul BourgetO
(1852).
Wir hätten Bourget den Dichter — denn der erfolgreiche
Meister des modernen psychologischen, Empfindung secierenden
Romans kommt hier weniger in Betracht — unter die Par-
nassiens einreihen können, ohne seinem Talente und der Fär-
bung desselben Gewalt anzuthun. In seiner Jugend bildete
er mit Maurice Bouchor und Richepin das stadtbekannte
unzertrennliche Dichterkleeblatt. Er war damals noch nicht
der kosmopolitisch denkende und schreibende Romanschrift-
steller, was ihm den Beinamen „le juif errant des idees'' ein-
getragen hat. Die ersten Meister, bei denen der zwanzig-
jährige Bourget seinen Geist bildete und Trost suchte — denn
seine Jugend war keine glückliche, wenn wir ihm selbst
glauben dürfen : „Oh 1 non, je n'en voudrais pas revivre un
jour, pas un seul^' — waren Stendhal, Balzac und besonders
aber Heine. Wie dieser, begann der junge Poet in kleine
Lieder die grossen und wohl auch kleinen Leiden mit bitter
sarkastischem Lächeln hineinzulegen. „Entre temps, la ving-
tieme annee etait la avec ses habituelles esperances a la
fois bienfaisantes et decourageantes — comme toutes les
choses d'ici-bas. Naturellement, M. Bourget imita le maitre
qu'il aimait dans la traduction de ses pensees. De la ce pre-
mier volume de vers d'amour : „Au bord de la mer'', tout en
courtes pieces musicales, compHquees, delicates et dejä si tristes.
^) Inzwischen einer der vierzig Unsterblichen geworden.
auf die Gebrüder de Goncourt und Paul Bourget. 371
On dirait du „H^ii^^"; on pretend quo la „Petite couleuvre
bleue" en est.'' ^)
Auch E. Hennequin^) weist vorübergehend auf den deut-
schen Einfluss hin. „P. Bourget parait avoir obei aux meines
tendances dans son premier recueil de vers. Depuis, ce poete
s'est rallie ä Shelley, aux lakistes, ä Baudelaire ; mais dans la
„Vie inquiete'' les chansons allemandes ne manquent pas, et il
est une piece, la ,, Couleuvre bleue", fantastique et musicale,
qui pourrait etre inseree sans disparate dans une anthologie
allemande." („Ecrivains" etc., pag. 293.)
Aus der Reihe der zahlreichen Gedichte, die deutlich den
Stempel Heinescher Inspiration tragen, und typisch wegen
der eigentümlichen Mischung von ironischer Melancholie mit
elegant kokettierendem Pessimismus sind, wählen wir bloss
zwei — das eine davon die bereits citierte „Couleuvre bleue" — ,
die nicht nur dem Modell am nächsten kommen, sondern auch
mit zu den hübschesten der ganzen Liedersammlung gerechnet
werden. („Oeuvres de Paul Bourget — Poesies" [1872 — 1876]
— „Au bord de la mer" — „La vie inquiete" — „Petits
poemes" — Paris, Lemerre, 1885.)
La petite couleuvre bleue.
I.
La petite couleuvre bleue
Du desir irie sifflait tout bas :
„0 poete, encor une lieue,
Marche vite et ne tremble pas."
— „0 petite couleuvre bleue,
' Que tes sifflements m'ont fait mal.
J'ai chemine plus d'une lieue
Sans rencontrer mon ideal.
^^ft ^) E. Tissot, „Les evolutions de la critique fran(jaise".
^^» ^) Es freut uns, den in unserer Arbeit oft citierten Kritiker von W. Wetz
so verständnisvoll und eingehend behandelt zu sehen. (Vergl. „Kritischer
Jahresbericht über die Fortschritte der romanischen Philologie", IL Heft, 1894,
pag. 163 — 169.)
372
H. Heines Einfluss
Mon ideal est une vierge
Qui jamais ne me sourira."
— „Ya, frappe ä la prochaine auberge,
Qui sait quelle main l'ouvrira?"
II.
Une vieille, avec politesse,
Ouvre la porte, doucement:
„Avez-vous vu, dame l'hotesse,
Une enfant au rire charmant?
Elle porte, la jeune vierge,
Des perles noires au collier."
— „Elle a dine lä, dans l'auberge,
Avec un jeune cavalier."
— „Merci, madame."
— „Voici riieure
Oü l'ombre tombe, entrez chez nous."
— „Merci, l'hotesse ; que je meure,
Si je dors une heure chez vous!"
III.
„Petita couleuvre menteuse,
Pourquoi m'as-tu charme le coeur?
Oh! dis-moi, n'es-tu pas honteuse
De me siffler ton air moqueur?
Voici que, seul et sans lumiere,
Je reconnais le vieux chemin
Qui conduisait au cimetiere."
— „Marche encor et crois ä demain;
Peut-etre que, parmi ces marbres,
Erre ton amie.
— On entend
Gemir le vent parmi les arbres :
C'est son soupir, eile t'attend."
auf die Gebrüder de Goneourt und Paul Bourget. 373
IV.
„0 p«tite couleuvre fausse,
Je suis las et la nuit pälit,
Voici l'aube."
— „Entre dans la fosse,
Pour sommeiller, c'est un bon lit;
Tu reveras de cette amie
Que tu poursuivis si longtemps."
— „La terre a mon ame endormie
Est bien lourde, que faire?"
— „Attends!"
Pensees d'automne.
I.
Ce monde meilleur et tout autre,
Le Paradis, je n'eii veux pas.
Tout mon souvenir tient au notre,
Toute ma vie est ici-bas.
La belle enfant que j'ai choisie,
Ses cheveux, sa bouche et ses yeux,
Sa jeunesse et sa poesie,
Je ne les aurai pas aux cieux ;
Si la chair n'est pas Immortelle,
Si les formes doivent perir,
Je ne reconnaitrai plus celle
Qui m'a fait aimer et souffrir.
IL
Par les sentiers boueux d'automne,
Je marche, les cheveux au vent ;
Plus d'un passant muet s'etonne
Et me considere en revant.
Au milieu des feuilles jaunies,
Les lueurs des soleils couchants
Ont des tristesses infinies,
Dans le grand silence des cliamps.
374 H. Heines Einfluss
III.
L'automne! Fautoiiine! — Les liaies
Et les arbres sont defeuilles,
A peine quelques rouges baies
Tremblent aux buissons depouilles.
L'automne! Fautomne! — Les routes
Soni desertes, sous Fair glace,
Et les feuilles s'amassent toutes
Dans les profondeurs du fosse.
L'automne! Fautomne! — La vie
Fletrit chaque jour, sous nos yeux,
Toute la beaute qui convie
Le coeur ä la fete des cieux.
Ce pauvre coeur en vain reclame
L'eternite pour ses amours.
— Nous n'avons pas meme assez d'äme
Pour aimer et soufFrir toujours.
Beide Gedichte gehören dem Cyklus „Au bord de la mer'^
(1872 — 1873) an, dem ßourget ein längeres Citat aus dem
„Intermezzo" vorausschickt, wie auch der Liedersammlung
„Vie interieure".
Doch auch in seinen späteren Prosaschriften kritischen
und ästhetischen Inhalts zeigt es sich, wie sehr ihn Heine
stets beschäftigt. Er gehört mit Banville zu denen, die in
dem Dichter des „Buch der Lieder" einen der grössten Poeten
aller Zeiten und den unübertroffenen Sänger der Liebe ver-
ehren. In der Einleitung zu der Studie über Chateaubriand
(„Etudes et portraits", 1889) heisst es am Schlüsse: „Un poete
qui s'y connaissait en douleurs, cet Henri Heine dont l'„Inter-
mezzo" reste le plus ardent livre d'amour de notre epoque,
disait dans ses derniers jours : Je n'ai jamais aime que des
statues et que des mortes." Und gleich darauf beginnt er das
erste Kapitel mit den Worten (pag. 62) : „Elles ont ete les
auf die Gebrüder de Goncourt und Paul Bourget. 375
plus heureuses inspirations de son genie, ces dispariies aux-
quelles Henri Heine pensait si follement, puisqu'elles lui ont
fait ecrire les pages du „Tambour Le Grand" et les „Remi-
niscences du Livre de Lazare". C'est qu'en toute chose, poesie
ou histoire, la Sympathie est la grande methode." — Noch
eine letzte Stelle : In seiner dialogisch gehaltenen ästhetischen
Studie „Science et poesie" (ebendaselbst) spricht Pierre V. . .
die Ansicht aus, dass jedes wirklich grosse poetische Werk
als Vorbedingung Isoliertheit vom allgemeinen Milieu verlange.
Byron und Chateaubriand waren hn Kampfe mit ihrer Um-
gebung, Edgar Poes träumerisches Dichten entstand mitten
im materialistischen Jagen der amerikanischen Industrie, und,
fährt er fort : „Je me suis souvent represente le poete comme
un Gyges et qui ne pourrait entendre ce que Ton dit de lui,
et, si vous voulez etudier la psychologie des tout ä fait grands,
de ceux qui, comme Shakespeare, comme Shelley, comme
Keates, comme Heine, ont recule les bornes du c(Eur et du
songe, vous trouverez qu'ils ont eu au doigt, meme dans la
gloire, la bague qui rend invisible, et autour de leur personne
le nuage qui rend isole." (Pag. 218.)
376 H. Heines Einfluss
Achtes Kapitel
Ueber die zeitgenössischen Strömungen
der französischen Poesie und deren Zusammenhang
mit Heines Dichtung
„S'il rcnaissait deiuain, rauteur des „Reisc-
bilder" verrait qu(^ ses oeuvres ont un rayon
ä part dans toutes les bibliotheques."
Phil. Audebrand
(„Petits memoires du XIXe sieclc").
„Et nous, jeunes g-ens de cette seconde
inoitie de ce siecle, ä qui Heine a, pour ainsi
dire, enseigne l'amour lärme i^ar lärme et baiser
par baiser, nous y avons gagne le „Heimkehr"
et r„Intermezzo", — c'est-ä-dire deux cantiques
de tendresses tels que Jamals poete n'en avait
chuchote si pres de Tarne humaine."
Marcel Prevost.
Frankreich, das in diesem Jahrhundert ungefähr ein
Dutzend Mal die Regierungsform gewechselt und circa eben-
soviel philosophische Systeme verbraucht hat, blieb in der
Reichhaltigkeit seiner Dichterschulen und -Gruppen, wie be-
kannt, nicht zurück. Wie jene, waren auch diese meist von
kurzer Dauer und die Gründer überlebten hier und dort nicht
selten ihr Werk.
So bunt, wie seit einigen zehn Jahren, hat es im fran-
zösischen Dichter walde nie zuvor ausgesehen. „Decadents,
Symbolistes, Mystiques, Impressionnistes, Quintessents, Deli-
quescents" etc. etc., jede mit einem Häuflein Anhänger und
einer kleinen ,,Revue" als Tummelplatz verkannter Genies —
M
und die zeitgenössischen Strömungen. 377
wetteifern untereinander im Suchen nach einem neuen Dichter-
ideal. ^) Alle diese Gruppen auseinanderzuhalten und zu
definieren, ist schon deswegen unraöghch, weil die Dichter
und Dichterlinge, die man einzuteilen hätte, selbst gegen alle
Klassifizierung protestieren. Verlaine will nicht „Decadent",
Maeterlink nicht „Symboliste" undHuysmans nicht „Impression-
niste" genannt sein. Eigentlich gibt es — will man nach den
zahllosen Programmen und Manifesten urteilen — ebensoviel
Schulen wie Dichter. ^) Ferner ist an eine übersichtliche
Einteilung schon nicht zu denken, weil eine ganze Reihe der
„Modernes" zwischen den beiden Hauptrichtungen — den
Decadents und Symbolistes — schwankt und bald der einen,
bald der andern folgt, was um so merkwürdiger ist, da doch
Decadence (= Baudelairisme) und Symbolisme Gegensätze
sind, insofern als die erstere den Begriff und die Form der
Poesie auf ein kleines menschliches „Ich" reduziert und der
letztere die Unendlichkeit im All der Phantasie („le tout")
bedeutet.
In That und Wahrheit — zu diesem Schlüsse muss der
Litterarhistoriker unfehlbar gelangen — gibt es seit den Tagen
der französischen Romantik überhaupt keine charakteristische,
kompakte Schule mehr, sondern bloss Dichtergruppen. ^) Denn
es fehlt der Feind, das mit vereinten Kräften zu bekämpfende
Objekt; es fehlt das gemeinsame Streben nach gemeinsamen
^) Los promoteurs de hi souscription (pour un monument en l'honueur
de Charles Baudelaire) etaient, pour la plupart, des decadents et des sym-
bolistes. Je leur demaude pardon, si je les designe mal. Les ecoles et les
cenacles changent maintenant de nom tous les huit jours ; il n'y a pas moyen
de s'y reconnaitre. — (Fr. Coppee, „Mon franc parier", 1894, pag. 180.)
-) ,,Sie sind keine Schule, sie folgen keinem gemeinsamen Gesetz. Man
kann nicht einmal sagen, dass sie eine Gruppe sind; sie schliessen sich nicht
zusammen und vertragen sich nicht; jeder hat seine eigene Weise, von welcher
der Andere nichts wissen will." (Hermann Bahr, „Studien zur Kritik der
Moderne", 1894, pag. 20.)
^) Eine kurze Spanne Zeit allerdings besass der Naturalismus eine ein-
heitliche Idee.
378 H. Heines Einfluss
Zielen, d. h. das fruchtbar fördernde Motiv. — Die Kampfes-
lust gegen den Klassicismus — bei allen Romantikern mehr
oder weniger ausgeprägt — machte ihre Litteratur stark,
kernig und reich. — Jetzt fühlt jeder Poet das Bedürfnis, auf
altem Felde neue Saat zu streuen; sein Ehrgeiz träumt von
neuen Bahnen, die zum verheissenen Lande eines neuen Kunst-
ideals führen sollen — unter seiner Führung natürlich. Daher
die Buntscheckigkeit des modernen Parnass, und — um ja das
Wort des Rabbi Ben Akiba Lügen zu strafen — jene Sucht nach
Niedagewesenem, Unerhörtem, wobei die bizarrsten Resultate
zum Vorschein kommen. Mit absichtlichem Bewusstsein wählen
sich die Manifestanten irgend einen Meister vergangener Zeiten
als Schutzpatron, sei es, angezogen von deren Vorzügen, — oder
von ihren Fehlern. Das letztere häufiger, weil diese leichter
nachzuahmen sind. — Da wir also keine drei moderne Dichter
unter einen Hut bringen können, suchen wir uns in diesem
Durcheinander damit zu helfen, dass wir die allgemeine lit-
terarische Bewegung im heutigen Prankreich als „Decadence"
bezeichnen, indem uns dabei die analogen Perioden im alten
Griechenland und Rom als Vorbild dienen, da sich Ueber-
feinerung des Geschmackes, ruhe- und rastloses Tasten nach
Neuem, mit geistigem und physischem Verfall verbanden.
Doch soll hiermit nicht etwa der Verfall der romanischen
Rasse gemeint sein, an den wir nicht glauben, sondern ein
allgemeines Zeitsymptom, das nur von irgend einer Seite der
Reaktion harrt. Gleiche Ursachen haben nicht immer die-
selben Folgen.
Charles Morice, der Kritiker der Modernen, ist natürlich
anderer Meinung. Nachdem er („La litterature de tout ä
l'heure") mit viel Sorgfalt und Geschick die Wurzeln seiner
Schule aus dem reichen Boden der Parnassiens, Romantiker
und des klassischen Zeitalters herausgegraben, protestiert er
nicht ohne Logik gegen den Namen „decadence": „On a dit
Decadence et Symbolisme: je ne reconnais d'incontestable
und die zeitgenössischen Strömungen. 379
decadence litteraire que dans les roraans ä la mode; je ne
connais point de litterature qui ne soit symbolique. Rieii
n'est aussi parfaitement inutile que ces etiquettes." (Pag. 295.)
Er behauptet, dass die Decadents durch ihre Bemühungen,
den alten Schatz der Sprache zu heben, ganz im Gegenteil
gegen die Decadence der Sprache arbeiten. Noch radikaler
drückt sich ein anderer Kritiker dieser Färbung aus. Nach
ihm beginnt die Decadence — der Name rührt, nebenbei
gesagt, von Champsaur her, einem geistreichen Boulevard-
chronisten ä la Aurelien Scholl — im XVII. Jahrhundert und
dauert bis Chateaubriand. „Les vrais decadents sont les
classiques, au parier si pauvre, denue de toute puissance
sensitive, de couleur, de joaillerie, de psychologie et de pre-
cision. La phrase de cette epoque sonne creux, rien ne git
en dessous ... II faut excepter 1',, Esther" de Racine, Saint-
Simon, La Bruyere; le reste ne vaut guere lecture." (Paul
Adam, citiert von Maurice Peyrot, „Nouvelle Revue", Bd. 49,
ipag. 130.)
Versuchen wir nun noch kurz die französische Litteratur-
[strömung als Gesamtheit zu charakterisieren. Nach einigen
[Notizen über ihre Geschichte — ein klares Bild von diesem
unklaren Ding wird uns schwerlich gelingen — werden wir
auch hier wieder den Weg zu Heines Einfluss zu finden
wissen.
Die neue Schule unterscheidet sich schon auf den ersten
Blick von den Romantikern durch ihr bizarres, fremdartiges
Wesen. Auch diese schwärmten schon für das Wunderbare
und Seltsame — aber vernünftige Wahrscheinlichkeit war
noch nicht gebannt. Der französischen Muse von damals
flösste mit wenigen Ausnahmen die Phantastik, wie sie im
Reiche der Poesie in England und Deutschland ihre Rechte
hatte, noch Misstrauen ein. Urheber dieses abnormalen und
zugleich eminent antinationalen Zuges ist Charles Baudelaire
— verhöhnt und geschmäht von den Einen, von Andern in
380 H. Heines Einfluss
alle Himmel gehoben. Sein Dichten und seine Kritik träufelten
— die Einen sagen Gift, die Andern Balsam und neu be-
lebenden Saft in die Adern der französischen Poesie. Von
ihm, dem Bewunderer und ersten Nachahmer und Ueber-
setzer des grausig-phantastischen Amerikaners Edgar Poe,
stammt der litterarische Selbstekel, der Pessimismus-Spleen.
Alle Schleusen öffnete er dem fremden Einfluss und arge
Verheerung richtete der Kosmopolitismus in den Gefilden der
französischen Nationaldichtung an. Er war es — und dies
wird seine hohe litterarische Bedeutung bleiben, mag man sie
missbilligen und verwünschen oder heilsam nennen — , der
der französischen Dichtkunst die kosmopolitische Taufe gab.
Schwerlich wird diese fürderhin je wieder im alten Sinne
national werden können. „Nous en sommes satures," klagt
ein Kritiker über das Eindringen fremder Poesie, und der be-
rühmte Romanist Paul Meyer ^) hat Recht, wenn er Frankreich
mit einschliesst, indem er sagt: „Dans l'Europe moderne, les
litteratures ont si bien reagi les unes sur les autres, qu'aucune
n'offre plus un caractere veritablement national. Elles sont
toutes plus ou moins cosmopolites."
Wie musste französisches Empfinden mit fremden Ein-
drücken imprägniert sein, damit ein französischer Dichter
und Kritiker schreiben konnte: „C'est un dejä vieux fait
qu'Edgar Poe, ä peine revele en France, y trouva comme la
patrie naturelle de sa gloire, orpheline en sa vraie, vraiment
factice patrie. De lui et de Baudelaire, il faut aimer les in-
fluences comme fraternelles et qu'il sied de ne separer point.*'^)
Nicht dass es keine Andersdenkende gäbe — ganz ab-
gesehen von Brunetiere. Man vergleiche mit dem obigen
folgende Definition der Dichtung Edgar Poes : „L'esprit mathe-
1) „De l'influence des troubadours sur la poesie des peuples romands'
(Romania V, 257).
-) Charles Morice, 1. c, pag. 201.
J
nn(( die zeitgenossischen Strömungen. 381
matique, rimagination et l'alcool dans im cerveau americain,
atteint du delirium tremens." ^)
Allein es bedeutet nichtsdestoweniger eine ausserordent-
liche Metamorphose des französischen Geistes, dass Morice
im Namen einer grossen Anzahl moderner Poeten sagen
durfte, Prankreich sei die natürliche Heimat Poes. Einiger-
massen erklärlich wird diese Erscheinung dadurch, dass einige
der tonangebendsten Decadents Ausländer sind. Rene Ghil,
dessen Worttonsystem an hellen Blödsinn grenzt, ist Belgier;
Jean Moreas Grieche, Stuart Merill — einer der geniess-
barsten — und Viele-Griffin sind Landsleute Edgar Poes.
Wenn von dem fremden Einflüsse als erstem und Haupt-
merkmale der modernen französischen Litteratur gesprochen
wird, so darf auch ein Schweizer nicht vergessen werden,
dessen pessimistischer Hamletcharakter und poesievolle Natur-
symbolistik manchen Baustein zu dem Decadence-Gebäude
geliefert haben. Wir meinen den Genfer Professor Henri-
Frederic Amiel,^) der im Jahre 1881 mit der festen Ueber-
zeugung starb, dass sein Name mit seinem Leben dahin-
gegangen sei. Statt dessen wurde er bald durch die Ver-
öffentlichung der „Fragments d'un Journal intime", die Edm.
Scherer herausgab und Renan und Caro in Prankreich ein-
führten, ein berühmter Toter. Noch kürzlich nannte ihn
Brunetiere^) „Genevois dont on eüt fait un dieu, ä Paris, si
ses compatriotes Feussent permis." — Einige Stellen des
^merkwürdigen Tagebuches — das P. Bourget, der diesem eine
[interessante Studie widmete, zu der Bemerkung veranlasst:
„Pour eelui qui va etudiant ä travers la litterature actuelle les
traits epars de la grande äme contemporaine, ce Journal d'Amiel
1) Arthur Arnould, „Revue moderne", Bd. XXXIII, pag. 83.
^) lieber Amiel vergl. u. a. Gastou Frommel, „Esquisses contemporaines",
und M®"'' Emma Warnod, „Etudes litteraires et morales".
3) „Revue bleue", 20. Mai 1893, pag. 615.
382 H. Heines Einfluss
constitue une sorte d'experience psychologique toute notee et de la
valeur la plus precieuse."
(„Psychologie contemporaine", Paris 1892, pag-. 255.)
— bilden geradezu Marksteine der französischen Mystik und
Symbolistik, so besonders der berühmte, oft citierte Satz :
„Tout paysage est un etat d'äme", der sich zu dem Sym-
boHsme verhält wie „Fart pour l'art" zu den Parnassiens. Ein
Vollblutsymbolist könnte folgendes hübsche Bild gefunden
haben: „Ce petit sentier, royaume du vert."
Charakteristisch ist dann in zweiter Linie für die Modernen
aller Nuancen: Verschwommenheit des Gedankens, unklarer
Stil — nicht selten bis zur Unverständlichkeit. ^) Bei einigen
scheint die Kunst darin zu bestehen, den Schleier der —
Poesie so dicht wie möghch über die Idee zu ziehen. Ob-
jektive, deutliche Beschreibung ist verpönt. Die Natur, jedes
menschliche Handeln und Denken muss sich im Symbol äussern,
das darm erraten werden soll. — Wir sollen lernen, Worte
„klingen" zu hören, statt immer plumpe genaue Verdeutlichung
zu verlangen, die es niemals vermag, die geheimen Fäden
des Gedankens wiederzugeben. Die Poesie soll musikalische
Empfindungen erwecken, aber nicht wie bei den Parnass-
dichtern durch Versroutine, sondern gerade im Gegenteil durch
eine undeutlich schimmernde und schwankende Vers- und
Wortrhythmik. Hier begegnen wir dem Einflüsse Wagners.
Die Musik betrachten sie als die ihrem Ideal am nächsten
kommende Kunst. Brunetiere weist auf einige Titel hin, die
diese Tendenz bestätigen:^) „Romances sans paroles'' (Ver-
laine), „Complaintes" (Lafargue), „Cantilenes" (Moreas) etc.
Allen gemeinsam ist ferner das Streben und Tasten nach
neuen Sensationen, nach einer neuen Art, alte Dinge zu be-
1) Sie nennen dies „channe — " oder „poesie du vag-ue .
2) „Revue bleue", 17. Juni 1893.
I
und die zeitgenössischen Strömungen. 383
zeichnen ; ') sie erhoffen eine grosse idealHtterarische Epoche
als notwendige Reaktion des Zeitalters der materialistischen
und naturalistischen Kritik und Litteratur, die, von der Hoch-
flut der praktischen Wissenschaften mitgerissen, die alten Be-
griffe von Geschmack und Dichterideal verloren haben.
Am radikalsten zeigen sich alle ihre Bestrebungen auf
dem Gebiete der Form, der Poetik, wenn auch hier wiederum
verschiedene Nuancen zu unterscheiden sind. So hat sich
besonders Paul Verlaine, unstreitig der hervorragendste Dichter
der Decadence, deren anerkanntes Haupt er auch ist, stets
seiner parnassischen Jugend erinnert. Ironisch sagt er von
einigen Erzeugnissen des „vers libre", dass man dergleichen
zu seiner Zeit Prosa genannt habe.
Von diesem rein äusserlichen Standpunkte aus betrachtet,
ist die Decadence erst einige zehn Jahre alt. Denn es war
im Jahre 1880, als ein exotischer Dichter, mit Namen Vergolo,
seine „Poetique nou volle" herausgab, worin für den „vers
blanc" und „vers libre" eine Lanze gebrochen wird. Die Regeln
der Cäsur und des Hiatus schafft er ab. ^) Ungleich grösseres
Aufsehen erregten dann in den achtziger Jahren die „Illu-
minations^^ des excentrischen Arthur Rimbaud, die schon lange
als Manuskript bei den „Jungen'' cirkuliert hatten. Verlaine
wird bekehrt und begrüsst mit Enthusiasmus diese Sammlung
von Prosa und Poesie : „Un pur chef-d'oeuvre , flamme et
crystal, fleuves et fleurs et grandes voix de bronze et d'or." ^)
In diesem Liedercyklus befindet sich das berühmte, viel be-
spottete Sonett, das mit den Versen beginnt:
^) Das Neue an den Modernen insgesamt — und darin unterscheiden
sie sich von den Romantikern, mit denen sie immerhin einige Berührungs-
punkte haben — ist, dass sie nach Stimmungen (sensations) suchen ; sie sind
ganz Nerv.
2) Vergl. Georges Rodenbachs „La nouvelle Poesie", „Revue bleue",
4. April 1891.
3) „Les hommes d'aujourd'hui", 7* vol., N" 318. Ebenso zu vergleichen
Paul Verlaine, „Les poetes maudits" (Rimbaud, Mallarme, etc.), Vanier, 1888.
384 H. Heines Einfluss
„A iioir, E blanc, I rouge, U vert, O bleu, voyelles,
Je dirai quelque jour vos naissances latentes" etc. ^)
Sein Einfluss war es, der nicht nur auf Verlaine, sondern
auch auf die ganze junge, auf ein neues Genie harrende
Dichterschar bahnbrechend wirkte, vor Allem auf dem Ge-
biete des Versbaues. Der Reim verschwindet ; es bleiben mei-
stens nur Assonanzen, und oft sind die Verse reim- und
assonanzlos (vers blancs). Alle alten Gesetze der Prosodie
werden der Plastik der poetischen Idee, dem Wortbilde ge-
opfert. Die Symbolistes werden allerdings später unter der
Führung Rene Ghils und Jean Moreas' andere Wege ein-
schlagen, w^eil sie wähnen, etwas nie Dagewesenes — das
„Symbol" — entdeckt zu haben. Hierauf erwidert aber sehr
richtig ihr Altmeister Verlaine: „Qui dit symboles, dit Images,
et qui dit images, dit poesie. Tous les vrais poetes ont ete
symbolistes."
Wir haben es bisher vermieden, in diesem Zusammen-
hange von unserem Dichter zu reden, obgleich hierzu schon
wiederholt Gelegenheit geboten gewesen wäre. Wir zogen
es vor, die Symptome seines Einflusses zusammenhängend
und der Reihe nach, bei Baudelaire beginnend, nachzuweisen.
In einer so zerfahrenen, sich oft widersprechenden und noch
zu keinem Endresultate gelangten Litteraturepoche unver-
kennbaren Einfluss aufzudecken, muss — wir sind uns dessen
wohl bewusst — ein gewagtes Unternehmen bleiben. Auf
der andern Seite aber ein um so dankbareres, als es wohl
noch niemandem eingefallen ist, in der modernen französischen
Decadence-Dichtung Spuren — deutscher Einwirkung zu
suchen.
Wir beginnen mit Baudelaire und dessen Verhältnis zu
Heinrich Heine.
*) Die Erscheinung, den Buchstaben Farben und bestimmten Tonklang
zuzuschreiben, ist nicht neu, wie Herrn. Bahr (1. c. pag. 22) nachweist.
I
und die zeitgenossischen Strömungen. 385
An Charles Baudelaire (1821 — 1867), gleich hervorragend
als phantastisch makabrer Sonderling und als Poet, hat sich,
wie bei keinem andern Dichter Prankreichs, die Wahrheit des
Goetheschen Wortes bewährt, das denjenigen tollkühn nannte,
der es im Gallierlande wage, anders zu denken und zu handeln
als die Mehrzahl. Wie gering musste der Autor der „Pleurs
du mal" von Popularität und öffentlicher Meinung gedacht
haben, um all dem Hohn und Spott, dem Schimpfe stand zu
halten, der schon zu seinen Lebzeiten über ihn hereinbrach. ^)
Ueberblickt man die Gesamtheit der Werke Baudelaires —
Poesie und Prosa, Romane und Kritik — , so tritt uns dieser
Dichter als eine abnorme und unfassliche Synthese der ver-
schiedensten Persönlichkeiten entgegen. „C'est plutot un com-
pose de cinq ou six individualites diverses qui tiennent la
parole les unes apres les autres, sans ordre logique, au hasard
de l'inspiration momentanee, sans que chacune d'elles prenne
soin de ce qui a ete dit precedemment." ''^) In Wahrheit ist
Baudelaire Spätromantiker, Parnassien, Decadent und Sym-
bolist zugleich und nach einander. Wie bei Banville, so muss
man auch bei ihm auf Gautier zurückgehen. Dieser selbst
erzählt in seiner Biographie Baudelaires („Oeuvres completes
de Baudelaire", Levy, 1892), dass der Autor der „Fleurs du
mal" ihn stets als Lehrer und Meister angesehen, was schon
die originelle Widmung des genannten Werkes besagt : „Au
poete impeccable, parfait magicien es lettres frangaises" etc.
Parnassien war und bheb er insofern, als er sich voll und
ganz zu der Parole „l'art pour l'art" bekannte, die er aller-
*) Manchen ist vielleicht noch das litterarische Schisma in der „Revue
des deux Mondes" in Erinnerung, das auf Bruneti^res Protest gegen ein
.Denkmal zu Ehren Baudelaires folgte. Darüber, ob der Standpunkt der „Revue
[des deux Mondes" von 1892 gegenüber derjenigen vom 1. Juni 1855, die die
[ersten Lieder Baudelaires (aus den „Fleurs du mal") veröffentlichte, einen
[Fortschritt bedeutet, dürfte man verschiedener Ansicht sein.
2) M. Spronck, „Les artistes litt^raires" etc., Paris 18S9, pag. 89.
Bt'tz, Heine in Frankreich. "^
:-^86 H. Heines Einfluss
dings auf seine Weise auffasste, d. h. von allem Banalen,
Hergebrachten und besonders — Natürlichen in jeder Form,
mi Leben und in der Kunst, gerade das Entgegengesetzte zu
thun. Berühmt wurde der „Dandy der Decadence", wie er oft
genannt wird, zuerst durch seine „Poemes en prose" und als
Uebersetzer und Interpret Edgar Poes. ^) — Den Decadent
hat Gautier im Auge, wenn er in der erwähnten Biographie
(pag. 28) sagt : „Quoiqu'il soit bien evidemment romantique
d'intention et de facture, on ne saurait rattacher par un lien
visible Baudelaire ä aucun des grands maitres de cette ecole."
Die geistigen Beziehungen zwischen Baudelaire und Heine
glauben wir am besten mit der Geschichte einer interessanten
und sehr bezeichnenden Kontroverse Baudelaires mit Jules
Janin einzuleiten. Im zweiten Abschnitt haben wir den Artikel
(„Henri Heine et la jeunesse des poetes") dieses optimistischen
und charakterlos seichten Litteraten angeführt, in dem der
Kritiker des „Journal des Debats" die bittere, melancholische
Ironie des deutschen Poeten angreift und behauptet, dass
seine Lyrik ebenso düster wie ungesund sei und aller jener
Fröhlichkeit bar, die den Grundton der wahren französischen
Poesie bilde. Janin glaubt hier mit seinem Namen — er
unterzeichnet „Eraste" — auch die Meinung ändern zu dürfen.
Janin, der Verfasser des im Abschnitt II ebenfalls citierten
Nekrologs im „Almanach" von 1856, schreibt nämlich als
„Eraste" in der „Independance beige" : „II fut (Heine), en
effet, la premiere victime de son intarissable Ironie, et, comme
s'il s'etait impose la täche ahommahle de rire aujourd'hui,
demain, toujours, il n'a pas connu, de son vivant, la douce
volupte des larmes; il n'en a pas fait repandre sur son cer-
1) Will man von den vermeintlichen uniformen Kunstidealen der ersten
Parnassiens einen Begriff bekommen, so stelle man die Lyrik der drei be-
rühmtesten Anhänger derselben — Baudelaire, Leconte de Lisle und Fran^.
Coppee — neben einander.
und die zeitgenössischen Strömungen. 387
cueil." — Hiermit ist seine Trauerhymne in dem citierten
Kalendernekrologe zu vergleichen ! ')
Dass dieser Artikel in erster Linie auf den in Brüssel
lebenden, oder genauer, sterbenden Baudelaire gemünzt war,
konnte diesem nicht entgehen ; er empfand den Hieb doppelt
— einmal als Poet und Schüler Edgar Poes, und dann, weil
er sich mit Heine selbst solidarisch fühlte. „Avez-vous lu —
schreibt er an Sainte-Beuve ^) — l'abominable feuilleton de
Janin contre les poetes melancoliques et railleurs?" Und in
einem Briefe an Julien Lemer : ^) „Avez-vous vu l'infäme
feuilleton d'Eraste sur H. Heine et la jeunesse des poetes?
Janin blague les melancoliques. Je peux appeler ga une pierre
dans mon jardin. Je fais une reponse. Mais dans quels termes
M. le Figaro est-il avec J. Janin? La est la question." Einen
gesalzenen und gepfefferten Brief schrieb er auch und zugleich
eine Antwort, die für die „Independance beige" bestimmt war;
aber beide Schriftstücke gelangten nicht bis in die Hände der
betreffenden Redaktoren. Das Manuskript der letzteren ging
später in den Besitz Poulet-Malassis' (Verleger und Baudelaires
bester Freund in Brüssel) über. Herr Maurice Tourneux, der es
besichtigt, erzählte uns, dass es mit einem Schwertzeichen
als Unterschrift versehen war. Eugene Crepet hat dieses
merkwürdige Fragment des schon geisteskranken Dichters,
bei dem der Welt- und Selbstekel bereits den Wahnsinn
streifte, in den „Oeuvres posthumes" (Quantin, 1887) publi-
ziert. Für uns sind diese hastig hingeworfenen Sätze immerhin
^) Es heisst dort u. a. : „Henri Heine avait un esprit tout francjais, plein
de verve, d'ironie et d'eclat, obeissant k tous les caprices et k toutes les
inspirations du railleur impitoyable et du poete en belle humeur. Quand on
Iallait bien au fond de cet esprit charmant, tout rempli des ijIus genereuses
passions et des plus nobles instincts . . ." etc. etc.
I 2) Lettres inedites de Charles Baudelaire, „Nouvelle Revue", Bd. XLH,
lag. 467.
I 3) ^Livre", 1888, pag. 141 ff.
388 H. Heines Einfluss
interessant, weil Baudelaire hier uns selbst den Beweis liefert,
dass nicht nur Byron und Poe, sondern auch Heine auf dies
sonderbare Dichtergehirn eingewirkt hat. Die toll genialen
Streiflichter fallen in diesem zerhackten Prosastück auf eine
Reihe von Persönlichkeiten. Wir eitleren hier bloss die Stellen,
die auf Heine Bezug haben :
Pag. 58. „H. Heine etait donc un homme ! Bizarre.
Catilina etait donc un homme, un monstre pourtant, puisqu'il
conspirait pour les pauvres. H. Heine etait mechant, — oui,
comme tous les hommes sensibles, irrites de vivre avec la
Canaille ; par canaille, j'entends les gens qui ne se connaissent
pas en poesie (le „genus irritabile vatum"). — Examinons ce
coeur de H. Heine jeune. — Les fragments que vous citez
sont charmants, mais je vois bien ce qui vous choque : c'est
la tristesse, c'est l'ironie. Si J. J. (Janin) etait empereur, il
decreterait qu'il est defendu de pleurer ou de se pendre sous
son regne, ou memo de rire d'une certaine fagon ..."
Pag. 60. „Je presente la paraphrase du „genus irritabile
vatum" pour la defense non seulement d'H. Heine, mais aussi
de tous les poetes. Ces pauvres diables (qui sont la couronne
de l'humanite) sont Insultes par tout le monde.
„ . . . Byron, Tennyson, E. Poe, Lermontoff, Leopardi, Es-
pronceda; — mais ils n'ont pas chante Margot! Eh! quoi!
je n'ai pas cite un Prangais. La France est pauvre.
Deux parties egalement ridicules dans votre feuilleton.
Meconnaissance de la poesie de Heine et de la poesie en ge-
neral. These absurde sur la jeunesse du poete. Ni vieux ni
jeune, il est. II est ce qu'il veut. Vierge, il chante la dehauche ;
sohre, Vivrognerie.'-^
Was ihn eben zu Heines Poesie hinzog und ihn in seiner
Auffassung eines wahren Dichters bestärkte, war dessen Kon-
trastnatur, besonders aber Heines makabrer Witz, helden-
mütiger Humor und blutige Satire — auf dem Leidenslager.
Was Spronck (siehe oben) von Baudelaires Vorliebe für Hoff-
und die zeitgenössischen Strömungen. 389
mann sagt, der ihn entzückte, für Poe, dessen Schriften seine
Bibel waren, für den Engländer Quincy, den Opiumsänger,
für den der x\utor der Haschischlieder schwärmte, gilt auch
für Heine.
Ces existences doubles, oü d'ordinaire un roman vrai de misere
et de desespoir se deroule parallelement ä une serie de splendides
romans factices, le seduisaient par leur originalite. Devant leurs
Oeuvres Iieurtees, presque diaboliques, troublantes par le brouillard
d'Iiallucination qui les enveloppe, il admirait l'artiste et il aimait
riiomme, avec une sorte de commiseration pour les soufFrances qu'il
devinait. (Pag. 108.)
Wenn Baudelaire für den leid- und schmerzbeladenen
Dichter überhaupt schwärmt und nur in ihm echte Poesie
wohnen lässt, wie dies aus zahlreichen Stellen seiner Werke,
wie z. ß. aus folgender, hervorgeht:
. . . Le siecle considere volontiers le malheureux comme un im-
pertinent. Mais si ce malheureux unit Fesprit ä la misere, s'il est,
comme Gerard, doue d'une intelligence brillante, active, lumineuse,
prompte ä s'instruire, s'il est, comme Poe, un vaste genie, profond
comme le ciel et comme l'enfer, oh! alors, l'impertinence du malheur
devient intolerable! — („L'art romantique", pag. 356.)
und wie dies Gautier in seiner Biographie (pag. 21) geistreich
drastisch bestätigt :
II aime ä suivre l'homme pale, crispe, tordu, convulse par les
passions factices et le reel ennui moderne ä travers les sinuosites de
cet immense madrepore de Paris, ä le surprendre dans ses malaises,
ses angoisses, ses miseres, ses prostrations et ses excitations, ses
nevroses et ses desespoirs.
so ist die Annahme nicht allzu gewagt, dass Heine zum grossen
Teil Baudelaire in die Arme Poes geworfen hat. Dabei ist
nicht zu vergessen, dass seine besten Freunde Gautier, Ban-
ville und Arsene Houssaye Heine kannten und verehrten. Von
ihm geht die Idee von der psychischen Superiorität leiden-
der Menschen aus. Ihre kranken Glieder und Nerven — so
390 H- Heines Einfluß s
heisst es, wie bekannt, in den „Reisebildern", wo er von den
blassen Italienern spricht — wissen Leidensgeschichten 7a\
erzählen mit einer poetischen Wahrheit, die Kerngesunde
ignorieren. Schon in seinen „Jugendliedern" hatte der deut-
sche Dichter mitten in die Lyrik seines Lachens und Liebens
hinein die berauschend-ansteckende und fremdartige Essenz
— „eine Mischung von Gifthauch und Wohlgeruch" — eines
kranken Herzens und leidenden Körpers — der Nevrose ge-
träufelt. Dem gleichen Gedanken werden später die Goncourt
in folgendem Passus Ausdruck verleihen, indem auch sie für
die poetische Erhabenheit und Allgewalt der „Poesia del
dolore" ^) eintreten.
„Oh! certes, c'est la sante d'un genie bien portant (d. h.
Hugo), mais toutefois, pour le rendu des delicatesses, des me-
lancolies exquises, des fantaisies rares et delicieuses sur la
corde vibrante de l'äme et du coeur, ne faut-il pas, je me le
demande, un coin maladif dans l'homme, et n'est-il pas ne-
cessaire d'etre un peu, ä la fagon de Henri Heine, un crucifie
physique."^) („JournarS Bd. II, pag. 91.)
^) Wir verweisen hier auf das Buch von Monti, das diesen Titel trägt und
in dem Heine ausführlich behandelt ist. — Man vergleiche auch, was Barbey
d'Aurevilly (Abschnitt II, pag. 58) über die dichterische Superiorität der
Leidenden sagt.
2) Genau so dachte, ausser Sainte-Beuve, der einem unglücklichen Dichter
schreibt: „Fahren Sie fort zu singen und zu leiden; es ist der edelste Zustand
einer sterblichen Seele" — auch der arme Guy de Maupassant : „Certes,
ce mal effrayable (l'epilepsie de Flaubert) n'a pu frapper le corps sans assom-
brir l'esprit. Mais, doit-on le regretter ? Les gens tout k fait heureux, forts
et bien portants sont-ils prepares comme il faut pour comprendre. penetrer,
exprimer la vie, notre vie si tourmentee et si courte? Sont-ils faits, les
exuberants, pour decouvrir toutes les miseres, toutes les souffrances qui nous
entourent, pour s'apercevoir que la mort frappe sans cesse, chaque jour,
partout, feroce, aveugle, fatale." — Der dies schrieb („Etüde sur la vie de
Gust. Flaubert" in „Lettres de G. Flaubert", Paris 1884), mochte wohl selbst
fühlen, dass auch er nicht zu den „exuberants" gehöre, wennschon er nicht
ahnen konnte, dass ihm in Kürze das Schicksal noch Grässlicheres als den
Tod beschied : vollständige Umnachtung seines seltenen Geistes.
und die zeitgenössischen Strömungen. 391
Allein Baudelaire ist bei weitem kein Heinebewunderer
„en bloc", wie seine genannten Freunde. Die Vergissmein-
nicht-, Rosen- und Veilchenschwärmerei, die ganze Lyrik der
vier Jahreszeiten, „pourrie de sentimentalisme materialiste",
ist ihm sogar zuwider. Für die Natur hat er nur Sinne, wenn
sie tragisch oder bizarr ist, ins Ungeheure oder abschreckend
Grässliche ausartet.
Die Kritik hat nicht mit Unrecht auf die krassen Wider-
sprüche in Baudelaires Urteilen hingewiesen. „II oubliait, dans
la chaleur de l'enthousiasme, ou sous la pression d'une amitie
particuhere, ou pour tout autre motif, ses theories les plus
energiquement soutenues." ^) Aber weder Edm. Scherer, Bru-
netiere und Bourget noch, Dr. Ziesing ^) haben in dem Dichter
der „Fleurs du mal" den mystisch-katholischen Zug genügend
hervorgehoben, wie er allerdings erst in den von Crepet heraus-
gegebenen nachgelassenen Schriften Baudelaires besonders stark
hervortritt; und gerade dieses Charakteristikon löst manchen
scheinbaren Widerspruch. Dieselben Symptome finden sich bei
Barbey d'Aurevilly und ganz besonders bei dem mystisch-
frommen Sünder Paul Verlaine. Fast auf jeder Seite der
Gedichte Baudelaires stossen wir auf Spuren fanatischer, wenn
man will satanisch katholischer Denkweise. Wie oft spricht
er nicht von dem „peche primordial". Er selbst nennt sich
„Heautontimorumenos", d. h. Selbststeiniger. Gott ist es, der
dem Menschen alle Schrecken der Hallucinationen, alles Ent-
setzliche irdischer Qualen ins Herz gelegt, auf dass er sich
von der Erbsünde reinige. Ziesing vergleicht den Dichter
treffend mit den Flagellanten des XIII. Jahrhunderts. Hier-
mit hängt auch seine Frauenverachtung zusammen. Das Weib
bedeutet für ihn das Fleisch gewordene Uebel, die verkörperte
^) Spronck, 1. c. pag. 89.
-) „Charles Baudelaire. Ein Essay", Zürich 1879.
392 H. Heines Einfluss
Versuchung, sagen wir es gerade heraus — den Satan. *) Die
für den Tenor des ganzen Buches „L'art romantique" cha-
rakteristische Seite, die hier folgt, birgt demnach durchaus
keine Inkonsequenzen des von Heines Spott verletzten katho-
lischen Poeten, mag der Ton, den er hier unserem Dichter
gegenüber anschlägt, auch erheblich von dem des besprochenen
Artikels gegen Janin differieren.
II me semble que cet exces de paganisme est Ic fait d'un liomme
qui a trop lu et mal lu Henri Heine et sa litterature pourrie de sen-
timentalisme materialiste.
Et puisque j'ai prononce le nom de ce coupable celebre, autant
vous raconter tout de suite un trait de lui, qui nie niet liors de moi
chaque fois que j'y pense. Henri Heine raconte dans un de ses
livres que, se promenant au milieu de montagnes sauvages, au bord
de preeipices terribles, au sein d'un ehaos de glaces et de neiges' il
fait la rencontre d'un de ces religieux qui, aecompagnes d'un chien,
vont ä la decouverte des voyageurs perdus et agonisants. Quelques
instants auparavant, l'auteur venait de se livrer aux elans solitaires
de sa haine voltairienne contre les calotins. II regarde quelque temps
l'homme — humanite qui poursuit sa sainte besogne; un combat se
1) Ganz kürzlich hat Georges Rodenbach in einem allerdings etwas
überschwänglichen Aufsatze diesen Grundzug, dies einzige Einheitliche von
Baudelaires Wesen in das richtige Licht gestellt : „Certes, un horame de
decadence toujours, au seuil de la vieillesse d'un monde, au seuil de ce qu'il
appelle lui-meme „l'automne des idees". Mais cet homme de decadence demeure
aussi tout impregne de l'Eglise. Parmi les vices modernes et la corruption
efifrenee dont il subit la contagion, il continue k etre le depositaire du dogme,
le denonciateur du peche." („Le tombeau de Baudelaire", „Revue de Paris",
1. Juni 1894, pag. 181.) — Pittoresk und geistreich stellt Rodenbach den
inneren Zusammenhang der Decadence mit der Romantik dar: diese schwärmte
für das Aeusserliche der Kirche des Mittelalters, für die neu entdeckten
Schönheiten des gotischen Stils, für die restaurierte Notre-Dame-Kathedrale.
„ . . . Cette Notre-Dame de Paris, aussitöt accaparee par Hugo, on peut dire
qu'elle fut l'arche d'alliance du romantisme. Mais Hugo, comme le roi David,
se contenta de danser devant l'arche, avec Esmeralda et les bohemiennes du
parvis. — Or, la generation qui suivit entra, eile, dans Notre-Dame, se signa
d'eau beulte, marcha vers le choeur, aflärraa son adhesion k la foi et aux mysteres :
c'etait Barbey d'Aurevilly; c'etait Hello; c'etait Baudelaire."
!1
und die zeitgenössischen Strömungen. 393
livre dans son ame orgueilleuse et enfin, apres une douloureuse hesi-
tation, il se resigne et prend une belle resolution: Eh bien, non! je
n'ecrirai pas contre cet homme!
Quelle generosite! Les pieds dans de bonnes pantoutles, au
coin d'un bon feu, entoure des adulations d'une societe voluptueuse,
nionsieur Phomme celebre fait le serment de ne pas diffamer un pauvre
diable de religieux qui ignorera toujours son nom et ses blasphemes,
et le sauvera lui-meme, le cas echeant !
Non, Jamals Voltaire n'eüt ecrit une pareille turpitude. Voltaire
avait trop de goüt; d'ailleurs, il etait encore homme d'action et il
aimait les hommes.
Als dem Jesuitenpater Hardouin einst die Kühnheit seiner
Paradoxe vorgeworfen wurde, erwiderte er: „Croyez-vous
que je me serais leve toute ma vie ä quatre heures du matin
pour ne dire que ce que d'autres ont dejä dit!" — Baudelaires
Ekel vor allem Hergebrachten — er mag zwar öfters um
die vierte Morgenstunde das Lager aufgesucht als verlassen
haben — , sein Hang zum Absonderhchen hat im Grunde
keinen andern Ursprung. Seine excentrischen Anlagen, sein
paradoxes „Ich" wurde durch geistesverwandte Vorbilder
bloss genährt; er benutzte diese gewissermassen zur Schulung
und Trainierung seiner Originalität, die schliesslich in Methode
und Pedanterie ausartete. — Aus demselben Büchlein, dem
wir obige Anekdote entnommen haben, eitleren wir noch fol-
gende Stelle, wo Heine als einer der typischen Vertreter des
modernen Paradoxon erwähnt ist. •)
Pag. 70. „ . . . Ce savant (eben der Pater Hardouin) repre-
sente bien le paradoxe moderne, obstine, fanfaron, violent,
eontradictoire en principe et avec premeditation. . . . Le para-
doxe tel que l'ont congu, enseigne, pratique des esprits voues
a l'opposition par nature et par calcul, comme Richard Savage
qui, depuis sa jeunesse jusqu'ä Tage de 89 ans, ne cessa de
^) „Le Paradoxe ; essai sur les excentricites de l'esprit huinaiu dans tous
les siecles", par Fred. Solue. Paris, Savine, 1888.
394 H. Heines Einfluss
prendre le contre-pied de toutes les idees regues dans son pays,
comme Linguet, Henri Heine et presque tous les ecrivains
dits originaux de la periode contemporaine."
Das denkbar leichteste Mittel, originell zu erscheinen, sind
die Kontrasteffekte. Wie Heine, so hat auch Baudelaire das
plötzliche Ueberspringen vom Idealen zum Vulgären, vom
Elegischen zum fratzenhaft Komischen oft benutzt. Die be-
rühmte Theorie von den Kontrasten kannte zwar schon die
Generation von 1830. Victor Hugo, der Verkünder derselben,
hatte sie aber nur im Roman und im Drama verwertet.
Baudelaire war seit Heine der erste — die Lieder desselben
sind circa zehn Jahre vor dem Erscheinen der „Pleurs du
mal" bereits übersetzt gewesen — , der sie auch in kurzen
Gedichten anbrachte. Ein Beispiel liefert uns gleich das ein-
leitende Gedicht, in dem er ein düster tragisches Gemälde
irdischer Laster und des Erdenjammers entwirft, um im
letzten Vers unerwartet abzubrechen mit dem ironischen Ruf
an den Leser :
„Hypocrite lecteur! — iiion semblable — mon frere!"
Noch deutlicher zeigt sich diese Manier in einem seiner
tiefempfundenen, sprach wuchtigen Lieder, in „Le cou verde"
(„Fleurs du mal", pag. 214). Nachdem er nämlich das den
Menschen stets beim Anblick der Unendlichkeit des Firma-
ments umstrickende Angstgefühl in erhabenen Versen be-
schrieben, schliesst er mit dem geradezu komisch wirkenden
Bilde:
„Le ciel, couvercle noir de la grande marmite
Oü beut l'imperceptible et vaste Humanite."
Baudelaire erzählt in der an Arsene Houssaye gerichteten
Widmung der „Petits poemes en prose", dass ihn Louis Ber-
trands (Aloysius genannt — 1807 bis 1841) posthumer „Gas-
pard de la nuit" inspiriert habe. Nun ist allerdings nicht zu
bestreiten, dass dieser originelle, mit Unrecht zu der obskuren
U
und die zeitgenössischen Strömungen. 395
Schar der ersten Romantiker gerechnete Dichter der erste
war, der sich in dieser hybriden Form der Poesie versucht
hat. Sainte-Beuve, der über das Talent Bertrands günstig
urteilte, berichtet, dass diesem die rhythmische, gefeilte, bis ins
kleinste Detail studierte Prosa mehr Mühe gekostet als seine
Verse. Allein Baudelaire gesteht selbst zu — und Gautier
bestätigt es — , dass ihm die Nachahmung misslang und etwas
ganz Anderes herauskam. Das Andere aber erinnert weit mehr
an die Prosaübersetzungen Nervals. Als Baudelaire seine „Petits
poemes" schrieb, war Bertrand längst vergessen; bequemer
war es daher, das Publikum irrezuführen, als auf den eben
erst erlösten deutschen Dichter als Vorbild hinzuweisen (die
Gedichte erschienen zuerst in der „Revue fantaisiste" vom
November 1861). Natürhch muss dies Konjektur bleiben.
Eine solche kleine „fumisterie" bei dem Autor der „Paradis
artificiels" zu suchen, dürfte immerhin zu verantworten sein.
Wenn Baudelaire in der genannten Widmung u. a. sagt
(pag. 2):
„Quelle est celui de nous qui n'a pas, dans ses jours d'ambition,
reve le miracle d'une prose poetique, musicale sans rytiime et sans
rime, assez souple et assez heurtee pour s'adapter aux mouveraents
lyriques de l'aine, aux ondulations de la reverie, aux soubresauts de
la conscience?"
so schweben ihm hier, wir sind fest davon überzeugt, die
Nervalschen Uebersetzungen vor, die den ganzen Cenacle der
„Revue fantaisiste" begeisterten. Wir bemerken an dieser
Stelle gleich, dass der begabte, leider allzu oft dunkle Deca-
dent Stephan Mallarme — er gilt sogar bei seinen Gesinnungs-
genossen als „auteur difficile" — nicht nur den Edgar Poe-
Kultus Baudelaires geerbt — seine täuschenden Nachahmungen
der Lieder des Amerikaners übertreffen noch die seines Mei-
sters — , sondern auch die Vorliebe für den nicht reizlosen
Mischgenre (Stephan Mallarme, „Vers et Prose^', Paris 1893).
396 H. Heines Einfluss
Auch Baudelaire hatte vor der Plebs einen Künstler-
horror ; er war, wie Heine, seiner innersten Natur nach durch-
aus aristokratisch angelegt. „Les gens comme moi veulent
que les affaires d'art se traitent entre aristocrates." („Curiosites
esthetiques'^, „Salon" 1859, Kap. V.) Die Republikaner be-
zeichnet er als Feinde der Kunst: „bourreaux de Venus et
d'Apollon'' (ib. Kap. XVII).
Wie Heine, hegt und pflegt er seine Herzenswunden und
schwelgt in Weltverachtung. Es ist ihm eine wahre Wollust,
im Leide seiner geplagten Seele zu wühlen. Auch hier
natürlich treibt er es aufs äusserste. Baudelaires Schmerz hat
nicht den Seelenadel und die vornehme Hoheit eines Byron,
nicht den lyrischen Zauber eines Musset oder Heine; er ist
düster, grauenhaft, ja oft abstossend.
Je suis le sinistre miroir
Oü la megere se regarde!
Je suis la plaie et le couteau!
Je suis le soufflet et la joue!
Je suis les membres et la roue,
Et la victime et le bourreau!
Je suis de mon coeur le vampire,
Un de ces grands abandonnes,
Au rire eternel condamnes,
Et qui ne peuvent plus sourire!
(L'Heautontimoroumenos.)
Wie Heine ferner feilt er fortwährend an seinen klang-
vollen Versen, bis er den gewünschten Erfolg erzielt hat.
Und schliesslich berührt sich Baudelaire mit Heine in der
Auffassung des Weibes, wenn er auch hier die letzten Kon-
sequenzen zieht, was mit dem erwähnten mittelalterlich reli-
giösen Zuge zusammenhängt. Eine bekannte und leicht be-
greifliche Thatsache ist es ja, dass geniale Menschen von der
Frau — die eigene ist gemeint — vor allem, bisweilen aus-
und die zeitgenössischen Strömungen. 397
schliesslich, verlangen, dass sie natürlich sei — möglichst „na-
türlich-schön" — versteht sich. — Man denke nur an Goethe,
Rivarol und Heine. Wenn Baudelaire in dem .,Conseil aux
jeunes litterateurs" („Art romantique", pag. 288) seinen jungen
Berufsgenossen den erbaulichen Rat gibt: „C'est parce que
tous les vrais Htterateurs ont horreur de la litterature, ä de
certains moments, que je n'admets pour eux . . . que deux
classes de femmes possibles: les filles ou les femmes betes,
l'amour ou le pot-au-feu"; — wenn er in dem Gedicht
„Sonnet d'automne" seiner Geliebten zuruft:
— Sois charmante et tais-toi!
und in einem andern sagt:
Que m'importe que tu sois sage,
Sois belle et sois triste !
so wird jeder, der Heine gelesen, sein Leben und seinen
Mathilden-Roman kennt, zugeben, dass er im Grunde ebenso
dachte.
„Die Welt ist dumm, die Welt ist blind,
Wird täglich abgeschmackter!
Sie spricht von dir, mein schönes Kind:
Du hast keinen guten Charakter."
Der uns als feiner Heinekenner und -Verehrer bekannte
Dr. Ziesing bemerkt in seinem bereits erwähnten, anregenden
Essay über Baudelaire (pag. 33) : „Wer kennt nicht das siebente
Gedicht aus Heines „Traumbildern'^ : „Nun hast du das Kauf-
geld, was zögerst du noch?" Das ist so recht im Stile eines
Baudelaire gehalten, mit Verdammniswalzer, schielenden
Kupplerinnen und lüsternen Pfäfflein. Das Gleiche gilt von
Nro. 8: „Ich kam von meiner Herrin Haus'', das ist ver-
deutschter Baudelaire." Gewiss, Dr. Ziesing hat hier sehr
[richtig gesehen, nur hätte er sich umgekehrt ausdrücken
^sollen, denn das ,, Lyrische Intermezzo" erschien schon an-
fangs der zwanziger Jahre (die Nerval sehe Uebersetzung schon
398 H. Heines Einfluss
1848) und die „Pleurs du mal'' erst 1857. — Der Autor fährt
fort: „Und was Heine, Deutschlands drittgrösster moderner
Dichter, gesungen:
„Da hab' ich viel blasse Leichen
Beschworen mit Wortesmacht;
Sie wollen nun nicht mehr weichen
Zurück in die alte Naclit."
das darf man füglich auf den französischen Dichter beziehen ;
die Geister, die er rief, die ward er nicht mehr los . . .
Baudelaire hat ein, man möchte sagen, Heine nachgeahmtes
Gedicht dieses Genres (sc. der Totentanzballaden) geschrieben,
betitelt „Le revenant"."
Das fünfundsechzigste Gedicht des Buches „Spleen et Ideal"
(„Fleurs du mal", pag. 186), das wir hier folgen lassen, trägt
in der That den untrüglichen Stempel Heinescher Lyrik.
Le revenant.
Comme les anges a l'oeil fauve,
Je reviendrai dans ton alcove
Et vers toi glisserai, sans bruit, ^
Avec les ombres de la nuit;
Et je te donnerai, ma brune,
Des baisers froids comme la lune
Et des caresses de serpent
Autour d'une fosse rampant.
Quand viendra le matin livide,
Tu trouveras ma place vide,
Oü, jusqu'au soir, il fera froid.
Comme d'autres par la tendresse,
Sur ta vie et sur ta jeunesse,
Moi, je veux regner par Teffroi!
Hiermit verlassen wir Baudelaire, mit dem wir uns viel-
leicht allzulange beschäftigt haben. Es geschah dies jedoch
und die zeitgenössischen Strömungen. 399
um in diese Parallele alles hineinzuziehen, das unsere Ueber-
zeugung rechtfertigt, es habe auch der Einfluss Heines ein
Scherflein an der Entwicklung dieses merkwürdigen Decadence-
Poeten — neben dem mächtigen Einwirken Edgar Poes und
dem gleichfalls sehr bedeutenden HofFmanns — beigetragen.
Bedenken wir somit, dass Baudelaire der geistige Vater der
modernen französischen Decadence-Poesie ist, so müssen wir
zu dem Resultate gelangen, dass neun Zehntel derselben anglo-
germanisches Werk sind. — Es lag uns daran, dies festzu-
stellen, bevor wir bei den Decadents der Neuzeit nach direktem
Einflüsse Heines Umschau halten.
Vorerst aber soll noch zweier moderner Vertreter dieser
„Ecole satanique" gedacht werden, die sich unmittelbar an
den Baudelairisme anlehnen. Hierher gehört zunächst
Jean Richepin (1849), bei dem der Nihilismus, der alles
belachende Spott und das Gift der nichts schonenden Ironie
Heines — durch das Medium Baudelaires hindurch — ver-
derbenbringende Früchte getragen hat. Richepins Leben lässt an
romantischer Färbung nichts zu wünschen übrig. Der reich be-
gabte, aber zügellose Jünghng hatte es bis zur „Ecole normale"
gebracht, als der Krieg ausbrach, den er als Franctireur mit-
machte. Später wurde er nacheinander Matrose, Bänkelsänger,
„Kraftmensch" und Schauspieler in den „Theätres forains".
In den „Chansons des Gueux" (1873), in der hübschen
Liedersammlung „La mer'' (1886) und in dem reizenden
Schauspiele „Le flibustier" („Theätre frangais", 1888) hat er
demnach Selbsterlebtes und nach eigener Anschauung ge-
dichtet. Als „dompteur de mots", wie er sich mit vollem
Recht selbst nennt, als Wort-, Reim- und Versjongleur aller-
ersten Ranges schliesst er sich an Banville an. Jules Le-
maitre („Les Contemporains, II? serie, pag. 326) deutet,
Richepins „Caresse" besprechend, auf „quelques fantaisies ä la
Henri Heine" hin. Die schönsten Perlen französischer Lyrik
wechseln bei ihm mit den unappetitlichsten Excentricitäten
400 H. Heines Einfluss
ab. Besonders mit den letztern hat er Schule gemacht und
sich einen kleinen Cenacle geschaffen. Zu diesem gehörte
anfangs der zweite hier zu erwähnende Dichter.
Maurice Bouchor (1855) begann sehr jung zu dichten.
Kaum neunzehn Jahre alt, gab er schon die erste Lieder-
sammlung „Les chansons joyeuses'^ heraus. Seine Freunde und
Lehrer waren Paul Bourget und Richepin. Von dem letztern
jedoch trennte er sich nach den „Blasphemes". Als seine besten
Gedichte werden die 1876 erschienenen „Poemes de l'amour et
de la mer" angesehen, in denen er sich als leidenschaftlicher
Sänger des Meeres zeigt. „Les „Poemes de l'amour et de la
mer" de M. M. Bouchor presentent egalement une serie de
petites pieces simples, passionnees, eprises ou ironiques, denuees
de declamation, sans la grande emphase romantique, qui
tiennent parfois de la sensibilite et de la mechancete de
Heine.^' (Hennequin, 1. c. pag. 293.)
Auch bei seinen „Chansons joyeuses" (in der 1888 er-
schienenen Sammlung „Symboles" aufgenommen) wurde von
der Kritik auf die Geistesverwandtschaft mit der Lyrik Heines
hingewiesen. „La premiere partie des „Chansons joyeuses", oü
un amour naif est chante, me semble delicieuse de fraicheur,
d'emotion douce, de delicatesse. — Cette poesie est vraiment
originale. Peut-etre M. Bouchor fut-il touche de Henri Heine;
mais nous croyons surtout a une affinite entre les deux natures.'' ')
— Diese Affinität erklärt sich leicht dadurch, dass beide von
Byron abstammen, den Bouchor vergöttert. In seinen „Poemes
de l'amour", wo sich auch Uebersetzungen von dem englischen
Dichter finden, preist er diesen in enthusiastischen Versen :
„Ah! vivre comme toi, grand coeur desespere,
Et mourir, cömme toi, sur la terre etrangere;
S'enfuir en Orient, pour chercher la lumiere,
Et clianter, jusqu'au bout, comme un cygne.sacre."
*) Paul Gnigon, „Nouvelle Revue", Bd. LI, pag. 51.
a
und die zeitgenössischen Strömungen. 401
Manches Lied aber, besonders in der zuletzt genannten
Sammlung, zeigt unleugbare Spuren Heinesehen Einflusses.
So tritt in folgendem Gedichte die Manier unseres Dichters
deutlich hervor (pag. 200):
L'annee est morte, ding, dong !
Ding, deng, dong, l'annee est morte;
Janvier attend a la porte
Qu'on lui tire le cordon.
L'annee est morte, bien morte!
On va l'enterrer bientot ;
Par la yierge, il ne m'en cliaut;
Par le diable, peu m'importe!
Que l'on mette aussi mon coeur
Dans la fosse do l'annee
Oü mon äme s'est damnee
Pour un sourire moqueur.
Que, dans cette fosse, on plonge
Tous les regrets superflus.
Et qu'on ne me parle plus
Du passe qui n'est qu'un songe.
Lugubres cloches de fer,
Roulez a pleine volee
Sur mon ame desolee
Vos lourds carillons d'enfer.
L'annee est morte, bien morte!
Et desespere, j'attends
Qu'il naisse un nouveau printemps,
Ou que le diable m'emporte.
Noch auffallender ist die Anlehnung in dieser ironisch
modernisierten Loreley :
Betz, Heine in Frankreicli. 26
402 H. Heines Einfluss
On entend un chant sur l'eau,
Dans la brune:
Ce doit etre un matelot
Qui veut se jeter ä l'eau
Pour la lune.
La lune entr'ouvre le flot
Qui sanglote,
Le matelot tombe ä l'eau . . .
On entend trainer sur l'eau
Quelques notes.
Schliesslich sei ein innig-sentimentales Lied ohne iro-
nischen Beigeschmack citiert, das uns an den besseren Heine
erinnert (pag. 134):
Tu t'en venais ä moi, par les longs soirs d'hiver,
Et tu frissonais sous ton chäle,
Et nous contemplions la lune douce et pale
Qui se leve et rit sur la mer.
Dans nos regards profonds, que de tendresse enclose !
Le vent de nuit nous caressait,
Et tes levres en fleur etaient pour lui, qui sait?
En hiver, une etrange rose:
Sur mon epaule, alors, tes bras tremblants poses,
Tu semblais plus blanche et plus belle,
Et je sentais mon coeur soudain battre de l'aile
Et s'envoler vers tes baisers !
Und nun wollen wir in das Innere des Heiligtums des
modernsten Dichterhaines treten und sehen, ob auch die Musen-
priesterin der Decadence in den Liedern des „Intermezzo" ge-
blättert hat. —
„Bizarre Träume, in denen die Ironie die Rührung be-
deckt ; blassrotes Nebelgewölke, aus denen blonde Engelsköpfe
zwischen den Grimassen von Mephistophelesgestalten hervor-
lugen ; durchsichtige Nebel, auf die die Sonne seiner Phantasie
i
nn([ die zeitgenossischen Strömungen. 4ÖH
goldene Schleier wirft ; immer bewegliche Landschaften voller
Widersprüche; bald ein Klostergarten und in nächster Nähe
die blauen Fluten eines griechischen Gewässers; bald gotische
Ruinen und daneben der indische Kaktus in blutrotem Schim-
mer. Und inmitten dieser feenhaften Ideenwelt ein grübeln-
der und zerstreuter Jünger der Musen, ein mystischer oder
cynischer Student." — Diese Worte gelten nicht etwa einem
Symbolisten oder einem Decadent; sie sind in freier Ueber-
tragung den Erinnerungen der „Mouche" (C. Seiden) entnom-
men und auf Heine bezogen. — Wer sich die Mühe gegeben,
in den litterarischen Abhandlungen der Modernen zu blättern,
oder das Buch von Charles Morice in den Händen gehabt hat,
oder auch nur unserer skizzenhaften Studie der neuesten Litte-
ratur gefolgt ist, wird nicht leugnen, dass diese Charakteristik
Heines den Vertretern der neuen Poetik wie auf den Leib ge-
schrieben ist:
„D'oü vient donc que Heine nous fait „voir" les choses, non
seulement sans les decrire, mais parfois meme sans employer ni cou-
leurs, ni figures de mots ? C'est qu'il a l'art, invraisemblable semble-
t-il, mais que pratique d'instinct tout grand poete, de parier ä nos
yeux par la seule harmonie de ses phrases et de produire des images
rien qu'avec de beaux sons et des rythmes enchanteurs. Grace ä ce
perpetuel secours que nos sens se pretent entre eux, en lisant Heine
nous croyons voir ce que nous ne faisons qu'entendre, et nous voyons,
sous des formes ä la fois nettes et charmantes, ce que nous entendons
en des phrases ä la fois claires et harmonieuses. - Heine n'est pas
de ces poetes (sie!) qui s'imaginent qu'on ne peut peindre qu'avec
des Couleurs; il s'adresse ä la fois, et dans une meme strophe, aux
oreilles et aux yeux des lecteurs ; il s'eflForce surtout, pour que l'illu-
sion soit complete, de faire naitre dans leur äme les sentiments qu'ils
auraient eprouyes en presence des objets qu'ils croient voir et des
personnages qu'ils croient entendre."
So schreibt (pag. 284, 285) nicht etwa ein „SymboHste
jpro domo", sondern ein Gelehrter, Louis Ducros, der uns be-
kannte Autor der besten französischen Heinebiographie. Als
Beleg für das Gesagte citiert er die Prosaübersetzung der
404 H. Heines Einfluss
„Wallfahrt von Kevlar". Einige Seiten weiter weist Ducros
auf Heines Wortmalerei hin, und was er darüber zu sagen
hat, lautet wie ein Stück Decadence-Manifest. Was hier aus-
gedrückt ist, schwebt den Modernen als Ideal vor.
La langue fran^aise, ineme chez les grands poetes, et quoi
qu'ils fassent, est toujours analytique et un peu sourde ; rien, au con-
traire, n'est plus synthetique et plus retentissant que la langue que
Heine a parlee, ou plutot chantee dans la „Mer du Nord". Tel vers
et meme teile expression donnent en meme temps la couleur et le
bruit des flots ; tel acljectif est ä la fois une image et un son, que
dis-je? Heine compose des adjectifs qui nous presentent plusieurs
images ä la fois, par exemple la blancheur et la rapidite des vagues
ecumantes, ou bien les refiets de la lune sur une mer tranquille, et la
douce melancolie qui se glisse, a cette vue, dans Päme du poete . . .
etc. etc. (Pag. 294, 95.)
Diesem stelle man vergleichsweise folgende beiden Sätze
aus der „Litterature de tout ä Fheure" von Charles Morice
gegenüber :
„La Synthese rend ä l'esprit sa patrie, reunit l'heritage,
rappeile l'art ä la verite et aussi ä la beaute." (Pag. 359.)
„Nous reduisant donc ä notre objet strict, observons que
la grande analyse des trois siecles derniers ordonne ä cette
heure-ci le devoir logique de la Synthese." (Pag. 358.)
Mit andern Worten: was Seiden und Ducros über Heine
sagen, ist nichts Anderes als was die Symbolistes von der
neuen Poesie fordern und zu verwirklichen suchen. Wir
ziehen daher den Schluss, dass Heines Lieder und Balladen
als eine reiche Quelle der Inspiration für die französischen
„Jungen" und „Alten" der Decadence betrachtet werden
müssen, aus der im Verborgenen und offen geschöpft wurde,
und zwar in Bezug auf Inhalt und Form — „quod erit de-
monstrandum".
Ende der siebziger Jahre machte eine Dichterin, Madame
Marie Krysinska, in litterarischen Kreisen viel von sich reden.
und die zeitgenössischen Strömungen. 405
Sie war die erste, die jene besprochene hybride Dichtungsart
konsequent durchführte und studierte; die erste, die sich im
Prinzip gegen die „perfection routiniere" der Parnassiens und
Romantiker richtete. Im „Evenement" erschienen in den
Jahren 1882 und 1883 wiederholt Fragmente dieser Prosa-
rhythmik. Schon vorher hatte sie solche Poesieen in schön-
geistigen Klubs vorgetragen. J. H. Rosny, ein erfolgreicher
Romanschriftsteller, einer der bekanntesten Decadents, sagt
u. a. in der Einleitung zu den im Jahre 1890 bei Lemerre
(auch die Decadents fanden im Passage Choiseul freundliche
Aufnahm_e) veröffentlichten „Rythmes pittoresques" par Marie
Krysinska : „Que, la premiere, eile constitua le nouveau mode
musical de la parole non chantee . . . Votre prose rythmee —
er richtet sich an die Poetin — possede une harmonie delicate ;
l'euphonie des mots, le Systeme des assonances, la modulation
de la Periode et, d'autre part, la gräce, l'inattendu, la concen-
tration, la saveur des Images ne laissent pas un instant de
doute sur le caractere nettement et bellement poetique de
votre travail.^'
Georges Rodenbach, der bereits erwähnte belgische Baude-
lairist, erzählt in einem interessanten Artikel der „Revue bleue '^
(4. April 1891), „La poesie nouvelle", dem wir manche wertvolle
Auskunft verdanken, u. a. folgendes : Nichts lag anfangs Marie
Krysinska ferner, als den französischen Vers umzugestalten.
Da kam ihr eines Tages die Nervalsche Uebersetzung der
Lieder Heines in die Hände, und gleich war sie von dem
eigentümlichen Zauber dieser „prose poetique" ergriffen, deren
Verse jeweilen den Heines ohne Metrik, Cäsur und Reim
1) Ohne es mit Bestimmtheit nachweisen zu können — weil verlässliche
Daten fehlen — halten wir es für mehr als wahrscheinlich, dass der junge
Rlmhmid — Victor Hugo hat ihn einmal „Shakespeare enfant" genannt — ,
der damit begonnen, in ähnlichen Prosaversen zu dichten, von der neuen
Poetik der Krysinska Kenntnis hatte und sich ihr nachträglich anschloss.
406 H. Heines Einfluss
wiedergaben. Es schien ihr diese lose Strophen- und Vers-
musik eine zwischen Prosa und Poesie schwebende, berechtigte
und selbständige Stellung einzunehmen. „Alors eile se ditqtt^ime
teile forme lui suffirait pour s'exprimer sans devoir aller jusqa'aii
vers. Et eile y appliqua desormais des motifs personnels et
des sensations directes." Und Rodenbach fügt dann noch hinzu:
„Ceci est piquant, quand on songe ä l'assurance de ceux qui
ont repris, dans la suite, cette forme „mixte" dans l'intention
meme de ceux qui Tont trouvee, et qui laissait intact, bien
au-dessus, le vers traditionnel moins accessible et plus orfevre.
On veut maintenant que cela ait tue ceci, et on proclame
avec intransigeance „le vers libre" comme le commencement
de la sagesse et la condition de tout talent."
Nicht derselben Meinung ist ein anderer Kritiker der
Modernen — Krysinska selbst dürfte die Ansicht Rodenbachs,
es sei jene Dichtungsart bloss ein „genre mixte", nicht teilen — ,
Jean Psichari, ( — auf den Belgier folgt ein Grieche!), der
im selben Bande der ,, Revue bleue^' (6. Juni 1891) eine lehr-
reiche Studie über den Versbau und die Tendenzen der
jüngsten Dichterschulen mit einem Satze beschliesst , der
ausserdem alles, was hier bis jetzt über den Einfluss Heines
gesagt worden ist, wiederum bestätigt. Nachdem er das Ende
der Herrschaft des Alexandriners als wahrscheinlich hingestellt,
indem er sehr logisch argumentiert, dass Verse uns nur dann
durch ihre Schönheit frappieren, wenn sie den bisher ge-
schaffenen unähnlich sind, d. h. dieselben übertreffen, dass
nun aber die Vollkommenheit des Alexandriners mit Jose
Maria de Heredia ( — auf den Griechen ein aus den Bergen
der Sierra Madre bei Santiago de Cuba gebürtiger !) die höchste
Stufe erreicht habe und infolgedessen das kommende Poeten-
genie gezwungen sei, andere Wege einzuschlagen, — fährt
er fort: „Un ideal vient d'apparaitre. On entrevoit im vers
aux rythmes les plus varies se succedant dans une meme
piece ; chacun de ces rythmes se proportionne au sentiment ou
f
und die zeitgenössischen Strömungen. 407
ä Fimage; le developpement de la strophe n'a d'autre regle
que le developpement de l'idee. Le rire et les larmes se
melent : des envolees de poesie cote ä cöte avec des tristesses.
Une ligne de prose parfois viendra ä se montrer, pour rea-
liser enfin le voeu exprime par Vigny, qui demandait le reci-
tatif apres le chant. // nous faudrait im Heine en vers lihres.
On n'attend plus que le poete/'
Im Anschluss hieran mag es — „pour vider la question^' —
nicht uninteressant sein, auch die Meinung Perd. Brunetieres
zu befragen. Dass der bekannte Champion des ,,grand siecle''
und strenge Richter der Romantik die Hoffnungen und Sympa-
thieen der Modernen nach keiner Richtung hin teilt, liegt auf
der Hand. Weder vom- „vers libre" noch vom „vers blanc^', ge-
schweige denn von einem ,,genre mixte^', will er etwas wissen.
Auf folgende Weise spricht er diesen Neuerungen jegliche
vernünftige Existenzberechtigung ab : „Un tableau doit etre
„peint'', ce qui s'appelle „peint", quels que soient d'ailleurs ses
autres merites, quelles que soient ses pretentions, comme, avant
d'etre quoi que ce soit, epiques, dramatiques ou lyriques, des
vers doivent etre des vers . . . Des vers qui ne sont pas des vers
sont . . . de la prose, et un tableau qui n'est pas peint, n'en
est pas un." ^) Der Vergleich hinkt zwar — denn auf der
einen Seite haben wir bloss Farbe und Bild — auf der andern
hingegen das Wort, mit dem wir zweierlei bilden können,
Prosa und Poesie. In seiner letzten Vorlesung 2) über die
Entwicklung der Lyrik Prankreichs im XIX. Jahrhundert
bekräftigt er wiederum seine skeptischen Ansichten über die
Zukunft des ,,vers blanc": „En frangais, dans une langue oü
le vocabulaire de la poesie ne differe pas substantiellement
de celui de la prose, — si la rime n'est pas l'unique genera-
1) „Revue bleue", 30. Mai 1893.
2) L. c. (conclusion), 24. Juni 1893. Inzwischen ist die Serie in Buchform
erschienen.
408 H. Heines Einfluss
trice du vers, il semble bien que Timagination de la rime
soit le Premier doii du poete, son aptitude originelle, la
faculte qu'il apporte en naissant. . . . Puisque la poesie est
un langage ,,mesure", la Sensation de la mesure est indispen-
sable, non pas meme ä son effet, mais ä sa definition, et
puisqu'en frangais la quantite ne saurait nous donner cette
Sensation necessaire, il faut donc que ce soit la rime qui nous
la procure." — Der Alexandriner müsse nach wie vor „le type
du vers frangais'' bleiben. Litterarisch verspricht er sich von
der neuen Schule Folgen, an die wir nicht glauben, weil
sie uns dem innersten Wesen der Lyrik zu widersprechen
scheinen: „On souffrira tout autant, mais on le dira moins,
si meme on Tose dire ; et, ä cet egard, je crois que nous pou-
vons voir dans le „baudelairisme'' la derniere convulsion de
Tindividualisme expirant. Lyrique dans sa forme, la poesie
redeviendra donc impersonnelle dans son fond. Le poete ne
sera plus lui-meme la matiere unique de ses chants; il ne
nous fatiguera plus du recit de ses bonnes fortunes ou du
Souvenir de ses debauches; il ne sera plus Byron, ni Musset,
ni Don Juan. C'est aux sources inepuisables de la nature,
de rhistoire, de la science qu'il rajeunira son Inspiration."
Dass sich der Poet der Zukunft an die „sources inepuisables
de la nature'^ halten wird, glauben und hoffen auch wir; zu
denen aber rechnen wir in erster Linie den Menschen selbst.
Mag sein, dass der Gang der socialen Verhältnisse den Prophe-
zeiungen Brunetieres recht geben wird. LTnd doch will uns
dünken, es müsse der Mensch den Dichtern und Dichterver-
ehrern auch fernerhin das erste, das interessanteste und er-
habenste Problem bleiben.
Kehren wir nach dieser kleinen Abschweifung noch auf
einen Augenblick zu Marie Krysinska zurück. Das oben
erwähnte Bändchen „Rythmes pittoresques'' enthält den
poetischen Erguss einer tief empfindenden Seele. Die Form
der Prosa-Lieder und -Balladen gleichen ihrem Vorbilde, den
und die zeitgenössischen Strömungen. 409
Uebersetzungen Nervals, auf ein Haar. Ihre Sprache, durch
keinerlei Schranken der Reimkunst beengt, übt durch E]in-
fachheit und natürlich musikalischen Rhythmus einen eigenen,
ästhetisch durchaus begründeten Zauber aus. Und nicht nur
die äussere Gestalt verrät das Muster, das ihm vorgeschwebt,
sondern auch der Grundton und die Motive einiger müde
wehmütiger, mystisch düsterer Lieder erinnern an Heine. Der
deutsche Leser wird bei der hier angeführten Ballade nicht
umhin können, an die Gestalt der „toten Marie'' zu denken.
Ballade.
I.
Dans le parfum des violettes, des roses et des acacias — ils
se sont, un inatin, rencontres.
Aupres de son corsage entr'ouvert dormaient des roses moins
douces que sa gorge — et ses youx, qui semblaient deux noires vio-
lettes, embaumaient comme le printemps.
Le soleil poudrait d'or ses cheveux blonds; —
Lui, regardait ses yeux qui semblaient deux noires violettes.
Rapides sont les heures d'amour.
Un soir, sous les etoiles, eile lui dit: — Je suis ä toi pour jamais.
Et les etoiles les ont fiances, — les etoiles moqueuses et froides,
Dans le parfum des violettes, des roses et des acacias.
Rapides sont les heures d'amour.
Un jour il est parti, comme les petites fleurs d'acacias neigeaient —
Mettant sur le gazon desole de grandes taches blanches, pareilles
ä des linceuls,
Oü le papillon venait agoniser.
II.
Est-il donc des parfums qui tuent ?
Une fois seulement il respira la fleur tenebreuse de ses cheveux.
Une fois seulement.
Et il oublia Fenfant blonde qu'il avait, un matin, rencontree,
Dans le parfum des violettes, des roses et des acacias.
410 H. Heines Einfluss
0 les nuits irreelles, les merveilleuses nuits!
Les caresses mortellement enivrantes,
Les baisers qui ont le goüt du reve
Et les alanguissements plus doux que la Yolupte.
0 les nuits irreelles, les merveilleuses nuits!
Un musc attenue hantait son alcove.
Est-il donc des parfums qui tuent?
Elle disait: — Je n'aimerai que toi — la traitresse.
Et son Corps inoubliable avait des mouvements
de bei animal dompte.
De bei et dangereux animal — dompte.
Un jour, il trouva des levres muettes et boudeuses.
0 niais toujours ayant ce memo goüt du reve —
mortellement enivrant.
Des levres cruelles et muettes comme les roses parfumees, qui
attirent et ne rendent pas les baisers.
C'est en vain qu'il pleura plus qu'au jour oü sa mere
dans le tombeau s'etait coucliee.
Les yeux de la bien-aimee avaient des regards plus froids
que les marbres des mausolees.
Et ses levres, ses levres si clieres restaient muettes comme les roses.
Est-il donc des parfums qui tuent?
Le bei et dangereux animal qu'il croyait dompte, avait, en jouant,
mange son coeur.
Alors, il maudit l'azur du ciel et les etoiles scintillantes.
II maudit l'immuable clarte de la lune, le chant des oiseaux
Et le feuillage qui cliucliote mysterieusement et perfidement
quand approche la nuit apaisante.
III.
Mais le coeur de l'homme est oublieux et infidele.
Et maudire est bien triste, alors que renait la saison des jeunes
calices
Et des brises tendres comme des baisers.
«
und die zeitgenössischen Strömungen. 411
II se souvint de l'enf'ant blonde qui iui avait dit, un soir, sous
les etoiles: — Je suis ä toi pour jamais.
Et il revint.
Mais eile etait allee dormir au cimetiere,
Dans le parfuni des violettes, des roses et des acacias.
(„Evenement", 25. Novembre 1882.)
Als einer der begabtesten aus der Dichtergruppe, die
sich den Theorieen und Tendenzen Rimbauds anschloss, ist
Jules Lafargue zu bezeichnen (geb. 1860 — in Montevideo [!]),
den der Tod, wie seine Geistesverwandten Chatterton, Hege-
sippe Moreau, in der Blüte der Jahre wegraffte. Auch in
seinen Liedern erinnert uns vieles an Heine, was Charles
Morice bestätigt, der von dem grossen Einflüsse spricht, den
deutsche und englische Poesie auf den jungen Decadent aus-
geübt. Die verschiedensten Stimmungen spiegeln sich ab-
wecliselnd in seinen Gedichten wieder. Die kleinen und grossen
Leiden einer empfindsamen Seele schildert er mit ironischer
Resignation und thränenfeuchtem Lächeln. Er lacht oft grell
— um das Weinen zu ersticken. — Er fühlt zärtliches Sehnen
und innige Liebe für jene junge Frau mit dem Busen „comme
des soucoupes'^, aber er weiss auch, — dass sie Klavier spielt.
Er ist ein echter Lyriker „fin de siecle", lacht und weint, wie
seine Zeit, die es von Byron, Edgar Poe — und Heine ge-
lernt hat.
Paul Verlaine (1844), ein Lothringer, der 1873 optierte,
hat immer gegen die Einreihung unter die Decadents pro-
testiert. Am liebsten würde er sich „poete maudit" genannt
wissen. Seiner Geistesbeschaffenheit, seiner hypermüden Seele
und übersättigten Sinnen aber wird er es stets zuzuschreiben
haben, unter die typischen Vertreter der Decadence-Dichtung
gezählt zu werden. Was ihn von dieser indessen trennt, ist
die schöne Klarheit seiner Sprache und eine grosse Versroutine,
die den alten Parnassien verrät. Treffend wurde er der mo-
412 H. Heines Einfluss
derne Villon genannt; wie der Autor des ,, Grand Testament'^,
gehört auch er unstreitig der echten Rasse der Sänger an,
bei denen die Poesie wild wächst und wuchert, und plötzlich
und ungestüm hervorbricht — auch aus faulern Grund vuid
Boden — , in deren Liedern man den schlagenden Puls und
das klopfende Herz spürt. Paul Verlaine, der die ganze
Decadencegruppe um Kopfeslänge überragt, ist ein grosser
Dichter, der viel geirrt hat. Ein solcher Poet, wäre er auch
kein Parnassien gewesen, konnte nicht unberührt an Heine
vorübergehen. Liebesschmerz und Ironie, bestrickender Reiz
der Töne und sinnliche Mystik, alles was aus dem „Buch der
Lieder" spricht, klingt uns auch in Verlaines Muse entgegen.
Sie träumt von geisterhaften Frauengestalten — einer bleichen,
toten Marie, — die sie liebt, mit der sie weint. — Man blättere
in Verlaines „Poemes saturniens" (1865), oder in „Sagesse"
(1881) — für jeden Freund wahrer Poesie, wess litterarischen
Glaubens er auch sei, ein seltener Genuss — und aus manchem
Verse wird der aufmerksame Leser ein deutliches Heine-
Echo vernehmen. So gleich in der letzten Strophe der „Lassi-
tude" („Choix de Poesies", Charpentier, 1893, pag. 10), die
auch vor der Kritik J. Lemaitres („Les Contemporains",
Serie IV, pag. 82) Gnade gefunden hat :
„Mets ton front sur mon front et ta main dans ma main,
Et fais-moi des serments que tu rompras demain,
Et pleurons jusqu'au joiir, 6 petite fougueuse !"
Wer denkt da nicht gleich an Heines : „Lehn' deine
Wang' an meine Wang'" etc.? Und um wie viel poetischer
nachempfunden als Nervals „Appuie ta joue", oder gar Ristel-
hubers „AppHque" etc. Aus der erwähnten Sammlung haben
wir es versucht, ein Liederkleeblatt zu pflücken, das uns nicht
nur die mit Heine verwandten Seiten — schmerzensreiche
Empfindsamkeit, kunstvolle Nonchalence der Sprache etc. —
nachweisen, sondern auch an ganz bestimmte Stellen erinnern
soll.
und die zeitgenössischen Strömungen. 413
II pleure dans mon coeur,
Comme il pleut sur la ville;
Quelle est cette langueur
Qui penetre mon coeur?
O bruit doux de la pluie,
Par terre et sur les toits!
Pour un coeur qui s'ennuie,
O le chant de la pluie !
II pleure sans raison,
Dans ce coeur qui s'ecoeure.
Quoi ! nulle trahison ?
Ce deuil est sans raison !
C'est bien la pire peine
De ne savoir pourquoi;
Sans amour et sans haine,
Mon coeur a tant de peine.
Le ciel est, par-dessus le toit,
Si bleu, si calme !
Un arbre, par-dessus le toit,
Berce sa palme.
La cloche dans le ciel qu'on voit,
Doucement tinte.
Un oiseau sur l'arbre qu'on voit,
Chante sa plainte.
Mon Dieu, mon Dieu, la vie est lä,
Simple et tranquille.
Cette paisible rumeur-lä
Vient de la ville.
— Qu'as-tu fait, 6 toi que voilä,
Pleurant sans cesse;
Dis, qu'as-tu fait, toi que voilä,
De ta jeunesse ?
414 H- Heines Einfluss
Je ne sais pourquoi
Mon esprit amer,
D'une alle inquiete et folle, vole sur la mer.
Tout ce qui m'est eher,
D'une alle d'effroi
Mon amour le couve au ras des flots. Pourquoi, pourquoi?
Mouette ä l'essor melancolique,
Elle suit la vague, ma pensee,
A tous les vents du ciel balancee
Et biaisant quand la maree oblique;
Mouette ä l'essor melancolique.
Ivre de soleil
Et de liberte,
Un instinct la guide ä travers cette immensite;
La brise d'ete,
Sur le flot vermeil,
Doucement la porte en un tiede demi-sommeil.
Parfois, si tristement eile crie,
Qu'elle alarme, au lointain, le pilote,
Puis au gre du vent se livre et flotte
Et plonge, et, l'aile toute meurtrie,
Revole, et puis si tristement crie!
Je ne sais pourquoi
Mon esprit amer,
D'une aile inquiete et folle, vole sur la mer.
Tout ce qui m'est eher,
D'une aile d'effroi
Mon amour le couve aux ras des flots. Pourquoi, pourquoi?
Die „Nordseelieder" mögen auch den Gedichten „La mer" ^)
von Gustave Kahn („Revue moderne", 3" annee, N" 1) als Vor-
^) Andere bekannte Meeressänger sind noch : Victor Hugo, überall in
seinen „Contemplations" ; J. Autran, „Les poemes de la mer", 1859; Michelet,
(in Prosa) und neuerdings Jacques Normand und Sully Prudhomme.
und die zeitgenössischen Strömungen. 415
bild gedient haben. Der 1859 geborene Lothringer ist ein
Decadent vom reinsten Wasser. Er ist der Verfasser einiger
Monographieen, die sehr für uns sprechen, denn diese behandeln
Heine, HofFmann, Casanova, Lafargue und etUche Decadents.
Einem an Huret *) gerichteten Briefe entnehmen wir folgende
sehr bezeichnende Stellen: „. • • ^s (les symbolistes) ont lu
ou ont du lire, de choix et aux moments de delassement,
les vieux poemes d'antiquite des races, les legendes, les cycles
du raoyen äge, le Dante. Ils connaissent Goethe, Heine, Hoff-
raann et autres Allemands ... ils ont subi, par le hasard des
temps, une forte Immersion de la musique legendaire et sym-
bolique de Wagner . . . Cest cet ensemble d'influences qid est le
generateur du mouvement achtel, et cet ensemble d'oßuvres an-
ciennes qui compose la hibliotheqiie ideale.''^
Charles Gros (1842 — 1888) wird gewöhnlich als Baude-
lairist bezeichnet. Sein Bestes hat er mit den 1873 erschie-
nenen Liedern „Le cofFret de Santal" geboten, von denen
manche in der That an Heineschen Einfluss denken lassen.
Das Gleiche gilt von Adolphe Rette (1862), dessen Ge-
dichte und Prosaschriften in zahlreichen modernen Revuen
zerstreut liegen (so in „La Cravache", „Mercure de France",
„L'Ermitage", „Le Saint-Graal" etc.).— Theodore de Beze^)
nennt uns seine Lieblingsautoren: „Shakespeare, Balzac, Victor
I
^) Jules Huret, „Enquete sur Tevolution litteraire", pag. 399. Derselbe
litterarische Reporter lässt den begabten Dichter Gabriel Vicaire in seinem
„interview" u. a. sagen (pag. 377) : „II y a une chose qui m'attire beaueoup,
c'est la poesie populaire . . . La,, il n'y a pas de complication de style, le vers
varie suivant l'impression k rendre, la rime n'est quelquefois qu'une simple
assonance. En Angleterre, en Allemagne, on a beaueoup etudie cette poesie.
Henri Heine en a tire de tres beaux effets ..." — Ebenso kommt Heine
in den Gesprächen von Anatole France und Maurice Bandes vor. So sagt
der letztere u. a. : „ . . . Savez-vous que Heine n'est un poete si emouvant que
par les qualites qui fönt en meme temps de lui un des plus profonds penseurs
de ce siecle ? 11 a la culture et la clairvoyance . . ." (Pag. 20.)
2) „Les hommes d'aujourd'hui", N" 417.
416 H. Heines Einfluss
Hugo, Gerard de Nerval, Verlaine, Heine, Swinburne." Nota-
bene : Von ihm wurde die Idee lanciert , Baudelaire ein
Monument zu errichten.
Nicht unbedeutsam scheint uns die grosse Rolle zu sein,
die der Traum in der mystisch-symbolischen Fraktion der
Decadence-Dichtung spielt. Er ist geradezu als Kunstmoment
in ihre Aesthetik aufgenommen. Morice schickt seinem letzten
Kapitel („Commentaires d'un livre futur") Taines Worte vor-
aus: „ . . . Dans l'abstraction, le reve et le Symbole", und
sagt (pag. 359): „La Synthese de l'art, c'est: Le reve joyeux
de la verite belle." — Alle französischen Modernen machen
von diesem poetisch wirksamen Mittel den ausgiebigsten Ge-
brauch. Auch in dieser Sonderheit sehen wir deutschen resp.
Heineschen Einfluss. —
Und nun, bevor wir, das Buch beschliessend,^) Umschau
nach Heines Einfluss in Helvetiens welschen Landen halten
wollen, noch ein kurzer Halt, ein letzter Blick rückwärts auf
all das, was wir bis jetzt von Heine in Prankreich gelernt
haben. Es handelt sich nämlich darum, uns klar zu werden,
wie es kam, dass Heine, sein Wort und sein Lied, das Interesse
^) Nur des allgemeinen Interesses halber sei hier noch der Felibre Theodore
Aubanel (1829—1886) aus Avignon erwähnt, bei dem von Heineschem Einfluss
gesprochen wird. Wie bekannt, gehört Aubanel mit Mistral und Roumanille
zu den Wiederbegriindern der provenc^alischen Lyrik. Er ist der Dichter der
Liebe („Livre d'amour", 1860) und wird der Petrarque fran^ais genannt.
In seineu Liedern besingt er stets nur die eine Geliebte, die Nonne geworden
und die er nicht vergessen kann. Daher seine Devise: „Quan canto, soun
man encanto." Als sein Meisterwerk gilt die Dichtung „La Mirongrano entre-
ouberto" (halb geöffnete Granate). A. Daudet nennt seinen Landsmann in
dem Nachrufe, den er ihm gewidmet, „einen grossen Dichter, ausgestattet
mit Leidenschaft, Farbe, Phantasie, und den unser schöner proven^alischer
Rhonestrom beweinen wird, wie die Töchter des Rheines Heinrich Heine
beweinen." — Da wir es hier mit dem Einfluss Heines auf die französische!
Dichtkunst zu thun haben, kann es fast ebensowenig unsere Aufgabe sein,
denselben bei dem Proven^alen Aubanel zu verfolgen, wie etwa bei dem^
Italiener Zendrini.
und die zeitgcnossi schon Strömungen. 417
des französischen Publikums stets so rege gehalten, dass
die Teilnahme an seinem Leiden und Lieben von jeher bei
den Gebildeten Frankreichs eine so grosse gewesen; mit an-
deren Worten, um die Frage: „Welches sind die Gründe
seiner Beliebtheit?"
Auch darauf soll uns Frankreich selbst Antwort geben.
Eines heben wir zunächst nochmals mit Nachdruck hervor,
damit zum richtigen Verständnis des so mannigfaltigen Ein-
flusses alles gesagt sei. — Wenn es nämlich für Deutschland
einen doppelten Heine gibt, einmal den Sänger unvergänglicher
deutscher Lieder, und dann den unvergleichlichen Satiriker,
den vernichtenden Spötter, so können wir nun auf Grund dieser
Studie sowohl, als auch langjähriger persönlicher „Enquete"
versichern, dass Frankreich drei Heine kennt. Erstens und
vor allem Heine den „homme d'esprit par excellence". Dies ist
die allgemeinste, verbreitetste französische Denkweise. Zwei-
tens: Heine - Musset ; d. h. der Dichter der Liebe, ihrer
Freuden und Leiden, und dies ist der Heine jener Elite, die
Gedichte liest. Und drittens gibt es einen Heine der Dichter,
der litterarischen Dilettanten. Diese lieben und verehren
Heine, wie er leibt und lebt, in seiner ganzen unfasslichen
Sphinxgestalt, mit seiner verwirrenden Lyrik, mit seinem
melancholischen Spottgelächter, mit dem blendenden Zauber
j seiner so fremdartig poetischen Erscheinung.
I Daran, dass Heine für die grosse Masse der Gebildeten
Frankreichs der supergeistreiche Litterat bedeutet, dass sein
I Name als solcher seit zwei Decennien, jahraus, jahrein, bis
in das kleinste und entlegenste Städtchen der Provinz ge-
I drungen, daran ist Gaston Marquis de Presles schuld, der
i Schwiegersohn des biedern Monsieur Poirier, Held des belieb-
testen und treffHchsten Lustspiels des ganzen modernen fran-
zösischen Repertoirs, genannt : „Le gendre de M. Poirier'^ und
verfasst von Emile Augier und J. Sandeau. In dieser prächtig
gesunden Satire menschlicher Schwächen, — denn sie passt
418 H. Heines Einfluss
für alle Zeiten und für jedes Land, nicht nur für das Paris
vor dem Jahre 1848, — fragt der Marquis seinen Millionen-
schwiegerpapa , nachdem dieser dem Tochtermann zaghaft
den Vorwurf gemacht (Akt II, Scene I): „Vous etes cepen-
dant trop raisonnable pour croire ä l'eternite de la lune de
mieF' — ironisch lächelnd: „Trop raisonnable, vous l'avez
dit, et trop ferre sur l'astronomie . . . Mais vous n'etes pas
Sans avoir lu Henri Heine?"
Poirier: (sich an seinen Freund wendend): „Tu dois avoir
lu ga, Verdelet?"
Verdelet: „J'ai lu, j'en conviens/'
Poirier : „Cet etre-lä a passe sa vie ä faire l'ecole buis-
sonniere!"
Gastoti : „Eh bien ! Henri Heine, interroge sur le sort des
vieilles pleines lunes, repond qu'on les casse pour en faire
des etoiles/'
Es mag für unseren Dichter in seinem schweren Leiden
ein Glückstrahl gewesen sein, als ihm die Nachricht wurde,
dass sein „esprit'', und zwar nicht anonym, auf der französi-
schen Bühne eingezogen sei, denn die Premiere jenes Stückes
fand im Jahre 1854 im Gymnase statt. Wie mancher auch
noch so sprachkundiger Deutsche, der der musterhaften Dar-
stellung dieses Lustspiels — spielt doch pere Got den alten
Poirier — seit 1864 in der Comedie frangaise beigewohnt,
fand wohl an diesem geistreichen Bilde Gefallen, ohne in dem
„Henri äin" seinen deutschen Dichter wieder erkannt zu haben.
Dass die grosse Mehrheit des lesenden PubHkums Heine
besonders den witzigen, absonderlichen Humoristen hiess,
geht auch aus folgenden Zeilen Hennequins („Ecrivains
francises", pag. 294) hervor: „Ce qu'il (le public) a accepte
de Heine et de ses semblables, c'est non son Ironie, sa melan-
colie, sa preciosite, mais, sous benefice d'inventaire, son esprit
gracieux et fin, sa gaite poetique, son amüsante mobilite
d'äme, c'est-ä-dire en somme les cötes oü se marque encore,
und die zeitgenössischen Strömungen. 4l9
mais se marque le moins violemment l'instabilite cracteris-
tique de son humeur. Celle-ci existe donc chez quelques
railliers de nos lecteurs, niais attenuee, affaiblie et reduite ä
ne se manifester qu'entre des etats d'äme par trop divers/'
Vergessen wir nicht, welches Prestige, welche souveräne
Macht in Prankreich von jeher der „esprit" , schlagender
Witz und eine geistreiche Unterhaltung besassen. Dann ist
auch für jene Zeit in Betracht zu ziehen, dass von den sämt-
lichen Romantikern, Musset vielleicht ausgenommen, keiner
geistreich war. Ueberhaupt hatten die Franzosen seit Rabelais
keinen berühmten Humoristen, wenn auch die humoristische
Ader der französischen Litteratur nicht ganz ausgetrocknet
war. Bei Meliere hat der Humor eine düstere, wir möchten
fast sagen: eine englische Färbung. Ein hervorragender
Humorist — malgre lui — kann höchstens Heines Zeit-
genosse Veuillot genannt werden. Daher die Vorliebe für
Heine, daher sein Nimbus bei der Menge, die das Fehlen
der schalkhaften Gutmütigkeit, ohne die es keinen wahren
Humor gibt, nicht empfindet, die in dem Autor der „Reise-
bilder" in erster Linie stets den Mann des sprudelnden Geistes
bewundern wird, der ja auch die Pariser Litteraten so be-
strickte : „A Paris, les beaux parleurs sont toujours bien venus;
la blague est une puissance. Beaumarchais pensait que c'est
[a seule. Les gens de lettres battaient des mains aux im-
>rovisations de Henri Heine." (Audebrand, „Petits memoires^',
)ag. 14.)
Was Heine, den Schriftsteller, den Dichter in Prosa und
'oesie, so beliebt machte, was ihm im französischen Parnass
^„droit de cite" gab, das war die wunderbare Klarheit seiner
Sprache, die Sprache aller und doch die eines andern: „Quel
[ue seit le manque d'ordonnance de ses „Reisebilder", c'est
sncore la seule oeuvre prosaique allemande qu'un Frangais
>uisse lire d'un bout a l'autre, sans avoir ä user de sa volonte
)our contraindre son attention. II a accompli le singulier
420 H. Heines Einfluss
tour de force d'une langue naturellement diffuse (!) et peu
apte ä former des phrases solides, condensee et pressee au
point de devenir forte, agile et limpide." (Hennequin, ib.,
pag. 65.)
Und was den eigentümlichen Zauber betrifft, den Heines
merkwürdiges Doppelwesen auf den kleinen Kreis — und nur
auf diesen — von Dichtern und litterarischen Feinschmeckern
ausübt, so wollen wir hier Ed. Schure das Wort lassen:
,,Cette nature double a ete une des caiises jn'incipales du succes
prodigieux de Henri Reine en France. On aime, chez nous, ces
contrastes heurtes, ces poetes au coeur sanglant et dechire
qui disent au monde : Vois-tu les blessures que tu m'as faites ?
et qui, quand la foule approche, se redressent et fönt siffler
le fouet autour de ses oreilles. On a pardonne ä Henri Heine
ses excentricites de sentiment et d'imagination, gräce a son
esprit mordant. Qu'il lui arrive, par exemple, de parier d'un
amour de jeunesse, de quelque belle jeune fille blonde et son-
geuse, il en parlera si bien que vous, Frangais sceptique,
vous serez sur le point d'etre emu. Dejä les larmes vous
viennent aux yeux et vous craignez de perdre votre enjoue-
ment d'homme du monde. Mais voici qu'un trait d'esprit part
comme une fleche, la madone se change en Soubrette; vous
souriez et vous voilä soulage. Vous pensiez avoir ä faire ä
Jean Paul; point du tout, c'est ä un autre Voltaire. La siir-
prise vous enchante et vous applaudissez. Pour les Allernands,
c'est tont le contraire, Ils voulaient pleurer, et on les a fait
rire; ^ ils sont farieux/^ (Schure, „Histoire du Lied'', pag. 450.)
Man hat mit Recht in dem Verhältnis des deutschen
Volkes zu Heine seit dessen Tode drei Stadien unterschieden:
das der gänzlichen Vernachlässigung, die mit dem Hinscheiden
des Dichters beginnt ; dann die eifrige Befehdung, und endlich
^) Wir betrachten es natürlich als einen Lapsus, wenn es bei Schure
gerade umgekehrt heisst (ils voulaient rire, et on les a fait pleurer).
und die zeitgonössisclien Strömungen. 421
die Anerkennung. Heute kann man mit Fug von einer vierten
Periode sprechen, — der der erbitterten Parteinahme für und
gegen Heine. Ganz anders in Frankreich. Schon seit dem
Erscheinen der beiden ersten Bände der „Oeuvres completes^',
die grosses Aufsehen erregten und, wie wir gesehen haben,
mit Enthusiasmus begrüsst wurden, — schon seit 1855 ist die
Wertschätzung und Anerkennung seines Genies in stetem
Wachsen begriffen, und dies will, wenn wir bedenken, was
Sainte-Beuve vor 1870 über das Ansehen Heines in Frank-
reich sagte, nicht wenig bedeuten. Eines darf jedoch nicht
verschwiegen werden. Wenn die allgemeine Bewunderung
dieses deutschen Dichters in Frankreich, besonders in den
letzten Jahren, so hohe Wellen schlug, und speciell wenn an
die Düsseldorfer Affaire angeknüpft wurde, so spielen hier
zum Teil gewiss nicht rein litterarische Motive mit. Ab-
gesehen von der anderwärts schon besprochenen „vogue" alles
Fremdartigen und Ausländischen, mit der sich die Beliebtheit
nordischer, besonders russischer Schriftsteller deckt, die Tour-
gueneff, de Yogüe und — die russische Alhanz in Frankreich
eingeführt, hat der Heine-Enthusiasmus jenseits des Rheines
gar oft einen leichten Anflug von chauvinistischer Schaden-
freude, gemischt mit sogenanntem „snobisme'*.
Allein, wie dem auch sei, so stehen folgende Thatsachen
nicht minder fest: Erstens hat der Heinebiograph Strodt-
mann recht, wenn er behauptet, dass Heine durch seine
„Oeuvres completes'' in die Reihe der ersten französischen
Schriftsteller erhoben wurde. Er ist innerhalb der franzö-
sischen Litteratur als ein grosser Dichter zu betrachten; er
gehört ihr an, ebenso gut, ja noch mehr, wie ein Melchior
Grimm oder ein Abbe Galliani, trotz aller seiner grossen und
kleinen „teinturiers".
Zweitens hat Heine, wenn auch ohne den ernsten Willen
eines Börne, direkt und indirekt, kraft seines Genies, mehr wie
irgend ein anderer die Augen der Franzosen auf deutsches
422 H- Heines Einfluss.
Wissen und Wesen gelenkt, mehr wie irgend ein anderer
die französische Litteratur — wir möchten sagen : germanisiert.
Drittens irrt Karl Hillebrand entschieden — mag er
auch der Sekretär unseres Dichters gewesen sein — , wenn er
sagt : „In der That scheint Goethe, der Mensch wie der Dichter,
unsere Nachbarn am meisten zu interessieren." Seit einem hal-
ben Jahrhundert ist dies nicht mehr der Fall. Der bekannteste
deutsche Dichter im Prankenlande ist Heine; für ihn, den
Dichter und Menschen, interessieren sich die Franzosen seit
den Tagen der Spätromantik unzweifelhaft am meisten. Und
Viertens steht nicht minder fest, dass die Franzosen
von Heine zuerst, und erst durch ihn, mit Erfolg lernten, dass
die Lyrik nicht bloss in einer noch so harmoniereichen, farben-
prächtigen und klangvollen Sprache bestehe, sondern dass sie
gesungen werden will, — dass nicht die Beredsamkeit, son-
dern die Inspiration die Hauptsache sei, dass der Liebe nicht
Lobes- und Preishymnen dargebracht werden sollen, sondern
dass die Liebe selbst sprechen, selbst frohlocken und klagen,
dass sie nicht in kunstvollen Allegorieen, sondern, wie beim
Volke, in einfachen, rasch belebten Tönen direkt zum Herzen
sprechen soll.
Einige Dichter der Westscliweiz. 423
Neuntes Kapitel
H. Heine und einige Dichter
der W^estschweiz
Wem der Grundton der Litteratur der französischen
Schweiz bekannt ist, wird dort schwerHch Spuren und tiefe
Eindrücke Heinescher Dichtung suchen. Dass aber die Lyrik
unseres Dichters auch über das Juragebirge gedrungen, sahen
wir schon in unserem vierten Abschnitte. Neben einigen
neuen Namen werden wir daher wieder alten, schon bekannten
begegnen. Zu den letzteren gehört :
Marc-Monnier. (Marc-Monnier wird in Lemerres „An-
thologie des Poetes frangais du XIX^ siecle" als Franzose
betrachtet und daher nicht zu den im „Appendice" unter-
gebrachten „Poetes etrangers ayant ecrit en frangais'' gezählt,
worunter Schweizer, Belgier, Canadier etc. zu verstehen sind.)
Durch seinen engen Verkehr mit dem deutschen Liede
mussten seine eigenen Gedichte naturgemäss fremdes Gepräge
annehmen. „On pourrait le mettre en regard de quelques-uns
des poetes qu'il imite ou traduit, Heine, Uhland, etc.'' (Ram-
bert, „Revue universelle", August 1872, pag. 720.)
In der gereimten Vorrede der „Poesies de Marc-Monnier"
(Paris, Lemerre, 1872), wo überall die Begeisterung für deut-
sche Lyrik hervortritt, lenkt er unsere Aufmerksamkeit direkt
auf eine Quelle seiner dichterischen Inspirationen :
424
H. Heines Einfluss.
. . . Ma seconde histoire, — „on en pleure,
Dit Heine, en deux le coeur se fend" —
Pourtant eile arrive ä toute heure :
Un enfant aimait une enfant.
Aber auch der Autor der „Comedies de raarionnettes"
fühlte sich mit dem Dichter des „Wintermärchen" geistes-
verwandt.
Henri Blanvalet (1811—1870). Ein Genfer Poet und
Romantiker von echtester Farbe. Rössel und Godet weisen in
ihren Litteraturgeschichten der französischen Schweiz beide
auf Blanvalets Kongeniahtät mit Heine hin. Die Psychologie
derselben scheint uns allerdings bloss der erstere, Professor
Rössel in Bern, richtig entwickelt zu haben. Blanvalet war
ein geborener Dichter, den nur das Milieu verhinderte, ein
sehr bedeutender Dichter zu werden. Ungefähr um die gleiche
Zeit überschritten sie den Rhein — Heine auf dem Wege
nach Paris — Blanvalet in der umgekehrten Richtung, nach
Berlin, von wo der junge Student seine ersten Lieder an die
Ufer des Genfersees sandte. In dieser Schaffensperiode macht
sich noch fast ausschliesslich in seinen Poesieen deutscher
Einfluss geltend. Er hat den Rebensaft des Rheines gekostet,
die Tannenluft des Schwarzwaldes geatmet und im schönen
Schwabenlande geherzt und geliebt. Aus deutschen Gauen
brachte er das deutsche Lied mit all seinem Humor und
Träumen mit in die Heimat Calvins. Später freilich scheint
der mächtige Einfluss Victor Hugos sich ziemlich ausschliess-
lich im Dichten Blanvalets festgesetzt zu haben.
An die Lyrik Heines speciell erinnert manche Eigenschaft
seiner Dichtungsweise : er weiss den höchsten Aff'ekt in knapp-
ster Rede wiederzugeben; sein poetischer Bannstrahl, voll von
bitterem Sarkasmus, trifft dieselbe Scheibe socialer Gebrechen
und Miseren, wie der Heines : Kleinlichkeit, Habsucht und
die Tyrannen. Er ist revolutionär, weil er human denkt -
und selbst unter der Ungerechtigkeit der menschlichen Gesell-
Einige Dichter der Westschweiz. 425
Schaft zu leiden hat. Und wo sich sein Geist nicht aufbäumt,
spricht Weltschmerz aus den Liedern, in die er viele Thränen
hineingedichtet noch zu einer Zeit, da Musset und Heine
längst ausgelitten und ausgesungen hatten.
Ganz Heine, wie Godet richtig bemerkt, ist die hübsche
Ballade, die der Zweiundzwanzigjährige von Berlin aus —
das er zu Puss erreichte! — nach Hause sendet. Aus den
„Poesies completes'^ (Geneve, Cherbuhez, 1871) des Dichters
der „Petite soeur'' — jeder Westschweizer wusste dies Gedicht
einmal auswendig — fügen wir ausserdem noch zwei Lieder
bei, das eine wegen der an Heine erinnernden Blumenallegorie,
das andere wegen der unserem Dichter so oft vorgeworfenen
Manier.
Je faisais, pensant ä ma mere,
Route poiir l'universite,
Quand la fiUe de la meuniere
Surprit mon regard arrete.
Elle etait si jeiine et si freie,
Du ciel me parlait si souvent,
Que j'oubliais souvent, pres d'elle,
Le tic-tac du moulin ä vent.
Fallait reprendre la grand'route
Qui mene ä l'universite,
Oü, supposant qu'on les ecoute,
Tant de docteurs ont radote.
En contem plant la face bleme
De ces parleurs ä tout venant.
Je pensais souvent, en moi-meme,
Au tic-tac du moulin a vent. —
Quand, pour regagner la patrie.
Je quittai l'universite.
Je revis bien, dans la prairie,
Le moulin toujours agite.
Mais la fille de la meuniere
N'etait plus lä, comme devant;
Elle dormait au cimetiere,
Au tic-tac du mouhn ä vent. —
426 H. Heines Einfluss.
Jeune fille et jeune fleur.
Pres d'un lac aux eaux liinpides,
Je portais mes yeux avides
Sur les fleurs ä leur eveil,
Et je vis une d'entr'elles,
Belle parmi les plus belles,
Qui semblait fuir le soleil;
Elle inclinait vers la terre
Son front penche sous le deuil.
J'ai vu la fleur passagere
Qui fleurit pour le cercueil.
Et quand ses jeunes compagnes
Etalaient, dans les campagnes,
Leurs parfums et leurs couleurs,
Et, joyeuses de la vie,
Agagaient la brise amie
Qui vient balancer les fleurs,
Elle inclinait vers la terre
Son front penche sous le deuil.
J'ai vu la fleur passagere
Qui fleurit pour le cercueil.
A la voir ainsi pälie,
Sans regrets et sans envie,
S'etioler ä mes yeux.
Je me disais en moi-meme :
Oh ! sans doute un ange l'aime
Et l'attend au fond des cieux.
Elle posa sur la terre
Son front penche sous le deuil.
J'ai vu la fleur passagere
Qui fleurit pour le cercueil.
Ange adore.
Ange adore, pour un regard de toi
Je donnerais et uion ame et ma foi,
Einige Dichter der Westschweiz. 427
Je dounerais les splendeurs eternelles,
Les saiiits concerts des seraphins fideles,
Je donnerais . . . mais ce chäle d'Iiiver,
Diable m'emporte! il est pourtant trop eher.
Etienne Eggis (1830—1867). In den ungemein witzigen
Federzeichnungen in epigrammatischer Prosa „Voyages aux
Champs-Elysees" ^) wird ein Adolphe Gaiffe von Eggis „le
Henri Heine frangais" genannt. Dies Freiburger Kind hätte
sich selbst als ein Gemisch von Heine und Murger bezeichnen
können. Wenn Blanvalet ein französischer Romantiker von
der Nuance Hugos war, so stellt Eggis einen echten Typus der
Romantik Gautiers und Nervals dar. Er ist — rara avis —
ein leibhaftiger „boheme" der Westschweiz, die ihn nicht um-
sonst einen ,,ecervele qui gäche son talent" gescholten hat.
Hauslehrer bei einem bayerischen Grafen, dann fahrender
Student und Dichter, sang er oft mit leerem Magen, aber
niemals mit trockener Kehle. Victor Hugo, dem er einige
Gedichte übersandt hatte, würdigte ihn eines anerkennenden
Schreibens, und mit diesem Talisman machte sich der schwei-
zerische Villen auf den Weg nach Paris. Dort wurden u. a.
Maxime du Camp und Arsene Houssaye seine Freunde und
Beschützer. Wie er dem letzteren für Unterkunft und Unter-
halt dankte — unser Schweizer verschwand eines Tages samt
den Havannacigarren — und dem Klavier Houssayes — hat
dieser selbst humorvoll erzählt. Eggis, der seinem Wohlthäter
darauf per „mon eher vole" schrieb, war der Ansicht, es sei
unter Poeten alles Gemeingut! —
„De notre vie, ami, voilä le beau poeme :
Vive la poesie et vive la boheme !"
Wie gesagt, ein seltenes Pflänzchen im schweizerischen
Jura ! — Das unstäte Wandern, Not und Entbehrungen machten
^) „La Presse", 1855.
428 H. Heines Einfluss.
seinem lockern Leben ein frühes Ende. „Er ist gewandert hin
und her — ist endlich verdorben, gestorben" — in Berlin, an
der Schwindsucht, siebenunddreissig Jahre alt.
Professor Rössel sagt von Eggis in einem Artikel der „Nou-
velle Revue" (Bd. LIX, pag. 92) : „L'inspiration est, chez Eggis,
germanique en maints endroits ; le style, non pas. Jules Janin
le qualifiait de „po^te gallo-romand.'^ C'est bien cela, un me-
lange de Musset, de Heine, de Geibel, qui dut assurement
plaire ä Paris, au temps oü Ton fetait encore la blonde et
pacifique Allemagne."
Gewiss hat Eggis ein gut Stück deutscher Romantik nach
Paris gebracht, und verdient daher auch als Geistesvermittler
genannt zu werden. Dies that auch William Reymond —
(übergangen ist er von Süpfle und Meissner) — : „Un poete
suisse. Et. Eggis, seconda pendant quelque temps de sa seve
etrangere les innovations des romantiques flamboyants."
Die poetischen Werke dieses begabten Dichters, dessen
frischer, urwüchsiger Muse man nicht gleichgültig gegenüber-
stehen kann, sind 1886 neu erschienen, und zwar mit einer
ansprechenden biographischen Einleitung von Philippe Godet.
— Aus diesem Bändchen ist folgende Auswahl der Gedichte
getroffen, aus denen vielleicht eher eine unserem Dichter
eminent kongeniale Natur spricht, als bewusste Nachahmung,
wennschon, wie gerade bei dem ersten Beispiele, Heinesche
Manier unverkennbar ist.
Si je pleure?
0 mon pale reveur! me disait une femme,
Toi, dont le coeur est mort dans le sein decliire,
Et dont l'oeil, cependant, reluit sous tant de flamme,
Sceptique de vingt ans, as-tu jamais pleure V
Helas! lui repondis-je, aux faiblesses humaines
Je n'ai pu m'arracher encor tout entier;
La supreme apathie a de vastes domaines
Oü ne s'est point encor pose mon pied altier.
Einige Dichter der AVestschweiz. 429
Si j'ai pleure, dis-tu, femme aux levres heureuses,
Je suis un homme, helas! et j'en porte le nom.
J'ai verse bien souvent des larmes douloureuses,
— Je pleure chaque fois que j'epluche un oignon.
(Aus „Voyages aux pays du coeur",
zuerst in Paris 1853 erschienen.)
A Madame ...
Comme Dieu, dans le sein des mers mysterieuses,
A derobe la perle aux yeux des matelots,
J'ai, dans mon äme, loin des foules curieuses,
Enfoui mon amour et cache mes sanglots.
Oh ! de mon coeur blesse le douloureux mystere,
Madame, ä vos regards restera toujours clos;
La fleur de mon amour s'eteindra, solitaire,
— Beau lis que le soleil n'aurait jamais eclos.
Votre doux nom, madame, embaumera ma lyre,
Le reflet de vos yeux eclairera ma nuit.
Et, si vos levres d'or me donnaient leur sourire,
Je comprendrais le ciel — mais j'apprendrais l'ennui !
Me tuer? — Aliens donc !
Me tuer? — J'aime mieux, en cachant mon ulcere,
Au travers des humains que le destin lacere,
Poursuivre mon chemin, le scepticisme au coeur,
Et jeter aux passants mon sourire moqueur.
Le globe, oü pleure et rit la comedie humaine,
Vaut bien, jusqu'ä la fin, ma foi! qu'on s'y promene;
Je ne quitterai pas ma place du balcon:
Je veux boire mes jours jusqu'au dernier flacon,
Marcher, sans me salir, dans cette fange immonde.
Et rire jusqu'au bout de la farce du monde!
430 H. Heines Einfluss.
La vieille romance.
Connais-tu la romance
Qui fait toujours pleurer,
Que le Coeur recommence
Sans se desesperer?
Carl aimait Madelaine:
II eüt baise ses pas;
II buvait son haieine:
— Elle ne l'aimait pas.
Elle aimait un beau pätre
Qui passait sans la yoir;
Et souvent, pres de l'atre,
Elle pleurait, le soir.
Le pätre en la vallee
Avait mis son amour;
Son äme desolee
Gemissait nuit et jour;
Car son amour immense
N'etait pas partage,
Et parfois la demence
ßrülait son sang fige.
Et, tout päles et sombres,
Ils allaient par les champs,
Quand la nuit met ses ombres
Sur les coteaux penchants;
Ils erraient, solitaires,
Sans oser esperer.
Et les ebenes austeres
Les regardaient pleurer.
Et quand la mort sordide
A leurs yeux vint s'offrir,
Chacun croyait, candide,
Etre seul ä soufFrir.
Ä Claudia.
Einige Dichter der Westschweiz. 431
Oh! la vieille romance
Qui fait toujours pleurer,
Que le coeur recommence
Sans se desesperer.
L'eclat de rire d'un boheme.
Dans les beaux jours d'ete, quand un soleil splendide
A l'habit riche et fin, comme au haillon sordide,
Verse, sans les compter, ses bienfaisants rayons,
Je m'en vais bien souvent, seul avec mes crayons,
Sur les grands boulevards, au travers de la foule,
Qui, comme un fleuve immense, autour de moi s'ecoule;
Et lä, silencieux, je vois ä mes cotes
Passer et repasser, ä pas precipites,
Tous les acteurs divers du drame qui se joue
Dans Paris, ce bourbier fait de sang et de boue;
L'artiste, le banquier, l'ouvrier, le dandy
Et le capitaliste au ventre rebondi;
Le poete sans pain, l'intrigant en carrosse;
Le fat qui ne vaut pas la peine qu'on le rosse;
L'homme de loi, d'argent, d'affaires, de palais,
Pour voler ses clients achetant les valets;
Les comtes, les barons, les marquis d'aventure,
Qui, de leurs blasons faux, salissent la roture;
L'exploiteur, l'exploite; le puissant, le petit,
A la place du coeur n'ayant que l'appetit;
Tout ce qui grouille, enfin, de vil, d'abject, d'immonde,
Dans ce grand hopital qu'on appelle le monde . . .
Et je me dis alors que, pour un million,
Ces hommes ä genoux baiseraient mon haillon ;
Gar l'homme, des vertus rejetant la chimere,
Vendrait, pour un peu d'or, ses enfants et sa mere.
Alors un noble orgueil illumine mon front;
Du haut de mes haillons, vierges de tout affront,
Dominant cette foule et penche sur ma lyre,
Je Jette au monde entier un vaste eclat de rire.
Jules Vuy (1815). Ein Genfer Advokat, der trotz Insti-
tutionen und Pandekten ein Poet geblieben ist. Die „Echos
432 H. Heines Einfluss.
des bords de l'Arve" (1850), die drei oder noch mehr Auflagen
erlebt haben und von denen die Kritik, Marc-Monnier u. a.,
viel Gutes zu sagen weiss, zeigen, dass seine ganze Sympathie
dem deutschen Liede gehört, das ihn dafür glücklich inspiriert.
Wenn Amieis Anlehnungen sich mehr nach der künstlerisch-
technischen, die Marc-Monniers nach der poesievoll-preziösen
Seite hinneigen, so hat es Vuy verstanden, den echten deutschen
träumerischen Ton zu treffen. Es liegt wie ein Hauch nordi-
scher Melancholie über seinen Liedern.^) Vuy hat ein frommes,
naturliebendes Gemüt und er lässt sich demnach vorzugsweise
von Uhland, Justinus Kerner, Geibel und besonders von Lenau
beeinflussen. Den letzteren hat er trefflich übersetzt. Die 1878
erschienenen „Nouveaux echos^' enthalten noch Uebertragungen
von Just. Kerner und Uhland. Mag ihn aber auch manches
bei Heine nicht angesprochen haben, so ist doch nicht anzu-
nehmen, dass das „Buch der Lieder'' keinen Eindruck auf den
fein lyrisch veranlagten Dichter hinterlassen habe. Die hübsche
Natursymbolik des folgenden Gedichtes gibt uns ein Recht,
dies anzunehmen.
Le peuplier.
Au sein de l'ombre et du silence
Des päles heures de la nuit,
Le peuplier, qui se balance,
S'agite avec un leger bruit.
II s'eveille, et son doux murmure,
Vague et plaintif, semble vouloir,
Lorsque repose la nature.
Parier dans le calme du soir.
Sa Cime, par moments, se penclie,
Et je vois, pure de fraicheur,
Une etoile sereine et blanche
Qui me sourit comme une soeur.
1) Vergl. „Trois poetes de la Suisse franq.aise", par E. Rambert —
,Bibliotheque universelle", März 1873.
Einige Dichter der Westschweiz. 4g3
Paul Gautier. Wir haben diesen jungen Dichter bereits
als Uebersetzer Heines kennen gelernt und ausführlich von
ihm gesprochen. Dass er ganz von der Poesie desselben er-
füllt war, ist natürlich. An der Lyrik Heines und Alfred de
Mussets hat er sich zum Dichter herangebildet. Wir lassen
hier noch E. Rambert, dem Verfasser der biographischen Skizze
in dem Bändchen „Pervenches et Bruyeres", das Wort, und
eitleren — diesen letzten Abschnitt nicht unwürdig beschlies-
send — aus der genannten Sammlung zwei Lieder, in denen uns
Gautier ebenso glücklich im Sinne Heines zu dichten scheint,
wie er es verstanden hat, unseren Dichter unübertroffen auf
Französisch zu kopieren. (Pag. 8:)
Enfant de son epoque, Paul Gautier n'avait pu passer indifferent
ä cote de Heine, ni ignorer Alfred de Musset. Sceptiques, irresolus,
flottant entre un ardent besoin de croire et un amer desenchantement,
ces deux poetes ont exerce sur la jeunesse lettree une influence re-
grettable. Gautier avait l'intuition des dangers qui resultent de cette
absence d'energie morale. II finit par comprendre qu'un abandon
facile ä Temportement des passions ne peut engendrer que l'impuis-
sance et le degoüt. Sur la pente fatale, oü facilement le pied glisse,
la foi de ses jeunes annees lui remontait au coeur et lui faisait voir
le gouffre du materialisme sous les fleurs d'une pensee elegante, mais
sensuelle.
A eile.
Belle, sais-tu pourquoi la fleur aux tendres charmes,
La pervenche aux yeux bleus,
Regarde en fremissant, toute humide de larmes,
Se lever le soleil, son süperbe amoureux?
Sais-tu pourquoi, le soir, l'eglantine pälie
Se courbe, en revant, vers le sol ?
Pourquoi ce vague emoi, cette melancolie
Qui nous serre le coeur, au chant du rossignol?
Quand le ramier se joue avec sa jeune amante,
D'oü vient, helas! que, par moments,
On dirait — tant leur voix est plaintive et tremblante —
Que leurs cris de plaisir sont des gemissements ?
Betz, Heine in Frankreich. ^"
434 H. Heines Einfluss.
Mon coeur, rempli d'amour, l'est aussi de tristesse.
Sais-tu, sais-tu pourquoi?
Sais-tu pourquoi je pleure, 6 ma douce maitresse!
O ma doiice maitresse ! en me penchant vers toi ?
A eile, en automne.
Tout est sombre dans la nature
Et tout est vide dans mon coeur,
Et, sachant bien que rien ne dure,
J'ai cesse de croire au bonheur.
Mais je ne verse point de larmes,
Je garde une amere gaite:
La douleur peut avoir des charmes,
Quand on la porte avec fierte.
A riieure froide oü tu commences
A faire ä l'amour un tombeau,
Si j'ai vu de mes esperances
Tomber, tomber chaque lambeau,
Enfant, n'en sois pas etonnee.
Tu sais bien que c'est la saison
Oü des bois la feuille fanee
Tombe morte sur le gazon.
ANHANG
Nachträge.
Wir lassen hier die drei Hauptmonologe Ratcliffs folgen,
wie sie in der von Heine selbst besorgten Uebersetzung
lauten, die unter dem Titel „William et Marie'' in der „Revue
de Paris", Januar 1840, erschien, und zwar mit folgender Notiz
des Dichters: „J'ai ecrit ce conte dramatique ä Berlin en 1820.
J'etais bien jeune alors ! Peut-etre les vers allemands de l'ori-
ginal ont-ils perdu quelque chose de leur fraicheur native en
passant dans la prose frangaise." — Herr Vicomte de Spoel-
berch de Lovenjoul, der so freundlich war, uns auf diese
Uebersetzung, die bedeutend von der der „Oeuvres completes''
abweicht, aufmerksam zu machen, stellt dieselbe weit über
die anonyme der Buchausgabe. Vermutlich war es A. Specht,
der Heine hier geholfen, möglicherweise auch Ed. Grenier. —
„Drames et fantaisies", scene VIII, pag. 185 (Elster, Bd. II,
pag. 327).
Ratcliff.
Bien jeune encore, quand je jouais tout seul, j'apercevais deux
fantomes nebuleux qui etendaient au loin leurs longs bras aeriens,
eomnie pouv s'entrelacer, et qui, ne pouvant s'approclier, se regar-
daient douloureusement et avec amour. Quelque vaporeux et flottants
qu'ils fussent, je distinguais cependant sur le visage de Tun d'eux les
traits fiers et tristes d'un homme, et, sur le visage de l'autre, la douce
beaute d'une femme. Souvent aussi je les voyais en reve, ces deux
apparitions, et alors j'apercevais leurs traits plus distinctement encore.
L'liomme me regardait avec melancolie, la femme avec amour. Quand,
438 Anhang.
plus tard, je me rendis ä l'universite d'Edimbourg, ces apparitions de-
vinrent plus rares, et nies pales visions disparurent, emportees dans
le tourbillon de la vie d'etudiant. Mais voila que, dans un voyage
pendant les vacances, le hasard me conduisit au cliäteau de Mac-Gregor.
J'y vis Marie. A son aspect, un eclair traversa mon coeur et le fit
tressaillir. C'etaient bien lä les traits du fantome nebuleux, ces traits
de femme si calmes, si doux, si beaux d'amour et de tendresse, qui
tant de fois m'ayaient souri en songe; seulement les joues de Marie
n'etaient pas aussi päles, son regard n'etait pas aussi fier; les joues
de Marie rayonnaient, et ses yeux etaient etincelants. Le ciel avait
repandu sur cette gracieuse figure tous les prestiges de la beaute ;
certes, la Vierge meme n'etait pas plus belle que celle qui portait
son nom. Transporte alors d'amour et de douleur, j'etendis les bras
vers eile pour la presser sur mon sein . . . (Pause.) — Je ne sais com-
ment cela se fit, mais un miroir se trouvait devant mes yeux, et je
reconnus en moi cet homme fantome, qui etendait les bras vers sa
compagne nebuleuse.
N'etait-ce qu'un songe, une Illusion? Mais Marie jetait sur moi
un regard si doux, si affectueux, si aimant, si engageant meme, que
nos yeux et nos ämes se confondirent. O mon Dieu! Ce sombre
mystere de ma vie se devoila tout ä coup. Je compris des lors le
chant des oiseaux, le langage des fleurs, le sourire amoureux des
etoiles, le souffle de la brise, le murmure des ruisseaux et les soupirs
secrets de ma poitrine.
Comnie des enfants, nous poussions des cris de joie, nous sautions
et jouions; nous nous cherchions et nous trouvions dans le jardin.
Elle me donnait des fleurs, des niyrtes, des boucles de cheveux, des
baisers; les baisers, je les lui rendais; et enfin, un jour, courbe en
suppliant ä ses genoux, je lui dis : Oh ! Marie ! m'aimes-tu ? (II
devient reveur.)
Ratciiff
(Scene XI, pag. 194. Elster, pag. 331).
Comme l'ouragan siffle ! L'enfer a lache tous ses fifres; quelle
musique ils fönt! La lune s'est enveloppee dans son large plaid et
ne laisse tomber que de ternes et päles rayons. Elle pourrait bien
se cacher entierement pour moi ! car, quelque nuit qu'il fasse, l'ava-
lanche n'a pas besoin de lumiere pour voir oü eile doit rouler. Seul
le fer sait trouver l'aimant, et l'epee de Ratcliif saura aussi, sans
guide, trouver la poitrine de Douglas. Mais notre baronnet viendra-t-ilV
Nachträge. 439
Ne craindra-t-il pas l'orage, le rliume, la toux ou le froid? II se dira
peut-etre : remettons la partie ä demain soir ! Ah ! Ah !
C'est pourtant cette nuit qu'il nie le faut; et, s'il ne vient pas
ä nioi, j'irai ä lui . . . au chäteau ! i) C'est une clef qui ouvre toutes
les portes; et ces deux autres amis^) sont toujours lä pour proteger
ma retraite. (U prend un pistolet.) II me regarde d'un air si loyal
que je voudrais presser ma bouche contre la sienne et . . . Oh ! apres
un tel baiser de feu, je serais gueri a tout Jamals de mes atroces
douleurs. (Tout pensif.) Peut-etre aussi que Douglas, en ce moment,
presse sur sa bouche la bouche de Marie! Oui, c'est pour cela que
je ne dois pas mourir; non, je ne veux pas mourir! je serais contraint
ä sortir chaque nuit de ma tombe et, ombre impuissante, ä regarder,
les dents serrees, ce niais flairer d'un air de convoitise les charmes de
Marie et souiller ses appas. Non, je ne dois pas mourir ! Si du haut
du ciel j'apercevais Douglas pres de la couche de Marie, je lancerais
des maledictions qui feraient pälir les joues roses des seraphins, et
les forceraient ä rester court au milieu de leurs longs et monotones
alleluias !
Ratcliff
(Scene XlII, pag. 200. Elster, pag. 335).
Ah ! ce n'est point un reve ! je suis aupres de la Roche-Noire,
vaincu, abattu, meprise ! Le vent souffle ä mes oreilles : voilä donc cet
esprit fort et gigantesque qui se jouait des hommes et des lois ; cet
homme qui luttait fierement avec le ciel et qui, maintenant, ne peut
empecher le comte Douglas de reposer, cette nuit, dans les bras de
sa bien-aimee, de lui raconter comment ce vermisseau qu'on nomme
William Ratcliff se tordait miserablement sur le sol, au pied de la
Roche-Noire, et comment il n'a pas voulu souiller son pied ä son
contact impur. (Aycc fureur.) Sorcieres damnees ! ne ricanez donc
pas de ce rire glapissant. Treve ä vos gestes railleurs. Je vais lancer
des roches sur vos tetes execrables, arracher des forets de pins et
en fouetter vos epaules jaunies; je vais fouler aux pieds vos corps
secs et fletris, et faire jaillir le noir venin qu'ils recelent. Vents du
nord, mugissez ; brisez le monde en mille pieces ! Firmament, abime-
toi, ecrase-moi sous tes decombres! Terre, rentre dans le neant,
^) Frappant sur son epee.
^) Posant la main sur ses pistolets.
440 Anhang.
engloutis-moi dans les tenebres! (Furieux, tremblant et d'un air
mysterieux.) Que me veux-tu, homme fantome, spectre nebuleux
qui me poursuit sans cesse? N'attache pas sur moi ce regard fixe!
Tes yeux sucent mon sang et me petrifient; tu verses de la glace
dans mes veines brülantes ; tu fais de moi un fantome, une ombre
sans vie comme toi. Que me veux-tu ? Oü faut-il aller ? Marie, ma
blanche colombe ? . . . Du sang ? Hola ! Qui a parle ? Ce n'est pas
le vent! Que faut-il faire? ... La vie de Marie? . . . Le veux tu?...
Oui . . . Soit . . . Ma volonte est de fer, et plus puissante encore que
Dieu et Satan. (II s'enfuit.)
IL
Philibert Audebrand erzählt uns in seinen „Petits me-
moires du XIX^ siecle" (pag. 64—67), dass Heine mit dem
Gedanken umging, einige Skizzen, die er auf seinem Leidens-
lager entworfen, in einem Buche, „Contes pour les malades''
betitelt, zu sammeln. Von diesen mit Bleistift geschriebenen
Entwürfen will der alte Journahst den folgenden gesehen und
kopiert haben.
L'avocat.
Je m'etais mis ä la fenetre, regardant dans la rue les allants et
venants. Tout ä coup passa un avocat dont la folie des derniers
evenements a fait un ministre.
II marcliait avec gravite. Chose curieuse, sa toge s'etait collee
ä sa peau et, ä un certain moment, s'arrondissait de chaque cote, de
maniere ä former des alles noires, des alles de chauvc-souris ou de
dindon.
A present que j'y reflechis, je crois bien que c'etaient des alles
de dindon. Ce qui donne ä le penser, c'est qu'un grand ruban rouge
descendait du cou jusqu'ä l'abdomen, absolument comme cela se voit
chez l'oiseau dont nous ont dote les jesuites.
L'homme marchait, dis-je, avec gravite et lentement. Quand il
rencontrait un ancien confrere, il le saluait d'un air gauche en disant :
— C'est pourtant la politique qui m'a mis dans l'etat oü vous
me voyez.
Nachträge. 441
Als „inedit'^ führt Audebrand auch folgende „Legende" an :
Histoire d'un puceron.
— La gloire ! la gloire ! Je vous dis, moi, qua ca ne vaut pas
la cendre qui resiilte d'un cigare de trois sous.
Une raie faite sur le sable, une ride sur l'eau, une note jetee
au vent et qui s'enfonce dans l'immensite de l'etlier, voila la vie,
voilä la gloire. — Y a-t-il ä etre vain quand on vit et qu'on dort
dans la pourpre?
L'liomme est un ver de terre et se croit un dieu. II se coiffe
avec de l'or, s'habille avec de la soie, il fait mettre ä ses souliers
des olous de diamant. II a des palais de marbre pour se loger, des
armees pour le garder, des peuples courbes sur le sol pour nourrir
ses caprices. On l'entend dire: „Je suis le maitre." — Tu n'es le
maitre que de ta soupe quand tu l'as dans le ventre, et encore faut-il
que tu la rendes !
Une fleur de mai parait, il la prend ; une jeune fille fleurit, il
la cueille. II a le meilleur vin. II se promene, la nuit, sur les mers
embaumees, la nuit, quand le ciel est tout brode d'etoiles. Rien ne
lui resiste dans ce qui se voit. „Attends, tu vas payer en une minute
la dinie de ton orgueil."
Tout pres de l'echoppe d'un savetier, un petit monstre vient de
naitre. Cela est gros tout au plus comme la tete d'une epingle. Cela
a une tete de serpent, une queue de cai'man, des griffes de lion, des
ailes de dragon, du temps oü il y avait des dragons volants, c'est-ä-
dire avant le deluge des savants. C'est un puceron d'Amerique ap-
porte par un navirc et depose, sous forme d'oeuf, dans les ordures
qu'un matelot a rejetees, en passant le long d'un mur. Ce monstre,
ce serpent, ce crocodile, ce lion, ce dragon, cette mouclie, qu'est-ce
qui le pousse ? On ne sait.
— Halte-lä! s'ecrie une sentinelle du palais, on ne passe pas.
— On passe, repond le puceron ; me voici dejä dans la salle du
trone.
Dix niille soldats ont frissonne; les cliambellans ont montre
leur dos sur lequel il y a une clef en or; les pretres ont exorcise,
les courtisanes ont remue leurs eventails; le fou a agite ses grelots.
Tout cela, peine perdue. Tout en chantant un air d'opera-comique
du pays des mouches, le puceron s'avance; il pique le roi au front,
ä l'endroit oü est la couronne. Sa Majeste est morte.
442 Anhang.
-- A present, j'ai fini ma taclie, dit le puceron, et il s'en va
mourir sur les excrements d'oü il etait sorti.
Soyez vains, si vous vouloz, mais pensez ä la mouclie !
III.
Wir haben hier noch zwei Uebersetzungen nach-
zutragen, auf die wir kurz vor Thorschhiss aufmerksam
gemacht wurden. Die eine befindet sich in der Nummer
vom 10. August 1879 der Zeitschrift „L'lntermediaire des
chercheurs et curieux". Unter dem Titel ,,Trilogie regicide'',
poesie inedite de H. Heine, bringt ein E. U. P. Unterzeichneter
die wörtliche Prosaübersetzung des Gedichtes „1649—1793—???"
(Elster, Bd. II, pag. 201), das nicht in dem Bande „Poesies
inedites" aufgenommen ist, und zwar mit folgendem Kom-
mentar :
Dans une precieuse collection d'autographes, oü, par privilege,
j'ai pu avoir acces, se trouve une bien curieuse piece de vers, de la
main de H. Heine, qui s'est rencontree parmi ses papiers posthumes,
et dont il m'a ete perniis de prendre copie.
Voici la translation litterale du texte allemand. Quant au titre,
il se passe de traduction, car il est dans la langue universelle des
chiffres — et des chiffres fatidiques — se composant de trois dates,
dont deux sont assez fameuses dans nos annales modernes, et dont
la troisieme est encore dans les futurs contingents de l'histoire du
demo-socialisme septentrional.
Die andere noch zu erwähnende Uebersetzung ist dagegen
das Werk eines Dichters und — Philologen. Unter dem
Pseudonym Clair Tisseur ^) hat nämlich der Lyoner Gelehrte
') Nannte sich wohl so nach dem Lyoner Dichterbrüderpaar Barthelemy
und Jean Tisseur. Der erstere starb 1843, kaum 30 Jahre alt, als Professor
der französischen Litteratur in Neucbätel. — Unter demselben Pseudonym
veröffentlichte Puitspelu „Modestes observations sur l'art de versifier", ein
Buch, das allgemeine Anerkennung fand.
Nachträge. 443
Puitspelu — wie Altmeister Diez, zugleich Romanist und Poet —
einen Band formvollendeter und gedankentiefer Gedichte,
betitelt „Pauca Paucis" (nouvelle edition augmentee etc.),
Lyon 1894, herausgegeben, in dem wir eine erfreuliche Ueber-
tragung der „Wallfahrt nach Kevlaar" finden. Diese ist
ziemlich getreu, schmiegt sich auch im Reim an das Original
au und erinnert an die Uebersetzungsweise Amieis. Wir lassen
hier die hübsche Version der berühmten Ballade folgen, die
wir ja ohnehin versäumt in französischem Gewände zu zeigen.
Le pelerinage de Kevlaar.
I.
Pres du lit se tenait la mere:
„Allons, moii Wilhelm, sois bien sage !
„Ne veux-tu donc pas te lever,
„Pour voir le beau pelerinage?"
— „Je suis si malade, 6 maman!
„Je ne sais pourquoi j'ai si peur :
„Je pense ä la Grretchen, la morte,
„Et cela me brise le coeur."
— „Viens, nous irons ä Kevlaar,
„Premls tes heures et ton rosaire;
„Ton petit coeur sera gueri
„Par les mains de la bonne Mere!"
Les bannieros flottaient au vent;
Les hymnes montaient, solennelles;
C'est vers Cologne sur le Rhin
Que se dirigeaient les fideles.
La mere tenait par la main
L'enfant ä la face amaigrie.
Tous deux chantaient avec le chceur;
„Louanges soient ä vous, Marie!"
444 Anhang.
n.
Notre-Dame de Kevlaar
A mis ses habits de parades;
Elle a bien ä faire aujourd'hui:
II lui survient tant de malades!
Pauvres malades qui Fimplorent !
Chacun d'eux ofFre, faite en cire,
L'image du membre dolent:
Chacun voit cesser son martyre.
Et si d'une main c'est l'image,
L'afflige voit guerir sa main;
Et si c'est un pied qu'il apporte,
Bientot son pied deviendra sain.
II est venu plus d'un bancroche,
Qui court ainsi qu'un levrier.
Tel dont les doigts etaient pourris,
Est devenu menetrier.
La mere modelait un co^ur
De la cire prise d'un cierge:
„Pour qu'elle guerisse ton mal,
„Porte cette offrande ä la Vierge !"
L'enfant soupirant prend l'offrande;
Soupirant va vers Notre-Dame.
Des larmes luisent dans ses yeux;
Les mots s'echappent de son äme:
„0 vous, entre toutes benie,
„0 Vierge pure, 6 Vierge sainte,
„Tres benigne Reine des cieux,
„Vers vous laissez monter ma plainte!
„Nous demeurons, ma mere et moi,
„Dans Cologne la catholique,
„La ville aux quatre cents chapelles,
„A la süperbe basilique!
Nachträge. 445
„Et pres de nous logeait Gretchen.
„Et maintenant Gretchen est morte.
„0 Vierge, guerissez mon mal !
„Regardez ce coeur que j'apporte!
„O guerissez mon coeur souffrant!
„C'est un pauvre enfant qui vous prie.
„Soir et matin il redira:
„Louanges soient ä vous, Marie!"
III.
La mere, avec le fils dolent,
Sont endormis dans leur chambrette.
Entre soudain la Vierge sainte;
Sa marche est legere et discrete.
Elle se courba vers l'enfant,
Et, sur sa poitrine innocente,
Tres doucement posa la main.
Et puis disparut souriante.
La mere, en reve, avait tout vu.
— Tout s'obscurcit. — Non sans effort,
Elle secoua le sommeil.
Les chiens aboyaient a la mort.
Le petit, les traits reposes,
Gisait mort dans son humble lit;
La fraiche rougeur de l'aurore
Se jouait sur son front päli.
La mere joignit les deux mains;
Et sein gonfle, lärme tarie,
Elle murmurait faiblement:
„Louanges soient a vous, Marie!"
446 Anhang-.
Bibliographie
der in Buchform erschienenen französischen Werke von H. Heine
1833. De la France. Paris, Eugene Renduel. Fr. 7. 50.
Mit einer biographisch erläuternden Einleitung vom
Herausgeber und einem Vorwort von Heine, datiert 18. Ok-
tober 1832. Das Letztere ist in der definitiven Ausgabe von
Levy aufgenommen.
1834. Reisebilder (Tableaux de voyage). Paris, Eugene Ren-
duel. 2 Bde. Fr. 15. —.
1835. De rAllemagne. Paris, Eugene Renduel. 2 Bde. Fr. 15. — .
Mit folgender Dedikation (die nicht in die definitive
Ausgabe von Levy aufgenommen ist):
A Prosper Enfantin.
Vous avez desire connaitre la marche des idees en
Allemagne, dans ces derniers temps, et les rapports qui
rattachent le mouvement intellectuel de ce pays ä la Syn-
these de la doctrine.
Je vous remercie de l'honneur que vous m'avez fait cn
me demandant de vous edifier sur ce sujet, et je suis heureux
de trouver cette occasion de communier avec vous ä travers
l'espace.
Permettez-moi de vous offrir ce livre; je voudrais
croire qu'il pourra repondre au besoin de votre pensee.
Quoi qu'il en puisse etre, je vous prie de vouloir bien
l'accepter comme un temoignage de Sympathie respectueuse.
Henri Heine.
Es folgt darauf seine Einleitung mit dem Datum
8. April 1835.
Bibliographie. 447
Von dieser ursprünglich auf sechs Bände berechneten
Ausgabe sind nur die oben genannten fünf Bände erschienen,
die vollständig sehr selten sind und broschiert 200—300 Fr.
taxiert werden. Die Bibliotheque nationale besitzt nur (in
elegant vergoldetem Kalbledereinband) Bd. II, III (Reise-
bilder) und V, VI (De rAllemagne). — In dem biblio-
graphischen Lexikon von Bourquelot (La litterature fran§aise
contemporaine, 1827—1849) heisst es irrtümlich: Oeuvres de
Henri Heine, Paris, Renduel, 6 vol., 1834—1835 (Fr. 45. -).
Der unbekannte, von Heine selbst verschwiegene Ueber-
setzer ist der Elsässer A. Specht, der ein Freund Heines
war und 1874 in Montdidier gestorben ist. (Vergl. Abschnitt 4,
„Heines Uebersetzer".)
1853. Reisebilder, tableaux et voyages. Paris, Victor Lecou.
1 Bd.
Mit Tambour Le Grand und Schnabelewosky. — Vorrede
Heines vom 20. Mai 1834. — Dies Buch wurde ohne Wissen
Heines herausgegeben.
1855. De l'Allemagne. Paris, (Michel Levy freres) Calmann
o.F.br.)') L^Yy_ 2 Bde. 2. Ausgabe 1863. 3. Ausgabe 1872.
Die neueste Ausgabe (Nouvelle edition, entierement re-
vue et augmentee de fragments inedits, 1884) enthält folgende
französische Schriften Heines:
Bd. I. Preface de la premiere edition (8. April 1835).
(Die Dedikation an Enfantin, des inzwischen zum Phi-
listertum bekehrten „Apostels", hatte Heine noch selbst ge-
strichen. Für den Saint-Simonisten, den er einst „den bedeu-
tendsten Mann des Jahrhunderts" genannt, hatte er nur noch
Spott.)
^) Wir verdanken diese genauen Daten der Zuvorkommenheit des jetzigen
Chefs des Hauses, Herrn Paul Calmann Levy. lieber die Auflageziffer und die
Zahl der neuen Abdrücke, darüber wollte man uns „aus Prinzip" keine Aus-
kunft geben, ein Prinzip, das bei lebenden Schriftstellern jedenfalls eher
angebracht ist, als bei solchen, die bereits seit einem halben Jahrhundert
Klassiker sind. „Du reste," meinte Herr Levy, „le nombre de volumes ne
prouve rien; Heine ne s'adresse qnk un public d'elite." Das wussten wir;
interessiert hätte uns bloss, welche Werke Heines viel und welche wenig
gekauft wurden.
448 Anhang^.
1. De rAllemagne jusqu'ä Luther.
2. de Luther jusqu'ä Kant.
3. de Kant jusqu'ä Hegel.
4. La litterature jusqu'ä la mort de Goethe.
5. Poetes romantiques.
Bd. II. 6. Reveil de la vie politique.
7. Traditions populaires.
8. La legende de Faust.
9. Les dieux en exil.
10. Aveux de l'auteur.
1855. Lutece. Lettres sur la vie politique, artistique et sociale
(13. April.) gj-j France. Paris, Levy. 2. Ausg. 1857. 3. Ausg.
1861. 4. Ausg. 1863 . . . Neueste Ausg. 1892.
Vorrede von Heine, dat. 30. März 1855. — Enthält die
Briete an die „Augsburger Allgemeine", 1841—1843, von Ed.
Grenier übersetzt.
1855. Poemes et legendes. Paris, Levy. 2. Ausg. 1861.
(4. Juli.)
3. Ausg. 1864 etc. Neueste Ausg. 1892.
Vorrede von Heine, dat. 25. Juni 1855. Enthält:
1. Atta Troll (mit Einleitung von Heine, Dezember 1846).
2. Intermezzo (mit Notice du traducteur — Ger. de Nerval —
siehe „Revue des deux Mondes", 15. September 1848).
3. La Mer du Nord (mit Notice du traducteur — Nerval —
„Revue des deux Mondes", 15. Juli 1848).
4. Nocturnes.
5. Feuilles volantes.
6. Germania, contes d'hiver. Vorrede Heines, 17. December
1844. (Wurde von Ed. Grenier übersetzt und ist eine der
wenigen Schriften Heines, die nicht in der „Revue des
deux Mondes" Aufnahme fanden.)
Anmerkung. Den bekannten Vers im Whitermärchen,
über die davonlaufenden deutschen Junker, den Heine auf
Anraten Fr. Willes in seiner deutschen Ausgabe strich, Hess er
in der französischen Ausgabe stehen. Vergl. „Deutsche Dichtung",
iid. IX, pag. 260.
Bibliographie. 449
1856. Reisebilder — Tableaux de voyage. Paris, Levy. 2 Bde.
O.Mai.) 2. Ausg. 1865. 3. Ausg. 1872.
Letzte Ausgabe 1888 (revue, considerablement augmentee
et ornee d'uii portiait de l'auteur, precedee d'une etude sur
H. Heine par Th. Gautior). Vorrede von H. Heine, datiert
20. Mai 1834. Inhalt :
Bd. I. Preface de l'ancienne edition.
Les Montagnes du Hartz.
L'Ile de Norderney.
Le Tambour Le Grand.
Angleterre.
Schnabelewopski.
Bd. II. Italie.
Voyage de Munich ä Genes.
Les bains de Lucques.
La ville de Lucques.
Les Xuits florentines.
1857. De la France. Paris, Levy. 2. Ausg. 1863. Letzte
(15. Jan.) ^^^sg^ |gg4 Inhalt:
Preface de la nouvelle edition par Henri Julia.
Preface de l'edition allemande von Heine, 18. Okt. 1832.
Lettres ecrites ä la „Gazette universelle d'Augsbourg"
(1831-32).
Fragments (1832).
Lettres confidentielles adressees ä M. Aug. Lewald,
directeur de la „Revue theätrale" de Stuttgart (1838),
„Salon" 1831.
1857. L'Intermezzo, poeme de Henri Heine, traduit en vers
frangais par Paul RistelJniher. Paris, Poulet-
Malassis.
1864. Drames et fantaisies. Paris, Levy. Neueste Ausg. 1886.
^^-•^^'^•) Inhalt:
Introduction (von Saint-Rene Taillandier, vergl. „Revue des
deux Mondes«, 1. Oktober 1863).
1. Almansor.
2. WiUiam Ratcliff. (Es ist dies nicht die von Heine selbst
besorgte Uebertragung.)
J5t tz, Heine in Frankreich. 29
450 Anhanr.
3. Le Retour, poesies de jeunesse, mit Einleitung von Saint-
Rene Taillandier.
4. Le Rabbin de Bacharach. (Uebersetzung von Ed. Grenier.)
5. Le Romantisme (die Jugendarbeit Heines).
1866. Correspondance inedite, avec une preface et des notes.
(29. Okt.) p^^ig^ L^^y 2 Bde.
L Serie: Einleitung und Uebersetzung, beide anonym, von Ch. Ber-
thoud.
Briefe von 1820—1828.
IL „ „ „ 1828-1842.
1867. De Tout un Peu. Paris, Levy. Letzte Ausg. 1890.
(20. Mai.) Inhalt:
Lettres de Berlin (3 Briefe, 1821-22, an den Redaktor
Dr. Schulz).
Morceaux de critique (La mort du Tasse — L'Almanach
des muses — Poesies de J.-B. Rousseau — Struensee — La
litterature allemande (von Menzel) — Don Quixote — Me-
langes — (Le grand opera — Rossini et Meyerbeer — Les
virtuoses de concert — Berlioz, Liszt, Chopin).
Des Pyrenees — (I. Bareges — IL La vie des bains et
les baigneurs — III. Le Duc de Nemours — La richesse
nationale des juifs).
La deesse Diane — Le the — La premiere representa-
tion des Huguenots — L'incendie de Hambourg.
Esquisse autobiographique (am 15. Januar 1835 an Phil.
Chasles gerichtet).
1867. De l'Angleterre. Paris, Levy. 2. Ausg. 1881. Inhalt:
(17. Juni.)
Avertissement (de l'editeur).
Introduction von H. Heine.
Les heroines de Shakespeare — Tragedies — Comedies.
Fragments sur l'Angleterre.
1868. L'Intermezzo. Poeme traduit de H. Heine par Albert
Merat et Leon Valade. Paris, Lemerre.
Bibliographie. 451
1868. Satires et portraits. Paris, Levy. Neue Ausg. 1885.
(14. März.) Inhalt:
Avertissement (des editeurs).
Louis Boerne — Le denonciateur — De la Pologno —
Louis Marcus — V. Cousin.
1868. Allemands et Frangais. Paris, Levy. 3., neueste Ausg.
(11. Juli.) 1^32. Inhalt:
De la noblesse allemande — Lettre ecrite de Normandie
— La Pension de Heine et sa pretendue naturalisation en
France — Kahldorf — Le miroir des Souabes — Salon de
1831 — Mirabeau et la revolution — Les journees de Juin —
Salon de 1833 — Varia — Reforme des prisons et legislation
penale — Testament de Henri Heine.
1877. Correspondance. Paris, Levy.
III. Serie : 1843—1855.
1880. Nocturnes. Poemes imites de H. Heine, par Leon Valade.
Paris, Patay.
1884. Intermezzo. Poeme d'apres H. Heine, par E. Vaughan
et Ch. Tabaraud. Paris, Bai liiere & Messager.
Anmerkung. Jacques Roques hat mit Benutzung dieser
Uebersetzung das „Intermezzo" komponiert.
1884. Memoires. Traduction de J. Bourdeau. Paris, Levy.
(6. Mai.)
1884. L'Intermezzo. Poeme d'apres H. Heine, traduction par
(-1««^^) Beltjeyis.
1885. Poesies inedites. Paris, Levy.
(20.Fobr.) Preniieres souffrances (1817—1821) etc. etc.
1889. Le Tambour Le Grand, suivi du Yoyage en Italie; tra-
duction nouvelle de Camille Prieur. Paris, Dentu.
(Bibliotheque choisie des chefs-d'oeuvre fran§ais et etran-
gers, tome XLV.)
1890. Le Retour. Traduction en vers frangais par /. Daniauxj,
avec une introduction inedite par Marcel Prevost.
Paris, Lemerre.
452 Anhang-.
1890. L'Intermezzo, d'apres le poeme de H. Heine, de Guy
RoiKirtz et P.-R. Hirsch. Paris, Lemerre.
1893. Heine intime. Lettres inedites, avec notes biographiques
et commentaires par baron L. de Embden. Edition
frangaise par Gourowitch. Preface par Arsene
Hoiissaye. Paris, L e Sondier.
(Erlebte im Jahre 1893 bereits zwei Editionen.)
Anmerkung. Die bei Calmann Levy erschienenen Oeuvres
comj^letes de Henri Heine umfassen demnach 17 Bände
{k Fr. 3. 50).
Nachträge.
1894. L'Intermede lyrique de Heine; traduction poetique de
/. de Tallenay, suivi de Premieres rimes. OUen-
dorf. 18 (3. 50).
1894. Le Nouveau Printemps, Angelique. Traduction par Ba-
niaux. Lemerre, 1894.
— Henri Heine. Les Allemands (d. h. die ,, Harzreise" !).
Traduction nouvelle avec etude sur la vie et
l'oeuvre de Henri Heine.
— Atta Troll. Histoire d'un ours.
(Zwei Büchlein der „Nouvelle Bibliotheque populaire"
ä 10 Cent. [!], Henri Gautier, Paris.)
Bibliographie.
453
Vollständiges Verzeichnis
der in französischen Revuen erschienenen Werke Heinrioli Heines
1832.
(15. Juni.)
1832.
(1. Sept.)
1832.
(15. Dez.)
Revue des deux Mondes.
Excursions au Blocksberg et dans les environs du
Harz.
Mit erläuternder Einleitung vom Uebersetzer, die
nicht in die „Oeuvres completes" aufgenommen ist.
Histoire du Tambour Le Grand. Fragments traduits
de H. Heine.
Loeve-Veimars bemerkt, er müsse der Länge des
Originals wegen abkürzen.
Les Bains de Lucques.
Uebersetzt von Loeve -Veimars, dessen Uebertragung
nicht für die „Oeuvres completes" benutzt wurde.
Europe litteraire.
1833. Etat actuel de la litterature en Allemagne. ')
(In acht (Romantische Schule), mit dem Nebentitel, der auf die
— 24. Mai.) Tendenz hindeutet: De l'Allemagne depuis Madame de Stael.
^) Die Zeitschrift „Europe litteraire", Journal de la litterature nationale
et etrangere, trug in fettem Drucke die für die Romantik charakteristische
Bemerkung : „La politique est completement exclue de ce Journal." —
300 Schriftsteller, darunter fast alle bedeutenden Männer des damaligen
Frankreich, hatten sich als beitragende „fondateurs" erklärt. Trotzdem, oder
gerade weil das Unternehmen zu grossartig angelegt war, lebte die „Europe
litteraire" bloss ein Jahr lang. Beachtenswert ist, dass diese Schrift Heines
für die erste Nummer vielleicht ebensosehr als Programm, wie als Reklame
benutzt wurde. — Die drei einzigen erschienenen Bände enthalten auch sonst
noch litterarische Schätze, so z. B. George Sands „Lelia", Romane von Balzac.
Ebendaselbst eine Anzahl Aufsätze von Paulin Paris etc. etc.
454 Anhang.
1833. Une Preface, par H. Heine.
(26. Dez.)
Revue des deux Mondes.
1834. \ l I. La Revolution religieuse et
<i-^ärz.) 1 Martin Luther.
1834. I I II. Les precurseurs de la Revo-
(15. Nov.) \ j)g l'Allemagne.
1834.
(15. Dez.)
lution philosophique, Spinoza
et Lessing.
III. La Revolution philosophique.
Kant, Fichte, Schelling.
Revue de Paris.
1835. Esquisse autobiographique. Lettre de Henri Heine ä
(März.) ph. Chasles.
1840. William et Marie (Ratcliff).
(Januar.)
Revue du dix-neuviöme Siecle.
1840-45. Lettres confidentielles adressees a M. Aug. Lewald.
Die Briefe an Lewald, die Julia in den „Oeuvres com-
pletes" in den Band „De la France" eingereiht hat, waren
in den vierziger Jahren schon von Heine für die obige Zeit-
schrift übersetzt worden.
Revue des deux Mondes.
1836. Les Nuits florentines.
(15. April,
1. Mai.)
1847. Atta Troll.
(15. März.) XJebersetzer (anonym) Ed. Grenier.
1848.
(15. Juli.) Mer du Nord.
(15. Sept.) Intermezzo.
Uebersetzt von G. de Nerval. Von ihm auch die Ein-
leitungen, die in der Buchausgabe beibehalten worden sind.
Bibliographie. 455
Nervals „Intermezzo "-Uebertragung ist auch in seinen eigenen
Werken aufgenommen worden, und zwar in dem Band „Le
reve et la vie".
Anmerkung. Süpfle führt irrtümlich noch die Nummer
vom 1. April 1848 der „Revue des deux Mondes" an, in der sich
Uebersetzungen von Nerval befinden sollen, (ßd. III, pag. 138,
Anm. 55.)
1851. Romancero, poesies inedites.
(15. Okt.) Uebersetzt von Saint-Rene Taillandier (ungenannt!).
(Anmerkung. Nicht 1. Oktober, wie Süpfle anführt.)
1852. Mephistophela et la legende de Paust.
(15. Febr.) Uebersetzt von Saint-Rene Taillandier.
1853. Les dieux en exil.
(1. April.)
1854. Le Retour. Poesies de jeunesse.
(15. Juli.) . Uebersetzung und Einleitung von Saint-Rene Taillandier.
Die letztere befindet sich in den „Oeuvres completes".
1854. Les Aveux d'un poete.
(lo. Sept.) jyjii; einer Einleitung, die nicht in den „Oeuvres com-
pletes" („De l'AUemagne", II) aufgenommen ist.
1854. Le Livre de Lazare.
(1. Nov.) Einleitung und Uebersetzung (ebenfalls in den „Oeuvres
completes") von Saint-Rene Taillandier.
1855. Nouveau Printemps.
(lo. Sept.) Uebersetzt von Saint-Rene Taillandier.
Revue contemporaine.
1863. L'Intermede, imite on ne peut plus librement de
(lo. Sept.) rintermezzo de Henri Heine, par A. Claveau.
Revue fran^aise.
1863. Theätre de Henri Heine. William Ratcliff, traduit par
^^•^^■^•) Catulle Mendes.
456 Anhang,
Revue germanique et fran^aise.
T ,, ^ TT • TT . ( 1820 ^1825.
Lettres de Henri Heine.
1 1825-1836.
Traduites par Charles Berthoud.
(Blosse Auswahl.) Mit Einleitung und Notizen.
Revue des deux Mondes.
1870. Pensees et poesies detachees de Henri Heine.
(15. Jan.) (^^icij^ ^i^ g^pfl^ ^.^jgj.^^ ^p^j.«^ ^^^^ ^^.^^ j^^.^^^ g.^^^^ j^_^^^
(Aus Strodtmanns „Letzte Gediclite und Gedanken von H.
Heine".)
In einer Notiz, walirsclieinlich von Saint-Rene Taillandier,
heisst es am Schlüsse: „En resume, beaucoup d'ivraie; niais
Ton est amplement dedommage par certaines pages oü Heine
retrouve la suave harmonie de ses meilleures poesies, oü un
sentiinent profond alterne avec des eckits de rire argentins"
(pag. 541).
Revue illustrde.
1888. 1
:s^o. 52, 54 Pages posthuines de Henri Heine.
iöqq" I (Historien, Briefe, Aphorismen etc. mit Illustrationen.
löJ^. Y(3j.gi^ g;j^pi^^| jy .^
(15. Nov.) /
Register.
457
R
egister.
(Herr A. Spaeti, Gyjiinasiallehrer, der uns auch bei der Korrektur behülflich war, hat
die Abfassung- des Reg-isters gütigst übernommen.)
About, Ediu., 45. 186.
Achard, Auiedee, 337.
Adam, P., 379.
Adler-Mesnard 113.
Agesilas 90. 91.
Agoult, comtesse d', 44.
286.
Albert, Paul, 315.
Albin, Sebastien, 191.
Alton, Shee d', 122.
Amiel, Fred., 12. 185.
228.234.238.254.256.
257.258.261.264.381.
432. 443.
Aniyot 90. 185.
Arioste 53. 61.
Aristophanes 54. 66.
118. 332. 333. 359.
Arnim 52.
Arnould, Arthur, 139.
381.
Aubancl, Theod,, 416.
Aubryet 199.
Audebrand, Phil., 122.
139.165.376.419.440.
441.
Augier, Emile, 325.417.
Aulnoi, Abbe d', 92.
94.
Aurevilly, Barbey d',
44. 57. 59. 60. 61. 62.
63. 64. 110. 322. 390.
391. 392.
Autran, J., 414.
Baechtold 316.
Bahr, Herm., 377. 384.
Bailliere 231.
Baldensperger, F., 46.
Balzac 2. 34. 35. 44. 124.
125.126.172.179.276.
324. 368. 370. 415.
Bamberger, Ludw.,31 2.
Banville 2. 45. 73. 159.
228.322.323.325.328
bis 338. 358. 359. 362.
366.368.374.385.389.
399.
Barbier, Aug., 44. 47.
122. 158. 168.
Barres, Maurice, 317.
415.
Baudelaire, Charles, 12.
67. 69. 72. 200. 294.
296.303.318.321.323.
328.338.365.371.377.
379.380.384.385.386.
387—399. 416.
Baschet, Ludovic, 252.
Baxton, Camille, 191.
Bazan, E. Pardo, 46.
Bazard 36.
Beaudry 154.
Beaumarchais 334. 419.
Becker, Nie, 264. 275.
276.
Beethmann 44.
Beethoven 59.
Belgiojoso 32. 122. 131.
137.
Bellaigue, C, 46.
Belleau, Remi, 329.
Bellini 33, 277.
Beltjens, Gh., 234.
Beranger, J.-P. de, 16.
34. 85. 138. 139. 141.
306.
Berthoud, Charles, 115.
152. 220. 321.
Bertrand, Louis, 304.
394. 395.
Beyle-Stendhal 16.
Beze, Theod. de, 415.
Bire, Edm., 148.
Bismarck 124.
Blanvalet 264. 424. 427.
Blemont 359. 362.
458
Anluing.
Boccage 177.
Bodmer 185.
Börne 3. 8. 14. 53. 126.
127.128.144.185.203.
248. 290. 421.
Boileau 1. 244.
Bonald 63.
Borel, Petr., 11. 26. 35.
Bessert, A., 168.
Bossuet 157. 365.
Bouchor, Maurice, 370.
400.
Bouhours 139.
Boulinier, J., 251.
Bourdeau,J.,89.92.176.
251.
Bourget, Paul, 318. 363.
364.366.370.371.374.
381. 391. 400.
Bourloton, Edg., 143.
Boyer 203.
Brandes 101. 310.
Breal, Michel, 271.
Breitinger, H., 48. 138.
186. 208. 269. 285.
Breitinger, J. J., 185.
Brentano, Clement, 52.
102. 169.
Breton, Jul., 365.
Brizeux 33. 47.
Brunetiere, Ferd., 13.
15.24.71.72.156.157.
315.319.344.380.381.
382. 385. 391. 407.
408.
Buchon, Maximilien,
194. 195. 196.
Büchner, A., 46.
Buffon 303.
Buloz 170. 190.
Bürger 199. 200.
Burne, Fönes, 363.
Burns 85. 349.
Burty, Philippe, 231.
Bury,Blazede,45.281.
286. 292.
Busoni, Phil., 45.
Byron 15. 33. 62. 68. 69.
84. 157. 284. 285. 339.
364.375.388.396.400.
408. 411.
Calvin 424.
Camp, Maxime du, 187.
196. 427.
Candidus 282.
Capet, Ludwig, 253.
Caro, E., 45. 381.
Catulle 82.
Carrel, Armand, 23.
Carteret 144.
Casanova 415.
Cazahs, Henri, 363. 364.
Chamissol85.211.263.
Champfieury 35. 112.
Champsaur 379.
Charles, J.-N., 113.
Charpentier 178.
Charriere, Mad. de, 274.
Chartier, Alain, 58.
Chasles, Philarete, 23.
44. 154. 281. 292.
Chateaubriand 10. 12.
14. 15. 16. 17. 20. 31.
65. 286. 303. 374. 375.
379.
Chatelain 221.
Chatterton 411.
Chauifour-Ke8tner282.
Chenier, Andre, 14. 130.
Cherbuhez, V., 46. 312.
Chevaher, Michel, 36.
Chiarini 46.
Chimay, Hotel de, 35.
Chopin 75. 137.
Chuquet, Arthur, 312.
316.
Cladel, L., 318.
Claretie, Jules, 323. 327.
332. 365.
Claveau, A., 217. 309.
Clavet, Leon, 323.
Colon, Jenny, 35. 119.
196. 197.
Constant, Benj., 274.
285.
Coppee, FrauQois, 242.
318. 322. 327. 346.
347. 357. 377. 386.
Cormenin 126. 291.
Corneille 1.48. 269. 284.
Cornu-Lacroix, Mad.,
191.
Cornu, Sebastien-Mel-
cliior, 191.
Courrier, P.-L., 14.
Cousin, V., 19. 33. 274.
275. 280.
Couturier, Claude, 359.
361.
Cowper 24.
Crepet 391. 387.
Dangeau 272.
Daniaux, J., 120. 246.
249. 251.
Dante 61. 118.157.285.
415.
Dargy, Gaston, 214.
Daudet, A., 160. 323.
416.
Daudet, E., 160.
Delavigne, Casimir, 17.
18.
Della Rocca 90. 122.
Deloye 178.
Denecourt 293.
Dentu 240.
Deroulede 337.
Desaugiers 16.
Descartes 157.
Deschamps, A., 26.277.
Register.
459
Deschamps, E., 26. 277.
Dickens 71. 72.
Dierx, Leon, 357. 358.
Diderot 275. 368.
Didot, Firmin, 167,
Dietz, H., 113.
Dietz, L., 113.
Diez, Fr., 319. 443.
Dollfus 282.
Dostoi'ewski 71.
Dresch, J., 113.
Drumont, Ed., 145.
Ducliätel, Comte, 31.
Du Bellay 23. 24.
Ducis, 185. 275.
Ducros, Louis, 78. 89
bis 112, 336. 337. 403.
404.
Dudevant,Mad.25.137.
Du Deffand 12.
Duesberg, G., 112.
Dumas, Alex., 8. 23.
26. 29. 31. 177. 369.
Dupin, Aurora, 25.
Ebers 317.
Eggis, Et., 173. 196.
264. 427. 428.
Elster 252.
Elzear, Pierre, 354.
Embden, Baron v., 251.
Engel, Ed., 122. 252.
Enfantin 36.
Eraste 67. 386. 387.
Erkmann, 186.
Escudier, M. et L., 45.
Espronceda 388.
Faguet, E., 155. 295.
Fauriel, Claude , 22.
29.
Fenelon 157.
Fichte 98. 100. 103.
275.
Fichtenbaum - Ueber-
setz., 211. 225. 226.
227. 232. 236. 245.
Fidiere, O., des Prui-
vaux, 252,
Fischart 281.
Flaubert 2. 30. 196.
295. 296. 365. 390.
Floriani, Lucrezia, 137.
Fouque 169.
Fouquier, Marcel, 159.
160. 329.
Fouquier, Henri, 327.
France, Anatole, 323.
348. 415.
FrauQois, J., 49.
Franzos, Emil, 177.
Freiligrath 44. 49. 138.
214.
Freytag 92.
Frommel, Graston, 381
GaUiani, Abbe, 421.
Gautier, Paul, 260. 261.
433.
Gautier, Theophile, 11.
24. 25. 26. 31. 32. 44.
45. 49. 80. 114. 126.
142. 153. 154. 158. 159.
160.161.173.181.197.
240.293.294.295.296.
297.299.302.303.310.
321.322.323.325.328.
329.330.336.358.368.
385.386.389.395.427.
Gavarny 368.
Geibel 263. 317. 428.432.
Geiler von Kaisersberg
281.
Genoude, M. de, 190.
Geoffrin 12.
Gerimont 139.
Gersal, Luc, 160.
Ghil, Rene, 381. 384.
Ginisty,Paul, 326. 327.
359.
Girardin, Saint-Marc, 3.
23. 44. 48. 279.
Girot 113.
Glatigny, Alb. de, 322.
Gleyre, M. Gh., 49.
Gödecke, Karl, 205.
Godet 424. 425. 428.
Goncourt, freres, 35.
125.295.303.366.367.
368. 369. 390.
Goncourt, Edm., 366.
368.
Goncourt, Jules, 366.
369.
Goerres 278.
Goethe 15. 30. 53. 61. 69.
91. 100. 102. 103. 111.
113.124.131.143.146.
155.185.186.191.196.
217.240.252.269.274.
275.277.278.281.285.
286.305.313.358.397.
415. 422.
Gottfried von Strass-
burg 281.
Gotthelf, Jeremias, 254.
Gottschall 270.
Gounod, Charles, 160.
Gourowitch, M. S., 251.
Gozlan 179.
Grabbe, Christian, 217.
Grand - Carteret, 143.
144.
Gratry 190.
Grenadiere, Uebersetz.
202. 229. 237.
Grenier 33. 47. 56. 129.
bis 135. 137. 165. 166.
168. 171 — 173. 194.
208. 437.
Grillparzer 217. 315.
Grimm, Jac, 53.
460
Anhang.
Grimm, Melch., 421.
151. 275. 290.
Grimmeishausen 481.
Gros, Charles, 415.
Grosclaucle 365.
Gross, Ferd., 285. 314.
315. 316.
Gubernatis, de, 46.
Guicciardi 158.
Guigon, Paul, 400.
Guillot, Dr., 13.
Guizot 19. 127. 131.
Hafiz 85.
Hagedorn 214.
Halevy 145.
Hallberg, M.-E., 113.
Haraucourt, Ed., 318.
Hardouin 393.
Harel 177.
Hartmann, Moritz, 138.
150.
Haym 101.
Hebel, J. P., 57. 113.
195. 196.
Hebreu, Leon 1', 118.
Hegel 30. 58. 59. 189.
313.
Heine, Mad., 123. 128.
Heine, Max., 90.
Heine, Salomon, 81. 98.
Heinrichs, G. A., 46.
Hello 392.
Helvetius 275.
Hennequin, E., 70—78.
309. 315. 318. 324.
336. 341. 344. 346.
368. 371. 400. 418.
420.
Heredia , Jose Maria
de, 244. 323. 406.
Herder 53. 313.
Herwegh 251.
Hettner 101.
Hillebrand,K.,319.422.
Hirsch, P. R., 242.
Hoefer, Dr., 138.
Hoelty 152.
Hoffmann, A. Th., 57.
61. 72. 74. 112. 188.
199. 240. 370. 415.
Hoffmann v. Fallers-
leben 138.
Holbach 275. 290.
Homere 118. 358.
Horace 83. 85.
Houssaye, Arsene, 31.
35. 115. 154. 173. 196.
197. 203. 251. 303.
389. 394. 427.
Houssaye, H., 322.
Hüffer 174. 177.
Hugo, Victor, 1. 8. 11.
14. 15. 20. 21. 22. 23.
24. 25. 26. 29. 31. 32.
35. 124. 141. 148. 153.
157. 234. 267. 269.
285. 286. 287. 288.
315. 321. 323. 325.
328. 330. 331. 332.
335. 337. 365. 390.
392. 394. 405. 414.
416. 424. 427.
Humboldt, W., 92.
Huret, Jules, 415.
Huysmans 377.
Immormann 216.
Intermezzo-Uebersetz.
200. 210. 217. 226.
231. 242. 251.
Jacquot,Charles-Jean-
B. (de Mirecourt), 45.
145.
Janin, Jules, 45. 67.
69. 75. 190. 386. 387.
388, 392. 428.
Jaubert, Mad., 34. 122.
173. 174. 293. 296.
Jonquiere , Antonelle
M. de, 46.
Jordaens 83.
Joret, Gh., 270.
Joubert 103.
Joukowski 133.
Julia, Henri, 114.
Kahn, Gust., 414.
Kant 65. 103. 189. 275.
313.
Karpeles, Gustave, 41.
220.
Keates 375.
Keller, Gottfried, 32.
46. 113. 254. 256.
Kellermann 281.
Kerner, Justinus, 432.
Kist 161.
Klaczko, Julian, 45.
Kleber 281.
Kleist 177.
Klopstock 25. 58.
Kock, Paul de, 142.
Kohn-Abrest 46.
Körner, Th., 98. 195.
211. 278.
Koschwitz, E., 316. 337.
Kreutzer, Prof., 278.
Kreyssig, Fr., 10. 314.
Krinitz, Frau von, 122.
208.
Krüdener,Baronin, 285.
Krysinska, Marie, 404.
405. 406. 408.
Kuhff 113.
L,a Bruyere 303. 379.
Lacaussade, Aug., 47.
Lacordaire 23.
Lacour, Paul de, 210.
Lacroix, M"", 191.
Register.
461
Lafargue 382. 411. 415.
Lafayette 31.
Lafontaine 17. 85. 131.
142.
Lagenevais, de, 292.
La Harpe 3l9.
Lamartine 1. 8. 14.
17. 21. 31. 61. 62.
77. 130. 157. 264.
284. 285. 286. 315.
32L 324.
Lamennais 23.
Lamirault 168.
Lande, Louis de, 174.
Lanson, Gust., 313.
Laprade , Victor de,
47.
La Rochefoucauld 365.
Larousse, Pierre, 167.
348.
Lassailly 35.
Latouche, Henri de, 14.
Laube, Heinrich, 29.
41.84.88.136.137.173.
Laurent-Pichat, L., 45.
Lecomte, Jules, 45.
Leconte de Lisle, 322.
323. 357. 358. 386.
Legras 132. 160. 176.
Lehmann, Heinrich, 35.
Lemaitre, Jules, 17.
157. 158. 327. 337.
399. 412.
Lemer, Julien, 387.
Lemerre 322. 323. 348.
349. 405. 423.
Lenau 33. 49. 185. 263.
432.
Leopardi 33. 47. 388.
Lerminier, Jean, 29,
36. 210. 280. 292.
Lermontoff 388.
Leroy-Beaulieu, Ana-
tole, 148. 149.
Lespinasse, M"« de, 12,
368.
Levasseur 46.
Levy, Ant., 113.
Levy-Bruhl 147.
Levy , Calmann , 47.
57. 176. 191. 207.
209. 216.
Levy, Lucien, 45.
Lichtenberger, E., 146.
Lichtenberger, F. A.,
146.
Lichtenberger, H., 46.
146.
Linguet 394.
Liszt 137, 190.
Li-Tai-Pe 85.
Littre 173.
Loeve-Veimars, 22. 29.
114. 167. 187. 188.
189. 240. 291.
Lucas, H., 46.
Lupus, Alexis, 241.
Luther, 61. 133. 185.
271.
Jflagny 154.
Mahrenholtz 271.
Malherbe 157.
Mallarme, Stephane,
201. 245. 318. 322.
328. 383. 395.
Malurer, Germain, 138.
Marelle, Gh., 251.
Marc-Monnier 203. 254.
261. 263. 423. 432.
Marlborough 64.
Marmier, Xavier, 22.
189. 280. 292.
Marot, Clement, 333.
Martin, Nicolas, 203.
204. 205.
Massen, Paul, 158.
Maeterhnk 377.
Matter 186. 283.
Maupassant, Guy de,
390.
Meister, H., 275.
Meissner, A., 33. 50.
122. 155. 166.
Meissner, Dr. Fr., 269.
271. 285. 313. 428.
Menard, Louis, 322.
Mendes, Catulle, 216.
225. 294. 322. 323.
324. 338. 341. 342.
346. 347. 357. 358.
Merat, Alb,, 225. 226.
227. 323.
Mercier 275.
Merimee, Prosper, 11.
22. 31.
Mery 190.
Meyer, Frederic, 292.
Meyer, Paul, 380.
Meyerbeer 126. 190. 276.
Mezieres 252.
Michelet, Jules, 19. 414.
Michiels, Alfred, 44,
185. 202.
Mignet, Frangois Aug.,
19. 33. 369.
Millet 225.
Mimnerme 118.
Mirabeau 365.
Mirecourt, Eugene de,
44. 45.
Mistral 416.
Mole 127.
Meliere 101. 419.
Mommsen, Tycho, 184.
211.
Monod, Gabriel, 313.
Monselet, Charles, 306.
Montaigne 272.
Montegut,E.,45.48.50.
78 bis 89. 150. 308.
309. 312.
462
Anhang.
Monti 390.
Moreas, Jean, 381. 382.
384.
Moreau, Heges., 411.
Morel 139.
Morf, H., 3.
Morice, Charles, 310.
323. 325. 378. 380.
381. 403. 404. 411.
416.
Moscheroch 281. 481.
Motte-Fouque 103.
Mouche (Cani. Seiden)
170. 171. 208. 209.
Mousseline 179.
Müller, W., 102.
Murat 92.
Murger, Henri, 35. 203.
427.
Musset, Alfred de, 11.
15. 24. 26. 33. 34. 75.
77. 85. 95. 122. 124.
141.153.157.171.261.
264.275.276.285.296.
308.309.321.324.332.
339.345.365.396.408.
417.419.425.428.433.
Ifancy, C.-M., 251.
Naquet, Felix, 364.
Necker 12.
Neffzer 282.
Nencioni, E., 46.
Nerval, Glerard de, 26.
35. 47. 115-119. 127.
170. 186. 196-202
206.234.280.286.303.
304.365.395.409-412.
416. 427.
Niebuhr 278.
Nodier. Charles, 15. 25.
26. 285.
Normand, Jacques, 414.
Novahs 101. 150.
Obelisque , L' — de
Luxer, 300.
ObeUsque , L' — de
Paris, 299.
Odeurs de Paris, Les,
141.
Orleans, Charles d'— ,
329.
Orleans, Herzogin von,
272.
Ortfried von Weissen-
burg 281.
Ossian 47. 284.
Otte, Friedr., 282.
Ottiker von Leyk 185.
186.
Ovide 118.
Paganini 100.
Paleologue , Maurice,
46.
Palice, M. de la, 65.
Paris, Gaston, 319. 323.
Parlow, Dr. H., 186.
Pascal, 157. 369.
PeUssier 315. 324.
Pelletan, Camille, 348.
Perier, Casimir, 152.
Perkins 158.
Perthes 92.
Petrarque 88. 95. 118.
157. 284. 416.
Peyrot, Maurice, 379.
Pfeifel 282.
Pichon, Aug., 189.
Pischot, Amedee, 15.
Planche, Gustave, 29.
281. 292.
Platen 185. 221.
Plutarque 90.
Poe 72. 368. 375. 380.
381. 386 — 389. 395.
399. 411.
Poletika 133.
Pompadour 169.
Ponsin, P., 190.
Pontmartin, de, 48, 64,
65, 110.
Poulet- Malassis 211.
387.
Pouschkine 133.
Pressense, F. de, 318.
Prevost, Marcel, 121.
246. 376.
Prieur, Camille, 240.
Properce 118.
Proudhon 23.
Prudhomme, Sully, 322.
357. 414.
Psichari, Jean, 406.
Puck 53.
Puitspelu 442. 443.
Quenard 44.
Quincy 368. 389.
Quinet, Fdg., 3. 29. 44.
264.278.279.292.312.
Rabelais 61. 295. 419.
Racine 1. 379.
Rahel 173.
Rambert, Eugene, 254.
261.263.264.432.433.
Rambouillet, Hotel, 12.
Rambouillet, Madame
de, 11.
Rapp 281.
Raspail 126.
Ratisbonne, Louis, 45.
210. 213.
Raupach 217.
Renan 154. 158. 312.
313. 381.
Renduel 44. 114. 178.
Regnier 68.
Reinach, J., 270. 276.
Rette, A., 415.
Revilliod, Gustave, 112.
Register.
463
Reymond, William, 33.
48. 269. 284. 306. 309.
315. 428.
Richepin, Charles, 161.
370. 399. 400.
Richter (Jean Paul)
74. 420.
Rienzi 49.
Rimbaud, Arthur, 383.
405. 411.
Ristelhuber 185. 186.
210. 211. 282. 412.
Rivarol61.226.367.397.
Rod, Ed., 71. 318.
■Rodenbach 318. 383.
392. 405. 406.
Rodriguet, Ohnde, 36.
RolHnat 318.
Ronsardll. 17. 23.329.
358.
Ropartz, Guy, 242. 245.
Roquette, O., 238.
Rosieres, R., 270.
Rosny, J. H., 405.
Rossel,Virgile,257.261.
424. 428.
Rossini 277.
Roumanille 416.
Rousseau, J.-B., 17.
Rousseau, J.-J., 12. 15.
33. 62. 157.
Ruppert, Sir, 239.
Royer, Alphonse, 127.
Sainte-Beuve, Charles-
A., 2. 14. 15. 18. 23.
24. 26. 28. 48. 150 bis
154. 205. 220. 269.
275. 284. 285. 312.
319. 387. 390. 395.
421.
Saint-Pierre,ßernardin
de, 15. 16.
Saint-Preux 285.
Saint -Simon 36. 272.
379.
Saint-Victor, Paul de,
199.
Salvandy, de, 31. 204.
Sand, George, 11. 25.
136. 137. 285. 296.
Sandeau, Jules, 25. 417.
Sarcey 155.
Sarlo, de, 158.
Sarrasin, Josef, 332.
Sarrazin, Gabriel, 318.
Saumet, Alex., 25.
Savage, Rieh., 393.
Savary, General, 273.
Scarron 63.
Scherer, Edm., 142.
184. 256. 315. 316.
381. 391.
Scherer, AV., 101. 150.
Scherr, Joh., 238.
Schiller 61. 102. 103.
113. 185. 200. 281.
287. 305. 313.
Schlegel, W., 98. 99.
101. 150. 185.
Schmidt- Weissenfeis
292. 296.
Scholl, Aurelien, 368,
369. 379.
Schopenhauer 89.
Schnell ardt, Hugo, 3.
Schul- und Studien-
bücher 113.
Schumann 74.
Schuermans 215.
Schure, Edouard, 142.
143. 185. 223. 318.
420.
Scott, W., 20. 34. 188.
Scribe, Eug. 18.
Seeger, Ludwig, 138.
Seiden, C, 122. 157.
171. 208. 326. 403.
Selher 231.
Senancourt 285.
Sethe, Christian, 174.
176.
Shakespeare 48. 69.
93. 185. 217. 269.
285. 287. 375. 404.
405. 415.
Shelley 157. 371. 375.
Silvestre, Armand, 323.
Simrock, Karl, 45. 203.
Smirnoff, Madame, 133.
Solue, Fred., 393.
Sorel, Albert, 313.
Spach, Ludw., 282.
Specht, A., 189. 190.
191. 292. 437.
Spinoza 149.
Spoelberch,Yicomte de,
3. 45. 179. 437.
Spronck, M., 368, 385.
388. 391.
Stael, Mad. de, 12. 13.
45. 53. 59. 66. 106.
151. 270—280. 286.
312. 313.
Stahr, Adolf, 207. 329.
Steen 83.
Stendhal 152. 370.
Stern, Daniel, 44, 210.
286.
Stigand 81.
Stober, August, 282.
Stober, Ludwig, 282.
Strodtmann 186. 327.
421.
Stuart Merill 381.
Sue 44. 124. 125. 126.
Süpfle, Dr. Th., 44.
112. 146. 185. 191.
234. 263. 269. 270.
285. 287. 306. 313.
327. 428.
Swinburne 416.
464
Anhang.
Taine 60. 77. 157. 303.
312. 313. 416.
Tabaraud, Gh., 231.
Taillandier, St -Rene,
47 bis 56. 114. 168.
169. 171. 207-210.
281. 312. 313. 365.
Tallenay, J. de, 251.
Tasse, Le, 284.
Tastu, Mad., 26.
Tennyson 388.
Texier, Edra., 45.
Theophile 69.
Tliiers, Louis-Adolphe,
19: 20. 127. 165.
188.
Thierry, Augustin, 20.
TibuUe 118.
Tieck 150. 185. 278.
Tisseur, Clair, 412.
Tissot, E., 315. 371.
Tolstoi 71. 363.
Tourgueneff 71. 153.
421.
Tourneux, Maurice, 3.
387.
Treitschke 150.
Troyon 190.
Uhland 138. 185. 195.
200. 210. 263. 278.
282. 305. 306. 423.
432.
Uzanne 246.
"Vacquerie 335.
Valade,Leon,225— 228.
230.258.323.347.348.
349. 358.
Valbert (Victor Cher-
buliez) 46. 312.
Valien, Frangois, 238.
Varnhagen v.Ense, 30.
Varnhagen, Rahel, 99.
100.
Vaughan, E., 231.
Vauvenargues 291.
Venedey, 138.
Vergolo, 383.
Verlaine, P. 245.323.
328. 358. 365. 377.
382—384. 391. 411.
412. 416.
Veron, L., 34.
Veuillot, Louis, 141.
142. 145. 148. 419.
Vicaire, Gabriel, 415.
Viele-Griffin 381.
Vigny, Alfred de, 15.
17. 18. 26. 29. 31. 254.
286. 321. 407.
ViUemain 20. 23. 269.
274. 332.
Villemessant 179.
Villemont, Auguste, 45.
Villon 85. 412. 427.
Virgile 67.
Virieu, M. de, 284.
Vogüe, de, 318. 421.
Voiture 272.
Voltaire 35. 58. 61. 63.
64. 65. 125. 141. 142.
146. 157. 166. 168. 170.
174. 393. 420.
Vrignault, Paul, 214.
Vuy, Jules, 263. 264.
431. 432.
liVackenroder 103.
Wagner, Richard. 124.
150. 190. 323. 324.
371. 382. 415.
Warnod, Emma, 381
Weil, Louis, 113.
Weill, Alexandre, 28.
123. 128. 144. 170.
192. 193. 200. 371.
Weise, Alwin, 316.
Weiss, J.-J., 155. 186.
283. 315.
Werner, Z., 251.
Wiasemsky 133.
Willm 186. 188. 189.
Wolf 170.
Wolif,Alb.,28.123.145.
Wolff, Eug., 136. 137.
Wordsworth 24.
Zola, E., 2. 160. 295. 316.
ZedHtz 49.
Zendrini , Bernardino,
46. 88. 181. 416.
Ziesing, 234. 391. 397.
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